Museum und Partizipation: Theorie und Praxis kooperativer Ausstellungsprojekte und Beteiligungsangebote 9783839439616

The first scientifically substantiated and comprehensive discussion of the trendy topic of museum participation in Germa

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German Pages 534 Year 2017

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Table of contents :
Inhalt
Verzeichnis der Grafiken, Tabellen und Fotos
Vorwort und Dank
I. Einführung
II. Partizipative Ausstellungsprojekte analysieren – Methodendiskussion
III. Partizipation – Definitorische Annäherung
IV. Partizipation im Museum – Stand der Diskussion
V. Partizipation analysieren
VI. Partizipation in der Praxis – Fallstudien partizipativer Ausstellungsprojekte
VII. Output/Fazit – Partizipation und die Folgen
VIII. Am Schluss – und doch noch lange nicht am Ende...
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Museum und Partizipation: Theorie und Praxis kooperativer Ausstellungsprojekte und Beteiligungsangebote
 9783839439616

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Anja Piontek Museum und Partizipation

Edition Museum | Band 26

Anja Piontek (Dr. phil.), geb. 1981, ist museale Kunst- und Kulturvermittlerin, Pädagogin und Museologin. Im Rahmen ihres Promotionsprojekts war sie Stipendiatin der Zentralen Forschungsförderung der Universität Bremen sowie Scientist in Residence an der Museumsakademie Joanneum. Sie leitet die Vermittlungsabteilung am Schloßmuseum Murnau, ist freiberuflich in der Museumsberatung tätig sowie Referentin auf Fachtagungen und in der universitären Aus- und Weiterbildung.

Anja Piontek

Museum und Partizipation Theorie und Praxis kooperativer Ausstellungsprojekte und Beteiligungsangebote

Zugl.: Diss., Univ. Bremen 2016

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2017 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: © Ute Schweizerhof. Projekt »retro_perspektive«. Partizipative Intervention mit museeon bei der »Langen Nacht der Museen in Frankfurt« 2011 im Historischen Museum Frankfurt. Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-3961-2 PDF-ISBN 978-3-8394-3961-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Verzeichnis der Grafiken, Tabellen und Fotos | 9 Vorwort und Dank | 11

I. E INFÜHRUNG |

13

Am Beginn eines partizipativen Zeitalters? • Partizipation – Vieldeutigkeit und normative Aufladung • Partizipation im kulturellen Bereich und speziell im Museumswesen • Konjunktur(en) • Heutige Herausforderungen für das Museumswesen • „From being about Something to being for Somebody“ und „Kultur für alle von allen“ • Zum Inhalt und Aufbau dieses Buches

II. P ARTIZIPATIVE AUSSTELLUNGSPROJEKTE ANALYSIEREN – METHODENDISKUSSION | 31 II.1

Forschungsziele und Vorgehen im Gesamtüberblick | 33

II.2

Theoriebildung: Genese des Dimensionenmodells | 39

II.3

Empirische Einzelfallstudien: Auswahl, Erkenntnismittel und Vorgehen | 41

II.3.1 Auswahl und Begründung der Fallstudienprojekte | 41 II.3.2 Ausstellungsanalyse: Exkurs über bestehende Ansätze und eigenes Vorgehen | 45 II.3.3 Befragung beteiligter MuseumsmitarbeiterInnen (leitfadengestützte Interviews) | 58 II.3.4 Befragung von TeilnehmerInnen (Online-Fragebogen) | 62 II.4

Zusammenfassung | 66

III. P ARTIZIPATION – DEFINITORISCHE ANNÄHERUNG |

67

III.1

Partizipation aus sprach- und ideengeschichtlicher sowie fachspezifischer Perspektive | 69

III.1.1 III.1.2 III.1.3 III.1.4

Partizipation aus etymologischer Sicht | 69 Partizipation aus ideengeschichtlicher Perspektive | 76 Partizipation aus Sicht der Soziologie und Pädagogik | 78 Zusammenfassung | 81

III.2

Eigenes Partizipationsverständnis – oder: Definitionsvorschlag für Partizipation aus museologischer Sicht | 85

IV. P ARTIZIPATION IM MUSEUM – STAND DER DISKUSSION | 93 IV.1

Historischer Exkurs und aktuelle Literaturlage | 95

Positionen I: Befürwortung von Partizipation | 101 IV.2.1 „Museums must either become participative or disappear“ | 101 IV.2.2 Zusammenschau und Kontextualisierung | 116

IV.2

IV.3

Positionen II: Befürwortung unter bestimmten Bedingungen | 120

IV.3.1 „...wann [...] Partizipation vielleicht doch Sinn machen könnte“ | 120 IV.3.2 Zusammenschau und Kontextualisierung | 131 Positionen III: Partizipationskritik | 136 IV.4.1 „Partizipation ist [...] weder ein moralischer Wert an sich noch liefert sie eine Gewinnstrategie.“ | 136 IV.4.2 Zusammenschau und Kontextualisierung | 145 IV.4

IV.5

Fazit | 151

V. P ARTIZIPATION ANALYSIEREN |

153

V.1

Vorhandene Partizipationsmodelle | 155

V.1.1 V.1.2 V.1.3 V.1.4 V.1.5

Kategoriale Modelle | 155 Prozessuale Modelle/Stufenmodelle | 160 Zwischenfazit | 173 Silke Feldhoffs Typologie für Partizipation in der Kunst | 174 Nina Simons Stufenmodell partizipativer Museumsarbeit | 179

V.2

Dimensionenmodell von Partizipation | 183

V.2.1 V.2.2 V.2.3 V.2.4 V.2.5 V.2.6 V.2.7 V.2.8 V.2.9

Dimension Beteiligung | 184 Dimension Akteure | 208 Dimension Ausstellungsgegenstand | 214 Dimension Raum | 222 Dimension Zeit/Prozess | 225 Dimension Kommunikation und Interaktion | 231 Dimension Zielsetzungen | 243 Dimension Selbstverständnis | 254 Eine weitere Dimension? | 258

VI. P ARTIZIPATION IN DER PRAXIS – FALLSTUDIEN PARTIZIPATIVER AUSSTELLUNGSPROJEKTE | 259 VI.1

Vorstellung Fallstudie 1: OSTEND // OSTANFANG | 261

VI.1.1 Ein neues Museum! – Kontextualisierung | 261 VI.1.2 Das Projekt – Kurzüberblick | 266 VI.2

Vorstellung Fallstudie 2: NeuZugänge | 274

VI.2.1 Aller Anfang ist eine Leerstelle... – Kontextualisierung | 274 VI.2.2 Das Projekt – Kurzüberblick | 279 VI.3

Vorstellung Fallstudie 3: gerhardWER? | 288

VI.3.1 Ungeahnte Einblicke! – Kontextualisierung | 288 VI.3.2 Das Projekt – Kurzüberblick | 291 VI.4

Vergleichende Analyse der drei Projekte | 299

VI.4.1 VI.4.2 VI.4.3 VI.4.4 VI.4.5 VI.4.6 VI.4.7 VI.4.8

Dimension Akteure | 299 Dimension Beteiligung | 307 Dimension Zeit/Prozess | 317 Dimension Kommunikation/Interaktion | 322 Dimension Ausstellungsgegenstand | 332 Dimension Raum | 337 Dimension Ziele (Teil I) und Dimension Selbstverständnis | 352 Dimension Ziele (Teil II): Motive der Teilnehmenden | 362

VII. O UTPUT/FAZIT – P ARTIZIPATION UND DIE FOLGEN |

373

VII.1 Partizipation und Reproduktion/ Audience Development | 375 VII.2 Inklusion = Exklusion? | 383 VII.3 Sich-Einlassen-Können – Partizipation als Wert an sich | 387 VII.4 „Zauberwort“ Partizipation: Fauler Zauber oder echter Mehrwert für die Teilnehmenden? | 390 VII.5 Mehrwert Vergegenwärtigung | 399 VII.6 Exkurs: Partizipation aus lern- und motivationspsychologischer Sicht | 407 VII.7 Museum als „contact zone“ und sozialer Raum durch Partizipation? | 413 VII.8 Folgeerscheinungen – eine neue KuratorInnenrolle? | 420 VII.9 Folgeerscheinungen – Niveaulosigkeit und Qualitätsverlust? | 428 VII.10 Folgeerscheinungen – Zensur und Vorauswahl? | 438 VII.11 Folgeerscheinungen – Relevant oder bedeutungslos? Wie empfinden BesucherInnen partizipativ generierte Ausstellungen? | 443 VII.12 Nur mehr Aufwand oder echter Mehrwert? Wo profitiert das Museum? | 455 VII.13 In einem anderen Modus operieren – Bruch mit dem ‚System Museum‘? | 465

VIII. AM S CHLUSS – UND DOCH NOCH LANGE NICHT AM E NDE ... | 479 Paralleluniversum Partizipation • Partizipation in der Praxis • Folgen und Implikationen • Tendenzen und Grenzen • Was bleibt?

Literatur- und Quellenverzeichnis | 489 Übersicht und Informationen zum digitalen Anhang | 531

Verzeichnis der Grafiken, Tabellen und Fotos

Grafiken Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7: Abbildung 8: Abbildung 9: Abbildung 10: Abbildung 11: Abbildung 12: Abbildung 13:

Tabellen Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5:

Begriffs- und Bedeutungskontinuum von Partizipation | 71 Minimalschema von Partizipation | 86 Trias-Prinzip von Partizipation in der musealen Ausstellungspraxis | 91 Formen politischer Partizipation | 156 Partizipationsleiter nach Arnstein | 161 Partizipationsmodell von Blandow/Gintzel/Hansbauer | 164 Intensitäten kultureller Partizipation von Ehmayer | 169 Publikumsbeteiligungsspektrum von Brown et al. | 171 Arten der ‚Beteiligung‘ am künstlerischen Schaffensprozess von Brown | 172 Die vier Rezeptionsmodi von Feldhoff verortet im Begriffs- und Bedeutungskontinuum | 176 Thematische und intentionale Grundausrichtungen partizipativer Museumsangebote | 178 Dimensionenmodell von Partizipation im Museum | 185 Mögliche Kommunikations- und Interaktionsstrukturen bei Partizipation | 243

Partizipationskontinuum von Hanschitz et al. | 165 Typologie partizipativer Angebotsformate im Museum | 205 Museumsseitige Zielkategorien/Stoßrichtungen von Partizipation | 247 Mögliche Motive von Teilnehmenden | 252 Aufschlüsselung wesentlicher funktionaler Aspekte von Partizipation und Beteiligung in den Fallstudienprojekten aus Museumssicht | 360

10 | M USEUM UND P ARTIZIPATION

Fotos Projekt Ostend // Ostanfang Abbildung 14: Impressionen Ostend // Ostanfang 1 | 269 Abbildung 15: Im Ostend | 270 Abbildung 16: Impressionen Ostend // Ostanfang 2 | 271 Abbildung 17: Impressionen Ostend // Ostanfang 3 | 272 Abbildung 18: Details | 273 Fotos Projekt NeuZugänge Abbildung 19: Impressionen NeuZugänge 1 | 282 Abbildung 20: Impressionen NeuZugänge 2 | 283 Abbildung 21: Impressionen NeuZugänge 3 | 284 Abbildung 22: Mittelvitrine | 285 Abbildung 23: Gestaltungsdetails | 286 Abbildung 24: Kommentierungsmöglichkeiten für BesucherInnen | 287 Fotos Projekt gerhardWER? Abbildung 25: Impressionen gerhardWER? 1 | 294 Abbildung 26: Impressionen gerhardWER? 2 | 295 Abbildung 27: Impressionen gerhardWER? 3 | 296 Abbildung 28: Hinter den Kulissen des Gerhard-Marcks-Hauses | 297 Abbildung 29: Sockelraum | 298

Vorwort und Dank

Diese Publikation stellt die Veröffentlichung meiner im April 2016 an der Universität Bremen eingereichten Doktorarbeit mit dem Titel „Museum und Partizipation. Theorien und Praxen kulturell gestaltender Teilhabe von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen an musealen Vermittlungsprozessen“ dar. Ausgangspunkt dessen war ein partizipatives Projekt, das ich 2005/2006 als Teil des KuratorInnen-Teams des Focke-Museums, des Bremer Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte, mitkonzipiert und durchgeführt habe. Daher möchte ich dem damaligen Museumsleiter Prof. Dr. Jörn Christiansen danken – er pflanzte damit, ohne es zu ahnen, den Keim für mein Interesse an Partizipation, das einige Jahre später zur Entscheidung führte, darüber eingehend zu forschen. Im gleichen Atemzug sei meiner Doktormutter Prof. Dr. Maria Peters für die langjährige, geduldige und wohlwollende Begleitung und Unterstützung dieses sehr offenen Forschungsprojekts ganz herzlich gedankt. Außerdem danke ich PD Dr. Viktor Kittlausz, der sofort bereit war, die Arbeit als Zweitgutachter zu betreuen, ebenso Prof. Dr. Irene Nierhaus und Prof. Dr. Michael Müller sowie den beiden Lehrbeauftragten Dres. des. Sarah Rothe und Christina Inthoff, die die Prüfungskommission im November 2016 komplettierten. Ein besonderer Dank gilt auch der Zentralen Forschungsförderung der Universität Bremen, ohne deren Stipendium die Aufnahme dieser Arbeit gar nicht möglich gewesen wäre, zudem der Museumsakademie Joanneum, die mir einen Aufenthalt in Graz als Scientist in Residence ermöglicht hat. Außerdem danke ich Prof. Dr. Guido Fackler, Professor für Museologie an der Universität Würzburg, der mir stets mit Rat und Tat zur Seite stand und mich einlud, an seinem Doktorandenkolloquium teilzunehmen. Des Weiteren sei meiner Chefin, Museumsleiterin Dr. Sandra Uhrig, herzlich gedankt, die meinen ‚Zweitjob Doktorarbeit‘ nicht nur akzeptierte, sondern nach Kräften unterstütze. Partizipation ist eine ‚gemeinschaftliche Sache‘, die nur gelingt, wenn andere bereit sind, mitzumachen – ganz in diesem Sinne möchte ich deshalb meinen großen Dank all jenen aussprechen, die mich mit Informationen, Auskünften, Hinwei-

12 | M USEUM UND P ARTIZIPATION

sen und Anregungen versorgt haben, allen voran meinen InterviewpartnerInnen sowie all jenen PartizipientInnen, die bereitwillig meinen langen Fragebogen beantwortet haben. Ebenfalls danke ich meiner Lektorin Eltje Böttcher sowie meiner verlagsseitigen Projektmanagerin Jennifer Niediek. Last but not least möchte ich meiner Familie und meinen FreundInnen danken, allen voran meinem Mann, der mit mir Höhen und Tiefen teilte und mir nicht nur als moralische Stütze zur Seite stand, sondern auch als wichtigster fachfremder Gesprächspartner, Kritiker und Impulsgeber. Eine letzte Anmerkung möchte ich meiner Arbeit voranstellen, die gendergerechte Formulierungen betrifft: Dieses Buch ist das Ergebnis eines mehrjährigen, langwierigen Forschungsprozesses. Insofern bleibt es nicht aus, dass sich manche Konvention oder ‚Mode‘ inzwischen überlebt hat. So ist heute eine geschlechtersensible Schreibweise mit ‚Lücke‘ oder ‚Sternchen‘ üblich (z.B. Besucher_innen oder Besucher*innen), um auch Personen einzubeziehen, die sich nicht klar als männlich oder weiblich definieren. Ich hatte mich zu Beginn meiner Promotion für die damals übliche Schreibweise mit sogenanntem Binnen-I entschieden und mich nun für diese Veröffentlichung aus rein pragmatischen Gründen dazu durchgerungen, diese Schreibung nicht mehr zu überarbeiten. Man möge mir diese Entscheidung nachsehen; jedes Binnen-I versteht sich als eine Schreibung mit ‚Lücke‘ oder ‚Sternchen‘ im Geiste – denn natürlich sind sämtliche Formulierungen in meinem Buch von mir geschlechtsneutral gemeint.

I. Einführung

14 | M USEUM UND P ARTIZIPATION

AM „B EGINN EINES

PARTIZIPATIVEN

Z EITALTERS “ 1?

Partizipation ist spätestens seit der Jahrtausendwende zu einem breiten Schlüsselthema diverser Disziplinen und gesellschaftlicher Bereiche geworden und erlebt gerade einen Höhepunkt. Teilweise wird sogar gemutmaßt, dass die 2010er Jahre in rückblickender historischer Betrachtung als „Partizipationsdekade“ (Klatt 2012: 3) in die Geschichte eingehen könnten. Auch die Institution Museum bleibt von dieser Entwicklung nicht unberührt: So ist die Beteiligung von (potenziellen) BesucherInnen seit einigen Jahren auch ein prominentes Thema im deutschen Museumswesen, nachdem in anderen Ländern, insbesondere den USA, Großbritannien und den Niederlanden, partizipative Verfahrensweisen oder Ausstellungselemente bereits relativ etabliert und anerkannt sind; immer öfter machen Phrasen wie die vom „collaborative turn“, dem „participation paradigm“ oder dem „participatory turn“ die Runde.2 Anders als im deutschsprachigen Raum existieren in benannten Ländern auch bereits erste ausführlichere Abhandlungen über Partizipation im musealen Kontext, wenn auch eher in Form von Praxisleitfäden. Die vorliegende Arbeit möchte hier Abhilfe schaffen und eine erste wissenschaftliche Diskussionsgrundlage, insbesondere für das deutsche Museumswesen, liefern. Dies halte ich für notwendig und lohnend, da die Debatte um partizipative Vorstöße im Museumssektor, wie mir scheint, derzeit von Extrempositionen dominiert wird, also entweder erbitterte Gegnerschaft oder glühende Befürwortung. Dabei den Überblick zu bewahren und zu einer realistischen Einschätzung der vorgebrachten Argumente zu kommen, ist schwer: Was ist dran am „Albtraum Partizipation“ (Miessen 2012), welcher, so scheint es den einen, einem Abgesang auf museale Werte und hochkulturelle Bildung angesichts eines bodenlos absinkenden Angebotsniveaus gleichkomme, damit auch wirklich alle im Sinne einer „euphorisierten Erlebnismuseologie“ (Meier 2000: 12) im „Club-Med-Stil“ (Rollig 2002: 135) dort abgeholt werden, wo sie (vermeintlich) stehen? Ist Partizipation also nur sinnentleerte ‚Party-zipation‘? – Oder haben doch die anderen recht, die auf die Potenziale von Partizipation pochen und hierin einen gangbaren Ausweg aus dem selbstgeschaffenen Dilemma der Museen als „publicly funded, yet private and exclusive clubs“ (Fleming 2002: 213) sehen, die allmählich aus dem Blickfeld und Interesse der breiten Gesellschaft verschwinden? Nicht wenige verweisen auch im Zusammenhang mit dem Thema Migration darauf, dass Museen über öffentliche Aktionen Lücken in den eigenen Sammlungsbeständen füllen könnten – und noch dazu medienwirksam als sozial-integratives und selbstverständlich postkolonial eingestelltes Haus von sich reden machen könnten. Was 1 2

Miessen 2012: 7. Vgl. Lind 2007b:15, van Mensch & Mejer-van Mensch 2011: 51 u. Milevska 2006: o.S.

E INFÜHRUNG

| 15

wiederum die Frage aufwirft, ob ein solches Haus überhaupt noch ein Museum ist, oder ‚bloß‘ eine Art soziokultureller Treffpunkt. Was also passiert wirklich, wenn Museen Menschen aus der Bevölkerung aktiv beteiligen?

P ARTIZIPATION – V IELDEUTIGKEIT NORMATIVE AUFLADUNG

UND

Der aus dem Lateinischen stammende Begriff ‚Partizipation‘ (Beteiligung, Teilhabe, Mitbestimmung) ist in Deutschland mittlerweile zu einem populären Schlagwort avanciert; dementsprechend bemerkenswert finden es etwa die beiden Erziehungswissenschaftler und Bildungstheoretiker Sönke Ahrens und Michael Wimmer, „[...] in wie vielen unterschiedlichen Zusammenhängen der Begriff der Partizipation gegenwärtig verwendet wird. Ansprüche an Partizipation finden sich in der Entwicklungshilfe, beim Demokratielernen, in der Altersbetreuung und bei der Erstellung von Bebauungsplänen; man findet Artikel über die ‚Partizipation beim Speisenangebot der Mensa‘ und solche, bei denen es um das ‚Wickeln im Dialog‘ geht.“ (Ahrens & Wimmer 2012: 19)

Allein dies lässt schon erahnen, auf welch weites und disparates Feld man sich begibt, möchte man den Begriff „Partizipation“ näher definieren; die Vorstellungen reichen hier von bloßem Anwesend-Sein über verordnete (Selbst-)Lernerfahrungen über basisdemokratische Mitbestimmungsverfahren, wie wir sie aus dem politischen Bereich kennen, bis hin zum anarchistischen Widerstand gegen die ‚herrschende Kultur‘. Es muss also konstatiert werden, dass „Partizipation“ Unterschiedliches meint und jeder (Wissenschafts-)Bereich gut daran tut, eine jeweils fachspezifische Diskussion über das eigene Begriffsverständnis zu führen. Abgesehen von dieser Flut an verschiedensten, teilweise bereichsspezifischen Auslegungen ist das Begriffsbild der Partizipation häufig stark normativ aufgeladen, erstrahlt gleichsam begehrenswert wie ein Diamant in unendlich schillernden Facetten: Verknüpft wird der Begriff mit „Ideen allgemeinverbindlichen Glücks“ (Burghardt & Zirfas 2012: 183) und der „Kompensation menschlicher Schwäche“ (ebd.), der Vorstellung von ausgleichender Gerechtigkeit und der Gleichheit aller3 sowie mit Gerechtigkeit und Demokratie (vgl. Huber & Ziemer 2007: 3); Partizipation wird ein positiver „emanzipatorischer Effekt“ (Fürstenberg 2007: 23) attestiert – insbesondere im Kontext der Arbeit mit marginalisierten Gruppen am Rande der 3

Dies gilt v.a. für das politikwissenschaftliche Partizipationsverständnis, das auf dem Konzept von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit aufbaut. Generell, so stellen Burghardt & Zirfas (2012: 185) fest, orientierten sich Partizipationskonzepte häufig aber auch an Gerechtigkeitsvorstellungen, die auf unseren moralischen Grundorientierungen und -verfassungen beruhten.

16 | M USEUM UND P ARTIZIPATION

Gesellschaft, denen ein Prozess der Selbstermächtigung ermöglicht werden soll. Durchweg positive Konnotationen wie Aktivität, Mitbestimmung, Engagement, Legitimation, Inklusion oder soziales Verhalten schwingen mit, wohingegen „Nichtpartizipation“ (Burghardt & Zirfas 2012: 184) ohne viel Federlesen oftmals gleichgesetzt wird mit Desinteresse, Statik, ‚Uneigenständigkeit‘, Instrumentalisierung oder sogar Verachtung (vgl. ebd. u. Fürstenberg 2007: 21). Diese normative Auf- und sogar Überladung birgt nicht nur die Gefahr, Partizipation in seiner tatsächlichen Wirkmacht zu überschätzen bzw. blind auf die ersehnten Effekte zu vertrauen, ohne sorgfältig die herrschenden Rahmenbedingungen, das eigene methodische Vorgehen oder die Voraussetzungen auf Seiten der Partizipierenden zu prüfen; es erschwert zugleich auch eine offene, kritisch-kontroverse Diskussion über Partizipation.

P ARTIZIPATION IM KULTURELLEN B EREICH UND SPEZIELL IM M USEUMSWESEN Im kulturellen Sektor, so auch dem Museumswesen, wurde und wird Partizipation zumeist als kulturelle Teilhabe verstanden, welche als prinzipieller Zugang zum kulturellen Leben einer Gesellschaft als Menschenrecht (Art. 27, §1)4 gesetzlich verankert ist. Dies spiegelt den generell hohen Stellenwert, der kultureller Teilhabe bzw. kultureller Bildung auf gesamtgesellschaftlicher Ebene zukommt: Ihr wird eine „Motorfunktion“ (Fuchs 2008: 74) zugeschrieben, die die Teilhabe in allen anderen gesellschaftlichen und sozialen Bereichen anschieben kann; so lasse sich die Lebensqualität einer Gesellschaft nicht allein anhand des Lebensstandards (Bruttosozialprodukt pro Kopf) bemessen, sondern auch anhand der Faktoren der sozialen und kulturellen „Armut“, die dort vorherrsche, wo kulturelle Teilhabe fehle (vgl. ebd. 70). Damit kulturelle Teilhabe möglich wird, müssen im Wesentlichen vier Voraussetzungen erfüllt sein: rechtliche (d.h. es darf keine rechtlichen Beteiligungshindernisse geben), geografische (die Angebote müssen erreichbar sein), ökonomische (es sollten keine finanziellen Hemmschwellen bestehen) und bildungsbezogene (das Angebot muss ‚verständlich‘ sein) (vgl. ebd. 69). Interessant ist, dass der Begriff der Partizipation in seiner eben skizzierten Bedeutung als kulturelle Teilhabe lediglich bedeutet, dass Menschen am kulturellen Leben etwa in Form eines Theater- oder Ausstellungsbesuchs teilnehmen können bzw. davon zumindest nicht prinzipiell ausgeschlossen sind. Partizipation meint hier also die Rezeption eines Kulturangebots und die kognitive und/oder emotionale Anteilnahme (was ich behelfsweise als passive Partizipation bezeichnen möchte), 4

Vereinte Nationen 1948: Art. 27 § 1.

E INFÜHRUNG

| 17

jedoch nicht in erster Linie eine unmittelbare, handlungsbezogene Mitgestaltung solcher Programme (welche ich in Abgrenzung als direkte oder aktive Partizipation bezeichne). Für mich von Interesse ist die letztere, sehr viel engere Auslegung, die Partizipation als tatsächliche und aktive Beteiligung versteht. Dieses Verständnis gewinnt – insbesondere im Zusammenhang mit Fragen nach Möglichkeiten der Öffnung und der Rückanbindung der Institution Museum an die Gesellschaft als die eigentliche ‚Besitzerin‘5 der öffentlichen Einrichtung Museum – zunehmend an Relevanz: (Potenzielle) BesucherInnen sollen, gerade wenn sie (noch) nicht zum klassischen Museumspublikum gehören, aus ihrer passiven Rolle als RezipientInnen herausgelöst und zu aktiv Mitgestaltenden und Mitarbeitenden in musealen Vermittlungs- und Gestaltungsprozessen, den Vorgängen von Auswahl, Denotation und Repräsentation werden. Interessant dabei ist, dass – anders als in vielen anderen Disziplinen – die Diskussion im musealen Bereich kontrovers und mitunter im Eiltempo geführt wird; manche wollen das „P-Wort“6 als ihrer Ansicht nach abgedroschene, leere Worthülse schon gar nicht mehr in den Mund nehmen. Während also die einen Partizipation (allzu unkritisch) als eine Art Allheilmittel preisen, verweisen andere (allzu unreflektiert) auf die befürchteten Schattenseiten, die „dunkle Seite der Partizipation“.7 Auch wenn die vorliegende Untersuchung kein abschließendes Urteil über Partizipation im Museum fällen kann (und auch nicht fällen möchte), liegt eine Triebfeder meiner Arbeit darin, Partizipation in seine wesentlichen theoretischen Teilaspekte aufzugliedern sowie anhand ausgewählter Praxisbeispiele einige neuralgische Punkte zu analysieren, um auf diese Weise eine differenziertere Auseinandersetzung für TheoretikerInnen, aber auch PraktikerInnen zu ermöglichen. Dies erscheint mir nicht nur wegen der noch klaffenden Lücken in der Forschungs- und Literaturlage wichtig, sondern auch, weil Darstellungen aus zweiter Hand bzw. direkt von den „partizipativen Museen“8 mitunter misstraut werden muss, wie die britische Museologin Bernadette Lynch angesichts des herrschenden Konkurrenzkampfes um Fördergelder für den angelsächsischen Raum festgestellt hat, wo man dazu tendiert, Projekte nach außen prinzipiell als Erfolg darzustellen: „A lack of openness is perpetuated within the museum profession, both from the way projects are represented and reported (in articles and conference presentations) and, most problematically, in the way museums and galleries are funded for their engagement work. This inhibits change from happening within the museum profession, and any form of learning taking place on an organisational level. Museums are rewarded for ‚success‘, not for their risk-taking or

5 6 7 8

Im Englischen wird dies häufig mit dem Begriff „ownership“ umschrieben. Beliebte Phrase, z.B. bei Klatt 2012: 3, Hubin 2011: 98 oder Jannelli 2014: o.S. Vgl. Beech 2011: 436 („the dark side of participation“). In Anlehnung an Dan Bernfeld (1993) sowie die beiden so betitelten Publikationen The Participatory Museum von N. Simon (2010a) und Das partizipative Museum, hrsg. von Gesser et al. (2012a).

18 | M USEUM UND P ARTIZIPATION the challenges and failures they face. Nor are they encouraged (in project funding reports) to honestly and openly reflect on the difficulties in their work.“ (Lynch 2011b: 445)

K ONJUNKTUR ( EN ) Partizipation im weitesten Sinne ist im Museum kein neues Phänomen, auch wenn es hierfür bisher andere Bezeichnungen gab und die Vorstöße im Hinblick auf die Implikationen für das ‚System Museum‘ mit dessen ‚Allmachtsanspruch‘ und seiner Selbstzentrierung sicher nicht so umfassend bzw. konsequent waren wie heute. Betrachtet man den Aspekt der Öffnung des Museums für weite Kreise wie auch die stärkere Orientierung an einem möglichst breiten Publikum, so beeinflusste insbesondere die Reformpädagogik, in der partizipatives Lernen einen Kerngedanken darstellt (vgl. Mayrberger 2013: 98), Anfang des 20. Jahrhunderts auch die Museen: So forderte bereits 1903 Alfred Lichtwark, damals Direktor der Kunsthalle Hamburg und ‚Vater‘ der Museumspädagogik, auf einer ersten Museumskonferenz seine Kollegen auf, „[...] die Nutzbarmachung ihrer Anstalten für weite Kreise [...] näher ins Auge zu fassen“, da die Institution Museum im Gegensatz zu „dem aristokratischen Prinzip der Akademien und Universitäten“ nämlich „eine demokratische Einrichtung“ sei (Volkmann 1904: 37).9 Damit meinte er nichts anderes, als dass neben Ober- und Mittelschicht auch der „Arbeiterstand“ (ebd. 36) als Museumspublikum in die musealen Bildungsbemühungen einzubeziehen sei. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass schon damals ein solcher Vorstoß, „populäre Museen“ (ebd. 41) zu schaffen, nicht nur Beifall erntete. Schätzungen zufolge besuchen aktuell nur fünf bis zehn Prozent der deutschen Bevölkerung regelmäßig (Hoch-)Kultureinrichtungen.10 Eine Studie des Statistischen Bundesamtes kommt jedoch zu einem noch weitaus alarmierenderen Ergebnis: Demnach gaben im Jahr 2013 zwar 45 Prozent der Bevölkerung an, in den letzten 12 Monaten eine Kunstausstellung oder ein Museum besucht zu haben, jedoch sind nur drei Prozent dieser Teilgruppe nach gängiger Definition als StammnutzerInnen zu bezeichnen (d.h. sie besuchen mindestens 12 Mal pro Jahr Kunstausstellungen oder Museen). Auf die Gesamtbevölkerung bezogen, würden demnach also weniger als 1,5 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen zur Stamm9

Zu Lichtwark und dessen denkwürdigem Tagungsauftritt 1903 vgl. auch Kolb 2014: 15 f. u. König 2002: 41 f. 10 Bei Scheytt & Sievers (2010: 30) und Sievers (2006: 214) ist von fünf bis zehn Prozent VielnutzerInnen die Rede, bei Mandel (2006: 355) von maximal zehn Prozent; Mergen (2007: 7) konstatiert, dass nur ein Drittel der Bevölkerung regelmäßig Museen besuche; in allen vier genannten Texten wird jedoch nicht angegeben, was unter „Vielnutzung“ bzw. „regelmäßigem“ Besuch zu verstehen ist. An anderer Stelle, wo Mandel von acht Prozent regelmäßiger NutzerInnen öffentlich geförderter Kultureinrichtungen ausgeht, gibt sie an, dass regelmäßige Nutzung mindestens zwölf Besuche pro Jahr bedeute (vgl. Mandel 2009: 1).

E INFÜHRUNG

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nutzerschaft von Kunstausstellungen und Museen zählen (vgl. Statistisches Bundesamt 2016: 23). Der Umstand, dass das Museum auch mehr als hundert Jahre nach Lichtwarks Forderung immer noch große Teile der Bevölkerung außen vor lässt, verleitet zu der Vermutung, dass die größten Widerstände gegen jegliche Anstrengungen zur Öffnung des Museums ‚hausgemacht‘ sind und sich aus dem eigenen, historisch gewachsenen Selbstverständnis der Institution und ihrer eigenen Tradition ergeben: Denn wissenschaftliche Forschung im eigenen kleinen Universum Museum, in dem BesucherInnen eher als störende Eindringlinge empfunden wurden/werden, stand lange Zeit im Mittelpunkt der Museumsarbeit. Erste ernsthafte Versuche, diesen Missstand offensiv anzugehen, wurden in Deutschland in den 1970er Jahren unternommen, die gleichsam unter dem Motto „Kultur für alle“11 standen. Die sogenannte Neue Kulturpolitik war gekennzeichnet durch eine stark pädagogisch-didaktische Komponente und durch die gezielte Ausweitung und Diversifizierung von Museumsangeboten für die Öffentlichkeit. Im Fahrwasser der Neuen Museologie wurde eine Transformation des ‚alten‘ Museumswesens gefordert, die u.a. auch die direkte Mitwirkung der lokalen Bevölkerung vorsah: Vergleichbar den Neighbourhood- oder Community-Museen aus den USA und dem angelsächsischen Raum bzw. den Museos Comunitarios in Mittelund Südamerika,12 stand bzw. steht vor allem der damals in Frankreich entwickelte Typus des Ecomuseums13 exemplarisch für diesen partizipativen Vorstoß. In Deutschland hat es infolgedessen zwar einen starken Anstieg von Museumsgründungen wie auch eine stark gestiegene Zahl an Ausstellungen sowie Vermittlungsprogrammen gegeben. Die (inzwischen offensichtlich wieder steigenden14) Besuchszahlen verschleiern jedoch, dass sich das Museumspublikum nicht signifikant erweitert hat, sondern dass lediglich diejenigen, die sowieso regelmäßig und gerne Museen besuchen, sich von ansprechenden Angeboten gerne locken lassen (vgl. Scheytt & Sievers 2010: 30). Bei diesem Personenkreis der StammnutzerInnen handelt es sich statistisch gesehen um Menschen ohne Migrationshintergrund aus stabilen sozialen Milieus und mit hoher formaler Bildung (Stichwort Bildungsbür-

11 Dieser vermutlich bekannteste Slogan, der inzwischen geradezu paradigmatisch für die damaligen Umwälzungs- und Reformprozesse steht, stammt vom ehemaligen Frankfurter Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann (vgl. z.B. Rombach 2007: 156, Fuchs 2008: 72 oder Scheytt & Sievers 2010: o.S. zu Hoffmann 1974 u. 1979). 12 Für Informationen zu diesen Museumstypen vgl. z.B. Paatsch 2002: 2 ff., Weschenfelder & Zacharias 1992: 364 ff. und Waidacher 1999a: 115 ff., wobei sich letzterer vor allem auf Hauenschild 1988 rückbezieht. 13 Für Informationen zum Typ des Écomusée vgl. z.B. Gorgus 1999: 207-227, dies. 2012, Hubert 1990, Davis 2005, Weschenfelder & Zacharias 1992: 364 ff. oder Knauss 2002: 86 f. 14 Vgl. Institut für Museumsforschung 2015: 7.

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gerIn), wie bereits Pierre Bourdieu vor Jahrzehnten eindrücklich aufzeigte (vgl. Mandel 2008b: 77, Fuchs 2005: 35 u. Reuband 2010: 240).15 Neben nur temporären Erfolgen verfestigte die kulturpolitische Agenda der 1970er Jahre auch einen fatalen Modus der bloßen Angebotserweiterung, ohne dabei nach den eigentlichen Bedürfnissen und Interessen des anvisierten Publikums zu fragen.16 Ein Grund hierfür mag darin liegen, dass unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs die Freiheit von Wissenschaft und Kunst grundgesetzlich verankert wurde (Art. 5, Abs. 3)17 und sich diese bis heute keiner ‚Zweckdienlichkeit‘ unterwerfen müssen, sondern sich selbst genügen dürfen. Diese Form der Selbstgenügsamkeit erklärt heute wiederum, warum andere Länder schon viel früher begonnen haben, mit partizipativen Angebotsformaten zu experimentieren: Um (staatliche) Fördergelder zu akquirieren, mussten bzw. müssen diese den unmittelbaren gesellschaftlich-sozialen Nutzen ihrer Angebote unter Beweis stellen oder Programme anbieten, die möglichst viele BesucherInnen locken (vgl. z.B. Mandel 2008c: 34 f.). Die deutschen Museen haben es in den meisten Fällen bis heute nicht geschafft, sich nachhaltig in der Breite der Gesellschaft zu verankern, auch wenn seit den 1990er Jahren mit steigendem Konkurrenzdruck auf dem Freizeitmarkt und von Besuchszahlen abhängiger Kulturförderung notwendigerweise gezielte (Nicht-)Besucherforschung, Audience Development und Publikumsorientierung stärker in den Fokus gerückt sind, und damit auch eine – wenn auch schleichende – Aufwertung und Professionalisierung der Vermittlung.18 Gleichwohl muss diese Entwicklung auch kritisch gesehen werden, wenn das „Damoklesschwert des Erfolgszwangs“ (Schulz 2001: 147) zur „Prostitution auf dem Markt“ (Parmentier 2007: 3) bzw. zur „McDonaldisierung“,19 also zur Kommerzialisierung und damit dem Ausverkauf von Kultur führt (vgl. z.B. Schwier 1990: 78 ff.). Solche Tendenzen in den 1980er und 1990er Jahren, die teilweise zur Vernachlässigung sozialer und bildungsbezogener Aufgaben führten, können aktuell sicherlich auch als Grund für die manchmal sehr ablehnende Haltung Partizipation gegenüber gesehen werden:

15 Vgl. hierzu auch die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes (2016: 18 ff.) zur Kulturnutzung in Abhängigkeit zum Bildungsstand sowie auch zu ihrem finanziellen und sozialen Status. 16 Vgl. zur Kritik z.B. Scheytt 2005: 26, Fuchs 2005: 35, John 2008: 30-34, Klein 2010: 5 u. Klein 2008: 92 f. 17 „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“ (Parlamentarischer Rat 1949/2014: Art. 5, Abs. 3 [Grundgesetz vom 23.05.1949 in seiner aktualisierten Fassung vom 23.12.2014]). 18 Auch heute noch werden lediglich maximal vier Prozent der Gesamtbudgets für „Kulturvermittlungsfunktionen im engeren Sinne“ ausgegeben; auch gehören VermittlerInnen als feste Mitglieder der Leitungsteams keineswegs zum Alltag, vgl. Mandel 2014: 5. 19 Vgl. Kirchberg 2005b: 49-87. Dieser verwendet den Begriff in Anlehnung an das Buch The McDonaldization of Society des US-amerikanischen Soziologen George Ritzer (1993).

E INFÜHRUNG

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„Das partizipative Museum und die neue Beliebigkeit in der Gegenwartsannäherung sind Entwicklungen eines kulturhistorischen Museumswesens, das sich in die Ausgeh-, Freizeitund Eventkultur einzugliedern sucht und eingliedern muss. [...] Das aktuelle Museumswesen steckt in der Unübersichtlichkeit seiner Beliebigkeit aus den 1990er-Jahren fest.“ (Imhof 2012: 64)

H EUTIGE H ERAUSFORDERUNGEN FÜR DAS M USEUMSWESEN Dem Soziologen und Medienwissenschaftler Kurt Imhof muss in jedem Fall dahingehend recht gegeben werden, als dass das aktuelle Interesse an Partizipation als Ausdruck von und Reflex auf eine krisenhafte Situation gelesen werden kann, in der sich die Museen derzeit befinden. Diese ‚Museumskrise‘ hat zu tun mit den massiven Umwälzungsprozessen, in denen wir uns heute in verschiedenster Hinsicht befinden und die im Folgenden in wesentlichen Eckpunkten skizziert werden sollen: •



Das traditionelle Stammklientel des Museums – das sogenannte Bildungsbürgertum – stirbt in Folge des demografischen Wandels, aber auch durch das Aufbrechen ehemals scharf getrennter sozialer Milieus und der Entstehung neuer ‚Klassen‘ aus, was zu einem Publikumsrückgang bei traditionellen Kultureinrichtungen führt (vgl. z.B. Mandel 2005a: 84 u. John 2008: 38 f.). Die Grundannahme, dass mit steigender formaler Bildung auch die kulturelle Kompetenz steigt, die sich in einer höheren Wertschätzung und Nutzung kultureller Angebote ausdrückt, ist zwar prinzipiell richtig. Durch die Individualisierung und Säkularisierung unserer Gesellschaft „erodieren“ jedoch die „früheren sozialen, finanziellen und religiösen Zwänge im Freizeitverhalten“ (Ehling 2005: 95). Insofern muss festgestellt werden, dass, trotz der Bildungsexpansion seit den 1970er Jahren, die Zunahme an Kulturaktivitäten ausgeblieben ist: „Der Anstieg des Bildungsniveaus spiegelt sich nicht in einem korrespondierenden Wachstum des kulturellen Interesses.“ (ebd.). Studien zufolge wird unsere Gesellschaft jedoch auch in Hinsicht auf ihre ‚Kulturverbundenheit‘ disparater, was heißen soll, dass heute auch in gebildeten und an Hochkultur interessierten Kreisen der „frei vagabundierende Kulturhopper“ (Opaschowski 2005: 17) überwiegt, welcher spontan entscheidet und zwischen verschiedenen Sparten des kulturellen Angebots wechselt: Heute Museum, morgen Pop-Konzert, übermorgen in die Oper... – die Formel ‚einmal MuseumsgängerIn, immer MuseumsgängerIn‘ kann heute also nicht mehr automatisch gelten, was Museen besondere Anstrengungen bei der Publikumsbindung abverlangt (vgl. Keuchel 2005a: 57-59 u. dies. 2005b: 119 f.).

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Als Einwanderungsland nimmt in Deutschland die kulturelle Vielfalt stetig zu,20 jedoch spiegelt das Museum, verstanden als das kulturelle Gedächtnis der Gesellschaft, diese Diversität (noch) nicht wider, sodass sich wachsende Teile unserer Bevölkerung nicht museal repräsentiert sehen und daher auch wenig mit Museen anfangen können (vgl. z.B. Vieregg 2007a: 36). In den Städten als multikulturellen Schmelztiegeln ist diese Problematik besonders virulent, weshalb insbesondere für Stadtmuseen akuter Handlungsdruck besteht (vgl. Gemmeke & Nentwig 2011). Ein weiterer Aspekt der Migrationsgesellschaft (der aber auch der Globalisierung und der gestiegenen Mobilität geschuldet ist) ist, dass nationalstaatliche Identitäten an Bedeutung verlieren. Identitäre Selbstvergewisserung und Identitätsbefragung erfolgt heute primär anhand anderer Parameter – seit der Französischen Revolution operieren Museen aber gerade im Modus und zum Zwecke der nationalen Selbstvergewisserung und Stabilisierung (vgl. z.B. Macdonald 2000), weshalb das dort inszenierte (und nur imaginierte) homogene ‚Wir‘ zum Anachronismus geworden ist und das Museum mit seinem bisherigen Impetus als Identitätsort in Zeiten der „Option gelebter Mehrfachidentitäten“ (Hochreiter 2014: 3) nicht mehr taugt. Ohnehin entspricht der traditionelle museale Modus der Darstellung von Geschichte oder Sachverhalten als linearem und eindeutigem (Entwicklungs-) Muster nicht mehr den heutigen Erfahrungen von Gesellschaft und Wissenschaft, da die ‚Wirklichkeit‘ als fragmentarisch erlebt wird und wir in einer globalisierten Welt immer vernetzter denken und agieren müssen. Heutzutage ist man sich bewusst, dass es keine völlige Objektivität, keine unumstößlichen Wahrheiten gibt, sondern Bedeutung und ‚Wissen‘ einer kognitiven Konstruktionsleistung entspringen; wissenschaftliche Disziplinen sowie die Orte der Darstellung und Kommunikation wissenschaftlicher Erkenntnisse erlebten durch die konstruktivistische Wende eine erhebliche Erschütterung, infolge derer Museen mit zweierlei zu kämpfen haben: Zum einen müssen sich Museen eingestehen, dass sie mitnichten der neutrale Ort zur unschuldigen Vermittlung objektiver Wahrheiten sind, als den sie sich gerne selbst darstellen und sehen. Und zum anderen muss die Institution Museum einen Modus finden, um mit der korrespondierenden Aufwertung anderer ‚nichtwissenschaftlicher‘ Wissensformen und der gestiegenen Akzeptanz des Subjektiven umzugehen. An die Stelle ehemaliger Eindeutigkeiten ist heute ein „Patchwork von Interpretationen, Sichtweisen und divergenten Bedeutungszuschreibungen“ (Beier-de Haan 2001: 49) getreten. Der eben beschriebene Paradigmenwechsel hatte auch ein gewandeltes Verständnis von Lernen und Wissensvermittlung zur Folge: Wissensvermittlung

20 Bei den unter 5-Jährigen stellen Personen mit Migrationshintergrund inzwischen 34,6 Prozent der Bevölkerung (vgl. Statistisches Bundesamt 2015: 7).

E INFÜHRUNG

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funktioniert nicht als 1:1-Transfer von A nach B, denn Wissensaneignung ist eine subjektive Verarbeitungsleistung, bei der u.a. die eigene Wahrnehmung eine Rolle spielt und an individuelles Vorwissen angeknüpft wird. Insofern wandelte sich auch das Bild vom (potenziellen) Publikum als „vielfältig, plural und aktiv, statt als relativ homogene und passive Masse“ (Macdonald 2010: 61), worauf etwa rezeptionsästhetische oder performative Ansätze unmittelbar aufbauen. Inzwischen führt dieses ‚Aktivitätsparadigma‘ auch ganz konkret zu einer ‚Rehabilitation‘ des Status des Amateurs/der Amateurin (vgl. van Mensch & Mejervan Mensch 2011: 52 u. Basar 2006) und damit auch zur Aufwertung der BesucherInnen: „Neben das wissenschaftliche Wissen, von Experten produziert und mit dem Nimbus der Objektivität versehen, tritt verstärkt erfahrungsgesättigtes Wissen einzelner oder spezifischer gesellschaftlicher Gruppen. Individuelle und Gruppenerinnerungen erfahren eine Aufwertung und erhöhen die Neigung zur Einmischung und Widerspruch. Die Rolle des Museums verschiebt sich […] zunehmend […] zum Ort der Mediation und Moderation […].“ (Baur 2008: 46)







Während sich das Verständnis dessen, was als ‚Kultur‘ definiert wird, in der Bevölkerung (nicht nur aufgrund der kulturellen Durchmischung) wandelt und ein Mix aus E- und U-Kultur gelebt wird (vgl. Sievers 2006: 220 u. John 2008: 25 f.), ist das institutionelle Kulturverständnis nach wie vor am traditionellen Bildungskanon orientiert, sodass hier eine Lücke zwischen der Institution Museum und der Gesellschaft zu klaffen beginnt (vgl. z.B. Mandel 2006: 354 f.). Im Zuge des Wandels zur Informations- und Wissensgesellschaft haben sich unsere Rezeptions-, Bedürfnis- und Erwartungsmuster grundlegend gewandelt (vgl. Mangold 2008). Parallel zum Web 2.0, in dem jede/r selbst neue Inhalte generieren kann, steigt auch in allen anderen Lebensbereichen das Bedürfnis nach aktiver Mitgestaltung, Einflussnahme und Dialog. Museen fallen hierbei aus dem Raster, weisen sie doch traditionell eine monologische Top-DownStruktur auf, die BesucherInnen kaum eigene Spielräume lässt. Museen haben noch nicht adaptiert, dass sich ihr (potenzielles) Publikum inzwischen als Spanne von „users and choosers to makers and shapers“ (Cornwall & Gaventa 2001) erweist und „Kommunikation selbst Teil des Leistungsangebotes“ (Gries & Greisinger 2011: 56) von Museen werden sollte. Das veränderte Freizeitverhalten und die abnehmende Bindung an bestimmte kulturelle Angebote zeigt sich auch in einer Ausdifferenzierung der Angebotspalette der Freizeitindustrie, sodass sich Museen in einem größeren Wettbewerb im Freizeitbereich zu behaupten haben (vgl. Ehling 2005: 95). Somit wird auch das „Zeitbudget der Konsumenten“ (Opaschowski 2005: 6) aufgrund der Überfülle an Angeboten immer knapper. Da Museen nach wie vor eher mit Anstrengung, Gegenwartsentrücktheit und zu wenig Möglichkeiten zur Eigenaktivität

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konnotiert werden (vgl. z.B. Mandel 2008b: 78), ziehen sie hier schnell den Kürzeren: 2013 wendeten die BundesbürgerInnen statistisch gesehen nur sechs Minuten pro Woche auf, um Kunstausstellungen oder Museen zu besuchen, für Ausflüge, Zoo-, Zirkus-, Kirmes- und Vergnügungsparkbesuche zusammen dagegen 59 Minuten wöchentlich; Spitzenreiter der „kulturellen Aktivitäten“ war das Schauen von Fernsehen/Video/DVD mit mehr als 14 Wochenstunden (vgl. Statistisches Bundesamt 2016: 11). Die Wissensgesellschaft wie auch die technischen Informationsmedien bringen es mit sich, dass die Informationsflut stetig steigt, sich die Innovations- und Alterungsrate (auch unserer materiellen Kultur) ständig beschleunigt. Museen können angesichts dieser gestiegenen Umwälzungen, der Potenzierung von Wissen und Informationen nicht mehr Schritt halten: Sie hinken der Aktualität hinterher und sind längst in ihrer Funktion als „primäre Wissensquellen und Wissensspeicher“ (Fehr 2003: 40) obsolet geworden, weil Wikipedia und vergleichbare Angebote Informationen leichter und schneller sowie zeit- und ortsunabhängig verfügbar machen. Nicht nur als Folge konstruktivistischer Weltanschauung, sondern auch infolge diverser Emanzipations- und Freiheitsbewegungen seit den 1960er Jahren reagiert die (postmoderne) Gesellschaft und Wissenschaft zunehmend sensibel gegenüber Machtgebärden, misstraut schneller Autoritätsbehauptungen und steht hegemonialem Gebaren kritischer gegenüber – selbst wenn dieses Gebaren vorgibt, ‚zum Wohle aller‘ zu sein. Die Forderung nach Eigenrepräsentation und dem Recht, für sich selbst sprechen zu dürfen – im Gegensatz zum Modus des Repräsentiert- und Besprochen-Werdens bzw. der indirekten ‚Artikulationsmöglichkeit‘ durch in den Mund gelegte Worte – hat durch die Prominenz postkolonialer Diskurse stark an Fahrt aufgenommen und wird längst nicht nur in spezifisch ethnologischen Kontexten gefordert (vgl. z.B. Kravagna 2002).

Die Institution Museum sieht sich heute also einer Vielzahl an Problemen und Herausforderungen gegenüber, die die gesellschaftliche Relevanz von Museen – und damit auch die Legitimationsgrundlage als staatlich geförderte Einrichtungen – sowie die von ihnen vermittelten Werte zunehmend infrage stellen (vgl. z.B. Sandell 2002a: 21). Nicht von der Hand zu weisen ist jedenfalls, dass die ehemals zentralen Funktionen des Museums, nämlich plakativ gesprochen, als „Orte der Belehrung und Erbauung“ (Meier 2000: 9) zu dienen, mittlerweile durch andere Einrichtungen und (elektronische) Medien weitaus schneller und (vermeintlich) bequemer geleistet werden und dass der museale Erzählmodus inzwischen nicht mehr den Kommunikations- und Interaktionsgewohnheiten eines Großteils der Bevölkerung entspricht. Und auch die Legitimation des Museums als erstklassige Bewahr- und Zeigeanstalt

E INFÜHRUNG

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des kulturellen Gedächtnisses kann, wie dargelegt, nicht mehr uneingeschränkt gelten. Status und Funktion der Institution Museum werden zunehmend unklar und fragwürdig (vgl. Baur 2010b: 15) und der bisherige Modus als eine „arrogant institution profoundly out of touch with its constituents and its community of visitors“ (Steiner 2011: 408) stößt zunehmend auf Kritik in den eigenen Reihen: So mahnte 2008 der damalige Präsident des Deutschen Museumsbundes Michael Eissenhauer, dass Museen gut daran täten, sich den gegebenen Herausforderungen zu stellen und zu versuchen, den allgemein geänderten Kommunikations- und Informationsbedürfnissen gerecht zu werden (vgl. Eissenhauer 2008: 6).21 Peter Weibel, Verfechter der Neuen Medien, drückt sich noch drastischer aus: „Wenn wir im Museum weiter so verfahren wie ein Fernsehsender, dass wir dem Zuschauer Werke in einer bestimmten Reihenfolge und zu einer bestimmten Zeit zeigen, also kuratieren wie ein Programmdirektor und programmieren wie ein Kurator, und der Betrachter nicht die Möglichkeit hat, selbst ein Programm zusammenzustellen, dann wird das Museum obsolet. [...] Also glaube ich, bleibt dem Museum gar nichts anderes übrig, als auf das neue Verhalten, das sich Betrachter und Benutzer [...] erworben haben, einzugehen.“ (Weibel 2007: 26)

Das Museum befindet sich derzeit also in einer krisenhaften Lage der „existenziellen Überprüfung“ (Kirchberg 2005b: 166), welche Grundsatzentscheidungen und Mut zu neuen Wegen auf Grundlage kritischer Selbstreflexion verlangt: Die Institution Museum muss sich überlegen, welche Rolle sie zukünftig in und für die Gesellschaft einnehmen will; d.h. das museale Selbstverständnis und die Frage nach den Aufgaben und Funktionen des Museums in einer gewandelten Gesellschaft stehen heute mehr denn je zur Disposition – ein „Paradigmenwechsel im Hinblick auf die zukünftige Rolle der Museen“ (Fehr 2003: 40) zeichnet sich ab.

21 Vgl. dazu auch die Standards für Museen von DMB und ICOM, in denen u.a. folgende Diktionen ausgegeben werden: „Museen reagieren auf die sich wandelnden Sozialstrukturen und Lebensgewohnheiten der Gesellschaft ebenso wie auf die Entwicklung der Informationstechnik. Für Museen bedeutet dies u.a., dass sie die Präsentation und Vermittlung ihrer Sammlung den sich ändernden Seh- und Wahrnehmungsgewohnheiten der Besucher/innen anpassen.“ (Deutscher Museumsbund & ICOM 2006: 20). Und: „Die Museen in Deutschland streben an, alle Altersgruppen und Gesellschaftsschichten zu erreichen und ermutigen zur aktiven Teilhabe an der Kultur. Jedes einzelne Museum trägt mit seinem vielfältigen Angebot und einer gezielten Öffentlichkeitsarbeit dazu bei.“ (Ebd. 21).

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„F ROM B EING ABOUT S OMETHING TO B EING FOR S OMEBODY “ 22 UND „K ULTUR FÜR ALLE VON ALLEN “ 23 In dieser schwierigen Situation mahnen viele Stimmen an, dass sich das Museum wieder auf die Gesellschaft zuzubewegen habe – weg vom bisherigen Modus als „Tempel, der von den Gläubigen lebt, die den Göttern Opfer darbringen“, hin zu einem „Forum, auf dem die großen Themen einer Gesellschaft diskutiert werden“ (Belting 2001: 34). Letztlich müsse das Museum anfangen, sich wieder als politischen Ort zu verstehen und dezidiert gesellschaftlich-soziale Verantwortung zu übernehmen, sich etwa für Inklusion und kulturelle Vielfalt einzusetzen oder Wertvorstellungen und ethische Grundlagen voranzutreiben, die ein gutes (Zusammen-) Leben in unserer Gesellschaft gewährleisten.24 Es müsse also darum gehen, das Museum zu wandeln von einem Ort „über etwas“ zu einem Ort „für jemanden“.25 Ausdruck findet die eben skizzierte Debatte über die Neuerung des Museumswesens in einer Vielzahl von Umschreibungen, wie etwa dem Museum als „Agora“26 oder „lärmende[m] Verhandlungsort“,27 als „centres of civic debate“28 und „Zentren kulturellen Austauschs“,29 als „Plattform gesellschaftlichen Wandels“,30 „Labor“31 bzw. „SocialLAB“32 oder „Versuchsraum von Gesellschaftsutopien“.33 Bei allen schwingt mehr oder minder der direkte Bezug zur Gesellschaft und dem Sozialen sowie der Aspekt des Dialogs mit. Von hier aus ist es nicht mehr weit, den Modus der Partizipation als mögliches Movens und Funktionsprinzip zu denken. So fordert beispielsweise Joachim Baur für das Museum, „[...] die traditionell unlineare, top-down-Beziehung zur Öffentlichkeit in noch größerem Umfang in eine dialogische zu überführen und das Sender-Empfänger-Modell, dem es noch immer in weiten Teilen verpflichtet ist, zu revidieren. […] Partizipation wäre das Stichwort – und zwar in einem ganz umfassenden Sinn. Jenseits der Möglichkeit an museumspädagogischen Programmen teilzunehmen oder bei Ausstellungen sein Feedback zu hinterlassen, ginge es dabei um eine substanzielle Beteiligung und Mitsprache in der Produktion von Museen, ihren Sammlungen und Ausstellungen selbst. Also darum, […] den Museumsbesucher, der nun mehr wäre als nur Besucher, systematisch [...] als Lieferanten von Ideen, Objekten, Konzepten, Inhalten und Positionen [zu organisieren]. In der Sprache des Leitmediums unserer Tage, 22 Weil 1999: 229. 23 Scheytt 2005: 25. 24 Verfechter dieser Position der gesellschaftlichen Verantwortung ist insbesondere Richard Sandell, Professor für Museums Studies an der University of Leicester. 25 Meijer-van Mensch (2011: 83) unter Bezugnahme auf Weil (1999: 229). 26 Parmentier 2007. 27 Hochreiter 2014: 1. 28 Wallace 2006: 123. 29 Vogelsang 2012: 206. 30 Baur 2008: 42. 31 Basu & Macdonald 2014: 70 f. 32 Jank 2012: 153. 33 Sommer-Sieghart 2009: 87.

E INFÜHRUNG

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des Internets mit seiner jüngsten Häutung als Web 2.0, hieße die Analogie: Mehr „user generated content“ für das Museum, also gleichsam ein ‚Museum 2.0‘.“ (Baur 2008: 46 f.)

Partizipation erscheint im Ringen um eine Neupositionierung der Institution Museum für manche TheoretikerInnen wie PraktikerInnen regelrecht wie eine Art Verheißung, die den nötigen institutionellen Wandel einleiten könnte. Hierbei, so mein Eindruck, wird der Modus des Partizipativen manchmal geradezu als Gegenmodell zu allem, was das jetzige Museum verkörpert, stilisiert.34

Z UM I NHALT

UND

AUFBAU

DIESES

B UCHES

Die wachsende Forderung nach partizipativer Museumsarbeit im Kontext der Debatte um einen Paradigmenwechsel der Institution Museum wie auch das persönliche Interesse an innovativen (Vermittlung-)Formaten gaben für mich den Ausschlag, mich intensiv mit dem Thema Partizipation im Museumskontext zu beschäftigen. Der Fokus liegt dabei vor allem auf Partizipation als aktiv-tätiger Mitarbeit und Einflussnahme von Menschen aus der Bevölkerung, und zwar insbesondere im Rahmen von Ausstellungsprojekten. Die Partizipation von ‚musealen Laien‘ im virtuellen Raum wird in der vorliegenden Arbeit nur am Rande erwähnt; Formen wie ehrenamtliche Mitarbeit oder andere bereits etablierte ‚Kontakt-Situationen‘ zwischen sogenannten Laien und Museumsmitarbeitenden (etwa Zeitzeugeninterviews, Befragung von ausgewiesenen ExpertInnen als wissenschaftlicher Hintergrund zu spezifischen Ausstellungsthemen oder kommentarlose Objektschenkungen aus der Bevölkerung) bleiben ebenfalls ausgeklammert, da sie nicht in mein spezifisches Partizipationsverständnis fallen bzw. für den vorliegenden Forschungsfokus nicht von Interesse sind. Interaktive Angebote im Sinne von hands-on-Displays oder mittels technischer Medien fallen ebenfalls aus meiner Arbeitsdefinition heraus, die ich in Kapitel III.2 ausführlich darlege. Meine Auseinandersetzung mit so verstandener Partizipation erfolgt in zweierlei Hinsicht: Zum einen auf theoretischer Ebene und zum anderen anhand der Analyse von Praxisbeispielen – insofern ist die vorliegende Arbeit auch in einen vorwiegend theoretischen Teil (Kapitel II-V) und einen praxisbezogenen Teil (Kapitel VI) gegliedert. Der abschließende Ergebnisteil (Kapitel VII und VIII) bildet eine Art Synthese der Erkenntnisse aus Theorie und Praxis.

34 Vgl. z.B. Simon (2010a: 349), die vom Anbruch einer „new kind of institution“ durch Partizipation spricht, oder Falk und Dierking, die angeben, dass „co-creation“ ein „radical shift from traditional, shall we say, historic museum practices“ sei (Falk & Dierking 2013: 308).

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Da die vorliegende Arbeit nicht nur die Bedürfnisse von TheoretikerInnen befriedigen soll, sondern auch dazu gedacht ist, PraktikerInnen gewisse Impulse oder Anhaltspunkte für die Planung und Umsetzung partizipativer Vorhaben zu geben, ist der Text in weiten Teilen (also auch dort, wo es eigentlich um theoretische Überlegungen geht) immer wieder mit konkreten Beispielen oder eigenen Erfahrungen als Kuratorin eines partizipativen Projektes durchzogen. Wer von einer wissenschaftlichen Arbeit die strikte Trennung von Theorie und Praxis erwartet, möge mir dies nachsehen. Im ersten Kapitel nach dieser Einleitung, dem Kapitel II, lege ich meine Forschungsziele sowie mein methodisches Vorgehen dar und unterziehe dieses einer kritischen Reflexion. Auch begründe ich die Auswahl der drei Fallstudienprojekte für die Untersuchung von Partizipation in der Praxis und lege die dabei angewandten Untersuchungsverfahren (Ausstellungsanalyse, leitfadengestützte ExpertInneninterviews mit beteiligten Museumsmitarbeitenden sowie die Befragung von ehemaligen PartizipientInnen mittels Online-Fragebogen) dar. Danach wende ich mich in Kapitel III den theoretischen Grundlagen von Partizipation ganz allgemein zu, indem ich Begriff und Konzept aus etymologischer und ideengeschichtlicher Perspektive sowie aus der Warte ausgewählter wissenschaftlicher Disziplinen analysiere, um „Partizipation“ zu definieren. Auf dieser Basis erarbeite ich eine Definition von Partizipation als museale Ausstellungs- und Vermittlungspraxis, die zugleich den inhaltlichen Rahmen meines spezifischen Forschungsfokus und somit auch der vorliegenden wissenschaftlichen Arbeit markiert. Das darauffolgende Kapitel fokussiert darauf, welche Einstellung MuseumspraktikerInnen und MuseumswissenschaftlerInnen zu aktiver Partizipation einnehmen, um den aktuellen Stand der Fachdiskussion darzustellen. Hierfür werden ausgewählte Positionen zu drei wesentlichen ‚Lagern‘ verdichtet: Diejenigen, die Partizipation im Museum uneingeschränkt befürworten, jenen, die Partizipation unter bestimmten Bedingungen als lohnenswerte Bereicherung der musealen Praxis sehen und solchen, die explizit Partizipationskritik üben und diese ablehnen. Kapitel V bildet eine wesentliche Vorarbeit für die darauffolgenden Fallstudienanalysen, da es sich mit der Frage eines möglichen Analysemodells von partizipativer Ausstellungspraxis beschäftigt: In einem ersten Teil stelle ich bisherige Modelle von Partizipation, unterschieden nach kategorialen und prozessualen Modellen, vor und reflektiere diese. Aufbauend darauf wird ein eigenes Analyseinstrumentarium entwickelt, das ich als „Dimensionenmodell“ bezeichne, welches acht zentrale Dimensionen von Partizipation herausarbeitet und anhand wesentlicher Wirkgrößen verdeutlicht, welche Unterschiede von Praxisprojekt zu Praxisprojekt bestehen können. Die acht Dimensionen des Modells sind: Beteiligung, Akteure, Ausstellungsgegenstand, Raum, Zeit/Prozess, Kommunikation/Interaktion, Ziele sowie Selbstverständnis.

E INFÜHRUNG

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Zur praktischen Anwendung kommt das entwickelte Dimensionenmodell im anschließenden Kapitel VI, nämlich bei der vergleichenden Analyse dreier ausgewählter partizipativer Ausstellungsprojekte. Hierbei handelt es sich bewusst um drei sehr unterschiedliche Projekte, die zudem in verschiedenen Museumssparten angesiedelt sind: Das Projekt Ostend // Ostanfang. Ein Stadtteil im Wandel bildete 2011 das Auftaktprojekt der neuen Stadtlabor-Reihe des historischen museums frankfurt (hmf), das damit ein gegenwartsbezogenes und partizipatives Ausstellungsformat dauerhaft etablieren möchte. Als zweite Fallstudie fiel die Wahl auf ein Projekt zum Thema Migration und kulturelle Vielfalt, nämlich auf NeuZugänge. Migrationsgeschichten in Berliner Sammlungen, das am FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum (im Folgenden als Kreuzbergmuseum bezeichnet) verortet war, jedoch ein Verbundprojekt von insgesamt vier Museen darstellte. Als dritte Fallstudie habe ich mit der partizipativen Ausstellung gerhardWER? Marcks: mehr als die Stadtmusikanten! ein Kunst-Projekt gewählt, das im Gerhard-Marcks-Haus in Bremen stattgefunden hat. Mit Kapitel VII beginnt die Zusammenfassung und der Ergebnisteil meiner Untersuchung, in dem ich noch einmal ausgewählte Aspekte, Fragestellungen oder Ambivalenzen im Zusammenhang mit partizipativer Projektarbeit im Museum aufgreife und anhand der Fallbeispiele wie auch mittels theoretischer Positionen oder Konzepte kommentiere und dazu Stellung nehme. Zum Schluss werden in Kapitel VIII die wesentlichen Ergebnisse meiner Forschungsarbeit nochmals knapp zusammengefasst. Die vorgenommenen Analysen erheben keinen Anspruch auf quantitativ begründete Repräsentativität, wie es bei qualitativen Untersuchungen ja auch nicht im Vordergrund steht. Diese Publikation kann freilich nur der Anfang einer, hoffentlich regen, weiteren Fachdiskussion sein und darf nicht im Sinne einer endgültigen Setzung verstanden werden; dafür stehen wir in Deutschland noch zu sehr am Anfang der Auseinandersetzung und praktischen Erprobung von Partizipation.

II. Partizipative Ausstellungsprojekte analysieren – Methodendiskussion

Zum Inhalt dieses Kapitels In diesem Kapitel werde ich mein Forschungsdesign vorstellen, zunächst zur ersten Orientierung im Gesamtüberblick. Danach gehe ich im Einzelnen auf die Theoriebildung bzw. mein Vorgehen bei der theoretischen Erforschung von Partizipation im Museum ein. Daran schließt die Erläuterung meiner Untersuchung von Partizipation in der Praxis anhand dreier Einzelfallstudien an: Die gewählten Methoden zur Einzelfallanalyse werden jeweils vorgestellt und diskutiert (Ausstellungsanalyse, Befragung von MuseumsmitarbeiterInnen und Befragung von Teilnehmenden der jeweiligen partizipativen Ausstellungsprojekte). Um mein Vorgehen speziell bei der Analyse der fertigen Ausstellungsergebnisse nachvollziehbar zu machen, stelle ich in einem Exkurs außerdem bereits existierende Analyseansätze bzw. relevante Konzepte vor, an denen ich mich für die Erstellung meines eigenen Analysekatalogs orientiert habe. Dies ist notwendig, da keine etablierte ‚Standard-Methode‘ in der Museologie zur Ausstellungsanalyse existiert.

II.1 Forschungsziele und Vorgehen im Gesamtüberblick

Zu Beginn meiner Forschung über partizipative Ausstellungsprojekte am Museum im Jahr 2010 war das Wort „Partizipation“ im deutschsprachigen Diskurs der Museums Studies noch kaum ein Begriff; dementsprechend dürftig war die Literaturund Forschungslage: Außer vereinzelten Projektbeschreibungen auf Deutsch und weniger englischsprachiger Literatur, die jedoch vor allem praxisbezogen-evaluativ und nicht wissenschaftlich-fundierend ausgerichtet war, gab es keine museumswissenschaftliche Grundlagen, auf die ich meine Untersuchungen zu musealer Partizipation stützen konnte (ausführlicher zur Literaturlage siehe Kap. IV.1). Dementsprechend verstand und verstehe ich meinen Beitrag als eine erste Grundlagenforschung zur Theorie und Praxis der partizipativen Beteiligung musealer ‚Laien‘ an und innerhalb Ausstellungsprozessen bzw. -settings. Auch wenn das Thema der Partizipation seit Beginn meiner Beschäftigung deutlich an Fahrt aufgenommen hat, ist trotz diverser Tagungen1 und auch erster Publikationen noch immer festzustel1

Insbesondere: Das partizipative Museum. Zwischen Kooperation und user generated content (18./19.11.2010 Frankfurt a.M.), Häuser der Gegenwart und ihr partizipatorischer Ansatz (30.06.-1.07.2011 Lenzburg), Participative Strategies. Jahreskonferenz ICOM Europa, CAMOC und COMCOL (31.10.-1.11.2011, Berlin), Mein, dein, unser Museum. Identifikation durch Beteiligung (22./23.03.2012 Hall in Tirol), Alle Welt im Museum? Museen in der pluralen Gesellschaft (06.-09.05.2012 Stuttgart), Occupy Museum? Partizipative Museumsarbeit zwischen Anspruch und Wirklichkeit (25.-27.04.2013 Wolfenbüttel), Occupy revisited (2./3.06.2014 Wolfenbüttel), Das Museum für alle – Imperativ oder Illusion (18.-20.06.2015 St.Gallen), Partizipative Ausstellungs- und Vermittlungsprojekte. Reflexionen aus der Praxis (Fortbildung, 26.02.2016 Salzburg). Mit Einschränkung z.B. auch: Das offene Museum. Rolle und Chancen von Museen in der Bürgergesellschaft (08./09.11.2010 Rosengarten-Ehestorf), Kulturelle Teilhabe im Museum. Modelle und Strategien (10.-12.03.2011 Bremen), Unbegrenzte Möglichkeiten! – Museum, Web 2.0 und die Grenzen der Realität (28.11.2011 Bern), Wen interessiert noch Goethe? Partizipative Vermittlung im Blickfeld kultureller Bildung (09./10.11.2012 Weimar), Interaktion im Museum II. Der Besucher im Fokus (02.-04.05.2013 Emden), Menschen. Machen. Museum. (26./27.03.2015 Brandenburg an der Havel), Identitätsfabrik reloaded. Museen als Resonanzräume kultureller Vielfalt und pluraler Lebensstile (22.-24.05.2014 Karlsruhe), Illusion Partizipation – Zukunft Partizipation. (Wie) macht

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len, dass eine fundierte Diskussionsgrundlage ein dringendes Desiderat darstellt – am augenscheinlichsten wird dies vielleicht daran, dass Partizipation noch immer ganz unterschiedlich verstanden und definiert wird, wie ich in der Einleitung bereits deutlich gemacht habe. Eine solche Diskussionsgrundlage im Blick auf aktive Beteiligung im Kontext von Museumsausstellungen zu schaffen, von der aus weitergehende Forschungen und Beschäftigungen möglich sind, war und ist Triebfeder meiner Auseinandersetzung. Mein zentrales Erkenntnisinteresse gilt dem erstmalig umfassenden Beschreiben und dem Verstehen des untersuchten Betrachtungsgegenstands Partizipation an und in Museumsausstellungen – ein klassisches Ziel qualitativer Forschung (vgl. z.B. Wrona 2006: 192 f.). Im offenen Prozess der Datensammlung, Fixierung und Interpretation verdichtet sich das Bild vom Untersuchungsgegenstand, werden neue Fragestellungen und möglicherweise erste Theorien abgeleitet, die dann das weitere Vorgehen lenken. Mein Ausgangspunkt war also keine Theorie oder Hypothese, die ich überprüfen wollte, sondern die offene Neugier auf Partizipation als solche und das Ziel, Museumspartizipation in seinen ideengeschichtlichen Ursprüngen, seinen (praktischen) Mechanismen und Auswirkungen sowie seinen (theoretischen) Strukturen und Ausdeutungen besser zu verstehen. Hierzu trieb mich meine persönliche Affinität für Museen und innovative Vermittlungskonzepte an, des Weiteren eigene praktische Erfahrungen als Kuratorin einer partizipativen Ausstellung2 sowie ein Vielzahl unbeantworteter Fragen, wie beispielsweise: • •







2

Was bedeutet Partizipation theoretisch und welche Kriterien müssen idealerweise erfüllt sein, um von Partizipation sprechen zu können? Welche grundlegenden Klassifizierungs- und Systematisierungsmerkmale lassen sich allgemein für partizipative Prozesse in und an Ausstellungen festmachen? Wie sieht die praktische Umsetzung von Partizipation im Museum im Rahmen von Ausstellungen aus? Welche Variationsbreite und Formenvielfalt ist zu beobachten? Welche Dynamiken und (Macht-)Prozesse sind bei partizipativen Prozessen wirksam bzw. können sich entfalten und von welchen Faktoren sind diese im Einzelnen abhängig? Sind diese Dynamiken eher positiv oder eher negativ zu beurteilen? Welche Potenziale und Grenzen von Partizipation im Rahmen musealer Ausstellungen zeigen sich? kulturelle Bildung unsere Gesellschaft jugendgerecht(er) (13./14.11.2015 Berlin), Making Art – Taking Part!? Ambivalenzen partizipativer und intervenierender Kunst (16.18.11.2015, Salzburg). Meine Sache. Bremens Gegenwart (Focke-Museum Bremen, 2005/2006). Vgl. Piontek/ Janssen/Campaner 2007, Piontek 2012f sowie Focke-Museum 2006b.

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Welche Implikationen könnte gelebte Partizipation für das ‚System Museum‘, das institutionelle Selbstverständnis und die gesellschaftliche Stellung und Funktion von Museen haben?

Auch wenn die Reihenfolge der Kapitel dieses Buches ein lineares und schrittweises Vorgehen von der Theorie zur Praxis suggeriert, war meine Vorgehensweise mehrstufig, parallel und zirkulär, quasi hermeneutisch:3 Parallel zur Recherche und dem Studium wissenschaftlicher Texte sowie vielversprechender Theorien aus angrenzenden Wissenschaftsbereichen mit dem Ziel, a) eine Ideengeschichte von Partizipation zu generieren, b) selbst eine Definition zu finden sowie c) Positionen in der aktuellen Museumswissenschaft zu Partizipation zu markieren, recherchierte und forschte ich gleichzeitig in einem offenen Prozess in der Praxis mit dem Ziel einer möglichen Theorie- und Modellbildung auf Grundlage empirischen Materials. Dieses Vorgehen entspricht der von Glaser & Strauss 1967 erstmals beschriebene Forschungsmethodologie der Grounded Theory.4 Zu Beginn meiner Arbeit 2010 kostete mich das Aufspüren konkreter Ausstellungsprojekte mit Bürgerbeteiligung enorme Anstrengungen, da kaum ein Museumsprojekt mit dem – damals weitgehend unüblichen – Label „Partizipation“ oder „partizipativ“ versehen wurde, weshalb die Recherche nach solchen Projekten, die in der Regel von kleineren, jenseits einer überregionalen medialen Aufmerksamkeit stehenden Museen organisiert wurden, äußerst zeitaufwendig war. So manche Spur entpuppte sich als Sackgasse. Ziel dieser Materialsammlung war zunächst, möglichst viele partizipative Projekte im deutschsprachigen Raum, vor allem in Deutschland, zu recherchieren und anhand Kontextmaterialien wie Zeitungsberichten, Homepages, Flyern etc. in groben Zügen zu verstehen und, wo möglich, Ausstellungsbesuche und kleinere -analysen durchzuführen. Fixiert und dokumentiert wurden diese mittels Fotos und handschriftlichen Feldnotizen. Auf diese Weise näherte ich mich möglichen relevanten Dimensionen und Charakteristika von Partizipation an, konnte partizipative Strategien wie auch Fallstricke identifizieren und davon ausgehend weiter in Literatur und Praxis forschen. Außerdem ging es mir bei der Suche nach konkreten Ausstellungsprojekten auch darum, exemplarische Fälle zu finden, deren tiefergehende Analyse in Einzelfallstudien5 lohnenswert erschien. Ziel der Einzelfallanalysen war, das jeweilige partizipative Ausstellungsprojekt in seiner Ganzheit und Komplexität zu erfassen, um so vielleicht auch zu verallgemeinerbaren Erkenntnissen über Organisation, Verlauf, Sinn und Nutzen, Potenziale und Probleme sowie mögliche Auswirkungen 3 4 5

Bezüglich der Vorzüge eines zirkulären Forschungsprozesses vgl. Flick 2010: 126 ff. Vgl. Glaser & Strauss [1967] 2006. Einzelfallanalysen nehmen innerhalb der qualitativen Forschung eine zentrale Stellung ein. Vgl. z.B. Mayring 2002: 41-46 u. Brüsemeister 2008: 55-98.

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von Ausstellungspartizipation zu gelangen. Außerdem bezweckte ich mit den Fallstudien die praktische Erprobung meines speziell entwickelten Analyseinstrumentariums – dem Dimensionenmodell – sowie zugleich die Überprüfung und ggf. Ausdifferenzierung der darin getroffenen theoretischen Annahmen. Die Fallstudien sollten mir also – über den jeweiligen Einzelfall hinaus – auch generelle Rückschlüsse theoretischer Art ermöglichen; Philipp Mayring betont diesen Nutzen von qualitativen Einzelfallanalysen, wenn er schreibt, dass sie eine „[...] entscheidende Hilfe dar[stellen] bei der Suche nach relevanten Einflussfaktoren und bei der Interpretation von Zusammenhängen“ (Mayring 2002: 42). Kam ein Projekt in die engere Auswahl als mögliche Fallstudie, führte ich Ausstellungsbesuche durch oder schrieb die entsprechenden Museen an, um nach Fotos oder Dokumentationen zu fragen, wenn das Projekt bereits vergangen war und führte ggf. informelle Gespräche und Interviews. Auf diese Weise deduzierte ich aus dem gesammelten Material nach aktuellem Theorie- und Praxis-Kenntnisstand schrittweise meine Fallstudienprojekte. Erst nach zwei Jahren standen damit alle drei Fallstudienprojekte endgültig fest. Gesammelt wurden von mir insgesamt 1106 mehr oder minder partizipative Projekte bzw. Museumsaktionen sowie rund 23 Stunden Interviewmaterial, welches ich i.d.R.7 mittels MP3-Diktiergerät mitschneiden durfte. Neben inoffiziellen Gesprächen oder schriftlicher Kommunikation mit Museumsschaffenden führte ich leitfadengestützte Interviews mit: Thomas Kühn, damals Volontär am Freilichtmuseum Kiekeberg bei Hamburg zum Projekt Meine Kreis-Sache im Rahmen der Ausstellung Kreis-Geschichten. 75 Jahre Landkreis Harburg (14.12.2010), Thomas Weidner vom Stadtmuseum München zu Der Krieg ist aus – Erinnern in München 19452005 (18.03.2011), mit Maria Froihofer (08.11.2011), Elke Murlasitz (09.11.2011), Heimo Hofgartner (09.11.2011) und Erika Thümmel (10.11.2011) jeweils zum Projekt Berg der Erinnerungen in Graz, mit Angela Jannelli (02.06.2011), Katja Weber (09.06.2011) und Susanne Gesser (09.06.2011) zum ersten Stadtlabor unterwegs namens Ostend // Ostanfang. Ein Stadtteil im Wandel sowie über die partizipative Ausrichtung der geplanten Dauerausstellung Frankfurt jetzt! im hmf, mit Martin Düspohl (04.11.2011) über die partizipative Ausrichtung des Kreuzbergmuseums, mit Frauke Miera und Lorraine Bluche (18.04.2012) über die Laborausstellung NeuZugänge. Migrationsgeschichten in Berliner Sammlungen sowie über die Planungen zur ebenfalls partizipativen Ausstellung Ortsgespräche, außerdem mit VertreterInnen der drei anderen bei NeuZugänge kooperierenden Berliner Museen: mit Fabian Ludovico (04.11.2011), damals Volontär am Museum der Dinge – Werk6

7

Es wurden 110 Projekte von insgesamt 68 verschiedenen Museen erfasst, wobei es sich bei zwei Projekten um Wanderausstellungen bzw. Wiederholungen desselben Projekts in anderen Häusern handelte, die jeweils drei weitere Male wiederholt wurden, sodass es sich letztlich um 104 verschiedene Projekte handelte, die registriert wurden. Eine einzige Person lehnte einen Audio-Mitschnitt ab.

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bundarchiv, mit Peter Schwirkmann (20.12.2011) vom Stadtmuseum Berlin und Gisela Helmecke (20.12.2011), Museum für Islamische Kunst. Zum Projekt gerhardWER? – Marcks: Mehr als die Stadtmusikanten! interviewte ich Veronika Wiegartz vom Gerhard-Marcks-Haus in Bremen (09.08.2012). Neben dieser Befragung von KuratorInnen als RepräsentantInnen konkreter partizipativer Praxis führte ich des Weiteren leitfadengestützte Interviews mit Gottfried Fliedl (11.11.2011) sowie Leontine Meijer-van Mensch (11.08.2012), um Einschätzungen über Partizipation aus fachwissenschaftlich-theoretischer Perspektive von zwei MuseumswissenschaftlerInnen zu erhalten. Versteht man den Begriff der Triangulation nicht als Verfahren der Validierung eines Ergebnisses mittels verschiedener Wege, sondern als Verfahren, einen Gegenstand aus unterschiedlichen Richtungen auf unterschiedliche Weise zu beforschen, um mit der Fülle der gesammelten Daten ein möglichst genaues und umfassendes Bild dieses Forschungsgegenstandes zu erhalten (vgl. Kelle 1999: 5-8, Flick 2010: 136f. sowie Flick 2006: 161 f.), habe ich triangulativ gearbeitet. Meine Erkenntnisse über Partizipation schöpfe ich aus: • •







8 9

eigener Erfahrung als Kuratorin einer partizipativen Ausstellung8 der Relektüre und teilweisen Auswertung der damals als Kuratorin gesammelten Daten in Form des Ausstellungskatalogs, der alle LeihgeberInnen-Kommentare enthielt, des Besucherbuchs sowie interner Unterlagen eigener Teilnahme-Erfahrung, gewonnen in verschiedenen Ausstellungen mit partizipativen Ausstellungselementen sowie durch teilnehmende Beobachtung beim Fallstudienprojekt gerhardWER?,9 die ich nachträglich in Gedächtnisprotokollen oder in Form von persönlichen Fragen fixierte dem Besuch diverser partizipativer Ausstellungen bzw. Ausstellungen mit partizipativen Elementen und deren Dokumentation mittels Fotografie sowie handschriftlicher Notizen in Form von emergierenden Fragen oder neu gewonnenen Einsichten gesammelten Kontextmaterialien wie Flyern, Aufrufen, Pressemitteilungen und Presseberichten, der Ausstellungsankündigung auf der museumseigenen Homepage, ‚Werbematerialien‘ wie Aufklebern, Postkarten, Bierdeckeln etc., den Teilnahmeformularen und den in den Ausstellungen verfügbaren RundgangMayring betont, dass auch Introspektion, d.h. das Zulassen und Einfließen-Lassen eigener subjektiver Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Forschungsgegenstand, ein legitimes Erkenntnismittel in der qualitativen Forschung sei (vgl. Mayring 2002: 25). Zur damaligen Zeit stand ich noch nicht im persönlichen Kontakt mit dem Museum, sodass ich unerkannt als scheinbar herkömmliche Teilnehmerin am Projekt teilnehmen konnte (Zur verdeckten Beobachtung als Spielart der teilnehmenden Beobachtung vgl. Lamnek 2010: 511).

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• • •

oder Informationsmaterialien – und natürlich auch Fachartikeln, Projektbeschreibungen oder -evaluationen, sofern solche vorhanden waren leitfadengestützten Interviews mit zwei MuseumswissenschaftlerInnen (s.o.) leitfadengestützten Interviews mit KuratorInnen von partizipativen Projekten, wie oben bereits erwähnt (und wie später genauer ausgeführt) einer Befragung von Projektteilnehmenden mittels Online-Umfrage zu zweien meiner Fallstudienprojekte (diese werden später gesondert thematisiert)

Insgesamt gesehen, wurde eine zweigleisige Forschungsstrategie verfolgt, nämlich zum einen, Partizipation in seiner Vielschichtigkeit und Breite anhand möglichst vieler, mehr oder weniger zufällig in mein Blickfeld geratener Fälle zu erfassen, wofür ihre wesentlichen Züge und grundlegenden Besonderheiten von Interesse waren. Zum anderen habe ich Tiefenbohrungen vorgenommen, indem ich drei gezielt ausgewählte Partizipationsprojekte als Einzelfallstudien intensiv analysiert habe, um in deren Strukturen, Mechanismen und Dynamiken vorzudringen. Hier ist selbstkritisch anzumerken, dass aus gutem Grund empfohlen wird, das Forschungssetting entweder auf Breite oder Tiefe hin anzulegen (vgl. Flick 2010: 167 f. oder Truschkat et al. 2005: Abs. 18). Gerade, wenn man zu einem Thema forscht, über das noch wenig wissenschaftliche Grundlagen vorliegen, ist es aber unumgänglich, den Gegenstand sowohl in seiner Breite als auch in dessen Tiefe in den Blick zu nehmen.

II.2 Theoriebildung: Genese des Dimensionenmodells

Kennzeichen qualitativer Forschung ist die „empirisch fundierte Theoriebildung“ (Alheit 1999: 1) bzw. Grounded Theory (Glaser/Strauss),1 d.h. eine induktive Vorgehensweise, die Theorien oder Modelle aus empirischen Untersuchungen einzelner Fälle heraus entwickelt und nicht wie die quantitative Forschung von Theorien ausgeht, die es dann empirisch zu überprüfen gilt (vgl. Flick 2010: 23 u. 124 ff.). In dieser induktiven Vorgehensweise entwickelte ich maßgeblich mein theoretisches Beschreibungs- und Klassifizierungsinstrumentarium, das sogenannte Dimensionenmodell, das in Kapitel V ausführlich vorgestellt wird. Indem ich Praxisbeispiele musealer Partizipation sammelte und gezielt daraufhin befragte, welche Faktoren ein jeweiliges Partizipationsangebot entscheidend mitgeprägt hatten und welche Aspekte den Projekterfolg wahrscheinlich befördert (oder behindert) haben mochten, gelangte ich zu ersten Klassifizierungsmerkmalen. Indem ich diese systematisch im permanenten Vergleich2 mit anderen Projektbeispielen auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten hin untersuchte, ergab sich eine Vielzahl relevanter Kategorien oder vorläufiger Kodes.3 Diese wiederum verdichteten sich zu thematischen Einheiten, den späteren Dimensionen. Waren die ersten modellhaften Schematisierungsversuche dieser Erkenntnisse noch als klassische Matrix angelegt, führten die in der empirischen Arbeit emergie-

1 2 3

Vgl. Glaser & Strauss ([1967] 2006). Für eine knappe Darstellung der Grounded Theory in ihren wesentlichen Zügen vgl. z.B. Corbin (2006) und Alheit (1999). Zur Methode des konstanten Vergleichs siehe z.B. Alheit 1999: 16 u. Flick 2010: 523 f. Kode und Kategorie sind keine bedeutungsgleichen Begriffe, jedoch bestehen fließende Übergänge. Beim Theoretischen Kodieren werden erste Konzepte als Kodes bezeichnet, die übergeordneten Oberbegriffe, die eine Theorie bzw. ein Modell ausmachen, als Kategorie. Solange noch nicht klar ist, ob es sich tatsächlich um einen Oberbegriff für eine Theorie handelt, spricht man von Kodes. Kodes können damit als „vorläufige oder kleinere Kategorien, die bestimmte Aspekte der Daten interpretativ abbilden“, verstanden werden (vgl. Institut für Medien und Bildungstechnologie 2010: Kap. III.4 sowie Berg & Milmeister 2008: Abs. 8-10).

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renden Interdependenzen einzelner Kategorien und Dimensionen zum letztlich gewählten Bild der sich überschneidenden Ellipsen (s. Abb. 12). Anders als manchmal angenommen, schließt eine induktive Vorgehensweise den Einbezug formalen (Vor-)Wissens zur Entwicklung von Modellen oder Theorien nicht aus (vgl. z.B. Flick 2010: 23 u. Wrona 2006: 197),4 und so resultiert die eben skizzierte Modellentwicklung zu einem gewissen Teil auch aus der parallel durchgeführten breiten Rezeption von Partizipationskonzepten angrenzender Wissenschaftsbereiche, in deren spezifischen Kontexten bereits Partizipationsmodelle existieren. Eine weitere Form der Erkenntnisgewinnung war die (u.a. linguistische) Auseinandersetzung mit Denotation und Konnotation verschiedenster Begriffskonzepte, die im Kunst- und Kulturbereich häufig im Zusammenhang mit Partizipation genannt werden – entweder, weil sie synonym verwendet werden, oder um auszudrücken, was Partizipation in einem speziellen Zusammenhang bedeuten oder eben nicht bedeuten soll.5

4

5

Ich betone dies deshalb, weil Glaser und Strauss in ihrer einflussreichen Publikation The Discovery of Grounded Theory ([1967] 2006) zunächst Gegenteiliges fordern, um die Offenheit des eigenen Blicks nicht zu gefährden. Aus ihrer Sicht ist es nachteilig, die eigene empirische Forschung vorab oder währenddessen mit dem Studium relevanter Literatur oder bereits vorhandener Theorien zu unterfüttern, denn: „[...] when we try to fit a category from another theory to the situation under study, we can have much trouble in finding indicators and in getting agreement among colleagues on them. The result is that our forcing of ‚round data‘ into ‚square categories‘ is buttressed by a long justificatory explanation for the tentative relationship between the two. Forcing data to apply to categories or properties is sure to arouse the disbelief of both colleagues and laymen from the start. Working with borrowed categories is more difficult since they are harder to find, fewer in number, and not as rich; since in the long run they may not be relevant, and are not exactly designed for the purpose, they must be respecified.“ (Glaser & Strauss [1967] 2006: 37). Daher empfehlen sie: „An effective strategy is, at first, literally to ignore the literature of theory and fact on the area under study, in order to assure that the emergence of categories will not be contaminated by concepts more suited to different areas. Similarities and convergences with the literature can be established after the analytic core of categories has emerged.“ (Ebd.: 37). Zur Einordnung und Diskussion dieses Konzepts vgl. z.B. Kelle (2008: 42f.), aber auch Truschkat et al. (2005: 7-10.), welche die Aussagen von Glaser/Strauss relativieren und differenzierter auslegen. Begriffe wie Teilhabe, (soziale) Inklusion, Interaktion/Interaktivität, hands on, freiwilliges Engagement bzw. freiwillige Mitarbeit, Sozialarbeit und soziokultureller Praxis, kollektive Praxis, Kooperation, Kollaboration, Animation, Agitation, Aktionismus, Intervention, Occupy, Kommunitarismus usw.

II.3 Empirische Einzelfallstudien: Auswahl, Erkenntnismittel und Vorgehen

Den direkt praxisbezogenen Teil der vorliegenden Arbeit bildet die empirische Untersuchung dreier exemplarischer Ausstellungsprojekte in Form qualitativer Einzelfallanalysen. Im Folgenden soll die Auswahl der gewählten Fälle begründet sowie die wesentlichen Instrumente und verwendeten Erkenntnismittel im Analyseverfahren vorgestellt und diskutiert werden. Die Erkenntnismittel umfassen die Analyse der jeweils realisierten Ausstellungen als dem sichtbaren (End-)Ergebnis des partizipativen Gesamtprojektes, die Befragung der beteiligten KuratorInnen und MuseumsmitarbeiterInnen in Form leitfadengestützer Interviews sowie die Befragung von ProjektteilnehmerInnen in Form eines Online-Fragebogens.

II.3.1 AUSWAHL UND B EGRÜNDUNG F ALLSTUDIENPROJEKTE

DER

Wie bereits dargestellt, kristallisierte sich erst schrittweise heraus, welche Projekte als Einzelfälle in der Tiefe untersucht werden sollten. Eine solche schrittweise Auswahl anhand der aktuell emergierenden Fragestellungen und theoretischen Überlegungen stellt zwar ein genuines Prinzip qualitativer Forschung dar (vgl. Flick 2010: 163ff.), brachte jedoch eine spezifische Schwierigkeit mit sich: Da das Verfahren viel Zeit bindet, bedeutet dies fast automatisch, dass partizipative Ausstellungsprojekte – die in aller Regel als Sonderausstellungen realisiert werden – bereits stark fortgeschritten oder sogar vergangen sind, wenn die Wahl auf sie fällt. Dies erlaubt es nicht, ein Projekt von Anfang an zu begleiten und etwa genuine Richtungsentscheidungen der KuratorInnen mitzuerleben oder bei stark kooperativen Projekten entscheidende Phasen wie etwa die Konsolidierung als Gruppe, das Aushandeln einer gemeinsamen Leitlinie sowie den generellen Modus der zwischenmenschlichen Interaktion und Kommunikation aus erster Hand vor Ort zu dokumentieren. Entscheidend für die Auswahl war für mich letztlich, dass ich die rea-

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lisierte Ausstellung zumindest noch besuchen konnte, um sie eigenhändig dokumentieren und analysieren zu können. Inhaltlich war mir wichtig, dass die drei gewählten Projekte zum einen ein möglichst breites Spektrum verschiedener Spielarten von Partizipation abdeckten sowie auch, dass sie aus Kontexten stammten oder Themen behandelten, die derzeit in der deutschen Diskussion um Partizipation eine besondere Rolle spielen. Formal und inhaltlich gab dies den Ausschlag für Ostend // Ostanfang. Ein Stadtteil im Wandel, das erste Projekt der Reihe Stadtlabor unterwegs des Historischen Museums Frankfurt (hmf), für NeuZugänge. Migrationsgeschichten in Berliner Sammlungen, eine Laborausstellung im FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum unter Beteiligung weiterer Berliner Museen und für gerhardWER? Marcks – Mehr als die Stadtmusikanten!, eine Kunst-Ausstellung im Gerhard-Marcks-Haus, Bremen. Die ersten beiden Projekte markieren auf exemplarische Weise zentrale Schauplätze und Ankerpunkte des aktuellen – wenn man so will – „Partizipationsparadigmas“ (van Mensch & Mejer-van Mensch 2011: 51), da Partizipation zum einen besonders im Zusammenhang mit Stadt- und Regionalmuseen (vgl. Elpers & Palm 2014b: 14), und hier vor allem beim Thema Gegenwart, von Bedeutung ist. Zum anderen ist Partizipation auch ein prominentes Thema im Zusammenhang mit dem Themenkomplex Migration – und zwar sowohl in Bezug auf die Repräsentation von Migration als Ausstellungsthema als auch im Zusammenhang mit der generellen Problematik, dass das Museum als gesellschaftlicher Speicher des kulturellen Erbes nicht mehr die gesellschaftliche Realität unserer Einwanderungsgesellschaft spiegelt. Es ist also wenig verwunderlich, dass gerade hier neue Wege gefordert werden und beispielsweise konstatiert wird, dass „[...] ein offener, vielstimmiger und jedenfalls partizipativer Prozess zur Beschreibung von Diversität, der in Geschichtswerkstätten vielfach erprobt worden ist, [unabdingbar ist].“ (Hochreiter 2014: 3). – Insofern war klar, dass eine der Fallstudien ein partizipatives Projekt mit lokaler und auch gegenwartsbezogener Ausrichtung aus einem Stadtmuseum untersuchen sollte, und ein anderes Projekt das Thema Migration in der Zusammenarbeit mit Menschen anderer Nationalität oder eines anderen kulturellen Hintergrundes. Als exemplarisches Beispiel für ersteres war das Projekt Ostend // Ostanfang des hmf bestens geeignet, da das Museum – wie in den 1970er Jahren zuvor – derzeit progressiv und mutig eine „Neuerfindung“ (Gerchow 2009a: 3) beschreitet, bei der Partizipation einen festen Bestandteil bilden soll. Dementsprechend konsequent ist das museale Partizipationsverständnis, sodass Ostend // Ostanfang auch exemplarisch für Projekte mit einem hohen Level an Mitbestimmung steht, bei denen über einen längeren Zeitraum hinweg mit einer gleichbleibenden Gruppe kooperiert wird. Als weitere Argumente sprachen für das Frankfurter Projekt, dass es nicht im Museumsgebäude, sondern im Stadtraum verortet war, und dass es den experimentellen Auftakt bildete für ein zukünftig fest in der Dauerausstellung Frankfurt Jetzt!

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implementiertes Format, dem sogenannten Stadtlabor. Somit war spannend, ob das Projekt eventuell auch die Brücke zum Thema Partizipation innerhalb einer Dauerausstellung schlagen würde. Als um das Thema Migration zentriertes Projekt bot sich ähnlich exemplarisch ein Ausstellungsprojekt des Kreuzbergmuseums in Berlin an, da es sich hierbei um ein Museum handelt, das einerseits bereits eine partizipative Sammlungsgeschichte hatte und sich regelmäßig partizipativ betätigt, und zum anderen – wie für den Standort im Stadtteil Kreuzberg angemessen – typischerweise mit und über marginalisierte Gruppen arbeitet, insbesondere auch mit Menschen mit Migrationshintergrund. Ein weiterer Faktor, der das Projekt zur Fallstudie prädestinierte, war, dass es explizit als Laborausstellung gedacht war, in dessen Rahmen die beiden externen Kuratorinnen Frauke Miera und Lorraine Bluche gemeinsam mit der Forschungsgruppe Experimentierfeld Museologie (TU Berlin) verschiedene Formen von Partizipation in verschiedenen Stadien eines Ausstellungsprojekts erproben wollten. Auch war das Ziel der Kuratorinnen, vorhandene Museumssammlungen ohne auf den ersten Blick erkennbaren Bezug zum Thema neu zu lesen, um darin Migrationsgeschichten aufzuspüren. Dieser Ansatz ließe sich beliebig auf andere Museen übertragen, könnte also in exemplarischer Weise für diese Praxis eines ‚partizipativen Neulesens von Sammlungen‘ dienen. Als schöner Nebeneffekt waren noch drei weitere Berliner Museen in NeuZugänge einbezogen, sodass quasi auch mehrere Museen miteinander ‚partizipierten‘. Die dritte Fallstudie sollte aus dem Bereich der Kunstmuseen bzw. aus dem Bereich Partizipation im Zusammenhang mit Kunstwerken stammen. Nicht nur, weil Kunstmuseen statistisch gesehen zu einem der beliebtesten und daher wohl gesellschaftlich anerkanntesten Museumstypen zählen,1 sondern auch, weil Partizipation im Zusammenhang mit wertvollen Kunstobjekten auf den ersten Blick ungleich problematischer erscheint als im Zusammenhang mit Stadt- bzw. Lokalgeschichte, Gegenwart oder Migration. Ein spannendes ‚Partizipationsparadoxon‘ in diesem Zusammenhang ist auch, dass die theoretische Auseinandersetzung mit Fragen der Partizipation und Beteiligung, der geteilten Autorschaft sowie der Öffnung und Enthierarchisierung des ‚Systems Kunst‘ wie auch des ‚Systems Museum‘ gerade in Diskursen der Bildenden Kunst sowie der kritischen Kunstvermittlung die vielleicht längste Tradition unter den museumsrelevanten Disziplinen aufweist und oftmals in einer Intensität und Radikalität geführt wird, die ihresgleichen sucht. Damit klaffen 1

So machen Kunstmuseen nur knapp elf Prozent der deutschen Museen aus (sie rangieren damit an vierter Stelle nach den Volkskunde- und Heimatmuseen, der Gruppe der kulturgeschichtlichen Spezialmuseen und der naturwissenschaftlichen und technischen Museen), sie generierten 2014 nach der Gruppe der historischen und archäologischen Museen, die Platz Nr.1 belegen (mit 19,2 Prozent), jedoch die zweitmeisten Besuchszahlen im Museumstypenvergleich (mit 16,8 Prozent). Vgl. Institut für Museumsforschung (2015: 22).

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revolutionäre Theorie und traditionelle Museumspraxis in kunstbezogenen und von Kunstmuseen durchgeführten Partizipationsprojekten wohl stärker als in anderen Museumstypen auseinander.2 Eine weitere Diskrepanz – zumindest bezogen auf zeitgenössische Kunst – sieht Daniela Bystron, Leiterin der Bildungs- und Vermittlungsarbeit der Neuen Nationalgalerie sowie des Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart in Berlin: „Im Gegensatz zu kulturgeschichtlichen, technischen oder archäologischen Museen bieten Museen für zeitgenössische Kunst einen größeren Spielraum für ästhetisch-künstlerische Experimente, interdisziplinäre Ansätze und die Thematisierung aktueller gesellschaftlicher Inhalte, sind sie doch selbst in den Werken enthalten. Jedoch tun sich Museen für zeitgenössische Kunst umgekehrt wesentlich schwerer, Kontexte zu den Kunstwerken zu geben, subjektive Erzählungen dazu zuzulassen oder künstlerisch-ästhetische Produktionen von Anderen, außer den ausgestellten Künstler_innen, Raum zu geben.“ (Bystron & Zessnik 2014: 332)

Nichtsdestotrotz gibt es einige verhältnismäßig progressive künstlerische bzw. kunstspezifische Partizipationsprojekte im deutschsprachigen Raum; eine gewisse Tradition haben sie etwa im Kunstmuseum Thun (Schweiz), dem Essl Museum3 in Klosterneuburg bei Wien oder in der Kunsthalle Emden als deutschem Beispiel. Aus formalen Gründen schieden Projekte dieser Museen jedoch zumeist als Fallstudien aus. Die Wahl fiel schließlich auf gerhardWER?: Zum einen verfolgte dieses Projekt den bei Beteiligungsprojekten gern gewählten Ansatz des Lieblingsobjektes. Aber noch ein weiterer Umstand machte gerhardWER? für mich spannend: Wer aus der Museumssammlung sein Lieblingswerk aussuchen wollte, konnte dies entweder virtuell über die online verfügbare Objektdatenbank des Museums machen oder sich von den MuseumsmitarbeiterInnen persönlich ins Depot führen lassen. Damit deckte dieses Projekt zum einen das Thema der Onlinepartizipation ab, das in der aktuellen Diskussion gerade im Zusammenhang mit sozialen Netzwerken immer wieder anklingt. Zum anderen war gerhardWER? das einzige der drei Fallstudienprojekte, das seine Teilnehmenden nicht nur im übertragenen Sinne einen ‚Blick hinter die Kulissen‘ erlaubte, sondern im wortwörtlichen.

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3

Vgl. hierzu auch Bystron & Zessnik (2014: 331), die feststellen: „Eine Hinwendung zu gesellschaftlichen und an der Öffentlichkeit orientierten Themen sowie die Befragung und Involvierung von Besucher_innen und Nicht-Besucher_innen sind vor allem in Kunstmuseen eine Seltenheit.“ Als Ausnahmen benennen sie das Van Abbe Museum, Eindhoven, und die Galerie für Zeitgenössische Kunst, Leipzig. Leider ist der Ausstellungsbetrieb in Klosterneuburg zum 01.07.2016 aus finanziellen Gründen eingestellt worden.

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II.3.2 AUSSTELLUNGSANALYSE : E XKURS ÜBER BESTEHENDE ANSÄTZE UND EIGENES V ORGEHEN Einen Mosaikstein meiner Fallstudienuntersuchung bildete die Analyse der jeweils realisierten partizipativen Ausstellungen, die das sichtbare (End-)Ergebnis der Projekte markierten. Zu Recht wird in der einschlägigen Literatur beklagt, dass auf dem Gebiet der Ausstellungsanalyse eine Forschungslücke klafft und adäquate Analyseinstrumente zur differenzierten und strukturierten Auseinandersetzung bisher fehlen (vgl. z.B. Thiemeyer 2010: 32 u. Jannelli & Hammacher 2008b: 7). Erfreulicherweise sind aber in jüngerer Zeit Publikationen erschienen, die diesen Mangel beheben möchten und die mir Anregungen für die Durchführung meiner Ausstellungsanalysen liefern konnten: Als Standardwerke können inzwischen Medium Ausstellung. Lektüren musealer Gestaltung in Oxford, Amsterdam und Wien von Jana Scholze (2004) sowie Gesten des Zeigens. Zur Repräsentation von Gender und Race in Ausstellungen von Roswitha Muttenthaler und Regina Wonisch (2006) gelten. Hinzugekommen sind Dissertationen von Maren Ziese (2010)4 und Angela Jannelli (2012)5, auf die später ebenfalls gesondert eingegangen wird. Der Sammelband Museumsanalyse, herausgegeben von Joachim Baur (2010a), stellt dagegen in kurzen Aufsätzen mögliche, aus Nachbardisziplinen entlehnte, Blickwinkel von Ausstellungsanalysen vor, liefert jedoch kein Analyseinstrumentarium im eigentlichen Sinne, wie es der Titel vielleicht suggerieren mag. Hieran zeigt sich, dass Museumsanalyse im Allgemeinen sowie Ausstellungsanalyse im Besonderen momentan eher praxisorientierte Museumskunde denn Museumswissenschaft ist und i.d.R. ein Transfer aus Nachbardisziplinen notwendig wird (vgl. Thiemeyer 2010: 33). Im Folgenden möchte ich in einem Exkurs die Blickwinkel und Analyseverfahren von Scholze, Muttenthaler/Wonisch, Ziese und Jannelli kurz skizzenhaft anreißen sowie ausgewählte Positionen aus mehr szeno- und museografischer Sicht vorstellen, um mich anschließend dazu zu positionieren und mein eigenes methodisches Vorgehen bei der Analyse der partizipativ generierten Ausstellungen der Fallstudienprojekte vorzustellen.

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Ziese, Maren (2010): Kuratoren und Besucher. Modelle kuratorischer Praxis in Kunstausstellungen. Bielefeld: transcript. Jannelli, Angela (2012): Wilde Museen. Zur Museologie des Amateurmuseums. Bielefeld: transcript.

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Exkurs: Relevante Analysekonzepte und Ausstellungstypologien Jana Scholze: Semiotische Analyse Jana Scholze führt eine semiotische Ausstellungsanalyse durch: Sie definiert Ausstellungen als Orte, an denen „Signifikations- und Kommunikationsprozesse“ (Scholze 2004: 12) stattfinden, also intendierte wie nichtintendierte Botschaften im Vorgang des Codierens und Decodierens vermittelt werden.6 Aus sprachwissenschaftlicher Perspektive der Semiotik – hierbei rekurriert Scholze vor allem auf Umberto Eco und Roland Barthes – können Ausstellungen somit wie Texte ‚gelesen‘ werden, sofern man ihre Zeichensysteme entsprechend entschlüsselt. Die Art der Ausstellungsgestaltung, der bereitgestellten Texte und des Zu-Sehen-Gebens der Objekte bewirken, dass bestimmte Interpretationen befördert werden, während andere Lesarten verdeckt oder sogar unterdrückt werden können (vgl. ebd. 15). Dabei, so Scholze, gelte es, zwischen Denotation, Konnotation und Metakommunikation als den drei Arten von Mitteilung zu unterscheiden (vgl. ebd. 30-39). Im Ergebnis entwickelt Scholze eine hilfreiche Ausstellungstypologie vier wesentlicher Narrationstypen bzw. Ausstellungssprachen, die sie bezeichnet als Klassifikation, Chronologie, Inszenierung und Komposition (vgl. ebd. Kap. 2-5). Scholzes vierter Typus, die Komposition, ist insofern für das vorliegende Thema von Interesse, als dass partizipativ erarbeitete Ausstellungen mit einer hohen Partizipationsintensität große formale Ähnlichkeiten zu diesem Typus aufweisen können. So erscheinen kompositorische Ausstellungen laut Scholze optisch oftmals als scheinbar unsystematische, mehr poetische Anordnungen von Dingen, wobei der Fokus häufig auf der Gegenwart bzw. dem Alltäglichen liege. Repräsentativität und Objektivität würden eher nicht angestrebt; von Interesse sei der (persönliche) Symbolwert der Dinge, nicht ihr tatsächlicher Gebrauchswert oder ihr Wert als historisches Verweisobjekt. Fragmentarik, Spurensuche, Kombinatorik und Prozesshaftigkeit, so Scholze, stellen wesentliche Leitmotive dar, ebenso wie Verfremdungseffekte eine Rolle spielen können. Die Präsentation verschließe sich auf diese Weise einer historischen oder kunst- und kulturgeschichtlichen Lesart, um stattdessen bei den BetrachterInnen individuelle Prozesse der Deutungsfindung anzustoßen (vgl. ebd. 216 ff.). Roswitha Muttenthaler/Regina Wonisch: „Methoden-Bricolage“7 Auch die Historikerinnen und Museologinnen Roswita Muttenthaler und Regina Wonisch rekurrieren auf die Sprachwissenschaft und verstehen Ausstellungen unter

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Für einen knappen Einblick vgl. Scholze 2010. Muttenthaler & Wonisch 2006: 62. Die Autorinnen beziehen sich hierbei auf Claude Lévi-Strauss, der diesen Begriff prägte.

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Rückbezug auf die Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Mike Bal als komplexe Sprechakte (vgl. Muttenthaler & Wonisch 2006: 38 ff.). Gemäß ihrem spezifischen Ziel, Ausstellungen bezüglich der Kategorien gender, race und class zu befragen und davon ausgehend „ver-rückende Blicke und Perspektiven einzuführen“ (Muttenthaler & Wonisch 2003: 75), rückt bei ihnen jedoch vor allem die Tatsache in den Vordergrund, dass es sich bei Ausstellungen nie um ‚neutrale‘ Akte der Kommunikation und des Informationsaustauschs handelt und dass auch die Lesart einer Ausstellung persönlichen Subjektivismen der RezipientInnen unterworfen ist, sich also ‚Botschaften‘ nicht wieder eins zu eins entschlüsseln lassen. Denn jeder scheinbaren Objektivität und Neutralität zum Trotz seien fertige Ausstellungen erstens Statements, in die sich die MacherInnen unauslöschlich selbst mit eingeschrieben haben (vgl. dies. 2006: 39). Zweitens spiegelten museale Repräsentationen als institutionalisierte Reflexe auf historische Ereignisse und kulturelle Phänomene aber auch direkt oder indirekt Strömungen der Gesellschaft als solcher wider (auch dann, wenn bestimmte Themen bewusst ausgeklammert werden) – und drittens würden jene, die Ausstellungen rezipierten, in diesem Prozess unbewusst von ihrem individuellen Hintergrund beeinflusst, der jeweils subjektive Imaginationen freisetze (vgl. ebd. 43 ff. u. 252 sowie dies. 2003: 59 f.). In dieser Hinsicht greife, so die Autorinnen, eine eindimensionale Analyse zu kurz, weshalb beide auf einen interdisziplinären „Methodenmix“ (dies. 2006: 237) setzen: Neben der Semiotik (vor allem nach dem Vorbild Scholzes) schöpfen sie aus Methoden und Theorien der Semantik (unter Rückgriff auf Sabine Offe, die wiederum das textanalytische Verfahren nach Roman Jakobson einbrachte) und insbesondere der Ethnologie, indem sie das Verfahren der Dichten Beschreibung des US-amerikanischen Ethnologen Clifford Geertz8 anwenden. Dieses Verfahren besteht darin, den Forschungsgegenstand immer und immer wieder neu zu betrachten und auszudeuten – in der Gewissheit, dass es unendlich viele Lesarten gibt und die Beschreibung theoretisch nie abgeschlossen ist: „Indem wir die unterschiedlichen Schichten einer Ausstellung erfassen, beschreiben und in einen Zusammenhang stellen, setzen wir sie zu immer neuen Bildern und Narrativen zusammen. Und nur so können sich auch Bedeutungen eröffnen, die nicht auf den ersten Blick sichtbar sind. Erst mit den wiederholten Reinterpretationen und dem Hervorheben verborgener Bedeutungen als weitere Lesarten wird einer rekonstruktiven-dünnen Beschreibung eine spezifische konstruktive Dichte gegeben.“ (Ebd. 51)

Anleihen aus der Psychoanalyse, der Kunstgeschichte sowie der Theater- und Filmwissenschaft fließen ebenfalls stellenweise ein. Muttenthaler/Wonisch halten sich dabei nicht sklavisch an etwaige Analyseregeln, sondern ziehen jeweils das aus den verschiedenen Ansätzen heraus, was ihnen am brauchbarsten erscheint: 8

Vgl. Geertz 1987.

48 | M USEUM UND P ARTIZIPATION „Die einzelnen disziplinären Zugänge zu verknüpfen und für eine differenzierte Ausstellungsanalyse nutzbar zu machen, haben wir in unserer Arbeit nach Möglichkeit versucht. Im Sinne einer Bricolage haben wir aus dem Arsenal von schon Vorhandenem methodische Ansätze genommen, diese umfunktioniert und miteinander kombiniert für eine neue Anwendung in Anspruch genommen.“ (Ebd. 62)

Im Hinblick auf mein spezielles Vorhaben zeigen Muttenthaler/Wonisch damit, dass es je nach Fragestellung einer eigenen Zugangsweise bedarf. Auch sensibilisieren sie dafür, dass in Analysen – analog zu Ausstellungen – trotz aller Regeln und Bemühungen um Standardisierung immer subjektive Ausdeutungen eingeschrieben werden: „[B]ereits die Beschreibung eines kulturellen Phänomens [beinhaltet] ebenso eine Interpretation und Positionierung [...] wie die Analyse – auch eine Aufzeichnung ist eine Deutung. Analysen sind somit Interpretationen von Interpretationen.“ (Ebd. 50). Was die Kommunikation der gewonnenen Analyseergebnisse betrifft, so sprechen Muttenthaler und Wonisch ebenfalls aus, was in paradigmatischer Weise für meine (wie wohl die meisten) wissenschaftlichen Ausstellungsanalysen oder Fallstudien gilt: „Eine Schwierigkeit sahen wir vor allem darin, wie in den Ausführungen unser Analyseprozess für die LeserInnen nachvollziehbar gemacht werden konnte. [...] In unserer Publikation sind hauptsächlich die Ergebnisse zu lesen, weniger der Prozess der Analyse.“ (Ebd. 62)

Dies ist bei mir in Kapitel V.2.4 ebenfalls der Fall – zumal die Ausstellungsanalyse als solche nicht das zentrale Interesse meiner ganzheitlichen Fallanalysen war, sondern nur einen Teilaspekt dieser ausmachte. Insofern werden die Ergebnisse der Ausstellungsanalysen zugunsten anderer Aspekte nicht erschöpfend behandelt. Maren Ziese: Ethnografischer Zugang Die Kunsthistorikerin Maren Ziese befragt in ihrer Dissertation kuratorische Praktiken in zeitgenössischen Kunstausstellungen in Hinblick auf ihre Möglichkeiten des ‚Dialogs‘ mit dem Publikum. Bezugnehmend auf das Konzept der Relationalen Ästhetik9 von Nicolas Bourriaud und im Rekurs auf einschlägige Äußerungen zur Partizipation im Kunstkontext (z.B. von Maria Lind, Christian Kravagna und Carmen Mörsch), steht bei ihr die Facette des Museumsraums als sozialem – und damit letztlich auch politischem – Raum im Vordergrund (vgl. Ziese 2010: 56 ff.). Ihre 9

Ziese schreibt hierzu: „Bei der ‚relationalen Ästhetik‘ geht es um die tatsächliche Bildung und Thematisierung von Austauschprozessen. Dieser [...] Ansatz beurteilt Kunstwerke auf der Grundlage der zwischenmenschlichen Beziehungen, die sie repräsentieren, produzieren oder fördern. Bourriaud zufolge lässt sich dieses Paradigma nicht nur allein auf Kunstwerke, sondern auch auf ganze Ausstellungen anwenden, ihm zufolge erzeugen sie ein soziales Umfeld, in dem Menschen zusammenkommen können, was letztlich auch eine Abkehr von den eigentlichen Kunstgegenständen impliziert.“ (Ziese 2010: 9).

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übergeordnete Untersuchungsfrage lässt sich genauso auch an partizipative Projekte, wie ich sie untersuche, adressieren bzw. an Ausstellungen, welche BesucherInnen in irgendeiner Weise aktivieren und beteiligen wollen: „Wie kann man als Kurator mittels verschiedener Ausstellungssprachen und konkreter Displays einen Austausch zwischen Subjekten im musealen Raum stimulieren und Dialog initiieren? [...] Welche Modelle der Austausch- und Beziehungssetzung werden gewählt, das heißt, welche Ausstellungsmodelle und -sprachen werden hierfür herangezogen?“ (Ebd. 9)

Für die Analyse des sichtbaren Bestandes10 bedient sich Ziese ebenso wie Muttenthaler/Wonisch des ethnografischen Verfahrens der Dichten Beschreibung nach Clifford Geertz, das sie dahingehend ausweitet, dass in einem der mehrmaligen Beschreibungsdurchgänge ein dezidierter, zuvor erarbeiteter Fragenkatalog11 systematisch durchgegangen wird. Dies geschieht unter der Prämisse, alle untersuchten Ausstellungen abschließend einer vergleichenden Analyse zu unterziehen. Obwohl sich Ziese an AutorInnen der kritischen Kunstvermittlung und Kunstwissenschaft orientiert, welche Partizipation entsprechend als aktiv-handelnde Beteiligung verstehen, ist ihr eigenes Verständnis von Partizipation, von Dialog und gegenseitigem Austausch ein anderes: „Der hier verwendete Partizipationsbegriff basiert dennoch nicht auf der Idee, dass Betrachter ein Projekt – in diesem Fall die Ausstellung – verbessern, ausbauen oder weiterverfolgen können. Es geht nicht um die gemeinsame Fertigung der Ausstellung. Dem Verständnis der Autorin nach sollen sich Ausstellungsbesucher im Schauraum begegnen können, gemeinsam etwas erleben. Die Anwesenden sollen sich aktiviert, motiviert und befähigt [...] fühlen.“ (Ebd. 78; Kursivschreibung A.P.)

Mit Blick also auf eine ‚nur‘ kognitive oder emotionale ‚Beteiligung‘ nennt und diskutiert Ziese verschiedene (kuratorische) Techniken zur Schaffung sozialer Räume (vgl. ebd. 85-97). Trotz des anderen Partizipationsverständnisses sind genannte Techniken wie das Prinzip der Selbsttätigkeit, die Schaffung einer angenehmen Atmosphäre und Komfort, Vielstimmigkeit oder Transparenz (bei Ziese als „Offenlegung von Bedingungen“ überschrieben, vgl. ebd. 92 ff.) auch in meinen Augen grundlegende Einflussfaktoren für aktive Partizipation, wie ich sie untersuche. Insofern können diese Aspekte für eine Analyse partizipativer Ausstellungen lohnende Kriterien der Befragung sein. 10 Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Ziese zur Analyse des Gesamtprojekts auch Interviews mit den KuratorInnen führte. Diese Interviews stehen – genau wie bei mir – als eigenes Erkenntnismittel eigenständig neben dem Erkenntnismittel der Analyse des Ausstellungssettings im Ausstellungsraum. 11 Der ausführliche Katalog gliedert sich thematisch in Fragen zum Aussehen der Räume, zur Strukturierung der Ausstellung (architektonische und gestalterische Inszenierungsmittel), zur Auswahl der Kunstwerke, zur sprachlichen Ebene, zur Organisation sowie zum Umgang mit BesucherInnen (vgl. Ziese 2010: 53-56).

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Angela Jannelli: Performativer Ansatz 12 Die Kulturwissenschaftlerin und Museologin Angela Jannelli beschäftigt sich in ihrer Dissertation mit Amateurmuseen, welche sie in Anlehnung an die Theorie des wilden Denkens des französischen Ethnologen Claude Lévi-Strauss als „wilde Museen“ bezeichnet.13 Unter einem Amateurmuseum versteht Jannelli ein – meist in Vereinsform – von Menschen ohne kuratorische Ausbildung eingerichtetes und geführtes Museum, das diese in ihrer Freizeit aus privatem Interesse realisieren und betreuen (vgl. Jannelli 2012b: 21-24). Wie Jannelli an anderer Stelle äußert, versteht sie das Amateurmuseum als „eine Art ‚Graswurzelbewegung‘ der partizipativen Museumsarbeit“ (dies. 2012a: 165). Ob man dieser Aussage zustimmen mag oder nicht, hängt sicherlich vom Blickwinkel ab.14 Die Frage jedoch, welches Verfahren Jannelli für die Analyse von ‚Amateur-Ausstellungen‘ wählt, ist in jedem Fall auch von Interesse für die Frage nach einer Analysemethode für partizipativ generierte Ausstellungen. Immerhin sehe ich tendenziell diverse strukturelle Ähnlichkeiten zwischen Jannellis und meinem Untersuchungsgegenstand, da es sich sowohl bei Amateurmuseen als auch partizipativ generierten Ausstellungen um Formen des Ausstellungs- bzw. Museumsmachens handelt, die in einem gewissen Unterschied zum ‚klassischen‘, d.h. kuratorischfachwissenschaftlichem Museum oder Ausstellung stehen: Die Inhalte von „wilden Museen“ und partizipativ generierten Ausstellungen beziehen sich häufig nicht auf die ‚große‘ Weltgeschichte oder bekannte Persönlichkeiten; die Objekte sind mitun12 Vgl. zum Thema ‚Museum als performativer Raum‘ z.B. Siepmann 2003, Jannelli & Hammacher 2008a: 44 u. Jannelli 2008. 13 Jannelli bezieht sich hier auf Lévi-Strauss’ Veröffentlichung „Le totémisme aujourd’hui“, Paris: Presses Universitaires de France 1962. Auf Deutsch erschien „Das wilde Denken“ 1968 im Suhrkamp-Verlag. Jannelli schreibt hierzu: „Lévi-Strauss kritisiert darin die damals in der Ethnologie vorherrschende Haltung, das Denken sogenannter ‚primitiver‘ Völker als rückständig oder unzivilisiert zu betrachten. Er plädiert vielmehr dafür, das wilde Denken nicht als eine unterentwickelte Vorstufe des wissenschaftlichen Denkens zu betrachten, sondern vielmehr als eine eigenständige, der Wissenschaft gleichwertige Art, die Erscheinungen der Welt zu interpretieren [...]. Diesen Gedanken habe ich auf die Museumswelt angepasst: Ein wildes Museum stellt für mich daher keine primitive, unterentwickelte Form des Mediums Museum dar, sondern es bezeichnet einen eigenständigen Museumstyp, eine dem wissenschaftlichen Museum ebenbürtige und gleichwertige Form des Sammelns und Ausstellens.“ (Jannelli 2012a: 165). 14 Amateurmuseen zeigen – und hierauf zielte Jannelli mit ihrer Äußerung sicherlich ab –, dass das Interesse und die Freude an den Kulturtechniken des Sammelns und Ausstellens Menschen ohne museale Ausbildung nicht erst ‚beigebracht‘ oder vermittelt werden muss. Partizipation bedeutet jedoch nach meiner Definition, dass zwei Gruppen daran beteiligt sind, genau genommen, dass die eine Gruppe die andere Gruppe an ihrem ‚Gut‘ – in diesem Fall dem Museum mit all seinen Repräsentationsfunktionen – teilhaben lässt. In Amateurmuseen kommt es jedoch i.d.R. nicht zu einer Zusammenarbeit zwischen Museumsfachleuten und den „Amateuren“, sondern die „Amateure“ bleiben unter sich. Ich würde in diesem Fall eher mit Christian Kravagnas Begriff der kollektiven Praxis operieren, der meiner Meinung nach die Dynamiken und die Arbeitsweise innerhalb eines Amateurmuseums treffender beschreibt als „Partizipation“ (vgl. Kravagna 1998: 30).

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ter weder alt bzw. selten noch von auf den ersten Blick erkennbarer gesamtgesellschaftlicher Bedeutung, sondern werden mehr nach persönlichen symbolischen Gesichtspunkten gesammelt; die Herangehensweise ist oftmals eine eher intuitiv-interessensgeleitete denn wissenschaftlich-analytische. Auch die Ausstellungsgestaltung folgt eher persönlichen Gesichtspunkten denn den musealen Prinzipien von Chronologie oder Klassifikation; die Texte und Aussagen sind eher von emotionaler und persönlicher Natur etc. – Und daher sind beide Ausstellungsformen nicht adäquat nach bisherigen Maßstäben zu beurteilen und womöglich auch nicht mit bisherigen Modellen der Ausstellungsanalyse adäquat zu erfassen. Es erscheint daher nur folgerichtig, dass bei Jannelli in Bezug auf „wilde Museen“ weniger das augenscheinlich-sichtbare (Ausstellungs-)Ergebnis im Vordergrund steht, sondern vielmehr die sich darin abspielenden sowie manifestierenden (Be-Deutungs-)Prozesse,15 weshalb sie ihre Praxisbeispiele nicht wie „fertige, abgeschlossene ‚Werke‘“ (dies. 2012a: 165 f.) analysiert. Unter Bezugnahme auf die Raumsoziologie von Martina Löw (2001) sowie die Ästhetik des Performativen von Erika Fischer-Lichte (2004) versteht Jannelli Ausstellungen vielmehr als „Handlungsräume“ (Jannelli 2012b: 71), „‚Ereignis‘ oder ‚Aufführung‘“ (ebd. 75), deren „performative Dimension“ es mittels einer geeigneten Analysetechnik zu erfassen gelte (vgl. Jannelli 2012b: 108).16 Jannelli plädiert daher für eine Ergänzung der semiotischen Analyse – welche ihrer Meinung nach nämlich die „[...] räumlichen Wahrnehmungsqualitäten einer Ausstellung nicht erfassen [kann] und [...] zwangsläufig zu einer buchstäblichen Verflachung des Ergebnisses [führt]“ (Jannelli 2012b: 78)17 – um eine performative Analyse. Eine Metapher von Lévi-Strauss aufnehmend, wonach Musik mehr sei als

15 Jannelli (2012b: 77) schreibt dazu: „Ich fokussiere mich nicht allein auf die Ausstellung, sondern nehme auch die Art und Weise in den Blick, wie sie von den Museumsmachern benutzt und vermittelt wird. [...] Das Ziel meiner Untersuchung war, zu verstehen, was in den wilden Museen geschieht, welche Prozesse der Welterklärung und Weltdeutung dort stattfinden.“ (Die eigentümliche Schreibweise „Be-Deutung“ habe ich von Muttenthaler/ Wonisch übernommen, die damit zum Ausdruck bringen wollen, dass sich in Ausstellungen die Bedeutungen des Ausgestellten einerseits aus den Gegenständen selbst speisen, andererseits jedoch auch aus den Deutungsabsichten der Ausstellungsmacher sowie den Ausdeutungen bzw. Deutungsvermutungen der RezipientInnen; vgl. Muttenthaler & Wonisch 2003: 59). 16 Zum Aspekt der Ausstellung als „Aufführung“ sei auf die Publikation von Werner Hanak-Lettner (2011) Die Ausstellung als Drama. Wie das Museum aus dem Theater entstand hingewiesen. Auch Martin Schärer reißt kurz den Vergleich zwischen Ausstellung und Theater an und konstatiert, dass „[...] beide letztlich erst im Prozeß der Aufführung bzw. des Besuches geschaffen [werden].“ (Schärer 2003: 138). 17 Vgl. hierzu auch die von Schärer geäußerte Kritik, wonach Ausstellungen im Unterschied zu Texten nicht linear, sondern strukturell organisiert seien, weshalb Ausstellungen nicht wirklich mit Sprache oder Text vergleichbar seien. Seiner Meinung nach birgt der Vergleich von Ausstellung und Sprache demnach „[...] sogar Gefahren in sich, besonders bei der Übernahme einer linguistischen Terminologie.“ (Schärer 2003: 115).

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die bloße Partitur, da sie sich in jeder Aufführung neu und anders konstituiere, beschreibt Jannelli ihr duales Vorgehen folgendermaßen:18 „Ich habe [...] ein Verfahren gewählt, das klassische semiotische Analyseverfahren mit performativen Ansätzen verbindet. Auf der Ebene der ‚Partitur‘ habe ich die Ausstellungen als Anordnungen von Dingen im Raum betrachtet. Ich habe danach gefragt, welche Objektarten und Objektordnungen die Ausstellung strukturieren. Für diesen Teil der Analyse verwende ich unter anderem Werkzeuge aus dem traditionellen ‚semiotisch-hermeneutischen Werkzeugkasten‘. Auf der Ebene der ‚Aufführung‘ habe ich danach gefragt, wie die Ausstellungen ‚interpretiert‘ werden. Dafür habe ich mich von den Museumsmachern durch die Ausstellungen führen lassen. Wie zeigen sie mir die Ausstellung? Wie erklären sie mir die Objekte? Welche Wege wählen sie durch die Ausstellung? Hier kommen vor allem Werkzeuge zum Einsatz, die ich aus dem Werkzeugkasten der Performanztheorie entliehen habe. Mit einem solchen Analyseinstrumentarium kann ich das wilde Museum als Handlungsraum betrachten. Ich fokussiere mich nicht allein auf die Ausstellungen, sondern nehme auch die Art und Weise in den Blick, wie sie von den Museumsmachern benutzt und vermittelt wird.“ (Ebd. 76 f.)

Jannelli führte also mehrmalige Ausstellungsbesuche in verschiedenen Rollen durch: In der explorativen Phase tat sie dies unerkannt als ‚normale‘ Besucherin, wobei sie sich hierfür aus dem Repertoire der Filmanalyse bediente sowie die „Methode des Wahrnehmungsspaziergangs“ (ebd. 79) pflegte, was bedeutet, dass sie nicht allein analytisch und distanziert beobachtete, sondern ihre eigenen sinnlichen Wahrnehmungen, ihre Emotionen und Assoziationen bewusst einbezog.19 Danach gab sie sich als Wissenschaftlerin zu erkennen und führte teilnehmende Beobachtungen durch, indem sie Veranstaltungen sowie diverse Führungen besuchte. Jannellis Ansatz wäre sicherlich lohnenswert in Hinblick auf die Analyse einer partizipativen Ausstellung dahingehend, was die ausgestellten Inhalte für die Projektbeteiligten symbolisieren, was ihnen die Möglichkeit der Selbstrepräsentation im Rahmen der gesellschaftlich hoch anerkannten Institution Museum bedeutet und wie sie sich die Ausstellung zu eigen machen. Dies ist jedoch nicht meine primäre Fragestellung. Auch würde eine Anwendung von Jannellis Verfahren auf partizipativ generierte Ausstellungen oder Ausstellungen mit partizipativen Elementen in letzter Konsequenz bedeuten, Rundgänge nicht nur mit den jeweiligen museumseigenen KuratorInnen, sondern auch mit den außermusealen Teilnehmenden durchführen zu müssen. Da dies eindeutig über mein spezifisches Erkenntnisinteresse und den Stellenwert der Ausstellungsanalysen im Gesamtkontext meiner Arbeit hinausgeht, ha-

18 Abgesehen von dem hier beschriebenen Teil der reinen Analyse der Ausstellung als solcher, führte Jannelli auch Interviews in Form von Einzel- sowie Gruppengesprächen. 19 Damit reiht sich Jannelli ein in das insgesamt gestiegene Interesse an sinnlicher Erfahrung in der empirisch-kulturwissenschaftlichen Forschung, welches die Kulturanthropologinnen Lydia Maria Arantes und Elisa Rieger konstatieren – auch in Bezug auf den eigenen Blickwinkel als ForscherIn (vgl. Arantes & Rieger 2014a: 14).

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be ich mich ‚lediglich‘ für unbegleitete, checklistengestützte Analyserundgänge entschieden. Jedoch weist Jannellis Ansatz über ihre spezielle Fragestellung hinaus ganz allgemein auf einen zentralen, bisher bei Ausstellungsanalysen jedoch vernachlässigten Faktor hin: Die Bedeutung persönlicher Sinneserfahrungen, subjektiver Blickund Betrachtungswinkel für die individuellen ‚Aushandlungsbewegungen‘ der Bedeutungsgenerierung und Ausstellungsaneignung als RezipientIn bzw. AnalytikerIn. Nimmt man diesen Faktor ernst, müssten AusstellungsmacherInnen und AusstellungsanalytikerInnen zukünftig danach fragen, wie offen eine Ausstellung für alternative Lesarten ist, wie sehr sie den BesucherInnen persönliche oder emotionale Anknüpfungspunkte liefert und von diesen verlangt, einen eigenen Standpunkt zu beziehen. Ausstellungstypologien aus szenografischer, gestalterischer und museografischer Sicht20 Kontextliteratur für die Vorbereitung meiner Ausstellungsanalysen waren neben den eben vorgestellten Positionen auch Publikationen und Aufsätze, die – zum Teil unter historischer Perspektive – verschiedene Präsentationsstile und Ausstellungssprachen im Museumswesen herausarbeiten, jedoch i.d.R. ohne damit willentlich ein Analyseinstrumentarium vorzulegen. Hierunter fielen insbesondere Expositum. Zum Verhältnis von Ausstellung und Wirklichkeit von Alexander Klein (2004) und Inszenierung und Erlebnis in kulturhistorischen Ausstellungen. Museale Kommunikation in kunstpädagogischer Perspektive von Brigitte Kaiser (2006), aber auch Martin Schärers Publikation Die Ausstellung. Theorie und Exempel (2003) und Ausstellungsgestaltung. Konzepte und Techniken des britischen Architekten David Dernie (2006) sowie der Text Staunen – Lernen – Erleben. Bedeutungsebenen gesammelter Objekte und ihrer musealen Präsentation im Wandel von Andrea Hauser (2001). Interessant erschienen mir hierbei die zum Teil recht unterschiedlichen Zugangsweisen – die möglicherweise als Indiz dafür gedeutet werden können, dass die Spielarten an Ausstellungsgestaltungen derart vielfältig sind, dass eine Typologisierung schlichtweg unmöglich erscheint (vgl. Gersch 2010: 6). So stellte die Kulturwissenschaftlerin und Ausstellungsmacherin Andrea Hauser eine Ausstellungsklassifizierung quer durch die Museumsgeschichte unter dem Gesichtspunkt der über-

20 Hierbei beziehe ich mich auf die Unterscheidung von Philipp Teufel, wonach sich der Begriff „Ausstellungsgestaltung“ auf die Gestaltungsaufgaben in Sonderausstellungen und „Museografie“ auf jene in Dauerausstellungen bezieht; „Szenografie“ betont den Aspekt der bewussten Inszenierung von Räumen im Theater, Film oder im Museum (vgl. Teufel 2001: 14).

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geordneten Museumsfunktion21 bzw. der Bedeutungsebenen der Museumsobjekte auf, die vom Ins-Staunen-Versetzen über das Belehren bis in die heutige Phase des Erlebens reicht. Wie später anhand der Fallstudien noch deutlich werden wird, scheinen partizipativ generierte Ausstellungen das Staunen als erste, spontane Reaktion von RezipientInnen zu ‚rekultivieren‘. David Dernie hingegen fokussiert auf zeitgenössische Prinzipien der Ausstellungsgestaltung und auf die darin aus Sicht seiner Profession als (Ausstellungs-) Architekt wichtigen Elemente wie Beleuchtung, Kommunikation, Grafik und Farbe.22 Je nachdem, wie diese im Zusammenspiel mit (authentischen) Objekten oder weiteren Inszenierungsmitteln wie etwa technischen Medien oder Kulissen verwendet werden, unterscheidet er zwischen narrativem, performativem und simuliertem Raum. Für die vorliegende Arbeit erscheint insbesondere die zweite Kategorie von Interesse: Dernie spricht von performativen Räumen oder „Erlebnisraum“ (Dernie 2006: 46), wenn die BesucherInnen als aktiver Teil der Ausstellung gesehen und durch die Ausstellungsgestaltung Bewegung und Aktion forciert werden. Indem er betont, dass BesucherInnen in performativen Räumen „aufgefordert [werden], Dinge zu tun“ (ebd.), wird deutlich, dass er – obwohl genauso wie Jannelli vom raumsoziologischen Konzept der Performativität geprägt – damit vor allem interaktive Arrangements mit hands-on-Tools oder digitalen Medien meint. Die Kunsthistorikerin und Museologin Brigitte Kaiser legt in ihrer Dissertation eine umfassende Betrachtung musealer Ausstellungsgestaltungen und besucherorientierter Gestaltungsstrategien aus kunstpädagogischer Perspektive vor (ihre Untersuchung bezieht sich jedoch auf kulturhistorische Ausstellungen). Ihr zentraler Bezugspunkt sind hierbei die Museumsobjekte, deren unterschiedliche Formen der Kontextualisierung und Interpretation sowie deren Funktionen innerhalb der musealen Kommunikation sie beleuchtet (vgl. Kaiser 2006: 24). Im Rückgriff auf Erkenntnisse der Museumspädagogik arbeitet sie vier Aspekte guter musealer Kommunikation heraus – Anschaulichkeit, Handlungsorientierung, Differenzierung und Ganzheit –, für die sie jeweils einen analytischen Fragenkatalog formuliert, der wesentliche Grundlage ihrer exemplarischen Ausstellungsanalyse darstellt. Kaisers Studie sensibilisiert ganz generell für Fragen der Besucherorientierung, der Ausstellungssprache und Metakommunikation, weshalb ihre Fragenkataloge auch für meine Ausstellungsanalysen nützliche Folien darstellten. 21 Auch bei Foerster (1995) findet sich dieser Ansatz wieder, wenn sie den Wandel der Präsentations- und Darbietungsformen von Geschichtsmuseen im Verlauf des 20. Jahrhunderts beschreibt. 22 Vgl. hierzu auch einzelne Kapitel im Handbuch zur Ausstellungspraxis von A-Z (Pöhlmann 2007) oder Kapitel 3.1 Kurzprofile der Gestaltungsmittel in Ausstellungen in: Gersch 2010 sowie in Teilen auch das Dossier Ausstellungsdesign von Thümmel (2008).

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Interessant ist auch, dass Kaiser drei Strategien besucherorientierter Präsentation klassifiziert, die sie als narrativen, künstlerischen und partizipativen Ansatz bezeichnet (vgl. ebd. 140-182): Kaiser bezeichnet solche Ausstellungen als narrativ, die anhand ausgewählter Objekte eine Geschichte erzählen. Nach wie vor stehe dabei die Darstellung der Historie im Vordergrund – und somit auch der fachwissenschaftliche Blickwinkel. Mit künstlerischem Ansatz meint Kaiser Konzepte, die dagegen keine primär fachwissenschaftliche Perspektive einnehmen, sondern eine deutlich subjektive Form der Aneignung, Interpretation und Gestaltung eines/einer KuratorIn (oft sind dies KünstlerInnen) erkennen lassen – Marie-Louise von Plessen (1990) hat diese Form der Ausstellung als „Autorenmuseum“ bezeichnet. Gekennzeichnet sind solche Ausstellungen von großer Leidenschaft – ein Paradebeispiel hierfür wäre das Musée Sentimental (vgl. z.B. te Heesen & Padberg 2011). Für Kaiser liegt das Potenzial dieser künstlerisch geprägten Form darin, BetrachterInnen Ereignisse aus anderen Blickwinkeln zu präsentieren und damit möglicherweise Perspektivwechsel zu forcieren. Bemerkenswert ist, dass Kaiser als letztes eigenständiges Prinzip einen „partizipativen Ansatz“ (vgl. Kaiser 2006: 172 ff.) anführt und damit auch Ausstellungen meint, bei denen die Menschen (einer Community23) im Mittelpunkt des Interesses stehen und daher auch zur Beteiligung eingeladen werden. Kaiser meint damit dezidiert Museen unter der Prämisse der Neuen Museologie, also namentlich Neighbourhood Museums in den USA, Museos Integrales in Lateinamerika und Écomusées in Frankreich, und konstatiert, dass die Neue Museologie in Deutschland nahezu nicht zur Kenntnis genommen wurde (vgl. ebd. 173). Kaiser bezeichnet also solche Museumskonzepte als partizipativ, die gemäß Neuer Museologie konkrete Beiträge zur Alltagsbewältigung, zur Gestaltung von Lebenspraxis und Heimat bestimmter gesellschaftlicher Gruppen leisten wollen. Sie erachtet den partizipativen Ansatz dementsprechend ‚nur‘ relevant für Museen auf lokaler und regionaler Ebene, die sich an überschaubare, relativ homogene Bevölkerungsgruppen richten, wie es die o.g. Museumsformen tun. Der Sozialhistoriker und Ausstellungsmacher Alexander Klein unterscheidet in Anlehnung an die Literaturwissenschaft drei verschiedene Typen der kognitiven bzw. emotionalen Einbeziehung von BesucherInnen, die sich jeweils in einer entsprechenden Form der Ausstellungsgestaltung spiegeln. Er bezeichnet diese als drama23 Für den englischen Begriff community gibt es keine passgenaue deutsche Begrifflichkeit, weshalb ich hier und im weiteren Verlauf auf das englische Wort zurückgreife. Watson (2007b) diskutiert die Begriffsbedeutung ausführlich, worauf ich an dieser Stelle verweisen möchte; für sie hat der Begriff grob zusammengefasst u.a. mit Identität und Zugehörigkeitsgefühl zu tun und nicht primär etwa mit geografischen, bildungsmäßigen oder eindeutig kulturellen bzw. ethnischen Unterscheidungsmerkmalen. Auch betont sie, dass der Begriff mehr als bloß „Zielgruppe“ meine, jedoch weniger als „die Öffentlichkeit“ bzw. „die Gesellschaft“ (vgl. Watson 2007b: 3 ff.).

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tische, epische und lyrische Ausstellungen (vgl. Klein 2004: 122 ff.): Während dramatische Ausstellungen, grob gesprochen, die BetrachterInnen zum „Abenteurer“ (ebd. 123) in einer spielerisch zu erkundenden Welt machten und epische Ausstellungen dieselben zum distanzierten „Zuhörer und Beobachter“ (ebd.) in einer Wissensanordnung, werden BesucherInnen in lyrischen Ausstellungen zu „[...] Empfängern von Eindrücken, deren Abfolge sich nicht voraussagen lässt und für das Ausstellungserlebnis auch nicht relevant ist. Die Ausstellungselemente werden mit Hilfe einer Bricolagetechnik zusammenmontiert.“ (Ebd. 124). In eine ähnliche Richtung gehen auch die Gedanken des Schweizer Museologen Martin R. Schärer, der jedoch nicht die Rolle der Rezipierenden, sondern die Museumsobjekte zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen über Ausstellungen macht: So entscheide der Umgang mit den Objekten darüber, ob eine ästhetische, didaktische, theatrale oder assoziative Ausstellungssprache vorliege (vgl. Schärer 2003: 118). Bei ersterer stehe das Objekt in seiner ästhetischen Anmutung im Mittelpunkt andächtigen (Kunst-)Genusses, bei der didaktischen all jene Aspekte eines Gegenstandes, die Wissen und Information vermitteln könnten; theatrale Ausstellungen inszenierten ihre Objekte hingegen innerhalb von Objektensembles zu stimmungsvollen und stimmigen Gesamtbildern (vgl. ebd. 123 ff.). Assoziative Ausstellungen würden, so Schärer, zwar auch Objekte miteinander kombinieren, jedoch in ungewohnter Weise, sodass eben kein stimmiges Gesamtbild entstehe. Vergleichbar dem Verfremdungseffekt, den Berthold Brecht in seine Theaterstücke einbrachte, solle diese Ausstellungssprache, welche ins Abstrakte tendiere und wegen ihres Nebeneinanders unterschiedlicher Sammlungsbestände den Wunderkammern nicht unähnlich sei, den Rezipierenden in eine kritische Haltung versetzen und Denkprozesse auslösen (vgl. ebd. 127 f.). Auch hier könnte man also, um Alexander Kleins Worte bezüglich seines lyrischen Ausstellungstypus aufzugreifen, von eben jener „Bricolagetechnik“ sprechen, die meiner Meinung nach häufig auch bei partizipativ generierten Ausstellungen eine Rolle spielt. Eigenes Vorgehen bei der Ausstellungsanalyse Wie bereits dargelegt, stellt die Analyse der jeweiligen Ausstellungen – als dem sichtbaren Endergebnis des gesamten Partizipationsprojekts – innerhalb meiner drei Fallstudien nur einen einzelnen Teilbereich dar. Dies liegt darin begründet, dass mein primäres Interesse den Projekten im Ganzen gilt. Als Grundlage und Impulsgeber für meine eigenen Analysen dienten mir die eben im Exkurs skizzierten Analyseverfahren und Systematisierungsversuche: So unterschiedlich die Zugangsweisen – angefangen bei der Semiotik über die Ethno-

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logie bis hin zur performativen Raumtheorie oder dem mehr didaktisch-funktionalen Ansatz Brigitte Kaisers – auch sein mögen, mehrheitlich diente ein ausführlicher Fragenkatalog dazu, die Wahrnehmung zu lenken und den subjektiven Vorgang der Ausstellungsrezeption zu systematisieren.24 Insofern habe auch ich mich für mein Vorhaben für die Erstellung eines Fragenkatalogs entschieden. Der Fragenkatalog diente mir bei meinen Ausstellungsbesuchen als ‚Sehhilfe‘. Mit handschriftlichen Notizen und dokumentarischen Fotos (vom räumlichen Gesamteindruck sowie von den Displays samt Texten und Objekten)25 habe ich meine Eindrücke fixiert. Der von mir ausgearbeitete Fragenkatalog fokussiert insbesondere darauf, etwaige Unterschiede zu ‚klassischen‘ Kuratorenausstellungen bzw. ‚typischer‘ Museumskommunikation in wesentlichen Punkten aufzuspüren. Dies hat mit der grundsätzlichen Frage zu tun, ob partizipative Ausstellungen als eigene Spielart von Museumsausstellungen denn auch eine veränderte Ausstellungssprache und -gestaltung zur Folge haben, quasi aus szenografischer Sicht so etwas wie einen eigenen Typus herausbilden.26 – Ein spannendes Thema, ebenso wie die womöglich zukünftige Entwicklung eines Instrumentariums eigens zur Analyse solcher auf Partizipation beruhender Ausstellungen oder -displays. Beides wären allerdings Vorhaben, die ein eigenes Forschungsprojekt ausfüllen könnten und die in jedem Falle den Rahmen meiner Forschungsarbeit übersteigen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit findet sich der von mir verwendete Fragenkatalog mit Annotationen im Anhang dieser Arbeit (siehe digitaler Anhang Nr. 3).

24 Bereits das Department of Museum Studies der Universität Leicester propagierte gegenüber seinen Studierenden und Graduierten Anfang der 1990er Jahre eine Checkliste bestehend aus Leitfragen als wirksames Instrumentarium der Analyse (hierbei handelte es sich allerdings nicht um einen Fragenkatalog zur Ausstellungs-, sondern um einen der Museumsanalyse). Vgl. Kavanagh 1994b: 87 ff. 25 Natürlich bin ich mir dessen bewusst, dass die dokumentarischen Fotos, die mir nach dem Ausstellungsbesuch als Hilfsmittel und Gedächtnisstütze dienten, keine neutralen Abbilder der Wirklichkeit darstellen, sondern gewissermaßen eine eigene ‚Realität‘ erschaffen. Denn implizit fließen in Fotos unweigerlich die theoretischen Vorannahmen, das Wissen und die spezifische Interessenslage des/der FotografIn ein (vgl. hierzu z.B. Flick 2010: 306 f. u. 310). 26 Auch Beat Hächler streift diesen Aspekt, indem er fragt: „Wie aber müssen partizipative Räume aussehen, damit sie einlösen, was sie versprechen? Wie weit gehört das partizipative Museum ins Museum und nicht in den Supermarkt oder in den Quartiertreff? Wie verträgt sich der partizipative Anspruch mit der traditionellen Wahrnehmung des Museums als einer sakralen Zone des Unberührbaren?“ (Hächler 2012: 140).

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II.3.3 B EFRAGUNG BETEILIGTER M USEUMSMITARBEI TER I NNEN ( LEITFADENGESTÜTZTE I NTERVIEWS ) Einen wichtigen Pfeiler meiner Fallstudien bildete die Befragung der am jeweiligen Projekt beteiligten KuratorInnen bzw. beteiligten Museumsfachkräfte, um so einen vertieften Einblick in die Sichtweisen auf Partizipation und das konkrete Ausstellungsprojekt aus institutioneller Sicht zu erhalten. Die Institution Museum sowie deren MitarbeiterInnen bilden aus struktureller Sicht diejenige Gruppe im Partizipationsgeschehen ab, die sich in der ‚besitzenden‘, machtvollen Position befinden: sie sind die gatekeeper des kulturellen Kapitals, versammelt und materialisiert im Museum inklusive der damit verbundenen Definitions-, Repräsentations- und Sprachmacht. Indem sie Partizipation ermöglichen oder zulassen, werden sie zu boundary spanners,27 also zu den menschlichen Bindegliedern zwischen Institution und Partizipierenden im Aus-Tausch-Prozess,28 welche Informationen und kulturelles Kapital abgeben (oder „aus-teilen“, vgl. Abb. 2 im Kap. III.2). Trotz dieser Botschafterfunktion und Mittlerrolle, in der eine gewisse Empathie für die Gruppe der Partizipierenden und eine Offenheit gegenüber möglichen Neuerungen und Veränderungen angenommen werden kann, sind die ins Partizipationsgeschehen involvierten MuseumsvertreterInnen dennoch den spezifischen Interessen ihres Hauses verpflichtet und müssen die generellen Belange eines Museums als sammelnder, bewahrender, forschender und vermittelnder gesellschaftlicher Einrichtung zu wahren versuchen. Um die Sichtweisen auf die eigene Rolle und Informationen über das jeweils durchgeführte Projekt zu erhalten, entschied ich mich für das Instrument der Befragung in Form leitfadengestützter Einzelinterviews,29 für die jeweils ein bis zwei Stunden angesetzt waren. Im Gegensatz zu standardisierten Interviews oder schriftlicher Befragung etwa in Form von Fragebögen, haben Leitfadeninterviews den Vorteil, dass sie eine relativ offene Interviewsituation zulassen, bei der subjektive Sichtweisen der Befragten eher zur Geltung kommen können. Außerdem lassen sie Raum für Aspekte, die möglicherweise vorab nicht bedacht wurden, sodass jenseits des vorbereiteten Leitfadens auch Themen zur Sprache kommen können, die der interviewenden Person noch nicht bewusst oder bekannt waren (vgl. Flick 2010: 194). In diesem „Stehgreifdrama“ (Hermanns 2009: 363), als das ein Interview ge-

27 Für eine erste Einführung in die Begriffe gatekeeper und boundary spanner sowie einen Überblick über diesbezügliche wissenschaftliche Theorien und Literatur vgl. Sakschewski o.J. 28 Diese Schreibweise habe ich gewählt, um darauf aufmerksam zu machen, dass Partizipation unter soziologischen Gesichtspunkten als Tauschgeschäft verstanden werden kann. 29 Mit Ausnahme des Interviews von Lorraine Bluche und Frauke Mierra, die ich als Kuratorinnenteam von NeuZugänge in einem gemeinsamen Gespräch befragte.

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sehen werden kann, kommt der interviewenden Person eine besondere Gestaltungsaufgabe zu, die jedoch mit diversen Fallen und Fehlerquellen verbunden ist.30 Die Herausforderung dabei ist es, einerseits der befragten Person Spielräume der Gesprächslenkung zuzugestehen, andererseits jedoch ein Auge auf den Leitfaden sowie die zur Verfügung stehende Zeit zu haben. Mir kam dabei zugute, dass ich (von einer Ausnahme abgesehen31) immer die Erlaubnis zu einem Audio-Mitschnitt erhielt, was mir ermöglichte, mich ausschließlich auf den Gesprächsverlauf zu konzentrieren, ohne parallel mitschreiben zu müssen. Den jeweiligen Katalog an Leitfragen erstellte ich für jedes einzelne Gespräch individuell, da ich Personen mit zum Teil unterschiedlichen Rollen innerhalb eines Projektes befragte und weil sich natürlich auch projektspezifische Einzelfragen je nach Projektstruktur ergaben. Dennoch gab es zentrale Themenkomplexe, die, nach einer ersten Phase des Gesprächseinstiegs, in der ich meine PartnerInnen bat, ihr Projekt in wenigen Worten zu beschreiben, in allen Interviews abgefragt wurden. Zum einen ging es mir zum Zeitpunkt der jeweiligen Gespräche um konkrete Informationen zum Konzept, der Idee, dem Ablauf und der Organisation der Ausstellungsprojekte sowie zur Ausstellungspräsentation im Detail. Zum anderen interessierte mich die persönliche Einschätzung und Einstellung der Interviewten zu Partizipation insgesamt und die damit verbundene Selbstwahrnehmung der eigenen – möglicherweise veränderten – Rolle. Insofern gab es zentrale Themenkomplexe, die Bestandteil aller Interviews waren, nämlich: 30 Im Wesentlichen existieren drei Kategorien an Fehlerquellen, die in der Forschung folgendermaßen aufgeschlüsselt werden: 1. Befragtenmerkmale (z.B. soziale Erwünschtheit oder Antworten gemäß der angenommenen Erwartungshaltung der interviewenden Person, Erinnerungsfehler, falsche Aussagen z.B. aus Schamgefühl), 2. Fragemerkmale (z.B. suggestive oder komplizierte Frageformulierung, falsches ‚Timing‘ einer Frage zu einem unpassenden Zeitpunkt im Interview, Effekte von Antwortkategorien), 3. Merkmale des Interviewers und der Interviewsituation (Fragegeschick der interviewenden Person – aber auch Geschlecht, Alter, Kleidung etc., Schonverhalten oder Fragehemmungen, ungünstige räumliche Situation z.B. mit Ablenkungs- oder Störquellen oder die Anwesenheit Dritter). Vgl. hierzu insbesondere Kap. Fehlerquellen im Interview bei Diekmann (2010: 446470), aber auch Hermanns 2009 u. Meyer & Heimerdinger 2012. 31 Nach Meyer/Heimendinger stellen Interviews Kulturkontakte dar, die in einem sog. middle ground stattfinden – also in einer Situation, wo Hierarchien, Motive und Absichten auf beiden Seiten unklar sind, was zu Misstrauen, Missverständnissen oder schlimmstenfalls Antwortverweigerung führen kann (vgl. Meyer & Heimerdinger 2012: 114 ff.). In diesem Sinne erkläre ich mir die ablehnende Haltung gegenüber einem Audiomitschnitt bei einer meiner Gesprächspartnerinnen damit, dass dieser nicht klar war, in welcher Absicht ich sie befragen wollte und sie möglicherweise das Gefühl hatte, dass ich sie ‚überrumpeln‘ wollte. Dieses Missverständnis kam sicherlich auch dadurch zustande, dass sie mich vorab um Zusendung meiner Fragen bat, was ich auch tat. Leider stellte sich beim Interviewtermin heraus, dass meine E-Mail, wohl aufgrund des Anhangs, unentdeckt im Spamordner gelandet war, sodass meine Gesprächspartnerin den Eindruck gewinnen musste, dass ich ihr meine Fragen nicht zusenden mochte.

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Projektidee und Projektziele (z.B. wie die Projektidee zustande kam, wer daran beteiligt war, was man sich aus institutioneller Sicht davon versprach, welche Anknüpfungspunkte zu Sammlungs- oder Forschungsbereichen des Museums bestanden)



Teilnehmergewinnung und ‚Gewinnstrategien‘ (z.B. in welchen Medien oder mit welchen Strategien das Partizipationsprojekt kommuniziert wurde, ob es spezielle Anreize oder eine ‚Entlohnung‘ für eine Teilnahme gab, wie viele und welche Menschen bzw. soziale Gruppen schließlich tatsächlich mobilisiert werden konnten)



Projektverlauf sowie Art und Umfang der Beteiligung (z.B. einzelne Phasen und organisatorischer Ablauf derselben, Dauer der Phasen; Partizipationsangebot: Beteiligung wobei, in welcher Form und in welchem Ausmaß; spezielle partizipative Strategien; Formate des Austauschs/Kommunikationsmodus)



Ausstellungsgestaltung (z.B. Erläuterung des Gestaltungskonzepts, partizipative und nicht-partizipative Elemente, Autorschaft an Texten, Unterschiede zu ‚herkömmlichen‘ Präsentationen aus kuratorischer Sicht)



Effekte auf unbeteiligte BesucherInnen (z.B. welche Resonanz gab es? Veränderungen der Besuchszahlen oder der Besucherschaft in irgendeiner Weise?)



Feedback der ProjektteilnehmerInnen (z.B. ob sich alle gut oder ‚richtig‘ repräsentiert sahen, ob eine weitere Zusammenarbeit oder weitere Projekte gewünscht werden, Rivalitäten oder Unzufriedenheiten der Teilnehmenden untereinander, vorzeitiges Ausscheiden von Personen)



Dynamiken des Partizipationsprozesses (z.B. ob es Auswahlentscheidungen/Ablehnungen gab, wer diese traf und nach welchen Kriterien; wie ‚Absagen‘ kommuniziert wurden; ob institutionelle Ziele/Wünsche/Kriterien sowie Wünsche/Erwartungen/Motive der Teilnehmenden gegenseitig transparent gemacht wurden; Umgang mit unvorhergesehenen Ereignissen oder mit ‚Verselbständigungen‘; Momente des Scheiterns oder Konflikte; Machtkämpfe zwischen Teilnehmenden oder zwischen Teilnehmenden und MuseumsmitarbeiterInnen)



Nachhaltigkeit (z.B. ob Beiträge in irgendeiner Weise ausgewertet wurden/werden; ob Objekte in die museumseigene Sammlung eingehen werden/eingegangen sind; ob noch Kontakt zu Teilnehmenden besteht oder weitere Strategien der Bindung geplant sind oder praktiziert werden)

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Eigene Rolle und Aufgaben, persönliche Prioritäten (z.B. Unterschiede zwischen diesem und ‚herkömmlichen‘ Projekten bzgl. Arbeitsbelastung, Arbeitszeiten, Aufgaben und dem eigenen Rollenverständnis; was leicht und was eher schwer fiel; was persönlich im Vordergrund stand: die Teilnehmenden, die Objekte, das Thema/die Aussagen, der Umstand der Partizipation, die eigene Sammlung in neuem Blickwinkel o.ä.?)



Rückblickende Bewertung des Gesamtprojekts (z.B. was maßgeblich zum Projekterfolg beigetragen hat, was eher hinderlich war bzw. nicht gut klappte)



Allgemeine Einschätzung von Partizipation (z.B. was Teilnehmende/MitarbeiterInnen/die Institution mitbringen müssen, damit Partizipation gelingen kann; Grenzen von Partizipation im musealen Bereich; Nutzen für die Teilnehmenden und die Institution; ob zu befürchten ist, dass Partizipation einen Niveau- oder Qualitätsverlust musealer Arbeit und Präsentation zur Folge hat)

Interviewt wurden zum Projekt Ostend // Ostanfang Katja Weber als Kuratorin, Angela Jannelli als Mitarbeiterin des Projekts sowie als Kuratorin der neuen Dauerausstellung Frankfurt Jetzt! und Susanne Gesser als Projektleiterin sowie als Kuratorin für Bauprojekte und die Neukonzeption der Dauerausstellungen. Für die Laborausstellung NeuZugänge sprach ich mit dem Leiter des Kreuzbergmuseums Martin Düspohl, den Projekt-Kuratorinnen Frauke Miera und Lorraine Bluche sowie mit Projektbeauftragten der restlichen beteiligten Museen: Fabian Ludovico (Werkbundarchiv – Museum der Dinge), Peter Schwirkmann (Stadtmuseum Berlin) und Gisela Helmecke (Museum für Islamische Kunst). Für gerhardWER? führte ich mit Veronika Wiegartz, einer der Projekt-KuratorInnen, ein ausführliches Interview. Die Interviews wurden von mir im Anschluss vollständig oder in Teilen transkribiert.32

32 Dieses Vorgehen ist legitimiert durch meine spezifische Interessenslage, die nicht auf eine sprach- oder diskursanalytische Auswertung abzielte (zum empfohlenen Umfang von Transkriptionen vgl. z.B. Flick 2010: 379). Zur Auswertung wurden die transkribierten Gespräche in thematische Einheiten gegliedert und verschlagwortet. In diesem Vorgehen stehe ich der Auffassung von Schreier (2014) nahe, der ein pragmatisches Verfahren der qualitativen Inhaltsanalyse im Sinne eines „Werkzeugkastens“ (Abs. 58) propagiert.

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II.3.4 B EFRAGUNG VON T EILNEHMER I NNEN (O NLINE -F RAGEBOGEN ) Wie bereits kurz erläutert, stellt Partizipation einen Austauschprozess bzw. eine Zusammenarbeit zweier ‚Parteien‘ dar. Die eine ‚Partei‘ – die RepräsentantInnen und MitarbeiterInnen des Museums – bildet diejenige Gruppe, von der in den meisten Fällen die Initiative zur Partizipation ausgeht und die sich strukturell und faktisch in der machtvolleren Ausgangssituation befindet (dies war auch bei meinen drei Fallstudien so). Die andere Gruppe, die AdressatInnen des jeweiligen Partizipationsangebotes, hat zunächst keine andere Handlungsmacht als diejenige, dem Partizipationsangebot zuzustimmen oder es abzulehnen – wobei auch hier die Institution Museum vorab zum Teil selektierend bzw. exkludierend agieren kann. Bei meinen drei Fallstudien war dies teilweise beim Projekt NeuZugänge der Fall, denn als LeihgeberInnen kamen nur Personen mit Migrationserfahrung in Frage. Wie verhält es sich jedoch danach? Dürfen diejenigen, die sich zur Teilnahme entschließen, gleichberechtigt mit den InstitutionsvertreterInnen agieren und mitbestimmen? Haben sie das Gefühl einer umfassenden Beteiligung? Und wer erklärt sich überhaupt zur Teilnahme bereit: Sind es eher MuseumskennerInnen oder werden auch NichtbesucherInnen erreicht, gibt es Auffälligkeiten z.B. bei Alter, Geschlecht, Bildungsstand oder Herkunft? – Dies sind Fragen, die im Zusammenhang von musealen Beteiligungsprojekten virulent werden, weshalb eine Projekteinschätzung aus Sicht der Teilnehmenden wichtig ist. Organisatorisch stellt die Befragung von TeilnehmerInnen, die ja i.d.R. zahlenmäßig weit über denen der MuseumsvertreterInnen liegen, eine besondere Herausforderung dar. Zunächst stand für mich die Überlegung im Raum, einzelne Personen ebenfalls in leitfadengestützten Interviews zu befragen, andererseits hätte dies das Problem der Auswahl mit sich gebracht: Welche Eigenschaften klassifizieren eine/n exemplarischen TeilnehmerIn? Sollte eher jemand Gehör finden, der/die den MuseumsmitarbeiterInnen als besonders engagiert aufgefallen war, oder doch jemand, der/die sich eher durch eine kritische und unbequeme Haltung bemerkbar gemacht hatte? Ich entschied mich gegen Interviews und für einen Fragebogen, der allen Teilnehmenden gleichermaßen zugehen sollte. Für den Fall, dass ich danach noch Interviews führen wollte, baute ich am Fragebogenende eine entsprechende Frage zur Interviewbereitschaft und Kontaktmöglichkeit ein, von der ich letztlich aber keinen Gebrauch machte.33 33 Dies lag zum einen am Zeitfaktor, zum anderen daran, dass ich auch anderweitig auf ‚O-Töne‘ von Teilnehmenden zurückgreifen konnte: Für Ostend // Ostanfang brachte das hmf eine Ausstellungsdokumentation heraus, die auch wörtlich zitierte Statements der Teilnehmenden beinhaltete (vgl. Historisches Museum Frankfurt 2011d), außerdem konnte ich auf eine Anzahl transkribierter Einzelinterviews zurückgreifen, die im Rah-

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Für alle drei Ausstellungsprojekte programmierte ich mittels der Open-Source-Application LimeSurvey einen Online-Fragebogen, der jeweils identisch aufgebaut war und identische Fragen enthielt, jedoch bezüglich der konkreten Nennung des Projektnamens und Museumsnamens individualisiert wurde. Der Fragebogen bestand aus elf Fragenblöcken (davon ein Fragenblock zu Museen allgemein, ein Fragenblock über Angaben zur Person sowie einer zur Abfrage der Interviewbereitschaft; alle restlichen acht Fragenblöcke zum Projekt) und insgesamt 30 Fragen. Die Bearbeitungsdauer war mit 10 bis 15 Minuten relativ zeitintensiv. Um die Teilnehmenden nicht zu ‚erschlagen‘, sahen sie auf ihrem Bildschirm nicht den Fragebogen im Ganzen, sondern klickten sich von Frageeinheit zu Frageeinheit weiter, wobei ihnen ein Prozentbalken anzeigte, wie weit sie im Fragebogen fortgeschritten waren. Fragebögen bieten gegenüber Interviews den generellen Vorteil, dass sie ohne personellen Betreuungsaufwand auskommen, weshalb auch das Verhalten oder die persönlichen Merkmale der interviewenden Person als mögliche Fehlerquellen oder Beeinflussungsparameter bezüglich Antwortverzerrungen entfallen. Auch ist es auf diese Weise möglich, in kürzerer Zeit Informationen von einer zahlenmäßig größeren Gruppe einzuholen. Nachteilig ist jedoch, dass bei Verständnisproblemen keine Rückfragen möglich sind und dass auch die gefühlte Verbindlichkeit zu Antworten geringer wird, weshalb immer mit einem verminderten Rücklauf gerechnet werden muss (vgl. Raithel 2008: 67 f.). In meinem speziellen Fall konnte für ältere Beteiligte oder Menschen ohne PC- oder Internetzugang allein die Form der Befragung via Internet-Tool ein Teilnahmehindernis darstellen. Auch die Anordnung und Formulierung von möglichst selbsterklärenden Fragen stellte eine Herausforderung dar, bei der es diverse Regeln und Fehlerquellen zu beachten galt (vgl. Diekmann 2010: 479-486 u. Raithel 2008: 67-77); die Gründe für mögliche Antwortverzerrungen sind vielfältig – alleine wenn man an den Faktor der Persönlichkeitsmerkmale einer befragten Person denkt (Motivation, Lesekompetenz, Zeitbudget etc.).34 An dieser Stelle soll darauf verzichtet werden, den Fragebogen im Einzelnen darzustellen; Screenshots aller Fragen sowie Erklärungen zu meinen Beweggründen für diese Fragen befinden sich stattdessen im digitalen Anhang Nr. 4 zum vorliegenden Buch. Um den fertiggestellten Fragebogen zu versenden, formulierte ich eine erklärende E-Mail, die einen Link zur Umfrage enthielt, welche von den MuseumsmitarbeiterInnen an alle vorhandenen Emailadressen von Teilnehmenden weitergeleitet

men einer Masterarbeit geführt worden waren (vgl. Zimmer 2014). Bei gerhardWER? lagen Originalaussagen der TeilnehmerInnen in Form ihrer handschriftlichen Teilnahmekarten vor. Diese erlauben meines Erachtens ebenfalls in gewissem Maße Einblicke in die Teilnahmemotivation sowie z.T. in den sozialen Hintergrund der SchreiberInnen. 34 Für einen strukturierten Überblick über response errors siehe Raithel 2008: 80-82.

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wurde. Dieser Zwischenschritt war aus Datenschutzgründen nötig, sodass mir selbst keine Kontaktadressen vorlagen. Versendet wurde der Fragebogen jedoch nur von den KuratorInnen der Projekte Ostend // Ostanfang und gerhardWER?. Da das Projekt NeuZugänge parallel vom Experimentierfeld Museologie der Technischen Universität Berlin (Institut für Kunstwissenschaft und Historische Urbanistik) beforscht wurde, lehnten dies die KuratorInnen verständlicherweise ab, da sie einen Interessenskonflikt sahen. Zum Adressatenkreis des Projektes Ostend // Ostanfang zählten 42 Ausstellende,35 bei gerhardWER? waren es 187 Teilnehmende,36 von denen mindestens 8537 eine Emailadresse beim Museum angegeben hatten und daher – sofern die handschriftliche Angabe auf den Teilnahmezetteln leserlich war – zum Empfängerkreis der Umfrage zählten. In Abhängigkeit davon, wann die MitarbeiterInnen die Zeit zur Weiterleitung des Fragebogens fanden, blieben den Teilnehmenden vier bis sechs Wochen, um den Fragebogen auszufüllen.38 Der Rücklauf war leider gering: Bei Ostend // Ostanfang beantworteten elf Personen den Fragebogen vollständig (sieben weitere brachen den Fragebogen ab), bei gerhardWER? 23 Personen (sowie 15 AbbrecherInnen). Diese geringe Beteiligung ist vielleicht ein Stück weit damit zu erklären, dass die Fragebögen zu Zeitpunkten an die ehemaligen Teilnehmenden gingen, an denen die Projekte bereits erhebliche Zeit zurück lagen (bei Ostend // Ostanfang rund 19, bei gerhardWER? 18 Monate).39 Ein Grund für die hohe Abbruchquote40 während der Fragebogenbearbeitung 35 Vgl. Historisches Museum Frankfurt 2011d: 76. Der Fragebogen ging sogar an einen Verteiler mit rund 80 Personen; entsprechend verzeichnet das Ausstellungsimpressum (vgl. ebd.) neben den Ausstellenden noch weitere 18 Personen, die sich durch Kunst im öffentlichen Raum oder mit Performances beteiligt hatten, 13 Beteiligte am Rahmenprogramm und der Eröffnung sowie 14 LeihgeberInnen (hierbei handelte es sich zumeist um VertreterInnen anderer Institutionen bzw. von Unternehmen). Da sich mein Fragebogen jedoch nur auf jenen Personenkreis bezog, der direkt an der Konzeption und Durchführung der Ausstellung beteiligt war und auch nur von diesem beantwortet werden konnte, gehe ich von der Anzahl der Ausstellenden als Richtgröße des Empfängerkreises aus. 36 Meine Beteiligung nicht eingerechnet, da diese ja verdeckt zu Forschungszwecken geschah. 37 Die Zahl kann von mir nicht eindeutig angegeben werden, da bei meiner Zählung zwölf nicht eindeutige Datensätze übrig blieben, bei denen ich nicht erkennen konnte, ob dem Museum eine E-Mailadresse vorlag. Zum Kreis der 85 eindeutigen Datensätze sei der Vollständigkeit halber hinzugefügt: Vier stammten vermutlich von Kindern oder Jugendlichen, elf nachweislich von Mitarbeitenden des Gerhard-Marcks-Hauses oder deren Angehörigen. 38 Danach war die Umfrage abgeschlossen und der Link erloschen. Zwischen Verschickung des Links und Schließung der Umfrage lagen bei Ostend // Ostanfang rund sechs Wochen, bei gerhardWER? rund vier Wochen. 39 Diese Verzögerung hatte mehrere Gründe. Insbesondere jedoch den, dass ursprünglich keine TeilnehmerInnenbefragung im Forschungsdesign vorgesehen war. Erst im Fortgang des Forschungsprozesses und der damit verbundenen Verschiebung der Blickwinkel und Fragestellungen entstand der Wunsch, die Einschätzungen der Teilnehmenden dezidiert einzufangen. Zuvor war ich davon ausgegangen, dass die Ausstellungsbeiträge in Form

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ist sicherlich dem großen Umfang des Fragebogens und der damit verbundenen langen Bearbeitungsdauer geschuldet. Die von mir aus diesen Gründen nicht leistbare, zahlenmäßig repräsentativere Erhebung der TeilnehmerInnen-Perspektive partizipativer Ausstellungsprojekte bleibt also wichtiges Desiderat für zukünftige Forschungsprojekte.

von Objekt(-auswahl) und persönlichen Statements in ausreichender Weise die PartizipientInnenperspektive vertreten. 40 Zwar wurden alle Ergebnisse bis zum Zeitpunkt des Umfrageabbruchs zwischengespeichert und liegen vor, jedoch habe ich davon abgesehen, diese in die Fragebogenauswertung einzubeziehen. Ausgewertet wurden ausschließlich vollständige Fragebögen.

II.4 Zusammenfassung

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass ich für die qualitative Beforschung meines Themas sowohl in Theorie als auch Praxis ein triangulatives Vorgehen wählte. Hierfür habe ich im Laufe der Jahre ein eigenes Theoriemodell zur Analyse partizipativer Projekte erarbeitet, das sogenannte Dimensionenmodell. Es bildet ein wichtiges Instrument zur Analyse meiner drei Fallstudienprojekte, gemeinsam mit der Analyse der leitfadengestützten Interviews mit MuseumsmitarbeiterInnen, der TeilnehmerInnen-Befragung per Online-Fragebogen sowie der Analyse der realisierten Ausstellungen vor Ort als sichtbarem Endergebnis der Projekte. Die Leitfragen für letzteres, die mir als eine Art Checkliste dienten, sind als Resultat der im Exkurs vorgestellten Analyseverfahren bzw. Klassifizierungsmuster von Präsentationsstilen zu sehen, welche mir wichtige Impulse lieferten. Dennoch bleibt die Frage virulent, ob partizipativ generierte Ausstellungen womöglich eines ganz speziellen Analyseverfahrens bedürfen, da sie möglicherweise auch einen ganz eigenen Ausstellungstypus bilden, der mit herkömmlichem Blickwinkel nicht adäquat zu erfassen ist. Wichtiges Desiderat für eventuell nachfolgende Forschungsprojekte wäre auch die intensive Auswertung von partizipativen Projekten aus Sicht von Teilnehmenden, da es mir hier nicht gelang, ausreichend repräsentative Daten zu erheben.

III. Partizipation – Definitorische Annäherung

Zum Inhalt dieses Kapitels „Participation has been used a lot lately. What does this word mean today after it has been turned into a cliché so often?“ (Obrist 2006: 18) – Diese Feststellung des Schweizer Ausstellungsmachers Hans-Ulrich Obrist kann geradezu als paradigmatisch gelten: Auch wenn der Begriff Partizipation spätestens seit Beginn des 21. Jahrhunderts1 zu einem zunehmend wichtigen Schlagwort in vielen Disziplinen avanciert ist, fehlen weitgehend Erläuterungen darüber, was genau mit diesem Begriff im jeweiligen Kontext gemeint ist. Abgesehen von den Missverständnissen, die daraus in der Fachdiskussion erwachsen, ist eine mangelnde Verständigung über den gemeinten Bedeutungshorizont vor allem in Bezug auf die praktische Umsetzung von Partizipationsvorhaben problematisch, weil es unweigerlich zu Frustrationen und Enttäuschungen führt, wenn AkteurInnen oder Interessensgruppen ‚ihre‘ Auffassung von Beteiligung in einem Projekt nicht verwirklicht sehen. Im schlimmsten Fall trennt eine derartige Negativerfahrung dann letztlich mehr, als dass sie Akteursgruppen zusammengeführt und stärker verbunden hätte. Dieses Kapitel wird daher, als Grundlage für die empirische Untersuchung partizipativer Ausstellungspraxen, eine definitorische Annäherung an „Partizipation“ in etymologischer, ideengeschichtlicher sowie interdisziplinärer Hinsicht anstellen, um sozusagen den Status quo zu bestimmen, auf dem die Begriffsverständnisse im Kulturbereich bzw. dem Museumswesen im Speziellen fußen. Daher sind die folgenden Unterkapitel nicht als reine Quellenwiedergabe aufgebaut, sondern enthalten Kommentare und Schlussfolgerungen meinerseits, die ich aus den jeweiligen Begriffsbildern für das Partizipationsverständnis im Museumsbereich ziehe. Diesem kurzen Ritt durch die (sprach-)geschichtlichen Anfänge und üblichen Definitionen wie (normativen) Vorstellungen von Partizipation je nach Disziplin folgt schließlich ein Kapitel, in dem ich auf dieser Grundlage mein eigenes Partizipationsverständnis darlege. Es stellt damit zugleich auch die ‚Arbeitsdefinition‘ von Partizipation dar, die dieser Arbeit zugrunde liegt, und markiert somit, welche Projekte oder Publikumsformate für mich überhaupt im Fokus standen.

1

In einigen Kontexten war der Begriff schon weit früher gebräuchlich und hat – insbesondere im Bereich der Politik sowie im Kunstsektor seit Mitte des 20. Jahrhunderts – bereits verschiedene Konjunkturen erlebt (vgl. z.B. Moser 2010: 71 f. u. Beech 2008).

III.1 Partizipation aus sprachund ideengeschichtlicher sowie fachspezifischer Perspektive

III.1.1 P ARTIZIPATION

AUS ETYMOLOGISCHER

S ICHT

Bevor ich die Ergebnisse vorstelle, die die sprach- und bedeutungsgeschichtliche Untersuchung des Begriffs „Partizipation“ ergab, möchte ich vorweg schicken, dass sich die etymologische Untersuchung recht diffizil gestaltete, da das auf die Brüder Grimm zurückgehende Deutsche Wörterbuch (1854-1971)1, das als herausragende Quelle gilt, wenn es um Herkunft und Erstnachweise von Wortbedeutungen geht, „Partizipation“ oder „partizipieren“ nicht führt.2 Der Begriff „Partizipation“ geht zurück auf das lateinische Wort participatio (-ionis, f.), das sich spätestens im Mittellatein3 aus einer Zusammensetzung des Substantivs pars (partis, f.) (Teil, Anteil, Aufgabe, Pflicht) und dem Verb capere (fassen, ergreifen, herausgreifen, erwählen, empfangen) bildete (vgl. z.B. Georges 1962: Bd. 2, Sp. 1489 u. Kluge & Seebold 2002: 683).

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Die Arbeit am Wörterbuch begann 1838 und war ursprünglich auf zehn Jahre veranschlagt, der 16. und letzte Band erschien aber tatsächlich über 100 Jahre danach. Frau Christiane Unger von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften verdanke ich die freundliche Information, dass Jacob und Wilhelm Grimm die Aufnahme von Fremdwörtern ablehnten. Die lateinischen Wörter participatio, participare und particeps werden dort aber zahlreich als Wortursprünge deutscher Wörter aufgeführt (so etwa für Mitteilung, Theilhabung, Teilhaftigkeit, Teilsamkeit, Gemeinde, Mitgenossenschaft, Geselle u.d.gl.), sodass das Grimmsche Wörterbuch dennoch als Quelle für diejenigen empfohlen werden kann, die sich vertieft mit der Etymologie des Begriffes beschäftigen wollen. Heinichen & Bauer (1979: 321) geben participatio als mittellateinisches Wort aus, d.h. als lateinischen Sprachschatz des europäischen Mittelalters; laut Brockhaus (2006: Bd. 21, S. 65), Duden (www.duden.de; Stand: 30.11.2011) und Weiß & Buhl (2005: Bd. 11, 191 f.) entstammt das Wort aber bereits der vorhergehenden Entwicklungsphase der lateinischen Sprache, dem Spätlatein, also der letzten noch der Antike zugerechneten Sprachphase. Eine genaue Zuordnung erscheint problematisch, da die Übergänge zwischen den sprachgeschichtlichen Entwicklungsphasen naturgemäß fließend sind.

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Anders als im Französischen, Englischen oder Italienischen ist „Partizipation“ im Deutschen heute in erster Linie ein Fachbegriff (vgl. z.B. Schneider 2006: 70 und Moser 2010: 73), der in der Regel übersetzt wird als Zustand der Teilhabe bzw. des Beteiligtseins sowie als Vorgang des Teilnehmens oder der Beteiligung.4 Im Spannungsfeld dieser Dialektik von Zustand und Vorgang entfaltet sich dementsprechend die heutige Bandbreite an unterschiedlichen Partizipationsverständnissen – dies gilt auch für den kulturellen Bereich (vgl. Abb. 1): Den einen Pol markiert die Auffassung von Partizipation als kultureller TeilHabe im Sinne eines Zugehörigkeitsgefühls bzw. einer – zumindest formal – gegebenen Möglichkeit zum Besuch oder zur Inanspruchnahme kultureller Angebote. Bei diesem mehr passiven Verständnis wird der/die PartizipientIn als symbolische/r AnteilseignerIn von Kultur verstanden und tritt faktisch in der klassischen Rolle als RezipientIn (bzw. ökonomisch gewendet als KonsumentIn) in Erscheinung. Manchmal wird diesbezüglich daher auch von „konsumierender Partizipation“ gesprochen (vgl. Stöger 2005a: 31). Dieses Verständnis von Partizipation als „geistige[r] Auseinandersetzung“ (Handschin et al. 2012: 33), also der rein emotionalen oder kognitiven Anteilnahme an einem Angebot oder Kulturgut, entspricht unserer konstruktivistischen Auffassung von Lernen und Bildung: KulturnutzerInnen sind keine passiven ‚Objekte‘, denen man Wissen ‚eintrichtern‘ kann, sondern sie selbst haben Anteil daran, wie sie etwas wahrnehmen und deuten und was sie lernen (etwa aufgrund ihres Vorwissens oder ihrer Erfahrungen). Rezeptionsästhetischen Theorien – z.B. der Kunstbetrachtung – liegt dieses Verständnis ebenfalls zugrunde. Dem gegenüber stehen im Kulturbereich heute weitergehende Positionen, die den/die Partizipierende/n als echte/n AkteurIn verstehen, der/die tatsächlich (mit-) gestaltet, (mit-)bestimmt und Einfluss nimmt; Partizipation wird hier also verstanden als aktive Teil-Nahme im Sinne einer physischen Betätigung oder ‚tätlichen‘ Mitwirkung – dies schließt freilich eine auch kognitiv-emotionale Anteilnahme mit ein. Zwischen diesen beiden Polen entfalten sich fließend weitere, zum Teil sehr individuelle Auslegungen von Partizipation, die zwischen Vereinnahmung, Mitmachen und Selbstbestimmung oszillieren: „Partizipationsprojekte sind selten ethisch eindeutig zu beantworten. In mancher Hinsicht sind sie problematisch, in anderer innovativ und sinnvoll. In mancher sollte man Einhalt gebieten, in anderer sind sie ganz schön eröffnend.“ (Sturm 2002a: 18)

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Diese Dialektik zwischen Prozess und Zustand, Aktiv und Passiv kommt immer dann zum Ausdruck, wenn in Definitionen sowohl von Teilnahme als auch Teilhabe die Rede ist, so etwa in der äußerst knappen Definition von 1856 in Herders ConversationsLexikon: „participiren, Theil nehmen, Antheil haben.“ (Herder 1854-1857: Bd. 4 [1856]: 467). Verwunderlich ist jedoch, dass bei Herder „Participation“ dagegen nur einseitig als „Theilnahme“ erklärt wird (vgl. ebd.).

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So bedeutete „Genuss“ – der Vorsilbe ge- entsprechend – vor allem gemeinsame Nutznießung, gemeinschaftlicher Gebrauch oder gemeinsame Benutzung.6 Der heutige Wortsinn als lustvolles Verzehren bzw. Auskosten war ursprünglich lediglich eine Randbedeutung (vgl. Grimm 1854-1971: Bd. 5, Sp. 3451 u. 3455 unter den Stichworten „geniesz“ und „genieszen“). Ähnlich der Begriff „Mitteilung“, der heute lediglich die Weitergabe sprachlicher Informationen meint: Historisch ist er im wörtlichen Sinne zu sehen: Mit-Teilung, d.h. etwas mit einem anderen teilen, ihm etwas abgeben – und zwar in erster Linie finanzielle Mittel und Waren,7 aber auch rechtliche Vergünstigungen oder Ämter. Im religiösen Kontext konnte es auch um geteilte Wertvorstellungen oder ‚ideelle Gewinne‘ gehen. Die Vermittlung sprachlicher Informationen stand ursprünglich weniger im Fokus, wenngleich der Begriff auch in diesem Sinne Verwendung fand.8 Während „Mitgeniessung“ wohl eher als pragmatischer Akt des Zusammenschlusses (zur Vermeidung von Nachteilen oder zur Vermehrung beidseitigem Nutzens) gesehen werden kann, war „Mittheylung“ wohl mehr im Sinne einer Geste der Barmherzigkeit zu verstehen, die ein/e Mächtige/r oder Besitzende/r einem/ei-

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Diese beiden semantischen Hauptkomponenten der ursprünglichen Wortbedeutung, nämlich der Gebrauchs- sowie der Gemeinschaftsaspekt, spiegeln sich heute noch in den Begriffen „Nießbrauch“/„Nießnutz“/„Nutznießung“ und entfernter im Wort „Genosse“ (altbzw. mittelhochdeutsch: Ginoz, Genoz), das der gleichen Wortfamilie entspringt und diejenigen bezeichnete, die gemeinschaftlich eine bestimmte Sache nutzen oder ein nutzbringendes Vorhaben miteinander teilen. In folgendem Lexikoneintrag von 1829 wird die Begriffsverwendung in kaufmännischen Kontexten besonders deutlich: „Participation und Participe: Participe heißt im Französischen der Theilnehmer in Handels- oder anderen Geschäften, wofür die Italiener Partecipe oder Partecipante sagen; jedoch gebrauchen auch Franzosen und Teutsche viel häufiger den Ausdruck Participant als Participe. […] Im Seehandel heißt derjenige, der ein Mitbetheiligter oder auch Miteigenthümer an einem Kauffahrtschiffe ist, Participe […]. Sowohl im Groß- als im Kleinhandel gibt es zuweilen besondere anonyme Gesellschaften für einzelne Handlungen, deren Mitglieder participes heißen.“ (Ersch & Gruber 18181889: Sekt. 3, Teil 12 [1829]: 420). Das Deutsche Rechtswörterbuch weist „mitteilen“ in der Bedeutung a) als „(einen Vermögensanteil) übertragen“ bereits für das Jahr 1230 nach, b) in der Bedeutung als „(einen Anteil an etwas) geben, (einen Zuschuß) gewähren“ für 1316 in einer Regensburger Urkunde, c) als „etwas (offiziell) mitteilen“ für 1325, d) als „etwas (Schutz, Frieden, Gerechtigkeit, Gnade, ein Recht) gewähren“ für 1353 in Bezug auf das Bürgerrecht von Osterwieck sowie d) in der Bedeutung als „(ein Almosen) zuteilen“ für 1491 (vgl. Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Bd. IX [1992-1996]: Sp. 784 f.). Im Grimmschen Wörterbuch findet sich unter „mittheilen“ neben diesen Kontextualisierungen auch noch ein sexuell-körperlicher Bezug: „einem den leib mittheilen, in fleischlichem sinne“ (Grimm 1854-1971: Bd. 12, Sp. 2423 [vermutl. 1885] [urspr. wohl Bd. 6]). Vgl. außerdem bei Zedler (1732-1754) die Stichworte „Mittheilen“ in Bd . 21 (von 1739), Sp. 616 und „Contribuere“ in Bd. 6 (von 1733), Sp. 1155.

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ner anderen mit weniger Macht bzw. Besitz zuteil werden ließ.9 So heißt es in der Erstausgabe des entsprechenden Bandes des Deutschen Wörterbuchs der Brüder Grimm unter dem Stichwort „mittheilen“ etwa: „theilend einem etwas mit- oder hingeben, zu theil werden lassen [...], aus eigenem besitz einem etwas geben, als wolthat, geschenk; [...] von der gnade und barmherzigkeit eines höheren gegen einen niederen selbst [...].“ (Grimm 1854-1971: Bd.12 [1885], Sp. 2423 f.)

Die im letzten Satz des Zitates zum Ausdruck kommende hierarchische Differenz zwischen der gebenden und der nehmenden Person ist ein ganz wesentliches Charakteristikum von Partizipation: Der/die Gebende bzw. (Aus-)Teilende verfügt über ein Monopol oder zumindest über ein ‚Mehr‘ an Macht, Status oder Ressourcen; er bzw. sie ist dem/der PartizipationspartnerIn in diesem Sinne höher gestellt und somit auch in der Lage, die Initiative und Führung im Partizipationsprozess zu ergreifen. Besonders augenfällig wird diese Ungleichverteilung an Macht und Aktivität im Begriffsbild der „Teilhaftmachung“, das ja ebenfalls zur Urbedeutung von „participatio“ zählt: Jemand hat die Verfügungsgewalt darüber, sich etwas oder jemanden ‚einzuverleiben‘ (im Sinne von: zu eigen machen bzw. eingliedern). ‚Teil-haft-machung‘ geht über „Mitgeniessung“ und „Mitteilung“ jedoch auch insofern hinaus, als dass diese Einverleibung oder Eingliederung nicht unbedingt auf Konsens beruht, sondern deutlich einen Zwangsaspekt – Begrifflichkeiten wie „Haft“ oder „haftbar machen“ schwingen unweigerlich mit10 – zum Ausdruck bringt: Jemand wird, ob er will oder nicht, zum Teil einer Sache gemacht – wird wortwörtlich TeilhaberIn – und hat fortan auch die Konsequenzen an dieser – nun gemeinsamen – Sache zu tragen. Ob nun als Pragmatismus, als Geste der Gnade oder als Zwang – festzuhalten ist, dass das Konzept Partizipation sprachgeschichtlich in erster Linie aus der Perspektive der/des ‚Mächtigen‘ oder ‚Habenden‘ (ob nun als Individuum oder Gruppe) formuliert ist. Der Vorgang der Partizipation erscheint vom Prinzip her insofern auch als klar strukturierte, linear gerichtete Abfolge von actio und reactio, von Geben und (An-)Nehmen (müssen), da feste Rollen- und Ablaufmuster impliziert sind: Die Initiative und der weitere aktive Part liegt bei derjenigen Partei, die Verfügungsgewalt über das zu teilende ‚Objekt‘ besitzt und daher der anderen Partei hö9

Auch bei Sulzer (1771-1774) spielt der emotionale Aspekt, die Rührung eine Rolle. So wird „Theilnehmung“ u.a. beschrieben als „gerührt werden, und deswegen einen wahren und herzlichen Antheil daran nehmen“ (Bd. 2: 1155). 10 Vgl. dazu auch den Eintrag zum heute nicht mehr gebräuchlichen Adjektiv „haft“ bei Grimm (1854-1971: Bd. 10, Sp. 132 [ursprüngl. wohl Bd. 4, Abth. 2] vermutl. von 1877), wo diesem drei Bedeutungen zugeschrieben werden, nämlich im Sinne von a) gefangen, gefesselt b) von etwas eingenommen, besetzt, bestanden und c) verpflichtet, verbunden für etwas.

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hergestellt ist – die heute nicht mehr gebräuchlichen Worte wie „Mit-theiler“ oder „theilgebend“ (als Antonym zu „theilnehmend“) spiegeln diesen konkreten Handlungs- und Aktivitätsaspekt wortwörtlich wider. Dementsprechend kommt dem/der niedergestellten InteraktionspartnerIn ein bloß reagierender Part als Teil-NehmerIn bzw. noch passiver als Teil-HaberIn im wörtlichen Sinne zu.11 – Als wesentlicher Unterschied zum heute verstärkt propagierten ‚tätlich‘-aktiven Partizipationsverständnis sieht die ursprüngliche Wortbedeutung den/die (potenziellen) Partizipierende/n also nicht in erster Linie als aktiv mitbestimmendes und mitgestaltendes Subjekt, sondern eher als passives Gegenüber, dem/der etwas widerfährt. Ein weiterer, zum Nachdenken über unser heutiges Verständnis von Partizipation anregender Aspekt ergibt sich bei genauerer Beschäftigung mit den Begriffen Part bzw. Teil, denen als Vorsilben eine wichtige semantische Funktion zukommt. In dem von Johann Heinrich Zedler herausgegebenen Grossen vollständigen Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Künste, das als wichtigste deutschsprachige Enzyklopädie des 18. Jahrhunderts gilt, heißt es: „Theil, lat. Pars, Theile, Partes, sind diejenigen Dinge, daraus das Ganze zusammen gesetzet ist und darein es kann getheilet oder zergliedert werden; daher beziehet sich der Begriff der Theile allezeit auf den Begriff des Ganzen [...]. Sonst aber bedeutet auch das Wort Theil insgemein die Helffte wenn nicht ein anders ausdrücklich gemeldet und angezeiget worden.“ (Zedler 1732-1754: Bd. 43 [1745], Sp. 560-653)

Sprachgeschichtlich kann man für Partizipation also zwei Prämissen geltend machen, die in der heutigen Diskussion nicht im Vordergrund stehen bzw. selten thematisiert werden: Erstens: Es geht ums ‚Ganze‘, also um das, was miteinander geteilt oder in Gemeinschaft erfahren bzw. erschaffen werden soll. Dies kommt auch in folgender Definition von „Theilhaber“ zum Ausdruck: „eine Person [...] welche ein Ganzes mit andern gemeinschaftlich besitzet“ (Adelung 1793–1801: Bd. 4 [180]: 574 f.). Wenn heute im Museumskontext über Partizipation gesprochen wird, fällt auf, dass manche Museen Partizipation als reines Aktivitäts- oder naives Mitmachangebot verstehen – der Begriff „Partizipation“ ersetzt gewissermaßen das Label „hands on“ oder das Wort „Mitmachangebot“, das eine museumspädagogische Bastel-, Bauoder Malaktion bezeichnet, die sich i.d.R. vornehmlich an Kinder oder Jugendliche richtet. Zwar ist körperlicher Einsatz und aktives (Mit-)Gestalten in meinen Augen tatsächlich ein wichtiger Bestandteil von gelungener Partizipation in diesem Sinne, jedoch ist sie kein Selbstzweck, sondern als „Theil eines Ganzen“ (Krünitz 17731858: Bd. 107 (1807), 651 f.) zu sehen. Eine bewusste Selbstbefragung, was denn genau das „Ganze“ im Sinne gemeinsam getragener Ziele und Motivationen sein 11 Vgl. vor allem die Erläuterungen bei Grimm (1854-1971) und Zedler (1732-1754) unter den Stichworten „Mittheiler“, „theilgebend“, „theilnehmend“, „Theilnehmer“ und „Theilhaber“.

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könnte – und dann immer wieder die Rückanbindung der Aktivitäten und einzelnen ‚Anteile‘ daran –, ist Bedingung für und Fixpunkt von Partizipation. Zweitens: Zedlers Lexikoneintrag lässt keinen Zweifel daran, dass ein „Theil“ i.d.R. „die Helffte“ (Hälfte) bedeutet. Partizipation wäre demnach ein gerechter Interaktionsprozess (oder soziologisch gewendet: ein gerechter Tauschakt bzw. Gabentausch), bei dem alle InteraktionspartnerInnen zu gleichen Teilen profitieren. In diesem Gedanken scheint jener historische Bedeutungsstrang auf, der Partizipation als pragmatischen Zusammenschluss im Sinne einer gemeinschaftlichen Nutznießung versteht. Das zeugt wiederum davon, dass Partizipation, anders als heute, ursprünglich ein sehr handels- bzw. warenbezogener, vor allem in kaufmännischen Kontexten beheimateter Begriff gewesen ist12 – ein Bereich also, in dem Kooperationen nur gelingen, solange sich keine/r der beiden PartnerInnen übervorteilt fühlt. So ist es auch zu erklären, dass bei Zedler (1732-1754) unter dem Stichwort „Participanten“ (Bd. 26, Sp. 1063 [1740]) sowie unter dem synonym gemeinten Begriff „Mitgenoß“ (Bd. 21, Sp. 537 f. [1739]) betont wird, dass diese alle die gleiche „Freyheit“ (Bd. 21, Sp. 538) sowie „gleiches Recht zum Gewinn und Verlust“ (Bd. 26, Sp.1063) genießen und „einer wie der andere zu gleichmäßigen Pflichten und Schuldigkeiten verbunden sind“ (ebd. Bd. 21, Sp. 538). Und auch in Meyers Konversations-Lexikon (1874-1884) kommt der Aspekt der gerechten Teilung deutlich zum Ausdruck: „participiren (lat.), theilnehmen; Participation, Theilnahme, Beteiligung; Participationsgeschäft, Handelsunternehmung für gemeinschaftliche Rechnung und zwar, je nachdem dabei zwei oder mehrere Personen betheiligt sind, ‚Unternehmung auf ½ Rechnung‘ oder ‚in conto à metà‘, ‚auf 1/3, 1/4 Rechnung‘ etc.“ (Meyer 1874-1884: Bd. 12, 623)

Inwieweit dieser Aspekt der gerechten (Ver-)Teilung bzw. eines wirklich reziproken Austauschprozesses, bei dem alle Seiten gleichermaßen profitieren, übertragen auf partizipative Museumsarbeit realistisch oder aus institutioneller Sicht erstrebenswert ist, sei an dieser Stelle dahingestellt. Abgesehen vom kaufmännischen Sektor wurzelt der Begriff Partizipation wohl auch im religiösen Bereich, sodass immer wieder in Lexika sogenannte „Participantbriefe“ erwähnt werden, mit denen einzelne aus der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen werden konnten (vgl. Krünitz 1773-1858: Bd. 107 [1807], S. 657 und Pierer 1840-1846: Bd. 22 [1844], S. 179). Das legt nahe, dass „Partizipation“ im 12 Die Begriffe „Participations-Conto“, „Participationsrechnung“ oder „Participationsgeschäft“ zeugen deutlich von dieser ursprünglich starken kaufmännischen Konnotierung. Außerdem war „Participant“ z.T. auch Synonym für einen Anteilseigner an einer Handelskompanie, einer Manufaktur und insbesondere auch an einem Schiff im Überseehandel (vgl. z.B. bei Zedler 1732-1754, Krünitz 1773-1858, Pierer 1840-1846, Ersch & Gruber 1818-1889 und Brockhaus’ Conversations-Lexikon 1882-1887 jeweils unter „Participant(en)“ bzw. „Participation“ od. „Partizipieren“).

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Umkehrschluss auch als Begriffsbild für die Gemeinschaft mit Gott bzw. die Gemeinschaft mit anderen Gläubigen (Kirchengemeinschaft) stehen konnte.13 Diese religiöse Konnotation und Verwendung scheint aber – zumindest in den von mir verwendeten Lexika des 18. und 19. Jahrhunderts – eine untergeordnete Rolle im Vergleich zum Gebrauch des Begriffes im pekuniären und merkantilen Kontext gespielt zu haben.

III.1.2 P ARTIZIPATION

AUS IDEEN GESCHICHTLICHER

P ERSPEKTIVE

Wie eben gezeigt, wurzelt Partizipation sprachgeschichtlich gesehen als Begriffsbild vor allem im kaufmännischen Bereich. Die ideengeschichtlichen Wurzeln für unser heutiges, vornehmlich auf abstrakte Werte und ideelle Teilhabe bezogenes Konzept von Partizipation liegen insbesondere im demokratietheoretischen Bereich, d.h. sie gehen zurück auf die Entstehung der europäischen Rechts- und Verfassungsstaaten im Zeitalter der Aufklärung (vgl. z.B. Kaase 2000: 467 u. Brockhaus 2006: Bd. 21, 66).14 Dieses heute so einflussreiche Partizipationsverständnis aus dem Bereich der Politikwissenschaften kann wiederum selbst mit seinen Wurzeln ins religiöse Mittelalter zurückverfolgt werden: So konstatiert Cindy Patton (2009), dass die geläufige politische Auffassung von Partizipation eigentlich nichts anderes als eine, wenn man so möchte, säkularisierte Variante des christlich-religiösen Partizipationsverständnisses darstelle, wie es sich im Mittelalter und dem frühen Protestantismus herausgebildet habe (vgl. Patton 2009: 252). Beiden gemeinsam sei, dass sie die Stellung des Individuums in Beziehung zum ‚Ganzen‘ als einem abstrakten, übergeordneten Gebilde (der ‚Staat‘; ‚Gott‘ bzw. das ‚Reich Gottes‘) thematisierten – und erst zweitrangig, gewissermaßen als dessen Folge, die Beziehung von Mensch zu Mensch. Entscheidender Funktionsmodus dieses Partizipationsprinzips sei die freiwillige15 Unterordnung unter „[...] a will larger than the individual [...] and of sharing this duty with others“ (ebd. 252). Dies bedeutet: Jede/r einzelne Partizipierende hat die Pflicht, im Sinne der Gemeinschaft zu handeln und sich als ‚gute/r BürgerIn‘ bzw. ‚gute/r Glaubens-

13 So betont beispielsweise der auf Pius X. zurückgehende Begriff „Actuosa participatio“ die Mitfeier der Liturgie durch alle Gläubigen (vgl. Kasper 1993: Bd. 1, 121); mir erscheint es naheliegend, dass diese Begriffsschöpfung des frühen 20. Jahrhunderts in ähnlich lautenden, älteren Begriffsbildern der Theologie wurzelte. 14 Fach (2006: 197) betont, dass die Idee der politischen Mitbestimmung im Aristotelischen Modell des Gemeinwesens, der polis, fuße. Allerdings gibt er zu bedenken, dass hier eine Mitbestimmung nur für eine kleine Elite vorgesehen war. 15 Gemäß dem ersten Grundsatz der Französischen Revolution, der Freiheit.

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genossIn‘ an die jeweiligen Verordnungen zu halten und das übergeordnete ‚System‘ immer wieder öffentlich zu bestätigen (z.B. durch die Beteiligung an Wahlen, an rituellen Handlungen, durch Einhaltung der Gebote etc.).16 Im Gegenzug werden jedem bzw. jeder Partizipierenden gewisse Rechte eingeräumt, insbesondere die Garantie, in der Gemeinschaft als Gleiche/r unter Gleichen anerkannt zu werden.17 Partizipation stellt sich somit als Dualismus von Rechten und Pflichten dar (vgl. auch Schnurr 2011: 1069), in dessen Spannungsfeld sich die Partizipierenden wiederum in ihren Doppelrollen als Individuen und Teile der Gemeinschaft bewegen. Insgesamt lässt sich dieses traditionsschwere Partizipationsmodell aus der Politik (und Religion) der Anlage nach als ‚Harmoniemodell‘ bezeichnen, da es auf der Idee der Solidarität gründet, auf die Herstellung von Konsens zielt und (politische) Gleichheit proklamiert.18 Genau diese drei normativen Aspekte prägen heute – weit über den politischen oder religiösen Bereich hinaus – vielfach eine bestimmte Idealvorstellung von Partizipation, nämlich als Verwirklichung eines gerechten, harmonischen Miteinanders jenseits überkommener Hierarchien. Andere Aspekte bleiben in solchen Idealbildern hingegen tendenziell eher ausgeblendet: So beispielsweise, dass dieses Modell Integration im Sinne von Assimilation begünstigen19 oder neue Verbindlichkeiten schaffen kann, denen sich der bzw. die Einzelne dann nicht ohne Weiteres zu entziehen vermag. Genau dies meint Patton wohl auch, wenn sie betont: „Although the sense of force or coercion is no longer present in contemporary uses of participate, participant, or ‚participation‘, a sense of action or demand remains implicit in current meanings.“ (Patton 2009: 252)20

Partizipation haftet demnach auch heute noch ein gewisser Aufforderungs- oder appellativer Charakter an, den man in den genannten Zusammenhängen vielleicht plakativ als ‚verpflichtende Freiwilligkeit‘ überschreiben könnte; denn auch wenn moderne politiktheoretische Definitionen ausdrücklich betonen, dass Freiwilligkeit eine zentrale Komponente von Partizipation sei und dass sich Beteiligung auf vielfache, zum Teil sehr unterschiedliche Weise realisieren könne (vgl. z.B. Kaase 2003: 16 Dies entspricht dem Grundsatz der Brüderlichkeit der Französischen Revolution. 17 Hierin ist der Revolutionsgrundsatz der Gleichheit enthalten. 18 VerfechterInnen radikalerer Demokratiemodelle widersprechen diesen dominanten Vorstellungen von Konsens und Inklusion jedoch und sehen gerade in der Anerkennung von Konflikt und Konfrontation eine Existenzbedingung von Demokratie. Schnurr (2011: 1070) etwa führt hierfür Chantal Mouffes Publikation Das demokratische Paradox (Turia & Kant, 2008) an. 19 Hierin ist ein Grund zu sehen, warum Partizipation als Begriff ab Ende der 1960er Jahre im politischen Bereich bisweilen abgelehnt wurde zugunsten des Begriffs der Emanzipation (bzw. ab den 1980er Jahren dem des Empowerments), weil dieser in den Augen der KritikerInnen eher für die Erneuerung und Überwindung bestehender Machtstrukturen stand (vgl. Moser 2010: 71 f.). 20 Im Originaltext sind die Wörter participate und partcipant fett gedruckt.

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495 u. Thurich 2011: 41), so besteht in manchen Situationen dennoch die Gefahr, dass Partizipation an sich oder bestimmte Formen der Beteiligung zur Pflicht ausarten können, wenn sie implizit oder explizit mit einem sozial stark erwünschten Verhalten gekoppelt sind. Die Wurzeln jener Auffassungen, die Partizipation im Gegensatz dazu nicht als affirmative Haltung bzw. Handlung verstehen, sondern im Sinne einer Intervention, die bestehende Strukturen und Verhältnisse kritisiert, liegen im Wesentlichen in den revolutionären Protestbewegungen des 20. Jahrhunderts, angefangen bei der Bürgerrechtsbewegung in den USA bis hin zur breiten Protestkultur der 1960er und 1970er Jahre, die nicht nur im Alltag, sondern auch in vielen kultur- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen eine generelle Aufmerksamkeit für diskriminierende Machtstrukturen und für Fragen der Repräsentation im Allgemeinen mit sich brachte sowie traditionelle Wahrheits- und Autoritätsansprüche in Zweifel zog.

III.1.3 P ARTIZIPATION AUS S ICHT UND P ÄDAGOGIK

DER

S OZIOLOGIE

Während Partizipation im Mittelalter noch vor allem ein warenwirtschaftliches und ein religiöses Konzept gewesen war, ist Partizipation heute in diversen Disziplinen beheimatet, so insbesondere auch mit einer gewissen Tradition in der Soziologie und Pädagogik. Da kulturelle bzw. museumsbezogene Partizipationskonzepte – sicher aufgrund der ohnehin gegebenen Nähe zu Soziologie und Pädagogik – häufig Anteile des Partizipationsverständnisses dieser beiden Disziplinen beinhalten, möchte ich auf deren Geschichte und Auslegung im Folgenden kurz eingehen. War die Politikwissenschaft der erste wissenschaftliche Bereich gewesen, der sich mit Beginn der Wahlforschung im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts gezielt mit Fragen der Partizipation auseinander gesetzt hatte (vgl. Kaase 2003: 496), zogen – insbesondere seit den 1970er Jahren – andere Disziplinen nach: Die Soziologie wandte sich Partizipation vor allem unter dem Blickwinkel der Erforschung von sozialer Ungleichheit zu (vgl. Keupp 2008: 24). Unter dieser Perspektive gesehen, zeigen sich partizipative Prozesse in ihrer Funktion als soziale Ein- bzw. Ausschlussmechanismen, in denen sich gruppenspezifische Konzepte von Gleich-Sein und Anders-Sein manifestieren – ein Blickwinkel, der gerade für den Museumsbereich als nach wie vor elitärem und sozial selektivem gesellschaftlichen Ort von entscheidender Bedeutung ist. Partizipation, so muss festgehalten werden, hebt nicht nur Ungleichheiten oder Ausschlüsse auf, indem sie Gruppen einander angleicht bzw. in einen gegenseitigen Austausch- und Identifikationsprozess bringt,

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sondern schafft damit zugleich auch wiederum automatisch (implizit oder explizit) den Ausschluss aller anderen, nicht direkt am Partizipationsgeschehen beteiligten Gruppen. Weiter öffnet die soziologische Perspektive den Blick für die unmittelbaren Einflussfaktoren auf Partizipation. Angewandt auf den kulturellen Bereich bzw. speziell die Institution Museum wird dann deutlich, dass es sich bei Partizipationsprozessen um ein komplexes Zusammenspiel von gesellschaftlichen (Vor-)Bedingungen (Normen, Infrastrukturen etc.), individuellen Persönlichkeitsmerkmalen in Kombination mit erworbenen Fähigkeiten der (potenziell) Partizipierenden und jeweils institutionellen Bedingungen (etwa Muster der Information und Kommunikation sowie die Herrschaftsstruktur) handelt (vgl. Hillmann & Hartfiel 1994: 654 u. Bartelheimer 2008: 13 f.). Dies macht wiederum verständlich, wie eng kulturelle Partizipation (verstanden als Teilhabe oder Teilnahme) mit politischen, ökonomischen und gesellschaftlichsozialen Faktoren verknüpft ist (vgl. Fuchs 2008: 72). Entsprechend betont der Soziologe Peter Bartelheimer (2008: 13-15) unter Rückbezug auf die Soziologen Franz-Xaver Kaufmann und Jean-Michel Bonvin, dass es darum gehen müsse, die unterschiedlichen materiellen, rechtlichen, geografischen, ökonomischen und bildungsmäßigen „Verwirklichungschancen“ für (hier: gesellschaftliche) Teilhabe anzugleichen, sodass jede Person, die ‚teilhaben‘ möchte, dies auch wirklich könnte. Das Ziel wäre dementsprechend nicht, dass alle am Museum partizipieren, sondern dass alle partizipieren könnten, wenn sie es wollten. In der Pädagogik – insbesondere in der Kinder- und Jugendarbeit – gilt Partizipation als zentrales Lern- und Erfahrungsprinzip. Daher nimmt es einen hohen Stellenwert als Arbeitsmethode (da motivationsfördernd)21 und zugleich auch als Lernziel ein. Wenn Partizipation als Ziel definiert wird, werden damit i.d.R. persönlichkeitsstärkende sowie gesellschaftsbezogene, für das (Zusammen-)Leben in der Gemeinschaft förderliche Aspekte adressiert. Partizipation als „die bewusste Mitwirkung an Entscheidungen, die das eigene Leben und das der Gemeinschaft betreffen“ (Moser 2010: 71) meine letztlich, dass sich die Beteiligten „[...] als wichtig für diese Gesellschaft erleben und lernen, ihre Lebenswelt selbst zu gestalten“ (ebd. 75). Der Erziehungswissenschaftler Wolfgang Klafki spricht hier von „Mündigkeit“ bzw. „Emanzipation“, die grundsätzlich den Aspekt der „Selbst- und Mitbestimmung“ beinhalte (Klafki 1996: 226). Auf die Arbeit im Museum mit Menschen oder Gruppen aus der Bevölkerung bezogen, ist die pädagogische Perspektive insofern bereichernd, als dass sie Partizi21 Vgl. hierzu den späteren Exkurs über Partizipation aus lern- und motivationspsychologischer Sicht (Kap. VII.6).

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pation deutlich als Lernprozess kennzeichnet, der immer seine Zeit braucht und in dem Teilnehmende anfangs mitunter unsicher agieren und ihre Fähigkeiten noch nicht voll entwickelt haben. Partizipation und ‚gut Partizipieren-Können‘ sind also eine Sache der Übung. Es schadet daher sicherlich nicht, bei partizipativen Museumsprojekten im Hinterkopf zu haben, dass sich Teilnehmende mit großer Wahrscheinlichkeit in unterschiedlichen ‚Lernstadien‘ befinden werden. Außerdem – und das ist ein weiterer wichtiger Punkt – ist der ‚Output‘ nicht völlig steuerbar und damit auch nicht genau vorhersagbar; denn selbst wenn es sich um einen inszenierten (Lern-)Prozess handelt, so kann „[...] Partizipation nicht gelehrt, sondern muss erfahren werden“ (Moser 2010: 74). Somit geht es aus liberaler pädagogischer Sicht primär um „[...] das Erleben von Partizipation und um die Erfahrung, in demokratischen Strukturen zu handeln“ (ebd.) und weniger um das sichtbare (End-)Ergebnis als solches. Tendenziell liegt also eine Prozessorientierung statt einer Ergebnisorientierung in der pädagogischen Perspektive vor. Entsprechend diesem prozesshaften Verständnis wird Partizipation als Lernleistung oder Lernziel zergliedert in einen umfangreichen Katalog an einzelnen Fähigkeiten und Fertigkeiten gleichsam einzelnen Etappen oder Zwischenschritten, die es zu meistern gilt. Wesentliche Aspekte dieses ‚Pakets‘ lassen sich mit den Schlagworten Sach- und Sozialkompetenzen, Verantwortungsbereitschaft und Handlungskompetenz auf einen Nenner bringen, die insbesondere Eigeninitiative, Kritik- und Urteilsfähigkeit, Kreativität (auch als Eigenschaft, gewohnte Denk- und Handlungsmuster zu durchbrechen), Empathie und Kommunikationsfähigkeit fordern und fördern (vgl. Klafki 1996: insbes. 226 f., Schaub & Zenke 2007: 437 u. Stöger 2005a: 75). Diese diversen Fähigkeiten, die zusammengenommen vielleicht als ‚Partizipationsfähigkeit‘ umschrieben werden können, stellen also sowohl Lernziel als auch Voraussetzungen zum Erreichen dieses Zieles dar, was ein gewisses Paradoxon darstellt. In Hinblick auf die Durchführung partizipativer Angebote im Museum mahnt Gabriele Stöger, dass dieser umfangreiche Katalog an Fähigkeiten und Fertigkeiten nicht als selbstverständlich vorhanden angenommen werden dürfe (Stöger 2005a: 75). Auch wenn es wichtig und hilfreich zu wissen ist, dass erfolgreiches Partizipieren ein Mosaik aus diversen Teilleistungen darstellt und dass diese erlernt werden müssen, so kann ein allzu pädagogischer Blickwinkel jedoch auch problematisch werden, weil er traditionell meist einem Defizitdenken entspringt (vgl. Schnurr 2011: 1072): Die (potenziell) Partizipierenden erscheinen dann mehr oder weniger als ‚unwissende‘ Lernende, die durch die Möglichkeit zur Partizipation die Chance auf eine ‚Höherentwicklung‘ erhalten sollen. Die Hierarchien wären dann also klar verteilt: Der ‚Lehrkörper‘ – in diesem Fall das Museum mit seinen VertreterInnen – als Wissensautorität, die Teilnehmenden als die unwissenden ‚SchülerInnen‘. Mit-

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unter bekommen Beteiligungsprojekte auf diese Weise paternalistische oder im schlimmsten Fall ‚kulturmissionarische‘ Züge. Beim Thema Pädagogik und Partizipation drängt sich des Weiteren noch die Frage der ‚Leistungsbewertung‘ auf, da Pädagogik – vor allem in Form der Schulpädagogik – ja auch immer irgendwie eine Kontrolle der Wirksamkeit des pädagogischen Handelns impliziert. Was heißt dies nun aber bezogen auf partizipative Ausstellungs- oder Vermittlungsarbeit? Ist es überhaupt sinnvoll, diese zu ‚bewerten‘? Und wenn ja: Nach welchen Kriterien? Zählt hier eher der Prozess, den die Partizipierenden durchlaufen, oder doch wieder das ‚Endergebnis‘, beispielsweise eine realisierte Ausstellung? Und wer bestimmt eigentlich, ob die Partizipation erfolgreich oder ‚gut‘ war – das Museum, die Teilnehmenden oder gar die unbeteiligten BesucherInnen der späteren Ausstellung (z.B. abgeleitet aus den Besuchszahlen, wie bei nicht-partizipativen Ausstellungen bzw. Projekten oftmals auch)?

III.1.4 Z USAMMENFASSUNG Partizipation ist ein schwer zu fassender, facettenreicher Begriff, der je nach (disziplinärem) Blickwinkel mit unterschiedlichen Akzentuierungen erscheint. Eine genaue Festschreibung wird zusätzlich dadurch erschwert, dass das Begriffsbild sowohl Zustand als auch Vorgang meinen kann und deskriptiven wie auch normativen Gehalt besitzt. Je nach Situation und Ausgangslage kann „Partizipation“ Unterschiedliches meinen und unterschiedlich realisiert werden, was eine genaue Definition erschwert. Sprachgeschichtlich gesehen kann Partizipation sowohl als pragmatischer Zusammenschluss, als großzügige und selbstlose Zuwendung bzw. Barmherzigkeitsgeste sowie als forcierte „Teilhaftmachung“ erscheinen – der Spur nach spiegeln sich diese drei Grundhaltungen auch heute noch in den vielfältigen Konzepten von Partizipation, die im Museumsbereich (und anderswo) zu finden sind, wider. Die ursprüngliche Bedeutungsdimension zeigt deutlich an, dass es sich um einen relationalen Begriff handelt, der also ein Verhältnis zweier (oder mehrerer) ‚Parteien‘ ausdrückt: Es geht um etwas, das man zusammen tut, gemeinschaftlich nutzt, untereinander austauscht, miteinander erarbeitet o.ä. Sprachgeschichtlich betrachtet, scheint der Begriff ursprünglich vor allem in kaufmännischen Kontexten Verwendung gefunden zu haben, bezog sich also auf (Waren-)Geschäfte und Handel. Auch im religiösen Kontext spielte Partizipation als Bild für die Gemeinschaft mit Gott oder mit der Gemeinde eine gewisse Rolle. Als denkwürdige Aspekte des Konzepts von Partizipation könnte man aus etymologischer Sicht außerdem eine Art Rollenverteilung mit deutlicher hierarchischer Differenz ableiten, die insgesamt vielleicht eher dem heutigen Strang als passiver

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Teilhabe denn dem als aktiver Teilnahme entspräche (wenngleich auch bei letzterem ein Hierarchieunterschied konstatiert werden muss): Der/die Mächtige als initiierend und tonangebend, der/die Partizipierende als eher empfangend-akzeptierend, also vergleichsweise passivem Part. Dies entspräche auch dem späteren politikbezogenen Partizipationsverständnis seit der Aufklärung, wonach sich das Individuum dem Gemeinwohl unterzuordnen habe. Die etymologischen Wurzeln scheinen auch eine Fokussierung auf das ‚Ganze‘ zu implizieren sowie den (zumindest in manchen historischen Kontexten vorhandenen) Gedanken einer win-win-Situation, von der beide Seiten gleichermaßen profitieren sollen. Beide Aspekte halte ich bezogen auf museale Partizipation für denkwürdig, werfen sie doch die Frage danach auf, was denn das gemeinsame ‚Ganze‘ im Museum sein könnte, um das sich Partizipation entspinnt, sowie auch, wie denn eine win-win-Situation aussehen könnte und inwiefern Museum und Teilnehmende gleichermaßen eine Art ‚Nutzen‘ aus einem Partizipationsangebot ziehen könnten. Die politische Perspektive, die seit der Aufklärung an Dominanz gewonnen hat und auch heute noch maßgeblich unser Bild von Partizipation prägt, steuert den Aspekt der Freiwilligkeit bei sowie den, dass sich Partizipation als Dualismus aus Rechten und Pflichten gestaltet. Grundsätzlich propagiert das demokratietheoretische Verständnis Partizipation als harmonisches Konsensmodell, das im Wesentlichen auf Solidarität fußt und daher von den Einzelnen eine Anpassungsleistung im Dienste des Gemeinwohls abverlangt – dieses Bild stellt heute eine weitverbreitete Idealvorstellung dar und zeigt zugleich an, dass Beteiligte immer in einer Art Doppelrolle agieren: Sowohl als Individuen wie auch als (potenzielle) Mitglieder einer Gruppe oder Gemeinschaft. Dies konfligiert u.U. mit dem Aspekt der Freiwilligkeit, denn der (implizite oder explizite) Druck der Gemeinschaft – z.B. im Sinne sozial erwünschten Verhaltens – kann dazu führen, dass sich ein Individuum mehr unfreiwillig bzw. gezwungenermaßen in eine gewisse Partizipationssituation begibt. Im Gegensatz dazu offenbart der soziologische Blickwinkel, dass das Konzept der Partizipation auch einen Distinktionsmechanismus darstellt, quasi im Einschluss der einen automatisch einen Ausschluss aller anderen, die nicht unmittelbar beteiligt sind oder werden, vollzieht, egal ob dies intendiert ist oder nicht. Des Weiteren fokussiert die Soziologie auch auf Bedingungen oder Einflusskomponenten von Beteiligung bzw. Teilhabe, die so als Zusammenspiel gesellschaftlicher, individueller und institutioneller Faktoren erkennbar wird. Aus pädagogischer und entwicklungspsychologischer Sicht zählt Partizipation vor allem als Methode und Arbeitsprinzip, das langfristig Emanzipation befördern und Selbstermächtigung bewirken soll. Partizipation wird hier also vor allen Dingen in seiner Facette als Dualismus aus Lernprozess und Lernziel gesehen. Das Dilemma, das (nicht nur für Museen) daraus entwächst, dass nämlich Partizipation zugleich Ziel wie auch Methode zur Zielerreichung darstellt, liegt auf der Hand.

P.

AUS SPRACH - U . IDEENGESCHICHTLICHER SOWIE FACHSPEZIFISCHER

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Die pädagogische Perspektive macht auch deutlich, wie viele (Teil-)Leistungen an Fähigkeiten und Fertigkeiten ‚Partizipationsfähigkeit‘ eigentlich umfasst, die erst nach und nach erworben werden müssen. Vielleicht lässt sich so auch erklären, warum die pädagogische oder erziehungswissenschaftliche Perspektive eher den Prozessgedanken denn die Ergebnisorientierung betont – auch wenn die Frage nach der Leistungs- oder Erfolgsmessung gerade auch in diesen Bereichen besondere Aufmerksamkeit genießt. Problematisch an der pädagogischen Perspektive ist die implizierte traditionelle Vorstellung von Lehrperson und Lernendem bzw. Lernender, welche im Partizipationsprozess einer Seite Wissensautorität zuspricht oder stillschweigend zuerkennt, der anderen automatisch aberkennt bzw. Unwissenheit oder zumindest einen vergleichsweisen Mangel an Wissen, Fähigkeiten oder Fertigkeiten unterstellt. Eine solche Defizitperspektive findet sich auch bei Partizipationsprozessen oder -angeboten im Museum immer wieder. Dabei wäre es, gerade im Blick auf ein mögliches Erneuerungspotenzial von Partizipation für die Institution Museum, sehr viel gewinnbringender, wenn Museen sich selbst auch als Lernende begreifen und offenerwartungsfroh den Partizipationsprozess als Möglichkeit verstehen würden, selbst neue Blickwinkel aufgezeigt zu bekommen oder neue Impulse für die eigene Arbeit zu erhalten. All diese unterschiedlichen Aspekte können als hilfreiche Richtmarken dienen, wenn es darum geht, partizipative Ausstellungspraxen in den Blick zu nehmen und zu klären, welche Aspekte davon für Konzepte musealer Partizipation eher zutreffend erscheinen oder nicht. Als roter Faden zog sich durch alle untersuchten Felder gleichermaßen, dass Partizipation sowohl mehr passiv als „Eingebundensein“ (Weiß & Buhl 2005: Bd. 11, 191) bzw. als ideelle oder symbolische Teilhabe ausgelegt werden kann als auch im aktiven Sinne als aktive, ‚tätliche‘ Teilnahme. Für den kulturellen Bereich zeichnen sich somit zwei Pole ab: Partizipation im Sinne von Rezeption bzw. Konsumption steht einem Verständnis von (Mit-)Machen, (Mit-)Entscheiden und ggf. auch Intervenieren gegenüber. Da die Übergänge fließen und zwischen diesen beiden Polen ein schier unerschöpfliches Kontinuum an Verwirklichungsmöglichkeiten und -formen zu finden ist, oszillieren Konzepte von Partizipation mitunter zwischen Vereinnahmung, Mitbestimmung und Selbstbestimmung. Eine eindeutige Beurteilung partizipativer Angebote oder Verfahren wird darüber hinaus durch folgende Aspekte erschwert, die aus der Zusammenschau der bisherigen Informationen folgen: •

Partizipation ist historisch und situativ relativ: Was genau Partizipation bedeutet und wann sie verwirklicht ist, müsste daher eigentlich für jede Beteiligungs-

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situation individuell unter Berücksichtigung der herrschenden Bedingungen, Grundkonstellationen und dem herrschenden Partizipationsverständnis bestimmt werden. Das Konstrukt Partizipation hat sowohl deskriptive als auch präskriptive Anteile: Neben einer reinen zustands- oder handlungsbeschreibenden Bedeutungsdimension enthält „Partizipation“ immer zugleich auch eine normative Bedeutungsdimension – etwa in Form von (impliziten) Ziel- bzw. Werteperspektive(n). Hier stellt sich nun die Frage, was im Falle einer Beurteilung oder ‚Bewertung‘ eines partizipativen Angebots oder Projekts in welcher Weise zu bewerten wäre: Wiegt die Prozessqualität mehr als das Endergebnis? Anhand welcher Kriterien wären diese zu beurteilen – und aus wessen Perspektive, der der Teilnehmenden oder jener der Museumsleute?

Der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, dass sich die beiden eben genannten Bedeutungsdimensionen – die deskriptive sowie präskriptive bzw. normative – wohl ursprünglich in den beiden Adjektiven „partizipativ“ (deskriptiv) und „partizipatorisch“ (präskriptiv) spiegeln, wenngleich dieser Bedeutungsunterschied heute in Vergessenheit geraten ist und beide weitgehend synonym verwendet werden (ich verwende beide Begriffe im Rahmen der vorliegenden Arbeit daher ebenfalls synonym). Die Kunstwissenschaftlerin und -vermittlerin Silke Feldhoff schreibt in ihrer Dissertation Zwischen Spiel und Kunst. Partizipation als Strategie und Praxis in der bildenden Kunst (2009) hierüber Folgendes: „Die Vermutung, es gebe einen Bedeutungsunterschied zwischen ‚partizipatorisch‘ und ‚partizipativ‘, wurde durch den Sprachwissenschaftler Ralf Heuer-Meuthrath bestätigt. Nach Heuer-Meuthrath weisen die Begriffe neben grammatikalischen Gemeinsamkeiten gewichtige semantische Unterschiede auf. Semantisch gesehen hätten Adjektive mit dem Suffix ‚-iv‘ die Tendenz, eine aktive Fähigkeit bzw. Eigenschaft zum Ausdruck zu bringen. In unserem Fall heißt dies, dass sich jemand ‚partizipativ‘ verhält, der tatsächlich an etwas teilnimmt bzw. ‚partizipativ‘ kennzeichnet Projekte, die eine Teilhabe tatsächlich leisten. Demgegenüber hätten Adjektive mit dem Suffix ‚-orisch‘ die semantische Eigenschaft, eine Bestimmung, ein bestimmtes Wirken-Sollen zum Ausdruck zu bringen. Im Falle von ‚partizipatorisch‘ bedeutet dies, dass jemand Teil haben [sic] oder teilnehmen kann, ihm die Möglichkeit eingeräumt wird, er eingeladen wird etc. ‚Partizipatorische‘ Projekte sollen demnach eine Teilhabe leisten, sie haben den Zweck, die Zielsetzung einer wie auch immer gearteten oder zu definierenden Teilhabe. [...] Im Ergebnis meint ‚partizipatorisch‘ das intendierte, vorerst lediglich potenzielle Ermöglichen aktiver Teilhabe und sozialer Beziehungen, beschreibt die Zielsetzung einer Arbeit. ‚Partizipativ‘ hingegen meint eine aktive Teilhabe, die tatsächlich stattgefunden hat, beschreibt also das Ergebnis einer Aktion, eines Projektes.“ (Feldhoff 2009: 22)

III.2 Eigenes Partizipationsverständnis – oder: Definitionsvorschlag für Partizipation aus museologischer Sicht

Wie bereits aufgezeigt, ist Partizipation auch in seiner kultur- bzw. museumsbezogenen Verwendung kein feststehender Begriff mit eindeutiger Bedeutung. Partizipation stellt sich vielmehr als dynamisches Begriffskontinuum dar, das in Theorie und Praxis graduell zwischen mentaler und physischer Involvierung changiert. Im Folgenden möchte ich mein eigenes Partizipationsverständnis, das klar am Pol der aktiven Teilnahme angesiedelt ist, darlegen. Die geäußerten Gedanken und Setzungen sind als modellhafte Idealvorstellungen zu verstehen. Die Auswahl meiner Fallstudien-Projekte orientierte sich ebenfalls an diesen Vorstellungen. Partizipation ist ein polyvalenter Begriff. Automatisch bezieht er sich immer mindestens auf die Trias (Aus-)Teilende/r – Teilungsgegenstand – Beteiligte/r, d.h. es braucht jemanden (sei es ein Individuum oder eine Gruppe), der/die etwas (den ‚Teilungsgegenstand‘) mit einem/einer Anderen (einem Individuum oder einer Gruppe) teilt z.B. durch Abgabe, durch gemeinsame Benutzung oder durch gemeinschaftliche Erstellung oder Gestaltung. Partizipation thematisiert damit zugleich immer auch die Beschaffenheit und Qualität des Verhältnisses zwischen den Größen (Aus)Teilende/r und Beteiligte/r (wobei der ‚Teilungsgegenstand‘ im Idealfall als verbindendes Element fungiert) (vgl. Abb. 2). Nach meinem Verständnis hat Partizipation (neben anderen, spezifischen Zielen) immer das übergeordnete Ziel, eine Beziehung zwischen Austeilenden und Beteiligten, also zwischen einem Museum und den jeweiligen Teilnehmenden, aufzubauen. Es geht also um das gegenseitige Kennenlernen und Verstehen-Lernen sowie die Schaffung und Stärkung einer positiven (Ver-)Bindung zueinander. Idealerweise ist Partizipation daher auch durch direkte face-to-face-Situationen gekenn-

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zeichnet, das heißt, der zwischenmenschliche Kontakt findet direkt und unmittelbar statt. Abbildung 2: Minimalschema von Partizipation

Wirkgrößen sind mindestens zwei AkteurInnen/Akteursgruppen sowie mindestens ein ‚Teilungsgegenstand‘ (materieller oder symbolischer Art). Grafik: Anja Piontek

Allerdings stimme ich mit dem Kunsthistoriker und Kurator Christian Kravagna darin überein, dass diese Zusammentreffen und Interaktionen durch eine hierarchische Differenz der HandlungspartnerInnen gekennzeichnet ist1 – wenngleich Partizipation häufig das Ziel hat, diese Differenz aufzuheben und Arbeit „auf Augenhöhe“ (vgl. z.B. Gerchow et al. 2012: 29) ohne Machtasymmetrien zu ermöglichen. Der Austausch oder die Zusammenarbeit findet also nicht – wie es etwa das demokratietheoretische Partizipationsverständnis vorsieht – im Modus der Gleichheit statt, sondern ist gekennzeichnet durch ein Machtgefälle, das allein schon darin sichtbar wird, dass Partizipation im Museum der Einladung – oder zumindest der Zustimmung – von Museumsseite aus bedarf. Hier grenze ich mich also ab von Positionen, die den gegenwärtig vielstrapazierten Begriff „occupy“2 (unreflektiert) als Synonym für das Konzept „Partizipation“ verwenden3 oder solchen, die tatsächlich ungefragte Vorstöße oder Initiativen von Seiten der BesucherInnen bzw. aus der Community als Partizipation werten.4 Letzteres wäre für mich ‚Intervention‘, jedoch nicht ‚Partizipation‘.5

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Dies macht für Kravagna den entscheidenden Unterschied zwischen Partizipation und Kollektiver Praxis aus (vgl. Kravagna 1998: 30). Dies ist als Aufruf zur Besetzung/Inbesitznahme einer Sache zu verstehen; Aufwind erhielt der Begriff 2011 mit der Protestbewegung „Occupy Wall Street“ (also „Besetzt die Wall Street“), die sich von den USA aus weltweit verbreitete und gegen soziale Ungleichheit, die Spekulationsgeschäfte von Banken und die Einflussmacht von Wirtschaft und Finanzbranche protestierte. Der Begriff fand anschließend zahlreiche Übertragungen in andere Kontexte, so etwa auch in den Kultur- und Museumsbereich. Vgl. z.B. die beiden Tagungen der Bundesakademie für Kulturelle Bildung, Wolfenbüttel, mit den Titeln Occupy Museum? Partizipative Museumsarbeit zwischen Anspruch und Wirklichkeit (25.-27.04.2013) und Occupy: Revisited 2014 (02.-03.06.2014). Vgl. z.B. die Internetseite http://occupymuseums.org oder folgende Blog-Beiträge zur Occupy-Bewegung bei der 7. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst, abrufbar unter:

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In diesem Sinne thematisiert und adressiert Partizipation nach meinem Verständnis nicht nur das Verhältnis der AkteurInnen untereinander, sondern (implizit oder explizit) auch die Machtverteilung zwischen diesen (vgl. Mayrberger 2013: 99), wobei alle Involvierten freiwillig in diese Kontakt- und Austauschsituation eintreten. Genau genommen müssten daher Partizipationsprojekte mit Schulklassen oder Kindergartengruppen ausgeschlossen werden, da die Freiwilligkeit hierbei nicht für alle gewährleistet wäre – hier wird die Problematik theoretischer Setzungen im Vergleich zur Alltagspraxis im Museum virulent. Diese Diskrepanz kann auf Museumsseite jedoch das Bewusstsein dafür schärfen, gerade Projekte mit mutmaßlich „Zwangsverschleppten“ (Krebs 2004: 68) sehr genau in Hinblick auf die Zielgruppe zu planen oder die Teilnehmenden so umfänglich einzubinden und demokratisch mitentscheiden zu lassen, dass ein anfangs unfreiwillig begonnener Austausch aufgrund der starken Einflussmöglichkeiten vielleicht doch noch zur ‚eigenen Sache‘ wird. Dies bringt mich zum nächsten Kriterium: Als Partizipation werte ich nur reziproke bzw. auf Reziprozität ausgelegte Kontakte,6 die außerdem nicht darauf zielen, die andere Seite zu übervorteilen oder zu instrumentalisieren (dies wäre dann ‚Agitation‘7). Beide Seiten sollten von der eingegangenen Partizipation profitieren. Dies wird umso wahrscheinlicher, je offener die HandlungspartnerInnen in den Partizipationsprozess eintreten, also je weniger sie schon zu Anfang eine vorgefertigte Erwartungshaltung an die andere Seite sowie an das Projekt bzw. den Prozess als solchen haben. Auch die Abgrenzung zu ‚Interaktion‘ kann die Spezifik von Partizipation verdeutlichen (vgl. Kravagna 1998: 30): Hier muss zunächst jedoch zwischen dem geistes- und sozialwissenschaftlichen Verständnis von Interaktion in Abgrenzung

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http://blog.berlinbiennale.de/kommentare/die-7-berlin-biennale-wird-basisdemokratischumgestaltet-30625 und http://blog.berlinbiennale.de/allgemein/manifest-von-%E2%80% 9Eoccupy-museums%E2%80%9D-21619 (alle zuletzt geprüft am 14.04.2016). Gleichwohl gibt es auch partizipative Projekte, die (z.B. in eine bestehende Dauerausstellung) intervenieren. Dies findet jedoch auf Einladung und mit Erlaubnis des jeweiligen Museums statt. Ein Beispiel hierfür wäre etwa die Ausstellung PROTEST! Stricken, Besetzen, Blockieren in den 1970er- und 80er-Jahren in Tübingen (Stadtmuseum Tübingen, 2015): Studierende des Ludwig-Uhland-Instituts für Empirische Kulturwissenschaft der Universität Tübingen waren im Rahmen eines Seminars eingeladen, diese Ausstellung zu konzipieren, die dann als temporäre Intervention in die bestehende Dauerausstellung implementiert wurde (vgl. Studierende des Ludwig-Uhland-Instituts 2014/2015: o.S.). Teilweise finden sich Positionen, die ungefragte Objektspenden, wie sie ja gerade historische oder heimatgeschichtliche Museen häufig aus der Bevölkerung erhalten, als „Minimalform der Partizipation“ (Flagmeier 2012: 196) verstehen. Nach dem Grundsatz der Reziprozität, die hier nicht im gemeinten Maße gegeben ist, zähle ich unaufgeforderte Objektspenden nicht zu Partizipation. Abgesehen davon dürfte hierbei i.d.R. auch kein umfänglicher Interaktionsprozess oder ein tieferes gegenseitiges Kennenlernen in Gang gesetzt werden. Vgl. Reinhold et al. 2000: 9 f. u. Rollig 2002: 135.

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zu dem der Medienpädagogik und -wissenschaften unterschieden werden, da sich ersteres durchaus mit dem von mir vertretenen Partizipationsverständnis deckt, letzteres jedoch nicht. Interaktive Medienangebote bzw. hands-on-Stationen im Museum können allenfalls als „Simulationen interaktiven Geschehens“ (Hüther 2010: 349) gelten. Ermöglichen sie doch nur eine scheinbare Beeinflussung bzw. Veränderung, da sich diese nur im Rahmen einer vorgegebenen und festgeschriebenen Reaktion bewegt, die zudem nicht von Dauer ist: Ein/e BesucherIn betätigt beispielsweise einen Hebel, dieser führt temporär eine Veränderung herbei, um später wieder in die Ausgangssituation zurückzukehren, damit der Vorgang unendlich oft von anderen BesucherInnen in gleicher Weise wiederholt werden kann. Partizipation dagegen ist ein ergebnisoffener Prozess, der ‚echte‘ und dauerhafte Folgen hat8 und nie in exakter Weise wiederholbar ist. Hinterlässt eine Person an einer interaktiven Station keine bleibenden Spuren, so tut sie dies an einer partizipativen Station bzw. im Rahmen eines partizipativen Projektangebots sehr wohl. Außerdem sei noch zugefügt, dass Interaktion im ursprünglichen geistes- und sozialwissenschaftlichen Verständnis aufeinander bezogenes Handeln zwischen Menschen meint. Dieses zwischenmenschliche Handeln geschieht nicht zufällig oder unbemerkt, sondern intentional und bewusst, wobei Folgen oder Reaktionen des eigenen Handelns für die bzw. den HandlungspartnerIn antizipiert werden (vgl. z.B. Reinhold et al. 2000: 305-306 u. Hillmann & Hartfiel 1994: 381-382). Insofern teile ich nicht die Auffassung, wonach alleine schon die „unbewussten Strategien der Selbstinszenierung“ (Rogoff 1999: 109), die wir beispielsweise als RezipientInnen im Ausstellungsraum an den Tag legen, weil wir uns in dieser oder jener Art und Weise bewegen oder zeigen, Partizipation sei. Diejenigen, die partizipieren, leisten einen integralen Bestandteil (z.B. zu einer Ausstellung), der einen Unterschied zu vorher macht. Sie sind demnach gewichtige und ‚echte‘ AkteurInnen – und nicht bloß StatistIn oder Marionette.9 Dies bedeutet, dass Partizipation echte Handlungsangebote macht und nicht bloß Aufgaben delegiert bzw. auf bloße Beschäftigung oder ‚Bespaßung‘ ausgerichtet ist: Handeln geht insofern über ‚naives‘ Machen/Tun hinaus, als dass es immer eine reflektierte Tätigkeit darstellt, die bewusste Entscheidungen und Bewertungen abverlangt;10 Handeln steht für 8

Auch Gottfried Fliedl ist der Meinung, dass nur jene Beteiligungsprozesse, die auch „wirklich folgenreich“ sind, als „Partizipation“ gewertet werden könnten (vgl. Fliedl; Piontek 2011n: 3). 9 Dies markiert für mich auch den Unterschied zwischen freiwilliger Mitarbeit und Partizipation, da Freiwillige – überspitzt dargestellt – i.d.R. Aufträge ausführen bzw. dort tätig werden, wo das Museum gerade Bedarf hat, jedoch nicht im Sinne eigenständiger AkteurInnen handeln (vgl. hierzu auch Chrusciel 2013: 28). 10 Im Englischen entspräche dies der Unterscheidung von action (Handlung) und behavior (Verhalten): „A behavior is anything that we do, from scratching our nose or yawing to

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„[...] aktives, willentliches, bewusstes und somit auf freier Willensentscheidung beruhendes Tätigsein und bildet den Gegensatz zu allem bloß reflexhaften Tun, passiven Geschehenlassen oder allen nicht beeinflussbaren Naturereignissen. Jede Handlung zeichnet sich strukturell aus durch die beiden Momente Ziel/Zweck und Mittel, die in einem funktionalen Zusammenhang stehen. Die prinzipielle Zielorientiertheit von Handlungen wird manchmal dadurch verdeckt, dass Handlungen selten als Einzelne für sich allein, sondern meist in einem größeren Handlungszusammenhang stehen.“ (Tesak 2003a: o.S.)

Damit Handeln möglich wird, sollte idealerweise eine Leerstelle – d.h. eine echte und offene Frage – den Ausgangs- oder Fixpunkt der Partizipation bilden. Denn nur, wenn es kein Richtig oder Falsch gibt, haben Teilnehmende jenen Handlungsspielraum, der es ihnen erlaubt, zu agieren bzw. zu handeln. Eine rhetorische Frage, die bloß darauf abzielt, ein gewünschtes Ergebnis zu (re-)produzieren oder die das Museum in die Position der Wissensautorität erhebt (und damit zugleich die Teilnehmenden zu Unwissenden degradiert), schafft keine produktive Handlungs-Atmosphäre. Dagegen zielen Leerstellen nicht auf das mechanische Erfüllen bzw. das Besetzen einer Schein-Vakanz, sondern auf eine ernsthafte und offene Suchbewegung (vgl. Piontek 2014: 104). Die angesprochene Suchbewegung markiert den letzten Aspekt, der mir wichtig erscheint, nämlich den Prozesscharakter und die Dynamik, die Partizipation kennzeichnet. Genau genommen verstehe ich Partizipation als Lernprozess – jedoch nicht wie im Bereich der (Schul-)Pädagogik als Defizitdenken hinsichtlich bestimmter Normen oder festgeschriebener Inhalte, sondern als Kennen-Lernen und Interagieren-Lernen zwischen Museum und BesucherInnen bzw. einer Community. Dieser Lernprozess setzt auf beiden Seiten Einlassen, Zulassen und Loslassen voraus. Hiermit meine ich erstens die Bereitschaft und Fähigkeit, sich auf unbekannte Menschen, eine unbekannte Situation, einen unvorhersehbaren Prozess mit offenem Ausgang und auf eine möglicherweise unbekannte Umgebung unvoreingenommen und neugierig einzulassen. Sowie zweitens die Bereitschaft und Fähigkeit, andere Sichtweisen und Meinungen, andere Handlungsmodi, Kritik von anderen etc. zuzulassen – und damit langfristig auch die Veränderungen von Bekanntem oder von bisher unreflektierten Zuständen oder Mustern. Und zu guter Letzt die Bereitschaft und Fähigkeit loszulassen, also sich von altem Denken, Fühlen und Handeln zu verabschieden, wenn sich etwas Neues etabliert, sowie auf Museumsseite die (zumindest graduelle) Verabschiedung von klassischen Zielbestimmungen und Erfolgsvorstellungen im Zusammenhang mit Partizipation (vgl. Piontek 2014). Zusammenfassend schlage ich also folgende museologiespezifische Definition von Partizipation vor: Partizipation wird idealerweise verstanden als intentionale und say something or driving a car. Action is a type of behavior that takes into account social expectations or how we think other people will interpret and respond to what we do.“ (Johnson 2007: 4).

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unmittelbare Kontaktsituation(en) bzw. Austauschprozesse zwischen Museumsmitarbeitenden und (potenziell) Teilnehmenden, die zwar durch asymmetrische Machtund Hierarchieverhältnisse gekennzeichnet sind, jedoch auf Freiwilligkeit, Offenheit und ernsthaftem Interesse am Gegenüber aufbauen und auf Reziprozität und Äquivalenz in dem Sinne abzielen, als dass es nicht um die Übervorteilung oder Instrumentalisierung der einen Seite durch die andere geht, sondern um eine win-winSituation für beide Seiten. Partizipation ist angelegt als ergebnisoffener Prozess, bei dem das gegenseitige Kennenlernen und der gegenseitige Respekt ein übergeordnetes Ziel darstellt; inhaltlich implementiert Partizipation einen ergebnisoffenen Handlungsspielraum, in dem das Agieren aller Teilnehmenden echte und dauerhafte Veränderungen bewirkt; dies legt eine reflexive, selbst- und ggf. institutionskritische Haltung derjenigen, die museumsseitig mit dem Partizipationsvorhaben betraut sind, nahe, da diese faktisch einen Machtüberschuss besitzen. Der (Inter-)Aktionsmodus stellt idealerweise eine offene Suchbewegung dar und nicht die (Re-)Produktion vorgefertigter ‚Lösungen‘. Dies wird dadurch begünstigt, dass sich Partizipation mit ernsthaften Fragen und tatsächlichen Leerstellen auseinandersetzt. Dieser (Arbeits-)Definition möchte ich noch einen letzten Aspekt hinzufügen: Oftmals steht bei Partizipation der Prozess und das Erlebnis bzw. die Erfahrungen der Teilnehmenden im Vordergrund und nicht so sehr das Endergebnis (z.B. eine Ausstellung). Dies ist verständlich und hat auf jeden Fall seine Berechtigung. Dennoch möchte ich darauf aufmerksam machen, dass Partizipation im Museum, anders als in vielen anderen Bereichen, nicht isoliert in der einfachen Paar-Konstellation zwischen ‚(Aus-)Teilenden‘ und ‚Beteiligten‘ – also Museum und PartizipientInnen – betrachtet werden kann, da Partizipationsangebote oftmals nicht isoliert vom Ausstellungsbetrieb stattfinden. Dies gilt zumindest für solche, wie ich sie vornehmlich untersucht habe (also in erster Linie partizipative Ausstellungsprojekte). Die (potenziellen) BesucherInnen, die in diesen Fällen u.U. später als Unbeteiligte und Außenstehende das fertige Ergebnis in Form einer Ausstellung rezipieren werden (oder solche BesucherInnen einer Ausstellung mit Partizipationsangeboten für das Publikum, die es jedoch vorziehen, sich nicht selbst zu beteiligen, sondern sich nur anschauen, was andere BesucherInnen bisher beigetragen haben), müssen als zusätzlicher Faktor mitbedacht werden (vgl. Abb. 3). Insofern macht dieses ‚Dreiecksverhältnis‘ in vielen Fällen die besondere Spezifik von Partizipation im Museum im Vergleich etwa zu Politik, Pädagogik oder Soziologie aus. Daher ist es wichtig, auf Museumsseite nicht nur die Teilnehmenden und deren Bedürfnisse und Interessen im Blick zu haben, sondern auch zu antizipieren, ob ein Projekt o.ä. darüber hinaus inhaltlich und medial interessant, relevant und attraktiv für spätere BesucherInnen oder völlig unbeteiligte RezipientInnen wäre bzw. wie man ggf. Unbeteiligten den Prozesswert und die Projektqualitäten vermitteln könnte.

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Abbildung 3: Trias-Prinzip von Partizipation in der musealen Ausstellungspraxis

Die Anzahl der Gruppen, die vom Partizipationsprozess betroffen sind, erweitert sich. Nicht nur die aktiv betroffenen Gruppen – Museum und Partizipierende – sind zu bedenken, sondern i.d.R. auch unbeteiligte BesucherInnen, die z.B. das fertige Ergebnis eines Partizipationsprozesses rezipieren werden – also indirekt Betroffene der Partizipation sind. Grafik: Anja Piontek

IV. Partizipation im Museum – Stand der Diskussion

Zum Inhalt dieses Kapitels Nachdem im vorherigen Kapitel eine museumsspezifische Definition von Partizipation herausgearbeitet worden ist, soll dieses Kapitel den Status quo in der aktuellen museologischen Debatte zu Partizipation nachzeichnen. Hierzu wird zunächst der Stand der bereichsspezifischen Literaturlage vorgestellt. Danach werde ich den aktuellen Stand der Diskussion markieren, indem ich zentrale Positionen in der Diskussion um Partizipation im Kontext von Museen nachzeichnen und sie in ideengeschichtliche oder museumstheoretische Strömungen einordnen werde. Hierzu werde ich zunächst die unterschiedlichen Positionen gegenüber Partizipation zur besseren Anschauung zu drei großen ‚Lagern‘ verdichten, auch wenn die Übergänge zwischen diesen ‚Lagern‘ in der Praxis fließend und oftmals nicht völlig eindeutig sind. Dies liegt sicher auch daran, dass Partizipation eine schwierige, ausufernde und höchst dynamische Thematik ist, die sich kaum eindeutig beurteilen lässt – zu sehr hängen die Urteile in der Praxis von den Umständen einzelner, konkreter Projekte ab sowie auf theoretischer Ebene davon, welchen Teilaspekt man ins Auge fasst. Gerade wegen dieser undurchsichtigen Gemengelage ist es für die zukünftige Diskussion jedoch umso wichtiger, Positionen und Begrifflichkeiten klar zu definieren und gegeneinander abzugrenzen. Ich unterscheide in der Debatte um partizipative Museumsarbeit und Ausstellungspraxis folgende drei ‚Lager‘: Erstens klare Befürwortung, zweitens eingeschränkte bzw. an Bedingungen geknüpfte Befürwortung sowie drittens Partizipationskritik. Diese drei ‚Lager‘ werden anhand der Positionen jeweils exemplarischer VertreterInnen skizziert, wobei wenn nötig, auch auf VertreterInnen Bezug genommen wird, die sich nicht explizit auf Museumspartizipation beziehen, deren Argumentation im Kontext aber von Bedeutung ist. Nach jeder Vorstellung eines ‚Lagers‘ folgt eine Zusammenschau, die auch den Versuch unternimmt, die jeweilige Haltung im Kontext breiterer Diskussion im Museumswesen zu verorten.

IV.1 Historischer Exkurs und aktuelle Literaturlage

Vielfach wird Partizipation heute als neues Phänomen im Museumswesen dargestellt; dem ist jedoch nicht so – insbesondere, wenn man den mit Partizipation verbundenen Ideen und Zeige- bzw. Präsentationsmodi Beachtung schenkt. Im Grunde genommen zeichnet sich die gesamte Entstehungsgeschichte des Museums durch Phasen und Tendenzen der Öffnung im Widerstreit mit Phasen der Exklusion und Etablierung ‚anti-partizipativer‘ Strukturen aus. Ohne die museumshistorische Genese von Partizipation oder anders gesagt, die fachspezifische Ideengeschichte der mit Partizipation zusammenhängenden Grundsätze und Prinzipien in Gänze nachzeichnen zu wollen, möchte ich dennoch kurz eine grobe Einordnung anhand einzelner historischer Schlaglichter vornehmen, bevor ich danach auf die aktuelle Literaturlage zu sprechen komme (Gedanken zu historischen [Denk-]Strömungen fließen später auch immer wieder ein, wenn ich die drei ‚Lager‘ in der Partizipationsdiskussion zusammenfasse und kontextualisiere). ‚Partizipative Anleihen‘ lassen sich bereits ganz am Anfang der Museumsgeschichte finden, beim Übergang des mittelalterlichen studiolo bzw. solitarium zur galleria in der Renaissance – wenn die vormals abgeschiedene Studierkammer also geöffnet wurde und zu einem geselligen ‚Gesprächsort‘ avancierte (vgl. z.B. Parmentier 2009: o.S., Bennett 2009b: 73 u. ders. 2010: 56 ff.). Denn den frühen Raritätenkabinetten, den Kunst- und Wunderkammern im 16. und 17. Jahrhundert war das Sehen (als alleinige bzw. primäre Form der sinnlichen Aneignung) und das Schweigen (als angemessene RezipientInnen-Haltung) noch nicht inhärent, vielmehr waren sie an den Normen kommunikativen Austauschs orientiert: Die Blicksysteme im Kuriositätenkabinett dienten noch nicht dazu, das Sehen zu regulieren, wie Bennett schreibt, sondern luden ein, sich in ein „Geflecht von Perspektiven“ (Bennett 2010: 57) zu begeben. Außerdem bestand eine Wechselbeziehung von Betrachten und Miteinander-Sprechen, denn die Dinge dienten als Gesprächsanlass, entweder, um zu philosophieren, oder, um die Codes höflichen Umgangs im kenntnisreichen Gespräch zu erlernen bzw. zu pflegen (vgl. ebd. 56). Meiner Meinung

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nach verweisen partizipative Prozesse im Museum also zurück zu diesen frühen Wurzeln des Museums: Weniger das wissenschaftliche Wissen, sondern mehr der kommunikative Austausch steht auch bei Partizipation (zunächst) im Vordergrund – sowohl im Partizipationsprozess als auch später bei der Ausstellungspräsentation, die oftmals Erstaunen1 auslösen oder zumindest ungewohnte Perspektiven und Inhalte vermitteln will und (gleichsam einem Forum) Gespräche, vielleicht sogar Diskussionen anstoßen will. Genauso verhält es sich mit dem anderen Spezifikum der Kunst- und Wunderkammern, der ganzheitlichen Auseinandersetzung mit Dingen oder Inhalten: denn ein häufiges Merkmal von Partizipation im Museum ist, dass es eben gerade nicht um ‚normiertes Sehen‘2 gehen soll, sondern um Multiperspektivität und um Blickwinkelveränderungen. Es ergeben sich ‚ver-rückte‘ Blicke anhand von Gegenständen oder Beiträgen, die man unter fachwissenschaftlichem Blick vielleicht nicht als museumswürdig bezeichnen könnte – eine Reminiszenz an die Kuriositäten und ‚Ver-Rücktheiten‘, die solche frühen Sammlungen beinhalteten (vgl. z.B. Dech 2003: 18). Auch der eher assoziative Zugang zu den Dingen scheint eine Parallele darzustellen: Parmentier schreibt über die Wunderkammern, dass ein Erkenntnisziel im Ausmachen der „unsichtbaren Sympathien zwischen Dingen“ (Parmentier 2007/2008: 17) gelegen habe, die ungeachtet bestimmter Gattungsgrenzen in einem gemeinsamen Kosmos versammelt waren. Auch in partizipativen Ausstellungen werden öfters scheinbar nicht zusammenpassende Dinge versammelt, zwischen denen aber doch Beziehungen (zumindest auf assoziativer) Ebene bestehen. Die gattungsübergreifende Zusammenschau von Dingen jeglicher Art scheint mit Partizipation also eine Renaissance zu erleben. Eine weitere Parallele könnte im mit Partizipation eigentlich automatisch einhergehenden deutlichen Gegenwarts-, teilweise auch Zukunftsbezug gesehen werden, denn auch der Kosmos der Kunstund Wunderkammern zielte eben nicht nur in die Vergangenheit, sondern nahm gerade auch die Gegenwart und Zukunft in den Blick (vgl. Gerchow 2002: 336). Ein anderes ‚partizipatives Moment‘ in der Museumsgeschichte ist der Aspekt der Öffnung und ‚Vergesellschaftung‘ des Museums.3 Die Französische Revolution

1 2

3

Zum Prinzip des Staunens in den Kunst- und Wunderkammern vgl. Hauser 2001. Bennett schreibt über das liberale Seh-Prinzip der Kunst- und Wunderkammern an anderer Stelle: „The forms of looking […] supposed a wandering rather than a disciplined eye, and an eye that, rather than functioning in isolation from the other senses or being distanced from the collection, was pulled into it to be caught in a system of side-way glances between objects whose organization was dialogical.“ (Bennett 1998: 348 f.). Den Aspekt, dass in der scheinbar modernen Idee von Partizipation eigentlich eine Grundkomponente des modernen Museumswesens an sich aufscheint, betonte auch Gottfried Fliedl im Gespräch: „Viele Museumsleute legen heutzutage überhaupt keine Rechenschaft mehr darüber ab, dass das Museum, so wie wir es in der Moderne formiert haben, essenziell auf bürgerliche Öffentlichkeit hin angelegt ist – und diese auch braucht. Es ist ja nicht die erste Partizipationswelle – und immer denke ich: ‚Liebe Leute, das habt nicht ihr erfunden, sondern das gehört zum Museum.‘ Genauso ist ja auch die ganze

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gilt hier gemeinhin als wichtigstes Ereignis, und die Eröffnung des „Muséum Français“ mit den nun verstaatlichten Schätzen des Adels und der Kirche in der großen Galerie des Louvre zwei Jahre danach als die Geburtsstunde des modernen Museums (vgl. Stephan 1983: 14). Unabhängig davon, dass damit zugleich auch anti-partizipative Momente einzogen (z.B. der exkludierende Binarismus von Wir vs. ‚die Anderen‘ zur Bildung einer nationalstaatlichen Kollektividentität und damit einhergehend ein ‚objektiviertes‘ Geschichtsverständnis, wie auch der Wandel des Museums zum gesellschaftlichen Disziplinierungsapparat4), zeugt der Gedanke dahinter von der Idee einer breit angelegten Öffnung des Museums ‚für alle‘. Jedoch hatte es auch schon vor diesem Ereignis erstaunliche Formen der musealen Öffnung gegeben (zumindest in Italien und Deutschland), wo der Zugang zu fürstlichen Sammlungen „Künstlern, sogar Liebhabern oder einfach Neugierigen“ (Savoy 2006b: 10) regelmäßig gestattet gewesen sein soll. Ebenso sei der Gedanke der Gemeinnützigkeit von Sammlungen – dies markiert ja aus heutiger Sicht ein wesentliches Definitionskriterium von Museen – spätestens zu Beginn der 1770er Jahre zu einem „regelrechten Leitmotiv“ avanciert (ebd. 15). – Sowohl das Konzept der gesellschaftlichen Verantwortung als auch das des unmittelbaren ‚Nutzens‘ und ‚BeNutzens‘ des Museums durch möglichst breite Kreise der Bevölkerung spielen bei Partizipation eine ganz wesentliche Rolle. Eine weitere ‚historische Wegmarke‘ wäre in gleich mehrfacher Hinsicht um die Wende des 19./20. Jahrhunderts bzw. im frühen 20. Jahrhundert zu setzen: Zum einen, weil in dieser Hochphase des Museums viele Museumsgründungen auf Initiative des Bürgertums zurückgingen, was zeigt, dass solche InitiatorInnen aus der Bevölkerung aktiv mitbestimmten und somit die Rolle von AkteurInnen statt passiven KonsumentInnen im Museumsgeschehen innehatten (vgl. Baur 2010b: 26). Zum anderen, weil (wie bereits in der Einleitung erläutert) die Volksbildungsbewegung und die Reformpädagogik Einfluss auf das Museumswesen hatten, und zwar dergestalt, dass es um eine klare Öffnung und Miteinbeziehung möglichst breiter Kreise ging (auch wenn damit sicherlich nicht primär eine agierende Teilnahme jenseits der RezipientInnenrolle gemeint war). In diesem Zusammenhang sei noch auf ein weiteres Detail aus dieser Phase der Museumsgeschichte hingewiesen, nämlich die Etablierung von Sozialmuseen: „Gegen Ende des Jahrhunderts entstand ein neuer Museumstyp, den wir heute nicht ohne weiteres mit der üblichen Vorstellung von ‚museal‘ in Verbindung bringen. Gemeint sind die Sozialmuseen, die sich sehr konkreten gesellschaftlichen Fragen der Gegenwart widmeten. Sie bewahrten nicht in erster Linie das kulturelle Erbe der Vergangenheit, sondern versuchten, für aktuelle Probleme praktikable Lösungen zu propagieren.“ (Foerster 1995: 90)

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Vermittlungsdiskussion abgeschnitten von der Erkenntnis, dass eigentlich das Museum ein Vermittlungsmedium ist.“ (Fliedl; Piontek 2011n: 3). Vgl. Bennett 2009b: Kap. 2 The Exhibitionary Complex u. Hooper-Greenhill 1992, Kap. 7 The disciplinary museum.

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Neben dem Gegenwartsbezug5 seien Sozialmuseen „handlungsorientiert“ ausgerichtet gewesen und gerade „nicht auf folgenlose, stille Betrachtung“ (ebd. 91; vgl. auch Hartung 2010: 93 ff.). Außerdem wurde mit neuen Vermittlungsmedien (Film, Ton und Licht) experimentiert, wobei Foerster den „letztlich demokratische[n] Anspruch dieser Darbietungsformen“ (ebd.) betont. Wie ich später anhand meiner Fallstudien zur Ausstellung NeuZugänge, insbesondere aber zu Ostend // Ostanfang zeigen werde, findet auch bei Partizipation öfters eine ‚Liberalisierung‘ des klassischen Objektverständnisses bzw. klassischer Vermittlungsstrategien statt. Im Kontext von Reformbewegung und Sozialmuseum sei auch auf die Vorstellungen des Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlers Otto Neurath hingewiesen,6 der 1925 das Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum Wien gründete und als österreichischer Museumspädagoge der ersten Stunde gelten kann. Laut Kraeutler (2010/2011) sollten die dort präsentierten Museumsinhalte bewusst an „vorhandene Erfahrungen (der potentiellen User) anknüpfen“ (ebd. 91) und auf „Dialog und Beteiligung [...] unter Offenlegung von Interessen und Autorschaft“ (ebd. 88) ausgerichtet sein. Nach einer Zeit der bewussten Vermeidung von Gegenwartsbezügen und einer starren Objektzentrierung nach dem Zweiten Weltkrieg, die die ohnehin durch den Musealisierungsprozess ‚erzeugte‘ Distanz von BetrachterIn und Objekt noch deutlich verschärften, läutete dann die Neue Kulturpolitik in den 1970er Jahren in Deutschland wieder eine deutliche Kehrtwende ein. Im Zuge der Neuen Museologie wurde explizit die Rückanbindung an die Bevölkerung propagiert, die nun auch aktiv beteiligt werden sollte (das Konzept des Écomusée wäre hier insbesondere hervorzuheben). Die Neue Museologie trat aber auch für eine Dezentralisierung des Museums – quasi über die Mauern eines Museums hinaus – ein, wie auch für eine dezidiert gegenwartsbezogene, politische Haltung; außerdem auf inhaltlicher wie objektbezogener Ebene für einen stärker interdisziplinären Ansatz, die Ausweitung der ‚Sammelwürdigkeit‘ auch auf Alltagsdinge sowie für die Einbindung von Methoden der Oral History (vgl. Paatsch 2002: 11). Für Deutschland könnten später dann vielleicht auch die infolge der wirtschaftlichen Umstrukturierung entstehenden Industriemuseen als weitere Wegbereiter der Idee von Partizipation geltend gemacht werden: Immerhin ging der Wunsch nach musealer Erhaltung der stillgelegten Betriebe und Industrieanlagen vielerorts auf direkte Initiative der ehemaligen Belegschaften zurück, die aktiv an der musealen Umgestaltung mitwirkten und teilweise deren Leitung und Betrieb (ehrenamtlich) mittels gegründeter Museumsvereine stemm(t)en. Auch eher künstlerische Ansätze, wie etwa das emotional und subjektiv gefärbte Prinzip des Musée Sentimental und des sogenannten Autorenmuseums (vgl. 5 6

Einen ähnlichen Gegenwarts- und Praxisbezug bescheinigt Möbius (2007/2008: 35 f.) auch den technischen Museen und den Kunstgewerbemuseen, deren Gründung von der Wirtschaft und Wirtschaftsförderung angestoßen worden war. Ich verdanke diesen Hinweis Gottfried Fliedl.

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Plessen 1990) oder die Idee der Sozialen Plastik verbunden mit der des Museums als „Ort der permanenten Konferenz“ (Joseph Beuys 1980) schaffen in bestimmter Hinsicht Analogien zu Partizipation. – Wie Partizipation überhaupt in der Bildenden Kunst eine gewisse Traditionslinie aufweist: Denn insbesondere im Kunstsektor war Partizipation bereits seit den 1950er und 1960er Jahren ein zunehmend wichtiges Thema, das im Zusammenhang mit sozial engagierten KünstlerInnenprojekten in den 1970ern und dann insbesondere in den 1990er Jahren den Mainstream-Betrieb erreichte.7 Als eigene Wortschöpfungen für diese Formen der Kunst für und mit (i.d.R. sozial benachteiligten) Bevölkerungsgruppen verfestigte sich in den USA die Bezeichnung New Genre Public Art (Suzanne Lacy),8 in Deutschland zunächst der Begriff Beteiligungskunst (Marius Babias),9 später dann Partizipationskunst (Walter Stach und Martin Sturm)10 (vgl. Sturm 2002a: 16 u. Feldhoff 2009: 23). Vom Kunstbereich ausgehend, eroberte der Begriff der Partizipation nach und nach weitere Bereiche des Kulturbetriebs sowie andere Museumssparten und ist heute regelrecht zu einem Modewort (vgl. Feldhoff 2011: 72) avanciert, über das breit diskutiert wird – jedoch, wie bereits erwähnt, zumeist ohne sich darüber verständigt zu haben, was wer unter Partizipation versteht und auf welchen Grundlagen die Erkenntnisse und Meinungen beruhen. Obwohl inzwischen auf Tagungen, in Blogs und unter MuseumspraktikerInnen viel über Partizipation gesprochen wird, hat eine intensive, museumswissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung bisher kaum stattgefunden. Dementsprechend dürftig stellt sich die Literaturlage dar: Außer einschlägigen Veröffentlichungen speziell über partizipative Kunst (hier ist insbesondere Silke Feldhoffs Dissertation von 200911 und Artificial Hells von Claire Bishop12 zu nennen, außerdem der Tagungsband pöpp68 – privat, öffentlich, persönlich, politisch13 und das Themenheft Paradoxien der Partizipation des Magazins 31, herausgegeben vom ITH der Zürcher Hochschule der Künste14), gibt es momentan lediglich die Monografie The Participatory Museum von Nina Simon (2010a), die jedoch keine fachwissenschaftliche Analyse, sondern ein Praxishandbuch darstellt, sowie die beiden Tagungs-Sammelbände Das partizipative Museum 7 8 9 10 11 12 13 14

Zur Geschichte partizipativer Kunst vgl. insbesondere: Feldhoff 2009: Kap. I u. II, Kravagna 1998: 31-35, Sturm 2002a: 15 sowie Ziese 2010: 71 ff. Lacy 1996 zit. n. Sturm 2002a: 16. Babias 1995 zit. n. Sturm 2002a: 16. Stach & Sturm 2002 zit. n. Feldhoff 2009: 23. Vgl. Feldhoff 2009. Die Dissertation ist frei im Internet verfügbar. Für einen ganz knappen Einblick in Feldhoffs Forschung vgl. Feldhoff 2011. Vgl. Bishop 2012. Vgl. NGBK 2009. Vgl. Zürcher Hochschule der Künste 2007.

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(2012)15 und – mit eingeschränkter Thematik – Participative Strategies in Collecting the Present (2013)16 als umfassendere Publikationen. Wie für Sammelbände üblich, enthalten beide eine inhomogene Mischung aus Texten verschiedener Güte und Relevanz. Der Sammelband Partizipative Erinnerungsräume (2013)17 reflektiert dagegen ein Verfahren personaler Vermittlung, nämlich das Abhalten von Museumsführungen im Duo bestehend aus einem deutsch-polnischen Tandem zweier VermittlerInnen im Rahmen der Ausstellung Tür an Tür. Polen – Deutschland. 1000 Jahre Kunst und Geschichte (Martin-Gropius-Bau Berlin, 2011/2012); er ist für den Fokus dieser Arbeit daher nicht relevant. Ähnlich verhält es sich mit dem Sammelband Hin und her – Dialoge in Museen zur Alltagskultur. Aktuelle Positionen zur Besucherpartizipation (2015),18 der anhand der darin versammelten Beiträge einmal mehr zeigt, wie unterschiedlich momentan noch der Begriff Partizipation ausgedeutet wird. Eine Reflexion in Buchform über ein Projekt, das mit meinem Partizipationsverständnis übereinstimmt, bietet der Sammelband NeuZugänge (2013),19 der das gleichlautende Laborprojekt am Kreuzbergmuseum 2011 thematisiert, das später auch als Fallstudie dargestellt und analysiert wird. Daneben gibt es noch einige andere Dokumentationen konkreter Projekte in Heft- bzw. Buchform oder Ausstellungskataloge spezifischer Projekte. Ansonsten existieren (und dominieren) bisher überwiegend einzelne Beiträge in Aufsatzform, die sich meist mit singulären Aspekten von Partizipation im Museumskontext beschäftigen bzw. konkrete Projekte skizzieren – im britischen Museumskontext sei hier insbesondere auf Bernadette Lynch verweisen (auf die im Kapitel IV.3 Befürwortung unter bestimmten Bedingungen näher eingegangen wird). Nicht von ungefähr stammt jedoch die Mehrzahl besagter Aufsätze aus Vermittlungskreisen und von museumspädagogisch Engagierten, insbesondere aus der Kritischen Kunstvermittlung, da Partizipation momentan noch in vielen Häusern als rein museumspädagogische Maßnahme verstanden wird. Ein anderer Grund für die intensive Beschäftigung von VermittlerInnen mit Partizipation kann sicherlich darin gesehen werden, dass diese berufsmäßig Brücken zum Publikum schlagen, sodass der Schritt zu einer aktiven Beteiligung des Publikums als logische Konsequenz der bisherigen Vermittlungsarbeit naheliegend erscheint.

15 16 17 18 19

Vgl. Gesser et al. 2012a. Vgl. Meijer-van Mensch & Tietmeyer 2013 (für eine Buchrezension vgl. Piontek 2015). Vgl. Ackermann et al. 2013. Vgl. von Stieglitz & Brune 2015. Vgl. Bluche et al. 2013b.

IV.2 Positionen I: Befürwortung von Partizipation

IV.2.1 „M USEUMS

MUST EITHER BECOME PARTICIPATIVE 1 OR DISAPPEAR “

Nach den Anfängen der Neuen Museologie und den praktischen Umsetzungsversuchen neuer Museumsmodelle wie des Écomusée und der Community- bzw. Neighbourhood Musums fällt der Ausdruck des „Musée participé“ bzw. des „participative museum“ explizit 1993 in dem gleichnamigen Aufsatz des Sozialpsychologen und „Partizipationsspezialisten“2 Dan Bernfeld. Bernfeld nimmt in seinem Aufsatz einen Artikel von Kenneth Hudson mit dem Titel An Unnecessary Museum (1989) zum Anlass, um über die Zukunftsfähigkeit der Institution Museum nachzudenken. Er folgt Hudson in dessen These, dass der Trend zum Mega-Museum, der sich Anfang der 1990er mit dem Museumsboom sehr deutlich abzeichnete, den eigentlichen Aufgaben der Institution zuwiderlaufe und daher ein erster Schritt hin zum „unnecessary museum“ (Bernfeld 1993: 50) sei. Bernfelds Perspektive des Auswegs bildet die Idee des partizipativen Museums, die er aus einem sogenannten „survival triangle“ (ebd.) ableitet. Dieses umfasst die Aspekte a) Museumsinhalt, b) Museumssetting und c) Umgang mit den BesucherInnen. Letzteres sei, so Bernfeld, der entscheidende Faktor für den dauerhaften Fortbestand des Museumswesens: „The biggest problem in the survival triangle for museums is the relationship between visitor and museum staff. Not that the two other factors I have mentioned – content and container – are not key issues, but the human factor, by which I mean the new type of visitor and the new type of staff, seems to me to constitute the real challenge facing museums today. Museum democracy means receiving, and therefore educating, a new type of visitor […].“ (Ebd.)

1 2

Bernfeld 1993: 52. So lautet jedenfalls die kurze Vorstellung Bernfelds, die einem seiner Texte vorangestellt wurde – siehe Bernfeld 1983: 8.

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Worauf Bernfeld anspielt, ist, dass sich durch den Museumsboom die Besucherschaft insofern gewandelt habe, als dass seitdem auch Menschen vermehrt zum Nutzerkreis zähl(t)en, die weniger auf althergebrachte Wertvorstellungen fixiert seien. Genauso sei auch ein neuer Schlag von MuseumsmitarbeiterInnen am Heranwachsen, die ebenfalls weniger auf traditionelle Arbeitsweisen fokussiert seien. Zwischen diesen könne, so ist sich Bernfeld sicher, eine neuartige, noch nie zuvor da gewesene Beziehung in Form einer regelrechten „Komplizenschaft“ (ebd. 51) erwachsen, vorausgesetzt, es werden Situationen geschaffen, in denen MitarbeiterInnen und BesucherInnen miteinander in direkten Austausch treten: „This kind of complicity can only be achieved if the people who appreciate museums come face to face with stuff who appreciate them.“ (Ebd.) – Offensichtlich scheint Bernfeld jenes Publikum als PartizipationsakteurInnen im Sinn zu haben, das den Weg bereits ins Museum gefunden hat. Davon abgesehen zeigt sich bei Bernfeld exemplarisch, dass in Museen ein Umdenken gegenüber dem Publikum stattgefunden hat: Von der vormals lediglich zähneknirschend „geduldeten Öffentlichkeit“ (Belting 2001: 35) werden BesucherInnen in ihrer Bedeutung für die Institution zunehmend aufgewertet und umworben, indem Museen vermehrt „zu Schaltstellen für Informationsstrategien und zur Interaktion mit dem Publikum“ (Maleuvre 2010: 46) umgestaltet werden und die Publikumsorientierung nach und nach zur „Maxime der Museumsarbeit“ (Reussner 2010: 2) aufsteigt.3 Bernfeld selbst spricht von einer „democratization of museums“ (Bernfeld 1993: 50), was zeigt, dass es ihm anscheinend um eine deutliche Öffnung des Museums und somit auch um eine stärkere Einbeziehung der Besucherschaft geht. Wie genau sich Bernfeld die proklamierten face to face-Situationen vorstellt und unter welchen Bedingungen diese fruchtbar verlaufen können, bleibt er allerdings schuldig. Unmissverständlich ist er dagegen in seiner radikalen Befürwortung partizipativer Museumspraxis, die er als die einzige Überlebenschance der Institution Museum ansieht: „[M]useums must either become participative or disappear. […] The people of tomorrow will want to be involved in the hanging, selection and classification of items in an exhibition, and even in such specific aspects as the restoration or accommodation of works of art.“ (Ebd. 52) 3

Stephen Weil fasst diesen Paradigmenwechsel für die USA knapp in die Worte „From Being about Something to Being for Somebody“ (Weil 1999). Hierzulande spiegelte sich der damals bereits in vollem Gange befindliche Wandel etwa in bekannten Parolen wie „Lernort contra Musentempel“ (Spickernagel & Walbe 1976) oder in der Gegenüberstellung von Elfenbeinturm contra Fußgängerzone (vgl. Landschaftsverband Rheinland 1996), zu der Dröge/Hoffmann allerdings schreiben: „Während die Situation gern mit einem Elfenbeinturm identifiziert wurde, diente die Fußgängerzone als Allegorie des Neuen. Im Elfenbeinturm beschäftigten sich Eliten mit den sie interessierenden Fragen, in der Fußgängerzone wurde das Publikum umworben, im ersten Fall fehlte die Außenwirkung, im zweiten Fall die inhaltliche Konzentration [...].“ (Dröge & Hoffmann 2010a: 12).

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Jahre später adaptiert die US-amerikanische Ausstellungsgestalterin und Museumsberaterin Nina Simon – ob wissentlich oder unwissentlich, ist mir nicht bekannt – Bernfelds Begriff des Participative Museum in gewandelter Form als Participatory Museum, und verfasst einen gleichnamigen Praxisleitfaden (2010a),4 der als Handreichung über aktivierende Methoden der Besucherbindung derzeit zahlreich rezipiert wird. Dies liegt nicht alleine im Thema begründet, sondern auch daran, dass Simon ihren Leitfaden The Participatory Museum nicht nur in Buchform, sondern auch als kostenlose Internetlektüre anbietet.5 Darüber hinaus betreibt Simon einen Internetblog, über den sie ihre Ideen und Praxiserfahrungen kommuniziert, und kann daher wohl als derzeit aktivste und international präsenteste Impulsgeberin im Bereich Besucherorientierung und Demokratisierung des Museums gelten. Mit der Web-Adresse ihres Internetblogs, http://museumtwo.blogspot.com,6 spielt Simon auf eine weitere beliebte Phrase in der Diskussion um Partizipation und die Erneuerung des Museums an: Museum 2.0 steht (analog zur zweiten Phase der Internetentwicklung, dem sogenannten Web 2.0)7 als informeller Oberbegriff für jene Ideen und Konzepte, die das Museum nicht länger nur als Distributionsmedium für objektvermitteltes Wissen, Gedanken und Ideen verstanden wissen möchten, sondern als Kommunikationsmedium, bei dem sich Museum und BesucherInnen bzw. dann eher „Nutzer[Innen]“ (Gerchow 2011a: o.S.) wechselseitig befruchten und sowohl ProduzentInnen- als auch KonsumentInnenenrolle einnehmen (können); mittels der (selbst erstellten) Inhalte sollen sich auch die BesucherInnen untereinander austauschen und vernetzen. Das Museum werde auf diese Weise nicht zu einer Institution über oder für die BesucherInnen, sondern eine, die erst gemeinsam mit diesen entstehe und geführt werde und die dementsprechend vielschichtige, individuell zugeschnittene und wechselnde Inhalte thematisiere: „I define a participatory cultural institution as a place where visitors can create, share, and connect with each other around content. […] Rather than delivering the same content to everyone, a participatory institution collects and shares diverse, personalized, and changing content co-produced with visitors. […] Instead of being ‚about‘ something or ‚for‘ someone, participatory institutions are created and managed ‚with‘ visitors.“ (Simon 2010a: ii–iii)

4 5 6 7

Für einen ersten, knappen Einblick in Simons Gedanken vgl. Simon 2012 oder folgende Rezensionen: Baum 2011, Takahisa 2011 u. Sandvik 2011. Verfügbar unter: http://www.participatorymuseum.org/ (zuletzt geprüft am 14.04.2016). Seite zuletzt geprüft am 14.04.2016. Der Begriff zielt auf die interaktive Dimension des Internets ab: Diente das Internet der breiten Masse an Menschen mit einer Zugangsmöglichkeit vormals vor allem dazu, Inhalte zu rezipieren bzw. konsumieren, steht das „Web 2.0“ für die Weiterentwicklung hin zu einem multifunktionalen und dialogisch angelegten Medium, bei dem Menschen selbst Inhalte generieren, verändern, kommentieren etc. können oder mit anderen direkt in den Austausch treten können.

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Damit positioniert Simon ihre Ideen rund um das partizipative Museum zugleich als eine Art Gegenentwurf zum traditionellen Museumswesen (vgl. ebd. 349 f.), auch wenn sie betont, dass es ihr nicht darum gehe, traditionelle Kultureinrichtungen völlig durch Neues zu ersetzen, sondern diese mittels partizipativer Strategien weiterzuentwickeln (vgl. z.B. ebd. iii sowie 349). Ihre Vision eines weiterentwickelten Museums konkretisiert sie folgendermaßen: „I dream of a comparable future institution that is wholly participatory, one that uses participatory engagement as the vehicle for visitor experiences. Imagine a place where visitors and staff members share their personal interests and skills with each other. A place where each person’s actions are networked with those of others into cumulative and shifting content for display, sharing, and remix. A place where people discuss the objects on display with friends and strangers, sharing diverse stories and interpretations. A place where people are invited on an ongoing basis to contribute, to collaborate, to co-create, and to co-opt the experiences and content in a designed, intentional environment. A place where communities and staff members measure impact together. A place that gets better the more people use it. […] It may look more like a coffee shop or a community arts center. It may function with models found today in a co-working space or a sewing lounge.“ (Ebd. 350)

Simon schwebt also letztlich ein harmonisches und gleichberechtigtes Miteinander von MuseumsmitarbeiterInnen und BesucherInnen sowie BesucherInnen untereinander (egal ob diese sich kennen oder nicht) vor, bei dem alle Beteiligten die Möglichkeit haben, ihre Erfahrungen, Interessen und Fähigkeiten mitzuteilen und sich in vielfältiger Weise aktiv einzubringen. Die dadurch produzierten Inhalte unterscheiden sich insofern von den traditionellen Museumsinhalten, als dass diese dynamisch d.h. beständig in Wachstum und Veränderung begriffen sind. Dabei soll die entstehende Fülle an unterschiedlichen Beiträgen, die in Co-Produktion mit den BesucherInnen entstehen, ausdrücklich nicht zu reinen Ausstellungszwecken dienen, sondern (Arbeits-)Material darstellen, das geteilt und verändert sowie als gemeinsame Diskussionsgrundlage dienen kann. Auch die Bewertung von Inhalten in ihrer Bedeutung und Relevanz soll nicht mehr nur alleine den Museumsfachleuten obliegen. Insgesamt ist Simon, wie Bernfeld auch, damit nahe an jenen Ideen, von denen die Neue Museologie getragen war,8 allerdings unterscheidet sich ihr Ansatz bei genauerer Betrachtung darin, dass es ihr mehr um eine affirmative Optimierung des musealen ‚Marktwertes‘ zu gehen scheint, wohingegen sich die Neue Museologie institutionskritisch gegen das Bisherige wandte und eine „emanzipative und aufklärerische Funktion der Neuen Museen“ (Kirchberg 2010: 256 f.) anstrebte. Insgesamt schwingt in Simons Museums-Utopie deutlich die Vorstellung von Partizipation als Harmonie- und Konsensmodell mit, wie sie bereits in Kapitel III.1.2 als demokratiepolitisches Partizipationsverständnis vorgestellt wurde. Auch lässt Simon an manchen Stellen anklingen, dass Partizipation ihrer Meinung nach 8

So heißt es etwa bei Weschenfelder & Zacharias (1992: 365), dass die Neue Museologie in „bemerkenswerter Radikalität ein ‚offenes‘ Museum fordert“.

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über die reine museumsspezifische Bedeutung hinaus eine interdisziplinär bedeutsame kulturelle Kraft darstelle, die in der Summe letztlich sogar die Welt verändern könne (vgl. Simon 2010a: 351). Simons Publikation liest sich in Gänze als pragmatische, vor allem auf die Wahrung der institutionellen Interessen bedachte Strategie, dem Museum in Zeiten der steigenden Konkurrenz im Freizeit- und Wissensmarkt zu neuer Legitimation zu verhelfen (vgl. ebd. ii). Ihr Buch versteht sie selbst als einen „practical guide to developing, implementing, and evaluating audience experiences“ (ebd. 353), mit dem Ziel „to make your institution more relevant and essential to your communities than ever before“ (ebd. iv). Die Verbesserung des Besuchererlebnisses ist damit implizit immer auch als Marketingstrategie zu verstehen, die dazu dient, die Besuchszahlen zu erhöhen, die BesucherInnen stärker an die Institution zu binden und so langfristig als – für den amerikanischen Museumssektor besonders wichtige9 – (finanzielle) UnterstützerInnen zu gewinnen bzw. für größere InvestorInnen oder GeldgeberInnen attraktiv zu sein oder zu bleiben. Simons Handbuch präsentiert hierfür (nicht nur aus dem Museumsbereich stammende) Beispiele bzw. Techniken strikter Besucherorientierung und Besucherfreundlichkeit, von denen Partizipation nur eine ist.10 Für Simon ist das partizipative Museum ein ‚Gesamtpaket‘, das neben ‚Mitmachangeboten‘ etwa auch die Erlaubnis zum Fotografieren und die Möglichkeit zum Erstellen und Verschicken von E-Cards (virtuellen Postkarten via Internet) als sogenannte Partizipationsmöglichkeit beinhaltet. Simons Partizipationsverständnis beinhaltet hingegen nicht den Anspruch – anders als es die anfangs zitierten Textabschnitte vielleicht vermuten ließen –, dass in erster Linie die Hauptinhalte einer Ausstellung vorwiegend gemeinsam erzeugt werden sollten und das Museum wichtige Entscheidungen nur mit der Besucherschaft gemeinsam fällen sollte. Das partizipative Museum ist für sie eine Institution, die nicht länger den Charakter eines restriktiven Musentempels vermittelt und der Besucherschaft für individuelles Erleben und persönliche Erfahrungen offen steht. Auch wenn die Fülle an Simons Vorschlägen und Beispielen auf einen Nenner gebracht von einem für meine Interessenslage (zu) undifferenzierten Partizipationsbegriff zeugen11 und manche Praxistipps für europäische Verhältnisse bisweilen

9

In den USA als dem „klassischen Land von Privatwirtschaft und -initiative“ (SchuckWersig & Wersig 1999: 13) erfährt der Kultursektor sehr viel weniger staatliche Unterstützung, weshalb privatwirtschaftlichem Engagement ein hoher Stellenwert auch bei der Finanzierung von Museen zukommt. 10 Andere von Simon behandelte Strategien sind etwa Individualisierung von Besucherleitsystemen, Entwicklung von auf spezifische Interessen zugeschnittene Angebote, Schaffung einer Wohlfühlatmosphäre, Bonussysteme etc. 11 So subsummiert Simon etwa Aktivitäten unter den Begriff Partizipation, die nach meinem Partizipationsverständnis vielmehr Formen von Evaluation, Interaktion, hands-onAngeboten oder klassisch-museumspädagogischen Aktionen usw. darstellen.

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fragwürdig erscheinen müssen,12 so stellt Simons Handbuch – auch, weil es sonst kaum Literatur in diesem Umfang zum Thema gibt – eine wertvolle Grundlagenlektüre vor allem für PraktikerInnen dar, gelingt es ihr doch, wesentliche Aspekte des Themas anzuschneiden.13 Außerdem nimmt Simon im zweiten Teil ihres Buches eine ausführliche Darstellung von vier wesentlichen Typen an Partizipation vor (vgl. ebd. Kap. 5-9), die sie aus der partizipativen Forschung ableitet und die auch für die museale Partizipationspraxis wesentliche Kategorien darstellen (weitere Informationen siehe Kap. V.1.5 im vorliegenden Buch). Simon kritisiert diesbezüglich, dass Museen die (potenziell) Teilnehmenden meist nur in der Rolle von ProduzentInnen („creators“) sehen und andere Beteiligungsformen wie etwa das Sortieren und Kommentieren von Beiträgen als weniger wertvoll erachten (vgl. ebd. 12). Damit, so Simon, beschnitten sich die Museen jedoch selbst, da sie sich a) auf eine relativ kleine Gruppe fokussierten (denn nicht jede/r möchte sich als ProduzentIn beteiligen) und b) eine Tätigkeit abverlangten, die bereits eigenständige Ideen und auch ein gewisses Maß an Handlungskompetenzen voraussetze. Damit katapultierten sich Museen unter Umständen in einen Teufelskreis: Indem Museen die Barrieren zur Eigenproduktion senkten, um mehr Teilnehmende als ProduzentInnen zu gewinnen, erhöhten sie damit zugleich auch die Wahrscheinlichkeit, ‚minderwertige‘ Beiträge zu erhalten (vgl. ebd.). Daher ist Simon der Meinung, dass Museen den faktischen Machtüberschuss, den sie nun einmal gegenüber den (potenziellen) Partizipierenden haben, bewusst nutzen sollten, um die Aktivität den eigenen Leitlinien und Zielen entsprechen zu lenken (vgl. ebd. 121). Simon plädiert daher zum einen dafür, Teilnehmenden klare Vorgaben zu machen (auch, um so einen Orientierungsrahmen zu bieten) und zum anderen dafür, auch andere – kleinere – Formen von Beteiligung zu ermöglichen: „The best participatory experiences are not wide open. They are scaffolded to help people feel comfortable engaging in the activity. […] A supportive starting point can help people participate confidently – whether as creators, critics, collectors, joiners, or spectators.“ (Ebd. 13).

So unterschiedlich die genannten Betätigungs- und Partizipationsformen auch sind, so zielen sie alle laut Simon gleichermaßen darauf ab, die Bindung und Identifikati-

12 Etwa, wenn Simon allzu unkritische Vorschläge zum Sammeln und Verwerten personenbezogener Daten macht. Vgl. Bsp. S. 42: Besucher geben Eingangs eine Stimmprobe, Foto, Name und weitere Daten ab, die an den anschließenden hands-on-Stationen für eine möglichst persönliche Ansprache wiederverwendet werden. 13 So etwa die Frage der Evaluation (vgl. Simon 2010a: Kap. 10), die Hinweise auf mögliche Fallstricke in der Umsetzung (vgl. ebd. Kap. 11) sowie mögliche Potenziale partizipativer Praktiken für alle Beteiligten (vgl. insbesondere das Kap. Outcomes for Participants and Audiences, ebd. 16-22, sowie die Abschnitte Participation and Mission, ebd. 192-197, und The Strategic Value of Participation, ebd. 197-202).

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on der BesucherInnen mit ‚ihrem‘ Museum zu stärken14 und damit letztlich die Existenz der Institution zu sichern: „Over the last twenty years, audiences for museums, galleries, and performing arts institutions have decreased, and the audiences that remain are older and whiter than the overall population. Cultural institutions argue that their programs provide unique cultural and civic value, but increasingly people have turned to other sources for entertainment, learning, and dialogue. […] How can cultural institutions reconnect with the public and demonstrate their value and relevance in contemporary life? I believe they can do this by inviting people to actively engage as cultural participants, not passive consumers.“ (Ebd. i f.)

Während bei Nina Simon Gedanken der Neuen Museologie nur implizit und mit anderem Impetus anklingen, stellen diese für die niederländische Museumstheoretikerin und -praktikerin Léontine Meijer-van Mensch und ihren Ehemann Peter van Mensch einen wesentlichen Bezugspunkt dar. So sehen sie die seit den 1990er Jahren deutlich einsetzenden Öffnungs- und Partizipationstendenzen und das steigende Bewusstsein für die gesellschaftliche Verantwortung von Museen klar im Kontext jener musealen Neuerungen seit den 1970er Jahren. Diese ließen sich in zwei Stränge unterteilen: Einen (eher theoretisch orientierten) stark analytisch und dekonstruktiv geprägten Strang in Großbritannien und Nordamerika sowie einen (eher pragmatisch-praxisbezogenen) Strang in Frankreich, Portugal und Brasilien, der dementsprechend mehr aktivistisch orientiert sei und gewissermaßen als ‚Graswurzelbewegung‘ bezeichnet werden könnte (vgl. van Mensch & Mejer-van Mensch 2011: 49 ff.). Die heutigen Neuerungsbewegungen im Museumswesen sieht Meijervan Mensch als „Teil einer dritten ‚Museumsrevolution‘“ (Meijer-van Mensch 2009: 23) an: Seien Museen vormals als öffentliche Treuhänder aufgetreten, die für alle Bevölkerungsgruppen offen sein wollten, stünden die jüngsten Entwicklungen dagegen im Zeichen der geteilten Verantwortung gemeinsam mit den Menschen bzw. einer bestimmten Community:15 „One of the key concepts of present day developments is the notion of shared responsibility: a shared responsibility of museum staff, a shared responsibility of organizations and interest groups in networks of heritage communities and a shared responsibility of museums and their source communities.“ (van Mensch & Mejer-van Mensch 2011: 51)

Auch betont sie: „Contemporary museology calls for inclusive museums that are not only responsive and engaging, but most of all participatory.“ (Ebd. 49). Diesbe14 „When staff members can find ways to share institutional objects, they can empower visitors to see themselves as co-owners and advocates for the institutional overall.“ (Simon 2010a: 180). 15 Die van Menschs vergessen nicht auf die langjährigen VerfechterInnen der Idee eines inklusiven Museums zu verweisen und nennen allen voran Richard Sandell, aber auch Eilean Hooper-Greenhill und Jocelyn Dodd als VorreiterInnen (van Mensch & Mejer-van Mensch 2011: 50 f.).

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züglich stehe dem Museum ein Paradigmenwechsel ins Haus, den sie als „participation paradigm“ (ebd. 51) bzw. als „Mitgestaltungsparadigma“ (Meijer-van Mensch 2009: 22) bezeichnet.16 Teil dieser Entwicklung sei auch die neuerdings zu beobachtende generelle Aufwertung von AmateurInnen, die bisher im völligen Gegensatz zu den MuseumsexpertInnen gesehen worden waren und so gesehen ein Schattendasein führten. Van Mensch/Meijer-van Mensch (2011: 52) beziehen sich hierbei auf Charles Leadbeater und Paul Miller, die von einer „Pro-Am revolution“ sprechen: Beide sehen Fachleute und AmateurInnen als Positionen ein und desselben Kontinuums an und plädieren für einen Brückenschlag zwischen diesen. Die van Menschs sind damit völlig konform und erachten die Verschmelzung von Profi und AmateurIn als gesellschaftlich wie museumsbezogen relevant: „The amateur professional or professional amateur is a ‚new social hybrid‘ becoming increasingly important. Museum too should be aware of the potential of, for example, retired Pro-Ams.“ (van Mensch & Mejer-van Mensch 2011: 52)

Van Mensch/Meijer-van Mensch teilen in dieser Hinsicht also nicht die häufig geäußerten Befürchtungen, dass das Museum unter Beteiligung von – wie auch immer mehr oder weniger professionellen – AmateurInnen in Gefahr gerate, unwissenschaftlich zu werden bzw. historisch und faktisch falsche Informationen zu verbreiten. Zum einen verweisen sie darauf, dass Nina Simon ihre Klassifizierung und Prinzipien unmittelbar aus Erfahrungen aus partizipativen Forschungssettings in naturwissenschaftlichen Fachdisziplinen speise, die dort erfolgreich stattfänden (vgl. ebd. 56). Zum anderen glauben sie an the wisdom of the crowds (James Surowiecki)17 bzw. eine Schwarmintelligenz (Oliver Gassmann),18 also daran, dass eventuelle falsche Ansichten von Einzelnen in und durch die Masse von vielen anderen Beteiligten selbst korrigiert würden. Ohnehin ist Meijer-van Mensch aber davon überzeugt, dass in der Bevölkerung Potenziale an ‚Laien-ExpertInnen‘ schlummerten, die das Wissen von MuseumsexpertInnen erweitern und in mancher Hinsicht sogar übersteigen könnten (vgl. Meijer-van Mensch, Piontek 2012a: 2). In der Frage, was genau Partizipation im Museumskontext meine, stellen die van Menschs korrekt fest, dass unter diesen Oberbegriff momentan eine Vielzahl von Praktiken gezählt würden: 16 Suzanna Milevska (2006: o.S.) spricht parallel von einem „participatory turn“ und meint damit, dass seit den 1990er Jahren in der Kunstpraxis ein „Paradigmenwechsel vom Objekt zum Subjekt“ stattgefunden habe. 17 James Surowiecki veröffentlichte 2004 ein Buch mit dem Titel The wisdom of the crowds. Why the many are smarter than the few and how collective wisdom shapes business, economies, societies, and nations. Eine thematisch ganz ähnlich Publikation, auf die sich das Ehepaar van Mensch ebenfalls bezieht, ist das Buch von Jeff Howe (2008): Crowdsourcing. How the power of the crowd is driving the future of business. 18 Vgl. Gassmann 2010.

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„Participation is an umbrella term. The term is used for a wide variety of aims and practices. As to its aims, participation may be used as a method for audience development or in a more radical way as a form of social activism.“ (van Mensch & Mejer-van Mensch 2011: 56)

Die Klassifizierung von Nina Simon (vgl. Kap. V.1.5 in dieser Arbeit) empfinden sie hierfür als hilfreiche Orientierung, wobei für Léontine Meijer-van Mensch Simons dritte Klasse, Co-Creation, das persönliche Ideal darstellt (vgl. Meijer-van Mensch, Piontek 2012a: 1). In Bezug darauf, was genau gelungene Partizipation kennzeichne bzw. welche Voraussetzungen dafür auf Museumsseite vorhanden sein müssen, hält sie im Wesentlichen folgende Punkte für essenziell (vgl. ebd.): Partizipationsprojekte seien dann geglückt, • wenn sie eine möglichst heterogene Gruppe aktivieren können • wenn die Zusammenarbeit nachhaltig sei, was voraussetzte, dass Partizipation fest in der Institution verankert sei (indem es beispielsweise eine feste Stelle bzw. Zuständigkeit dafür gebe) und von allen MuseumsmitarbeiterInnen mitgetragen werde19 • wenn Partizipation von der Institution nicht allein als Bildungsinstrument, sondern viel umfassender verstanden werde, was bedeutet, dass • die Beteiligung sich nicht auf die „front office“-Aktivitäten des Museums beschränken sollte, sondern ebenso auf „back office“-Aufgaben20 Wer partizipative Prozesse nur anstoße, weil er/sie glaube, dadurch Geld und/oder Personal zu sparen bzw. günstig an Objekte zu kommen, dem erteilt Léontine Meijer-van Mensch eine klare Absage: Man müsse Partizipation aus der Überzeugung heraus betreiben, dass Beteiligung wichtig ist und dass Beiträge von ‚AmateurInnen‘ den musealen Inhalten neue und bedeutsame Blickwinkel zufügen werden (vgl. Meijer-van Mensch; Piontek 2012a: 4). Dies werfe natürlich Fragen bezüglich der professionellen Autonomie der KuratorInnen und deren Expertise auf, dennoch, so Meijer-van Mensch, sollten diese ihre museumsspezifische ExpertInnenrolle immer noch deutlich behaupten, bzw. sie ggf. emanzipiert wieder zurückerobern, denn faktisch blieben diese die letztlich Verantwortlichen. Diese Aussage offenbart Meijer-van Menschs pragmatisch-praxisbezogene Auseinandersetzung mit dem Konzept der Partizipation. Für Meijervan Mensch stellt es keinen Widerspruch dar, Partizipation zu fordern und zugleich auf die Verantwortung der Museumsleute zu verweisen. Im Interview (vgl. ebd. 2) 19 Vgl. dazu auch Meijer-van Mensch 2012b: 90. 20 „Front office“-Aktivitäten sind für Meijer van Mensch alle Aktivitäten, die mit dem Sammeln und Ausstellen zu tun haben, während „back office“ die restlichen Bereiche (z.B. das Dokumentieren, Bewahren und Forschen etc.) meine (vgl. van Mensch & Mejer-van Mensch 2011: 57).

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machte sie deutlich, dass dies für sie Teil der professionellen Rolle der/des MuseumsexpertIn sei. Entscheidender ist für sie dabei vielmehr, dass dieser Umstand nicht verschleiert werde, sondern den Teilnehmenden gegenüber offen kommuniziert werde. Verantwortung und Interaktion seien auf Seiten von KuratorInnen wie TeilnehmerInnen an ethischen Gesichtspunkten zu orientieren: Man dürfe nicht alles sagen/ tun/kritisieren, nur weil es theoretisch möglich sei (vgl. ebd.). Werde dieser Maßstab befolgt, gäbe es für Partizipation eigentlich keine Grenzen – Mitbestimmung könne sich dann sogar auf den Management-Bereich von Museen erstrecken, wie die neuste Diskussion in den Niederlanden bereits zeige.21 Die museale Zukunftsvision, die Léontine Meijer-van Mensch an Partizipation knüpft, ist die des Museums als Agora (Meijer-van Mensch 2012b: 87), mit der sie an James Cliffords Idee des Museums als Kontaktzone anknüpft:22 Anstatt, gleich der Akropolis, eine „unzugängliche Schatztruhe“ zu sein, solle die Institution Museum zur Agora, also zu „einem Marktplatz von Ideen, der Raum für Gespräche bietet“, werden (Meijer-van Mensch 2012b: 87). Dies beinhalte auch ein Neudenken des Konzepts der Community weg von einer geschlossenen Zielgruppe hin zu einem neuen, offenen Gemeinschaftskonzept: Anstatt in streng definierten Zieloder Interessensgruppen zu denken, könne Partizipation über territoriale oder soziale Grenzen hinweg Gemeinschaften generieren, die als „community of passion“23 über ihr geteiltes Interesse für eine Einrichtung, ein Thema oder bestimmte Exponate bzw. über ihr Engagement in einer gemeinsamen Sache verbunden seien. Abschließend sei noch der Hinweis zugefügt, dass der Erziehungswissenschaftler und Museologe Michael Parmentier die Zukunft des Museums in seiner repolitisierten Form ebenso als gesellschaftlichen Diskussionsort, als „moderne Agora“ (Parmentier 2007: 7), sieht: „Diese Rolle des Museums als republikanisches Forum, als moderne Agora, scheint mir nicht nur die einzig überzeugende Option für die Zukunft dieser Einrichtung, sie ist auch aktueller und ihre Verwirklichung dringender als je zuvor.“ (Ebd.) 21 Unter dem Schlagwort Governance werde die Mitbestimmungs- und Beteiligungsdebatte in den Niederlanden auf den administrativen Bereich von Institutionen übertragen, so Meijer van Mensch im Interview. Auch wenn noch nicht klar sei, wohin das führen werde, steht Meijer-van Mensch dieser Entwicklung sehr offen und interessiert gegenüber (vgl. Meijer-van Mensch; Piontek 2012a: 1). 22 Des Weiteren bezieht sich Meijer-van Mensch auf Gedanken von Steven Zucker und Nancy Proctor. 23 Proctor 2010: 40 zit. n. van Mensch & Mejer-van Mensch 2011: 54. Eine andere Bezeichnung für diese Idee von Gemeinschaft wäre „heritage community“ (van Mensch & Mejer-van Mensch 2011: 55). Der Europarat definiert diese in seiner Framework Convention on the Value of Cultural Heritage for Society (Faro Convention) wie folgt: „[A] heritage community consists of people who value specific aspects of cultural heritage which they wish, within the framework of public action, to sustain and transmit to future generations.“ (Council of Europe 2005: 2b).

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Parmentier fordert hierfür verschiedene Veränderungen, so auch ein verändertes Verhältnis zum Publikum – auch hier decken sich die Gedanken der van Menschs also mit denen Parmentiers, wenngleich Parmentier 2009 selbst noch vage hinsichtlich der konkreten Umsetzung bliebt und den Gedanken der sozialen Verantwortung des Museums nicht so deutlich vertritt, wie es die van Menschs tun: „Last not least hat die Agora-Konzeption des Museums Konsequenzen für den Umgang mit dem Publikum. Sie verlangt zum einen eine maximale Demokratisierung des Zugangs und zum anderen eine zumindest partielle Partizipation der Bevölkerung an der Sammlungspolitik, der Wahl der Themen und der Gestaltung der Ausstellung. […] Vieles ist da noch denkbar und notwendig. Die interessantesten Beispiele für mögliche Formen der Partizipation kommen nicht von ungefähr aus der museumspädagogischen Praxis.“ (Parmentier 2007: 9)

Einen Blickwinkel auf Partizipation dezidiert aus der Praxisperspektive – auch der museumspädagogischen bzw. vermittlerischen, auf die Parmentier hinweist – nehmen jeweils Gabriele Stöger und Cornelia Ehmayer ein. Beide stammen beruflich aus Vermittlungskreisen bzw. sozialen Berufen und schöpfen bezüglich Partizipation aus ihren persönlichen Projekt- und Forschungserfahrungen.24 So untersuchte Cornelia Ehmayer 2002 im Auftrag des Österreichischen Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur fünf Kulturvermittlungsprojekte unter dem Aspekt der Partizipation (vgl. Ehmayer 2002).25 Anders als Nina Simon interessiert Ehmayer weniger die Situation der auftraggebenden Institutionen, sondern vor allem die Aufgaben und Methoden der VermittlerInnen, deren Belastungen in den einzelnen Projektphasen sowie deren Ansprüche gegenüber den Teilnehmenden. Sie kommt zum Ergebnis, dass VermittlerInnen in Partizipationsprojekten qualitativ hochwertige und umfangreiche Leistungen zu vollbringen haben. Insbesondere in der Vorbereitungsphase, die mitunter 80 Prozent der Gesamtprojektzeit der untersuchten Projekte in Anspruch genommen habe, gelte es nicht ‚bloß‘ das Projektdesign zu erarbeiten, sondern auch Netzwerke zu knüpfen und oftmals erst geeignete Rahmenbedingungen jenseits tradierter Bahnen zu schaffen, sodass die VermittlerInnen bei Partizipation auch Felder des Community Organizing und des Change Managements abdecken müssten (vgl. Ehmayer 2002: 19 f.). 24 Gabriele Stöger war beispielsweise am EU-Projekt Museums, Keyworkers and lifelong Learning (1998-2003) beteiligt, das einen Keyworker-Ansatz verfolgte. Cornelia Ehmayer ist als Expertin für partizipative Stadtentwicklungsprojekte seit 1998 an diversen Projekten beteiligt. 25 Die untersuchten Projekte waren: Ich bin im Bild (Lehrlingsprojekt in Kooperation mit dem Kunstforum Montafon in Vorarlberg), Our point of view (Lehrlingsprojekt in Kooperation mit dem Ars Electronica Center in Linz), Kulturvermittlung online (Aufbau einer interaktiven Homepage in Kooperation mit der Kunsthalle Wien), Impulsvermittlung (Modellprojekt zur Vernetzung von fünf österreichischen Regionalmuseen im Raum Leibnitz, Steiermark), Wien Heldenplatz – Mythen und Massen (Mitwirkung bei der Ausstellung am Heldenplatz mit personalen und medialen Vermittlungsangeboten in Kooperation mit der Fotografin Alisa Douer).

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In den von Ehmayer untersuchten Projekten zeigte sich, dass die auftraggebenden Institutionen dem Anspruch der VermittlerInnen auf „interaktive Kulturvermittlung“ (vgl. ebd. 21) nicht selten konterkarierten, sodass der Eindruck entstand, dass nur „[...] relativ wenig Auftraggeber von sich aus Interesse an innovativer kulturvermittlerischer Tätigkeit [wie hier partizipativen Projekten; Anm. A.P.] haben“ (ebd. 19). Dementsprechend scheiterten Partizipationsprojekte häufiger an den institutionellen Rahmenbedingungen und den KooperationspartnerInnen denn an den ausführenden KulturvermittlerInnen, so Ehmayers Resümee (vgl. ebd. 31). Als weiteres mögliches Konfliktfeld zwischen Institution und VermittlerInnen machte Ehmayer die Zielperspektive partizipativer Projekte aus, da VermittlerInnen mehr auf „unsichtbare Produkte“ (ebd. 29) denn auf die sichtbaren Ergebnisse abzielten; solche Produkte wären beispielsweise die Aktivierung und Bewusstseinsbildung der Teilnehmenden, die Identifikation mit Objekten, das Aktivieren kulturell-kreativer Potenziale, die Schaffung einer angenehmen Atmosphäre oder die Vernetzung der Partizipierenden untereinander – wobei es sich bei diesen um unterschiedlichste Personen(gruppen) handeln könne, ausdrücklich auch um solche, die mit Institutionen der Kunst und Kultur bisher wenig in Berührung gekommen seien (vgl. ebd. 39 f. u. Ehmayer 2005: 93). Aus Sicht der VermittlerInnen ziele Partizipation somit über das einzelne Projekt hinaus, da als „visionäres demokratiepolitisches Ziel“ gelte, „mehr Menschen direkten Zugang zu (zeitgenössischer) Kunst und Kultur zu ermöglichen und damit verbunden sozio-kulturelle Prozesse in Gang zu setzen“ (Ehmayer 2005: 93). Ehmayer definiert Partizipation dementsprechend mit Blick auf die (potenziell) Partizipierenden, nämlich bezüglich deren Aktivitätsgrad und der Reichweite ihrer aktiven Beteiligung: „Partizipation ist mehr als nur die ‚Beteiligung‘ an oder die Nutzung gesellschaftlicher Güter wie Wissen, Kultur oder Besitz. Es handelt sich vielmehr um die aktive Teilnahme an gesellschaftlichen Prozessen.“ (Ehmayer 2002: 36)

Auch versteht Ehmayer Partizipation als „Haltung [...], welche die Arbeit der KulturvermittlerInnen bestimmt“ (ebd. 37), da es diesen um die Selbsttätigkeit und Selbstbestimmung der Teilnehmenden gehe, und damit letztlich auch um Emanzipation, Selbstermächtigung und soziale Integration (vgl. ebd. 43 ff. u. dies. 2005: 93). In diesem Sinne ist für Ehmayer „[v]om Anspruch her [...] ‚Kulturvermittlung gleich Partizipation‘, was bedeutet, den NutzerInnen eine maximale Mitwirkung an der Gestaltung eines künstlerischen Objektes oder kulturellen Prozesses zu ermöglichen.“ (Ehmayer 2002: 39) 26

26 Im Originaltext ist ‚Kulturvermittlung gleich Partizipation‘ fett hervorgehoben.

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Im Umkehrschluss vermutet sie einen Zusammenhang zwischen dem Maß, in dem VermittlerInnen sichtbar in Erscheinung treten, und dem Partizipationsgrad eines Projektes: „Vielleicht ließe sich in diesem Zusammenhang sagen, dass je partizipativer die Projekte sind, umso zurückhaltender bleiben die KulturvermittlerInnen.“ (Ebd. 23). Ehmayers Maxime der größtmöglichen Mitwirkung markiert einen bedeutenden Unterschied zur Haltung Simons, die den Standpunkt einnimmt, dass es keine bessere oder schlechtere Form von Partizipation gebe und die die offenste, d.h. den größtmöglichen Spielraum lassende Partizipationssituation eher problematisch sieht (vgl. Simon 2010a: 13). Auch wenn Ehmayer persönlich Partizipation definiert als aktive Einflussnahme im durchaus politischen Sinne sowie als Grundprinzip jeglicher professioneller Vermittlungsarbeit, so zeichnet ihre Studie deutlich nach, wie schwer der Begriff Partizipation in der Praxis zu fassen ist und wie unterschiedlich letztlich auch die Ansichten der von ihr interviewten Kunst- und KulturvermittlerInnen waren (vgl. Ehmayer 2002: 39 ff.). So gelang es diesen etwa nicht, sich auf eine gemeinsame Definition zu einigen. Stattdessen wurden gemeinsam vier zentrale Aspekte von Partizipation in der Kulturvermittlung formuliert: Partizipation in der Kulturvermittlung • ist ein Prozess • ist Auseinandersetzung mit kulturellen Phänomenen • zeichnet sich aus durch die Gleichwertigkeit aller am Prozess Beteiligten • zeichnet sich aus durch die Mitwirkung an der Gestaltung des Prozesses und des Produktes (vgl. Ehmayer 2002: 41 u. dies. 2005: 93) Entscheidendes Kriterium für den Erfolg eines Projektes ist für Ehmayer das frühzeitige Hinzuziehen der VermittlerInnen bereits in der Projektplanungsphase, jedoch auch die möglichst frühe Beteiligung derjenigen, an die sich ein Projekt eigentlich richte (vgl. Ehmayer 2002: 21, 40 u. 45). Mit Sicherheit enthüllt der Zeitpunkt, an dem man die (potenziell) Teilnehmenden hinzuzieht – sowie die Praxis dieses Hinzuziehens selbst –, ein Stück weit die Einstellungen der InitiatorInnen gegenüber den (vermeintlichen) ‚Laien‘: Sieht man diese als kompetente MitgestalterInnen? Traut man ihnen eine sinnvolle Mitarbeit zu, die auch den institutionellen Standards genügt? – Mit diesen Fragen hat sich auch die österreichische Kulturvermittlerin Gabriele Stöger beschäftigt. Sie konstatiert, dass man partizipative Prozesse bereits hinsichtlich folgender Grundkonstellation ausdifferenzieren müsse: Einmal (hier bezieht sich Stöger auf Ehmayer) könne Partizipation bedeuten, „[...] dass man eine Bevölkerungsgruppe an etwas teilhaben lassen möchte, von dem sie – aus objektiven oder subjektiven Gründen – ausgeschlossen ist (oder sich ausgeschlossen fühlt)“ (Stöger 2005a: 9). Die Initiative geht

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hierbei also von den ‚Mächtigen‘ bzw. ‚Besitzenden‘ – dem Museum – aus. Im anderen Fall können Mitgestaltungsprozesse von den ‚Machtlosen‘ (etwa einer Bevölkerungsgruppe oder einer bestimmten Interessensgruppe) selbst ausgehen, „[...] wenn nämlich das Recht auf Teilhabe nicht zugestanden oder erteilt wird, sondern eine (bisher ausgeschlossene) Gruppe dieses Recht selbst einfordert“ (ebd.); in diesem Fall sei Partizipation „ein Ergebnis von Selbstermächtigung“ (ebd.), wohingegen im erstgenannten Fall Partizipation eher den Charakter einer „Einladung“ (ebd. 192) annehme. Nach Stögers Einschätzung (der sicherlich zuzustimmen ist), meint Partizipation aber gemeinhin jene Prozesse, die von den ‚Besitzenden‘ ausgehen – auch weil sich die umgekehrte Variante faktisch kaum ereigne: „‚Partizipation‘ hat immer damit zu tun, dass man jemanden an etwas teilhaben lassen möchte, das ihm ursprünglich nicht gehört. Der Blickwinkel ist der von Besitzenden, die teilen möchten, ohne aber das Verfügungsrecht über den Besitz gänzlich aufzugeben. Der Anspruch auf Partizipation wird von jenen Personengruppen, die an den traditionell als kulturell bezeichneten Aktivitäten nicht teilhaben, gar nicht formuliert.“ (Stöger 2002: 187)

Interessant ist auch ihre Aussage, dass die „Besitzenden“ ihren „Besitz“ nicht gänzlich aufgeben wollten. Entsprechend macht Stöger an anderer Stelle mit Hilfe der Analogie des Hinsetzens (be-sitzen) deutlich, dass es mit der besagten Einladungsgeste zur Partizipation mitunter nicht weit her ist und dass diese die innere Grundeinstellung der InitiatorInnen gegenüber den Eingeladenen verraten kann: So könne einmal „[...] [d]ie Aufforderung zum Hinsetzen [...] eine respektvolle Geste sein“, die getragen sei von der bangen Frage, ob die Eingeladenen überhaupt mitmachen wollen (vgl. Stöger 2002: 189). Wenn bei den InitiatorInnen jedoch Zweifel an den Fähigkeiten der anderen bestehe („Können die das?“), dann kann die scheinbar einladende „Aufforderung zum Hinsetzen [...] auch eine herablassende Geste sein“ (ebd. 192). Stöger, der es bei ihrer eigenen Vermittlungsarbeit um die Demokratisierung von Kultur und die Öffnung von Kulturinstitutionen geht,27 hält den Einwand eines möglichen Qualitätsverlusts verursacht durch die Mitwirkung Außenstehender für ein Totschlagargument, um die Beschäftigung mit den sogenannten Laien als „Zumutung“ (ebd.) von sich weisen zu können. Ebenso wie Ehmayer sieht Stöger vor allem die Institution selbst als diejenige an, die den Erfolg von Partizipationsprozessen erschwere – eben weil die internen Fachkräfte bisher häufig allzu einseitig den ‚Mangel‘ auf Seiten der sogenannten ‚Laien‘ gesucht hätten:

27 Vgl. dazu die Vorstellung und Reflexion der eigenen Vermittlungsarbeit in Museen von „Team EigenArt / museum“ (T.E.A.m), dem Gabriele Stöger gemeinsam mit Susanna Gruber, Anna Petschinka und Walter Stach angehörte, in der gemeinsamen Publikation: Gruber et al. 2003.

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„Würden Kulturinstitutionen nicht erwarten, dass ihr Publikum sich ihrem Angebot anpasst, müssten sie sich die Frage stellen, aus welchen Gründen ihnen der Zugang zu bestimmten Bevölkerungsschichten verschlossen ist. Sie könnten erkennen, dass sie es selbst sind, die einen Rückstand aufzuholen haben und sich weiterentwickeln müssen.“ (Ebd. 189)

Und: „[…] [D]ie Polarität zwischen potentiellem Publikum und Institution wird fortgeschrieben und ist von den sogenannten benachteiligten Schichten scheinbar nur dadurch zu überwinden, dass sie […] einen Bildungsrückstand aufholen. Nie umgekehrt.“ (Ebd. 195)

Stöger sieht zunächst einmal die Museen in der Pflicht und nennt als Grundbedingungen für einen gelingenden Austauschprozess – gerade mit Menschen, die bisher nicht zum Museumspublikum zählen – ein aufrichtiges, „spürbares Interesse“ (Stöger 2005b: o.S.) von Museumsseite an dieser Zielgruppe; diese müssten mit ihren Lebenserfahrungen und Äußerungen wirklich ernst genommen werden, was auch bedeute, „ohne intellektuelle Arroganz“ (ebd.) an diese heranzutreten und mit diesen zu kommunizieren. Jede/r Mensch sei als „ExpertIn“ (Stöger 2009: 75) in Bezug auf das eigene Leben, die miterlebten Ereignisse und persönlichen Erfahrungen anzusehen. Als weitere Grundbedingung betont Stöger, dass sich Museen durch direkte Aufforderung, Ermutigung, Animation, Information etc. aktiv um ihre AdressatInnen bemühen müssten, denn: „Es reicht nicht zu betonen, dass prinzipiell niemand von kulturellen Prozessen ausgeschlossen ist, denn das stimmt ja prinzipiell: Es steht niemand bei der Tür und weist Menschen zurück [...]. Aber es gibt Bildungsbarrieren und soziale Barrieren [...]. Die Haltung: Die kommen nicht, die interessiert das nicht, ist falsch. Warum sollen sich Menschen für Einrichtungen begeistern, die ihnen signalisieren, dass sie für Kunst zu blöd sind?“ (Stöger 2005b: o.S.)

Stögers deutliche Parteinahme für die (potenziell) Partizipierenden durchzieht ihr gesamtes Partizipationsbild. So gilt für sie als wesentliches Charakteristikum „echter partizipatorischer Angebote“, dass diejenigen, an die sich dieses Angebot richte, als Subjekte des angestrebten Prozesses betrachtet würden – mit diesen solle etwas entwickelt werden, und nicht für diese (vgl. Stöger 2005a: 194 sowie dies. 2005b: o.S.). Partizipationsprozesse sind in dieser Sichtweise somit immer auch Lernprozesse für beide Seiten, die durch einen offenen Ausgang gekennzeichnet sind (vgl. dies. 2005b: o.S.). Drei Aspekte gelte es während eines Beteiligungsprozesses gewissermaßen als „partizipatorische Methodik“ (dies. 2005a: 126) zu berücksichtigen: 1. die Gleichwertigkeit aller am Prozess Beteiligten: Die TeilnehmerInnen sollen „PartnerInnen in einem gemeinsamen Arbeitsprozess“ sein. 2. der kommunikative Austausch: Der Kommunikationsprozess solle „dialogisch/ interaktiv“ ablaufen, was u.a. bedeute, Themen, Anregungen und Wünsche der

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TeilnehmerInnen mit einzubeziehen und sich an deren persönlichen Bezügen zu orientieren. 3. die Mitwirkung an der Gestaltung des Prozesses und des Produktes: Teilnehmende sollen wirklich die Möglichkeit haben, eigene Entscheidungen zu treffen sowie selbsttätig und selbständig zu agieren und zu gestalten. (Vgl. ebd.) Wie Ehmayer sieht auch Stöger professionelle VermittlerInnen in einer Schlüsselposition, damit solchermaßen verstandene Partizipation gelingen kann. Denn diesen komme der Balanceakt zu, die Teilnehmenden durch impulsgebende Moderation zu unterstützen, ohne zu beeinflussen, und sich bestehender Hierarchien fortwährend bewusst sein, um diese überwinden und einen gleichwertigen Austausch aller erreichen zu können (vgl. ebd. sowie Stöger. 2002: 192).28 Anders als Ehmayer, sieht Stöger Partizipation und professionelle Vermittlungsarbeit jedoch nicht als ein und dasselbe an, sondern in einem instrumentellen Zusammenhang: „Wenn Partizipation [...] den Vorgang oder die Tatsache des Beteiligtseins meint, dann ist Kulturvermittlung die Bemühung darum, diesen Prozess zu initiieren.“ (Dies. 2005b: o.S.)

IV.2.2 Z USAMMENSCHAU

UND

K ONTEXTUALISIERUNG

Die hier untersuchten Stimmen im Museumswesen, die Partizipation deutlich befürworten (auch wenn sie dafür unterschiedliche Gründe geltend machen), haben alle gemein, dass sie damit zunächst einmal den Umstand als solchen begrüßen, dass sich überhaupt etwas im Museumswesen bewegt und dass der Schulterschluss mit den (potenziellen) Museumspublika der Gegenwart und Zukunft deutlich gesucht wird. Implizit oder explizit fußen sie damit alle auf der Tradition der Neuen Museologie in der Hinsicht, als dass die Einbeziehung der Menschen in die Arbeit eines Museums und die Verlebendigung und Dynamisierung des Museumswesens in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung sind. So fasst beispielsweise der britische Medienwissenschaftler Charlie Gere die Ziele der Neuen Museologie folgendermaßen zusammen: „The ‚new museology‘ […] is concerned with promoting the ‚active museum‘ – museums that are concerned with involving people in all aspects of their work.“ (Gere 1997: 63).29 – Gleiches würden wohl alle zitierten BefürworterInnen auch für ihre Arbeit unterschreiben. Ein Merkmal der Neuen Mu28 Außerdem erachtet Stöger den Einsatz von „Keyworkers“ als wichtig, die die professionellen VermittlerInnen zwar nicht ersetzen sollen oder können, die aber dennoch jeweils als Bindeglied zwischen Museum und ihrer spezifischen (Bevölkerungs-)Gruppe von Bedeutung seien. Zum Keyworkeransatz vgl. Stöger 2009. 29 Vgl. dazu auch folgende Aussage von Ulrich Paatsch: „Auf jeden Fall wird man [...] nur dann von einem ‚neuen Museumsprojekt‘ [i.S. der Neuen Museologie, Anm. A.P.] reden können, wenn es [...] Beteiligungsformen gibt.“ (Paatsch 2002: 11).

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seologie ist also die Beteiligung der Bevölkerung an einem offenen, aktiven – und somit gesellschaftlich relevant(er)en – Museum, was als Grundprinzip auch für das „partizipative Museum“30 aus Sicht seiner VerfechterInnen gilt. Im Kern spiegelt die allseits positive Haltung der exemplarisch vorgestellten BefürworterInnen gegenüber Partizipation, dass sie den historischen „Paradigmenwechsel vom Objekt zum Subjekt“ (Milevska 2006: o.S.) propagieren, der seit den 1990er Jahren das Museumswesen erfasst hat31 (Bernfelds Aufsatz stammt unmittelbar aus dieser Umbruchszeit). Kenneth Hudson beschrieb diesen gravierenden Umdenkprozess 1998 wie folgt: „[…] the most fundamental change that has affected museums during the half-century [gemeint ist die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts, Anm. A.P.] […] is the now almost universal conviction that they exist in order to serve the public. The old-style museum felt itself under no such obligation. It existed, it had a building, it had collections and a staff to look after them. […] [I]ts visitors, usually not numerous, came to look, to wonder and to admire what was set before them. They were in no sense partners in the enterprise. The museum's prime responsibility was to its collections, not its visitors.“ (Hudson 1998: 43)

Inzwischen hat sich dieser Paradigmenwechsel im Kulturbereich – unter dem Eindruck der in sämtlichen Lebensbereichen geforderten Bürgerbeteiligung und der Hochkonjunktur des Schlagwortes Partizipation – fortgeschrieben und gewandelt: War vormals die Besucherorientierung (verstanden vor allem im Sinne eines Mitdenkens der Besucherbedürfnisse und -interessen) überhaupt erst zum prominenten Thema geworden, kanalisiert sich die Diskussion heute in der Forderung nach deren aktiver Beteiligung. Dementsprechend könnte man heute durchaus von einem „participatory turn“ (Milevska 2006: o.S.) sprechen32 – wie dies derzeit ja recht viele tun: So spricht Maria Lind analog von einem „collaborative turn“ (Lind 2007b: 15),33 Markus Miessen (der als Partizipationskritiker später noch genauer vorgestellt werden wird) davon, dass wir uns am Beginn eines „partizipativen Zeitalters“ (Miessen 2012: 7) befinden, Joachim Baur spricht von einem „Museum 2.0“ (Baur 2008: 47) und die van Menschs, wie bereits skizziert, von der „application of a new 30 In Anlehnung an Dan Bernfeld (1993) sowie die beiden so betitelten Publikationen The Participatory Museum von N. Simon (2010a) und Das partizipative Museum, hrsg. von Gesser et al. (2012a). 31 Vgl. z.B. Macdonald 2010: 52, Mörsch 2006b: 26 f., Meijer-van Mensch 2011: 82 f., Reussner 2010: 2-8. 32 Suzanna Milevska bezieht sich speziell auf den Kunstbereich, ebenso auch Maria Lind mit ihrer Rede vom „collaborative turn“. 33 Gleichwohl unterscheidet Lind in der Kunstpraxis zwischen „collaboration“, „cooperation“ und „participation“: Ersteres sei eher als eine Art Oberbegriff zu verstehen für Arbeitsmethoden oder -formen im Kunstbereich, die mehr als nur eine/n TeilnehmerIn erforderten; Kooperation betone den Aspekt der Solidarität und erscheine als gewisser Widerhall von Arbeitsformen in sozialistischen Systemen. Partizipation bezeichnet nach Lind ein Teilnahmeangebot, das von einer anderen Person ausgearbeitet worden sei, Teilnehmenden aber dennoch Einflussmöglichkeiten biete (vgl. Lind 2007b: 17).

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participation paradigm in the museum" (van Mensch & Mejer-van Mensch 2011: 54). Als Zeichen dafür, dass ein Trend zum Paradigma wird, nennt Silke Feldhoff „[...] vor allem die gesteigerte disziplinübergreifende wissenschaftliche Aufmerksamkeit einem Thema gegenüber“ (Feldhoff 2009: 108) – insofern scheint die Annahme, dass wir es heute mit einer partizipatorischen Wende zu tun haben, berechtigt. Blicken wir über die jüngsten Entwicklungen hinweg noch einmal zurück in das Jahr 1993, kann man sagen, dass Bernfeld in seiner damaligen Forderung nach stärkerer Einbeziehung der BesucherInnen also durchaus vielen seiner damaligen KollegInnen voraus war, auch wenn man hinzufügen muss, dass Partizipation im Kunstsektor, auf den er sich ja bezieht, durch die frühe Präsenz künstlerischer Beteiligungsprojekte als Konzept auch prominenter war als anderswo. Interessant ist allerdings, dass sich Bernfeld in seinem Aufsatz auf Menschen bezieht, die bereits MuseumsgängerInnen sind, während bei den restlichen vorgestellten Positionen, die ja die aktuelle Lage spiegeln, gerade auch die NichtbesucherInnen im Sinne eines Outreach34 erreicht werden sollen. Die Ziele, die sich dahinter verbergen, sind allerdings verschieden: Bei Nina Simon spielt die quantitative Steigerung der BesucherInnen zum Zwecke der finanziellen Sicherung sowie zur Legitimation der Institution nach außen eine Rolle, was als typisch für das Museumswesen in den USA gelten kann (vgl. Reussner 2009: o.S.); anvisiert werden dabei i.d.R. besonders ansprechbare Zielgruppen, d.h. es liegt eine nachfrageorientierte Sicht der „Publikumsentwicklung“ vor (vgl. ebd.). Bei den anderen AutorInnen – insbesondere denen aus dem Vermittlungsbereich – liegt dagegen eine soziale Orientierung vor, was sich darin zeigt, dass sie Partizipation gerade auch für schwer zu erreichende Zielgruppen wünschen, etwa marginalisierte Bevölkerungsgruppen. Ihnen geht es nicht in erster Linie um eine reine Vergrößerung des Publikums, sondern vielmehr um eine Erweiterung im Sinne einer gezielten Erschließung neuer Zielgruppen, die bisher in der Besucherschaft unterrepräsentiert waren. Typisch für eine solche Sicht der „Publikumsentwicklung“ ist der Wunsch, dem „sozio- und kulturpolitischen Ziel eines uneingeschränkten Zugangs und umfassender Teilhabe an der Museumsarbeit“ näher zu kommen und damit auch die Legitimation öffentlicher Gelder zu demonstrieren (vgl. ebd.). Bei der Befürwortung von Partizipation steht also auf der einen Seite klar der Nutzen für das Museum im Vordergrund (vgl. Bernfeld und Simon), auf der anderen Seite klar der Nutzen für die Teilnehmenden, zum Beispiel in Form von Identitätsgewinn, Kompetenzerwerb, kultureller Teilhabe oder Selbstermächtigung (vgl. Ehmayer und Stöger). Der Impetus von Meijer-van Mensch/van Mensch ist dage34 Es gibt keine feststehende Definition von Outreach; insgesamt umfasst der Begriff Bemühungen um die Vergrößerung der (musealen) Reichweite bzw. für das ZugänglichMachen von Informationen oder Dienstleistungen für (insbesondere benachteiligte oder ‚museumsferne‘) Personen(gruppen) (vgl. Scharf et al. 2014: o.S.).

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gen bipolar, indem sie Partizipation sowohl einen Nutzen für die Institution Museum zuschreiben als auch einen für die (potenziell) Teilnehmenden. Müsste man die aufgezeigten Positionen auf eine Sentenz reduzieren, so könnte man sagen, dass Bernfeld vom offenen Museum in dem Sinne träumt, als dass (Stamm-)BesucherInnen einfach mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten erhalten, Simon das Museum als selbstverständliche (Austausch-)Plattform vorschwebt, die van Menschs das Museum in einem gesellschafts-politischen Sinne als Agora beschwören und dass die VermittlerInnen das Potenzial der Institution Museum als – auch gesellschaftlich-sozialem – Lern- und Erfahrungsort gestärkt wissen möchten. Allen vorgestellten BefürworterInnen ist gemein, dass sie gelungene Partizipation in erster Linie als kooperative Praxis denken, die auf Konsens, gegenseitiger Anerkennung und auf gegenseitiger Verantwortungsübernahme beruht.

IV.3 Positionen II: Befürwortung unter bestimmten Bedingungen

IV.3.1 „... WANN [...] P ARTIZIPATION VIELLEICHT 1 DOCH S INN MACHEN KÖNNTE “ Die Kunstkritikerin und Kuratorin Stella Rollig wie auch der Kunsthistoriker und Kurator Christian Kravagna befürworten nur eine bestimmte Partizipationspraxis. Um ihre Standpunkte zu markieren, nehmen sie definitorische Eingrenzungen vor, die sie vor allem auf eine intensive Auseinandersetzung mit der Geschichte partizipativer Kunstpraktiken bzw. partizipativer Kunstprojekte im 20. Jahrhundert stützen. So zeichnet Stella Rollig eine künstlerische Tradition der Einbeziehung des Publikums, angefangen bei Strömungen „prä-partizipatorische[r] Kunst“ (Rollig 2002: 134)2 Anfang des 20. Jahrhunderts, über die Dynamisierung emanzipativer Partizipationsprojekte von KünstlerInnen in den 1960er Jahren unter der Parole „Giving a Voice“ (ebd. 137),3 bis hin zum „Leitmotiv der lokalen Intervention“

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Sturm 2002a: 17. Christian Kravagna unterscheidet ebenfalls verschiedene Entwicklungsphasen partizipatorischer Kunst und bedient sich als Bezeichnung für die Vorphase des Begriffs „protopartizipatorisch“ (vgl. Kravagna 1998: 31). Auf Deutsch: „(jemandem) eine Stimme geben“. Gemeint sind damit Projekte, die sich an marginalisierte oder benachteiligte Gruppen wenden, deren Positionen bisher (in der Kunst/Gesellschaft/dem Museum etc.) kein ‚Gehör‘ gefunden haben – also nicht repräsentiert sind und damit auch nicht im Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit. Projekte unter der Prämisse des ‚Stimme-Gebens‘ sind demnach darauf hin ausgelegt, solchen Menschen dazu zu verhelfen, eigene Ideen/Gedanken/Standpunkte etc. zu formulieren (und im Falle von Kunstprojekten einen künstlerischen Ausdruck dafür zu finden). Es geht also darum, Menschen zu befähigen, sich ihrer eigenen Wünsche und Bedürfnisse oder ihrer Kritik etc. bewusst zu werden, diese artikulieren zu können und im Rahmen gesellschaftlich anerkannter ‚Kommunikationsmedien‘ (wie etwa der Kunst oder dem Museum) öffentlich zu machen – also letztlich um Emanzipation und Selbstermächtigung der Betroffenen sowie deren Zugang zu bzw. Teilhabe an Kultur und Gesellschaft (vgl. dazu auch Richard Sandells Idee eines „inclusive museum“, dessen Eckpfeiler zur sozia-

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(dies. 1998: 20) und der „re-politisierte[n] Kunst“ (dies. 2002: 138) der 1990er Jahre nach. Dabei grenzt sie den Partizipationsbegriff von Agitation und Animation ab, die jeweils vorab formulierten Zielen folgten, während Partizipation „[...] nichts anderes benennt, als dass irgendjemand an irgendeinem Prozess, einer Handlung, einem Geschäft, aber auch einem Gewinn oder Verlust im ökonomischen Sinn beteiligt ist/wird.“ (Ebd. 135). Christian Kravagna grenzt wiederum Partizipation vom Prinzip des kollektiven Handelns sowie von Interaktivität ab: Während kollektive Praxis die Zusammenarbeit mehrerer, untereinander gleichberechtigter und gleicher PartnerInnen meine, gehe Partizipation dagegen von einer hierarchischen und/oder strukturellen Differenz der (potenziell) Beteiligten aus. Jedoch ziele Partizipation darauf, jene noch passiven PartnerInnen zu aktivieren und umfassend zu beteiligen, d.h. auch Formen von Beteiligung zuzulassen, die ein Werk grundlegend und dauerhaft in seiner Struktur veränderten. In dieser Hinsicht gehe Partizipation auch über Interaktivität hinaus, da interaktive Angebote lediglich Reaktionen in einem zuvor festgelegtem Spektrum zuließen, die ein Werk in seiner Erscheinung in der Regel nur „momentan, revidierbar und wiederholbar“ veränderten (vgl. Kravagna 1998: 30). Ein weiterer Unterschied zwischen Partizipation und Interaktion sei zudem, dass sich Interaktionsangebote meist an Individuen richteten, Partizipationsangebote in der Regel jedoch auf Gruppensituationen zielten (vgl. ebd.). Was die Beweggründe und Motivationen für Partizipation im Kunstfeld betrifft, so ist für Rollig klar, dass partizipative Projekte stets aus einer Unzufriedenheit der KünstlerInnen mit dem Status quo heraus entsprängen; ebenso richte sich deren Charakter sowie das Ausmaß an Selbstbestimmung danach aus, worauf sich diese Unzufriedenheit beziehe (vgl. Rollig 2002: 135). In ihrer (angestrebten oder tatsächlichen) Wirkungsweise unterscheidet Rollig zwischen solchen Partizipationspraxen, die „im Sinn einer Zuwendung soziales Kapital (Wissen, Fähigkeiten) an wirklich oder vermeintlich Unterprivilegierte verteilen“ und solchen, die in einem „entertainment-orientierten Club-Med-Stil“ lediglich animieren wollten (Rollig 2002: 135).4 Ersteres ist jene Partizipationsform, die Rollig befürwortet. Umso stärker kritisiert sie daher den Umstand, dass die seit den 1990er Jahren steigende Konjunktur von Partizipation genau jenen, von ihr abgelehnten, (vermeintlich oder tatsächlich) inhaltsleeren ‚Mitmach-Angeboten‘ rein zu Unterhaltungszwecken Vorschub leiste. Als Grund führt sie an, dass jedwede Form der Beteiligung (egal ob sinnentleert oder sinnvoll) in der momentanen Phase der Hochkonjunktur von Partizipation zum stärksten Legitimationsargument für Kunst aufsteige – was bedeute, dass auch der Förderkatalog der Politik und von privaten

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len Inklusion „access“, „representation“ und „participation“ darstellen, z.B. Sandell & Nightingale 2014: 98). Feldhoff (2009: 63) kritisiert dies als verkürzte, allzu subjektiv wertende Dichotomie und hält Rollig in dieser Hinsicht für parteiisch.

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Stiftungen einseitig daran orientiert werde. Partizipation laufe dadurch Gefahr, von politisch Verantwortlichen als „Trostpflaster oder kurzfristiges Ablenkungsmanöver“ (Rollig 1998: 20) missbraucht zu werden, um die Sozialpolitik zu entlasten bzw. von diskriminierenden und marginalisierenden Verhältnissen abzulenken. Subventioniert und vorangetrieben würden in diesem Zuge „[...] natürlich in erster Linie Unterhaltungs-Projekte [...], die Lebendigkeit und Kommunikation suggerieren, die Antworten bereithalten, ohne je eine Frage formuliert zu haben“ (Rollig & Sturm 2002b: 22). – Dies macht deutlich, wie sehr Stella Rollig Partizipation allein um der Partizipation willen bzw. Beteiligung um jeden Preis ablehnt. Ihr geht es um partizipative Praxen, die herausfordern und verändern wollen, die darauf abzielen, verkrustete institutionelle Grenzen zu sprengen und tatsächlicher sozialer und politischer Veränderung Vorschub leisten. Genauso befürwortet auch Kravagna nicht bedingungslos jede Form von Partizipation. Er wendet sich ebenfalls gegen solche Beteiligungspraxen, die lediglich aus dem modischen Trend der „Arbeit mit anderen“ (Kravagna 1998: 30) entsprängen und keine tiefere Reflexion anstoßen wollten. Des Weiteren kritisiert er ausbeuterische Partizipationsmodelle, die keine echte Wechselseitigkeit anstreben (vgl. ebd.). Unter diesen Prämissen geht Kravagna auf jene Partizipationsmodelle in der Kunstpraxis genauer ein, die im Gegensatz dazu reflexiv ausgerichtet, institutionskritisch und/oder sozial motiviert seien – sprich: die auf Veränderung zielten. Auch wenn er selbst hier manche Überzeugungsgrundlagen oder praktische Ausformungen für kritikwürdig hält, kann er diese Strömungen partizipativer Praxen tendenziell befürworteten. Ihrem jeweiligen Impetus gemäß, klassifiziert er diese wie folgt: „Je nach ideologischer Grundlage verbinden sich mit Partizipation als Programm unterschiedliche Ansprüche auf Veränderung: revolutionäre (Aufhebung der Kunst in Lebenspraxis), reformatorische (Demokratisierung der Kunst) oder, von geringerem politischen Gehalt, spielerische und/oder didaktische, wahrnehmungs- und bewusstseinsverändernde Ansprüche.“ (Kravagna 1998: 31)

Bei aller Unterschiedlichkeit dieser Richtungen veranschaulichen deren Gemeinsamkeiten nochmals deutlich, unter welchen Vorzeichen Kravagna Partizipation unterstützen kann: Alle diese Formen zeichnen sich durch einen institutionskritischen Hintergrund aus und setzen der existierenden exklusiven und exkludierenden Institution Kunst „‚einschließende‘ Praktiken“ (ebd. 45) entgegen; auch stellt die Beteiligung selbst immer ein konstitutives inhaltliches, methodisches und ästhetisches Element dar (auch wenn sich die damit verbundenen Vorstellungen von Gemeinschaft vielleicht unterscheiden mögen). Während Kravagna nicht explizit thematisiert, ob er bestimmte Strategien ausmachen kann, wie sich solche anspruchsvollen und institutionskritischen Partizipationsprojekte erfolgreich im Kunst- und Kulturbetrieb implementieren lassen, wird

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Rollig deutlich: Damit KünstlerInnen nicht zu Marionetten der Auftraggebenden schrumpften und zu bloßen „Sozialanimateure[n]“ (Rollig 1998: 20) würden, liegt für sie (und Eva Sturm) der Schluss nahe, „[...] daß man [gemeint sind damit partizipativ arbeitende KünstlerInnen; Anm. A.P.] dem Kunstbetrieb vielleicht zumindest temporär den Rücken kehren muß, um andere, subversive Begriffe, Strategien und Arbeitsweisen zu entwickeln.“ (Rollig & Sturm 2002b: 23)5

Rollig artikuliert hier, was von vielen TheoretikerInnen wie AkteurInnen – gerade im Kunstsektor – angemahnt wird. Diese Kritik am ‚System‘ bzw. der ‚Institution Kunst‘/‚Museum‘ reicht jedoch auch über den Kunstsektor hinaus. So konstatiert beispielsweise Lola Young – damals Leiterin des Bereichs Kultur bei der Greater London Authority: „[T]here is an argument that says that there are many who wish to remain ‚excluded‘ because they do not wish to be a part of a system that promotes inequality and injustice throughout its structures.“ (Young 2002: 204). Kritisiert wird also das System selbst, das strukturell bedingt Ungleichheit und Ungerechtigkeit immer weiter perpetuiere; wer also (z.B. als KünstlerIn) innerhalb dieses Systems agiere, bestätige dieses damit (implizit oder explizit), weil Agieren im System nur in Anerkennung der ‚Spielregeln‘ desselben erfolgen könne. Um echte Systemkritik zu betreiben, erscheint es daher notwendig, sich aus dem ‚ungerechten‘ System zu verabschieden und ganz bewusst – als aktive Verweigerung und deutliches Statement – in den off-space6 auszuweichen. Die Kunstvermittlerin und Theoretikerin Eva Sturm setzt in ihrer kritischen Analyse von Partizipation (ebenfalls bezogen auf Vermittlungskunst und giving a voiceProjekte, jedoch durchaus auf andere Bereiche übertragbar) an einem anderen Punkt als Rollig und Kravagna an: Sie beschäftigt sich eingehend mit der allgemeinen Auffassung, dass partizipative Kunstprojekte als „Technik zur Subjektwerdung“ (S.-Sturm 2000: 171) gelten, d.h. grundsätzlich emanzipatorisches Potenzial und die Chance für die Beteiligten bergen, sich selbst gewahr zu werden. Sie stimmt dieser Ansicht zwar grundsätzlich zu, betont aber, dass die Selbstsetzung, also die (in welcher Form auch immer) getätigte persönliche Artikulation der Beteiligten, nicht zwangsläufig zur Selbstwerdung, also zu Selbstermächtigung oder Empowerment, führe. Vielmehr könne die Faszination an der Aussicht auf öffentliche Äußerung 5

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Diese Auffassung teilt auch Gerald Raunig (2007: 66), der der Meinung ist, dass die bisherige künstlerische Institutionskritik inzwischen an ihre Grenzen stoße, unter anderem deshalb, weil die Formen künstlerischer Institutionskritik der 1960er bis 1990er Jahre inzwischen weitestgehend kanonisiert seien und „in Kunstkritik, -markt und -geschichte stratifiziert, jeder Transversalität oder Extradisziplinarität entledigt“ seien. Hiermit sind Räume gemeint, die von KünstlerInnen oder KulturproduzentInnen in Eigenenergie betrieben werden und i.d.R. weniger an Vermarktung bzw. Kommerzialisierung ihrer Produkte, sondern stärker an den Inhalten als solchen interessiert sind (vgl. Wieder 2007: 415).

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und Selbstsetzung die Teilnehmenden – die ja i.d.R. noch nicht über ausreichend „diskursive Kompetenz“ (ebd. 179) verfügten7 – mehr blenden als erhellen. Somit bleibe von diesen unbeachtet bzw. unerkannt, dass sowohl der/die Projektleitende immer auch im eigenen Interesse handele als auch die Institution, die damit eventuell Ziele der Abgrenzung und Verschleierung verfolge, frei nach dem Motto: „Man lasse die Leute reden und dann haben sie es gesagt, sich als Ursprünge ihrer powervollen Rede eingeschrieben. Fortan werden sie von der Hoffnung beruhigt, daß sich tatsächlich etwas ändern wird.“ (Ebd.). Sturm bezeichnet diese generelle Problematik von emanzipatorisch ausgerichteten Partizipationsprojekten als den „empower-Fleck“. Sie schreibt: „Was ich kritisiere, ist jener blinde Fleck, welchen ich den empower-Fleck nenne. Das Sichtbarwerden im diskursiven Feld allein garantiert die ‚Stärkung‘ noch nicht, sondern kann – im Gegenteil [...] – instrumentalisiert werden. Real sich artikulierende Personen verdecken die tatsächlichen Machtstrukturen, statt diese zu subvertieren.“ (Ebd. 182)

Ein weiterer Aspekt, den Sturm im Zusammenhang mit Beteiligungsprojekten kritisiert, ist die landläufige Auffassung, dass mit der Selbstäußerung von Individuen so etwas wie Authentizität und Ursprünglichkeit eingefangen und dingfest gemacht werden könne; für diesen „Mythos von der Unvermitteltheit und der Ursprünglichkeit“ (Sturm 2001: o.S.) seien gerade Partizipationsprojekte anfällig. Sturm konstatiert, dass es keine souveränen Subjekte in dem Sinne gäbe: Jede/r Einzelne existiere und manifestiere sich letztlich in Abhängigkeit zu anderen, sodass jedes Subjekt „immer auch Zitierendes“ (S.-Sturm 2000: 175) sei und jede Selbstäußerung als „[...] potenziell entwickelte[s] Eigene[s] [...] viel mit Blindheit, mit Nicht-SehenKönnen zu tun hat“ (S.-Sturm 2000: 172). Unter diesem Blickwinkel betrachtet sei Repräsentation – und darum gehe es bei Partizipation im Zeichen von giving a voice – immer nur Konstruktion, und jede Form der (Selbst-)Darstellung komme einem „diskursive[n] Gewalt-Akt“ (ebd. 188) gleich. Da die festgestellte Nichtsouveränität von Subjekten auch bedeute, dass jede/r Einzelne letztlich keine Kontrolle über sich selbst habe und somit potenziell subversive Züge8 trage, kämen Beteiligungsprojekte stets einem „Balance-Akt zwischen Kontrolle und Kontrollverlust“ (ebd. 173) gleich, der nichts mit der romantischen und freundlich vorgestellten Geste der Einladung zum Sprechen zu tun habe. Eigentlich wäre hier der Punkt erreicht, an dem man die Idee, partizipativ arbeiten zu wollen, verwerfen müsste; Sturm plädiert jedoch für Partizipation trotz7

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Sturm bezieht sich insbesondere auf die Arbeit mit marginalisierten Gruppen, die zu den sogenannten bildungsfernen und/oder sozial schwachen Bevölkerungsschichten gehören. Hier scheint der bereits beschriebene pädagogische Blickwinkel auf, der von einem wie auch immer gearteten Defizit auf Seiten der Teilnehmenden ausgeht. Denn das aus Machtkonstellationen hervorgehende Subjekt sei „nicht eines“ sondern ein „Gespaltenes, Disloziertes, sich selbst immer radikal Anderes“ (Sturm 2002b: 27).

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dem (vgl. Sturm 2002a: 17),9 und zwar unter der Prämisse, dass jenes oben genannte Dilemma zum Thema gemacht und mitreflektiert werde: „Genau an dieser Stelle, in diesem Entwickeln, ‚Überprüfen‘, Reflektieren, Wahrnehmbarmachen ‚eigener‘ Repräsentations- und Artikulationsformen [...] sehe ich einen Weg Richtung Trotzdem. [...] Reflexion meint unweigerlich auch ein Nachdenken darüber, welche Rolle der/die jeweils Nachdenkende in diesem Spiel einnimmt. […] Wenn Partizipationsprojekte als Kunst- oder kunstnahe Projekte auf die eine oder andere Weise Handlungen, Denkweisen, Selbstverständliches mitausstellen und die Ereignisse dadurch ebenfalls zur Debatte stellen [...], dann ist schon mehr passiert, als man in jeglicher Bildungsarbeit zu wünschen wagt. Dann hat vielleicht tatsächlich Deterritorialisierung und Decodierung stattgefunden, wie es Deleuze/Guattari Kunst als Möglichkeitsqualität unterstellen. [...] Die Devise von künstlerischen Partizipationsprojekten müßte daher lauten: nicht naiv, sondern trotzdem handeln. Denn gehandelt wird werden, so oder so. Das Feld, auf dem wir ackern [,] wird nicht nur von uns bestellt. Dann lieber reflektiert, kritisch, analytisch, respektvoll, die eigenen Unzulänglichkeiten einkalkulierend und immer wieder sich selbst ethisch befragend.“ (Sturm 2002a: 17)

Hier zeigt sich also, dass es für Sturm angesichts der berechtigten Einwände, Paradoxien und Dilemmata, die Partizipation mit sich bringt, dennoch keine Option ist, diese Praxis vollkommen abzulehnen, weil man damit das Feld den ‚Scharlatanen‘ überlasse. Daher setzt sie sich ein für eine kritisch-reflexive und äußerst transparente Partizipationspraxis, die weder sich selbst, Teilnehmenden noch Institution bzw. Auftraggebenden etwas vorgaukelt (etwa durch überzogene Versprechungen oder durch Verschleierung der angesprochenen Kritikpunkte). Partizipation wird so für alle Beteiligten eine bisweilen mühsame, auch unangenehme und desillusionierende Praxis, die jedoch gerade deshalb kritisches Bewusstsein und Selbstreflexivität stärken kann – und somit vielleicht doch das ihrige zu einer möglichen „Selbstwerdung“ oder System-Transformation beitragen kann. Die Künstlerin, Kunstvermittlerin und Vermittlungsforscherin Carmen Mörsch hat eine ähnliche Stoßrichtung wie Eva Sturm. Insbesondere der eben im Zitat angeklungene letzte Punkt ist auch für Mörsch ein entscheidendes Thema bzw. Anliegen: Sie betrachtet Partizipation (ebenfalls im Bereich der Bildenden Kunst) aus Sicht der Vermittlung und plädiert für eine (selbst-)kritische und transformative Praxis (vgl. Mörsch 2006b: 32): Da Kunstvermittlung eine Zwischenposition zwischen Affirmation und Kritik, zwischen Institution und Öffentlichkeit bzw. Publikum einnehme, sei diese eher als alle anderen Museumsprofessionen zu einer kritischen, machtsensiblen Analyse und zu Veränderung der gängigen Praxis fähig (vgl. ebd. 30). Für Mörsch markiert also gerade die angesprochene Zwischenposition das Potenzial von Vermittlung: KunstvermittlerInnen fühlten sich einerseits der Institution verbunden, sie liebten Museen, sie könnten sich aber andererseits aufgrund ih9

Eine gekürzte und überarbeitete Version des Textes von 2002 findet sich ebenfalls unter dem Titel Kunst und Partizipation. Anfänge/ Einwände/ Trotzdem in: NGBK (2009).

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rer „Komplizenschaft mit denen, die ‚draußen‘ sind“ (ebd.) nicht völlig mit der Institution identifizieren. Somit seien sie „[...] dazu gezwungen, ihre eigenen Interessen und blinden Flecken wie die der anderen ständig zu reflektieren und zueinander in Beziehung zu setzen. Ihre Position oszilliert zwischen ‚drinnen‘ und ‚draußen‘. Von dort aus lässt sich besser als von jeder anderen Stelle eine kritische Lektüre leisten.“ (Ebd.)

Ebenso wie Sturm kritisiert Mörsch an der momentanen Partizipationspraxis, dass diese nach wie vor überwiegend hegemonial basiert sei und das bestehende Machtungleichgewicht des Museums aufrecht erhalte. Im dabei (implizit) stattfindenden Tauschgeschäft um Anerkennung und soziales, kulturelles und symbolisches Kapital sieht sie die PartizipientInnen hinter der Institution immer dann zurückstecken, sobald es um „Partizipation im Sinne einer Mitbestimmung über Ressourcen“ (Mörsch 2011: 15) gehe, also grundlegende Bereiche des So-Seins der Institution Museum betreffe.10 Damit weist Mörsch auf einen Punkt hin, den Museen in Sachen Partizipation eher selten thematisieren, nämlich dass sie durchaus deutlich von Partizipation profitieren können, also eigentlich einen guten ‚Tausch‘ machen: So würden PartizipientInnen für Museen (i.d.R. kostenlos) neues kulturelles Kapital generieren, etwa indem sie zu neuen Kunst-/Kulturproduktionen beitrügen oder – besonders, wenn es sich um gesellschaftlich benachteiligte TeilnehmerInnen handele – dem Museum zu einer positiven, sozial engagierten Außendarstellung verhelfen. Ginge es dann aber im Gegenzug darum, den Teilnehmenden wirklich Zugang zum ‚System Museum‘ zu gewähren, blockten die Museen ab. Die solchermaßen bloß illusionierte, jedoch nicht tatsächlich praktizierte Zugehörigkeit der PartizipientInnen ist für Mörsch ein ethisches Problem: „Solange sich Museen nicht [...] als Partnerinnen bei der Umverteilung von Macht verstehen, stellt sich daher die Frage nach der ethischen Dimension ihrer Partizipationsbemühungen. Was bedeutet es, Leuten die Illusion zu vermitteln, dazuzugehören und sich gleichzeitig die Entscheidung vorzubehalten, wie weit das Dazugehören geht?“ (Ebd. 15 f.) 10 Vgl. dazu Manfred Drennings Aussagen bezüglich sozialem Tausch und Macht bzw. Ausbeutung: „Auch Ausbeutung beruht auf Austausch, aber dieser Austausch ist ungleich. Und diese Ungleichheit ist am effizientesten dann abgesichert, wenn sie nicht nur in Verhaltenserwartungen und eingespielten Verhaltensmustern verankert wird, sondern in einem intersubjektiv geteilten Universum der Weltanschauung – das freilich in diesem Fall nur durch ein auf bewusste Täuschung zurückzuführendes falsches Bewusstsein hergestellt wird. Tausch ist die Basis, aber Täuschung ist die Praxis. [...] Macht kann auf Gewalt beruhen, auf Ressourcen [...], aber eben auch auf kulturellen Normen und Werten, die bestimmte Tauschverhältnisse legitimieren. Der Erfolg ist bei dem Machthaber, dem es gelingt, die von ihm geschaffene Beziehung von Leistung und Gegenleistung dem Bewusstsein der Betroffenen als gerecht [...] zu verkaufen. Wem das gelingt, der hat Macht. [...] Wer die Definitionsmacht für die Bewertung sozialer Beziehungen hat, entscheidet damit auch über gesellschaftliche Tauschwerte.“ (Drennig 2008: 236-238).

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An Dringlichkeit gewinne diese Problematik, sobald den Teilnehmenden ein bürgerlicher Bildungshintergrund und das Wissen um die musealen „Kapitalsorten“ (ebd. 16) fehle – aber auch dann, wenn Museen postulierten, ein Ort für alle zu sein, weil dies erschwere, Ungleichheiten explizit zu benennen (vgl. ebd.). In letzter Konsequenz fordert Mörsch von Institution und Vermittlung eine deutliche „Parteinahme“ (ebd.) für die Teilnehmenden in der Form, dass eigene Privilegien kritisch reflektiert sowie offengelegt werden, um diese dann aktiv in den „Dienst der Zusammenarbeit“ (ebd.) und den der „Umverteilung von Macht“ (ebd. 15) zu stellen: „Partizipation im Museum bedeutet auf Seiten der Institution letztendlich Parteinahme für diejenigen, die es zur Arbeit an der Steigerung seines Mehrwertes aufruft.“ (Ebd. 15 f.). Dass eine solchermaßen verstandene partizipative Praxis transformative11 Konsequenzen für die Institution Museum und für die (Kunst-)Vermittlung als professionelle, zeitgemäße12 Praxis haben wird, ist genau das, worum es Mörsch im Kern geht (vgl. Mörsch 2011: 16 u. dies. 2006a: 218 f.). Ihr Ziel ist es, neue Taktiken zu entwickeln, um die „Routinen des eigenen Arbeitsfeldes zu durchbrechen“ (Mörsch 2006b: 25). So plädiert sie etwa unter Verweis auf den Philosophen Michel Serres und dessen Begriff der Soft Logistics für ebensolche „weichen Logiken“ in der Kunstvermittlung: „Mit dem Begriff der ‚weichen Logiken‘ kritisiert er [Serres; Anm. A.P.] das cartesianische Modell des Denkens. Er wendet sich gegen ‚harte Logiken‘, die sich über die Vereindeutigung von Grenzverläufen und die Festschreibung von Kategorien artikulieren.“ (Mörsch 2006b: 23)

Für Mörsch bedeutet dies auf das Kunstfeld bezogen, „[...] keine klare Trennung zwischen den zum Feld gehörenden und nicht zugehörigen (einund ausgeschlossenen) Diskursen, Produktionen und Subjekten zu etablieren, sondern andere Kategorien von Genauigkeit zu entwickeln. Eine Strategie einer solchen anderen Genauigkeit bestünde darin, bisher draußen Gebliebenen die Möglichkeit zu geben, die Institution Kunst und die Kunstinstitutionen im eigenen Interesse zu nutzen – in einer Weise, die noch nicht als Gebrauchsvorschrift in sie eingeschrieben ist und trotzdem nicht als Missbrauch markiert wird. Von diesen Gebrauchsweisen könnten dann wiederum Kunst und Kunstinstitutionen im Sinne einer bereichernden Ausdifferenzierung ihrer Funktionen profitieren. Diese Vorstellung bedeutet [...] auch eine Absage an ein hegemoniales Verständnis von Kunstvermittlung als

11 Zum Begriff der Transformation als (vermittlerische) Leitlinie musealer Praxis in Abgrenzung zu Affirmation, Reproduktion und Dekonstruktion siehe insbesondere Mörsch 2009a u. 2009b. 12 „Mit ‚zeitgemäß‘ meine ich eine Kunstvermittlung, die sich weniger als Marketingstrategie, sondern als in Kunstmuseen und Ausstellungsinstitutionen angesiedeltes, eigenständiges Arbeitsfeld zwischen Theoriebildung und Praxis definiert. Sie entwickelt sich in kritischer Reflexion ihrer selbst und der historischen und gegenwärtigen Diskussion um Kunst, Öffentlichkeit, Partizipation und Lernen.“ (Mörsch 2012: 299).

128 | M USEUM UND P ARTIZIPATION einseitig ausgerichtetes Bildungsgeschehen zugunsten eines Geschäfts auf Gegenseitigkeit. Die Positionen von Lehrenden und Lernenden beginnen zu oszillieren.“ (Ebd. 24)

Mörsch plädiert also für einen „pragmatisch-solidarischen“ (Mörsch 2006a: 218) Umgang mit ‚Außenstehenden‘, bei dem nicht von einer Opposition zwischen Institution und (potenziell) Teilnehmenden ausgegangen wird, sondern sich beide Seiten immer auch als Lernende begreifen. Die darin implizierte Offenheit beinhaltet zugleich eine positive und befürwortende Haltung gegenüber eingebrachten neuen Les- und Spielarten, die das museale Gefüge dekonstruieren,13 d.h. analysieren, (macht-)kritisch hinterfragen, kreativ verändern und damit auf kurz oder lang Neues schaffen. Partizipative Projekte in einem solchen Modus hätten das Potenzial, einen dritten Raum, einen Zwischenraum zu generieren, in dem die dem kulturellen Feld eingeschriebenen Binarismen (die ja u.a. die kritisierten Machtdifferenzen zementieren) außer Kraft gesetzt würden (vgl. Mörsch 2006a: 214 ff.). Gelingende Vermittlungs- und Partizipationsprojekte sind für Mörsch demnach „im Zwischenraum von Pragmatismus und Dekonstruktion“ (ebd. 201)14 angesiedelt. Eine wichtige Position in der englischsprachigen Partizipationsforschung (vornehmlich in Großbritannien) nimmt Bernadette Lynch ein, die als freie Museumstheoretikerin, -praktikerin und -beraterin arbeitet und die u.a. eine wichtige Partizipationsstudie (wenn nicht gar die bisher einzige ‚echte‘ Studie zu diesem Thema) durchgeführt hat.15 Mit Hilfe dieser Studie ist deutlich geworden, dass die britischen Museen und Galerien – obwohl Partizipationsprogramme vor allem mit dem Ziel der sozialen Inklusion ausgeschlossener Bevölkerungsschichten von der Politik seit längerem massiv vorangetrieben wurden – nach wie vor keine ‚echte‘ Partizipation implementiert hätten, da diese Projekte lediglich eine „illusion of creative partici13 Dekonstruktion ist für Mörsch eine „kritisch[e] Lesung des Museumstextes aus der Innenperspektive; durch die wiederum neue Texte entstehen“ (Mörsch 2006a: 223/4). Mörsch bezieht sich damit explizit auf ein Verfahren von Jaques Derrida (vgl. dies. 2006b: 24f.). Zu Zielen und Verfahrensweisen siehe Mörsch 2009a u. 2009b. 14 Vgl. auch Mörsch 2006b: 23. Begrifflich und inhaltlich nimmt Mörsch Bezug auf einen Textband mit dem Titel Dekonstruktion und Pragmatismus: Demokratie, Wahrheit und Vernunft, hrsg. v. Chantal Mouffe, Wien 1999 (vgl. Mörsch 2006a: 220-222). 15 Auftraggeber der Studie war die Paul Hamlyn Fondation mit Sitz in London. Unter Lynchs Leitung evaluierten MuseumsmitarbeiterInnen und Community-Mitglieder ihre gemeinsamen partizipativen Kurzzeitprojekte, die in zwölf verschieden große Museen und Galerien in ganz Großbritannien stattgefunden hatten, namentlich: Belfast Exposed, Bristol Museums, Museum of East Anglian Life, Glasgow Museums (Open Museum Service), Hackney Museum London, Lightbox Surrey, Museum of London, National Museums Wales, Manchester Museum, Ryedale Folk Museum, Yorkshire, Tyne & Wear Archives & Museums (Laing Gallery and Discovery Museum) sowie Wolverhampton Arts and Heritage Service. Die Studienergebnisse wurden in einem Abschlussbericht veröffentlicht (vgl. Lynch 2011c) und flossen in weitere Publikationen von B. Lynch ein (z.B. Lynch 2011b u. dies. 2013).

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pation“ (Lynch 2011b: 451) bzw. „empowerment-lite“ (dies. 2011c: 11)16 beförderten, d.h. eine ‚Light‘- oder ‚Sparversion‘ von Beteiligungsprozessen darstellten, die weit davon entfernt seien, Teilnehmende wirklich in entscheidende Fragestellungen einzubinden oder Raum für echte Diskussionen zu geben, so Lynchs Ergebnis. Diese Feststellung offenbart zugleich, wie Lynch Partizipation versteht, nämlich als museumsbezogene Praxis mit in letzter Konsequenz (gesellschafts-)politischer Dimension im Sinne einer Befähigung der TeilnehmerInnen zur Wahrnehmung ihrer Rolle als aktive (Staats-)BürgerInnen, indem sie durch die Museumsmitarbeit u.a. zu kritischem Denken, zur selbstbewussten Meinungsäußerung und zur Teilnahme am kulturellen und gesellschaftlich-sozialen Leben befähigt werden:17 „A substantive form of democratic engagement experienced through participation in museums is […] one in which people might begin to exercise their political agency as citizens, and might include processes of mobilisation and local cultural and social activism.“ (Lynch 2011b: 455)

Lynch betont des Weiteren, dass die kollaborativen Projekte, neben dem Potenzial der Selbstermächtigung und der (sozialen) Inklusion, auch für das Museumswesen selbst unerlässlich seien als möglicherweise „the only way [...] museums and galleries can take a clear look at their own practices“ (ebd. 454). Das heißt im Klartext: Nur mithilfe der Außensicht, die die Community einbringe, könne es gelingen, die eigenen ‚blinden Flecken‘ zu erkunden und dadurch erst einen Wandel der Institution Museum einzuläuten, den Lynch für dringend nötig erachtet (vgl. Lynch 2011b: 454 u. dies. 2001: 2). Denn nach wie vor reproduzierten Museen mit den bisherigen, unreflektierten Inklusionsprogrammen lediglich neue, subtile Barrieren und verfestigten damit den Habitus der KuratorInnen in ihrer autoritativen Rolle als gatekeeper (vgl. Lynch 2001: 10) sowie die traditionell bestehenden Hegemonien und überkommenen Rollenbilder zwischen dem Museum als aktivem ‚Wohltäter‘ und der Community als passivem und ‚bedürftigem‘ Empfänger, dem stillschweigend ein ‚Defizit‘ unterstellt werde (vgl. Lynch 2011b: 446 f. u. dies. 2011c: 20). Lynch fordert daher, das Museum zu einem Forum zu machen, in dem gemeinsam mit der (ortsansässigen) Bevölkerung die Grundidee des Museums hinterfragt und neu gedacht werden könne: „[...] the museum must become a forum for working with communities to attempt to re-think the museum idea itself“ (Lynch 2001: 9). Weiter stellt sie klar, dass ernst gemeinte und ‚echte‘ soziale Inklusion (und in die16 Lynch bedient sich hier eines Ausdrucks der Entwicklungshilfeexpertin Andrea Cornwall, vgl. Cornwall 2008: 73 zit. n. Lynch 2011c: 11. 17 An anderer Stelle zitiert Lynch Andrea Cornwall, um die von ihr erhoffte gesellschaftspolitische Strahlkraft von Partizipation genauer zu beschreiben: Museen und Galerien würden zu einem „[…] space for creating citizenship, where in learning to participate, citizens can cut their teeth and acquire new skills that can be transferred to other spheres – whether those of formal politics or neighbourhood action“ (Cornwall & Coelho 2007: 8. zit. n. Lynch 2011c: 19).

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sem Sinne auch ‚echte‘ Partizipationsangebote) kritische Fragen zulassen müsse, selbst wenn sie damit das bisherige ‚System Museum‘ herausforderten: „Real social inclusion allows for questions to be asked that inevitably challenge the museum orthodoxy, at the very least through the introduction of new cultural perspectives.“ (Lynch 2001: 8)

Damit spielt Lynch auf einen weiteren zentralen Punkt ihres Partizipationsverständnisses und ihrer Sicht von ‚gelungener‘ Partizipation an, nämlich den Aspekt, dass offen artikulierte Infragestellung der Position des Gegenübers, Meinungsverschiedenheiten und Konflikte das Wesen demokratischer Prozesse – also auch von musealer Partizipation – ausmachten und daher ausgehalten werden müssten (vgl. Lynch 2011b: 453).18 Anstatt, wie bisher, Konflikten in Partizipationssituationen aus dem Weg zu gehen (Lynch übernimmt dafür den Begriff des „false consensus“ – also der fälschlichen, nur scheinbaren Übereinstimmung bzw. Einigung – des Entwicklungspolitologen John Gaventa19) und somit in der eigenen „comfort zone“ (Lynch 2011a: 160) zu verbleiben, müssten Museen den Schritt hin gewissermaßen zur ‚conflict zone‘20 wagen (vgl. Lynch 2011a: 154 ff. u. dies. 2011b: 453). Hierbei beruft sie sich u.a. auf die beiden PolitikwissenschaftlerInnen Chantal Mouffe und Ernesto Laclau,21 die es ablehnten, Konflikte als per se destruktiv abzustempeln, weil diese schlicht Bestandteil jeglicher zwischenmenschlicher Kontakte sowie Kennzeichen jeder echten Demokratie seien – weshalb Konflikte die politische Dimension einer Situation bzw. Begegnung erst verdeutlichten. Konflikte zuzulassen sei daher oftmals gewinnbringender als die Strategie des Konsenses, der bestehende Differenzen möglicherweise nur unterdrücke und damit weiterhin die sozialen Beziehungen mehr belaste als verbessere (vgl. Lynch 2011a: 154 f.). Für Lynch liegt der Schlüssel für nachhaltige Partizipation, die Vertrauen auf beiden Seiten schaffe, darin, sich als „friendly enemies“ (ebd. 155) zu verstehen, d.h. einen Mittelweg zu wählen, der Partizipation weder als konsenserzwingendes Patronatsverhältnis missdeutet noch als ausweglos verfahrene Konfliktsituation 18 Der gleichen Meinung ist auch Gottfried Fliedl, allerdings distanzierte er sich im Interview bewusst vom Begriff des Forums, weil dieser für seine Vorstellung von einem repolitisierten Museum „zu harmlos“ (Fliedl; Piontek 2011n: 4) sei: „[G]enerell ist Konflikt und Streit bei uns aus schlechten historischen Gründen diskreditiert – im Museum ist das ja überhaupt ausgeschlossen. Und ‚Forum‘ hat so etwas von ‚Wir sitzen alle zusammen und reden ein bisschen‘, so à la Talkshow. Und das geht überhaupt nicht, denn es muss schon klar werden, dass es unterschiedliche Interessen gibt.“ (Ebd.). 19 Gaventa 1980 zit. n. Lynch 2011c: 11 (Lynch gibt S. 3 an, das Zitat findet sich jedoch auf S. 30). 20 Ich spiele mit dieser Wendung auf M. Miessen an, der die Implementierung von „Konfliktzonen“ fordert (Miessen 2007a: o.S.). 21 Mouffe 2005 u. Laclau 1996, beide zit. n. Lynch 2011a: 154. Für einen guten, knappen Überblick zu Chantal Mouffes Verständnis von Konflikt und Antagonismus vgl. Jaschke & Sternfeld 2015: 176-178.

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zwischen ‚Feinden‘; trotz der bestehenden Unterschiede teilten beide Seiten schließlich das Museum als gemeinschaftlichen symbolischen Raum, der eine befreiende Wirkung entfalte, indem in ihm die inhärenten Machtstrukturen offen thematisiert werden dürften (vgl. ebd.). Lynch betont, dass es ihr nicht darum gehe, den Ideen von Verantwortung, Gegenseitigkeit oder gar James Cliffords Ideal des Museums als Kontaktzone22 abzuschwören. Der Punkt sei vielmehr, die Dynamiken solcher Austauschprozesse zu verstehen und ihnen gegenüber aufmerksam zu bleiben. Es müsse bei Partizipationsprozessen darum gehen, eine (selbst-)reflexive Praxis zu etablieren und einen Raum zu schaffen, in dem Konflikte ihren Platz haben – und gerade aus diesem Grund Vertrauen schaffen. Denn das Ziel des demokratischen, partizipativen Museums sieht Lynch darin, ein radikales Vertrauen zu leben, bei dem das Museum das Resultat zwar letztlich nicht mehr kontrollieren und steuern könne – dafür aber wirklich die Rolle der Partizipierenden als eigenständige AkteurInnen gewährleiste und damit zu einem Begegnungsraum im politischen Sinne avanciere (ebd. 160): „The aim of the democratic, participatory museum must be to practise trust – a radical trust in which the museum cannot control the outcome. […] The task, therefore, is to create a reflective practice and an institutional space that allows for conflict, and, hence, builds trust. To engage with such a courageous museum would indeed be a privilege.“ (Ebd.)

IV.3.2 Z USAMMENSCHAU

UND

K ONTEXTUALISIERUNG

Die eben skizzierten Positionen zeigen sich allesamt von institutionskritischen, postkolonialen, poststrukturalistischen und zum Teil postmarxistischen Denkweisen beeinflusst. Dementsprechend befragen sie Partizipation aus einer äußerst machtkritischen Perspektive, die insbesondere Fragen nach (sozialer) Wirksamkeit, nach Repräsentation und (Fremd-)Zuschreibungen, nach Ein- und Ausschlüssen, nach Dekonstruktion und Transformation berühren. Eine Mehrzahl der Stimmen stammt aus kunstvermittlerischen bzw. kunstwissenschaftlichen oder künstlerischen Kreisen. Dies ist nicht untypisch, da, wie bereits erwähnt, die Beteiligung der RezipientInnen in der Kunst seit der Moderne und mit zunehmender Infragestellung der Autorschaft der KünstlerInnen zunächst auf gedanklicher Ebene23 und darauf aufbauend immer mehr in praktisch-tätiger Weise eine gewisse Tradition hat. In Verbindung mit sozialpolitisch engagierten und institutionskritischen Strömungen seit den 1970er Jahren kumulierte dies in den 1990er Jahren zu einer internationalen Strömung partizipativer Kunst, die inzwischen vor allem unter dem Namen New 22 Vgl. Clifford 1999: Kap. 7 Museums as Contact Zones. 23 Zur Frage, ob handelnde ‚Beteiligung‘ an einem Kunstwerk einer reflexiven bzw. imaginierten Aktion im Hinblick auf die ästhetische Erfahrung vorzuziehen sei, siehe Blunck 2005.

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Genre Public Art firmiert.24 Wesen und Ziel beschreibt die Namensgeberin dieser Richtung, Suzanne Lacy, wie folgt: „Das Konstrukt – New Genre Public Art – basierte nicht auf einer Typologie verschiedener Materialien, Räume oder Medien, sondern auf Konzepten von Öffentlichkeit, Beziehung, Kommunikation und politischer Intention. [...] New Genre Public Art [ist] ein Prozess des Erforschens und Suchens [...]. [...] Das Wesentliche dabei ist eine Neudefinition [von Kunst] [...]: nämlich Kunst nicht in erster Linie als Produkt sondern als Prozess der Wertfindung zu sehen, als eine Reihe von Anschauungen, als ethische Haltung, als Aspekt einer größeren soziokulturellen Agenda.“ (Lacy 2007: 406)

Diese Verknüpfung von partizipativem (Kunst-)Schaffen und ethischen sowie soziokulturellen Ansprüchen wird bei Kravagna und Rollig in ihrer Ablehnung von bloßem „Sozio-Chic“25 sowie rein affirmativen Unterhaltungsprojekten deutlich, bei denen es nicht darum geht, den Teilnehmenden kritische Denkanstöße im Hinblick auf gesellschaftlich-soziale Bedingungen zu liefern. Bei Sturm und Mörsch offenbart sich der ethische Anspruch darin, dass sie zur selbstkritischen Hinterfragung der eigenen Rolle als VermittlerIn bzw. als vom Museum beauftragte projektleitende KünstlerInnen aufrufen, das bestehende Machtungleichgewicht zwischen Institution und (potenziell) Teilnehmenden anprangern und eine Parteinahme für letztere von den Beauftragten fordern. Die „Rolle und Verantwortung des Künstlers sowie die Beziehungen zwischen Kuratieren, Kritik und künstlerischen Praktiken“ (Lacy 2007: 406) sind zentrale Aspekte, die in einer verantwortungsvollen partizipativen Praxis zu diskutieren sind; des Weiteren „die aktive Einbeziehung multipler und diverser Öffentlichkeiten“ sowie die „Transformation von Individuum und Gemeinschaft“ (vgl. ebd.). Der dynamische Charakter der New Genre Public Art wird in der Literatur mit „Begrifflichkeiten wie das Provisorische, das Experiment, die Baustelle, Bewegung und Veränderung“ (Putz-Plecko 2002: 108) beschrieben. Auch wenn für Kravagna, Rollig, Sturm und Mörsch die New Genre Public Art nicht uneingeschränkt als gemeinsame Klammer oder unmittelbar als Nährboden bzw. Referenz fungiert,26 so kennzeichnen die eben zitierten Begriffe dennoch recht gut die von diesen propa24 Für einen knappen und dennoch aussagekräftigen Überblick über die Entwicklungsströmungen, aus der sich die New Genre Public Art speist(e), siehe z.B. Lacy 2007. 25 Kravagna 1998: 30 (dort in Fußnote Nr. 2). 26 So äußern sich diese z.T. auch recht kritisch gegenüber der NGPA. Kravagna mokiert beispielsweise deren „pastorale Mischung aus Fürsorge und Erziehung“ mit teilweise „pseudo-religiösen Züge[n]“ (Kravagna 1998: 36). Dieses ambivalente Verhältnis zur NGPA, das sich bei Kravagna exemplarisch zeigt, ist sicherlich kein Einzelfall, wie eine Einschätzung von Feldhoff verdeutlicht: „Innerhalb des Feldes partizipatorischer Strategien und Praxen nimmt die NGPA eine ambivalente Rolle ein. Zwar hat sie den Diskurs geprägt und interessanten Input gegeben, an ihr werden aber auch die Gefahren einer dogmatischen Handhabung deutlich, nämlich dann, wenn künstlerische Positionen vereinnahmt, reduziert und für eine Ideologie instrumentalisiert werden.“ (Feldhoff: 2009: 170).

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gierten Partizipationspraxen. Partizipative Projekte verstehen sie gewissermaßen als Laboratorium, in dem gemeinsam mit den Teilnehmenden das Bestehende – sei es die eigene Identität oder Rolle, die Institution, die Kunst oder die Gesellschaft – dekonstruiert und graduell transformiert werden soll. Partizipation wird zu einem schützenden Raum, in dem offen gefragt und gesucht, ausprobiert und verworfen, kritisiert und diskutiert werden kann und soll. In Bezug auf den Experimentalcharakter wie auch in Bezug auf das Bewusstsein für systemimmanente asymmetrische Macht-, Kommunikations- und Motivationsmuster zeichnet das differenzierte Partizipationsverständnis der vorgestellten AutorInnen auch eine Linie zur Idee des Museums als Contact Zone. Die Idee der Kontaktzone nähert sich den Fragen von Zusammenarbeit und Beteiligung aus ethnografischer und postkolonialer Perspektive. Der Ethnologe James Clifford adaptierte den Begriff der Contact Zone von der Literaturwissenschaftlerin Mary Louise Pratt, die damit soziale Räume („social spaces“) bezeichnete, „where cultures meet, clash, and grapple with each other, often in contexts of highly asymmetrical relations of power“ (Pratt 1991: 34), um weitergehende Beziehungen („ongoing relationships“; ebd. 6) auszubilden, die in der Regel jedoch auch weiterhin von Zwängen, Ungleichheit und Konflikten („conditions of coercion, radical inequality, and intractable conflicts“; ebd.) gekennzeichnet seien. Pratt bezog sich hierbei explizit auf die Kontakte zwischen Kolonialmächten und Kolonialisierten; Clifford nimmt eine Generalisierung des Konzepts vor, indem er es nicht bloß auf das Zusammentreffen verschiedener Ethnien bezieht, sondern auf jegliche Kontakte zwischen Gruppen, die sich in irgendeiner Weise ‚fremd‘ sind – so zum Beispiel auch, wenn Menschen der gleichen Nationalität, aber mit unterschiedlichem sozialen Status aufeinander treffen (vgl. Clifford 1999: 204). Entscheidend für sein Konzept des Museums als Kontaktzone ist ein kritisches Bewusstsein im doppelten Sinne, nämlich zum einen in Bezug auf strukturelle gesellschaftlich-soziale Inklusions- und Exklusionsfaktoren sowie zum anderen auf eine selbstkritische Haltung der Museumsleute in Bezug auf die eigene Institution: „Contact perspectives recognize that ‚natural‘ social distances and segregations are historical/political products. [...] To the extent that museums understand themselves to be interacting with specific communities across such borders, rather than simply educating or edifying a public, they begin to operate – consciously and at times self-critically – in contact histories.“ (Ebd.)

Seine Ziele, die in ihrer demokratischen Verfasstheit die bisherigen, hierarchischen Bewertungsmaßstäbe solcher ‚Durchgangsorte‘ herausfordern, beschreibt er folgendermaßen: „My account argues for a democratic politics that would challenge the hierarchical valuing of different places of crossing. It argues for a decentralization and circulation of collections in a

134 | M USEUM UND P ARTIZIPATION multiplex public sphere, an expansion of the range of things that can happen in museums and museum-like settings. It sees the inclusion of more diverse arts, cultures, and traditions in large, established institutions as necessary but not as the only or primary point of intervention. […] And it argues for a distribution of resources [...].“ (Ebd. 214)

Eine weitere Parallele zu den vorgestellten Positionen gegenüber Partizipation liegt also auch darin, dass Clifford Kontakte und Interaktionen einfordert, die nicht den Charakter von Ausbeutung, Zwang oder gar Unterdrückung annehmen; er wünscht sich im Gegenteil eine Ausweitung dessen, was im Museum zukünftig erlaubt oder möglich sei, ebenso wie eine Ausweitung dessen, was als Kunst und Kultur bzw. museal angesehen werde sowie auch eine stärkere Vielfalt an zukünftigen Orten des ‚Dazwischen‘ bzw. des vorübergehenden Kontaktes. Er tritt ein für ergebnisoffene und reziproke Kontakte und eine Aufteilung bzw. Abgabe von Ressourcen, auch wenn ihm bewusst ist, dass völlige Ausgewogenheit und Gerechtigkeit nie hergestellt werden kann und daher immer eine „uneven reciprocity“ (ebd. 193), also eine ungleiche Wechselseitigkeit, vorliegen werde. Auch liegt Cliffords Augenmerk darauf, dass, anders als im traditionellen Museum, der Erfolg nicht mehr von der Leistung einer/eines einzelnen KuratorIn abhängt, sondern das Ergebnis eines Aushandlungsprozesses ist, der Konflikte nicht ausspart (vgl. ebd. 208 ff.). Insbesondere Lynch27 und Mörsch (vgl. Mörsch 2006a: 224), die sich in ihrer Ablehnung eines allzu konfliktfreien Raumes beide auf die postmarxistische Politikwissenschaftlerin Chantal Mouffe berufen, ist dieser Aspekt in Hinblick auf Partizipation ebenfalls wichtig. Sowohl Clifford als auch die vorgestellten AutorInnen propagieren eine Auflösung von Bipolaritäten und Binarismen und sehen den Akt der Partizipation bzw. Interaktion als eine aktive Grenzverwischung an, die hybride Orte – Zwischenräume (Mörsch 2006b: 24), oder in Cliffords Worten ‚between‘ places (Clifford 1999: 213) – schaffe, die Menschen intensive Begegnungen wie auch flüchtige Passagen ermöglichten; in denen aber genauso Objekte zu „travelers“ und „crossers“ (ebd.) würden, sodass die ganze Sammlung und Ausstellung in neuer Sicht erscheine und Museen zu einem Umdenken gelangen und sich endlich mit den als wirklich entscheidend empfundenen Problemfeldern auseinandersetzen könnten: 27 Anzumerken ist jedoch, dass Lynch das Modell der Kontaktzone an einer Stelle explizit kritisiert, weil dieses in den Augen von Chantal Mouffe, auf die sich Lynch in der Befürwortung einer konflikthaften Partizipation beruft, nicht radikal genug erscheint. So schreibt Lynch: „The emphasis on ‚reciprocity‘ and ‚consensuality‘ inherent in such socalled partnerships is, according to Mouffe, conceptually fraught with dangers because it produces the opposite effect, exacerbating the antagonistic potential existing in society. Liberal-minded, ‚contact zone‘-type museum projects, such as Collective Conversations or co-produced exhibitions, inevitably create resentment and antagonism simply because they ignore issues of power and, most importantly, the political dimension within these encounters and relationships, and prevent any opposition from being articulated or acted upon.“ (Lynch 2011a: 154).

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„This rethinking of collections and displays as unfinished historical processes of travel, of crossing and recrossing, changes one’s conception of patrimony and public. […] [M]useums may begin to grapple with the real difficulties of dialogue, alliance, inequality, and translation.“ (Ebd. 213)

Das Potenzial solcher Dritten Räume/Third Spaces28 als Orte des Dialogs und der gemeinsamen Verständigung beschreibt der Museumswissenschaftler und Ethnologe Philipp Schorch, der unter direkter Bezugnahme auf Cliffords Contact Zone von einem „pluralist cosmopolitan space“ (Schorch 2013: 77) spricht, folgendermaßen: „This discursive terrain represents the ‚common sphere‘ that potentially transforms cross-cultural translation and dialogue into understandings.“ (Ebd.). Aber auch Gerald Raunig, der von der „Dilatation der Grenze“ (Raunig 2002: 121) spricht, beschreibt treffend, worum es jenen geht, die Partizipation und Interaktion als experimentelle, konfliktreiche Grenzverwischung verstehen: „Die Dilatation meint das Aufbrechen und Ausdehnen von (sozialen) Grenzlinien zu temporären Grenzräumen. Diese Grenzräume sollen die Voraussetzung dafür schaffen, daß differente Positionen sichtbar werden, Konflikte und Streit überhaupt erst zum Ausbruch kommen können. [...] Nicht die Auflösung der Unterschiede, sondern die Überwindung von hermetischen Absolutheiten soll das Ziel der Prozessierung von Grenzen sein. Statt die Differenzen und die sie konstituierende Grenze in einem gegensatzlosen, einheitlichen und verwaschenen Brei der Harmonie aufzulösen, müssen beide – Grenze und Differenzen – produktiv gemacht und als produktive auf Trab gehalten werden. Aus der absoluten Grenz-Linie wird ein Grenz-Raum, die Grenze wird von einem Nicht-Ort zu einem Ort des Trainings der Differenz.“ (Ebd. 121 u. 123)

Dieses Verständnis von (sozialen, ethnischen usw.) Unterschieden als Potenzial sowie von differenten Meinungen und (Welt-)Anschauungen als Motor für Veränderung ist es, was die vorgestellten AutorInnen miteinander teilen.

28 Vor allem in postkolonialen Diskursen ist der „Dritte Raum“/„Third Space“ ein wichtiges Konzept, um aus festgefahrenen Denkmustern und identitären Festschreibungen auszubrechen: „Als triadische Instanz des Dazwischen markiert der Dritte Raum [...] eine (politische) Denkfigur, anhand der Machtkämpfe ausgetragen, Spielräume für kulturelle Praktiken verhandelt und Denkbewegungen quer zu stabilen Identitäten möglich werden.“ (Laister 2007: 350). Allerdings weist Laister auch darauf hin, dass heute der Begriff zu einem gern zitierten Modewort mutiert sei, sodass es inhaltlich oftmals nur noch wenig mit dem ursprünglich anti-hegemonial gedachten Konzept zu tun habe.

IV.4

Positionen III: Partizipationskritik

IV.4.1 „P ARTIZIPATION IST [...] WEDER EIN MORALISCHER W ERT AN SICH NOCH LIEFERT 1 SIE EINE G EWINNSTRATEGIE .“ Die Kunstvermittlerin und Kuratorin Nora Sternfeld nimmt unter den repräsentations- und institutionskritischen Haltungen gegenüber Partizipation die wohl radikalste Position ein und grenzt ihre Position mit Begriffen wie etwa „Emanzipation“ (vgl. Sternfeld 2005: 32) oder „post-identitäre Solidarität“ (dies. 2012b: 124 f.) gegen den Begriff „Partizipation“ ab, der für sie ein „mehr oder weniger leere[s] Buzzword“ (Jaschke & Sternfeld 2015: 169) darstellt. Ihre Kritik gegenüber einer Öffnung des Museums und einer Beteiligung von – insbesondere marginalisierten – gesellschaftlichen Gruppen unter dem Credo der Partizipation deckt sich mit den Vorbehalten anderer VertreterInnen einer kritischen Kunst- und Kulturvermittlung, wie sie im vorangegangenen Abschnitt bereits vorgestellt wurden. In ihrer Begründung rekurriert sie historisch und ideengeschichtlich auf vielfältige Entwicklungsstränge und Theorien, insbesondere auch auf (post-)marxistisch geprägte Positionen. So bescheinigt sie etwa unter Bezug auf Antonio Gramsci dem Konzept der Partizipation zum einen transformistische Züge und stellt fest: „Partizipation meint [...] eigentlich vor allem Interaktion. Alle sollen den Eindruck haben sich zu beteiligen, ohne dass diese Beteiligung irgendeinen Einfluss nehmen kann. Wie ist diese Partizipation, bei der sich möglichst viele beteiligen sollen, ohne dass sie etwas zu entscheiden haben, nun zu verstehen? Zumeist handelt es sich dabei wohl nicht um eine emanzipatorische, sondern um eine institutionell-hegemoniale Strategie, die Antonio Gramsci ‚Transformismus‘ genannt hat. […] Das Ziel des Transformismus besteht darin, Kritik zu integrieren, ohne dass die Verhältnisse und Strukturen von Macht und Ausschluss selbst ins Spiel kommen müssen.“ (Sternfeld 2012b: 121)2

1 2

Miessen & Grassegger 2012: 1. Vgl. dazu auch Sternfelds Ausführungen in Kulturagenten 2015: 2.

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Zum anderen erscheint ihr Partizipation als polizeiliche Strategie im Sinne Jaques Rancières Polizeibegriff:3 „In Jacques Rancières politischer Theorie findet Politik in dem Moment statt, wo der ‚Teil ohne Anteil‘ im Namen der Gleichheit seinen Teil einfordert – und damit die polizeiliche Logik der Verwaltung und der organisierten Ungleichheit durchbricht. [...] Jacques Rancière bezeichnet demgemäß mit ‚Polizei‘ die Logik der Verwaltung und der damit verbundenen organisierten Ungleichheit. Diesen Begriff aufnehmend, scheint Partizipation zumeist ein polizeiliches Moment zu beinhalten: freiwillige Selbstbeteiligung im Hinblick auf freiwillige Selbstregulierung. Es gibt demgemäß keinen Grund [...] für eine ‚Kunst mit allen‘ einzutreten, wie sie unter dem Schlagwort der Partizipation in politischen Programmen und Kunstvermittlungskonzepten seit den 90er Jahren gerne gefordert wird.“ (Sternfeld 2007: 75)

Hierin zeigt sich deutlich, dass Sternfeld Partizipation als vornehmlich „bloßes Mitmachen“4 im Rahmen eines affirmativ und hegemonial ausgerichteten Gefüges definiert, bei dem es darum gehe, dass die Teilnehmenden das bestehende Machtungleichgewicht unreflektiert verinnerlichten, indem sie die ihnen von den Mächtigen zugeschriebene Rolle und Identität als vermeintliche Selbstartikulation perpetuierten und öffentlich repräsentierten. Dass die von Sternfeld artikulierte Gefahr von Selbsterhöhung durch Distinktion zu und Abwertung von anderen (othering) bei Partizipation durchaus virulent ist, lässt sich beispielsweise gut anhand der Aussagen von Thomas Michael Walle vom Norsk Folkemuseum in Oslo verdeutlichen, dessen Argumentation sich inhaltlich weitgehend mit Sternfelds Kritik deckt: Dieser konstatiert mit Blick auf seine Praxiserfahrungen, dass Partizipationsprojekte mit migrantischen Minderheiten (unbewusst) Prozesse der Fremdzuschreibung, Dichotomisierung und letztlich der Exklusion bestärken können, da jene Gruppen i.d.R. immer nur dann als PartizipientInnen eingeladen würden, wenn es um ihre spezifische Situation als MigrantInnen gehe oder sie in der Rolle als VertreterInnen einer bestimmten Minderheit sprechen sollten. Dies könne laut Walle nur überwunden werden, indem marginalisierte Gruppen ganz generell in die museale Arbeit jenseits solcher Projekte einbezogen würden. Eine weitere Problematik sieht Walle jedoch auch darin, dass der Kampf der Marginalisierten um Repräsentation und Gehört-Werden immer innerhalb und anhand der Kommunikationsstrukturen des sie unterdrückenden Systems – wie beispielsweise dem gesellschaftlich anerkannten Ort Museum – stattfinde (vgl. Walle 2013: insbes. 91). Aus dieser Perspektive gesehen, kommt Partizipation für die Teilnehmenden einer Unterordnung gleich, in der den Teilnehmenden weiterhin lediglich die Rolle

3 4

Vgl. hierzu auch Raunigs Ausführungen in seinem Text Partizipation und Polizei (2007), insbesondere auf S. 68. Vgl. Sternfeld 2012b: 122, Kulturagenten 2015: 2 u. Jaschke & Sternfeld 2015: 168.

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als „Objekte der Repräsentation“ (Kulturagenten 2015: 1) von den Mächtigen zugestanden werde, weshalb Sternfeld dieses Konzept aufs schärfste ablehnt. Was Sternfeld möchte, ist die „Befreiung“ (Sternfeld 2005: 21 u. dies. 2010: 29) der marginalisierten Gruppen aus institutionellen wie auch gesellschaftlichen Unterdrückungsverhältnissen. Der in ihren Augen entpolitisierten Praxis unter dem Schlagwort Partizipation setzt sie ein politisches Konzept entgegen, das explizit gegen den Status quo der Institution Museum, wie letztlich auch der gesellschaftlichen Verhältnisse, gerichtet ist (vgl. z.B. Sternfeld 2005: 30-32) – genau dies ist es, was für Sternfeld „emanzipatorische von bloß partizipatorischen Modellen unterscheidet“ (ebd. 32).5 Sternfeld lenkt den Blick außerdem darauf, dass Repräsentation unterschiedlich interpretiert werden kann, nämlich einerseits lediglich als Sichtbar-werden oder Sprechen-dürfen und andererseits als Mitsprache an der Definitionsmacht und den Bedingungen von Repräsentation selbst. Sie konstatiert: „Das Museum ‚für alle‘ sieht ebenso wie das Museum der ‚Partizipation‘ und jenes der ‚Repräsentation marginalisierter Positionen‘ keinen Raum für eine Veränderung der Definitionsmachtverhältnisse vor.“ (Sternfeld 2006: o.S.)6

Repräsentationskritische und dekonstruktive Ansätze, die danach fragen, wer (nicht) sprechen darf und die thematisieren, warum das Sprechen in dieser oder jener Weise erfolgt, reichen Sternfeld in dieser Hinsicht als kritische Praxis nicht aus. Ihr geht es um die Frage „Was tun?“ und darum, „dass etwas geschehen kann“ (Sternfeld 2012a: o.S.) – also um eine von ihr im Konzept der Partizipation vermisste „Perspektivierung auf Handlungsmacht“ (dies. 2010: 30), da diese „[...] den Blick für ein Veränderungspotential [öffnet], das über die bloße Einladung zum Mitmachen hinausgeht, indem es die Definitionsmachtverhältnisse über das, was die Institution ist, selbst adressiert.“ (Ebd. 30 f.)

Sollen Kunst- und Kulturinstitutionen also wirklich „nicht bloß für alle offen, sondern Orte von allen sein“, dann müsse es laut Sternfeld explizit darum gehen, wie die „Möglichkeit einer Veränderung“ geschaffen werden könne (Sternfeld 2010: 5

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Dass für Sternfeld ein Unterschied zwischen Partizipation und Emanzipation besteht und sie sich daher von ersterer distanziert, wird beispielsweise auch in folgendem Zitat deutlich: „Konzepte einer partizipatorischen Kulturarbeit stellen sich seit den späten 1980er Jahren den paternalistischen Vorstellungen einer ‚Kultur für alle‘ gegenüber und plädieren für eine ‚Kultur mit allen‘ […]. Die Einladung zur Teilnahme ist auf Partizipation, nicht jedoch auf Emanzipation angelegt [...].“ (Sternfeld 2005: 24 f.). In aktuelleren Texten greift sie z.T. selbst auf den Begriff Partizipation zurück, unterscheidet dann aber zwischen „Partizipation in einem bloß scheinbaren oder in einem politischen Sinne“ (Sternfeld 2010: 31) oder zwischen transformistischer vs. transformativer Partizipation (vgl. Sternfeld 2012b: 122). Der gleiche Wortlaut findet sich später auch in Sternfeld 2009: 39.

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31). Sternfeld richtet sich – mit Gramsci gesprochen – gegen die transformistische Praxis der Partizipation (die auf keine Veränderung der Machtverhältnisse zielt) und fordert eine wirklich transformative Praxis7 (also eine, die auch grundlegende Umverteilungen von Macht und Ressourcen bewirkt). Eine Strategie in diesem „Kampf um Hegemonie, [...] Macht, [...] Umverteilung und [...] Enteignung der bestehenden Machtverhältnisse“ (Sternfeld 2006: o.S.)8 ist die der Gegenerzählung.9 Damit meint sie nicht, der offiziellen Geschichte und dem musealen Kanon lediglich weitere Perspektiven in Form alternativer Geschichte(n) oder multiperspektivischer Präsentationen an die Seite zu stellen. Sie meint einen direkten Konfrontationskurs, der ausdrücklich in Opposition zum Bisherigen tritt, also im wahrsten Sinne des Wortes gegen das Bestehende anspricht, ihm widerspricht und in dieser offen parteiischen Haltung die Neutralität und Objektivität musealer Präsentation als bloß scheinbare entlarvt und so der Gefahr entgeht, Ausschlüsse und Differenzen ausgeblendet zu lassen oder zu harmonisieren – jedoch stets im kritischen Bewusstsein, selbst als AkteurIn Teil dieses Systems zu sein10 (vgl. Sternfeld 2009: 39). Denn „[...] gerade dort, wo der Kanon (re)produziert wird, [kann] auch etwas geschehen [...]. In diesem Sinne sind Ausstellungen und Kunstinstitutionen an der Schnittstelle von Herrschaft und Befreiung angesiedelt. Sie sind strukturierte Räume der Verwaltung, aber sie bergen auch Möglichkeiten des Handelns im sozialen Raum. Und genau dort können Gegenerzählungen und Kritik stattfinden – ohne dabei jedoch völlig unschuldig zu bleiben.“ (Sternfeld 2010: 29)

Als weitere bzw. ergänzende Strategie ruft Sternfeld zu einer „post-identitären Solidarität“ (Sternfeld 2012b: 124 [Herv. A.P.]) auf und meint damit ebenfalls, sich auf die Seite derjenigen zu stellen, die ausgeschlossen sind oder nur im Rahmen der Vorgaben einer identitären Fremdzuschreibung ‚mitmachen‘ dürfen, ohne grundlegend beteiligt zu sein. Irit Rogoffs Idee einer post-repräsentativen Partizipationspraxis weiterdenkend, fordert Sternfeld, das Museum als post-repräsentativen öf-

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Sie rekurriert damit auf Carmen Mörschs Unterscheidung zwischen vier diskursiven Grundhaltungen, nämlich Affirmation, Repräsentation, Dekonstruktion und Transformation (vgl. Sternfeld 2010: 30f.). 8 Der gleiche Wortlaut findet sich später auch in: Sternfeld 2007: 76 u. dies. 2012b: 123. 9 Sternfeld lehnt das Konzept der Gegenerzählung an die Begriffe „talking back“ von bell hooks und „writing back“ von Gayatri Spivak an (vgl. Sternfeld 2009: 46). 10 In dieser Synthese aus systemkritischem und selbstkritischem Bewusstsein rekurriert Sternfeld auf Irit Rogoff (vgl. Sternfeld 2010: 29), die diese Haltung als Kritikalität bezeichnet und von einer kritischen Haltung, die sich selbst aus der Kritik ausnimmt (von ihr Kritizismus genannt), unterscheidet: „Statt eines ‚Kritizismus‘, der einen Akt des Urteils darstellt, der sich auf ein klar definiertes Objekt der Kritik bezieht, erkennen wir jetzt nicht nur unsere eigene Verwicklung in das Objekt oder das kulturelle Moment, sondern auch die performative Natur jeglicher Aktion oder Haltung, die wir in Beziehung dazu einnehmen.“ (Rogoff 2003: o.S.).

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fentlichen Raum zu begreifen,11 der, Identitätszuschreibungen und die binäre Logiken wie etwa ‚wir‘ vs. ‚die anderen‘ hinter sich lassend, zu einem „Möglichkeitsraum“ (Sternfeld 2012b: 124)12 werde. Gemeint ist damit – ähnlich wie bei den Partizipation bedingt befürwortenden Positionen im vorherigen Abschnitt – ein Raum, in dem Unvorhergesehenes geschehen kann. Allerdings – und das unterscheidet Sternfeld von den vorherigen TheoretikerInnen – soll dieser Raum keinerlei Vorgaben enthalten, weder in der Hinsicht, wer mit wem interagiert/interagieren soll, noch wie diese Interaktionen aussehen könnten und zu welchem Ziel sie führen mögen (vgl. ebd. 124 f.). Damit begibt sie sich wiederum auf eine Linie mit Rogoff, die ebenfalls ein radikales Konzept von Partizipation fordert, bei dem nichts vorgeschrieben und gleichzeitig alles zur Verhandlung gestellt wird, sodass temporär ungeplante, ungeahnte „Möglichkeitsräume“ entstehen könnten (vgl. Jaschke & Sternfeld 2015: 171): „Es geht [...] um ein Konzept der Partizipation: Partizipation, die weder von einer kuratorischen Intention verordnet noch in den Strukturen und Institutionen der politischen Repräsentation organisiert ist, sondern vielmehr aus den unbewußten Strategien der Selbstinszenierung entsteht – dadurch, wie Menschen sich anziehen, wie sie sich phantasieren oder welche Fiktionen sie erfinden.“ (Rogoff 1999: 109)

Argumentativ weniger stichhaltig und stringent kommen auch Dave Beech, britischer Künstler und Kurator, sowie der Architekt und Autor Markus Miessen, der mehrere Bücher über Partizipation verfasst bzw. herausgegeben hat,13 zu einem kritischen Urteil über Partizipation. Beech bezieht sich dabei auf die Bildende Kunst, Miessen argumentiert auf breiterer Basis und meint dabei oftmals das Phänomen der Partizipation schlechthin, wie es uns insbesondere in politisch-demokratischen Zusammenhängen begegnet. Beide wenden sich wie Sternfeld gegen die Auffassung, Partizipation als ‚Wundermittel‘ zu verklären, das (soziale) Unterschiede überwinde und zu einer harmonischen Kooperation führe, die für Gleichheit sorge. Beide betonen ebenso, dass 11 Diese Forderung bezieht Sternfeld auf die Vermittlungsarbeit bzw. Kunstvermittlung (vgl. dies. 2012b: 124 f.), darüber hinausgehend jedoch auch ganz grundsätzlich auf das Ausstellungswesen selbst. Was dies für KuratorInnen bedeutet, beschreibt sie folgendermaßen: „Unter post-repräsentativer Ausstellungspraxis verstehe ich [...] ein Kuratieren, das soziale Verhältnisse nicht bloß darstellen, sondern vielmehr – parteiisch, dissensual und solidarisch mit bestehenden sozialen Bewegungen – in diese eingreifen will.“ (Sternfeld 2012a: o.S.). 12 Vgl. auch Jaschke & Sternfeld (2015: 171-173), wo die Autorinnen näher auf das Rogoffsche Konzept des Möglichkeitsraums im Zusammenhang mit Partizipation eingehen. 13 Markus Miessen schrieb bzw. gab mehrere Bücher zum Thema Partizipation heraus: Did someone say participate? An Atlas of Spatial Practice (2006), The Violence of Participation (2007), The Nightmare of Participation (2010) bzw. Albtraum Partizipation (2012), Waking up from the Nightmare of Participation (hrsg. zus. mit N. V. Kolowratnik; 2011) sowie Crossbenching. Toward Participation as Critical Spatial Practice (2016).

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Partizipation in der Realität ein Minusgeschäft für diejenigen darstelle, die zu Partizipation eingeladen würden, da dies de facto Assimilation und vollkommene Anpassung bedeute. So erklärt Miessen, dass das gängige Partizipationsmodell ein „von oben herab gewährtes Mitmachrecht“ (Miessen & Grassegger 2012) sei, das verlange, durch „[...] pro-aktive Beiträge und das Einnehmen einer bestimmten Rolle Teil von etwas zu werden“ (Miessen 2007a: o.S.). Genauso betont auch Beech den einverleibenden Charakter von Partizipation, die Unterschiede und ‚Andersheit‘ verschleiere und deren subversive Potenziale unschädlich mache: „Outsiders have to pay a higher price for their participation, namely, the neutralisation of their difference and the dampening of their powers of subversion. Participation papers over the cracks.“ (Beech 2008: o.S.). Die Eingliederungsleistung bzw. ‚Inklusion‘, die Partizipation leiste, so pflichtet Beech Jaques Derrida bei, führe zur ‚Neutralisierung‘ („a brand of neutralisation“), denn: „Incorporating the other into the body of power while repressing anything that escapes this incorporation is, according to Derrida, inclusion as neutralisation.“ (Beech 2008: o.S.). – Wobei die Vorstellung, dass es damit im besten Fall keine ‚AußenseiterInnen‘, keine Exklusion, mehr gäbe, ohnehin utopisch sei: „Jacques Rancière highlights another pernicious distinction that participation cannot shake off: that between those who participate and those who don’t. Even if we view participation in its rosiest light, Ranciere argues that its effects are socially divisive. The critique of participation is, here, immanent to the development of participation as an inclusive practice that does not and cannot include all. Seen in this way, participation must be excluding because it sets up a new economy which separates society into participants and non-participants, or those who are participation-rich and those who are participation-poor.“ (Ebd.)

Partizipation müsse, nach Rancière, also letztlich als exkludierende Praxis betrachtet werden, weil sich nie darüber hinweg täuschen lasse, dass Partizipation immer eine Aufspaltung in Partizipierende und Nicht-Partizipierende bedeute. Auch wenn Beech und Miessen zu unterschiedlich radikalen Schlussfolgerungen aus dieser Partizipationskritik kommen – Beech wünscht sich eine Veränderung der systemischen Strukturen bzw. eine realistischere Einschätzung der Wirkmacht von partizipativen (Kunst-)Projekten, wohingegen Miessens Misstrauen sogar soweit geht, die ‚Abschaffung‘ breit angelegter Mitbestimmung anzudenken14 – so eint die beiden am Ende, dass sie Partizipation im Sinne einer einmütigen und hilfsbereiten Zusammenarbeit ablehnen. Interessant ist, dass beide Autoren unabhängig voneinander den Begriff der Kollaboration als Alternativbegriff für Partizipation ins Spiel bringen, da dieser ein anderes Verhältnis impliziere als Partizipation, die gemeinhin mit dem Begriff der

14 So fordert Miessen etwa: „Manchmal sollten Formen von Demokratie, in der alle ein Mitspracherecht haben, um jeden Preis vermieden werden.“ (Miessen 2012: 16).

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Kooperation synonym gesetzt und diametral dazu verstanden werde (vgl. z.B. Lind 2007a: 388). Beech betont u.a., dass KollaborateurInnen weitergehende Autoritätsrechte besäßen, als man sie Partizipierenden zugestehe, und dass sie deutlicher als eigenständige Subjekte wahrgenommen und akzeptiert würden. Daher sei es hilfreich, Partizipation bewusst von Kollaboration zu unterscheiden und abzugrenzen: „One way of getting a handle on the limitations and constraints imposed on the participant is to contrast participation with collaboration. […] The rhetoric of participation often conflates participation with collaboration […]. Collaborators, however, are distinct from participants insofar as they […] have rights that are withheld from participants.“ (Beech 2008: o.S.)

Und in einem anderen Text, auf den Miessen rekurriert, heißt es: „While cooperation happens between identifiable individuals within and between organizations, collaboration expresses a differential relationship that is composed by heterogeneous parts which are defined as singularities: […] The concept of singularity […] distinguishes collaboration from cooperation.“ (Schneider 2006: o.S.)

Die unterschiedlichen Begriffsdimensionen liegen demnach auf der Hand: Kooperation beruht auf dem Solidaritätsprinzip; alle AkteurInnen sind ‚Gleiche unter Gleichen‘, die auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten. Ähnlich dem Begriff Teamwork impliziert dies, dass alle ihre persönlichen Interessen dem gemeinschaftlichen Interesse unterzuordnen haben. Leitgedanken sind Solidarität und Harmonie. Anders der Begriff der Kollaboration: Dieser wird eher mit dem Konzept des Konflikts und der Opposition verbunden. Dementsprechend werden die Akteursgruppen als zwei getrennte Lager gesehen (und auch innerhalb dieser Lager werden die Einzelidentitäten nicht unbedingt einer gemeinsamen Gruppenidentität unterstellt), deren Unterschiedlichkeit auch im Prozess der Interaktion sowie danach bestehen bleibt und von beiden Seiten anerkannt wird. Statt dauerhafter Synthese wird eine bloß temporäre Zusammenarbeit angestrebt, bei der beiden Akteursgruppen klar ist, dass jede Partei aus eigenem Antrieb und mit jeweils eigenen Interessen handelt und dies nur so lange tut, wie sie es selbst als sinnvoll bzw. zweckmäßig erachtet. Dass Miessen das Konzept der Kollaboration befürwortet, auch wenn er immer wieder auf den Begriff der Partizipation zurückfällt, zeigt sich deutlich in seiner Rhetorik, die mit Metaphern wie Krieg und Konflikt operiert („Partizipation ist Krieg. Jede Form der Partizipation ist bereits eine Form von Konflikt.“, Miessen 2007a: o.S.).15 Sein erklärtes Ziel ist es, dem überwiegend harmonieorientierten Verständnis von Partizipation „die Unschuld [zu] nehmen“ (ders. 2012: 37) und

15 Vgl. auch Miessen 2012: 46 f.

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„Partizipation zu einer Bastardform von gewaltsamer, nicht-demokratischer Praxis [zu] machen“ (ebd. 7). Grund für diese ablehnende Haltung gegenüber Partizipation ist, dass Miessen den Sinn breit angelegter Mitbestimmung grundsätzlich anzweifelt und die bisherige Praxis – konform zu post-marxistischen Stimmen wie etwa Chantal Mouffe, auf die er sich bezieht – als Herrschaftsstrategie16 bzw. als Strategie der bewussten Zurückweisung von eigener Verantwortung versteht, und davor warnt, Partizipation zu verwechseln mit „[...] gesellschaftlicher Philanthropie oder mit altruistischen Tätigkeiten [...], die das Gute fördern oder die Lebensqualität erhöhen wollen“ (ebd. 48). In diesem Sinne propagiert er „[...] ein alternatives Modell von Partizipation innerhalb der räumlichen Praxis, eines, das über Konsensmodelle hinausgeht. Statt Synchronisation anzustreben, sollte ein solches Modell auf kritischer Distanz und der bewussten Implementierung von Konfliktzonen begründet werden.“ (Miessen 2007a: o.S.)

Konsens bedeutet für Miessen eine Reduzierung von Interaktion und damit Stillstand (vgl. (Miessen 2012: 71). Dementsprechend ist sein Partizipationsverständnis „[...] keines, das die Benutzer-Beteiligung fördert, sondern [...] ein Mittel zum bewusst gesteuerten oder erzwungenen Eintritt in ein Territorium, ein System, einen Diskurs oder eine Praxis, zu dem oder der man gemeinhin nicht gehört.“ (Ebd. 46 f.)

Die geforderte Praxis, die er als „konflikthafte Partizipation“ (ebd. 86) und „Konfliktpartizipation“ (ebd. 47) tituliert, beruht entsprechend auch auf einem neuen Verständnis von Konflikt: Konflikt müsse als „Ermöglichung, als Herstellung einer produktiven Umgebung“ gesehen werden, „anstatt Konflikt als direkte körperliche Gewalt zu verstehen“ (Miessen 2007a: o.S.). Letztendliches Ziel einer solchen Praxis sei es, den „vorher etablierten Machtbeziehungen des Expertenwissens etwas hinzuzufügen“ (ebd.) und Partizipation wieder eine „politische Dimension“ (ders. 2012: 81) zu verleihen – und dies gelänge, so Miessen weiter, am ehesten den „AußenseiterInnen“ bzw. „DilettantInnen“ (ders. 2007a: o.S.): „Damit irgendeine Art von Partizipation eine politische Dimension erreicht, muss die Auseinandersetzung auf einer distanzierten kritischen Stimme basieren. Durch diese Art von ‚konfliktreicher Partizipation‘ beginnt der Austausch von Wissen in einem postdisziplinären Kräftefeld neue Wissensformen zu generieren.“ (Ebd.)

Dreh- und Angelpunkt für diese These bildet erneut das Konzept der Kollaboration statt der Kooperation: 16 So konstatiert er etwa: „Inzwischen ist Partizipation ein Teil des neoliberalen Projekts und dient letzten Endes der Erhaltung des Systems. Echte Machtfragen werden nicht mehr verhandelt.“ (Miessen 2012: 199).

144 | M USEUM UND P ARTIZIPATION „Da ein solcher Begriff der Kollaboration auch auf einer Idee von Innen und Außen basiert (wenn man innen ist, ist man Teil eines bestehenden Diskurses, dem man zustimmen und fördern soll), wird es immer eher der Außenseiter sein, dem es gelingen wird, den vorher etablierten Machtbeziehungen des Expertenwissens kritisch etwas hinzuzufügen. Obwohl der Außenseiter als jemand gesehen wird, der das interne System nicht bedroht, da ihm das Wissen um seine Struktur fehlt, ist es genau dieser Zustand, der es einem ermöglicht, auf eine dilettantische Weise vollkommen in seine Tiefe einzutauchen. Was wir heute brauchen, sind mehr DilettantInnen, die sich weder darum sorgen, etwas Falsches zu machen noch, wenn nötig, Reibungen zwischen bestimmten Handelnden in einem bestehenden Kräftefeld zu verursachen.“ (Ebd.)

Und: „Anstatt die nächste Generation von Vermittlern und Mediatoren hervorzubringen, sollte man vielmehr dafür sorgen, den ‚interesselosen Außenseiter‘, den ‚ungefragten Teilnehmer‘ zu unterstützen, der die Prämissen und die existierenden Regeln nicht kennt, sondern die Bühne mit nichts anderem als seinem kreativen Intellekt und dem Willen, eine Veränderung herbeizuführen, betritt.“ (Miessen 2012: 87)

Miessen schwebt also gewissermaßen die Unterwanderung und letztliche Zerstörung der „Konsensmaschine“ (ders. 2007a: o.S.) vor. Er geht sogar so weit, den Wunsch bzw. die Forderung nach Mitbestimmung als solche infrage zu stellen: Wer will schon, dass „Idioten“ (ders. 2012: 200) in Entscheidungsprozesse eingebunden werden? – Miessen vertritt provokativ die Meinung, dass Entscheidungen unter Ausschluss der „allerletzten Schnarchnase“ (Miessen & Grassegger 2012: 2) durchaus vertretbar und sogar förderlicher seien; wichtig sei nämlich nicht der Aspekt der Beteiligung, sondern vielmehr, dass jemand die Verantwortung trage.17 Damit ziehen Miessen und Beech, auch wenn sie argumentativ teilweise die gleiche Stoßrichtung haben, völlig unterschiedliche Schlüsse. Denn Beech verurteilt zwar Partizipation, da das, was betrieben werde, in seinen Augen keine aufrichtige Praxis darstelle, für ihn ist aber klar, dass sich das System ändern müsse, auf dem diese Praxis fuße. Das heißt für Beech zuallererst, dass es KünstlerInnen fortan nicht alleine darum gehen sollte, irgendwie partizipativer zu arbeiten, sondern es müsste darum gehen, ein realistischeres Bild der tatsächlichen Wirkmacht von Partizipation zu zeichnen sowie letztlich die systemischen Strukturen von Partizipation, die Ungleichheit und Exklusion in ihrem Vollzug zementieren, anzugehen. Beech stellt mit dieser Forderung klar, dass er die Erwartung, dass eine partizipative Kunstaktion (Beech bezieht sich ja speziell auf den Kunstkontext) im und durch das 17 So schreibt er: „Bei der Partizipation gibt es oft zu viele potenzielle Entscheidungsfinder; aber es gibt nicht genügend Leute, die die Verantwortung und das Risiko übernehmen und den Mut aufbringen, diese Entscheidungen in die Realität umzusetzen [...].“ (Miessen 2012: 200); oder: „Schluss mit dem modischen cyberdemokratischen Wahn. Auch Entscheidungen gegen die Mehrheit und ohne Beteiligung der allerletzten Schnarchnase können richtig sein – solange jemand die Verantwortung trägt.“ (Miessen & Grassegger 2012: 2).

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System begründete Ein- und Ausschlussstrukturen plötzlich unwirksam machen könne, für völlig überzogen hält: „It would be unfair to expect a single artwork to overcome such systemic ills, but this is precisely the problem with the concept of participation: it is based on the misconception that properties of the artwork could offer a technical solution to art's social marginalisation.“ (Beech 2008: o.S.).

Abschließend sei angemerkt, dass Beech mit dieser – sicherlich berechtigten – Einschätzung nicht alleine dasteht. Ganz ähnlich sieht dies beispielsweise die Kunstwissenschaftlerin und Kuratorin Suzana Milevska, wenn sie schreibt: „Ein weiteres Problem ergibt sich, wenn partizipatorische Kunst in aktivistischen Kreisen als Aktionskunst verstanden wird, als Aufruf zur Revolution, und ihr Erfolg oder ihr Scheitern an revolutionären Prämissen gemessen wird. Die Interpretation von Kunst als handelnde Kraft, die in der Lage sein sollte, wichtige gesellschaftliche und ideologische Hindernisse zu überwinden, mit denen KünstlerInnen außerhalb der europäischen Demokratien heute konfrontiert sind, verlangt und erwartet von aktivistischen Projekten eine zu große Wirkung.“ (Milevska 2006: 5)

IV.4.2 Z USAMMENSCHAU

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K ONTEXTUALISIERUNG

Die hier vorgestellten ablehnenden Positionen gegenüber Partizipation argumentieren vielfach ähnlich wie die AutorInnen im vorherigen Kapitel, die Partizipation nur unter bestimmten Prämissen befürworten. Wesentlicher Faktor, der zur Ablehnung dieser Praxis führt, ist die Vorstellung, dass Partizipation – die ja i.d.R. auf Einladung der Institution erfolgt – eine weitere Spielart des Machterhalts und der verdeckten Herrschaft über diejenigen, an die sich diese Einladung richtet, darstelle. Ziel sei also nicht die Mitbestimmung, die Emanzipation oder gar ‚Gleichmachung‘ der Beteiligten, sondern deren getarnte Unschädlichmachung und Einverleibung. Die soziologischen bzw. philosophischen Grundlagen hierfür liefern insbesondere Foucault, Gramsci und Bourdieu, deren Einfluss auf die Museumswissenschaften insbesondere in postmarxistischen, postkolonialen, poststrukturalistischen, feministischen und Queer-Kreisen ungebrochen ist. Auf diese Autoren rekurrieren auch bekannte und einflussreiche Modelle vom Museum als hegemonialem Machtapparat und bürgerlicher Disziplinierungsanstalt, wie sie etwa Eilean HooperGreenhill als disciplinary museum (vgl. Hooper-Greenhill 1992: 167-190) sowie insbesondere Tony Bennett unter der Bezeichnung des exhibitionary complex (vgl. Bennett 2009b: 59-88) ausführlich bekannt gemacht haben. So beschreibt HooperGreenhill das moderne Museum, wie es sich seit der Französischen Revolution konstituiert hat, als Maßnahme des Staates „[…] to direct the population into activities

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which would, without people being aware of it, transform the population into a useful resource of the state.“ (Hooper-Greenhill 1992: 168). Auch verweist sie darauf, dass heute altbekannten Binarismen – gegen die ja insbesondere Sternfeld (konform mit Rogoff) zu Felde zieht – auch in der Struktur des modernen Museums als staatlichem Kontrollinstrument begründet liegen (vgl. dazu auch Bennett 2010: 58 f.): „A division was drawn [...] between knowing subjects, between the producers and the consumers of knowledge, between expert and layman. The division held within it relations of advance and disadvantage.“ (Hooper-Greenhill 1992: 190)

Aber nicht nur innerhalb der Gesellschaft, sondern auch in Bezug auf andere, vermeintlich ‚primitive‘ oder ‚unterentwickelte‘ Gesellschaften kann das Museum exkludierend wirken und „otherness“ (Bennett 2009b: 67) konstruieren – und damit andererseits das bestehende System nach innen durch eine kollektive Wir-Identität in Abgrenzung zu den ‚Anderen‘ stärken. Was aber in Hinblick auf die vorgebrachte Partizipationskritik von Sternfeld und Co insbesondere von Interesse ist, ist Bennetts Feststellung, dass das Museum – ähnlich Gramscis polizeilicher Logik – als Selbstdisziplinierungsmaschinerie fungiere, der man sich freiwillig unterwerfe, sodass das Beherrschtwerden gar nicht unbedingt bewusst oder offensichtlich werde, da „Zwangsmaßnahmen“ (Bennett 2009a: 58) nicht benötigt würden. Herrschaft ist – anders als bloße Machtausübung – also ein wechselseitiger Prozess, der die Beherrschten durch ihre Zustimmung gewissermaßen einbindet und sich selbst dadurch zugleich legitimiert (vgl. Tesak 2003b u. Drennig 2008: 234). Bennett beschreibt eindrücklich, wie der Mechanismus, der einer solchen „voluntarily self-regulating citizenry“ (Bennett 2009b: 63) zugrunde liegt, innerhalb des ‚Systems Museum‘ durch permanente wechselseitige Selbstbeobachtung und -regulierung der BesucherInnen greift: „To see and be seen, to survey yet always be under surveillance, the object of an unknown but controlling look: in these ways [...] expositions realized some of the ideals of panopticism in transforming the crowd into a constantly surveyed, self-watching, self-regulating, and, […] consistently orderly public – a society watching over itself. […] The exhibitionary complex […] perfected a self-monitoring system of looks […].“ (Bennett 2009b: 69)

Bennetts Konzept des Museums als System der freiwilligen gegenseitigen Selbstüberwachung weiterdenkend, ist es durchaus verständlich, dass Sternfeld, Beech und Miessen Partizipation als eine weitere perfide Strategie – ein civilizing ritual (vgl. Duncan 1995) – der Institution Museum deuten, um denjenigen, die ihrer Vormachtstellung gefährlich werden könnten, durch direktive Beteiligung eine scheinbare Aufnahme in den elitären Kreis vorzugaukeln, um damit eventuell keimende Wünsche nach Emanzipation, Auflehnung oder ‚Revolte‘ gar nicht erst entstehen zu lassen.

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Über diese „freiwillige Selbstregulierung“ hinaus, stellt das Prinzip der Partizipation in den Augen der GegnerInnen dieser Praxis zudem eine neue Technik zur „freiwilligen Selbstausbeutung“ dar (Sternfeld 2005: 25). Die Grenzen zwischen einer solchen Selbstausbeutung, aus der andere den Nutzen ziehen, und zu Partizipation als Form der (unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten implizit wie explizit geforderten) bewussten ‚Selbstoptimierung‘, sind sicherlich fließend. Fest steht jedenfalls, dass auch letztere kritisch gesehen werden kann und das Konzept der Partizipation fraglich erscheinen lässt, wie es beispielsweise die beiden Bildungstheoretiker Sönke Ahrens und Michael Wimmer tun: „Partizipation ist [...] auch eine neue Subjektivierungsform und Selbsttechnologie. Das im Partizipationsdiskurs artikulierte Gleichheits- und Freiheitsversprechen wird gebunden an eine spezifische Form von Subjektivität, für die Partizipation lediglich ein Mittel darstellt, ihre individuellen Interessen zu realisieren und ihre Ressourcen zu optimieren. […] Nicht das Teilen, die Anteilnahme, das Mit-Teilen steht hier im Vordergrund, [...] sondern das individuelle Interesse, in der Konkurrenz am Markt zu überleben.“ (Ahrens & Wimmer 2012: 29)

Auch eine solche Selbstoptimierung und „Selbsttechnologie“ (ebd.) stelle sich letztlich also als eine vom System aufgezwungene dar – auch wenn dieses System mit seinen Institutionen (so auch dem Museum) den Anschein erwecke, ein offenes zu sein, in dem jedes Individuum frei sei und unbegrenzte Möglichkeiten habe, eigene Entscheidungen zu treffen und sich nach individuellen Prämissen zu entwickeln. Trotz scheinbarer Öffnung, so die Überzeugung der PartizipationskritikerInnen, könne unter dem Schlagwort ‚Partizipation‘ also keine Rede von einer tatsächlichen Offenheit des Systems und der Institution Museum gegenüber ‚dem/der/des/den Anderen‘ und von einer Bereitschaft zu institutioneller Transformation sein. Vielmehr behalte sich die Institution weiterhin ihre Gatekeeper-Rolle vor und wandle Unrechtsverhältnisse und -praktiken zu „Normalitätsstandards und -erwartungen“ (Hollstein 2007: 58).18 Durch diese „Selbstnaturalisierung“ (Marchart 2005: 38) des Systems werde „[...] garantiert, dass die Bedingtheit und Kontingenz der Institution selbst vergessen [wird]. [...] Die Disziplinartechnologie der Institution ist uns zu ‚Leib‘ und ‚Seele‘ geworden, sie ist in unseren Habitus eingegangen: Wir selbst sind, als Publikum [oder als Teilnehmende; Hinzufügung A.P.], Teil der institutionellen Diskurse und Praktiken geworden. Sie setzen sich nun durch uns selbst, durch unser eigenes Verhalten durch. Das Bewusstsein um die Kontingenz dieser Diskurse und Praktiken, die Tatsache also, dass auch ganz andere Diskurse/Praktiken institutionalisiert werden könnten, ist verloren gegangen.“ (Ebd.)

Wenn sich das Unrechtssystem also beständig durch ihre AkteurInnen selbst perpetuiert, muss unter diesem Blickwinkel auch ein Konzept wie das der Cliffordschen 18 Bei Hollstein sind beide Begriffe in Anführungszeichen gesetzt.

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Contact Zone als Farce erscheinen und abgelehnt werden, weil es so gesehen ‚nur‘ eine abgewandelte Form des grundlegenden Systems bilde und das Mächteungleichgewicht zwar offen thematisiere, jedoch nicht direkt bekämpfe – hierin wird ein grundlegender Unterschied zwischen radikalen PartizipationsgegnerInnen und solchen AutorInnen markiert, wie sie im Abschnitt zuvor vorgestellt worden sind, die die ‚Hoffnung‘ auf das Potenzial von partizipativen Praktiken noch nicht aufgegeben haben.19 Die Contact Zones erscheinen den PartizipationsgegnerInnen dann auch nur als asymmetrische Orte der Inbesitznahme – „asymmetric spaces of appropriation“ (Boast 2011: 63) – mit neokolonialen Zügen.20 Das heißt, auch sie zielten nicht auf Reziprozität, sondern blieben Orte, „[...] where the others come to perform for us, not with us. […] The point […] is that in an incommensurable context, dominance wins. This is the real lesson of the contact zone.“ (Ebd.). Sowohl Sternfeld als auch Miessen und Beech lehnen aus den skizzierten Gründen das Konzept der Partizipation ab. Ihre ‚Gegenmodelle‘ sehen jedoch völlig unterschiedlich aus: Auf begrifflicher Ebene sind sich Beech und Miessen einig, dass sie „Kollaboration“ statt „Partizipation“ möchten. Ihr Augenmerk liegt demnach darauf, den Aspekt der Macht, der jeder Interaktion zugrunde liegt, beim Namen zu nennen und zu ‚rehabilitieren‘: Kollaboration erkennt an, dass alle AkteurInnen eigene Ziele verfolgen, die i.d.R. darauf zielen, sich eigene Vorteile zu verschaffen oder zumindest kein ‚Minusgeschäft‘ abzuschließen. Neben dem Thema Macht ist darüber hinaus auch entscheidend, dass solche Interaktionen gemeinhin als „kollaborativ“ bezeichnet werden, bei denen jedes Individuum als solches unangetastet für sich selbst stehen darf – während „Kooperation“ und „Partizipation“ ihrer Meinung nach gewissermaßen auf die Auflösung der Individuen in einer gemeinsamen Gruppenidentität zielten. Sternfelds Gegenentwurf zu „Partizipation“ wäre die Etablierung einer emanzipativen, post-identitären und solidarischen Praxis (vgl. Sternfeld 2012b: 124 f.). Sie geht also deutlich über Beech und Miessen hinaus, weil sie nicht einfach ‚nur‘ eine „kollaborative“ Praxis möchte, sondern eine explizit anti-hegemoniale Praxis, die zwar auch die Konfrontation mit dem System nicht scheut, jedoch mit der Idee, das System mit seinen eigenen Waffen zu schlagen und dessen Strategien zu unterlaufen – was jedoch gleichermaßen informierte, mündige und handlungsfähige Ak19 Diese Ablehnung der Kontaktzone gilt mit Einschränkungen, wie auch die drei künstlich von mir erzeugten ‚Lager‘ in Wirklichkeit nicht ganz trennscharf voneinander zu unterscheiden sind, da die Übergänge fließen. In diesem Zusammenhang sei beispielsweise darauf hingewiesen, dass Sternfeld in einem Text neueren Datums gemeinsam mit Beatrice Jaschke Cliffords Konzept der Kontaktzone ausdrücklich lobt (vgl. Jaschke & Sternfeld 2015: 173-176). 20 Vgl. dazu Boasts Ausführungen zu sog. „autoethnography“ (schriftliche Äußerungen der schwächeren Gruppe, die wie unaufgeforderte Rechtfertigungsversuche gegenüber den Herrschenden gedeutet werden können), die Pratt und Clifford seiner Meinung nach völlig unterschätzen (vgl. Boast 2011: 62).

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teurInnen voraussetzt, die es überhaupt mit dem System aufnehmen können. Eine zentrale Rolle dabei spielt die Zurückweisung der vom Museum i.d.R. vorgenommenen identitären Zuschreibungen, von der jede Repräsentation (bisher) bewusst oder unbewusst durchdrungen ist, zugunsten einer Praxis, die auf einem „neuen post-identitären Wir-Begriff“ (ebd. 124) basiert. Sternfelds Strategie würde dann also bedeuten, den Teufelskreis von Inklusion, die wiederum automatisch Exklusion erzeugt, zu durchbrechen, da auch dieses Prinzip auf identitären Zuschreibungen beruht. Im Gegensatz zu Beech und Miessen, die in ihren konkreten Umsetzungsvorstellungen schwammig bleiben (Beech) bzw. eher Zementierung als Veränderung fordern (Miessen), bietet Sternfeld mit ihrem Konzept der Gegenrede eine argumentativ gestützte Strategie an, das bestehende Museumssystem als Herrschaftsapparat zu konterkarieren; das heißt, dessen Konstruiertheit offenzulegen, „[...] mächtige Wissensproduktion […] aktiv zu verlernen und sich also mitten im Apparat der Wertekodierung mit diesem anzulegen.“ (Sternfeld 2010: 30). Um zu verstehen, was Sternfeld meint, kann es hilfreich sein, Oliver Marcharts Ausführungen zur sogenannten Gegenkanonisierung heranzuziehen: „Im Fall der Gegenkanonisierung wird die Definitionsmacht der Institution genutzt und gleichsam gegen sie selbst gewendet. Diese Strategie zielt weniger auf die Unterbrechung der institutionellen Logik [...] als auf den zu vermittelnden ‚Inhalt‘. Ja, die Definitions- und Kanonisierungsmacht der Institution ist geradezu willkommen, weil sie die beabsichtigte Kanonverschiebung mit dem nötigen symbolischen Kapital ausstattet.“ (Marchart 2005: 49)

Und auch sonst greifen Sternfelds und Marcharts Gedanken gut ineinander: Wenn Marchart über eine ‚Erziehung‘ nicht als „Herrschaftstechnologie“, sondern als „Befreiungs- und Emanzipationstechnologie“ (Marchart 2005: 40) nachdenkt, könnte dies analog auch für Sternfelds Zukunftsvision für Museen und Ausstellungen gelten, die sie prinzipiell ja ebenfalls „an der Schnittstelle von Herrschaft und Befreiung“ (Sternfeld 2010: 29) angesiedelt sieht: „Museen und Ausstellungshallen müssten zu einer Art ‚Volkshochschule‘ werden, allerdings zu einer Volkshochschule ohne ‚Volk‘ und ohne Schule. Dort dürfte Vermittlung nicht den Fehler begehen, wie in herkömmlichen Volkshochschulen, den bestehenden Kanon ‚nach unten‘ vermitteln zu wollen, sondern sie müsste den Leuten tools zur Verfügung stellen, um den Kanon in seiner Bedingtheit (also seine Klassenbasis, seinen Eurozentrismus etc.) durchschaubar zu machen. Letztlich bestünde Sinn und Zweck einer solchen Institution nicht in der Vermittlung einer alten Kultur [...], sondern in der Schaffung einer neuen.“ (Marchart 2005: 48 f.)

Sternfelds Utopie eines ‚neuen‘ Museums könnte zusammenfassend vielleicht als ‚anti-hegemoniales‘, ‚post-identitäres‘ – oder zugespitzt vielleicht auch ‚anarchistisches‘ – Museum bezeichnet werden, weil alles Bisherige außer Kraft gesetzt und „radikaldemokratisch“ (vgl. Jaschke & Sternfeld 2015: 168) zur Diskussion mit al-

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len gestellt werden soll. Die Umsetzung dieser Utopie in einer breiten, statt punktuellen Praxis innerhalb bestehender Institutionen muss jedoch wahrscheinlich an den Bedingungen der Realität scheitern (vgl. Marchart 2005: 53)21 sowie letztlich auch an der Tatsache, dass Handeln und permanente kritische ‚Lektüre‘ untrennbar miteinander verbunden sind: Aufgrund der Tatsache, dass ein solches Konzept dadurch im Grunde genommen ein kritisches Bewusstsein und eine genaue Kenntnis der Systemstrukturen und alternativer Denkmodelle bereits implizit einfordert, wäre es gewissermaßen selbst als elitär und im wortwörtlichen Sinne exklusiv zu bezeichnen. Was Miessens Argumentationen und Schlussfolgerungen anbetrifft, muss an dieser Stelle nicht viel geschrieben werden. Seine Ausführungen wurden im Epilog des eigenen Buches Albtraum Partizipation von dem Architekturkritiker und Kurator Carson Chan bereits kritisch gegengelesen (vgl. Chan 2012). Die Idee der Aufwertung des „Außenseiters“ oder „Dilettanten“ hat sicherlich Potenzial für weitergehende Überlegungen, zeigt sie doch auch Parallelen zur aktuellen Pro-Am-Bewegung, die die bisherigen starren Grenzen zwischen den Konzepten der/des Professionellen und der/des AmateurIn produktiv aufzulösen sucht. Allerdings muss kritisch hinterfragt werden, wie Miessen die Grenze zwischen diesem und dem von ihm heftigst kritisierten „Idioten“ (ders. 2012: 200) bzw. der „allerletzten Schnarchnase“ (ders. & Grassegger 2012: 2) ziehen will. Was Miessen nicht bemerkt zu haben scheint, ist, dass er selbst, ohne es zu wollen, in den von ihm kritisierten Strukturen des Systems denkt: Denn letztlich ist es ja eine Standpunktfrage, ob der „Dilettant“ – von außen betrachtet – als Bereicherung verstanden wird, oder – von innen, also aus Systemperspektive – doch nur als „Idiot“ abgetan werden muss. Genauso erscheint es wohl nur aus Sicht der Mächtigen bzw. derjenigen, die sich innerhalb des etablierten Systems befinden, plausibel, Menschen, denen man Unmündigkeit oder Desinteresse unterstellt (anders weiß ich „Schnarchnase“ und „Idiot“ nicht zu deuten), von Beteiligungsprozessen auszuschließen und für diesen Ausschluss auch noch verantwortlich zu zeichnen. Hier scheint das altbekannte paternalistische Argument des verantwortlichen Entscheidens für alle zum Wohle aller auf, das den eigenen Machtanspruch zu rechtfertigen sucht.

21 Ähnlich pessimistisch äußerte sich Fliedl im Interview bezüglich einer partizipativen Praxis, bei der museale Macht- und Autoritätsmechanismen tatsächlich zur Disposition gestellt würden: „Letztlich wäre das Bemühen um Partizipation ein politisches Projekt – aber das Museum ist der ungünstigste Ort, um das zu probieren. Dort geht es sicherlich am schwierigsten. [...] Partizipation muss schon so etwas sein, das die Machtfrage stellt, sonst ist es keine Partizipation. Ich glaube aber, dass das in der Realität nicht die geringste Chance hätte.“ (Fliedl; Piontek 2011n: 4).

IV.5 Fazit

Letztlich bleibt die gelungene, pluralistische Er- bzw. Ent-Mächtigung als Ergebnis einer Be- bzw. Ent-Teiligung von Menschen in der musealen Kultur als Spiegel und Teil unserer Gesellschaft die zentrale Utopie – oder das entscheidende Dilemma – in der vorgestellten Diskussion zwischen Befürwortung, bedingtem Einverständnis und radikaler Ablehnung von Partizipation. Wie hoffentlich deutlich wurde, entzünden sich bereits am Wort „Partizipation“, erst recht aber an und in partizipativen Prozessen im Museum soziokulturelle Kernkonflikte, die weit über die Institution Museum hinausgehen und sich deshalb einfachen ‚Lösungen‘ verweigern – aber gerade deshalb auch so sehr von Belang sind. Einmal mehr stellt sich die Frage, wo die Reichweite musealer Erfahrungen und Inhalte – wo das Museum als solches – eigentlich aufhört; „[C]o-creation is a radical shift from traditional, shall we say, historic museum practices. It challenges the notion of the museum as authority and the vision as learner [...]. As we move more deeply into the twenty-first century, we need to embrace not just new ways of thinking about who we are – both internally and externally – but a new vision of where the boundaries of the museum experience begin and end.“ (Falk & Dierking 2013: 308 f.)

V. Partizipation analysieren

Zum Inhalt dieses Kapitels Dieses Kapitel wendet sich der Frage zu, wie museale Partizipation modellhaft dargestellt, systematisiert und klassifiziert werden könnte. Hierzu werden zunächst existierende Klassifizierungs- und Modellversuche vorgestellt (auch im Rückgriff auf andere Disziplinen, da im Kultur- und insbesondere im Museumsbereich nur wenig Klassifizierungsversuche existieren) und diskutiert. Vor diesem Hintergrund stelle ich dann mein eigenes Modell, das ich als „Dimensionenmodell“ bezeichne, ausführlich vor. Auf welchen Grundlagen und in welcher Weise dieses entwickelt worden ist, habe ich bereits in Kapitel II.2 dargelegt.

V.1

Vorhandene Partizipationsmodelle

Wie sich in den bisherigen Kapiteln gezeigt hat, ist der Begriff Partizipation derart weit gefasst, dass, je mehr man sich mit ihm beschäftigt, die Konturen dessen, was er meint (oder eher meinen könnte) zunehmend verschwimmen. Abhilfe können Modelle schaffen. Modelle dienen dazu, komplexe Sachverhalte auf das Wesentliche zu reduzieren und damit anschaulich und verständlich zu machen. Grundsätzlich kann man zwischen deskriptiven und präskriptiven Modellen unterscheiden. Deskriptive Modelle versuchen, einen bekannten Sachverhalt möglichst genau darzustellen, präskriptive Modelle legen einen Sachverhalt fest, dienen der Hypothesenbildung und deren Überprüfung. Auch im Komplexitätsgrad gibt es enorme Unterschiede.

V.1.1 K ATEGORIALE M ODELLE Kategoriale Modelle sind i.d.R. übersichtliche, weniger komplexe Modelle. Sie dienen dazu, einen Sachverhalt in wesentliche Kategorien zu gliedern. Bei einfachen Modellen steht jede Kategorie für sich, ohne das versucht wird, Interdependenzen abzuleiten oder eine eventuelle Entwicklungsperspektive im Modell sichtbar zu machen. Der Nutzen kategorialer Modelle liegt darin, dass sie pragmatisch zur grundlegenden Gliederung eines komplexen Sachverhalts beitragen können und für wesentliche Unterschiede sensibilisieren bzw. den Blick auf Grundstrukturen lenken. Die nun vorgestellten kategorialen Modelle stammen nicht ausschließlich aus dem Kulturbereich, regen jedoch dazu an, sie auf partizipative Ausstellungsprojekte zu übertragen und zu prüfen, ob die gemachten Unterscheidungen auch hier relevant sein könnten und in einem zukünftigen Partizipationsmodell berücksichtigt werden sollten. Außerdem fokussieren sie jeweils nur Teilaspekte von Partizipation, was insofern für die vorliegende Untersuchung gewinnbringend ist, als dass sie wesentliche Kategorien aufzeigen, die bei Partizipation unterschieden werden können, in diesem Fall: Organisationsformen, Thematik und Zielrichtungen. Da der Fokus

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jeweils sehr begrenzt ist, kommen die AutorInnen ohne Schemazeichnungen aus; der Begriff „Modell“ mag in dieser Hinsicht vielleicht zu hoch gegriffen sein, wird aber dennoch verwendet, um zu betonen und zu würdigen, dass sich die AutorInnen um eine Binnendifferenzierung und Klassifizierung dessen verdient gemacht haben, was unter dem zu wenig aussagekräftigen Begriff „Partizipation“ firmiert. Differenzierungskategorie Organisationsformen Will man Partizipationsformate auf einer Meta-Ebene betrachten, kann die Politikwissenschaft Anregungen liefern. Formen politischer Partizipation in einer Demokratie werden unterschieden nach den Grundkomponenten verfasst – nicht-verfasst, direkt – repräsentativ, konventionell/legal – unkonventionell/illegal (vgl. z.B. Schultze 2011: 438 u. Kaase 2003: 496). In ihrer Kombination ergeben sich mehrere Grundtypen, wie Abbildung Nr. 4 veranschaulicht. Abbildung 4: Formen politischer Partizipation

Quelle: Schultze 2011: 438

Auf die Institution Museum übertragen, zeigt sich, dass ähnliche Unterscheidungen möglich sind: Verfasste Formen wären solche Partizipationsformate, die in einem klar definierten institutionellen Kontext stattfinden, also i.d.R. vorab geplant sind und von Museumsseite aus geleitet werden. In diese Kategorie fällt der Fokus der vorliegenden Forschungsarbeit. ‚Nicht-verfasste‘ Formen wären demgegenüber Partizipationsanliegen, die von ‚außen‘ an das Museum herangetragen werden und bei denen Beteiligung eingefordert wird. Erfahrungsgemäß ist diese Form in der Realität eher selten, kommt aber durchaus vor, etwa wenn sich eine Interessensgruppe im lokalen Museum repräsentiert sehen möchte1 oder (ehemalige) MitarbeiterInnen in

1

Ein Beispiel hierfür wäre die Sonderausstellung Wagenburg leben in Berlin (Kreuzbergmuseum Berlin, 2008), die auf Anfrage und Initiative der Berliner Wagenburg-Szene realisiert wurde, allerdings mehr als hosted project denn in wirklicher Zusammenarbeit mit den Museumsleuten.

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ANALYSIEREN :

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ihrer (stillgelegten) Arbeitsstätte in ein Firmen- oder Betriebsmuseum einrichten möchten.2 Idealerweise ermöglichen aktuelle museale Partizipationsangebote direkte Beteiligung, sodass jede/r, der/die möchte, einen Beitrag leisten kann. Einen festen Platz in der Museumspraxis haben repräsentative Beteiligungsformen, etwa, wenn in einem ethnologischen Museum einzelne VertreterInnen einer Volksgruppe gebeten werden, an einem Ausstellungskonzept über diese Gruppe mitzuarbeiten oder wenn – wie derzeit häufig – einzelne Menschen mit Migrationshintergrund zu ihren Erfahrungen befragt werden oder persönliche Objekte beisteuern sollen, die dann als exemplarische Migrationserfahrungen in eine Ausstellung einfließen. – Jedoch stimme ich mit Suzanna Milevska überein, dass jene Form, bei der „ausschließlich [...] gewählte oder ernannte Repräsentantinnen“ (Milevska 2009: 38) einbezogen werden, keine Partizipation im engeren Sinne darstellt. Die Übertragung des Gegensatzpaares konventionell/legal – unkonventionell/illegal fällt schwer, wenn man von BesucherInnen verursachte Sachbeschädigungen oder ähnliche im Museum unerwünschte Verhaltensformen nicht als Partizipation werten möchte.3 Denkbar wäre aber die Unterscheidung nach Mitwirkung an konventionellen Museumstätigkeiten wie etwa dem Sammeln, Katalogisieren etc. und solchen Tätigkeitsformen, die im Museum eher selten sind, wie etwa an die Wände im Ausstellungsraum zu schreiben4 oder Gegenstände umzugestalten, zu verschenken oder gar zu zerstören.5

2

3 4

5

So etwa das Hoesch-Museum in Dortmund, das maßgeblich auf Initiative der früheren „Höschianer“ (Freunde des Hoesch-Museums e.V. o.J.: o.S.), also der ArbeiterInnen dieses ehemaligen Eisen- und Stahlwerks, in Zusammenarbeit mit dem Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte entstand. Auch heute noch sind diese InitiatorInnen, zusammengeschlossen als Freundeskreis, Träger des Museums und erhalten durch ehrenamtliche Mitarbeit den Museumsbetrieb aufrecht (vgl. auch Jaquet o.J.). Christian Hirte (2012) etwa plädiert mit einem Augenzwinkern dafür, das spontane, u.U. regelwidrige Verhalten von BesucherInnen als Ausdruck von ‚Partizipation‘ zu werten. So durften BesucherInnen der Kunsthalle Emden anlässlich der Dokumentationsausstellung Kunsthalle Emden 1986-2011 im Rahmen des Projekts WTFT-11/1 dem Museum eine Farbe zuordnen und mit dieser ein Kästchen eines auf der Wand eingezeichneten Rasters mittels von der Decke an Schnüren herabhängenden Buntstiften füllen. Im „Weißraum“ sollten die BesucherInnen auf die Wände und den Fußboden mit fluoreszierenden Weißkreiden zeichnen oder schreiben – ohne dies jedoch zu sehen, außer in der Zeit, wenn der Raum einmal täglich für eine Stunde unter Schwarzlicht gesetzt wurde (vgl. Ohmert 2012b: 77). Oder im Rahmen der Ausstellung Horizont Jawlensky. Auf den Spuren von van Gogh, Matisse, Gauguin war ein Ausstellungsraum dem Besucherprojekt Masking Jawlensky vorbehalten: Mittels farbiger Klebebänder entstand prozessual ein raumgreifendes farbiges Gemeinschaftswerk, inspiriert durch die Kunstwerke der Ausstellung (vgl. Kunsthalle Emden 2014). Dies war im Gewerbemuseum Winterthur anlässlich der Ausstellung Böse Dinge. Positionen des (Un)geschmacks möglich: Mitgebrachte ‚böse Dinge‘ konnten in einer Dingzerstörungsmaschine des Künstlers Antoine Zgraggen mittels Vorschlaghammer zerschmettert werden – dazu lief passende Musik (vgl. Gewerbemuseum Winterthur 2011).

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Angelehnt an Stange & Tiemann (1999: 245-247), die im Rahmen der Jugendhilfe Partizipation von Kindern und Jugendlichen in gesellschaftlichen Einrichtungen untersuchen, könnte man außerdem noch zwischen punktueller – dauerhafter Partizipation unterscheiden, d.h. zum einen zwischen einmaligen Beteiligungsprojekten etwa im Zusammenhang einer Sonderausstellung (dies ist in Deutschland bisher die Regel) und dauerhaften Formen, die dann nicht vornehmlich an ein bestimmtes Thema gebunden, sondern vielmehr an ein entsprechendes Museumsleitbild geknüpft sind und in der Dauerausstellung Niederschlag finden bzw. ein permanentes Angebot darstellen. Prominentes Beispiel hierfür wäre etwa, wie im angelsächsischen Raum nicht selten, ein ständiger Museumsbeirat, der für Menschen aus der Bevölkerung offen steht. In der deutschen Museumslandschaft wäre insbesondere das historische museum frankfurt (hmf) zu nennen, das im überarbeiteten Museumskonzept ein partizipatives Stadtlabor fest verankert, das sich durch ‚beständige Unbeständigkeit‘ auszeichnet, indem es sich um ein dauerhaftes Format bzw. Forum für verschiedenste partizipative Projekte mit Menschen aus Frankfurt handelt (vgl. z.B. Gesser 2014). Differenzierungskategorie Thematik In die schier unüberschaubare Fülle an Themen versucht die Kunstwissenschaftlerin und Kuratorin Suzanna Milevska eine Schneise zu schlagen, indem sie – bezogen auf partizipative Kunstprojekte – zwei grundlegende Typen unterscheidet: •



Der erste Typus behandelt Partizipation innerhalb des thematischen Bezugsrahmens „Kunst“, indem beispielsweise die Beziehungen von Kunstinstitution und Publikum, KünstlerInnen und Kunstinstitution, KünstlerInnen und KuratorInnen usw. dezidiert behandelt werden. Der Kunstbetrieb und Kunst als solche stellen also den thematischen Bezugsrahmen dar. Der zweite Typus richtet sich dagegen auf Partizipation im thematischen Bezugsrahmen „Gesellschaft“, weist also über den thematisch-institutionellen Rahmen hinaus. Im Fokus steht die Frage nach Einbeziehung und Differenz verschiedener (sozialer, ethnischer usw.) Gruppen und Individuen innerhalb der gesellschaftlichen Strukturen (vgl. Milevska 2009: 32).

Auf den ersten Blick scheint Milevskas Unterscheidung zu spezifisch, da sie lediglich solche Projekte in ihre Überlegungen einschließt, die einen institutions- oder gesellschaftskritischen Ansatz haben, also Fragen der Beziehung sowie der Inklusion und Exklusion innerhalb oder außerhalb einer Institution thematisieren. Schwächt man diesen Bezugsrahmen ab, indem man auch affirmative und vordergründig ‚unkritische‘ Partizipationsprojekte einbezieht, bleibt Milevskas Grund-

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unterscheidung jedoch bestehen: Auf einer Metaebene betrachtet, kann man also differenzieren zwischen Projekten, die eine innerinstitutionelle Thematik aufgreifen und solchen, die eine außerinstitutionelle bzw. für die jeweilige Institution nicht spezifische Thematik adressieren. Was mir bei dieser Unterscheidung jedoch fehlt, wäre ein dritter Typus, der mir ebenso grundlegend erscheint: Die Fokussierung auf das agierende Individuum selbst (sei es, in Milevskas Kontext, der/die KünstlerIn, sei es der/die Partizipierende), was ja gerade im künstlerisch-kreativen Bereich als explizites Thema durchaus nicht selten ist. Vielleicht spielte dieser Aspekt bei Milevska keine Rolle, da sich AkteurInnen in gewisser Weise immer auch mit sich selbst auseinandersetzen, auch wenn sie ‚eigentlich‘ ein anderes Thema bearbeiten. Auf Museumspartizipation allgemein übertragen, ließe sich demnach festhalten, dass partizipative Projekte auf einer Metaebene nach drei Grundthematiken klassifiziert werden könnten, nämlich in: •





Projekte, die das ‚System Museum‘ bzw. die Institution Museum im Allgemeinen oder das jeweilige Ausstellungshaus im Besonderen in irgendeiner Weise thematisieren6 Projekte, die sich mit ‚der Welt außerhalb‘ beschäftigen, sei es mit der Lebenswirklichkeit der Beteiligten, sei es mit dem gesellschaftlichen System allgemein oder mit einem ganz bestimmten Aspekt des lokalen Umfeldes usw. Projekte, in denen sich die AkteurInnen dezidiert mit sich selbst auf ganz persönlicher Ebene befassen, sei es, dass sie ihre Kreativität entdecken, ihre Identität ausloten oder sich mit Wünschen, Träumen, Ängsten, Erinnerungen o.ä. befassen

Eine weitere Binnendifferenzierung dieser zentralen Themensetzungen ließe sich beliebig fortsetzen (was für den hier angestrebten Generalisierungs- und Typisierungsversuch jedoch nicht zielführend wäre). Was bei der Frage nach übergeordneten Thematiken partizipativ ausgerichteter Museumsarbeit unabhängig von eben skizzierter Grunddifferenzierung auffällt, ist die Häufung folgender Themenzusammenhänge in der gegenwärtigen Partizipationslandschaft im deutschsprachigen Raum: • • •

Migrationsthematik Gegenwartsthemen Stadtgeschichte(n)

6

Wie in Kapitel V.1.4 gezeigt wird, könnte man, angelehnt an Silke Feldhoff, diesen ersten Block nochmals zweiteilen: Einmal in Projekte, die sich mit dem Museum/der Institution wie o.g. beschäftigen, und einmal in Projekte, die dezidiert den Museums- bzw. Ausstellungsbestand, also die jeweiligen ‚Dinge‘ fokussieren.

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Differenzierungskategorie Zielsetzungen Die Frage, was mit Partizipation erreicht oder angestoßen werden soll, ist insbesondere im Bereich der institutionskritisch und aktivistisch orientierten Kunstwissenschaft und -didaktik immer wieder diskutiert worden (wie ja bereits ausschnitthaft im vorangegangenen Kapitel anhand der vorgestellten Positionen aus dem Kunstkontext ersichtlich wurde). Virulent erscheint hier zunächst einmal die grundsätzliche Unterscheidung nach partizipativen Angeboten, die in erster Linie der Unterhaltung und ‚Bespaßung‘ eines Publikums dienen – und damit meist hintergründig marktwirtschaftliche Interessen der Institution befriedigen sollen (so zumindest die Ansicht der KritikerInnen solcher Formen) –, und solchen Angeboten, die (darüber hinaus) explizit bestimmte inhaltliche oder normative Ansprüche verfolgen. Solche beziehen sich i.d.R. auf die (potenziell) Teilnehmenden, denen z.B. ein bestimmter (Lern-)Inhalt vermittelt und nähergebracht werden soll, die neue Erfahrungen machen oder etwa Perspektivwechsel vollziehen sollen, ein kritisches Bewusstsein in bestimmter Hinsicht ausbilden oder sich emanzipieren sollen etc. Mit solchen Partizipationsangeboten, die über das reine Entertainment hinaus einen ‚Mehrwert‘ postulieren, hat sich im Kunstsektor insbesondere Christian Kravagna intensiv beschäftigt, dessen Position zu Partizipation ja bereits ausführlich dargestellt wurde. Seine kategoriale Einteilung unterscheidet partizipative (Bildungs-)Projekte in solche mit primär revolutionärem, reformatorischem, spielerischem und/oder didaktischem Impetus. Da dies natürlich ein sehr spezifischer, dezidiert auf Kunst bezogener Ansatz ist und es an dieser Stelle auch nur darum geht, Beispiele dafür aufzuzeigen, wie in Theorie und Praxis bereits versucht wurde bzw. wird, Partizipation zu kategorisieren und zu klassifizieren, sei an dieser Stelle zur weiteren Vertiefung auf Kapitel IV.3 rückverwiesen bzw. direkt auf die Primärliteratur, Kravagnas Text Modelle partizipatorischer Praxis (1998), in dem er seine Unterscheidung ausführlich darlegt.

V.1.2 P ROZESSUALE M ODELLE /S TUFENMODELLE Prozessuale Modelle untergliedern ebenso wie kategoriale Modelle einen Betrachtungsgegenstand in Kategorien und beschreiben diese. Darüber hinaus beinhalten sie jedoch auch eine ‚Wertung‘ und/oder berücksichtigen die zeitliche Dimension der einzelnen Kategorien, indem diese als Phasen eines Prozesses verstanden und dementsprechend in Stufen, die eine Entwicklungsrichtung angeben, unterteilt wer-

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den. In der Regel baut eine höhere Stufe auf den vorherigen auf und weist deren Merkmale als gemeinsame Schnittmenge auf. Auch für die schematische Darstellung von Partizipation bieten sich solche Stufenmodelle an, insbesondere bezüglich Aktivitätsgraden sowie Machtverhältnissen. Ausgewählte Beispiele hierfür aus Politik, Soziologie und Kultur werden im Folgenden skizziert. Differenzierungskategorie Machtverhältnisse Eines der einflussreichsten (vgl. Urban 2005: 2) – und sicherlich auch ersten – Stufenmodelle legte die Pädagogin und Sozialarbeiterin Sherry S. Arnstein 1969 mit ihrer ladder of citizen participation vor (vgl. Arnstein 2011).7 Seitdem hat es zahlreiche nachfolgende Modelle zu Partizipation beeinflusst, so insbesondere die Pyramidenmodelle, die von Partizipation existieren (ein Beispiel für eine Partizipationspyramide befindet sich im digitalen Anhang Nr. 1). Abbildung 5: Partizipationsleiter nach Arnstein

Grafik und Übersetzung: Anja Piontek; Vorlage: Arnstein 2011: 241

Arnstein wählt als Bild sinnigerweise eine Leiter mit acht Sprossen für den ‚Aufstiegsprozess‘, bei der jede Sprosse den zunehmenden Einfluss der Beteiligten und deren aufsteigende Entscheidungsbefugnisse markiert (vgl. Abb. 5). Mit zunehmender Einflussmacht gelangen sie vom statischen Zustand der Nichtbeteiligung (non7

Erstveröffentlichung im Journal of the American Institute of Planners, Vol. 35, No. 4, July 1969, S. 216-224.

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participation), der den Ausgangspunkt markiert, über einen Zustand der Scheinoder Alibibeteiligung (tokenism) schließlich zu tatsächlicher Beteiligung bzw. zu ‚Macht‘ (citizen power). Diese Zustände gliedern sich wie folgt (beginnend mit der niedrigsten Stufe): •

Manipulation (manipulation): Die Mächtigen instrumentalisieren die Machtlosen für ihre Zwecke, wobei diese nicht merken sollen, dass sie gar nicht nach eigenem Willen handeln (Gefühl der Eigenständigkeit bei faktischer Fremdbestimmung)



Belehrung (therapy): Die Mächtigen manipulieren nicht verdeckt, sondern legen ihr Handeln offen, wobei sie dem jeweiligen Gegenüber vermitteln, dass dieses unter einem Defizit leide und alles zu dessen Wohl geschehe, um es von diesem Defizit oder ‚falschen Glauben‘ zu befreien. Ziel ist es, dass der/die Machtlose das ‚Weltbild‘ bzw. ‚System‘ des Mächtigen als sein/ihr eigenes verinnerlicht (Paternalismus; Vereinnahmung der Anderen durch eine aufoktroyierte Sichtweise)



Information (informing): Dies ist ein erster Schritt in Richtung Eigenständigkeit der Machtlosen, da diese offen mit – idealerweise objektiven Informationen – versorgt werden (Objektivierung der Sichtweise; Möglichkeit zur Meinungsbildung)



Konsultation (consultation): Die Machtlosen werden insofern in Entscheidungsprozesse einbezogen, als dass sie zur Kommentierung und Meinungsäußerung – also zur Anhörung – eingeladen werden; jedoch ohne Vetorechte und garantierter Einflussmöglichkeit (Erlaubte Meinungsäußerung; Sprechen-Dürfen der Machtlosen, Zuhörbereitschaft der Mächtigen)



Alibibeteiligung/Beschwichtigung (placation): Ohne Interesse an echter Veränderung bzw. Beteiligung auf Seiten der Mächtigen werden Instrumente der scheinbaren Beteiligung geschaffen. Ziel ist es, die Machtlosen dadurch zu beruhigen, indem man ihnen das Gefühl von Beteiligung vermittelt. Etwa ein Beirat, in dem einige wenige, von den Mächtigen ausgewählte Mitglieder der Machtlosen sitzen, sodass sich die Gruppe der Machtlosen mit ihren Interessen vertreten fühlt. Oder: Mitbestimmung bei marginalen Entscheidungen, während alles Entscheidende in der Hand der Mächtigen verbleibt (gefühlte, jedoch nicht faktische Mitbestimmung; minimale Zugeständnisse der Mächtigen, ohne dass deren Machtmonopol in Gefahr geriete)



Partnerschaft (partnership): Eine erste Form der Beteiligung ist dann erreicht, wenn der/die Mächtige sein Gegenüber ernst nimmt und es als ebenbürtig anerkennt. Die ehemals Machtlo-

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sen werden einbezogen, beispielsweise konsultiert, wobei ihre Meinung nun tatsächlich den weiteren Verlauf und das Ergebnis beeinflusst, z.B. durch ein Vetorecht (Machtgleichgewicht) •

Autorisierung (designated power): Einzelne Teilaufgaben/Teilbereiche werden an die ehemals Machtlosen delegiert. In diesem Bereich gehen sämtliche diesbezügliche Macht- und Entscheidungsbefugnisse auf diese über, sodass sie im gegebenen Rahmen selbständig handeln und entscheiden können (Machtüberschuss der einst Machtlosen in Teilbereichen)



Leitungsübertragung (citizen control): Der/die Mächtige gibt tatsächlich alle Macht bzw. den Großteil der Macht an die ehemals Machtlosen ab, sodass sich die Machtverhältnisse vollständig umdrehen. Die ehemals Mächtigen sind machtlos bzw. verzeichnen ein Machtdefizit, die ehemals Machtlosen haben die vollständige Kontrolle und Macht (vollständige Macht- und Kontrollbefugnis bzw. emanzipatorisch gewendet: Selbstbestimmung/Selbständigkeit)

Bemerkenswert an Arnsteins Modell ist, dass es anerkannte Praktiken, die gemeinhin als Partizipation gehandelt werden, als taktische ‚Täuschung‘ der Mächtigen offen legt, weil sie de facto die Entscheidungsmacht auf Seiten der Mächtigen belassen, getragen von der Hoffnung, dass sich die ‚Machtlosen‘ beteiligt fühlen und nicht gegen das bestehenden System aufbegehren. Außerdem sensibilisiert das Modell für eine entscheidende Grundbedingung, um überhaupt partizipieren zu können: Information (vgl. Sprosse 3). Wer einerseits gar nicht weiß, dass er/sie zur Beteiligung eingeladen ist, kann nicht agieren – für Museen ein wichtiger Aspekt, wenn es um die Frage geht, über welche Kanäle man jene Menschen erreicht, die man für ein partizipatives Projekt gewinnen möchte. Außerdem sensibilisiert dieser Aspekt dafür, dass (potenziell) Teilnehmende umso selbstbestimmter in einem Partizipationsangebot agieren können, je mehr (Hintergrund-)Informationen sie vom Museum erhalten (z.B. über Sinn und Zweck des Vorhabens, mögliche Vorgaben von Museumsseite, organisatorische Rahmenbedingungen, Fertigkeiten, AnsprechpartnerInnen, Fachwissen etc.). Zusammenfassend zeichnet Arnsteins Modell den Entwicklungsprozess von Fremd- zur Selbstbestimmung nach, indem es das Beziehungsgefüge zwischen den anfangs Mächtigen und Machtlosen in Hinblick auf die Verteilung von Machtbefugnissen offen legt. Die anfangs in dieser Hinsicht völlig konträren Gruppen nähern sich einander an, bis ein Machtgleichgewicht erreicht ist. Dieses markiert zugleich einen Wendepunkt, ab dem sich die Machtverhältnisse in umgekehrter Verteilung symmetrisch zum vorherigen Verlauf wieder auseinanderentwickeln. Die Leitermetapher trägt dem nur ungenügend Rechnung, da die Spitze der Leiter be-

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reits eine Machtumkehr impliziert. Diese Machtumkehr ist dem Konzept der Partizipation aber nicht eingeschrieben (denn das Idealverständnis sieht ja einen ausgeglichenen Zustand des Mächteverhältnisses vor), weshalb ein prozessorientiertes Modell diesen Umstand differenziert berücksichtigen sollte. Beispielhaft hierfür möchte ich ein Stufenmodell von Jürgen Blandow, Ulrich Gintzel und Peter Hansbauer (Blandow et al. 1999: 58) heranziehen (vgl. Abb. 6), die sich mit Partizipation in der Heimerziehung von Kindern und Jugendlichen beschäftigen. Abbildung 6: Partizipationsmodell von Blandow/Gintzel/Hansbauer (1999)

Grafik: Anja Piontek; Bildvorlage: Urban 2005: 3

In diesem Modell wird Arnsteins Leiter in auf- und wieder absteigende Stufen übertragen, was bildlich verdeutlicht, dass die mittlere Prozessstufe – aus einem Verständnis von Partizipation als gleichberechtigter Zusammenarbeit heraus – die ‚höchste‘ Stufe bzw. normativ betrachtet den anzustrebenden Idealzustand markiert, der sich dann schrittweise umkehrt. Die modellhaft ausdifferenzierten Sprossen oder Stufen lassen sich in der Realität kaum in dieser Eindeutigkeit ausmachen. Die Prozesse von Fremdbestimmung, Vereinnahmung, ‚echter‘ Partizipation und Selbstbestimmung sind fließend. Es erscheint daher sinnvoll, Partizipation in diesem Aspekt als Kontinuum zu betrachten. Ein Beispiel für ein solches Modell wäre das Partizipationskontinuum von Rudolf-Christian Hanschitz, Esther Schmidt und Guido Schwarz (Hanschitz et al. 2009), das im sozialwissenschaftlichen Bereich der Gruppen- und Organisationsdynamik angesiedelt ist.8 Dieses Modell (vgl. Tabelle 1) zeichnet den Prozess angefangen beim ersten grundsätzlichen Schritt in Richtung Beteiligung, nämlich der In8

Die Verfasser des Modells stammen aus den Bereichen Kommunikation/Sozialwesen (Hanschitz), Systemische Interventionsforschung (Schmidt) und Unternehmensberatung (Schwarz).

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ANALYSIEREN :

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formationsgabe bzw. des Informationserhalts bis zur gleichwertigen Zusammenarbeit als Endstufe nach. Es umfasst insgesamt zwölf Prozessstufen, die das ablaufende Geschehen detailliert abbilden wollen. Hanschitz et al. unterteilen ihr Modell darüber hinaus in vier Spalten, von denen die ersten drei das Tätigkeitsspektrum des/der Mächtigen, den Aktivitätsgrad der zu Beteiligenden sowie den Output bzw. die Prozessqualität jeder Phase wiedergeben. Die vierte Spalte liefert jeweils eine Reflexion dessen und zeigt mögliche ‚Fallstricke‘ auf. Tabelle 1: Partizipationskontinuum von Hanschitz et al. Partizipationskontinuum

1

Ich …

… und ihr könnt:

Dabei entsteht …

Herausforderungen sind …

… stelle Informationen über Projekte, Planungen oder Ergebnisse zur Verfügung.

… es euch organisieren, wie ihr sie bekommt: technisch und organisatorisch.

... Informiertheit bei denen, die Infos wollen und bereit sind, dafür einiges zu tun.

Vor allem die Seite der „Machtlosen“, die Infos sozusagen „gnadenhalber“ holen können, muss trotzdem ein Gefühl der Partizipation aufbauen können, sonst verliert sich die Motivation. Die Mächtigen können sich nie sicher sein, dass diese Form der Partizipation den Machtlosen reichen wird. Öffentlichkeit wird zum Risiko. s. o. zusätzlich: Aneignung technischer Kompetenz, Investition von Zeit und Energie, meist unbezahlt. s. o. zusätzlich: Eine Auseinandersetzung mit der anderen Seite – Formen der Kommunikation müssen aufgebaut werden, die nicht mehr nur einseitig bestimmt werden.

… sie euch abholen, wenn ihr wollt und sie findet und die Möglichkeit habt, sie zu bearbeiten.

2

… stelle Informationen zur Verfügung und dazu die Medien, die man benötigt, um sie zu rezipieren.

… euch die Infos samt der Technik abholen und sie euch ansehen, wenn ihr wollt.

... Informiertheit bei mehreren.

3

… stelle Informationen zur Verfügung und dazu die Medien, die man benötigt, um sie zu rezipieren. Zusätzlich trete ich noch aktiv an euch heran und sage euch, was vorhanden ist und wie man es liest und ermuntere euch, es abzuholen.

… auf meine Initiative reagieren und die Informationen holen.

... Informiertheit bei vielen.

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Partizipationskontinuum (Fortsetzung) Ich …

… und ihr könnt:

Dabei entsteht …

4

… trete aktiv an euch heran, noch bevor ich eine Initiative starte, und stelle euch Informationen darüber zur Verfügung.

… die Informationen nehmen, die ich euch biete.

5

… trete aktiv an euch heran, stelle Informationen zur Verfügung und bitte euch, dazu Stellung zu nehmen.

… euch die Informationen abholen und einzeln dazu Stellung nehmen.

... Informiertheit sowie ein Gefühl, sich an etwas beteiligen zu können, wenn man will. Das Partizipationsgefühl wird stärker, hat aber noch nicht an Qualität gewonnen. ...Informiertheit, ein Beteiligungsgefühl sowie das Gefühl, selbst was zu tun. Die Qualität scheint schon eine andere zu sein.

6

… trete aktiv an euch heran, stelle Informationen zur Verfügung und bitte euch, dazu Stellung zu nehmen. Zusätzlich errichte ich eine Plattform, auf der ihr euch organisieren könnt.

… euch die Informationen abholen und euch auf der Plattform organisieren, miteinander kommunizieren und gemeinsame Meinungen bilden.

... Beteiligungsgefühl, Gemeinschaftsgefühl, Parteienstatus-Gefühl, wenngleich eher als Möglichkeit denn als Recht.

7

… organisiere ein Projekt, gebe euch die Informationen, errichte die Plattform und lade euch ein, in organisierter Form an den Sitzungen teilzunehmen und eure Meinungen einzubringen.

… in organisierter Form mittun und an den Sitzungen teilnehmen und eure Meinungen einbringen.

s. o.

Herausforderungen sind … s. o.

Je weiter dieser Prozess voranschreitet, umso mehr „Partizipationstäuschung“ ist notwendig, denn die Entscheidungskraft ist noch sehr ungleich verteilt. Zugleich verwandelt sich die Partizipation insofern, als Machtanreicherung bei den Machtlosen passiert. Mehr Öffentlichkeit muss von beiden Seiten verkraftet werden. Gemeinschaft will organisiert sein. Innerhalb der Plattformen, Bürgerinitiativen etc. muss Organisation entstehen bzw. die Gruppendynamik muss gesteuert und reflektiert werden – sonst läuft man Gefahr, sich aufzureiben, zu zerstreiten etc. s. o.

P ARTIZIPATION

ANALYSIEREN :

V ORHANDENE P ARTIZIPATIONSMODELLE

| 167

Partizipationskontinuum (Fortsetzung) Ich …

… und ihr könnt:

Dabei entsteht …

Herausforderungen sind …

8

… organisiere ein Projekt, gebe euch die Informationen, errichte die Plattform und lade euch ein, in organisierter Form an den Sitzungen teilzunehmen und eure Meinungen einzubringen. Zusätzlich gibt es für euch ein aufschiebendes Veto gegen unsere Entscheidungen.

… in organisierter Form mittun und an den Sitzungen teilnehmen und eure Meinungen einbringen. Ihr könnt ein Veto einlegen.

s. o. plus Gefühl, auf Entscheidungen in begrenztem Maße einwirken zu können. Eine erste Form der Abhängigkeit voneinander und somit von der Qualität der Kooperation und Kommunikation entsteht.

Wer von dem Veto übermäßig Gebrauch macht, wird scheitern – wer es nie tut, auch. Die gegenseitig aufkeimende Abhängigkeit muss von beiden Seiten bewältigt werden. Der organisatorische Aufwand auf beiden Seiten steigt, man muss die Entscheidungen der anderen Seite versuchen zu antizipieren und entsprechend Einfluss darauf nehmen.

9

… organisiere ein Projekt, schlage eine gemeinsame Infrastruktur vor und baue mit euch gemeinsam eine solche auf. Dann bringe ich die Ideen für das Projekt ein und entwickle eine gemeinsame Vorgehensweise. Ich zahle die Infrastruktur sowie die meisten Projektkosten. … baue gemeinsam mit euch ein Projekt auf, stelle all meine Daten sowie eine gewisse Manpower zur Verfügung. Ich zahle die Infrastruktur und meine eigenen Projektkosten. Ich finanziere das Ergebnis und entscheide, was davon wie umgesetzt wird.

… mitarbeiten an der Infrastruktur und der Organisation. Ihr könnt meine Ideen ergänzen und am Projekt mitarbeiten. Kosten, die ein gewisses Budget übersteigen, müsst ihr selbst finanzieren.

s. o. plus Gefühl mitzuarbeiten. Die „echte“ Mitarbeit erzeugt eine neue Qualität, in der auch die „Mächtigen“ erste Selbstzweifel entdecken und anfangen, ihre eigene Situation zu reflektieren.

Von beiden Seiten sind jetzt große Ressourcen gefragt. Budgetfragen tauchen auf beiden Seiten auf. Die Kooperation muss reflektiert werden, da sie selbst zum Thema wird.

… mit mir gemeinsam das Projekt aufbauen, eure Daten sowie Manpower zur Verfügung stellen und eure Projektkosten tragen.

Partizipationsgefühl in der Art, dass man Teil der Gesamtentwicklung ist und auch verantwortlich dafür. Erste Ansätze der Partnerschaft entstehen, Nachhaltigkeit und über das Projekt hinausragende Kooperationsgedanken entstehen.

Beide Teile müssen einander ernst nehmen, meist mehr, als sie glauben oder bereit sind zu akzeptieren. Frust und Enttäuschung während des Prozesses sind zu verkraften, im Idealfall zu reflektieren. Externe Begleiter müssen mit einbezogen und gesteuert werden. Mehrere Ebenen der Einigung werden notwendig.

10

168 | M USEUM UND P ARTIZIPATION

Partizipationskontinuum (Fortsetzung) Ich …

… und ihr könnt:

Dabei entsteht …

Herausforderungen sind …

11

… baue alles gemeinsam mit euch auf, trage meinen Teil an den Kosten und entscheide gemeinsam mit euch, was umgesetzt wird. Die Umsetzung zahle ich.

… mit mir das Projekt aufbauen und durchziehen. Ihr entscheidet mit, was davon wie umgesetzt wird.

s. o. plus das Gefühl der Partnerschaft in begrenztem Rahmen.

Echte Partnerschaft entsteht und verlangt von allen Beteiligten, damit zurecht zu kommen.

12

…schlage ein Projekt vor bzw. hänge mich an einen von euren Vorschlägen an, ziehe es mit euch gemeinsam durch, zahle meinen Teil, entscheide mit, was wie umgesetzt wird und trage meinen Teil der Umsetzungskosten.

… eigene Projektvorschläge einbringen, mit mir das Projekt aufbauen, mit mir entscheiden, was wie umgesetzt wird und euren Teil der Umsetzungskosten selbst tragen.

Gefühl echter Partnerschaft: Gleichwertigkeit, Vertrauen etc.

Die „neue Macht“ muss von Seite[n] der ursprünglich Machtlosen bewältigt werden. Die Mächtigen müssen die Kraft der Partnerschaft erkennen und sich selbst ebenso weiterentwickeln.

Quelle: Hanschitz et al. 2009: 89-92

Differenzierungskategorie Aktivitätsgrade Mit der Machtverteilung korreliert, wie bereits in den bisherigen Stufenmodellen deutlich wurde, auch der Aktivitätsgrad der AkteurInnen. Fremdbestimmung wird mit einer relativen Passivität der Machtlosen gleichgesetzt (wohingegen der/die Mächtige aktiv ist), Selbstbestimmung mit Aktivität – wie es ja bereits auch die frühe etymologische Bedeutungsdimension des Begriffs nahe legte. Im Folgenden sollen Modelle vorgestellt werden, die speziell diesen Aspekt als Unterscheidungsmerkmal nutzen. Cornelia Ehmayer, deren Position als Partizipationsbefürworterin ja bereits dargestellt worden ist, gibt den steigenden Grad bzw. die steigende „Partizipationsintensität“ (Ehmayer 2002: 38), in einer Art Zeitstrahl oder Prozessverlauf mit klarer Richtungsangabe wieder (vgl. Abb. 7). Dieses ‚Pfeildiagramm‘ unterscheidet fünf Aktivitätsgrade der PartizipientInnen, welche, obgleich farbig unterschieden, als Kontinuum mit fließenden Übergängen anzusehen sind.

P ARTIZIPATION

ANALYSIEREN :

V ORHANDENE P ARTIZIPATIONSMODELLE

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Abbildung 7: Intensitäten kultureller Partizipation von Ehmayer

Grafik: Ehmayer 2002: 42

Die sogenannte Partizipationsintensität, d.h., „das Ausmaß, in dem das Endresultat eines Entscheidungsprozesses beeinflusst wird“ (Ehmayer 2002: 38 f.) macht Ehmayer abhängig von zwei Faktoren, nämlich a) dem Bezug der Partizipierenden zu den Entscheidungsstrukturen und b) der Wirksamkeit des Einflusses (vgl. ebd. 38). Entscheidend ist also nicht nur die Frage, wie stark Teilnehmende eine ‚gemeinsame Sache‘ tatsächlich beeinflussen können – also wie viel Gewicht und Einfluss ihre ‚Stimme‘ im Vergleich zur Stimme des/der Mächtigen hat –, sondern zunächst auch ganz grundsätzlich, an welchen Entscheidungen sie überhaupt ‚mitbestimmen‘ dürfen: an den wirklich entscheidenden, richtungsweisenden Punkten oder bei eher marginalen, nebensächlichen Aspekten. Ebenso wie bei Arnstein sowie Blandow et al. umfasst Ehmayers Skala an ihren beiden Enden Zustandsphasen, die nicht als Partizipation im eigentlichen Sinne zu verstehen sind: Aktivieren (dieser Punkt müsste konsequenterweise Aktiviert-werden heißen, um die im Modell wiedergegebene PartizipientInnen-Perspektive nicht zu brechen) ist noch keine Form der Beteiligung. Diese Phase wäre in Entsprechung zur Stufe Information bei Arnstein zu sehen. Ehmayer stellt folgerichtig fest: „Aktivieren ist an sich noch nicht Partizipation, aber es ist eine Bedingung, um Partizipation zu erreichen.“ (Ehmayer 2002: 42). Des Weiteren wird bei der von Ehmayer als Selbstgestalten benannten End- bzw. Zielstufe wiederum die Machtverschiebung deutlich, die einen Umkehrprozess andeutet.9 Die übrigen drei mittleren Aktivitätsspektren stellen mehr oder minder Formen von Partizipation dar: Die Möglichkeit der Einflussnahme auf einen Prozess oder ein Produkt ist ein erster Schritt, der jedoch deutlich vom Mächteungleichgewicht gekennzeichnet ist. Beim Mitbestimmen ist die Entscheidungsmacht der Beteiligten im Moment der Mitbestimmung dagegen genauso groß wie die der Mächtigen – jedoch konnten die Partizi-

9

Dass dies für Ehmayer jedoch trotzdem den erstrebenswerten Endzustand markiert, liegt im spezifischen Blickwinkel ihrer Studie begründet, die partizipative Kunst- und Kulturprojekte für Menschen insbesondere aus marginalisierten oder benachteiligten Kontexten evaluierte. Einem pädagogischen Partizipationsverständnis gemäß, zielten diese Angebote auf ‚Emanzipation‘ und ‚Empowerment‘ der (imaginiert oder tatsächlich benachteiligten) TeilnehmerInnen. Daher konstatiert Ehmayer, dass die „[...] konkrete Arbeit der KulturvermittlerInnen [...] immer vom Anspruch nach Selbstbestimmung und Selbstgestaltung [begleitet ist]“ (Ehmayer 2002: 43).

170 | M USEUM UND P ARTIZIPATION

pientInnen zuvor keinen Einfluss auf den der Entscheidungssituation vorangegangenen Prozess nehmen. Dies wäre beim Mitgestalten schließlich gegeben: Die PartizipientInnen sind bereits von Beginn an umfänglich einbezogen, sodass auch das Konzept und der Prozess selbst von ihnen mitgesteuert und ausgestaltet werden können. Ein anderes Modell aus dem kulturellen Kontext liefert der US-amerikanische Kulturwissenschaftler Alan S. Brown zusammen mit seinen Kolleginnen Jennifer L. Novak-Leonard und Shelly Gilbride, die das Wie und Warum von Kulturnutzung im Bereich von Musik, Tanz, Theater und bildender Kunst untersucht haben.10 Dabei rekurrieren sie auf ein sehr breites Partizipationsverständnis, das von rezipierender Teilhabe bis aktiver Teilnahme reicht, sofern der Umstand gegeben ist, dass die Situation ein/e TeilnehmerIn emotional berührt und in einen Zustand ästhetischen Erlebens versetzt.11 Denn dieses ‚Miterleben‘, diese ästhetische Erfahrung – sei sie nun durch Rezeption oder Aktion hervorgerufen – stellt für Brown et al. ein Kennzeichen dafür dar, dass ein ‚Publikum‘ in Kunst und Kultur involviert sei, also an dieser ‚partizipiere‘ (vgl. Brown et al. 2011: 15). Um die Intensitäten bzw. das steigende Ausmaß dieser Involvierung bzw. ‚Partizipation‘ darzustellen, wählen sie das Bild farbiger Kreise, wobei die Farbigkeit derjenigen Kreise, die das Kunst- oder Kulturpublikum bzw. die TeilnehmerInnen symbolisieren sollen, den Grad der Partizipation bzw. das Involvement-Level anzeigen (vgl. Abb. 8): von Blau (als geringstem Partizipations- oder Involvement-Level) über Grün und Gelb bis hin zu Orange (als völliger Einbeziehung und größtmöglicher aktiver Partizipation). Des Weiteren werden die unterschiedlichen Level anhand der Anordnung der Kreise, die für die TeilnehmerInnen sowie für das Kulturangebot stehen, angezeigt: Begonnen bei einer recht formalen Anordnung, die an ein in Reihen sitzendes Publikum denken lässt, bis hin zu Formen, bei denen sich die Kreise der Teilnehmenden untereinander sowie schließlich mit dem ‚AngebotsKreis‘ überschneiden. Auf diese Weise unterscheiden Brown et al. fünf Grade des audience involvement spectrum, von denen sich die ersten beiden in erster Linie durch rein rezeptive 10 Das Modell ist nicht unumstritten, da es auch passiv-rezeptive BesucherInnen-‚Aktivität‘ unter den Begriff Partizipation subsummiert (vgl. Feldhoff 2009: 224). Damit spiegelt die Studie meiner Meinung nach jedoch vor allem die derzeit herrschende ‚Begriffsverwirrung‘ eindrücklich wider und macht deutlich, dass in der derzeitigen Diskussion je nach Blickwinkel nicht nur aktive Teilnahme als „Partizipation“ gewertet wird, sondern ebenso selbstverständlich und aus tiefster Überzeugung passive (kognitive) bzw. symbolische Teilhabe. 11 Nina Simon nimmt an einer Stelle ihres Buches einen ähnlichen Blickwinkel ein und beschäftigt sich mit der „Intensivierung der Besuchererfahrung“ (Simon 2012: 106), die sie grafisch in fünf Stufen von „me“ nach „we“ – also vom persönlichen Einzelerlebnis hin zu einem Gemeinschaftserlebnis bzw. -gefühl mit anderen BesucherInnen – darstellt (vgl. Simon 2010a: 26 bzw. Simon 2012: 107 für die ins Deutsche übersetzte Grafik).

P ARTIZIPATION

ANALYSIEREN :

V ORHANDENE P ARTIZIPATIONSMODELLE

| 171

Aktivität der TeilnehmerInnen auszeichnen (receptive involvement), die folgenden drei in zunehmendem Maße auch durch hinzukommende gestalterische Aktivität (participatory involvement). Abbildung 8: Publikumsbeteiligungsspektrum von Brown et al.

Grafik: Brown et al. 2011: 4

Die fünf Beteiligungs- bzw. Aktivitätsformen erklären sich wie folgt (vgl. Brown et al. 2011: 17 f.): •

Spectating Das Publikum ist zwar kognitiv und emotional involviert und prägt die ästhetische Erfahrung durch eigene Reaktionen wie etwa Klatschen oder Lachen in gewisser Hinsicht mit, dennoch konsumiert es in erster Linie ein bereits ‚fertiges‘ Kunst- oder Kulturprodukt



Enhanced Engagement Das ästhetische Erlebnis wird durch Vermittlungsangebote vertieft oder angestoßen (z.B. durch Interpretationshilfen, Diskussionsrunden nach der Aufführung etc.). Die RezipientInnen werden auf diese Weise zwar kreativ angeregt, werden jedoch nicht selbst kreativ tätig, da sie nicht in die Kunst- oder Kulturproduktion bzw. die Aufführung oder Darbietung eingreifen



Crowdsourcing Das Publikum beteiligt sich an einer Kunst- bzw. Kulturproduktion indem es z.B. auf einen Aufruf der KünstlerIn reagiert und einen gewünschten Beitrag leistet (z.B. etwas auswählt), den diese/r wiederum in die eigene Produktion einbezieht. Das Publikum ist also noch nicht selbst entwerfend (oder in Anlehnung an die Konnotation des Schaubilds: ‚on stage‘), beeinflusst aber das Kunstwerk bzw. Kulturprodukt

172 | M USEUM UND P ARTIZIPATION



Co-Creation12 Das Publikum kann umfassend aktiv an einer Kunst- oder Kulturproduktion mitwirken, die jedoch von KünstlerInnenseite aus geplant und steuernd betreut wird



Audience-as-Artists Die Teilnehmenden steuern und kontrollieren in beträchtlichem Maße ihre künstlerische bzw. ästhetische Erfahrung, indem sie selbst als MitgestalterInnen aktiv tätig werden, also im wahrsten Sinne des Wortes ‚Hand anlegen‘ an eine entstehende Kunst- bzw. Kulturproduktion. Der Fokus verschiebt sich dabei laut Brown et al. weg vom Produkt hin zum Prozess

Der entscheidende Faktor, anhand dessen Brown et al. den Aktivitätsgrad des Publikums bzw. der Teilnehmerschaft bemessen, ist das Ausmaß, in dem diese die eigene (psychische oder physische) (An-)Teilnahme steuert, d.h. die Spanne des eigenen ästhetischen Erfahrungsspektrums selbst kontrollieren kann. Um dies noch deutlicher zu machen, hat Alan S. Brown hierfür in einer anderen Publikation ein weiteres Schaubild erarbeitet. In Analogie zum eben vorgestellten Modell (Abb. 8), das quasi die (sichtbaren) Formen der Aktivitäten von Publikum und KünstlerIn bzw. offiziellem/r KulturakteurIn darstellt, veranschaulicht das zweiten Modell (Abb. 9) die unterschiedlichen Aktivitätsqualitäten gemessen am Ausmaß der Kontrolle der TeilnehmerInnen über die Kunst- bzw. Kulturerfahrung:13 Abbildung 9: Arten der ‚Beteiligung‘ am künstlerischen Schaffensprozess von Brown

Die Art der ‚Beteiligung‘ korreliert mit dem Ausmaß künstlerischer/kreativer Einflussnahme des/der RezipientIn. Grafik: Connecticut Commission on Culture and Tourism 2004: 11 12 Wie später noch dargestellt wird, verwendet auch Nina Simon den Begriff der Co-Creation, meint damit jedoch ein höheres Level an Beteiligung und Mitbestimmung, als es Brown et al. tun. 13 In einer anderen Publikation gibt Brown in einer ergänzenden Grafik sogar konkrete Beispiele für diese fünf Formen der ‚Partizipation‘ im Bereich von Musik, Theater, Tanz und Bildender Kunst. Vgl. hierfür Fig. 2 Involvement Opportunities in: Connecticut Commission on Culture and Tourism 2004: 13.

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ANALYSIEREN :

V ORHANDENE P ARTIZIPATIONSMODELLE

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Mit ansteigendem Maß an Kontrolle der RezipientInnen unterscheidet Brown zwischen atmosphärischer (ambient), beobachtender (observatorial), kuratorischer (curatorial), interpretativer (interpretive) und schöpferischer (inventive) Beteiligung (vgl. Connecticut Commission on Culture and Tourism 2004: 12).14 Während die ersten beiden Kategorien, die atmosphärische Beteiligung (ungeplante ästhetische Erfahrung, die absichtslos widerfährt) und die beobachtende Beteiligung (mit einer Erwartungshaltung bewusst ausgewählte Kunsterfahrung) mit dem spectating und dem enhanced engagement aus Abbildung 8 korrelieren, decken sich die letzten drei Kategorien mit denen, die Brown et al. dem participatory involvement zuordnen. Den Zusammenhang letzterer erläutert er wie folgt: „Within the three participatory stages of the Audience Involvement Spectrum (CrowdSourcing, Co-Creation and Audience-as-Artist), audiences may engage with the art at various levels of interactivity or creative control: curatorial engagement (selecting, editing, organizing, voting), interpretive engagement (performing, remaking an existing work of art), or inventive engagement (creating something entirely new). This adds another layer of complexity to the spectrum, and may be helpful in providing language to describe a complicated area of arts practice.“ (Brown et al. 2011: 18)

Brown et al. stellen die Frage nach Macht, wie sie zuvor in den anderen Modellen offensiv gestellt wurde, eher indirekt, indem sie diese lediglich für die TeilnehmerInnen aus deren Aktivitätsspektrum ableiten. Nicht die Macht über die Kunst- oder Kulturproduktion bzw. das ‚Produkt‘ oder über den Partizipationsprozess stehen im Fokus, sondern die Macht über die Steuerung der persönlichen ästhetischen Erfahrung. Damit fügen Brown et al. eine weitere Nuance zu der allgemeinen Frage nach Klassifizierungsmöglichkeiten und Unterscheidungsfaktoren in Partizipationsmodellen hinzu, die, wie sie abschließend selbst erwähnen, eine Hilfe zur Entschlüsselung dieser komplexen Praxis liefern kann.

V.1.3

Z WISCHENFAZIT

Sowohl die vorgestellten kategorialen als auch die vorgestellten prozessualen Modelle bzw. Klassifizierungsversuche über Partizipation konnten Anregungen liefern, greifen jedoch insgesamt zu kurz, da sie jeweils nur Teilaspekte von Partizipation behandeln. Bevor im Folgenden darum noch zwei weitere, komplexere Modelle vorgestellt und analysiert werden sollen, gilt es an dieser Stelle, noch einmal die wichtigsten Erkenntnisse, die sich aus den oben vorgestellten Modellen ableiten lassen, zusammenzufassen:

14 Die deutschen Übersetzungen der einzelnen Stadien habe ich von Silke Feldhoff (2009: 223) übernommen.

174 | M USEUM UND P ARTIZIPATION

Partizipation – egal ob in der Politik, in der Jugendhilfe oder im Kulturbereich – ist eine vielschichtige Angelegenheit; je nach Betrachtungsgegenstand können und müssen sehr spezifische Ausprägungen unterschieden werden. (Teil-)Modelle helfen, dieses komplexe Phänomen auf wesentliche Aspekte zu reduzieren und in abstrahierter und idealisierter Form zu beschreiben. Sie sind daher unerlässlich. Als wichtige Aspekte von Partizipation wurden von den AutorInnen erkannt: Organisationsform, Thematik, Zielsetzung, Machtverhältnisse bzw. Machtverteilung, sowie Aktivitätsgrade. Insbesondere die letzten beiden Aspekte spielen bei der Beschreibung und Klassifizierung von Partizipation eine enorme Rolle, da sie charakteristisch für jegliche zwischenmenschliche Interaktionsprozesse sind, also auch museale Partizipationsprozesse maßgeblich strukturieren und deren Dynamiken und konkrete Ausformungen bestimmen. Klar ist ebenfalls geworden, dass es verschiedene Partizipationsintensitäten gibt, die von gering nach intensiv gestaffelt werden können. Dass die niedrigste Stufe automatisch als ‚schlechteste‘ Partizipationsform und die höchste als die ‚beste‘ Partizipationsform klassifiziert werden kann, lässt sich jedoch mitnichten ableiten. Die Frage nach der Qualitätsmessung entscheidet sich auf andere Weise und bleibt ein wichtiges Desiderat.

V.1.4

S ILKE F ELDHOFFS T YPOLOGIE FÜR P ARTIZIPATION IN DER K UNST

Die Kunstwissenschaftlerin und Kunstvermittlerin Silke Feldhoff hat 2009 mit ihrer Dissertation für den Bereich der Bildenden Kunst eine Klassifizierung von partizipativen Angeboten, die KünstlerInnen ihrem Ausstellungspublikum machen, vorgelegt. Grundlage dessen bildete eine breitgefächerte Auseinandersetzung etwa mit Beteiligungsgraden, Strategien, Inhalten oder historischen Entwicklungskonjunkturen, an die sie eine eigene Typologie anschließt. Diese Typologie ergibt sich aus dem Zusammenspiel verschiedener Parameter, zu denen sie Teilklassifizierungen vornimmt. Diese Parameter sind: Themen, Formate, künstlerische Wirkungsabsichten sowie Rezeptionsformen. Auf diese Weise gelangt sie abschließend zu vier Typen „partizipatorischer und partizipativer Praxen“ (Feldhoff 2009: 111) von KünstlerInnen, die sie bezeichnet als: Individualpartizipation, Sozietäre, Systemische und Konjunktivische Partizipation. Zunächst zu den Teilklassifizierungen beginnend mit den Themen (vgl. Feldhoff 2009: 228): Partizipatorische künstlerische Arbeiten verhandeln, so Feldhoff, im Wesentlichen drei Themenfelder, nämlich

P ARTIZIPATION

• • •

ANALYSIEREN :

V ORHANDENE P ARTIZIPATIONSMODELLE

| 175

Kunst über Kunst (kunstimmanente, -historische, -betriebliche Fragestellungen und Referenzen) Kunst als Selbstreflexion des/der KünstlerIn (biographische Bezüge, künstlerische Selbstreferenzen) Kunst als gesellschaftliche/politische Artikulation (Thematisierung der kulturellen, sozialen, politischen Verfasstheit einer Gesellschaft)

Auch bei den Formaten bzw. Formen, die Beteiligung ermöglichen sollen, wird Feldhoffs spezifischer Blickwinkel auf partizipative Kunst(werke) deutlich. Sie unterscheidet und beschreibt: •



• • • •

konfrontative Anordnungen (Unvermittelte und offensive Handlungen/Aktionen, die z.B. durch strategisch eingesetzte Tabubrüche verstören sollen, vgl. ebd. 115 ff.) Handlungsanweisungen und „operative Settings“ (RezipientInnen befolgen künstlerische Anweisungen und setzen damit als ‚Co-AutorInnen‘ das Konzept der/des KünstlerIn um, vgl. ebd. 117 ff.) Gruppenarbeit (direkte Zusammenarbeit mit den Beteiligten; im Vordergrund stehen der Prozess und das Miteinander, vgl. ebd. 119 ff.) soziale Praxen und ihre Inszenierung (programmatische Zusammenführung sozialer und künstlerischer Inhalte und Formen, vgl. ebd. 162 ff.) Interventionen (Eingriffe z.B. in soziale Zusammenhänge, i.d.R. verbunden mit aufklärerischen und emanzipativen Absichten, vgl. ebd. 136 ff.) (Pseudo-, Fake-, und Als-ob-Partizipationen, d.h. Werke, die formal als Beteiligungsangebot erscheinen, jedoch von Seiten der/des KünstlerIn keine Ausführung beabsichtigt ist, da es eigentlich um etwas anderes geht, vgl. ebd. 183 ff.)15

Auf eine ausführliche Beschreibung dieser Formate kann an dieser Stelle verzichtet werden, da sie für die vorliegende Untersuchung zu kunstspezifisch sind. Was die von den jeweiligen KünstlerInnen intendierten Wirkungsabsichten partizipatorischer Kunst betrifft, so stellt Feldhoff zunächst klar, dass alle das Ziel haben, in irgendeiner Weise das Publikum zu aktivieren bzw. zu animieren sowie außerdem den bestehenden Kunstbegriff erweitern wollen (vgl. ebd. 186). Unter dieser Prämisse extrahiert sie vier basale Intentionen (vgl. ebd. 228), nämlich • •

Politisierung (aktivistischer Anspruch) Emanzipation und Demokratisierung (emanzipatorischer Anspruch)

15 Diesen Aspekt habe ich eingeklammert, da er im eigentlichen Sinne kein partizipatives Format darstellt, sondern nur den Schein eines solchen erzeugen soll.

P ARTIZIPATION

ANALYSIEREN :

V ORHANDENE P ARTIZIPATIONSMODELLE

| 177

Auf Grundlage dieser vier Parameter gelangt Feldhoff zu einer abschließenden Typologie partizipativer bzw. partizipatorischer Kunst, die ich im Folgenden in ihren wesentlichsten Grundzügen skizzieren möchte:16 Individual-Partizipation Dieser von Feldhoff auch als „individualistisch-solitäre Partizipation“ (ebd. 192) umschriebener Typus zielt auf individuelle (Selbst-)Erfahrung der RezipientInnen und richtet sich dementsprechend vor allem an IndividualbesucherInnen/-teilnehmerInnen bzw. an temporär gebildete Gruppen derselben. Das Partizipationsangebot bildet gewissermaßen das Werkzeug zu ästhetischem Erleben und neuen Erfahrungen; der Charakter der Partizipation ist also instrumenteller Art. Feldhoff betont, dass der Rezeptionsmodus der Beteiligten primär konsumistischer Natur sei (vgl. ebd. 230). Sozietäre Partizipation Unter diesen Typus fallen künstlerische Angebote, die primär auf die Widerbelebung von Gemeinsinn und Gemeinschaftsdenken unter den Bedingungen der postmodernen Informations- und Dienstleistungsgesellschaft zielen (vgl. ebd. 205) sowie der Thematisierung sozialer, politischer und kultureller Sachverhalte und Fragestellungen dienen (vgl. ebd. 230). Die Bildende Kunst dient also als Vehikel zur Verhandlung sozialer und politischer Belange sowie kommunitaristischer Konzepte. Die Beteiligungsform ist kollektiv oder kooperativ, wobei die aktive Beteiligung der Partizipierenden ein konstitutives Element darstellt, ohne das ein solches Projekt scheitern muss. Anders als bei den restlichen drei Typen, die in der Regel monologisch und hierarchisch strukturiert sind, zielt dieser Typus auf gleichberechtigte Partnerschaft und Dialog. Projekte dieses Typus, so stellt Feldhoff fest, bewegen sich häufig an der Schnittstelle zur Sozialarbeit (vgl. ebd. 206, 230 u. 232). Systemische Partizipation Hierunter subsumiert Feldhoff Partizipationsangebote, die primär auf die Reflexion und Öffnung des Kunstbegriffs und der Institution Kunst zielen. Die Spanne der Beteiligung reicht von physisch-räumlicher Teilhabe über somatische Beteiligung bis hin zu sozialer Partizipation (vgl. ebd. 230 f.). Konjunktivische Partizipation „Konjunktivisches Denken bewegt sich im Feld des Als-ob und des Was-wärewenn. Bei Formen Konjunktivischer Partizipation verhält es sich ebenso.“ (Ebd. 231) – Feldhoffs vierter Typus ist demnach gar nicht auf tatsächliche Beteiligung bzw. tatsächlichen Vollzug von angebotenen Aktivitäten gerichtet, sondern „von 16 Für eine ausführliche Beschreibung siehe Feldhoff 2009: 228-232.

178 | M USEUM UND P ARTIZIPATION

vorne herein als symbolische Partizipation“ (ebd. 231) angelegt. Die Beteiligung wird nur in der Vorstellung des/der BetrachterIn vollzogen, jedoch keinesfalls körperlich-aktiv. Laut Feldhoff ist die Konjunktivische Partizipation der häufigste Typus im Bereich der Bildenden Kunst (vgl. ebd. 223). Feldhoff trägt mit ihrer differenzierten Analyse partizipativer Kunstangebote und Kunstwerke mit partizipatorischem Impetus zu einer dringend notwendigen Differenzierung des Begriffs Partizipation im Bereich der bildenden Kunst bei. Ihre Ergebnisse lassen sich jedoch nicht ohne weiteres auf andere Kontexte außerhalb der Bildenden Künste generalisieren, wenngleich ihre Unterscheidungen richtungsweisende Impulse darstellen. Interessant ist etwa, dass ihre abschließende Typisierung – auch wenn die zuvor analysierten Kategorien einfließen – primär am thematischen Fokus orientiert ist, mit dem auch die jeweilige Zielsetzung korrespondiert. Im Grunde spiegeln ihre vier Typen damit das ‚System Kunst‘ in seinen entscheidenden Konstituenten wieder: Kunstwerk und KünstlerIn (Systemische oder Konjunktivische P.) – RezipientIn (Individual-P.) – gesellschaftlicher Kontext (Sozietäre P.) – lokale Verortung, z.B. in einem Kunstmuseum (Systemische P.). In Übertragung auf das Museumswesen im Allgemeinen ließe sich schlussfolgern, dass Partizipation im Museum als thematische und perspektivische Grundsäulen entweder die Museumsinhalte, die Teilnehmenden, die Gesellschaft bzw. gesellschaftliche Teilaspekte oder die Institution selbst fokussiert (vgl. Abb. 11).17 Abbildung 11: Thematische und intentionale Grundausrichtungen partizipativer Museumsangebote

Da diese in der Praxis jedoch miteinander interferieren (graue Pfeile), sind Mischformen möglich. Grafik: Anja Piontek 17 Damit findet eine Erweiterung der drei in Kapitel V.1.1 aus Milevskas Überlegungen hergeleiteten Themenspektren von Partizipation auf vier grundlegende Themensäulen statt; die Objekte kommen als weiterer Komplex hinzu, der zuvor mehr implizit im Komplex ‚Museum/Institution‘ aufgegangen war.

P ARTIZIPATION

V.1.5

ANALYSIEREN :

V ORHANDENE P ARTIZIPATIONSMODELLE

| 179

N INA S IMONS S TUFENMODELL PARTIZIPATIVER M USEUMSARBEIT

Nina Simon, die bereits als exemplarische Position der Befürwortung von Partizipation eingeführt wurde, legt vier Archetypen partizipativer Angebotsformate in Museen und Ausstellungen vor. Für diese Klassifizierung, die sich stufenweise nach Partizipationsintensität staffelt, greift sie weitgehend auf ein Modell des Wissenschaftlers Rick Bonney und dessen Teams zurück. Dieser erforschte die Beteiligung von ‚Laien‘ an wissenschaftlichen Forschungsprojekten als Möglichkeit informellen Lernens im Auftrag des Center for Advancement of Informal Science Education (CAISE) in Washington D.C. (vgl. Bonney et al. 2009). Hierfür teilte er seine Fallstudienprojekte in drei Kategorien ein, nämlich in • •



Contributory projects, which are generally designed by scientists and for which members of the public primarily contribute data Collaborative projects, which are generally designed by scientists and for which members of the public contribute data but also may help to refine project design, analyze data, or disseminate findings Co-created projects, which are designed by scientists and members of the public working together and for which at least some of the public participants are actively involved in most or all steps of the scientific process. (Bonney et al. 2009: 11)

Nina Simon überträgt diese drei Stufen auf Interaktions- und Partizipationsangebote im musealen Kontext und fügt darüber hinaus noch eine vierte Stufe hinzu, die sogenannten hosted projects. Auch wenn Simon die von Bonney begonnene Staffelung, orientiert am Aktivitäts- bzw. Machtzugewinn der Teilnehmenden mit gleichermaßen abnehmender Macht und Kontrolle auf Seiten der InitiatorInnen, beibehält, betont sie, dass sie diese Staffelung keinesfalls wertend verstanden wissen möchte: Keiner der vier unterschiedlichen Partizipationstypen, so Simon, sei besser als die anderen; auch dürfte ihre Stufung nicht als Modell betrachtet werden, an dessen Ende die größtmögliche Partizipation, der ‚bestmögliche‘ partizipative Projekttypus stehe, da es die einzig ‚wahre‘ und ‚beste‘ Partizipationsform für Museen und Kultureinrichtungen nicht geben könne (vgl. Simon 2010a: 188). Simons vier Archetypen partizipativer Angebote sind (vgl. Simon 2010a: Kap. 6-9 und die Tabelle im digitalen Anhang Nr. 2):

180 | M USEUM UND P ARTIZIPATION

Contribution (Beitragen) Hierunter fallen Projekte, die vollkommen eigenständig von Museumsseite konzipiert und umgesetzt werden, zu denen Außenstehende jedoch in einer von den InitiatorInnen genau festgelegten Art und Weise einen (i.d.R. kleinen) Beitrag leisten. Kontributive Projekt weisen also einen sehr eng gesteckten Beteiligungsspielraum und eine genau vom Museum definierte ‚Aufgabe‘ auf. Eine Teilnahme ist i.d.R. ohne jegliches Vorwissen möglich und dauert mitunter nur wenige Minuten – man wechselt kurzzeitig von der RezipientInnenrolle in die PartizipientInnenrolle und wieder zurück. Dieser Angebotstyp benötigt einen gewissen Organisationsaufwand, hat dann aber i.d.R. nur einen geringen Betreuungsaufwand von Seiten der Institution während der ‚Laufzeit‘ (wenn überhaupt), obwohl er sich an eine größtmögliche Zahl von Teilnehmenden richtet. Typische Formen sind beispielsweise Stationen, an denen BesucherInnen ein Feedback oder einen Kommentar hinterlassen können oder beispielsweise über ein Lieblingsobjekt o.ä. abstimmen können. Collaboration (Mitarbeiten) Auch bei diesem Angebotstypus gibt das Museum den Rahmen vor, indem es das Projekt selbständig konzipiert und auch den Verlauf des Projektes maßgeblich steuert und kontrolliert. Die Teilnehmenden haben aber die Möglichkeit, in einem umfänglicheren Maße als bei den contributory projects mitzuwirken, sodass das Endergebnis durch die Beiträge der Teilnehmenden tatsächlich beeinflusst wird und ein individuelles Gesicht erhält. In der Regel richten sich Partizipationsformate dieses Typs an eine geringere Anzahl an Personen als bei Contribution, die dafür aber intensiver mitarbeiten, was von diesen ein erhöhtes Maß an Engagement und Zeit erfordert. Auf Museumsseite steigt der Betreuungsaufwand entsprechend. Simon unterscheidet zwei Formen der collaboration, nämlich einmal consultative projects, bei denen das Museum vorab die Unterstützung von ExpertInnen oder RepräsentantInnen einer bestimmten (gesellschaftlichen) Gruppe sucht, um sich bei der Entwicklung neuer Ausstellungen, Programme oder Publikationen beraten zu lassen. Und zum anderen co-development projects, bei denen PartizipientInnen an der konkreten Umsetzung einer Ausstellungsidee oder eines Programms mitwirken (vgl. Simon 2010a: 235 ff.). Co-Creation (gemeinsame Entwicklung und Realisierung) Museum und Teilnehmende arbeiten bei Partizipationsprojekten dieses Typs von Beginn an Hand in Hand: Sie entwickeln gemeinsam die Projektidee (diese kann beispielsweise auch auf einer Initiative aus der Bevölkerung beruhen), konzipieren gemeinsam das genaue Projekt und stecken gemeinsam die Rahmenbedingungen

P ARTIZIPATION

ANALYSIEREN :

V ORHANDENE P ARTIZIPATIONSMODELLE

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für die Zusammenarbeit und den weiteren Prozess ab. Während des Projektverlaufs haben beide Seiten in gleichem Maße steuernden Einfluss. Das historische museum frankfurt etwa hat mit seiner Projektreihe des Stadtlabors einen solchen Weg eingeschlagen (zumindest, was die Mehrheit der bisherigen Projekte betrifft). Hosting (Nießnutz) Bei dieser Form, die Nina Simon ebenfalls als partizipatives Format zählt, gewährt das Museum einer externen Gruppe das Gastrecht, welche die Museumsräume für eigene Zwecke nutzen darf. Das Museum stellt also lediglich seinen Raum und ggf. Material und Ressourcen zur Verfügung, damit eine externe Gruppe völlig selbstorganisiert ein eigenes Projekt verwirklichen kann, in das sich das Museum nicht weiter einmischt. So kann ein Museum seine Räume anderen z.B. für eigene Ausstellungen überlassen, wie etwa ganz bewusst bei der Reihe Carte Blanche der Galerie für Zeitgenössische Kunst Dresden18 geschehen – manchmal geraten aber auch anders geplante Projekte eher zufällig zu hosted projects, wie es im Kreuzbergmuseum in der Zusammenarbeit mit WagenburgbewohnerInnen einmal der Fall gewesen ist.19 Oder es könnte ein außermuseales Kulturprojekt bzw. andere Kulturformen beherbergt werden, wie im Münchner Stadtmuseum 2010, als Puerto Giesing – ein Konglomerat aus Disco, Konzerthalle und Schaubühne für MedienkünstlerInnen – zwei Monate lang in zwei Ausstellungsräume zog, weil es aus einem zuvor genutzten ehemaligen Hertie-Gebäude weichen musste (vgl. Maier 2010).

18 Über diese seit 2008 stattfindende Ausstellungsreihe ist ein Buch erschienen: Vgl. Steiner 2010. 19 Das 2008 realisierte Ausstellungsprojekt Wagenburg leben in Berlin, das auf Initiative dieser Szene zustande kam, beschreibt der Museumsleiter Martin Düspohl als eines, bei dem er zwar eingreifen wollte, die WagenburglerInnen ihn aber freundlich abwiegelten, sodass Düspohl zum Beobachter im eigenen Haus wurde, während die Ausstellung in völliger Eigenregie der Gruppe entstand. Er resümiert: „Einerseits funktionierte das Projekt nicht wie bisherige Ausstellungen: Da hatten wir ja, wenn auch nicht die Kuratorenrolle, aber doch immer eine beratende, kanalisierende, steuernde Rolle. Auch wenn es partizipativ organisiert war, waren wir doch immer diejenigen, die Strukturen, Themen und so weiter ein Stück weit vorgegeben haben. Und hier habe ich das auch versucht. Ich habe gedacht, ich müsste jetzt mal ein paar Elemente einbringen, die das Ganze auch zu einer Museumsausstellung machen. [...] Ich habe das dann aufgegeben. Die Leute, die mitgemacht haben, waren ausgesprochen nett. [...] Das war dann eigentlich so, dass ich beobachtet habe, was passierte: Es kamen laufend alte Lastwagen hier aufs Gelände gefahren, dann wurde Rindenmulch angefahren, dann kamen irgendwelche Baumstämme, dann alte Autoreifen und dann kamen halbe Bauwagen – alles mögliche! Alles wurde hier rein gestellt. [...] Und zum Schluss muss ich sagen: Diese gesamte Ausstellung, die dann präsentiert wurde, hatte durchaus eine ganz eigene, auch stimmige Ästhetik.“ (Düspohl; Piontek 2011f: 2 f.). Vgl. auch Düspohl 2014: 314 u. Allmanritter & Siebenhaar 2010a: 40.

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Nina Simon adaptiert eine sinnvolle Klassifizierung partizipativer Projekt- bzw. Angebotstypen aus der partizipativen Forschung und macht sie für die Museumswissenschaft, insbesondere aber für die Museumspraxis fruchtbar. Auffällig dabei ist, dass sie sich in ihrer Weiterentwicklung des Modells an etablierten Stufenmodellen orientiert, an deren Ende die Selbstermächtigung und Eigenständigkeit der ehemals Schwächeren oder der ‚Ausgeschlossenen‘ steht. Simons letzte Stufe, die hosted projects, bei denen das Museum Außenstehenden ein Hausrecht erteilt und diese dann weitgehend sich selbst überlässt, muss als partizipative Kategorie kritisch bewertet werden. Die Frage, wer wen für wessen Zwecke vereinnahmt oder instrumentalisiert, stellt sich hier einmal mehr. Das große Verdienst Nina Simons liegt insbesondere darin, dass sie ihre Typisierung an für die Museumspraxis relevanten Faktoren festmacht und beispielsweise den zu investierenden Zeitaufwand, das Maß zwischen Kontrolle und Kontrollverlust sowie das nötige Maß an Engagement und Kompetenzen auf Seiten der Teilnehmenden mitbedenkt und damit konkrete Planungshilfen für die Praxis an die Hand gibt (vgl. Tabelle im digitalen Anhang Nr. 2). Zwei weitere wichtige Punkte seien noch erwähnt, die Simon berücksichtigt: Zum einen macht sie deutlich, dass Partizipation nicht alleine Sache der MuseumspädagogInnen sein kann, sondern von der gesamten Institution ein entsprechendes Commitment dazu abverlangt, das sich idealerweise auch im institutionellen Leitbild wiederfindet (vgl. Tabelle im Anhang Nr. 2, erste Zeile). Zum anderen rückt bei Simon erstmals auch die Besucherschaft in den Fokus, jene Menschen also, die ggf. als Unbeteiligte hinterher das Resultat der stattgefundenen Partizipation rezipieren (vgl. Tabelle im Anhang Nr. 2, letzte Zeile). Dies ist ein Punkt, den ich wichtig finde, da wie bereits dargelegt, Museen im Falle partizipativer Projekte nicht nur Verantwortung für die Teilnehmenden tragen, sondern ganz generell für alle BesucherInnen, die (egal ob in einer partizipativ oder rein kuratorisch erarbeiteten Ausstellung) ein gewinnbringendes Museumserlebnis verdienen. Hierin unterscheidet sich Museumspartizipation also von Partizipation in Politik, Jugendarbeit, Entwicklungshilfe usw. (vgl. Abb. 3).

V.2

Dimensionenmodell von Partizipation

Wie in der vorangegangenen Analyse verschiedener Versuche, Partizipation zu klassifizieren und systematisch zu erfassen, deutlich geworden ist, fehlt bisher ein Modell, das sich direkt auf Partizipation im musealen Tagesgeschäft – insbesondere dem Ausstellen – sinnvoll übertragen ließe. Simons und die anderen exemplarisch vorgestellten Modelle nahmen Partizipation nur anhand einzelner bzw. weniger, ausgewählter Teilaspekte in den Blick, was für meine Zwecke zu kurz greift. Mein Ziel ist bzw. war es, ein Modell zu entwickeln, das Partizipation im Museum – vor allem bezüglich partizipativer Ausstellungsprojekte – und die in diesem Feld möglichen Formen an Beteiligung durchschaubar macht. Es ging bzw. geht mir also um die Frage, welche Formen und Konzepte aktiver Partizipation voneinander unterschieden werden können – und vor allem darum, von welchen Faktoren diese abhängig sind. Dies bedeutet auch, sich eben nicht isoliert auf wenige wesentliche Faktoren zu beschränken, sondern nach Möglichkeit alle relevanten Größen einzubeziehen, die zwingend eine Rolle spielen. Aus der Synthese der im letzten Kapitel vorgestellten Modelle und der daraus getroffenen Schlussfolgerungen scheint mir hierfür ein Klassifikationsmodell am besten geeignet, das Einflussgrößen oder ‚Dimensionen‘ zueinander in Beziehung setzt, ohne jedoch zwangsläufig diese Dimensionen auf eine solche Weise wertend in Beziehung zu setzen, wie es etwa prozessuale Modelle tun bzw. implizieren. Ich habe mich daher für eine kreisförmige Anordnung statt einer z.B. linearen oder stufenförmigen entschieden (vgl. Abb. 12). Auch lassen sich in der von mir gewählten Form Interferenzen abbilden, sodass sich sehr viel klarer darstellen lässt, dass Partizipation aus dem Zusammenspiel zahlreicher Faktoren resultiert, die letztlich den Grad der Partizipation und das ‚Wesen‘ jedes konkreten Projektangebots bestimmen. Auch erhoffe ich mir von einer dimensionalen Klassifizierung solcher Art eine bessere Generalisierung, denn sie bleibt nicht nur auf bestimmte museale Bereiche (wie etwa die Bildenden Künste) beschränkt. Die Modelle von Silke Feldhoff und Nina Simon wurden bei der Entwicklung des Dimensionenmodells dennoch besonders berücksichtigt.

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Die kreisförmige, ineinandergreifende Anordnung der Dimensionen im Schaubild (vgl. Abb. 12) hat neben den bereits genannten Aspekten noch einen weiteren Grund: Es ist auf diese Weise unmöglich, festzustellen – wie es etwa ein Stufenmodell nahelegen würde – von welchem Aspekt her Partizipation ihren Anfang nimmt. Es gibt in meinen Augen nämlich keine Dimension, die per se mehr oder minder wichtig für ein Projektvorhaben wäre; ihr Zusammenspiel und ihre gegenseitige Bedingtheit sind es, die Partizipation (nicht nur) im Museum auszeichnen – und mitunter auch so schwer durchschaubar bzw. beschreibbar machen.1 Auch wenn im Folgenden die ausführliche Erläuterung der einzelnen Dimensionen klassischerweise oben im Uhrzeigersinn beginnt, so ist diese Lesart (ebenso wie die Anordnung und die damit implizierte Reihenfolge der Dimensionen) eine beliebige. Wichtig ist, dass sie sich alle unabhängig von ihrer Platzierung im Mittelpunkt des Schaubilds miteinander überschneiden, was bildlich darstellen soll, dass sie alle miteinander verschränkt sind; wenn man die unterschiedlichen Dimensionen mit ihren jeweiligen Möglichkeitsfeldern in den sich aus ihrem Zusammenspiel ergebenden vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten imaginiert, bekommt man eine Ahnung davon, dass in der Praxis fast unbegrenzt viele partizipative Angebotsformate denkbar sind. Die Darstellungsform im Schaubild mit immer kleiner werdenden Teilflächen, die durch Überlagerungen der Dimensionen entstehen, sollen also die Interferenzen, die entstehen, grafisch widerspiegeln. Das runde, in sich geschlossene Modell trägt des Weiteren der Idee von Partizipation als einem Kontinuum Rechnung – vorgestellt als ein organisches Gebilde, das noch in viele Richtungen ‚wuchern‘ kann. Vielleicht wird es in Zukunft MuseumswissenschaftlerInnen oder -praktikerInnen geben, die das im Folgenden ausführlich vorgestellte Modell weiter wachsen lassen.

V.2.1 D IMENSION B ETEILIGUNG Unter diese Dimension fallen alle Aspekte, die die Art und Weise der Beteiligung und die (innerinstitutionelle) Verortung dieser betrifft. Als relevante Faktoren hierfür sind zu unterscheiden: Die formale Ebene und der museale Aufgabenbereich, auf der bzw. in dem Partizipation stattfindet, die Typen und damit verbunden das Aktivitätsspektrum der Beteiligung. Diese geben, zusammengenommen und im Zusammenspiel mit den von Ehmayer genannten Parametern (Bezug zu Entschei-

1

Gleichwohl kann es in der Praxis durchaus vorkommen, dass manchen Dimensionen in einem bestimmten Projekt subjektiv von Museums-, Projektbeauftragten- oder TeilnehmerInnen-Seite oder aus pragmatischen Gründen bzw. (Sach-)Zwängen geschuldet mehr Gewicht zukommt als einer anderen. Dennoch lässt sich keine der Dimensionen in der Praxis ‚ausschalten‘ – alle bleiben wirksam.

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Abbildung 12: Dimensionenmodell von Partizipation im Museum Zentrale Dimensionen (in den Ellipsen) mit den jeweiligen Unterkategorien (zur besseren Übersichtlichkeit außerhalb der Ellipsen platziert). TN = Abkürzung für TeilnehmerInnen. Grafik: Anja Piontek

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dungsstrukturen sowie Wirksamkeit des Einflusses), Auskunft über die Partizipationsintensität des Ausstellungsprojektes. Beteiligungsebenen Generell lassen sich drei verschiedene Ebenen ausmachen, auf denen eine Beteiligung im Zusammenhang mit einem Ausstellungsprojekt (und darüber hinaus) stattfinden kann:2 • • •

online als ‚User‘3 im Museum als BesucherIn vor Ort als projektbeteiligte/r ‚MitarbeiterIn‘

Partizipation auf ‚Userebene‘ meint Angebote im Internet. Diese eignen sich vor allem als Stimmungsbarometer oder Ideenpool vorab, z.B. wenn im Internet dazu aufgerufen wird, Themen für die nächste Ausstellung vorzuschlagen,4 Lieblingsobjekte auszuwählen, Exponate zu verschlagworten5 oder über die Zukunft der jeweiligen Institution6 zu sinnieren. AusstellungsmacherInnen können dann für ihre Arbeit auf diese Vorleistungen zurückgreifen.

2

3 4 5

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Silke Feldhoff unterscheidet bei partizipativen Kunstprojekten zwischen „RezipientenBeteiligung“ einerseits und „Produzenten-Beteiligung“ andererseits und meint damit die Unterscheidung danach, ob es darum geht, BetrachterInnen zu involvieren, oder ob ein Projekt darauf zielt, Menschen als MitproduzentInnen zu gewinnen (vgl. Feldhoff 2009: 129 u. 135). In meiner Klassifizierung entspräche Partizipation auf BesucherInnenebene Feldhoffs RezipientInnen-Beteiligung und die Teilnahme auf Projektebene der ProduzentInnen-Beteiligung. Partizipation im Internet nimmt eine Zwischenstellung ein, da das Internet sowohl zu Rezeptions- als auch Produktionszwecken genutzt werden kann und sich Online-Partizipation je nach Angebotsdesign dementsprechend an ‚User‘ beider Aktivitätsformen richten kann. Zum Thema Web 2.0 und Museen siehe z.B. Vogelsang et al. 2011 u. Riedrich 2011. So sammelte z.B. das Helms-Museum (inzwischen umbenannt in Archäologisches Museum Hamburg) 2008 via Online-Forum sowie postalisch Ideen, Vorschläge und Anregungen für die geplante Überarbeitung der Dauerausstellung. Vgl. z.B. das Steve-Projekt mehrerer US-amerikanischer Museen: Bei diesem Onlineprojekt können angemeldete NutzerInnen Bilder aus den Onlinesammlungen der Museen mit ihren eigenen Stichworten (tags) versehen. Die Museen erhielten dadurch bereits einige interessante Erkenntnisse über die Wahrnehmung der Sammlungen (vgl. Vogelsang et al. 2011: 59). So z.B. Wünsch Dir was, ein jährlicher Ideenwettbewerb für Jugendliche der Staatlichen Museen zu Berlin (seit 2011). Ausgangsfrage ist, was sich die Jugendlichen in dem jeweiligen Museum für ihre Altersgruppe wünschen würden (jährlich wird ein anderes Museum ausgewählt). Die Gewinneridee wird realisiert (vgl. Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz o.J.). Ähnlich ist die Aktion Du bisch dra – Gestalte das Landesmuseum der Zukunft! (Landesmuseum Liechtenstein, Vaduz 2013), bei dem die Bevölkerung dazu aufgerufen wurde, sich mit Ideen zur Gestaltung des Museums einzubringen. Die kreativsten und nützlichsten Ideen wurden prämiert.

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Natürlich sind aber auch ganze Online-Ausstellungsprojekte denkbar: Einmal solche, die ausschließlich im virtuellen Raum existieren, wie beispielsweise das partizipative Geschichtsmuseum der Stadt Halle/Westfalen, dessen Ausstellung nur als Onlinemuseum Haller ZeitRäume vorhanden ist (ansonsten aber wie ein ‚echtes‘ Museum funktioniert, d.h. über eine reale Sammlung verfügt, die beforscht wird; ebenso werden beispielsweise im realen Museumsbüro Sprechstunden für die Bevölkerung angeboten).7 Und zum anderen solche, die im realen Raum existieren, die eine Ausstellung jedoch mittels Internet-Community realisieren: So zum Beispiel geschehen für die Ausstellung Like it (2013/2014), für die das Essl-Museum (Klosterneuburg bei Wien) 150 Werke aus der eigenen Sammlung vorausgewählt und auf Facebook gestellt hatte. Nun rief es dazu auf, diejenigen Bilder zu „liken“, die zu Exponaten der realen Ausstellung werden sollten. Ebenfalls war es möglich, sich über das soziale Netzwerk als Co-KuratorIn zu bewerben, um vor Ort über die Hängung mitentscheiden zu können – insofern ging das Projekt über ein ‚übliches‘ Online-Voting-Projekt hinaus.8 Der Nachteil solcher Online-Angebote ist, dass nur jene Menschen erreicht werden, die über einen Computer und einen Internetanschluss sowie einen Facebook-Account verfügen; der Vorteil ist jedoch, dass dieses Beteiligungsangebot prinzipiell auch NichtbesucherInnen zur Verfügung steht, da es nicht an einen realen Museumsbesuch gebunden ist und im Internet u.U. die im realen Raum wirksamen Barrieren nicht bestehen. Wenn Menschen ein Museum besuchen und innerhalb einer bestehenden Ausstellung eine partizipative Beteiligungsmöglichkeit9 vorfinden, bezeichne ich dies als Partizipationsangebot auf Besucherebene. Gängige Formate sind Kommentierungsmöglichkeiten, die es erlauben, eigene Meinungen, Erinnerungen oder Erlebnisse einzubringen,10 die Möglichkeit, eigene Wertungen vorzunehmen oder eine Auswahl zu treffen. 7 8

http://www.haller-zeitraeume.de, zuletzt geprüft am 15.01.2015. 1100 Menschen beteiligten sich nach Angaben des Museums an der Bilderwahl. Als KuratorInnen bewarben sich 39 Personen, von denen das Museum je drei Frauen und drei Männer auswählte (vgl. Hemmes 2013). 9 Hiermit meine ich nicht museumspädagogische hands-on-Angebote oder interaktive Displays. Die Unterscheidung zwischen solchen Angeboten und Partizipationsangeboten fällt bisweilen schwer, da Mischformen existieren. Entscheidend ist, dass es sich – wenngleich reglementiert – bei Partizipation um offene Angebote handelt, die den BesucherInnen Handlungsspielräume lassen; hands on und interaktive Angebote, lassen i.d.R. nur vordefinierte Handlungen zu, die bei jedem/r BesucherIn zum gleichen Ergebnis führen. 10 Meist handelt es sich dabei um analoge Angebote mit Zettel und Stift, etwas ‚moderner‘ und für manche BesucherInnen daher auch attraktiver sind digitale Verfahren wie Tonoder Videoaufzeichnungen. Diese haben auch den Vorteil, dass sich die geleisteten Beiträge anderen BesucherInnen in einer einheitlichen Form präsentieren, wohingegen manchmal Zettelwände chaotisch wirken oder handschriftliche Notizen nicht immer leserlich sind.

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Eine Ausstellung, die ausschließlich auf BesucherInnen-Partizipation setzte und diese sogar zwingend erforderte, um den ‚Ausstellungsgegenstand‘ überhaupt erst greifbar zu machen, war Familienmacher. Vom Festhalten, Verbinden und Loswerden (Museum für Volkskunde, Wien 2011/12), die im Zusammenhang eines mehrjährigen universitären Forschungsprojektes der New Kinship Studies entstand (vgl. Dankl & Mimica 2013). Jeder der drei Ausstellungsbereiche thematisierte einen anderen Aspekt des Themas Familie und Verwandtschaft, jedoch vollkommen ohne ein Arrangement von Musealien und ohne klassische Informationstexte, sondern allein, indem er den BesucherInnen auf je unterschiedliche Weise ein Handlungsangebot machte und diesen eine „Bühne“ (Timm 2012: 8) bot. Hierfür erhielten die BesucherInnen eigens eine „Gebrauchsanweisung“11 in Heftform, da die Handlungsangebote jeder Station komplex waren. Beispielhaft sei hier der Bereich Festhalten mit Fotostudio und „Superalbum“ vorgestellt, der „[...] alltägliche[m] Bildwissen in und von Familie [...] eine Projektionsfläche [bot]: Die Station besteht aus einem Fotostudio, in dem BesucherInnen fotografieren können. Die Nutzung beginnt an einer Box mit Kärtchen, die Namen von Aufbewahrungs- und Präsentationsorten von Familienfotos zeigen: ‚auf dem Klavier‘, ‚am Kühlschrank‘, ‚in der Geldtasche‘ oder ‚in einem alten Koffer‘. Die BesucherInnen sind aufgefordert, ein Kärtchen zu ziehen und dann ein Foto zu produzieren, das sich an diesem Ort befindet. Die im Studio aufgenommenen Fotos werden entwickelt und in eine Lade des Superalbums gelegt. Das Superalbum besteht – ähnlich einem Familienalbum – aus einem Hauptteil, in dem Familienfotos visuell nach Motiven und Themen wie erster Schultag, festliche Familienzusammenkünfte, Urlaub geordnet sind. Außerdem bietet es mehrere Schubladen für Fotos, die üblicherweise keinen Eingang in ein Familienalbum finden: intime Bilder, Schnappschüsse, Verwackeltes oder Duplikate. Im letzten Schritt dieser Station sind die BesucherInnen aufgefordert, Fotos aus den Schubladen in das Album zu kleben, so dass im Laufe der Ausstellung ein überdimensionales, kollektives Familienalbum entsteht.“ (Clarke et al. 2012: 20)

Partizipation auf Besucherebene ist in solchem Umfang und in dieser Konsequenz wie bei Familienmacher äußerst selten, wenn man von (meist eher interaktiven) Ausstellungen speziell für Kinder und Jugendliche einmal absieht. Die Regel in Ausstellungen, welche sich an Erwachsene richten, sind einzelne, kleinere partizipative Elemente,12 die primär die Aufgabe erfüllen sollen, für BesucherInnen ab11 Dankl et al. (Hg.) (2011): Gebrauchsanweisung zur Ausstellung „Familienmacher. Vom Festhalten, Verbinden und Loswerden“. Österreichisches Museum für Volkskunde. Wien. 12 Gleich mehrere Beteiligungsmöglichkeiten für BesucherInnen mit unterschiedlich hohem Betreuungsaufwand bot beispielsweise die Ausstellung ZeitZeitZeit…Vom schnellen Leben und der Kunst des Verweilens 2012 im Volkskundemuseum in Graz: So wurden an der Station Zeitriss historische Momente kollektiver Erinnerung mit persönlichen Erinnerungen („Wo waren Sie am 11. September 2001?“) sowie mit ganz privaten ‚historischen‘ Ereignissen (wie etwa dem ersten Kuss) verwoben. In kleine Ringbücher konnten BesucherInnen hierzu ihre persönlichen Erinnerungen jeglicher Art eintragen. Des Weiteren gab es auch eine „Zeitbörse“, an der man (wie sonst auf den Anschlagsbrettern in Supermärken und anderswo Privatverkäufe und -gesuche) Zeitangebote und -gesuche aufgeben konnte, bei denen das Museum als VermittlerIn aktiv werden musste, da aus Daten-

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strakte Museumsinhalte zu ‚verlebendigen‘, mithilfe persönlicher Kommentare anschaulich zu machen oder mit der Lebenswirklichkeit der BesucherInnen zu verknüpfen. Die aus Museumssicht aufwendigste Form stellt mit Sicherheit Partizipation auf Projektebene dar, was konkret bedeutet, dass ein Ausstellungsprojekt in direkter Zusammenarbeit mit ‚Museumslaien‘ realisiert wird. Anders als bei Online-Partizipation oder Partizipation auf Besucherebene finden ein oder mehrmals Treffen zwischen MuseumsmitarbeiterInnen und Teilnehmenden (einzeln oder als Gruppe) statt, sodass sich unmittelbare face-to-face-Kontakte ergeben. Diese müssen von Museumsseite aus sorgfältig vorbereitet, organisiert und begleitet werden, um den Teilnehmenden einerseits einen Orientierungsrahmen zu bieten, um andererseits aber auch flexibel auf Unvorhergesehenes reagieren zu können. Ein partizipatives Projekt bedeutet nicht einfach „das Delegieren von Arbeit an Laien“, sondern „[...] Zeit und Raum zum Ausprobieren und Experimentieren zur Verfügung zu stellen, auf die Bedürfnisse anderer einzugehen und Kommunikationsprozesse zu initiieren.“ (Altmann & Maresch 2014: o.S.). Entsprechend geschultes Personal, das moderierend, anleitend, ermutigend – bisweilen auch bremsend – solche Kommunikationsprozesse (und manchmal auch Konfliktsituationen) professionell begleitet, ist unabdingbar. Dies macht Partizipation auf Projektebene so aufwendig. – Zwar können Partizipationsangebote im virtuellen Raum oder auf Besucherebene (wie Familienmacher eindrücklich beweist) mitunter auch einen ähnlich hohen Organisationsaufwand vorab haben, sobald sie jedoch erst einmal ‚installiert‘ sind, ist i.d.R. keine derart intensive direkte Betreuung der Teilnehmenden mehr nötig wie bei Partizipation auf Projektebene. Hinzu kommt bei Partizipation online und auf Besucherebene aber ggf. ein gewisser Sichtungs-, Wartungs- oder Auswertungsaufwand. Musealer Aufgabenbereiche Eine zweite Unterscheidungskategorie der Dimension Beteiligung ist die Frage nach dem innerinstitutionellen Aufgabenbereich, in dem eine Mitarbeit von Außenstehenden stattfindet: Beim Sammeln,13 Bewahren, Forschen14 oder Vermitteln/ schutzgründen an der Anzeigenwand die einzelnen Zeitwünsche ohne Adress- oder Kontaktdaten veröffentlicht wurden. 13 Ein Kritiker des sog. „collecting 2.0“ (Walz 2013: 121), also des Einbezugs von ‚Laien‘ in die Wertbestimmung von Kulturgütern und Relikten, ist Markus Walz, Professor für Museologie an der HTWK Leipzig. Er bezweifelt grundsätzlich, dass Sammlungsentscheidungen von ‚HobbyforscherInnen‘ bzw. Nicht-FachwissenschaftlerInnen überhaupt zu Sammlungen führen können, die für Forschungs- und Wissenschaftszwecke nutzbar wären (vgl. Walz 2013: 121 sowie ders. 2014: 35 u. 45 f.). Für eine gegensätzliche Meinung hierzu und für einen Einblick in die Bemühungen um ein kriteriengeleitetes Bewertungsverfahren für Kulturgüter in den Niederlanden – auch unter Einbezug von NichtWissenschaftlerInnen – siehe: Kok & Cardia 2013. 14 Vgl. die vorhergehende Fußnote.

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Ausstellen.15 Prinzipiell ist in jedem dieser Bereiche eine Beteiligung Außenstehender möglich, jedoch nicht in jedem Museum und jedem Museumstyp gleichermaßen praktikabel oder zielführend: Sammeln Das Mitsammeln bietet sich vor allem an für Museen bzw. Projekte der Alltagskultur,16 der persönlichen Erinnerung,17 der Gegenwart18 oder der lokalen Geschichte19 (oft sind auch mehrere dieser Aspekte miteinander verwoben). Der Grund dafür liegt auf der Hand: Sinnvolles Sammeln ist nur dann möglich, wenn die SammlerInnen überhaupt Zugang zu den gesuchten Objekten haben bzw. Beschaffungsmöglichkeiten sehen. Für Kunstmuseen ist die Strategie des partizipativen Sammelns in Hinblick auf gefragte Meisterwerke daher natürlich keine Option, jedoch sind auch Projektkonstellationen im Kunstmuseum denkbar, bei denen (potenzielle) BesucherInnen die Exponate zusammentragen. 20 Bewahren Um Menschen am Mitbewahren21 beteiligen zu können, ist es entscheidend, dass ein Museum überhaupt über die Ressourcen verfügt, ‚Laien‘ anzuleiten oder so aus15 In der derzeit aktuellen Ausgabe der Standards für Museen vom Februar 2006 haben der Deutsche Museumsbund und ICOM das Ausstellen als museale Kernaufgabe aufgenommen und gleichwertig neben das Vermitteln gestellt (vgl. Deutscher Museumsbund & ICOM 2006: 4 u. 20). 16 Vgl. z.B. das Projekt Dinge des Jahrhunderts, eine deutsch-dänische Ausstellung des Museum Schloß Sonderborg und der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloß Gottorf im Jahr 2000 (vgl. Museum Schloß Sonderborg & Stiftung SchleswigHolsteinische Landesmuseen Schloß Gottorf 2000) oder die Ausstellung Böse Dinge, konzipiert vom Werkbundarchiv – Museum der Dinge, Berlin (2009/2010). 17 So z.B. die Ausstellungen Ein Stück Arbeit im Museum der Arbeit, Hamburg, im Jahr 2007 (vgl. Museum der Arbeit 1997a). 18 So z.B. die Ausstellung Meine Sache – Bremens Gegenwart im Focke-Museum im Jahr 2006 (vgl. Focke-Museum 2006b). 19 So z.B. die Ausstellung Erzähl uns Linz! im Nordico Stadtmuseum Linz im Jahr 2012 (vgl. Museen der Stadt Linz 2012). 20 Beispielsweise, wenn privater Wandschmuck eine Ausstellung zieren soll, wie etwa in der Ausstellung Was Ihr wollt! 2004 in der Kunsthalle Wilhelmshaven (vgl. Neumann 2010 u. Neumann 2005). Die Kunstvermittlung des Kunsthaus Zug (Schweiz) schaffte es mit dem Projekt Potthof über Mittag – Aktion für einen Nagel dagegen, private Sammler dazu zu bewegen, ihre Werke des regionalen Künstlers Hans Potthof im Museum vorzustellen. Diese ergänzten dann die bereits bestehenden KuratorInnenausstellung mit Werken des 2003 verstorbenen Künstlers, in der eine Ausstellungswand für die Werke aus Privatbesitz reserviert war. Diese füllte sich von Aktionstag zu Aktionstag (vgl. Kunsthaus Zug 2011 u. Taylor 2011). 21 Die Tätigkeiten, die ich zu den „bewahrenden“ Handlungen zähle – insbesondere fotografisches Erfassen, textliches Beschreiben und Katalogisieren/Inventarisieren – benennen ICOM und der Deutsche Museumsbund als „Dokumentieren“, welches sie dem Aufgabenspektrum des Forschens beiordnen (vgl. Deutscher Museumsbund & ICOM 2006: z.B. 14). Es lässt sich sicherlich nicht immer klar trennen, wann solche Tätigkeiten der

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zubilden, dass diese den musealen Standards entsprechend wissen, wie man Objekte klassifiziert, fotografiert, lagert und welche Form der Handhabung sie benötigen.22 Kleinere Museen haben hier vor allem ressourcenbezogene Probleme. Hinzu kommt – gerade für größere Museen – das generelle Problem, dass zahlreiche Musealien (auch aus versicherungstechnischen Gründen) nicht in ‚Laienhand‘ gegeben werden wollen bzw. können. Als Alternative bietet es sich an, mit den Objekten der Menschen selbst zu arbeiten, so etwa geschehen in einem Doppelprojekt des Stadtmuseums von Zoetermeer (NL):23 Zunächst wurde mit Hilfe der Bevölkerung von Zoetermeer im Rahmen des Projekts Give & Take (2009) eine Gegenwartssammlung mit Bezug zur Stadt angelegt, die anschließend von einer Gruppe Interessierter unter fachkundiger Anleitung inventarisiert und fotografiert wurde, bevor dieselbe Gruppe eine eigene Ausstellung mit dem Titel De Wonderkamer van Zoetermeer (Die Wunderkammer von Zoetermeer) daraus generierte (vgl. van der Ploeg 2009a u. 2009b). Auch sind Projekte denkbar, bei denen ein ganz bestimmter Aspekt des musealen Bewahrens in den Vordergrund gerückt wird, für den es nicht unbedingt notwendig ist, dass Teilnehmende Musealien oder wertvolle Exponate anfassen (z.B. das ‚Erfinden‘ neuer, vielleicht humorvoller Klassifizierungsmöglichkeiten). Forschen Partizipatives Forschen meint i.d.R. nicht klassische Forschung, wie sie etwa an Universitäten betrieben wird, sondern eher das Recherchieren und Zusammentragen von existierenden, verstreuten Informationen zu einem Themenkomplex bzw. von Informationen, die für Museen mit ihren herkömmlichen Arbeitsmethoden nicht Bewahrung eines Gegenstandes dienen und wann sie schon den Charakter einer Erforschung des Gegenstandes annehmen. Ich habe mich im Kontext der vorliegenden Arbeit bewusst dafür entschieden, dokumentarische Tätigkeiten zum Bewahren zu zählen, weil ich glaube, dass Menschen, die keinen professionellen Einblick in das Museumswesen haben, sich hierunter – im Gegensatz zum Forschen – oft nur wenig vorstellen können. Das Potenzial von Projekten des Mitbewahrens in dem Sinne, wie ich sie oben im Haupttext beschreibe, sehe ich darin, Außenstehende dafür zu sensibilisieren, dass der Umgang mit Gegenständen im Museum – ganz generell – ein besonderer ist, der eben mit einer bestimmten Behandlung der Dinge und einem besonderen Blick auf diese beginnt und bei konservatorischen oder restauratorischen Maßnahmen enden kann. 22 Zwar kein Ausstellungsprojekt, dennoch richtungsweisend beim Thema des partizipativen Bewahrens ist FROG, die Foreshore Recording and Observation Group im Rahmen des 2008 gegründeten Thames Discovery Programme, das u.a. vom Museum of London Archaeology und dem Museum of London unterstützt wird. Um die zahlreichen archäologischen Funde zu sichten und zu dokumentieren, die an der Themse während der Ebbe freigelegt werden, wurde eine Gruppe von derzeit über 400 interessierten Laien fachlich ausgebildet und sichert durch ihre Mitarbeit seit mehreren Jahren den Fortgang der Bewahrung und Aufarbeitung einer Masse an archäologischen Fundstücken, die ohne Mithilfe nicht in diesem Maße zu bewältigen wäre. Vgl. http://www.thamesdiscovery.org und http://www.thamesdiscovery.org/frog-blog/, zuletzt geprüft am 16.04.2014. 23 Vgl. http://www.stadsmuseumzoetermeer.nl/archief/tentoonstelling/wisselwerking, letzter Zugriff am 15.01.2015.

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oder nur schwer zugänglich sind (z.B. beim Thema Migration). Generell bieten sich für das Mitforschen feste Kooperationen mit lokalen Vereinen oder öffentlichen Einrichtungen etc. besonders an, da so am ehesten eine verlässliche und tragfähige Partnerschaft aufgebaut werden kann, die über einen längeren Zeitraum Bestand hat. Idealerweise greift ein Museum dafür bereits auf ein bestehendes Netzwerk zurück, was insbesondere für Stadt- oder Heimatmuseen durch deren lokale Verbundenheit meist gegeben ist. Dennoch ist partizipatives Forschen, ebenso wie partizipatives Bewahren, in der deutschsprachigen Museumslandschaft noch vergleichsweise selten.24 Dies hat sicherlich zum einen damit zu tun, dass sich bei manchen Thematiken nur schwer abschätzen lässt, wie schnell oder langsam benötigte Informationen und Erkenntnisse von den Teilnehmenden wohl erschlossen und zusammengetragen werden, was dem museumsspezifischen Bedürfnis nach Planungssicherheit angesichts eines weit vorher festgelegten Eröffnungstermins zuwider läuft. Und zum anderen vielleicht auch damit, dass je nach Projektzuschnitt ggf. spezifische Vorgehensweisen oder Recherchetechniken vermittelt werden müssen, was einen erhöhten Aufwand in mehrfacher Hinsicht für das jeweilige Museum bedeutet; von den Vorbehalten gegenüber der Eignung der ‚Laien‘ als ‚ForscherInnen‘ ganz zu schweigen. Relativ häufig sind jedoch Formen des Mitforschens im Rahmen von museumspädagogischen (Schulklassen-)Projekten, bei denen jedoch meist weniger die Ergebnisse, sondern mehr die spezifischen Gemeinschafts- und Prozesserfahrungen und der selbsttätige Zugang zum Thema wie auch die eigenständige Erarbeitung im Vordergrund stehen.25 24 Ein richtungsweisendes Projekt ist die partizipative Ausstellungsreihe Stadtlabor des hmf; beim Ausstellungsprojekt Mein Stadionbad – eine Ausstellung mit Schwimmbad (präsentiert 2012 im Stadionbad selbst) erarbeitete die Gruppe der Teilnehmenden (von denen die Initiative auch ausgegangen war) über anderthalb Jahre hinweg mit dem Museum das gesamte Projekt, wozu auch sämtliche Recherchearbeiten, z.B. zum historischen Schwimmbad, zählten (vgl. Historisches Museum Frankfurt 2012). 25 Eine beeindruckende Ausnahme stellte die vom Planungsstab Stadtmuseum Stuttgart und dem Linden-Museum realisierte Ausstellung Merhaba Stuttgart … oder die Geschichte vom Simit und der Brezel anlässlich des 50. Jahrestages des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens dar. Grundlage der präsentierten Erinnerungsstücke und der zugehörigen persönlichen Geschichten von ehemaligen „Gastarbeitern“ lieferten rund hundert Interviews, die von SiebtklässlerInnen (!) der Schillerschule Bad Cannstatt (Werkrealschule) sowie den TeilnehmerInnen eines Oberstufenseminarkurses des Wirtschaftsgymnasiums West geführt worden waren, nachdem sie zuvor geeignete ZeitzeugInnen im eigenen Umfeld recherchiert hatten. Hierfür waren die SchülerInnen in Interview- und Aufnahmetechnik, u.a. vom Landesmedienzentrum Baden-Württemberg, geschult worden. Betreut wurden die Klassen von einer speziell hierfür eingestellten und aus Mitteln der Robert Bosch Stiftung finanzierten Projektmitarbeiterin (vgl. Krämer 2012: 16 u. Müller 2012 u. den Kurzbericht auf der Schulhomepage http://www.schiller.s.schule-bw.de/lindenmu seum.html, zuletzt geprüft am 17.04.2014). Ebenfalls wird der Aspekt des Mitforschens verstärkt im Zusammenhang der Beforschung und Erschließung ethnologischer Sammlungen diskutiert, bei denen Mitglieder der jeweiligen source communities einbezogen werden (sollen) (vgl. Hoffmann 2015: 189).

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Vermitteln In der Vermittlung bieten sich dagegen schier unendliche Beteiligungsmöglichkeiten: TeilnehmerInnen können z.B. Saal- oder Katalogtexte verfassen,26 in der personalen Vermittlung aktiv werden (etwa im Rahmen von LeihgeberInnen-Führungen oder Ausstellungsgesprächen), sie können als Keyworker fungieren, Praxisangebote durchführen und vieles mehr. Zu den musealen Vermittlungsformen zählt aber auch das Ausstellen als solches, an dem Personen z.B. als Co-KuratorInnen beteiligt werden können; für das Mitausstellen27 lassen sich zahlreiche Beispiele finden. Prinzipiell eignet sich Mitvermitteln für alle Museumstypen. Auch lassen sich die Angebotsformate, wenn Hilfestellung von professionellen VermittlerInnen vorhanden ist, mit jeglicher Teilnehmergruppe umsetzen, indem thematische Schwerpunkte oder der Komplexitätsgrad der Vermittlungssituation angepasst werden bzw. von den Teilnehmenden selbst nach eigenen Interessen und Vorstellungen gestaltet werden. In Vermittlungssituationen, bei denen die ‚Museumslaien‘ als personale VermittlerInnen auftreten, kann sich bisweilen für ZuhörerInnen eine besonders gewinnbringende Situation einstellen: Da dem Publikum klar ist, dass es mit Menschen ‚wie du und ich‘ zu tun hat, ist die Atmosphäre meist etwas lockerer und die Zuhörhaltung weniger passiv-annehmend (wie es gegenüber wissenschaftlichem Fachpersonal tendenziell der Fall ist, deren Erzähltes oftmals unhinterfragt angenommen wird bzw. Fragen oder Anmerkungen unterlassen werden, weil man sich nicht als ‚unwissend‘ outen möchte), sondern zugewandt und durchaus kommunikationsbereit. Sicherlich trägt hierzu oftmals auch der mehr umgangssprachliche Ton ohne spezifische Fachausdrücke bei; außerdem finden solche Führungsangebote öfters im Tandem oder in kleineren Gruppen von ‚Laien‘-FührerInnen statt, sodass die eigentliche Vortragssituation selbst schon dialogisch strukturiert ist.28 Beteiligungstypen und Partizipationsintensität Der dritte Aspekt der Dimension Beteiligung ist die Klassifizierung nach Typen, womit Partizipationstypen bzw. Grundtypen von partizipativen Beteiligungsformaten gemeint sind. Angelehnt an Nina Simons vorgestelltes Modell (vgl. Kap. V.1.5 u. Anhang 2 in diesem Buch bzw. Simon 2010a: 203-298) werden vier Typen unterschieden: 26 Vgl. z.B. das Ausstellungsprojekt Festival der Tiere im Essl-Museum 2011, bei denen Kinder und Erwachsene Texte zu Kunstwerken schrieben, die später auch in einen großformatigen Ausstellungskatalog (Essl-Museum 2011) Eingang fanden. 27 Man kann, wenn man das breite Vermittlungsspektrum, das in und von Museen geboten wird, besonders betonen möchte, das Mitausstellen auch als eigenen Arbeitsbereich fassen und aus dem Mitvermitteln ausgliedern, so wie ich es in einem Text speziell für VermittlerInnen bzw. MuseumspädagogInnen getan habe (vgl. Piontek 2016). 28 Zum Thema Tandemführung vgl. Rockweiler 2013 sowie Ackermann & Boroffka 2013: 93-96.

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Ausarbeitung/Ausführung Zuarbeit Mitarbeit Zusammenarbeit

Von Ausarbeitung bis Zusammenarbeit steigt die Einflussnahme der Partizipierenden – die sogenannte „Partizipationsintensität“ (Ehmayer 2002: 38) – schrittweise an, während die Macht auf Museumsseite gegenläufig dazu abnimmt. Bei Zusammenarbeit bestünde idealerweise ein annäherndes Mächtegleichgewicht. Als Parameter der Partizipationsintensität seien noch einmal die beiden Faktoren erwähnt, die Ehmayer hierfür geltend macht, nämlich a) den Bezug der Partizipierenden zu Entscheidungsstrukturen und b) die Wirksamkeit ihrer Einflussnahme (vgl. Ehmayer 2002: 38). Leitfrage, wenn es um den „Bezug zu Entscheidungsstrukturen“ geht, ist die, in welchem Umfang Teilnehmende an jenen Prozessen bzw. Entscheidungen beteiligt sind, die auf das jeweilige Projekt bezogen einen Unterschied machen, d.h. projektentscheidend sind. Plakativ und überspitzt gesprochen: Entscheiden die Teilnehmenden darüber, in welcher Farbe eine Wand gestrichen wird oder darüber, was an dieser Wand zu sehen sein wird – oder gar, ob die Wand eingerissen werden soll. Bei der „Wirksamkeit des Einflusses“ geht es darum, ob Partizipierende lediglich eine beratende Funktion haben oder ob sie vollumfängliche Stimm- und Vetorechte bei Entscheidungen genießen – und damit den MuseumsakteurInnen weitestgehend gleichgestellt sind. Mit diesen beiden Punkten hat Ehmayer bereits die wesentlichen Faktoren klassifiziert, die die Intensität der Partizipation – als empfundene wie tatsächliche Beteiligung und Einbeziehung – bestimmen. Bevor ich mit einer Beschreibung der einzelnen Typen beginne, einige Worte dazu, wie sich meine Typologie in Relation zu der von Simon verhält: Was Nina Simon als contributory projects bezeichnet, schlüssele ich auf in a) Ausarbeitung und b) Zuarbeit. Meine ersten beiden Typen verkörpern also zwei Grundprinzipien der Kontribution, also des ‚Beitrag-Leistens‘ an Ausstellungsprojekten. Der dritte Typus, die Mitarbeit, entspricht Simons zweiter Stufe, den collaborative projects, was sich in der Realität sowohl als Kollaboration als auch als Kooperation darstellen kann.29 Und schließlich wären Simons co-creative projects dem hier an vierter Stelle genannten Projekttypus Zusammenarbeit gleichzusetzen. Simons vierte Stufe der hosted projects findet in meiner Typisierung hingegen keine Entsprechung, da es sich hierbei nach meiner Arbeitsdefinition nicht um eine Form der Partizipation handelt. 29 Zum Unterschied zwischen Kooperation und Kollaboration vgl. die Ausführungen von Dave Beech und Markus Miessen in Kapitel IV.4.1.

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Ausarbeitung/Ausführung Hierunter fallen kleinere, i.d.R. auf Besucherebene, manchmal auch im Internet angebotene Beteiligungsmöglichkeiten, die im Rahmen einer bereits von KuratorInnen realisierten Ausstellung bzw. eines bereits ausgearbeiteten Konzeptes stattfinden. Diese sind auf Besucherebene interaktiven Angeboten oder hands-on-Stationen relativ ähnlich, da die Möglichkeiten der Beteiligung eng begrenzt, vorstrukturiert und die Art der Beteiligung recht klar vorgegeben ist. Dennoch fügt jede Person, die sich beteiligt, etwas Bleibendes für die gesamte Dauer der Ausstellung hinzu (während bei Interaktion und hands on die Wirkung reversibel ist und die ‚Auswirkung‘ i.d.R. nur während der unmittelbaren Handlung besteht, um danach wieder in den Ausgangspunkt zurückversetzt auf die nächste Aktivierung zu warten). Ein typisches Ausarbeitungsangebot wäre etwa eine Kommentarmöglichkeit, die Sammlung von Geschichten der BesucherInnen zu einem bestimmten Thema oder die Möglichkeit, über etwas abzustimmen oder eine persönliche Bewertung vorzunehmen. Wie der Begriff „Ausarbeitung“ schon suggeriert, haben die BesucherInnen bei diesem Partizipationstypus also die Aufgabe, eine vom Museum vorgegebene (Handlungs-)Anweisung oder einen theoretisch vermittelten Inhalt praktisch auszuarbeiten/auszuführen oder nachzuvollziehen. Dabei dienen die Beiträge der TeilnehmerInnen i.d.R. als Illustration, Veranschaulichung oder persönliche Ergänzung einer kuratorischen Setzung innerhalb einer Ausstellung. Das Ausstellungskonzept als solches bleibt von den Beiträgen unbeeinflusst; die fertige Ausstellung wird ‚lediglich‘ angereichert um individuelle Inhalte der BesucherInnen. In der Praxis kann dies unterschiedlich in Art und Umfang ausfallen: So kann das Partizipationssetting aus einer einfachen Frage bestehen, die beantwortet werden soll (z.B. „Der erste Kuss – Wie war das Wetter?“30 oder „Welches Tier passt am besten zu unserem Museum?“31), einer etwas komplexeren Aufgabe, die mehr als nur eine einzige Aktivität verlangt (z.B. „Wie nutzen Sie den Park? Schreiben oder zeichnen Sie, was Sie im Görlitzer Park erlebt haben! Halten Sie die Geschichte auf einem Notizzettel fest und verorten Sie die Geschichte mit einem Punkt auf dem Modell!“32) bis hin zu umfänglichen Handlungsanweisungen, wie etwa in der bereits erwähnten Ausstellung Familienmacher (die mit Schritt-für-Schritt-Anlei-

30 Die zitierte Frage stammte aus der Ausstellungssequenz Zeitriss der Sonderausstellung ZeitZeitZeit ... Vom schnellen Leben und der Kunst des Verweilens im Volkskundemuseum Graz 2011; Ausstellungsbesuch und Dokumentation vom 12.11.2011. 31 Dieser Frage stellte die Kunsthalle Emden im sogenannten „Laborraum“ ihren BesucherInnen anlässlich der Ausstellung Kunsthalle Emden 1986-2011 (2011/2012). Zur Auswahl standen sechs Tiere, vorhanden als Tierpräparate. Aus den 767 abgegebenen Stimmen wurde die Möwe zum Gewinnertier ermittelt (vgl. Ohmert 2012b). 32 Die zitierte Aufforderung stammt aus der Ausstellung Ortsgespräche im FHXB Bezirksmuseum Friedrichshain-Kreuzberg; Ausstellungsbesuch u. Dokumentation am 18.4.2012.

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tungen arbeitete, vgl. Dankl et al. 2011) oder in solch ungewohnter Gestalt wie einem sogenannten „Geschichtenheft“33 im Nordico Stadtmuseum Linz: „Das Geschichtenheft ist im Shop erhältlich und bietet eine zusätzliche Möglichkeit, sich in die Ausstellung einzubringen: Leere Seiten, ein Geschichtsposter und Texte zur Art der Ausstellung laden dazu ein, das Heft zu füllen und zu einem individuellen Einzelstück zu machen. Lassen Sie andere daran teilhaben und bringen Sie das Heft zurück ins Stadtmuseum.“ (Nordico Stadtmuseum Linz 2012a: o.S.)

Insofern kann Ausarbeitung je nach Komplexitätsgrad eine wenige Sekunden dauernde Aktivität umfassen bis hin zu Handlungen, die mitunter 15 Minuten oder mehr einnehmen können. In dieser Zeitspanne wechselt die Person von der BesucherInnenrolle temporär in die Partizipierendenrolle und nach Beendigung der Beteiligung wieder zurück in die Rolle der/des BesucherIn (vgl. Simon 2010a: 204). Die Teilnahmemöglichkeit ist i.d.R. selbsterklärend und niederschwellig, sodass prinzipiell jede/r mitmachen kann: entweder, weil es sich um wirklich offene Fragen handelt, oder weil nach Persönlichem und nicht nach enzyklopädischem Wissen gefragt wird. Anders als in meiner Arbeitsdefinition von Partizipation (vgl. Kap. III.2) gefordert, findet nicht zwangsläufig ein direkter Austausch zwischen Museumsleuten und Teilnehmenden statt. Dennoch kann zumindest von einem dialogischen Prinzip gesprochen werden, da sich die KuratorInnen direkt an ihr Publikum wenden und das kuratorische Konzept explizit Rückmeldungen von diesem innerhalb der Ausstellung vorsieht und toleriert – damit findet eine Verschiebung der (Einfluss-) Macht, wie für Partizipation charakteristisch, statt. Diese gemessen an der Partizipationsintensität unterste Stufe von Partizipation im Rahmen eines musealen Ausstellungsprojekts wird häufig verkannt. Zu Unrecht, wie ich meine. Zwar werden BesucherInnen nicht an elementaren Entscheidungen beteiligt, dennoch können gut gemachte Ausarbeitungs-Angebote zur Veranschaulichung und Vertiefung eines Themas beitragen sowie ästhetische Erfahrungen und Selbstbefragungen anstoßen. Weitere praxisrelevante Aspekte des Typus Ausarbeitung/Ausführung: •

einfache Möglichkeit, um Menschen ein Erfahrungsspektrum zu bieten, das über die rein rezeptiv-kognitive Ebene hinausreicht und ihnen das Gefühl vermittelt, dass das Museum an ihrer individuellen Sicht der Dinge/ihren Erinnerungen etc. interessiert ist

33 Nordico Stadtmuseum Linz (Hg.) (2012b): Geschichtenheft. Anlässlich der Ausstellung ,,Erzähl uns Linz! “ [für Ausstellungsbesucher zum Ausfüllen]. Idee: Andrea Bina u. Lorenz Potocnik. Linz.

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geringe Kosten, da die Integration in den ‚laufenden‘ Ausstellungsbetrieb i.d.R. ohne weiteren personellen Betreuungsaufwand möglich ist evtl. erhöhter Vorbereitungsaufwand, um die intendierte ‚Aufgabe‘ oder Handlungsanweisung wirklich selbsterklärend bzw. explizit zu machen keine echte Interaktion zwischen MuseumsmitarbeiterInnen und BesucherInnen, sodass (positive wie negative) Effekte, die eine face-to-face-Situation34 mit sich bringt, ausbleiben TeilnehmerInnen benötigen kein Feedback (wollen aber evtl. eines...) verkraftet eine große Zahl an TeilnehmerInnen und stellt (meist) nur geringe Voraussetzungen an diese, sodass sich kaum jemand ausgeschlossen fühlt Teilnahme i.d.R. spontan möglich, was keinen Vorbereitungsaufwand sowie keine zusätzlichen Termine auf Seiten der Teilnehmenden nötig macht, da das Angebot in den momentanen Museumsbesuch (oder den Besuch der Homepage) integriert ist und meist nur wenige Minuten abverlangt tendenziell niederschwellig, da die explizite Aufgabe einen Orientierungsrahmen und damit Sicherheit bietet und i.d.R. ohne Vorwissen bewältigt werden kann

Zuarbeit Zuarbeit findet in aller Regel auf Projektebene oder online auf User-Ebene statt. Ganz ähnlich der Ausarbeitung werden Angebote der Zuarbeit allein vom Museum konzipiert und formuliert und richten sich mit einem klar definierten Anliegen an die (potenziell) Teilnehmenden. Während Angebote der Ausarbeitung jedoch erst zum Tragen kommen, wenn eine Ausstellung bereits realisiert ist, werden Angebote der Zuarbeit der konkreten Realisierungsphase einer Ausstellung vor- bzw. zwischengeschaltet. Dies hat damit zu tun, dass die Teilnehmenden den KuratorInnen Dinge, Material oder Inhalte zuarbeiten, welche wiederum als Vorarbeiten nötig sind, damit die KuratorInnen ihr Projekt entsprechend realisieren können. Typischerweise handelt es sich bei Zuarbeit meist um Sammelaktionen, bei denen Menschen gebeten werden, Objekte, Geschichten oder Erinnerungen zu einer geplanten Ausstellung im Vorfeld beizutragen. Ein frühes Beispiel aus den 1990ern hierfür wäre etwa die Ausstellung Ausgesucht. Aufbewahrt. Vorgezeigt. Sammlungswürdige (?) Alltagsdinge der 1990er Jahre (Ruhrlandmuseum 1994, heute Ruhr Museum), bei der die Bevölkerung jene Alltagsdinge vorschlagen sollte, die „als kulturelle Identitätszeichen unserer gegenwärtigen Gesellschaft“ (Wuszow 1997: 13)35

34 Für den Ausstellungsmacher und Szenografen Beat Hächler ist „dialogische Interaktion“, also face-to-face-Begegnungen zwischen BesucherInnen und Museumspersonal, eine von fünf Strategien sozialer Szenografie, also eine Methode, um Museen zu „sozialen Räumen“ zu machen (vgl. Hächler 2012: 144). 35 Vgl. außerdem Wuszow 1996.

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im Museum präsentiert werden sollten. Anhand der eingereichten Vorschläge realisierte die Museumsvermittlerin Angelika Wuszow dann eine Ausstellung. Das Prinzip, Gegenstände mittels Aufruf an die Bevölkerung vorab sammeln zu lassen oder aus der eigenen Sammlung von BesucherInnen vorab auswählen zu lassen, um davon ausgehend eine Ausstellung zu realisieren, scheint sich bewährt zu haben und stellt meinem bisherigen Kenntnisstand nach eine der derzeit gängigsten Formen von Partizipation dar. Jedoch kann der Partizipationsgrad bei solchen Formen der Zuarbeit je nach Projekt variieren: Geht es nur darum, kommentarlos einen Vorschlag einzusenden, oder soll der Vorschlag begründet werden? Werden angenommene Einsendungen anonym zwischen Musealien präsentiert oder wird das Faktum des Partizipativen beispielsweise dadurch betont, dass die Leihgebenden mit Fotos oder ‚O-Tönen‘ persönlich in Erscheinung treten? Erfolgt eine Form der Rückmeldung an die TeilnehmerInnen von Seiten des Museums, finden gar echte Zusammentreffen statt? – Je nachdem, kann die Grenze zur nächsten Stufe, der Mitarbeit, verschwimmen. Zwar ist der zeitliche Aufwand für Mitmachende bei Zuarbeit nicht zwangsläufig höher als bei Ausarbeitungs-Angeboten, dennoch ist die Partizipationsintensität bei diesem Typus aus formaler Sicht höher: Die Teilnehmenden werden schlicht zu einem früheren Zeitpunkt involviert, was das Projekt oder die Ausstellung in seiner späteren Entscheidungsform deutlich beeinflussen kann – manchmal ist die Einflussnahme sogar konzeptentscheidend. Weitere praxisrelevante Aspekte des Typus Zuarbeit: •





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bietet die Möglichkeit, mehr über die Wünsche, Interessen und Sichtweisen von BesucherInnen zu erfahren und gezielt auf deren Beiträge einzugehen; Chance der Besucherbindung relativ einfaches Prinzip der Beteiligung, das dennoch den Teilnehmenden das Gefühl der Wertschätzung und Anerkennung für ihre (Erfahrungs-)Perspektive vermitteln kann verkraftet eine große Zahl an TeilnehmerInnen, jedoch muss bei zu hoher Beteiligung ggf. darüber nachgedacht werden, ob von Museumsseite aus eine Auswahl (nach welchen Kriterien?) vorgenommen wird problematisch, wenn die Beteiligung zu gering ausfällt, da das Museum dann umdisponieren muss oder eine Ausstellung nicht realisieren kann gerade bei Sammelaktionen wünschen sich Teilnehmende ein Feedback oder zumindest eine Eingangsbestätigung, was u.U. viel Zeit auf Museumsseite beansprucht Wenn Beiträge abgelehnt werden oder keine Berücksichtigung finden können, besteht die Gefahr, die AbsenderInnen vor den Kopf zu stoßen. Sie können sich blamiert fühlen oder das Gefühl haben, dass ihr Objekt bzw. Vorschlag oder ih-

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re Erinnerung/Meinung nicht ‚wertvoll‘ genug für ein Museum ist, was die persönliche Sicht auf das ablehnende Museum negativ beeinflussen kann je nach Projekt können echte Kontaktsituationen zwischen TeilnehmerInnen und MuseumsmitarbeiterInnen stattfinden, diese weisen jedoch noch nicht die (positiven wie negativen) Dynamiken auf, die bei Mit- oder Zusammenarbeit entstehen; sie sind dementsprechend weniger intensiv – auch in Hinblick auf den Arbeits- und Energieaufwand auf Museumsseite

Mitarbeit Die nächst intensivere Stufe der Partizipation, die Mitarbeit, lässt sich – genau wie die nachfolgende Stufe der Zusammenarbeit – nur auf Projektebene realisieren. Anders als bei Zusammenarbeit, handelt es sich bei Mitarbeit jedoch um partizipative Ausstellungsprojekte, bei denen das Museum nach wie vor federführend ist, da die Konzeptidee ohne Beteiligung Außenstehender entwickelt wird und die Leitung des Projekts einer/m Museumsmitarbeitendem obliegt. Innerhalb dieses Rahmens, der in seinen Grundpfeilern noch immer als top-down-Beziehung strukturiert ist, wird ‚Museumslaien‘ jedoch eine nachhaltige Mitarbeit am Projekt ermöglicht, sodass diese das Projektergebnis bzw. das ‚Gesicht‘ einer Ausstellung maßgeblich mitbeeinflussen. Während sich Ausarbeitung und Zuarbeit bevorzugt an EinzelteilnehmerInnen richtet, braucht es zur Mitarbeit idealerweise eine feste Gruppe (dass auch hier Ausnahmen möglich sind, zeigt etwa das Projekt Museum der Besucher36 Innen ). Hierbei kann es sich um eine bereits bestehende Gruppe handeln (z.B. einen Verein), die Gruppe kann sich aber auch erst im Zusammenhang mit dem Ausstellungsprojekt aus Einzelpersonen konstituieren, die dann über den gesamten Projektzeitraum den festen PartizipientInnenkreis bilden, der gemeinsam mit dem Museum das Projekt realisiert. Die Interaktion mit einer festen Gruppe über einen längeren Zeitraum hinweg (d.h. mit mehrmaligen intensiven Kontakten), stellt einen wesentlichen Unterschied zum Typus der Zuarbeit dar. Ein anderer Unterschied ist, dass eine mittels Zuarbeit realisierte Ausstellung nach wie vor die klare Handschrift eines Kurators bzw. einer Kuratorin aufweisen kann, was bei Mitarbeit meist nicht mehr der Fall ist: Zwar zeichnen letztlich die MuseumsmitarbeiterInnen verantwortlich, es besteht aber nur noch eine teilweise Autorschaft ihrerseits.

36 Dies war eine Ausstellungsreihe der Landesgalerie Linz am Oberösterreichischen Landesmuseum aus dem Jahr 2005, die aus drei Einzelausstellungen bestand. Jede der Ausstellungen war von einer Einzelperson kuratiert worden, die zuvor aus einem Kreis von 78 BewerberInnen aus der Bevölkerung gezogen worden war; je eine Person für die Altersstufe bis 35 Jahre, 36-60 Jahre und die über 60jährigen. Jede Einzelperson konnte zusammen mit dem Fachpersonal im Depot Kunstwerke auswählen und ihre eigene Ausstellung kuratieren (vgl. Oberösterreichisches Landesmuseum 2005 u. Spindler 2005).

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Die wahrscheinlich gängigste Form von Mitarbeit stellen Ausstellungsprojekte dar, bei denen eine feste Gruppe an Teilnehmenden in die Rolle von KuratorInnen schlüpfen darf und mithilfe der Museumsfachkräfte eine eigene Ausstellung reali37 siert. Ein gelungenes Beispiel für die Co-Kuratorenschaft Erwachsener (wie auch einer Mädchengruppe) stellte etwa die Ausstellungsreihe Blicke sammeln im Kunstmuseum Thun 2008/2009 dar: Die Vermittlerin Sara Smidt lud hierfür verschiedene Gruppen ein, die nacheinander in einem speziellen Raum (dem ständigen Projektraum „Enter“ des Museums) eine Ausstellung kuratierten. Nacheinander bespielten Mitglieder eines Ruderclubs, KinderpsychologInnen, eine Mädchengruppe, MigrantInnen, Sehbehinderte, eine Nachbarschaft sowie Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen den Raum mit Kunstwerken der Museumssammlung zu einem selbstgewählten Thema, verfassten einen Saaltext bzw. wirkten daran mit und gaben dialogische Kurzführungen für BesucherInnen. Der Gruppe oblag neben der Themen- und Werkauswahl jeweils auch die Entscheidung über Hängung, Wandfarbe, Raumeinbauten, Sockelhöhen und Licht. Dementsprechend unterschieden sich die Einzelausstellungen trotz des gleichen Raums und des gleichen Konzeptformats erheblich voneinander – geprägt durch die persönliche Handschrift jeder einzelnen Gruppe (vgl. Smidt 2010a). Die Grenze zum nächsten Projekttyp, der Zusammenarbeit, beginnt bei solchen Projekten bisweilen zu verschwimmen. Als Richtmaß gilt, dass solche Kurationsprojekte unter Mitarbeit fallen, bei denen das Museum anhand bestimmter Vorbedingungen (z.B. Raumvorgabe, Vorauswahl eines Pools an möglichen Exponaten, Häufigkeit und Struktur der Treffen etc.) steuernd wirkt. So gab es auch bei Blicke sammeln einige – wenn auch wenige – Vorgaben (vgl. Smidt 2010b: 8): So traf das Museum je nach Themeninteressen der Gruppen eine Vorauswahl an passenden Werken (vgl. ebd. 10) und griff – wie Smidt im Folgenden selbstkritisch reflektiert – in gewisser Weise lenkend ein: „Der Anspruch, die Deutungsmacht aus der Hand zu geben, bestimmt die Vorgehensweise in diesem Projekt. Es steckt die Überzeugung dahinter, dass es keine objektiv richtige Art gibt, Kunstwerke anzuschauen. Doch die Freigabe bleibt natürlich irgendwie Illusion. Denn die Art, wie ich in der Moderation lenke, wie wir auf das eine oder andere Bild, die eine oder andere Hängung reagieren (zum Beispiel durch Nichtreagieren), beeinflusst die Einzelnen der Gruppe. Die Autorität des Kunstmuseums bleibt also intakt.“ (Ebd. 12).

Eine Lenkung dieser Art von Seiten des Museums sehe ich jedoch nicht als ‚Qualitätsminderung‘ oder Manko von Mitarbeit an – ganz im Gegenteil halte ich es für 37 Beispiele dafür gibt es nicht nur im Bereich der Arbeit mit Erwachsenen, sondern sowohl mit Kindergartenkindern (z.B. Projekt Auf Augenhöhe 2011 in der Kunsthalle Emden) als auch mit SchülerInnen (z.B. „Show up!“ 2010 im MMK Museum für Moderne Kunst, Frankfurt a.M. oder die beiden Ausstellungen Festival der Tiere von 2011 und Weltenbummler – Abenteuer Kunst von 2014/15 im Essl-Museum, Klosterneuburg, bei denen u.a. auch SchülerInnen als GastkuratorInnen tätig wurden).

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legitim, wenn ein Museum Bedingungen festsetzt, unter denen Partizipation für dieses Haus machbar wird. Dies zeugt, wie in Thun der Fall, von einer vorausgegangenen realistischen Analyse der eigenen Ressourcen und Möglichkeiten, sodass Partizipation in einem Rahmen stattfinden kann, der in der gegebenen Situation den Teilnehmenden das größtmögliche Maß an Beteiligung zugesteht, ohne damit die personellen, finanziellen, zeitlichen, technischen und organisatorischen Bedingtheiten des eigenen Apparats zu überlasten (dies dürfte wohl auch ein Grund dafür sein, warum das Museumsteam in Thun weiterhin gerne partizipative Projekte auf die Beine stellt und mit neuen Formaten experimentiert). Weitere praxisrelevante Aspekte des Typus Mitarbeit: • •











erhöhter Organisations- und Ressourcenaufwand im Vergleich zu den beiden vorherigen Typen direkter Austausch zwischen Museum und Teilnehmenden birgt die Chance, sich gegenseitig besser kennen- und schätzen zu lernen und eine emotionale Bindung zueinander aufzubauen face-to-face-Situationen verlangen ein feines Gespür für Stimmungen sowie gute kommunikative Fähigkeiten von der Museumsfachkraft; mögliche Konfliktsituationen müssen geklärt oder ausgehalten werden, da man ‚Gäste‘, die man zur Teilnahme eingeladen hat, nicht einfach ohne Imageverlust für das Museum abweisen bzw. ‚zurechtweisen‘ kann (und auch nicht sollte) je nach Projektstruktur kann das Museum den (späteren) Kreis der Teilnehmenden der Tendenz nach steuern (z.B. indem es gezielt mit einem bestimmten Verein/einer bestimmten Gruppe kooperiert) die Größe der Teilnehmergruppe muss i.d.R. kleiner sein als bei Ausarbeitung und Zuarbeit, andererseits bieten sich Mitarbeitsprojekte an, um gezielt intensivere Kooperationen mit Vereinen, Einrichtungen, Bevölkerungsgruppen etc. einzugehen (Nachhaltigkeit) ein Projekt scheitert, wenn nicht genügend Personen mitmachen (daher wären vorab eine genaue Analyse der ‚Zielgruppe‘ und ggf. clevere Kommunikationsstrategien nötig) Ergebnis und Prozess(aufwand) sind zwar nicht völlig kontrollierbar, aber innerhalb eines gewissen Rahmens zu erwarten, da das Museum z.B. anhand bestimmter Vorgaben als wichtig erachtete Parameter steuern kann

Zusammenarbeit: Hatte bei Mitarbeits-Projekten noch das Museum insgesamt gesehen mehr Einflussmacht, so herrscht bei Zusammenarbeit idealerweise ein annäherndes Mächte-

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gleichgewicht.38 Dies ist das entscheidende Merkmal dieser Projekte, die auf einer Arbeitsgemeinschaft von Anfang an beruhen. Dies bedeutet, dass die Teilnehmenden in alle Entscheidungsprozesse eingebunden werden – beginnend bei der Themenwahl, über die Projektstruktur bis hin zur Realisierung der fertigen Ausstellung – und hierbei (idealerweise) das gleiche Stimmgewicht wie das Museum haben. Dies ist nur möglich, wenn beide Seiten gleichermaßen engagiert für ihre ‚gemeinsame Sache‘ eintreten: Die Teilnehmenden bilden daher eine feste, über die gesamte Dauer des Projektes bestehende Gruppe, die sich in hohem Maße engagiert – ist dies nicht der Fall oder springen Teilnehmende ab, so gerät das Projekt in Gefahr. So gesehen findet u.U. sogar eine Machtumkehr statt, wenn nämlich die TeilnehmerInnen ihre Teilnahmezusage zurückziehen und damit ein Ausstellungsprojekt zum Scheitern bringen. Auf Museumsseite muss ein entsprechend großer Wunsch bestehen, eigene Kompetenzen und Befugnisse aus der Hand zu geben – dies muss über den Projektzeitraum zugelassen und ausgehalten werden, was nicht immer leicht fällt. Die Überzeugung, dass Außenstehende das Museum bereichern können und etwas Sinnvolles beitragen werden, das das Museum selbst so nicht liefern kann, bildet hierfür die ideelle Grundvoraussetzung. In Deutschland stellen mehrere Projekte der Stadtlabor-Reihe des historischen museums frankfurt formal gesehen Beispiele für Zusammenarbeit dar; hier beeindruckt die oftmals große Offenheit für Ausstellungsinitiativen und Themenvorschläge aus der Bevölkerung sowie das augenscheinlich große Vertrauen in die (potenziell) Teilnehmenden von Museumsseite. Die Ausstellung Mein Stadionbad entstand beispielsweise, indem sich eine kleine Gruppe von FrühschwimmerInnen an das Museum wandte – nicht umgekehrt. Auf internationaler Ebene bildet das Open Museum,39 der Outreach-Service der Museen von Glasgow, den ‚Archetyp‘ der Zusammenarbeit mit der Bevölkerung: Es bietet professionelle Unterstützung bei jeglichen Projekten aus der Bevölkerung, angefangen bei der Ein-Vitrinen-Ausstellung mit privaten Exponaten bis zur großen Ausstellung im privaten oder öffentlichen Raum mit echten Musealien (!), die das Open Museum im Rahmen der Zusammenarbeit der jeweiligen Gruppe zur Verfügung stellt. Eine Vielzahl weiterer Angebote und mehrere Community-Museen an verschiedenen Standorten ‚mitten im Glasgower Leben‘ runden das Angebot des Open Museum ab. Beeindruckend ist, dass sich 38 Es wäre eine Illusion, zu glauben, dass das Format der Partizipation (so wie ich es definiere) wirklich ein völliges Mächtegleichgewicht ermöglichen könne. Dies verunmöglicht alleine schon die Ausgangssituation, da das Partizipationsgeschehen auf der Kooperationsbereitschaft und der ausgesprochenen Einladung des Museums beruht, das demnach über das ‚Hausrecht‘ verfügt, sodass hierin bereits ein unauflöslicher struktureller Hierarchieunterschied zwischen Museum und tatsächlich Teilnehmenden besteht. 39 Homepage: http://www.glasgowlife.org.uk/museums/about-glasgow-museums/open-mus eum/Pages/home.aspx (zuletzt geprüft am 07.03.2016). Einen Einblick in die Aktivitäten liefert außerdem die Publikation: Glasgow Museums 2010.

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die MitarbeiterInnen bei der Zusammenarbeit mit der Bevölkerung tatsächlich stark zurücknehmen und den Willen der Gruppe akzeptieren, selbst wenn Entscheidungen aus professioneller Sicht ‚falsch‘ erscheinen – beispielsweise wenn eine selbstverfasste Texttafel für das permanente Community-Museum Greater Pollok Kist den empfohlenen Umfang überschreitet und die Schriftgröße daher leserunfreundlich ausfallen muss.40 Auch in einem solchen Fall erhält die beteiligte Gruppe nach wie vor die volle Unterstützung in jeder Hinsicht, die Texttafel wird – wie alles andere auch – genauso hochwertig produziert, wie es auch für eine klassische KuratorInnenausstellung der Fall wäre. Weitere praxisrelevante Aspekte von Zusammenarbeit: •



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Dieser Typus verlangt von beiden Seiten ein Höchstmaß an Engagement, Durchhaltevermögen, Kommunikations- und Kompromissbereitschaft, um auch Konfliktsituationen zu überstehen die längerfristige Zusammenarbeit birgt die Chance eines tiefen Kennenlernens auf beiden Seiten; das Museum kann z.B. Kenntnisse über die Interessen, die persönliche Situation, die Vorerfahrungen und die Sichtweise der Teilnehmenden erwerben, auf die es zukünftig gezielter eingehen kann das Museum wird tatsächlich zu einem sozialen Schauplatz und kann nachhaltige Verbindungen knüpfen großer Organisations- und Ressourcenaufwand über einen längeren Zeitraum völlig ergebnisoffen, d.h. auch ein Scheitern ist möglich gelingt tendenziell leichter, wenn die Gruppe, mit der zusammengearbeitet wird, bereits ‚Vertrauen‘ zum Museum gefasst hat schafft häufig einen hohen Erwartungsdruck gegenüber dem Museum; wie soll die geknüpfte ‚Freundschaft‘ nach dem Projekt weitergehen? Wie kann sie weiterhin gepflegt werden? Wie kann man sich als Museum ggf. auch wieder abgrenzen, ohne im Nachhinein berechnend oder ausnutzend zu erscheinen? Teilnehmende können nicht gezwungen werden, am Projekt bis zum Ende teilzunehmen, wenn es ihnen nicht mehr gefällt. Sie können abspringen – das Museum kann dies im gleichen Fall nicht ohne Weiteres

40 2011 hatte ich die Möglichkeit, an einer mehrtägigen Exkursion der Museumsakademie Joanneum nach Glasgow und Edinburgh teilzunehmen, bei der wir das Glasgow Museum Resource Centre und das Open Museum, auch vor Ort anhand des Greater Pollok Kist Community Museums, kennenlernten. Dort schilderte Chris Jamieson vom Open Museum anhand der damals aktuellen Ausstellung ebendiesen Fall mit den Texttafeln (Workshop und Exkursion Museums & Public Engagement. Bringing Museums to the People, 12.15.10.2011, Museumsakademie Joanneum in Zusammenarbeit mit der Glasgow Caledonian Business School).

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verläuft ein Projekt aus Teilnehmersicht erfolgreich, geht dies meist mit einer hohen Identifikation und emotionalen Bindung der Teilnehmenden mit dem Museum einher; das jeweilige Museum ist ‚ihr‘ Museum geworden

Zur besseren Übersicht werden wesentliche Kennzeichen der vorgestellten Typisierung in Tabelle 2 knapp zusammengefasst (wobei bereits Faktoren, die anderen Dimensionen zugeordnet sind, miteinfließen). Einschub: Problem der Trennschärfe der vorgestellten Typen in der Praxis Die Unterscheidung in die eben vorgestellten vier Grundformen/Grundprinzipien partizipativer Projekte orientiert sich an der Partizipationsintensität auf Seiten der Teilnehmenden und ist natürlich eine modellhafte. In der Praxis ist die Unterscheidung kaum so eindeutig, wie hier dargestellt; vielmehr existieren oftmals Mischformen. Ich möchte dies anhand zweier Beispiele verdeutlichen: Zum einen am bereits mehrfach genannten Projekt Familienmacher, das rein formal gesehen auf der Stufe mit geringster Partizipationsintensität – dem Typus der Ausarbeitung – angesiedelt war, da die BesucherInnen temporär in die PartizipientInnenrolle schlüpften und mittels ihrer Beiträge eine realisierte Ausstellung bespielten bzw. illustrierten. Gemeinhin hat eine von BesucherInnen vollzogene Ausarbeitung keinen übermäßigen Einfluss auf das Ausstellungsergebnis als solches, da die kuratorischen Setzungen deutlich überwiegen (daher die geringe Partizipationsintensität gemessen am Gesamtprojekt und der Erscheinung der fertigen Ausstellung). Für Familienmacher kann dies jedoch nicht gelten: Die KuratorInnen gaben zwar ein Ausstellungssetting vor, jedoch wurden die konkreten Inhalte allesamt und ausschließlich durch die BesucherInnen hergestellt. Die BesucherInnen nahmen durch ihre Beiträge also einen immensen Einfluss darauf, wie die Ausstellung letztlich ‚aussah‘, welche Inhalte sie transportierte. Aus diesem Blickwinkel gesehen, war der Grad der Einflussnahme und das Gewicht der Beteiligung sehr viel höher, als sonst für Ausarbeitung üblich, weshalb man fast schon feststellen möchte, dass die BesucherInnen an der Ausstellung, so wie sie sich am letzten Tag der Laufzeit zeigte, aktiv mitgearbeitet hatten – obwohl kein direkter Austausch mit den KuratorInnen stattfand und auch keine feste TeilnehmerInnengruppe bestand. Ein weiteres Beispiel, das sich ebenfalls der vorgestellten Typisierung entzieht, ist das Projekt Erzähl uns Linz!, das 2012 im Nordico Stadtmuseum Linz stattgefunden hat. Im Prinzip handelte es sich bei dieser Partizipationsform um Zuarbeit, da die BewohnerInnen der Stadt ‚nur‘ eingeladen worden waren, einen Gegenstand (samt Erläuterung) einzureichen, den sie mit Linz verbinden – so gab es das kuratorische Ausstellungskonzept vor. Jedoch – und hier gerät die Eindeutigkeit der Zuordnung ins Wanken – waren es anschließend nicht die KuratorInnen, die die eingereichten Objekte in eine Ausstellung überführten; es waren die LeihgeberInnen

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Tabelle 2: Typologie partizipativer Angebotsformate im Museum Ausarbeitung/ Ausführung

Zuarbeit

Mitarbeit

Zusammenarbeit

Ebene

Besucherebene oder Internet

Internet oder Projektebene

Projektebene

Projektebene

TeilnehmerInnen

möglichst viele Einzelpersonen

möglichst viele Einzelpersonen

eine feste Gruppe

eine feste Gruppe

Teilnahmezeitpunkt

ab Ausstelungseröffnung

vor Ausstellungsbeginn, nachdem das Grobkonzept steht

vor Ausstellungsbeginn, nachdem das Grobkonzept steht

von Beginn an

Austausch zw. TN und Museum

kein direkter Kontakt

kein direkter bzw. wenn, dann nur kurzer (einmaliger) Kontakt

direkter mehrmaliger Austausch

direkter, sehr intensiver Austausch über einen längeren Zeitraum

Beeinflussung des Endergebnisses einer Ausstellung durch die TN

gering; KuratorInnenhandschrift bleibt deutlich sichtbar

mehr als bei Ausarbeitung; kuratorische Handschrift i.d.R. noch deutlich sichtbar

groß, jedoch hat das Museum mehr Entscheidungsmacht; eine geteilte Autorschaft ist erkennbar

im gleichen Maße wie das Museum; genauso viel Entscheidungsmacht auf beiden Seiten; die geteilte Autorschaft ist klar erkennbar

Aktivitätsspektrum der TN

ausführend (TN kommentieren, illustrieren, erzählen, ordnen, bewerten Vorgegebenes o.ä.)

zuarbeitend (TN liefern dem Museum Objekte/Geschichten etc. zu einem vorgegebenen Thema, recherchieren, ordnen, begründen usw.)

ausgestaltend (TN übernehmen wesentl. Aufgaben eines/ einer KuratorIn oder VermittlerIn, z.B. Objektauswahl, entscheiden über Raumgestaltung/Hängung/Platzierung etc., verfassen Texte, geben Führungen, gestalten das Rahmenprogramm o.ä.)

konzipierend und kuratierend (TN agieren als Co-KuratorInnen, d.h. entscheiden über die Konzeptidee, konzipieren ein Projekt und führen es mitverantwortlich in allen Belangen durch usw.)

Ausarbeitung/Ausführung, Zuarbeit, Mitarbeit und Zusammenarbeit unterschieden nach wesentlichen Aspekten (linke Spalte); TN = Abkürzung für TeilnehmerInnen

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selbst, die die Aufgabe hatten, einen geeigneten Platz für ihr Objekt in den Ausstellungsräumen zu bestimmen – und zwar ab dem Zeitpunkt der Ausstellungseröffnung bis zum letzten Tag (die Ausstellung wuchs also beständig). Die hierfür verwendeten Ausstellungsdisplays (eine Kombination aus Objektablage und Textständer) waren transportabel und magnetisch, sodass der Objekttext ebenfalls selbst von den Leihgebenden angebracht wurde, nachdem sie die Aufstellung ihres Objekts selbst vorgenommen hatten.41 Eine weitere Besonderheit, die aus dem Rahmen von Zuarbeit fällt, war, dass ein zwischenmenschlicher Kontakt zwischen Leihgebenden und Museum angeboten bzw. sogar forciert wurde: In die Ausstellung integriert war nämlich eine sogenannte „Geschichtswerkstatt“, die einen Tag pro Woche personell besetzt war und Menschen eine persönliche Anlaufstelle und Unterstützung beim Abfassen der Objekterläuterung bot; es handelte sich dabei um einen hierfür engagierten Geschichtenschreiber bzw. sogenannten „Storyhunter“ (also genau genommen zwar nicht um einen festen Museumsmitarbeiter, dennoch verkörperte dieser nach außen einen Repräsentanten der Institution). Aktivitätsspektrum Zuletzt fällt unter die Dimension Beteiligung die Frage nach den konkreten Handlungsformen, die die Teilnehmenden ausführen, also nach dem jeweiligen Aktivitätsspektrum, das bei partizipativen Ausstellungsprojekten möglich ist. Es mag vielleicht auf der Hand liegen, Teilnehmende als KuratorInnen zu sehen. Aber abgesehen davon, dass die Tätigkeit des Kuratierens im Detail eine Vielfalt an unterschiedlichsten Aktivitäten meint, wäre es ein Trugschluss, anzunehmen, dass alle an einer Partizipation Interessierten automatisch auch in solch großem Umfang als ‚SchöpferInnen‘ in Erscheinung treten wollen oder sich in solch umfänglichem Maße einbringen können (vgl. Simon 2010a: 8-13).42 Axel Vogelsang, der sich vor allem mit Social Media-Nutzung von Museen und Online-Partizipation beschäftigt, rät ebenfalls dazu, „[...] die Bereitschaft zur Partizipation nicht [zu] überschätzen. Auch in den Social Media ist die Anzahl der passiven Zuschauer und Leser wesentlich höher als die der Menschen, die aktiv durch das Hochladen von Daten oder das Schreiben von Texten oder Kommentaren teilnehmen [...].“ (Vogelsang 2012: 210) 41 Wenngleich es hierfür von Seiten der KuratorInnen eine grobe Richtlinie gab, da 24 historische Stadtereignisse der letzten 104 Jahre als Anhaltspunkte die Ausstellungsräume vorstrukturierten und den LeihgeberInnen bezüglich der zeitlichen Einordnung ihres Objektes eine Orientierung gaben (vgl. Museen der Stadt Linz 2012 u. Nordico Stadtmuseum Linz 2012a). 42 Simon zeigt u.a. anhand der Internetnutzung auf, dass die Gruppe derjenigen, die regelmäßig als „creators“ in Erscheinung tritt und Inhalte produziert, eine relativ kleine ist. Zu bedenken ist darüber hinaus, dass die Hemmschwellen zwischen der (anonymen) Aktivität im Internet und der Aktivität im Rahmen eines Museumsprojekts (bei dem die Anonymität gegenüber dem Museum entfällt) unterschiedlich hoch sein dürften.

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Ebenso wie das Internet zwischen Lesen/Zuschauen und Schreiben/Hochladen eine Fülle weiterer Aktivitäten bereithält, kann Partizipation im Museum mehr bedeuten als ausschließlich Kuratieren. Es erscheint daher lohnend, sich etwas eingehender mit der Breite eines möglichen Aktivitätsspektrums zu befassen. Hier eine Auswahl an Möglichkeiten: Aktive Beteiligung kann heißen, einen (Gestaltungs-, Konzept-, Objekt- usw.)Vorschlag oder -wunsch zu äußern, eine Präferenz anzugeben bzw. aus Vorschlägen oder Angeboten auszuwählen, Fragen an ein Objekt oder Thema zu stellen, etwas zu beschreiben/kommentieren/erklären, an einer Diskussionsgruppe oder einem Brainstorming teilzunehmen, Informationen zu recherchieren, Objekte zu sammeln, Objekte oder Inhalte für eine Ausstellung aufzubereiten (fotografieren, katalogisieren, sortieren, säubern, aufstellen...), einen geeigneten Ausstellungsort zu suchen (im Museum oder außerhalb), eine Wand zu streichen/einen Sockel o.ä. aufzubauen/Plottertexte anzubringen etc., Ausstellungs- oder Katalogtexte zu verfassen, einen Audioguidetext einzusprechen, einen (z.B. musikalischen) Beitrag zur Ausstellungseröffnung beizusteuern, eine Führung zu geben uvm.43 Dieses Aktivitätsspektrum ließe sich noch beliebig fortführen. Wichtig für eine gelingende Partizipation ist jedoch, dass Teilnehmende in einem Ausstellungsprojekt nicht bloß als HandlangerInnen oder ‚billige Arbeitskräfte‘ für ungeliebte, aber nötige ‚niedere Tätigkeiten‘ instrumentalisiert werden. Sie sollten selbst entscheiden dürfen, für welche Aufgaben sie verantwortlich sein möchten und vom Museum den Gesamtzusammenhang dieser Tätigkeiten vermittelt bekommen, sodass sie z.B. ein Verständnis dafür entwickeln können, welche Arbeiten bei einer Ausstellung bzw. im Museumsbetrieb anfallen oder warum diese oder jene Prämissen für Museen wichtig sind (einerseits hat dies auf Museumsseite viel mit Transparenz zu tun; für die Teilnehmenden bedeutet es andererseits einen wichtigen Einblick in die sonst verborgenen Aufgaben und Arbeitsabläufe eines Museums). In einer solchen Haltung zeigt sich der Unterschied zur Arbeit von bzw. mit Ehrenamtlichen, die in vielen Museen punktuell in einem einzigen Bereich eingesetzt werden – manchmal ohne wählen zu können – und meist leider kaum Einblicke in die restlichen Betriebsabläufe erhalten.44 Entscheidend hinsichtlich der Möglichkeiten an Aktivitäten ist, dass jeder Mensch andere Vorlieben hat und dass es tendenziell Präferenzen je nach Altersgruppe, Geschlecht, ‚Background‘ etc. geben kann. Lohnenswert kann es in dieser Hinsicht sein, sich die Unterscheidung von Falk/Dierking bezüglich unterschiedlicher Grundmotivationen von MuseumsbesucherInnen zu vergegenwärtigen, aus der 43 Alle genannten Aktivitäten stammen aus tatsächlich stattgefundenen partizipativen Projekten. 44 Vgl. hierzu auch Chrusciel (2013: 28), die bezüglich des zugewiesenen Tätigkeitsspektrums von freiwilligen MitarbeiterInnen feststellt: „Diese Tätigkeiten sind in der Regel in den unteren Bereichen der Institutionshierarchie angesiedelt und verunmöglichen somit eine inhaltliche Einflussnahme.“

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vielleicht auch abgeleitet werden könnte, dass je nach Bedürfnislage auch unterschiedliche Beteiligungsformen bzw. Aktivitäten bevorzugt werden; als die fünf wesentlichen ‚BesucherInnen-Typen‘ machen beide aus: Explorers (EntdeckerInnen), Facilitators (‚Vermittlertypen‘), Professional/Hobbyists (Profis/TüftlerInnen), Experience Seekers (‚Erfahrungshungrige‘) und Rechargers (Erholungssuchende) (vgl. z.B. Falk 2013: 117). Nina Simon weist darauf hin, dass nicht automatisch diejenige Aktivität, die – um Ehmayers Begriff zu gebrauchen – die höchste „Partizipationsintensität“ verspricht, auch das attraktivste Handlungsangebot aus Sicht der (potenziell) Teilnehmenden darstellt. Sich dessen als MuseumsmitarbeiterIn bewusst zu sein, kann u.U. über den Erfolg eines Projektes entscheiden. Es lohnt sich daher bei der Planung eines Partizipationsangebots, das intendierte Aktivitäts- und Handlungsangebot kritisch zu hinterfragen oder, wenn möglich, einen Strauß verschiedener Aktivitäten anzubieten.

V.2.2

D IMENSION AKTEURE

Partizipation ist abhängig von denjenigen, die sie anbieten und jenen, die partizipieren; außerdem davon, wer sie initiiert und wer mit der leitenden Durchführung des Partizipationsprozesses betraut ist. Dementsprechend zählen zur Dimension der AkteurInnen als wesentliche Faktoren die Institution, die Teilnehmenden, die BesucherInnen, der/die InitiatorIn sowie der/die Projektbeauftragte. All diesen AkteurInnen – egal ob Individuum, Kollektiv, Organisation oder Institution – ist gemeinsam, dass sie TrägerInnen sozialer Rollen sind, deren Handeln nicht planlos geschieht, sondern in Abhängigkeit von situativen, normativen und motivationalen Orientierungen. Das heißt: AkteurInnen haben Motive, Erwartungen sowie Ziele und richten ihr Handeln nach diesen aus (vgl. Fuchs-Heinritz et al. 2011: 23-24, Hillmann & Hartfiel 1994: 6 u. Reinhold et al. 2000: 10). Die Institution Museum als Akteur Museum ist nicht gleich Museum, sodass jeweils individuelle institutionelle Bedingungen Einfluss darauf haben, wie Partizipation verwirklicht wird bzw. verwirklicht werden kann. Zu den harten Faktoren zählt insbesondere die Größe, Ausrichtung und der ‚Standort des Hauses‘ (im übertragenen wie wörtlichen Sinne), die finanzielle Situation sowie die technischen, personellen und zeitlichen Ressourcen: Partizipation kostet Geld, braucht Zeit und Personal45 – vor allem, wenn das Haus erste Schritte in diese Richtung erprobt. Manchmal ist der Legitimationsdruck ge45 Leontine Meijer-van Mensch hält es für sinnvoll, wenn bei partizipativen Projekten eine Museumsfachkraft für diese Aufgabe freigestellt wird (vgl. dies.; Piontek 2012a: 4).

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genüber GeldgeberInnen ein Hindernis, um sich überhaupt auf das Wagnis Partizipation einzulassen, manchmal wird jegliche Experimentierfreude bereits zuvor im Keim erstickt angesichts zu knapper Ressourcen. Auf der anderen Seite kann Partizipation jedoch auch zur Bedingung für verstärkte finanzielle Zuwendung werden, wie im angelsächsischen oder angloamerikanischen Raum bereits häufig üblich. Darüber hinaus spielt es eine Rolle, welcher Museumssparte ein Haus angehört,46 da je nach Museumstyp verschiedene ‚Traditionen‘ bestehen, wie bzw. ob mit BesucherInnen interagiert wird und welches institutionelle Selbstverständnis vorherrscht. Allgemein lässt sich festhalten, dass traditionell Technikmuseen, Kindermuseen, Heimatmuseen und Freilichtmuseen per se stärker mit ihrem Publikum interagieren und generell häufiger Angebote machen, die über das bloße Betrachten eines Gegenstands hinausreichen – unter diesem Aspekt dürfte der Schritt von hands on zur aktiven Partizipation der BesucherInnen weniger schwer fallen als etwa in Kunstmuseen.47 Andererseits bieten sich Kunstwerke zunächst einmal mehr an für individuelle Auseinandersetzungen und einen kreativen Umgang, als rein technische Prinzipien, unumstößliche Naturgesetze oder historische Fakten. Hier kommt es im Einzelfall auf die Kreativität, Flexibilität und Experimentierfreude derjenigen an, die unmittelbar mit der Umsetzung eines Partizipationsangebots auf Museumsseite betraut sind. Dies gilt auch für lokalgeschichtliche und kulturhistorische Museen. Diese haben jedoch den Vorteil, dass sie aufgrund ihrer ortsbezogenen Sammlungen i.d.R. bereits gut in gesellschaftliche und soziale Strukturen eingebunden sind, was die Aktivierung und Zusammenarbeit mit dem lokalen Umfeld erleichtert; als Faustregel könnte man sagen, dass Museen, die per se stark an ihrer lokalen Community orientiert sind, unabhängig vom Museumstyp meist erfolgreicher in der Umsetzung von Partizipation agieren, als Häuser, denen hierbei die ‚Übung‘ fehlt (vgl. Lynch 2011c: 20). Die meist alltagskulturellen und lokalen Themenstellungen von kulturhistorischen und heimatkundlichen Häusern sowie von Stadtmuseen bieten zudem zahlreiche lebensnahe Anknüpfungspunkte für Teilnahmewillige. Gottfried Korff bescheinigt dementsprechend insbesondere Stadtmuseen das Potenzial, sich als „Ort für verdichtete Formen der Publikumsbindung und als Ort für die Erprobung stadtkultureller Partizipationsstrategien“ (Korff 2011: 76) darzubieten. Was aktuelle Zahlen betrifft, so ergab die Auszählung der im Zuge der vorliegenden Arbeit von mir registrierten Partizipationsprojekte folgende Verteilung: von 46 Zu Partizipation in verschiedenen Museumssparten vgl. auch Simon 2010b. 47 So schreibt Kirchberg, dass die Öffnung des Museums als (manifeste) Zielvorstellung tendenziell eher in Naturkunde-, Technik- und auch z.T. in kulturhistorischen Museen verfolgt werde. Dagegen fänden sich „Bestrebungen, das Museum als exklusive Zone für eine auch durch diesen Ort definierte Elite latent zu bewahren“, tendenziell eher in Kunstmuseen (vgl. Kirchberg 2010: 250).

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110 musealen Projekten, die in irgendeiner Weise Partizipation an einer Ausstellung zuließen, wurden die meisten von Kunstmuseen (30 Projekte an der Zahl, rund 26 Prozent) durchgeführt, gefolgt von Stadtmuseen (22 Projekte, rund 19 Prozent), (Kultur-)Historischen Museen/Landesmuseen (17 Projekte, knapp 15 Prozent) und 48 Regional-/Heimat- oder Bezirksmuseen (14 Projekte, rund 12 Prozent). Fasst man Stadtmuseen, (kultur-)historische und Landesmuseen sowie Heimat- und Bezirksmuseen als Häuser mit lokalhistorischer Ausrichtung zusammen, so entfiele ihr An49 teil innerhalb der derzeitigen ‚Partizipationslandschaft‘ auf fast 47 Prozent. TeilnehmerInnen Zu den HauptakteurInnen zählen natürlich auch diejenigen, an die ein Angebot adressiert ist, also die potenziellen und tatsächlichen TeilnehmerInnen. So individuell die ‚Zielgruppendefinition‘ im Einzelfall auch ausfällt, immer kann unterschieden werden zwischen Angeboten, die sich an EinzelteilnehmerInnen wenden (und i.d.R. auf eine möglichst breite und zahlenmäßig hohe Beteiligung abzielen), und solchen, die explizit auf Gruppen bezogen sind (und meistens eine zahlenmäßig kleinere, dafür aber feste Teilnehmergruppe über einen längeren Zeitraum einbinden). Bei beiden Varianten lässt sich weiter ausdifferenzieren, ob es sich um ein offenes Angebot handelt, das keinerlei Teilnahmevoraussetzungen stellt und bei dem wirklich jede/r mitmachen könnte, wenn er/sie wollte. Hat man es mit einem halboffenen Angebot zu tun, können all jene daran teilnehmen, die ein bestimmtes Kriterium erfüllen.50 Geschlossene Angebote sind solche, die sich von vornherein an eine ganz bestimmte, bereits bestehende Gruppe wenden, so z.B. an einen Verein, eine Schulklasse usw. Die 2001 ins Leben gerufene Ausstellungsreihe Bilderwahl im Kunsthaus Zürich stellt beispielsweise ein exklusives Angebot für den Freun-

48 Bei allen Prozentangaben gilt n = 114, was sich daraus erklärt, dass an zweien der 110 erfassten Projekte mehr als nur ein einziges Museum beteiligt waren. Den oben im Text aufgeführten Positionen folgten: Industriemuseen (sieben Projekte), Gewerbemuseen (sechs Projekte), sonstige bzw. Spezialmuseen (hierzu wurden z.B. Firmenmuseen oder ein virtuelles Stadtmuseumsprojekt o.ä. gezählt; insgesamt fünf Projekte), Ausstellungshäuser ohne eigene Sammlung (vier Projekte), ethnologische Museen (drei Projekte) sowie Freilicht-, Kinder- und Volkskundemuseen (jeweils zwei Projekte). 49 Auch Elpers & Palm (2014b: 14) konstatieren, dass sich insbesondere Stadt- und Regionalmuseen in Sachen Partizipation hervortäten, jedoch leider ohne deutlich zu machen, ob es sich hierbei um einen persönlichen Eindruck handelt oder ob eine bestimmte Datenbzw. Forschungslage zu dieser Feststellung geführt hat. 50 Wobei die Einschränkung i.d.R. nicht explizit ausgesprochen wird, sondern sich durch die ‚Aufgabe‘ ergibt. Wenn z.B. Menschen aufgerufen werden, persönliche Erinnerungen an das Ende des Zweiten Weltkriegs einzureichen, so richtet sich dieser Aufruf nur an ZeitzeugInnen und ggf. noch an Nachfahren, die im Besitz eines entsprechenden Familienerbstückes o.ä. sind, wie es z.B. bei der Gedächtnisausstellung Der Krieg ist aus. Erinnern in München 1945-2005 des Münchner Stadtmuseums der Fall gewesen ist.

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deskreis des Museum dar, ist also nur für die Mitglieder der Zürcher Kunstgesellschaft offen. Manchmal ist die Mitarbeit verpflichtend, z.B. wenn mit einer Schulklasse oder einer Kindergartengruppe kooperiert wird – dies steht eigentlich im Gegensatz zum heutigen Idealverständnis von Partizipation, bei dem der Grundsatz der freiwilligen Beteiligung gilt, die aus persönlicher Überzeugung zu erfolgen habe. Gerade bei Ausstellungsprojekten mit museumspädagogischem Hintergrund bilden (Vor-) SchülerInnen eine zahlenmäßig wichtige Teilnehmerschaft. Ansonsten ist auffällig, dass eine Hinwendung zu und Einbeziehung von marginalisierten Gruppen stattfindet (vgl. z.B. Lanz & Montanari 2014b: 17); insbesondere erlebt die Partizipation von Menschen mit Migrationshintergrund derzeit eine Konjunktur.51 Persönliche Parameter wie Herkunft, Alter, Geschlecht, sozialer Hintergrund, Bildungsstand der TeilnehmerInnen usw. nehmen mehr oder weniger sichtbar Einfluss auf das partizipative Projekt, da diese die individuellen Interessen und die persönliche Welt-, Themen- und Objekt-Anschauung beeinflussen.52 Zwei weitere Aspekte sind in diesem Zusammenhang hervorzuheben, die bei Projektplanungen bedacht werden sollten: Zum einen, ob evtl. eine Sprachbarriere überbrückt werden muss, und zum anderen, welches Maß an Freizeit die anvisierten TeilnehmerInnen wohl einbringen können. InitiatorInnen und Projektbeauftragte Weiter wird ein Partizipationsformat in seiner konkreten Erscheinung davon beeinflusst, wer ProjektinitiatorIn ist und wer mit der leitenden Durchführung als Projektbeauftragte/r betraut wird: Handelt es sich um Museumsinterne oder um Externe? Um KuratorInnen, VermittlerInnen, vielleicht sogar KünstlerInnen oder SozialarbeiterInnen – oder um die zukünftigen TeilnehmerInnen selbst? In der Praxis gibt es zwar einige museale Ausstellungsprojekte, die auf Initiative von außen entstanden sind, namentlich auf Initiative von Bildungseinrichtungen wie Universitäten oder Schulen.53 Der überwiegende Anteil an partizipativen Museums51 Diese Tendenz zu unterrepräsentierten oder ‚ausgeschlossenen‘ Bevölkerungsgruppen knüpft an die Museumsreform bzw. Reformforderungen der 1970er Jahre an, sodass sich in der heutigen Entwicklung in gewisser Weise die „[...] Idee einer Gemeinschaft minoritärer Subjekte als einer Alternative zum institutionalisierten (bürgerlichen) Kunstpublikum fort[schreibt]“ (Bellenbaum & Buchmann 2007: 31). Anders als damals steht dieser Demokratisierungsgedanke der elitären Institution Museum heute jedoch weniger im Vordergrund. Die kulturelle Partizipation von EinwanderInnen ist heute ‚chic‘, da sie eine große Rolle in der gesamtpolitischen Agenda Deutschlands als Einwanderungsland spielt und mitunter finanziell in besonderer Weise gefördert wird. 52 Zu den persönlichen wie auch soziokulturellen Faktoren, die das sogenannte „Museumserlebnis“ – unabhängig davon, ob dieses partizipativ ist, oder nicht – beeinflussen, vgl. Falk & Dierking 2013: 27 f. 53 Eine spannende Ausnahme bildete hier etwa das bereits erwähnte Ausstellungsprojekt Wagenburg leben in Berlin (FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum, Berlin 2008), das

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projekten geht jedoch auf Initiative von Museumsseite zurück. Nach meinem Kenntnisstand stellen Projekte auf Initiative der späteren TeilnehmerInnen also eine große Ausnahme dar, was sicher damit zu tun hat, dass die Idee der musealen (Re-) Präsentation durch aktive Mitarbeit in der Gesamtbevölkerung de facto noch kaum präsent ist und eine Museumsausstellung sicherlich nicht primär als geeignetes Sprachrohr für die eigenen Interessen in Betracht gezogen wird. Zum anderen muss dies auf ein generelles Dilemma jeglicher Partizipation zurückgeführt werden, nämlich dass Partizipation bei den AkteurInnen – insbesondere bei denjenigen, die sie initiieren – bereits ein gewisses Set an Partizipationskompetenzen voraussetzt, die sicherlich nicht bei allen Bevölkerungsgruppen automatisch vorauszusetzen sind. Projekte, die museumsintern initiiert werden, sind meist stärker den Gegebenheiten der Institution Museum sowie dem durchführenden Museum als solchem angepasst.54 Denn natürlich fühlen sich museumsangehörige InitiatorInnen dem ‚System Museum‘ i.d.R. näher und stärker verpflichtet, als dies museumsexterne InitiatorInnen tun. In der Praxis sind Projekte auf Museumsinitiative daher meist auch ‚systemkonform(er)‘ und nicht selten tendenziell ‚systemaffirmativ(er)‘ angelegt. Extern initiierte (oder durchgeführte) Projekte sind dagegen mit größerer Wahrscheinlichkeit durch eine offen politische Haltung und/oder eine systemkritische Herangehensweise gekennzeichnet (sie können bezogen auf das ‚System Museum‘ dekonstruktive oder transformative Grundstrukturen aufweisen, vgl. z.B. Mörsch 2009b). Eine ähnliche Tendenz zeigt sich im Vergleich zwischen externen und internen ProjektleiterInnen, also denjenigen, die mit der genauen Konzeption und Durchführung betraut sind: Handelt es sich bei diesen um festangestellte MuseumsmitarbeiterInnen, ist der Umgang mit Musealien und Ausstellungsräumen meist ein ‚vorsichtigerer‘, ‚konservativerer‘ und ‚konventionellerer‘, als ihn solche Projektbeauftragte an den Tag legen, die in keinem festen Arbeitsverhältnis und damit auch fester Verpflichtung gegenüber dem jeweiligen Haus stehen.55 auf der Eigeninitiative von Berliner ‚WagenburglerInnen‘ gründete – einer Gruppe, der man zunächst kaum Interesse am staatlichen Herrschaftsinstrument Museum mit seinen „civilizing rituals“ (Duncan 1995) unterstellen würde. Zum Projekt vgl. z.B. Düspohl 2014: 312-314 u. Allmanritter & Siebenhaar 2010a: 39-41. 54 So war es beim Projekt Der Krieg ist aus (Stadtmuseum München, 2005) beispielsweise so, dass dieses von den Museumsinternen ursprünglich als konventionelle Ausstellung mit Exponaten aus dem eigenen Sammlungsbestand angedacht gewesen war. Der Vorschlag, methodisch anders zu verfahren, wurde überhaupt erst von zwei externen Kulturmanagerinnen eingebracht, die dann auch den partizipativen Prozess maßgeblich planten und begleiteten (vgl. Weidner; Piontek 2011i: 1 u. das Interview mit M. Reichenberger und T. Hänert von Kulturvergnügen; Hoch 2005: 119). 55 So betont etwa Nina Simon am Beispiel von partizipativen Kunstprojekten, dass diese – ganz im Gegensatz zum Nimbus und ‚Gehabe‘ des doch eher ‚statischen‘ Typus des Kunstmuseums – oftmals sogar „the most radical experiences for visitors“ hervorbringen würden, sofern sie von externen KünstlerInnen geleitet würden und nicht von MuseumsmitarbeiterInnen selbst (vgl. Simon 2010b: 71).

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Welche Schwerpunkte gesetzt, welche Ziele mit einem Projekt verfolgt und welche Bewertungsmaßstäbe abschließend an Partizipation angelegt werden, hängt tendenziell auch davon ab, ob es sich bei den Projektbeauftragten um ‚Interne‘ oder ‚Externe‘ handelt – ebenso davon, aus welcher Berufssparte diese stammen: KünstlerInnen, VermittlerInnen oder Menschen mit (sozial-)pädagogischen Hintergründen agieren tendenziell eher nach der Prämisse „Der Weg ist das Ziel“ und legen ihr Augenmerk mehr auf den Projektprozess sowie auf (innerliche) Entwicklungs- und Erkenntnisprozesse der Teilnehmenden. Die ‚Qualität‘ von Partizipation wird dementsprechend meist eher im immateriellen, unsichtbaren Zuwachs (etwa an Gruppengefühl, Erfahrung, Selbstvergewisserung etc.) festgemacht. KuratorInnen legen gemäß ihrer Profession dagegen i.d.R. tendenziell eher quantifizierbare Wertmaßstäbe an (wie etwa historische Richtigkeit, allgemeingültiger Informationsgehalt und eine Präsentation orientiert an der ‚klassisch-musealen‘ Ästhetik) – d.h., Menschen, deren Kontext eher der wissenschaftliche Umgang mit Inhalten und Dingen statt mit Menschen ist, haben bei Partizipation meist eher das Produkt als den Prozess im Auge. Dass die eben skizzierten, je nach Profession divergierenden Grundhaltungen zu Problemen und enttäuschten Erwartungen führen können, sofern sich nicht Institution und FördererInnen, InitiatorInnen und Projektleitende im Vorfeld über diese unterschiedlichen Herangehensweisen und Zielsetzungen bewusst ausgetauscht haben, liegt auf der Hand.56 BesucherInnen Als letzte Größe der Dimension Akteure möchte ich noch den unbeteiligten Besucher/die unbeteiligte Besucherin ins Spiel bringen. Genau genommen zählt diese Personengruppe zwar nicht zu den unmittelbaren AkteurInnen von Partizipation, als mögliche RezipientInnen der Partizipationsergebnisse sollten sie im Museumsbetrieb jedoch keinesfalls außer Acht gelassen werden (vgl. Abb. 3). Daher bietet es sich an, partizipative Ausstellungsprojekte bereits in ihrer Entwurfsphase kritisch dahingehend zu befragen, ob das Thema und dessen Übersetzung in eine Ausstellung über die Gruppe der PartizipientInnen hinaus auch für Unbeteiligte genügend 56 Exemplarisch beschreibt dieses Dilemma etwa die freie Ausstellungskuratorin und Diplompädagogin Claudia Glass in Hinblick auf ein eigenes Projekt, das sie als externe Projektbeauftragte für ein lokales Museum mit SchülerInnen durchgeführt hat: „Sponsoren und Mitarbeiter des Museums hatten sich ‚etwas anderes‘ als Ergebnis vorgestellt. Ihnen genügte die ‚Qualität‘ der von der Gruppe von SchülerInnen zusammengetragenen Arbeiten nicht.“ (Glass & Gugger 2012: 175). Vgl. ebenso die Ausführungen von Ziese (2010: 212 ff.), deren Fallstudie sich zwar nicht auf direkte Partizipation, sondern ‚nur‘ auf relationale Praktiken zwischen KuratorInnen und Publikum bezog, die aber dennoch treffend feststellt, dass KuratorInnen das eigene Selbstverständnis manchmal im Weg stehen könne. Denn eine verstärkte oder explizite Zuwendung zu den BesucherInnen, die graduell ja auch eine Offenlegung der eigenen und musealen Macht- sowie Exklusionsmechanismen bedeute, wollten viele KuratorInnen schlicht nicht hinnehmen.

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‚Ankerpunkte‘ und Anreize besitzt. Wie bei jeder Museumsausstellung gilt auch bei partizipativen Projekten der Grundsatz, dass man den Besucherbedürfnissen umso eher gerecht werden kann, je besser man das intendierte spätere Publikum57 bereits kennt. Nina Simon konstatiert, dass unbeteiligte RezipientInnen nicht am Partizipationsprozess bzw. dem Umstand, dass eine Ausstellung partizipativ erarbeitet wurde, interessiert seien, sondern sich allein auf das Ausstellungsergebnis fokussierten (vgl. Simon 2010a: 230). Ich denke nicht, dass dies zwangsläufig so sein muss, wenn der Entstehungskontext und -prozess attraktiv präsentiert werden. Was jedoch ohnehin das wichtigere Ergebnis Simons im Zusammenhang mit Partizipation und späteren BesucherInnen darstellt, ist die Erkenntnis, dass die Ausstellungsergebnisse von Partizipationsprojekten häufig stärker an die Lebenswelt der RezipientInnen anknüpfen, als es nicht-partizipative Ausstellungen tun, weshalb sie für viele BesucherInnen eine höhere persönliche Relevanz aufweisen (vgl. Simon 2010a: 230 sowie Kap. VII.11 in diesem Buch).

V.2.3 D IMENSION AUSSTELLUNGSGEGENSTAND Welches Ausstellungs- oder Projektthema bearbeitet wird und welche Objekte dieses veranschaulichen, beschreibt die Dimension Ausstellungsgegenstand. Ausstellungs- bzw. Projektthema In Kapitel V.1 ist bereits an zwei Stellen58 ein Blick auf die grundlegende thematische Ausrichtung partizipativer Kunst bzw. Kunstprojekte geworfen worden, die sich auch in Hinblick auf Museumspartizipation generalisieren ließe (vgl. Abb. 11). Nun möchte ich diese um konkrete Beobachtungen und Erkenntnisse ergänzen, die ich im Laufe meiner Beschäftigung mit Partizipationsprojekten im deutschsprachigen Raum, schwerpunktmäßig in Deutschland, gesammelt habe. An relevanten Themenkomplexen haben sich in meiner Auswertung folgende fünf Beschäftigungsgegenstände ergeben: • •

Stadt- bzw. Regionalbezug Migration/kulturelle Vielfalt/interkultureller Dialog

57 Ich bin mir dessen bewusst, dass wir es in der Realität nie mit einem homogenen Publikum, sondern mit diversen Publika zu tun haben. Ich verwende dennoch die Einzahl, um zu kennzeichnen, dass museales Arbeiten nicht ins Beliebige hinein geschieht (oder geschehen sollte), sondern i.d.R. auf ein oder mehrere bestimmte ‚Zielgruppen‘ ausgerichtet ist, an denen die Ausstellungsarbeit ausgerichtet wird. 58 Im Kapitel V.1.1 im Abschnitt Thematik von kategorialen Partizipationsmodellen sowie bei der Vorstellung von Silke Feldhoffs Typologisierung, Unterkapitel V.1.4.

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• • • • •

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‚Klassische‘ Themenausstellung (z.B. Weihnachtsbräuche, Zeit, Familie, etc.) kunstspezifischer Themenfokus (partizipative Kunstausstellungen) Museums- oder sammlungsspezifischer Themenfokus (partizipative Neuinterpretation einer Sammlung, persönliche Lieblingswerke eines Hauses etc.) Gegenwart Historische Ereignisse

Beim Versuch der Zuordnung und Auszählung der zusammengetragenen Ausstellungsprojekte mit partizipativem Anteil bzw. Schwerpunkt zeigte sich schnell, dass nur wenige Projekte ausschließlich einem einzigen dieser Metathemen zugeordnet werden konnten. So ist das Thema „Gegenwart“ in gewisser Weise jedem partizipativen Projekt inhärent, da eine Bearbeitung aus Perspektive von Menschen geschieht, die im Hier und Jetzt verwurzelt sind und oftmals einen aktualisierenden Blickwinkel auf einen Betrachtungsgegenstand werfen. Ebenso verhält es sich mit dem Regionalbezug, der meist immer implizit eine Rolle spielt, da Projekte der Praktikabilität halber oftmals gezielt an Menschen aus dem lokalen Umfeld des Museums herangetragen werden. Aus meiner Datenlage59 ergeben sich momentan zwei Themenkomplexe als ‚Spitzenreiter‘: So konnte als klare Tendenz festgestellt werden, dass der Stadtoder Regionalbezug auch explizit eine besonders prominente Rolle spielt; d.h. Museen arbeiteten auffallend häufig vor allem dann partizipativ, wenn das Projekt bzw. die Ausstellung das lokale Umfeld bzw. den Museumsstandort oder eine regionale Besonderheit thematisierte; dann war die Argumentationslinie i.d.R. die, dass die BewohnerInnen bzw. die lokale Community die ‚wahren‘ ExpertInnen ihres Lebensumfeldes/der Stadt/des Ortes etc. darstellen. Fast ebenso häufig wurden von mir partizipative Ausstellungen rund um Migration bzw. das Leben von Menschen mit Migrationshintergrund registriert; diese operierten dann meist unter der Prämisse: „Das Erbe, das die Museen sammeln und bewahren, muss auch das Erbe der in der Gesellschaft lebenden Menschen sein.“ (Rump 2010: 40).60 Diese beiden The-

59 Grundlage bildeten 110 Projekte in bzw. mit 68 Museen, darunter eine Wanderausstellung mit drei nachfolgenden Stationen (Böse Dinge) sowie ein Partizipationsansatz, der mehrmals in anderen Häusern wiederholt wurden (Berliner Ideenwettbewerb Wünsch dir was) – hier floss jeweils nur das Auftaktprojekt in die Auswertung ein, sodass 104 Projekte ausgewertet wurden. Pro Projekt waren auch thematische Mehrfachnennungen möglich, sodass sich eine Grundgesamtheit von n = 143 Votings ergab. Diese fielen zahlenmäßig folgendermaßen auf die genannten Themenkomplexe aus: Stadt-/Lokalbezug (31), Migration/kulturelle Vielfalt (26), Themenausstellung (23), Kunstthema (20), spezifischer Museums- oder Sammlungsfokus (19), Gegenwart (17), historisches Ereignis (7). 60 Kritisch anzumerken bleibt jedoch, dass diese gut gemeinte Herangehensweise mitunter allzu oft in altbekannten hierarchisch-hegemonialen Mustern verhaftet bleibt oder dass es sich bei Projekten teilweise sogar ausschließlich um strategische Schachzüge der Museen handelt, um zeitgemäßer und zugewandter zu erscheinen, ohne sich jedoch aus der eige-

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menkomplexe bildeten in meiner Datensammlung also den Häufigkeitsgipfel. Danach folgten mit relativ geringem Abstand zueinander Ausstellungen, die man als klassische Themenausstellung bezeichnen konnte, partizipative Kunstausstellungen und Ausstellungen, die sich thematisch mit der eigenen Sammlung oder dem eigenen Haus befassten, knapp gefolgt von solchen, die explizit die Gegenwart61 bzw. Phänomene derselben fokussierten. Diese vier Themenkomplexe schienen nach meinen Daten zwar insgesamt seltener als Regionalthemen bzw. das Migrationsthema zu sein, erfreuten sich dennoch erstaunlicher Beliebtheit als Ausgangsthematiken partizipativer Projekte. Weit seltener waren partizipative Projekte zu historischen Thematiken, was wenig verwundert. Dennoch gab es durchaus auch solche Projekte – vor allem rund um den Zweiten Weltkrieg und die Nachkriegszeit.62 Ganz grundsätzlich muss bei historischen Thematiken darauf geachtet werden, dass bei den (potenziell) Teilnehmenden noch in irgendeiner Weise eine persönliche Bezugnahme oder unmittelbare Betroffenheit zum historischen Ereignis gegeben sein muss, sei es durch die eigene Biografie oder die der Eltern bzw. Großeltern, die in diesem Fall als Familiengeschichte verinnerlicht wurde. Die Beschäftigung mit der eigenen Geschichte kann zwar als verlässlicher „Impuls für kulturelle Aktivierung“ (Stöger 2005a: 59) angesehen werden, dennoch ergibt sich in solchen Fällen aus dem großen zeitlichen Abstand zum anvisierten Thema oder Ereignis ein spezifischer Unsicherheits- und Risikofaktor für gelingende Partizipation. Zu bedenken ist des Weiteren, dass mit steigender historischer Distanz auch die Erwartungshaltung auf KuratorInnen- wie z.T. BesucherInnenseite immer konkreter wird bzw. die Offenheit für persönliche Interpretationen abnehmen dürfte, da die ‚offizielle Geschichtsschreibung‘ bereits im Gange ist und somit die Vorstellungen von einem historischen Sachverhalt oder Ereignis prägt.63 nen Komfortzone herausbewegen zu müssen (vgl. z.B. Bayer 2014: 75 u. Mörsch 2014: 107). 61 „Gegenwart“ wurde von mir weiter gefasst. Ich subsumierte hierunter auch Projekte über die jüngere Vergangenheit, die noch zu wenig ‚historisch‘ ist, um von Museen als „Vergangenheit“ systematisch gesammelt zu werden. Beispiele für Gegenwartsausstellungen in diesem Sinne sind z.B. ausgesucht. aufbewahrt. vorgezeigt – Sammlungswürdige (?) Alltagsdinge der 1990er Jahre (Ruhrlandmuseum bzw. heute Ruhr Museum, Essen, 1997) oder Århundredets Genstande / Dinge des Jahrhunderts (Museum Schloß Sonderborg u. Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloß Gottorf, 2000). 62 Beispielsweise: Der Krieg ist aus. Erinnern in München 1945-2005 (Stadtmuseum München, 2005), Maikäfer flieg (Ruhrlandmuseum, heute Ruhr Museum, Essen, 2001/02), Wiederaufbau und Wirtschaftswunder (Residenz Würzburg, 2009); vgl. jeweils die Ausstellungskataloge bzw. projektassoziierten Publikationen: Kotteder & Wolf 2005, Probst 2010 sowie Haus der Bayrischen Geschichte 2009. 63 So äußerte Thomas Weidner, Kurator der Ausstellung Der Krieg ist aus (Stadtmuseum München, 2005), im Interview mir gegenüber beispielsweise seine persönlichen Schwierigkeiten mit manchen Beiträgen aus der Bevölkerung, da nicht alle der ‚offiziellen‘ Lesart entsprachen bzw. die Gefahr bestand, „[...] dass sich dann jeder als Opfer [des Nationalsozialismus, Anm. A.P.] gesehen hat, nicht als Täter. [...] Da bestand die Gefahr, dass aus der ‚Hauptstadt der Bewegung‘ plötzlich die ‚Hauptstadt der Gegenbewegung‘ wur-

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Folgende Kriterien kennzeichnen ein für Partizipation geeignetes Thema bzw. begünstigen eine mögliche Beteiligung: •





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möglichst universelle Themenausrichtung (d.h. das Thema sollte unabhängig vom Alter/Geschlecht/kulturellen Hintergrund ‚funktionieren‘ und individuelle Anknüpfungspunkte bieten) möglichst starke emotionale Aufladung (dies ist z.B. immer der Fall, wenn zeitlose Grundkomponenten des menschlichen Seins betroffen sind: Leben, Sterben, Lieben, Hassen usw. oder ein Thema gerade hochaktuell ist und kontroversen Diskussionsstoff liefert bzw. stark provoziert) möglichst unmittelbarer Bezug zur Lebens- und Alltagsrealität der Menschen („Grundsätzlich gilt, je näher die Projekte bei den Lebensbereichen der Bevölkerung liegen, desto bessere Chancen gibt es für Partizipation.“ [Stöger 2005b: o.S.]) möglichst große inhaltliche Vielschichtigkeit; bzw. möglichst breite Interpretationsspielräume lassend – aber: dennoch eine klare ‚Rahmung‘ vorgebend (d.h. das Thema sollte offen genug sein für eigene Interpretationen und individuelle Akzentsetzungen, aber dennoch so ‚griffig‘ sein, dass es einen Orientierungsrahmen liefert und sich jede/r etwas unter dem Thema vorstellen kann) möglichst einen inhärenten ‚Belohnungseffekt‘ aufweisen (d.h. es sollte im Idealfall eine Form von ‚Bedürfnisbefriedigung‘ für die Teilnehmenden darstellen bzw. in sich schon eine Art ‚Belohnung‘ bergen)

Einschub: Beispiel für ein ‚partizipationstaugliches‘ Thema Wie ein ‚partizipatives‘ Thema, das die eben genannten Faktoren in exemplarischer Weise berücksichtigt, aussehen könnte, möchte ich kurz anhand eines konkreten Beispiels illustrieren: dem Museum of Broken Relationships (Museum zerbrochener Beziehungen)64 in Zagreb, das Relikte vergangener Beziehungen aus aller Welt

de.“ (Weidner; Piontek 2011i: 4). Weidner, der explizit nicht „pädagogisch dagegenwirken“ wollte, weil es ja erklärtes Ziel des Projekts gewesen sei, „den Menschen einen Raum zu geben, ihre Geschichte zu erzählen“ (vgl. ebd.), sah sich also im Dilemma zwischen korrigierendem Eingreifen als museale Autorität und Akzeptanz der ‚Spielregeln‘ samt ‚Spielergebnis‘ von Partizipation. Seine Lösungsstrategie bestand letztlich darin, im Einführungstext die historischen Fakten klar zu benennen und innerhalb dieser Kontextualisierung die subjektiven Erinnerungen als solche stehen zu lassen. 64 Ursprünglich als Kunstprojekt von Olinka Vištica und ihrem damaligen Partner Dražen Grubišic konzipiert, um die eigene Trennung zu verarbeiten, entstand die Idee einer dauerhaften Sammlung von Andenken und Erinnerungen an vergangene Beziehungen. Zunächst war die Sammlung einige Jahre als Wanderausstellung weltweit zu sehen, seit 2010 besitzt sie ein ‚Stammhaus‘ in Zagreb, denn nach wie vor werden internationale Ausstellungen mit Teilbeständen der Dauerausstellung (ergänzt um am jeweiligen Ort in

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sammelt und gemeinsam mit einem Kommentar der/des ObjektspenderIn ausstellt: Lieben und ‚Entlieben‘, Verlassen und Verlassenwerden, enttäuschte Erwartungen und geplatzte Zukunftsträume, tiefes Bedauern, Liebeskummer und Selbstmitleid, aber auch Hass und Rachegelüste sind Empfindungen bzw. Erfahrungen, die jeder Mensch im Laufe seines Lebens kennenlernt, egal welcher Kultur oder welchem Bildungsstand er bzw. sie angehört. Insofern ermöglicht der Themenkomplex dieses partizipativen Museums einen universellen, kulturenübergreifenden Zugang, der lediglich Kinder in mancher Hinsicht mangels Erfahrung ausschließt (jedoch auch nicht völlig, wie gleich gezeigt), ansonsten aber alle Altersstufen anzusprechen vermag. Ein weiterer Aspekt ist die Balance zwischen thematischer Eindeutigkeit bei größtmöglicher Offenheit: Klar ist, dass es um gescheiterte Beziehungen geht, ob man darunter nun jedoch eine gescheiterte Geschäftsbeziehung versteht oder aus Kindersicht den bösen Streit mit der besten Freundin bzw. dem besten Freund, bleibt jede/r Einzelnen selbst überlassen. Am häufigsten werden faktisch zwar gescheiterte Liebesbeziehungen thematisiert, aber auch hier bleibt offen, was genau hierzu zählt (wann ist etwas eine Beziehung, wann nur eine Affäre, Liebelei oder Freundschaft? Wie lange muss eine solche ‚Beziehung‘ gedauert haben? Spielt die sexuelle Orientierung eine Rolle?). Ein ganz wesentlicher, wenn nicht gar der wesentlichste Erfolgsfaktor des Museum of Broken Relationships ist jedoch die Tatsache, dass eine Teilnahme – also die Abgabe oder Einsendung einer Objektspende mit persönlichem Kommentar – eine offensichtliche Win-Situation für den/die Partizipierende/n bereithält: Denn welcher Ort wäre besser geeignet als ein Museum für Dinge, die einmal ‚heilig‘ und teuer waren und an denen so viele persönliche Erinnerungen hängen, derer man sich aber dennoch endgültig entledigen möchte bzw. sollte, um offen für einen Neuanfang zu sein? Für die Wehmütigen wird das Museum so zur ewigen Erinnerungsstätte, für die Trauernden bietet die Teilnahme die Möglichkeit der Auseinandersetzung und Reflexion, den Enttäuschten bringt sie Befreiung – oder die Möglichkeit der ‚Rache‘ in Form einer öffentlichen Abrechnung. Auf diese Weise haben beide, das Museum wie die Partizipierenden, einen Nutzen. Was unbeteiligte BesucherInnen betrifft, so bietet auch hier die Universalität und Emotionalität des Themas Attraktivität und einen direkten Anknüpfungspunkt; außerdem kommt das Thema BesucherInnen sehr entgegen, indem es die typisch menschliche Neugierde, aber auch die Schadenfreude sowie das menschliche Interesse an wahren und dennoch manchmal schier unglaublichen ‚Geschichten aus dem Leben‘ adressiert.

der Bevölkerung gesammelte Dinge) realisiert. Vgl. Museum of Broken Relationships o.J., Vištica & Grubišic 2009 u. z.B. Mueller 2011.

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Objekte Was die Ausstellungsobjekte partizipativer Projekte betrifft, so ist mit dem eben genannten Beispiel bereits eine von drei Kategorien genannt: Zahlreiche Projekte arbeiten mit Gegenständen aus dem persönlichen Besitz der Teilnehmenden. Dass auf diese Weise oftmals Alltagsdinge bzw. Dinge Eingang in eine Ausstellung finden, die nach herkömmlichen Kriterien nicht unbedingt als ‚museal‘ zu bezeichnen sind, ist klar. Auch findet auf diese Weise teilweise eine Ausweitung auf immaterielles Gut statt, etwa wenn Geräusche der Stadt gesammelt werden oder Audiokommentare zum eigenständigen Exponat erhoben werden.65 Sicherlich wird sich das Interesse am immateriellen Exponat in Zukunft noch verstärken, nicht nur, weil junge Menschen vermehrt persönliche Werte in digitaler Form besitzen, sondern auch, weil nicht alle Kulturkreise eine Erinnerungskultur anhand von Objekten pflegen, sondern mittels Geschichten, Liedern usw. Intangible heritage66 könnte insbesondere in interkulturellen oder migrantischen Partizipationsprojekten an Bedeutung gewinnen. Damit ist zugleich auch eine weitere Aspektverschiebung angeschnitten: In partizipativen Ausstellungen (egal, mit welcher Kategorie von Objekten sie arbeitet) zählt das Objekt oftmals nur in Kombination mit der Erläuterung seitens des/der PartizipientIn, die ebenfalls zum wichtigen Ausstellungsgegenstand avanciert: „Denn Geschichten und Dinge sind untrennbar, erst die Geschichte macht aus dem Gegenstand das Besondere, der wiederum als Andenken gleichzeitig die Geschichte ‚vergegenständlicht‘.“ (Wörner 1997: 8). Hieran zeigt sich eine generelle Fokusverschiebung vom Objekt zum Subjekt in partizipativen Ausstellungen, bei der die traditionell zentrale Rolle des dinglichen Objekts im musealen Gefüge gewissermaßen geschmälert wird (vgl. Kaiser 2006: 181). Besonders deutlich wird diese, wenn zusätzlich zu diesem ‚Paket‘ aus Objekt und persönlichem Kommentar weitere ‚Personalisierungen‘ stattfinden (beispielsweise, indem Fotos der LeihgeberInnen bzw. PartizipientInnen beigefügt werden oder Fotos, die das Objekt in seinem privaten Kontext zeigen; aber auch, wenn Kommentare als ‚O-Ton‘ in Originalhandschrift zu lesen oder persönlich eingesprochen zu hören sind). Dann wird der/die Partizipierende selbst zum ‚Ausstellungsgegenstand‘. Ebenso avancieren meist die persönlichen emotionalen Befindlichkeiten bzw. Verbindungen zwischen dem/der TeilnehmerIn und ‚ihrer Sache‘ zum Ausstellungsinhalt bzw. Ausstellungsstück; dies sei kurz an einem partizipativen Langzeit65 Beispielsweise in der Dauerausstellung Ortsgespräche im FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum oder in dem vom Künstler Mats Staub initiierten Projekt Meine Großeltern, bei dem Enkelkinder in Audioaufnahmen über ihre Großeltern berichten und das als Wanderprojekt auch schon in verschiedenen Museen zu Gast war (vgl. z.B. Gesser 2012/ 2013: 28). 66 Zur UNESCO-Definition von intangible heritage und zur Kritik an dieser engen Definition vgl. Stottrop 2013.

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projekt im Schweizer Kunsthaus Zug verdeutlicht, nämlich der 2010 initiierten sogenannten StimmenSammlung zu Werken der Museumssammlung: Dieses als „demokratisierter Audioguide“ (Kunsthaus Zug o.J.: 2) verstandene Projekt ziele nicht auf die Sammlung und Vermittlung fundierten Fachwissens, sondern vielmehr darauf, „Entdeckungen [...] und Empfindungen [...], Wahrnehmungen, Beschreibungen und Gedanken“ (ebd. 1) einzufangen. Die zweite mögliche Objektkategorie in partizipativen Projekten stellen Objekte aus der museumseigenen Sammlung dar (wie ja auch bei der eben erwähnten StimmenSammlung der Fall). Beliebter Aufhänger bei Beteiligungsprojekten rund um museumseigene Exponate (wie auch bei der Arbeit mit persönlichen Dingen aus Privatbesitz) ist oftmals die Frage nach dem Lieblingsobjekt.67 Ebenso beliebt sind im Bereich der Kunstmuseen Ausstellungen, die von oder mit Menschen aus der Bevölkerung aus dem musealen Sammlungsbestand kuratiert werden und die auf diese Weise eine deutliche Subjektivierung und persönliche Note erhalten sollen, wie ich es bereits im Kapitel Dimension Beteiligung unter Mitarbeit skizziert habe. Der Blick der ‚Laien‘ und deren spezifische Interessen ergeben tatsächlich oftmals ein anderes Bild als von KuratorInnen zusammengestellte Ausstellungen – eine nicht nur für spätere BesucherInnen spannende Tatsache, sondern auch für die Museen selbst, da auf diese Weise nicht nur Einblicke in Präferenzen und Assoziationen des Publikums gewonnen werden können, sondern anhand derer auch die eigene Arbeit mitreflektiert werden kann. Als dritte Variante gibt es – vor allem im künstlerischen Bereich – Projekte, bei denen gemeinsam erst Ausstellungsstücke erschaffen werden (klassischerweise handelt es sich hierbei meist um museumspädagogische Angebote, die sich oftmals ‚nur‘ an Kinder oder Jugendliche wenden)68 oder bei denen Partizipation selbst zum ‚Gegenstand‘ wird. Exemplarisch für letztere Form können die musealen und außermusealen Beteiligungsprojekte des GestalterInnenkollektivs museeon stehen, so beispielsweise die besuchergenerierte Ausstellung remember_be member anlässlich des Kunst- und Kulturfestivals 48 Stunden Neukölln im Juni 2010:69 67 Vgl. z.B. Mein Lieblingsstück! Württemberger wählen aus 150 Jahren Sammlung des Landesmuseums (Ausstellungsreihe 2011-2013 im Fruchtkasten, Landesmuseums Württemberg), Lieblingsbilder von Besuchern und Mitarbeitern (Schloßmuseum Murnau, 2013/2014) und gerhardWER? Marcks: Mehr als die Stadtmusikanten! (Gerhard-MarcksHaus, Bremen, 2011). Beispiele für Ausstellungen mit privaten ‚Lieblingsstücken‘ sind z.B. Schätze der Erinnerung – Mein museales Lieblingsstück (Industriemuseum Elmshorn, 2013/2014), oder Drei Dinge meines Lebens (Heimatmuseum Neukölln, 2011). 68 Z.B. Dein Stadtbild Hannover (Historisches Museum Hannover 2010), bei dem Kinder und Jugendliche ihre Stadt in Fotografien festhielten und daraus eine Ausstellung generierten. Ein anderes Beispiel wäre das vom polnischen Künstler Pawel Althamer initiierte Ausstellungsprojekt und „Prozesskunstwerk“ Frühling (Kunsthalle Fridericianum 2009), bei dem Kinder aus Kassel eingeladen wurden, den Ausstellungsraum nach eigenen Ideen und Vorstellungen zu gestalten. 69 Vgl. auch museeon 2012: 251-254.

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„Die Inhalte des 48 Stunden dauernden Ausstellungsprojekts – Geschichten und persönliche Erinnerungen an Neukölln – wurden alleine durch die Partizipation der Besucher generiert. [...] Am Anfang stand ein reduziert ausgestatteter Raum. An der Decke schwebten 400 weiße Luftballons, auf dem Boden war eine Straßenkarte von Neukölln aufgeklebt. Die Besucher schrieben ihre Erinnerungen an Neukölln auf die Exponatkarte und verorteten den Luftballon anschließend mit rotem Klebeband auf der Straßenkarte. So entstand eine Rauminstallation, die ein vielfältiges Bild von Neukölln zeigte, mit sachlichen, emotionalen aber immer persönlichen Geschichten, die durch die Verortung der Luftballons auf der Karte ihren Zusammenhang fanden. Die Besucher bewegten sich staunend, lesend und ihre Erinnerungen hinterlassend durch den Erinnerungswald aus Luftballons. [...] Nach 48 Stunden ließ museeon gemeinsam mit Besuchern und Erinnerungsgebern die Luftballons mit ihren Geschichten in den Neuköllner Himmel schweben.“ (museeon GbR o.J.: o.S.)

Ein anderes Beispiel wäre das von den impulsgebenden und anleitenden KünstlerInnen Klara Schilliger und Valerian Maly als „Installaction“ bezeichnete Monument GingerSociety Thun (Kunsthaus Thun, 2010, im Rahmen der Ausstellung Utopie und Alltag. Im Spannungsfeld zwischen Kunst und Bildung): Gemeinsam mit Interessierten wurde ein Rieseningwer gebaut, der zugleich auch den rhizomartigen Charakter von Partizipation als nicht-hierarchischem Prozess symbolisieren sollte: „Mit der Errichtung des Rieseningwers wird eine Monumentalskulptur aus Dachlatten, Maschendraht und Papiermaché gebaut, deren Bauweise von intendierter Unbeständigkeit ist, deren Form zu komplex ist, um sie zu denken, und deren Ausmass zu raumgreifend ist, um im Ganzen erfasst zu werden. Utopie erproben heisst in dieser Installaction [...]: gemeinsam mit Leuten aus Thun an einem Körper bauen, gemeinsam während drei Wochen einen möglichst nicht hierarchischen Körper bilden.“ (Kunstmuseum Thun 2010: 16)

In seltenen Fällen bedienen sich partizipative Ausstellungsprojekte auch einer Mischung dieser drei genannten Objektkategorien Privatobjekt, Musealie, entstehendes ‚Partizipationsobjekt‘: So etwa geschehen bei Hempels Sofa. Wohnglück mit Bildern (Museum für Neue Kunst, Freiburg, 1994), bei der Menschen mit dem Nachnamen Hempel gebeten wurden, ihre private Sofaecke samt dem darüber hängendem Wandschmuck dem Museum auszuleihen. Im Museum wurden daraus kleine, neue Environments geschaffen, indem sich die LeihgeberInnen aus der ständigen Sammlung des Museums ein Kunstwerk als neuen Wandschmuck für ihr Sofa aussuchen durften – während das private Wohnzimmerbild so lange dessen Platz in der Dauerausstellung einnahm und auch hier für neue Raumeindrücke sorgte (vgl. Städtische Museen Freiburg 1994).70 Ein anderes Beispiel wäre erneut die Ausstellung Familienmacher. Vom Festhalten, Verbinden und Loswerden (Museum für Volkskunde, Wien, 2011/2012), in der BesucherInnen an verschiedenen ‚Stationen‘

70 Dies war eine nicht ganz unumstrittene Aktion, da angesichts des Konzepts die Befürchtung aufkam, dass ‚Laien‘ mit ihrem privaten Kunstgeschmack vorgeführt und der Lächerlichkeit ausgesetzt werden könnten.

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mit unterschiedlichen Arten von ‚Objekten‘ arbeiteten bzw. Gemeinschaftsobjekte wachsen ließen.71

V.2.4 D IMENSION R AUM Zur Dimension Raum gehört zum einen, wo ein partizipatives Projekt verortet ist, d.h. an welchem Ort bzw. in welchen Räumlichkeiten es stattfindet; außerdem, wie es sich vor Ort darstellt (Ausstellungsgestaltung), und zum anderen, wie weit der (geografische) Radius der Reichweite gezogen wird.72 Ort In der Regel ist der physische Ort für Museumsausstellungen in den Räumlichkeiten des betreffenden Museums. Dies ist bei Partizipation nicht anders: Die meisten von mir registrierten Projekte wurden im Museum durchgeführt oder gezeigt. Dabei gab es jedoch beträchtliche Unterschiede: Mal erhielt eine partizipative Ausstellung einen prominenten Sonderausstellungsraum wie eine ‚klassische‘ KuratorInnenAusstellungen auch, mal gab es für Ausstellungsexperimente dieser und anderer Art einen speziellen Projektraum, ein anderes Mal wurde eine partizipative Ausstellung ins Foyer, in einen Flur oder in die museumspädagogischen Werkstatträume ‚ausgelagert‘. Die Entscheidung‚ wie viel Raum man zu geben bereit ist und in welchem Setting ein Ergebnis abschließend gezeigt wird, hat viel mit der Wertschätzung zu tun, die man bewusst oder unbewusst den Teilnehmenden und ihren Stimmen entgegenbringt. Die Museumsräume müssen jedoch nicht zwangsläufig Ort des Geschehens sein. Denkbar sind auch ausgelagerte Projekte – quasi von einer Community inmitten dieser Community. So waren beispielsweise die bisherigen Ausstellungen unter dem Label Stadtlabor unterwegs allesamt im Frankfurter Stadtraum verortet; dies ist nicht nur der Tatsache geschuldet, dass das historische museum frankfurt gerade 71 So konnten etwa persönliche Familienobjekte abgeben werden (einmal in Form eines Tauschregals unter dem Schlagwort Loswerden sowie einmal unter dem Schlagwort Verbinden, bei dem es um Familien-SMS quasi als intangible heritage ging). Zugleich bot die Ausstellung jedoch auch Möglichkeiten, sich kreativ mit Fragestellungen der Ausstellung auseinanderzusetzen und nach bestimmten Vorgaben eigene Exponate zu generieren bzw. mit vorhandenem Material kreativ weiterzuarbeiten (dies war z.B. unter dem Schlagwort Festhalten der Fall, wo, wie bereits an anderer Stelle beschrieben, typische Familienfotos gestellt werden sollten, die dann von anderen BesucherInnen in einem sogenannten Superalbum arrangiert wurden). Vgl. Clarke et al. 2012 sowie Dankl et al. 2011. 72 Die innerinstitutionelle Verortung, z.B. als Projekt der Vermittlungsabteilung, wird an dieser Stelle außer Acht gelassen, da sie implizit schon in der Dimension AkteurInnen zum Tragen kam, indem differenziert wurde, wer ein Projekt initiiert und vor allem wer (bzw. welche Abteilung) mit der Durchführung und Leitung betraut wird.

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umgebaut wird, sondern entspricht auch dem outreach-Ansatz der Verantwortlichen und deren Bestreben nach einer verstärkten Anbindung an die aktuelle Stadtgesellschaft und die Lebenswirklichkeit in Frankfurt. Outreach73 bezeichnet jegliche Anstrengungen eines Museums, solche BesucherInnen zu erreichen und für das Museum zu interessieren, die traditionell nicht zur typischen Besucherschaft gehören. Insofern meint der Begriff nicht nur Aktivitäten, die jenseits der Museumsmauern angesiedelt sind, sondern überspannt sämtliche Bemühungen, die positiv in eine bestimmte (marginalisierte) Gruppe hineinwirken sollen. Auch wenn outreach-Aktivitäten also genauso im Museum verortet sein können, spielt die aufsuchende Arbeit außerhalb des Museums eine wichtige Rolle. Da outreach generell einen hohen Stellenwert im Zusammenhang mit Partizipation genießt, kann das Verlassen des Museums gewissermaßen als logische Konsequenz dieser Haltung gesehen werden. Bei anderen Konzepten wird das Museum verlassen, weil ein außermusealer Ort den Geist des Projekts deutlicher zu spiegeln vermag, als es der white cube gekonnt hätte. Ein exemplarisches Beispiel hierfür ist die Ausstellung Berg der Erinnerungen, die 2003 im Stollensystem des Grazer Schlossbergs stattfand. Das labyrinthische Wegenetz diente als „Metapher für die verschlungenen Pfade des Gedächtnisses“ (Stocker et al. 2002: 12) und sollte die Tatsache körperlich erfahrbar machen, dass wir Menschen uns nicht chronologisch, sondern immer assoziativ erinnern und dabei unbewusste Auswahlmechanismen eine Rolle spielen (vgl. Hofgartner & Schurl 2003: 101 u. Hofgartner et al. 2003: 15): „Die BesucherInnen konnten sich – wie durch die Windungen des Gehirns – in jede Richtung frei bewegen, um Bekanntem, fast Vergessenem und vielleicht Verdrängtem wieder zu begegnen [...].“ (Stocker & Thümmel 2009: 340) – Ein solches Raum-sinnliches Erlebnis wäre in einem Museum nicht möglich gewesen. Zugleich erhielt die schier unüberschaubare Menge an ausgestellten persönlichen Erinnerungen ein ideales Setting, in dem die eigentlich unbefriedigende Tatsache des „Nicht-ganz-konsumieren-Können[s]“ (Stocker 2008: 293) weniger ins Gewicht fiel, als es in einem Haus mit konventionellem Leitsystem und überschaubaren Räumen der Fall gewesen wäre. Ausstellungsgestaltung Das eben genannte Beispiel leitet über zum nächsten Aspekt der Dimension Raum, nämlich dem der Ausstellungsgestaltung, also der Präsentation im Ausstellungsraum. Diese kann mit oder ohne Beteiligung von PartizipientInnen erfolgen. Generell gelten hierbei alle Grundsätze, die für ansprechende ‚herkömmliche‘, d.h. nichtpartizipative, Ausstellungen auch gelten. Ohne dies im Einzelnen weiter zu vertie73 Für eine ausführliche Definition siehe http://www.museum-outreach.de (zuletzt geprüft am 12.06.2014). Für eine museumstheoretische Kontextualisierung und zu Strategien der Publikumsgewinnung siehe z.B. Black 2005 u. Aufsätze von Birgit Mandel (z.B. dies. 2008b u. 2008c).

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fen, sei, im Falle einer Beteiligung von TeilnehmerInnen, an dieser Stelle daran erinnert, dass ästhetische Entscheidungen und das, was Menschen ‚schön‘ finden, sehr unterschiedlich ausfallen können. Die kulturelle Prägung der jeweils Beteiligten spielt hier häufig eine große Rolle. So weist Martin Düspohl vor dem Hintergrund seiner langjährigen Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit migrantischen Communities explizit auf die Möglichkeit von „ästhetischen Irritationen“ (Düspohl 2004: 74)74 hin und rät, diese – wie auch alle sonstigen Differenzen – frühzeitig offen anzusprechen und transparent zu machen (vgl. ebd.). Er deutet aber auch an, dass solcherlei Eigenheiten möglicherweise auch Potenziale bergen: „Besondere Farbigkeit, Posen, Kleidung und Mimik sind Ausdruck für kulturelle Unterschiede in der Selbstrepräsentation und können für die Gestaltung der Ausstellung durchaus nutzbar gemacht werden.“ (Düspohl 2004: 74 f.) – Professionelle AusstellungsgestalterInnen könnten in diesem Prozess als neutrale Instanzen zwischen den unterschiedlichen Positionen vermitteln. Jedoch auch ohne die direkte Beteiligung von ‚Museumslaien‘ stellen partizipativ generierte Inhalte spezifische Herausforderungen an das Gestaltungskonzept: Zum einen handelt es sich beim auszustellenden Material oft um disparate, inhomogene und jeweils in sich abgeschlossene (Erzähl-/Aussage-)Einheiten en miniature, die oftmals ohne unmittelbaren narrativen Bezug zueinander stehen und denen von Gestaltungsseite aus ein roter Faden beigeordnet werden muss, soll die Ausstellung nicht in ein zusammenhangsloses ‚Sammelsurium‘ von Einzeldingen zerfallen. Auf der anderen Seite darf das jedem Beitrag anhaftende Subjektive und Individuelle keinesfalls so sehr konfektioniert oder zugunsten des Gesamten in den Hintergrund gedrängt werden, dass der Charme der persönliche Note verloren ginge (und die Ausstellung dann wieder einer traditionellen Museumsausstellung gliche). Die Herausforderung von ‚sichtbarer Vielfalt und gefühlter Einheit‘ stellt sich auch dann, wenn konventionelle Ausstellungen partizipative Bereiche beinhalten bzw. um partizipativ generiertes Material angereichert werden: Einerseits soll das ‚Besondere‘ solcher Einheiten sofort ins Auge springen, gleichzeitig darf nicht der Fehler begangen werden, unbedacht in einen abwertenden Kontrast zwischen ‚professionell‘ und ‚laien-‘ bzw. ‚handgemacht‘ abzurutschen. Reichweite/Beteiligungsradius Die geografische Reichweite, verstanden als jenes ‚Einzugsgebiet‘, dem mögliche TeilnehmerInnen entstammen, spielt ebenfalls eine bedeutsame Rolle: Meist richten sich Museen an Menschen aus dem unmittelbaren lokalen Umfeld, was in mehrfacher Hinsicht praktikabel und zielführend ist. Es gibt aber auch vereinzelt Projekte nationaler und sogar internationaler Ausrichtung. Beispiel für ersteres wäre etwa die deutschlandweite Sammelaktion für 74 Im Original ist das Wort „ästhetisch“ in Anführungszeichen gesetzt.

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die Ausstellung Chinesische Dinge (Museum für Angewandte Kunst, Frankfurt, 2012) mittels Facebook, bei der man Objekte vorschlagen sollte, die man persönlich als typisch chinesisch empfindet.75 Ein bilaterales, vollkommen partizipatives Projekt war die deutsch-dänische Ausstellung Århundredets genstande/Dinge des Jahrhunderts aus dem Jahr 2000, welche diesseits und jenseits der heutigen Ländergrenzen das Gebiet des früheren Herzogtums Schleswig als räumliche Bezugsgröße hatte. Dementsprechend war das Projekt durchgängig zweisprachig angelegt und wurde nacheinander auch in beiden Ländern gezeigt (vgl. Museum Schloß Sonderborg & Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloß Gottorf 2000). Dass Partizipationsprojekte auch international funktionieren können, wenn das Thema universell genug ist, zeigt das bereits erwähnte Museum of Broken Relationships, das Relikte gescheiterter Beziehungen aus aller Welt sammelt: Abgesehen von der fest installierten Dauerausstellung in Zagreb bildet es immer wieder in Form von temporären Ausstellungen ‚Satelliten‘ in anderen Ländern der Welt, die dann um zusätzlich gesammelte Exponate vor Ort ergänzt werden (vgl. Vištica & Grubišić 2009).

V.2.5 D IMENSION Z EIT /P ROZESS Die Dimension Zeit/Prozess beschreibt wesentliche Rahmenbedingungen oder Eckpfeiler, die das Feld der Beteiligung abstecken. Hierzu zählen der Projektzeitpunkt, der Zeitrahmen des Projekts sowie die äußere Struktur des Beteiligungsprozesses und, mit letzterem indirekt zusammenhängend, die projektimmanente Funktionalität von Partizipation für das Gesamtprojekt. Projektzeitpunkt Auffällig bei meinen Untersuchungen zu Partizipationsaktionen im Museum war, dass solche – noch keineswegs alltäglichen – Ereignisse im Ausstellungs- und Museumsbetrieb öfters zu besonderen Anlässen initiiert wurden: Der Zeitpunkt für ein partizipatives Angebot scheint demnach selten zufällig gewählt zu werden, sondern wird verknüpft beispielsweise mit institutionellen oder lokalen Jubiläen, historischen Gedenk- oder Jahrestagen oder findet im Kontext übergreifender Initiativen statt, in die sich das Partizipationsprojekt als ein Angebot unter vielen einreiht.76 75 Theoretisch machte die Suche via Internetaufruf – von einer möglichen Sprachbarriere einmal abgesehen – auch eine Beteiligung über die Landesgrenzen hinaus möglich. Eine Jury wählte später aus allen Einsendungen Objekte aus, die in wechselnder Präsentation an die Seite von Handelsgütern aus China gestellt wurden. 76 Z.B. die Aktion Meine Kreis-Sache im Freilichtmuseum am Kiekeberg anlässlich der 75Jahrfeier des Landkreises Harburg (eingebettet in die Ausstellung Kreis-Geschichten. 75

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Zeitrahmen In aller Regel handelt es sich bei partizipativen Angeboten oder Projekten um temporäre Aktionen – zumeist als Experiment deklariert; der Zeitrahmen umfasst also den einer Sonderausstellung. Gleichwohl gab bzw. gibt es auch partizipative Dauerausstellungsformate, wie etwa vor einigen Jahren im Dresdner Stadtmuseum im Rahmen der Dauerausstellung Depot der Gegenwart77 oder aktuell für das zukünftige Stadtmuseum Stuttgart sowie im historischen museum frankfurt (hier besonders innerhalb der geplanten Dauerausstellung Frankfurt Jetzt! zur Gegenwart und Zukunft der Stadt). Beteiligungsprozess Abgesehen von den o.g. zeitlichen Bezügen lässt sich der zeitliche Beteiligungsprozess innerhalb des Projektes analysieren – insbesondere anhand des Zeitpunkts der Beteiligung: Werden TeilnehmerInnen bereits in der Konzeptionsphase eines Projektes einbezogen, kommen sie erst in der Realisierungsphase oder gar erst während der Laufzeit einer Ausstellung hinzu? Damit korrespondiert auch die Dauer der gemeinsam verbrachten Arbeitszeit und ergo die Zeit für das gegenseitige Kennenlernen, das Nachvollziehen der intendierten Ziele sowie für die Ausarbeitung des ‚Auftrags‘ usw. Dies wiederum beeinflusst die Beteiligungsqualität und die -ergebnisse. Silke Feldhoff betont die „Diachronität“78 (Feldhoff 2009: 91) von partizipativen Projekten und weist richtig darauf hin, dass diese zwar ein „Realisierungsziel“ (ebd.) hätten, dass meist aber viel entscheidender der „Prozess der Interaktion verJahre Landkreis Harburg, 2007/2008; vgl. Schürmann o.J. und Diehl 2007); die Ausstellung Merhaba Stuttgart ...oder die Geschichte vom Simit und der Brezel anlässlich des 50. Jahrestages des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens (Linden-Museum, Stuttgart, 2011; vgl. Müller 2012 u. Krämer 2012); die Ausstellung Berg der Erinnerungen im Kontext des Jahresprogramms von Graz 2003 anlässlich der Wahl als Kulturhauptstadt Europas 2003 (vgl. Hofgartner et al. 2003); die Ausstellung Für immer Mein! Essener Lieblinge, die Teil der von Nordrhein-Westfalen finanziell geförderten Veranstaltungsreihe Von 0 auf 100 – Essen. Lebens(T)räume war, die sich mit der Fragen des Zusammenlebens verschiedener Generationen in der Stadt befasste (Kooperationsprojekt des Ruhrlandmuseums – heute Ruhr Museum –, der EMG – Essen Marketing GmbH und der VHS Essen; Ausstellungsort: Essener Volkshochschule, 2007; vgl. Aschendorf 2007); die Ausstellung Lieblingsbilder von Mitarbeitern und Besuchern anlässlich des 20jährigen Bestehens des Schloßmuseums Murnau (vgl. Schloßmuseum Murnau 2013/2014); die Ausstellung Chinesische Dinge – eine kulturelle Betrachtung moderner Alltagsgegenstände (Museum für Angewandte Kunst, Frankfurt a.M.) als Teil des Chinesischen Kulturjahres 2012 in Deutschland. 77 Diese Dauerausstellung besteht inzwischen nicht mehr in ihrer ursprünglich partizipativen Form. Auf den Internetseiten der freien Ausstellungsgestalterin und Medienplanerin Sabine Zimmermann-Törne kann man jedoch noch einen Eindruck von Elementen der damaligen Dauerausstellung erhalten (online verfügbar unter http://www.aktivmuse um.com/index.html, zuletzt geprüft am 02.02.2011). 78 Sie meint damit den zeitlichen Verlauf, der Partizipationsprozessen inhärent ist, im Gegensatz zur „Synchronität“ eines (abgeschlossenen) Werks im Sinne eines Objekts (vgl. Feldhoff 2009: 91).

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schiedener Akteure in Folge unterschiedlicher, intensiver kommunikativer Situationen“ (ebd.) sei. An der zeitlichen Ausgestaltung kann folglich auch die Fairness von Beteiligung festgemacht werden: Wie viel Zeit erhalten Teilnehmende, um Einblick in ein Projekt bzw. eine Projektidee zu nehmen? Wie viel Zeit haben sie für Diskussion, (kritische) Rückfragen und die Entscheidung zur (Nicht-)Teilnahme? Gibt es Raum für die Aushandlung von Einigungen in strittigen Situationen? Wie lange ist der Kontakt der Zusammenarbeit und wann finden solche Treffen statt? – Letztere Frage ist besonders heikel, da hier Interessen von MuseumsmitarbeiterInnen und Privatpersonen divergieren können: Während das Wochenende oder der Feierabend aus Sicht der Bevölkerung besonders in Frage kommt, würde dies für die Museumsangestellten zusätzliche Arbeitszeit bedeuten. Projektimmanente Funktionalität Mit dem eben skizzierten Faktor des Beteiligungsprozesses korrespondiert ein weiterer Parameter, nämlich jener der projektimmanenten Funktionalität von Partizipation: Zu unterscheiden ist hierbei zwischen Partizipation als konstituierender Faktor und Partizipation als ergänzendes Element. Im ersten Fall (Partizipation als konstituierender Faktor) hängen Scheitern oder Projekterfolg vollständig von einer Beteiligung von außen ab, z.B. weil sich die Ausstellung selbst erst anhand der – wie auch immer gearteten Beiträge – materialisiert79 oder weil die Konzeptidee – trotz bereits vorhandener Exponate – ohne Beteiligung von außen nicht aufgehen würde.80 Hierbei lassen sich wiederum zwei unterschiedliche Ansätze unterscheiden, ein deduktiver und ein induktiver:81 Beim induktiven Vorgehen bildet eine erst vage Ausstellungsidee den Ausgangspunkt, zu der thematisch passend zu Partizipation aufgerufen wird. Anhand der eingegange79 Häufige Beispiele für so angelegte Projekte sind Ausstellungen, bei denen Menschen aufgerufen werden, private Dinge – zumeist mit lokalem Bezug oder besonderer persönlicher Bedeutung – einzureichen, wie beispielsweise bei Durlach gesucht! Menschen, Dinge und Geschichten (Pfinzgau Museum, 2013/2014; vgl. Kaiser 2014) oder Meine Sache. Bremens Gegenwart (Focke-Museum, 2005/2006; vgl. Focke-Museum 2006b). 80 So zum Beispiel bei Projekten, bei denen potenziell Teilnehmende mit der museumseigenen Sammlung arbeiten sollen, indem sie z.B. eine eigene Ausstellung kuratieren oder für eine kommende Ausstellung per Abstimmung die späteren Exponate festlegen sollen. 81 Vgl. hierzu auch Deuser (2012), der diese beiden Vorgehensweisen in der Auseinandersetzung mit Projekten zum Thema Migration feststellte: „Es gab letztendlich zwei Strategien, wie mit den gesammelten Geschichten und Objekten umgegangen wurde: Bei der ersten wurden Aufrufe an die Bevölkerung gerichtet und von den Objekten ausgehend die Ausstellungskonzeption erstellt, so etwa bei der Ausstellung ‚Afrika, Afrika. Erinnerungen an einen Kontinent‘ (Kulturgeschichtliches Museum Osnabrück, 2007) oder ‚Auspacken. Von Dingen und Geschichten von Zuwanderern‘ (Heimatmuseum Reutlingen, 2010). Bei der zweiten wurde ausgehend von dem entwickelten Konzept ZeitzeugInnen gesucht. Die Objekte dienten anschließend zur Illustration der persönlichen Geschichten, so etwa bei der Ausstellung ‚Eiskalte Leidenschaft‘ im LWL-Industriemuseum Zeche Hannover (2009).“ (Deuser 2012: 9).

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nen Beiträge wird dann das Ausstellungskonzept inhaltlich und thematisch konkretisiert und zu Ende gedacht. Die KuratorInnen richten ihr Ausstellungskonzept also nach dem vorhandenen Material an Teilnehmerbeiträgen oder -objekten aus. Beim deduktiven Ansatz wird genau umgekehrt vorgegangen: Eine Ausstellungsidee wird zunächst detailliert ausgearbeitet – Themenbereiche, Inhalte, Aussageabsicht und ggf. sogar das Setting werden konkret entworfen, erst dann wird zur Partizipation eingeladen. Aus den eingegangenen Beiträgen werden diejenigen ausgesucht, die in das bestehende Konzept passen bzw. die Beiträge werden in das bestehende Konzept eingepasst. Im zweiten Fall (Partizipation als ergänzendes Element) ergänzt ein partizipativ generierter Inhalt oder ein Partizipationsangebot lediglich eine bestehende Ausstellung (beispielsweise als zusätzliche Perspektive, als Veranschaulichung oder als Auflockerung der ‚klassischen‘ Museumspräsentation). Das Ausmaß kann hier von einer einzelnen Vitrine82 über mehrere ergänzende Stationen,83 einem in sich geschlossenen Ausstellungsbereich84 bis hin zu einer beinahe schon eigenständig für 82 So gab es etwa in der Ausstellung Grazgeflüster – Einige Stichworte zu einem Musée Sentimental de Graz mit Daniel Spoerri (Stadtmuseum Graz, heute GrazMuseum, 2011/ 2012) eine sogenannte Besuchervitrine. Der Text auf der Vitrine forderte insbesondere Kinder und Jugendliche auf, hierfür eine „Ding-Geschichte-Kombination“ (Zitat Vitrinentext) beizusteuern. In den restlichen Vitrinen fanden sich z.T. ebenfalls Objektleihgaben aus der Grazer Bevölkerung, die per gezielter Suche mittels Aufruf in den Medien bereits bestehende Geschichten illustrierten. Diese waren jedoch nicht explizit kenntlich gemacht. 83 Dies war beispielsweise in der Ausstellung ZeitZeitZeit… Vom schnellen Leben und der Kunst des Verweilens (Volkskundemuseum Graz, 2012) immer wieder der Fall; die Partizipationsangebote waren vom Museumsteam erarbeitet worden und stellten ein Angebot auf Besucherebene dar. Dass aber auch eine andere Herangehensweise möglich ist, können die beiden großangelegten Partizipationsprojekte der Vermittlungsabteilung des LWL-Industriemuseums verdeutlichen: Zur Sonderausstellung Helden. Von der Sehnsucht nach dem Besonderen (2010) wurde für den LWL-Museumsstandort Henrichshütte in Hatting das Projekt Helden-Werkstatt mit Schulklassen durchgeführt; 2013/2014 dann ein ähnliches Projekt zur Ausstellung Über Unterwelten. Zeichen und Zauber des anderen Raums unter Beteiligung von Schulen, aber auch von Volkshochschulen und anderen KulturanbieterInnen, die gerne mitmachen wollten. Beide Male ging es darum, dass sich die Partizipierenden mit den bereits vorgegebenen Themen der Ausstellung auseinandersetzten und dann darauf bezugnehmend eigene Interpretationen erschufen. Diese wurden anschließend als Elemente in die KuratorInnen-Ausstellung in verschiedener Weise integriert. Partizipation fand also im Vorfeld der Ausstellungen statt; die späteren BesucherInnen rezipierten die Ergebnisse der Zusammenarbeit (vgl. Hoffmann 2010, dies. 2014a u. 2014b). 84 So war beispielsweise ein Element der ansonsten nicht-partizipativen Ausstellung Glaubenssache (Stapferhaus Lenzburg, 2006/2007) der Bereich Glaubenssachen, der in einem partizipativen Prozess gesammelte private Gegenstände und persönliche Erläuterungen von Menschen aus der Schweiz präsentierte. Der Wandtext hierzu lautete: „Glaubenssachen sind persönliche Dinge. Religiöse Zeichen und Kultgegenstände, Alltagsdinge oder Naturfundstücke, Symbol- oder Gebrauchsgegenstände aus der eigenen Glaubensbiografie. 100 Personen haben stellvertretend für die Gläubigen und Ungläubigen der Schweiz ein Glaubensobjekt zur Verfügung gestellt. Und sie formulieren, was ihre Sache zur

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sich stehenden Sequenz reichen, die das Thema der ‚Mutterausstellung‘ zwar (mitunter lose) aufgreift, jedoch ansonsten eigenen Logiken folgt – also etwa nicht illustriert oder veranschaulicht, sondern einen eigenen Input liefert. Als eine solche eigenständige Sequenz könnte, zumindest der Beschreibung nach zu urteilen, beispielsweise die Intervention Mein München85 (2012/2013 im Stadtmuseum München) in der Dauerausstellung Typisch München angesehen werden: StudentInnen der Ludwig-Maximilians-Universität waren eingeladen, „[...] sich einerseits mit ihrer Wahrnehmung der Stadt und andererseits mit der musealen Repräsentation Münchens auseinanderzusetzen. So entstand ein Themenkatalog der spätmodernen Stadt – 13 Stationen in der Dauerausstellung stören mit ihrem subjektiven Blick die offizielle Geschichte Münchens. Sie ergänzen den städtischen Codex ausgerechnet an einem Ort, der bekannt ist für seine fest definierten Formen. Die Interventionen überschreiten die gängigen Grenzen des Museumsbetriebs und bringen neue gesellschaftliche Positionen an den Ort des Bewahrens und Erhaltens.“ (Stadtmuseum München 2012: o.S.)

Ähnlich gelagert, wenn auch in der Bildenden Kunst angesiedelt, war die Ausstellung Mehr als Verhüllung. Im Fadenkreuz textiler Kunstinterpretation (Residenzgalerie, Domquartier Salzburg, 2015/2016), wo Studierende des Faches Textiles Gestalten in Auseinandersetzung mit den gezeigten historischen Kunstwerken eigene textile Arbeiten oder interaktive Installationen konzipierten, die in die Ausstellungsräume integriert wurden und die in interessante Spannungsverhältnisse zu den alten Meisterwerken traten (vgl. Residenzgalerie 2015/2016: o.S.). Eine andere Form für eine partizipative Sequenz mit ganz eigenständiger Dynamik stellen etwa partizipative Aktionsräume dar, die an eine klassische Museumsausstellung andocken.86 So etwa das sogenannte „Reisebüro“ zur Kunstausstellung Orte der Sehnsucht. Mit Künstlern auf Reisen (LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, 2008/2009) – gedacht als „ein unkonventioneller Ort der Kunstvermittlung mit Spaßfaktor, der zum Mitmachen reizt“ (Echo Münster Glaubenssache macht. Die Religionszugehörigkeiten der Leihgeber entsprechen den Proportionen der Glaubenslandschaft Schweiz. Sie zeigen das ganze Glaubenspanorama – im Maßstab 1:75'000.“ (Stapferhaus 2006: o.S.). 85 Kurze Erwähnung findet das Projekt auch bei Fehle (2011: 49), die erklärt, dass diese studentische Intervention der Problematik geschuldet gewesen sei, dass sich Dauerausstellungen immer schneller überholen bzw. im laufenden Alltagsgeschäft einfach nicht dynamisiert und angepasst werden könnten. Obwohl die Dauerausstellung Typisch München damals erst drei Jahre alt gewesen sei, habe bereits Handlungsbedarf einer Aktualisierung bestanden. – Partizipative Elemente können also durchaus der Dynamisierung und Aktualisierung bestehender Setzungen/Dauerausstellungen dienen. 86 Vgl. hierzu auch die Konzeptidee der Produktdesignerin und Szenografin Sabine Jank, ein sog. SocialLAB als offen zugänglichen Arbeits- und Experimentierbereich in Museen – unabhängig von einer bestimmten Ausstellung – einzurichten, um darin schrittweise partizipative Strukturen einzuüben und aufzubauen: „[D]as SocialLAB als Experimentierfeld gelebter partizipativer Öffentlichkeiten und als diskursive, kritische Plattform.“ (Jank 2012: 153).

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2008: o.S.), in dem u.a. private Reisesouvenirs angeschaut werden konnten (vgl. Landschaftsverband Westfalen-Lippe 2008: o.S.). Ein aus meiner Sicht besonders gelungenes Beispiel fand sich in der Ausstellung Böse Dinge. Positionen des (Un)geschmacks im Gewerbemuseum Winterthur 2011:87 Die konventionelle KuratorInnenausstellung, die ausgehend von einer rund hundert Jahre alten musealen Lehrsammlung mit sogenannten „Geschmacksverirrungen“88 verschiedene historische Positionen über Ästhetik und Geschmack thematisierte, fand ihren Höhepunkt in einem partizipativen Aktionsbereich ganz eigener Anmutung. Dieser machte gleich mehrfach auf verschiedene Weise durchdachte Beteiligungsangebote, indem BesucherInnen anhand selbst mitgebrachter „böser Dinge“ (aber auch ohne) auf verschiedene Weise herausgefordert wurden, eigene Geschmacks- und Werturteile zu fällen und zu reflektieren. Leider wurde eine solche Partizipationsintensität an späteren Stationen dieser Wanderausstellung nicht mehr erreicht,89 was umso mehr verdeutlicht, in welch unterschiedlich hohem Maß Partizipation als ergänzendes Element zum Tragen kommen kann und dass dies oftmals weniger mit dem Thema oder den Exponaten selbst zu tun hat, sondern eher abhängig ist vom Willen und Engagement einer Museumsdirektion oder projektverantwortlicher MitarbeiterInnen sowie auch von den gegebenen Rahmenbedingungen und den Ressourcen der jeweiligen Institution.

87 Das Gewerbemuseum Winterthur hatte die Ausstellung in leicht veränderter Form vom Werkbundarchiv – Museum der Dinge als Wanderausstellung übernommen, das diese konzipiert und 2009/2010 in den eigenen Räumen unter dem Titel Böse Dinge – eine Enzyklopädie des Ungeschmacks gezeigt hatte. Die Ausstellung war bzw. ist weiter auf Reisen. 88 Ausgangspunkt der Ausstellungsidee bildete die Abteilung der Geschmacksverirrungen, die Gustav E. Pazaurek 1909 im Stuttgarter Landesgewerbemuseum eröffnet hatte und in der nach einer eigens entwickelten Systematik Gestaltungsfehler aller Art kategorisiert wurden. Diese Abteilung wurde vom Werkbundarchiv – Museum der Dinge rekonstruiert und in die Gegenwart (u.a. mithilfe von BesucherInnenbeteiligung) weitergeführt (vgl. Werkbundarchiv – Museum der Dinge 2009/2010: o.S.). 89 So war das Partizipationsangebot in Hamburg im Museum für Kunst und Gewerbe (2013) im Vergleich zum Aktionsraum im Winterthur lediglich zu einer Ding-„Tauschbö(r)se“ (abgelegt auf einem herkömmlichen Tisch) und zu einer Kommentarwand geschrumpft, an der BesucherInnen mittels Post-its die Phrase „Geschmack ist...“ vervollständigen sollten. In Wien (Hofmobiliendepot – Möbel Museum Wien, 2014) sah es ähnlich aus: Dort beschränkte sich die Partizipation auf einen Instagram-Fotowettbewerb sowie auf einen „Markttisch“ im Foyer, auf dem BesucherInnen unter dem Motto „Bring dein Ding“ persönliche Gegenstände ablegen konnten, die zum Ende der Ausstellung zugunsten einer Obdachloseneinrichtung versteigert wurden. Für einige Tage kam in Wien auf Initiative von wienXtra-schulevents ein Ausstellungsraum hinzu, in dem in Workshops entstandene Schülerarbeiten präsentiert wurden (vgl. Hammerl 2014). In Hamburg wurde die Schau ergänzt durch einige Arbeiten von Studierenden der Muthesius-Kunsthochschule Kiel unter dem Titel Name that Thing. Beide Male waren dies jedoch Aktionen, an denen die BesucherInnen vor Ort nicht partizipieren konnten. Ich führe diese Unterschiede im Kapitel Dimensionenmodell – Selbstverständnis noch näher aus.

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V.2.6 D IMENSION K OMMUNIKATION

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UND I NTERAKTION

Kommunikation und Interaktion bilden eine zentrale Dimension, was ja bereits in den vorbeschriebenen Dimensionen aufschien. Hierbei lassen sich bestimmte Kommunikationsvorgänge (z.B. der Vorgang der Ansprache) daraufhin untersuchen, welche Kommunikationsmittel und -wege genutzt werden, aber auch wie die Interaktion der Beteiligten untereinander, im Sinne eines übergeordneten Kommunikationsstils, vonstatten geht und in welchen Kommunikations- und Interaktionsstrukturen dies im Einzelnen abläuft. All diese Faktoren sind wiederum wechselseitig miteinander verschränkt und implizieren zwangsläufig (wie bereits in Kapitel IV anhand der konträren Positionen zu Partizipation deutlich wurde) zentrale Fragen der Machtverteilung. Kommunikationsstile Grob kann auf Metaebene zunächst zwischen zwei Kommunikationsstilen seitens der Institution unterschieden werden: Autoritär oder demokratisch:90 Der autoritäre Stil zeichnet sich durch eine hierarchische Prägung und eine dementsprechende top-down-Kommunikation aus, also von ‚oben‘ (Museum als tonangebend und anweisend) nach ‚unten‘ (zu den Teilnehmenden als ‚WeisungsempfängerInnen‘). Hierbei kann wiederum zwischen einer eher monologischen (unidirektionalen) und einer eher dialogischen (bidirektionalen) Kommunikationsstruktur unterschieden werden.91 Ersteres würde bedeuten, dass das Museum lediglich die ‚Aufgabenstellung‘ kommuniziert und einzig die ‚Aufgabenerfüllung‘ als mögliches Reaktionsmuster der TeilnehmerInnen vorsieht. Meist handelt es sich dabei um ein einmaliges actio-reactio-Muster (z.B. in einer Ausstellung eine schriftliche Aufforderung an BesucherInnen, einen öffentlichen Kommentar zu notieren, der unmittelbar Bestandteil der Präsentation wird). Bei einer dialogischen Ausrichtung des autoritären Stils wäre das Museum zwar noch immer tonangebend, würde in gewissem Rahmen aber Dialog erlauben (z.B. tatsächlich face to face in einem Projekt, oder, um das Beispiel auf BesucherInnen-Ebene von eben aufzugreifen, etwa in der Form, dass Kommentare von BesucherInnen gesammelt und dann mit zeitlicher Verzögerung redaktionell aufbereitet oder von Museumsseite kommentiert präsentiert würden; der Dialog wäre hierbei kein direkter, der sich unmittelbar an den/die SchreiberIn richtet, sondern eher im übertragenen Sinne eine Erweiterung der actio-reactio-Folge um eine reactio des Museums auf die vorangegangene BesucherInnen-‚Reaktion‘). 90 Vgl. hierzu auch Feldhoffs Unterscheidung von zwei Grundmodellen der Partizipation, nämlich einem hierarchischen, das monologisch strukturiert sei, und einem egalitärem, das dialogisch aufgebaut sei (vgl. Feldhoff 2009: 225 f.). 91 Vgl. dazu die Erklärungen zu möglichen Kommunikations- und Interaktionsstilen im weiteren Verlauf dieses Kapitels.

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Wie in den Kapiteln zur Definition (Kap. III) sowie zu Positionen in der aktuellen Diskussion um Partizipation (Kap. IV) bereits mehrfach thematisiert, kann eine paternalistisch-wohlwollende92 Grundhaltung gegenüber (potenziell) Teilnehmenden ebenso zu einem autoritären Kommunikationshabitus führen wie das (Vor-)Urteil, dass die TeilnehmerInnen nicht ‚klug‘ oder mündig genug für andere Formen der Partizipation seien – beides Mal Ausdruck und Folge eines Defizitdenkens bezogen auf die vermeintlichen (Un-)Fähigkeiten der PartizipientInnen. Manchmal ist ein autoritärer Stil aber auch schlicht durch das Angebot selbst bedingt, denn je ‚kleiner‘ das Partizipationsangebot (d.h. je weniger umfänglich und je geringerer die Partizipationsintensität), desto hierarchischer und direktiver ist i.d.R. der Kommunikationsstil, da Spielräume für Teilnehmende und (zeitraubende) Dialogmöglichkeiten strukturell den Komplexitätsgrad von Partizipationsangeboten ansteigen lassen. Der demokratische Stil ist dagegen immer dialogisch (d.h. mindestens bidirektional) ausgerichtet und somit auch offener für individuelle ‚Umdeutungen‘ von möglichen ‚Aufgabenstellungen‘ des Museums durch Partizipierende – sofern das Museum überhaupt ‚Aufgaben‘ ausgibt. Letzter Punkt deutet bereits eine Binnendifferenzierung des demokratischen Stils an, der von der Tendenz her mehr oder weniger von Hierarchien geprägt ablaufen kann: Überwiegen bei den VertreterInnen des Museums bzw. bei den (internen oder externen) Projektbeauftragten in ihrer Doppelrolle als ‚Anwälte‘ des Museums und der Teilnehmenden zugleich die Verpflichtungen gegenüber der Institution, so muss die top-down-Hierarchie gegenüber den Teilnehmenden letztlich in gewissen Punkten gewahrt bleiben, was sich dann z.B. in entsprechenden (Rahmen-)Vorgaben äußert, die nicht gemeinschaftlich verhandelbar sind. Dann wäre der Kommunikationsstil zwar prinzipiell dialogisch, je-

92 Auf den ersten Blick mag solche Fürsorge nicht negativ erscheinen, jedoch besteht die Gefahr, dass sich die ohnehin bestehenden subtilen Machtmissverhältnisse dadurch stabilisieren und Teilnehmende etwa um die Chance gebracht werden, auch kritisch eine eigene Haltung zu entwickeln. Bernadette Lynch weist darauf hin, dass bereits in der Rhetorik vieler Museen eine paternalistische Einstellung deutlich werde, weshalb sie es für wichtig erachtet, auch die Wortwahl und Sprache des Museums kritisch zu hinterfragen und zu dekonstruieren: „Meanwhile, the rhetoric of service places the subject (community member) in the role of ‚supplicant‘ or ‚beneficiary‘, and the giver (the museum and its staff) in the role of ‚carer‘. How clear is it to the museum staff, who with the best of intentions support these words, or to the community members as the ‚beneficiaries‘ on the receiving end, that power is at work within such language and in the roles it gives the institution in relation to its community partners? […] By placing people in the position of beneficiaries, the liberal morality that informs and permeates engagement work in museums exercises invisible power, and thereby may rob people of their active agency and the necessary possibility of resistance. [...] Words matter and it is necessary to re-examine such assumptions […] [and] to make such policies and the processes by which they are arrived at transparent, so that others can help museums interrogate them and, ideally, collaboratively reconstruct them.“ (Lynch 2011b: 447).

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doch (zumindest in Teilen) von unterschiedlichen Hierarchien bestimmt.93 Die Weiterentwicklung dessen wäre ein dialogischer Kommunikationsstil mit egalitären Zügen, d.h. beide Seiten wären gleich ‚mächtig‘ und der Partizipationsprozess wäre – um Jaschke/Sternfelds Worte zu benutzen – „radikaldemokratisch“ (dies. 2015: 168) ohne ‚oben‘ und ‚unten‘ zu unterscheiden. Eine solche ‚Waffengleichheit‘ dürfte in der musealen Realität kaum zu verwirklichen sein; James Clifford spricht im Zusammenhang seines Modells der Contact Zone in dieser Hinsicht von einer „uneven reciprocity“ (Clifford 1999: 193), also einer Wechsel- oder Gegenseitigkeit, die niemals in einen vollkommenen Gleichklang oder eine vollkommene Gleichheit beider InteraktionspartnerInnen münden wird. Vielleicht könnte man aber dann annähernd von Egalität sprechen, wenn sich in Projekten „give ear“ und „give voice“ (Garoian 2001: 242) die Waage halten – also wenn statt top-downKommunikation beide Seiten gleichermaßen Zuhörende wie auch Artikulierende/Impulsgebende sind, d.h. die Positionen von „oben“ und „unten“ nicht statisch sind, sondern beide Akteursgruppen gleichermaßen mal den Ton angeben und sich mal dem Diktum der anderen fügen.94 Auch wenn die Ausgangslagen unterschiedliche sein mögen, so erhalten beide Seiten doch gleichermaßen großen Anteil am Gestaltungsprozess und zollen sich gegenseitigen Respekt und Anerkennung. Dieser Stil stellt somit in gewisser Hinsicht Ideal und Utopie der Kommunikation in Partizipationssituationen dar. Kommunikationsvorgänge, -mittel und -wege Neben diesen übergeordneten Kommunikationsstilen, denen alle Kommunikationsprozesse und -situationen unterliegen, werden Partizipationsprozesse auch durch bestimmte, strukturierende Kommunikationsvorgänge bestimmt, wie beispielsweise die Ansprache bzw. Werbung von (potenziell) Teilnehmenden, die Einleitung und Moderation der Interaktion, das ‚Bei-der-Stange-Halten‘ und Ermutigen von Teilnehmenden, die Begleitung und Moderation bei Konflikten sowie der Projektabschluss und die Beendigung der Interaktion. Im Folgenden soll beispielhaft nur ein relevanter, prozessbezogener Kommunikationsvorgang untersucht werden, nämlich der Modus der Ansprache zu Beginn eines partizipativen Ausstellungsprojektes. Damit ist die Art und Weise gemeint, mit welcher ein Museum erstmals Kontakt zu den potenziell Teilnehmenden sucht 93 Man würde das Vorgehen des Museums dann eher als autoritativ denn autoritär bezeichnen. 94 Beispielsweise wurde mir von Susanne Gesser (Leiterin des kinder museums frankfurt), die die Ausstellung Herzknistern – (D)eine Reise durch Liebe, Freundschaft, Liebeskummer (2004/2005) über zwei Jahre hinweg in Zusammenarbeit mit 25 Schulklassen konzipiert hatte, Folgendes berichtet: „Die SchülerInnen bestanden auf einen personell besetzten ‚Kiosk‘ unter anderem für Rat bei Liebeskummer – gemeinsam wurde schließlich ein Weg gefunden, diesen trotz der bestehenden Bedenken von Museumsseite zu realisieren.“ (Vgl. zum Projekt Strecker 2004 sowie Kindermuseum Frankfurt o.J.a u. b).

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und diesen gegenüber die Möglichkeit zur Partizipation kommuniziert. Die Historikerin und Museologin Barbara Wenk empfiehlt, dass Museen bewusst in die Rolle von GastgeberInnen schlüpfen sollten, deren „[...] erste Aufgabe es ist, die Einladung gut vorzubereiten. [...] Das heißt, Besucher werden als Gäste eingeladen, die sich vor Ort willkommen, wohl und zur aktiven Beteiligung ermuntert fühlen sollen.“ (Wenk 2012: 188). Dass solche Empfehlungen notwendig erscheinen bzw. dass überhaupt über den Aspekt der Ansprache nachgedacht wird, zeigt, dass bereits hier, in dieser ersten Form des Kontaktes, die bestehenden Macht(miss)verhältnisse aktiv sind und entsprechend zum Ausdruck kommen können (vgl. Fürstenberg 2007: 73). Dementsprechend existieren zwei grundverschiedene Kommunikationswege: Ein Museum kann • •

aktiv und direkt bei bestimmten Menschen anfragen und diese gezielt zur Teilnahme einladen/um deren Teilnahme werben, oder keinen Eins-zu-eins-Kontakt suchen, sondern per allgemeinem Aufruf eine Teilnahmemöglichkeit kommunizieren, deren Reaktionen das Museum mehr oder minder passiv abwartet.

Beide Wege haben jeweils spezifische Vor- und Nachteile: So ist die gezielte Anfrage erfahrungsgemäß wirksamer und ermöglicht dem Museum eine stärkere Steuerung der erwartbaren Ergebnisse, sie hat jedoch auch zur Folge, dass ‚Mitnahmeeffekte‘ ebenso wie erfrischende Überraschungen und spontane Aha-Effekte ausbleiben können – ganz zu schweigen vom Vorwurf der Exklusion und des Elitismus, sprich des Pseudo-Partizipativen und Pseudo-Demokratischen. Eine direkte Ansprache vermittelt im Gegensatz zum allgemeinen Aufruf dem Gegenüber, dass ein vitales Interesse genau an seiner/ihrer Person und seiner/ihrer Teilnahme besteht und stellt einen wirksamen Akt der Aufmerksamkeit und des ‚Werbens‘ dar. Diese Faktoren sind aus soziologischer Sicht unabdingbar für die Entstehung einer Bindung und erhöhen zudem die Chance darauf, dass auch das Gegenüber entsprechend engagiert reagiert und sich tatsächlich einbringt (vgl. Montandon 2003: 444 u. 451 u. Holling 1997: 270). In der musealen Praxis ist es durchaus üblich, ‚zweigleisig‘ zu verfahren und auf beide Wege zu setzen: So wurden in vielen der von mir registrierten partizipativen Ausstellungsprojekte parallel zu allgemeinen Aufrufen auch persönliche Anfragen an (Stadt-)Prominente oder als wichtig klassifizierte Personen(gruppen) gerichtet, deren Stimme in den Ausstellungen jeweils nicht fehlen sollte.95

95 Ich führe diese Zweigleisigkeit jedoch nicht alleine auf eine gut durchdachte Ansprachepolitik zurück, sondern auch auf die unterschwellige Befürchtung von Museumsseite, dass die ‚kleinen Leute‘ alleine keine größeren Besucherströme generieren können, sodass man sich bewusst auch um lokale Persönlichkeiten öffentlichen Interesses bemüht.

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Was die Kommunikationsmittel betrifft, so hat sich gezeigt, dass Aufrufe über herkömmlich vom jeweiligen Museum genutzte Kanäle (wie etwa Pressemitteilungen, Wurfsendungen an den Freundeskreis, Flyer mit herkömmlicher Verteilung oder Aufrufe über das Radio und das lokale Fernsehen) diejenigen Bevölkerungsgruppen, die nicht ohnehin museumsaffin oder kulturell aktiv sind, kaum erreicht – oder zumindest nicht zu einer Projektteilnahme zu aktivieren vermag.96 Interessanterweise ist der Rücklauf von Seiten der regelmäßigen MuseumsnutzerInnen meist ebenfalls relativ spärlich, was ich darauf zurückführe, dass das Stammpublikum (aus Gewohnheit?) Konsum dem aktiven Tun bzw. aktiver Produktion offenbar vorzuziehen scheint. Meist wird die Phase der Teilnehmergewinnung anfänglich unterschätzt und von Museumsseite aus zu knapp bemessen.97 Aus eigener Erfahrung als Kuratorin der Ausstellung Meine Sache. Bremens Gegenwart (Focke-Museum, 2005/2006) weiß ich, dass es außerdem nicht reicht, Aufrufe beispielsweise niederschwelliger zu formulieren (z.B. in Jugendsprache) und dort zu platzieren, wo eine anvisierte Zielgruppe erreichbar ist (im Fall von Jugendlichen oder jungen Erwachsenen z.B. in Internetforen, in Schulen und Universität etc.). Zu ungewohnt ist das unerwartete Interesse und das ‚seltsame‘ Anliegen des Museums, zu groß die Ehrfurcht oder Hemmschwelle vor der Institution, zu gering das Selbstbewusstsein in der Bevölkerung, was die mögliche Relevanz der eigenen Erfahrungen und Biografie sowie des Aussagewertes der eigenen Erinnerungsgegenstände betrifft.98 Das Misstrauen in 96 Ich stütze mich hier v. a. auf eigene Erfahrungen als Kuratorin eines partizipativen Ausstellungsprojekts, die ich auch in Gesprächen oder Projektreflexionen öfters bestätigt gefunden habe. Ein Gegenbeispiel lieferte hingegen Thomas Weidner (Stadtmuseum München), dem es mit genügend Vorlauf (12 Monate) und einer guten Medienpartnerschaft und Aktivierungsstrategie (vgl. Fußnote 106 in diesem Kap.) gelang, genügend TeilnehmerInnen für Der Krieg ist aus zu gewinnen – sogar in Kreisen, die sonst eher nicht zum typischen Museumspublikum gezählt hätten (vgl. Weidner; Piontek 2011i: 1 u. 4). 97 So musste man beim Projekt Berg der Erinnerungen zunächst mangels Rücklauf auf Freunde und Bekannte zurückgreifen, um überhaupt eine Beteiligung verzeichnen zu können (vgl. Froihofer; Piontek 2011j: 1, Murlasitz; Piontek 2011k: 2 u. Hofgartner; Piontek 2011l: 1 u. 3). Bis schließlich die Strategien – und wohl vor allem die Mundpropaganda – griffen, war die veranschlagte Dauer der Sammelphase schon fast vorüber: „[W]ie sich dann [in der Bevölkerung, Anm. A.P.] abgezeichnet hat, ‚Das wird cool! Und ich bin dabei!‘, da [...] wollten andere auch dabei sein [...]. [D]as waren aber die letzten sechs Wochen, als es dann eigentlich schon zu spät war.“ (Thümmel; Piontek 2011m: 5). Gleiches berichtete auch Thomas Kühn über eine Aktion am Freilichtmuseum am Kiekeberg, bei der die MuseumsmitarbeiterInnen selbst das gewünschte Material – in diesem Fall zu Schultüten und deren Inhalt – beisteuern mussten, weil der öffentliche Presseaufruf nicht genügend Resonanz erfahren hatte (vgl. Kühn; Piontek 2010: 1 f.). 98 Andere AutorInnen berichten ebenfalls von dem Misstrauen der Menschen gegenüber der Institution Museum und vor allem von mangelndem Bewusstsein oder Selbstvertrauen bezüglich der ‚Geschichtsträchtigkeit‘ der eigenen biografischen Erfahrungen von Seiten der Bevölkerung oder der anvisierten Bevölkerungsgruppe. Vgl. die Literaturhinweise in der nächste Fußnote sowie außerdem z.B. Chrusciel 2010: o.S., Dauschek 2012: 52 f. u. Schmidt-Linsenhoff 1981: 298 f.

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jenen Teilen der Bevölkerung, die selbst noch keine Erfahrungen damit gemacht haben, dass sich ein Museum für ihre Sicht der Dinge und ihre Person interessieren könnte, erscheint manchmal anfänglich schier unüberwindbar.99 Anonyme Aufrufe sind in solchen Fällen daher meist wenig praktikabel. Erst im face-to-face-Kontakt können effektiv Bedenken ausgeräumt und jene Überzeugungsarbeit geleistet werden, die nötig ist, damit potenziell Teilnehmende ihre Scheu ablegen. Nicht vergessen werden darf, dass Partizipation eben immer auch eine Form öffentlicher Exposition darstellt und beinhaltet, Stellung zu beziehen und sich in der eingenommenen Position auch angreifbar – oder noch schlimmer: lächerlich – zu machen (vgl. Sekules 2009: 69 u. Piontek 2014: 106 f.). Ähnlich wie Bernadette Lynch, die dafür plädiert, die Wortwahl und deren implizite Stabilisierung von bestehenden Machtungleichgewichten explizit im Zusammenhang von Partizipationsangeboten zu fokussieren (vgl. z.B. Lynch 2011b: bes. 446 f.), thematisiert ja auch Gabriele Stöger in ihrem Text Wer schon Platz genommen hat, muss nicht zum Hinsetzen aufgefordert werden (2002) anhand der Analogie Platznehmen – Partizipieren, wie sehr die Ansprache von Menschen und die Wortwahl entscheidend sind (vgl. Kap. IV.2.1 in diesem Buch): So weist sie zunächst darauf hin, dass wir an all jenen Orten selbstverständlich „Platz nehmen“, die wir bereits besitzen, das heißt, die wir uns angeeignet haben und an denen wir uns sicher fühlen – Museen zählen für den Großteil der Bevölkerung nicht dazu. Wenn nun ein/e ‚Ortsfremde/r‘ zur Partizipation – also zum „Hinsetzen“ – aufgefordert wird, so gelte es zu beachten, dass dies in Form einer freundlichen und respektvollen Einladung geschehen könne oder aber den Charakter einer harschen Aufforderung (vielleicht sogar eines Befehls) haben könne, aus der eine gewisse Geringschätzung bzw. Verachtung sprechen könne (vgl. Stöger 2002: 198 ff.). Die vorhin zitierte Aufforderung Barbara Wenks, dass das Museum für den Erstkontakt

99 Dies wurde mir in fast allen geführten Interviews von den KuratorInnen partizipativer Projekte bestätigt (vgl. dazu auch die Interviewergebnisse von Christine Pfirrmann im Kontext ihrer Masterarbeit User Generated Content von 2012, z.B. auf S. 48) und findet sich als Problematik auch in mancher Projektreflexion wieder. So stellte etwa Veronica Sekules „viel Zögern, Vorbehalte und Verwunderung“ fest, die in Angst vor einer Blamage gipfelten (vgl. Sekules 2009: 69 f.), oder Eva Sturm berichtete von einem Projekt der Künstlerin Anaida Hernandez, dass selbst alte und lebenserfahrene Menschen „[…] natürlich zuerst nicht sprechen [wollten], weil sie, wie sie behaupteten, keine Erinnerungen und überhaupt nichts zu sagen hätten“ (S.-Sturm 2000: 177 f.). Und Hofgartner/ Schurl stellten als Fazit ihrer Erfahrungen mit der Grazer Bevölkerung fest: „Von einem historischen Selbstbewusstsein, das eigene Biografien als ebenso relevant wie klassische historische Quellen befindet, sind wir weit entfernt.“ (Hofgartner & Schurl 2003: 90). Ebensolches stellte eine Interviewstudie aus Connecticut auch in Bezug auf die Selbsteinschätzung künstlerisch aktiver Menschen über ihre eigenen künstlerischen Fähigkeiten fest (vgl. Connecticut Commission on Culture and Tourism 2004: 4).

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bewusst die Rolle von GastgeberInnen verinnerlichen solle, zielt in die gleiche Richtung, um zu verhindern, dass die Ansprache falsche Signale sendet.100 Ironischerweise ist der Moment der Ansprache der einzige im musealen Partizipationsgeschehen, in dem sich die Kommunikationsstruktur und damit auch die Machtverhältnisse praktisch immer umkehren: Nicht das Museum bestimmt, sondern die anderen, denen es völlig frei steht, die herzliche Einladung oder schroffe Aufforderung anzunehmen oder nicht. Allein in diesem Moment gerät das Museum in die Haltung von BittstellerInnen (auch wenn diese Tatsache wohl den wenigsten Museen bewusst ist). Einschub: Beispiele für bewährte Strategien So unterschiedlich die ‚Zielgruppen‘ eines partizipativen Projekts sein können, so wenig Patentrezepte gibt es, um Menschen sicher dazu zu bringen, sich zu beteiligen. Dennoch möchte ich beim Thema Kommunikationsmittel und -wege exemplarisch einige Strategien aus der Praxis nennen, die eine Richtung weisen können: Mittlerweile etabliert und bekannt ist der Keyworker-Ansatz101, bei dem Menschen, die nicht im Museum arbeiten (i.d.R. unentgeltlich102), die Kontaktarbeit übernehmen und somit eine Mittlerrolle zwischen Museum und – meist ‚museumsferner‘ – ‚Zielgruppe‘ einnehmen. Dabei handelt es sich um Menschen, die in der entsprechenden Gruppe anerkannt sind, von dieser geschätzt werden und denen somit vertraut wird. Die Keyworker sind ihrerseits gut vertraut mit den Belangen der Gruppe und vor allem den Hürden, die dafür verantwortlich sind, dass bisher keine Berührung mit einem Museum stattgefunden hat. Allermeist sind diese Keyworker selbst Angehörige der Gruppe. Sie kennen das jeweilige Museum und Projekt schon und teilen einige der Ziele des Museums; ggf. nehmen sie an Schulungen und Briefings teil, um bestmögliche Kontaktarbeit leisten zu können (vgl. Büro für Kulturvermittlung 2001: 17 f. sowie Schanner 2009). Solche Keyworker geben als mittelbare RepräsentantInnen einem Museum oder Projekt ein Gesicht und schaffen auf der PartizipientInnen-Seite Vertrauen sowie auf der Museumsseite einen Zugang zu einer Gruppe, den MuseumsmitarbeiterInnen so nie erreicht hätten, weil ihnen schlicht sämtliches ‚Insider-Wissen‘ und Verbindungen fehlen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass auch Kinder und Jugendliche eine solche Keyworker-Rolle einnehmen können.103 100 Vgl. zur Thematik der GastgeberInnen-Rolle und zu Partizipation als Einladung bzw. „Gastmahl“: Fürstenberg & Motakef 2009. 101 In der kulturellen und musealen Arbeit wurde dieser Ansatz insbesondere als Methode reflektiert, mit der man Erwachsene – insbesondere SeniorInnen – erreichen kann. Vgl. z.B. Schanner 2008 u. Knopp & Nell 2011. 102 Für eine erste Einführung in die Problematik unentgeltlicher MultiplikatorInnen-Tätigkeit siehe: Chrusciel 2013. 103 So zielte etwa das Ausstellungsprojekt Merhaba Stuttgart ...oder die Geschichte vom Simit und der Brezel (Linden-Museum, 2011) darauf ab, einen möglichst breiten Quer-

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Ähnlich dem Keyworker-Ansatz sind auch solche Strategien, bei denen (idealerweise speziell kommunikativ und pädagogisch/psychologisch geschultes) externes ‚Personal‘ als MediatorInnen die Kontaktarbeit zu einer inhomogenen Großzielgruppe (etwa: „alle BewohnerInnen unserer Stadt“) übernimmt. Entscheidend waren in den von mir registrierten Fällen nicht die Zugehörigkeit und Detailkenntnisse zu einer Gruppe, sondern eine offene, interessierte, respektvolle Gesprächshaltung, oftmals die richtigen Fragetechniken und Worte sowie Geduld und Durchhaltevermögen. So wurden für das Projekt Berg der Erinnerungen sogenannte History Scouts104 eingesetzt, die in Graz von Tür zu Tür gingen, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen und dabei vielversprechende Erinnerungen aufzuspüren (vgl. Stern 2004: 41-44). Der Vorteil ‚ausgelagerter‘ Kontaktarbeit liegt darin, dass meist intensivere und längere Gespräche stattfinden, als es MuseumsmitarbeiterInnen parallel zum laufenden Betrieb leisten können, und dass diese Gespräche vielleicht auch ergebnisoffener und unvoreingenommener ablaufen, als wenn ein/e KuratorIn (un)willentlich jede Information sogleich auf eine mögliche Passung im Hinblick auf die eigene Konzeptidee und Wunschvorstellungen bewertet. Abgesehen von der aufsuchenden Arbeit der History Scouts sorgte im Grazer Fall ein Gewinnspiel unter allen Teilnehmenden für einen zusätzlichen Teilnahmeanreiz (jede/r bekam eine kleine Überraschung; abgesehen davon wurde unter allen Partizipierenden ein Hauptpreis verlost) sowie eine ausführliche und ansprechend gestaltete Informationsbroschüre. Anhand besagter Broschüre lässt sich eine weitere wirksame Strategie der TeilnehmerInnengewinnung und Kommunikation veranschaulichen: Auf mehreren Seiten wurde der/die LeserIn jeweils mittels einer persönlichen Frage direkt angesprochen und damit zu einer persönlichen Stellungnahme angeregt (z.B. „Warum haben Sie bestimmte Dinge nie weggeworfen?“).105 Abgesehen von der Orientierungs- und Lenkfunktion solcher Leitfragen für noch unschlüssige Teilnehmende, schafft eine direkte Ansprache – abgesehen von ihrem Aufforderungscharakter – mit größerer Wahrscheinlichkeit einen persönlichen Bezug und persönliche Betroffenheit (im positiven Sinne) als allgemeine Erklärungen über Sinn und Zweck eines Projektes schnitt der türkeistämmigen StuttgarterInnen zu erreichen – in den SchülerInnen zweier Klassen aus Stuttgarter Schulen erkannte man geeignete MultiplikatorInnen und Keyworker (vgl. Müller 2012: 4). 104 Die Strategie konnte innerhalb der gesetzten Sammelfrist jedoch nicht die gewünschte Wirkung entfalten (vgl. Fußnote 97 in diesem Kap.). 105 In diesem Fall lauteten die Fragen wörtlich: 1. Erinnern Sie sich an Ihr erstes Fahrzeug? Und an Ihren Freundeskreis? An die ersten wilden Ausfahrten? 2. Warum haben Sie bestimmte Dinge nie weggeworfen? 3. Welche Musik haben Sie vor 30 Jahren gehört? Wer waren die Idole Ihrer Jugend? 4. Was oder wer ist regelrecht aus unserem Leben verschwunden? Was findet man heute kaum mehr? 5. Wissen Sie noch? Es hat eine Zeit gegeben, da war ein solcher Ausflug noch etwas Besonderes. 6. Was hat Sie besonders bewegt? Wie haben Sie Ihre Freizeit verbracht? 7. Wie haben Sie unvergessliche Zeitabschnitte erlebt? (Graz 2003 Kulturhauptstadt Europas Organisations GmbH 2002: 5 ff.).

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(wobei auch dies in der Grazer Broschüre enthalten war). Zudem gab ein/e GrazerIn – fotografisch abgebildet mit dem relevanten Erinnerungsstück – exemplarisch eine persönliche Antwort auf jede Frage und veranschaulichte quasi als ‚Modelllösung‘ oder Modellbeitrag, wie eine Teilnahme konkret aussehen konnte.106 Auf diese Weise kann von einem Museum bzw. einem/r ProjektleiterIn die Art der Teilnahme und die Stoßrichtung der Beiträge im Sinne eines erwünschten Verhaltens beeinflusst werden;107 auch erhöht sich damit die Chance auf Beteiligung (vgl. Simon 2010a: 213 f.). Einen vergleichbaren, wenn auch aus meiner Sicht nicht ganz so starken Effekt erzielt man, wenn man ähnlich einer Bedienungsanweisung eine knappe, leicht verständliche Anleitung108 formuliert, in der Schritt für Schritt erklärt wird, wie eine Teilnahme vonstatten geht.109 Die vielleicht wirksamste Kontakt- und Animationsstrategie ist jedoch die, Menschen in ihren alltäglichen Zusammenhängen (hier fühlen sich die Menschen sicherer als im musealen Territorium) aufzusuchen und an deren persönliche Interessen anzuknüpfen (weil dann mit einer gewissen Offenheit und Interessiertheit ge106 Diese Strategie wandte auch das Stadtmuseum München erfolgreich innerhalb der auf ein Jahr angesetzten Sammelphase im Vorfeld der Ausstellung Der Krieg ist aus – Erinnern in München 1945-2005 an, indem es den Projektflyer mit zuvor akquirierten Beispielen bestückte und dann monatlich immer ein neu eingegangenes Objekt und dessen BesitzerIn mit seiner/ihrer Geschichte in der Süddeutschen Zeitung (später auch im Merkur und der TZ) exemplarisch vorstellte (vgl. Weidner; Piontek 2011i: 1 u. 4). 107 Simon zeigt auf, dass z.B. an einer Kommentarwand im Museum mittels Modellbeiträgen verschiedene Faktoren beeinflusst werden können, so etwa die Diversität und die Qualität von Beiträgen. In besonders ungewohnten Settings biete es sich an, anhand weniger ausgefeilter ‚ErstteilnehmerInnen-Beiträge‘ andere Menschen auf diese Weise die Scheu zu nehmen, weil sie verhinderten, dass sich Interessierte dumm und unbeholfen fühlten (vgl. Simon 2010a: 215-219). 108 Nina Simon hebt den Nutzen von Anleitungen in einem anderen Zusammenhang hervor, nämlich wenn einander fremde AusstellungsbesucherInnen in einem partizipativen Arrangement miteinander interagieren sollen. Diese böten solchen BesucherInnen, die ansonsten eher verlegen und unbeholfen seien, einen angenehmen Einstieg in soziale Annäherungen an andere Menschen, denn sie würden Sicherheit geben nach dem Motto: Ich tue nur, was die Anleitung sagt und die sagt nun mal, dass ich eine/n Fremde/n ansprechen soll. Simon sieht hierin für beide PartnerInnen einen Schutz, denn wenn der/die Angesprochene ablehne, so gebe diese/r nicht dem/der Fragenden einen Korb, sondern lehne lediglich die Anweisung ab (vgl. Simon 2010a: 164 f.). 109 So enthielt beispielsweise der Informationsflyer des Industriemuseums Elmshorn zur Ausstellung Heimat ist für mich... eine „Kurzanleitung zum Mitmachen“ (Zitat) in fünf Schritten (vgl. Industriemuseum Elmshorn 2009). Das Nordico Stadtmuseum Linz veröffentlichte auf seinen Internetseiten zum Projekt Erzähl und Linz! (2012) eine vierschrittige Anleitung unter dem Motto „Mitmachen! So geht’s“ (Zitat), dazu vier exemplarische Beispiele von bereits eingegangenen Geschichten und Objekten und ein Glossar, um wesentliche Projektbestandteile – z.B. „Geschichtenwerkstatt“ oder „Storyhunter“ – zu erläutern (mit „Begriffserklärung“ überschrieben) (vgl. Nordico Stadtmuseum Linz 2012a: o.S.). Vgl. außerdem die sog. Gebrauchsanweisung zur Ausstellung Familienmacher. Vom Festhalten, Verbinden und Loswerden (Museum für Volkskunde Wien, 2011): Dankl et al. 2011.

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rechnet werden kann) – Stichwort Outreach: Um TeilnehmerInnen zu gewinnen, begab sich beispielsweise das KuratorInnenteam des Projekts Meine Sache – Bremens Gegenwart (Focke-Museum, 2005/2006) als VerkäuferInnen ‚getarnt‘ am Wochenende auf einen beliebten Bremer Flohmarkt; die ausgebreiteten scheinbaren Verkaufsobjekte verschiedenster Art waren exzellenter Gesprächsanlass und dienten dazu, als exemplarische Erinnerungsstücke die Projektidee anschaulich zu vermitteln (vgl. Piontek 2012f: 242 u. dies. et al. 2007: 51). Weniger unkonventionell und überraschend, dafür ungleich auffälliger und im Stadtbild deutlich präsenter, war die Sammelaktion im Vorfeld der Ausstellung Auspacken: Dinge und Geschichten von Zuwanderern (Heimatmuseum Reutlingen, 2010), zu deren Zweck an prominenter Stelle in der Stadt ein Container als Anlauf- und Sammelstelle aufgestellt wurde und damit ein sichtbares Zeichen setzte (vgl. Melzner & Kütterer 2010 u. Amt für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Reutlingen 2009).110 Kommunikations- und Interaktionsstrukturen Sobald es zur Teilnahme kommt bzw. das Museum mit einer Gruppe zusammenarbeitet, muss es sich für eine Form der Interaktion entscheiden, die maßgeblich das Projektsetting bestimmt und den weiteren Projektverlauf strukturiert. Dabei können im Wesentlichen vier verschiedene Kommunikations- und Interaktionsstrukturen unterschieden werden, die auch Ausdruck der zuvor vorgestellten grundlegenden Kommunikationsstile sind. Bedeutsam ist, dass Kommunikationsstrukturen immer

110 Dass eine solche temporäre Inbesitznahme bzw. ein solcher ‚Projektsatellit‘ im öffentlichen Raum zum zentralen Dreh- und Angelpunkt von Information, Kreation und Partizipation werden kann, zeigte sich 1997 anhand des sozialen (nicht-musealen) Stadteilprojekts Park Fiction in Hamburg, das ebenfalls einen Baucontainer als Zentrale nutzte: Teil dessen waren „[d]iverse ‚tools‘ genannte Planungsinstrumente, welche den Teilnehmern die Möglichkeit gaben, sich und ihre individuellen Wünsche zu artikulieren, z.B. das Knetbüro, das Wunscharchiv [...], eine umfangreiche Gartenbibliothek, Bastel-, Mal- und Zeichenutensilien, Infomaterial und die üblichen Planungsunterlagen. [...] Hier konnten Wünsche entwickelt und formuliert werden. Diese wurden gesammelt und (als Anregung für Unentschlossene) ausgestellt. Tee und andere Getränke wurden angeboten, um auch Menschen ohne ausdrücklichen Planungsvorsatz zu interessieren. Darüber hinaus richtete PARK FICTION eine Hotline ein, um rund um die Uhr Geistesblitze zum laufenden Planungsprozess aufnehmen zu können, und entwickelte das Brettspiel Planspiel, welches die Regeln eines öffentlichen Planungsverfahrens als Spielregeln für alle Teilnehmer des Brettspiels transparent machte. [...] Weil sie möglichst allen im Viertel einen Zugang zu planungsrelevanten Informationen und Entscheidungsfindungsprozessen ermöglichen wollten, entwickelte PARK FICTION zudem das sogenannte Action Kit. Das war eine Art Werkzeugkasten, ein Alukoffer voller Pläne zum Ausfüllen, mit Stiften, Knetmasse, Diktaphon zur Aufzeichnung mündlich formulierter Wünsche, einem ausklappbaren Hafenpanorama mit Maßstabsfiguren, um Gegenstände oder Entwürfe davor auszuprobieren, einer Polaroidkamera um diese Arbeiten zu fotografieren und Fragebögen.“ (Feldhoff 2009: 176 f.; für eine weitere Projektreflexion von Park Fiction siehe z.B. Schimkat 2005).

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Ausdruck und Abbild der Machtverhältnisse sind und damit auch immer Folgen für die inhaltliche Arbeit nach sich ziehen: •







Zum einen gibt es Formate, bei denen der Austausch nur zwischen dem Museum und den TeilnehmerInnen im Einzelnen oder als Gruppe (z.B. im Rahmen von Informationsveranstaltungen) stattfindet, nicht aber zwischen den Teilnehmenden untereinander (vgl. Abb. 13a). Wortführer ist das Museum; die Teilnehmenden reagieren bzw. führen Anweisungen aus (unidirektional).111 Eine Erweiterung stellt eine wechselseitige, dialogische Kommunikation dar, bei dem Museum und Teilnehmende aufeinander eingehen (bidirektional). Kommunikationsmittel wären je nach Projekt z.B. E-Mail- und Schriftverkehr, aber auch direkte zwischenmenschliche Kontakte (vgl. Abb. 13b). Zu einem multidirektionalen Austausch (vgl. Abb. 13c) kommt es, wenn beispielsweise Gruppensituationen (z.B. Workshoparbeit) geschaffen werden, bei denen TeilnehmerInnen nicht nur informiert werden und ggf. die Möglichkeit haben, zu reagieren, sondern sich untereinander austauschen können.112 Es entsteht also eine Situation, bei der das Museum erkennbar die Position des Wortführers verlässt und die Bühne ein Stück weit den anderen überlässt. So besteht nicht nur die Chance, dass das Museum für die Beteiligten untereinander zum sozialen Raum wird. Durch die temporäre und partielle Auflösung des „hegemonialen Musters von Sprechen und Zuhören“ (Fürstenberg 2007: 100) kann zudem eben diese Dichotomie subvertiert werden und auf diese Weise das etablierte ‚System Museum‘ mit seinem traditionell gewachsenen Anspruch auf alleinige Autorschaft konterkariert werden (vgl. ebd.). Wenn ein Museum nicht nur eben skizzierte Austauschmöglichkeiten aller Beteiligten zulässt, sondern zudem noch externe Fachleute (z.B. als ModeratorIn-

111 So heißt es in der Ausstellungsbeschreibung von Ein Stück Arbeit (Museum der Arbeit, Hamburg,1997) sinnfällig: „Zahlreiche Hamburgerinnen und Hamburger haben auf Medienaufrufe reagiert [Hervorh. A.P.] und brachten Gegenstände, die sie als Andenken an mit ‚einem Stück Arbeit‘ verbundene Situationen, Ereignisse oder Lebensphasen aufbewahrt haben, und die dazugehörigen Geschichten ins Museum.“ (Museum der Arbeit 1997b: o.S.). 112 Auf öffentliche Workshops, bei denen sich Projektinteressierte austauschen konnten, setzte beispielsweise das historische museum frankfurt bei der Ausstellung Ostend // Ostanfang. Ein Stadtteil im Wandel (2011). Wenn sich nicht erst eine TeilnehmerInnengruppe neu konstituieren muss, ist der soziale Austausch innerhalb der Gruppe meist einfacher. Manchmal stellt das Zustandekommen eines multidirektionalen Austauschprozesses bereits selbst einen wichtigen Aspekt der Projektziele dar, wie folgendes Projektresümee zu Show Up! boys/girls (MMK Museum für Moderne Kunst in Frankfurt a.M., 2010) erkennen lässt: „‚Show up!‘ wurde von Museum und Schule in engster Zusammenarbeit entwickelt. Das Projekt lotet innovative Möglichkeiten der Kooperation und des außerschulischen Unterrichts im Rahmen des Lehrplans aus. Kunstvermittlung wird bei ‚Show up‘ als aktive Kulturproduktion begriffen und Jugendliche als sichtbare Kulturproduzenten.“ (MMK Museum für Moderne Kunst 2010: o.S.).

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nen oder WorkshopleiterInnen) hinzuzieht, entsteht eine noch komplexere Kommunikationsstruktur, weil das Museum damit sein eigenes Wissensmonopol und seine Autorität offen relativiert113 (vgl. Abb. 13d). Es fungiert nun nicht mehr als alleiniger Wortführer; stattdessen findet eine Triangulierung statt (omnidirektionaler Austausch). Insbesondere wenn externe Fachleute die Funktion von MediatorInnen und ModeratorInnen des gemeinsamen Prozesses übernehmen, signalisiert das Museum damit, dass es sich selbst auf die nahezu gleiche Stufe mit den Teilnehmenden stellt (par inter pares) und sich als lernende und an Austausch interessierte Institution nach den Maßgaben der moderierenden externen Kraft richten will. Aber auch, wenn das Museum die Projektleitung beibehält (primus inter pares) und externe Fachleute ‚nur‘ die Aufgabe haben, die Teilnehmenden in ihrer Selbstartikulation zu unterstützen oder ihnen beispielsweise spezifisch museale Kompetenzen zu vermitteln, wird eine Angleichung beider Seiten erreicht, indem sich die Teilnehmenden in einem bewusst herbeigeführten (Lern-)Prozess emanzipieren können. Dies muss nicht unbedingt heißen, dass die Partizipierenden zu selbstbewussten und handlungsfähigen Persönlichkeiten im Sinne von Empowerment werden, wohl aber bedeutet dies, dass die Teilnehmenden sich sukzessiv aus ihrer Abhängigkeit von den Museumsleuten lösen können, weil sie nicht mehr allein auf deren Informationen/Hilfestellungen/Kompetenzen angewiesen sind.

113 Diese Haltung kommt etwa in der Reflexion des partizipativen Doppelprojekts Give & Take und Zoetermeer’s Room of Marvels (2008/2009) des Stadtmuseums in Zoetermeer (NL) zum Ausdruck, wenn die Museumsdirektorin Jouetta van der Ploeg die institutionstypischen top-down-Kommunikation ablehnt und ihre Form der Kommunikation beschreibt: „[I]t became clear that working and communicating with groups within the community required something other than the traditional top-down strategy of information processing and knowledge ordering typical of museums. Instead, it required an attitude that would deal differently with information and knowledge: less evaluative, more inquiring, more interactive. In effect, it required more of a journalistic-anthropological approach. Based on the ‚Museum 2.0‘ concept, the Stadsmuseum Zoetermeer introduced little if any real intervention during the process of including objects in the ‚Zoetermeer 2008 Collection‘.“ (van der Ploeg 2009b: 3).

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Abbildung 13: Mögliche Kommunikations- und Interaktionsstrukturen bei Partizipation

Erläuterung: a) unidirektional b) bidirektional c) multidirektional d) omnidirektional. Grafik: Anja Piontek

V.2.7 D IMENSION Z IELSETZUNGEN Als weitere Dimension beeinflussen selbstverständlich auch die jeweiligen projektbezogenen Zielsetzungen die Art und Weise eines Beteiligungsangebots; hierbei ist zwischen Zielen der Institution und den Zielen bzw. Teilnahmemotiven der Partizipierenden zu unterscheiden. Außerdem muss nach der Ziel-Methoden-Kongruenz gefragt werden. Ziel-Methoden-Kongruenz Nicht jedes Ziel lässt sich mittels Partizipation erreichen, auch eignet sich nicht jede Partizipationsform gleichermaßen für ein spezifisch gestecktes Ziel; die ZielMethoden-Kongruenz muss daher in jedem Falle bei der Projekt- oder Angebotsplanung im Blick behalten werden, um spätere Enttäuschungen zu vermeiden, die alleine darauf zurückzuführen sind, dass es gar nicht möglich war, ein Ziel im gegebenen Rahmen zu erreichen. Da die Frage nach der Eignung einer Partizipationsform bzw. -methode für ein bestimmtes Ziel jedoch so spezifisch ist, dass sie nur am jeweiligen Einzelfall sinnvoll untersucht werden kann, belasse ich es an dieser Stelle bei dem Hinweis auf die Notwendigkeit der Überprüfung der Passung von Ziel und Methode.

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Da partizipative Konzepte oftmals mehrere projektbezogene Zielsetzungen gleichzeitig verfolgen (auch innerhalb des Museums), sind (interne wie auch externe) Interessenkonflikte nicht auszuschließen. Grundsätzlich muss zwischen den Zielsetzungen der unterschiedlichen AkteurInnen bzw. beteiligten Parteien am Partizipationsprozess unterschieden werden. Die Leitfrage zur Analyse sich überlagernder Motivationen und Zielsetzungen ist: Wer hat welches Ziel für wen und zu wessen Nutzen? Nicht selten spielen hierbei auch Interessen von GeldgeberInnen, externen InitiatorInnen oder sonstigen Stakeholders eine Rolle (auf die hier nicht weiter eingegangen wird). Institutionelle Zielkategorien Die möglichen Zielkategorien, die Museen mit Partizipation verfolgen, beziehen sich immer auf ein oder mehrere der basalen Einflussgrößen, die bei Museumspartizipation eine Rolle spielen, also auf a) die unmittelbar teilnehmende oder besuchende Öffentlichkeit, b) die Gegenstände der Vermittlung (also die musealen oder nicht musealen Themen, Inhalte oder Objekte/Exponate), c) die Gesellschaft als Ganzes oder kleiner gedacht die lokale Community als solche und/oder d) auf das Museum als Institution oder ‚Wirtschaftskraft‘ (vgl. auch Abb. 11, wo ich dies bereits aus den kunstspezifischen Überlegungen Silke Feldhoffs schlussfolgerte). Grob lassen sich vier Zielkategorien bzw. Stoßrichtungen auf Museumsseite im Zusammenhang mit Partizipation unterscheiden:114 Sammlungs- und forschungsbezogene Ziele So etwa insbesondere der Wunsch nach Aktualisierung der eigenen Sammlung und/ oder das Ziel, einen Gegenwartsbezug zu schaffen. Die partizipativ generierten Inhalten sollen dementsprechend die Funktion erfüllen, der Sammlung neue Deutungen zuzufügen und Multiperspektivität zu ermöglichen (manchmal auch erhofft als interkulturelle Dialoge) oder schlicht Gegenstände ‚zum Sprechen zu bringen‘, die von BesucherInnen bisher eher als ‚verstaubt‘ oder ‚tot‘ erachtet wurden. Oder sie sollen jenen inhaltlichen Input liefern, der nicht durch wissenschaftliche Forschung

114 Nina Simon nimmt eine andere Kategorisierung vor und unterscheidet zwischen „Learning Value“, „Social Value“ und „Work Value“. Des Weiteren weist sie noch auf einen „Strategic Value“ hin, der sich z.T. mit der von mir ausgemachten Kategorie der ökonomischen Ziele deckt (vgl. Simon 2010a: 195-197). Eine interessante Grundlage für die Klassifizierung von Zielkategorien partizipativer Museumsarbeit bilden auch die von Volker Kirchberg herausgearbeiteten gesellschaftlichen Museumsfunktionen, wobei dieser zwischen manifesten und latenten Funktionen unterscheidet sowie zwischen objektiv messbaren, subjektiven und normativen Zielen, die er in einem dreiteiligen Raumkonzept von Firstspace, Secondspace und Thirdspace verordnet (vgl. Kirchberg 2005b).

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herkömmlicher Art gewonnen werden kann, sondern für den z.B. die Expertise sogenannter AlltagsexpertInnen gefragt ist.115 Mittel- und unmittelbar betreffen solche sammlungs- und forschungsbezogenen Ziele die Gegenstände der Vermittlung, die Institution an sich und/oder die späteren BesucherInnen. Pädagogisch-vermittlungsbezogene Ziele Hierzu gehört beispielsweise der Wunsch, dass Teilnehmende sogenannte Schlüsselkompetenzen erwerben, die auch über die Projektteilnahme hinaus von Bedeutung sind (z.B. Dinge mit anderen Augen zu sehen und anderen Meinungen gegenüber respektvoll und tolerant zu sein), dass sie wortwörtlich Selbst-Bewusstsein in bestimmter Hinsicht erwerben (gerne als Identitätsbildung bezeichnet), aber etwa auch, dass sie Geschichtsbewusstsein entwickeln, Einblicke in das ‚System Museum‘ gewinnen oder aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen gegenüber sensibler werden. Partizipation kommt dabei als Vermittlungsmethode die Funktion zu, auf niederschwellige Art und Weise Zugänge zu Themen und Inhalten zu schaffen und/oder spielerisch und handlungsorientiert eine alternative Möglichkeit der Auseinandersetzung im sonst traditionell visuell und kognitiv dominierten Museumssystem zu eröffnen. Solche pädagogisch-vermittlungsbezogenen Ziele richten sich unmittelbar auf die teilnehmende oder besuchende Öffentlichkeit. Public Relations-bezogene Ziele So insbesondere das Ziel der Besucherbindung und -entwicklung (Audience Development), bei dem das partizipative Angebot die Funktion erfüllen soll, neue BesucherInnen zu gewinnen (etwa das Museum für migrantische Gruppen interessant zu machen), neue und alte BesucherInnen an das Haus zu binden, Netzwerke und Allianzen zu knüpfen, auf die das Museum auch nach dem Projekt zurückgreifen kann, oder die Institution insgesamt lokal stärker zu verankern. Weiteres, jedoch meist implizites und langfristiges Ziel auf übergeordneter Ebene kann der Wunsch nach positiver Repräsentation der Institution nach außen sein. Partizipation dient dann auch dazu, die Identifikation der Teilnehmenden und im Idealfall auch des lokalen Museumsumfeldes mit dem jeweiligen Museum und/oder dessen Inhalten zu steigern, eine positive Grundhaltung dem Haus gegenüber zu evozieren und damit auf lange Sicht das Image des Museums aufzuwerten. Solche Ziele im Bereich der Public Relations dienen insbesondere dem Museum selbst, sollen jedoch auch mittelbar in die Besucherschaft sowie in das (lokale) gesellschaftliche Umfeld positiv ausstrahlen. 115 Mitunter erhoffen sich manche Häuser auch, durch partizipative Verfahren kostenlos mögliche Objekte für die eigene Sammlung zu akquirieren.

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Ökonomische Ziele Solche sind etwa dann im Spiel, wenn Partizipation als Marketingstrategie verstanden wird, von der man sich etwa verspricht, dass im Schneeballsystem die Teilnehmenden durch Mund-zu-Mund-Propaganda ein Museum oder Projekt bekannt machen und Freunde oder Verwandte als neue BesucherInnen mitbringen. Ein weiteres ökonomisches Ziel, das selten öffentlich kommuniziert wird, aber – wie der Blick insbesondere in den angelsächsischen Raum zeigt – mitunter durchaus eine Rolle spielen kann, ist, mittels Partizipation neue Förderquellen zu erschließen; beispielsweise weil man mit einer bestimmten marginalisierten Gruppe arbeitet und sich diesbezüglich um öffentliche Finanzmittel bewerben kann. Ökonomische Ziele spielten bei den von mir untersuchten Partizipationsangeboten explizit kaum eine Rolle, sondern wurden eher als möglicher positiver Mitnahmeeffekt angesehen.116 Die genannten vier Zielkategorien werden in Tabelle 3 nochmals in knapper Form einander gegenübergestellt. Ziele und Teilnahmemotive von TeilnehmerInnen Den Motiven auf Seiten der Partizipierenden, die für eine Beteiligung an einem Projekt ausschlaggebend sind, wurde in der Museums- und Besucherforschung bisher noch wenig Beachtung geschenkt, sodass belastbare Schlüsse zum jetzigen Zeitpunkt schwer fallen. Auch mein Forschungsdesign lässt keine quantifizierbaren Aussagen hierüber zu.117 Dennoch möchte ich versuchen, erste Anhaltspunkte als Diskussionsgrundlage zu liefern; dazu ziehe ich konkrete Beispiele aus dem Ausstellungsprojekt Meine Sache – Bremens Gegenwart (Focke-Museum, 2005/2006) heran, bei dem es um einen Jahresrückblick anhand persönlicher Dinge und Geschichten auf Bremen im Jahr 2005 ging: Menschen aus Bremen waren aufgefordert, ‚ihre Sache‘ des Jahres 2005 einzureichen und schriftlich zu begründen. Diese selbstverfassten Objekttexte der TeilnehmerInnen habe ich nachträglich nach motivationalen Aspekten untersucht.118 116 So äußern Düspohl/Miera/Bluche beispielsweise, dass neben den Zielen der Öffnung des Museums und der sozialen Inklusion bisher nicht repräsentierter Gruppen durchaus mit partizipativem Arbeiten die Hoffnung verbunden ist, bessere Chancen bei der Fördermittelvergabe zu haben und auch, von der Expertise der Teilnehmenden zu profitieren, die unter normalen Umständen nie als Museumsmitarbeitende hätten finanziert werden können (vgl. Düspohl et al. 2012: 162). 117 Die Datenerhebung bei meinen Fallstudien erfolgte per Fragebogen; der geringe Rücklauf lässt jedoch keine quantifizierbaren Rückschlüsse zu. 118 Die im Folgenden genannten Motivationen gehen insbesondere zurück auf die Analyse aller Begründungstexte, die im Zusammenhang des Ausstellungsprojekts Meine Sache. Bremens Gegenwart von den LeihgeberInnen verfasst worden waren, sowie unspezifischer auf den generellen Erkenntnisgewinn im Verlauf des Promotionsprojektes, so auch

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Tabelle 3: Museumsseitige Zielkategorien/Stoßrichtungen von Partizipation Sammlungs- und forschungsbezogene Ziele

Pädagogischvermittlerische Ziele

• Aktualisierung

• Erwerb von

Public Relationsbezogene Ziele

• Audience DevelSchlüsselkompe- opment (Besutenzen auf TNcherbindung und -entwicklung) Seite • Identitätsbilden- • Nachhaltig Netzwerke etablieren de Ziele (z.B. Selbstbewusst • positive Außensein) wirkung/Repräsentation des Mu• ‚Lernen‘ (Einblick ins ‚System seums Museum‘, Geschichtsbewusst– sein etc.)

der eigenen Sammlung • Schaffung von Gegenwartsbezügen • Objektakquise

Ökonomische Ziele • Marketing-

strategie • Erschließung von neuen Förderquellen • kostengünstige Ausstellungsgenerierung/Objektakquise

Funktion der partizipativen Inhalte (Beispiele): • neue Deutungen

• niederschwelliger • niederschwelliger • neue Besucher anzufügen Zugang Zugang; Türöffner locken und dafür z.B. für migrantisorgen, dass diese • Mulitperspekti• spielerische sche Gruppen durch Mundvität ermöglichen und/oder handpropaganda davon lungsorientierte • Identifikation und • Gegenstände berichten Möglichkeit der Wir-Gefühl för‚zum Sprechen Auseinanderdern bzw. evo• Nachweis über bringen‘ setzung zieren museales Enga• Input bei alltagsgement über tradi• Gegengewicht bezogenen Thetionelle Musezur sonst visuell men umskontexte hiund kognitiv naus, z.B. für basierten Aneine bestimmte eignung gesellschaftliche Gruppe Aufschlüsselung der mit partizipativen Angebotsformaten verfolgten Ziele auf Seiten der Institution Museum sowie der diesbezüglichen Funktionalität der partizipativen Inhalte bzw. Angebote. Anmerkung: TN = TeilnehmerInnen

in gewissem Teil auf die Erstellung und den (leider geringen) Rücklauf der Fragebögen an Teilnehmende meiner Fallstudienprojekte.

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Ganz prinzipiell kann zunächst einmal zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation unterschieden werden,119 also Beteiligungsgründen, die als frei gefasst erlebt werden und daher als selbstbestimmt und autonom bezeichnet werden können (intrinsisch) und solchen, die von außen an ein Subjekt herangetragen werden und daher als aufgezwungen und kontrolliert gelten (extrinsisch) (vgl. Deci & Ryan 1993: 224 ff.). Da das menschliche Bewusstsein jedoch Strategien kennt, um solche äußeren Regulationsmechanismen der sozialen Umwelt zu internalisieren, ist eine eindeutige Unterscheidung zwischen intrinsisch und extrinsisch motiviertem Verhalten nicht immer möglich bzw. künstlich. Vereinfacht ausgedrückt könnte man sagen: Manche Dinge tut man ‚freiwillig‘ ganz ohne äußere Handlungsanstöße, obwohl sie eigentlich keinem persönlichen, ureigenen Bedürfnis entspringen (vgl. Deci & Ryan 1993: 227 f.). Bezogen auf ein partizipatives Projekt könnte ein solcher Grund sein, dass eine aktive Teilnahme am Kulturleben im eigenen Umfeld als sozial erwünscht wahrgenommen wird oder aus einer persönlichen Verbundenheit dem Museum gegenüber entspringt. Ich möchte daher eine Klassifizierung nach intrinsischen und extrinsischen Motivationen zunächst außer Acht lassen, und – ähnlich wie für die Institution Museum geschehen – primär von den Bezugspunkten der Motive ausgehen, auf die sich die positiven Konsequenzen der Partizipation richten: auf die eigene Person oder auf ‚jemand anderes‘ (sei es eine andere Person, sei es die Institution Museum oder die Gesellschaft bzw. kleiner gedacht die Community im weitesten Sinne). Selbstgerichtete Motive Ein auf die eigene Person gerichtetes Motiv für die Teilnahme an einem partizipativen Museumsangebot kann zum einen den Aspekt der persönlichen Weiterentwicklung betreffen (z.B. Wunsch nach Lern-, Wissens- oder Erfahrungszuwachs, aber auch nach persönlicher Veränderung). Hierbei spielen sicherlich persönliche Interessen oder Vorkenntnisse eine Rolle, etwa, wenn sich ein Projekt mit einem Thema beschäftigt, für das man sich ohnehin begeistert oder bereits engagiert. Abgesehen davon kann der Wunsch nach Weiterentwicklung aber auch strategisch motiviert sein, etwa, wenn ein/e KünstlerIn die museale Repräsentationsmöglichkeit benutzt, um auf sich aufmerksam zu machen und so vielleicht einen größeren Bekanntheitsgrad zu erlangen.

119 Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass dieses Begriffspaar in der neueren Forschung teilweise jedoch auch kritisiert wird aus dem Grund, dass dieses in der Forschung „[...] so unklar und wechselnd [gebraucht wird], wie man das bei wissenschaftlichen Fachausdrücken selten findet.“ (Rheinberg 2006: 5). Ich folge in meinem Begriffsverständnis der Auslegung von Deci/Ryan (wie oben im Text angezeigt), die vor allem in den Erziehungswissenschaften Popularität genießt. Diese Auslegung wird von Rheinberg (2006: 8 ff.) einer kritischen Analyse unterzogen.

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Ein weiteres auf die eigene Person gerichtetes Motiv könnte plakativ mit Triebbefriedigung überschrieben werden – sei es im Positiven (z.B. Neugier, Erlebnishunger, Spaß haben wollen, Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit) oder auch im Negativen, etwa um Ärger, Wut oder Kummer öffentlich Luft zu machen und sich ‚abzureagieren‘. Zu der Kategorie der selbstbezogenen Motive zählen auch solche, die die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität und Biografie betreffen:120 besondere Lebensereignisse noch einmal aufleben lassen oder in sentimentalen Erinnerungen schwelgen; identitäre Selbstvergewisserung oder Selbstversicherung eigener (Moral-)Vorstellungen, Weltanschauungen oder des persönlichen Lebensentwurfs; aber auch die wohlige Aussicht auf öffentliche Anerkennung und der damit verbundene Stolz, der einem durch die als besondere Ehre und als beneidenswert empfundene Möglichkeit einer (Re-)Präsentation in der gesellschaftlich herausgehobenen Institution Museum zuteilwerden dürfte. Eindeutig selbstgerichtet motiviert wäre auch eine Teilnahme, weil sich das Projektthema mit einem persönlichen Interesse, einer persönlichen Leidenschaft (zum Beispiel der als Hobby-HistorikerIn) verbinden lässt: Entweder, indem man dadurch die Möglichkeit erhält, anderen von dieser Leidenschaft in irgendeiner Weise zu berichten,121 oder, weil man im Projekt die Möglichkeit hat, dieser Lei120 Beispiele von Ausstellungsbeiträgen solcher Art beim Projekt Meine Sache. Bremens Gegenwart (Focke-Museum, 2005/06) wären z.B. eine Lesebrille, die sich eine Bibliothekarin notgedrungen zulegen musste: „[...] Die Tatsache, dass eine Bibliothekarin zum Lesen eine Brille aufsetzen muss, passt besonders gut in das Klischee des Berufs – und gerade dieses Klischee will ich keinesfalls bedienen!!!“ (Focke-Museum 2006b: 58). Ein anderes Beispiel war etwa eine kleine Zinnfigur, die folgende Bedeutungsdimension für die Besitzerin hatte: „2005 bin ich in ein Altenheim, Haus Fichtenhof in Schönebeck, umgezogen. Vieles musste ich in meiner alten Wohnung zurücklassen. Aber ein Teil, an dem ich besonders hänge, habe ich eingepackt. Das ist der Hummel Wasserträger aus Hamburg. Eine kleine kupferne Figur, die ich von meiner Mutter geerbt habe. Diese Figur hatte sie wiederum von ihrer Mutter. Meine Mutter wollte mir die Figur schon früher geben, aber ich wollte sie ihr nicht wegnehmen. Nach ihrem Tod kam der kleine Wasserträger dann zu mir. Er ist mir besonders wichtig, weil er mich an meine Mutter und meinen Geburtsort erinnert.“ (Ebd. 64). 121 Der folgende Text zu ‚ihrer Sache‘ – eine Handpuppe – im Rahmen des Ausstellungsprojekts Meine Sache. Bremens Gegenwart wäre hierfür ein Beispiel: „Die hier ausgestellte Hohnsteiner Handpuppe war meine Lieblingsrolle im Jahr 2005. [...] Meine Beziehung zu Handpuppen geht bis in die Kindheit zurück. [...] Puppenspiel ist ein auf vielfältige Weise schöpferisches Hobby. [...] Für Bremen mag diese Puppe stehen, weil es in der Stephanigemeinde schon in der Kriegs- und Nachkriegszeit eine Handpuppenbühne gab, die erlosch und 1998 wieder zum Leben erweckt wurde. Ich bin seitdem Mitglied dieser Bühne, wir alle sind Laien. Im Jahre 2005 haben wir an einem PuppentheaterFestival [...] teilgenommen. Für diesen Auftritt wurden wir geschult [...]. Ich war so mit dem Lernen und Weiterentwickeln beschäftigt, wie es nur Menschen nachfühlen können, die für ihr Hobby alles andere liegenlassen mögen. Meine Aufgabe nahm mich so gefangen, dass ich darüber schweren persönlichen Kummer fast vergaß und fühlte, dass ich lebte. Also, Mut!! Möchten Sie nicht Ihren Kindern oder Enkeln etwas vorspielen? Aller Anfang ist leicht!“ (Focke-Museum 2006b: 59).

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denschaft nachzukommen. Aus psychologischer Sicht würde man vom Wunsch sprechen, ein Flow-Erlebnis zu haben. Hierunter versteht man ein holistisches, d.h. mehrere Komponenten umfassendes Glücksgefühl des völligen Aufgehens in einer Tätigkeit, das als vollkommene Einheit von Körpererfahrung, Kognition und Emotion erlebt wird. Die Handlung ‚fließt‘ gewissermaßen von einem Augenblick zum nächsten. Als Komponente des Flow-Erlebnisses gelten: Verschmelzen von Handlung und Bewusstsein, Zentrierung der Aufmerksamkeit, Selbstvergessenheit, Ausüben von Kontrolle über Handlung und Umwelt (vgl. Csikszentmihalyi & Schiefele 1993: 209-212). Fremdgerichtete Motive Je nach Projekt sind unterschiedlichste Personen, Institutionen oder allgemein Stakeholder denkbar, für oder wegen derer sich eine Person zur Teilnahme an einem Partizipationsprojekt entschließt. Um allgemeine Kategorien bilden zu können, erscheint mir hier die Zuhilfenahme der bereits angesprochenen Unterscheidung von intrinsisch und extrinsisch motivierter Tätigkeit nützlich: Fremdgerichtete intrinsische Motive wären also z.B. solche, bei denen man für jemanden oder für etwas aktiv wird – und dies nicht als Last oder Pflicht empfindet, sondern im Idealfall als persönliches Anliegen. Man widmet gewissermaßen seinen Einsatz einer Person, einer Einrichtung oder einem denkwürdigen Ereignis. Beim von mir 2005/2006 mitkuratierten Ausstellungsprojekt Meine Sache – Bremens Gegenwart, bei dem Menschen aufgefordert waren, ‚ihre Sache‘ des Jahres 2005 einzureichen, hat die nachträgliche Analyse der selbstverfassten Objekttexte der TeilnehmerInnen beispielsweise folgende fremdgerichtete, aber intrinsisch motivierte Beweggründe geliefert: das Bedürfnis der Würdigung einer anderen Person oder der Leistung eines/einer Anderen122 oder auch der Ausdruck von Dankbarkeit einem Dritten gegenüber.123 Denkbar wäre hier aber auch die Projektteilnahme aus einem 122 So beispielsweise der Beitrag eines Mitglieds der Bremer Theaterfreunde, der als Gegenstand die Trophäe des Kurt-Hübner-Preises vorgeschlagen hatte, mit dem einmal jährlich ein Ensemblemitglied oder eine Produktion des Bremer Theaters ausgezeichnet wird. Der Teilnehmer war offensichtlich zur Projektteilnahme mobilisiert worden, weil es ihm ein Anliegen war, etwas, seiner Meinung nach, Außergewöhnliches bzw. für Bremen Bedeutsames in mehrfacher Hinsicht zu würdigen: Zum einen das Bremer Theater und dessen Qualität, den Verein der Theaterfreunde, die die private Finanzierung des Preises stemmen und daher zu wichtigen Seismographen und Unterstützern der Bremer Kulturszene zählen, sowie auch den Preisträger von 2005 (vgl. Focke-Museum 2006b: 49). 123 Ein Beispiel hierfür wäre eine alte Mundharmonika des Schwiegervaters, zu der die Teilnehmerin schrieb: „[...] Bei der Auflösung seiner Wohnung fand ich die Mundharmonika. Er zeigte kein Interesse daran. In der Adventszeit aber [...] schnappte er sich ‚unbemerkt‘ sein gutes Stück. Sehr leise und nach und nach kam eine Melodie zustande: Stille Nacht! Nach über 35 Jahren war dies das erste Lied, das er spielen konnte. Von da an musizierten und sangen wir fast jeden Tag. Diese Erfahrung [...] zeigte mir, wie wichtig es ist, etwas zu lernen, was einen im ganzen Leben Freude in der Freizeit geben kann.

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Verbundenheitsgefühl dem Museum oder den ProjektinitiatorInnen gegenüber oder, weil man generell die (thematische, soziale etc.) Stoßrichtung eines Projekts für unterstützenswert erachtet und sich für die MacherInnen wünscht, dass es eine entsprechende Teilnahmeresonanz erfährt bzw. ein Erfolg wird. Eine fremdgerichtet motivierte Projektteilnahme kann auch auf eher langfristige Effekte für ein größeres soziales Umfeld abzielen. Im Wesentlichen lassen sich hierbei drei Motivkategorien unterscheiden: Zum einen (mitunter mit ‚missionarischem‘ Eifer hervorgebrachte) Kritik, Mahnung oder Anklage: Der Ausstellungsbeitrag dient dazu, ein ‚Zeichen gegen das Vergessen‘ zu setzen, Missstände anzuprangern, der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten und damit Andere zum Nachdenken anzuregen, bestenfalls zu mobilisieren und dadurch vielleicht irgendwann tatsächlich konkrete Veränderungen anzustoßen.124 Zum anderen aber auch im umgekehrten Fall, nämlich indem der Ausstellungsbeitrag als Vehikel dienen soll, um auf positive Leistungen oder Entwicklungen aufmerksam zu machen, die zwar im Dienste der Gesellschaft stehen, jedoch nicht in der öffentlichen Wahrnehmung – oder zumindest nicht in dem Maße, wie sie es nach Meinung des betreffenden Teilnehmenden verdient hätten.125 Als letzter wesentlicher motivationaler Aspekt in gesellschaftlicher Hinsicht wäre der Impetus des direkten Anschiebens oder Empowerments zu nennen. Dieses Anliegen verfolgten etwa einzelne AkteurInnen beim Projekt Ostend // Ostanfang, das später als Fallstudie noch genauer vorgestellt wird. Von fremdgerichtet extrinsisch motivierten Teilnahmegründen könnte man dann sprechen, wenn, wie eingangs erwähnt, jemand ‚gezwungenermaßen‘ mitmacht, etwa, weil man ansonsten soziale Konsequenzen zu befürchten hätte; hierunter fällt die Teilnahme aus einer sozialen Erwünschtheit heraus wie z.B. bei Gruppenzugehörigkeitsphänomenen, die bei der geschlossenen Teilnahme eines Vereins vorstellbar wären, mit der nicht alle Vereinsmitglieder einverstanden sind. Auch ein Ver-

Ich fing daraufhin an, Gitarre spielen zu lernen [...]. Leider verstarb Vati am 31.12.2005. Ich vermisse ihn und sein Mundharmonikaspiel sehr. Die Erinnerungen aber lassen mich dankbar sein für das wundervolle Jahr.“ (Focke-Museum 2006b: 48). 124 Dies tat z.B. eine im Jahr 2005 vierzig Jahre alt gewordene Bremerin bezüglich des Themas Vereinbarkeit von Kinderwunsch und prekären Arbeitsverhältnissen. In ihrem Text heißt es: „[...] Eine eindeutige Entscheidung für ein Kind habe ich, auch aufgrund meiner unsicheren beruflichen Perspektive, immer wieder verschoben. Wenn ich meinen ‚aufgeschobenen Kinderwunsch‘ noch realisieren will, bleibt mir nicht mehr viel Zeit. Dieser leere Puppenwagen war im Jahr 2005 mein persönliches Symbol dafür. Kinder? Einerseits eine sehr persönliche Entscheidung. Andererseits eine Frage mit gesellschaftspolitischer Dimension, die von vielen Frauen meiner Generation noch nicht entschieden wurde. [...].“ (Focke-Museum 2006b: 43). 125 Beispielhaft wäre hier die als Ausstellungsbeitrag eingereichte erschütternde Zeichnung eines tschetschenischen Flüchtlingskindes zu nennen, die das erlebte Kriegsgeschehen wiedergab und von der die AusstellungsbesucherInnen erfuhren, dass sie in der – inzwischen erfolgreich abgeschlossenen – Traumatherapie eines Bremer Vereins zur Flüchtlingshilfe entstanden war (vgl. Focke-Museum 2006b: 49).

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pflichtungscharakter, wie er bei Schulklassenprojekten vorkommt, bedeutet letztlich u.U. eine Teilnahme, um Sanktionen zu vermeiden. Auch wenn die obige Darstellung und Tabelle 4 die verschiedenen Teilnahmemotive scharf voneinander abgrenzen, sollte klar sein, dass sich in der Realität oftmals mehrere, unterschiedliche Motive überlagern. Tabelle 4: Mögliche Motive von Teilnehmenden Teilnahmemotive von Partizipierenden im Überblick Selbstgerichtete Motive

• Persönliche Weiterentwicklung – auch strategisch motiviert • Triebbefriedigung • Identitätsarbeit • aus Leidenschaft (Flow-Erlebnis) • intrinsisch motiviert

- eher unmittelbar und spezifisch (z.B. Würdigung einer bestimmten Person, als Ausdruck von Dankbarkeit oder persönlicher Verbundenheit) Fremdgerichtete Motive

- eher längerfristig und ‚allgemeiner‘ (z.B. um eine positive oder negative gesellschaftlich-soziale Entwicklung anderen ins Bewusstsein zu rufen oder um eine Teilhabe oder Empowerment von Benachteiligten anzustoßen) • extrinsisch motiviert (aus sozialer Erwünschtheit, zur Ver-

meidung persönlicher negativer Konsequenzen) Ein anderer Ausgangspunkt als die von mir zuvor vorgeschlagene Klassifizierung von wesentlichen Teilnahmemotiven auf Seiten der Partizipierenden könnte die BesucherInnen-Typisierung von John H. Falk und Lynn D. Dierking bieten,126 die in langjährigen Forschungen herausgefunden haben, dass die überwiegende Mehrheit der MuseumsbesucherInnen (wie übrigens auch der Nicht-BesucherInnen) in ein Raster aus nur fünf (bzw. sieben)127 identitären Typen fällt. Je nach Typ werde das Museum zu unterschiedlichen Zwecken aufgesucht, nach welchen sich dann auch das Besuchsverhalten, die Aufmerksamkeit und sogar das ausrichte, was man nach dem Museumsbesuch in Erinnerung behalte. Falks Unterscheidung insbesondere in EntdeckerInnen (Explorers), HelferInnen (Facilitators), Profis/leidenschaftliche ‚Tüftler‘ (Professionals/Hobbyists), Erlebnishungrige (Experience Seekers) und Er126 Vgl. z.B. Falk & Dierking 2013. 127 Falk und Dierking denken später noch zwei zusätzliche Typen an, die „Respectful Pilgrims“ und die „Affinity Seekers“ (vgl. Falk & Dierking 2013: S. 48 f.).

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holungssuchende (Rechargers) könnte man vielleicht folgendermaßen auf die Frage nach der Teilnahmemotivation bei partizipativen Projekten übertragen: •









Wesentlicher Teilnahmeantrieb der Entdeckertypen dürfte prinzipielle Neugier (auf ein Thema, eine neue Situation, auf den Blick hinter die musealen Kulissen usw.) und das Bedürfnis nach Wissens- und Erfahrungszuwachs sein. Die Helfertypen (im Original Facilitators) sind laut Falk Menschen, die ihre persönlichen Bedürfnisse zurückstellen mit dem Ziel, andere darin zu unterstützen, ein gewinnbringendes Erlebnis zu haben – insbesondere Eltern würden beim Familienbesuch eines Museums diese Rolle annehmen. Auf ein partizipatives Projekt übertragen, könnte man folgern, dass Helfertypen von sozialen oder interpersonellen Motiven bestimmt sind und mit der Projektteilnahme fremdgerichtete Ziele verfolgen: Diese wären z.B. Verbundenheit mit dem Museum/den Projektbeauftragten oder -initiatorInnen/befreundeten TeilnehmerInnen; oder der Wunsch, das Projekt bzw. eine Idee zu unterstützen. Denkbar wäre aber auch eine Teilnahme, um jemandem einen Gefallen zu tun oder um jemand anderem eine Teilnahme zu ermöglichen bzw. ihn/sie dazu zu ermutigen. Die Profis und Tüftler wollen, plakativ gesagt, einer persönlichen Leidenschaft nachgehen. Ihre Teilnahme dürfte also davon abhängen, ob sich ihre Passion mit dem partizipativen Projekt (z.B. dem Projektthema) deckt. Ihr Teilnahmeantrieb wäre demnach die eigene Begeisterung und das persönliche Interesse. Mit der Projektteilnahme verbunden wären höchstwahrscheinlich Ziele wie persönliche Erfüllung durch die völlige Versenkung in die geliebte Tätigkeit oder das geliebte Thema, der Austausch mit Gleichgesinnten bzw. diesbezügliche Netzwerkarbeit oder die weitere Professionalisierung auf ‚ihrem‘ Gebiet. Die Hauptmotivation von Erlebnishungrigen besteht laut Falk darin, etwas tun oder erleben zu wollen, das außergewöhnlich ist oder bei dem ‚man einfach dabei gewesen sein muss‘. Vielleicht läge für Menschen dieses Typs der Reiz einer Teilnahme insbesondere in der Tatsache begründet, dass partizipative Projekte prinzipiell Dinge ermöglichen, die sonst nur den MuseumsexpertInnen vorbehalten sind; je unkonventioneller ein Angebot in dieser Hinsicht ausfällt, desto mehr dürfte es Menschen dieses Typs wahrscheinlich ansprechen. Die „Recharger“, also diejenigen, die Museen laut Falk als Rückzugsorte zur Erholung oder zum Zwecke sinnlicher, bisweilen transzendenter Erfahrung aufsuchen, könnten sich vielleicht am ehesten von Projekten angesprochen fühlen, bei denen sie elementare, tiefschürfende Selbsterfahrungsmöglichkeiten vermuten oder die ein bewusst ‚alternatives‘ Projekt jenseits des (kulturellen) Mainstream oder der Logiken des (gesellschaftlichen) Systems darstellen. Ihre Teilnahmemotivation wäre dann als der prinzipielle Wunsch nach Alteritätserfahrungen, Selbsterfahrung oder Selbsterkenntnis zu beschreiben. Ebenso dürfte sich diese Personengruppe wahrscheinlich von Projekten oder Angeboten an-

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gesprochen fühlen, von denen sie sich verspricht, persönlich Kraft aus der Betätigung zu schöpfen. Neben diesen fünf Grundtypen wurden später noch die „Respectful Pilgrims“ und „Affinity Seekers“ als weitere BesucherInnen-Typen angedacht. Die erstgenannte Personengruppe, der ‚Pilgertypus‘, zeichne sich laut Falk/Dierking, grob gesagt, dadurch aus, dass diese Museen aufsuchen, um dem dort Repräsentierten Respekt zu zollen und diesem gewissermaßen eine Ehrerbietung zu erwiesen. So gesehen wären solche Personen vielleicht besonders an Partizipationsangeboten interessiert, die einem bestimmten Gedenken dienen.128 Die „Affinity Seekers“ interessieren sich gezielt für solche Museen bzw. Ausstellungen, bei denen das Ausgestellte das persönliche Verständnis von kulturellem Erbe oder die eigene identitäre Selbstvergewisserung stützt und bestätigt. Für die ‚Seelen- oder Wahlverwandten‘ dürfte bei einem Partizipationsangebot daher wohl ganz besonders ausschlaggebend sein, wie sehr sie sich mit den Museumsleuten, anderen Teilnehmenden oder den Inhalten/Themen ‚auf derselben Wellenlänge‘ fühlen bzw. sich durch und durch damit identifizieren können.

Ob sich Falks und Dierkings Klassifizierung wirklich in eben skizzierter Weise auf die Teilnehmerschaft partizipativer Projekte übertragen lässt und ob sich dieser Blickwinkel dann auch als gewinnbringend für die weitere Forschung zu Partizipation herausstellt, sei vorerst dahingestellt.

V.2.8 D IMENSION S ELBSTVERSTÄNDNIS Mit den Zielen eng verwoben ist auch jene Dimension, die danach fragt, mit welchem Verständnis partizipativ gearbeitet wird, d.h. welcher Stellenwert Partizipation gegeben wird und aus welchem Selbst- und Fremdbild heraus dies geschieht. All dies ist nicht nur, wie gesagt, mit den prinzipiellen Zielsetzungen eines spezifischen Museums verwoben, sondern resultiert auch aus dessen Geschichte und ‚Tradition‘ sowie den jeweiligen ökonomischen Rahmenbedingungen, hat aber auch mit gesellschaftlichen Entwicklungen und mithin auch mit den MuseumsmitarbeiterInnen zu tun, die mit ihrer Arbeitseinstellung das institutionelle Gesamtbild mitprägen. Die sich in diesem Spannungsfeld entwickelnde ‚museale Identität‘ eines Hauses entscheidet wesentlich darüber, ob, wie und zu welchem Zweck Partizipation stattfindet.

128 Beispielsweise Projekte zum Thema ‚GastarbeiterInnen‘, die anlässlich der Jahrestage der Anwerberabkommen initiiert werden, aber etwa auch Erinnerungsarbeit an den Krieg oder die Nachkriegszeit.

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Stellenwert von Partizipation Was den möglichen Stellenwert von Partizipation betrifft, unterscheide ich drei verschiedene Grundhaltungen, nämlich den prinzipiellen, instrumentellen und künstlerischen Ansatz. Prinzipieller Ansatz Wird ein prinzipieller Ansatz vertreten, stehen Partizipation an sich und die damit erhoffte Demokratisierung des Museums im Vordergrund. Ziel ist es, die Idee vom Museum als Ort für die Gesellschaft, im Kollektivbesitz und getragen von der Gesellschaft, wortwörtlich zu realisieren. Damit rekurrieren AnhängerInnen dieser Position im Grunde genommen auf den Gründungsgedanken des modernen Museums, an dessen Ausgangspunkt die Besitznahme des Louvre im Zuge der Französischen Revolution stand, und an die damit einhergehende Proklamierung der in ihm deponierten Schätze des Adels und der Kirche als „biens nationaux“ (McClellan 1999: 92), als Besitz aller. Der prinzipielle Ansatz stellt den Wunsch nach der Einlösung dieses Versprechens von Partizipation über die (eigennützigen) Interessen der Institution und ihrer MitarbeiterInnen. Insofern könnte man diesem prinzipiellem Ansatz, angelehnt an Carmen Mörsch, einen transformativen Charakter zuschreiben (vgl. Mörsch 2009b), da die Funktionen und Mechanismen des Museums demokratisiert und erweitert – also verändert – werden sollen. In der Politikwissenschaft wird ein solch umfassendes und in gewisser Weise radikales Verständnis als „normative“ (Schultze 2011: 437) Partizipationsauslegung bezeichnet und beschrieben als „Ziel und Wert an sich“ (ebd.) bzw. als „Form der Verwirklichung von Demokratie selbst“ (FuchsHeinritz et al. 2011: 483). Instrumenteller Ansatz Dem gegenüber steht ein instrumentelles Verständnis, bei dem Partizipation als Mittel zum Zweck verstanden wird. Partizipative Elemente oder Methoden haben eine ‚nur‘ dienende Funktion und bleiben stets anderen Zielen des Museums unterworfen. Dies bedeutet auch, dass Partizipation nur dann praktiziert wird, wenn sie aus zweckrationaler Sicht das beste Instrument zur Erreichung eines Zieles darstellt. Zum instrumentellen Verständnis zähle ich insbesondere Partizipation als museumspädagogische Methode – Partizipation wäre hier also ‚nur‘ eine Spielart von vielen aus einem bunten ‚Potpourri‘ musealer Vermittlungspraxen. Ohne diese Form der Partizipation pauschal abwerten zu wollen, möchte ich darauf verweisen, dass Partizipation dort, wo sie als reine Aufgabe der VermittlerInnen (und eben nicht der KuratorInnen) innerhalb einer Institution angesehen wird, in vielen Fällen meist automatisch eine Form der innerinstitutionellen Abwertung erfährt (entsprechend dem traditionell gewachsenen hierarchischen Gefälle zwischen diesen beiden Professionen, das im deutschen Museumswesen noch lange nicht überwunden ist).

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Insofern zeugt ein als Vermittlungsprojekt deklariertes Partizipationsangebot manchmal schlicht von einem geringeren Stellenwert von Partizipation in diesem Museum.129 Durch die Deklarierung als Vermittlungsprojekt wird meist zugleich auch das transformatorische Potenzial von Partizipation ‚entschärft‘, da solche Projekte i.d.R. nicht die traditionelle Rolle und die Machtbefugnisse von KuratorInnen zur Disposition stellen können, weil es keine Berührungspunkte hierzu gibt. Künstlerischer Ansatz Jenseits dieser beiden Pole gibt es in der Kunstpraxis auch noch die Idee von Partizipation als spezifischer künstlerischer Ausdrucks- und Arbeitsform bzw. von Partizipation als Kunstform.130 Da dieses Verständnis außerhalb der Bildenden Kunst für Museen im Allgemeinen keine Rolle spielt, sich höchstens in Spuren dann zeigen kann, wenn KünstlerInnen als Projektverantwortliche von einem Nicht-Kunstmuseum für ein partizipatives Projekt engagiert wurden, wird hier nicht näher darauf eingegangen. Selbst- und Fremdbild Eine weitere Einflussgröße, die – zumindest implizit – steuert, in welcher Weise und mit welcher Intensität Partizipation umgesetzt wird, ist das jeweilige Selbstund Fremdbild der Institution (vgl. Fürstenberg & Motakef 2009: 137). Denn wie zuvor erwähnt, werden die Art und Weise, wie und mit welchem Verständnis Partizipation stattfindet, von Persönlichkeit, Charakter und Biografie/Geschichte der miteinander Partizipierenden bestimmt; Partizipation kann nie entkontextualisiert stattfinden und wird in unterschiedlichen Verständniskontexten unterschiedlich gewollt, gefördert, kritisiert oder abgelehnt werden. Dies soll im Folgenden verdeutlicht werden: In den Vorkapiteln kamen bereits zentrale Dilemmata bezüglich fachlicher Autorität, Kommunikationsstilen und Machtverteilung in partizipativen Prozessen zur Sprache – Grundpfeiler im Selbstverständnis jedes Museums. Anhand der bereits erwähnten Ausstellung Böse Dinge möchte ich im Folgenden beispielhaft veranschaulichen, wie unterschiedlich Museen sich hier positionieren und wie sehr auch 129 Budgets, Marketingmaßnahmen, zugewiesene Räume etc. fallen dann oftmals dementsprechend ab verglichen zu rein klassisch-kuratorischen Ausstellungen. Ausnahmen sind dort möglich, wo GeldgeberInnen die Vermittlung explizit unterstützen und durch ihre Wertschätzung auch innerinstitutionell aufwerten; vgl. z.B. Altmann & Maresch 2014. 130 Claire Bishop nennt beispielsweise folgende KünstlerInnen und betont deren partizipativen Ansatz in Form kollaborativer Arbeitsteilung: „[F]igures like Francis Alys, Pierre Huyghe, Matthew Barney, and Thomas Hirschhorn have all turned to social collaboration as an extension of their conceptual or sculptural practice. Although the objectives and output of these various artists and groups vary enormously, all are linked by a belief in the empowering creativity of collective action and shared ideas.“ (Bishop 2006: 179). Eine Reihe an Kurzvorstellungen von Projekten, bei denen Partizipation gewissermaßen als Kunstform zum Tragen kommt, findet sich bei Chun 2012: 88 ff.

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das Bild, das sich ein Museum von den potenziell Partizipierenden imaginiert, hierdurch geprägt werden kann: 2009/2010 erarbeitete und zeigte das Werkbundarchiv – Museum der Dinge die KuratorInnen-gemachte Ausstellung Böse Dinge – eine Enzyklopädie des Ungeschmacks, die die Frage nach Bewertungsmaßstäben und Dingbedeutungen sowie nach ‚Geschmack‘ und Ästhetik stellte. Hierfür rekonstruierte das Museumsteam die sogenannte Abteilung für Geschmacksverirrungen des Stuttgarter Landesgewerbemuseums von 1909, die der damalige Museumsdirektor Gustav E. Pazaurek zu erzieherischen Zwecken eingerichtet hatte, und die in strenger Systematik und spezifischer ‚Fehler‘-Nomenklatur beispielsweise ‚Kitschobjekte‘ oder in ihrer Funktionalität eingeschränkte Dinge präsentierte. 50 originale Leihgaben wurden zusammen mit zeitgenössischen Objekten präsentiert. Bestandteil war ebenfalls der bereits angesprochene Bereich, in dem die BesucherInnen anhand eigener „böser Dinge“ die Klassifizierung selbst nachvollziehen bzw. fortschreiben konnten. Ich selbst habe die Ausstellung in Berlin nicht gesehen; der kuratorische Teil war jedoch als Wanderausstellung seitdem mehrfach in leicht variierter Form in verschiedenen Museen zu sehen, wobei diese jeweils den partizipativen Teil nach eigenen Vorstellungen gestalteten, was ich anhand eines partizipativen Teilelements, der Ding-Börse, veranschaulichen möchte: Während das Kunstgewerbemuseum in Winterthur den Aufruf „Bringen Sie Ihr böses Ding mit!“131 offen-erwartungsfroh nach außen kommunizierte, fügten das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe und das Hofmobiliendepot – Möbel Museum Wien dem Einladungs- und Aufforderungscharakter ihrer Aufrufe eine ganze Reihe von vorauseilenden Vorschriften hinzu: Verboten war, was lebt, leuchtet, Krach macht, schmutzt, schlecht wird, zum Anziehen ist oder ein bestimmtes Maximalmaß überschreitet... (vgl. Hofmobiliendepot – Möbel Museum Wien 2014: o.S. u. Museum für Kunst und Gewerbe 2013: o.S.). Aus welchem Selbstverständnis heraus werden solche Regeln gegenüber den noch unbekannten TeilnehmerInnen formuliert? Welche negative Meinung über die eigene Besucherschaft spricht hieraus? Wie würde man sich selbst als AdressatIn angesichts einer solchen ‚Einladung‘ fühlen? Manche Institution sieht sich selbst nach wie vor als ‚Leitmedium‘ und im alleinigen Besitz von Wissen und Kompetenz, um über das kulturelle Erbe bestimmen zu dürfen. Entsprechend gering kann das Zutrauen in die Fähigkeiten der Bevölkerung sein, die in Korrelation zur eigenen Selbstwahrnehmung als „Museumsprofessionelle/r“ als „AmateurInnen“ abgetan werden.132 Dies beeinflusst das Ausmaß 131 Der Aufruf lautete lediglich „Bringen Sie Ihr böses Ding mit! Die Besucher/innen sind eingeladen, mit eigenen ‚Bösen Dingen‘ zur Ausstellung beizutragen. Sie entscheiden, was mit diesen geschehen soll: Verbessern, verschlimmern, neutralisieren? Zur Adoption frei geben – oder gar zerstören?“ (Gewerbemuseum Winterthur 2011: o.S.). 132 Zur negativen Konnotation des Begriffs AmateurIn im Gegensatz zum positiv konnotierten Begriff des Professionellen/der Fachkraft schreibt S. Basar: „There is a palpable sense of cultural weight attached to the word ‚professional‘. And, equally there is a derisive dimension to the term ‚amateur‘. […] Amateur is like a minus sign in front of a positive

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und die Form der zugestandenen Partizipationsmöglichkeit. Es spielt also eine Rolle, ob sich ein Museum selbst als „Wachhäuschen“ (Maleuvre 2010: 32) und „Ikone westlicher Hochkultur“ (Baur 2010c: 10), als „Instanz der autorisierten Repräsentation von Wissen“ (Sieber 2011: 10) versteht oder als „agent of change“ (Sandell 2002a: 9) bzw. als „Experimentierfeld der neuen Museologie“ (Hochreiter 2014: 2). Und es ist von entscheidender Bedeutung, ob ein Museum die (potenziell) Teilnehmenden eher defizitär als „Partizipatienten“ (Rollig & Sturm 2002b: 15), als „Bittsteller“ (vgl. Lynch 2011b: 477) und „Almosenempfänger“ (vgl. ebd.) oder im Gegenteil als „(Alltags-)Experte“ (Gesser et al. 2012b: 11), wenn nicht gar als den eigentlichen „Inhalt des Museums“ (Weibel 2007: 28) versteht. Immer zeugen diese Selbst- und Fremdentwürfe von den vielfältigen Interessen und Vorstellungen aller Beteiligten. Willentlich oder unwillentlich wirken sie auf das gesamte Partizipationsprojekt als solches ein und sind mal mehr, mal weniger deutlich spürbar.

V.2.9 E INE

WEITERE

D IMENSION ?

Partizipative Projekte im Museum in der Form, wie ich sie untersuche, nehmen erst seit wenigen Jahren im deutschen Museumswesen an Fahrt auf – von deren Erforschung ganz zu schweigen. Es ist aber anzunehmen bzw. zu hoffen, dass sich vermehrt PraktikerInnen und WissenschaftlerInnen damit auseinandersetzen werden. Ich habe acht Dimensionen als entscheidende Einflussgrößen bestimmt, die meiner Meinung nach dafür verantwortlich sind, wie das ‚Erscheinungsbild‘ und die konkrete Ausformung eines Partizipationsprojektes jeweils ausfällt. Ich möchte jedoch nicht ausschließen, dass es weitere Aspekte gibt, die als wesentliche Partizipationsdimension ebenfalls mitbedacht werden müssen. Hierfür steht das Fragezeichen als Symbol im Dimensionen-Schaubild (vgl. Abb. 12). Es soll daran erinnern, dass die Forschung im Fluss und partizipative Ausstellungsprojekte als wissenschaftlicher Untersuchungsgegenstand noch lange nicht zu Ende gedacht sind.

term: amateur DJ, amateur writer. The Professional is serious and is taken seriously.“ (Basar 2006: 30).

VI. Partizipation in der Praxis – Fallstudien partizipativer Ausstellungsprojekte

Zum Inhalt dieses Kapitels Im vorherigen Kapitel habe ich mein Dimensionenmodell von Partizipation ausführlich vorgestellt. Dieses Beschreibungs- und Analyseinstrumentarium wird im Folgenden zur Anwendung kommen, wenn ich exemplarisch drei sehr unterschiedliche partizipative Ausstellungsprojekte vorstelle und reflektiere. Zunächst wird jedes Projekt im Einzelnen kurz kontextualisiert (indem ich das durchführende Museum bzw. die Umstände, unter denen das Projekt zustande kam, vorstelle) und im Rahmen einer knappen Projektbeschreibung dargestellt. Daran schließt die vergleichende Analyse und Diskussion der drei Projekte an, die anhand des Dimensionenmodells erfolgt.

VI.1 Vorstellung Fallstudie 1: Ostend // Ostanfang. Ein Stadtteil im Wandel

30.04.-25.06.2011 im Kontorhaus im Ostend, Frankfurt a.M. Durchgeführt vom historischen museum frankfurt Öffnungszeiten: Di-So von 14:00-20:00 Uhr Eintrittspreis: frei

VI.1.1 E IN NEUES M USEUM ! – K ONTEXTUALISIERUNG Das historische museum frankfurt (hmf) wurde 1877/1878 gegründet und ist damit das älteste kommunale Museum Frankfurts. Seit seiner Gründung auf Initiative eines bürgerlichen Museumsvereins hat es im Zuge der politischen und gesellschaftlichen Umwälzungsprozesse bis dato eine wechselvolle Geschichte erlebt.1 Seit 2009 befindet es sich in einem umfassenden Sanierungs- und Neuerungsprozess, bei dem das bisherige, 1972 errichtete Beton-Gebäude 2011 für einen geplanten Neubau2 abgerissen wurde, der 2017 eröffnet wird. Das Museum nutzt(e) diese Bauphase auch als Chance, sich selbst auch auf inhaltlicher Ebene einmal mehr „neu zu erfinden“,3 nachdem es bereits in den 1970er4 Jahren europaweit für große Aufmerksamkeit in Fachkreisen gesorgt hatte, als es den „Lernort contra Musentempel“5 proklamierte und eine dezidiert didaktische Leitlinie einschlug. Als „Museum der demokratischen Gesellschaft“ (Gerchow 2011b: 5) wollte es im Sinne 1 2 3 4 5

Vgl. dazu die Chronik auf den Internetseiten des Museums unter http://historischesmuseum-frankfurt.de/index.php?article_id=29&clang=0 (zuletzt geprüft am 04.08.2015). Auskunft über das Neubaukonzept gibt etwa Lederer et al. 2011. Das hmf spricht selbst immer wieder von seiner „Neuerfindung“, vgl. z.B. Gerchow 2009a: 3, von Bethmann & von Graf Kalnein 2009: 5. Vgl. zum hmf in den 1970er Jahren: Gerchow 2011b. Slogan entlehnt dem Tagungsband Das Museum: Lernort contra Musentempel (Spickernagel & Walbe 1976).

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der Bildungsreformbewegung und der Neuen Kulturpolitik unter der Maxime „Kultur für alle“ (vgl. Hoffmann 1979) ganz bewusst mit dem bisherigen, elitären Duktus brechen. Auch wenn der damalige Paradigmenwechsel, anders als heute, ein dezidiert didaktisch-emanzipatorischer war, der sich als soziale Kulturarbeit verstand und explizit marginalisierte oder ‚bildungsferne‘ Gruppen adressierte – und somit sicherlich deutlich paternalistische Züge trug –, klingt die damalige Strategie auch heute noch fortschrittlich und in Teilen dem jetzigen Konzept recht ähnlich, wie folgende Worte Jan Gerchows, Direktor des hmf, verdeutlichen: „Teil des damaligen Programms war ein ausgesprochener Gegenwartsbezug der musealen Präsentationen sowie eine ständige Aktualisierung der Dauerausstellungen. [...] Das historische museum frankfurt der 1970er Jahre verstand sich als Bildungsstätte und Informationszentrum, an dem auch die Museumsbesucher aktiv an der Museumsarbeit und der Entwicklung der Ausstellungen beteiligt sein sollten.“ (Gerchow et al. 2012: 23)

Unter dem Eindruck der damals vor allem im Kontext der historischen Frauenforschung bedeutsam werdenden Oral History6 suchte das hmf bewusst die Zusammenarbeit mit Menschen aus der Bevölkerung.7 Die derzeitige Neukonzeption will in gewisser Hinsicht an die Ideen der 1970er Jahre anknüpfen und den damals formulierten, jedoch nicht vollständig eingelösten Anspruch auf kulturelle Teilhabe und Bildung aller Gruppen und Schichten der Stadtgesellschaft wieder aufnehmen (vgl. Gesser 2014: 58): Das Museum möchte seine soziale Rolle und Verantwortung stärker betonen und von einem „Ort über etwas“ zu einem „Ort für jemanden“ werden (vgl. Jannelli & Thiel 2014: 65). Dies liegt auch darin begründet, dass die zunehmende Urbanisierung, die Nivellierung historisch gewachsener Strukturen im Zuge der Globalisierung und der Wandel der Gesellschaft mit immer stärker heterogenen sozialen Gruppen und hochgradiger sozialer Vielfalt – insbesondere in den Städten – Museen aktuell in einen gewissen Zugzwang bringt; diese stehen unter dem Druck, auf diese Veränderungen ihrerseits mit Neuerungen zu reagieren, um nicht obsolet in der und für die

6 7

Einen Überblick zur Entstehung und Geschichte der Oral History gibt z.B. Kuhn 2008. Etwa für die Ausstellungen Arbeiterjugendbewegung in Frankfurt am Main 1904-1945 und Frauenalltag und Frauenbewegung 1890-1960. Bei letztgenannter, einer Abteilung der Dauerausstellung, wurde „[...] zum ersten Mal in einem größeren Maßstab eine zielgruppenspezifische Öffentlichkeit in die Arbeit am Projekt miteinbezogen“ (SchmidtLinsenhoff 1981: 291); dies geschah einerseits, indem dreißig Frauen über mehrere Wochen hinweg immer wieder besucht und als Zeitzeuginnen befragt wurden, aber auch, indem die vorläufige Ausstellungskonzeption eine Woche lang in Abendveranstaltungen der Öffentlichkeit vorgestellt und mit dieser diskutiert wurde (vgl. ebd. 298 f. u. 301 f. sowie Spickernagel 1981: 69). Von Stieglitz (2015: 10) schreibt rückblickend zu dieser Ausstellung: „Den Begriff ‚partizipatives Museum‘ gab es damals noch nicht, aber viel mehr ‚Partizipation‘ konnte es nicht geben.“

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veränderte Gesellschaft zu werden. Stadtmuseen betrifft dies besonders,8 wobei in Frankfurt a.M., das mit über 40 Prozent9 an Menschen mit Migrationshintergrund die höchste kulturelle Diversität der deutschen Städte aufweist, der besondere Handlungsbedarf des hmf auf der Hand liegt. Indem ehemalige Orientierungskategorien wie ‚das Nationale‘ oder ‚der Staat‘ an Bedeutung verlieren, gewinnt der momentane Lebensraum proportional dazu für die Menschen an Bedeutung (vgl. z.B. Furger & Sieber 2008: 155, Nentwig 2011: 14 u. Gerchow 2012: 55 f.). Dies begreift das hmf als Chance, um sich selbst von einem Fachmuseum für Geschichte zu einem modernen Stadtmuseum zu transformieren, mit dem Anspruch, „Referenzort für die gesamte Stadtgesellschaft“ (Gerchow 2009b: 9) zu werden. Um jedoch tatsächlich für sämtliche soziale und kulturelle Gruppierungen als „Universalmuseum für die Stadt“ (Gerchow 2011a: o.S.) attraktiv zu werden, wagt das hmf eine bewusste Öffnung gegenüber Fragen der Gegenwart und Perspektiven für die Zukunft: So wird es als Pendant zur geplanten Dauerausstellung Frankfurt einst?10 mit Frankfurt Jetzt! auch einen dauerhaften Bereich geben, der Fragen der Gegenwart und Zukunft adressiert. Dieser Bereich der Dauerausstellung, der sich im zweiten Obergeschoss auf rund 1.000 qm Fläche erstrecken soll, folgt der Idee eines Forums, das sich in erster Linie an die Frankfurter Stadtbevölkerung richten und für diese zugleich als Treffpunkt wie auch Kommunikations- und Diskussionsort über ‚ihre‘ Stadt und Lebenswirklichkeit fungieren soll (vgl. Jannelli 2013: 65). Insbesondere in diesem Bereich sollen verschiedene Kommunikations- und Ausstellungsformate sowie partizipative Methoden zum Einsatz kommen, um dauerhaft dialogische Strukturen zur Stadtbevölkerung zu etablieren und eine qualitative Beziehung aufzubauen, die bewirken soll, dass das hmf zu einer fest in der Stadtgesellschaft verankerten und von möglichst vielen Menschen als relevant betrachteten Einrichtung werden wird (vgl. Gerchow et al. 2012: 22). Denn: „Viel stärker als bisher wird sich [...] das Stadtmuseum des 21. Jahrhunderts mit seinen ‚Benutzern‘ auseinandersetzen müssen und möglichst attraktive und unterschiedliche ‚Schnittstellen‘ zu ihnen schaffen und pflegen. […] Ich behaupte, dass nur so ein Stadtmuseum zum zentralen Ort der ‚Verhandlung‘ über seine Stadt werden kann; […].“ (Gerchow 2009b: 10)

In diesen Worten des Museumsdirektors Jan Gerchow zeigt sich, dass Partizipation einen hohen Stellenwert im neuen Gesamtkonzept genießen soll; das hmf scheint 8

Vgl. zur Situation und Rolle des Stadtmuseums im 21. Jahrhundert den Tagungsband Die Stadt und ihr Gedächtnis. Zur Zukunft der Stadtmuseen (Gemmeke & Nentwig 2011) und darin insbesondere Kaschuba 2011. 9 Laut Frankfurter Neuen Presse vom 01.06.2015 lag der Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund zum Zeitpunkt der Meldung bei 47 Prozent; da die Zahlen weiter stiegen, werde bereits ab 2016 jede/r zweite FrankfurterIn einen Migrationshintergrund haben (vgl. Frankfurter Neue Presse 2015). 10 Für Informationen zu Idee und Konzept der vergangenheitsbezogenen Dauerausstellung Frankfurt Einst? vgl. Historisches Museum Frankfurt 2014a.

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gewillt zu sein, als eines der wenigen Museen Deutschlands eine umfassende Öffnung und ernsthafte Beteiligung der lokalen Bevölkerung zu vollziehen, d.h. – wie im musealen Leitbild artikuliert – den „[...] Erfahrungs- und Wissensschatz seiner Besucher ernst [zu] nehmen und als integrierten Bestandteil [zu] nutzen“.11 Welche Formate sind für Frankfurt jetzt! vorgesehen und wo liegen die Beteiligungsmöglichkeiten? Zu den fest installierten Einbauten wird zum einen ein künstlerisches Stadtmodell gehören, welches bereits unter Beteiligung von BürgerInnen entsteht,12 und in dessen Kontext später auch individuelle Erfahrungen und persönliche Geschichten aus der Bevölkerung digital präsentiert werden sollen.13 Ein anderer fester Einbau wird die Bibliothek der Generationen bilden, ein (zuvor als Bibliothek der Alten benanntes) im Jahr 2000 begonnenes partizipatives Kunstprojekt der Künstlerin Sigrid Sigurdsson in Form eines offenen Archivs:14 Das bisherige Konzept sieht vor, dass 150 Einzelpersonen oder auch Gruppen aus Frankfurt ihre persönlichen Erinnerungen in frei gewählter Form dokumentieren (hierfür stehen spezielle Bücher und Objektkassetten zur Verfügung). Diese persönlichen Hinterlassenschaften werden dann im Museum einsehbar sein und auf diese Weise ein Erinnerungskollektiv bilden, das zum Projektende, das spätestens im Jahr 2105 sein wird, einen Zeitraum von über 200 Jahren umfassen wird. Auf diese Weise fungiert die Bibliothek der Generationen gewissermaßen als „Gelenkstück“ (Gesser; Piontek 2011h: 1) zwischen Frankfurt Einst? und Frankfurt Jetzt! und hat das Potenzial, die Stadt aus ungewohnt persönlicher Perspektive von Menschen verschiedenster Herkunft oder Kulturkreisen15 zu zeigen und jüngere Generationen auf eine Auseinandersetzung mit den Überlieferungen älterer Generationen neugierig zu machen. 11 Leitbild online verfügbar unter http://www.historisches-museum-frankfurt.de/index.php? article_id=28&clang=0, zuletzt geprüft am 04.08.2015. 12 FrankfurterInnen waren dazu aufgefordert, sogenannte „mental maps“ ihrer Stadt zu zeichnen und zu kommentieren oder Fragebögen zu Frankfurt und ihrem Stadtteil auszufüllen, welche der Rotterdamer Künstler Hermann Helle dann als Grundlage seines Modells verwenden wird, das kein maßstabsgetreues Stadtmodell werden soll, sondern die Stadt als subjektiv erlebten „Erfahrungsraum“ abbilden wird (vgl. Gesser 2014: 56 f. u. Jannelli 2013: 67 sowie die diesbezügliche Internetpräsenz als digitale Ebene des Modells: https://www.mein-frankfurt-modell.de/, zuletzt geprüft am 14.04.2016). 13 So sollen sogenannte Medienmaschinen, die rund um das das Modell gruppiert werden sollen, das Einspielen und vor allem das Abrufen von Bildern, Filmen, Dokumenten, Hörstücken etc. ermöglichen, die via Internet aus der Bevölkerung eingespeist werden können. Auf diese Weise sollen „harte Fakten“ über Orte, Gebäude oder Viertel abrufbar werden, aber auch „soft facts“ rund um die individuellen Erfahrungen der FrankfurterInnen in ihren Lebenswelten. 2015 und 2016 wurde eine Sommertour durchgeführt, in der verschiedene künstlerische Methoden der Stadterforschung erprobt wurden, um damit zugleich auch erste Inhalte für die verschiedenen Medienstationen zu generieren (vgl. Gesser 2014: 56 f. sowie den in der vorherigen Fußnote genannten Internetblog). 14 Für nähere Informationen zu diesem Projekt vgl. Wettengl 2000: 24 ff. sowie Jannelli 2013: 67 u. Gesser 2014: 57. 15 Jan Gerchow sieht die Bibliothek der Alten auch im Dienste der Integration durch Repräsentation: „Migrationsgeschichten werden dauerhaft in die Sammlungen und Ausstellun-

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Ein weiteres zentrales Element von Frankfurt Jetzt! soll in jedem Falle das Stadtlabor sein. Damit bezeichnet das hmf Ausstellungen, die gemeinsam mit Gruppen aus der Bevölkerung zu bestimmten Themen realisiert werden – quasi ein partizipatives Sonderausstellungsformat, das fest in die Dauerausstellung Frankfurt Jetzt! eingebettet sein soll und je nach Projekt bis zu 600 qm der Gesamtfläche des Stockwerks einnehmen kann (vgl. Gesser 2014: 56): „Das Stadtlabor […] soll ein Forum für aktuelle Fragen zur Stadt sein und möchte die vielschichtigen städtischen Themen historisch, gegenwärtig und im Hinblick auf die Zukunft gemeinsam mit der Bevölkerung aufarbeiten und ausstellen.“ (Weber 2010/2011: 19)

Folglich soll auch „nicht das Fachwissen der Historiker, sondern die aus der Alltagserfahrung gewonnene Expertise über die Stadt“ im Mittelpunkt der Ausstellungen stehen, die von der Bevölkerung aus „Insiderperspektive“ in ihrer natürlichen Rolle als „Frankfurt-Experten“ eingebracht wird (Gesser et al. 2013: 8). Die Bezeichnung Labor ist dabei der Tatsache geschuldet, dass diese Projekte je nach Thema oder Teilnehmergruppe sehr unterschiedlich im Prozess wie auch in der späteren Präsentation aussehen können und somit einen experimentellen Charakter aufweisen; aber auch, weil jedes einzelne Projekt gewissermaßen einer punktuellen „Probebohrung“ (Jannelli; Piontek 2011b: 1) gleichkommt, mit der zu einem bestimmten Zeitpunkt die Befindlichkeiten oder Einstellungen in der Stadt zu einem bestimmten Thema untersucht werden sollen. Sobald der Neubau eröffnet ist und das Stadtlabor damit eine feste Ausstellungsfläche erhält, sollen jährlich wahrscheinlich zwei partizipative Ausstellungen bzw. Präsentationen im Rahmen dieses Formates realisiert werden.16 Zuvor wurde von 2011 bis 2015 eine Ausstellung pro Jahr an wechselnden Orten in Frankfurt unter dem Label Stadtlabor unterwegs realisiert. Das von mir als Fallstudie untersuchte Projekt Ostend // Ostanfang bildete 2011 den Auftakt der Stadtlaborreihe. Als allererster zeitgenössischer „Testlauf“ (Gerchow 2011a: o.S.) in Sachen partizipativer Ausstellungsarbeit des hmf wurde das Projekt vom Museum umfassend medial dokumentiert.17 Immerhin ging es hierbei nicht ‚nur‘ um das Ostend-Projekt als solches, sondern ganz generell auch darum, die Tragfähigkeit der gesamten partizipativen Stadtlabor-Idee im Blick auf dessen geplante Implementierung innerhalb der Neukonzeption zu prüfen, um erstmalig gen [...] integriert. Das geschieht durch den Ausbau des [...] offenen Archivs Die Bibliothek der Alten. [...] Die Liste der derzeit circa 70 Autoren wird [...] nun gezielt um solche mit Migrationshintergrund erweitert.“ (Gerchow 2012: 56 f.). 16 So die Interviewaussage von S. Gesser im Jahr 2011 (vgl. Piontek 2011h: 7). 17 Diese Arbeit führt das hmf bis dato fort, indem es einerseits parallel zum jeweils laufenden Projekt den Blog http://www.stadtlabor-unterwegs.de/ (zul. geprüft am 14.04.2016.) betreibt und den Teilnehmenden als Kommunikationsplattform zur Verfügung stellt und indem es andererseits im Nachgang Projekt-Dokumentationen in Heft- oder Broschürenform anfertigt, die teilweise auch über den Buchhandel zu beziehen sind.

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abschätzen zu können, was Partizipation konkret für die MuseumsmitarbeiterInnen und das hmf bedeutet. Auch erfuhr das Projekt eine entsprechend hohe Aufmerksamkeit in Fachkreisen, weshalb zur Auswertung neben meinen persönlichen Unterlagen auch diverse Fachartikel zur Verfügung stehen. Die Literaturlage ist damit reichhaltiger als bei anderen partizipativen Projekten.

VI.1.2 D AS P ROJEKT – K URZÜBERBLICK Ostend // Ostanfang war ein Ausstellungsprojekt im und über den Frankfurter Stadtteil Ostend, der als ehemaliger Industriestandort momentan einen starken Strukturwandel und Aufwertungsprozess erfährt, welcher ihn zu einem der am stärksten im Umbruch befindlichen Stadteile der Metropole macht, in dem verschiedenste soziale und kulturelle Lebensrealitäten aufeinanderprallen. Zum Zeitpunkt des Projekts 2011 erhielt dieser Wandel gerade durch den Zuzug der Europäischen Zentralbank, mit dem begonnenen Umbau der ehemaligen Großmarkthallen und der Errichtung eines modernen Doppel-Büroturms ein symbolträchtiges und vieldiskutiertes Gesicht. Das von Museumsseite aus initiierte Sonderausstellungsprojekt wollte vor diesem Hintergrund der Frage nachgehen, wie die Stadtteilbevölkerung in ihrem persönlichen Alltag von diesen Gentrifizierungsprozessen betroffen ist, wie sie diese Veränderungen wahrnimmt und mit dem Wandel umgeht (vgl. Weber 2012: 246). Diese Ausgangsfrage wurde vom Museum, namentlich der Ausstellungskuratorin Katja Weber gestellt, die als damalige Volontärin das Projekt maßgeblich betreute;18 sie traf auch die Entscheidung zugunsten des Stadtteils Ostend in Abgrenzung zu anderen, ebenfalls als spannend empfundenen Quartieren. Alles Weitere wurde danach gemeinsam mit einer festen Gruppe von TeilnehmerInnen aus der Bevölkerung entwickelt und abgestimmt. Die ProjektteilnehmerInnen waren mittels verschiedener Strategien – aufsuchende Gesprächsarbeit, Presseaufrufe und einem speziellen Internet-Blog,19 Workshops und einem lokalen Projektbüro in einem Bauwagen – im Stadtteil gewonnen worden. Die Auseinandersetzung und Abstimmung (in übertragener wie wörtlicher Bedeutung) über wesentliche, richtungsweisende Fragen für das gemeinsame Projekt erfolgte mit der gesamten Teilnehmergruppe in zwei großen Workshops, für die das 18 Laut Auskunft von Weber im Interview 2011 (vgl. Piontek 2011e: 1). 19 Vgl. die vorletzte Fußnote mit Angabe der Internetadresse (diese Internetseite versammelt alle bisherigen Stadtlabor-Projekte: Für das jeweils aktuelle Projekt dient die Seite als direkte Kommunikations- und ‚Werbeplattform‘, auf der Teilnehmende miteinander in Kontakt treten und Außenstehende Einblicke in den Projektverlauf oder Informationen zu aktuellen Veranstaltungen erhalten können. Für vergangene Projekte dient der Blog der Dokumentation und Erinnerung).

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Museum eine externe Moderatorin engagiert hatte. Abgesehen davon bildeten sich innerhalb der Großgruppe noch einzelne Untergruppen, die sich mit speziellen Aufgaben beschäftigten, wie etwa der Organisation des Rahmenprogramms oder der Suche nach einem geeigneten Ausstellungsort im Stadtteil. Die Realisierung der einzelnen Ausstellungsbeiträge, die jeweils für sich selbst in der Ausstellung standen, oblag den einzelnen Teilnehmenden selbst, die – zwar in Abstimmung oder, wenn nötig, mit Hilfestellung des Museums – ihren persönlichen Ausstellungsbeitrag in eigener Zeiteinteilung und Eigenregie realisierten. Im Ergebnis wurde mit Hilfe des niederländischen Gestalterbüros Kossmann.dejon und gemeinsam mit den Projektbeteiligten im sogenannten Kontorhaus am Osthafen in einer leer stehenden Büroetage eine bunte Ausstellung professionell und ansprechend realisiert. Katja Weber fasste diese wie folgt zusammen: „Wie bereits im gemeinsam verabschiedeten Ausstellungstitel ‚Ostend // Ostanfang. Ein Stadtteil im Wandel‘ anklingt, thematisiert die Ausstellung vergangene, gegenwärtige und zukünftige Lebenswelten im sich stetig verändernden Ostend. Dabei stehen die persönlichen Blickwinkel auf die Veränderungsprozesse ebenso im Fokus wie kleine Anekdoten aus den Erfahrungen der im Ostend lebenden und arbeitenden Menschen.“ (Weber 2011: o.S.)

Die Ausstellung enthielt insgesamt 38 Beiträge verschiedenster Form: angefangen bei eher dokumentarisch gelagerten Beiträgen über historische Dokumente oder maßstabsgetreue Baumodelle bis hin zu künstlerischen Auseinandersetzungen und kleinen Installationen oder ganzen Environments. Genau diese Fülle hatte sich das Projektteam des Museums erhofft und angestrebt: „Der Wert dieser Ausstellung liegt insbesondere in der Vielschichtigkeit der Perspektiven auf solche tiefgreifende Veränderungen, wie sie nicht nur in Frankfurt, sondern deutschlandweit zu beobachten sind.“ (Weber 2010/2011: 19). Erwähnenswert ist noch, dass die Teilnehmenden im Projekt teilweise selbst als MultiplikatorInnen fungierten, indem sie in oder mit ihren Beiträgen noch andere Gruppen – etwa MigrantInnen oder Kinder – zu Wort kommen ließen oder Personen für das Projekt interessierten, die sich anderweitig an der Ausstellung beteiligten (z.B. mit einem Beitrag zum Rahmenprogramm, ganz pragmatisch als AufbauhelferIn, als DJ oder Performance-KünstlerIn bei der Eröffnungsfeier). Dies erklärt, warum das Museum an manchen Stellen von über 100 (vgl. Gesser 2014: 50) bzw. mehr als 200 (vgl. Jannelli 2013: 69) Beteiligten spricht. Davon wurden 87 Beteiligte im Ausstellungsimpressum namentlich benannt: 42 Ausstellende, 18 Beteiligte mit Kunst im öffentlichen Raum oder Performances, 13 Beteiligte am Rahmenprogramm oder der Vernissage sowie 14 ObjektleihgeberInnen (vgl. Historisches Museum Frankfurt 2011d: 76 f.). Folgendermaßen kommunizierte das hmf die fertige Ausstellung auf seiner Homepage sowie im kostenlosen Saalblatt gegenüber der Öffentlichkeit:

268 | M USEUM UND P ARTIZIPATION „Das Ostend ist in Bewegung. Einmal mehr. Auf 620 Quadratmetern bieten 38 Ausstellungsbeiträge eine Auseinandersetzung mit einem der vielschichtigsten und vitalsten Stadtteile Frankfurts. Verschiedenste Menschen aus dem Viertel und Menschen, die sich aus persönlichen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Gründen mit dem Stadtteil beschäftigen, richten mit ihren Beiträgen abwechslungsreiche Blicke auf das Ostend. Sie alle sind direkt oder indirekt an der Gestaltung des Stadtteils beteiligt und zeigen das Viertel jenseits von Typisierungen in seiner ganzen Vielschichtigkeit, Aktivität und Ambivalenz. Wie das Leben im Ostend selbst, stehen die Beiträge thematisch nicht immer streng beieinander, sondern widersprechen, ergänzen und kommentieren sich gegenseitig.“20

20 Wörtlicher Auszug aus dem Ausstellungs-Faltblatt (vgl. Historisches Museum Frankfurt 2011c: o.S.) sowie von der Museumshomepage unter http://www.historisches-museumfrankfurt.de/index.php?article_id=436&clang=0, zuletzt geprüft am 13.05.2011 (inzwischen deaktiviert).

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Abbildung 14: Impressionen Ostend // Ostanfang 1

Oben: Fotoarbeiten von Teilnehmerin S. Kösting. Unten: Environment von Protagon e.V. Fotos: Anja Piontek

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Abbildung 15: Im Ostend

Oben: Mobiles Projektbüro im Bauwagen. Foto: hmf, Katja Weber. Unten: Blick aus dem Ausstellungsraum auf den Osthafen; am Fenster Guckkästen eines Teilnehmers mit Fotos vom Abriss eines Hafenkrans. Foto: Anja Piontek

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Abbildung 16: Impressionen Ostend // Ostanfang 2

Oben links: In der begehbaren Pappwohnung des Jugendladens Bornheim. Daneben: Beispiel für einen multimedialen Beitrag. Unten links: ‚Besucherbuch‘ (an einem markierten Betonpfeiler können mit Haftnotizen Kommentare hinterlassen werden). Unten rechts: Detail einer Installation mit Arbeiten von GrundschülerInnen. Fotos: Anja Piontek

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Abbildung 17: Impressionen Ostend // Ostanfang 3

Rechte Seite: Verschiedene Ausstellungsbeiträge und ihre Präsentation. Linke Seite: Großer Gruppentisch (oben) und. Getränkeverkauf (unten) im Ausstellungsraum zwischen den Ausstellungsbeiträgen. Fotos: Anja Piontek

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Abbildung 18: Details

Re. oben: Detail eines biografisch motivierten Beitrags. Darunter: Biografiekästen, initiiert und angeleitet vom Internationalen Familienzentrum e.V. Linke Seite: Hängende Bereitstellung von Textinformationen (hier: kurze Interview-Steckbriefe zu porträtierten OstendlerInnen). Darunter: Ungefragte ‚Besucherbeteiligung‘ in einem Steckbrief. Fotos: Anja Piontek

VI.2 Vorstellung Fallstudie 2: NeuZugänge. Migrationsgeschichten in Berliner Sammlungen. Eine Laborausstellung

29.01-27.03.2011 im FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum, Berlin Außerdem beteiligte Museen: Werkbundarchiv – Museum der Dinge, Museum für Islamische Kunst, Stadtmuseum Berlin Öffnungszeiten: Mi-So von 12:00-18:00 Uhr Eintrittspreis: frei

VI.2.1 ALLER ANFANG IST EINE L EERSTELLE ... – K ONTEXTUALISIERUNG Auch wenn es sich bei dem Ausstellungsprojekt NeuZugänge um eine Kooperation zweier (Forschungs-)Projekte und vier Berliner Museen handelte, soll im Folgenden nur das FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum etwas eingehender vorgestellt werden. Denn es war sicher kein Zufall, dass ausgerechnet dieses Museum maßgeblich am Projekt beteiligt war, ist es inzwischen doch überregional und sogar über die Landesgrenzen hinaus bekannt als ein Museum, das eng an seiner lokalen Community ‚dran‘ ist – ein Nachbarschaftsmuseum1 im besten Sinne, wenn man so will – und sich beim Thema Migration/kulturelle Vielfalt einen Namen gemacht hat.

1

Ich beziehe mich hier auf eine (Selbst-)Aussage (vgl. Düspohl et al. 2012: 163), die auf das sogenannte neighbourhood museum anspielt. Merkmal dieses in den 1960er Jahren in den USA im Zuge der Bürgerrechtsbewegung entstandenen Museumstyps ist, dass er gezielt die marginalisierte Bevölkerung adressiert, um deren soziale, kulturelle und wirtschaftliche Emanzipation voranzutreiben. Ulrich Paatsch weist darauf hin, dass hierin der entscheidende Unterschied zu anderen lokal bezogenen Museumstypen, wie etwa dem Écomusée, liege, welche sich nicht explizit an benachteiligte AnwohnerInnen wenden, sondern die Community ganz allgemein adressierten (vgl. Paatsch 2002: 8 f.). Auch Mar-

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Verortet ist das seit April 2013 offiziell in FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum umbenannte Museum (im Folgenden weiterhin als Kreuzbergmuseum bezeichnet) im Berliner Bezirk Kreuzberg, einem Stadtteil, der schon seit Anfang des 18. Jahrhunderts Berlins klassisches Einwandererquartier darstellt(e) und dementsprechend immer schon stark multikulturell geprägt war und ist (vgl. Düspohl 2004: 69). Kreuzberg dient(e) dabei eher als Zwischenstation: Die Bevölkerung des Viertels tauscht sich statistisch gesehen in jeder Generation einmal völlig aus (vgl. Bluche et al. 2010: 181 f.). Abgesehen davon, dass sich auf diese Weise kein ortsgebundenes Traditionsbewusstsein etablieren konnte, fehlt(e) in diesem von Armut geprägten Bezirk die klassische, bildungsbürgerliche Museumsklientel: „[E]s gehört einfach nicht zum Habitus der Leute, die hier wohnen, freiwillig und ohne ein besonderes Motiv in ein Museum zu gehen.“, so Museumsleiter Martin Düspohl einmal in einem Interview.2 Wie kam es dennoch zu einer Museumsgründung?3 – Bereits 1951 gab es eine vom Kunstamt Kreuzberg gegründete Kreuzberger Heimatausstellung, u.a. als Kompensation für das in Ostberlin liegende, damals nur noch schwer zugängliche Märkische Museum. Diese Heimatausstellung entbehrte jedoch einer echten Sammlungssystematik und setzte sich zusammen aus privaten Spenden, die mehrheitlich allgemeine Berlinbezüge statt direkte Bezirksbezüge aufwiesen. In der Aufbruchsund Reformstimmung der 1970er Jahre entstand 1978 (auch unter dem Eindruck des historischen museums frankfurt) ein erstes Konzept für ein neues Museum, das die Arbeitergeschichte und die sozialen Bewegungen im Bezirk dokumentieren sollte. Eine Realisierung wurde jedoch erst 1990 im Zuge rot-grüner Kulturpolitik möglich, welche eine Stärkung der Geschichtsarbeit in West-Berlin anstrebte und den vorhandenen Heimatmuseen eine etatisierte Stelle zur professionellen Museumsleitung zusprach – so auch Kreuzberg, das jedoch genau genommen weder eine richtige Museumssammlung noch Ausstellungsräume besaß. Kurzerhand wurden vom Stadtrat zwei Etagen eines leer stehenden Fabrikgebäudes in der Adalbertstraße angemietet und Martin Düspohl, der im Kulturamt tätig war und seine Diplomarbeit über die Idee eines Kreuzberger Stadtteilmuseums geschrieben hatte, zum Leiter des Kreuzberg Museums für Stadtentwicklung und Sozialgeschichte4 gemacht. Dieser erinnerte sich folgendermaßen an den plötzlichen und unverhofften Start:

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tin Düspohl geht es als Leiter des Kreuzbergmuseums um das Empowerment wenig repräsentierter Gruppen (vgl. hierzu insbesondere Düspohl 2007). Düspohl zit. n. Allmanritter & Siebenhaar 2010a: 34. Die folgende Darstellung der Gründungs- und Entwicklungsgeschichte des Museums stützt sich vorrangig auf folgende Quellen: Düspohl 2004, ders. 2013 u. 2014, Bluche et al. 2010, auf das persönliche Interview mit Düspohl (Piontek 2011f) sowie auf die Informationen zur Geschichte auf der Museumshomepage unter http://www.fhxb-museum.de/ index.php?id=82 (zuletzt geprüft am 19.09.2015). Als 2004 das Ende der 1980er Jahre entstandene Heimatmuseum Friedrichshain aufgegeben und die Sammlungen der beiden Museen zusammengeführt wurden, erfolgte die

276 | M USEUM UND P ARTIZIPATION „Da war ich dann doch sehr unvorbereitet [...]. Es ging sehr schnell! Ich saß hier, völlig alleine auf zwei Etagen in diesem Haus, wunderbar restauriert, aber kein Licht, kein Strom, keine Ausstattung, keine Möbel, kein Etat, eigentlich nichts.“ (Düspohl zit. n. Perl 2012: 30)5

Zusätzlich zu diesem ressourcenbezogenen Mangel erschwerte mangelnde Akzeptanz des Museums unter der stark linksautonomen, antirepressiv geprägten (Hausbesetzer-)Szene des Viertels die Museumsgründung. Eingeschmissene Scheiben und sogar ein tätlicher Angriff auf den als Eröffnungsgast geladenen damaligen Bürgermeister Walter Momper waren die Folge. Interessant ist, dass die heute vielzitierte partizipative Grundausrichtung des Kreuzbergmuseums weniger genuiner Konzeptgedanke war, sondern vielmehr dieser doppelten Notsituation geschuldet war, wie in folgender Interview-Sequenz deutlich wird: Düspohl: „Insofern waren die wunderbaren Konzepte, die man sich alle ausgedacht hatte, eigentlich für die Katz‘, man musste jetzt sehen: Was lässt sich eigentlich realisieren ohne eigenen Etat? [...] [D]as partizipative Moment ist aus der Not heraus entstanden. [...] Das Haus gegenüber war immer ein besetztes Haus, auch sehr lange. Und deshalb mussten wir jetzt gucken, wie wir hier eigentlich vorgehen können. Und die erste Ausstellung hatte schon von daher einen eher partizipativen Charakter: Wir haben die Geschichte der Adalbertstraße6 zum Thema gemacht und gemeinsam mit allen Geschäftsinhabern und Bewohnern, die dazu Lust hatten, versucht, zu jedem einzelnen Haus Geschichten zusammenzutragen [...]. So hatten wir sehr viel Kontakt zu Menschen, die mitgemacht und einiges beigetragen hatten. Und so konnten wir uns erst mal ein eigenes Standing in der Straße entwickeln.“ Piontek: „Also ging es bei der Auftaktausstellung auch darum, erst einmal das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen?“ Düspohl: „Darum ging es! Dass man sich eine eigene Lobby in der unmittelbaren Nachbarschaft erarbeitet. Wir sind zum Beispiel auch zu den ‚Dönerläden‘ gegangen, die haben uns einen Samowar geliehen, oder haben hinten bei den Bethanien – das ehemalige Krankenhaus zu den Diakonissen, die jetzt in Spandau leben – gefragt, was die noch haben. Versucht, sozusagen, uns ein nachbarschaftliches Umfeld erst mal anzueignen. Das war notwendig, um eine Akzeptanz zu erreichen, hier an dieser Stelle.“ (Piontek 2011f: 1 f.)7

Auf diese Weise dienten die ersten Ausstellungen dem Aufbau einer Sammlung wie auch dem Aufbau eines nachbarschaftlichen Netzwerks. Der Partizipationsgrad und auch die Formen der Beteiligung waren bzw. sind von Projekt zu Projekt verschieden, sodass das Museum vielfältige Erfahrungen sammeln konnte und heute sicher-

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Umbenennung in Bezirksmuseum Friedrichshain-Kreuzberg. Eine erneute Umbenennung in FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum geschah Anfang 2013. Interview mit M. Düspohl vom 02.12.2012, geführt von Sophie Perl. Gemeint ist die Eröffnungsausstellung des Kreuzbergmuseums Der Prinz wohnt hier nicht mehr. 150 Jahre Adalbertstraße (1991), die zu einer Grundlage der ursprünglichen Dauerausstellung Geschichte wird gemacht. Berlin am Kottbusser Tor wurde (seit August 2015 überarbeitet und aktualisiert). Dass zunächst einmal eine Vertrauensbasis, gerade bei migrantischen Projekten, mühsam aufgebaut werden muss, wurde z.B. auch bezüglich des Projekts Merhaba Stuttgart… oder die Geschichte vom Simit und der Brezel (Linden-Museum, 2011) berichtet (vgl. Müller 2012: 5).

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lich als eines der ‚Urgesteine‘ partizipativer Museumsarbeit in Deutschland gelten kann – „Irrwege“ und „ständiges Learning-by-Doing“ wie auch „viel Spaß und Genugtuung, wenn etwas gelang“ gehörten bzw. gehören zum Arbeitsalltag (Düspohl 2014: 305). Den Fokus speziell auf Migration als Forschungs-, Sammlungs- und Ausstellungsgegenstand legte das Kreuzbergmuseum erst rund zehn Jahre nach seiner Gründung, als die Einwanderer(-kinder) selbst die fehlende Präsenz ihrer Geschichte im Museum bemängelten (vgl. Düspohl 2007: 36). Den Auftakt bildete eine Ausstellung mit und über die erste Generation türkischer GastarbeiterInnen im Jahr 2000 anlässlich des 40-jährigen Jubiläums türkischer Einwanderung nach Kreuzberg.8 Rückblickend kritisiert Düspohl diese und folgende Ausstellungen zum Thema jedoch in der Hinsicht, dass Migration in einer eingeschränkten und stereotypen Sichtweise als Sondergeschichte behandelt und präsentiert worden war (vgl. Düspohl et al. 2012: 159). Er führt an, dass „[...] Migrationsgeschichte ein integraler Bestandteil unserer Geschichte ist, ebenso wie Frauen-, Schwulen- und jüdische Geschichte auch, und daher ein Querschnittthema aller historischen und kulturgeschichtlichen Museen sein sollte.“ (Düspohl zit. n. Allmanritter & Siebenhaar 2010: 48a)

Damit teilt Düspohl die heutige Kritik aus Fachwissenschaft und Forschung, die trotz der inzwischen gewachsenen Beachtung dieses von Museen lange vernachlässigten Themas und eines mittlerweile „regelrechten Booms“ (Bluche et al. 2013a: 12) eine veränderte Praxis fordern. Denn die bisherige Praxis im Umgang mit Migration schreibe (implizit) koloniale Narrative fort, indem sie z.B. Kultur als statisch und homogen begreife und damit einem „Integrationsimperativ“ Vorschub leiste, wonach der „defizitäre Ausnahmezustand“ Migration einer Anpassung ‚der Anderen‘ an ‚unsere‘ „Leitkultur“ bedürfe (Bayer 2014: 70).9 Vor dem Hintergrund solcher Kritik ist auch das Projekt NeuZugänge zu sehen, wenngleich hier speziell die Frage nach dem Sammeln bzw. nach Sammlungen zu Migration und kultureller Vielfalt in den Mittelpunkt rückte. Die beiden freien Kuratorinnen Frauke Miera und Lorraine Bluche gingen die „Leerstelle Migration“ (Bluche & Miera 2013: 23) im Rahmen des Förderprojekts Migration macht Geschichte10 aus dem Blickwinkel an, dass sie bestehende Museumssammlungen „ge8

Die Ausstellung Wir waren die ersten... türkiye’den berlin’e (2000/2002) wurde kontinuierlich erweitert und bildete damit den Grundstock für eine dauerhafte Abteilung über die Migrationsgeschichte Kreuzbergs. Für weitere Informationen vgl. z.B. Düspohl 2007: 36-38 u. ders. 2014: 309-312. 9 Einen knappen, guten Überblick über die kritisierte bisherige Praxis und mögliche Auswege daraus geben Bayer (2014) und Baur (2012b). 10 Hierbei handelte es sich um ein durch den Hauptstadtkulturfonds gefördertes und vom Stadtmuseum Berlin unterstütztes Projekt zum Thema Sammeln und Ausstellen von Migration. Zum Thema Ausstellen realisierten Miera und Bluche die Sonderausstellung

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gen den Strich bürsten“ (Miera; Piontek 2012d: 1) und unter neuem Blickwinkel lesen wollten. Sie folgten der These, „[...] dass es möglicherweise bereits Objekte in den Depots gebe, die etwas über Migration erzählen, als solche aber nicht wahrgenommen und inventarisiert würden. Insofern sei es wichtig, bestehende Sammlungen neu zu lesen und Inventarisierungssysteme entsprechend anzupassen.“ (Miera & Bluche 2012: 60)

Hieraus entwickelte sich das Projekt NeuZugänge, bei dem letztlich das Kreuzbergmuseum, das Stadtmuseum Berlin, das Museum für Islamische Kunst und das Werkbundarchiv – Museum der Dinge eingebunden waren. Ebenfalls beteiligt war das von der VolkswagenStiftung geförderte Forschungsprojekt Experimentierfeld Museologie11 (Technische Universität Berlin) mit Susan Kamel, Christine Gerbich und zunächst auch Susanne Lanwerd, die sich mit dem Kuratieren und der Vermittlung islamischer Kunst- und Kulturgeschichte im Rahmen dieses und weiterer Museumsprojekte beschäftigten. Die Ergebnisse des gemeinsamen, mehrstufigen Neusichtungs-, Beteiligungsund Ausstellungsexperiments fanden nicht nur in der realisierten sogenannten Laborausstellung ihren Niederschlag, sondern mündeten in die 2013 veröffentlichte Publikation NeuZugänge. Museen, Sammlungen und Migration,12 welche die Ergebnisse dokumentierte und reflektierte. Des Weiteren wurde der Ansatz von NeuZugänge in der Folge im Rahmen des Projekts Kulturelle Vielfalt im Museum. Ausstellen – Sammeln – Vermitteln des Deutschen Museumsbundes unter Leitung von Frauke Miera und Lorraine Bluche auf vier weitere Museen übertragen.13 Mein Blickwinkel auf das Projekt ist insofern ein anderer, als dass mich das Projekt nicht hinsichtlich einer Neubewertung von Museumssammlungen und nur am Rande in Bezug auf Möglichkeiten des Umgangs und der Präsentation von Migration bzw. kultureller Vielfalt interessiert, sondern wegen der Formen und Prozesse der Zusammenarbeit mit Menschen aus der Bevölkerung, die im Projekt in mehreren Formen und mit verschiedenen TeilnehmerInnengruppen verwirklicht wurden. Ortsgespräche im Kreuzbergmuseum, die Stadt- und Migrationsgeschichte miteinander verwob und dem Ansatz folgte, das Thema Migration als integralen, alltäglichen Anteil zu implementieren (vgl. zu diesem Projekt z.B. Miera & Bluche 2012). Zum Thema Sammeln, das zunächst in Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum Berlin geplant war, entwickelte sich das Projekt NeuZugänge. 11 Für weitere Informationen vgl. Kamel & Gerbich 2014b, Jung 2009 sowie die Projekthomepage http://www.experimentierfeld-museologie.org (zuletzt geprüft am 14.04.2016). 12 Vgl. Bluche et al. 2013b. 13 Das Projektmodul Sammlungen neu sichten dauerte von Ende 2012 bis Anfang 2014; die teilnehmenden Museen waren das Bröhan Museum in Berlin, das Historische Museum Bielefeld, das Landesmuseum Mainz und die Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen. Vgl. hierzu Bluche & Miera 2015 und online unter http://www.vielfalt-immuseum.de/sammlungen/ (zuletzt geprüft am 20.11.2015).

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VI.2.2 D AS P ROJEKT – K URZÜBERBLICK Ausgangspunkte des Projektes auf Seiten der Wissenschaftlerinnen waren zwei Fragestellungen, nämlich: „Wie bildet sich kulturelle Vielfalt in den Sammlungen Berliner Museen bisher ab? Und welche Objekte sollen zukünftig von Museen gesammelt werden, um Einwanderungsgeschichten und kulturelle Vielfalt zu dokumentieren?“ (Gerbich 2012: 262)

Um diese Fragen zu beantworten, wurden in z.T. parallel zueinander ablaufenden Phasen zwei verschiedene Herangehensweisen gewählt, die jeweils eigene Teilziele verfolgten: In Anlehnung an ein in Großbritannien erfolgreich durchgeführtes Programm mit dem Titel Revisiting Collections,14 wurden zum einen die beteiligten vier Museen gebeten, jeweils zwei Objekte aus der eigenen Sammlung zu identifizieren, die Migrationsgeschichten erzählen, obwohl sie einst nicht unter diesem Aspekt in die Sammlung gekommen waren.15 Ziel dahinter war, die MuseumsmitarbeiterInnen für das Thema zu sensibilisieren sowie die eigenen Seh-, Wahrnehmungs- und Systematisierungsgewohnheiten zu reflektieren – auch unter dem übergeordneten gesellschaftlichen Anspruch, Integration als gegenseitigen Prozess zu begreifen, der auch neue Denkweisen auf Seiten der Aufnahmegesellschaft erfordere (vgl. Bluche et al. 2010: 189). Die acht zusammengetragenen Musealien wurden dann wiederum an zwei Terminen sogenannten Fokusgruppen gezeigt, die sich aus migrantischen wie nichtmigrantischen BerlinerInnen zusammensetzten und im Idealfall einen Querschnitt durch verschiedene soziale Milieus versammeln sollten. Die insgesamt 17 FokusgruppenteilnehmerInnen hatten die Aufgabe, eines der acht Museumsobjekte auszuwählen und zu diesem spontane Assoziationen, Emotionen oder auch Kenntnisse still zu notieren. Dann erst erhielten sie eine Art Datenblatt, auf dem das jeweilige Museum das Objekt vorstellte und die vorhandenen Museumsinformationen wiedergab. Die FokusgruppenteilnehmerInnen sollten nun überlegen, welche Informationen ihnen fehlten bzw. welche sie als nicht relevant erachteten und ob sie die Auswahl dieses Objektes zum gesetzten Thema überzeugte. Im Anschluss wurden

14 Für eine gute Darstellung von Revisiting Collections im Kontext des eigenen Projekts vgl. Gerbich 2013: 44 ff. 15 Die Aufgabenstellung lautete: „Gibt es womöglich verborgene Schätze in den Depots, die man aufspüren könnte – Objekte, die Geschichten über Migration und kulturelle Vielfalt erzählen, aber bisher aus anderen Gründen im Museum bewahrt worden sind? Und wenn es diese ‚Migrationsobjekte‘ gibt: Wie müsste man sie in Zukunft dokumentieren und beschreiben, um ihre Bedeutungsvielfalt für Museumsmitarbeiter und -besucher besser zugänglich zu machen?“ (Bezirksmuseum Friedrichshain-Kreuzberg 2011c: 2).

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die Ergebnisse miteinander diskutiert.16 Mit Hilfe der Fokusgruppen sollten die Museumsobjekte letztlich um weitere Wissensaspekte oder Bedeutungsfacetten angereichert werden, gemäß der Prämisse von Revisiting Collections, dass auch Menschen außerhalb des Museums ohne wissenschaftliche Fachkenntnisse über relevante oder bereichernde Wissensbestände verfügen (vgl. Bluche & Miera 2013: 31). Eine Auswahl der Kommentare wurde später auch in der Ausstellung in Form von Zitaten präsentiert. Parallel dazu bekam jedes Museum die Aufgabe, zwei private LeihgeberInnen mit Migrationshintergrund zu finden und diese zu bitten, einen persönlichen Gegenstand zur Ausstellung beizutragen, der aus ihrer Sicht geeignet schien, „in hundert Jahren etwas über die Geschichte der Migration nach Deutschland zu erzählen“ (Gerbich 2013: 49) bzw. der „die bestehende Sammlung des jeweiligen Museums produktiv ergänzen könnte“ (Bluche et al. 2013a: 15 f.). Die persönlichen Kommentare und Begründungszusammenhänge wurden – von einer Ausnahme abgesehen17 – in Videointerviews festgehalten und in dieser Form in der Ausstellung präsentiert. Die privaten Leihgaben und Kommentare sollten der musealen Sicht beispielhaft eine „weitere Facette des multikulturellen Berlins“ (Bezirksmuseum Friedrichshain-Kreuzberg 2011c: 3) zufügen und gewissermaßen auch auf vorhandene Leerstellen in den Museumssammlungen verweisen, um damit zugleich bei den Museen eine Grundlage zu schaffen, mit der sich perspektivisch neue Sammlungsstrategien entwickeln ließen. Das Ergebnis der skizzierten, doppelten ‚Versuchsanordnung‘ wurde im Kreuzbergmuseum im Rahmen einer Sonderausstellung auf einer ca. 130 qm großen Fläche gezeigt. Die Ausstellungsgestaltung war von Ellen Röhner, der Ausstellungsgestalterin des Kreuzbergmuseums, mit Zutun der beteiligten Museumsleute, jedoch ohne Beteiligung von ‚Museumslaien‘ entwickelt worden. Die beiden Grundrichtungen des eben vorgestellten Projektprozesses zur Bestimmung und Reflexion der Ausstellungsexponate schrieben sich in der realisierten Ausstellung insofern fort, als dass den BesucherInnen ebenfalls ähnliche Möglichkeiten der Kommentierung und Ergänzung gegeben wurden: Zum einen, indem sie sich zur Objektauswahl der Museen sowie zu jener der acht privaten LeihgeberInnen frei auf großen Papierbahnen äußern konnten. Zum anderen, indem sie eigene ‚Migrationsobjekte‘ beisteuern konnten: Entweder, indem sie einem symbolischen Archiv bzw. Depotregal eine Objektzeichnung oder -beschreibung beifügten oder, 16 Für den genauen Ablauf der Fokusgruppentermine samt dem Wortlaut der Fragestellungen in der Einzelarbeit wie auch bei der anschließenden Gruppendiskussion vgl. Gerbich 2013: 46 f. 17 Eine Leihgeberin habe Filmaufnahmen abgelehnt, da ihr dies unangenehm gewesen sei, so Fabian Ludovico für das Werkbundarchiv – Museum der Dinge im Interview (vgl. Piontek 2011c: 4). In diesem Fall wurden die Aussagen in schriftlichter Form auf dem Bildschirm abgespielt.

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indem sie eine tatsächliche Objektleihgabe beisteuerten, für die zwei Wandvitrinen zur Verfügung standen. Letzteres war immer sonntags von 15:00-19:00 Uhr möglich, da dann ein/e VertreterIn aus einem der beteiligten Museen in der Ausstellung anwesend war. Die fertige Ausstellung wurde im Ausstellungsflyer sowie auf der Homepage der Öffentlichkeit gegenüber folgendermaßen kommuniziert: „Wie bildet sich die kulturelle Vielfalt unserer Gesellschaft in den Sammlungen und Ausstellungen der Berliner Museen ab? Die Laborausstellung erprobte neue Zugänge und hinterfragte gängige Sammlungs- und Museumspraxis. Die Kuratoren und Kuratorinnen gehen davon aus, dass die Sammlungen bereits viele Geschichten über die jahrhundertealte Diversität der Bevölkerung beinhalten. Die beteiligten Museen stellen beispielhaft acht Objekte vor und erläutern deren Bedeutung für Migration und kulturelle Vielfalt. Diese Beschreibungen werden durch Fragen und persönliche Geschichten von Berlinern und Berlinerinnen ergänzt. Die Ausstellung verweist zugleich auf die Leerstellen in den Berliner Sammlungen und präsentiert daher acht weitere Objekte von Leihgebern und Leihgeberinnen mit Migrationshintergrund, die in filmischen Interviews ihre Auswahl begründen.“ (Bezirksmuseum Friedrichshain-Kreuzberg 2011b: o.S.)

Wie hoch die Komplexität der im Projekt tangierten Theoreme und Diskurse sowie auch die (praktischen) Herausforderungen in der breiten überinstitutionellen Zusammenarbeit waren, lässt folgender Ausschnitt einer Pressemitteilung erahnen: „Vier Museen [...] sowie das Forschungsprojekt ‚Experimentierfeld Museologie‘ (TU Berlin) nähern sich dem Thema Sammlung und Migration und kulturelle Vielfalt an. Durch die Zusammenarbeit von Museen mit unterschiedlichem Profil – vom Stadtteilmuseum bis zum Kunstmuseum – treffen unterschiedliche Definitionen von ‚Migration‘ und ‚kultureller Vielfalt‘ aufeinander. Und es begegnen sich Museen der Hoch- und der Alltagskultur in einer gemeinsamen Ausstellung. Scheinbar eindeutige Begriffe wie Migration, kulturelle Vielfalt, Hoch- und Alltagskultur können so konstruktiv zur Diskussion gestellt werden.“ (Bezirksmuseum Friedrichshain-Kreuzberg 2011c: 2)

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Abbildung 19: Impressionen NeuZugänge 1

Oben: Moschee-Wecker (Exponat des Werkbundarchivs – Museums der Dinge); daneben: Mittelvitrine mit Privatobjekt eines Leihgebers (Kalligrafie) auf Archivboxen arrangiert. Unten: Kabinett (hier: des Werkbundarchivs – Museum der Dinge). Fotos: Anja Piontek

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Abbildung 20: Impressionen NeuZugänge 2

Oben: Blick auf die Kabinett-Konstruktion von außen und Einblick in ein Kabinett (hier das des Stadtmuseums Berlin). Unten: Kabinettrückwand mit Großfoto vom Depot des Museums für Islamische Kunst, flankiert von der Wand mit den Fokusgruppenkommentaren (rechts angeschnitten) und der Mittelvitrine für die Privatleihgaben (links). Fotos: Anja Piontek

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Abbildung 21: Impressionen NeuZugänge 3

Oben links: Video mit LeihgeberInnen-Interview. Oben rechts: Präsentation eines Museumsexponats arrangiert mit Seidenpapier in einer Vitrine mit Wellpappesockel und angehängten Textblättern mit Objektinformationen. Unten: Sitzplatz für BesucherInnen und Wandvitrinen für mitgebrachte Objekte von BesucherInnen. Fotos: Anja Piontek

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Abbildung 22: Mittelvitrine

Durchblick durch die Mittelvitrine und durch ein darin präsentiertes Kunstwerk von Nadia Kaabi-Linke, Leihgeberin für das Museum für Islamische Kunst (beschriebene U-BahnScheibe). Unten: Blick auf private Leihgaben arrangiert mit Seidenpapier und Archivboxen in der Mittelvitrine. Fotos: Anja Piontek

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Abbildung 23: Gestaltungsdetails

Oben: Aktenmappen mit Kommentaren von TeilnehmerInnen aus den Fokusgruppen. Unten: Beispiele für Statements zum Thema Migration, die auf den Außenwänden der Kabinette angebracht waren. Fotos: Anja Piontek

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Abbildung 24: Kommentierungsmöglichkeiten für BesucherInnen

Links: „Und was sagen Sie zu diesen Objekten?“ – Kommentierungsmöglichkeit innerhalb der Kabinette. Rechts: Stilisiertes Depotregal für eigene Objektvorschläge von BesucherInnen. Fotos: Anja Piontek

VI.3 Vorstellung Fallstudie 3: gerhardWER? – Marcks: Mehr als die Stadtmusikanten!

08.05.-07.08.2011 im Gerhard-Marcks-Haus, Bremen Öffnungszeiten: Di-So von 10:00-18:00 Uhr Eintrittspreis: 3,50 € / erm. 2,50 € / SchülerInnen 2,00 € / Kinder bis 12 Jahre frei

VI.3.1 U NGEAHNTE E INBLICKE ! – K ONTEXTUALISIERUNG Auf der sogenannten Bremer Kulturmeile, nicht weit von der Kunsthalle entfernt, befindet sich das Gerhard-Marcks-Haus, das in einem denkmalgeschützten klassizistischen Gebäude, der Ostertorwache, untergebracht ist. Der Portikus dieses von Friedrich Moritz Stamm zwischen 1825 und 1828 errichteten Gebäudes erinnert mit seinem Tympanon, das von sechs weißen Säulen getragen wird, an einen griechischen Tempel. Im Innern befindet sich seit 1971 eine der größten Ein-KünstlerSammlungen der Welt, die rund ein Drittel aller Werke des Künstlers Gerhard Marcks beherbergt (vgl. Gerhard-Marcks-Haus 2011d: o.S. u. Pressedienste für das Bundesland Bremen 2011: o.S.). Gerhard Marcks (1889-1981) gilt heute als einer der bedeutendsten figürlichen Bildhauer des 20. Jahrhunderts in Deutschland. Er war unter anderem 1919 am Bauhaus in Weimar Leiter der Töpferwerkstatt, im Verlauf seines Lebens lehrte er aber auch in Berlin, Halle und Hamburg. 1933 wurde er von den Nationalsozialisten entlassen (damals war er stellvertretender Direktor der Werkstätten auf der Burg Giebichenstein in Halle). 1937 folgte ein Ausstellungsverbot; Werke von ihm wurden beschlagnahmt und in der Ausstellung Entartete Kunst zur Schau gestellt. Nach Stationen in Berlin und Hamburg zog Marcks 1950 schließlich nach Köln-Müngersdorf und war dort bis zu seinem Tode 1981 als Bildhauer tätig.1 1

Vgl. die biografischen Informationen zu Marcks auf der Museumshomepage unter http:// www.marcks.de/biografie.aspx, zuletzt geprüft am 04.11.2015.

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Die bekannte Bronzeskulptur der Bremer Stadtmusikanten, die heute mit ihrem Standort am Bremer Rathaus als eines der Wahrzeichen der Stadt gilt, entstand 1951 als Auftragsarbeit und löste damals – ganz anders als heute – Proteste aus, da man sie als „zu modern und abstrakt“2 empfand. Dennoch scheinen diese und andere Auftragsarbeiten für Bremen eine gewisse Bindung des Künstlers zur Hansestadt bewirkt zu haben, jedenfalls entschied er sich 1966, wesentliche Teile seines Lebenswerks in Verbindung mit dem Kunstverein Bremen und der Stadt in eine Stiftung zu überführen, die 1969 als Gerhard-Marcks-Stiftung realisiert wurde. Zwei Jahre danach, 1971, eröffnete schließlich das Museum in der Ostertorwache, wo es bis heute beheimatet ist. In den 1980er Jahren wurde der Stiftungszweck erweitert, sodass das Haus heute breitgefächert zeitgenössische und moderne Bildhauerkunst des 20. Jahrhunderts präsentiert.3 Es versteht sich nunmehr als „das Bildhauermuseum im Norden“.4 Dass diese Wende bzw. thematische Öffnung vollzogen wurde, hängt auch mit dem gebürtigen Niederländer Arie Hartog zusammen, der 1996 als Kustos ans Haus kam und seit 2009 das Museum leitet. Von den kunstspezifischen Inhalten jeder Ausstellung einmal abgesehen, verfolgt Hartog zusammen mit seinem MitarbeiterInnenteam im Wesentlichen zwei übergeordnete Ziele: Zum einen möchte er das Museum wie auch dessen Namensgeber gerade in Bremen bekannter machen, denn allzu gerne werde das vielfältige Werk von Marcks allein auf die Stadtmusikanten reduziert (vgl. Beßling 2011: o.S.). Auch sei das Museum selbst prompt durchgefallen, als Hartog es nach Antritt der Direktorenstelle dem „Taxifahrer-Test“ (Pressedienste für das Bundesland Bremen 2011: o.S.) unterzogen habe – was nichts anderes bedeutete, als dass die meisten FahrerInnen, zu denen Hartog ins Taxi gestiegen war, nicht gewusst hätten, wo sich das Gerhard-Marcks-Haus überhaupt befinde. Insofern geht Hartog davon aus, dass die wenigsten BremerInnen bisher das Museum kennen und, analog dazu, wahrscheinlich gerade einmal 15 Prozent der Bevölkerung wisse, wer Gerhard Marcks gewesen ist (vgl. Radio Bremen 2011: o.S.). Das zweite Hauptanliegen Hartogs besteht darin, gegen die elitäre Abschottungshaltung anzugehen, die in Deutschland – ganz anders als in den Niederlanden – vielfach noch in (Kunst-)Museen vorherrsche.5 Er möchte bewusst auch Vorbehalte in der Bevölkerung gegenüber Museen abbauen und zeigen, dass Museen für alle da seien:

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Die zitierte Phrase stammt aus den online veröffentlichten Informationen über die Plastiken Gerhard Marcks, abrufbar unter http://www.marcks.de/plastik.aspx, zuletzt geprüft am 04.11.2015. Vgl. die Angaben zur Geschichte des Hauses unter http://www.marcks.de/geschichte.as px, zuletzt geprüft am 25.08.2015. So lautet der Beisatz, der im Logo des Museums mitkommuniziert wird. Dies spiegelt sich auch im Leitbild des Gerhard-Marcks-Hauses wider.

290 | M USEUM UND P ARTIZIPATION „Manche Leute glauben, wenn man ein Museum besucht, muss man über die Dinge, die dort ausgestellt werden, bereits Bescheid wissen. Dabei ist die Grundvoraussetzung für einen Museumsbesuch doch gar nicht Wissen – sondern Neugier.“ (Hartog zit. n. Pressedienste für das Bundesland Bremen 2011: o.S.)

Teil dieses Konzeptes, sich zur Gesellschaft hin zu öffnen, ist beispielsweise auch, BesucherInnen aktiv am Kunstgeschehen zu beteiligen und ihnen Einblicke hinter die Kulissen zu erlauben (vgl. Dupuis-Panther 2011: o.S.). Dies betrifft auch die Sammlungsbestände: Da das Haus nur über eine relativ kleine Ausstellungsfläche verfügt, die vor allem für Sonderausstellungen genutzt wird, bleibt ein beträchtlicher Teil der Sammlung – so gerade auch die Marcks-Bestände – für BesucherInnen unsichtbar. Dass sich dieser Umstand ändern soll, wird z.B. explizit im musealen Leitbild formuliert: Dort heißt es, dass das Haus „ein großes Interesse daran [hat], dass seine Sammlungsbestände auch außerhalb des Museums wahrgenommen werden können“.6 Hierfür wurde 2011 eine Online-Datenbank eingerichtet, die nach und nach Teile des Sammlungskatalogs über die Museumshomepage einsehbar und zugänglich machen soll. Die Werke Gerhard Marcks’ waren die ersten, die das wissenschaftliche Team einpflegte und online stellte. Dieses Ereignis bildete einen wesentlichen Ausgangspunkt für das partizipative Projekt gerhardWER?, wie Veronika Wiegartz, eine der beiden Kustodinnen des Museums, erläuterte: „Wir wollten unsere Bestände generell sichtbarer machen für das Publikum und haben angefangen, [...] eine Datenbank aufzubauen [...]. Diese Datenbank ist eins zu eins auf der Homepage anwählbar. Das ist heutzutage ja durchaus Usus: Bei den größeren Häusern findet man das ja eigentlich überall, dass der Wissenschaftler oder auch der Besucher sich auf eine interne Datenbank einklicken kann und nach Künstlern oder Themen suchen kann. Daran wollten wir mit unserer Datenbank anknüpfen. [...] Und das zweite war eben, dass wir – das geht damit quasi einher – die Bestände eigentlich nicht nur im Internet erlebbar machen wollten, sondern eine aktive Nutzung dieser Datenbank anschieben wollten und eben den MarcksBestand für den Besucher dadurch auch lebendiger machen wollten.“ (Wiegartz; Piontek 2012e: 1)

Mehr Lebendigkeit sei wünschenswert, so Wiegartz, weil die Erfahrung eben gezeigt habe, dass sich die Bremer Bevölkerung – ganz im Gegensatz zu auswärtigen BesucherInnen, die gezielt anreisten – nur bedingt für das Werk des Bildhauers interessiere. Insofern habe das Museumsteam überlegt, wie man in einem Sonderausstellungsprojekt das Bremer Publikum „[...] denn mal am Schlafittchen nehmen und das Ganze auch spannender gestalten [kann]. Und so haben wir dann eben dieses Projekt in Kombination mit der Datenbank angestoßen, dass sich eben jeder seinen Lieblingsmarcks wählen darf.“ (Wiegartz; Piontek 2012e: 1).

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Leitbild abrufbar unter: http://www.marcks.de/leitbild.aspx, Zugriff am 25.08.2015.

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VI.3.2 D AS P ROJEKT – K URZÜBERBLICK Im Grunde ist mit der eben zitierten Aussage schon der Kerngedanke dieses unter anderem von der Bremer Landesbank7 finanziell geförderten Projekts benannt, das sich Arie Hartog gemeinsam mit den beiden Kustodinnen Veronika Wiegartz und Yvette Deseyve ausgedacht hatte: Über Presse, Internet und mittels Flyern forderten sie Interessierte dazu auf, in den Skulpturbeständen des Künstlers auf die Suche nach einem oder mehreren persönlichen Lieblingswerken zu gehen und die Wahlentscheidung in einem persönlichen Statement zu begründen. Man könnte also überspitzt formulieren, dass die Museumsleute einen wesentlichen Aspekt der Ausstellung, nämlich die Objektbewertung und -auswahl, in die Hände von Menschen gelegt haben, „die sich mit Bildhauereien auskennen oder keinen blassen Schimmer von der Materie haben“ (Groth 2011: o.S.), wie etwa im Weser-Kurier zu lesen war, oder, wie es die BILD-Zeitung verkürzt fasste: „Normalerweise gestalten Wissenschaftler die Ausstellungen in Kunstmuseen. Im Bremer Gerhard-Marcks-Haus dürfen diesmal jedoch die Besucher bestimmen.“ (Bild-Zeitung 2011: o.S.). Eine Teilnahme war prinzipiell für jede/n ohne Vorbedingungen möglich, theoretisch sogar weltweit: Zum einen konnte man via Internet partizipieren, indem man besagte Datenbank benutzte, um sich einen Eindruck von den vorhandenen Kunstwerken zu verschaffen; die Kontaktaufnahme mit dem Museum erfolgte in diesem Fall per E-Mail. Zum anderen gab es jedoch auch die bemerkenswerte Möglichkeit, direkt vor Ort in Begleitung eines Mitglieds des wissenschaftlichen Teams das Depot im Kellergeschoss aufzusuchen und beim direkten Betrachten der Plastiken seine Entscheidung zu treffen. Anschließend füllte man einen vorgedruckten Wahlzettel aus und gab ihn ab. War das gewünschte Werk dann schließlich ausgestellt, wurde derjenige/diejenige per E-Mail darüber benachrichtigt. Aus den eingegangenen Wünschen der BesucherInnen bespielte das wissenschaftliche Museumsteam dann die Ausstellungsräume, und zwar fortwährend über die gesamte Laufzeit hinweg, sodass sich die Ausstellung wöchentlich in neuem Gesicht präsentierte: Beständig kamen neue Lieblingswerke dazu, andere, die schon zwei oder mehr Wochen gezeigt worden waren, wurden wieder zurück ins Depot gebracht. Dies geschah bei laufendem Museumsbetrieb, sodass die MuseumsbesucherInnen einen direkten Einblick in den Arbeitsalltag eines Ausstellungsbetriebs erhielten und zudem unmittelbar die inhärente Dynamik des Partizipativen miterleben konnten. Präsentiert wurden die Werke in den hellgrün gestrichenen Räumen allesamt auf weißen Sockeln. Statt der üblichen Objektschildchen waren an einem kleinen Ha7

Neben der Bremer Landesbank, deren Belegschaft im Vorfeld auch gezielt zur Ausstellungspartizipation eingeladen worden war, unterstützen die Terenz AG – Internet und Software Solutions wie auch der Freundeskreis des Gerhard-Marcks-Hauses das Projekt.

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ken in Klarsichthüllen zweierlei Informationen angebracht, die die BesucherInnen in die Hand nehmen und durchlesen konnten: Zum einen das originale Depotkärtchen (ungefähr im Format DIN A6), das die Identifizierung der Arbeit mit Künstlernamen, Werktitel, Werkverzeichnisnummer, Entstehungsjahr, Material, Inventarnummer, Maßangaben sowie einer kleinen fotografischen Abbildung in SchwarzWeiß ermöglichte. Zum anderen, im Format DIN A5, das von dem/der Wünschenden ausgefüllte ‚Wahlkärtchen‘ mit persönlicher Stellungnahme bzw. Begründung der Wahl. Hatten sich mehrere Personen dasselbe Werk gewünscht, wurden alle vorhandenen Stimmzettelchen in separaten Klarsichthüllen an den Haken gehängt. Damit die Ausstellungseröffnung nicht in leeren Räumen ohne Exponate gefeiert werden musste, hatten die MuseumsmitarbeiterInnen einige große Skulpturen „gesetzt“ (welche dauerhaft in den Räumen verblieben), diese untereinander aufgeteilt und ebenfalls mit persönlichen Kommentaren versehen (vgl. Wiegartz; Piontek 2012e: 6). Außerdem waren im Vorfeld die Mitarbeitenden der Bremer Landesbank, welche das Projekt ja finanziell unterstützt hatte, zur Teilnahme eingeladen worden, ebenso Bremer Stadtprominenz. Im Ausstellungsflyer lauteten die Ausstellungsbeschreibung und die Teilnahmemöglichkeit folgendermaßen: „Die Ausstellung präsentiert spielerisch die Spannbreite dessen, was Gerhard Marcks (18891981) in acht Jahrzehnten schuf. ‚gerhardWER‘ wird keine traditionelle Schau: Im Zentrum steht die Möglichkeit für Besucher, ihr Lieblingswerk zu betrachten. Skulpturen von Marcks können für bestimmte Termine vorgemerkt werden. Die Mitarbeiter des Museums richten um die jeweilige Skulptur eine kleine Ausstellung ein. Es gibt zwei Wege seine Lieblingsfigur im Ausstellungsbereich wiederzuentdecken: Interessierte können im Depot des Museums oder auf der Webseite www.marcks.de/suche.aspx ihre Lieblingsskulptur auswählen. Schicken Sie uns eine Email an: [email protected]. Über den Zeitpunkt der Ausstellung werden Sie von uns informiert.“ (Ausstellungsflyer; GerhardMarcks-Haus 2011b)

Ins Internet stellte das Museum einen abgewandelten Text, der den Aspekt der besonderen Partizipationssituation wie auch die neue Onlinedatenbank etwas mehr in den Vordergrund rückte und bei dem die Ansprache auch etwas ‚jugendlicher‘ und direkter formuliert war: „Suchen Sie sich Ihren Lieblingsmarcks aus! Bei uns im Depot (telefonische Terminvereinbarung unter [...]) oder in unserer neuen Datenbank www.marcks.de/suche.aspx. Senden Sie uns Ihren Favoriten mit einer spontanen Begründung Ihrer Wahl als E-Mail an: [email protected]. [...] Das Aufbereiten der eigenen Sammlung gehört zu den Kernaufgaben eines Museums. Diese Arbeit spielt sich wie alle wissenschaftliche Arbeit meistens im Hintergrund ab. Für die Ausstellung ‚gerhardWER?‘ wird dies umgedreht: Besucher werden eingeladen, Werke auszusuchen und Fragen dazu zu formulieren. Die Mitarbeiter des Museums präsentieren aus den Werken und den Antworten eine sich ständig ändernde Ausstellung zu Gerhard Marcks.

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Mit dieser Ausstellung beginnend wird im Lauf der nächsten Jahre die komplette Sammlung des Museums über das Internet erschlossen. Nicht nur Wissenschaftler, sondern alle Besucher und Kunstinteressierte erhalten weltweit einen Einblick in die Sammlung.“8

Insgesamt verzeichnete das Gerhard-Marcks-Haus 204 Beteiligungen (d.h. 204 Exponatwünsche), die von knapp 2009 Teilnehmenden stammten. Die Wünsche bezogen sich auf insgesamt 126 Werke, davon ausgestellt wurden nach Angaben des Museums 103. Diese Differenz lässt sich damit erklären, dass beispielsweise auch Werke gewünscht worden waren, die sich gar nicht im Besitz des Museums befinden, etwa weil es sich um Kunst im öffentlichen Raum handelte.10

8

Der zitierte Text stammt von der Homepage des Museums und ist abrufbar unter http:// www.marcks.de/halle.aspx?id=810, zuletzt geprüft am 03.06.2014. 9 Mehrfachbeteiligungen waren möglich, daher wurden mehr Wünsche geäußert, als Beteiligte gezählt wurden. Die Auswertung der mir vom Museum zugänglich gemachten Stimmzettel und E-Mails ergab 194 Einzelpersonen, allerdings möchte ich mich nicht definitiv auf diese Zahl festlegen, da einige Stimmzettel anonym eingereicht worden waren (diese wurden jeweils als eigenständige Personen gezählt, jedoch ist nicht auszuschließen, dass sie z.B. alle von ein und derselben Person stammten). 10 Meine Auszählung ergab: 126 gewünschte Kunstwerke, davon 18, die sich laut Onlinedatenbank nicht im Museumsbestand befinden. Die bleibende Differenz zu der vom Museum gezählten Zahl von 103 Werken ergibt sich auch in meiner Auswertung, wenn solche Datenbanktreffer abgezogen werden, die im Kontext dieser Ausstellung aus meiner Sicht eher schwierig ausstellbar gewesen wären: ein vergoldetes Holzrelief, eine Arbeit aus Porzellan sowie eine weitere aus Marmor, ein Holzschnitt sowie eine Bleistiftzeichnung auf Papier, von der im Onlinekatalog keine Abbildung vorhanden ist (vgl. Piontek 2012b).

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Abbildung 25: Impressionen gerhardWER? 1

Fotos: Anja Piontek

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Abbildung 26: Impressionen gerhardWER? 2

Unten: Publikumsliebling „Christinchen auf dem Bauch liegend“ (1959). Fotos: Anja Piontek

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Abbildung 27: Impressionen gerhardWER? 3

Links oben: Platz zur Recherche in der Online-Datenbank; darunter: Sitzgruppe zum Blättern in Katalogen. Rechts oben: Wand mit Besucherwünschen; darunter: „Totentanz“ (1968) vor einem Zitat Gerhard Marcks. Fotos: Anja Piontek

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Abbildung 28: Hinter den Kulissen des Gerhard-Marcks-Hauses

Oben: Blick in das Depot zum Zeitpunkt der Ausstellung 2011 (vor dem derzeitigen Umbau

des Gerhard-Marcks-Hauses). Unten: Blick in die Hausmeisterwerkstatt. Fotos: Anja Piontek

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Abbildung 29: Sockelraum

Fotos: Anja Piontek

VI.4 Vergleichende Analyse der drei Projekte

In der folgenden vergleichenden Analyse werde ich nicht immer alle Faktoren jeder einzelnen Dimension reflektieren, sondern beschränke mich auf wesentliche Aspekte. Eine erschöpfende Analyse würde den vorgegebenen Rahmen dieses Buches sprengen und auch das Ziel verfehlen, wesentliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten sowie mögliche Gelingensfaktoren oder ‚Bremsklötze‘ dieser Projekte zu identifizieren. Ich orientiere mich bei der Analyse an einer möglichst logisch-sinnvollen Abfolge i.S. der Lesefreundlichkeit und besseren Nachvollziehbarkeit; daher halte ich mich nicht an die Reihenfolge der Dimensionen, wie sie das Schaubild in Abbildung 12 nahe legt und der meine theoretischen Ausführungen in Kapitel V.2 folgten. Da die Datenlage wegen der umfassenden medialen Dokumentation seitens des Museums beim Projekt Ostend // Ostanfang sehr viel umfassender als bei den anderen beiden Fallstudien war, kann dieses Projekt oftmals auch ausführlicher als die anderen beiden dargestellt werden. Dies soll jedoch keine Wertung des Projekts im Vergleich zu den beiden anderen Fallstudienprojekten implizieren.

VI.4.1 D IMENSION AKTEURE Zunächst lässt sich für alle drei Projekte festhalten, dass die Initiative für die partizipativen Ausstellungsprojekte jeweils von Museumsseite ausging und hier wiederum immer auch von den Direktoren persönlich unterstützt oder sogar mitkonzipiert wurde. Insofern lohnt es sich, auch das Selbstverständnis der Direktoren mit zu beleuchten.1 Wie bereits in den kurzen Museums- und Projektvorstellungen deutlich geworden ist, handelt es sich bei allen drei Museen um vergleichsweise progressive Häuser ihrer Zunft in Deutschland, die bereit sind, Wagnisse und Experimente ein1

Hier wird bereits deutlich, wie eng verzahnt sich die von mir beschriebenen Dimensionen in der praktischen Analyse darstellen, denn ich greife mit der Darstellung der Haltung der Direktoren und ihrer Einstellung zu Partizipation vor in die Dimension Selbstverständnis.

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zugehen – auch dies ist natürlich im Kontext der jeweiligen Museumsleitungen zu sehen. In das Projekt Ostend // Ostanfang waren museumsseitig insgesamt sieben Personen mit unterschiedlicher Beteiligungsintensität involviert: Als InitiatorInnen der Direktor Jan Gerchow und die Kuratorin Susanne Gesser, die zuständig war bzw. ist für Bauprojekte und die Neukonzeption der Dauerausstellungen, aber auch das kinder museum frankfurt leitet; Katja Weber, damals wissenschaftliche Volontärin, als Kuratorin von Ostend // Ostanfang mit dem größten praktischen Anteil am Ausstellungsprojekt, unterstützt von zwei Praktikantinnen und Angela Jannelli, die später zum Team dazustieß und deren genereller Zuständigkeitsbereich als Kuratorin die Neukonzeption der Dauerausstellung Frankfurt Story und Frankfurt Jetzt! war bzw. ist. Zum Hintergrund von Jannelli ist zu sagen, dass sie über Amateurmuseen promoviert wurde,2 sich also forschend damit auseinandergesetzt hat, wie ‚Laien‘ Ausstellungen ‚machen‘. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass ‚Laienausstellungen‘ i.d.R. nicht nach wissenschaftlichen Kriterien strukturiert sind, Objekte weniger nach ihrer historischen Verweiskraft, sondern eher nach dem persönlichen Symbolwert ausgesucht werden und Erkenntnisse nicht auf wissenschaftlicher Forschung beruhen. Dabei ist es ihr wichtig zu betonen, dass diese Formen des Objektumgangs, der Interpretation und Präsentation aber nicht pauschal als ‚schlechter‘ anzusehen sind, sondern einfach für eine andere Form des Denkens stehen. Insofern bergen ‚Laienbeiträge‘ für sie das Potenzial, dem wissenschaftlichen Blickwinkel der Museen eine weitere Bedeutungsdimension zuzufügen. Hieraus lässt sich schließen, dass Jannellis Selbstbild und Auftreten als Kuratorin nicht dem einer Wissensautorität entspricht, sondern dass sie sich selbst auch als Lernende versteht, die vom Wissen der Partizipierenden profitieren und selbst neue Erfahrungen machen möchte. Diese Haltung kennzeichnet(e) jedoch nicht nur sie, sondern kann exemplarisch für das gesamte beteiligte Team des Museums gelten (um erneut der Dimension Selbstverständnis vorzugreifen). Die Konzeptidee für ein partizipatives Format in der zukünftigen Dauerausstellung wurde von Gesser und Gerchow in enger Zusammenarbeit gemeinsam entwickelt. Hier spielte es sicherlich eine maßgebliche Rolle, dass Gesser als Leiterin des kinder museums frankfurt Partizipation als wesentlicher Bestandteil der (Konzeptions-)Arbeit von Ausstellungen, aber auch als Vermittlungsprinzip auf Besucherebene, bereits bestens vertraut war bzw. ist, da sie bereits öfters partizipative Prozesse sowie Projekte initiiert und begleitet hatte: „Die Vorzüge des partizipativen Ansatzes sehen wir darin, unserem Zielpublikum selbst die Möglichkeit zu bieten, seinen Kulturort mitzugestalten. Wir nehmen die Jugendlichen dadurch nicht mehr nur als Nutzende des Museums, sondern auch als dessen Mitgestaltende

2

Vgl. Jannelli 2012b.

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wahr, die über spezielles Wissen verfügen sowie Ideen, Wünsche und Meinungen zu Ausstellungsinhalten äußern und einbringen können.“ (Gesser 2012: 146)3

Dass Jan Gerchow als Direktor des hmf an der Konzeption des Stadtlaborformats direkt beteiligt war, zeigt, wie hoch der Stellenwert von Partizipation für das gesamte Museum angesetzt und direkt durch die Direktion gefordert und gefördert wurde. So äußerte Katja Weber beispielsweise, dass Gerchow persönlich zu den Workshoptreffen mit den Ostend-Teilnehmenden gekommen sei (vgl. Weber; Piontek 2011e: 8) sowie andererseits, dass sie große Rückendeckung von Gerchow und Gesser erfahren habe: „Da ist das Museum [...] super gewesen: Dass es mich einfach hat machen lassen. Das ist ja auch ein Riesen-Vertrauen gewesen [...]. Keiner wusste, ob es gelingt. Und sie sagten immer: ‚Das ist ein Experiment. Und wenn es nicht gut wird, dann ist das auch gut.‘ Und damit hatte ich den Freiraum, den Leuten [gemeint sind die Partizipierenden, Anm. A.P.] gegenüber angstfrei aufzutreten.“ (Weber, Piontek 2011e: 8)

Katja Weber war zwar nicht ‚Erfinderin‘ der Stadtlaboridee, aber die Initiatorin des Ostend-Projekts und maßgebliche Projektbeauftragte. Als Soziologin fand sie eine Stadtteilausstellung und das Thema Gentrifizierung persönlich spannend und brachte auch das dafür nötige theoretische Diskurswissen mit (vgl. ebd. 1). Rückblickend resümierte sie dementsprechend, dass sie nicht wisse, „[...] was passiert wäre, wenn ich nicht so ein Thema gehabt hätte“ (ebd. 11). In den Aussagen ihrer Kolleginnen wurde der Faktor Mensch, personalisiert durch Katja Weber, deutlich hervorgehoben. So führte Jannelli den Projekterfolg auch darauf zurück, „dass Katja so etwas wie eine ‚kommunikative Meisterleistung vollbracht hat“ (Jannelli; Piontek 2011b: 3), und lässt damit zugleich auch erahnen, welche Fähigkeiten eine/n ‚PartizipationskuratorIn‘ kennzeichnen und wie herausfordernd das Management eines partizipativen Projektes dieses Ausmaßes ist: „Denn manchmal ist das echt ein Jonglieren mit fünf Bällen: sich inhaltlich einzuarbeiten, alle Teilnehmer bei Laune zu halten, sich für die Rahmenbedingungen einzusetzen, dann muss alles noch gebaut und Aufgaben verteilt werden. Und manche Leute wussten auch nicht recht, was sie machen sollten – denen hat sie auch Hilfestellung gegeben. Das hat sie alles organisiert. Das war ein ganz großes Glück, dass Katja diesen Pilot [der Stadtlaborreihe, Anm. A.P.] gemacht hatte [...]. Das erfordert irrsinnig viel Kraft, irrsinnig viel Engagement. Die Grenze zwischen beruflich und privat verschwimmt an ganz vielen Stellen [...]. Das ist Jonglieren mit fünf Bällen. Das muss man eben echt können! Und man muss die ganze Zeit diese Konzentration und Spannung halten können.“ (Jannelli; Piontek 2011b: 3 f.)

Weber selbst erachtete den Grad des persönlichen Engagements und commitments der projektleitenden Person ebenfalls als zentralen Faktor. Denn dieses Engagement sei notwendig, 3

Vgl. auch die fast gleichlautende Passage in Gesser 2011/2012: 10 f.

302 | M USEUM UND P ARTIZIPATION „[...] um selbst authentisch und glaubwürdig zu sein. Dass die Leute [gemeint sind die (potenziell) Teilnehmenden, Anm. A.P.] wirklich merken: Die nimmt das total ernst, diese komische Idee, und die findet die gut und steht dahinter. Und: sie nimmt uns auch ernst in dem, was hier passiert!“ (Weber; Piontek 2011e: 2)

Dass eine intensive, die TeilnehmerInnen in ihren Bedürfnissen oder auch Widerständen ernst nehmende Betreuung jedoch schnell an die Grenzen des Machbaren im traditionellen Museumsbetrieb führen kann, deutet Weber an, wenn sie resümiert: „Man muss den Teilnehmenden sagen: ,Ich bin hier und ich bin jederzeit da, um mit dir darüber zu diskutieren.‘ – Aber dafür muss man auch abgestellt werden dürfen vom Museum.“ (Ebd. 5). Dass Weber in der Position als Volontärin gewissermaßen einen Sonderstatus im Museumsbetrieb besaß und nicht in dem Maße feste Verpflichtungen und Zuständigkeitsbereiche hatte, wie sie normalerweise mit einer festen Stelle verbunden sind, machte es in diesem Fall sicherlich einfacher, solche Freiräume zu schaffen und sich in diesem hohen Maße für das Projekt zu engagieren. Im Vergleich mit dem Team bei Ostend // Ostanfang war das ‚Partizipationsteam‘ des Gerhard-Marcks-Hauses sehr viel kleiner aufgestellt, nämlich mit nur drei Personen: Direktor Arie Hartog und die beiden Kustodinnen des Hauses, Veronika Wiegartz und Yvette Deseyve, bildeten die gemeinsamen ProjektinitiatorInnen wie auch die Projektbeauftragten. Als charakteristisch für dieses Team (wie auch für die gesamte Personalorganisation des Hauses) kann gelten, dass anstelle eines strengen hierarchischen Musters ein Miteinander gepflegt wird, wofür sich maßgeblich die Museumsdirektion verantwortlich zeichnet: „Wir haben hier im Haus eine total schwache Hierarchie, das ist auch vom Direktor so gewünscht, von Herrn Hartog.“ (Wiegartz; Piontek 2012e: 6). Insofern spiegelt sich strukturell im Umgang des Museumsleiters mit der Belegschaft ein Stück weit auch der Umgang wider, den das Team dann mit den BesucherInnen bzw. TeilnehmerInnen an den Tag legte. Eine starke Besucherorientierung und ein herzlicher Umgang mit Besuchenden haben im Gerhard-Marcks-Haus einen großen generellen Stellenwert (wie später bei der Dimension Selbstverständnis noch ausführlicher dargelegt wird). So gehören relativ spontane Depotbegehungen mit BesucherInnen, die gerne Marcks sehen wollen, wenn gerade keine Arbeiten des Künstlers ausgestellt sind, zur regelmäßigen und routinierten Praxis (vgl. ebd.); das Team hatte also eine gewisse Erfahrung, was Spontaneität, Flexibilität und ‚Laienkontakte‘ betrifft: So betonte Wiegartz im Interview, dass dies „eigentlich kein Problem“ sei, denn „[w]ir müssen ständig schnell reagieren“ (ebd. 2). Vorerfahrungen unmittelbar mit Partizipation im Rahmen eines Ausstellungsprojekts hatte das Team des Gerhard-Marcks-Hauses allerdings noch nicht. Jedoch war Partizipation dem Direktor Arie Hartog nicht fremd – ebenso wie ein ‚unverkrampfter‘ und offener Umgang mit Kunst und Kultur, Museum und Publikum. So

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bescheinigte ihm etwa die Pressestelle des Bremischen Senats, „[...] eine offene Auffassung von Kultur zu vertreten, in der Kunst und Museum zuallererst ein Angebot an jeden Menschen sind, sich individuell weiterzuentwickeln.“ (Pressestelle des Senats der freien Hansestadt Bremen 2009: o.S.). Gerade vor dem Hintergrund seiner niederländischen Wurzeln sei ihm das in Deutschland oftmals noch anzutreffende „elitäre Denken“ (vgl. Pressedienste für das Bundesland Bremen 2011: o.S.) in Museen fremd und unsympathisch, vor allem in Hinblick auf den Umgang mit und das Zutrauen gegenüber den Fähigkeiten der Bevölkerung: „In Holland ist es zum Beispiel schon seit langem in vielen Museen selbstverständlich, dass die Besucher mitentscheiden, welche Objekte ausgestellt werden.“, so Hartog (zit. n. ebd.). Auch folgendes Statement des Direktors lässt seine progressive Haltung erkennen: „In einer multiethnischen Gesellschaft kommen wir nur weiter, wenn jeder – auch der Museumsdirektor – bereit ist, etwas von den so genannten Anderen (das waren für mich ja schon die ‚Deutschen‘) zu lernen.“ (Hartog zit. n. Dueker 2013: o.S.)

Wie bei Ostend // Ostanfang auch, kann also für das Gerhard-Marcks-Haus gelten, dass der Museumsleiter Partizipation sehr positiv gegenüber eingestellt war bzw. ist und beispielsweise auch keine Vorbehalte hatte, wenn nötig, selbst BesucherInnen in das Depot zu begleiten (vgl. Piontek 2012e: 1). Diese Arbeit übernahmen aber maßgeblich die beiden Kuratorinnen, ebenso wie auch die Bearbeitung der eingegangenen Objektwünsche, deren Positionierung und Präsentation im Raum und das anschließende Kontaktieren der Partizipierenden, um sie über die erfolgte Aufstellung ‚ihres Marcks‘ zu informieren. Diese Aufgaben liefen parallel zu den ansonsten anfallenden Arbeiten des Tagesgeschäfts ab; es gab also niemanden, der/die ausschließlich mit dem Projekt als einziger Hauptaufgabe betraut war. Eine Sonderstellung im Vergleich zu den anderen beiden Projekten nimmt beim Blick auf die InitiatorInnen und Projektbeauftragten das Berliner Projekt NeuZugänge ein, da dieses von externen Museumsprofessionellen initiiert und maßgeblich geleitet wurde, zumal solchen, die im Projekt eher die Position von Theoretikerinnen denn Praktikerinnen vertraten: Zu nennen wären hier in erster Linie Frauke Miera und Lorraine Bluche, die ja das übergeordnete Projekt Migration macht Geschichte ausgearbeitet und beim Hauptstadtkulturfonds beantragt hatten. Beide übernahmen auch die Leitung des Ausstellungsprojekts. In der Phase der Durchführung spielte dann noch eine weitere Gruppe an Museumsexternen begleitend mit hinein, nämlich die drei Forscherinnen des Experimentierfelds Museologie der TU Berlin. Insgesamt am Projekt intensiv beteiligt waren elf Fachpersonen (die Gestalterin des Kreuzbergmuseums eingerechnet):4 Die beiden Kuratorinnen als Initiato4

Neben Düspohl brachten sich auch die anderen MuseumsleiterInnen ein (so insbesondere. für ein Videointerview, das in der Ausstellung gezeigt wurde), da sie aber insgesamt weniger involviert waren, zähle ich sie hier nicht zum ‚engen‘ Kern des Gesamtteams.

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rinnen, Hauptverantwortliche und Leiterinnen, zudem die drei Forscherinnen als begleitende Unterstützung sowie jeweils mindestens eine Personen der vier beteiligten Museen als Projektabgeordnete (denen es z.B. oblag, zwei ‚Migrationsobjekte‘ aus der eigenen Sammlung, teilweise im Austausch mit weiteren Fachkräften ihrer Museen, zu wählen). Bis auf die Forscherinnen (die allerdings parallel ihre Forschungen über die Vermittlung der Kunst und Kultur islamisch geprägter Länder weiter vorantrieben) hatten alle genannten Beteiligten zusätzlich zum Projekt noch weitere berufliche Pflichten: Die Kuratorinnen waren parallel schon mit dem Nachfolgeprojekt Ortsgespräche beschäftigt, die jeweils museumsseitig abgeordneten Projektbeauftragten mit den regulären Aufgaben ihrer Stelle: Mit Peter Schwirkmann und Martina Weinland als VertreterInnen des Stadtmuseums handelte es sich um den Leiter des Fachbereichs Geschichte bzw. um die Abteilungsdirektorin Sammlung der Stiftung Stadtmuseum Berlin, mit Gisela Helmecke um die Kustodin für Textilien und Keramik am Museum für Islamische Kunst, mit Fabian Ludovico um den damaligen wissenschaftlichen Volontär am Werkbundarchiv – Museum der Dinge und mit Martin Düspohl um den Direktor des Kreuzbergmuseums. Bis auf Düspohl (seines Zeichens Pädagoge und Soziologe, was ebenfalls nicht unerheblich für seine positive Einstellung gegenüber der Zusammenarbeit mit Menschen aus der Bevölkerung sein dürfte) hatte niemand von den museumsseitig Beteiligten bereits nähere Erfahrungen mit Partizipation gesammelt. Die Besonderheit, dass es sich bei den Projektinitiatorinnen und -leiterinnen um externe Fachkräfte handelte, die sich zuvor außerdem bereits intensiv mit Migration und kultureller Vielfalt als Sammlungs- oder Ausstellungsthema auseinandergesetzt hatten, zeigte sich im direkten Vergleich zu den beiden anderen Projekten in der Herangehensweise: NeuZugänge war weniger praxisorientiert-pragmatisch ausgerichtet, sondern durch besagten hohen theoretischen Abstraktionsgrad auf Grundlage diverser Theorien und Diskurse gekennzeichnet. Die Folge war eine weniger affirmative Sichtweise auf die beteiligten Museen. Im Gegenteil: Das Grundmovens war eine explizit institutionskritische und postkoloniale Haltung, die sich zum einen auf die bisherige Sammelpraxis und Sammlung-Verschlagwortung in ‚traditionellen‘ Museen generell bezog sowie speziell darauf, wie die momentane Herangehensweise von Museen beim Thema Migration sammeln und ausstellen ist und welche Objekte dabei im Fokus stehen: „Wir sind schon länger [...] auf Tagungsebene in Diskussionen beteiligt. Und hatten da den Eindruck, dass es gerade so einen Impuls gibt, möglichst schnell möglichst viel zu sammeln. [...] Man müsste doch erst mal überlegen, wer eigentlich bestimmt, was gesammelt wird, was sind die Kriterien dafür, was will man sammeln! Also bei der Neukonzeption sich [...] zu fragen, ob es darum geht, die klassischen Objekte, die was über Migration erzählen, zu sammeln. Oder können nicht auch eingewanderte Menschen und die Nachfolgegeneration andere Objekte bringen, die nicht unbedingt der Koffer, das Flugticket, die Aufenthaltsgenehmigung etc. sind.“ (Miera; Piontek 2012d: 1)

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Die ‚Outsider‘-Position, die Miera und Bluche als Externe innehatten, erleichterte es ihnen sicherlich, diese Kritik – auch in Bezug auf die vier beteiligten Museen – konsequent zu vertreten. Bezeichnend ist, dass die kritische Grundhaltung der beiden dann auch teilweise Widerstände bei den Mitarbeitenden der beteiligten Museen evozierte (das Kreuzbergmuseum ausgenommen). So konnte Gisela Helmecke vom Museum für Islamische Kunst die von den Theoretikerinnen geforderte und bewusst forcierte Bedeutungsvielfalt von Objekten etwa nicht völlig nachvollziehen, da man sich ihrer Erfahrung nach in der Realität der musealen Ausstellungspraxis ja doch wieder einschränken müsse und ohnehin nie jeden Aspekt einer Sache zeigen könne (vgl. Piontek 2011d: 7). Peter Schwirkmann vom Stadtmuseum Berlin störte sich an der kategorischen Zuspitzung der geäußerten Kritik: So sei es „mitnichten so, dass in großen Sammlungen en Detail jeder Gegenstand mit einem kolonialgeschichtlichen Ansatz beschrieben wurde oder beschrieben wird und jetzt neu zu überschreiben wäre“, da der größte Teil der Sammlungen – der Stiftung Stadtmuseum jedenfalls – vollkommen unbeschrieben sei (Piontek 2011g: 7). Damit werde auch für „die Menschen der Praxis“ (ebd.) die Forderung hinfällig, dass die Sammlungen neu beschrieben oder umgeschrieben werden müssten.5 Fabian Ludovico, damals für das Werkbundarchiv – Museum der Dinge am Projekt beteiligt, sah eine Problematik hingegen in der komplizierten Versuchsanordnung verbunden mit hohen Erwartungen, die häufiger zu Fragen unter den beteiligten Museumsleuten geführt habe: „Für wen machen wir diese Ausstellung? Ist das eine Ausstellung für jeden oder ist das eine Ausstellung für Museumsfachleute?“ (Ludovico; Piontek 2011c: 1). – Miera und Bluche waren sich dieser Fallstricke und Kritikpunkte sicherlich bewusst; sie wollten ein Stück weit der ‚Stachel im Fleisch‘ der Museen sein und eine „abstrakte, eine Konzeptausstellung“ (Miera; Piontek 2012d: 3) realisieren, das heißt: möglichst viel ausprobieren, auch wenn dies „ein bisschen eine Überfrachtung“ (Bluche; Piontek 2012d: 3) des Projekts zur Folge hatte. Was die TeilnehmerInnen der Projekte betraf, so unterschieden sich die untersuchten Projekte bei der Teilnehmerstruktur und den Teilnahmevoraussetzungen – und zeigen damit exemplarisch ein interessantes Spektrum an unterschiedlichen Herangehensweisen auf: Während das Gerhard-Marcks-Haus voraussetzungslos in einem offenen Projekt möglichst viele EinzelteilnehmerInnen erreichen wollte (parallel dazu wurden prominente Personen gezielt angeschrieben), richtete sich das OstendProjekt an Einzelne wie Kollektive (z.B. Initiativen, Vereine, Gruppen) mit dem Ziel, eine stabile Arbeitsgruppe zu bilden; die einzige Teilnahmevoraussetzung be5

Eine ähnlich gelagerte Kritik fand sich auch im Besucherbuch wieder: „Ich kann ehrlich gesagt nicht glauben, dass ‚Museumsmitarbeiter‘ ernsthaft behaupten, dass in ihren Sammlungen keine Objekte, die irgendwie mit Migration zu tun haben, seien. Ich finde diesen Aufhänger als Ausstellungseinleitungstext ziemlich bemüht zugespitzt. [...]“ (Eintrag vom 02.02.2011; Bezirksmuseum-Friedrichshain Kreuzberg 2011a).

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stand darin, einen persönlichen Bezug zum Ostend zu haben. Mittelbar wurden über diese feste Arbeitsgruppe hinaus noch weitere Menschen involviert, die z.B. zum Betrachtungsgegenstand oder zu AkteurInnen einzelner Ausstellungsbeiträge wurden,6 sodass man sagen könnte, dass sich hier eine Eigendynamik entwickelte: Spontan vergrößerte sich der Kreis der in irgendeiner Weise dem Ostend-Projekt assoziierten Personen ohne Zutun der Museumsleute, wobei die Zahl der Teilnehmenden je nach Projektphase schwankte: Am höchsten war sie während der Erarbeitung der einzelnen Ausstellungsbeiträge, schrumpfte daraufhin, um sich mit Beginn der ‚heißen Phase‘ des Ausstellungsaufbaus, der Eröffnung und dem Start des Rahmenprogramms wieder zu vergrößern. Dadurch kam eine große Vielfalt an Menschen zusammen: BewohnerInnen, KünstlerInnen, StadtteilhistorikerInnen, EinzelhändlerInnen, Sozial- und JugendarbeiterInnen, Kinder und Jugendliche, Kulturschaffende, GaleristInnen, Hobby- und ProfifotografInnen, LehrerInnen, StudentInnen der Stadtplanung, PerformancekünstlerInnen in verschiedenen Altersstufen etc. (vgl. z.B. Weber 2012: 248). Dem Engagement einzelner Ausstellender ist es zu verdanken, dass im Rahmen ihrer Beiträge zudem auch Menschen in der Ausstellung zu Wort kommen konnten, die für Museen mitunter nur schwer erreichbar sind (so zum Beispiel MigrantInnen im Beitrag des Internationalen Familienzentrums e.V. oder drei Grundschulklassen im Beitrag der Uhlandschule Frankfurt, den eine Lehrerin verantwortete; vgl. Historisches Museum Frankfurt 2011d: 38 u. 40). Insofern hatte die nicht direkt von Museumsseite intendierte, eigenständige Ausweitung des Teilnehmerkreises für das Museum einen positiven Synergieeffekt. Während sich Museen im Rahmen eines Projektes üblicherweise für die Arbeit entweder punktuell mit Einzelnen oder längerfristig mit einer Teilnehmergruppe entscheiden, verquickte das NeuZugänge-Projekt beide Zielgruppenentscheidungen und war damit doppelt gefordert: Je nach Modul bzw. Phase richtete sich das Projekt mal an EinzelteilnehmerInnen, die gezielt aufgrund ihres Migrationshintergrundes (dies war in diesem Fall das Teilnahmekriterium) als LeihgeberInnen ausgesucht und angesprochen worden waren; dann wieder an Menschen, die im Rahmen der Diskussionsrunden in eine gemeinsame Gruppensituation versetzt wurden – wenngleich dieses Kollektiv nicht von Dauer war, sondern ‚nur‘ für mehrere Stunden an jeweils einem Abend bestand. Für diese sogenannten Fokusgruppen sollten Menschen möglichst diverser (kultureller oder sozialer) Hintergründe zusammenkommen, also ausdrücklich Menschen mit Migrationshintergrund aus verschiedenen Ländern sowie Mitglieder der Mehrheitsgesellschaft ohne Migrationser6

So beispielsweise SchülerInnen dreier Grundschulklassen, die auf Initiative einer am Projekt teilnehmenden Lehrerin im Unterricht ‚ihre‘ Orte im Ostend aufgesucht und fotografiert haben, die dann durch diese Lehrerin in künstlerisch gestalteter Form Eingang als Ausstellungsbeitrag fanden; oder Menschen, die von einer am Projekt beteiligten Fotografin für ihren Ausstellungsbeitrag porträtiert und kurz befragt wurden, abgesehen davon aber keine Berührungspunkte mit dem Projekt hatten.

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fahrung; auch eine blinde Teilnehmerin war gezielt eingeladen worden. Obwohl formal eigentlich keine Teilnahmevoraussetzungen für die Fokusgruppen galten, handelte es sich organisationsbedingt dennoch um eine geschlossene Teilnahmesituation, da aus Zeitgründen keine offene Einladung medial kommuniziert worden war, sondern auf bereits bestehende Kontakte des Kreuzbergmuseums und der Kuratorinnen zurückgegriffen wurde. Ein weiterer Faktor, der als implizite Teilnahmevoraussetzung oder Selektionsfaktor sowohl in Frankfurt als auch in Berlin wirksam war, war die Terminierung der Treffen mit den TeilnehmerInnen, wobei in beiden Fällen vorausschauend Zeitpunkte gewählt worden waren, die möglichst nicht mit beruflichen Verpflichtungen kollidieren sollten (nämlich entweder abends oder am Wochenende). In Frankfurt erfolgte nachweislich in einem Fall7 ein impliziter Ausschluss, weil hier das Internet über persönliche Treffen hinaus als primäres Kommunikationsmittel diente. – Gerade bei der Arbeit mit SeniorInnen oder z.T. auch mit Menschen aus prekären Verhältnissen kann eine internetgestützte Kommunikation für Einzelne zum Problem werden. Dies zeigt, dass der Faktor der Kommunikationsmittel und -wege auch die Teilnehmerstruktur beeinflussen kann.

VI.4.2 D IMENSION B ETEILIGUNG Legt man den Maßstab der „Partizipationsintensität“ Cornelia Ehmayers zugrunde (vgl. Kap. V.2.1), der sich ja dadurch bestimmt, ob Partizipierende Zugang zu relevanten Entscheidungsstrukturen haben (zu welchen? Entscheiden sie mit in wesentlichen oder eher marginalen Punkten?) und wie wirksam Teilnehmende dadurch Einfluss auf ein Projekt nehmen können (wie viel Entscheidungsmacht haben sie verglichen zur Macht der Museumsleute?), ist das Projekt Ostend // Ostanfang im Vergleich zu den beiden anderen Projekten jenes mit der formal höchsten Partizipationsintensität: Auf Projektebene hatten Teilnehmende quasi von Anfang an die 7

So erreichte mich infolge meiner Onlinebefragung eine E-Mail, in der sich eine zwangsläufig vorzeitig aus dem Projekt ausgeschiedene Person folgendermaßen äußerte: „Die Ankündigung des Projekts Ostend // Ostanfang [...] hatte seinerzeit mein Interesse geweckt und ich ging zu den ersten Treffen. Allerdings verengte sich das Spektrum der Teilnehmenden bald auf die entsprechend medial vernetzten [sic], indem die Kommunikation überwiegend übers Internet lief, der Anlaufpunkt für direkte Kommunikation – entgegen dem Vorschlag aus der Interessenten-Runde – ein gutes Stück außerhalb des Wohngebiets lag [...]. Entsprechend fiel das Ergebnis aus: der größte Teil der Ostendbewohner kam in der Ausstellung nicht vor, stattdessen wurde ein Bild gezeichnet, das sich überwiegend aus den jungen Kreativen, Studenten, der Werbewirtschaft, Kneipen- und Geschäftswelt zusammensetzte. Das Hauptproblem des Stadtteils, die fehlende Kommunikation zwischen den Bewohnergruppen, die fehlenden Treffpunkte für eine solche Kommunikation, blieb daher weitgehend außen vor [...].“ (Auszug aus einer E-Mail an die Autorin, erhalten am 17.03.2013).

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Möglichkeit, an allen Entscheidungen, die das Projekt betrafen, mitzuwirken – von einer Ausnahme abgesehen: Der Stadtteil Ostend (und damit auch der Radius der geografischen Reichweite, aus der das Projekt Teilnehmende akquirierte) war vom Museum vorbestimmt worden, ebenso wie das übergeordnete Thema eines Stadtteilprojekts. Formal wäre deshalb ‚nur‘ vom Projekttypus der Mitarbeit zu sprechen (vor allem wenn man berücksichtigt, dass nachfolgende Stadtlabor-Projekte auf jegliche Vorgaben verzichten konnten, weil das Ostend-Projekt interessierte BesucherInnen in der Folge dazu mobilisierte, an das Museum mit eigenen Ausstellungswünschen und -themen heranzutreten, die in der Folge dann auch teilweise verwirklicht wurden). Dennoch war die Mitbestimmung so breit angelegt und die Interaktion so stark an den Wünschen und Bedürfnissen der Teilnehmenden ausgerichtet, dass die Grenzen zur nächst höheren Stufe, der Zusammenarbeit, verschwimmen. So blieb es z.B. den TeilnehmerInnen selbst überlassen, welchen Aspekt des Stadtteils und in welcher Weise sie diesen in ihrem Ausstellungsbeitrag thematisieren wollten. Insofern war der vom Museum gesteckte Orientierungsrahmen in Form des Oberthemas eine Hilfe, um das Projekt nicht ‚zerfransen‘ zu lassen und ihm eine übergeordnete Klammer zu geben. Er war jedoch zugleich so offen gestellt, dass er genügend Freiräume zur eigenen Entfaltung nach persönlichen Interessen bot. Die Teilnehmenden entschieden selbst, ob sie fertige (Alltags-)Dinge einreichten, ob sie dokumentarisch oder stadtteilforschend vorgehen und diese Ergebnisse mehr ‚klassisch‘ präsentierten wollten oder ob sie z.B. künstlerische Installationen oder gleich ganze, raumgreifende Environments als Beitrag erschufen etc. Die Partizipationssituation der teilnehmenden ‚OstendlerInnen‘ erstreckte sich des Weiteren auf verschiedene museale Bereiche: In ihrer Rolle als Co-KuratorInnen wurden alle Teilnehmenden umfassend in den Bereich der musealen Vermittlungsarbeit einbezogen, indem sie über die selbstkonzipierten Beiträge die Inhalte der Ausstellung bestimmten und anhand der von ihnen gewählten Umsetzung mitvermittelten; darüber hinaus konnten sie aber auch innerhalb des Rahmenprogramms als personale VermittlerInnen in Erscheinung treten. Was das Mitsammeln betraf, so war dies von der jeweiligen Interessenlage und dem ‚Zuschnitt‘ des eigenen Beitrags abhängig, weshalb nicht alle Teilnehmenden gleichermaßen Erfahrungen hierin sammelten. Versteht man museales Bewahren klassischerweise als primär inventarisierende, restaurierende Tätigkeit nach strengen Regeln in Abhängigkeit zur Material- oder Objektart und Forschen als wissenschaftliche Recherche, so fand dies bei Ostend // Ostanfang nicht statt. Wenn man jedoch anerkennt, dass diverse Teilnehmende für ihre selbst gesteckten Beiträge sehr wohl eine Art von Recherche betrieben haben, indem sie z.B. in privat archivierten Unterlagen oder Fotografien stöberten, (eigene) Vereins- oder Familiengeschichten recherchierten oder Menschen im Stadtteil porträtierten, befragten und die Ergebnisse festhielten, kann man durchaus behaupten,

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dass das Projekt eine spezifische Form des Mitforschens und Mitbewahrens vermittelte bzw. initiierte.8 Eine wesentliche Gelingensbedingung des Ostend-Projekts sehe ich in der damit korrespondierenden großen Vielfalt des möglichen Aktivitätsspektrums für Beteiligte und dem Umstand, dass eine Projektteilnahme nicht zwangsläufig daran geknüpft war, dass man selbst als „creator“ (Simon 2010a: 8) mit einem eigenen Ausstellungsbeitrag beteiligt sein musste. Stattdessen bzw. darüber hinaus konnte man im Rahmen des öffentlichen Auftaktworkshops Einfluss auf die thematische und inhaltliche Feinausrichtung der Ausstellung nehmen und eigene Vorschläge oder Vorstellungen artikulieren; später konnten man mithelfen, einen geeigneten Ausstellungsort zu suchen oder einen passenden Ausstellungstitel zu erfinden, anschließend demokratisch darüber abstimmen, welcher Ort und Titel favorisiert wurde oder mitentscheiden, ob die Ausstellung Eintritt kosten solle oder nicht (man entschied sich dagegen); man konnte als ObjektleihgeberIn oder GeschichtensammlerIn, als MultiplikatorIn oder Beteiligte/r am Rahmenprogramm sowie als AufbauhelferIn aktiv werden – oder eben unmittelbar durch die Erstellung eines eigenen Ausstellungsbeitrags samt selbst verfasstem Ausstellungstext in Erscheinung treten; es gab Arbeitsgruppen, die einen Stadtteilplan entwickelten, auf dem beteiligte Institutionen oder assoziierte öffentliche Kunstprojekte verzeichnet sowie thematische Stadtteilspaziergänge vorgeschlagen wurden; andere organisierten die Eröffnung, wieder andere redigierten Texte (vgl. Weber 2012: 248). Eine andere Arbeitsgruppe entwickelte gemeinsam mit den MuseumsmitarbeiterInnen und den Gestaltern von Kossman.dejong das Ausstellungs- und Präsentationskonzept (vgl. Historisches Museum Frankfurt 2011d: 19). Man möchte annehmen, dass eine Mitarbeit insbesondere bei der Ausstellungsgestaltung zu den besonders begehrten Betätigungsfeldern in der Teilnehmerschaft gezählt haben muss, wohingegen der Zusammenbau oder das Streichen von Sockeln und Vitrinen eher mäßige Resonanz erfahren habe. Dies war jedoch nicht der Fall: Kaja Weber berichtete, dass alle Aufgaben problemlos verteilt werden konnten und es keine Schwierigkeiten mit Über- oder Unterbesetzungen gegeben habe. Manche Menschen wollten schlichtweg nicht bei den Hauptaufgaben in Erscheinung treten, sondern seien an sie mit ganz spezifischen Hilfsangeboten herangetreten: „Ich habe Muskelkraft, wenn du die brauchst, dann sag’ Bescheid!“ oder etwa als KommunikatorIn nach dem Motto „Ich gebe Informationen im Stadtteil weiter oder schaffe euch Leute ran!“ (vgl. Weber; Piontek 2011e: 6). Hier bewahrheitet sich, was Nina Simon betont, nämlich, dass Menschen verschiedene Vorlieben bezüglich Aktivität und Beteiligung haben: Prozentual gesehen sei es tatsächlich nur 8

Angela Jannelli zeigt in ihrer Dissertation (vgl. Jannelli 2012b), dass sich „wilde“ Formen der Aneignung und Erschließung von Welt zwar stark von dem wissenschaftlichsystematischen Modus unterscheiden, dies aber nicht zwangsläufig heißen muss, dass sie weniger wertvoll oder erkenntnisreich seien.

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ein geringer Teil, der als „creator“ – also als aktive/r ProduzentIn von Inhalten – in Erscheinung treten wolle: „There are some people who are drawn to create, but many more prefer to participate in other ways, by critiquing, organizing, and spectating social content.“ (Simon 2010a: 9). Ob bewusst oder unbewusst, Ostend // Ostanfang bot ein breites Spektrum an Beteiligungsmöglichkeiten in vielfältigen Kontexten an und ermöglichte damit auch solchen Menschen, Teil des Gemeinschaftsprojekts zu werden, denen Zeit, Energie, Selbstbewusstsein, Ideen oder die Lust fehlte, einen eigenen inhaltlichen Ausstellungsbeitrag beizusteuern. Zugleich war damit auch ein individueller Einstieg ins Projekt zu einem späteren Zeitpunkt möglich – es schloss also niemanden alleine aufgrund der Tatsache aus, dass diese Person nicht am ersten oder zweiten Workshoptreffen dabei gewesen war. Auch dies ist meiner Meinung nach als wichtige teilnehmerfreundliche Rahmenbedingung hervorzuheben. Auch beim Projekt gerhardWER? war eine Teilnahme nicht an einen bestimmten Zeitraum geknüpft, sondern während der Laufzeit jederzeit und sehr spontan möglich. Die gestellte ‚Aufgabe‘ mag dagegen auf den ersten Blick sehr viel weniger anspruchsvoll erscheinen, als jene beim Ostend-Projekt oder auch bei NeuZugänge. Versucht man sich selbst in die Situation der Teilnehmenden zu versetzten, bekommt man ein Gespür dafür, wie eine Teilnahmemöglichkeit kommuniziert werden müsste, um verständlich zu sein, aber auch, wie schwer oder leicht die Ausführung wohl fallen dürfte. Sich einen (wie auch immer gearteten) Beitrag zu überlegen, der sich mit einem widersprüchlichen und facettenreichen Stadtteil beschäftigt, ist höchst anspruchsvoll. Dagegen mag die Aufgabe, sich aus einigen hundert Kunstwerken für eines zu entscheiden und diese Präferenz anschließend schriftlich zu begründen, geradezu ‚läppisch‘ erscheinen. Dennoch: Bei Ostend // Ostanfang war die Teilnahmesituation als Prozess organisiert, der mit einem ersten Workshop begann, in dem das Bewusstsein für den Stadtteil mittels verschiedener Fragen (vgl. Dimension Kommunikation/Interaktion) gestärkt und auch erste Projektideen artikuliert werden konnten, und der sich dann über mehrere Monate hinzog, in denen man eine Idee allmählich reifen, diskutieren, verwerfen, neustrukturieren, ausprobieren usw. konnte, bis es schließlich zur wohlüberlegten Umsetzung kam. Bei gerhardWER? hingegen geschah die ‚Produktion‘ des Ausstellungsbeitrags mehr oder minder ad hoc: Hatte man sich entschieden, war man sofort gefordert, sein womöglich Innerstes preiszugeben und niederzuschreiben. War die Email abgeschickt bzw. der Teilnahmeschein ausgefüllt und abgegeben, gab es keine Möglichkeiten mehr zur Korrektur oder Überarbeitung. Dass dabei die Hemmschwelle, mitzumachen, sehr viel höher liegt als gedacht, und dass einen die gestellte Aufgabe durchaus forderte, habe ich beim Selbstversuch in der gerhardWER?-Ausstellung erfahren. Mein Gedächtnisprotokoll spiegelt deutlich die Unsicherheiten wieder, die mit einer

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öffentlichen Stellungnahme dieser Art verbunden sein können.9 Ähnliches berichtete auch Veronika Wiegartz, die als Kuratorin selbst einen Begründungstext zu einer Figur schreiben sollte und merkte, dass sie insbesondere der Gedanke an den Freundeskreis des Museums bremste, da sie einige Personen daraus persönlich kennt und sich sicher war, dass diese „mit Hingabe“ (Wiegartz; Piontek 2012e: 6) lesen würden, was der Direktor und die Kustodinnen schreiben würden: „Da war dann schon der Impuls, zu denken: ‚Schreibst du jetzt das? Wenn Du das so schreibst, musst du aber schon mitbedenken, die lesen das da oben [in der Ausstellung, Anm. A.P.] auch alle!‘ So ganz unreflektiert ist man da dann vielleicht doch nicht rangegangen. Das kann man sicherlich auch für die Besucher sagen. Das hat schon sicherlich für die Besucher ein bisschen Überwindung gekostet. Entweder ist man der Überwindung dann damit begegnet, dass man versucht hat, einen qualifizierten Text zu schreiben – das haben wir ja dann auch – oder indem man das dann relativ allgemein gehalten hat und geschrieben hat ‚Finde ich schön‘ oder ‚Ich mag Babys‘ [bezugnehmend auf eine vielgewählte Babyplastik, Anm. A.P.] oder was auch immer.“ (Wiegartz; Piontek 2012e: 6)

Dies macht deutlich, dass auch ein vermeintlich ‚einfaches‘ Partizipationsangebot im Museum für viele Menschen mit Hemmungen verbunden ist, weil Partizipation eine Schnittstelle zwischen Privatheit und Öffentlichkeit schafft: Auch wenn die Teilnahme an einem Partizipationsangebot letztlich einen privaten, individuellen Akt einer/eines Einzelnen darstellt, hat sie doch zur Folge, dass sich diese Person unweigerlich öffentlich exponiert. Indem sich eine Person beteiligt, gibt sie Persönliches preis bzw. legt ihre Sicht der Dinge dar und bezieht öffentlich Position – damit macht sie sich zugleich angreifbar bzw. geht ein Risiko ein, sich möglicherweise zu blamieren. Auch wenn man sich dies auf Museumsseite vielleicht nicht immer bewusst macht, so benötigen (potenziell) Teilnehmende in jedem Fall eine gehörige Portion an „Mut zum Wagnis“ (Klafki 1996: 227). Bevor ich verdeutliche, welche Strategie das Gerhard-Marcks-Haus wählte, damit BesucherInnen das Risiko einer Teilnahme wagten, möchte ich noch auf einen zweiten wichtigen Aspekt hinweisen, der in der Aussage von Wiegartz zur Sprache kommt: Sie benennt treffend die typischen Strategien, mit denen Teilnehmende versuchen, eine solche Situation zu kompensieren: Zum einen wäre da großer an den Tag gelegter Perfektionismus mit dem Ziel, durch den eigenen Beitrag in der öffentlichen Wahrnehmung als kompetent, wissend, begabt usw. gesehen zu werden – sprich ‚museumswürdig‘ zu sein. Die entgegengesetzte Strategie besteht dahin, 9

Auszug aus meinem persönlichen Gedächtnisprotokoll über die Situation, eine Objektbegründung zu meiner gerhardWER?-Wahl zu formulieren: „Erst euphorisch, dann immer verhaltener. Brauchte ca. fünf Anläufe. Schreibe ich gut? Verständlich? Richtig? Ist das zu privat? Zu kitschig? Oh Schreck! Name und Tel. od. Email sollen angegeben werden. Was tun? Präferenz: Nur Vorname und keine Kontaktdaten, um anonym zu sein. Dann aber aus Gründen der Erreichbarkeit (man wird informiert, wenn die Plastik ausgestellt wird) doch eine E-Mailadresse, aber nicht meine normal genutzte. Überlegung, den Namen sehr unleserlich zu schreiben...“ (Piontek 2011a).

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möglichst wenig Persönliches preiszugeben und den Beitrag so allgemein wie möglich zu halten. Die dritte Strategie wäre der Ausstieg, also die Verweigerung der Teilnahme. Diese menschlich sehr nachvollziehbaren Kompensationsstrategien sollten mitbedacht werden, wenn es darum geht, Teilnahmeergebnisse eines Partizipationsangebots zu evaluieren. Wie ist das Gerhard-Marcks-Haus nun vorgegangen, um Partizipation zu triggern? Ich möchte mich hierbei lediglich auf die Partizipation auf Besucherebene beschränken und die Onlinepartizipation außen vor lassen:10 Zunächst einmal war der Projekttitel sorgfältig gewählt worden, weil „gerhardWER? Marcks: Mehr als die Stadtmusikanten!“ ein auf mehreren Ebenen wirksamer Titel war: Die darin enthaltene, recht kecke und auch selbstironische Note brach humorvoll den Nimbus, der oftmals Museen – zumal Kunstmuseen – anhaftet, sodass das Ausstellungsmotto zugleich als niederschwellige Einladungsgeste an alle Publika gelesen werden konnte. Für diejenigen Publika, die schon Museumserfahrung, vielleicht auch gerade mit dem Gerhard-Marcks-Haus oder mit dem Künstler Marcks hatten, signalisiert der Untertitel, dass Überraschendes auf sie warten würde, dass sie ungeahnte Einsichten gewinnen könnten. Entscheidend für ein eher museumsfernes oder weniger ‚kunstbeflissenes‘ Publikum dürfte dagegen der Haupttitel gewesen sein: „Gerhard... wer?!“ Dieser nimmt quasi die Frage vorweg, die sich nicht wenige Menschen beim Namen des Künstlers stellen dürften – und signalisiert damit, dass dieses Nichtwissen völlig in Ordnung, geradezu normal ist. Somit hatte dieser Titel etwas Inklusives bzw. das Potenzial, gerade solche Menschen einzubeziehen und ihnen ein Zugehörigkeitsgefühl zu vermitteln, die (noch) nichts mit dem Künstler oder dem Museum anfangen konnten. Zum anderen erfuhr die Teilnahmesituation im Museum ein gutes ‚Setting‘: Eine Sitzgruppe lud zum Schmökern in Marcks-Katalogen ein, um sich ein Bild von der Schaffensbreite des Künstlers zu machen. Außerdem konnte man etwas abseits der Ausstellungsräume an einem PC im Onlinearchiv stöbern und sich langsam an die ‚Aufgabe‘ herantasten (eine noch intimere Ecke, in der man sich unbeobachtet gefühlt hätte, und ein Stuhl zum Hinsetzen am PC wären sicherlich noch einladender gewesen). Die Möglichkeit der privaten Depotbegehung als ‚Eins-zu-einsExklusivsituation‘ (und somit als wirksame Mobilisierungsstrategie) werde ich im Abschnitt Interaktion/Kommunikation genauer beschreiben. Für die Teilnahme selbst lagen ansprechend gestaltete Vordrucke aus. Die dort formulierte Aufforderung war verständlich formuliert und die Anzahl der aufgedruckten Leerzeilen signalisierten, dass keine allzu ausführlichen Antworten erwartet wurden.11 10 Hier werden nun Aspekte einer anderen Dimension, nämlich der Dimension Kommunikation/Interaktion mitanalysiert (vgl. ‚Ansprache‘, Kommunikationsmittel und -wege in der genannten Dimension). 11 Auf der Vorderseite stand: „Wir stellen aus, was Sie sich wünschen!“ Dann: „Mein Marcks:“, gefolgt von zwei Leerzeilen zum Ausfüllen. Auf der Rückseite der Karte ging

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Von entscheidender Bedeutung war, dass für noch unentschlossene BesucherInnen sozusagen Modelllösungen vorhanden waren, die Orientierung boten: Gemeint sind damit die Kärtchen vorheriger TeilnehmerInnen an den Sockeln der ausgestellten Skulpturen. Zu Anfang der Laufzeit hatte das Museumsteam bereits (bewusst oder unbewusst) für Modelllösungen als Orientierungsrahmen gesorgt, indem es selbst Kärtchen ausgefüllt hatte sowie im Vorfeld Prominente, FachkollegInnen anderer Häuser oder Menschen aus dem Umfeld des Künstlers (z.B. dessen Enkel) um eine Teilnahme gebeten hatte. Auf diese Weise war schon bei Ausstellungseröffnung eine gewisse Bandbreite an Texten vorhanden: Fachlich-ausgefeilte wie auch sehr persönliche und subjektive Begründungen, die signalisierten, dass jede Form der Äußerung erlaubt sei und ihren Platz in der Ausstellung haben werde. Um jedoch nicht den Eindruck zu erwecken, die Ausstellung sei fürs erste ‚belegt‘, hatte das Team bei der Eröffnung auch Skulpturen aufgestellt, die völlig ohne Kommentare waren, und dazu aufgefordert, dass man aktiv werden solle, wenn man sich von einer angesprochen fühle. An anderer Stelle stieß man wiederum auf das umgekehrte Bild, nämlich dass mehrere Begründungen verschiedener Menschen an einem Sockel hingen – das Signal war also, dass man durchaus zu schon vorhandenen Begründungen eine eigene hinzufügen durfte. Wiegartz machte im Interview deutlich, dass genau diese Intention damit verbunden gewesen sei: „[W]enn es Skulpturen waren, die von mehreren Leuten ausgesucht worden sind, [haben wir] gleichzeitig alle Besucherkarten an die Skulptur drangehängt. Weil wir ja eigentlich auch einen kommunikativen Prozess in Gang setzten wollten – auch wenn der jetzt nicht von Mensch zu Mensch stattgefunden hat, aber über die Karten. Indem wir Besucher einladen wollten, zu lesen, warum Leute sich für diese Marcksfigur entschieden haben und auch zugänglich zu machen, dass es dafür ganz unterschiedliche Beweggründe geben kann und damit natürlich auch die Ermutigung indirekt in den Raum stellen wollten, selbst auch offen zu einer Figur zu schreiben.“ (Wiegartz; Piontek 2012e: 5)

Was das Aktivitätsspektrum für Teilnahmewillige betraf, so war dies bei gerhardWER?, anders als in Frankfurt, sehr klar festgelegt auf das Auswählen einer Arbeit aus einem vorgegebenem Pool an Kunstwerken und das Formulieren einer Begründung, und zwar online oder auf Besucherebene; formal lag somit der Partizipationstypus der Zuarbeit vor. Für diesen Projekttypus gilt zwar eigentlich, dass die Partizipation vor Fertigstellung und Eröffnung der Ausstellung stattfindet – und somit nicht auf Besucherebene möglich ist – da gerhardWER? jedoch keine statische es mit Rückbezug auf die ausgefüllte Vorderseite weiter mit: „...ist mein Marcks, weil...“, gefolgt von fünf Leerzeilen. (Darunter folgten noch zwei Leerzeilen für den eigenen Namen und für die E-Mailadresse oder Telefonnummer sowie noch einmal eine kurze Erklärung zum Sinn und Zweck der Karte. Diese lautete: „Füllen Sie die Karte mit der von Ihnen gewünschten Marcks-Skulptur aus und schicken Sie die Karte mit Hülle zurück an das Gerhard-Marcks-Haus oder senden Sie eine Email an: [email protected]. Wir integrieren die von Ihnen gewünschte Skulptur in die Ausstellung und geben Ihnen Bescheid.“).

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Ausstellung war, sondern sich wöchentlich veränderte, wurde dies dennoch möglich. Die Partizipationsintensität wäre, trotz der formal wenig umfänglichen Aufgabe, im mittleren Bereich mit steigender Tendenz anzusiedeln, denn die TeilnehmerInnen konnten in einem für Ausstellungen ganz neuralgischen Punkt Einfluss nehmen: Sie alleine bestimmten, welche Objekte zu sehen sein würden, und lieferten Werturteile ab, was sonst allein den WissenschaftlerInnen vorbehalten bleibt. Indem die handschriftlich ausgefüllten Zettel präsentiert wurden, hatten die TeilnehmerInnen auch in kleinerem Umfang Einfluss auf das optische Erscheinungsbild der musealen Präsentation. Allerdings reichte die Macht der Teilnehmenden nicht so weit, selbst zu entscheiden, wann, wo und auf welcher Sockelhöhe/-größe ihr gewähltes Stück zu sehen sein würde, was wiederum das Fachpersonal entschied. Ein ähnliches Bild zeichnete sich auch in Berlin, blickt man bei NeuZugänge auf die erreichte Partizipationsintensität. Obwohl das professionelle Projektteam sehr viel aufwändigere Partizipationsverfahren gewählt hatte als das Bremer Museum und Partizipation auf Projektebene (FokusgruppenteilnehmerInnen sowie LeihgeberInnen) wie auch auf BesucherInnenebene (Kommentarwände und Sammelvitrine für weitere Objekte) ermöglichte, konnten die Partizipierenden ‚nur‘ in klar definierten Bereichen Einfluss auf das Ausstellungsergebnis nehmen. Da es sich um eine Laborausstellung zur Frage des Sammelns und Präsentierens von Migration/ kultureller Vielfalt handelte und Partizipation als eine diesem Ziel untergeordnete Methode zum Einsatz kam, ist dies nicht weiter verwunderlich. Es ging bei diesem Projekt also gar nicht in erster Linie darum, einen möglichst hohen Partizipationsgrad zu erreichen. So betonen die MacherInnen, dass „[…] die grundsätzlichen Entscheidungen über das Ausstellungskonzept die Kuratorinnen [trafen]. Dieser Weg wurde vor dem Hintergrund des hohen Arbeitsaufwands der vorherigen Projekte eingeschlagen.“ (Düspohl et al. 2012: 161).12 Schaut man sich die einzelnen Partizipationsangebote genauer an, wird deutlich, was in der Berliner Ausstellung möglich war, wo aber auch klare Grenzen bestanden: Die Fokusgruppen leisteten Zuarbeit, indem sie eingeladen waren, die ausgewählten Museumsobjekte und die Objekttexte der Museumsleute persönlich einzuschätzen, Assoziationen, Gedanken oder eigenes Wissen zuzufügen, welches in der Ausstellung dazu diente, die ausgestellten Objekte um weitere Bedeutungsebenen zu erweitern und zu zeigen, dass Blickwinkel von Mensch zu Mensch – auch kulturell bedingt – ganz unterschiedlich sein können. Man könnte sagen, die Fokusgruppen leisteten einen Beitrag für das Museum im Bereich des Bewahrens sowie des Vermittelns durch ihre Beschreibungen und Objektkommentare. Es muss jedoch deutlich gesagt werden, dass die Fokusgruppen konsultativen Charakter hatten, ohne Einfluss darauf, ob und in welcher Weise ihre Ergänzungen von Museumsseite 12 Vgl. hierzu auch Gerbich 2013: 52.

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aufgenommen und produktiv gemacht würden. Hier fehlte also klar der von Cornelia Ehmayer bezüglich der Partizipationsintensität benannte Faktor der „Wirksamkeit des Einflusses“. Auch hatte die Fokusgruppe keinen Einfluss darauf, welcher Kommentar als exemplarisches Beispiel in der Ausstellung öffentlich gemacht werden würde. Die Auswahl hierüber trafen die WissenschaftlerInnen. Ebenfalls dem Typus der Zuarbeit zuzuordnen wäre die Beteiligung der acht ausgewählten Personen als LeihgeberInnen, die mit ihrem privaten Objekt einen Beitrag zum musealen Sammeln leisteten (auch wenn die Gegenstände meines Wissens nicht dauerhaft in die Museumssammlungen übergingen). Ihre Einflussmöglichkeiten waren natürlich entscheidend größer als die der Fokusgruppen, da sie de facto die Entscheidungsmacht hatten, die Hälfte der ausgestellten Objekte zu bestimmen und sich dazu in Videointerviews zu äußern. Peter Schwirkmann, beteiligter Vertreter des Stadtmuseums Berlin, macht dennoch die Grenzen der Einflussmöglichkeiten auf das Endergebnis deutlich, indem er es auf einer gedachten Skala von 1 (= niedrig) bis 10 (= hoch) einordnete: „Ich würde auf 4 bis 5 ansetzten, denn die Hälfte der Objekte wurde ja nun von den ‚allwissenden Museumskustoden‘ ausgesucht und die andere Hälfte wurde ja von ‚Laien‘ ausgesucht und betextet. Nun haben wir ja auch das Thema gesetzt und die Teilnehmer haben nur eine Gestaltungsparzelle zugewiesen bekommen [...] und sich nicht den Gesamtansatz ausgedacht [...].“ (Schwirkmann; Piontek 2011g: 6)

Ähnlich wie bei den Äußerungen der FokusgruppenteilnehmerInnen hatten auch die interviewten LeihgeberInnen keinen Einfluss auf den Schnitt ihres Videointerviews; nicht sie, sondern die Museumsleute bestimmten, welche Aussagen in die Ausstellung Eingang fanden. Schließlich boten sich auch für die späteren AusstellungsbesucherInnen mehrfache Möglichkeiten, sich aktiv in die Ausstellung ‚einzuschreiben‘. Alle drei Beteiligungselemente auf Besucherebene, von denen ich zwei im Folgenden etwas ausführlicher diskutieren möchte, entsprachen dem Beteiligungstypus der Ausarbeitung. Besonders gut funktionierte (der Menge und Qualität der Beiträge nach zu urteilen) ein stilisiertes Depotregal aus Pappe an einer Wand des Ausstellungsraumes, bei dem die BesucherInnen aufgefordert waren, selbst ‚Migrationsobjekte‘ bzw. geeignete Objekte zum Thema kulturelle Vielfalt per Formularzettel vorzuschlagen. Dieses Angebot sollte also „[...] das spontane Sammeln von Objekten ermöglichen aber auch immaterielle Objekte sammelbar machen, den spielerischen Umgang mit dem Objektbegriff initiieren und die Reflexion über das Sammeln von Migrationsgeschichte(n) anstoßen.“ (Gerbich 2013: 51) . Ich führe den Erfolg dieses Elements unter anderem darauf zurück, dass es, wie Christine Gerbich (Wissenschaftlerin aus dem assoziierten Forschungsprojekt Experimentierfeld Museologie) ja auch deutlich macht, spontane Beteiligung ermöglichte, und zwar in einem überschaubaren Rahmen und mit einer klar formulierten Aufforderung: An der Wand über dem stili-

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sierten Regal prangte in Deutsch und Englisch der Satz: „Stellen Sie uns ein Objekt ins Depot!“, die hierfür vorgesehenen Formulare im Format DIN A4 waren ebenfalls zweisprachig verfasst und boten die Wahlmöglichkeit, den Objektvorschlag zeichnerisch darzustellen (Zitat: „So sieht mein Objekt aus“) sowie alternativ bzw. zusätzlich in Worten zu benennen (Zitat: „Objektbeschreibung“), gefolgt von der Frage: „Was erzählt das Objekt über Migration und kulturelle Vielfalt?“ Gerbich hat die an dieser Station eingegangenen Beiträge von BesucherInnen eingehend inhaltlich analysiert (vgl. Gerbich 2013: 51 f.) und kam u.a. zu dem Ergebnis, dass von den knapp 70 Beteiligungen lediglich acht darunter waren, die „allgemeine Botschaften ohne konkreten Bezug zur Ausstellung“ (ebd. 50) beinhalteten. Diese gute Quote zeigt, dass der deutliche Großteil der SchreiberInnen/ ZeichnerInnen dieses Beteiligungsangebot für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema und den Ausstellungsinhalten nutzte (ganz im Gegensatz zur häufigen Befürchtung, die Bevölkerung bzw. BesucherInnen könnten Partizipationsangebote missbräuchlich z.B. für Pöbeleien o.ä. nutzen). Nicht jedes Partizipationsformat ist so erfolgreich bzw. erbringt eine so hohe Quote an inhaltlich ‚substanziellen‘ Beiträgen – auch in dieser Ausstellung nicht. Neben den bereits oben genannten Gründen ist für mich die erreichte Beteiligungstiefe und -intensität auch in Teilen darauf zurückzuführen, dass dieses Angebot insgesamt stimmig und wertig von den Museumsleuten konzipiert und umgesetzt worden war (gestaltetes ‚Depotregal‘, eigens angefertigte Formularblätter, die Wahlmöglichkeit zwischen schreibender und zeichnerischer Auseinandersetzung, Anmutung als eigenständiges Ausstellungselement statt ‚nur‘ als Anhängsel eines anderen Ausstellungselements). Diese Wertigkeit bzw. die Bedeutung, die die Museumsleute diesem Beteiligungsangebot implizit anhand der Ausgestaltung zukommen ließen, war für BesucherInnen dadurch spürbar und übertrug sich auf diese. Somit war hier die Atmosphäre bzw. ein Rahmen gegeben, der Teilnehmenden signalisierte, dass ihrem Beitrag Bedeutung und Wertschätzung von Museumsseite entgegengebracht würde – dies führte meiner Meinung nach zur überwiegend ernsthaften und tiefen Auseinandersetzung der BesucherInnen bei der Teilnahme. Anders sah es im Gegensatz dazu während meines Ausstellungsbesuchs bei einer anderen Beteiligungsmöglichkeit für die BesucherInnen aus: In jedem der vier Kabinette, die jeweils einem der beteiligten Museen zugeordnet waren, hingen an einer Wand lange weiße Papierbahnen herab, daneben die Aufforderung „Und was sagen Sie zu den Objekten?“ (Zitat). Hier sollten BesucherInnen also – wie die Fokusgruppen zuvor – die Wahl der Museumsobjekte sowie auch die der privaten LeihgeberInnen kommentieren. Mein Eindruck war jedoch, dass viele der SchreiberInnen die Flächen als Mitteilungsmöglichkeit à la „Ich war hier!“ oder „X liebt Y“ nutzten. Es wurde kreuz und quer geschrieben, es gab Durchstreichungen, z.T. auch Pfeile, um Bezug auf andere Mitteilungen zu nehmen (dieser Punkt wäre bei themenbezogenen Äußerungen wiederum höchst erfreulich). Insofern wäre meine

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Schlussfolgerung anhand des Eindrucks, der sich mir bei meinem Ausstellungsbesuch bot, dass bei dieser Beteiligungsmöglichkeit die Quote derjenigen Beiträge, die sich direkt auf die gestellte Frage und den Ausstellungsinhalt bezogen, sehr viel geringer ausgefallen sein wird als beim zuvor beschriebenen ‚Depotregal‘. Und auch hier würde ich wieder das Setting mitverantwortlich machen wollen, denn dieses Angebot strahlte in seiner Umsetzung nach meinem Dafürhalten weniger Wertigkeit aus, waren doch die Papierbahnen nicht fest fixiert, sondern wirkten eher provisorisch angebracht mit ihren losen, sich unten wieder leicht einrollenden Enden (wie es bei Papier von der Rolle ja immer der Fall ist). Auch wenn diese Form der Umsetzung sicherlich im Rahmen des gesamten Gestaltungskonzepts so gewollt und vielleicht auch ästhetisch stimmig war, vermittelte sich den BucherInnen bei diesem Angebot meiner Meinung nach jedoch eher ‚nur‘ der Eindruck „überdimensionierte[r] Notizzettel“ (Bluche et al. 2013a: 16) als der einer ernst zu nehmenden Beteiligungsstation, die einen hochwertigen und integralen Bestandteil einer Museumsausstellung darstellte. Die letzte Beteiligungsmöglichkeit, nämlich die Abgabe eines realen Gegenstandes, war nicht spontan möglich und bot damit (ungeachtet der Frage nach dessen Anmutungsqualität und atmosphärischer Wirkung durch die Gestaltung) eine formal sehr viel höhere Beteiligungshürde als die anderen beiden eben skizzierten Angebote für BesucherInnen. Dies erklärt sicherlich zu einem Gutteil, warum nur insgesamt 18 Mal von dieser Beteiligungsmöglichkeit Gebrauch gemacht worden war (vgl. Katalogteil in Bluche et al. 2013b: 179-186). Zusammenfassend kann man über das Beteiligungsspektrum auf Besucherebene wie auf Projektebene bei NeuZugänge sagen, dass das Ausstellungsergebnis in seiner Gesamtschau trotz der im Einzelnen eher beschränkten Einflussmöglichkeiten stark durch Beiträge von außen geprägt wurde. Dies lag an der großen Vielfalt der verschiedenen Partizipationsangebote und -ebenen des Projekts.

VI.4.3 D IMENSION Z EIT /P ROZESS Retrospektiv lässt sich sagen, dass die Vorbereitungs- und Umsetzungszeit der Projekte im Verhältnis zu dem Zeitpunkt wuchs oder sank, zu dem Außenstehende in den Projektprozess integriert wurden, und in Relation zum Umfang des zu leistenden Beitrags der Teilnehmenden. Mit der Erfahrung von inzwischen mehreren Stadtlabor-Projekten kommen die MacherInnen in Frankfurt heute zu dem Schluss, dass der Aufbau einer ‚partizipativen Community‘ für ein Projekt mindestens ein Jahr dauere; dann erst wüssten die Teilnehmenden, was genau sie machen wollten und hätten sich soweit kennengelernt, dass sie einander unterstützen und gegenseitig mit Ideen befruchten könnten

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(vgl. Jannelli & Thiel 2014: 70). Beim Projekt Ostend // Ostanfang fehlte dieser Erfahrungswert noch; das Gesamtprojekt war ohne Ausstellungslaufzeit nur auf insgesamt acht Monate terminiert (vgl. Gesser 2014: 51), wobei die Zusammenarbeit mit den Teilnehmenden bereits sehr früh im Projektverlauf einsetzte, nämlich schon in der Konzeptionsphase (der eine Ideenfindungs-, Recherche- und Feldeinstiegphase des Museums von rund drei Monaten vorausgegangen war). Vom ersten Kennenlernen im Auftaktworkshop bis hin zur Eröffnung lagen also gerade einmal fünf Monate.13 Obwohl der Zeitplan also sehr knapp bemessen war, machte im Gespräch Susanne Gesser, die als Leiterin des kinder museums frankfurt bereits öfters partizipative Prozesse initiiert und begleitet hat, auf einen bedeutsamen Punkt aufmerksam: Partizipationsprozesse dürften nicht zu lang sein, damit alle TeilnehmerInnen am Ball blieben: „Es ist [...] wichtig, dass man das zeitnah macht, denn die Leute, die das nebenberuflich machen, also am Abend oder am Wochenende, die verlieren dann auch den Atem. Man hat dann keine Lust mehr, wenn das zu lange dauert; das muss Schlag auf Schlag passieren. Sodass man weiß: Das ist zwar ein Kraftakt, aber ich bleibe da dran und ich treffe mich, bin motiviert und habe dann ein super Ding.“ (Gesser; Piontek 2011h: 6 f.)

Eine der Herausforderungen in der praktischen Umsetzung von Partizipation offenbart sich demnach in der Frage nach der ‚richtigen‘ Projektdauer, die so viel Zeit wie nötig und so wenig Zeit wie möglich beanspruchen sollte. Vor solchen Problemen stand das Gerhard-Marcks-Haus dagegen nicht, da die Partizipation ja erst mit Ausstellungseröffnung einsetzte und parallel zur Ausstellung ablief. Was im Vorfeld jedoch viel Zeit in Anspruch genommen habe, sodass man ungefähr auf den gleichen Arbeitsaufwand wie bei einer herkömmlichen Ausstellung inklusive Katalogerstellung komme, sei das Einpflegen des MarcksBestandes in die Datenbank gewesen, so Veronika Wiegartz rückblickend (vgl. Piontek 2012e: 6). Vor ganz eigenen Herausforderungen standen wiederum die Kuratorinnen in Berlin, die nach erfolgreicher Antragsstellung auf Projektförderung zunächst einen Kooperationsprozess zwischen den beteiligten vier Museen und dem Forschungsprojekt der TU Berlin initiieren und koordinieren mussten, bevor überhaupt daran zu denken war, Menschen aus der Bevölkerung zu beteiligen. Ein erstes Projekttreffen aller Museen fand rund neun Monate vor Ausstellungseröffnung statt. Diese Zeitspanne sei für alle Beteiligten knapp gewesen, da alle das Projekt (mit Ausnahme der Forscherinnen der TU Berlin) gewissermaßen als „Nebenjob“ (Bluche; Piontek 2012d: 2) zusätzlich zu den sonstigen täglichen Verpflichtungen stemmen 13 Die einzelnen Projektphasen, begonnen bei der ersten Recherche der Kuratorin bis hin zur Dokumentationsphase nach Ausstellungsabbau, sind bei Weber 2012 (S. 247 f.) dargestellt. Einen Einblick in die Projektgenese gibt zudem die Projektdokumentation: Historisches Museum Frankfurt 2011d.

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mussten, so Bluche rückblickend, die mit ihrer Kollegin parallel dazu bereits an der nächsten partizipativen Ausstellung, Ortsgespräche, für das Kreuzbergmuseum arbeitete. Die Teilnehmergewinnung für die partizipativen Module von NeuZugänge wie auch die Leihgeberpartizipation als solche wurde von jedem beteiligten Museum mehr oder minder in Eigenregie und individueller Zeiteinteilung gehandhabt, weshalb hier einheitliche Aussagen über Dauer und Zeitaufwand nicht möglich sind. Für die Partizipation in Form der Fokusgruppenkonsultation war vor allem die Vorbereitung und die anschließende Materialauswertung zeitaufwendig, wohingegen das Treffen mit den Teilnehmenden an sich nur jeweils einen Abend mit ‚nur‘ drei Stunden in Anspruch nahm (vgl. Piontek 2011g: 4 f.). Alle drei Partizipationsprojekte wurden als Sonderausstellungsprojekte realisiert, was natürlich die Frage der Nachhaltigkeit der geknüpften Verbindungen und initiierten Prozesse und Entwicklungen berührt. Hierin sehen manche meiner InterviewpartnerInnen die wahren Herausforderungen für Museen bei Partizipation. So etwa Angela Jannelli, die hierbei auf den Erfahrungszuwachs hofft, den die Zeit bringen wird: „Was machen wir mit den Beziehungen, die wir durch Ostend geknüpft haben? Was passiert, wenn die Ausstellung vorbei ist? Wie bleiben wir weiterhin Freunde? [...] Ich sehe das Museum ganz stark als lernende Organisation. Wir müssen den ‚Stein der Weisen‘ nicht jetzt schon haben, wo wir gerade anfangen. Ich glaube, es gibt [...] Beziehungen, die werden bleiben. [...] Aber wie machen wir das mit allen anderen?“ (Jannelli; Piontek 2011b: 6)

Vorstellen könne sie sich etwa einen „Stadtlabor-Treff“ (ebd.), der im mehrjährigen Turnus stattfinden könnte, oder einen „Club der Stadtlaboranten“ (ebd.) für alle ehemaligen TeilnehmerInnen sämtlicher Stadtlabor-Projekte. Auch wenn mein an die ehemaligen TeilnehmerInnen verschickter Fragebogen nur geringen Rücklauf hatte und die Ergebnisse daher keine Repräsentativität beanspruchen können, zeigte sich an zwei Stellen, dass die Frage der Nachhaltigkeit auch manche der Ostend-TeilnehmerInnen beschäftigte: Auf die Frage, was am Projekt missfallen habe oder zu kurz gekommen sei (Frage 19), lautete eine frei formulierte Antwort „[N]ach dem Projekt ging der Kontakt zu den Leiterinnen und anderen Teilnehmern leider verloren“, eine andere „Das [sic] jetzt im Nachklang nicht mehr so viel übrig ist, was ja wohl eher normal ist...“ – Eine weitere Person brachte folgenden Wunsch ein (Frage 22, ebenfalls frei formuliert): „TeilnehmerTreffs der ‚Ehemaligen‘ einmal im Jahr, z.B. im Historischen Museum“ (vgl. Anhang 5,). Anzumerken ist hier, dass es im neukonzipierten hmf in der Dauerausstellung zumindest ein Archiv für alle bisherigen Stadtlabor-Projekte geben soll. Dies halte ich für einen ersten Schritt mit Signalwirkung: Auch für abgeschlossene Projekte

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kann das Museum damit dauerhaft und öffentlich seine Wertschätzung für die Projekte und alle daran Beteiligten zeigen; sie alle sind nach wie vor im übertragenen wie wörtlichen Sinne für die MuseumsmitarbeiterInnen präsent, die Beziehung von Seiten des Museums also noch nicht abgebrochen. Im Zusammenhang mit der Neukonzeption des hmf sei noch darauf hingewiesen, dass die Stadtlaborprojekte später innerhalb der Dauerausstellung temporär ihren Ausstellungsort finden sollen. Damit findet gewissermaßen eine Dynamisierung der Dauerausstellung statt – Dauer- und Sonderausstellungsformat beginnen zu oszillieren. Ähnliche Konzepte wurden etwa auch bei der Neukonzeption des M Shed in Bristol sowie des Museum of Liverpool gewählt.14 Zeichnet sich hierin ein Trend der Zukunft ab, wie ihn Michael Parmentier kommen sieht? „Das Museum muß sich von der Vorstellung lösen, ein Antiquariat zu sein. In dem neuen Museum wird es deshalb keine Dauerexposition mehr geben. An ihre Stelle tritt das, was die Leute vom ‚Museum der Dinge‘ einmal in einer glücklichen Formulierung ‚unbeständige Beständeausstellung‘ genannt haben. Das ist die angemessene Antwort auf die gesellschaftliche Dynamik. Das Museum kann nur aktuell bleiben, wenn es seine Präsentationen ständig erneuert. Entscheidend ist dabei die Reaktionsgeschwindigkeit. Sie wird jetzt zu einem Qualitätskriterium.“ (Parmentier 2007: 8)

In den Kurzvorstellungen der Museen und der drei Fallstudienprojekte ist bereits deutlich geworden, welche Gründe jeweils zu den partizipativen Ausstellungsversuchen führten (Neukonzeption des hmf, Förderprojekt zur Neuorientierung beim Thema Sammeln von Migration/kultureller Vielfalt in Berlin, Einrichtung einer Onlineobjektdatenbank zur weiteren Öffnung und Transparenz des Gerhard-MarcksHauses), daher muss der Aspekt Projektzeitpunkt an dieser Stelle nicht mehr im Einzelnen thematisiert werden. Ich möchte jedoch in Sachen Projektzeitpunkt noch einmal ganz allgemein auf den größeren, übergeordneten Begründungszusammenhang für die derzeitige Konjunktur von Partizipation hinweisen: Wie bereits in der Einleitung deutlich gemacht, befindet sich die Institution Museum derzeit in mancherlei Hinsicht in einer – wenn man so möchte – ‚krisenhaften‘ Situation, welche in all ihren Facetten letztlich immer wieder auf die Grundfragen nach dem Publikum von morgen und nach der zukünftigen Legitimation, also dem eigentlichen Sinn und Zweck der Institution Museum im 21. Jahrhundert, rückverweisen. Insofern sei zum jetzigen Zeitpunkt eine „bewusste Positionierung und (Neu-)Orientierung“ (Mandel 2008b: 75) der Institution Gebot der Stunde. Gerade Stadtmuseen erfahren in diesem Begründungszusammenhang seit einiger Zeit „wachsende Aufmerksamkeit“ (Pyzio 2013: 252), ebenso ist das Thema Migration inzwischen auf eine „breite museumsinstitutionelle Agenda“ (Bayer 2014: 66) gerückt – nicht zuletzt im Zuge der jüngsten Jahrestage

14 Vgl. Finch 2012 und Rodgers 2012 bzw. Baveystock 2013.

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der Anwerberabkommen, auf deren Grundlage die ersten sogenannten GastarbeiterInnen nach Deutschland kamen.15 Was die kulturhistorischen, stadt- oder lokalgeschichtlichen Museen heute in Legitimitätsprobleme bringt, ist der Umstand, dass sie als „[...] Speichergedächtnisse lokaler Gemeinschaften [...] am Rande des Geschehens verstaubte Erzählungen vom normativen Wir einer homogenen Gemeinschaft [erzählen], die es so nicht mehr gibt und vielleicht auch nie gab.“ (Pyzio 2013: 252 f.). Als Antwort hierauf, so konstatiert etwa Korff, seien Museen nun im Begriff, „mehr und mehr zu Orten der Begegnung mit Problemen des Heute und mit Entwürfen des Morgen“ (Korff 2011: 77) zu werden. Oder, wie der ehemalige langjährige Leiter des GrazMuseums, Otto Hochreiter, es ausdrückt: „Zeitgenössische Museen können nicht anders als permanentes Identitätslabor zu sein im Sinne des Verstehens der Differenz bezogen auf Geschlecht, Herkunft, Alter, Beeinträchtigungen, Religion oder sozialer Schicht: Museen also als Instrumente einer vielfach gespiegelten Identitätssuche und Identitätsbefragung (auch mit der Option gelebter Mehrfachidentitäten).“ (Hochreiter 2014: 3)

Insofern ist es also kein Zufall, dass partizipative Vorstöße, ob nun „Laborausstellungen“ oder „Stadtlabore“ genannt, in den letzten Jahren Einzug in das Repertoire deutscher Museen halten. Schaut man sich die partizipativen Angebote unter dem Blickwinkel der projektimmanenten Funktionalität an, zeigt sich, dass bei allen drei Projekten die Beteiligung Außenstehender unabdingbar für das Zustandekommen einer Ausstellung, also für die Projektdurchführung und den Projekterfolg gewesen ist. Partizipation war überall konstitutives Projektelement. Dabei folgten das Bremer wie auch das Berliner Team einem deduktiven Ansatz, indem sie ihre jeweiligen Konzepte detailliert ausarbeiteten, den Rahmen der Beteiligung feststeckten und dann zur Teilnahme einluden. Dies hat prinzipiell den Vorteil, dass die Vorbereitungsarbeit im Grunde genommen wie bei jedem anderen Projekt auch ablaufen kann, ohne dass es schon hier zu ‚Störungen‘ von außen kommt, die den Ablauf verzögern könnten. Da in Berlin jedoch bereits in dieser Phase unterschiedliche, wenn auch professionelle MuseumspartnerInnen miteinander interagierten, konnte das Team nur bedingt von diesem eigentlichen Strukturvorteil einer deduktiven Vorgehensweise profitieren – die Grundannahmen und Zieldefinitionen der einzelnen Parteien waren teilweise derart divergierend, dass es den professionellen AkteurInnen „[...] manchmal schwer fiel, weiterhin anzunehmen, dass wir alle über ein und dieselbe Ausstellung sprachen“ (Kamel 2013: 73).

15 Die Gründe sind natürlich bei weitem vielfältiger, wie Baur (2012b: 7) und Bayer (2014: 66) darlegen und auf die ich an dieser Stelle verweise.

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In Frankfurt wurde dagegen eine induktive Vorgehensweise gewählt, da nur so umfassende Beteiligung von Anfang an möglich wurde. Das heißt: Abgesehen von einem groben Zeitpunkt für die erhoffte Ausstellungseröffnung und der vagen Idee, ein Stadtteilprojekt in und über das Ostend zu machen, existierten keine strukturellen Vorgaben von Museumsseite – diese wurden gemeinsam mit allen Interessierten erarbeitet Mit eben Beschriebenem korrespondiert jeweils auch der übergeordnete Stellenwert, den die MuseumsakteurInnen in und mit ihren Projekten vertraten (hiermit greife ich in die Dimension Selbstverständnis vor): In Berlin und Bremen dienten die Beteiligungselemente eher als ‚Mittel zum Zweck‘ – die Zielvorgaben waren ja auch durch die deduktive Vorgehensweise bereits gesteckt. In Frankfurt ging es ganz prinzipiell um Beteiligung als Eigenwert an sich, womit auch die Sichtweise korrespondierte, dass „der Weg das Ziel ist“ (Gesser 2014: 55), und weniger um das fertige Endergebnis in Form einer Ausstellung. Oder wie Weber es umschrieb: Das Stadtlabor „[...] will Forum sein, dass Menschen [gemeint sind hier die Partizipierenden, Anm. A.P.] sich treffen und austauschen können.“ (Weber; Piontek 2011e: 2) (vgl. Dimensionen Ziele und Selbstverständnis weiter unten).

VI.4.4 D IMENSION K OMMUNIKATION /I NTERAKTION Es ist naheliegend, dass sich unterschiedliche Prozess- und Beteiligungsvariablen der Projekte auch in der Dimension Kommunikation niederschlagen. Zunächst lässt sich festhalten, dass keines der Häuser einen autoritären Kommunikationsstil pflegte, sondern alle auf einen dialogorientierten, demokratischen Stil – wenn auch in unterschiedlicher Weise – setzten. Die jeweils verwirklichte Struktur der Interaktion hing dabei stark mit den übergeordneten Zielen und Interessen, aber natürlich auch mit dem Design der Beteiligungsmöglichkeit zusammen. Die Interaktionsstruktur des Gerhard-Marcks-Hauses sah entweder keine direkte Kommunikation von Mensch zu Mensch vor (wenn man online mitmachte) oder einen direkten zwischenmenschlichen Austausch zwischen VertreterInnen des Museums und den jeweils Teilnehmenden als Einzelpersonen (bidirektionaler Stil). Wie ich später noch darstellen werde, schaffte es das Museum, seinem Gegenüber ein sehr qualitätsvolles und bedürfnisgerechtes Austauscherlebnis zu bieten. Insgesamt könnte man die Kommunikationsstrategie des Gerhard-Marcks-Hauses mit dem Stichwort Gastfreundschaft überschreiben. Dieses Stichwort kommt nicht von ungefähr, sondern findet sich auch im musealen Leitbild als Prämisse wieder (vgl. Gerhard-Marcks-Haus o.J.d: o.S.). In Berlin experimentierten die MacherInnen mit unterschiedlichen Kommunikationsstrukturen: So setzten diese bei den acht ObjektleihgeberInnen, ebenso wie das

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Gerhard-Marcks-Haus, auf einen direkten Eins-zu-Eins-Kontakt zwischen einem/ einer offiziellen ProjektvertreterIn und einem/r LeihgeberIn (bidirektionaler Stil). Bei den Fokusgruppen dagegen wurden Gruppensituationen geschaffen, die einen Austausch zwischen allen – professionellen wie nichtprofessionellen – TeilnehmerInnen ermöglichten (multidirektionaler Stil). Die Treffen der Fokusgruppen liefen dabei alle nach einem zuvor festgelegten Schema ab, das nach einer gemeinsamen und offenen Einstiegs- und Kennenlernphase eine Phase der jeweils individuellen Auseinandersetzung mit einem Museumsobjekt sowie danach mit den diesbezüglichen Informationen des jeweiligen Museums beinhaltete. Nach dieser ‚Einzelarbeit‘ folgten der Austausch und die Diskussion in der Gesamtgruppe, bestehend aus Teilnehmenden, den KuratorInnen und den jeweiligen VertreterInnen der Museen (in beiden durchgeführten Fokusgruppen waren nicht immer von allen vier beteiligten Museen VertreterInnen anwesend). Obwohl Miera und Bluche externe Akteurinnen darstellten, lag eine multidirektionale Austauschsituation vor, da die beiden in der museumsinternen Funktion der KuratorInnen agierten. Die inhaltlichen Folgen der skizzierten Kommunikationsstrategien bei diesem Projekt könnten zusammenfassend mit dem Stichwort Perspektivwechsel oder Neue Einflüsse überschrieben werden, da alle Austauschsituationen – egal ob mit den LeihgeberInnen, den Fokusgruppen, den Museen untereinander (oder später auch bei den Angeboten auf Besucherebene) – den Zweck hatten, neue Sichtweisen, ungeahnte Assoziationen wie auch Emotionen, spezielle Kenntnisse oder Fragen zu evozieren, bei denen es nicht um richtig oder falsch ging, sondern darum, all diese verschiedenen Erfahrungshorizonte nebeneinander bestehen zu lassen und wechselseitig zu wertschätzen. Dass dies, zumindest im Einzelnen, geglückt ist, verdeutlicht folgende rückblickende Aussage von Peter Schwirkmann im Interview: „Was ich [...] mitgenommen habe, ist natürlich, und das war sehr belebend, dass man als – in Anführungszeichen – ‚Museumsmitarbeiter‘ unglaublich viele Vorwertungen im Kopf hat, Vorentscheidungen, so ein Kategoriensystem, wie man was wo einsortiert, das dem Laien gänzlich fremd ist. [...] [M]an hat gesehen, dass man sehr viel gewinnen kann dadurch, dass andere ganz anders auf Dinge schauen und auch ganz andere Assoziationen damit haben. Und da merkt man dann auch, wie befangen man auch ist in der eigenen [...] Kulturgeschichte, in der man groß geworden ist, aber die man weiß Gott nicht mit allen teilt.“ (Schwirkmann; Piontek 2011g: 5)

Grundbedingung für einen solchen Austauschprozess ist natürlich eine offene, entspannte und angstfreie Atmosphäre. Wie diese in Berlin zu schaffen versucht wurde, wird an späterer Stelle dargelegt. Das Ostend-Museumsteam setzte passend zu der großen Partizipationsintensität des Projekts je nach Situation auf einen Mix aus bi-, multi- und omnidirektionalen Kommunikationsstrukturen; dabei ging es in den jeweiligen Interaktionssituationen auch darum, mit den Teilnehmenden möglichst „auf Augenhöhe“ (Gerchow et al.

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2012: 29) zu arbeiten: Weber hatte in ihrer Funktion als Projektbeauftragte erste Grundsatzentscheidungen getroffen und sich mittels Recherchen vorab in mögliche Themenzusammenhänge und den Stadtteil eingearbeitet. Vor Ort hatte sie zugleich mittels direkter Kontaktaufnahme und Ansprache im Viertel zur Teilnahme animiert, fungierte also als boundary spanner und institutionelle Gastgeberin. Sie genoss zwar durch ihre Recherchen vorab einen Informationsvorsprung wie auch als Einladende eine höhere Hierarchie gegenüber den möglichen Gästen. Allerdings wollte sie ihre Funktion als Projektbeauftrage nicht in der Weise nutzen, dass sie inhaltliche Vorschriften machte, sondern vielmehr koordinierend und ermutigend bzw. beratend oder helfend tätig werden. Ziel war es, „[...] eine offene, demokratische Gesprächskultur zu schaffen, in der die unterschiedlichen Wissensfelder und Fähigkeiten der Teilnehmenden gleichermaßen Entfaltung und Wertschätzung erfahren sollten.“ (Weber 2012: 248). Teil dieser Gesprächskultur war es, Entscheidungen demokratisch abzustimmen. Auf diese Weise wurden Richtungen eingeschlagen, die begründbar, transparent und vor allem von der Mehrheit mitgetragen wurden. Ein solches Vorgehen wird nicht nur als fair wahrgenommen, sondern kann auch der Steigerung von Identifikation und Motivation der TeilnehmerInnen mit und für die gemeinsame Sache dienen. Insofern kann man, zumindest bei Betrachtung der formalen Grundkonstellation, von einem demokratischen Kommunikationsstil mit teilweise egalitären Zügen sprechen. Je nach Kommunikationssituation kamen unterschiedliche Kommunikationsstrukturen und -wege zum Tragen, seien es persönliche Einzelgespräche mit den TeilnehmerInnen (bidirektional), seien es Arbeitsgruppen, in denen Museumsvertreterinnen und Teilnehmende alle miteinander in den Austausch traten (zum Beispiel bei der Organisation des Rahmenprogramms) (multidirektional) oder eben Formen, bei denen das Museum explizit ExpertInnen von außen hinzuzog, die die leitende Rolle übernahmen und damit die MuseumsvertreterInnen und die Teilnehmenden in die formal gleiche Rolle versetzten (omnidirektional). Letzteres war beispielsweise beim Auftaktworkshop der Fall, für den eine professionelle Moderatorin engagiert worden war, insbesondere aber beim Workshop zur Ausarbeitung des Gestaltungskonzeptes, bei dem Ausstellungsarchitekten von Kossmann.dejong hinzugezogen worden waren. Dass dadurch ein Wir-Gefühl entstehen kann und es zu reziprokem (oder zumindest reziprok empfundenem) Austausch kommen kann, verdeutlicht folgende Aussage einer Teilnehmerin: „Eine Zusammenarbeit entstand, Kontakte entwickelten sich und wir überlegten gemeinsam, was wir wollen und was in so kurzer Zeit möglich war.“ (Historisches Museum Frankfurt 2011d: 37). Gleichwohl sei darauf hingewiesen, dass die TeilnehmerInnen nicht gleichermaßen in bestimmte Kommunikationsstrukturen eingebunden waren (bzw. sich eingebunden fühlten) und dementsprechend bei meiner Online-Befragung nicht bei allen

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Antwortgebenden der Eindruck egalitärer Zusammenarbeit und Mitbestimmung bestand.16 Das übergeordnete Credo, auf das das hmf bei Kommunikations- bzw. Interaktionsstil und -strukturen setzte (und nach wie vor bei Folgeprojekten setzt), könnte man, Angela Jannelli zitierend, als „Prinzip der geteilten Expertise“ (Jannelli 2013: 70) überschreiben. Dies wird bei der Dimension Selbstverständnis auch noch einmal unter dem Faktor Selbst- und Fremdbild zur Sprache kommen. Deutlich zeigt sich dieses Credo der geteilten Expertise in Anerkennung der (formalen wie informellen) Wissensbestände, Fähigkeiten und Leistungen der Teilnehmenden auch darin, dass die geteilte Autorschaft explizit nach außen kommuniziert wurde: So nannte das Frankfurter Projekt alle Beteiligten namentlich in ihrer Funktion in verschiedenen Medienprodukten (so auf der Homepage, im Online-Projekt-Blog, im Saalblatt für den Ausstellungsrundgang, dem gedruckten Rahmenprogramm sowie in der Broschüre der Ausstellungsdokumentation). Eine solche Geste der Wertschätzung und Fairness wird momentan in nur wenigen Projekten an den Tag gelegt; noch überwiegt die Praxis, nur die musealen AusstellungskuratorInnen bzw. museumsseitig beteiligten Fachkräfte mit vollem Namen nach außen zu benennen. Die möglicherweise im Prozessverlauf geminderten Hierarchien bleiben damit nach außen formal bestehen, die Abgrenzung als ‚Profis‘ (die man namentlich nennt) in willentlich oder unwillentlich meist abwertend konnotierter Differenz zu den anderen als ‚Laien‘ wird perpetuiert. Im Folgenden soll beispielhaft der Kommunikationsvorgang der Ansprache näher betrachtet werden. Welche Strategien wurden hier bei den einzelnen Projekten gewählt? Bei gerhardWER? muss hier berücksichtigt werden, dass es sich um eine „Low Budget-Ausstellung, eine typische Sommerausstellung, für die kein großer Etat da war“ (Wiegartz; Piontek 2012e: 1), handelte – entsprechend kostengünstige Kommunikationsmittel wurden daher ausgewählt: Neben Homepage (und der dortigen Objektdatenbank als direktem Anreiz), Flyern und Plakaten wurde noch auf die mediale Berichterstattung gesetzt. Der provokative Ausstellungstitel könnte, wie bereits oben bei der Analyse der Dimension Teilnehmer dargelegt, ebenfalls als besondere Animationsstrategie bezeichnet werden. Außerdem, so Wiegartz, hatte das Team „[...] den Eindruck, dass viel auch über Mund-zu-Mund-Propaganda läuft, auch gerade jetzt bei diesem gerhardWER?-Projekt“ (dies.; Piontek 2012e: 1). Dieser Faktor ist nicht zu unterschätzen und stellte sich in der Vergangenheit auch als wichtigstes Mobilisierungsmedium für das Kreuzbergmuseum heraus, dem hierbei sicherlich auch das bereits bestehende Netzwerk in die Bevölkerung zugute16 Vgl. z.B. die Antwortergebnisse im Fragebogen in Teil F bei Frage 9 und 10 (siehe Anhang Nr. 5).

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kam: „[D]ie Anwohner locken wir [...] fast ausschließlich über Mundpropaganda, über den persönlichen Kontakt.“ (Düspohl 2012: 45). Wie sich das Kreuzbergmuseum im Stadtteil anfänglich vernetzte und offensiv Kontakt zu lokalen Einrichtungen suchte, ist bereits bei der Vorstellung des Museums dargestellt worden. Auf diese Strategien konnte das Projektteam von NeuZugänge für die Findung und Ansprache von (potenziellen) TeilnehmerInnen ein Stück weit aufbauen, außerdem auf die Kontakte und Gremien, die Miera und Bluche für ihr paralleles Partizipationsprojekt Ortsgespräche bereits erfolgreich installiert hatten.17 Wie schwierig eine Kontaktarbeit und Teilnehmergewinnung ohne solche Vorkontakte i.d.R. ist, verdeutlicht die Erfahrung des Werkbundarchivs – Museums der Dinge, das gerne Menschen aus einem Kulturverein, der sich im gleichen Gebäude ein Stockwerk unter dem Museum befindet, als projektbeteiligte LeihgeberInnen gewinnen wollte. Ludovico spricht von „relativ viel Rennerei, bis wir sie [die Teilnehmerinnen, Anm. A.P.] hatten“ (ders.; Piontek 2011c: 4) – um nach mehrmaligen Besuchen, Erinnerungen und Bitten doch damit konfrontiert zu werden, dass eine der gewonnen geglaubten Teilnehmerinnen kurzfristig absprang. Insgesamt stellte sich für Ludovico die Gewinnung und fortwährende Motivierung dieser schwierigen, da gänzlich museumsunerfahrenen Klientel als äußerst kräftezehrend heraus, denn „[...] dieser Prozess [war] relativ zäh [...], bis man alle zusammen hatte. Und immer diese Unsicherheit. Es war ja nie damit getan! Man hatte sie dann im Boot und trotzdem musste man ja immer weiter überzeugen, dabei und dran zu bleiben.“ (Ludovico; Piontek 2011c: 5)

Beim Ostend-Projekt waren mehrere Ansprache- und Kommunikationsstrategien wirksam, von denen hier nur jene angeführt werden sollen, die über das klassische Kommunikationsspektrum eines Museums hinausgehen, um damit exemplarisch zu zeigen, in welche Richtungen Ansprachestrategien bei Partizipationsprojekten gehen könnten. Da der Aspekt der Ansprache und Teilnehmergewinnung letztlich über Gedeih oder Verderb eines Projektes entscheidet, widme ich mich diesem Kommunikationsvorgang im Vergleich zu anderen besonders ausführlich: Noch relativ konventionell war die Strategie Webers, direkt im Stadtteil Ostend BewohnerInnen oder LadenbesitzerInnen, die ihr bei ihren Recherchestreifzügen begegneten, für das geplante Projekt anzuwerben. Dabei, so äußerte sie im Interview, habe sie sich zunächst nicht als Museumsvertreterin zu erkennen gegeben (aus Angst, damit womöglich Vorbehalte zu wecken), sondern habe Menschen erst einmal wie zufällig in ein Gespräch über den Stadtteil und seine Veränderungen verwickelt (vgl. Piontek 2011e: 2). Dies lässt sich vielleicht in verkürzter Form mit 17 So berichteten beide im Interview, dass sie für das Ortsgespräche-Projekt, das ebenfalls am Kreuzbergmuseum angesiedelt war bzw. ist, Workshops mit der Bevölkerung durchgeführt hatten sowie einen projektbegleitenden Beirat ins Leben gerufen haben. Einige Personen aus dem Kreis dieser Veranstaltungen ließen sich später als TeilnehmerInnen bei den Fokusgruppen oder als Leihgebende gewinnen (vgl. Piontek 2012d: 1).

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der Start-Strategie Düspohls bei Museumsgründung vergleichen, bei der es zunächst auch erst einmal darum ging, in Kontakt mit den Menschen Kreuzbergs zu kommen und ein Vertrauensverhältnis anzubahnen. Zum weiteren Set der Outreach-Strategien des Projektteams zählte später ein auffällig rot-weiß gestrichener Bauwagen, dessen Querseiten ein großes „Stadtlabor“-Banner zierte. Dieser wurde im Viertel an einer belebten Stelle aufgestellt18 und diente als Projektbüro und Anlaufstelle für bereits gewonnene TeilnehmerInnen sowie als Eyecatcher zur Gewinnung weiterer möglicher Teilnehmender. Damit übernahm der Bauwagen die „Funktion einer Kontaktzone“ (Weber 2012: 248). Eine weitere, wenn auch eher spärlich von den bereits Teilnehmenden angenommene Idee war die Herstellung von Klebebandrollen mit endlos aufgedrucktem Schriftzug „Stadtlabor“ und der Internetadresse des Projekt-Blogs (diese Idee griff das vorhandene allgemeine Stadtlabor-Logo des hmf, die Zeichnung einer blauen, ein Stück weit abgerollten Klebebandrolle mit Stadtlabor-Aufschrift, auf und übersetzte es quasi in die Realität). In einer Art Guerilla-Taktik sollten Projektteilnehmende das Klebeband nutzen, um im Stadtteil relevante oder auf sonstige Weise bedeutsame Entdeckungen oder Plätze zu markieren, die damit ein bisschen die Anmutung abgesperrter Tatorte bekamen und somit zum ‚Hingucker‘ für PassantInnen würden. Besagte Projekt-Blog-Seite im Internet, die von Teilnehmenden und Interessierten in Eigenregie bestückt und betrieben werden konnte/sollte, war eine weitere Strategie des hmf. Einerseits gab das Museum den Teilnehmenden damit eine Möglichkeit der Eigenkommunikation an die Hand, zum anderen konnte die Internetseite jenen TeilnehmerInnen Orientierung und Informationen über den bisherigen Projektfortgang vermitteln, die erst später dazu gestoßen waren oder die sich erst einmal nur unverbindlich informieren wollten. Im Projektverlauf zeigte sich jedoch, dass in erster Linie nur diejenigen im Blog aktiv wurden, die sich mit einem Ausstellungsbeitrag einbrachten; Außenstehende kommentierten allenfalls bereits gepostete Inhalte. Der eigentliche Plan Webers, dass sich hieraus eine Diskussionsplattform über das Ostend entwickeln würde, ging somit nicht auf (vgl. Piontek 2011e: 7). Weber sah die entscheidende Schwierigkeit rückblickend darin, dass 2011 für zu wenige der Teilnehmenden das Medium Blog überhaupt ein Begriff gewesen sei (vgl. ebd.). In Berlin und Frankfurt bestand eine Herausforderung der Projekte darin, Teilnehmende auf Projektebene über einen längeren Zeitraum hinweg ‚bei der Stange‘ halten zu müssen, um die Projekte zu einem erfolgreichen Ende zu führen, da die Projekte im Unterschied zu gerhardWER? keinen einmaligen Kontakt, sondern eine 18 Ursprünglich waren auch Standortwechsel geplant, um an verschiedenen Stellen im Stadtteil unmittelbar präsent zu werden.

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längerfristige Zusammenarbeit mit Außenstehenden als konstituierendes Element vorsahen. Hierfür war es nötig, das Setting der jeweiligen Gruppentreffen – also der Fokusgruppentermine in Berlin sowie die verschiedenen Workshoptreffen in Frankfurt – so zu gestalten, dass einerseits eine angenehme Atmosphäre, zum anderen aber auch eine arbeitsame, produktive Grundstimmung entstehen konnte. Frankfurt behalf sich hierbei als Kommunikationsstrategien, wie bereits dargelegt, mehrmals eines basisdemokratischen Abstimmungsverfahrens und leistete sich für die Auftaktveranstaltung eine professionelle Moderatorin, die mit Hilfe der Großgruppenmethode des World Café19 einen erfolgreichen Austausch unter den rund 40 anwesenden Projektinteressierten initiierte. In Berlin waren die übergeordneten Fragestellungen, die in den Fokusgruppen erörtert werden sollten, sehr viel konkreter als bei der Frankfurter Auftaktveranstaltung: Die Teilnehmenden sollten die acht Museumsobjekte auf vielfältige Weise erkunden, um dem vorhandenen Wissen neue Facetten hinzuzufügen und die kuratorisch getroffene Auswahl einer „Kritik von außen“ (Becker 2002: 283) zu unterziehen. Die Strategie bildete hierbei ein ausgeklügelter Ablaufplan, der den Teilnehmenden vor dem gegenseitigen, multidirektionalen Austausch zunächst verschiedene Aufgaben in Einzelarbeit abverlangte. Der Ablaufplan mit genau ausformulierten Aufgabenstellungen bzw. aufmerksamkeitsleitenden Fragen sollte im Einzelnen dazu dienen, persönliche Zugänge zu den Objekten zu stimulieren, verborgene Wissensbestände zutage zu fördern sowie eine themengeleitete kritische Reflexion mit der Objektwahl und den kuratorischen Objektinformationen zu ermöglichen (zum genauen Ablauf vgl. Gerbich 2013: 46 f.). Als weitere Anreizstrategie winkten Jahreskarten zweier beteiligter Museen als Dankeschön für die Fokusgruppenteilnahme (vgl. ebd. 44). Dass diese Situation in ihrem festgelegten Ablauf dennoch manche TeilnehmerInnen verunsicherte (insbesondere, wenn Sprachbarrieren Verständnis und Verständigung erschwerten) und auf manche „wie eine Prüfungssituation bis zu einem gewissen Punkt“ (Ludovico, Piontek 2011c: 3) wirken mochte, ist nachvollziehbar. Mir berichteten aber alle InterviewpartnerInnen, dass beide Fokusgruppentreffen erfolgreich verlaufen seien und dass sich insbesondere bei einer Gruppe schnell eine positive Eigendynamik entwickelt habe und eine lockere und vertrau19 Ziel der Methode ist es, im kleinen Kreis entspannt (wie privat im Café, daher der Name) über Dinge zu sprechen, die den Teilnehmenden wichtig sind. Dazu werden mehrere Runden durchgeführt, die jeweils eine Oberfrage bzw. ein Oberthema haben. Auf den Tischen liegen große Blätter (wie Tischdecken), auf denen Wesentliches schriftlich fixiert werden kann. Nach jeder Runde wechseln die TeilnehmerInnen untereinander durch, sodass immer unterschiedliche Menschen miteinander an einem Tisch zusammenkommen und sich austauschen können (vgl. z.B. Wilbert 2014). Eine ebenfalls beliebte und thematisch noch offenere bzw. an den individuellen Interessen der Anwesenden noch stärker orientierte Methode ist Open Space, die im Zusammenhang mit Partizipation ebenfalls häufig genannt bzw. praktiziert wird (für mehr Informationen hierzu vgl. z.B. Petri 2012 und Stöger 2005a: 106 ff.).

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ensvolle Atmosphäre entstanden sei. Ohne an den Gruppen selbst teilgenommen zu haben, ist es für mich schwierig, einzuschätzen, welche ‚Binnenstrategien‘ bzw. zusätzlichen strategischen Momente Anteil daran hatten, diese – sicherlich anstrengenden, durch den Ablaufplan stark getakteten – Fokusgruppentreffen zu einer augenscheinlich wenig barrierebelasteten oder hemmungsgeladenen Situation zu machen. Die Kuratorinnen waren sich rückblickend sicher, dass der mehr spielerische und dadurch niederschwellige Einstig in das Treffen seinen Teil dazu beigetragen habe: „Die [FokusgruppenteilnehmerInnen, Anm. A.P.] waren erstaunlich unbefangen und es waren erstaunlich lebendige Diskussionen – wobei dabei unsere Einstiegsrunde sehr geholfen hat: Man sollte in der Vorstellungsrunde sagen, wie man heißt, wer einem den Namen gegeben hat und wo der Name herkommt. Jeder konnte entscheiden, ob man Vor- oder Nachname oder beides sagt. [...] Aufgrund dieser Vorstellungsrunde gab es viel Persönliches, natürlich viele Migrationsgeschichten. Es wurde viel gelacht und es gab auch viele Aha-Erlebnisse. Das wurde hinterher auch als gut, weil niederschwellig, zurückgemeldet.“ (Miera; Piontek 2012d: 5)

Außerdem mag sicherlich die Transparenz bezüglich Sinn und Zweck der Veranstaltung eine Entspannung der Situation bewirkt haben. Ebenso deutlich scheinen die Kuratorinnen die ‚blinden Flecken‘ und Wissenslücken in den Museumssammlungen vermittelt zu haben, sodass der Nimbus der allwissenden Institution und der allwissenden KuratorInnen gebrochen wurde, was Teilnehmende sicherlich ebenfalls ermutigt und Ängste genommen haben mag: „Uns ist schon gelungen, dass wir klar gemacht haben, dass wir wirklich wollen, dass sie uns was erzählen und mit uns zusammen arbeiten, und dass wir uns nicht da vorne hinstellen und sagen ‚Wir wissen es‘. Wir haben unser Nicht-Wissen durchaus auch transparent gemacht. Das kam schon an – auch in der Atmosphäre.“ (Bluche; Piontek 2012d: 5)

Das zuletzt angesprochene Nicht-Wissen, das ja auch den zentralen Ausgangspunkt der Grundidee der Neusichtung und -kommentierung von Sammlungen darstellt, kam auch immer wieder in den Museumstexten der fertigen Ausstellung zur Sprache und machte damit auch den späteren BesucherInnen transparent, dass museale Sammlungen letztlich genauso auch auf subjektiven Einschätzungen beruhen und dass Entscheidungen darüber, welches Wissen (nicht) zu tradieren und dokumentieren sei, bestimmten Interessenlagen und Blickwinkeln geschuldet ist.20 20 So hieß es beispielsweise zu einer Zigarettendose der Firma Muratti (Anfang 20. Jahrhundert), die das Kreuzbergmuseum beigesteuert hatte, im Erläuterungstext: „Wir wissen nicht viel über die Besitzer der Firma Muratti: Es waren griechische Einwanderer, die vorher vermutlich in Manchester gelebt hatten. Es ist aber nicht bekannt, wo die Familie in Berlin wohnte, wie sie sich in der fremden Stadt einlebte und was aus der Familie und ihren Nachkommen geworden ist. Wir fragen uns außerdem, wer in der Firma beschäftigt war.“ (Bezirksmuseum Friedrichshain-Kreuzberg 2013: 136).

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Im Gegensatz zu den Museumsteams in Berlin und Frankfurt stand das GerhardMarcks-Haus vor der spezifischen Herausforderung, in ausgesprochen kurzer Zeit eine vertrauensvolle Atmosphäre für (potenziell) Teilnehmende schaffen zu müssen, da der Kontakt zu Teilnahmewilligen oder Interessierten vor Ort im Museum ja nur ein verhältnismäßig kurzer war. Als primäre Anreiz- und Kommunikationsstrategie setzt(e) das Haus auf eine deutliche Zugewandtheit den BesucherInnen gegenüber mit dem Ziel, deren individuelle Besucherbedürfnisse bestmöglich zu befriedigen und diesen ein ganz besonderes Besuchserlebnis (Falk/Dierking würden von „museum experience“ sprechen, vgl. Kap. VII.12) zu bieten, das sich möglichst vom Besuchserlebnis in anderen Häusern abhebt – eben beispielsweise durch die Möglichkeit einer relativ spontanen Depotbegehung. Diese Strategie in der Kommunikation und Interaktion mit BesucherInnen sei jedoch nicht gerhardWER?-spezifisch, sondern sei vielmehr „Usus hier im Haus“, so Wiegartz (dies.; Piontek 2012e: 6), ebenso wie etwa auch der Service, dass der Museumsdirektor oder eine der beiden Kustodinnen zum Empfangstresen kämen, wenn dort BesucherInnen mit Fragen stünden, die vom Kassenpersonal oder den Aufsichten nicht beantwortet werden könnten. Diese generell große Besucherorientierung habe ihren Grund: „Wir sind ein kleines Haus: Wir stehen in der Bremer Wahrnehmung nicht auf Stufe Eins, das ist ganz klar, dafür sind wir viel zu klein. Wir haben einen wirklich beschränkten Werbeetat, wobei wir generell einen sehr beschränkten Etat haben als Haus. Das heißt, wir können eigentlich nur über solche Nebenspuren die Leute für uns gewinnen und dafür ist dieses Gefühl, dass die Leute hierher kommen und sich wohlfühlen und ernst genommen werden, extrem wichtig.“ (Wiegartz; Piontek 2012e: 6)

Wie ich selbst als verdeckte Teilnehmerin21 des Projekts erfahren habe, dürfte sich diese Strategie positiv auf die emotionale Beziehung der BesucherInnen zum Gerhard-Marcks-Haus auswirken sowie wirksam mögliche Hemmschwellen oder Vorbehalte, die einer Projektteilnahme im Wege stehen könnten, abbauen. Ich zumindest war ehrlich beeindruckt davon, wie herzlich ich von der Kustodin begrüßt und wie unkompliziert der Blick hinter die Kulissen ermöglicht und gehandhabt wurde.22 Im Depot selbst erklärte die Kustodin zwar, was ein Depot ist, wie das des Ge21 Das Museum wusste zum damaligen Zeitpunkt weder von meinem Promotionsprojekt noch hatte ich davor direkten Kontakt zu den MuseumsmitarbeiterInnen gesucht; auch war zum damaligen Zeitpunkt noch nicht klar, dass das Projekt eine meiner Fallstudien werden würde. Während der Projektteilnahme gab ich mich dem Museum mit meinem spezifischen Fachinteresse auch nicht zu erkennen, um einen möglichst unverfälschten Eindruck davon zu bekommen, wie ‚normale‘ MuseumsbesucherInnen behandelt werden und wie bei diesen die Depotbegehung abläuft. 22 Im Internet wurde um telefonische Voranmeldung gebeten, was ich tags zuvor auch getan habe (ohne damit zu rechnen, ohne Vorlauf einen ‚Termin‘ zu bekommen). Man sagte mir, dass es ausreiche, wenn ich am nächsten Tag einfach zu den normalen Öffnungszeiten käme und dass ich dann selbst entscheiden könne, ob ich gleich ins Depot oder erst in

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rhard-Marcks-Hauses sortiert und die Skulpturen inventarisiert seien, ansonsten war ich es aber, die das Gespräch zu steuern schien – eben so, wie es meinen Bedürfnissen entsprach. Auch im Interview Monate später kam dieser selbst erlebte Respekt gegenüber den BesucherInnen bzw. Partizipierenden sowie wie das Fingerspitzengefühl und die Empathiefähigkeit im Umgang mit diesen zum Ausdruck: Piontek: „Haben Sie die Situation im Depot genutzt, um der jeweiligen Person auch Fachwissenschaftliches mitzuteilen? Oder haben Sie die Menschen dort eher für sich gelassen?“ Wiegartz: „Das ist immer sehr situationsabhängig gewesen – je nachdem, wer dort gerade steht. Was der für einen Eindruck macht und wie ich die Situation einschätze. Das ist so, dass Leute da sehr straight rein gehen und da auch schon Vorstellungen von Marcks haben [...] und da braucht man dann auch nicht mehr viel zu sagen. Dann spricht man natürlich schon über das Werk: Warum ist es das und das, wann ist es entstanden, natürlich spricht man auch ein bisschen wissenschaftlich darüber oder gibt so Einordnungen. Oder es gibt Situationen, wo man merkt, dass jemand rein gefühlsmäßig da reingeht und mit Kategorien von Schönheit und Motivik arbeitet, weil er einfach relativ ‚unbeleckt‘ ist kunsthistorisch – was ja auch völlig ok ist. Wir wollen ja alle ansprechen und das gar nicht überfrachten. Das war ja am Anfang der Ausstellung ganz klar gesetzt: Es soll niemand damit überfordert werden, sondern es geht um das subjektive Gefühl des Betrachters, warum er sich eine Figur aussucht, und das muss auch kein ‚Meisterwerk‘ sein aus kunsthistorischer Sicht, sondern da darf jeder mit seinem Bauchgefühl drangehen. Und wenn man gemerkt hat, da ist jemand wirklich nur mit seinem Bauchgefühl drangegangen, dann hat man sich in der Regel auch zurückgehalten, weil man das ja auch gerade nicht zerstören wollte, indem man da jetzt einen großen kunsthistorischen Überbau drübergelegt hat, sondern da ging es ja einfach um diese gefühlsmäßige Annäherung an eine Figur und das sollte dann ja auch toleriert werden in dem Moment.“ (Wiegartz; Piontek 2012e: 2)

GerhardWER? wurde wegen der Intensität des zwischenmenschlichen Kontakts trotz der kurzen Dauer des Aufeinandertreffens für mich tatsächlich zu einem ‚Highlight‘. Dass dies keine Einzelerfahrung zu sein scheint, zeigen die durchweg positiven Erfahrungen, die das Museumsteam bisher mit relativ spontanen Depotbegehungen mit EinzelbesucherInnen (sei es im Rahmen des untersuchten Projekts oder im herkömmlichen Museumsbetrieb) gemacht hat: „Die Leute sind immer glücklich [...], weil sie natürlich merken, dass jemand spontan auf ihr Bedürfnis eingeht und etwas für sie ermöglicht wird, das außerhalb der normalen Museumserfahrung liegt. Und das letztendlich auch zu honorieren wissen, dass sich da jemand kurz Zeit nimmt. Das ist, glaube ich, [...] dieser Fürsorgefaktor und das Eingehen.“ (Wiegartz; Piontek 2012e: 2)

Sieht man sich die (nichtrepräsentativen) Antwortrückläufe der TeilnehmerInnenBefragung von gerhardWER? an, so wird deutlich, dass das Projekt trotz faktisch ‚nur‘ mittlerer Partizipationsintensität – was den Teilnehmenden durchaus bewusst die Ausstellung gehen möchte; ich solle mich dann einfach kurz an der Kasse melden, die dann in der Verwaltung Bescheid gebe, damit der Direktor oder eine der beiden Kustodinnen – wer eben gerade Zeit habe – in die Ausstellung komme, um mich abzuholen.

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war23 – dennoch enorm positiv erlebt wurde: Allen Fragebogen-TeilnehmerInnen gefiel das Projekt insgesamt mindestens „gut“ (neunmal angekreuzt), der Mehrheit sogar „sehr gut“ (14-mal angekreuzt). Auch fühlte sich die große Mehrheit „vollkommen“ (14-mal angekreuzt) oder „überwiegend“ (achtmal angekreuzt) von den MuseumsmitarbeiterInnen ernst genommen. Aus diesem Grund möchte ich an dieser Stelle kurz auf die Frage nach möglichen Bewertungsmaßstäben von Partizipationsprojekten eingehen: In Anlehnung an Cornelia Ehmayers Faktor der „Partizipationsintensität“ schlage ich als einen weiteren Maßstab den Faktor der Partizipationsqualität vor. Damit meine ich die Qualität der Partizipationssituation aus subjektiver Sicht der TeilnehmerInnen, die sich zum einen dadurch auszeichnen dürfte, wie intensiv zwischenmenschliche Kontakte (insbesondere zwischen Teilnehmenden und Museum, aber durchaus auch zu anderen Teilnehmenden) empfunden wurden und ob diese als persönlich bereichernd erlebt wurden. Weiter dürfte die subjektiv gefühlte Partizipationsqualität insbesondere dadurch beeinflusst werden, ob der Kontakt von Seiten des Museums wertschätzend und zugewandt erfolgte. Mit „zugewandt“ meine ich den Umstand, ob sich der/die PartizipientIn mit den eigenen Interessen, Bedürfnissen, Fragen etc. beachtet und ernst genommen fühlte. Für eine Erfolgsmessung oder abschließende Evaluation eines Partizipationsprojektes halte ich diesen subjektiven Beurteilungsmaßstab der Partizipationsqualität letztlich sogar für aussagekräftiger als eine formal hohe Partizipationsintensität – ungeachtet der weiterhin offenen Frage, welche weiteren Kriterien und Maßstäbe geeignet wären, um Partizipation evaluierbar zu machen.

VI.4.5 D IMENSION A USSTELLUNGSGEGENSTAND Die Analyse widmet sich nun der inhaltlichen Thematik, den ‚Objekten‘ der drei Projekte: Bei gerhardWER? wurde „[...] in origineller Weise die Sammlung des Hauses ins Zentrum [ge]rückt und damit das Kerngeschäft des Museums“ (Beßling 2011: o.S.). Der thematische Fokus lag also recht klassisch auf einer Künstlersammlung bzw. dem Lebenswerk eines Künstlers, das anders oder ‚spannender als sonst üblich‘ präsentiert und in seiner Vielfalt erlebbar gemacht werden sollte. Dementsprechend handelte es sich bei den Ausstellungsobjekten allesamt um Kunstwerke aus der museumseigenen Sammlung. Implizit ging es jedoch um mehr, wie das Zitat eben bereits andeutete: Auch das Museum selbst bzw. die Arbeit hinter den Kulissen wurde durch das partizipative Ausstellungsdesign zum Thema er23 Vgl. die Antworten auf Frage 9 sowie 10 des Fragebogens im digitalen Anhang Nr. 9: Bei Frage 9 gaben elf der 23 AntwortgeberInnen an, dass sie ‚nur‘ in „einigen wesentlichen Punkten“ mitentscheiden durften. Bei Frage 10 fanden 16 von 23 Antwortenden, dass ihre Einflussnahme „etwas weniger“ bzw. „viel weniger“ Gewicht verglichen zu den KuratorInnen hatte.

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hoben, indem Teilnehmende nachvollzogen, was KuratorInnen in Vorbereitung einer Ausstellung unter anderem zu leisten haben, nämlich relevante Objekte auszuwählen und mit ihrem ‚Objekttext‘ eine Perspektivierung vorzugeben bzw. einen bestimmten Aspekt hervorzuheben. Im Zuge dessen standen die späteren Museumsexponate dann auch nicht für sich als Objekte im Raum. Die schriftlichen Begründungen der einzelnen Wünschenden wurden ebenso zum Exponat und implizit damit auch die Menschen hinter diesen Begründungstexten. Ebenfalls wurde damit deutlich gemacht, dass Kunstbetrachtung und -beurteilung höchst subjektive Vorgänge sind, für die nicht unbedingt Fachwissen vonnöten ist – im Gegenteil offenbarte die Ausstellung, wie viele verschiedene Zugänge zu einem Werk möglich sind und dass Kunstbetrachtung im Prinzip allen Menschen möglich ist. Damit machte die Ausstellung Mut, sich selbst auf ganz eigene Weise mit den Werken auseinanderzusetzen und selbstbewusst ebenfalls ein Urteil zu fällen. Dies wurde auch für unbeteiligte BesucherInnen offensichtlich, wie es folgendes Resümee eines Internetmagazins auf den Punkt bringt: „Was an dieser Schau besonders spannend ist, sind die Kommentare […]“ (Dupuis-Panther 2011: o.S.). Diese Einschätzung ist nicht weiter verwunderlich, da Exponate mit Verbindung zur alltäglichen Lebenswelt oder Alltagsdinge von Menschen ‚wie du und ich‘ stärker auf BesucherInnen wirken und ihnen in wesentlich höherem Maße Gesprächsanlässe bieten (vgl. Mergen 2007: 11). Zwar handelte es sich bei den ausgestellten Kunstwerken von Gerhard Marcks nicht um Alltagsobjekte, jedoch spiegelten die Begründungstexte öfters Alltagsbezüge wider. So lautete der Kommentar zur gewünschten Zeichnung eines liegenden Liebespaares (1959) – so der Titel – etwa: „Wunderbar unbeholfen und gleichzeitig akrobatisch (Das mit den Füßen haben ich und meine Freundin nicht geschafft)“. Ein Seniorenpaar wünschte sich dagegen die Babyplastik Christinchen, auf dem Bauch liegend (1959) und begründete dies damit, dass „[...] sie uns […] an unsere am 28. Januar 2011 geborene Großnichte Emma Lotta [erinnert]“.24 Besondere Nähe zur Schreiberin und zur dargestellten Situation evoziert der Text zur Plastik Kleine Steinklauberin (1938): „Die Figur bin eigentlich ich – das hat Gerhard Marcks 1938 natürlich noch nicht gewusst, aber... ich bin’s! Vor 40 Jahren mit meinen Eltern (die hier gerade nicht zu sehen sind) an der italienischen Riviera. Ich habe alles vom Strand aufgelesen und gesammelt, was angeschwemmt wurde. Muscheln, Quallen, bunte Glasscherben, Krebse und Steine. Die wurden in die Taschen gesteckt und gehortet. Wenn ich sie zuhause ausgepackt habe, rochen sie noch ein wenig nach Urlaub und Meer.“ (Text einer Teilnehmerin)

Daran zeigt sich, dass vom Ausstellungskonzept her nicht alleine die Kunstwerke im Mittelpunkt standen, sondern die Teilnehmenden mit ihren Blickwinkeln, Emo24 Alle o.g. zitierten Aussagen sind Transkripte der eigenhändigen Begründungen, wie sie die TeilnehmerInnen auf den Wahlzetteln vermerkt haben (Transkription: Piontek 2012b).

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tionen, Assoziationen oder subjektiven Erinnerungsdimensionen. Dies ist recht typisch für partizipative Projekte, bei denen Teilnehmende einen (privaten oder musealen) Gegenstand auswählen und über diesen subjektiv urteilen oder Stellung beziehen sollen. Brigitte Kaiser konstatiert ganz allgemein, dass Partizipation eine neue Bewertung von Objekten zur Folge haben kann, dass Exponate als eigentliche „[...] Hauptakteure einer Ausstellung gemäß traditioneller Vorstellung [...] in manchen Fällen in den Hintergrund treten“ (Kaiser 2006: 181). Ebenso erkennt auch Werner Schweibenz, der sich mit Fragen der Digitalisierung und Virtualisierung von Objekten beschäftigt, einen sich bereits in den 1980er Jahren in der englischsprachigen Fachliteratur abzeichnenden Paradigmenwechsel nun auch bei uns dahingehend, dass das Objekt als solches zugunsten der Information oder Idee, für die es stehe, an Relevanz verliere (vgl. Schweibenz 2010: 80). Diese Verschiebung wurde bei den anderen beiden Projekten vielleicht sogar noch deutlicher, da diese auch Gegenstände integrierten, die aus klassischer Sicht als ‚museumsunwürdig‘ zu bezeichnen wären – ebenfalls ein genereller Trend unserer Zeit (vgl. Macdonald 1996: 2). So beispielsweise zeitgenössische koreanische Lebensmittelverpackungen bei NeuZugänge, (vgl. Bluche et al. 2013b: 162 f.) oder selbstgemachte Handtaschen aus „weggeworfenen Sachen“ (Historisches Museum Frankfurt 2011d: 37) bei Ostend // Ostanfang. Hierin besteht eine Ähnlichkeit der drei untersuchten Projekte, obwohl sie thematisch ja grundverschieden waren. Ebenso, wie Partizipation die Sicht auf die Ausstellungsobjekte verändern kann bzw. bisher Unbeachtetes zur Musealie erhebt, lässt sich tendenziell auch eine veränderte Auffassung bezüglich möglicher Ausstellungsthemen feststellen – und zwar nicht nur bezüglich Partizipationsprojekten, sondern als genereller Trend im Museumswesen (der bei Partizipation vielleicht jedoch besonders virulent bzw. augenscheinlich wird). So konstatiert etwa Richard Sandell, dass das „traditionelle autoritäre und elitäre Profil der Museen“ zunehmend „unschärfer“ werde und sich Museen wie Galerien heutzutage vermehrt als „Teil eines größeren Ganzen“ verstünden; im Zuge dessen „[...] nutzen [sie] ihr Potenzial dazu, sich mit Themen zu beschäftigen, die einst als irrelevant angesehen wurden.“ (Sandell 2004: 99). NeuZugänge thematisierte ganz explizit ‚Migrationsobjekte‘ bzw. die Frage, welche Objekte geeignet seien, kulturelle Vielfalt anschaulich werden zu lassen. Implizit wurde damit aber auch zum Thema gemacht, dass Museen diesen Blickwinkel lange Zeit ‚verschlafen‘ haben. Indirekt wurde Institutionskritik also ebenso aufs Tapet gehoben wie auch das teilweise bestehende Nicht-Wissen der beteiligten Institutionen bezüglich der von ihnen ausgewählten Museumsobjekte. Die Museumsobjekte zeichneten sich wiederum durch eine unterschiedliche Interpretation dessen aus, was eigentlich unter Migration im Kontext der Neusichtung der eigenen Sammlung zu verstehen sei, und eröffneten damit einen weiteren Denkraum: So

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versammelte die Ausstellung nicht nur formal unterschiedliche Objektkategorien (Kunstwerke, historische Artefakte, aktuelle oder historische Gebrauchsgegenstände), sondern zeichnete sich auch dadurch aus, dass ‚Migrationsgeschichte‘ mal ganz konkret als vielgereistes Objekt interpretiert wurde, mal als Ding, das explizit auf EinwanderInnen verwies oder aber stereotype Bilder von ‚den‘ Fremden, Anderen vermittelte (vgl. Bluche & Miera 2013: 29). Damit spiegelte das Projekt die grundsätzlich momentan feststellbare Tendenz, den Migrationsbegriff breiter und tiefer zu fassen, als dies bisher erfolgt ist (vgl. Lanz & Montanari 2014b: 18). Assoziationen und Meinungen darüber, was als Migration zu begreifen sei und welche Objekte warum dafür stehen könnten, wurden bei NeuZugänge somit ebenfalls zum Ausstellungsgegenstand – und damit auch die von KuratorInnenseite betonte Multiperspektivität bzw. Offenheit des Themas. Wunsch der Macherinnen war es demgemäß auch, anhand der privaten Objektleihgaben und der imaginären Leihgaben in Form der BesucherInnen-Kommentare im stilisierten ‚Depotregal‘ – die ebenso wie die Fokusgruppenkommentare zum Exponat avancierten – den Migrationsbegriff zu weiten und idealerweise anhand von eher untypischen Objekten auf die Hybridität von Kulturen zu verweisen bzw. eine allzu leichte Stereotypisierung und Zuordnung zu unterlaufen. Tatsächlich gab es auch Beiträge, die in diese Richtung gingen (etwa die Idee einer Kartoffel am Dönerspieß). Im Großen und Ganzen zeigten sich die Kuratorinnen jedoch eher enttäuscht davon, dass eben doch vermehrt typisches „Ethno-Zeug“ (Miera; Piontek 2012d: 7) eingereicht bzw. benannt wurde – also Gegenstände, die eindeutig auf ein bestimmtes Herkunftsland mit seinen typischen Spezifika wie Kultur, Religion, Sprache oder z.B. Essen verwiesen. Bei den eingereichten acht offiziellen Leihgaben handelte es sich um Kunstobjekte, antike Gebrauchsgegenstände, jedoch auch um moderne Alltagsgegenstände. Ebenso wie die Musealien standen diese nicht für sich selbst, sondern wurden ergänzt um einen Kommentar: Der zu den Musealien erfolgte in sachlich-informativer Textform (verfasst jeweils von den Museumsleuten), der zu den Privatleihgaben in Form persönlicher Video-Statements, jedoch nicht als freier Kommentar, sondern in Form eines von den Kuratorinnen geschnittenen Interviews. Ungewollt wurde so z.T. leider auch die Diskrepanz zwischen Hoch- und Alltagskultur, elaborierter, geschliffener Sprache vs. Alltagssprache, Kognition vs. Emotion betont anstatt verwischt, was die Kuratorinnen eigentlich ja gerade brechen wollten. Bei Ostend // Ostanfang lautete das explizite Thema, den Stadtteil Ostend sichtbar werden zu lassen – in seinen Charakteristika, seinem Wandel sowie anhand der Menschen und ihrem Umgang mit den Begebenheiten und Veränderungen. Implizit jedoch war „[d]as eigentliche Exponat [...] die Stadtgesellschaft, die sich immer in unterschiedlichen Themen und Formen materialisieren wird.“ (Jannelli; Piontek 2011b: 6). An anderer Stelle führt Jannelli aus: „The focus of our work is on personal, implicit knowledge, and so we are dealing with immaterial culture. In the City Lab we collect experiences, points of view and relationships.“ (Jannelli 2013:

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71). Daran zeigt sich, dass es – wie beim Berliner Projekt auch – mehr um abstrakte Ideen (wie etwa persönliche Erfahrungen, Standpunkte oder Beziehungen) und Veränderungen bisheriger Sichtweisen ging bzw. geht als um die sinnlich wahrnehmbaren Objekte als solche oder um deren eigentliche Funktion als Gebrauchsgegenstände. Vielleicht hat die im Frankfurter Fall erfolgte Fokussierung auf die Gegenwart auch zwangsläufig immer eine gewisse ‚Abwertung‘ des Objekts zur Folge, fehlt hier doch die historische Distanz, aus der ein Objekt und der damit verbundene Sachverhalt treffsicher als gesellschaftlich relevant und ‚museumswürdig‘ eingestuft werden könnte. Damit führt das Ausstellen von ‚Gegenwart‘ vielleicht automatisch zu einem inhomogenen Objektbegriff bzw. zur Erweiterung des Objektbegriffs und dessen, was alles eine Musealie sein könnte. Die Bandbreite an vertretenen Perspektiven im Ostend-Projekt ebenso wie die Bandbreite dessen, was zum ‚Exponat‘ erklärt wurde, macht offensichtlich, dass aktuelle Zeitgeschichte als uneindeutige „Streitgeschichte“ (Zündorf 2007: 163) daherkommt; Wolfgang Kaschuba hebt diesen Faktor gerade für die Stadtmuseen als relevant hervor, sei die Stadt doch ein „Raum beständiger Produktions- und Neukonstruktionsprozesse“ (Kaschuba 2011: 21). Nähme man diesen Paradigmenwechsel vonseiten der Museen ernst, hätte dies zur Folge, dass „[...] die Stadtmuseen vermehrt zu einem Speicher von nomadischem, heterogenem und veränderlichem Wissen werden, also nicht mehr zu einer lokalhistorischen Schaubühne, sondern eher zu einer offenen Infobox.“ (Kaschuba 2011: 23)

Eine solche konzeptionelle Offenheit charakterisierte die Ausstellung im Kontorhaus, die in ihrem Erscheinungsbild tatsächlich mehr an eine „offene Infobox“ denn eine Museumsausstellung denken ließ. Wesentlich trug dazu auch die bereits erwähnte Vielfalt an Ausstellungsbeiträgen bei, die ein bisschen an eine moderne Kunst- und Wunderkammer mit ihrem Reichtum an Dingen quer durch alle Museumssparten denken ließ – jedenfalls nicht dem entsprach, was man von einem „historischen Museum“ gemeinhin erwarten würde. Weber betonte, dass dies nicht von ungefähr gekommen sei: „Mit welchen Mitteln die Aussteller arbeiten, ist erst mal egal. Es ist nur wichtig, eine Reflexion über Stadtgesellschaft zu produzieren.“ (Weber; Piontek 2011e: 8). Die sich darin ganz eindeutig abzeichnende deutlich untergeordnete Relevanz der Objekte in ihren physischen Eigenschaften und ihrer physischen Anmutung widerspricht in weiten Teilen den Mechanismen des traditionellen Museums. Ergänzt wurden die einzelnen Beiträge in Frankfurt ebenfalls um ‚O-Töne‘ ihrer MacherInnen bzw. LeihgeberInnen. Diesen Texte kam strukturell jedoch eine nicht ganz so prominente Stellung zu wie bei gerhardWER?, da die inhomogenen Ausstellungsbeiträge im Vergleich zueinander selbst schon recht aussagekräftig waren

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und i.d.R. Rückschlüsse auf die Motive, Interessen und Anliegen der Personen dahinter erlaubten. Verglichen mit den Videointerviews der NeuZugänge-Ausstellung wirkten sie individueller, was dem Umstand geschuldet war, dass sie nicht redaktionell vom Museum aufbereitet oder gekürzt worden waren. Die persönliche ‚Handschrift‘ eines jeden Teilnehmenden vermittelte sich so auch über den Sprachduktus der verschiedenen Texte. Andererseits blieb es dabei, dass die AusstellungsbesucherInnen in Frankfurt lediglich eine Vorstellung von den Teilnehmenden entwickeln konnten. In Berlin hingegen wurde durch die Sichtbarkeit der tatsächlichen Person im Video, die Hörbarkeit ihrer echten Stimme, ihres Erzählflusses, der Gestik und Mimik eine unmittelbare Nähe aufgebaut – die LeihgeberInnen wurden nicht nur mittelbar durch ihre Objektauswahl oder ihren Kommentar zum Exponat, sondern ganz konkret als menschliches Gegenüber.

VI.4.6 D IMENSION R AUM Zunächst seien einige Worte gesagt zum Aspekt der räumlichen Verortung, denn jedes der Projekte bot hier eine spezifische Besonderheit als Alleinstellungsmerkmal – nicht nur zueinander, sondern auch verglichen mit traditionellen Museumsausstellungen: Eine Besonderheit beim Projekt Ostend // Ostanfang lag darin, dass es in eine außermuseale Ausstellung mündete, sich quasi in der Stadtgesellschaft, im Zentrum dessen, worum es in der Ausstellung gehen sollte, materialisierte. Zwar hatte dies auch mit der spezifischen Umbausituation des hmf zu tun, dennoch: Wenn sich ein dezidiert publikumsorientiertes Projekt in jenem Stadtteil manifestiert, den es behandelt, dann hat dies sicherlich einen Einfluss auf die Außenwirkung des Museums sowie auch auf die Erlebnisqualität der AusstellungsbesucherInnen; indem die Ausstellung gewissermaßen zu den AkteurInnen wie zum Publikum selbst kommt, einen Schritt auf dieses zugeht, erweist sich das durchführende Museum sicherlich als dynamische und zugewandte Institution. Allerdings musste diese Mobilität anfangs erst mühsam von Weber ermöglicht werden, da das hmf in keiner Weise auf eine solche Situation strukturell vorbereitet war (wie wohl die meisten Museen).25 25 Weber machte im Interview deutlich, dass sie damals nicht damit gerechnet hätte, auf diverse Schwierigkeiten zu stoßen: „Man muss sich als Museum ganz anders aufstellen [wenn man an einem externen Standort eine Ausstellung realisieren will, Anm. A.P.]. Für mich war das eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass wir so mobil sind [...]. Ich habe irrsinnig viel Energie darauf verwandt, statische Dinge irgendwie mobil zu machen. [...] Der technische Support der Stadt Frankfurt hörte definitiv da auf, wo mein Bedürfnis anfing.“ (Weber; Piontek 2011e: 1). Jedoch machte es Weber nicht nur zu schaffen, dass das Museum mit seinen Ressourcen nicht auf Mobilität ausgerichtet war, sie hatte auch mit Unwägbarkeiten zu kämpfen, die mit dem spezifischen Ausstellungsort zu tun hatten, denn dieser war zunächst ohne Strom, Licht, Telefon und Internet.

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Für die Rezeptionshaltung der späteren BesucherInnen hatte die Tatsache, in einem modernen Bürogebäude und nicht einem Museum zu sein, mit Sicherheit Folgen für die eigenen Bewegungs- und Verhaltensmuster; die andächtig-aufnehmende „Gebärde der Besichtigung“ (Rumpf 1995), die so typisch für Museumsbesuche ist, wurde allein durch die externe Verortung schon ein Stück weit gebrochen (diese Brechung wurde durch weitere Besonderheiten der Ostend-Ausstellung verstärkt, so beispielsweise durch die Möglichkeit, im Ausstellungsraum Getränke in Selbstbedienung und zum Selbstkostenpreis zu konsumieren). Aus Zeitgründen wurde eine weitere Idee fallen gelassen, die als logische Konsequenz der erfolgten Verortung im täglichen Leben des Viertels und des Hineinwirkens in die Stadtgesellschaft erscheint, nämlich „[...] das Kontorhaus als Zentrum einer Gesamtschau zu begreifen und dazu an den persönlichen Heim- und Arbeitsstätten der Ausstellenden kleine Ausstellungssatelliten im Ostend aufzubauen: Geschäfte, Wohnungen, Cafés, Hinterhöfe oder Galerien werden mit dieser Verknüpfung zu einem öffentlichen Forum [...].“ (Historisches Museum Frankfurt 2011b: o.S.).

Beim Projekt gerhardWER? lässt sich als spezifische Besonderheit festmachen, dass es zwar im Museum stattfand, jedoch in untypischer Weise den Aktionsradius der BesucherInnen über die eigentlichen Ausstellungsräume hinaus erweiterte. Dadurch, dass den BesucherInnen quasi Einlass in den „Elfenbeinturm“ (vgl. Landschaftsverband Rheinland 1996) gewährt wurde, indem für die Öffentlichkeit ansonsten unzugängliche Flure und Treppenaufgänge genutzt, interne Werkstatt- oder Arbeitsräume durchschritten und das Depot besucht werden konnte, wurden sozusagen neue Räume Teil des Museums- bzw. Ausstellungserlebnisses. Damit fand eine entscheidende Brechung der sonst üblichen Hierarchien zwischen den Museumsinternen und den -externen statt und eine wortwörtliche Öffnung des Museums: Für BesucherInnen wurde erfahrbar, dass das in seinen Ausstellungsräumen so ‚reine‘, objektive und aus dem Alltag als Sonderraum26 herausgehobene Museum hinter den Kulissen auch ‚nur‘ ein ‚ganz normaler‘, den alltäglichen Widrigkeiten unterworfener Arbeitsplatz ist, indem den Projektteilnehmenden offenbart wurde, wie hinter den Kulissen gearbeitet wird. So wurde erfahrbar, dass die ‚aufgeräumte‘ Außenwirkung in Wirklichkeit das Ergebnis langwieriger Vorarbeiten ist, für die die hier arbeitenden Individuen verantwortlich zeichnen. Die Besonderheit in Sachen Raum bzw. Verortung bei NeuZugänge bestand darin, dass sich hier temporär vier Museen zusammenschlossen und in einem gemeinsamen Ausstellungsraum so etwas wie ein ‚Gemeinschaftsmuseum auf Zeit‘ 26 So betont etwa Rainer Treptow: „[...] ein Museum steht – in den Ordnungsvorstellungen von Erwachsenen – in relativem Abstand zur alltäglichen Lebenswelt [...]. Und ist es schon räumlich außeralltäglich, so ist es dies zeitlich gesehen erst recht – mit all seinen aufgehobenen vergangenen Gegenwarten, mit der in den gezeigten Dingen verdichteten Zeit [...].“ (Treptow 2005: 801 f.).

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bildeten. Somit besuchten die AusstellungsrezipientInnen, obwohl faktisch im Kreuzbergmuseum anwesend, gewissermaßen mit Betreten jedes Ausstellungskabinetts ein anderes Berliner Museum, wechselten von einem Museum der Alltagskultur in eines der islamischen Kunst, vom Stadtmuseum ins Stadtteilmuseum oder umgekehrt. Solche Zusammenschlüsse, bei denen nicht nur Leihgaben aus verschiedenen Häusern zu sehen sind, sondern jedes Museum als solches erkennbar bleibt und einen Teil der Ausstellung mit ‚seinen‘ Objekten bespielt, mag es zwar im virtuellen Raum als ‚Internetmuseen‘ bereits häufiger geben, in der realen Ausstellungs- und Museumspraxis sind sie dagegen eher unüblich. Im Folgenden sollen nun alle drei Ausstellungsgestaltungen im Einzelnen vorgestellt und diskutiert werden, wobei NeuZugänge etwas mehr Raum einnehmen wird, bedingt dadurch, dass die inhaltliche Komplexität auch mehr kuratorische Detailentscheidungen in der Präsentation zur Folge hatte. Deshalb bietet es sich auch an, an diesem Ausstellungsbeispiel exemplarisch Dilemmata aufzuzeigen, die virulent werden können, wenn Museumsobjekte und Privatobjekte von Teilnehmenden zusammen in einer Ausstellung gezeigt werden und dabei jeweils unterschiedliche Präsentationsmodi gewählt werden. Zunächst jedoch zur Frankfurter Ausstellung: Ostend // Ostanfang war, wie bereits gesagt, in einer leer stehenden Büroetage im Kontorhaus direkt am Osthafen untergebracht. Über diesen Ausstellungsraum hatte die Gesamtgruppe demokratisch abgestimmt. Die – auch optische – Gestaltung der einzelnen Ausstellungsbeiträge hatte den jeweiligen TeilnehmerInnen selbst oblegen (wenngleich Rücksprachen und Beratungen mit dem Museumsteam in Anspruch genommen werden konnten). Deren Präsentation und Anordnung im Raum(-Arrangement) war in einem gemeinsamen Workshop von einer Teilgruppe der TeilnehmerInnen zusammen mit dem Museumsteam und Vertretern des professionellen Gestalterbüros Kossmann.dejong erarbeitet worden. Man entschied sich gegen eine spezifische Gliederung bzw. ‚Meta-Narration‘ der Schau. Präsentiert wurden alle Ausstellungsbeiträge für sich, ohne offen thematische oder anderweitige Binnendifferenzierungen vorzunehmen. Geprägt wurde der Raumeindruck der modernen, lichtdurchfluteten Büroetage mit seinen unverputzten Betonwänden durch eingezogene Baugerüste, die mit dem blauen StadtlaborKlebeband umwickelt waren, sowie durch Klebebandmarkierungen auf dem Boden, die die einzelnen Ausstellungsbeiträge markierten. Ein Pfeil aus Klebeband am Boden wies auf den einleitenden Wandtext und den in einem großen Stapel auf einer Euro-Palette ausgelegten Plan mit den persönlichen Kommentaren der Teilnehmenden hin. Der Raum als solcher trat zurück, wurde zum neutralen Container für eine modern und frisch anmutende Ausstellung, die nur wenig an eine traditionelle Museumsausstellung erinnerte. Stilistisch passten die Baugerüste ausgezeichnet zu den Betonwänden und erschienen auch inhaltsbezogen als stimmige Metapher für die

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Dynamik des Projekts bzw. die Dynamik von Partizipation generell sowie auch für den ‚Umbauprozess‘ des Viertels im Zuge der voranschreitenden Gentrifizierung. Ebenso schaffte es die Gerüstkonstruktion und die durchgängige Verwendung des blauen Klebebandes, die einzelnen Beiträge zusammenzuhalten – physisch wie psychisch wurde beides zur Meta-Struktur und zum Orientierungsrahmen. Umso erstaunter war ich, als ich im Interview erfuhr, dass das Gerüst ganz pragmatisch dem Umstand geschuldet war, dass Bohrungen in oder Befestigungen an den Betonwänden untersagt worden waren, sodass diese Hilfskonstruktion die einzige Möglichkeit geboten hatte, Lichter oder Exponate anzubringen. Die Frankfurter Ausstellung als Gesamtes lebte von den verschiedenen Handschriften der einzelnen TeilnehmerInnen. Fragmentarik und Vielstimmigkeit bildeten die Leitmotive, die beim Ausstellungsrundgang erfahrbar wurden. Durch die eben beschriebene ‚Rahmung‘ ergab sich aber trotz aller Inhomogenität ein stimmiges Gesamtbild, bei dem die einzelnen Beiträge miteinander in Dialog traten. Auf diese Weise erwuchsen der scheinbaren Unordnung beziehungsreiche Spannungsverhältnisse, die mehr poetischen denn irgendwelchen musealen Ordnungskriterien zu folgen schienen. Würde man die im Exkurs zur Ausstellungsanalyse (vgl. Kap. II.3.2) vorgestellten Kategorisierungen anlegen, könnte man in den Worten Martin Schärers von einer assoziativen Ausstellungsgestaltung sprechen bzw. von einem kompositorischen Präsentationsprinzip nach Jana Scholze, da Dinge verschiedenster Gattungen in einem eher abstrakten Gesamtensemble präsentiert wurden, welches die Mehrdeutigkeit und Vielschichtigkeit hervortreten ließ, die die Ausstellung entscheidend prägten. Den BesucherInnen bot sich durch die Unterschiedlichkeit der Beiträge eine breite Palette an sinnlichen Aneignungsmöglichkeiten bis hin zur Möglichkeit, Einzelnes zu benutzen oder zu betreten (wie etwa Liegestühle im Raumarrangement des Protagon e.V. zum alljährlichen Theaterfestival, das Brettspiel Spiel des Ostends von Studierenden der Stadtplanung oder eine komplette Pappwohnung in 3D eines sozialen Akteurs des Viertels, dem Jugendladen Bornheim, die einen maßstabsgerechten Nachbau einer 28-qm-Wohnung einer beteiligten Jugendlichen darstellte). Manche Ausstellungsbeiträge informierten über Initiativen oder auch vergangene (Lebens-)Umstände, viele regten jedoch mehr die Imagination der BesucherInnen an; insgesamt schien mir die Ausstellung weniger auf das kognitive Erfassen oder Verstehen formalen Wissens hin angelegt zu sein, sondern beförderte eher eine Haltung des Sich-anrühren-Lassen, Sich-verstörenLassen, des ‚voyeuristisch‘-neugierigen Blicks auf (Privat-)Fotos, um vielleicht an eigene, ganz ähnliche Bilder zu denken. Nicht nur in dieser Hinsicht war die Ausstellung mehrdimensionaler als sonst meist typische Museumsausstellungen sind, sondern auch dahingehend, dass je nach Beitrag Vergangenheit, Gegenwart und/oder Zukunft thematisiert wurden – und zwar mal in einer affirmativen Art und Weise (die sicherlich häufiger vorlag), mal in einer dezidiert kritischen Auseinan-

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dersetzung, die sich jedoch nicht automatisch jedem/r BesucherIn bei allen Beiträgen gleichermaßen sofort erschlossen haben dürfte. Was ich persönlich einzig für weniger gelungen erachte, war die Präsentation eines einzelnen Ausstellungsbeitrags auf dem WC (vielleicht aus Platzmangel im Ausstellungsraum?), da dies in meinen Augen ein Ort ist, der eher eine abwertende Konnotation des Beitrags auslöst – zumindest, wenn es sich um einen ‚Laienbeitrag‘ handelt. Das Frankfurter Museumsteam hatte sich ja gegen kuratorische Entscheidungen ausgesprochen, um alles gemeinschaftlich mit den Teilnehmenden auszuhandeln. Ohne zu wissen, inwieweit die Entscheidung über die Platzierung dieses Beitrags mit den Partizipierenden diskutiert worden war und ob die MuseumsmitarbeiterInnen womöglich Bedenken ihrerseits klar geäußert haben – an diesem Punkt wäre es meiner Meinung nach auf jeden Fall angebracht gewesen, den Teilnehmenden mögliche Konnotationen vor Augen zu führen, damit eine Entscheidung (sei sie nun für oder gegen eine Präsentation auf dem WC) bewusst auf informierter Grundlage möglich geworden wäre. Hier scheint exemplarisch auf, in welche Dilemmata sich Museen begeben können, wenn sie partizipativ arbeiten, und dass Präsentationsentscheidungen in partizipativen Projekten bisweilen heikler sind bzw. noch sensibler und umsichtiger getroffen werden müssen, als es bei vielen ‚klassischen‘ Ausstellungsprojekten oder -objekten der Fall sein mag. Virulent – gerade bei sehr offenen Projekten wie hier, die eine Vielzahl unterschiedlichster Beiträge versammeln – erscheint mir in Sachen Präsentation auch die Frage danach, wie es gelingen kann, alle Ausstellungsbeiträge (und seien sie zueinander noch so verschieden) ‚gleichwertig‘ zu präsentieren, sodass sich letztlich keine/r der Teilnehmenden im Vergleich zu den anderen zurückgesetzt fühlt oder dass BesucherInnen den Eindruck bekommen könnten, die Art der Präsentation beinhalte eine implizite Bewertung des Beitrags. Es müsste also darum gehen, sicherzustellen, dass die Exponate ‚würdig‘ präsentiert werden, d.h. so, dass es dem großen persönlichen Wert, den ein Gegenstand oder Ausstellungsbeitrag für seine/n BesitzerIn bzw. SchöpferIn hat, angemessen erscheint. Das Schwierige dabei ist aber natürlich, dass jeder Mensch ein anderes Empfinden darüber hat, was denn nun eine wertige oder würdige (Re-)Präsentation sei, und dass es bei Projekten mit sehr vielen Teilnehmenden aus Zeitgründen schlicht unmöglich ist, jede Präsentationsentscheidung im Einzelnen mit allen abzustimmen oder es allen gleichermaßen recht zu machen. Das Frankfurter Museumsteam versuchte die Herausforderungen solcher Art mit zwei eigentlich recht probaten Strategien zu meistern: Zum einen, indem eben mit Kossmann.dejong ein professionelles Gestalterteam hinzugezogen worden war, was den Teilnehmenden von vorne herein signalisierte, dass das Museum keine Kosten und Mühen scheue, die partizipative Ausstellung und alle Beiträge ebenso professionell zu präsentieren, wie dies auch bei nichtpartizipativen Ausstellungen des hmf der Fall ist – d.h. allein diese Geste drückte bereits implizit eine Wertschätzung für die ‚Laien‘-Beiträge aus. Zum anderen wurde, wie ebenfalls bereits er-

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wähnt, eine Arbeitsgruppe gebildet, die auch aus Projektteilnehmenden bestand – somit wurde das Museum in der alleinigen Verantwortung für Gelingen oder Misslingen der Präsentation entlastet und eine Abordnung einzelner TeilnehmerInnen stellvertretend für die Großgruppe als gleichwertige PartnerInnen in diesem gemeinschaftlichen Abstimmungsprozess mit in die Pflicht genommen. Insgesamt wurde das Projekt dadurch auch aus der Warte der Teilnehmenden als geglückt betrachtet (vgl. dazu das Fragebogen-Votum auf Frage 7 in Anhang 5). Wenn Kritik geäußert wurde, war diese auf hohem Niveau, wie folgende differenzierte Rückmeldung eines Teilnehmers zeigt: „Das Projekt ‚Ostend-Ostanfang‘ war eine gelungene Umsetzung eines partizipativen Ansatzes. Aus dem gefürchteten ‚anything goes‘ ist durch das Engagement der Teilnehmenden, aber vor allem durch die gelungene Präsentation, ein multiperspektivisches Gesamtbild auf den Stadtteil im Wandel entstanden. Doch partizipative Projekte in dieser Größe bringen auch Probleme mit sich. Die Kommunikation über Möglichkeiten, Zielsetzungen und besonders kritische Perspektiven kann dabei auf der Strecke bleiben und es können unkritische Gesamtbilder entstehen. Ich war enttäuscht über die wenigen sozial- und gesellschaftskritischen Beiträge zu der, besonders aus der Perspektive von Bewohnern und Kulturschaffenden des Viertels, schwerwiegenden Umstrukturierung des Gebietes um die neu entstehende EZB [Europäische Zentralbank, Anm. A.P.]. In dem historisch von günstigen Wohnungen und industriellem Betrieben geprägten Gebiet zeigen sich Umgestaltungs- und Verdrängungsprozesse, die einer kritischen Distanz und kreativen Gegenentwürfen bedürfen.“ (Historisches Museum Frankfurt 2011d: 55)

Während der Teufel in Frankfurt also eher im Detail steckte, dürfte es in Berlin bereits ungleich schwieriger gewesen sein, überhaupt ein Präsentationskonzept zu entwerfen, das gleichermaßen die akademisch-museologischen Metafragestellungen und Theoriekontexte an Fachleute vermitteln konnte wie auch ‚normalen‘ BesucherInnen einen attraktiven Eindruck von der Idee der verschiedenen Zugänge (sammlungsbezogen vs. individuell-subjektiv) und partizipativen Herangehensweisen (Kommentierung/Diskussion vs. ein Objekt auswählen und begründen) zu vermitteln. Nicht vergessen werden darf, dass ein Besucher/eine Besucherin in einem Museum normalerweise nicht erwartet, auf Objekte bzw. Repräsentationen von mehreren Museen zu stoßen, geschweige denn auf eine Mischung von Museumsobjekten und Privatgegenständen – zumal wenn beide Objektkategorien wie bei dieser Ausstellung z.T. jeweils recht untypische Objekte enthielten (beispielsweise ein billiger Plastikwecker in Form einer Moschee, der in Kreuzberg an jeder Straßenecke erworben werden kann, als museales Objekt und eine wertvolle Kalligraphie als Privatobjekt aus der Berliner Bevölkerung27). Insofern handelte es sich beim Berliner Projekt um das wohl komplizierteste der drei untersuchten Projekte, das sicher-

27 So unterlief einem Reporter der Berliner Zeitung prompt der Lapsus, dass er den Moscheewecker für eine der acht Privatleihgaben und nicht für ein Museumsobjekt hielt (vgl. Bernau 2011).

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lich auch grundsätzlich am schwierigsten in allen seinen Aspekten an BesucherInnen vermittelbar war. Wichtig war den beiden Kuratorinnen wie auch den drei Forscherinnen aus dem Experimentierfeld Museologie in jedem Fall, dass die Ausstellung – entgegen ersten Ideen aus den Reihen der beteiligten Museen – das beliebte stereotype Gestaltungsmuster mit folkloristischen Stilmitteln nicht perpetuierte.28 Diese gestalterische Setzung zeigt, dass das Ansinnen der Macherinnen durch und durch von einem kritischen, postkolonialen Geiste getragen war, wie ihn beispielsweise auch Joachim Hainzl, der am GrazMuseum das Projekt Sammlungsdiversität leitete, postuliert. Er fordert, dass heutzutage „[...] jede Form simplifizierender Exotisierung oder Naturalisierung (etwa durch Fremd- und Selbstethnisierung), jede Form vorschneller Homogenisierung durch derzeit vorherrschende eindimensionale Identitätskonstruktionen vermieden werden muss.“ (Zitat Hainzl ohne Herkunfts-/Literaturnachweis zit. n. Hochreiter 2014: 3)

Die Ausstellungssprache bei NeuZugänge war demgemäß auch eine ganz andere als die bei dieser Thematik vielleicht erwartete: Farblich überwogen in dem hellen Ausstellungsraum des ehemaligen Fabrikgebäudes, in dem das Kreuzbergmuseum untergebracht ist, Beige- und Grautöne. Neben mobilen Stellwänden kamen vor allem ‚arme‘ Materialien zum Einsatz, etwa Wellpappe (aus denen z.B. Vitrinensockel gebaut waren) oder Einwickelpapier. Im zur Verfügung stehenden Museumsraum wurde in dessen Zentrum mittels Stellwänden eine Raumsituation von vier Kabinetten geschaffen, in deren Mitte eine zentrale Vitrine Durchblicke in jedes Kabinett ermöglichte. Noch bevor man diese Raum-im-Raum-Konstruktion betrat, stieß man am Eingang des eigentlichen Ausstellungsraumes auf ein transparentes Stellwandrondell, auf dem recht ausführlich mit Texten in das Projekt und die zugrundeliegenden Projektschritte – betitelt als „Versuchsanordnung“ – eingeführt wurde. Da die Schriftgröße jedoch relativ klein war, bestand die Gefahr, diese zum Ausstellungsverständnis wichtige Einführung zu übersehen bzw. nicht als Einführung zu deuten, wie es normalerweise mit einem großen Wandtext geschieht. Irreführend war leider auch, dass in den Texten von „Räumen“ die Rede war, wobei damit die Kabinette gemeint waren und nicht etwa weitere Räume des Kreuzbergmuseums.

28 Bluche dazu im Interview: „[D]ie ersten Gestaltungsideen, die nicht von uns kamen, [...] gingen tatsächlich in so eine ‚Ethnorichtung‘, à la ‚Wir arbeiten mit Stoffen und Tapeten mit bunten Mustern‘, wo der Subtext letztlich war: Andere Kulturen = bunt. Das haben wir Gott sei Dank abgewendet.“ (dies.; Piontek 2012d: 7). Analog dazu benennt Susan Kamel vom Experimentierfeld Museologie als Projektziel, „[...] gegen jegliche Essentialisierung von Kulturen oder Künsten Inhalte zu entwickeln (im Falle der islamischen Kunst und Kultur insbesondere gegen jegliche Orientalisierung)“ (Kamel 2013: 74).

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Die Außenseiten der Stellwände, welche die Kabinette bildeten, waren in großer Schriftgröße mit Ausdrucken anonymisierter und teilweise zugespitzter Statements aus Museumskreisen, der Politik und Verbänden zum Thema Migration und kultureller Vielfalt beklebt (sowohl positiver wie auch negativer Art), z.B.: „Es geht um andere Bilder als Frauen mit Kopftuch oder betende Männer.“, „Wir sind der Meinung, dass die Migranten und Migrantinnen die historische Aufarbeitung ihrer Geschichte selbst in die Hand nehmen müssen.“, „Was soll ich mit 100 Koffern in meinem Museum?“, „Museen dürfen sich nicht von Interessengruppen instrumentalisieren lassen.“, „Wir brauchen jetzt ganz dringend einen Dönerspieß in unserer Sammlung.“ – Diese Zitate steckten auf intellektueller Meta-Ebene den Rahmen des Projektes ab. Gleichzeitig zeugte diese Offenlegung der eigenen Bedingtheiten und Handlungsspielräume, in deren Kontext das Projekt versuchte, neue Wege zu gehen, für Menschen mit entsprechendem Kontextwissen von einer transparenten und selbstkritischen Haltung der AusstellungsmacherInnen, wie sie generell im Museum wünschenswert wäre. In diesem Sinne stellte die Ausstellung ihre eigenen diskursiven Entstehungskontexte mit aus. Jedes der vier Kabinette war einem der beteiligten Museen zugeordnet, erkennbar jeweils an einer Informationstafel, die tabellarisch Museumsname, Standort, Gründungsjahr und Sammlungsschwerpunkte aufführte. Alle Kabinette waren identisch strukturiert: So dominierte jeweils ein übergroßes, am Computer in Weiß-, Grau- und Schwarzflächen schematisiertes Foto des jeweiligen Museumsdepots den Raumeindruck – dies erschloss sich aber möglicherweise nur solchen BesucherInnen, denen zum einen bewusst war, dass Museen neben den Objekten in ihren Ausstellungsräumlichkeiten auch noch Lagerräume mit weiteren Musealien besitzen29 und die zum anderen den Ausstellungstitel „NeuZugänge“ in einer seiner Bedeutungsdimensionen auch bezüglich der (nicht) vorhandenen Sammlungsbestände zu deuten wussten. Die Depot-Fotos sollten auf die Ausgangssituation des Projekts verweisen, die ja darin bestanden hatte, dass die Museen ihre Sammlungen neu sichteten. Denn den KuratorInnen Bluche und Miera, die gemeinsam mit Gerbich vom Experimentierfeld Museologie die Grundzüge des Gestaltungskonzepts entworfen hatten, war es ein großes Anliegen, „[...] dass die Gestaltung die Ausstellungsidee gleich mittransportiert. Denn es ist eine abstrakte, eine Konzeptausstellung. Und das muss man eben verstehen: Die Objekte haben erst mal nichts miteinander zu tun [...]. Uns ist es wichtig, dass man die Frage Wie sammeln Museen und wie denken sie darüber nach? und auch die Museen als Akteure und die Depots – also da, wo es stattfindet – mitinszeniert. Und deswegen haben wir uns überlegt, dass es sinnvoll ist, das [gemeint ist die Ausstellung, Anm. A.P.] tatsächlich auch nach den vier Museen zu strukturieren, denn jedes Museum hat ja auch eine andere Zielgruppe, ein anderes Profil 29 Ich betone dies deshalb, da Unterschiede zwischen Sammlung und Ausstellung nicht automatisch für jede/n BesucherIn als bekannt vorausgesetzt werden dürfen.

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[...]. Und [...] dass es sich optisch gleich darstellt, dass es sich um ein Depot oder eine Archivsituation handelt.“ (Miera; Piontek 2012d: 3)

In jedem Kabinett wurden an der Wand hängend oder in Vitrinen, bestehend aus Pappsockeln mit Glashauben, die jeweiligen beiden Museumsobjekte präsentiert, und zwar auf Einwickelpapier liegend, was auf die Depotsituation von Ein- und Auspacken, Ankommen und Abreisen anspielte – eine Konnotation, die sich natürlich auch über den dargestellten Prozess der Musealisierung hinaus generell auf Prozesse der Migration von Menschen übertragen ließ. Dass die Materialwahl auf Packpapier und Pappe fiel, hatte jedoch nicht nur inhaltliche Gründe, sondern zunächst auch ganz pragmatisch damit zu tun, dass das Ausstellungsbudget gering war und die Gestalterin des Kreuzbergmuseums, Ellen Röhner, hierin eine Möglichkeit sah, Geld zu sparen (vgl. Ludovico; Piontek 2011c: 6). Die Musealien wurden mittels klassischer Objektkärtchen30 näher bestimmt; außerdem hingen an den Pappsockeln an Nylonschnüren auch die laminierten, ausführlichen Texte der KuratorInnen, welche die Objekte zum Thema Migration in Bezug setzten.31 An einer benachbarten Kabinettwand klebten graue Aktenmappen aus Pappe, die beim Öffnen die von den KuratorInnen ausgewählten Zitate aus den Fokusgruppen preisgaben – mal mit dem Vornamen des/der SprecherIn versehen, mal mit der Beifügung „Teilnehmer einer Fokusgruppe“ (dies entsprach, wie ich später im Interview erfuhr, dem jeweiligen Wunsch der Teilnehmenden, je nach dem, wie anonym diese bleiben wollten). In einer anderen Wand des Kabinetts war ein Bildschirm eingelassen, auf dem im Wechsel die Interviews mit den jeweiligen beiden ObjektleihgeberInnen abgespielt wurden. Der Ton wurde über Kopfhörer abgespielt; ein Hocker bot eine Sitzmöglichkeit, um in Ruhe die Einspielungen zu verfolgen. Die LeihgeberInnen-Objekte selbst wurden alle gemeinsam in der zentralen Mittelvitrine, die alle vier Kabinette miteinander verband, in Szene gesetzt: Aufgestapelte Archivboxen übernahmen die Funktion von Sockeln, auf denen die Objekte höhenversetzt und ebenfalls auf Einwickelpapier gebettet inszeniert wurden; die Objektschildchen waren ähnlich denen der Musealien aufgebaut.32 Die zentrale Platzierung der Objektleihgaben in einer Mittelvitrine sollte als Verbindungselement zwischen allen Kabinetten fungieren und anhand der Durchsichten vielfältige Bezüge und verschiedenste Blickwinkel – im wörtlichen wie übertragenen Sinne – ermöglichen; für Susanne Lanwerd vom Experimentierfeld Museologie ein Aspekt von „migratory aesthetics“ (Lanwerd 2013: 99): 30 Aufgebaut in der Reihenfolge: Objektbezeichnung/-klassifikation, Ort, Datierung, Material, Museum und ggf. Sammlung. 31 Abgedruckt sind diese Texte samt der für die Ausstellung ausgewählten Fokusgruppenkommentare im Katalogteil der Projekt-Publikation: Bluche et al. 2013b: 135 ff. 32 Aufgebaut in der Reihenfolge: Objektbezeichnung, Datierung, LeihgeberIn mit Vor- und Zuname.

346 | M USEUM UND P ARTIZIPATION „Aspekte der migratorischen Ästhetik kamen auch in der Gestaltung der Laborausstellung zum Ausdruck: Zum einen, in dem die Ausstellung Multiperspektivität räumlich ‚sichtbar‘ und erfahrbar machte. Dazu wurden die vier Museumskabinette um einen Glaskubus gruppiert, der uneingeschränkte Blicke und Blickkontakte der Besucher_innen aus verschiedenen Sehachsen erlaubte. Zum anderen ermöglichte diese transparente Gestaltung einen Sinn für die (temporäre) Gemeinsamkeit und Kommunikation, die durch zufällige Bewegungen, Haltungen, Geräusche und Posen der Besucher aktiviert wurden; diese Momente sind – das ist das entscheidende Merkmal für migratorische Ästhetiken – unvorhersehbar.“ (Ebd. 103 f.)

Zum anderen sollte durch die Platzierung der Leihgaben in einer von allen Kabinetten aus einsehbaren Vitrine verdeutlicht werden, dass die Zuordnung der LeihgeberInnen zu einem der Museen letztlich eher eine willkürliche war und dass die beigesteuerten Leihgaben im Grunde zu mehreren Museumssammlungen als Ergänzung passten (vgl. Bluche et al. 2013a: 16 u. Piontek 2012d: 4). Damit sollte auch die „[...] zum Teil ideologische Kanonisierung der Sammlungen in ‚islamische Hochkultur‘, ‚deutsche Popkultur‘ und ‚Kreuzberger Alltagskultur‘ gestalterisch in Frage gestellt werden.“ (Bluche et al. 2013a: 16). In jedem der Kabinette war an einer weiteren Wand die bereits unter der Dimension Beteiligung beschriebene, lange Blanko-Papierbahn angebracht, auf der die BesucherInnen ihre Kommentare zu den Musealien und den persönlichen Objektleihgaben abgeben konnten. Verließ man die Kabinettkonstruktion, konnte man an einer der Außenwände des Ausstellungsraums die Vitrinen für Objekte der BesucherInnen finden sowie das stilisierte Depotregal samt Blanko-Formularzetteln. Ein runder Bistrotisch mit Stühlen ermöglichte es, das Formular bequem im Sitzen auszufüllen oder eine Pause einzulegen; auf dem Tisch lag außerdem ein laminiertes interkulturelles KohlKochbuch eines Neuköllner Deutschkurses zur Ansicht aus. In einer anderen Raumnische, deren Bodenniveau höher als das des restlichen Raumes lag, liefen an einem großen Bildschirm hintereinander Videostatements der jeweiligen MuseumsleiterInnen der beteiligten Häuser ab, in denen sich diese darüber äußerten, ob und wie in ihren Sammlungen und Ausstellungen bisher das Thema Migration eine Rolle gespielt hatte.33 Die Videos waren zwischen drei und fünf Minuten lang, die der ObjektleihgeberInnen in den Nischen zwischen anderthalb und vier Minuten. – Worauf ich mit der Nennung der im Grunde wenig aussagekräftigen Videolängen anspielen möchte, ist die Frage danach, welche Konnotation mitschwingt, wenn Leihgeberobjekte anders präsentiert werden als Museumsobjekte, oder Museums- und SammlungsleiterInnen anders zu Wort kommen dürfen als LeihgeberInnen. In Ausstellungen, die Musealien wie auch (ggf. alltägliche) Privatobjekte aus der Bevölkerung in unterschiedlicher Weise zeigen, können diese Fra33 In teilweise leicht abgewandelter Form zu den in der Ausstellung abgespielten ‚O-Tönen‘ sind die Aussagen der (Sammlungs-)DirektorInnen in der Projekt-Publikation abgedruckt, vgl. Bluche et al. 2013b: 172 ff.

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gen sensible Punkte markieren, wenn man nach möglicherweise (von den MuseumskuratorInnen unbeabsichtigten) mitschwingenden Konnotationen oder Implikationen auf RezipientInnenseite fragt. Darum: Was bewirkt es, wenn ‚nur‘ die Museumsobjekte von den Fokusgruppen kommentiert werden, nicht aber die Privatleihgaben? Wie kam es bei den RezipientInnen an, dass es zu den Musealien ausführliche Objekttexte gab, die nicht namentlich unterzeichnet wurden, im Vergleich zu den Privatobjekten, deren LeihgeberInnen als Individuen in den Videos in Erscheinung traten und zu denen die AusstellungsbesucherInnen diesbezügliche Objektinformationen und Persönliches akustisch und visuell wahrnehmen konnten? – Diese Fragen lassen sich nicht abschließend und für jeden Rezipierenden in gleicher Weise beantworten. Klar ist, dass sich das Ausstellungsteam bewusst oder unbewusst in ein Dilemma manövrierte, als es sich für eine uneinheitliche – dafür aber sehr viel abwechslungsreichere und mehrere „Lerntypen“ ansprechende – Präsentationsform entschied: Indem die KuratorInnentexte als Lesetexte dichter und länger erschienen und ohne AutorInnen-Nennung (im Gegensatz zu den Ausstellungsbeiträgen der Fokusgruppen und LeihgeberInnen) eher Allgemeingültigkeit postulierten (oder, wie es Miera im Interview kritisch anmerkte: eine „Stimme-aus-dem-OffAtmosphäre“ schufen, vgl. Piontek 2012d: 5), suggerierten sie dadurch unbedarften RezipientInnen womöglich auch, dass die persönlichen Aussagen der teilnehmenden ‚Laien‘ einen geringeren Stellenwert im Vergleich dazu genossen. Im Zuge dessen könnte man die (in den Augen vieler BesucherInnen sicherlich als sehr viel ansprechender bewerteten) Videos von den Leihgebenden als Zurschaustellung missdeuten. Hätte das Team hingegen die Museumsobjekte mittels Videointerviews vorgestellt und die Privatobjekte in Textform, so hätte man vorwerfen können, dass man die MuseumskuratorInnen so wichtig nehme, dass diese ‚sogar‘ bildlich gezeigt und interviewt werden, die PrivatleihgeberInnen hingegen nicht... – Man betritt unter Umständen also gleichsam ein Minenfeld, wenn man sich als Museum zu einer uneinheitlichen Präsentation entscheidet, zumal wenn man mit marginalisierten Gruppen arbeitet. Mir persönlich gefiel die in der Ausstellung gewählte Vielfalt der Zugänge, da diese für ein abwechslungsreiches Museumserlebnis sorgten. Die eben geäußerte Kritik ist also mehr als Denkfigur zu verstehen, um aufzuzeigen, welche ungeahnten Untiefen sich bei partizipativem Arbeiten eröffnen können. Was ich persönlich hingegen bei NeuZugänge durchaus kritisch sehe, war die Präsentation mittels Pappwänden in Kombination mit erkennbar von Hand aufgeklebten Textausdrucken auf herkömmlichem Kopierpapier an den Außenseiten der Kabinette. Zwar ist mir klar, dass damit bewusst das „Werkstättische“ (Bluche; Piontek 2012d: 4) einer Laborausstellung wie auch „das Flüchtige von Migration“ (Bluche et al. 2013a: 16) versinnbildlicht werden sollte, dennoch läuft eine solche Präsentation auch Gefahr, womöglich die Vorstellung von Migration als Zustand des ‚Nichts-Habens‘ in Konnotation mit einer Diskreditierung oder einer Opferrolle zu transportieren. Abgesehen davon wirkte diese, wohlgemerkt von professioneller

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Gestalterinnen-Hand absichtsvoll so realisierte Ausstellung auf mich persönlich auch ein wenig ‚selbstgemacht‘ – was durchaus zum Charakter und dem unverwechselbaren Charme des Kreuzbergmuseums passen mag, jedoch auch dem Vorurteil Vorschub leisten könnte, partizipative Ausstellungen seien inhaltlich wie auch optisch weniger ‚qualitätvoll‘ bzw. ‚ansprechend‘ als solche von Museumsprofis. Ungeachtet dessen war die Ausstellung ein gelungenes museales Experiment; den BesucherInnen mag die Orientierung im Ausstellungsraum anfangs mitunter vielleicht schwer gefallen sein, hatte man sich aber eingefunden, bot die Ausstellung durch die Medienvielfalt an Lese-, Hör-, Seh- und sogar Kommentierungsangeboten ein breites Spektrum an möglichen Zugängen. Obwohl auch bei dieser Ausstellung ähnlich wie in Frankfurt von einer eher assoziativen Präsentationsstrategie gesprochen werden kann, bei der unterschiedlichste Gegenstände und Blickwinkel den RezipientInnen einen diversifizierten Blick auf das Thema Migration/ kulturelle Vielfalt ermöglichen sollten, wurde dennoch weniger auf ein immersives Gesamterleben der BesucherInnen abgehoben, sondern mehr eine informierendrezipierende sowie im Idealfall kritisch-reflexive Haltung evoziert, indem (direkt wie indirekt) Fragen aufgeworfen wurden oder – zumindest im Falle mancher Kommentare auf den Außenwänden der Kabinettkonstruktion – Aussagen provozieren sollten. Der (auch) kritische Tenor der präsentierten Inhalte war meiner Meinung nach also deutlicher für BesucherInnen herauszulesen, als dies bei Ostend // Ostanfang der Fall war, wo einzelne Beiträge eine eher subtile Kritik an Gentrifizierung und gesellschaftlich-sozialen (Folge-)Prozessen lieferten. Die Besucherrolle bei NeuZugänge war vornehmlich die eines/einer ZuhörerIn, manchmal auch eines/einer KommentatorIn. Die Texte, die die BesucherInnen zu einer aktiven und (selbst-)reflexiven Haltung ermutigen sollten, waren ansprechend formuliert, indem sie direkte Fragen an die LeserInnen richteten: „Was ist Ihre Meinung dazu? Überzeugt Sie die Auswahl? Was wissen Sie noch über die gezeigten Gegenstände? Verbinden Sie eigene Erlebnisse mit den Objekten?“34 Entgegen der eben erwähnten Besucherrolle vornehmlich als ZuhörerIn bzw. KommentatorIn konnte ich während meines Ausstellungsaufenthalts aber auch eine ganz andere Besuchshaltung beobachten, sobald Menschen in Grüppchen oder mit ortskundiger Begleitung (welche in den beobachteten Fällen jedoch keine offiziellen FührerInen waren) kamen: Dann glich die Atmosphäre des Museumsraumes eher der eines soziokulturellen Treffpunkts, an dem sich die anwesenden BesucherInnen größtenteils auch entsprechend verhielten: So beobachtete ich Grüppchen von Frauen mit Kopftüchern, die durch die Ausstellung schlenderten, sich unterhielten und lachten. Von ihnen wurde die Ausstellung offenbar als Ausgangspunkt, Anlass oder Schauplatz eines sozialen Miteinanders genutzt; die Ausstellungsobjekte 34 Auszug aus dem Wandtext, Abschnitt mit der Überschrift „Versuchsauswertung I“ (vgl. Bezirksmuseums Friedrichshain-Kreuzberg 2011d: o.S.).

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bildeten dabei augenscheinlich mehr lose und nur temporär den inhaltlichen Fokus der Kommunikation bzw. waren Ausgangspunkt für eigene Gespräche und individuelle Erlebnisse. Die anwesenden Mitglieder der Kreuzberger Community (oder auch ‚nur‘ der Schicksalsgemeinschaft der/des Eingewanderten?) fühlten sich offensichtlich ‚zu Hause‘, nutzten die Ausstellung als ‚ihren‘ Ort nach momentaner Bedürfnislage, was in meinen Augen äußerst positiv zu bewerten ist. Dies mag vielleicht gerade auch an der eben kritisch diskutierten Ausstellungsgestaltung mit unbeständigen, ‚armen‘ Materialien und an der nicht typisch musealen Raumarchitektur des Kreuzbergmuseums gelegen haben, die der Ausstellung eher ein weniger typisch museales Erscheinungsbild verlieh (also auch nicht unbedingt das mentale Konzept der sogenannten Besichtigungsgebärde bei den RezipientInnen begünstigte). Die Ausstellung gerhardWER? wirkte in der Präsentation ihrer Objekte verglichen mit den anderen beiden Ausstellungen eher klassisch museal, denn alle Plastiken wurden auf weißen Sockeln gleicher Bauart – wenn auch mit unterschiedlichen Sockelmaßen je nach Größe der Plastik – in den hellen Räumen des Gerhard-MarcksHauses präsentiert. In die Ausstellung gelangte man durch ein Foyer, in dem sich auch die Museumskasse befindet. Danach folgte im ersten Ausstellungsraum jedoch ein Irritationsmoment, von dem es in einem Internetartikel passend hieß: „Upps, fehlt hier etwas?“ (Dupuis-Panther 2011: o.S.): Statt Kunst bekamen die BesucherInnen im ersten Raum nämlich nur leere Sockel zu sehen. Dass dies jedoch kein interner Abstellraum war oder man unverhofft in einen Ausstellungsumbau geraden war, verrieten die großformatigen Schwarz-Weiß-Fotografien von Gerhard Marcks an den Wänden sowie dessen Biografie, die untypisch als umlaufende ‚Bordüre‘ an die Wände mit Plotterschrift angebracht worden war. Ansonsten ließ dieser Raum die BesucherInnen jedoch im Unklaren über die Ausstellung an sich und über den einzuschlagenden Weg, da es zwei Austrittsmöglichkeiten aus diesem Durchgangsraum gab – die anfängliche Irritation wandelte sich in erwartungsvolle Neugier. Erst danach folgte ein großer Wandtext zur Einführung in die Ausstellung, in dessen direkter Nähe auch der PC für die Datenbankrecherche bereit stand sowie eine kleine Sitzgruppe mit Marcks-Katalogen zum Schmökern. Der in relativ einfacher Sprache verfasste Einführungstext machte deutlich, dass es sich bei der Ausstellung um eine Einladung zur individuellen Auseinandersetzung mit der Kunst Gerhard Marcks’ an jegliche Personenkreise handelte („Unsere Sammlung ist [...] nicht nur für Fachleute und Liebhaber da, sondern für alle.“35) und dass kunsthistorisches Wissen kein Teilnahmekriterium darstellte:

35 Satz aus dem einführenden Wandtext (Gerhard-Marcks-Haus 2011c).

350 | M USEUM UND P ARTIZIPATION „Wir laden unsere Besucher ein, Gerhard Marcks (1889-1981) zu entdecken und darüber zu berichten. Nicht nur kunsthistorisch. Wir wollen wissen, was Menschen an den Arbeiten von Marcks gefällt und warum – und daraus entwickelt sich das Konzept dieser Ausstellung: Ein Werk, das sehr viele Zugänge auf unterschiedlichen Ebenen erlaubt. Diese Ebenen stehen hier gleichberechtigt nebeneinander. Und das entspricht einem Künstler, der seit seiner Zeit am Bauhaus davon überzeugt war, dass Wissen und Kunst nur bedingt miteinander zu tun haben.“ (Auszug aus dem Wandtext; Gerhard-Marcks-Haus 2011c)

War der erste Raum mit den leeren Sockeln noch klassisch in Weiß gehalten, wurde diese gediegene Atmosphäre in jenen Ausstellungsräumen mit Objekten durch farbige Akzente in frischem, modernem Grün gebrochen, sei es als Anstrich einzelner Wände oder als Grundfarbe der handbeschrifteten Objektzettel an den Sockeln, um damit, wie Wiegartz rückblickend äußerte, „[...] die Ausstellung auch auf dem Weg der Gestaltung [...] für ein möglichst breites Publikum interessant zu machen.“ (dies.; Piontek 2012e: 3). Diese Farbgebung verlieh der Ausstellung eine Dynamik, die thematisch zu dem Faktum passte, dass es sich hierbei ja tatsächlich um eine Ausstellung in ‚Bewegung‘ handelte, die nicht abgeschlossen war, sondern im ständigen Wandlungsprozess begriffen. Dementsprechend standen alle Kunstwerke in gewisser Weise für sich selbst und bildeten zusammen mit den jeweiligen Begründungstexten der Teilnehmenden abgeschlossene Sinneinheiten, sodass die AusstellungsbesucherInnen keiner vorgegebenen Wegeführung folgen mussten, sondern kreuz und quer durch die Ausstellung schlendern konnten, wohin sie ihre Augen und Interessen eben gerade zogen. Wenngleich die Atmosphäre – auch durch die hellen und nicht zu dicht bestückten Räume – dadurch ‚lockerer‘ als in manch altehrwürdiger Kunstausstellung war, blieb die Schau dennoch Museumsausstellung mit all ihren Implikationen für die BesucherInnen und wurde nicht etwa zum ‚Treffpunkt‘ oder ‚Kulturzentrum‘. Nach den Kategorien Martin Schärers (vgl. Kap. II.3.2.) herrschte also eine ästhetische Ausstellungssprache vor, die allerdings Brechungen erfuhr: Wesentlich wurde die zurückhaltende RezipientInnenrolle gebrochen durch die an den Sockeln hintereinander hängend angebrachten Kommentare und Objektdaten, die in die Hand genommen werden mussten, um sie ordentlich lesen zu können. In diesem Moment wurde aus einem/einer äußerlich passiven BetrachterIn ein/e EntdeckerIn und im Falle einer eigenen Teilnahme sogar temporär ein/e AkteurIn. Was sich vielen BesucherInnen vielleicht nicht unmittelbar erschloss, war, dass das Museumsteam die Ausstellung nach vier Oberthemen gegliedert hatte: Tradition und Fortschritt, Natur, Maß und Proportion sowie Abstraktion. Diese Themenbereiche wurden jedoch nicht, wie vielleicht in einem Museum zu erwarten, anhand von Informationstexten vorgestellt und vertieft. Stattdessen hatte das Team den Künstler selbst sprechen lassen, indem passende Marcks-Zitate zu dem jeweiligen Themenbereich in großen Lettern die Wände schmückten. Diese subtile Form der Klassifizierung und Rahmung war meiner Meinung nach für eine Ausstellung, bei

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der es analog um persönliche Aussagen und Standortbestimmungen der Teilnehmenden ging, stimmig gewählt: Der ‚O-Ton‘ des Künstlers kommentierte, konterkarierte oder dialogisierte je nachdem mit den ausgewählten Exponaten und den zugehörigen ‚O-Tönen‘ derjenigen, die sich Exponate gewünscht hatten. Die Wandzitate wie auch die Marcks-Biografie lagen im Foyer als kopierte Blattsammlung zum kostenlosen Mitnehmen aus. Ein weiterer Effekt dieser Zitate des Künstlers im Kontrast zu wissenschaftlichen Informationstexten war ihre Unmittelbarkeit und Lebensnähe, die gerade dadurch das Potenzial barg, auch Menschen anzusprechen, die sonst wenig museumsoder kunsterfahren sind. Wiegartz beschrieb den kuratorischen Impetus wie folgt: „Wir haben dann versucht, die Räume in verschiedene Themen zu gliedern und haben dazu Zitate ausgesucht [...], die uns geeignet erschienen, dieses Oberthema im Werk von Gerhard Marcks einfach noch mal erlebbarer zu machen [...]. Und auf der gleichen Seite transportieren ja die Zitate auch etwas von der Persönlichkeit – wie er sich ausdrückt, was ihm wichtig war. Das ist natürlich auch eine subjektive Auswahl über eine subjektive Auffassung des Bildhauers [...]; aber auch das war eigentlich ein Versuch, Gerhard Marcks als Persönlichkeit innerhalb der Ausstellung noch mal greifbarer werden zu lassen und dem Besucher Texte anzubieten, die sich eben nicht auf diesem wissenschaftlichen Niveau abspielen, sondern eben in diesem persönlichen Niveau: Da sagt der Künstler selbst etwas!“ (Wiegartz; Piontek 2012e: 3 f.)

Ich sehe neben diesem positiven Effekt für ‚Laien‘ umgekehrt auch ein Potenzial in Hinblick auf ein eher distinguiertes Kunstpublikum: Dank der Marcks-Zitate wurde die Ausstellung nämlich wiederum auch für eher ‚traditionsbewusstere‘ BesucherInnen kompatibel, die die Plastiken ansehen und sich in die Künstlerzitate vertiefen konnten, ohne den angehängten Kommentaren der ‚Laien‘ Beachtung schenken zu müssen, wenn sie dies nicht wollten. Ihnen garantierten die Zitate einen kunsthistorischen Rahmen besonderer Art und ließen die ästhetischen und zugleich doch auch ‚wilden‘ Arrangements von Menschen- und Tierskulpturen nicht in eine Beliebig- oder Belanglosigkeit abgleiten. Wie eben skizziert, schaffte es die Ausstellung meiner Meinung nach auf bemerkenswerte Weise, ‚Hoch‘ und ‚Tief‘, ‚große‘ Kunst und niederschwellige inhaltliche Herangehensweisen bzw. Kunstvermittlung zusammenzubringen. Clevererweise hatten die MacherInnen solche Oberthemen für die Räume gewählt, die auch offen genug waren, um sich beim wöchentlichen Wechsel nicht selbst zu konterkarieren bzw. die Arbeit unnötig zu erschweren: „Da eben mehrere Aspekte in den Figuren drin sind, war auch eine große Flexibilität, wie man sie hinstellen konnte. Wir hatten nicht den Eindruck, dass man einen Raum ständig umgeräumt hat und die anderen haben sich nie bewegt. Beziehungsweise war das vielleicht auch einfach unsere Regie im Hintergrund [...].“ (Wiegartz; Piontek 2012e: 4)

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Ich denke, dass anhand der Vorstellung der drei realisierten Ausstellungen exemplarisch deutlich geworden ist, in welch unterschiedliche Realisierungen partizipative Projekte münden können, die sich in mancherlei Hinsicht von dem unterscheiden, was Museen normalerweise in Ausstellungen zu sehen geben. Aller Unterschiede zum Trotz finde ich einige Gemeinsamkeiten bemerkenswert: So spiegelte jede Ausstellungspräsentation auf ihre Weise den Charakter des Prozesshaften, vielleicht auch Provisorischen, wodurch ich sie alle als äußerst dynamische und ‚lebendige‘ Schauen erlebte, in die ich mich gerne vertieft habe. Alle drei Ausstellungen präsentierten die einzelnen Exponate gewissermaßen als in sich geschlossene Mikroeinheiten, die zwar alle zueinander in einem mehr oder weniger starken Zusammenhang standen, jedoch jeweils immer auch für sich selbst ‚Sinn machten‘. Trotz dieser ‚Abgeschlossenheit‘ im übertragenen Sinne evozierten sie alle Dialogsituationen, die die BetrachterInnen oftmals gerade durch ihre Unmittelbarkeit ansprachen, welche die persönlichen und individuellen Blickwinkel beinahe ‚automatisch‘ mit sich brachten.

VI.4.7 D IMENSION Z IELE (T EIL I) UND D IMENSION S ELBSTVERSTÄNDNIS Bereits bei der einleitenden Vorstellung der Museen und der Ausstellungsprojekte zu Anfang des Empirie-Teils sowie im bisherigen Verlauf meiner Analyse sind die konkreten Projektziele, die jedes Museumsteam mit seinem jeweiligen partizipativen Vorstoß verband, immer wieder deutlich geworden. Ergänzend möchte ich im Folgenden die übergeordneten Effekte und eher impliziten Funktionen von Partizipation skizzieren, indem ich auf die von Carmen Mörsch vorgelegte Klassifizierung von musealen Vermittlungsbemühungen zurückgreife, bei der zwischen einer affirmativen, reproduktiven, dekonstruktiven und transformativen Stoßrichtung unterschieden wird (vgl. Mörsch 2009b u. Mörsch 2009a). Hierbei wird automatisch auch das Selbst- bzw. das Rollenverständnis der Museen zur Sprache kommen, weshalb diese Dimension miteinbezogen wird. Beim Projekt Ostend // Ostanfang zielte die Beteiligung der Community im Wesentlichen auf Effekte für das Museum, also für das hmf, sowie für die Community selbst, repräsentiert durch die Teilnehmenden: Bezogen auf die Community sollte Partizipation für Inklusion und Repräsentation von Menschen sorgen, die sonst eher nicht im Museum in Erscheinung treten. So betonte Weber im Interview, dass es beim Projekt darum gegangen sei „Gesicht werden zu lassen, was besonders ist, was aber sonst kein Gesicht kriegt“ (Weber; Piontek 2011e: 3).

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Für das hmf selbst hatte der Einbezug von Außenstehenden eine Vielzahl kleiner, unmittelbarer Effekte: Die museale Repräsentation wurde um persönliche, individuelle Blickwinkel erweitert, was Vielstimmigkeit und Multiperspektivität zur Folge hatte. Auf diese Weise wurde auch implizites bzw. informelles Wissen integriert, das Museen normalerweise nicht integrieren, da sie zum einen möglicherweise gar keinen Zugriff darauf ohne Außenstehende haben36 und zum anderen, weil dies dem traditionellen institutionellen Anspruch auf (vermeintliche) Objektivität und Repräsentativität entgegensteht. Insgesamt sorgte die Beteiligung von Menschen aus dem Ostend für eine enorme Aktualisierung der präsentierten Inhalte – und damit für unmittelbare Gegenwarts- und Lebensweltrelevanz, die sich im Umkehrschluss wiederum positiv auf die späteren BesucherInnen auswirkte, denen der Zugang zu den thematisierten Inhalten auf diese Weise erleichtert wurde. Im Prozess der Zusammenarbeit stand nicht im Vordergrund, die Teilnehmenden über das Ostend oder etwa Gentrifizierungsprozesse zu ‚belehren‘, sondern zwischenmenschliche Begegnung, Austausch und Diskurs – das Stadtlabor „will Forum sein; dass sich Menschen treffen und austauschen können“ (Weber; Piontek 2011e: 2). Ziel von Partizipation war damit weniger das Endergebnis als vielmehr die Kommunikations- und Denkprozesse, die sie auslöste. Hieran zeigt sich – um der Dimension Selbstverständnis vorzugreifen – dass das Team des hmf einen prinzipiellen Partizipationsansatz vertritt: Die Öffnung zur Gesellschaft hin, die mit dem dauerhaften Stadtlabor-Format institutionalisiert und verstetigt werden soll, wird als Grundauftrag des Museums begriffen, in dessen Licht die Zusammenarbeit mit der Bevölkerung als logische Konsequenz erscheint: „Das ist dann auch irgendwie eine logische Schlussfolgerung, wenn man die Gegenwart der Stadt Frankfurt ausstellen will, dass eigentlich niemand besser die Gegenwart kennt als die Menschen, die jetzt leben.“ (Weber; Piontek 2011e: 1). Mit Carmen Mörsch gesprochen, wies Ostend // Ostanfang (wie auch das Stadtlabor-Format als solches) im Prinzip gleichzeitig reproduktive und transformative Züge auf. Dies heißt nichts anderes, als dass zum einen der Besucherkreis des Museums – oder in den Worten des hmf: die „Benutzer“ (Gesser & Jannelli 2011: 31) des Museums – erweitert werden soll(en) (reproduktiver Anteil). Und zum anderen, dass sich das Museum dauerhaft verändern soll, nämlich weg vom autoritären Belehrungsort hin zum öffentlichen und in der Bevölkerung fest verankerten Begegnungs- und Diskursraum (bzw. zur „Agora“ in Meijer-van Menschs oder Parmentiers Worten37), in dem unterschiedlichste Sichtweisen ihren Platz haben und verhandelt werden können und sollen (transformativer Anteil). Um diese Vision einer veränderten, neuen Museumspraxis deutlich vom bisherigen Modus abzugrenzen, 36 So äußerte Weber, dass es in der Stadtlabor-Reihe auch darum gehe, „Know-How reinzuholen, das Kuratoren nicht haben“ (dies.; Piontek 2011e: 1). 37 Vgl. Kapitel IV.2 Befürwortung von Partizipation.

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operiert das hmf-Team auch mit den Gegenbegriffen des „partizipativen Museums“ (vgl. z.B. Gerchow et al. 2012: 29), des „Forums“ oder „Labors“: „Ein Museum im 21. Jahrhundert, vor allem ein Stadtmuseum des 21. Jahrhunderts, kann ein Labor und ein Forum für die neue Stadtgesellschaft werden. Hier können Fragen der Identifikation mit den lokalen Traditionen, das Nebeneinander verschiedener kultureller Traditionen, hier kann die ‚Eigenlogik‘ einer Stadt und ihrer Region fortwährend thematisiert und diskutiert werden. Das Museum kann zu einem Forum für alle Identitätsfragen einer Stadtgesellschaft werden. Dazu sind eine Öffnung auf Fragen der Gegenwart und Perspektiven für die Zukunft erforderlich. Das Museum muss sich damit beschäftigen, wenn es ein Referenzort für die gesamte Stadtgesellschaft werden will.“ (Gerchow 2009b: 9)

Eine im Effekt ähnliche Stoßrichtung lässt sich auch dem NeuZugänge-Projekt bescheinigen, zumindest, wenn man die Zielsetzungen und das Partizipationsverständnis des Kreuzbergmuseums und der externen Kuratorinnen und Wissenschaftlerinnen zugrunde legt (bei NeuZugänge handelte es sich ja um eine Kooperation unterschiedlicher Institutionen, deren Motivationen und Ziele mitnichten deckungsgleich waren38). Den Initiatorinnen Miera und Bluche sowie Düspohl bzw. dem Kreuzbergmuseum als genuinem Projektpartner ging es exemplarisch um die Inklusion und Teilhabe von MigrantInnen und Menschen aus der Kreuzberger Nachbarschaft, die eher keinen Zugang zur Kulturinstitution Museum hatten/haben oder sich dort nicht repräsentiert fanden/finden. Die stärksten Effekte der partizipativen Verfahrensweisen richteten sich jedoch auf die Institution Museum selbst, vertreten durch die vier beteiligten Häuser. So dienten die Beteiligungsangebote als Instrument, um im Wesentlichen die eigene museale Praxis kritisch zu hinterfragen, indem die musealen Sichtweisen, die mu38 Innerhalb des Großteams bestehend aus VertreterInnen der vier beteiligten Museen, den freien Kuratorinnen und den Wissenschaftlerinnen des Experimentierfelds Museologie herrschte kein einheitliches Partizipationsverständnis und auch keine Zielkonformität, was das konkrete Projekt anbetraf (vgl. z.B. Kamel 2013: 72 f.). Die Zielsetzungen und die bewusste Reflexion der gewählten Methoden fiel bei den assoziierten drei Museen wesentlich unspezifischer aus: So nannte Helmecke als Zielsetzung des Museums für Islamische Kunst und als Motiv für die Teilnahme das generelle Interesse an Besucherfeedback und die Hoffnung auf möglicherweise interessante Beiträge zu den beiden Objekten des Museums (vgl. dies.; Piontek 2011d: 6 u. 9); insgesamt sieht der Museumsdirektor Stefan Weber Handlungsbedarf für sein Museum angesichts der heutigen Realität Deutschlands als Einwanderungsland, wohingegen bei Museumsgründung 1904 Muslime noch eine „relativ weit entfernte Wirklichkeit“ gewesen seien (vgl. Weber 2013: 173). Für das Stadtmuseum gab Schwirkmann an, dass sie gerne Partizipation ausprobieren sowie herausfinden wollten, ob es ertragreich sei, das Thema Migration anhand eigener Sammlungsbestände sichtbar zu machen (vgl. ders.; Piontek 2011g: 1 sowie Weinland 2013: 175). Für das Werkbundarchiv – Museum der Dinge scheint die Projektteilnahme zum einen mit einem generellen Interesse an aktuellen museologischen Diskursen zusammengehangen zu haben (vgl. ders.; Piontek 2011c: 1). Zum anderen sah man seit dem Standortwechsel des Museums nach Kreuzberg im Jahr 2007 aber auch eine gewisse Notwendigkeit der Beschäftigung mit Migration und der Kreuzberger Community (vgl. Flagmeier 2013: 178).

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seale Objektauswahl und die museale Interpretation sowie (Wissens-)Vermittlung in den Fokusgruppen zur Diskussion gestellt wurden. Bestehende Leerstellen in den Sammlungen und ‚blinde Flecken‘ in der persönlichen Praxis als Museumsprofessionelle/r sollten mittels Blickerweiterungen durch ‚Außenstehende‘ aufgespürt werden, eine kritische Reflexion in mehrfacher Hinsicht angestoßen werden (etwa, wie man „Migration“ eigentlich definiert, in welchen ideologischen Schranken man selbst agiert, mit welchem Blickwinkel die eigene Sammlung zustande kam und beschrieben worden ist). Das heißt: Partizipation diente konkret auch dazu, in der realisierten Ausstellung eine Diversifizierung von Sichtweisen zu erzielen und das ansonsten rein von Museumsseite vorgegebene Seh-Regime durch multiple Perspektiven zu brechen und damit auch den BesucherInnen die Möglichkeit zur Hinterfragung musealer Setzungen zu geben und vielleicht eigenes Nachdenken zum Themenkomplex anzustoßen. Das Projekt zeichnete sich also durch einen instrumentellen Ansatz aus (Dimension Selbstverständnis), bei dem Partizipation als Werkzeug zur kritischen Selbstreflexion des Museums und der eigenen Arbeitspraxis verstanden wurde – von den Forscherinnen des Experimentierfeld Museologie selbst als „Inreach“ bezeichnet (vgl. Kamel & Gerbich 2014b: 24 sowie Kamel 2013: 95 f.). Gemessen an Mörschs Klassifizierung diente Partizipation hier also wesentlich als Mittel der Dekonstruktion: Die bisher üblichen musealen Praktiken und Mechanismen, die bis dato als Selbstverständlichkeiten galten, sollten aufgedeckt und bewusst gemacht werden, um alle in diesem Spannungsfeld Agierenden – MuseumsmitarbeiterInnen, BesucherInnen, Partizipierende und ‚Marginalisierte‘ – mit jenem kritischen Wissen auszustatten, auf dessen Grundlage es diesen möglich wurde, das bestehende System zu hinterfragen und eigene Urteile zu fällen bzw. „sich über den eigenen Standort und seine Bedingungen bewusst zu werden“ (Mörsch 2014: 112). Das untersuchte Projekt wies darüber hinaus jeweils in geringerem Maße noch transformative und reproduktive Züge auf: Reproduktive, weil es auch darum ging, MigrantInnen und andere museal unterrepräsentierte Gruppen als zukünftige BesucherInnen zu gewinnen. Transformative, weil hinter alle dem auch die Idee einer grundweg veränderten musealen Praxis aufscheint, die unter dem Stichwort des „inklusiven Museums“ (Richard Sandell)39 firmiert, auf das die MacherInnen von NeuZugänge explizit rekurrieren (vgl. z.B. Bluche & Miera 2015: 76, Miera & Bluche 2012: 60, Kamel 2013: 73 u. 95): „Inklusion“ meint bei diesem Konzept kei39 Vgl. z.B. Sandell 1998 (insbes. S. 410 f.). In diesem Text entwickelt Sandell den Begriff bzw. seine Bedeutungsdimensionen recht ausführlich auch auf Grundlage des Gegenbegriffs der „social exclusion“, der erstmals in den 1970er Jahren in Frankreich aufkam und in verschiedenen Ländern unterschiedlich ausgelegt wurde (vgl. auch Bude 2007). Für ein leidenschaftliches Plädoyer für das inklusive Museum und einen Überblick darüber, warum Museen traditionell eher elitäre und exkludierende Institutionen sind, siehe z.B. auch Fleming 2002.

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neswegs ‚nur‘ die Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen im Sinne eines „barrierefreien Museums“ (vgl. Föhl et al. 2007), sondern bezieht sich auf sämtliche gesellschaftliche Gruppen oder Kreise, die bisher weder als BesucherInnen noch in der musealen Repräsentation eine Rolle gespielt haben. Die Vision eines inklusiven Museums beschränkt sich aber nicht auf die Forderung, sämtliche Zugangsbarrieren40 zu Museen abzubauen und auf diese Weise eine kulturelle Teilhabe aller am Museum zu ermöglichen sowie für die museale Repräsentation der bisher ‚Ausgeschlossenen‘ zu sorgen (denn dies wäre lediglich die kulturelle Dimension sozialer Inklusion, welche Sandell an den Kategorien representation, participation und access festmacht41). Die Idee des inklusiven Museums hebt darüber hinaus auch ab auf die gesellschaftliche Verantwortung von Museen jenseits ihrer eigenen vier Wände und betont das Potenzial von Museen als treibende Kräfte eines umfassenden sozialen Wandels hin zu einer insgesamt gerechteren Gesellschaft.42 Somit werden über den kulturellen Bereich hinaus auch Inklusion und Gerechtigkeit in ökonomischer, sozialer und politischer Hinsicht adressiert, also gegen jegliche Formen von Benachteiligung, Diskriminierung und sozialer Ungleichheit in unserer Lebenswelt Stellung bezogen. In diesem Sinne meint der Begriff „Inklusion“ hier also grundsätzlich mehr als ‚bloß‘ das Konzept der „Integration“ (das von einem Binarismus ‚Wir – die Anderen‘ ausgeht wobei sich ‚die Anderen‘ der Mehrheit anzupassen haben), sondern propagiert die grundlegende Wertschätzung von Vielfalt (im Museum und darüber hinaus), beruht also auf dem Bild einer heterogenen Ganzheit bzw. Gemeinschaft (vgl. Bacher-Göttfried et al. 2014: 174 u. Kowar 2011). Leider kommt allerdings Susan Kamel im Nachgang von NeuZugänge diesbezüglich zu dem Schluss, dass Partizipation als alleiniges Instrument nicht ausreichend (gewesen) sei, um ein solchermaßen inklusives Museum zu verwirklichen, da, ihrer Meinung nach, bei Parti40 Zugangsbarrieren beziehen sich nicht nur auf physische Hürden, sondern auch auf intellektuelle, emotionale, finanzielle und kulturelle Grenzen (vgl. Sandell 2004: 98). Eine Liste möglicher Barrieren findet sich z.B. bei Mandel 2014: 6. 41 Representation definiert Sandell als „the extent to which an individual’s cultural heritage is represented within the mainstream cultural arena“ (Sandell 1998: 410); participation als „the opportunities an individual has to participate in the process of cultural production“ (ebd.) und access als „the opportunities to enjoy and appreciate cultural services“ (ebd.), wobei letzteres die beiden erstgenannten Aspekte miteinschließen kann. 42 „Museen, so meinen wir, können eine einzigartige Rolle darin spielen, Ungleichheiten entgegenzuwirken. So können sie auf der lokalen und auf der globalen Ebene zu mehr sozialer Gerechtigkeit beitragen.“ (Sandell & Nightingale 2014: 98). Museen, so Sandell, könnten dabei auf drei verschiedenen Ebenen wirksam werden: auf individueller/persönlicher Ebene (z.B., indem Selbstwert und Selbstvertrauen gestärkt und Kreativität geweckt werden), auf lokaler Ebene einer bestimmten Community (indem z.B. die Selbstbestimmungsfähigkeit und andere Fertigkeiten vermittelt oder gefördert werden, sodass die Gruppe ermächtigt wird, mehr Kontrolle über die Entwicklungen ihres direkten Umfelds auszuüben) sowie auf gesamtgesellschaftlicher Ebene (z.B. indem Themen wie Kriminalität oder Arbeitslosigkeit o.ä. aufgegriffen werden) (vgl. Sandell 2003: 45 f.).

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zipation generelle Vorurteile und Stereotypen nicht gebrochen würden (vgl. Kamel 2013: 95). Die Ziele und der Einsatz partizipativer Elemente wurden im Gegensatz dazu im Gerhard-Marcks-Haus ‚kleiner‘ gesteckt und bezogen sich ‚nur‘ auf das eigene Haus und die eigene Besucherschaft. Partizipation diente insbesondere dem pädagogischen Ziel einer niederschwelligen und „lebendigen“43 Beschäftigung mit Kunst: Durch die persönliche Beteiligung, das aktive ‚Mitmachen‘, das Sehen und Tun von etwas, das man sonst nicht zu sehen bekommt (Depot) oder machen darf (Exponate auswählen und beschreiben), sollte Interesse für Gerhard Marcks und dessen Kunst geweckt werden sowie für das Gerhard-Marcks-Haus als solches. Teilnehmende wie unbeteiligte BesucherInnen erhielten über das partizipative Element der subjektiven Begründung der Wahlentscheidung eine Zugangsmöglichkeit zur Kunst auf informeller, oft emotionaler Ebene statt der kunstwissenschaftlich-objektiven. Weitergedacht ging es mit Blick auf die Teilnehmenden implizit auch darum, deren Selbstbewusstsein in der Auseinandersetzung mit Kunst und im (ästhetischen) Urteilen zu stärken sowie um den Mut dazu, den eigenen Standpunkt zu vertreten – bzw. (gedanklich oder konkret mit Begleitpersonen) in einen „kommunikativen Prozess“ (Wiegartz; Piontek 2012e: 5), ein Aushandlungsverfahren einzutreten. Alles in allem hatte Partizipation auf TeilnehmerInnen- wie BesucherInnenebene die übergeordnete Funktion, ein positives, außergewöhnliches und aufregendes Museumserlebnis zu generieren, an das man später gerne zurückdenkt (und welches im besten Fall zum Wiederbesuch animiert). Bestandteil dessen war auch die an den Tag gelegte institutionelle Transparenz und der ermöglichte Blick hinter die Kulissen, verbunden mit dem Ziel, der Bevölkerung auch eine Idee davon zu vermitteln, was Museen sind, welche Aufgaben sie haben, was sie an verschiedenen Räumlichkeiten benötigen und wie sie gemeinhin arbeiten. Für das Gerhard-Marcks-Haus selbst diente das Projekt als Möglichkeit, etwas über die eigenen BesucherInnen zu erfahren, diese näher – manchmal sogar persönlich von Angesicht zu Angesicht – kennenzulernen. Natürlich kann hier nicht von einer systematischen Besucherforschung die Rede sein, dennoch sollte der Wert der gewonnenen Einblicke nicht unterschätzt werden (wie später noch anhand Marcks‘ Christinchen-Babyplastik gezeigt werden wird, siehe Kap. VII.12). Sieht man sich das im musealen Leitbild kommunizierte Selbstverständnis des Gerhard-Marcks-Hauses näher an, wird deutlich, dass das partizipative Projekt einen von mehreren Mosaiksteinen bildete, um als ein zugewandtes, gastfreundliches,

43 Wiegartz erklärte im Interview, dass hinter dem Projekt die Idee gestanden habe, „[...] den Marcks-Bestand für den Besucher [...] lebendiger [zu] machen“ (dies.; Piontek 2012e: 1).

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für alle „offenes Museum“44 in Erscheinung zu treten und damit gewissermaßen einen Kontrapunkt gegen das Bild des elitären Elfenbeinturms zu setzen, als welcher die Institution Museum im allgemeinen – und die Sparte des Kunstmuseums im Besonderen – galt und zum Teil noch immer gelten muss: „Das Gerhard-Marcks-Haus versteht sich als ein lebendiges Museum für moderne und zeitgenössische Bildhauerei. Wir wollen Menschen für dieses Thema begeistern und ihnen einen persönlichen Zugang dazu ermöglichen. Unsere Mittel dazu sind 1) anregende, abwechslungsreiche Ausstellungen, 2) kunsthistorische Forschung, 3) Vermittlung und 4) Gastfreundschaft. [...] Das Ziel der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Museums ist es, allen Besuchern den Zugang zur modernen und zeitgenössischen Bildhauerei zu erleichtern. [...] Wir schließen niemanden aus. Wir verstehen unser Museum als einen Ort für besondere Erfahrungen. Wir wollen unseren Besuchern ein Ambiente bieten, in dem die Auseinandersetzung mit der Bildhauerei zu einem anregenden und angenehmen Erlebnis wird. [...] Unabhängig von den Ergebnissen der wissenschaftlichen Forschung vermittelt das Museum, dass Kunstwerke sehr unterschiedliche – prinzipiell gleichwertige – Erfahrungen ermöglichen. Besucher werden darin unterstützt selbst Position zu beziehen.“ 45

Dass dies nicht bloß Lippenbekenntnisse sind, zeigte sich beispielsweise daran, dass der Plan bestand, die zukünftige Weiterarbeit an der Objektdatenbank öffentlich zu gestalten; so sagte Wiegartz im Interview, dass sie und ihre Kollegin vorhätten, sich nach der Ausstellungslaufzeit möglichst „[...] jeden Tag zwei Stunden in die Ausstellung [zu] setzen und die Reste, die immer noch nicht in der Datenbank sind, [...] vor den Augen der Besucher [einzupflegen]“ (dies.; Piontek 2012e: 7).46 Wie ist nun die skizzierte Zielsetzung des Gerhard-Marcks-Hauses gemessen an Mörschs Klassifizierung zu bezeichnen? In jedem Fall dien(t)en die (partizipativen) Bemühungen dazu, die Bindung der bereits gewonnenen BesucherInnen an das Haus zu festigen sowie im Idealfall neue BesucherInnen zu gewinnen. Insofern liegt eine reproduktive Stoßrichtung vor.

44 Veronika Wiegartz begründet die Strategien des Gerhard-Marcks-Hauses (wie etwa besagte partizipative Ausstellung oder eine erhöhte Zahl an – dafür kleineren – Sonderausstellungen): „[E]s macht das Haus offener und das ist auch so unsere Idee.“ (dies.; Piontek 2012e: 7). Die o.g. Phrase des „offenen Museums“ ist der Publikation Das offene Museum (vgl. Dreyer & Wiese 2010a) entlehnt; dort meint diese zwar auch eine gesteigerte Besucherorientierung und bestenfalls aktive Beteiligung durch Partizipationsangebote, geht aber insofern über die Zielsetzungen des Gerhard-Marcks-Hauses beim untersuchten Projekt hinaus, als dass der Begriff bei Dreyer/Wiese eine spezifische gesellschaftliche Rolle und Funktion von Museen als öffentliche Akteure impliziert, „in denen sich die Bürgergesellschaft erproben und entfalten kann“ (Dreyer & Wiese 2010b: 5). 45 Leitbild des Gerhard-Marcks-Hauses (Kursivierungen in den oben zitierten Passagen von A.P.). Abrufbar unter: http://www.marcks.de/leitbild.aspx, zuletzt geprüft: 25.08.2015. 46 Vgl. hierzu auch Paragraph 8 der Ethischen Richtlinien für Museen: „Jede Möglichkeit ist wahrzunehmen, die Öffentlichkeit über Ziele, Zweck und Anspruch ihres Berufsstandes zu informieren und aufzuklären, um mehr öffentliches Verständnis für den gesellschaftlichen Beitrag von Museen zu erreichen.“ (ICOM – Internationaler Museumsrat 2010: 25).

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Zum anderen wäre die Partizipationspraxis, wie sie bei gerhardWER? zum Tragen kam, als weitgehend affirmativ im Sinne einer Bejahung des ausgestellten Künstlers, dessen Werks und des besuchten Museums zu bezeichnen; ebenfalls in dem Sinne, dass das Projekt keine explizit institutions- oder kunstkritischen Aspekte aufwies (auch wenn man im Umkehrschluss die Beteiligung der BesucherInnen als deutlich gegenläufige Praxis zum ‚herkömmlichen‘ Operationsmodus bezeichnen kann). Dies deckt sich allerdings nicht mit Mörschs Affirmationsbegriff, welchem zufolge sich museale (Vermittlungs-)Arbeit in diesem Modus in erster Linie gezielt an eine entsprechend vorgebildete, spezialisierte und selbstmotivierte Fachöffentlichkeit richte, die Kunst ebenfalls als „spezialisierte Domäne“ begreift (vgl. Mörsch 2009a: 9). Charakteristisch sei für diese Praxis auch, so Mörsch, dass diese von „autorisierten SprecherInnen der Institution“ (ebd.) durchgeführt werde. – Sicherlich kann man behaupten, die BesucherInnen seien bei gerhardWER? ja auch nur von den MuseumsexpertInnen temporär autorisiert worden, in einem genau vorgegebenen Rahmen zu sprechen. Dennoch verrät der offene und verantwortungsvolle Umgang mit herausfordernden Objektwünschen (hierauf komme ich in Kap. VII.10 noch zu sprechen) wie auch die prinzipiell positive Einstellung gegenüber sogenannten ‚Laien‘ und die Wertschätzung nicht-wissenschaftlicher Beiträge als gleichwertige Zugangsmöglichkeit zu Kunst, dass das Gerhard-Marcks-Haus nicht auf jene Art von Affirmation schielt, von der Mörsch im sehr negativen Sinne spricht. Eine knappe Zusammenschau der bisherigen Ergebnisse zu den drei Fallstudienprojekten gibt Tabelle Nr. 5. Eines zeichnet alle drei Museen bzw. die maßgeblich dafür verantwortlichen MacherInnen (bei NeuZugänge meine ich damit vornehmlich das Kreuzbergmuseum mit Martin Düspohl und die freien Kuratorinnen Frauke Miera und Lorraine Bluche) gleichermaßen aus: Sie vertraten bzw. vertreten im Grunde genommen alle dasselbe Selbst- und Fremdbild bezüglich Museum und Gesellschaft/Besucherschaft: Sie alle nehmen das, was in den Ethischen Richtlinien für Museen (2010) von ICOM als Verwalter-Rolle bezeichnet und als Treuhänderschaft47 beschrieben wird, wörtlich, d.h. sie sehen sich selbst als Einrichtung, die eigentlich der Community bzw. Gesellschaft ‚gehört‘, weshalb diese auch ein zentrales Beteiligungsrecht in Form aktiver Mitarbeit genießen solle. Arie Hartog fasst dies folgendermaßen in Worte:

47 So heißt es in Paragraf 2: „Museen, die Sammlungen unterhalten, bewahren diese treuhänderisch zum Nutzen und zum Fortschritt der Gesellschaft. [...] Diese Verpflichtung der Öffentlichkeit gegenüber macht Museen zu Verwaltern, die für den rechtmässigen Besitz der in ihrer Obhut befindlichen Objekte [...] verantwortlich sind.“ (ICOM – Internationaler Museumsrat 2010: 12).

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Tabelle 5: Aufschlüsselung wesentlicher funktionaler Aspekte von Partizipation und Beteiligung in den Fallstudienprojekten aus Museumssicht Ostend // Ostanfang

... die TeilnehmerInnen

gerhardWER?

Prinzipieller Ansatz (P. als Selbstzweck und Grundprinzip eines Stadtmuseums der Zukunft)

Instrumenteller Ansatz (vorwiegend zur musealen Selbstreflexion)

Instrumenteller Ansatz (vorwiegend zur Schaffung eines positiven Museumserlebnisses)

Selbstrepräsentation; ‚Sprechen-Dürfen‘

Selbstrepräsentation; ‚Sprechen-Dürfen‘

Austausch mit Gleichgesinnten; Gemeinschaftserlebnis

Inklusion

Spielerische Beschäftigung mit der Datenbank/dem Sammlungsbestand

Identifikation mit dem Museum bzw. dem Thema; Erhöhung der persönlichen Relevanz

Identifikation mit dem Museum bzw. Thema; Erhöhung der persönlichen Relevanz

Persönl. Zugang zur Kunst Stärkung des (ästhetischen) Urteilsvermögens Identifikation mit dem Museum/dem Thema Abbau von Schwellenangst Selbstrepräsentation

... den Vermittlungsgegenstand

... das jeweilige Museum

Aktualisierung

... die Gesellschaft/das Umfeld (langfristig erhoffte Effekte)

Funktionen von Partizipation und Beteiligung bezogen auf...

Übergeordneter Stellenwert von Partizipation

NeuZugänge

Übergeordnete Stoßrichtung

Gegenwartsbezug Lebensweltrelevanz Integrierung informellen Wissens Objektauswahl/ Objektgenerierung Vielstimmigkeit u. Multiperspektivität ‚Personalisierung‘ u. Emotionalisierung der Inhalte

Kritische Selbstreflexion

Dynamisierung, Verlebendigung  Erlebnisort

Neulesen der eigenen Sammlungen

Erkenntnisse über und Kontakt zum Publikum

Offenheit für ‚Andere(s)‘ in der Belegschaft wecken

Öffnung/Transparenz; Barriereabbau

Finden zeitgenössischer ‚Migrationsobjekte‘ Diversifizierung der Blickwinkel, Multiperspektivität

Betonung einer alternativen Annäherung an Objekte ‚Personalisierung‘ u. Emotionalisierung der Inhalte Vielstimmigkeit u. Multiperspektivität

Vielstimmigkeit

 Forum/Diskursraum für die Stadtgesellschaft („partizipatives Museum“)

 „inklusives Museum“ i.S. Richard Sandells

 offenes Museum i.S. eines transparenten Organismus und i.S. eines gastfreundlichen (Freizeit-) Ortes für ‚alle‘

Vorrangig transformativ; auch reproduktiv

vorrangig dekonstruktiv; auch reproduktiv und transformativ

vorrangig affirmativ (i.S. einer Bejahung der eigenen Sammlung und des Hauses); auch reproduktiv

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„Dieses Museum ist ja nicht mein Haus, sondern es gehört den Bürgern dieser Stadt, die es durch Steuern, Eintrittsgelder oder Spenden finanzieren. [...] In Holland ist es zum Beispiel schon seit langem in vielen Museen selbstverständlich, dass die Besucher mitentscheiden, welche Objekte ausgestellt werden.“ (Hartog zit. n. Pressedienste für das Bundesland Bremen 2011: o.S.)

Damit geht automatisch eine Neubewertung der BesucherInnen einher – eine elementare Aufwertung –, gleichzeitig rückt das Museum, verkörpert durch seine jeweilige Mitarbeiterschaft, direkt vom bisher behaupteten Status als autoritäre, allwissende Institution ab. Dieser Prozess der Angleichung der Hierarchien zwischen Museum und (potenziellen) BesucherInnen offenbarte sich bei den drei untersuchten Museen in der Art und Weise, dass sie alle die Position als Lernende48 für sich behaupten, und zwar nicht nur als Ideologie, sondern ganz praktisch in Momenten der direkten Zusammenarbeit mit Außenstehenden. Martin Düspohl umschreibt diese Grundvoraussetzung für „partizipative Kuratoren“ (vgl. Gesser 2014: 55) wie folgt: „Ich lasse mich immer wieder überraschen und bin bereit, verschiedene Konstellationen anzunehmen und mich damit zu arrangieren. Ich sehe nicht die Notwendigkeit, mich als Wissenschaftler oder Forscher beweisen zu müssen. Ich definiere mich als Lernender. Das ist eine ganz wesentliche Kompetenz, die man mitbringen muss.“ (Düspohl zit. n. Allmanritter & Siebenhaar 2010a: 44)

Analog dazu werden (potenzielle) BesucherInnen nicht mehr als unwissende RezipientInnen be- bzw. entwertet. Diese Haltung spiegelte sich in allen drei Projekten in einer grundsätzlich nicht-defizitären Sicht auf die TeilnehmerInnen oder Projektinteressierten wider, denen im Gegenteil sogar jeweils ein großer Vertrauensvorschuss in ihre Fähigkeiten entgegen gebracht wurde – ganz gemäß dem Credo des „radical trust“, den Bernadette Lynch postuliert (vgl. Lynch & Alberti 2010: 15), oder in Hartogs Worten: „Man muss sich mal was trauen und dem Publikum vertrauen.“ (Hartog zit. n. Groth 2011: o.S.). Grundlage dessen lieferte zum einen die allgemeine Erkenntnis, dass neben formalem Wissen auch noch andere, gleichberechtigte Erkenntnisformen existieren und dass es keine objektive ‚Wahrheit‘ geben kann – ein allgemeiner Paradigmenwechsel, der unter dem Schlagwort der Krise der Wissenschaft firmiert. Und zum anderen das Eingeständnis, dass das in Museen gesammelte Wissen wie auch das Fachwissen der MitarbeiterInnen begrenzt ist. In diesem Sinne wurden Teilneh48 So betont etwa Jannelli als Grundprinzip des Stadtlabors, „[...] nicht so Sender-Empfänger-orientiert [zu] denken [...], sondern dass wir uns auch als lernende, als offene Institution [...] sehen“ (Interview vom 12.11.2013; in: Zimmer 2014: Anhang S. X). Und Hartog äußerte sich in einem Interview folgendermaßen: „In einer multiethnischen Gesellschaft kommen wir nur weiter, wenn jeder – auch der Museumsdirektor – bereit ist, etwas von den so genannten Anderen (das waren für mich ja schon die ‚Deutschen‘) zu lernen.“ (Hartog zit. n. Dueker 2013: o.S.).

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merInnen in Berlin als „migrantische Experten“ (Tilmann 2011: o.S.) oder „lokale Experten“ (Bluche et al. 2010: 184) wahrgenommen; ebenso in Frankfurt, wo alle Frankfurterinnen und Frankfurter als die wahren „Experten für ihre Stadt“ (Gesser & Jannelli 2011: 31) verstanden und entsprechend ernst genommen wurden. Zusammengefasst und verdichtet könnte man als Zwischenergebnis also konstatieren: „Partizipatives Arbeiten führt zu einer Nivellierung von Hierarchien. [...] Im partizipativen Museum geht es [...] darum, sich auf Augenhöhe zu begegnen und sich gegenseitig als Experten wahrzunehmen.“ (Gerchow et al. 2012: 29).

VI.4.8 D IMENSION Z IELE (T EIL II): M OTIVE DER T EILNEHMENDEN Die Analyse der Teilnahmemotivation geschah, wie bereits unter Methodik in Kapitel II.3.4 ausführlich dargelegt, mittels Online-Fragebogen, welcher aus bereits genanntem Grund jedoch nicht den Teilnehmenden von NeuZugänge zuging. Bei den anderen beiden Projekten war die Rücklaufquote sehr gering, sodass nur mit Vorsicht verallgemeinernde Rückschlüsse auf Grundlage der eingegangenen Antworten möglich sind. Die Teilnahmemotivation wurde in Teil D des Fragebogens abgefragt, wobei die TeilnehmerInnen zu insgesamt zehn Einzel-Items Stellung nehmen sollten, wie relevant der jeweilige Punkt für sie persönlich war. Wie sich in den eingegangenen Antworten (siehe digitaler Anhang Nr. 5 und Nr. 9 jeweils Teil D) ablesen lässt, waren in beiden Projekten grundsätzlich alle angebotenen Auswahlmöglichkeiten als Teilnahmemotive relevant.49 Als wichtigste Motive ließen sich der Nennhäufigkeit zufolge dabei folgende identifizieren: Die Projektteilnahme erfolgte… • • • • •



weil das Thema des Ausstellungsprojekts ansprechend war weil die Vorstellung gefiel, öffentlich in einer Ausstellung (re-)präsentiert zu werden (museale Selbstrepräsentation empfunden als Ehre) aus Neugier, weil man sich davon ein besonderes Erlebnis versprach weil die Vorstellung gefiel, dadurch das ‚System Museum‘ verändern zu können, also aktive Mitentscheidungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten zu haben in der Hoffnung, durch den eigenen Beitrag gesellschaftlich oder politisch Einfluss nehmen zu können bzw. andere Menschen zum Nachdenken anregen zu können aus persönlicher Verbundenheit dem Museum gegenüber50

49 Das Item „…weil ich neue Leute kennen lernen wollte“ war nur beim Ostend-Projekt von Bedeutung. 50 Dieser Aspekt hatte vorrangig bei den FragebogenteilnehmerInnen von gerhardWER? Gewicht.

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Die Auswertung der Rückmeldungen, die das hmf im Rahmen seiner Projektdokumentation51 erhielt, lieferte im Kern ähnliche Ergebnisse (Auswertung siehe Tabelle im Anhang Nr. 7). Daher lohnt es sich – auch wenn die Stichproben für sich keine Repräsentativität beanspruchen können –, einige der o.g. Hauptmotive einer genaueren Betrachtung zu unterziehen: Das Interesse am Thema war in beiden Projekten laut Fragebogen das wichtigste Teilnahmemotiv. Gleiches legt auch besagte, von mir vorgenommene qualitative Auswertung der ‚O-Töne‘ der Ostend-TeilnehmerInnen nahe. Für die museale Praxis folgt daraus, dass bei der Projektplanung zu berücksichtigen ist, inwieweit eine Thematik für die anvisierte Zielgruppe relevant sein könnte, wo sie (weitere) Anknüpfungspunkte an die Interessen, Bedürfnisse oder die Lebensrealität der potenziell Teilnehmenden bietet und wie man dies sprachlich (etwa bei der Titelfindung des Projekts und der Formulierung des Teilnahmeaufrufs) und visuell bestmöglich transportieren könnte. Die Items Stolz bzw. Ehrgefühl aufgrund einer musealen (Re-)Präsentation und Veränderungsmöglichkeiten des ‚System Museums‘ (Unterfragen 4 und 5 von Teil D im Fragebogen) waren weitere wesentliche Motive der Teilnehmenden beider Projekte. Ich denke, dass die Institution Museum aufgrund ihrer gesellschaftlich herausgehobenen Rolle als besondere Autorität in Wissens- und Repräsentationsfragen eine gewisse Faszination und Strahlkraft besitzt; die ungewöhnliche Möglichkeit, hier aktiv einbezogen zu sein, Entscheidungen treffen zu dürfen und den Nimbus des Museums für die Repräsentation der eigenen Person bzw. des eigenen Anliegens oder (künstlerischen) Könnens nutzen zu dürfen, stellt mit Sicherheit einen nicht zu unterschätzenden Attraktor dar. Zu dieser These passt auch, dass eine Mehrheit im Fragebogen angab, mitgemacht zu haben, weil man sich dies im Vor-

51 Vgl. Historisches Museum Frankfurt 2011d. In dieser Projektdokumentation sind noch einmal die Kommentierungen der TeilnehmerInnen zu ihren Ausstellungsbeiträgen abgedruckt, wie sie auch den damaligen BesucherInnen in Form eines ‚Saalblattes‘ vorlag. Außerdem enthält die Dokumentation zu den meisten Beiträgen ergänzend noch ein persönliches Feedback, in denen sich die TeilnehmerInnen rückblickend sehr frei und unterschiedlich zu ihrem Beitrag, dem Projekt oder der fertigen Ausstellungsrealisation äußern. Von mir qualitativ ausgewertet wurden sowohl die Beitrags-Kommentare als auch das spätere Feedback aller Ausstellenden bis auf die Texte zu Ausstellungsbeitrag Nr. 1, weil dieser im Auftrag des hmf von Museumspraktikantinnen realisiert worden war. Da es für das Feedback keine Vorgaben gab, sprechen die Teilnehmenden z.T. recht unterschiedliche Aspekte an. Daher kann ich nur eine gewisse Repräsentativität meiner Auswertungsergebnisse in der Tabelle in Anhang Nr. 7 beanspruchen, denn ich habe nur gewertet, was explizit geäußert wurde bzw. was sich meiner Meinung nach deutlich aus den Texten herauslesen ließ (auch diese qualitative Inhaltsanalyse stellt aber natürlich bereits eine Interpretation meinerseits dar). Dies heißt jedoch nicht, dass im Umkehrschluss jeder von einer Person nicht explizit geäußerte Aspekt automatisch für diese unwichtig war.

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hinein als besonderes Erlebnis vorgestellt habe und man so gesehen besonders neugierig auf das jeweilige Projekt gewesen sei (vgl. Unterfrage 7 von Teil D). Hierauf gehe ich gleich unter einem weiteren Blickwinkel näher ein, zuvor jedoch noch ein besonders überraschendes Ergebnis: Erstaunlich ist, dass auch die erhoffte Möglichkeit einer gesellschaftlich-politischen Einflussnahme bzw. die Möglichkeit, andere Menschen mit dem eigenen Beitrag zum Nachdenken anregen zu können (Unterfrage 6) für viele einen nicht zu unterschätzenden Teilnahmefaktor darstellte – und zwar nicht nur beim Ostend-Projekt, wo dies durch eine enge Verknüpfung der Thematik mit der Lebenswelt der Teilnehmenden und dessen besondere Brisanz für die eigene Gegenwart und Zukunft auf der Hand lag, sondern teilweise auch beim Projekt gerhardWER?, wo diese Implikation ja von Museumsseite nicht explizit kommuniziert worden war. Ein weiteres wichtiges Motiv, das in beiden Projekten, besonders aber bei gerhardWER? hervorschien, war die, eben bereits angesprochene, Teilnahme mit dem Ziel, ein besonderes Erlebnis zu haben. Dieser Einschätzung trägt mit Sicherheit auch der Umstand Rechnung, dass Partizipation, als ziemlich neu empfundenes Phänomen im Museum, möglicherweise eine spezifische Neugierde als (noch) unbekanntes Erfahrungs- und Betätigungsfeld weckt. Insbesondere bei gerhardWer? mag in diesem Zusammenhang auch der Umstand eine Rolle gespielt haben, mit echten Musealien zu tun haben zu dürfen. Dass diese Argumentation aber zu kurz greift, zeigen die Erfahrungen des Gerhard-Marcks-Hauses in der Initiierungsphase des Projektes: So waren für die erste Ausstellungswoche Beiträge der Gesamtbelegschaft der Bremer Landesbank, dem Hauptsponsor, vorgesehen gewesen, was letztlich aber an mangelnder Beteiligung scheiterte. Wiegartz sieht hierin „[...] ein museales Grundsatzproblem. [...] Die Leute müssen letztlich doch erst mal den Fuß über diese Schwelle gesetzt haben, erst dann kann etwas passieren. Egal, ob ich ins Depot gehe oder nicht. Und wer das Haus nicht kennt, fühlt sich letztendlich vielleicht auch nicht durch so eine Aufforderung angesprochen, weil dieser Fremdheitscharakter nach wie vor da ist.“ (Wiegartz; Piontek 2012e: 3)

Das gleiche Problem sah Wiegartz auch für die damals neu lancierte Datenbank auf der Museumshomepage, also das Angebot, online den sonst verborgenen Werkbestand nach Lust und Laune zu durchforsten: „Denn man muss erst mal auf diese Museumsseite [im Internet, Anm. A.P.] gehen und tatsächlich, glaube ich, auch schon eine gewisse Erfahrung mit Museumshomepages haben, um da überhaupt hinzugelangen, um zu wissen, wie die ticken. Und die Idee, dass man dann zum Beispiel ein jüngeres Publikum über eine digitale Datenbank anspricht, das ist eigentlich nur begrenzt aufgegangen. [...] Unsere Seite ist vielleicht für so ein richtiges Internetnutzerpublikum gar nicht interaktiv genug. Wir müssen ja immer eine Gratwanderung machen. Es ist

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einfach so, dass unser Hauptpublikum leider zwischen 50 und 70 Jahren platziert ist. Das heißt: Auch die muss man über diese Homepage erreichen – die darf dann auch wiederum nicht zu poppig sein. Aber man möchte sich trotzdem so frisch präsentieren, dass man irgendwie ein jüngeres oder museumsferneres Publikum erreicht.“ (Ebd.)

Allerdings konnte Wiegartz bestätigen, dass die Situation für all jene, die den Fuß dann doch über die Schwelle (in doppelter Hinsicht) taten, eine ganz andere war: Die von vorherigen BesucherInnen ausgewählten Kunstwerke und deren oftmals sehr allgemeinverständlich formulierten Begründungstexte hatten (sicherlich auch in Kombination mit der frischen und einladenden Raumatmosphäre) das Potenzial, wie ein verheißungsvolles Aushängeschild zu wirken. Tatsächlich legen dies auch die Umfrageergebnisse nahe (siehe Fragebogen Teil E zum Thema Schwellenängste): Diejenigen, die die erste Hürde genommen hatten, waren schnell überzeugt und hatten wenig Zweifel bezüglich ihrer Teilnahme (und dies, obwohl sie ihren eigenen Beitrag mehrheitlich eigentlich für gar nicht für so ausstellungswürdig hielten, was ja auf kognitiver Ebene als gewichtiges Gegenargument für eine Teilnahme zu werten wäre; offenbar hatte hier aber der emotionale Faktor der ‚Teilnahmelust‘ das ausschlaggebende Gewicht). Gleichzeitig muss natürlich unbedingt bedacht werden, dass mit den eingegangenen Antworten in Teil E des Fragebogens das Phänomen der BesucherInnenmotivierung und der Schwellenängste nicht ausreichend beschrieben ist; dazu hätte ich letztlich auch untersuchen müssen, wie viele BesucherInnen sich eine Teilnahme zwar überlegt, sich dann aber dagegen entschieden haben und was die Gründe dafür waren.52 Letztlich scheint die Art der Ausstellungsgestaltung (Dimension Raum), verbunden mit einer fördernden Ansprache vor Ort (Dimension Kommunikation/Interaktion) bei gerhardWer? so etwas wie eine spontane, situationsbedingte Teilnahmemotivation hervorgerufen zu haben (angelehnt an das sogenannte situationelle Interesse, das die pädagogisch-psychologische Interessenforschung von einer anderen, eher dauerhaften Form, dem sogenannten individuellen Interesse unterscheidet53). Oder salopp gesagt: Wer erst einmal im Gerhard-Marcks-Haus angekommen war, partizipierte auch. Vergleicht man die Texte der TeilnehmerInnen von gerhardWER? mit einem ganz ähnlichen, jedoch strukturell anders organisierten Partizipationsprojekt, wird die Wirkmächtigkeit einer positiv überraschenden Situation wie der beschriebenen greifbar: Das Schloßmuseum Murnau veranstaltete im Win52 Dies musste im Rahmen meines Forschungsdesigns zwangsläufig daran scheitern, dass sich die Nicht-BesucherInnen ja nicht anhand des Onlinefragebogens und dessen erfolgter Distribution an die hinterlegten Internetadressen von ProjektteilnehmerInnen befragen ließen; statt dessen wäre hierfür eine länger andauernde Anwesenheit und verdeckte Beobachtung in der Ausstellung mit anschließender gezielter Befragung von Nicht-Teilnehmenden das probate Mittel gewesen, was methodisch jedoch nur schwerlich leistbar gewesen wäre. 53 Vgl. Lewalter 2003: 78 f. u. Krapp 2010: 312 f.

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ter 2012/2013 die Ausstellung Lieblingsbilder von Besuchern und Mitarbeitern, bei der die TeilnehmerInnen jedoch vorab ihre Wahl trafen, sodass die Ausstellung als klassische geschlossene Schau ohne ‚Wahlbetrieb‘ während der Laufzeit eröffnen konnte. Während in vielen Texten bei gerhardWER? die spontane, aus dem Impuls heraus formulierte Begründung anhand der Textlänge, dem Sprachduktus und auch der Art der Begründung selbst greifbar wird, war dies in Murnau, wo die Wahl im Voraus – und wenn man wollte mit Bedenk- oder Überarbeitungszeit – getroffen werden konnte, seltener der Fall.54 Dennoch zeigt die Aufschlüsselung der individuellen Begründungen (siehe Tabelle in Anhang Nr. 10), dass die Wahl in Bremen mehrheitlich keineswegs ‚beliebig‘ oder ‚leichtfällig‘ von den BesucherInnen getroffen wurde – die TeilnehmerInnen das Museumsangebot, wie manchmal befürchtet, also nicht etwa ‚missbrauchten‘, um ‚Nonsens‘-Kommentare abzugeben, sondern die nicht alltägliche Einladung des Museums mit entsprechender Ernsthaftigkeit goutierten.55 Neben den anfangs bereits genannten, für beide Projekte gültigen motivationalen Aspekten aus den Fragebogen-Rückläufen sowie der gerade als These in den Raum gestellten vermuteten Kraft eines spontanen, situationsbedingten Interesses war bei gerhardWER? noch ein weiterer relevanter Aspekt als motivationaler Faktor aus den Umfrage-Antworten ablesbar: Mehr als die Hälfte der Antwortenden gab an, am Projekt teilgenommen zu haben, weil sie sich dem Gerhard-MarcksHaus persönlich verbunden fühlten (von 23 Personen kreuzten elf an, dass dies „voll zutreffe“; acht Personen, dass dies „eher zutreffe“, vgl. Unterfrage 10 in Teil D). Dies mag bei Projekten im Kunstsektor (abgesehen von solchen in kleinen Heimatmuseen) vielleicht noch mit größerer Wahrscheinlichkeit als in anderen Museumstypen eine Rolle spielen, weil Kunstmuseen tendenziell noch am ehesten von der klassischen Museums-Stammbesucherschaft profitieren dürften. Allerdings bin ich darüber hinaus der Meinung, dass die Fragebogenantworten hier einen falschen Eindruck vermitteln, da eben gerade Menschen, die sich dem Museum besonders verbunden fühlen, mit größerer Wahrscheinlichkeit auch bereit gewesen sein dürften, die Arbeit der Fragebogen-Beantwortung lange Zeit nach dem Projektende auf 54 Exemplarisch kann hierfür der Kommentar einer Murnauer Museumsführerin und Kassenkraft zu Andy Warhols Arbeit Vesuvius (1985) gelten, die sogar ein Zitat in ihren Text einbaute, was ihr bei einer Ad-hoc-Begründung vielleicht nicht unbedingt möglich gewesen wäre: „Ich mag das Bild, weil mein Temperament genauso sprudelt, wie der Vulkan. Ich hoffe aber inständig, dass meine Ausbrüche freundlicher verlaufen. ‚The world fascinates me‘, sagte Warhol einmal. Faszinierend finde ich die Graphik wegen ihrer Kontraste zwischen dem noch ruhigen, dunklen Meer und der kraftvollen, impulsiven Rauchsäule vor den hellen Wolken, die mit nur ganz wenigen Strichen gearbeitet sind.“ (Schloßmuseum Murnau 2013: o.S.). 55 Ebensolche Ernsthaftigkeit bescheinigte übrigens auch Schwirkmann den TeilnehmerInnen am Berliner Projekt und betonte im Interview, dass die LeihgeberInnen „ausgiebig“ über ihre Objektentscheidung nachgedacht und diese nicht leichtfällig getroffen hätten (vgl. ders.; Piontek 2011g: 2).

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sich zu nehmen (Befragungs-Bias). Dafür, dass dies tatsächlich der Fall war, sprechen auch die Antwortverteilungen auf andere Fragen.56 Zieht man bei der Frage, ob nun vor allem versierte MuseumsgängerInnen bzw. KennerInnen des Gerhard-Marcks-Hauses die Teilnehmerschaft stellten, die eingegangenen Teilnahmezettel hinzu – die ja mit Begründungen für die Wahl der persönlichen Marcks-„Loveskulptur“ (Zitat aus einem solchen) versehen waren – so ergibt sich ein differenzierteres Bild der Teilnehmerschaft, wonach etwa Kinder und Jugendliche sowie weniger kunsthistorisch bewanderte oder zumindest weniger ‚distinguierte‘ SprecherInnen am Projekt teilgenommen zu haben scheinen.57 Da mir die TeilnehmerInnentexte in ihrer Gesamtheit (immerhin 187 an der Zahl58) vorlagen, konnte ich auch eine inhaltliche Auswertung der Begründungen der jeweiligen Objektwünsche ergänzend zum Online-Fragebogen vornehmen (vgl. Tabelle im Anhang Nr. 10). Natürlich lassen sich hinsichtlich der Art und Weise dieser Begründungen für die Frage nach der Teilnahmemotivation und den damit zusammenhängenden persönlichen Zielen nur indirekte Rückschlüsse ziehen. Die hohe Zahl an kurzen, affirmativen, sensorisch-ästhetischen sowie selbstreferenziellen Äußerungen legt jedoch zumindest nahe, dass eine situativ-spontane Motivation vermutlich mehr Gewicht im Hinblick auf eine Teilnahme hatte als ein Verbundenheitsgefühl zum Museum an sich. Wie sich Thematik, Teilnehmeraktivierung und Teilnahmemotivation wechselseitig beeinflussen können, wird dagegen bei der näheren Auswertung der TeilnehmerInnen-Stimmen in der Ostend // Ostanfang-Projektdokumentation und der Durchsicht

56 So gaben bei Frage Nr. 3 nur zwei Personen an, das Gerhard-Marcks-Haus vor der Projektteilnahme nicht gekannt zu haben, und Frage 4 bezüglich der Besuchshäufigkeit deutet auch auf ein eher reges Besuchsverhalten dieses Museums hin. Entsprechend wenig verwunderlich ist, dass in Teil A, in dem die allgemeine Einstellung zu Museen abgefragt wurde, die Antworten deutlich positiv zugunsten der Museen ausfielen. Zuletzt sei noch darauf hingewiesen, dass bei Frage 2 deutlich wurde, dass viele der Antwortenden über direkte Museumsrundbriefe, Flyer/Prospekte oder sogar durch persönliche Kontakte in verschiedenster Weise auf das partizipative Projekt aufmerksam gemacht worden waren. 57 Aufgrund der Handschrift ließ sich zweifelsfrei auf die Teilnahme von mindestens 32 Kindern bzw. Jugendlichen schließen, die vermutlich mehrheitlich im Klassenverband die Ausstellung besucht haben werden. Neben z.T. inhaltlich wie sprachlich sehr ausgefeilten Begründungen finden sich auch 16 Wünsche völlig ohne Begründung sowie rund 100 Karten (Gesamtmenge: 204), in denen die Begründung in einem einzigen Satz geliefert wird – was aber nicht zwangsläufig auch bedeutet, dass diese Begründungen nicht pointiert und fachlich versiert erfolgten. Dennoch zeigte sich eine Tendenz in den einsätzigen Begründungen zu einem eher einfachen Sprachstil und einer eher weniger aussagekräftigen Begründung, wie etwa „die Figur hat mir spontan gefallen“ oder „weil es schön aussieht“ (Allerdings ist auch hierbei zu bedenken, dass ‚Einsilbigkeit‘ teilweise auch als Strategie angewendet wird, wenn man Angst hat, sich zu sehr offenzulegen). 58 Von den 204 Karten enthielten 16 Stück keine Begründung; eine weitere Karte musste von der inhaltlichen Analyse ausgenommen werden, da die Begründung unleserlich war.

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des Ausstellungsimpressums59 deutlich. Letzteres legt nahe, dass nicht wenige der Ostend-TeilnehmerInnen zu generell aktiven kulturellen ‚Stamm-AkteurInnen‘ oder zu den regelmäßig sozial Engagierten ihres Viertels zählten (diese bildeten etwa ein Drittel der Teilnehmerschaft, vgl. Anhang Nr. 6). Man kann also annehmen, dass für diese Klientel die Teilnahme an einem Projekt, welches gerade auch eine kritische Auseinandersetzung mit Umwandlungsprozessen im Stadtteil anstrebte und dies zudem in einer diesem Personenkreis wohlbekannten Kulturtechnik – der Ausstellung – tat, eine Selbstverständlichkeit darstellte im Kontext ihres eigenen Identitätsentwurfs als kulturell oder sozial Engagierte.60 Natürlich dürfte bei einem thematisch und räumlich derart auf ein bestimmtes Stadtviertel bezogenen Projekt auch die lokale Verbundenheit, die Liebe zum eigenen Stadtteil ein weiterer motivationaler Faktor gewesen sein. Beispielhaft für die Verquickung von kulturellem Grundinteresse und lokaler Zugehörigkeit kann etwa folgende Aussage einer teilnehmenden Künstlerin stehen: „Als gebürtige Frankfurterin interessieren mich Projekte, die mit meinem Geburtsort zu tun haben. Finden diese dann auch noch in dem Stadtteil statt, in dem ich lebe, wird die Sache schon fast perfekt.“ (Historisches Museum Frankfurt 2011d: 65)

Ebenso die Aussage eines im Impressum als Stadtteilhistoriker aufgeführten Teilnehmers, der angibt, dass „[...] [d]ie von mir bereits seit vielen Jahren durchgeführten Aktivitäten im Ostend [...] zum Interesse an dem Projekt [geführt haben]“ (ebd. 30). Inhaltliche Thematik, Motivation, Aktivierung und Teilnehmerstruktur sind also untrennbar miteinander verwoben. Neben den genannten und bereits diskutierten häufigsten Motiven sollen nun exemplarisch noch einzelne, speziellere Motive von PartizipientInnen am Beispiel des Ostend-Projekts illustriert werden, die zum einen zeigen, dass bei den Partizipierenden manchmal mehrere Motive gleichzeitig eine Rolle für die Teilnahmeentscheidung spielten, und die zum anderen auch einen Anhaltspunkt dafür liefern, dass sich die von Falk und Dierking vorgeschlagene Kategorisierung von Besuchertypen auch für die Typisierung der Teilnehmerschaft bei Partizipationsangeboten heranziehen ließe (wie in Kap. V.2.7 bereits angedacht).

59 Das Ausstellungsimpressum (vgl. Historisches Museum Frankfurt 2011d: 76 f.) ist insofern von Interesse, als dass hier nicht nur alle Teilnehmenden mit Namen genannt werden, sondern weil auch die (berufliche) Profession der TeilnehmerInnen oder ihre Zugehörigkeiten zu einer (kulturellen) Initiative bzw. Vereinigung ausgewiesen wird. 60 Dies scheinen auch Studienergebnisse zu bestätigen: Laut dem 7. Kulturbarometer des Zentrums für Kulturforschung seien diejenigen, die sich selbst aktiv als „Kunstamateure“ (Mandel 2005b: 13) betätigten, auch das aktivste Kulturpublikum (vgl. Zentrum für Kulturforschung 2002 zit. n. Mandel 2005b: 13; vgl. auch Keuchel 2002: o.S.).

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So kann man davon ausgehen, dass ein so vielfältiges Projekt wie Ostend // Ostanfang auch für Menschen interessant gewesen sein dürfte, deren Hobby oder persönliches Interesse sich zufällig mit dem Projektinhalt deckte. Dies entspräche Falk und Dierkings Kategorie Professionals/Hobbyists, die – übertragen auf eine museale Partizipationssituation – für Menschen stünde, die in der Projektteilnahme eine gute Möglichkeit sehen, eine persönliche Leidenschaft ausleben zu können. Bei Ostend // Ostanfang könnte man hierzu natürlich alle teilnehmenden KünstlerInnen zählen, jedoch fielen noch weitere Teilnehmende in diese Kategorie, so etwa ein passionierter Ansichtskartensammler. Wie sehr sich dieser mit seinem Hobby identifiziert, spiegelt die selbstverfasste Erläuterung zu seinem Ausstellungsbeitrag eindrücklich wider: „1975 sah ich ein Album mit s/w-Ansichtskarten von Frankfurt, gegen das ich meine Briefmarken eintauschte. Seitdem sammle ich Ansichtskarten von Frankfurt und Umgebung. Ich lebe in Bornheim, bin pensioniert und aktiv im Vorstand vom Bürgerverein und Förderkreis Historisches Bornheim. Der Schwerpunkt meiner Sammlung ist Bornheim, Ostend, Nordend sowie Seckbach und Niederrad. Meine Sammlung vom Ostend umfasst ca. 1.500 Belege, darunter Firmenrechnungen, Fotos, Vignetten und Grafik sowie ca. 1.000 Belege vom Zoo. Für den Ausstellungsbeitrag habe ich hier eine kleine thematische Auswahl aus meiner Sammlung getroffen. Kontakt: [es folgt die private Emailadresse; aus Anonymitätsgründen von A.P. an dieser Stelle entfernt].“ (Historisches Museum Frankfurt 2011d: 29)

Neben seinem augenscheinlichen Grundinteresse für Lokalgeschichte allgemein (als Mitglied des Förderkreises Historisches Bornheim) und der Liebe zu historischen Ansichtskarten im Besonderen zeigt sich durch Angabe seiner E-Mailadresse, dass der Sammler die Ausstellungsmöglichkeit auch strategisch als Forum nutzte in der Hoffnung, sich mit Interessierten austauschen zu können oder vielleicht auf diesem Wege Postkarten angeboten zu bekommen. Verbunden damit ist auch ein gewisser Besitzerstolz, der im Text bei der Beschreibung der Größe seiner Sammlung durchscheint und der wohl auch als eine Teilnahme-Triebfeder gedeutet werden kann, wenn er rückblickend äußert: „Ich stelle Ansichtskarten gerne aus.“ (Ebd.) – und später gerne an allen weiteren Stadtlabor-Folgeprojekten teilnahm.61 Man kann also feststellen, dass in diesem Fall in erster Linie eine selbstbezogene Teilnahmemotivation aus persönlicher Leidenschaft heraus vorlag, und zwar sowohl mit hedonistischem als auch strategischem Impetus. In der weiteren Reflexion des Sammlers kommen jedoch noch zwei weitere Aspekte zum Vorschein, die vielleicht nicht gleichermaßen ausschlaggebend für die Teilnahme waren, jedoch den Blick dafür schärfen können, was für die eine oder den anderen potenziellen TeilnehmerIn durchaus auch eine Rolle spielen kann:

61 Dies Aussage bezieht sich auf alle Stadtlabor unterwegs-Projekte bis 2015 (d.h. bis einschließlich der Ausstellung Gallus ’15).

370 | M USEUM UND P ARTIZIPATION „Für mich waren das persönliche Kennenlernen und das Vertrauensverhältnis zu den Ausstellungsmacherinnen [...] maßgebend, meine Ansichtskarten auszustellen.“ Und: „Die außergewöhnlichen Orte (Bauwagen/Kontorhaus) [...] haben eine Faszination auf mich ausgeübt.“ (Ebd.)

Bei einer anderen Teilnehmerin, die selbstgenähte Handtaschen aus Recyclingmaterialien ausstellte, wird dagegen exemplarisch deutlich, dass die Projektteilnahme auch eine Form von persönlicher ‚Identitätsarbeit‘ darstellen kann (was vielleicht dem Recharger-Typus bzw. den Affinity Seekers von Falk/Dierking am nächsten käme): „Das Arbeiten ‚alt zu neu‘ stellt auch ein Stück meiner eigenen Geschichte dar: von meinen georgischen Vorfahren bis zu meinem Weg ins Ostend. Immer wieder ein Neuanfang mit der Substanz des Alten.“ (Ebd. 64)

Diesbezüglich scheint sie ein explizites Mitteilungsbedürfnis verspürt zu haben, verbunden mit dem Bedürfnis, ‚dazuzugehören‘ und anerkannt zu werden – auch dies können also individuelle motivationale Teilaspekte sein, wenn es um die Entscheidung geht, ob man an einem Projekt teilnehmen soll oder nicht (s.u.). Ebenso spielte der soziale bzw. interpersonelle Aspekt der Gemeinschaft mit anderen, wie auch ein gewisser Wunsch nach Erfahrungszuwachs, nach einem Perspektivwechsel oder einer persönlichen Blickwinkelerweiterung für diese Teilnehmerin eine Rolle: „Es hat mich persönlich sehr glücklich gemacht, ein Teil dieser Stadt, dieses Viertels zu sein. Es war eine außergewöhnliche Möglichkeit, ein Stück eigene Geschichte erzählen zu dürfen und mit anderen Menschen ganz unbefangen zu teilen. Ohne Bewertung, einfach nur das Menschsein, das was man tut, was einen anspornt, oder einfach nur glücklich macht. Eine Gelegenheit, andere Menschen zu erleben, und mit ihren Augen den Ort zu sehen, an dem man lebt. Durch die Ausstellung wurde das Ostend transparent und die Anonymität, welche in einer Stadt automatisch entsteht, verblasste für ein paar Wochen.“ (Ebd. 64)

Natürlich gab es aber auch Menschen, die nicht als Privatpersonen und auch nicht aus primär selbstgerichteten Gründen am Projekt teilnahmen. Ein Beispiel hierfür stellen etwa zwei Mitarbeiterinnen des Internationalen Familienzentrums e.V. dar, die in einer Facilitator-Rolle in Erscheinung traten. Damit wären Personen gemeint, die primär mit fremdgerichteter (im vorliegenden Fall: gesellschaftsbezogener) Motivation an einem Projekt teilnehmen: So bringen die beiden Frauen in ihrem Statement zum Ausdruck, dass der Ausstellungsbeitrag (sogenannte „Biographiekästen“, die von BesucherInnen der Tagesstätte des Familienzentrums erstellt worden waren) einerseits eine Maßnahme im Rahmen des Bildungs- und Integrationsangebotes des Vereins darstellte (emanzipative bzw. Empowerment-Funktion hinsichtlich der Beteiligten), als auch den Zweck hatte, auf die Leistungen des Vereins öffentlich aufmerksam zu machen (gewissermaßen Zeigefunktion oder ‚PR-Maßnahme‘ in ei-

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gener Sache, um auf sich als gesellschaftspolitisch wichtiger Akteur des Ostends hinzuweisen): „Das IFZ arbeitet seit fast 35 Jahren als sozialer Bildungsträger in sieben Frankfurter Stadtteilen, seit 1997 auch im Ostend. Seine vielfältigen Beratungs-, Bildungs- und Integrationsangebote richtet es an Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. Als Stätte interkultureller Begegnung leistet es einen Beitrag zu einem sinnvollen Zusammenleben in der Stadtgesellschaft [...].“ (Historisches Museum Frankfurt 2011d: 38)

Da für NeuZugänge keine TeilnehmerInnen-Befragung möglich war, sind an dieser Stelle nur wenige Aussagen zur Frage nach der Teilnahmemotivation möglich. Festzuhalten bleibt die besondere Situation in Berlin, nämlich dass alle Partizipierenden nicht ihrerseits auf allgemeine Aufrufe reagierten, sondern direkt von Museumskräften angesprochen und explizit zur Teilnahme eingeladen worden waren. Wie die MacherInnen selbstkritisch eingestanden, hatten sie aus Zeitmangel hierfür in der überwiegenden Mehrheit der Fälle auf ein bestehendes Netzwerk zurückgegriffen. Dies bedeutete, dass sie damit eine grundsätzlich an den Museumsaktivitäten des Kreuzbergmuseums interessierte Gruppe adressierten, die mehrheitlich zudem über hohe formale Bildungsabschlüsse verfügte (vgl. Gerbich 2013: 44).62 Dies legt den Schluss nahe, dass eine Projektteilnahme durch dieses Grundinteresse an Museen und kultureller Beteiligung bei vielen TeilnehmerInnen motiviert war. Hinzu gesellt sich für diejenigen TeilnehmerInnen mit Migrationshintergrund eine unmittelbare persönliche Betroffenheit, d.h. Themenrelevanz. Wie anhand des Frankfurter Projekts schon gezeigt wurde, hat auch der lokale Bezug des Projektes motivationale Wirkung auf all jene, die sich mit ihrem Bezirk identifizieren und eine lokale Verbundenheit verspüren. Zusammenfassend lassen sich neben den bereits benannten und diskutierten Hauptmotiven für eine Teilnahmeentscheidung aus PartizipientInnen-Sicht bislang folgende allgemeine Ergebnisse festhalten: Alle Projekte mussten sich mit der Schwellenproblematik auseinandersetzen, dass nämlich diejenigen mitmachten, die ohnehin schon thematisch interessiert, d.h. motiviert waren. Inwieweit auch bei zuvor Nichtinteressierten ein Interesse geweckt wurde – im Sinne einer Motivation, sich mit dem Projekt/dem Museum zu beschäftigen – und inwieweit potenziell Interessierte dann doch nicht partizipierten, lässt sich methodisch nur schwer untersuchen und bleibt daher als Desiderat an künftige 62 Vgl. dazu auch folgenden Eintrag im Besucherbuch: „Die Menschen, die hier ihre Gegenstände mit den Kuratoren ausgewählt haben und kommentieren – repräsentieren sie in ihrem Nachdenken und Sprechen über Migration und ihrem Erleben die Leute draußen auf der Straße? Ich vermute die Darstellungen fügen sich doch ein wenig glatt in ‚deutsche‘ akademisch-ethnologische Diskurse...“ (Auszug; Eintrag ohne Datum, Bezirksmuseum-Friedrichshain Kreuzberg 2011a).

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Forschung bestehen. GerhardWER? zeigte aber u.a. auch auf, welche Chancen einer situativen Motivationsförderung für partizipative Projekte innewohnen, wenn die Schwelle erst einmal überschritten wurde.

VII. Output/Fazit – Partizipation und die Folgen

Zum Inhalt dieses Kapitels Bereits in der Einführung klang an, dass partizipative Praktiken von BefürworterInnen mit vielerlei Hoffnungen und (nur imaginierten?) Potenzialen bzw. positiven Vorurteilen aufgeladen werden, wohingegen KritikerInnen mindestens genauso viele Einwände und Befürchtungen gegen partizipative Vorstöße in der Museums- und Ausstellungsarbeit geltend machen (vgl. Piontek 2014: 108 f.). Natürlich lässt sich in dieser Arbeit kein abschließendes Urteil fällen – dies bleibt ein wesentliches Desiderat für zukünftige Forschungen, vielleicht auch im Rahmen von Langzeituntersuchungen. Dennoch möchte ich zum Abschluss schlaglichtartig ausgewählte Aspekte und Thesen im Lichte der vorgestellten theoretischen Überlegungen und der Analyse der Fallstudien reflektieren und damit gewissermaßen auch die Ergebnisse meiner Untersuchung zusammenfassen (wobei ich teilweise auch auf Erkenntnisse aus anderen Projekten zurückgreife werde, wo es mir sinnvoll erscheint).

VII.1 Partizipation und Reproduktion/ Audience Development

„Wenn es stimmt, dass 50% der Bevölkerung von den öffentlichen Kulturangeboten nicht erreicht werden und gerade mal 5-10% der Menschen zu den Stammbesuchern und Vielnutzern zählen, dann liegt es nahe, dass die Teilhabesteigerung der ohnehin kulturinteressierte Menschen ausgereizt sein könnte, zumal sich gerade der Anteil der Vielnutzer seit ca. 20 Jahren degressiv entwickelt. Vielversprechender als der intensivierte Wettbewerb um diese Gruppe wäre es dann womöglich, diejenigen Menschen für Kulturangebote zu gewinnen, die bisher nicht oder nur sehr selten kulturell aktiv sind [...].“ (Sievers 2006: 219)

Was Norbert Sievers 2006 noch andachte, ist inzwischen eine feste Forderung im Bereich Audience Development geworden und gerade Partizipation wird jüngst nicht selten als probates Mittel proklamiert, um dem drohenden BesucherInnenRückgang ein Schnippchen zu schlagen. Im Hinblick darauf, dass Menschen aus anderen Kulturen die ihrige bisher i.d.R. nicht im Museumswesen hierzulande vertreten sehen, aber vielleicht auch prinzipiell (noch) nicht mit dem Medium Museum als „charakteristische abendländische Institution“ (Treinen 2007: 75) vertraut sind und dementsprechend Berührungsängste haben, erscheinen partizipative Verfahren möglicherweise geeignet, um von der persönlichen Warte aus Brücken zu schlagen und auf diese Weise neue Bevölkerungsgruppen anzusprechen, die bisher nicht zum Museumspublikum zählten. Daher ja auch die merkliche Zunahme partizipativer Projekte gerade im Bereich Migration/kultureller Vielfalt oder, meist im Rahmen von emanzipativ ausgerichteten Vermittlungsprojekten, mit anderen marginalisierten Gruppen. Abgesehen vom konkreten Nutzen für das durchführende Museum in Zeiten besuchszahlenabhängiger Kulturförderung soll die Institution Museum in ihrem Bemühen um Öffnung für breite Bevölkerungsschichten auch einen selbstverordneten Anspruch erfüllen, der sogar so weit geht, die „aktive Teilhabe an der Kultur“ für „alle Altersgruppen und Gesellschaftsschichten“ zu proklamieren (Deutscher Museumsbund & ICOM 2006: 21) – ohne freilich genau auszuführen, ob damit tatsächlich aktive Partizipation gemeint ist, wie ich sie untersuche.

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Für die drei analysierten Ausstellungsprojekte kann ‚nur‘ teilweise gelten, NichtbesucherInnen oder ‚schwierige‘ Zielgruppen erreicht zu haben: So konnten bei gerhardWER? nicht alle Teile der Belegschaft der Bremer Landesbank, des Hauptsponsors, zur Teilnahme bewegt werden, allerdings – und dies scheint mir hier essentiell – wurden auch keine speziellen Anstrengungen unternommen, ‚das Eis zu brechen‘. Was die späteren BesucherInnen anbetraf, lässt sich aufgrund der ausgefüllten Teilnahmescheine darauf schließen, dass zumindest nicht durchgängig das Stammpublikum vertreten war, auch wenn klassische KunstmuseumsbesucherInnen sicherlich zahlenmäßig überwogen haben. Die Schwellenproblematik blieb somit in großen Teilen bestehen. Dagegen war die Besucherschaft bei Ostend // Ostanfang sowie NeuZugänge augenscheinlich und laut Auskunft der beteiligten Museumsleute tatsächlich auffallend gemischt – dies kann sicherlich auch auf den sogenannten Schneeballeffekt1 partizipativer Projekte zurückgeführt werden, wenn TeilnehmerInnen Verwandte und Freundeskreis zum gemeinsamen Ausstellungsbesuch animieren – die ihrerseits meist auch sehr neugierig darauf sind, was der Sohn/die Mutter/die Cousine/der beste Freund... im Museum wohl ‚fabriziert‘ hat. Dies lockt aber natürlich keine ‚Massen‘ und garantiert außerdem nicht, dass diese BesucherInnen automatisch zu StammnutzerInnen werden. In Berlin konnte, was die TeilnehmerInnen betrifft, zwar die angestrebte Heterogenität bei der regionalen Herkunft erreicht werden, nicht jedoch im Hinblick auf das formale Bildungsniveau, da alle TeilnehmerInnen mindestens über eine Hochschulzugangsberechtigung verfügten (vgl. Gerbich 2013: 44). Um auch hier die geplante größere Durchmischung zu erreichen, fehlte den Kuratorinnen die Zeit, hatten sie doch den enormen Aufwand der Ansprache und Animation zur Teilnahme anfangs schlicht unterschätzt (vgl. Piontek 2012d: 8). Fabian Ludovico, der für das Werkbundarchiv – Museum der Dinge am Projekt beteiligt war, schaffte es immerhin über geduldiges persönliches Einladen, Ermutigen und Nachhaken, zwei Teilnehmerinnen zu gewinnen, die das Museum zuvor tatsächlich noch nie besucht hatten. Dies zeigt, dass mit viel Aufwand durchaus Teilnehmende aus wenig ‚museumsgeübten‘ Kreisen gewonnen werden können. Allerdings soll nicht verschwiegen werden, dass dies Ludovico auf der anderen Seite in ein gewisses Dilemma brachte, da ‚seine‘ Leihgeberinnen im Vergleich zu den LeihgeberInnen der anderen Museen ihre Dinge und Geschichten sprachlich weniger eloquent und selbstbe1

So berichtete etwa Thomas Kühn, dass die Teilnehmenden von Meine Kreis-Sache im Rahmen der Ausstellung Kreis-Geschichten. 75 Jahre Landkreis Harburg (Freilichtmuseum am Kiekeberg, 2007/2008) schon bei der Eröffnung „die ganze Verwandtschaft“ mitgebracht hätten, um dieser voller Stolz ihren Ausstellungsbeitrag zu präsentieren. Auch danach hätten die Familien und Bekannten die Ausstellung mehrfach besucht: „Es ist jetzt nicht so, dass die den Großteil der Besucher ausgemacht haben, aber ein Multiplikatoreneffekt ist das schon.“ (Kühn; Piontek 2010: 1).

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wusst vermitteln konnten und daher mit Blick auf den ‚Output‘ für die späteren AusstellungsbesucherInnen aus seiner Sicht nicht ganz so gut ‚abschnitten‘.2 – Sicherlich eine logische Folge, gerade wenn man mit Nicht-MuttersprachlerInnen zusammenarbeitet; andererseits wird so wiederum die Gefahr gebannt, dass die Ausstellungsbeiträge für spätere AusstellungsbesucherInnen, die derselben Community bzw. demselben Sprach- oder Wissensstand wie der/die LeihgeberIn angehören, zu kompliziert oder gar unverständlich ausfallen. Ostend // Ostanfang konnte eine durchmischte Teilnehmerschaft aktivieren, auch wenn, wie dargestellt, mehrheitlich AkteurInnen vertreten waren, die kulturell oder im Stadtteil generell aktiv waren bzw. sind und daher nicht unbedingt als klassische ‚NichtbesucherInnen‘ von Museen gelten können (vgl. dazu Frage 3 in Teil C der Teilnehmerbefragung in Anhang Nr. 5, bei der alle Antwortenden angaben, das hmf bereits zuvor gekannt zu haben). Entsprechend lautete eine Rückmeldung im „Gästebuch“3 auch: „Ausstellung schön – nur leider das Ostend – die Wohnbevölkerung – nicht erreicht od. gar einbezogen. Chance vertan!“ (Historisches Museum Frankfurt 2011d: 67). Trotz der tollen Ansätze, etwa mit dem Bauwagen vor Ort, fehlte es auch hier an der nötigen Zeit, das Projekt gegenüber den schwer zu erreichenden Teilen der Community zu vermitteln, sowie sicherlich auch an den nötigen Keyworkers oder MultiplikatorInnen mit direktem Kontakt zu jenen schwer aktivierbaren Gruppen. Dass solche Strategien nämlich funktionieren können, bewiesen jene Ausstellungsbeiträge, über die mittelbar tatsächlich solche Bevölkerungsgruppen am Projekt beteiligt worden waren: So porträtierte und befragte eine Fotografin querbeet BewohnerInnen – vom Obdachlosen über den einfachen Kranführer bis hin zu Geschäftsleuten –, eine Lehrerin ließ drei Grundschulklassen über ihre Lieblingsorte im Ostend nachdenken und ermöglichte ihnen so die Ausstellungsteilnahme, über eine Mitarbeiterin des Internationalen Familienzentrums konnten MigrantInnen beteiligt werden, ebenso „schwierige Jugendliche“ (Gesser; Piontek 2

3

Ludovico berichtete im Interview: „Wir haben es hier überwiegend mit Akademikern zu tun gehabt, die regelmäßig in Museen gehen oder als Künstler einen ganz anderen Bezug zum Museum hatten [...], die natürlich auch zu den Objekten ganz andere Geschichten erzählen konnten. Also, es ist fantastisch, was alles gekommen ist! Das war schon sehr beeindruckend. Das war bei uns eben anders. [...] Bei den anderen war es dann eher so, dass denen mehrere Objekte eingefallen sind, die sie gerne für die Ausstellung geben wollten, sodass man eine Auswahl treffen musste. Bei uns war es eher so ein Nachdenken darüber, was das überhaupt für ein Objekt sein könnte. Was hat das Museum für Erwartungen, was da an Objekten kommen könnte, kam von den gewonnenen Damen oft als Frage. Und wir mussten immer sagen, dass wir keine Erwartungen haben. Wir möchten, dass sie überlegen, was sie geben möchten. Das hat dazu geführt, dass sich die Dame, die die Teekanne gegeben hatte, ganz unsicher war, ob das überhaupt etwas ist, was in ein Museum gehört.“ (Piontek 2011c: 4). Hierbei handelte es sich nicht um ein Buch, sondern um einen mit Klebeband markierten Bereich auf einem Betonpfeiler, in den die BesucherInnen bunte Haftnotizen mit ihren Rückmeldungen kleben konnten. Ein Foto findet sich in der Projektdokumentation (Historisches Museum Frankfurt 2011d: 66).

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2011h: 9), die über die Kommunale Kinder-, Jugend- und Familienhilfe erreicht worden waren. Bei letzteren erwies sich das Projekt tatsächlich als eine Art Türöffner und Initialzündung, denn nach Projektende kamen die Jugendlichen auch zur Abrissparty des hmf und beteiligten sich mit einer Graffiti-Aktion (vgl. von Wolzogen 2011/2012: 35). Abgesehen von diesem unerwarteten Engagement blieb Gesser noch deutlich in Erinnerung, dass die Jugendlichen zu diesem Ereignis das erste Mal ins Stammhaus gekommen seien und es alle „cool“ gefunden hätten (vgl. dies.; Piontek 2011h: 10). Auch insgesamt zieht sie eine positive Bilanz des ersten Stadtlabor-Projekts, wenngleich sie auch die große Herausforderung der weiteren Beziehungspflege sieht: „Ganz viele [der Projektteilnehmenden, Anm. A.P.] haben gesagt, dass sie das hmf gar nicht kennen und dass sie da noch nie gewesen sind, aber dass sie das Projekt so toll und interessant finden. Das ist für uns natürlich auch eine hohe Motivation, das weiter zu betreiben und zu überlegen, wie wir solche Leute weiter einbinden können, die festgestellt haben, wie Museum auch sein kann, und die auch ein bisschen zu halten.“ (Gesser; Piontek 2011h: 9)

Aus Sicht der Motivations- und Interessenforschung kann Partizipation prinzipiell tatsächlich ein probates Mittel sein, neue Besuchergruppen zu erschließen, da die Projektteilnahme i.d.R. direkt bei der eigenen Person, den eigenen Ressourcen oder für das eigene Leben als relevant erachteten Themen ansetzt, sodass der/die (potenziell) Teilnehmende einen direkten Bezug zwischen sich und dem Projekt(-thema) erkennen kann. Dies ist wichtig, weil so einerseits ein niederschwelliger Zugang ermöglicht wird und andererseits auch mit größerer Wahrscheinlichkeit ein emotionaler Bezug dazu besteht, was eine unmittelbare Voraussetzung dafür ist, dass sich überhaupt Interesse entwickeln kann (welches sich immer im Zusammenspiel von kognitiven und emotionalen Komponenten bildet; vgl. Krapp 2010: 312). Vereinfacht könnte man sagen: Je mehr Möglichkeiten eine Person zur individuellen Bedeutungszuschreibung hat, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch Emotionen geweckt werden und damit – zumindest ein situationelles – Interesse entsteht. Eine individuelle Bedeutungszuschreibung ist immer dann möglich, wenn an Eigenes oder Bekanntes angeknüpft werden kann. So erklärt sich auch, warum gerade Gegenwartsthemen besonders niederschwellige Möglichkeiten sind, Menschen an Museen heranzuführen und hierüber beispielsweise auch ein Interesse für die Vergangenheit anzubahnen, wie es etwa aus dem Museum of Liverpool als erfolgreiche Methode berichtet wird (vgl. Rodgers 2012: 58 f.).4

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Vgl. dazu auch Wallace (2006: 121), der ebenfalls argumentiert, dass Themen mit aktueller Relevanz für die Bevölkerung dazu beitragen könnten, das Museum für bisherige Nicht-BesucherInnen interessanter zu machen.

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Auch die „Erlebnistiefe“ (Krebs 2004: 70) wie auch die „Neuheit“5 (Lewalter 2003: 78) einer Sache oder Situation, die ja bei Partizipation beide mit großer Wahrscheinlichkeit gegeben sind, entscheiden über Desinteresse/Langeweile oder das wünschenswerte Gegenteil. Nora Wegner, die 2010 den Stand und die Befunde der Besucherforschung für Museen untersucht hat, listet aus den gesammelten Studienergebnissen resümierend einige Barrierefaktoren auf, die NichtbesucherInnen von einem Museumsbesuch abhalten. Unter anderem wurde die mangelnde Unterhaltsamkeit und Geselligkeit angeführt, der Umstand, dass man in Museen nicht selbst aktiv sein könne, man keinen persönlichen Nutzen davon habe und auch, dass nicht genügend Sensationsgehalt gegeben sei (vgl. Wegner 2010: 133). Je nach Projektdesign würden sich mit partizipativen Angeboten diese – oder zumindest einige der genannten – Faktoren relativieren. Ein weiterer Aspekt ist das grundsätzliche menschliche Bedürfnis danach, sich einerseits als kompetent wahrzunehmen sowie andererseits, sich mit anderen Personen verbunden zu fühlen (vgl. Deci & Ryan 1993: 229). Das individuelle Gefühl von sozialer Eingebundenheit/Zugehörigkeit ist kausal verknüpft mit Anerkennung, die andere bzw. die Gesellschaft einer Person entgegenbringen (vgl. Keupp 2008: 23). Wird einer Person also Wertschätzung entgegengebracht und Vertrauen in deren Fähigkeiten signalisiert, indem ein Museum direkt auf jemanden oder eine Gruppe zugeht und zur Projektteilnahme einlädt, dürfte ein Grundstein dafür gelegt sein, diese Menschen für ein Projekt und damit implizit auch für das jeweilige Museum zu interessieren.6 Meiner Erfahrung nach ist der persönliche Kontakt von Angesicht zu Angesicht ebenfalls sehr wichtig, weil damit die für NichtbesucherInnen abstrakte, ‚tote‘ und als lebensfremd wahrgenommene Institution wortwörtlich ein menschliches Antlitz erhält, was ebenfalls Hemmschwellen abbauen kann (vgl.

5

6

Dies kommt beispielsweise in folgender Aussage eines Ostend // Ostanfang-Teilnehmers zum Ausdruck: „[D]as hat mir sehr gut gefallen, das ganze Konzept, weil da [...] ja alle möglichen Einrichtungen, auch privat initiierte, [...] mitgewirkt [haben]. [...] Das war also im Grunde mal was ganz anderes. Das hat mir schon gefallen.“ (Teilnehmerkommentar zit. n. Zimmer 2014: XL). Exemplarisch verdeutlicht dies die Aussage des Leiters des Jugendladens Bornheim, der mit Jugendlichen einen Beitrag für Ostend // Ostanfang realisiert hatte, nachdem sie vom Museum dazu eingeladen worden waren: „Wir [...] fanden es natürlich toll, dass ein Museum auf uns zukommt, und dann noch das historische museum, wo wir gedacht haben, wow, historisch sind wir ja noch nicht. Wir sind ja eigentlich ein Jugendprojekt. Aber irgendwie ist das was Spannendes, habe ich so gespürt. Und du hast vor allem von Anfang an in den Gesprächen gemerkt: die meinen es ernst. Die wollen nicht nur so ‚ah, wir machen mal was mit Jugendlichen, damit wir [...] schreiben können[:] Junge Leute sind auch irgendwie dabei‘, sondern, ja, die wollen uns unbedingt. Das war ein ganz wichtiger Aspekt, wo ich gemerkt hab[e] in den Gesprächen, die nehmen uns ernst und vor allen Dingen auch die jungen Leute.“ (Teilnehmerkommentar zit. n. Zimmer 2014: XXVII).

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Piontek 2012f: 242).7 In eine ähnliche Richtung deutet auch folgende Interviewaussage eines Teilnehmers des dritten Stadtlabor-Projekts,8 der vom Zusammentreffen eines Bekannten mit der Projektleiterin des Museums, Sonja Thiel, berichtet: „Und dann mit der Frau Thiel, da ist das ja ganz, ganz... wirklich gut. [...] Die kann auch gut die Leute ansprechen, scheinbar. [...] Ich habe da auch einen Bekannten, den habe ich auch für die Ginnheim-Ausstellung mobilisieren wollen und der war ja eigentlich gar nicht willig. [...] Aber der hat sich dann doch bereit erklärt.“ (Teilnehmerkommentar zit. n. Zimmer 2014: XLII)

Dass unter den genannten Umständen tatsächlich erfolgreich NichtbesucherInnen gewonnen werden können, möchte ich kurz anhand zweier Beispiele verdeutlichen: Beim Projekt Blicke sammeln des Kunstmuseums Thun ging es der Vermittlungsabteilung dezidiert darum, Schwellen zu senken und Personen zu beteiligen, die „nicht mit Kunst sozialisiert sind“ (Smidt 2010b: 6). Das Resümee lautete wie folgt: „Es war faszinierend zu erleben, wie dadurch Menschen, die noch nie in einem Kunstmuseum gewesen waren, einen persönlichen Zugang zu Kunst fanden, und sich ihnen eine neue Welt eröffnete. [...] Ich bin überzeugt, dass ein Projekt wie Blicke sammeln eine Möglichkeit darstellt, das Kunstmuseum in der Bevölkerung noch besser zu verankern, und dass es eine Brücke zwischen Publikum und Kunst zu spannen vermag, die nachhaltige Wirkung und Kräfte entfaltet und für alle Beteiligten identitätsstiftend ist.“ (Hirsch 2010: 4)

Beim zweiten Beispiel greife ich erneut auf ein Interview zurück, das Stefanie Zimmer, Studentin der National University Dresden, im Rahmen ihrer Masterarbeit (2014) mit der Vorsitzenden des Bundesverbandes der Migrantinnen geführt hat, weil diese eine Teilnehmerin des dritten Frankfurter Stadtlabor-Projekts (diesmal im und über den Stadtteil Ginnheim) gewesen war. In den Aussagen dieser Teilnehmerin, die zusammen mit anderen Mitgliedern einer migrantischen Frauengruppe beteiligt war, wird deutlich, dass die Wertschätzung und das Ernst-Nehmen von Seiten des Museums ein wichtiger Motor waren. Ebenfalls zeigt sich, dass mit dem Projekt bei einigen dieser Frauen mehr als nur ein kurzfristiges Strohfeuer entfacht wurde: Zimmer: „Wie findest du die Idee des Stadtlabors [...]?“ Teilnehmerin: „Das finde ich sehr gut, weil da dann auf niedrigschwelliger Art die ganzen Leute mitmachen können. [...] [S]o etwas zu machen, bringt einmal sie [gemeint sind andere AkteurInnen oder Initiativen im Stadtteil, Anm. A.P.] näher und einmal uns auch, jetzt als Migrantinnen-Verband. Auch diese Integration findet da [...] statt. Und das ist vorbildlich, 7

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Eine Teilnehmerin, die am Ginnheimer Stadtlabor des hmf beteiligt war, formulierte: „[U]nd jetzt hat man halt so ein ganz anderes Bild vom Museum, wenn man die Leute kennt und einfach weiß, wie viel Leidenschaft, wie viele Ideen, wie viel dahinter steckt.“ (Teilnehmerkommentar zit. n. Zimmer 2014: LXXII). Es handelte sich hierbei um das Ausstellungsprojekt G-Town. Wohnzimmer Ginnheim, vgl. Historisches Museum Frankfurt 2013.

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würde ich sagen. Das ist ein Beispiel für [...] das Zusammenkommen verschiedener Milieus auch. [...]“ Zimmer: „Was [...] habt ihr aus dem Projekt für euch mitgenommen, wenn du jetzt langfristig daran denkst?“ Teilnehmerin: „[...] Dieses Gefühl, das Museum oder die Gesellschaft, die deutsche Gesellschaft, nimmt uns ernst. Und wir haben daran teil. Denn wir leben hier. Und die Frauen wollen auch etwas machen. Aber wir sagen immer, es gibt die Möglichkeiten nicht, die Zugänge. Der Zugang ist nicht da. Und das war quasi ein Zugang dazu. Und ja, die Wertschätzung. Das hat die Frauen auch motiviert und hatte sehr positive Auswirkungen auf unsere Arbeit gehabt. [...] Also mir hat es sehr viel Spaß gemacht und eine Zeit lang hat das unsere Arbeit sogar definiert. Wo wir gesagt haben, was sind wir jetzt? Eine Museumsorganisation geworden oder was? [...]“ Zimmer: „Also denkst du, dass die Leute, die jetzt beim Stadtlabor mitgemacht haben, dass die auch langfristig an das Museum gebunden bleiben oder denkst du, die machen das Projekt jetzt einmal und dann ist es wieder vorbei?“ Teilnehmerin: „Teils, teils. Also es gibt bestimmt Leute, die machen das so und sind fertig. Aber einige... bei einigen zum Beispiel, aus unserer Sicht, ist das Interesse erst geweckt worden durch diese Zusammenarbeit. Vorher wären sie vielleicht gar nicht darauf gekommen. Und daher ist dieser Zugang, dieses Interesse schon da. Und auf jeden Fall das Gefühl, Museen besuchen und Ausstellungen, das ist auch konkret für sehr viele neu gewesen. Das ist auf jeden Fall nahe gebracht worden und ich denke, in Zukunft haben sie ein anderes Verständnis, eine andere Einstellung dazu. Also für uns kann ich sprechen, dass viele sehr interessiert sind und auch in Zukunft [das Museum] besuchen wollen [...].“ (Interviewsequenz zit. n. Zimmer 2014: LXI, LXII u. LXV)

Wichtig wäre hier nun die Frage, mit welchen Strategien Museen im Anschluss an ein Projekt solche vielversprechenden Bindungen am Leben erhalten könnten, denn die Gewinnung von neuen BesucherInnen im Rahmen eines ganz speziellen Projekts bedeutet nicht, dass diese damit automatisch zu passionierten MuseumsgängerInnen und StammbesucherInnen werden.9 Vielleicht bedarf es dazu, wie es etwa Catherina Müller aus ihren Erfahrungen mit dem partizipativen Projekt Merhaba Stuttgart äußert, auch der Einrichtung spezieller Planstellen im Museum (vgl. Müller 2012: 9). Es spricht vieles dafür, die Rolle von professionellen VermittlerInnen aufzuwerten, da dieser museal wie pädagogisch gut ausgebildete Berufsstand auch jenseits der reinen Museumspädagogik eine zentrale Fachposition darstellt, die in vielen Belangen des musealen Tagesgeschäfts wichtige Beiträge leisten kann. So lange jedoch nach wie vor Stellen mit Personal aus den Fachdisziplinen besetzt werden, die nicht ausreichend pädagogisch/psychologisch/kommunikativ/künstlerisch-handwerklich qualifiziert sind, werden sich „die Klischees einer Museumspädagogik der 1970er Jahre, oft unreflektiert, fortschreiben“ (Bystron & Zessnik 2014: 323). 9

So lautete Weidners Fazit zu Der Krieg ist aus etwa: „[V]om Publikum – also auch vom Leihgeberpublikum – waren [das] nicht unbedingt ‚Museumsleute‘. Die waren zuvor nicht im Museum und danach auch nicht mehr. [...] Es wäre ein Trugschluss zu glauben, dass Partizipation die Türen öffnet für Menschen, die sonst nicht ins Museum gehen. Es wäre ein Trugschluss zu glauben, die hätte man jetzt nachhaltig gewonnen.“ (Weidner; Piontek 2011i: 4).

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Das hmf hat noch kein Patentrezept der weiteren TeilnehmerInnen-Bindung gefunden, nimmt aber immerhin alle bisherigen PartizipientInnen in ihre Kontaktdatenbank auf und versorgt sie regelmäßig mit aktuellen Informationen. Diese Strategie zählt laut Günter & Laukner (2008) generell zu den „Klebstoffen der Besucherbindung“ (ebd. 74)10 – und scheint auch bei einzelnen TeilnehmerInnen positive Wirkung zu hinterlassen, wenn sie im Interview erklären: „[D]ie Newsletter [...], die bekomme ich immer zugeschickt und das finde ich auch sehr toll.“ (Teilnehmerkommentar zit. n. Zimmer 2014: LVII), oder: „[I]ch kriege auch heute immer noch Post und man sieht, man hat mich nicht vergessen.“ (Ebd. XLVIII).

10 Kontinuierliche, direkt zugesandte Informationen entsprechen meiner Meinung nach den Faktoren Präsenz des Museum im Alltag, Besucherfreundliche Mitarbeiter und Persönliche Ansprache/Einladung des Museums, die von beiden Autoren u.a. als besucherbindend dargestellt werden.

VII.2 Inklusion = Exklusion?

Eine der Aporien des Ideals bzw. der Utopie von Partizipation – ich möchte es fast als das ‚Partizipationsparadoxon‘ schlechthin bezeichnen – liegt in der Erkenntnis, dass Partizipation immer auch „sein Gegenteil im Gepäck hat, d.h. ein Draußensein“ (Ahrens & Wimmer 2012: 20) automatisch mit impliziert. Wie bereits in Kapitel IV.4 dargestellt, berufen sich gerade ‚PartizipationsgegnerInnen‘ unter Rückverweis auf poststrukturalistische Positionen auf diesen Aspekt, um sich vom Konzept der Partizipation zu distanzieren. Ihre Überzeugung lautet, dass Partizipation im Grunde eine sozial entzweiende Praxis darstelle, weil es Einschluss oder Teilhabe nur geben könne, wenn zugleich andere ausgeschlossen bleiben oder nicht beteiligt werden. Denn dieses Konzept basiere zwingend auf einer Dichotomie, da ohne ‚Andere‘ – die ‚Outsider‘ – Partizipation i.S. eines Einschlusses und einer Zugehörigkeit nicht einmal denkbar sei. Dies ist mit Sicherheit richtig – man denke nur an die Erkenntnisse des Soziologen Pierre Bourdieu, der feststellte, dass ‚Geschmack‘ und bestimmte kulturelle Vorlieben sozialisationsbedingt sind, mithin Kunst und kulturelle Einrichtungen wie Museen Maschinerien der gesellschaftlichen Distinktion und des Aufrechterhalts sozialer Ungleichheit darstellen. Insofern ist es eine Tatsache, dass die Institution Museum, egal ob nun partizipativ oder nicht, immer schon eine Art „Identitätsort“ darstellte und darstellt, in welchem „Einschluss- und Ausschlussverfahren seit jeher virulent sind.“ (Pieper 2010: 190). Und auch jenseits solch theoretischer Überlegungen erscheint es angesichts der diversen (potenziellen) Museumspublika mit ihren jeweils individuellen Bedürfnissen auch ganz unmittelbar nachvollziehbar, dass Partizipation und museale Einbeziehung einer bestimmten Gruppe zugleich automatisch auch Exklusion einer oder mehrerer anderer Gruppen mit sich bringt, deren Interessen oder Bedürfnisse im konkreten Angebot eben nicht ausreichend Berücksichtigung finden konnten. Partizipation ist und bleibt somit theoretisch wie praktisch gekennzeichnet durch die „paradoxale Verflechtung von Ein- und Ausschluss, Teilhabe und Trennung, Nähe und Distanz“ (Neuner 2007: 4).

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Ein typischer Einwand gegen die Durchführung partizipativer Projekte besteht in diesem Zusammenhang in der Angst der Museen, damit ihr Stammpublikum zu verprellen (exkludieren), wenn sie neue Besuchergruppen erschließen (inkludieren).1 Welche Erkenntnisse lieferten in dieser Frage die untersuchten Projekte? Von keinem der Museen ist mir bekannt, dass es offen geäußerte Beschwerden von regelmäßigen BesucherInnen oder aus Reihen der Förder- bzw. Freundeskreise gegeben hat. Allerdings habe ich auch nicht speziell danach geforscht sowie auch nicht dezidiert untersucht, inwieweit sich StammbesucherInnen, Freundeskreismitglieder oder finanzielle ZuschussgeberInnen unmittelbar an den partizipativen Projekten beteiligt haben, ob die Projekte also in diesen Reihen möglicherweise auf auffällig große oder auffällig geringe Resonanz gestoßen sind. Aus den insgesamt gesammelten Daten geht immerhin hervor, dass bei gerhardWER? und Ostend // Ostanfang auch Freundeskreismitglieder vertreten waren.2 Rückblickend auf meine eigenen Erfahrungen als Kuratorin kann ich sagen, dass bei Meine Sache. Bremens Gegenwart unser gezielter Teilnahmeaufruf an die Förderkreismitglieder nur wenig Resonanz erfuhr, bei der Ausstellungseröffnung jedoch zahlreiche Fördervereinsmitglieder anwesend waren, was zeigt, dass das Projekt an sich nicht direkt auf Ablehnung gestoßen war. Zu einer positiven Einschätzung kam auch die britische Museumswissenschaftlerin Sheila Watson, die im Rahmen einer Studie 2004 drei verschiedenen Gruppen – AnwohnerInnen (die sie als tendenzielle NichtbesucherInnen klassifiziert), TouristInnen und StammbesucherInnen („heritage minded“) – eines Museums konsultierte. Zwar ging es dabei nicht unmittelbar um Partizipation, jedoch um die Überarbeitung der musealen Displays im Hinblick darauf, verstärkt persönliche Lebensgeschichten real existierender Personen einzubeziehen, was im Grunde genommen ja auch das Grundprinzip der meisten Partizipationsprojekte darstellt und sich auch in dementsprechender 1

2

Trotz aller Begeisterung für Partizipation und sein Projekt Der Krieg ist aus teilte auch Thomas Weidner vom Stadtmuseum München diese Befürchtung im Gespräch: „Diese Barrierefreiheit, die ein Museum erreichen soll, gilt aus meiner Sicht nicht nur in eine Richtung. [...] [N]atürlich [muss ich] versuchen [...], Gesellschaftsschichten ins Museum [zu] bringe[n], denen das Bild eines ‚Museumtempels‘ eher verschlossen bleibt [...], aber ich kann gleichzeitig doch auch fragen, wie denn diese Barrieren nach oben ausschauen. [...] Habe ich als Museum denn nicht vielleicht auch ‚nach oben hin‘ etwas zu verteidigen und auch dort ‚Barrieren‘ zu durchbrechen, um auch Dinge wie beispielsweise [...] eine ‚Akademie der Wissenschaften‘ als anderes Ende [zu erhalten]? [...] [I]ch würde [...] schon schauen, dass ich die Anbindung oder den Kontakt dort hinauf [zu diesen Menschen] nicht verliere [...], , die dann nicht mehr ins Museum gehen mit dem Argument, dass wir da ja keine ‚echte‘ [...] Museumsarbeit machen, sondern Sozialarbeit.“ (Weidner; Piontek 2011i: 7f.). So gab es beispielsweise einige Teilnahmekärtchen bei gerhardWER?, auf denen Teilnehmende hinter ihren Namen vermerkt hatten, Mitglied im Freundeskreis zu sein – vielleicht, weil sie sich davon eine bevorzugte Behandlung erhofften. In einem Interview, das mir von einem Ostend // Ostanfang-Teilnehmer vorliegt, erwähnte dieser seine Mitgliedschaft.

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Weise in den Ausstellungspräsentationen wiederfindet. Die Ergebnisse waren verblüffend, denn „[…] [t]he heritage minded have been as enthusiastic as the others about the changes we have made.“ (Watson 2004: 94). Ihr Fazit lautete daher, dass das eigentliche Problem bei der Öffnung und Veränderung von Museen nicht die distinguierten StammbesucherInnen seien, sondern die Vorurteile der Museumsbelegschaften, die nämlich immer schon zu wissen glaub(t)en, dass ihre StammbesucherInnen diesen oder jenen Vorstoß nicht billigen würden. Vorstöße solcher Art dienten dazu, Inhalte verständlicher bzw. leichter vermittelbar zu machen; dies führe nicht zum Ausschluss des bisherigen Stammpublikums, sondern bedeute eine Qualitätssteigerung, von der alle Publika eines Museums gleichermaßen profitierten: „The experience of redisplaying Great Yamouth’s local history in permanent displays and making meanings more accessible has not resulted in alienation of the traditional museums audiences. Social inclusion does not have to mean their exclusion. It can mean better museums for everyone.“ (Watson 2004: 95)

Dass es in Einzelfällen allerdings zu Problemen kommen kann, darf nicht verschwiegen werden. So kam es im Focke-Museum bei besagtem Meine SacheProjekt tatsächlich als Reaktion auf einen Ausstellungsbeitrag über den sogenannten Bremer Brechmittelskandal3 zum Austritt einer Person aus dem Förderverein: Diese begründete dies damit, dass das KuratorInnen-Team einem, ihrer Meinung nach, „Verbrecher“ ein öffentliches Forum gegeben habe – hierin schwingt zugleich auch die Fehlannahme mit, dass sich ‚partizipative KuratorInnen‘ mit den von ihnen präsentierten Inhalten automatisch identifizierten bzw. die ausgestellten inhaltlichen Aussagen persönlich goutierten, wie es bei klassisch-kuratorischen Ausstellungen i.d.R. ja der Fall ist. Auch aus diesem Grund erachte ich es für wichtig, die Autorschaft der einzelnen Beiträge deutlich hervorzuheben, was ohnehin als Signal der Wertschätzung den Teilnehmenden gegenüber zu befürworten ist. Somit könnte deutlich werden, dass das Museum in diesem Fall tatsächlich als Forum für verschiedenste, manchmal auch offen kontroverse, persönliche Meinungen und Blickwinkel vieler verschiedener Personen steht, denen sich die KuratorInnen gegenüber bewusst unparteiisch verhalten. Auch Martin Düspohl kann von solchen Ein- und Ausschlussdilemmata berichten:

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2005 war ein Mann afrikanischer Abstammung in Bremer Polizeigewahrsam verstorben: Dieser war als mutmaßlicher Drogendealer festgenommen worden und durch einen unsachgemäßen ‚Brechmitteleinsatz‘ ertrunken, da die Flüssigkeit in dessen Lunge geflossen war. Angehörige hatten zur Ausstellung ein T-Shirt eingereicht, das den Verstorbenen zeigte und das bei einer Protestdemonstration getragen worden war. In ihrem Objekttext warfen sie der Polizei Rassismus und eine Zweiklassenbehandlung vor.

386 | M USEUM UND P ARTIZIPATION „Wenn wir unsere Themenschwerpunkte wechseln, so geschehen bei den Wagenburgen [gemeint ist ein Projekt von 2008 mit und über ‚WagenburglerInnen‘, Anm. A.P.], dann haben wir auch wieder ein sich anders zusammensetzendes Publikum. Dann kommen tätowierte und unkonventionell gekleidete Menschen und besuchen unsere Ausstellung, während ihre Hunde fein aufgereiht vor der Tür sitzen. Das war eine tolle und überaus interessante Erfahrung, kann aber zugleich dazu führen, dass Besucher, die vorher unser Museum aufgesucht haben – etwa Familien aus dem türkischen oder dem arabischen Spektrum – irritiert reagieren.“ (Düspohl zit. n. Allmanritter & Siebenhaar 2010a: 47 f.)

Freilich handelt es sich hier um ein Extrembeispiel, das eher die Ausnahme darstellen dürfte. Was jedoch durchaus für andere Museen, die mit Partizipation experimentieren, virulent werden könnte, ist Düspohls Erfahrung, dass beispielsweise die Kooperation mit einem bestimmten, z.B. sehr liberalen türkischen Verein, dazu führt, dass andere Vereine oder Personen mit z.B. strengeren Vorstellungen automatisch nicht mehr mitarbeiten möchten (vgl. ebd. 46); oder auch die Erfahrung in Frankfurt beim dritten Stadtlabor-Projekt, wo bei der Eröffnungsfeier die vermehrte Anwesenheit von Menschen, „die normalerweise nicht ins Museum gehen“, dazu führte, dass andere dies als „zu laut und zu unkonzentriert und zu undiszipliniert und der Kultur nicht angemessen“ empfanden.4 Meiner Meinung nach liegt eine der Chancen partizipativer Projekte aber gerade auch darin, dass sich verschiedene kulturelle oder soziale Gruppen im musealen Raum mischen können und so vielleicht lernen, sich unvoreingenommen aufeinander einzulassen – und, in Anlehnung an Carmen Mörsch, zugleich auch lernen, „sich in ihrem Sichtbarwerden und dem jeweils von ihnen beanspruchten Platz gegenseitig auszuhalten“ (Mörsch 2006a: 214).

4

Die zitierten Phrasen sind Interviewaussagen einer damaligen Projektteilnehmerin Stefanie Zimmer gegenüber (vgl. Zimmer 2014: LXXXIII).

VII.3 Sich-Einlassen-Können – Partizipation als Wert an sich

Partizipation ist – das haben Kapitel III und IV mit Blick auf die verschiedenen Begriffsverständnisse und Auslegungen gezeigt – ein mit enormen Erwartungen aufgeladenes Ideenkonzept. So wird Partizipation, über die ansonsten mit musealen ‚Lernumgebungen‘ verknüpften positiven (Bildungs-)Effekte hinaus, mit einer schier endlosen Vielzahl weiterer positiver Effekte für den Einzelnen wie die Gesellschaft verknüpft. Dies hat sicherlich zum einen damit zu tun, dass Partizipation kein starres Konzept ist, sondern selbst unendlich verschiedene Angebotsformate oder Projektformen annehmen kann. Zum anderen möchte man der von Heiner Treinen für Museen attestierten Funktionsoffenheit beipflichten, wonach Museen – oder in diesem Fall partizipative Projekte bzw. partizipative Ausstellungen – genauso viele Funktionen haben und erfüllen können, „wie Gestalter und Betrachter den Objekte mitsamt ihren potenziellen Bedeutungshorizonten zumuten“ (Treinen 2007: 88); und da Partizipation geteilte Autorschaft und eine Vielzahl von ‚GestalterInnen‘ bedeutet, potenziert sich diese Multifunktionalität entsprechend.1 Demnach wäre Partizipation also ein echtes ‚Allheilmittel‘ und das „Zauberwort“ (Höller 2007: 418) schlechthin im Kampf um die Erneuerung der Institution Museum und ihrer weiteren Daseinsberechtigung, aber auch, um gesellschaftliche Probleme wie Politikverdrossenheit oder mangelnde Integration zu lösen. Ich möchte, bevor ich im nächsten Kapitel auf den Mehrwert von Partizipation zu sprechen komme, zunächst Partizipation als Wert und Erfahrung an sich diskutieren: Auch wenn es zunächst vielleicht banal erscheinen mag, so stellt Partizipation bereits schon in dem Moment einen Erfahrungs- oder ‚Lernwert‘ dar, in dem sich 1

In eine ähnliche Richtung argumentiert auch Michael Fehr, der die Mehrdeutigkeit der Museumsdinge beschwört, woraus sich meiner Meinung nach ebenfalls wieder auf eine entsprechende ‚Multifunktionalität‘ der Dinge und damit des Museums schließen ließe. Fehr sieht diesen „Status der Mehrdeutigkeit“ zunehmend bedroht und plädiert daher für ein „kommunikatives Museum“, das statt der „musealen Monologe“ eine „offene dialogische Kommunikationsstruktur“ pflegen solle (vgl. Fehr 2009: 15).

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eine Person zur Teilnahme an einem Museumsprojekt entschließt. Immerhin bedeutet Partizipieren, sich einlassen zu können auf einen unbekannten Prozess mit oft unbekannten Personen in einer vielleicht ungewohnten Umgebung und mit offenem Ausgang. Wie bereits erläutert, birgt Partizipation für jede/n Teilnehmende/n prinzipiell das Risiko, sich angreifbar oder lächerlich zu machen, da Partizipieren ja im Grunde genommen nichts anderes beinhaltet, als öffentlich Stellung zu beziehen, einen eigenen Standpunkt gegenüber anderen zu vertreten, ihn und gleichsam sich selbst offenzulegen. Insofern verlangt Partizipation von (potenziellen) TeilnehmerInnen einen gehörigen Mut zur Selbstoffenlegung – dies gilt übrigens in gleicher Weise für diejenigen, die das Museum repräsentieren. Und Partizipation erfordert damit ebensolchen „Mut zum Wagnis“ (der für den jüngst verstorbenen Didaktiker Wolfgang Klafki eine Komponente kreativen Denkvermögens darstellte; ders. 1996: 227) gepaart mit Vertrauen: Vertrauen in das unbekannte Gegenüber (sei es das Museum oder Teilnehmende) wie in die eigene Person, was angesichts einer immer anonymer erscheinenden Gesellschaft, in der traditionelle Werte und Verbindlichkeiten zur Disposition gestellt werden, nicht als selbstverständliche Haltung gesehen werden darf. So reflektiert Maria Froihofer, die beim Projekt Berg der Erinnerungen Teilnahmewillige betreut hat, die Situation, in die man sich als Partizipierende/r begibt, folgendermaßen: „Es ist schon nicht ohne. Man gibt einfach extrem viel preis, selbst wenn es nur eine kleine Erinnerung ist; man erzählt trotzdem so viel aus seinem Leben – meist einer fremden Person. Und man weiß nicht, was diese Person daraus macht. Ich wäre, glaube ich, auf jeden Fall skeptisch und würde genau verfolgen, was damit passiert.“ (Froihofer; Piontek 2011j: 4)

Und eine Teilnehmerin bei Ostend // Ostanfang beschreibt dieses Wagnis in ihrer Projektreflexion so: „Am Anfang wusste ich noch nicht so recht, wohin mich diese Arbeit führen wird und was eigentlich das Museum mit der Ausstellung machen möchte. Dennoch ließ ich mich darauf ein [...].“ (Historisches Museum Frankfurt 2011d: 37)

Was Bernadette Lynch für Museen bzw. Museumsmitarbeitende geltend macht, nämlich dass diese lernen müssten, radikales Vertrauen2 in die Bevölkerung bzw. die (potenziell) Partizipierenden zu setzen, gilt also ebenso als Voraussetzungen für die TeilnehmerInnen selbst. In eine ähnliche Richtung argumentieren auch die Kunstwissenschaftlerinnen Altmann/Maresch, wenn sie „neugierige Offenheit dem Prozess gegenüber“ (Altmann & Maresch 2014: o.S.) als Grundvoraussetzung für Partizipation postulieren. Jemand, der an einem partizipativen Projekt teilnimmt, hat aus der dargelegten Perspektive also schon eine entscheidende Hürde genommen – und bereits eine 2

Vgl. Kapitel IV.3 oder z.B. Lynch & Alberti 2010: 15.

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wichtige Lern- und Selbsterfahrung gemacht. Ich möchte Nina Simon und Eva Sturm darin beipflichten, dass jeder Beitrag eine Form von „Selbst-Artikulation“ (Sturm 2002a: 17) oder „self-identification“ (Simon 2010a: 224) darstellt und allein hierin für den Einzelnen schon seinen Sinn erfährt; der Akt des Sich-Ausdrückens in einem öffentlichen Forum stellt gerade für jene Menschen, die nicht darin geübt sind oder noch nie die Möglichkeit dazu hatten, eine persönlich sehr bedeutsame Handlung dar, die KuratorInnen zu respektieren und zu goutieren haben. Natürlich gäbe es einzuwenden, dass es in der Institution Museum – die trotz konstruktivistischem Paradigma und dem damit einhergegangenen Verlust des Glaubens an allumfassende Wahrheit und Objektivität noch immer für ‚handfeste‘ und qualitätvolle Inhalte steht – um mehr gehen muss, als um Partizipation an sich. Dem ist definitiv zuzustimmen. Daher wird auch, allen Unkenrufen zum Trotz, die Profession der MuseumskuratorInnen in partizipativen Projekten meiner Meinung nach nie obsolet werden. Auch wenn, wie später noch explizit thematisiert wird, sich das kuratorische Aufgabenspektrum bei Partizipation verändert, so kommt den MuseumsmitarbeiterInnen die verantwortungsvolle Aufgabe zu, TeilnehmerInnen bestmöglich in ihrer Selbstartikulation zu unterstützen und damit auch ihre Fürsorgepflicht für die späteren BesucherInnen walten zu lassen, denen ein ansprechendes ‚Ergebnis‘ präsentiert werden soll.

VII.4 „Zauberwort“1 Partizipation: Fauler Zauber oder echter Mehrwert für die Teilnehmenden?

Mithin eine der spannendsten Fragen, wenn man Partizipation anhand von konkreten Praxisbeispielen untersucht, ist natürlich die, ob die Partizipationssituation – über den im vorherigen Abschnitt postulierten Grundwert als Selbstartikulation hinaus – für die jeweils Beteiligten einen Mehrwert hatte. Diese Frage möchte ich im Folgenden diskutieren (dies geschieht über die Fallstudienprojekte hinaus auch im teilweisen Rückbezug auf andere Partizipationsprojekte). Erste Hinweise zur Teilnehmerperspektive liefern die Fragebogen-Antworten auf Frage 7 zur subjektiven Gesamtbewertung des jeweiligen Projekts, bei der sowohl für gerhardWER? als auch Ostend // Ostanfang überwiegend angekreuzt wurde, dass das Projekt „sehr gut“ oder „gut“ gefallen habe sowie im ‚schlechtesten‘ Fall „ein bisschen“ gefallen habe – „nicht so gut“ und „überhaupt nicht“ wurden von keiner antwortenden Person angekreuzt. Die freien Antworten auf Frage 18 Was hat besonders am Ausstellungsprojekt gefallen? und Frage 19 Was hat am Projekt missfallen oder gefehlt? vermitteln ebenfalls einen gewissen Eindruck von der Projektbilanzierung von Seiten der Teilnehmenden. Da die Fragebogenantworten aufgrund der Datenmenge keinen repräsentativen Eindruck vermitteln können, habe ich die rückblickenden Kommentare der TeilnehmerInnen von Ostend // Ostanfang in der diesbezüglichen Projektdokumentation ebenfalls nach positiven wie negativen Einschätzungen qualitativ ausgewertet (vgl. die beiden Tabellen in Anhang Nr. 8). Hier zeigte sich auf den ersten Blick bereits, dass die Teilnehmenden sehr viel weniger Kritikpunkte am Projekt äußerten im Vergleich zu den positiven Rückmeldungen. In den fünf ExpertInnen-Interviews über NeuZugänge wurde, von einer Ausnahme abgesehen, rückgemeldet, dass die Teilnehmenden das Projekt als persönli1

Bei Höller (2007: 418) heißt es, dass Partizipation oftmals zu einer „Art Zauberwort“ hochstilisiert werde.

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che Bereicherung und Anerkennung der eigenen Person empfunden hätten; in einem einzigen Fall war ein/e TeilnehmerIn aus der Fokusgruppe anscheinend nicht ganz mit der Wiedergabe des eigenen Kommentars zufrieden bzw. fühlte sich falsch zitiert, sodass deren/dessen Aussage nochmals vom Museumsteam überarbeitet wurde (vgl. Bluche; Piontek 2012d: 5). Detailliertere Aussagen über NeuZugänge aus Sicht der Teilnehmenden sind darüber hinaus leider nicht möglich. Aus den Fragebogenrückantworten sowie aus den sonstigen untersuchten Artikulationen der TeilnehmerInnen der anderen beiden untersuchten Projekte geht hervor, dass alle Antwortenden ganz allgemein in irgendeiner Weise einen persönlichen Erfahrungs- und ‚Lernzuwachs‘ aus der Projektteilnahme gewinnen konnten (vgl. Fragebogen Teil H Output 2). Die große Mehrheit der TeilnehmerInnen bilanzierte auch in der Projektdokumentation des hmf die Projektteilnahme als durchweg positive und als persönlich sehr bereichernde Erfahrung. In welch vielfältige Richtungen ein Projekt wie dieses dabei im Einzelnen wirken kann, verdeutlicht folgende Rückmeldung eines Ostend // Ostanfang-Teilnehmers: „Was soll ich schreiben? Dass alles mit einer harmlosen Kantinenbegegnung anfing? Und dann bekomme ich Einblicke in eine Welt, die mich vorher nie interessiert hat; in dem hässlichen Betonbunker – der sich ‚Historisches Museum‘ nennt – steckt tatsächlich Leben, ich habe erstmals mit Leuten Kontakt, die man der Kunstszene zuordnen kann und finde mich mit eigenen Bilder[n] auf einer Ausstellung wieder. Die Wahrnehmung über Veränderungen in meiner Stadt nimmt zu; ich hatte nach langer Pause mal wieder meine Kamera in der Hand, um diese zu dokumentieren und habe einen Diafilm zur Entwicklung gebracht – im Jahr 2011! Aber nun ist die Ausstellung wieder abgebaut (immer wenn ich beim Netto in der Hanauer[straße] bin, schau ich rüber zum Kontorhaus, ob da nicht doch noch das blaue Stadtlabor-Banner hängt), das Historische Museum wird gerade abgerissen… (fast) alles ist wieder wie vorher. Aber unsere Freundschaft bleibt.“ (Historisches Museum Frankfurt 2011d: 35, Hinzufügungen von A.P.)

Im Zitat scheinen exemplarisch wesentliche Potenziale partizipativer Projekte auf, nämlich, dass sie eine Nähe zum Thema wie auch zum durchführenden Museum herstellen können, indem sie ungeahnte Einblicke liefern oder die Wahrnehmung der Teilnehmenden in einer bestimmten Hinsicht sensibilisieren bzw. ein (auch kritisches) Bewusstsein für bestimmte Thematiken oder Sachverhalte anbahnen. Dies sorgt für ein verstärktes Interesse, macht Spaß und schafft emotionale Verbundenheit (diesen Aspekt werde ich später unter dem Stichwort Vergegenwärtigung nochmals aufgreifen). Ebenso kann Partizipation kreative oder ‚verschüttete‘ Potenziale der/des Einzelnen wecken. In Gruppensituationen, wie etwa beim Frankfurter Projekt, konnte sich dieses für Einzelne sogar tatsächlich als sozialer Raum oder „contact zone“ erweisen, da Menschen verschiedener sozialer oder kultureller Milieus miteinander in Kontakt kamen, die im Alltag kaum Berührungspunkte miteinander hatten. Auf diese Weise können im Idealfall Vorurteile abgebaut, Toleranz und gegenseitiger Respekt ange-

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bahnt werden – oder, wie im vorgestellten Fall, sogar bleibende Freundschaften entstehen (diesen Aspekt werde ich später nochmals näher beleuchten). Weiter besteht ganz grundsätzlich die Chance, dass Partizipierende sogenannte „Fragekompetenz“ (Kunz-Ott 2009: #1087: 189) entwickeln, wie sie etwa insbesondere die Fokusgruppen-Situation in Berlin forcierte. So entwickelten TeilnehmerInnen der Fokusgruppen folgende Fragen bzw. kritische Anmerkungen zu den Museumsobjekten, die deutlich zeigen, dass hier mehr als nur oberflächliche Reflexionsprozesse in Gang gesetzt wurden: „Wie war das eigentlich vor 100 Jahren? [...] War Migration damals leichter oder schwerer als heute?“ (Teilnehmerkommentar zit. n. Bluche et al. 2013b: 136)

Und: „Warum haben die Museumsleute das Koranblatt als Symbol für den Orient ausgewählt? Viele denken: Aha! Koran, Orient, fertig. Der Islam ist aber nicht auf den Orient begrenzt. Zum einen gibt es viele ‚echte‘ Deutsche, die Muslime sind. Zum anderen könnte man auch die Bibel oder das Alte Testament auswählen, wenn man den Orient beschreiben wollte.“ (Ebd. 140)

Auch sehe ich ein wesentliches Potenzial von Partizipation darin, dass Teilnehmende generell ein selbstreferenzielles Geschichts- und Gestaltungsbewusstsein entwickeln, dass nämlich auch ihr Leben in größeren Zusammenhängen steht, d.h., dass auch im ‚Kleinen‘ und Persönlichen die ‚großen‘, kollektiven Stränge der Geschichte aufscheinen können, wie es etwa in den Aussagen zweier Teilnehmerinnen von Ostend-Folgeprojekten zum Ausdruck kommt: „Das ist auch was Schönes gewesen, dass man gesagt hat, für die Stadtgeschichte konnte man einen ganz klaren Beitrag leisten.“ (Teilnehmerin zit. n. Zimmer 2014: XLVIII), so die eine. Die andere Teilnehmerin merkt dazu an:„[E]s [das Projekt, Anm. A.P.] verbindet so die Geschichte, die historische, mit den Geschichten der Leute.“ (Ebd. LXXIII). Je nach Projektdesign kann der Erkenntnis- und Erfahrungszuwachs auch in der Anbahnung oder Vertiefung konkreter „Präsentationskompetenz“ (Kunz-Ott 2009: #1087: 190) liegen,2 die zum einen die Frage danach, wie man sich selbst in der Öffentlichkeit als Person repräsentiert wissen möchte, betreffen kann; die aber auch den handwerklich-gestalterischen Bereich einschließen kann, etwa indem die Teilnehmenden fachliche Tipps von den KuratorInnen zur wirkungsvollen Vermittlung und Inszenierung ihres Beitrages erhalten oder wenn sie, wie in Frankfurt geschehen, unmittelbar an Planungstreffen mit professionellen GestalterInnen teilnehmen können oder in den Ausstellungsaufbau miteingebunden sind.

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So äußerte beispielsweise die zuletzt zitierte TeilnehmerIn auch: „Das hilft den Leuten schon, [...] auch zu merken, ich kann jetzt nicht nur irgendwie ins Museum gehen oder irgendwie gucken, was war, sondern ich kann es auch darstellen. Von darstellen bis hin zu gestalten.“ (Teilnehmerin zit. n. Zimmer 2014: LXXIII).

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Auch können bei umfänglicheren Projekten diverse Schlüsselkompetenzen im Umgang mit anderen (etwa Empathiefähigkeit, Toleranz, Kompromissbereitschaft, Teamwork oder Solidarität) gefördert werden, wenn der einzelnen Person bewusst wird, dass der eigene Beitrag Teil des Ganzen ist, man automatisch also auch für das Projekt an sich und dessen erfolgreiche Durchführung mitverantwortlich ist.3 In manchen Fällen kann eine Projektteilnahme eindrücklich identitätsstiftende oder -stabilisierende Wirkung entfalten, zum Beispiel wenn ein Gefühl der Zugehörigkeit und des Akzeptiertwerdens entsteht (vgl. Keupp 2008: 22-24). So äußerte sich eine migrantische Teilnehmerin folgendermaßen zu NeuZugänge: „Ich bin sehr gerührt... Da ich dabei bin, meine Geschichte erzähle, mitmache, bin ich ein Teil des Ganzen. Tolle Idee! Es muß fortgesetzt werden – auch die Anderen sollen die Möglichkeit haben sich einzubringen. Die Ausstellung ist eine Schnittstelle von zwei Welten – Wir/Ihr. Jede/r kann mal das Eine oder das Andere sein. Je nach dem Blickwinkel.“ (Eintrag im Besucherbuch vom 13.2.2011; Bezirksmuseum-Friedrichshain Kreuzberg 2011a)

Die Teilnehmerin brachte zum Ausdruck, wie emotional berührend und persönlich bereichernd für sie die Partizipationsmöglichkeit gewesen ist, vor allem auch deshalb, weil sie nicht nur Zugehörigkeit in der Projektgruppe empfand, sondern das Projekt übergreifend als Form des interkulturellen gesellschaftlichen Dialogs erlebte – eine positive Zugehörigkeitserfahrung, die sie auch anderen MigrantInnen wünscht. Gerade für Menschen mit Migrationshintergrund oder aus sozialen Randgruppen kann ein solches Gefühl der öffentlichen Anerkennung durch die Gesellschaft – die ja implizit alleine schon durch die Repräsentationsmöglichkeit im Museum als dem gesellschaftlichen Ort der „Anerkennung und Identität par excellence“ (Macdonald 2010: 53) signalisiert wird – zu einer der wertvollsten Erfahrungen werden.4 Dies wiege, so Düspohl, seiner Erfahrung nach sämtliche Formen von Anerkennung, etwa Blumenstrauß, Buffet zur Eröffnung, Verpflegung während der Arbeitstreffen oder sogar Honorarzahlungen auf – insbesondere, wenn man durch das Projekt sogar in direkten Kontakt mit gesellschaftlichen EntscheidungsträgerInnen käme oder besondere öffentliche Aufmerksamkeit erfahre: „[W]enn man sich dann in der Zeitung sieht, möglichst noch mit dem türkischen Konsul oder dem regierenden Bürgermeister, ist das eine viel größere Anerkennung.“ (Düspohl; Piontek 2011f: 4). In einem solchen Fall zahlt sich der Projektgewinn nicht nur in Form eines ge3

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Hier sei noch einmal an die bereits in Kap. VI.4.4 zitierte Aussage einer Teilnehmerin des Frankfurter Projekts erinnert, die sagte: „Eine Zusammenarbeit entstand [...] und wir überlegten gemeinsam, was wir wollen und was in so kurzer Zeit möglich war.“ (Historisches Museum Frankfurt 2011d: 37). Ein weiteres Beispiel hierfür wäre auch der Kommentar des Leiters der Jugendgruppe, die bei Ostend // Ostanfang teilnahm: „Das Projekt des Jugendladens erhielt eine große Wertschätzung durch das historische museum und die breite Öffentlichkeit [...].“ (Historisches Museum Frankfurt 2011d: 59).

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stärkten Selbstwertgefühls5 aus, sondern auch in einem Zuwachs an sozialem und kulturellem Kapital, die der prestigeträchtige Auftritt mit einer angesehenen Persönlichkeit oder der Zugang zu ansonsten ‚verschlossenen‘ Kreisen bedeutet.6 In Einzelfällen kann eine solchermaßen bestärkende Erfahrung tatsächlich so etwas wie emanzipatorisches Potenzial bergen und den Beginn einer positiven Selbstentwicklung markieren.7 Ein Beispiel, das ich in der schmalen Literatur, in der auch Teilnehmende zu Wort kommen, gefunden habe, wäre etwa die Aussage, dass das Thuner Kunstmuseum im Zuge von Blicke sammeln zur persönlichen „Powerstation“ (Kommentar einer Teilnehmerin zit. n. Smidt 2010b: 12), also zu einer Energiequelle und einem Motivationsfaktor geworden sei: „[I]ch habe ein schwieriges Projekt, das ich auf die lange Bank geschoben hatte, direkt nach unserem Treffen im Kunstmuseum angepackt. Es gab mir so viel Energie und zeigte, dass es oft gar nicht so viel Zeit braucht, etwas Intensives hervorzubringen.“ (Ebd. 12)

Auch die Ostend // Ostanfang-Teilnehmenden des Jugendladens Bornheim sind allem Anschein nach durch ihre positiven Projekterlebnisse derart beflügelt worden, dass sie, wie bereits an anderer Stelle erwähnt, den Mut fanden, mit einer öffentlichen Graffiti-Aktion die Abrissparty des hmf als Programmpunkt zu bestreiten, obwohl es ihnen beim Ostend-Projekt noch schwergefallen war, sich auch nur als Gäste auf die Eröffnungsfeier zu wagen.8 Natürlich ist es klar, dass solche sozialen Auswirkungen alleine aufgrund des Projektdesigns überhaupt nur bei Ostend // Ostanfang, eventuell noch bei NeuZugänge, nicht jedoch bei gerhardWER? möglich waren, da es bei letzterem keine längerfristige Zusammenarbeit und auch keine Gruppensituationen gab. Trotzdem ist gerhardWER? ein gutes Beispiel dafür, dass wichtige Erfahrungen oder Einsichten auch bereits in Projekten mit vergleichsweise geringer Partizipationsintensität

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Wie sehr sich manche Teilnehmende über ihre Projektteilnahme definieren, zeigte auch der Fall, von dem Hofgartner im Interview berichtete: So gebe es einen Teilnehmer, der selbst noch Jahre nach dem Projekt Berg der Erinnerungen auf seiner Visitenkarte „Zeitzeuge“ stehen habe (vgl. Hofgartner; Piontek 2011l: 5). Dies stellte auch Angela Jannelli in ihrer Dissertation über ‚Amateurmuseen‘ fest (vgl. Jannelli 2012 b: 169). Beispielhaft hierfür kann die migrantische Frauengruppe stehen, die bei der StadtlaborAusstellung G-Town. Wohnzimmer Ginnheim durch das Projekt das Gefühl kultureller Teilhabe entwickelte und sich im Anschluss um die Teilnahme am (ebenfalls am hmf angesiedelten) partizipativen Kunst-Projekt Bibliothek der Alten bemühte sowie mit dem Senckenberg Museum einen Antrag für das Förderprojekt Alle Welt im Museum stellte (vgl. Zimmer 2014: LXVIII). „Der öffentliche Auftritt stellt für Jugendliche ursächlich eine Hürde dar, was zu einer verhaltenen Teilnahme an der Eröffnung seitens unserer Teilnehmer führte. Dennoch ist die öffentliche Anerkennung durch die umfangreiche positive Berichterstattung auf die Beteiligten übergesprungen.“ (Kommentar des Gruppenleiters; Historisches Museum Frankfurt 2011d: 59).

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möglich sind, weshalb ich im Folgenden etwas ausführlicher auf gerhardWER? eingehen möchte: So forcierte gerhardWER? beispielsweise als einziges der drei Projekte die völlig selbstgesteuerte Auseinandersetzung mit dem Herzstück der Institution Museum, der eigenen Museumssammlung. So gesehen könnte es sich langfristig vielleicht sogar als das Projekt mit der stabilsten Teilnehmerbindung erweisen, da zum einen die emotionale Verbundenheit nicht an eine wechselnde Variable gekoppelt wurde, sondern am Wesenskern und Alleinstellungsmerkmal des Museums, dem Werkbestand von Gerhard Marcks, anknüpfte; zum anderen, weil Autonomieerleben laut psychologischer Forschung positive Emotionen verstärkt und ein tieferes Interesse mit einem Beschäftigungsgegenstand bewirken kann (vgl. Deci & Ryan 1993: 229). Auch förderte und forderte gerhardWER? in besonderem Maße ästhetisches Erleben, weil jede/r TeilnehmerIn in der Fülle der zur Disposition stehenden Kunstwerke allein auf seine subjektiven Sinneswahrnehmungen, Emotionen und Assoziationen zurückgeworfen war, um zu erspüren, welches Werk die eigene Aufmerksamkeit aus welchem Grund am meisten zu fesseln vermochte. Eine TeilnehmerInnenrückmeldung lautete: „Wenn es die Möglichkeit einer Rückäußerung gibt, oder sie sogar gefordert wird, schaut man genauer hin und denkt intensiver darüber nach.“ (Kommentar auf das Fragebogen-Item 18: „Was hat Ihnen am Ausstellungsprojekt ‚gerhardWER?‘ besonders gefallen?“). Wobei dieses intensive und reflexive Betrachten nicht nur für den Moment der Teilnahme galt: „Durch die Kommentare von verschiedenen Besuchergruppen z.B. Jugendliche[n] oder Henning Scherf an den Objekten bin ich auf andere Blickwinkel auf die Exponate aufmerksam geworden.“ (Teilnehmerkommentar auf Fragebogen-Frage 18)

Das Partizipationssetting versetzte die Teilnehmenden also in die Lage, die Museumssammlung mit ganz anderem Blick wahrzunehmen. Aleida Assmann spricht diesbezüglich vom „langen faszinierten Blick“ (Assmann 1988: 240), einer Kompetenz, die im Gegensatz zum schnellen, taxierenden Blick unserer alltäglichen Sehgewohnheiten steht, mit dem wir weder Details wahrnehmen noch eine Lust am Schauen zelebrieren. Dabei, so Assmann, könnte die Fähigkeit zu diesem veränderten Sehen auch unser Denken erweitern und zur „wilden Semiose“ (ebd. 238) hin verändern. Damit ist eine offene Betrachtungs- und Fragehaltung gemeint, die „die Grundpfeiler der etablierten Zeichenordnung zum Einsturz [bringt]“ und stattdessen „neue, unmittelbare Bedeutung her[stellt], [...] verzerrt, vervielfältigt, [...] bestehenden Sinn [sprengt]“ (ebd. 239); gekennzeichnet wäre dieser Zustand durch enorme Aufmerksamkeit und Staunen, wobei er auch die Person selbst nicht unverändert lässt und den Betrachtungsgegenstand durch eine „unerschöpfliche Vieldeutigkeit“ (ebd. 241) kennzeichnet. Auch der Sozial- und Kulturanthropologe Hans-Peter

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Hahn drückt dasselbe aus, wenn er schreibt: „Wahrnehmung ist mehr als das unmittelbar Sichtbare. Sie erfordert stets ein Eingehen auf die in den Dingen enthaltenen Möglichkeiten.“ (Hahn 2005: 28). Meiner Meinung nach schuf das Gerhard-Marcks-Haus Rahmenbedingungen, die es zu einem Möglichkeitsraum in diesem Sinne machte und Schau-Lust zelebrierte. So zeugen selbst ‚hölzerne‘ oder scheinbar ‚banale‘ Begründungskommentare von GrundschülerInnen wie • •



„weil er besonderer aussieht als alle anderen Figuren“ (Originalkommentar zu Falke I, 1907), „weil die Skulptur anders aussieht wie ein echter Hahn weil er einen flachen Bauch hat. Und er sieht witzig aus.“ (Originalkommentar zu Großer Hahn, 1952) oder „Die Figur sieht sehr glücklich aus obwohl es eine Verabschiedung ist.“ (Originalkommentar zu Abschied, 1956)

von einer eingehenden Betrachtung und Auseinandersetzung mit dem spezifischen Werk im Vergleich zu anderen Arbeiten oder eigenen Vorerfahrungen – lediglich das Ausdrucksvermögen ist noch eingeschränkt. Auffallend war bei der Durchsicht der Begründungstexte darüber hinaus, dass Teilnehmende gehäuft tragende Begriffe9 oder poetische Formulierungen10 wählten, wie sie in der Alltagssprache eigentlich selten verwendet werden. Ich deute dies als Indiz für intensives ästhetisches Erleben, tiefe kognitiv-emotionale Prozesse und gesteigerte Kreativität. Manche/r TeilnehmerIn wurde sogar selbst zum/r KünstlerIn mit Worten, wie etwa folgender Text zu Marianne I (1945), einem stehenden Frauenakt in Bronze, zeigt: „Marianne, Marianne! Ich habe dich an einem sonnigen Apriltag im Keller des GerhardMarcks-Hauses entdecken dürfen und nach oben ans Licht geholt, wo du hingehören solltest. Ich sehe dich in einem Garten mit Obstbäumen stehen – im Gras – so nackt und schön wie du bist. Selbst wenn dich heute Kunstbetrachter angucken, dein Hinterteil und deine Brust umkreisen, scheinst du dir nichts daraus zu machen. Schaut nur! Ich habe nichts zu verbergen! Entspannt stehst du da – im Gras oder auf einem Sockel im Scheinwerferlicht – egal. Du ruhst in dir selbst. An deinen Blick erinnere ich mich gut. Ich musste lachen, als ich ihm begegnete, obwohl ich jetzt nicht mehr genau weiß, ob du eigentlich nach innen schaust oder ein wenig keck, vielleicht auch heimlich schmunzelnd das Außen begutachtest. Das Bestechendste an 9

Z.B.: „ruhend“, „erhaben“, „würdevoll“, „majestätisch“, „anrührt“, „Anmut“, „Sinnlichkeit“ etc. 10 Beispielweise: „[...] bringt die Seele des Betrachters zum Klingen. Man möchte sich gerne dazugesellen.“ Oder „[...] der Musik hingebend Frieden stiftend“. Eine Person scheint gar von ihren synästhetischen Eindrücken völlig überwältigt, jedenfalls wirkt der Text wie eine Bestandsaufnahme der gleichzeitig einströmenden Eindrücke und Details: „der Kopf, die Frisur, das Klobige, die linke Hand von vorn, das rechte Bein, die rechte Hüfte, der Hals, Nacken, das Unglatte, die angehaltene Bewegung, die rechte Schulter von vorn und hinten...“ (Originalkommentar zu Sich umwendender Mann, 1957; Piontek 2012b).

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dir ist jedoch dein Mut. So frei und ohne Angst begegnest du mir und ich wünschte, es gäbe noch mehr Mariannen wie dich, die sich – erhobenen Hauptes – trauen, sich diese Blöße zu geben. Meine Liebe, aus Bronze bist du gegossen und ich spüre, dass du innerlich noch immer glühst. Auch wenn du nach der Ausstellung wieder nach unten in den Keller am Wall verbannt werden solltest, wirst du nicht aufhören zu strahlen und Wärme zu verbreiten.“ (Text einer Teilnehmerin)

Die skizzierten Befunde zeugen nicht nur davon, dass TeilnehmerInnen besondere Erfahrungen gemacht und unmittelbar nachvollzogen haben – nämlich das ‚Künstlerische‘, das ‚Kreativsein‘, kurz: eine ästhetische Erfahrung –, sondern scheinen auch die These zu bestätigen, dass die Bereitschaft, sich auf museale Inhalte einzulassen, steige, je mehr die Fantasie angeregt und Neugier geweckt werde (vgl. Kaiser 2006: 116). Mit Maria Peters, Professorin für Kunstwissenschaft und -pädagogik, die sich mit der Rolle von Wahrnehmung und Sprache in ästhetischen Erfahrungsprozessen beschäftigt, könnte man das bei gerhardWER? geschaffene Partizipationssetting als visuelle „VerFührung“ (Peters 1998:113) bezeichnen; also als attraktive Situation mit stark animierendem Charakter, in der man es mit dem „subversiven Potential ästhetischen Verhaltens“ zu tun bekäme, „[...] das die Kalkulierbarkeit der ‚richtigen‘ Lösungen nicht hat, sondern nur vorläufige Antworten auf die Vieldeutigkeit der Welt ermöglicht.“ (Ebd. 114). Der schreibenden Auseinandersetzung kommt in diesem Erfahrungsprozess eine besondere Bedeutung als subtiles ‚Erkenntnismittel‘ zu: „Hier wird Schreiben zum Zeigen. [...] Im Vernetzen unterschiedlicher Kontexte weist man schreibend auf etwas hin, das eigentlich unsagbar ist. Solch ein prozeßorientiertes und vergegenwärtigendes Schreiben markiert eine ästhetische Grenzerfahrung, da sich das Subjekt im verwandelnden Umgang mit der Sprache eine veränderte Sichtweise auf die Dinge, die Sprache und sich selbst erschließt.“ (Ebd. 120)

Jedoch vermochte gerhardWER? den Blickwinkel der Teilnehmenden in noch anderer Hinsicht zu verändern: Beispielsweise führte der Weg der TeilnehmerInnen am gerhardWER?-Projekt durch den Arbeitstrakt des Personals und die Hausmeisterwerkstatt ins Depot. Dadurch erfuhren ‚Museumslaien‘, dass Museen keine statischen, unveränderlichen Häuser darstellen, sondern dass sie voller Leben stecken und dass hinter den Kulissen tatsächlich gearbeitet wird. Dies mag vielleicht banal klingen, es ist jedoch anzunehmen, dass die Mehrheit der Bevölkerung nicht unbedingt weiß, was überhaupt in Museen passiert und wozu sie da sind. So fragt etwa die Museologin und Kulturvermittlerin Angelika Wuszow, die schon 1994 ein partizipatives Projekt initiierte,11 in ihrer Projektreflexion kritisch, ob die Aufgabe der Institution Museum, in gesellschaftlicher Verantwortung das „kulturelle Erbe“ für 11 Das Projekt ausgesucht. aufbewahrt. vorgezeigt. Sammlungswürdige (?) Alltagsdinge der 90er Jahre im Ruhrlandmuseum, heute Ruhr Museum, Essen.

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die Gegenwart und Zukunft zu sichern, im öffentlichen Bewusstsein überhaupt präsent sei (vgl. Wuszow 1996: 187). Gerade dieses Wissen um die Aufgaben und Funktionen des Museums ist enorm wichtig, um eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Institution anzustoßen und so die Museen wieder relevanter zu machen. Die Teilnehmenden von gerhardWER? erhielten jedenfalls einen spannenden und erhellenden Einblick in das Faktum, dass Museum mehr als nur die sichtbare Ausstellung ist. Indem Teilnehmende einen Gegenstand auswählten und dessen Bedeutung und Wert beschrieben, wurde für sie außerdem greif- und erlebbar, dass genau das sonst im Museum immer anderen vorbehalten ist; vielleicht mag sich der eine oder die andere TeilnehmerIn daraufhin gefragt haben, welche Maßstäbe und Kriterien die Fachleute eigentlich an ihre Auswahl anlegen und wessen Interessen sie damit spiegeln oder zu spiegeln glauben. Das heißt: Selbst eine solch eng gefasste, kurze Teilnahmesituation birgt also durchaus den Keim zu kritischem Bewusstsein und auch zu Ernsthaftigkeit. Es konnte zu einer Vergegenwärtigung des Prinzips Museum kommen, die durchaus ein geschärftes Bewusstsein für Machtverhältnisse und Autoritätsansprüche beinhaltete. Und hierin, im Vergegenwärtigungspotenzial, wie ich es nenne, sehe ich den eigentlichen Mehrwert von Partizipation für Museen. Denn dieser positive Erkenntnis- und Erfahrungszustand birgt die Chance, Menschen wieder neu für Museen und deren Inhalte zu interessieren, im Idealfall sogar nachhaltig dafür zu begeistern. Und klar ist: Nur begeisterte und interessierte Menschen kommen wieder und erachten Museen als relevante gesellschaftliche Einrichtungen, die nicht ‚weggespart‘ werden dürfen.

VII.5 Mehrwert Vergegenwärtigung

Was meine ich mit im vorherigen Kapitel besagter „Vergegenwärtigung“? – Was gegenwärtig ist bzw. wird, sticht subjektiv aus der uns umgebenden Masse an Informationen und Dingen heraus und rückt unmittelbar in unser Bewusstsein. Die Vergegenwärtigung wäre, mit Aleida Assmann gesprochen, der Moment, an dem unser schneller Blick etwas fokussiert, hängen bleibt, sich nicht abwenden-könnend zum langen Blick, zur eingehenden Auseinandersetzung und tiefen ‚Betrachtung‘ desjenigen ‚Gegenstandes‘ wird. Dieser ‚Betrachtungsgegenstand‘ fasziniert uns, zieht uns an, ‚ist uns wichtig‘ – verstandesmäßig wie gefühlsmäßig. Was einer Person gegenwärtig ist, ist dieser also kognitiv wie emotional nahe und bedeutsam. Vergegenwärtigung meint nichts weniger als persönliche Betroffenheit – im positiven Sinne: Etwas geht mich an, hat mit mir und meinem Leben zu tun. Dies ist, wie ich im folgenden Exkurs über Partizipation aus lern- und motivationspsychologischer Sicht (Kap. VII.6) noch darlegen werde, eine wichtige Komponente für die Verinnerlichung eines Erlebnisses oder einer Sache, denn nur, wenn etwas subjektiv ‚Sinn macht‘, kann es auch wirksam ‚gelernt‘ werden (vgl. Jürgens 2002). Damit wäre eben folgendes Grundproblem von Museen behoben, welches ein ehemaliger Teilnehmer trefflich – und sicherlich exemplarisch für eine breite Masse der Bevölkerung – beschreibt: Nämlich, dass Museen normalerweise „irgendeine Ausstellung machen“ mit Themen und Inhalten, die „sehr weit weg sind“, zu denen den breiten Teilen der Bevölkerung also der „Bezug fehlt“. Wer eine klassische Museumsausstellung trotzdem besuche, „guckt ein bisschen“, aber „es ist keine richtige Verbindung da“.1 Ganz anders empfand dieser Teilnehmer dagegen das Projekt Ostend // Ostanfang: „[E]in Museum lebt auch davon, Nähe zu suchen. Und ich glaube, auch in der heutigen Zeit ist es ganz wichtig, gerade auch zu jungen Menschen hin, etwas aufzubauen. Ja, Museen müssen sich einfach öffnen. Und da hat das historische museum einen großen Schritt ge-

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Zitiert wurde aus einem Interview, das S. Zimmer am 14.11.2013 mit einem Teilnehmer von Ostend // Ostanfang führte (vgl. Zimmer 2014: XXXIII).

400 | M USEUM UND P ARTIZIPATION macht. Das sehe ich bei den anderen [Museen, Anm. A.P.] nicht, noch nicht so in dieser Form.“ (Teilnehmerkommentar zit. n. Zimmer 2014: XXXIII)

Partizipation vermag es also, eine emotionale Nähe und Verbundenheit herzustellen, indem der jeweilige ‚Betrachtungsgegenstand‘ – dies kann auch das Museum als solches sein2 – aus der Masse ‚irgendwelcher Themen, die mich nichts angehen‘ herausgehoben wird als eine persönlich aktuelle, relevante, interessante und mit der eigenen Person zusammenhängende Sache, die einem darum wichtig und teuer ist. Mit den Erkenntnissen der pädagogisch-psychologischen Interessenstheorie könnte man sagen, dass aufgrund der wertbezogenen und emotionalen Valenz ein vorerst ‚nur‘ situationales Interesse in ein tiefes, langandauerndes Interesse übergegangen ist, was auch bedeutet, dass man intrinsisch motiviert ist, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen (vgl. z.B. Krapp 2010: 312 f. u. Lewalter 2003: 78). Diese Nähe und Bewusstheit, diese Vergegenwärtigung, kann sich im Wesentlichen auf vier Komponenten beziehen (die im Grunde genommen die im Theorieteil herausgearbeiteten grundlegenden Ziel- und Themenperspektiven wieder aufgreifen, vgl. Abb. 11): Vergegenwärtigung • • • •

des ‚Systems Museum‘ der eigenen Person/eigenen Identität von Themen und Objekten/‚Dingen‘ gesellschaftlicher Verhältnisse

Dieses vierfache Vergegenwärtigungspotenzial möchte ich im Folgenden anhand von Beispielen genauer darstellen: Wie eben schon am Beispiel von gerhardWER? gezeigt, kann durch ein partizipatives Projekt eine Vergegenwärtigung, also eine Bewusstwerdung des ‚Systems Museum‘ bei einzelnen Teilnehmenden stattfinden: So kann der Blick hinter die Kulissen etwa Auswahl-, Präsentations-, und Steuerungsprozesse, das spezifisch museale ‚Zu-Sehen-Geben‘3, Macht- und Herrschaftsdynamiken transparent – und 2

3

Vgl. dazu auch Hoffmann (2014b: 46), die für ihr Projekt Helden-Werkstatt mit SchülerInnen bestätigen konnte, dass Partizipation eine „starke Bindung an das Museum“ bewirkte (das Projekt stand im Zusammenhang mit der Ausstellung Helden. Von der Sehnsucht nach dem Besonderen, 2010 am LWL-Museumsstandort Henrichshütte, Hatting). In Anlehnung an Regina Wonisch, die diesen Umstand folgendermaßen beschreibt: „Kaum eine andere Institution schafft so viele Blick-Szenarien wie das Museum: den ordnenden Blick, den fragenden Blick, den begehrlichen Blick, den beobachtenden Blick, den toten Blick, den flüchtigen Blick, den teilnehmenden Blick, den trügerischen Blick, den bösen Blick... [...] Unter diesem Aspekt wäre auch im Hinblick auf Ausstellungen zu fragen: Was wird von wem zu Sehen gegeben? Und was wird wie gesehen und mit welchem Effekt?“ (Wonisch 2002: o.S.). Irene Nierhaus äußert sich folgendermaßen zu diesem Begriff: „Das Zu-Sehen-Geben [...] benennt das soziale und kulturelle Feld, das das

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damit prinzipiell auch kritisch hinterfragbar – machen. Aber auch die ‚kleinen‘, jedoch darum nicht weniger gewinnbringenden Einsichten über Museen sind wichtig, etwa, wie Museen sammeln, wie sie Objekte behandeln, klassifizieren und inventarisieren; aber z.B. auch, wie viele Arbeitsschritte es von der Idee zur fertigen Ausstellung braucht, wie viele Gedanken hinter einem Präsentationskonzept stehen, dass Schriftgrößen und Textlängen, ja sogar zeilenabhängige Sinneinheiten eine gewichtige Rolle in Sachen Besucherfreundlichkeit spielen – kurz: dass hinter allem und jedem, was die BesucherInnen im Museum erleben, viele, viele Arbeitsstunden, Diskussionen, Verwerfungen und Neuplanungen stecken und dass manches aufgrund von Zeitmangel oder anderer äußerer Umstände nicht immer so funktioniert, wie man es sich eigentlich gewünscht hätte. Dass die Vergegenwärtigung des ‚Systems Museum‘ durch Partizipation stattfinden kann, zeigt sich exemplarisch anhand der Aussage des bereits in Kapitel VII.4 auf S. 391 zitierten Teilnehmers: „Und dann bekomme ich Einblicke in eine Welt, die mich vorher nie interessiert hat; in dem hässlichen Betonbunker – der sich ‚Historisches Museum‘ nennt – steckt tatsächlich Leben.“ (Historisches Museum Frankfurt 2011d: 35)

Ebenso können meiner Meinung nach folgende Zitate von weiteren drei OstendTeilnehmenden dieses Vergegenwärtigungspotenzial in Bezug auf das ‚System Museum‘ belegen: „Das war eine ganz spannende Geschichte. [...] [D]u siehst, wie ein Museum auch arbeiten kann auf einer professionellen Weise und bist dann Teil davon. Das heißt, du lernst ja auch. Und das war eine tolle Nummer. Die ist auch so hängen geblieben. Gerade für mich, wie ich jetzt auch wieder an Projekte gehe oder so was. Das war super. Wo du oft als Außenstehender, der gar nicht so den Einblick in das Museum selbst hat... was da alles so im Hintergrund passiert.“ (Teilnehmerkommentar zit. n. Zimmer 2014: XXXII) „Und ja, das sind halt auch so Erlebnisse, die man sonst nicht gemacht hätte, dass man auch mal sieht... also man hat das ja auch alles mitbekommen [...] und das war schon ganz spannend und war interessant, dabei gewesen zu sein. Auf jeden Fall nimmt man da auch was mit. [...] [M]al zu sehen, wie man so etwas [eine Ausstellung, Anm. A.P.] aufbauen kann, wie man so etwas organisiert und was alles so dahinter steckt. Das fand ich auch ganz interessant. Und ja, mehr oder weniger lehrreich. Ich kann’s jetzt nicht selbst anwenden, aber es war auf jeden Fall mal ein interessanter Einblick gewesen.“ (Ebd. XXXVII) „Letztlich habe ich viel über Ausstellungen gelernt [...].“ (Historisches Museum Frankfurt 2011d: 58)

jeweilig historisch und hegemonial Mögliche des Sichtbaren organsiert. Also jenes Feld von Auf- und Ein-Zeichnungen, Zuschreibungen, Differenzbildungen und Auslassungen, in das wir als BetrachterInnen und Betrachtete eingelassen sind.“ (Nierhaus 2006: 56).

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Auch das bei vielen Teilnehmenden gestiegene Gefühl der Verbundenheit dem jeweiligen Museum gegenüber lässt sich als Zeichen stattgefundener Vergegenwärtigung des Museums deuten.4 Es kann aber auch zu einer Vergegenwärtigung, also zur Bewusstwerdung der eigenen Person in dieser oder jener Hinsicht kommen; Teilnehmende können, indem sie sich in ungewohnten Situationen selbst erleben, auch neue, unbekannte Dinge an der eigenen Person feststellen oder identitäre Klarheit oder Festigung für sich erfahren, wie es beispielsweise im Zitat auf S. 393 aufschien, wenn sich die NeuZugänge-Teilnehmerin dessen gewahr wird, dass sie „mal das Eine“ und mal „das Andere“ sein könne. Auch in den folgenden Zitaten spiegelt sich das SelbstVergegenwärtigungspotenzial von Partizipation: „Für mich war sie [die Teilnahme am Ostend-Projekt, Anm. A.P.] eine Möglichkeit, meine Arbeit [als Künstlerin, Anm. A.P.] zu zeigen und mich im gemeinschaftlichen Prozess besser kennen zu lernen. Also eine ganz persönliche Erfahrung meiner eigenen Entwicklung.“ (Historisches Museum Frankfurt 2011d: 37) „Das Thema der Ausstellung passte genau auf mein eigenes Leben: Nach dem Ende einer langjährigen Lebenspartnerschaft suchte ich neue Orientierung und den Neuanfang.“ (Ebd. 51) „Und [...] man entwickelt sich ja immer weiter durch so Geschichten, sag ich mal.“ (Teilnehmerkommentar zit. n. Zimmer 2014: XXXVII)

In besonderem Maß forcieren partizipative Projekte aber natürlich die Vergegenwärtigung des Ausstellungs- bzw. Projektthemas oder der jeweils dazu angefertigten, eingebrachten oder im Museum vorhandenen Objekte. Jede teilnehmende Person kommt auf jeweils ihre Weise ihrem Beschäftigungs- oder Arbeitsgegenstand auf irgendeine spezifische Weise näher, wobei sich diese Annäherung, wie oben beschrieben, nicht allein auf rein kognitiver Ebene abspielt (indem man etwas Neues über den Gegenstand/das Thema ‚lernt‘), sondern immer zugleich auch auf emotionaler Ebene. Besonders stark wurde diese, gerade auch emotionale, Beschäftigung ja bei gerhardWER? forciert; entsprechend fiel bei der Befragung der Teilnehmenden auch das Votum im Fragebogen bei Frage 17, Unterfragen 2 und 9 aus: So gaben auf die Frage, ob das Projekt sowohl Verstand als auch Herz angesprochen habe, elf Personen an, dass dies „voll zutreffe“, zehn Personen, dass dies „eher zutreffe“ und nur zwei Personen, dass dies „eher nicht zutreffe“ (keine Person verneinte vollkommen). Dass das Ausstellungsthema bzw. ‚ihr‘ Ausstellungsstück an persönlicher Bedeutung gewonnen und ihnen emotional nun näher sei, bestätigten 13 Personen vollkommen und sechs Personen fanden, dass dies „eher zutreffe“. Nur drei bzw. eine Person gaben an, dass dies „eher nicht“ bzw. „gar nicht“ der Fall sei. 4

Vgl. dazu im Fragebogen für die TeilnehmerInnen von gerhardWER? und Ostend // Ostanfang die Fragen 14 sowie 17 (hier Unterfrage 11) zum Output der Projekte.

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Weitere Aussagen, die ebenfalls auf eine gesteigerte Nähe und Relevanz des Themas schließen lassen, sind folgende Zitate, wobei das erste zugleich auch einer persönlichen Erinnerungsarbeit oder Lebensbilanz gleichkommt – damit also sowohl den Gegenstand (in diesem Fall das Stadionbad, denn das erste Beispiel stammt nicht aus einem der drei Fallstudienprojekte) als auch die eigenen identitären Bezüge vergegenwärtigt: „Das [gemeint ist das Stadtlabor-Projekt Mein Stadionbad von 2012, Anm. A.P.] fand ich also ganz toll und wie gesagt, ich fand es auch so würdigend [für das Schwimmbad; A.P.] noch mal, weil das [die Zeit im Stadionbad damals als junge Leute, Anm. A.P.] für uns eine wichtige Zeit war, weil wir wirklich jeden Tag im Stadion waren. Und das war unsere zweite Heimat sozusagen. Und das hat uns geprägt. Es hat mich sportlich geprägt. Ja, es hat Freundschaften geprägt und ja, das war ein ganz großer Bestandteil meines Lebens damals. Und von daher fand ich das ganz wunderbar.“ (Teilnehmerkommentar zit. n. Zimmer 2014: LV) „Die Teilnahme an der Ausstellung [Ostend // Ostanfang, Anm. A.P.] hat uns eine besondere Nähe zu den Bewohnern des Ostends ermöglicht, der in der Stadtplanung leider zu wenig Bedeutung beigemessen wird. Diese Erfahrung war sehr lehrreich für uns.“ (Zitat von StudentInnen der Stadtplanung; Historisches Museum Frankfurt 2011d: 49) Antworten aus dem gerhardWER?-TeilnehmerInnen-Fragebogen auf Frage 20: Würden Sie in Zukunft wieder an einem partizipativen Projekt [...] teilnehmen? Warum bzw. warum nicht? • Ja, weil man einen besseren Bezug zur Kunst bekommt. • Ja. Man kommt mit den Kunstwerken direkt in Berührung, taktil und emotional. • Ja, das partizipative Moment lässt neue Erfahrungen mit Kunst und anderen zu. (vgl. Anhang Nr. 9, Frage 20)

Ebenso können – je nach Projektrichtung und Ausstellungssetting – auch die im Thema konnotierten oder unmittelbar zusammenhängenden gesellschaftlichen Verhältnisse Bewusstheit erlangen, die gesellschaftlichen, politischen, sozialen, kulturellen etc. Bedingtheiten, die immer auch das eigene Leben und die eigene Lebenssituation ausmachen. Solches, i.d.R. kritisches und ‚politisches‘ Bewusstsein scheint beispielsweise in folgenden Aussagen von TeilnehmerInnen durch (bei der ersten handelt es sich um einen Kommentar einer Fokusgruppen-Teilnehmerin, angeregt durch eine Grundsteinkassette und Urkunde, die Auskunft über die französische Hugenottenfamilie Michaut gibt, die nach Berlin kam und dort ein Haus baute): „Der Großvater von Michaut konnte in den 1780er Jahren ein Haus bauen. Das bedeutet, er hatte das Gefühl, dass hier etwas Neues entstehen kann, wo er dann auch beheimatet sein wird. Dagegen gibt es heute noch immer viele, die meinen, Deutschland sei kein Einwanderungsland. Und dass die Menschen, die in den 1960er Jahren hier eingewandert sind, in so kurzer Zeit ein Gefühl für Heimat wie Michaut hätten entwickeln können, ist schwer vorstellbar – geschweige denn, dass sie die wirtschaftlichen Möglichkeiten für einen Hausbau gehabt hätten.“ (Teilnehmerkommentar zit. n. Bluche et al. 2013b: 144)

404 | M USEUM UND P ARTIZIPATION „Unser Modell einer Einzimmerwohnung ist ein Originalnachbau der realen Ostendwohnung von Alisa [...] im Maßstab 1:1 und komplett aus Kartonpappe, und als Gegenentwurf zur kostenhebenden Hochglanzarchitektur gemeint. [...] So spiegeln wir leichthändig die Welt und werden doch zu Kriminologen, Ethnologen, Soziologen unserer eigenen Lebensumstände [...].“ (Historisches Museum Frankfurt 2011d: 59) „Ich denke, das [Stadtlabor-Projekt Mein Stadionbad, Anm. A.P.] macht [...] die Besinnung auf ‚Wo wohne ich überhaupt?‘, ‚Wo gehöre ich hin?‘ und ‚Womit kann ich mich identifizieren?‘... Ich finde das also sehr, sehr wichtig.“ (Teilnehmerkommentar zit. n. Zimmer 2014: LV)

Dieses große Vergegenwärtigungspotenzial von Partizipation – und zugleich Aktualisierungs- und Begeisterungspotenzial für Museen – entfaltet sich jedoch nicht zwangsläufig bei jeglicher Form von Aktivität der BesucherInnen oder TeilnehmerInnen. Wie ich schon in meiner Definition von Partizipation (vgl. Kap. III.2) deutlich gemacht habe, unterscheiden sich ‚echte‘ Partizipationsangebote von nur pseudo-partizipativen Scheinaktivitäten dadurch, dass erstere die Beteiligten ins Handeln bringen, was über bloßes ‚Mittun‘ und einfaches ‚Mitmachen‘ oder stumpfes ‚Nachmachen‘ hinausgeht. Handlungssituationen stellen die Beteiligten – bzw. Betroffenen, wie wir nun wissen – vor Entscheidungen, für deren Konsequenzen sie Verantwortung tragen. Nimmt man sich die Definition von „Handeln“ vor, die der Erziehungswissenschaftler und Bildungsreformer Wolfgang Klafki schon in den 1960er Jahren verfasste, so liest sich diese beinahe als Analogie des Prinzips der Partizipation (vgl. Klafki 1963: 50 ff.): So sei Handeln letztlich immer eine auf andere Menschen bezogene Tätigkeit (so wie es bei Partizipation ja auch zunächst um die Interaktion zwischen Menschen und nicht etwa zwischen Mensch und Gegenstand oder Mensch und Maschine wie bei Interaktivität geht); dabei müsse der/die Handelnde die Auswirkungen seines/ihres Tuns auf andere antizipieren – und dennoch kann es passieren, dass die ‚Anderen‘ die Handlung fehldeuten oder missverstehen: Handeln wie auch Partizipation sind somit risikoreiche Prozesse – auch noch aus einem anderem Grund: „Handelnd legt sich der Mensch fest, beschränkt er die Fülle seiner Möglichkeiten. Zugleich offenbart sich der Handelnde, zeigt er etwas von dem, was er ist, von seinen Gesinnungen und Überzeugungen. Er verläßt seine Einsamkeit, er exponiert sich im Kreise der Mitmenschen, er tritt in den Raum der Öffentlichkeit. Und damit setzt er nicht nur sein Handeln, sondern sich selbst der Kritik, dem Mißverstehen, den Re-Aktionen von Zustimmung und Ablehnung aus.“ (Klafki 1963: 52)

Ins Handeln kommt man daher nur aus Überzeugung, wenn etwas persönliche Relevanz besitzt, man sich damit identifiziert und bereit ist, dafür auch verantwortlich zu zeichnen – hier schließt sich für mich der Kreis zur emotionalen Selbstvergewisserung, zur Betroffenheit der Vergegenwärtigung. Klafki betont, dass man nur Verantwortung übernehme, wenn es einem „wirklich ernst“ (ebd. 52) mit dieser Sache oder Angelegenheit sei – auch hier wieder ein zentraler Aspekt für Partizipation:

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ernst nehmen, ernst genommen werden, es ernst meinen. Klafki dazu: „Wer [...] eine ihn fordernde Aufgabe ernst nimmt, der nimmt damit auch sich selbst ernst und beansprucht, von den Mithandelnden und den Betroffenen ernst genommen zu werden.“ (Ebd. 52). Aus dieser Ernsthaftigkeit heraus erwachse das Engagement, das „Sich-Einsetzen“ (ebd.) der Einzelnen, die im Handeln als „ganze Person“ (ebd.) betroffen seien. Insofern birgt Handeln laut Klafki das Potenzial zur „Selbst- und Welterfahrung“ (ebd. 53) (ich würde sagen: zur Vergegenwärtigung). Damit sich dieses jedoch den Einzelnen erschließe, bedürfe es der Reflexion. Klafki spricht damit einen wichtigen Punkt an: Nicht immer und automatisch kann sich das Vergegenwärtigungspotenzial als fruchtbar erweisen oder überhaupt ins Bewusstsein vordringen.5 Diesen wichtigen Punkt betont auch Sonja Moser in ihrer Dissertation über Partizipation in der Jugendhilfe bzw. -arbeit: „Nur wenn auch den Beteiligten rückgemeldet wird, wie sich ihre Beteiligung ausgewirkt hat, und eine Reflexion stattfindet, können sich Beteiligungsmodelle und ihre AkteurInnen weiterentwickeln.“ (Moser 2010: 74). Museen müssten also zweierlei tun, um nachhaltige (Persönlichkeits-)Entwicklungen durch Partizipation zu befördern: Zum einen müssten sie den TeilnehmerInnen eine abschließende Rückmeldung aus Museumssicht geben, und zum anderen müssten sie Wege und Strategien entwickeln, wie sie eine solche (Selbst-)Reflexion bei den Teilnehmenden anregen könnten. Bei Partizipationsprojekten mit einer festen TeilnehmerInnen-Gruppe bietet sich vielleicht eine gemeinsame Abschlussrunde an; erfahrungsgemäß herrscht bei vielen Teilnehmenden sogar ein Bedürfnis nach einem solchen gemeinsamen Abschluss, der eben gerade nicht in der Ausstellungseröffnung kumuliert, wo zu viel Trubel herrscht und die Arbeitsgruppe nicht unter sich ist. Schwieriger wird es bei Projekten, die Partizipation auf Besucherebene praktizieren, wie etwa gerhardWER? oder solchen Projekten der Zuarbeit, wo Einzelne punktuell vorab eingebunden wurden, ohne womöglich mit anderen TeilnehmerInnen in Kontakt zu kommen. Hier bliebe auszuprobieren, ob auch solche Beteiligte

5

Vgl. hierzu auch die Aussagen Eva Sturms in Kapitel IV.3. Denn auch Sturm betont, dass die durch und mit Partizipation erfolgte Selbstsetzung eines/einer TeilnehmerIn, also die persönliche Artikulation in Form eines (Ausstellungs-)Beitrags, nicht zwangsläufig zu Empowerment bzw. einem kritischen Bewusstsein führe (Sturm spricht hier von Selbstwerdung), weshalb Partizipation ja in gewisser Weise als Instrumentalisierungswerkzeug missbraucht werden könne (vgl. S.-Sturm 2000: 179). Rogoff und Sternfeld meinen etwas ganz Ähnliches, wenn sie sich auf Gramscis Unterscheidung zwischen Transformismus und Transformation berufen bzw. zwischen Kritizismus und Kritikalität (hier vor allem im Blick auf die professionellen AkteurInnen, für die ja auch der Grundsatz gilt, nicht bloß zu ‚machen‘, sondern ins ‚Handeln‘ zu kommen) unterscheiden (vgl. z.B. Kulturagenten 2015: 1 ff. u. Rogoff 2003: o.S.).

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der Einladung zu einem ‚exklusiven‘ TeilnehmerInnen-Termin folgen würden.6 Auch Experimente mit eingebauten ‚feedback‘-Schleifen (auf Besucherebene beispielsweise als gesonderte Wand für Kommentare und Gedanken zur Partizipationssituation selbst) oder mit kurzen Informationstexten (etwa dazu, dass Partizipation u.a. Exposition oder eine Verschiebung von Machtverhältnissen bedeutet) wären einen Versuch wert. Weitere Anregungen könnte auch ein Blick auf die Strategien des Stapferhauses in Lenzburg liefern:7 Das dortige Museumsteam integriert in seine Ausstellungen regelmäßig Verfahren, die von BesucherInnen gewissermaßen ‚zwingend‘ Stellungnahmen abverlangen, oder arbeitet mit ‚Signalen‘, die unmissverständlich ‚erfahrbar‘ machen, dass wir alle – selbst als ‚normale‘ BesucherInnen – AkteurInnen im musealen Terrain darstellen. So erhielten BesucherInnen der Ausstellung Home. Willkommen im digitalen Leben8 beim Ticket-Kauf etwa ein Paar Wollsocken ausgehändigt mit der Aufforderung, die Schuhe auszuziehen und die Ausstellung in Socken zu betreten, was sie in dieser sonderbaren Situation im Spannungsverhältnis von offensichtlicher ‚Privatheit‘ an einem öffentlichen Ort damit gewissermaßen selbst zu einem Ausstellungsstück werden ließ und zugleich physisch spürbar machte, dass die eigene Person integraler Bestandteil dieses Systems aus (kollektiven) Setzungen, (Re-)Präsentation und Interpretation darstellt. Auf die gleiche Weise fungierte das Entree und ein USB-Stick in der Ausstellung Glaubenssache9 als Brechungs- und Reflexionsmoment (der USB-Stick diente in der Ausstellung an interaktiven Stationen dazu, eigene ‚Glaubensdaten‘ abzuspeichern): Wer die Ausstellung betreten wollte, musste sich entscheiden, ob er dies durch den Eingang mit der Aufschrift „Gläubige“ oder durch jenen für „Ungläubige“ tat – je nachdem erhielten die BesucherInnen einen Datenstick mit dieser Aufschrift, den sie wie ein Bekenntnis öffentlich beim Ausstellungsbesuch um den Hals hängend tragen sollten. – Irritationsmomente dieser Art können auf Besucherebene sicherlich wirksame Reflexionsauslöser darstellen.

6

7 8 9

Dass zumindest bei Einzelnen ein Bedürfnis da wäre, unterstreicht eine Teilnehmerin des Stadtlabor-Projekts Mein Stadionbad, die als Interviewpartnerin fungierte, ohne dabei in Kontakt mit anderen Teilnehmenden zu kommen, was diese sehr bedauerte: „Das wäre eine schöne Sache gewesen, die ganze Gruppe mal zusammen sprechen zu lassen. Also ein Gespräch mal zu führen innerhalb der Gruppe. Da hätte man sich noch mal austauschen können. [...] [I]ch denke, so in der Gruppe gemeinsam noch mal verschiedene Themen anzusprechen, das wäre bestimmt nicht schlecht gewesen.“ (Aussage einer Projektteilnehmerin zit. n. Zimmer 2014: LVI). Zum Stapferhaus und seinen Konzepten vgl. z.B. Hächler 2008a u. 2012 sowie Handschin et al. 2012. Vgl. Stapferhaus 2010/2011 u. Stapferhaus o.J. [2011]. Voller Ausstellungstitel: Glaubenssache. Eine Ausstellung für Gläubige und Ungläubige. Für Informationen zur Ausstellung vgl. z.B. Stapferhaus 2006/2007, Hächler 2008b u. Stapferhaus o.J. [2007].

VII.6 Exkurs: Partizipation aus lern- und motivationspsychologischer Sicht

Aus lern- und motivationspsychologischer Sicht sprechen einige Argumente für Partizipation in dem Sinne, dass sie darauf hindeuten, dass partizipative Angebote aufgrund ihrer spezifischen Merkmale bzw. Funktionsprinzipien geeignet sind, generell das Interesse, die Motivation, die Verarbeitungstiefe und die Behaltensleistung von ‚Lerninhalten‘ positiv zu beeinflussen sowie Identifikation, emotionale Verbundenheit und Auseinandersetzung – letztlich also Vergegenwärtigung – mit dem jeweiligen Beschäftigungsgegenstand zu begünstigen.1 Eigenaktivität und Handlungsangebote Vergegenwärtigung und ‚Lernen‘ (verstanden als „sinnhafte Erfahrung“2) findet bei partizipativen Angeboten mehrdimensional (kognitiv, emotional, sensorisch und physisch) statt und folgt in manchen Situationen auch dem Prinzip des ‚learning by doing‘ (z.B. wenn Teilnehmende erstmals selbst Ausstellungstexte verfassen oder die Ausstellungsgestaltung verantworten). Wissenschaftlich nachgewiesen ist, dass Eigenaktivität und Lernen aus erster Hand wirksamer sind als rein theoretisches Lernen oder nur mittelbare Erfahrungen aus zweiter Hand: Inhalte werden leichter angeeignet und besser gelernt, sie werden länger behalten und können zu einem anderen Zeitpunkt auch eher auf neue Situationen übertragen werden (vgl. Jürgens 2002: 6 u. Schröder 2001: 348). Bedingung hierfür ist jedoch, wie bereits darge1

2

Natürlich spielen noch eine Vielzahl weiterer Faktoren für das Lernen im Museum eine Rolle. Falk/Dierking haben hierfür ihr Contextual Model of Learning in Museums etabliert, das wesentliche Einflussfaktoren auf personaler, soziokultureller und physischer Ebene erörtert (vgl. Falk & Dierking 2013: 23-34; für knappe Erläuterungen dazu siehe z.B. Falk et al. 2008: 326 ff. u. Waltner & Wiesner 2009: 197). Einen guten allgemeinen Überblick über Theorien und wissenschaftliche Befunde zum Thema Lernen und Motivation in bzw. durch Museen gibt Doris Lewalter (2009). Hein plädiert dafür, Lernen im Museum in einem solchen Sinne, also als „meaningful experience“, zu verstehen und nicht primär im Sinne der Aneignung formaler Bildung (vgl. Hein 2008: 348).

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stellt, dass die ‚tätliche‘ Auseinandersetzung dem Prinzip des Handelns und nicht dem des Machens/Tuns entspricht, also eine reflektierte Tätigkeit darstellt, die bewusstes Entscheiden und Werten einschließt (vgl. Schröder 2001: 348).3 Besonders wirkungsvoll erweisen sich Angebote der Eigenaktivität gekoppelt mit sozialen Interaktionen, da beides Faktoren darstellen, die Lernen begünstigen (vgl. Falk & Dierking 2013: 204, Hein 1998: 174 u. Schreider 2004: 66);4 dies wäre zumindest bei Partizipationsprojekten des Typus der Zusammenarbeit gegeben, wo unmittelbare zwischenmenschliche Kontakte sowohl zwischen Museum und Teilnehmenden als auch zwischen den Teilnehmenden untereinander stattfinden. Abgesehen davon führen Eigenaktivität und ganzheitliche Auseinandersetzung häufig zu einer höheren „Erlebnistiefe“ (Krebs 2004: 70) als ‚passive‘, d.h. rein intellektuell-basierte Aneignungssituationen – ein Faktor, der Langeweile und Ermüdung vorbeugt (vgl. ebd.). Bekanntes und Vertrautes Es ist auch erwiesen, dass ‚Lernen‘ oder eine vertiefte Auseinandersetzung dadurch begünstigt werden, dass die ‚Lernsituation‘ so gestaltet ist, dass sie zu einem gewissen Grad auch Bekanntes enthält (sei es eine bekannte Information, Situation, Handlung etc.). Auf diese Weise kann das Neue ausgehend vom schon Bekannten leichter erschlossen und die neuen Informationen oder Handlungen besser kognitiv verankert werden, da diese in vorhandene mentale Konzepte integriert werden (vgl. Hein 1998: 156 f. u. Schreider 2004: 66). In diesem Zusammenhang kann auch von Bedeutung sein, dass erworbenes Wissen oder Erfahrungen sogar nachträglich – also auch nach Ende eines Partizipationsprojekts – gefestigt und vertieft werden, sobald diese (selbst Monate später!) durch Alltagsinformationen oder -erfahrungen wieder wachgerufen bzw. gestützt werden (vgl. Schreider 2004: 68 und Falk 2013: 109). Da partizipative Angebote thematisch ja gerade gezielt an Alltagsthematiken bzw. Persönliches anknüpfen, ist die Wahrscheinlichkeit also recht hoch, dass einerseits eine Verknüpfung von Bekanntem und Neuem möglich wird und dass nachträglich Situationen auftreten werden, in denen diese Inhalte eine Rolle spielen. Im Idealfall findet dann auch immer zugleich ein bewusstes (möglichst positives) ‚Quer-Erinnern‘ an das Projekt selbst und das durchführende Museum statt, sodass eine positive emotionale Bindung zum Museum langfristig stabil bleibt. 3

4

Auch Höge macht darauf aufmerksam, dass Eigenaktivität nicht automatisch eine höhere Verarbeitungstiefe bewirkt: „Wenn das Interesse nicht stimuliert werden kann, folgt keine Handlung und demnach wird auch die Ebene des Bewusstseins nicht erreicht.“ (Höge 2004: 50). Deci/Ryan betonen die Relevanz sozialer Beziehungen für das Lerngeschehen. Je nach Qualität der sozialen Beziehung werde Lernen begünstigt (Anerkennungsäußerungen, Gefühl der sozialen Eingebundenheit) oder behindert (vgl. Deci & Ryan 1993: 235).

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Autonomie, Kompetenzerleben und soziale Eingebundenheit Einen anderen interessanten Blickwinkel auf Lernaspekte kann die sogenannte Selbstbestimmungstheorie liefern, die Aussagen darüber macht, wie bei Menschen ‚echtes‘ Interesse entsteht, d.h. eine intrinsische Motivation, sich mit einer Sache eigenaktiv zu beschäftigen und mehr über diese erfahren zu wollen (vgl. Deci & Ryan 1993). Dass es für Museen einen Glücksfall bedeutet, wenn Menschen ein solches Interesse für einen Museumsinhalt von sich aus aufbringen, muss nicht weiter ausgeführt werden, ebenso wenig wie der Umstand, dass dieses Interesse einen wesentlichen Faktor für ‚Lernerfolg‘ darstellt.5 Die beiden US-amerikanischen Psychologen Edward L. Deci und Richard M. Ryan, die die sogenannte Selbstbestimmungstheorie begründeten, haben drei spezifische Erlebnisqualitäten ausgemacht, die in einer Situation gelten müssen, damit eine solche ‚interessensgeleitete‘ Motivation entstehen kann (vgl. Deci & Ryan 1993: 229): •

• •

Erstens das Erleben von Autonomie. Damit ist der Umstand gemeint, eine Situation, Handlung oder Beschäftigung als frei gewählt und selbstbestimmt statt von außen aufgezwungen und kontrolliert zu erleben. Zweitens das Erleben von Kompetenz, d.h. das Gefühl, der gegebenen Situation oder Aufgabe ‚gewachsen‘ zu sein und diese ‚erfolgreich‘ meistern zu können. Und drittens das Gefühl sozialer Eingebundenheit, also sich mit anderen Personen verbunden und von diesen anerkannt zu empfinden.

Diese drei Faktoren stellen laut Deci/Ryan angeborene psychologische Grundbedürfnisse eines jeden Menschen dar, weshalb sie auch solche wirksame Energiequellen bzw. Antriebsfaktoren darstellen. Prinzipiell sind partizipativen Prozessen diese drei Faktoren inhärent, wie ich meine, sodass Partizipationsangebote demnach geeignete Situationen darstellen, um bei Menschen Interesse für ein Thema oder einen Gegenstand zu wecken und eine vertiefte Auseinandersetzung anzuregen: So erleben sich Teilnehmende als eigenständig Handelnde, indem sie persönliche Inhalte, Ziele und Vorgehensweise je nach Projektform selbst bestimmen können und in verschiedenen Belangen als relevante EntscheidungsträgerInnen vom Museum akzeptiert werden (Autonomieerleben). Auch werden sich Teilnehmende mit großer Wahrscheinlichkeit alleine schon durch die Aufforderung und Einladung zur Partizipation als wichtigen und wertgeschätzten Teil des musealen Gefüges empfinden, auf deren Beteiligung Wert gelegt wird – und die im Idealfall auch entsprechend wertgeschätzt wird (Erleben sozialer 5

Deci/Ryan konstatieren, dass nur das, was intrinsisch motiviert gelernt wurde, ein „hochqualifiziertes Lernen“ darstelle, bei dem das erworbene Wissen flexibel und kritisch angewendet werden könne (vgl. Deci & Ryan 1993: 233).

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Eingebundenheit). Kommt es zur Zusammenarbeit mit anderen Teilnehmenden, besteht die Chance, ein Zugehörigkeits- oder Gruppengefühl zu entwickeln: Das Gefühl, gemeinsam ein Projekt realisiert und/oder eine ‚eigene‘ Ausstellung auf die Beine gestellt zu haben, schweißt zusammen – und es entsteht außerdem das Gefühl, Kompetenz zu besitzen. Eine ganz zentrale Voraussetzung für Kompetenzerleben ist jedoch ein von Museumsseite aus gut ‚gerahmtes‘ und zuvor genau reflektiertes Partizipationsangebot, denn nur, wenn eine Aufgabe das ‚richtige‘ Anforderungsniveau besitzt, kann sich intrinsische Motivation – vielleicht sogar ein Flow-Erleben – einstellen (vgl. Deci & Ryan 1993: 23 u. Csikszentmihalyi & Schiefele 1993: 211 f.). Hilfreich erweist sich hier u.a. eine eindeutige Handlungsstruktur bzw. -anweisung und eindeutige Rückmeldungen, damit Teilnehmende das eigene Handeln einordnen können (relevant für das Kompetenzerleben ist die subjektive Sicht der handelnden Person). Ein Flow-Erlebnis, also das subjektive Gefühl, dass sich alle Gedanken und Empfindungen im Einklang befinden und auf die momentane Handlung gerichtet sind, könnte vielleicht als das ultimative Gefühl der Kompetenz und Selbstkontrolle (i.S. von Selbstbestimmtheit, also Autonomie) definiert werden. Dementsprechend wird vermutet, dass sich Personen im Zustand des Flow auf ihrem höchsten Leistungsniveau befinden (vgl. Csikszentmihalyi & Schiefele 1993: 210). Je öfter man bei einer Beschäftigung Flow erlebt, desto wahrscheinlicher wird der Wunsch, sich auch in Zukunft wieder bzw. weiterhin mit dieser Sache zu beschäftigen (vgl. ebd. 212 u. 215). Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass ein/e MuseumsbesucherIn bei einem herkömmlichen Ausstellungsbesuch in der ausschließlichen RezipientInnen-Rolle in einen solchen Flow-Zustand geraten kann. Bei der Teilnahme an einem partizipativen Projekt, das einerseits klare Strukturen aufweist und andererseits Raum lässt, um persönliche Interessen auszuleben oder spezifische Fähigkeiten einzubringen, dürfte dies hingegen sehr viel wahrscheinlicher möglich sein. Situationales Interesse Andere motivationstheoretische Konzepte beschäftigen sich mit der Frage, wie eine temporäre Aufmerksamkeit in eine langandauernde Aufmerksamkeit bzw. ein situationales Interesse irgendwann in ein individuelles Interesse übergeht (vgl. Lewalter 2009: 50 f.). Situationales Interesse meint dabei ein in einer bestimmten Situation spontan gewecktes Interesse, eine unvermittelt auf einen Beschäftigungsgegenstand gerichtete temporäre Aufmerksamkeit (vgl. Krapp 2010: 312). Dieses situationale Interesse lässt sich wiederum in eine Anfangsphase (Catch-Phase), in der die Aufmerksamkeit auf eine Sache gelenkt und Neugier dafür geweckt wird, und eine zweite Phase unterteilen, die dann beginnt, sobald eine relative Stabilisierung dieser inhaltsbezogenen Motivation eingetreten ist (Hold-Phase) (vgl. Lewalter 2009: 50 f. u. Recke 2010: 7).

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Neben den bereits genannten Erlebnisqualitäten Autonomie, Kompetenz und soziale Eingebundenheit wird ein sogenanntes situationales Interesse-Hold zum einen begünstigt durch Diskrepanzerlebnisse und Überraschungseffekte (vgl. Lewalter 2009: 51).6 Dies lässt sich damit erklären, dass die persönlich als inkonsistent empfundene Information als eine Art „Bedrohung“ (Recke 2010: 20)7 der eigenen Überzeugungen oder mentalen Modelle und Einstellungen erlebt wird und somit eine hohe persönliche Bedeutung erhält; im Sinne einer „Reduktion der Gefahr“ (ebd.) ist eine Auseinandersetzung und Verarbeitung dieses Inhalts oder dieser Sache unbedingt erforderlich (vgl. auch Kirchberg 2005a: 366). Sowohl Diskrepanzerleben als auch Überraschungseffekte sind oftmals grundlegende Elemente partizipativen Arbeitens: Man denke allein schon an die ungewohnte Situation, von einem Museum überhaupt zu aktiver Mitarbeit aufgefordert zu werden oder Dinge tun zu dürfen, die sonst eigentlich verboten bzw. nur ExpertInnen vorbehalten sind (Depots begehen, Exponate auswählen, Ausstellungen inszenieren etc.). Außerdem birgt der Umstand der Zusammenarbeit mit einander unbekannten Menschen – Museumsleute einerseits und Partizipierende andererseits – mit ihren divergierenden Kontexten und Herangehensweisen ebensolches Überraschungs- und Verwunderungspotenzial. Des Weiteren stellt die persönlich wahrgenommene inhaltliche Relevanz, Nützlichkeit und Bedeutung eine entscheidende Rolle für die Aufrechterhaltung situationalen Interesses (vgl. Lewalter 2009: 51 u. Hidi & Renninger 2006: 114). Diese persönliche Bedeutung und Wichtigkeit kann aufgrund der Art und Weise, in der partizipative Angebote die weitere Auseinandersetzung mit ihren spezifischen Beschäftigungsinhalten forcieren, im Projektverlauf bzw. dem Partizipationsprozess noch weiter steigen – nämlich dann, wenn Vergegenwärtigungsprozesse stattfinden, wie ich sie in Kapitel VII.5 beschrieben habe. Da mit steigendem bzw. intensiviertem Interesse auch eine weitere aktive Auseinandersetzung angestoßen wird, die dann wiederum das Interesse und die intrinsische Beschäftigungsmotivation weiter intensivieren kann, ist es nicht ausgeschlossen, dass sich aus einem situationalen Interesse langfristig eine persönliche Leidenschaft, also ein bleibendes, ein individuelles Interesse für den ‚Inhalt‘ bzw. für Aspekte des Partizipationsprojektes entwickelt (vgl. Hidi & Renninger 2006).8

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Lewalter rekurriert hier insbesondere auf Forschungsergebnisse bzw. Theorien von Mathew Mitchell. Recke gibt eingangs (S. IV) an, dass seine Überlegungen im Wesentlichen auf der Theorie der Kognitiven Dissonanz von Leon Festinger, der Neugier-Theorie von Daniel E. Berlyne sowie der Conceptual-Change-Theorie von George J. Posner, Kenneth A. Strike, Peter W. Hewson und William A. Gertzog beruhen. Hidi/Reininger propagieren ein Four-Phase Model of Interest Development, das als erste beiden Stufen die beschriebene Catch- und Hold-Phase des situationalen Interesses benennt, die dann in ein beginnendes sowie letztlich ein ausgeprägtes individuelles Interes-

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Kognition und Emotion Abschließend sei nochmals erwähnt, dass sich alle oben beschriebenen Zustände und (Lern-)Prozesse durchweg durch eine „gelungene Synthese affektiver und kognitiver Bewertung“ (Krapp 2010: 312) auszeichnen, also durch eine sowohl verstandesmäßige als auch positiv-gefühlsmäßige Wertschätzung (emotionale und wertbezogene Valenz, vgl. ebd.). Dies macht deutlich, dass emotionale Anteilnahme für die Entwicklung von intrinsischer Motivation, langanhaltendem Interesse, die Freude am ‚Lernen‘ sowie Lern- und Behaltensleistungen mindestens genauso wichtig ist wie die kognitiv-intellektuelle Auseinandersetzung.9 Wie ich bereits am Potenzial der Vergegenwärtigung gezeigt habe, ist auch eine emotionale Beteiligung oder Betroffenheit i.d.R. fester Bestandteil jedes Partizipationsvorgangs. Vielleicht zeichnet sich im gestiegenen Interesse an Partizipation auch ein möglicherweise übergeordneter Trend zu mehr Emotionalität im Museum ab, wie ihn etwa die US-amerikanische Museologin Elaine Heumann Gurian schon 1994 als Zukunftsentwicklung für Museen skizzierte,10 und der jüngst unter dem Schlagwort des „emotional“ oder „affective turn“ (Schmidt 2011: 96) wieder in die Diskussion Eingang fand: Im Zentrum von Museen, die Emotionen einbezögen, „stünden Menschen, nicht anonyme Prozesse und Strukturen“, heißt es bei Schmidt (2011: 99) – eine Feststellung, die genauso für Partizipation beansprucht werden kann.

se übergehen können (Stufe 3: Emerging Individual Interest; Stufe 4: Well-Developed Individual Interest, vgl. Hidi & Renninger 2006: 114 f. u. 115). 9 Vgl. z.B. Falk 2013: 119 ff., Csikszentmihalyi & Schiefele 1993: 213 u. Kirchberg 2005a: 366. 10 So heißt es in einem Vortragsmanuskript: „Museums will finally become more comfortable with the affective, dramatic and psychological power that their presentations can contain and will be less apologetic about including emotional and evocative messages.“ (Gurian 1994: 2; in überarbeiteter Form wurde der Text später abgedruckt in: Corsane 2005, S. 71-78).

VII.7 Museum als „contact zone“ und sozialer Raum durch Partizipation?

Der Themenkomplex sozialer Raum berührt zwei zentrale Aspekte, die für Partizipation proklamiert werden können: Zum einen drückt der Wunsch nach Generierung „neuartige[r] Beziehungen“ (Neumann 2010: 88), nach „,Berührungszonen‘ nomadisierender Kulturen“ (Beier-de Haan 2001: 59), nach einem „Raum der Begegnung“ (Young 2002: 81), nach einem „hybriden Raum, in dem alte Binarismen nicht mehr greifen“ (Schwärzler 2002: 152) etc. aus, dass das Museum, so wie es momentan mehrheitlich wahrgenommen wird, anscheinend all dies nicht ist, was von den o.g. AutorInnen als Manko empfunden wird. Insofern beinhaltet das Thema des sozialen Raums oder – mit James Clifford gesprochen: der Kontaktzone – eine Kritik am Status quo wie zugleich auch den normativen Anspruch, dass Museen mehr zu sein haben, als ‚bloß‘ Wissensspeicher, Zeige- und Bewahranstalten oder Forschungseinrichtungen. Zum anderen scheint in diesem Themenkomplex auf, dass Partizipation im Wesentlichen Beziehungsarbeit bedeutet bzw. bedeuten müsste – mit dem Ziel, Menschen zusammenzubringen und eine idealerweise reziproke Beziehung zu initiieren. Es geht bei Partizipation also um zwischenmenschliche Beziehungen und um die Ausgestaltung solcher Kontakt- und Beziehungssituationen. Insofern ist es völlig nachvollziehbar, wenn Weber konstatiert, dass man „irgendwie Beziehungskurator“ (Weber; Piontek 2011e: 2) sei, Gesser feststellt, dass Partizipation „Kommunikationsarbeit [...] und Beziehungspflege“ (Gesser; Piontek 2011h: 2) bedeute und Jannelli betont, dass es letztlich um „Vertrauen und um Beziehungen“ sowie „Kommunikation und Vermittlung“ (Jannelli; Piontek 2011b: 2 u. 6) gehe, weshalb auch die ‚Sammlung‘, die sie als Kuratorin zu verwalten habe, die Beziehungen seien, die durch Partizipation zwischen dem Museum bzw. den Museumsleuten und den Teilnehmenden geknüpft würden (Jannelli 2013: 72). Mit diesem Vorstoß bewegt sich die Institution Museum historisch gesehen auf unsicherem Terrain, stehen i.d.R. doch die Objekte im Mittelpunkt des Interesses und die Vermittlung einer Beziehung zwischen RezipientIn und Anschauungsgegenstand. Daran hat auch der

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Aufschwung der Besucherorientierung und die museumspädagogische ‚Aufrüstung‘, die seit den 1990er Jahren deutlich zu spüren ist, nichts geändert. Im aktuellen „participation paradigm“ (van Mensch & Mejer-van Mensch 2011: 51) soll es zwar auch um ‚Inhalte‘ und natürlich auch um ‚Anschauungsgegenstände‘ gehen, aber ‚echte‘ Partizipation verlangt zugleich die enorme Aufwertung der (zukünftigen) TeilnehmerInnen, die nun mindestens genauso konstitutiv für das jeweilige Projekt werden wie die Vermittlungsinhalte – oft sogar zur Grundvoraussetzung noch vor den Objekten und Inhalten selbst. Problematisch ist dabei jedoch, dass das heute implizierte Ideal von Partizipation (oder in diesem Zusammenhang: ‚par-tizipation‘1), nämlich die Gleichwertigkeit beider PartnerInnen, im Museum nicht eingelöst werden kann. Es handelt sich, wie Lynch betont, bei der musealen Partizipationssituation eben ‚nur‘ um eine, die in „invited spaces“ (z.B. Lynch 2011a: 150) abläuft, was das Machtungleichgewicht zwischen ‚GastgeberIn‘ und ‚Gästen‘ anschaulich macht (vgl. Kap. IV.3). Daher wünschen sich die in Kapitel IV.4 vorgestellten KritikerInnen in der Theorie ja auch nicht die Kooperation als bestimmendes Interaktions- und Beziehungsprinzip, sondern eben die Kollaboration zwischen „friendly enemies“ (z.B. ebd. 155). – Wie dies praktisch gehen soll, bleibt fraglich; welches Museum möchte in der Realität schon Teilnehmende akzeptieren, die vielleicht das Ruder übernehmen oder ihre persönlichen Interessen soweit durchsetzen, dass sie womöglich die des Museums konterkarieren? Die Kunsthistorikerin und Kuratorin Irit Rogoff, auf die sich Sternfeld mit dem Konzept eines neuen, post-identitären Wir-Begriffs als möglichem Ausweg aus dem hierarchiebestimmten Kommunikationsdilemma beruft, bringt das Konzept des Schmuggelns ins Spiel: „Denkt man sich das ‚Schmuggeln‘ räumlich, so ist es reich an Möglichkeiten. Es hilft uns, aus unserem binären Denken auszubrechen, das zum Beispiel das Innere des musealen Raumes gegen das Äußere des öffentlichen Raumes stellt. Und auch im Lichte der angeblichen Heimlichtuerei des Schmuggelns steht es doch für einen Status von ‚Entgrenztheit‘. [...] Das Schmuggeln bringt Subjekte, Objekte und Praktiken hervor, die in einem Reich des ‚NichtTaxierbaren‘ existieren. [...] Das ‚Nicht-Taxierbare‘ ist eine Methode, bestehende Kategorien zu unterlaufen, so dass es ganz unmöglich wird, mit ihnen zu arbeiten. Es handelt sich hier nicht um Widerstand, sondern um verkörperte Kritikalität, die sich ihrem Gegenstand anverwandelt. In der Matrix von Brüchen und inneren Inkohärenzen bedeutet das ‚NichtTaxierbare‘ des Schmuggelns, für sich die Kategorie der Verweigerung zu behaupten.“ (Rogoff 2007: 42 f.)

Hiermit wäre also in erster Linie an die AkteurInnen im Einzelnen appelliert, eine jeweils ganz eigene Partizipationspraxis zu etablieren, die nicht offen den Widerstand praktiziert, sondern eher das bestehende System durch Missachtung der herr1

Abgeleitet von lat. par (ähnlich, gleich, jmd. gewachsen) bzw. engl. to be on a par with sb. (ebenbürtig sein, gewachsen sein).

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schenden Regeln, durch unvorhergesehene Aktionen unterwandert und dadurch verändert. Dem wäre hinzuzufügen, dass ein solches Verhalten ein hohes Level an kritischem Bewusstsein voraussetzt, was bei den drei untersuchten Projekten sicherlich die wenigsten TeilnehmerInnen hatten. Dafür agierten aber die Museumsleute in den Fallstudienprojekten alle mehr oder weniger in einem selbstkritischen Bewusstsein – was auch einen Unterschied machen kann. Hier wären insbesondere Miera und Bluche zu nennen, die bewusst institutionskritisch agierten – jedoch als externe Kuratorinnen in dieser Hinsicht auch einen leichteren Stand als die Festangestellten hatten. Aber alleine schon das bei allen drei Projekten zu beobachtende Agieren ohne den Habitus eines/r Allwissenden und im ernsten Interesse an den TeilnehmerInnen (vgl. hierzu die Dimension Selbstverständnis) konnte jeweils dazu beitragen, in der Beziehung zu einzelnen TeilnehmerInnen zwar keine ‚Schwarzmärkte‘ (um in Rogoffs Bild zu bleiben), dennoch aber soziale Räume temporär zu erzeugen. Dieses Potenzial stieg mit der Dauer und Intensität der Kontakte, weshalb es insbesondere in Frankfurt gelang, soziale Beziehungen zu initiieren: So zeigten sich einzelne Ostend-TeilnehmerInnen etwa beeindruckt von „der anregenden Zusammenarbeit mit den Museumsmitarbeiterinnen und den Ausstellenden“ (Fragebogenantwort auf Frage 20), lobten die „offene Art“ der MitarbeiterInnen (Fragebogenantwort auf Frage 18), das „auf die netten, kompetenten und engagierten Mitarbeiterinnen zurückzuführende persönliche Miteinander“ (Fragebogenantwort auf Frage 20) sowie die „Herzlichkeit“ und „Wärme“ (Teilnehmerkommentar zit. n. Zimmer 2014: XXXI) des gesamten Museumsteams:2 „Das hab ich gemerkt beim Direktor, bei den Mitarbeitern, das war auf Augenhöhe. Das war nicht nur ‚schön dass ihr da seid‘ – das hast du ja ganz oft im Kulturbetrieb – hier war wirklich Augenhöhe. Das haben wir konstant über das ganze Projekt so empfunden und auch im Nachhinein.“ (Ebd.)

Ein solches Klima3 konnte also gute Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich die Teilnehmenden auch gegenseitig als Gemeinschaft empfanden, in der teilweise viel-

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Natürlich aber gilt, dass sich die beschriebenen positiven Effekte nicht zwangsläufig einstellen bzw. sich bei allen Teilnehmenden gleichermaßen zeigen, nur, weil man partizipativ arbeitet. So bemängelten einige Ostend-Teilnehmende rückblickend im Fragebogen (vgl. Frage 12), dass insbesondere die Austauschmöglichkeiten innerhalb der Gruppe zu gering gewesen seien oder auch, dass der Kontakt der MuseumsmitarbeiterInnen herzlicher hätte ausfallen können (vgl. Frage 18). Vgl. dazu auch die Aussagen der Museologin Barbara Wenk: „Partizipation [...] wird von den Beteiligten insbesondere auch ‚gefühlt‘: Daher ist es auch zentral, inwiefern die beteiligten Museumsmitarbeiter und Kuratoren ein Klima schaffen können, in dem sich interessierte Besucher tatsächlich mit ihren Anliegen wahrgenommen und auch tatsächlich beteiligt fühlen. Das heißt, dass Museumsleute auch ein Bewusstsein dafür haben müssen, woher die Besucher kommen und was sie jeweils beitragen können.“ (Wenk 2012: 188).

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leicht sogar soziale Inklusion stattfinden konnte,4 in jedem Fall aber einige Kontakte entstanden, die auch über das Projekt hinaus Bestand hatten;5 so äußerte etwa obiger Ostend-Teilnehmer auf die Frage, was ihm vom Projekt noch besonders in Erinnerung geblieben sei: „Das Miteinander. Also das Miteinander an einem Ziel zu arbeiten [...] [i]n einer anderen Form, wie man es normalerweise kennt. Kontakte, die da entstanden sind, die man auch heute noch pflegt.“ (Ebd. XXXII). Ebenso scheint sich in der Gruppe eine positiv-energiegeladene, anregende Atmosphäre entwickelt zu haben, die unerwartete Synergieeffekte bewirkte, indem sie unsichere Teilnehmende mitriss und zu überraschenden, meist künstlerisch-kreativen Beiträgen führte (vgl. Gesser; Piontek 2011h: 9). Abgesehen von der oben angesprochenen Kommunikationshaltung und dem Rollenverständnis der Museumsmitarbeitenden erscheinen noch andere Variablen zur Schaffung eines solchen sozialen Raums relevant:6 So betonte Düspohl den Faktor der „Aufenthaltsqualität“ (ders. 2004: 75), die Museen jedoch leider durch fehlende Aufenthaltsräume oder Teeküchen i.d.R. nicht hätten. – Dies berührt zugleich wieder die Frage danach, ob Partizipation respektive sozialer Raum (verstanden als metaphysischer, immaterieller Raum) auch real andere Räume benötigt. Vielleicht solche, die, wie es Rogoff bzw. Sternfeld wünschen, die Rollenzuschreibungen irritieren oder so ungewöhnlich bzw. ‚anti-museal‘ sind, dass man sprichwörtlich ‚aus der Rolle‘ fällt? Es ist jedenfalls auffallend, dass alle drei Projekte auch in irgendeiner Weise in ihren späteren Ausstellungssettings ein anregendes Klima und eine in Teilen ‚antimuseale‘ Anmutung für die BesucherInnen schufen: NeuZugänge durch einen Bistrotisch-Sitzplatz und die partizipativen Elemente für die BesucherInnen selbst, gerhardWER? mit einer Schmökerecke und den ‚interaktiven‘ Objektzetteln, die abgenommen und angefasst werden wollten; am deutlichsten aber bei Ostend // Ost-

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Vgl. z.B. die Aussagen der türkischstämmigen Teilnehmerin des Ginnheimer Stadtlabors in der zitierten Interviewsequenz in Kapitel VII.1, S. 380 f. (bzw. im Original bei Zimmer 2014: LXI ff.). Eine andere Teilnehmer berichtete über das Stadtlabor park in progress zu den Wallanlagen (vgl. Historisches Museum Frankfurt 2014b): „Die [MitarbeiterInnen des hmf, Anm. A.P.] sprechen da Leute an, die würden sonst nie freiwillig in ein Museum gehen oder sich dafür begeistern. Ich meine, jetzt bei den Wallanlagen, da sieht man ja auch, da ist sogar eine Gruppe Obdachloser, oder nee, Drogenabhängiger.“ (Teilnehmerkommentar zit. n. Zimmer 2014: XLIV). Dies äußerten Ostend-Teilnehmende in der Projektreflexion (vgl. Historisches Museum Frankfurt 2011d: z.B. 32 u. 35), aber auch mehrere InterviewpartnerInnen von Stefanie Zimmer (vgl. Zimmer 2014: XXXII, LXV u. LXX), z.B. folgender Ostend-Teilnehmer: „Wir stehen immer noch in Kontakt, wenn irgendwas Spannendes ist, werden wir dazu [vom Museum, Anm. A.P.] gefragt [...].“ (Zimmer 2014: XXX). Vgl. dazu auch die (jedoch auf BesucherInnen bezogenen) „fünf Methoden sozialer Szenografie“ bei Hächler 2012: 142-144.

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anfang mit einem riesigen Gruppentisch in der Ausstellung sowie einem Getränkeverkauf. Welche Rolle spielte es außerdem für die Ermöglichung eines möglichst enthierarchisierten und kommunikationsfördernden Raumklimas bzw. für die Schaffung eines sozialen Raums, dass Ostend // Ostanfang nicht im Museum verortet war oder gerhardWER? den (Inter-)Aktionsradius der BesucherInnen auf das sonst unzugängliche Depot ausweitete? Und auch NeuZugänge könnte man im übertragenen Sinne eine unkonventionelle ‚Raumsituation‘ bescheinigen, indem sich, wie in Kapitel VI.4.6 beschrieben, an einem Ort vier Museen manifestierten. – In meinen Augen ist hier ein Spiel an und mit Grenzen von Seiten der Museen ganz offensichtlich, das TeilnehmerInnen und RezipientInnen mit kritischem Bewusstsein bzw. institutionskritischem Vorwissen deutlich machen konnte, dass es hier um mehr als ‚nur‘ die Teilnahme von Personen ging, sondern immer zugleich auch um die sozialen oder institutionellen Strukturen, die mit aufs Tapet gehoben wurden. In diesem Punkt zeigt sich das „subversive Potenzial“ (S.-Sturm 2000: 189), das Partizipation immer ein Stück weit inhärent ist und das zur Dekonstruktion und damit auf lange Sicht gesehen vielleicht sogar Transformation der Institution Museum führen kann. Bezogen auf die drei Projekte, insbesondere aber auf Ostend // Ostanfang, könnte man also festhalten, dass die partizipativen Vorstöße die Museen temporär sowohl zu sozialen wie auch zu Grenzräumen verwandelten: Sie schufen einen ‚Zwischenraum‘, der weder eindeutig museal noch völlig ‚systemfremd‘ war, und öffneten diesen ‚Raum‘ für ‚Außenstehende‘, indem sie neue Praktiken etablierten, neue Kommunikationsmuster erprobten und Menschen zusammenbrachten. Dadurch wurden traditionelle Grenzen zwischen Museum und Publikum/Gesellschaft bzw. Community verwischt, verschoben, eingeebnet oder übertreten. Zugleich wurden aber neue Grenzen – bewusst wie unbewusst – gezogen, beispielsweise durch die spezifischen „Spielregeln“ (Sternfeld 2012b: 119), die die Zusammenarbeit jeweils strukturierten. Flache Hierarchien, basisdemokratische Entscheidungen und ein eher kameradschaftliches Auftreten gegenüber TeilnehmerInnen kann bei den so Adressierten – insbesondere wenn sie aus einem Kulturkreis stammen, in dem Museen keine Tradition haben und sie daher gar keine Vorstellungen von Museum haben – u.U. aber auch dazu führen, dass sie geltende Regeln der Museen unterlaufen. Was Irit Rogoff7 und Christian Hirte8 möglicherweise hoch erfreut hätte, wurde für Martin Düspohl in einem länger zurückliegenden Fall richtiggehend zum Problem, als sich TeilnehmerInnen aus Stolz über ihre Beteiligung beinahe pausenlos in der fertigen 7 8

Vgl. Rogoffs Idee von ungeplanter Partizipation, die sich einfach aus den spontanen Handlungen der Anwesenden ergeben solle (vgl. Rogoff 1999: insbes. 109), die ich im Kapitel über die PartizipationskritikerInnen kurz angerissen habe. Vgl. Hirte 2012.

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Ausstellung aufhielten, um etwaige BesucherInnen direkt über ihren Beitrag zu informieren9 (auch hier wäre das Museum wieder Kontaktzone!): Um die lange Verweilzeit im Museum behaglich zu gestalten, wurde Verpflegung mitgebracht und eine Tee-Ecke improvisiert (vgl. Pfirrmann 2012: A 83). „Einmal zum ‚Stadtteiltreffpunkt‘ geworden, war es später gar nicht so einfach, die vielen neuen Freund_innen nach Ende des Projekts ‚wieder loszuwerden‘.“ (Düspohl 2014: 311). In solchen Fällen stellt sich dann die Frage, ob MuseumsmitarbeiterInnen qualifiziert genug sind, um diese Situationen zu begleiten – aber auch ganz grundsätzlich, ob MuseumsmitarbeiterInnen solche Situationen überhaupt begleiten wollen. Düspohl jedenfalls ist der Meinung, dass dies Museen überfordere, weshalb es notwendig sei, schon frühzeitig den Schulterschluss z.B. mit Gemeindezentren oder Sozialer Arbeit zu suchen, die stellvertretend für das jeweilige Museum die Aufgabe übernehmen, Teilnehmende während oder nach Projektende zu begleiten (vgl. Düspohl 2004: 75 u. ders.; Piontek 2011 f: 4).10 So sah dies auch Thomas Weidner vom Stadtmuseum München, der im Rahmen seines Projekts Der Krieg ist aus. Erinnern in München 1945-2005 thematisch bedingt mit Menschen umgehen musste, die von eigenen traumatischen Erlebnissen berichteten. Insofern sei der Betreuungsaufwand enorm und ohne die Mithilfe der für das Projekt engagierten externen Kulturmanagerinnen nicht für ihn leistbar gewesen: „Es war maßgeblich die Leistung von Frau Hähnert und Frau Reichenberg, die Leute zu betreuen. Da flossen Tränen und so weiter. [...] Das kann ein Museum aus meiner Sicht so nicht leisten.“ (Weidner; Piontek 2011i: 2 f.). Jedoch auch ohne solche Extremsituationen, so Weidners eigene Bilanz, habe er gemerkt, dass ihm eine derartige Kontaktarbeit auf Dauer eher nicht liege: „Es war ‚betreutes Arbeiten‘, aber [...] da stieß ich an die Grenzen meiner Bereitschaft. [...] Wenn Leute zusammenkommen, bei denen die Chemie irgendwie stimmt, dann kann man die vielbeschworenen synergetischen Effekte nutzen. [...] Ich weiß aber nicht, ob sich das auf Dauer so institutionalisieren ließe. Da wäre ich persönlich jetzt auch nicht die geeignete Person. Ich war erschöpft nach der Ausstellung. Ich würde mir das jetzt nicht unbedingt nochmal 9

Auch Hofgartner berichtete über sein Projekt, den Berg der Erinnerungen (Graz, 2003), von einem solchen Fall: „Wir haben [...] Leute gehabt, die regelmäßig neben ihren Vitrinen gestanden sind, um mehr Auskunft zu geben. Das war teilweise total absurd. Zum Teil hatte es da drinnen [im Grazer Schloßbergstollen, Anm. A.P.] nur 16 Grad und eine hohe Luftfeuchtigkeit. [...] Es hat eben Leute gegeben, die da drinnen ‚endglücklich‘ gewesen sind. [...] Die hätte man fast bezahlen müssen, so oft sind die da drinnen gestanden. Die hatten einfach das Bedürfnis, anderen Leuten ihre Geschichte zu erzählen.“ (Hofgartner; Piontek 2011l: 5). 10 Hofgartner findet eine solche ‚Nachsorge‘ ebenfalls wichtig und notwendig und merkte im Interview weiter an, dass manche Teilnehmende durch solche Beteiligungsprojekte eine enorme (Selbst-)Aufwertung erfahren würden, die so weit gehen könne, dass mit dem Ausstellungsende für manche regelrecht „eine Welt zusammenbricht“ (ders.; Piontek 2011l: 5). Auch wenn das Museum selbst vielleicht nicht diese Arbeit leisten könne oder wolle, so habe es dennoch die Pflicht, dafür zu sorgen, dass diese Menschen aufgefangen würden.

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antun. Ich fand: Ok, haben wir mal ausprobiert, hat funktioniert, war gut. Wenn jemand anderes wieder einmal so etwas machen will: gerne! Ich will das jetzt nicht. Da bin ich aber auch zu wenig Museumspädagoge – ich bin überhaupt kein Museumspädagoge. Aber es war für mich eine bleibende positive Erfahrung, dass so etwas [ein Projekt mit Bevölkerungsbeteiligung, Anm. A.P.] machbar ist.“ (Weidner; Piontek 2011i: 4 u. 6)

Insgesamt zeigen die genannten Beispiele und angerissenen Aspekte zum relational-sozialen Aspekt von Partizipation, dass es einerseits erfreulich ist, wenn Partizipation Museen tatsächlich in solche Orte verwandelt, die gerne besucht werden, wo man sich zu Hause fühlt und bereit ist, mit anderen in den „Kulturkontakt“ (Meyer & Heimerdinger 2012: 114) zu treten. Partizipative Projekte, insbesondere vom Typus der Mitarbeit und Zusammenarbeit, bergen das Potenzial hierzu. Andererseits gilt es für die mit Partizipation betrauten MuseumsmitarbeiterInnen vorab sehr genau zu reflektieren, was es tatsächlich bedeuten kann, vom Kurator bzw. der Kuratorin für eine ‚tote‘ Sammlung von Gegenständen zu einem/r BeziehungskuratorIn zu werden – und bis zu welcher Grenze man sich zuständig oder kompetent genug sieht.11 ‚Echte‘ und ernst gemeinte Partizipation fordert eben nicht nur die (potenziell) Teilnehmenden heraus, sondern auch die Institution in ihrem Selbstverständnis, ihrer Rolle, ihrem Interaktionsverhalten und ihrer (möglichst) nachhaltigen Beziehungspflege. In einem Vortrag verdichtete Angela Jannelli diesen Punkt auf wenige zentrale Fragen, die für partizipationswillige Museen bzw. deren MitarbeiterInnen unmittelbar praxis-virulent sind, die aber auch die weitere Fachdiskussion und Forschung mitbestimmen sollten, denn auch unabhängig von Partizipation wird sich die Institution Museum vermehrt Gedanken über die Beziehungspflege zur und Rückanbindung an die Gesellschaft machen müssen: „I think that we, as curators taking a participatory approach, ought to think carefully about how we manage our ‚collections‘. How does one take care of relationships? How long should we expect them to continue? Should they last only for the duration of that particular project? Or ‚forever‘? And with whom do the participants feel a connection – the museum as an institution, or the curator of the specific projects? These questions still need to be answered, or at least discussed.“ (Jannelli 2013: 72) 11 So kann es durchaus vorkommen, dass ehemalige TeilnehmerInnen regelmäßig den Kontakt zu liebgewonnenen Museumsleuten suchen und dabei manchmal unwillentlich Grenzen überschreiten – manchmal aber auch, weil sie meinen, mit ihrer Projektteilnahme dem Museum ja schließlich auch unter die Arme gegriffen bzw. einen Gefallen getan zu haben. So berichtete Hofgartner beispielsweise von einem ehemaligen Teilnehmer, der ihn gebeten habe, sich später einmal um seine Beerdigung etc. zu kümmern, weil er seiner Verwandtschaft in dieser Hinsicht nicht recht zutraue, alles nach seinem Willen zu regeln (vgl. Hofgartner; Piontek 2011l: 5). Auch Düspohl kennt solche Fälle: „Sie [die TeilnehmerInnen] geben ihre Freizeit, ihr Wissen, ihre Kompetenz, ihre Erinnerungsstücke, ihre Biographie, das bringen sie alles mit ein, allein zum Nutzen des Museums, wie sie meinen, und damit haben sie ja auch nicht Unrecht. Im Gegenzug, das kann Jahre später sein, sind wir dann vielleicht an der Reihe, ihnen zu helfen, wenn sie eine Problem mit dem Arbeitsamt haben, einen Rentenantrag ausfüllen müssen oder bei einer Übersetzung Hilfe brauchen.“ (Düspohl zit. n. Allmanritter 2010a: 45).

VII.8 Folgeerscheinungen – eine neue KuratorInnenrolle?

Wie im letzten Teil des vorherigen Kapitels schon deutlich wurde, bringt Partizipation eine gewisse Unsicherheit für die durchführenden KuratorInnen (vor allem auch bezüglich der eigenen Rolle) mit sich. Auch in der vorhandenen Literatur zum Thema Öffnung und Erneuerung der Institution Museum wird dieser Punkt vielfach thematisiert: So stellt Sharon Macdonald beispielsweise fest, dass es heute weniger die Aufgabe von KuratorInnen sei, „to provide ‚the Truth‘ but […] to contribute to a more discursively produced and possibly contested ‚truth‘.“ (Macdonald 2005: 215). Insofern werde nun auch von MuseumsmitarbeiterInnen erwartet, nicht länger in „paternalistic priestly roles“ aufzutreten, sondern vielmehr eine Rolle anzunehmen, die „entirely mediatory rather than authoritative“ sei (vgl. ebd.), d.h. statt (Wissens-)Autorität in Gänze MediatorIn oder ModeratorIn zu werden. Andrea Witcomb umschreibt diese Rolle im Dienste der Verantwortungsübernahme für die anderen – vor allem für die ‚Machtlosen‘ – wie folgt und sieht dabei den/die KuratorIn als „ErmöglicherIn“ bzw. „WegbereiterIn“: „In giving voice to the powerless, a process of self-discovery and empowerment will take place in which the curator becomes a facilitator rather than a figure of authority.“ (Witcomb 2003: 79 bzw. dies. 2007: 133)

Auch hierzulande wird die Frage nach der KuratorInnen-Rolle in der jüngeren Literatur immer häufiger mit neuen Berufsbezeichnungen beantwortet – sei es der/die „facility manager“, „cultural heritage broker“ oder eben „facilitator“, wobei damit teilweise auch jeweils andere Akzente auf das Aufgaben- und Fertigkeitsspektrum gelegt werden: So lässt sich der/die „facility manager“ als eine Person verstehen, die vor allem organisatorische Hilfestellung leistet, z.B. bei finanziellen Fragen, der Suche nach

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einem passenden Ausstellungsort oder in Sachen Leihverkehr (vgl. Jannelli 2013: 70 f.). Den „cultural heritage broker“ gibt es in Flandern tatsächlich bereits als eigenen Beruf; hier scheint besonders die Vermittlungsleistung im Vordergrund zu stehen: Wie ein/e VermittlerIn (oder MaklerIn) soll der „broker“ den Austausch und die Interaktion zwischen der Öffentlichkeit und der Kultureinrichtung arrangieren, also den Interaktionsprozess als Zwischeninstanz ermöglichen und begleiten (vgl. van Mensch & Mejer-van Mensch 2011: 59 f.). Damit erinnert dieses Berufs- bzw. Begriffsbild auch an die häufige Phrase des „boundary spanner“ (im Gegensatz zum „gatekeeper“), also einer institutions- oder unternehmenszugehörigen Person, welcher eine Brückenfunktion zu einer anderen, außenstehenden Gruppe zukommt (vgl. Sakschewski o.J.: o.S.). Dieses Bild greift beispielsweise auch der Kurator Hans Ulrich Obrist auf, der sich selbst (unter Rückbezug auf Felix Feneon) als „Fußgängerbrücke“ bezeichnet, da KuratorInnen die Aufgabe hätten, die Lücken zwischen KünstlerInnen, der Öffentlichkeit, Institutionen und anderen Gruppen zu schließen (vgl. Obrist 2006: 16). Zuletzt scheint bei der (Berufs-)Bezeichnung des „facilitators“, anders als beim „broker“, weniger das Augenmerk auf dem Prozess als vielmehr auf dem Endprodukt oder Ergebnis zu liegen, indem er/sie versucht, andere darin zu unterstützen, Probleme zu lösen, Entscheidungen zu treffen und die eigene Effektivität zu erhöhen (vgl. Meijer-van Mensch 2012a: 26 u. dies. & van Mensch 2013: 10 f.). Unabhängig davon, ob man in Zukunft nun eine neue Bezeichnung für diejenigen prägen wird oder nicht, die heute noch als „KuratorInnen“ bezeichnet werden, scheint es zumindest sicher, dass das ‚alte‘ Berufsbild nicht mehr passt. Susanne Gesser vom hmf sagte im Interview beispielsweise: „Im Grunde genommen ist es ein Paradigmenwechsel für die kuratorische Tätigkeit und für das Museum, wenn man das Museum partizipativ betreiben will, und nicht nur eine einzige Ausstellung.“ (Gesser; Piontek 2011h: 7). Auch Nina Simon hebt auf die veränderten Fähigkeiten und Fertigkeiten ab, die Partizipation verlange, und betont, dass KuratorInnen, die mit der Bevölkerung oder BesucherInnen zusammenarbeiten möchten, ein „fundamentally different skill set“ (Simon 2010a: 332) – also ein grundsätzlich anderes Handwerkszeug oder Fähigkeitenspektrum – benötigten. Ebenso stellt Richard Sandell fest, dass Arbeitsweisen zu entwickeln seien, die „mehr auf den Besucher eingehen, flexibler und offener sind“ (Sandell 2004: 99); und Tony Bennett konstatiert, dass es zwingend notwendig sei, „[…] that the role of the curator be shifted away from that of the source of an expertise whose function is to organize a representation claiming the status of knowledge and towards that of

422 | M USEUM UND P ARTIZIPATION the possessor of a technical competence whose function is to assist groups outside the museum to use its resources to make authored statements within it.“ (Bennett 2009b: 103 f.)

Vor dem Hintergrund solcher Äußerungen wird die Frage, welche Unterschiede zur bisherigen Praxis bezüglich Aufgaben und Rollen von KuratorInnen die Ergebnisse der Fallstudien nahelegen, umso virulenter. Lassen sich in der Zusammenschau klar übergreifende Muster erkennen – oder hängt die KuratorInnen-Rolle vor allem mit dem jeweiligen Projektdesign und weniger mit dem Umstand der Partizipation an sich zusammen? Aber auch: Schaffen sich KuratorInnen selbst ab, indem sie ‚Laien‘ ähnliche Entscheidungsbefugnisse geben (und beuten Museen nicht im Gegenzug andere aus, wenn sie unbezahlt Arbeit leisten)? Ist Partizipation am Ende – wie manchmal pessimistisch vermutet – doch nur ein wirtschaftsökonomischer Trick, um bezahlte Stellen im Kulturbereich einzusparen und stattdessen auf ein Heer freiwilliger MitarbeiterInnen zu setzen? Um Nina Simons oben zitierte Feststellung, wonach KuratorInnen ein anderes „skill set“ bräuchten, zu konkretisieren, habe ich selbstreflexive Äußerungen der Fallstudien-KuratorInnen nach Aussagen zu benötigten a) Charaktereigenschaften, b) Basisfähigkeiten und c) Fertigkeiten aufgeschlüsselt: So nannten die KuratorInnen in Frankfurt, Berlin und Bremen als grundsätzliche Charaktereigenschaften eines/einer ‚partizipativen KuratorIn‘: das Vermögen, generell auf Menschen zugehen zu können und diese ggf. zu animieren, ermutigen und mitzureißen; Offenheit und Unvoreingenommenheit; gute Nerven, Gelassenheit, Geduld, Frustrationstoleranz sowie Wagemut,1 gleichzeitig aber auch keine allzu große, prinzipielle Scheu vor Konflikten2 (vgl. Jannelli; Piontek 2011b: 8, 1

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So resümierte Ludovico etwa über die KuratorInnenrolle: „Man gewinnt dadurch [durch die Beteiligung Außenstehender, Anm. A.P.] viel, aber man muss sich auch ein dickes Fell zulegen. Aber ich merkte trotzdem natürlich, dass es ein Unterschied zur sonstigen Arbeit ist, da es natürlich viel mehr auf diese Kommunikationsebene geht. Dass es sehr wichtig ist, auf die Leute zuzugehen, die Leute zu gewinnen – auch von meiner Seite aus Hemmungen abzubauen.“ (Ludovico; Piontek 2011c: 5). Weber erzählte, dass es Beiträge gab, von denen sie nicht einschätzen konnte, wie sie umsetzbar bzw. dem späteren Publikum vermittelbar sein könnten: „Und da dann ruhig zu bleiben und darauf zu vertrauen [...], dass das Thema auch vermittelbar ist. Das muss man dann schon können.“ (Weber; Piontek 2011e: 4). Den gleichen Punkt brachte auch Erika Thümmel vom Projekt Berg der Erinnerungen zur Sprache – allerdings in Bezug auf das Risiko, dass ein Projekt mangels Beteiligung scheitert: „Ich habe auch gedacht [...]: ‚Wir haben da ein Partizipationsprojekt und dann macht niemand mit!‘ Also das war mir am Anfang wirklich unangenehm. Als wir dann darauf gekommen sind, dass das Ganze gut ankommt, wird man ‚relaxter‘ dabei. Aber Angst habe ich schon gehabt.“ (Thümmel; Piontek 2011m: 5). Düspohl konstatierte etwa: „Einerseits ist die Mitarbeit von Laien, die sich engagieren und auch sehr viel investieren an Zeit und Ideen, insofern immer konfliktträchtig, als natürlich die Menschen immer wollen, dass das, was sie erarbeitet haben, auch präsentiert wird.“ (ders.; Piontek 2011f: 3 u. 6). Insofern, so Düspohl weiter, müsse man als KuratorIn in manchen Punkten – etwa, wenn es um die spätere Besucherfreundlichkeit einer

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Miera u. Bluche; Piontek 2012d: 10 f., Düspohl; Piontek 2011f: 3, Gesser; Piontek 2011h: 5, 8 u. 10, Schwirkmann; Piontek 2011g: 5). Zu den Basisfähigkeiten zählten sie einerseits „höchste Flexibilität“ (Gesser; Piontek 2011h: 10), die Fähigkeit zur Improvisation sowie Reaktionsschnelligkeit (vgl. ebd. 10 u. Wiegartz; Piontek 2012e: 2). Zum anderen nannten sie Menschenkenntnis, Einfühlungsvermögen sowie ein Gespür für die Bedürfnisse und Anliegen anderer.3 Ein weiteres Fähigkeiten-Set, das immer wieder genannt wurde, kreiste darum, „sich einfach mal zurücknehmen [zu] können, zuhören [zu können]“ (Miera; Piontek 2012d: 10) bzw. sich selbst nicht in narzisstischer Weise profilieren zu müssen (vgl. Düspohl 2007: 38); Gesser sprach etwa von „eine[r] gewisse[n] ‚Uneitelkeit‘“, die bei Partizipation gefragt sei, da ja auch eigene Ideen offen zur Diskussion gestellt würden (vgl. Gesser 2014: 55).4 An relevanten Fertigkeiten wurden kommunikative Kompetenzen, Selbstreflexivität und Selbstkritik genannt5 – aber natürlich nach wie auch vor Fachwissen; letzteres vor allem im Hinblick darauf, dass insbesondere das Wissen um die professionelle Planung, Umsetzung und Gestaltung von Ausstellungen und Vermittlungsmedien die spezifische Kompetenz sei, die das Museum den Teilnehmenden i.d.R. voraus habe und daher einbringen müsse – ebenso wie die Teilnehmenden ihre spezifischen ‚Alltagskompetenzen‘, ihr ‚Stadtexpertentum‘ oder ihre eigene Biografie als spezifischen Wissenshorizont einbrächten, der dem Museum ansonsten nicht zugänglich sei (vgl. Jannelli; Piontek 2011b: 5 u. Ludovico; Piontek 2011c:

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partizipativ generierten Ausstellung gehe, „[…] die eigenen professionellen Ansprüche mitunter sehr massiv […] vertreten.“ (Ebd. 6). Er selbst, so Düspohl weiter, habe jedoch eher eine Scheu vor möglichen Konflikten und sei daher immer froh, wenn etwa GestalterInnen oder andere berufsmäßige MuseumsakteurInnen diese Konflikte an seiner Stelle austragen würden (vgl. ebd. 3). Diesen Aspekt betonten insbesondere Ludovico (vgl. Piontek 2011c: 5), Bluche (vgl. Piontek 2012d: 8) und Weber. Letztere berichtete etwa, dass es einige Teilnehmende gegeben habe, die anfangs sehr unsicher und wenig selbstbewusst waren, sodass sie dementsprechend auch Schwierigkeiten hatten, ‚ihr‘ Thema zu finden; Webers Leistung war es dann, „[...] diese Person zu verstehen und zu wissen, was sie trägt und was sie eigentlich ausstellen kann, was sie nur noch nicht weiß. Also man muss wissen, wen man vor sich hat. Menschenkenntnis und das Wissen, wo Kompetenzen bei dieser Person liegen [...], was sie für ein Know-How wohl in sich trägt.“ (Weber; Piontek 2011e: 11). Auch meine anderen InterviewpartnerInnen erachteten diesen Punkt als relevant: So betonte Froihofer, wie wichtig es sei, sich selbst zurücknehmen zu können, um den Teilnehmenden genügend Entfaltungsraum zu lassen (vgl. dies.; Piontek 2011j: 4). Murlasitz wies auf die Fähigkeit hin, „[...] aus[zu]halten, dass auch Dinge rauskommen, die [...] man selbst so nicht gemacht hätte und selbst auch nicht so gut findet.“ (dies.; Piontek 2011k: 3). Vgl. Ludovico (Piontek 2011c: 5), Bluche (Piontek 2012 d: 8), Gesser (Piontek 2011h: 2), Schwirkmann (2011g: 5), Düspohl (2004: 74 f.) und Jannelli, die beispielsweise feststellte, dass es bei Partizipation „[…] eigentlich um Kommunikation und um Vermittlung [geht], darum über Hierarchien nachzudenken, die anderen ernst zu nehmen, die Erfahrungsdimension einzubeziehen.“ (Jannelli; Piontek 2011b: 6).

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6).6 Ein weiterer Aspekt war nicht nur das Vermögen, eine vertrauensvolle Atmosphäre für andere zu schaffen, sondern selbst Hemmungen7 abzulegen oder, dass man auch mal „über seinen Schatten springt“ (Gesser; Piontek 2011h: 11). Im Kontext des Berliner Projekts wurden zudem „sozialpädagogische Fähigkeiten“8 als wichtig erachtet wie auch nach Möglichkeit vorhandene Sprachkompetenzen9 (etwa in Türkisch oder Arabisch) als hilfreich empfunden (vgl. Miera; Piontek 2012d: 8 f.). Von Seiten der Frankfurter Kuratorinnen wurde im Speziellen so etwas wie „Gruppenkompetenz“ (Jannelli; Piontek 2011b: 4) und Erfahrungen mit Moderationstechniken für zahlenmäßig große Gesprächsrunden genannt (vgl. ebd.). Martin Düspohl offenbart, dass gerade auch eine solide pädagogische oder psychologische Vorbildung von Vorteil sein könne: „Wir bringen unsere Professionalität ein, aber nicht unbedingt gleich unsere Vorkenntnisse. [...] Meine pädagogische Ausbildung im Fach Erwachsenenbildung ist eine gute Grundlage für meine Arbeit.“ (Düspohl zit. n. Allmanritter & Siebenhaar 2010a: 43 f.). Für jedes Projekt als immer wieder von Neuem notwendig erachtet wurden: dass man prinzipiell Lust auf das Projekt haben und persönlich dahinterstehen müsse; ein echtes Interesse am Austauschprozess sowie an den Teilnehmenden und dem, was sie einbringen werden; sich ernsthaft auf den unbekannten Prozess und

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Auch Gottfried Fliedl stellte die Wichtigkeit des kuratorischen Fachwissens heraus, denn Partizipation nütze den Beteiligten nichts, wenn sie diesbezüglich sich selbst überlassen würden: „Es braucht irgendein Wissen um den Eigensinn dieses merkwürdigen Mediums Museum.“ (Fliedl; Piontek 2011n: 2). So resümierte Ludovico etwa, dass es „[...] sehr wichtig ist, auf die Leute zuzugehen, die Leute zu gewinnen – auch von meiner Seite aus Hemmungen abzubauen. Hier runter zu gehen zu dem Verein, mit dem ich nichts zu tun habe [gemeint ist ein Verein für immigrierte Frauen im Stockwerk unter dem Museum, Anm. A.P.] und nett zu sein und zu fragen, und für die bin ich dann irgendwie ‚der aus dem Museum‘. Das ist irgendwie komisch – ‚Was kommt der jetzt, was will der jetzt?‘ Wird man dann angenommen, wird man nicht angenommen? Man hat selber ja auch diese Befürchtungen, zurückgewiesen zu werden. Die hat man also auch als Kurator. Es ist ja nicht so, als ob man selbst frei davon wäre. Man geht ja auch in den Dialog. Man ist, wenn man im Museum arbeitet, ja sowieso Kommunikation gewohnt, denn der Museumsberuf ist ein sehr kommunikativer Beruf rundweg. Also kommt man an dieser Stelle auch nicht so sehr in diese Bedrängnis, in die dann Leute auch noch kommen, bei denen diese Sprachbarriere dann noch besteht. Aber man muss ja genauso gucken. Man kann ja genauso zurückgewiesen werden von der anderen Seite. Das trifft einen jetzt wahrscheinlich nicht so sehr wie im umgekehrten Fall, aber das ist trotzdem etwas, mit dem man umgehen muss. Das verlangt schon auch viel Einfühlungsvermögen von einem, dass man diese Situation hinbekommt. Man wirbt ja.“ (Ludovico; Piontek 2011c: 5). In eine ähnliche Richtung zielt vielleicht auch die Aussage Froihofers, die den Begriff des/der TherapeutIn ins Spiel bringt: „[E]s ist keine leichte Arbeit, aber es ist eine wunderschöne Arbeit. [...] [E]s muss einem klar sein, dass man manchmal auf gewisse Art und Weise so eine Art Therapeut ist.“ (Froihofer; Piontek 2011j: 6). Dies bestätigt auch das Team des Planungsstabs für das zukünftige Stadtmuseum Stuttgart, das ebenfalls gezielt Menschen mit Migrationshintergrund einbezieht, weil diese einen signifikanten Teil der Stuttgarter Bevölkerung ausmachen (vgl. Dauschek 2012: 54).

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die anderen einlassen wollen und diese ernst nehmen;10 Vertrauen in die Kompetenzen und das Wissen der TeilnehmerInnen (vgl. Weber; Piontek 2011e: 11); Bereitschaft zur Arbeit „auf Augenhöhe“ (Jannelli; Piontek 2011b: 5); Diskussionsbereitschaft, Bereitschaft zur Transparenz (Gesser; Piontek 2011h: 8) und „bedingungslose[n] Ehrlichkeit“ (Jannelli; Piontek 2011b: 8). In meinen Augen sind damit die wesentlichen Bedingungen dafür formuliert, dass ‚echte‘ Partizipation ‚gelingen‘ kann. Die Arbeitsbelastung, die benötigte Zeit und das Aufgabenspektrum der KuratorInnen oder VermittlerInnen sind bei partizipativen Projekten enorm. Generell nehmen die Museumsleute dabei die mehr oder weniger offensichtliche Rolle eines/r Steuermanns/-frau oder eines Lotsen ein: Sie helfen den TeilnehmerInnen, zu dem für sie bestmöglichen Ergebnis zu kommen, moderieren, beraten, ermutigen und motivieren diese; gleichzeitig müssen sie – dies verlangt ihre Museumsanstellung von ihnen (vgl. ICOM 2010: 25) – die musealen Belange wie etwa das finanzielle Budget, zeitliche Vorgaben, räumliche oder ausstattungsbezogene sowie ggf. konservatorische Bedingungen im Blick haben und jegliche solcher Klippen sicher umschiffen – jedoch so, dass sich möglichst alle Teilnehmenden mitgenommen und nicht bevormundet oder übergangen fühlen. Je größer die Partizipationsintensität und je mehr Beteiligte oder Stakeholder vorhanden sind, desto mehr diplomatisches Geschick ist nötig, um verschiedenen, durchaus divergierenden Interessen und Bedürfnissen gerecht zu werden bzw. für diese Raum zu schaffen. Meinen es Museen ernst mit der Partizipation, kommt ihnen bei alledem die Rolle von ‚ErmöglicherInnen‘ zu, was meist schon dabei beginnt, ein gemeinschaftsstiftendes Projektthema zu suchen und sehr sorgfältig darüber nachzudenken, ob und wie der dabei den potenziell Teilnehmenden zugedachte Part überhaupt an diese vermittelt werden und in der Umsetzung gelingen kann. Danach ist es an den MuseumsmitarbeiterInnen, die für das Projekt nötige Infrastruktur zu schaffen sowie benötigtes Wissen, Methoden, Material etc. an die TeilnehmerInnen weiterzugeben. Jannelli umschrieb diese ‚ErmöglicherInnen‘-Rolle des hmf mit den Worten: „Unsere Aufgabe ist es, für die ‚Hardund Software‘ zu sorgen, und die anderen liefern den ‚Content‘.“ (Jannelli; Piontek 2011b: 4). Zwischen Ermöglichen und Begrenzen differenziert abzuwägen, beschreibt einen immer wieder aufs Neue zu beschreitenden Prozess, der einen we10 Dies betonte vor allem das Frankfurter Team, das ja das Projekt mit der zeitlich intensivsten Zusammenarbeit betreute. So äußerte Gesser beispielsweise: „Ich finde, dass ganz wichtig ist, dass man selbst wirklich Lust darauf hat [...] und deswegen auch mit Überzeugung dahinterstehen kann; dass man Lust darauf hat, mit vielen Fremden – museumsfremden Leuten unter Umständen – zu arbeiten. Dass man sich darauf einlassen können muss und dass man es ernst nehmen muss.“ (Gesser; Piontek 2011h: 10). Und Jannelli resümierte: „Ehrliches Interesse, ehrliche Zusammenarbeit, das ist, glaube ich, das Wesentlichste. […] Ich glaube, dass Projekte vor allem dann scheitern, wenn die, die mitmachen, sich nicht ernst genommen fühlen – warum sollte ich dann meine Sachen geben oder mich engagieren?“ (Jannelli; Piontek 2001b: 8).

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sentlichen und wichtigen Teil der KuratorInnen-Arbeit ausmacht, wie mir meine GesprächspartnerInnen verdeutlichten: „Ich würde sagen, dass sich die Funktion des Kurators nicht ausschalten lässt, sondern dass es die letzte Instanz sein muss. Denn sonst versinkt alles im Chaos. Ich bin auch nicht der Meinung, dass sich der Kurator auf die reine Moderatorenfunktion zurückziehen kann. [...] Das [Anliegen des Museums, Anm. A.P.] muss immer sehr offen sein, aber es muss umgekehrt auch sehr klar sein, dass der Kurator die Verantwortung trägt für das Museum bzw. für die Ausstellung, und so gesehen nicht übergangen und ausgeschaltet werden kann [...].“ (Ludovico; Piontek 2011c: 6 f.)

Wie bereits an anderer Stelle deutlich geworden ist, zeigt das Zitat abermals, dass die Angst vor der eigenen Abschaffung der KuratorInnen unbegründet ist – nicht nur, weil sie die Verantwortung tragen und, ganz praktisch gesehen, museumsbzw. ausstellungsspezifisches Fachwissen besitzen, das Teilnehmende i.d.R. nicht mitbringen, sondern auch, weil der Reiz von Partizipation aus Sicht der Teilnehmenden zu einem Gutteil gerade darin bestehen dürfte, neben und mit anerkannten Fachleuten arbeiten zu dürfen. Wie flexibel das Stadtlabor-Museumsteam je nach Projektphase oder Situation zu reagieren hat(te) und in welch unterschiedlichen Rollen sie Verantwortung übernahmen, veranschaulicht ein Potpourri an Selbstbezeichnungen wie etwa „Beziehungskurator“, „facility manager“, „Beraterinnen“, „Moderatorinnen“, „Kuratorinnen“, „Museumspädagogin“, „Projektkoordinatorin“, „Festivalbüro“, „Event-Organisator“, „Herausgeber“ und „Redakteur“.11 Offensichtlich changierte hier also die Rolle zwischen mal selbst-zurückgenommenen, moderierenden Positionen und mal tonangebenden, mehr bestimmenden. Unter Rückbezug auf die am Kapitelanfang vorgestellten alternativen Berufsbilder könnte man den Frankfurter Museumsleuten also eine fluide Identität bzw. Rolle bescheinigen, die sowohl Aspekte eines facility managers als auch eines heritage brokers und vor allem auch eines facilitators in sich vereinte. Den Teams in Berlin und Bremen kam dagegen eher die Rolle der „Regie im Hintergrund“12 zu, die die Kontaktsituationen im Vorfeld sorgfältig plante und vorbereitete. Im direkten Kontakt mit Teilnehmenden fungierte das Berliner Team als AnleiterInnen, ProzessbegleiterInnen und ModeratorInnen, das Bremer Team in erster Linie als GastgeberInnen sowie bei Interesse als Auskunftspersonen über Künstler, Museum und Projektidee – insofern könnte man sagen, dass in Berlin die freien KuratorInnen vor allem die Mittlerposition zwischen Museen und Teilnehmenden als heritage broker inne hatten; in Bremen hatte das museumseigene Kura11 Die zitierten Phrasen stammen aus den von mir geführten Interviews (Piontek 2011b: 3 u. 5, dies. 2011e: 2, 5 u. 8 f. u. dies. 2011h: 2) sowie folgenden Texten: Weber 2012: 248 u. Jannelli 2013: 71. 12 Angelehnt an eine Äußerung von Wiegartz („unserer Regie im Hintergrund“; Piontek 2012e: 4).

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torInnen-Team eher die Rolle eines facility managers, der vor allem gute Rahmenund Ausgangsbedingungen schuf, innerhalb derer ein weitgehend freies Entscheiden und Artikulieren der TeilnehmerInnen möglich wurde. Darüber hinaus verlangte das Projektdesign den MitarbeiterInnen des Gerhard-Marcks-Hauses auch eine gewisse Performance ab, wenn sie wöchentlich vor den Augen des Publikums die Ausstellung neu arrangierten. In diesem Punkt darf die Arbeitsbelastung, die selbst ein so verhältnismäßig ‚kleines‘ Partizipationsangebot abverlangt, nicht unterschätzt werden. Dies zeigt, dass das Aufgabenspektrum für ‚partizipative KuratorInnen‘ je nach Projektdesign durchaus variieren kann bzw. die Schwerpunkte unterschiedlich gelagert sein können – und somit auch das jeweils benötigte Set an spezifischen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Zugleich ist anhand der Fallstudien aber auch deutlich geworden, dass bei Partizipation – neben der inhaltlichen und ausstellungsdidaktischen Arbeit an einem gemeinsamen Thema oder Projekt (hier wären vor allem die ‚traditionellen‘ Fähigkeiten von KuratorInnen verlangt) – immer ein mindestens ebenso großer Teil an Aufgaben hinzukommt, die den zwischenmenschlichen Bereich betreffen: also z.B. die Kontaktaufnahme, das Ermutigen und Animieren zu Beginn, dann der Aufbau und die Pflege einer vertrauensvollen Beziehung, manchmal die Aufgabe, heikle Situationen zu moderieren bzw. zu begleiten, und schließlich eine Endphase einzuleiten und einen ‚guten‘ Projektabschluss für alle zu gestalten. Hier zeigt sich, dass partizipatives Arbeiten durchaus ein Set ‚neuartiger‘ Kompetenzen, Fähigkeiten und Fertigkeiten für KuratorInnen braucht, die unabhängig vom jeweiligen Projekt immer dann von Belang sind, wenn andere, ‚fachfremde‘ Menschen ins Spiel kommen. Die Basis dafür schafft meiner Meinung nach ein ausreichendes Maß an Selbstreflektiertheit: Nur wer weiß, wie viel Nähe er/sie selbst zulassen möchte, wer seine eigenen Fähigkeiten – aber genauso seine Grenzen – kennt, kann anderen gegenüber offen und authentisch auftreten.

VII.9 Folgeerscheinungen – Niveaulosigkeit und Qualitätsverlust?

KritikerInnen äußern vielfach, dass durch Partizipation unweigerlich eine Deprofessionalisierung des Museums in Form einer inhaltlichen Verflachung (oder gar Verfälschung) sowie einer dilettantischen, ‚selbstgebastelten‘ Gestaltung einhergehe, da ‚Laien‘ ja nur ‚Laienhaftes‘ zustande bringen könnten. Was ist dran an diesen Einwänden? Aus eigener Erfahrung weiß ich noch gut, dass wir als Meine Sache-KuratorInnen-Team große Angst hatten, in Folge unserer breiten Aufrufe als öffentliche ‚Müllkippe‘ missbraucht zu werden, die ganz Bremen nutzt, um alten Plunder loszuwerden. Die Erfahrung (nicht nur in diesem Fall, sondern generell) hat jedoch gezeigt, dass aufgrund des hohen Respekts vor der Institution Museum und den eigenen Berührungsängsten meist eher zu wenig Personen von vornherein bei einem Partizipationsprojekt mitmachen wollen als zu viele (insofern minimiert sich auch die Wahrscheinlichkeit, dass absichtlich provokative oder ‚unbrauchbare‘ Beiträge eingehen). Dies bestätigten im Kontext der drei Fallstudienprojekte auch die beiden Kuratorinnen Miera und Bluche aus ihrer Erfahrung mit NeuZugänge sowie Ortsgespräche, einem ebenfalls partizipativen Ausstellungsprojekt für das Kreuzbergmuseum: „Die Leute warten ja nicht darauf, dass sie mal partizipieren dürfen. Die haben andere Sorgen, als irgendwie in einem Museum ‚rumzuturnen‘ und an Ausstellungen mitzuwirken. [...] [E]s ist ja nicht so, dass jeder das als innigsten Traum hat.“ (Bluche; Piontek 2012d: 10)

Für manch Interessierte/n hat Partizipieren viel eher den Charakter einer Prüfungssituation, in der man sich nicht blamieren möchte. Dieser Effekt der Selbstzensur und „Kontrollierung der Erinnerung“ (Schmidt-Linsenhoff 1981: 299), von dem das hmf schon Anfang der 1980er Jahre in einem sehr frühen partizipativen Projekt ein-

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drücklich berichtete,1 greift selbst heute im Zeitalter des öffentlich gelebten Lebens im Social Web noch immer häufig. Insbesondere Ludovico und Schwirkmann vom Berliner Projekt berichteten, dass LeihgeberInnen glaubten, einer bestimmten Erwartungshaltung oder eines unausgesprochenen ‚Museumsstandards‘ Genüge leisten zu müssen, sodass Schwirkmann konstatiert, dass „Leihgeber [...] schon ausgiebig darüber nach[denken], was jetzt geeignet wäre.“ (Schwirkmann; Piontek 2011g: 2). Dieser Effekt der Selbstkontrolle dürfte umso größer sein, je umfänglicher und zugleich weniger spontan ein Partizipationsangebot angelegt ist bzw. je mehr man als Person öffentlich in Erscheinung tritt; es macht psychologisch also durchaus einen Unterschied, ob ich im Internet auf User-Ebene einen Kommentar unter Pseudonym bzw. Nickname verfasse oder ob ich längerfristig in ein Projekt eingebunden bin, bei dem ich mit dem Museumsteam persönlich Bekanntschaft mache und abschließend namentlich oder vielleicht sogar bildlich als TeilnehmerIn bzw. real als FührerIn in der realisierten Ausstellung in Erscheinung trete. Insofern ist das Vorurteil, ‚Laien‘ würden leichtfertig ‚irgendetwas‘ beitragen, ohne sich wirklich Gedanken gemacht zu haben, ob dies passend oder relevant ist, nach derzeitigem Kenntnisstand nicht pauschal haltbar – zumal durch das jeweilige Partizipationssetting bzw. die Art, wie über Sinn und Zweck des Partizipationsvorhabens von Seiten des Museums informiert wird, eine gewisse Möglichkeit der Steuerung gegeben ist.2 Indirekt mit der beobachteten Selbstkontrolle oder sogar -zensur der Teilnehmenden verbunden ist noch ein weiteres Argument, mit dem manche KritikerInnen gegen Partizipation zu Felde ziehen: Gerade weil es keine völlig unverstellt-authentische Teilnahme gibt (so gerne man dies auch hätte), zeichneten partizipativ generierte Inhalte ein völlig verzerrtes Bild: Entweder, weil man gemäß sozialer Erwünschtheit agiere oder weil man sich – verständlicherweise – nur im allerbesten Lichte öffentlich zeigen wolle, fielen die Ergebnisse ausschließlich positiv-verklärt als „Erinnerungsvergoldungen“ (Walz 2014: 45) und „notorisch faktenferne Erinnerungen“ (ebd.) aus, die letztlich eindimensionale, kaum überraschende, unkritische und oberflächliche Narrationen bewirkten (vgl. Reijnders et al. 2014: 56). Diese Angst erinnert stark an die Gegenbewegung in den 1990er Jahren gegen die seit den 1

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Im Projektbericht ist ein eigener Abschnitt dieser Beobachtung gewidmet, der wie folgt eingeleitet wird: „Die Frauen wollten wissen, inwiefern diese oder jene Episode, dieses oder jenes in ihren Augen für Außenstehende uninteressante Foto in dem öffentlichen Rahmen der Ausstellung von Bedeutung sein sollte. Das zunehmende Bewusstsein von der geplanten Veröffentlichung ihrer Erinnerungen im Museum verengte gleichzeitig die Grenzen der Selbstzensur.“ (Schmidt-Linsenhoff 1981: 298 f.). Wer also ‚Nonsens‘ erhält, sollte ggf. kritisch hinterfragen, ob die eigene Herangehensweise und Vermittlung des Partizipationsangebots an Teilnehmende dies vielleicht begünstigt haben könnte bzw. ob man die Teilnehmenden eventuell in bestimmten Punkten zu sehr sich selbst überlassen hat – letzteres sieht etwa Gottfried Fliedl als nicht seltenes Problem bei Partizipationsprojekten, das insgesamt auf dem Trugschluss beruhe, umfassende Mitgestaltungsspielräume seien nur dann möglich, wenn man sich auf Museumsseite gar nicht einmische (vgl. Fliedl; Piontek 2011n: 2).

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Reformen der 1970er Jahre erwachte Lust an der Musealisierung von Alltags- und Populärkultur, von der man auch befürchtete, sie würde die Institution Museum auf lange Sicht gesehen zum „Stützpunkt“ einer rückwärtsgewandten, geschichtsvergessenen „Verklärungsmaschinerie“ (Korff 2007a: 133) degradieren und sie somit ihrer „aufklärerischen Funktion, die die Museen seit ihrer Öffnung in der Französischen Revolution auf immer neue, zeitgemäße Art hatten“ (Borger-Keweloh 1990: 140), berauben. Heute jedoch erscheint es naheliegend, dass es für Museen zeitgemäßer wäre, sich eben nicht ausschließlich auf einen klassischen Bildungskanon und eine reine Bildungsfunktion im Stile einer (autoritären) Belehrung zurückzuziehen,3 sondern anzuerkennen, dass dem Museum im 21. Jahrhundert weitere, neue Funktionen zukommen bzw. zukommen werden; Funktionen, die den Bedürfnissen und Tatsachen der pluralen Gesellschaft von heute gerechter werden und die die allgemeine Aufwertung von AmateurInnen (Stichwort Pro-Am Revolution4), von alternativen Wissens- bzw. Erkenntnisformen und von subjektiver Bedeutungskonstruktion sowie das generell gestiegene Bedürfnis nach Mitbestimmung und Mitsprache widerspiegeln. Es mag schon stimmen, dass das Museum dann weniger repräsentativ und objektiv-neutral daherkommt. Jedoch ist dem zu entgegnen, dass partizipativ generierte Ausstellungen oder partizipativ ausgerichtete Besucherbereiche i.d.R. gar nicht den Anschein erwecken wollen, repräsentativ und objektiv zu sein – sie stellen im Gegenteil ihre Fragmentarik und Kaleidoskophaftigkeit bewusst aus und legen damit offen, dass vieles eine Frage des Blickwinkels ist – auch und gerade im Museum (diese Multiperspektivität zog sich wie ein roter Faden durch alle drei Ausstellungsprojekte hindurch). Durch die offensichtlichen Lücken und Brüche kann ein kritisches Bewusstsein dafür entstehen, dass so vieles nicht gezeigt wird, dass jede Zeige-Geste zwar Dinge und Inhalte hervorhebt, genauso aber alles nicht explizit Gezeigte gewissermaßen zum Verschwinden bringt. Die vielfach bemängelte Objektivität und Repräsentativität muss daher auch zu kritischen Gegenfragen führen, wie es nämlich um die Repräsentativität und Objektivität klassisch kuratierter Ausstellungen bestellt ist: „Wie repräsentativ ist eine Museumssammlung, die von Museumsfachleuten für die Gemeinschaft zusammengestellt wird, die sie darstellen soll?“ (Meijer-van Mensch 2009: 25). Und auch die inzwischen 15 Jahre alten Zeilen Rosemarie Beier-de Haans haben nichts von ihrer Brisanz verloren:

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Vgl. dazu auch die Haltung Sabine Offes, die die Auffassung, Museen seien in erster Linie Institutionen der Herstellung und Vermittlung von Wissen, als „Selbstmissverständnis von Museen“ bezeichnet und deutlich macht, dass die Geschichte des Museums seit jeher von Wunschdenken und diversen, wenig rationalen Motiven durchzogen und geleitet sei (Offe 2006: o.S.). Vgl. van Mensch & Mejer-van Mensch 2011: 52.

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„Who owns the past? Das heißt: Woher nehme ich die Legitimation, für andere zu sprechen? Wen beziehe ich ein, wen schließe ich aus? Wessen Erinnerungen sind privilegiert, wessen Erinnerungen fallen weg? Wie kann ich generalisieren, ohne zu ignorieren? Ist meine Legitimation allein gegründet auf die Legitimation der Institution und der Wissenschaft? Worauf noch, wenn nicht allein darauf?“ (Beier-de Haan 2001: 44)

Diese Fragen stellen sich angesichts der potenzierten Daten- und Ereignismassen, der Beschleunigung unserer Gegenwart mit ihrer enormen Alterungsgeschwindigkeit – ein Phänomen, das heute unter dem Schlagwort der „Gegenwartsschrumpfung“5 firmiert – mehr denn je. Auch der geäußerte Vorwurf, Partizipierende würden keine (selbst-)kritischen Beiträge beisteuern bzw. ausschließlich die ‚Sonnenseite‘ des Lebens zeigen wollen, erscheint mir nicht völlig stichhaltig. So thematisierten einige Leihgebende bei NeuZugänge beispielsweise durchaus die Schwierigkeiten und Probleme des ‚AusländerIn-Seins‘ in Deutschland, wählten Teilnehmende bei gerhardWER? Werke mit ‚düsterer‘ Thematik wie etwa Totentanz, Tantalos, Abschied oder Trauer etc. und setzten sich ‚OstenderInnen‘ durchaus kritisch mit ihrem Stadtteil und gesellschaftlichen Entwicklungen auseinander.6 Eine Studie des Open Museum in Glasgow kommt ebenfalls zum Ergebnis, dass man unabhängig von den sozialen, kulturellen oder bildungsmäßigen Hintergründen der Teilnehmenden durchaus erfolgreich und qualitätvoll ‚schwierige‘ und herausfordernde Themen bearbeiten könne (vgl. RCMG – Research Centre for Museums and Galleries 2002: 43). – Hier darf aber natürlich nicht außer Acht gelassen werden, dass das Open Museum (als Outreach-Service der Museen von Glasgow) ausschließlich partizipativ arbeitet und daher jene Erfahrungen, Ressourcen und Kompetenzen mitbringt, um Partizipationsprozesse bestmöglich zu rahmen, anzuleiten und zu begleiten. Anstatt also darüber zu streiten, ob partizipative Ansätze allzu unkritischen Darstellungen Vorschub leisten oder nicht, sollte sich die zukünftige Diskussion eher darauf konzentrieren, welche Strategien, Hilfestellungen und Herangehensweisen geeignet wären, um Teilnehmende zu differenzierten und durchaus (selbst-)kritischen Auseinandersetzungen zu ermutigen. Auch könnte man ver5

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Diesen Begriff verwendete Hermann Lübbe bereits 1992 in der ersten Auflage seines Buches Im Zug der Zeit. Verkürzter Aufenthalt in der Gegenwart. Später wurde der Begriff von anderen WissenschaftlerInnen, insbesondere von Hartmut Rosa, aufgenommen und entwickelte sich so zu einer festen Bezeichnung. „Gegenwartsschrumpfung“ meint den Umstand, dass wir heute durch die Dynamisierung unserer Zivilisation im Rückblick eine immer kürzer werdende Zeitspanne haben zu jener Vergangenheit, die uns schon als fremd erscheint; im Gegenzug aber auch die Zeitspanne immer kürzer wird, in der wir die Zukunft überblicken und als planbar empfinden (vgl. Lübbe 2003: 402 u. Rosa 2005: z.B. 462 f.). Sogar bei Der Krieg ist aus gab es Angehörige, die schonungslos die dunkle Vergangenheit ihrer Familie während des Nationalsozialismus thematisierten – auch wenn die Teilnehmenden dieses Projekts insgesamt tatsächlich dazu tendierten, sich selbst eher als ‚Opfer‘ denn ‚Täter‘ darzustellen (vgl. Weidner; Piontek 2011i: 5).

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stärkt darüber nachdenken, wie man vielleicht auch auf Ausstellungsebene den BesucherInnen vermitteln könnte, dass partizipativ eingebrachte (Selbst-)Darstellungen – wie museale Setzungen ja im Grunde auch – immer in gewisser Weise einem Selektionsmechanismus unterliegen. Beim Projekt Berg der Erinnerungen befand sich beispielsweise unter all den Schau-Vitrinen auch eine große, dunkel abgeklebte Vitrine mit Einwurf-Schlitz: In diesem „Friedhof der Erinnerungen“ (Thümmel; Piontek 2011m: 8) hatten all jene Geschichten und Gegenstände Platz, von denen sich Teilnehmende wie auch BesucherInnen „befreien“ (ebd.) wollten. Auch ohne das Eingeworfene wirklich sehen zu können, dürfte die dunkle Vitrine doch so etwas wie ein leises Bewusstsein für das ‚Ausgeklammerte‘ und aus der privaten und/oder kollektiven Erinnerung Getilgte geweckt haben. Unabhängig vom Museum, der Teilnehmerschaft, dem Projekt als solchem oder etwaiger ‚Strategien‘ werden die Beiträge der Teilnehmenden jedoch niemals alle einheitlich ausfallen. Darum lässt sich natürlich nicht leugnen, dass bei jedem partizipativen Museumsprojekt sicherlich immer auch Beiträge dabei sind, die man aus rein fachwissenschaftlicher Perspektive als ‚schwache‘ und ‚nichtssagende‘ oder wenig ‚fundierte‘ Beiträge empfinden mag. Abgesehen von der generellen Divergenz subjektiver Einschätzungen scheint hierin ein verzwicktes ‚Partizipationsdilemma‘ auf, das sich nicht ohne weiteres lösen lässt: die bereits mehrfach gestreifte Problematik, dass „Mitbestimmungsfähigkeit“ (Klafki 1996: 226) – also sämtliche mit Partizipation verknüpfte Fähigkeiten wie etwa kritisches Urteils- und Ausdrucksvermögen – nicht bloß Ziel von Partizipation, sondern immer auch schon Bedingung für den erfolgreichen Partizipationsprozess darstellt (vgl. Schnurr 2011: 1073, Fuchs 2008: 69 u. Ahrens & Wimmer 2012: 20). Insofern lassen sich etwaige Unterschiede bei den zustande gebrachten ‚Artikulationen‘ wie auch den zuvor möglicherweise beobachteten Unterschieden in der Herangehensweise oder Selbständigkeit der Teilnehmenden darauf zurückführen, dass manche im ‚Lernprozess‘ schon fortgeschrittener sind und andere erst am Anfang stehen, d.h. die Partizipationsfähigkeit also unterschiedlich entwickelt ist (zumindest, wenn sich Langeweile oder Unlust als Ursache für ‚schlechte‘ Ergebnisse ausschließen lassen). Da Partizipieren-Können einen Lernprozess darstellt, den man als Museum durch Reflexionsangebote qualitativ begleiten und forcieren kann, dürften die Kompetenzen eines/einer PartizipientIn mit jeder Teilnahme an einem Projekt langsam steigen (wie übrigens auch die Lust auf museale Partizipation bei vielen Teilnehmenden durch eine Projektteilnahme ansteigt7).

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Dies legen die angekreuzten Antworten der TeilnehmerInnen-Befragung des Frankfurter wie des Bremer Projekts nahe, vgl. Anhänge Nr. 5 und 9, jeweils Teil H: Frage 17, Unterfrage 12.

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Noch einige Worte zu den Ergebnissen oder ‚Produkten‘ partizipativer Angebote: Inhaltlich unterscheiden sich diese tatsächlich stark von ‚Produkten‘ aus KuratorInnen-Hand. Insbesondere findet eine Verschiebung der inhaltlichen Aspekte statt; anschaulich wird dies vor allem bei Textproduktionen: Kuratorische Texte heben mehr auf fachliche Informationen ab, die in einer sachlich-distanzierten Weise dargeboten werden. Häufig dominiert der Nominalstil, wohingegen Textbeiträge von Teilnehmenden oft umgangssprachlich verfasst sind und emotional aus persönlicher Perspektive einen Sachverhalt beschreiben – was bei LeserInnen durch die persönliche Note oftmals auch direkt Emotionen weckt, diese also in ein direktes Verhältnis zum Objekt bringt, wohingegen man bei reiner Faktenwiedergabe der gleichen Information viel eher passiv-neutral bleiben kann. Als Beispiel dieser persönliche Teilnehmertext zu Gerhard Marcks Bronzeplastik Perlhühner (1955): „Perlhühner haben mir schon immer gefallen. Ihre würdevollen Bewegungen und das elegante Federkleid unterscheiden sich doch wesentlich von den stets hektischen Haushühnern, die man immer nur scheuchen möchte. Und wenn man – dank Google – weiß, dass der wissenschaftliche Name des Perlhuhnes numida melegris ist, dann kann man nur sagen: Gerhard Marcks muss das auch gewusst haben, sonst wären ihm diese Wesen nicht so hervorragend gelungen. Natürlich hielten die Römer [Numidien; vergessenes Wort ergänzt durch A.P.] für die Herkunftsregion der Tiere, und Melegros war ein griechischer Sagenheld: Nach seinem Tod verwandelten die Götter seine um ihn weinenden Schwestern in Perlhühner, die weißen Tupfen auf ihrem Federkleid sind ihre Tränen. Und ein bisschen traurig sehen sie ja auch aus, oder?“ (Text eines Teilnehmers; Piontek 2012b)

Wie wäre wohl die Beschreibung durch eine/n KunsthistorikerIn in einem Katalog oder Audio-Guide zur Bronzeplastik der Perlhühner ausgefallen? Sicherlich auch sehr interessant (und ohne Wortaussetzer), aber bestimmt nicht so humorvoll. Für mich persönlich erwachen die Bronzehühner beim Lesen des Teilnehmertextes regelrecht zum Leben; zwar fehlen mir Informationen zum Stil oder zur Formensprache, dafür eröffnet sich mir aber ein wahrer Kosmos an anderen Aspekten, die ich genauso sehr als Bereicherung meines Wissenshorizontes über Perlhühner empfinde. Ich persönlich schätze auch die direkte Ansprache durch den Fragesatz (die in der Lernpsychologie übrigens als förderlich für die Auseinandersetzung und Informationsverarbeitung gilt), die in Museumstexten i.d.R. aber nur vorkommt, wenn sie an Kinder oder Jugendliche adressiert sind. In der Zusammenschau der drei untersuchten wie auch der übrigen mir bekannten Projekte lässt sich also kein genereller Qualitätsverlust attestieren, der ursächlich durch die Beteiligung von ‚Laien‘ zustande gekommen ist. Vielmehr führte die Auffächerung der Blickwinkel durch die partizipativ eingebrachten Facetten an ‚anderen‘ Informationen oftmals zu einer produktiven Ergänzung und Erweiterung der rein kuratorischen Sicht.

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Veronika Wiegartz äußerte im Interview sehr deutlich, dass sie den Vorwurf des Qualitäts- und somit institutionellen Reputationsverlustes für unbegründet hält, da man ja durch die Offenlegung der Autorschaft eine Kontextualisierungs- und Einordnungshilfe für RezipientInnen an die Hand geben könne (und auch sollte). Dies sei vergleichbar mit museumseigenen Facebook-Accounts, auf denen ja auch nicht nur WissenschaftlerInnen Inhalte posteten, sondern auch diverse andere Personen, deren Kommentare die Museen ja auch nicht ohne Weiteres beeinflussen könnten (vgl. dies.; Piontek 2012e: 8). Diese Analogie erachte ich für hilfreich und ermutigend, da mir keine Fälle bekannt sind, in denen andere User bei Facebook einen falschen Eindruck von der wissenschaftlichen Expertise eines Museums aufgrund eines dort veröffentlichten Fremdbeitrags erhalten hätten – die Bevölkerung (und demnach auch das Museumspublikum) scheint also sehr wohl in der Lage zu sein, hier differenzieren zu können. Gleichzeitig haben Museen durch ihren strukturellen Machtüberschuss immer die Möglichkeit, steuernd auf ein Partizipationsprojekt einzuwirken, wenn sie dies wollen oder es sich wirklich zeigen sollte, dass ein Projekt in eine inhaltliche Schieflage gerät. Sara Smidt, Kunstvermittlerin in Thun, stellte diesen Umstand – offenherzig wie selbstkritisch – in der Projektdokumentation über Blicke sammeln, einem Projekt, bei dem Kleingruppen aus der Bevölkerung eine Reihe von Kunstausstellungen mit Werken aus der museumseigenen Sammlung kuratierten, dar: „Der Anspruch, die Deutungsmacht aus der Hand zu geben, bestimmt die Vorgehensweise in diesem Projekt. Es steckt die Überzeugung dahinter, dass es keine objektiv richtige Art gibt, Kunstwerke anzuschauen. Doch die Freigabe bleibt natürlich irgendwie Illusion. Denn die Art, wie ich in der Moderation lenke, wie wir auf das eine oder andere Bild, die eine oder andere Hängung reagieren (zum Beispiel durch Nichtreagieren), beeinflusst die Einzelnen der Gruppe. Die Autorität des Kunstmuseums bleibt also intakt. Angst vor schlechter Qualität müssen wir keine haben: Die Kunstwerke wirken direkt – ohne Erklärung, auch wenn aktives Eingreifen unsererseits tabu ist.“ (Smidt 2010b: 12)

Natürlich lenkten die Museen der drei untersuchten Fallbeispiele ihre Projekte ebenfalls direkt oder indirekt: Bei NeuZugänge einerseits durch die Auswahl der Teilnehmenden sowie andererseits dadurch, dass sie die Äußerungen der Teilnehmenden selektierten, indem sie die Videos schnitten und einzelne Kommentare aus den Fokusgruppen für die Präsentation auswählten. Bei gerhardWER? stellte schon die Entscheidung für die Arbeit mit dem eigenen Sammlungsbestand eine wesentliche Grundlage zur ‚Qualitätssicherung‘ dar (so wie es eben ja auch bei Smidt im Zitat zur Sprache kam); auch wusste das Museumsteam durch die selbst vorgenommene Zuordnung zu vier wesentlichen Konstanten im Schaffen Marcks – Tradition und Fortschritt, Natur, Maß und Proportion sowie Abstraktion –, die durch die großformatigen Wandzitate angezeigt und vertieft wurden, einen Rahmen zu geben, der eine Beliebigkeit der Ausstellung verhinderte. In Frankfurt war eine Steuerung

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weniger durch direkte Auswahl möglich, jedoch lenkte das Museum die inhaltliche Breite der späteren Ausstellung zumindest dadurch, dass es gezielt Einrichtungen zur Teilnahme einlud oder indem es z.B. direkt bei der Europäischen Zentralbank die Architekturmodelle der Neu- und Umbauten anfragte (vgl. Weber; Piontek 2011e: 7). Auch gab Weber an, die Auseinandersetzung in Form künstlerischer Beiträge bewusst forciert zu haben (vgl. ebd. 8). Und auch die Ausstellungsgestaltung beeinflusste das hmf indirekt, indem es mit der dafür zuständigen Kleingruppe einen Workshop abhielt, bei dem die Teilnehmenden in die Prinzipien professioneller Gestaltung und musealer Präsentationsstrategien eingeweiht wurden – und natürlich, indem es ein Gestalterbüro einbezog. Dass auf diese Weise eine sehr wohl professionelle Gestaltung mit Beteiligung von ‚Laien‘ möglich ist, hat das spätere Ergebnis eindrucksvoll bewiesen. Susanne Gesser dazu: „Es ist leider so, dass partizipative Ausstellungen immer wieder selbstgebastelt aussehen und nicht gut sind. Aber – und das finde ich, sieht man der Ostend-Ausstellung an – es geht auch anders! Wir haben natürlich gesagt, wir haben einen professionellen Gestalter, einen Museografen. [...] Und das ist ganz wichtig, denn wir dürfen die Leute nicht dort alleine lassen, wo sie nämlich keine Experten sind. Wir sagen nicht: ‚Macht mal irgendwie!‘, sondern wir begleiten das Ganze. Und dann funktioniert das auch. Also wenn man das ernst nimmt und dabei ist und es begleitet, dann geht das auch.“ (Gesser; Piontek 2011h: 2 f.)

Gerade bei der Gestaltungsfrage zeigt sich also, wie wichtig es ist, dass Museen ihre Fachkompetenzen als jenen Part einbringen, den die TeilnehmerInnen mit großer Wahrscheinlichkeit nicht aus sich selbst heraus beisteuern können (und für den ja sogar die Museen selbst immer wieder gerne auf externe Fachleute zurückgreifen). So wird Partizipation auch zu einem wirklich reziproken ‚Tauschgeschäft‘, von dem beide Seiten profitieren: Das Museum vom Einfallsreichtum, den persönlichen Blickwinkeln und dem Alltags- und ‚Insider‘-Wissen der Bevölkerung, die Teilnehmenden von den Einblicken und Erkenntnissen in die ihnen meist fremde Welt des Museums sowie durch erweitertes Methodenwissen etwa bezüglich professioneller Recherche, dem konservatorisch richtigen Umgang mit Objekten, Projektmanagement oder etwa erweiterten (Re-)Präsentationskompetenzen. Dennoch warnt Gesser davor, die Bevölkerung von vornherein als hilfsbedürftig und ‚dumm‘ zu imaginieren: „Man darf die Leute auch nicht unterschätzen, die haben ja wirklich Expertenwissen teilweise und wissen über etwas ziemlich viel oder recht abseitige Sachen. Vielleicht arbeiten sie nicht wissenschaftlich – aber das kann man schulen. Da ist mit der entsprechenden Begleitung ganz viel zu machen.“ (Ebd. 3)

Sollte man als Museum dennoch Angst vor etwaigen Entgleisungen haben, bleibt zur Not auch noch die Möglichkeit, bestimmte Beiträge auszusortieren oder (teilweise) zu zensieren. Diesen heiklen Punkt werde ich später noch gesondert disku-

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tieren, weil er ja das verheißungsvolle Rede- und Mitgestaltungsrecht wieder zurücknimmt und eine autoritäre Geste darstellt. Dennoch sei dies in bestimmten Fällen durchaus legitim, wenn man sich dabei an ethischen Gesichtspunkten orientiere, findet beispielsweise Meijer-van Mensch; man dürfe – auch bei Partizipation – nicht alles sagen/tun/kritisieren, nur weil es theoretisch möglich ist (vgl. dies.; Piontek 2012a: 3). Wiegartz sieht einen solchen Handlungsbedarf der museumsseitigen Intervention etwa bei „Verunglimpfung“ (Wiegartz; Piontek 2012e: 8) erreicht, sodass dann die Herausnahme eines solchen Beitrags auch im Sinne der übrigen AusstellungsbesucherInnen bzw. Teilnehmenden wäre, „[d]enn man möchte ja nicht, dass das Projekt abrutscht, nur weil zwei, drei Quertreiber dabei sind“ (ebd.). Die Erfahrungen des Gerhard-Marcks-Hauses zeigen jedoch, dass Teilnehmende die bisher ungekannte Einladungsgeste zur Partizipation i.d.R. ohnehin sehr zu schätzen wissen und durch dementsprechendes Verhalten goutieren. So habe beispielsweise niemand die Situation der Depotbegehung ausgenutzt, um sich übermäßig lange dort aufzuhalten, ungefragt Objekte anzufassen oder das Museumspersonal über Gebühr zu ‚löchern‘: „Ich habe generell immer die Erfahrung gemacht, dass die Leute im Depot eigentlich sehr zurückhaltend sind und eigentlich nur gucken und nicht übergriffig werden.“ (Wiegartz; Piontek 2012e: 2). Dies schreibt Wiegartz auch der besonderen Situation changierend zwischen den Gefühlen von Ehrfurcht und Ehre zu: „Das ist wohl so ein bisschen diese Mischung aus der Ehrfurcht [...]: Da hat sich jemand für mich Zeit genommen und da hat sich auch jemand Zeit genommen für mich, der von seiner Funktion her erst mal, in Anführungsstrichen, ‚berufen‘ ist, also etwas über diese Sachen weiß und im Haus eine bestimmte Position bekleidet, und zwischen der Ehre, dass der sich jetzt Zeit genommen hat – wenn man das jetzt mal ein bisschen überspitzt sagt [...]. Also es hat sich eigentlich niemand im Depot verloren, die Erfahrung habe ich noch nie gemacht. Das ist dann eher immer so: Ich gucke jetzt hier und es ist toll, dass ich das darf, aber ich will’s auch nicht überstrapazieren...“ (Ebd.)

Von den drei untersuchten Projekten zog dementsprechend keine der museumsseitig beteiligten Fachpersonen eine negative Bilanz des Projekts insgesamt bzw. hinsichtlich der Befähigung der Teilnehmenden in irgendeiner Hinsicht. Im Gegenteil waren alle mit ihrem jeweiligen Projektverlauf und den Ergebnissen im Ganzen sehr zufrieden und eher erstaunt über die Kreativität, das Engagement, das Interesse und die erbrachten Leistungen der TeilnehmerInnen; so resümierte Ludovico über das Berliner Projekt beispielsweise: „[W]ir waren ganz positiv überrascht, weil wir gedacht hatten, dass wir viel mehr Input geben müssen. Aber da waren Leute dabei, die sehr engagiert waren und sich gut eingebracht haben [...].“ (Ludovico; Piontek 2011c: 2). Und Jannelli, die im Vorfeld des Frankfurter Projekts durchaus erwartet hatte, dass es Beiträge geben könnte, die ihren kuratorischen Ansprüchen nicht genügen würden, kam zu dem Schluss,

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„[...] dass man sich viel weniger Sorgen machen muss um den Qualitätsanspruch des Museums. Diese Ausstellung ist so stark, dass sie ganz viele unterschiedliche Positionen trägt. Und das finde ich eine super Erfahrung [...].“ (Jannelli; Piontek 2011b: 3)

Zum Schluss sei auch noch das Essl-Museum nahe Wien mit einer interessanten Wahrnehmung zitiert: „Eine der häufigsten Kritikpunkte in Bezug auf partizipative Kunstvermittlung lautet, dass die Kunstvermittlung hier Gefahr laufe, zur de-professionellen Praxis und Sozialarbeit zu werden und dass die Ergebnisse nicht mehr nach den ästhetischen Kriterien eines Museumsfeldes bewertet werden können. Diese Kritik stammt jedoch oftmals von jenen Institutionen, die bisher noch keine Erfahrungen mit partizipativen Modellen gemacht haben.“ (Altmann & Maresch 2014: o.S.)

Insofern wäre es wünschenswert, wenn sich in Zukunft immer mehr Museen nicht abschrecken lassen bzw. ggf. über ihren eigenen Schatten springen und Partizipation selbst einmal ausprobieren, um sich so ein Urteil aus erster Hand bilden zu können. Im Zuge dessen würde sicherlich auch die Evaluation und hoffentlich auch die weitere Beforschung von partizipativen Museumsangeboten voranschreiten, sodass noch mehr Grundlagen einer fundierten Bewertung von Partizipation geschaffen würden sowie noch mehr praxisrelevante Erkenntnisse darüber gesammelt würden, wie Partizipationsangebote möglichst für alle Beteiligten zu bereichernden Erlebnissen wie auch zu qualitativ hochwertigen Ergebnissen führen können. SkeptikerInnen, die mit dem Einzug partizipativer Verfahren nach wie vor pauschal den Untergang musealer Standards bzw. des gesamten Museumswesens hereinbrechen sehen, verkennen eines: Zwar wird die Debatte um Partizipation mitunter so geführt, als ginge es um den vollkommenen Austausch des ‚alten‘ Museumswesens durch ein neues, durch und durch partizipatives. Dem ist aber natürlich nicht so – die allermeisten Museen, die regelmäßig partizipativ arbeiten und einen veränderten, weniger autoritären Habitus in ihr Selbstbild und ihre Statuten aufnehmen, tun dies zwar aus Überzeugung, jedoch nicht immer und überall. Es geht bei Partizipation also nicht um ein kategorisches, endgültiges ‚entweder – oder‘, sondern um ein ‚sowohl – als auch‘. Insofern braucht sich wohl niemand zu fürchten, dass ein oder mehrere partizipative Projekte (oder auch ein partizipativer Teilbereich der Dauerausstellung, wie ja in Frankfurt geplant) gleich das komplette Museum samt seiner traditionell kuratorisch generierten Inhalte in vermeintliches Dilettantentum und völlige Unwissenschaftlichkeit stürzen könnte.

VII.10 Folgeerscheinungen – Zensur und Vorauswahl?

Wie bereits genannt, kann es in manchen Fällen durchaus sinnvoll sein, aus den Ausstellungsbeiträgen selbst noch einmal eine Auswahl zu treffen oder ‚Beteiligungsstationen‘ für BesucherInnen in einer Ausstellung nicht völlig sich selbst zu überlassen. Dies halte ich etwa für unbedingt notwendig, wenn es um sehr kontroverse Inhalte geht, bei denen die Gefahr gegeben sein könnte, dass u.U. beleidigende oder z.B. rassistische Inhalte kommuniziert werden könnten (die den VerfasserInnen vielleicht so gar nicht bewusst sind). Aber auch aus anderen Gründen kann es nötig werden, Beiträge auszusortieren, beispielsweise, wenn bei einem Partizipationsangebot auf Besucherebene die Menge der Beiträge den zur Verfügung stehenden Platz übersteigt und damit zu rechnen ist, dass die Präsentation und das Besuchererlebnis (sowohl für teilnehmende als auch rezipierende BesucherInnen) darunter leiden. Die Frage der zur Verfügung stehenden Präsentationsfläche und einem möglichen Überangebot an Beiträgen der BesucherInnen bzw. Teilnehmenden stellt sich natürlich auch bei Partizipation auf Projektebene, wenn nicht nur ein Teil, sondern eine ganze Ausstellung unter Beteiligung entsteht. Diese Platzproblematik war beispielsweise auch bei dem Projekt Meine Sache. Bremens Gegenwart virulent (bei dem ein Jahresrückblick auf Bremen anhand persönlicher Dinge und Geschichten aus der Bevölkerung entstand), weshalb wir KuratorInnen uns bewusst vorbehalten hatten, eine Auswahl aus den Einsendungen aus der Bevölkerung zu treffen. Ein anderer Grund hierfür war jedoch auch, dass das KuratorInnenteam erstmalig mit Partizipation experimentierte und wir uns schlichtweg nicht vorstellen konnten, was uns erwarten würde (hatten wir doch unsere Aufrufe so formuliert, dass es den BremerInnen völlig freigestellt war, welche Objekte und Geschichten sie uns für unseren Jahresrückblick einreichen konnten). Uns gab die Entscheidung zur Beschneidung der Partizipationssituation also ein gewisses Gefühl der Restkontrolle über das Projektergebnis, was uns zweifellos beruhigte. Allerdings machte dieser Umstand (den wir in allen Aufrufen offen kommunizierten) auch allen Interessier-

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ten sehr deutlich klar, dass trotz Partizipationszusage die Einflussmöglichkeiten nicht gleich verteilt sein würden und wir KuratorInnen nach wie vor eine entscheidende Machtvariable für uns beanspruchten. Eine derartige Setzung kann sehr einschüchternd auf Außenstehende wirken und die Lust zur Beteiligung bremsen. Den wirklich kritischen Punkt an Vorauswahl, Selektion oder Zensur sehe ich aber vor allen Dingen in dem negativen Effekt, den die Ablehnung eines Beitrages zweifellos auf diejenigen hat, die davon betroffen sind. Genauso, wie die Selbstrepräsentation im Museum einem Menschen das Gefühl vermittelt, einen – auch über den eigenen Bedeutungshorizont hinaus – ‚wichtigen‘ oder ‚wertvollen‘ Beitrag geleistet zu haben, muss eine Absage unweigerlich als das Gegenteil aufgenommen werden: Für diese Person verbleibt das traurige, enttäuschende oder gar beschämende Gefühl der Unzulänglichkeit, des Nicht-Genügen-Könnens. Man signalisiert damit: Deine Geschichte/deine Erinnerung/dein Erlebnis/dein Wissen etc. ist nichts besonderes, ist wertlos, obwohl du glaubst, es sei etwas wert. Es ist nicht verwunderlich, dass sich Menschen, die ein solches Signal erhalten, zurückziehen. Diese Erfahrung kann Martin Düspohl bestätigen. So etwa bei der Ausstellung Geschichte wird gemacht! Abriss und Aufbruch am Kottbusser Tor, die heute noch in Teilen als Dauerausstellung zu sehen ist, ursprünglich jedoch als Sonderformat gedacht gewesen war, an dem zwischen 2001-2003 über 60 KreuzbergerInnen beteiligt gewesen waren.1 Dabei habe eine Gruppe, die dafür zuständig gewesen sei, Geschichten, Dokumente, Fotografien und Archivalien zu sammeln, derart viel Material zusammengetragen, dass es schlicht unmöglich gewesen sei, dieses in Gänze zu präsentieren. Den Teilnehmenden selbst erschien alles gleichermaßen wichtig; sie konnten nicht nachvollziehen, warum das Museum aus Gründen der inhaltlichen Überschaubarkeit und der Gestaltung eine Einschränkung wünschte. Dies führte bei den Teilnehmenden zu Frustrationen, die teilweise so groß waren, dass es zum Austritt Einzelner aus dem Projekt kam (vgl. Pfirrmann 2012: A85 f.). MuseumsmitarbeiterInnen müssen sich also im Klaren darüber sein, dass sie jede Person, deren Beitrag sie zurückweisen, u.U. dauerhaft für das eigene Museum – vielleicht sogar für Museen generell – verlieren. Daher ist es wichtig, bei jedem etwaigen Auswahlprocedere oder jeder Kürzung bzw. Redigierung nie zu vergessen, dass hinter jedem Beitrag – sei er aus fachwissenschaftlicher Perspektive vielleicht noch so ‚trivial‘ oder ‚redundant‘ – ein Mensch steht, der es verdient hat, mit seiner Geschichte oder seinem Engagement für das Projekt ernst genommen und für seinen Mut zur Beteiligung gewürdigt zu werden. Es erscheint hilfreich, Ein- und Ausschlusskriterien vorab offen zu kommunizieren, wie wir es bei Meine Sache etwa auf unseren Flyern und Formularen getan haben. Die Ablehnung eines Beitrags wird so vielleicht für die einzelne Person zumindest nachvollziehbarer; die persönliche Enttäuschung dürfte damit aber kaum 1

Vgl. http://www.fhxb-museum.de/index.php?id=162, zuletzt geprüft am 05.02.2016.

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aufzufangen sein. So war beispielsweise bei uns in Bremen keine einzige Person, deren Beitrag wir abgelehnt hatten, zur Ausstellungseröffnung erschienen, obwohl wir natürlich auch an diese Einladungen verschickt hatten. Bei den drei untersuchten Projekten erfolgte zwar keine Selektion von Teilnahmeinteressierten, durchaus aber eine inhaltliche. So wurden in Berlin, wie bereits beschrieben, die letztendlich in der Ausstellung zitierten Aussagen redigiert. Entscheidend war, dass diese Selektionsprozesse nicht allein auf Grundlage pragmatischer, sondern auch ethischer Gesichtspunkte erfolgten und nicht dazu dienten, Teilnehmende in irgendeiner Weise absichtlich zu beschneiden, zu museumseigenen Zwecken zu instrumentalisieren oder ihnen zu signalisieren, dass ihre Sicht der Dinge unwichtig sei. So gab Miera an, dass es ihnen sehr wichtig gewesen sei, „[...] die Leute in den Interviews nicht bloßzustellen, nicht so eine Schärfe aufzubauen, was man durch bestimmtes Schneiden hätte machen können. Da hätte man noch mal viel stärkere Kontroversen aufbauen können.“ (Miera; Piontek 2012d: 8)

Natürlich bewegen sich die KuratorInnen hier im Spannungsfeld zwischen (unkritischem) Zulassen und (paternalistischem) Zuschneiden. Der Umgang mit Meinungsfreiheit und -äußerung – generell Freiheitsrechten – spiegelt hier natürlicherweise auch andere gesellschaftspolitischen Diskurse wider. Entsprechend bieten sich letztlich demokratisch geprägte Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse an; Vorsicht ist dagegen bei einseitigen Umdeutungen oder Regeländerungen geboten, etwa, weil man als Museum einen anderen Blickwinkel hat.2 Düspohl geht sogar so weit, dass er persönliche Erinnerungen, die sich mit der ‚offiziellen‘ Geschichtsschreibung nicht decken, stehen lassen würde, wenn dies der ausdrückliche Wunsch der betreffenden Person sei;3 er begründet dies einerseits aus ethischer Perspektive, 2

3

So etwa geschehen bei dem Projekt Dein Stadtbild – Hannover 2010 (vgl. Huntebrinker 2010 u. Huntebrinker 2012) für Kinder und Jugendliche, bei dem die Teilnehmenden selbst mittels Punktevergabe entschieden, welche der von ihnen angefertigten Digitalfotos in der Ausstellung gezeigt werden sollten. Da das Museumsteam andere Arbeiten präferiert hatte, zeigte es die eigene Wahl in einem weiteren Raum, wie Huntebrinker in einem Vortrag berichtete (Vortrag Dein Stadtbild – Hannover 2010 vom 18.11.2010, Tagung Das partizipative Museum, Frankfurt a.M.). Weidner, Hofgartner und Murlasitz berichteten im Interview jeweils von ihren Strategien, solche ‚Fehlerinnerungen‘ mehr unterschwellig zu relativieren, sodass der/die ‚ErinnerungsspenderIn‘ nicht öffentlich bloßgestellt oder vorgeführt bzw. dessen Beitrag geschmälert werde: So reiche es aus, wenn der kuratorische „Metatext“ (Weidner; Piontek 2011i: 4) dazu genutzt werde, „das Ganze zu relativieren“ (ebd.), indem man dort die historischen Fakten korrekt wiedergebe und kommuniziere, dass die Inhalte der Ausstellung nicht der offiziellen Geschichtsschreibung entsprächen, sondern dass es sich um ein „Konstrukt“ (Hofgartner; Piontek 2011l: 2) der Beteiligten handele. Eine andere Möglichkeit sei es, auf Metaebene zu kommunizieren, wie das menschliche Gedächtnis und unser Erinnern funktioniere, d.h. dass subjektive Umdeutungen und Überformungen von Erlebnissen ganz normale mentale Vorgänge darstellten. Die namentliche Kennzeichnung

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andererseits aber auch damit, dass es ihm persönlich weniger um Informationsvermittlung als vielmehr Austausch und Diskussion gehe – was ich als generelle Tendenz bei partizipativen Projekten beobachte: „Viele Leute meinen, das, was sie wissen, würde auch so stimmen und einer objektiven Geschichtsschreibung standhalten. Ist natürlich nicht so. Jetzt kann man sagen: „Das ist Mist, was du da schreibst!“ – haben wir auch öfters gehabt, solche Situationen! Manchmal kann man im Gespräch Menschen überzeugen, dass es nicht so war. Aber manchmal klappt das nicht. Dann akzeptieren wir das und schreiben das so. Und dann [...] beschweren sich die späteren Leserinnen und Leser bei mir und ich komme dann mit ihnen ins Gespräch, indem ich frage, wie es ihrer Meinung nach denn gewesen sei. Oder sie kommen in der Ausstellung untereinander ins Gespräch und diskutieren über den Wahrheitsgehalt dieser Texte. Und als Pädagoge sage ich dann: Mir ist es viel wichtiger, dass ein Gespräch entsteht und sie herausgefordert werden, über den Textinhalt nachzudenken! [...] Entweder man nimmt das ernst mit der Partizipation oder nicht! Wir können ja nicht sagen: „Ihr dürft alles machen, aber wenn es darauf ankommt, dann fliegt es wieder alles raus!“ – Gut, aufgrund von Platzmangel oder Aufnahmefähigkeit, da kann ich schon sagen, dass das nicht geht, aber das ist dann auch begründbar. Aber zu sagen: „Was du da erzählst, das ist Mist! Das stellen wir nicht aus!“, das geht nicht. Da muss man schon auch konsequent sein. Und im Zweifelsfall aushalten, dass sich Leute beschweren. Also wichtig ist, dass [...] dass es Diskussionen gibt, dass sich was tut, dass man das mit Veranstaltungen auch begleitet. Das ist notwendig. (Düspohl; Piontek 2011f: 6)

Auch an anderen Stellen machte Düspohl diese Arbeitsgrundlage und seine Vorstellung von Partizipation deutlich, etwa, wenn er sagt, dass es bei Partizipation „darum [geht], andere Perspektiven zu ermöglichen, auch wenn man selbst anderer Auffassung ist.“ (Düspohl, zit. n. Allmanritter & Siebenhaar 2010a: 43). Dieser Aspekt berührt somit auch die bereits ausführlich thematisierte Frage nach Fähigkeiten und Fertigkeiten bzw. der Rolle von KuratorInnen, die partizipative Prozesse anleiten oder darin mit involviert sind: „Dazu bedarf es einer erheblichen Kompetenz im zwischenmenschlichen Bereich, hinter der die fachliche Kompetenz schon mal zurücktreten muss“ (ebd.), so Düspohl. Dass in Berlin bei NeuZugänge aus den Teilnehmerbeiträgen ausgewählt wurde, habe ich bereits skizziert. In Frankfurt fand in dem Sinne keine Auswahl seitens der Museumsleute statt, allerdings gab es einen Fall, in dem sich die Kleingruppe, welche mit dem Präsentationskonzept betraut war, gemeinschaftlich entschloss, ein Plakat (über das Jubiläum einer sozialen Einrichtung im Stadtteil) aus Platzgründen abzulehnen mit der Bitte, dies z.B. in eine Heftform zu überführen – sehr zum Ärger dieser Einrichtung.

der Ausstellungsbeiträge trage dann noch ihr Übriges dazu bei, dass es BesucherInnen problemlos gelänge, diese als jeweils subjektive Erinnerungen einer ganz bestimmten Person einzuordnen (vgl. Weidner; Piontek 2011i: 3f., Hofgartner; Piontek 2011l: 2 u. Murlasitz; Piontek 2011k: 2).

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In Bremen gab es bei gerhardWER? ebenfalls nur einen einzigen Fall, der das Museumsteam etwas ‚ins Schwitzen‘ brachte und der von Wiegartz auch als bewusste Provokation in Richtung Museum verstanden wurde: Eine Person hatte sich die im Bestand vorhandene Hitler-Büste (Kopf Adolf Hitler, 1941) gewünscht, die zwar im Depot nicht sichtbar, anfangs aber in der Onlinedatenbank auffindbar war.4 Die Person, die den Wunsch geäußert hatte, gab an, dass dies sein Lieblingsmarcks sei, weil „[...] mir die Verbindung von Marcks zu Hitler nicht bekannt ist. Die Büste was von [einer] Totenmaske hat.“5 Ich persönlich bin mir nicht sicher, ob hier wirklich das Museum gezielt aus der Reserve gelockt werden sollte oder ob nicht vielmehr ein echtes, spontanes Interesse am ‚verbotenen Gegenstand‘ bestanden hatte und die Person die einmalige Wunsch-Chance dazu nutzen wollte, die Büste einmal zu Gesicht zu bekommen. Dass man damit das ausstellende Museum u.U. in Schwierigkeiten bringen könnte, hatte der Teilnehmer vielleicht gar nicht bedacht. Bemerkenswert war die Art und Weise, wie das Gerhard-Marcks-Haus mit diesem Wunsch umgegangen war: Der Beitrag wurde nicht etwa zensiert, sondern wie jedes andere Wunschwerk ausgestellt. Um jedoch auch die Interessen des Museums zu wahren, war die Büste um einen weiteren Kommentar ergänzt worden, den das Museum als ‚Antwort‘ und Gegendarstellung nicht selbst verfasst, jedoch bewusst forciert hatte. Die Mutter des Museumsdirektors äußerte darin, dass es sich um ein unautorisiertes Bildnis handele, das alles andere als eine Verklärung oder Hommage an Hitler sei.6 Diese ‚Lösung‘ ist in zweierlei Hinsicht wegweisend: Zum einen wurde selbst dieser ‚unbequeme‘ Teilnehmer in seinem Wunsch ernst genommen und respektiert, zum anderen wurde in gleichberechtigter Weise ein ‚ExpertInnenkommentar‘ hinzugefügt, der eine Relativierung bzw. Erklärung ermöglichte und so den/die BetrachterIn zu einer differenzierten Auseinandersetzung anregte. Indem auch dieser Beitrag namentlich gekennzeichnet worden war, erlaubte dies kundigen AusstellungsbesucherInnen auch eine Kontextualisierung des verfassten Beitrags selbst bzw. eine verwandtschaftliche Querverbindung zum Direktor des Hauses. Statt einer autoritären Geste der Zensur hatte das Gerhard-Marcks-Haus einen kreativen Weg gefunden, sowohl dem Teilnehmer Genüge zu leisten, wie auch den eigenen institutionellen Interessen. 4 5 6

Inzwischen wurde dieses Werk für die öffentliche Suchfunktion gesperrt, sodass man keine Information oder Abbildung in der Online-Datenbank erhält. Auch hier ist das Vorgehen des Museums zwar verständlich, aber durchaus diskussionswürdig. Originalwortlaut der Begründung mit Wortergänzung in eckigen Klammern von A.P. Der Beitrag von H.F. Hartog-Handler lautete: „Mein verstorbener Mann hat sich eingehend mit Hitler beschäftigt und darüber publiziert. Er war sehr beeindruckt vom Porträt, das Gerhard Marcks von Hitler schuf. Marcks schuf es, nachdem er Hitler im Vorbeifahren gesehen hatte, und so entstand das einzige nicht-autorisierte plastische Hitlerporträt. Es zeigt den Massenmörder, so wie er selbst nicht gesehen werden wollte (mit großer Nase und verbissenem Blick). Aus dem Bildnis spricht die ‚Banalität des Bösen‘.“

VII.11 Folgeerscheinungen – Relevant oder bedeutungslos? Wie empfinden BesucherInnen partizipativ generierte Ausstellungen?

Als ich mein Partizipationsverständnis in Kapitel III.2 dargelegt habe, habe ich abschließend bereits auf eine Besonderheit von Museumspartizipation hingewiesen, die diese von Beteiligungsverfahren etwa in der Jugendarbeit, der Politik, der Entwicklungshilfe etc. unterscheidet: Da Museen einen ganz grundlegenden Vermittlungsauftrag besitzen, dem sie i.d.R. durch öffentliche Ausstellungsschauen nachkommen, sollten sie die am Partizipationsprozess ggf. unbeteiligten RezipientInnen der späteren Ausstellungen nie außer Acht lassen. Wie also kommen partizipativ generierte Ausstellungen bei unbeteiligten BesucherInnen an? Ist es tatsächlich so, dass solche Ausstellungen gerade einmal als ‚Privatausstellungen’ der Partizipierenden taugen, weil sie ansonsten niemandem etwas zu sagen haben oder schlicht niemanden interessieren? Hierin sieht beispielsweise Volker Kirchberg ein entscheidendes Dilemma für Stadtmuseen, wenn sie sich einer bestimmten Zielgruppe gezielt zuwendeten, anstatt ein breites öffentliches Programm für ein stärker heterogenes Publikum anzubieten (vgl. Kirchberg 2010: 236). Ein noch düstereres Bild zeichnet Stijn Reijinders, Professor für Kulturerbe in Rotterdam, wenn er provokativ in den Raum stellt, dass zu befürchten sei, dass nicht einmal die MacherInnen in ihren ‚Privatausstellungen‘ erschienen: „One cynic might say that the group on exhibit is the only one at the exhibit. Or worse still: often not even that group turns up.“ (Reijnders et al. 2014: 57). Da ich das Besuchsaufkommen in den drei Fallstudien-Ausstellungen nicht untersucht habe und mir hierzu keine Zahlen vorliegen, kann ich mich in dieser Frage nicht auf empirische Daten oder systematische Beobachtungen stützen. Im Folgenden werden daher grundsätzliche Besucherbedürfnisse erörtert, daraus Rückschlüsse gezogen und, wo vorhanden, Besucherfeedback und Einschätzungen der beteiligten Museen verwendet. Generell muss bei Analysen der Besuchsattraktivität und

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der Besuchszahlen immer einschränkend berücksichtigt werden, dass ja sämtliche Einschätzungen auf Untersuchungen an BesucherInnen basieren, die Nicht-BesucherInnen lassen sich dagegen nur schwer fassen – qualitativ wie quantitativ. Bevor ich Aspekte von Besuchsattraktivität oder bestimmten Besucherbedürfnissen und -interessen diskutiere, sei noch ein Gedanke zur Behauptung erlaubt, dass die Rezeption partizipativer Ausstellungsprojekte von anderen BesucherInnen aus Desinteresse von vornherein abgelehnt würde: Nach meiner Erfahrung ist es so, dass mitnichten alle partizipativen Ausstellungen für MuseumsbesucherInnen von vornherein auch als solche zu erkennen sind. Somit verliert – zumindest in diesen Fällen – das partizipative Moment jegliche Bedeutung als Diskriminator, sodass diese Argumentation ins Leere läuft und man sich dann bei mangelndem Besucherinteresse wohl eher fragen müsste, welche anderen Faktoren die Schau für BesucherInnen eher unattraktiv oder uninteressant erscheinen ließ. Letztlich geht es – Partizipation hin oder her – also um die Frage ‚guter‘ Ausstellungen bzw. ‚guter‘ Museen generell,1 und dann erst um die spezifische Frage, wann partizipative oder partizipativ generierte Ausstellungen als qualitätsvoll oder ‚gelungen‘ zu bezeichnen wären und wie man deren Qualität sicherstellen könnte. Wie bereits in Kapitel VII.9 gezeigt, bedeutet Partizipation nicht per se einen inhaltlichen oder ästhetischen Mangel des (Ausstellungs-)Produkts, wenn bestimmte Prämissen beachtet werden; hierauf hebt auch Susanne Gesser in ihrer Zwischenbilanz im dritten Jahr nach Ostend // Ostanfang und nach zwei weiteren erfolgreichen StadtlaborProjekten ab: „Und auch wenn der Weg das Ziel ist, so trägt man als Vertreter des Museums doch immer die Verantwortung dafür, auch allen nicht beteiligten Ausstellungsbesuchern ein qualitativ hochwertiges und inhaltlich korrektes Ausstellungserlebnis zu vermitteln. Genau hierin – also in der Vermittlung zwischen den unterschiedlichen Anforderungen und Bedürfnissen verschiedener Zielgruppen aber auch der Objekte – liegt die Qualität des partizipativen Kurators.“ (Gesser 2014: 55)

Will man sich mit Ausstellungsattraktivität und Fragen der Besucherbindung auseinandersetzen, so erscheint es erst einmal notwendig, sich mit deren Bedürfnissen und möglichen Hemmnissen zu befassen. Im Folgenden möchte ich daher einigen Aspekten nachgehen, die – nicht nur, aber auch – für BesucherInnen von Bedeutung sind, nämlich • • •

dem Bedürfnis nach Autonomie dem Bedürfnis nach Kompetenz dem Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit

1

Einen guten, knappen Einblick in die Problematik und Diskussion rund um die Frage, was ‚gute‘ Museen sein könnten und welche Bewertungsmaßstäbe (nicht) geeignet sind, gibt z.B. Fliedl 2011, aber auch ders. 2007 u. 2012.

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dem Bedürfnis nach guter Unterhaltung und Erlebnis dem Bedürfnis nach Bezügen zur eigenen Lebenswelt dem Bedürfnis nach emotionaler Ansprache

Würden diese Bedürfnisse befriedigt, so meine These, müsste sich dies auf die Verweildauer der BesucherInnen in der Ausstellung, ihr Verhalten während des Besuchs und ihre Identifikation mit dem Museum generell auswirken. Besucherbedürfnisse In einem ersten Schritt möchte ich zunächst die im Exkurs (Kap. VII.6) skizzierten menschlichen Grundbedürfnisse nach Autonomie, Kompetenz und sozialer Eingebundenheit aufgreifen: In der inzwischen schon zwanzig Jahre alten Visitors’ Bill of Rights der Ausstellungsgestalterin Judy Rand2 wird deutlich auf das Autonomiebedürfnis von BesucherInnen hingewiesen, wenn es plakativ heißt: „‚Let me choose; give me some control.‘ Visitors need some autonomy: [...] They need to use their bodies and move around freely.“ (Rand 1997: 26).3 Wie die Analyse der drei Fallstudien (und weiterer Projekte) zeigte, zeichnen sich partizipativ generierte Ausstellungen meistens dadurch aus, dass sie nicht als linearer Rundgang mit vorgeschriebener Wegeführung angelegt sind, da sie in dem Sinne keine argumentativ aufeinander aufbauende Narrationslinie aufweisen. Ihrem i.d.R. multivokalem Charakter, bei dem alle Stimmen gleichberechtigt nebeneinander stehen, und ihrem Prinzip der Ausschnitthaftigkeit und der Momentaufnahme gemäß, sind sie eher nach dem ‚Inselprinzip‘ arrangiert. Insofern haben auch die BesucherInnen in ‚Insel-Hopper-Manier‘ die Freiheit, dort anzufangen, wo sie wollen, und sich beim Gang durch die Ausstellung einfach von ihrer Neugier und ihrer spontanen Aufmerksamkeit für bestimmte Ausstellungsstücke leiten zu lassen. Dieses liberale Präsentationsprinzip entspricht dem menschlichen Autonomiebedürfnis sicherlich mehr als eine narrativ, klassifikatorisch oder zeitlich-linear strukturierte Ausstellung, die damit eine bestimmte Route impliziert – der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, dass sich BesucherInnen auch in letzteren Ausstellungstypen offenbar oft unsystematisch bewegen, also von der eigentlich vorgesehenen Wegeführung abweichen (vgl. Schwan et al. 2008: 121). Die angesichts der Beobachtung solch abweichenden BerucherInnen-Verhaltens schon seit Jahren immer wieder einmal in den Raum gestellte Frage, ob die 2

3

Vorgestellt 1996 auf einer Tagung der Visitor Studies Association, erstmals publiziert 1997 unter dem Titel The 227-mile museum, or, Why We Need a Visitors’ Bill of Rights (Vortragsmanuskript) in: Visitor Studies (9)1, S. 8-26. Eine deutsche Übersetzung der „Grundrechte und -erwartungen von Besuchern“ erstellte Annette Noschka-Roos (2004: 163-165). Vgl. dazu auch die Ausführungen von Anita Rui Olds (1992: 174), auf die sich auch George Hein (1998: 158) beruft.

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„Lösung des Problems in einer Individualisierung [...], in der Schaffung der Möglichkeit eigener Schwerpunktsetzungen“ (Horn 2005: 753) für die einzelnen BesucherInnen liegen könnte, muss im Lichte der oben zitierten, bereits zwanzig Jahre alten Visitors’ Bill of Rights und angesichts partizipativer Vorstöße – die wohlgemerkt vom Prinzip her ebenfalls keine ganz neue Erfindung darstellen – eigentlich immer schon anachronistisch gewirkt haben. Zum zweiten Punkt, dem Bedürfnis, sich selbst als kompetent zu erleben, heißt es in der Visitors’ Bill of Rights: „‚Give me a challenge I know I can handle.‘ Visitors want to succeed. A task that’s too easy bores them; too hard makes them anxious. Providing a wide variety of experiences will match their wide range of skills.“ (Rand 1997: 26)

Dies trifft die Ergebnisse der Besucherforschung, wonach die Angst, sich im Museum zu blamieren oder ‚dumm‘ zu fühlen, weil die Inhalte zu schwer verständlich sind, gewichtige Besuchsbarrieren darstellen (vgl. z.B. Wegner 2010: 133 u. Mandel 2008b: 78). Auch hier dürften sich Ausstellungen mit multipler Autorschaft i.d.R. als positiv erweisen und das Bedürfnis nach Kompetenzerleben und Sicherheit einlösen: Denn jene AutorInnen unterscheiden sich i.d.R. durch ihre spezifischen Vorerfahrungen, ihre formale wie informelle Bildung und ihre Lebenskontexte voneinander, ebenso wie durch ihr Kompetenzlevel in Sachen Partizipationsbzw. Mitbestimmungsfähigkeit und damit auch durch die Art und Weise, wie sie an die ‚Aufgabe‘, sich zu beteiligen, herangehen. Da sich diese Divergenz auch in den produzierten (Text-)Beiträgen niederschlägt, die, didaktisch ausgedrückt, unterschiedliche ‚Anforderungsniveaus‘ und Abstraktionsgrade (d.h. eine ‚natürliche‘ Binnendifferenzierung) aufweisen, dürften also auch BesucherInnen mit divergierendem Kenntnis- und Entwicklungsstand mit großer Wahrscheinlichkeit immer einzelne Ausstellungsbeiträge finden, die ihren Kenntnissen entsprechen und somit Kompetenzerleben ermöglichen. Eine weitere Besuchsbarriere, so legen Studien nahe, besteht in der diffusen Angst, „nicht dazu zu gehören“ (Mandel 2008b: 78) – oder anders ausgedrückt: in der Angst, mangelnder sozialer Eingebundenheit. Zu einem Zugehörigkeitsgefühl dürfte es dann kommen, wenn man sich als BesucherIn mit einem Ausstellungsbeitrag identifizieren kann, sich gleichsam darin wiederfindet; die Multiperspektivität und Vielstimmigkeit, die Partizipation idealerweise mit sich bringt, dürfte dies begünstigen. Vielleicht kommt es angeregt durch die Ausstellungsinhalte aber auch zu einem spontanen Gespräch mit anderen BesucherInnen oder BegleiterInnen, was, wie gezeigt, gar nicht so selten der Fall in partizipativen Ausstellungen sein dürfte.

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Ein weiteres Bedürfnis, das bei der Wahl der Freizeitaktivität eine Rolle spielt, ist der Wunsch nach guter Unterhaltung bzw. danach, ‚etwas zu erleben‘. Natürlich bestehen zwischen Museum und Freizeitpark oder Rummelplatz deutliche Unterschiede (und das ist auch gut so), dennoch kann man Mergen beipflichten, wenn sie konstatiert: „Zum Erfolgsrezept einer gelungenen Ausstellung gehört auch das Geschick, die Neugierde des Publikums zu wecken und sein Interesse auf die Inhalte zu lenken.“ (Mergen 2007: 10). Zumindest was die untersuchten Fallstudien-Ausstellungen betrifft, kann festgehalten werden, dass alle drei Ausstellungen in gewisser Weise typisch museale Präsentations- und/oder Narrationsmuster unterliefen. Dies dürfte wiederum Erstaunen, Diskrepanzerlebnisse und Überraschungseffekte bei Besuchenden begünstigt haben, d.h. Langeweile verhindert und Neugier geweckt haben. Wie im Exkurs über Aspekte der Lern- und Motivationsforschung dargelegt, begünstigt dies das Entstehen von langandauerndem Interesse und intrinsischer Motivation zur umfassenden inhaltlichen Auseinandersetzung. Einen anderen Punkt, den NichtbesucherInnen unter anderem geltend machen, ist, dass sie sich vom Museums- oder Ausstellungsbesuch keinerlei persönlichen ‚Nutzen‘ oder irgendeinen ‚Gewinn‘ versprechen (vgl. z.B. Mandel 2008b: 78 u. Wegner 2010: 133). Hieraus könnte man ableiten, dass die im Museum dargebotenen Inhalte für sie eine zu große Lebensferne besitzen (und daher ‚nutzlos‘ sind), wie auch, dass sie eine positive emotionale Ansprache im Museum vermissen (eine – wie auch immer geartete – Gewinnsituation dürfte subjektiv ja immer durch ein Glücks- oder Zufriedenheitsgefühl gekennzeichnet sein). Welche Rückschlüsse legen diesbezüglich die drei Fallstudien nahe? Zum einen kann angenommen werden, dass die bereits genannte Vielfalt an persönlichen Perspektiven und ‚Stimmen‘ es recht wahrscheinlich machte, dass jede/r BesucherIn etwas Vertrautes oder Bekanntes in den drei Ausstellungen finden konnte, was wiederum vielfältige Möglichkeiten zur individuellen Bedeutungszuschreibung ermöglichte (vgl. Lewalter & Geyer: Claudia 2005: 781). Solche Anknüpfungspunkte an die eigene Lebenswelt bzw. die persönlichen Wissens- und Erfahrungskontexte können allgemein als Faktor gesehen werden, sich sicher und respektiert zu fühlen – gute Voraussetzungen für ein positives Museumserlebnis also.4 Wie im Exkurs bereits thematisiert, könnte dieser persönliche Bezugsrahmen den BesucherInnen der Ausstellungen darüber hinaus aber auch die Auseinandersetzung mit neuen Informationen und fremden Blickwinkeln erleichtert haben. Zumindest können Besucherforschungen im Museum den allgemeinen pädagogisch-psychologischen Grundsatz bestätigen, wonach eine ausgewogene Mischung aus Bekanntem und Unbe4

Bei Rand heißt es dazu in der Visitors’ Bill of Rights unter dem Schlagwort respect: „‚Accept me for who I am and what I know.‘ Visitors want to be accepted at their own level of knowledge and interest. They don’t want exhibits, labels or staff to exclude them, patronize them or make them feel dumb.“ (Rand 1997: 25).

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kanntem die Aneignung von Neuem begünstigt: „‚Alltagsmenschen‘ möchten Objekte und ihre Geschichte ‚erfahren‘, indem sie diese mit eigenen Erkenntnissen verknüpfen.“ (Mergen 2007: 8).5 Gerade für Menschen, die bisher keine Berührungspunkte mit Museen hatten, könnten sich der beschriebene Lebensweltbezug und die dadurch gegebenen Vertrautheitsmomente, die partizipative Ausstellungen wahrscheinlich mehr oder minder ‚automatisch‘ mit sich bringen, positiv auswirken: „Menschen, denen Museen fremd sind, gehen dann eher in eine Ausstellung, wenn sie dort etwas Vertrautes, einen Bezug zum eigenen Leben, ein Stück der eigenen Geschichte oder eine vertraute Ansprechperson vorfinden.“ (Stöger 2009: 77)

Dies stützt auch die allgemeine Beobachtung der Besucherforschung, wonach sich MuseumsbesucherInnen tendenziell mehr für ‚Menschen wie du und ich‘, für deren Biografien, deren Denken, Fühlen und Handeln interessieren als für berühmte Persönlichkeiten und herausragende historische Ereignisse (vgl. Schreider 2004: 66 u. Hoffmann 2007: 209). Man kann also festhalten, dass Zeitgenössisches und Alltägliches insgesamt den Grad an Identifikationsmöglichkeiten in verschiedener Hinsicht erhöhen und in Ausstellungen für mehr Lebendigkeit, eine direkte Ansprache und eine größere Nachvollziehbarkeit des Dargestellten sorgen kann (vgl. Keiper 2011: 47). Lerntheoretisch betrachtet kann man sagen, dass solche Inhalte attracting power, holding power und learning power bergen (vgl. Kirchberg 2005a: 365)6, also die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, Interesse wecken und die kognitive Verarbeitung intensivieren. Ein weiterer Faktor, der die Zufriedenheit vieler BesucherInnen beeinflusst und somit auch als Gradmesser für die wahrscheinliche Attraktivität einer Ausstellung gelten kann, ist die emotionale Ansprache: Obwohl Museen traditionell eher auf Faktenvermittlung im Sinne einer primär kognitiven Ansprache setz(t)en, hat sich gezeigt, dass Inhalte, die „emotionale Bezüge“ (Wegner 2010: 126) herstellen, die Mehrheit der MuseumsbesucherInnen tendenziell besonders ansprechen (vgl. Kirchberg 2005a: 366). Auch in diesem Punkt könnte man den Fallstudien-Ausstellungen ein positives Abschneiden bescheinigen, da sie BesucherInnen auch emotional anzusprechen vermochten – etwa, weil sie besagte Alltagsbezüge aufwiesen oder indem Informationen eben nicht vermeintlich neutral und distanziert dargeboten wurden, sondern aus persönlicher Sicht mit deutlich erkennbarer Positionierung der Sprecherin bzw. des Sprechers.

5 6

Vgl. auch Kirchberg 2005a: 363 u. Watson 2004: 89. Kirchberg bezieht sich nach eigenen Angaben mit diesen Begrifflichkeiten auf die „DreiFaktoren-Theorie“ von Harris Shettel.

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Die emotionale Komponente ist, wie im Exkurs dargestellt, außerdem in Hinsicht auf Motivation, Interesse und ‚Lernen‘ relevant – aber auch für Vergegenwärtigungs-Prozesse, wie ich sie bereits als Potenzial von Partizipation für die Teilnehmenden beschrieben habe und die in gewissem Umfang auch auf Seiten der BesucherInnen möglich sind. Neben den bereits genannten Einzeleffekten bergen die eben skizzierten Aspekte noch ein übergreifendes Potenzial: Sie helfen, wie etwa aus England berichtet wird, Berührungsängste abzubauen und den BesucherInnen ein Gefühl von „ownership“ (Rodgers 2012: 57) bezüglich des Museums zu verleihen.7 Nach meinem Dafürhalten könnte darin durchaus so etwas wie besagter persönlicher Nutzen oder ‚Gewinn‘ bestehen, der von NichtbesucherInnen in Museen offenbar bisher eher nicht gesehen wird. Das Bild der Eigentümerschaft/ownership steht dafür, dass über solche Ausstellungsinhalte die Identifikation mit der Ausstellung und sogar dem Museum gestärkt werden kann, sodass sich nicht nur die PartizipientInnen, sondern auch die späteren BesucherInnen als repräsentiert, zugehörig und als Teil der im Museum bewahrten Kultur fühlen – das Museum wird wortwörtlich zu ‚ihrem‘ Museum.8 Das Gleiche gilt natürlich auch für die Identifikation mit dem Thema oder dem (Wohn-)Ort, wenn es sich um ein Projekt handelt, bei dem dieser eine Rolle spielt.9 BesucherInnen-Feedback Die Fallstudien legen also den Schluss nahe, dass partizipativ generierte Inhalte mit hoher Wahrscheinlichkeit spezifische Grundbedürfnisse von (Nicht-)BesucherInnen befriedigen können (z.B. Autonomie- und Kompetenzerleben, Gefühl sozialer Eingebundenheit, Erlebnischarakter/Interessantheit, persönlicher Nutzen/Gewinn) bzw. sich durch Faktoren auszeichnen, die gemeinhin besonders ansprechend wirken 7

8

9

In diesem Sinne betonte Elke Murlasitz, dass man als KuratorIn nicht erschrecken solle, wenn man Sätze wie ‚Das habe ich auch alles zu Hause‘ oder ‚Das habe ich auch erlebt‘ von seinen BesucherInnen hört – denn dies „[...] heißt nämlich auch, dass ‚Ich‘ Museum ‚bin‘; und selbst Teil des Museums zu sein, ist eine relevante Erfahrung.“ (Murlasitz; Piontek 2011k: 4). Vgl. z.B. folgenden Eintrag in das Besucherbuch von NeuZugänge: „Wunderbar! Das sind ‚wir‘“(Eintrag ohne Datum, Bezirksmuseum-Friedrichshain Kreuzberg 2011a), sowie folgende BesucherInnen-Rückmeldung zur partizipativen Ausstellungen Meine Sache. Bremens Gegenwart: „Das war eine gute Idee. So können Besucher mit diesem Ort und ganz speziell Bremerinnen und Bremer mit ihrem Landesmuseum verbunden werden und sich verbunden fühlen.“ (ohne Datum, Focke-Museum 2006a). Vgl. z.B. folgende BesucherInnen-Kommentare bei Ostend // Ostanfang: „Toll ein Osti zu sein“, „Ich bin sehr gern Ostender!“, „Alles außer Ostend ist sch...“, „Ostend ist cool!“ (alle ohne Datum, Historisches Museum Frankfurt 2011d: 66). Oder zur Ausstellung Familiendinge im Heimatmuseum Neukölln, die verschiedenste Familien des Stadtteils mit deren Hilfe porträtierte: „Jetzt, wo ich diese Ausstellung gesehen habe, fühle ich mich als Russin in Neukölln auch sicher und mehr zu Hause. Danke.“ (Bezirksamt Neukölln 2005: 11).

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(Lebenswelt- oder Gegenwartsbezug, Informationen über das Leben der ‚kleinen Leute‘, emotionaler Gehalt). Im Umkehrschluss könnte man die These aufstellen, dass partizipativ generierte Ausstellungen prinzipiell gut – vielleicht sogar besser als ‚KuratorInnen-Ausstellungen‘ – beim Publikum ankommen müssten. Ob dem tatsächlich so ist, muss an dieser Stelle offen bleiben. Was die untersuchten drei Ausstellungsprojekte betraf, so scheinen diese beim Publikum aber zumindest positive Resonanz hervorgerufen zu haben, wenn man den Resümees der MacherInnen in den Interviews und den Eintragungen in den Besucherbüchern glauben mag: So zeigte sich bei der Auswertung der Besucherbücher, dass positive, manchmal regelrecht überschwängliche Einträge klar überwogen und sich nur vereinzelt kritische BesucherInnen-Kommentare fanden: In Berlin merkte beispielsweise eine Person an, dass sie gerne mehr „alte“ Objekte aus Museumsbesitz gesehen hätte;10 eine andere klagte über die thematische Strukturierung der Ausstellung.11 In Bremen äußerte eine Person Unmut über die Ausleuchtung und den Platz einer Skulptur – vielleicht die von dieser Person gewünschte?12 –, während in Frankfurt Kritik an der Zusammensetzung der Teilnehmerschaft artikuliert wurde.13 Die Art der geäußerten Kritik spricht allerdings dafür, dass diesen BesucherInnen die Ausstellung gerade nicht egal war (um nochmals den Bogen zu den eingangs zitierten Einwänden gegen Partizipation zu schlagen), sondern sie zu einer weitergehenden Auseinandersetzung angeregt hatte. Bei der großen Mehrheit der BesucherInnen kamen die drei Ausstellungen positiv an, was ich pars pro toto an jeweils einem BesucherInnen-Kommentar exemplarisch verdeutlichen möchte:14 „Kreativ, menschlich, gut designed – eine ganz ganz tolle Ausstellung!“ (Ohne Datum, Historisches Museum Frankfurt 2011d: 66) „Coole Ausstellung! Schön, dass Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft mit ganz unterschiedlichen Lebenswegen zu Sprache kommen und nicht gewertet wird.“ (Eintrag vom 26.02.2011, Bezirksmuseum-Friedrichshain Kreuzberg 2011)

10 „Diese Ausstellung ist schön, aber ich möchte mehr Dinge aus den Museen sehen (alte).“ (Eintrag ohne Datum, Bezirksmuseum-Friedrichshain Kreuzberg 2011). 11 „Zu undeutliche Themenstrukturierung [.] [M]an hätte mehr auf das Thema darauf [sic] Rücksicht nehmen können. [...].“ (Eintrag vom 27.03.2011, Bezirksmuseum-Friedrichshain Kreuzberg 2011). 12 „Schade, dass Orpheus so einen schlechten Platz bekam! Und der Vitrinenraum so mangelhaft ausgeleuchtet ist.“ (Eintrag ohne Datum, Gerhard-Marcks-Haus 2011a). 13 „Ausstellung schön – nur leider das Ostend – die Wohnbevölkerung – nicht erreicht od. gar einbezogen. Chance vertan!“ (Ohne Datum, Historisches Museum Frankfurt 2011d: 66). 14 Unklar bleibt bei Besucherbuch-Eintragungen leider meist, wie ‚unbeteiligt‘ die SchreiberInnen wirklich waren oder ob z. freundschaftliche oder verwandtschaftliche Verbindungen zu Teilnehmenden und/oder Museum bestanden.

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„Das mit der Publikumsbeteiligung ist der volle Knüller!!! Dadurch wird die Ausstellung der Skulpturen auch in der Dimension Zeit interaktiv.“ (Eintrag vom 23.07.2011, Gerhard-Marcks-Haus 2011a)

Besuchsdauer In Ausstellungen, die beim Publikum offensichtlich gut ankommen und die Aspekte berücksichtigen, die attracting power, holding power und learning power bergen, müssten sich BesucherInnen im Grunde wahrscheinlich auch länger aufhalten, da sie sich intensiver mit den präsentierten Objekten bzw. Inhalten beschäftigen. Die Verweildauer könnte demnach als Gradmesser für Besuchsattraktivität dienen. Selbstverständlich ‚hinkt‘ diese These, da im Fall der untersuchten Ausstellungsprojekte nachträglich nicht überprüfbar ist, wie sich die Besucherschaft bzw. diejenigen, die sich positiv in den Besucherbüchern äußerten, zusammensetzte (denn es macht mit Sicherheit einen Unterschied, ob eine Person freundschaftlich oder verwandtschaftlich mit einer der beteiligten Personen in Beziehung steht und daher sicherlich von vornherein etwas interessierter oder wohlwollender die Ausstellung besichtigt). Trotz dieses Einwandes möchte ich der Frage der Verweilzeiten, soweit möglich, nachgehen. Als Referenzwerte lassen sich folgende Angaben – bezogen auf ‚herkömmliche‘ Ausstellungen – finden: So betrage die durchschnittlichen Verweilzeit eines/r BesucherIn pro Objekt gerade einmal acht bis neun Sekunden in einer herkömmlichen, also ‚kuratorInnen-gemachten‘ Ausstellung (vgl. Waidacher 1999b: 44 u. Schulze 1994: 111).15 Was die Rezeption der dargebotenen Textinformationen betrifft, scheint es mit einer langen Verweildauer respektive intensiven Auseinandersetzung der BesucherInnen ebenfalls nicht weit her zu sein, denn laut Schätzung lesen nur fünf Prozent aller MuseumsbesucherInnen generell alle Ausstellungstexte; dagegen würden 90 Prozent aller MuseumsbesucherInnen kurz über einen Text streifen und innerhalb von Sekunden entscheiden, ob der Text es ‚wert ist‘, gelesen zu werden (vgl. Waidacher 1999a: 482 u. ders. 1999b: 59). Und: Durchschnittlich würden sich BesucherInnen alles in allem eine Stunde in einer Ausstellung aufhalten (vgl. Thümmel 2008: 166). Verglichen mit diesen Angaben scheinen sich BesucherInnen in partizipativ generierten Ausstellungen in der Tat überdurchschnittlich lange aufzuhalten, was also dafür spräche, dass sie der dort dargebotene Inhalt interessiert bzw. ihnen die Ausstellung insgesamt gefällt. Dies deuten neben meinen Beobachtungen in den drei Fallstudien-Ausstellungen auch die Aussagen von Aufsichten und BesucherInnen 15 Dies ist natürlich ein Durchschnittswert, der, so nehme ich an, aus der Zeit der gesamten Aufenthaltsdauer geteilt durch alle ausgestellten Objekte gebildet wurde. In der Realität ist es jedoch so, dass sich BesucherInnen mehrheitlich gar nicht allen Ausstellungsstücken zuwenden, sondern nur einigen wenigen. Von diesen wiederum betrachten sie nur eine Auswahl an Exponaten länger – wobei die Dauer dieser Zuwendung nur selten zwei bis drei Minuten überschreitet (vgl. Schwan et al. 2008: 120).

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selbst an.16 Aber auch im Besucherbuch von Meine Sache. Bremens Gegenwart fand sich beispielsweise folgender Kommentar: „Tolle Idee! Ich habe mir die Ausstellung gerne angeschaut und jeden Text gelesen. Jetzt jedes Jahr so eine Ausstellung?“ (Eintrag vom 26.08.2006, Focke-Museum 2006a). Dies ist umso erstaunlicher, als dass partizipativ generierte Ausstellungen i.d.R. deutlich textlastiger als herkömmliche Ausstellungen sind – und Textlastigkeit sonst eher negativ von BesucherInnen bewertet wird, was sich ja auch darin spiegelt, dass Texte, wie oben skizziert, meist nur sporadisch gelesen werden.17 Für die drei Fallstudienprojekte habe ich zumindest für die Ostend-Ausstellung schriftlich fixierte Angaben von Seiten des Museums zur Verweildauer finden können: So hielten sich Besuchende dort durchschnittlich zwei Stunden lang auf (vgl. Jannelli 2011: o.S.), was tatsächlich als „außergewöhnlich hoch“ (ebd.) zu bezeichnen ist, wenn man oben zitierte Angabe von einer durchschnittlichen Verweildauer von einer Stunde als Vergleichswert heranziehen würde (oder einer anderen Angabe Glauben schenken mag, wonach Studien zufolge sogar bereits nach zwanzig bis dreißig Minuten eines Ausstellungsbesuchs eine Erschöpfung eintrete, die zur Unterbrechung oder Beendigung des Besuchs führe18). Dass sich BesucherInnen in der Ostend-Ausstellung offenbar tatsächlich lange und intensiv mit den Inhalten beschäftigt haben, zeigen auch Rückmeldungen von BesucherInnen selbst, wie etwa: „2 Std. hier und soo [sic] viel zu sehen und zu entdecken!“, „Ungewöhnlich, kreativ. Viel Information gut verpackt!“ oder auch schlicht der Wunsch nach „Mehr!“ (alle: Historisches Museum Frankfurt 2011d: 66). Wenn man abgesehen davon auch BesucherInnen-Äußerungen wie etwa die, dass eine Ausstellung interessant gewesen sei bzw. zum Nachdenken angeregt habe, oder auch, dass sie emotional berührt habe, als Indizien dafür deuten mag, dass sich BesucherInnen vertieft mit den Inhalten der Ausstellung auseinandergesetzt haben, würde dies ebenfalls dafür sprechen, dass partizipative Ausstellungen für unbeteiligte Besuchende ein überdurchschnittliches Maß an attracting, holding und learning power besitzen.

16 Natürlich können diese aufgrund ihrer vergleichsweise geringen Menge nicht als repräsentative Daten angesehen werden. Dies gilt nicht nur für die untersuchten Fallstudien, sondern stellt ein generelles Manko dar: Denn bisher existieren insgesamt leider nur von wenigen Partizipationsprojekten veröffentliche Reflexionen, noch seltener sind Äußerungen über das Besuchsverhalten oder Zitate aus den Besucherbüchern. Eine seltene Ausnahme stellt das Projekt Berg der Erinnerungen (Graz, 2003) dar, für das ebenfalls von einer langen Verweildauer mit „mehreren Stunden“ Aufenthalt berichtet wurde (vgl. Hofgartner & Schurl 2003: 104). 17 Zum Vergleich: Das Verhältnis von (eher ungeliebter) Lesezeit zu Seh- bzw. Gehzeit gibt Erika Thümmel wie folgt an: „Durchschnittlich verweilt ein Besucher 1 Stunde in einer Ausstellung. Nur einen Bruchteil davon verbringt er mit Lesen. Statistisch sieht das Zeitverhältnis so aus: Sehen : Lesen : Gehen = 6 : 3 : 1“ (Thümmel 2008: 166). 18 Vgl. Schwan et al. 2008: 121

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Besucherverhalten Als weitere spezifische Wirkung von partizipativ generierten Ausstellungen auf spätere BesucherInnen soll angenommen werden, dass diese in hohem Maße die Gesprächs- und Diskussionsbereitschaft bei BesucherInnen anregen, sodass diese gewissermaßen aus der typisch zurückhaltend-stillen und gutgläubig-duldsamen Rolle, wie man sie gemeinhin von BesucherInnen als Besichtigungsgebärde (vgl. Rumpf 1995) kennt, fallen.19 Dies konnte ich, was die drei Fallstudien betrifft, insbesondere in der NeuZugänge-Ausstellung beobachten. In Bezug auf eine andere partizipative Ausstellung, Berg der Erinnerungen in Graz (2003), wird Ähnliches berichtet: „Eine bemerkenswerte Eigenart im ‚Berg der Erinnerungen‘ wurde mit der Gesprächsbereitschaft sichtbar, die ihre Fortsetzung unter den AusstellungsbesucherInnen fand. Das sonst übliche respektvolle Schweigen [...] fiel einem angeregten Austausch über alte Zeiten und Erinnerungen anheim. [...] BesucherInnen erzählten ihrer/seiner Begleitung[,] oft auch anderen, ihnen unbekannten Menschen[,] von ihrem eigenen Erleben.“ (Hofgartner & Schurl 2003: 99)

Eine solche Veränderung im Verhalten der BesucherInnen halte ich persönlich für wünschenswert, weil sie meiner Meinung nach dazu beiträgt, dass Menschen anfangen, Museen wie selbstverständlich in eigener Sache zu ‚nutzen‘ und zu Orten mit einer spürbaren Aufenthaltsqualität zu wandeln (hier wäre wieder der englische Begriff ownership ein passendes Schlagwort). Dies wäre auch eine Komponente jenes Zustands, den Museumsleute meinen, wenn sie sich die Institution Museum als Agora, als Forum, Marktplatz oder gesellschaftliche Plattform wünschen, wie es ja zu Anfang dieser Arbeit in den skizzierten Positionen zur Zukunft der Institution Museum und zu Partizipation nicht selten angeklungen ist. Aber natürlich evoziert dies auch wieder das Bild der contact zone bzw. des Museums als sozialem Raum, was ich zuvor ja spezifisch für Projektpartizipierende untersucht und thematisiert habe. Wenn sich nun also zeigen sollte, dass auch BesucherInnen vermehrt miteinander ins Gespräch kommen – und zwar nicht nur mit Begleitpersonen, sondern sogar mit anderen, ihnen unbekannten Personen –, dann wäre festzuhalten, dass Partizipation das Potenzial bergen könnte, das Museum zu einem sozialen Raum nicht nur für TeilnehmerInnen zu verwandeln, sondern ebenso für die BesucherInnen. Und dass gerade partizipativ erarbeitete Ausstellungsinhalte ein solches Gesprächsbedürfnis oder sogar eine regelrechte Diskussionsbereitschaft20 wecken können, lässt sich zum einen wiederum plausibel aus den im Exkurs thematisierten spe19 Auch hier stellt sich natürlich die Frage, ob das Besuchsverhalten dadurch beeinflusst wird, ob man mit Projektbeteiligten verwandt, bekannt oder befreundet ist. 20 So heißt es in einer Eintragung im Besucherbuch zur Ausstellung Familiendinge im Heimatmuseum Neukölln beispielsweise: „Viele von uns haben sich an ihre eigenen Familiendinge erinnert, und wir haben nach der Führung noch heiß diskutiert.“ (Bezirksamt Neukölln 2005: 11).

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zifischen Besonderheiten herleiten, die partizipativ erarbeitete Ausstellungen in aller Regel kennzeichnen (vgl. Kap. VII.6). Zum anderen haben Ausstellungen mit multipler Autorschaft auch die Tendenz, verschiedene, zum Teil konträre Blickwinkel auf ein Thema zu versammeln (Multiperspektivität), die zudem in aller Regel nicht als Wahrheiten oder ‚Naturgesetze‘ (auktoriale Sprecherposition und distanziert-neutraler Duktus) inszeniert sind, sondern deutlich als persönliche Meinungsäußerung und individuelle Anschauung erkennbar werden; somit signalisieren sie BesucherInnen zugleich in größerem Maße als ‚herkömmliche‘ Ausstellungen, dass die präsentierten Inhalte subjektive Setzungen darstellen, die durchaus diskutabel sind. Genau dies ist es, worum es z.B. auch Muttenthaler/Wonisch geht, wenn sie von Museen fordern, „[...] in Repräsentationen die Annahmen offen zu legen, so dass diese vom Publikum als Deutungsangebote begriffen werden können“ (Muttenthaler & Wonisch 2006: 253); oder auch, wenn Reust beklagt, dass die Institution Museum bisher noch nicht zu einer öffentlichen kritischen Revision ihrer eigenen Subjektivismen und Inszenierungsmuster bereit gewesen sei, die dann nämlich „jede Ausstellung als eine Selektion, jede gewählte Präsentation als eine von vielen möglichen Inszenierungen“ (Reust 2000: 66) ausweisen und somit auch diskutabel machen würde. – Solche Forderungen scheinen im Übrigen auch auf einer Linie mit den Wünschen und Bedürfnissen vieler Menschen zu liegen: So zeigten zumindest Besucherforschungen in den USA, dass inzwischen auf Seiten der MuseumsbesucherInnen dezidiert der Wunsch nach einer Berücksichtigung und Präsentation verschiedener Perspektiven und Blickwinkel bestehe, sowie danach, eigene Schlüsse aus den Ausstellungsinformationen ziehen zu können, anstatt eine ganz bestimmte Interpretation aufoktroyiert zu bekommen (vgl. Schreider 2004: 67). Das Potenzial von Partizipation liegt summa summarum also offenbar nicht nur darin, Projektteilnehmenden ein besonderes Museumserlebnis zu ermöglichen, das den insgesamt geänderten Bedürfnissen und Kommunikationsmustern in unserer Gesellschaft inzwischen eher entspricht, sowie besondere Möglichkeiten für sozialen Austausch zu bieten, bei dem auch über gegenwartsrelevante, gesellschaftliche Aspekte ‚gestritten‘ werden kann; Partizipation scheint darüber hinaus auch genau solche Möglichkeiten den späteren BesucherInnen der jeweils realisierten Ausstellung mit höherer Wahrscheinlichkeit bieten zu können, als es viele ‚herkömmliche‘ Museumsausstellungen bisher tun. Ob diese These wirklich haltbar ist, müssen zukünftige Studien allerdings noch weiter ausloten.

VII.12 Nur mehr Aufwand oder echter Mehrwert? – Wo profitiert das Museum?

Das eben erläuterte Potenzial partizipativer Angebote für Teilnehmende wie spätere BesucherInnen führt natürlich zu der Frage, ob Museen eigentlich auch in besonderer Weise profitieren; gerade, weil man eines deutlich festhalten muss: Partizipative Projekte stellen Museen vor ungeahnte Herausforderungen, kosten viel Zeit sowie persönliches Kommunikationsgeschick und brauchen manchmal starke Nerven, insbesondere wenn es um die Frage des Gewähren-Lassens, der Einschränkung oder gar der Zensur geht. So lautet etwa das Resümee des Museums der Weltkulturen in Göteborg: „Dialoge und Kooperationsprojekte sind viel zeitintensiver, als man denkt. Wenn man nicht über genügend Zeit oder Ressourcen verfügt, dann ist das Risiko groß, dass Partnerschaften sich schlecht entwickeln, dass man sich nicht einig wird oder Erwartungen nicht erfüllt werden. Diese Punkte stehen im direkten Zusammenhang mit einer weiteren großen Herausforderung: Es gilt, im Rahmen von Entscheidungsprozessen ein Gleichgewicht zu finden zwischen der professionellen und routinierten Art der Museumsmitarbeiter und den verschiedenen Bedürfnissen und Erwartungen der Partizipienten, die auf die Museumsarbeit – Ausstellungen und Veranstaltungsprogramme – Einfluss nehmen möchten. Wenn man externe Kooperationspartner in die Museumsarbeit einbezieht, ist es unabdingbar, dass man sich der potentiellen Konflikte bewusst ist und ein aufrichtiges Interesse an ihrer Lösung hat.“ (Lagerkvist 2012: 55)

Was anstrengend klingt (und auch ist), kann Museen jedoch auch tatsächlich viel zurückgeben. Bereits in Kapitel IV, als ich die Positionen überzeugter und bedingter BefürworterInnen skizziert habe, sind diverse Potenziale von Partizipation für Museen genannt worden – insbesondere die Möglichkeit, die Institution Museum auf dieser Grundlage zu hinterfragen und zu aktualisieren, neue BesucherInnen zu gewinnen und für eine Rückanbindung der Institution Museum an das Publikum wie auch die Gesellschaft zu sorgen: „How can cultural institutions reconnect with the public and demonstrate their value and relevance in contemporary life? I believe they can do this by inviting people to actively engage as cultural participants,

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not passive consumers.“ (Simon 2010a: i-ii) – Die Zeit wird zeigen, ob solche langfristigen Entwicklungen mittels Publikumsbeteiligung angestoßen oder forciert werden können. Über den unmittelbaren Nutzen von Partizipation für Museen können die drei Fallstudienprojekte exemplarisch Auskunft geben: Alle drei Museen zogen eine äußerst positive Bilanz ihres jeweiligen Projekts und zeigten sich alle mehr oder weniger überrascht davon, wie gut die Zusammenarbeit mit ‚Laien‘ letztlich funktioniert hatte und wie engagiert die Teilnehmenden sich beteiligt hatten – aber auch, wie viel ungeahnte Freude ihnen selbst die Arbeit mit diesen ‚Laien‘ bereitet hatte. So resümierte etwa Peter Schwirkmann: „Also, es hat sehr viel Spaß gemacht, muss man sagen. […] Die Leute haben da toll mitgemacht. [...] [D]as hat sehr gut funktioniert. Das war eine wirkliche Bereicherung.“ (Schwirkmann; Piontek 2011g: 3). Insbesondere Erfahrungen, die sich als Blickwinkelveränderung oder neuer Impuls für die eigene professionelle Praxis überschreiben lassen, wurden in den Interviews als persönlich bereichernd hervorgehoben: So resümierte Gesser, dass sie und ihr Team die Zusammenarbeit mit so vielen verschiedenen Menschen als spannende Herausforderung erlebt hätten, die für das Team eine „erfrischende“ und „inspirierende“ (vgl. dies. 2011: 7) Abwechslung gewesen sei, welche neue Impulse und Motivation für den eigenen Berufsalltag angestoßen habe. Ebenso wurden die Alltagsroutinen der Museumsleute in Berlin und Bremen in positiver Weise gebrochen, indem sich diese in Konfrontation mit den Sichtweisen der Teilnehmenden ihrer berufsbedingten „Vorwertungen im Kopf“ (Schwirkmann; Piontek 2011g: 5) sowie ihres fachwissenschaftlichen „Kategoriesystems“ (ebd.) bewusst wurden. Insofern resümierte Schwirkmann auch, dass „das Interessanteste“ für ihn gerade die Erfahrung gewesen sei, dass Dinge je nach kultureller oder sozialer Prägung ganz unterschiedlich gesehen werden – was man in der eigenen Fachroutine jedoch allzu leicht vergessen und damit auch das Publikum aus den Augen verlieren könne (vgl. ebd. 3). Ganz ähnlich äußerte sich Wiegartz, die durch das Projekt „gelernt“ (dies.; Piontek 2012e: 9) habe, „[...] wie eng wissenschaftliche Scheuklappen sind. Das ist, glaube ich, schon ein Fazit, das man für sich aus so einer Aktion zieht. Wie stark man geprägt ist von dem, was man weiß, und wie selektiv man dann letztlich auch guckt, obwohl man ja eigentlich breit gucken soll. Man entwickelt über die Jahre eigene Qualitätsmerkmale und -ansprüche, und die überträgt man dann darauf. Dass die aber gar nicht unbedingt verbindlich sein müssen, das lernt man dann dabei.“ (Ebd.)

Der Kontakt mit Menschen ohne „fachlich verengten Blick“ (Beßling 2011: o.S.) scheint also generell geeignet zu sein, um die eigenen Berufsroutinen und eingefahrenen Denkmuster zu durchbrechen und auf diese Weise neue Inspiration für die ei-

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gene Berufspraxis zu erlangen.1 Dass dies, auf lange Sicht gesehen, auch das ‚System Museum‘ verändern wird, erscheint plausibel. Ein weiterer positiver Effekt kann darin gesehen werden, dass die Museen durch den direkten Kontakt mit ihrem (potenziellen) Publikum graduell Einsicht in deren Vorwissen, Gedanken, Erfahrungen, Bedürfnisse und Ideen erhielten, was sich in Zukunft vielleicht positiv auf die zielgruppenspezifische Planung von Ausstellungen und Veranstaltungen auswirken kann. So erfuhren die MacherInnen von NeuZugänge beispielsweise, dass bereits die bloße Einladung zur Fokusgruppe von vielen als ungewöhnlich und bereits als eine „Form der Anerkennung“ (Miera & Bluche 2012: 62) empfunden wurde, was im Umkehrschluss heißen mag, dass sich bestimmte gesellschaftliche Kreise derzeit spürbar nicht vom Museum anerkannt fühlen; es reicht also offenbar nicht, bloß Angebote für solche marginalisierten Gruppen anzubieten, um diesen ein Gefühl der Beachtung und Anerkennung zu vermitteln. In diesem Zusammenhang können sich Partizipationsprojekte als regelrechte Türöffner erweisen und sogar eine gewisse Arbeitserleichterung für Museen bedeuten, wenn, wie etwa bei Ostend // Ostanfang teilweise geschehen, die unmittelbar Partizipierenden als Keyworker oder MultiplikatorInnen für schwer erreichbare Gruppen fungieren. Zwar spielte dies bei den drei Fallstudienprojekten nur eine untergeordnete Rolle, kann aber durchaus für Museen bei bestimmten Vorhaben virulent werden, wie sich etwa dem Planungsstab des zukünftigen Stuttgarter Stadtmuseums beim Projekt Merhaba Stuttgart offenbarte: Nur durch die Mitwirkung verschiedener Schulklassen, die als entscheidende MittlerInnen in verschiedene migrantische Communities fungierten und somit Türen öffneten, die dem Museum sonst verschlossen geblieben wären, konnte eine Ausstellung mit biografischem Ansatz realisiert werden, „[...] welche weder in der Form noch in dem Umfang möglich gewesen wäre, ohne den Beitrag der Projektschulen.“ (Müller 2012: 9). Neben solchen stärker übergreifenden Prozessen der Weitung des Blickwinkels und des steigenden Bewusstseins für das (potenzielle) Publikum sowie ggf. dessen bessere Erreichbarkeit können partizipative Projekte jedoch auch ganz konkret neues Wissen für die Institutionen in ihren spezifischen Interessenbereichen zutage fördern: Das Team des hmf, das ja gerade dabei ist, das eigene Haus von einem Geschichtsmuseum zu einem modernen Stadtmuseum umzuwandeln, profitierte durch Ostend // Ostanfang nicht nur von den „spannenden und bereichernden Begegnungen“ mit verschiedensten Menschen aus Frankfurt, die die MitarbeiterInnen „im routinierten Museumsalltag nicht gehabt hätten“ (Gesser 2011: 7), sondern lernte 1

Auch Erika Thümmel hob diesen Aspekt im Interview hervor, als sie von einer für sie sehr beeindruckenden Ausstellungssequenz berichtete, bei der ‚Laien‘ Kunstausstellungen kuratieren durften: „Kein Kurator hätte das so machen können. [...] Jeder hat eben so seinen ‚Filter‘. Und der ‚Filter‘ einer Bürgerin ist ganz anders [als der einer Fachperson, Anm. A.P.]. Das war echt bereichernd!“ (Thümmel; Piontek 2011m: 7).

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tatsächlich auch bisher selbst für sie unbekannte Ecken der eigenen Stadt durch die Teilnehmenden (und deren breites Rahmenprogramm) kennen (vgl. Gesser; Piontek 2011h: 9 f.). Außerdem erwiesen sich die ‚Laien‘ als gute IdeengeberInnen, kamen doch wesentliche innovative Ideen für das Projekt von den Teilnehmenden selbst, so beispielsweise die eines aufklebbaren Erkennungsbandes, weiterer Ausstellungssatelliten im Ostend oder auch, dass der Bauwagen im Viertel touren solle, um eine höhere Präsenz zu erzeugen (vgl. Pelikan 2010: 6 f.). Ebenfalls zeichneten die von den Projektinteressierten geäußerten Wünsche im Umkehrschluss ein für das hmf (und darüber hinaus) sicher sehr hilfreiches Bild dessen, was Teile der Bevölkerung an herkömmlichen Museen kritisieren: verstaubte Institutionsräume vermeiden; Sicht auf Ostend aus verschiedenen Perspektiven; einzelne Exponate im Stadtteil; Präsenz im Internet; Einbeziehung von Kindern und deren Einrichtungen; Ausstellung im Dialog mit Besucher; menschlich darstellen; Besucherbeteiligung vor Ort; interaktiv; multiple Darstellung; Umgebung erkunden; kultureller Gesprächs„Teppich“ (Originalzitate aus der Dokumentation des Auftaktworkshops; Pelikan 2010: 5 ff.). NeuZugänge förderte aufgrund seiner Facetten- und Methodenvielfalt diverse Erkenntnisse für die Museumsfachleute zutage: So führten ihnen die eingebrachten Beiträge deutlich vor Augen, dass ihre BesucherInnen momentan noch in sehr engen, man könnte sagen ‚klassischen‘ Objektkategorien denken, wenn sie nach ‚Migrationsobjekten‘ oder dinglichen Zeugnissen kultureller Vielfalt gefragt werden (vgl. Gerbich 2013: 50 f.); den KuratorInnen, die ja auf die Hybridisierung und das Gemeinsame von Kulturen statt deren scharfe Differenzen abheben wollen, machte dies klar, dass sie ein solches Verständnis (noch) nicht bei ihren AdressatInnen bedingungslos voraussetzen können. Dagegen erhielt das Museumsteam anhand der Objekte und Geschichten der acht LeihgeberInnen einen exemplarischen Einblick in Mensch-Ding-Beziehungen, den Wandel von Objektbedeutungen zwischen verschiedenen Generationen2 sowie vor allem in den Alltag von MigrantInnen in Deutschland.3 In solchen Erkenntnissen sieht Düspohl ganz grundsätzlich einen wichtigen Aspekt jeder Zusammenarbeit mit Zugewanderten. So betonte er, dass die ersten partizipativen Projekte des Kreuzbergmuseums mit MigrantInnen Anfang der 2000er Jahre eine „Fülle von Aha-Effekten“ (Düspohl 2004: 71 f.) bei ihm und dem Museumsteam ausgelöst hätten, diverse Missverständnisse korrigiert haben und zur „Korrektur des häufig lücken- und fehlerhaften Alltagswissens über die Gründe und den Verlauf der Migration“ (ebd.) beitragen konnten. Besonders fruchtbar erwiesen sich für das Berliner Team aber die Erkenntnisse, die gelieferten „Denkanstöße und Impulse“ (Schwirkmann & Weinland 2013: 125) zu den Musealien und ihren von den KuratorInnen beigegebenen Objektinformatio2 3

Vgl. Bluche et al. 2013b: 158 f. u. 166 f. u. 168 f. Vgl. Bluche et al. 2013b: 154 u. 155-157 u. 162 f.

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nen, die in den Fokusgruppen gewissermaßen auf ‚Herz und Nieren‘ geprüft wurden: So deckten die TeilnehmerInnen unbewusste ‚koloniale‘ Denkmuster der MuseumsmitarbeiterInnen auf,4 identifizierten noch ungeklärte, aber für wichtig erachtete Fragen und Aspekte oder wiesen auf mögliche Irritationsmomente oder Verständnisprobleme beim späteren Publikum gegenüber manchen Objekten hin.5 In einigen Fällen konnten den Objekten nicht nur persönliche Bedeutungsfacetten zugefügt werden, sondern spezielles Fachwissen, das den Museumsleuten fehlte: So insbesondere bei den beiden Objekten des Werkbundarchivs – Museum der Dinge,6 deren musealer Wissensbestand sich durch die neuen Informationen „stark erweitert“ (Ludovico 2013: 123) hat und richtungsweisende Impulse für weitere Recherchen und Forschungen setzte, die zu „aufschlussreichen Resultaten“ (ebd.) führten. In Bremen erhielt das Gerhard-Marcks-Haus Kenntnisse über die ‚Top 100‘ der beim Publikum beliebtesten Marcks-Werke aus dem Sammlungsbestand – und zudem Einblick darin, in welcher Weise ‚Laien‘ an die Kunstwerke anknüpften und in welcher Hinsicht sie ihre Werturteile fällten: Sei es aufgrund formaler oder thematischer Aspekte, in Rückkopplung an persönliche Erinnerungen oder eigene Interessen – aber auch auf Grundlage spezifischen Fachwissens. So bekam das Museum eine Momentaufnahme dessen, wie sehr sich die eigenen Fachurteile mit denen des (potenziellen) Publikums deckten – oder eben unterschieden: Es zeigte sich nämlich, dass manche Kunstwerke zum regelrechten Publikumsliebling avancierten, die aufgrund des bisher negativen Fachurteils noch nie öffentlich ausgestellt gewesen waren, wobei sich dabei auch die Facheinschätzung relativierte, wie Wiegartz eindrücklich beschrieb: „Als Kustos oder als jemand, der häufig mit dem Werk umgeht, hat man natürlich auch seine Lieblingsfiguren, das ist ganz subjektiv, diese Lieblingsfiguren sind natürlich aber auch schon ein bisschen daran festgemacht, dass man meint, dass das für bestimmte Werkphasen wichtige Werke sind. […] Das führt aber dazu, dass man relativ häufig zu diesen Werken greift, weil man einfach von dieser Bedeutung der Figuren für das Werk dieses Bildhauers überzeugt ist. Und es gibt eben auch viele Figuren im Keller, wo man denkt: ‚Och naja, die sind so ein bisschen verspielt, oder formal nicht so richtig gut gelöst‘ [...]. Und bei so einer Ausstellung 4 5

6

Vgl. Bluche et al. 2013b: 140. In den Fokusgruppen wurde deutlich, dass die Objektgeschichten des Stadtmuseums zu viel historisches Fachwissen voraussetzten, was Peter Schwirkmann sehr eindrücklich in Erinnerung geblieben war: „[M]it der Urkunde haben sich alle unglaublich schwer getan. Also überhaupt die Story dahinter zu kapieren. Weil, das ist eine Insiderstory, muss man da sagen. Wer zum Teufel waren Hugenotten? Was hatten die mit Berlin zu tun? Wieso legt da einer so eine Urkunde da rein? Also da war man auch in diesem Forum an den Grenzen der Vermittelbarkeit. Was aber natürlich ein deutlicher Hinweis ist auf die Vermittlungspraxis. Also: Keep it simple, straight forward. Das setzt so viel an Vorwissen voraus, das man braucht, um dann überhaupt die Pointe goutieren zu können, das ist mir in Erinnerung geblieben. [...] Und da würde ich das nächste Mal nach einfacheren Geschichten schauen. [...] Die Konsultation von Außenstehenden macht auf jeden Fall Sinn [...].“ (Schwirkmann; Piontek 2011g: 4). Vgl. insbesondere die Kommentare zum Moscheewecker: Bluche et al. 2013b: 148 f.

460 | M USEUM UND P ARTIZIPATION ist man dann eben damit konfrontiert worden, dass Werke aus dem Keller geholt worden sind, die da schon seit dreißig Jahren lagen und noch nie gezeigt worden sind, weil Besucher sich von denen angesprochen gefühlt haben. Ein ganz witziges Beispiel war eben das ‚Christinchen‘7, das war der Renner schlechthin! Dieses Baby ist die erste Enkelin von Gerhard Marcks gewesen. […] [U]nd dann war die eben auch fast die ganze Ausstellung lang zu sehen, weil das ‚Christinchen‘ immer wieder gewünscht wurde. Das war aber auch in Ordnung und für uns eine interessante Erfahrung, denn in dem Moment, wo ‚Christinchen‘ oben [in der Ausstellung; Anm. A.P.] lag […], konnte man eben sehen, dass Marcks eigentlich in dem Baby seine Abstraktionsgrundsätze durchaus auch durchgezogen hat. Wenn man sich das Gesicht angeguckt hat und den Aufbau und welche Rolle die Nackenfalten spielen und so. Und das war dann eigentlich eine interessante Erfahrung für uns, zu sehen, dass Figuren, die wir sonst nie angeguckt haben – wenn man sie denn dann mal präsentiert und ordentlich aufstellt – durchaus Qualitäten entwickeln, die man vorher nicht wahrgenommen hat.“ (Wiegartz; Piontek 2012e: 9)

In solchen Statements zeigt sich, dass der Einbezug anderer eine kritische Reflexion der eigenen musealen Praxis bezüglich dessen anstoßen kann, was man dem Publikum bisher ‚zu sehen gegeben‘ hat.8 Dies sensibilisiert für die herrschenden Machtund Entscheidungsstrukturen sowie für die Frage danach, wie eine stärkere Rückanbindung an die Menschen im lokalen Umfeld bzw. allgemein die BesucherInnen gelingen könnte bzw. wie sehr Museen eben manchmal doch noch der „Elfenbeinturm“9 sind, ohne dies bewusst zu wollen. In welcher Hinsicht können Museen außerdem durch Partizipation profitieren? Wie ich bereits gezeigt habe, sind partizipative Angebote aus vielerlei Gründen geeignet, um Menschen für Museen zu interessieren, die sonst eher nicht zur klassischen Besucherschaft zählen; insofern kann Partizipation einen Beitrag zur Diversifizierung des Museumspublikums leisten. Ob ehemalige TeilnehmerInnen zu StammbesucherInnen werden, ist damit zwar noch nicht garantiert – und auch ein eher utopisches Ziel, wenn man solche Erwartungen an eine einmalige Projektteilnahme knüpft. Was ich diesbezüglich jedoch ohnehin für wichtiger halte (und was auch die Grundlage dafür darstellt, dass jemand später eventuell ein/e StammnutzerIn wird), ist der Umstand, dass ernst gemeinte Partizipationsangebote in den untersuchten Projekten positive Museumserlebnisse darstellten – also genau solch eine „museum experience“10 bieten konnten, die sich die beiden US-amerikanischen ForscherInnen John H. Falk und Lynn D. Dierking so sehr wünschen. Beide haben sich ausführlich mit 7 8

Gemeint ist die Bronzeplastik Christinchen auf dem Bauch liegend“ von 1959. Erika Thümmel drückte dies im Interview folgendermaßen aus: „Plötzlich kommen ganz andere Geschichten [im Museum] vor, die sonst nicht vorkommen. [...] [Die Besucher] haben [beim Berg der Erinnerungen] [...] einen Einblick bekommen in ein Weichbild der Stadt Graz, das sonst noch nie präsentiert worden ist. [...] Ich wundere mich immer, wie eng das Spektrum von Museen ist – da kommt so vieles überhaupt nicht vor, weil das den Kuratoren nicht relevant erscheint.“ (Thümmel; Piontek 2011m: 6 f.). 9 Vgl. Landschaftsverband Rheinland 1996. 10 Vgl. insbes. Falk & Dierking 1992, dies. 2000 u. dies. 2013.

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Prozessen nicht-formalen Lernens in Museen auseinandergesetzt und argumentieren damit, dass eine solche Erfahrung in und mit Museen dazu beitragen würde, die innere Einstellung gegenüber Museen zum Positiven zu verändern: Wer sich einmal als kompetenten und gewertschätzten Teil der „community of passion“11 (van Mensch & Mejer-van Mensch 2011: 54) erleben konnte und die beglückende und mit Stolz erfüllende Erfahrung gemacht hat, zum Gelingen eines Projekts oder Angebots aktiv beigetragen zu haben sowie sich selbst im Museum repräsentiert zu sehen, wird Museen nicht mehr automatisch als ‚langweilige‘ und ‚lebensfremde‘ Orte abstempeln; laut Birgit Mandel sind es nämlich leider genau solche Attribute, die mehrheitlich mit Museen konnotiert werden – ebenso wie körperliche und intellektuelle Anstrengung, das Fehlen von Spaß, Unterhaltung und Freizeitvergnügen oder das Gefühl ‚nicht dazuzugehören‘ (vgl. Mandel 2008b: 78). Partizipation stellt dazu ein regelrechtes Kontrasterlebnis dar (zumindest, wenn man sich auf die untersuchten Projekte stützt),12 an das viele Teilnehmende auch lange danach noch gerne zurückdenken13 (vgl. dazu die Fragebogen-Antworten in Anhang 5 und 9 bei Frage Nr. 7 u. Nr. 17, Teilfrage 13 im Anhang) – und das zumindest in einer Hinsicht Lust auf Museum weckt: Nämlich die auf weitere partizipative Museumsprojekte oder Beteiligungsangebote (vgl. Antwort 17, Teilfrage 12 im Fragebogen sowie z.B. S.-Sturm 2000: 178 u. Pfirrmann 2012: 53). Partizipation kann nicht nur Vergegenwärtigungsmomente im ‚Kleinen‘ bieten, sondern quasi auch auf Meta-Ebene, indem die Beteiligung und die individuellen Einblicke ins ‚System Museum‘ persönlich relevant werden und dadurch zu einer Identifikation mit diesem führen, welche wiederum zu einem gesteigerten Interesse an anderen Angeboten des Museums führen kann (im Sinne einer Generalisierung). So äußerten Fokusgruppen-Teilnehmende, dass ihre Einbindung bei NeuZugänge das Interesse am Besuch der beteiligten Museen gesteigert habe (vgl. Bluche & Miera 2013: 32); Teilnehmende von gerhardWER? gaben zu verstehen, dass diese Form des Ausstellungen-Machens „ein großes Stück näher an den Museumsbesu11 Damit sind all jene Personen gemeint, die (trotz unterschiedlicher Kontexte) alle in irgendeiner Weise mit dem Museum verbunden sind und in dieser Eigenschaft eine (Interessen-)Gemeinschaft bilden, hierzu zählen z.B. Mitglieder der Ursprungskultur, aus der die gezeigten Objekte oder Themen des Museums/der Ausstellung stammen, (regelmäßige) BesucherInnen des Museums, AnwohnerInnen oder Stakeholder des Museums usw. 12 Dies wird nicht nur deutlich in den Aussagen von Teilnehmenden selbst, sondern auch darin, wenn realisierte Ausstellungen oder Projekte in der Presse oder in Besucherbüchern als „ergreifend“, „lebendig“, „spannend“, „berührend“, „aktuell“ etc. beschrieben werden. 13 So argumentierte beispielsweise Heimo Hofgartner, dass man ja aus eigener Erfahrung wisse, wie schnell man eine Ausstellung wieder vergesse. Während man also i.d.R. nicht mehr erinnern kann, welche Ausstellung man z.B. vor drei Jahren besucht hat, würde man sich – zumindest als ehemalige/r TeilnehmerIn – noch jahrelang (wahrscheinlich sogar ein Leben lang) gut an dieses spezielle Ausstellungsprojekt zurückerinnern können und dies auch gerne tun (vgl. Hofgartner; Piontek 2011l: 6).

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cher[n]“ sei bzw. das Museum dadurch „persönlicher“ werden würde.14 Ein anderes Beispiel hierfür wäre etwa das bereits mehrfach erwähnte Projekt Blicke sammeln im Kunstmuseum Thun, bei dem Kleingruppen nacheinander eigene Ausstellungen kuratierten, und das spontan verlängert wurde, weil mit jeder realisierten Ausstellung das Interesse bei Teilnehmenden, Publikum und Presse immer weiter anwuchs (vgl. Hirsch 2010: 3); hier wie auch andernorts bewirkte die Projektteilnahme teilweise sogar Eintritte in den Freundeskreis, was zeigt, dass zumindest bei manchen TeilnehmerInnen Partizipation eine Initialzündung darstellen kann, bei der der ‚Funke‘ dauerhaft ‚überspringt‘ (vgl. Smidt 2010b: 11 u. van der Ploeg 2009b: 4). Solche positiven Museumserlebnisse bewirken durch die persönliche Identifikation der Teilnehmenden letztlich eine gesteigerte Bindung an das jeweilige Museum, wie es etwa bei dem in Kapitel VII.4 zitierten Teilnehmer deutlich wurde, als er äußerte: „[I]mmer wenn ich beim Netto in der Hanauer[straße; Ergänzung A.P.] bin, schau ich rüber zum Kontorhaus, ob da nicht doch noch das blaue StadtlaborBanner hängt“ (Historisches Museum Frankfurt 2011d: 35). Von solchen emotionalen Bindungen profitieren Museen auch langfristig, indem sich das Museumsimage in der Bevölkerung positiv verändern kann (ausgehend von den Teilnehmenden, die als MultiplikatorInnen fungieren, aber ebenso auch ausgehend von formal unbeteiligten, emotional jedoch sehr wohl involvierten BesucherInnen solcher Ausstellungsprojekte). So konstatiert etwa Laura Wittgens, die eine empirische Studie über Besucherorientierung und -bindung durchgeführt hat, dass Besucherbindung durch Maßnahmen wie den Blick hinter die Kulissen oder (ehrenamtliche) Mitarbeit, insbesondere aber durch den persönlichen Kontakt zu MuseumsmitarbeiterInnen entstehe (vgl. Wittgens 2005: 32) – dies alles sind Faktoren, die in partizipativen Projekten in exemplarischer Weise eingelöst werden können. An positiven Effekten von Besucherbindung für Museen nennt Wittgens: positive Auswirkungen auf die Finanzlage, Multiplikatorenwirkung, die Bevorzugung dieses Museums gegenüber anderen Freizeitorten, die Möglichkeit, von Impulsen und Ideen der Stammbesucherschaft zu profitieren sowie auch die gestiegene Unterstützungsbereitschaft in Form von Spenden, Ehrenamt, Mitarbeit oder Lobbyarbeit (vgl. ebd. 33). Auch eine britische Studie des Open Museum konnte zeigen, dass die partizipative Zusammenarbeit mit der Bevölkerung das Potenzial birgt, Menschen, die zunächst eher ablehnend Museen gegenüber eingestellt sind, positiv zu überraschen und somit deren persönliche Wahrnehmung von Museen zu verändern: „All of the individuals in the case studies were surprised in some way by the museum – an institution they had previously not had time for, considered irrelevant to their lives or found stuffy. […] It is the Open Museum, which has been the catalyst for this change in perceptions.“ (RCMG – Research Centre for Museums and Galleries 2002: 26)

14 Vgl. hierzu die Antworten auf Frage 20 des Online-Fragebogens, Anhang Nr. 9.

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Auch die Fragebogenantworten auf Frage 14 sowie 16 bilden diese Tendenz ab: So gaben zumindest diejenigen TeilnehmerInnen von gerhardWER? und Ostend // Ostanfang, die bei der Befragung teilgenommen haben, mehrheitlich an, dass sich ihre persönliche Sicht auf das betreffende Museum positiv verändert bzw. zumindest nicht negativiert habe. Ebenso zeigen die gewählten Antworten auf die Frage, warum das betreffende Museum ihrer Meinung nach ein partizipative Projekt initiiert habe, an, dass die Teilnehmenden beiden Museen ehrenwerte Motive unterstellten und nicht etwa an eine ‚Feigenblattmentalität‘ glaubten, die beispielsweise bloß den Anschein von Fortschrittlichkeit oder Interesse am Publikum erwecken sollte.15 Daran lässt sich vermuten, dass das Museum bei den Teilnehmenden an Image gewonnen hat. Auch die Interviewaussage eines ehemaligen Stadtlabor-Teilnehmers, den Stefanie Zimmer für ihre Masterarbeit interviewte, lässt darauf schließen: Zimmer: „Und wenn du den Namen des historischen museums hörst, was verbindest du da als erstes damit?“ Interviewpartner: „Wärme. Hat sich verändert [gemeint ist sein Bild vom hmf; Anm. A.P.]. [...] [F]rüher[:] historisches museum, kannte ich natürlich, bist reingegangen, hast ein Stadtmodell gesehen. Aber du warst ganz weit weg. Das ist so wie ein Tourist, oder so was, der dann irgendwie in so ein Museum geht und dann ein bisschen guckt. Natürlich wohne ich in dieser Stadt und habe auch Bezug zu Ausstellungsobjekten gehabt, aber das war so weit weg, irgendwie ich zahl 6 Euro Eintritt und laufe durch oder nehme noch eine Jugendgruppe mit und erzähl was über die Stadt oder so was. Und jetzt fühlst du dich immer ein bisschen wie ein kleiner Teil davon. Das ist eigentlich das Schöne, was dadurch entstanden ist.“ (Interviewsequenz zit. n. Zimmer 2014: XXXI)

Zwar könnte man dem hmf ein gewisses Kalkül bei der Vermittlung der InterviewpartnerInnen vorwerfen,16 dennoch macht die Aussage in ihrer Argumentationslinie meiner Meinung nach glaubhaft deutlich, dass die Partizipationsmöglichkeit wirklich eine signifikant andere persönliche Konnotierung des Museums bei diesem einen Teilnehmer bewirken konnte, die vermutlich auch eine gewisse Nachhaltigkeit besitzen wird. – Dieser positive Gesinnungswandel muss aber natürlich als Musterbeispiel und Idealeffekt von Partizipation gesehen werden, der sich nicht für die gesamte Gruppe oder für jedes Partizipationsangebot pauschalisieren lässt. Unabhängig davon, ob oder wie sehr sich das Museumsimage bei Teilnehmenden positiv verändern mag oder nicht: Für Museen ist es in jedem Fall von Vorteil, dass Menschen durch Beteiligungsmöglichkeiten (wie sie etwa in den drei unter15 Als die drei häufigsten vermuteten Motive, aus denen heraus die Museen partizipative Projekte initiierten, erwiesen sich bei den TeilnehmerInnen beider Projekte jeweils folgende: „Weil das Museum langfristig eine neue Richtung in der Arbeit mit Besuchern einschlagen möchte“, gefolgt von „Um das Museum und die Sammlung inhaltlich zu aktualisieren und lebensnäher zu machen“ und an dritter Stelle: „Aus ehrlichem Interesse an den (potenziellen) Besuchern“ (vgl. die jeweiligen Antworten auf Frage 16 der OnlineTeilnehmerbefragung in den Anhängen 5 und 9). 16 Stefanie Zimmer wählte sich nicht eigenständig ehemalige Teilnehmende von StadtlaborProjekten aus, sondern bekam vom hmf einzelne Kontakte für ihre Interviews vermittelt.

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suchten Projekten vorgelegen haben) einen Einblick in die Institution Museum, deren Mechanismen und gesellschaftlichen wie kulturellen Aufgabenfelder gewinnen. Auf diese Weise entwickeln sie ein Bewusstsein dafür, welche anspruchsvollen Aufgaben MuseumsmitarbeiterInnen tagtäglich erfüllen – von denen eine fertige Ausstellung ja bloß die ‚Spitze des Eisbergs‘ markiert – und, dass Museen nicht nur lohnenswerte Freizeitorte darstellen, sondern eine übergeordnete gesellschaftliche Relevanz als Spiegel und Motor unseres kulturellen Selbstverständnisses besitzen. Dass die Beiträge und Perspektiven Außenstehender den Museen darüber hinaus aktualisierende Blickwinkel zufügen, für Gegenwartsbezüge oder den häufig vermissten ‚menschlichen Touch‘ sorgen, was neue Zielgruppen interessieren und diesen wiederum zu einem niederschwelligen, positiven Museumserlebnis verhelfen kann, bedarf angesichts der vorangegangenen Kapitel keiner weiteren Erwähnung.

VII.13 In einem anderen Modus operieren – Bruch mit dem ‚System Museum‘?

Welche Folgen bzw. Implikationen von Partizipation für das Museumswesen haben sich im Verlauf der vorliegenden Arbeit abgezeichnet? Welche Differenzen und Differenzierungen ergeben sich im ‚Modus Partizipation‘ im Kontrast zum etablierten Modus Operandi der Institution Museum? Wird Partizipation tatsächlich dem Wunsch nach (oder, je nach Blickwinkel, der Furcht vor) einer Gegenpraxis, einem Gegenkonzept zum ‚System Museum‘ wie wir es heute kennen, gerecht? Bisher geäußerte Implikationen waren mehr Vermutungen als Ergebnisse konkreter Beobachtung und Analyse. Diese Lücke will die vorliegende Arbeit – zumindest ansatzweise – schließen. Um den gestellten Fragen nachzugehen, werde ich im Folgenden schlaglichtartig Aspekte herausgreifen, die meiner Meinung nach wichtige Marker darstellen, zwischen denen sich das museale Selbstverständnis entspannt bzw. anhand derer wesentliche Systemveränderungen festgemacht werden könnten. Dabei werde ich zugespitzt formulieren, um klar zu kontrastieren, wohl wissend, dass sich die reale Praxis sehr viel nuancierter zeigt; dass also meist weder ‚traditionelles‘ Museumswesen noch jenes, das auf partizipativen Vorstößen beruht, in der dargestellten Modellhaftigkeit und Eindeutigkeit existieren. Die Aspekte, die ich nacheinander beleuchten werde, sind: Theoretisches Wissensfundament, Objekt- und Themenverständnis, (Re-)Präsentationsmodus und evozierte RezipientInnen-Rolle, Aufgaben und Funktionen der Institution Museum, Rolle und Macht des Museums und schließlich Rolle der BesucherInnen/TeilnehmerInnen. Die Schlussfolgerungen bzw. Feststellungen zu den genannten Aspekten können dabei im Lichte der vorangegangenen Ergebnis-Kapitel als komprimierte Zusammenfassung der bereits festgestellten und diskutierten Tendenzen und Muster gesehen werden. Wissensbasis/Theoretisches Fundament Das herkömmliche ‚System Museum‘ basiert, grob gesprochen, auf von ExpertInnen produziertem Wissen, das sich in einem festgelegten, ‚hochkulturell-klassi-

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schen‘ Wissenskanon äußert. Damit verbunden ist auch die traditionelle Haltung, es gäbe so etwas wie eine unabhängige, allgemeingültige Wahrheit und somit auch eine absolute Objektivität, wie es der erkenntnistheoretische Realismus proklamiert. Partizipation dagegen implementiert die konstruktivistische Erkenntnis, dass es eben solch eine übergeordnete Wahrheit und Objektivität nicht geben kann, in der Weise, dass eine Öffnung für andere Wissens- und Erkenntnisformen stattfindet: Neben das „wissenschaftliche Wissen [...] mit dem Nimbus der Objektivität“ (Baur 2008: 46) und die Expertise einzelner Privilegierter tritt nun auch „erfahrungsgesättigtes Wissen“ (ebd.) Vieler. Die damit einhergehende Dynamisierung und Fluidität der neuen Wissensinhalte bringt etwa Wolfgang Kaschuba zum Ausdruck, wenn er feststellt, dass der bisherige Kanon von „nomadischem, heterogenem und veränderlichem Wissen“ (Kaschuba 2011: 23) abgelöst werde. An Stelle des musealen Deutungsmonopols tritt die Haltung des Museums, sich selbst auch als ‚Lernendes‘ zu verstehen; dies impliziert zugleich eine Aufwertung der (potenziellen) BesucherInnen als ExpertInnen in bestimmter Hinsicht, z.B. als AlltagsexpertInnen oder ExpertInnen ihres eigenen Denkens, Fühlens und Handelns, wie es in den drei Fallstudienprojekten deutlich zum Ausdruck kam. Den (potenziellen) BesucherInnen respektive PartizipientInnen wird also eine Expertise für Bereiche zugestanden, in denen die musealen FachwissenschaftlerInnen i.d.R. keine speziellen Kenntnisse haben, welche diese vormals aber auch nicht interessierten. Für Basu/Macdonald bedeutet dieser Paradigmenwechsel bezüglich der musealen Selbst- und Fremdsicht, Museen und Ausstellungen zukünftig als „Labore und Forschungseinrichtungen einer ‚geteilten Inkompetenz‘“ (Basu & Macdonald 2014: 84) zu sehen, welche „[...] nicht darauf zielen, den Wissensabstand zwischen Experten und Nicht-Experten zu verringern, sondern die unterschiedlichen Menschen mit unterschiedlichen Kenntnissen in einer Arena, die für alle fremd ist, zusammenzubringen (in der Arena der ‚geteilten Inkompetenz‘).“ (Ebd. 83 f.)

Das monologische Belehren durch die Museumsleute als Wissensautoritäten zum Zwecke der Verringerung des automatisch angenommenen Wissensdefizits auf Seiten der BesucherInnen/PartizipientInnen wird also von einer Dialoghaltung und einem gegenseitigen Interesse aneinander abgelöst. Museen, die Partizipation ernst nehmen, also auch ihren (potenziell) Teilnehmenden mit Respekt und Ernsthaftigkeit gegenübertreten wollen, bemühen sich, die faktisch vorhandenen Hierarchieunterschiede und Machtüberschüsse nicht gegenüber den Teilnehmenden auszuspielen.

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Objekt- und Themenverständnis Museen oder Projekte in einem partizipativen Modus zeichnen sich i.d.R. auch durch ein verändertes Objekt- und Themenverständnis aus, das man ganz allgemein damit überschreiben könnte, dass Objekte und Inhalte aufs Tapet gehoben werden, die zuvor für Museen eher keine Rolle gespielt haben und eher als ‚museumsunwürdig‘ galten – dies steht auch im Zusammenhang damit, dass das „traditionelle autoritäre und elitäre Profil“ (Sandell 2004: 99) von Museen zunehmend unschärfer wird. Thematisch waren bzw. sind Museen traditionell eher vergangenheitsorientiert – wenngleich es dabei natürlich auch darum ging bzw. geht, auf dem Fundament der eigenen Wurzeln oder Geschichte die Gegenwart zu erklären und Impulse für die Zukunft zu geben. Ob dieser Impetus auch so bei allen AdressatInnen immer ankam, ist zu bezweifeln (vgl. Parmentier 2003: 7). Jedenfalls kommt die in der Bevölkerung weit verbreitete Vorstellung vom rückwärtsgewandten, verstaubten und langweiligen Museum nicht von ungefähr (vgl. ebd.). Auffällig an partizipativ ausgerichteten Projekten ist dagegen, dass sie meist dezidiert die Gegenwart oder sogar Zukunft in den Blick nehmen. Selbst wenn sie auf Vergangenes gerichtet sind, ist die Komponente der Gegenwart dennoch immer dadurch deutlich enthalten, als dass Menschen aus dem ‚Hier und Jetzt‘ zu Wort kommen und somit immer in gewisser Weise für eine Aktualisierung der Inhalte sorgen. So stellt Korff fest, dass Museen derzeit im Begriff seien, „[...] mehr und mehr zu Orten der Begegnung mit Problemen des Heute und mit Entwürfen des Morgen und der Diskussion und der Auseinandersetzung zu werden.“ (Korff 2011: 77). Überhaupt besteht ein weiterer Unterschied darin, dass Museen thematisch meist die ‚große‘ Geschichte, die einschneidenden historischen Ereignisse in den Blick nehmen, wohingegen bei Partizipation die Geschichte durch eine Vielzahl von Geschichten ersetzt wird. Dies hat sicherlich auch mit der schon lange begonnenen, generellen Aufwertung der persönlichen Erinnerung in den Geisteswissenschaften und speziell der Geschichtswissenschaft zu tun, die nicht nur mit dem Aufkommen der Oral History in den 1960er und 1970er Jahren zusammenhing. Einfluss hatte zum einen auch die Erkenntnis, dass (Geschichts-)Wissenschaft trotz ihrer Wissenschaftlichkeit durch subjektive Faktoren geprägt wird und so gesehen einen „fiktiven Charakter“ (Pohl 2006: 276) besitzt, sowie zum anderen der zunehmende Zweifel daran, es könnte wirklich so etwas wie ein kollektives Gedächtnis oder kollektive Erinnerungen geben.1 1

„Wenn die Geschichtsschreibung von kollektiven Erinnerungen spricht […], dann wird damit letztlich eine Zuschreibung vorgenommen, ohne daß genau gewusst wird, wie viele Menschen tatsächlich die damalige Realität auf diese Weise erlebten. So besteht für eine Geschichtsschreibung, die Erinnerungen einbeziehen will, das Paradox, daß die Wirklichkeit des Geschehens lediglich rekonstruiert werden kann, wenn man akzeptiert, daß

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Was die Objekte betrifft, so bildeten und bilden diese traditionell das Rückgrat des Museums und standen bzw. stehen im Mittelpunkt des musealen Interesses – ein Alleinstellungsmerkmal (etwa gegenüber Archiven), das häufig mit dem Schlagwort Objektzentrierung versehen wird. Dabei gewährleistet(e) eine angemessene historische Distanz die Beurteilung der übergeordneten Relevanz und der Museumswürdigkeit der Gegenstände aus wissenschaftlicher Perspektive. Bei partizipativen Ausstellungsprojekten verschmelzen zumeist die Dinge mit den persönlichen Geschichten der LeihgeberInnen/Teilnehmenden zu festen Einheiten:2 Relevant wird eine Sache i.d.R. nur bzw. in erster Linie durch die persönliche Kontextualisierung oder individuelle Bedeutungszuschreibung. Ist eine solche gegeben, können auch Gegenstände, die nach bisherigen Standards als ‚museumsunwürdig‘ galten oder bei denen noch keine historische Distanz eine einwandfreie Beurteilung erlaubt, zu Ausstellungsstücken – (temporären) Musealien – aufsteigen. Im Mittelpunkt des Interesses steht also das Subjekt und dessen Geschichte oder dessen ‚Ausstellungsbeitrag‘; insofern könnte man kontrastierend zum bisherigen Modus von einer Subjektzentrierung sprechen.3 Oft werden auch ‚immaterielle‘ Güter zum ‚Objekt‘ – etwa, wenn ganz konkret Geräusche gesammelt werden, aber auch, weil durch die Betonung des Persönlichen oftmals auch Abstraktes wie Gefühle, Gedanken und Erfahrungen zum eigentlichen Inhalt werden. Dieses explizite und primäre Interesse am subjektiven, leidenschaftlich-emotional gefärbten Blick entspricht dem Prinzip, das Brigitte Kaiser als künstlerischen Ausstellungsansatz bezeichnet und Marie-Louise von Plessen für Autorenmuseen

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diese in hohem Maße fragmentiert war und weitgehend abhängig von der subjektiven Art, in der sie erlebt wurde. Objektivität – sofern es sie überhaupt noch geben kann – ist dann das Produkt von Subjektivität“ (Beier-de Haan 2001: 50). Exemplarisch hierfür kann z.B. folgende Aussage stehen, die sich auf das partizipative Ausstellungsprojekt Der Krieg ist aus (Stadtmuseum München, 2005) bezieht: „Das wesentliche Merkmal der Ausstellung ist, dass nicht das Objekt im Mittelpunkt steht, sondern der Leihgeber mit seiner Geschichte.“ (Hoch 2005: 119). Ein anderes Beispiel wäre folgende Aussage zu Zeitzeichen, einem Teil der Dauerausstellung des Ruhr Museums, Essen, der auch Objekte und die damit verbundenen Geschichten aus der Bevölkerung enthält: „Das entscheidende Kriterium für die Objektauswahl war der Zugang zu historischen Einsichten über die emotionale Erfahrungsebene und die persönliche Erinnerung.“ (Grütter 2010: 160 f.). So bescheinigt auch Kaiser dem partizipativen Ansatz gemäß ihrer Kategorisierung eine tendenzielle Abwertung des Objekts: „Ähnlich wie bei dem narrativen sowie künstlerischen Ansatz verändert sich [...] die Rolle und Bedeutung der Museumsexponate. Ein gemeinsames Kennzeichen liegt darin, dass die musealen Exponate, die eigentlich die Hauptakteure einer Ausstellung gemäß traditioneller Vorstellungen sind, in manchen Fällen in den Hintergrund treten. Im Gesamtarrangement der Ausstellungsinszenierung spielen diese dann eine beigefügte oder untergeordnete Rolle. In der Weiterführung dieses Ansatzes kann sogar völlig auf museale Exponate verzichtet werden.“ (Kaiser 2006: 181).

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oder das Museé Sentimental als wesentliches Merkmal herausstellt:4 Immer gehe es darum, Wertungsverfahren und Ding-Werte jenseits von Wissenschaftlichkeit neu zu formulieren; den „höchsten Wert“ werde dasjenige genießen, so schreibt von Plessen, „[...] was unmittelbar zu uns spricht, mit uns zu tun hat, in der Lage ist, Betroffenheit auszulösen, die Brücke über die Zeit zwischen dem Damals der Vergangenheit und dem Heute der neuerlichen sinnhaften Aneignung in ein anderes Bewusstsein zu vermitteln. Diese Arbeit der Umpolung der Werte erfordert mindestens so viel Genauigkeit und weitaus mehr Gespür für den Charakter der Dinge als die Arbeit des Wissenschaftlers, der sich gemeinhin gar nicht erst auf das Duell der Dinge und der Sinne einlassen mag [...].“ (von Plessen 1990: 186)

Von Plessen macht deutlich, dass das Verfahren der Exponatauswahl orientiert am subjektiv-symbolischen Gehalt oder seinem Vergegenwärtigungspotenzial für die Profession des/der KuratorIn nicht grundsätzlich eine Abwertung bedeuten muss oder weniger ernsthaft betrieben werde, auch wenn es in gewisser Weise in Opposition zum Bisherigen, zum wissenschaftlichen Blick, gesehen werden kann. Angela Jannelli, die sich in ihrer Dissertation mit Amateurmuseen (den sogenannten „wilden Museen“) beschäftigte, hat dort einen ganz ähnlichen Blick auf Objekte feststellen können, den sie als einen der größten Konfliktpotenziale zwischen ‚Laien‘ und ‚Museumsprofessionellen‘ begreift: „Der Kurator braucht ikonische Objekte, die als möglichst eindeutige Repräsentanten eines Sachverhalts fungieren [...]. Diese Repräsentationsfunktion der Dinge ist im wilden Museum eher sekundär, hier dominiert die symbolhafte Kraft des Dings, seine Fähigkeit, eine persönliche Beziehung, Erinnerung oder Erfahrung zu evozieren und damit immer wieder zu aktualisieren. [...] Diese unterschiedliche – symbol- vs. zeichenhafte oder beziehungsreiche vs. verweiskräftige – Verwendung der Objekte stellt meines Erachtens einen der größten Stolpersteine in der Zusammenarbeit von Museen mit Laien dar.“ (Jannelli 2012a: 168)

Dieses möglichen Konfliktpotenzials waren sich die Museumsleute aller drei Fallstudienprojekte bewusst, erkannten und trugen sie doch maßgeblich die Facette der Objekte als ganz persönliche Verweise mit und sahen darin einen spezifischen Wert für Museum, Teilnehmende und spätere BesucherInnen. Brigitte Kaiser (vgl. den Exkurs zur Ausstellungsanalyse, Kap. II.3.2), die den Wert eines künstlerischen Ansatzes für BesucherInnen betont, sieht das Potenzial solcher Ausstellungsarrangements darin, dass Gegenstände und Inhalte aus einem ganz anderen als dem sonst in Museen üblichen Blickwinkel präsentiert würden und somit Perspektivwechsel und Aha-Erlebnisse bei BesucherInnen möglich machten. Interessant ist auch, dass aufgrund dieser Auswahl- und Beurteilungspraxis von Objekten oder Ausstellungsbeiträgen ein interdisziplinärer ‚Grenzverkehr‘ einset4

Vgl. die Erläuterungen dazu in den jeweiligen Abschnitten meines Exkurses zur Ausstellungsanalyse in Kap. II.3.2 oder direkt in der Primärliteratur (Kaiser 2006 u. von Plessen 1990).

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zen kann: Sind Projekte nicht spezifisch und ausdrücklich auf eine bestimmte Objektgattung festgelegt (z.B. auf Kunstwerke wie bei gerhardWER?), können partizipativ generierte Ausstellungen Objekte diverser Gattungen sowie verschiedene gattungsspezifische Blickwinkel aufweisen. Dies stellt in gewisser Weise eine Reminiszenz an das Prinzip der Kunst- und Wunderkammern oder der Raritätenkabinette sowie an Universalmuseen oder eine sogenannte „malerische“5 Präsentation dar. Das ‚Bricolagehafte‘ dieser – nur scheinbar willkürlichen – Zusammenstellungen von verschiedensten Objekten und Ausstellungsbeiträgen und die Tendenz dazu, jeden Ausstellungsbeitrag als in sich abgeschlossene Mikroeinheit zu betrachten, sodass keine Wegeführung vorgegeben werden muss, ist aber auch wichtiges Merkmal der von Armin Klein als lyrischen Ausstellungstyp bezeichneten Präsentationsstrategie sowie jener, die Jana Scholze als Komposition bezeichnet. Auch können in dieser Hinsicht Parallelen zwischen Partizipation und der von Martin Schärer als assoziativen Typ bezeichneten Ausstellungssprache geltend gemacht werden, die ebenfalls durch ein ungewohntes Nebeneinander von Objekten oder unterschiedlichen Sammlungsbeständen gekennzeichnet ist.6 Sinnfällig wird diese Tatsache meist auch in der Wortwahl, mit der die MacherInnen ihre Ausstellungen beschreiben: Sei es als „Mosaik“,7 „Sammelsurium“8 oder „(buntes) Kaleidoskop“.9 (Re-)Präsentationsmodus und evozierte RezipientInnen-Rolle Damit ist bereits ein erster Punkt der veränderten Art des Zu-Sehen-Gebens genannt worden, der deutlich macht, dass sich partizipativ generierte Ausstellungen oftmals auch von den bisherigen Präsentations- und Inszenierungsmodi der Institution Museum unterscheiden (wenn man die real existierende Vielfalt auf wesentliche Prinzipien herunterbricht und verallgemeinernd spricht). Museen neigen bisher zu ge5

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Damit sind Präsentationen gemeint, die das Ziel verfolgen, ein Gesamtbild – etwa. einer Epoche – zu zeichnen, weshalb Objekte verschiedener Gattungen zu stimmigen Ensembles (etwa einem Epochenraum) jenseits beispielsweise typologischer, material- oder funktionsbezogener Systematik stimmungsvoll arrangiert werden (vgl. Foerster 1995: 88 f.). Vgl. die Erläuterungen dazu in den jeweiligen Abschnitten meines Exkurses zur Ausstellungsanalyse in Kap. II.3.2. So etwa geschehen bei Nach Westen. Zuwanderung aus Osteuropa ins Revier im LWLIndustriemuseum Zeche Hannover (vgl. Landschaftsverband Westfalen-Lippe 2012: o.S.) und bei Was ihr wollt! in der Kunsthalle Wilhelmshaven (vgl. Kunsthalle Wilhelmshaven 2004: o.S.). So beispielsweise bei Ganz privat in aller Öffentlichkeit – Gegenstände der Erinnerung im Haus der Stadtgeschichte, Aalen (vgl. Lehmann 2009: o.S.) und bei Meine Sache. Bremens Gegenwart (vgl. Focke-Museum 2006c: o.S.). Diese Wortwahl ist zwar prinzipiell treffend, jedoch halte ich sie für etwas unglücklich gewählt, da Assoziationen wie ‚Beliebigkeit‘ oder ‚Dinge zweiter Wahl‘ mitschwingen können. So etwa bei Weltenbummler. Abenteuer Kunst (vgl. Essl-Museum 2014/2015: o.S.) und bei Lieblingsbilder von Besuchern und Mitarbeitern (vgl. Schloßmuseum Murnau 2013/ 2014: o.S.).

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schlossenen Erzählformen und einer linearen (Geschichts-)Darstellung (vgl. Parmentier 2003: 6), die auf Eindeutigkeit zielt bzw. eine bestimmte Interpretation vorgibt – man könnte sagen: Museen erklären und sind dabei eindeutig. Dies entspricht dem bisherigen Selbstverständnis der Institution Museum als Wissensautorität und gesellschaftlichem Lernort, wie bereits dargelegt. Dagegen könnte man sagen, dass es bei Partizipation um das Aufwerfen von Fragen und nicht so sehr um das Geben von Antworten geht. Dementsprechend spielen Facettenreichtum, Vieldeutigkeit, Fragmentarik und Brüche oder sogar Widersprüchlichkeiten als Präsentationsprinzipien eine besondere Rolle. Unter Rückgriff auf Hannah Arendt räumt Irit Rogoff solchen Irritationsmomenten – insbesondere den Brüchen – eine wesentliche Dynamisierungsfunktion ein: So seien diese selbst schon performativ und könnten die „überkommene[...] hierarchische[...] Ordnung von Kontemplation und aktivem Handeln“ umkehren (vgl. Rogoff 1999: 104). Auch das Moment des Provisorischen scheint in dieser Hinsicht von zentraler Bedeutung zu sein, da auch das offenbar ‚Unfertige‘ und ‚Improvisierte‘ den BetrachterInnen jenen Möglichkeitsraum einräumt, der nötig ist, um bestehende Anordnungen als menschengemachte Setzungen zu erkennen, ggf. infrage zu stellen und eigene Zusammenhänge zu konstruieren (vgl. Gerrard et al. 1997: 14). So ist es sicher kein Zufall, dass viele partizipativ generierte Ausstellungen in ihren Inszenierungen bewusst mit dem Moment des Provisorischen spielen – so auch die drei untersuchten Fallstudienprojekte: Ostend // Ostanfang erschien als Work in Progress durch die von Baustellen allseits vertrauten Stahlgerüste, NeuZugänge wie eine eingefrorene Ein- oder Umzugssituation durch die Depotboxen und das Packpapier, gerhardWER? als nicht rechtzeitig fertig gewordene Kunstausstellung, weshalb man statt maschinengeschriebener Objekttäfelchen kurzerhand alle verfügbaren handschriftlichen Informationen an die Sockel geheftet und alle überzähligen Sockel noch nicht weggeräumt habe. Anstelle der vormaligen Eindeutigkeit musealer Inszenierungen und intendierter Aussagen tritt nun also die Rückeroberung der inhärenten Mehrdeutigkeit10 von Dingen und Botschaften, ganz so, wie es Michael Fehr für seine Idee eines „kommunikativen Museums“ als Gegenentwurf zum bisherigen Museum skizziert: „Mein Vorschlag, das Museum als kommunikatives Museum neu zu fassen, zielt [...] darauf ab, die Mehrdeutigkeit der Dinge nicht nur zu erhalten, sondern als sein Besonderes zum Thema zu machen. Das bedeutet, dass anstelle der musealen Monologe eine offene dialogische Kommunikationsstruktur etabliert werden müsste, in die die Besucher nach Maßgabe ihrer Interessen eintreten können.“ (Fehr 2009: 15)

10 Waidacher (1999b) betont, dass jedes museale Objekt sehr Verschiedenes bedeuten könne und demnach „potenziell unbegrenzt vieldeutig“ (49) sei.

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Um Dialoge möglich zu machen, muss die bisher tendenziell geschlossene, abschließend-erklärende Narration des Museums durch eine offene Narration abgelöst werden. Diese lässt dann auch ein differenzierteres Spektrum an Reaktionen auf Seiten der BesucherInnen zu, als es bisher im Museum, welches die „Gebärde der Besichtigung“ (Rumpf 1995) ja selbst mitkultivierte, vorgesehen war: Während bisher die – negativ gefärbt – „weichgespülte[n] eindimensionale[n] Präsentationen“ (Kaiser 2006: 131) eher affirmativ-passive Zustimmung oder Kontemplation bei RezipientInnen auslösen (bzw. auslösen sollen), neigen partizipativ erarbeitete Inhalte sehr viel eher dazu, zu polarisieren, zu verblüffen, aber auch zu verstören und zu verärgern – das von Andrea Hauser ins Spiel gebrachte Staunen wäre also der entscheidende Erlebniseffekt im ersten Moment (vgl. den Exkurs zur Ausstellungsanalyse, Kap. II.3.2). So unterschiedlich wie die Inhalte, so differenziert können (und sollen) die Reaktionen der RezipientInnen im zweiten Schritt ausfallen – nicht auf Glauben und Bejahen, sondern auf Nachdenken und Stellung-Beziehen zielt der veränderte Präsentationsmodus ab. Vermittel(te)n museale Präsentationen also bisher den Eindruck von Repräsentativität, Vollständigkeit und Umfänglichkeit, betonen partizipative Verfahren und Ausstellungen das Prozesshafte: Sie sind eher vom Charakter einer Momentaufnahme, welche immer auch eine gewisse Willkür und Zufälligkeit in sich trägt – also Repräsentativität i.d.R. nicht beanspruchen kann, diese aber auch gar nicht anstrebt. Während Museen zuvor beanspruchten, für andere zu sprechen, diese zu repräsentieren, propagiert das Prinzip der Partizipation die Selbst(re)präsentation, d.h. zugleich auch die geteilte Verantwortung für die gezeigten Inhalte und ggf. die Art der Darstellung, sprich: die multiple Autorschaft. Im Prinzip gleichen Ausstellungen, die als Folge partizipativer Prozesse viele ProduzentInnen und AutorInnen aufweisen, im eben Beschriebenen sehr dem bereits oben erwähnten kompositorischen Ausstellungsprinzip, das Jana Scholze in ihrer Dissertation im Vergleich zu anderen Ausstellungsprinzipien deutlich präferiert. Denn dieses sei – eben durch Fragmentarik, Spurensuche, Kombinatorik und Prozesshaftigkeit als genuinen Leitmotiven, aber auch durch Gegenwartsbezug, Verfremdungen und „poetische Raumkonstruktionen“ (Scholze 2004: 224) – in besonderer Weise in der Lage, temporär sinnliche Bilder der Welt zu zeichnen und die Dinge und Sachverhalte aus ungewohnten, neuen Blickwinkeln zeigen. Insofern könne dieses Ausstellungsprinzip Perspektivwechsel forcieren und Prozesse individueller Bedeutungsproduktion anstoßen (vgl. ebd. 222-247). Aufgaben und Funktionen der Institution Museum Wie zu Anfang dieses Buches anhand der Positionierungen zu Partizipation sowie später auch in den Fallstudien deutlich wurde, bedeutet Partizipation für diejenigen Museen oder PraktikerInnen, die sie ernsthaft betreiben, tatsächlich, die Institution Museum neu zu denken (und das eigene Rollenverständnis einer Revision zu unter-

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ziehen). Deutlich zeigt sich dies in Bezug auf Aufgaben- und Funktionszuschreibungen des Museums: Traditionell betont das Museumswesen seine Bildungsfunktion dem Volk gegenüber. Es zielt also – gewissermaßen als Bastion der Wahrheit und des (scheinbar) objektiven Wissens – auf die Belehrung der BesucherInnen, sei es nun, historisch gesehen, im Dienste einer Erziehung zum guten Staatsbürger und zur Identifikation mit der eigenen Nation oder in Bezug auf humanistische Werte und formale Bildungsinhalte. Gegen diesen Ort der (bildungsbürgerlichen) Affirmation und Kontemplation steht nun – zumindest von der theoretischen Idee her – das „partizipative Museum“ (Gesser et al. 2012a) als Ort der Kritik bzw. des kritischen Denkens und der eigenen Meinungsbildung und -äußerung, wie ich bereits skizziert habe. Vielleicht könnte man für diesen Wechsel die viel zitierte Forderung Walter Benjamins von 1930 anführen, wonach die BesucherInnen eine Ausstellung „nicht gelehrter“ verlassen sollen, sondern „gewitzter“ (Benjamin 1991 [1930]: 559)11 – was heißen soll, dass es nicht darum zu gehen habe, formale Bildung bei einem Museums- oder Ausstellungsbesuch zu erlangen, sondern ein praktisches Bewusstsein oder ‚Handlungswissen‘ für bestimmte Sachverhalte, die im Alltag von „Laien“ (ebd.) konkret anwendbar sind (als „Laien“ bezeichnete Benjamin pauschal alle BesucherInnen, um deutlich zu machen, dass es um die Vermittlung anderer Inhalte gehen müsse als um theoretisches Fachwissen, das i.d.R. eben nur etwas für Nicht-Laien sei). Dieses Prinzip trifft auch das bereits mehrfach gestreifte Gedankenkonstrukt hinter Partizipation, wonach es im Sinne des Konstruktivismus im Museum darum gehen müsse, Zeigestrategien offenzulegen, damit Teilnehmende und BesucherInnen in die Lage versetzt würden, das Museum und alles darin Präsentierte zu hinterfragen und sich somit eine eigene Meinung zu bilden. Im Fokus steht also nicht mehr so sehr der Inhalt als solcher, sondern vielmehr das Museum als spezifisches gesellschaftliches Medium der Setzung kollektiv beachteter Inhalte mittels der Kulturtechnik des Ausstellens, also als Medium der (Re-)Präsentation, was durchschaubar gemacht werden soll. Dieser Aspekt von Partizipation verbindet sich mit der seit Jahren ohnehin immer stärker werdenden Forderung nach einer selbstkritischen Revision und schonungslosen Offenlegung der eigenen Praktiken und Bedingungen der „Herstellung“ von Wissen (vgl. Fehr 2003: 40). So betonte Beier-de Haan schon vor über 10 Jahren: „In unserer Arbeit ist es essentiell, den Besuchern deutlich zu machen, daß wir konstruieren, und – zugleich – sie einzubeziehen in diese Konstruktion. ‚Wer spricht?‘ – die Antwort auf diese Frage sollte den Besuchern evident sein. So zu verfahren, kann uns nur zufriedener machen und bereichern.“ (Beier-de Haan 2001: 51)

11 Benjamins Bericht bezog sich auf die Ausstellung Gesunde Nerven (Gesundheitshaus Kreuzberg, 1929); Veröffentlichung des Berichts im Januar 1930.

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Macht und Rolle des Museums Das Museum wird damit tendenziell vom „Ort der Setzung bestimmter Weltsichten“ (Baur 2012a: 141) zum „diskursive[n] Ort der Verhandlung von Kultur und Geschichte“ (Muttenthaler 2002: 5). Also zu einem politischen Ort, an dem Vielstimmigkeit, Diskussion und Konflikt (positiv verstanden als zentraler Bestandteil jeder Demokratie, wie etwa Lynch es propagiert) zu Hause sind, um gemeinschaftlich über zentrale Fragestellungen oder Werte unserer Gesellschaft zu diskutieren. Dementsprechend häufig sprechen PraktikerInnen wie TheoretikerInnen vom Museum als gesellschaftlichem Diskursort bzw. von der neuen Rolle der KuratorInnen als ModeratorInnen, MediatorInnen und VermittlerInnen. Dies beinhaltet auch eine selbstkritische Haltung der eigenen Praxis gegenüber, gemäß dem Credo der Kritikalität: „[D]ie Arbeit der Theorie [besteht] darin, den Grund, auf dem sie steht, zu dekonstruieren. Fragen und Ungewissheiten dort einzuführen, wo es vorher einen scheinbaren Konsens darüber gab, was man tat und wie.“ (Rogoff 2003: o.S.).

Diese Hinterfragung der eigenen Rolle und des eigenen Systems beinhaltet auch, zu akzeptieren, dass wir – gewollt oder ungewollt – das System durch unser systemimmanentes Agieren perpetuieren; d.h. das Museum bzw. die MuseumsmitarbeiterInnen geraten durch Partizipation in eine Rolle, in der sie immer auch gegen sich selbst anzukämpfen haben (was natürlich in gewisser Hinsicht paradox erscheint): Denn partizipative Vorstöße rütteln immer (zumindest implizit) an den (systemimmanenten und damit zugleich eigenen) Pfeilern von Deutungshoheit, (Repräsentations-)Macht und Autorität der Institution Museum, weil es im Kern um die Dezentralisierung von Strukturen und Mächten geht. Partizipation hebt also die Frage nach Entscheidungsbefugnissen, Autorschaft und Expertise aufs Tapet. Neben die alleinige Expertise tritt, wie dargelegt, die gemeinsame Expertise, die Abgabe von Steuerungs-, Deutungs-, Repräsentationsmacht an die Gesellschaft bzw. Community in Form der PartizipientInnen. Es geht also für Museen bei Partizipation um nicht mehr und nicht weniger, als alte Privilegien aufzugeben bzw. aktiv zu verlernen.12 Dies bedeutet unweigerlich einen Schritt aus der eigenen Komfortzone heraus, hinein in unsicheres, umkämpftes Terrain, in dem Machtverhältnisse wie auch Beziehungen (Kollaborationen oder Kooperationen) immer wieder aufs Neue ausgehandelt werden müssen.

12 Vgl. hierzu Mörsch (2014: 108 f.), die unter Verweis auf Spivaks Konzept des „Verlernens von Privilegien“ genau dies für diejenigen fordert, die in der Vermittlungsarbeit tätig sind.

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Rolle der TeilnehmerInnen/BesucherInnen Mit dem veränderten Bild dessen, was Museum zu sein hat oder sein kann, und der dementsprechend veränderten Rollenzuschreibung an KuratorInnen sowie dem veränderten Objektverständnis geht auch eine veränderte Rollenzuweisung den BesucherInnen gegenüber einher, wie sie oben bereits angeklungen ist: Das lange Zeit als passive und homogene Masse verstandene (potenzielle) Publikum wird nun differenzierter als heterogene Publika wahrgenommen, welche aktiv an der Bedeutungsaushandlung und Repräsentationspraxis mitwirken sollen, also ausdrücklich die Rolle von DialogpartnerInnen zugewiesen bekommen. Wie bereits beschrieben, sollen diese nun nicht mehr in einer affirmativen Haltung verharren und sich belehren lassen, sondern sollen (museale) An-Ordnungen infrage stellen, eigene Bewertungen vornehmen und selbst Bedeutungen konstruieren. Partizipation kann im besten Fall also eine kritische und bewusste Reflexion über Werte und Bewertungen auslösen, die in unserer Zeit der allumfassenden Informationsfülle und der schwindenden gesellschaftlichen oder religiösen Orientierungshilfen für ein ‚gutes‘ Leben (nicht nur bezogen auf die eigene Person, sondern auch auf die Mitmenschen) Not tut; ein solcher ‚Anstoß zur Reflexion‘, den Museen damit gäben, wäre ganz auf Linie dessen, was der Erziehungswissenschaftler Volker Ladenthin etwa explizit von Museen einfordert: Nicht zur Übernahme von Werten drängen sollen sie, sondern den Besucher/die Besucherin im eigenen Werten fordern und fördern (vgl. Ladenthin 2007: 28). Der hier beschriebene Wandel der vormals passiven BesucherInnen-Rolle zeichnet sich schon seit Längerem im Museumswesen ab (auch im Zusammenhang mit der generellen Aufwertung der Vermittlung und Besucherorientierung). Dies zeigt sich bezeichnenderweise auch darin, dass der bisher dominant beanspruchte Seh-Sinn herangezogen wird, um diesen Wandel zu beschreiben: So konstatiert Bennett, dass das „gesteuerte Sehen“, welches die Museumsarbeit seit der Aufklärung geprägt habe, nun einem eher „dialogorientierten Sehen“ weiche (vgl. Bennett 2010: 49); und Siepmann stellt fest, dass BesucherInnen im Zuge der performativen Wende nicht mehr verkürzt als „verharrende Besucheraugen“ verstanden würden, sondern als „Körper-in-Bewegung“ (vgl. Siepmann 2003: 3). Neben dem Aspekt der Aktivierung und der Stellungnahme bzw. Bewertung bekommt – statt (nationaler) Selbstvergewisserung und Selbstbestätigung in Abgrenzung zu ‚den Anderen‘ – die Fähigkeit zum Perspektivwechsel eine besondere Bedeutung: Es geht nicht mehr primär um das Eigene und um die fraglose Bestätigung des Eigenen, sondern darum, andere Blickwinkel/Meinungen/Sichtweisen nachvollziehen und akzeptieren zu können und sich diesen gegenüber bewusst einzuordnen, aber auch das Eigene im Fremden zu entdecken: „Differenz verweist auf Vielfalt, Pluralität, Widersprüche und auch auf die Anerkennung von Unterschieden. Differenzwahrnehmung verdeutlicht die Beobachtungsabhängigkeit von Wirk-

476 | M USEUM UND P ARTIZIPATION lichkeit, die Einsicht, dass die eigene Perspektive nicht die einzige ist.“ (Kaiser 2006: 131)

Eine solche Differenzerfahrung und Akzeptanz gegenüber ‚dem Fremden‘ hat – idealerweise – auch mit Sich-Verunsichern-Lassen und kritischer Selbstbefragung zu tun (was freilich Mut braucht). Ein anderer Aspekt (der zumindest für die Partizipierenden in einem Ausstellungsprojekt gilt) ist, dass jede Person, die öffentlich zu ihrem Beitrag oder ihrer ‚Sicht der Dinge‘ steht, sich gleichzeitig aber auch nicht vor anderen Sichtweisen verschließt, Verantwortungsbereitschaft zeigt – ebenfalls ein großes Wort in sämtlichen Bildungstheorien (vgl. z.B. Klafki 1963: 46 ff.). Zusammengefasst könnte man den Modus Operandi partizipativ ausgerichteter Museumsarbeit eher als laborhaft und experimentell beschreiben. Somit steht die Metapher des Labors oder des Experiments dem vormaligen Bild des Tempels bzw. der „Kathedralpädagogik“ (Meier 2000: 12) gegenüber. Das „hierarchical model of authority“ ist einem „more inclusive model of shared authority“ gewichen (Steiner 2011: 395). Außerdem lässt sich Partizipation in Beziehung zu einem anderen Konzept setzen, nämlich dem des constructive museum, einem didaktischen Museums- bzw. Ausstellungsmodell, das der US-amerikanische Erziehungswissenschaftler und Vermittlungsforscher George E. Hein vor rund zwanzig Jahren erdachte (vgl. Hein 1995). Hein, der sich intensiv mit Lerntheorien und dem Museum als Lernumgebung auseinandergesetzt hat, nennt vier wesentliche Ausstellungsprinzipien, die sich hinsichtlich der zugrundeliegenden Epistemologie und damit auch in der Auffassung davon, wie sich Lernen vollziehe, unterscheiden. Das von ihm propagierte Prinzip ist das „konstruktivistische Museum“, das, dem Namen gemäß, vollkommen auf den erkenntnistheoretischen Grundsätzen des Konstruktivismus beruht: „Constructivism argues that both knowledge and the way it is obtained are dependent on the mind of the learner.“ (Hein 1995: o.S.). Das von Hein propagierte Museumsprinzip basiert also zum einen auf der Auffassung, dass die Welt, wie wir sie wahrnehmen, ein jeweils individuelles Gedankenkonstrukt darstellt; und zweitens, dass somit auch Lernen als Konstruktionsleistung verstanden werden muss. Dies deckt sich mit dem zu Beginn dieses Kapitels skizzierten theoretischen Fundament, auf dem museale Partizipation i.d.R. beruht. Spinnt man diesen konstruktivistischen Faden Heins weiter, so bedeutet dies in letzter Konsequenz auch, dass nur durch Lernende und Lernprozesse überhaupt ein „Konstrukt“ entsteht bzw. sich verändert. Somit sind dem Konzept des Konstruktivismus unauflösbare Wechselseitigkeiten eingeschrieben, indem nämlich Gedankenkonstrukt (Lerninhalt) und KonstrukteurIn (Lernende/r) untrennbar gekoppelt sind und auch das System, in dem der Lernprozess stattfindet – quasi als Metakonstrukt – nicht unbeeinflusst davon bleibt.

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Was heißt dies nun für das Museum? Hein meint: „Constructivist educational theory argues that in any discussion of teaching and learning the focus needs to be on the learner, not on the subject to be learned.“ (Hein 1995: o.S.). Er schlussfolgert also, dass Museen sich primär an den Bedürfnissen der BesucherInnen orientieren sollten, anstatt an den nur scheinbar unumstößlichen Wahrheiten, die den Lernoder Vermittlungsinhalt bilden. Auch wenn man dem in dieser Radikalität und Einseitigkeit sicher nicht uneingeschränkt im Museumskontext zustimmen mag, so schließen Heins daraus resultierende Forderungen dennoch an wesentliche Aspekte an, die im lern- und motivationspsychologischen Exkurs (Kapitel VII.6) angerissen wurden: So impliziere die Orientierung an den ‚Lernsubjekten‘, den BesucherInnen verschiedene Möglichkeiten der Auseinandersetzung zu bieten und diesen dabei die freie Wahl gemäß ihrer bevorzugten ‚Lernmethode‘ oder ihren Interessen zu überlassen (vgl. Hein 1995: o.S.). Auch müsse beachtet werden, dass Lernende an bekannte Inhalte anknüpfen können (vgl. ders. 1998: 156 ff.) sowie die Möglichkeit zur sozialen Interaktion haben, weil auch dies Lernen begünstige (vgl. ebd. 172 ff.). Wie ich bereits mehrfach gezeigt habe, können Beteiligungsangebote je nach Partizipationsintensität solcherlei Forderungen gut einlösen, sie können aber auch bei späteren BesucherInnen zu solch einem positiven Museumserlebnis beitragen. Hein betont, dass sein Ideenkonzept auf echte Dialoge zwischen Museum und (potenziellem) Publikum abziele und dass es darum gehe, die HerrscherInnen-Rolle auf Seiten des Museums abzulegen und sich selbst als „learning institution“ (ebd. 178) zu begreifen (vgl. ders. 2008: 347; s. auch Witcomb 2008: 359). Insofern sollten Ausstellungsnarrationen dazu tendieren, keine fixen Anfangs- und Endpunkte oder einen Rundgang vorzugeben, damit BesucherInnen ihre eigenen Verbindungen zwischen dem Dargebotenen knüpfen können. Nicht die KuratorInnen, sondern die BesucherInnen sollen selbst Wertungen vornehmen und Sinn konstruieren – gute Möglichkeiten hierfür entstehen, wenn man keine lineare oder chronologische Narration wähle, Provokation, Vielstimmigkeit und Multiperspektivität einbaue; dies könne auch dadurch eingelöst werden, dass mehrere Museumsprofessionen an der Ausstellungskuration beteiligt würden oder auch direkt die Community einbezogen werde (vgl. Hein 1998: 177 u. ders. 2008: 347). – Im letzten Punkt zeigt sich, dass Partizipation für Hein eine Form der Verwirklichung seiner Idee eines konstruktivistisch ausgerichteten Museums darstellt, auch wenn er dies so nicht explizit benennt. Heins Empfehlungen decken sich mit zentralen Prinzipien von Partizipation und dem dadurch veränderten Modus Operandi des ‚System Museum‘. Allerdings geht es Hein nicht allein um ein bedürfnisgerechteres Museum für das Publikum, sondern um die übergeordnete Idee, dass die Institution Museum sich als solche öffnet und ihrer sozialen Verantwortung gerecht wird,13 wie es ja auch vielen Prak13 Vgl. den Abschnitt Social Change and Social Responsibility in: Hein 2008: 349 f.

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tikerInnen und TheoretikerInnen, die in dieser Arbeit vorgestellt wurden, immer wieder ein Anliegen in Zusammenhang mit Partizipation war.

VIII. Am Schluss – und doch noch lange nicht am Ende...

Am Schluss – und doch noch lange nicht am Ende...

Diese Publikation hat viele verschiedene Blickwinkel auf Partizipation als Konzept und Idee geworfen, insbesondere auf Partizipation als museales Angebot, schwerpunktmäßig im Zusammenhang mit Ausstellungsprojekten, die unter Beteiligung Museumsexterner entstehen. Der Anspruch dieser Arbeit war, eine erste, möglichst weit gefasste Betrachtung von ‚Museum und Partizipation‘ anzustellen und somit eine solide Diskussionsgrundlage vor allem in theoretischer Hinsicht, aber auch in Bezug auf eine partizipative Ausstellungspraxis zu schaffen, die bisher – zumindest im deutschsprachigen Raum – fehlte. Statt einer systematischen Zusammenfassung, möchte ich – ganz im Stile partizipativ generierter Ausstellungen – enden, indem ich ein assoziatives Kaleidoskop entwerfe und hierbei weiterführenden Gedanken und neu zu stellenden Fragen nachgehe.

P ARALLELUNIVERSUM P ARTIZIPATION Der Gedanke, sich mitunter in parallelen Welten zu bewegen, muss unweigerlich aufkommen, wenn auf Tagungen, in Texten oder bei Ausstellungsbeschreibungen von „Partizipation“ die Rede ist. Ich habe dies zum Anlass genommen, systematisch und von Grund auf über den Begriff und vor allem seine Bedeutung im Kontext des Museums nachzuforschen. Die Wortherkunft und der Wortgebrauch in verschiedenen Disziplinen machen deutlich, dass die Auslegungen tatsächlich vielfältig (und in aller Regel auch traditionell begründbar) sind. Ich begreife Partizipation daher als Begriffskontinuum, das mal mehr, mal weniger stark auf die aktivhandelnde Mitwirkung von Menschen setzt, die dem Museum nicht beruflich oder professionell verbunden sind.

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Dennoch ist es wichtig, eine ‚feste‘ Definition für Partizipation als museale Spielart zu finden, damit zukünftige Debatten kriterienorientiert(er) geführt werden können. Ich habe daher den ersten Versuch einer Setzung unternommen und verstehe Partizipation im Wesentlichen als einen Austauschprozess auf zwischenmenschlicher Ebene, an dem MuseumsvertreterInnen und ‚Museumslaien‘ beteiligt sind, manchmal auch weitere externe ExpertInnen oder Stakeholder. Dabei geht es nicht um eine einseitige Beziehung, sondern klar um den Gedanken der Gegenseitigkeit. Soziologisch gewendet haben wir es mit einem (Aus-)Tausch-Prozess zu tun, bei dem konkrete wie immaterielle Güter (Bourdieu würde sagen: „Kapital“) zwischen beiden ‚Parteien‘ ausgetauscht werden. Dieser ‚Gabentausch‘ ist es, der eine soziale Beziehung konstituiert, Verbindungen, aber auch Verbindlichkeiten und ‚Schuldigkeiten‘ schafft. Allerdings – und dies ist der Unterschied zum ‚klassischen‘ Gabentausch – findet er unter ungewöhnlichen Bedingungen statt: Zum einen wäre da der Aspekt, dass Museen de facto stärker gebunden sind (obwohl sie eigentlich die machtvollere Position bekleiden), weil sie die geknüpften Bande bzw. den Prozess des ‚Knüpfens‘ nicht so leicht lösen bzw. verlassen können, wie dies die andere Seite kann; TeilnehmerInnen an einem musealen Partizipationsangebot können jederzeit abspringen (ohne ‚echte‘ Konsequenzen befürchten zu müssen), Museen sind dagegen deutlich stärker an ihre einmal gemachte Partizipationszusage gebunden und tun aus vielerlei Gründen gut daran, etwa ein partizipatives Ausstellungsprojekt nicht leichtfertig abzubrechen. Zum anderen wäre da die Problematik der Rollenklarheit: TeilnehmerInnen wissen meist sehr genau, ob sie als Privatpersonen agieren (und worum es ihnen geht) oder aber als InstitutionsvertreterIn an einem Museumsprojekt teilnehmen. Wie steht es aber mit dem Museum und seinen MitarbeiterInnen? – Mit Blick auf die praktische Durchführung partizipativer Museumsangebote sehe ich momentan eine der größten Herausforderungen für die Museen genau hierin, nämlich sich zunächst selbst einmal darüber klar zu werden, wie viel Nähe man eigentlich zulassen möchte und welche Rolle man genau in diesem (mitunter Ränke-)Spiel einnehmen möchte. Denn indem die Museumsmitarbeitenden durch den direkten Kontakt in der Wahrnehmung der Teilnehmenden vom unbekannten Gegenüber zum „anfassbaren Kurator“ (Gesser; Piontek 2011h: 10), zum Mit-Menschen und Mit-Spieler ‚wie du und ich‘ werden, geraten manche Selbstverständlichkeiten ins Wanken. Ein Dilemma wäre beispielsweise der Wunsch, durch und durch „BeziehungskuratorIn“ (Weber; Piontek 2011e: 2) zu sein, andererseits aber klarzustellen, dass man – anders als die TeilnehmerInnen – in dem Sinne nicht ‚freiwillig‘ (selbst wenn man aus vollster Überzeugung partizipativ arbeitet), sondern berufsmäßig involviert ist. Wie steht es dann aber mit der etablierten Beziehung zwischen Museumsmensch und TeilnehmerIn? Gelten die sozialen Bande, Verbindlichkeiten und ‚Schuldigkeiten‘ nur für den Berufsmensch oder auch für den/die MuseumsmitarbeiterIn in ihrer Rolle als Privatperson? Was ist (berufsmäßige) Kollaboration oder

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Kooperation, was ist (private) Sympathie – wo enden Verbundenheit und Verantwortungsübernahme? Wie stellt man sich ‚professionell‘, wie ‚menschlich‘ zu diesem Dilemma? – In gewisser Weise könnte man also auch bezüglich Museum/ MuseumsrepräsentantIn und TeilnehmerInnen von Paralleluniversen sprechen und muss (gemäß Cliffords Feststellung, wonach contact zones niemals ‚echte‘, sondern nur ‚ungleiche‘ Wechselseitigkeit etablieren) akzeptieren, dass Partizipation zwar für die Idee steht und den Versuch unternimmt, Gleichheit zwischen Museum und (potenziellem) Publikum herzustellen, faktisch aber doch von Machtasymmetrien und ‚Ungleichheiten‘ gekennzeichnet ist und bleibt. Um dennoch von „Partizipation“ sprechen zu können, so meine definitorische Setzung, muss das Partizipationsangebot wirkliche Handlungsmöglichkeiten bieten und als ergebnisoffener Prozess angelegt sein, bei dem Teilnehmende als ‚echte‘ und eigenständige AkteurInnen entscheidende Einflussmöglichkeiten auf das spätere Endergebnis haben.

P ARTIZIPATION IN DER P RAXIS Das Vorhandensein einer Definition beantwortet jedoch nicht immer automatisch die Frage, wie man sich die praktische Umsetzung einer Sache – zumal so einer komplexen wie der Idee von Partizipation – vorzustellen habe. Mithilfe eines theoretischen Modells als vereinfachtem und idealisiertem Abbild der Wirklichkeit habe ich auch in dieser Hinsicht eine erste Setzung im Sinne einer Diskussionsgrundlage und praktischen Orientierungshilfe vorgenommen und dieses „Dimensionenmodell“ anschließend als Folie verwendet, um exemplarisch drei partizipative Ausstellungsprojekte eingehend zu analysieren. Um den deskriptiven Anteil des Ideenkonzepts von Partizipation in seiner möglichen Variationsbreite darzustellen und zu systematisieren, hat sich das vorgelegte Dimensionenmodell als brauchbares Instrument erwiesen. Dennoch sind weitere, zentrale Aspekte offen geblieben: So beschreibt das Dimensionenmodell Partizipation in erster Linie aus institutionellem Blickwinkel. Die Beteiligten werden zwar berücksichtigt – der Zeitpunkt der Involvierung, die Art der etablierten Beziehung und Interaktion wie auch die konkreten Betätigungsfelder und -formen sowie mögliche Teilnahmemotive etc. –, dennoch kann das Dimensionenmodell nur unzureichend beschreiben, was Partizipation mit den TeilnehmerInnen ‚macht‘ bzw. welche Veränderung im Projektdesign in welcher Weise das Teilnahmeerlebnis der Partizipierenden beeinflussen oder diese als Personen ‚verändern‘. Die eingehende Beforschung der TeilnehmerInnenperspektive bleibt also nach wie vor wichtiges Desiderat zukünftiger Untersuchungen. Hier wäre es sicherlich sinnvoll, einen gesamten Projektprozess in einer Begleitforschung zu erfassen (was mir aufgrund meines Forschungsdesigns nicht möglich war) oder auch Lang-

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zeitstudien darüber anzustellen, ob sich die von mir in Teilen festgestellte positiv veränderte Einstellung von Mitwirkenden gegenüber der Institution Museum langfristig verfestigt und ob sich dies erkennbar z.B. auf das Besuchsverhalten auswirkt, oder, ob ein gewecktes Themeninteresse oder verändertes Bewusstsein von gewisser Dauer ist. Auch stellt sich insbesondere die Frage danach, wie Partizipation in das Alltagsgeschäft der Institution Museum zu integrieren wäre: Einerseits mit Blick darauf, was wohl die bestmögliche Projektdauer sei, welche Kriterien für Zeiten oder Orte für Zusammenkünfte zu berücksichtigen sind, wie viele MitarbeiterInnen in welchen Funktionen benötigt werden, was an finanziellen Mitteln oder Arbeitsstunden zu veranschlagen ist etc. Andererseits auch bezüglich der paradoxen Situation, dass Ergebnisoffenheit und Prozesshaftigkeit nicht zum weit vorausschauenden Planungsmodus eines Museums, zu gesetzten (Eröffnungs-)Terminen oder zu vorvereinbarten Zielsetzungen mit finanziellen FörderInnen passt. Gerade letzteres erweist sich noch aus anderem Grund als Schwierigkeit: Üblich sind in aller Regel Kurzzeitförderungen für Einzelprojekte. Dies steht eigentlich dem entgegen, dass die Beteiligung der Bevölkerung, von Communities oder Einzelpersonen als längerfristiger Prozess gesehen werden müsste, der nicht mit einem einmaligen Projekt ‚erledigt‘ ist. Hier scheint das Dilemma auf, dass die Fähigkeit zur Partizipation mit all ihren positiven Implikationen eben nicht nur Ziel solcher Projekte und Prozesse ist, sondern eben auch bereits eine Voraussetzung oder Bedingung für gelingende Beteiligung darstellt. Eine solche Perspektive in das Dimensionenmodell (oder andere zukünftige Partizipationsmodelle) einzubringen, kann eine spannende wie sinnvolle Aufgabe zukünftiger Forschung darstellen. Die normative Seite von Partizipation erfasst das Dimensionenmodell freilich auch nicht unmittelbar, obwohl die Fallstudienanalysen gezeigt haben, dass sich über bestimmte Kommunikations- und Interaktionsstile und -strukturen, über das Ausmaß an Partizipationsintensität oder über das museale Selbst- und Fremdbild wie auch den institutionellen Stellenwert von Partizipation dazu indirekt Schlussfolgerungen ziehen lassen. Die Berücksichtigung ethischer Fragestellungen halte ich für enorm wichtig, damit Gemeinschaftsprozesse nicht als Methode der Instrumentalisierung, ‚Ausbeutung‘ oder Scheinbeteiligung benutzt werden. Die vorgestellten Stimmen von PartizipationskritikerInnen wie auch den ‚nur bedingten‘ BefürworterInnen zeigen, wie virulent diese Thematik ist, wenn es um institutionell ermöglichte Partizipation in „invited spaces“, wie Bernadette Lynch es ausdrückt, geht. Damit zusammenhängend muss bei Partizipation auch die Frage der Bewertungsmaßstäbe, -kriterien und -verfahren neu gestellt werden: Cornelia Ehmayer hat hierfür bereits das Kriterium der Partizipationsintensität in die Diskussion eingebracht. In Anlehnung daran schlage ich als weiteren Maßstab den der Partizipationsqualität vor, der, wie ich in Kapitel VI.4.4 gezeigt habe, die subjektive Ein-

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schätzung eines Angebots oder Projekts aus Sicht der TeilnehmerInnen meint. Hierzu fehlen jedoch noch eingehendere systematische Überlegungen, etwa welche Variablen von Bedeutung sind und wie diese zu gewichten wären – aber auch, wie sich Effekte messen und bewerten lassen. Kann es überhaupt so etwas wie verbindliche Beurteilungsmaßstäbe geben oder wäre Partizipation nicht vielmehr für jedes Projekt individuell und neu zu beurteilen? Und wie steht es mit der Frage von Harmonie vs. Streitkultur, die ja je nach ‚Lager‘ ganz anders interpretiert wird? Sicher ist, dass PraktikerInnen aus nachvollziehbaren Gründen meist ein harmonisches Miteinander anstreben – auch, weil ein reibungsloser Projektverlauf ohne Meinungsverschiedenheiten von außen betrachtet als Zeichen für ein erfolgreiches Projekt und eine ‚gute‘ Zusammenarbeit gilt. Bei Teilnehmenden, so legen Lynchs Studien nahe,1 kann Konfliktvermeidung aber genau als gegenteiliges Signal verstanden werden in dem Sinne, dass das Museum gar nicht daran interessiert sei, sich wirklich mit den Eingeladenen und mit konträren Sichtweisen auseinanderzusetzen bzw. die Teilnehmenden vollumfänglich ernst zu nehmen. Hier zeigt sich die Janusköpfigkeit von Konflikt und Harmonie im Zusammenhang mit Partizipation.

F OLGEN UND I MPLIKATIONEN Ich habe diese Arbeit auch verfasst, weil in der bisherigen Debatte schlimmste Befürchtungen und himmlischste Zustände mit einem „partizipativen Museum“ in Verbindung gebracht werden. Auch wenn meine empirischen Untersuchungen als qualitative Einzelfallstudien angelegt waren und daher keine quantitativen Gewissheiten schaffen können, so dürfte dennoch klar geworden sein, dass beide Extrempositionen im Unrecht sind: So muss man auf der einen Seite den Glauben an die Allmacht von Partizipation der ‚PartizipationsromantikerInnen‘ dämpfen: Partizipation generiert nicht automatisch und sofort neue StammbesucherInnen und bringt Machtasymmetrien (seien sie im Museum oder außerhalb) von heute auf morgen zum Verschwinden. Auch kann nach einem einzigen Give-a-Voice-Projekt noch lange nicht die Rede von Empowerment sein, da Sichtbar-werden oder Sprechendürfen an sich noch nicht als vollzogene Selbstermächtigung gedeutet werden können (Sturm nennt dies ja den „empower-Fleck“, und Sternfeld mahnt an, dass genau das Gegenteil eintreten könne, nämlich freiwillige Selbstregulierung im Gewand der Emanzipation, letztlich jedoch im Dienste der ‚Herrschenden‘, um Teilnehmende zu „verwertbare[m] Humankapital“ zu machen).2 Und auch erlebte Mitgestaltung und ‚Demokratie‘ im Kleinen hat zwar mit politischer Bildung zu tun, ist aber

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Vgl. Lynch 2011a: 152 und dies. 2011c: 11 f. Vgl. S.-Sturm 2000: 182 u. Sternfeld 2005: 25.

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nicht gleichzusetzen mit einem dadurch automatisch mündigen Individuum in der Bürgergesellschaft: „Durch kulturelle Aktivität und Mitwirkung wird die Handlungskompetenz erweitert. Es ist zu vermuten, dass dieser Zuwachs an Kompetenz nicht nur in einem abgegrenzten Bereich stattfindet, vor allem dann nicht, wenn positive soziale Erfahrungen gemacht werden. Ein direkter Transfer von kultureller Aktivität in gesellschaftspolitisches Engagement ist dennoch nicht selbstverständlich anzunehmen.“ (Stöger 2005b: o.S.)

Auf der anderen Seite hat die vorliegende Untersuchung, allen ‚PartizipationspessimistInnen‘ zum Trotz, gezeigt, dass es durchaus gute, sinn- und qualitätvolle Partizipationsprojekte geben kann – alleine die drei Fallstudienprojekte stellen hierfür exemplarische Beispiele hoher Qualität in jeweils unterschiedlichen musealen Bereichen, mit unterschiedlichen ‚Zielgruppen‘ und ganz verschiedenen Maßgaben und partizipativen Settings dar. Wesentliche Gelingensfaktoren bildeten hier die engagierten, flexiblen und wirklich an Austausch interessierten MuseumsmitarbeiterInnen, die den Teilnehmenden ohne Arroganz oder Vorbehalte begegneten, die die anstrengende Projektarbeit nicht als Belastung, sondern als persönliche Bereicherung und neues Lernfeld begriffen – unterstützt durch innovative MuseumsleiterInnen, die ‚andere‘ Wissensformen und Zugänge nicht als Gefahr, sondern spannende Ergänzung und Blickwinkelerweiterung empfanden (und die auch der Tatsache gelassen gegenüberstanden, dass die Projekte Experimentalcharakter hatten und so gesehen auch ein mögliches Scheitern als Ergebnis und Erfahrungsgewinn akzeptiert hätten). Trotzdem gingen alle Teams nicht naiv oder gar ‚planlos‘ vor und waren sich ihrer Verantwortung dem Museum wie auch den Teilnehmenden gegenüber sehr wohl bewusst – und hatten bei all dem auch die möglichen späteren BesucherInnen im Blick. Alle drei Projekte verliefen erfolgreich und wurden von den BesucherInnen mit Interesse aufgenommen. Tendenziell konnte anhand der drei Projektbeispiele gezeigt werden, dass Partizipation im Museum Chancen für Teilnehmende, Museum und BesucherInnen bieten kann. Das wesentliche Potenzial, das Partizipation für Beteiligte bereithält, ist das der Vergegenwärtigung des Beschäftigungsgegenstandes, des ‚Systems Museum‘, der eigenen Person oder von gesellschaftlichen Begebenheiten und Thematiken. Museen profitieren hiervon insofern unmittelbar, als dass jene Menschen mit Vergegenwärtigungserlebnissen das Museum als einen Ort erleben, der unmittelbar mit ihnen und ihrem Leben zu tun hat bzw. an dem Inhalte mit persönlicher Relevanz verhandelt werden – dies trägt zu einer Aktualisierung des Museums bei und kann die persönliche Vorstellung von diesem Museum positiv beeinflussen. Durch die multiple Autorschaft sind die realisierten Ausstellungen meist durch eine Variationsbreite an thematischen Zugängen und inhaltlichen Ausdeutungen, durch Multiperspektivität und Facettenreichtum gekennzeichnet, die eine KuratorInnen-Aus-

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stellung kaum zu erreichen vermag, und können damit potenziell einer breiteren und inhomogeneren Besucherschaft Zugänge zum Thema bieten. Besondere Relevanz in den aktuellen Debatten hat natürlich auch die Frage, ob Partizipation nicht das ‚System Museum‘ (negativ gewendet) subvertieren oder (positiv gewendet) transformieren könne. Auch hier konnte ich aufzeigen, dass ernst gemeinter partizipativer Praxis bestimmte Prämissen zugrunde liegen, die sich tendenziell vom ‚traditionellen‘ Wissensfundament oder ‚traditionellen‘ Einstellungen gegenüber Objekten, Themen und dem Publikum unterscheiden und denen der Tendenz nach auch ein gewandeltes Verständnis von Rolle und Funktion des Museums zugrunde liegt, das sich in mancherlei Hinsicht auch in einem gewandelten Präsentationsmodus bzw. anderer Zeigegesten äußert. Partizipation, so kann konstatiert werden, ist nicht ‚nur‘ eine Methode, die losgelöst zu betrachten ist, sondern stellt (zumindest implizit) immer auch in gewisser Weise das etablierte ‚System Museum‘ zur Disposition.

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Wie gezeigt, fordert Partizipation das Museumswesen und alle darin Agierenden heraus, da es im Prinzip um permanente Grenzauslotungen, Grenzverwischungen, Grenzüberschreitungen, aber auch um die Frage, wo neue Grenzen gezogen werden sollen bzw. müssen, geht. Anstrengend ist dabei das stete Neuverhandeln von Zielen, Zuständigkeiten, Zugehörigkeiten, Konventionen etc. Partizipation zeigt sich daher als Dynamisierung, Verflüssigung, als Aushandlungsprozess oder Experiment – für diejenigen, die museumsseitig mit Partizipation betraut werden, als Gratwanderung und Balance-Akt. In der konkreten Arbeitspraxis verlangt Partizipation beispielsweise eine Entscheidung darüber, wie mit Beiträgen umzugehen ist, die aus KuratorInnen-Sicht ‚falsch‘ oder ‚unangemessen‘ sind, oder wie reagiert werden soll, wenn der Umgang mit Museumsgut oder die Interpretation dessen in eine Richtung geht, mit der niemand gerechnet hat (oder die, im Falle eines Kunstwerks, der von der/dem KünstlerIn geäußerten Intention und Aussage widerspricht3); wenn, überspitzt gesagt, also Dinge im Museum getan werden, „die vielleicht nur hier möglich sind, deren Möglichkeit aber das Museum selbst noch gar nicht bemerkt hat“ (Hirte 2012: 288). Eine viel diskutierte Streitfrage ist auch die, ob Museumsarbeit durch Partizipationsprojekte nicht viel eher zu Sozialarbeit mutiere – so wie etwa das Museum der Weltkulturen Göteborg sich inzwischen als „hybrides Museum“ bezeichnet und damit meint, dass es eine „Mischung aus Museum, Kulturzentrum, Plattform für 3

Vgl. Smidt 2010b: 11 f.

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Kunst und Forum für Diskussionen und Dialoge“ sei (vgl. Lagerkvist 2012: 53). Ohne diesen Aspekt vertiefen zu wollen,4 möchte ich darauf hinweisen, dass Sozialarbeit eine Dienstleistung für ‚Bedürftige‘ ist, also einseitig ausgerichtet ist; da für Museen, wie ich anhand der Fallstudien gezeigt habe, Partizipation durchaus lohnenswert sein kann, weil sie dadurch Erkenntnisse erhalten, Erfahrungen sammeln oder ‚blinde Flecken‘ aufgezeigt bekommen, kann bei ‚echter‘ Partizipation von Einseitigkeit keine Rede sein. Vielleicht müsste man sogar polemisch fragen, wer denn wem bei Museumspartizipation hilft: Das Museum den TeilnehmerInnen – oder die TeilnehmerInnen dem Museum beim Versuch der kritischen Revision und Neuausrichtung? Viel spannender finde ich dagegen die Frage, welche Effekte die Verschiebung der musealen Grenzlinie in die Gesellschaft hinein auf das Funktionsprinzip von Partizipation haben wird: Momentan basiert Partizipation für TeilnehmerInnen auf dem Reiz des Neuen und Einmaligen; Menschen beteiligen sich auch deshalb an Partizipationsangeboten, weil die Institution Museum – gerade durch ihre Verschlossenheit und ihre herausgelöste Position in der Gesellschaft – kollektiv einen gewissen Nimbus genießt. Gerade diesen Nimbus trachtet aber die Öffnung des Museums, etwa durch Partizipation, zu schleifen. Wird Partizipation auch dann noch einen gewissen Reiz genießen, wenn die Institution Museum vom „Elfenbeinturm zur Fußgängerzone“ (Landschaftsverband Rheinland 1996) und Partizipation zur etablierten Alltagspraxis geworden ist?

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Auch wenn es manchmal so dargestellt wird, ist Partizipation kein ganz neues Prinzip; in der Museumsgeschichte finden sich verschiedene Moden oder Strömungen mit, wenn man so will, ‚partizipativen Anteilen‘ – genauso, wie es auch diverse ‚anti-partizipative‘ Entwicklungen in der Museumsgeschichte gegeben hat, die dazu beitrugen, die Institution Museum zu einem abgeschlossenen Reich der Dinge und der ExpertInnenforschung zu machen, in dem die Öffentlichkeit mehr geduldet als erwünscht war – von einer aktiven ‚Einmischung‘ ganz zu schweigen. Den plötzlichen Aufschwung, den Partizipation insbesondere in den vergangenen fünf Jahren erfuhr, sehe ich im Kontext übergreifender gesellschaftlich-sozialer Entwicklungen, aber auch im direkten Zusammenhang bestimmter Konjunkturen in der geisteswissenschaftlichen Forschung und im Kulturbereich. Hierbei wäre etwa das generell gestiegene Bewusstsein und die Akzeptanz von Vermittlungsarbeit als professioneller und eigenständiger Fachdisziplin zu nennen, der neue Trend zum Subjektiv-Biografischen bzw. zum Individuellen im Kollektiven wie auch der ge4

Hierfür sei z.B. folgender Artikel empfohlen: Bystron & Zessnik 2014.

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stiegene Stellenwert von Emotionalität zu vormals Rationalität, von Intuition oder ‚nicht-wissenschaftlichen‘ Erkenntnisquellen zu ehedem ‚harten‘ Fakten und reiner Wissenschaftsgläubigkeit. Partizipation in seinen heutigen Formen scheint wettzumachen, was Museen in den 1990er Jahren zunehmend vergessen hatten, nämlich dass es nicht alleine um eine Angebotserweiterung des Museums im Sinne marktorientierter Dienstleistungen gehen kann, sondern darum, als wichtiger gesellschaftlicher Akteur aufzutreten, für den nicht unbedingt die Besuchszahlen das ‚Maß aller Dinge‘ darstellen, sondern seine gesellschaftliche Verantwortung und seine Funktion in der Gesellschaft und unmittelbar für die Menschen. Im Museumswesen selbst löst Partizipation Widerstände aus – und ist deshalb so geeignet, dem eigenen System und der eigenen Profession einen Spiegel vorzuhalten und eine kritische Reflektion und Diskussion anzuregen. Partizipation ist quasi der ‚Stachel im Fleisch‘ des immer träger und unbeweglicher gewordenen Museumswesens; Museen müssen aufwachen und endlich wieder anfangen, ihrerseits die Rolle in der Gesellschaft als „Störfaktor in aktuellen Konflikten“ (Sommer-Sieghart 2009: 87) und „Versuchsraum von Gesellschaftsutopien“ (ebd.) zu übernehmen. Für mich persönlich stellt sich gar nicht so sehr die Frage, ob sich Partizipation dauerhaft im Museumswesen der Zukunft etablieren wird und ob dies sinnvoll wäre oder nicht. Entscheidender sind in meinen Augen vielmehr die Diskussionen, die Partizipation als Streitgegenstand über die Frage nach einem zeitgemäßen und zukunftsfähigen Museum auslöst, und die Impulse, die hiervon im Hinblick auf eine (selbst-)kritische Praxis ausgehen. Partizipationsprojekte können und müssen strittig gesehen werden, denn nicht alles, was unter dem Begriff „Partizipation“ firmiert, ist sinnvoll oder ethisch einwandfrei. Dies gilt in Teilen für wohl jedes Projekt, und sei es noch so vorbildhaft. Insofern liegt der wahre Wert von Partizipation darin, dass sie uns immer wieder unverhofft und unvorbereitet auf gern verdrängte Widersprüche, heikle Fragen und schmerzliche Erkenntnisse über uns selbst und das System vor Augen führt, das wir als MuseumsakteurInnen auch mitverantworten und mittragen. Oder wie Eva Sturm über museale Partizipationsbemühungen schon sagte: „Nicht zu unterschätzen ist an ihnen [...] tatsächlich das diskursübergreifende DiskussionsPotential, das sie auszulösen vermögen. Und das ist nicht zu verachten, neben all den anderen unkontrollierbaren Wirkungen und Effekten. Also: trotzdem.“ (Sturm 2002a: 18)

Literatur- und Quellenverzeichnis

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Übersicht und Informationen zum digitalen Anhang

Download-Information Der Anhang zu diesem Buch liegt als digitale Ressource vor. Sie gelangen zum kostenlosen Download der PDF-Datei, indem Sie den Band Museum und Partizipation auf der Transcript-Verlagshomepage aufrufen (http://www.transcript-verlag.de/9783-8376-3961-2/museum-und-partizipation). Wählen Sie aus den Reitern, die unter dem Kurztext zur Publikation angezeigt werden, den Reiter „Weiteres“ aus, damit der Download-Link erscheint. Alternativ können Sie auch folgenden Direktlink in Ihren Browser eingeben: http://www.transcript-verlag.de/content/ts3961/Piontek_Museum_und_Partizi pation_Anhang.pdf Inhaltsübersicht der PDF-Datei Anhang 1: Partizipationspyramide nach Straßburger & Rieger | 3 Anhang 2: Typologie partizipativer Angebotsformate nach Nina Simon | 4 Anhang 3: Fragenkatalog zur Ausstellungsanalyse | 6 Anhang 4: Online-Fragebogen zur Projektevaluation aus Teilnehmersicht (inkl. Kommentierung) | 12 Anhang 5: Ostend // Ostanfang – Ergebnisse des Online-Fragebogens | 22 Anhang 6: Ostend // Ostanfang – Zusammensetzung der Teilnehmerschaft | 31 Anhang 7: Ostend // Ostanfang – Teilnahmemotivation | 32 Anhang 8: Ostend // Ostanfang – Lob und Kritik von Seiten der TeilnehmerInnen | 33 Anhang 9: gerhardWER? – Ergebnisse des Online-Fragebogens | 34 Anhang 10: gerhardWER? – Auswertung der Teilnahmekarten | 43 Verzeichnis der im Anhang zitierten Literatur und Quellen | 44

Museum Ann Davis, Kerstin Smeds (eds.)

Visiting the Visitor An Enquiry Into the Visitor Business in Museums 2016, 250 p., pb., numerous ill. 39,99 E (DE), 978-3-8376-3289-7 E-Book PDF: 39,99 E (DE), ISBN 978-3-8394-3289-1

NÖKU-Gruppe, Susanne Wolfram (Hg.)

Kulturvermittlung heute Internationale Perspektiven Januar 2017, 222 S., kart. 29,99 E (DE), 978-3-8376-3875-2 E-Book PDF: 26,99 E (DE), ISBN 978-3-8394-3875-6

Carmen Mörsch, Angeli Sachs, Thomas Sieber (Hg.)

Ausstellen und Vermitteln im Museum der Gegenwart 2016, 344 S., kart., zahlr. Abb. 34,99 E (DE), 978-3-8376-3081-7 E-Book PDF: 34,99 E (DE), ISBN 978-3-8394-3081-1

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

Museum Robert Gander, Andreas Rudigier, Bruno Winkler (Hg.)

Museum und Gegenwart Verhandlungsorte und Aktionsfelder für soziale Verantwortung und gesellschaftlichen Wandel 2015, 176 S., kart., zahlr. z.T. farb. Abb. 29,99 E (DE), 978-3-8376-3335-1 E-Book PDF: 26,99 E (DE), ISBN 978-3-8394-3335-5

Carmen Mörsch, Angeli Sachs, Thomas Sieber (eds.)

Contemporary Curating and Museum Education 2016, 316 p., pb., numerous ill. 39,99 E (DE), 978-3-8376-3080-0 E-Book PDF: 39,99 E (DE), ISBN 978-3-8394-3080-4

Thomas Renz

Nicht-Besucherforschung Die Förderung kultureller Teilhabe durch Audience Development 2015, 324 S., kart. 34,99 E (DE), 978-3-8376-3356-6 E-Book PDF: 34,99 E (DE), ISBN 978-3-8394-3356-0

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