Mount Sacred: Eine kurze Globalgeschichte der heiligen Berge seit 1500 [1 ed.] 9783205217046, 9783205217022


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Mount Sacred: Eine kurze Globalgeschichte der heiligen Berge seit 1500 [1 ed.]
 9783205217046, 9783205217022

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JON MATHIEU

MOUNT SACRED EINE KURZE GLOBALGESCHICHTE DER HEILIGEN BERGE SEIT 1500

Jon Mathieu

Mount Sacred Eine kurze Globalgeschichte der heiligen Berge seit 1500

Böhlau Verlag Wien Köln

Auf Englisch erscheint das Buch bei The White Horse Press, Cambridge, unter dem Titel Mount Sacred. A Brief Global History of Holy Mountains Since 1500.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2023 Böhlau Verlag, Zeltgasse 1, A-1080 Wien, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, V&R unipress. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Tibetisches Rollbild des Reinen Kristallbergs als Schrein mit Pilgern (handgemalt). Privatbesitz Heinz J. Zumbühl (Herrenschwanden) Umschlaggestaltung: Michael Haderer, Wien Korrektorat: Anja Borkam, Jena Satz: Bettina Waringer, Wien

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-205-21704-6

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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ANREISE IN ZWEI ETAPPEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Wie entsteht ein heiliger Berg? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kanonisierung auf Europäisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tibetische Bergrituale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beliebige Heiligkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Wüstenväter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Revolutionssymbolik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19 20 23 27 30 33

2. Eine Welt zwischen Glauben und Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

Chinesische Bergsystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Geheiligte Naturwissenschaft in Europa . . . . . . . . . . . . . . . 42 Gebirgsforschung und Alpinismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Von der Theologie zur Religionswissenschaft . . . . . . . . . . . . . 50

VOR ORT, ZU GEGEBENER ZEIT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 3. Mount Kailash – Modellberg der Heiligkeit . . . . . . . . . . . . . . .

57 Eine globale Karriere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Tantra, Demchock und Shiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Buddhismus für alle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

4. Tai Shan – der kaiserliche Ostberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

Landschaft als Geschichtsbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Der Aufstieg der Göttin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Von der Revolution zum Welterbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

6

Inhalt

5. Paektusan – heiliger Berg der Revolution . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

Die Ahnen der Mandschu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Koreas Stammvater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heilige Revolution in Nordkorea . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Religiöse Bergverehrung in Asien . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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6. Aufstieg der christlichen Kreuze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87 Bilderstreit, Bildertraditionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Die Gipfelregion wird christianisiert . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Im Kreuzfeuer der Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

7. Der Erlöser im italienischen Gebirge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

Eine Idee für das Jubeljahr 1900 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Cristo Redentore und das heilige Buch der Natur . . . . . . . . . . . .102

8. Sechs Grossväter und andere amerikanische Berge . . . . . . . . . . . 107

Übermenschliche Präsidenten auf Mount Rushmore . . . . . . . . . 108 Religiöse Freiheit für Indianer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Umstrittene Spiritualität in Nationalparks . . . . . . . . . . . . . . . 114

9. Vulkane am Ostafrikanischen Grabenbruch . . . . . . . . . . . . . . . 117

Spurensuche auf dem Kilimandscharo . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Ein Gottesberg vom Hörensagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

10. Ein Inselberg in der Wüste Australiens . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

„Steinzeit“ und „Traumzeit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .126 Von Ayers Rock zu Uluru . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .129 Die Verwaltung des Heiligen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

Inhalt

7

DIE REISE GEHT WEITER . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 11. Welche Zukunft für heilige Berge? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

Religion und Umwelt, globalhistorisch . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Kolonialismus, Antikolonialismus, „Natur und Kultur“ . . . . . . . . 141 Gesellschaftliche Rollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Umwelt- und Klimaschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .146 Mount Sacred – das 21. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

Bibliografie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abbildungsnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

Vorwort

Travelling Gods – reisende Gottheiten nennt man im indischen Bundesstaat Himachal Pradesh die religiösen Statuen, die mit reich geschmückten Aufbauten auf Bahren durch das steile Berggelände getragen werden. Heute können sie den Weg auch auf gebauten Straßen und in Motorfahrzeugen zurücklegen. Die meisten Dörfer haben solche Gottheiten. Ihre Reisen führen zu anderen Dörfern oder zu zentralen Orten und Anlässen, etwa wenn die Göttin des früheren Herrscherhauses ihre Entourage um sich scharen will. Das kann auch offensichtlich politisch motiviert sein. So wurde im Februar 2006 eine regionale Götterversammlung einberufen, wie es sie seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben hatte. Der frühere Raja (Herrscher) des Kullu Valley im Vorderen Himalaya war unzufrieden mit einem riesigen Tourismusprojekt, das ein amerikanischer Konzern in seinem Gebiet realisieren wollte. Die Berggottheiten sollten dazu ihre Meinung abgeben. Das taten sie mit Hilfe von ausgewählten Medien, die in Trance fielen und stammelnd ihre Orakelsprüche von sich gaben. Die Botschaft war eindeutig. „Divine intervention: No! Gods shoot down ski village project“, titelte die Hindustan Times.1 Wenig später wurde das bereits bewilligte Vorhaben vom Bundesstaat auf Eis gelegt. Der Zufall wollte es, dass ich kurz vorher zusammen mit einem befreundeten indischen Historiker und zwei europäischen Kollegen ins Kullu Valley gekommen war. Der Ort am hinteren Talende liegt auf 2000 Metern Höhe. In der Umgebung gibt es bereits einige Sechstausender. Die Achttausender befinden sich weiter im Norden und Westen des großen Gebirgszuges. Unsere Reisevorbereitungen waren nicht sehr intensiv gewesen. Als wir hinten im Tal ankamen, sahen wir eine große Menschenmenge auf einer Wiese zusammenströmen. Vorn stand eine Bühne, aus Lautsprechern ertönten religiöse Reden und scheppernde rituelle Musik. Freudig gab unser indischer Gastgeber eine unerwartete Sehenswürdigkeit bekannt, nämlich eine Auswahl von herbeigeführten Travelling Gods. Wir brauchten bloß die Schuhe auszuziehen und konnten uns durch die versammelten Gläubigen zu einer niedrigen Schranke drängen, wo man die Statuen ausgestellt hatte. Wir waren ziemlich aufgeregt, es war ein besonderer Moment.

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Vorwort

Die Erfahrung ging freilich auch über meinen Horizont hinaus und warf verwirrende Fragen auf. Ohne geschmückte Tragbahren sahen die kleinen Idole eher prosaisch aus. Bildeten sie ein untrügliches Zeichen, dass die Berge des Tals heilig waren? War es nicht etwas komplizierter? Wozu diente ihre Mobilität, wenn sie die spirituelle Kraft von Örtlichkeiten darstellten? Die reisenden Gottheiten von Himachal Pradesh ließen mich nicht in Ruhe und waren mit ein Grund, dass ich mich später auf eine Forschungsreise begab, die auch durch viele Bibliotheken und schließlich zu diesem Buch führte.

Mount Sacred – ein Reiseprogramm

Der Mount Sacred, den ich als Kurztitel für das Buch gewählt habe, erscheint meines Wissens auf keiner Landkarte. Er ist erfunden und steht als Chiffre für zahlreiche Berge rund um den Erdball, denen Heiligkeit zugesprochen wurde oder in der Gegenwart zugesprochen wird. Diese Heiligkeit ist von unterschiedlicher Art, doch sie weicht von anderen, nichtreligiösen Formen der Wahrnehmung von Bergen ab. Ihr Bezug zu widersprüchlichen kulturellen und politischen Gegebenheiten des Umfelds macht sie historisch besonders interessant. Man kann sie gewissermaßen als Sonden verwenden, um hinter das Äußere einer Gesellschaft zu blicken. Menschen als Teil der Natur und die Natur als Teil der Menschen werden so schlaglichtartig erhellt.2 Der Hauptteil des Buches besteht aus „Lokalterminen“ bei ausgewählten heiligen Bergen. Die Darstellung soll über eine steckbriefartige Inventarisierung hinausgehen und historische Umgangsweisen und Wandelerscheinungen anschaulich vor Augen führen. Die ersten drei Lokaltermine finden in Asien statt: beim Mount Kailash in Westtibet, Tai Shan im chinesischen Kernland und beim Paektusan zwischen der chinesischen Mandschurei und Nordkorea. Wir werden auch zu erörtern haben, wie gerechtfertigt diese Auswahl ist: Gab und gibt es in Asien eine Massierung von gut fassbarer Bergheiligkeit, und wie ist sie zu verstehen? Im Westen der eurasischen Landmasse treffen wir jedenfalls auf andere Verhältnisse. Das Christentum wollte lange Zeit wenig oder nichts von heiligen Bergen wissen. Zwei Kapitel thematisieren die eigenartige Zurückhaltung und deren Wandel anhand der Gipfelkreuze. Nachher führt unser Weg in die „Neue Welt“ mit ihrem

Mount Sacred – ein Reiseprogramm

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Zusammenprall zwischen europäischen Siedlern und Native Americans. Am Mount Rushmore in South Dakota stehen zum Beispiel vier bekannte weiße US-Präsidenten sechs weniger bekannten indianischen Großvätern gegenüber. Prominente Berge in Afrika und Australien exemplifizieren schließlich die unterschiedliche postkoloniale und touristische Entwicklung von Kultorten im Globalen Süden. Die Reiseroute erstreckt sich über die meisten Kontinente. Die ausgewählten Berge sollten für ihre Gebiete eine gewisse historische Bedeutung haben und bestimmte Rahmenbedingungen illustrieren. Es ist klar, dass die Auswahl einen stark subjektiven Einschlag aufweist. Man hätte sie auch anders vornehmen können, etwa durch Einbezug eines Berges aus islamisch geprägten Regionen (ich vermute aber, dass das Hauptresultat der vorliegenden Studie dadurch nicht sehr verändert worden wäre).3 Im Vor- und Nachgang zu den Lokalterminen erörtern wir allgemeine Fragen rund um den Mount Sacred, vor allem wie man sich die Entstehung heiliger Berge vorstellen oder gerade nicht vorstellen kann und welche Zukunft ihnen möglicherweise bevorsteht. Ganz allgemein geht es um Mensch-Umwelt-Beziehungen unter verschiedenen kulturellen Bedingungen und was wir daraus lernen können. Dies berührt viele Themen, über die gegenwärtig viel diskutiert wird: Kolonialismus, Antikolonialismus und Indigenität, Gender, Tourismus, Umweltund Klimaschutz, um nur die wichtigsten zu nennen. Historisch beschränkt sich die vorliegende Untersuchung hauptsächlich auf die nachmittelalterliche, „neue“ Zeit seit 1500. Je nach Thema sind die ersten neuzeitlichen Jahrhunderte wenig dokumentiert oder setzen wichtige Quellen gerade früher ein. Hier empfiehlt sich ein pragmatisches Vorgehen. Doch die Antike steht nur dann zur Diskussion, wenn sie in der Neuzeit aktualisiert wurde. Der Olymp war im griechischen Altertum zweifellos ein Berg der Götter: War er das auch noch im 16. bis 21. Jahrhundert? Ähnliches gilt für die biblische Überlieferung. Vor allem im Alten Testament gibt es eine Reihe von bedeutsamen Zeugnissen zu Bergen: Wie wurden diese in der Neuzeit verwendet? Die Periode um 1500 gilt als Beginn der kommerziellen und kolonialistischen Expansion Europas, die im 19. Jahrhundert zu einem weltumspannenden Imperialismus führte. Der Austausch zwischen den Erdteilen beeinflusste auch die religiösen Verhältnisse und den Umgang mit Bergen. Der

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Vorwort

westliche Beitrag zu einer neuen „globalen“ Bergkultur war nicht christlichreligiöser Art, sondern bestand vor allem aus der alpinistischen Eroberung der Gipfelregionen. Um 1900 gab es Bergsteigervereine bereits an zahlreichen Orten, von Neuseeland über Asien und Afrika bis in die Vereinigten Staaten von Amerika.4 Die stärksten religionsbezogenen Impulse zur Bergkultur gingen dagegen vom tibetischen Buddhismus aus, dessen Symbole sich seit dem späten 20. Jahrhundert weitherum einbürgerten. Tibetische Gebetsfahnen sieht man heute bei Berghütten in den meisten westlichen Ländern. Manchmal erhält die Symbolik noch eine bestimmte Stoßrichtung, wie 2005, als eine Gruppe von italienischen Alpinisten auf einem hohen Kletterberg statt eines Gipfelkreuzes eine Buddha-Statue errichtete, was einiges Aufsehen erregte.5 In der Regel vermischen sich die religiösen Anspielungen aber mit einem modernen Lebensgefühl, das von Spiritualität, Esoterik und „Kraftorten“ angezogen ist.

Historische Zeugnisse und historischer Kontext

Historisch lässt sich die Heiligkeit von Bergen unter anderem an Aussagen der beteiligten Personen fassen. Sehr zeremoniell sprachen zum Beispiel chinesische Kaiser zu ihrem Ostberg Tai Shan. 1572 kam der zehnjährige Zhu Yijun als dreizehnter Kaiser der Ming-Dynastie auf den Thron, erhielt den Kaisernamen Wanli und wandte sich wenig später an Tai Shan: „Oh Gott, Du bringst alles hervor, was zur Blütezeit gedeihen muss, und birgst in Dir die übernatürliche Energie; Du bist der ewig währende Ruhm des östlichen Landesteils; Du sicherst die Ruhe des Volkes und aller Lebewesen; zehntausend Generationen haben bei Dir wirkliche Hilfe gefunden. Jetzt ist mir, durch Recht und Erbe, die höchste Macht verliehen worden. Mit Ehrerbietung vollziehe ich die Riten; oh Gott, mögest Du das Opfer entgegennehmen und die Gebete anhören; stehe meiner Dynastie bei.“6 Wesentlich informeller und lakonischer hielt es eine Frau aus den peruanischen Anden. Wie viele andere wurde María Poma Ticlla 1660 von einem spanischen Inquisitor verhört, der die „Abgötterei“ der indigenen Bevölkerung aufdecken und ausrotten wollte. Unter Zwang gestand sie, ihren Berg gelegentlich mit einem kurzen Gebet anzusprechen: „Antana-

Historische Zeugnisse und historischer Kontext

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ma Hurco, empfange hier, was wir für das Wachstum der Lamas opfern, ich wünsche es mir so sehr.“ Sie speiste und beschenkte die Berggottheit in der Absicht, weltliche Güter, allgemeine Hilfe oder einfach ein gutes Leben zu erhalten.7 Keine dieser quellenmäßig bezeugten Aussagen lässt sich losgelöst von ihrem Kontext verstehen. Allein bleiben sie ähnlich rätselhaft wie viele Selbstzeugnisse von Alpinisten. Was genau treibt sie an, unter Anstrengungen und Gefahren bestimmte Berggipfel zu erklettern? Sehr interpretationsbedürftig ist etwa die berühmte Erklärung, man müsse den Mount Everest besteigen, „because it’s there“ – weil er da ist (George Mallory, 1923). Wer sich historisch-kritisch mit dieser Begründung befasst, geht am besten von dem konkreten Zusammenhang aus, in dem sie erfolgte. Es ist meist schwierig, ein ungewöhnliches Ziel oder Erlebnis in Worte zu fassen, und man kann auch zu viel in solche Bonmots hineinlesen. In unserem Fall der religiösen Bergverehrung besteht der Kontext zum Beispiel aus Wallfahrten, deren historische Entstehung und Konjunkturen, Organisation und gelebte Kultur zu dokumentieren sind. Die gesellschaftliche Veranstaltung macht den Teilnehmenden Vorgaben und lenkt ihre geistige Energie und Aufmerksamkeit in bestimmte Richtungen. Zu den Motivationen gehören in der Regel auch Vergnügungsmöglichkeiten und andere weltliche Absichten. Der Erklärungswert der religiösen Erzählungen, Visionen und dogmatischen Festsetzungen ist in sozial- und kulturhistorischer Sicht geringer, als es eine ältere, noch von theologischen Auslegungen geprägte Religionswissenschaft annahm. Die Lehrgebäude haben oft eine komplexe Beziehung zu Ritualen, Praktiken und Weltanschauungen der breiten Bevölkerung, die uns hier am meisten interessieren. Das heißt nicht, dass sich dieses Buch ausschließlich auf die populäre Religiosität konzentriert. Wichtig ist vielmehr die Interaktion zwischen Eliten- und Volkskultur, in der verschiedene gesellschaftliche Gruppen ihre Vorstellungen durchsetzen konnten – oder eben nicht. Heute trifft man gelegentlich auf die Idee, dass Heiligkeit im christlichen Raum gewissermaßen nach Belieben „von unten“ proklamiert werden konnte. In Wirklichkeit gab es für die Bestimmung des Sakralen eine hierarchische Ordnung. Der Ausgang der Diskussionen und Konflikte stand nicht von vornherein fest, doch mittel- und langfristig setzten sich die Zentren der Macht oft durch.

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Vorwort

Der Bezug zu einem Jenseits, welches die menschliche Erfahrung transzendiert, gehört häufig mit zur Abgrenzung der religiösen von der weltlichen Sphäre. Auf der Ebene der gesellschaftlichen Autoritäten ist diese transzendentale Dimension in der Regel leichter zu fassen als auf der Ebene der breiten Bevölkerung. Die Spezialisten der religiösen Arbeit formten die Wünsche der Menschen nach Wohlergehen und langem Leben zu einem Weltbild mit allgemeinen Erklärungen und Moralvorschriften. Im Alltag der meisten Leute blieben die Wünsche dagegen häufig partiell und unmittelbar. Sie drängten nach sofortiger Erfüllung, konnten sich aber auch schnell wieder verändern und waren aufs Engste mit dem weltlichen Leben verwoben.8 Wichtiger als eine genaue Abgrenzung von sakralen und säkularen Bedeutungen ist die Untersuchung der Verschränkungen und historischen Verschiebungen. Was hat es zum Beispiel für eine Bewandtnis, wenn im britischen Alpine Journal, einem Leitorgan des Alpinismus, 1918 behauptet wird, dass es sich bei diesem modernen Sport um eine Religion handle? 9 Durch den Bezug auf einen weiteren Horizont lassen sich die hier betrachteten Formen der Wahrnehmung besser verständlich machen.

Wie es zu diesem Buch kam

Ich befasse mich seit Langem mit der Geschichte von Bergregionen. Eine global vergleichende Sicht auf religiöse Aspekte ergab sich aber erst aus einem speziellen Anlass. Zusammen mit Kolleg:innen aus Indien und Lateinamerika sollte ich auf dem 20. Internationalen Kongress der Historischen Wissenschaften in Australien 2005 einen Round Table vorbereiten. Das Komitee hatte uns das Thema Mountain Peoples and Societies: Nature and Culture zugesprochen. „Natur und Kultur“ erschien uns allzu europäisch gedacht, daher konkretisierten wir es mit der globalhistorisch geeigneteren Frage nach der Heiligkeit der Berge. So kam es zu einer ersten Publikation, an die sich später eine allgemeine Monografie zur vergleichenden Geschichte der Berge in der Neuzeit und weitere Arbeiten anschlossen.10 Anstöße kamen auch von Ideen und Vorstellungen im Umfeld der großen Umwelt- und Entwicklungskonferenz von Rio de Janeiro 1992. Die Berge wurden damals zum ersten Mal in einem wichtigen UNO-Dokument, der

Wie es zu diesem Buch kam

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Agenda für das 21. Jahrhundert, als major ecosystem neben den Ozeanen und den Wüsten anerkannt. Dazu brachten die Befürworter unter anderem religiöse Argumente ins Spiel. Die Berge seien seit Beginn der Menschheitsgeschichte in den inneren Kern der Gesellschaften eingetreten, hieß es: „Für alle großen und viele kleinen Religionen sind die Berge spirituell bedeutsam. Und trotz der Verbreitung des modernen Skeptizismus dominieren diese emotionalen, religiösen oder spirituellen Kräfte an den meisten Orten rund um den Erdball.“ Wenn man sie in der Entwicklungspolitik ignoriere, verliere man daher einen entscheidenden Teil des Weltkulturerbes und gefährde eine kritische Stütze unserer kulturellen Diversität.11 Uns schien es damals, dass diese Diversität gerade durch solche generalisierenden und homogenisierenden Feststellungen gefährdet werden könnte. Jedenfalls kam es uns darauf an, die Vielfalt der religiösen Bergkulturen ernst zu nehmen. Dies bildet auch eine wichtige Arbeitshypothese des vorliegenden Buches. Wie sich die hier vertretenen Positionen darüber hinaus zu früheren und aktuellen Theoriediskursen stellen, wird im Text von Fall zu Fall angesprochen. Bei Spezialfragen, die im Laufe der Arbeit auftauchten, habe ich für dieses Buch Forschung aus erster Hand betrieben. Die drängte sich vor allem dann auf, wenn religiöse Aspekte im zeitgenössischen Diskurs von der zugänglichen historischen Literatur übergangen oder zu ungenau dargestellt werden. In bestimmten Fällen habe ich mich auch persönlich mit Spezialisten in Verbindung gesetzt, etwa um Aufschluss über einen bestimmten chinesischen Ausdruck zu erhalten. Mir ist die Sprache unzugänglich und mir fehlt auch ein Stück weit der kulturelle Rahmen, um eine Aussage angemessen zu beurteilen. Dieses Kontextwissen gehört zu den größten Schwierigkeiten für eine Globalgeschichte der heiligen Berge. Begegnen kann man ihnen mit Lektüre. Das vorliegende Buch lässt sich von der verfügbaren, in europäischen Sprachen erschienenen wissenschaftlichen Literatur leiten. Sie in den weitverzweigten Disziplinen und entlegenen Regionen aufzuspüren, gehörte zu den Herausforderungen für das Vorhaben. Dieses Buch richtet sich an eine interessierte Öffentlichkeit, ohne Fachleute verschiedener Provenienz auszuschließen. Für beide habe ich mich um eine zugängliche Sprache bemüht. Für die Letzteren habe ich versucht, den bibliografischen Hintergrund mit Endnoten kontrollierbar zu machen.12 Ein

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Vorwort

warmes Wort des Dankes geht an all jene zahllosen Gewährsleute, die mich über die Jahre mit ihrem Wissen bereicherten, und an die Personen, die mir bei dieser Buchpublikation zur Seite standen, besonders an Daniel Anker, Eric T. Hounshell, Jakob Messerli, Alessandro Pastore und Clà Riatsch. „Es gibt Berge jenseits der Berge“, lautet ein chinesischer Ausspruch, den mir eine Kollegin aus Beijing hinterbracht hat.13 Ihr zufolge fordert die Redensart zur Bescheidenheit auf. Hinter jedem Berg (oder Menschen) kann einer stehen, der höher, schöner, weiser – und vielleicht auch heiliger ist.

ANREISE IN ZWEI ETAPPEN

1. Wie entsteht ein heiliger Berg?

• Kanonisierung auf Europäisch • Tibetische Bergrituale • Beliebige Heiligkeit? • Die Wüstenväter • Revolutionssymbolik

Den Anfang machen bestimmte Wörter, in Europa heilig (Deutsch), holy, sacred (Englisch), sacré, saint (Französisch), sacro, santo (Italienisch, Spanisch, Portugiesisch) usw. Um diese Kernwörter herum lagern andere Wörter wie zum Beispiel das eher gehobene sakral (sacral, sacrale, sagrado). Heutzutage fällt es nicht schwer, über Europa hinaus entsprechende Informationen auf weiteren Kontinenten einzuholen. Google bietet einen global gedachten Übersetzungsdienst an. Gegenwärtig sind bereits mehr als hundert Sprachen aufgeschaltet. Die Übersetzungen werden von Millionen von Nutzenden gebraucht, gelegentlich kontrolliert und nach Ansicht der Betroffenen verbessert. Ich habe bei Google-Übersetzer nicht eine Sprache gefunden, in der für heilig kein Gegenstück angeboten wird. Regelmäßig erscheinen dafür bestimmte Einträge im lateinischen Alphabet oder in anderen Schriftarten, so etwa auf Indonesisch (suci), auf Xhosa (ngcwele) und auf Samoanisch (paia).1 Offenbar gilt das Wort weltweit als relevant und übersetzbar. Wir sollten die Beobachtung nicht überbewerten. Es ist anzunehmen, dass die Bedeutung von heilig interkulturell stark variiert. Häufig ist die Übersetzung wohl ein Notbehelf, weil Ausdrücke, die als relevant gelten, irgendwie wiedergegeben werden müssen. Künstliche Verknüpfungen nimmt man dabei in Kauf. Die vergleichenden Humanwissenschaften geben dazu zahlreiche Hinweise. Bisher liegt allerdings keine Standardübersicht vor, die modernen Ansprüchen genügen würde und auf die wir uns systematisch beziehen könnten.2 In Europa haben sprachliche Untersuchungen versucht, auch die historische Herkunft von heilig zu entschlüsseln und die „ursprüngliche“ Bedeutung zu rekonstruieren.3 Für unsere Zwecke ist diese etymologische Methode wenig aussagekräftig. Was hier interessiert, sind nicht spekulative Anfänge, sondern der Sprachgebrauch an einem bestimmten Ort und Zeitpunkt. Dazu wählen wir die tridentinische Eides-

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1. Wie entsteht ein heiliger Berg?

formel des katholischen Glaubensbekenntnisses, erlassen mit päpstlicher Bulle vom 13. November 1564.

Kanonisierung auf Europäisch

Diese Eidesformel, die Professio Fidei Tridentinae, musste bis ins 20. Jahrhundert von allen katholischen Priestern beschworen werden. Sie begann so: „Ich (Name) glaube und bekenne mit fester Ueberzeugung Alles und Jedes, was in dem Glaubens-Symbolum, dessen sich die heilige Römische Kirche bedient, enthalten ist, nämlich: Ich glaube an Einen Gott, den allmächtigen Vater, Schöpfer Himmels und der Erde, […] und an Einen Herrn Jesum Christum, den eingeborenen Sohn Gottes, vor aller Zeit vom Vater geboren, Gott von Gott, Licht vom Lichte […]; und an den heil. Geist, den Herrn und Lebendigmacher, der vom Vater und Sohne ausgeht […]. Amen.“ Nach dieser althergebrachten Einleitung zur Trinität hatten die Priester ihre Treue zu den wichtigsten Beschlüssen des Konzils von Trient zu bezeugen, vor allem zu den Glaubensquellen (Überlieferung der heiligen Kirche und Heilige Schrift) und zu den sieben Sakramenten des neuen Bundes (Taufe, Firmung, Altarsakrament oder Eucharistie, Buße, Letzte Ölung, Priesterweihe und Ehe). Im letzten Teil folgte das Versprechen, der Kirche, dem Papst und dem Konzil „wahren Gehorsam“ zu leisten und „bis zum letzten Athemzug“ standfest beim Glauben zu bleiben.4 Im originalen lateinischen Wortlaut und würdigen Ton hergesagt, dauerte diese Eidesformel mehr als fünf Minuten. Wenn man von der allgemeinen Formel „Himmel und Erde“ absieht, wurden Natur und Umwelt darin nicht angesprochen. Alles drehte sich um Menschen, vornehmlich personal gedachte göttliche Wesen und um die damit befassten Einrichtungen. Heilig kam 16 Mal vor – für die römische Kirche (4 Mal), für die Heilige Schrift (3), für das Konzil (3), für die Heiligen (3), für den heiligen Geist (2) und für das Altarsakrament (1). Man kann annehmen, dass es ebenso für den an erster Stelle genannten Gottvater und den Gottessohn galt, gesagt wurde es aber nicht. Das Altarsakrament, dessen Heiligkeit schon im Sakrament angelegt war, wurde zusätzlich mit dem Superlativ (aller-)heiligst bezeichnet. Der Begriff des Heiligen bildete in der christlichen Kirche seit ihren An-

Kanonisierung auf Europäisch

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fängen in der Spätantike ein Diskussionsthema und war zeitweise heftig umstritten wie gerade jetzt, im 16. Jahrhundert mit Martin Luther und anderen Reformatoren. Das Konzil von Trient, auf das sich der Eid bezog, nahm dazu in vielfältiger Weise Stellung. So berief Kardinal Marcello Cervini, ein päpstlicher Gesandter am Konzil, Anfang 1547 eine kleine Gruppe von anwesenden Theologen, um die reformatorischen Schriften zu prüfen. Luther hatte 1520 behauptet, es gebe bloß zwei Sakramente, und er schien ihre Wirksamkeit und Rolle für die Glaubenspraxis herunterzuspielen. Cervinis Kommission extrahierte aus den verdächtigen Schriften 35 Punkte, die der katholischen Lehre zu widersprechen schienen. Seit etwa vier Jahrhunderten hatte die Theologie den Sakramenten viel Aufmerksamkeit geschenkt, so dass es dazu genug Lesestoff gab. Die Punkte wurden nachher in der Generalversammlung diskutiert und schließlich in 13 Artikeln zusammengefasst. Am 3. März 1547 stimmte ihnen die Versammlung einstimmig zu.5 Der erste Artikel stellte jede Person unter Kirchenbann, die sagen würde, dass die Sakramente nicht von Jesus Christus eingesetzt worden seien, dass es mehr oder weniger als die sieben Sakramente gebe oder dass eines davon kein wahrhaftes Sakrament sei.6 Damit war der Einstieg geschafft. Nach dieser allgemeinen Klärung musste das Konzil noch die einzelnen Sakramente behandeln, was bei der umstrittenen Eucharistie besonders schwierig war und lange dauerte. Es galt, die von Reformatoren diskutierte wirkliche Anwesenheit von Christus bei der Eucharistie und die dabei stattfindende „Transsubstantiation“ zu erläutern und bekräftigen. Transsubstantiation nannte man die Wesensverwandlung von Brot und Wein, die im Ritual verwendet wurde, in den Leib und das Blut Christi. Daneben gab es eine Reihe von liturgischen Punkten, etwa ob der Weinkelch auch an die einzelnen Gläubigen gehen sollte und wie die übrig gebliebene Hostie, das geweihte Brot, aufbewahrt werden sollte. Darüber wurde für die Klosterfrauen erst in der letzten Session des Konzils im Dezember 1563 befunden.7 Die Hostie, der Leib Christi, wurde von den Gläubigen nicht nur verzehrt und dem eigenen Körper zugeführt. Sie wurde auch zur Schau gestellt und visuell verehrt. Dafür entwickelte man seit dem Spätmittelalter spezielle Demonstrationsgefäße, sogenannte Monstranzen. Es scheint ein zunehmendes Verlangen nach persönlichem Augenschein gegeben zu haben.8 So verbreitete sich in den katholischen Regionen im 16. und 17. Jahrhundert eine kunstvolle

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1. Wie entsteht ein heiliger Berg?

Monstranzkultur. Auch weniger bemittelte Pfarreien und Klöster wendeten für die Gefäße viel auf, begüterte leisteten sich Edelmetall und Edelsteine. Die 1663 fertiggestellte Große Monstranz von Einsiedeln weist etwa dreitausend kostbare Schmucksteine auf.9 Der innerste Kern dieser Gefäße war die Schauöffnung mit der Hostie. Man bezeichnete sie unter anderem als „Sanctissimum“, als „Allerheiligstes“, ein Ausdruck, der sonst das gesamte Altarsakrament meinte und in seiner Bedeutung hervorhob. Entstanden war die Monstranzkultur ursprünglich, um Reliquien von Heiligen zur Schau zu stellen. Auf die Zurückweisung dieser alten Tradition der Heiligen durch die Reformation reagierte das Konzil mit einem ausführlichen Dekret. Zur apostolischen Kirche gehöre die Lehre, „dass die Heiligen, die zugleich mit Christus herrschen, ihre Fürbitten für die Menschen Gott darbringen, und dass es gut und nützlich sey, sie demüthig anzurufen“. Verehren müsse man auch ihre Überreste, also „die heiligen Leiber der heiligen Martyrer und Anderer bey Christus Lebender, welche lebendige Glieder Christi, und ein Tempel des heiligen Geistes waren“.10 1588, ein Vierteljahrhundert nach dem Erlass von Trient, wurde nach langer Unterbrechung wieder mit der Kanonisierung von neuen (verstorbenen) Personen begonnen. Bis 1767, als der Vatikan die Praxis während der Zeit der Aufklärung erneut einstellte, gelangten 55 Personen postum in den Heiligenstand. Viele von ihnen waren Männer (42), Angehörige religiöser Orden (38), Italiener (27), Adlige (mindestens 26) und Spanier (17). „Es ist also offensichtlich, dass die fünfundfünfzig Männer und Frauen keine Zufallsauswahl aus der allgemeinen katholischen Bevölkerung bildeten“, kommentiert der Kulturhistoriker Peter Burke.11 Tatsächlich wurden die zentrale kirchliche Kontrolle und die adminis­ trativen Hürden für die Heiligsprechung laufend ausgebaut. Lokale Heilige oder unkonventionelle Kandidaten hatten es schwerer als früher. Heiligkeit galt als „heroische Tugend“, die jetzt durch entsprechenden Lebenswandel, beglaubigte Wunder usw. im Einzelnen nachgewiesen werden musste. Viele Vorschläge blieben in der römischen Hierarchie stecken.12 Von Interesse ist hier der Umstand, dass die Heiligen weiterhin einen semimobilen Charakter hatten. Zwar kam ihren Grabstätten besondere Bedeutung zu, doch ihre Überreste waren als Reliquien übertragbar und ortsunabhängig. Dies ist ein weiterer Hinweis, dass die „Topografie des Heiligen“ einen ausgesprochen

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menschlichen Zuschnitt hatte. Umweltelemente spielten darin eine geringe Rolle. Diese eigentümliche Abwesenheit der Natur hatte sich seit der Institutionalisierung des Christentums in der Spätantike eingespielt.13 Um sie zu verändern, brauchte es neue, starke Kräfte. Davon später. Fazit unserer ersten Nachforschung: Als Modell für die Entstehung heiliger Berge erweist sich der bisher betrachtete Abschnitt des europäisch-katholischen Wegs als unergiebig. Auch der protestantisch-evangelische Pfad wich in dieser Hinsicht vorläufig nur wenig davon ab.14 Wesentlich zielführender ist ein Blick auf andere Weltgegenden.

Tibetische Bergrituale

Ungefähr zwischen 1570 und 1575 – jedenfalls kurz nach dem Konzil und der erwähnten Bulle – verfasste der buddhistische Mönch Pema Karpo einen mythologischen Reiseführer zum Reinen Kristallberg (Dakpa Sheri) im Südosten von Tibet. Der von tiefen Tälern zerfurchte Bergdistrikt namens Tsari hat einen Hauptgipfel von 5735 Metern Höhe und liegt an der Grenze zu Assam, wo das tibetische Hochland steil in den südlichen Regenwald abfällt. Heute befindet sich dort die provisorische chinesisch-indische Grenze, die McMahon-Linie. Karpos Reiseführer war nicht der erste Text zu diesem besonderen Berg, doch er fand bald weite Verbreitung und wurde zu einem vielgelesenen und memorierten Langzeitklassiker.15 Die Schriftlichkeit blickt in Tibet auf eine mittelalterliche Tradition zurück. Religiöse Texte zirkulierten in Form von Handschriften und sogenannten Blockdrucken. Beim Blockdruck wurde aus einer Holztafel eine ganze spätere Papierseite seitenverkehrt herausgeschnitzt. Die Klöster besaßen große Speicher, in denen Tausende solcher Holztafeln für jede Seite eines Werkes aufbewahrt und bei Bedarf für Neudrucke von Büchern verwendet wurden. Der vorliegende Reiseführer trug den Titel Lobrede in Versen auf den Heiligen Ort Tsari (Tsa ri tra zhes pa’i gnas la bstod pas pad dkar legs bshad). Er bestand aus einem Gemisch von Gebeten, religiöser Polemik, Kosmologie, esoterischen Ritualvorschriften, tantrisch-buddhistischer Geografie, Anekdoten und Geschichtserzählungen, vieles aus älteren Quellen übernommen und alles in Versform gehalten, die sich besser ins Gedächtnis einprägt. Ge-

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schildert wird zum Beispiel der Besuch eines buddhistischen Meisters, der den Berg mittels körperlicher Umrundung verehrt und von Berggottheiten in der Meditation übernormale Fähigkeiten erlangt. In die rechte Hand nimmt der Meister eine kraftvoll-magische Pflanze, in der linken hält er seinen Wanderstab, dann beginnt er zu tanzen und singt Folgendes: „Dieser oberste heilige Berg (né), der glorreiche Tsari / Wird nicht von allen und jedem besucht / Ich habe den weltlichen Tätigkeiten entsagt / Ich bin zur Selbsterleuchtung des Geistes gelangt // Es ist ein Ort, um Leib und Leben abzuwerfen / Es ist ein Ort, um die äußeren und inneren Hindernissen zu beseitigen / Es ist ein Ort, um das zyklische Dasein zu untersuchen / Es ist eine Ort, um die Askese und ihre Vollendung abzuwägen […].“16 Der Autor Pema Karpo (1527–1592) galt als großer Gelehrter und Geschichtenerzähler. Er stammte aus dem regionalen Niederadel und wurde als vierte Wiedergeburt des Begründers der Drukpa-Sekte identifiziert, welche die führende religiöse Gemeinschaft auf den Pilgerrouten von Tsari bildete. Seine Schrift entstand zu einer Zeit, als die Wallfahrt stark zunahm und eine neue Phase des Bergkults einsetzte. Man nimmt an, dass der Berg – wie viele andere in Tibet – zuerst im lokalen Rahmen verehrt wurde. Solche Kulte des sogenannten yüllha-Typs („Gott der Lokalität“) waren assoziiert mit örtlichen Gemeinschaften und ihrer Identität. Sie wurden mündlich tradiert, ihre periodischen Rituale am Fuß der geheiligten Berge galten unmittelbaren Wünschen und Problemen der diesseitigen Welt. Seit dem ausgehenden 12. Jahrhundert, während einer Expansionsphase von buddhistischen Sekten, scheinen dann wandernde Asketen mittels tantrischer Meditation die religiöse Macht von Tsari etabliert zu haben. Er stieg zu einem Berg des néri-Typs auf („Bergwohnsitz wichtiger Gottheiten“). Bei dieser Kultform ging es auch um Fragen von Tod und künftigem Leben auf dem Weg der Erleuchtung, sei es als Wiedergeburt oder dann als Befreiung davon. Sie war eingebettet in buddhistische Textüberlieferungen, wurde von religiösen Spezialisten getragen, und ihre Anhänger setzten sich aus regionalen und überregionalen Bevölkerungsgruppen zusammen.17 Für die Etablierung des Tsari als hochheiligem Berg war die Meditation mit räumlichen Mandalamodellen von besonderer Bedeutung. Die Eremiten und wandernden Asketen erzeugten damit eine visionäre religiöse Landschaft, die sich an vielen Punkten der äußeren Landschaft festmachen ließ

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Abb. 1: Tibetisches Rollbild des Reinen Kristallbergs als Schrein mit Pilgern (handgemalt).

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und bevorzugt Orte betraf, an denen berühmt gewordene spirituelle Pioniere mit diesen Mitteln wertvolle „Schätze“ zum Vorschein gebracht hatten. Der wachsende Ruf brachte mit der Zeit eine populäre Wallfahrt hervor. Die Magie scheint ihre Wirkung auch im zwischenmenschlichen Bereich nicht verfehlt zu haben. Fixiert wurden die verschiedenen Umrundungsrouten des Bergs im 16. Jahrhundert, unter anderem mit der erwähnten Schrift von Pema Karpo. Das wichtigste Pilgerritual des Kristallbergs, bekannt als die „große Schluchtenrundstrecke von Tsari“ (Tsari Rongkor Chenmo), entwickelte sich dann im 18. Jahrhundert parallel zur Verfestigung des theokratischen Staats in Zentraltibet. Die früheren Meditationstraditionen waren damals weitgehend verschwunden und wurden erst im 20. Jahrhundert wiederbelebt.18 Die „große Schluchtenrundstrecke“ war eine dramatische und gefährliche Massenprozession, die bis 1956 alle zwölf Jahre, in den tibetischen Jahren des Affen, stattfand. Gefahren resultierten aus dem notwendigen Abstieg in den unwegsamen Dschungel des Südens und von tribalen Kleingesellschaften, die dieses Gebiet beherrschten und den buddhistischen Pilgern oft feindlich gesinnt waren. Die Prozession von 1944 führte sogar zu einem Massaker. Die Pilger strömten jeweils aus allen Gegenden Tibets herbei und zählten gewöhnlich etwa 20.000 Menschen. Um die Veranstaltung trotz widriger Umstände durchführen zu können, pflegten Gesandte aus Lhasa vor Beginn der Umrundung einen „barbarischen Tribut“ an tribale Führer zu entrichten. Mit dem Schenkungsritual, durchgeführt mit viel zeremoniellem Aufwand und bekräftigt durch eine Eidbeschwörung, hoffte die buddhistische Elite, ihren Leuten sicheres Geleit zu verschaffen. Aber selbst ohne Übergriffe war die Prozession von gut 150 Kilometern, für die man etwa zwei Wochen benötigte, überaus anspruchsvoll. Auch konnte nur auf Sündentilgung und religiöse Verdienste hoffen, wer die Umrundung mit Hingabe im Geiste Buddhas bewältigte.19 Die Autoritäten in Lhasa investierten massiv in diesen heiligen Bergbezirk und seine Massenprozession. Symbolisch unterstrichen wurde die Verbindung durch die Tatsache, dass man jeweils Kleider des Dalai Lama prominent durch die Schluchtenrundstrecke trug. Mehr als anderswo wurden auch religiös motivierte Nutzungsbeschränkungen erlassen. Im Umfeld des Reinen Kristallbergs galten alles Leben und alle Substanzen als heilig oder

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göttlich. Die Behörden untersagten jegliche landwirtschaftliche Kultivierung des Bodens. Verboten waren auch das Roden zur Weidegewinnung und die Haltung von Schweinen und Hühnern, die das Erdreich aufwühlen und stören könnten. Zu den Tabus gehörten natürlich die Jagd und das Töten aller Lebewesen. Auf den Umrundungsrouten wurden auch die menschlichen Ausscheidungen streng reglementiert.20 Eindrücklich erforscht wurde die Geschichte des Tsari vom Spezialisten für tibetische Umweltwahrnehmung Toni Huber. Der Tibetologe und Anthropologe fasst zusammen: „Es ist eine bekannte Eigenschaft der vormodernen wie der modernen tibetischen Kultur, dass die physische Umwelt in ihren belebten und unbelebten Dimensionen als Wohnstätte zahlloser Gottheiten und spiritueller Kräfte gilt. Diese reichen von kleineren autochthonen bis zu obersten tantrischen Gottheiten und Buddhas und existieren im gesamten Weltenraum, in dem sie alle Dinge auf verschiedene Weise durchdringen, oder sie bewohnen bestimmte Orte, gleichzeitig mobil und standortgebunden.“21 Die Gottheiten bevölkern also bestimmte Berge und andere Landschaftselemente und verkörpern sich in ihnen, so dass die Naturelemente einen eigenständigen göttlichen Charakter haben. Der tibetische Ausdruck gnas (heilig) und seine Zusammensetzungen können sich auf göttliche Wohnstätten in allen Daseinsweisen beziehen, als personale Wesen wie als physische Elemente. Anders als im frühneuzeitlichen Europa, wo die Natur aus der Heiligkeit ausgeblendet war, kannte man ferner die erwähnten Kategorien für heilige und hochheilige Berge (yüllha, néri).22

Beliebige Heiligkeit?

Toni Huber war bereits als Tibetologe mit der Sprache und dem Schrifttum vertraut, als er seit den 1980er Jahren auch Feldforschung betreiben konnte und in Tibet an mehr als einem Dutzend verschiedener Wallfahrten teilnahm. China lockerte damals eine Zeit lang seine politische Kontrolle über das „Autonome Gebiet“ und öffnete die Grenzen. Zu den ersten Ausländern, die eine Erlaubnis erhielten, in Tibet auf Pilgerfahrt zu gehen, gehörte Reinhold Messner, Extrembergsteiger und Abenteurer aus Südtirol. Er hatte schon die meisten der vierzehn Achttausender der Welt ohne Zuhilfenahme von

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Flaschensauerstoff bestiegen und war mit seinen Büchern und seiner medialen Präsenz sehr berühmt geworden. In Tibet zog es ihn 1985 zum heiligen Mount Kailash, dem „Berg aller Berge“, wie er ihn nennt. Er mischte sich vorerst einfach unter die Pilger, die den Berg aus religiösen Gründen umrundeten. Später gewann die Heiligkeit der Berge auch in Messners leistungsorientiertem Leben an Bedeutung. Ab 1997 drehte er mit dem Zweiten Deutschen Fernsehen mehrere Folgen der Serie Wohnungen der Götter. Nach der Jahrtausendwende begann er, ausgehend von seinem Schloss Juval in Südtirol, ein großangelegtes Museumsprojekt zur Beziehung zwischen Berg und Mensch und nicht zuletzt zu deren religiösen und spirituellen Aspekten. 2013 erschien der Band Meine heiligen Berge, mit Bildern und teilweise autobiografischen Texten. Für uns ist dieser Band aus mehreren Gründen von Interesse: Messner war auf allen Kontinenten unterwegs und verfügt über immense Bergerfahrung. Die Frage der Heiligkeit behandelt er nicht aus Sicht eines wissenschaftlichen Experten (wie etwa Toni Huber), sondern mit informiertem Standardwissen und mit Blick auf den westlichen Publikumsgeschmack. Das gibt uns ein bestimmtes Koordinatensystem.23 „Von jeher waren Berge den Menschen heilig“, verspricht der Klappentext. „Nicht, weil es ihnen eine Religion vorgegeben hätte, sondern weil ihnen die Natur heilig war. Ihr begegneten sie mit Ehrfurcht, was sich später darin ausdrückte, dass die Berge als Sitz der Götter galten, zu denen kein Sterblicher Zugang hatte. Man sah in ihnen auch die Brücke zwischen Himmel und Erde, zwischen Gott und den Menschen.“ Den Lesenden öffne sich „ein Fenster in eine fremde Welt, deren Faszination man sich nur schwer entziehen kann“. Damit ist angedeutet, dass das Heilige nach Messners Meinung mehr in der Frühzeit und in der Fremde zu suchen sei als in der vertrauten alpinen, christlichen Umgebung. Besonders deutlich wird die Tendenz, alte Epochen dafür in Beschlag zu nehmen, beim südamerikanischen Beispiel des Buches, dem Vulkan Licancábur in der Atacamawüste. Dieser gehöre zu den wichtigsten Heiligtümern der Anden, was sich an dort gefundenen materiellen Überresten der Inka aus dem 14.–15. Jahrhundert zeige. Direkte Hinweise zu einem damit verbundenen, klar fassbaren Bergkult in Geschichte und Gegenwart werden jedoch nicht präsentiert – die Schwelle ist tief angesetzt.24

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Unmissverständlich äußert sich Messner zur eigenen Kultur, in der er aufwuchs: „Den Christen waren Berge niemals heilig.“ Nur wenn sich darauf ein Heilsgeschehen abgespielt habe wie auf dem Berg Sinai, könne man in eingeschränktem Sinn davon sprechen. „Dagegen sind die Gipfel des Himalaya immer als Tanzplatz der Götter gedacht, ein Bild, dem ich heute noch folgen kann.“25 Dieser europäisch-asiatische Vergleich zielt in die gleiche Richtung wie unsere vorigen Beobachtungen zur katholischen Kanonisierung und zu tibetischen Bergritualen. Bei Messner (als Repräsentant von weitverbreiteten Meinungen) finden sich aber unter der offiziellen christlichen Decke noch ambivalente Wesen, die gelegentlich in Erscheinung traten: „In Mitteleuropa waren Berge das Revier der Geister, Hexen und Ungeheuer.“ Deren genaue Rolle in der historischen Dramaturgie des Heiligen wird allerdings nicht ausgeführt. Das gilt auch für Ötzi, den prähistorischen „Mann aus dem Eis“, zu dessen Entdeckung Messner 1991 persönlich beigetragen hatte. Mit Imagination und wenigen Beweisstücken wird das Museum auf Schloss Juval als „Ötzis Kultplatz“ in Szene gesetzt.26 Kann man die Heiligkeit eines Bergs anhand seiner Form oder anhand der Gipfelaussicht beurteilen? Messner stellt sich die oft aufgeworfene Frage auf einem eleganten, ebenmäßigen Vulkan in Afrika und vor einer Reihe auffällig geformter Berge in Arizona.27 Dabei wird deutlich, dass das physische Landschaftsbild keine wirklichen Antworten geben kann. Letztlich bedarf es einer Abklärung, ob das Eindrückliche auch den Einheimischen so erscheint und allenfalls zu einer Kultpraxis beigetragen haben könnte. Diese intensive Zuwendung zu den Leuten und den historischen Zeugnissen vor Ort gehörte nicht zu den Stärken von Messner. Er hatte es oft eilig. Bei seiner ersten Japanreise war er zum Beispiel terminbeladen, schob aber noch die Besteigung des berühmten heiligen Nationalbergs Fujiyama „als eine Art Kulturtrip“ in sein Programm ein. Die Enttäuschung folgte auf dem Fuß. Messner sah „nichts Magisches“, der Ausflug war „weder spektakulär noch rätselhaft“. Ein zweites Mal hatte er sich vorbereitet und stieg in der Hauptwallfahrtszeit mit Tausenden von japanischen Pilgern auf den Nationalberg. In Erinnerung blieben ihm vor allem die unzähligen Digitalkameras, die bei Sonnenaufgang die Stimmung einfangen wollten. Kann ein solcher Berg (noch) heilig sein? So die vielsagende, offengelassene Schlussfrage.28

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Messners Buch plädiert wiederholt für Ehrfurcht vor den Bergen und der Natur – eine Ehrfurcht, die er auch den „Naturvölkern“ zuschreibt und in der „materialistischen“ westlichen Moderne verschwinden sieht. Man könnte versuchen, diesen Ehrfurchtsbegriff im religiös-spirituellen Feld des Westens zu verorten.29 Hier möchte ich nur die im Buch erwähnte „Naturreligion“ einordnen. Der Begriff stammt aus dem Inventar des europäischen Imperialismus. Meyers Konversation-Lexikon von 1888 stellte zum Beispiel fest, Naturreligion stehe im Gegensatz zur Kulturreligion. Es sei die Religion der sogenannten Naturvölker, die noch keine wirkliche Geschichte hätten. Sie repräsentierten aber auch nicht den unverfälschten Ursprung der Menschheit, da „ihr gegenwärtiger Zustand vielmehr häufig als Entartung und Verwilderung“ erscheine.30 Während das Lexikon den Begriff im stark abwertenden Sinne des imperialistischen Überlegenheitsgefühls brauchte, fand bei Messner – wie bei vielen anderen seiner Generation – eine Neubewertung statt. Naturvölker und Naturreligionen stehen jetzt umgekehrt hoch im Kurs. Die moderne Wissenschaft findet jedoch mehrheitlich, dass der Ausdruck „Naturreligion“ auch per se noch irreführend ist. Nicht nur wegen des impliziten Gegensatzes Natur–Kultur, sondern auch weil man in den betreffenden Kleingesellschaften keinen religiösen Bezug auf die Gesamterscheinung der Natur beobachtet, sondern auf spezifische Elemente davon. „Natur“ ist ein abstraktes europäisches Wort mit einer langen Geschichte, Ausdruck von eingeübten Weltbildern. Vorgeschlagen wird dafür heute „ethnische Religion“ oder indigenous religion – Begriffe, die ihrerseits diskussionswürdige Aspekte haben. 31

Die Wüstenväter

2010 begab sich Messner noch eine Woche lang auf die Suche nach dem biblischen Berg Sinai in der gleichnamigen Felsenwüste in Ägypten. Ausgangspunkt war das Katharinenkloster am Fuß des Mount Horeb oder Mosesbergs, wo der Gott der Tora und der Bibel dem Anführer Israels die Zehn Gebote überreicht haben soll. Messner erlebte die Besteigung als „Offenbarung“ in einem kritischen Sinn. Er erinnerte daran, dass der in den Schriften

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genannte Berg Sinai nicht einwandfrei zu lokalisieren sei, und setzte sich mit dem scheinbar hier gestifteten Monotheismus auseinander. Der Eingottglaube führe zu einem Monopol über Wahrheit und Moral und habe einen gewalttätigen Charakter. Er erhebe sich über die Naturreligionen, womit die Berge an Ausstrahlung verlören. Der Berg Sinai wäre für Christen bloß ein Berg unter anderen, hätte nicht der dreieinige Gott gelegentlich von ihm Besitz ergriffen.32 Anders sieht es die UNESCO, welche die „Saint Catherine Area“ mit dem christlich-orthodoxen Kloster und dem Mount Horeb 2002 in die Liste des Welterbes aufnahm. Das gesamte Gebiet wird nach den Richtlinien der entsprechenden internationalen Konvention als „heilig“ (sacred) eingestuft, und zwar für drei „Weltreligionen“ (Christentum, Judentum und Islam). Das im 6. Jahrhundert gegründete Kloster sei die älteste bis auf den heutigen Tag betriebene christliche Einrichtung dieser Art. An einem abgelegenen Ort auf über 1500 Metern erbaut, zeige es eine intime Beziehung zwischen der „Größe der Natur und spiritueller Hingabe“ (natural grandeur and spiritual commitment).33 Für uns stellt sich die Frage, wie alt diese „Größe“ oder „Erhabenheit“ der Natur gewesen sein könnte. Laut den Spezialisten für die Spätantike stand sie nicht am Ursprung der asketisch-monastischen Bewegung, die sich seit dem späten 3. Jahrhundert in dieser Region verbreitete. Eremiten und Asketen, manchmal zu Klostergemeinschaften zusammengeschlossen, sonderten sich in der spärlich besiedelten Wüste vom intensiven Sozialleben des Niltals ab. „Der überwiegende Eindruck, den die Literatur der frühen ägyptischen Asketen vermittelt, zeigt Männer, die durch eine Krise der menschlichen Beziehungen in die Wüste getrieben wurden“, hält der Althistoriker Peter Brown fest. Es ging um einen Ort zur ungestörten Selbstfindung und Gottessuche im Ringen mit eigenen Sünden und „Dämonen“.34 Auch wenn die Wüste nur den Rahmen bildete, prägte sie doch eine religiöse Metapher, die für sehr lange Zeit zu einem Teil der monastischen Identität werden sollte. Die „Wüstenväter“ waren Pioniere des christlichen Klosterlebens. Auch Abteien, die in den Bergen lagen, konnten sich so gesehen in der Wüste befinden.35 In aller Klarheit zeigt sich diese stark gefilterte Einstellung zur Natur bei der Grande Chartreuse, einem abgeschlossenen Bergtal auf 1200 Metern in

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der Nähe von Grenoble. Im Hochmittelalter zogen sich Eremiten in das entlegene Gebiet zurück und wurden bald zu einer Mönchsgemeinschaft. Es war das erste Kloster des Kartäuserordens, der sich eine strikte, schweigsame Lebensführung in Einzelzellen auferlegte. Nachdem der Orden mit seiner fuga mundi (Weltflucht) in Europa weite Ausstrahlung erlangt hatte, wurde der Gründer, Bruno von Köln, 1514 kanonisiert. Damals war das Bergtal bei Grenoble schon zu einem heiligen Bezirk geworden, den man mit christlichen Kreuzen zu markieren begann. Er galt allgemein als die „Wüste der Großen Kartause“ (Désert de la Grande Chartreuse), die sich von den spätantiken Asketen und Wüstenvätern herleitete. Die Herleitung bildete den Kern der Selbstwahrnehmung und Selbstdarstellung. Wüste kam in der Regel vor Berg. „Es ist ein schrecklicher Ort, eine furchtbare Wüste, weit ab von jeglicher Behausung, von aller Hilfe“, hieß es in einer Hagiografie von 1788: „Zur Gesellschaft hat man hier nur die Tiere. Die Umgebung besteht aus äußerst hohen Bergen, welche die Wolken berühren; aus kargen, zerklüfteten Felsen, die einen baldigen Bergsturz befürchten lassen, der alles zerstört.“ Während solche Schreckensbilder das Heldentum des Gründers und seiner Nachfolger unterstrichen, mutierte die Wüste in anderen Darstellungen zu einem Garten Eden, dessen Annehmlichkeit sich der Heiligkeit der Mönche verdanke.36 Klöster sind in der Regel Orte mit ideellem Überschuss. Folgen ihre Namen nicht der gängigen Sprache, so haben sie doch einen kulturellen Hintergrund. Es dürfte daher nicht ganz zufällig sein, dass wir in Asien Traditionen finden, in denen ein Kloster unabhängig von seinem Standort als „Berg“ erscheint. Das zenbuddhistische System Fünf Berge und Zehn Tempel (Chinesisch: Wushan Shicha, Japanisch: Gozan Jissetsu Seido) entstand in Südchina in der Frühzeit der Grande Chartreuse und breitete sich seit dem späten 13. Jahrhundert auf ganz Japan aus. Damals war es eng mit dem herrschenden Shogunat verbunden und bildete eine hierarchische Verwaltungsordnung. Den höchsten Rang hatten die Klöster der Fünf Berge, dann kamen diejenigen der Zehn Tempel, die übrigen waren einer dritten Kategorie zugeordnet.37 Auch nach ihrer Blütezeit hielt sich die Bezeichnung. Ein berühmtes, weiterhin bestehendes Kloster der obersten Kategorie ist Nanzen-ji am östlichen Rand von Kyoto. Als ich mich vor ein paar Jahren dort befand, wäre ich ohne Reiselektüre nie darauf gekommen, dass es im flachen Stadtgebiet auch „Bergklöster“ geben könnte.

Revolutionssymbolik

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Revolutionssymbolik

Zurück zur Frage: Wie entsteht ein heiliger Berg? Im Fall von Tibet – wir haben es gesehen – kann man von einem kumulativen Prozess ausgehen, der sich teilweise anhand historischer Quellen rekonstruieren lässt. Buddhistische Asketen benutzten Naturelemente und besonders Berge für ihre meditativen Praktiken und entwickelten eine Ausstrahlung, die Pilger anzog und mit der Zeit institutionalisierte Wallfahrten hervorbrachte. Wie die älteren lokalen Bergkulte in Tibet zeigen, taten sie dies auf einer kulturellen Grundlage, welche die Natur von vornherein in die religiöse Wahrnehmung einschloss.38 Diese Grundlage war im Christentum gerade nicht gegeben, und zwar nach allem, was wir wissen, seit seiner Institutionalisierung in der Spätantike. In der Literatur wird die Ausblendung der Natur durch die frühe Kirche meist mit ihrem urbanen Ursprung und ihrem Aufstieg als gleichzeitig bedrängte und streitbare Gemeinschaft im Römischen Reich zusammengebracht. Beide Umstände dürften die auffällige Fokussierung auf menschliche Beziehungen gefördert haben. Die verschworene, hierarchisch organisierte Kirche war binnenorientiert und könnte die Bedeutung von Naturelementen auch aus Gründen der Absetzung von konkurrierenden Glaubensformen heruntergespielt haben.39 In ihren Hauptzügen hielt sich die so konturierte Topografie des Heiligen dann während sehr langer Zeit.40 Wie nachhaltig das religiöse Feld von historisch einmal Vorgefallenem geprägt werden kann, zeigen die neuzeitlichen Bergklöster, die sich von den spätantiken „Wüstenvätern“ herleiteten und in déserts lebten. Als Kontrastfolie ist das Christentum für die Frage nach heiligen Bergen von nicht geringem Interesse. Besonders gut lassen sich daran auch in die Moderne weisende Kultformen untersuchen. Wie wir im folgenden Kapitel 2 sehen werden, spielte die seit dem 16. Jahrhundert aufkommende Naturforschung in Europa für den Wandel der Wahrnehmung eine zentrale Rolle. „Natur“ wurde damit auch in der Literatur und in den Künsten ein wichtiges Thema und ein moralisches Vorbild des Ursprünglichen und Ungekünstelten. Vor diesem Hintergrund kam es in der Zeit der Französischen Revolution zu einer scharfen Politisierung der Natur, die kurzzeitig eine Art heilige Berge hervorbrachte. Es ist ein weiteres Modell für die Entstehung von Mount Sacred – außerreligiös und als vorübergehende Modeerscheinung.

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1. Wie entsteht ein heiliger Berg?

Die Revolution war im Gang und gewann an Dynamik, in Paris hatte der König einen Teil seiner Macht eingebüßt, als sich die Nationalversammlung Ende Oktober 1791 auf einen Streit über die politische Verwendung des Bergbegriffs einließ. Wenig später bezeichneten die Ausdrücke „Berg“ und „Bergler“ (montagne, montagnards) aus nicht ganz geklärten Gründen eine radikale politische Gruppierung und ihre Parteigänger. 1793 hatten sich die Ausdrücke allgemein eingebürgert, offenbar auch weil die montagnards auf den oberen Sitzreihen der alten Tagungshalle Platz nahmen, während die gemäßigte Fraktion unten in der „Ebene“ (plaine) saß. Der Gegensatz stand in einem moralischen Spannungsfeld: Berge galten als rein und Bergler als tugendhaft, die Ebene konnte dagegen auch ein „Sumpf“ (marais) sein. In Liedern, Theaterstücken und Zeitungen wurden die polemischen Naturbegriffe fortwährend eingesetzt.41 Gleichzeitig begannen Revolutionäre, künstlich erstellte Berge zur Verkörperung der Natur in ihrer neuen Ritual- und Festkultur zu verwenden. In der Hauptstadt und in den Provinzen wurden allenthalben Erdhaufen errichtet oder mit behelfsmäßiger Theaterarchitektur hügelartige, oft begehbare Kulissen aufgebaut, sowohl im Freien wie in Kirchen, aus denen die christlichen Symbole im Zuge der antiklerikalen Politik entfernt worden waren. Einige dieser montagnes sacrées, wie sie auch genannt wurden, waren mehr als 10 Meter hoch. Berühmt wurde der Berg, den man zur Feier des „höchsten Wesens“ am 8. Juni 1794 auf dem Marsfeld (vor dem heutigen Eiffelturm) aufschüttete. Oben standen ein Altar des Vaterlands und ein Freiheitsbaum. Die Bevölkerung war angehalten, nach Geschlecht und Alter geordnet, dem Être suprême zu huldigen, unter anderem mit Absingen einer Hymne. Der „Vater des Universums“ mit seinem Tempel auf den Bergen offenbarte im Text den Menschen das Wesen der Natur und wurde von ihnen angefleht, das Vaterland im Hass auf die Könige zu bestärken.42 Es bestehen wenig Zweifel, dass es damit zu einer gewissen Sakralisierung der Natur und der Berge kam. Ein vielgelesener Autor publizierte zum Beispiel einen „Katechismus der Natur“ und entwarf eine „natürliche Religion und Moral“.43 In der Forschungsliteratur wird von einem Transfer der Sakralität vom christlichen auf den neuen sozialen Kontext gesprochen, aber auch von einer Mischung verschiedenster kultureller Vorlagen.44 Im Vergleich zu früheren Kultformen hatte die revolutionäre Aufwallung einen

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Abb. 2: Auf dem Pariser Marsfeld aufgeworfener Berg zur Verehrung des höchsten Wesens, 1794 (kolorierter Stich).

betont nationalen Charakter. Man kann sie als Vorbote einer Zeit auffassen, in welcher der profane Nationalstaat mitunter heiliggesprochen wurde. Die künstlichen Berge hatten dagegen schnell ausgedient. Nach einer blutigen Hinrichtungswelle wurden sie 1795 im Nationalkonvent als „Monumente des Terrors“ bezeichnet. Der Konvent diskutierte, ob man sie zerstören oder aus Achtung vor dem Volk erhalten sollte, um den Aristokraten keinen Anlass zur Schadenfreude zu geben. Ein Abgeordneter warf schließlich ein, er könnte in den Bergen sehr wohl ein Symbol des Volkes erkennen, wären sie nicht auch Grund zur Entzweiung: „Ein Berg, ist das nicht eine ewige Auflehnung gegen die Gleichheit?“ Darauf beschloss der Konvent, alle künstlichen Berge auf dem Gebiet der Republik zu beseitigen, und gab Anweisung, für eine neue parlamentarische Sitzordnung zu sorgen.45

2. Eine Welt zwischen Glauben und Wissen

• Chinesische Bergsystematik • Geheiligte Naturwissenschaft in Europa • Gebirgsfor-

schung und Alpinismus • Von der Theologie zur Religionswissenschaft

Dieses Kapitel befasst sich mit der Art und Weise, wie Glauben und Wissen seit Ausgang des Mittelalters in Ost und West ineinandergriffen. Es ist eine Orientierungshilfe für die Lokaltermine bei ausgewählten heiligen Bergen, dem Reiseziel dieses Buches. Dazu gehört auch die Historisierung von Sichtweisen, die uns heute begegnen. Wie sollten die vielen Zeichen dieser Welt richtig gedeutet werden? Zwei Rahmenbedingungen spielten für die Wahrnehmung der Natur und den neuzeitlichen Wahrnehmungswandel eine wichtige Rolle: die Urbanisierung und die territoriale Expansion. Die Bildung von Großstädten begünstigte die Arbeitsteilung und Spezialisierung; religiöse und wissenschaftliche Fachdiskurse ließen sich mit den zahlreichen Kontaktmöglichkeiten leichter in Gang setzen als in kleinen Siedlungen und Städten. Die territoriale Expansion, sei es in Form individueller Erkundungen oder staatlich-politischer Inbesitznahme, förderte dagegen vergleichende Kultur- und Naturbetrachtungen. Was vorher allgemeine Gültigkeit hatte, konnte sich durch die Erweiterung des Wahrnehmungshorizonts als Spezialfall herausstellen, und umgekehrt.1 Im beginnenden 20. Jahrhundert war London mit etwa 6,5 Millionen Einwohnern die größte Stadt der Welt, und das Britische Imperium beanspruchte ein Viertel der globalen Landfläche für sich. Die Expansion setzte im 16. Jahrhundert ein und führte, vor allem im 19. Jahrhundert, zu einem Territorium, das mehr als hundert Mal größer war als die Britischen Inseln, von denen der koloniale Zugriff ausging. Anders lagen die Verhältnisse im Osten Eurasiens, vor allem zu Beginn der Neuzeit. Um 1500 zählte Beijing etwa 0,7 Millionen Einwohner und übertraf so jede andere Stadt des Erdballs. Die Bevölkerung von China, damals unter Herrschaft der Ming-Dynastie, machte ein Fünftel bis ein Viertel der Weltbevölkerung aus. Man schätzt sie auf gut hundert Millionen, während die Britischen Inseln knapp

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2. Eine Welt zwischen Glauben und Wissen

vier Millionen Einwohner aufwiesen. In den folgenden Jahrhunderten behielt das Reich der Mitte dieses außergewöhnliche demografische Gewicht.2 Speziell war auch der Platz, den das Reich seinen Bergen einräumte. Diese chinesische Auffassung ist hier unser erstes Thema; nachher folgen wir der europäischen Traditionslinie, die schließlich wieder nach Asien zurückweist.

Chinesische Bergsystematik

„Ich hatte mich schon seit langem den fünf Heiligen Bergen verschrieben, und da ich nach Ta-liang [heute Kaifang, Provinz Henan] kam, war ich fest entschlossen, einmal zum Heiligen Berg der Mitte zu reisen. Gerade zu der Zeit hatten wir einen glühend heißen Sommer, und die Leute sagten, dass es nicht sehr angenehm sei aufzusteigen. Obwohl viele mich davon abhalten wollten, wischte ich alle Bedenken beiseite.“ Der chinesische Gelehrte P’an Lei setzte sich also über die Ratschläge hinweg und begann am 10. Juli 1701 eine zehntägige Reise in den Sung Shan mit seiner zerklüfteten Topografie und zahlreichen Gipfeln. Er mietete ein Gespann von Sänftenträgern und erwarb eine Chronik des Bergs, erschienen 1668, um sich über die Sehenswürdigkeiten und die lange Reihe der religiösen und kulturellen Verdienste des Orts ins Bild zu setzen. Es wurde eine Tempeltour: Opfertempel des Heiligen Bergs der Mitte, Tempel des Erhabenen Glücks, Tempelkloster des Drachenteichs, auch ein Nonnenkloster war da, insgesamt mehr als ein Dutzend geistliche Einrichtungen mit ihren Altertümern. Zum Schluss zeigte sich P’an Lei zufrieden: „Als ich so umherging, die Landschaft bewunderte und alles genau betrachtete, fühlte ich mich in harmonischem Einklang mit der Erde.“ Beim Drachenteich hätte der Gelehrte noch „gern in einer Vollmondnacht Gebete gelesen und gefastet. Ich konnte mich gar nicht satt sehen.“ Insgesamt habe er das Vergnügen an der Landschaft mit seinem unstillbaren Appetit nach Historischem verbunden.3 P’an Lei (1646–1708) hatte sich früh für Geschichte, Phonologie und Mathematik interessiert und, ohne die üblichen Prüfungen zu durchlaufen, eine Stelle an der Kaiserlichen Akademie in Beijing erlangt. Nachdem er dort infolge Fehlverhaltens entlassen worden war, widmete er sich seinen eigenen Schriften und bereiste den Osten und Süden des Landes.4 Im Unterschied zu

Chinesische Bergsystematik

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den meisten Zeitgenossen hatte er schon mehr als einen heiligen Staatsberg besucht. Es gab deren fünf, alle ungefähr zwischen 1300 und 2000 Meter hoch: Tai Shan im Osten des Reichs, Héng Shan im Süden, Hua Shan im Westen, Heng Shan im Norden – und eben Sung Shan in der Mitte. In dessen Opfertempel konnte P’an Lei bei seinem Besuch die Schreine aller Gottheiten der „Fünf Großen Gipfel“ bewundern.5 Laut einer Steinstele trug der Gott des Sung Shan den Familiennamen Yun und den Personennamen Yang. Das Kaiserhaus hatte dem Berg einen hohen Titel verliehen (Zhongtian chong shengdi – „Hoher, Heiliger Gott des Mittebergs“). Der Berg besaß außerdem zwei Assistentenberge (Niu-ki und Chao-ch). Ähnlich ausgestattet waren die vier anderen. Die Stele führte sie alle auf und überschrieb sie mit der Erklärung: „Die Fünf Gipfel gelten als das Göttlichste, was es im Universum gibt“.6 Soweit wir wissen, war dieses großangelegte territoriale System von herausgehobenen heiligen Bergen weltweit einzigartig. Im Laufe seiner langen Geschichte wurde es auch von gewissen chinesischen Tributärstaaten (wie Gebieten in Korea und Yunnan) adaptiert, doch weiter scheint es nicht ausgestrahlt zu haben. Das Kaiserreich brauchte die „Belehnung von Bergen“, also ihre Anerkennung als Vasallengipfel, außerdem als Mittel der Außenpolitik. Zeitweise reichte dieses Netz von Japan über Java bis nach Südindien. Obwohl das Thema über die Jahrhunderte und besonders von der modernen Forschung immer wieder untersucht worden ist, sind etliche Fragen bis heute offengeblieben. Gelehrte und religiöse Kontroversen scheinen das System seit den Anfängen begleitet zu haben. In China gab es zahlreiche Bergkulte und damit auch ein großes Potenzial für Standortkonkurrenz zwischen verschiedenen Gipfeln oder Gebirgen (in der Regel handelte es sich um Gipfelgruppen; P’an Lei besuchte auf dem Sung Shan zum Beispiel nur einen Teil des Massivs). Die ersten Schriften nannten bloß das allgemeine religiös-geografische Schema, kommentiert und lokalisiert wurde es von späteren Gelehrten mit je eigenen Interessen.7 Man nimmt an, dass das System aus einer Verbindung der frühen Staatsund Territorialbildung mit einem Substrat von lokalen Bergkulten hervorging. Zuerst war nur von vier großen Gipfeln und zeitweise auch von anderen Ensembles die Rede. Mit der Entstehung des Kaiserreichs in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten konsolidierte sich die Zahl fünf, die

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damals auch in der Fünf-Elemente-Philosophie als günstig und bedeutsam angesehen wurde. Es handelte sich um eine symbolische Markierung des chinesischen Territoriums. In der Forschung ist auch der Neologismus marchmounts, Landmarkberge, ins Spiel gebracht worden. Wuyue heißt die Kategorie der fünf heiligen, berühmten oder großen Gipfel auf Chinesisch.8 Die Wuyue hatten einen Platz im Staatsritualkalender, den der Kaiser als „Sohn des Himmels“ zu beachten hatte, und waren so ins Regierungssystem einbezogen. Praktisch wurden die zu erbringenden Opfer meistens delegiert. Mit den vergebenen Titeln erhielten die Berge gleichsam öffentliche Ämter. Eine Vernachlässigung oder ausdrückliche Erhöhung der Titel zeigten an, wie es um den aktuellen power of place (James Robson) in der allgemeinen Rangordnung und kulturellen Machtstruktur stand.9 Der Kaiserkult korrespondierte nicht nur mit der Fünf-Elemente-Lehre, welche die fünf Grundelemente Holz, Feuer, Metall, Wasser und Erde und ihre fünf Wandlungsphasen beschrieb. Er verband sich auch mit kosmischen Entstehungsmythologien. Als die Urgestalt des Pangu nach einem jahrtausendelangen Leben durch Selbstopferung gestorben sei, habe sich aus seinem Körper das Universum gebildet. Laut einer Version entstand der Tai Shan, der prominenteste der Wuyue, aus dem Kopf des Pangu, und die anderen vier aus unteren Körperteilen.10 Auf der populären Ebene führte der Kult zu umfangreichen Wallfahrten. P’an Lei beobachtete 1701 am Berg der Mitte, dass sich zu den bedeutenden Festen im Frühling fast ebenso viele Pilger einstellten wie am Tai Shan. Laut seinem Urteil verhielten sich die Pilger hier sittsamer als am Ostberg. Statt sich wie verhext auf den Wunderglauben der Berggottheit zu stürzen, vertieften sie sich mehr in Gebete. Wichtig für die Bevölkerung waren auch Talismane mit dem „Bild der wahren Form der fünf Gipfel“, die man zum Schutz von Leib und Leben als Papierabrieb von einer Steinstele oder als Metallamulett bei sich tragen konnte.11 Die drei normativen Traditionen Chinas – Konfuzianismus, Daoismus und Buddhismus – waren an den heiligen Bergen alle vertreten und trotz zeitweiliger Konflikte miteinander im Austausch. Der Buddhismus, in den frühen nachchristlichen Jahrhunderten von Indien nach China eingeführt, setzte sich in verdichteter Weise an denjenigen Bergen fest, die seit der Regierungszeit von Kaiser Wanli (1572–1620) als die „Vier Großen Buddhistischen Gipfel“ eingeordnet wurden; vorher hatte man von drei solchen

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Abb. 3: „Bild der wahren Form der fünf Gipfel“, China um 1614 (Papierabrieb).

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Bergen gesprochen. Die Systematik deutet an, dass die indische Lehre jetzt ganz in der Kultur des Kaiserreichs aufgegangen war. Anhand der weit zurückreichenden Gattung von bergbezogenen Landesbeschreibungen (mountain gazetteers) hat der chinesische Historiker Kai Sheng die buddhistischen Präferenzen in Stichworten zusammengefasst. Wichtige Elemente für die ausgewählten Berge waren: Erwähnung in klassischen Texten; Landschaft und Aussichtspunkte; Wundergeschichten; Wallfahrten der Gläubigen; Pagoden, Tempel und herausragende Mönche; staatliche Unterstützung.12 Der Gelehrte P’an Lei hatte, wie erwähnt, viele Interessensgebiete, von der Geschichte bis zur Mathematik. Am Sung Shan traf er 1701 nicht nur auf zahlreiche Tempel und Klöster, sondern auch auf eine Akademie. Das Gebäude blickte auf eine wechselvolle Geschichte als religiöse Einrichtung und konfuzianische Lehrstätte zurück. Nach zwischenzeitlicher Zerstörung war es neu errichtet worden und zog dank einem berühmten Leiter viele junge Gelehrte an. Man sollte sich solche Akademien nicht zu unbeweglich vorstellen. P’an Lei war jedenfalls auch ein kritischer Geist und hinterfragte in seinem Bericht bestimmte Kultobjekte am Berg der Mitte, die er für abergläubisch hielt.13 In seiner Zeit befand sich die gelehrte Kultur im Aufbruch. Unter dem „aufgeklärten“ vierten Kaiser der Qing-Dynastie, Kangxi (regierte 1661–1722), erfuhr zum Beispiel die Kartografie eine bedeutende Erweiterung und Präzisierung. 1708, im Todesjahr von P’an Lei, begann unter Mitwirkung europäischer Jesuiten eine neue, langjährige Kampagne, die bald auch Tibet umfasste. So entstand ein umfangreiches, modernes Kartenwerk, in dem erstmals der Berg erschien, den man später als Mount Everest und höchsten der Erde bezeichnete.14

Geheiligte Naturwissenschaft in Europa

Im selben Jahr 1708 erschien in London unter der Schirmherrschaft der Royal Society und ihres Präsidenten Isaac Newton in der lateinischen Gelehrtensprache das Werk Ouresiphoitēs Helveticus, sive Itinera Alpina Tria (Helvetischer Bergwanderer oder drei Alpenreisen). Der Zürcher Stadtarzt und Naturforscher Johann Jakob Scheuchzer (1672–1733) veröffentlichte darin Forschungsberichte zu Bergreisen, die er 1702, 1703 und 1704 für jeweils etwa

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drei Wochen zusammen mit Studenten durchgeführt hatte. Das Buch setzte Traditionen des 16. Jahrhunderts fort, bildete aber auch einen Meilenstein in der aufkommenden europäischen Gebirgsforschung. Man kann Scheuchzer an den Anfang einer Linie stellen, die später auf diesem Gebiet zu Albrecht von Haller, Horace-Bénédict de Saussure und Alexander von Humboldt führte. Ich skizziere im Folgenden die Naturforschung des 18. Jahrhunderts, den Alpinismus des 19. Jahrhunderts und die entstehende Religionswissenschaft des 20. Jahrhunderts. Die Ausschnitte beziehen sich auf Berührungspunkte zwischen religiösen Vorstellungen und wissenschaftlichen oder körperlichen Tätigkeiten, die man heute als profan betrachten würde. Wir achten vor allem auf die Bedeutungszuschreibungen und ihren Wandel. Als Auftakt seiner Forschungsinitiative hatte Scheuchzer einen Fragebogen mit rund zweihundert Fragen drucken lassen und an Gewährsleute verschickt. Von Reisenden werde die gebirgige Schweiz mit einigem Recht als „rauh und wild“ wahrgenommen, schrieb er im Vorspann. Sie biete aber „große Wunder und herrliche Gaaben der Natur“, die es vertieft zu untersuchen gelte.15 Der Stadtarzt war unter anderem ein Pionier der Höhenmessung mittels Barometer, mit der in Europa seit Jahrzehnten experimentiert wurde. Seine grenzenlos anmutende Wissbegier war auch religiös motiviert. Durch die Erforschung der „unglaublichen Bergwunderen“ wollte er nach eigenem Bekunden Gott als Schöpfer derselben preisen und andere zum geschuldeten Gotteslob ermuntern.16 In der Forschung wird Scheuchzer der Physikotheologie zugerechnet, die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts aufkam und die äußere Natur für religiöse Fragen aufwertete. Sein letztes Werk trug den sprechenden Titel Kupfer-Bibel, in welcher die Physica Sacra oder Geheiligte Natur-Wissenschaft derer in Heil[igen] Schrift vorkommenden Natürlichen Sachen deutlich erklärt [wird]. Die 1731 bis 1735 erschienenen, mit Kupferstichen reich illustrierten Bände (daher „Kupfer-Bibel“) zeigten, wie sich die religiösen und wissenschaftlichen Wahrheiten ergänzten. Beim Berg Sinai im 2. Buch Mose, Kapitel 19, fügte Scheuchzer zum Beispiel Informationen über das Verhalten der (im Bibel-Text metaphorisch genannten) Adler hinzu. Dann äußerte er sich zu der Frage, ob der durch Gottes Wirken rauchende und blitzende Berg ein Vulkan sein könne. Beiläufig wies er auch auf die „bey denen Heyden üblichen Vergötterungen“ hin.17 Distanzierung war in solchen Fällen angezeigt.

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Weil die Natur bei ihm in emphatischer Weise zum Zeugnis der göttlichen Schöpfung wurde, stand er bei orthodoxen Gegnern im Verdacht, unchristliche Ideen einführen zu wollen.18 1746 erschien eine deutsche Fassung der Itinera Alpina durch den Schweizer Geistlichen Johann Georg Sulzer (1720–1779). Scheuchzer habe sich mit den berühmtesten Naturforschern seiner Zeit ausgetauscht, hieß es in der Vorrede, und diese hätten den Wissenschaften neues Ansehen verliehen. „Sie kündeten den alten Hirngespinsten den Krieg an. Sie wolten eine Physic haben, deren Sätze in den gewissesten Begebenheiten der Natur gegründet wären.“19 Der Übersetzer hatte selbst eine Alpenreise unternommen und dabei eine neue Methode zur barometrischen Höhenmessung entworfen. Am Schluss der Neuausgabe fügte er eine eigene Untersuchung von dem Ursprung der Berge hinzu. Darin gab er eine stringente Zusammenfassung der europäischen Kontroverse, die seit dem späten 17. Jahrhundert über die Erdgeschichte geführt wurde. Letztlich ging es um die Frage, wie die Forschung mit der biblischen Schöpfungsgeschichte korrespondierte. Sulzer schlug eine originelle eigene Variante vor. Aus Newtons Theorie und jüngsten französischen Messungen hatte sich ergeben, dass die Erde gegen die Pole hin abgeplattet war. Beim Einsetzen der Erdrotation zu Beginn der Schöpfung („Es werde Licht!“) musste ihm zufolge aus der Kugel ein Ellipsoid geworden sein. Dies habe zu tektonischen Verschiebungen und zur Ungleichheit der Erdoberfläche geführt.20 Sulzer war ordinierter evangelischer Pfarrer. Zeitgleich mit seinen naturwissenschaftlichen Arbeiten veröffentlichte er einen Versuch einiger moralischen Betrachtungen über die Werke der Natur. In ihrer ganzen Einrichtung weise die Natur auf Gott als ihren Schöpfer hin. Auch die Berge seien nur scheinbar zwecklos. Die Menschheit verdanke ihnen eine große Vielfalt von Steinen und Metallen, Wasserquellen und Flüssen sowie schönsten, brauchbarsten Pflanzen. Eingeleitet wurde die Schrift von einem Königlichen Kirchenrat von Friedrich II. von Preußen. Die Wissenschaften, zuvorderst die Physik, seien zur Gotteserkenntnis überaus nützlich, hielt dieser fest.21 Für Sulzer war die Vorrede auch ein Schritt Richtung Berlin, wo er später als Mathematik- und Philosophieprofessor Karriere machte.22 Stärker interessiert an der religiösen Praxis war der lutherische Pfarrer von Schöneck im sächsischen Erzgebirge mit seiner 1756 veröffentlichten

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Abb. 4: Grafische Erläuterungen zur Theorie vom Ursprung der Berge von Johann Georg Sulzer, 1746 (Stich).

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Schrift Orotheologie, oder erbauliche Betrachtung über die Berge. An den Anfang stellte er die zwei Bücher der Christen: Das „Hauptbuch“ bilde das Buch der Offenbarung oder die Heilige Schrift. Das „Nebenbuch“ der Natur sei aber ebenfalls vonnöten, weise es doch einen eigenen Weg zu Gott. Die Publikation reihte sich in die Spezialtheologien ein, die in Deutschland über einzelne Naturelemente erschienen waren: Frösche und Kaulquappen (1724), Steine (1735), Blumen (1737), Insekten (1738), Schnecken und Muscheln (1744), Heuschrecken (1748/1750), Gras (1750) und weitere.23 Wie der Titel ankündigte, hatte die Orotheologie vor allem einen erbaulichen Charakter. Zum Schluss gab sie ein einschlägiges Gebet, das nach einigen Bibel-Zitaten ganz metaphorisch wurde: Die Fruchtbarkeit, die der Herr den Bergen schenke, solle in der Gemeinde nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich wirken, „damit wir in deinen Augen allezeit angenehme Berge, und als die rechten Berge Gottes seyn mögen, auf und bey welchen Du deine Lust zu wohnen hast“.24 Physikotheologen rechtfertigten ihre intensive Beschäftigung mit der Natur oft durch den Hinweis, dass man auf diese Art auch Ungläubige vom christlichen Gott überzeugen könne. Im Falle der Berge trat manchmal die Befürchtung hinzu, dass ihre Bewunderung mit der heidnischen Berganbetung verwechselt werden könne. „Die Heyden pflegten so gar manche Berge als Gottheiten anzusehen“, stellte Zedlers Universal-Lexikon 1733 mit Blick auf die römische Antike fest und ließ keinen Zweifel, dass dies für Christen ein Götzendienst sei.25 Wir haben beobachtet, dass das westliche Christentum traditionell einen anthropozentrisch-introvertierten Charakter hatte und die Natur weitgehend ausblendete (vgl. Kapitel 1). Angetrieben durch die aufkommende Naturwissenschaft, begann es sich nun gegen die Umwelt zu öffnen und ihr einen religiösen Wert zuzugestehen.26

Gebirgsforschung und Alpinismus In der Literatur liest man häufig, dass die Berge in Europa in einer frühen Phase als hässlich und furchterregend wahrgenommen worden seien. In einer zweiten, zur Gegenwart führenden Phase sei dieses negative Bild in sein positives Gegenteil gekippt. Die jüngere Forschung hat diese traditionelle

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Schwarz-Weiß-Periodisierung relativiert und präzisiert. Anhand vieler Texte lässt sich nachweisen, dass die ältere Bergwahrnehmung gemischter Art war, je nach Situation positiv oder negativ. Was sich im Übergang zur Moderne wirklich veränderte, waren (1) das relative Gewicht dieser Wertungen, (2) ihr Verpflichtungsgrad und (3) die Wahrnehmungsfrequenz. Ab dem 18. Jahrhundert erhielten die Berge viel mehr Beachtung als früher, die positiven Attribute gewannen gegenüber den negativen an Gewicht und unterlagen einer Konventionalisierung. Es gehörte jetzt zum guten Ton, die Berge zu loben.27 Gegen 1800 griff die von Scheuchzer und anderen begonnene Gebirgsforschung geografisch weiter aus, während die biblisch fundierte Religion zurücktrat. Stattdessen verbreitete sich mit dem Leitbegriff des „Erhabenen“ oder „Sublimen“ ein Vokabular aus dem Grenzbereich von ästhetischer und religiöser Erfahrung. Ein wichtiger Wegbereiter und Vertreter dieser Generation war der deutsche Naturforscher Alexander von Humboldt (1769–1859). Mit seiner Reise nach Südamerika machte er sich weitherum einen großen Namen. 1802 versuchte er sogar, den über 6000 Meter hohen Chimborazo im heutigen Ecuador zu besteigen, der seit der französischen Meridianvermessung als höchster Punkt der Erde galt. Als Humboldt den Berg später mit einem Bildband bekanntmachte, rekurrierte er auf die Erfahrung des europäischen Publikums mit einheimischen Bergen und ihrer angemessenen Beschreibung: „Allein Reisende, welche die Gipfel des Mont-Blanc und des Monte-Rosa aus der Nähe gesehen haben, vermögen den Charakter dieser erhabenen, ruhigen und majestätischen Szene zu begreifen. Die Masse des Chimborazo ist so ungeheuer, dass der Teil, den das Auge in Höhe der Schneegrenze mit einem Blick erfasst, siebentausend Meter breit ist. Die äußerst dünnen Luftschichten, durch die man die Gipfel der Anden sieht, tragen viel zur Strahlkraft des Schnees und zur magischen Wirkung seines Widerscheins bei.“28 Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts gaben viele Bergsteiger an, wie Humboldt zur Forschung beitragen zu wollen. Mehr und mehr schoben sich im zunehmend organisierten Alpinismus aber andere Motive in den Vordergrund. Das Alpine Journal des englischen Alpenclubs trug zum Beispiel seit Beginn des Erscheinens im Jahr 1863 den Untertitel A Record of Mountain Adventure and Scientific Observation. Obwohl man jetzt dem Wagnis und Erlebnis den Vorzug gab und einen kompetitiven Sport betrieb,

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in dem es nicht zuletzt um Erstbesteigungen ging, blieb die Bildungstradition mit internen Vortragsreihen bestehen. Das Clubmitglied Hugh E. M. Stutfield wählte 1918 das ungewöhnliche Referatsthema Mountaineering as a Religion. Die Inbrunst der Alpinisten erinnerten ihn an wahrhaft Gläubige, und die Abgrenzung zu Nichtalpinisten habe Sektencharakter. Während das Bergsteigen von außen als Zeitvertreib erscheine, sei die Hingabe an die Berge im Kern eine religiöse Verehrung bis hin zur Anbetung. Der echte Alpinist verteidige sein Terrain gegen gewöhnliche Touristen als „heiligen Boden“ (holy ground), zu dem nur „die Halbgötter der Eispickel und Seile“ Zugang hätten.29 Ein Pfarrer aus der Nähe von London reagierte begeistert auf die Darstellung: „Die Berge haben mir geistig-religiös mehr Gutes geboten und mich physisch mehr gestärkt als irgendetwas anderes auf der Welt. Niemand weiß, wer oder was Gott ist, bis er wirkliches Bergsteigen und Klettern in den Alpen gesehen hat.“30 Tatsächlich erwähnten Bergsteiger gelegentlich religiöse Ausdrücke zur Charakterisierung der Gipfelerfahrung. Hin und wieder kam es auch zu einem Gebet, das die Natur jedenfalls nicht ausschloss.31 Begünstigt wurden solche Aussagen und Praktiken durch den Umstand, dass mit der wissenschaftlichen Vermessung die Höhe über dem Meeresspiegel zum zentralen Kriterium geworden war. Erwähnung fand manchmal auch der griechische Olymp mit seiner antiken Götterwelt. Unter Alpinisten gab es viele Bildungsbürger, und der Neohumanismus des 19. Jahrhunderts revitalisierte die klassische Überlieferung.32 Im Munde der modernen Alpinisten hatte die Rede vom christlichen Gott oder von unchristlichen Göttern aber häufig einen metaphorischen oder ironischen Charakter – so auch im Vortrag von Stutfield. Dem Argument fehlte die transzendentale Dimension, die man für den Sport kaum in Anspruch nehmen konnte (später gebrauchte man den Vergleich oft für den Fußball).33 Insgesamt scheint der Vortrag mehr über den veränderten Religionsbegriff des Referenten als über den Alpinismus ausgesagt zu haben. Dieser arbeitete damals an einem Buch über politischreligiöse Fragen und suchte nach einer neuen Position.34 Während die britischen (und andere) Bergsteiger in Europa nur vereinzelt mit religiösen Phänomenen in Berührung kamen, wurden sie auf dem indischen Subkontinent und im Himalaya unmissverständlich damit konfrontiert. Kurz nach Stutfields Referat kam es zum ersten ernsthaften Versuch,

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den Mount Everest zu besteigen. Dieser hatte seit Mitte des 19. Jahrhunderts die früheren „höchsten Berge“ abgelöst und galt jetzt als das ultimative Ziel des Erforschungs- und Eroberungsalpinismus. Einen entsprechenden Auftritt machte das Korps, das sich im Frühling 1922 von Tibet her dem Bergriesen näherte. Es umfasste ein Dutzend britische Sahibs (Herren), unter ihnen ein Filmemacher, dann einen Übersetzer, eine Militäreskorte sowie zahlreiche einheimische Träger, Köche und andere Hilfskräfte, dazu kamen ungefähr dreihundert Lasttiere. Am 30. April erreichte die von einem Brigadier-General angeführte Kolonne das Kloster Rongbuk am nördlichen Zugang zum Everest auf über 5000 Metern. Das Kloster war erst kürzlich gegründet worden und galt als streng religiös. Widerwillig begann der Abt den britischen Anführer nach seinen Absichten zu befragen. Der General versuchte, die Expedition als Pilgerfahrt darzustellen, was er in einem späteren Bericht als Notlüge (white lie) bezeichnete, und versprach, dass sie hier keine Tiere töten würden. Schließlich erteilte der Abt seinen Segen und gab der Expedition laut seiner Autobiografie die Mahnung auf den Weg: „Unser Land ist bitterkalt und frostig, so dass es schwierig ist für Leute, die nicht der Religion verpflichtet sind, unbeschadet zu bleiben. Die lokalen Geister sind Furien, ihr müsst mit großer Entschlossenheit vorgehen.“ Das taten die Briten, doch der Besteigungsversuch scheiterte auf tragische Weise, so wie auch der nächste Versuch zwei Jahre später. Unterdessen hatte man elf Tote zu beklagen. Tibet war ein geschlossenes Land; gegen das Bergsteigen gab es religiöse Vorbehalte. Eine Bewilligung für den Everest konnten die Briten erlangen, wenn Tibet erneut in größere Auseinandersetzungen mit China geriet und auf Unterstützung angewiesen war. Eine solche Chance ergab sich 1930. Dem englischen Gesandten teilte der Dalai Lama nun mit, dass in seinem Land fast jeder Schneeberg ein Sitz der Götter und Schutzgottheiten der inneren Religion (Buddhismus) sei, die man als „sehr eifersüchtig“ ansehen müsse. Aus diplomatischen Gründen war er indessen bereit, seine Bedenken beiseitezuschieben und die Erlaubnis zu erteilen.35

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2. Eine Welt zwischen Glauben und Wissen

Von der Theologie zur Religionswissenschaft

Im Osten und Westen Eurasiens – so können wir dieses Kapitel zusammenfassen – interagierten bergbezogene Glaubens- und Wissensformen auf unterschiedliche Weise. Die chinesische Staatsbildung vollzog sich auf einem Sub­ strat von lokalen Bergkulten und führte zu einer offiziellen Rangordnung von heiligen Bergen. Zu den älteren fünf Kaisergipfeln traten bis um 1600 die vier buddhistischen Gipfel hinzu. Glauben und Wissen über Berge deckten das gleiche Gebiet ab und waren eng miteinander verflochten.36 In Europa spielten die Berge dagegen eine geringe Rolle in der öffentlichen Wahrnehmung. Der christliche Glaube bot wenige Anknüpfungspunkte. Den wichtigsten Anstoß zur vermehrten Beachtung gab die in der Frühen Neuzeit aufkommende Naturforschung. Durch den Bezug auf die religiöse Rede von der Natur als Gottes Schöpfung legitimierte sich die Forschung und bewirkte gleichzeitig eine gewisse religiöse Aufwertung der Umwelt. Dominant blieben aber die säkulare Vermessung der Berge und ihre physische Besteigung und Inbesitznahme. Während Berge in China gleichsam ins Regierungssystem und seine Hierarchie einbezogen waren, wurden sie in Europa nach ihrer Höhe klassiert. Dabei kam es zu einer historischen Abfolge von „höchsten Bergen der Welt“: auf den seit dem Spätmittelalter oft genannten Pico del Teide auf Teneriffa folgten in der Mitte des 18. Jahrhunderts der Chimborazo in Ecuador und in der Mitte des 19. Jahrhunderts der Mount Everest im Himalaya.37 Das imperialistische Ausgreifen Europas war mit kultureller Konfrontation und Inspiration verbunden und führte zu einer massiven Veränderung der Umweltwahrnehmung. Die Wissenselemente ließen sich im Allgemeinen leichter transferieren als die stark kontextgebundenen und mit Identitätsgefühlen aufgeladenen Glaubenselemente. In Europa gehörte die Tuchfühlung mit anderen Kultformen zu den Gründen für die Entstehung einer besonderen Religionswissenschaft, die sich im 20. Jahrhundert neben der althergebrachten Theologie etablierte. Für das Bergthema ergaben sich damit neue Möglichkeiten. Es lohnt sich, zum Schluss einen Blick auf einige Akteure dieser Entwicklung zu werfen. Den empirischen Auftakt machte der Geologe Ferdinand Freiherr von Andrian (1835–1914). Er war in der österreichischen Geologischen Reichsanstalt tätig und wurde später ein Beauftragter für das Berg- und Forstwesen.

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Seine Passion galt indessen der Völkerkunde. 1870 gründete er die Anthropologische Gesellschaft in Wien und zwanzig Jahre später publizierte er das Buch Der Höhencultus asiatischer und europäischer Völker, das mit seinen über dreihundert Seiten lange die ausführlichste Abhandlung zum Thema blieb.38 Sie wollte „eine weitverbreitete Bergverehrung“ untersuchen, „welche in den Culten, Litteraturen, Mythen, Bräuchen der einzelnen Volksgruppen sehr deutlich hervortritt“. So deutlich wie die weite Verbreitung zeigte sich aber auch die ungleiche Verteilung: Zu Asien hatte der Autor wesentlich mehr anzubieten als zu Europa. Das Werk resultierte vor allem aus der „Sammellust“, deren allgemeines Aufkommen ihn freute. Er zitierte große Namen der Philologie, Indogermanistik, Altertumsforschung und Ethnologie, von den Brüdern Grimm über den Sprach- und Religionswissenschaftler Max Müller bis zum Anthropologen Edward Tylor. Inhaltlich schloss er sich unter anderem der kontrovers diskutierten These an, dass die chinesische Kultur stark vom babylonischen Mesopotamien beeinflusst gewesen sei.39 Wenn sich (wie in diesem Fall) neue Informationen mit kaum konsolidierten Thesen der Wissenskultur verbanden, war das etwas anderes, als wenn sie auf fest verankerte Ideen der Glaubenskultur stießen. Die Theologie war der europäischen Sammellust von fremden Texten und Erfahrungen ebenfalls ausgesetzt, reagierte jedoch mit weit mehr Zurückhaltung auf die Erneuerung. Wie sich die Wandlung vollzog, lässt sich an zwei Pionieren der modernen Religionswissenschaft skizzieren: Rudolf Otto und Mircea Eliade. Rudolf Otto (1869–1937) war evangelischer Theologieprofessor in Marburg mit Interesse an Geschichte, Philosophie und nichtchristlichen, vor allem asiatischen Religionen. Diese waren ihm auch durch Reisen bekannt. 1911/1912 besuchte er Indien, Burma, Japan und China.40 Fünf Jahre später publizierte er Das Heilige, ein Werk, das ihn sofort bekannt machte. Darin ging er vom menschlichen religiösen Erleben aus und unterzog es einer theologisch-philosophischen Deutung. Heiligkeit nahm sich folglich anders aus, als wir sie oben anhand des Tridentinums eingeführt haben (vgl. Kapitel 1). Während dort das Verfahren zur amtskirchlichen Identifikation des Heiligen im Zentrum stand, erschien das Phänomen bei Otto aus der subjektiven Perspektive als religiöses Gefühl mit irrationalen Momenten (gleichzeitig schauervoll und beglückend). Das war in mancher Hinsicht eine Befreiung

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2. Eine Welt zwischen Glauben und Wissen

von dogmatischen Vorgaben. Die Öffnung hin zur Natur hielt sich jedoch in engen Grenzen. Auf einen impliziten Naturbezug könnte nur die Betonung des „Erhabenen“ im Umkreis des Heiligen und Numinosen hindeuten. Ausdrücklich schrieb Otto die Verehrung von Umweltobjekten inklusive Bergen aber den archaischen Gesellschaften in Geschichte und Gegenwart zu. Das Christentum sei diesen „schlechthin überlegen“ und bleibe letztlich „unüberbietbar“.41 Vierzig Jahre später, 1957, erschien ein Buch mit dem Titel Das Heilige und das Profane, das im Vorwort an Otto anschloss, aber inhaltlich eine andere Richtung einschlug. Der in Rumänien geborene Autor Mircea Eliade (1907–1986) hatte drei Studienjahre in Indien verbracht und machte später Karriere als Religionswissenschaftler und Schriftsteller in Paris und in den Vereinigten Staaten. Mit diesem Buch wollte er seine Kenntnisse zusammenfassen und das Wesen des Religiösen darlegen. Für den homo religiosus, vor allem beheimatet in archaischen Gesellschaften, sei alles heilig, schrieb er in vielen Variationen. Anders als bei Otto, der letztlich auf eine Revitalisierung und Bekräftigung seiner Glaubensgemeinschaft zielte, dominierten bei Eliade diese nichtchristlichen Erfahrungen. Schon auf den ersten Seiten wird deutlich, wie stark sich der Naturbezug dadurch verändert. Dem modernen abendländischen Menschen falle es schwer zu begreifen, dass sich das Heilige in Steinen oder Bäumen manifestieren könne. Für viele andere sei hingegen die gesamte Natur eine Quelle kosmischer Sakralität. Zusammen mit weiteren Elementen sind Berge laut Eliade ein Symbol für das mythische Zentrum des Kosmos, die axis mundi (Weltachse). Ob real oder mythisch, bilden die Gipfel für ihn in vielen Kulturen eine Verbindung von Himmel und Erde.42 Eliade ist in den letzten Jahrzehnten stark kritisiert worden: Übergeneralisierung und Mangel an Kontext und empirischer Evidenz (etwa bezüglich der unplausiblen Figur des homo religiosus) waren immer wieder vorgebrachte wissenschaftliche Einwände.43 Doch seine Archäoreligiösität fiel in der Zeit des ökologischen Aufbruchs seit Mitte der 1960er Jahre auf fruchtbaren Boden. Viele Glaubensformen waren selbst Teil des Aufbruchs und wurden auf ihre Umweltkompatibilität hin überprüft und unter Umständen angepasst. Greening of Religion nennt man den Trend im angelsächsischen Bereich, von dem er vor allem ausging.44

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Edwin Bernbaum, ein amerikanischer Alpinist, Religionswissenschaftler und Umweltaktivist, weilte in der Zeit des Aufbruchs bei einem Friedenscorps-Einsatz in Nepal. Dort kam er in Kontakt mit einheimischer Religiosität und verfasste sein erstes Buch, an das sich 1985 eine Dissertation in Berkeley anschloss. Damals arbeitete er bereits an seinem globalen Werk Sacred Mountains of the World, das 1990 und 1997 in zwei Auflagen herauskam. Hundert Jahre nach Andrians Höhencultus erschien damit ein opulent illustrierter Band, der schon in seiner Aufmachung andeutete, dass die Idee einer allgemeinen Heiligkeit der Berge im späten 20. Jahrhundert auf weit mehr Akzeptanz stieß als früher. Mit Kenntnisreichtum und stilistischer Eleganz versuchte Bernbaum, diese Idee stark zu machen. Dabei rief er mitunter zu einer geradezu religiös anmutenden Verehrung der Berge auf und schloss sie sogar in seinen Dank ein („Für die Einsichten und Freude, die sie mir gewährt haben, möchte ich mich bei den Bergen selbst bedanken“).45 Dass Bernbaum in christlichen Regionen auf gewisse Vorbehalte stieß, kümmerte ihn wenig. Als wir ihn 2007 zu einer Konferenz nach Engelberg in die Schweiz einluden, freute er sich über diesen Namen – ein offensichtlicher Beleg für seine These. Ich musste ihn mit der Präzisierung enttäuschen, dass es keinen Berg namens Engelberg gibt, sondern bloß ein Kloster und von dort ausgehend eine menschliche Siedlung, also ganz nach traditionell-christlicher Manier des Heiligen. Er war solche Diskussionen gewohnt, denn unterdessen entwarf er für amerikanische Nationalparks ein Sacred Mountains Program zur Umwelterziehung. Er trat auch oft auf LeadershipVeranstaltungen auf, bis hin zum World Economic Forum in Davos. Als der Mount Kailash in Tibet für das UNESCO-Welterbe angemeldet werden sollte, wählte man Bernbaum ganz folgerichtig zum Leiter der konsultativen Verhandlungen.46 Wie der Kailash, dieser „Berg aller Berge“ (Reinhold Messner), und seine Geschichte vor Ort aussehen, ist nun Thema des nächsten Kapitels.

VOR ORT, ZU GEGEBENER ZEIT

3. Mount Kailash – Modellberg der Heiligkeit

• Eine globale Karriere • Tantra, Demchock und Shiva • Buddhismus für alle

Der Kailash befindet sich im Transhimalaya, im spärlich bevölkerten Westen Tibets, unweit der indischen und nepalesischen Grenze. Er hat eine symmetrische, oben pyramidenartig zusammenlaufende Gestalt, ist 6638 Meter hoch und liegt im Spannungsfeld verschiedener Traditionen. Das zeigt sich auch bei den Namen. Kailash ist Hindi, auf Tibetisch heißt der Gipfel Tise oder Gang Rinpoche; daneben gibt es weitere Bezeichnungen. Ein mythologischer Reiseführer aus dem Jahr 1896, verfasst von einem bedeutenden tibetischen Mönch, schildert die Erscheinung des Berges in der Wahrnehmung von vier Gruppen, fortschreitend von „niederen“ zu „höheren“. Für Nichtbuddhisten der Gegend ist er „ein funkelnder, hoher Schneeberg, der sich in den Himmel erhebt gleich einem König auf seinem Thron. Auf seine große Herrlichkeit weisen die kleineren Vorberge, die sich wie Minister vor ihm verbeugen.“ Für Hinduisten, Buddhisten und eingeweihte buddhistische Tantriker zählen die inneren Qualitäten mehr als die äußere Erscheinung. Die Herrlichkeit verdankt sich der Vater-Mutter-Verbindung der residierenden Gottheiten Shiva und Parvati (Hindu) oder der Präsenz des großen buddhistischen Heiligen Angaja mit seinem Gefolge von 500 Seligen (Buddha). Sie kann auch als Mandala von 62 Gottheiten im Zentrum eines erleuchteten Palasts aufgefasst werden wie in der Geschichte des Großmeisters Milarepa (Tantriker).1 In den Jahren vor 1900, zum Zeitpunkt dieser Bestandsaufnahme, lag der Kailash in einem peripheren Teil eines gegen außen abgeschlossenen theokratischen Staats. Er war in Tibet als hochrangiger Berg bekannt, wurde aber nicht sehr häufig besucht und schon in Indien nur von bestimmten Bevölkerungskreisen einiger Gegenden zur Kenntnis genommen. Hundert Jahre später hatte sich sein Ruf weltweit verbreitet. Vor allem die westliche Literatur pries ihn jetzt fast einstimmig als heiligsten Berg überhaupt. Wie konnte das geschehen?

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3. Mount Kailash – Modellberg der Heiligkeit

Eine globale Karriere

In Tibet sollen zu Beginn des 19. Jahrhunderts 760.000 Mönche und Nonnen gelebt haben, doppelt so viel wie im ungleich bevölkerungsreicheren Europa der Frühen Neuzeit. Es war ein monastischer Staat, in dessen Geschichte die buddhistische Hierarchie und die Klöster eine Hauptrolle spielten. Wie andere Regionen Zentralasiens war Tibet dem Imperialismus von Großbritannien (mit dem indischen Vizekönigreich), Russland und China ausgesetzt. Um einer befürchteten russischen Einflussnahme zuvorzukommen, unternahmen die Briten 1903/1904 einen blutigen Feldzug nach Lhasa. Seither wurde die südliche Grenze des Landes von der Kolonialverwaltung kontrolliert; für bestimmte Gruppen war sie jetzt durchlässiger als zuvor. Nach dem Abzug der Briten vom Subkontinent übernahm der neue indische Staat diese Rolle und sah sich im Himalaya bald dem kommunistischen China gegenüber. 1950 marschierten chinesische Truppen in Tibet ein. In ihrer revolutionären Phase wollte die herrschende Partei unter Mao Zedong das buddhistische Hochland gewaltsam säkularisieren. Das Oberhaupt, der vierzehnte Dalai Lama, floh mit vielen anderen nach Indien, wo er eine Exilregierung bildete. Zwischen ungefähr 1960 und 1980 war Tibet erneut geschlossen, nachher schlug die chinesische Führung einen anderen Kurs ein.2 Die Abgeschlossenheit und zweimalige Öffnung dieses religiösen „Dachs der Welt“ trugen nicht wenig zum westlichen Mythos von Tibet bei. Sie steigerten die Neugier und befriedigten sie gewissermaßen schubartig. Einzelne Nachrichten trafen früh ein, doch den heiligen Kailash erwähnten sie nur beiläufig. Auch der erste Bestseller eines Abenteuerschriftstellers mit dem Titel In the Forbidden Land (1898) pries den Berg nicht an, sondern bezeichnete ihn als „unangenehm eckig“ und „äußerst unmalerisch“.3 Nach dem britischen Feldzug vermehrte und veränderte sich die Berichterstattung. Im Buch Western Tibet and the British Borderlands (1906) erschien der Kailash in einem besseren Licht, auch was sein Aussehen betraf. Verfasst von einem Kolonialbeamten mit Interesse an der Entwicklung des Grenzgebiets, unterstrich der Text die wichtige Rolle der Region im religiösen Denken. Denn hier befinde sich Mount Kailash, „der Himmel der Buddhisten und Hinduisten, das Gegenstück zum Olymp von Homer“. Gegenwärtig werde der Berg jährlich von einigen Hundert Pilgern besucht, doch mit verbesserten

Eine globale Karriere

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Verkehrswegen könnten es bald Tausende sein. Das Frontispiz zierte eine Fotografie des Bergs; in vielen Kapiteln ging der Inspektions- und Reisebericht auf religiöse Themen ein.4 Die beiden englischen Bücher wurden mehrfach aufgelegt, aber nicht übersetzt. Eine wesentlich größere, internationale Leserschaft fanden die Schriften des schwedischen Zentralasienforschers Sven Hedin (1865–1952). Sie erschienen in zahlreichen Sprachen, auch auf Chinesisch und Japanisch. In seinem dreibändigen Werk Transhimalaja. Entdeckungen und Abenteuer in Tibet (1909–1912) schilderte der Erfolgsautor, wie er das religiöse Umrundungsritual des Kailash als „Heide“ zu Pferd unternahm, während seine einheimischen buddhistischen Begleiter zu Fuß gingen, froh über die Gelegenheit, auf diese Art „den Toren der Seligkeit näher zu kommen“.5 Der heilige Berg wurde jetzt rund um den Erdball in Text und Bild fassbar. Wie bei anderen Expeditionen von Hedin ging es jedoch auch bei der Tibetreise vor allem um Fragen der westlichen Wissenschaft, dargestellt in populärer Weise mit Abenteuern und Anekdoten. Im Zentrum standen die kartografische Erfassung und die Lokalisierung der Quellen der großen indischen Flüsse. Möglich wurde Hedins Forschung dank seiner Beziehungen zu höchsten Staatskreisen, welche die Berühmtheit des Autors und seiner Schriften weiter festigten. Infolge seiner unbedingten Parteinahme für Deutschland im Ersten Weltkrieg und seiner späteren Beziehung zu Adolf Hitler erhielt sein Ruf allerdings einen klaren politischen Einschlag.6 In der Zwischenkriegszeit benutzte die populäre Reise- und Abenteuerliteratur zum Himalaya immer häufiger religiöse Titel. Das 1937 publizierte Buch eines Geologen und jugendlichen Abenteurers aus Österreich, das auch mit einem Geleitwort von Hedin werben konnte, nannte sich Zum heiligsten Berg der Welt. Ein Jahr später gaben zwei Schweizer Geowissenschaftler ihrem Expeditionsbericht den Titel Thron der Götter. Die religiöse Verehrung des Kailash bildete nur ein Thema unter vielen, und die Aussagen oszillierten zwischen Bewunderung und Herablassung. Die Autoren verkleideten sich als einheimische Pilger, ihre Geologenhämmer und andere Instrumente hielten sie versteckt. Es war bekannt, dass Gesteinsuntersuchungen bei Gläubigen Irritationen auslösen konnten.7 Aus dem anschwellenden Schrifttum zum Kailash sei noch ein Werk genannt, das die Religion nicht nur als exotischen Werbeträger gebrauchte,

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3. Mount Kailash – Modellberg der Heiligkeit

Abb. 5: Der heilige Kailash hinter dem See Manasarovar auf dem Umschlag von Sven Hedins Transhimalaja, 1912.

Tantra, Demchock und Shiva

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sondern zu seinem Kern und Anliegen machte: Der Weg der Weißen Wolken des deutschen Kulturwissenschaftlers und Künstlers Ernst Lothar Hoffmann, der zum Buddhismus konvertierte und als Lama Anagarika Govinda bekannt wurde (1898–1985). Es war eine spirituelle Autobiografe, beruhend auf einer Tibetreise kurz vor der chinesischen Invasion. Als das Buch in den späten 1960er Jahren in mehreren Sprachen erschien, war das Hochland erneut abgeschlossen. Gleichzeitig stieg das Interesse daran im Westen mit der Jugendrevolte und der erweiterten politisch-kulturellen Sinnsuche. Bis heute erlebte das Werk Dutzende von Auflagen und wurde damit wohl zum Kailash-Bestseller mit der größten Reichweite.8 Ich komme darauf zurück. Insgesamt durchlief der Kailash eine steile Karriere. Um 1935 erschienen unabhängig voneinander zwei Werke zum neuen Fachgebiet der Gebirgsgeografie. Beide kamen auf heilige Berge zu sprechen, ohne den Kailash zu erwähnen. Ganz anders die Situation zu Ende des Jahrhunderts: Um 1990 präsentierten die einschlägigen Übersichten den schwer zugänglichen Berg in dieser hohen Randregion übereinstimmend als heiligsten Berg des Planeten.9 Die Idee einer globalen Heiligkeitsrangordnung ist nicht selbstverständlich. Sie dürfte vom alpinistischen Ringen um den höchsten Berg beeinflusst gewesen sein. Jedenfalls wurde der Everest schon in den 1930er Jahren in diesem Zusammenhang erwähnt, und in den letzten Jahrzehnten präsentierte man den Kailash gewissermaßen als spirituellen Gegenpol: nicht so hoch, aber heiliger als der Mount Everest. Als Hauptargument für das Urteil bürgerte sich die multikulturelle Ausstrahlung des Kailash ein. Er genieße in vier Religionen von alters her einen hohen Rang: Hinduismus, Buddhismus, Jainismus und Bön. So konnte man die Zahl der Gläubigen auf viele Hundert Millionen schätzen.10

Tantra, Demchock und Shiva

Bei genauem Hinsehen erweist sich diese Bedeutungszumessung als künstlich und irreführend. In Wirklichkeit bestanden die genannten „Religionen“ aus vielfältigen Traditionen und wiesen keine unifizierten Bekenntnisse auf, welche alle Gläubige betrafen. Der Historiker Alex McKay, der kürzlich eine kritische Gesamtdarstellung vorgelegt hat (auf die wir uns hier großenteils

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3. Mount Kailash – Modellberg der Heiligkeit

stützen können), untersucht daher verschiedene histories, die sich in seinen Augen nicht zu einer Kailash-Geschichte aus einem Guss zusammenfügen lassen. Zudem warnt er vor übertriebenen Erwartungen bezüglich historischem Alter.11 Der tibetische Buddhismus hatte seine historischen Wurzeln in Indien und ist bis in die Gegenwart auf dieses „heilige Land des Buddha“ ausgerichtet. In beiden Gebieten spielen die religiöse Weltentsagung und das Meister-Schüler-Verhältnis inner- und außerhalb des Buddhismus eine große Rolle. Die Praktiker der so entstehenden Traditionslinien einer spezialisierten, oft mobilen, eremitischen und asketischen Gottessuche trugen viele Bezeichnungen (Yogis, Fakire, Sadhus usw.). Eine große Bedeutung erhielten die Tantras, eine seit der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends verbreitete Gattung von Texten. McKay umschreibt sie so: „Zentral für diese Kategorie war das entstandene Verständnis, dass das Individuum eine gewählte Gottheit werden oder wenigstens deren Kräfte erwerben konnte. Tantra bildete ein Mittel zur Erlangung dieses Zustands via Selbstidentifikation mit der Gottheit durch eine Reihe hochritualisierter Praktiken, die sich potenziell auf jede Gottheit anwenden ließen.“ Unabhängig von der jeweiligen Religionszugehörigkeit habe diese esoterische, nur Eingeweihten zugängliche Lehre das geistliche Leben des Subkontinents und Himalayas stark geprägt.12 Die Entdeckung des Kailash als tantrisches Meditations- und Identifikationsmittel erfolgte hauptsächlich im frühen 13. Jahrhundert, als auch „Schätze“ anderer hochheiliger Berge wie des Tsari in Südosttibet „geöffnet“ wurden (vgl. Kapitel 1). Sehr zweifelhaft ist im Fall des Kailash, ob der Öffnung ein lokaler, kollektiver Bergkult von Laien vorausging. Die Pionierrolle lag wahrscheinlich ganz bei hinzugezogenen Eremiten. Zusammen mit dem Kailash wurde (und wird) auch der südlich angrenzende See Manasarovar verehrt. Durch den Ruf der einander folgenden religiösen Meister gewann der Berg-Wasser-Komplex an Heiligkeit. Der Besuch des Panchen Lama, eines hohen Würdenträgers aus einer bedeutenden Reinkarnationslinie, förderte im Jahr 1616 die gesamttibetische Anerkennung. Infolge eines erbitterten politischen Konflikts ging die Oberhoheit über eine Reihe von Klöstern aus der Region sechzig Jahre später als Schenkung an das weit entfernte Bhutan; das wichtigste dieser Klöster war Darchen am Ausgangsort der Umrundungsroute. Im 19. Jahrhundert war die staatliche Bedeutungs-

Tantra, Demchock und Shiva

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zuschreibung so weit gediehen, dass der Kailash bei einem Grenzvertrag als Zeuge angerufen und verbrieft werden konnte.13 Auf Tibetisch heißt die Kailash-Hauptgottheit Demchock, in alten tantrischen Texten beschrieben als sehr mächtige Gottheit, deren Mandalaschema meist 62 Hilfsgottheiten umfasst. Der berühmteste Meister dieser Traditionslinie ist der Dichter und Heilige Milarepa. Er soll den Kailash in einem magischen Kampf mit einem Rivalen für den Buddhismus gewonnen haben. Wie die Tantras stammte das Ritual der Bergumrundung ursprünglich aus Indien, wo die Verehrung heiliger Objekte konfessionsübergreifend in dieser Form erfolgte. Weltweit bildet die Umrundung (Circumambulation) bei Bergen, soweit ich sehe, eine Ausnahme. Und selbst in Tibet und Umgebung war sie meist auf eine Reihe hochheiliger Berge beschränkt.14 Den Laien gab sie ein Maß für die sündentilgende Kraft der Pilgerfahrt. Beim Tsari, der bis ins 20. Jahrhundert für die buddhistische Elite in Lhasa das wichtigste Bergheiligtum darstellte (vgl. Kapitel 1), scheint die Teilnahme an einer „großen Schluchtenrundstrecke“ sogar die Kardinalsünde eines Mords gesühnt zu haben. Beim Kailash brauchte es dreizehn Umkreisungen für eine unbeabsichtigte Tötung. Wer den Berg auf der normalen Route von gut 50 Kilometern in der Höhe von 4575 bis 5640 Meter dreizehn Mal umrundet hatte, war auch befugt, für die nächsten Runden die kurze, innere Route nahe beim Gipfel zu wählen. Den religiösen Einsatz konnten Pilger durch unablässiges Niederwerfen und Wieder-Aufstehen (Prostration) erhöhen. Damit dauerte eine Umrundung auf der normalen Strecke statt zwei bis drei Tage mehrere Wochen. Buddhisten rechtfertigten die von westlichen Besuchern kritisierte Praxis damit, dass sie den körperlichen Kontakt mit dem heiligen Boden bedeutend intensiviere.15 Die indische Kailash-Verehrung hatte teilweise andere Ursprünge, und ihre Symbolfigur wurde Shiva, ein hinduistischer Hauptgott, der mit seiner Gattin Parvati auf dem Gipfel residiere. Die klassischen religiösen Epen und Legenden (Mahabharata, Ramayana, Puranas) sprachen allerdings nur vom heiligen Charakter des Himalaya als Gebirgsmassiv. Wenn der Name eines einzelnen Gipfels genannt wurde, dann war es der mythische Mount Meru (oder Sumeru), und wenn im Text wirklich die Bezeichnung Kailash (oder Kailasa) erschien, dann blieb die Lokalisation ungewiss. In Nordindien gibt es eine Reihe von Bergen mit diesem Namen. Außerdem hatte Shiva laut den

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3. Mount Kailash – Modellberg der Heiligkeit

epischen Schriften zahlreiche Wohnsitze im ganzen Land.16 Dass die imaginäre Geografie nicht mit der faktischen Geografie übereinstimmt, sondern eine Eigendynamik aufweist, ist bei Bergen – ob heilig oder nicht – keine Seltenheit. In diesem Fall scheint der Unterschied jedoch besonders groß gewesen zu sein. Nichtsdestotrotz wurde der tibetische Kailash für wandernde Religionsspezialisten aus Indien und später für gewöhnliche Pilger ein mit Shiva verbundenes Heiligtum. Wie wir oben gesehen haben, handelte es sich im frühen 20. Jahrhundert um einige Hundert Personen pro Jahr. Britische Kolonialbeamte förderten die Wallfahrt, weil sie sich davon regionales Wirtschaftswachstum und vermehrten Einfluss in Tibet versprachen.

Buddhismus für alle

Die Grenzöffnung ließ auch Bergsteiger ins Land, die auf alpinistische Unternehmen aus waren, was aus religiöser Sicht sehr bedenklich anmutete, weil die Gipfel hier den Gottheiten gehörten. Die so entstehende Konfliktlinie führte zu einem Kräftemessen, das zuerst vor Ort ausgetragen und später in einer erweiterten Öffentlichkeit verhandelt wurde. Das genannte Buch Zum heiligsten Berg der Welt (1937) fingierte ein Gespräch, in welchem ein Einheimischer auf die „unkluge Frage“ antwortete, ob der „Götterthron“ einst von Europäern erobert werde. Niemand sei fähig, den Kailash zu besteigen, es sei denn, jemand habe nie eine Sünde begangen und könne sich in einen Vogel verwandeln, um über die steilen Eiswände zum Gipfel zu fliegen.17 Swami Pranavananda, ein indischer Autor, der einen modernisierten Hinduismus mit westlicher Wissenschaft verband, wollte mit einer Schrift von 1949 neben der Wallfahrt auch den weltlichen Tourismus in der Kailash-Region fördern. Die Idee von Wasserflugzeugen auf dem heiligen See Manasarovar hielt er offenbar für unproblematisch. Weniger realistisch schienen ihm Gipfelbesteigungen. Es bleibe ungewiss, ob und wann eine solche Unternehmung von den „konservativen, abergläubischen und eifersüchtigen Tibetern“ bewilligt werde.18 Nach der zweiten Öffnung des Landes waren dann mehrfach Gerüchte über geplante Besteigungen im Umlauf; bis heute scheint der religiöse Respekt jedoch dominant geblieben und der Gipfel nicht betreten worden zu sein.

Buddhismus für alle

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Pranavanandas Schrift weist auch auf den Wandel religiöser Vorstellungen im modernen Kontext hin. Sehr deutlich wird dieser Wandel im erwähnten Buch Der Weg der Weißen Wolken des zum Buddhismus konvertierten Deutschen Anagarika Govinda, der seit 1928 auf dem indischen Subkontinent lebte und sich in die religiösen Traditionen vertiefte. Das Buch entstand in den frühen 1960er Jahren, als er zu einer Anlaufstelle für spirituell interessierte Exponenten der amerikanischen Gegenkultur wurde und zu seinen Vortragsreisen aufbrach, die ihn auf mehrere Kontinente führten. Das Vorwort beginnt mit einer fulminanten Fortschrittskritik und lädt die Leserschaft ein, unter dem Symbol der weißen Wolken, wie sie auf buddhistischen Bildern zu sehen sind, dem Autor auf der Pilgerschaft durch sein Leben und zum Kailash zu folgen (er besuchte ihn 1948, gesponsert von der Zeitschrift Illustrated Weekly of India).19 In Govindas Text wurde der Kailash zu einem „Gefäß kosmischer Kräfte“. Wichtig an Bergen sei nicht ihre Höhe, sondern die spirituelle Größe. „Berge wachsen und zerfallen, sie atmen und pulsieren von Leben. Sie sammeln unsichtbare Kräfte aus ihrer Umgebung“, namentlich von Luft, Wasser, Elektrizität und Magnetismus. Aber selbst unter großen Bergen gebe es nur wenige, die so außergewöhnlich seien, dass sie zu Symbolen höchsten menschlichen Strebens würden, „zu Meilensteinen auf dem endlosen Weg der Menschheit nach Vollkommenheit und Selbstverwirklichung oder zu Wegweisern, die über irdische Ziele hinausweisen in die Unendlichkeit eines Universums, aus dem wir hervorgegangen sind, zu dem wir gehören“. Zwar könnten sich nicht viele Menschen aus der täglichen Jagd nach Geld und Vergnügungen befreien, doch zusammen bildeten sie einen ständigen Pilgerstrom. „So kommt es, dass der Ruhm des Kailash sich ausbreitete und alle anderen heiligen Berge der Welt überstrahlte. Seit undenklichen Zeiten ist er das Ziel frommer Pilger.“20 Es war eine Botschaft für buddhistisch inspirierte Anhänger verschiedener Religionen und auch einfach für spirituell Interessierte. Nach den Mühsalen der anstrengenden Wallfahrt konnten die neuen Besucher auf Momente höchster Glückseligkeit, Ekstase und tranceähnlichen Zuständen hoffen, die der Autor nach eigenem Bekunden durchlebt hatte. Im Rest des Buchs wusste er den tibetischen Buddhismus auf versierte Weise gegen westliche Kritiker zu verteidigen, die seit dem 19. Jahrhundert vor allem die

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3. Mount Kailash – Modellberg der Heiligkeit

Dämonenfurcht, die Sektenrivalität und bestimmte magische und monastische Praktiken ins Visier genommen hatten. Er selbst hielt sich für eine Wiedergeburt des deutschen Dichters Novalis.21 In der Folge ging die Verteidigung von Tibet und seinem Heiligkeitssymbol auch in westliche Hände über. Klar zum Ausdruck kam die Verschiebung, als die chinesischen Behörden 2003 den Pilgerweg rund um den Kailash zu einer Fahrstraße ausbauen wollten. Die Behörden behaupteten, die Straße sei den Pilgern bei den Umrundungen von Nutzen. Die tibetische Exilregierung in Indien war diesmal der gleichen Meinung, warnte jedoch davor, den heiligen Berg als Touristenziel zu missbrauchen. Der Verein Tibet Initiative Deutschland sah darin einen kolonialen Akt, der nur der kommerziellen Erschließung für Chinesen diene und das religiöse Empfinden der Tibeter wie auch von 800 Millionen Hindu in Indien mit Füßen trete. Sie richtete einen Appell an die Bundesregierung, die Europäische Union und die indische Regierung, sich gegen das Vorhaben einzusetzen. Unterstützt von Partnern aus anderen europäischen Ländern und vom Deutschen Alpenverein veranstaltete die Tibet Initiative eine Kailash-Demonstration auf der Zugspitze, dem höchsten Berg Deutschlands.22 Zur Zeit dieses Protests wurde bereits ein Drittel der ungefähr 20.000 Personen, die den Kailash mittlerweile in gewöhnlichen Jahren besuchten, als Touristen und nicht als Pilger bezeichnet. Viele von ihnen stammten aus Indien und aus dem Westen.23 Wie weit der abgelegene Berg in die westlich dominierte Globalkultur eingegangen war, zeigt die Tatsache, dass sich seine Bezeichnung bei Bedarf in ein Label verwandelte. Um 2010 wurde eine junge Musikgruppe in Deutschland gefragt, weshalb sie sich den Namen Kailash zugelegt hatte: „Weil es ein spirituelles Symbol ist, das Frieden und Harmonie mit der ganzen Welt verbindet, ein Symbol mit Ursprung in Asien, wo die spirituelle Kultur weiterhin über dem Materialismus steht“, lautete die Antwort.24 Die komplexe, vieldeutige und teilweise problematische Geschichte des Bergs hatte sich in einer hoffnungsvollen Botschaft aufgelöst.

4. Tai Shan – der kaiserliche Ostberg

• Landschaft als Geschichtsbuch • Der Aufstieg der Göttin • Von der Revolution zum

Welterbe

Der Tai Shan befindet sich in der chinesischen Provinz Shandong, knapp 500 Kilometer südlich von Beijing. Es ist ein mittleres Gebirgsmassiv, das gut sichtbar aus dem dichtbevölkerten, niedrigen Flachland herausragt und bis auf 1545 Meter ansteigt. Der Tai Shan ist der prominenteste der Wu­ yue, der „Fünf Großen Berge“ des Landes (vgl. Kapitel 2), und blickt auf eine sehr alte religiöse und politische Geschichte zurück. Dies ist dem Berg auch äußerlich anzusehen, ist er doch an vielen Stellen mit Bauten übersät. Eine 9 Kilometer lange Steintreppe verbindet den Ausgangsort in der Ebene mit dem „Südlichen Himmelstor“, einem turmartigen Durchgang auf dem Berggrat. Dort biegt der Pilgerweg gegen Osten ab und erreicht am „Gipfel des Jadekaisers“ seinen höchsten Punkt. Der Aufstieg ist anstrengend und braucht Zeit; genannt werden vier bis sechs Stunden. Bis ins 20. Jahrhundert ließen sich chinesische Würdenträger und Gelehrte mit speziellen Sänften hinauftragen. Seit 1983 gibt es auch die Möglichkeit, den Gipfel mittels Luftseilbahn zu erreichen.1 Nach dieser technischen Innovation wollte das abgeschlossene China unter Herrschaft der Kommunistischen Partei auch den Zugang zur westlichen Welt finden und beantragte bei der UNESCO, den Tai Shan in die Liste des Welterbes aufzunehmen. Er galt jetzt als Nationalsymbol, so wie die Große Mauer und einige andere Sehenswürdigkeiten, für die ebenfalls Anträge gestellt wurden. Die UNESCO, die Kulturorganisation der Vereinten Nationen mit Hauptsitz in Paris, hatte in den 1970er Jahren damit begonnen, kulturelle und natürliche Güter von „unschätzbarem Wert für die gesamte Menschheit“ zu registrieren und unter besonderen Schutz zu stellen. Dazu bedurfte es der Prüfung durch Fachleute. Die International Union for Conservation of Nature IUCN war von der Geologie, Flora und weiteren Umweltqualitäten des Tai Shan nur mäßig überzeugt und bemängelte

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4. Tai Shan – der kaiserliche Ostberg

das Management und den touristischen Ausbau des vielbesuchten Bergs. Eindrücklich sei er aber als Kulturphänomen, das lediglich aufgrund der natürlichen Eigenschaft des Bergs existiere. Es bestehe aus Denkmälern, alten architektonischen Komplexen, Steinskulpturen und archäologischen Stätten von außerordentlicher Bedeutung: „Es gibt 22 Tempel, 97 Ruinen, 819 Steinstelen und 1018 Fels- und Steininschriften.“2 Im Dezember 1987 wurde der Tai Shan von der UNESCO aufgenommen. China hatte versprochen, gewissen Änderungswünschen zu entsprechen und die Verwaltung zu verbessern. Wie vieles andere fand auch dieses Ereignis bald eine steinerne Signatur auf dem Berg. Unmittelbar neben früheren Kaiserinschriften ließ Li Ping, Ministerpräsident und Vorsitzender des Staatsrats der Volksrepublik China, in stilsicherer, großformatiger Kalligrafie die chinesische Inschrift in den Fels hauen: „Schütze das Welterbe und würdige den Heiligen Ostberg“.3

Landschaft als Geschichtsbuch

Schon zu Beginn der Neuzeit bestand kein Mangel an Felsinschriften. Wer um 1500 den Weg nach oben geschafft hatte und des Lesens kundig war, konnte unter dem Gipfel eine fast achthundertjährige Botschaft aus der Tang-Dynastie zur Kenntnis nehmen – 17 Meter hoch, mit 16 Zentimeter großen Schriftzeichen, eingelegt mit Goldpigment. „Seit vierzehn Jahren belege ich den kaiserlichen Rang, doch ich bin nicht tugendhaft und kenne den vollkommenen Weg nicht“, verkündete der Kaiser Xuanzong (regierte 712–756). Mit vielen Beamten habe er beraten, ob es richtig sei, das große Opfer für den Himmel darzubringen. Begleitet von der Armee, sei er schließlich aufgebrochen und habe es oben auf dem Tai Shan vollzogen. „Dieser ist wahrhaft der Enkel des Himmlischen Herrn, die Wohnstätte der versammelten Geister. Es ist der Ursprungsort aller Dinge, daher trägt er den Namen Tai. Seine Lage ist diejenige des Ältesten der Fünf Heiligen Berge, daher nennt man ihn ‚den Ahnen‘.“ Der Himmel bringt die Menge des Volkes zur Welt, fuhr der Kaiser fort, doch nur der Herrscher habe zu regieren. Fülle er das Mandat des Himmels vorbildlich aus, so könnten alle im Überfluss leben, bereichert durch die Segnungen der Geister. „Deshalb habe ich

Landschaft als Geschichtsbuch

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Abb. 6: Felsinschriften auf dem Gipfel des Tai Shan, 2007.

diese Felswand geschliffen und diese goldene Aufzeichnung eingekerbt, so dass die Menschen später durch meine Worte mein Herz kennen werden.“4 Im 16. Jahrhundert beschleunigte sich der Aufschwung der großen Wallfahrt zum Tai Shan. Parallel dazu nahm die Beschriftung der Landschaft zu. Als der Kaiser Kangxi (regierte 1661–1722) im späten 17. Jahrhundert den Berg besuchte, ließ er mit zwei plakativen Schriftzeichen „Wolkiger Gipfel“ (Yunfeng) in den Felsen hauen. Nach seinem Bekunden sollten sie „den berühmten Berg erhellen und mit dem Tai Shan an der Ewigkeit teilhaben“. Sein Enkel, der Kaiser Qianlong (regierte 1736–1795), besuchte den Gipfel sechs Mal. Unter die beiden Schriftzeichen des Großvaters brachte er wortreiche Gedichte an, und an einer anderen Stelle ließ er seine Verse auf einer Fläche von 20 mal 9 Metern in eine Steilwand hauen. Das waren nur die Schriften aus oberster Hand. Auch Vertreter der Beamtenschaft und Gelehrten beteiligten sich an der Anbringung solcher moya-Zeichen, wie der chinesische Ausdruck für Berginschriften lautet. Gelegentlich kam es dabei zur bewussten Überschreibung oder zur Kommentierung früherer Äußerungen. Robert E. Harrist, ein Experte auf diesem Gebiet, weist darauf hin, dass die in den Beginn unserer Zeitrechnung zurückreichende Kultur

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4. Tai Shan – der kaiserliche Ostberg

der Naturbeschriftung eine besondere Präferenz Chinas gebildet habe. Die Inschriften des Römischen Reichs findet man zum Beispiel vor allem auf Bauwerken und selten auf dem nackten Felsen.5 Der Tai Shan war nicht nur der Ort, um mit dem Himmel und den Unsterblichen zu kommunizieren. Er war auch selbst ein Gott, der vom Kaiser mit Titeln ausgestattet und mit Gebeten angefleht wurde. Von der TangDynastie bis zum Ausgang des Mittelalters war der Gott mehrfach befördert worden: Himmelgleicher König anno 726, Guter, heiliger, himmelgleicher König 1008, Guter, heiliger, himmelgleicher Kaiser 1011, Himmelgleicher Kaiser, großer Hervorbringer des Lebens, gut und heilig 1291. Achtzig Jahre später beendete man die Titelinflation und erklärte, keine menschliche Bezeichnung könne den Qualitäten des heiligen Bergs entsprechen, weshalb er fortan einfach Ostgipfel Tai Shan heiße.6 So erschien er dann in den frühneuzeitlichen Gebeten, welche die Kaiser bei gegebenem Anlass von ihrer höfischen Residenz aus mit Steinstelen in den Tempeln des Bergs publizierten: bei einer Trockenheit, welche den Transport des Getreides auf den Kanälen gefährdete 1510, bei Überschwemmungen und Umtrieben von Rebellen und Briganten 1511, wenn der Kaiser keinen Sohn und Erben hatte 1532, zum Dank für die Geburt eines männlichen Thronfolgers 1538 usw.7 Der Tai-Shan-Gott besaß ferner Tempel, vor allem einen großen Komplex am Fuß des Bergs und Ausgangspunkt zur Pilgerfahrt. Dort wurden die jährlichen Staatsrituale durch kaiserliche Beamte abgehalten und dort konzentrierte sich die Beherbergungs- und Vergnügungsindustrie. Seine religiöse Verehrung verbreitete sich auch über große Teile des Kaiserreichs. In zahlreichen Städten und Dörfern wollte man dem zentralen Wirkungsort nicht nachstehen und errichtete eigene Tempel, in denen Schriftzeichen auf die überirdischen Fähigkeiten des Tai Shan hinwiesen (etwa „Seine göttliche Macht belohnt und straft“; „Seinem tiefen Blick zu entkommen, ist schwierig“).8 Eine weitere Stütze der herrschenden Kultur war Konfuzius, der chinesische Weise und Lehrmeister par excellence, der auf die Mitte des ersten Jahrtausends vor unserer Zeit datiert wird. Erzählungen über seine Erfahrungen und Aussagen auf dem Tai Shan waren seit Langem im Umlauf, doch eigene Bauten erhielt er dort erst in der Neuzeit: ein Tor am Fuß des Berges, das den Beginn seines Aufstiegs markieren sollte, errichtet 1560; und

Der Aufstieg der Göttin

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einen Tempel nahe dem Gipfel, errichtet um 1583; andere Stellen wurden zu seinen Aussichtspunkten erklärt und mit Pavillons ausgestattet. Die Gelehrten und Literaten konnten so in den Fußstapfen ihres Vorbilds wandeln.9 Die Frage, ob der Konfuzianismus eine (auf Ahnen ausgerichtete) Religion darstellt oder eine (zeitweise heftig diskutierte) philosophisch-moralische Tradition, wird in der Literatur weiterhin kontrovers beurteilt. Die facettenreiche Verehrung, die der Meister am Tai Shan genoss, weist darauf hin, dass beide Auffassungen ihre Plausibilität haben. Vom Weihrauchopfer über die Naturbetrachtungen bis hin zum Geschichtstourismus stand vieles zur Auswahl.10 Überraschender ist indes der Umstand, dass sich auch die chinesischen Frauen mit einer Göttin auf diesem männlich konnotierten Berg einbringen konnten.

Der Aufstieg der Göttin

Diese Göttin des Tai Shan namens Bixia Yuanjun wurde seit dem späten Mittelalter zum Hauptziel der Wallfahrt. Dank ihrer steigenden Anziehungskraft nahm auch die breite Bevölkerung daran teil, womit die Zahl der jährlichen Besuche in die Höhe schoss. Man schätzt sie für die Frühe Neuzeit auf mindestens 400.000. Die Zahl unterlag erheblichen Schwankungen, doch die Größenordnung lässt sich anhand der 1516 eingeführten kaiserlichen Pilgersteuer und anderen Angaben eingrenzen. Weniger gewiss ist der Anteil der Frauen. Die Schätzungen beruhen auf unzureichenden Quellen und gehen stark auseinander. Brian R. Dott hat die Steinstelen am Tai Shan untersucht, auf denen sich organisierte Pilgergruppen mit Datum und Namen eintragen ließen. Es gab geschlechtergetrennte wie auch gemischte Gruppen. Auf mehreren Dutzend Stelen aus dem 17. bis frühen 20. Jahrhundert findet der Historiker insgesamt ein Drittel Frauen und nimmt an, dass dieser Wert die weibliche Beteiligung eher unter- als überschätze.11 Der mehrfach erneuerte Haupttempel der Bixia Yuanjun auf dem TaiShan-Gipfel bildete die größte religiöse Einrichtung des heiligen Bergs. Die Pilgerinnen und Pilger erhofften und erbaten sich von der Göttin familiäre Fruchtbarkeit, speziell männliche Nachkommen, sowie allgemeines Wohlergehen für Leib und Leben. Bixia deckte ein breites Spektrum weiblicher

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4. Tai Shan – der kaiserliche Ostberg

Identität ab, was sich anschaulich an ihren Titeln zeigte: Himmlische unsterbliche Jade-Jungfrau (Tianxian Yunü), Heilige Mutter (Shengmu) oder auch Alte Großmutter (Lao Nainai). Die Haupthalle ihres Tempels war mit einer Gitterwand abgeschlossen, hinter der die reich geschmückte Statue der Göttin stand, flankiert von Hilfsgöttinnen. Unter Aufsicht der residierenden taoistischen Mönche und Nonnen konnten Besuchende ihre Opfergaben durch das Gitter vor die Füße der heiligen Standbilder werfen. Wie bei vielen Opferritualen wurde im Tempelhof auch Weihrauch in Bronzegefäßen entzündet. Die duftgeschwängerte Luft trug wesentlich zur religiösen Stimmung bei. „Auf Pilgerfahrt gehen“ wurde im Chinesischen prägnant mit zwei Ausdrücken wiedergegeben: „dem Berg Respekt zollen“ (ch’ao-shan) und „Weihrauch opfern“ (chin-hsiang).12 1608 bemerkte ein Autor, dass alle Einwohner aus den Gebieten nördlich des Yangtse-Flusses zum „Großen Berg“ pilgerten, um Räucherwerk zu spenden. Dabei würden sich die einfachen Leute am Anfang richtig verhalten und vieles beachten: die vegetarischen Vorschriften und andere Tabus, die korrekte Kleidung und die Gefühle des Respekts. Kaum seien die Gebete und Zeremonien beendet, pflege man sich aber ausschweifenden Festen hinzugeben. Tatsächlich umfasste die Pilgerfahrt zum Tai Shan ein Einzugsgebiet im Umkreis von etwa 300 bis 350 Kilometern. Trotz bescheidener Ansprüche und günstiger Gesamtangebote erforderte sie oft erhebliche Auslagen. Durch Bildung von Pilgergruppen mit gemeinsamer Kasse und zeitlich erstreckter Zahlungsmöglichkeit konnten die Kosten gestemmt werden.13 Noch größer als das Einzugsgebiet war die ideelle Ausstrahlung des Tai Shan. Neben dem männlichen Kult mit den erwähnten Tempeln breitete sich auch der weibliche Bixia-Kult über ein weites Gebiet aus. Während der Frühen Neuzeit wurde die Göttin des Tai Shan zu einer der wichtigsten weiblichen Gottheiten in Nordchina. Sie war in unterschiedlichen Medien präsent, von der fiktionalen Literatur bis hin zum „Geistergeld“ (spirit money), also billigen Blockdrucken, die zu Hause an die Wand geheftet und später als Opfergabe verbrannt werden konnten.14 Den Staatsbeamten und konfuzianischen Gelehrten war die populäre Bixia-Verehrung suspekt. Sie galt als zügellos und unnötig, wenn nicht gefährlich. Bemängelt wurden die zweifelhaften Rituale, die inakzeptablen Formen der Wunder und die übertriebene Leidenschaft, die bis zum

Von der Revolution zum Welterbe

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rituellen Selbstmord führen konnte. Moderne Studien heben hervor, dass die vorgetragenen Bedenken auch das gesellschaftliche Ringen um die anerkannten Frauenrollen und die weibliche Sexualität widerspiegelten.15 In unserem Zusammenhang interessiert die dogmatische Diskussion, welche am Kaiserhof ausgetragen wurde. Schon 1516 äußerte das Ritenministerium Zweifel an der Echtheit der Göttin. Ritualbeamte wiesen darauf hin, dass es keine schriftliche Evidenz für ihre Verehrung im klassischen Altertum gebe. Es ließ sich auch nicht belegen, dass sie ein vergöttlichter Mensch war, der in der darauffolgenden Zeit gelebt habe. Und wenn Bixia der Berggeist selbst wäre, dann hätte sie in anderer Form und nur durch Amtspersonen verehrt werden müssen. Die Argumente scheinen allerdings nicht verfangen zu haben. Trotz zweifelhaftem Status wurde die Göttin weiter protegiert, und ein lautstarker Kritiker fiel bald einer Front von mächtigen Eunuchen zum Opfer. Doch die Frage schwelte weiter. Stramme Konfuzianer kamen bei gegebenem Anlass wieder darauf zurück. Eine feste Verankerung im kaiserlichen Ritualkodex hatte dagegen der männliche, vor Ort weit weniger beliebte Gott des Tai Shan.16

Von der Revolution zum Welterbe

Im 19. Jahrhundert verschlechterte sich die in Ostasien traditionell dominante Position des Kaiserreichs. Zwar hatte die Bevölkerung bedeutend zugenommen und die Wirtschaft hatte sich intensiviert und diversifiziert. Doch die westliche Machtpolitik, die fremden Ideen und wissenschaftlichen Lehren machten der herrschenden Qing-Dynastie zu schaffen. Sie hatte im 17. Jahrhundert von der Mandschurei her China erobert und viele Einrichtungen übernommen, auch das landesweite kaiserliche Prüfungssystem für Beamte, das die kulturell-literarische Kompetenz in den Mittelpunkt stellte und auf Kontinuität in einer sinozentrischen Welt angelegt war. Angesichts der imperialistischen Herausforderung gelangten immer mehr Intellektuelle zu der Überzeugung, dass ein tiefgreifender Wandel unumgänglich sei. In den Jahren nach 1900 bewegte sich auch das Kaiserhaus, schaffte die Beamtenprüfungen ab und versuchte, ein neues Bildungssystem aufzubauen. Schon vorher hatten entschiedene Reformanhänger pro-

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4. Tai Shan – der kaiserliche Ostberg

klamiert, man müsse die Tempel in Schulen umwandeln, womit auch der populäre Aberglaube bekämpft werde.17 Die Umnutzung oder Zerstörung von vornehmlich aus Holz gebauten Tempeln hatte im Reich Tradition und wurde als weniger kulturkämpferisch empfunden, als man annehmen könnte. Anders als im Christentum, wo die Gotteshäuser liturgisch geweiht und heilig waren, konzentrierte sich das Heilige in China in Ritualgegenständen, vor allem in den Standbildern der Gottheiten und den Weihrauchgefäßen. Sie ließen sich an einen anderen Ort transferieren, wenn ein Tempel in Ungnade fiel. Dazu war es in China verschiedentlich gekommen, etwa wenn ein Kult von Beamten als unmoralisch eingestuft wurde, oder anlässlich von konfuzianischen Interventionen gegen eine buddhistische Strömung. Im 20. Jahrhundert ging es jedoch nicht mehr um verschiedene Machtansprüche in einem pluralistischen Religionssystem, sondern um das System als Ganzes. Man schätzt, dass es in China zu Beginn des Jahrhunderts etwa eine Million Tempel gab; in den 1980er Jahren scheint die große Mehrheit nicht mehr existiert zu haben.18 Die wichtigsten Faktoren dieses Wandels waren die Revolutionen und wiederholten Kampagnen für eine Neuordnung. Anfang 1912 setzte sich die neue Chinesische Republik mit einem Umsturz an die Stelle des Kaiserhauses. Kurz darauf entstand die Kuomingtang-Partei, die später in einen Dreieckskonflikt geriet (Verteidigung gegen Japan, verbündet und verfeindet mit der Kommunistischen Partei Mao Zedongs). 1928 erließ die Kuomingtang Richtlinien zur Beibehaltung oder Abschaffung von Gottheiten und Schreinen mit folgenden Worten: „Der Aberglaube ist ein Hindernis für den Fortschritt, und die Macht der Götter ist eine Methode, um das Volk unwissend zu halten. Trotz des Alters der chinesischen Zivilisation hat sich die Bildung bisher wenig verbreitet, das Gift des Aberglaubens befindet sich tief im Herzen des Volkes.“ Nachdem die Kommunistische Partei schließlich die Macht übernommen und 1949 die Volksrepublik China ausgerufen hatte, vermehrten sich die Motive gegen überlieferte Formen der Religion. Mit ihrer marxistischen Ausrichtung war die Partei offiziell dem Atheismus verpflichtet. Das Eigentum der Tempel wurde systematisch eingezogen, und in der frühen Phase der Kulturrevolution zwischen etwa 1966 und 1968 kam es zu einer rigoros antitraditionellen Massenbewegung.19 Wie zeichneten sich diese bewegten Zeiten am Tai Shan ab?

Von der Revolution zum Welterbe

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Die Reformer und Revolutionäre standen hier vor einem gewissen Dilemma, da sie den religiösen Ruf des heiligen Bergs herunterspielen und gleichzeitig den nationalen Ruf beibehalten und fördern wollten. Unter westlichem Druck befand sich das Land auf dem Weg zu einem Nationalstaat und war auf Symbole angewiesen. 1934 verglich ein Autor Chinas großen Fluss und Berg (Huang He, Tai Shan) mit entsprechenden Naturdenkmälern in modernen Staaten wie Deutschland (Rhein) und Japan (Fujiyama). Damals waren viele Torbogen auf der Pilgertreppe des Tai Shan bereits mit dem republikanischen Blau übermalt worden. An den Bauwerken prangte ein Bild des Revolutionsführers Sun Yat-sen samt seinen politischen Slogans. Dazu kamen Zeichen der technischen Moderne in Form einer Wetterstation auf den Berg. In der fieberhaften Atmosphäre der Kulturrevolution entstand der Plan, den Tempel des Jadekaisers auf dem Gipfel durch eine 15 Meter hohe Mao-Statue zu ersetzen. Man beließ es aber bei einem Porträt auf dem Südlichen Himmelstor und bei einem in den Felsen gehauenen Gedicht zum Langen Marsch von 1935, das der Vorsitzende seinerzeit verfasst und später kalligrafisch auf eine Papierrolle gebracht hatte.20 1965 wurden die residierenden Mönche und Nonnen gezwungen, die Tempel auf dem Tai Shan zu verlassen. Eine Zeit lang schränkte man auch den allgemeinen Besuch stark ein. Die Bauten scheinen vor allem durch Vernachlässigung Schaden genommen zu haben. Es bedurfte einer Neuausrichtung der nationalen chinesischen Politik, um dem Berg wieder eine Funktion zu geben. Als die Öffnung des Landes und die Liberalisierung in den frühen 1980er Jahren einsetzten, ging es Schlag auf Schlag in die erneuerte Moderne. 1983 entstand die Gondelbahn auf den Gipfel. 1985 kehrte das religiöse Personal zurück (nur in den Bixia-Tempel und jetzt mit staatlich beaufsichtigter Ausbildung). 1990 zählte man bereits drei Millionen Besuche, was frühere Werte weit übertraf, und später scheint sich die Zahl nochmals verdoppelt zu haben. Es besteht kein Zweifel, dass die Verehrung des Bergs im Laufe der Umbrüche des 20. Jahrhunderts eine starke Säkularisierung erfuhr. Doch so wie die Verehrung zur Kaiserzeit keinen ausschließlich religiösen Charakter hatte, wurde sie in dieser jüngsten Vergangenheit nicht ausschließlich touristisch.21 Im Mai 1987 sollte die International Union for Conservation of Nature über die Aufnahme des Tai Shan in das UNESCO-Welterbe urteilen. Ihre

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4. Tai Shan – der kaiserliche Ostberg

Überzeugung hielt sich, wie wir eingangs gesehen haben, in Grenzen. Die Organisation war auch nicht zuständig für die kulturelle Seite des Fachurteils, über die eine andere Agentur zu befinden hatte. Doch sie tröstete sich mit der Feststellung, dass die vielen Sedimente an chinesischer Kultur, die sich hier abgelagert hatten, „nur aufgrund der natürlichen Eigenschaft des Bergs existieren“.22 Das war eine gewagte Behauptung – angesichts der Tatsache, dass das Land Tausende von Bergen besaß, aber nur einen Tai Shan. In der Folge sollte die UNESCO dann einen beispiellosen Lernprozess über die Region durchlaufen. Bis 2020 wurden über zwanzig chinesische Berge und Berglandschaften in die Welterbe-Liste aufgenommen und den „unschätzbaren Gütern der Menschheit“ zugeschlagen – weit mehr als von jedem anderem Land der Welt. Seit 2008 figuriert auch das gesamte kaiserliche System der Fünf Berge, deren Haupt der Tai Shan bildete, auf der Kandidatenliste. Eingebracht wurde der Vorschlag vom Bauministerium der Volksrepublik.23 Unklarheit herrscht dagegen über die UNESCO-Kandidatur des heiligen Kailash in Tibet, der Menschen rund um den Erdball in seinen Bann zieht (vgl. Kapitel 3). Im Februar 2015 rief ein internationales Umwelt- und Entwicklungszentrum in Kathmandu die Kailash Sacred Landscape Conservation and Development Initiative ins Leben, mit dem Ziel, einen grenzübergreifenden nepalesisch-indisch-chinesischen Antrag einzureichen und so auch die Biodiversität und andere ökologische Anliegen zu fördern. Doch bald traten schwer lösbare Probleme auf. Die Grenzen im Himalaya sind umstritten, und es scheint wenig wahrscheinlich, dass die Volksrepublik China auf ihrem Territorium einen Berg besonders fördert, der auch zu einem nationalen Symbol Tibets geworden ist.24

5. Paektusan – heiliger Berg der Revolution

• Die Ahnen der Mandschu • Koreas Stammvater • Heilige Revolution in Nordkorea •

Religiöse Bergverehrung in Asien

Der Paektusan oder Mount Paektu gilt als prominentester Berg der Koreanischen Halbinsel. Es ist ein abgelegener, 2744 Meter hoher Vulkan ganz im Norden, im spärlich besiedelten Grenzgebiet zur chinesischen Mandschurei. Ein gewaltiger Ausbruch im 10. Jahrhundert hinterließ oben einen riesigen Krater, wo sich mit der Zeit ein See bildete. Der Vulkan ist seither mehrfach ausgebrochen und gilt weiterhin als aktiv. Die Grenze zwischen Nordkorea und China verläuft heute mitten durch das malerische Gewässer, in dem sich die Gipfel des Kraterrands und der weite Himmel spiegeln. Seine Bedeutung erlangte der Berg vor allem seit dem 17. Jahrhundert durch die Suche nach historisch-religiösen Ursprüngen und vor dem Hintergrund der zunehmenden zwischenstaatlichen Machtpolitik. Auf der chinesischen Seite spielte die Mandschurei eine besondere Rolle, auf der koreanischen Seite kamen im 20. Jahrhundert der japanische Imperialismus und nachher die Spaltung des Landes in einen kapitalistischen Süden und einen kommunistischen Norden hinzu. Dieser Norden hat heute einen unzweideutigen Ruf. Der Staat gilt als menschenverachtende Diktatur. Er ist hermetisch abgeschlossen und unterliegt einem anhaltenden internationalen Sanktionsregime. Weil so wenig Informationen über die Grenze gelangen und das Image derart festgelegt ist, haben wir Mühe, uns ein differenziertes Bild davon zu machen. Als Kim Jong-il, der Sohn des nordkoreanischen Staatsgründers Kim Il-sung, im Dezember 2011 starb, schrieb eine Schweizer Zeitung: „Die staatliche Nachrichtenagentur Nordkoreas, die Korean Central News Agency (KCNA), überschlägt sich mit bizarren Meldungen über den Tod des ‚Geliebten Führers‘. Nach herzzerreißenden Bildern von trauernden Nordkoreanern widmet sie sich nun der Natur.“ Laut der Agentur seien Wunder beobachtet worden, die beweisen würden, dass auch die Natur um den Führer trauere: geborstene Gletscher, aufleuchtende Berge, Kraniche in geduckter Haltung vor einer

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5. Paektusan – heiliger Berg der Revolution

Statue des Verstorbenen.1 Im Folgenden wollen wir versuchen, hinter solche ungewöhnlichen Bilder zu blicken. Den Anfang macht die chinesische Seite, die über Jahrhunderte die dominante Kraft bildete.

Die Ahnen der Mandschu

Der chinesische Name für den Paektusan lautet Changbaishan und bezeichnet sowohl den Vulkan mit dem Kratersee wie den größeren Gebirgszug. Im historischen Schrifttum des Kaiserreichs sind auch weitere Bezeichnungen überliefert. Berglegenden und -kulte scheinen in der Region verbreitet gewesen zu sein, doch prominent ans Licht der dokumentierten Geschichte traten sie erst im 17. Jahrhundert, als es mandschurischen Kriegsherren gelang, sich im chinesischen Kernland als Machthaber zu etablieren und die neue Qing-Dynastie zu gründen.2 Nach der Thronbesteigung war es ihnen ein Anliegen, die Rolle der Mandschu und besonders ihrer eigenen Vorfahren gegenüber den Han-Chinesen hervorzuheben. 1677 schickte Kaiser Kangxi eine Expedition an den Changbaishan. Nach mehrwöchiger Anreise standen die Kundschafter Mitte Juli am dichtbewaldeten Fuß des Berges: „Als wir aus den Wäldern heraustraten, lagen die Berge in Nebel und Wolken und wir konnten nichts sehen. Wir knieten nieder und sangen ein Gebet. In dem Moment, als wir fertig waren, klärte sich der Nebel und der Changbaishan trat ganz lebhaft hervor. Wir waren wie vom Donner gerührt.“3 Oben angelangt, erforschte die Gruppe die Form und die Ausmaße der Gipfelregion mit dem grünen, außerordentlich reinen See. Beim Abstieg kam es zu einem ominösen Ereignis. Als die Gruppe auf ein Wildrudel stieß, ergriffen sieben Tiere nicht die Flucht wie die anderen, sondern fielen zu Boden und rollten den Hang hinunter vor die Füße der hungrigen Männer. Diese dachten, es handle sich um ein Geschenk des „Berggeists“ (shanling) und griffen zu. „Wir nahmen das Wild entgegen und verbeugten uns wieder vor dem Berg.“ Am Hof in Beijing zeigte sich Kaiser Kangxi erfreut über den Bericht. Offenkundig gebe es an diesem verehrungswürdigen Ursprungsort, den seine Dynastie von den Göttern erhalten habe, zahlreiche Wunder. Er dekretierte, dass der Changbaishan einen offiziellen Titel und regelmäßige Opfer erhalten sollte. Das Ritenministerium schlug halbjähr-

Die Ahnen der Mandschu

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liche Gaben an den Berggeist vor. Der Kaiser gab sein Einverständnis, fügte aber die vielsagende Klausel hinzu, der Changbaishan solle auf die Stufe der Fünf Heiligen Berge Chinas (Wuyue) gehoben und nach dem gleichen Protokoll verehrt werden.4 Die Expedition war nicht zuletzt eine Findungsmission gewesen. Der Kaiser hatte sie auch damit begründet, dass niemand den genauen Ursprungsort der Mandschu in der Gegend kenne. In einem etwas älteren „wahrhaften Bericht“ über deren Anfänge war von einem anderen Berg und Bergsee die Rede. Dort habe der Himmel drei unsterbliche Jungfrauen zu einem Bad herabgesandt. Nach der Erfrischung habe die Jüngste eine von einem Vogel gebrachte rote Frucht zu sich genommen. Als die Frucht im Mund anschwoll, fühlte sich die Jungfrau hochschwanger und wusste, dass sie – anders als ihre Schwestern – nicht mehr in den Himmel zurückkehren konnte. Darauf gebar sie den Stammvater des Mandschu-Clans (Aisin Gioro), der schon als Neugeborener sprechen konnte.5 Mit der Expedition wusste Kaiser Kangxi Bescheid über die MandschuGeografie, später begann er in der Gegend sein großangelegtes empirisches Kartenwerk. Sein Anliegen ging aber weiter: Er wollte den Chaibashan auch mit geomantischer Methode erfassen und an das chinesische Kernland anschließen. Die Meister der Geomantie (fengshui) achteten auf Bodenerhebungen, in denen sich positive Energie konzentrierte. Die betreffenden Hügel oder Berge wurden als „Drachenadern“ bezeichnet. Kangxi verfasste ein Traktat mit dem Titel Die Bergadern des Tai Shan haben ihren Ursprung im Changbaishan. Diese Verbindung auf einer Distanz von über 1100 Kilometern – etwa ein Drittel auf dem Meer der Koreanischen Bucht – überwand der Kaiser laut eigenem Bekunden dank sorgfältiger Prüfung von Gelände und geografischen Verbindungen, auch auf See. Ausführlich legte er dar, wie die Gebirgszüge zwischen seinem Mandschu-Ahnenberg und dem wichtigsten chinesischen Kaiserberg verliefen. Beim Gewässer tauchten die „Drachen“ eine Weile unter und erhoben am anderen Ufer wieder ihr Haupt. So entsprach die Hierarchie der Berge den neuen Machtverhältnissen. „Obwohl die Alten nicht zum Resultat dieses Traktats gelangten, wird es durch die Topographie wahrhaft belegt.“6 Im 18. Jahrhundert entwickelte sich rund um den zu Ehren gekommenen Changbaishan eine romantische Schule der Poesie und Literatur, doch nur

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5. Paektusan – heiliger Berg der Revolution

wenige scheinen den entlegenen Berg tatsächlich besucht zu haben.7 Auf der koreanischen Seite spielte sich bald eine ähnliche Geschichte ab. Die königliche Joseon-Dynastie stand seit ihrem Machtantritt im späten 14. Jahrhundert in einem kulturellen und politischen Abhängigkeitsverhältnis zu China und verfügte über ein eigenes System von heiligen Bergen. Die Dynastie scheint ihren ersten Aufstieg zum Thron ebenfalls im Norden erkämpft zu haben. Die Gegend galt als nördliches Tor zum Land und als „Ort, wo der König herkam“. Doch der Changbaishan, hier Paektusan genannt, spielte lange eine untergeordnete Rolle in der rituellen Ordnung. Zeitweise galt er in gelehrten Diskussionen sogar als nicht zum Land gehörig. Dies änderte sich erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts, als ihn die Mandschu-Dynastie förderte und die Geografie besser bekannt war. 1761 wollte der koreanische Hof erneut die wichtigen Gipfel des Königreichs bestimmen. Der Vorsteher des Ritenministeriums schlug aus dynastischen und topografischen Gründen vor, den Paektusan als Nordgipfel einzusetzen: „Es gibt keine Flüsse oder Berge, die nicht vom Paektusan herkommen. Der Berg ist bestimmt der Ursprungsort unseres Landes.“ Nach mehrjährigem Hin und Her zwischen dem Herrscher und seinen Beamten wurde der Vorschlag beschlossen. Der Paektusan erhielt auch hier einen offiziellen Titel und regelmäßige Opfergaben.8

Koreas Stammvater

Um 1277 brachte ein buddhistischer Mönch in Korea eine mündliche Erzählung zu Papier, die vorerst wenig Beachtung fand, später aber sehr bedeutsam wurde: Die Gottheit Hwanung stieg einst mit dreitausend Geistern vom Himmel auf einen (meist als Paektusan identifizierten) Berg herab. Aus einer Bärin wurde dank frommer Einhaltung von Vorschriften eine weibliche Person in Menschengestalt, die einen Mann suchte. Hwanung erhörte das Gebet und zeugte mit ihr Tangun. Dieser gründete den ersten koreanischen Staat und lebte fortan als Berggott. Sein Akt trug sich zur Zeit des legendären chinesischen Kaisers Yao zu. Spätere Gelehrte setzten ihn auf das Jahr 2333 vor unserer Zeitrechnung fest.9 Neben dieser Geschichte zirkulierten im 16. bis 18. Jahrhundert weitere Gründungsnarrative, auch

Koreas Stammvater

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eines, in dem von einer Landbelehnung durch den chinesischen „Sohn des Himmels“ die Rede war. Diese Version wurde gern von koreanischen Gelehrten aufgegriffen, die sich an die prestigeträchtige Kultur des Reichs der Mitte anlehnten, während die Tangun-Geschichte einen autonomistischen Charakter hatte. Laut Forschung war sie nicht von ungefähr während der bedrückenden Mongolenherrschaft festgehalten worden.10 Bergreisen waren bei konfuzianischen Gelehrten und Literaten in Korea ebenso beliebt wie in China. Häufig führten sie in die Gebirge des Südens und des mittleren Landesteils, die stellenweise mit buddhistischen Klöstern übersät waren. Der weit im Norden gelegene Paektusan erhielt dagegen wenig Beachtung. Nach allem, was wir wissen, gab es dort auch keine Eremiten oder Pilger aus der breiten Bevölkerung wie in Tibet und im chinesischen Kerngebiet. Erst mit den Diskussionen am Hof des 18. Jahrhunderts begann sich die Einstellung zu ändern. Koreanische Intellektuelle reisten nun vermehrt bis zum Paektusan und hielten ihre Naturerlebnisse und körperlich-spirituellen Erfahrungen schriftlich fest. Bergbezogene Vorstellungen aus dem großen Nachbarland spielten darin eine wichtigere Rolle als die erwähnten Gründungsgeschichten.11 Hochbedeutsam wurde diese Suche nach dem Ursprung dagegen seit dem 19. Jahrhundert. Hintergrund waren die politische Schwäche der Qing-Dynastie und der rasante Aufstieg von Japan zur dominanten Militärmacht. 1905 machte das japanische Kaiserreich die koreanische Halbinsel zum Protektorat und fünf Jahre später zur Kolonie, die fest eingegliedert werden sollte. Die fremden Herrscher schickten sich an, der Bevölkerung mit aggressiven Methoden eine neue Identität zu verpassen. Als Reaktion darauf avancierte Tangun zum Kernsymbol eines ethnisch gedachten koreanischen Nationalismus. Er wurde zum vielbeachteten Stammvater, was dem Kraterberg ein neues Gewicht gab. Der Intellektuelle Choe Nam-seon (1890–1957), in der frühen Phase ein führendes Mitglied der antijapanischen Unabhängigkeitsbewegung, arbeitete sich zum Beispiel an Tangun ab und beharrte auf dessen Alter, das Korea eine fünftausendjährige Geschichte bescheinigte. Während japanische Intellektuelle die Erzählung als historische Erfindung des Mönchs abtaten, bettete sie Choe Nam-seon in die reiche schamanistische Volkskultur Asiens ein und trug so nicht wenig zur Popularisierung bei.12

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5. Paektusan – heiliger Berg der Revolution

Nach der Teilung Koreas spaltete sich die Überlieferung. In Südkorea begeht man seit 1949 den nationalen Gründungstag, das „Fest der Öffnung des Himmels“ (gaecheonjeol), auf dem Tangun als Landesvater besungen wird. Bald setzte aber auch eine Debatte über dessen Historizität und Bedeutung ein. Wie soll er in Schulbüchern dargestellt werden? Ist es eine religiöse oder nur eine weltliche Figur? Als der Präsident zwecks politischer Profilierung 1966 in Seoul eine riesige Tangun-Statue aufstellen wollte, setzten sich evangelikale Christen zur Wehr. Obwohl sie ebenfalls stramme Antikommunisten waren, glaubten sie an ihre wörtliche Bibel-Auslegung und stuften die Verehrung einer Naturgottheit als Abgötterei ein. Nach weiteren Konflikten kam es ab 1999 zur Eskalation. Diesmal ging es um die Frage, ob man Tan­gun-Statuen bei Schulen aufstellen dürfe, um die Jugend zu echten Koreanern zu machen.13 Die Emotionalisierung der Gründungsgottheit steigerte das Interesse am entlegenen Vulkan im Norden, der für Personen aus Südkorea nur auf dem Umweg über China zu erreichen ist, da Nordkorea dafür keine Reiseerlaubnis erteilt. In diesem stalinistisch geprägten nördlichen Landesteil galt Tangun nach der Teilung zuerst als primitives Relikt der Feudalzeit, nicht zu vereinbaren mit dem „kommunistischen Fortschritt“. Doch mit der Hinwendung zu einem ultranationalistischen Kurs tauchte die Figur wieder auf, diesmal materiell. 1993 verkündete Nordkoreas People’s Daily überraschend, Archäologen hätten bei Pjöngjang das Skelett des Gründervaters Tangun ausgegraben. Die (unüberprüfbaren) Knochen wurden feierlich in einem Mausoleum beigesetzt und auf gut 3000 Jahre vor unserer Zeitrechnung datiert.14

Heilige Revolution in Nordkorea

Seit Ende des Zweiten Weltkriegs hält sich in Nordkorea die Kim-Familie an der Macht. Sie hat es geschafft, bereits zwei Mal (1994 und 2011) die Führungsposition an die nächste Generation weiterzugeben. Es handelt sich um eine eigentliche kommunistische Dynastie, allerdings ohne fixierte Erbfolgeregel.15 Die Basis bildeten der Kampf gegen Japan und die Rolle, die der neue Übervater Kim Il-sung (1912–1994) dabei einnehmen und sich retrospektiv zurechtlegen konnte. In diesem Kontext erhielt der Paektusan

Heilige Revolution in Nordkorea

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eine weitere, zunehmend prominente Rolle. In der Nationalhymne von Nordkorea, entstanden kurz vor der Teilung des Landes 1948, wird der „Geist des Paektusan“ beschworen, der das Land auf seinem glorreichen Weg unterstütze. Als die Hymne seit 1980 mehr und mehr durch das Lied des Generals Kim Il-Sung abgelöst wurde, blieb der Vulkan aktuell – nun aber als Schauplatz des antijapanischen Guerillakampfs: Rot floss das Blut den Berg herab, singt man im Kollektiv; rot blühen dort die Blumen und verkünden den Ruhm des weltbekannten Generals. Später erhielt der Paektusan einen Auftritt im nordkoreanischen Emblem, das gemäß Verfassung Folgendes zeigt: „ein großes Wasserkraftwerk unter dem Paektusan, dem heiligen Berg der Revolution, und die Strahlen eines fünfzackigen roten Sterns, eingerahmt von Reisähren“.16 In der vielbändigen Autobiografie von Kim Il-sung, kurz vor seinem Tod von ihm und/oder seinen Helfern geschrieben, erscheint der Berg in verschiedenen Phasen. Wir dürfen annehmen, dass diese „Erinnerungen“ nicht in erster Linie der historischen Wahrheitsfindung dienten, aber auch nicht ganz realitätsfrei blieben. Die Schulzeit verbrachte Kim Il-sung in der Mandschurei, wohin seine Familie geflüchtet war. Dort schloss er sich der antijapanischen Jugendbewegung und später der Kommunistischen Partei Chinas an. Um 1928 begab er sich offenbar mit Kameraden aus der Bewegung in ein entlegenes Dorf am Fuß des Paektusan. Man glaubte dort, 99 Gottheiten seien vom Himmel herabgestiegen, um im Kratersee zu baden und wieder in den Himmel hinaufzusteigen. Das Dorf errichtete einen Tempel mit 99 Räumen, den die Leute zwei Mal jährlich besuchten, um Gebete zu entrichten. Ein Kamerad von Kim Il-sung bemerkte, Karl Marx habe Recht: Religion sei Opium für das Volk. Kim Il-sung erwiderte gemäß den „Erinnerungen“, man dürfe das nicht so eng sehen. Wichtig sei der Umstand, dass die Leute im Tempel göttliche Strafen für Japan erflehten.17 Mehrfach erhält der Berg in diesem Spätwerk auch eine allgemeine Zweckbestimmung. Zum Beispiel so: „Der Paektusan ist der Ahnenberg und beherrscht alle Berge Koreas. Der bewaffnete antijapanische Kampf, den wir in den Wäldern des Paektusan begannen und entwickelten, bildet also den richtungsweisenden Strom unseres Volkskampfs für nationale Befreiung und sozialen Fortschritt.“18 Die Aussagen deuten die koreanische Abstammungslehre an, ohne Tangun beim Namen zu nennen, und wech-

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5. Paektusan – heiliger Berg der Revolution

seln sofort zum Kampf gegen die japanischen Kolonialherrn. Dieser bildete den neuen Gründungsmythos und die Trumpfkarte für Kim Il-sung. Als Guerillaführer in der von chinesischen Kommunisten organisierten antijapanischen Armee spielte er in den 1930er Jahren eine prominente Rolle. Nach deren Niederlage setzte er sich in die Sowjetunion ab und wurde Offizier der Roten Armee. Es war diese Armee, welche die Japaner 1945 vertrieb, und es war nicht zuletzt Josef Stalin, welcher Kim Il-sung zum Machtantritt in Pjöngjang verhalf.19 In den 1980er Jahren verschlechterte sich die internationale Lage des Landes und erschwerte die Absicherung des Machttransfers vom „Großen Führer“ an seinen Sohn Kim Jong-il. Diesem Vorhaben konnten das Potenzial des Zauberbergs und Antikolonialismus von Nutzen sein. Man verlegte die Geburtsstätte Kim Jong-ils in die Nähe des Paektusan. 1987 entstand dort eine Blockhütte, in welcher der zweite (tatsächlich in der Sowjetunion geborene) Führer das Licht der Welt erblickt haben soll. Zur Bekräftigung wurde ein nahegelegener Gipfel zum „Jong-il-Gipfel“ umgetauft. So erhielt auch der Knabe ein Befreierimage. Es entstand eine generationenübergreifende Verbindung zwischen der Herrscherfamilie und dem neu beschworenen Berg. Immer häufiger bezeichnete man die Familie als „Paektusan-Abstammungslinie“. Nachdem die Macht 2011 erneut an einen Sohn ging, fand der dynastische Ausdruck sogar Eingang ins Grundgesetz.20 Das angebliche Geburtshaus des „Geliebten Führers“ bildete nur ein Element einer weiträumigen Gedächtnisinfrastruktur am Paektusan, die dem Volk die Bedeutung des Befreiungskampfs und der Führerfamilie vor Augen führen sollte. Zwar hatte der historische Kampf größtenteils in der Man­dschurei jenseits der chinesischen Grenze stattgefunden,21 doch die „geheimen Guerillacamps“ wurden jetzt angeblich auf der koreanischen Seite entdeckt und restauriert. Heerscharen von Studenten, Soldaten und Fabrikarbeitern beiderlei Geschlechts pilgerten seither in die heroische Berglandschaft und ließen sich vom revolutionären Paektusan-Geist ergreifen. Eine Publikation von 2015 nennt die Zahl von 63 Millionen Besuchen für die vergangenen Jahrzehnte.22 Zur Emotionalität trägt sicher auch der Umstand bei, dass Bilder des Paektusan im ganzen Land präsent sind: an öffentlichen Gebäuden, bei wichtigen Meldungen im Fernsehen, als Hintergrund bei Staatsanlässen und auf Produktverpackungen.

Religiöse Bergverehrung in Asien

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Da die Tangun-Symbolik aber unter der Kim-Symbolik weiterlebt, ist der Berg je nach Wetterlage auch ein verbindendes Element. Als ein Filmteam des Alpinen Museums der Schweiz 2019 auf dem Gipfel einen Bauarbeiter aus Pjöngjang antraf und nach seinen Beweggründen fragte, sagte er: „Ich kam hierher, um den Paektusan anzuschauen, den heiligen Berg der Revolution, die Heimstätte des koreanischen Volks und den Berg der Versöhnung.“ Im Westen tendiert man dazu, solchen Aussagen, die wie offizielle Parolen klingen, wenig Glauben zu schenken. Allerdings dürfte auch da zu differenzieren sein. Kürzlich wurde eine geflüchtete Nordkoreanerin gefragt, ob die überschwänglichen Trauerbezeugungen beim Ableben von Kim Jong-il 2011 echt gewesen seien. Wie erwähnt erschienen diese im Westen weithin als bizarr. Die Nordkoreanerin äußerte freimütig, man habe die Tränen in diesem Moment heucheln müssen, da es dem zweiten Kim nach den vergangenen Krisen an Beliebtheit gefehlt habe. Ein echter Schock sei jedoch der Tod des ersten Kim 1994 gewesen. Damals habe man gedacht, das Ende der Welt sei gekommen; die Leute hätten einander ihr Beileid ausgesprochen, und „alle beteten verzweifelt um seine Wiederkunft“.23

Religiöse Bergverehrung in Asien

Ist es ein religiöser Akt, wenn die Bevölkerung eines atheistischen Staates um die Wiederkunft ihres Führers betet? Wie religiös sind Gelehrte und Literaten, wenn sie in einem Konfuzius-Tempel für den unsterblich gewordenen Weisen Weihrauch entzünden? Und was sollen wir von westlichen Touristen halten, die nach eigenem Bekunden aus spirituellem Interesse an einer buddhistischen Bergumwanderung teilnehmen? Der sakral-religiöse Bereich ist schwer vom weltlichen abzugrenzen, so wie es schwierig ist, Wirtschaft von Gesellschaft oder Politik von Kultur zu trennen. Fruchtbarer als allgemeine Grenzziehungen sind in der Regel genaue empirische Beobachtungen: bestimmte Worte, Gesten, Symbole, Organisationsformen, das spezialisierte religiöse Personal, die Wahrnehmung und tradierten Geschichten von übernatürlichen Kräften, Wundern und Gottheiten samt ihrem Ortsbezug. Damit lässt sich eine gewisse „Familienähnlichkeit“ des Religiösen fassen, die für die historische Forschung vielfach interessanter ist als theoretisch vorgefertigte Definitionen.24

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5. Paektusan – heiliger Berg der Revolution

Unter solchen methodischen Prämissen haben wir in den ersten fünf Kapiteln dieses Buchs eine Handvoll heiliger Berge in Asien historisch besichtigt (Tsari und Kailash in Tibet, die chinesischen Bergsysteme mit ihren Hauptgipfel Tai Shan, zuletzt Paektusan). Je nach Kontext ist dabei eine erhebliche Vielfalt zutage getreten. Man könnte die Auswahl leicht erweitern, denn alles weist darauf hin, dass heilige Berge in Asien weit verbreitet waren und sind. Ihre Sichtbarkeit hat bestimmt auch mit der frühen Schriftlichkeit zu tun. Neben den zahllosen in der Literatur erwähnten Kandidaten für eine solche Erweiterung gibt es zwei qualitative Hinweise auf kulturelle Besonderheiten dieses Erdteils: (1) Das beschriebene, in China etablierte und von dort ausstrahlende System der heiligen Staatsberge scheint weltweit ohne wirkliches Gegenstück zu sein.25 (2) Gleiches lässt sich von der als Shugendo („Weg zu magischen Kräften“) bekannten spezialisierten Bergreligiosität in Japan behaupten, die aus der Vermischung buddhistischer Strömungen mit indigenen Kulten hervorging; sie bildete auch eine frühe Form des Bergsteigens.26 Bei aller Vielfalt zeigen die untersuchten Beispiele religiöser Bergverehrung in Asien auch deutliche Parallelen: In allen Fällen nahm deren Ausmaß während der Neuzeit zu, sei es bereits zu Beginn, sei es erst seit dem 19. Jahrhundert oder später. Es handelte sich um ein langfristiges Wachstumsphänomen. Man sollte solche Formen religiöser Praxis nicht aus Prinzip an historische Frühphasen auslagern, über die wenig bis nichts Genaues bekannt ist. Die archaische Figur des homo religiosus von Mircea Eliade ist für die Forschung wenig hilfreich (vgl. Kapitel 2). Allerdings zeigen die Beispiele auch klare Indizien für eine Säkularisierung und Abnahme religiöser Intensität, etwa bei revolutionären Einschnitten oder beim profanen Tourismus. Generell war die Säkularisierung in diesem Zeitalter der Globalisierung ein wichtiger Trend. Kultgemeinschaften konnten sich durch die rasch zunehmenden Kontakte lockern oder auflösen. Ein Beispiel aus unserem Kontext sind die eklektischen Verbindungen von buddhistischen Strömungen mit mondänen, weltlichen Lebensstilen. Der Trend führte jedoch nicht zu einer allseitigen Abkehr vom „Heiligen“, sondern blieb durchsetzt von Gegentrends: Neu formierte Gemeinschaften konnten – und können – ihrerseits einen religiösen Charakter annehmen.27 Mehr zu solchen Fragen bietet der Schluss dieses Buchs (Kapitel 11). Vorerst erweitern wir unseren Horizont durch weitere Reiseetappen auf anderen Kontinenten.

6. Aufstieg der christlichen Kreuze

• Bilderstreit, Bildertraditionen • Die Gipfelregion wird christianisiert • Im Kreuzfeuer

der Kritik

Die religiöse Bedeutung der Berge in Europa lässt sich anhand des christlichen Kreuzes betrachten. Es ist ein vergleichsweise eindeutiges Symbol, das an den Opfertod des Erlösers Jesus Christus erinnert und so eine zentrale Botschaft seiner Kirche anspricht. Die materiell angefertigten Kreuze sind zudem lokalisierbar und können als Indikator für die Heiligkeit eines bestimmten Raums dienen. Allerdings lassen sich Kreuze für verschiedenste Zwecke einsetzen. In der Sagenwelt schützten sie zum Beispiel oft vor Schadenzauber und gegen Hexen, denen dieser zugeschrieben wurde. Die Feststellung ist deshalb nicht unwichtig, weil seit dem 19. Jahrhundert die Meinung aufkam, dass es mit dem Hexenwesen früher besonders in den Bergen eine Art Gegenheiligkeit gegeben habe.1 Diese Meinung entstand durch die Romantisierung und Umdeutung der historischen Volkskultur. An Eindeutigkeit gewann sie mit der modernen Witchcraft-Bewegung, in der vor allem Frauen das überlieferte, negative Bild der Hexen ins Positive wendeten und für eine feministische Spiritualität in organisierten Gruppen und Workshops brauchten. Einer der ersten dieser selbstbewussten „Hexenzirkel“ soll 1972 in Los Angeles zusammengekommen sein. Demgegenüber hat die historische Forschung keine Beweise dafür gefunden, dass der (imaginierte) Hexensabbat seit seiner Erfindung im 15. Jahrhundert eine bestimmte Heiligkeit ausstrahlte. Es ist also nicht so, dass eine (ebenfalls nicht dokumentierte) hohe Konzentration von Hexen in den Bergen groß zu ihrer religiösen Bedeutung hätte beitragen können.2 Wie in den einleitenden Kapiteln dargelegt, schenkte das Christentum den Bergen seit seiner Institutionalisierung in der Spätantike wenig Aufmerksamkeit. Viel Energie verwendeten Geistliche und Gelehrte dagegen auf die Frage, wie man das Bilderverbot in den mosaischen Geboten auszulegen habe. „Du sollst Dir kein Gottesbild machen“, heißt es im Dekalog verschiedener Bibel-Versionen. Ist das Kreuz, das an den christlichen Erlöser

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6. Aufstieg der christlichen Kreuze

erinnert, auch ein solches verbotenes Bild? Was soll man von den zahlreichen christlichen Fresken, Ölbildern, Statuen, Kreuzen und Kruzifixen (Kreuzen mit dem Leib des Gekreuzigten) halten? Diese Fragen stellten sich erneut im 16. Jahrhundert, zuerst in Kreisen der Reformation.

Bilderstreit, Bildertraditionen

Andreas Karlstadt, Professor in Wittenberg und Mitstreiter von Martin Luther, gelangte zu einer kritischen Auffassung und rief 1522 zur Zerstörung religiöser Bildwerke auf. Seine im deutschen Sprachraum weitverbreitete, ausführliche Flugschrift Von Abtuhung der Bylder stellte diese als Götzendienst dar. Gemäß Karlstadt zeigten zum Beispiel Heiligenbilder nicht das göttliche Wesen, sondern bloß das körperliche Äußere der Heiligen, was den Zugang zu Gott im Herzen verdränge. Die Verehrung solcher „fleischlicher“ Bilder und Statuen verwandle die Kirchen in „Hurenhäuser“. Abzulehnen sei auch die Verehrung von Darstellungen mit Christus als sterbendem Menschen. „Aus dem Bild des gekreuzigten Christus lernst du nichts anderes denn das irdische Leiden Christi am Fleisch, wie Christus sein Haupt neigt und dergleichen.“ In der Bibel sage der Erlöser aber, dass sein Fleisch nichts nütze, sondern dass es der Geist sei, der zähle und lebendig mache. Auch in besonderen Situationen blieben diese Bilder stumm und taub, weshalb er davon abrate, „dass sich die Totkranken an geschnitzte oder gemalte Kruzifixe halten“.3 Luther teilte die Meinung Karlstadts nicht. Er verwarf die Vorstellung, dass man mit der Stiftung frommer Bilder das Seelenheil erlangen könne. Doch ihr Gebrauch als didaktisches Mittel sollte erlaubt sein. In der Zürcher und Genfer Reformation und an vielen anderen Orten im nördlichen Europa fanden die radikaleren Auslegungen dagegen Zuspruch. Ein Bildersturm fegte in verschiedenen Formen durch Städte und Länder, die sich von der alten Kirche abwandten. Auf Anordnung reformierter Theologen und Behörden oder durch Eigeninitiative von Aktivisten wurden Darstellungen des Gottessohns und der Heiligen im 16. und 17. Jahrhundert aus den Kirchen entfernt und teilweise zerstört. Ihre Verehrung galt in den betreffenden Gegenden nun als Abgötterei. Dieser Bannstrahl betraf auch Kruzifixe und Kreuze außerhalb der Kirchengebäude – auf öffentlichen Plätzen, Straßen,

Bilderstreit, Bildertraditionen

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an Weggabelungen und auf Feldern. Das Heilige wurde in der reformierten Welt abstrakter, räumlich wenig fassbar.4 Sollte einmal eine Bewegung zur Errichtung von Gipfelkreuzen einsetzen, dann bestimmt nicht hier. Die katholische Antwort auf die umstrittene Bilderfrage formulierte das Konzil von Trient (vgl. Kapitel 1). Auf seiner Sitzung am 3. Dezember 1563 hielt es fest, dass den Bildern von Jesus, der Gottesmutter Maria und anderer Heiliger weiterhin die gebührende Verehrung zu erweisen sei; nicht weil man glauben dürfe, „dass denselben eine Gottheit, oder eine Kraft innewohne, wegen welcher sie verehrt werden sollen, oder als ob von ihnen Etwas zu erbitten, oder das Vertrauen auf die Bildnisse zu setzen sey, wie ehemals die Heiden thaten“. Wer die Abbildungen Christi küsse und sich mit entblößtem Haupt vor ihnen beuge, solle den Herrn anbeten, nicht sein Bild. Für die Angehörigen der Kirche seien sie auch Unterweisungen im Glauben und heilsame Vorbilder für die Lebensführung. Man müsse jedoch „alles Schlüpfrige“ vermeiden und Figuren „mit verführerischer Schönheit“ nicht zulassen.5 Nach dem Konzil setzten eine Reglementierung und Erneuerung des sakralen Raums in Kirche und Siedlungsgebiet ein, je nach Region zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt. Die Bischöfe mussten ihre Gemeinden regelmäßig besuchen, kontrollieren und ermahnen. Als der neue Bischof von Grenoble in den Westalpen 1672 seine erste Pastoralvisite antrat, verkündeten jeweils die Kirchenglocken seine Ankunft. Der Ortspriester empfing den Bischof und sein Gefolge an der Gemeindegrenze und präsentierte ihm das Gemeindekreuz, dem der hohe Besuch mit Kuss und Verbeugung seine Ehre erwies. Nachher ging es feierlich zum Dorf – vorab die Reiter, dahinter der Priester mit dem Kreuz, dann die Geistlichen und Vornehmen mit dem Bischof unter einem Baldachin. Im Kirchenbuch eines Dorfes entdeckte der Bischof Notizen zu Segenssprüchen für Feldkreuze. Die Sprüche waren unautorisiert und konnten wie magische Formeln erscheinen, weshalb er sie unterband. Allgemein spielten Kreuze und Kruzifixe in der Landschaft aber eine zunehmend wichtige Rolle. Auch Alpsiedlungen in Höhenlagen, die nur im Sommer bewohnt waren, wurden mehr und mehr damit ausgestattet. Es war die Geburtsstunde einer katholisch-barocken Sakrallandschaft, die allerdings nur das bewirtschaftete Gebiet und nicht die Gipfelregion der Berg erreichte.6

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In Grenoble und anderen Diözesen der römischen Kirche wurden Kapellen an entlegenen Orten und in Höhenlagen oft dem Heiligen Michael gewidmet. Der kanonisierte Erzengel hatte laut der Bibel (Buch Josua) den Satan in Drachengestalt bezwungen und in die Hölle gestürzt. In der orthodoxen Kirche des östlichen Europas war dagegen Elias, der Prophet aus dem Buch der Könige, ein mit Bergen assoziierter Heiliger. Gemäß der Schrift trug ein Sturmwind Elias mit einem feurigen Wagen in den Himmel.7 In Griechenland – lange unter Herrschaft der sunnitisch-islamischen Osmanen – gibt es eine ganze Anzahl Berge mit dem Namen Profitis Ilias. Das fällt besonders im Vergleich zu West- und Mitteleuropa auf, wo Berge selten Heiligennamen tragen. So zählt man in den Alpen bei rund 1300 Hauptgipfeln nur eine Handvoll solcher Namen, und diese wurden meist von darunter gelegenen Siedlungen auf den Gipfel übertragen.8 In Griechenland scheinen die Elias-Berge vor allem mit der monastischen Bewegung und den zahlreichen Bergklöstern verbunden gewesen zu sein. Aus dem frühmittelalterlichen Bilderstreit der östlichen Kirche waren sie siegreich hervorgegangen und vertraten eine mystisch gefärbte, unscholastische Religiosität, in denen auch das Kreuzzeichen eine große Rolle spielte.9 Das bedeutendste Zentrum dieser monastischen Kultur war der Heilige Berg Athos, der noch heute aus zwanzig Klöstern und vielen Eremitenklausen besteht. Die Bezeichnung „heilig“ ist früh dokumentiert und hat sich in den meisten Sprachen eingebürgert. Zentral für die Besiedlung durch Gottessucher im Mittelalter waren aber nicht übernormale Eigenschaften dieser Halbinsel, die vom Ägäischen Meer bis auf 2033 Meter ansteigt. Attraktiv war vielmehr die Weltabgeschiedenheit.10 Eine sakrale Aura erhielt die Halbinsel erst durch die anhaltende religiöse Lebensweise der Bewohner, ähnlich wie bei anderen christlichen Gebirgsklöstern (vgl. Kapitel 1). Für die Bergspitze brachten die Mönche und Eremiten bezeichnenderweise wenig Interesse auf. Eine Gipfelkapelle bekam der Athos 1895 und ein zugehöriges Kreuz 1897. Dabei dürften moderne Strömungen mitgewirkt haben: Der westliche Alpinismus und die Gipfelkreuzbewegung hatten damals bereits eine beträchtliche Dynamik entwickelt.11

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Die Gipfelkreuzbewegung wurde durch aufgeklärte katholische Geistliche und religiös gestimmte Aufklärer initiiert. Sie konnte an die eben beschriebenen frühneuzeitlichen Entwicklungen der römischen Kirche anknüpfen. Doch in der beginnenden Romantik ging die Christianisierung über die Nutzlandschaft hinaus auf die Berggipfel. Die Einweihung eines Gipfelkreuzes auf dem Erzberg in Österreich im Jahr 1823 wurde mit diesen emotionalen Worten beschrieben: „Ehrfurchtsvolle Stille herrschte unter der zahlreichen Menschenmenge. Kein Auge blieb trocken vor innerer Rührung. Der heitere Morgenhimmel überwölbte, eine Kuppel von Sapphir, den weiten Tempel, in welchen in diesem Augenblicke die Alpengegend verwandelt war. Ein Tempel, von der Hand des Allmächtigen erbaut, Alpen seine Säulen, der Himmel sein Dach!“ Die Natur scheint für den Berichterstatter ein geweihtes Gebäude, das Zentrum des christlichen Lebens, geworden zu sein. Vorher hatte der Priester zu einem einschlägigen Psalmwort gepredigt („Ihr Berge und Hügel, lobet den Herrn!“) und das Hochamt abgehalten. Nachher setzten Trompeten und Pauken ein; das Echo der Musik und der Ehrensalven wurde von anderen Bergen zurückgegeben. „Und vor dem enthüllten Kreuze gebeugt, lag die Herrlichkeit der Erde, und alle Herzen erhoben sich freudig und im Geiste der Liebe zu Dem, der da ist, war, und seyn wird.“12 Seit dieser Frühperiode haben sich Gipfelkreuze bis in die Gegenwart laufend vermehrt. Schon vorher gab es natürlich einige Kreuze in prominenter Lage.13 Als Prototypen, die auch publizistisch herausgestellt wurden und Nachahmungseffekte auslösen konnten, gelten aber die beiden Gipfelkreuze auf dem Klein- und Großglockner von 1799 und 1800. Viel häufiger als im 19. wurden Kreuzsetzungen dann im 20. Jahrhundert mit der Popularisierung des Bergsteigens, und einen vorläufigen Höhepunkt erreichten sie in den letzten Jahrzehnten. Im Alpenraum, auf den wir uns vorerst beschränken, schätzt man die Zahl der Gipfelkreuze gegenwärtig auf mehrere Tausend.14 Zu Beginn handelte es sich um eine religiös-kulturelle Begleiterscheinung der Gebirgsforschung und des daraus hervorgehenden Alpinismus (vgl. Kapitel 2). Um eine dynamische Tradition in Gang zu setzen, bedurfte es aber eines konfessionellen Milieus. In Umrissen lassen sich drei Regionen und Phasen erkennen: (1) Habsburg-Österreich im 19. Jahrhundert mit

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6. Aufstieg der christlichen Kreuze

Abb. 7: Einweihung des Heiligen Kreuzes auf dem Erzberg, 1823 (Federzeichnung).

starken herrschaftlichen Komponenten; (2) Italien seit dem Übergang zum 20. Jahrhundert mit starken religiösen und kirchlichen Komponenten; (3) Einzelregionen wie das „heilige Land Tirol“ und die katholische „Zitadelle“ Freiburg in der gemischtkonfessionellen Schweiz; zunächst religiös aufgeladen, dann von säkularen Vereinen und Freundeskreisen übernommen.15 Von besonderem Interesse für die Frage nach der religiösen Bedeutung der Berge ist der genannte italienische Beitrag, ausgelöst durch das landesweite Projekt für das Jubeljahr 1900 mit einem Netz von großen Gipfelkreuzen zu Ehren von Cristo Redentore (Christus dem Erlöser). Das Projekt soll im folgenden Kapitel gesondert thematisiert werden. An dieser Stelle greife ich einige aufschlussreiche Episoden aus der facettenreichen Geschichte der Gipfelkreuze besonders in Österreich heraus. Die Initiative für die beiden Glockner-Kreuze in den Jahren 1799 und 1800 ging von einem aufgeklärten, alpinistisch interessierten Fürstbischof aus. Es waren großangelegte Erstbesteigungen und wissenschaftliche Expeditionen, welche den weithin höchsten Berg mit seinem Nebengipfel auch für die Kirche beanspruchten. Wenige Jahre vorher hatte die Revolution in

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Frankreich die Kirchen entweiht und ausgeräumt (vgl. Kapitel 1), und die Armeen Napoleons standen kurz darauf mitten in Österreich. Das Kreuz hochzuhalten, war in dieser Situation auch ein politischer Akt.16 Der Plan zum erwähnten Gipfelkreuz von 1823 auf dem Erzberg stammte dagegen von weltlicher Seite, nämlich von Erzherzog Johann, einem jüngeren Bruder des Kaisers. Mit seinen vielen Initiativen und Idealen stand er am Anfang eines Prozesses, den man Monarchisierung der Alpen nennen kann. Das Gipfelkreuz sollte ein Zeichen gegen den modernen Unglauben setzen und gleichzeitig dem Fortschritt im Bergbau zugutekommen.17 Wie wichtig die Monarchie für die Gipfelkreuze wurde, zeigte sich in der Folge an den Kreuzwidmungen bei kaiserlichen Jubiläen. Mitspielen konnten auch dynastische Krisen wie in Bayern, wo 1886 ein Gipfelkreuz an den früheren König erinnerte, kurz nachdem der aktuelle König Ludwig II. entmachtet worden war und verstarb.18 Eine Welle von religiösen Bergmarkierungen folgte nach dem Zweiten Weltkrieg. Bekannt wurde der niederländische Kaplan Karl Loven, ein begeisterter Alpinist und Fotograf, der in einer Berggemeinde südlich von Innsbruck amtierte und den Anstoß für die Errichtung mehrerer Gipfelkreuze gab. In der Regel konnte er dafür die Dorf- und Taljugend gewinnen, darunter auch heimgekehrte Wehrmachtssoldaten. So etwa 1947 auf dem 3507 Meter hohen Zuckerhütl in den Stubaier Alpen: Wie üblich trug die Jugend das in Einzelteilen angefertigte Eisenkreuz in mehreren Etappen auf den Gipfel, wo es zusammengefügt und aufgestellt wurde. In der Einweihungsmesse betonte der Kaplan, das Zeichen stehe zum Dank für die Verschonung des Tals vor Kriegsverwüstungen, zur Sühne für die in den Vorjahren von Nationalsozialisten zerstörten Gipfelkreuze und als Bitte um Frieden. Im folgenden Jahr regte Loven zudem den melodramatischen Bergfilm Gipfelkreuz an, und 1951 erschien sein Roman Das Gipfelkreuz. Jugend in Kampf und Bewährung.19 Unweit der Stubaier Alpen befinden sich das Volderstal und das Navistal, getrennt durch die 2619 Meter hohe Sonnenspitze. Die beiden Täler können mit dem Auto nur auf Umwegen erreicht werden, so dass sie im motorisierten Zeitalter wenig miteinander zu tun haben. Ohne Absprache kamen Vereine diesseits und jenseits der Sonnenspitze für dasselbe Jahr (1995) auf die gleiche Idee. In Volders war es das Berglaufteam und in Navis der Trachtenverein.

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6. Aufstieg der christlichen Kreuze

Da die Bergläufer um einige Wochen schneller waren, musste der erstaunte und irritierte Trachtenverein sein Kreuz auf einem Nebengipfel platzieren. Für einen aktiven Verein gehörten Kreuzsetzungen in Tirol unterdessen zum guten Ton, was in diesem Fall nur auffiel, weil man die Sache vorher nicht „ausgeschnapst“ hatte (wozu ein Leserbrief nachträglich aufrief).20 Die Kirche hatte aufgehört, den Anstoß zu geben. Unter diesen Bedingungen konnten die Kreuze auch die Konfessionsgrenzen überschreiten. Das westlich an Tirol anschließende protestantische Unterengadin erhielt sein erstes und bis heute einziges Gipfelkreuz kurz vor 2000. Es wurde der Gemeinde von einem Sägereiunternehmen offeriert und mit dem Hubschrauber auf den Berg geflogen.21

Im Kreuzfeuer der Kritik

Gipfelkreuze provozierten seit Langem und gerade in jüngster Zeit auch Widerspruch. Die Kontroversen sagen einiges zur Bedeutung, welche diese christlichen Denkmäler für die Bevölkerung haben konnten. Vielleicht ist es bezeichnend, dass im Kulturbereich ein solcher Fall eintrat, lange bevor Gipfelkreuze überhaupt zur Tradition wurden. Ende 1808 stellte der Maler Caspar David Friedrich ein als Kreuz im Gebirge betiteltes Gemälde in seiner Dresdner Wohnung aus. Den kunstvollen Rahmen zierten mehrere Engelsköpfe und das dreieckige Auge Gottes. Es ist unklar, ob das Gemälde für eine Kapelle bestimmt war. Jedenfalls reagierte der Kunstkritiker Basilius von Ramdohr auch in dieser Hinsicht mit heftigen Vorwürfen. Seine detaillierte Besprechung orientierte sich an der Landschaftsmalerei des 17. und 18. Jahrhunderts und an der gängigen Sakralkunst. Das Bild verletze zentrale Normen. Es sei anmaßend, „wenn die Landschaftsmalerei sich in die Kirchen schleichen und auf Altäre kriechen will“. Auch unterscheide sich die hergebrachte „wahre Christusreligion“ vom neu aufgekommenen Mystizismus „mit schmachtender Kreuzandächtelei“. Der als Ramdohrstreit in die Kunstgeschichte eingegangene Schlagabtausch zog sich über mehrere Runden und lässt ahnen, wie empfindlich bestimmte Beziehungen zwischen Religion und Natur zu Beginn der Romantik waren.22

Im Kreuzfeuer der Kritik

Abb. 8: „Kreuz im Gebirge“ von Caspar David Friedrich, 1808.

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Eine bis heute anhaltende Konfliktlinie öffnete sich nach aktuellem Wissensstand nach dem Ersten Weltkrieg. In einigen Gegenden waren Gipfelkreuze unterdessen etabliert, und auf die Berge zogen zahlreiche junge Alpinisten, welche die älteren an Wagemut übertreffen wollten und neuen Naturidealen verpflichtet waren. Zu ihren Vorbildern gehörte Eugen Guido Lammer, der sich mit Alleingängen einen Namen gemacht hatte und früh auch publizistisch tätig wurde. 1928 bezeichnete Lammer alles, was „in blindem Erschließerwahn“ auf die Gipfel geraten war, als störend: Tafeln, Fahnen, Grenzsteine, Steinmännchen und nicht zuletzt Kreuze – jedes „Menschenwerk“ sollte zugunsten eines unverfälschten Naturerlebnisses entfernt werden.23 Im nationalsozialistischen Milieu erhielt seine Sicht bald eine zusätzliche antikirchliche Stoßrichtung und führte seit etwa 1935 zu wiederholten Kreuzzerstörungen. In der Nachkriegszeit konnte sich der idealistische Naturbezug halten und erneut an Kraft gewinnen, so dass gegen Ende des 20. Jahrhunderts ein zunehmendes ökologisches Bewusstsein einer zunehmenden Zahl von Kreuzen gegenüberstand. Lammers Frage nahm an Aktualität zu: „Was hat das Kreuz in der Gebirgsöde zu sagen?“24 Die latente Spannung führte zu einer Reihe von gewalttätigen Vorfällen mit heimlichem Entfernen oder Zerstören der Gipfelsymbole. Aufsehen erregte der Bergführer Patrick Bussard, der 2010 gestand, drei Gipfelkreuze im Kanton Freiburg zu Fall gebracht zu haben. Er gab zu Protokoll, dass die Natur keine Religion besitze und dass er damit die Macht der Kirche erschüttern wolle. Bis in die 1950er Jahre hatte der Katholizismus die Gläubigen in diesem Kanton fest im Griff und trat in „Volksmissionen“ gebieterisch gegen den Zeitgeist an. Bussard wurde vor allem wegen Verletzung der Religions- und Kultusfreiheit vor Gericht gestellt. Offiziell hatte er die Freidenker auf seiner Seite, welche die Verletzung bestritten und die Frage der Baubewilligung aufwarfen. Während des Verfahrens zogen sich zwei Kläger zurück, doch Bussard erhielt eine Geldstrafe. In einem Zeitungsgespräch sagte der Generalvikar des Bistums, das Kreuz repräsentiere nicht nur eine Religion, sondern die Menschheit. Auch sei das kulturelle Erbe von zahllosen christlichen Symbolen durchzogen, welche die Identität der Gegend ausmachten. So stehe etwa das Edelweiß auf dem Trachtenkittel für die Idee der Ewigkeit, also für Gott. Die kühne Auslegung deutet an, dass der Vikar keine theologische Begründung für Gipfelkreuze vorzubringen hatte, aber das Gewicht der regionalen Geschichte auf seiner Seite wusste.25

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Kurz darauf erschien ein Bildband über Freiburger Gipfelkreuze, der die religiöse Seite stark relativierte. Im Titel vermied die Autorin sogar das Wort Kreuz und ersetzte es durch „Präsenz“. Diese spirituelle Gegenwart oder Anwesenheit war laut dem Vorwort pluralistisch, blieb jedoch eine aktive Kraft: „Denn diese Kreuze reden. Sie sind lebendig. Und jedes von ihnen erzählt seine Geschichte.“26 In der realen Welt dürfte es ihnen allerdings an Publikum gefehlt haben. Laut Hans-Joachim Löwer, der kürzlich hundert und mehr Gipfelkreuze in den Alpen persönlich besichtigte, interessieren sich Bergsteiger:innen in der Regel nicht dafür: „Die Ästhetik, die Botschaft, die Geschichte, die darin steckt – dies alles verpufft.“27 Damit teilen die Gipfelkreuze das Schicksal vieler Denkmäler in den Zentren Europas, die ebenfalls nur sporadisch Beachtung finden. Einmal errichtet verliert sich das öffentliche Interesse, bis es allenfalls zu einer Änderung oder Kontroverse kommt. Anders als in den Kirchen der menschlichen Siedlungen haben sich um die entlegenen Gipfelkreuze nur ausnahmsweise kontinuierliche Kultformen, etwa periodische Wallfahrten, entwickelt. Das beschränkte ihre religiöse Bedeutung in erheblichem Maße. Wenige Jahre vor Bussards Provokation wählten vier Mailänder Alpinisten einen anderen Weg. Sie installierten eine 130 Zentimeter große BuddhaStatue auf einem schwierigen Kletterberg an der Grenze zwischen Italien und der Schweiz. Gebetsfahnen hatten in mehreren Gebieten schon früher die Ankunft des indischen Religionsstifters vorbereitet. Mit der Globalisierung bot sich vor allem der tibetische Buddhismus als weltweite Bergreligion an (vgl. Kapitel 3). Den Medien versicherten die Alpinisten, das Unternehmen habe Spaß gemacht, sei aber auch ein ernsthafter Protest gegen die „Umweltverschmutzung“ durch die vielen Gipfelkreuze. „Es herrscht heiliger Krieg auf den Gipfeln“, kommentierte eine große Abendzeitung am 9. September 2005 die heftige Debatte, die zwischen christlichen und anderen Kontrahenten entbrannte. Der alpine Buddha entpuppte sich aber bald als „Hotei“, der im Westen oft mit dem Erleuchteten verwechselt wird und als lachender oder fetter Buddha bekannt ist. Die Mailänder scheinen also keine tieferen religiösen Kenntnisse oder Absichten gehabt zu haben.28 Dass sie die Gipfelkreuze einer „unangemessenen Blüte“ (smisurata fioritura) bezichtigen konnten, ging nicht zuletzt auf ein großes italienisches Jubiläumsprojekt zurück, das im Folgenden zur Sprache kommt.

7. Der Erlöser im italienischen Gebirge

• Eine Idee für das Jubeljahr 1900 • Cristo Redentore und das heilige Buch der Natur

Die umfangreichste kirchlich-religiöse Investition in Gipfelkreuze war mit dem Jubeljahr 1900 verbunden, das ausgehend vom Heiligen Stuhl in Rom von Katholiken der ganzen Welt gefeiert werden sollte und vor allem in Italien eine massive Mobilisierung hervorrief. „Jubeljahre“ oder „Heilige Jahre“ hatten in der römischen Kirche eine jahrhundertelange Tradition. Mittels spezieller Vorschriften, Sündenablässe und Pilgerfahrten boten sie eine wiederkehrende Gelegenheit, die Gläubigen enger an den Papst und seinen Hof zu binden. Dass für 1900 neu auch ein spezielles Bergprojekt in die Wege geleitet wurde, war unter anderem auf die Entstehung eines „katholischen Alpinismus“ zurückzuführen. Der italienische Historiker Marco Cuaz hat diese Strömung in einer Reihe von Publikationen eindrücklich dargestellt.1 Alpinisten aus den Städten und anderen Ländern fanden in der Frühzeit dieser Leidenschaft häufig eine Herberge bei Geistlichen in den Bergdörfern, die sie nicht nur bewirten, sondern auch begleiten konnten. Viele von ihnen interessierten sich für die Gebirgsforschung, solange sie sich im vertrauten Rahmen der „christlichen Wissenschaft“ bewegte und nicht mit den Schriften der Kirche kollidierte. Bald nach Ausrufung des neuen Königreichs Italien im Jahre 1861 bildete sich in Turin ein Alpenverein, der später zum Club Alpino Italiano wurde. Er gab dem Bergsteigen in den umliegenden Regionen starke Impulse, war aufgrund seiner elitären, laizistischen Ausrichtung aber für Katholiken auch ein Antrieb, eigene Wege zu suchen. Schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts waren die körperliche Ertüchtigung und Disziplinierung der Jugend im Freien von katholischen Erziehern empfohlen und organisiert worden. Später nahmen die Jugendausflüge Formen eines gemäßigten Alpinismus an, der unter Anleitung von Priestern auch Familien, Frauen und ältere Pfarreimitglieder umfassen konnte und auf nahegelegene, ungefährliche Berge führte. Die Anlässe verbanden das Vergnügen an der Natur und der Gemeinschaft mit Gottesdiensten.

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7. Der Erlöser im italienischen Gebirge

Sie waren eine religiöse Antwort auf den entstandenen „materialistischen“ Hochgebirgsalpinismus. Daneben strebten einige preti alpinisti selbst in die Höhe und vereinzelt errichteten sie dort oben erste Kreuze. Bald verbreitete sich auch die Idee, die heilige Messe in hochalpiner Lage zu feiern. Am 11. August 1893 zelebrierten drei Geistliche aus dem Aostatal mit obrigkeitlicher Erlaubnis und einem hinaufgetragenen geweihten Altarstein einen Gottesdienst auf dem Mont Blanc, auf 4808 Metern über dem Meer. Laut einem der Geistlichen hörte dieser höchste Gipfel der Alpen damit auf, ein profaner Berg zu sein. Er hatte sich verwandelt und wurde „die Fußbank des Herrn; der Berg, wo er sich einen Moment niederlassen wollte; ein Berg, in dem es Gott gefällt, seine Wohnung aufzuschlagen“ (Mons in quo beneplacitum est Deo habitare in eo).2

Eine Idee für das Jubeljahr 1900

Konflikte zwischen den entstehenden europäischen Nationalstaaten und der römischen Kirche waren in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts häufig. In Italien nahmen sie zugespitzte Formen an, weil das neue, unifizierte Königreich seine Hauptstadt 1871 nach Rom verlegte und vorher den päpstlichen Kirchenstaat einverleibte (er wurde in verkleinerter Form erst 1929 wieder als souverän anerkannt). Vor diesem Hintergrund empfanden Kleriker und überzeugte Katholiken viele Maßnahmen des neuen Staats als antiklerikal und antireligiös. Allenthalben sah man auch die geheimnisvollen, als Erzfeinde der Kirche bezeichneten Freimaurer am Werk. In dieser angespannten Lage bildeten sich religiöse Aktionsvereine wie die Gioventù cattolica italiana (Katholische Jugend Italiens) und die Opera dei congressi cattolici (Werke der katholischen Konferenzen). Eine treibende Kraft dieser Bewegung war Giovanni Acquaderni (1839–1922) aus Bologna. Er profilierte sich besonders bei der Organisation von Feiern in großem Stil zu Ehren des Papstes. Ohne ihn wäre das Jubeljahr 1900 wahrscheinlich anders begangen worden.3 Acquaderni stammte aus vornehmem Haus und entwickelte sich zu einem erfolgreichen religiösen Unternehmer, der immer neue Wege fand, die geistliche und materielle Kommunikation in seinem Kundenkreis zu inten-

Eine Idee für das Jubeljahr 1900

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sivieren. Die Basis bildete – wie bei ähnlichen Unternehmern in anderen Ländern – die moderne Publizistik. Mit auflagenstarken konfessionellen Zeitschriften, Bildern und Devotionalien schuf er sich ein effizientes Mittel zum Aufstieg in höchste kirchliche Kreise. Besonders deutlich wurde die Anlehnung an die Moderne auch bei den veranstalteten Jubiläumsausstellungen, welche religiöse Kunstobjekte aus allen Ländern und damit einen Hauch der Weltausstellungen in den Vatikan brachten. Regelmäßig konnte der rührige Acquaderni große Summen der Gläubigen als Denaro di S. Pietro (Peterspfennig) oder Obolo dell’amor figliale (Spende der kindlichen Liebe) dem Heiligen Stuhl zu Füßen legen. Die Päpste bedankten sich mit Orden und Titeln, vom Ordine Piano (Piusorden) bis zum Titel Conte (Graf). Bei seinem Tod wurde er erneut mit Ehren überhäuft. Auf dem Sterbebett tröstete er sich mit einem Kruzifix, das ihm ein Enkel kürzlich aus Rom mitgebracht hatte, persönlich gesegnet vom Heiligen Vater.4 Als routinierter Großveranstalter fasste Acquaderni schon früh das Jahr 1900 ins Auge. Er sah es als Chance, 1900 Jahre Jesus Christus zu feiern und gleichzeitig seinen lebenden augusto Vicario (erhabenen Stellvertreter) in der Person von Papst Leo XIII. ins rechte Licht zu rücken. Doch er hatte nicht mit der Ritenkongregation gerechnet, die seit Langem ihre Kontrolle über Jubeljahre ausübte. Mit einem Brief vom 14. Mai 1895 wies der Präfekt dieser vatikanischen Behörde darauf hin, dass Jahrhundertfeiern eine Neuerfindung seien, die man nicht auf die „Mysterien unserer Heiligen Religion“ anwenden solle. Später wurde er deutlicher: Die Jubeljahre seien stets Zeiten der Buße gewesen und müssten so bleiben, was die centenaristi (Jahrhundertfeieranhänger) in ihrem übergroßen Eifer nicht einsähen. Acquaderni beugte sich wie immer „in absolutem Gehorsam“. Doch er hatte hochgestellte Mitstreiter im Vatikan, und schon bald wurde der Präfekt in eine andere Behörde befördert. Damit war der Weg frei für eine Großveranstaltung, die alle früheren übertraf.5 Strategisches Ziel des auch kirchlich gut abgestützten Vorbereitungskomitees war es, das 20. zu einem Jahrhundert zu machen, das ganz und allein Jesus Christus gehören würde. Eine erste Programmskizze sah einen mehrjährigen Verlauf vor: Sammlung des Obolo dell’amor figliale für Leo XIII.; Pilgerfahrten im Geiste und/oder in Wirklichkeit nach Lourdes, Palästina, Loreto, Rom; geistliche Exerzitien und heilige Missionen; Beleuchtung der Nacht des Über-

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gangs von 1899 zu 1900 in den Städten (mit Elektrizität), auf dem Lande mit Freudenfeuern. Das Komitee forderte Bischöfe und weitere Persönlichkeiten auf, auch eigene Vorschläge einzubringen. Das war der Moment, an dem die Berge ins Spiel kamen. Ein Schreiben aus dem lokalen Vorbereitungskomitee in Rom schlug vor, neunzehn Kreuze für die neunzehn Jahrhunderte auf den wichtigsten Bergen Italiens zu errichten. Später fügte man noch ein zwanzigstes Kreuz auf dem Heimatberg des Papsts hinzu und eröffnete die Möglichkeit, anstatt nur Kreuze auch Statuen aufzustellen.6 Der zahlreichen Konkurrenz zum Trotz schaffte es der Vorschlag, in das Programm des Jubeljahrs aufgenommen zu werden, wozu nicht zuletzt der erwähnte katholische Alpinismus beigetragen haben dürfte. Ein Zirkularschreiben von 1899 unterstrich die Angemessenheit der Idee: „Die hohen Berggipfel, welche die italienischen Regionen überragen, bilden sehr geeignete Orte zur Errichtung einer unvergänglichen Erinnerung an die feierliche Ehrerbietung für den Erlöser.“ Eine Karte Italiens zeigte die ausgewählten Berge vom Monviso und Mombarone im Piemont bis zum Monte San Giuliano in Sizilien.7 Am 23. Dezember 1900 empfing der Papst die prominentesten Komiteemitglieder, welche ihm zwanzig beschriftete Steinblöcke von den ausgewählten Bergen übergaben. Zum Gedächtnis an das Ereignis sollten diese bei der Heiligen Pforte des Petersdoms, die nur in den Jubeljahren geöffnet ist, eingemauert werden. Was mit ihnen in der Folge geschah, scheint nicht aktenkundig zu sein. Von einem Römer habe ich mir sagen lassen, dass die Suche nach den Steinen bislang ergebnislos verlaufen ist; beim Herausschlagen der Mauer in den folgenden Jubeljahren könnten sie weggeworfen, verkauft oder verschenkt worden sein.8

Cristo Redentore und das heilige Buch der Natur

Die feierliche Übergabe der Erinnerungsstücke griff den Kreuzsetzungen vor. Anlässlich der Zeremonie standen nämlich erst zwei der geplanten zwanzig Monumente zur Ehrerbietung des Erlösers und seines Stellvertreters auf den italienischen Bergen. In der Folge gesellten sich weitere hinzu; das letzte kam zehn Jahre nach dem Termin. Vier angekündigte Gipfelkreuze blieben ganz auf der Strecke und wurden nie realisiert.9

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Abb. 9: Karte der zu Ehren von Christus dem Erlöser geplanten Gipfelkreuze in Italien, 1899.

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7. Der Erlöser im italienischen Gebirge

Tatsächlich hing vieles vom Glaubenseifer der Diözesen und Pfarreien ab. Das zentrale Komitee gab nur den Rahmen vor, die Ausführung und Finanzierung erfolgten auf den unteren Ebenen. Zu einem Vorzeigeprojekt entwickelte sich das Denkmal auf dem Mombarone im Piemont. Der Klerus war dafür ebenso eingenommen wie ein beträchtlicher Teil der Gläubigen. Die Geldsammlung ergab stolze 42.000 Lire, nicht zuletzt dank Beiträgen von weiblicher und aristokratischer Seite. Damit ließ sich eine repräsentative Bronzestatue von Jesus mit dem Kreuz realisieren. Dazu hatte offenbar der Papst selbst geraten, als der Bischof in Rom weilte. So könne die Statue den Jahrhunderten widerstehen und auch den Kindeskindern den Glauben ihrer Vorfahren bezeugen. (Zwei Generationen später war sie durch Blitzschlag und Vandalismus schwer beschädigt.) Es entzieht sich meiner Kenntnis, weshalb und in welchem Stadium die Projekte in vier Fällen scheiterten. Dafür kamen, ausgelöst vom Jubeljahr, zahlreiche weitere Gipfelkreuze hinzu, die das Komitee nicht eingeplant hatte. Offensichtlich fühlten sich nicht wenige Leute angesprochen und ermutigt. Entscheidend waren die Gefühlslagen und Möglichkeiten vor Ort.10 Gelegentlich wurde auch die Warnung vor allzu kühnen Unternehmen – eine zentrale Maxime des katholischen Alpinismus – in den Wind geschlagen. Eine spektakuläre Kreuzsetzung fand am 24. September 1902 auf dem Matterhorn statt, dessen Besteigung schon viele Menschenleben gekostet hatte. Der geistliche Anführer der Viererseilschaft gehörte jedoch zur Elite der preti alpinisti und schaffte es nicht nur, mit seinen Leuten das Eisenkreuz nach oben zu hieven und dort zu befestigen. Er zelebrierte auf dem schmalen Gipfelfirst der italienischen Seite auch eine heilige Messe für seine kleine, schwindelfreie Gemeinde. Ein Kreuz auf einem Berg mache, dass man sich christlicher und gläubiger fühle, schrieb er in seinem Bericht. Das Gebet komme direkt aus dem Herzen. Eine Messe in dieser erhabenen Höhe, wo der Priester ganze Völker beherrsche, habe etwas Imposantes und sei dem Göttlichen näher. „Ich weiß nicht, ob man sich Wunderbareres erträumen kann.“11 Papst Leo XIII. dürften diese Gefühle nicht geläufig gewesen sein, schon weil er sehr betagt war. Als Neunzigjähriger verfasste er für das Jubeljahr eine dem Erlöser gewidmete Enzyklika (Tametsi futura prospicientibus). Auch wenn man nicht sorgenfrei in die Zukunft blicken könne, habe es in den

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letzten Jahren durch Gottes Gnade doch einen Funken Hoffnung gegeben – Anzeichen der Glaubensbelebung in einer Zeit des Klassenkampfs und des laizistischen Staats, denen man durch göttliche Vermittlung des Cristo Redentore begegnen könne. Der Papst sprach vieles an, was ihn an dieser Zeitenschwelle bewegte, von der Erbsünde des Menschengeschlechts bis zur unverzichtbaren Rolle der Kirche. Denjenigen, die ein Christentum nach eigenem Geschmack mit milden Vorschriften anstrebten, müsse man das Kreuz vor Augen halten, „Vorbild des Lebens und ewiges Banner aller derjenigen, die dem Herrn mit Taten und nicht nur dem Namen nach folgen wollten“.12 Das Kreuz von Leo XIII. hatte keinen konkreten Ort in der Umwelt. Seine Enzyklika befasste sich ausschließlich mit der Heilsgeschichte. Das „Buch der Natur“, welches Gottes Wirken in der Schönheit und Nützlichkeit der Umwelt offenbarte, schlug der Papst nicht auf. Dies ist ein weiterer Hinweis, dass sich die Frömmigkeitskultur in den Bergen aus anderen Quellen speiste. Es waren vor allem der niedere Klerus in der Peripherie und die naturliebenden Gemeindemitglieder, also die Basis des „katholischen Alpinismus“, welche sie im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert entwickelten und praktizierten. Sie gingen meist nicht so weit zu behaupten, ihre Berge seien heilig.13 Doch in den Augen vieler war Heiligkeit auch eine Qualität, die durch Berührung übertragen wurde. Acquaderni, die graue Eminenz des Jubeljahres, hatte sich dieses Prinzip immer wieder zunutze gemacht. Um seine Katholiken zu einem vermehrten Obolus zugunsten des Papstes anzuspornen, pflegte er das Kirchengerät, das der Heilige Vater im Vorjahr benutzt hatte, im folgenden Jahr unter den aktiven kirchlichen Institutionen zu verlosen.14 So dürften für Gläubige auch die heiligen Kreuze und Statuen auf den Bergen zeitweise eine Ausstrahlung gehabt haben. Das Jubeljahr 1900 war kein internes italienisches Ereignis, es richtete sich an die Gläubigen der „universalen Kirche“. In der Periode des europäischen Hochimperialismus und der beschleunigten Globalisierung fühlte sich die Kirche noch universaler als früher. Tatsächlich entstanden rund um den Erdball zahlreiche Gipfelkreuze und Gipfelstatuen. Das berühmteste Nachfolgeprojekt war der Cristo Redentor auf dem Corcovado über Rio de Janeiro. Vorgeschlagen wurde er 1921 vom katholischen Zirkel der damaligen brasilianischen Hauptstadt. Die kleine baptistische Gemeinde vor Ort

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7. Der Erlöser im italienischen Gebirge

bezeichnete die Idee als Abgötterei, entsprechend ihren reformatorischen Vorfahren, die vor vierhundert Jahren gemahnt hatten, man solle keine Gottesbilder erstellen und verehren. Für die große Mehrheit der Christen war der Einwand auch deshalb obsolet, weil die moderne technische Ausführung des religiösen Denkmals den Nationalstolz der jungen Republik beflügelte. Hergestellt wurde die 30 Meter hohe Art-Déco-Figur von 1922 bis 1931 in Paris. Als die Finanzierung zum Problem wurde, half der Vatikan mit. Bei der Einweihungsfeier schaltete der berühmte Erfinder Guglielmo Marconi die elektrische Beleuchtung des Monuments in Rio de Janeiro via Radiowellen von Italien her ein, auch um daran zu erinnern, „wo das Zentrum der Christenheit liegt“.15

8. Sechs Großväter und andere amerikanische Berge

• Übermenschliche Präsidenten auf Mount Rushmore • Religiöse Freiheit für Indianer? •

Umstrittene Spiritualität in Nationalparks

Die Black Hills, die Schwarzen Hügel oder Berge, sind ein Höhenzug, der sich wie eine Insel 1200 Meter über die Prärielandschaft von South Dakota im Mittleren Westen der USA erhebt. Vom trockenen, oft gelblichen Grasland der Ebene unterscheidet sich das Gebiet durch die dunkle Bewaldung. Der oberste Punkt, lange als Harney Peak bekannt, liegt 2208 Meter über dem Meer und gilt als höchster Gipfel östlich der Rocky Mountains. Im Umland der Black Hills befinden sich weitere auffällige Gesteinsformationen, etwa der fast senkrechte Monolith Devils Tower (Teufelsturm) oder indianisch Mato Tipi-la (Bear Lodge, Bärenhütte). Am 30. Mai 1931 stieg Black Elk, ein Medizinmann der Lakota Sioux, die dieses Gebiet bewohnten, zusammen mit Begleitern auf den Harney Peak. Er war 68 Jahre alt und hatte als Knabe die blutigen Kriege mit der vorrückenden US-Kavallerie erlebt. Oben zog er einige traditionelle Kleidungsstücke an und begann zu den „Sechs Großvätern“ zu beten. Die rechte Hand hielt er zum Gebet in die Höhe, mit der linken bot er ihnen seine mit Bändern und einer Adlerfeder geschmückte Pfeife an. Als sechs Großväter bezeichnete er die spirituellen Kräfte der vier Himmelsrichtungen und der zwei Richtungen hinauf zum Firmament und hinunter zur Erde. Zusammen symbolisierten sie das gesamte Universum. „Meine sechs Großväter, möget Ihr mich anschauen“, begann ein Abschnitt seiner langen Anrufung. „Ihr habt mich zu einem Fürsprecher meines Volkes gemacht und habt meinem Volk seine Lebensweise gegeben. Auf der Seite des Sonnenuntergangs habt Ihr mir eine Pfeife überreicht, so dass ich durch sie mein Opfer darbringen kann.“1 Black Elk (1863–1950) amtete seit vielen Jahren als Katechet der Katholischen Mission und war auch in dieser Funktion als verlässlicher, religiöser Mensch bekannt. Das Gebet auf dem Harney Peak bildete eine Wiederauf-

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führung seiner spirituellen Vision, die er bereits als Knabe in einem Fiebertraum erfahren und die ihn sein Leben lang begleitete hatte. Es fand als letzter Akt eines langen Gesprächs statt, in welchem er seine indianischen Glaubenslehren und Erfahrungen einem amerikanischen Dichter und An­ thropologen eröffnete.2 Black Elks Berichte reflektieren nur eine von mehreren religiösen oder religionsähnlichen Anschauungen, die sich rund um den Höhenzug fassen lassen. Diese Vielfalt macht das Beispiel zur Illustration des amerikanischen Kontexts besonders interessant. Und weil die USA zur führenden Weltmacht des 20. Jahrhunderts aufstiegen, hatten die Bilder und Ideen aus diesem Gebiet eine große, internationale Ausstrahlung.

Übermenschliche Präsidenten auf Mount Rushmore

Six Grandfathers (Tunkasila Sakpe Paha) ist auch der Name eines Bergs in den Black Hills. Vom US Board on Geographic Names, das für die Toponomastik des Landes zuständig ist, wurde er 1980 als Lakota-Bezeichnung für einen Gipfel angeführt, der offiziell den Namen Mount Rushmore trägt. Fünfzig Jahre vorher war nur der letztere Name vom Board erstmals aufgenommen und bewilligt worden. Er bezog sich auf einen Geschäftsmann der Ostküste, der im Gefolge des Goldrauschs in die Black Hills gekommen war und sich oft auch zur Jagd dorthin begab. 1925 hatte er eine namhafte Summe für eine Monumentalskulptur gestiftet, die dem Berg ein neues Antlitz geben sollte und damals in der Planungsphase steckte.3 Zwischen 1927 und 1941 sprengte dann eine vielköpfige Arbeiterschaft mit Dynamit die Gesichter von vier amerikanischen Präsidenten aus dem Granitfelsen, jedes etwa 18 Meter hoch. George Washington, Thomas Jefferson, Abraham Lincoln und Theodore Roosevelt blicken seither erhobenen Hauptes über die Berglandschaft hinweg. Unterstützt wurde das Großprojekt in South Dakota durch private Schenkungen und amerikanische Bundesgelder. Der künstlerische Leiter war Gutzon Borglum, Sohn dänischer Einwanderer. Das Monument entwickelte sich bald zu einem weltweit bekannten touristisch-nationalen Unternehmen, das zuerst Tausende und später Millionen von Besuchenden anzog. Zu Beginn war ein Teil der weißen Siedlerbevölkerung jedoch gegen das Vorhaben. Einige drückten ihre Vorbehalte in quasireligiö-

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ser Sprache aus. „Weshalb sollten wir das Werk der Natur mit kümmerlichem Menschenwerk ergänzen oder eher entweihen?“, schrieb eine Frau einem Initianten. „Wir lieben unsere Black Hills mit einer bei fortschreitender Kenntnis größeren Liebe. Lasst sie uns, wie sie die Natur geschaffen hat, tief, still, majestätisch, natürlich.“ Der Herausgeber einer Lokalzeitung schlug in dieselbe Kerbe. „Gottes Bildhauerkunst“ sei jeder menschlichen Eingebung überlegen.4 Auch die Befürworter fochten mit biblischen Anleihen. Leitthema dieser Seite wurde aber die zivilreligiöse Staatsdoktrin der Vereinigten Staaten. Die Präsidenten symbolisierten die bei vielen Euroamerikanern gängige Überzeugung, dass man sich hier in „Gottes eigenem Land“ befinde und dass die Eroberung und Inbesitznahme des Kontinents durch weiße Einwanderer dessen „offensichtliche Bestimmung“ sei. Obwohl nur große Männer sichtbar waren, wurde Rushmore für sie zu einem „Schrein der Demokratie“.5 Der Bildhauer Gutzon Borglum (1867–1941) war ein lautstarker Vertreter solcher Ideen. Bevor er am Mount Rushmore begann, hatte er im Süden der USA gearbeitet und war ein hohes Mitglied des rassistischen Ku-Klux-Klan-Geheimbundes gewesen. Er liebte große Skulpturen und hatte als Bergsteiger eine Affinität zu Felslandschaften. Für die Nachwelt sollte ein Werk „so nahe am Himmel wie möglich“ geschaffen werden. Niemand habe bisher „diese unwiderstehliche gottgemachte Bewegung“ in den amerikanischen Westen angemessen dargestellt. 6 Im Sommer 1927 verbrachte der amtierende US-Präsident Calvin Coo­lidge Ferien in den Black Hills und beehrte bei dieser Gelegenheit die Feier zum Baubeginn. „Es wird ganz und gar amerikanisch werden, in seiner Leitidee, in seiner Größe, in seiner Bedeutung, insgesamt unseres Landes würdig“, sagte er zum entstehenden Rushmore-Monument. Es sei eine wahrhafte Abbildung des patriotischen Geistes. Wie bei den meisten Feiern vor 1970 nahmen auch Lakota-Indianer im Federschmuck an dieser Zeremonie teil. Obwohl man sie an die Euroamerikaner assimilieren wollte, waren „traditionelle Elemente“ bei solchen Anlässen gefragt. Auch von indianischer Seite scheint es ein Bedürfnis gegeben zu haben, sich öffentlich zu zeigen. Henry Standing Bear (ca. 1874–1953), der die Lakota an der Feier vertrat, hatte zuvor den Präsidenten im Reservat empfangen, das seiner Gruppe zugewiesen worden war. In einer diplomatisch formulierten Rede erinnerte er an die indianischen Kriegsführer des späten 19. Jahrhunderts, die gewaltsam zu Tode gekommen waren oder sich den amerikanischen Waffen hatten beugen müssen.7

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Abb. 10: Monument für den Indianerführer Crazy Horse in den Black Hills, Stand 2020.

Diese Erinnerung zu verewigen, war ihm später ein Anliegen. In den frühen 1930er Jahren entstand die Idee, als „Antwort“ auf die Präsidenten die Gestalt eines indianischen Anführers in die Black Hills zu modellieren. Die Wahl fiel auf Crazy Horse, der 1876 mitgeholfen hatte, das siebte US-Kavallerieregiment bei Little Big Horn zu schlagen. Doch Borglum, Chef auf Mount Rushmore, hatte für das Anliegen kein Gehör. Henry Standing Bear wich daher auf einen anderen Berggipfel aus und erhielt von der US-Forstverwaltung die entsprechende Erlaubnis. 1939 fand er einen bei Borglum angestellten Skulpteur, der sich auf das Wagnis einließ. Im Unterschied zur Großbaustelle Rushmore wurde das Crazy-Horse-Memorial ein selbsttragendes Familienunternehmen. Doch die Pläne waren ehrgeizig: Das Gesicht des Indianers sollte dasjenige der Präsidenten um fast 10 Meter übertreffen; außerdem sollte er auf einem beinahe 200 Meter langen Pferd sitzen. Baubeginn war 1948, fünfzig Jahre später hatte die Familie endlich das Gesicht aus dem Berg gesprengt. Man geht davon aus, dass die Fertigstellung noch Generationen in Anspruch nimmt.8

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Weltweit gibt es keine gewaltigeren mountain carving-Monumente als in den Black Hills. Zusammen sind sie in Stein gehauene Denkmäler einer kolonialistischen Konfrontation. Die personifizierten Berge wurden (und werden) vom Publikum bewundert, aber auch von vielen Seiten kritisiert. Lakota-Mitglieder bemängelten etwa, dass man mit Crazy Horse ausgerechnet den Anführer ausgewählt habe, der sich zeitlebens geweigert habe, von Weißen abgebildet zu werden. Die New York Times bescheinigte den beiden Heldendenkmälern vor einigen Jahren eine seltsame, aus der Zeit gefallene Größe.9 Dies ist einer der vielen Hinweise, dass die kultische Verehrung mit ihren profanen und semireligiösen Komponenten an Intensität verlor. Auch das indianische Monument erschien nun zu stark als Abklatsch des „weißen Amerika“ auf Mount Rushmore. Dies hatte mit einer tektonischen Verschiebung der politisch-kulturellen Machtverhältnisse um 1970 zu tun. Seither stand die Frage der ortsbezogenen indianischen Spiritualität im Vordergrund.

Religiöse Freiheit für Indianer?

In den Black Hills gibt es Felszeichnungen, die laut archäologischer Forschung mehrere Tausend Jahre alt sind.10 Da die Native Americans ohne Schrift auskamen, sind die Informationen zur frühen Geschichte aber spärlich. Man weiß, dass die Lakota, eine Untergruppe der Sioux, im 17. Jahrhundert am Missouri siedelten und später westwärts zur Gegend der Black Hills zogen. Ein Grund dafür war die europäische Einwanderung an der Ostküste, die eine Kettenreaktion von Ost-West-Bewegungen auslöste. Gleichzeitig verbreitete sich vom spanischen Kolonialgebiet im Süden das in die „Neue Welt“ eingeführte Pferd. Es erlaubte die Entwicklung einer neuen Wirtschaftsweise. Seit dem späten 18. Jahrhundert entwickelte sich die berittene Bisonjagd für die Lakota zur Lebensgrundlage. Als von europäischen Händlern noch Gewehre zu den kriegerischen Kleingruppen gelangten und die weiße Besiedlung und US-Armee immer weiter gegen Westen vorrückten, entstand eine Zone mit hohem Gewaltpotenzial.11 Einer der berühmtesten aller gebrochenen Verträge zwischen den Vereinigten Staaten und den indianischen Nationen ist der Fort Laramie Treaty

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von 1868. Er gestand den Sioux ein großes Reservationsgebiet im heutigen South Dakota zu. Doch wenig später wurde ruchbar, dass in den Black Hills Gold zu finden war, worauf Euroamerikaner, sekundiert von Soldaten, in das geschützte Gebiet eindrangen. Bald darauf wurden Teile des Reservats mit den Black Hills offiziell annektiert – ein Akt, der später zu einem langwierigen Gerichtsfall wurde (dazu unten). Neben der Gründung und Auflösung von Reservaten verfolgte die Regierung eine dezidierte Assimilationspolitik, unter anderem indem sie christliche Missionskirchen unterstützte und indianische Rituale verbot. Der Code of Indian Offenses (Kodex der indianischen Vergehen) von 1883 untersagte oder beschränkte religiöse und kulturelle Zeremonien, vor allem den für die Gemeinschaft wichtigen Sonnentanz und die Heilungspraktiken der religiösen Spezialisten, der Medizinmänner. Die Rituale wurden als unchristliche, wenn nicht teuflische Kulte betrachtet. Oft stellte man auch in Abrede, dass die Indianer überhaupt eine Religion besaßen.12 Dies dürfte ein Motiv gewesen sein, dass Indianerführer ihre Rituale nicht ungern in der Öffentlichkeit zeigten. Als 1936 auf Mount Rushmore erneut ein Präsidentenkopf eingeweiht werden sollte und der Besuch des amtierenden US-Präsidenten angekündigt war, baten Black Elk und weitere Lakota, bei dieser Gelegenheit auf dem Gipfel einen eigenen Anlass abhalten zu können. Sie ließen sich mit der Werkbahn in die Höhe hieven und oben betete Black Elk, der genannte katholische Medizinmann, in voller Zeremonialkleidung zu den „Sechs Großvätern“. Er schloss die Weißen in sein Gebet ein und flehte auch um Regen, grünes Gras und reichliche Vorräte.13 Anhand seiner Berichte und vieler anderer Quellen aus dem 19. und 20. Jahrhundert lässt sich die traditionelle Religiosität dieser Bevölkerungsgruppe in Umrissen rekonstruieren. Die Berge spielten darin eine hervorgehobene Rolle. Die jungen Lakota suchten ihre Visionen und Traumbilder, die den Übertritt in den Stand der erwachsenen Männer markierten, zum Beispiel oft in abgelegenen Gipfelregionen. Allerdings scheinen die Berge nur die Orte und nicht die Adressaten der Gebete gewesen zu sein (dies im Unterschied zu einigen anderen indigenen Religionen auf dem amerikanischen Doppelkontinent). Ob man die gesamte Region der Black Hills als heilig bezeichnen konnte, ist ungewiss. Sicher gab es darin aber bestimmte Orte, die einen sakralen Charakter hatten.14

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In den 1960er Jahren setzte in den USA eine fundamentale Gesellschaftsund Zivilisationskritik ein; auf indianischem Gebiet formierte sich die RedPower-Bewegung. Dadurch veränderte sich das kulturelle Machtgefälle zwischen den Religionen. Während das Christentum in die Defensive und unter Anpassungsdruck geriet, wurde die indianische Spiritualität jetzt offensiv propagiert. 1970 und 1971 besetzten Aktivisten des American Indian Movement die Rushmore-Gedenkstätte. Anders als früher fragten sie niemanden um Erlaubnis. Auf dem Berggipfel führten sie nicht nur indianische Rituale durch. Ein Anführer rief mit laut schallender Stimme die christlichen Zehn Gebote zum Publikum hinunter und fügte als elftes Gebot hinzu: „Thou shalt honor thy treaties“ („Du sollst deine Verträge halten“).15 Angetrieben von dieser politisch-kulturellen Kritik, verabschiedete der US-Kongress 1978 den American Indian Religious Freedom Act, mit dem die freie Religionsausübung für die indianische Bevölkerung ausdrücklich garantiert wurde. Für die Euroamerikaner war dieses Recht seit Langem im ersten Verfassungszusatz gesichert, während die American Indians, wie gesagt, bisher durch Ritualverbote eingeschränkt waren. Das bedeutete eine Trendumkehr. Da die ortsgebundenen Formen der Spiritualität aber oft mit Landrechten zusammenhingen, geriet das Thema in die kompetitive amerikanische Justiz. Es waren jetzt Gerichte, die in kostspieligen Prozessen darüber entschieden, ob eine religiöse Praktik „wirklich religiös“ war und was dies für die Landnutzung bedeutete. Dabei stellte sich heraus, dass sich der Kongressbeschluss oft nicht durchsetzen ließ.16 Einer der längsten Fälle der amerikanischen Justizgeschichte – er dauerte mehr als ein halbes Jahrhundert – ging jedoch zugunsten der Indianer aus, zumindest partiell. 1980 befand der Supreme Court, dass die Annexion der Black Hills durch die Regierung den Fort-Laramie-Vertrag von 1868 verletzt hatte und entschädigungspflichtig gewesen wäre. Das Gericht sprach den Lakota und weiteren Gruppen der Sioux nachträglich über 100 Millionen US-Dollars zu (geschätzter Kaufwert plus Verzinsung). Doch die Indianer beschlossen, dass sie das Land zurückhaben und nicht verkaufen wollten. So entstand eine Pattsituation. Die Summe blieb im US-Finanzministerium liegen und beläuft sich gegenwärtig auf weit über 1 Milliarde US-Dollar. Solange das Geld nicht abgehoben wird, ist der Anspruch auf Land nicht aufgegeben, so dass die Black Hills eine Art Heiligkeit behalten.17

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Umstrittene Spiritualität in Nationalparks

Neben Reservaten für die indigene Bevölkerung errichteten die Vereinigten Staaten seit dem späten 19. Jahrhundert Reservate für den touristischen Naturgenuss und später auch für den eigentlichen Naturschutz. Anders als die erstgenannte Landkategorie nahmen die letzteren im 20. Jahrhundert stark an Umfang zu. Zur Verwaltung dieser ausgeschiedenen Gebiete entstand ein landesweiter National Park Service. Globalhistorisch ist das Nationalparksystem von erheblicher Bedeutung, weil es besonders nach dem Zweiten Weltkrieg in viele Länder ausstrahlte. In der Gegend der Black Hills rief die Zentralregierung 1906 das Devils Tower National Monument ins Leben, und nach einer Reihe weiterer Gründungen richtete man 1980 im Black Hills Forest eine Wilderness Area ein, benannt nach dem spirituellen Vorbild Black Elk.18 Gemäß Forschung lagen der frühen Nationalparkbewegung auch quasireligiöse Motive zugrunde. Illustriert werden sie meist am „Gründervater“ John Muir (1838–1914), einem schottisch-amerikanischen Naturforscher, vielbeachteten Autor und erfolgreichen Umweltschützer. Muir löste sich in seinem bewegten Leben von einem streng calvinistischen Hintergrund und entwickelte eine pantheistische Naturphilosophie, die aber mit Blick auf die weiße Leserschaft oft in christliche Sprache gekleidet blieb. Die wilderness, in den englischen Bibeln der Ort der Versuchung – das Äquivalent zur Wüste der Luther-Bibel –, wurde damit zu einem Ort der Verheißung. Spezielle Beachtung fanden bei Muir die Berge, seinen Einsatz als Naturschützer bezeichnete er bei Gelegenheit als „Kampf des Herrn“ gegen die „Fürsten der Finsternis“, die den „Gott der Berge“ herausforderten.19 Die erneuerte und erweiterte ökologische Bewegung, die seit den 1960er Jahren Teil der allgemeinen Gesellschafts- und Zivilisationskritik wurde, berief sich oft auf frühe Naturschützer wie John Muir. Daneben nahm sie Anregungen von buddhistischen und weiteren religiösen Strömungen auf.20 Besonders wichtig wurde jetzt die Annäherung an die indigene Spiritualität (die der Generation von Muir fremd geblieben war).21 Es war die Zeit, als Indianer in der politisierten Öffentlichkeit zum ökologischen Modell aufstiegen. Die anthropozentrische Haltung des Christentums wurde für die gravierenden Umweltprobleme mitverantwortlich gemacht und mit dem Naturbezug der Native Americans konfrontiert. Als Folge dieser neuen

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Verbindung lancierten die Nationalparkbehörden spezielle Programme, in denen sie religiöse Motive zur Umwelterziehung einsetzten wie im Sacred Mountains Program von 1998 (vgl. Kapitel 2).22 Einzelne Parks erließen auch religiös motivierte Nutzungsbeschränkungen, die ein erhebliches Konfliktpotenzial bargen. Beim erwähnten Devils Tower National Monument, nordwestlich der Black Hills, kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen der Gruppe der Felskletterer und den indianischen Gemeinschaften, hier vor allem den Cheyenne. Diese nutzten den Ort für Sonnentanzzeremonien, Gebetsopfer und andere Rituale, nicht aber zum Klettern. Bei der climber-Gruppe ist der spektakuläre, fast senkrecht aufragende Felsenzahn von 265 Meter Höhe dagegen sehr beliebt. Der Sport wird auch von professionellen Bergführern begleitet. Schon auf der Zufahrtsstraße müssen die Sportler aber Hinweistafeln zur Kenntnis nehmen: „Der Turm ist für American Indians heilig – bitte den Pfad nicht verlassen.“23 In den 1990er Jahren nahmen die indianischen Klagen über diese Freizeitbeschäftigung zu. Unter dem Druck von Cheyenne-Vertretern erließ der National Park Service 1995 einen als Kompromiss gedachten Managementplan: freiwilliger Kletterverzicht im Juni, zur Hauptperiode der religiös-zeremoniellen Nutzung, begleitet von einer Aufklärungskampagne über die spirituelle Bedeutung des Orts; Unterbrechung der Bergführerlizenzen für diesen Monat; keine weiteren Kletterhaken; Verbot für Kletterrouten, welche die nistenden Falken stören können. Im ersten Jahr des Kompromisses schienen die meisten auf beiden Seiten einigermaßen zufrieden gewesen zu sein. Doch mehrere Bergführer bildeten darauf eine Vereinigung und reichten Klage auf unbeschränkten Zugang gegen den National Park Service ein. Unterstützt wurden sie von der mächtigen Mountain States Legal Foundation, die seit den 1970er Jahren als Antiumweltschutzorganisation hervortritt und indianische Rechte konsequent bestreitet, selbst in einem Fall, in welchem das Oberste Gericht die Unrechtmäßigkeit der US-Landannexion bestätigt hat wie hier.24 Der Kletterkonflikt wurde auch zu einem Namenskonflikt. Die indianischen Vertreter empfanden die registrierte Bezeichnung „Teufelsturm“ für ihren religiösen Ort als Beleidigung und wollten ihm jetzt offiziell den indianischen Namen Mato Tipi-la (Bear Lodge, Bärenhütte) geben, der mit

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8. Sechs Großväter und andere amerikanische Berge

einer mythischen Entstehungsgeschichte des Monoliths verbunden ist. Doch in einer Abstimmung von 1996 beharrte die Vierhundert-Seelen-Gemeinde, zu welcher der Berg gehört, auf dem „weißen“ Namen.25 Erfolgreicher verlief die Kampagne der Indianer zur Umwidmung des hohen Harney Peak in den Black Hills, benannt nach einem US-General, der im 19. Jahrhundert Feldzüge gegen ihre Vorfahren kommandiert hatte, von denen einer zu einem Massaker geführt hatte. Nach eingehender Debatte beschloss das US Board on Geographic Names 2016, den Gipfel neu Black Elk Peak zu nennen. Ein Jahr später eröffnete die römisch-katholische Diözese der Region sogar ein Gesuch zur Heiligsprechung des Medizinmanns. Seine postume Karriere scheint also nicht zu Ende zu sein. Laut Biografie war er imstande, den Lakota-Glauben auf geradezu wundersame Weise mit dem christlichen zu verbinden. Sollte das Gesuch in Rom vor die zuständige Kongregation und schließlich vor den Papst kommen – ich wäre gespannt auf die Urteile dieser Würdenträger wie auch der amerikanischen Bevölkerung, ungeachtet ihrer Herkunft.26

9. Vulkane am Ostafrikanischen Grabenbruch

• Spurensuche auf dem Kilimandscharo • Ein Gottesberg vom Hörensagen

Der Ostafrikanische Graben erstreckt sich ausgehend von Dschibuti über Tausende von Kilometern durch den großen Kontinent bis nach Mosambik. Der Graben entstand durch das Auseinanderdriften von zwei Erdplatten und erweitert sich weiterhin um einige Millimeter pro Jahr. Verbunden mit dieser Bruchstelle ist eine hohe vulkanische Tätigkeit. Im Umfeld des Grabens gibt es viele erloschene, schlafende oder aktive Vulkane. Der berühmteste von ihnen ist der Kilimandscharo an der Nordgrenze von Tansania, mit 5895 Metern der höchste Berg Afrikas. Wer einmal von Norden oder Süden kommend seine aus der Ebene emporragende ebenmäßige Gestalt gesehen hat, wird das Bild nicht mehr vergessen. Als erster Europäer berichtete der deutsche evangelische Missionar Johannes Rebmann von einem solchen Erlebnis. Seine Karawane näherte sich dem Gebirge von der Meeresküste her und kam am 11. Mai 1848 in Sichtweite. „Wir sahen diesen Morgen die Berge von Dschagga immer deutlicher, bis ich gegen 10 Uhr den Gipfel von einem derselben, mit einer auffallend weißen Wolke bedeckt, zu sehen glaubte.“ Der weiße Flecken entpuppte sich als Schnee, was viele Geografen in dieser Nähe zum Äquator für unmöglich gehalten hatten. Im Lande selber hörte man Geschichten, dass es sich um Silber handle und um einen unzugänglichen, von bösen Geistern bewohnten Berg, eine Meinung, die der Missionar schnell mit der „Unwissenheit der Eingeborenen“ erklärte. Er selber nahm „im Angesicht des herrlichen Schneebergs“ seine Bibel zur Hand und las den Psalm 111: „Groß sind die Werke des HERRN; wer ihrer achtet, der hat eitel Lust daran.“ Besonders berührt war Rebmann von der sechsten Strophe: „Er lässt verkündigen seine gewaltigen Taten seinem Volk, dass er ihnen gebe das Erbe der Heiden.“ Was er in dieser nichtchristlichen Umgebung leise geahnt habe, habe der Vers kräftig und klar ausgedrückt.1

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9. Vulkane am Ostafrikanischen Grabenbruch

Die Szene ist bezeichnend für die Problematik dieses Kapitels. Es bleibt nämlich unklar, wer genau welche religiösen Vorstellungen von den Vulkanen der Region hatte. Die Ansichten der schriftlosen Lokalbevölkerung kennen wir zunächst nur im Spiegel von Berichten christlicher Missionare und anderer Europäer. Diese asymmetrische Ausgangslage ist anfällig für Fremdzuschreibungen. Einige Ausländer brachten einen intensiven „Bergglauben“ mit und waren möglicherweise bestrebt, auch die Leute vor Ort mit einem solchen auszustatten. Wer mehrheitlich negative Forschungsergebnisse bedeutungslos findet, sollte dieses Kapitel also besser überspringen. Für die allgemeine Geschichte von heiligen Bergen sind solche Ergebnisse aber meines Erachtens von erheblichem Interesse, weil sie uns vor leichtfertigen Heiligsprechungen warnen.

Spurensuche auf dem Kilimandscharo

In der Gegend des Kilimandscharo ging die koloniale Übermächtigung während des „Wettlaufs um Afrika“ von Deutschland aus. Zwischen 1885 und dem Ersten Weltkrieg war sie ein Teil von Deutsch-Ostafrika. In der Folge wurde das „Schutzgebiet“ von den Briten als Tanganyika Territory übernommen.2 Unsere erste Gewährsperson ist Charles Dundas, ein britischer Kolonialbeamter, der 1924 ein umfangreiches Buch über den Kiliman­dscharo und seine Bewohner publizierte. Schon in den ersten Zeilen ließ er seiner Begeisterung freien Lauf. Wer im Schatten einer der herrlichsten Massive dieser Erde lebe, spüre eine geistige Anziehung ähnlich der magnetischen Wirkung von großen auf kleine Körper. Seine Begeisterung war auch diejenige eines wissenschaftlich interessierten europäischen Bergsteigers. Er selbst brachte es nicht ganz auf den Gipfel, doch er würdigte diejenigen, die es versucht und geschafft hatten (erste dokumentierte Besteigung durch Hans Meyer und Ludwig Purtscheller 1889). Und er widmete sich der Erforschung des gesamten Berggebiets, das von den Chagga oder Dschagga bis auf eine Meereshöhe von etwa 2000 Metern besiedelt wurde. Dieser Lokalbevölkerung stellte er ein Zeugnis aus, das seiner eigenen Einstellung entsprach. Der Kilimandscharo sei für sie „die Verkörperung von allem, was schön, ewig und kräftigend ist“. Als schlechtes Omen gelte

Spurensuche auf dem Kilimandscharo

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nur eine ungewöhnlich intensive Abendröte. Sie weise auf eine kommende Hungersnot hin.3 Hatte diese „Verkörperung“ eine religiöse Dimension? Dundas gibt wenig Anhaltspunkte dafür. Die Chagga nannten ihren Gott Ruwa, was auch Sonne hieß. Ob der Gott identisch mit der Sonne oder die Sonne der Wohnort des Gottes sei, dabei halte man sich nicht auf (jedenfalls war es kein Berg). Ruwa nehme wenig Anteil am Leben der Menschen. Er stehe aber über allen anderen Kräften und sei der letzte Richter über das Schicksal.4 Laut Dundas waren die Einheimischen in Bezug auf Informationen zu ihren religiösen Praktiken sehr zurückhaltend. Um mehr in Erfahrung zu bringen, hatte er eine lokale Hilfskraft angeheuert. Der Berg kam in gebräuchlichen Redewendungen und einigen Erzählungen vor. Er diente auch als Landmarke, die bei bestimmten Anlässen eine rituelle Richtung vorgab. Tote wurden zum Beispiel mit bergwärts gerichtetem Gesicht begraben. Doch es gab keine speziellen religiösen Anlässe, die sich an den Kibo wandten, wie der Berg bei den Chagga heißt (allgemein ist es der Name für den höchsten Vulkankegel).5 Zwei Generationen später nahm Edwin Bernbaum in Kalifornien den Faden von Dundas wieder auf. Der Religionswissenschaftler und Alpinist, von dem wir in Kapitel 2 berichtet haben, hielt 1990 ausdrücklich fest, dass der Kilimandscharo ein heiliger Berg sei oder es zumindest in der Vergangenheit gewesen sei. Der höchste, berühmteste Berg Afrikas bestätigte somit seine Ausgangsthese von der allgemeinen Heiligkeit der Berge. Doch Bernbaum konnte nicht mehr Belege dafür beibringen als Dundas. Mit dessen Hinweis auf die erwähnte rituelle Richtung gegen den Gipfel überraschte er einen Studenten, der im Chagga-Gebiet in christlichen Schulen erzogen worden war und in den 1980er Jahren in Berkeley studierte. Der Amerikaner erklärte dem Afrikaner ausführlich, dass es damit eine tiefere Bewandtnis gehabt habe. Offenbar ließ sich dieser überzeugen, dass die „scheinbar unwichtigen Dinge im modernen Leben der Chagga“, über die er nie nachgedacht hatte, von alten Glaubenspraktiken rund um den heiligen Berg stammten.6 Die Literatur zum Kilimandscharo und zu Tansania sprechen gegen diese religionsbeladene Interpretation. In einer eingehenden Studie über die Chagga-Geschichte von 1964 wird darauf hingewiesen, dass der Kibo für die Bevölkerung an seinem Fuß eine identitätsstiftende Rolle spiele. Mit Magie

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9. Vulkane am Ostafrikanischen Grabenbruch

oder Hexerei habe der Berg nichts zu tun, und die bösen Geister, von denen der Missionar Rebmann berichtete, seien eine Erfindung der Leute an der Küste gewesen. Vor Ort habe man nicht an sie geglaubt. Für religiöse Praktiken sei nicht der Berg von Bedeutung, sondern die im Landwirtschaftsgebiet verstreuten, meist in Baumgruppen gelegenen Schreine.7 In die gleiche Richtung weisen der Vorbericht und der Beschluss der UNESCO, die den 1973 gegründeten Kilimandscharo-Nationalpark 1987 in die Liste des Welterbes aufnahm. Lokale religiöse Vorstellungen wurden von der Organisation in der Regel respektiert und als Kriterium benutzt. Den Kilimandscharo würdigte man aber nur aufgrund von Umweltgegebenheiten: weil der Berg ein außerordentliches Beispiel für Naturphänomene und von spezieller Schönheit sei („superlative natural phenomena“, „exceptional natural beauty“).8 Damals arbeitete der Historiker John Iliffe an seiner klassisch gewordenen Geschichte von Tansania für die Periode von ungefähr 1800 bis zur Loslösung von Großbritannien 1961. Sie enthält ausführliche Kapitel zur traditionellen Religiosität der verschiedenen Bevölkerungsgruppen und zu ihrem Wandel. Prominente heilige Berge und einschlägige Praktiken kommen darin nicht vor, wohl aber eine bunte Vielfalt von „Naturgeistern“ (nature spirits). Weit verbreitet waren in diesem mehrheitlich trockenen Land magischreligiöse Rituale zum Herbeirufen von Regen. An erster Stelle nennt Iliffe aber ein Phänomen, das auch die christlichen Missionare mit ihrem monotheistischen Weltbild oft beschäftigte: Die meisten Bevölkerungsgruppen in diesem ostafrikanischen Land kannten nämlich je eine einzige, höchste Gottheit, die in verschiedenen Formen auftrat und über die niedrigeren Geister herrschte.9 Wie wir aus anderen Quellen wissen, konnte diese oberste Gottheit an einzelnen Orten ihren Wohnsitz auch auf einem Vulkan aufschlagen. Bekannt geworden ist ein knapp 3000 Meter hoher aktiver Vulkan westlich des Kilimandscharo. Die Massai, die das Gebiet bewohnen, nennen ihn Ol Doinyo Lengai, „Berg Gottes“.

Ein Gottesberg vom Hörensagen

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Ein Gottesberg vom Hörensagen

Die Massai betrieben eine seminomadische Form von Viehhaltung in den weiten Steppen Ostafrikas und waren wegen ihres kriegerischen Auftretens und ihrer Raubzüge gefürchtet. Friedliche Kontakte mit den Massai beschränkten sich in der Regel auf den Karawanenhandel zwischen der Küste und dem Landesinnern, bei dem Elfenbein und Sklaven gegen Baumwolltuche, Schmuckstücke und Feuerwaffen gehandelt wurden. Ein früher Bericht über die Massai stammt von Rebmanns Partner, dem deutschen Missionar Johann Ludwig Krapf. Krapf war ein leidenschaftlicher Sprachforscher. Wenige Wochen, nachdem er 1844 an der ostafrikanischen Küste angekommen war und einen Suaheli-Lehrer angestellt hatte, begann er bereits mit der Übersetzung der Bibel in diese regionale Verkehrssprache. Die Probleme bei der Übertragung religiöser Inhalte führte er auf Mangelerscheinungen zurück, nicht auf den Kontext, wie man das heute tun würde: „Die Sprachen barbarischer Völker sind gewöhnlich so arm, dass es im Anfang schwer ist, einen adäquaten Ausdruck für die geistigen Begriffe der Bibel zu finden, z. B. für Rechtfertigung, Wiedergeburt, Heiland, Heiligkeit u. s. w.“10 In den 1850er Jahren engagierte Krapf einen Mann aus der Gruppe der Wakuasi (Verwandte oder Angehörige der Massai), der als Sklave an die Küste verkauft worden war. Von ihm wollte er die Sprache der Hunderte von Kilometern entfernten Hirtenbevölkerung erlernen. Aus seinen Erzählungen schloss Krapf, dass die Wakuasi und Massai „eine schwache Idee von einem höchsten Wesen zu haben [scheinen], das sie Engai nennen, was zunächst ‚Regen, Himmel‘ bezeichnet. Dieses höchste Wesen wohnt auf dem weißen Berg, woher das Wasser oder der Regen kommt, der für ihre Wiesen und Kuhherden unentbehrlich ist.“ Die Rede war auch von Bittwallfahrten, welche die Hirten zum Berg veranstalteten, und von Gebeten, die sie an den Gott richteten: „Himmel (Gott), ich bitte dich, das Land mit Gras bekleiden zu lassen.“ So spreche und singe man in einem bewegten Gebetstanz.11 Wo sich dieses Geschehen zutrug, bleibt allerdings unklar. Die variierenden Ortsangaben können mit mehreren Bergen identifiziert werden – der Ol Doinyo Lengai, der im späteren Schrifttum auftauchende Gottesberg der Massai, gehört nicht dazu. 25 Jahre nach Krapf wagte sich der deutsche Arzt und Afrikaforscher Gustav Adolf Fischer persönlich ins Massai-Gebiet. Im Auftrag der Ham-

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9. Vulkane am Ostafrikanischen Grabenbruch

burger Geographischen Gesellschaft stellte er eine 230 Mann starke Karawane zusammen. Um nicht als Europäer zu erscheinen, gab er den Leuten an der Spitze eine landesübliche islamische Fahne mit Koransprüchen. Anfang 1883 brach die Kolonne an der Küste auf, sechs Monate später zog sie am Fuß des Ol Doinyo Lengai vorüber, ohne ihm viel Aufmerksamkeit zu schenken. Laut Fischer trat Religion bei den Massai wenig in Erscheinung. Ritualgegenstände gebe es keine. Nur der Ausdruck Ngai scheine mit religiösen Vorstellungen verknüpft zu sein. Vor einem Krieg bitte man dieses Wesen offenbar um Glück, und das Wort habe er oft genug gehört. „Wenn es donnerte, riefen sie ‚Ngai‘, den Vulkan nennen sie Dönyo Ngai, wenn ich Racketen steigen ließ, schrieen sie ngai, ngai und viele sagten, als sie mich zuerst erblickten: ngai, besonders immer, wenn ich Streichhölzer anzündete. Wenn man will kann man ja dieses Wort mit ‚Gott‘ übersetzen. Jedenfalls ist das Wort ein Ausdruk für Dinge, die ihnen unerklärlich sind, und ihnen eine übernatürliche Kraft zu sein scheinen.“12 1917 brach der Vulkan Ol Doinyo Lengai mehrmals aus. Die Nachricht fand schon aus politischen Gründen wenig Beachtung. Der Weltkrieg wurde damals auch in Ostafrika ausgetragen. Kurz nachher bestieg der britische Naturforscher, Großwildjäger und Buchautor Thomas Alexander Barns auf einer Kongoexpedition nebenbei auch diesen Vulkan. (Sein eigentliches Ziel war eine bisher nicht eingefangene Art von Schmetterlingen im Kongo.) Laut seinem Bericht betrachteten die Massai den Berg als heilig und als Quelle aller Segnungen ihres Volkes. Das Rumoren vor dem Ausbruch interpretierten sie als Brüllen von Rindvieh, das bald herauskommen und ihren Wohlstand mehren werde. Nach der Eruption sperrten sie das Gebiet ab, nur Massai durften es noch betreten. Sie führten Ziegen und Kühe herbei, und Frauen schütteten am Fuß des Berges Blut und Milch des Viehs aus. Diese beiden Flüssigkeiten hatten einen hohen Stellenwert in der Ernährungsweise der Massai. Die Mütter sollten dem Berggott auch ein Opfer aus ihren eigenen Brüsten spenden. In der Annahme, dass sie dort schwanger würden, ließ man sie eine Weile dort. Die Massai lehnten es ab, den Engländer auf den Vulkan zu führen, was er ihrer „abergläubischen Furcht vor dem Berggott“ zuschrieb. Den Aufstieg musste er mit mitgebrachten Trägern selber unter die Füße nehmen.13 Auch Barns kannte die Opferrituale am Ol Doinyo Lengai nur vom Hörensagen, gesehen hatte er sie nicht. Immerhin weist sein Bericht einen ge-

Ein Gottesberg vom Hörensagen

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wissen Detaillierungsgrad auf. Es ist aber anzunehmen, dass es sich um einen Berg von regionaler Bedeutung handelte, der nur Teile der Massai ansprach. In der allgemeinen Literatur zu dieser berühmten, fast bis in die Gegenwart traditionalistisch auftretenden Bevölkerungsgruppe sucht man den Berg jedenfalls vergeblich.14 Außerdem können wir vermuten, dass die religiöse Geschichte des Ol Doinyo Lengai nicht vor 1800 einsetzte und nachher verschiedenen Wandlungen unterlag. Die Massai wanderten erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts in diese Gegend ein. In der Folge dehnte sich ihr Siedlungsraum weiter aus, bevor sie gegen 1890 – nicht zuletzt wegen der deutschen Machtergreifung – in eine Krise gerieten. Unter der britischen Kolonialverwaltung wurden ihnen spezielle Gebiete zugewiesen. Gleichzeitig entstanden im 20. Jahrhundert riesige Wildtierreservate. Heute befindet sich der Gottesberg im Wildkontrollgebiet Loliondo, das an den berühmten Ngornongoro-Krater anschließt. Infolge strenger Auflagen können die Hirten ihre Herden nur beschränkt vor Raubtieren schützen. 1992 erwarb sich eine Luxussafarigesellschaft aus Dubai mit einem Millionenbetrag das Recht, hier auf Trophäenjagd zu gehen.15 Während der Kilimandscharo in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen gewaltigen Ansturm von Bergsteigern und Touristen erlebte, ist es auf dem Ol Doinyo Lengai vergleichsweise ruhig geblieben. Verschiedene Trekkingfirmen bewerben den Gottesberg, einige betonen nur seine attraktive äußere Gestalt, andere verweisen auch auf seine religiöse Bedeutung. Im Rahmen der deutschen Fernsehserie Wohnungen der Götter stand Reinhold Messner im Oktober 1997 auf dem Vulkan. Wie seine Vorgänger konnte er die Heiligkeit des Orts bloß vom Hörensagen wiedergeben und erläutern. Eine Quelle waren die Massai-Guides, welche bergtüchtige Touristen (anders als früher) auf den Berg begleiteten und die überlieferten Geschichten in neuen Varianten anboten. Auf Messner machten sie nicht den Eindruck, dass sie sich vor einem höheren Wesen fürchteten.16 Allgemein dürfte die Götterwelt auch auf diesem ostafrikanischen Berg nicht allzu schwer gelastet haben – kaum zu vergleichen mit den rituell-religiösen Verhältnissen, die wir am Anfang dieses Buches in Asien angetroffen haben (Kapitel 1–5). An nature spirits bestand in Tansania gemäß John Iliffe kein Mangel, doch sie scheinen weniger bergbegeistert gewesen zu sein als die europäischen Alpinisten.17

10. Ein Inselberg in der Wüste Australiens

• „Steinzeit“ und „Traumzeit“ • Von Ayers Rock zu Uluru • Die Verwaltung des Heiligen

Der Uluru oder Ayers Rock ist ein Inselberg in der zentralaustralischen Wüste, südwestlich von Alice Springs. Als Inselberge gelten Gesteinsformationen, die sich unvermittelt aus einer ebenen Landschaft erheben und dadurch gut sichtbar sind und oft besondere Aufmerksamkeit erwecken. Der Uluru ragt knapp 350 Meter über die Wüste hinaus. Mit seinem rötlichen Sandstein, der im Laufe des Tages verschiedene Farben annimmt, ist er trotz extremer Abgelegenheit seit einiger Zeit zu einer weltweit bekannten touristischen Sehenswürdigkeit geworden, die auch den Vergleich mit hohen, sehr berühmten Bergen keineswegs zu scheuen braucht. Am 26. Oktober 1985 versammelten sich über dreitausend Personen an diesem Ort, um den Uluru mit einer großen Feier an die indigene Bevölkerung, die Anangu-Aborigines jener Gegend, „zurückzugeben“. Viele waren Hunderte oder Tausende von Kilometern hergereist, um den wieder ins Recht eingesetzten „traditionellen Eigentümern“ die Ehre zu erweisen. Andere hatten schon seit Tagen die lokale Gruppe mit brieflichen Glückwünschen überhäuft. Allen war klar, dass es sich beim Gegenstand des Transfers um ein Heiligtum handelte. 10 Minuten lang wurde die Feier von einem Kleinflugzeug gestört, das über der Versammlung kreiste mit einem angehängten Banner und der Aufschrift „Ayers Rock for all Australians“. Die Aufschrift erinnerte an die Kontroverse, die in den vorangegangenen Monaten das ganze Land aufgewühlt hatte. In ihrem Verlauf behaupteten einige Weiße, der Ayers Rock sei entweder gar nicht heilig, oder umgekehrt: Er sei für alle, also auch für die Weißen, „mystisch“ und dürfe nicht aus der Hand gegeben werden. An diesem Tag fühlten sich die schwarzen Aborigines als Sieger. Ihre extra für den Anlass geschriebene Hymne begann mit den Worten: „Wir sind der Besitzer vieler Geschichten! Behüte das große Land für immer.“1

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10. Ein Inselberg in der Wüste Australiens

Was es mit dem Besitz vieler Geschichten auf sich hatte, und wie sich dieser in den letzten 100 oder 150 Jahren veränderte, soll hier zur Sprache kommen. Aufgrund der Quellenlage in dieser schriftlosen Kultur ist es schwierig, weit zurückzugehen. Wir sind an einem Ort angelangt, der seit Zehntausenden von Jahren besiedelt war und dann von einem äußerst ungleichen Kolonialismus geprägt wurde. Als die Briten – später auch andere Nationen – seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert ins Land strömten, sahen viele in der verstreut lebenden alteinheimischen Bevölkerung nicht Mitmenschen, sondern Repräsentanten einer Steinzeit, also gewissermaßen eines anderen Universums.

„Steinzeit“ und „Traumzeit“

„Mit nicht geringer Erleichterung und Freude“ erblickte Baldwin Spencer nach mühevoller Reise durch die aride Landschaft 1894 den Inselberg. „Ayers Rock ist wahrscheinlich eines der bemerkenswertesten Objekte im Zentrum Australiens“, schrieb er in seinen Bericht. Der britische Biologe, damals Professor in Melbourne, beteiligte sich an einer Expedition zur Erforschung dieser der weißen Einwanderergesellschaft fast unbekannten Gegend. Mit viel Aufwand hatte er eine Fotoausrüstung mitgebracht. Am folgenden Tag wurde der große Felsen zum ersten Mal überhaupt abgelichtet. Das dringendste Problem für die Expedition war das Wasser. Ein früherer Besucher hatte geschrieben, es gebe hier permanente Wasserstellen. Spencers Leute fanden die Behauptung übertrieben. In einer trockenen Jahreszeit solle man sich besser nicht darauf verlassen. Am Abend kletterten sie ein Stück weit die Felswände hinauf. Der Berg war bisher erst ein einziges Mal, 1873, von einem Weißen erstiegen worden, der ihn bei dieser Gelegenheit nach dem Politiker Henry Ayers benannt hatte. Als Spencer auf die Landschaft hinunterblickte, erschien ihm die „trostlose“ Gegend durch die warmen Farben der Abendröte aufgeheitert – eine typisch australische Wüste. „Wie um das Bild zu vervollständigen, sahen wir eine Familie von einheimischen Sandhügel-Schwarzen, die um den Bergfuß herumkamen und sich unserem Camp näherten.“2

„Steinzeit“ und „Traumzeit“

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Abb. 11: Der Uluru oder Ayers Rock in Zentralaustralien auf der ersten Fotoaufnahme, 1894.

Die Familie bestand aus einem Mann, zwei Frauen und mehreren Jugendlichen und Kindern. Es waren offenbar die einzigen Menschen, die sich dort aufhielten. Sie ließen sich in der Nähe des Camps nieder, und Spencer und sein Übersetzer verbrachten den Abend mit der Befragung des Mannes, „unseres neu gewonnenen Freundes, der Lungkartitukukana hieß“. Laut Spencer gehörte die Familie zu den „niedrigsten der australischen Aborigines“. Sie seien ganz nackt und ihre Waffen und Geräte von allereinfachster Art, fast ohne Verzierungen. Die Steingeräte habe man nur zugehauen und nicht abgeschliffen und geglättet.3 Es ist offensichtlich, dass der Forscher vom „echt wilden Zustand“ dieser Menschen fasziniert war. Als die Expedition nach ungefähr 350 Kilometern Alice Springs erreichte, traf er noch einen Seelenverwandten. Francis James Gillen hatte als Mitarbeiter der Telegrafenverstärkerstation zwei Jahrzehnte in dieser einsamen Gegend verbracht und sich dabei der Erforschung der semimobilen Aborigines-Gruppen zugewandt, die sich vom Sammeln und Jagen ernährten. Zusammen organisierten Spencer und Gillen in den kommenden Jahren eine weitere Expedition und publizierten 1899 das Werk Native Tribes of Central Australia.4 Das Werk erregte in der westlichen Anthropologie sofort Aufsehen. Nicht wenige gebrauchten diese Botschaft aus der „Steinzeit“ jetzt für eigene Zwe-

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10. Ein Inselberg in der Wüste Australiens

cke.5 Den spektakulärsten Auftritt hatten die Native Tribes beim französischen Gelehrten Émile Durkheim, einem Mitbegründer der Soziologie. Sein Buch von 1912, Les formes élémentaires de la vie religieuse (Die elementaren Formen des religiösen Lebens), baute vor allem auf den Forschungen von Spencer und Gillen auf. Das Buch wollte nicht nur eine Analyse ihrer Ethnografie liefern, sondern darüber hinaus eine Analyse der Religion überhaupt, die man hier in ihrer Urform oder ihrem Wesen fassen könne.6 Durkheims Abhandlung übte einen nachhaltigen Einfluss auf die Wissenschaft aus, stieß aber auch schnell auf Skepsis und Ablehnung. Ein kenntnisreicher Kritiker (und gläubiger Katholik) bezeichnete sie als „abenteurliche Metaphysik“, welche die religiöse Erfahrung vernachlässige und die Beschreibungen der beiden Forscher auf selektive Weise wiedergebe.7 Für unser Thema der heiligen Berge ist der Ansatz tatsächlich wenig hilfreich. Das Heilige und das Profane in einer Gesellschaft werden bei Durkheim deduktiv hergeleitet und gedanklich streng geschieden. Seine Analyse widmet sich dann vor allem den Ritualen der Aborigines und weniger der Mythologie.8 Gerade darin drückten die „Besitzer der Geschichten“ aber ihre Beziehung zur Landschaft aus, und als das Land von Zugewanderten überrollt wurde, gewannen die Geschichten, wie wir sehen werden, eine ganz andere Bedeutung. Die mythologischen Erzählungen hatten schon bei Spencer und Gillen einen prominenten Platz. Die beiden scheinen auch als Erste von „Träumen“ gesprochen zu haben, und später bürgerte sich der Ausdruck „Traumzeit“ allgemein ein. Die Traumzeit ist die Formationsphase der Welt und erstreckt sich in die Gegenwart hinein. Mächtige Vorfahrenwesen durchreisen die ungeformte Erde und führen ein heroisches, konfliktives Leben. Manchmal verwandeln sie sich in Tiere, Geländeformen oder Naturphänomene wie Feuer, Wind und Regen. Diese Reisen der Vorfahren wurden von männlichen Aborigines in stunden- oder sogar tagelangen Gesängen memoriert. Geografisch waren sie an bestimmten Elementen der Landschaft festgemacht, die sich – auffällig oder unauffällig – über weite Teile Zentralaus­ traliens verteilten. Die gesamte Region war von einer Matrix von lebendigen Vorfahrenspuren überzogen. Das Wissen darüber wurde auf geschlechtsspezifische Weise mit Liedern und der Teilnahme an Ritualen erworben. Die Lernprozesse konnten ein Leben lang dauern, die Alten hatten oft besonders viel zu berichten.9

Von Ayers Rock zu Uluru

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Am Uluru wurden solche Erzählungen seit der Mitte des 20. Jahrhunderts in verschiedenen Versionen und Detaillierungsgraden schriftlich aufgezeichnet. Die Geschichten betrafen nur ausnahmsweise den Inselberg als Ganzen. In der Regel bezogen sie sich auf einzelne Ausschnitte und Geländeformen. Charles P. Mountford, Liebhaber und Popularisator der Felsbilderkunst von Aborigines, beschrieb, wie er durch die Legenden den Berg mit neuen Augen sehen lernte. Die Schlangen, die rund um das Mutiguluna-Wasserloch kämpften, die Ratten von Marsupial und die verzweifelte Eidechse mit ihrem verlorenen Bumerang verhalfen ihm zu einem neuen Blick. „Die immense, wunderbare Umgebung bestand nicht mehr nur aus Abgründen, Höhlen oder Farbflecken; sie war belebt durch die Geschichten, welche mir die Einheimischen erzählt hatten.“10 Dass der Buchautor sie überhaupt zu hören bekam, war keineswegs selbstverständlich. Denn ein Teil davon war eigentlich geheim, und bald sollten sie auch einen neuen ökonomischen Wert erhalten. Ausschlaggebend dafür war der Wandel des weißen Australiens.

Von Ayers Rock zu Uluru

In der Zwischenkriegszeit wurde das Australien der weißen Siedler zu einem souveränen Staat innerhalb des Britischen Imperiums, das sich nach dem Zweiten Weltkrieg in das Commonwealth verwandelte und allmählich verblasste. Parallel zur Entwicklung im industrialisierten Westen erlebte der Kontinent in der Zwischenkriegszeit auch eine Transportrevolution, mit rasch zunehmender Motorisierung, einsetzendem Flugverkehr und dem weiteren Ausbau der Eisenbahn. Die großen Küstenstädte, vor allem im Osten, und das riesige Hinterland, der Outback, rückten so zusammen. In die gleiche Richtung zielte die Politik. Gefördert von der Bundesregierung entstand 1929 die Australian Na­ tional Travel Association ANTA mit dem Auftrag, den Kontinent touristisch zu erschließen und so einen neuen Patriotismus anzuregen. In einer ersten Phase stellte die Organisation die Abenteuerromantik von Forschern und Entdeckern in den Mittelpunkt, später profilierte sie die spirituelle Kultur der Aborigines.11 Gut ablesen lassen sich die touristischen Strategien im illustrierten Magazin Walkabout, das vom Generalsekretär der ANTA herausgegeben wur-

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10. Ein Inselberg in der Wüste Australiens

de und einen großen Leserkreis erreichte. In den 1930er Jahren brachte das Magazin zum Beispiel eine Serie über „Die Entschleierung eines Kontinents“ (The Unveiling of a Continent), welche historische Forschungsreisende und ihre heroischen Taten präsentierte. 1941 erhielt ein bekannter Reiseschriftsteller das Wort. Er hatte sich vor Kurzem einer Expedition zum Ayers Rock angeschlossen. Laut seinem Bericht galt der Inselberg als „der größte Felsen der Welt“ und stellte einen höheren Wert dar als alle potenziellen Goldvorkommen, welche die Reisegruppe erkunden wollte. Die lange Anfahrt erfolgte mit Flugzeug, Lastwagen und Kamelen. Als der Autor endlich die „Herrlichkeit und Schönheit von Australiens rotem Herz“ erblickte, konnte er sogar die Strapazen des Kamelritts vergessen. Am Ziel angekommen, unternahm er eine Art Reenactment der ersten Besteigung von 1873. Er fand den Steinhaufen, der die weiße Inbesitznahme markierte, und schrieb seinen Namen auf die Liste in der dort untergebrachten Flasche. Für ihre Exploration brauchte die Gruppe eine Bewilligung des Innenministeriums, denn seit 1920 war die Gegend ein gesperrtes Aborigines-Reservat.12 Dessen ungeachtet setzte ein gewisser Tourismus bereits in der Zwischenkriegszeit ein. Nach dem Krieg wurde „das Zentrum“, wie man die Gegend in der Mitte des Kontinents immer öfter nannte, auch zum Ziel von organisierten Bildungsreisen. Die ANTA förderte seit den späten 1940er Jahren „Forschungsvereine“ (Exploration Societies) an verschiedenen Schulen, zuerst für Knaben, später auch für Mädchen. Der Ayers Rock sollte bald zu den vornehmsten Zielen gehören.13 Laut der Tourismushistorikerin Jillian Barnes wurde die Besteigung des ikonischen Felsens zu einem Übergangsritual auf dem Weg zu echtem Australiertum. „ANTA machte den Uluru zum Übungsplatz, der es prestigeträchtigen Schulen und Universitäten erlauben sollte, zukünftige Führungspersonen mit dem Genius des Landes in Kontakt zu bringen und ihnen den Geist von Triumph und Freude des Entdeckens zu vermitteln, die ein großes weißes Pioniervolk hervorgebracht hatte.“ Barnes gebraucht dafür das Konzept der Sakralisierung von touristischen Sehenswürdigkeiten (sight sacralisation) und spricht von Pilgerfahrten zu einem Ort, welcher dank der nationalen Gründungspioniere diesen erhabenen Charakter angenommen habe.14 Aufgrund der stark steigenden Nachfrage nahm die Regierung den Inselberg und seine Umgebung 1958 aus dem Reservat heraus und ordnete sie

Von Ayers Rock zu Uluru

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einem neu geschaffenen, öffentlichen Nationalpark zu. Der erste für den Uluru zuständige Ranger war William Harney. Anders als ein Teil der frühen Naturforscher und Touristen hatte er auch Interesse und ein Herz für die Aborigines. Walkabout publizierte zum Beispiel einen Text, in dem er die technische Wassersuche der Weißen am Uluru mit den scharfsinnigen lokalen Methoden der Schwarzen verglich, ohne die beiden gegeneinander auszuspielen.15 In seinen fünf Jahren als Ranger stieg die Zahl der Besucher von hundert auf über viertausend pro Jahr. Zuerst konnte Harney noch mit Besuchenden an nächtlichen Lagerfeuern seine Wüstenromantik pflegen, was zu seiner Popularität im Land beitrug. Um dem wachsenden Besucherstrom Einblicke in die Traumzeit-Erzählungen der Aborigines zu geben, richtete er einen Rundgang zu bestimmten mythologischen Stellen um den Felsen ein. Er schuf damit ein ganz neues Ritual, das sich schließlich durchsetzen sollte.16 Immer mehr schob sich in der Folge die indigene Bezeichnung Uluru vor den Ayers Rock, obwohl dieser weiße Name weiterhin geläufig blieb. Wie wir gesehen haben, wurde der Inselberg 1985 den Aborigines offiziell „zurückgegeben“. In der Kontroverse um diesen Anlass kamen weitverbreitete Vorstellungen ans Tageslicht. Weiße Australier fühlten sich laut ihren Diskussionsbeiträgen am Uluru nicht als Touristen. Diese Gattung von Besuchern wurde stereotyp negativ charakterisiert: Touristen seien profan, gedankenlos, unfähig zur Wahrnehmung von Mystizismus oder Spiritualität, und sie seien oft US-Amerikaner. Die weißen Australier hingegen beanspruchten ein existenzielles, moralisches Anrecht auf den Uluru. Die schwierige Hinfahrt und der Aufstieg auf den Rock wurden als Beweis für spirituelle Standhaftigkeit beschrieben. Es handle sich um „unsere größte Initiationszeremonie“. Auch die öffentliche Rede über das Heilige nahm in der Kontroverse einen eigentümlich stereotypen Charakter an. Was bei den Aborigines gemäß offizieller Lesart „traditionelle Bedeutung und Heiligkeit“ besaß, galt jetzt im Land als nicht hinterfragbare Wahrheit. Das Tabu konnte am besten herausgefordert werden, indem man daneben eine Heiligkeit „für alle Australier“ postulierte.17

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10. Ein Inselberg in der Wüste Australiens

Die Verwaltung des Heiligen

Ein wichtiger Grund für die Normierung des Heiligen lag bei der juristischen Feststellung von indigenen Landrechten. Gegenüber Siedlern, die auch aride Gebiete für Weidezwecke beanspruchten, und gegenüber Minengesellschaften, die vielerorts nach Bodenschätzen suchten, befanden sich die Aborigines in einer misslichen Lage. Ihre extensive Bodennutzung, einfachen Waffen und lockere Organisation waren äußerst ungünstige Voraussetzungen, um in diesem zähen, von Gewalt durchsetztem Ringen zu bestehen. Bald migrierten viele zu den entstehenden weißen Außenposten (Viehranches, Missionen, Telegrafenstationen) und dann auch in die entfernten Städte. Ihre Nutzungsrechte waren damit praktisch verloren. Ähnlich wie anderswo, namentlich in den Vereinigten Staaten, kam es aber um 1970 zu einer Wende im Verhältnis zwischen der dominanten Einwanderergesellschaft und der indigenen Bevölkerung. Die Politik gab frühere Assimilationsideen auf und tendierte zur Doktrin der Selbstbestimmung, die allerdings ebenfalls vom Staat verordnet und nur zum Teil in Gesprächen ausgehandelt wurde. Es ging auch um Wiedergutmachung – immer mehr weiße Australier waren angesichts der Verelendung vieler Aborigines der Meinung, das Land habe eine moralische Schuld auf sich geladen und könne so nicht weitermachen.18 Das Northern Territory, in dem der Uluru liegt, bildete das Testgelände für die neue Gesetzgebung. 1976 wurde der Aboriginal Land Rights Act erlassen, 1989 folgte der Aboriginal Sacred Sites Act. Mit dem ersten Gesetz konnten Aborigines einen verbrieften Titel auf bestimmte Flächen erwerben, die ihnen fortan als unveräußerliches Eigentum gehörten. Sie mussten dazu vor Gericht nachweisen, dass sie „traditionelle“ Beziehungen zu diesem Boden besaßen; darunter waren die „spirituellen“ von besonderer Bedeutung. Das zweite Gesetz fokussierte ganz auf diese geistigen oder heiligen Orte, die unterdessen im gesellschaftlichen Diskurs an Bedeutung gewonnen hatten. Für ihre Beurteilung benutzten die Richter die Aussagen der betroffenen Aborigines (nicht zuletzt die Traumzeit-Erzählungen), die Meinung von sachkundigen Anthropologen und weitere Indizien.19 Am Uluru wurde der Landantrag der „traditionellen Besitzer“ von Gegnern heftig angefochten, setzte sich aber schließlich durch. Für die Aborigines hatte dieser Gerichtsfall die größte praktische und symbolische Bedeutung (daher die ausgiebige

Die Verwaltung des Heiligen

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„Rückgabe“-Feier von 1985). Daneben wimmelte es im Land von weiteren heiligen Orten. Zwecks Kontrolle und getreuer Verwaltungsführung mussten die Behörden öffentliche Register darüber anlegen lassen. Im Northern Territory wurden seit 1989 Hunderte von sacred sites aufgenommen.20 Andere Bemühungen zur Reformulierung des Heiligen betrafen Regeln zur Kontrolle der Öffentlichkeit. Bestimmte Erzählungen, Rituale, Orte und Bilder waren bei den traditionellen Aborigines den initiierten Männern vorbehalten und damit geheim. Übertretungen wurden mitunter mit dem Tod bestraft. Populäre und wissenschaftliche Publikationen konnten solche Verbote unterlaufen, weshalb sich Vorsichtsmaßnahmen einbürgerten. Im Werk Australian Aboriginal Religion, 1974 in Holland veröffentlicht, wurden die Lesenden beispielsweise aufgefordert, das Buch in Aborigines-Gebieten nur nach Konsultation mit lokalen, religiösen Führern zu verwenden. Als Charles P. Mountford, der erwähnte Experte für Felsenkunst, sein Buch über den Ayers Rock von 1965 zwölf Jahre später neu herausgeben wollte, musste er zwei Kapitel weglassen.21 Immer mehr stieg auch der Druck auf Museen, Ritualobjekte aus Aborigines-Gebieten an dortige Gemeinschaften und Personen zurückzugeben, was sich in der Regel als schwierig erwies und manchmal gar nicht willkommen war.22 Am Uluru waren religiöse Regelungen seit der Selbstbestimmungswende ein Dauerthema. 1971 hielt zum Beispiel der Anführer Paddy Uluru zusammen mit 25 alten Männern am Felsen eine Zeremonie ab. Dem obersten Ranger zeigten sie bei dieser Gelegenheit die heiligsten Stellen mit der Bitte, nichtinitiierten Touristen den Zugang zu verwehren. Außerdem sollten Informationsschilder zu falsch identifizierten „Traumorten“ entfernt werden.23 2019 erließ die Aufsichtsbehörde, in welcher die Aborigines in der Überzahl waren, nach langwierigen Diskussionen ein Besteigungsverbot für den Uluru. Die Nachricht wurde auch als symbolische Botschaft aufgefasst und ging um die Welt: Das prominenteste weiße Bergritual fand damit ein Ende. Die Handlaufkette, die seit den 1960er Jahren so vielen Besuchenden beim 350-Meter-Aufstieg Halt gegeben hatte, wurde entfernt. Die Begründung für das Verbot lautete unter anderem, es sei mehrfach zu traurigen Todesfällen von Touristen gekommen, und der übliche Aufstiegspfad überquere einen Vorfahrenpfad aus der Traumzeit.24

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10. Ein Inselberg in der Wüste Australiens

Insgesamt bildete der Inselberg in der australischen Wüste also eine Sonde für religiösen Wandel. Die herkömmliche, auf Jagd- und Sammeltätigkeiten beruhende Lebensweise der Aborigines blieb in der Gegend des Uluru bis in die 1930er Jahre bestehen und war mit einer religiösen Kultur verbunden, welche bestimmten Landschaftselementen einen mythologischen Wert beimaß. Diese Traumorte breiteten sich netzförmig über weite Gebiete aus. Am Uluru mit seinen Wasserstellen scheinen sie verdichtet gewesen zu sein. Angesichts des geringen Zentralisationsgrads der Gesellschaft sollte man die Verdichtung aber nicht überschätzen. Das weiße Interesse am „roten Herz Australiens“ förderte dann die Fokussierung der Wahrnehmung auf den Uluru, zusammen mit der Generalisierung auf seine gesamte ikonische Gestalt. Die nationale sight sacralisation steigerte den Wert dieser speziellen indigenen Überlieferungen. Konzeptionell ausgegrenzt blieben die „profanen“ Touristen in ihrer notorischen Unbedarftheit. Die um 1970 einsetzende landesweite Selbstbestimmungsdynamik führte am Inselberg zu einer neuen Ritualordnung. Auch in dieser Phase entstanden unterschiedliche Überlagerungen. So veranstaltet die Organisation Fusion seit der Jahrtausendwende jährliche Osterreisen für Jugendliche. „Motiviert durch christliche Werte“, will sie „die Transformation im individuellen Leben und in der Gemeinschaft“ fördern. Am Uluru haben die Jugendlichen die Gelegenheit, „aufzuhören, hinzuhören und sich zu verändern, indem sie von der Vergangenheit lernen, um die Zukunft gestalten zu können“.25

DIE REISE GEHT WEITER

11. Welche Zukunft für heilige Berge?

• Religion und Umwelt, globalhistorisch • Kolonialismus, Antikolonialismus, „Natur und

Kultur“ • Gesellschaftliche Rollen • Umwelt- und Klimaschutz • Mount Sacred  – das 21. Jahrhundert

Angestoßen vor allem durch die USA, hat sich seit einigen Jahrzehnten in der Forschung ein interdisziplinärer Bereich Religion und Ökologie gebildet.1 Als Rahmen für dieses Schlusskapitel über die Entwicklung der heiligen Berge bietet sich der neue Bereich in besonderem Maße an. Er ist selbst Ausdruck eines Trends, der als Greening of Religion bekannt ist und von der „ökologischen Wende“ seit der Zeit um 1970 herrührt. In deren Verlauf nahmen viele Religionen ökologische Anliegen auf und bildeten ihrerseits eine Kraft bei der Weiterentwicklung dieser Richtung. Was das Christentum angeht, wird der Trend oft mit zwei vielbeachteten Texten illustriert: mit dem Aufsatz The Historical Roots of Our Ecologic Crisis von Lynn White als kritischem Auftakt (1967) und mit der Enzyklika Laudato si‘ von Papst Franziskus als positiver kirchlicher Reaktion (2015). Der Aufsatz des Historikers White war ein Warnschuss, der mit seinem prominenten Erscheinungsort in der Zeitschrift Science große Aufmerksamkeit erhielt. Rezipiert wurde vor allem die Aussage, die seit den 1960er Jahren zunehmend wahrgenommenen ökologischen Krisen seien auf die Religion zurückzuführen: „Besonders in seiner westlichen Form ist das Christentum die anthropozentrischste Religion, welche die Welt je gesehen hat.“ Das Christentum habe nicht nur einen Dualismus von Mensch und Natur etabliert, sondern auch darauf bestanden, es sei Gottes Wille, dass die Menschen die Natur für ihre eigenen Zwecke ausbeuten sollten. Durch den Aufschwung der Wissenschaft habe die Religion im Westen außerdem einen technischen Charakter angenommen. Bis ins 18. Jahrhundert sei diese Forschung ein religiöses Unterfangen geblieben, welches vor allem Gottes Schöpfung habe verstehen wollen. Seine Hoffnung legte White 1967 in die naturnahe Lehre des Heiligen Franz von Assisi. Er sollte als Schutzpatron für die Ökologie eingesetzt werden.2

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11. Welche Zukunft für heilige Berge?

Dieser geistliche Schutz für die Umwelt wurde von der Kirche bald zugestanden, und einige Jahrzehnte später nannte sich ein Papst erstmals Franziskus und stellte den Heiligen als Vorbild für die Gläubigen und die gesamte Menschheit dar. Der Incipit-Titel der Enzyklika Laudato si‘ („Gelobt seist du“) stammt aus dem Sonnengesang des mittelalterlichen Ordensgründers. Papst Franziskus und seine vielen Zuträger stellten 2015 ein Inventar von gravierenden globalen Umweltproblemen zusammen und kommentierten sie aus kirchlicher Sicht. Kritikern wie White kam die Enzyklika ein Stück weit entgegen. Statt von Dualismus ist die Rede von der Zusammengehörigkeit aller Geschöpfe; Förderung verdiene eine „ganzheitliche Ökologie“. Allerdings dürfe die Natur nicht vergöttert werden, und die „Versessenheit, dem Menschen jeden Vorrang abzusprechen“, gehe zu weit. Im Vergleich zur bisherigen Kirchenlehre war die kosmische Hierarchie flacher geworden, aber sonst unangetastet geblieben: Gott der Herr, dann das Menschengeschlecht und schließlich die übrige Schöpfung, zu welcher man sich „geschwisterlich“ verhalten solle.3 Wenn wir – angeregt vom US-Forscher Bron Taylor – die grünen Religionen weiter in Farbstufen unterteilen, dann bildet der Katholizismus von Papst Franziskus eine hellgrüne Variante: die Natur als „Schwester“, aber nicht als anerkanntes Heiligtum wie bei den dunkelgrünen Varianten.4 Wir könnten den Farbwechsel des Christentums auch in eine Langzeitperspektive stellen. Dann wäre etwa die erwähnte Physikotheologie des 17./18. Jahrhunderts zu nennen. Sie gab dem „Buch der Natur“ gegenüber dem „Buch der Offenbarung“ ein größeres Gewicht und rückte damit bereits einen Schritt vom traditionellen Anthropozentrismus ab (Kapitel 2). Hier will ich aber versuchen, die Erfahrungen aus unseren Lokalterminen bei heiligen Bergen rund um dem Erdball zu überdenken und für einen Ausblick auf künftige Entwicklungsmöglichkeiten zu verwenden.

Religion und Umwelt, globalhistorisch

Als historische Sonden für Umweltwahrnehmungen und ihren Wandel sind Berge sehr geeignet. Natürlich ziehen verschiedenste Elemente menschliche Aufmerksamkeit auf sich – Flüsse, Seen, Bäume, Tiere, Wolken, Winde usw.

Religion und Umwelt, globalhistorisch

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Auf unserer Tour d’Horizon haben wir angedeutet, dass Berge aus religiöser Sicht häufig mit weiteren Naturelementen assoziiert sind. Doch die Größe und Massivität verleihen den Bergen Prominenz. Auch ihre genaue Gestalt ist von Belang, muss aber nicht immer eine entscheidende Rolle spielen: Heilige Berge können schwer überschaubar sein, wie der Reine Kristallberg im zerklüfteten Tsari-Distrikt von Tibet (Kapitel 1), oder als ikonische Inselberge aus einer Ebene hervortreten, wie der Uluru in Australien (Kapitel 10). Manchmal sind es auch nicht die Gebirge als Ganze, die mit religiöser Bedeutung aufgeladen werden, sondern einzelne Stellen und Punkte. In der Reihenfolge ihres Auftritts in diesem Buch wurden folgende Berge behandelt (Kontinent, Name, ungefähre Zeitangabe): − Asien: Tsari 16.–20. Jahrhundert; Kailash 17.–21. Jahrhundert; Tai Shan 8.–21. Jahrhundert; Paektusan 13.–21. Jahrhundert − Europa: Alpen 19.–21. Jahrhundert; italienische Berge um/nach 1900 − Amerika: Black Hills 19.–21. Jahrhundert − Afrika: Kilimandscharo 19.–21. Jahrhundert; Ol Doinyo Lengai 19.–21. Jahrhundert − Australien: Uluru 19.–21. Jahrhundert Die Forschungsreise hat fast jeden Kontinent berührt. Die Auswahl der Beispiele erfolgte auf subjektive Weise und bezog sich vor allem auf bekannte und bedeutende Berge der jeweiligen Erdteile. Auch mit dieser behelfsmäßigen Methode trat die Vielfalt der religiösen Wahrnehmung deutlich hervor. Die von verschiedener Seite verbreitete Idee, dass alle Berge der Welt religiös signifikant sind oder einmal waren, lässt sich nicht erhärten. Problematisiert werden muss auch die Vorstellung, dass die Heiligkeit der Berge vor allem in einer Frühphase der Geschichte festzumachen sei. In manchen Fällen nahm das Ausmaß der religiösen Verehrung während der Neuzeit massiv zu; so etwa beim Kailash in Tibet, der im 20. Jahrhundert zu einem globalen Modellberg der Heiligkeit avancierte (Kapitel 3). Einen starken Kontrast dazu bildete das introvertierte Christentum, das den Bergen wenig Beachtung schenkte. In diese religiöse Wahrnehmungslücke traten während der Frühen Neuzeit die europäische Naturforschung und daran anschließend der Alpinismus. Angestoßen durch solche „modernen“ Aktivitäten, führte die Errichtung von Gipfelkreuzen dann zu einer

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11. Welche Zukunft für heilige Berge?

gewissen religiösen Aufladung. Ihren kirchlichen Höhepunkt erreichte sie um oder nach 1900 (Kapitel 6 und 7). Das Beispiel des Kilimandscharo zeigt ferner, dass auch ganz andere Formen von Religiosität ohne prononcierten Bergbezug auskamen. Obwohl wir nicht wissen, ob die dort ansässige Bevölkerung ihre Hauptgottheit Ruwa mit der Sonne identifizierte oder davon unterschied – ein Berggott war es sicher nicht, trotz der majestätischen Erscheinung des afrikanischen Vulkans (Kapitel 9). Aufgrund der frühen Schriftlichkeit gehen die Darstellungen zu Asien und Europa wesentlich weiter zurück als die Darstellungen zu den anderen Kontinenten, die sich vor allem auf die importierte Schriftlichkeit der Kolonisatoren stützen. Der eurasische „Skripturalismus“ wurde in einem älteren Forschungsbeitrag auf komplexe Weise mit religiösen Inhalten und Naturund Bergvorstellungen verknüpft.5 Hier scheint es wichtiger zu betonen, dass der Spielraum für Spezialisierung des religiösen Personals relativ eng mit diesem Modus der Tradierung verbunden war. Am auffälligsten äußerte sich die Verbindung in den Klöstern, die sich ganz dem überlieferten Schrifttum widmeten und manchmal große Speicher mit Druckvorlagen besaßen wie in Tibet. So viele Religionsspezialisten konnte es in oralen Gesellschaften nicht geben. Schrift und Personal erhöhten die historische Sichtbarkeit der heiligen Berge und trugen zu ihrer vielfach wahrgenommenen Massierung in Asien bei. Die handschriftlichen oder gedruckten Reiseführer erleichterten zudem die Wallfahrten (Kapitel 1–5). Eine starke Affinität zu einer mit Bergen verbundenen Schriftkultur hatte China. Seit dem ersten Jahrtausend unserer Zeitrechnung fand man im Kaiserreich Felsen, die mit sogenannten moya-Steininschriften übersät waren. Während der Neuzeit dehnte sich die Landschaftsbeschriftung weiter aus. Die 1987 erfolgte Aufnahme des Tai Shan ins Welterbe der UNESCO wurde vom Ministerpräsidenten beispielweise mit einer belehrenden Felskalligrafie quittiert: „Schütze das Welterbe und würdige den Heiligen Ostberg“. Die Schriftlichkeit konnte auch ganz anders eingesetzt werden. Regionale oder neu auftauchende Gottheiten wurden vom kaiserlichen Ritenministerium anhand klassischer Dokumente auf ihr Alter hin überprüft. So zog sich Bixia Yuanjun, die weibliche Hauptgöttin auf dem Tai Shan, wegen fehlender Evidenz bei Konfuzianern einen zweifelhaften Ruf zu (Kapitel 4).

Kolonialismus, Antikolonialismus, „Natur und Kultur“

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Kolonialismus, Antikolonialismus, „Natur und Kultur“

Sehr häufig ging und geht es bei heiligen Bergen auch um Fragen der Identität von Gruppen verschiedener Größe bis hin zu Nationen und darüber hinaus. Verstärkt wurde diese Dimension durch den in der Neuzeit um sich greifenden Kolonialismus und Imperialismus, sowohl den europäisch-amerikanischen wie den asiatischen. Ein extremer Kolonialismuseffekt lässt sich am Paektusan an der koreanisch-chinesischen Grenze fassen. Eine im 13. Jahrhundert niedergeschriebene buddhistische Geschichte erzählte von der wundersam gezeugten Berggestalt Tangun. Zu einem allseits verehrten Stammvater Koreas wurde die Gestalt erst durch den erbitterten nationalen Abwehrkampf gegen den japanischen Kolonialismus im frühen 20. Jahrhundert. Später legte die Kim-Diktatur in Nordkorea noch ihre eigenen Mythen über den Berg und machte ihn zum „heiligen Berg der Revolution“ (Kapitel 5). In den Black Hills im Mittleren Westen der USA fand die koloniale Konfrontation auch einen materiellen, in Stein gemeißelten Ausdruck. Die zugewanderten Euroamerikaner trafen hier im 19. Jahrhundert auf die Lakota Sioux. Um die siegreiche „Pax Americana“ und ihre zivilreligiösen Vorstellungen kulturell zu profilieren, wurde eine Großskulptur erstellt, zuerst gegen christliche Einwände. Vom Mount Rushmore blicken seit den 1940er Jahren vier übermenschliche US-Präsidenten herab. Als Antwort darauf begannen Verfechter der indianischen Sache, die Gestalt eines Anführers im Großformat auf einem anderen Gipfel aus dem Felsen zu hauen (Kapitel 8). Um 1970 verschoben sich die politisch-kulturellen Machtverhältnisse. Die Kritik an der modernen Industriegesellschaft mit ihren ökologischen Problemen und militärischen Verwicklungen nahm sprunghaft zu; die indianische Selbstbestimmungsbewegung gewann an Kraft, und ihre Spiritualität stand nun bei einem Teil der weißen Amerikaner hoch im Kurs (anstatt als unchristlich oder inexistent betrachtet zu werden wie früher). Eine parallele Entwicklung haben wir bei den Aborigines in Australien am Uluru vorgefunden (Kapitel 10). Diese Machtverschiebungen standen im Kontext der globalen Dekolonisation, und mit ihnen veränderte sich auch die Rede über „Natur und Kultur“, die seit dem 19. Jahrhundert zunächst von westlicher Seite als intellektuelle Waffe eingesetzt wurde. Anders als man oft hört, ist das Begriffspaar historisch jung und keineswegs einer Zwillingsgeburt

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entsprungen. „Natur“ blickt in der europäischen Gelehrtensprache auf eine viel ältere Geschichte zurück als „Kultur“. Der letztere Ausdruck war unter anderem ein Parallelbegriff zu „Zivilisation“ und diente in der kolonialen Expansion als europäische Überlegenheitsmarke.6 Im religiösen Bereich wurde die Inferiorität der anderen Gesellschaften auch biblisch ausgedrückt. Der deutsche Missionar, der in der Mitte des 19. Jahrhunderts als Erster vom Kilimandscharo berichtete (Kapitel 9), meinte über Afrika: „Der tiefe Abfall der Menschen von Gott zeigt sich in diesen Ländern namentlich auch darin, dass die Natur über ihn herrscht, statt er über die Natur.“7 Ähnliche Vorstellungen transportierte der Naturbegriff über mehr als hundert Jahre. Eine 1955 erschienene Schrift, welche die europäische Tradition der großen Philosophie fortführte und erneuerte, fand zum Beispiel folgende Worte über die afrikanische Bevölkerung: „Was sie von anderen Völkern unterschied, war nicht die Hautfarbe; was sie auch physisch erschreckend und abstoßend machte, war die katastrophale Unterlegenheit oder Zugehörigkeit zur Natur, der sie keine menschliche Welt entgegensetzen konnten.“8 Als die antikolonialen und indigenen Bewegungen nach 1960 erstarkten und die westlich-christlichen Anschauungen in die Defensive gerieten, wendete sich das Blatt. Das Begriffspaar Natur–Kultur wurde nun zur Hypothek, weil es als Ausdruck eines dualistischen statt eines holistischen Weltbilds galt. Die „Trennung von der Natur“ entwickelte sich zu einem vieldiskutierten Thema und mitunter zum Hauptcharakteristikum der europäischen Geschichte; so beim französischen Anthropologen Philippe Descola, der die von ihm im Amazonas und anderswo untersuchten Kleingesellschaften Jenseits von Natur und Kultur (Par-delà nature et culture) positioniert, wie der Titel seines Buches von 2005 ankündigt.9 Tatsächlich erweist sich das Gegensatzpaar im globalen Kontext als wenig hilfreich. Seine empirische Tragfähigkeit sollte aber auch für Europa nicht überschätzt werden: Wie groß die vom Anthropologen indizierte „große Trennung“ von Natur und Kultur durch die frühneuzeitliche „rationalistische“ Naturforschung war, bleibt nämlich unklar. Man sollte sich dafür nicht nur auf die enge Wissenschafts- und Philosophiegeschichte beschränken, sondern auch die Religions- und Sozialgeschichte befragen. Damit würde sich zeigen, dass der europäische Anthropozentrismus mehrheitlich alter, christlicher Herkunft war.10

Gesellschaftliche Rollen

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Als kirchliche Antwort auf diese postkoloniale Ganzheitsoffensive lässt sich die eingangs genannte Umweltenzyklika von Papst Franziskus aus dem Jahr 2015 lesen. Sie verfolgte eine doppelte Strategie. Einerseits warb sie für eine „authentisch gelebte ganzheitliche Ökologie“, andererseits verschob sie den Anthropozentrismusvorwurf vom Glauben auf die Gläubigen. Diese sollten mehr Demut aufbringen und sich nicht zu stark in den Mittelpunkt stellen.11

Gesellschaftliche Rollen

Während die Berge also als Sonden für Umweltwahrnehmungen dienen, können Genderrollen am Berg zum vertieften Verständnis der Gesellschaften beitragen. Auf dem Reinen Kristallberg in Tibet (Kapitel 1) waren die höheren Umrundungsrouten den Männern vorbehalten, die Frauen mussten sich mit den niederen begnügen. Es gab eine Beziehung zwischen rituellem Rang und religiösem Raum: Die tiefe-äußere Zone war für Frauen offen, die mittlere-innere Zone für alle Männer und die hohe-zentrale/innere Zone nur für die spirituell avancierten, „reinen“ Männer. Der Kristallberg gehörte zu den hochheiligen Bergen mit einer überregionalen und tendenziell gefährlichen Ausstrahlung. Bei den lokalen Bergkulten ging der Ausschluss der Frauen noch weiter: Sie konnten sich daran nicht beteiligen. Man nimmt an, dass die tantrische Überformung an diese lokale Exklusion angeknüpft und sie teilweise transformiert habe. Eine wesentliche Rolle spielte auch die Überzeugung des tibetischen Buddhismus vom niedrigen Geburtsrang von Frauen und von ihrer Unreinheit. 1959 untersagte das kommunistische China alle Wallfahrten. Als die Behörden sie 1984 wieder zuließen, setzten die Einheimischen erneut auf die geschlechtsspezifische Hierarchie – nicht ohne Widerstand einiger Frauen.12 Ganz allgemein wurde der Männervorrang bei heiligen Bergen oft rituell unterstrichen, in Tibet und Asien wie auch auf anderen Kontinenten. Die Rollenverteilung verweist auf ihre tiefe Verankerung in den großmehrheitlich patriarchalen Gesellschaften und könnte sich als Handicap für die Zukunft solcher Formen von Bergverehrung erweisen. Allerdings ist es für Frauen (und andere Geschlechter oder Nichtgeschlechter) unter Umständen

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auch eine Chance, symbolische Orte neu für sich zu entdecken und zu beanspruchen. Historische und aktuelle Beispiele legen nahe, dass dieser Wandel ganz unterschiedlich verlaufen könnte. Gut dokumentiert und untersucht ist der vielbesuchte, als Nationalberg bekannte Fujiyama in Japan. Er wurde seit dem Mittelalter von Bergasketen verschiedener Lehren verehrt. Seit dem spätem 15. Jahrhundert nahm die Wallfahrt auf den Berg stark zu. Parallel zur immer rigoroseren Exklusion der Frauen setzte die Kritik daran ein, zuerst von genuin religiösen Strömungen. Der Asket Jikigyo Miroku, der sich 1733 auf dem Berg zu Tode hungerte und zu einer Berühmtheit wurde, hielt fest: „Eine Frau kann nicht sündhaft sein, solange sie nichts Falsches getan hat.“ Ein Nachfolger weitete die Geschlechtertheologie aus, erstrebte ein harmonisches Verhältnis zwischen yin und yang und gab auch Ratschläge für die Art des Sexualverkehrs. Später gingen Mitglieder dieser Strömung zu symbolischen Aktionen über. 1832 erreichte eine Frau heimlich den verbotenen Gipfel des Fujiyama. Zur zunehmenden Lockerung des Frauenverbots führte auch die ökonomische Konkurrenz zwischen den Betreibern der verschiedenen Zugangsrouten, die von der Pilgerschaft lebten und ihre Vergrößerung im Auge hatten. 1860 wurde das Verbot temporär außer Kraft gesetzt, und 1872 gab man den Vulkan für beide Geschlechter frei. Dazu trugen besondere, mit der MeijiRevolution verbundene Umstände bei. Ins Gewicht fiel auch, dass die Gottheiten des Fujiyama mehr für die unteren als für die herrschenden Schichten von Bedeutung waren.13 Ganz anders die Situation auf dem Heiligen Berg Athos, wo die christlichorthodoxen Mönche bis heute am Ausschluss der Frauen von ihrer Halbinsel festhalten. Wir wissen, dass die kirchlich-religiöse Präsenz am Athos heiliger war als der Berg selbst; dessen Bedeutung ist sehr metaphorisch zu verstehen (Kapitel 6). Aber gerade das könnte zur hartnäckigen Verteidigung des Ausschlusses beigetragen haben. Er soll hier sogar für die Tierwelt gelten. Vor allem seit der Mitgliedschaft Griechenlands in der Europäischen Gemeinschaft/Union kommt es immer wieder zu Kontroversen. 2003 forderte das Europaparlament in einem nicht bindenden Beschluss die Freigabe des Bergs. Griechenland sollte die Androhung von mehrmonatigen Haftstrafen für die Übertretung aufheben. Das Parlament stellte fest, „dass ein derartiges Verbot eine Verletzung der Prinzipien der Chancengleichheit, der Nichtdis-

Gesellschaftliche Rollen

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kriminierung auf Grund des Geschlechts und der internationalen Konventionen in diesem Bereich sowie der Bestimmungen über die Freizügigkeit gemäß der griechischen Verfassung und dem Gemeinschaftsrecht darstellt“.14 Auch bei einer anderen gesellschaftlichen Rollenzuweisung verfolgen die Mönche auf Athos eine besondere Strategie: Der Berg ist nur für Pilger zugänglich, nicht für Touristen. Unabhängig von ihrer Herkunft, Ausrichtung und Motivation verwandeln sich alle männlichen Besucher offiziell in „Pilger“. Die obligatorische Anmeldung erlaubt es, den Besucherstrom zu steuern; es gibt eine Obergrenze und Regeln bezüglich der Aufenthaltsdauer.15 Die Unterscheidung zwischen Pilgerfahrt und Tourismus wird also auch von den leitenden Protagonisten selbst festgesetzt. Auf solche pauschalen Kategorisierungen stößt man an vielen Orten und in ganz verschiedenen Formen. Wenn die chinesischen Literaten die heiligen Berge des frühneuzeitlichen Kaiserreichs besuchten, hoben sie sich programmatisch von den Wallfahrern der unteren Schichten ab, die sie gern als abergläubisch bezeichneten (Kapitel 2).16 Als der Tourismus am Uluru/Ayers Rock in Australien seit den 1960er Jahren in die Breite schoss, wollte ein Teil der weißen Australier nicht als Touristen gelten: Für sie stellte das „rote Herz Australiens“ eine spirituellnationale Prüfung dar. Touristen waren in ihren Augen von anderer, minderer Qualität, nämlich unbedarfte, materialistische Ausländer (Kapitel 10). In den letzten Jahrzehnten haben sowohl die spezialisierten Tourism Studies wie auch die Pilgrimage Studies international einen Aufschwung erfahren. Untersuchungen aus diesen Bereichen betonen die Überlappungen zwischen den beiden allgemein definierten Mobilitätsformen. Der Pilgerbegriff konsolidierte sich in Europa während des 17. Jahrhunderts und wird in der Regel mit religiösen Institutionen verbunden. Der Ausdruck Tourist kam im 19. Jahrhundert auf, als die moderne Transportrevolution einsetzte. Heute spricht die Forschung aber auch von religiösem Tourismus und von säkularen Pilgerfahrten oder der Sakralisierung von touristischen Sehenswürdigkeiten (sight sacralisation).17 Die Betonung liegt auf Rahmenbedingungen und Verhaltensweisen, welche beide Felder verbinden. Man kann sich natürlich fragen, ob dieser Sprachgebrauch nicht allzu weit gefasst und übertragen ist. Doch ich glaube nicht, dass man darauf eine allgemeine Antwort findet. Zur sachgerechten Entscheidung sollten wir vor allem auf die Aussagen und Verhaltensweisen der Akteure vor Ort achten (vgl. unten).

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11. Welche Zukunft für heilige Berge?

In diesem Zusammenhang lässt sich auch fragen, ob es in der Geschichte der Berge quantitativ bestimmte Umschlagspunkte von heilig zu profan gab und was dies für die Zukunft heißen könnte. Aus asiatischen Beispielen, die in diesem Buch angesprochen wurden, geht hervor, dass auf eine kleine Zahl von spirituellen Bergpionieren nach einiger Zeit oft große, populäre Wallfahrten folgten, die unter Umständen frühere Verehrungsformen gefährdeten (Kapitel 1, 3 und 11). Heroische Einzelgänger können leicht den Eindruck tiefer, außergewöhnlicher Heiligkeit erwecken, während massenhaft auftretende Wallfahrer:innen etwas Weltliches ausstrahlen und profane Touristen anziehen mögen. Für die Zukunft könnte dies bedeuten, dass die Heiligkeit der Berge immer wieder an neuen Orten in Gang gesetzt werden müsste, weil die alten Orte einem regelmäßigen Säkularisierungsprozess unterworfen wären. Es gibt aber auch Gründe, die gegen dieses einfache Schema sprechen. Um nur einen zu nennen: Die Idee einer tiefen, weil einsamen Religiosität in den Bergen könnte vor allem durch unser romantisches Suchbild hervorgebracht sein. Man kennt weltweit viele religiöse Massenveranstaltungen, die als ganz sakral gelten.18

Umwelt- und Klimaschutz

Mit der ökologischen Wende um 1970 wurde der ältere „Naturschutz“ begrifflich durch den „Umweltschutz“ überlagert, der eine Generation später seinerseits ein Stück weit vor dem „Klimaschutz“ zurückweichen musste. In der Hochphase des Umweltschutzes kam es zu einer strategischen Verbindung zwischen westlichen Ökologen und indigenen Gesellschaften. In den Augen vieler Kritiker der modernen Industriegesellschaft zeigten andere Kulturen, dass man auch rücksichtsvoll und nachhaltig mit der Umwelt umgehen konnte (Kapitel 8). Da die Heiligkeit von Naturelementen einen potenziellen Schutzfaktor bildete, und die Einheimischen meist für das Sakrale zuständig schienen, ergaben sich mögliche Interessensallianzen. Eine Reihe von Projekten lotete daher aus, wie sich zum Beispiel heilige Berge für den Umweltschutz verwenden ließen. In den 1990er Jahren ergriff die International Union for Conservation of Nature IUCN eine entsprechende Initiative auf globaler Ebene. Sie setzte

Umwelt- und Klimaschutz

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eine Arbeitsgruppe ein für „kulturelle und spirituelle Werte von Schutzgebieten“. Nach mehreren internationalen Konferenzen zog die Gruppe 2008 auf einer Veranstaltung in Barcelona eine Bilanz. Eingeladen waren acht „Wächter“ von Sacred Natural Sites von vier Kontinenten: Asien, Lateinamerika, Afrika und Australien/Ozeanien (die Organisatoren und Geldgeber stammten dagegen aus Europa und Nordamerika). Zum Schluss legten die Veranstalter dar, dass man die heiligen Naturstätten als das historisch erste Netz von Schutzgebieten anerkennen müsse, diese seien wesentlich älter als die seit dem späten 19. Jahrhundert entstandenen modernen Natur- und Nationalparks. Die altehrwürdigen Orte leisteten einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der Biodiversität. Der Tourismus könne ihnen wirtschaftlich zustattenkommen, aber auch eine kulturelle und ökologische Gefahr darstellen. Die großen Religionen wurden als „Mainstreamreligionen“ bezeichnet (nicht als „Weltreligionen“, wie sie sich selbst gerne sahen). Auffällig abwesend unter ihnen war der Islam, vielleicht weil er geopolitisch ein heißes Eisen war. Zumindest schienen die indigenen Religionen für den Naturschutz geeigneter als der religiöse Mainstream.19 Dementsprechend wurden deren Vertreter:innen in den Vordergrund gerückt. Das Vorwort der Tagungspublikation brachte ein langes Gedicht, das eine sibirische Schamanin für diesen Anlass über ihren heiligen Berg Alkhanai verfasst hatte und mit einer Ermahnung an dessen Besucher begann („Was macht ihr Touristen, ihr sogenannten Pilger?“). Am Schluss konnten die Vertreter:innen eine eigene Erklärung abgeben. Sie lässt sich als globalindigene Lehrmeinung verstehen. Auffällig daran ist die weite Ausdehnung von Heiligkeit: „Wir stellen auch fest, dass für viele von uns unsere ganzen Territorien heilig sind, und das beinhaltet unsere Wohnstätten, Gemeinschaften, Bauernbetriebe, Fußpfade, Märkte und Begegnungsorte; und dass diese Territorien Schichten von Heiligkeit enthalten, oft mit unterschiedlichen Zwecken, einschließlich solcher, die materiell und für die Menschen funktional sind.“20 So wie sich die Naturschützer ein Bild von indigenen Völkern machten, so begannen sich jene ein Bild von der Ökologie und ihren Ansprüchen zu machen. Gut untersucht ist ein solcher reverse environmentalism bei tibetischen Buddhisten in China. Seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert breitete sich im Hochland ein Netz von Nichtregierungsorganisationen aus. Das Zeitalter

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der Projekte begann. Am heiligen Berg Khawakarbo war zum Beispiel die Zahl der Besuchenden massiv angestiegen, was den lokalen Weihrauchzypressen zusetzte. Diese Bäume boten Kleintieren ein Habitat, trugen zur Klimaverbesserung bei und reduzierten die Bodenerosion. Dank eines Projekts konnte der Weihrauchverbrauch stark gesenkt werden. Zentral dafür war die Unterweisung zweier Mönche, die den Karmaverdienst von Pilgern in Frage stellten, wenn diese „den schönsten Schmuck“ des Bergs als Opfer verbrannten.21 Ein Teil der tibetischen Aktivisten empfand die westlichen Umweltschützer aber als arrogant, nicht nur weil sie das Geld und damit letztlich das Sagen hatten, sondern auch aus religiösen Gründen: Die Umwelt schützen zu können, war in ihren Augen ein vermessener, selbstgerechter Glaube; deren Zustand hänge mehr vom inneren Geistesstadium auf dem Weg des Buddha als von äußeren Aktionen ab. Und das Konzept der Biodiversität, das seltenen Arten einen höheren Wert zumisst, sei ungerecht; alle fühlenden Wesen der Welt verdienten die gleiche Sorge und Achtsamkeit.22 Von kritischen Religionswissenschaftlern wurde auch die Frage aufgeworfen, ob und in welchem Maß religiöse Vorstellungen jeglicher Couleur überhaupt zum Umweltschutz beitrügen. Die Frage ist komplex und empirisch schwierig zu beantworten. Die Autoren behelfen sich daher mit Meinungsforschung. Sie haben Hunderte von wissenschaftlichen Artikeln aus dem Bereich verarbeitet und kommen zu einem ambivalenten Schluss: Religionen seien tatsächlich von Bedeutung für ideelle und praktische Einstellungen zur Umwelt, doch der laufende Prozess des Greening of Religions werde weit mehr von gesellschaftlichen Kräften angetrieben als von innerreligiösen.23 Dies unterstützt die Idee, dass die Allianz von (säkularem) Umweltschutz und (indigener) Religion bezüglich heiliger Berge auch künftig von Bedeutung sein könnte. Seitens der Weltpolitik ist allerdings eine relative Abnahme der Rückendeckung möglich. Die tendenzielle Verlagerung von der Biodiversität hin zur CO2-Reduktion als Mittel gegen die globale Erwärmung, also die Fokussierung auf Klimapolitik, führt von terrestrischen in atmosphärische Bereiche. Selbst heilige Berge bleiben aber mehrheitlich terrestrisch.

Mount Sacred – das 21. Jahrhundert

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Mount Sacred – das 21. Jahrhundert

Im frühen 20. Jahrhundert beschäftigten sich zwei Pioniere der westlichen Soziologie in globaler, interkultureller Weise mit religiösen Fragen. Von Émile Durkheim stammen die Die elementaren Formen des religiösen Lebens, welche die Aborigines Australiens als Ausgangspunkt wählten (Kapitel 10). Im Todesjahr von Max Weber, 1920, erschienen seine Gesammelten Aufsätze zur Religionssoziologie, die sich mit der Wirtschaftsethik von Glaubensrichtungen befassten und zum Beispiel viele Ausführungen zu China enthielten. Keines der beiden Grundlagenwerke ging vertieft auf die Beziehung zwischen Religion und Natur ein.24 Doch sie hatten einen starken Einfluss auf die späteren Versuche, religiöse Phänomene wissenschaftlich zu fassen. Heute stehen zwei klassische Typen der Definition von „Religion“ zur Auswahl: substanzielle, die beispielsweise den Glauben an spirituelle Wesen als Grundmerkmal deuten, und struktur-funktionalistische, welche allgemeine Effekte auf die Gesellschaft ins Auge fassen (wie die Integration zu einer moralischen Gemeinschaft). Daneben hat sich seit dem späten 20. Jahrhundert eine weitere Form eingebürgert, die auf die „Familienähnlichkeit“ des Religiösen rekurriert und die Grenzen zu profanen Phänomenen relativ offen und von den Akteuren selbst bestimmen lässt. Bei seiner Untersuchung der „dunkelgrünen“, umweltbezogenen Religionsströmungen der Gegenwart hat zum Beispiel Bron Taylor auf diesen Ansatz zurückgegriffen.25 Für das vorliegende Buch habe ich mich aus mehreren Gründen für diese offene Variante entschieden. Am wichtigsten schien mir der Umstand, dass die in den klassischen Definitionen relativ wenig beachtete Diskursebene für das Thema der heiligen Berge eine zentrale Rolle spielt. Wer kann sich kompetenter über eine bestimmte Form von Heiligkeit äußern als die direkt oder auch indirekt am Geschehen beteiligten Personen? Dabei zeigt sich, dass die individuellen Meinungen auch auseinandergehen und unter Umständen zu erheblichen Schwankungen der öffentlichen Meinung führen. Exemplarisch dafür steht der Umgang der Französischen Revolution mit den Bergen. Vor dem Hintergrund der neuen Bedeutung der Natur in der europäischen Wissenschaft und Kultur kam es damals zu einer starken Politisierung der Natur. Sie brachte eine Art heilige Berge hervor – symbolisch, außerreligiös und als vorübergehende Mode. Aus nicht ganz klaren Grün-

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den identifizierte sich ein Teil der Revolutionäre mit den Bergen. Sie trugen die Bezeichnung „Bergler“ (montagnards) und verwendeten für ihre neu ersonnenen politischen Rituale künstlich erstellte Berge als Verkörperung der Natur. 1793 und 1794, während der heftigsten Phase der Revolution, erlebte der Kult seinen Höhepunkt. Kurz darauf bezeichnete man die Bergkulissen im Nationalkonvent als „Monumente des Terrors“. Ein Abgeordneter gab zu Bedenken, er könne in den Bergen sehr wohl ein Symbol des Volkes erkennen, gäben sie nicht auch Anlass zur Entzweiung: „Ein Berg, ist das nicht eine ewige Auflehnung gegen die Gleichheit?“ So beschloss der Konvent, alle künstlichen Berge in der Republik zu beseitigen (Kapitel 1). Die Politisierung der Natur vor und während der Revolution hatte einen anderen Charakter als die Politisierung der Umwelt, die wir in den letzten Jahrzehnten erlebt haben. Die industriellen Umwälzungen der Moderne steckten damals in den Anfängen. Die Menschen griffen noch weit weniger in das Umweltgeschehen ein als heute. Doch das Beispiel zeigt, wie stark wir bei Zukunftsprognosen auf pfadabhängige Entwicklungen angewiesen sind. Vor dem Einsetzen der Revolution konnte niemand wirklich voraussehen, dass der gewohnte Gang der Dinge bald zu einer Umwälzung von solch explosiver Kraft und globaler Ausstrahlung führen und die Gesellschaft jahrelang in Atem halten würde. Wer von der Vergangenheit in die Zukunft blicken will, muss gewärtigen, dass es außer überschaubaren historischen Kräften viele kontextuelle Kräfte gibt, die wir nicht im Voraus kennen können. Wie in diesem Schlusskapitel mehrfach angedeutet, weisen die Perspektiven für den Mount Sacred eine gemischte Bilanz auf. Im Spiel sind zahlreiche Kräfte mit komplexen Wirkungen – Kolonialismus, Antikolonialismus und Indigenität, Gender, Tourismus, Umweltschutz, um nur die wichtigsten zu nennen. Unter der Annahme, dass in den nächsten Generationen weder eine säkulare noch eine religiöse Grundwelle die gesamte Bergwelt überzieht, vermute ich, dass sich die Zukunftsfrage besser im individuellen Rahmen beantworten lässt – als Prognosen für Einzelfälle. Vom Mount Kailash in Tibet über die Black Hills in South Dakota zum Uluru in der australischen Wüste: Die Geschichte der heiligen Berge war stark von Diversität geprägt; in der Mitte und am Ende des 21. Jahrhunderts könnte sie weiterhin von erheblicher Bedeutung sein. Eine solche Vermutung dürfte auch den Gläu-

Mount Sacred – das 21. Jahrhundert

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bigen gelegen kommen. Viele von ihnen sehen ihre Heiligtümer gern als Unikate und nicht, wie es in Fernost heißt, als mountains beyond mountains: Es gibt zwar Berge jenseits der Berge, aber nur einer oder wenige berühren uns. Wäre es besser, wenn sie sich Nächstens alle gleichen würden?

Anmerkungen

Mehrfach zitierte Schriften erscheinen im Literaturverzeichnis und werden in den Endnoten in der Regel auf abgekürzte Weise ausgewiesen (Autor Jahr, Seite).

Vorwort 1

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Hindustan Times, Chandigarh Edition vom 17.2.2006; zum historischen Hintergrund vgl. Chetan Singh: Long-Term Dynamics of Geography, Religion, and Politics. A Case Study of Kumharsain in the Himachal Himalaya, in: Mountain Research and Development 26/4 (2006), S. 328–335 und ders.: Himalayan Histories. Economy, Polity, Religious Tradition, Albany, NY 2018. Es gibt viele Dimensionen von „Natur“; dieses Buch konzentriert sich auf die landschaftlichen Aspekte. Ähnlich wie im Christentum spielten Berge in der gelehrten islamischen Kosmologie eine relativ geringe Rolle, was nicht ausschließt, dass sie in regionalen Populartraditionen (beispielsweise als Grabstätte) von Bedeutung sein konnten; vgl. den Beitrag von Stephan Prochazka in Kasper/Rollinger 2023; zur Frage des islamischen Anthropozentrismus vgl. Zainal Abidin Bagir, Najiyah Martiam: Islam. Norms and Practices, in: Jenkins 2017, S. 79–87. Peter H. Hansen: The Summits of Modern Man. Mountaineering after the Enlightenment, Cambridge, MA 2013; Jon Mathieu: Globalisation of Alpinism in the Twentieth Century: Publicity, Politics, and Organisational Endeavours, in: Comparativ. Zeitschrift für Globalgeschichte und vergleichende Gesellschaftsforschung 30/3–4 (2020), S. 410–422. Luigi Corvi: Buddha o croce, la sfida in vetta, in: Corriere della Sera vom 9.9.2005; vgl. hinten Kapitel 3 und 6. Chavannes 1910, S. 302 (Übersetzung aus dem Französischen, Original Chinesisch); vgl. Kapitel 4; wenn nicht anders vermerkt, stammen alle Übersetzungen ins Deutsche von mir JM. Mills 1997, S. 66 (Übersetzung aus dem Englischen, Original Ketschua/Spanisch). Pierre Bourdieu: Une interprétation de la théorie de la religion selon Max Weber, in: Archives européennes de Sociologie 12 (1971), S. 3–21. Stutfield 1918–1919, S. 241–247; vgl. Kapitel 2.

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Anmerkungen

10 Jon Mathieu und Chetan Singh (Hg.): Religion and Sacredness in Mountains: A Historical Perspective, Special Issue of „Mountain Research and Development“, 26/4 (2006); Mathieu 2011; Xueqin/Mathieu 2014; Mathieu 2020. 11 Mountain Agenda: An Appeal for the Mountains, Bern 1992, S. 10 (Übersetzung aus dem Englischen). 12 Für eine ausführlichere Diskussion methodischer Aspekte vgl. Jon Mathieu: Comparing Sacred Mountains: Some Notes on Approach and Method, in: Cultures of Mountain Areas. Comparative Perspectives, hg. von Tobias Boos und Daniela Salvucci, Bozen, im Erscheinen (2023). – Ich halte mich in diesem Buch an eine kontextabhängige Form von genderneutraler Sprache. 13 Xueqin/Mathieu 2014.

1. Wie entsteht ein heiliger Berg? 1 Vgl. https://translate.google.com (Zugriff 9.10.2020). 2 Gantke 1998 (vor katholischem Hintergrund); zur Religionswissenschaft vgl. auch hinten Kapitel 2. 3 Carsten Colpe: „heilig“ (sprachlich), in: Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe, hg. von Hubert Cancik u. a., Bd. 3, Stuttgart 1993, S. 74–80. 4 Nach der im frühen 19. Jahrhundert empfohlenen deutschen Übersetzung des lateinischen Originals: Das heilige, allgültige und allgemeine Concilium von Trient 1827, S. 393–396. 5 O’Malley 2013, S. 118–121. 6 Das heilige, allgültige und allgemeine Concilium von Trient 1827, S. 74; zur Siebenzahl vgl. Josef Finkenzeller: Die Zählung und die Zahl der Sakramente. Eine dogmengeschichtliche Untersuchung, in: Wahrheit und Verkündigung. Festschrift Michael Schmaus, hg. von Leo Scheffczyk u. a., München 1967, Bd. 2, S. 1005–1033; zur zeitgenössischen Diskussion vgl. Euan Cameron: The European Reformation, Oxford 2012, S. 184–196. 7 O’Malley 2013, v. a. S. 118, 130–131, 147–148, 190, 255–256. 8 Franz X. Noppenberger: Die eucharistische Monstranz des Barockzeitalters. Eine Studie über Geschichte, Aufbau, Dekoration, Ikonologie und Symbolik der barocken Monstranzen vernehmlich des deutschen Sprachgebietes, München 1958, S. 15. 9 Rudolf Henggeler: Die „Grosse Monstranz“ von Einsiedeln, in: Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 16 (1956), S. 35–48. 10 Das heilige, allgültige und allgemeine Concilium von Trient 1827, S. 312; O’Malley 2013, S. 243–244. 11 Peter Burke: How to Be a Counter-Reformation Saint, in: Kaspar von Greyerz

1. Wie entsteht ein heiliger Berg?

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(Hg.): Religion and Society in Early Modern Europe, 1500–1800, London 1984, S. 45–55, Zitat S. 50 (Original Englisch). 12 Simon Ditchfield: How not to Be a Counter-Reformation Saint: The Attempted Canonization of Pope Gregory X, 1622–45, in: Papers of the British School at Rome 60 (1992), S. 379–422. 13 Brown 1978, S. 97–101 und Peter Brown: The Cult of the Saints. Its Rise and Function in Latin Christianity, Chicago 1981, S. 121–125; in der Literatur wurde der anthropozentrische Charakter des älteren Christentums besonders in der Zeit seiner Kritik thematisiert, vgl. hinten Kapitel 11. 14 Vgl. Kapitel 6. 15 Huber 1999, S. 60. 16 Huber 1999, S. 65 (Übersetzung aus dem Englischen, Original Tibetisch), vgl. auch S. 239–240, 267. 17 Huber 1999, S. 22–25, 28–29, 72. 18 Ebenda. 19 Huber 1999, 128–174. 20 Huber 1999, 119, 197–200. 21 Huber 1999b, S. 78–79 (Übersetzung aus dem Englischen); Hinweise zu diesem Ansatz gibt auch seine unveröffentlichte Dissertation, ein ausdrückliches work in progress: Toni Huber: What Is a Mountain? An Ethnohistory of Representation and Ritual at Pure Crystal Mountain in Tibet, University of Canterbury 1993, auf www.core.ac.uk (Zugriff 31.1.2021). 22 Huber 1999, S. 13–14, 22–23 und Huber 1999b, S. 77, 79; zur Komplexität der tibetischen Klassifikation etwa auch Anne-Marie Blondeau und Ernst Steinkellner (Hg.): Reflections of the Mountain. Essays on the History and Social Meaning of the Mountain Cult in Tibet and the Himalaya, Wien 1996, S. VIII–IX. 23 Messner/Märtin 2013; das Buch geht teilweise auf die ZDF-Serie Wohnungen der Götter zurück, die allerdings nicht genannt wird; die Texte der beiden Autoren sind nicht gekennzeichnet, können aber bezüglich Stil und Inhalt in der Regel auseinandergehalten werden; eine Zweitausgabe von 2020 unter dem Titel Tanzplatz der Götter enthält zwei kurze Texte zum verstorbenen Märtin und ist sonst unverändert. 24 Messner/Märtin 2013, S. 237–240; allein mit materiellen Überresten sind die genauen (prä-)historischen Kultformen schwer zu erschließen, vgl. etwa die auf eine „Archäologie der Zukunft“ gerichteten Beobachtungen von Isabel Laack: Sacred Sites in Glastonbury (England): Erfindung, Erfahrung und Erfassung alter und neuer Rituale, in: Matthias Egeler (Hg.): Germanische Kultorte. Vergleiche, historische und rezeptionsgeschichtliche Zugänge, München 2016, S. 98–102. 25 Messner/Märtin 2013, S. 33. 26 Messner/Märtin 2013, S. 13, 252–255; vgl. auch hinten Kapitel 6. 27 Messner/Märtin 2013, S. 52, 60, 214. 28 Messner/Märtin 2013, S. 163–180; die Schlussfrage stellt der Coautor Märtin.

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Anmerkungen

29 Gantke 1998, S. 371. 30 Meyers Konversations-Lexikon. Eine Encyklopädie des allgemeinen Wissens, 4. Auflage, 12. Bd., Leipzig 1888, S. 14. 31 Isabel Laack: The New Animism and Its Challenges to the Study of Religion, in: Method and Theory in the Study of Relgion 32 (2020), S. 115–147. 32 Messner/Märtin 2013, S. 20, 29–33. 33 Vgl. https://whc.unesco.org/en/list/954 (Zugriff 30.10.2020). 34 Brown 1978, S. 82, 89 (Übersetzung aus dem Englischen). 35 Serge Brunet u. a. (Hg.): Montagne sacrées d’Europe, Paris 2005, S. 215–262 (Part III. Déserts et ermites). 36 Émilie-Anne Pépy: Le Territoire de la Grande Chartreuse, XVIe–XVIIe siècle. Montagne sacrée, montagne profane, Grenoble 2011, S. 357–368, 412 (Übersetzung aus dem Französischen); vgl. dieselbe: „Désert terrible“ ou reflet de l’Eden. Représentations des montagnes, l’exemple de la Grande Chartreuse, in: Geschichte der Alpen 12 (2007), S. 261–272; spanische Beispiele bei Trevor Johnson: Gardening for God: Carmelite deserts and the sacralisation of natural space in Counter-Reformation Spain, in: Coster/Spicer 2005, S. 193–210. 37 Martin Collcutt: Five Mountains. The Rinzai Zen Monastic Institution in Medieval Japan, Cambridge MA 1981; Heinrich Dumoulin: Zen Buddhismus, Bd. II: Japan, Tübingen 2019 (2. durchgesehene Auflage), S. 135–164; vgl. auch Bingenheimer 2017, S. 21. 38 Vgl. die einleitenden Bemerkungen von Huber 1999, S. 21. 39 Aus unterschiedlicher Perspektive z. B. Peter Brown: The Rise of Western Christendom. Triumph and Diversity, AD 200–1000, Cambridge MA 1996, S. 20–21, 96–97, 108–109; Ramsay MacMullen: Christianity and Paganism in the Fourth to Eighth Centuries, New Haven 1997, S. 64–74, 155–156, 158. 40 Das schloss Wandelerscheinungen natürlich nicht aus; nicht überzeugend finde ich aber die Theorien, welche die „Trennung von Natur und Kultur“ erst in die Neuzeit verlegen, vgl. unten Kapitel 11. 41 Miller 2011, S. 104–133. 42 Hans-Christian Harten und Elke Harten: Die Versöhnung mit der Natur. Gärten, Freiheitsbäume, republikanische Wälder, heilige Berge und Tugendparks in der Französischen Revolution, Hamburg 1989, S. 127–140; Miller 2011, S. 133–138; die Hymne in La Chanson française du XVe au XXe siècle, Paris 1910, S. 184. 43 Platon Blanchard: Catéchisme de la Nature ou Religion et Morale naturelles, Jahr II der Republik (1793/1794). 44 Mona Ozouf: Festivals and the French Revolution, Cambridge, MA 1988, S. 262–282; Monique Mosser: Le temple et la montagne. Généalogie d’un décor de fête révolutionaire, in: Revue de l’art 83 (1989), S. 21–35. 45 Procès-verbaux du Comité d’instruction publique de la Convention nationale, hg. von James Guillaume, Bd. 5, Paris 1904, S. 508–509 (Übersetzung aus dem Französischen).

2. Eine Welt zwischen Glauben und Wissen

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2. Eine Welt zwischen Glauben und Wissen 1

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Ester Boserup: Development Theory: An Analytical Framework and Selected Applications, in Population and Development Review 22/3 (1996), S. 505–515; Thomas 1983, S. 166–170; Mathieu 2011, S. 21–22. Angus Maddison: The World Economy. A Millennial Perspective, Paris 2001, S. 232, 238; Rein Taagepera: Expansion and Contraction Patterns of Large Polities: Context for Russia, in International Studies Quarterly 41 (1997), S. 475–504. Landt 1994 (mit separat paginiertem Anhang: Übersetzungen der ausgewählten Texte), S. 79–95, Anhang S. 42–54. Landt 1994, S. 142–143; Arthur W. Hummel (Hg.): Eminent Chinese of the Ch’ing Period (1644–1912), Taipei 1970, Bd. 2, S. 606–607; für die Bedeutung der Phonologie im Neokonfuzianismus des 17. und 18. Jahrhunderts vgl. Q. Edward Wang: Beyond East and West: Antiquarianism, Evidential Learning and Global Trends in Historical Study, in: Journal of World History 19/4 (2008), S. 489–519; allgemein interessant für frühneuzeitliche Gelehrtenbesuche bei heiligen Bergen ist Dott 2004, S. 194–224. Landt 1994, S. 84. Chavannes 1910, S. 415–419 (Übersetzung aus dem Französischen, Original Chinesisch; bei Chavannes ist der Titel romanisiert als Tchong-t’ ien tch’ong cheng-ti; ich danke Brian R. Dott für die Pinyin-Romanisierung und Übersetzung). Hinweise zur Literatur bei Robson 2009, v. a. S. 335; neue Zusammenfassungen unter verschiedenen Gesichtspunkten: Shangyi Zhou, Weilin Xu: Interpreting the Inheritance Mechanism of the Wu Yue Sacred Mountains in China Using Structuralist and Semiotic Approaches, in: Sustainability (online-Journal) 10 (2018); Angelika C. Messner: Approaching the Sacred in Chinese Past Contexts, in: Ute Luig (Hg.): Approaching the Sacred. Pilgrimage in Historical and Intercultural Perspective, Berlin 2018, S. 37–58; für die außenpolitische Dimension vgl. Wang Gungwu: Early Ming Relations with Southeast Asia: Background Essay, in: John King Fairbanks (Hg.): The Chinese World Order. Traditional China’s Foreign Relations, Cambridge MA 1970, S. 55–60, 297. Robson 2009, S. 25–26, 334–335. Power of Place ist der Haupttitel der umfangreichen Monografie von Robson 2009; zur Titelvergebung und zum Amtscharakter etwa S. 34, 41–43, 157; allgemein zu Staatsritualen: Joseph P. McDermott (Hg.): State and Court Rituals in China, Cambridge 1998. Z. B. Xueqin/Mathieu 2014, S. 37–38. Landt 1994, S. 85, Anhang S. 44; Chavannes 1910, S. 415–419. Kai Sheng: On the Veneration of Four Sacred Buddhist Mountains in China, in: The Eastern Buddhist 44/2 (2013), S. 121–143, hier S. 126, 132. Landt 1994, S. 86, Anhang S. 44, 49.

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Anmerkungen

14 Qianjin Wang: Geoscience, in: Yongxian Lu (Hg.): A History of Chinese Science and Technology, Berlin 2015, S. 121–202, hier S. 164–165; Laura Hostetler: Early Modern Mapping at the Qing Court: Survey Maps from the Kangxi, Yongzheng, and Qianlong Reign Periods, in: Yongtao Du, Jeff Kyong-McClain (Hg.): Chinese History in Geographical Perspective, Lanham 2013, S. 15–33. 15 Boscani Leoni 2019, der Fragebogen auf S. 33–49; der Band enthält auch Hinweise zur reichhaltigen Forschungsliteratur zu Scheuchzer. 16 Boscani Leoni 2019, S. 6, 99. 17 Johann Jakob Scheuchzer: Kupfer-Bibel, in welcher die Physica Sacra oder Geheiligte Natur-Wissenschaft derer in Heil[igen] Schrift vorkommenden Natürlichen Sachen deutlich erklärt [wird], Band 1, Augsburg 1731, S. 254–259; allgemein zu dieser kulturellen Bewegung: Ann Blair und Kaspar von Greyerz (Hg.): Physicotheology. Religion and Science in Europe, 1650–1750, Baltimore 2020. 18 Vgl. z. B. Sulzer 1746, 2. Teil, S. 98; Boscani Leoni 2019, S. 135–136. 19 Sulzer 1746, Teil 1, S. 10. 20 Sulzer 1746, 2. Teil, S. 316–318 und Anhang: Untersuchung von dem Ursprung der Berge, und anderer damit verknüpften Dinge, S. 3–44; Johann Georg Sulzer: Beschreibung einiger Merkwürdikeiten welche er in eine Ao. 1742 gemachten Berg-Reise durch einige Oerter der Schweitz beobachtet hat, Zürich 1747; zur französischen Erdvermessung vgl. Walter Kertz: Geschichte der Geophysik Hildesheim 1999, S. 76–78. 21 Johann Georg Sulzer: Versuch einiger moralischen Betrachtungen über die Werke der Natur, Zürich 1745, S. V–VI, 61–62. 22 Hubert Steinke: Sulzer, Johann Georg, in: Historisches Lexikon der Schweiz, Version vom 17.08.2012, auf https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/012337/2012-08-17/ (Zugriff 26.11.2020). 23 Trepp 2009, S. 330–332. 24 Johann Christoph Wolf: Orotheologie, oder erbauliche Betrachtung über die Berge, als wichtige Zeugen der Allmacht, Weisheit, Vorsehung und Güte Gottes, und Leiter der Menschen zur schuldigen Verehrung und Anbetung, Lob und Dank, Gehorsam, Liebe und Vertrauen gegen denselben, Hof 1756, S. 66; über den Autor (1730–1785) ist in der Literatur wenig bekannt. 25 Trepp 2009, S. 336; Zedler, Bd. 3, 1733, Sp. 1244–1245. 26 Sehr breit, am britischen Beispiel: Thomas 1983, für die Berge S. 259–261. 27 Jon Mathieu, Simona Boscani Leoni (Hg.): Die Alpen! Zur europäischen Wahrnehmungsgeschichte seit der Renaissance, Bern 2005, S. 53–72, Mathieu 2015, S. 138–140; Martin Korenjak: Why Mountains Matter. Early Modern Roots of a Modern Notion, in: Renaissance Quarterly 70 (2017), S. 179–219; Dawn L. Hollis: Mountain Gloom and Mountain Glory: The Genealogy of an Idea, in: Interdisciplinary Studies in Literature and Environment 26/4 (2019), S. 1038–1061. 28 Alexander von Humboldt: Ansichten der Kordilleren und Monumente der ein-

Mount Sacred – das 21. Jahrhundert

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geborenen Völker Amerikas, Frankfurt a. M. 2004, S. 241 (das französische Original erschien 1810–1813 im Folioformat in Paris); vgl. dazu Caroline Schaumann: Peak Pursuits. The Emergence of Mountaineering in the Nineteenth Century, New Haven 2020, S. 63–66; zur langfristigen Konjunktur des Erhabenheitsbegriffs mit Literatur: Pascal Gutknecht und Jon Mathieu: „Erhabene Berge“. Eine korpuslinguistische Studie zu den Periodika des Schweizer Alpenclubs 1864 bis 2014, in: Geschichte der Alpen 25 (2020), S. 215–233. Stutfield 1918–1919, S. 241–247. F. T. Wethered: Correspondance, in: Alpine Journal 219 (1919), S. 303–304 (Übersetzung aus dem Englischen) Scharfe 2007, S. 128–135; ein eigentliches Gebet bei Nikolai Michailowitsch Karamsin: Briefe eines russischen Reisenden, Berlin 1977 (zuerst 1799–1801), S. 269; ich danke Clà Riatsch für den Hinweis. In der Frühneuzeit war der Götterberg nur wegen seiner legendären Höhe (in Wirklichkeit unter 3000 Metern), seiner heidnischen Heiligkeit oder aus anderen Gründen in Erscheinung getreten, vgl. etwa Jon Mathieu: Der Berg als König. Aspekte der Naturwahrnehmung um 1600, in: Berner Zeitschrift für Geschichte 79/1 (2017), S. 3–35, hier S. 14–15; Zedler, Bd. 25, 1741, Sp. 1383–1384. Constantin Klein und Thomas Schmidt-Lux: Ist Fuß ball Religion? Theoretische Perspektiven und Forschungsbefunde, in: Engelbert Thaler (Hg.): Fußball. Fremdsprachen. Forschung, Aachen 2006, S. 18–35; Hugh McLeod, Nils Martinius Justvik und Rob Hess: Sport and Christianity: Historical Perspectives – An Introduction, in: The International Journal of the History of Sport 35/1 (2018), S. 1–8. Hugh E. M. Stutfield: The Roman Mischief-Maker. Her Teaching and Practice, London 1919; in der Folge publizierte er zwei weitere Bücher zu religiösen Themen. Maurice Isserman und Stewart Weaver: Fallen Giants. A History of Himalayan Mountaineering from the Age of Empire to the Age of Extremes, New Haven 2008, S. 108–126; Peter H. Hansen: The Dancing Lamas of Everest: Cinema, Orientalism, and Anglo-Tibetan Relations in the 1920s, in: The American Historical Review 101/3 (1996), S. 712–747, Zitate S. 724 und 743 (Übersetzung aus dem Englischen, Originale Tibetisch). Vgl. etwa Angelika C. Messner: Heilige Berge und heilige Menschen im chinesischen Kontext, in: dies. und Konrad Hirschler (Hg.): Heilige Orte in Asien und Afrika. Räume göttlicher Macht und menschlicher Verehrung, Schenefeld 2006, S. 177–198, hier S. 187. Mathieu 2011, S. 38–40; dort auch der Hinweis, dass sich die Kriterien der Höhenmessung in jüngster Zeit diversifiziert haben; gemessen vom Erdmittelpunkt ist der Chimborazo infolge seiner Lage am Äquator gut 2 Kilometer höher als der Mount Everest. Neue Deutsche Biographie, Bd. 1, Berlin 1953, S. 287.

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Anmerkungen

39 Ferdinand von Andrian: Der Höhencultus asiatischer und europäischer Völker. Eine ethnologische Studie, Wien 1891, S. IX–XXXIV, Zitat S. IX; vertreten wurde die sinobabylonische These v. a. vom Sinologen Terrien de Lacouperie (1844–1894). 40 Neue Deutsche Biographie, Bd. 19, Berlin 1999, S. 709–711. 41 Rudolf Otto: Das Heilige. Über das Irrationale in der Idee des Göttlichen und sein Verhältnis zum Rationalen, Breslau 1921 (zuerst 1917), v. a. S. 52–53, 64, 77–78, 80, 100, 140, 145, 159, 167; zu Otto wie auch zu Eliade gibt es eine umfangreiche Literatur, auf die ich nicht hinweise; hier geht es um den Perspektivenwechsel bezüglich der Naturwahrnehmung; zum vieldiskutierten Verhältnis zwischen Theologie und Religionswissenschaft etwa Karénina Kollmar-Paulenz: Für eine Klärung der Standorte. Zum Verhältnis von Religionswissenschaft und Theologie, in: Reformatio. Zeitschrift für Kultur, Politik, Religion 54/3 (2005), S. 175–181. 42 Mircea Eliade: Das Heilige und das Profane. Vom Wesen des Religiösen, Hamburg 1957, S. 8, 23–24; ausführlicher zu Bergen auf dieser Linie: Diana L. Eck: Mountains, in: The Encyclopedia of Religion, hg. von Mircea Eliade, Bd. 10, New York 1987, S. 130–134. 43 Zur Diskussion stand auch Eliades Verstrickung im Rechtsextremismus v. a. der 1930er Jahre; sehr scharf urteilt Daniel Dubuisson: Impostures et pseudo-science. L’œuvre de Mircea Eliade, Villeneuve d’Ascq 2005. 44 Ernst M. Conradie: An Ecological Critique of Christianity and a Christian Critique of Ecological Destruction, in: Jenkins 2017, S. 70–78; vgl. auch hinten Kapitel 11. 45 Bernbaum 1997, S. XI (Übersetzung aus dem Amerikanischen); 2022 wurde das Buch mit reduzierter Illustration und revidiertem Inhalt neu aufgelegt. – Aus der weiteren Literatur seien hier folgende Beispiele genannt: Samivel [Paul Gayet-Tancrède]: Hommes, cimes et dieux. Les grandes mythologies de l’altitude et la légende dorée des montagnes à travers le monde, Paris 1973 (Alpinist mit kulturellem Interesse); Karl Gratzl (Hg.): Die heiligsten Berge der Welt, Graz 1990 (neun Essays zu einzelnen Bergen, eingeleitet von einem Kardinal, hg. von einem Verlagsmitarbeiter); Amilcare Barbero, Stefano Piano (Hg.): Religioni e Sacri Monti, Ponzano Monferrato 2006 (Akten eines großangelegten interdisziplinären Kongresses im Piemont); Julien Ries (Hg.): Montagnes sacrées, Paris 2010 (ein gutes Dutzend Essays, hg. und eingeleitet von einem Erzbischof). 46 Bernbaum 2006, S. 304–309 und Bernbaum 2022, S. 31–32, 343–350; persönliche Mitteilung vom 16.12.2020.

3. Mount Kailash – Modellberg der Heiligkeit

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3. Mount Kailash – Modellberg der Heiligkeit 1

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Toni Huber und Tsepak Rigzin: A Tibetan Guide for Pilgrimage to Ti-se (Mount Kailas) and mTsho Ma-pham (Lake Manasarovar), in: Toni Huber (Hg.): Sacred Spaces and Powerful Places in Tibetan Culture. A Collection of Essays, Dharamsala 1999, S. 125–153, hier S. 128–129 (Übersetzung aus dem Englischen, Original Tibetisch); zwecks Vereinfachung habe ich die vielnamigen Gottheiten Mahadeva und Uma des Texts unter den bekannteren Bezeichnungen Shiva und Parvati angeführt; „Kailash“ wird hier immer in dieser Form wiedergegeben, auch wenn einige Quellen „Kailas“ oder weitere Schreibweisen verwenden. Osterhammel 2011, S. 1250 für die erwähnte Zahl; McKay 2015 für viele Informationen zum politischen Kontext. McKay 1999, S. 305–321, hier S. 308 (Übersetzung aus dem Englischen; der Autor des Buchs war Henry Savage Landor). Charles A. Sherring: Western Tibet and the British Borderlands. The Sacred Country of Hindus and Buddhists with an Account of the Government, Religion and Customs of its Peoples, London 1906, S. 1–2 (Übersetzung aus dem Englischen); vgl. McKay 1999, S. 3019–312 und McKay 2015, S. 387–398. Hedin 1909–1912, Bd. 2, S. 164–173. McKay 2015, S. 395–404. Tichy 1937, S. 135–155; Arnold Heim und August Gansser: Thron der Götter. Erlebnisse der ersten Schweizerischen Himalaya-Expedition, Zürich 1938, S. 113– 123. Govinda 1983 (zuerst 1966); McKay 2015, S. 412–422. Jules Blache: L’Homme et la Montagne, Paris 1934, S. 99–100; Roderick Peattie: Mountain Geography. A Critique and Field Study, Cambridge, MA 1936, S. 4; Bernbaum 1997 (zuerst 1990), S. 8–15; Gratzl 1990, S. 9–10, 81. Mathieu 2011, S. 179; die erste mir bekannte Verbindung mit dem Everest bei McKay 2015, S. 418. McKay 2015, S. 1–21; zur kontroversen Frage der Abgrenzbarkeit vgl. auch Karénina Kollmar-Paulenz: Außereuropäische Religionsbegriffe, in: Michael Stausberg (Hg.), Religionswissenschaft, Berlin 2012, S. 81–94. McKay 2015, S. 94 (Übersetzung aus dem Englischen). McKay 2015, S. 275, 316, 322, 330–332, 364–365; Alex McKay (Hg.): The History of Tibet, Bd. 2, London 2003, S. 787. Huber 1999, S. 23, 56, 112; Berg-Circumambulation gab und gibt es auch in der Mongolei, in nördlichen Teilen Nepals und vielleicht in einigen anderen Regionen der Umgebung. Huber 1999, S. 17, 250 (Anm. 27). Ausführlich in McKay 2015, Kapitel 1–10. Tichy 1937, S. 150; sehr informativ für die buddhistische Wahrnehmung der Berg-

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Anmerkungen

besteigungen ist Sherry B. Ortner: Life and Death on Mount Everest: Sherpas and Himalayan Mountaineering, Princeton 1999. Swami Pranavananda: Kailas – Manasarovar, Calcutta 1949, S. 82–83 (Übersetzung aus dem Englischen). Govinda 1983 (zuerst 1966); Hellmuth Hecker: Lebensbilder deutscher Buddhisten. Ein bio-bibliographisches Handbuch, Bd. 1: Die Gründer, Konstanz 1996, S. 84–115. Govinda 1983, S. 303–305. Govinda 1983, S. 140–146, 149, 296, 313, 404–405, 411. Frankfurter Rundschau, 28. August 2003; Falldokumentation der Tibet Initiative Deutschland auf www.tibet-initiative.de (Zugriff 28.12.2008); später wurde der Straßenbauplan von den chinesischen Behörden fallengelassen. John Snelling: The Sacred Mountain. Travellers and Pilgrims at Mount Kailas in Western Tibet and the Great Universal Symbol of the Sacred Mountain, Delhi 2006, S. 313–380; Katrin Burri: Umweltschutz in der Kailashregion. Präfektur Ngari, Westtibet. Eine Situationsanalyse, o. O. (Zürich/Kriens) 2005, S. 7; in religiös hervorgehobenen Jahren konnte der Pilgerstrom die angeführte Zahl stark übertreffen. Anna Urbanska-Szymoszyna: Transforming Tibetan Icon. Chinese Impact and Global Implications on the Picture of Mt. Kailas, in: The Tibet Journal 36/4 (2011), S. 35 (Übersetzung aus dem Englischen).

4. Tai Shan – der kaiserliche Ostberg 1

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Eine facettenreiche Studie zur älteren Zeit bietet Brian R. Dott: Identity Reflections. Pilgrimages to Mount Tai in Later Imperial China, Cambridge, MA 2004; klassisch ist weiterhin Edouard Chavannes: Le T’ai Chan. Essai de monographie d’un culte chinois, Paris 1910. Wie schon aus diesen Buchtiteln hervorgeht, variiert die romanisierte Schreibweise des Tai Shan; die chinesische ist: 泰山. World Heritage Nomination – IUCN Summary, no. 437, May 1987, in: UNESCO Ressourcen-Archiv, auf https://whc.unesco.org/en/documents/153475 (Zugriff 1.2.2021). Harrist 2008, S. 289 (Übersetzung aus dem Englischen, Original Chinesisch). Harrist 2008, S. 254–258 (Übersetzung aus dem Englischen, Original Chinesisch); für Tai oder Dai vgl. auch Dott 2004, S. 31. Harrist 2008, S. 18, 24, 26, 284–287 (Zitat), 302 (Anm. 26). Chavannes 1910, S. 6–7 (Übersetzung aus dem Französischen, Original Chinesisch). Chavannes 1910, S. 288–293.

4. Tai Shan – der kaiserliche Ostberg

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Dott 2004, S. 66, 73; Chavannes 1910, S. 28 (Übersetzung aus dem Französischen, Original Chinesisch). 9 Dott 2004, S. 56, 203, 221–222. 10 Daniel L. Overmyer: Religion in China Today – Introduction, in: The China Quarterly (Special Issue) 174 (2003), S. 308; André Laliberté, Stefania Travagnin (Hg.): Concepts and Methods for the Study of Chinese Religions, Bd. 1, Berlin 2019, S. 4. 11 Dott 2004, S. 88, 110–115, 293–294. 12 Dott 2004, S. 121–130, 265–267; Chavannes 1910, S. 70–72; Pei-yi Wu: An Ambivalent Pilgrim to T’ai Shan in the Seventeenth Century, in: Susan Naquin, Chün-fang Yü (Hg.): Pilgrims and Sacred Sites in China, Berkeley 1992, S. 65–88, hier S. 65. 13 Mark Elvin: The Retreat of the Elephants. An Environmental History of China, New Haven 2004, S. 407–408; Dott 2004, S. 88–100. 14 Pomeranz 1997, S. 182–204. 15 Pomeranz 1997, S. 182–183. 16 Kenneth Pomeranz: Orthopraxy, Orthodoxy, and the Goddess(es) of Taishan, in: Modern China 33/1 (2017), S. 22–46, hier S. 30–31; zur rituellen Verortung des männlichen Gotts: Dott 2004, S. 183–184. 17 Kouamé/Goossaert 2006, S. 216. 18 Kouamé/Goossaert 2006, S. 204–205, 215–218. 19 Daniel L. Overmyer: Local Religion in North China in the Twentieth Century. The Structure and Organization of Community Rituals and Beliefs, Leiden 2009, S. 50–51 (Übersetzung aus dem Englischen); die Geschichtsschreibung zur Kulturrevolution ist überdurchschnittlich kontrovers, vgl. Barbara Barnouin und Yu Changgen: Ten Years of Turbulence. The Chinese Cultural Revolution, London 1993; Mobo Gao: The Battle for China’s Past: Mao and the Cultural Revolution, London 2008. 20 Dott 2004, S. 43; Dott 2010, S. 323; Harrist 2008, S. 287–289. 21 Dott 2004, S. 232–234, 294; Dott 2010; Brian R. Dott: Taishan yu minzuzhuyi: yizuo shengdi xiangzheng guojia (Mount Tai and Nationalism: A Sacred Site Symbolizes the Nation), in: Minzu yanjiu (Folklore Studies) 2018, Nr. 2, S. 74– 79; einige Experten warnen davor, die religiösen Kontinuitäten im modernen China zu unterschätzen, vgl. Vincent Goossaert: For a History of Religious Ideas in Modern and contemporary China, in: André Laliberté, Stefania Travagnin (Hg.): Concepts and Methods for the Study of Chinese Religions, Bd. 1, Berlin 2019, S. 231–249, hier S. 234. 22 World Heritage Nomination – IUCN Summary 1987, no. 437, May 1987, in: UNESCO Ressourcen-Archiv, auf https://whc.unesco.org/en/documents/153475 (Zugriff 1.2.2021). 23 Vgl. https://whc.unesco.org/en/tentativelists/state=cn (Zugriff 5.2.2021).

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Anmerkungen

24 Nomination of Kailash Sacred Landscape as World Heritage Site, 27th January 2016, auf https://wii.gov.in/images//images/documents/unesco_c2c_nwhs_ nom_kailash_2016.pdf (Zugriff 5.2.2021) und persönliche Mitteilung von Edwin Bernbaum, der die Vorverhandlungen leitete (16.12.2020).

5. Paektusan – heiliger Berg der Revolution 1 2 3 4 5

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20 Minuten vom 23.12.2011; im folgenden Kapitel adaptiere ich mehrere Stellen aus Mathieu 2020. Allgemein Pamela Kyle Crossley: The Manchus, Cambridge, MA 1997 (für die Changbaishan-Bezeichnungen S. 206–207). Elliott 2000, S. 612 (Übersetzung aus dem Englischen, Original Chinesisch). Elliott 2000, S. 613; Stephen H. Whiteman: Where Dragon Veins Meet. The Kangxi Emperor and His Estate at Rehe, Washington 2020, S. 67. Pamela Kyle Crossley: An Introduction to the Qing Foundation Myth, in: Late Imperial China 6/2 (1985), S. 13–24; Lin Sun: Writing an Empire: An Analysis of the Manchu Origin Myth and the Dynamics of Manchu Identity, in: Journal of Chinese History 1 (2017), S. 93–109. Dott 2004, S. 33 und 161–162 (Übersetzung aus dem Englischen, Original Chinesisch). Elliott 2000, S. 614. Seonmin Kim: Ginseng and Borderland. Territorial Boundaries and Political Relations between Qing China and Choson Korea 1636–1912, Oakland, CA 2017, S. 58–59, 71–72 (Übersetzung aus dem Englischen, Original Koreanisch). Grayson 2015. Grayson 2015; Yuanchong Wang: Provincializing Korea: The Construction of the Chinese Empire in the Borderland and the Rise of the Modern Chinese State, in: T’oung Pao 105 (2019), S. 128–182, hier S. 136–137, 141. Marion Eggert: View of the Country, Visions of Self. Choson Dynasty Travel Records on Chiri-san and Paektu-san, in: Asiatische Studien 52 (1998), S. 1069–1102. Chizuko T. Allen: Northeast Asia Centered Around Korea: Ch’oe Namson’s View of History, in: The Journal of Asian Studies 49/4 (1990), S. 787–806; Hyung Il Pay: Constructing „Korean“ Origins. A Critical Review of Archeology, Historiography, and Racial Myth in Korean State-Formation Theories, Cambridge, MA 2000; Andre Schmid: Korea Between Empires, 1985–1919, New York 2002. Timothy S. Lee: What Should Christians Do about a Shaman-Progenitor? Evangelicals and Ethnic Nationalism in South Korea, in: Church History 78/1 (2009), S. 66–98. Michael J. Seth: A Concise History of Modern Korea. From Late Nineteenth Century to the Present, London 2006, S. 237.

5. Paektusan – heiliger Berg der Revolution

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15 Virginie Grzelczyk: In the Name of the Father, Son, and Grandson: Succession Patterns and the Kim Dynasty, in: The Journal of Northeast Asian History 9/2 (2012), S. 33–68. 16 Socialist Constitution of the Democratic People’s Republic of Korea, Pjöngjang 1998, Artikel 163 (Übersetzung aus dem Englischen). 17 Kim il Sung 1993–2007, Bd. 1, S. 261–264; Original Koreanisch, zwei dieser Bände postum; das Buch scheint in Nordkorea populär und weitverbreitet zu sein. 18 Kim il Sung 1993–2007, Bd. 8. S. 387. 19 Suh 1988. 20 Lim 2015. 21 Lim 2015, S. 55; eine detaillierte Rekonstruktion in Suh 1988. 22 Lim S. 72; die Zahlenangabe bezieht sich auf die Zeit seit 1956, doch es ist anzunehmen, dass die Besuche seit den Kampagnen der 1980er Jahre stark anstiegen; da auch landesinnere Reisen der staatlichen Kontrolle unterliegen, stützt sich die Angabe möglicherweise nicht nur auf Schätzungen. 23 Alpines Museum der Schweiz (Hg.): Let’s Talk About Mountains (Begleitpublikation zur Nordkorea-Ausstellung), Bern 2020, S. 106; die Publikation dokumentiert die Bedeutung des Paektusan in der aktuellen Alltagskultur. 24 Zum Konzept der Familienähnlichkeit in der Religionswissenschaft vgl. Kapitel 11. 25 Ansätze zur Systematisierung von heiligen Bergen gab es in mehreren Regionen, in territorialer Hinsicht besonders bei indianischen Nationen im Südwesten der USA (vgl. Bernbaum 1997, S. 157–161); inwiefern man dies mit der elaborierten chinesischen Bergkultur vergleichen sollte, wäre zu diskutieren. 26 Andrea Castiglioni, Fabio Rambelli und Carina Roth (Hg.): Defining Shugendo. Critical Studies on Japanese Mountain Religion, London 2020; die Einzigartigkeit wird auch betont von Bernbaum 1997, S. 60. 27 Vgl. Osterhammel 2011, v. a. S. 1248–1258.

6. Aufstieg der christlichen Kreuze 1

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Wenn Reinhold Messner die europäischen Berge als „Revier der Geister, Hexen und Ungeheuer“ bezeichnet (vgl. Kapitel 1), rekurriert er auf eine verbreitete populärhistorische Ansicht; zum Kreuz und Kruzifix in der frühneuzeitlichen Volksliteratur vgl. Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung, begründet von Kurt Ranke, Bd. 8, Berlin 1996, Sp. 387–398, 511–515. Wendy Griffin: The Embodied Goddess: Feminist Witchcraft and Female Divinity, in: Sociology of Religion 56/1 (1995), S. 35–48; Vincenzo Lavenia: The Al-

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Anmerkungen

pine Model of Witchcraft. The Italian Context in the Early Modern Period, in: Marco Bellabarba u. a. (Hg.): Communities and Conflicts in the Alps from the Late Middle Ages to Early Modernity, Bologna 2015, S. 151–164; Mathieu 2015, S. 113–119. Andreas Bodenstein von Karlstadt: Von abtuhung der Bylder, Und das keyn Betdler unther den Christen seyn soll, Wittenberg 1522, S. 8, 10 (hier sprachlich modernisiert). Peter Blickle u. a. (Hg.): Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte, München 2002; Coster/ Andrew 2005; Jaroslav Pelikan: Reformation of Church and Dogma (1300–1700), Chicago 1984, S. 216–217. Das heilige, allgültige und allgemeine Concilium von Trient 1827, S. 313–314. O’Malley 2013, S. 260–261; Keith P. Luria: Territories of Grace. Cultural Change in the Seventeenth-Century Diocese of Grenoble, Berkeley 1991, S. 67–68, 77; Zwyssig 2018, Teil 3; Rime 2021, S. 135–148, 500. Hippolyte Delehaye: The Legends of the Saints. An Introduction to Hagiography, London 1907, S. 173–174. Jon Mathieu: The Sacralization of Mountains in Europe during the Modern Age, in: Mountain Research and Development 26/4 (2006), S. 343–349, hier S. 343. Wichtig für die Entstehung dieser monastisch-montanen Bewegung im östlichen Mittelmeerraum dürfte das Substrat beim Übergang zum Christentum gewesen sein; es gab in diesem Teil (wahrscheinlich anders als im westlichen Teil) eine alte Tradition von prominenten Bergheiligtümern, die später durch das christliche Mönchstum überformt wurden, vgl. die Beiträge von Herbert Niehr und Johannes Hahn in Kasper/Rollinger 2023. Speake 2018, S. 49. Bauherr war der Ökumenische Patriarch (und Freimaurer) Joakim III.; persönliche Mitteilung von Steffen Züfle, Gemeinschaft der Freunde des Agion Oros Athos e. V., vom 6.3.2021. Es wäre zu prüfen, ob es einen abgegangenen Vorgängerbau gab; in der umfangreichen Athos-Literatur findet die Gipfelgeschichte wenig Beachtung; zwei Beschreibungen von 1943 und 1994 in Rudolf Billetta (Hg.): Europa erlesen: Athos, Klagenfurt 2000, S. 263–271, 299–301. Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode vom 17.2.1824, S. 171– 173. Vgl. etwa Stéphane Gal: Histoires verticales. Les usages politiques et culturels de la montagne (XIVe–XVIIIe siècles), Ceyzérieu 2018, S. 157–158 (die meisten bei kirchlichen Gebäuden); Zwyssig 2018, S. 162 (im Umkreis einer Nebensiedlung); Rime 2021, S. 135–139 (auf Alpweiden und Voralpen); außerdem wurden Kreuze zur Markierung von Landesgrenzen und Passübergängen gebraucht. Löwer 2019, S. 8 nennt eine Zahl von 3000 bis 4000; für den Zusammenhang mit der frühen Gebirgsforschung auch Daniel Anker: Das Kreuz mit dem Kreuz.

6. Aufstieg der christlichen Kreuze

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Gipfelkreuze sind weltweit verbreitet. Ein Streifzug, in: Die Alpen 04 (2012), S. 56–63. Tirol und Freiburg sind auch die Regionen, zu denen eine Spezialliteratur entstanden ist: v. a. Kunz 2012; Rime 2021. Marianne Klemun: … mit Madame Sonne konferieren. Die Großglockner-Expeditionen 1799 und 1800, Klagenfurt 2000, S. 148, 151, 153, 157, 163, 179, 347. Martin Scharfe: Kruzifix mit Blitzableiter, in: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde 53/102 (1999), S. 289–336 (ein Pionieraufsatz, der aber einen künstlichen Gegensatz zwischen Religion und der im Blitzableiter manifesten Aufklärung konstruiert); vgl. auch Scharfe 2007, S. 268–275; zum politischen Trend vgl. Jon Mathieu, Eva Bauchmann und Ursula Butz: Majestätische Berge. Die Monarchie auf dem Weg in die Alpen 1760–1910, Baden 2018. Löwer 2019, S. 26–29. Kunz 2012, S. 63– 68; Löwer 2019, S. 59–62. Löwer 2019, S. 306–309. Persönliche Mitteilung von Ans Puorger, Ramosch, 23.3.2021 (auf dem Piz Arina zwischen 1997 und 2000); zwei weitere Gipfelkreuze im Unterengadin befinden sich auf der Grenze zum katholischen Österreich und wurden von dort her gesetzt (Piz Buin, Fluchthorn/Piz Fenga); unter den hundert von Löwer 2019 thematisierten Gipfelkreuzen befindet sich nur ein Kreuz von 2007 in einem protestantischen Gebiet (S. 271–272). Zum Gemälde und Ramdohrstreit gibt es eine breite Literatur; die Texte von 1809 in: Sigrid Hinz (Hg.): Caspar David Friedrich in Briefen und Bekenntnissen, München 1974, S. 131–188, Zitate S. 149–151; zu den genannten Argumenten auch S. 166–167, 170, 183. Eugen Guido Lammer: Naturfreunde und Naturschutz, in: Eugen Guido Lammer 1999, S. 120–132 (zuerst 1928), Zitat 130; die „unverfälschte Natur“ charakterisierte er manchmal mit pantheistisch anmutenden religiösen Ausdrücken; vgl. auch seine „Bergpredigt“ in Eugen Guido Lammer: Jungborn. Bergfahrten und Höhengedanken eines einsamen Pfadsuchers, München 1923, S. 161–163. Eugen Guido Lammer 1999 (1928), S. 127. Löwer 2019, S. 53–57, 322–325; https://frei-denken.ch/news (Zugriff 10.3.2010: Gipfelkreuze beschädigen: keine Verletzung der Religionsfreiheit); Pourfendeur et défenseur de la croix face à face, in: La Gruyère, 18.3.2010. Denise Sonney: Présence sur la montagne en terre fribourgeoise, Fribourg 2012, S. 7 (Übersetzung aus dem Französischen); für den religiösen Hintergrund in der Region: Rime 2012, S. 554–570. Löwer 2019, S. 319. Luigi Corvi: Buddha o croce, la sfida in vetta, in: Corriere della Sera vom 9.9.2005 (Übersetzung aus dem Italienischen); Marco Volken: Badile. Kathedrale aus Granit, Zürich 2006, S. 212; diverse Beobachtungen zum alpinen Bud-

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Anmerkungen

dhismus: Bernhard Tschofen: Die verlängerten Alpen. Skizzen zur europäischen Tibetsehnsucht, in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde 99 (2003), S. 65–82; Mathieu Petite: Identités en chantiers dans les Alpes. Des projets qui mobilisent objets, territoires et réseaux, Bern 2011, S. 213–220, 315–317; Kunz 2012, S. 201– 205.

7. Der Erlöser im italienischen Gebirge 1

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Für das Folgende v. a. Marco Cuaz: „Preti Alpinisti“. Scienza cristiana e disciplinamento sociale alle origini dell’alpinismo cattolico, in: Jon Mathieu, Simona Boscani Leoni (Hg.): Die Alpen! Zur europäischen Wahrnehmungsgeschichte seit der Renaissance, Bern 2005, S. 279–297; Marco Cuaz: Alpinismo cattolico, in: Aldo Audisio, Alessandro Pastore (Hg.): CAI 150. Il libro, Torino 2013, S. 91–109; vgl. auch Andrea Zannini: Tonache e piccozze. Il clero e la nascita dell’alpinismo, Torino 2004 und zum Konzext: Marco Cuaz: Le Alpi, Bologna 2005; Alessandro Pastore: Alpinismo e storia d’Italia. Dall’Unità alla Resistenza, Bologna 2003. Abbé [Joseph-Marie] Henry: Brins de vie, d’histoire et de poésie. Recueil d’ouvrages, Valpelline 1997, S. 20 (Übersetzung aus dem Französischen). Fabrini 1991 (zuerst 1945); Gabriele De Rosa: Storia del movimento cattolico in Italia. Dalla Restaurazione all’età giolittiana, Bari 1966, Bd. 1, v. a. S. 37, 76–77, 81–86, 153, 162–163, 242–243. Fabrini 1991, für die angesprochenen Themen z. B. S. 38, 46, 75–76, 82, 91–92, 98, 149, 160, 235–236; vgl. auch Romolo Comandini: Il noviziato giornalistico di Giovanni Acquaderni e i temi della sua propaganda politico-religiosa nel territorio delle ex-Legazioni, in: Studi Romagnoli 30 (1968), S. 437–450; für einen internationalen Überblick zum katholischen Verlagswesen: Heinz Nauer: Fromme Industrie. Der Benziger Verlag Einsiedeln 1750–1970, Baden 2017, S. 217–248. Fabrini 1991, S. 169–173; zum politischen Kontext: Gilles Ferragu: Le jubilé de l’année 1900, in: I giubilei nella storia della chiesa, hg. vom Pontificio comitato di scienze storiche, Rom 2001, S. 632–642. Fabrini 1991, S. 177; in einem Teil der Literatur wird diese Idee auf 1896 zurückdatiert und Leo XIII. als Urheber angegeben; auf der damaligen Versammlung der Opera dei Congressi in Fiesole scheint aber nur die generelle Widmung des Jubeljahrs 1900 an den Erlöser thematisiert worden zu sein. Zirkularschreiben des römischen Komitees vom 8.7.1899 (Übersetzung aus dem Italienischen), zitiert bei Gaspari 2021, S. 13; für die Vermittlung der Karte danke ich Oscar Gaspari (Rom) und Gerardo De Meo (Formia). Fabrini 1991, S. 184; persönliche Mitteilung von Oscar Gaspari, 11.4.2021. Gaspari 2021, S. 51.

7. Der Erlöser im italienischen Gebirge

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10 Gaspari 2021, S. 17–24; Marco Cuaz: Barometri, croci e bandiere. Rituali di vetta e usi pubblici della montagna nelle Alpi del Sette e Ottocento, in: Pier Paolo Viazzo, Ricardo Cerri (Hg.): Da montagna a montagna. Mobilità e migrazioni interne nelle Alpi italiane (secoli XVII–XIX), Alagna Valsesia 2009, S. 49–63, hier S. 61–63. 11 Ludovico Bich (Hg.): Whymper, Carrel & Company. Una croce, 400 foto, un altro Cervino, Aosta 1997, S. 37 und 40 (Übersetzung aus dem Französischen). 12 Tametsi futura prospicientibus, Encylical of Pope Leo XIII on Jesus Christ the Redeemer, auf: www.vatican.va (Zugriff 8.4.2021), Abschnitt 10 (Übersetzung aus dem Englischen, Original Latein). 13 Die sacri monti in Teilen Norditaliens unterschieden sich von den potenziellen monti sacri, vgl. Jon Mathieu: Sacri Monti (Sammelrezension), in: Hsozkult vom 8.7.2019. 14 Fabrini 1991, S. 75. 15 Lucia Grinberg: República Católica – Cristo Redentor, in: Paula Knauss (Hg.): Cidade Vaidosa. Imagens urbanas do Rio de Janeiro, Rio de Janeiro 1999, S. 57– 72, Zitat S. 70 (Übersetzung aus dem Portugiesischen); Emerson Giumbelli: Brasileiro e europeu: a construção da nacionalidade em torno do monumento ao Cristo Redentor do Corcovado, in: Cadernos de Antropologia e Imagen 24/1 (2007), S. 35–63; Antônio Sérgio Ribeiro: Cristo Redentor: 80 anos de um simbolo, in: Agência de Notícias da Assemblea Legislativa de São Paolo 2011, auf https://www.al.sp.gov.br/noticia/?id=310849 (Zugriff 9.4.2021); in der von mir gesichteten Literatur fehlt die explizite Verbindung zum Cristo Redentore des Jubeljahrs 1900; oft genannt werden aber das Vorbild des klar damit verbundenen Cristo Redentor de los Andes von 1904 und die engen Beziehungen zum Vatikan; schon die Bezeichnung der Statue spricht für eine gewisse historische Abhängigkeit.

8. Sechs Großväter und andere amerikanische Berge 1 2

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DeMallie 1984, S. 48, 295 (Übersetzung aus dem Englischen, Original LakotaSprache). Das literarisierte Gespräch wurde zu einem Klassiker: Black Elk Speaks. Being the Life Story of a Holy Man of the Oglala Sioux as Told through John G. Neihardt, Albany 2008 (zuerst 1932); DeMaille 1984 bietet eine kommentierte Edition anhand der Aufnahmeprotokolle. Die US-Namensdokumente von 1930 und 1980 auf https://geonames.usgs.gov (Zugriff 6.5.2021). Matthew Glass: „Alexanders All“. Symbols of Conquest and Resistance at Mount Rushmore, in: David Chidester; Edward T. Linenthal (Hg.): American Sacred

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Anmerkungen

Space, Bloomington 1995, S. 152–186, Zitate S. 158 (Übersetzung aus dem Englischen). Larner 2002, S. 10–12. Larner 2002, S. 106, 118 (Übersetzung aus dem Englischen). Larner 2002, S. 243–244, 263 (Übersetzung aus dem Englischen). Kiara M. Vigil: Who Was Henry Standing Bear? Remembering Lakota Activism from the Early Twentieth Century, in: Great Plains Quarterly 37 (2017), S. 157–182. Lawrence Downes: Waiting for Crazy Horse, in: The New York Times vom 1.9.2009. Linea Sundstrom: Storied Stone: Indian Rock Art in the Black Hills Country, Norman 2004. Zur regionalen Geschichte: Raymond J. DeMallie (Hg.): Plains, in: Handbook of North American Indians, Bd. 13, Washington 2001; Ostler 2010; Manuel Menrath: Mission Sitting Bull. Die Geschichte der katholischen Sioux, Paderborn 2016; allgemein Colin G. Calloway: First Peoples. A Documentary Survey of American Indian History, Boston 1999; Aram Mattioli: Verlorene Welten. Eine Geschichte der Indianer Nordamerikas 1700–1910, Stuttgart 2017; Heike Bungert: Die Indianer. Geschichte der indigenen Nationen in den USA, München 2020. Ostler 2010, S. 58–103. DeMallie 1984, S. 65–66. Die detaillierteste Untersuchung bietet Linea Sundstrom: The Sacred Black Hills. An Ethnohistorical Review, in: Great Plains Quarterly 17 (1997), S. 185–212; sie bespricht auch die Autoren, welche die Heiligkeitsansprüche bestreiten; ein regionaler Überblick bei Raymond J. DeMallie: Lakota Belief and Ritual in the Nineteenth Century, in: Raymond J. DeMallie, Douglas R. Parks (Hg.): Sioux Indian Religion. Tradition and Innovation, Norman 1987, S. 25–43; für die Variabilität indigener Glaubensformen vgl. Christian F. Feest: Beseelte Welten. Die Religionen der Indianer Nordamerikas, Freiburg i. Br. 1998; im spanischen Kolonialreich Zentral- und Südamerikas reicht die Schriflichkeit weiter zurück; es gibt hier bereits im 17. Jahrhundert Zeugnisse, dass religiöse Ansprachen gelegentlich den Bergen galten, vgl. z. B. Mills 1997 (vgl. das Zitat daraus oben im Vorwort). Larner 2002, S. 285; allgemein Wilcomb E. Washburn: The Native American Renaissance, 1960 to 1995, in: Bruce G. Trigger und Wilcomb E. Washburn (Hg.): The Cambridge History of the Native Peoples of the Americas, Bd. 1: North America, Teil 2, Cambridge 1996, S. 401–473. Robin K. Rannow: Religion: The First Amendment and the American Indian Religious Freedom Act of 1978, in: American Indian Law Review 10/1 (1982), S. 151–166; Anita Parlow: Cry, Sacred Ground: Big Mountain, U.S.A., in: American Indian Law Review 14/2 (1989), S. 301–322.

9. Vulkane am Ostafrikanischen Grabenbruch

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17 Ostler 2010, S. 167–191. 18 Bernhard Gissibl, Sabine Höhler und Patrick Kupper (Hg.): Civilizing Nature. National Parks in Global Historical Perspective, New York 2012. 19 Bron Taylor: Resacralizing Earth: Pagan Environmentalism and the Restoration of Turtle Island, in: David Chidester und Edward T. Linenthal (Hg.): American Sacred Space, Bloomington 1995, S. 97–151, hier S. 100–104; Roderick Frazier Nash: Wilderness and the American Mind, New Haven 2001, S. 167–168 (Übersetzung aus dem Englischen); zur sprachlichen Bifurkation von wilderness/Wüste in der King James Bible und der Luther-Bibel vgl. Jon Mathieu: Mountain Wilderness – mit einem Begriff die Alpen verteidigen, in: Geschichte der Alpen 27 (2022), S. 31–45. 20 Für den spezifisch buddhistischen Einfluss an der US-Westküste vgl. das Buch von Walter Yeeling Evans-Wentz, der Kontakte mit dem im Kapitel 3 genannten deutsch-indischen Buddhisten Anagarika Govinda pflegte: Cuchama and Sacred Mountains, Athens, OH 1981; dazu die fachlich-anthropologische Einschätzung in Journal of California and Great Basin Anthropology 5 /2 (1983), S. 279–280. 21 Heute wird die „Gründergeneration“ teilweise scharf für ihr Verhalten kritisiert, vgl. Darryl Fears und Steven Mufson: Liberal, Progressive – and Racist? The Sierra Club Faces Its White Supremacist History, in: The Washington Post vom 22.7.2020. 22 Shepard Krech III: The Ecological Indian. Myth and History, London 1999; Bernbaum: 2006, S. 307. 23 Larner 2002, S. 323 (Übersetzung aus dem Englischen). 24 Larner 2002, S. 323–330. 25 Larner 2002, S. 321. 26 Vgl. https://en.wikipedia.org/wiki/Black_Elk (Zugriff 11.5.2021).

9. Vulkane am Ostafrikanischen Grabenbruch 1

2

Krapf 1964, 2. Teil, S. 30–31; der Psalmtext nach der Luther-Bibel von 1545/1912; Rebmann war im Auftrag der britischen Church Missionary Society unterwegs und benutzte eine englische Bibel. Aus der breiten Literatur: Albert Wirz, Andreas Eckert und Katrin Bromber (Hg.): Alles unter Kontrolle. Disziplinierungsprozesse im kolonialen Tansania (1850–1960), Köln 2003; Bernhard Gissibl: The Nature of German Imperialism. Conservation and the Politics of Wildlife in Colonial East Africa, New York 2016; Lars Kreye: „Deutscher Wald“ in Afrika. Koloniale Konflikte um regenerative Ressourcen, Tansania 1892–1916, Göttingen 2021.

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Anmerkungen

Dundas 1924, Zitat S. 38 (Übersetzung aus dem Englischen). Dundas 1924, S. 107. Dundas 1924, S. 39, 136, 181, 192; zu seiner Arbeitsweise: Stahl 1964, S. 16–17. Bernbaum 1997 (erste Auflage 1990), S. 137; Übersetzung aus dem Englischen. Stahl 1964, S. 19–20, 40–41, 393 (Stichwort: Shrines). UNESCO Ressourcen Archiv: Advisory Board Evaluation (IUCN), 403-IUCN-466.en.pdf auf https://whc.unesco.org/en/documents/153391; Report of the World Heritage Eleventh Session, 7–11 December 1987: https://whc. unesco.org/en/decisions/3754 (Zugriff 23.8.2021). John Iliffe: A Modern History of Tanganyika, Cambridge 1979, S. 26–34, 81–87, 203–239, 537–552. Krapf 1964, Teil 1, S. 210, 403; vgl. auch Heinrich Bursik: „Wissenschaft u. Mission soll sich auf innigste miteinander befreunden“. Geographie und Sprachwissenschaft als Instrumente der Mission – der Afrikareisende Johann Ludwig Krapf, Diplomarbeit Universität Wien 2008, auf http://othes.univie.ac.at/404/ (Zugriff 6.8.2021). Krapf 1964, Teil 2, S. 268–269 und Johann Ludwig Krapf: Kurze Beschreibung der Masai- und Wakuasi-Stämme im südöstlichen Afrika, in: Das Ausland. Eine Wochenschrift für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker, 1857, S. 437–442, 461–466, hier S. 438, 442. Fischer 1883–84, S. 72; zu seiner allgemeinen Haltung auch Gustav A. Fischer: Mehr Licht im dunklen Weltteil. Betrachtungen über die Kolonisation des tropischen Afrika unter besonderer Berücksichtigung des Sansibar-Gebiets, Berlin 1885. Thomas Alexander Barns: Across the Great Craterland to the Congo, London 1923, S. 57–59 (Übersetzung aus dem Englischen); zu Blut und Milch z. B. Fischer 1883–84, S. 68–69; Kaj Arhem: Maasai Food Symbolism. The Cultural Connotation of Milk, Meat, and Blood in Maasai Diet, in: Anthropos 84 (1989), S. 1–23. Moritz Merker: Die Masai. Ehnographische Monographie eines ostafrikanischen Semitenvolkes, Berlin 1910 (recht eingehend über religiöse Anschauungen mit dem Gott Ngai, aber ohne Bezug zum Vulkan Ol Doinyo Lengai); Thomas Spear, Richard Waller (Hg.): Being Maasai. Ethnicity and Identity in East Africa, Oxford 1993 (keine Hinweise auf Berge als ethnoreligiöse Referenzen). Richard Lyamuya u. a.: Human-carnivore Conflict over Livestock in the Eastern Part of the Serengeti Ecosystem, with a Particular Focus on the African Wild Dog Lycaon Pictus, in: Oryx July 2014, auf www.researchgate.net (Zugriff 22.8.2021); No End in Sight to Loliondo Conflict as Protagonists Dig in, in: The East African vom 22.12.2014, auf www.theeastafrican.co.ke (Zugriff 22.8.2021). Messner/Märtin 2013, S. 46–61, hier S. 59. Zu ähnlichen Ergebnissen dürfte eine Untersuchung des Mount Kenya kommen, der bisweilen in diesem Kontext erwähnt wird; die klassische Beschreibung von Jomo Kenyatta (Facing Mount Kenya, London 1938) verweist nur auf den Berg-

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wohnsitz der Gottheit und auf Vorschriften zur rituellen Richtung bei einigen Anlässen. Anhaltspunkte zur allgemeinen Einschätzung geben auch Ute Luig und Achim von Oppen: Einleitung: Zur Vergesellschaftung von Natur in Afrika, in: dies. (Hg.): Naturaneignung in Afrika als sozialer und symbolischer Prozess, Berlin 1995, S. 5–28; Molefi Kete Asante und Ama Mazama (Hg.): Encyclopedia of African Religion, 2 Bde., Thousand Oaks 2009.

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Ayers Rock Returns, Tribune (Sydney) vom 30.10.1985, Zitate übersetzt aus dem Englischen; Ayers Rock „Mystic to All Australians“, The Canberra Times vom 21.5.1985; zum medialen Kontext vgl. Whittacker 1994. – Der Eigentumstitel am „Rock“ ging an die indigene Gruppe der Anangu, die ihn aber unmittelbar nach der Übergabe für 99 Jahre an die australische Regierung bzw. den Uluru-Kata Tjuta National Park verpachten musste. Spencer 1896, Bd. 1, S. 85–90 (Übersetzung aus dem Englischen). Spencer 1896, S. 90 (Übersetzung aus dem Englischen); später wurde der Name des Gewährmanns mit Lungkatitukukana (ohne r) verschriftlicht und mit einem anderen Personenamen (Lungkata Tjukurrpa) verbunden, vgl. Layton 1986, S. 55; nach dem Besuch eines benachbarten Inselbergs traf die Expedition noch auf eine weitere einheimische Gruppe. Baldwin Spencer, Francis James Gillen: The Natives Tribes of Central Australia, London 1899. Zu ihrem umfangreichen Wirken die wissenschaftliche Webseite: http://spencerandgillen.net/resources (Zugriff 1.11.2022). Bronislaw Malinowski meinte 1913, dass sich seit den Publikationen von Spencer und Gillen die Hälfte der anthropologischen Arbeiten darauf bezögen und neun Zehntel davon beeinflusst seien; vgl. Philip Batty und Jason Gibson: Reconstructing the Spencer and Gillen Collection online. Museums, Indigenous Perspectives and the Production of Cultural Knowledge in the Digital Age, in: Holger Meyer u. a. (Hg.): Corpora ethnographica online. Strategien der Digitalisierung kultureller Archive und ihrer Präsentation im Internet, Münster 2014, S. 29–48. Durkheim 1912. Gaston Richard: L’athéisme dogmatique en sociologie religieuse, in: Revue d’histoire et de philosophie religieuse 3 (1923), S. 125–137 (der Ausdruck métaphysique aventureuse S. 126) und S. 229–261; zum Hintergrund der Auseinandersetzung vgl. William S. F. Pickering, Michel Bozon: Gaston Richard: collaborateur et adversaire, in Revue française de sociologie 1979, S. 163–182. Durkheim 1912, S. 49–58. Eine frühe Umschreibung der Traumzeit bei Adolph Peter Elkin: The Australian Aboriginals. How to Understand Them, Sydney 1930, S. 177–179; ich lehne mich

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Anmerkungen

hier an den praxisnahen Text von Philip Batty an: A Secret History: The Collection and Repatriation of Aboriginal Sacred Objects, auf www. academia.edu (Zugriff 3.9.2021). Charles P. Mountford: Brown Men and Red Sand. Journeyings in Wild Australia, London 1950, S. 79 (die Szene bezieht sich auf einen Besuch von 1940); für spätere detailliertere Versionen: William E. Harney: Ritual and Behaviour at Ayers Rock, in: Oceania 30–31 (1960), S. 63–75; Charles P. Mountford: Ayers Rock. Its People, Their Beliefs and Their Art, Sydney 1965, S. 31–154; Layton 1986, S. 3–16, 40–43, 119–125. Jilian Barnes: Tourism and Place-Making at Uluru (Ayers Rock). From Wasteland to Spiritual Birthing Site, 1929–1958, in: International Journal of Humanities, 3/9 (2005/2006), S. 77–104; Barnes 2011. Frank Clune: Ayer’s Rock (Said to Be the Largest Rock of the World), in: Walk­ about. Australia’s Geographic Magazine, October 1941, S. 11–15 (Übersetzung aus dem Englischen). John Béchervaise: Schoolboy Exploration in Australia, in: Australian Geographical Walkabout Magazine, December 1950, S. 32–35; vgl. Barnes 2011, S. 157, 165–166, 172. Barnes 2011, S. 165 (Übersetzung aus dem Englischen). William E. Harney: The Dome of Uluru, in: Australian Geographical Walk­ about Magazine, October 1957, S. 32–35. Bill (William E.) Harney: To Ayers Rock and Beyond, Bayswater 1988 (zuerst 1963), für die Touristenzahl S. 120; vgl. auch Layton 1986, S. 40, 44, 76, 117–120; The Encyclopedia of Aboriginal Australia, hg. von David Horton, Canberra 1994, Bd. 1, S. 451. Whittacker 1994, S. 316–317, 328 (Übersetzung aus dem Englischen). Aus einem erhellenden Blickwinkel Philip Batty: Private Politics, Public Strategies: White Advisers and Their Aboriginal Subjects, in: Oceania 75/3 (2005), S. 202–221. Layton 1986, S. 93–104. Layton 1986, S. 105–118; Aboriginal Areas Protection Authority, auf https://www. aapant.org.au/ (Zugriff 18.9.2021). Ronald M. Berndt: Australian Aboriginal Religion, Leiden 1975, S. VI; Charles P. Mountford: Ayers Rock. Its People, Their Beliefs and Their Art, 2. Auflage, Adelaide 1977, S. VI, 155. Philip Batty: White Redemption Rituals: Reflections on the Repatriation of Abo­ riginal Secret-Sacred Objects, in: Tess Lea u. a. (Hg.): Moving Anthropology. Critical Indigenous Studies, Darwin 2006, S. 55–63. Layton 1986, S. 94.

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24 Kurz vor Inkraftsetzung des Besteigungsverbots kam es noch zu einem Massenandrang, vgl. BBC News online vom 25.10.2019: Uluru climbing ban: Tourists scale sacred rock for final time. 25 Vgl. https://fusion.org.au/pilgrimage/ (Zugriff 17.9.2021, Übersetzung aus dem Englischen); vgl. Barnes 2011, S. 174.

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David Kinsley: Ecology and Religion. Ecological Spirituality in Cross-Cultural Perspective, Englewood Cliffs 1995; Whitney Bauman u. a. (Hg.): Grounding Religion. A Field Guide to the Study of Religion and Ecology, London 2011; Willis Jenkins u. a. (Hg.): Routledge Handbook of Religion and Ecology, London 2017. 2 Lynn White: The Historical Roots of Our Ecologic Crisis, in: Science 155/3767 (1967), S. 1203–1207; (Übersetzung aus dem Englischen); vgl. dazu Bron Taylor: The Greening of Religion Hypothesis (Part One): From Lynn White, Jr and Claims That Religions Can Promote Environmentally Destructive Attitudes and Behaviors to Assertions They Are Becoming Environmentally Friendly, in: Journal of Religion, Nature and Culture 10/3 (2016), S. 268–305. 3 Papst Franziskus 2015, Zitate S. 11, 82; für die Vorgeschichte vgl. Olivier Landron: Le catholicisme vert. Histoire des relations entre l’Église et la nature au XXe siècle, Paris 2008. 4 Taylor 2010. 5 Andre Gingrich: Hierarchical Merging and Horizontal Distinction – A Comparative Perspective on Tibetan Mountain Cults, in: Reflections of the Mountain. Essays on the History and Social Meaning of the Mountain Cult in Tibet and the Himalaya, hg. von Anne-Marie Blondeau und Ernst Steinkellner, Wien 1996, S. 233–262 (mit der Unterscheidung zwischen monotheistisch-naturabgewandtem und polytheistisch-naturzugewandtem Skripturalismus). – Zur allgemeinen Rolle der Schrift in historischen Entwicklungen gibt es seit Jack Goody (The Logic of Writing and the Organization of Society, Cambridge 1986) eine umfangreiche Literatur. 6 Bruno Latour: Kampf um Gaia. Acht Vorträge über das neue Klimaregime, Berlin 2017, S. 34 („Natur und Kultur“ als siamesische Zwillinge); ganz anders Reinhard Koselleck u. a. (Hg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch der politisch-sozialen Sprache in Deutschland, 8 Bde., Stuttgart 1972–1997, Bd. 4, S. 215–244 („Natur“) und Bd. 7, S. 679–774 („Zivilisation, Kultur“); nützlich sind auch Wortfrequenzabfragen, etwa auf https://books.google.

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Anmerkungen

com/ngrams (Zugriff 1.11.2022); schlecht untersucht ist die Verwendung dieser Gelehrtenbegriffe in der breiten Bevölkerung; als „Natur“ scheint sie bis ins frühe 20. Jahrhundert nicht zuletzt „Geschlechtsteile“ und „Geschlechtstrieb“ verstanden zu haben, vielleicht vermittelt durch Ärzte (Schweizerisches Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache, Bd. 4, Frauenfeld 1901, Sp. 849–850). 7 Krapf 1964, Teil 2, S. 24. 8 Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, Frankfurt a. M. 1955, S. 322; im Geleitwort schreibt Karl Jaspers, die Denkweise des Buchs sei geschult an der Tradition berühmter Denker: Montesquieu, Kant, Hegel, Marx, Tocqueville (S. IX). 9 Philippe Descola: Jenseits von Natur und Kultur, Berlin 2011 (französisches Original 2005). 10 Descola bringt den europäischen „Naturalismus“, gekennzeichnet durch die Trennung von Natur und Kultur, vor allem mit der wissenschaftlichen Revolution des 17. Jahrhunderts in Verbindung, ohne deren soziale Relevanz und religiösen Kontext abzuklären; auf die Wahrnehmungstradition des Christentums geht er nur am Rand ein. Die klassische historische Darstellung von Keith Thomas zum Mensch-Umwelt-Verhältnis betont dagegen den Rückgang des religiösen Anthropozentrismus und die Annäherung an die Natur (Thomas 1983); vgl. Jon Mathieu: How Great Was the „Great Divide of Nature and Culture“ in Europe? Philippe Descola’s Argument under Scrutinity, voraussichtlich in: Histories, Online Journal (demnächst 2023). 11 Franziskus 2015, S. 106–148. 12 Toni Huber: Why Can’t Women Climb Pure Crystal Mountain? Remarks on Gender, Ritual and Space in Tibet, in: Per Kvaerne (Hg.): Tibetan Studies. Proceedings of the 6th Seminar of the International Association for Tibetan Studies, Oslo 1994, Bd. 1, S. 350–371; Huber 1999, v. a. S. 120–127. 13 Fumiko Miyazaki: Female Pilgrims and Mt. Fuji. Changing Perspectives on the Exclusion of Women, in: Monumenta Nipponica 60/3 (2005), S. 339–391, Zitat S. 349 (Übersetzung aus dem Englischen, Original Japanisch). 14 Europäisches Parlament, digitales Archiv, auf https://www.europarl. eu ropa .eu /side s/get Doc .do?pubRef=-//EP// T E X T+TA+P5-TA-2 0 030376+0+DOC+XML+V0//DE&language=DE (Zugriff 15.10.2021). 15 Speake 2018, S. 233–237; Pilgerbüro von Athos, mit Informationen und Onlineanmeldungsformular, auf http://mountathosinfos.gr/pilgrims-informations (Zugriff 17.10.2021). 16 Bingenheimer 2017, S. 23. 17 Zum Pilgerbegriff vgl. Dionigi Albera und John Eade (Hg.): New Pathways in Pilgrimage Studies. Global Perspectives, New York 2017, S. 5–9; zum Aufkom-

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men der Bezeichnung „Tourist“ vgl. Mathieu 2015, S. 132; zur sight sacralisation vgl. Dean MacCannell: The Tourist. A New Theory of the Leisure Class, Berkeley 1999, S. 43–48. Für die zwiespältigen Gefühle, welche die Menschenmassen auf dem Fujiyama etwa bei Reinhold Messner auf seiner Suche nach heiligen Bergen hinterließen, vgl oben Kapitel 1; am Uluru lässt sich beobachten, dass der Tourismus die ursprüngliche Heiligkeit gesteigert haben könnte (Kapitel 10). Verschuuren 2010, die Schlussfolgerungen auf S. 280–291. Verschuuren 2010, S. XXI–XXII (Übersetzung aus dem Englischen, Original Buryatisch), S. 291–296 (Übersetzung aus dem Englischen). Yeh 2014, S. 194–219, hier S. 200–201 (Übersetzung aus dem Englischen, Original Tibetisch). Yeh 2014, S. 213–214. Bron Taylor, Gretel Van Wieren und Bernard Zaleha: The Greening of Religion Hypothesis (Part Two): Assessing the Data from Lynn White Jr. to Pope Francis, in: Journal for the Study of Religion, Nature and Culture 10/3 (2016), S. 306–378. Durkheim schenkte der Mythologie und damit dem Landschaftsbezug der Aborigines wenig Beachtung (vgl. Kapitel 10); Weber thematisierte die „Naturbeherrschung“ und erwähnte z. B. die heiligen Berge in China als Element der kaiserlichen Regierung, vgl. Max Weber: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Tübingen 1920, Bd. 1, S. 308–312; doch sein Fokus lag auf der Beziehung der Religion zur Wirtschaftsentwicklung. Für die klassischen Definitionen: P. Byrne: Religion: Definition and Explanation, in: International Encyclopedia of the Social and Behavioural Sciences, London 2015, S. 13060–13062; für die offene Begriffsverwendung: Martin Southwold: Buddhism and the Definition of Religion, in: Man NS 13/3 (1978), S. 362–379; Benson Saler: Conceptualizing Religion: The Matter of Boundaries, in: ders.: Understanding Religion: Selected Essays, Berlin 2009, S. 172–180 (zuerst 1997); Taylor 2010, S. 1–3 (im Gang der Untersuchung legt er die „Familienähnlichkeit“ der Religion allerdings sehr weit aus und achtet aus meiner Sicht zu wenig auf den Sprachgebrauch der Akteure).

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Genannt sind mehrfach zitierte Schriften; alle anderen werden in den Endnoten ausgewiesen. Barnes, Jilian: Tourism’s Role in the Struggle for the Intellectual and Material Possession of ‘The Centre’ of Australia at Uluru (Ayers Rock), 1929–2011, in: Journal of Tourism History 3/2 (2011), S. 147–176. Bernbaum, Edwin: Sacred Mountains of the World, Berkeley 1997 (revidierte Neuauflage: Cambridge 2022). Bernbaum, Edwin: Sacred Mountains: Themes and Teachings, in: Mountain Research and Development 26/4 (2006), S. 304–309. Bingenheimer, Marcus: Pilgrimage in China, in: Dionigi Albera und John Eade (Hg.): New Pathways in Pilgrimage Studies. Global Perspectives, New York 2017, S. 18–35. Boscani Leoni, Simona (Hg.): „Unglaubliche Bergwunder“. Johann Jakob Scheuchzer und Graubünden. Ausgewählte Briefe 1699–1707, Chur 2019. Brown, Peter: The Making of Late Antiquity, Cambridge, MA 1978. Chavannes, Edouard: Le T’ai Chan. Essai de monographie d’un culte chinois, Paris 1910. Coster, Will und Andrew Spicer (Hg.): Sacred Space in Early Modern Europe, Cambridge 2005. Das heilige, allgültige und allgemeine Concilium von Trient, das ist: dessen Beschlüsse und hl. Canones nebst den betreffenden päpstlichen Bullen treu übersetz von Jodoc. Egli, Grätz 1827. DeMallie, Raymond J. (Hg.): The Sixth Grandfather. Black Elk’s Teachings Given to John G. Neihardt, Lincoln 1984. Dott, Brian R.: Identity Reflections. Pilgrimages to Mount Tai in Later Imperial China, Cambridge, MA 2004. Dott, Brian R.: Spirit Money. Tourism and Pilgrimage on the Sacred Slopes of Mount Tai, in: Tim Oakes und Donald S. Sutton (Hg.): Faiths on Display. Religion, Tourism, and the Chinese State, Lanham 2010, S. 27–50. Dundas, Charles: Kilimanjaro and its People. A History of the Wachagga, Their

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Abbildungsnachweise

Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3 Abb. 4 Abb. 5 Abb. 6

Abb. 7 Abb. 8 Abb. 9 Abb. 10

Abb. 11

Privatbesitz Heinz J. Zumbühl (Herrenschwanden). Bibliothèque Nationale de France. Repro aus: Chavannes: Le T’ai Chan 1910. Repro aus: Sulzer, Johann Jacob Scheuchzers Natur-Geschichten 1746. Repro aus: Hedin, Transhimalaja, Bd. 3, 1912. Foto: Rolf Müller, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 (https:// commons.wikimedia.org/wiki/File:Mount_tai_rock_inscriptions.jpg). Repro aus: Österreichischen Zeitschrift für Volkskunde 53/102 (1999), S. 294. bpk / Staatliche Kunstsammlungen Dresden / Elke Estel / HansPeter Klut. Privatbesitz. Übermittlung durch Oscar Gaspari (Rom) und Gerardo De Meo (Formia). Foto: Jonathunder, Gemeinfrei nach GNU Free Documentation License, Version 1.2 (https://en.wikipedia.org/wiki/Crazy_ Horse_Memorial#/media/File:CrazyHorse.jpg). Foto: Baldwin Spencer, Victoria Museum (Melbourne, Australien).

Register

Aberglauben 42, 64, 74, 122, 145 Abgötterei s. Idolatrie Aborigines 125–134 Acquaderni, Giovanni 100–101 Afrika 11–12, 29, 119, 142, 147, s. a. Ostafrika Ägaisches Meer 90 Aisin Gioro 79 Alice Springs 125, 127 Alkhanai (Sibirien) 147 Alpen 48, 91–97, 139 Alpine Club 47 Alpine Journal 14, 47 Alpines Museum der Schweiz 85 Alpinismus 12–14, 47–49, 64, 91, 96 Alpinismus, katholischer 99, 102, 105 Amazonas 142 Amerika, Amerikaner 119, 131, 147, s. a. USA Anden 12, 28, s. a. Südamerika Andrian, Ferdinand Freiherr von 50–51 Angaja, Heiliger 57 Anthropologie 27, 51, 108, 127, 132, 142 Anthropozentrismus 114, 137, 142, 176 Antike, Spätantike 11, 31–33, 46, 73 Aostatal 100 Arizona 29 Asien 10, 12, 51, 66, 85, 140, 147 Asketen 2431, 33, 62 Assam 23 Assimilation 109, 112, 132 Atacamawüste 28 Athos, Heiliger Berg 90, 144 Australian National Travel Association 129–130 Australien 11, 14, 125, 129–134, 147

Ayers, Henry 126 Ayers Rock s. Uluru Baptisten 105 Barcelona 147 Barnes, Jillian 130 Barns, Alexander 122 Barometer 43–44 Bayern 93 Beijing 37–38, 67, 78 Berg, höchster 49–50 Berg, künstlicher 34–35 Bergbesteigung, erste 27–28, 48, 92, 118 Bergbesteigung, Verbot 64, 133, 144 Berge, allgemeine Heiligkeit 14–15, 53, 139 Berggottheit 9, 70, 80, 122, s. a. Einzelne Bergnamen 84, 90, 108, 115–116 Bergsteigen, Bergsteiger 12, 27–28, 86, 91, 109, 118 Bergsteigervereine 12, s. a. Alpine Club, Clup Alpino Italiano, Deutscher Alpenverein Bergumrundung (Circumambulation) 24, 27, 59, 63, 85, 143 Bergwahrnehmung 32, 34, 46–47 Berkeley 53, 119 Berlin 44 Bernbaum, Edwin 53, 119 Bhutan 62 Bibel, Bibelauslegung 11, 30, 43, 46, 82, 88, 109, 114, 117, 121 Bilderverbot 87–89 Biodiversität 76, 147–148 Bischof 89, 92, 102, 104 Bixia Yuanjun, Gottheit 71–73 Black Elk 107–108, 112, 114

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Register

Black Elk Peak (Black Hills) 116 Black Hills (South Dakota) 107–116, 139, 141 Blockdruck 23, 72 Bologna 100 Bön 61 Borglum, Gutzon 108–110 Britisches Imperium 37, 58, 122, 129 Brown, Peter 31 Bruno von Köln, Heiliger 32 Buch der Natur 46, 105, 138 Buchdruck 140, s. a. Blockdruck Buddha, Buddhismus 12, 26–27, 33, 40, 49, 57, 61–62, 80, 86, 97, 141, 143, 147–148 Buddhismus, Kritik 63–66 Burke, Peter 22 Burma 51 Bussard, Patrick 96 Calvinismus 114 Cervini, Marcello 21 Chagga 117–119 Changbaishan s. Paektusan Cheyenne 115 Chimborazo (Ecuador) 47, 50, 159 China 10, 15, 37, 39, 50–51, 58, 67–76, 149 China, Volksrepublik 66, 68, 74, 83, 143 Chinesische Gelehrte/Literaten 71, 81, 85, 145 Chinesischer Kaiser 12, 40, 80 Choe Nam-seon 81 Christen, Christentum 10, 29, 31, 33, 48, 52, 74, 87–106, 113, 139 Christen, evangelikale 82 Christus der Erlöser 92, 102, 105, s. a. Jesus Christus Circumambulation s. Bergumrundung Clup Alpino Italiano 99 Coolidge, Calvin 109 Crazy Horse 110–111 Cuaz, Marco 99

Dakpa Sheri s. Reiner Kristallberg Dalai Lama 26, 49, 58 Daoismus 40 Darchen, Kloster 62 Davos 53 Dekolonisation 141 Demchock, Gottheit 63 Demokratie 109 Descola, Philippe 142, 176 Deutsch-Ostafrika 118 Deutscher Alpenverein 66 Deutschland 59, 75, 118, 122 Devils Tower s. Mato Tipi-la Diktatur 77, 141 Diversität, kulturelle 15, 86, 108, 139, 150–151 Dott, Brian R. 71 Dschagga s. Chagga Dschibuti 117 Dubai 123 Dundas, Charles 118 Durkheim, Émile 128, 149 Ecuador 47 Ehrfurcht 28, 30 Eid 19–20, 26 Einsiedeln 22 Eliade, Mircea 52, 86 Elias, Heiliger 90 Engadin 94 Engelberg 53 Entwicklungspolitik 15 Enzyklika 104, 137–138, 143 Eremiten 24, 31–32, 81, 90 Erhaben, Erhabenheit 31, 47, 52 Erstbesteigung s. Bergbesteigung, erste Erzberg (Österreich) 91, 93 Erzgebirge 44 Ethnologie s. Anthropologie Europa 27, 47, 50–51, 88, 97, 122, 142, 144, 147

Register Evangelikalismus s. Christen, evangelikale Everest s. Mount Everest Felsbilder 111, 129, 133 Felsinschrift 69 Felsklettern 115 Felsskulptur 111 Feminismus 87 Fernsehen 28 Fischer, Adolf 121–122 Fort Laramie Treaty 111–113 Fortschritt, Fortschrittskritik 65, 82, 93 Franz von Assisi, Heiliger 137 Franziskus, Papst 137, 143 Französische Revolution 33–35, 92–93, 149–150 Frauen 71, 73, 104, 143 Freiburg, Kanton 92, 96–97 Freidenker 96 Freimaurer 100 Friedrich, Caspar David 94–95 Fujiyama (Japan) 29, 75 , 144 Fünf Berge und Zehn Tempel 32 Fünf Elemente-Philosophie 40 Fünf Heilige Berge (China) 38–42, 50, 67–68, 76, 79, 86 Gang Rinpoche s. Kailash Gebet 12, 38, 48, 70, 72, 78, 104, 107, 112, 115, 121 Gebirgsforschung 43–47, 61, 91, 99 Gegenkultur, amerikanische 65 Geistlicher s. Pfarrer, Priester Genderrollen 143–145, s. a. Frauen Genf 88 Geografie 61, 64, 80, 117 Geologie 50, 59 Geomantie 79 Gillen, Francis James 127, 173 Gipfelkreuze 10, 90–106, 139 Globalisierung 105, 147

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Gottes Schöpfung 46, 50, 105 Gotteshaus 74, 93 Gottvater 20, 30, 43–46, 96, 109, 138 Götzendienst 46, 88, s. a. Idolatrie Govinda, Anagarika 61, 65 Grande Chartreuse, Kloster 32 Greening of Religion 52, 137, 148 Grenoble 32, 89 Griechenland 90, 144 Grimm, Jacob und Wilhelm 51 Großbritannien 49, 58, 122, s. a. Britisches Imperium Großglockner (Österreich) 91–92 Haller, Albrecht von 43 Hamburger Geographische Gesellschaft 121–122 Harney Peak (South Dakota US) 107, 116 Harney, William 131 Harrist, Robert E. 69 Hedin, Sven 59–60 Heiden 43, 46, 59, 117 Heilig, Heiligkeit 19–22, 26–29, 31, 51–53, 61, 87, 105, 112–113, 121, 131, 133, 138 Heilige Messe 100 Heilige Schrift s. Bibel Heilige, christliche 20, 22, 89 Heiliger Geist 20, 22 Heiliger Vater s. Papst Heiliges Jahr 99, 101 Heiligsprechung 22, 116 Henan, Provinz (China) 38 Heng Shan (China) 39 Héng Shan (China) 39 Hexen 29, 87, 165 Himachal Pradesh 9–10 Himalaya 9, 29, 48, 62–63, s. a. Transhimalaya Hinduisten, Hinduismus 57, 61, 64 Hitler, Adolf 59 Hoffmann, Ernst Lothar s. Govinda, Anagarika

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Register

Kangxi, chinesischer Kaiser 42, 69, 78 Karlstadt, Andreas 88 Karpo, Pema 23–24, 26 Kartäuserorden 32 Kartografie 42, 79 Kathmandu 76 Katholische Kirche 20, 87, 89–106 Katholischer Alpinismus s. Alpinismus, katholischer Idolatrie 12, 46, 82, 88–89, 106 Khawakarbo (Tibet) 148 Iliffe, John 120, 123 Imperialismus 30, 37, 50, 58, 105, 141, s. a. Kibo 119, s. a. Kilimandscharo Kilimandscharo (Tansania) 117–120, 123, Kolonialismus 139, 142 Indianer s. Native Americans Kilimandscharo-Nationalpark 120 Indien 9, 39–40, 48, 51–52, 58, 62, 63 Kim Il-sung 77, 82–85 Indigene Bewegung 113, 115–116, 126, Kim Jong-il 77, 84–85 131–134, 142, 146–147 Kim-Dynastie 82, 141 Industrialisierung, Industrialisierungs­ Kirche s. Gotteshaus kritik 141, 150, s. a. Zivilisatioskritik Kleinglockner (Österreich) 91–92 Inka 28 Klimaschutz 146, 148 Inselberg 125 International Union for the Conservation Kloster 31, 81, 140, s. a. Darchem, Grande Chartreuse, Nanzen-ji, Rongbuk of Nature 67, 75, 146–147 Kolonialismus 37, 84, 111, 123, 126, 141, s. Islam 11, 31, 122, 153 a. Imperialismus Italien 92, 99–105, 139 Kommunismus 58, 67, 77, 83–84 Konfuzianismus 40, 71–72, 81, 85, 140 Jagd, Jagdverbot 27, 49 Konfuzius 70 Jainismus. 61 Kongo 122 Japan 29, 32, 39, 51, 74–75, 81, 84, 86 Konzil von Trient s. Tridentinum Java 39 Korea 39, 80, s. a. Nordkorea, Südkorea Jefferson, Thomas 108 Krapf, Johann Ludwig 121 Jenseitsvorstellungen s. Transzendenz Kreuz 87–89, s. a. Gipfelkreuz Jesuiten 42 Kullu Valley (Indien) 9 Jesus Christus 20–22, 87, 89, 101, s. a. Kulturrevolution, chinesische 74–75 Christus der Erlöser Kuomingtang 74 Johann von Österreich, Erzherzog 93 Kyoto 32 Joseon-Dynastie 80 Judentum 30–31 Lakota Sioux 107, 111, 113, 141 Justiz 113, 132 Lammer, Eugen Guido 96 Juval, Burg 28 Landrechte 113, 132 Landwirtschaft 27, 89, 147 Kaifang (China) 38 Kailash (Tibet) 10, 28, 53, 57–66, 76, 139 Lateinamerika s. Südamerika

Höhenmessung 43–44, 159 Holland 133 Homer 58 Hua Shan (China) 39 Huber, Toni 27–28 Humboldt, Alexander von 43, 47 Hwanung, Gottheit 80

Register Leo XIII., Papst 101, 104 Lhasa 26, 58, 63 Li Ping 68 Licancábur, Vulkan (Südamerika) 28 Lincoln, Abraham 108 Little Big Horn 110 Loliondo, Wildtierkontrollgebiet 123 London 37, 42, 48 Loreto 101 Los Angeles 87 Lourdes 101 Loven, Karl 93 Löwer, Hans-Joachim 97 Ludwig II., bayerischer König 93 Luther, Martin 21, 88, 114 Magie 24, 29, 63, 66, 89 Mailand 97 Mainstream Religion 147 Mallory, George 13 Manasarovar, See (Tibet) 60, 62, 64 Mandala 24 Mandschu-Dynastie 79–80 Mandschurei 10, 73, 77, 83–84 Männer-Vorrang 143–144 Mao Zedong 58, 74–75 Marconi, Guglielmo 106 Marx, Karl 83 Massai 120–123 Mato Tipi-la (Wyoming US) 107, 115–116 Matterhorn (Schweiz/Italien) 104 McKay, Alex 61–62 McMahon Linie 23 Meditation 24 Medizinmann 107, 112 Meiji-Revolution 144 Melbourne 126 Messe s. Heilige Messe Messner, Reinhold 27–31, 53 , 123, 155 Meyer, Hans 118 Michael, Heiliger 90 Milarepa, Heiliger 57, 63

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Ming-Dynastie 37 Miroku, Jikigyo 144 Mission, Missionare 107, 112, 117–118, 120–121, 142 Mombarone (Piemont) 102 Mönch, Mönchstum 31–32, 57–58, 72, 75, 80, 90, 144, 166 Mongolen 81 Monotheismus 31, 120 Monstranz 21 Mont Blanc (Frankreich/Italien) 47, 100 Monte Rosa (Schweiz/Italien) 47 Monviso (Piemont) 102 Mosambik 117 Mount Everest (Nepal/China) 13, 42, 49–50, 61, 159 Mount Meru (oder Sumeru) 63 Mount Rushmore (Black Hills US) 11, 108–109, 141 Mountain States Legal Foundation 115 Mountford, Charles P. 129, 133 Muir, John 114 Müller, Max 51 Museum 85, 133 Mythologie 40, 44, 52, 128 Nanzen-ji, Kloster 32 Napoleon Bonaparte 93 Nationalpark 53, 114–115, 120, 131 Nationalsozialismus 93, 96 Nationalstaat, Nationalismus 35, 81, 100, 108, 141 Native Americans 111–116 Natur und Kultur, Begriffspaar 14, 30, 137, 141–142 Natur, Politisierung 33 Natur, Umwelt 20, 52, s. a. Buch der Natur Naturforschung 43–47, 50 Naturgeister 120, 123 Naturreligion 30 Naturschutz 114, 146, s. a. Umweltschutz

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Register

Naturschutzgebiet 123, 147, s. a. Nationalpartk Naturschutzunion, internationale s. International Union for Conservation of Nature Naturvölker 30 Navistal (Tirol) 93 Nepal 53, 57, 76 Newton, Isaac 42, 44 Ngorongoro Krater (Tansania) 123 Niltal 31 Nonnen 58, 72, 75 Nordkorea 77, 82–85 Novalis, deutscher Dichter 66

Pfarrer 44, 46, 48 Pferde 111 Physik 44 Physikotheologie 43, 138 Pico del Teide (Teneriffa) 50 Piemont 102 Pilger s. Wallfahrt Pjöngjang 82, 84 Pranavananda, Swami 64–65 Priester 99, 100, 104 Prostration 63 Protestantismus 23, 44, 46, 94, 105–106, 114, s. a. Reformation Purtscheller, Ludwig 118

Ökologie und Religion s. Religion und Ökologie Ökologische Bewegung/Wende 52–53, 114, 137, 146 Ökologisches Bewusstsein 76, 96, 138, 143 Ol Doinyo Lengai (Tansania) 120–123, 139 Olymp 11, 48, 58 Opfer, Opfergaben 72, 107, 115, 122 Orthodoxes Christentum 90, 144 Ostafrika 117–123 Österreich 59, 91, 93 Otto, Rudolf 51 Ötzi 29

Qianlong, chinesischer Kaiser 69 Qing-Dynastie 73, 78, 81

Ramdohr, Basilius von 94 Rebmann, Johannes 117, 120–121 Red-Power-Bewegung 113 Reformation 88–89 Reiner Kristallberg (Tibet) 23, 25–26, 139, 143 Religion und Ökologie 137 Religion, Ökologisierung s. Greening of Religion Religionsbegriff 48, 61, 71, 74, 83, 85, 127, 149 Religionsfreiheit 113 Religionswissenschaft 13, 51–53, 119 P’an Lei 38–42 Paektusan (Nordkorea/China) 10, 77–87, Reliquien 22 Reservation 112, 130 139 Reverse Environmentalism 147 Palästina 101 Revolution s. Französische Revolution, Panchem Lama 62 Kulturrevolution, Meiji-Revolution Pantheismus 114 Rio de Janeiro 14, 105 Papst 20, 101–102, 104–105, 116 Ritenkongregation, römische 101 Paris 34, 52, 67, 106 Ritenministerium, chinesisches 73, 78 Parvati, Gottheit 57, 63 Ritenministerium, koreanisches 80 Patriotismus 109 Rocky Mountains 107 Peking s. Beijing Rom 99–101, 116 Petersdom 102

Register Romantik 91, 94 Römische Kirche s. Katholische Kirche Römisches Reich 33, 70 Rongbuk, Kloster 49 Roosevelt, Theodore 108 Royal Society 42 Rushmore s. Mount Rushmore Russland 58 Ruwa, Gottheit 119 Sachsen 44 Sacred Mountains Program 53, 115 Sacred Natural Sites 147 Saint Catherine Area 31 Sakral/Säkular, Abgrenzung 14, 89, 128, 149 Sakralisierung 34, 130, 134 Sakrament 20–21 Säkularisierung 75, 86, 146 San Giuliano (Sizilien) 102 Saussure, Horace-Bénédict de 43 Schamanismus 81, 147 Scheuchzer, Johann Jakob 42–44 Schöneck 44 Schöpfung s. Gottes Schöpfung Schriftlichkeit, Schriftlosigkeit 23, 85, 118, 126, 140, 175 Schule 74 Schweiz 43, 92 Sechs Großväter s. Tunkasila Sakpe Paha Selbstmord 73 Sexualität 73, 144 Shandong, Provinz (China) 67 Sheng, Kai 42 Shiva, Gottheit 57, 63 Shugendo 86 Sibirien 147 Sinai, Berg 29, 43 Sioux s. Lakota Sioux Six Grandfathers s. Tunkasila Sakpe Paha Sizilien 102 Sklave 121

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Sonnenspitze (Tirol) 93 South Dakota 107, 112 Sowjetunion 84 Spanien 111 Spencer, Baldwin 126–127, 173 Spirituell, Spiritualität 85, 87, 97, 111, 113–116, 131–132, 141, 147 Staatsbildung 50, s. a. Nationalstaat Stalin, Joseph 84 Standing Bear, Henry 109–110 Steinzeit 126 Stubaier Alpen (Tirol) 93 Stutfield, Hugh E. M. 48 Suaheli 121 Sublim s. Erhaben Südamerika 28, 47, 147, 170 Südkorea 82 Südtirol 27–28 Sulzer, Johann Georg 44–45 Sun Yat-Sen 75 Sünde, Sündentilgung 26, 63, 99 Sung Shan (China) 38–42 Tai Shan (China) 10, 12, 39–40, 67–76, 139 Tai Shan, Gottheit 70 Tang-Dynasie 68, 70 Tanganyika Territory 118 Tangun, Gottheit 80–82, 141 Tansania 117–120 Tantra, Tantrismus 24, 57, 62, 143 Taylor, Bron 138, 149 Tempel 70–71, 74 Theologie 13, 51, s. a. Physikotheologie Tibet 10, 23–27, 33, 42, 49, 57–66, 97, 140, 143, 147–148 Tibet Initiative Deutschland 66 Tibetische Exilregierung 66 Ticlla, Maria Poma 12 Tirol 92–94, s. a. Südtirol Tise s. Kailash

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Register

Tourismus 9, 64, 66, 71, 85, 108, 114, 123, 129, 131, 145, 147 Transhimalaya 57, 59–60 Transportrevolution 129, 145 Transsubstantiation 21 Transzendenz 14, 48 Traumzeit 128 Tridentinum 19–22, 89 Trient 20–22 Tsari (Tibet) 23–24, 62, 139 Tunkasila Sakpe Paha (Black Hills US) 107–108 Tylor, Edward 51 Uluru (Australien) 125–134, 139 Uluru, Paddy 133 Umweltkonferenz 14, 147 Umweltprobleme, Umweltverschmutzung 97, 138, 141 Umweltschutz 146, 148, s. a. Naturschutz, Reverse Environmentalism UNESCO 31, 53, 67, 75–76, 120 Urbanisierung 37 USA 12, 52, 107–109, 113–116, 165 Vatikan 22, 100–102 Vereinigte Staaten s. USA Vergötterung 43, s. a. Idolatrie Vier Große Buddhistische Gipfel (China) 40, 42, 50 Volderstal (Tirol) 93 Völkerkunde s. Anthropologie Vulkane 77, 117–123 Waffen 111, 121 Wakuasi 121, s. a. Massai Wallfahrt 13, 24, 33, 40, 58–59, 64, 69, 72, 97, 101, 121, 144–146 Wanli, chinesischer Kaiser 12, 40 Washington, George 108 Weber, Max 149 Weihrauch 72, 148

Weltaussstellung 101 Weltkrieg, Erster 96, 122 Weltkrieg, Zweiter 93, 129 Welterbe 15, 31, 53, 67, 75, 120 Weltnaturschutzunion s. International Union for Conservation of Nature Weltreligion 31, 147, s. a. Mainstream Religion White, Lynn 137 Wien 51 Wilderness 114 Wildtierreservat 123 Wissenschaft 59, 64, 92, 99, 137, s. a. Gebirgsforschung, Naturforschung Wittenberg 88 Wüste 31–32 Wüstenväter 31–33 Xuanzong, chinesischer Kaiser 68 Yangtse, Fluss 72 Yao, chinesischer Kaiser 80 Yunnan 39 Zehn Gebote 113 Zen-Buddhismus 32 Zivilisationskritik 113–114, s. a. Industrialisierung Zivilreligion 109, 141 Zuckerhütl (Tirol) 93 Zugspitze (Bayern) 66 Zukunft, Zukunftsprognose 143, 146, 148, 150–151 Zürich 42, 88