Mobile Labore: Zur Diagnose und Organisation von Malaria in Uganda 9783839439524

New test methods in global health programs - Is there an improvement as compared to former medical treatment forms?

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German Pages 278 [276] Year 2017

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Table of contents :
Inhalt
Danksagung
Einleitung
1. Forschungsprogramm
1.1 Laboratorisierung der Malariadiagnose
1.2 Projektifizierung der Malariadiagnose
2. Das Gesundheitswesen Ugandas als Kontext und Legitimation der Technikanwendung
2.1 Aufbau und Organisation des ugandischen Gesundheitswesens
2.2 Multiple Formen der Malariadiagnose
2.3 Genese und Funktionsprinzipien der Schnelltests
2.4 Feldforschungskontext
I. TEIL
3. Jenseits von Malaria: Versorgungspraktiken und Schnelltests
3.1 Der Preis der Selbstversorgung
3.2 Versorgungsengpässe
3.3 Insistieren als adaptive Praxis
3.4 Versorgungswissen
3.5 Wer testet wen? – Testen als politisches Handeln
4. Lokalisierung von Malaria: Selbstmedikation und Parasitenwissen
4.1 Richtlinien und das Testskript
4.2 Pharmakologische Prüfungen
4.3 Formgebung durch „Un-Black-Boxing“
4.4 Schlafende Parasiten
5. ‚Negative‘ Malaria: Zur Organisation von (Nicht-)Wissen
5.1 Krankheitstausch und Erwartungshorizont
5.2 „Tolina Omusujja!“ – Gute oder schlechte Übersetzung?
5.3 Guess who’s the expert
5.4 Organisation von Nichtwissen
II. TEIL
6. Veralltäglichung der Schnelltests
6.1 Richtlinien und Laborzeitlichkeit
6.2 (Test-)Alltag und andere Improvisationen
6.3 Routiniesierung von Wartezeit
6.4 Neue Sichtbarkeiten, alte Leerstellen
7. Inskriptionen als Zusatzleistungen
7.1 Schnelltests als Zahl und Text
7.2 Lokale Inskriptionen
7.3 Informelle Verschriftlichungen
7.4 „The patient ends with the test!“
8. Wiedereintritt der Diagnose in die Labore
8.1 Statusbestimmung der Labormedizin
8.2 Medizinische Labore als verzichtbare Einrichtungen?
8.3 Laboralltag als soziotechnischer Delegationszusammenhang
8.4 Politische Implikationen von Standardisierungsprozessen
III. TEIL
9. „Somebody has lost knowledge“
9.1 Ouvertüre: Trainifizierung von Malaria
9.2 In medias res: Zielstellung und Sinnbestimmung
9.3 Improvisierte Wissensvermittlung
9.4 Finale Störungen
10. Infrastrukturierung von Misstrauen und Vertrauen
10.1 Risiken und materialisierter Zweifel
10.2 Qualitätstests als technisch vermitteltes Vertrauen
10.3 Qualitätskontrolle als situierte Praktik
10.4 Operationsmodi von Global Health Projekten
11. Schnelltests als Forschungstechnik
11.1 Das Konzept der Forschungstechnik
11.2 Malaria und das Problem der Zählbarkeit
11.3 Testmalaria als ‚negative Ontologie‘
Schlussbetrachtungen
Literatur
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Mobile Labore: Zur Diagnose und Organisation von Malaria in Uganda
 9783839439524

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René Umlauf Mobile Labore

René Umlauf (Dr. phil.), geb. 1980, wechselte nach seiner Promotion an der Universität Bayreuth als Postdoc zur Forschungsgruppe Law, Organisation, Science & Technology (LOST) an die Martin-Luther-Universität Halle. Seine Forschungsinteressen sind Wissenschafts- und Technikstudien, Organisationssoziologie, Soziologie des Testens und Medizinethnologie.

René Umlauf

Mobile Labore Zur Diagnose und Organisation von Malaria in Uganda

Zugl: Bayreuth, Univ., BIGSAS, Diss., 2016

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2017 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlagkonzept: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-3952-0 PDF-ISBN 978-3-8394-3952-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Danksagung | 9 Einleitung | 11 1. Forschungsprogramm | 21

1.1 Laboratorisierung der Malariadiagnose | 21 1.2 Projektifizierung der Malariadiagnose | 33 2. Das Gesundheitswesen Ugandas als Kontext und Legitimation der Technikanwendung | 45

2.1 Aufbau und Organisation des ugandischen Gesundheitswesens | 45 2.2 Multiple Formen der Malariadiagnose | 51 2.3 Genese und Funktionsprinzipien der Schnelltests | 59 2.4 Feldforschungskontext | 67

I. TEIL 3. Jenseits von Malaria: Versorgungspraktiken und Schnelltests | 73

3.1 Der Preis der Selbstversorgung | 74 3.2 Versorgungsengpässe | 78 3.3 Insistieren als adaptive Praxis | 81 3.4 Versorgungswissen | 85 3.5 Wer testet wen? – Testen als politisches Handeln | 88

4. Lokalisierung von Malaria: Selbstmedikation und Parasitenwissen | 93

4.1 Richtlinien und das Testskript | 94 4.2 Pharmakologische Prüfungen | 98 4.3 Formgebung durch „Un-Black-Boxing“ | 101 4.4 Schlafende Parasiten | 104 5. ‚Negative‘ Malaria: Zur Organisation von (Nicht-)Wissen | 107

5.1 Krankheitstausch und Erwartungshorizont | 109 5.2 „Tolina Omusujja!“ – Gute oder schlechte Übersetzung? | 112 5.3 Guess who’s the expert... | 115 5.4 Organisation von Nichtwissen | 119

II. TEIL 6. Veralltäglichung der Schnelltests | 125

6.1 Richtlinien und Laborzeitlichkeit | 126 6.2 (Test-)Alltag und andere Improvisationen | 128 6.3 Routiniesierung von Wartezeit | 133 6.4 Neue Sichtbarkeiten, alte Leerstellen | 137 7. Inskriptionen als Zusatzleistungen | 141

7.1 Schnelltests als Zahl und Text | 144 7.2 Lokale Inskriptionen | 149 7.3 Informelle Verschriftlichungen | 151 7.4 „The patient ends with the test!“ | 156 8. Wiedereintritt der Diagnose in die Labore | 161

8.1 Statusbestimmung der Labormedizin | 165 8.2 Medizinische Labore als verzichtbare Einrichtungen? | 168 8.3 Laboralltag als soziotechnischer Delegationszusammenhang | 172 8.4 Politische Implikationen von Standardisierungsprozessen | 176

III. TEIL 9. „Somebody has lost knowledge“ | 181

9.1 Ouvertüre: Trainifizierung von Malaria | 184 9.2 In medias res: Zielstellung und Sinnbestimmung | 188 9.3 Improvisierte Wissensvermittlung | 190 9.4 Finale Störungen | 197 10. Infrastrukturierung von Misstrauen und Vertrauen | 199

10.1 Risiken und materialisierter Zweifel | 201 10.2 Qualitätstests als technisch vermitteltes Vertrauen | 204 10.3 Qualitätskontrolle als situierte Praktik | 208 10.4 Operationsmodi von Global Health Projekten | 214 11. Schnelltests als Forschungstechnik | 221

11.1 Das Konzept der Forschungstechnik | 222 11.2 Malaria und das Problem der Zählbarkeit | 226 11.3 Testmalaria als ‚negative Ontologie‘ | 231

Schlussbetrachtungen | 241 Literatur | 251

Danksagung

Mit dieser Danksagung möchte ich auf den wichtigen kollektiven Kontext aufmerksam machen, in dem das Schreiben dieses Buches eingebettet war. An erster Stelle bedanke ich mich darum bei meinen Dissertationsbetreuern Dieter Neubert und Richard Rottenburg, ohne deren unermüdliche intellektuelle und professionelle Unterstützung, sowie deren kreative als auch produktive Kritik es diese Arbeit nicht gäbe. Für den anregenden wissenschaftlichen Austausch und die intensive akademische Einbindung möchte ich mich bei der Bayreuther Graduate School of African Studies (BIGSAS) und dem DFG geförderten Schwerpunktprogramm „Creativity and Adaptation in Africa“ recht herzlich bedanken. Mein aufrichtigster Dank geht an meine Feldforschungsassistentin Rehema Bavuma, die durch ihr Einfühlungsvermögen und auch ihre Spontanität mir die so wichtigen Zugänge zu den Lebenswelten meiner ugandischen Informanten geebnet hat. Meinen Dank aussprechen möchte ich all jenen Freundinnen und Freunden, ohne deren Anteilnahme, Ideenreichtum und Geduld diese Arbeit nicht möglich gewesen wäre: Uli Beisel, Marian Burchardt, Christian Driesen, Theresa Elze, Alexander Friedrich, Stefan Höhne, Heidi Hopkins, Lena Kröcker, Arlena Liggins, Carsten Mildner, Christian Müller, Sung-Joon Park, André Reichert, Jacob Treige, Jutta Schinscholl und Kate Skinner. Zu guter Letzt möchte ich meinen innigsten Dank Carmen und Freimut Umlauf aussprechen, vor allem aber Ute Riegelsberger, ohne deren Umsicht, Nachsicht, als auch Fürsorge für Helene ich diese Arbeit so nie fertig gestellt hätte.

Einleitung

Wahrscheinlich eignet sich kaum eine Krankheit besser als Malaria, um eine lange und vielseitige Geschichte des Scheiterns zu erzählen. Ein Teil dieser Geschichte der Krankheit würde schließlich zeigen, dass die Bekämpfung und die damit verbundenen technischen und finanziellen Aufmerksamkeitsschübe auch immer mit einem Wandel des gesundheitswissenschaftlichen Status dieser parasitären Infektionskrankheit einherging (Packard 2007). Ganz gleich allerdings ob Malaria dabei als ‚Tropenkrankheit‘, ‚Kriegskrankheit‘, ‚Armutskrankheit‘ oder ‚vernachlässigte Krankheit‘ perspektiviert wurde, keine noch so großangelegte Intervention konnte verhindern, dass die Krankheit auch weiterhin in vielen Teilen der Welt ein zentrales Gesundheitsproblem darstellt. Wenn Malaria in der folgenden Arbeit unter dem Label ‚Global Health Krankheit‘ gefasst wird, dann geschieht dies jedoch nicht aus dem Grund, einer Geschichte des Scheiterns ein weiteres Kapitel hinzuzufügen. Mit diesem Label soll stattdessen ein zäsurhafter Unterschied zu den historischen Vorläufern gerade in der Qualität der Intervention markiert werden.1 Danach ist Malaria ein Global Health Problem, weil darin die Bestimmbarkeit der Krankheit – der Nachweis also, wann Malaria wirklich vorliegt bzw. wann nicht – zum interventionsleitenden institutionellen Fundament erklärt wird. Nie zuvor in der Geschichte

1

Mit dem Ausdruck ‚Global Health Krankheit‘ rekurriere ich allerdings nur bedingt auf den Umstand der regionalen bzw. geographischen Verbreitung der Krankheit. Vielmehr beziehe ich mich damit auf verschiedene technische, organisationale und ökonomische Verfahren, deren Zusammenspiel es erst ermöglicht eine Krankheit als globales Problem zu repräsentieren.

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spielte der onto-epistemische Status von Malaria eine derartig grundlegende Rolle wie innerhalb evidenz-basierter Global Health Kooperationen. Dies umso stärker, weil darüber nicht nur Erfolge und Misserfolge von milliardenschweren Interventionen bewertet werden, sondern auch die Leistungsfähigkeit nationaler Gesundheitswesen geprüft wird, ob diese den Anforderungen überhaupt gerecht werden. Um verstehen zu können, wie es dazu kommen konnte, ist ein Blick auf die jüngere Geschichte von Global Health notwendig. Zu Beginn der 2000er Jahre lag der zentrale Fokus von Global Health Programmen darin, den Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten zu verbessern. Den Hintergrund hierfür bildete die globale HIV/Aids Krise, deren Notfallrahmung allerdings auch für andere Krankheiten, wie beispielsweise Malaria oder Tuberkulose, adaptiert wurde. Der dadurch angestoßene Imperativ ‚Wir müssen handeln!‘ war somit unentwirrbar mit der Bereitstellung und Finanzierung neuer kostenintensiver Medikamente verknüpft. Auch Malariamedikamente sollten auf diese Weise um jeden Preis und auch weitgehend unabhängig vom Zustand des jeweiligen Gesundheitswesens verfügbar gemacht werden. Das schiere Ausmaß, in dem die Krankheit das Leben von hauptsächlich Kleinkindern zu bedrohen schien, reichte somit aus, um Fragen nach der Behandlungsqualität zeitweise auszuhebeln. Wenn auf diese Weise massenhaft Medikamente auch in abgelegenen Orten verfügbar gemacht wurden, dann wurde damit zwar stärker festgelegt, womit Malaria behandelt werden sollte. Die Notwendigkeit, nachweisen zu müssen, wie und wann Malariamedikamente verschrieben und eingenommen werden, wurde aber durch den Umstand erschwert, dass die Gesundheitssysteme gerade der am heftigsten betroffenen afrikanischen Länder diesen Nachweis nicht erbringen konnten. Bei dem Erfordernis, wissen zu müssen, wie und wann Medikamente verschrieben werden, treffen somit ökonomische und biomedizinische Problemlagen aufeinander. Als Gesundheitstechnik sollte die Anwendung von Malariamedikamenten auf der größtmöglichen Gewissheit aufbauen, dass die jeweilige Symptomlage auch tatsächlich durch Malariaparasiten verursacht wurde. Als subventionierte Ware musste die massenhafte Verfügbarkeit der Medikamente der Bedingung einer möglichst kosteneffektiven Nutzung gerecht werden. Genau an diesem Punkt wird in Global Health der parasitenbasierten Diagnose von Malaria das größte Einigungspotential zugeschrieben, zwischen diesen beiden Anforderungen erfolgreich vermitteln zu können. Erst durch die genaue Be-

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stimmbarkeit der Krankheit kann sichergestellt werden, dass Malariamedikamente sowohl sicher als auch kosteneffizient zur Anwendung gebracht werden. Um die gesundheitspolitischen Dimensionen dieses Schritts ausreichend verorten zu können, ist es wichtig zu erwähnen, dass sich ‚Malaria‘ als Global Health Krankheit nicht in der Bereitstellung kostenintensiver Medikamente erschöpft. Neben finanziell und technisch aufwendigen Forschungs- und Studienprojekten zu Malariaimpfstoffen als auch neuen Malariamedikamenten sind es vorrangig Präventionsmaßnahmen, wie z.B. die massenhafte Verteilung von Bettnetzen oder der Einsatz von Insektiziden, deren Effektivität daran bemessen wird, wie viele ‚echte‘ Malariafälle in den Gesundheitszentren der betroffenen Länder behandelt werden. Die Messbarkeit von Erfolgen und Misserfolgen hängt somit davon ab, wie gut oder schlecht die Krankheit in einem Gesundheitswesen festgestellt werden kann. Vor diesem Hintergrund wird die nachfolgende Arbeit anhand der Einführung von Schnelltests zur Diagnose von Malaria (Rapid Diagnostic Tests oder RDTs) in Uganda exemplarisch nachzeichnen, wie sich das Verhältnis zwischen Global Health Technik und der organisierten Malariabehandlung gestaltet. Die Schnelltests dienen hier somit als Zugang zur Bestimmung, um welche Form von organisierter Krankenversorgung es sich handelt, die zunehmend auf den Einsatz von Global Health Technik zurückgreift bzw. daran ausgerichtet wird. Gleichzeitig bieten die Schnelltests ebenfalls einen Einstieg, um analysieren zu können, um welches institutionelle Arrangement es sich bei Global Health handelt. Hierfür folgt die Arbeit der Beobachtung, dass Global Health, trotz gemeinsamer moralischer und technischer Vorstellungen, keinesfalls um ein kohärentes und einheitliches institutionelles Feld handelt (Lakoff 2010). Diese Beobachtung ist darum zentral, weil in Global Health vorrangig innovative, jedoch weitgehend unerprobte Technik flächendeckend zum Einsatz gebracht wird. Wenn deren Einführung aber nicht durch einen stabilen institutionellen Rahmen getragen wird, stellt sich die Frage, worüber dann die Nützlichkeit und Funktionsweise der verwendeten Techniken gesichert werden kann. Wie bereits angedeutet, handelt es sich bei Malaria um eine bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bekannte Infektionskrankheit. Für die Malariadiagnose bedeutet dies, dass sich neben den Schnelltests zwei weitere auch in Uganda seit langer Zeit praktizierte Diagnoseverfahren finden lassen: die Verdachtsbehandlung sowie die ebenfalls etablierte Diagnoseme-

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thode der laborbasierten Mikroskopie. Bei der weit verbreiteten Verdachtsbehandlung liegt Malaria dann vor, wenn im Anschluss an die Einnahme von Malariamedikamenten Symptome verschwinden und eine Besserung des Zustandes eintritt. Durch die breite Verfügbarkeit von Malariamedikamenten ist es Betroffenen allerdings möglich, diese indirekte Diagnose auch ohne Konsultation einer öffentlichen Gesundheitseinrichtung durchzuführen. Im Gegensatz hierzu ist der mikroskopische Nachweis von Malaria an medizinische Labore gebunden. Doch nicht nur deren Ortsgebundenheit, auch das nötige Expertenwissen und die spezifische Handhabung machen Mikroskope zu einem vergleichsweise voraussetzungsvollen Verfahren. Ihre Abhängigkeit von Infrastrukturen wie z.B. Elektrizität und Wasser tragen zusätzlich dazu bei, dass die Mikroskopie in den meisten afrikanischen Ländern nicht flächendeckend verfügbar ist. Die Schnelltests unterscheiden sich gegenüber beiden Diagnoseverfahren: Im Gegensatz zur Mikroskopie eröffnet das Design und die einfache Handhabung der Tests eine größere Mobilität. Gegenüber der Verdachtsbehandlung unterscheiden sich Schnelltests, weil durch sie mit höherer Gewissheit bestimmt werden kann, ob Malaria vorliegt oder nicht. Die Schnelltests sollen danach ein bestehendes Verfahren (Mikroskopie) ergänzen und ein anderes (Verdachtsbehandlung) ersetzen. Unabhängig davon, ob sich dies über die Tests auch wirklich bewerkstelligen lässt, wird deutlich, dass innerhalb des ugandischen Gesundheitswesens mindestens drei unterschiedliche Malariadiagnoseverfahren praktiziert werden. Wie sich diese Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Diagnoseverfahren auf (un-) mittelbar betroffene Akteure auswirkt und welche praktischen wie organisationalen Abstimmungsprobleme dadurch sichtbar als auch unsichtbar werden, bilden die empirischen Fragen der Arbeit. Aus einer klinischen Perspektive ist Malaria vorrangig darum problematisch, weil deren Primärsymptome nur wenig spezifisch sind. Obwohl Malaria einen potenziell tödlichen Verlauf nehmen kann, lässt sie sich nur schwer von anderen Krankheiten unterscheiden.2 Ein Mensch, der etwa

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In einer Studie im Fachjournal The Lancet, wird auf der Grundlage von Hochrechnungen angenommen, dass der Zusammenbruch öffentlicher Gesundheitsdienstleistungen in den Ländern Sierra Leone, Liberia und Guinea 2014 neben 11.020 Ebola-Opfern zusätzlich 10.900 Malaria-Opfer mitverursacht hat (Walker et al. 2015). Um diesem Problem zu begegnen, wurden ab einem gewissen

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durch den Stich eines Moskitos mit Malaria infiziert wird, spürt neben Schwindel und Übelkeit vor allem Fiebersymptome, die jedoch in unbehandelter Form zu irreparablen Schäden und zum Tod führen können. Während die Krankheit in Europa und Nordamerika spätestens seit den 1960er Jahren als ausgerottet gilt, ist Malaria heute vor allem in den Ländern des subsaharischen Afrika noch immer weit verbreitet. Mit acht Millionen Malariafällen im Jahr 2013 zählt Uganda, neben Nigeria (37 Million) und DR Kongo (14 Millionen), zu einer der am stärksten betroffenen Regionen der Welt (WHO 2014c). Auch wenn nicht genau gesagt werden kann, wie hoch die Anzahl von Malariaverdachtsfällen in Uganda wirklich ist, wurde im Jahr 2012 von 41 Millionen Fieberepisoden ausgegangen (PMI 2013). Diese Fakten und Zahlen sollen zwei Dinge verdeutlichen: Zum einem bildet die Behandlung von Malaria bzw. von Malariaverdachtsfällen eins der zentralen Aufgabenfelder der öffentlichen Krankenversorgung Ugandas. Zum anderen zeigt die Häufigkeit des Auftretens und die Verbreitung von Fieber, das mit Malaria assoziiert wird, dass es sich für die meisten Ugander um keine exzeptionelle, sondern um eine alltägliche Krankheit handelt. Wie sich das Zusammenspiel dieser beiden Aspekte auf den Umgang und die Feststellbarkeit von Malaria auswirkt, werde ich beispielhaft an der Einführung von Schnelltests untersuchen. Die Frage, worum es sich bei den Schnelltests handelt und welche programmatische Zielstellung damit verbunden wird, sehe ich im nachstehenden Zitat am folgenreichsten beantwortet: „The new generation of RDTs offers a realistic practical chance to move the diagnosis of malaria away from the laboratory and nearer to the patient.“ (Moody 2002, 76) Von den Schnelltests wird sich also erhofft, die parasitenbasierte Diagnose aus den Laboren näher an die Patientinnen bringen zu können. Eine zentrale Annahme dabei ist, dass sich genaueres Krankheitswissen positiv auf die Behandelbarkeit auswirkt, also auf die Frage, wann Malariamedikamente verschrieben werden sollten. Die Schnelltests markieren hier eine Umkehrung der Dienstleistungsidee: Nicht mehr die Patientinnen müssen in die Labore kommen, sondern die nun ‚mobilen Labore‘ kommen zu den Patientinnen. Als standardisiertes Verfahren ermöglichen es die Schnelltests, ein Diagnose- bzw. Krankheitswissen an Orten verfügbar zu machen, wo dies zuvor

Punkt vor der Aufnahme in die Quarantänezentren Malariaschnelltests durchgeführt.

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nicht oder nur eingeschränkt der Fall war. Auf diese Weise soll Malaria in den Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung durch eine zeitliche und räumliche Verortung bzw. Fixierung im ‚Hier‘ und ‚Jetzt‘ besser und genauer behandelbar werden. Der technisch-vermittelte Versuch, Diagnosewissen in den Einrichtungen zu verankern, baut somit auf der modernistischen Annahme auf, dass die Leistungsfähigkeit eines Gesundheitswesens daran bemessen werden kann, wie gut (oder schlecht) darin Krankheiten festgestellt und behandelt werden können. Dem zu Grunde liegt allerdings die Annahme, dass alle Beteiligten ein sehr ähnliches Verständnis davon haben, worum es sich bei dem ‚Hier‘ und ‚Jetzt‘ der Krankheitsidentifikation und der damit einhergehenden Wissensfixierung handelt. Auch wird unterstellt, dass es allen Beteiligten gleich wichtig ist, die Krankheit an einem bestimmten Ort, zu einem spezifischen Zeitpunkt und in dieser technischvermittelten Form zu wissen. Zu fragen wäre danach, welches Wissen durch die Schnelltests genau mobilisiert und wodurch sichergestellt wird, dass dieses Wissen sich durch die Mobilisierung nicht verändert oder seine epistemische Autorität einbüßt. Neben diesen erkenntnispraktischen Aspekten hängt die erfolgreiche Integration der Schnelltests aber zusätzlich von organisationalen Umständen ab. Es kann davon ausgegangen werden, dass zwischen 70 und 90 Prozent des Tätigkeitsfelds des Gesundheitspersonals von der Diagnose und Behandlung von Fiebererkrankungen und Malariaverdachtsfällen vereinnahmt wird.3 Auch, wenn es sich bei den meisten Gesundheitszentren um kleinere und einfache Einrichtungen handelt, kann sich an diesen Orten – in ihrer momentanen Ausstattung – nicht alles gleichzeitig verändern. Umgekehrt muss aber auch angenommen werden, dass, wenn sich etwas verändert, nahezu alle Arbeits- und Handlungsfelder davon betroffen sind. Zu fragen wäre dann beispielsweise, was sich in den Einrichtungen überhaupt alles verändern kann und wo die Grenzen dessen verlaufen, was sich sinnvoll erneuern lässt.

3

Diese Schätzung basiert unter anderem auf meinen empirischen Feldstudien. Neben Verlaufsprotokollen von Konsultationsgesprächen, lieferten mir vor allem Diagnoseregistraturen und die im Anschluss daran verschriebenen Medikamentenkombinationen einen verlässlichen Nachweis über das Ausmaß, in dem Malariaverdachtsfälle in den Gesundheitszentren eine Rolle spielen.

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Das Zusammenspiel dieser erkenntnispraktischen und organisationalen Anforderungen bildet den Hintergrund um in der vorliegenden Studie zu analysieren, wie die Herstellung von Routinen in den Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung in Uganda mit deutlich mehr Schwierigkeiten verbunden ist als in westlichen Vergleichskontexten. Dabei soll zunächst geprüft werden, welche Auswirkungen die Schnelltests auf bereits etablierte (Be-)Handlungsroutinen haben. Die Beantwortung dieser Frage ermöglicht im Anschluss eine Spezifizierung der These, wonach Routinen in den Einrichtungen immer schon Ausdruck und Ergebnis vorgängiger Improvisationen sind. Improvisationen bilden danach auch immer die Grundlage, um das von den Schnelltests eingeforderte regelgeleitete Handeln zu integrieren. Die Frage ist dann, wie sich im Gegenzug die Herstellung neuer Routinen auf die Funktionsweise und Integrierbarkeit der Schnelltests auswirkt. Im konzeptionellen Vorgang dieser ethnographischen Suchfragen unternimmt die Arbeit den Versuch, das Verhältnis zwischen organisierter Krankenbehandlung und Technikanwendung als Laboratorisierung und Projektifizierung der Malariadiagnose zu perspektivieren. Ein konzeptioneller Grundpfeiler, um die empirischen Verwicklungen in der hier angedeuteten Weise besprechen zu können, baut zu einem wesentlichen Teil auf meinem spezifischen Technikverständnis auf. Wenn ich in den Kapiteln 3 bis 8 nachzeichne wie sich das Verhältnis zwischen Arbeitsalltag und Technikintegration auf die Krankenbehandlung auswirkt, dann geschieht dies auch immer in Form einer kritischen Kontrastierung mit Technikvorstellungen, wie sie sich in Global Health Projekten materialisieren.4 Entgegen der vorherrschenden diffusionstheoretischen Annahme, dass Technik auch in neuen Anwendungskontexten unverändert die ihr eingeschriebenen Funktionen übernimmt (Rogers 1983), verstehe ich Technik als Teil von Übersetzungsprozessen (Callon 1986, Latour 1990, Rottenburg 2002). Der Übersetzungsbegriff erlaubt, das Zusammenspiel zwischen Technik und Nutzerinnen als wechselseitig konstitutiven Prozess zu perspektiveren.5 Auch wenn in der Arbeit bezüglich der Schnelltests keine

4

Eine ausführlichere Besprechung des Aufbaus und der Struktur der Arbeit ist

5

In dieser Arbeit werde ich durchgängig ‚Technik‘ an Stelle, des ebenfalls weit-

Teil des sich anschließenden Forschungsprogramms. verbreiteten Technologie Begriffs verwenden. Technik verstehe ich im Sinne Friedrich von Gottl-Ottilienfeld als „Realtechnik“, womit dieser das „abgeklärte

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unmittelbaren anwendungsrelevanten Empfehlungen ausgesprochen werden, mache ich an einigen Stellen deutlich, wo ein anderes Technikverständnis helfen könnte, den Umgang mit den Schnelltests zu stabilisieren. Denn gerade an Punkten, wo Nutzerinnen6 weitestgehend auf sich allein gestellt sind, werden kreative Praktiken beobachtbar, deren Adaption und Reflexion sich positiv auf die Integration der Schnelltests auswirken würde. Obwohl es sich bei Global Health um kein kohärentes und stabiles institutionelles Arrangement handelt, folgen doch darin vollzogene Interventionen insoweit einer modernistischen Logik, als dabei Selbstbeobachtungsprozesse immer eine wesentliche Teilfunktion übernehmen. Für den technischen Anwendungsbereich heißt dies, dass Technik nach ihrer Einführung nicht einfach sich selbst oder den Nutzerinnen überlassen, sondern mit weitreichenden Beobachtungs- und Korrekturinfrastrukturen ausgestattet und verschaltet wird. In den letzten drei Kapiteln widmet sich meine Arbeit diesen Infrastrukturen, um schließlich darlegen zu können, worin sich die Arbeit als Beitrag zur kritischen Global Health Forschung versteht. Zum einem wird darin deutlich, wie und worin sich planerische Korrekturmaßnahmen zu den von mir zuvor herausgearbeiteten Problemfeldern unterscheiden. Das Einüben kommunikativer Kompetenzen (9. Kapitel) als auch Versuche einer technisch-vermittelten Qualitätssicherung (10. Kapitel) haben zwar den Anspruch, das Vertrauen und den Umgang mit den Schnelltests zu stabilisieren, laufen jedoch weitgehend an den praktischen und strukturellen Erfordernissen und Notlagen der Gesundheitszentren vorbei. Diese Kontrastierung erlaubt es mir zu fragen, welche unterschiedliche Verwertbarkeit und Anschlussfähigkeit das durch den Einsatz der Schnelltests produzierte Wissen ermöglicht. Im abschließenden Kapitel (11. Kapitel) werde ich nachzeichnen, wie die Tests – relativ unabhängig von ihrer

Ganze der Verfahren und Hilfsmittel des naturbeherrschenden Handelns“ (GottlOttilienfeld 1923, 8) bezeichnet. Technologie hingegen stellt stärker auf die komplexen Kombinate von Artefakten, sozialen Regulativen und kulturellen Dispositiven ab (Beck 1996). Da ich diese Vorgänge und Verknüpfungen in meiner Arbeit allerdings schrittweise und als Teil von Übersetzungen beschreibbar machen möchte, bietet der Technikbegriff diesbezüglich eine größere Trennschärfe. 6

Mit Nennung der weiblichen Funktionsbezeichnung ist in diesem Buch, sofern nicht anders gekennzeichnet, immer auch die männliche Form mitgemeint.

E INLEITUNG | 19

Funktionsweise für die Malariafallbehandlung (case management) – die Produktion von Daten und Wissen ermöglichen, was anschließend zur Konzeption neuer Global Health Probleme verwertet werden kann. Ein wesentlicher Beitrag dieser Arbeit besteht somit in der Konzeptualisierung und kritischen Diskussion der unterschiedlichen Anwendungsund Funktionsebenen einer Global Health Technik. Diese Form der kritischen Nützlichkeitsbestimmung von Technik macht zudem einen weiteren Aspekt sichtbar: Zwar macht der flächendeckende Einsatz von Schnelltests in nachvollziehbarer Weise deutlich, dass die Verdachtsbehandlung von Malaria eine durchaus risikobehaftete Diagnose/Therapieform ist. Gleichzeitig wird jedoch verständlich, dass die durch die Schnelltests induzierten Veränderungen im Wesentlichen auf Problemverschiebungen angewiesen sind, um darüber überhaupt den Anspruch auf eine verbesserte Krankenversorgung aufrecht erhalten zu können. Wenn es sich bei den Tests letztlich um eine Vermessung der Leistungsfähigkeit handelt, wie gut und ob in den Gesundheitszentren Ugandas Malaria (oder andere Krankheiten) behandelt werden kann, dann zeigt meine Arbeit, dass es zunehmend schwerer wird beurteilen zu können, worin genau die Verbesserung gegenüber den vorgängigen Formen der Krankenbehandlung besteht.

1. Forschungsprogramm

Wie bereits erwähnt versteht sich die Arbeit als sozialwissenschaftlicher Beitrag zur kritischen Global Health Forschung (Biehl & Petryna 2013, Geissler et al. 2014). Die übergeordneten Fragen lauten: (1) Wodurch wird das organisationale Arrangement von Global Health in Afrika (de-) stabilisiert? (2) Wie wirken sich darüber eingeführte Techniken auf die Beziehung zwischen Krankheitsfeststellung und organisierter Krankenbehandlung aus?1 Am Beispiel der Malariadiagnose im ländlichen Uganda werde ich zeigen, dass diese Fragen am besten beantwortbar sind, wenn die beobachtbaren Verwicklungen als Laboratorisierung und Projektifizierung von Gesundheit/Krankheit gedeutet werden. Die Rahmung der Malariadiagnose als Laboratorisierung und Projektifizierung ermöglicht es, notwendige Improvisationen und Lernprozesse auf verschiedenen organisationalen und gesellschaftlichen Ebenen sichtbar und vergleichbar zu machen.

1.1 L ABORATORISIERUNG

DER

M ALARIADIAGNOSE

Schenkt man gesundheitswissenschaftlichen Rahmungen Glauben (Bell & Perkins 2012), dann handelt es sich bei den Schnelltests um ein geeignetes Mittel, weil diese unabhängig vom Ort ihrer Anwendung und auch weitgehend unabhängig von der jeweiligen Nutzerin Malaria identifizieren kön-

1

Diese übergeordneten Forschungsfragen werden in den einzelnen empirischen Kapiteln zusätzlich ausdifferenziert und spezifiziert.

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nen. Fragt man im Anschluss nach den Ursprüngen der darin angelegten Beziehung zwischen Krankheit und Technik, dann stößt man zwar nicht unmittelbar auf Labore, aber doch auf eine spezifische Repräsentationsform dieser Orte. Nach dieser Perspektive sind Labore darum spezielle Orte, weil die Produktion wissenschaftlichen Wissens wahre Aussagen beispielsweise über die Natur von Krankheiten ermöglicht. Wissenschaftliche Tatsachen sind objektiv und universal gültig, weil das darin repräsentierte Wissen auch an anderen Orten (Laboren) sowohl rekonstruiert als auch verwertet werden kann (z.B. in Industrielaboren). Die Untersuchung der Bedingungen, unter denen diese gesundheitswissenschaftliche Perspektivierung von Laborwissen und damit verbundenen Wahrheitsansprüchen wachsen und wuchern konnte, wurde seit dem Ende der 1970er Jahre im Feld der Laborstudien vorgenommen (Knorr-Cetina 1977, 1984 (1981), 1995, Latour 1987, Latour and Woolgar 1979). Was im Anschluss unter der Bezeichnung Laborkonstruktivismus (Krücken et al. 1994) zu einer populären und anerkannten Stoßrichtung der Wissenschaftssoziologie avancierte, bildet im Kern eine Reihe von Ethnographien, in denen es um die Beschreibung und auch Beschreibbarkeit des Laboralltags geht (Lynch 1985, Traweek 1982). Die zentrale These des Laborkonstruktivismus besteht darin, dass „die Wissenschaft hinsichtlich der von ihr untersuchten Natur konstruktiv statt lediglich beschreibend vorgeht“ (Knorr-Cetina 2007: 329). Im letzten Schluss bedeutet dies nicht mehr und nicht weniger, als dass wissenschaftliche Erkenntnis gemacht ist. Überall da, „wo reine Fakten entdeckt werden, haben wir es mit gebastelten, zusammengesetzten Konstrukten zu tun; überall da, wo Verfahrensweisen selbstevident erscheinen, haben wir es mit Aushandlungsprozessen zwischen einer Vielzahl von Akteuren und Interessen zu tun; und überall dort, wo Ordnung erscheint, haben wir es mit Unbestimmtheiten und Zufällen zu tun, auf die Ordnungsbildung angewiesen ist“ (Wansleben 2007: 280). Weil die Laborstudien aber in ihren Beobachtungen auf eine Skandalisierung verzichteten, erlangten darüber generierte Ergebnisse und Einsichten auch innerhalb der beforschten Wissenschaftlergemeinde einen hohen Grad an Glaubwürdigkeit. Die vermeintlich kritische sozialkonstruktivistische Perspektive, dass wissenschaftliche Tatsachen nur konstruiert – und darum weniger echt – seien, wurde von den Laborkonst-

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ruktivsten weitgehend abgelehnt und aufgegeben.2 Im Vordergrund stand stattdessen die Rekonstruktion der Vermischung von Natur und Gesellschaft in den Laboren, an deren Ende eine wissenschaftliche „Tatsache“ als natürliche „Tatsache“ (Rheinsberger 1992: 205) repräsentiert werden konnte. „Sein wesentlichstes Kennzeichen ist, daß er [der Laborkonstruktivismus, R.U.] das, was wir als ‚wahr‘ und ‚wirklich‘ bezeichnen, als Konsequenz statt als Ursache der Erzeugnisse der technischen Kultur der modernen Naturwissenschaft betrachtet. […] Er versucht vielmehr zu zeigen, wie diese ‚Phänomene‘ als ‚unabhängige‘ und ‚natürliche‘, d. h. als zu einer anderen als der Sozialordnung gehörige, im Wissenschaftsbetrieb konstituiert werden. [...] Für den Konstruktivismus ist es daher wichtig, diese technische Kultur am Ort der Realisierung der entsprechenden Erzeugungsprozesse zu untersuchen. Da dieser Ort in den meisten Fällen das (natur)wissenschaftliche Labor ist, gewinnt das Labor Bedeutung als notwendige Einheit der Untersuchung der technischen Kultur.“ (Karin Knorr-Cetina 1988: 86)

Der von Knorr-Cetina gegebene Verweis auf die notwendige Beziehung zwischen sozialwissenschaftlicher Methode (Laborethnographie) und der spezifischen Ortsverwobenheit wissenschaftlicher Wissensproduktion zeigt, dass der Laborbegriff sowohl ein empirischer als auch ein theoretischer Begriff ist. In dieser Doppelbezüglichkeit erlaubt es das Labor, das Zusammenspiel von sozialen, sachlichen und zeitlichen Kontingenzen in ihrer Verräumlichung zu beobachten. Zwar determiniert es nicht die wissenschaftlichen Produkte, „aber es stellt einen Raum möglicher Selektionen dar, der keinen behindernden Umstand einer eindeutigen Rationalität dar-

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Bei der Diskussion, um welche Spielart des Konstruktivismus es sich beim Laborkonstruktivismus genau handelt, und inwiefern sich dieser zu spezifischen Positionen des Sozialkonstruktivismus abgrenzt, handelt es sich um disziplininterne Grabenkämpfe (Hacking 2002), die ich in dieser Arbeit nicht weiter vertiefen werde. Es genügt hier zu wissen, dass es sich bei dem Punkt, um den es dem Laborkonstruktivismus vor allem geht, um den Versuch einer Verbindung von Realismus und Konstruktivismus handelt. Das Ergebnis dieser Fusion fasst Latour im Begriff des „relativistischen Realismus“ (Latour 2008: 148ff.; Latour 2007: 152-161; Wieser 2014).

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stellt, sondern die Bedingung der Möglichkeit von Erkenntnissen bildet“ (Wansleben 2007: 280). Das Labor als situierte Praxis Ein Versuch, diesen Selektionsprozess genauer zu verstehen, wurde in den ethnographischen Laborbeobachtungen mit dem Begriffskonzept der situierten Praxis zusammengefasst (Knorr-Cetina 1984, Suchman 1987, Wehling 2006b).3 Die Situiertheit von Laborarbeit bezeichnet Praktiken eines zeitlich und räumlich bedingten Bezugnehmens und Eingebundenseins der Forscher_innen und ihrer Wissensobjekte. Dieses Bezugnehmen gestaltet sich nun aber nicht als ein hypersensitives Registrieren aller möglichen Veränderungen. Der umgekehrte Fall trifft den Punkt schon eher: Auch das taktische Ausblenden spezifischer Voraussetzungen und Eigenschaften bildet einen konstitutiven Teil der Wissensproduktion. Die Konzeptualisierung der Laborsituiertheit erlaubt es, Forscher nicht als planvolle und präzise Systematiker zu entwerfen, sondern als unkonventionelle Tüftler (KnorrCetina 1984: 65).4

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Die raumzeitlichen Verwicklungen von Akteuren, die mit dem Begriff der Situiertheit in den Blick genommen werden, finden sich auch noch in anderen sozialwissenschaftlichen Themenfeldern wieder. In Bezug auf die Gender- und Körperproblematik sei z.B. an Donna Haraways Konzept des „situierten Wissen“ (Haraway 1988) erinnert. Oder auch die Forschungsgruppe um Lucy Suchman hat in ihren Arbeitsplatzstudien auf die konstitutive Rolle des „situierten Handelns“ aufmerksam gemacht (Suchman 1987, 2007). Die Laborstudien bildeten ebenfalls eine treibende Kraft für die Weiterentwicklung und Ausformulierung des Praxisbegriffs, was letztlich in der Ausrufung eines practical turn mündete (Schatzki et al. 2001).

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Den Begriff des Tüftlers (engl. „tinkerer“) und Tüftelns übernimmt KnorrCetina von dem französischen Biologen Francois Jacob, der damit „biologische Evolution als nicht-optimalen, redundanten, spielerischen Zufallsprozess“ (Knorr-Cetina, 1984: 282) bezeichnete. Im gleichen Atemzug verweist KnorrCetina auf den französischen Ausdruck bricolage. Auch Levi-Strauss bezeichnete mit Bricolage eine lokale Aktivität, an einem gegebenen Ort, die in gleicher

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Die Figur des Tüftlers zeichnet sich dadurch aus, dass er zwischen den Rahmenbedingungen und den Gelegenheitsstrukturen des Labors vermittelnd weiß, was zu machen ist (Kirschner 2014: 126). Sein Wissen und Handeln bezieht sich auf die Wahrnehmung spezifischer „Gelegenheitsrationalitäten“ (Knorr-Cetina 1984: 125), die nur schwer verallgemeinerbar und zunächst auch in keiner rationalistischen Logik eingebunden sind. Der Tüftler – und die damit bezeichnete Praktik des Tüftelns – ist für meine Arbeit relevant, weil ich dadurch eine unmittelbare Verbindung zum medizinischen Handeln herstellen kann (Mol 2008, Mol et al. 2010). Auch Ärzte oder Behandelnde orientieren ihr Alltagshandeln nicht gänzlich an den Ungewissheiten und auch eher selten an wissenschaftlich fundiertem Wissen, sondern vor allem an ihrem „praktischen Sinn“ (Bourdieu 1987). Das Tüfteln bezeichnet dann auch in der Krankenbehandlung eine Doppelbewegung, worin einerseits zwischen unterschiedlichem Krankheitswissen vermittelt wird, jedoch anderseits im Handeln sowie durch die spezifische Form des Handelns Wissen produziert wird (Vogd 2014: 59). Labor als Gesellschaft – Gesellschaft als Labor? In diesen situativen Formen des Zergliederns, Verkleinerns und Vergrößerns zeigen sich gemäß dem Laborkonstruktivismus unterschiedliche Spielarten des ‚Sozialen‘. Das Soziale ist sowohl Bedingung als auch Effekt des laborspezifischen Zusammenspiels von beispielsweise Zeichen, Körpern und Materialien. Was in diesen Objektkonfigurationen nun geschieht, ist nichts weniger als die Vermischung von Gesellschaft und Natur zu Hybriden (Bammé 2009). Die Vermischung ist gleichzeitig mit einer Reinigungsarbeit verbunden, in der die Trennung bzw. die Trennbarkeit beider Sphären repräsentierbar und legitimierbar bleibt (Latour 2007, Rottenburg 2008). Wenn Knorr-Cetina im Anschluss daran das Labor als einen Ort der Verdichtung von Gesellschaft beschreibt (Knorr-Cetina 1988), geht Bruno Latour in seinen Reflexionen einen Schritt weiter. Die in situierten Laborpraktiken beobachtbaren Interaktionsformen zwischen Menschen und Objekten veranlassen ihn zu der kühnen Behauptung, dass

Art und Weise an anderer Stelle bzw. zu einem anderen Zeitpunkt so nicht durchzuführen wäre (Levi-Strauss 1968, auch Biniok 2014).

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die Trennung von Labor und Gesellschaft gänzlich aufzugeben sei. Die in Laboren beobachtete Herstellung von Assoziationen zwischen Menschen und Nichtmenschen sei letztlich überall, das heißt auch außerhalb von Laboren beobachtbar: „Having extended laboratory life to all our existence, it seems, that, as the project of modernism gradually exhausts itself, there is no fact that is not also a cause or a claim.“ (Latour 2004: 111) Die Diskussion um das Verhältnis zwischen Labor und Gesellschaft wird in der Perspektive der Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) gänzlich zu Gunsten der Suche nach Vernetzungsprozessen und Assoziationen zwischen Aktanten aufgegeben (Belliger & Krieger 2006, Callon 1986). Diese totale Aufgabe der Unterscheidung zwischen Labor und Gesellschaft – und die damit einhergehenden sozial- und gesellschaftstheoretischen Implikationen (Marchart 2013) – erscheint mir jedoch für den vorgeschlagenen Untersuchungsbereich der Malariadiagnose in Uganda nicht fruchtbar zu sein. Stattdessen möchte ich einer von Michael Guggenheim vorgeschlagenen Kompromissform folgen (Guggenheim 2012). Guggenheim argumentiert, es sei erkenntnistheoretisch lohnender, weiterhin eine laborspezifische Ort/Wissen-Beziehung aufrechtzuhalten. Das Labor unterscheidet sich dann gegenüber anderen Orten (der Wissensproduktion), weil es die Trennung zwischen seinem Innen und Außen als Teil eines performativen Verfahrens immer mit reflektiert. „The laboratory is the result of a procedure that separates between outside, an environment that is considered negligible for some epistemic claim or technological invention, and an inside, a (partly) controlled environment that is considered relevant for this claim or invention.“ (Guggenheim 2012: 101)

Dass Laborwissen und Laborerkenntnisse auch als ortlos (placelessness) und als Spielarten konsequenzlosen Handelns (inconsequential action) repräsentiert werden können, ist somit Effekt und Ergebnis einer performativen Grenzziehung. Konsequenzlos bezieht sich dann auf den Aspekt, dass beispielsweise das Klonen von Schafen (Franklin 2007) oder die genetische Veränderung von Mäusen (Davies 2013) – trotz medialer Skandalisierung – immer zuerst im Labor geschieht und eben nicht außerhalb. Diese Beschaffenheit und Funktionsweise von Laboren bildet nun die konzeptionelle Grundlage meiner Diskussion der Schnelltests als eine Laboratorisierung der Malariabehandlung. Wichtig erscheint mir dabei die Herausstellung von

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Konsequenzen, die dadurch verursacht werden, dass Grenzziehungen, beispielsweise zwischen einem ‚Innen‘ und ‚Außen‘ der Einrichtung oder dem ‚Hier‘ und ‚Jetzt‘ der Krankheit, nicht oder nur unvollständig vollzogen werden. Um die medizinischen Abläufe und technischen Verfahren sozialwissenschaftlich anschlussfähig zu machen, schlage ich vor, Alltag bzw. Veralltäglichung als analytische Kategorie zu behandeln (Joerges 1988). Durch die Darstellung der Bedingungen der Veralltäglichung versuche ich einerseits Phänomene in den Blick zu bekommen, die zusätzlich notwendig werden, um eine Laborhaftigkeit diagnostischer Handlungen zu gewährleisten. Anderseits dient mir die Alltagskategorie auch als Kontrastfolie, um nachzuzeichnen, wie und worin sich Routinepraktiken in den Einrichtungen von (klassischem) Laborhandeln unterscheiden. Laborpragmatismus Wenn ich nun nicht der von Latour vorgeschlagenen Aufgabe der Trennung von Gesellschaft und Labor folge, möchte ich dennoch ein Analyseinstrument seiner Laborforschung für meine Untersuchungen der Beziehung zwischen Technik und Krankheit produktiv machen. Die Rede ist von Latours Begriff der „Kraftprobe“ bzw. „Kraftprüfung“ (engl. trials of strength, Latour 1993: 148). Ich folge hierbei Jörg Potthasts Vorschlag, Laborstudien mit den Ansätzen der pragmatischen Soziologie der Kritik (z.B. Boltanski 2010) zu einem „Laborpragmatismus“ zu verknüpfen (Potthast 2012). Nach Potthast handelt es sich bei dieser Verknüpfung um eine verdeckte wechselseitige Bezugnahme zwischen Latours historischen Studien zur „Pasteurisierung Frankreichs“ (Latour 1993) und den von Luc Boltanski und Laurent Thevénot vorgeschlagenen Gegenwartsanalysen von Rechtfertigungsordnungen (Boltanski & Thévenot (1991) 2007). In beiden Analysen geht es um die Rolle und Bedeutung von Prüfungen.5 Latour versteht unter Prü-

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Der Begriff der Prüfung ist eine Übersetzungsvariante des französischen Ausdrucks épreuve. In englischen Übersetzungen werden dafür die Begriffe test oder trial verwendet. Im Englisch-Französisch Oxford Wörterbuch wird épreuve wie folgt übersetzt: „proof, test, examination, event, trial, but also piece of evidence“. Eine pragmatische Deutung von Prüfung wäre dann z.B.: „‚The proof of the pudding is in the eating‘, a proverb indicating that ‚the real‘ value of some-

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fungen situierte „Kraftproben“ (Latour 2007: 93), Instanzen der Purifizierung, Ereignisse, in denen erfundene Kategorien, Substanzen (z.B. Milchsäurebakterien) und auch Wissenschaftler sich selbst konstituieren. „Die Kategorie oder Substanz wird durch eine umfassende Situation der Entwicklung, Zuschreibung und Rechtfertigung unter Zuarbeit von Personen, Institutionen, ökologischen Bedingungen und Dingen konstruiert“ (Bogusz 2010: 85). In Laboren bilden Prüfungen als Kraftprobe ein Einigungsprinzip alltäglicher Interaktionen zwischen Menschen, Technik, Dingen und Wissen. Im Anschluss an Latours Analysen entwickeln Boltanski und Thévenot eine Perspektive auf Prozesse der Kritik und der Rechtfertigung, die sich am Modell der Laborprüfung orientiert. In ihrem Werk „Über die Rechtfertigung“ werden Prüfungen als Herausforderungen an die Wirklichkeitskonstitution von Akteuren gefasst. Aus den Latour’schen Kraftproben werden auf diese Weise Bewährungsproben, denen sich Akteure situativ ausgesetzt sehen, als auch darin eingebunden finden. Die unterschiedlichen Bedeutungsebenen bringt Potthast wie folgt auf den Punkt: „‚Prüfen‘ heißt dann nicht mehr nur: in einen Zustand der Messbarkeit überführen (Latour), sondern auch: im Namen unterschiedlicher Ordnungen des Gemeinwohls rechtfertigen. Boltanski und Thévenot zeigen sich an einer Integrationsleistung interessiert. Sie bringen Latours Aufmerksamkeit für die Pragmatik von Laborprüfungen mit einem Pluralismus von Rechtfertigungsordnungen zusammen.“ (Potthast 2012: 8)

Mit dem Konzept der Prüfung als wissenschaftlichem Operationsprinzip und gesellschaftlichem Handlungsformat habe ich nun ein Mittel an der Hand, mit dem ich zwei blinde Flecken der Laborstudien explizit machen möchte, die für die Veralltäglichung der parasitenbasierten Diagnose eine zentrale Rolle spielen. Zunächst ist es auffällig, dass in den Laborstudien Laboratorisierungsprozesse vornehmlich nur in einer Richtung beobachtet werden: laboreinwärts.

thing can be judged only from practical experience or results“ (Lussault & Stock 2009: 4).

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„Noch immer scheint „Labor“ in Verbindung mit ‚Konstruktivismus‘ nahe zu legen, dass Prozesse der Laboratorisierung nur eine Richtung kennen (laboreinwärts). Wanderungen von Experimentaltechniken in andere Kontexte, mitsamt ihrer Effekte, bis hin zu Transformationen von Objektivitätsvorstellungen, wurden weniger systematisch untersucht.“ (Potthast 2012: 10)

Die Notwendigkeit laborauswärts zu forschen, sehe ich exemplarisch in den Schnelltests angelegt. Dass sich diese Diagnoseform im ländlichen Uganda wiederfinden lässt, ist Ausdruck einer voraussetzungsreichen Wanderung a) aus den Forschungs- und Industrielaboren des Westens b) in einen neuen geographischen und kulturellen (Krankheits-)Kontext.6 Für das Nachzeichnen dieser Bewegung werde ich Prüfungen und Prüfungsformate als Praxisformen fassen (Thévenot 2001), worüber Nutzerinnen der Schnelltests das ‚Hier‘ und ‚Jetzt‘ der Krankheit relationieren und teilweise neu konfigurieren. Prüfungen sind dann auch immer Praktiken, in denen Grenzen sowohl gezogen als auch zersetzt werden. Grenzen zwischen dem ‚Hier‘ und ‚Jetzt‘ der Krankheit machen somit weitere Grenzen notwendig und sichtbar. Ich werde zeigen, wie Pflegerinnen7 neue und alte Grenzen zwischen beispielsweise dem ‚Innen‘ und ‚Außen‘ der Organisation, zwischen der Funktionsweise der Tests und der Medikamente, sowie zwischen Verantwortung und Vertrauen prüfen. Vorrangig in den ersten empirischen Kapiteln der Arbeit werde ich nachzeichnen, wie die Beteiligten sich und die involvierten Techniken 6

Die mit dem Begriff der Wanderung induzierte Bewegung und damit bezeichneten semantischen und erkenntnistheoretischen Verschiebungen entstammen dem Konzept der „Traveling Models“ (Czarniawska-Joerges & Sevón 1996). Verstanden als Übersetzungsprozess wurde der Ansatz auch gewinnbringend auf unterschiedliche Phänomenbereiche des „Globalen Südens“ angewendet (Behrends et al. 2014).

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Nach einigen Abwägungen haben ich mich dafür entschieden im Fortgang der Arbeit den englischen Ausdruck health worker mit der Bezeichnung Pflegerinnen zu übersetzen. Im Gegensatz zu sperrigen Begriffen wie Gesundheitspersonal oder Gesundheitsfachkraft ist der Klang und die Länge von Pflegerinnen – gerade in Anbetracht der Häufigkeit des Gebrauchs – leserfreundlicher. Gleichzeitig passt diese Übersetzung auch gut mit dem Professionalisierungsgrad eines Großteils des ugandischen Gesundheitspersonals zusammen.

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(Tests, Medikamente, Untersuchungshefte) in Prüfungen verwickeln. Auf diese Weise werde ich eine Reihe verschiedener Prüfungsformate identifizieren, denen jedoch gemein ist, dass darin die Beziehung zwischen dem Ort und dem verfügbaren Wissen verhandelt und rekonfiguriert wird. Darin wird ersichtlich, worin sich die Veralltäglichung der Schnelltests in den Einrichtungen im Vergleich zum Laborhandeln unterscheidet. Denn im Unterschied zum Labor haben die an die Testergebnisse gekoppelten Handlungen unmittelbare Konsequenzen für die Krankheit, die Patientinnen, die Pflegerinnen und die Organisation des Gesundheitswesens. Die Leistungsfähigkeit der Schnelltests, die Krankheit in den Einrichtungen als an- oder abwesend deklarieren zu können, wird danach unter anderem an lokalen Verantwortungslogiken gemessen, die in bereits existierenden Vor- und Fürsorgepraktiken institutionalisiert sind. Die Kapazität der Tests, die Krankheit feststellen zu können, ist dann kein fixes vorbestimmtes Vermögen mehr, sondern ein Aushandlungsprozess, in dem die Beteiligten das Testwissen situativ prüfen. Dass in der organisierten Krankenbehandlung auch immer existenzielle Entscheidungen gefällt werden, lässt für den Bereich der medizinischen Grundversorgung ebenso Fragen nach der Verantwortung bzw. Verantwortlichkeit berechtigt erscheinen. Im Unterschied zu den Schnelltests zeichnet sich die Verdachtsbehandlung von Malaria durch eine Verantwortungsdistribution aus, worüber die Beteiligten den Unsicherheiten des Behandlungsund Versorgungskontextes Rechnung tragen. Der biomedizinische Fokus der Tests exponiert nun diese zuvor integrierten Praktiken als illegitime Einnahme- und Versorgungsweisen von und mit Medikamenten. Wie die Beteiligten es schaffen, bestimmte Praktiken zu integrieren und andere nicht, welche Kompetenzen dafür erforderlich sind und wo sich eventuelle wechselseitige Lernprozesse verorten lassen – diesen Fragen nachzugehen wird ein wesentlicher Bestandteil meiner Arbeit sein. Mit Paul Rabinow gesprochen, stelle ich in Bezug auf das Verhältnis zwischen Krankheitsbehandlung und Technik die weitreichende Frage: „Who has the authority – and responsibility – to represent experience and knowledge?“ (Rabinow 1996: 30).

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Infrastruktur und Improvisationen Neben der Frage nach der epistemischen Autorität, die sich stellt, wenn Wissenspraktiken laborauswärts erforscht werden, werde ich die Schnelltests als spezifische Form eines regelgeleiteten Umgangs mit Technik analysieren. Hierbei steht die organisationale Integrierbarkeit der Schnelltests in die Routinehandlungen des ugandischen Gesundheitspersonals im Fokus. Damit komme ich nun auf den zweiten blinden Fleck der Laborstudien zu sprechen. Die von mir vorgeschlagene Erweiterung bezieht sich dabei auf infrastrukturelle Ermöglichungsbedingungen von Laborarbeit. Das Labor als materielle Basis oder Infrastruktur der Wissensproduktion wird in den Laborstudien letztlich nur in seiner spezifischen Verfügbarkeit reflektiert. Mit Heidegger könnte man sagen, das Labor wird fast ausschließlich in seiner materiellen und performativen „Zuhandenheit“ (Heidegger 1967) auf die Wissensproduktion bezogen. Die situierten Praktiken und Prüfungen perspektivieren die Laborstudien eben nicht oder nur zu einem unerheblichen Grad unter den alltäglichen Ermöglichungsbedingungen, sodass die Analyse des (Labor-)Alltags dadurch unvollständig bleibt.8 Die Beobachtung des Laboralltags folgte danach nicht der Frage, ob ein spezifischer Wirkstoff oder alle relevanten Materialbestände vorrätig sind oder wie der beobachtete Forscher zur Arbeit gelangt, wie lange er dort bleiben kann und was ihn zu Überstunden veranlasst. Hier handelt es sich um eine infrastrukturellen Effekt, auf dem die meisten ethnographischen Laborstudien (unreflektiert) aufbauen. Infrastrukturen sichern die Verfügbarkeit von Materialen und Gerätschaften, von Elektrizität oder fließendem Wasser, zumindest soweit, dass ein alltäglicher Vollzug möglich bzw. Arbeitsprozesse der Ver- und Besorgung weitgehend unsichtbar werden. Auch können beispielsweise Transportinfrastrukturen, die den Transfer des Forschers zur Arbeit gewährleisten ausgeblendet werden. In einschlägigen Studien zur Operationsweise von Infrastrukturen wird immer wieder explizit auf deren Tendenz zum Unsichtbarwerden verwiesen (Edwards 2003,

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Die Bezugnahme auf Finanzierungsprobleme und damit verbundene Interessenlagen wissenschaftlicher Forschung werden zwar von einigen Autoren aufgenommen, stellen dabei jedoch vor allem auf die Makroimplikationen von Wissenschaftspolitik ab (Bourdieu 1975), die für meine Betrachtungen jedoch eine untergeordnete Rolle spielen werden.

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Höhne 2013, Star 2002). Die in den Laborstudien eingenommene Perspektive auf die Konstruktion wissenschaftlicher Tatsachen verzichtet also weitgehend auf die Betrachtung infrastrukturierter Existenzbedingungen von Laboren.9 Eine Untersuchung der Bedingungen der Veralltäglichung der Malariadiagnose im ländlichen Uganda muss allerdings genau diese Aspekte in den Blick nehmen. Wenn vor diesem Hintergrund auf den Organisationsalltag in ugandischen Einrichtungen geblickt wird, zeigt sich nun ein gänzlich anderes Bild. Infrastrukturen aller Art zeichnen sich hier vor allem durch permanente Störungen und kontinuierliche Krisenhaftigkeit aus. Am augenscheinlichsten ist dabei die nur sporadische Verfügbarkeit von basalen Wasser- und Elektrizitätsinfrastrukturen. Die Krisenhaftigkeit manifestiert sich aber auch in der unzuverlässigen Verfügbarkeit von Technik und Materialen (z.B. Medikamente, Schnelltests, Thermometer, Waagen etc.), durch die doch eigentlich ein regelgeleiteter Arbeitsvollzug gewährleistet werden soll. Aber auch die Unwägbarkeiten des öffentlichen Transportwesens wirken sich signifikant auf die Formen aus, wie ein Großteil des Pflegepersonals zur Arbeitsstätte gelangt und wie viel Zeit dort verbracht werden kann. Dadurch notwendig werdende Improvisationen in den organisationalen Abläufen verweisen zwar darauf, dass es in den Einrichtungen Routinehandlungen gibt. Wie ich aber demonstrieren werde, ist die Herstellung und Aufrechterhaltung von Routinen in den Gesundheitszentren Ugandas deutlich schwieriger als in westlichen Vergleichskontexten. Routinehandlungen sind danach Ausdruck aufwendiger vorgängiger Improvisationen, wobei letztere in ihrer Wiederholbarkeit selbst nicht oder nur wage gesichert sind. Wenn man nun von den Tests weiß, dass diese ein regelgeleitetes Verhalten einfordern, dann stellt sich die weitreichende Frage, wie Pflegerinnen das Verhältnis zwischen Improvisationen und Regelhaftigkeit gestalten. Die Untersuchung der hier formulierten Problematik werde ich in der Arbeit auf zwei organisationalen Ebenen nachzeichnen. Die Einführung der Tests in den Einrichtungen kontrastiere ich zunächst mit dem zeitlichen und administrativen Arbeitsaufwand der bis dato praktizierten Verdachtsbehandlung von Malaria. Die Laborzeitlichkeit der Tests – das Charakteristikum also, dass es sich bei der Technik um Schnelltests handelt – werde ich

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Eine ähnliche infrastrukturierte Unaufmerksamkeit finden sich auch in den Arbeitsplatzstudien (siehe z.B. Orr 1996).

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unter den Bedingungen des zeitlichen und administrativen Mehraufwandes perspektivieren. Dabei geht es nicht nur um die Rekonstruktion der Veralltäglichung, sondern auch darum zu zeigen, wie notwendige Improvisationen auf Technik als regelgeleitetes Handeln einwirken und deren Integrierbarkeit beeinflussen. Wenn ich im Anschluss daran den Tests in die ugandischen Labore folge, dann deute ich letztere als spezifischen Delegationszusammenhang, in dem eine zeitliche und räumliche Rekodierung der Technik beobachtbar wird (8. Kapitel).

1.2 P ROJEKTIFIZIERUNG DER M ALARIADIAGNOSE Wie in den bisherigen Ausführungen deutlich wird, handelt es sich bei den Schnelltests um ein mobilisiertes Laborverfahren, das in nun verdinglichter Form außerhalb von bereits existierenden Laborinfrastrukturen produktiv gemacht wird. Gerade die in den letzten Ausführungen angedeuteten infrastrukturellen Implikationen der Schnelltests erschöpfen sich aber nicht in mikropolitischen Prüfungen oder improvisierten Routinen der Einrichtungen. Ein Kennzeichen von Infrastrukturen ist deren systemischer Anspruch, die Form also, in der diese soziomateriellen Einrichtungen die Versorgung ganzer Bevölkerungsteile gewährleisten (können) (Edwards et al. 2009). Um also auch die politische Ökonomie der Schnelltests stärker in den Blick zu bekommen bzw. diese überhaupt erst sichtbar zu machen, werde ich den Begriff der Projektifizierung produktiv machen (Midler 1995, ReynoldsWhyte et al. 2013). Als Prozessbegriff bezeichnet Projektifizierung einen historischen Verlauf, in dem immer mehr gesellschaftliche Teilbereiche und Phänomene in Projekte übersetzt werden (Reder 2006). Die Schnelltests können schon darum als Ausdruck einer Projektifizierung gedeutet werden, da es sich dabei um die materielle Auskopplung eines Verfahrens aus einem (ehemaligen) Laborzusammenhang handelt. Neben der materiellen Manifestation können eine Reihe zusätzlicher Maßnahmen und Rahmungen benannt werden, die meine Annahme stützen, dass es sich bei den Schnelltests um eine Projektifizierung der Malariadiagnose handelt. Auch wenn die Planungsseite Schnelltests an keiner Stelle explizit als Projekt ausweist, deute ich die gesamte Implementierungsarchitektur als Ausdruck eines Projekt-Dispositivs (Foucault 2003).

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Was ist ein Projekt? Bevor ich nachzeichne, wo und wie Projektifizierung erhellend auf die Malariadiagnose angewendet werden kann, möchte ich zunächst auf die Frage eingehen, worum es sich bei einem Projekt ganz allgemein handelt. In seiner basalen Form bezeichnet ein Projekt ein zielgerichtetes Vorhaben, das aus einem Ensemble von Verfahren mit einem klar definierten Anfangsund Endpunkt besteht. Die damit errechenbare Lebensdauer eines Projektes ist somit immer auch Ausdruck von (Sach-)Zwängen bezüglich zeitlicher, materieller, menschlicher als auch finanzieller Ressourcen. Am Anfang eines jeden Projekts steht die Artikulation eines Problems (Kühl 2004). Die Problemartikulation ist aber bereits als zentraler Interventionsbereich der Projektarbeit zu deuten, ein Verfahren, das von Foucault als „Problematisierung“ bezeichnet wurde (Foucault 1996).10 Der eigentlichen Durchführung von Projekten bzw. dem Projektbeginn gehen somit immer schon vermachtete und diskursive Planungsschritte (z.B. Durchführbarkeitsstudien) voraus, worin etwas zum Problem wird, gerade weil es behandelt oder behoben werden kann (Rottenburg 2002). Projekte als Regierungstechnologie und Dispositiv Historisch finden sich die Anwendung von Projekten als Organisationsmodell und Instrument zur Durchsetzung strategischer Ziele am folgenreichs-

10 „Ich versuchte von Anfang an, den Prozess der ‚Problematisierung‘ zu analysieren – was heißt: Wie und warum bestimmte Dinge (Verhalten, Erscheinungen, Prozesse) zum Problem wurden.“ (Foucault 1996, 178) Der Begriff der Problematisierung bezeichnet danach ein, den eigentlichen Interventionen, vorgängiges Zurichtungsverfahren, in dem die Bedingungen geschaffen werden, unter denen etwas als Problem artikuliert werden kann (Rose 1994). Dass es sich dabei auch immer um eine Form der Machtausübung handelt, wurde auch in einem der Gründungstexte der Akteur-Netzwerk Theorie explizit herausgestellt. In Michel Callons prominentem Aufsatz zur Domestizierung von Kammmuscheln bezeichnet Problematisierung einen ersten vermachteten Übersetzungsschritt, der im Anschluss zu einer zentralen Vorbedingung für alle sich anschließenden Übersetzungsschritte wird (Callon 1986).

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ten innerhalb militärischer Operationen bereits während des Zweiten Weltkriegs institutionalisiert (Thorpe 2004).11 Von hier aus migrierte das Projekt als Instrument in andere gesellschaftliche Sphären, was jedoch mit weitreichenden Modifizierungen und Professionalisierungen einherging, wie das folgende Zitat deutlich macht: „Thus the instrumental project, as terminology and practice originating in the military sphere, acquired more specialized and elaborated denotations as it migrated into to the field of civilian managment. We can trace how the project moves into this new context by the way it acquires new collocations, for example: project manager, project management, project framework. Thus project is no longer something thrown into the future (as its Latin derivation would indicate): it is removed from life-world context and comes to designate a generic and specialized regulatory technology.“ (Kerr 2008: 103)

Das ‚Projekt‘ wird danach zu einer äußerst flexibel einsetzbaren, sich dynamisch ausbreitenden und somit sehr erfolgreichen Regierungstechnologie. Soziologen sehen in der zunehmenden Verbreitung von Projekten eine moderne Vergesellschaftungsform. In Anlehnung an Max Weber deuten Boltanski und Chiapello beispielsweise das Verhältnis von Projekten und darin eingelagerter und emergierender Rechtfertigungslogiken als Manifestation eines neuen Geists des Kapitalismus (Boltanski & Chiapello 2003). In ihrer Studie charakterisieren die Autoren Projektarbeit als „transorganisational“ (ebd. 153): Projekte konzentrieren sich weniger an festen und geschlossenen Orten und sind mehr örtlich und zeitlich fragmentiert (Dell 2012). Gleichzeitig ist das Projekt eine Grenzen definierende Konstante in einer diffundierenden Arbeitswelt: „Die projektbasierte Polis erweist sich [...] als ein System aus Zwängen und Vorgaben, die einer vernetzten Welt Schranken setzen“ (Boltanski & Chiapello 2003: 120). Die Genese projektförmiger Rechtfertigungsordnungen bedarf dabei einer kontinuierlichen und permanenten Selbstvergewisserung, die sich in Prüfungen aller Beteiligten (Unternehmen als auch Individuen) manifestiert und beobachten lässt (Potthast & Guggenheim 2012). Auch bei Niklas Luhmann findet sich ein

11 Folgenreich auch darum, weil die Entwicklung der Atombombe in den USA den Namen „Manhattan-Project“ trug (Hales 1999).

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Verweis auf die „zeitlimitierte Ordnung“ von Projekten (Luhmann 1990: 338), was in der Endkonsequenz zu einer radikalen Verzeitlichung ehemals stabiler Strukturen führt. „Projekte sind eine paradoxe Antwort auf fortlaufende Differenzierungsprozesse, in denen die Gewissheit abnimmt, was mit wem auf welche Weise und zu welcher Zeit hervorgebracht werden soll oder kann“ (Torka 2009: 330). Die Abnahme von Gewissheit verlangt den Akteuren und Institutionen des Projekt-Kapitalismus ein hohes Maß an Flexibilität und Innovationsoffenheit ab, deren Konsequenzen Ulrich Bröckling wie folgt beschreibt: „‚Projekt‘ ist eine spezifische Form, die Wirklichkeit zu organisieren – ein Rationalitätsschma, ein Bündel von Technologien, schließlich ein Modus des Verhältnisses zu sich selbst. Die Tatsache, dass die Rede von Projekten ubiquitär geworden ist, gibt Aufschluss darüber, wie Menschen heute ihr Handeln und ihre Beziehungen zu sich wie zu anderen Menschen verstehen und organisieren. ‚Projekt‘ erweist sich damit als ein Basiselement zeitgenössischer Gouvernementalität, Regieren als Projektmanagement im doppelten Sinn: governing projects und governing by projects zugleich.“ (Bröckling 2005: 366)

Auf die von Bröckling angedeuteten Subjektivierungsdynamiken innerhalb der von Foucault inspirierten Gouvernementalitätsstudien werde ich in dieser Arbeit nicht weiter eingehen. Trotzdem ist mit dem Verweis auf die Regierungsförmigkeit von Projekten („governing by projects“) ein bedeutsamer Aspekt angesprochen, der sich auch jenseits des Individuums in Organisationen, Architekturen und (Entwicklungs-)Diskursen beobachten lässt. Wie Foucault schreibt, zeigt sich der Dispositivcharakter eines Phänomens – oder wie in unserem Fall einer Projekttechnik – auch immer jenseits des Subjekts. „Das, was ich mit diesem Begriff zu bestimmen versuche, ist [...] eine entschieden heterogene Gesamtheit, bestehend aus Diskursen, Institutionen, architektonischen Einrichtungen, reglementierenden Entscheidungen, Gesetzen, administrativen Maßnahmen, wissenschaftlichen Aussagen, philosophischen, moralischen und philanthropischen Lehrsätzen, kurz, Gesagtes ebenso wie Ungesagtes, das sind die Elemente des Dispositivs. [Auch] [...] verstehe ich unter Dispositiv eine Art von – sagen wir – Formation, deren Hauptfunktion zu einem gegebenen historischen Zeitpunkt darin

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bestanden hat, auf einen Notstand (urgence) zu antworten. Das Dispositiv hat also eine vorwiegend strategische Funktion.“ (Foucault 1976: 119f.)

Im Feld der internationalen Entwicklungszusammenarbeit emergieren soziotechnische Formationen und institutionelle Arrangements, in denen auf ‚Notstände‘ geantwortet wird, in geradezu paradigmatischer Weise. Im Folgenden werde ich knapp nachzeichnen, wie und warum Global Health Projekte als neues und altes Operationsfeld dieser Kooperationsformen verstanden werden können. Global Health Projekte als Entwicklungszusammenarbeit Das vermehrte Auftauchen projektförmiger Interventionen als zentraler Bestandteil der internationalen Entwicklungszusammenarbeit kann unter anderem an die Umsetzung von Strukturanpassungsprogrammen (SAPs) während der 1980er und 1990er Jahre rückgebunden werden (Pfeiffer and Chapman 2010). Die damit verbundenen drastischen Reformmaßnahmen setzten auf einen Rück- und Abbau staatlicher Interventionsfelder zu Gunsten privatisierter und deregulierter Marktmechanismen. An die Stelle staatlicher Institutionen traten in vielen afrikanischen Ländern zivilgesellschaftliche Organisationen als neue Hoffnungsträger (Neubert 1997), „welche zukünftig die Rolle von nichtstaatlichen Projektträgern“ (Rottenburg 2011: 166) übernahmen. Ohne die Projekte in ihrem Dispositivcharakter zu exemplifizieren, hat sich in den 1990er Jahren ein Großteil der kritischen Entwicklungsforschung (mal mehr, mal weniger) explizit den Ursachen und Effekten der Projektifizierung gewidmet. Der zentrale Fokus einschlägiger Studien lag auf dem Versuch, das Scheitern von Entwicklungsprojekten zu erklären (Bierschenk et al. 1991, Ferguson 1990, Scott 1998). Ganz wesentlich war dabei der Verweis auf die Unangepasstheit oder unmittelbar falschen Techniken, Verfahren und Modelle, die in den Projekten zum Einsatz kamen. Entweder waren die Techniken und Verfahren einfach nicht kompatibel mit z.B. lokalen landwirtschaftlichen Praktiken (Oliver De Sardan 1993), situierten Nachhaltigkeitsrationalitäten (Li 2007) oder bürokratischen Handlungslogiken (Rottenburg 1994). Oder die Beteiligten eigneten sich Entwicklungsprojekte in einer Weise an, wodurch die Technik zwar lokalen Praktiken und Sinnwelten dienbar gemacht wurde, deren Operationsweise jedoch verzerrte, was

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sich letztlich nachteilig auf die Projektlogik auswirkte (Beck 1990). Wieder andere Studien sahen im notwendigen Scheitern von Entwicklungsprojekten eine unmittelbare, wenn auch versteckte Agenda bi- und multilateraler Organisationen (Ferguson 1990). Dass komplexe Zusammenspiel zwischen den Ursachen des Scheiterns und darin produzierten (un-)intendierten Nebeneffekten erzeugte wiederum Anschlussfähigkeiten für neue Projekte (Long 2001: 35-37). Das Interesse dieser Arbeiten lag somit auf der Untersuchung des eklatanten Widerspruches zwischen den Zielstellungen – Rehabilitation und Modernisierung dysfunktionaler Staaten – und dem tatsächlichen Funktionieren – bzw. der Perpetuierung und Kultivierung des Scheiterns – großangelegter Entwicklungsprojekte. Im Unterschied zu den visionären Großprojekten der 1980er Jahre zeichnen sich Global Health Projekte gegenwärtig durch ihren palliativen und experimentellen Charakter aus (Rottenburg 2011). Am Beispiel der Schnelltests gesprochen, drückt sich der palliative Projektcharakter bereits im funktionalen Design der Technik aus. In ihrer Angepasstheit sollen Schnelltests nicht mehr die gesamte Krankenbehandlung reformieren und umwälzen, sondern eine spezifische Lücke im System füllen. Anders formuliert: Dass nur ein Teilbereich des ugandischen Gesundheitswesens auf parasitenbasierte Malariadiagnose zurückgreifen kann, soll durch den Einsatz der Tests palliativ behoben werden. Gleichzeitig baut dieser moderate Anspruch auch auf einer experimentellen Dimension auf. Für die Schnelltests wird angenommen, dass sie entlang der bereits existierenden Organisationsstruktur des ugandischen Gesundheitswesens erfolgreich eingeführt werden können. Die hierarchische Struktur, mit den zumeist umfassenderen Gesundheitseinrichtungen in den urbanen Zentren, geht auch im Fall von Uganda auf eine koloniale Dreiteilung britischer Provenienz zurück (King 1963). Das typische koloniale Muster bestand danach aus Krankenhäusern in den städtischen Zentren, einfachen Krankenstationen in den ländlichen Regionen und breitangelegten, mehr oder weniger institutionalisierten Hygiene- und Sanitärmaßnahmen (Gish 1979, Vaughan 1991).12 Inwiefern die Schnelltests nun entlang dieser

12 Ein prominentes Beispiel für die angesprochenen Sanitär- und Hygienemaßnahmen im kolonialen Kontext findet sich im „cordon sanitaire“. Dabei handelte es sich um eine in die urbane Architektur eingeschriebene Isolationszone, die

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bestehenden Struktur eingeführt werden können und welche Verwicklungen dies für die einzelnen Ebenen mit sich bringt, werde ich ausführlich im empirischen Teil der Arbeit besprechen. Wichtig an dieser Stelle ist, dass der Integrierbarkeit von Projekten in die nicht-projektifizierte Umwelt per se ein experimenteller Status eingeschrieben ist. Hierbei handelt es sich aber um ein verdecktes Experiment, da von der Planungsseite angenommen wird, dass sowohl die Transformation eines Sachverhalts in ein Projekt als auch die notwendigen Adaptionen der Umwelt, den neu aufbereiteten Sachverhalt integrieren zu können, voraussagbar und planbar sind (Midler 1995). Projektifizierung als Fragmentierung Wenn ich mich in meinen bisherigen Ausführungen auf die erkenntnistheoretische Verfasstheit von Projekten konzentriert habe, möchte ich nun abschließend noch auf einige strukturelle Effekte dieser Interventionsform eingehen. Eine ganze Kaskade von Effekten wird gegenwärtig unter dem Begriff der „Fragmentierung“ von Gesundheitsdienstleistungen gefasst (Montenegro et al. 2011, Prince & Marsland 2013). Mit Fragmentierung werden unter anderem Konsequenzen bezeichnet, die sich auf die Nutzungsmöglichkeiten therapeutischer Dienstleistungen beziehen. Dabei sind sowohl physische und materielle Aspekte des Zugangs als auch Kontinuitätskonflikte benannt, was gerade bei chronischen Krankheiten wie HIV/Aids oder Diabetes zu moralischen Dilemmata führen kann. Fragmentierung bezeichnet aber auch organisationale Aspekte, wie beispielsweise Probleme bei der Verteilung und Verfügbarkeit von lebenswichtigen Medikamenten oder wie im Fall der Schnelltests die Gewährleistung adäquater Anschlusshandlungen bei negativen Ergebnissen.

unter dem Deckmantel von Gesundheit vor allem eine Diskriminierung der Lokalbevölkerung darstellte (Eckert 2011).

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Fragmentiert ist die organisationale Landschaft Ugandas durch die Vielzahl involvierter Organisationen, ein Umstand, den lokale Angestellte lakonisch mit dem Ausdruck „Partner“ zusammenfassen. Die Organisationen überschneiden sich zwar häufig in ihren Interventionsbereichen als auch Zielstellungen – was nicht selten zu einer chaotischen Duplizierung von Dienstleistungen führt, da auch die ministerialen Programme zu schwach sind, um eventuell koordinierende Funktionen zu übernehmen.13 Gefördert durch den Rechenschaftszwang, bleiben Projekte jedoch meistens isolierte Einheiten mit einer begrenzten Laufzeit. Auch die Durchführung des landesweiten Trainings des Gesundheitspersonals im Umgang mit den Schnelltests wurde an den Zuständigkeitsdistrikten der verschiedenen Partnerorganisationen ausgerichtet (Abb. 1).

13 Überhaupt scheint die Verfügbarkeit von Dienstleistungen und Technologien permanent zwischen Überfluss und Knappheit zu oszillieren (Sullivan 2011 für HIV/Aids). Ein Umstand, der unter anderem auch auf die ausschließlich vertikale Ausrichtung der meisten Projekte zurückgeführt wird (Cohen 2006). Vertikal bezeichnet den Fokus von Global Health Projekten auf nur eine Krankheit oder einen Aspekt, wie z.B. die Malariadiagnose, ohne allerdings den breiteren therapeutischen Kontext mit einzubeziehen (Prince & Otieno 2014).

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Abbildung 1: Aufteilung des landesweiten Trainings im richtigen Umgang mit Schnelltests zwischen dem Stop Malaria Project (SMP/USAID), Malaria Consortium (UK) und dem Global Fund (GF)

Quelle: Ministry of Health, Kampala, Mai 2013.

Ohne an diesem Punkt detaillierter auf die Grafik einzugehen, ist anzunehmen, dass sich die Form der Aufgabenteilung auch auf die Wissensvermitt-

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lung und Trainingsqualität auswirkt. Beim hier gewählten Untersuchungsfeld Uganda handelt es sich also um einen Kontext, in dem die Projektifizierung – und die damit einhergehende Fragmentierung der Krankenbehandlung und Wissensvermittlung – teilweise extreme Ausmaße angenommen hat. Dieser Umstand bringt es aber auch mit sich, dass meine Untersuchung an eine Reihe von Arbeiten zu diesem Problemfeld anschließen kann (Meinert & Whyte 2014, Park 2013, Reynolds Whyte et al. 2013). Aus unterschiedlichen Perspektiven machen diese Arbeiten sichtbar, wie die schwierige Versorgungs- und Zugangslage im Bereich der HIV/Aids Behandlung alle Beteiligten immer wieder moralischen Dilemmata aussetzt. Neben inhaltlichen Anschlussfähigkeiten werde ich mit meinem Beitrag auch Unterschiede aufzeigen, nicht zuletzt da es sich bei Malaria um eine nicht chronische Krankheit handelt. Trotzdem ist es gerade die immense Verbreitung (und deren potenziell tödlicher Verlauf), die Malaria zu einem der zentralsten Public Health Probleme Ugandas macht. Im Unterschied zu HIV/Aids ermöglicht die Häufigkeit, in der Menschen entweder selbst betroffen oder damit konfrontiert sind, Malaria als normale bzw. alltägliche Krankheit zu akzeptieren. Was die Attribute ‚normal‘ und ‚alltäglich‘ in einem projektifizierten Kontext genau bezeichnen, werde ich an verschiedenen Punkten der Arbeit diskutieren. Infrastrukturierung von Projekt-Technik Wenn es sich bei den Schnelltests um eine Projektifizierung eines technischen Laborverfahrens handelt, dann ist aus der Technikforschung bekannt, dass Technik, um zu funktionieren, immer mehrfach integriert sein muss (Joerges 1988). Das Argument wäre, dass die Projektifizierung und Fragmentierung der Malariadiagnose verschiedene Zusatzleistungen notwendig macht, deren infrastrukturierenden Charakter ich einer genaueren Analyse unterziehen möchte. Als Teilaspekt eines in den letzten Jahren zunehmenden Interesses an der „unsichtbaren Arbeit“ (Bowker & Star 2000) von Infrastrukturen möchte ich mit dem Begriff der Infrastrukturierung projekthafte Lernprozesse in den Blick bekommen. „Infrastrukturierung ist nicht trivial, denn es handelt sich immer häufiger um lernende Prozesse, um Prozesse, die auf Feedback reagieren und die durch die Prozesse, die in und durch sie ablaufen, selbst verändert werden.“ (Niewöhner 2014: 345) Technik wird also nach ihrer Einführung nicht einfach sich selbst und den Nut-

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zerinnen überlassen, sondern mit verschiedenen Beobachtungs- und Korrekturinfrastrukturen verschaltet. Die Notwendigkeit, die Verwendung von Technik zu beobachten, ist vorrangig Ausdruck von Rechenschaftsregimen, in denen der Vollzug von Entwicklungsprojekten eingebettet ist. Hierzu zähle ich auch jene Aufschreibe- und Registrierapparaturen, an die die Verwendung der Tests als quasi selbstverständliche und unsichtbare Zusatzleistung gekoppelt wird. Die Effekte dieser Rechenschaftspflicht werde ich in zwei Richtungen ausdeuten: Zum einen werde ich zeigen, wie Aufschreibesysteme, als zeitlicher und administrativer Mehraufwand, sich unmittelbar auf den Umgang und die Integrierbarkeit der Technik in den Arbeitsalltag auswirken (6. Kapitel). Zweitens werde ich die Formate, in denen Pflegerinnen auf die Registraturen Bezug nehmen, als eine Form der lokalen Evidenzproduktion ausdeuten. Damit kann ich zeigen, wie darin artikulierte Vorstellungen über die Verbreitung der Krankheit auch immer wieder in den Behandlungsalltag zurückwirken (7. Kapitel). Doch Global Health Projekte beobachten nicht nur, sondern Beobachtungen (z.B. in Form von Daten und Statistiken) werden relativ unmittelbar in neue korrigierende und vermittelnde Interventionen rückübersetzt. Entgegen der ursprünglichen, ausschließlich technischen Problematisierung ist die erfolgreiche Integration der Schnelltests auf zusätzliche technische und soziale Interventionen angewiesen. Die in den Einrichtungen und in der Verwendung der Tests erzeugten Daten machen nun neue Lücken und Interventionsfelder sichtbar. Diese Interventionsfelder werde ich beispielhaft an Hand einer Trainingseinheit (9. Kapitel) und qualitätssichernder Maßnahmen (10. Kapitel) besprechen. Darauf aufbauend werde ich zeigen, wie die Schnelltests aktiv zur Infrastrukturierung neuer Global Health Projekte beitragen (11. Kapitel). Diese der Projekthaftigkeit der Interventionen und der Technik entspringenden Lernprozesse überschneiden sich aber nur bis zu einem gewissen Ausmaß mit den Prüfungen und Improvisationen der Veralltäglichung der Schnelltests. Ein Sichtbarmachen der Überschneidungen als auch der Unterschiede sehe ich als spezifischen Beitrag meines hier vorgeschlagenen zweifachen Analyserasters einer Laboratorisierung und Projektifizierung der Malariadiagnose. Die vorrangig praxistheoretischen Beobachtungen können dadurch erneut an übergeordnete Problemlagen rückgebunden werden.

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Den Hinweis, dass es sich bei Projekten um politische Hybride (Clegg & Courpasson 2004) handelt, sehe ich exemplarisch in meiner Darstellung von sich überschneidenden und widersprechenden Lernprozessen und dem dadurch hervortretenden Zwischenstatus der Schnelltests angelegt. Wie ich abschließend zeige, sind Schnelltests politisch hybrid, weil sie unter anderem quer zu den von Andrew Lakoff herausgearbeiteten Operationsweisen von Global Health Projekten liegen (Lakoff 2010). Lakoffs Unterscheidung in humanitäre Regime einerseits und Sicherheits- und Bereitschaftsregime anderseits reicht somit nicht (mehr) aus, um die Biopolitik bzw. die biopolitische Reichweite der Schnelltests ausreichend beschreiben zu können. Ein weiteres Indiz für den politischen Hybridstatus der Technik können wir darin sehen, dass es nur noch schwer entscheidbar ist, ob es sich bei den Tests um eine Ware oder ein öffentliches Gut handelt. Die Inkorporierung der Tests als integraler Bestandteil staatlicher Infrastrukturen und Gesundheitsdienstleistungen wirft die Frage auf, um welche Art von Infrastruktur es sich dabei handelt. Unabhängig davon, in welchem Zustand sich die bereits existierende Laborinfrastruktur befindet, existieren die Tests im Unterschied dazu in einem binären Modus von verfügbar/nicht-verfügbar. Diese Operations- und Existenzweise verweist auf neue Abhängigkeiten sowohl von globalen Versorgungsketten, als auch von westlichen Gebergeldern, deren Effekte die Arbeit kritisch in den Blick nehmen wird.

2. Das Gesundheitswesen Ugandas als Kontext und Legitimation der Technikanwendung

2.1 AUFBAU UND O RGANISATION DES G ESUNDHEITSWESENS

UGANDISCHEN

Die Organisationsstruktur des ugandischen Gesundheitswesens baut auf einem hierarchisch gestaffelten System auf, in dem die einzelnen Serviceeinheiten und deren Leistungsfähigkeit sowohl über den Grad der Spezialisierung als auch über die jeweilige technische und personelle Ausstattung definiert werden. Auch wenn die Angaben über die genaue Anzahl der ugandischen Gesundheitseinrichtungen in verschiedenen Statistiken schwanken, werde ich hier den offiziellen Angaben des Ugandan Bureau of Statistics aus dem Jahr 2011 folgen. Danach beläuft sich die Gesamtanzahl auf 4981 Gesundheitseinrichtungen, die sich unterteilen in 143 Krankenhäuser, 190 HC-IV Einheiten, 1178 HC-III Einheiten und 3470 HC-II Einheiten (UBOS 2011). Zur besseren Verortung ist an dieser Stelle eine knappe Charakterisierung der Serviceeinheiten und deren formeller Ausstattung hilfreich. Krankenhäuser: Bei den Krankenhäusern Ugandas handelt es sich um die komplexeste und umfangreichste der Serviceeinheiten, die sich jedoch untereinander wesentlich in der Versorgungsart und vor allem im Spezialisierungsgrad unterscheiden. An dessen Spitze finden wir das Mulago National Referral Hospital. Beim ‚Mulago‘, wie es auch umgangssprachlich genannt wird, handelt es sich sowohl von der Mitarbeiteranzahl, den verfügbaren Spezialisten als auch Patientinnenkapazitäten um das größte und umfas-

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sendste Krankenhaus Ugandas. Gleichzeitig fungiert es auch als höchste nationale Überweisungseinheit, wohin all jene Fälle überführt werden, für deren Behandlung die Spezialisierung anderer Krankenhäuser nicht mehr ausreicht.1 Darunter finden wir die Kategorie des überregionalen Überweisungskrankenhauses (Regional Referral Hospital), wovon sich eins in Mbale Distrikt (Ost-Uganda) und eins in Gulu Distrikt (Nord-Uganda) befindet. Daran schließen sich 12 Regional-Krankenhäuser an, die wiederum als Überweisungseinheit für die niedrigste Ebene der Distrikt-Krankenhäuser fungieren. Von den insgesamt 143 Krankenhäusern sind etwas weniger als die Hälfte in staatlicher Hand. Der verbleibende Rest unterteilt sich in 61 nicht-kommerzielle und 16 kommerzielle Krankenhäuser. Einrichtungen-IV: Als den Krankenhäusern untergeordnete und nächstfolgende Kategorie übernehmen sogenannte Einrichtungen-IV eine wichtige Scharnierfunktion. Innerhalb der Organisationsstruktur bilden Einrichtungen-IV die jüngste Serviceeinheit, die seit Mitte der 1990er von der formell angedachten Ausstattung her ein Verbindungsglied zwischen Einrichtungen-III und den (Distrikt-)Krankenhäusern bilden sollte: „Health Center IVs were introduced as a strategy to address poor access to health care services. This means that the introduction of a HC IV to an area can be seen as a proxy for areas of poor access to hospital services, as HC IVs were designed to be able to handle some emergencies (like emergency obstetric care and blood transfusions) which were normally handled at hospital level.“ (USAID/Uganda Health System Assessment 2012: 32)

Dem Anspruch der ministeriellen Richtlinien zufolge sollte pro 100.000 Einwohnern mindestens eine Einrichtung-IV zur Verfügung stehen. Wie ich bereits erwähnt habe, führen die offiziellen Statistiken 190 Einheiten, woraus abgeleitet werden kann, dass dieser Anspruch bei einer geschätzten Bevölkerung von 34 Million Einwohnern nicht eingehalten wird. Einige Einrichtungen-IV haben danach eher einen Einzugsbereich von 200.000 bis

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In Deutschland würde man in einem Fall wie dem Mulago von einem Haus mit Vollversorgung sprechen.

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300.000 Einwohnern. Im Gegensatz zu allen anderen Serviceeinheiten stellt hier der Staat mit 166 Einheiten die mit Abstand stärkste Trägerschaft. Einrichtungen-III: Mit insgesamt 1178 Einheiten sind Einrichtungen-III die am zweithäufigsten verbreitete medizinische Versorgungseinheit in Uganda. Die vorgesehenen Aufgabenfelder umfassen vorrangig präventive und kurative Behandlungen. Die Leitung sollte ein Clinical Officer innehaben, dessen Ausbildungsumfang und Expertise auch kleinere chirurgische Eingriffe ermöglicht. Einrichtungen-III sollten somit im Notfall Patientinnen auch stationär betreuen können. Abgesehen von Schwangeren, die auch stationär behandelt werden, erlaubt der technische Zustand vieler Einrichtungen meistens allerdings nur die Durchführung ambulanter Dienste. Den nationalen Versorgungsrichtlinien entsprechend sollte auch jede Einrichtung über ein Labor verfügen, in den ein Lichtmikroskop von einem Labortechniker und einem Laborassistenten bedient wird (Ministry of Health/MoH 2012a). Zusätzlich sind Einrichtungen-III formell für die Beaufsichtigung von Einrichtungen-II in ihrem jeweiligen Einzugsbereich zuständig. Abbildung 2: Außenaufnahme einer Einrichtung-II in Mukono Distrikt

Quelle: RU, Juli 2013.

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Abbildung 3: Innenräume einer Einrichtung-II in Mukono Distrikt

Quelle: RU, Juli 2013.

Einrichtungen-II: Bei Einrichtungen-II, in denen ich auch einen wesentlichen Teil meiner Feldforschung durchgeführt habe, handelt es sich um die unterste und einfachste einrichtungsbasierte Serviceeinheit des ugandischen Gesundheitswesens (Abb. 2 und 3) in den insgesamt 1588 staatlichen Einrichtungen-II werden ausschließlich ambulante Behandlungen durchgeführt. Die offizielle Belegschaft setzt sich aus einer ausgebildeten Pflegerin (Nurse, Comprehensive Nurse, Enrolled Nurse), zwei Hilfspflegerinnen (Nursing Aid oder Nursing Assistant) und einer Hebamme (Midwife) zusammen.2 Auch, wenn die Hauptaufgabenfelder medikamentös behandelbare Infektionskrankheiten (Malaria, Grippe, Lungenentzündung, Harnwegsinfektion, Würmer, Typhus) sind, werden Einrichtungen-II zunehmend in die HIV Diagnose – jedoch nicht die Behandlung – eingebunden. Die verstärkte Verfügbarkeit verschiedener Schnelltests (wie z.B. für HIV, Malaria, Syphilis, Hepatitis) erlaubt nun die Diagnose von Krankheiten, die zuvor nur in höheren Einrichtungen versorgt werden konnten bzw. die über einen Laborservice verfügen (also Einrichtungen-III und höher). Zu den in

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Zusätzlich dazu sollte eine jede Einrichtung über eine Reinigungskraft und einen Sicherheitsbeamten verfügen, was jedoch nur in den wenigsten Einrichtungen der Fall ist.

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Einrichtungen-II am häufigsten verschriebenen Medikamenten gehören neben verschiedenen Medikamenten gegen Malaria zwei Breitband Antibiotika (Amoxicillin und Cotrimoxacol), fieber- bzw. schmerzsenkende Mittel (z.B. Panadol) sowie eine Entwurmungskur. Gemeindeebene: Neben den hierarchisch strukturierten Serviceeinheiten gibt es zusätzlich Gesundheitspersonal auf Gemeindeebene (Community Health Worker, Village Health Team). Auch wenn es sich dabei nicht um einen einrichtungsbasierten Gesundheitsdienst handelt, wird diese in den letzten Jahren wiederbelebte Serviceeinheit auch als Einrichtung-I bezeichnet (MoH 2010b). Der Ansatz gründet im Wesentlichen auf der Einbindung biomedizinischer Laien in staatliche Gesundheitsdienstleistungen. Von internationalen Organisationen wie z.B. der WHO und UNICEF gefördert und vorangetrieben, sind Gemeindepflegerinnen integraler Bestandteil der medizinischen Grundversorgung (Primary Health Care) (Homedes & Ugalde 2001, Litsios 2004, WHO 1978). In Uganda wurden Gemeindepflegerinnen vorrangig für die Erste-Hilfe-Behandlung von Malaria- bzw. Fiebererkrankungen bei Kleinkindern während der 1990er Jahre erfolgreich eingesetzt (Nsungwa-Sabiiti et al 2007). Ein gegenwärtiger Trend innerhalb des neu entfachten Interesses an dieser Serviceebene sieht in Gemeindepflegerinnen eine Möglichkeit, die projektifizierte Programmlandschaft zu harmonisieren. Die integrierte Fallbehandlung durch Gemeindemitglieder (Integrated Community Case Management) referiert auf die Behandlung einer Kombination von Krankheiten, wie z.B. Diarrhöe, Lungenentzündung und Malaria, von denen angenommen wird, dass es sich dabei um die häufigsten Todesursachen vor allem bei Kleinkindern handelt (MoH/ICCM 2010a). Die Kombination dieser Krankheiten in einem integrativen Ansatz können ebenfalls als Versuch erachtet werden, wodurch der starken Fragmentierung in separate Krankheitsprogramme entgegengewirkt werden soll. Bei den Tätigkeiten der Gemeindehelferinnen handelt es sich um einen unbezahlten Freiwilligendienst, bei dem fünf gewählte Teammitglieder in einem viertägigen Training eine basale medizinische Grundausbildung für die Diagnose und Behandlung der jeweiligen Krankheiten erhalten. Auch muss das wiederbelebte Interesse an dieser Form der Gemeindeversorgung in unmittelbare Beziehung mit der verstärkten Verfügbarkeit mobiler Diagnoseverfahren gesetzt werden.

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Die knappe Charakterisierung der einzelnen Serviceeinheiten gibt nun noch keinerlei Auskunft über deren Funktionsrealität und Zusammenspiel als System. Dies rückt auf gleich mehrfache Weise das Überweisungssystem in den Vordergrund. Die formelle Bedeutung des Überweisungssystems für die Funktionalität und Leistungsfähigkeit eines Gesundheitssystems zeigt sich noch immer am stärksten in westlichen Gesellschaften. Überweisungen übernehmen dort stark strukturierende und ordnende Funktionen, was nicht selten ein Ausmaß erreichen kann, das sich bei Patientinnen in dem Gefühl äußert, durchgereicht oder durch ein undurchschaubares System verwaltet zu werden (Joerges 1996, Vogd 2011). Anderseits überantworten Ärzte durch Überweisungen ‚Fälle‘ an Spezialisten, was immer auch mit einer Verteilung von Verantwortung einhergeht (Gross et al. 1985). Die Überweisung bildet somit ein zentrales Übersetzungselement ausdifferenzierter medizinischer Versorgungssysteme, in dem gleichzeitig die Effizienz als auch Ineffizienz teilautonomer Spezialeinheiten ausgehandelt wird. Auch innerhalb des ugandischen Gesundheitswesens kommt dem Überweisungssystem eine formelle Bedeutung zu. Danach ist das Gesundheitspersonal auf den verschiedenen Ebenen dazu angehalten, Patientinnen einen Überweisungsschein (referral note) auszustellen, der dem jeweiligen Individuum, theoretisch, eine priorisierte Behandlung in höheren Versorgungseinrichtungen gewährleisten soll. Um diese Vorzüge aber überhaupt wahrnehmen zu können, müssen Patientinnen einige vorgängige Schwierigkeiten überwinden, wie auch aus der folgenden Beschreibung hervorgeht: „In practice however, the referral system in Uganda is not very effective. Lack of ambulances, fuel, or both prevents patients from quickly transferring from one facility to another in the case of referrals. The referral mechanism also faces the challenges of poor road networks or terrain, and lack of referral forms, relevant emergency medicines, and supplies including blood for transfusion at the referral facility. In addition, people often have to pay for emergency care, and inability to pay for the services might delay access to or provision of referred services. A critical challenge for referral is the inadequate capacity of the health facilities, especially the Health Center IVs, to handle emergency cases such as caesarean sections or blood transfusion.“ (USAID 2012/Uganda Health System Assessment: 47)

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Das in dieser Zusammenschau infrastruktureller Umstände entstehende Bild betrifft dabei vorrangig die ländlichen Regionen Ugandas.3 Wendet man sich vor diesem Hintergrund der Bedeutung der Schnelltests zu, wird erneut sehr deutlich, worin deren antizipiertes Lösungspotenzial gesehen wird: Dem Umstand begrenzter Mobilität Rechnung tragend, ermöglichen es die Schnelltests, die parasitenbasierte Diagnose näher an die betroffene Bevölkerung zu rücken. Ein Problem dieser Verschiebung besteht nun darin, dass mit dem Einsatz mobiler Schnelltests auch potenziell andere Mobilitäten, wie z.B. Überweisungen bedeutsamer werden. Gerade bei negativen Testfällen mit unklarer Differentialdiagnose, sind Pflegerinnen gehalten, Patientinnen zu überweisen. Anders ausgedrückt, ein Effekt des Näherrückens einer Spezialisierung ist es, dass nun auch anderes Spezialwissen in Fällen erforderlich wird, in denen Malaria nicht vorliegt.

2.2 M ULTIPLE F ORMEN DER M ALARIADIAGNOSE Wenn ich im Folgenden die Bedeutung von Fiebererkrankungen, aber vor allem von Malaria, für das ugandische Gesundheitswesen skizziere, ist der Umfang des Problems am besten durch die Analogie beschrieben, wonach die Krankheit das System regelrecht befällt. Die Drastik der Analogie scheint mir an dieser Stelle gerechtfertigt, da sich (gegenwärtig) kein adäquates Vergleichsmoment mit westlichen Krankheits- oder Behandlungskontexten finden lässt. Der (potenziell) tödliche Verlauf in Kombination mit der Häufigkeit des Auftretens verleiht Malaria einen Ausnahmestatus, für den sich in westlichen Kontexten keine äquivalente Infektionskrankheit mehr finden lässt. Für das Jahr 2013 wurde die Gesamtzahl an Malariaer-

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Unabhängig von der Qualität und Verlässlichkeit von Krankentransporten, konnte ich in den fünf Jahren seit Beginn meiner Feldforschung eine deutliche Zunahme an Krankenwagen vor allem in der Hauptstadt Kampala feststellen. Während meiner ersten Besuche (2010/2011) waren nur sehr vereinzelt Krankenwagen (mit Blaulicht) unterwegs. Als aktiver Verkehrsteilnehmer konnte ich in den Jahren 2013/2014 nicht nur eine Zunahme erkennen, sondern auch eine gestiegene Sensibilität anderer Verkehrsteilnehmer, Krankenwägen passieren zu lassen.

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krankungen, die allein im öffentlichen Sektor behandelt wurden, auf 8 Millionen Fälle geschätzt (WHO 2014c).4 Für die meisten dieser Fälle gilt, dass sie – in Abhängigkeit vom physischen Zustand der jeweiligen Patientin – ambulant abgewickelt werden. Entsprechend der Ausstattung der jeweiligen Serviceeinheit wird Malaria dabei entweder klinisch (Einrichtungen-II) oder mikroskopisch (Einrichtungen-III und höher) diagnostiziert. Neben diesen beiden institutionalisierten Diagnoseformen wird Fieber/musujja/Malaria auch außerhalb des öffentlichen Gesundheitssektors behandelt, wofür gemeinhin der Begriff der Selbstmedikation oder der Verdachtsbehandlung (engl. presumptive treatment) verwendet wird (Koram & Molyneux 2007). Bei der Beantwortung der Frage, wie sich dieses teilweise ergänzende, teilweise widersprechende Neben- und Nacheinander multipler Verfahren auf die Integrierbarkeit der Schnelltests auswirkt, werde ich jedoch nicht auf die Rolle und Bedeutung ‚traditioneller‘ Heilverfahren eingehen. Es genügt an dieser Stelle zu wissen, dass ein Großteil der Patientinnen die (Selbst-)Medikation mit westlichen Pharmazeutika zusätzlich mit unterschiedlichen lokalen, meist pflanzlichen Wirkstoffen kombinieren (Kengeya-Kayondo et al. 1994, Mbonye et al. 2006). Selbstmedikation und Verdachtsbehandlung Auf den ersten Blick scheint der Rückgriff – und immer häufiger auch Vorgriff – auf die Tablette im Fall eines allgemeinen Unwohlseins, in Stresssituationen, bei plötzlichen Schmerzen oder erhöhter Temperatur als eine plausible und auch irgendeiner Weise in das Nützlichkeitsgefüge der Technik inskribierte Handlung. Dieser erste – und nicht selten letzte – Behandlungsschritt, der gemeinhin als Selbstmedikation bzw. Selbstbehandlung bezeichnet wird, lässt sich interessanterweise überall auf der Welt und auch nahezu unabhängig vom Zustand des jeweiligen Gesundheitswesens beobachten.5 Ausgehend von ihrer universellen Verbreitung schreibt der Medi-

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Auch wenn ich in der Arbeit unter anderem nachzeichne, dass es sich bei dem biomedizinischen Konzept von Malaria um eine sozio-technische Konstruktion handelt, bin ich trotzdem der Meinung, dass es die Krankheit auch tatsächlich gibt.

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Die Hybridität der Selbst- und Verdachtsbehandlung lädt nun förmlich zu einem nicht gänzlich abwegigen Gedankenspiel ein: So würde ein verstärktes Aufsu-

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zinanthropologe Sjaak van der Geest der Selbstbehandlung einen natürlichen Handlungsstatus zu: „Self-medication is ‚natural‘ because it is convenient and economical. In addition, availability makes self-medication easy. Almost everywhere pharmaceuticals have replaced herbal medicines. They are available ‚around the corner‘ in local shops and kiosks. [...]“ (Van Der Geest et al. 1996, 163) „People hardly decide to practice selfmedication any more than that they decide to eat or sleep. Self-medication is a selfevident first reaction to the experience of feeling unwell; it is a non-decision.“ (Van Der Geest 1987: 295)

Wenn nun diese natürliche Handlung aus unterschiedlichen Motiven betrieben wird, möchte ich an diesem Punkt darauf aufmerksam machen, dass es bei Malaria mit einer Tropenkrankheit handelt. Die Behandlung eines Malariaverdachtfalls unterliegt darum einer Dringlichkeit, da die Krankheit vor allem bei Kleinkindern bereits nach 48 Stunden einen tödlichen Verlauf nehmen kann (Oaks 1991). Erschwerend kommt hinzu, dass Fieber, das mit Malaria assoziiert wird, vorrangig in der Nacht oder den frühen Morgenstunden hervortritt, was die Frage nach der Erstversorgung quasi automatisch zum integralen und notwendigen Bestandteil des Haushalts macht. Zusätzlich zu den bereits erwähnten Transportschwierigkeiten führt auch das nur rudimentär verfügbare Bereitschaftswesen dazu, dass die meisten Patientinnen auf ihre eigenen materiellen Ressourcen und Wissensvorräte zurückgreifen. Diesen (infra-)strukturellen Zwängen Rechnung tragend, ist die Selbstmedikation im Malariaverdachtsfall nicht nur natürlich, sondern vor allem bei Kleinkindern von existenzieller Notwendigkeit. Doch welche Funktion kommt einem Pharmazeutikum während der Selbstmedikation genau zu? Nimmt man an, eine Person hat den Verdacht, dass es sich bei der verspürten oder beobachteten Symptomlage um Malaria/musujja handelt. Nimmt diese Person im Anschluss ein Malariamedikament, dann handelt es sich um eine auf Selbstmedikation beruhende Verdachtsbehandlung. Die Funktion, die dem Medikament gemäß dieser Ein-

chen eines Arztes oder Krankenhauses im Falle kleinerer Leiden die Kapazitäten beispielsweise der Notaufnahme schnell an die Grenzen der Belastbarkeit bringen.

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nahmelogik zugewiesen wird, beschreiben die Medizinanthropologen Nichter und Vuckovic wie folgt: „Medications play a direct role in the process of diagnosis when practitioners identify an illness on the basis of treatment response. An entity-counter-entity form of differential diagnosis comes into play: if X works it must be bacterial; if not, X is viral. This form of diagnosis is applied not only within medical systems, but across them.“ (Nichter & Vuckovic 1994: 1514)

Der letzte Satz dieses Definitionsversuchs ist für die Malaria/musujja Verdachtsbehandlung von großer Bedeutung, da sich Selbstmedikation sehr häufig im Privaten, also außerhalb biomedizinischer (als auch traditioneller) Institutionen vollzieht. Wenn also das eingenommene Malariamedikament gewirkt hat, kann geschlussfolgert werden, dass Malaria/musujja die Ursache der Symptome bzw. des Fiebers war. Wenn der Zustand jedoch gleich bleibt oder sich gar verschlechtert, kann zumindest Malaria/musujja als Symptomursache ausgeschlossen und sich der Behandlung möglicher anderer Krankheiten gewidmet werden. Genau diese Logik konfligiert nun mit den Kosten- und Resistenzmodellen von Global Health Projekten: Nicht nur würde das Individuum unnötigerweise kostenintensive und darum subventionierte Malariamedikamente einnehmen, diese Form der Fehl- oder Falschbehandlung würde zudem auch zusätzlich das Risiko der Resistenzbildung erhöhen (Hopkins et al. 2009). Genau an diesem Punkt sollen die Tests intervenieren, um auf Grundlage höherer Genauigkeit bezüglich der Symptomursache eine größere Gewissheit bei der Medikamentenvergabe zu erzeugen. Klinische Diagnose von Malaria Diese Art der Malaria/musujja/Fieber Verdachtsbehandlung wurde hier etwas ausführlicher beschrieben, weil sie in letzter Instanz auch die Verfahrenslogik der klinischen Diagnose umfasst. Trotzdem gibt es formelle Unterschiede, da die klinische Diagnose von Malaria a) in medizinischen Einrichtungen vorgenommen, b) von geschultem, in der Regel qualifiziertem Personal durchgeführt und c) unter Berücksichtigung biomedizinischer Protokolle und von Krankheitswissen angewendet wird (Beisel 2011, Gerrets 2010). Was im ugandischen Kontext von Pflegerinnen als „history taking“

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bezeichnet wird, ist die unmittelbare Referenz auf eine Kombination aus semi-standardisierter Befragung und physischer Untersuchung von MalariaVerdachtspatientinnen. Auch wenn Fieber darin eine zentrale Rolle spielt, sollte sich ein gewichtiger Teil dieser Methode auf das Erfassen weiterer Begleitsymptome, wie z.B. Erbrechen, Schwindel und Durchfall erstrecken. Erst die Kombination einer Reihe von Symptomen würde dann die Entscheidungsgrundlage für Pflegerinnen bilden, ob es sich im vorliegenden Fall um Malaria handelt. Aus biomedizinischer Sicht ist die zentrale Schwierigkeit, dass sich viele für Malaria typische Symptome mit Symptomkombinationen anderer Infektionskrankheiten (wie z.B. Lungenentzündung, Typhus, Grippe) überschneiden. Im Behandlungsalltag manifestiert sich diese Schwierigkeit in der Tendenz, häufiger Malaria zu diagnostizieren, als diese auch tatsächlich die Symptomursache ist. Auch bei der klinischen Diagnose kann es somit zur Fehlbehandlung kommen. Kritisch daran ist nun, dass Patientinnen damit nicht nur das falsche Medikament verabreicht bekommen, sondern die Diagnose und Behandlung der tatsächlichen Krankheitsursache verzögert wird, was wiederum möglicherweise gefährliche gesundheitliche Konsequenzen haben kann (Kalländar et al. 2004). Auch hier soll mit dem Einsatz der Tests eine schnellere Behandlung der richtigen Krankheit sichergestellt werden. Mikroskopie Bei der parasitenbasierten Mikroskopie handelt es sich um das älteste standardisierte Verfahren zur Diagnose von Malaria. Bereits im Jahr 1880 entdeckte der in Algerien stationierte französische Militärarzt Charles Louis Alphonse Laveran zum ersten Mal unter dem einfachen Lichtmikroskop Malariaparasiten, was von Leonard Bruce-Chuvatt, einem der führenden Malarialogen der 1970er und 80er Jahre, wie folgt kommentiert wurde: „One must not forget that Laveran saw the new bodies in a fresh, unstained bloodfilm, on a slide under a coverslip, using a microscope with a dry lens (1/6") giving a magnification of about 400 diameters. One can only admire his eyesight and his powers of observation!“ (Bruce-Chuvatt 1981: 532)

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Der mikroskopische Nachweis von Malariaparasiten gilt bis heute als „Gold Standard“ (Murray 2008)6, gleichwohl sich seit der Entdeckung durch Laveran sowohl die Aufbereitungsweise als auch die Technik deutlich verändert haben. Während Laveran die Parasiten noch ohne Einfärbung der Blutprobe entdeckt hatte („unstained blood-film“), ist das Färben heute ein notwendiger und standardisierter Arbeitsschritt. Nach der Blutabnahme wird die Blutprobe dünn auf einem Objektträger verteilt und getrocknet. Im Anschluss daran wird der Objektträger im Färbewirkstoff gebadet und für den erneuten Trocknungsprozess abgelegt. Erst wenn das Aufbereitungsverfahren abgeschlossen ist, kann die Laborantin den Objektträger zur Untersuchung und Auszählung der Parasiten unter das Lichtmikroskop legen. Das Auszählen und die damit ermöglichte Quantifizierung von Parasiten erlaubt es, die Schwere bzw. das Stadium von Malaria zu bestimmen, was im Anschluss Konsequenzen für die Art der Behandlungsform und des zu verwendenden Medikamententyps hat. Auch wenn es sich bei der Mikroskopie um den medizinischen Gold Standard handelt, weicht doch die routinemäßige Anwendung dieses Verfahrens in den meisten ugandischen Laboratorien deutlich von den formellen Gebrauchsstandards ab. Während meiner teilnehmenden Beobachtung wurde mir schnell klar, dass der Laboralltag durch ein dichtes und unmit-

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Eine für meinen Zweck brauchbare Definition, worum es sich beim Gold Standard in der Medizin handelt, übernehme ich von den Medizinsoziologen Timmermans und Berg: „The gold standard represents the ultimate standard in medicine. The notion of a gold standard was imported from the financial world. Countries linked their currencies in the nineteenth and early twentieth centuries to their gold reserves in an effort to provide unrestricted convertibility of other money into gold and to freely import and export gold in international trade. In medicine, the gold standard is regularly used to describe definitive and decisive standards.“ (Timmermans & Berg 2003: 26f.) Das Konzept des Gold Standards referiert dabei allerdings nicht zwangsläufig auf das genauste Feststellungsverfahren, sondern auf das in der Praxis am weitesten verbreitetste und anerkannteste Verfahren. Würde ausschließlich die Genauigkeit ausschlaggebend sein, müssten eher Verfahren der Genomsquenzierung (z.B. die Polymersase Kettenreaktion) zum Gold Standard erklärt werden. Deren Praktikabilität für den Alltagsgebrauch ist allerdings, vorrangig wegen zu hoher Kosten, gegenwärtig stark eingeschränkt.

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telbares Ineinandergreifen von technischen und infrastrukturellen Mängeln gekennzeichnet ist. In Abhängigkeit vom Geschick und Aufwand, den Laborassistenten in ihren Arbeitsalltag investierten, war eigentlich jeder (standardisierte) Arbeitsschritt auf Improvisationen angewiesen. So erhöht sich beispielsweise die Fehlerhaftigkeit der Diagnose, wenn Laboranten nur auf die Lichtspiegelung als einzige Beleuchtungsquelle angewiesen sind. Die Abwesenheit oder nur unzuverlässige Versorgung mit Strom lässt jedoch keine weiteren Möglichkeiten zu, wollte man nicht gänzlich auf die Mikroskopie verzichten. Weitere Probleme tun sich auf, wenn etwa die Linse und andere relevante Komponenten des Mikroskops beschädigt sind, die Reparatur sich aber um Monate verzögert oder gar nicht stattfindet. Oder wenn nicht genügend Objektträger oder Färbemittel zur Verfügung stehen – es sei denn, der jeweilige Laborant improvisiert, indem er die Objektträger selbst reinigt, was jedoch erneute Fehlerquellen produzieren kann. Neben diesen infrastrukturellen und technischen Störungen konnte ich während Workshops oder Trainingseinheiten unter anderem beobachten, wie sich Laboranten, gerade bei der Aufbereitung der Blutprobe und des Objektträgers, deutlich in ihren Geschicken unterschieden. Auch wenn jeder Schritt anfällig für Fehler und Abweichungen war, ist die Aufbereitung der Blutprobe die fundamentale Grundlage, die Sichtbarkeit von Parasiten unter dem Mikroskop zu gewährleisten. Wie vor allem im siebten Kapitel gezeigt wurde, sind diese Aspekte der Versorgung und des geschickten Umgangs jedoch nicht vom Organisationskontext zu trennen. Dass es sich bei der mikroskopbasierten Diagnose von Malaria um einen arbeits- und zeitaufwendigen Vorgang handelt, ist somit nicht von dem Fakt zu trennen, dass viele Labore personell unterbesetzt sind. Der hohe Patientinnendurchlauf in Kombination mit infrastrukturellen Mängeln und der personellen Unterbesetzung stellen in fundamentaler Weise die Frage nach der Passung von Mikroskopie und einem solchen Anwendungskontext. Gemäß dem ministerialen Versorgungsschlüssel soll jeder Distrikt über mindestens ein Distriktkrankenhaus verfügen oder, wo dies nicht der Fall ist, über die entsprechende Anzahl von Einrichtungen-IV pro 100.000 Einwohner (USAID 2012). Als Folge extensiver Dezentralisierungsmaßnahmen – und damit einhergehender Veränderungen für die Verwaltung und Versorgung der jeweiligen Bevölkerung – wurde die Anzahl der Distrikte stückweise über die letzten Jahre auf 111 Distrikte aufgestockt (Green

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2008). Zwischen 2006 (79 Distrikte) und heute hätte dies allein den Neubau von über 30 Distriktkrankenhäusern nach sich ziehen müssen, was jedoch nicht annähernd erreicht wurde. Was stattdessen vorgenommen wurde, ist die Höherstufung bereits bestehender Einrichtungen, dies jedoch vor allem nominell. So werden ehemalige Einrichtungen-II in -III bzw. Einrichtungen-III in -IV verwandelt, ohne dass dieser nominellen Hochstufung technisch, infrastrukturell und personell auch nur annähernd Rechnung getragen würde.7 Allein in Bezug auf die Laborsituation schätzt selbst das dem Gesundheitsministerium unterstellte Central Public Health Laboratory (CPHL) mit Sitz in Kampala die Situation wie folgt ein: „Many lower level facilities have recently been upgraded to HC-III and IV level. However, most have not had appropriate infrastructural improvements to meet the increased demand for service delivery for their new levels. There is widespread lack of reliable sources of utilities such as water and power, and many laboratories lack effective mechanisms for safe waste disposal and infection control.“ (MoH 2012a)

Doch die mit dieser Scheintransformation der Versorgungssituation assoziierten Probleme sind keinesfalls nur auf die Laboratorien beschränkt. Auch für den Behandlungsalltag von Pflegerinnen gilt, dass der formelle SollZustand und der Ist-Zustand in extensiver Weise voneinander entkoppelt sind. Es bietet sich darum an, das tatsächliche Ausmaß der Beziehung zwischen formeller Struktur und praktizierter Realität hier als Inversion zu denken: Legitime, illegitime, notwendige und selbst-ermächtigte Improvisationen bilden danach nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Das Übereinstimmen und die Einhaltung formeller Richtlinien gerät so zu einem Zufallsprodukt. Dass das System aber nicht gänzlich kollabiert oder mehr Schaden anrichtet (als dass es heilt), ist Ergebnis von Improvisationen. Da 7

Vgl. hierzu den Daily Monitor, die regierungskritische Tageszeitung Ugandas: „For more than 10 months now, Luuka District, which has a population of more than 200.000 people, continues to manage without a single medical doctor […] As a result, the delivery of healthcare services is severely hampered. Only a single health centre […] exists in the new district carved out of Iganga but renders services not befitting for a facility of its grade.“, siehe: http://mobile.monitor. co.ug/News/-/691252/1140316/-/format/xhtml/-/iox595/-/index.html, Stand 10. 03.2017.

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sich ein wesentliches Interesse der Arbeit mit der Frage auseinandersetzt, wie sich das Verhältnis zwischen Improvisationen und der Integration der Schnelltests ausgestaltet, soll nun abschließend skizziert werden, welche Art regelgeleitetes Handeln die Tests idealerweise einfordern.

2.3 G ENESE UND F UNKTIONSPRINZIPIEN DER S CHNELLTESTS Das wissenschaftliche Verfahren, welches für die Produktion von Malariaschnelltests verwendet wird, wird innerhalb der beteiligten Fachdisziplinen (Parasitologie, Immunologie, Chemie, Mikrobiologie) als Immunchromatographie bezeichnet (Stückmann 2007). Auch wenn die zentrale wissenschaftliche Grundlagenforschung, die die Voraussetzung für immunchromatographische Teststreifen (oder auch Lateral-Flow Immunoassay oder Querfließmethode) bildet, bis in die 1950er Jahre zurückverfolgt werden kann, waren es vorrangig Erfahrungen mit Schwangerschaftstests, wodurch dieses heterogene Wissens- und Forschungsfeld vorangetrieben wurde (Wong & Tse 2009). Bei den Schnelltests handelt es sich um qualitative, membranbasierte Immuntests für den Nachweis von Plasmodium Falciparum Antigenen im Blut eines Individuums. Auf der Membran sind Plasmodium-Antikörper fixiert. Während der Durchführung des Tests reagieren Bestandteile des Bluts mit einem Goldkonjugat, das sich in dem Teststreifen befindet. Die Flüssigkeit bewegt sich (chromatographiert) entlang der Membran und reagiert bei Anwesenheit von Antigen im Blut mit den in der T-Zone fixierten Antikörpern. Das anschließende Hervortreten einer roten Linie indiziert ein positives Testergebnis (Abb. 4). Entsteht keine rote T-Linie, deutet dies auf die Abwesenheit von Antigenen hin. In jedem Fall muss sich bei korrekter Testdurchführung eine rote Linie in der Kontrollzone (C) bilden. Auf der Abbildung können wird ebenfalls sichtbar, dass es neben dem positiven Ergebnis (T+C) und dem negativen Ergebnis (C), auch noch die Möglichkeit eines ungültigen Ergebnisses gibt (wie z.B. nur T oder keine Linie). Für den weiteren Verlauf meiner Arbeit ist es wichtig, auf einen Unterschied zwischen den Schnelltests und der mikroskopischen Malariadiagnose aufmerksam zu machen. Während das Mikroskop Malariaparasiten (Plasmodien) sichtbar macht, beschränken sich Schnelltests auf das Aufspüren von

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Antigenen. Aus dieser Perspektive – und wie weiter unten noch deutlich wird – handelt es sich bei den Schnelltests im Vergleich zur mikroskopischen Diagnose um einen indirekten Nachweis von Malariaparasiten. Anwendung Wenn es sich bei den Tests um eine Anwendung handelt, wodurch die parasitenbasierte Diagnose auch in laborferne, weniger spezialisierte Bereiche vordringen kann, dann wird die einfache Bedienbarkeit zu einer zentralen Funktionsvoraussetzung. Wie der offiziellen Bedienungsanleitung entnommen werden kann, bezieht sich ‚einfach‘ auf die Einhaltung von insgesamt 16 aufeinanderfolgenden Schritten (Abb. 5). Wenn ich mich hier auf die Beschreibung der entscheidenden Schritte beschränke, dann geschieht dies auch vor dem Hintergrund, dass in der praktischen Anwendung einige der Schritte nur angedeutet oder gänzlich ausgelassen werden. Dazu zählen sowohl die Kontrolle des Ablaufdatums (Schritt 1), die (Nicht-)Verwendung von Handschuhen (Schritt 2) und die Beschriftung des Tests (Schritt 4). Meine Betrachtung beginnt daher mit Schritt 5, in welchem der entsprechende Finger vor der Blutabnahme desinfiziert wird. Es folgt ein kurzer Lanzettenstich in den linken Ringfinger (Schritt 6), sodass anschließend mit Hilfe der Pipette die entsprechende Menge Blut entnommen werden kann (Schritt 8) Die Blutprobe wird nun auf den auf der Testkassette vorgesehenen Bereich gegeben (Schritt 9). Damit das Blut auch in adäquater Geschwindigkeit über die Zellmembran migrieren kann, wird nun abschließend eine Pufferlösung ebenfalls in den dafür vorgesehenen Bereich getropft (Schritt 11). Ein auf diese Weise korrekt ausgeführter Test sollte spätestens nach 15 min ein entsprechendes Ergebnis sichtbar werden lassen (Schritt 13+14). Wichtig zu wissen ist, dass es sich bei den Tests trotz der Wartezeit um ein zügigeres Verfahren handelt, als bei der Mikroskopie. Während meiner Besuche in den Einrichtungen konnte ich immer wieder beobachten, dass jeder dieser Schritte anfällig für mögliche Abweichungen oder sogar eklatante Fehlanwendungen war. Vor allem beim Beund Abmessen der Flüssigkeiten (Blut und Pufferlösung) kann davon ausgegangen werden, dass diese nur zu einem geringen Prozentsatz den erforderlichen Standardmengen entsprechen. Neben der ungenauen Puffermenge (zu viele oder zu wenige Tropfen) bereitet die Abnahme und Übertragung der richtigen Blutmenge vielen Pflegerinnen die größten Schwierigkeiten.

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Abbildung 4: Positives, negatives und ungültige Testergebnisse

Quelle: Foundation for New and Innovative Diagnostics (FIND), Genf.

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Abbildung 5: Offizielle Bedienungsanleitung der Malaria Schnelltests

Quelle: Foundation for New and Innovative Diagnostics (FIND), Genf.

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Zwei zentrale Umstände möchte ich dafür benennen: Zum einen wird die Mobilität der Tests dadurch gewährleistet, dass die Technik weitgehend von infrastrukturellen Erfordernissen (z.B. Storm oder Wasser) und technischen Hilfsmitteln entkoppelt ist. So ist in jeder Testverpackung neben dem Test mindestens auch eine Plastikpipette enthalten, die jedoch vor allem aus Kostengründen sehr einfach und minimal designt wird.8 Diese kompromisshafte Verbindung aus Kosten/Finanzierbarkeit und struktureller Unabhängigkeit wirkt sich auf die Handhabung der Tests und des Zubehörs (z.B. Pipetten) aus (Hopkins et al. 2011). Zum anderen kommt erschwerend hinzu, dass eine Großzahl der Bewohner von Regionen, in denen Malaria endemisch auftritt, anämisch sind (Sserunjogi et al. 2003). Für die praktische Aufgabe der Blutabnahme äußert sich dies als erhöhte Anforderung, um mit den unzureichenden Hilfsmitteln (Lanzette und Pipette) überhaupt ausreichend Blut zu erhalten. Neben dem schmerzhaften Einstich mit der Lanzette müssen Pflegerinnen daraufhin die Finger von Patientinnen unter erhöhtem Kraftaufwand und zusätzlichen Schmerzen förmlich bearbeiten. Wenn daraufhin trotzdem eine nur sehr geringe Blutmenge hervortritt, muss diese eben genügen, auch wenn sie nicht der erforderlichen Quantität entspricht (5µl). Grenzen und Problemfelder Wie für jedes wissenschaftliche Verfahren, so gilt auch für die antigenbasierten Schnelltests, dass diese spezifische Funktions- bzw. Leistungsgren-

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Die Kosten eines Tests variieren sehr stark. Während in den frühen Entwicklungsstadien immer von einer Kostenspanne von über einem US Dollar pro Test ausgegangen wurde, hat die millionenfache Verwendung als auch der weltweite Konkurrenzdruck zwischen den Unternehmen zu signifikanten Preissenkungen geführt. „Depending on the scale, RDTs can be purchased for $0.50 U.S. dollars, with the promise that the price might be reduced to $0.30–0.40 if worldwide demand fostered the economy of scale“ (Makler & Pieper 2009: 923). Nicht alle Experteninnen bewerten diese Entwicklungen jedoch als ausschließlich positiv, da jede Kostenreduktion potenziell risikoreiche Kompromisse für die Produktion und die Qualität der verwendeten Materialien mit sich bringt (FIND/WHO 2012).

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zen aufweisen. Ein zentrales Problemfeld der Malariaschnelltests ist deren Genauigkeit (Sensitivität), mit der sie die Krankheit bestimmen können (Murray 2003). Wie ich für das Mikroskop gezeigt habe, können Laborantinnen durch Auszählen der Parasiten die Schwere von Malaria bestimmen, was im Fall der Schnelltests nicht möglich ist. Letztere stellen Malaria stattdessen in Abhängigkeit von der jeweiligen Antigendichte fest. Das Feststellen dieser Größe ist nun aber von einem Vergleichsmaßstab abhängig und macht sogenannte Genauigkeitsstudien zu sehr aufwendigen und kostspieligen Unterfangen nicht zuletzt, weil dabei auf andere hochtechnische Verfahren zurückgegriffen werden müsste (wie z.B. PolymeraseKettenreaktion). Die folgende Passage fast die wichtigsten Probleme dieser Forschung zusammen: „Most published studies on RDTs involve product evaluation on a small-tomedium–sized cohort of blood samples and compare one test against microscopy, which inevitably leads to discrepancies. Comparison of microscopic methods and personnel also leads to discrepancies. What these discrepancies mean in terms of validating the utility of RDTs in general or how they comment on the effectiveness of particular antigens and formats for their detection is often not clear. Such studies continue 15 years after evaluation of the first malarial RDT. Although such studies are helpful in documenting the performance of a particular test in a local setting, the findings are largely anecdotal, adding little to the discussion of what such discrepancies mean to the use of RDTs in general.“ (Makler & Piper 2009: 923)

Wenn es sich bei der Frage nach der Genauigkeit der Tests um ein Forschungsfeld handelt, das weitgehend vom tatsächlichen Gebrauch und mehr noch dem Einzelfall abstrahiert werden kann, dann berührt das Phänomen der ‚falsch-positiven‘ Fälle die Alltagspraxis unmittelbar. Von einem falsch-positiven Ergebnis wird gemeinhin gesprochen, wenn ein Test positiv anzeigt, jedoch nicht Malaria der Grund für die Symptome bzw. das Unwohlsein ist (Murray et al. 2008). Hier taucht nun der bereits oben erwähnte Sachverhalt erneut auf, dass es sich bei der Antigenmethode um einen indirekten Parasitennachweis handelt. So kann es vorkommen, dass eine Patientin bereits vor zwei Wochen eine vollständige Malariamedikation eingenommen hatte und nun wegen erneuten Unwohlseins eine Gesundheitseinrichtung aufsucht. Wenn die Pflegerin nun einen Test ausführt und dieser zeigt positiv, dann handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um

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ein falsch-positives Ergebnis. Der Grund ist, dass der gegenwärtig verwendete Typ von Antigenen in den Tests bis zu 21 Tage nach Einnahme der Medikamente Antikörper nachweisen kann (ebd.). Es kann auf diese Weise vorkommen, dass die Tests positiv anzeigen, obwohl keine Malaria mehr vorliegt oder eine andere Infektion Ursache der Symptome ist. Wie ich in der Arbeit an verschiedenen Stellen zeigen werde, werden positive Testergebnisse von Pflegerinnen allerdings weit weniger hinterfragt als negative. Interessanterweise konnte ich keine Studien finden, die Aufschluss darüber geben, in welchem Ausmaß Pflegerinnen (in Uganda) in ihrem Behandlungsalltag falsch-positiven Testergebnissen ausgesetzt sind.9 Auch wenn hier nun eine Reihe von Aspekten benannt wurden, worin sich die Schnelltests von den anderen Diagnoseformaten unterscheiden bzw. warum angenommen wird, dass die Tests die benannten Probleme besser lösen als andere Verfahren, bin ich noch nicht auf ein zentrales ökonomisches Kriterium eingegangen, namentlich die hohen Kosten von Coartem. Die globale Verfügbarkeit und nationale Übernahme von Coartem als standardisierte Erstbehandlung (first-line treatment) für Malaria bildet ein zentrales Legitimationsnarrativ für die Verwendung von Schnelltests. Zwischen 2005 und 2006 organisierte das ministeriale Malariakontrollprogramm (National Malaria Control Programm) den Wechsel von der zuvor verwendeten Kombinationstherapie (Chloroquine/Sulfadoxine-Pyrimethamine) zu der von der WHO empfohlenen Artemisinin Kombinationstherapie (Artemisinin-Combination-Therapy (ACT) oder Coartem).10 Im Frühjahr 2006 erfolgte daraufhin die Mobilisierung der gesamten ugandischen Gesundheitsbelegschaft für eine zweitägige Trainingseinheit, mit dem Ziel über die richtige Anwendung und Einnahme von Coartem zu informieren (Yeka et al. 2012). Wie in den meisten Malaria endemischen Ländern sahen auch die klinischen Richtlinien Ugandas zu diesem Zeitpunkt noch vor, an

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Der umgekehrte Fall – falsch-negative Testergebnisse – wurde ebenfalls, jedoch deutlich seltener als falsch-positive Fälle beobachtet (Wongsrichanalai 2007). Es kann somit davon ausgegangen werden, dass der negative Malarianachweis durch RDTs wahrscheinlich verlässlicher ist als ein negativer Mikroskopnachweis in einem ugandischen Medizinlabor.

10 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit werde ich im Fortgang der Arbeit für Artemisinin Kombinationstherapien oder ACTs den Markennamen Coartem verwenden.

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Orten ohne Laborinfrastruktur die Verdachtsbehandlung bzw. klinische Diagnose zu verwenden (Nankabwira et al. 2009). Dass die WHO ihre Richtlinien änderte und Coartem als standardisierte Erstbehandlung im Jahr 2005 empfahl, wurde im Wesentlichen auf die Messung von Resistenzen gegen einige bis dato weitverbreitete Malariamedikamente, wie z.B. Chloroquine, zurückgeführt. Diese Entscheidung wurde in globalen und nationalen Malariagemeinden stark debattiert, wobei sich die zentralen Streitpunkte auf die hohen Kosten, das vergleichsweise komplexe Einnahmeregime und die zu geringe Erfahrung mit der Toxizität von Coartem bezogen (Bloland 2003, Bloland et al. 2003). Auch wenn die Verwendung von Coartem in Uganda von bilateralen (Presidents Malaria Initiative (PMI) USAID) und internationalen Organisationen (z.B. Global Fund, Malaria Consortium) zu 100 Prozent subventioniert wird, wurde das massenhafte Verschreiben von Coartem ohne parasitenbasierte Diagnose im gesundheitswissenschaftlichen Diskurs der letzten Jahre zunehmend als Verschwendung wertvoller Ressourcen gerahmt (Perkins & Bell 2012). Abbildung 6: Verdachtsfälle von Malaria, positive Fälle und Anzahl der verschriebenen Malaria-Medikamente

Quelle: PMI/USAID, Kampala, Juni 2013.

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Von der Einführung der Schnelltests wird sich somit eine Verringerung der Verschwendung kostenintensiver Medikamente versprochen. In der folgenden Grafik zeigt sich nun aber eine ganz anderes Verhältnis zwischen Testergebnissen und Medikamentenverwendung (Abb. 6). Was an der Graphik vorrangig interessiert, ist das Verhältnis zwischen positiven Testergebnissen (Tested positive) und verschriebenen Malariamedikamenten (ACTs). Der von mir eingefügte Pfeil zwischen den unteren zwei Graphen verweist auf eine seit der letzten Schnelltestlieferung (April 2012) beinahe stetig zunehmende Lücke zwischen diesen beiden Größen. Was sich in dieser Lücke letztlich manifestiert, ist eine signifikante Abweichung zwischen der Anzahl der positiven Testergebnisse und der Anzahl der verschriebenen Malariamedikamente.11 Aus einer Planungs- oder Systemperspektive wären die Tests dann am effizientesten integriert, wenn sich diese beiden Linien überlappen würden. Dies würde voraussetzen, dass nur dann Malariamedikamente verschrieben würden, wenn Pflegerinnen ein positives Testergebnis vorfänden. Dass nun (nach der Einführung der Schnelltests) aber offensichtlich noch immer mehr Malariamedikamente verschrieben werden, als positive Malariafälle vorliegen, macht diese Lücke zu einem erklärenswerten Problem.

2.4 F ELDFORSCHUNGSKONTEXT Da es ein Charakteristikum der Schnelltests ist, mobil zu sein und dadurch an verschiedene Orte ‚reisen‘ zu können, stellt sich meine Arbeit auch methodisch der Aufgabe, diese Mobilität abzubilden. Auch wenn der empirische Fokus auf einfacheren Einrichtungen und den Laboren höherer Einrichtungen lag, war ich nichtsdestotrotz darum bemüht, das ‚biographische‘ Spektrum der Schnelltests so weit wie möglich auszuleuchten. Im Stile einer Objektbiographie (Czarniawska 2008, Hahn 2005) habe ich während meiner empirischen Forschung versucht, verschiedene ‚Geburtsorte‘,

11 In Ugandas Demographic Health Survey wird diesbezüglich vermerkt, dass in 48 % der Fälle, in denen ein negatives Testergebnis vorliegt, trotzdem MalariaMedikamente verschrieben würden (Ministry of Health (MoH) 2011a: 180).

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‚Wirkstätten‘ und Bedeutungsfelder der Schnelltests zu berücksichtigen.12 Die Frage, wann und wie eine Technik funktioniert, ist nach dieser Perspektive erst dann befriedigend beantwortet, wenn die Schnelltests als Teil der individuellen Fallbehandlung von Malaria, als zusätzliches Diagnoseverfahren neben anderen und auch in ihren Kapazitäten als Forschungstechnik besprochen und miteinander in Beziehung gesetzt werden.13 Diese ‚biographische‘ Bewegung bildete dann auch die Grundlage für die konzeptionelle Öffnung einer sozialwissenschaftlichen Vermessung der Nützlichkeit und Leistungsfähigkeit der Schnelltests. So nehme ich auch für den Fortgang der Arbeit an, dass, gerade weil es sich bei den Schnelltests um eine Innovation handelt, es sich für die analytische Sensibilität anbietet, die Reflexion und Sprache (aller) Beteiligten als Teil eines Lernprozesses zu begreifen. Auch möchte ich damit der Gefahr eurozentristischer Repräsentationsweisen vorbeugen. Ich werde nicht davon ausgehen, dass sich die kritischen Haltungen der Nutzerinnen mit meinen Reflexionen überschneiden müssten oder gar sollten. Auch werde ich nicht schlussfolgern, dass ich diese Leistung als Stellvertreter erbringen und übernehmen müsste, um daraufhin als selbsternanntes Sprachrohr den Nutzerinnen zu zeigen, was sich alles hinter deren Rücken abspielt. Stattdessen geht es mir darum, das kritische Potenzial aller Beteiligten herauszuarbeiten und zu zeigen, wie die

12 Zwischen Mai 2010 und September 2014 nutzte ich insgesamt einen Forschungszeitraum von 10 Monaten für die Erhebung meiner qualitativen Daten. Für die Datenerhebung verwendete ich semi-strukturierte und offene Interviews, Fokusgruppendiskussionen (Rosenthal 2013, Witzel & Reiter 2012) und teilnehmende Beobachtung (Kalthoff 2006, Lüders 2004). So habe ich insgesamt 6 Fokusgruppendiskussionen, 19 semi-strukturierte Interviews mit Pflegerinnen/Laborant_innen und 5 offene Interviews Drogeriebesitzer_innen durchgeführt. Den wesentlichen Teil meiner teilnehmenden Beobachtungen habe ich in insegesamt 8 Gesundheitszentren absolviert. 13 Einen wesentlichen Teil der (Feld-)Forschung habe ich als Mitglied einer Forschungskooperation zwischen der Universität Bayreuth und der Martin-LutherUniversität Halle absolviert. Mit dem Titel „Translating Global Health Technologies: Standardisation and organisational learning in health care provision in Uganda and Rwanda“ war das Projekt Teil der zweiten Förderrunde des DFG Schwerpunktprogramms „Adaptation and Creativity in Africa“ (SPP 1448).

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Planungsebenen als auch die Nutzerinnen kontinuierlich einzelne Funktionsbereiche der Technik revidieren, begrenzen und erweitern. Wenn ich hier die Vermessung der Nützlichkeit und Leistungsfähigkeit der Schnelltests angesprochen habe, dann beziehe ich mich damit auf das Konzept der Koproduktion von Wissenschaft und Gesellschaft (Jasanoff 2004). Ein diesem Ansatz zu Grunde liegendes Methodenprinzip zielt auf die symmetrische Behandlung von Wissensformen über Natur, Kultur und Technik. Auf den Fall der Schnelltests angewendet, kann ein Problemaufriss wie folgt aussehen: Eine Frage, die ich den Beteiligten auf allen Entwicklungs- und Anwendungsebenen gestellt habe, lautete, ob man behaupten könne, dass ein Schnelltest funktioniert habe, wenn beispielsweise einem negativen Testergebnis in den Anschlusshandlungen nicht Folge geleistet würde. Abgesehen davon, dass diese Frage in verschiedene Richtungen beantwortet wurde, bestand eine Tendenz darin, eher mit ja zu antworten, je weiter der- oder diejenige vom eigentlichen Nutzerbereich entfernt war. Die Begründung lautete, dass zwar die Technik funktioniere, die Fallbehandlung (case management) durch den jeweiligen Verantwortlichen jedoch mangelhaft sei. Was sich nun in Bezug auf die symmetrische Beziehung von Technik und Gesellschaft ablesen lässt, ist die implizite Trennung eines technischen Funktionsfeldes von der Sozialität des Umgangs und der Verwendung der Schnelltests. Der Versuch, diesen symmetrischen Ansatz in meiner Arbeit produktiv zu machen, zeigt sich am deutlichsten in der Diskussion all jener Phänomene, die in der Biomedizin mit dem Konzept der (non-)adherence bezeichnet werden. Dieses populäre Konzept der Regimetreue (adherence) bzw. der Nichteinhaltung oder Nichtübereinstimmung (non-adherence) wird in den ersten drei Kapiteln der Arbeit durchleuchtet. In vereinfachender Weise werden mit diesem Konzept verschiedene Formen, Intensitäten und Motivationen, die den Umgang mit Technik begleiten, ausschließlich als unerwünschte ‚Abweichungen‘ von einer Norm pathologisiert. Diese Art der Problematisierung wird dann auch vorschnell normativen Bedeutungsdichotomien wie richtig/falsch, gut/schlecht, gesund/schädlich untergeordnet. Im Gegensatz hierzu unternimmt meine Arbeit einen ausgedehnten Versuch, nicht nur die Vielschichtigkeit der Phänomene und Ursachen hervorzuheben, sondern auch einen passenderen Begriffsapparat zu bemühen, der den möglichen Divergenzen zwischen den Testergebnissen und den sich anschließenden Handlungen gerechter wird.

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Mukono Distrikt: Da ich einen Großteil meiner empirischen Feldforschung im Mukono Distrikt durchgeführt habe, möchte ich hier eine kurze Charakterisierung und Verortung dieser Verwaltungsregion voranstellen. Mukono Distrikt, mit seiner gleichnamigen Distrikthauptstadt bzw. seinem Verwaltungszentrum Mukono Municipality, schließt sich unmittelbar an den Hauptstadtdistrikt Kampala an und zählt darum zur Zentralregion von Uganda.14 Die gegenwärtige Bevölkerung von Mukono wird Ende 2014 auf fast 600.000 Einwohner geschätzt (UBOS 2014). Dabei handelt es sich um einen der älteren Distrikte, dessen administratives Verantwortungs- und Einzugsgebiet während verschiedener Dezentralisierungsreformen immer wieder durch Neugründung anderer Distrikte wie z.B. Kayunga Distrikt (2000) und Buikwe Distrikt (2009) verkleinert wurde. Der Distrikt teilt sich somit heute in die drei verbleibenden Sub-Distrikte Mukono-Nord, Mukono-Süd und Nakifuma auf. In der östlichen Teilregion des Buganda Königreichs ist die lokale Sprache Luganda. Wenn ich im Fortgang der Arbeit die Aufzählung musujja/Malaria/Fieber oder musujja/Malaria verwenden werde, dann ist dies als Ausdruck einer Kompromisshaltung zu lesen. Auf Luganda bezeichnet musujja Erkrankungen, in denen erhöhte Temperatur oder Fieber eine Rolle spielt (Nsungwa-Sabiiti et al. 2004). Noch genauer bezeichnet musujja gw’ensiri etwa, ‚Temperatur durch Moskitos‘ und referiert auf einen Symptomkomplex, der sich mit dem biomedizinischen Konzept von Malaria überschneiden kann, aber nicht muss. Meine Aufzählung dient somit einerseits der Aufrechterhaltung dieser Unterschiede zwischen den Krankheitskonzepten. Gleichzeitig betone ich damit deren Gemeinsamkeit, sofern alle drei Begriffe die semiotische Grundlage bilden, auf der Pflegerinnen in den Einrichtungen einen Schnelltest durchführen. Trotz der Nähe zur Hauptstadt (Abb. 7) ist Mukonos Bevölkerung, wie die vieler anderer Distrikte, vorrangig dem ländlichen Siedlungsmuster zuzurechnen, was zur Folge hat, dass über 80% der Distriktfläche landwirtschaftlich genutzt wird. Auch wenn ein Großteil der Landwirtschaft aus Subsistenzzwecken betrieben wird, sind Zucker- und Teeplantagen die größten kommerziellen Anbauzweige im Distrikt. Der Anbau kommerzieller Agrarprodukte ist ebenfalls ein Grund, wodurch Mukono Ziel innerstaatlicher Migrationsbewegungen ist. Danach verdingen sich Bewohner

14 Uganda ist insgesamt in vier Regionen unterteilt, zu denen neben der Zentralregion, die West-, Ost- und Nordregion zählen.

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aus dem Norden Ugandas als Tagelöhner auf den Plantagen (HLG Statistical Abstract 2009). Da sich die gesamte südliche Breite des Distrikts am Ufer des Viktoria Sees entfaltet, bildet die Fischerei ebenfalls eine zentrale ökonomische Aktivität vieler Bewohner Mukonos. Abbildung 7: Regionale Aufteilung Ugandas und Lage vom Mukono Distrikt

Quelle: www.jmstanton.com/diane/Pages/Uganda_2007/ucu_uganda_2007.htm

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Das Gesundheitswesen von Mukono Distrikt verfügt über ein kostenpflichtiges Krankenhaus (Naggalama Hospital unter katholischer Trägerschaft), einer weiteren kostenpflichtigen HC-IV Einrichtung (protestantische Trägerschaft) und die staatliche Mukono HC-IV Einrichtung, die, als Teil des öffentlichen Sektors, ihre Dienstleistungen kostenfrei zur Verfügung stellt.15 Zu den weiteren staatlichen Einrichtungen zählen 13 HC-III Einheiten und 21 HC-II Einheiten. Da keine offiziellen Statistiken bezüglich des Umfangs von kleineren privaten Einrichtungen existieren, zitiere ich an dieser Stelle die Daten der Tageszeitung The Daily Monitor. Danach gibt es in Mukono Distrikt 85 private Kliniken, 320 registrierte Apotheken und 25 Geburtshäuser.16 Es ist allerdings anzunehmen, dass die Anzahl der Apotheken wesentlich höher ist, da vor allem in den ländlichen Regionen eine Vielzahl kleinerer Läden existiert, die ebenfalls eine ganze Reihe von Medikamenten in ihrem Sortiment führen.

15 HC ist die in Uganda gebräuchliche formelle Abkürzung für Health Center, was ich mit Gesundheitseinrichtung oder einfach nur Einrichtung übersetzen werde. Die römischen Zahlen II, III und IV indizieren einen ansteigenden Spezialisierungsgrad, an dessen Ende Krankenhäuser als höchste Spezialeinheit stehen. Im Fortgang der Arbeit werde ich in Ermangelung eines besseren Ausdrucks von höheren (Gesundheits-)Einrichtungen sprechen, dabei beziehe ich mich auf HC III, HC IV und Krankenhäuser. HC II werde ich als einfache Einrichtungen oder als ‚Einrichtungen-II‘ bezeichnen (engl. lower-level faciclities). 16 Siehe: www.monitor.co.ug/SpecialReports/Mukono-The-King-s-hand/-/688342/ 2143658/-/item/0/-/a5iasnz/-/index.html, Stand 23.03.2017.

3. Jenseits von Malaria: Versorgungspraktiken und Schnelltests

Im Folgenden geht es um das Verhältnis zwischen Schnelltests und dem Zugang zu Medikamenten. Die Problematisierung von Zugang in Global Health ist dabei nicht von den Verwicklungen der HIV/Aids Krise zu trennen. Zugang bezeichnete darin sowohl die Krisenhaftigkeit von Gesundheitssystemen stark betroffener Länder als auch das (Er-)Lösungspotenzial, das sich über den Einsatz westlicher Pharmazeutika versprochen wurde (Hardon & Dilger 2011, Reynolds-Whyte et al. 2004, aus gesundheitswissenschaftlicher Perspektive Frost & Reich 2008). In dieser breiten Rahmung referiert Zugang auf infrastrukturelle, ökonomische, soziale, politische als auch moralische Voraussetzungen und Effekte, in denen Beteiligte, aber vor allem Betroffene, häufig in mehrfacher Weise verstrickt sind. Wenn man nun fragt, wie sich der Zugang zu Medikamenten innerhalb der Malariabehandlung vollzieht, wird schnell ersichtlich, dass dem Pflegepersonal in den Einrichtungen eine regulative Funktion zukommt, die ich im Folgenden als Pförtnerfunktion bezeichnen werde. Auf der Grundlage spezifischen Wissens über die Krankheitsursachen sollen Pflegerinnen Patientinnen adäquate Medikamente verschreiben. Behandelt man die Einführung der Tests als einen Teil des Zugangsproblems, dann kann davon ausgegangen werden, dass die Kompetenzen der Pflegerinnen offensichtlich nicht mehr ausreichen, um dieser facettenreichen Aufgabe gerecht zu werden. Mit den Schnelltests taucht somit eine zusätzliche Pförtnertechnik auf und wird den Pförtnerfunktionen des Pflegepersonals zur Seite gestellt. Die Frage ist danach, wie sich die Beziehung zwischen diesen beiden Pförtner-

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funktionen gestaltet, sofern angenommen werden muss, dass Pflegerinnen ihr Handeln dem Urteil der Schnelltests unterordnen bzw. anpassen sollen. Um die Frage zu beantworten folge ich der Annahme, dass sich die Vergabe von (Malaria-)Medikamenten im ländlichen Uganda nicht ausschließlich auf Grundlage biomedizinischer Handlungsprotokolle vollzieht. Was ich als Versorgungspraktiken bezeichne, rekurriert auf soziale, infrastrukturelle und ökonomische Aspekte, die auch jenseits der unmittelbaren Krankheitsmanifestation im Medikamentenzugang eine Rolle spielen. Bei Versorgungspraktiken handelt es sich um einen integrativen Teilaspekt der jahrelang praktizierten Verdachtsbehandlung. Im Unterschied zur Verdachtsbehandlung und den darin eingelassenen Versorgungspraktiken sollen die Schnelltests die Vergabe von Malariamedikamenten ausschließlich an den Nachweis von Parasiten koppeln. Es kann nun ein Aufeinandertreffen unterschiedlicher Versorgungs- und Vergaberationalitäten beobachtet werden, die von den Beteiligten immer wieder ineinander übersetzt werden müssen. Analysiert werden soll welche Kompetenzen und welches Wissen dann für eine erfolgreiche Übersetzung notwendig sind? Wann werden die Testergebnisse geltend gemacht und wann werden sie möglicherweise überstimmt? Wie unterscheidet sich das Versorgungswissen der Pflegerinnen (aber auch der Patientinnen) vom biomedizinischen Krankheitswissen der Tests? Welche Verantwortungslogiken sind der Verdachtsbehandlung und der parasitenbasierten Diagnose eingeschrieben? Um zu verstehen, worum es sich bei Versorgungspraktiken genau handelt, gehe ich kurz auf die oft konfliktreiche und komplexe Integration von Medikamenten im privaten und öffentlichen Sektor ein.

3.1 D ER P REIS

DER

S ELBSTVERSORGUNG

Der Zugang zu Malariamedikamenten in Uganda scheint auf den ersten Blick wenig problematisch. Dies gilt allerdings nur, wenn neben den öffentlichen Gesundheitseinrichtungen auch das dichte Netz an formell und informell betriebenen Drogerien (drug shops oder umgangssprachlich clinics) hinzuzählt. Es kann davon ausgegangen werden, dass Drogerien über mehrere schmerz- und fiebersenkende Mittel, sowie mindestens ein Malariamedikament, verfügen, das häufig jedoch in verschiedenen Ausführungen an-

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geboten wird (Adome et al. 1996, McCombie 1996). Schätzungen zufolge werden mehr Fieberepisoden im privaten Sektor behandelt als im öffentlichen Sektor (Littrell 2011). Bei einer Großzahl der Kundschaft in Drogerien handelt es sich ebenfalls um Patientinnen öffentlicher Einrichtungen. Drogerien werden entweder als erste, ergänzende oder als nachsorgende Behandlungsoption aufgesucht bzw. mit den Behandlungsresultaten staatlicher Einrichtungen kombiniert (Goodmann et al. 2007). Die Nutzungsformen privater Einrichtungen können also in der ein oder anderen Weise auf Behandlungen bzw. die Behandelbarkeit von Krankheiten in den öffentlichen Einrichtungen zurückwirken. Im hier interessierenden musujja-/Fieber-/Malariaverdachtsfall ist die Selbstmedikation mit käuflich erworbener Medizin eine weit verbreitete, weil nicht selten am schnellsten verfügbare Behandlungsform (McCombie 2002, Nuwaha 2002). Wie ich ausführlich weiter unten besprechen werde, hat Selbstmedikation weitreichende Folgen für die Feststellbarkeit der Krankheitsursache in den Gesundheitszentren. Neben diesen eher konfliktträchtigen Beziehungen lassen sich aber auch immer wieder synergetische bzw. ergänzende Kooperationsformen beobachten. So sind Pflegerinnen dazu angehalten, Patientinnen ein Rezept auszustellen, was den Kauf der richtigen Medikation in einer Drogerie gewährleisten soll.1 Ein weiteres Phänomen, dem ich während meiner Feldforschung begegnet bin, steht ebenfalls in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verwendung der Schnelltests. Danach wurde mir sowohl von Pflegerinnen als auch von Verkäuferinnen immer wieder berichtet, dass Patientinnen Drogerien nach einer Konsultation im öffentlichen Sektor aufsuchen, weil sie unzufrieden mit dem Service sind bzw. sich mit einem negativen Testergebnis nicht adäquat behandelt wähnen.

1

Das Verschreiben eines Rezeptes in Verbindung mit dem Hinweis, die Medizin im privaten Sektor zu erwerben, ist entweder Ausdruck eines Versorgungsengpasses (Stock-out) mit dem jeweiligen Medikament. Oder das verschriebene Medikament ist generell nicht Teil der essential drug list, nach der Einrichtungen der Grundversorgung in Uganda ausgestattet werden, siehe auch Liste unentbehrlicher Medikamente, siehe www.who.int/medicines/services/essmedi cines_def/en (Stand 20.03.2017). Dabei liegt die Vermutung nahe, dass das Ausstellen eines Rezeptes von Patientinnen auch dafür genutzt werden kann, um einen eventuellen Rabatt auf die Medizin in privaten Einrichtungen zu erhalten.

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Wie bereits erwähnt, sind Artemisinin-Kombinationstherapien (ACTs bzw. Coartem) seit 2006 die offiziell empfohlene und auch am häufigsten verfügbare Erstbehandlung in staatlichen Gesundheitseinrichtungen. Der Wechsel blieb jedoch nicht nur auf den öffentlichen Sektor beschränkt, sondern vollzog sich ebenso im privaten Sektor und wurde auch hier durch internationale Subventionsprogramme (z.B. Affordable Medicine Facility malaria (AMFm) 2012-2014) gefördert. Zwar lassen sich neben klassischen Medikamenten wie beispielsweise Quinine bis heute auch ältere und als weitgehend ineffektiv deklarierte Medikamente wie Chloroquine (CQ) und Sulfadoxine-Pyrimethamine (SP) in vielen Drogerien finden. Im Gegensatz zur exzessiven Verbreitung dieser Mittel während der 70er bis 90er Jahre werden Medikamente dieser Klasse heute jedoch immer weniger gebzw. verkauft. Neben einer höheren und effektiveren Wirksamkeit unterscheidet sich Coartem/ ACTs von den älteren Mitteln in zwei, die Selbstmedikation stark beeinflussenden Faktoren. Zum einen übersteigen die Kosten von Coartem den Preis älterer Optionen um ein Vielfaches. Die Preise für Coartem in den Drogerien in Mukono Distrikt liegen zwischen 1,40 und 4 Euro. Eine Dosis Chloroquine hingegen kostet zwischen 0,20 und 0,60 Euro und Sulfadoxine-Pyrimethamine zwischen 0,60 und 1,4 Euro. Auf einen Effekt dieses Kostenanstiegs verweist die Wahrnehmung eines Pflegers einer staatlichen Einrichtung: Alex: „I think you meant that the drugs are now more expensive in pharmacies and clinics? Well, for me I think the more expensive drugs become in clinics and pharmacies, the more people want to come to health centers and pretend that they are sick so that they can get drugs to keep at home.“ 2

Neben den höheren Kosten basiert die Verwendung von Coartem aber auch auf einem komplexeren Einnahmeregime. Danach müsste eine erwachsene Person zweimal täglich (im Abstand von acht Stunden) jeweils vier Tabletten über drei Tage einnehmen (insgesamt 24 Tabletten). Die Vergleichsdosis Chloroquine beträgt je nach pharmakologischer Zusammensetzung zwi-

2

So nicht anders gekennzeichnet handelt es sich bei den Zitaten um Aussagen von Informanten, die diese während meiner teilnehmenden Beobachtung bzw. während Interviews und Fokusgruppendiskussionen gemacht haben.

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schen 8 und 10 Tabletten, wobei sechs Stunden nach der ersten Dosis und im Anschluss 24 Stunden bzw. 36 Stunden später jeweils 2 Tabletten eingenommen werden. Die nun über zehn Jahre währende Versorgung mit Coartem im öffentlichen Sektor ist dabei nicht ohne Spuren der Gewöhnung und des Vertrauens in weiten Teilen der Patientinnenschaft abgelaufen. Dass verbreitete Wissen vieler Patientinnen um die hohe Wirksamkeit von Coartem – bei weitest gehender Abwesenheit unliebsamer Nebeneffekte – äußert sich ebenso in den Drogerien. Auch hier haben Patientinnen das Bedürfnis, ein möglichst starkes bzw. effizientes Medikament zu erwerben. Diese hier nur angedeuteten vielschichtigen Verwicklungen zwischen antizipierter Wirksamkeit und höheren Kosten haben nun aber auch weitreichende Folgen für die Form der Selbstbehandlung. Bei der anschließenden ethnographischen Sequenz handelt es sich um eine Beobachtung, die ich, gemeinsam mit meiner Übersetzerin, in einer privaten Drogerie machen konnte: During our interaction, the drug shop owner, Samuel, talked of people in this area being so poor that they can’t even afford to buy a full dose of Coartem. Drug shop operators have tried to educate the people about the risks of taking fewer drugs, but their customers don’t accept this. „One can even come here to buy one tablet of Coartem, because that is all the money they have,“ Samuel explained. Almost as proof of this, something like 30 minutes after she made this statement, an elderly woman walked into the shop and complained about having musujja (malaria). Samuel asked her when she started feeling like that. The woman said yesterday, and that she had not yet taken any medication: „You are going to give me 6000 USH (c. $2) for the medication,“ Samuel told her. The woman laughed: „But I have only 2000 USH (c. 85 cents), just give me the tablets worth that.“ Samuel responded: „But it’s not enough!“ The customer just kept quiet and paid for the eight tablets that Samuel eventually gave her.3

Die in der Interaktion angedeuteten Verwicklungen lassen schlussfolgern, dass der Erhalt von 24 kostenlosen Tabletten in öffentlichen Gesundheitseinrichtungen eine durchaus lohnenswerte Handlungsoption bildet. Für Pa-

3

USH ist die offizielle Abkürzung für Ugandan Shilling. Innerhalb der letzten vier Jahre entsprachen 3.500 USH etwa einem 1 Euro.

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tientinnen stellt sich somit die weitreichende Frage, wie der Zugang zu Coartem gesichert werden kann, obwohl das Medikament neben dem Pflegepersonal zusätzlich von Schnelltests ‚bewacht‘ wird.

3.2 V ERSORGUNGSENGPÄSSE Die Frage, wann Pflegerinnen einen Test verwenden sollten und von welchen Umständen dies alles abhängt, verweist auf eine komplexe und nicht immer eindeutige Sachlage. Grundsätzlich hängt die Verwendung von der haptischen und quantitativen Verfügbarkeit der Tests ab, denn selbstredend können die Tests nur verwendet werden, wenn sie auch vorrätig sind. Verfügbarkeitsengpässe bei Global Health Programmen werden in der Sprache der ökonomisierten und rationalisierten Logistik auch als Stock-outs bezeichnet (Christopher 2005). Innerhalb der medizinischen Versorgung bezeichnen Stock-outs den Ausverkauf oder Engpass von Medikamenten, technischen Materialen und Gerätschaften, wie z.B. Schnelltests. Das Zustandekommen von Stock-outs verweist auf eine organisationale Gemengelage, in der sich individuelle, lokale, (il-)legitime Verschreibe- und Verwendungspraktiken mit standardisierten und rationierten globalen Versorgungsmustern auf konfligierende Weise kreuzen (Park 2014). Auch wenn Stock-outs von Medikamenten innerhalb der ugandischen Grundversorgung nichts Neues sind, wurden diese Versorgungsengpässe in den letzten Jahren, jedoch spätestens seit der Verfügbarkeit von HIV Medikamenten, zusätzlich als Ausdruck einer Krisenhaftigkeit vieler afrikanischer Gesundheitssysteme skandalisiert (Park 2013). In älteren Ethnographien zum Gebrauch und zur Verfügbarkeit von Pharmazeutika wurde jedoch häufiger ein Phänomen beschrieben, wonach sich die Nachricht über eine neue Medikamentenlieferung – meistens nach wochenlangen Stock-outs – mit hoher Geschwindigkeit in den umliegenden Gemeinden verbreitete (ReynoldsWhyte & Birungi 2000, Van Der Geest 1987). Diese Informationsübermittlung bewirkte einen intensiven Patientinnenansturm auf die Einrichtungen in den darauffolgenden Tagen und Wochen.4

4

Der Ansturm führte zu einer raschen und konzentrierten Vergabe kostenloser Medikamente, was, einem Kreislauf gleich, relativ zügig neue Stock-outs verur-

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Während meines Forschungsaufenthalts zwischen Mai und August 2013 meldete die Mehrzahl der Einrichtungen II und III in Mukono Distrikt Stock-outs von Schnelltests. Ein Grund bestand darin, dass die vom Logistikzweig des Gesundheitsministeriums (National Medical Stores) errechnete Standardquantifizierung für Einrichtungen-II und -III 1000 Tests für einen zweimonatigen Versorgungszyklus vorsah. Seit Beginn der landesweiten Verwendung (seit ca. Mai 2012) erhielten die Einrichtungen jedoch lediglich 400 Tests. Die zunehmend sichere Verfügbarkeit von Coartem brachte es aber mit sich, dass die meisten Einrichtungen kontinuierlich stark von einer hohen Anzahl von Patientinnen frequentiert wurden. Dies führte dazu, dass einige Gesundheitszentren bereits nach vier Wochen Stock-outs von RDTs verzeichneten, was die meisten Pflegerinnen dazu zwang, erneut die klinische Diagnose zu praktizieren. Diese Rückkehr zur klinischen Diagnose resultierte in den von mir untersuchten Einrichtungen in einem signifikanten Anstieg bei der Vergabe von Coartem. Dieses verstärkte Verschreiben von Coartem führte letztlich erneut zu Stock-outs von Malariamedikamenten. Das Wissen über Stock-outs von Schnelltests bleibt jedoch nicht lange auf die Angestellten der jeweiligen Einrichtung beschränkt, sondern verbreitet sich ganz ähnlich dem Wissen um neue Medikamentenlieferung schnell in den umliegenden Gemeinden. Die anschließende Sequenz entstammt einer Fokusgruppendiskussion, in der Pflegerinnen Konsequenzen der Stock-outs von Schnelltests diskutieren: Lydia: „Oohh, they [patients] come in big numbers“ [laughter] Alex: „They usually say: ‚In that place they no longer prick. So you can go there.‘“ Lydia: „Sometimes they ask their colleagues on the way: ‚Do they still have those small things that prick?‘ And if they tell them that we don’t have, they come.“

sachte. Auch wenn Stock-outs heute weniger häufig vorkommen dürften als noch vor ein paar Jahren, fand ich vorrangig gegen Ende eines Versorgungszyklus immer wieder verlassen wirkende Einrichtungen vor, in denen gelangweilte Pflegerinnen die Abwesenheit von Patientinnen mit der Abwesenheit von Medikamenten begründeten.

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Versorgungsengpässe, hier verstanden als Störungen innerhalb der Logistikinfrastruktur, werden somit von einem Teil der Patientinnenschaft als Möglichkeit genutzt, die Pförtnerfunktion der Schnelltests zu umgehen. Hinter diesen Handlungen verbergen sich unterschiedliche Gewichtungen innerhalb des Zugangs zu Medikamenten. Danach wird angenommen, dass Pflegerinnen alleine – ohne Schnelltests – einen einfacheren bzw. wahrscheinlicheren Zugang zu Medikamenten versprechen, als es die Kombination Pflegerinnen/Schnelltests erlaubt. Auch wenn Patientinnen ihre Zugangschancen ohne Tests unterschiedlich bewerten, sehen sie sich noch immer den Pförtnerkapazitäten des Gesundheitspersonals gegenüber. Die dadurch notwendig werdenden Aushandlungen können als Teilbereich all jener Phänomene gefasst werden, die in ugandischem Englisch unter dem Begriff der opportunities bzw. Gelegenheiten subsumiert werden. Gelegenheiten referieren auf spontane Situationen, in denen beispielsweise Passanten, Boda-Boda Fahrer (lokales Motorradtaxi) oder Verwaltungsbeamte Gesundheitseinrichtungen aufsuchen. In den Worten eines Nutzers öffentlicher Gesundheitsdienstleistungen klingt dieser Sachverhalt wie folgt: „Sometimes you are just passing the health centre and you know that you will take longer to pass by this place again. So you just go and pretend so that you get some medicine.“ Das Aufsuchen einer Einrichtung ist dann weniger Ausdruck eines tatsächlichen Krankseins als vielmehr Teil einer sich spontan, aus anderen sozialen oder infrastrukturellen Umständen ergebenden Gelegenheit. Man kann darin ebenfalls ein Indiz erkennen, wonach Malaria genau darum eine Alltagskrankheit ist, gerade weil davon ausgegangen wird, dass man selbst oder ein Familienmitglied früher oder später erneut daran erkranken wird. Die pragmatische Geste, die in der Aussage etwas lapidar als Vortäuschen („pretend“) bezeichnet wird, verweist nun aber auf den wichtigen Umstand musujja/Fieber/Malaria überhaupt vortäuschen zu können. Die sowohl sprachliche als auch körperliche Darstellung von Abgeschlagenheit und Mattheit scheint dabei gut vereinbar mit den eher zurückhaltenden und vorsichtigen Interaktions- und Kommunikationsmodi während Konsultationen. Denn aufgrund dieser Sparsamkeit können Konsultationsinteraktionen umgekehrt als Ausdruck von Ermattung und Erschöpfung erscheinen. Allerdings beschränken sich Praktiken des Vortäuschens nicht allein auf die Darbietung passiver Haltungen, sondern können, gerade in Situationen, in denen Schnelltests verfügbar sind, auch einen insistierenden Charakter annehmen.

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3.3 I NSISTIEREN

ALS ADAPTIVE

P RAXIS

Patient: „I just pretend like I am so sick and I am in desperate need of treatment and I don’t even have any energy to go to another health centre. So even if they test me and they see the results are negative I insist and pretend that I am dying and they will give it to me whether they like or not.“

Wie die Aussage bestätigt, artikulieren Patientinnen durch nachdrückliches und explizites Insistieren ihre Erwartungen, Enttäuschungen und Frustrationen über den sich anbahnenden oder bereits verordneten Behandlungsausgang. Dies geschieht vorrangig in solchen Momenten, in denen ersichtlich wird, dass keine kostenfreien Malariamedikamente verabreicht werden. Ein Insistieren entfaltet sich auf verschiedenen Ebenen: Insistiert werden kann sowohl auf der Existenz der Krankheit (z.B. trotz eines negativen Testergebnisses), unabhängig davon, ob die Krankheit tatsächlich vorliegt oder nicht. Insistiert wird aber auch auf Medikamente selbst wenn für alle Beteiligten offenkundig ist, dass keine Krankheit unmittelbar vorliegt. Während diese beiden Bedeutungsebenen in der Verdachtsbehandlung untrennbar miteinander verschränkt sind, erlaubt es die parasitenbasierte Diagnose, diese Ebenen stärker voneinander zu trennen. Anders formuliert: Im Unterschied zur Verdachtsbehandlung können Pflegerinnen unter Bezugnahme auf die Tests musujja/Malaria als Symptomursache explizit ausschließen. Aller Wahrscheinlichkeit nach haben Patientinnen bereits vor der Einführung der Tests bestimmten Forderungen Nachdruck verliehen. Gleichwohl ist der negative Nachweis von Malaria als ein unmittelbar an die Verwendung der Technik gebundenes Phänomen zu deuten. Das im Insistieren aufkeimende Infrage stellen sowohl der Kompetenz der Tests als auch der Expertise der Pflegerinnen wird an verschiedenen Stellen der Arbeit noch ausführlicher behandelt. Hier sei nur soviel gesagt, dass es sich bei einem negativen Nachweis um einen neuen Erfahrungs- und Erkenntnisraum handelt, in dem die Einrichtungen einer Rekonfiguration ausgesetzt sind, die allen Beteiligten neue Qualifikationen abverlangt. Das Insistieren auf Medikamenten ohne Krankheit zielt somit auf eine Komplizenschaft zwischen Pflegerinnen und Patientinnen ab. In einer ‚Flucht nach vorn‘ suchen Patientinnen unter anderem Anschluss an das Gewissen und Wissen des Gesundheitspersonals mit der impliziten Annahme, dass diese doch eigentlich um die schwierige Versorgungslage wissen müssten. Je

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nach Verlauf und Form der Argumentation konnte ich beobachten, dass Pflegerinnen sich durchaus immer wieder nachsichtig gegenüber diesen Formen des Insistierens zeigten. Wie der folgende Diskussionsausschnitt zeigt, kann ein Insistieren auch als Ausdruck spezifischer Notlagen (wie z.B. ‚Tablettenschulden‘) gedeutet werden. Patient 3: „For example, you fall sick and you don’t have medicine in the house, so you ask your neighbour if they have some Coartem and they give you maybe two tablets or whatever they have and then you promise them that you are going to the health centre and that if they give you medicine, you will pay back their tablets. […]“ Q: You mean sometimes you borrow Coartem from neighbours and you pay it back? Patient 4: „We do that often. Why do you think that people insist to get medicine when they go to the health centre? Because sometimes you have a debt with your neighbour. You took their Coartem and you must pay it back. So when the health worker refuses to give it to you, it is a big problem.“

Diese Schilderungen der Patientinnen verweisen nun auf einige zentrale Aspekte innerhalb des Zugangs zu kostenfreien Medikamenten. Danach wird der Verfügbarkeit von Medikamenten in privaten Haushalten ein hoher Nützlichkeitswert zugewiesen (Kamat 2009). Nützlich sind Medikamente in dieser Form aber auch, weil sie nicht nur für ein Individuum verwendet, sondern an die Verwandtschaft oder Nachbarschaft weitergereicht werden können. In dieser Form der Vorsorge drückt sich eine Alltagspragmatik gegenüber musujja/Malaria/Fieber aus, in welcher der Haushalt implizit zum ersten Ort der Behandlung deklariert wird. Aus meiner empirischen Erfahrung vermute ich, dass das Teilen und Borgen von Tabletten mit der erhöhten Anzahl einzunehmender Tabletten in Verbindung steht. Dass Patientinnen recht selten alle 24 Coartem Tabletten einnehmen, macht diese Form des Rationierens zu einer fruchtbaren Quelle für zukünftige Krankheitsepisoden. Von Pflegerinnen wurde diese Rationierungspragmatik als „first-aid“ bzw. Erste-Hilfe bezeichnet. Einerseits deutet diese Bezeichnung auf eine grundsätzliche Anerkennung dieser Form des Vorbereitetseins hin, nicht zuletzt weil davon ausgegangen werden kann, dass ein Großteil der Pflegerinnen ebenfalls über eine private, wie auch immer bestückte Hausapotheke verfügt. Anderseits ist die Bezeichnung als indirekter Verweis auf Struktur-

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und Organisationsprobleme innerhalb des öffentlichen Gesundheitsservice zu verstehen. Hausapotheken reflektieren immer auch die unzuverlässigen und schlechten Zugangsmodalitäten zur staatlichen Krankenversorgung. Die ironische Formulierung eines Patientinnen fasst die Problematik wie folgt zusammen: „For me another reason I prefer clinics [private drug shops] is, you are most likely to get someone to attend to you no matter what time you go there. But for the health centres, you only have to fall sick at particular times of the day. The government does not expect us to fall sick anytime just like that.“ Das Auftreten von Symptomen am späten Abend, in der Nacht oder an Wochenenden, in Kombination mit stark begrenzten Öffnungszeiten und einem wenig verbreiteten Bereitschaftsdienst in den öffentlichen Einrichtungen machen Erste-Hilfe Medikamente zu einer bedeutsamen Versorgungs- und Vorsorgepraktik. Auch wenn Formen des Insistierens nicht immer von Erfolg gekrönt sind, zielen sie doch zusätzlich auf einen Kompetenzbereich ab, in dem sich Pflegerinnen als Gesundheitsexpertinnen verorten. Ein zu starkes Beharren der Pflegerinnen beispielsweise auf der Gültigkeit eines negativen Testergebnisses kann sich aus lokaler Perspektive oftmals abträglich auf deren Ruf als Gesundheitsexpertinnen auswirken. Pflegerinnen laufen somit immer auch Gefahr, sich nicht nur unmittelbaren Beleidigungen, sondern auch zeitlich versetzten Verleumdungen und rufschädigenden Gerüchten auszusetzten. So sind es vor allem Denunziationen unzufriedener Patientinnen, die von Beamtinnen der Lokal- und Distriktverwaltung potenziell sanktionierend zum Gesundheitspersonal zurückgetragen werden. Die Denunziationen beziehen sich dabei vorrangig auf Szenarien, in denen Pflegerinnen Medikamente nicht verschrieben hätten, um diese in ihren privaten Drogerien/Apotheken angeblich zu verkaufen.5 Das Insistieren von Patientinnen auf den Erhalt von Medikamenten dringt nun aber auch in einen Bereich vor, in dem Schnelltests (lokale)

5

Dass das Verhältnis zwischen staatlichen Angestellten innerhalb lokaler Verwaltungseinheiten nicht immer konfliktfrei verläuft, werde ich weiter unten noch anreißen. Auch lässt sich davon ausgehen, dass die Denunziationen, die sich auf Veruntreuungen von z.B. Medikamenten beziehen, nicht gänzlich aus der Luft gegriffen sind. Während meiner Feldphasen wurde in den lokalen Printmedien regelmäßig über kleinere, aber auch skandalträchtige Fälle von Veruntreuung berichtet.

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Verantwortungszusammenhänge neu ordnen bzw. neu ausrichten. Ein Beharren auf einem negativen Testergebnis macht nun eine Verantwortungsverschiebung sichtbar, wonach es allein die Pflegerin wäre, die für die Richtigkeit der Entscheidung einsteht und haftet. Im Vergleich dazu werden bei der Verdachtsbehandlung Verantwortungsfragen in einer implizit kollaborativen Form sowohl räumlich als auch zeitlich in die Wirkungsmechanismen der Medikamente ausgelagert. Die potenzielle Unsicherheit, ob es sich bei der jeweiligen Symptomlage auch wirklich um musujja/Malaria handelt, verteilt sich in der Übereinkunft zwischen Pflegerin und Patientin, dass es sich bei musujja/Malaria auch immer um eine tödlich verlaufende Krankheit handelt. Anders formuliert: Wenn die Tests von den Pflegerinnen ein Handeln verlangen, in dem sie alleine die Verantwortung für die Gültigkeit des Ergebnisses übernehmen, dann unterscheiden sich Formen der Verdachtsbehandlung dadurch, dass darin Verantwortung stärker zwischen den Beteiligten verteilt ist. Die Verdachtsbehandlung erlaubt somit eine größere kollektive Absicherung bei der Hierarchisierung von Unsicherheit. Wenn Patientinnen danach auf der Anwesenheit der Krankheit bzw. dem Erhalt von Medikamenten insistieren, führen sie Pflegerinnen zugleich vor Augen, dass diese ihre Entscheidungskompetenz ausschließlich an eine Technik überantworten bzw. davon abhängig machen. Die Tests produzieren im Gegensatz zur Verdachtsverhandlung eine Öffentlichkeit und Sichtbarkeit innerhalb lokaler Verantwortungsökonomien, die allerdings nicht immer mit den Ungewissheiten und infrastrukturellen Entkopplungen des therapeutischen Kontextes kompatibel sind. Dieses Psychologisieren als Teil eines nachdrücklichen Insistierens durch die Patientinnenschaft, erfährt in der Wahrnehmung vieler Pflegerinnen eine ganz eigene Interpretation. Aussagen, in denen Pflegerinnen auf die „Ignoranz“ bzw. „geringe Bildung“ ihrer Patientinnenschaft verwiesen, können ebenfalls als Taktik gedeutet werden, diese Zwangslage als Teil der Alltagsroutine zu akzeptieren. Dieser Umstand deutet aber auch auf den zeitlichen und semantischen Aufwand hin, der notwendig wäre, um Patientinnen von der Gültigkeit eines negativen Testergebnisses zu überzeugen. Das Beispiel des Insistierens verdeutlicht, wie Patientinnen das Verhältnis, in dem sich Pflegerinnen und Schnelltests als zwei Zugangspförtner aufeinander verlassen müssen, mitbeeinflussen. Gerade, weil Patientinnen diese Möglichkeit haben, gehe ich im Gegenzug auch davon aus, dass Pflegerinnen ebenfalls Möglichkeiten aktivieren, auf diese Beziehung einzuwirken.

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Danach eröffnen sich den Pflegerinnen weitreichende Optionen, wie sie die Bedeutung und Relevanz der Tests und Testergebnisse an ihr lokales Experten- bzw. Versorgungswissen produktiv zurückbinden können.

3.4 V ERSORGUNGSWISSEN Mirembe: „Some of them we know. Especially those that stay around this area. Sometimes you may know people by face, but you really don’t know much about them. But you can tell even from the way the person looks and you know if they can afford transport or not. Some of them will tell you the village where they are coming from, and you can see that it is really far and they tell you that they came walking. Would you really go ahead and send them to Nagalama [next hospital], if you were the health worker? You cannot.“ Q: So that means that knowing them, for example the distance that they have travelled influences your treatment decisions. Is that so? Mirembe: „Yes of course. You also have to be human. If someone has travelled more than 5 kilometres coming here, and they will travel another 5 to go back, do you think they will be able to travel more?“

Die Aussage von Mirembe verweist auf gleich mehrere Phänomene, in die jede Behandlungssituation, in der Schnelltests verwendet werden, eingebettet ist. Neben dem sozioökonomischen Status der Patientinnen ist es vorrangig das komplexe Zusammenspiel aus Entfernung und Transportkosten, demgegenüber nicht nur Krankheit und Kranksein, sondern auch die Vergabe von Medikamenten verhandelt werden muss. Denn in der Entfernung zur nächsten Gesundheitseinrichtung und den jeweiligen finanziellen Möglichkeiten, sich Mobilität leisten zu können („afford transport“), verbinden sich eine Reihe krisenhafter und pragmatischer Elemente des Medikamentenzugangs. Der Verweis Mirembes, dass man auch menschlich handeln müsse („You also have to be human.“), bezieht sich dabei nicht nur auf die vermeintliche Notwendigkeit, formelle Protokolle zu verlassen, sondern verweist ebenfalls auf die Bedeutung soziotopographischen Wissens für die Vergabe von Medikamenten. Menschlich Handeln heißt in diesem Fall – und im Unterschied zu technischem Handeln –, diese Zugangsschwierigkeiten zu berücksichtigen und eventuell Medikamente zu verschreiben, auch wenn der Test negativ anzeigt.

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Das Wissen um die Mobilitätsproblematik, schließt in Mirembes Fall auch das Überweisungssystem mit ein („and send them to Nagalama“).6 Zwar wird auch in der Gebrauchsanleitung der Schnelltests darauf verwiesen, dass Pflegerinnen negative Fälle mit unklarer Differentialdiagnose an die nächst höhere Einrichtungseinheit überweisen sollen. Bevor Mirembe aber ihrer Patientinnenschaft dadurch entstehende zusätzliche Kosten aufbürdet, würde sie zunächst die stärksten Medikamente verschreiben, über die sie in ihrer Einrichtung verfügt (z.B. Coartem oder Antibiotika). Aus Erfahrung weiß Mirembe eben auch, dass Patientinnen Überweisungen nicht zwingend und auch nicht unmittelbar wahrnehmen, sondern zunächst – oder erneut – ihr Glück im privaten Sektor versuchen würden.7 Neben Distanz- bzw. Mobilitätsaspekten haben auch häusliche bzw. familiäre Konstellationen immer wieder weitreichenden Einfluss darauf, wie sehr Pflegerinnen negative Testergebnisse bei der Medikamentenvergabe geltend machen. Eine mehrfach beobachtete Verwirrung, die Pflegerinnen nicht selten als Ärgernis empfanden, waren Konsultationen von (Klein-)Kindern ohne Begleitung eines Vormunds. Pflegerinnen äußerten hierbei Bedenken über die Informationsqualität und Verlässlichkeit des Krankheitsnarrativs der Kinder. Auch für die Vermittlung des Dosierungswissens wurde ein potenzieller Informationsverlust befürchtet. Während der Anamnese erkundigten sich Pflegerinnen zusätzlich nach dem familiären Status der Kinder. Nicht selten stellte sich dabei heraus, dass es sich um Waisenkinder handelte (z.B. Aidswaisen), die bei ihren Großeltern oder Verwandten lebten. Entweder aus gesundheitlichen Gründen oder aus Vernachlässigung konnten und wollten die Erwachsenen keine Kosten auf sich nehmen, sodass immer wieder Kinder alleine in die Einrichtungen ge-

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Wie weiter unten gezeigt wird, sind die meisten Pflegerinnen häufig selbst infrastrukturellen Dilemmata ausgesetzt. Hier möchte ich lediglich darauf verweisen, dass das Problem der Mobilitätskosten und Distanzen auch durchaus in westlichen Kontexten zu beobachten ist, hier allerdings vorrangig in ländlichen Gebieten.

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Wahrscheinlich in Abhängigkeit vom Vertrauen in und von der Erfahrung mit staatlichen Gesundheitseinrichtungen folgen viele Patientinnen der pragmatischen Überlegung, die Kosten, die für den Transport in die nächst höhere Einrichtung anfallen würden, doch zunächst in Medikamente zu investieren, die im privaten Sektor erworben werden können.

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schickt werden.8 Eine ähnliche Konstellation bietet sich bei Müttern, die die Einrichtungen mit nur einem (oder zwei) ihrer Kinder aufsuchen. Dass diese zusätzliche Medikamente erfragen, bezieht sich auf den Umstand, dass ein Teil der Geschwister zu Hause gelassen werden musste, weil diese eventuell zu krank für einen Transport waren. Eine Fokusgruppenteilnehmerin fasst den Sachverhalt wie folgt zusammen: „Some times the children are sick, but you have no way of carrying all of them to the health centre.“ Diese Beispiele unterstreichen, welche unterschiedlichen sozialen, ökonomischen und infrastrukturellen Aspekte sich Pflegerinnen in ihrem Alltagshandeln bewusst machen müssen. Im Alltagshandelns manifestiert sich eine lokale Expertise, die es erschwert, die Medikamentenvergabe ausschließlich an den Nachweis von Parasiten zu koppeln. Ersichtlich wird auch, dass es immer wieder implizite Übereinkünfte zwischen Pflegerinnen und Patientinnen gibt, wobei den Beteiligten bewusst ist, dass es sich bei Gesundheitszentren nicht ausschließlich um Krankheits- oder Behandlungseinrichtungen handelt. Die Einrichtungen übernehmen weit umfassendere Funktionen, für die der von mir vorgeschlagene Begriff der Versorgungseinrichtung eine größere semantische Passung bereithält. Es wird deutlich, welches Wissen Pflegerinnen über ihre Patientinnenschaft haben (müssen) und was Praktiken der Pflege und Fürsorge unter diesen Bedingungen alles beinhalten. Ich möchte hier aber auch auf den Umstand verweisen, dass es sich bei vielen Interaktionen in den Einrichtungen um Gespräche zwischen Frauen handelt. Die Vergabe von (Malaria-)Medikamenten ist dann nicht selten Ausdruck von Anerkennung und Empathiebekundungen gegenüber Notlagen und Verantwortungsregimen etwa, was es heißt, eine (gute) Mutter zu sein. Lokales Versorgungs-

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Dabei ist anzunehmen, dass sich der Unmut und die Bedenken der Pflegerinnen weniger auf die Kinder und damit verbundenen/antizipierten Schwierigkeiten des Medikamentengebrauchs bezog, sondern auf die darin mitschwingende Verantwortungslosigkeit sowie Geringschätzung des erbrachten Service auf Seiten der Erwachsenen. Gleichzeitig würde ich darin allerdings auch eine weitere Versorgungspraktik vermuten. Danach senden Erwachsene Kinder bewusst zu den Einrichtungen, um Medikamente für andere Familienangehörige zu besorgen. Dahinter steht die simple Logik, dass die Schwierigkeiten und Bedenken, die Pflegerinnen bei der Anamnese von Kindern haben, die Wahrscheinlichkeit erhöhen, Medikamente verschrieben zu bekommen.

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wissen unterscheidet sich hier deutlich vom Krankheitswissen der Tests. Wer Zugang zu Medikamenten bekommt und wer nicht, wird nur zu einem geringen Grad in Abhängigkeit von Krankheit und Krankheitswissen getroffen. Pflegerinnen müssen somit entscheiden, wie und wodurch sie ihr Versorgungswissen – und darin eingeschriebene Formen der Fürsorge (Mol 2008) – auch gegen die Handlungsempfehlung der Tests und Testergebnisse durchsetzen und aufrechterhalten.

3.5 W ER TESTET WEN ? – T ESTEN ALS POLITISCHES H ANDELN Um nun hier aber nicht in den Verdacht zu geraten, ein allzu romantisches Bild der Versorgungsverhandlungen zwischen Gesundheitspersonal und Patientinnenschaft zu entwerfen, werde ich eine Reihe von Täuschungsmanövern bzw. deren Konsequenzen diskutieren, die in den Einrichtungen mindestens ebenso häufig vorkommen wie Gesten der Fürsorge. Eine anschauliche Erklärung, worum es sich hierbei handelt, gibt Halima: Q: Do you sometimes get patients pretending? Halima: „Very much, they do that many times. They always want to appear sick so that they can take some medicine to keep at home.“ Q: How do you know this? Halima: „Sometimes they sit outside there and talk. They don’t know that I am hearing them when I am seated here. Someone can come with a friend who has escorted them and they say; ‚you go and see if you will be able to get some Coartem‘. It is common for people to come together when one of them is sick and the other is not sick. When the sick one enters here and they see that you do not have the RDTs, they also ask the one who is not sick also to enter and get some medicine by pretending that they are sick.“ Q: And how do you handle such cases? Halima: „Of course if I heard them discussing that, I don’t give them drugs.“

Halimas Beschreibung endet mit der resoluten Aussage, bei dieser Art von offensichtlichen Täuschungsmanövern keine Medikamente zu verschreiben („I don’t give them drugs“). Zum einen verdeutlicht diese Handlung, dass Zugangs- und Versorgungspraktiken spezifischen Regelhaftigkeiten folgen,

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auch wenn keine Krankheit vorliegt. Auch wenn Patientinnen die Richtlinien und Protokolle nicht kennen, in denen die Vergabe von Medikamente geregelt ist, wissen doch alle, dass Pflegerinnen diesbezüglich eine Pförtnerposition übernehmen, die es eben auch anzuerkennen gilt. Wenn nun offen artikuliert wird, dass eigentlich keine Krankheit vorliegt, birgt dies potenziell immer die Gefahr, die der Pförtnerposition inhärente Expertise abzuerkennen. Eine zu offensichtliche Reduktion der Pflegerinnen auf Medikamentenverwalterinnen ohne relevante Versorgungsexpertise kann, wie in Halimas Beispiel ersichtlich wird, durchaus sanktioniert werden. In der folgenden Schilderung von Stella wird deutlich, dass es kein Zufall ist, dass die Tests in die Expertise anerkennenden sowie unterminierenden Machtspiele, eingebunden werden.9 Stella: „Some of them come and tell you they are sick when they just want to get some Coartem.“ Q: How do you know they are not telling the truth?

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Ich möchte an dieser Stelle eine Beobachtung einfügen, die verdeutlichen soll, dass diese Form der Täuschungsmanöver nicht allein in Uganda stattfindet, sondern ebenfalls in westlichen Kontexten beobachtet werden kann. „Justin Brawner, a machine operator with a herniated disk, told me that in the waiting room some patients nodded off in their chairs. Others were sweaty, jittery and irritable. He observed patients who moved freely until they were called into the doctor’s office, at which point they developed an exaggerated limp. Brawner said that he heard them ‚planning their tactics.‘ They’d make up stories about how they needed extra pills because they were leaving the state or their medication had slipped into the sink. Brawner asked for early refills, too. Schneider would chide him for coming in too soon and then say, ‚We’re going to go ahead and write the script, because I know you need it.‘“ (Siehe: www.newyorker.com/ magazine/2014/05/05/prescription-for-disaster, Stand 20.3.2017.) Dass dieser Vorfall sich im Hinterland der USA abspielte und auf hochdosierte morphinhaltige Schmerzmittel bezog, kann als Indikator dafür gelesen werden, dass es sich bei Täuschungsmanövern um eine universale Praktik handelt, an (kostenlose bzw. verschreibungspflichtige) Medikamente zu kommen. Das Beispiel zeigt aber auch, dass die Glaubwürdigkeit des vorgetäuschten Handelns wichtig für den Erfolg ist: Mit der Täuschung wird also gleichzeitig eine Anerkennung der Expertise des zu täuschenden Personals kommuniziert.

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Stella: „I know their tricks. For example, one Boda-Boda man came here and told me he had musujja. And when I looked at him, I did not see any signs of musujja, but I said, ok, let’s do the test and see. And he refused. He said if you cannot treat me without testing, it’s ok I just leave the medicine. So he went. He refused the test.“

Wie die Aussage Stellas zeigt, sind es tatsächlich immer wieder Boda-Boda Fahrer, die Patientinnen zu Gesundheitszentren befördern und nun versuchen, die Gelegenheit zu nutzen, ein paar kostenfreie Medikamente zu erhalten. Bei Stella reichte bereits der Verweis auf die Tests, der, einer Drohung gleich, den Bodafahrer davon abbrachte, sich en-passant mit Medikamenten zu versorgen. Die Pflegerin überformt in diesen Situationen die Bedeutung die den Schnelltests in ihrer Pförtnerfunktion zukommt. Eine Überwindung dieses Pförtners würde sowohl Schmerz als auch ein erhöhtes Infektionsrisiko involvieren, aber trotzdem keine Garantie auf den Erhalt von kostenfreien Malariamedikamenten. Die Tests können somit gezielt für oder gegen bestimmte Personengruppen eingesetzt werden. Der anschließende Diskussionsausschnitt zeigt, wie auch die geographische Nähe zu einer Einrichtung – und die damit verbundene Aussicht auf eine kostenfreie Medikamentenversorgung – sich quer durch unterschiedliche Bevölkerungsschichten zieht und nicht zwingend Ausdruck von Mangel oder Armut ist. Lydia: „The other thing is; some of us have been saved by the RDTs. Some of us are located near the sub-county headquarters. So those officials sometimes may come and tell you: Give me some Coartem, my 5 children are all sick at home. So these days I tell them: Sir, we are told that we must test the patient first before giving out the drugs.“ Halima: „Yes, talk about the sub-county officials. Politicians!“ Lydia: „Me these days I tell them that for every dose of Coartem that I give out must correspond with the number of RDTs that I used! Sometimes they come for Coartem when they are going to visit their children at school.“ Q: Did you say visiting children at school? You mean they pack Coartem when they are visiting the children at school? Halima: „Someone comes and tells you they are going to visit their children at school so they are asking for Coartem.“

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Robinson: „Me I tell them sometimes: Sir, tomorrow you will be the one to say that I stole your medicine. So please go back and first bring the children, we test them and give them medicine if necessary.“

Die Tests erlauben hier eine Form des Machtspiels zwischen lokalen Autoritäten. Der Verweis auf die Tests erlaubt Pflegerinnen den Rückzug auf ein formelles Protokoll. Die Tests werden somit regulierend zur Enthüllung – man könnte auch sagen zur Behandlung – offensichtlicher Bequemlichkeiten und Täuschungsmanöver eingesetzt. Diese Praktiken sind allerdings nicht auf die Gilde lokaler Verwaltungsbeamter beschränkt, sondern lassen sich quer durch die Patientinnenschaft beobachten. Nicht beobachtet werden konnte jedoch, dass selbst dieser Patientinnentyp mit gänzlich leeren Händen weggeschickt wurde. Dabei greifen Pflegerinnen nicht selten auf Medikamente zurück, die weniger stark als Coartem im Fokus (inter-) nationaler Rechenschaftsverfahren liegen. An diesem Punkt sollte klar werden, wie Schnelltests auch auf Versorgungspraktiken angewendet werden und darin immanent politische Funktionen übernehmen. Eine Technisierung ehemals nicht-technischer Handlungsvollzüge berührt dann automatisch auch lokale politische Ökonomien. Wie eingangs erwähnt, wird sich von den Tests erhofft, die Vergabe von Malariamedikamenten stärker an biomedizinische Kriterien zu koppeln. Vor dem Hintergrund einer kostenlosen Gesundheitsversorgung fungieren Schnelltests somit als Regulationstechnik: Die wissenschaftliche Unterscheidung zwischen positiv und negativ unterscheidet in letzter Instanz dann auch zwischen legitimen und illegitimen Zugangs- und Vergabekriterien. (Eine andere denkbare Zugangsregulation bestünde beispielsweise in der Einführung von Nutzergebühren staatlicher Dienstleistungen.) Tests, folgt man Boltanski an diesem Punkt, sind somit immer auch Auswahltests in denen die Frage geregelt wird, wer erhält Zugang zu bestimmten Ressourcen und wer nicht. Zusätzlich und erschwerend hängt die Integration der Tests in den Praxisalltag stark von der Integration der Medikamente in den routinemäßigen als auch antizipativen Umgang mit musujja/Malaria ab. Ein Hintergrund dafür ist die kostenintensive Integration von Coartem im privaten Sektor, was eine kostenfreie Versorgung mit diesen Medikamenten in staatlichen Einrichtungen zu einer zunehmend attraktiven Option macht. Ob die Schnelltests die Vergabe von Medikamenten besser regeln als Pflegerinnen, kann in der hier vorgeschlagenen Perspektive immer nur situ-

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ativ beantwortet werden. Die Grundlage dieser situierten Praxis besteht darin, dass das implizite Wissen und Handeln der Beteiligten durch die Tests exponiert und einer Bewertung unterzogen wird bzw. werden kann. Die Routineabläufe der Einrichtungen und des Zugangs zu Medikamenten werden situativen Prüfungen unterzogen, durch die Pflegerinnen die Gültigkeit und Legitimität der (negativen) Testergebnisse feststellen und bewerten. Wie ich aber auch gezeigt habe, laufen diese Feststellungsverfahren in einem Kontext ab, in dem auch Patientinnen die Beziehung zwischen Schnelltests und Pflegerinnen prüfen. Auch (lokale) Versorgungspraktiken werden gegen die reduzierenden Tendenzen der Schnelltests fortgesetzt und aufrechterhalten. Auf dieser Ebene lässt sich sagen, dass Pflegerinnen durch ein situatives Überstimmen negativer Testergebnisse gewährleisten, dass die Einführung der Technik von der Patientinnenschaft nicht als zu radikale Veränderung erlebt wird. Pflegerinnen stellen damit sicher, dass die Gesundheitszentren auch weiterhin stark von Patientinnen frequentiert werden. Im Gegenzug können Pflegerinnen durch die Tests bestimmte Versorgungspraktiken schneller und einfacher als illegitime Zugangspraktiken exponieren, als dies ohne Bezugnahme auf die Technik möglich gewesen wäre. Mit den Worten des Techniksoziologen Ingo Schulz-Schaeffers: „Unter dem Deckmantel technischer Anforderungen lassen sich auch soziale Normen durchsetzen, die sich nicht oder weniger leicht durchsetzen ließen, wenn sie offen zum Ausdruck gebracht werden müssten“ (Schulz-Schaeffer 2008, vgl. dazu auch Winner 1980). Bei den hier ermöglichten bzw. abgewiesenen Zugangs- und Versorgungspraktiken handelt es sich um antizipatorische Praktiken, die in ihrer Zukunftsgerichtetheit allerdings auch immer den Ausgangspunkt und die materielle Grundlage von Selbstmedikation bilden. Formen der Selbstmedikation wirken somit in den Praxisalltag und damit auf die Verwendbarkeit der Tests in oft kontingenterweise zurück.

4. Lokalisierung von Malaria: Selbstmedikation und Parasitenwissen

Wie ich im vorangehenden Kapitel gezeigt habe, soll Technik Handlungen – in dem Fall die Vergabe von Medikamenten – an spezifische Rationalitäten koppeln. Schnelltests sollen danach die (Be-)Handlungen auf eine biomedizinische Krankheitsrationalität festschreiben oder reduzieren. Wie ich im Folgenden am Verhältnis von Selbstmedikation und Medikamentenvergabe zeigen möchte, geht der Einsatz von Technik allerdings auch immer mit der Erweiterung von Handlungs- und Entscheidungszusammenhängen einher. Ich folge damit Bruno Latour, für den Standardisierung innerhalb einer solchen (technisch induzierten) Doppelbewegung, verstanden als „trade-off between what is gained (amplification) and what is lost (reduction)“ (Latour 1999: 71), zu lokalisieren ist. Wenn es sich bei den Schnelltests um ein Verfahren handelt in dem Malaria in einem ‚Hier‘ und ‚Jetzt‘ einer Einrichtung verortet werden soll, dann soll nun gefragt werden wie dieser Lokalisierungsprozess mit anderen vorgängigen Lokalisierungsversuchen interagiert. Für die Darstellung des Problems rahme ich Selbstmedikation als eine solche Lokalisierungspraktik, die sich dadurch auszeichnet, dass sie sich im räumlichen und zeitlichen ‚Außen‘ der organisierten Krankenbehandlung vollzieht. Wie ausgeführt, handelt es sich bei Selbstmedikation um eine weit verbreitete Form der musujja/Malaria Behandlung. Diese Praxis ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auch vor der Einführung der Schnelltests in den Gesundheitszentren immer wieder problemhaft in den Entscheidungszusammenhängen der Pflegerinnen aufgetaucht. Trotzdem unterscheidet sich nach der Einführung der Schnelltests die Qualität des Problems: Ist es ein Merkmal der klinischen

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Diagnose Malaria erfolgreich behandeln zu können, so kann jedoch diese Diagnoseform, im Unterschied zu den Schnelltests, mit deutlich weniger Gewissheit Malaria gänzlich ausschließen. Ob eine Patientin vor dem Besuch der Einrichtung bereits (Malaria-)Medikamente genommen hat oder nicht, tangiert die klinische Diagnose darum nur geringfügig. Wenn der klinische Eindruck und das Krankheitsnarrativ auf musujja/Malaria deuteten, werden Malariamedikamente verschrieben. Wenn Pflegerinnen sich nun aber auf die Richtigkeit der Testergebnisse verlassen sollen, stellt sich die weitreichende Frage, in welchen Maßen Selbstmedikation die Leistungsfähigkeit der Tests affiziert, Malariaparasiten im Blut nachweisen zu können. Wie wirkt sich das Zusammenspiel zwischen diesen beiden Evidenzverfahren auf die Behandelbarkeit von musujja/Malaria/Fieber in den Einrichtungen aus? Welche Möglichkeiten haben Pflegerinnen, Gewissheit zu produzieren, durch welches der beiden Verfahren wird die Krankheit besser lokalisiert? Mit der Selbstmedikation und den Testergebnissen treffen somit verschiedene Beweis- oder Evidenzverfahren zusammen, deren Gemeinsamkeit darin besteht, dass sie für die Pflegerinnen weitgehend undurchsichtig sind. Pflegerinnen sehen sich somit zwei Black Boxes gegenüber, denn so wie Selbstmedikation außerhalb der Gesundheitszentren vollzogen wird, so sind auch die wissenschaftlichen Prinzipien, über die die Schnelltests Parasiten nachweisen, den meisten Pflegerinnen weitgehend undurchsichtig. Ich schlage vor, die Improvisationen, mittels derer Pflegerinnen die Black Boxen öffnen, als Prüfungen zu verstehen. Bevor ich mich der Darstellung dieser Prüfungen widme, möchte ich zunächst erörtern, wie die Problemlage in den offiziellen Gebrauchsanweisungen der Schnelltests behandelt wird.

4.1 R ICHTLINIEN UND

DAS

T ESTSKRIPT

Während meiner teilnehmenden Beobachtung erlebte ich immer wieder, wie Pflegerinnen den Umstand beklagten, dass Patientinnen Gesundheitszentren oft erst am Ende einer längeren Kette von Behandlungsschritten aufsuchten. Ganz ähnlich wie in westlichen Behandlungskontexten erleben

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sich Pflegerinnen in Uganda dadurch als eher unfreiwillige Korrekturinstanz missglückter Selbstmedikationen.1 Was letztere dabei vor allem bemängeln, ist die „Ignoranz“ der Patientinnen gegenüber dem pharmakologischen Medikations- und Dosierungswissen. In einer solchen Expertenperspektive bezeichnet Selbstmedikation einerseits Formen des eigenmächtigen Justierens der Medikamentendosis, was potenziell zu einer Über- oder Unterdosierung führen kann. Selbstmedikation bezeichnet anderseits aber auch potenzielle Falschmedikationen, wobei Patientinnen falsche oder „schlechte“ Medikamente mit zweifelhafter Wirksamkeit einnehmen. Inwieweit Selbstmedikation nun die Leistungsfähigkeit der Tests beeinträchtigt, ist somit eine praxisrelevante Frage, die sich eventuell durch die Gebrauchsanleitung der Technik beantwortet lässt. Die anschließende Passage entstammt daher dem offiziellen User’s Manual, das Pflegerinnen während des zweitägigen Trainings ausgehändigt wird. In dem relevanten Absatz zu einer möglichen vorgängigen Selbstbehandlung erhalten Pflegerinnen die folgende Information: „Prior treatment
– What has been done to treat this illness before coming to your health centre today? – What other medications have been taken?
– If medications were taken, was the dose complete, or partial? This information will help to guide your treatment decisions. For example, if a patient has taken a full course of Septrin [antibiotic] but has not improved, you should not prescribe Septrin again. As another example, a patient may come to the health centre after swallowing only part of a dose of Coartem. (Note a complete course of Coartem requires 6 doses over 3 days.)“ (MoH 2009: User Manual RDTs)

An der Passage lassen sich im Wesentlichen zwei Sachverhalte ablesen: Zum einen lässt der Verweis auf eine potenzielle und dem Besuch einer Einrichtung vorgängigen (Selbst-)Behandlung vermuten, dass das Problem in der ministerialen Planungsbehörde des National Malaria Control Programms grundsätzlich bekannt ist. Anderseits aber bricht die Erklärung nach dem Hinweis, dass Patientinnen bereits eine partielle Dosis Coartem

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Gleichzeitig gaben Pflegerinnen zu, ebenfalls Selbstmedikation zu praktizieren, was jedoch immer wieder mit dem Verweis auf deren Expertenwissen begründet und legitimiert wurde.

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genommen haben könnten, einfach ab. Im Anschluss folgen keinerlei Handlungsempfehlungen oder Erklärungen darüber, wie sich Formen der Selbstmedikation auf die Testergebnisse auswirken können. Es handelt sich hierbei um die einzige Passage in der gesamten Gebrauchsanleitung (insgesamt 40 Seiten), in der überhaupt auf das Phänomen der vorgängigen Selbstmedikation rekurriert wird. Diese Leerstelle in den Gebrauchsanweisungen lässt sich am besten mit Hilfe eines etablierten Erklärungsmodells aus dem Bereich der Wissenschafts- und Technikforschung verstehen, demzufolge ein stärkeres Determinieren der Operationsbedingungen von Technik nur begrenzt und unter Kompromissen möglich ist (Feenberg 2010). Ein Durchexerzieren aller Varianten, in denen Selbstmedikation und Testergebnisse aufeinandertreffen können, würde nicht nur den Rahmen des Trainings sprengen. In fundamentaler Weise würde dies auch mit dem Technikskript konfligieren, in dem festgelegt ist, dass die Tests einfach anzuwenden sind. Mit dem Skript wird in der Technikforschung ein Inskriptionsprozess bezeichnet, in dem Entwicklerinnen die von ihnen antizipierten Verwendungsgeographien in die Technik einschreiben (Akrich 2006). Ähnlich einem Filmskript, das den Rahmen der Handlung vorgibt, soll das Skript einer Technik eine spezifische Verwendungsweise gegenüber anderen stabilisieren und privilegieren (Höhne & Umlauf 2014). In der deutschen Übersetzung spricht Bruno Latour vom Aufforderungscharakter einer Technik: „Jedes Artefakt hat sein Skript, seinen Aufforderungscharakter, sein Potenzial, Vorbeikommende zu packen und sie dazu zu zwingen, Rollen in einer Erzählung zu spielen“ (Latour 1998: 31). Wenn dieses Konzept nun auf die Schnelltests gewendet wird, ergibt sich ein Anknüpfungspunkt in einem skripthaften Konglomerat von Produktions- und Designerfordernissen. Dem Akronym A S S U R E D zufolge sollen Schnelltests „Affordable, Sensitive, Specific, User-friendly, Rapid&Robust, Equipment free und Delivered“ (Kettler et al. 2004, 1) sein. Die Anforderung, dass die Tests ‚nutzerfreundlich‘ (user-friendly) oder einfach zu verwenden sein müssen, ist vor allem in den frühen technischen Aushandlungsdokumenten der WHO als zentrales Kriterium benannt, warum die Tests beispielsweise gegenüber dem Ausbau der existierenden Mikroskopinfrastruktur priorisiert werden sollten (WHO 1999, 2003). Die einfache An- und Verwendbarkeit der Technik übernimmt somit eine immanent politische Funktion, worüber die globale Einführung der Tests erst le-

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gitimierbar wurde. Müssten nun alle Eventualitäten der Verwendung in der Gebrauchsanleitung artikuliert werden, würde nicht nur das Anwendungsfeld der Technik schrumpfen, sondern es könnte auch kaum noch von einer einfachen Handhabbarkeit der Tests die Rede sein. Abgesehen davon, dass formelle Gebrauchsbestimmungen von Innovationen gegenüber ihrem Verwendungskontext immer unterkomplex und unterdeterminiert bleiben müssen, zeigt sich uns hier ein weiter Punkt: Formell unterbestimmt muss Technik auch darum bleiben, weil eine differenziertere Bestimmung gleichzeitig die politische Passung der Technik potenziell in Frage stellt. Während meiner Feldforschungen konnte ich in Erfahrung bringen, dass die meisten Abschnitte der Gebrauchsanleitung allerdings von internationalen Gesundheitsexpertinnen verfasst wurden.2 Die erwähnte Leerstelle in den Gebrauchsanleitungen ist dann zusätzlich Ausdruck geringer Kenntnisse der lokalen Verwicklungen von Selbstmedikation und Malariabehandlung in den Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung. Ohne diese Unkenntnis verteidigen zu wollen, möchte ich festhalten, dass Innovationen – im Unterschied zu etablierten Verfahren – immer über ein notwendigerweise beschränktes (Erfahrungs-)Wissen verfügen. Dass der Wissensmangel bezüglich der Selbstmedikation nun aber nicht dazu führt, dass die Einführung der Schnelltests zurückgestellt wird, bis eventuell mehr oder besseres Wissen verfügbar ist, soll mir hier als Beispiel dienen, um auf den sozio-experimentellen Kern von Global Health Projekten zu verweisen. Im Unterschied zu Laborexperimenten, in denen die Produktion von Wissen zum Selbstzweck geschieht, wird Technik in Global Health Projekten verwendet, ohne genau zu wissen, wie und ob sie wirkt. Eine Folge davon ist, dass auf unsystematische Weise produziertes Wissen als ‚gelernte Lektion‘ in den Organisationsprozess zurückgespielt wird (Rottenburg 2011: 161ff., auch Nguyen 2009).

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Persönliche Kommunikation mit Dr. Heidi Hopkins (Epidemiologin und Global Health Expertin bei FIND Uganda), eine der Ko-Autorinnen des ersten Entwurfs dieser Richtlinien (21.09.2014).

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4.2 P HARMAKOLOGISCHE P RÜFUNGEN Um verstehen zu können, wie sich das Verhältnis zwischen Selbstmedikation und Testergebnissen in den Einrichtungen gestaltet, gehe ich von einem symmetrischen Phänomenbereich aus, der sich sowohl auf positive als auch negative Ergebnisse erstreckt. Innerhalb dieses Phänomenbereichs lassen sich verschiedene Differenzierungsmodi beobachten, die ich nun sukzessive darstellen werde. Ich beginne mit dem allgemeinsten Verhältnis, in dem Pflegerinnen Selbstmedikation und Testergebnisse relationieren. Q: Do you sometimes bet against your clinical impressions when doing a test? Faridah: „Yes many times you can think even before you do the test on whether it is positive or negative.“ Q: Do you get surprised many times? Like you get results that you did not expect? Fardiah: „Yes it happens many times.“ Q: Why do you think this happens? Faridah: „This one I don’t know. Just like you don’t know I also don’t know why it happens!“ Q: Could it be that sometimes the patients have taken some medicine before coming here? Faridah: „No, I don’t think so. Because many times they take the medicine but still the test turns out to be positive. So I think that is not the reason. I surely have never been able to tell why it happens like that.“

Die Aussage Faridah’s verweist zunächst auf eine Generalisierung innerhalb der Beziehung zwischen positiven Tests und Formen der Selbstmedikation, nach der positive Testergebnisse stets als gültig anzusehen sind. Diese Generalisierung ähnelt dabei einer Immunisierung. Mit Immunisierung meine ich einen Schutzmechanismus, durch den sich Pflegerinnen davor bewahren, dass ihr Glauben an die Richtigkeit und Gültigkeit von positiven Testergebnissen durch vorgängige Behandlungsformen in Frage gestellt wird. Anders formuliert: In gewisser Weise gilt es, selbst positive Testergebnisse vor den alltäglichen Unsicherheiten zu schützen, die die Formen der Selbstmedikation für die Behandelbarkeit von musujja/Malaria mit sich bringen. Ganz gleich wie viele oder welche Medikamente eine Patientin vor dem Besuch einer Einrichtung eingenommen haben mag, die Tests sind nach dieser Sichtweise immun und schaffen es trotzdem die

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Krankheit anzuzeigen. Auf eine erste Beschränkung der Tests weist uns Alex mit seinem Kommentar hin: Q: Do you think self treatment is likely to affect the test results? Alex: „RDTs detect the malaria even after one has taken drugs. Yes with RDTs, even if someone has taken the medicine for as long as they have not completed it yet, it will still show you whether the malaria is there or not.“

Im Gegensatz zu Faridah verweist Alex in seiner Reflektion nun auf eine Beschränkung in der Reichweite, mit der die Tests die Krankheit korrekt feststellen können. Danach können Schnelltests die Krankheit nur dann nachweisen, wenn Patientinnen vorher noch keine komplette Dosis eingenommen haben. Ein positives Testergebnis dient hier als Prüfung der pharmakologischen Qualität vorgängiger (Selbst-)Behandlungsschritte.3 Die Verwendung der Tests als kritische Bewertungsinstanz vorgängiger Medikationspraktiken wird nun zusätzlich für unterschiedliche Typen von (Malaria-)Medikamenten spezifiziert. Im Folgenden gib Esther ein Beispiel, in dem sie die Testergebnisse an die Wirksamkeit verschiedener Medikamententypen rückbindet: Q: Does it in any way affect the results of the test if someone has done self treatment? How? Esther: „[S]ometimes it depends on which drugs they have taken. If they took quinine for some days, it will be negative. But even if they take a full dose of coartem, if the malaria is still there, it will show. But for patients that have taken quinine it shows negative.“ Q: Ok, Musawo Gad, you look like you are not agreeing with this view. What do you think?

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Im Umkehrschluss der Aussage würden die Tests also dann kein musujja/Malaria mehr nachweisen können, wenn die Patientin bereits eine vollständige Dosis eingenommen hätte. Ich erwähne diesen Umstand, weil ich damit an die Problemlage erinnern möchte, nach der Schnelltests auch bis 21 Tage nach der Einnahme einer vollständigen Dosis Coartem ein positives Ergebnis zeigen können.

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Gad: „Well, I just hadn’t realised that yet! [Referring to the fact that if someone took quinine it affects the test results].“

In der Aussage Esthers sehe ich einen Verweis auf das Feld lokaler Medikamentenklassifikation und darin statthabender Zuschreibungen spezifischer Wirkmächtigkeiten. Danach unterscheiden sowohl Pflegerinnen als auch Patientinnen als Teil lokaler Glaubenssysteme zwischen Kategorien ‚starker‘ und ‚schwacher‘ Medikamente, die sich mehr oder weniger stark mit den pharmakologischen Wirkmechanismen decken (Hoerbst & Wolf 2003). Doch diese lokalen Klassifikationsformen sind nicht nur Ausdruck von Glaubenssystemen. Darin überlagern sich ebenfalls Erfahrungen krisengeschüttelter Gesundheitssysteme, lokale Wahrnehmungen von Nebeneffekten als Ergebnis spezifischer Dosierungs- und Medikationsformen, wie auch Formen unterschiedlicher Risikobereitschaft im Umgang mit Unsicherheit. Birungi beobachtet beispielsweise, wie der vermehrte Einsatz von Injektionen in ugandischen Haushalten auch als ein Spiegel öffentlicher Einrichtungen zu verstehen ist. Im Zusammenhang mit dem sich ausbreitenden HIV Virus dient die risikoreiche Praktik der Selbstinjektion der Autorin als Hintergrund, um ein gestiegenes Misstrauen in öffentliche Gesundheitseinrichtungen zu konstatieren (Birungi 1998). Das von Esther gegebene Beispiel bezieht sich aber zusätzlich auf die formelle Klassifizierung von Erstbehandlung (Coartem) und Zweitbehandlung (Quinine) von Malaria. Die intravenöse Verabreichung von Quinine wird vor allem für schwere und besonders fortgeschrittene Fälle von Malaria empfohlen. Die Verabreichungsform, aber vor allem die schmerzhaften Nebeneffekte von Quinine erschweren die Akzeptanz und damit wahrscheinlich auch den massenhaften Einsatz dieses ältesten und noch immer effektiven Malariamedikaments (Achan et al. 2011). Trotzdem gaben Patientinnen in Konsultationen immer wieder an, Quinine gekauft und in oraler oder intravenöser Form eingenommen zu haben. Umgekehrt zeigt die Verwunderung von Pfleger Gad nun aber auch, dass Verknüpfungen zwischen der Leistungsfähigkeit der Tests und der Wirkmächtigkeit von Medikamenten nicht Teil formeller Richtlinien sind. Vielmehr handelt es sich dabei um Prüfungspraktiken, mittels derer Pflegerinnen Testergebnisse und (lokale) Wirkungsmächtigkeit verschiedener Medikamententypen ineinander übersetzen.

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4.3 F ORMGEBUNG DURCH „U N - BLACK - BOXING “ Da bisher vorrangig Fälle besprochen wurden, in denen Pflegerinnen Schnelltests nutzen, um Formen der Selbstmedikation zu prüfen, möchte ich nun auch auf den umgekehrten Fall einhergehen. Die Vermessung der Leistungsfähigkeit der Tests, Parasiten identifizieren zu können, zeigt sich vor allem in Bezug auf negative Testergebnisse. Der folgende Interviewausschnitt verweist auf einen Sinnstiftungsprozess, in dem die Bedeutungsgrenzen der in den Tests eingeschriebenen wissenschaftlichen Prinzipien geprüft werden. Q: Under what circumstances then, would the RDT show negative results when you actually think that the patient has malaria? Halima: „When someone has taken some drugs maybe.“ Q: So do you think that the concept of hiding parasites is actually real? Can parasites hide and the test cannot show any positive results even when someone has malaria? Halima: „Yes, it happens. Just like when you are cooking food, and you cover it well and put firewood and fire below the sauce pan. But the fire in this case is actually less than what the food requires for it to get ready. So when you see smoke getting out of the food you are tempted to think that the food is getting ready but it is not because the fire isn’t enough for it. So it is with self-treatment. Sometimes patients take drugs that are either not strong enough or not appropriate for their illnesses. Then we do the test and it is negative. That doesn’t mean that the musujja is cured. And so such patients should be given malaria drugs again if the symptoms suggest so.“

Die Analogie zwischen dem Essen, das, weil es qualmt, vortäuscht, gar zu sein, und der nicht auskurierten mususjja/Malaria aufgrund zu schwacher oder falscher Medikationen verweist auf ein implizites Verhältnis zwischen Selbstmedikation und Leistungsfähigkeit der Tests. Halima deutet mit dieser Analogie an, dass es Wirkungsweisen von Selbstmedikationen gibt, die es den Tests offensichtlich verunmöglichen, die Krankheit festzustellen. Bei dieser impliziten Bewertung negativer Testergebnisse handelt es sich jedoch gleichzeitig um ein Legitimationsverfahren. Pflegerinnen legitimieren auf diese Weise, vom Handlungsskript negativer Tests abzuweichen und trotzdem Malariamedikamente zu verschreiben. Im Anschluss an das

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oben erwähnte Skript der Schnelltests kann festgehalten werden, dass Technik zu dem stets einen präskriptiven Charakter hat. Wie ich argumentieren möchte, gehen Abweichungen von den Präskriptionen auch immer mit Prozessen einher, in denen Nutzerinnen die geblackboxte Technik ein Stück weit öffnen. Mit dem Idiom der black-box oder des black-boxings werden unter anderem Prozesse einer funktionellen Schließung benannt, die es Nutzerinnen ermöglichen, Technik auch ohne spezifisches Wissen über das darin eingeschriebene wissenschaftliche Verfahren zu verwenden. Folgt man Bruno Latour, dann handelt es sich beim black-boxing um "the way scientific and technical work is made invisible by its own success. When a machine runs efficiently, when a matter of fact is settled, one needs to focus only on its inputs and outputs and not on its internal complexity. Thus, paradoxically, the more science and technology succeed, the more opaque and obscure they become“ (Latour 1999: 304). Im Fall der Schnelltests wird diese Invisibilisierung oder funktionelle Undurchsichtigkeit in einer radikalen Form zur Anwendung gebracht. So ist es beispielsweise nicht nur nicht notwendig, sondern quasi unerwünscht, dass Nutzerinnen mehr über die darin eingelassene Mikrobiologie wissen. Die Tests sind mobil und in unterschiedlichsten Kontexten anwendbar, weil sie einfach zu bedienen sind und deswegen kein Wissen über die Interaktionsweise zwischen Antigenen und Antikörpern voraussetzen. Ziel einer solch radikalen Schließung ist es, bestimmte Verwendungsweisen der Technik über andere, möglicherweise bereits existierende Verfahren und Techniken zu priorisieren. Beim blackboxing handelt es sich um eine Prüfungsform, die zeigt, wie sehr die Nutzerinnen einer Technik fhig und willig sind, vorgegebenen bzw. regelgeleiteten Handlungen Folge zu leisten. Dieses Prinzip des black-boxings gerät nun genau dort an seine Grenzen, wo eine erfolgreiche Nutzung der Technik auf Erklärungen bzw. Zusatzwissen angewiesen ist (Joerges 1996). Dies ist am offensichtlichsten der Fall bei Störungen, Krisen oder Unfällen, bei denen Nutzerinnen (plötzlich) auffällt, dass sie über nur sehr begrenztes Wissen bezüglich der Funktionsprinzipien der jeweiligen Technik verfügen (Wynne 1988). Um nun Störungen oder Krisen zu beheben als auch zu vermeiden, sind Nutzerinnen häufig geradezu gezwungen, Technik oder Maschinen zu ‚öffnen‘. Dieses Öffnen oder un-black-boxing bezeichnet nun all jene Praktiken, über die Nutzerinnen sinnstiftend Licht in die Funktionszusammenhänge versiegel-

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ter Technik bringen. Dabei ist es zunächst gleichgültig, ob diese Öffnungspraktiken und das dabei generierte Wissen mit den wissenschaftlichen oder formellen Erklärungsmustern übereinstimmen. Die Frage nach der Gültigkeit von Testergebnissen, wenn bereits zuvor Medikamente eingenommen wurden, stellt nun aber keine Störung im klassischen Sinne dar. Darüber ausgelöste Prüfungsverfahren zeigen aber trotzdem, dass Prüfungen eben nicht nur bei Störungen und Unfällen einsetzen, sondern immer auch schon fester Bestandteil von Alltagshandeln mit Technik sind (Potthast 2012, 2013). Bei den Prüfungen handelt es sich um kritische Reflexionen, in denen Nutzerinnen von Technik mit Unsicherheiten umgehen. Wichtig ist, dass diese Prüfungen stets auf bereits vorgängige bzw. technisch induzierte Prüfungen antworten. Prüfungen sind somit als „Herausforderungen an die Wirklichkeitskonstitutionen“ (Bogusz 2010: 86) von Akteur_innen in spezifischen Handlungskontexten zu verstehen. Laurent Thévenot bezeichnet die Handlungskonfiguration, in die sich Nutzerinnen in solchen Situationen begeben, als ein „investment in forms“ (Thevenot 1984), was in deutscher Übersetzung auch als ‚Formatierungen‘ oder ‚Formgebungsprozesse‘ – häufig in Situationen mit hoher Ungewissheit – bezeichnet wird (Kalthoff 2007). Für unseren Fall der Testverwendung sind Nutzerinnen bezüglich Fragen der Gültigkeit der Testergebnisse weitgehend auf sich selbst gestellt und gezwungen, irgendwie sinnstiftend vorzugehen. Das bedeutet aber auch, dass es sich Pflegerinnen nicht leisten können, gänzlich das Vertrauen in die Technik zu verlieren. Um dies zu verhindern, werden „Ereignisse, Entitäten oder Erklärungen in eine Form gebracht, die als Information anerkannt wird und daher als legitime Verallgemeinerung partikularer Umstände (Situationen, Theorien, Personen etc.) zirkulieren kann“ (Kalthoff 2007: 149). Prüfungen erhalten eine Form – und dadurch auch immer eine gewisse Stabilität und Dauerhaftigkeit – wodurch sie in Nutzernetzwerken zirkulieren können.

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4.4 S CHLAFENDE P ARASITEN Ein Beispiel für eine Prüfungsform innerhalb der Testnutzung findet sich in der Rede von „sich versteckenden“ oder „schlafenden Parasiten“, die aus der Perspektive von Norah von den Schnelltests nicht entdeckt werden können. Norah: „I have heard that sometimes some people may take strong drugs that can make the parasites hide and when you do the test, you are not able to find the malaria when it is actually there! The parasites become dormant but not destroyed. I also don’t know how that happens but I have heard that it happens!“

Im Unterschied zu den Tests nutzen Pflegerinnen nun aber sowohl die Interaktion mit Patientinnen als auch ihr pharmakologisches Wissen, um Fälle von schlafenden Parasiten zu identifizieren. Die nur partielle Einnahme eines ‚schwachen‘ oder ‚falschen‘ (Malaria-)Medikaments führt damit zu keiner endgültigen Beseitigung der Parasiten aus dem Blutkreislauf. Als sich versteckende Parasiten sind diese zwar noch da, jedoch eben nicht mehr erkennbar für die Schnelltests. Sich versteckende Parasiten sind somit Ausdruck eines vorgängigen biomedizinischen Wissens über den Lebenszyklus von Parasiten. Gerade der Moment, an dem Parasiten von der Leber in den Blutkreislauf gespült werden, ist eine Art Grauzone sowohl innerhalb der Symptomausprägung als auch für die Diagnostizierbarkeit von Malaria. Während dieser Zeit kann es sein, dass die Tests sowie die Mikroskope noch keine Parasiten/Antigene erkennen, obwohl Patientinnen bereits malariaähnliche Symptome aufweisen. Dieses Phänomen äußert sich bei Pflegerinnen immer wieder als verwirrende Episode in der Wahrnehmung der Leistungsfähigkeit der Tests. Dazu nochmals Norah: Q: When do RDTs fail to detect malaria? Norah: „I really don’t know. I just know that sometimes it fails to detect malaria but I don’t know why.“ Q: Could it be that maybe someone took medicine before coming to do the test? Norah: „No, I don’t think so. Sometimes they fail to show even when someone has not taken any drugs, and the person really feels sick but the test is negative. This has happened to me about two times. I send the patients to another health centre to go

L OKALISIERUNG

VON

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and test in the laboratory. I then heard they came back with positive results yet they tested negative here. So I have not known really why that happens.“

Die von Norah angesprochene Verwirrung verweist auf zwei Phänomene gleichzeitig. Zunächst hat Malaria wie jede andere Krankheit eine Inkubationszeit. Damit wird für gewöhnlich der Zeitraum indiziert, der zwischen der Infektion und dem Auftreten der ersten Symptome vergeht.4 Dabei wird davon ausgegangen, dass Symptome erst spürbar und sichtbar werden, wenn Parasiten von der Leber in den Blutkreislauf entlassen werden. Erst von dem Zeitpunkt an vollzieht sich dann die lebensgefährliche Zerstörung roter Blutkörperchen. Der sich anschließende Kampf des Körpers gegen diese Zerstörung löst dann Symptome wie beispielsweise Fieber aus. Trotzdem gibt es nun auch Formen von Ko-Infektionen, in denen die Symptomlage zwar auf Malaria verweist, diese jedoch zunächst von einer Grippe oder anderen Krankheiten ausgelöst wird. Die eintretende Schwächung der Abwehrkräfte des Körpers bringt es dann aber mit sich, dass „schlafende Parasiten“ erwachen und es im Fortgang durch den bereits geschwächten Körper zu einer beschleunigten Malariainfektion kommt. Im Beispiel von Norah handelt es sich um ein Phänomen, bei dem Patientinnen möglicherweise erst in einem zeitlich größeren Abstand (1-2 Tage) die Überweisung wahrgenommen haben und die Krankheit sich dadurch bereits in einem anderen ‚Sichtbarkeitsstadium‘ befand. Die Referenz auf eine andere Technik, wie z.B. das Mikroskop, verursachte bei Norah Qualitätszweifel bezüglich der Tests, die in diesem Fall ungerechtfertigt waren. Auch die Tests hätten die Krankheit in fortgeschrittenem Stadium mit hoher Wahrscheinlichkeit nachweisen können.5 Zweitens wird deutlich, dass die Rede und Praktik von „sich versteckenden Parasiten“ die lokalen Grenzen der Leistungsfähigkeit der Tests in einer vorsichtigen Form artikuliert. Die Animierung von Parasiten bewahrt

4

Bei plasmodium falsiparum bzw. der Malaria Tropica beträgt der Inkubations-

5

Trotzdem wird an diesem Punkt erneut deutlich, dass es sich bei den Tests und

zeitraum im Durchschnitt 12 Tage (Glynn & Bradley 1995). den Mikroskopen um zwei signifikant verschiedene Verfahren der Identifikation von Malaria handelt. Es konnte mir jedoch auch von Malarilogen nicht eindeutig erklärt werden, welche Technik die Krankheit früher entdecken kann.

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Pflegerinnen vor einer wuchernden Generalisierung, wonach etwa alle negativen Testergebnisse Ausdruck schlafender bzw. sich versteckender Parasiten und damit ungültig sind. Geprüft wird situativ in Fällen, in denen sich eine Diskrepanz zwischen dem klinischen Eindruck und dem negativen Testergebnis einstellt. Mit diesem Prüfungsformat – wohlgemerkt ohne technische Hilfsmittel und entsprechenden Wissensvorrat – formiert sich ein Versuch ugandischer Pflegerinnen verschiedene Orte und Zeiten der musujja/Malaria Behandlung zu synchronisieren. Was genau passiert in diesen Versuchen, Selbstmedikation und Testergebnisse zu synchronisieren? Im Synchronisieren geht es sowohl um die Übersetzung bzw. Übersetzbarkeit praktischer Widersprüche als auch um das Füllen spezifischer Wissenslücken und Unterbestimmtheiten. Darin werden zwei Aspekte sichtbar: Einerseits werden Schnelltests verwendet, um die Wirkmächtigkeit von Medikamenten zu überprüfen. Die Form, in der die Tests die Krankheit sichtbar machen, wird mit der Weise synchronisiert, in der Medikamente die Krankheit behandeln. Anderseits dienen Formen der Selbstmedikation den Pflegerinnen auch dazu, die Leistungsfähigkeit der Tests, Parasiten ‚sehen‘ zu können, neu zu bestimmen. In diesen Fällen bestimmen nicht die Tests die ‚Wahrheit‘ der Krankheit, sondern Formen der Selbstmedikation werden dazu verwendet, den ‚Wahrheitsgehalt‘ der Tests zu bestimmen. Einerseits konfligiert das objektivistische Ideal der Tests, Malaria exklusiv (am einem Ort und zu einem bestimmten Zeitpunkt der Testanwendung) feststellen zu können, hier mit den multiplen Formen der Medikamentenverwendung und der Krankheitsfeststellung im ländlichen Uganda. Anderseits erweitert die Verwendung der Schnelltests das Bezugsfeld, in dem Pflegerinnen musujja/Malaria verorten müssen. Die klinische Diagnose oder Verdachtsbehandlung ermöglichte Pflegerinnen, sich weitgehend von den Unwägbarkeiten, die die vorgängige Selbstmedikation für die Behandlung in den Einrichtungen mit sich bringen kann, zu entkoppeln. Eine ernsthafte Verwendung der Tests macht aber notwendig, dass Pflegerinnen diese neuen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten durch formgebende Praktiken routinisieren.

5. ‚Negative‘ Malaria: Zur Organisation von (Nicht-)Wissen

Wie ich soeben am Beispiel der Selbstmedikation gezeigt habe, hängt die Möglichkeit musujja/Malaria mit Hilfe der Schnelltests in den Einrichtungen verorten zu können, immer auch von vorgängigen und außerorganisationalen (Be-)Handlungen ab. Ist nun ein Effekt dieses Zusammentreffens, dass Pflegerinnen immer wieder negative Testergebnisse überstimmen, so verlangt eine symmetrische Behandlung des Phänomens auch erklären zu können, warum dies nicht stets der Fall ist. In den folgenden Ausführungen widme ich mich den Verfahren, wodurch es Pflegerinnen möglich wird, die Krankheit als abwesend zu deklarieren. Dass musujja/Malaria bereits durch Selbstmedikationen vorbehandelt wurde, lässt uns annehmen, dass Patientinnen die Einrichtungen mit einem spezifischen Krankheitsverdacht aufsuchen. Patientinnen verfügen somit über eine Alltagserfahrung im Umgang mit der Krankheit und betreten die Behandlungssituation keinesfalls naiv und unvoreingenommen. Da Schnelltests den negativen Nachweis von Malaria ermöglichen, stehen Pflegerinnen vor der komplexen und verantwortungsvollen Aufgabe, dieses Wissen gegenüber der Krankheitserfahrung der Patientinnen durchzusetzen. Im Zentrum der Betrachtungen steht somit die Frage, wie Pflegerinnen den Widerspruch, dass die Krankheit in der Behandlungssituation gleichzeitig anwesend (Patientinnen/musujja) und abwesend (negativer Test/Malaria) ist, den Patientinnen gegenüber plausibilisieren. Die Frage, was Pflegerinnen alles mobilisieren müssen, um Patientinnen von der Gültigkeit eines negativen Tests zu überzeugen, möchte ich hier als eine Form des Umgangs mit Nichtwissen behandeln. Der Kern des

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Kapitels widmet sich darum der Organisation des Verhältnisses von Wissen und Nichtwissen. Denn einerseits handelt es sich bei der Einführung der Tests um den Versuch, Nichtwissen (Verdachtsbehandlung) durch Wissen (parasitenbasierte Diagnose) zu ersetzen. Anderseits haben die Laborstudien gezeigt, wie die Produktion wissenschaftlichen Wissens gleichzeitig mit der Produktion von Nichtwissen einhergeht (Japp 2002).1 Die Wissenssoziologie hat bereits seit längerer Zeit darauf verwiesen, dass Nichtwissen nicht länger als residuale, defizitäre Größe behandelt werden kann, die durch die Produktion weiteren Wissens zurückgedrängt oder gar beseitigt wird. Bei Nichtwissen handelt es sich um ein „Phänomen, das untrennbar mit den Vorgängen des Erkennens und des Wissenserwerbs verbunden ist“ (Kneer 2010: 717). Der in dieser Sichtweise angestrebte kritische Impetus betont, dass Nichtwissen nicht „einfach als Folge eines Mangels an exaktem, wissenschaftlichem Wissen [...], sondern sich ebenso sehr als Resultat wissenschaftlicher Forschung und der technologischen Umsetzung ihrer Erkenntnisse“ (Wehling 2006a: 487) einstellt. Im Geltendmachen negativer Testergebnisse sehen sich Pflegerinnen verschiedenen Typen von Nichtwissen gegenüber. Nichtwissen entsteht sowohl in Bezug auf die Vermittelbarkeit des technischen Testwissens als auch gegenüber dem neu eröffneten Krankheitsfeld. Denn die Behauptung Malaria läge nicht vor, reicht oft nicht aus und verlangt stattdessen in den meisten Fällen eine Ersatzerklärung (oder Differentialdiagnose), was stattdessen der Ursache der Symptome ist. Geschieht dies nicht oder nur in unbefriedignender Weise wird für die Betroffenen deutlich, dass die Frage, was stattdessen die Ursache der Symptome sein kann, nicht mit der gleichen Gewissheit bestimmt werden kann, wie dies für ‚negative Malaria‘ der Fall ist. Um die Konfliktlinien besser nachzeichnen zu können, werde ich zunächst zeigen, dass die formellen Richtlinien von einem Substitutionsmodell von Krankheit ausgehen, welches aber nur schwer mit individuellen und kollektiven Krankheitserfahrungen vermittelbar erscheint.

1

Während Ulrich Beck „Nicht-Wissen als ‚Medium‘ reflexiver Modernisierung“ (Beck 1996: 298) deutet, geht Niklas Luhmann erwartungsgemäß einen Schritt weiter, indem er versucht, die Frage zu plausibilisieren, ob statt Wissen nicht vielleicht „Nicht-Wissen zur wichtigsten Ressource des Handelns wird“ (Luhmann 1992: 184).

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5.1 K RANKHEITSTAUSCH UND E RWARTUNGSHORIZONT Ein erneuter Blick in die Gebrauchsrichtlinien der Schnelltests offenbart eine überwältigende Fülle an Informationen und Handlungsoptionen, wie Pflegerinnen im Falle eines negativen Testergebnisses am besten verfahren sollten. Im Gegensatz zur Informationslage bezüglich der Selbstmedikation schlägt hier den Pflegerinnen eine lange und ausführliche Erzählung entgegen, welche Differentialdiagnosen und Behandlungsoptionen von diesen im Fall eines negativen Tests in Erwägung gezogen werden sollen. Wie Abbildung 8 exemplarisch verdeutlicht, werden in den Richtlinien verschiedene Krankheiten dicht aneinandergereiht. Trotz aller Ausführlichkeit bleibt unklar, in welcher Form Pflegerinnen ihre Anschlusshandlungen danach auszurichten haben. Das Prinzip, nach dem dieser Optionskatalog geordnet ist, baut nämlich auf der wenig praktikablen Annahme auf, dass sich eine Krankheit durch eine andere Krankheit substituiert lässt: Wenn nicht Malaria vorliegt, dann muss es eine andere Krankheit sein. Weder individuelle noch kollektive Priorisierungen und unterschiedliche Gewichtungen von Krankheiten spielen bei dieser unterstellten Form des Krankheitstausches eine Rolle. Stattdessen wird unterstellt, dass alle Beteiligten dieses ‚demokratische‘ Krankheitsmodell verinnerlicht haben, sodass auch keinerlei Notwendigkeit besteht, Patientinnen beispielsweise ausreden zu müssen, sie litten an musujja/Malaria.

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Abbildung 8: Auszug aus der RDT Gebrauchsanleitung

Quelle: MoH, RDT User’s Manual, 2009.

Um nun zu verstehen, warum die meisten Patientinnen die Einrichtungen mit starken Erwartungshaltungen aufsuchen, möchte ich kurz auf den (un-) mittelbaren Erfahrungshorizont von musujja/Malaria eingehen. Mit dem Erfahrungshorizont bezeichne ich individuelle wie kollektive Erfahrungen und darin eingegangene Wissensbestände, die sich auf eine bestimmte Symptomkonstellation und deren Behandelbarkeit beziehen (Feierman 1985, Feierman & Janzen 1992, Prins 1989). Da es sich bei den meisten Regionen Ugandas um Gebiete handelt, in denen Malaria endemisch ist, ist ein Großteil der Patientinnenschaft bereits mindestens einmal im Leben, wahrscheinlich aber häufiger, an Malaria erkrankt.2 Diese Sachlage bringt

2

Dass Uganda innerhalb der Global Health Gemeinde zu einer bevorzugten Studienregion geworden ist, liegt eben auch daran, dass neben einer unterschiedlichen Endemizität und Prävalenz auch die höchste Inokulationsrate der Welt gemessen wurde (Nankabwira et al. 2009). Bei der Inokulationsrate handelt es sich um eine Messtechnik, mit der bestimmt werden kann, wie häufig pro Nacht/pro Jahr ein Individuum in einer bestimmten Region von einem mit Malaria infizier-

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es nun mit sich, dass Patientinnen über ihre eigene bzw. spezifische Symptomkonstellation (z.B. erhöhte Temperatur, Hitze- und Kältewallungen, Schwindel und Übelkeit etc.) verfügen. Diese Alltagserfahrung lässt sie dann vermuten bzw. wissen, dass es sich um musujja/Malaria handelt. Der Erfahrungshorizont ist nun aber auch an die Behandelbarkeit von musujja/Malaria durch Medikamente gekoppelt. Die Gewohnheit, nach einer spezifischen Symptomkonstellation Malariamedikamente eingenommen und anschließend eine Besserung des Zustandes erfahren zu haben, verleiht der Kombination Symptom-Pharmazeutika einen hohen Gewissheitsgrad. Es sei hier kurz erwähnt, dass in Fällen, wo es sich um Falschmedikation handelt, auch die Selbstheilungskräfte des Körpers eine wesentliche Rolle spielen. Von Falschmedikation wird dann gesprochen, wenn Malariamedikamente eingenommen werden, ohne dass die angenommene Krankheit Ursache der Symptome ist. Ohne weiter auf die darin angelegten komplexen Verwicklungen zwischen Placeboeffekten von (falschen) Medikamenten und den Selbstheilungskräften von Körpern einzugehen (Harrington 1997, Wagner 2005), werden Besserungen des Zustandes eher der aktiven Handlung bzw. dem Aktiv-Werden als den Selbstheilungskräften des Körpers zugeschrieben. Im vorliegenden Fall der Konsultation in den Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung ist diesbezüglich von Belang, dass die Alltagserfahrung mit Fiebererkrankungen dazu beiträgt, dass sich die meisten Patientinnen für kompetent halten zu wissen, wann die Krankheit vorliegt und wann nicht. Hierin zeigt sich nun am stärksten der Kontrast zum ‚Patientinnen‘, wie ihn die Richtlinien entwerfen. Patientinnen werden darin vorrangig als passive Akteure und stumme Informationsquellen inszeniert. Den Pflegerinnen würde danach die alleinige Deutungshoheit und auch Verantwortung für die zu treffenden Entscheidungen zukommen. Die Sache ist so schwierig, wie sie heikel ist: Mit dem Einsatz der Tests fällt Pflegerinnen die verantwortungsvolle Aufgabe zu, Patientinnen davon überzeugen zu müssen, nicht mehr ihrem ‚gesunden Menschenverstand‘ oder ihre Alltagserfahrung zu vertrauen. Die Schnelltests stoßen somit einen Prozess an, in dem von den Beteiligten verlangt wird, ihrer gewohnheitsmäßigen Krankheitserfahrung zu misstrauen. Aus Sicht der Patientinnen ergibt sich dann

ten Moskito gebissen wird. (Zu den ethischen Implikationen dieser Messmethode, Kelly 2011).

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die paradoxe Situation in den Einrichtungen, dass ein ehemals behandelbarer Zustand nun plötzlich nicht mehr behandelbar ist. Die Wahrnehmung eines Qualitätsverlusts wird dann auch kritisch an die Kompetenz und Expertise der Pflegerinnen rückgebunden. Anders gesagt, Patientinnen fühlen sich ihrer Krankheit beraubt. So ist zu fragen, welche Mittel Pflegerinnen mobilisieren können, um diesen Verlust zu kompensieren.

5.2 „T OLINA O MUSUJJA !“ – G UTE ODER SCHLECHTE Ü BERSETZUNG ? Der ugandische Ausdruck „Tolina Omusujja!“ lässt sich übersetzen mit: „Sie haben kein musujja/Fieber/Malaria“. Mit der Aussage übermitteln Pflegerinnen ihren Patientinnen, dass nicht Malaria die Ursache ihrer Symptome ist. Ich gehe hier davon aus, dass dieser Satz während der Zeit, als ausschließlich Verdachtsbehandlungen möglich waren, nur sehr selten und auch nicht in dieser Eindeutigkeit und Bestimmtheit vorgetragen wurde. Wie sollte man sich aber eine gegenwärtige Konsultation vorstellen, an deren Ende dieser Satz artikuliert wird? Die Konsultationsgespräche werden in den meisten Einrichtungen für gewöhnlich in Luganda durchgeführt. Dabei verwenden Pflegerinnen und Patientinnen während der Anamnese den Ausdruck musujja und nur selten die Bezeichnung Malaria. In Studien zur lokalen Krankheitsklassifikation in Uganda wurde gezeigt, dass es sich bei musujja um einen Sammelbegriff handelt, unter dem ein ganzer Symptomund Beschwerdekomplex subsumiert werden kann (Nsungwa-Sabiiti et al. 2004).3 Zu den am häufigsten erwähnten Symptomausprägungen, die darunter zusammengefasst werden, zählen Fieber, erhöhte Temperatur, Hitzewallungen, Schüttelfrost, Übelkeit und Gliederschmerzen. In der folgenden Erklärung verweist Esther nun auf eine Eigenheit, wenn musujja als Symptom während einer Konsultation erwähnt wird.

3

Diese Untersuchungen zum lokalen Krankheitswissen haben gezeigt, dass viele Patientinnen musujja spezifizieren können, z.B. als musujja of the stomache, musujja of the joint, musujja of the mosquito (Nuwaha 2002).

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Esther: „Now it’s like this: For us in the local language in which we work, people call all heat ‚musujja‘. That’s why they come saying: ‚I have musujja!‘ They will not tell you that the body is hot. They just say: ‚I have musujja‘. That is why you have to look through the history and know what the cause of this fever exactly is because it can be caused by many different things, like the patient might have other infections.“

Esther deutet in ihren Ausführungen auf einen symbolischen Gehalt von musujja. Gerade weil musujja auf einen ganzen Symptomkomplex verweist, müssen Pflegerinnen auch immer dem Aspekt Rechnung tragen, was durch den Begriff nicht gesagt wird. Das Aussparen einer Spezifizierung und die Beschränkung auf musujja allein ist eine wichtige sprachliche Operation innerhalb der Zugangslogik zu Malariamedikamenten. Dass Patientinnen absichtsvoll nur wenig bzw. unspezifische Informationen preisgeben, dient dem Zweck, das Behandlungsfeld gleichzeitig offen zu halten. Der Ausdruck musujja zirkuliert auf diese Weise zwischen den Beteiligten und den verschiedenen Krankheitsrationalitäten. Aus der Perspektive der Patientinnen sichert musujja die Wahrscheinlichkeit, Malariamedikamente verschrieben zu bekommen. Umgekehrt ist diese Kategorie auch für Pflegerinnen umfassend genug, um darunter sowohl das biomedizinische Konzept von Malaria als auch lokale Bedeutungszusammenhänge als nicht widersprüchliche Symptom- und Therapieelemente zu kombinieren. Dabei handelt es sich um eine Alltagspraxis, deren Kompromisscharakter mögliche Diskrepanzen zwischen den Konzepten einebnen soll. Wie der anschließende Ausschnitt aus einer Fokusgruppendiskussionen mit Pflegerinnen zeigt, offenbaren sich im Explizit-machen der Kategorie deutliche Verständnisunterschiede. Lydia: „But musujja is fever.“ All: „No no no…“ [Other participants opposing strongly]. Lydia: „It’s fever that results in musujja [...]“ Esther: „Musujja is Malaria.“ Robinson: „But the problem is our patients, especially here in Buganda, they can’t say exactly what they feel they just summarise it in one word: musujja.“ Norah: „Even if they have a different infection or pneumonia, they just say they have musujja. It also depends on what they want the health worker to give them.“ Halima: „Until you ask them: Do you have cough? Flue, diarrhoea? And they accept one after another. Otherwise the first thing they will always present is musujja.“

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Geht man zurück in die imaginierte Konsultationssitutation, dann zeigt sich, wie Pflegerinnen diese mannigfaltigen Bedeutungsebenen und ambivalenten Beziehungen zwischen musujja und Malaria in pragmatischer Weise als Fieber übersetzen. Nachdem eine Patientin musujja erwähnt hat, übertragen Pflegerinnen das englische Wort „fever“ in die Behandlungsbücher. Auf meine Nachfrage, warum denn Fieber und nicht musujja notiert würde, gaben Pflegerinnen an, dass die Information, die im Behandlungsbuch auf Englisch verschriftlicht würde, ausschließlich für das Pflegepersonal Bedeutung hätte. Wenn nun eine Patientin während des Gesprächs musujja erwähnt, dient dies neuerdings den Pflegerinnen als Indikator, einen Schnelltest durchzuführen. Oder in den Worten Halimas: „[T]he moment someone mentions musujja, then I just do the test. And the patients know it as well. They know that if they mention the word musujja they will be pricked. [...]“

Wenn nun im Anschluss ein negatives Testergebnis registriert wird, verwenden Pflegerinnen für die Übermittlung des Resultats den Ausdruck „Tolina omusujja!“. Die alternative Formulierung „Tolina Malaria!“ („Sie haben keine Malaria.“) wird stattdessen vermieden. Eine Erklärung der Ursachen für die Rückübersetzung des Testergebnisses in Luganda gibt Stella: Stella: „[F]irst of all, they understand the word musujja much better than the word malaria. So its better to tell them like that. You see these people, if you told them that there is no Malaria, they will argue and tell you, musawo, for me its not the musujja of mosquitoes. My musujja is from the stomach and others will say they have musujja of the joints [etc.] They will argue a lot. So, to make them know that you are sure of what you are talking about, you tell them there is no musujja, regardless of the type of musujja. Unless someone really insists that they have musujja of the stomach, sometimes I may ask them to go and test for typhoid.“ Q: Ok, and what do you think patients mean when they say they have musujja? Stella: „Well, I think it depends on the tribe. You see for the Basoga, when they have like too much cough and flue they also call it musujja.“

Die Rückübersetzung in die lokale Sprache und in die damit zusammenhängende Krankheitsklassifikation macht nun gleich mehrere Bedeutungsebenen sichtbar: Zum einen ist es das Erfahrungswissen der meisten Pflege-

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rinnen, dass, wenn sie sagen würden „Tolina Malaria“, Patientinnen viel schneller eine Diskrepanz zwischen dem biomedizinischen Konzept Malaria und dem lokalen Konzept musujja ausmachen würden. Diese Rückübersetzung verdeutlicht zum anderen aber auch, dass die Krankheitskonzepte nicht gänzlich unvereinbar sind. Unter dieser Bedingung der Rückübersetzung wird deutlich, dass Patientinnen durchaus bereit sind, das Wissen über die Abwesenheit der Krankheit im ‚Hier‘ und ‚Jetzt‘ der Einrichtung zu akzeptieren. Die Rückübersetzung wirft nun aber auch die Frage auf, ob es sich dabei um eine ‚gute‘ oder ‚schlechte‘ Übersetzung handelt. Die Frage stellt sich vor allem vor der Hintergrundannahme, dass die Verwendung wissenschaftlicher Gerätschaften zu einer Verwissenschaftlichung oder Medizinisierung ehemals nicht-wissenschaftlicher bzw. nicht-medizinischer Handlungs- und Erkenntnisfelder beitragen kann. Wenn also mit der Einführung der Schnelltests die Hoffnung gehegt wird, dass sich darüber die Akzeptanz und das Verständnis biomedizinischer Rationalitäten erhöht, dann verdeutlicht das vorliegende Beispiel der Rückübersetzung, dass dies nicht automatisch der Fall ist. Die Rückübersetzung in Luganda zeigt, dass es auf dieser Ebene darum geht, lokale Krankheitsklassifikationen zu stabilisieren. Die Annahme, dass die Tests bei der Übersetzung des biomedizinischen Konzepts von Malaria helfen würden, wird somit deutlich geschwächt. Aus dieser Perspektive handelt es sich eher um eine schlechte (Rück-)Übersetzung. Gleichzeitig jedoch handelt es sich um eine erfolgreiche Übersetzung. Pflegerinnen legen darin den Grundstein, das Testergebnis in einer für alle Beteiligten akzeptableren Form zu übermitteln und auf diese Weise keine Malariamedikamente verschreiben zu müssen. Wie ich im Folgenden zeigen werde, handelt es sich bei dieser Übersetzung aber nur um eine Minimalanforderung, die Pflegerinnen erbringen müssen, um daran anschließend weitere Überzeugungsformate mobilisieren zu können.

5.3 G UESS

WHO ’ S THE EXPERT ...

At this point we were just seated on the side with Richard doing the interview, as another nurse was on the table attending to patients. Along the way I picked interest in what was going on so Richard and I started observing them. It seemed they had no idea that we were observing them. The patient had tested negative but insisted how-

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ever that she was feeling so bad and all signs according to her were showing that she had musujja. The health worker was trying to tell her that it could be something else and was trying to refer her but she refused and insisted that she needed Coartem, because she felt she had musujja. [...] Now the nurse got angry and increased the tone of her voice, trying to tell the lady that it’s her [the nurse] who is knowledgeable and telling her that she doesn’t have musujja. ‚Who are you to insist what you have, when I have told you that you don’t have musujja?‘ So when the nurse realised that we were actually observing them, she lowered her voice and started talking to the patient differently than she was earlier on.

Die vorangestellte Sequenz steht exemplarisch für ein von mir häufig beobachtetes Interaktionsmuster, in dem Pflegerinnen die der Behandlung zu Grunde liegende Konstellation ‚Experten/Laien‘ explizit machen. Einerseits drückt sich darin eine selbstbewusste Haltung des Pflegepersonals aus. Pflegerinnen berufen sich dabei auf die der Konsultation eingeschriebenen Hierarchien, um eine Akzeptanz des Diagnoseurteils durchzusetzen. Das Vertrauen der Pflegerinnen in den Test – und damit auch in deren eigene Fähigkeiten, den Test richtig ausgeführt zu haben – unterstützt die Bereitwilligkeit zur Verantwortungsübernahme. Pflegerinnen sind dann auch gegenüber insistierenden Patientinnen bereit, die Nichtvergabe von Malariamedikamenten zu verteidigen. Anderseits drückt sich in diesem Rückbezug auf die hierarchische Ordnung auch immer eine gewisse Hilflosigkeit aus. Danach scheinen Pflegerinnen kein anderes Überzeugungsmittel zur Hand zu haben, um ein negatives Testergebnis geltend zu machen. Wie ich bereits untersucht habe, transformiert das Insistieren von Patientinnen Routinehandlungen in eine Art Prüfungssituation, in der sich Pflegerinnen der Frage gegenüber sehen, wie sehr sie den Tests wirklich vertrauen bzw. vertrauen sollten. Auch wenn man davon ausgehen kann, dass sich Pflegerinnen untereinander über den Umgang mit komplexen und ungewissen Situationen austauschen, bleibt doch immer ein Rest Unsicherheit zurück. Die Unsicherheit rührt dann daher, dass Patientinnen von etwas überzeugt werden sollen, wovon die Pflegerin eventuell selbst nicht gänzlich überzeugt ist. Das Durchsetzen eines negativen Testergebnisses ist somit auch Ausdruck einer situativen Krisenhaftigkeit, für deren Vermeidung bzw. Überwindung Pflegerinnen häufig keinen anderen Rat haben als die Inszenierung und Explizierung eines ungleichen Machtverhältnisses.

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Eine ähnlich ambivalente Umgangsform mit negativen Ergebnissen, die auch andeutungsweise in der Gebrauchsanleitung erwähnt wird, sind Überweisungen von Patientinnen an die nächsthöhere Versorgungseinrichtung. Auch Alex bestätigt, diese Option gerade in Fällen zu wählen, in denen er das Gefühl hat, Patientinnen nicht anders von der Richtigkeit und Gültigkeit des negativen Nachweises von Malaria überzeugen zu können. Alex: „[M]e sometimes I give the patient Panadol [pain killer] and refer them to the next center. Especially when I see that they are not convinced with what I am telling them, I tell the person to go to the next level of health center.“

Bei der Überweisung handelt es sich um eine Option, die es Pflegerinnen erlaubt, ein negatives Testergebnis durchzusetzen und sich trotzdem vor Fehlentscheidungen bzw. der alleinigen Verantwortungsübernahme zu schützen. Hingegen macht das Wissen um die begrenzte Mobilität vieler Patientinnen Überweisungen auch für Pflegerinnen zu einer wenig befriedigenden Lösung. Das Nichtwahrnehmen(-können) von Überweisungen erweckt in den Beteiligten erneut das Gefühl der Hilflosigkeit und kommt einer Entlassung ins versorgungstechnische Niemandsland gleich. Patientinnen ziehen es im Anschluss an einen solchen ‚Misserfolg‘ nicht selten vor, die versagten Medikamente im privaten Sektor zu erwerben. Wenig befriedigend ist die Überweisungsoption auch gerade im Kontrast zur Verdachtsbehandlung, in der das Verschreiben von Malariamedikamenten das größte Kompromisspotential versprach. Ein Überweisen von Patientinnen vor dem Hintergrund eines negativen Testergebnisses birgt somit auch immer die Gefahr, Kompetenz und Expertise von Pflegerinnen zu unterminieren. Aus Sicht der Patientinnen haben Pflegerinnen dann die Fähigkeit eingebüßt, einen (körperlichen) Zustand behandeln zu können, den letztere bei früheren Konsultationen komplikationslos gemeistert haben. Pflegerinnen sind sich aber durchaus bewusst, dass sich Überweisungen potenziell nachteilig auf deren Reputation als Gesundheitsexpertin auswirken können. Um diesem Reputationsverlust antizipativ zu begegnen, werden Überweisungsempfehlungen vielfach mit einer zusätzlichen Handlung kombiniert.

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Wie in Alex’ Aussage bereits angedeutet, kombinieren Pflegerinnen Überweisungen nach einem negativen Testergebnis mit der Vergabe anderer Medikamente (in diesem Fall das Fieber- und Schmerzmittel Panadol).4 Die Kombination negativer Tests mit anderen Medikamenten ist weniger dem klinischen Erscheinungsbild geschuldet. Stattdessen entstammt diese Geste einem Erfahrungswissen, wonach sich die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Patientinnen die Abwesenheit von musujja/Malaria akzeptieren, wenn sie nicht mit gänzlich leeren Händen ver- bzw. überwiesen werden. Bei dieser Vergabeform handelt es sich somit weniger um die Behandlung spezifischer Krankheiten, sondern um eine Art materieller Übereinkunft oder Kompromissbildung, die es den Beteiligten erleichtert, das Testergebnis zu akzeptieren. Neben der Erstbehandlung Coartem verfügen die meisten Einrichtungen-II zusätzlich über andere Typen von Malariamedikamenten. Neben Quinine (in Tablettenform oder als intravenöse Injektion) und Artesunate (Zäpfchen für Kleinkinder) ist jede Einrichtung auch noch mit dem Kombinationswirkstoff Sulfadoxine/Pyrimethamine oder kurz Fansidar ausgestattet. Durch den breiten Einsatz seit den 1990er Jahren wird angenommen, dass es gegen dieses Malariamedikament bereits starke Resistenzen gibt. Aus diesem Grund soll Fansidar ausschließlich als Malariaprophylaxe bei Schwangeren zum Einsatz kommen. Wie Halima aber berichtet, setzt sie Fansidar auch gelegentlich in anderen Fällen ein: Halima: „There are also times when we give fansidar but it is not common. We give it especially to pregnant women or when we think the person actually has no Malaria, maybe the test shows negative but the person just insists that she has musujja.“

Oder auch: „[O]ther times, I can give them Fansidar. And when they actually have malaria, we see them coming back here after a few days and saying; „Musawo, the fever just got

4

Aber auch Antibiotika, dass zweitstärkste verfügbare Medikament neben Coartem, wird zur Überzeugung skeptischer Patientinnen eingesetzt. Wie ich weiter unten noch zeigen werde, ist die Vergabe von Antibiotika sehr häufig Teil dieser Verlegenheits- bzw. Kompromisshandlungen.

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worse“ then there we give Coartem. But many times you just give them Fansidar and Panadol, and they actually never come back. Meaning they did not have the malaria that they were thinking about.“

Diese Praxis, alternative (Malaria-)Medikamente zu verschreiben, operiert jedoch entlang einer komplexen Schnittstelle, in der sich unterschiedliches Krankheitswissen, insistierende Versorgungspraktiken und Rechenschaftszwänge überlagern. Einerseits zeigt diese Handlung, das Pflegerinnen annehmen, ein Medikament könne für ein anderes einstehen. Wie in Halimas Fall setzen Pflegerinnen dabei jedoch auf einen Placeboeffekt, wonach allein das Wissen, dass es sich um ein Malariamedikament handelt, die (eventuell nicht vorhandene) Krankheit heilen kann. Andererseits wird in dieser Praxis auch auf Unterschiede innerhalb der Rechenschaftspflicht hingewiesen. Im Falle eines negativen Tests vermutet Halima im Verschreiben von Fansidar einen weniger sichtbaren Bruch mit den Richtlinien als im Verschreiben von Coartem. In dieser reflexiven Hierarchisierung unterscheiden Pflegerinnen Medikamente gezielt danach, wie sehr diese im Fokus der Rechenschaftspflicht liegen.

5.4 O RGANISATION VON N ICHTWISSEN Die bisherigen Beispiele haben vor allem gezeigt, wie Pflegerinnen eine Kombination aus sprachlichen, organisationalen, pharmazeutischen und sozialen Ressourcen mobilisieren, die ihnen bei der Durchsetzung und Stabilisierung negativer Testergebnisse helfen. Worauf noch nicht Bezug genommen wurde ist, welche Rolle nun den Schnelltests selbst bei der Stabilisierung negativer Testergebnisse zukommt. Dabei fällt zunächst auf, dass es Pflegerinnen teilweise aktiv vermeiden, Bezug auf die Technik zu nehmen. Referenzen auf Überweisungsstrukturen, Expertisen oder andere Medikamente können somit auch als Versuche der Pflegerinnen gelesen werden, gerade nicht ihre Wissensquelle explizit machen zu müssen. Pflegerinnen entzerren und relativieren auf diese Weise das Bewusstsein, dass ihre Entscheidung, sich an negative Testergebnisse zu halten, letztlich ausschließlich auf dem Vertrauen in die Technik basiert. Womit kann dieses Aussparen zusätzlich erklärt werden bzw. welche Formen des Umgangs mit Nichtwissen lassen sich darin erkennen? Bei der Beantwortung dieser Fra-

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gen stößt man schnell auf spezifische Rechtfertigungsfiguren, in denen Pflegerinnen den Bildungsgrad der Patientinnenschaft als unvereinbar mit der Komplexität des technischen Testwissens erachten. Richard: „With patients you really don’t have to bother with parasites. Its much easier to explain to them other causes of their sickness than explaining malaria parasites and anti-bodies. Those are very technical things for them to understand.“

Anstatt zweifelnden Patientinnen die Rolle und Bedeutung von Parasiten und Antikörpern zu erklären, zieht es Richard vor, andere Krankheitsursachen zu beschreiben. Es sei hier dahingestellt, ob sich die Beschreibung anderer Krankheitsursachen wirklich gut eignet, um Patientinnen von der Richtigkeit eines negativen Testergebnisses zu überzeugen. Bedeutsamer ist stattdessen, dass der Referenz auf mikrobiologische Details eine nur sehr beschränkte Überzeugungskraft zugeschrieben wird. Diese Zurückhaltung im Explizitmachen der technischen Funktionsbedingungen ist nun aber nicht nur Ausdruck einer Rücksichtnahme auf den Bildungsgrad der Patientinnenschaft. Mindestens genau so sehr handelt es sich dabei um eine Selbstschutzmaßnahme. Denn es gibt, wie im anschließenden Diskussionsausschnitt einsichtig wird, innerhalb des Gesundheitspersonals signifikante Unterschiede, zu welchem Grad Pflegerinnen die wissenschaftlichen Funktionsprinzipien der Tests durchdrungen haben. Q: Can we try to compare the time before RDTs and now after the introduction of RDTs? What do you think? Faridah: „Maybe it was more important that time [before RDTs, RU], because we couldn’t test to see if the malaria is there or not. Meaning we relied only on the information that the patient gave us. But now, we can do the test and even if you say that you took some medicine, if the malaria is still there, we still need to give you drugs.“ Richard: „By the way that is not true. You know that when someone has malaria, and they take Coartem, they can still test positive for some days.“

Die von Faridah und Richard angesprochene Thematik bezieht sich auf den bereits erörterten Sachverhalt, wie sich die Formen der Selbstmedikation auf die Tests und Testergebnisse auswirken können. Zwar weiß Richard um das Problem, dass Schnelltests bis 21 Tage nach Einnahme einer komplet-

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ten Dosis Coartem positiv sein können; was ihm dieses Wissen allerdings nützt oder wo er es einbauen und produktiv machen kann, bleibt fraglich. Da Pflegerinnen keine Mittel oder Vergleichsgrößen zur Hand haben, worüber sie objektiv – also auch entkoppelt von den Aussagen der Patientinnen – feststellen können, ob es sich um ein falsch positives Ergebnis handelt, kann dieses Wissen nur sehr begrenzt hilfreich sein. Eine ähnliche Verwirrung wie in Faridahs Aussage, konnte ich ebenfalls für andere Operationsbereiche beobachten. So verwechselten Pflegerinnen des Öfteren das Parasitenmodell von Malaria – was den meisten Pflegerinnen geläufig war – mit der Antigen-Antikörper-Reaktion, mit der die Tests die Krankheit feststellen. Diese Unsicherheiten und das Nichtwissen über Funktionsprinzipien lässt ein Explizitmachen der Gültigkeit der Tests als nur wenig hilfreiche Option erscheinen. Zwar sind die Tests zweckhaft gestaltet und im Vergleich zum Mikroskop auch einfach zu bedienen. Dass Pflegerinnen aber fast nichts von den wissenschaftlichen Operationsprinzipien wissen müssen, kann sich gerade in Situationen, in denen Testergebnisse infrage gestellt werden, auch nachteilig auswirken. Wird das Testergebnis angezweifelt, wird das Öffnen der Black-box zu einem voraussetzungsreichen und wissensbasierten Unterfangen. Die Verwendung der Tests macht dann deutlich, dass auch eine Technik, über die nichts gewusst werden soll/muss, ein Wissen über den professionellen Umgang mit Nichtwissen verlangt. Für die Pflegerinnen stellt sich nun die verantwortungsvolle Aufgabe, wissen zu müssen, wie man den Tests vertraut (und wie nicht). Dass viele Pflegerinnen ihre Zweifel über die Tests und deren Funktionsweise nicht – oder nur sehr selektiv – mit Patientinnen teilen, deute ich als Ausdruck eines sich professionalisierenden Umgangs mit Nichtwissen. Geht man davon aus, dass der Umgang mit Technik zugleich die Organisation von Nichtwissen notwendig und unvermeidlich macht, dann zeigt sich nun auch genauer, welchen Einfluss die Schnelltests auf den Umgang mit Medikamenten haben. Danach ist es ein Charakteristikum der Verdachtsbehandlung, die Möglichkeit, dass es sich immer auch um eine andere Krankheit handeln könnte, situativ auszublenden. Der negative Nachweis von Malaria verhindert (oder verunmöglicht) nun aber genau dieses konstitutive Moment der Verdachtsbehandlung zugunsten anderer Krankheiten. Die Option, die Pflegerinnen damit eröffnet wird, nämlich anderes Krankheitswissen auf diesen neuen Erkenntnisraum anzuwenden, macht jedoch

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gerade Lücken und Leerstellen sichtbar, wo letztlich Expertenwissen gefragt ist. Für die Pflegerinnen geht es somit um die „Aushandlung eines Ausblendungsverlustes und dessen Konsequenzen“ (Böschen & Wehling 2013, 68). Organisation von Nichtwissen heißt in solchen Fällen, die risikorelevanten Implikationen mittels der etablierten Erkenntnisstrategien zu kompensieren. Unabhängig davon, wie professionell und glaubwürdig der Umgang mit Nichtwissen ist, kann davon ausgegangen werden, dass einem Teil der Patientenschaft diese Unsicherheiten und Zweifel der Pflegerinnen nicht verborgen bleiben. Wenn beispielsweise ein Test ein nur schwach sichtbares Ergebnis zeigt, wird diese Uneindeutigkeit nicht selten durch die Konsultation einer Kollegin geklärt. Eine solche Komplikation war wohl auch die Ursache für die folgende Reflexion eines Patientinnen. Patient 4: „But sometimes you can know when they are confused about the test results. And how you can know that, you will see when and how they are talking to their colleagues, the other health workers. And that is how you will know that they are either doubting the results they are getting or something has confused them. But for us they can’t tell us.“

Die Aussage schließt mit einer Beobachtung („But for us...“), die nicht nur meine Annahme bestätigt, dass Pflegerinnen ihre Unsicherheiten und Zweifel eher selten mit Patientinnen teilen. Es deutet sich darin an, dass dies von letzteren auch nicht erwartet wird. Einerseits kann davon ausgehen werden, dass es vor der Einführung der Tests Behandlungssituationen gab, in denen Pflegerinnen mit Unsicherheiten und Nichtwissen umgehen mussten. Andererseits sind die Tests aber gerade deswegen kontrovers, weil sie in einen Behandlungszusammenhang intervenieren, der sich bereits durch eine hohe Professionalisierung im Umgang mit Unsicherheiten und Nichtwissen auszeichnet. Dieser Zusammenhang – ganz gleich wie prekär geartet – wird durch den neuen Rechtfertigungszwang bezüglich negativer Testergebnisse graduell destabilisiert. Sichtbar wird dies erneut an der neuen Rolle der Selbstmedikation in Behandlungssituationen. Der folgenden Gesprächspassage mit Patientinnen ging die Frage nach dem Verhältnis zwischen Selbstmedikation und Testergebnissen voraus:

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Patient 4: „[S]ometimes when you have taken medicine, they fail to see the musujja, and that is why they always tell us not to do self-treatment.“ Patient 5: „But me I think they just use that as an excuse when they have failed to explain what the patient’s problem is. So they just hide under the fact that you took some medicine.“

Der hier als Kritik geäußerte Verdacht, dass Pflegerinnen sich hinter dem Problem der Selbstmedikation verstecken würden, kann einerseits auf die veränderte Rolle zurückgeführt werden, die diese Einnahmepraktik im Verhältnis zum Schnelltest spielt. Während der Verdachtsbehandlung konnte Selbstmedikation eben nur schwerer als eine die Eindeutigkeit von Diagnoseverfahren irritierende Praxis denunziert werden. Anderseits erkennen Patientinnen darin sehr wohl auch eine Verschlechterung der Servicequalität. Dass viele Pflegerinnen die Beziehung zwischen Selbstmedikation und Testergebnis nicht ausreichend plausibilisieren können, drückt sich eben auch als Mangelerfahrung der Beteiligten aus. An dieser Stelle muss es nun fast verwunderlich erscheinen, wenn es auch Fälle gibt, in denen die Tests selbst als Überzeugungstechnik verwendet werden. Faridah: „You guys [other participants] have not seen difficult patients. Some patients are difficult to convince that they do not have malaria. For them they think that all symptoms they have must be the signs and symptoms of malaria. I have a friend, another health worker, who told me that for her when she tests a patient and it turns out negative before declaring results she first keeps the negative results. Then waits to get results of another patient who is positive and then she will call the negative patient so that she shows them the difference between the two strips.“

In dem von Faridah gegebenen Beispiel setzt ihre Kollegin auf die beweisgebende Kraft bzw. Evidenz von Sichtbarkeiten. Sie setzt dabei auf die Einsicht der Patientinnenschaft, auch ohne Wissen einen visuellen und als handlungsrelevanten anerkannten Unterschied feststellen zu können (ein Streifen=negativ vs. zwei Streifen=positiv). Diese Form, Patientinnen beim Erkenntnis- und Diagnoseprozess partizipieren zu lassen, ist nun nicht gänzlich frei von Risiken. Eine solche Taktik setzt sich auch immer der Gefahr aus, dass Patientinnen trotzdem Zweifel an der Qualität des jeweiligen Tests äußern könnten. Bei dieser Überzeugungstaktik handelt es sich also um eine heikle Praxis, die sich stark dem Risiko zusätzlicher Hinterfra-

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gungen aussetzt. Ein Hauptgrund allerdings, warum es sich bei dieser Praxis eher um eine Ausnahme handelt, ist die Tatsache, dass es sich dabei um ein eher zeitintensives Verfahren handelt. Wie nun in den nachfolgenden Kommentaren Richard und Alex anschaulich argumentieren, werden Überzeugungstaktiken möglicherweise auch daraufhin geprüft und ausgewählt, welchen zeitlichen Mehraufwand sie mit sich bringen. Richard: „The RDTs have brought another problem: The time that we take explaining to the patient especially when the results are negative is too much. Instead of taking about 10 minutes with the patient, if the results are negative and yet the patients feel that they are sick, you will take about 20 minutes on one person explaining to them what the problem could be. And convincing them that they don’t have malaria is very difficult. So time for counselling the patients has greatly increased. And this is because of the RDTs.“

Oder auch: Alex: „It will take more time to teach a patient antibodies and malaria parasites but when you have time and sit with the patient and explain the negative results the patient will understand. But the problem is the time you find when you are one person receiving patients, testing and at the same time dispensing drugs. So it becomes hard to concentrate on one patient, others will start complaining that the Musawo is so slow.“

Diese Reflexionen von Richard und Alex über die zeitlichen Implikationen sind in mehrfacher Weise interessant. Zum einen wird darin auf ein erkenntnispraktisches Problem rekurriert. Dem Problem, das Pflegerinnen mit uneinsichtigen Patientinnen haben, wird durch die zeitliche Rahmung eine hypothetische Lösbarkeit unterstellt. Die Aussagen implizieren, dass, wenn die Pflegerinnen nur mehr Zeit hätten, sie dann jeden zweifelnden und insistierenden Patientinnen überzeugen könnten. Dass Pflegerinnen in einem Organisationskontext handeln, in dem Zeit (immer) eine knappe Ressource ist, macht diese Referenz somit zu einer unüberprüfbaren und darum hypothetischen Angabe. Anderseits stellt der Verweis auf die zeitlichen Ressourcen, die durch die Verwendung der Tests zusätzlich mobilisiert werden müssen, auf einen zentralen Aspekt der Arbeitsorganisation ab.

6. Veralltäglichung der Schnelltests

Der Umgang und die Anwendung der Schnelltests bauen auf einer klar geregelten Abfolge von Schritten auf. Erst, wenn Nutzerinnen diese Schritte in der richtigen Reihenfolge vollzogen haben, sind die Tests fähig, die Anoder Abwesenheit von Parasiten im Blut eines Individuums nachzuweisen. Von dieser regelgeleiteten Handlungsabfolge wird angenommen, dass es sich um ein vergleichsweise schnelles Verfahren handelt. Die Vergleichsgröße, auf die sich schnell dabei bezieht, sind andere Laborverfahren zur Feststellung von Malaria, wie z.B. Mikroskopie oder die PolymeraseKettenreaktion. Das Labor und dessen spezifische Laborzeit bilden somit den organisationalen Hintergrund, vor dem unterschiedliche Verfahren überhaupt einem Vergleich unterzogen werden können. Den Tests ist somit eine Laborzeitlichkeit eingeschrieben, in der die Zeitlichkeit der Verdachtsbehandlung bzw. klinischen Diagnose allerdings keine Rolle spielt. Worauf aber bezieht sich ‚schnell‘ und die damit verbundene Zeitlichkeit im Verhältnis zur Arbeitsorganisation in den Einrichtungen? Was bedeutet Mehraufwand in einem auf Improvisationen angewiesenen Arbeitskontext? Was kann sich in den Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung überhaupt alles verändern? Wo entlang verlaufen die Grenzen dessen, was sich sinnvoll verändern lässt? Um diese Fragen beantworten zu können, ist es notwendig zu klären, inwiefern der Arbeitsalltag und darüber stabilisierte Routinen das Ergebnis vorgängiger Improvisationen innerhalb eines unsicheren und brüchigen Organisationszusammenhangs sind. Improvisationen unterscheiden sich von regelgeleiteten Abläufen unter anderem darin, dass sie auf Grundlage anderer Zeitlichkeiten – und damit auch anderer Ordnungsvorstellungen – operieren (Crossan et al. 2005, Weick 1998). Die Untersuchung von Zeit und

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Zeitlichkeit in Organisationen rückt damit Improvisationen – Niklas Luhmann würde sagen „Paradoxien“ (Luhmann 1990b) – in den analytischen Vordergrund. Inwieweit die in Improvisationen statthabenden situativen Reinterpretationen sich verzerrend auf die Zielvorgabe von Regeln auswirken können, behandele ich in diesem Kapitel als empirische Suchfrage. An dieser Stelle sei lediglich erwähnt, dass im Zusammenspiel zwischen Technik und Improvisation die Bedingungen der Veralltäglichung der parasitenbasierten Malariadiagnose analysierbar werden. Wenn eine erfolgreiche Integration der Schnelltests in den Arbeitsalltag regelgeleitetes Handeln erforderlich macht, dann stellt dies neue Herausforderungen an die (improvisierten) Routinen der Pflegerinnen.

6.1. R ICHTLINIEN UND L ABORZEITLICHKEIT Um genauer darstellen zu können, was unter der Laborzeitlichkeit der Tests zu verstehen ist, bietet sich ein weiterer Blick in die Gebrauchsanweisungen an. Die dieser Problematik zugrunde liegende ‚Frage, wann ein Test verwendet werden soll, wird darin wie folgt formalisiert: „After you have taken a history and performed a physical examination, you should ask yourself this question: ‚Based on the patient’s symptoms, do I believe this patient may have malaria? If the answer to the question is yes, then you can use an RDT to help determine whether or not the patient actually has malaria.‘“ „Any time you are deciding whether a patient has malaria or another cause of fever, you can perform an RDT. The RDT result, together with the information you get from talking with the patient and examining him or her, will help you to make the correct diagnosis and provide the best treatment.“ (RDT User’s Manual 2009: 13)

In dem ersten Abschnitt wird zunächst eine doppelte Beschränkung vollzogen. Einerseits wird sich ausschließlich auf den unmittelbar vorliegenden Fall bezogen, sodass anderen organisationalen Einflussfaktoren keinerlei Bedeutung beigemessen wird. Zweitens wird die Entscheidung ausschließlich dem behandelnden Subjekt überantwortet. Auch hier spielen Patientinnen als mögliche Einflussfaktoren keine Rolle. Im zweiten Abschnitt dagegen wird diese Beschränkung – „do I believe this patient may have mala-

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ria“ – in konfuser Weise wieder aufgebrochen und das Aussagenfeld auf andere Krankheiten mit einer ähnlichen Symptomlage geöffnet. In den Formulierungen wird nun implizit unterstellt, dass Pflegerinnen ihre Entscheidung, ob ein Test notwendig ist, ausschließlich in Abhängigkeit vom klinischen Erscheinungsbild der Patientinnen fällen. Im klinischen Erscheinungsbild wird also auch der einzig relevante Indikator gesehen, der den zeitlichen und administrativen Mehraufwand, den die Tests notwendig machen, legitimiert. Die Richtlinien koppeln somit die Verwendung der Tests allein an die Symptomlage der Patientinnen. Organisationspraktische Fragen, beispielsweise, wie viele Kollegen gegenwärtig verfügbar sind, um welchen Tag der Woche es sich handelt, zu welcher Tageszeit der Test durchgeführt werden soll, wie viele Patientinnen noch in der Warteschlange und welche bzw. wie viele Medikamente überhaupt verfügbar sind, bleiben notwendigerweise unberührt. Entweder werden sie als irrelevant für die Verwendung der Tests erachtet oder eben als verfügbar vorausgesetzt. Hier sei zunächst dahingestellt, ob sich diese idealisierten Bedingungen einer Technikintegration überhaupt irgendwo auf der Welt beobachten lassen. Wird trotzdem nach einem organisationalen Vorbild gesucht, dem eine solche Fokussierung auf Körper und Krankheit folgt, dann stößt man unteranderem auf die medizinischen Labore westlicher Krankenhäuser. Weitgehend vom ärztlichen Alltagshandeln entkoppelt, zeichnet sich die Laborarbeit durch die technische Aufarbeitung und Analyse von Körper- bzw. Gewebeproben aus. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass Laborarbeit, wenn sie als Dienstleistung Teil der organisierten Krankenbehandlung ist, ebenfalls unter Zeitdruck und teilweise mit begrenzten Ressourcen geschieht (Vogd 2011). Trotzdem werden Proben ins Labor gesendet, weil damit eine Form und Zeitlichkeit der Arbeit antizipiert wird, die die Produktion verlässlicher Ergebnisse sicherstellt. Mit dem hier angedeuteten Kontrast möchte ich auf einen spezifischen Aspekt der Malariabehandlung in den staatlichen Gesundheitseinrichtungen Ugandas aufmerksam machen. In den häufigsten Fällen stellen Patientinnen in den Einrichtungen sicher, dass sie während einer Anamnese musujja erwähnen. Ein Blick in die Registraturen bestätigte mir, dass es sich bei musujja/Fieber/Malaria um den am häufigsten behandelten Symptomkomplex in den Einrichtungen-II/III/IV handelte. Die Häufigkeit, mit der demnach musujja erwähnt und behandelt wird, transformiert die schiere Menge durchzuführender Tests selbst in einen neu zu organisierenden Mehrauf-

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wand. Würde sich die Einführung einer neuen Technik in westlichen Laboren in solcher Weise auf die Alltagspraxis auswirken – und damit potenziell auf die Qualität der Laborergebnisse –, würden sich sehr bald sowohl personelle als auch technische Veränderungen anschließen. Dies wirft im Kontrast die Frage auf, welche Improvisationen in einem Kontext notwendig werden, in dem sich keine technischen und personellen Veränderungen anschließen.

6.2 (T EST -)ALLTAG

UND ANDERE I MPROVISATIONEN

Eine Beobachtung, die ich in den meisten Einrichtungen machen konnte, war eine breite Varianz im Wissen über die formelle Organisationstruktur. Nur wenige Pflegerinnen hatten genaue Vorstellungen über die offiziellen Öffnungszeiten oder darüber, mit wie vielen Angestellten eine Einrichtung formell ausgestattet sein sollte.1 Aussagen über die tatsächliche Anzahl an Angestellten wurden aber auch aus einem anderen Grund nur sehr zögerlich und vorsichtig artikuliert. Ohne dies zu ahnen, zielte meine vermeintlich einfache und naive Frage nach der Zahl der Angestellten ins Zentrum eines organisationspraktischen Dilemmas, das ich hier in einer illustrativen Zusammenschau kurz darlegen möchte. Viele der von mir untersuchten Einrichtungen-II verfügen über sogenannte staff quarters. Dabei handelt es sich um Wohneinheiten, die die Distriktverwaltung ihren Angestellten in den ländlichen Gebieten zur Verfügung stellt. Damit soll nicht nur die Attraktivität erhöht werden, in abgelegenen Gebieten zu arbeiten und kostenfrei wohnen zu können. Die Möglichkeit, auf diese Weise auch einen Bereitschaftsdienst anzubieten, soll somit gleichzeitig die Funktionalität der Einrichtungen erhöhen. Da aber die meisten Einrichtungen über keine Elektrizitäts- und Wasseranschlüsse verfügen, ziehen es viele Pflegerinnen vor, in urbaneren Zentren oder der jeweiligen Distrikthauptstadt zu wohnen. (Ein zusätzlicher Grund ist darin zu sehen, dass Pflegerinnen in Städten kommerziellen Nebenbeschäftigun-

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Umgekehrt konnten mir die meisten relativ genau die Einkommensunterschiede innerhalb des jeweiligen Professionalisierungsgrades (z.B. Nursing Assistant, Enrolled Nurse, Midwife, Laboratory Assistant, Clinical Officer) auflisten.

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gen einfacher nachgehen können.) Dieser Umstand führt dazu, dass ein Großteil des Gesundheitspersonals zum Arbeitsort pendelt und in Ermangelung eines eigenen Vehikels auf öffentliche Transportsysteme angewiesen ist. Ein tägliches Pendeln würde allerdings nicht nur die Hälfte des monatlichen Lohnes ‚aufzehren‘, sondern Pflegerinnen einer zusätzlichen Transferzeit von oftmals zwei bis drei Stunden pro Arbeitstag aussetzen.2 Um nun Einrichtungen trotz dieser Ressourcen- und Infrastrukturprobleme funktionsfähig zu halten, teilen sich Pflegerinnen die Wochentage untereinander auf, sodass jede im Durchschnitt zwei bis drei, jedoch nicht mehr als vier Tage die Woche den Weg zur Arbeit antreten muss. Die informelle Regelung sich die Wochenarbeitstage untereinander aufzuteilen, hat aber den Effekt, dass die meisten Einrichtungen unterbesetzt sind. Die durch den Transport verursachten begrenzten Öffnungszeiten transformieren den Arbeitsalltag somit in ein dicht getaktetes Tätigkeitsfeld. Erschwerend tritt hinzu, dass die Arbeitsintensität, d.h. wie stark die Einrichtungen von Patientinnen frequentiert werden, nur schwer vorhersagbar ist. Die improvisierte Arbeitsaufteilung zeigt nun aber auch, dass die meisten Einrichtungen unter normalen Umständen bereits stark ausgelastet sind. Zusätzlich müssen immer Krankheitsfälle, Teilnahmen an Beerdigungen, Studien- und Weiterbildungserlaubnisse von Kolleginnen oder mehrtägige Trainingseinheiten abgedeckt werden. Diese infrastrukturellen und organisationalen Unsicherheiten setzen den Ablauf zwangsläufig zusätzlichen Improvisationen aus bzw. machen die Fähigkeit zum Improvisieren zu einer notwendigen Voraussetzung, um so etwas wie Routine zu produzieren. Vor diesem Hintergrund lässt sich paradoxerweise formulieren, dass viele Angestellte des öffentlichen Dienstes es sich nicht leisten können, jeden Tag zur Arbeit zu kommen. Diese Aussage bezieht sich jedoch ausschließlich auf den Idealfall einer regelmäßigen Bezahlung. Während meiner Forschungsaufenthalte war ich immer wieder Zeuge mehrmonatiger Gehaltsausfälle, was zwar exzessiv beklagt wurde und eventuell auch kürzere Arbeitszeiten nach sich zog. Bemerkenswerterweise blieb aber keine

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Immer wieder traf ich Pflegerinnen, die in Mukono tätig sind, jedoch in Kampala wohnen (ca. 35km). Dass alle Einnahmen und Ausgaben häufig sehr knapp berechnet sind, zeigte sich auch daran, dass einige Pflegerinnen am Monatsende eine Strecke laufen mussten oder mit dem Fahrrad zum Gesundheitszentrum kamen.

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der von mir untersuchten Einrichtungen geschlossen. Personal- und Fachkräftemangel, eine unregelmäßige und geringe Besoldung, Fragen der Lebensqualität bzw. zusätzlicher Einkommensquellen, gemeinsam mit hohen Transportkosten bilden somit den Hintergrund dafür, dass die meisten Einrichtungen in einem selbstorganisierten Schichtsystem arbeiten. Es wird nun deutlich, dass mit der Einführung der Tests dieses improvisierte Schichtsystem zur Grundlage wird, auf der regelgeleitetes Handeln schnell als zeitlicher und administrativer Mehraufwand wahrgenommen wird. Worin besteht aber genau der Mehraufwand, der für das Personal im Vollzug ihrer Alltagsroutinen notwendig wird? Angefangen mit der Anamnese, der Ausführung der Tests, dem Einhalten der empfohlenen Wartezeit, der sich anschließenden Verlaufsuntersuchung bzw. Differentialdiagnose oder eventuellen Aufklärungsgesprächen über die Gültigkeit negativer Testergebnisse (counselling), den Einträgen in den jeweiligen Registraturen und der Ausgabe von Medikamenten, kann die Behandlung nur eines Patientinnen bereits bis zu 30 Minuten in Anspruch nehmen. Selbst wenn zwei Pflegerinnen zur selben Schicht verfügbar sind, würde dies bei 30 Patientinnen bereits einen siebenstündigen Arbeitstag füllen. Denn folgt man den Richtlinien, dürfte eigentlich keine Tätigkeit, die während der klinischen Diagnose notwendig war, wegfallen. Zum Beispiel setzt die Verwendung der Tests auch weiterhin die klinische Anamnese voraus, um festzustellen zu können, wer einen Test benötigt und wer nicht. Wie die anschließende Reflexion von Halima verdeutlicht, wird der Mehraufwand auch im Kontrast mit anderen Organisationsebenen kontextualisiert: Halima: „However, I think that for Health Center II they [RDTs] really increased the workload. But for Health Center III, they reduced the workload. This is because here in Health Center II we have to do the test ourselves, and then do the writing. Health Center III they have someone in the lab that will perform all the tests and they have someone to do the records.“

Dass Einrichtungen-II ursprünglich eben nicht für die Durchführung der parasitenbasierten Diagnose geplant waren, eröffnet Pflegerinnen nun ein neues Vergleichsfeld. Gerade weil die Tests Laborsituationen bzw. Laborinfrastrukturen einfordern, wird der neue und zusätzliche Arbeitsaufwand immer wieder mit der Abwesenheit räumlicher, zeitlicher und vor allem personeller Verfügbarkeiten kritisch kontrastiert. Wie uns Alex mitteilt,

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lässt die Verwendung der Tests Pflegerinnen ihr Tätigkeitsfeld als eine umfassende Personalunion wahrnehmen: „And the challenge is really that now we are lab-tecs, counselors, store keepers, dispensers and all sorts of things.“ 3 Doch Reflexionen auf den Mehraufwand beschränken sich nicht nur auf Vergleiche mit der formellen Organisationsstruktur, sondern werden auch an die Praktiken der informellen Arbeitsorganisation, wie z.B. das erwähnte Schichtsystem, rückgebunden. Auf die Frage, wie und warum die Tests den Arbeitsaufwand verändert hätten, erhielt ich die folgende Antwort von Faridah: Fardiah: „Definitely, even last time I told you that we are very few here. And because we work in shifts, it makes it worse. But it is the best option we have, so that we are able to minimise on our transportation costs.“

Faridah verweist nun gezielt auf die ungünstige und nachteilige Konstellation, die sich aus dem Zusammentreffen zwischen selbstorganisiertem Schichtsystem und dem zusätzlichen Arbeitsaufwand der Technikintegration ergibt. Doch gerade im Vergleich zu der vorher praktizierten klinischen Diagnose wird den gewohnten Arbeitsabläufen nicht nur eine zeitliche, sondern auch strukturelle Neuordnung abverlangt: Q: What is more time consuming? Is it clinical diagnosis or RDTs? Eddie: „Clinical diagnosis is much quicker than RDT. With RDT we take minimum of 15 minutes. Sometimes the patient is negative, but the symptoms are suggesting malaria. So again you go back to ask more questions after getting negative results. So all that time that we spend asking questions and again doing the test and having to wait for the results is too long. This did not happen before the introduction of RDTs.“

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Hier zeigt sich deutlich der arbeitstechnische Hybrid-Status der Tests: In Einrichtungen-II werden die Tests häufig als überfordernder Mehraufwand erlebt. Wenn nun aber ein qualifizierter Laborassistent fast ausschließlich für die Durchführung der Tests abgestellt wird, stellt sich bei diesen schnell das Gefühl der Langeweile und Unterforderung ein.

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Oder: Q: Before the introduction of RDTs, would you say that your work here was easier than now? Halima: „Yes. When there are no tests, the work is easier because you simply use clinical diagnosis to treat the patients. But here you have to wait for the tests to show you results and then sometimes they even confuse you, and making a decision after some tests becomes a problem. And the work for us, the health workers, is much more.“

Die Vergleichsgrößen ‚einfacher‘ („easier“) und ‚schneller‘ („quicker“) beziehen sich in doppelter Weise auf neue Strukturierungserfordernisse, die die Tests im Vergleich zur klinischen Diagnose mit sich bringen. Einerseits wird auf quantitative Aspekte der Koordination und des Multitaskings verwiesen. Andererseits sind aber auch qualitative Aspekte, etwa unterschiedliche Geschicklichkeiten, relevant um neue Komplexitäten, die die Testergebnisse mit sich bringen, nicht nur wissenspraktisch, sondern auch organisatorisch zu verorten. Anders formuliert: Ob und wie die Krankheit vorliegt, hängt erneut nicht ausschließlich von dem Nachweis von Parasiten oder Antigenen ab, sondern auch davon, wie die Krankheit in den Einrichtungen organisiert wird. Trotz dieser zeitlichen und administrativen Umstrukturierungen gaben Pflegerinnen immer wieder an, dass die Verwendung und Integration der Tests ihnen auch Zeit ersparen würde. „Yes the testing saves time. I don’t have to ask too many questions anymore [...].“ Wie ich ebenfalls weiter unten ausführe, ist die Verkürzung der Anamnese eine weitverbreitete Improvisationspraktik, die zwar den formellen Anforderungen deutlich widerspricht, die Tests aber effizienter in die dichten Zeit- und Arbeitsregime der Pflegerinnen einzubinden erlaubt. Um nun die sich andeutende Ambivalenz in der Wahrnehmung des zusätzlichen Zeit- und Arbeitsaufwandes genauer verorten zu können, stelle ich im nachstehenden Abschnitt Improvisationsformate vor, in denen die Tests mit verschiedenen Organisationsaspekten interagieren.

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6.3 R OUTINISIERUNG VON W ARTEZEIT Während die klinische Diagnose von Malaria sich oftmals in einer einmaligen Begegnung von Pflegerin und Patientin erschöpft – Anamnese, Diagnose und Therapieempfehlung sind hier dicht verwoben –, wird der Behandlungsablauf nun stärker entlang eines vor bzw. nach dem Test geordnet. Dabei ist es vor allem die (Überbrückung der) Wartezeit auf die Testergebnisse, die Pflegerinnen als ordnungsstiftende Instanz produktiv machen müssen. Die Abläufe werden somit um diese Unterbrechung des Behandlungsablaufs reorganisiert. Nimmt man den hypothetischen doch durchaus realistischen Fall, dass eine Patientin soeben erwähnt hat, sie würde musujja verspüren und dies auch der Grund sei, warum sie die Einrichtung aufgesucht habe. Die Pflegerin überlegt sich daraufhin, die Entscheidung, ob musujja vorliegt oder nicht, an einen Test zu delegieren. An diesem Punkt lenkt nun eine Kombination aus räumlichen sowie personellen Aspekten die Aufmerksamkeit auf die Durchführung der Tests. Entsprechend der jeweiligen Räumlichkeit – vor allem aber aus hygienischen Gründen – sollen die Tests nicht am Aufnahmetisch durchgeführt werden. Das dies trotzdem immer wieder geschieht, ist Teil der subjektiven Einschätzung der Pflegerin, die Tests auf diese Weise am effizientesten in die Arbeitsabläufe einbeziehen zu können. Zwei Improvisationsmodi konnte ich diesbezüglich beobachten: Wenn der Test am Aufnahmetisch durchgeführt wurde, kombinierten Pflegerinnen dies sehr häufig mit einem verfrühten Ablesen des Testergebnisses. Mit einem kurzen Blick auf den Test wurde nicht selten bereits nach zwei bis drei Minuten – anstatt der empfohlenen 15 Minuten – das Ergebnis abgelesen und verschriftlicht. Welche Komplikationen diese Improvisation für die Behandlungsqualität mit sich bringen können, erklärt Gad: Gad: „I am thinking of something different […] sometimes we must consider certain things: the manufacturer of that testing kit gives you 15 minutes before you take the reading. But some of them may be faster, so some health workers may always think that they will all be fast. So they don’t even wait for 10mins. Yet if they waited longer, they would see that positive shows but weak! Sometimes health workers are very busy and tired, so they sometimes don’t wait for the results.“

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Gad verweist auf die Unsicherheit, dass bei einigen Tests der zweite Teststreifen, durch den ein positiver Fall indiziert wird, erst mit einiger Verzögerung und dann auch nur sehr schwach hervortritt. Pflegerinnen, die die Tests verfrüht ablesen, riskieren somit, einen Fall als negativ zu deklarieren und keine Malariamedikamente zu verschreiben, obwohl die Krankheit vorliegt. Gad sieht die Gründe sowohl in der großen Geschäftigkeit als auch in der sich daraus ergebenden Ermüdung, wodurch sich schnell Unaufmerksamkeiten einschleichen. Das verfrühte Ablesen kann auch als Rückübersetzung gelesen werden, worin die Anwendung der Tests in eine Form der Arbeitsorganisation eingepasst wird, wie sie während der klinischen Diagnose praktiziert wurde. Es muss aber auch betont werden, dass die hier beschriebene Improvisation vor allem dort beobachtet werden können, wo nur eine Pflegerin Dienst hat. Sobald zwei oder mehr Pflegerinnen verfügbar sind, wird sich für gewöhnlich in die Arbeitsabläufe reingeteilt und die empfohlene Wartezeit dadurch häufiger eingehalten. Den zweiten Improvisationsmodus konnte ich beobachten, wenn die Tests – entsprechend den Richtlinien – in einem anderen Raum durchgeführt wurden, wobei auch hierbei oftmals nur eine Pflegerin verfügbar ist. Eine Taktik besteht dann im ‚Sammeln‘ von Test-Patientinnen in dem dafür vorgesehenen Raum (dieser wird darum nicht selten als ‚lab‘ oder ‚laboratory‘ bezeichnet). Erst ab einer Anzahl von beispielsweise fünf Patientinnen verlässt die Pflegerin ihren Aufnahmetisch, um die Tests ganz im Stile eines Laborangestellten nacheinander durchzuführen. Der Vorteil dieser Methode besteht nun darin, dass den Tests eine größere Reaktionszeit zugestanden wird, ohne dass diese Zeit untätig verstreicht. Hat die Pflegerin die TestPatientinnen abgearbeitet, kann sie anschließend mit der Übertragung der Testergebnisse in die Registraturen und Behandlungsbücher beginnen. Da dies ähnlich viel Zeit in Anspruch nimmt wie die Durchführung der Tests, kann die Pflegerin auf diese Weise sicherstellen, dass auch den Tests, die zuletzt durchgeführt wurden, genügend Zeit zugestanden, wird um das Ergebnis hervorzubringen. Wie sich in diesen improvisierten Routinisierungs- und Ordnungsversuchen zeigt, experimentieren Pflegerinnen mit verschiedenen Formaten. Diese Tüftelei dient dabei der Herstellung einer größtmöglichen Passung mit den spezifischen Arbeitssituationen und Aufgabenfeldern. Bei dieser Tüftelei handelt es sich um eine Orchestrierung eines heterogenen Ensembles, bestehend aus technischen Erfordernissen, der wartenden bzw. zu bearbei-

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tenden Patientinnenzahl und den zeitlichen wie personellen Engpässen. Dass es sich dabei auch immer um mehr oder weniger erfolgreiche Verfahren handelt, aus denen spezifische Vor- bzw. Nachteile emergieren, verdeutlicht Richards Improvisationsversuch: Richard: „I think sometimes the best way to save time is to take many tests at once. But there you have to compromise on the history taking. Like you call in all patients having musujja, and then you ask a few questions to each one of them, and then you take the blood samples at once. But many times it is not so good because patients do not want to speak when there are other patients listening. Each one of them wants to meet you alone.“

In dieser Form der Triagierung4, die Richard und seine Kolleginnen versuchen, sollen bereits am Morgen versammelte Patientinnen nach musujja/Malaria sortiert werden. Dass dieser Versuch mit den Erwartungshaltungen und Ansprüchen vieler Patientinnen z.B. auf Privatsphäre kollidiert, zeigt nun auch, dass mit der Angabe, an musujja erkrankt zu sein, nicht automatisch Malaria gemeint ist. Der Versuch von Richard, musujja ausschließlich unter die Kategorie Malaria bzw. den Malariatests zu subsumieren, konfligiert nicht nur mit verschiedenen Typen von musujja, sondern auch mit Anliegen von Patientinnen, in die die Artikulation von musujja eingebettet sein kann, die jedoch nur ungern mit anderen geteilt wird. Was sich in diesen Improvisationen vor allem zeigt ist der Versuch die Tests zum Routinevollzug der Dienstleistungen und Arbeitsabläufe in den Einrichtungen werden zu lassen. Dass Routinisierungspraktiken auch immer die Tendenz zur Automatisierung von Abläufen und Verfahren mit sich bringen, illustriert die anschließende szenische Beobachtung, die ich in einer Einrichtung machen konnte:

4

Bei der Triage (deutsch: sortieren) handelt es sich um eine erste Sichtung und die sich anschließende Priorisierung medizinischer Hilfeleistungen. Gerade, weil diese Form der Notfallbehandlung ihre historischen Ursprünge in kriegerischen Auseinandersetzungen hat, kommt die Triagierung auch bis heute vor allem bei humanitären Notfallsituationen zum Einsatz (Iserson & Moskop 2007, für die Verteilungslogik von HIV Medikamenten in West-Afrika siehe Nguyen 2010).

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At some point, they [health worker and patient] talked so much about the use of local herbs for family planning, that the health worker unconsciously pulled out the RDT and was starting to open it without asking anything or talking about anything concerning the patient. She then realised as she was starting to open that she actually hadn’t asked what the woman was suffering from. When she realised this, she asked: „By the way, do you have musujja?“ The lady said: „No. I don’t have musujja.“ She went ahead to explain her health problem which was related to pain in the leg and in the back.

Dass die Pflegerin, in ein Gespräch vertieft, routinemäßig zu den Tests greift, zeigt, wie sehr die Verwendung der Technik in den Einrichtungen bereits automatisiert ist. Das Beispiel illustriert aber auch, dass aus Gründen der Zeitersparnis die klinische Anamnese nicht nur schrumpft, sondern teilweise gänzlich ausgelassen wird. Gerade während der Trockenzeit kann dieser automatisierte Gebrauch der Tests sich auch in ein neues Problemfeld verwandeln. Während dieser Zeit sinkt die Prävalenz von Malaria in einigen Teilen des Landes drastisch ab, so dass durch diese Art des gewohnheitsmäßigen screenings die Wahrscheinlichkeit steigt, negative Testergebnisse zu erhalten. Pflegerinnen setzen sich dadurch vermehrt Legitimationszwängen aus und gehen damit das Risiko ein, dass sich die erhoffte Zeitersparnis nicht nur amortisiert, sondern sogar ins Negative verkehrt. Was ich im Zusammenhang mit den saisonalen Schwankungen der Krankheit jedoch nicht feststellen konnte, war eine Veränderung in der Häufigkeit, mit der Patientinnen musujja als Ursache ihrer Konsultation erwähnten. Durch die hier angeführten Beispiele könnte schnell der Eindruck entstehen, dass die Verwendung der Tests – wie auch immer kombiniert oder verkürzt – mehr Arbeit erfordern bzw. immer deutlich mehr Zeit verlangen als die klinische Diagnose. Diese Beobachtung hat jedoch eine begrenzte Gültigkeit, wenn das absichtsvolle und bewusste Auslassen der Tests – trotz Verfügbarkeit – als eine der radikalsten Improvisationsweisen hinzugezählt wird. Nurse: „Doctor, I think I can now start to work on the patients, I am through with the children’s immunisation. Do you think we should do the testing or we just leave it? I feel so tired now.“

V ERALLTÄGLICHUNG

DER

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Alex: „Lets leave the tests especially for those who have been here since morning just treat them and they go. We can do the tests for those that will come later.“

Das bewusste und aktive Verzichten auf die Einbindung der Tests resultiert nun automatisch in einem verstärkten Verschreiben von Malariamedikamenten (häufig in Kombination mit Antibiotika). Der Fakt, dass die meisten Einrichtungen während meiner Feldforschung Versorgungsengpässe mit Schnelltests verzeichneten, weist dieser Form der (Nicht-)Verwendung allerdings eher einen Ausnahmestatus zu.

6.4 N EUE S ICHTBARKEITEN ,

ALTE

L EERSTELLEN

Die Beispiele zeigen, dass die Notwendigkeit, in den Einrichtungen zu improvisieren, einen Einfluss auf die Anwendung der Tests und die parasitenbasierte Diagnose hat. Praktiken und Handlungen, die einen Arbeitsalltag konstituieren, müssen von den Beteiligten immer auch auf der Grundlage weitreichender ökonomischer, sozialer und infrastruktureller Knappheiten strukturiert werden, was auf die Integrierbarkeit der Tests zurückwirkt. Dabei werden sowohl die regelgeleiteten Handlungen der Technik entweder selbst verkürzt, gebündelt oder ausgelassen. Umgekehrt löst der routinemäßige Testgebrauch auch Praktiken aus, durch die vorgängige oder nachfolgende Behandlungsschritte unter zeit- und arbeitssparenden Aspekten perspektiviert werden. Um vor diesem Hintergrund nun die Rolle und Bedeutung der Schnelltests für die Alltagsabläufe in den Einrichtungen zu beurteilen, möchte ich zwei Beobachtungen anführen. Einerseits wurde die Technik mit einem umfassenden Anspruch eingeführt. Weil die Schnelltests einfach und schnell zu bedienen sind, lassen sie sich auch leicht in die Abläufe integrieren. Auf dieser Grundlage ermöglichen die Tests eine Standardisierung – und damit bessere Kontrollierbarkeit – der Malariadiagnose, auch in weit abgelegenen Regionen Ugandas. Beide Annahmen werden so nicht erfüllt. Obwohl die Technik einfach und schnell ist, erfordert sie nicht nur Mehraufwand, sondern wird darüber hinaus trotz dieser Charakteristika in ein komplexes Improvisationsnetzwerk verstrickt. Ein Effekt dieser Integration in die Improvisationsnetzwerke ist, dass damit die Zielstellung, die Malariadiagnose zu standardisieren, teilweise stark kompromittiert wird.

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Tatsächlich gesichert wird nun aber die Erwartung, dass man damit rechnet, dass die Beteiligten improvisieren. Viele Gespräche, die ich mit Ministerial- und Distriktbeamten geführt habe, deuten in eine ähnliche Richtung. Weil jeder ständig improvisiert, wird vom Gesundheitspersonal implizit erwartet, dass diese Kompetenzen für die Integration der Schnelltests mobilisiert werden. Gleichzeitig wissen die Beteiligten aber auch, dass durch Improvisationen keine gute Kontrolle über die Handlungsziele (bessere Krankenbehandlung durch Diagnosestandardisierung) möglich wird. Trotzdem werden Erwartungen, die sich um die Handlungszielerfüllung gruppieren, nicht völlig enttäuscht. Anders formuliert: Was trotz bzw. durch Improvisationen gesichert wird, ist das Vertrauen in die öffentliche Gesundheitsvorsorge, die zwar nicht perfekt ist, aber doch schon ausreichend gut funktioniert. Letztlich, beruht der Erfolg des Systems paradoxerweise auf seinen Mängeln. Eine zweite Beobachtung bezieht sich auf die symbolischen Implikationen der Einführung der Schnelltests. Organisationserfordernisse, wie etwa Zeitregime und Personalausstattungen, werden der besseren Feststellbarkeit und Behandelbarkeit von Malaria untergeordnet. Die Einführung von hightec Artefakten in low-tec Kontexte macht trotz aller Improvisationen auch immer Leerstellen sichtbar, in denen sich nichts verändert bzw. die von Veränderungen unberührt bleiben. Oder anders gesagt, in denen sich gerade dadurch nichts zu verändern braucht, weil das Füllen der Leerstellen ausschließlich dem Improvisationsgeschick der Endnutzerinnen überantwortet wird. Die Einführung von Schnelltests übernimmt auf diese Weise eine Ersatzfunktion, durch die darüber vollzogene Veränderungen auch immer für Bereiche einstehen, die keiner formellen Veränderung unterzogen werden. Folgt man dieser Annahme wird einerseits deutlich, wie Schnelltests staatlichen Initiativen komplizenhaft zu (neuen) Sichtbarkeiten verhelfen. Gerade in infrastrukturell weitgehend entkoppelten Regionen ist die Sichtbarkeit von Veränderungen ein wichtiger Aspekt, der eng an die Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit und Autorität staatlicher Leistungen gebunden ist (Scott 1998). Andererseits macht gerade der zeitliche und arbeitstechnische Mehraufwand die Nutzerinnen immer wieder auf Felder aufmerksam, die von Veränderungen ausgespart bleiben. Zu diesen Feldern zählen dann unter anderem Besoldungsverhältnisse, Personal- und Fachkräftemangel als

V ERALLTÄGLICHUNG

DER

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auch basale Versorgungsinfrastrukturen wie Elektrizität oder Wasser.5 Die Anwendung, Verwaltung und Verteilung neuer Medikamente, Diagnostika und Präventionstechnologien (z.B. die Vergabe von Moskitonetzen) erfordern in ihrer Kombination einen massiven zeitlichen und administrativen Mehraufwand in den Einrichtungen, was viele Pflegerinnen häufiger an ihre Improvisationsgrenzen bringt. Denn die Improvisationen beziehen sich nicht nur auf den Umgang und die Integrierbarkeit der Tests in die unmittelbaren Behandlungsabläufe, sondern werden zusätzlich innerhalb eines größeren Pakets an Zusatzleistungen (wie z.B. Verschriftlichungen und Inskriptionen) notwendig.

5

In einem Abschnitt meiner semi-standardisierten Interviews hatte ich auch einige polemische Fragen integriert. Bei meiner Frage, was Pflegerinnen denn bevorzugen würden, wenn sie die Wahl hätten zwischen der Einführung von Wasser und Elektrizität oder von Schnelltests, entschied sich die Mehrheit für Ersteres.

7. Inskriptionen als Zusatzleistungen

Nicole: „One time I was here alone and had to work on over 40 patients…we had all the testing kits and I had to test them as well. So I had to take their history, and as you see I am writing in almost six books here, then go to the other table for testing, then go to the treatment room to give medicine and then back to this table. So that day I realised that at some point, I was writing in the books wrongly. I would write the diagnosis in the place of the treatment. Another time I forgot to write the patients names on the testing kits when I was testing, I think like three patients, and finally I couldn’t remember whose results they were exactly“ Q: So, what did you do? Nicole: „I just gave all of them Coartem…because two of them were positive and one was negative. So to be on a safe side I gave all of them Coartem.“

Das in der hier vorangestellten Sequenz von Nicole beschriebene Dilemma ist zum einen abermals Ausdruck des organisationalen Mehraufwands vor dem Hintergrund personaler Unterbesetzung. Die Verwirrung wäre möglicherweise nicht entstanden, wenn Nicole in der Koordination ihrer Tätigkeiten durch eine Kollegin unterstützt worden wäre. Zum anderen referiert Nicole darin aber explizit auf die Registraturen („six books“) als weitere Ursache ihrer Verwirrung. Im nun folgenden Kapitel möchte ich darum die Rolle und Bedeutung der Verschriftlichung der Tests und Testergebnisse analysieren. Die Prozesse der Verschriftlichung werde ich als Inskriptionen bzw. als Einschreibeinrichtungen behandeln. Unter Inskriptionen verstehen Autoren aus dem Bereich der Laborstudien Verfahren, durch die Wissenschaftler_innen in den Laboren von materiellen Substanzen und Prozessen zu Graphiken, Diagrammen, Zahlen und Texten gelangen (Latour 1986, Latour & Woolgar 1985, auch Callon 1998

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und Rheinberger 1992). Um (Wissens-)Ordnungen herstellen zu können, benötigen Wissenschaftler_innen Inskriptionen, also Verfahren, Geräte, Protokolle, Registraturen und Formeln, worüber flüchtige Beobachtungen und Bewegungen festgehalten werden. Charakteristisch für Inskriptionen ist, dass sie sowohl mobil als auch unveränderlich sind, ein Zustand, den Latour mit dem Ausdruck der „unveränderlichen mobilen Elemente“ (immutable mobiles) gefasst hat (Latour 2011). Ganz wesentlich ist nun, dass die unveränderlichen mobilen Elemente den Ort ihrer Produktion verlassen können und außerhalb des Labors wirken bzw. verwendet werden. Dass es sich dann bei Inskriptionen um spezifische Repräsentationsformate handelt, fassen Collins und Yearley treffend zusammen: „The scientifc trick was to transform the to and fro of daily life in the laboratory into paper transcription which could move outside the laboratory, creating a reality of the phenomenon under investigation. The representation had a power that the activity in the laboratory did not have“ (Collins&Yearly 1992: 311). Auch wenn es sich bei der hier beschriebenen Verwendung von Schnelltests nicht um Laborhandlungen im klassischen Sinne handelt, können Prozesse der Verschriftlichung in den Einrichtungen trotzdem als Inskriptionen gedeutet werden. Zum einen sind Verschriftlichungen relevant, da sie als zusätzliches Erfordernis im Umgang mit den Tests Teil des organisationalen Mehraufwandes sind. Auf der anderen Seite ist es ein Merkmal von Inskriptionen, dass diese nicht als ideale Medien fungieren, sondern als Übersetzungen immer auch auf Praktiken zurückwirken. Wenn es sich also bei der Verschriftlichung der Testergebnisse (und anderen Anschlusshandlungen) um Fixierungen flüchtiger und anderweitig nur schwer zu repräsentierender Praktiken handelt, dann rückt dies die Frage nach der institutionellen Einbettung der Schnelltests in den Vordergrund. Ich möchte darum kurz auf den Verweisungszusammenhang eingehen, in dem die Verwendung der Tests hierfür zu situieren ist. Für die erfolgreiche Integration einer Technik in einen neuen Gebrauchskontext sind immer mehr oder weniger sichtbare „Zusatzleistungen“ (Joerges 2002) notwendig. Bei der Verschriftlichung der Tests handelt es sich um eine Zusatzleistung, weil es sich um keine notwendige Bedingung handelt. Auf der unmittelbaren Anwendungsebene wäre ein Schnelltest auch dann erfolgreich angewendet, wenn im Anschluss daran keine Verschriftlichung des Ergebnisses und Behandlungsfortgangs erfolgen würde. Allerdings verweist die Anwendung, mehr aber noch die Verfüg-

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ALS

Z USATZLEISTUNGEN | 143

barkeit der Tests in den Einrichtungen, auf ein Organisationsfeld, ohne das es wahrscheinlich keine Tests und Medikamente an diesen Orten gäbe. Die Technik ist dann Ausdruck eines Verweisungszusammenhangs, in dem die Planung der Verfügbarkeit, die Quantifizierung und verschiedene Rechenschaftsregime, in komplexer Form aufeinander verweisen. Um diese Komplexität hier anzudeuten, möchte ich kurz auf die Rechenschaftspflicht eingehen. Rechenschaftspflicht und die daran gekoppelten Verschriftlichungen bezüglich der tatsächlichen und effizienten Verwendung von bereitgestellten Ressourcen haben innerhalb der internationalen Entwicklungszusammenarbeit eine brisante Bedeutung (Kühl 2007, Rottenburg 2000). Es ist darum nicht verwunderlich, dass auch die Schnelltests in einer langen Rechenschaftskette eingebettet sind. Dass Pflegerinnen Testergebnisse verschriftlichen müssen, ist nicht nur Ausdruck eines Angestelltenverhältnisses, sondern verweist auch auf die Rechenschaftspflichten des ugandischen Staates gegenüber Gebernationen und internationalen Organisationen wie z.B. dem Global Fund (Harper & Parker 2014). Die leistungsabhängigen Finanzierungsmodelle der internationalen Organisationen verlangen den Nachweis eines effizienten Einsatzes der subventionierten Gesundheitstechniken, da ansonsten Budgetkürzungen drohen, was in der Endkonsequenz erneut Stock-outs von Medikamenten und Schnelltests in den Einrichtungen zur Folge hätte. Da es sich bei der massenhaften Verwendung der Tests jedoch selbst um einen Testfall handelt, hat die Produktion von Daten auch eine hohe Relevanz für den angeschlossenen wissenschaftlichen Beobachtungsapparat (Taylor & Harper 2014). Der Beobachtungsapparat ist wiederum Teil von (organisationalen) Lernprozessen, in denen es auch immer um die Produktion von Anschlussfähigkeiten bzw. neuer oder zu korrigierender Interventionen geht. Diese Andeutungen sollen hier reichen, um zu zeigen, dass es bei der Verschriftlichung der Schnelltests mit einem Handlungs- und Interventionsfeld handelt, das nicht weniger bedeutungsvoll ist als die Durchführung des Tests.

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7.1 S CHNELLTESTS

ALS

Z AHL UND T EXT

Wie Abbildung 9 zeigt, müssen Pflegerinnen die Verschriftlichung der Testergebnisse (aber auch die Menge der verschriebenen Medikamente) über mehrere verschiedene Bücher bzw. Registraturen koordinieren. In den Registraturen werden zunächst ganz basale Patientinneninformationen gesammelt. Diese Tätigkeit ist in doppelter Weise repetitiv: Einerseits müssen die Eintragungen für jeden einzelnen Patientinnen gemacht werden, der im Laufe eines Tages eine Einrichtung aufsucht. Abbildung 9: Aufnahmetisch mit Verschriftlichungsregistraturen

Quelle: RU, September 2014.

Anderseits unterscheiden sich die Informationen, die in den verschiedenen Registraturen verschriftlicht werden, nur sehr geringfügig voneinander, sodass in Abwesenheit digitaler Medien eine ständige Wiederholung von Name, Alter, Geschlecht, Gewicht, Wohnort und Gemeinde notwendig ist. Das zentrale Register, um das sich die Verschriftlichung eines ‚Falls‘ orga-

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nisiert, ist das Out-patient Register Form HMIS 031.1 Neben den bereits erwähnten persönlichen Angaben wird auch vermerkt, ob es sich bei der jeweiligen Patientin um eine neue Teilnehmerin handelt oder ob diese bereits mit der Einrichtung registriert ist. Auf der sich anschließenden Seite werden dann Diagnosestichworte und die anschließend verschriebenen Medikamente vermerkt. Neben dem Out-Patient Register müssen die Pflegerinnen mindestens noch in das Diagnostic-Register HMIS 034, das Prescription and Dispensing Log HMIS 016, das Child Register HMIS 073 und letztlich auch in das sogenannte Treatment Book, das Behandlungsbuch der Patientinnen, schreiben.2 Wie ich für die Durchführung der Schnelltests gezeigt habe, ist der massenhafte Gebrauch von neuen zeitlichen Erfordernissen begleitet. Die Notwendigkeit zur Verschriftlichung der Testergebnisse, z.B. im Diagnoseregister, wird nun ebenfalls als eine Erweiterung und Zunahme zeitraubender Aufschreibetätigkeiten reflektiert: „I think the number of books they want us to write in is increasing.“ Die Frage, ob diese Zunahme an Obligationen in irgendeiner Weise von der Distrikt- oder Ministerialverwaltung gewürdigt oder diesem Mehraufwand in irgendeiner Form Rechnung getragen würde, entgegnet Halima schlagfertig: „The only reward is failure to pay us! The workload is so much especially the writing. I didn’t even know

1

HMIS ist das Akronym für Health Management Information System. Dabei handelt es sich um die zentrale nationale Informationsdatenbank des Gesundheitsministeriums, die auf dem Einsenden eines monatlichen Berichts basiert, worin Pflegerinnen alle durchgeführten Behandlungen in den Einrichtungen verzeichnen und zusammenrechnen.

2

Entsprechend dem individuellen Fall, sowie in Abhängigkeit vom Wochentag werden zusätzliche Registraturen notwendig, z.B. für das Ausführen eines HIVTests oder für die Verteilung von ARVs (nur in Einrichtungen-III aufwärts). Aber auch für die einmal wöchentlich stattfindende Immunisierung von Säuglingen werden zusätzliche Informationen niedergeschrieben. Dass stock management, ein Inventarisierungsprinzip, das es Pflegerinnen ermöglichen soll, ihre medizinischen Güter besser zu verwalten (Lagerung, Gebrauch, Bestellung), erfordert weitere Verschriftlichungen, vor allem aber Quantifizierungen und Auszählungen, die ein relativ hohes mathematisches Grundwissen (Prozentbzw. Bruchrechnung) und einen zeitlichen Mehraufwand verlangen (MoH 2012b).

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that writing can cause chest pain. But many times I experience chest pain caused by the writing in so many books.“ Auch wenn es sich hierbei vermutlich um eine Polemik handelt, kann von einer signifikanten Zunahme des Verschriftlichungsapparats ausgegangen werden. Die Einführung neuer Technik – allein für Malaria sind dies Coartem, RDTs und Moskitonetze – wird konsequent von zusätzlichen Verschriftlichungs- und Rechenschaftsregistraturen begleitet. Eins der jüngsten Beispiele hierfür ist die Ausgabe von Moskitonetzten. Im Juli 2013 wurde eine neue Richtlinie umgesetzt, wonach jeder Mutter mit einem Neugeborenen beim Besuch einer Einrichtung ein kostenloses Moskitonetz ausgehändigt werden soll. Auch diese Übergabe muss in eine separate Registratur übertragen werden. Gad, den ich bei dieser Tätigkeit beobachtete, kommentierte die Handlung lakonisch mit „For accountability!“, woraufhin er in ein längeres komplizenhaftes und vielleicht auch etwas zynisches Lachen einstimmte. Die Zunahme der Verschriftlichung wurde allerdings nicht nur von professioneller Seite konstatiert. Auch innerhalb der Patientenschaft werden diesbezügliche Veränderungen als eher negative Veränderung der Servicequalität reflektiert: Patient 8: „The way a health worker handles you helps you to know if she is from the army or she is a human being!“ Patient 13: „There are those that write, and they never look at you and by the time you get out they cant even know if you are a man or a woman or they can’t even tell the colour of your clothes.“ Patient 14: „And sometimes she is writing and then she asks you: ‚How many more patients are still in the line?‘ Showing you that she is really tired and just working to finish.“

Übereinstimmend mit den Aussagen wurden die von mir beobachteten Konsultationen von Verschriftlichungen dominiert. In Abhängigkeit von den Beschwerden, mit denen Patientinnen aufwarteten, von der Stimmung, in der die Pflegerin sich befand, bzw. von der Tageszeit, zu der die Konsultation stattfand, fielen die aktiven Gesprächseinheiten, im Vergleich zur Schreibtätigkeit, deutlich kürzer aus. Mit diesem vermeintlichen Missverhältnis zwischen Gesprächs- und Schreibanteil während Konsultationen bilden die Einrichtungen Ugandas jedoch keine Ausnahme. So nimmt auch die computergestützte Verschriftlichung beispielsweise in westlichen Einrichtungen einen großen zeitlichen Anteil der Konsultation in Anspruch

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und bildet eine grundlegende Notwendigkeit der organisierten Krankenbehandlung. Die an dieser Stelle wichtigere Frage ist, welche Sinnhaftigkeit die Beteiligten (bzw. Betroffenen) den Verschriftlichungsprozeduren zuschreiben. Q: Why do you think Ministry is collecting all the data? Mirembe: „I think for their records. I think they want to know how much drugs we have given out.“ Q: Why would they want to know how much drugs you have given out? Mirembe: „You know those people think that we steal the drugs. So they make you fill all kinds of forms and reports but you see, if we were stealing the drugs, again we know how to fill the records. So this does not help them at all. But for us anyway we just fill, if that is what they want. But you know, you cannot control a human being like that. They just need to trust us.“

Für Mirembe und viele andere Pflegerinnen ist klar, dass die erste und zentrale Rolle der Verschriftlichung in ihrem Kontrollcharakter zu sehen ist. Danach würden ministeriale Behörden dem Gros der Angestellten, die für die kostenfreie Verteilung und Verwendung therapeutischer und diagnostischer Technik verantwortlich sind, misstrauen. Auch wenn Mirembe ihre Reflexionsbewegung bei der ugandischen Regierung abbrechen lässt, bin ich ebenso Pflegerinnen begegnet, die diesbezüglich weitergingen. Gerade vor dem Hintergrund, dass es sich bei mir um einen muzungu (Europäer) handelte, sprachen Pflegerinnen auch immer Rechenschaftszwänge an, in die der ugandische Staat gegenüber Gebernationen verstrickt ist. Gleichzeitig aber spricht Mirembe diesen Maßnahmen eine begrenzte Effektivität zu, da Pflegerinnen wüssten, wie Registraturen zu unterminieren seien, so sie dies beabsichtigten („again we know how to fill the records.“). Da es mir aber hier nicht um die Veruntreuung von Ressourcen geht, werde ich im Folgenden einige Beispiele diskutieren, in denen sich Pflegerinnen kritisch mit der Übersetzbarkeit der Testanwendung in die einzelnen Rechenschaftsregister auseinandersetzten. Denn gerade in Fällen, wo ein negatives Testergebnis vorliegt, aber trotzdem Malariamedikamente verschrieben werden, wird von den Pflegerinnen ein situatives Inskriptionswissen verlangt. In einem idealen Szenario würde sich die Beziehung zwischen Testergebnissen und verschriebenen Medikamenten in einer möglichst großen

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Übereinstimmung der beiden Handlungsoptionen (Test positiv = Coartem; Test negativ = kein Coartem) äußern. Das Testergebnis und die entsprechende Anschlusshandlung könnten dann einfach eins zu eins in die Bücher übertragen werden. In der alltäglichen Nutzung der Tests ergibt sich nun aber folgende Divergenz: Entweder die Pflegerinnen übertragen die ‚Realität‘ in die Bücher – das beinhaltet dann auch Fälle, in denen sie von Testergebnissen abweichen (non-adherence). Oder Pflegerinnen übersetzen die Praxis in die Solllagen der Registraturen, was letztlich bedeutet, dass die Abweichung von negativen Testergebnissen nicht als solche gekennzeichnet wird. Stattdessen könnte in dem Diagnoseregister ein negativer Test als positiv vermerkt werden, sodass das Verschreiben von Coartem legitimiert würde. Ob Abweichungen in den Registraturen abgebildet oder doch ‚versteckt‘ werden, deute ich als Effekt einer zu Grunde liegenden Ungewissheit. Diese bezieht sich auf den nur schwer zu generalisierenden Sachverhalt, ob sich Pflegerinnen immer an die Testergebnisse halten sollen (oder auch Ausnahmen notwendig sind), und drückt sich somit auch als Ungewissheit bei der Übersetzung der Alltagspraxis in die Registraturen aus. Im anschließenden Diskussionsausschnitt äußert sich diese Ungewissheit auch in unterschiedlichen Praktiken: Faridah: „With RDT negative cases treated we don’t write them in the books going to the district. We put zero on that mTrac form.“ Alex: „Even me. If [...]“ Richard: „No, me I write them.“ Alex: „Me sometimes to be honest with you, I write RDT positive even when it is negative. But if I am confronted with a situation where I think I want to prescribe Coartem to this child or even if it is an adult, and yet they are showing RDT negative, I can decide to write positive so that I have peace with my bosses. And in that book where they ask negative cases treated positively, me I put zero also.“

In diesem kleinen Schlagabtausch werden nun gleich verschiedene Umstände angesprochen. Zum einen wird deutlich, dass es sich beim ‚Verstecken‘ von Abweichungen in den Registraturen keinesfalls um eine standardisierte Informalität handelt. Es lassen sich immer wieder Pfleger wie Richard finden, die um eine Kohärenz zwischen Praxis und Rechenschaftsregistern bemüht sind. Faridah und Alex hingegen bevorzugen, Divergenzen zwischen Praxis und Richtlinien in den Büchern verschwinden zu lassen.

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Bei dem in der Diskussion erwähnten mTrac System – der wöchentlich per Mobiltelefon zu übermittelnden Health Unit Surveillance Form 033B – findet sich nun aber die angesprochene Rubrik mit dem Titel: RDT negative cases treated. Darin wird Pflegerinnen formell die Option eröffnet, Fälle anzugeben, in denen Malariamedikamente verschrieben wurden, obwohl der Test negativ war. Abweichungen werden damit auf der Rechenschaftsebene in gewisser Weise formalisiert und antizipativ erwartet. Auf Nachfrage bei einer der Designerinnen der mTrac-Liste gab diese an, dass diese Rubrik während der Studienphase auf Initiative des Global Fund mitaufgenommen und seitdem beibehalten wurde.3 In welchem Maß sich diese Rubrik verzerrend auf die gesammelten Daten auswirkt, darüber lässt sich nur spekulieren. Beim Durchblättern bereits ausgefüllter Formulare in den Einrichtungen fiel mir jedoch eine große Spannbreite unterschiedlichster Interpretationen dessen auf, was in dieser Rubrik alles vermerkt wurde. Die Verwirrung, worum es sich bei dieser Kategorie genau handelt, wurde dadurch verschärft, dass sich in dem älteren monatlichen Health Management Information System (HMIS) keine solche Rubrik findet. Nicht nur diese Diskrepanz zwischen den beiden Registern, sondern eben auch die dadurch forcierte doppelbödige Aussage bezüglich des formellen Status der Abweichung von Testergebnissen erschwerte den vermeintlich einfachen Verschriftlichungsprozess erheblich. Die Unsicherheiten der Pflegerinnen, ob sie die Praxis in den Büchern wiedergeben (Richard) oder darin verschwinden lassen (Faridah & Alex) sollen, werden somit zusätzlich durch Widersprüchlichkeiten und Inkonsistenzen in den Registraturen selbst verschärft.

7.2 L OKALE I NSKRIPTIONEN Während meiner Runden durch die verschiedenen Einrichtungen in Mukono Distrikt fiel mir immer wieder eine eigentümliche Geste auf, mit der mir Pflegerinnen die Frage nach der Verbreitung von Malaria beantworteten. Unabhängig davon, ob die Pflegerinnen der Meinung waren, Malaria hätte zu- oder abgenommen, zogen die meisten zur Bestätigung ihrer Aussage ihre Diagnoseregister zu Rate. In Aussagen wie „Here you see all negative,

3

Interview mit Carol Asiimwe, FIND Uganda Office, 21.04.2014.

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negative, negative...“ oder „They are all postive. Positive, positive, positive...“ wurde der jeweiligen Behauptung – einem beweisführenden Verfahren gleich – Nachdruck verliehen. Die tägliche Verwendung als auch der wöchentliche bzw. monatliche Zählvorgang haben die Diagnoseregistratur in ein lokales Evidenzinstrument verwandelt. Jenseits der Notwendigkeit, die ‚Fälle‘ für den Distrikt bzw. das Ministerium zu verschriftlichen und zu zählen, machten Pflegerinnen diese Zahlen nun auch für ihre Wahrnehmung der Krankheit und ihrer Verbreitung nutzbar. Im Unterschied hierzu konnten sich Pflegerinnen während der Verdachtsbehandlung immer nur ungefähr sicher sein, ob die biomedizinische Malaria im Einzelfall wirklich vorlag. Das Wissen um die Verbreitung bzw. Prävalenz der Krankheit konnte auf diese Weise eine nur untergeordnete Rolle spielen. Sowohl auf der Distriktebene als auch auf der nationalen Ebene war man dabei auf grobe Schätzungen angewiesen. Diese Schätzungen waren Hochrechnungen aus Stichprobenzählungen verschriebener Malariamedikamente in ausgewählten Einrichtungen. In unserem Beispiel beginnt die Verschriftlichung der Malariadiagnose nun selbst eine strukturierende Kraft lokal zu generieren, die ich als Inskriptionseffekt lese. Die durch die Tests eröffnete scharfe Trennung in positive und negative Fälle und die Aggregation in den Registraturen machen somit ebenfalls auf der lokalen Ebene Wissensbestände jenseits des individuellen Falls sichtbar und verfügbar. Auch wenn Pflegerinnen immer wieder angaben, dass die Verschriftlichung langweilig und zeitraubend sei, wirken damit verbundene Schreibeund Zählpraktiken auf die Wahrnehmung und Organisation von Malaria an diesen Orten ein. Dieses Rückwirken der Verschriftlichung auf die Abläufe und Wahrnehmungen der Nutzerinnen kann gut unter dem Begriff der Inskription gefasst werden (Rottenburg 2002). Der Inskriptionscharakter der Registraturen zeigt sich unter anderem darin, „that [they] acquire inscription capabilities and begin themselves to inscribe“ (Czarniawska & Joerges 1998: 373, kursiv RU). Zwar wissen viele Pflegerinnen, dass Malaria saisonalen Schwankungen unterliegt und es auch landesweit unterschiedliche Prävalenzen gibt. Trotzdem wirkt diese Form des selbstgenerierten Wissens über die Verbreitung von Malaria im jeweiligen Einzugsgebiet der Einrichtung auch unmittelbar in die Alltagspraxis zurück. Bei dieser situativen Form der Wissensproduktion handelt es sich um einen nichtintendierten Effekt der alltäglichen Verwendung und notwendigen Verschriftlichung der

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Testergebnisse. Pflegerinnen beginnen, durch die Verwendung und Verschriftlichung ähnlich den bereits analysierten ‚schlafenden Parasiten‘ selbst lokale Wissensbestände zu produzieren. Es ist davon auszugehen, dass es auch vor der Einführung der Tests multiple Vorstellungen über die Verbreitung von Malaria gab. Dem durch die Registraturen generierten Krankheitswissen wird nun aber eine größere Bedeutung und Autorität zugewiesen, was sich auf die Weise auswirken kann, wie die Krankheit im Einzelfall vermutet und anschließend behandelt wird.4

7.3 I NFORMELLE V ERSCHRIFTLICHUNGEN Auch wenn Verschriftlichung von Pflegerinnen hauptsächlich als unliebsamer administrativer Mehraufwand reflektiert wird, schließt dies nicht aus, dass diese Notwendigkeit trotzdem in der Alltagspraxis produktiv gemacht wird. Dass Formen der Verschriftlichung von den Angestellten auch unter Vermachtungs- und Verantwortungsaspekten perspektiviert werden, möchte ich in den folgenden Ausführungen darlegen. Dabei gilt zu klären, warum Pflegerinnen in der Alltagspraxis auch immer wieder Inskriptionsformate aktiv einfordern.

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Stellvertretend möchte ich hier auf Stefan Ecks’ Betrachtungen zur Behandlung von Depressionen in Indien verweisen. Auch Ecks zeigt, wie sich unterschiedliches Wissen („evidence“) von Ärzten über die Verbreitung der Krankheit auf deren Verschreibepraktiken auswirkt (Ecks 2008).

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Abbildung 10: Ansammlung von Behandlungsbüchern im Labor einer Einrichtung-III

Quelle: RU.

Um diese Frage zu beantworten, widme ich mich einem eher einfachen Artefakt, dem Behandlungsbuch (treatment book, Abb. 10). Beim Behandlungsbuch handelt es sich um ein einfaches Schulheft, das als Standardrepertoire in fast allen kleineren Läden für 200 bis 500 USH (ca. 0,06 – 0,20 €) erworben werden kann.5 Ganz ähnlich wie Chipkarten in westlichen Ge-

5

Vor allem Läden im unmittelbaren Einzugsgebiet einer Einrichtung haben diese Hefte erfahrungsgemäß immer verfügbar. Diese Läden erhalten dabei eine quasi infrastrukturierende Funktion, werden doch hier für eine ganze Reihe von Abläufen und Verfahren in den Einrichtungen notwendige Artefakte (z.B. Hefte, Medikamente etc.) bereit- und nachgestellt. Ein frappierendes Beispiel bezüglich dieser Funktion, konnte ich in einem der Labore einer Einrichtung-III beobachten. Um einen Mikroskoptest machen zu können, mussten Patientinnen medizinische Nadeln – zur Entnahme einer Blutprobe – in den umliegenden Läden kaufen. In Antizipation des Diagnose- und Behandlungsverlaufs hatten die meis-

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sundheitssystemen übernehmen Behandlungsbücher in Uganda ebenfalls die Funktion der Speicherung und des Nachvollzugs der Krankengeschichte und der empfangenen Leistungen. Trotzdem handelt es sich bei der Nutzung der Behandlungsbücher um eine improvisierte und informelle Praxis, wodurch die Beteiligten erneut eine Lücke im staatlichen Versorgungssystem überbrücken. Alex: „The books came as an improvisation. This is because like for my health centre, no one told us to stop using books. But the medical forms got finished and we did not have anywhere to write, so we told them that each one of them must bring a book. This is because first of all, our practice recommends that someone should go with a prescription, and yet we did not have where to write.“ Robinson: „National Medical Stores does not bring us medical forms any longer. They even told us, never to ask a patient to buy a book. Rather we should call sister Katumba [district official] to give us papers or you organise yourselves and buy a ream of papers.“

Auch wenn ich nicht in Erfahrung bringen konnte, warum die Distriktverwaltung die Verwendung von Behandlungsbüchern formell ablehnt, so ist es ein logistischer Fakt, dass die medical form five, das offizielle Pendant zu den Behandlungsbüchern, seit einigen Jahren nicht mehr Teil des Versorgungspakets für Einrichtungen-II bis -IV ist. In der Formulierung von Alex klingt nun aber deutlich an, dass dieser Verschriftlichung innerhalb der Alltagspraxis eine wesentliche Bedeutung eingeräumt wird. Die Behandlungsbücher sind danach nicht nur Ausdruck einer standardisierten Improvisationspraxis, sondern auch ein spannungsgeladenes Artefakt, über das Pflegerinnen und Patientinnen Machtspiele und Hierarchien innerhalb der Vergabe und Zuteilung von Medikamenten aushandeln. Bevor ich aber beispielhaft die Beziehung zwischen den Tests und den Behandlungsbüchern durchleuchte, möchte ich zunächst einige Bereiche dieser Machtspiele diskutieren. Einen Einstieg hierfür bietet Halimas Zusammenschau der praktischen Bedeutung, die die Behandlungsbücher für die Arbeitsorganisation in den Einrichtungen haben können:

ten Patientinnen allerdings ihre Nadeln häufig bereits vor der Konsultation des Clinical Officers gekauft.

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Halima: „Me I think some of them do that because of ignorance. They think that they are helping the musawo [health worker, RU] find where to write. So they bring a piece of paper and say ‚Musawo you write here!‘ But those books are very important to keep the patients’ medical records. It also reduces our workload. Imagine if I have to ask every time where someone comes, what is your name, your age, where do you stay and all that.“

Halimas Aussage bezieht sich unter anderem auf den häufig eintretenden Konfliktfall, in dem Patientinnen vergessen oder absichtlich darauf verzichten, Behandlungsbücher zur Konsultation zu bringen. Die Geste und implizite Annahme der Patientinnen, stattdessen mit einem einfachen Blatt Papier ein Äquivalent für das Behandlungsbuch stellen zu können, wird von Halima als Ignoranz gegenüber dem Arbeitsaufwand und der Notwendigkeit der Verschriftlichung der Krankengeschichte gedeutet. Umgekehrt könnte aber auch angenommen werden, dass es sich dabei um eine Geste handelt, mit der die Patientenschaft die Verschriftlichung als notwendigen Teil der Konsultation grundsätzlich anerkennt. Aus Erfahrung wissen Patientinnen, dass Pflegerinnen diese eigentlich improvisierte und informelle Notwendigkeit sehr ernst nehmen. Immer wieder erlebte ich diesbezüglich, wie Patientinnen zu Beginn einer Konsultation vom Personal aufgefordert wurden, sich doch erst ein Behandlungsbuch zu besorgen, ohne das keine Konsultation erfolgen könne/würde. In dem nachstehenden Diskussionsausschnitt wird ersichtlich, wie Patientinnen diesen Sachverhalt erleben: Q: Do you all have treatment books? Participant 2: „Me I keep buying every time I go to the health centre. [Laughter] It is the first thing that they ask you for when you go to the health centre.“ Q: Why do you have to buy a new one every time you go to the health centre? Participant 7: „Because I don’t fall sick often. And when you take it once, then you bring it home, the children will take it to school and by the time you fall sick again, you can’t see the same book so you have to buy another one.“ Participant 3: „For me when I reach the health center, I just ask my neighbour in the queue to get for me one piece of paper.“ Participant 2: „Yes we borrow books. If someone has got the medicine, then you ask for their book you open a new page and they write for you in the same book. We do this because some health worker even refuse the papers.“

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ALS

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Diese Reflexionen lassen uns nun erneut vermuten, dass Patientinnen grundsätzlich die Notwendigkeit zur Verschriftlichung ihres ‚Falls‘ anerkennen. Jedoch geschieht dies auf der Grundlage, diese Notwendigkeit an die oben beschriebenen Versorgungspraktiken anschließbar zu machen. Das Borgen und Ausleihen von Behandlungsbüchern oder einzelnen Blättern kann als Teilbedingung gedeutet werden, um eine ‚Gelegenheit‘ produktiv machen zu können. In der folgenden Reflexion einer Pflegerin wird deutlich, dass viele Patientinnen sich durchaus darüber im Klaren sind, dass das, was in den Büchern festgehalten und gespeichert wird – egal was es genau ist – Einfluss auf den Behandlungs- bzw. Versorgungserfolg haben kann. Q: Do you get cases where the patients do not bring their treatment books? Stella: „Yes, sometimes they bring pieces of paper, sometimes they bring new books when they still have the old books but prefer to leave them home.“ Q: Ok, why do you think patients do this? Stella: „Because in most cases if they did not complete the medicine that you had given them earlier, they don’t want you to see that they had just received such and such medicine from here or anywhere. So they prefer to leave the books behind. And some of them actually pluck out the papers.“

Wie wird dieser Sachverhalt auf Seiten der Patientinnenschaft aber genau interpretiert? Die Medizinanthropologin Hanne Morgensens deutet Verschriftlichungen als Teil eines Formalisierungsprozesses, der für Patientinnen gerade durch seine Undurchschaubarkeit an symbolischer Bedeutung gewinnt (Morgensen 2005). Danach ist es nicht so sehr das Papier oder Buch, sondern der Akt des Schreibens, in dem sowohl Anteilnahme, Geschick als auch Autorität ausgedrückt wird. Diesen Beobachtungen kann hier grundsätzlich zugestimmt werden, trotzdem geht Stellas Reflexion einen Schritt weiter. Danach generieren Verschriftlichungen ebenso jenseits des performativen Aktes des Schreibens Bedeutung. Patientinnen versuchen auch immer, durch das Herausreißen von Blättern oder das absichtliche Vergessen der Bücher Spuren zu verwischen, die sich nachteilig auf den Versorgungszusammenhang auswirken könnten. Auch wenn oder weil es sich bei den Behandlungsbüchern um eine improvisierte und informelle Standardprozedur handelt, generiert dieses einfache Artefakt eine nicht zu unterschätzende integrative Kraft, die sich über die gesamte Behandlungssituation erstreckt. Die Einführung und Verwen-

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dung neuer Technik und die damit einhergehende Zunahme der Rechenschaftsregistraturen lässt nun Pflegerinnen nach Optionen suchen, über die eine geteilte Verantwortung gewährleistet werden kann. In der nachstehenden Sequenz geht es um die ethischen Implikationen einer Vergabe von Medikamenten ohne Verschriftlichung. Lydia: „You know it’s out of ethics if you treat patients without writing anywhere!“ Alex: „That one is self explanatory, because it’s a must that we must write medical prescriptions. You cannot just talk.“ 6

Zusätzlich dazu, dass Verschriftlichungen in Behandlungsbüchern auch immer eine Autoritätsfunktion übernehmen, bietet diese die Möglichkeit eines sich Absicherns. Die Bücher werden somit auch von Pflegerinnen symbolisch überformt. Das aktive Einfordern der Behandlungsbücher durch die Mehrzahl des Gesundheitspersonals und die dadurch ermöglichte Fixierung und Protokollierung ihrer Handlungen trägt somit einen Absicherungscharakter gegenüber Haftungsfragen und (An-)Klagen bezüglich möglicher Falschbehandlung. Dass die Behandlungsbücher durch die Einführung der Tests zusätzlich an Bedeutung gewonnen haben, möchte ich nun abschließend beschreiben.

7.4 „T HE

PATIENT ENDS WITH THE TEST !“

„The patient ends with the test!“ überraschte mich Robinson mit seiner Antwort, deren resoluter Unterton eine starke Überzeugung und QuasiNotwendigkeit vermuten ließen. Dabei war mir nicht sofort einsichtig, woher diese Logik ihre Schlagkraft generierte. Einerseits stand sie im starken Kontrast zu den offiziellen Ausführungen in der Gebrauchsanleitung der Schnelltests. Anderseits widersprach sie auch Robinsons Tendenz zur Überaffirmation ministerialer Regularien und Standards.

6

Die Aussage von Alex („You cannot just talk“) sollte allerdings auch nicht überbewertet werden. So war ich häufig genug Zeuge davon, wie Medikamente auch ohne Verschriftlichung des Krankheitsfalls ausgegeben bzw. für den ‚Eigenbedarf‘ von Pflegerinnen einfach mitgenommen wurden.

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Dabei erinnerte ich mich an meine ganz ähnliche Verwunderung, als ich die Gebrauchsanleitungen im Juli 2012 zum ersten Mal durchblätterte. Im Abschnitt mit der gestelzten Überschrift „Management of patients with fever but negative RDT“ bietet sich dem Betrachter eine bunte und unübersichtliche Aneinanderreihung von Kurzversionen und Auszügen aus den klinischen Richtlinien des Gesundheitsministeriums. Darin wird hauptsächlich auf bakterielle Infektionskrankheiten (z.B. Lungen- und Blasenentzündung, Streptokokken, Meningitis und Typhus) referiert. Es wird dabei nicht ersichtlich, worauf diese Auswahl von Krankheiten tatsächlich und in Abwesenheit von verlässlichen Statistiken oder Daten bezüglich der Verbreitung und Häufigkeit von z.B. Lungenentzündung und Typhus basiert. Erst später, während meiner teilnehmenden Beobachtung von Verschreibepraktiken in Einrichtungen, wurde mir klar, dass die meisten erwähnten Krankheiten von ein bis zwei klassischen Breitbandantibiotika (z.B. Amoxicillin oder Septrin) behandelt werden können. Durch diese Beschränkung auf bakterielle Krankheiten drängt sich umgekehrt der Eindruck auf, dass andere, beispielsweise virale oder parasitäre Krankheiten mit einem ähnlichen Symptomverlauf in Uganda – würde man ausschließlich den Gebrauchsanleitungen folgen – eigentlich nicht existierten. Was aber genau meint Robinson, wenn er behauptet, die Patientin endet mit dem Test? Während meiner Besuche in Robinsons Einrichtung-II fiel mir zunächst auf, dass es eine sehr starke Schwankung gab, wie viel Zeit er für die Anamnese von einzelnen Patientinnen benötigte. Im Durchschnitt betrug die Konsultationszeit zwischen 2 und 10 Minuten. Patientinnen, für die Robinson einen Test anordnete, wurden jedoch auffällig schnell abgehandelt. Die Testpatientinnen wurden dann aufgefordert, sich mit ihrem Behandlungsbuch in den sich anschließenden Raum zu begeben. Auch Robinson sammelte einige Patientinnen, bevor er sich anschickte, den Raum zu wechseln, um die Tests nacheinander auszuführen. Zwei Aspekte sind für die Zeit, in der Robinson auf die Testergebnisse wartete, relevant: Zum einen legte Robinson den jeweiligen Test auf das Behandlungsbuch des entsprechenden Patientinnen. Damit stellte er sicher, dass beim späteren Ablesen jedes Testergebnis in das jeweils richtige Buch übertragen würde. Auch hierbei handelt es sich um eine informelle und zeitsparende Praktik. Um eventuelle Unklarheiten bezüglich der Zugehörigkeit des jeweiligen Testergebnisses zu vermeiden, empfehlen die formellen Richtlinien eigentlich die Beschriftung eines jeden Tests mit dem Na-

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men des Patientinnen. Auch Nicole hatte aus Zeitgründen auf diesen Schritt verzichtet, was ihr dann aber letztlich die Zuordnung, welches der Testergebnisse zu welchem Patientinnen gehört, erschwerte. Zum anderen wurden Patientinnen unmittelbar im Anschluss an die Testdurchführung von Robinson wieder in den außerhalb der Einrichtung liegenden Wartebereich gesendet. Nachdem Robinson alle Testpatientinnen abgearbeitet hatte, widmete er sich der Übertragung der Testergebnisse in das Diagnoseregister. Er entsorgte die Tests und nahm im Anschluss daran die Behandlungsbücher mit in sein Aufnahmezimmer. Zu meiner Überraschung erhielten die Patientinnen jedoch nicht nur ihre Diagnose, sondern gleich ihre Behandlungsbücher mit den jeweiligen Behandlungsempfehlungen und den entsprechenden Medikamenten ausgehändigt. Wie kann man diesen Ablauf genau verstehen? Im Anschluss an die Testdurchführung nimmt Robinson nur die Hefte mit zurück in den Aufnahmeraum, nicht jedoch die Patientinnen. Diese graduelle Substitution der Patientinnen durch das Behandlungsbuch muss nun auf mehrere oben erwähnte Komplexitäten rückbezogen werden. Zuerst handelt es sich auch hierbei um eine Form der Zeitersparnis. Anstatt jede Patientin, die negativ auf Malaria getestet wurde, erneut in den Aufnahmeraum zu bestellen und weitere Fragen zu stellen, wird dieser Bereich von Robinson gänzlich herausgekürzt. Auf diese Weise endet die Patientin für Robinson mit dem Test. Stattdessen steht die zuvor vorgenommene Verschriftlichung der Symptome im Behandlungsbuch für die Patientin ein. Ausschließlich anhand der wenigen Notizen fällt Robinson die Differentialdiagnose. Diese Verfahrensweise ist somit eine Kombination aus den Stichworten des Behandlungsbuches (wie z.B. Fieber, Husten, Halsschmerzen) und der Frage, welche zusätzlichen Medikamententypen verfügbar sind. Auch ohne Patientinnen kann Robinson anhand der begrenzten Anzahl von Medikamententypen über die Krankheit und deren Behandelbarkeit bzw. Unbehandelbarkeit in seiner Einrichtung entscheiden. Problematisch wird diese wechselseitige Übersetzung von Behandlungsbuch und Testergebnis dann, wenn das Erwähnen von musujja zu einer deutlichen Verkürzung bzw. einem Quasi-Abbruch der Anamnese führt. Es ist dann diese stark verkürzte Anamnese, die erneut die Grundlage für seine Differentialdiagnose bildet. Was kann nun diese von Robinson initiierte Interaktion zwischen der Verschriftlichung und den Schnelltests über die Funktionsweise von Bio-

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medizin in den Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung in Uganda sagen? Es wurde deutlich, wie die Aufzählungen alternativer Krankheiten in den Richtlinien weniger nach der Häufigkeit und Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens geordnet, sondern eher danach, mit welchem spezifischen Medikamententyp, nämlich Breitbandantibiotika, diese behandelt werden können. Die Diagnose dieser Krankheiten durch klinische Formate ist dabei ähnlich unsicher wie die Malariaverdachtsbehandlung. „Krankheit“ ist in den Einrichtungen danach weniger das, was im Körper unsichtbar ist oder was technisch-vermittelt identifiziert werden muss, sondern das, worauf die jeweils verfügbaren Medikamente antworten/reagieren. Robinson diagnostiziert letztlich weniger eine andere Krankheit, als eine spezifische Form organisationalen Handelns in diesen Orten. Wenn keine Malariamedikamente verschrieben werden, dann bleiben im Grunde nur Antibiotika übrig. Die Anwendung von Antibiotika aber eröffnet allen Beteiligten die weitreichende Möglichkeit, auch Krankheiten zu behandeln, die gar nicht diagnostiziert wurden. Bei den meisten in den Einrichtungen verfügbaren Medikamenten handelt es sich also um einen Typ von Technik, der auch dann gut funktioniert, wenn er ohne spezifisches Krankheitswissen eingesetzt wird. Die Leistungsfähigkeit der Einrichtungen hängt also erneut nicht davon ab, wie gut und spezifisch Krankheiten darin fixiert werden können, sondern, dass leistungsstarke Medikamente ausgegeben werden und auf diese Weise die Ungewissheit über den Krankheitsursprung bis zu einem bestimmten Grad kompensiert werden kann.

8. Wiedereintritt der Diagnose in die Labore

I) Neben permanent verstopften Straßen, vorrangig durch die große Anzahl an Tanklastern, die von Mombasa kommend, Kampala und den Westen des Landes mit Benzin und Diesel versorgen, ist die Hauptverkehrsader von Mukono Distrikt vor allem durch ein Meer von sich überdeckenden und sich in ihren Anpreisungen übertönenden ‚billboards‘ (Werbetafeln) gekennzeichnet. Erst nach mehrmaligen Anläufen entdeckte ich die rostige und im Vergleich karg wirkende Hinweistafel MUKONO HC IV, wobei auch die steil abfallende und unbefestigte Einfahrt kaum den Schluss zuließ, dass es sich hier um die zweitgrößte Gesundheitseinrichtung im Distrikt handelt. Nachdem ich mir den Weg durch die wartenden und dicht gedrängten Patientinnen gebahnt habe, betrete ich einen kleinen Raum, in dem sich ein älterer Herr mit weißem Kittel und ausgetretenen Schuhen sowie zwei jüngere Kollegen um einen Laptop versammelt haben. Nach einer kurzen und doch herzlichen Begrüßung erklärt mir Aloisius, der leitende Labortechniker, dass sie gerade dabei seien, eine neue Bestellung von Laborartikeln abzusenden, unter anderem RDTs. Im Unterschied zu kleineren Einrichtungen (Einrichtung-II und -III) errechnen größere Häuser ihren zweimonatigen Bedarf entsprechend dem Verbrauch des vorhergehenden Zyklus’ selbst. Die neue Quantifizierung wird in eine Datenmaske eingegeben und an die Krankenhausverwaltung gesendet, die im Anschluss daran ihre Bestellung direkt an die National Medical Stores weiterleitet. Ich zeige mich überrascht und beeindruckt über den Laptop und die elektronische Datenverarbeitung, woraufhin Aloisius erklärt: „It is very good when it works. So we have to be quick before it breaks down again.“ Um diesen Umstand zu erklären, berichtet mir Aloisius: „Most often the

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system is down, but sometimes it is also power cuts or the computer is down“. Was Letzteres bedeutete, verstand ich erst während meiner folgenden Besuche, bei denen ich beobachten konnte, wie das gesamte Laborpersonal den Laptop auch für private Zwecke (Emails, Internet etc.) benutzte. Nach einer kurzen Vorstellung beim Dean des Krankenhauses komme ich mit Aloisius überein, am nächsten Morgen wieder zu kommen, da wir beide hoffen, dann etwas mehr Zeit für ein Gespräch zu haben. Abbildung 11: Aloisius in seinem Labor, umringt von Patientinnen

Quelle: RU.

Als ich am darauf folgenden Tag gegen 10 Uhr morgens das Labor erreiche, bietet sich mir ein ähnliches Bild (Abb. 11): Der Vorraum ist überfüllt mit dutzenden wartenden Patientinnen, im Labor Aloisius, der – verschiedene Proben, Tests und Mikroskope koordinierend – permanent von Patientinnen wie Kolleginnen zum Multitasking genötigt wird. Im Versuch, die Situation zu ordnen und Sinn zu stiften, nutze ich die kleinen Lücken zwischen einzelnen Abläufen und Anfragen, um ein paar einfachere Fragen an Aloisius zu richten. Auf die Frage, wie viele Patientinnen hier im Durchschnitt pro Tag diagnostiziert und betreut werden, wendet sich Aloisius zum Diag-

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noseregister und beginnt zu zählen. Die Soft- und Hardware, mit der die Befunde normalerweise dem behandelnden Arzt kommuniziert werden, war gerade kaputt, sodass Aloisius durch die vergleichsweise zeitaufwendige Prozedur jeden Fall und Befund manuell registrieren musste. Es war kurz nach 13 Uhr, als Aloisius sagte: „Until now we have had almost 75 patients with RDTs but in the afternoon we will have around 150.“ Mit Erstaunen bestätige ich Aloisius, dass dies sehr viele Patientinnen seien und eine Menge Arbeit bedeute. „I wouldn’t manage alone“, sagte er und deutet in einer ausgreifenden Geste auf die anwesenden Assistentinnen. Für einen Augenblick hatte es den Anschein, dass Aloisius mit der Geste auch die Schnelltests meinte. II) Da Termine in den Distrikthauptquartieren notorisch unsicher waren – zwischen tatsächlicher Präsenz und den ugandischen Anwesenheitsformen „I am on my way“ oder „He’s around“ lagen nicht selten ein bis zwei Stunden –, bildete das Umdisponieren und Nutzen zeitlicher Lücken eine wichtige Aufgabe in meiner Feldforschung. Durch meine kontinuierlichen Besuche konnte ich es mir allerdings auch immer mehr erlauben, Einrichtungen spontane und unangekündigte Besuche abzustatten. Es war ein Donnerstagmittag, als meine Wahl auf die ca. fünf Kilometer entfernte Einrichtung-III mit dem Namen Goma fiel. Bereits beim Betreten fiel mir auf, wie ruhig es in der Einrichtung war. Als ich mich in das Labor begab, fand ich Isaak, den ersten Laborassistenten an seinem Arbeitsplatz sitzen. Entgegen des gewohnten herzlichen Empfangs konnte ich ihm nur ein paar gemurmelte Begrüßungsformeln abringen. Auf meine Nachfrage, ob denn alles in Ordnung sei oder er sich krank fühle, entgegnete Issak müde: „Nothing, its ok. I am just so bored. I got nothing to do and also because the microscope is not there.“ Von meinen letzten Besuchen wusste ich, dass sein Mikroskop vor zwei Monaten zur Reparatur abgeholt wurde. Auch entsann ich mich, dass es sich hierbei um das Ergebnis eines langwierigen Prozesses handelte, von dem mir Isaac bereits im Juli 2013 berichtet hatte. Erst ein halbes Jahr später nahm der Distriktverantwortliche (Laboratory Focal Person) Isaaks Bedenken ernst, dass es irgendwelche Probleme mit der Linse gab.

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Abbildung 12: Issak in seinem Labor, vor ihm die Schnelltests und das Diagnoseregister

Quelle: RU. Anstelle des Mikroskops lag stattdessen eine Reihe von Tests vor ihm, die er den Vormittag über durchgeführt hatte (Abb. 12). Als ich mich schließlich erkundigte, warum denn nur wenige Patientinnen vorstellig waren, sagte Isaak: „I guess it is because of drugs. There is only few left but NMS hasn’t delivered them yet.“ Darauf hin schauten wir im ‚Versorgungskalender‘ nach und fanden heraus, dass die letzte Lieferung der National Medical Stores bereits am 19. März fällig war. Bei jenem Donnerstag handelte es sich um den 27. März 2014.

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Den beiden vorangestellten ethnographischen Vignetten ist gemein, dass es darin um die Verfügbarkeit und Nutzung von Schnelltests in den Laboren höherer Einrichtungen geht, jedoch mit gänzlich verschiedenen Implikationen für den jeweiligen Tätigkeitsvollzug: Während es Aloisius ohne Tests nur schwer möglich wäre, allein die Vielzahl an Patientinnen zu managen, ist Isaak gelangweilt von der Begrenztheit seines Aufgabenfelds, das sich im Wesentlichen auf die Durchführung der Tests beschränkt. In diesen Beobachtungen wird deutlich, dass sich medizinische Labore in ihren Kapazitäten und in ihrer Bedeutung, die sie für den klinischen Alltag haben, wesentlich unterscheiden. Die materielle und personelle Ausstattung in Laboren-III beschränken das Tätigkeitsfeld dieser Einrichtungen weitgehend auf die Malariadiagnose. In Laboren-IV (und höher) sind die technischen Möglichkeiten und das Spektrum an Krankheiten, dass dadurch abgedeckt wird, weitaus breiter gestaffelt. Entsprechend den eingangs der Arbeit erwähnten Zielbestimmungen der Tests, sollten diese die parasitenbasierte Diagnose weg von den Laboren und dadurch näher an die Patientinnenschaft rücken. Was ich hier als Wiedereintritt der Diagnose in die Labore bezeichne, beschreibt einen Versuch, die Bedingungen und Ursachen zu plausibilisieren, warum die Schnelltests überhaupt an diesen Orten zu finden sind. Für die Beantwortung der Frage werde ich eine technische, eine soziale und eine politische Dimension erörtern. Um der Komplexität dieses Sachverhaltes gerecht zu werden, möchte ich, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, mit einer Verortung der Labordebatte, wie sie in der internationalen und nationalen Gesundheitsplanung geführt wird, beginnen.

8.1 S TATUSBESTIMMUNG

DER

L ABORMEDIZIN

Die Frage, ob es sich bei den medizinischen Laboren afrikanischer Gesundheitssysteme um notwendige oder abkömmliche Einrichtungen handelt, wurde gerade mit dem Aufkommen mobiler Testtechniken (point of care) verstärkt diskutiert (Okeke 2011, Malkin 2007, Petti et al. 2006, Yager 2008). Auch wenn die Frage nach der Abkömmlichkeit nur indirekt und vorsichtig geäußert wird, ist doch die Kritik am Status quo der meisten Laborinfrastrukturen fundamental. Die chronische materielle, personelle und infrastrukturelle Unterversorgung der medizinischen Labore berührt den

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gesamten Arbeitsvollzug in einem Ausmaß, dass dadurch verursachte Kosten und Komplikationen mögliche Wissens- und Behandlungsvorteile zu übertreffen scheinen (Bates & Maitland 2006). Eine Liste der Mängel sieht dann wie folgt aus: „Lack of laboratory consumables, lack of basic essential equipment, limited numbers of skilled personnel, lack of educators and training programs, inadequate logistical support, de-emphasis of laboratory testing, insufficient monitoring of test quality, decentralization of laboratory facilities, no governmental standards for laboratory testing.“ (Petti et al. 2006: 378) Die Labore Ugandas bilden hierbei keine Ausnahme, was auch auf der ministerialen Ebene reflektiert wurde, sodass in einem Evaluationsreport diesbezüglich zu lesen ist: „Many laboratories in Uganda are in a poor structural state“ (MoH 2012a,1). Wenn aber vor diesem Hintergrund in einem WHO Dokument behauptet wird, dass „Laboratory diagnosis by microscopy“ weiterhin „the method of choice (the gold standard) for confirming a clinical diagnosis of malaria“ ist (WHO 2010b: 10), dann scheint die Frage berechtigt, ob damit die Mikroskopie der medizinischen Labore Ugandas gemeint sein können. Während die planungstechnische Verordnung – diese regelt die standardisierte Grundausstattung von Gesundheitseinrichtungen in Uganda – die Verwendung von Mikroskopen in Einrichtungen-II nicht vorsieht, sollte jede Einrichtung-III mit mindestens einem Mikroskop ausgestattet sein. Während der Einführung der Schnelltests im Jahr 2011 waren Schätzungen zufolge nur etwa 50-60% der Einrichtungen-III mit einem funktionstüchtigen Gerät und der dazugehörigen technischen und personellen Infrastruktur ausgestattet.1 Diese lückenhafte Verfügbarkeit der mikroskopischen Diagnose bildete ein wesentliches Argument, neben Einrichtungen-II auch EinrichtungenIII mit Schnelltests zu versorgen. In den politischen Strategiepapieren des Gesundheitsministeriums wird diesbezüglich erwähnt:

1

Zum Zeitpunkt meiner Feldforschung gab es hierzu keine verlässliche Datenlage. Doch sowohl in Gesprächen mit Ausbildern (national trainers) – die große Teile des Landes bereisen und damit Einblick in viele Labore haben – als auch durch eigene Reisen in den Norden (z.B. Gulu) und in den Westen Ugandas (z.B. Mbale), kann diese Schätzung als sehr realistisch gelten. Immer wieder sah ich, dass Einrichtungen-III entweder kein Mikroskop hatten, aber Laborassistenten beschäftigten, oder umgekehrte Fälle.

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„The choice between RDTs and microscopy will depend on local circumstances, the level of health care including the skills available, the usefulness of microscopy for diagnosis of other diseases, and the health system infrastructure for laboratory services in the country. […] RDTs will be deployed in all Health Centres II and any other health facilities where deployment and/or functionality of microscopy may not be possible.“ (MoH 2011b: Ugandas Malaria Control Strategic Plan 2011-2015, siehe auch MoH 2010b: Uganda National Malaria Control Policy 2010)

Zunächst wird deutlich, wie die Aussagen die Relevanz und Notwendigkeit der Tests für Einrichtungen-II in abgelegenen Gebieten („remote areas“) betonen. Gleichzeitig ist darin bereits die Delegation einer Ersatz- und Reparaturfunktion angelegt, wonach die Schnelltests auch in Einrichtungen verteilt werden sollen, in denen die Verfügbarkeit bzw. Funktionalität von Mikroskopen eingeschränkt ist. Was ich weiter unten noch ausführlicher besprechen werde, bezieht sich auf die dehnbare Bedeutung von Funktionalität („functionality“). Mikroskope können aufgrund technischer Mängel und materieller Unterversorgungen eventuell dysfunktional sein. Der zeitliche und arbeitstechnische Aufwand eines funktionierenden Mikroskops hingegen kann aber auch durch einen zu hohen Patientinnenandrang und, im Vergleich zu einer schnelleren Methode, dysfunktionale Qualitäten erhalten. Bereits an dieser Stelle zeigt sich eine zentrale Schwierigkeit im Versuch, die Benutzergeographie einer neuen Technik entlang einer bestehenden Organisationsstruktur zu standardisieren. Die Entscheidung, alle ca. 800 staatlichen Einrichtung-III landesweit mit 400 Tests pro Versorgungszyklus (alle zwei Monate) auszustatten, entspringt einer doppelten Kompromissbildung. Zum einem wird allen Einrichtungen, die bis dato kein bzw. kein funktionierendes Mikroskop oder Laborpersonal hatten, zumindest ansatzweise eine schnelle und kurzfristige Verbesserung der Situation ermöglicht. Zum anderen trägt diese Entscheidung einer schwachen bzw. unvollständigen Datenlage Rechnung. Welche Einrichtungen genau von Versorgungs- und Funktionsmängeln betroffen sind und in welchen Einrichtungen das Mikroskop erfolgreich und effizient in den klinischen Alltag eingebunden ist, scheint mit den gegenwärtig zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht abbildbar. Die standardisierte Lösung, alle EinrichtungenIII mit 400 Tests pro Versorgungszyklus auszustatten, ist Ausdruck des Problems, dass es weder eine Institution noch eine entsprechende Datenlage gibt, die imstande wäre, das dynamische Feld der Mikroskopnutzung in

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verlässlicher Weise nachzuzeichnen, sodass eine genauere und einrichtungsspezifischere Versorgung möglich würde. Ein Grund, warum ich diesen Punkt hervorhebe, ist die begrenzte Verfügbarkeit der RDTs. Da es sich bei den Schnelltests um eine subventionierte Technik handelt, sind die Versorgungsmengen und die Quantifizierungen nur begrenzt justierbar. Wenn nun aber über die Tests ebenfalls die dysfunktionale Mikroskopinfrastruktur kompensiert wird, verringert sich die Menge, die an die eigentlich vorgesehenen Einrichtungen-II geliefert werden kann, was wiederum Stock-outs auf dieser Ebene nach sich zieht. Dass es sich nun bei der Testverwendung in medizinischen Laboren um eine organisationale Improvisation handelt, zeigt sich zusätzlich in der Abwesenheit von Machbarkeits- und Wirkmächtigkeitsstudien (feasibility oder impact studies). Denn im Gegensatz zu Einrichtungen-II, in denen die Effektivität und der Einfluss der Tests auf das Verschreibeverhalten von Pflegerinnen durch eine Vielzahl von Studien getestet wurde (Asiimwe 2012, Kyabainze et al. 2012, Hopkins et al. 2009), wird die Einführung der Schnelltests in die Labore als weitgehend unproblematisch erachtet. Ob dies tatsächlich der Fall ist, werde ich nun am Beispiel der bereits eingangs des Kapitels vorgestellten Labore erörtern.

8.2 M EDIZINISCHE L ABORE E INRICHTUNGEN ?

ALS VERZICHTBARE

Als ich Isaak im Juni 2013 zum ersten Mal einen Besuch abstattete, zeigte er mir seinen Lagerraum als Beweis dafür, dass er momentan über keine Schnelltests mehr verfüge. Nach Isaaks Angaben würden die 400 Tests, die er alle zwei Monate von den National Medical Stores, dem Logistikorgan des Gesundheitsministeriums, geliefert bekommt, häufig bereits nach drei Wochen aufgebraucht sein. Als ich Isaak im Anschluss fragte, was er denn, da er auch noch ein Mikroskop hatte, bevorzuge, sagte er, eigentlich die Mikroskopie, da er damit die Anzahl an Parasiten quantifizieren und somit den Status der Krankheit genauer bestimmen könne. Gegenwärtig hätte er allerdings nur wenig Vertrauen in das Mikroskop, da dessen Linse beschla-

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gen sei („faulty“).2 „That’s why I even anounced with the in-charge that she should be cautious with the negative results I am giving her.“ Die implizite Referenz Isaaks bezieht sich auf das Arbeits- und Vertrauensverhältnis zwischen Laborantinnen und dem behandelnden Personal. Studien haben in diesem Zusammenhang unter anderem auf ein Misstrauensverhältnis zwischen diesen beiden Organisationseinheiten verwiesen (Chandler et al. 2008, Derua et al. 2011, Nanyingi 2008). Diesem Verdacht folgend, fragte ich Isaak, ob sich unabhängig vom heutigen Problem seine Vorgesetzten an die Laborergebnisse halten würden: „Ruth diagnosed more clinically. But even Victoria ignores but more with babies. She doesn’t want to risk anything. Maggie sends more patients but also accepts the results.“ Bei den von Isaak erwähnten Frauen handelt es sich um die leitenden Angestellten (In-Charges oder Clinical Officers) der Einrichtung. In Isaaks Beobachtung wird nun deutlich, dass zwei der drei In-Charges (Ruth und Victoria) bei einem negativen Laborergebnis eher ihrem klinischen Eindruck vertrauen. Eine Erklärung dieses Misstrauens der In-Charges gegenüber den Laborergebnissen sehe ich darin, dass die Wissensproduktion in den Laboren nicht geblackboxt wird. Denn zum einen handelt es sich bei Einrichtungen-III um relativ kleine und überschaubare Gebäudekomplexe, sodass schon von dieser Seite die Tätigkeiten des Labors nicht den Augen und dem Bewusstsein des behandelnden Personals entzogen sind (wie dies beispielsweise in westlichen Vergleichskontexten der Fall ist). Des weiteren weiß das behandelnde Personal relativ genau über die chronische infrastrukturelle und materielle Unterversorgung der Labore bescheid – nicht zuletzt, weil es selbst davon betroffen ist. Die In-Charges wissen somit um die widrigen Arbeitsbedingungen und die notwendigen Improvisationen in den Laboren, was nun aber zu einem gewissen Teil verhindert, dass dem darin produzierten Wissen eine autoritäre Bedeutung zugewiesen werden kann. Das differenzierte Wissen Isaaks über die Formen der Kooperation und der Bedeutung seiner Arbeit für die Behandlungsentscheidung verweist aber auch auf weitere organisationale Aspekte. Zunächst deutet sich darin an, dass bei weitem nicht alle Patientinnen vom behandelnden Personal in

2

Im Kontrast hierzu gab Josephine, die zweite Laborassistentin, an, dass sie dieses Problem beim Gebrauch des Mikroskops nicht feststellen könne und darum dieses auch ohne Verdacht und Vorbehalt weiter benutzen würde.

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Isaaks Labor gesendet werden. „I would say my average workload is around 40 patients. But again it depends on the clinician and how many she sends.“ Je nach Andrang wird fallabhängig entschieden, wer das Labor aufsucht und wer nicht. In den Worten Vickys (In-Charge) klingt dieser Sachverhalt wie folgt: „I really don’t see where you can save time. Maybe sometimes you avoid the lab and just send them to the treatment room directly.“ (HWI/6) Dass es sich bei dem von Vicky beschriebenen Vorgehen, den Umweg über das Labor gelegentlich auszusparen, um eine Routine handelt, hängt auch mit der Häufigkeit des Malariaverdachts und den Arbeitsvollzügen im Labor zusammen. Für den Fall, dass das Mikroskop verfügbar ist, drängen sich ab einem gewissen Punkt Patientinnen vor dem Labor, genau weil es sich unter den gegebenen Umständen um eine (zeit-)aufwendige Prozedur handelt. Die dadurch verlängerte Wartezeit veranlasst Vicky immer wieder dazu, das Labor zu entlasten, indem sie Patientinnen klinisch diagnostiziert. Das Wissen Isaaks um das unterschiedliche Verschreibeverhalten der In-Charges weckte meine Neugier, sodass ich nachfragte, woher er dies mit solcher Genauigkeit und Überzeugung sagen konnte. Es stellte sich heraus, dass Isaak immer wieder bei der Ausgabe der Medikamente mithilft. Um Situationen mit personellen Engpässen zu überbrücken, sitzt Isaak nun aber an der Stelle, an denen er die Anweisungen, die der In-Charge in das Behandlungsbuch der Patientinnen übertragen hat, mitbekommt und ausführen muss. Diese Schnittstelle erlaubt es Isaak, die Häufigkeit, mit der InCharges von seinen Testergebnissen abweichen, zu registrieren. Das Rotieren und wechselseitige Einspringen und Übernehmen unterschiedlicher Funktionen, das als charakteristische Personalunion auch bereits aus Einrichtungen-II bekannt ist, findet sich somit auch in spezifischer Weise in den höheren Einrichtungen wieder. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich jedoch nicht beobachten, dass Isaaks Labortätigkeiten (z.B. Mikroskopie) umgekehrt vom behandelnden Personal übernommen wurden. Auch wenn es zwei Laborassistenten gab, hatte deren selbst organisiertes Schichtsystem zur Folge, dass das Labor z.B. in Krankheitsfällen oder bei Weiterbildungen einfach unbesetzt blieb. Die nachstehende Erklärung Vickys kann dabei als eine weit verbreitete sowie notwendige Pragmatik im Umgang mit dieser unsteten Verfügbarkeit gelesen werden: Q: What do you do in the absence of the lab technician?

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Vicky: „I just go on and treat. Most times I send patients to the lab for their psychological satisfaction. Because if we don’t do this, they will not feel well attended to. After all, sometimes I send them to the lab but still I don’t treat basing on the lab results. In most cases I use my own judgement to treat patients.“

Die Aussage zeigt erneut, dass auch in höheren Einrichtungen, in denen bereits seit Jahrzehnten die parasitenbasierte Diagnose von Malaria verwendet wird, auch die klinische Diagnose bzw. Verdachtsbehandlung weiterhin ein integraler Bestandteil der musujja-/Malaria-/Fieberbehandlung ist. Diese Beobachtung hat nun aber weitreichende Konsequenzen für die planerische Annahme, dass mit den Tests eine Lücke gefüllt werden kann. Diese Annahme unterstellt, dass dort, wo Mikroskope verfügbar sind, die Verdachtsbehandlung keine Rolle spielt. Wie sich nun aber in Vickys Reflexion andeutet, wird die Verdachtsbehandlung auch in höheren Einrichtungen vollzogen, die eigentlich über ein Mikroskop verfügen. Die Grenze zwischen Verdachtsbehandlung und parasitenbasierter Diagnose ist somit weitaus unschärfer, als dies gemeinhin unterstellt wird. Zwei Schlussfolgerungen möchte ich aus diesen Beobachtungen ableiten: Zum einen wird deutlich, dass die Verwendung der Schnelltests in den Laboren kaum einen oder keinen Unterschied für das Verschreibeverhalten des behandelnden Personals macht. Pflegerinnen vertrauen auch weiterhin mehr ihrem klinischen Wissen als dem Laborwissen. Dass es sich beim Testwissen um ein anderes – im Vergleich zum Mikroskop weniger aufwendiges und dadurch auch weniger störanfälliges – Verfahren handelt, ändert für die In-Charges nichts an dem Umstand, dass das Wissen aus dem Labor kommt und somit nur mit Vorsicht für die Behandlungsentscheidung geltend gemacht wird. Zum anderen macht die Verwendung der Tests einen folgenreichen Fakt der Laborarbeit in den meisten Einrichtungen-III sichtbar. Bei unserem Treffen im Juni 2013 erwähnte Isaak: „In school they used to joke that we now are made redundant by RDTs that can be operated by village people“. Wie oben beschrieben, zeigte sich mir bei unserem Treffen Anfang 2014 nun ein Bild, das wie ein Vorbote dieses Szenarios anmutet. Auch wenn das Mikroskop zur Reparatur war und mittlerweile mehr Tests verfügbar waren (1000 Tests pro Zyklus), zeigt sich darin der organisationale Zwischenstatus der Tests: Während deren Verwendung in Einrichtungen-II den Arbeitsprozess verlängert und intensiviert, ist ein Laborant, der fast ausschließlich für die Durchführung der Tests zuständig, je-

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doch eigentlich für komplexere Aufgaben qualifiziert ist, mit dieser Tätigkeit deutlich unterfordert. Die Tests machen nun im gegenwärtigen Stadium sichtbar, dass es sich bei den meisten Laboren dieser Einrichtungsebene, um weitgehend verzichtbare Institutionen handelt. Die personelle Unterbesetzung, die häufig schlechte Ausstattung und die unzuverlässige infrastrukturelle Anbindung machen die Tätigkeiten und vor allem das darin produzierte Wissen zu einem wenig notwendigen Nebenprodukt der Alltagspraxis. Die mangelnde Verfügbarkeit und Verlässlichkeit der Ergebnisse erlaubt es dem behandelnden Personal nicht, das Laborwissen als autoritäres und notwendiges Wissen produktiv zu machen. Aus Alltagserfahrung wissen eben alle Beteiligten, dass es auch ohne Labor geht/gehen muss.

8.3 L ABORALLTAG ALS SOZIOTECHNISCHER D ELEGATIONSZUSAMMENHANG Erst später erfuhr ich, dass Aloisius, bevor er zwei Assistentinnen rekrutieren konnte, bereits einen Monat allein im Labor gearbeitet hatte. Von anderen Einrichtungen wusste ich, dass es sich bei diesen Assistentinnen um volunteers oder Freiwillige handelte: Studentinnen oder bereits examinierte Laborant_innen, die auf freiwilliger Basis, jedenfalls ohne formelle Bezahlung, gemeinsam mit Aloisius den Laborbetrieb aufrechterhalten. Bei dieser Art Praktikum handelt es sich um eine im ugandischen Gesundheitssystem weit verbreitete Praxis. Darin sieht vor allem jüngeres Personal eine aussichtsreiche Chance, nicht nur praktische Erfahrungen zu sammeln, sondern sich darüber hinaus unabkömmlich zu machen und auf diese Weise eine Empfehlung für eine bezahlte Festanstellung zu erhalten.3

3

Innerhalb dieser eher informellen, jedoch zweifellos ausbeuterischen Praxis des volunteerings durch einen Laborassistenten oder eine Nurse handelt es sich aber um ein vergleichsweise sicheres Verfahren, bei dem zwar unerfahrene, aber zumindest im Gesundheitsbereich ausgebildete angehende Fachkräfte mitwirken. Allzu oft während meiner Feldforschung konnte ich sowohl aus Medienberichten, Anekdoten oder Interviews erfahren, dass die Medikamentenvergabe und Injektionen von Laien übernommen oder ganze Einrichtungen beispielsweise

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Auf meine Nachfrage, wie Aloisius in Anbetracht des großen Arbeitspensums überhaupt allein arbeiten konnte, verwies er darauf, dass er während dieser Zeit die elektronische Datenerfassung benutzen konnte. In einer breiteren Reflexion, was alles zeitliche Verzögerungen mit sich bringen kann, beschreibt Aloisius den Zusammenhang wie folgt: „Calling in patients can cause delays. You see even this one is now asking where to go [refering to a patient]. But with the ICT system [Information & Communitcation Technology, RU] it would be so much quicker. You see all the congestion we are facing is due to the paperwork. This slows us down. With the laptop you just enter the data and it reaches OPD quick. Patient don’t even bring the treatmant book from there.“ Bei der elektronischen Datenerfassung handelt es sich um eine Delegationspraktik, die es Aloisius ermöglicht, den zeitaufwendigen Prozess der Verschriftlichung auszulagern bzw. signifikant zu verkürzen. Für einige Wochen zählte auch Louise zu Aloisius Volunteers, die ihm vor allem bei der Durchführung von Malaria- und HIV-Tests tatkräftig zur Hand ging. Bei Louise handelt es sich um eine holländische Masterstudentin aus dem Fachbereich „Biotechnical Engineering“. Für ein halbes Jahr durchlief sie verschiedene Abteilungen der Einrichtung und beobachtete die Abläufe und Gebrauchsweisen von Technik, um im Anschluss daran ihre Masterarbeit über eines der Themen bzw. entsprechende Möglichkeiten zu einer technologischen Optimierung schreiben zu können. Anders formuliert: Wenn es RDTs nicht schon gäbe, wären es Ingenieure wie Louise, die später genau diese Art von Technik entwickeln würden. Bei meiner Mutmaßung handelt es sich bereits um eine optimistische Leseweise des technischen Entwicklungsprozesses. Denn im Gegensatz zu Trends der letzten Jahrzehnte, Endnutzerinnen bereits während der Technikentwicklung stärker mit einzubeziehen (Outshoorn & Pinch 2003), sind Malariaschnelltests gänzlich ohne diese Öffnung entwickelt worden. Auch mir hatte Aloisius angeboten, beim Arbeitsablauf mitzuhelfen, was ich jedoch dankend ablehnte. Stattdessen beschränkte ich mich auf die Beobachtung der Abläufe und versuchte unter anderem zu verstehen, wie sich Louise in diese eingliederte. Zwei Dinge fielen mir dabei auf: Einerseits hatte sie immer wieder Schwierigkeiten, von teilweise anämischen Pa-

vom Reinigungspersonal gemanagt wurden. (Siehe: www.ugandaradionetwork .com/a/storyphp?s=24226, Stand 19.03.2017)

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tientinnen Blutproben zu entnehmen. Dabei ging sie erstaunlich rabiat vor. Anderseits war auch die Koordination mit Aloisius oder dem jeweiligen buchführenden Assistenten sowie die Bestimmung, zu welchem Test welche Patientin gehört, eher schwierig. Wenn die Verwirrung und Unsicherheit zu groß waren, mussten sich einige Patientinnen erneut der schmerzhaften Prozedur der Blutabnahme unterziehen. Auf meine Nachfrage, ob sie denn keine Bedenken hätte, in einem infektiösen Kontext mit Blutabnahmen umzugehen, antwortete Louise lakonisch: „Maybe it is my ignorance towards biomedicine.“ Auch wenn ich nicht genau weiß, ob und wie viele Fehler Louise unterlaufen sind – es ist auch nicht Thema der Arbeit, die Linien nachzuzeichnen, wo entlang diesbezüglich die ethischen Implikationen verlaufen – möchte ich doch in dieser Hinsicht zwei Aspekte festhalten: Erstens hat Louises Einsatz nur wenig zu einem schnelleren und effizienteren Ablauf beigetragen. Im Gegenteil, so schien es, wurde sogar häufig mehr Aufwand nötig, um begangene Fehler wieder zu beheben. Dieser Umstand wurde jedoch von keinem der Beteiligten als ethisch verwerflich bewertet. Zweitens wurde Aloisius von einem Patientinnen gefragt, ob er denn bei ihm einen HIV-Test machen könnte, woraufhin er antwortete: „No! First you go for counciling. I can’t do that without counciling, it’s unethical.“ Die Antwort zeigt, dass Aloisius sich trotz allem der ethischen Voraussetzungen und Implikationen seiner Labortätigkeit bewusst ist, diese aber nur situativ geltend macht. Während der Mittagspause präzisierte Aloisius mir gegenüber, dass es sich bei über 70% der Diagnosen in seinem Labor um Malariaverdachtsfälle handelte, was gut so sei, weil er dafür die Tests verwenden könne. „Otherwise it would be too much work. Even for me. But I have also given out rapids [RDTs, RU] to antenatal and maternity wards. These days they don’t have to send all the mothers and babies over to my lab.“ Aloisius mobilisierte also antizipativ die Tests und lagerte auf diese Weise einen Teil seiner Arbeit an andere Stationen aus. In dieser Form der Delegation gelang es Aloisius, die Abteilungsleiterinnen zu überzeugen, die Malariaverdachtsfälle bereits in ihren Einheiten durchzuführen, sodass dieser Teil der Patientinnenschaft gar nicht mehr sein Labor tangieren würden. Dass Aloisius dies nun aber überhaupt machen konnte, ist wiederum sowohl der Einfachheit als auch der Mobilität der Tests zu verdanken. Im Vergleich dazu kann das Mikroskop nicht ohne Weiteres in andere Einrichtungen und Räumlichkeiten ‚reisen‘. Auch ist das mikroskopbasierte Gebrauchswissen kom-

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plexer und kann aus diesem Grund nicht so zügig wie das Testwissen zwischen Individuen zirkulieren. Neben den freiwilligen Assistenten werden somit auch die Schnelltests in jenes weite Delegationsnetz von aufeinander verweisenden Improvisationen übersetzt, was es Aloisius doch erst ermöglicht, den massiven Arbeitsaufwand zu koordinieren. Während einer Stippvisite in Aloisius’ Labor im September 2014 war ich freudig überrascht, Isaak wieder zu treffen, von dem ich erfuhr, dass er nach Mukono-IV versetzt worden war. Ich entsann mich, dass Isaak erwähnt hatte, früher einmal Volontär bei Aloisius gewesen zu sein und es nun scheinbar geschafft hatte, hierher versetzt zu werden. Diese glückliche Fügung befreite ihn von der zusätzlichen Last, einen Teil seines Gehalts für den Transport investieren zu müssen, da er nun ganz in der Nähe der Einrichtung wohnte. Auch wenn ich Isaak gratulierte, hielt sich sein Enthusiasmus in Grenzen. Wenn es in seiner alten Einrichtung-III häufig zu wenig Arbeit gab, war Mukono-IV überfrachtet damit, woran er sich nach eigenen Angaben erst einmal wieder gewöhnen müsse. Überhaupt fand ich meistens eher extreme Arbeitsbedingungen vor, unter denen Pflegerinnen sich entweder langweilten oder sich wegen der übermäßigen Belastung beschwerten. Meine Nachfrage, ob denn bereits ein Ersatz für ihn in Goma Einrichtung-III gefunden worden sei, verneinte Isaak. Er fügte jedoch hinzu, dass er zwei Pflegerinnen darin unterrichtet habe, wie mit den Tests umzugehen sei. Auch wenn ich nichts über den Erfolg und die Qualität dieses Wissenstransfers sagen kann, wäre diese Form der relativ zügigen (Wissens-) Delegation so nicht für den Umgang mit einem Mikroskop denkbar. Als ich erfuhr, dass Aloisius erst am nächsten Tag wieder Dienst haben würde, fragte ich Isaak, ob er denn umgekehrt schon von Aloisius Delegationstaktik gehört hatte, die Tests an andere Einheiten zu verteilen. Isaak hatte vor allem davon gehört, weil er derjenige war, der diesen Prozess rückgängig gemacht hatte. Isaak fand die Idee zwar plausibel und auch gut, doch gab es scheinbar Ärger bezüglich der Rechenschaftspflicht über die Verwendung der Tests. Als Aloisius die Tests in die einzelnen Stationen brachte, geschah dies ohne die entsprechende Diagnoseregistratur. Da man bis jetzt noch keine zusätzlichen Registraturen habe, sollte diese Auslagerung nicht weiter vollzogen werden. Auch fügte Isaak mit einem Lächeln hinzu: „And now they also have me!“ Was kann man nun aber über die Malariadiagnose in diesen stark frequentierten Laboren höherer Einrichtungen sagen? Es wird deutlich, dass

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die Malariadiagnose in der angeforderten Häufigkeit dazu neigt, andere Aufgabenfelder zu überlagern und zu vereinnahmen, sodass ein Auslagern bzw. Verkürzen dieser Routinebelastung vorteilhaft erscheint. Den Tests kommt in dieser Form ein doppelter Befreiungseffekt zu: Zum einem verkürzen sie den Arbeitsprozess und schaffen auf diese Weise Raum und Zeit für andere Tätigkeiten. Zum anderen kann Aloisius die Tests in Form einer kreativen Improvisation mobilisieren, was in dieser Form der Laboratorisierung anderer Stationen etwas sichtbar macht: Dass er dies überhaupt so praktizieren kann, ist Ausdruck einer Mobilität der Tests und wäre mit und durch das Mikroskop so nicht möglich gewesen.

8.4 P OLITISCHE I MPLIKATIONEN VON S TANDARDISIERUNGSPROZESSEN In den oben ausgeführten empirischen Beobachtungen hat sich bereits angedeutet, dass die Frage nach dem Verwendungsort einer Technik auch gleichzeitig die Frage aufwirft, wo eine Technik ihre größte Nützlichkeit entfalten kann. Wenn sich hierin also andeutet, dass die Nützlichkeit einer Technik nicht allein über deren Skript stabilisiert und auch nicht ausschließlich über wissenschaftliche Machbarkeitsstudien determiniert wird, muss weiter gefragt werden, von welchen zusätzlichen Faktoren dies abhängt. Zunächst kann festgehalten werden, dass in Laboren höherer Einrichtungen die Diagnose von Malaria durch die routinemäßige Verwendung von Mikroskopen praktiziert wird. Die Aufbereitung der Samples, deren Trocknung und Einfärbung, sowie die Notwendigkeit des Auszählens von Parasiten transformieren das mikroskopische Verfahren allerdings im direkten Vergleich mit den Tests in eine eher zeit- und arbeitsaufwendige Tätigkeit. Hinzu kommt, dass die Qualität des Mikroskopwissens im Verlauf eines Tages und in Abhängigkeit der Erfahrung der Laborassistentin durchaus schwanken kann. Dieses Qualitätsproblem muss nun ebenfalls mit einem hohen Arbeitspensum in Beziehung gesetzt werden. In den größten Einrichtungen durchlaufen zwischen 150-300 Patientinnen pro Tag die Labore. Im Gegensatz zu den Erfahrungen in Einrichtungen-II wird die Einführung und Verwendung der Schnelltests in den Laboren als kreative Lösung für das Zusammentreffen von Fachkräftemangel und hohem Arbeitspensum

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erachtet. Mikroskope erscheinen in diesem Zusammenhang weniger als Gold-Standard denn als ein krisenhaftes Artefakt. Unabhängig vom Erfolg und den tatsächlichen Konsequenzen für die anderen Arbeitssektoren der Malariafallbehandlung (case management) interessiert mich in diesem Zusammenhang die Umcodierung des Zeitkriteriums in einem neuen Nutzungszusammenhang. Durch diese Umcodierung verändert sich sowohl die Technik, als auch der jeweilige Nutzungszusammenhang. Dabei geht es zugleich um die Ersetzbarkeit einer anderen Technik (Mikroskope) und um die Lösbarkeit des Fachkräfteproblems. Der Einsatz der Schnelltests in den Laboren ermöglicht bei gleicher personeller Verfügbarkeit ein zügigeres Prozessieren einer höheren Anzahl von Patientinnen. Diese Übersetzung eines organisationalen Problems (Fachkräftemangel) in einen technischen Funktionszusammenhang hat weitreichende Konsequenzen für die Arbeitssituation der Beschäftigten. Laborantinnen werden auf diese Weise zu Kollaborateurinnen einer Praktik, die den Personalengpass kurz- und mittelfristig nicht verbessern wird, sondern wahrscheinlich im Gegenteil zu seiner Aufrechterhaltung beiträgt. Das Produktivmachen dieses zeitlichen Funktionsfeldes in einem neuen Handlungszusammenhang hat auch Auswirkungen auf die Verfügbarkeit und den Gebrauch der Tests in den unteren Gesundheitseinrichtungen. Wie bereits oben ausgeführt, handelt es sich bei den Schnelltests um nur begrenzt verfügbare Ressourcen. Die Versorgung der höheren Einrichtungen mit RDTs – einige Krankenhäuser erhalten bis zu 4000 Tests pro Versorgungszyklus – verursacht (in-)direkt Stock-outs auf den unteren Ebenen (Einrichtungen-II). Würde auf eine Versorgung der Labore mit Schnelltests verzichtet, könnte auch eine größere Menge als die 400 Tests pro Zyklus in den Einrichtungen-II verteilt werden. Wie ich bereits im zweiten Kapitel gezeigt habe, reichen die 400 Tests häufig nicht aus, so dass viele Einrichtungen bereits nach vier bis sechs Wochen keine Tests mehr haben. Diese sporadische Verfügbarkeit in Einrichtungen-II setzt Patientinnen und Pflegerinnen nun zwei qualitativ verschiedenen Servicetypen aus, die diese aber nicht oder nur kaum manipulieren können. Entweder die Tests sind verfügbar oder sie sind nicht verfügbar, sodass Pflegerinnen im letzteren Fall dazu veranlasst werden, erneut auf die klinische Diagnose zurückzugreifen. Der Umstand, dass Pflegerinnen aufgrund von Stock-outs immer wieder auf die klinische Diagnose bzw. Verdachtsbehandlung von Malaria zurückgreifen müssen, macht nun erneut auf die Schwierigkeiten aufmerksam, die sich für

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die Etablierung von Routinen stellen. So kann im Unterschied zu den Einrichtungen in Uganda davon ausgehen werden, dass in einem westlichen Vergleichskontext während der Einführung einer neuen Technik zu mindestens sichergestellt wird, dass diese immer und in ausreichender Menge verfügbar ist. Erst die kontinuierliche Verfügbarkeit erlaubt die Ausprägung von Routinen und Gewohnheiten und bildet auf diese Weise die Grundlage, dass eine Technik infrastrukturelle Qualitäten ausbilden kann, wozu auch deren Unsichtbarwerden gehört (Edwards 2002). Der kontinuierliche Wechsel zwischen zwei Diagnoseformen (Schnelltests und klinischer Diagnose) bringt nun aber Probleme ganz eigener Art mit sich. In den Reflexionen von Pflegerinnen über den unfreiwilligen Wechsel geben viele zu, dass sie sich seit der Einführung der Tests nicht mehr wirklich sicher fühlen, Malaria ausschließlich über klinische Diagnose identifizieren zu können. Eine Ursache dieser Wahrnehmung bilden individuelle Mikroexperimente, in denen Pflegerinnen immer wieder überrascht sind von den Testergebnissen, da ihnen ihr klinischer Eindruck Gegenteiliges vermittelt. Diese neue Unsicherheit gegenüber den eigenen Fähigkeiten resultiert nun in einer Risikovermeidungsstrategie, namentlich einem verstärkten Verschreiben von Malariamedikamenten im Falle von Versorgungsengpässen mit Schnelltests.4 Dieses Fluktuieren der Servicequalität in den unteren Einrichtungen muss somit auch als ein Effekt der Umcodierung gelesen werden, die die Technik durch den verstärkten Einsatz in den Laboren höherer Einrichtungen erfährt. Welche Schlussfolgerungen lassen sich nun aus diesen Beobachtungen ziehen und wie können diese an die oben gestellte Frage der Nützlichkeitsbestimmung der Technik rückgebunden werden? Zunächst zeigen die improvisierten Umverteilungspraktiken, dass die Nützlichkeit einer Technik nicht ausschließlich über das Design und das Skript (prä)definiert wird, sondern auch über deren lokal bzw. national aktualisierte Improvisationskapazitäten. Ob und wie gut die Tests funktionieren, wird somit nicht nur über deren krankheitsspezifischen Nutzen determiniert (case management), sondern auch darüber, wie sehr die Technik für strukturelle und das gesamte Gesundheitssystem betreffende Probleme produktiv gemacht werden

4

Zu vermuten ist, dass während Versorgungsengpässen eventuell sogar eine Verschlechterung des Behandlungsverhaltens, gegenüber der Zeit, als es noch keine Tests gab, eingetreten ist.

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kann. Dass die Tests nun trotz verfügbarer Mikroskope in den Einrichtungen-IV eingesetzt und Aloisius diese zusätzlich mobilisieren konnte, deute ich als Ausdruck unterschiedlicher Gewichtungen der Frage, was es generell heißt, den Gesundheitsservice eines ganzen Landes zu verbessern. Eine im Global Health Diskurs unterschätzte und nur schwierig zu artikulierende Sachlage betrifft die hierarchische Strukturierung der meisten Gesundheitssysteme in ressourcenarmen Ländern. Zum einen widerspricht es der Entwicklungslogik vieler Ministerialbeamtinnen und Planungsexpertinnen, von einer Verbesserung zu sprechen, wenn nur die schwächsten und untersten Einrichtungen mit der neusten Technik ausgestattet werden, während Krankenhäuser und höhere Einrichtungen weiterhin mit ‚veralteten‘ Methoden, wie z.B. der Mikroskopie, arbeiten sollen. Es zeigt aber auch, dass die Verbesserung bzw. Standardisierung der Behandlung einer Krankheit nicht von der (hierarchischen) Beschaffenheit des ugandischen Gesundheitssystems entkoppelt werden kann. Die Standardisierbarkeit von Diagnose und Behandlungsabläufen hängt eben nicht nur von der reinen Verfügbarkeit von Technik ab, sondern auch davon, wie letztere mit der Organisation des gesamten Systems interagiert. Auf diese Weise wird deutlich, dass eine Technik, deren Anspruch es ist, Unterschiede und Ungleichheiten in der Krankenbehandlung zu nivellieren, nun erneut dazu beiträgt, diese Hierarchien und Ungleichheiten zu stabilisieren bzw. zu reproduzieren. Die massenhafte Verwendung von Schnelltests in den Laboren folgt dabei einem Paradigma, das sich jenseits der Global Health Prämissen vollzieht. Die Verkürzung der Wartezeit in repräsentativen Institutionen (wie z.B. Krankenhäusern) bedient dabei populäre Wahrnehmungen über ‚gutes‘ Funktionieren von Gesundheitseinrichtungen. Anders formuliert: Dass Gesundheitsinstitutionen in Uganda auch danach bewertet werden, wie schnell und effizient sie (Routine-)Krankheiten abhandeln können, wird im globalen Standardisierungsdiskurs nicht reflektiert. Das vorliegende Beispiel verdeutlicht, dass Standardisierungen nicht automatisch die Verringerung von Ungleichheiten zur Folge haben.

9. „Somebody has lost knowledge“

„Somebody has lost knowledge!“ entfuhr es Gerald, einem der Trainer, der am Ende des zweitägigen Trainings damit beschäftigt war, die Wissenstests der Teilnehmerinnen durchzusehen. Als Teil eines Evaluierungsverfahrens, in dem die Effektivität der Wissensvermittlung festgestellt und messbar gemacht wird, müssen die Teilnehmerinnen jeweils zu Beginn und zum Ende eines Trainings einen Test durchführen (Pre-Test und Post-Test). Ein Teilnehmer hatte offensichtlich im Post-Test wider Erwarten schlechter abgeschnitten als im Pre-Test, was Gerald zu seiner Verwunderung feststellen musste. Dabei schien er diesen Fakt keinesfalls persönlich zu nehmen oder auf seine Fähigkeiten als Trainer zurückzuführen. Ohne diesen Einzelfall überzubewerten, werde ich in diesem Kapitel die Frage erörtern, welchen Bedingungen die Vermittlung von Richtlinienwissen unterliegt. Es geht hier um die Darstellung eines Trainings, in dem der Umgang mit den Schnelltests unter anderem als Vermittlungs- bzw. Kommunikationsproblem verhandelt wurde. Was ich mit dem Begriff der Trainifizierung bezeichne, beschreibt eine Tendenz in Global Health Projekten, mit der der Notwendigkeit einer semantischen Einbettung von Technik Rechnung getragen werden soll. Ich möchte an dieser Stelle kurz an die Grundannahme erinnern, dass es sich bei Schnelltests darum um eine einfache Technik handelt, weil diese eigentlich keine zusätzlichen Integrationsmaßnahmen erfordert. Wenn nun aber der Gebrauch der Schnelltests zusätzliche Weiterbildungsmaßnahmen notwendig macht, zeigt sich, dass selbst ‚einfache‘ Techniken zusätzliche Infrastrukturierungen benötigen, die über das rein technische Gebrauchswissen hinausgehen. Mit meinen Betrachtungen zur Trainifizierung schließe ich an eine Vielzahl kritischer Studien zur Genealogie und Funktionsweise partizipativer Verfahren und Modelle innerhalb

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der internationalen Entwicklungszusammenarbeit an (Green 2010, Kühl 2004, Mohan & Stokke 2000, Swidler & Watkins 2009). Trainifizierung – hier verstanden als Teileffekt der Projektifizierung von Malaria – operiert jedoch mit einem doppelbödigen Funktionscharakter. Als semi-institutionalisierte Interventionspädagogik sind Trainings einerseits bereits Ausdruck eines vermehrten Einsatzes neuer Technik und Standardisierungsverfahren. Wie ich weiter oben gezeigt habe, zeichnet sich der experimentelle Charakter einer massenhaften Verwendung relativ unerprobter Technik durch eine unsystematische Wissensproduktion aus, was in folgenreicher Weise mit einer bruchstückhaften und nachträglichen Wissensvermittlung einhergeht. Anderseits verweist die Trainifizierung auf eine folgenreiche Entkopplung der Wissensproduktion und Wissensmobilisierung von formellen und institutionalisierten Bildungseinrichtungen des jeweiligen Interventionskontextes. Da die Verwendung der Schnelltests nicht – oder nur sehr marginal – in die Ausbildungscurricula der ugandischen Berufs- und Hochschulen integriert ist, werden Formen des on-the-job Trainings zu einer durchaus notwendigen Einrichtung. Bevor ich mich der Form und dem Inhalt eines solchen Trainings widme, möchte ich zunächst auf das darin eingeschriebene Verhältnis zwischen Leitlinien und Praxis eingehen. In informellen Gesprächen mit Global Health Expertinnen konnte ich immer wieder beobachten, dass auch in diesen Kreisen kaum jemand davon ausgeht, dass Richtlinien und Leitfäden eins zu eins in die Praxis umgesetzt werden (können). Relativ unabhängig von den Ursachen, die eine Umsetzung als auch Übersetzung verhindern, hängen dennoch viele Planungsexpertinnen und Gesundheitswissenschaftlerinnen dem Glauben an, dass eine Verbesserung von Leitfäden und Richtlinien trotzdem zur Verbesserung der Praxis beitragen kann. Diese Vorstellung baut auf einem Ordnungsmodell auf, wonach immer institutionelle Regeln Praktiken anleiten und nicht umgekehrt.1 Nur vor einem solchen Hintergrund machen Forderungen wie

1

Dabei möchte ich hier eine Einschränkung vornehmen. Sowohl in der sozialwissenschaftlichen Organisationsliteratur (Powell & DiMaggio 2009 (1991) oder Meyer & Rowan 2009 (1977)) als auch in der Organisationsrealität führender Unternehmen (wie z.B. Google, Apple), wird diesem ‚alten‘ Paradigma schon seit langem nicht mehr gefolgt. Dass internationale Entwicklungsinstitutionen zwar immer mehr darum bemüht sind, neue Interventions- und Organisationsmodelle zu testen bzw. zu integrieren, kann nicht den Fakt überdecken, dass

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„Stop ambigious messages on malaria diagnosis“ (D’Acremont et al. 2007) einen gewissen Sinn.2 Bezieht man nun das Verhältnis zwischen Richtlinien und Handlungspraxis direkt auf die Schnelltests, dann kann einerseits davon ausgehen, dass es sich bei den RDTs bereits um die Übersetzung einer Richtlinie handelt. Als materialisierte WHO Richtlinie sollen die Tests die parasitenbasierte Diagnose zu einem obligatorischen Teilschritt der Malariabehandlung machen (WHO 2010a). Studien haben nun anderseits gezeigt, dass die Reichweite und Effizienz, mit der die Tests diese Richtlinie in die Praxis übersetzen, nicht gänzlich von den Entscheidungen der Nutzerinnen entkoppelt werden können (Kyabayinze et al. 2010, 2012). Ob beispielsweise ein negatives Testergebnis gültig ist oder nicht, hängt auch weiterhin zu einem Großteil von den Handlungen und Haltungen der Nutzerinnen ab. Qualitative Nützlichkeits- und Machbarkeitsstudien bescheinigen den Tests zwar wenig überraschend eine volle Funktionsfähigkeit. Darin wird jedoch mit dem Hinweis verblieben, dass eine erfolgreiche Anwendung gute Leitlinien benötige, nach denen Nutzerinnen ihr Verhalten entsprechend ausrichten können (Chandler et al. 2007, 2012). Auch darin offenbart sich die oben erwähnte Annahme, dass die in Leitlinien artikulierten Anweisungen und Regeln die Praxis determinieren. Fraglich ist nun, wovon die Leistungsfähigkeit der Technik tatsächlich abhängt. Denn scheinbar reicht die inskribierte Einfachheit der Tests nicht aus, um die Komplexitäten der

noch immer diesem alten Organisations- und Handlungsmodell nachgehangen wird. Auch weiterhin herrscht hier die Annahme vor, dass die Form, in der Regeln die Praxis beherrschen, als „stahlhartes Gehäuse“ (Weber 1956) zu verstehen ist. 2

Der Aufsatz, aus dem das Zitat stammt, konkretisiert im weiteren Verlauf: Die Problemursache „is due to ambiguous messages provided by malaria experts and national guidelines on how to take action on the result of a malaria test. In Tanzania the recommendation is to perform microscopy/rapid diagnostic tests for malaria. If results are negative and
there are no signs and symptoms of severe disease in a child under 5 years, treat as uncomplicated malaria and look for another condition. Similar inconsistency is found in the Ugandan guidelines“ (D’Acremont et al. 2007: 489). Worauf genau sich die Autoren in Bezug auf die ugandischen Richtlinien beziehen, konnte ich allerdings nicht in Erfahrung bringen.

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Handlungspraxis gänzlich zu determinieren. Ein Hauptziel des Trainings besteht nun darin, diese Lücken zwischen Leitlinien und Praxis, wenn nicht zu schließen, so doch irgendwie zu verringern.

9.1 O UVERTÜRE : T RAINIFIZIERUNG VON M ALARIA Da ich bereits an einigen Weiterbildungsmaßnahmen teilgenommen hatte, war ich wenig überrascht, dass das auf zwei Tage (11.-12. April 2014) angelegte Training in einer großen Lagerhalle, also zwischen Maissäcken und Hühnern, stattfinden würde (Abb. 13). Wie ich bei meiner verfrühten Ankunft in Luwero, der Hauptstadt des gleichnamigen Distrikts, erfuhr, war Stop Malaria! für die Organisation und Finanzierung des Trainings verantwortlich.3 Das Training war Teil der breit angelegten Test & Treat Kampagne und umfasste neben der Trainingskomponente und anschließenden Supervisionsbesuchen in den Einrichtungen auch eine Reihe von Informations- und Kommunikationsveranstaltungen, mit denen die Öffentlichkeit sensibilisiert werden sollte. Wie mir Ivan, der Organisator, verriet, sollte die Kampagne in allen 34 Distrikten, die Stop Malaria! unterstützt, durchgeführt werden. Aufgrund zu „geringer finanzieller Ressourcen“ wurde diese Zahl jedoch kurzfristig auf 18 Distrikte reduziert. Dass die Mittel knapp bemessen waren, verdeutlichte auch eine anschließende Szene. Als einer der Trainer einen Stift aus der Materialkiste nehmen wollte, wurde er sogleich von Ivan zurechtgewiesen, dass dies diesmal leider nicht ginge, da die Anzahl der Stifte genau auf die Teilnehmerzahl abgestimmt war. Neben dem Organisator Ivan waren zwei Trainer, Gerald und Isaiah, für die inhaltliche Durchführung gebucht worden. Bei letzteren handelte es sich um zwei Distriktbeamte aus Mukono und Wakiso, die für das Training von ihren Tätigkeiten freigestellt wurden.4 Um

3

Bei Stop Malaria! handelt es sich um einen Nebenzweig der von US-AID (United States Agency for International Development) finanzierten internationalen Malariakontrolle.

4

Diese Art der Freistellung impliziert gerade in den höheren Verwaltungspositionen der Distrikt- und Ministerialebene auch immer einen beachtlichen Zusatzverdienst für die jeweiligen Tage (Gould 2005).

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8.30 Uhr wurden 30 Pflegerinnen aus Luwero und Nakasongola Distrikt erwartet, von denen sich gegen 10:30 Uhr etwa 20 eingefunden hatten. Abbildung 13: Eine zum Trainingszentrum umfunktionierte Lagerhalle

Quelle: RU.

Da man die bereits eingetroffenen Teilnehmerinnen nicht länger warten lassen wollte, beschlossen die Verantwortlichen, mit dem Training zu beginnen. Gleich zu Beginn ergab sich jedoch eine erste Verwirrung, da im angrenzenden Gebäude ein weiteres Training stattfand. „So it seems we have two trainings here“, sagte Ivan an die Teilnehmerinnen gerichtet. „This one is for the ‚Test & Treat‘ campaign and the other one is from PEPFAR. So make sure you are in the right training.“ Wie ich später erfuhr, besuchten ebenfalls ca. 20 Teilnehmerinnen das PEPFAR Training5, allerdings von Einrichtungen, in denen die Behandlung von HIV Patientinnen stattfindet. Obwohl es sich dabei um höhere Einrichtungen (III aufwärts) handelt, stellte sich mir erneut die generelle Frage,

5

Bei PEPFAR (President’s Emergency Plan for AIDS Reflief) handelt es sich um das global operierende HIV/Aids Programm der US-amerikanischen Regierung.

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wie sich Trainingseinheiten und die damit zusammenhängende kontinuierliche und massive Mobilisierung des Gesundheitspersonals auf die Servicequalität in den Einrichtungen auswirken. Die Vielzahl unterschiedlicher ‚Partnerorganisationen‘ in den einzelnen Distrikten führte häufiger zu Überlappungen von Weiterbildungsmaßnahmen. Trainerinnen, mit denen ich während verschiedener Workshops sprach, erwähnten des Öfteren, dass Teilnehmerinnen nicht erscheinen würden, wenn in einem Nachbardistrikt zeitgleich ein anderes Training abgehalten wurde. Eine Hauptursache hierfür liegt in den unterschiedlich ausfallenden Aufwandsentschädigungen der jeweiligen Partnerorganisationen. Während meiner teilnehmenden Beobachtung in den Einrichtungen in Mukono erwähnten Pflegerinnen immer wieder, Extraschichten übernehmen zu müssen, weil Kolleginnen zu mehrtägigen Trainings abgezogen wurden.6 Wenn diese Kommentare häufig mit einem klagenden Unterton einhergingen, dann bezog sich dieser weniger auf die Mehrarbeit als auf die zusätzliche Besoldung, die jedoch ausschließlich diesen Kolleginnen zukam. Mit dem Bereich der finanziellen Bezuschussung ist ein kontroverses und innerhalb der kritischen Global Health Forschung vor allem in seinen ethischen Implikationen viel diskutiertes Phänomen angesprochen (Geissler & Molyneux 2001, Kelly & Geissler 2012).7 Kontrovers ist diese Thematik auch darum, weil hier die Bedingungen der technischen Entwicklungshilfe mannigfaltig konterkariert werden. Wenn partnerschaftliche Kooperationen eine wechselseitige Anerkennung der Souveränität nationalstaatlicher Institutionen voraussetzt, so kann darin auch gleichzeitig eine Exklusionsbedingung für mögliche andere Formen der Hilfeleistung gedeutet werden. Dass es die Aufgabe eines souveränen Staates ist, seine Angestellten (finanziell) versorgen zu können, schließt somit eine unmittelbare bzw. offensichtliche Besoldung beispielsweise des staatlichen Gesundheitspersonals durch bioder multilaterale Unternehmen weitgehend aus. Dass es sich hierbei trotzdem um eine Grauzone handelt, zeigen Weiterbildungsmaßnahmen wie Workshops und Trainings. Unter dem Deckmantel technischer Erfordernis-

6

Zu vermuten ist dann auch, dass einzelne Einrichtungen an bestimmten Tagen

7

Einige in diesen Sammelbänden vereinte Studien beziehen sich vor allem auf die

gänzlich geschlossen bleiben müssen. Bezahlungsverhältnisse von Individuen, die sich zur Teilnahme an klinischen Studien verpflichten.

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se übertreffen Aufwandsentschädigungen oder per diems als zusätzliche Bezahlungen häufig die monatlichen Einkommen staatlicher Angestellter um ein Vielfaches (Ridde 2010, Smith 2003, in Bezug auf religiöse NGOs: Burchardt 2012). Mit einem Betrag von 280.000 USH (ca. 80 €) bescherte auch der Workshop in Luwero den meisten Teilnehmerinnen fast ein zusätzliches Monatsgehalt.8 Dass diese Zuschüsse nun aber als Teil der technischen Hilfeleistungen zu verstehen sind, machte Ivan ausführlich zu Beginn des Trainings deutlich. Gleich mehrfach erklärte er, welche Quittungen er benötige und was genau darauf zu stehen habe. Danach mussten alle den Nachweis erbringen, dass sie in Hotels übernachtet haben, weil nur dann auch die vorgesehene Übernachtungspauschale ausgezahlt werden dürfe. „This is all about accountability. Please make sure you give me a receipt of accommodation for three nights. When it comes to accountability it’s all a bit strict.“ Auch wenn – oder gerade weil – Ivan in seinen Ausführungen „accountablity“ sehr häufig verwendete, handelte es sich dabei letztlich um eine detaillierte Beschreibung all jener Schritte, die die Teilnehmerinnen erbringen müssten, um die Rechenschaft richtig zu unterwandern. Im Fortgang seiner Erklärungen machte er nachdrücklich deutlich, dass die Teilnehmerinnen darauf zu achten hätten, das richtige Ankunfts- und Abreisedatum auf die Quittungen zu schreiben. Um nun aber den Anschluss an den eigentlichen Grund der Zusammenkunft wiederherzustellen, erwähnte Ivan abschließend noch: „The money is only a facilitation. We are not paying you to come here but we want you to come for the knowledge.“

8

Zusammensetzung: 80000 USH (ca. 23 €) pro Übernachtung und Verpflegung, plus jeweils 20000 USH (5,70 €) für An- und Abreisekosten. Die durchschnittliche Besoldung eines Pflegers in einer Einrichtung II beläuft sich auf ca. 360.000 USH pro Monat (ca. 103 €), siehe: www.publicservice.go.ug/ dmdocuments /New%20Salary%20Structure%20FY%202014-2015%20Medical.pdf, Stand 01. 04.2017.

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9.2 I N MEDIAS RES : Z IELSTELLUNG UND S INNBESTIMMUNG Nach einer allgemeinen Vorstellungsrunde gingen die Trainer zu den obligatorischen Partizipationstechniken über. Diese beinhalten eine Reihe vertrauensfördernder Spiele und Rollenverteilungen (z.B. Chairmen, Spiritual Leader, Welfare Officer), die spätestens seit den 1990er Jahren zum Standardrepertoire internationaler Entwicklungsprogramme und darin integrierter Weiterbildungsformate gehören (Nguyen 2009). Im Anschluss erläuterte Isaiah den Teilnehmerinnen in emphatischer Manier, dass es sich hierbei um eine Initiative des Gesundheitsministeriums handelt, die von Stop Malaria! und anderen Partnern ermöglicht wurde. „Stop Malaria! is providing the transport and allowances but it is the Ministry and the government of Uganda that gives you the materials and the content.“ Als ich ihn später fragte, warum er diesen Punkt so stark herausgestellt hatte, erklärte mir Isaiah: „You know projects have a life span. So when you tell people that this is from Stop Malaria! they have an expectation that this will come to an end. What happens is that they also expect that the message ends! That’s why I mention the government in order to make it more sustainable and avoid short term thinking.“ Im Anschluss an diese politische Verortung bezüglich der Inhaberschaft und Nachhaltigkeit der Veranstaltung gingen die Trainer zur Erklärung der zentralen Sinneinheiten und Zielstellungen über, die ich im Folgenden pointiert zusammenfassen möchte. Aus einer pädagogischen Perspektive ließe sich sagen, dass es sich bei der Ausrichtung des Trainings um eine klassische Maßnahme zur Verhaltensveränderung handelte, worüber alte Wissensbestände durch neues formalisiertes Wissen ersetzt werden sollten. In ihrem inhaltlichen Bezug klingt die Zielstellung dann wie folgt: „The aim of the campaign is to build trust in malaria test results among clients and public health providers; increase the proportion of clients with a fever who are treated appropriately; and encourage community members to get their children under five years of age to be tested for malaria before treating.“ (Test & Treat Campaign 2012)

Es ginge danach um Maßnahmen, die es allen Beteiligten ermöglichen soll ein größeres/besseres Vertrauensverhältnis zu den Testergebnissen aufzubauen. Auch wenn nur allgemein auf ‚Testergebnisse‘ („malaria test re-

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sults“) rekurriert wird, würde ich annehmen, dass sich die Aussage weniger auf positive, sondern implizit auf negative Testergebnisse bezieht. Denn wie ich bereits in den vorangegangenen Kapiteln gezeigt habe, ist es der negative Nachweis von musujja/Malaria, der die Beteiligten am stärksten herausfordert. Bei der erkenntnistheoretischen Grundlage des Trainings handelt es sich um die konstruktivistische Annahme, dass Vertrauen in Technik am besten durch formalisierte Interaktions- und Kommunikationsmuster hergestellt werden kann. Der Fokus des Trainingshandbuchs lag somit auf der Verbesserung der Kommunikationskompetenzen (Interpersonal Communication Skills), mit denen Pflegerinnen ihrer Patientenschaft begegnen sollten. Um die Botschaft und den Kern dieser relativ abstrakten Zielformulierung in seiner Alltagsbedeutung zu konkretisieren, übersetzte Isaiah das Problem wie folgt: „We all know what the most common cause of fever is in this country?“ Alle Teilnehmerinnen antworten im Chor: „Malaria“. „And what is the most common cause of death in the country?“ Auch diese Frage wurde von den meisten mit Malaria beantwortet. Zur Überraschung aller korrigierte Isaiah die Antwort, indem er sagte: „The most common cause of death in Uganda is pneumonia.“ Als ich Isaiah in einer Pause darauf ansprach, woher er denn diese Information hätte, entgegnete er mir etwas verlegen: „Although there is no scientific proof of that claim, we still assume that people are no longer dying of Malaria but of other diseases like pneumonia!“ Diese Behauptung deute ich als kühnen Versuch Isaiahs, eine die Alltagsroutinen der Einrichtungen bestimmende Doxa aufzubrechen.9 Die allgemeine Übereinkunft, dass es sich bei den meisten Fiebererkrankungen um musujja/Malaria handeln würde, muss in Isaiahs Augen relativiert werden. Seine für viele überraschende Behauptung, nicht Malaria, sondern Lungenentzündung sei die häufigste Todesursache nach Fiebererkrankungen, soll diesen Zweck erfüllen.10 Dieser Versuch der Chancengleichheit oder demokratischen Anord-

9

Mit dem aus dem Griechischen stammenden Begriff ‚Doxa‘ (wörtlich: Meinung) bezeichnet Pierre Bourdieu in seiner Habitustheorie all jene in stillschweigender Übereinkunft übernommenen und zur Selbstverständlichkeit geronnenen Wissens- und Praxisbezüge von Individuen und sozialen Klassen (Bourdieu 1989).

10 Unabhängig davon, dass es sich bei dieser Aussage um eine Behauptung handelt und auch die Datenlage diesbezüglich durchaus schwach ist, wird Lungenent-

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nung von Fiebererkrankungen geschieht nun aber vor einem für alle Beteiligten paradox anmutenden Hintergrund. Auch wenn andere Krankheiten in den Einrichtungen eine Rolle spielen, widerspricht doch die Verfügbarkeit der Schnelltests als auch anderer kürzlich eingeführter präventiver und therapeutischer Techniken dieser Chancengleichheit bzw. macht diese zu einem gewissen Grad unmöglich. Die Aufmerksamkeit, die Malaria über die letzten zehn Jahre erfahren hat, macht es schwer, andere Krankheiten als gleichberechtigte Phänomene behandeln zu können. Zwar geht es Isaiah um eine Verschiebung der Aufmerksamkeit, weg von Malaria hin zu anderen (gefährlichen) Krankheiten. Der dafür notwendige Ausbau der Fähigkeiten zur Differentialdiagnose von Fieber spielte jedoch auch in den sich anschließenden Sitzungen eine untergeordnete Rolle. Fast ausschließlich wurde sich in den zentralen Trainingseinheiten den verschiedenen Komplexitäten gewidmet, die die Einführung der Tests für die Behandlung und Behandelbarkeit von Fieber/musujja/Malaria mit sich gebracht haben.

9.3 I MPROVISIERTE W ISSENSVERMITTLUNG Das zentrale Instrument, um das herum sich die Einübung und Anwendung neuer Kommunikationskompetenzen versammelte, war das sogenannte Job Aid. Das Job Aid war Teil einer Reihe von gleichzeitig ausgehändigten Arbeitsbüchern, Richtlinien und einem Hintergrundbuch, worin die Ausrichtung und Funktionsweise der Test & Treat Kampagne legitimiert wurde. Bereits an dieser Stelle möchte ich vorschlagen, die Übermittlung dieser Schriftstücke als Teil einer Symbolpolitik zu deuten. Zum einen wird damit abermals markiert, dass man sich im organisationalen Feld der Entwicklungszusammenarbeit bewegt. Verschriftlichungen, Broschüren und Berichte sind darin ein akzeptiertes Übersetzungs- und Repräsentationsformat, in dem die beteiligten Organisationen einen (Arbeits-)Nachweis erbringen, rechtschaffend über die bereitgestellten finanziellen Mittel verfügt zu haben (Ebrahim 2005). Symbolcharakter haben die Schriftstücke andererseits

zündung, gerade bei Kindern unter fünf Jahren, tatsächlich als eine der häufigsten Todesursachen in Uganda gezählt. Siehe: www.malariaconsortium.org/ projects/pneumonia-diagnostics/16/uganda, Stand 31.03.2017.

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auch deswegen, weil kaum einer der Beteiligten ernsthaft davon ausgeht, dass die Inhalte der Broschüren auch wirklich gelesen und eventuell umgesetzt werden. Das Problem, um dass es sich hierbei handelt, wurde von Gerald, dem zweiten Trainer, wie folgt in humorvoller Weise zusammengefasst: „If you have additional questions back at your facilities it’s all in the books. But all know we have a poor reading culture, and you know that. In Africa if you want to hide an information you put it on paper. That’s why we want you to listen carefully to the training we will be giving you during the next two days.“

Obwohl Gerald die Teilnehmerinnen in seiner Aussage bittet, die Inhalte der Broschüren ernst zu nehmen, handelt es sich doch dabei um ein indirektes Eingeständnis, dass die Bedeutung und Reichweite der Materialien und Job Aids von den Beteiligten als durchaus gering und begrenzt erachtet werden. Auch wenn die Broschüren hauptsächlich in ihrer symbolischen Bedeutung zu verstehen sind, möchte ich mich kurz dem Instrumentcharakter und der Praktikabilität des Job Aids zuwenden. Wie auf der Abbildung 14 erkennbar, basiert, was als Kommunikationskompetenz verstanden wird, auf einer umfangreichen Auflistung von Anweisungen an die Pflegerinnen, wie sie während einer Konsultation vorzugehen haben.11 Es wird implizit unterstellt, dass alle Patientinnen tatsächlich krank sind, wenn sie die Einrichtung aufsuchen. Auch wird von letzteren erwartet, dass sie ihre Krankengeschichte in einem kohärenten und linearen Narrativ artikulieren wollen/können, das einzig darauf ausgelegt ist, Pflegerinnen bei der Ursachenfindung zu helfen („Listens to the caregivers concerns and responses“). Eine solche Aufbereitung des Konsultationsprozesses unterstellt, dass sich Interaktionen in den Einrichtungen auf diese Weise formalisieren lassen.

11 Die in den Formulierungen verwendeten Imperative erwecken in sich selbst bereits den Eindruck einer relativ begrenzten und unsensiblen Kommunikationskompetenz der Verfasser dieser Richtlinien.

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Abbildung 14: Auflistung der Kernkompetenzen, die für eine Differentialdiagnose als wichtig erachtet werden

Quelle: Test & Treat Campaign, Stop Malaria!, USAID.

Gemäß den obigen Darstellungen ist anzunehmen, dass ein Befolgen dieser Kommunikations- und Handlungsempfehlungen den Behandlungs- und Organisationsalltag eher verschlechtern als effizienter machen würde. Allein der hierfür erforderliche zeitliche Aufwand indiziert, dass ein auf diese Weise idealisiertes Interaktionsmodell gänzlich an den personellen, zeitlichen und materiellen Engpässen der Einrichtung vorbeizielt. Bereits beim Überfliegen der einzelnen Kompetenzen drängt sich der Eindruck auf, dass sich die Formulierungen an Studentinnen, Anfängerinnen oder Laien richten, jedenfalls an Personen, die noch nie eine Konsultation durchgeführt haben. Pflegerinnen wird mit diesen Formulierungen jegliche Erfahrung im Umgang mit Patientinnen abgesprochen. Wie ich bereits weiter oben am Beispiel negativer Testergebnisse gezeigt habe, sind Pflegerinnen sehr wohl sensibel dafür, dass sowohl der Inhalt als auch die Form der Kommunikation während Konsultationen wichtig ist. Ohne an dieser Stelle weiter ins Detail zu gehen, würde ich davon ausgehen, dass die JobAids und Broschüren nach dem Ende des Trainings für die meisten Teilnehmerinnen nicht mehr relevant sind. Als zusätzlichen Hinweis möchte

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ich nochmals Gerald zu Wort kommen lassen, der erneut ein gängiges Schicksal der Schriftstücke bespricht: „And when we come for supervision to your facilities we like to see that you have used the job aids. And we will find out about it. We can see if you have used the job aid as there is dust and dirt that accumulates over time and use. And there is dust and dirt artificially applied as to make it look like you have used it. So please use the job aids.“ 12

Die hier nur angedeuteten Ursachen, warum die verwendeten Materialien für den Arbeitsalltag nur wenig bis keine Bedeutung haben werden, wurde während des Trainings auch von den Teilnehmerinnen selbst explizit gemacht. Die Versuche der Trainer, die zentralen Aspekte dieses Kommunikationsmodells trotz dessen Realitätsferne durchzuexerzieren, stieß während der einzelnen Trainingseinheiten immer wieder auf kritische Zwischenfragen. Diese bezogen sich immer wieder auf das Problem des bereits zu hohen, jedoch stetig steigenden Zeit- und Arbeitsaufwandes. Isaiah merkte rasch, dass diese Nachfragen sehr stark an der Glaubwürdigkeit und Praktikabilität des vorgestellten Modells rüttelten, was ihn zu einer weiteren radikalen Behauptung veranlasste: „Regarding workload: Workload means poor management of the in-charges. How many days do you work as employee of the Ministry of Health? How many hours a day? And how many hours per week? Somebody is paid for a month but is only there for a week. So this tells us that it is rather poor working attitudes which causes too much workload.“

In Form einer Generalisierung und Übertreibung referiert Isaiah in dieser Bemerkung auf die bereits besprochenen Improvisationen innerhalb des Schichtsystems, exponiert diese allerdings als Ursache des zu hohen Ar-

12 Dass Gerald damit ein sehr wahrscheinliches Szenario beschreibt, wurde mir auch erst nachträglich klar. Als ich erfuhr, dass diese Weiterbildungsmaßnahme bereits in Mukono Distrikt abgehalten wurde, entsann ich mich, dass ich in keiner der Einrichtungen eins der Job Aids auf den Behandlungstischen gefunden habe.

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beitsaufwandes. Diese Feststellung provozierte erneut deutlichen Widerspruch innerhalb der Teilnehmerschaft, was Isaiah zu noch drastischeren rhetorischen Mitteln greifen ließ, indem er die Diskussion für beendet erklärte, weil das Problem so gar nicht existieren würde: „Our government is trying the best to improve staffing levels. Even in Karamojo which is difficult to access! [Laughter] We must have talked about workload but the workload is not there. So the issue of workload is off the table. Its no longer a challenge.“

Neben der Organisationsstruktur wurden während des Trainings immer wieder Formen des richtigen Umgangs mit den Schnelltests thematisiert. Diese Einheiten drehten sich dann erneut ausschließlich um die Diagnose und Behandlung von Malaria. Darin wurde zwar auf die Funktionsweise und wissenschaftlichen Prinzipien der Schnelltests eingegangen, weite Teile der Ausführungen bezogen sich aber auf Techniken und Wissensaspekte, die die Alltagspraxis von Einrichtungen-II nur geringfügig berühren. So wurde eine Einheit den unterschiedlichen Dokumentations- und Kommunikationsformen der mikroskopisch diagnostizierten Malaria (nur in Einrichtungen-III aufwärts) gewidmet. Da die labortechnische Diagnose von Malaria auf einer Quantifizierung von Parasiten basiert, stellte Isaiah die folgenschwere Frage, wie akute/schwere Malaria („severe malaria“) zu behandeln sei. In der folgenden Sequenz wird deutlich, wie idealisierte Darstellungsversuche nationaler Richtlinien und regelgeleiteten Handelns mit dem brüchigen Systemzustand konfligieren. „How do you manage severe Malaria? Do you have an alternative instead of trying ACTs? (All: No!) Yes, you have. Don’t tell me you don’t have an alternative. […] What is the first line for severe Malaria? First line for severe Malaria? (All: Artesunate.) Artesunate. Do you have Artesunate? (All: No.) But you have the rectal Artesunate? (All: No – We don’t have rectal Artesunate.) […] [Mutterings] You don’t have the referred treatment for severe Malaria? (All: No.) Luwero has as ususal. Nakansongola has not. There is a problem in Nakansonogla. RDTs are not in Nakansongola at HC II. Then preferable Artesunate for severe Malaria is not in Nakansongola and yet it is in Luwero. Have you reported that to Daniel? (All: Yes.)

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Nothing has happened yet. Let us have that […] it is a serious issue! We really need to know why. We have noted it and we shall have forwarded it […] So with positive blood slide we have severe malaria. At HC II you know how to handle that. What do you do? Prefered treatment which is Artesunate rectal or IV Quinine? Do you have it? [Without waiting for responses] It is not there not even in Luwero? […] So the way you manage high temperatures to manage the convulsion and you write a referral note. Indicate what you have given and refer to the nearest health facility. Is that ok?“

In Kombination mit den festgestellten Versorgungsengpässen blieb diese letzte Frage Isaiahs („Is that ok?“) ohne jegliche Reaktion auf Seite der Teilnehmerinnen. Auch Isaiah wurde zunehmend klar, dass die Kluft zwischen dem organisationalen Soll- und dem Istzustand zu groß war, um einfach im Stoff fortzufahren. Die anschließende Sequenz kann darum als Versuch von Isaiah gelesen werden, eine improvisierte Antwort bzw. Lösung auf das eklatante Versorgungsdilemma zu geben. „[A]nd it is not bad to send patients to a private health facility, if it is closer to you. The Ministry of Health has a public-private-partnership policy and the Ministry of Health supports private partners […] yes? Instead of losing life you send to the nearest health facility where a child will get quick treatment. As long as you have given a referral note. Is that ok? Don’t tell them you go to the other health facility of the government they will not access it and yet there are private health facilities, which are very, near. Is that ok? Our aim is that this one Ugandan or human being […] have the right for treatment and should be treated in the [...] as soon as possible. Where someone is treated is not our issue but as long as he has got the best treatment to recover the life. Is that ok?“

Diese Aussagen zeugen davon, dass pädagogische Maßnahmen der formalisierten Wissensvermittlung nicht ohne Improvisationen auskommen bzw. überhaupt möglich sind. Die Übermittelbarkeit von Botschaften, Informationen und Wissen wird selbst in Trainingseinheiten nur durch Improvisationen möglich. Durch den Zustand des staatlichen Gesundheitswesens sieht sich Isaiah dazu gezwungen, die Teilnehmerinnen auf die Rolle und Bedeutung des privaten Sektors zu verweisen. Mir wurde dabei nicht klar, auf welche Art von Partnerschaft zwischen der Regierung und dem privaten

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Gesundheitssektor Isaiah genau verweist. Eher muss angenommen werden, dass es sich dabei um eine improvisierte Darstellung handelt, wodurch der Verweis auf den privaten Sektor ermöglicht wird, ohne dabei das staatliche Gesundheitswesen zu sehr zu diskreditieren. Diese Lesweise macht auch dort Sinn, wo Isaiah auf das Retten von Leben referiert, dem mutmaßlich größten gemeinsamen Nenner aller Beteiligten. Trotzdem hat dieser Hinweis ebenso etwas hilfloses, da er sich auf Improvisationen bezieht, die für die meisten Teilnehmerinnen selbstverständlich und seit langem integraler Bestandteil des Umgangs mit Notlagen und Versorgungsengpässen in den Einrichtungen sind. Die Notwendigkeit, während der Wissensvermittlung improvisieren zu müssen, kann auch in anderen Ausprägungen und Zusammenhängen nachgezeichnet werden. Wenn es eine Voraussetzung ist, dass Wissensvermittlung sich durch eine gewisse Kohärenz und logische Schlüssigkeit legitimiert, dann muss gefragt werden, wie Wissensvermittlung aussieht, wenn dies nicht oder nur sehr begrenzt der Fall. Um dies zu veranschaulichen, möchte ich kurz die Beziehung und Interaktion zwischen den Trainern skizzieren. Wie bereits erwähnt, handelte es sich bei den Trainern um zwei Distriktbeamte. Isaiah, über den ich auch von dem Training erfahren hatte, war in Mukono Distrikt als Malaria-Focal Person beschäftigt. Der zweite Trainer Gerald – ursprünglich als Clinical Officer ausgebildet – war seit einigen Jahren als stellvertretender Distrikt Health Officer in Wakiso Distrikt tätig. Beide hatten einige Monate zuvor ein Trainerseminar (training of trainers) durchlaufen, in dem sie sowohl die Inhalte, als auch die didaktischen Techniken erlernten, die nun für die Übermittlung des Wissens zum Einsatz kamen. Auch hatten beide Trainer bereits zuvor gemeinsam zwei Workshops in anderen Distrikten durchgeführt, sodass die Aufgabenverteilung und Koordination recht eingespielt verlief. Trotzdem konnte ich an einigen Reaktionen Isaiah’s erkennen, dass dieser nicht immer mit Gerald’s Darstellung bestimmter Sachverhalte einverstanden war. Üblicherweise bezogen sich diese Meinungsverschiedenheiten auf Phänomene, die auch in den Leitlinien nur unzureichend erklärt waren. Die an verschiedenen Stellen auftauchende Frage, wie sehr man denn einem negativen Testergebnis vertrauen könne, war auch zwischen den beiden Trainern nur uneindeutig geklärt. So kam es, dass Gerald deutlich schneller auf Nachfragen von Teilnehmerinnen einging und diesen zugestand, bei einem berechtigten Zweifel Coartem verschreiben zu können.

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Isaiah hingegen betonte sehr deutlich, auch negativen Testergebnissen Vertrauen zu schenken („But the most important thing is to have trust in the tests results.“). Da ich die Pausen nutzte, beide Trainer über spezifische Beobachtungen reflektieren zu lassen, nutzte auch Isaiah die Gelegenheit, Gerald über seine Sicht der Dinge bezüglich der Akzeptanz negativer Testergebnisse zu informieren. „We shouldn’t give the lower level facilities allowance to treat negative cases. They do it already too often. That’s why I think someone from the Ministry should be around to guide us better on these policy issues.“ Auch wenn Gerald seine Zustimmung signalisierte, nutzte er doch sogleich die Gelegenheit, frei und offen seine eigenen Zweifel an der Qualität negativer Testergebnisse kundzutun.

9.4 F INALE S TÖRUNGEN Wie ich zu Anfang meiner Beschreibungen erwähnt habe, war der Beginn des Trainings an beiden Tagen auf 8:30 Uhr anberaumt. Der tatsächliche Beginn verschob sich ob des verspäteten Eintreffens der meisten Teilnehmerinnen auf ca. 10:30 Uhr. Erst zum Ende des Trainings wurde mir klar, dass das verspätete Eintreffen der meisten Teilnehmerinnen bereits Teil einer anerkannten und antizipierten Unterwanderungspraktik war. Weil eigentlich alle Teilnehmerinnen die Übernachtungskosten sparten und zu Hause oder bei Verwandten übernachteten, führte dies zwangsläufig und in Anbetracht unregelmäßiger Transportoptionen zum verspäteten Eintreffen. Das hierin angedeutete Verhältnis zwischen Mobilitäts- und Bezuschussungsmodaliäten wurde am Ende des Trainings zusätzlich von einer gravierenden Störung überschattet. Gemäß den offiziellen Auflagen darf sich keine Angestellte und Teilnehmerin einer US-AID geförderten Veranstaltung nach 18 Uhr im Transfer befinden. Da der Workshop bis 17:30 Uhr angelegt war, erwarteten die Organisatoren, dass die Trainer und Teilnehmerinnen eine weitere Nacht am Veranstaltungsort verbringen. Nun deutete sich am zweiten und letzten Tag recht früh an, dass das Training bereits gegen 15 Uhr zu einem Ende gebracht werden konnte. Das bedeutete, dass alle Beteiligten nach der Auszahlung der per diems schon am selben Nachmittag den Heimweg antreten hätten können. In der nun folgenden Passage erklärt Ivan den Teilnehmerinnen, was das unerfreuliche Problem war:

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„Ok this takes me to my final communication – regarding the receipts. Now I am just asking before you reach out for them – Do you have all your receipts? Yes? [All: Yes!] And everything is like just as we have agreed yesterday. Yes. How many nights? [All: Three!] At how much? [Exclamations of different numbers] It depends, it really depends. That is the right answer. I am not interested if it was 80 or 60 in a good way but me I can say its proof that we have slept there. How many of you have slept there… don’t even put up your hands. [Loud Laughter] Anyhow, the most unfortunate bit, and I want you to listen and that’s why I wasn’t here in the morning […] The most unfortunate bit is this […] Mr Chairmen I need you to listen to this carefully because we are going to be working together through this mini mini crisis […] okay? The unfortunate bit is this, usually what happens in office […] okay let me begin with the good part and end with the bad [Laughter] or not-so-good one. The money I’ve told you I am giving you remains. Nothing is changing, nothing is being refused, unfortunately nothing is being increased. So it’s standard, nothing is changing. That’s the good news. The unfortunate bit however is this that the money I am supposed to pay you for the three days has been budgeted and has been passed but as I stand and speak to you, it is not yet on my account [Grumbling]. Unfortunately, I am going to expect that money, God be my judge, fingers crossed, I expect that money today evening, late evening. That actually means that you can’t go with your money today.“

Die Erklärung und Entschuldigung waren so ausschweifend, um den aufkommenden Unmut aller Beteiligten zu besänftigen. Letztendlich hieß dies, dass alle Teilnehmerinnen am nächsten Morgen erneut den Weg, die Zeit und die Kosten auf sich nehmen müssten, um ihre Aufwandsentschädigung abzuholen. Ivan betonte mir gegenüber, dass die Bezahlung normalerweise ein ganz wesentlicher Aspekt sei, worüber Partnerorganisationen ihre Reputation und Glaubwürdigkeit auch und gerade gegenüber staatlichen Einrichtungen erhielten. Dem Verweis auf dieses Distinktionsmerkmal ließ Ivan den kontrastreichen Satz folgen: „To be honest with you – nobody would come only for the knowledge.“

10. Infrastrukturierung von Misstrauen und Vertrauen

Neben der Vermittlung vertrauensbildender Maßnahmen, die sich unmittelbar an die Interaktionsmodi zwischen Pflegerinnen und Patientinnen richteten, lässt sich zusätzlich eine technisch-vermittelte Form der Vertrauenspflege herausarbeiten. Mit Vertrauenspflege bezeichne ich hier einen Infrastrukturierungsprozess, in dem das Verhältnis von Umwelt und Technik präventiv und antizipativ problematisiert wird (Niewöhner 2014: 344). Dass sich Vertrauen in Technik über Zeit wandeln kann, wird in diesem Prozess darauf zurückgeführt, dass sich bestimmte Umweltbedingungen störend bzw. zerstörend auf die Funktionsweise der Technik auswirken können. Um diesen Störungen vorzubeugen, müssen Techniken gewartet und instandgehalten werden (Graham & Thrift 2007, Schulz-Schäffer 2000). Würde dies nicht geschehen, würde sich für Technik und die daran anschließenden Handlungen einstellen, was Niklas Luhmann eine „schleichende Glaubwürdigkeitskrise“ genannt hat (Luhmann 1991: 43). Ein Beispiel für eine solche Infrastrukturierung ist das Qualitätsmanagement medizinischer Labore. So müssen sich Ärzte in den meisten westlichen Krankenhäusern eben nicht darum sorgen, ob die Laborergebnisse von guter oder schlechter Qualität sind. Das liegt zum einen daran, dass dem behandelnden Personal die Einsicht in die Prozesse und Abläufe der Labore weitgehend entzogen ist. Spezialisierung und Ausdifferenzierung in der Biomedizin lassen schon von dieser Warte her keine andere Wahl als zu vertrauen. Zum anderen gibt es aber ein Wissen darüber, dass die Labore über ein Qualitätsmanagement verfügen, als auch (externen) Qualitätskontrollen unterliegen (Bundesärztekammer 2008). So wichtig

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diese Kontrollen für Handlungen ‚außerhalb‘ des Labors sind, so bedeutsam sind sie für das Laborpersonal selbst. Die Automatisierung vieler Verfahren und Abläufe (z.B. Genomsequenzierung) führt eben auch bei Laborpersonal dazu, der Technik weitestgehend vertrauen zu müssen bzw. eben nie genau wissen zu können, ob diese auch tatsächlich funktioniert (FritzerSzekeres 2010, Luppa & Schelebusch 2008).1 Diese komplexe Beziehung zwischen Vertrauen und Qualitätskontrolle stellt somit die Bedingung dar, durch die Laborwissen – als Grundlage sich anschließender lebenswichtiger therapeutischer Entscheidungen – sowohl seine Verlässlichkeit als auch seine Autorität generieren kann. Wie kann nun aber die Qualität einer mobilen (Labor-)Technik wie die der Schnelltests gesichert werden? In den vorangehenden Ausführungen wurde deutlich, dass es ein explizites Charakteristikum der Schnelltests ist, in weitabgelegene Bereiche des ugandischen Gesundheitssystems vordringen zu können. Hierzu zählen nicht nur die bereits besprochenen Einrichtungen-II, auch auf Gemeindeebene kann Malaria mittels der Tests durch freiwillige Gesundheitshelferinnen (Village Health Teams) behandelt werden. Die Mobilität der Tests erlaubt es also, Malaria fernab der Laborinfrastruktur und nahezu jeder biomedizinischen Expertise behandeln zu können. Die damit verbundene geographische als auch infrastrukturelle Abgeschiedenheit wirft nun aber Fragen bezüglich der Qualitätssicherung der Technik auf. Der Einsatz der Tests in hauptsächlich tropischen Klimazonen verwandelt somit den Transport und die Lagerung in Störfaktoren mit potentiell negativen Auswirkungen auf die Genauigkeit der Technik und die Qualität des vermittelten Wissens (WHO/FIND 2011). Eine gegenwärtig anvisierte Lösung für dieses Problem wird in der Einführung von sogenannten Kontrolltests (Positive Control Wells oder PCWs) vermutet, durch die es Nutzerinnen möglich gemacht wird, selbstständig die Qualität der Schnelltests zu überprüfen. Die Entwicklung und Einführung dieser Artefakte möchte ich als Ausdruck einer spezifischen Laborhaftigkeit deuten. Unter Laborhaftigkeit verstehe ich eine bestimmte Vorstel-

1

Bei der Untersuchung zum Verhältnis von behandelndem Personal und medizinischen Zentrallaboren in westlichen Kontexten scheint es sich um ein Forschungsdesiderat zu handeln. Abgesehen von Annemarie Mols „Body Multiple“ (Mol 2002) konnte ich diesbezüglich keine einschlägige sozialwissenschaftliche Arbeit finden.

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lung, worin die Mobilität der Schnelltests vorrangig als Austritt aus einer kontrollierten Laborumwelt in eine unsichere und nur schlecht kontrollierbare Umwelt perspektiviert wird. Die antizipierte Unkontrollierbarkeit der klimatischen Bedingungen gibt auf diese Weise Anlass zur Sorge, ob die Tests auch weiterhin ein autoritäres Laborwissen bereitstellen können. Diese Sorge bezieht sich mittelbar auf die Möglichkeit, dass die Nutzerinnen das Vertrauen in die Tests verlieren könnten. Wenn Qualitätssicherung die (Labor-)Antwort auf diese Sorge ist, dann stellen sich diesbezüglich gänzlich neue Herausforderungen. Eine adäquate Qualitätssicherung müsste danach ähnlich mobil und dynamisch sein wie die Schnelltests. Mit anderen Worten, sie muss der Entkopplung der Schnelltests von Instandhaltungsinfrastrukturen ebenfalls Rechnung tragen können. Diesen Prozess werde ich in diesem Kapitel als eine Infrastrukturierung von Misstrauen und Vertrauen analysieren. Nach einer ausführlicheren Problemrekonstruktion werde ich im Anschluss lokale Qualitätspraktiken herausstellen und auf diese Weise zeigen, dass sich hierbei um unterschiedlichen Formen von Vertrauen und Qualität handelt.2

10.1 R ISIKEN UND MATERIALISIERTER Z WEIFEL Es scheint ein weitreichender „Instrument-Effekt“ (Ferguson 1990) innerhalb sich selbstbeobachtender Gesellschaften zu sein, erst dann einer Technik zu vertrauen, wenn man über ausreichend Wissen bezüglich ihrer (potenziellen) Mängel verfügt. Wie schon mehrfach erwähnt, können sich die klimatischen Bedingungen der meisten Regionen, in denen Malaria endemisch ist, potenziell störend auf die Funktionsqualität der Schnelltests auswirken. In einem Leitliniendokument über Transport- und Logistikvoraussetzungen von Schnelltests wird diesbezüglich formuliert: „RDTs are very

2

Meine empirischen Beobachtungen und Daten, auf die ich mich in diesem Kapitel für die Darstellung der Kontrolltests beziehe, entstammen teilweise einer Forschungsstudie, an der ich als Sozialwissenschaftler mitgearbeitet habe. Dabei handelt es sich um eine 6monatige Vergleichsstudie, in der die Kontrolltests in je zwei Distrikten in Uganda und der Republik Laos auf ihre Feld- und Alltagstauglichkeit getestet wurden.

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vulnerable to damage from heat during any type of transport.“ (FIND 2010, vgl. auch WHO 2010a).3 Offensichtlich können die Tests hier der Anforderung, spezifischen Umweltrisiken zu trotzen, nicht gerecht werden. Resistent und robust wären die Tests, wenn sie unter ‚extremen‘ klimatischen, logistischen und technischen Bedingungen auch weiterhin Malaria nachweisen können. Es gibt aber scheinbar gute Gründe, an der Robustheit und damit der Beschaffenheit der Technik zu zweifeln. Mehr noch wird vermutet, dass, wenn die Tests von den klimatischen Bedingungen beeinträchtigt werden, sich deren Funktionsweise verschlechtert, was sich wiederum auf die Nutzung der Technik auswirken könnte. Eine Konsequenz wäre, dass Nutzerinnen bzw. im schlimmsten Fall alle Beteiligten das Vertrauen in die Tests verlieren. Planungsexpertinnen und Epidemiologinnen stellen sich nun die Frage, wie man am besten die technischen Grenzen einer Innovation und das damit verbundene Risiko kommuniziert. Dieser zunächst plausibel erscheinende Problemaufriss kommt aber nicht gänzlich ohne Unterstellungen aus, vor allem bezüglich der Risikowahrnehmung. Es wird unterstellt, dass Nutzerinnen den Tests nicht vertrauen würden, weil sie wissen, dass sich der Transport und die Lagerung der Tests in Verbindung mit extremen klimatischen Bedingungen negativ auf deren Qualität auswirken können. Selbst wenn es diese Kohärenz in der Risikowahrnehmung zwischen der Planungsebene und den Nutzerinnen gäbe, bleiben doch zusätzliche andere Misstrauensursachen weitgehend unreflektiert. All jene Bereiche beispielsweise, in denen sich die Kompetenz und Güte der Durchführung auf die Qualität der Testergebnisse auswirken,

3

Dass es sich hierbei nicht ausschließlich um ein Problem der Malariaschnelltests handelt, zeigt das folgende Zitat: „Like other biological tests, malaria RDTs are degraded by heat and moisture and gradually deteriorate […]. However, poorly controlled transport and storage conditions, and infrequent re-supply, necessitate a high level of reliability and stability. Most RDT manufacturers specify storage at less than 30 *C, but exposure to temperatures above this level is often unavoidable in tropical endemic areas“ (Lon et al. 2005: 494). Die Referenz des Zitats auf biologische Tests schlägt die Brücke zu anderen Krankheiten wie z.B. HIV. So gilt ebenfalls für HIV Tests „performed by trained health-care professionals or lay counselors working in diverse and often non-laboratory settings, result[s] in an expanded need to monitor the quality of testing procedures and thus ensures the accuracy of the results.“ (Parkeh et al. 2010: 296)

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bleiben unerwähnt. Ebenfalls nicht reflektiert werden Fälle, in denen die Vergabe von Medikamenten nicht auf der Grundlage der An- oder Abwesenheit einer biomedizinisch definierten Krankheit erfolgt. In diesem gesundheitswissenschaftlichen Problemaufriss lässt sich eine bei wissenschaftlichen Interventionen charakteristische Monopolisierung von Risiken und Misstrauen beobachten (Beck 1986, Luhmann 1991). Die darin statthabende Hierarchisierung spezifischer Risiken über andere dient dem Zweck der Übersetzbarkeit des Problems in eine spezifische technische Lösung. Unklar bleibt in einer solchen Rahmung allerdings, wie Nutzerinnen überhaupt feststellen, dass die Tests nicht funktionieren oder wie eine schlechte Lagerung ungenaue Ergebnisse produziert. An diesem Punkt offenbart sich ein hartnäckiges Paradox, das die meisten Innovationsdiskurse durchzieht: Wie kommuniziert man gleichzeitig Nachteile, die eine Innovation (Schnelltests) gegenüber herkömmlichen Verfahren (Verdachtsbehandlung oder Mikroskopie) hat, ohne dabei die Vorzüge zu sehr in Frage zu stellen? Das Problem der Gleichzeitigkeit stellt sich allerdings in dem vorliegenden Fall nur bedingt, da die Kontrolltests erst Jahre nach den Schnelltests eingeführt werden. In dem bereits erwähnten landesweiten zweitägigen Training des Gesundheitspersonals wurde sich somit im Wesentlichen auf die Kommunikation der Funktionsweise und richtigen Anwendung der Technik konzentriert. Abgesehen vom Verweis auf die Haltbarkeitszeit der Schnelltests hätte ein stärkerer Verweis auf die ‚klimatische Mangelhaftigkeit‘ der Tests auch niemandem etwas genützt. So lange die Tests kein ungültiges Ergebnis anzeigen4 – was so gut wie nicht vorkommt –, gibt es für Nutzerinnen eigentlich keine objektive Möglichkeit, die Funktionsqualität der Technik infrage zu stellen. Das Design – und das darüber vollzogene black-boxing der technischen Abläufe – verunmöglichen jeden graduellen Zweifel an der Funktionstüchtigkeit der Technik. Das Vertrauen und Misstrauen kann dann nur total sein: Entweder der Test funktioniert und kann vertraut werden oder er funktioniert nicht – ein Zwischenstadium ist nicht angedacht. Damit sich jedoch nicht der Eindruck einstellt, bei Zweifeln bezüglich der Robustheit der Tests handele es sich um eine gänzlich erfundene Kate-

4

Der selten vorkommende Fall eines ungültigen Testergebnisses (keine Linie oder nur die positive Linie), kann dann meistens auf eine fehlerhafte Durchführung zurückgeführt werden kann.

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gorie, möchte ich hier kurz auf die Verwertungsinteressen eingehen, in die die Schnelltests eingebettet sind. Gerade im Bereich von Global Health kann davon ausgegangen werden, dass Entscheidungen der WHO, ein bestimmtes Verfahren zu unterstützen, immer auch von spezifischen Markteffekten und Marktreaktionen begleitet werden. Der weltweite Anstieg von Unternehmen, die (unter anderem) Schnelltests für Malaria produzieren, kann in diesem Zusammenhang nicht von der WHO-Empfehlung der parasitenbasierten Malariadiagnose entkoppelt werden. Während es Ende der 90er Jahre nur ein einziges Unternehmen gab, das RDTs produzierte, waren im Jahr 2012 bereits über 60 Produzenten bekannt (Frost & Reich 2008; WHO 2014b). Mit dem Anstieg der Produzenten wird gemeinhin ein Anstieg des Wettbewerbs- und Konkurrenzdrucks angenommen, was wiederum negative Auswirkungen auf die Einhaltung von Produktionsstandards haben kann. Auch wenn ich hier nicht weiter auf die damit verbundenen Regulations- und Kontrollaufgaben eingehen möchte, sei doch erwähnt, dass sich ein beachtlicher Teil der Malariadivision der WHO der weltweiten Qualitätskontrolle von Malariaschnelltests verschrieben hat. In den Worten David Bells, eines ehemaligen WHO Mitarbeiters, der die Entwicklung der Tests von Anbeginn geleitet und begleitet hat, waren alle Beteiligten davon überrascht, welche Dimensionen und vor allem Ressourcen die Qualitätssicherung erfordern würde: „Nobody anticipated that QC [Quality Control] and QA [Quality Assurance] would turn into this monster it is today.“ 5 Um nun untersuchen zu können, wie und wo überall sich dieses ‚Monster‘ ausbreitet, empfiehlt sich die Reise zurück nach Uganda.

10.2 Q UALITÄTSTESTS ALS TECHNISCH VERMITTELTES V ERTRAUEN Bevor die Schnelltests vom Logistikzweig des Gesundheitsministeriums zu den jeweiligen Einrichtungen geliefert werden, sehen (inter-)nationale Richtlinien eine erste Qualitätskontrolle bereits nach der Ankunft im Logistikzentrum in Entebbe vor. Für gewöhnlich kommen die Tests aus verschiedenen Teilen der Welt (z.B. den USA, Südkorea, Indien) auf Contai-

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Interview Dr. David Bell, FIND-Office, Genf, 08. 09 2013.

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nerschiffen im Hafen von Mombasa (Kenia) an. Je nach Geschwindigkeit der jeweiligen Behörden und involvierten Logistikunternehmen erreichen die Tests häufig erst ein halbes Jahr nach Produktionsabschluss Entebbe. Wenn die Tests Uganda erreichen, ist somit bereits ein Viertel ihrer offiziellen Haltbarkeitszeit (2 Jahre) abgelaufen. In Kombination mit dem Umstand, dass die Tests innerhalb dieses Zeitraums unterschiedlichen klimatischen Bedingungen ausgesetzt waren, wird vor der Auslieferung eine stichprobenartige Qualitätskontrolle vorgenommen. Dies ist notwendig, da die anschließende Auslieferung der Tests in abgelegene und infrastrukturell schlecht angebundene Teile des Landes spätere Qualitätskontrollen zu einer bisher unlösbaren Anforderung machen. Die Suche nach einer Lösung für dieses Problem führt erneut in das Feld der bestehenden Laborinfrastruktur. Mit der Labormikroskopie gäbe es theoretisch die Möglichkeit, die Qualität der Tests bzw. Testergebnisse im direkten Vergleich mit der mikroskopischen Diagnose zu bestimmen. Die einzige notwendige Voraussetzung hierfür wären Blutproben, die dann sowohl unter dem Mikroskop als auch durch die Tests untersucht würden. Bei dieser Art des Vergleichstests handelt es sich auch um eine pragmatische Qualitätskontrolle einiger Laborassistentinnen. So konnte ich beobachten, wie Laborangestellte in Momenten der Unsicherheit – oder auch einfach aus Neugier – beide Verfahren miteinander verglichen. Gegen diesen semi-institutionalisierten Qualitätsvergleich werden von wissenschaftlicher Seite zwei Argumente mobilisiert, durch die diese Option allerdings als weitgehend unpassend gerahmt wird. Ein erstes Problem referiert auf die unterschiedlichen wissenschaftlichen Verfahren, auf denen die beiden Techniken zur Identifikation von Malaria basieren. Dass die Schnelltests Antigene von Parasiten identifizieren und das Mikroskop die Parasiten selbst sichtbar macht, erschwert in diesem Zusammenhang einen Vergleich bzw. eine Vergleichbarkeit beider Methoden (FIND 2013). Darüber hinaus wird auch im Bereich der Qualitätskontrolle auf die schlechte Ausstattung und begrenzte Expertise der Labore verwiesen, was die meisten dieser Einrichtungen zu einer unpassenden und wenig verlässlichen Lösung machen würde (ebd.). Auf dieser Argumentationslinie aufbauend sind neue Kontrolltests als Lösung schon darum zu priorisieren, weil es sich hierbei um eine Innovation handelt.

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„One potential solution that is under development is a recombinant protein positive control. A positive control would allow the healthcare worker to test RDTs on-site and frequently monitor RDT performance. Such innovations should be prioritized and thoroughly evaluated in routine implementation sites to ensure that healthcare workers are able to identify problems with RDT performance using this tool.“ (McMorrow et al. 2008, 23, Herv. RU)

Die Priorisierung von Innovationen anstelle bereits verfügbarer Methoden ist nun vor allem Ausdruck einer ideologischen Grundausrichtung von Global Health Projekten, die auch als „technical fixes“ (Biehl 2013) bezeichnet wird. Wie muss man sich nun einen solchen Kontrolltest vorstellen? In Form eines getrockneten Antigenbestands bilden Kontrolltests einen standardisierten Ersatz für die normalerweise notwendige Blutprobe eines Individuums. Wie die Gebrauchsanweisung (Abb. 15) verdeutlicht, wird die getrocknete Antigenprobe durch die Hinzugabe einer spezifischen Menge Wasser erneut in den flüssigen Zustand gebracht. Die sich anschließenden Schritte der Übertragung der Antigenprobe auf die Testkassette folgen im Wesentlichen dem Ablauf einer normalen Testdurchführung. Wenn der geprüfte Schnelltest positiv (also zwei Linien) anzeigt, können Nutzerinnen schlussfolgern, dass die Qualität der Technologie in Ordnung ist. Jedes andere Ergebnis – nur eine Testlinie oder keine – soll den Verdacht nahelegen, dass irgendetwas in den Tests nicht funktioniert. Die Kontrolltests testen nun aber nicht nur, ob der Schnelltest generell funktioniert, sondern gleichzeitig, ob sich die Genauigkeit bzw. Sensitivität, mit der die Technik Malaria feststellt, verändert hat. Die standardisierte Menge der getrockneten Antigene am Boden des Testbehälters weisen aus diesem Grund eine sehr geringe Dichte auf. Ein Effekt dieser Maßnahme ist nun, dass ein korrekt ausgeführter Schnelltest ein nur sehr schwaches positives Ergebnis anzeigt. In Diskussionen mit Pflegerinnen erwähnten diese immer wieder, dass sie Schwierigkeiten hätten, die schwachen Testlinien zu erkennen und somit das Testergebnis korrekt abzulesen. Dass die meisten Pflegerinnen dieses Problem auf ihr schwaches Sehvermögen zurückführten, verleitete eine der Studienkoordinatorinnen zu der ironiefreien Aussage: „It makes you wanna give them glasses.“

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Abbildung 15: Offizielle Gebrauchsanweisung für einen Kontrolltest

Quelle: Foundation for New and Innovative Diagnostics (FIND), Genf.

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Trotz dieser Bemühungen bleibt noch immer relative uneinsichtig, wie und wodurch Kontrolltests Vertrauen in die Funktionsqualität der Schnelltests stabilisiert sollten. Würde man die Funktionsweise der Kontrolltests in einem Satz zusammenfassen, dann könnte der wie folgt lauten: ‚Bei einem Kontrolltest handelt es sich um einen Test, der die Qualität eines anderen Test testet.‘ In dieser zugegebenermaßen abstrakten Formulierung kommt nun aber eine Metaebene zum Vorschein, auf der die Gültigkeit und Effektivität der Kontrolltests implizit aufbaut. So kann der Kontrolltest nur dann bedeutungsvolle Aussagen über die Schnelltests generieren, wenn Nutzerinnen a) den darin eingeschriebenen wissenschaftlichen Prinzipien vertrauen und b) die Stellvertreterlogik (siehe unten), mit der die Kontrolltests operieren, anerkennen und verstehen. Worin sich dieses Verhältnis zwischen Qualität und Vertrauen zur Alltagsverwendung der Schnelltests unterscheidet, möchte im Folgenden anhand von zwei empirischen Fallbeispielen durchspielen.

10.3 Q UALITÄTSKONTROLLE

ALS SITUIERTE

P RAKTIK

Wie sich bereits weiter oben andeutet hat, setzt der alltägliche Umgang mit den Schnelltests Nutzerinnen immer wieder Situationen aus, in denen sie ihr Verhältnis von Vertrauen und Misstrauen bezüglich der Gültigkeit der Testergebnisse neu organisieren müssen. Um die Spezifik dieses Verhältnisses besser herausstellen zu können, spreche ich im Folgenden von situierten Praktiken zur Qualitätskontrolle. In der Darstellung soll deutlich werden, dass sich lokale Qualitätskontrollen signifikant vom Qualitätsmanagement der Kontrolltests unterscheiden. Die Unterschiede beziehen sich dabei sowohl auf die zeitliche als auch semantische Bedeutung von ‚Qualität‘. Dabei gehe ich davon aus, dass Pflegerinnen sich immer wieder davor schützen müssen, die Schnelltestergebnisse zu stark oder gänzlich in Frage zu stellen. Wie und auf wessen Kosten sich dieser Balanceakt in einem auf Improvisationen aufbauenden Arbeitsalltags vollzieht, bespreche ich zunächst am Beispiel von freiwilligen Gemeindepflegerinnen.

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Überweisungssystem als Qualitätskontrolle Bereits vor der Einführung der Tests wurden vorwiegend im ländlichen Uganda Gesundheitshelferinnen zur Behandlung von Malaria eingesetzt. Die Annahme, dass die Tests einfach durchzuführen seien, führte zu Überlegungen des Gesundheitsministeriums, die Tests auch auf der Gemeindeebene einzusetzen, weil es sich dabei um eine Möglichkeit handelt, an bereits bestehende Infrastrukturen anzuknüpfen (Kolaczinksi et al. 2006). Bei der Gemeindeebene handelt es sich um die unterste semi-institutionalisierte Organisationsebene, in dem die ugandische Gesundheitsversorgung auf die Hilfe biomedizinischer Laien zurückgreift. Hier könnte man nun annehmen, dass sich der Fakt der geringen biomedizinischen Expertise der Gemeindepflegerinnen nachträglich auf die Akzeptanz negativer Testergebnisse auswirken könnte. Während Fokusgruppendiskussionen zeigte sich mir aber, dass Gemeindepflegerinnen sich häufiger an negative Testergebnisse halten, als deren Kolleginnen in den Einrichtungen. Im Falle eines negativen Testergebnisses sollen Gemeindepflegerinnen Patientinnen an die nächstgelegene staatliche Gesundheitseinrichtung überweisen. Zur Einhaltung dieser (Überweisungs-)Richtlinie zählt auch, dass Gemeindepflegerinnen ein Überweisungsformular ausfüllen, das Patientinnen sowohl eine bevorzugte Behandlung ermöglicht, als auch der jeweiligen Einrichtungsfachkraft als erste Orientierungshilfe dient, an die sich mögliche Differentialdiagnosen anschließen sollen. Trotz der Überweisung kann nun aber nicht davon ausgegangen werden, dass die Gemeindehelferinnen keinerlei Zweifel an den Testergebnissen haben. So ergeben sich verschiedene Szenarien, in denen das Überweisungssystem auf die Wahrnehmung der Testqualität zurückwirken kann. Zunächst stellt sich für die Beteiligten die Frage, ob die Überweisungsoption überhaupt wahrgenommen wird. Gemeindepflegerinnen erwähnten diesbezüglich immer wieder, dass viele Patientinnen im Anschluss den privaten Sektor aufsuchten. Für Fälle, in denen eine staatliche Einrichtung bevorzugt wird, stellt sich jedoch zusätzlich die Frage, ob Patientinnen auch wirklich das Überweisungsformular geltend machen. Aus Erfahrung wissen Patientinnen, dass bei der Vorlage des Überweisungsträgers Pflegerinnen aus Gründen der Zeitersparnis häufig keinen weiteren Malariatest durchführen. Patientinnen vermuten somit, dass der Überweisungsträger die Chancen auf den Erhalt von Malariamedikamenten tendenziell reduziert. Wird nun aller-

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dings der Überweisungsträger zurückgehalten, erhöhen sich die Chancen, dass in der Einrichtung erneut ein Malariatest durchgeführt wird.6 Welche Bedeutung hat nun die Wiederholung eines Schnelltests in den Einrichtungen für die Gemeindepflegerinnen? Zunächst kann bezüglich der Frage festgehalten werden, dass es sich bei einer ‚Gemeinde‘ um einen sozial begrenzten Kontext handelt. Die Wahrscheinlichkeit ist demnach deutlich höher als in Einrichtungen, dass Gemeindepflegerinnen über den Verlauf der Anschlusshandlungen – ob diese im privaten oder im staatlichen Sektor vollzogen werden – informiert werden bzw. diese Informationen aktiv erfragen können. Wenn nun in den Einrichtungen erneut ein Test ausgeführt wird, kann das Testergebnis sowohl positiv als auch negativ ausfallen und zudem die jeweilige Pflegerin das Testergebnis überstimmen. Angenommen, das Ergebnis sei positiv gewesen und Malariamedikamente wurden von der Einrichtungspflegerin verschrieben. Informationen über eine solche Diskrepanz können das Überweisungssystem in eine die Arbeit der Gemeindepflegerinnen delegitimierende Instanz verwandeln. Für die betroffenen Gemeindepflegerinnen bleiben starke Zweifel an den eigenen Fähigkeiten, vor allem aber an der Qualität der Tests zurück. Das folgende Zitat eines Gemeindepflegers beschreibt diesen Umstand in treffender Weise: „You would test patients and they would turn out negative and then wonder why. There are those you would check and find them negative over and over but they would still be negative at the hospital and then there are those who you would check and you find them negative but they are found positive elsewhere. This would cause you to doubt the RDTs because from doing the same procedure, different results resulted.“

Nun gibt es jedoch auch jene Fälle, in denen das Überweisungssystem bewusst als Qualitätskontrolle und vertrauensbildende Maßnahme eingebunden werden kann. Erneut nutzen Gemeindepflegerinnen den begrenzten sozialen Raum, indem sie sich aktiv nach den Anschlusshandlungen als auch

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Zusätzlich tritt noch erschwerend hinzu, dass selbst wenn das Testergebnis erneut negativ ist, die Pflegerin trotzdem – aus welchen Gründen auch immer – Malaria Medikamente verschreibt.

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dem Krankheitsverlauf erkundigen. Die sich anschließende Aussage bemerkt diesen Erfolg mit Stolz: „For me when I send the patient with the referral form, I have not got any bad news, because when they reach there and they submit their referral forms, they examine the patient for another kind of fever that I was not able to test. They basically leave malaria and look for other kinds of fevers that we don’t know. So, for me I am proud of that the ones I send to the health centre come back and tell me the same words.“

Diese Aussage verdeutlicht in anschaulicher Weise, wie das Überweisungssystem als eine Art Qualitätskontrolle fungieren kann. Problematisch ist diese Form der lokalen Qualitätskontrolle aber dadurch, dass Gemeindepflegerinnen einen nur sehr geringen Einfluss darauf haben. Ob sich (Be-) Handlungen in den Einrichtungen stabilisierend oder destabilisierend auf die Testverwendung auswirken, liegt somit nicht in den Händen der Gemeindepflegerinnen. Diese Ungewissheit deutet an, dass Qualität und Vertrauen in die Tests im ländlichen Uganda keine fixen Begriffe und Konzepte sein können, sondern dynamische Größen darstellen, die dadurch, dass sie mit dem Organisationssystem verbunden sind, in ihrer Wirkungsweise nur schwer kontrollierbar und voraussagbar sind. Wie sehr Gemeindearbeiterinnen den Tests vertrauen können, hängt somit in gewissem Maße immer auch von Improvisationen in den Einrichtungen ab. Welche Rahmung das Verhältnis von Vertrauen und Qualität in den Einrichtungen annehmen kann, möchte ich nun genauer besprechen. Fundamentaler und spezifischer Zweifel Wie ich bereits in den vorangegangenen Kapiteln veranschaulicht habe, gibt es einige Momente des Misstrauens gegenüber den Schnelltests, musujja/Malaria feststellen zu können. Dafür gegebene Erklärungen verweisen aber nur zu einem unwesentlichen Teil auf den Transport, die Lagerung und die Halbwertszeit der Technik. Viel gängiger sind Referenzen auf die erkenntnispraktischen Kapazitäten der Schnelltests, musujja/Malaria überhaupt ‚sehen‘ zu können. Dieses Misstrauen unterscheidet sich nun vom technischen Misstrauen des Qualitätsmanagements, weil es sowohl fundamentaler als auch spezifischer ist. Mit den Adjektiven ‚fundamental‘ und ‚spezifisch‘ möchte ich auf zwei extreme Positionen verweisen, die sich im

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alltäglichen Umgang mit den Schnelltests überlagern. Auf der fundamentalen Ebene des Misstrauens referieren Pflegerinnen auf zwei unvereinbare Sichtbarkeiten. Danach können die Tests bestimmte körperliche (oder auch narrative) Ausprägungen von musujja/Malaria nicht erkennen und werden dies auch nie lernen. In der Aussage von Nicole drückt sich dieser Sachverhalt wie folgt aus: Q: Are there times when you do not trust the test results? Nicole: „Yes. When someone tests negative yet all the signs show that this person actually has malaria. Sometimes someone comes here and they are very sick and you can also see it is malaria. Like the girl you saw who was here, with sores on the lips. Such people, you can see that it is malaria.“ Q: What do you do in such cases? Nicole: „I just give them malaria tablets because even when I can’t see the malaria [referring to RDTs, R.U.] I just know they have it. But sometimes there are people you look at and you even never bother doing any tests. You just give Coartem.“

Während das Testergebnis die Abwesenheit der Krankheit in Form eines Streifencodes reklamiert, ist die Evidenz, die dem Erscheinungsbild und verkörperten Leid kranker Individuen zu eigen ist, ein populärer Indikator, durch den Pflegerinnen ihren Rückgriff auf die Verdachtsbehandlung legitimieren.7 Oder anders gesagt, ein negativer Testnachweis lässt körperliche Symptome eben nicht verschwinden. Zu dem gibt es spezifische Fälle, die sich gerade durch die massenhafte Verwendung der Tests situativ einstellen. Der tägliche und routinemäßige Gebrauch der Tests erfolgt vor dem Hintergrund einer antizipierten und implizit angenommenen Normalverteilung von positiven und negativen Testergebnissen. Auch wenn von vielen Pflegerinnen positive Testergebnisse bevorzugt werden, ist doch das gänz-

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Dass es sich bei diesem Erkennen von Kranksein und Leid durchaus um eine Kernkompetenz der meisten Pflegerinnen handelt, wurde mir vor allem an meinem eigenen Unvermögen bzw. meiner fehlenden Sensibilität diesbezüglich deutlich: So konnte ich häufig nicht differenzieren, ob es sich bei der Performanz und Interaktion zwischen Patientinnen und Pflegerinnen um Zurückhaltung und Schüchternheit handelte oder ‚tatsächlich‘ Ausdruck von Schwäche und Leiden war.

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liche Ausbleiben negativer Ergebnisse ein Grund für Verwirrung und Zweifel. Ähnliches gilt ebenso für den umgekehrten Fall, wie die folgende Aussage eines Pflegers zeigt: „When I get numerous consecutive negatives I start to doubt the quality of my tests.“ Der darin keimende Zweifel an der Funktionsqualität der Tests macht überhaupt erst antizipierte Krankheitsprävalenzen sichtbar. Obwohl sich die meisten Pflegerinnen saisonaler Schwankungen innerhalb der Malariaverbreitung bewusst sind und auch der mögliche Einfluss von Moskitonetzen und anderen Präventionsmaßnahmen immer wieder angegeben wird, gibt es doch ein Erfahrungswissen, das sich in einer langen Abfolge negativer Testergebnisse als Misstrauen gegenüber dem Funktionieren der Tests äußert. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass das Überstimmen eines negativen Testergebnisses (non-adherence) hier als Korrektiv zu verstehen ist, wodurch die Deutungshierarchie kurzzeitig bzw. momenthaft ausgehebelt wird. Diese Form eines korrektiven Überstimmens hauptsächlich negativer Testergebnisse geschieht jedoch vorrangig mit dem Ziel der Wiederherstellung von Vertrauen. Eine andere häufig vollzogene Taktik zur Bewältigung von Zweifeln besteht in der Wiederholung eines Tests. Erst die Wiederholung erlaubt ein Rückversichern und Bestätigen, dass es sich um kein Qualitätsproblem auf Seiten der Tests handelt. Um sich aber vor solchen potenziellen Zweifeln und Schwierigkeiten präventiv zu bewahren, hat Halima ihre ganz eigene Form der Qualitätssicherung ersonnen: Halima: „There are times when you open and the whole box shows negatives only, for all the tests you perform. That is for me in most cases I put here more than one box. So I open 2 boxes at the same time and I pick from each one of them randomly. Just like you see now. It can happen that you open a box and for every test you do, it gives negative results.“

Unabhängig davon, inwiefern diese Praktik Halima wirklich nachhaltig hilft, sich vor Zweifel zu bewahren, möchte ich die hier versammelten Beispiele einer lokalen Qualitätskontrolle abschließend mit den Vorstellungen von Qualität und Vertrauen kontrastieren, wie sie über die Kontrolltests mobilisiert werden.

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10.4 O PERATIONSMODI P ROJEKTEN

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G LOBAL H EALTH

Ähnlich den Schnelltests, die Malaria durch einen binären Erkenntnismodus fixieren, bauen auch die Kontrolltests auf einem binären Qualitätsverständnis auf: Entweder die Tests funktionieren oder nicht. Nimmt man zunächst an, ein Schnelltest zeigt nach der Durchführung eines Kontrolltests ein positives Ergebnis. Nutzerinnen müssen dann schlussfolgern, dass es sich bei den von ihnen verwendeten Tests um eine funktionstüchtige Technik handelt. Was ich oben als Stellvertretertest bezeichnet habe, benennt nun aber den Umstand, dass von Nutzerinnen erwartet wird, die Verbindung zwischen den geprüften Schnelltests und den verbleibenden Tests der Box selbstständig herzustellen.8 Die Logik hinter dieser Erkenntnisfigur nimmt an, dass Schnelltests, die sich in einer Box befinden, ein und derselben Produktionseinheit entstammen und darum auch denselben Produktions- und Transportbedingungen ausgesetzt waren. Dass auf diese Weise von den Nutzerinnen eingeforderte Vertrauen – man könnte auch sagen die Komplizenschaft – baut somit auf einer induktiven Logik auf, die von den Beteiligten entweder nicht verstanden oder angezweifelt wurde. Trotzdem – oder gerade darum – war den Nutzerinnen durchaus bewusst, dass auch die Kontrolltests letztlich ein ‚blindes‘ Vertrauen einfordern. So fragte ein Pfleger während einer Fokusgruppendiskussion seine Kolleginnen: „But how do you test the PCWs to identify their quality?“, woraufhin ein anderer Teilnehmer antwortete: „That one has not yet come“. Geht man nun vom umgekehrten Fall aus, wonach die Durchführung eines Kontrolltests ein negatives (oder ungültiges) Testergebnis zu Tage gefördert hat. Nachdem die Nutzerinnen geschlussfolgert haben, dass sie es aller Wahrscheinlichkeit nach mit einem mangelhaften oder beschädigten Schnelltest zu tun haben, sind sie zunächst gehalten, die Tests nicht mehr zu verwenden. Innerhalb des Studiendesigns sollten Nutzerinnen in einem solchen Fall den Studienkoordinator telefonisch über diesen Umstand in-

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Was auch als ‚Lab in a Box‘ beschrieben wird, bezieht sich auf das Lieferformat. Danach ist ein einzelner Schnelltest Teil einer Box, in der neben ca. 25 Tests die entsprechende Bufferlösung, eine mehrsprachige Gebrauchsanweisung sowie die Lanzetten als auch Pipetten enthalten sind.

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formieren. In diesen Fällen wurde die Nutzerin aufgefordert, das Prüfverfahren sowohl mit einem neuen Kontrolltest als auch einem Schnelltest zu wiederhohlen. Wenn im Anschluss an die Wiederholung ein positives Ergebnis gezeitigt wurde, konnte das vorherige negative Ergebnis auf eine fehlerhafte Durchführung des Kontrolltests zurückgeführt werden. Bemerkenswert ist, dass während des gesamten Studienzeitraums kein einziger ‚echter‘ negativer Testfall gefunden wurde, woraus geschlossen hätte werden können, dass es sich um nicht funktionierende Tests handelt. Mit anderen Worten, die Schnelltests waren robust genug gegenüber Klima, Transport und Lagerung. Trotz dieses Mangels an ‚schlechten‘ Schnelltests möchte ich kurz das Szenario potenzieller Anschlusshandlungen nachzeichnen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist unklar, in welchen administrativen Verantwortungsbereich die Bündelung und Zirkulation von Informationen über ‚schlechte‘ Schnelltests fallen sollte. Ein weiteres Fragezeichen steht hinter der Bereitstellung dann notwendig werdender Ersatzlieferungen. Dieser Aspekt berührt gleich mehrere Planungs- und Logistikfelder. Da es sich bei den Schnelltests um eine subventionierte Gesundheitstechnik handelt, ist deren Verfügbarkeit generell sehr knapp bemessen. Ein Schicksal, das die Schnelltests auch mit anderer Global Health Technik teilen. Somit gibt es gegenwärtig keine Berechnungen, woher die Schnelltests kommen sollten, die in solchen Fällen als Ersatzlieferungen in Frage kämen. Der Einsatz der Kontrolltests würde – in Abhängigkeit vom Ergebnis – den Austausch mangelhafter Schnelltests durch eine neue unbeschädigte Lieferung erfordern. Hier jedoch deutet sich bereits an, dass es sich bei dieser Form der mobilen Qualitätssicherung ebenfalls um eine voraussetzungsreiche Infrastruktur handelt. Dieser Umgang mit Störungen wäre somit auf die Existenz zusätzlicher Reparatur- und Instandhaltungsinfrastrukturen angewiesen, die, wie ich versucht habe zu veranschaulichen, so nicht verfügbar sind. Es wird deutlich, wie sich das binäre Qualitätsverständnis der Kontrolltests von lokalen Qualitätskontrollen unterscheidet. In lokalen Qualitätskontrollen werden sowohl Zweifel als auch Vertrauen nicht als fixe Entitäten behandelt, sondern situativ neu verhandelt. Nun könnte man meinen, dass die Kontrolltests und die darüber antizipierten Qualitätsvorstellungen gänzlich an (lokalen) Notwendigkeiten vorbeilaufen und es sich hierbei einfach um ein gescheitertes Entwicklungsprojekt handelt. Auch wenn sich eine solche Perspektive nach den bisherigen Darstellungen aufdrängt, möchte

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ich hier stattdessen vorschlagen, die Offenheit dieses Prozesses zu nutzen, um etwas über die Operationsmodi von Global Health Projekten zu lernen. Man könnte somit schlussfolgern, dass die Kontrolltests zwar weitgehend nutzlos sind für die Infrastrukturierung von Vertrauen. Weitaus erfolgreicher sind sie wahrscheinlich bei der Produktion von Misstrauen. Danach kommunizieren die Kontrolltests den Nutzerinnen, dass es sowohl möglich wie auch offiziell anerkannt ist, dass die Schnelltests nicht immer funktionieren. In den Worten eines Pflegers klingt dieser Sachverhalt wie folgt: „The other thing is that, before we got PCWs [Positive Control Wells], whenever we looked at the expiry date and found it ahead, we couldn’t know that something can go wrong with the RDTs. PCWs have helped us to know that even a new thing can go bad.“

Diese positive und wohlwollende Formulierung („PCWs have helped us“) ist dabei vor allem dem Studienkontext geschuldet ist, in dem die Daten erhoben wurden. Aber auch jenseits dieser Erwünschtheit wird doch ersichtlich, dass es sich bei den Kontrolltests um eine Formalisierung der Anwendungs- bzw. Verwendungsgrenzen der Schnelltests handelt. Danach macht es einen Unterschied, ob Nutzerinnen ausschließlich gesagt bekommen, dass eine Technik spezifische Funktionsgrenzen hat oder sie ein Artefakt vorfinden, in dem das (mögliche) Nichtfunktionieren einer Technik quasi materialisiert und objektiviert vorliegt. Auf diese Weise handelt es sich bei den Kontrolltests um eine materialisierte Risikokommunikation, die besagen soll, dass mit den Schnelltests keinesfalls eine perfekte Technik vorliegt. Ganz ähnlich, wie ich bereits im Beispiel der Trainifizierung argumentiert habe, wird hier erneut zwangsläufig mit einer wesentlichen Voraussetzung gebrochen, welche die Einführung der Tests erst legitimiert hat: Neben der Annahme, die Tests seien einfach zu gebrauchen, gerade weil sie keine weiteren verhaltensändernden Maßnahmen benötigten, wird auch der Anspruch, die Tests seien unabhängig von zusätzlichen infrastrukturellen Erfordernissen, nicht erfüllt. Diese Annahme wird dabei nicht nur von den Kontrolltests widerlegt. Fundamentaler noch ist die Einsicht, worauf das problematisierte Verhältnis zwischen Schnelltest und klimatischen Bedingungen verweist: Während das ‚Klima‘ in den Entwicklungs- und Produktionslaboren kontrolliert wird, zeichnen sich die Anwendungsregionen der Schnelltests hingegen gerade dadurch

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aus, dass diese Bedingungen nicht nur nicht sichergestellt sind, sondern in extremer Form vorherrschen.9 Die Entwicklung von Kontrolltests erzählt aber noch mehr über die Qualität von Global Health Projekten. Allein für die Erforschung der Kontrolltests war ein mehrjähriger Forschungsprozess nötig. Um diese Art der Haltbarkeit von Antigenen herstellen zu können, bedurfte es nach Angaben der Studienkoordinatorinnen unter anderem mikrobiologischer Grundlagenforschung. Immer wieder wurde betont, um welch langwierigen und mühsamen Prozess es sich bei der Entwicklung des Verfahrens gehandelt hatte (seit 2008). Auch wenn sich darin eine Ursache erkennen lässt, welche die Nachträglichkeit erklärt, mit der qualitätssichernde Maßnahmen eingeführt werden, verweist dies aber zugleich auf verschiedene Temporalitäten, die sich in Global Health Projekten überlagern. So ist es wenig verwunderlich, dass ein zusätzliches Qualitätsmanagement – weitgehend isoliert und Jahre nach der Einführung der Schnelltests – Gewohnheitseffekten, Routinisierungen und Improvisationen ausgesetzt ist. Damit möchte ich nicht behaupten, dass etwa eine zeitgleiche Einführung von Schnelltests und Kontrolltests zu besseren Ergebnissen führen würde. Ich möchte stattdessen darauf verweisen, dass die Einführung technischer Innovationen im Westen auch darum einfacher ist, weil diese schon immer stärker auf vorgängige Gewährleistungsinfrastrukturen zurückgreifen kann bzw. darin eingebettet ist. Wenn nun alle Studienverantwortlichen trotz dieser schwierigen Ausgangslage an der breiten und erfolgreichen Implementierung der Kontrolltests interessiert waren, wurde doch auch deutlich, dass der Forschungsprozess – und der damit erbrachte Nachweis, dass so etwas wie eine mobile Qualitätskontrolle überhaupt möglich ist – den eigentlichen Kern des Projekts ausmachte. Der bereits erwähnte Fokus auf innovative Technik zeigt, dass es sich bei Global Health Projekten um ein weitläufiges Beschäftigungsfeld vorrangig westlicher Forschungseinrichtungen handelt (Crane

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Selbst diesbezüglich vorgeschlagene Kompromisse erweisen sich als wenig praktikabel. In Abwesenheit von Kühlmethoden wird vorgeschlagen, die Tests in dunklen, kühlen und trockenen Bereichen zu lagern und dies von regelmäßigen Temperaturkontrollen zu begleiten. Dass diese Form der ‚Technikpflege‘ erneut einen erheblichen Mehraufwand bedeuten würde, ist so offensichtlich, wie es impraktikabel ist.

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2010).10 Die Projekthaftigkeit des Qualitätsmanagements von Schnelltests drückt sich dann bezeichnenderweise in einer gewissen Orientierungslosigkeit, man müsste eigentlich sagen, in einer Ortlosigkeit des produzierten Wissens aus. So stellte die seit Jahren involvierte leitende WHO Studienkoordinatorin beim Verfassen des Publikationsmanuskripts die Frage: „I wonder if there are any examples for other disease diagnostic tools?“ Es zeigt sich, dass es sich bei dem institutionellen Kontext in dem Global Health Projekte zu situieren sind, um einen hybriden Forschungszusammenhang handelt. Dessen spezifische Kombination aus Grundlagen- und angewandter Forschung erlaubt häufig keine eindeutige epistemische Anbindung und Verortung des darüber produzierten Wissens. Abschließend möchte ich daran erinnern, dass es sich bei Global Health Projekten aber weiterhin um ein Feld der internationalen Entwicklungszusammenarbeit handelt. Wenn es ein Existenzkriterium von Entwicklungsprojekten ist, auf Aushandlungsprozesse angewiesen zu sein, dann sind Kontrolltests und Qualitätsmanagement auch das Resultat darin situierter „Metacodes“ (Rottenburg 2002). So darf einerseits nicht erwähnt werden,

10 Diese Annahme lässt sich nicht von den Finanzierungsgrundlagen und damit verbundenen Interessen an der Durchführung solcher Projekte trennen. Wie viele andere Global Health Projekte wurde auch die vorliegende Studie von der Bill und Melinda Gates Foundation gefördert. Deren Ansatz zielt zwar exzessiv auf die Förderung technischer Innovationen ab, ob diese aber wirklich erfolgreich zum Einsatz kommen oder sich als ‚Strohfeuer‘ entpuppen, ist letztlich relativ egal. Die Antizipation scheiternder Projekte wird von Melinda Gates mit dem Umstand begründet, dass man es sich als Stiftung leisten könne, Wetten auf die Zukunft abzuschließen. Melinda Gates formuliert den Sachverhalt wie folgt: „For each issue we work on, we fund innovative ideas that could help remove these barriers: new techniques to help farmers in developing countries grow more food and earn more money; new tools to prevent and treat deadly diseases; new methods to help students and teachers in the classroom. Some of the projects we fund will fail. We not only accept that, we expect it—because we think an essential role of philanthropy is to make bets on promising solutions that governments and businesses can’t afford to make. As we learn which bets pay off, we have to adjust our strategies and share the results so everyone can benefit“, siehe http://www.gatesfoundation.org/Who-We-Are/General-Information/ Letter-from-Bill-and-Melinda-Gates, Stand 01.04.2017.

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dass die Nutzerinnen der Schnelltests nicht kompetent genug sind, die Tests richtig zu verwenden. Anderseits darf nicht erwähnt werden, dass die Nutzerinnen den Schnelltests nicht vertrauen, weil die Technik in deren Augen nicht den Umständen gerecht wird, unter denen Malariamedikamente im ländlichen Uganda vergeben werden. Hingegen bietet die Rahmung als klimatisches und logistisches Problem dann den entpolitisierten gemeinsamen Nenner, der im Anschluss irgendwie an den Vertrauensdiskurs rückgebunden werden muss. In diesem Übersetzungsprozess zeigt sich schließlich, dass die Integration von Technik auch immer mit der Relativierung und teilweisen Revidierung ursprünglich angenommener Funktionsqualitäten einhergeht. Wo nun aber darin statthabende Lernprozesse umgekehrt auch spezifische Funktionsfelder erweitern und anschlussfähig machen, zeichne ich im abschließenden Kapitel nach.

11. Schnelltests als Forschungstechnik

Die bereits skizzierten Interventionsfelder (Training und Qualitätssicherung) habe ich als Infrastrukturierung gedeutet, bei der es vorgeblich um die Optimierung der Funktions- und Leistungsfähigkeit der Schnelltests ging. Die Notwendigkeit zusätzlicher Infrastrukturierungsmaßnahmen habe ich als Teileffekt einer über die Tests sich vollziehenden Projektifizierung und Laboratorisierung der Malariadiagnose beschrieben. Technik wird also nach ihrer Einführung nicht einfach sich selbst und den Nutzerinnen überlassen, sondern mit verschiedenen Reflexions- und Korrekturapparaturen verschaltet. Hier möchte ich nun zusätzlich zeigen, wie über – und durch – die Schnelltests selbst infrastrukturierende Kapazitäten operationalisiert werden. Mein Versuch, die in Infrastrukturierungen statthabenden Transformationen sichtbar zu machen, zielt nun aber direkt auf den Kern der Frage, was unter Technik zu verstehen ist. Was eine Technik ist, bestimmt sich nicht ausschließlich über planerische Versuche der Schließung und Institutionalisierung spezifischer Funktionseinheiten. Das Technische einer Technik bestimmt sich eben auch in der Infrastrukturierung ihrer Offenheit und Anschlussfähigkeit gegenüber neuen Funktionsfeldern (Hörl 2011). In Infrastrukturierungsmaßnahmen werden der Technik neue Funktionsfelder hinzugefügt oder bestimmte Funktionsfelder werden bedeutsamer, als dies anfänglich angenommen wurde.1 Für die Darstellung dieser Phänomenbe-

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Eins der populärsten Beispiele der jüngeren Medizingeschichte, bei dem ein unintendierter Nebeneffekt zur Hauptfunktion einer Technik auswächst, ist die Entdeckung von Sildenafil. Der Wirkstoff war ursprünglich zur Behandlung von

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reiche greife ich weniger auf mein eigenes empirisches Material als die gegenwärtig verfügbare Sekundärliteratur zurück. In einem ersten Problemfeld zeige ich, wie Schnelltests als Dateninstrumente auch jenseits der individuellen Fallbehandlung politische Funktionen übernehmen. Daran anschließend stelle ich dar, welche Rolle und Bedeutung der Technik bei der Erschließung neuer Forschungs- und Wissensgebiete zukommt. Um diese Verwicklungen adäquat in den Blick zu bekommen, schlage ich vor, Schnelltests als Forschungstechnik (Joerges/Shinn 2001) zu verstehen. Dieser auch als „technology in the making“ (Wajcman 2000) beschriebene Prozess bildet die konzeptionelle Grundlage für die daran anschließende exemplarische Verortung.

11.1 D AS K ONZEPT

DER

F ORSCHUNGSTECHNIK

Eine innerhalb der letzten Jahre wiederentdeckte Perspektive, die sich mit dem Wesen und – damit verbunden – mit der Offenheit technischer Objekte gegenüber ihrer Umwelt auseinandersetzt, findet sich in den technikphilosophischen Ausführungen Gilbert Simondons (Simondon 2012). Simondon zufolge sind technische Objekte schon aufgrund ihrer Genese, aus der heraus sie immer verstanden werden müssen, offene Objekte, deren Innovationspotenzial in neue technische Kontexte transferiert werden und so hybridisiert und rekombiniert werden kann (Simondon 2012: 11ff.). Damit widerspricht die für den möglichst einfachen Gebrauch äußerst zuträgliche Umwandlung eines technischen Objekts in eine geschlossene Black Box gerade der technischen Tendenz, die darauf abzielt, diese Objekte offen zu halten (Cuntz 2011). Sei es in Form der Neuverwendung eines Elements durch ein Individuum oder eine Organisation, sei es in der Öffnung des technischen Objekts auf ein Netzwerk, in dem es betrieben wird. Wie sich für unseren Fall der Schnelltests zeigen wird, ist die Öffnung bzw. Offenheit aber weniger das Ergebnis als vielmehr ein aktiver Teil der Integration der Technik in einen neuen Verwendungskontext.

Angina Pectoris und Bluthochdruck gedacht, machte jedoch später unter dem Namen Viagra eine ungeahnte Karriere als potenzsteigernde Substanz (Loe 2004).

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Einen profunden Versuch, dieser immanenten Offenheit von Technik konzeptionell nachzuspüren, sehe ich im Ansatz der Forschungstechnik (research technology) angelegt. Das von Bernward Joerges und Terry Shinn (Joerges & Shinn 2001) formulierte Konzept der Forschungstechnik zielt auf die Erfassung und Verortung des durch die Offenheit von Technik ermöglichten Zwischenstatus ab. Was Joerges und Shinn auch als Zwischenräume bzw. Zwischenräumlichkeit (interstitial arenas oder interstitiality) bezeichnen, referiert auf die spezifische Qualität einer Forschungstechnik, zwischen disziplinären Räumen, wie beispielsweise der Wissenschaft und der Industrie, zirkulieren zu können. Ohne allerdings ausschließlich Teil eines dieser Felder zu sein, kann Forschungstechnik sowohl für die wissenschaftliche Wissensproduktion als auch für die industrielle Entwicklung neuer Technik/Güter einen schöpferischen Status übernehmen. „[W]e use the concept for instances where research activities are orientated primarily toward technologies which facilitate both the production of scientific knowledge and the production of other goods. In particular, we use the concept for instances where instruments and methods traverse numerous geographic and institutional boundaries; that is, fields distinctly different and distant from the instruments' and methods' initial focus.“ (Joerges & Shinn 2001: 3)

Es geht demnach um die Konzeptualisierung einer Wechselwirkung, in der die Erweiterung der Instrumenthaftigkeit der Technik mit deren Kapazitäten interagiert, geographische und institutionelle Grenzen überqueren zu können. Im Bemühen um konzeptionelle Trennschärfe zu anderen Ansätzen konstatieren die Autoren, dass sich Forschungstechnik nicht nur durch spezifische Designqualitäten auszeichnet (z.B. gebräuchlich, offen, flexibel), sondern immer auch eine besondere Sprache mitführt bzw. diese einfordert (ebd. 4).2 Diese spezifischen Erfordernisse zeigen den Autoren, dass For2

Bei den in dem Band versammelten Fallbeispielen wird deutlich, dass sich der Zwischenstatus einer Forschungstechnik auch in der jeweiligen Entwicklerbiographie verankert, was sich in einem gesellschaftlichen und disziplinären Grenzgängertum beobachten ließe (ebd. 4). Dieser Aspekt kann so wahrscheinlich nicht für das Beispiel der Schnelltests übernommen werden, da die Entwicklung der Immunchromatographie wohl eher Ergebnis einer kollektiven und zeitlich wenig fixierbaren Forschungsarbeit ist.

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schungstechniken nicht nur quer zu gesellschaftlichen Feldern (z.B. Wissenschaft und Industrie) liegen, sondern auch einen eigenständigen Erkenntnisbereich markieren können. Am stärksten zeigt sich dies an einer möglichen Neubestimmung des Verhältnisses von Theorie und Experiment (ebd. 6). Hat die Wissenschaftsphilosophie lange Zeit angenommen, dass Theorien Experimente und deren Ergebnisse beeinflussen – und eben nicht umgekehrt (Kuhn 1962, Quine 1972, Pinch 1986) –, so blenden diese Ansätze jedoch Funktionsräume aus, in denen Forschungstechnik in ihrem Instrumentenstatus aktiv in geplante Abläufe interveniert.3 „It may safely be said that mainstream philosophical and sociological schools in the study of science have generally paid scant attention to boundary-crossing practices and representations of the sort common to research-technology where instrumentation transcends experimentation and the theory/experimentation matrix.“ (Joerges & Shinn 2001: 7)

Diese Markierung eines eigenen Erkenntnisfeldes bedeutet umgekehrt jedoch auch, dass es dadurch nicht leichter wird, klar abgrenzbare Kriterien bestimmen zu können, wann es sich um eine Forschungstechnik handelt und wann nicht. So bleibt schwer bestimmbar, ob eine Technik bereits von Anbeginn ihrer Entwicklung- und Verwendungsbiographie als solche determiniert sein muss oder ob eine Technik auch über Zeit und in eventuell gradueller Form, z.B. durch spezifische kontextuelle Umstände, in den Operationsmodus einer Forschungstechnik überführt werden kann. Diese Fragen stellen sich vor allem in Bezug auf die Schnelltests, da Joerges und Shinn zwar auf unterschiedliche geographische Kontexte verweisen, diese jedoch implizit auf die westliche Hemisphäre beschränken. Die Grenzüberschreitung in andere kulturelle Kontexte bleibt bei den in dem Sammelband vereinten historischen Beispielen außen vor. Das Reisen der Schnelltests in eine neue geographische und kulturelle Region macht eine weitere Grenz-

3

Im Anschluss an die oben vorgenommene Darstellung der spezifischen Wirkungsweisen der Verschriftlichung der Tests könnte man auch sagen, dass sich Forschungstechnik durch spezifische Inskriptionsqualitäten auszeichnet, die in ihrer Medienhaftigkeit nicht verschwinden, sondern unmittelbar auf den Experimentfortgang einwirken.

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ziehung problematisch. Auch die von Joerges und Shinn gesetzte Trennung gesellschaftlicher Sphären, zwischen z.B. Wissenschaft und Industrie, kann aus komplexen historischen, ökonomischen und politischen Gründen für Uganda so nicht angenommen werden. Diese Verweise auf die impliziten erkenntnistheoretischen Grundlagen sollen hier jedoch weniger als Kritik am Konzept der Forschungstechnik verstanden werden, sondern vielmehr eine gewinnbringende Perspektivierung der infrastrukturierenden Kapazitäten der Schnelltests ermöglichen. Zu argumentieren wäre dann, dass Schnelltests einen Zwischenstatus erlangen – oder in einen neuen Operationsmodus wechseln –, wenn sie in einen anderen als ihren Entwicklungskontext eingesetzt werden. In Bezug auf die sich anschließenden Beispiele kann vorweggenommen werden, dass es sich bei der Frage nach dem Kontext um einen komplexen Verweisungszusammenhang handelt. Dass institutionelle Grenzen zwischen Politik, Wissenschaft und Ökonomie in Uganda anders gelagert sind als in vielen westlichen Nationen, ist dabei nur eine Seite des Problems. Eine andere ist die spezifische institutionelle Verfasstheit des Global Health Apparats. Dass die Tests als „Produkte der Moderne“ (Macamo & Neubert 2008) in einen neuen Kontext reisen, ist dann Ausdruck und Ergebnis dieser hybriden Institutionsstruktur, in der beispielsweise die Trennung zwischen privat und öffentlich, Wissenschaft und Industrie vorgeblich unterlaufen wird (Janes & Corbett 2009, Ong & Collier 2005). Darüber hinaus wird die Formierung neuer Forschungsallianzen, Organisationsmodelle und Verteilungsparadigmen darin als notwendige Bedingung angegeben, ohne die die Entwicklung dieser Techniken überhaupt nicht zustande kommen würde. Wie die anschließenden Betrachtungen zur Generierung neuer Forschungsfelder zeigen werden, hören die Schnelltests mit ihrem Austritt aus den Forschungs- und Produktionslaboren nicht auf, neues Wissen zu produzieren. Das Aufgabenfeld und die Nützlichkeit der Technik erschöpft sich somit nicht im Füllen einer Wissens- und Versorgungslücke. Wie ich zeigen werde, übernehmen die Tests infrastrukturierende Funktionen für die Produktion neuer Daten und neuen Wissensfelder, Funktionen also, von denen ich behaupte, dass sie durch eine ausschließliche Verwendung der Tests als (westliche) Labortechnik so nicht bedeutungsvoll geworden wären.

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11.2 M ALARIA UND

DAS

P ROBLEM

DER

Z ÄHLBARKEIT

„Data such as that reported from Livingstone district in Zambia demonstrate the impossibility of measuring the effectiveness of control measures in the absence of parasite-based diagnostics. [...] For clinical purposes, laboratory methods for malaria diagnosis can therefore usefully be divided into medical tests for case management – determining whether a febrile patient has malarial disease – and surveillance tools for determining the prevalence of parasites in a given population.“ (Bell & Perkins 2012: 297)

In dem vorangestellten Zitat machen die Autoren darauf aufmerksam, dass Labormethoden zur Feststellung von Malaria in zwei Kernbereiche unterteilt werden können. Neben der individuellen Fallbehandlung (case management) gewinnen parasitenbasierte Diagnoseverfahren auch für die Kontrolle von Prävalenzraten auf der Bevölkerungsebene zunehmend an Bedeutung. Wie sich hier bereits andeutet, möchte ich in diesem Abschnitt auf die Messbarkeit von Malaria eingehen und aufzeigen, welche Rolle dabei den Schnelltests zukommt. Gerade der erste Satz des Zitats ist für diesen Zusammenhang relevant, weil darin der parasitenbasierten Diagnose eine Notwendigkeit unterstellt wird, um den Erfolg und Misserfolg (effectiveness) anderer Interventionen und Kontrollmaßnahmen nachzuweisen. Die Annahme ist, dass die Verteilung von Bettnetzen oder der Einsatz von Insektiziden (Indoor Residual Spraying) nur dann effektiv war, wenn sich ein Rückgang der Fallzahlen in öffentlichen Gesundheitszentren messen lässt. Der Erfolgsnachweis dieser Maßnahmen hängt somit bis zum einem gewissen Grad davon ab, wie gut die Schnelltests in den Einrichtungen integriert sind und eine genaue Messbarkeit der Fallzahlen gewährleisten. Zwei Aspekte rücken somit ins Zentrum meiner Betrachtungen: Erstens die Frage, warum die parasitenbasierte Diagnose eine bessere Messbarkeit von Malaria erlaubt und zweitens, welche (wissens-)politischen Implikationen sinkende, gleichbleibende oder steigende Fallzahlen von Malaria haben. Wie ich argumentiert habe, basiert die Einführung der Schnelltests auf einem biomedizinischen Modell, dem zufolge Malaria erst dann vorliegt und richtig behandelt werden kann, wenn der Nachweis von Antigenen oder Parasiten im Blut eines Individuums erbracht wird. In der zuvor praktizierten Verdachtsbehandlung hingegen – folgt man dieser Logik weiter – können sich die Beteiligten nie ganz gewiss sein, ob Malaria wirklich vor-

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liegt. Das Verschreiben von Malariamedikamenten auf Grundlage der Verdachtsbehandlung kann darum in den meisten endemischen Ländern nicht als wissenschaftliche Evidenz gewertet werden, ob es sich bei diesen Fällen wirklich um eine Malariaerkrankung handelt. Will man messen, wie viele Leben durch subventionierte Medikamente und Bettnetze gerettet werden konnten oder ob der Einsatz von Insektiziden in den Wohnhäusern unmittelbar einen Rückgang der Fallzahlen nach sich zieht, so erscheint die Verdachtsbehandlung auch hier als ungeeignetes Messinstrument. Eine intensive Verwendung von RDTs müsste somit auch die Zählbarkeit von wirklichen Malariafällen erleichtern. Auf zwei Schwierigkeiten möchte ich diesbezüglich aufmerksam machen. Zum einen stößt das Problem der besseren Messbarkeit und Zählbarkeit von Malaria ins Zentrum der komplexen Frage, worum es sich bei der Erkrankung genau handelt (Turnbull 1989). In dem 2009 veröffentlichen Uganda Malaria Indicator Survey wurde festgestellt, dass es sich bei 42 % der untersuchten Bevölkerung (ca. 4500 Haushalte) um parasitemische Fälle handelt (MoH 2010c). Parasitämie bezeichnet den Umstand, dass Parasiten (oder Antigene) im Blut eines Individuums nachgewiesen werden können, ohne dass derjenige a) an Malaria leidet oder b) Malaria die Ursache der Symptome ist (Breman 2001). Die Parasitämie ist danach eine körperliche Manifestation eines symbiotischen Arrangements zwischen Parasiten und menschlichem Organismus. Was auch als Semi-Immunität (acquiredimmunity) bezeichnet wird, ist eine Art ‚natürlicher‘ Schutz, den Individuen aufbauen können, wenn sie kontinuierlich den Bissen infizierter Moskitos ausgesetzt sind (Doolan et al. 2009).4 Ohne hier weiter auf die Immunologie von Malaria einzugehen, kann angenommen werden, dass trotz des flächendeckenden Einsatzes der Tests eine beachtliche Zahl positiver Testfälle

4

Hier möchte ich lediglich darauf verweisen, dass die Immunitätsdebatte noch stärker bei der Frage nach der Effektivität von Bettnetzen geführt wird. Denn um effektiv zu sein, benötigt diese Art der Immunität Individuen, die den Stichen infizierter Moskitos konstant ausgesetzt sind. Dieses Erfordernis wird durch den Einsatz von Moskitonetzen aber weitgehend aufgehoben. Das Problem ist nun, dass ein Rückgang der natürlichen Immunität auch dazu führen kann, dass die Krankheit bei den Betroffenen heftiger und damit lebensbedrohlicher ausbricht. Dieser Nebeneffekt lässt sich zudem beim Aufbau von Immunitäten bei Kindern beobachten (Beisel 2015).

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als Malaria behandelt wird, obwohl es sich dabei nicht zwingend um Malaria handeln muss. Das vorherrschende wissenschaftliche Narrativ, dass mit den Tests die Zählbarkeit von Malaria einfacher wird, wird auf diese Weise brüchig und unscharf. Auch möchte ich an diesem Punkt nochmals an die den empirischen Kapiteln vorangestellte Grafik erinnern (Abb.5, S.65), in der eine zunehmende Diskrepanz zwischen der Menge der verschriebenen Malariamedikamente und den positiven Testfällen indiziert wurde. Im Idealfall müssten die positiven Fälle und die verschriebenen Medikamente nahezu deckungsgleich ausfallen. Da dies aber nicht der Fall ist, stellt sich in Anbetracht der aggregierten Daten die Frage nach den Ursachen, durch die die Abweichung sowohl erklärt, gerechtfertigt und gegebenenfalls korrigiert werden kann. Interventionen, wie der Ausbau interpersonaler Kommunikationsfähigkeiten oder der Qualitätssicherung als vertrauensbildende Maßnahme, kann dann als ein Versuch zur Beantwortung dieser Frage verortet werden. Diese numerischen Kapazitäten der Schnelltests müssen aber auch mit bestehenden Quantifizierungsverfahren verglichen werden. Denn im direkten Vergleich mit der Laborinfrastruktur und der Verdachtsbehandlung erlauben die Tests trotz der Diskrepanz eine breitflächige Zählbarkeit von Malariaerkrankungen, die in ihrem Umfang und ihrer Genauigkeit so noch nie erreicht wurde. Derart ermöglichen die Schnelltests, dass mehr Daten produziert werden, als dies durch eine fragmentierte und mangelhafte Verfügbarkeit von Mikroskopen möglich wäre. Trotz der weitverbreiteten Parasitämie wird angenommen, dass mit den Tests genauer als durch die Verdachtsbehandlung bestimmt werden kann, wann Malaria vorliegt. Wichtig ist hier aber auch, dass diese Art des Zählens weitgehend entkoppelt ist von der Frage der Wirksamkeit negativer Testergebnisse, d.h. partiell entkoppelt von der alltagspraktischen Funktionsweise der Tests auf der Ebene der individuellen Fallbehandlung. Denn gleichgültig, ob das negative Testergebnis von Pflegerinnen akzeptiert wird oder nicht, bleiben positive Fälle weitgehend unberührt und auch weiterhin relativ einfach zählbar. Anders formuliert: Unabhängig davon, ob die Technik gut oder schlecht in einen spezifischen Nutzungszusammenhang integriert ist, ermöglicht der flächendeckende Einsatz der Tests eine verhältnismäßig einfache und verlässliche Produktion positiver Fallzahlen. Die numerischen Kapazitäten der Schnelltests haben nun aber weitreichende und kontroverse politische Implikationen, da die neue Zählbarkeit

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von Malariafällen zeigt, dass man es auf einer globalen Ebene mit viel weniger ‚echten‘ Malariafällen zu tun hat, als dies bisher angenommen wurde. Die kontroverse Frage, die nun von verschiedenen Seiten gestellt wird, lautet: Handelt es sich bei den gesunkenen Malariaerkrankungen um einen effektiven Einsatz von Präventions- und Kontrolltechnologien oder um einen numerischen Effekt, dass die Krankheit anders gezählt wird? Auch wenn ich die Frage hier nicht vollständig beantworten werde, möchte ich doch kurz die Kontroversität dieser Debatte herausstellen. Wie in der sozialwissenschaftlichen Entwicklungsforschung bereits ausführlich gezeigt wurde, bauen Verteilungsmechanismen finanzieller Ressourcen innerhalb der internationalen Entwicklungszusammenarbeit auf der Produktion von Daten auf, gehen damit einher oder haben diese zum Endzweck (Ferguson 1994, Kühl 2007, Rottenburg 2000). Auch im Bereich der globalen Malariakontrolle übernehmen Zahlen zu weltweiten Sterblichkeits- und Erkrankungsraten in politischen und ökonomischen Entscheidungsgremien eine Schlüsselfunktion. So wurde Anfang des Jahres 2000 davon ausgegangen, dass jährlich zwischen 300 und 500 Millionen Menschen an Malaria erkrankten, wovon fast eine Million, darunter hauptsächlich Kinder, starben (Sachs & Malaney 2002).5 Dass es sich bei diesen Zahlen um grobe Schätzungen handelte, lag auch an den bis dato nur rudimentär ausgeprägten – oder nahezu ausschließlich auf HIV/Aids Prävention fokussierten – Informations- und Datenerfassungssystemen der meisten Länder, in denen Malaria endemisch ist. Während die globale Gemeinde im Jahr 2001 lediglich 250 Millionen US $ für malariabezogene Maßnahmen ausgab, waren es im Jahr 2009 bereits über 2 Milliarden US $.6 Die geringe (finanzielle) Aufmerksamkeit, die der Krankheit während der 80er und 90er Jahre geschenkt wurde, resul-

5

Diesbezüglich findet man in einem vielfach zitierten epidemiologischen Aufsatz: „The wide range of 200 million in the frequently quoted ‚300–500 million cases per year‘ in itself reflects the lack of precision of current malaria statistics. Any attempt to estimate the number of malaria cases globally is likely to become subject to argument. Had accurate malaria diagnosis been achieved together with an improved public health data reporting system and healthcare access, such a conjecture would be lessened.“ (Wongsrichanalei et al. 2007: 119)

6

Siehe: http://www.nature.com/news/malaria-death-toll-disputed-1.9974, Stand 03. 04.2017.

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tierte nicht nur in einem Anstieg der Erkrankungen und der Sterblichkeit, sondern auch in einer entsprechend schlechten Datenlage zum tatsächlichen Ausmaß der Krankheit. So scheint es ein offenes Geheimnis innerhalb der globalen Malariagemeinde, dass sich genau diese unscharfe Datenlage, man könnte auch sagen das Nichtwissen, bezüglich der weltweiten Verbreitung der Krankheit produktiv mit zu dieser Zeit vorherrschenden Notfallnarrativen verbinden ließ (in Bezug auf HIV/Aids Programme vgl. Nguyen 2005, 2009). Die Anfang des Jahres 2000 vollzogene Preissenkung von antiretroviralen Medikamenten ermöglichte die Rahmung von HIV/Aids als humanitäre Notfallsituation, worin die massenhafte Versorgung mit Pharmazeutika oberste Priorität hatte. Die Notfallsituation eröffnete eine bis dato nicht erlebte Mobilisierung finanzieller und technischer Ressourcen, die auch auf andere Krankheiten wie Malaria oder Tuberkulose übertragen wurde. So zeichnete sich auch das Feld der Malariakontrolle durch einen intensiven Fokus auf den Zugang zu dem neu verfügbaren, jedoch kostenintensiven Coartem aus. Begleitet wurde dieser Finanzierungsschub von der Etablierung neuer Organisationen, zu denen neben dem Global Fund zur Bekämpfung von HIV, Tuberkulose und Malaria auch die private Stiftung der Bill und Melinda Gates Foundation als die wohl mächtigsten und prominentesten Beispiele benannt werden können (Kelly & Beisel 2011 zur Rolle dieser Organisationen im Feld der Malariakontrolle). Wenn nun etwas mehr als zehn Jahre nach der Gründung dieser Organisationen die jährlichen Erkrankungszahlen von Malaria auf ca. 198 Millionen Fälle weltweit bemessen werden,7 dann wird dies häufig mit dem erfolgreichen Einsatz präventiver Maßnahmen (z.B. Moskitonetze und Moskitopestizide) und der effektiven Verteilung wirksamer Medikamente (z.B. ACTs) gerechtfertigt (WHO 2014c). Die in den zahlenbasierten Erfolgsnachweisen implizierte Wirksamkeit verfolgter Strategien und darin eingesetzter Technik wird von unterschiedlicher Seite kritisch infrage gestellt

7

Bei dieser von der WHO 2014 veröffentlichten Zahl handelt es sich erneut um eine Mittelwertschätzung, die sich aus einer Spanne von 124 bis 280 Millionen möglichen Malariafällen weltweit ergibt. Die Anzahl der Todesfälle hat sich danach ebenfalls auf 584.000 reduziert. Auch hierbei gibt es eine Unsicherheitsrate (uncertainty rate), die zwischen 367.000 und 755.000 Fällen liegt, wobei relativ sicher vermutet wird, dass über 90% der Fälle in Afrika zu verzeichnen sind. Siehe: http://www.who.int/mediacentre/factsheets/fs094/en/, Stand: 03.03. 2017.

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(Cormier 2012, Snow 2015), worauf ich an dieser Stelle aber nicht weiter eingehen möchte. Wichtiger an dieser Stelle ist, dass das Zahlenproblem in ein neues Interventionsfeld übersetzt wird. Denn unabhängig davon, ob weltweit 100 oder 200 Millionen weniger Malariafälle behandelt werden müssen, handelt es sich dabei trotzdem um Fieberepisoden, von denen man nicht weiß, was die Krankheitsursache ist. Malaria ist als Global Health Krankheit demnach sowohl in ihrer (positiven) Nachweisbarkeit als auch in ihrer (negativen) Abwesenheit problematisch. Welchen spezifischen Beitrag die Schnelltests bei der Übersetzung dieser Problemfelder leisten, werde ich nun abschließend nachzeichnen.

11.3 T ESTMALARIA

ALS ‚ NEGATIVE

O NTOLOGIE ‘

„Most fevers in most malaria endemic areas are not caused by malaria, and recent summaries of malaria prevalence among individuals with fever in sub-Saharan Africa have shown a measurable decline over the past two decades. As malaria incidence continues to decline, identifying the other causes of malaria-like symptoms and providing the means to manage them will become increasingly important both to retain interest in malaria surveillance programmes and to address the causes of nonmalarial mortality, especially in children.“ (FIND 2012)

Das vorangestellte Zitat baut auf dem Argument auf, dass es aufgrund abnehmender Malariafallzahlen über die letzten zwei Jahrzehnte zunehmend wichtiger wird, Fiebererkrankungen zu erforschen, von denen nicht klar gesagt werden kann, welche Krankheitsursache diesen zugrunde liegt. Auf der Grundlage dieser Rahmung lassen sich gegenwärtig eine ganze Reihe von Forschungsunternehmungen in verschiedenen Regionen der Welt beobachten, in denen versucht wird, das Feld der Krankheiten, mit denen man es zu tun hat, zu bestimmen.8 „Very little is known about the causes of non-

8

Diese Form der explorativen Forschungsarbeit, die auch als „mapping“ bezeichnet wird, wird gegenwärtig vor allem in Westafrika (Pondai et al. 2013), Ostafrika (D’Acremont et al. 2014) sowie in einigen Ländern Südostasiens, hier vor allem im Mekong-Delta (Acestor et al. 2012), Kambodscha (Müller 2013) und Laos (Newton et al. 2012) vorangetrieben. Dabei häufig identifizierte Ursachen

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malarial fevers in most malaria-endemic countries“ (Perkins & Bell 2008). Das offen artikulierte Nichtwissen bildet danach die Voraussetzung für bzw. legitimiert eine intensive medizinische Ursachenforschung (Ätiologie). Für die Etablierung eines neuen Forschung- und Interventionsfeldes übernehmen die Schnelltests eine stabilisierende Funktion. Denn erst ein negativer Test bildet die vorgängige Erkenntnishandlung, auf der die klinische Untersuchung – und gegenwärtig auch Erforschung – anderer Krankheitsursachen erfolgt. Die Krankheit Malaria erhält in einer solchen Konstellation den Status einer negativen Ontologie: Durch die Tests ausgeschlossen, werden andere Krankheiten verortbar gemacht. Diese Form des technisch-vermittelten Umwegs spiegelt sich nun auch in der sprachlichen Verfasstheit wieder, wo unter Bezeichnungen wie ‚Nicht-Malaria-FieberErkrankungen‘ oder ‚Akutes Fiebersyndrom‘ (Non-Malarial Febrile Illness oder Acute Febrile Syndrom) bakterielle und virale Infektionen subsumiert werden, deren Hauptsymptom Fieber ist (FIND 2012, Newton et al. 2012). Was unter dieser ‚ungelenken‘ Bezeichnungen alles subsumiert wird, legt die folgende Erklärung dar: „Acute febrile diseases in the tropics and sub-tropics has often been considered to be due to malaria and treated as such. As accurate diagnosis for malaria, based on rapid diagnostic tests, is rolled out across malaria-endemic regions, it is becoming increasingly apparent that most fevers are due to other causes. By ‚acute febrile syndrome‘ in this context we mean causes of acute (sudden) fever and related symptoms that are similar to malaria. These are usually due to infection, resulting from a wide variety of pathogens.“ (FIND 2012) 9

von Fieber sind die Schlafkrankheit, Brucellose, Leptospirose und verschiedene Ausprägungen des viralen Grippeinfekts (Chappuis et al. 2013). 9

Dabei wird innerhalb der Expertinnengemeinde durchaus auf den vagen und provisorischen Charakter der Bezeichnungen reflektiert, wie die folgende Aussage von Hugh Reyburn, einem der führenden Epidemiologen für Infektionskrankheiten, zeigt: „And over time I hope that the term non-malarial fever will disappear and be replaced by more specific definitions of what these causes of illness are.“, siehe: https://vimeo.com/110806503, Stand 03.04.2017.

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Dass der flächendeckende Einsatz der Schnelltests sichtbar gemacht hat, dass die meisten Fieberepisoden nicht durch Malaria verursacht sind, ist wahrscheinlich eine richtige Beobachtung. Gleichzeitig handelt es sich dabei um eine diskursive Operation, mittels derer eine passive Qualität (negativer Nachweis) in eine aktive Funktion (akutes Fiebersyndrom) übersetzt wird. Ich werde nun beispielhaft zeigen, wie diese Übersetzung sowohl stabilisierende als auch destabilisierende Effekte für die Technik hat und welche Konsequenzen sich dadurch für die medizinische Grundversorgung ergeben. Die Rahmung der Schnelltests als stabiles erkenntnistheoretisches Fundament kann gut am Beispiel des (neuen) Antibiotikagebrauchs veranschaulicht werden. Diesbezüglich berichtet eine anerkannte Global Health Infektiologin: „Their tendency [health workers] is to prescribe an antibiotic instead of an anti-malarial, which is also bad, because we just shift from one problem to the other.“ 10 Die Aussage impliziert, dass es sich dann um eine Problemverschiebung handelt, wenn Pflegerinnen im Anschluss an den negativen Nachweis von Malaria Antibiotika verschreiben. Doch was genau ist mit Problemverschiebung gemeint? Problemverschiebung bezeichnet hier nichts weniger als die Formierung eines neuen Global Health Projekts. Zunächst geht es dabei um die Fälle, in denen im Anschluss an den negativen Nachweis von Malaria Antibiotika verschrieben werden. Problematisiert werden diese Fälle als eine Zunahme der Überverschreibung von Antibiotika. Wenn die Verdachtsbehandlung sich im Überverschreiben von Malariamedikamenten manifestierte, hätte der breite Einsatz der Schnelltests dieses Problem an die Medikamentenklasse der Antibiotika weitergereicht. Gerade in den letzten Jahren wurde diesbezüglich verstärkt nachgewiesen, dass auch Antibiotika nicht weniger von Resistenzbildungen bedroht sind als Malariamedikamente (Baiden et al. 2011). Wenn Malaria nach der Anwendung eines Schnelltests ausgeschlossen werden kann, betreten Pflegerinnen ein neues Erkenntnisfeld, worin es um die Beantwortung der Frage geht, was stattdessen die Ursache der Symp-

10 Ich habe dieses Zitat auch aus dem Grund übernommen, weil der Artikel, aus dem der Ausschnitt stammt, eine bezeichnende Überschrift trägt: „Antibiotics Overuse is Price of Success in Africas Malaria Fight“, siehe: http://www. voanews.com/content/antibiotics-overuse-is-price-of-success-in-africa-malariafight-/185 9859.html, Stand 20.03.2017.

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tome ist. Da es sich in den meistens Fällen um Fiebersymptome handelt, wird diese praktische Erfahrung in gesundheitswissenschaftlichen Diskursen als ein neuer Unsicherheitsfaktor beschrieben, dem Pflegerinnen ausschließlich durch das „blinde Verschreiben von Antibiotika“ (Perkins & Bell 2008, 2) begegnen könnten. In einer kürzlich erschienenen Studie zur Überverschreibung von Antibiotika in Tansania wird das Problem in der folgenden Weise aufbereitet: „The advent of point-of-care rapid diagnostic tests for malaria presents health care providers with a new and daunting challenge: the need to determine the causes of febrile illness and the appropriate course of action when treating children who test negative for malaria. Studies have shown that the decrease in the use of antimalarial therapy has been accompanied by a commensurate increase in antibiotic use.“ (D’Acremont et al. 2014: 810, Herv. RU)

Durch die Formulierung, es handele sich um eine beängstigende Herausforderung („daunting challenge“), drängt sich der Verdacht auf, dass hier eine Verwechslung vorliegt. Die Autoren vertauschen eine wissenschaftliche Perspektive mit einer praxisorientierten bzw. klinischen Perspektive. Aus meiner empirischen Erfahrung kann ich diesbezüglich berichten, dass es sich beim Verschreiben von Antibiotika nicht um eine Herausforderung, sondern einen pragmatischen Lösungsansatz handelt. Bevor ich aber genauer auf die Ursprünge und Implikationen dieser Problematisierung eingehe, möchte ich kurz auf einen diskursiven Effekt aufmerksam machen. Die quasireligiöse Rede von der Ankunft („advent“) der Technik trägt dabei in ganz eigener Weise zur Etablierung der Schnelltests als ausschließlich passendes Diagnoseverfahren bei. Die Verwendung und Funktionsweise der Tests kann auf diese Weise als immer schon existierende, ahistorische Infrastruktur repräsentiert werden, die diese neuen Einsichten nicht verursacht hat, sondern ermöglicht. Was in den Darstellungen zur Überverschreibung von Antibiotika allerdings nicht erwähnt wird, ist der Umstand, dass die Malariaverdachtsbehandlung schon immer aus einer Kombination von Malariamedikamenten und Antibiotika bestand. Bei dieser Form der Polypharmazie handelte es sich um die geläufigste Therapieform vor Einführung der Tests. Auch handelt es sich dabei um ein Charakteristikum der Tropenmedizin, worin sich diese von der kontinentalen Schulmedizin wesentlich unterscheidet. Die unmittelbare Lebensbedrohung vieler Tropen-

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krankheiten – in Kombination mit der Abwesenheit von Laboren und Differenzialdiagnose – rechtfertigte lange Zeit einen stärkeren, vor allem aber einen breiteren „Beschuss“ der vermuteten Krankheiten.11 Die Diskussion um den richtigen oder falschen Umgang mit Antibiotika muss nun aber auch innerhalb eines breiteren gesundheitswissenschaftlichen Kontextes verortet werden. Denn aus biomedizinischer und mikrobiologischer Perspektive ist Fieber immer ein Symptom sowohl parasitärer, bakterieller als auch viraler Erkrankungen (Bramkamp & Schneemann 2007). Gegen virale und parasitäre Erkrankungen ist der Einsatz von Antibiotika aber weitestgehend nutzlos. Zusätzlich kann der Einsatz in solchen Fällen zu einer potenziellen Resistenzbildung gegen diese Medikamente beitragen (WHO 2014a).12 In der Diskussion um die Spezifizierbarkeit von Fieber wird nun ein Problem revitalisiert, das so alt ist wie die Medizin selbst. Wie in medizinhistorischen Schriften ausführlich gezeigt wurde, hatte Fieber seinen Status als eigenständige Krankheit spätestens mit dem Aufkommen der Keimtheorie verloren (Foucault 1973, Helman 1978). Im Anschluss daran wurden Krankheiten verstärkt als in sich abgeschlossene Entitäten gerahmt, sodass Fieber nur noch als ein Symptom neben anderen behandelt wurde. Trotz der zunehmenden Klassifizierungsarbeit liegt Fieber, als eine Art universales Symptom, bis heute quer zu vielen Krankheitsklassifikationen und verursacht auf diese Weise immer wieder diagnostische Grenzziehungsprobleme und Ungewissheiten (Hess 2005). Bei der Kombination von Antimalariamedikamenten mit Antibiotika handelt es sich um eine inklusive und umfassende Behandlungsform (auch als blanket approach bezeichnet), die nun durch eine zielgerichtete Therapie von Malaria (targeting) und anderen Krankheiten ersetzt werden soll. Was in dieser Diskussion um die Vor- und Nachteile unterschiedlicher Ansätze aber letztlich verhandelt wird, ist die Leistungsfähigkeit der Einrich-

11 Persönliche Kommunikation mit Vinh-Kim Nguyen, Mediziner und Anthropologe an der Universität Paris und Amsterdam (20.02.2014). 12 Gerade in den letzten Jahren hat die Resistenzbildung gegen verschiedene Antibiotikagruppen, vor allem in den westlichen Kontexten, zu einer Reihe von Studien und gravierenden Einsichten geführt. Dabei wird neben der extensiven Verwendung von Antibiotika in der Tierzucht auch immer wieder ein Überverschreiben durch die Ärzteschaft erwähnt. In Deutschland beispielsweise werden in 30 Prozent der Fälle unnötigerweise Antibiotika verschrieben (DAK 2014).

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tungen der medizinischen Grundversorgung. Die Frage, die sich bei Versuchen zur Verbesserung der Differentialdiagnose stellt, ist, was die Einrichtungen überhaupt leisten können. Auch wenn ich diese Frage hier nicht vollständig beantworten werde, möchte ich doch einige Szenarien durchspielen, mit denen ich auf Konsequenzen und Implikationen dieser gegenwärtigen Stoßrichtung verweisen möchte. Die Effizienz, mit der die Tests und die Testergebnisse in die Behandlungsabläufe eingebunden werden können, hängt sehr stark von infrastrukturellen und arbeitsorganisatorischen Aspekten ab. Die durch die Tests eröffnete Möglichkeit einer zusätzlichen Differenzierung des negativen Nachweises von Malaria, beispielsweise in bakterielle und virale Infektionen, birgt nun aber neue voraussetzungsreiche Anforderungen für die Nutzerinnen sowie die Technik. So würde beispielsweise ein verstärktes Praktizieren der Differentialdiagnosen dazu führen, dass Pflegerinnen ihre Patientenschaft noch häufiger an höhere Einrichtungen überweisen müssten. Einrichtungen-II müssten sich dann auf die breiteren und spezifischeren Behandlungsmöglichkeiten höherer Einrichtungen verlassen können. Dass der Zustand und die Kapazitäten von beispielsweise Einrichtungen-IV dies gegenwärtig nicht gewährleisten, ist dabei nur ein Aspekt. Denn unabhängig davon, ob Patientinnen in höheren Einrichtungen einen besseren oder spezifischeren Service empfangen würden, wird der Fakt der Überweisung selbst bereits als Leistungsschwächung der unteren Einrichtungen behandelt. Dieser Ansatz würde es erforderlich machen, dass sich die Beteiligten verstärkt und unweigerlich auf die schwächsten, jedoch kostenintensivsten Infrastrukturen verlassen müssten. Wie ich weiter oben gezeigt habe, zählen hierzu das Überweisungssystem in Verbindung mit den Mobilitätskapazitäten eines Großteils der Patientenschaft. Wenn sich die Wahrscheinlichkeit überwiesen zu werden nun aber erhöhen würde, stellt sich für Patientinnen automatisch die Frage, warum diese Einrichtungen dann überhaupt noch aufgesucht werden sollten. Es wird deutlich, dass eine Verbesserung der Krankenbehandlung, die darauf aufbaut, Einrichtungen-II besser diskriminieren zu lassen zwischen Krankheiten, die ‚vor Ort‘ behandelbar sind und Krankheiten, die eine höhere technische und pharmazeutische Expertise verlangen, unter den gegebenen Umständen keinen Sinn macht. In diesem institutionellen Vexierspiel deutet sich an, dass eine Neuordnung und Umverteilung von Patientinnen, Krankheiten und deren Behandelbarkeiten mit der Produktion neuer Daten und Sichtbarkeiten einhergeht. Unwahr-

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scheinlich ist hingegen, dass damit tatsächlich eine Verbesserung der Krankenversorgung erreicht werden kann, die zudem in einem angemessenen Verhältnis zu den finanziellen Mitteln und der Mobilität eines Großteils der Patientenschaft stünde. Es lässt sich nun schlussfolgern, dass die in den Studien angedeutete Problematisierung von Antibiotikaverwendungsmustern unmittelbar mit der Verwendung von Malariaschnelltests zusammenhängt. Gleichzeitig handelt es sich um eine Verschiebung der Problemstellung, worin nun die Behandelbarkeit von Fiebererkrankungen im Allgemeinen und die Verortung von Antibiotika im Speziellen erprobt wird. Darin zeigt sich, dass Bemühungen, eine neue Technik zu infrastrukturieren, immer auch einen Bedeutungsüberschuss produzieren, in dem nicht nur neue Problemfelder sichtbar gemacht werden. Genauso wichtig ist, dass anschließende Lösungsstrategien sich immer auch dadurch auszeichnen, dass sie das Funktionsfeld der Technik als potenziell defizitär rahmen. Dass die Schnelltests ausschließlich Malaria feststellen und keine weiteren Krankheiten, verleiht ihnen einen Kompromisscharakter, der sich dann darin auszeichnet, die Technik durch zukünftige bessere Verfahren ersetzen zu können. Wird diese Beobachtung auf Global Health Projekte übertragen, zeigt sich, dass deren Kernstruktur auf kapitalistischen Innovationslogiken aufbaut. Danach vollzieht sich die Bestimmung und Vermessung der Funktionskapazitäten einer Technik über ein Relationieren zu den der Technik je eigenen Bereichen des Nichtwissens. Innovationsdiskurse zeichnen sich dann vor allem dadurch aus, dass sie das Imperfekte einer gegenwärtigen Technik als neuen Funktionsbereich zukünftiger bzw. noch zu entwickelnder Techniken inkorporiert haben. Konkret auf die Tests bezogen beschreibt Andrea Bosman, Leiter der Malariadiagnoseabteilung der WHO, den Sachverhalt wie folgt: „As you know the tests are limited to malaria only. So next step would be to develop tests that are more inclusive [...] that include other diseases as well.“13 Außergewöhnlich an dieser Aussage ist nun zunächst, dass sie im klaren Kontrast zu den Legitimationsnarrativen steht, die noch einige Jahre zuvor die Implementierung der Schnelltests als passende bzw. angepasste Lösung für das bestehende Problem der Verdachtsbehandlung von Malaria und Überverschreibung von Malariamedi-

13 Öffentliche Kommunikation während eines Vortrags von Beisel und Umlauf im Hauptquartier der WHO (Genf, 19.08.2013).

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kamenten ermöglichten. Gleichzeitig handelt es sich hier um einen spezifischen Typ des technikzentrierten Organisationslernens. Was gegenwärtig mit dem Ausdruck Multiplexed Point-of-Care Test benannt wird, bezeichnet einen Trend in einer Reihe von Forschungseinrichtungen, mit Hilfe dessen dem technischen Defizit der Malariaschnelltests Rechnung getragen werden soll. In einem Workshop-Protokoll wird diesbezüglich formuliert: „Based on these facts, availability of multiplex test which can quickly identify a pathogen from a group of pathogens that cause the similar symptoms is of paramount importance not just from medical standpoint but will also have much greater public health relevance.“ 14

Das Zitat macht deutlich, dass die Leistungsfähigkeit der Gesundheitseinrichtungen Fiebererkrankungen behandeln zu können, ausschließlich als Mangel an zusätzlichen und noch zu entwickelnden Testverfahren gedeutet wird. Was lässt sich daraus schlussfolgern? Auf meine Frage, welches Resümee er denn für die ersten Jahre nach der Einführung der Schnelltests ziehen würde, antwortete mir David Schellenberg, einer der renommiertesten Malariologen an der London School of Hygiene & Tropical Medicine: „I would say treating malaria has become easier, managing patients more complex.“15 Schellenberg deutet mit dieser Aussage einen Erfolg an, der darin besteht, dass mit Hilfe der Tests die Malariabehandlung von der Krankenbehandlung separiert und isoliert werden konnte. Aus einer Foucault’schen Perspektive kann diese Separierung auch als neoliberaler Interventionsmodus gedeutet werden. Neoliberale Interventionen zeichnen sich dadurch aus, wie gut die Trennung zwischen ‚guter‘ und ‚schlechter‘ Zirkulation von Waren gesichert werden kann (Foucault 2004). Die Tests verstärken letztlich den Warenstatus von Malariamedikamenten, die erst dann ‚gut‘ zirkulieren, wenn deren Vergabe an die möglichst genaue Feststellbarkeit der Krankheit gekoppelt ist. Die Aussage drückt allerdings auch aus, dass der Erfolg fragil und nur um den Preis eines neuen und aller

14 Siehe: http://www.who.int/phi/implementation/19_summary_EN.pdf, Stand 14. 03.2017. 15 Interview geführt an der London School of Hygiene & Tropical Medicine, am 18. Dezember 2012.

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Wahrscheinlichkeit noch umfangreicheren Problemfeldes erzielt werden konnte.

Schlussbetrachtungen

Global Health ist ein institutionelles Arrangement, das auf die Verbesserung der weltweiten Krankenversorgung zielt. Darin vorgenommene Interventionen sind vorrangig durch die Bereitstellung technischer und finanzieller Ressourcen gekennzeichnet. Auch wenn die Mobilisierung dieser Ressourcen ein nie zuvor gesehenes Ausmaß erreicht hat, kann dies nicht den Umstand verdecken, dass sowohl die finanziellen als auch technischen Mittel nicht in unbegrenztem Maße verfügbar sind. Der Anspruch, die Krankenversorgung zu verbessern, ist in Global Health Projekten immer gleichzeitig mit der Notwendigkeit verbunden, kostengünstige und kostenreduzierende Verfahren zu implementieren. Das Feld der Malariakontrolle bildet diesbezüglich keine Ausnahme, sodass auch hier Interventionen mit der schwierigen Ausgangslage konfrontiert sind, knappe Ressourcen so verteilen zu müssen, dass dadurch Verbesserungen messbar werden. Wenn beispielsweise Malariamedikamente weltweit in großen Mengen verfügbar gemacht werden, dann geschieht dies unter der Bedingung, dass diese kostenintensive Technik eben nicht in unbegrenzter Anzahl bereitgestellt werden kann. Global ist Global Health aber nicht nur, weil darin zum Einsatz kommende Medikamente weltweit verfügbar gemacht werden, sondern auch, weil darin emergierende Risiken globalisiert werden. Die Frage, wie kosteneffizient Medikamente zum Einsatz kommen, ist in Global Health Projekten somit unmittelbar mit der Frage gekoppelt, welche Risiken mit dem vermehrten Einsatz der Technik bedeutsam werden. Diesbezüglich wird angenommen, dass die intensivierte Verwendung von Malariamedikamenten, mit einer Erhöhung des Resistenzrisikos einhergeht (Noedl et al. 2008). Die intensive Nutzung einer Technik wird somit auch immer von Abnut-

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zungs- und Verschleißerscheinungen begleitet, was im besten Fall dazu führt, dass die Technik ab einem gewissen Punkt gegen eine neue ausgetauscht wird. Wenn dies allerdings nicht ohne weiteres möglich ist – wie im Falle der Malariamedikation –, dann wird den gegenwärtig verwendeten Malariamedikamenten auch auf dieser Ebene ein zusätzlicher Knappheitsstatus zugewiesen. Eine Intensivierung der Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen bezüglich neuer Wirkstoffe wartet allerdings nicht nur mit eigenen zeitlichen Implikationen auf, sondern macht weitere Ressourcenumverteilungen notwendig. In Global Health Projekten kreuzen und überlagern sich demnach verschiedene Knappheitslogiken. Für den Zugang zu Malariamedikamenten bedeutet dies, dass sowohl nachgewiesene Resistenzen als auch der Mangel an geeigneten Nachfolgemedikamenten unmittelbar mit der Verfügbarkeit und den sich anschließenden Verwendungsmustern von Medikamenten in Beziehung treten. Dass Malariamedikamente in Uganda kostenlos verfügbar sind, bildet somit einerseits eine notwendige materielle Grundlage, um überhaupt eine Verbesserung der Krankenversorgung zu ermöglichen. Andererseits birgt die kostenlose Bereitstellung auch Konflikte und Risiken, denen es – am besten präventiv – zu begegnen gilt. Anders formuliert: Die Leistungsfähigkeit eines nationalen Gesundheitswesens wird auch immer daran bemessen, wie gut dieses der Einbettung der jeweiligen Krankheit, als globales Problem, gerecht werden kann. Dass diese potenziell spannungsgeladenen Problembereiche nun am besten durch a) eine zusätzliche Technik und b) eine stärkere Fixierung und Verortung der Krankheit in den Einrichtungen gelöst werden können, bildet die voraussetzungsreiche Funktionsgrundlage der Schnelltests. Welche Aussagen und Ergebnisse lassen sich nun auf Grundlage meiner empirischen Beobachtungen ableiten? Auf einer allgemeinen Ebene habe ich in der Arbeit gezeigt, dass die beteiligten Akteurinnen unterschiedliche Vorstellungen in Bezug auf die Leistungsfähigkeit der organisierten Krankenbehandlung artikulieren. In Abhängigkeit von der jeweiligen organisationalen Ebene kann die Einführung der Schnelltests von Beteiligten sowohl als Verbesserung als auch Verschlechterung der Leistungsfähigkeit erlebt werden. Wie in den ersten Kapiteln der Arbeit deutlich wurde, bewerten Patientinnen und Pflegerinnen allerdings die Qualität der medizinischen Grundversorgung weniger danach, wie gut und genau Malaria festgestellt werden kann. Weitaus wichtiger ist, wie kompatibel der angebotene Service mit den Effekten lokaler Ressourcenknappheit und eingeschränkter Mobili-

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tät ist. Wenn es sich bei den Schnelltests um eine globale Antwort auf die oben nachgezeichneten Ressourcenprobleme handelt, macht das Zusammentreffen unterschiedlicher Leistungsansprüche sichtbar, dass es sich hierbei um verschiedene Formen im Umgang mit Mangel und Knappheit handelt. Dieser Punkt kann durch ein Szenario gut verdeutlicht werden: Würden Pflegerinnen kontinuierlich negative Testergebnisse durchsetzen, dann würde dies in den Augen der Beteiligten eine deutliche Schwächung der Leistungsfähigkeit der Einrichtungen bedeuten. Wie ich gezeigt habe, lohnt sich ein Besuch in den Einrichtungen für die meisten Patientinnen nur, wenn dieser am Ende mit dem Erhalt von (Malaria-)Medikamenten kombiniert wird. Durch die überschaubare Größe der meisten Einrichtungen ist die Leistungsfähigkeit zusätzlich eng mit dem Geschick und der Expertise der jeweiligen Fachkraft verbunden. Pflegerinnen haben in dieser Hinsicht häufig ein eigenes Interesse, eine vorrangig negative Wahrnehmung ihrer Dienstleistungen zu vermeiden. Improvisationen im Umgang mit negativen Testergebnissen sind dann Ausdruck dieser Vermittlungsarbeit. Pflegerinnen gewährleisten somit durch ein situatives Abweichen von (negativen) Testergebnissen, dass die staatlichen Gesundheitseinrichtungen auch nach der Einführung der Tests weiterhin stark frequentiert werden und sich deren Leistungsfähigkeit nicht schlagartig reduziert. Ob eine Technik die Leistungsfähigkeit einer Einrichtung oder eines Gesundheitswesens verbessert oder nicht, hängt in diesem Fall also nicht davon ab, ob sie die Krankheit besser feststellbar macht. Stattdessen zeigt das Beispiel der Schnelltests, dass dies von den situativen Kenntnissen und der Integrationskraft des Pflegepersonals abhängt. Dies ist auch darum bemerkenswert, da doch deren Urteilskraft ursprünglich durch die Technik ersetzt werden sollte. Weil der Bruch zwischen dem Ist- und dem Sollzustand in den Einrichtungen allerdings zu groß wäre, müssen Pflegerinnen die Leistungsfähigkeit der Tests moderieren. Soziale Transformationen und sich daran anschließende Neuordnungsprozesse werden im vorliegenden Beispiel somit als Begrenzung eines potenziell zu radikalen Wandels beobachtbar. Wie ich gezeigt habe, vollzieht sich diese Begrenzung sowohl entlang der haptischen Verfügbarkeit der Tests, dem zeitlichen und administrativen Mehraufwand als auch der Frage, wie bzw. wann Pflegerinnen negative Testergebnisse geltend machen oder nicht.

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Wenn es sich hierbei um die Bedingungen der Veralltäglichung der Schnelltests handelt, dann zeigen diese Beispiele aber auch, dass planerische Anstrengungen, diese Übersetzungsprozesse vorrangig als Vertrauensmangel zu rahmen (9. + 10. Kapitel), am Kern des Problems vorbeizielen. So ist in vielen Fällen relativ unbedeutend, wie sehr oder wenig eine Pflegerin den Schnelltests vertraut, wenn doch die Umstände, unter denen Medikamente vergeben werden, nur in begrenztem Maß mit der An- oder Abwesenheit der Krankheit korrespondieren. Um im ländlichen Uganda eine Trennung zwischen ‚guter‘ und ‚schlechter‘ Zirkulation von Malariamedikamenten zu ermöglichen, reicht ein Verfahren, das sich ausschließlich auf die bessere Feststellbarkeit der Krankheit beschränkt, nicht aus. Der positive oder negative Nachweis von Malaria ist in einem solchen Zusammenhang zu marginal und unterkomplex um als Ersatz für all jene Bedingungen zu fungieren, unter denen sich Pflegerinnen und Patientinnen in den Einrichtungen begegnen. Es kann also festgehalten werden, dass es sich auf dieser Funktionsebene bei den Tests um eine ‚schwache‘ Technik handelt. Denn abgesehen von den funktionalen Beschränkungen, sind die Tests auch relativ machtlos gegenüber Abweichungen von deren Handlungsskript. Das Szenario macht aber zusätzlich sichtbar, dass, selbst wenn sich Pflegerinnen immer an (negative) Testergebnisse halten, eine potentiell problemhafte Handlungsoption darin erkannt wird. Wie ich im abschließenden Kapitel nachgezeichnet habe (11. Kapitel), verkomplizieren negative Testergebnisse selbst bestehende und auch formell empfohlene (Be-) Handlungsoptionen, wie beispielsweise das Verschreiben von Antibiotika. Nimmt man diesen Aspekt ernst, dann ergibt sich das paradoxe Bild, wonach Pflegerinnen im Anschluss an ein negatives Testergebnis nur zwischen eigentlich ‚falschen‘ Optionen wählen können. Wichtiger ist aber diesbezüglich die Beobachtung, dass der massenhafte Gebrauch der Schnelltests in Frage stellt, ob in den Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung Fiebererkrankungen überhaupt behandelt werden können. Wie ich ebenfalls gezeigt habe, baut diese Einsicht unter anderem auf der Funktionsweise der Tests als Dateninstrument auf. Denn unabhängig davon, ob ein negatives Testergebnis überstimmt wird oder nicht, produzieren positive Testergebnisse trotzdem Daten über die Verbreitung der Krankheit. Diese Zahlen sind dabei nicht nur genauer als die vorgängigen Schätzungen, sondern zeigen zusätzlich, dass man es mit viel weniger Malariafällen weltweit zu tun hat und somit die Fokussierung auf andere Fiebererkran-

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kungen legitimierbar wird. Vor einem solchen Hintergrund kann nun umgekehrt gesagt, dass es sich bei den Tests um eine ‚starke‘ Technik handelt. Denn obwohl die Begrenzungspraktiken der Nutzerinnen nur eine partielle Integration der Technik erlauben, produzieren die Tests trotzdem verhältnismäßig genaue Daten und somit Anschlussfähigkeiten für zukünftige Interventionen. Die Unterscheidung zwischen ‚schwacher‘ und ‚starker‘ Technik verdeutlicht, dass sich die Nützlichkeit der Schnelltests in einem eigentümlichen Zwischenstatus strukturiert: Einerseits kann der Technik relativ einfach widersprochen werden, was es Pflegerinnen ermöglicht, auch weiterhin die Leistungsfähigkeit der Einrichtungen aufrechtzuerhalten – auch wenn so das anvisierte Ziel, mit Hilfe der Tests Ressourcen sparen zu können, verzerrt und unterminiert wird. Andererseits verhindert dies nicht die Produktion von relativ verlässlichen Daten über die Verbreitung von Malaria. Dieser Zwischenstatus bestimmt sich dadurch, dass die Verwendung der Tests zwar quer zu den Zielstellungen planerischer Anstrengungen liegt, diesen aber doch nicht gänzlich widerspricht. Es wäre somit verfehlt, die Funktionsweise der Schnelltests entweder als Geschichte eines Scheiterns oder ausschließlich als nicht-intendierten Nebeneffekt zu erzählen. In Ermangelung eines besseren Begriffs schlage ich vor, die Funktionsweise und Nützlichkeit der Schnelltests als Infrastrukturierung einer Kompromissbildung zu deuten. Auch an anderen Stellen meiner Arbeit wurde deutlich, dass es sich bei den Schnelltests um eine infrastrukturierte Kompromissbildung handelt. Wie ich am Beispiel des massenhaften Gebrauchs der Schnelltests in den medizinischen Laboren höherer Einrichtungen zeigen konnte (8. Kapitel), hängt die Frage nach der Verbesserung der Krankenversorgung auch damit zusammen, auf welcher organisationalen Ebene den Schnelltests ihre größte Nützlichkeit zugesprochen bzw. unterstellt wird. Auch wenn die Labormikroskopie als ‚Gold Standard‘ deklariert wird, wird dieser Anspruch sowohl durch die lückenhafte Verbreitung als auch die mangelhafte Verfügbarkeit dieses Verfahrens deutlich reduziert. Die Einsichtigkeit und das Verständnis aller Beteiligten, dass es sich bei der Mikroskopie ebenfalls um eine von Improvisationen abhängige Technik handelt, bringt es mit sich, dass diesem Verfahren nicht die notwendige (Wissens-)Autorität zugeschrieben werden kann. Was die Tests in den medizinischen Laboren zudem ermöglichen, ist die Beschleunigung der Abläufe des ambulanten Klinikalltags. Unabhängig

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davon, ob sich dadurch die Bedeutung des Laborwissens für die Behandlungspraxis verändert, können mit Hilfe der Schnelltests mehr Patientinnen in kürzerer Zeit versorgt werden. Der damit verbundene Versuch, dem chronischen Zeit- und Personalmangel in den Laboren höherer Einrichtungen beizukommen, kann dann kurzfristig als Verbesserung der Krankenversorgung wahrgenommen werden. Wenn diese Umverteilung oder organisationale Improvisation nun aber auf Implikationen jenseits dieser kurzfristigen Verbesserungen befragt wird, dann lassen sich dadurch – im Kontrast zur Mikroskopie – die infrastrukturellen Qualitäten der Tests bestimmen. Mit infrastrukturellen Qualitäten referiere ich auf die praktischen und politischen Implikationen, die sich aus dem Verfügbarkeitsmodus und der damit zusammenhängenden ‚Sichtbarkeit‘ einer Technik ergeben. Wie die Umverteilung deutlich macht, sind die Tests sowohl in den Einrichtungen als auch in den Laboren entweder verfügbar oder nicht. Ein Zwischenstadium existiert nicht bzw. ist unter den gegenwärtigen Rationierungsmodi nicht zu gewährleisten. Stock-outs markieren somit nicht nur eine Versorgungsstörung, sondern verweisen explizit auf den binären Existenzmodus dieser Diagnoseinfrastruktur. Im Gegenzug befindet sich die Laborinfrastruktur in einem permanenten Zwischenstadium eines „mehr oder weniger Funktionierens“. Am Beispiel gesprochen: Obwohl – oder gerade weil – in den Laboren improvisiert wird, werden auch aus peripheren EinrichtungenIII regelmäßig positive Fälle von Tuberkulose gemeldet. Im Unterschied zur Malaria kann Tuberkulose durch Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch übertragen werden, sodass deren Diagnose unmittelbar Fragen der öffentlichen Sicherheit berührt. So könnte in einer polemischen Formulierung behauptet werden, Labore ermöglichen staatlichen Institutionen somit auch, schwach oder unvollständig zu funktionieren. Der binäre Verfügbarkeitsmodus der Tests – verfügbar/nicht verfügbar – lässt diese Form der Veralltäglichung so nicht zu. Stattdessen zeigen sich aber darin neue Abhängigkeitsverhältnisse sowohl von globalen Versorgungsketten als auch von finanziellen Subventionen. Während nun aber Laborantinnen bei Stock-outs in den ‚Mikroskopmodus‘ wechseln können, macht sich diese Abhängigkeit auf den unteren Einrichtungsebenen in der Notwendigkeit bemerkbar, erneut auf die Verdachtsbehandlung bzw. die klinische Diagnose zurückgreifen zu müssen. Diese Diskontinuitäten verhindern aber gerade die Ausprägung infrastruktureller Merkmale von Technik, die diese in westlichen Kontexten ausprä-

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gen kann. Der binäre Verfügbarkeitsmodus der Tests macht ein Unsichtbarwerden oder das „Umkleiden des künstlichen Produkts mit Selbstverständlichkeit“ (Blumenberg 1981, 37) nur schwer möglich. Denn eine Voraussetzung dieses Unsichtbarwerden liegt in der spezifischen Zeitlichkeit von Infrastrukturen, wonach vor allem Permanenz und Stabilität ein Verschwinden gewährleisten (Edwards 2002). Wenn es also ein Charakteristikum westlicher Infrastrukturen ist, sich durch Dauerhaftigkeit und Stabilität auszuzeichnen, dann trifft dies im gegenwärtigen Stadium nicht für die Schnelltests zu. Letztere zeichnen sich eher umgekehrt durch eine An- und Abwesenheitslogik aus, in der Austauschbarkeit, Unabhängigkeit und die Notwendigkeit zu improvisieren eine stärkere Bedeutung haben als Permanenz und Stabilität. Neben diesen Unterschieden möchte ich trotzdem beispielhaft zwei infrastrukturelle Qualitäten herausstellen, die über die Tests ermöglicht werden. Es ist bekannt, dass Infrastrukturen nicht aus sich selbst heraus existieren, sondern immer auch davon abhängig sind, wie weit deren Ermöglichungsbedingungen mit der jeweiligen Gesellschaftsstruktur verwoben sind. In Bezug auf die Labor- und Mikroskopinfrastruktur bedeutet dies z.B., wie sehr der Beruf der Laborantin in der Ausbildungsstruktur verankert ist. Unabhängig davon, welche Lehrqualität in den Ausbildungsstätten tatsächlich angeboten wird, macht die massenhafte Verwendung der Schnelltests deutlich, wie wenig deren Integration in der Praxis auf diese Institutionen angewiesen ist. Eine kurzfristige Mobilisierung des gesamten Gesundheitspersonals zum Zwecke eines kosten- und zeiteffizienten Trainings von ca. zwei Tagen steht auf diese Weise einer mindestens zwei Jahre währenden Ausbildung als LaborantIn gegenüber. Diese Gegenüberstellung legt dann den Schluss nahe, dass eine organisierte Krankenbehandlung, in der verstärkt auf Global Health Technik zurückgegriffen wird, mit Tendenzen zur Deprofessionalisierung einhergeht. Eine genauere Untersuchung dieses Umstandes könnte in Form einer Langzeitstudie geschehen, gerade weil es sich bei Deprofessionalisierungstendenzen sowohl um intendierte als auch nicht-intendierte Effekte von Infrastrukturen handeln kann. Innerhalb der letzten drei Jahre, in denen die Tests in Uganda landesweit verfügbar waren, wurden mindestens drei Tests von unterschiedlichen Herstellern verwendet. Da es die Verteilung von Global Fund Geldern erforderlich macht, die Vergabe von Ressourcen durch Ausschreibungen zu regeln, unterbieten sich Hersteller immer wieder, um an lukrative Großauf-

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träge zu kommen. Ein Ergebnis ist ein kontinuierlicher Wechsel von Anbietern und sich in ihrer Handhabbarkeit unterscheidende Schnelltests. Von den Nutzerinnen wird dann implizit erwartet, die unterschiedlichen Performancecharakteristika der Technik erneut ausschließlich in Eigenverantwortung zu plausibilisieren. Diese Abhängigkeitsverhältnisse und darüber erzeugte Unbeständigkeiten erschweren es allerdings, eindeutig bestimmen zu können, ob es sich bei den Schnelltests um eine Ware oder ein öffentliches Gut handelt. Unabhängig davon, welche normativen und rechtlichen Implikationen dies mit sich bringt, wird doch deutlich, dass die Schnelltests genau darum als Infrastruktur zu deuten sind. Wie ich im letzten Kapitel für die Beziehung zwischen den Schnelltests und dem Warenstatus der Medikamente gezeigt habe, besteht eine gegenwärtige Tendenz darin, diese Unschärfe zu Gunsten des Warencharakters der Schnelltests zu entscheiden. Dass diese Tendenz allerdings mit darüber ermöglichten Adaptionen kontrastiert werden muss, habe ich beispielhaft an den Ursachen und Effekten der Testverwendung in den medizinischen Laboren verdeutlicht. In diesen Betrachtungen zu den infrastrukturellen Qualitäten der Schnelltests wird deutlich, wie möglicherweise eine Forschung aussehen könnte, die auf den Ergebnissen dieser Arbeit aufbaut bzw. diese verwenden könnte. Wie bereits angedeutet, würde sich beispielsweise eine Langzeitstudie eignen, um die unterschiedlichen infrastrukturellen Zeitlichkeiten besser abbilden zu können. Dadurch könnte dann einerseits den Auswirkungen nachgegangen werden, die der zunehmende Einsatz von Global Health Technik beispielsweise auf die (Aus-)Bildungssysteme der betroffenen Gesundheitswesen hat. Anderseits würde sich darin die Möglichkeit eröffnen, Effekte einer (zunehmenden) Routinisierung im Umgang mit den Tests mit meinen Ergebnissen zu kontrastieren. Auch wenn die Tests in den meisten Einrichtungen seit über drei Jahren verwendet werden, könnte eine Langzeitstudie prüfen, ob meine Beobachtungen eher Teil einer Übergangsund Gewöhnungsphase waren oder sich die hier angedeuteten Tendenzen in ihren Auswirkungen eher bestätigen oder sogar verstärken. Zusätzlich würde sich ein Vergleich sowohl zwischen unterschiedlichen regionalen Einsatzgebieten der Malariaschnelltests als auch zwischen verschiedenen Krankheiten anbieten. Gerade bei Krankheiten, die im Gegensatz zu Malaria einen eher längerfristigen (z.B. Tuberkulose) oder chronischen Verlauf (z.B. HIV/Aids oder Diabetes) haben, wäre dies eine interessante und spannungsreiche Untersuchung. Zu vergleichen wären dann beispielsweise,

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welche moralischen Ökonomien über und durch mobile Testverfahren sowohl ermöglicht als auch beschränkt werden. Auch der Forschung im Zusammenhang mit der Ebolakrise in Westafrika bieten die hier gemachten Beobachtungen vielfache Anschlussmöglichkeiten. Im Unterschied zu Malaria verlangt das hohe Infektionsrisiko bei Ebola eine rasche Gewissheit über den Ursprung der Symptome. Schlecht ausgebaute Transport- und Laborinfrastrukturen wurden auch im Zusammenhang mit Ebola als wesentliche Ursachen dafür angeführt, dass im Durchschnitt zwischen drei bis fünf Tage auf ein Ergebnis gewartet werden musste.1 Die WHO reagierte auf diesen Missstand mit Notfallausschreibungen, worin zur intensivierten Forschung und Entwicklung eines mobilen Diagnoseverfahrens aufgerufen wurde. Bei dem Anfang 2016 präsentierten Ergebnis handelt es sich um einen Schnelltest, der bereits nach ca. 30 Minuten ein positives oder negatives Testergebnis anzeigt. Der Test ist allerdings deutlich weniger akkurat als mikroskopische Feststellungsverfahren und würde unter ‚normalen‘ Umständen wahrscheinlich keine Zulassung erhalten.2 Ein Studium der sozio-politischen Implikationen von Notfallmaßnahmen im Bereich der Krankheitsdiagnose könnte somit einen wichtigen Beitrag zur politischen Ökonomie humanitärer Einsätze leisten (Redfield 2013). Wie ich eingangs angedeutet habe, werden mobile Testverfahren zunehmend für die schlecht ausgebauten Gesundheitsinfrastrukturen vieler Entwicklungsländer als angepasste Lösung erachtet. Nur wenig überraschend erscheint es dann, dass sich diese mobilen und schnellen Testverfahren auch zunehmend in den Krankenhäusern westlicher Industrienationen wiederfinden lassen. Aus diesem Grund ist es eher verwunderlich, dass es sich beim Studium dieser Techniken weitgehend um ein Desiderat der Forschung handelt. Auch wenn sich zahlreiche Studien im Bereich des molekularen und genetischen screenings finden lassen (Jasanoff 2009, Juttel & Conrad 2014, Lock et al. 2000, Kerr 2004), sind die mobilen und im Vergleich zu den aufwendigen Sequenzapparaturen unscheinbaren Schnelltests bisher nicht ins Blickfeld der sozialwissenschaftlichen Wissenschafts- und Technikforschung getreten. Eine Analyse mobiler Schnelltests in westli-

1

Siehe www.cdc.gov/ncezid/dhcpp/featured_stories/improving-ebola-diagnostics.

2

Siehe http://www.who.int/medicines/ebola-treatment/1st_antigen_RT_Ebola/en,

html, Stand 10.03.2017. Stand 16.03.2017.

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chen Krankenhäusern könnte dann untersuchen, welche sozialen, ökonomischen und rechtlichen Anschlussfähigkeiten (binäre) Testergebnisse in diesen Kontexten ermöglichen oder verhindern. Um aber diesbezüglich auch spezifische Effekte der Mobilität dieser Techniken in den Blick zu bekommen, wäre eine Studie lohnenswert, in der den Schnelltests auch außerhalb des klinischen Kontextes gefolgt wird. So könnte analysiert werden, was unter der Normalisierung einer Krankheit wie HIV/Aids zu verstehen ist und welche Rolle dabei kommerzielle und für den privaten Gebrauch designte HIV-/Aidsschnelltests spielen. Eine andere Stoßrichtung könnte den Implikationen nachgehen, die durch kommerzialisierte Früherkennungsverfahren sichtbar werden. Diesbezüglich hat in den USA kürzlich das milliardenschwere Unternehmen Theranos für eine breite mediale Aufmerksamkeit gesorgt. Ein Ziel, so die Gründerin, sei es, Diagnose und Früherkennung von Krankheiten in eine Alltagserfahrung zu transformieren, oder in ihren Worten: „We see a world in which no one ever has to say, ‚If only I’d known sooner.‘ A world in which no one ever has to say goodbye too soon.“ 3 Der in der Aussage durchschlagende Trend, möglichst früh bzw. präventiv Gewissheit über zukünftige Krankheitsrisiken zu erlangen, ist nach Paul Rabinow allerdings Ausdruck einer zunehmenden institutionellen Lücke: „The most salient aspect of this trend for the present discussion is an increasing institutional gap between diagnostics and therapeutics. Although this gap is not a new one, to be sure, the potential for its widening nonetheless poses a new range of social, ethical and cultural problems [...]“ (Rabinow 1999, 456). Wie meine Arbeit gezeigt hat, kann die Zunahme dieser Lücke zwischen Diagnose und Therapie nicht nur in westlichen, sondern auch in afrikanischen Gesundheitswesen beobachtet werden. Die Aufgabe der Sozialwissenschaft besteht dann darin zu zeigen, durch was und wen diese Lücke jenseits technisch-vermittelter Lösungen gefüllt werden kann bzw. bereits gefüllt wird. Wenn es trotzdem eine Tendenz szientistischer Interventionen ist, diese institutionellen Verankerungen zusätzlich zu destabilisieren, dann besteht die kritische Funktion der konstruktivistischen Erkenntnistheorie darin, „die Gesellschaft in irritierender Weise darauf aufmerksam zu machen, was sie sich leistet, wenn sie sich Wissenschaft leistet“ (Luhmann 1990b, 58).

3

Siehe www.newyorker.com/magazine/2014/12/15/blood-simpler, Stand 16.03. 2017.

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Gabriele Winker Care Revolution Schritte in eine solidarische Gesellschaft 2015, 208 S., kart., 11,99 € (DE), ISBN 978-3-8376-3040-4 E-Book: 10,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3040-8 EPUB: 10,99 € (DE), ISBN 978-3-7328-3040-4

Johannes Angermuller, Martin Nonhoff, Eva Herschinger, Felicitas Macgilchrist, Martin Reisigl, Juliette Wedl, Daniel Wrana, Alexander Ziem (Hg.) Diskursforschung Ein interdisziplinäres Handbuch (2 Bde.) 2014, 1264 S., kart., 2 Bde. im Schuber, zahlr. Abb. 44,99 € (DE), ISBN 978-3-8376-2722-0 E-Book: 44,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-2722-4

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Soziologie Silke Helfrich, Heinrich-Böll-Stiftung (Hg.) Commons Für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat 2014, 528 S., kart., 24,80 € (DE), ISBN 978-3-8376-2835-7 als Open-Access-Publikation kostenlos erhältlich E-Book: ISBN 978-3-8394-2835-1

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Kijan Espahangizi, Sabine Hess, Juliane Karakayali, Bernd Kasparek, Simona Pagano, Mathias Rodatz, Vassilis S. Tsianos (Hg.)

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