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German Pages 210
MITTELDEUTSCHE FORSCHUNGEN HERAUSGEGEBEN VON REINHOLD OLESCH, WALTER SCHLESINGER, LUDWIG ERICH SCHMITT
Band 65
DAS HOCHSTIFT MEISSEN IM ZEITALTER DER REFORMATION BIS ZUM TODE HERZOG HEINRICHS 1541
VON ALBRECHT
LOBECK
Besorgt von HEINRICH BORNKAMM und HEINZ SCHEIBLE
® 1971
BÖHLAU
VERLAG
KÖLN
WIEN
Alle Rechte vorbehalten Copyright (g) 1971 by Böhlau-Verlag, Köln Druck: löhnert kg, Köln Printed in Germany ISBN 3 412 15771 6
INHALT
Geleitwort
VII
Einleitung
1
Erster Teil: Die Grundlagen
6
A. Der Zustand des Hochstifts Meißen beim Herzog Heinrichs des Frommen (1539)
Regierungsantritt
1. Domkapitel und Diözese
6 6
2. Der Einfluß der Wettiner auf die Stiftsregierung und die kirchlichen Funktionen im Hochstift
22
B. Die Stellung des Hochstifts im Streite der religiösen Meinungen bis zum Regierungsantritt Heinrichs des Frommen (1539) . .
45
1. Die Regierung Bischof Johanns VI. von Salhausen ( t 10. April 1518)
45
2. Der Kampf gegen die Reformation unter Bischof Johann V I I . von Schleinitz (f 13. Oktober 1537) und Herzog Georg von Sachsen
51
3. Bischof Johann VIII. von Maltitz und der Tod Herzog Georgs (f 17. April 1539)
81
Zweiter Teil: Der Ausbruch des Konflikts zwischen Wettinischer Landesgewalt und Hochstift und seine Entwicklung unter Herzog Heinrich dem Frommen (1539—1541)
90
1. Versuche des Hochstifts, die Einführung der Reformation zu verhindern
90
2. Die Auseinandersetzung um den Liber Misnicus
99
3. Die erste Visitation
119
4. Der Streit um die Reichsstandschaft des Hochstifts
131
5. Die Haltung der albertinischen Stände und die zweite Visitation
148
6. Reichstag und Kaiser
167
Literatur und Abkürzungen
181
Personenregister
189
Orts- und Territorienregister
192
GELEITWORT
Lic. Albrecht Lobeck, dessen Dissertation ich zu meiner Freude lange nach seinem Kriegstode noch veröffentlichen und mit einem Erinnerungswort begleiten kann, wurde 1912 in Chemnitz geboren. Mit fünf Jahren verlor er seinen Vater, den Arzt und Zahnarzt Dr. med. Konrad Lobeck, der im ersten Weltkriege als Stabsarzt fiel. Er studierte in Rostock, Tübingen und Leipzig, wo er das 1. theol. Examen ablegte und das Predigerkolleg zu St. Pauli besuchte. In dieser Zeit trat er dem Pfarrernotbund bei. Vom Oktober 1936 bis April 1938 war er Hilfsassistent am Kirchengeschiditlichen Seminar, schied aber aus diesem Dienst aus, um sich ganz seiner Arbeit zu widmen. Seine stille und strenge Gelehrtennatur bedurfte der Sammlung, um mit der Sorgfalt arbeiten zu können, die er von sich forderte. Nach dem 2. theol. Examen wurde er im Oktober 1941 mit der Verwaltung der Pfarrstelle in Großschirma bei Freiberg/Sa. beauftragt und dort von dem Superintendenten Ficker - Dresden, dem Leiter der sächsischen Bekennenden Kirche, ordiniert, der bei der Zerstörung Dresdens im Februar 1945 ums Leben kam. Als Lobedi im April 1943 z.um Wehrdienst eingezogen wurde, war seine Arbeit so weit abgeschlossen, daß sie zur Promotion eingereicht werden konnte. Während eines Fronturlaubs legte er im Februar 1944 die Licentiatenprüfung summa cum laude ab. Das Korreferat hatte Rudolf Kötzschke erstattet. Zwei Monate später wurde Lobeck als vermißt gemeldet. D a ß es nach früheren vergeblichen Versuchen gelungen ist, die Arbeit zum Druck zu bringen, danke ich den Bemühungen der Herausgeber der „Mitteldeutschen Forschungen", insbesondere Herrn Prof. R. Olesch - Köln. Bei der Durchsicht des Manuskripts und der Drucklegung hat H e r r Dr. Heinz Scheible, der Leiter der Melanchthon-Forschungsstelle in Heidelberg, unterstützt von Frau Bokermann, die Hauptlast getragen. Lobeck hat mit der ihm eigenen Gründlichkeit sein Thema tiefer, als ursprünglich vorgesehen war, in die Fundamente zurückverfolgt. Was der Arbeit dadurch an der Schilderung des späterön Ablaufs der Ereignisse verlorengegangen ist, wird durch die Darstellung der rechtlichen und inneren Situation des Hochstifts Meißen vor der endgültigen Durchführung der Reformation reichlich ersetzt. So werden drei Phasen der kirchlichen Entwicklung, die sonst meist voneinander getrennt behandelt werden, miteinander verschmolzen: 1) das Ringen der Bistümer mit den kirchenregimentlichen Ansprüchen des sich verfestigenden spätmittelalterlichen Territorialstaats; 2) die zwanzigjährige Auseinandersetzung der Bischöfe und des Landesherrn Herzog Georg mit der eindringenden lutherischen Bewegung,
Vili
Geleitwort
woraus selbständige, von dem Domdechanten Julius von Pflug, dem späteren letzten Bischof von Naumburg-Zeitz, inspirierte Reformen erwuchsen; 3) der K a m p f gegen die Reformationsbestrebungen H e r z o g Heinrichs, der an die von seinen Vorgängern ausgeübten kirchlichen Rechte anknüpfte, während der Bischof mit kaiserlicher H i l f e seine Reichsstandschaft zu erneuern versuchte. Neben diesen politischen Problemen, die aus größtenteils ungedruckten Akten ausführlich geschildert werden, führt die Auseinandersetzung mit den Wittenberger Reformatoren über den hier erstmals ausführlich analysierten Liber Misnicus an einer beispielhaften Stelle hinein in das heute viel erörterte Verhältnis von Reformation und innerkatholischer Reform.
Heidelberg, im November 1970 Heinrich
Bornkamm
EINLEITUNG Das Vorhandensein von Bischöfen läßt sich bis in die älteste Zeit der christlichen Kirche zurückverfolgen. Spätestens kurz nach dem Tode der Apostel treten diese Männer uns überall als die maßgebenden Vertreter der Gemeinden entgegen. Im Laufe des Mittelalters hatten sie ihre Stellung und Bedeutung namentlich im Bereiche der dem Christentum neu gewonnenen jungen Völker im Norden des Mittelmeerbeckens erweitert: Über große Kirchenprovinzen übten sie die geistliche Oberaufsicht aus, wobei sie von den aus dem Klerus ihrer Kathedralkirchen hervorgegangenen Domkapiteln unterstützt wurden. Dazu kam, daß die mittelalterliche Überzeugung, die Kirche müsse auch äußerlich glanzvoll dastehen, an den Kathedralkirchen gerade in jenen nördlichen Ländern sichtbar wurde. Der fromme Eifer der Gläubigen hatte sich hier in umfangreichen Schenkungen geäußert Außerdem hatten im Gebiete des Deutschen Reiches die Kaiser die Bischöfe zu freien Reichsfürsten und Inhabern selbständiger weltlicher Regierungsgewalt gemacht1. So hatten sich im Laufe der Jahrhunderte aus der schlichten Gemeindeleitung der altchristlichen Zeit mächtige und wohlhabende Anstalten mit einem geistlich-weltlichen Doppelcharakter, die Hochstifter, entwickelt. Die Erneuerung der Kirche, die von Martin Luther ausging, mußte dort, wo sie sich durchzusetzen vermochte, auch die Hochstifter als die leitenden Organe der Kirche einer starken Veränderung unterwerfen. Das ursprüngliche Anliegen des Reformators selbst ist dem geistlich-weltlichen Doppelcharakter dieser Anstalten entsprechend ein zwiefaches. Da die deutschen Hochstifter2 die geistliche Jurisdiktion über die Kirche in Händen hatten, mußte ihm vor allem daran liegen, daß dieselben künftig ihr geistliches Amt im Sinne seiner religiösen Neuerkenntnisse führten3. Das zweite Anliegen betraf den weltlichen Charakter der Hochstifter. Es widersprach der Grundüberzeugung Luthers, daß die leitenden Organe der Kirche, der von Gott nur ein geistliches Amt gegeben sei, daneben auch eine weltliche Machtstellung innehatten; denn die Ausübung weltlicher Obrigkeit gezieme nur den weltlichen Herren. So habe Christus den Bischöfen verpotten, sie sollen Vgl. A . H a u c k , Die Entstehung der bischöflichen Fiirstcnmacht, P r o g r . Leipzig 1 8 9 1 ; d e r s., Die Entstehung der geistlichen Territorien, Sachs. Ges. d. Wiss., Phil.-hist. Klasse 2 7 ( 1 9 0 9 ) . 2 ) Ü b e r die Erzstifter gilt naturgemäß dasselbe; sie sind im folgenden mit gemeint, w o von Hochstiftern im allgemeinen die R e d e ist. 3 ) Vgl. J . H e c k e 1 , Die evangelischen D o m 1924, S. 6 ff.
und Kollegiatstifter
Preußens,
2
Einleitung
nicht fuersten seyn, da er sie von fuersten sondert und spricht: ,die welltlichen fuersten sind herrn und üben gewallt über yhr unterthan, yhr aber sollt nicht alßo seyn' (Luc. 22, 26) 4 . Daher forderte Luther von den Bischöfen die Trennung von geistlichem und weltlichem Regiment durch Aufgabe entweder ihres Fürstenstandes oder aber ihres Bischofsamtes, damit sie fortan nur noch weltliche Herrscher seien5. Letzteres scheint der Reformator bisweilen geradezu als den naheliegenderen Weg angesehen zu haben, da die Bischöfe je doch ym grund der warheyt welltliche herrn mit eim geystlichen namen6 seien. Da der Reformator auf derartige freiwillige Schritte der geistlichen Fürsten anscheinend von Anfang an keine großen Hoffnungen setzte, dachte er auch an eine Initiative der weltlichen Obrigkeit, also wohl namentlich des Reiches. So läßt er auf seine eben zitierte Feststellung den Vorschlag folgen: Man sollt... sie [die Bischöfe] welltliche herrn machen odder die guetter den armen erben und freunden [der Stifterpersönlichkeiten] und dem gemeynen kästen austeylen. Ein andermal rät er, das solche guetter vom reych zu lehen genommen und den gegeben wurden, die des wirdig erfunden7. Überblicken wir kurz, ob und wie es der Reformation gelang, diesen beiden Anliegen Geltung zu verschaffen. Zunächst fanden sich einige geistliche Fürsten, die sich auf die Seite der neuen Lehre stellten und demzufolge Luthers Rat entsprechend sich teils des geistlichen, teils des weltlichen Charakters ihrer Stellung freiwillig entledigten. So verwandelte 1525 der Hochmeister des Deutschen Ordens, Albrecht von Brandenburg, das Ordensland Preußen in ein weltliches Herzogtum, während umgekehrt zwei der preußischen Bischöfe, der von Samland und der von Pomesanien, 1525 bzw. 1527 auf ihre weltliche Herrschaft verzichteten, um hinfort nur noch ihr geistliches Amt, und zwar im lutherischen Sinne zu führen. Darüber hinaus schien wenigstens bis 1526 eine Verwirklichung der beiden Anliegen von Reichs wegen, wenn auch nicht völlig im Sinne Luthers, im Bereich der Möglichkeit zu liegen. Das gilt bereits für die religiöse Frage, in der bis zu dem genannten Jahre eine Einigung der deutschen Nation, bei der die Neuerkenntnisse Luthers wenigstens teilweise Raum gefunden hatten, nicht ausgeschlossen schien. Dieser erneuerten deutschen Kirche hätten wohl dann auch die Bischöfe zugestimmt, bzw. zustimmen müssen. Erst 4)
W A 10 II, 1 5 4 .
5)
Einen dahingehenden R a t hat Luther außer dem Hochmeister Albrecht von Preußen, auf dessen Fall w i r sogleich zu sprechen kommen werden, im J a h r e 1 5 2 5 dem Kardinal-Erzbischof Albrecht von M a i n z gegeben (D. K ö h l e r , R e f o r m a tionspläne für die geistlichen Fürstentümer bei den Schmalkaldenern, Diss. Greifswald 1 9 1 2 , S. 21 f.). e)
W A 12, 14.
7)
W A 19, 4 4 6 . Vgl. zum Ganzen H e c k e 1 S. 11.
Einleitung
3
recht bestand bis 1526 Aussicht, daß es im Deutschen Reiche zu einer allgemeinen Säkularisation der geistlichen Fürstentümer kommen werde 8 . Jedoch waren die am Alten hängenden Elemente noch zu stark und das Reich trug, namentlich unter dem Einfluß des Kaisers, dem Rechnung; mit dem Abschied des Reichstages zu Speyer 1526 verzichtete es auf Durchführung aller dieser Pläne 0 . Endgültig seit dem zweiten Speyerer Reichstag 1529 sahen sich die Anhänger Luthers einer Front von altgläubigen Fürsten gegenüber, die gewillt war, den alten Glauben wie den Bestand der geistlichen Territorien zu schützen. Da es weiterhin außer den oben genannten Fällen kaum vorkam, daß geistliche Fürsten freiwillig ihre Stellung auf Grund der neuen Lehre korrigierten 10 , mußte man den Eindruck haben, daß die Anliegen, die Luther den Hochstiftern gegenüber vorgebracht hatte, der Ablehnung verfallen waren. Denn als selbständige Reichsstände waren diese, wenn das Reich nicht die Initiative ergriff, unantastbar. Trotzdem ruhte die Diskussion über die Hochstifter auch weiterhin nicht. Das gilt namentlich f ü r das erste Anliegen Luthers, die innere Erneuerung des Bischofsamtes, auf die die Evangelischen ja angewiesen waren, solange das Reich auf ihrer Rückkehr zur alten Kirche bestand. So wurde dieses Begehr in Augsburg 1530 von den lutherischen Ständen zur Bedingung f ü r die Anerkennung der bischöflichen Jurisdiktion gemacht 11 , jedoch im großen und ganzen ohne jeden Erfolg, jetzt und weiterhin. Dagegen wurde das Gespräch über das zweite Anliegen, die Säkularisation der geistlichen Territorien, zumindest auf den Reichstagen stiller. Infolge ihrer bedrängten Lage vermochten die evangelischen Stände in dem ganzen Zeitraum bis 1555 keine ernsthafte Diskussion des Reichs darüber zu erreichen. Dem kam entgegen, daß auch die Wittenberger Theologen, sogar Luther selbst, schließlich glaubten, auf Trennung der geistlichen und weltlichen Gewalt allenfalls verzichten zu können; die Bischöfe, so meinten sie jetzt, vereinigten eben ein geistliches Amt und ein weltliches Regiment, die beide grundsätzlich nichts miteinander zu tun hätten, gewissermaßen in Personalunion; zu fordern sei nur, daß sie die Führung ihres geistlichen Amts nicht über der 8 ) Über diese Säkularisationstendenzen und -plane vgl. R a n k e , Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation (Gesamtausgabe der Deutschen Akademie, hg. v. P. Joachimsen) II, 184 f f . ; K. K ö r b e r , Kirchengüterfrage und Schmalkaldischer Bund, 1913, S. 28 f f . ; K ö h 1 e r , S. 24 f f .
") K ö r b e r S. 41 f., vgl. R a n k e l l , 190 f., 195 f. 10 ) Z w a r wird in der Folgezeit die Reformation noch v o m Erzbischof v o n Köln (1542/3), dem Bischof v o n Osnabrück (1543), dem Reidisabt von Fulda (1542) und der Reidisäbtissin v o n Quedlinburg (1539) in ihren geistlichen Territorien eingeführt, doch sind mit Ausnahme v o n Quedlinburg diese Maßnahmen weder von Dauer gewesen noch waren sie mit einer Säkularisation dieser Fürstentümer verbunden. 11
) Augsburgisdie Konfession, Artikel 28.
4
Einleitung
Verwaltung ihres weltlichen Regiments vernachlässigten 12 . Dagegen betonte seit 1538 Martin Bucer mit Nachdruck Luthers ursprüngliches Anliegen 13 . Mit dem Ausgang des Sdimalkaldischen Krieges schien die Erfüllung der beiden Anliegen völlig unmöglich gemacht, und der Augsburger Religionsfrieden von 1555 legte das sogar reichsrechtlich fest: In dem sog. geistlichen Vorbehalt wurde bestimmt, daß ein zum Protestantismus übertretender geistlicher Fürst resignieren und der Wahl eines altgläubigen Nachfolgers Raum geben müsse. Damit war sowohl die Erhaltung der Hochstifter bei der alten Religion als auch die Beibehaltung ihres staatlichen Charakters gewährleistet. Doch waren die Evangelischen auf die Erfüllung des ersten Anliegens jetzt insofern nicht mehr angewiesen, als der Religionsfrieden den Verzicht der Bischöfe auf Ausübung ihrer Jurisdiktion in den protestantischen Territorien garantierte. Die Anliegen, die Luther den Hochstiftern gegenüber erhoben hatte, kamen also nicht zur Durchführung, jedenfalls nicht allgemein und nicht völlig in seinem Sinne. Jedoch wurde immerhin eine große Zahl von deutschen Hochstiftern durch die Reformation einer durchgreifenden Veränderung ihres Zustandes unterworfen. Sie wurden sogar geradezu zu einem Schattendasein hinabgedrückt und blieben weder im Besitze ihres geistlichen noch ihres weltlichen Regiments 14 . Die Entwicklung ging also hier andere Bahnen, als Luther und die Seinen ursprünglich gewollt hatten. D a ß solche Veränderungen trotz der genannten gegnerischen K r ä f t e möglich wurden und daß sie diesen Weg nahmen, geht auf das Eingreifen weltlicher deutscher Territorialfürsten zurück. Diese hatten dabei neben den religiösen auch politische Beweggründe. D a ß einzelne der weltlichen Fürsten derartige Umwälzungen in benachbarten Hochstiftern zu erreichen vermochten, lag an der halbabhängigen Stellung, die diese schon seit langem ihren Territorien gegenüber einnahmen, bzw. an der politischen Konstellation, die sie geschickt zu nutzen verstanden. Die Entwicklung beschritt dabei bei den einzelnen Hochstiftern mehr oder weniger verschiedene Wege. Man kann dieselbe darum eigentlich nur f ü r jede dieser Anstalten gesondert betrachten. Wir führen uns hier allein vor Augen, wie sie sich beim Hochstift Meißen vollzogen hat. Das Hochstift Meißen war zusammen mit den Nachbarbistümern Merseburg und Zeitz-Naumburg im Jahre 968 gegründet worden im Zuge der 12 ) Vgl. besonders Luthers Brief an Melanchthon v o m 21. 7. 1530 ( W A B 5, 492); ferner Artikel 28 der Augsburgischen Konfession sowie K ö h l e r S. 231 ff., H e c k e l S. 12 f. 13 14
) Köhler
S. 80 f f .
) Eine w o h l vollständige A u f z ä h l u n g der reformierten Hochstifter findet sich RE 21, 843 f.
und
säkularisierten
Einleitung
5
Ausdehnungspolitik, die Kaiser Otto der Große für Deutschtum und Kirche betrieb. Durch den Aufbau der christlichen Kirche in dem neugewonnenen Raum hatte es sich ein bleibendes geschichtliches Verdienst erworben 15 . Jetzt stand das Hochstift vor der Frage, ob es auch der Erneuerung der Kirche durch Luther seine Mitwirkung schenken wollte. Wenn es im allgemeinen Territorialfürsten waren, die den Zustand deutscher Hochstifter in der Reformationszeit veränderten, so mußten im Falle Meißen nach der geographischen Situation die Wettiner albertinischer Linie den Ausschlag geben l e . Da in ihr erst 1539 mit Herzog Heinrich dem Frommen ein evangelischer Fürst zur Regierung kam, war eine Reformation des Hochstifts erst zu diesem Zeitpunkt möglich.
15
) Zur allgemeinen Geschichte des Hochstifts Meißen im Mittelalter vgl. R. K ö t z s c h k e , Das Hochstift Meißen in der Landesgeschichte, in: Der Dom zu Meißen, 1929, S. 1 ff.; K ö t z s c h k e - K r e t z s c h m a r I; F. B l a n c k m e i s t e r , Sächsische Kirchengeschichte, 1906; die Einleitungen in den 3 Bänden des Urkundenbudis des Hochstifts Meißen ( = CDSR II, 1—3); E. M a c h a t s c h e k , Geschichte der Bischöfe des Hochstifts Meißen, 1884. le ) Dazu s. u. S. 25.
Erster
DIE
Teil
G R U N D L A G E N
A. D e r Z u s t a n d d e s H o c h s t i f t s M e i ß e n b e i m r u n g s a n t r i t t H e r z o g H e i n r i c h s des F r o m m e n
Regie(1539)
Betrachten wir zunächst die Verhältnisse des Hochstifts Meißen, wie sie beim Regierungsantritt Herzog Heinrichs lagen, und achten wir dabei besonders auf die Momente, die dem Landesherrn eine Handhabe zur Durchsetzung seiner Neuerungspläne bieten konnten. 1. D o m k a p i t e l
und
Diözese
Der Umfang der Diözese Meißen, deren Grenzen sich seit 1346 nicht mehr verändert hatten, erstreckte sich im Westen von der Mulde 17 (mit Unterlauf der Zwickauer Mulde) bis zum Queis und Bober im Osten. Die Südgrenze bildete etwa die Kammlinie des Erzgebirges und deren Verlängerung nach Osten. Die Nordgrenze führte von Altjeßnitz an der Mulde 18 in nordöstlicher Richtung zur Elbe, die sie wenig unterhalb des Einflusses der Schwarzen Elster erreichte, dann im großen und ganzen in derselben Richtung weiter in der Nähe der Süd- und Süd-Ostgrenze des heutigen Groß-Berlin vorbei bis zur Spree, die sie etwa in der Mitte zwischen Köpenick und Fürstenwalde erreichte; dann führte sie längs dieses Flusses aufwärts bis Beeskow, von hier ab östlich zur Oder, auf die sie bei Fürstenberg traf, dann oderaufwärts bis zur Bobermündung 19 . Ebenso wie jede andere deutsche Diözese war seit dem 12./13. Jahrhundert 2 0 auch die Meißner in mehrere Unterbezirke, die sog. Ardiidiakonate, diese wieder in Archipresbyterate untergeteilt. Die denselben vorstehenden Ardiidiakone bzw. Archipresbyter (Erzpriester) hatten in bestimmten 1 T ) Kleine Abweichungen von der Muldengrenze teilt B ö n h o f f mit: BSKG 17, 1903, S. 142 ff. [Vgl. jetzt auch: K. B l a s c h k e , W . H a u p t , H . W i e ß n e r , Die Kirchenorganisation in den Bistümern Meißen, Merseburg und Naumburg um 1500, Weimar 1969; sowie unten S. 186 R i 11 e n b a c h.] 1B
) Wenige Kilometer nördlich von Bitterfeld.
) Vgl. hierzu die von O. P o s s e als Anhang zu C D S R II, 1 veröffentlichte Karte „Das Bistum Meißen in seiner Entwicklung". 19
20) B ö n h o f f : 1908, S. 29.
Mitt. d. Ver. f. Chemnitzer Gesch. 11, 1901, S. 36 und 14,
A / l . Domkapitel und Diözese Obliegenheiten21
den Bischof bei der L e i t u n g der D i ö z e s e z u
7 vertreten.
Archidiakone w a r e n in M e i ß e n herkömmlicherweise fast überall die I n h a ber bestimmter hoher geistlicher W ü r d e n ; fast sämtliche A r c h i d i a k o n e w a ren M e i ß n e r D o m h e r r e n . Z u m Erzpriester w u r d e in den meisten Bezirken irgend ein geeignet erscheinender Geistlicher des b e t r e f f e n d e n Bezirks eingesetzt 2 2 . Es sei hier noch kurz der Stellung gedacht, die das B i s t u m M e i ß e n als G a n z e s innerhalb der O r g a n i s a t i o n der G e s a m t k i r d i e einnahm. Seit 1 3 9 9 w a r es auf G r u n d päpstlicher V e r f ü g u n g e x e m t 2 3 . Z u v o r w a r es ebenso w i e 21 ) Zu den Obliegenheiten der Archidiakone vgl. R E 1, 784, zu denen der Erzpriester H i n s c h i u s , Das Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten in Deutschland II, 273; K a u f f u n g e n : M M 6, 1902, S. 249; B ö n h o f f : Mitt. d. Ver. f. Chemn. Gesch. 11, 1901, S. 44; 14, 1908, S. 28; K n o t h e : BSKG 2, 1883, S. 33. 22 ) Die Grenzen der neun Ardiidiakonate der Meißner Diözese sind ebenso wie diejenigen der Archipresbyterate (Sedes) aus der oben Anm. 19 erwähnten Karte ersichtlich. Die Bezeichnungen f ü r die meisten Ardiidiakonate sowie f ü r einzelne Sedes richteten sich nach den geistlichen Würdestellungen, deren Inhaber der betreffende Archidiakon bzw. Erzpriester herkömmlicherweise stets war. So bezeichnete man den Archidiakonat, der stets vom Propst des Meißner Domkapitels betreut wurde, als Praepositura Misnensis, den vom Meißner Domdekan betreuten als Decanatus Misnensis usf. Diese Gepflogenheit hat K a u f f u n g e n (MM 6, 1904, S. 248) außer beim Archidiakonat Oberlausitz nicht beachtet; deshalb glaubt er nur von vier Archidiakonaten sprechen zu dürfen, nämlich denen von Nisan, Niederlausitz, Chemnitz und Zschillen. Vom Archidiakonat der Oberlausitz behauptet er irrigerweise (vgl. B ö n h o f f : N L M 89, 1913, S. 127 ff.) und ohne d a f ü r eine Quelle anzugeben, derselbe sei bald dem Prager Erzbistum unterstellt worden. Die genannte Karte ist jedoch auf G r u n d der Ausführungen B e c k e r s in N A 23, 1902, S. 203 ff. (für die Präpositur Riesa vgl. auch B ö n h o f f : BSKG 17, 1903, S. 161 ff.) zu korrigieren: Die Präposituren Riesa und Clöden sind nie Ardiidiakonate gewesen; das f ü r erstere in Anspruch genommene Gebiet hat zur Praepositura Misnensis, das der letzteren zugeschriebene zum Decanatus Misnensis gehört. Im übrigen sind die Ardiidiakonats- und Sedesgrenzen bei P o s s e (s. o. A n m . 19) nur noch in einigen Fällen etwas ungenau, wie sich aus folgenden Untersuchungen B ö n h o f f s ergibt: Für den Archidiakonat der Oberlausitz: N L M 89, 1913, S. 127 ff.; f ü r den Archidiakonat Chemnitz: Mitt. d. Ver. f. Chemn. Geschichte 11, 1901, S. 35 f f . (s. auch oben Anm. 17), f ü r den Ardiidiakonat Zschillen: N A 31, 1910, S. 272 Anm. 2. — Uber die Frage, welche geistlichen Würden herkömmlicherweise mit den einzelnen Archidiakonatsstellen verbunden waren, vgl. B ö n h o f f : N A 35, 1914, S. 241 und N L M 89, 1913, S. 125 f. u. S. 164 Anm. 2. Ober die Besetzung der Erzpriesterstellen vgl. R. B e c k e r : N A 23, 1902, S. 205 f.; B ö n h o f f : N L M 89, 1913, S. 148, 163; K n o t h e : BSKG 2, 1883, S. 33 ff.; vgl. auch B ö n h o f f : Mitt. d. Ver. Chemn. Geschichte 14, 1908, S. 27. 23 ) C D S R II, 2, S. 284 N r . 751. Wenn dort nur von einer Erneuerung der Exemtion die Rede ist, so liegt dabei eine Bezugnahme auf die als unecht erwiesene (CDSR I, 1, S. 170) U r k u n d e C D S R II, 1 S. 5 N r . 4 vor. Versehentlich findet sich die exemte Stellung Meißens bei A. W e r m i n g h o f f , Verfassungsgesdiichte der deutschen Kirche im Mittelalter, 2. Aufl. 1913, S. 136, nicht erwähnt.
Erster Teil: D i e Grundlagen
8
fast alle übrigen von O t t o dem Großen gegründeten Wendenbistümer dem Erzbistum Magdeburg unterstellt; nur war dieses Verhältnis f ü r die Zeit von 1365 bis 1399 durchlöchert gewesen durch Verleihung der ständigen päpstlichen Legatur f ü r das Hochstift Meißen an den jeweiligen Erzbischof von Prag 2 4 . Wir lenken unser Augenmerk nunmehr auf das Hochstift selbst und betrachten zunächst dessen Verfassung. Es standen hier wie in anderen Hochstiftern zwei Organe nebeneinander: der Bischof als der Stiftsherr und das Domkapitel 2 5 . Beim Bischof lag die Leitung und Entscheidungsgewalt in allen Angelegenheiten des Hochstifts, soweit nicht das Domkapitel hier Rechte erworben hatte. Das Domkapitel 2 6 setzte sich in Meißen aus 1527 Domherren zusammen. War auch Meißen kein reiches Stift, so stand doch die Würde eines Meißner Domherren in hohem Ansehen. Dementsprechend war adelige Abstammung oder Besitz eines höheren akademischen Grades wie in anderen Hochstiftern so auch in Meißen — hier seit dem Ende des 15. Jahrhunderts — Vorbedingung f ü r die Aufnahme geworden 28 . Universitätsstudium wurde seit 1498 von allen verlangt. Das Recht zur Neubesetzung der Domherrenstellen war im Spätmittelalter nach und nach so gut wie völlig vom Kapitel an die sächsischen Herzöge übergegangen, wovon noch ausführlicher zu handeln sein wird 2 9 . Ausnahmen hiervon bildeten eigentlich nur noch das dem Kaiser und dem Bischof von Meißen 30 zustehende jus primariarum precum. Zur Erledigung der Geschäfte des Kapitels bestanden nun audi in Meißen innerhalb desselben eine Reihe von Ämtern von verschiedenem Ansehen 24 ) C D S R II, 2, S. 63 N r . 555. Jedoch ist diese v o n Kaiser Karl IV. inspirierte päpstliche Anordnung infolge der Bemühungen des Markgrafen Wilhelm v o n Meißen nie in K r a f t getreten ( Z i e s c h a n g : B S K G 23, 1909, S. 28, unter Berufung auf K. W e n c k , D i e Wettiner im 14. Jahrhundert, 1877, S. 16 f.). 25 ) A . S c h u 11 z e , Stiftsherr und D o m k a p i t e l zu Meißen einst und jetzt in rechtlicher Betrachtung: Der D o m zu Meißen, 1929, S. 63. 2B
) Vgl. K a u f f u n g e n : M M 6, 1902, S. 121 f f .
27
) N a c h W e r m i n g h o f f , Verfassungsgeschichte, 1913, S. 146, hatte das Meißner Kapitel die kleinste Domherrenzahl aller deutschen Kathedralkapitel, eine Folge der Vermögenslage der Meißner Kirche. 28 ) Vgl. K ö t z s c h k e : D o m zu Meißen S. 24: „Die ständische Zusammensetzung [des Meißner Kapitels im Spätmittelalter] erfuhr einen gewissen Wandel, indem das bürgerliche Element zunahm, ja zeitweilig geradezu überwog." Letzteres ist aber wohl doch die Ausnahme gewesen. 1540 bei der zweiten lutherischen Visitation zählen wir 11 adelige und 4 bürgerliche Domherren. 29 30
) S. u. S. 29 f f .
) Auch der Erzbischof v o n Magdeburg hatte ein jus primariarum precum in Meißen besessen. Ich möchte jedoch annehmen, daß dieses seit dem Ausscheiden Meißens aus der Kirdienprovinz Magdeburg erloschen war.
A / l . D o m k a p i t e l u n d Diözese
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und Bedeutung. Die vornehmste Stellung hatte der Dompropst inne. Er war der eigentliche Repräsentant des Kapitels. Jedoch war seine Bedeutung im Laufe des Mittelalters mehr und mehr verblaßt zugunsten des zweithöchsten Würdenträgers, des Dekans. Bei diesem lag praktisch die Leitung in allen Kapitelsangelegenheiten; seiner Disziplinargewalt unterstand der gesamte Domklerus. Er wurde vertreten vom Senior des Kapitels. Weitere angesehene Kapitelsämter waren das des Kustos als Verwalters des Kirchenschatzes, das des Scholastikus als Leiters der Domschule, das des Kantors, ferner die Propsteien der mit dem Hochstift eng verbundenen Kollegiatstifter Bautzen und Zscheila (bzw. Großenhain) 3 1 sowie die Archidiakonate der Kirchenbezirke Niederlausitz und Nisan 3 2 , die sämtlich stets an Meißner Domherren verliehen wurden. Auch f ü r diese Ämter war das Präsentationsrecht an die Wettiner gekommen 33 . Wie anderwärts hatte auch in Meißen das Kapitel als Körperschaft das Recht erlangt, unabhängig vom Bischof über seine inneren Angelegenheiten zu beraten 34 und Beschlüsse zu fassen, den ihm gehörenden Teil des Stiftsvermögens zu verwalten, sowie über seine Mitglieder die Jurisdiktionsgewalt auszuüben; nur in besonders wichtigen Fällen behielt sich in der letzteren Angelegenheit der Bischof die Entscheidung vor. Dazu kamen wesentliche Rechte zur Mitregierung des Hochstifts und der Diözese: Bei allen Veränderungen am Kirchengut, allen Steuerausschreibungen sowie allen wichtigeren Diözesanangelegenheiten mußte der Bischof die Zustimmung des Domkapitels einholen 35 . Ihre größte Ausdehnung erreichten die Befugnisse des Kapitels bei Vakanz des bischöflichen Stuhls; dann lag die Admi31
) Vgl. unten S. 19.
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) Dieser aus der Sorbenzeit ü b e r n o m m e n e L a n d s c h a f t s n a m e bezeichnet das Gebiet um Dresden u n d P i r n a (vgl. P o s s e s D i ö z e s a n k a r t e in C D S R II, 1). 33 ) Genaueres über die Präsentationsrechte der W e t t i n e r s. u. S. 29 f f . Die Ä m t e r des Propstes, Dekans, der P r ö p s t e v o n Bautzen u n d Zscheila sowie der Archidiakone v o n N i s a n u n d N i e d e r l a u s i t z , bisweilen auch die des Kustos, Scholastikus u n d K a n t o r s , f ü h r t e n die Bezeichnung D i g n i t ä t e n . B ö n h o f f ( M W II, 2, 1916, S. 49) rechnet d a z u auch n o d i die Propstei des W u r z n e r Kollegiatstifts, die ursprünglich auch i n n e r h a l b des M e i ß n e r Kapitels vergeben w o r d e n w a r . Sie w a r dem D o m kapitel jedoch dadurch e n t f r e m d e t w o r d e n , d a ß das P a t r o n a t über sie an den bischöflichen S c h l o ß h a u p t m a n n zu Stolpen gekommen w a r , der sie audi a u ß e r h a l b des Meißner Kapitels verleihen d u r f t e ( C D S R II, 3, S. 278 f. N r . 1267). 34
) Z u r Regelung der d e m K a p i t e l als K o r p o r a t i o n zustehenden Angelegenheiten bestand die Einrichtung v o n alle f ü n f bis sechs Tage s t a t t f i n d e n d e n gewöhnlichen Kapitelsversammlungen, den sog. capitula hebdomadalia, sowie v o n H a u p t v e r sammlungen, den sog. capitula generalia. T a g u n g s o r t w a r f ü r alle diese V e r s a m m lungen die (jetzt als Stiftsarchiv dienende) Kapitelsstube im O s t e n der Kirche hinter d e m C h o r u m g a n g ( L o o s e : M M 3, 1894, S. 98 A n m . 107, vgl. den P l a n bei S. 80). 35 ) Vgl. a u ß e r K a u f f u n g e n a . a . O . S. 242, R . S t a r k e , der Bischöfe von Meißen im M i t t e l a l t e r : M M 8, 1913, S. 283 f f .
Die E i n k ü n f t e
Erster Teil: Die Grundlagen
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nistration der Diözese und schließlich die Wahl eines neuen Bischofs bei ihm. Endlich sei auch hier noch einmal darauf hingewiesen, daß mehrere Mitglieder des Kapitels weitgehende Befugnisse zur Mitregierung der Diözese durch ihre Stellung als Archidiakone hatten 3 6 . Die Bedeutung der Archidiakone war jedoch gegen Ende des Mittelalters stark zurückgegangen infolge der Einsetzung eines direkt dem Bischof unterstehenden Offizials, der dem Vikarsstande angehörte. Grund d a f ü r war u. a. die Bequemlichkeit der Domherren 3 7 . Es ist überhaupt in Meißen wie in den übrigen deutschen Hochstiftern zu beobachten, daß die Domherren im Laufe des Mittelalters sich ihren Aufgaben weithin entfremdet hatten. Viele von ihnen betrachteten ihre Kanonikate nur als die Grundlage f ü r eine sorglose und angenehme Lebensführung; den Pflichten, die sich aus ihrer Stellung ergaben, entzogen sie sich gern. Mit Vorliebe taten es die adeligen Domherren ihren weltlichen Standesgenossen gleich und lebten auf ihren Familiengütern oder ließen sich im Dienste der Fürsten gebrauchen 38 . Die jedem Kanoniker obliegende Pflicht zur dauernden Anwesenheit am Sitze des Hochstifts wurde darum häufig — mit oder ohne Urlaub — durchbrochen. Manche Meißner Domherren hielten nicht einmal ein Erscheinen auf den Generalkapiteln f ü r nötig 39 . Galt einmal die materielle Seite als das Wesentliche am Domherrnstande, so erschien natürlich auch der Erwerb mehrerer Kanonikate und Kapitelsämter erstrebenswert. N u n ging es nicht an, mehrere Domherrenstellen in einem und demselben Kapitel innezuhaben; auch der Besitz von mehreren Kapitelsämtern innerhalb des Stifts war in Meißen seit 1498 verboten 40 . Wohl aber begegnen uns Meißner Domherren, die gleichzeitig Mitglieder oder sogar Würdenträger eines auswärtigen Domkapitels waren 4 1 . Die Folge davon war, d a ß sie zumindest in einem der beiden Kapitel ihre kirchlichen Pflichten versäumen mußten. D a ß Bequemlichkeit und Pflichtvergessenheit in den sächsischen Hochstiftern überhand genommen hatten, hören wir auch aus dem Munde des letzten katholischen Regenten des albertinischen Sachsen, des Herzogs Georg. Als auf einer Versammlung, die 36
) Vgl. oben S. 6 f.
3T
) K a u f f u n g e n a.a.O. S. 253. Vgl. Luthers Urteil in der Vorrede zum Unterridit der Visitatoren von 1528 (WA 26, 196). 38
) Zu letzterem vgl. unten S. 30 f.
39
) K a u f f u n g e n S. 151 f.; vgl. 131 f., 133.
40
) K a u f f u n g e n S. 139.
41
) K a u f f u n g e n S. 132, besonders Anm. 58. Zur Zeit der zweiten lutherischen Visitation im Hochstift Meißen, Januar 1540, hatten von den 15 Domherren nur sieben die Residenzpflicht eingehalten, was teilweise wenigstens an dem Besitz mehrerer Kanonikate lag. (Nadi den Protokollen dieser Visitation Dr. Loc. 8994 Acta, die Veränderung der Religion, Bl. 74 ff., und Loc. 10599 Visitation, Bl. 67 ff.).
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er mit Prälaten seines Landes im Juli 1538 in Leipzig abhielt, der Vorschlag zur Errichtung einer Burse an der dortigen Universität gemacht wurde, äußerte er das Bedenken, ob dann dort auch gearbeitet werde. Denn die Universitätsprofessoren seien laß und träge; würden sie gar Domherren, so habe das Lesen völlig ein Ende, wie denn überhaupt der Müßiggang in den Stiftern sich eingenistet habe. Hinsichtlich der Merseburger Domherren — es wird in Meißen nicht anders gewesen sein — schrieb der Herzog 1529 an Papst Clemens VII: cum in iis sint nonnulli splendido et illustri loco nati, quod hominum genus, ut iam saepe usu compertum habemus, magis splendori et luxui suo quam ecclesiae servire et expilatores ecclesiae magis quam episcopos agere soletli. Zu diesem Müßiggang gesellten sich schwere sittliche Mißstände. In unseren Quellen werden Strafen erwähnt für Kanoniker, die wegen Raufens, Stechens und Unzucht anrüchig waren43. 1540 wurde den Domherren von den Visitatoren anbefohlen, alle verdächtigen Weibspersonen aus ihren Häusern zu tun 44 . Auch der von Luther überlieferten Äußerung des Leipziger Juristen Dr. Georg von Breitenbach: „Sieht man einen Theologen vom Leipziger Schlage, ist einem, man sähe die sieben Todsünden"45, darf man sich hier erinnern, da zwei dieser Professoren regelmäßig dem Meißner Domkapitel angehörten48. Die weitgehende Vernachlässigung der kirchlichen Pflichten durch die Domherren, die Häufung der Geschäfte des Hochstifts sowie die starke Vermehrung gottesdienstlicher Handlungen hatte in Meißen ebenso wie in anderen Hochstiftern zur Anstellung zahlreicher Vikare 47 geführt. Ihre Gesamtzahl betrug im Jahre 1540 bei der zweiten Visitation 68 48 . Unter ihnen 42)
F. G e ß , Die Klostervisitationen Herzog Georgs von Sachsen, 1888, S. 42 f.
43)
Kauffungen
44)
Dr. Loc. 8994 a.a.O. (s. o. Anm. 41).
45)
Nach der Mitteilung bei G e ß , Klostervisitationen S. 27.
S. 216.
46)
Auch das Bild, das E. H o f f m a n n , Naumburg a. S. im Zeitalter der Reformation, 1902, S. 47 f. von den diesbezüglichen Naumburger Verhältnissen entwirft, wird man bis zu einem gewissen Grade auf Meißen übertragen dürfen: Ein ernstlicher Versuch Bischof Johanns III. (1492—1517), Sitten- und Lebenswandel der Stiftsgeistlichkeit zu reformieren, habe große Unzufriedenheit unter dem Klerus erregt. A m Ende der Regierung Bischof Philipps (1540) habe am Dom völlige Auflösung in Sitte und Ordnung geherrscht. Seit wenigstens dem 14. Jahrhundert seien die geistlichen Pflichten in steigendem Maße hinter politischer und wirtschaftlicher Tätigkeit zurückgetreten. Audi die wenigen residierenden Domherren hätten begonnen, ihre Kanonikate als Sinekuren zu betrachten, und nicht daran gedacht, die Vikare zu beaufsichtigen. 47) 48)
Vgl. über diese K a u f f u n g e n S. 162 ff., 194 f f .
Nach dem von den Visitatoren bei der zweiten Visitation im albertinischen Sadisen am 5. 1. 1540 in Meißen aufgenommenen Protokoll (Dr. Loc. 10297 Act. Extract. betr. die Reformation und geschehene Visitationen 1522, Bl. 32 ff., abgedruckt und kommentiert von L o o s e : MM 4, 1897, S. 347 ff.). Ich komme jedodi
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Erster Teil: Die Grundlagen
ragten die selbständigen Vertreter des Bischofs, des Propstes, des Dekans sowie der übrigen durch Ämter in Anspruch genommenen Domherren durch Ansehen und Bedeutung hervor. Der Bischof hatte unter den Vikaren einen Offizial zur Ausübung der ihm in seiner Diözese zustehenden Gerichtsbarkeit (in Konkurrenz mit den Archidiakonen), einen Generalvikar, welcher der gesamten bischöflichen Jurisdiktion vorstand, sowie zwei vicarii episcopales zu seiner Hilfe beim Gottesdienst und zur Erledigung von Sekretärsgeschäften, schließlich einen camerarius zur Verwaltung der mensa episcopalis. Audi das Kapitel hatte als Verwalter seines Vermögens einen Vikar, der als Syndikus bezeichnet wurde49. Unser besonderes Interesse dürfte noch der auch zu den Vikaren zählende Domprediger finden, dessen Amt 1419 testamentarisch eingesetzt worden war mit der Bestimmung, daß an Sonn- und Festtagen deutsch gepredigt werde. Von ihm wurde der Besitz eines höheren akademischen Grades verlangt. Zu diesen Vikaren, die verantwortungsreiche Ämter bekleideten, kamen weitere zur Vertretung der abwesenden Domherren bei Gottesdiensten und schließlich noch eine große Anzahl von Meßpriestern zum Dienst an den vielen im Dom von den Landesfürsten, Adelsfamilien, Domherren u. a. gestifteten Nebenaltären 50 oder an der dem Dom im Westen angebauten Begräbniskapelle des Hauses Wettin 51 . Alle diese Vikare zusammen bildeten die sog. fraternitas vicariorum. In bezug auf Lebensführung und Einkünfte waren sie völlig vom Kapitel abhängig. Überhaupt scheint ihre Situation keine beneidenswerte gewesen zu sein, denn ihre finanzielle Lage war schlecht. Besonders gilt das vermutlich in bezug auf die Meßpriester, die nur von "den für ihren Altar genickt wie L o o s e
(a.a.O. S. 348) auf die Gesamtzahl von 69, sondern nur von
68 Vikaren, wenn ich zu den eigentlichen Vikaren ( 5 3 : a.a.O. S. 3 6 0 — 3 6 5 ) den Kapellenmeister
„auf der grabaterey", den ebenfalls dorthin gehörigen Kaplan
(S. 365), die 7 Vikarien der „Schutterei" und die 6 Kapläne (S. 366) hinzuzähle. — Der Stiftsyndikus Johann Fritzsch nennt in seinem gleichzeitig mit obigem aufgenommenen Protokoll (Dr. Loc. 8994 Acta, die Veränderung der Religion, Bl. 74 ff.) nur 56 Vikarien, wobei er die besonderen Gruppen offenbar größtenteils wegläßt. 4 9 ) Daß der Syndikus (auch procurator capituli genannt) zu den Vikaren gehörte, wird von K a u f f u n g e n S. 220 nur vermutet, wird aber deutlich durch L o o s e : MM 4, 1897, S. 361 Anm. 27. 6 0 ) N a c h J. L. R ü 1 i n g , Geschichte der Reformation zu Meißen im Jahre 1539 und folgenden Jahren, 1839, S. 23, gab es „kurz vor der Reformation" im Meißner Dom 56 Altäre, außerdem Tragaltäre. G u r 1 i 11 (Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler in Sachsen, H . 40, 1920, S. 225) gibt für die Zeit zu Beginn der Reformation die Lage der einzelnen Altäre an. Demzufolge wären es 26 gewesen, doch kommen dazu noch die Altäre der 11 baulich zum Dom gehörenden Kapellen (letztere aufgezählt von L o o s e : MM 3, 1894, S. 97 ff., vgl. dazu den Plan S. 80). 5 1 ) Die 7 Vikare an der fürstlichen Begräbniskapelle führten die Bezeichnung „Schotten". Über sie vgl. K a u f f u n g e n S. 166 f.
A / l . D o m k a p i t e l u n d Diözese
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machten Stiftungen und Opfergaben lebten. Dazu kommt, daß ihre Verantwortung und Arbeitslast z. T. groß war — die meistbeschäftigten Vikare hatten wieder ihrerseits einen Kaplan als Stellvertreter —, und daß ihrer Lebensführung enge Schranken gezogen waren: größtenteils lebten sie zusammen in einem gemeinsamen Hause, die Residenzpflicht f ü r die vicarii majores war streng; dem Dekan waren die Vikare zu Gehorsam verpflichtet, ohne sein und des Kapitels Wissen durften sie sich nicht versammeln; geheime Verbindungen zum Schaden des Kapitels einzugehen, war ihnen strengstens untersagt. N u r die Tatsache, daß, wie erwähnt, einige Vikare verantwortungsreiche Stellungen innehatten, auf Grund deren sie immerhin einen gewissen Einfluß auf die Geschäftsführung des Hochstifts ausüben konnten, machte die Lage auch der gesamten Vikarschaft erträglicher. In sittlicher Beziehung scheint das schlechte Beispiel der Domherren auf die Vikare zum Teil ansteckend gewirkt zu haben; auch ihnen befehlen 1540 die Visitatoren, keine verdächtigen Weibspersonen unter sich zu dulden 52 . Noch unter den Vikaren standen die auch noch dem geistlichen Stand angehörenden Kirchensänger (chorales)53, deren Zahl zwischen 24 und 28 schwankte und deren finanzielle Stellung so schlecht war, daß sie auf den Bettel angewiesen waren. Auch sie lebten gemeinsam. Aus dem Gesagten konnte schon deutlich werden, daß der Gottesdienst, die ursprünglichste und eigentlichste Aufgabe der Domkapitel, in Meißen an Vielgestaltigkeit und Glanz den Gewohnheiten des Spätmittelalters entsprach. Ja, er wird manche große Kirche des Reiches noch übertroffen haben. Denn zu dem Horengesang und den Konventsmessen des Kapitels 64 sowie den Privatmessen der Vikare wurde die alltägliche Anrufung Gottes in Meißen noch in einer sonst wohl nicht wieder auftauchenden Form bereichert durch den sog. „Ewigen C h o r " : auf Grund einer kurfürstlichen Stiftung von 1480 ertönten im Meißner Dom Tag und Nacht ohne nennenswerte Pause geistliche Gesänge 55 . Daneben hatten noch gewisse dem Spät52 ) Nach den Visitationsprotokollen (s. o. A n m . 41). E. H o f f m a n n (s. A n m . 46) meint, d a ß den N a u m b u r g e r D o m s t i f t s v i k a r e n „schlechterdings alle Eigenschaften zur E r f ü l l u n g ihres B e r u f s " gefehlt h ä t t e n ; „Ungeschicklichkeit, U n f l e i ß u n d U n sittlichkeit gingen (bei ihnen) H a n d in H a n d " . Vielleicht ist es in Meißen nicht viel anders gewesen. 5S ) K a u f f u n g e n S. 201 f f . D e m n a c h gliederten sich diese C h o r s ä n g e r in einen eborus major, der im D o m selbst, und einen chorus minor, der in der F ü r stenkapelle w i r k t e u n d dessen Mitglieder als G r a b a t e n bezeichnet w u r d e n . H e r m e l i n k ( H a n d b u c h der Kirchengesdiichte 3, 38) deutet die G r a b a t e n als „ A n w ä r t e r " (wohl f ü r den Chorsängerdienst). 54 ) D a r ü b e r und über die gottesdienstlichen Pflichten der M e i ß n e r D o m h e r r e n ü b e r h a u p t vgl. K a u f f u n g e n S. 145 f f . B5 ) M a c h a t s c h e k S. 82, 527 f. Die Beschreibung der liturgischen O r d n u n g des „Ewigen C h o r s " im einzelnen abgedruckt u. a. bei F. A. Ebert, D e r D o m zu Meißen, 1835, S. 67 f f . Vgl. das überschwengliche Lob, das Cochläus diesem „ E w i gen C h o r " spendet (an Farnese, Stolpen, 5. 8. 1539: N B 4, 578 ff.).
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Erster Teil: Die Grundlagen
mittelalter besonders lieb gewordene Formen des Kultus auch im Meißner Dom Platz gefunden: 1513 hatten Herzog Georg und Herzogin Barbara eine Art geistliches Schauspiel gestiftet, das alljährlich von Gründonnerstag bis Ostersonntag aufgeführt wurde und das Heilsgesdiehen dieser Tage darstellte58. Und endlich hatte in einer Zeit, da Luthers Verkündigung schon viele Christen dem alten Kirchentum entfremdete, die Meißner Diözese noch einen speziellen Schutzheiligen bekommen: Benno, Meißner Bischof aus der Zeit des Investiturstreites, dessen Verehrung seit dem Ende des 13. Jahrhunderts bezeugt ist, war 1523 kanonisiert worden. Sein kunstvolles Grabmal befand sich im Meißner Dom in der Mitte des Schiffs, sein Fest (16. Juni) wurde jährlich hier begangen57. Diesen mannigfachen Kulthandlungen verlieh der Bau des Domes mit seinen hochgotischen Formen einen edlen Rahmen. Seit etwa 1420 war der gotische Dom im wesentlichen fertig, doch wurde bis in den Anfang des 16. Jahrhunderts hinein noch daran gebaut58. Dieser Zeuge mittelalterlicher Kirchlichkeit war also kaum vollendet, als eine neue Zeit anbrach. Für den Unterhalt der Meißner Stiftsgeistlichkeit standen verschiedenartige Einkünfte und zahlreiche Besitzungen zur Verfügung. Abgesehen von den jedem Bischof zustehenden Abgaben handelte es sich dabei vor allem um Schenkungen deutscher Kaiser, aber auch der Wettiner, der Könige von Böhmen und einzelner Adeliger59. Trotzdem ist das Hochstift Meißen im Vergleich zu den meisten übrigen Stiftern Deutschlands keineswegs reich zu nennen. Wir wollen uns hier nur die wichtigsten Einnahmequellen kurz vergegenwärtigen. Dem Finanzhaushalt des Bischofs standen zunächst Einkünfte zur Verfügung, die dieser als geistlicher Oberhirt empfing®0. Das subsidium des Diözesanklerus wurde in Meißen alle zwei Jahre erhoben (darum als subsidium biennale bezeichnet). Es wird berichtet, daß die Geistlichkeit diese Steuer als drückend empfand81. Das subsidium caritativum, an sich eine 5 B ) Die Stiftungsurkunde C D S R II, 3, S. 329 ff. N r . 1348. Vgl. dazu g e r , Tausend Jahre Meißen, 1929, S. 357.
H.Gro-
5 T ) Vgl. besonders O. L a n g e r , Bischof Benno von Meißen. Sein Leben und seine Kanonisation: MM I, 5, 1886, S. 1 ff.; MM 2, 1891, S. 99 ff. — Ober Lage und Aussehen der Benno-Tumba vgl. G u r 1 i 1 1 , Beschreibende Darstellung, H . 40, S. 225, 241 ff. Die dort S. 244 wiedergegebene spätgotische Tumba ist jedoch nicht die 1524 neu errichtete, deren Aussehen wir leider nicht kennen. 5 8 ) Vgl. J. S c h u b e r t , Der Dom zu Meißen als Bauwerk, 1927 (mit zahlreichen Abbildungen), ferner die eingehende baugeschichtliche Beschreibung G u r l i t t s , a.a.O., sowie seine kürzere Darstellung in: Der Dom zu Meißen, 1929, S. 81 ff. 69
) Vgl. die Urkunden des CDSR.
) Darüber berichtet eingehend S t a r k e : MM 8, 1913, S. 247 ff. ) Das subsidium biennale war in den Jahren mit ungerader Jahreszahl jeweils am 6. Januar bzw. 2. Februar fällig und brachte jedesmal 972 Rheinische 60 el
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Steuer, die der Bischof bei besonders schlechter Finanzlage v o n den Geistlichen seiner D i ö z e s e erheben durfte, hatte im z w e i t e n Drittel des 16. Jahrhunderts in Meißen die Rolle eines ingressus 62 angenommen, d. h. es w u r d e v o n jedem Bischof nach seiner Konsekration gefordert; es betrug das D o p pelte eines sttbsidium biennale. D i e Zehntabgabe der im Bistumsbereich lebenden Laien erhielt der Meißnische Bischof an der Schwelle der R e f o r mationszeit bei w e i t e m nicht mehr allgemein. Z. T. w a r sie nie in Erscheinung getreten, z. T. später e t w a zu Gunsten anderer kirchlicher Anstalten darauf verzichtet worden. D e n n o c h nennt Starke die Zehnteinkünfte, die der Bischof v o n Meißen am Ausgang des Mittelalters 6 3 noch hatte — sie lagen in einem Teil der Oberlausitz und in d e m Gebiet u m Mügeln' 4 — , nicht unbedeutend, e t w a im Vergleich zu den geringen E i n k ü n f t e n seines Brandenburger Kollegen. I m wesentlichen bezog jedoch die Meißner Stiftsgeistlichkeit ihre Einkünfte aus dem stiftischen Landbesitz 6 5 , der durch die ganze D i ö z e s e verstreut war. Wir gehen bei seiner Betrachtung v o n Westen nach Osten. Im Westen w a r es dem Hochstift gelungen, um Würzen herum ein größeres geschlossenes Gebiet zu erwerben, über welches der Bischof auch landesherrliche Befugnisse erlangt hatte. Dieses erstreckte sich im wesentlichen v o n der Mulde als Westgrenze nach Osten bis dicht an die Stadt D a h l e n heran, die N o r d g r e n z e lief e t w a auf der späteren sächsisch-preußischen Grenze hin, Gulden ein. Seine Höhe richtete sich bei jedem Geistlichen nach dem Ertrag der Pfründe. Dieser ist angegeben in der sog. Bistumsmatrikel, deren neuestes und für uns allein in Frage kommendes Exemplar wir im Liber Salhusii (im Domstiftsarchiv Meißen, Bl. 84—131) von 1495 — jedoch mit Nachträgen aus späterer Zeit —• besitzen. Abgedruckt ist diese Matrikel — aber nicht auf Grund des Liber Salhusii, sondern auf Grund von anderen Exemplaren — im CDSR II, 1, S. 201 ff. Zu dem Verhältnis des Liber Salhusii zu diesen anderen Exemplaren vgl. R. B e k k e r : N A 23, 1902, S. 193 ff. und L. B ö n h o f f : N A 35, 1914, S. 125 ff., 233 ff. Die Entrichtung des subsidium biennale bedeutete für jeden Geistlichen eine Abgabe von 1,36 % seines Jahreseinkommens. D a ß der Klerus das subsidium als sehr drückend empfand, sagt P. K i r n , Friedrich der Weise und die Kirche, 1926, S. 57; Bischof Johann VI. habe daher nach seinem Regierungsantritt in diesem Punkte Widerstand gefunden, den er aber mit kostspieligen, z. T. in Rom geführten Prozessen überwunden habe. In diesem Zusammenhang berichtet Kirn, daß auch in anderen Diözesen (Mainz, Brandenburg) die Subsidienforderungen vom Klerus als drückend empfunden worden seien. Vgl. auch K. P a 11 a s : N . Mitt. a. d. Gebiet hist.-antiqu. Forschungen 24, 1910, S. 160. 82 63 64
) Vgl. R E 1, 94. ) Genauer: im Jahre 1495.
) Die Dörfer und Weinberge, die 1495 dem Bischof noch zehntpflichtig waren, finden sich namentlich und mit Angabe der Höhe des Tributs bei S t a r k e a.a.O., S. 338 ff. und in den Tabellen S. 361 ff. Sie lagen keineswegs alle im Stiftsterritorium, in der Oberlausitz sogar überhaupt nicht. e5 ) Eine eingehendere Zusammenstellung über denselben gibt E. R i e h m e , Markgraf, Burggraf und Hochstift Meißen: MM 7, 1909, S. 430 ff.
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Erster Teil: D i e Grundlagen
die Südgrenze vom Wermsdorfer Forst zur Mulde, die sie etwa in der Mitte zwischen Würzen und Grimma erreichte 66 . Sodann treffen wir südöstlich von der terra Wurcinensis auf ein zweites, jedoch sehr kleines geschlossenes Gebiet, f ü r das der Bischof gleichfalls auch weltliche Obrigkeit w a r : das Städtchen Mügeln mit etwa einem Dutzend Dörfern seiner Umgebung 67 . Es folgten östlich der Jahna bis zur Elbe hin, also im alten sorbischen Daleminziergau, eine Menge Dörfer in Stiftseigentum. Sie lagen jedoch alle verstreut inmitten fremden Besitzes, so daß sich hier kein Stiftsterritorium hatte bilden können 6 8 . Ebenfalls nur Streubesitz fand sich in dem östlich nun anschließenden Amte Großenhain 6 9 . Geschlossener waren die stiftischen Besitzungen wieder nördlich und westlich von Dresden, namentlich um Pesterwitz und Brießnitz herum, über die der Bischof wiederum landesherrliche Rechte ausübte 70 . Größeren Stiftsbesitz finden wir sodann im östlichen Grenzgebiet der Mark Meißen, von hier sich bis in die Oberlausitz hineinziehend. Es ist das Gebiet um Stolpen, Bischofswerda und Göda, sowie weiter östlich gelegene Landstriche. Auch dieses Gebiet stand unter der weltlichen Obrigkeit des Bischofs 71 . Die Besitzungen des Stifts am Bistumssitze Meißen selbst blieben auf die Wohnungen des Bischofs und der Domherren auf dem Schloß- und A f r a berge sowie auf einige Hausstätten in der Stadt — zumeist allerdings mit Gerichtsbarkeit — beschränkt. Hierin stand das Hochstift Meißen hinter fast allen Bistümern des Reiches zurück 72 . Ein Teil dieser Besitzungen diente dem Eigenbedarf des Bischofs, seiner H o f h a l t u n g und Verwaltung, gehörte also zur sog. mensa episcopalis73; ein weiterer Teil stand dem Kapitel zu 74 und wurde, wie wir sahen 75 , auch (le ) D e n U m f a n g des Wurzener Stiftslandes nach dem Stande v o n 1284, aber mit H i n w e i s auf später eingetretene Veränderungen, gibt W. E b e r t , D a s Wurzner Land, 1930, S. 22 f f . Zu den späteren Veränderungen vgl. B ö n h o f f : M W I, 2, 1912, S. 26 f f . und II, 1, 1914, S. 17. 67 ) R i e h m e a.a.O., S. 433 f. Nicht unerheblich v o n der hier gegebenen A u f stellung der stiftischen Ortschaften weicht allerdings die im Dr. Landsteuerbuch 299 v o m Jahre 1529 ab. 68 ) R i e h m e , S. 434 f., bes. Anm. 688. 69 ) A . a . O . S. 435 u. A n m . 689. ™) A.a.O. S. 435 f. 71 ) A.a.O., S. 437 ff. 72 ) R i e h m e , S. 466 f. Genaue Angaben über die dem Hochstift gehörenden Häuser in der Stadt Meißen bei L o o s e , D i e Topographie der Stadt Meißen: M M 3, 1894, S. 76 f f . In der gleichen Lage wie Meißen waren in dieser Beziehung die Hochstifter Brandenburg und H a v e l b e r g (s. u. S. 33 f., Anm. 56). 73 ) D i e so verwendeten Güter des Wurzener Stiftslandes stellt B ö n h o f f zusammen: M W II, 1, 1914, S. 18 f. 74 ) K a u f f u n g e n S. 136 ff., 221 f f . Zusammenstellung des Kapitelsgutes im Wurzener Land bei B ö n h o f f : M W II, 1, 1914, S. 20. 75 ) S. o. S. 9 f.
A / l . Domkapitel und Diözese
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von diesem selbständig verwaltet; ein dritter nicht unbeachtlicher Teil war an Ritter zu Lehen ausgetan 76 . Schließlich bezog der Bischof noch von allen Besitzungen, für die er weltliche Obrigkeit war, die ihm als Regenten zustehenden Einkünfte wie Zölle, Einnahmen aus den Märkten, Abgabe zur Braugerechtigkeit u. a. 77 . Innerhalb dieser Stiftsbesitzungen, namentlich soweit sie ihrer weltlichen Regentschaft unterstanden, hatten die Meißner Bischöfe auch ihre Schlösser, auf denen sie mehr oder weniger häufig Hof hielten. Wir beobachten bei diesen Schlössern, was wir auch schon bei der Meißner Kathedrale feststellten 78 , daß eine Periode lebhafter Bautätigkeit dem Reformationszeitalter vorangegangen war, ja z. T. noch in dieses hineinreichte. Wenn man also das Hochstift Meißen nach seinen Baudenkmälern beurteilen wollte, so mußte man den Eindruck haben, daß es eben erst auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung angelangt war. Eine wesentliche äußere Ursache dieser regen Bautätigkeit liegt zweifellos in der tatkräftigen Wirtschaftspolitik Bischof Johanns VI. von Salhausen (1487—1518). Ihm verdankte das stattliche Wurzener Bischofsschloß seine Entstehung; hier hat er nicht selten Hof gehalten 79 . Mit seiner Lage unmittelbar neben der Kirche des Wurzener Kollegiatstifts 80 betonte es dessen enge Verbundenheit mit dem Hochstift Meißen. Auch das nach Osten nächstfolgende Stiftsterritorium um Mügeln hatte in seinem H a u p t o r t e ein bischöfliches Schloß, das freilich etwas älter und unbedeutender war als das Wurzener 8 1 . Der ansehnliche Bischofspalast in Meißen selbst, im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts begonnen, aber erst unter Johann VII. (1518—1537) vollendet, wurde nur selten von den Bischöfen benutzt. Johann VI. hatte sogar deshalb den von ihm halbfertig übernommenen Bau nur so weit fortgeTG ) So die meisten D ö r f e r des Wurzener ( B ö n h o f f : M W I, 2, 1912, S. 27 ff. und II, 1, 1914, S. 18 f.) und Oberlausitzer ( K n o t h e : N L M 66, 1890, S. 163 und ASG 6, 1868, S. 159 ff.) Stiftslandes. Ergänzungsweise wäre zu obiger Dreiteilung etwa noch zu erwähnen, d a ß am Wurzener Stiftslande auch das Kollegiatstift Würzen, das von jeher in enger Beziehung zum Hochstift Meißen stand (vgl. über dieses unten S. 19), mit Besitz beteiligt war ( B ö n h o f f : M W II, 1, 1914, S. 18 f., w o diese Teilung des Wurzener Stiftsbesitzes im einzelnen aufgezeigt wird). 77 ) Für das Wurzener Land vgl. E b e r t , Wurzener Land, S. 20 Anm. 3; zum allgemeinen W. G o e r 1 i t z , Staat und Stände unter den Herzögen Albrecht und Georg von Sachsen 1485—1539, S. 257; R i c h m e S. 461. 78
) S. o. S. 14.
79
) K ö t z s c h k e : D o m zu Meißen, S. 27. Über das Wurzner Schloß als Bauwerk vgl. G u r 1 i 1 1 , Beschreibende Darstellung, H . 20, S. 282 f f . 8Ü 81
) Vgl. über dieses unten S. 19.
) Vgl. G u r 1 i 1 1 , Beschreibende Darstellung, H . 28, S. 191 ff.
Erster Teil: Die Grundlagen
18
führt, so daß ein Bischof, der nur selten dahin kommt, mit 30 Personen 20 Pferden dort wohnen kann. Denn weiteres wäre unnütz82.
und
Die Residenz der Bischöfe war wenigstens seit den Anfängen Johanns VII., wahrscheinlich aber schon länger83, die Burg Stolpen. Hier inmitten eines größeren Stiftsgebietes mit direkter Grenze gegen die böhmische Oberlausitz, auf einem Berge, der weit über das stiftische Land hinaus Sicht bot, konnten die Bischöfe sidi eher als Herren fühlen als in Meißen, wo ihr Schloß mit dem der Wettiner auf derselben Bergkuppe lag 84 . Demgemäß hatten die Bischöfe seit der Mitte des 15. Jahrhunderts auf dem Stolpener Burgberge eifrig gebaut; so war Anfang des 16. Jahrhunderts eine stolze, wehrhafte Burganlage neu erstanden, die mit ihren starken Ecktürmen und hohen Wehrgängen noch im Dreißigjährigen Krieg nicht eingenommen werden konnte. Der gotische Bischofspalast lag zwischen den beiden Westtürmen über dem Steilabfall des Berges. Er war wohl mit reichen Gewölben und hohen Maßwerkfenstern geziert, ein Gegenstück zu der etwa gleichzeitig entstandenen Albrechtsburg, dem Schloß der Wettiner in Meißen 85 . Stolpen war nun nicht nur Sitz der Hofhaltung 86 , sondern auch der Regierung des Bischofs und des geistlichen Gerichts87. In Stolpen befanden sich schließlich auch die Gefängnisse für die vom geistlichen Gericht Verurteilten. Muten diese uns heute schauerlich an, so mögen sie bei ihrem fast völligen Mangel an Licht auch damals schon recht unwohnlich gewesen sein; jedenfalls wurde eins derselben von einem seiner Insassen im 15. Jahrhundert als eine foedita cloaca bezeichnet 8S .
82) C D S R II, 3, S. 3 2 6 A n m . 3. — Bauliche Beschreibung des Bischofspalastes bei G u r 1 i 1 1 , Beschreibende Darstellung, H . 40, S. 3 5 9 f f . ; vgl. ferner L o o s e : M M 3, 1 8 9 4 , S. 1 0 0 ff. 83) Falsch erscheint mir jedenfalls die Behauptung M ö r t z s c h s , erst J o hann V I I I . habe seine Residenz hierher verlegt, dem sich B a c h m a n n (Mitt. d. Landesvereins Sachs. Heimatschutz 20, 1 9 3 1 , S. 1 6 4 ) anschließt. Denn bereits J o hann V I I . datiert fast alle seine M a n d a t e und Briefe aus Stolpen, und auch schon seine beiden nächsten V o r g ä n g e r J o h a n n V I . und J o h a n n V . ( 1 4 7 6 — 1 4 8 7 ) scheinen sich sehr gern hier aufgehalten zu haben (was freilich auch B a c h m a n n sagt); wenigstens d a r f man das aus der lebhaften Bautätigkeit schließen, die sie hier entfaltet haben. 84) Zumindest J o h a n n V I . bevorzugte aus solchen Gründen Stolpen und W ü r zen gegenüber Meißen ( K ö t z s c h k e : D o m zu Meißen, S. 2 7 ) . Zu seiner Politik vgl. unten S. 33 ff. 8 5 ) Über die Bauten des Stolpener Burgberges vgl. die eingehende Arbeit von B a c h m a n n a.a.O. 86) Die Personen der bischöflichen H o f h a l t u n g sind aufgeführt im D r . L a n d steuerbuch 2 9 9 , Bl. 368b f. ; abgedruckt und kommentiert von C . C h r . G e r c k e , E t w a s Altes v o n dem H o f s t a a t der Meißnischen Bischöfe zu Stolpen, [ 1 7 6 4 ] . 87
) Vgl. z. B. G e r c k e , ferner B a c h m a n n a.a.O., S. 163.
8S
) Bachmann
a.a.O., S. 1 7 6 f., 185.
A / l . Domkapitel und Diözese
19
Innerhalb der Meißner Diözese gab es eine Reihe geistlicher Anstalten, die mit dem Hochstift in besonders enger Verbindung standen. Wir erwähnten sie in der Hauptsache bereits 89 . Die älteste von ihnen w a r das 1114 von Bischof Herwig als Ausbildungsstätte von Priestern gegründete Wurzner Kollegiatstift 6 0 . Innerhalb eines der größeren Stiftsgebiete gelegen, blieb es stets in nahen Beziehungen zum Hochstift, das in ihm einen Stützpunkt unmittelbar an der Westgrenze seiner Diözese besaß 91 . Diese Beziehungen äußerten sich besonders darin, daß der Bisdiof von Meißen an den Wurzner Stiftsherrenstellen — im Jahre 1542 gab es deren elf — und Kapitelsämtern weitgehende Patronatsrechte besaß 92 . Dem Kollegiatstift Würzen waren die dortige Wenzeslai- und Jakobikirche inkorporiert 9 3 . Die Stifter zu Bautzen, Zscheila und (Großen-) H a i n waren dadurch mit dem Hochstift eng verbunden, daß ihre Pröpste — der Propst zu Zscheila war seit dem 13. Jahrhundert stets mit dem Großenhainer personengleich — satzungsgemäß zugleich Meißner Domherren waren 9 4 . Größere Bedeutung hat unter diesen drei Stiftern nur das Bautzner erlangt. Es war zwischen 1213 und 1221 von Bischof Bruno von Meißen nach dem Vorbild des Meißner Stifts zur Christianisierung der Wenden gegründet worden 9 5 . Seine acht 90 Kanonikate wurden vorzugsweise mit Wenden besetzt 97 . Ein Pietätsverhältnis bestand sodann zwischen dem Hochstift und dem gleichfalls auf bischöfliche Gründung zurückgehenden Augustinerchorherrenstift St. A f r a zu Meißen, das nötigenfalls beauftragt werden konnte, jenem helfend zur Seite zu stehen 98 . Schließlich stand auch noch eine Anzahl von Pfarreien und Altarlehen der Diözese zum Hochstift dadurch in enger Beziehung, daß sie in bestimmte Domherrenpfründen oder auch in die mensa episcopalis inkorporiert waren 9 9 . Si)
) S. o. S. 9 und 17 ff.
90
) K ö t z s c h k e : Der D o m zu Meißen S. 10 f.
!U
) Vgl. W. E b e r t , Wurzener Land S. 11.
92
) B ö n h o f f : M W II, 2, 1916, S. 13, 64, 66. Über die Besetzung der Wurzner Dompropstci s. o. S. 9 Anm. 33. 93
) B ö n h o f f a.a.O., S. 2.
n4
) K a u f f u n g e n S. 189, s. auch oben S. 9. Seit 1482 standen diese Propsteien unter landesfürstlichem Patronat (vgl. unten S. 30). ° 6 ) K a u f f u n g e n S. 189; C. A . P e s c h e c k ; N L M 24, 1848, S. 313. — Die Datierung der Gründung nach K ö t z s c h k e - K r e t z s c h m a r I, 115. 96 ) D i e achte Domherrenstelle war 1489 gegründet worden (H. K n o t h e : N A 11, 1890, S. 19). 97 ) P e s c h e c k a.a.O., S. 316. 9S ) K a u f f u n g e n S. 126, vgl. auch S. 246 f. 99 ) Vgl. deren A u f z ä h l u n g bei S t a r k e : M M 8, 1913, S. 351 ff. Eine (wohl vollständigere) Zusammenstellung der in die mensa episcopalis inkorporierten Benefizien findet sich für den Stand v o n 1495 (mit Nachträgen aus späterer Zeit?) im Liber Salhusii (Domarchiv Meißen), Bl. 160 a ff.
Erster Teil: Die Grundlagen
20
2. D e r E i n f l u ß d e r W e t t i n e r a u f d i e S t i f t s r e g i e r u n g u n d die k i r c h l i c h e n F u n k t i o n e n im H o c h s t i f t Wir beobachteten bereits 1 , daß die Bischöfe von Meißen dort, wo der Stiftsbesitz sich über ein größeres zusammenhängendes Gebiet erstreckte, es vermocht hatten, auch die weltliche Obrigkeit in ihre H a n d zu bekommen 2 . Da nun die Bischöfe von Meißen ebenso wie alle ihre deutschen Amtsgenossen den Rang von reichsunmittelbaren Fürsten bekleideten 3 , hatte so das genannte Gebiet den Charakter eines reichsunmittelbaren Territoriums erlangt und wurden den Bischöfen vom deutschen König zu Lehen gegeben 4 . Diese Reichsunmittelbarkeit war jedoch faktisch eingeschränkt 5 ; diese Einschränkung hatte von jeher bestanden", war aber im späteren Mittelalter stärker geworden. Die Ursache dafür ist zunächst in Lage und Ausdehnung des Stiftsbesitzes zu sehen. Noch heute wird der aufmerksame Besucher des Meißner Burgberges durch die unmittelbare Nachbarschaft von Dom und Stiftsgebäuden zu der wettinischen Albrechtsburg auf die Vermutung geführt, daß die beiden einst hier residierenden Gewalten in enger Beziehung zueinander gestanden haben. Wenn er nun weiterhin erwägt, daß bereits die zu Füßen dieses Burgbergs liegende Stadt nicht mehr den Bischöfen, sondern den Wettinern gehörte, daß ferner die Stiftslande innerhalb der wettinischen verS. o. S. 15 ff. 2
) Über das Zustandekommen der weltlichen Obrigkeit der Meißner Bischöfe vgl. K ö t z s c h k e - K r e t z s c h m a r I, 87; K ö t z s c h k c : Der D o m zu Meißen S. 14, sowie als Darstellung über die diesbezüglichen deutschen Verhältnisse im allgemeinen A. H a u c k , Die Entstehung der geistlichen Territorien, 1909. 3 ) Vgl. R. Z i e s c h a n g , Die Anfänge eines landesherrlichen Kirchenregiments in Sachsen am Ausgange des Mittelalters: BSKG 23, 1910, S. 47 und Anm. 3. 4 ) Eine Zusammenstellung der Lehnsurkunden des C D S R findet sidi bei R i e h m e : M M 7, 1909, S. 440 u. Anm. 730.
Bei meinen Ausführungen über die staatlichen Beziehungen des Hochstifts zum Reiche bzw. dem wettinischen Landesstaate stütze ich midi auf die erwähnten Arbeiten von W. G o e r l i t z , E. R i e h m e , R. Z i e s c h a n g , sowie A. S c h u l t z e , Die Rechtslage der evangelischen Stifter Meißen und Würzen, 1922; O . R i c h t e r , Über die Reichsstandschaft der Bischöfe von Meißen: Mitt. d. Kgl. Sachs. Altertumsver. 28, 1878, S. 103 f f . ß ) So stellt R i e h m e S. 468 ff. fest, d a ß das Hochstift nie aus der M a r k g r a f schaft ausgeschieden gewesen sei; entsprechend urteilt K ö t z s c h k e - K r e t z s c h m a r I, 87. Demgegenüber hat wohl R i c h t e r , S. 124, nicht recht, wenn er von einer „vollen Unabhängigkeit der Bischöfe" in früherer Zeit, etwa bis zum Ende des 14. Jahrhunderts, spricht. Vgl. zu der Frage audi W. E b e r t , Das Wurzener Land, S. 20 f f .
A / 2 . D e r E i n f l u ß der Wettiner im Hochstift
21
streut lagen 7 , so verstärkt sich ihm diese Vermutung, und es ergibt sich ihm angesichts der geringen Ausdehnung des Stiftsgebietes der Schluß, daß das Hochstift dabei der abhängige Teil gewesen sein muß. Die staatliche Abhängigkeit des Hochstifts von der wettinischen Macht hatte sich nun aber nicht nur aus der L a g e der Stiftslande, sondern außerdem aus der politischen Situation der M a r k Meißen bzw. des Herzogtums Sachsen ergeben. Hier als in einer einstigen Grenzmark des Deutschen Reiches hatte keine Zersplitterung der K r ä f t e geduldet werden können 8 . D a z u kommt ein weiteres. Im Spätmittelalter machte sich bei den Fürsten Mittelund Westeuropas überhaupt die Tendenz bemerkbar, alle kleinen, innerhalb und an den Grenzen ihres Gebiets bestehenden mehr oder weniger selbständigen staatlichen Gewalten — Adel, Städte und Geistlichkeit — unter ihre Herrschaft zu beugen. Es vollzog sich damals die U m w ä l z u n g von den staatlichen Verhältnissen des Mittelalters mit ihrer Begünstigung der Sonderrechte zu dem Territorialstaat der Neuzeit, der „demgegenüber dem gemeinen Recht, der Obrigkeit Geltung zu verschaffen, alle autonomen Gewalten sich unterzuordnen" strebte. Innerhalb des Deutschen Reiches gelang diese Konsolidierung der Staaten am wenigsten im Südwesten mit seiner Kleinstaaterei, am stärksten im Osten, w o sich von jeher größere Staaten fanden. So wurden ebenso wie in Österreich, Brandenburg und anderswo auch in Sachsen die Bischöfe — es waren außer denen von Meißen noch die von Merseburg und N a u m b u r g — ebenso wie die an und f ü r sich auch reichsunmittelbaren Dynasten des Landes zu einer Art landsässiger Stellung herabgedrückt. Namentlich die Situation der drei sächsischen Hochstifter war im wesentlichen die gleiche 9 . Der „Rechtstitel", mit dem die Wettiner ihre Oberherrschaft über die 7 ) E t w a s besser standen in diesen Beziehungen die Bischöfe von Merseburg und N a u m b u r g da ( K ö t z s c h k e - K r e t z s c h m a r I, 87 f)., die jedoch, wie wir sogleich sehen werden, ebenfalls in Abhängigkeit von den Wettinern geraten waren. 8
) R i e h m e S. 467 f.; Z i e s c h a n g S. 8 f f .
) Vgl. f ü r die allgemeine europäische Entwicklung: H . H e r m e l i n k und W. M a u r e r , R e f o r m a t i o n und G e g e n r e f o r m a t i o n , 1931, S. 14 f f . ; f ü r die allgemeine deutsche Entwicklung: F. H ä r t u n g , Deutsche Verfassungsgeschichte, 4. A u f l . 1933, S. 38 f f . , bes. S. 39, das angeführte Z i t a t befindet sich S. 38; A . W e r m i n g h o f f , Verfassungsgeschichte der deutschen Kirche im Mittelalter, 2. A u f l . 1913, S. 58 f., 91 f . ; H e r m e 1 i n k - M a u r e r S. 4 7 ; f ü r die sächsischen Verhältnisse speziell: Z i e s c h a n g S. 57 f f . ; G o e r 1 i t z S. 228 f f . Für Merseburg und N a u m b u r g vgl. außer den in ob. A n m . 5 angeführten Arbeiten v o n G o e r 1 i t z, R i e h m e und Z i e s c h a n g die älteren, im wesentlichen aber auch richtigen S p e z i a l a b t e i l u n g e n von A. F r a u s t a d t , D i e E i n f ü h r u n g der R e f o r mation im H o d i s t i f t Merseburg, 1843, S. 6 f f . , 14 ff., und E . H o f f m a n n , N a u m b u r g a. S. im Zeitalter der R e f o r m a t i o n , 1901, S. 1 f f . Über N a u m b u r g vgl. noch unten S. 23 f. A n m . 17. Über die entsprechende L a g e der brandenburgisdien H o d i s t i f t e r s. u. S. 22 A n m . 12. 9
Erster Teil: Die Grundlagen
22
Hochstifter wenigstens seit dem späteren Mittelalter in erster Linie rechtfertigten, wurde die zwischen beiden Parteien sich bildende „SchutzVerwandtschaft" 1 0 . D i e Bischöfe, die über keine eigene Militärhoheit verfügten, w a ren auf den militärischen Schutz der sächsischen Fürsten angewiesen. Dieser wurde ihnen auch zugesichert, jedoch nur auf G r u n d v o n Gegenleistungen. Diese bestanden in früherer Zeit in der Belehnung der W e t t i n e r durch die Bischöfe mit Gebietsteilen der Hochstifter. Später, als den W e t t i n e r n der Besitz dieser Lehen zur Selbstverständlichkeit geworden w a r 1 1 ,
forderten
sie von den Bischöfen andere Gegenleistungen, nämlich Zusicherungen, durch die sie diese politisch eng an sich banden. So verpflichtete sich 1 3 8 4 der Bischof N i k o l a u s von Meißen, keine Ä n d e r u n g im Besitzstande des H o c h stifts ohne Wissen des M a r k g r a f e n vorzunehmen, sowie diesem zu helfen
und dienen12.
raten,
Durch Wiederholung derartiger Zusicherungen 1 3 mehr-
ten und festigten sich die Rechte der Wettiner. Infolgedessen t r a t bei dem Begriff der Sdiutzverwandtschaft
der Gedanke an eine Schutzpflicht der
Fürsten gegenüber den Hochstiftern zurück gegenüber dem Gedanken an die Rechte, die sich die Wettiner durch die Schutzverträge an den Stiftern gesichert hatten. Somit bezeichneten sich die sächsischen Fürsten als Schutzherren der Hochstifter. So w a r dieses Schutzverhältnis zu einer direkten Schutz- oder Schirmvogtei 1 4 geworden, wobei den Wettinern „die Vorstel-
10
) Vgl. dazu Z i e s c h a n g
S. 11 f f . ; A. S c h u l t z e , Rechtslage S. 1 f.
Die späteren Wettiner — Wilhelm I I I . , Friedrich der Weise und Georg — versuchten, den Akt der Lehnsnahme vom Bischof möglichst überhaupt zu vermeiden. Wenn die Bischöfe jedoch auf dieser Formalität bestanden, wie dies namentlich Johann VI. von Meißen tat, haben die Wettiner, soweit ersichtlich, doch noch nachgegeben, um einem prinzipiellen Streit zu entgehen. Vgl. Z i e s c h a n g S. 65 ff. und P. K i r n , Friedrich der Weise und die Kirche, 1926, S. 35 ff. Letzterer macht a.a.O. Anm. 19 auf eine ähnliche Entwicklung in Österreich aufmerksam. 12) CDSR II, 2, Nr. 685. Ähnliches geschah in der Mark Brandenburg. 1289 schloß Bischof Heidenreich von Brandenburg mit dem Markgrafen von Brandenburg einen Vertrag: die Markgrafen verpflichten sich, dem Bisdiof Schutz zu gewähren, der Bischof zahlt dafür 100 Mark Silber. Wenn auch dem Hodistift dabei volle Freiheit zugestanden worden war, so versuchten die Markgrafen doch bald darauf, auf Grund dessen dem Stift gegenüber landeshoheitliche Ansprüche zu erheben. Später war auch in Brandenburg die Gegenleistung des Bischofs die Zusicherung politischer Unterstellung unter den Markgrafen, wie uns das 1401 vom Hochstift Havelberg bezeugt ist (H. H ä d i c k e , Die Reichsunmittelbarkeit und Landsässigkeit der Bistümer Brandenburg und Havelberg, Progr. d. Landesschule Pforta 1882, S. 32, 50). — Vgl. dazu noch unten S. 33 f. Anm. 56. 13
) Vgl. C D S R II, 2, Nr. 726, 747 u. a.
) Über die Schirmvogtei im allgemeinen vgl. J . H a s h a g e n , Staat und Kirche vor der Reformation, 1931, S. 470 f. Demnach scheint es mir außer Zweifel zu stehen, daß das Schutzverhältnis der Wettiner zu ihren Hochstiftern eine solche Schirmvogtei war, wie ja auch Z i e s c h a n g und A. S c h u l t z e (siehe oben Anm. 10) meinen. In den Quellen habe ich freilich eine Selbstbezeichnung 14
23
A/2. Der Einfluß der Wettiner im Hodistift lung einer sich mit der Ausbildung der Landesherrlichkeit v o m auch auf die weltlichen Landesherren übertragenden
advocatia
König15 ecclesiae,
einer aus dem weltlichen Herrscherberuf selbst abgeleitete Schirm-
oder
Schutzvogtei zu H i l f e " 1 6 kam. Diese Vogtei w a r nun eine Rechtseinrichtung mit sehr ausdehnungsfähigen Grenzen, so d a ß die W e t t i n e r sehr weitgehende Ansprüche daraus ableiten konnten, wobei die Bischöfe sich ihrer Auffassung wenigstens bis zu einem gewissen G r a d e anschlössen 1 7 . Dasselbe Endergebnis der Entwicklung beobachten wir in Österreich und der P f a l z 1 8 . der sächsischen Fürsten als Schutzvögte nur einmal gefunden, nämlich C D S R II, 3, S. 368 Nr. 1426 („Advokaten" = Vögte). Wenn R i e h m e (a.a.O. S. 441 ff.) darlegt, daß die Wettiner nie die Stiftsvogtei über das Hochstift Meißen besessen hätten, so meint er damit die eigentliche Stiftsvogtei als Verwalterschaft der bischöflichen Immunitätsrechte (vgl. A. S c h u l t z e a.a.O.). Eine Schirmvogtei kennt Riehme nicht. 15) H a s h a g e n freilich sieht (S. 471 f.) das „Vorbild" für die fürstliche Vogteipolitik in der „kaiserlichen Vogtei; denn das Kaiseramt wurde noch mehr in den Dienst der Kirche gestellt als das Königsamt". Ohne das für uns hier nur am Rande des Interesses liegende Problem entscheiden zu wollen, möchte ich sagen, daß mir für die Beziehungen der Wettiner zu den sächsischen Hochstiftern wahrscheinlicher ist, daß die königliche Vogtei über die Reichskirchen das Vorbild abgab, zumal sich die Wettiner, soviel ich sehe (vgl. unten Anm. 17), den Hochstiftern gegenüber nur in politischen, nicht aber in kirchlichen Angelegenheiten auf die Schutzverwandtschaft berufen (vgl. die Darstellungen über die kaiserliche und die königliche Kirchenvogtei von D a n n e n b a u e r : R G G 2 , 3, 1035 f. und A. W e r m i n g h o f f , Geschichte der Kirchenverfassung Deutschlands im Mittelalter I, 1905, S. 163). l ß ) A. S c h u l t z e a.a.O., vgl. dazu das von H a s h a g e n S. 472 ff. über die ratione dominii ausgeübte Schirmvogtei Gesagte. Nach S c h u l t z e ist an diese landeshoheitliche Ableitung der Schirmvogtei zu denken, wenn die Wettiner sich als erbliche Schutzfürsten des Hochstifter bezeichnen; vgl. dazu die Beispiele H a s h a g e n s (S. 474) aus Österreich. 1 T ) Besonders deutlich tritt in dem mir vorliegenden Material in Erscheinung, daß in allen Beziehungen der Bischöfe zum Reiche deren Vertretung durch die sächsischen Herzöge aus der Schutzverwandtschaft abgeleitet wurde, und zwar nicht nur seitens der Herzöge (Schreiben Herzog Georgs ans Reich 1508: G o e r l i t z S. 232; Schiedsspruch zwischen Herzog Georg und dem Bischof von Meißen 1511: C D S R II, 3, S. 325 f. Nr. 1342), sondern auch vielfach seitens der Bischöfe selbst. So besitzen wir entsprechende Schreiben des Bischofs von Merseburg an den Kaiser bzw. an Herzog Georg von 1499 ( Z i e s c h a n g S. 52), 1522 (Ausf. Dr. Loc. 8993 Reichsstand, Bl. 6), 1523 (Abschr. a.a.O. Bl. 141), 1525 (a.a.O.). Selbstverständlich ist, daß die Verpflichtungen der Hochstifter zur herzoglichen Militärfolge auf der Schutzverwandtschaft beruhten ( G o e r l i t z S. 259). Aber auch in die inneren Angelegenheiten der Stifter haben die Herzöge unter Berufung auf ihre Schutzgerechtigkeit eingegriffen (Eingriffe in den Streit zwischen der Stadt Naumburg und ihrem Bischof in den Jahren 1503 f f . : Z i e s c h a n g S. 124 f.; die Bestrafung der Stadt Merseburg für ihr Konspirieren mit den aufrührerischen Bauern 1525 übernimmt der Herzog: G e ß II, 289). Welch weitgehende Folgerungen sogar ein Bischof aus der fürstlichen Schutzgerechtigkeit ziehen konnte, beweist eine Äußerung Johann von Schönbergs, Bischofs von Naumburg, vom
24
Erster Teil: Die Grundlagen Es lag in der K o n s e q u e n z der D i n g e , w e n n die W e t t i n e r sich schließlich
sogar schlechthin als die Landesobrigkeit der H o c h s t i f t e r bezeichneten. So erklärte H e r z o g G e o r g 1508 d e m Reich gegenüber, als dieses die sächsischen Bischöfe u m die Entrichtung ihres Beitrags zur U n t e r h a l t u n g
des
Reichskammergerichts ersucht hatte, die Stifter seien ort alle
un-
serm
furstenthumb
schütz
und schirm
zcugetan
und
landen
begriffen,
und vorwant.
..
gelegen,
sowie
daher i h m auch mit
19
in
mittel
unserm
dinst,
in
sunderlichen
volge
und
anderm
. U n d als i m gleichen Jahre die Stiftsstädte S t o l -
pen u n d Bischofswerda in e i n e m Streit u m die Münzgerechtigkeit des Bischofs sich auf dessen Seite u n d somit gegen den H e r z o g gestellt hatten, schrieb dieser an die Stadträte: das H o c h s t i f t M e i ß e n sei van in
unserm
furstenthum
und
infolgedessen hätten unser fürstlicher hindert
oberkeit
gebraucht
fürstlichen
vorfarn
und regalien
und
anhengig
und noch tegelich
oberkeit wir
gelegen
zcolle,
gleyte
uff gemelts
gebrauchen
. ..
stiffts
alder
und
zceyt
begriffen;
und alles
ander
gutern
unvor-
20
.
Jahre 1512. Angesichts der bevorstehenden Wahl des Bischofs von Freising zu seinem K o a d j u t o r läßt Bischof Johann verlauten, ein in Freising residierender Koadjutor werde ihm wenig helfen können; er wolle darum den Kurfürsten von Sachsen selbst, „der ja sein Schutzherr sei und sich ihm immer gnädig gezeigt habe, an Stelle des Freisinger Bischofs z« coadiutor haben, dafür achten und halten, und erwarte um so zuversichtlicher seine H i l f e in den Auseinandersetzungen mit der Stadt N a u m b u r g und in anderen Schwierigkeiten" (P. K i r n S. 33). Selbstverständlich meinte der Bischof damit nicht eine offizielle Einsetzung des K u r fürsten als Koadjutor, sondern nur eine solche in p r a x i ; auch wird er sich diese Koadjutorschaft mehr als eine Unterstützung in politischen Dingen gedacht haben, die ohnehin im Bereich des Kurfürsten lagen. Dennoch bleibt die Äußerung bemerkenswert. 18
) Vgl. H a s h a g e n S. 473 f. ) G o e r 1 i t z S. 232. ) Z i e s c h a n g S. 102. So bezeichnete sich Georg als des Meißner Bischofs sowie der ihrem Bischof gehörenden Stadt Merseburg landisfursten (Zieschang a.a.O.; G e ß II, 289); vgl. weiter G e ß I, N r . 12, sowie die Schreiben Herzog Georgs an Kaiser Maximilian vom 11. 10. 1507 ( G o e r l i t z a.a.O.), der sächsischen Fürsten an die sächsischen Bischöfe von 1496 ( R i c h t e r , Reichsstandschaft, a.a.O. S. 121), des Kurfürsten Ernst und Herzogs Wilhelm an H e r z o g Albrecht von 1474 ( Z i e s c h a n g S. 51), den Böhmischen Erbvertrag von 1482 zwischen sächsischen Fürsten und dem König von Böhmen, wo über die Hochstifter „in den Fürstentümern oben berührt [den wettinischen] gelegen", ebenso verfügt wurde wie über den eigentlichen wettinischen Besitz ( Z i e s c h a n g S. 61). Zum ersten Male findet sich die Selbstbezeichnung eines sächsischen Fürsten als Landesfürsten gegenüber einem der sächsischen Bischöfe nach Z i e s c h a n g (S. 23) im Jahre 1455 in einem Vergleich Herzog Wilhelms mit Bischof Peter von N a u m burg. Nicht hingegen läßt sich die Ansicht Z i e s c h a n g s (S. 59 f.) halten, d a ß selbst „die Päpste die Stiftsgebiete zum .dominium' der Wettiner rechneten". Die von Zieschang hierfür angeführten Belegstellen sind falsch interpretiert; mit ecclesia Misnensis ist dort die Diözese bzw. die Domkirche, nie das Stiftsland gemeint; bei dem Aktenstück C D S R II, 3, S. 340 N r . 1373 hat Zieschang sogar einige Worte, darunter das f ü r den Sinn entscheidende Wort diócesis, bei der Zitierung unterschlagen. 19
20
A/2. Der Einfluß der Wettiner im Hochstift
25
Diese Äußerungen dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß es zu einer völligen Unterwerfung des Meißner 2 1 Hochstifts unter die fürstliche oberkeit der Wettiner vor Einführung der Reformation im albertinischen Sachsen nie gekommen ist. Formalrechtlich blieb das Stift stets reichsunmittelbar, praktisch geriet es in eine Zwitterstellung zwischen Reichsund Landstandschaft hinein. Wollen wir diesen Zustand genauer erfassen, so müssen wir uns seine Auswirkungen im einzelnen vergegenwärtigen. Wir werden dabei unser Augenmerk im wesentlidien auf die Lage der Dinge in den letzten 50 bis 100 Jahren vor dem Regierungsantritt Herzog Heinrichs richten. Dabei sei noch vorausgeschickt, daß Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht bei ihrer Landesteilung von 1485 vereinbarten, die Schutzherrschaft über das Hochstift Meißen fernerhin gemeinsam ausüben zu wollen, während sie das Hochstift Naumburg an die ernestinische, Merseburg an die albertinische Linie verwiesen. Praktisch hat jedoch Meißen seiner geographischen Lage entsprechend überwiegend den Albertinern unterstanden und damit in dem von uns zu betrachtenden Zeitraum in der Hauptsache Herzog Georg, der ja schon seit Ende der 1480er Jahre weithin die Regierungsgeschäfte f ü r seinen Vater führte 2 2 . Betrachten wir zunächst die Beziehungen des Stifts zum Reiche. Das Reich hat das Hochstift Meißen stets als einen ihm unmittelbar unterstehenden Stand behandelt. Zu den Reichstagen wurden die Bischöfe anscheinend regelmäßig eingeladen, zu den Reichsanschlägen stets herangezogen 23 . Doch das Verhalten der Bischöfe in den dadurch gegebenen Situa21
) Das im folgenden über Meißen Gesagte gilt im wesentlichen auch wieder für Merseburg und Naumburg. Beim Hochstift Naumburg läßt sich allerdings für die letzten Jahrzehnte vor der Reformationszeit und bis in diese hinein ein ganz besonders enger Anschluß an die wettinische, d. h. in diesem Falle die ernestinische Landesgewalt beobachten (vgl. P. K i r n S. 32 ff.). 22 ) Vgl. P. K i r n S. 34. Bezeichnend ist, was G e ß I, 432, 450 zu lesen ist: Herzog Georgs Gesandter auf dem Reichstag zu Nürnberg 1523 hatte auf die Äußerung des ernestinischen Gesandten, der Bischof v o n Meißen stehe beiden sächsischen Linie zu, geantwortet, er wisse es nicht anders, als daß dieser Bischof dem H e r z o g Georg zustehe. Und Georg stellte sich hinter diese Äußerung seines Gesandten: Das man aber sagen will, der bischof zu Meißen solle uns allein nicht zustendig sein, mögt ir euch wol hoeren lassen, das wir, dann er uns [nicht] * zustendig, seiner nicht anmaßen wurden. — Auch über die militärischen Verpflichtungen der Bischöfe von Meißen kam es zu Reibereien zwischen Ernestinern und Albertinern (G o e r 1 i t z S. 259). — Vgl. ferner G o e r 1 i t z S. 248, Z i e s c h a n g S. 102. — Von Geß eingefügt. 23 ) G o e r l i t z S. 229 f., G e ß I, 561; II, 470 f., Z i e s c h a n g S. 48 f., R i c h t e r S. 111 f. sowie die Aktenstücke in C D S R und Dr. Loc. 8993 Rom. Kais. Reidistagsausschreiben 1495 ff. (betr. die Reichstage der Jahre 1501 ff.). Vgl. auch das Eintreten Kaiser Maximilians für die politische Selbständigkeit des Hochstifts Meißen durch Erlaubnis des päpstlichen Ablaßverkaufs daselbst, während derselbe in den wettinischen Landen verboten war: C D S R II, 3, S. 334 N r . 1356 (1516).
26
Erster Teil: Die Grundlagen
tionen zeigt bereits ihre Abhängigkeit von den Wettinern. Denn die Vertretung der Bischöfe dem Reiche gegenüber wurde von beiden Seiten, namentlich von den sächsischen Fürsten, als Auswirkung der Schutzverwandtschaft angesehen24. So haben sich die Bischöfe auf den Reichstagen seit 1487 wohl stets durch diese bzw. deren Gesandte vertreten lassen25. Formal wahrten sie dabei insofern ihre Selbständigkeit, als sie den Fürsten bzw. deren Gesandten wohl jeweils eine besondere Vollmacht ausstellten. Der betreffende Gesandte war dann in Personalunion sächsischer und bischöflich meißnischer Gesandter 26 . Die Wettiner ließen sich jedoch dadurch nicht abhalten, auch auf den Reichstagen die Bischöfe wie Landsassen zu behandeln 27 . Die Reichsanschläge hat das Hochstift Meißen im allgemeinen bezahlt. Die nachhaltigen Bemühungen der Wettiner, besonders Herzog Georgs, Meißen und Merseburg auch hier „hinter sich zu ziehen", scheiterten im allgemeinen — zumal bei Meißen — am Widerstand der Bischöfe und des Kaisers. Nur insofern trugen die Bischöfe dem Schutzverhältnis Rechnung, als sie ihre Anteile an den Reichslasten durch Herzog Georg bezahlen ließen, so daß auch hier eine ähnliche Situation erreicht wurde wie bei den Reichstagsbeschickungen28. Audi in seinen Beziehungen zu anderen außersächsischen Mächten wurde das Hochstift Meißen im späteren Mittelalter durch die Wettiner stark ein24
) S. o. 23 f. Anm. 17. ) Audi schon f ü r den Nürnberger Reichstag von 1467 läßt sich eine solche Vertretung nachweisen (CDSR II, 3, S. 173 N r . 1093), nach dem hier vorliegenden Material der erste derartige Fall. Vgl. zu diesen Reichstagsvertretungen G o e r l i t z S. 229; Z i e s c h a n g S. 49 f f . ; R i e h m e S. 440 f. und Anm. 736; R i c h t e r S. 113 f.; G e ß I, 561 ; II, 470 f. 2e ) Von einer solchen Vollmacht ist die Rede G e ß II, 470 f., wohl auch C D S R II, 3, S. 173 N r . 1093 (1467). Auch f ü r den Nürnberger Reichstag von 1522/3 war eine solche ausgestellt worden (Mß A 53 Registratur aller brieflichen Urkunden). So ist es vielleicht auch sonst gehandhabt worden. An einem Beispiel läßt sich feststellen, d a ß es auch vorkam, d a ß der Bischof dem Landesfürsten Vorschriften darüber machte, was er in seinem N a m e n auf dem Reichstage bewilligen dürfe. H e r zog Georg schrieb am 5. 11. 1523 an seinen Nürnberger Reichstagsgesandten O t t o von Pack, von den Bischöfen von Merseburg und Meißen habe er, Georg, Vollmacht, zu bewilligen, was einträchtig beschlossen werde ( G e ß I, 561). 2B
2T ) Das zeigt der Briefwechsel zwischen Herzog Georg und seinem Gesandten auf dem Nürnberger Reichstag 1522/3: G e ß I, 432 f. und 449 f. Die Frage des Gesandten, ob er u. a. die Bischöfe von Meißen und Merseburg in das von ihm angeforderte Verzeichnis der Stände, die garnichts vom reich haben, aufnehmen solle, wird vom H e r z o g nachdrücklichst bejaht. Dabei läßt sich gerade f ü r diesen Reichstag eine Sondervollmacht des Meißner Bischofs f ü r eben diesen herzoglichen Gesandten nachweisen (s. o. Anm. 26). 25 ) G o e r l i t z S. 229 ff.; R i e h m e S. 440 Anm. 733—735; Z i e s c h a n g S. 51 f f . Die Bischöfe von Merseburg und N a u m b u r g haben, wie man sieht, sich einige Male darum bemüht, bei der Aufbringung der Reichsanschläge von den sächsischen Fürsten vertreten zu werden, was uns von den Meißner Bischöfen nicht berichtet wird.
A/2. Der Einfluß der W e i t h e r im Hodistift
27
geschränkt. Für die Zeit seit dem 14. Jahrhundert läßt sich feststellen, daß die Bischöfe mit solchen Mächten im allgemeinen nicht mehr selbständig Verträge abschlössen 29 . Eine Ausnahme, die auch nicht ohne Folgen bleiben sollte, hat freilich Herzog Georg kurz vor seinem Ende gemacht, nämlich dadurch, daß er die Aufnahme des Bischofs von Meißen ebenso wie des von Merseburg in die katholische Fürstenliga, den sog. Nürnberger Bund, als selbständiger Bundesglieder veranlaßte 3 0 . Achten wir ferner darauf, wie sich die eigentümliche Lage des Hochstifts auf dessen Beziehungen zu den Angelegenheiten des wettinisdien Landesstaates auswirkte. Zu den sächsischen Landtagen wurden die Bischöfe von den Wettinern höflich eingeladen, um daselbst beraten zu helfen. In der herzoglichen Proposition wurden sie stets deutlich von den Untertanen unterschieden. Die eigentlichen Landtagsverhandlungen, bei denen sie nie mit den Landständen zusammen Erklärungen abgaben, waren für sie nicht verbindlich. Verhandlungen zwischen den sächsischen Fürsten und ihnen gehörten nie zu den offiziellen Landtagsverhandlungen. Doch praktisch waren die Bischöfe auch hier eingeschränkt. Es wurde erwartet, daß sie zu jedem Landtag, zu dem sie eingeladen waren — und das war, soviel wir sehen, jeder, dessen Verhandlungsgegenstände sie berührten — auch erschienen oder zumindest Vertreter schickten. Ferner haben die Wettiner wohl in der Regel die allgemeinen Landtagsbeschlüsse, soweit deren Durchführung im Stiftsterritorium in ihrem Interesse lag, durch Sonderverhandlungen mit den Bischöfen audi für diese verbindlich gemacht 31 . Es zeigt sich dabei also wieder, daß die Bischöfe formal einigermaßen wie reichsunmittelbare, also den Wettinern gleichstehende Fürsten, praktisch jedoch fast wie Landsassen behandelt wurden. Zur Beteiligung an den sächsischen Territorialsteuern waren die Bischöfe im allgemeinen nicht verpflichtet 32 . Anders lag es hin29
) Z i e s c h a n g S. 103 ff.
) H . B a u m g a r t e n , Karl V. und der katholische Bund vom Jahre 1538: Dt. Zeitsdlr. f. Gesdiiditswissensdi., 6, 1891, S. 2 9 3 ; C D S R II, 3, S. 350 f. N r . 1405. S 1 ) Vgl. Goerlitz S. 248 f.; K ö t z s c h k e - K r e t z s c h m a r I, 166; Z i e s c h a n g S. 114 ff.; R i c h t e r S. 121 ff. Die Ausführungen der beiden letztgenannten sind nach Goerlitz und Kötzschke-Kretzschmar zu korrigieren, scheinen mir aber die Verhältnisse doch weithin richtig darzustellen, während Goerlitz im wesentlichen nur die Rechtssituation aufzeigt. 30
32) G o e r 1 i t z S. 249 ff. Jedoch bemühten sich die Landstände des albertinischen Sachsen 1537 auf dem Landtage zu Leipzig energisch um Einbeziehung der Bischöfe von Meißen und Merseburg in das gesamte sächsische Territorialsteuersystem, erreichten aber nur deren Verpflichtung zur Beteiligung an der Türkensteuer, was diese audi schon 1529 zugestanden hatten ( G o e r l i t z S. 234 ff.). Etwas anders wird die Steuerangelegenheit beurteilt in einem (durchaus den wettinischen Standpunkt vertretenden) Gutachten der Leipziger Juristen Dr. Fachs und Dr. Pistoris für Herzog Heinrich von Sachsen vom 21. 5. 1540 (Ausf. Dr. Loc. 8993 Reichsstand, Bl. 221, 135 ff.).
Erster Teil: Die Grundlagen
28
sichtlich der militärischen Leistungen des Stifts an die Wettiner, die eine Auswirkung des zwischen beiden bestehenden Schutzverhältnisses waren und daher wohl seit alters Pflicht gewesen sein mögen. Der Form nach freilich waren die herzoglichen Aufforderungen an die Bischöfe auch hier Bitten 33 . Aus dem über die Landtage Gesagten war bereits ersichtlich, daß die Wettiner auch auf die Regierung des Stiftsgebietes im Innern mehr oder weniger ihre H a n d legten. Die Übernahme von Gesetzen der sächsischen Fürsten — inwieweit diese auf Landtagsbeschlüsse zurückgingen, bleibe dahingestellt — durch die Bischöfe läßt sich insbesondere beim Polizei-, Wirtschafts- und Münzwesen nachweisen. Dabei war die Form der diesbezüglichen Mitteilungen der Wettiner an die Bischöfe die Bitte, ihr Sinn der Befehl. Die Bischöfe erließen dann die entsprechenden Verordnungen an ihre Untertanen formal als ihre eigenen 34 . Widersetzlichkeit der Bischöfe duldeten die Wettiner dabei nicht 35 . Die Verwaltung 3 6 im Stiftsgebiet einschließlich der Rechtsprechung war Angelegenheit der Bischöfe. Doch scheint sich Herzog Georg dabei eine Art Überwachungsrecht vorbehalten zu haben 37 . Ferner haben die Bischöfe mit ihren Stiftsständen selbständig Landtage, die sog. Stiftstage, abgehalten, selbständig auch in ihrem Gebiet Steuern erhoben 38 . Die den Bischöfen ursprünglich verliehene, aber von ihnen nie recht nutzbar gemachte Berggerechtigkeit im Stiftslande wurde seit dem Spätmittelalter von den sächsischen Herzögen ausgeübt 39 . Eine einschneidende Beschränkung der Selbständigkeit des Hochstifts bedeutete es ferner, daß dieses seine Besitzveränderungen, Privilegien und Freiheiten, ja auch die Statuten des Domkapitels von den Wettinern genehmigen und bestätigen lassen mußte 4 0 . 33
) G o e r 1 i t z S. 259; Z i e s c h a n g S. 75 ff.; R i e h m e S. 449 ff.
34
) Für das Wirtschafts- und Polizeiwesen vgl. G o e r l i t z S. 266 f.; für das Münzwesen, dessen selbständige Regelung die Bischöfe um 1300 aus praktischen Gründen aufgegeben hatten, vgl. R i e h m e S. 470; Z i e s c h a n g S. 70 f.; G o e r l i t z S. 263 f. 35
) Allerdings bestraften die sächsischen Fürsten dann nicht die Bischöfe, sondern deren Untertanen, wie z. B. aus dem schon erwähnten (s. o. S. 24) Schreiben Herzog Georgs an die Räte der Stiftsstädte Stolpen und Bisdiofswerda vom 1. 12. 1508 hervorgeht. 3e
) Ich habe dabei die bei G o e r l i t z S. 268 aufgeführten Zweige der Verwaltung im Auge (Lehnshoheit, Stadtrecht, Innungswesen usw.). 37 ) G o e r l i t z S. 268 ff.; R i e h m e S. 452 ff. 3S
) Vgl. zur Steuererhebung oben S. 14 f., jedoch außerdem S. 27 Anm. 32.
3B
) Über die Verleihung vgl. K ö t z s c h k e - K r e t z s c h m a r I, 87; R i e h m e S. 465. ( R i c h t e r S. 109 f. hält die zugrunde liegende Urkunde für unecht.) Uber die spätere Entwicklung vgl. K ö t z s c h k e : D o m zu Meißen S. 14; G o e r l i t z S. 266. 40
) Zieschang
S. 117 f.; vgl. P. K i r n S. 94 f.
A / 2 . Der Einfluß der Wettiner im Hochstift
29
Wollen wir die dargelegten Verhältnisse zusammenfassend kurz beurteilen, so erscheint mir daran vor allem bemerkenswert, wie geschickt Reichsunmittelbarkeit und Landsässigkeit des Hochstifts miteinander in Einklang gebracht waren. Formal schalteten die Bischöfe in den meisten Geschäften der Staatsleitung selbständig, praktisch waren sie in allen wesentlichen Angelegenheiten gebunden. Ihre Regierung war in mannigfacher Hinsicht nur eine Scheinregierung. Die sächsischen Fürsten regierten das Stiftsland gleichsam durch die Bischöfe hindurch 41 . Es liegt auf der H a n d , daß ein derartiges System nicht ohne den guten Willen der beiden beteiligten Parteien aufrecht erhalten werden konnte 4 2 . Wenn die Interessen beider einmal auseinandergingen, mußte jede von ihnen notwendigerweise alles daransetzen, diesen Schwebezustand in ihrem Sinne zu beenden. Aber solange die Bischöfe mit den sächsischen Fürsten im Glauben übereinstimmten, war normalerweise auch auf politischem Gebiete jener gute Wille zur Einigkeit da. Das lag nun sehr wesentlich daran, daß die sächsischen Fürsten es vermocht hatten, Einfluß auf die personelle Zusammensetzung der Stiftsregierung zu erlangen — ein Mittel zur Beherrschung des Hochstifts, wie es eben nur einem geistlichen Territorium gegenüber möglich war. Dabei war es den Fürsten freilich trotz ihrer anhaltenden Bemühungen nicht gelungen, die Befugnis zu erwerben, vermöge derer „die Unterordnung der sächsischen Bischöfe unter die landesherrliche Gewalt vollzogen gewesen" 43 wäre, nämlich das Nominationsrecht f ü r den Bischofsstuhl zu Meißen selbst wie auch f ü r die Bischofsstühle zu Merseburg und N a u m burg 44 . Aber die Wettiner hatten von den Päpsten andere Befugnisse erlangt, deren Wert nicht viel geringer war. Nach und nach waren ihnen 41 ) Bezeichnend ist, daß H e r z o g Georg v o n den Stiftsuntertanen erwartet, daß sie dem Bischof ungehorsam sind, w e n n er ihnen den Befehl dazu gibt. Dieses geschah 1502, als der H e r z o g den Bischof durch eine Temporaliensperre seitens seiner Untertanen unter Druck setzen wollte ( G e ß I, S. L X V I ) . 42 ) Vgl. Z i e s c h a n g S. 56 f.: D a s ausgehende Mittelalter habe eine „Scheu vor dem o f f e n e n Bruch mit den bestehenden Rechtsverhältnissen" gehabt. 43 44
) Zieschang
S. 35.
) D e r Konzilspapst Felix V. hatte z w a r den Wettinern 1443 das N o m i n a tionsrecht für die drei Bischofsstühle auf hundert Jahre gewährt, der römische Papst Eugen IV. hat es aber, soviel wir sehen, nicht bestätigt und z w a r w o h l deshalb, weil Sachsen die Obödienzerklärung ihm gegenüber erst dann abgab, als seine Stellung bereits ziemlich gefestigt w a r und er nicht mehr A n l a ß hatte, die Obödienzleistung mit einer besonders wertvollen Gabe zu belohnen, w i e er dies kurz z u v o r dem Kaiser und dem Kurfürsten v o n Brandenburg gegenüber getan hatte, indem er ihnen das Besetzungsrecht für die Bischofsstühle ihrer Länder gewährte.
30
Erster Teil: Die Grundlagen
nämlich die Präsentationsrechte für sämtliche K a n o n i k a t e 4 6 bis auf zwei, deren Besetzung sie aber auch ihrem E i n f l u ß unterwarfen, sowie über alle angeseheneren K a p i t e l s ä m t e r 4 6 erteilt worden. H a t t e n sie audi schon bisher bei der Besetzung dieser Stellen häufig ihre Wünsche durchgesetzt 4 7
—
ebenso wie ihnen das in Merseburg und N a u m b u r g gelang, w o sie nie so weitgehende Präsentationsrechte e r w a r b e n wie in Meißen — , so gaben ihnen die neuen Rechte das D o m k a p i t e l völlig in die H a n d . Sie konnten nun unumschränkt die Kapitelsstellen vergeben an Männer, die ihnen politisch ergeben waren, die sie in ihren Diensten zu verwenden gedachten oder für bereits geleistete Dienste belohnen wollten, und haben dies mit E i f e r ge-
4 5 ) Die im Jahre 1329 von den sächsischen Fürsten gestiftete 15. Domherrenstelle ( C D S R II, 1, S. 330 Nr. 401) war die erste, für die diese das Besetzungsrecht inne hatten. Die Besetzungsrechte für die übrigen verliehen ihnen die Päpste nach und nach: im Jahre 1399 für vier Kanonikate (a.a.O. II, 2 S. 285 f. Nr. 752), 1422 für weitere drei (a.a.O. S. 450 ff., Nr. 907), 1481/2 für abermals fünf (a.a.O. II, 3, S. 263 Nr. 1239 und S. 264 Nr. 1241). Hinsichtlich der fünf letztgenannten Kanonikate gaben die Wettiner 1485 die Zusicherung, falls diese sich in den menses ordinariorum erledigen würden, nur solche Kandidaten dafür zu präsentieren, die das Domkapitel ihnen nominieren werde ( C D S R II, 3, S. 272 Nr. 1253). Diese Einschränkung hatte jedoch wahrscheinlich keine große Bedeutung; der Einfluß der Wettiner auf das Kapitel war in jenen Zeiten, auch abgesehen von ihren formal festgelegten Besetzungsrechten, groß genug, um hier Quertreibereien von vornherein unmöglich zu machen. Eine gewisse Schutzvorrichtung gegen solche bot wohl auch der Brauch des Kapitels, diese Domherrenstellen stets nur mit Männern zu besetzen, denen bereits eine Anwartschaft darauf erteilt worden war. Einen Kreis solcher Exspektanten finden wir in Meißen wie in anderen Kapiteln seit alters; ihr Aufrücken in die frei werdenden Kanonikate geschah der Reihe nach. (Nach einer in M ß unter C 1 liegenden, wohl zwischen 1552 und 1554 entstandenen Aufstellung über die Canonicatus Misnenses cum eorum aäjunctis, obedientiis ac vicariis.) Die zwei noch fehlenden Domherrenstellen waren seit 1413 bzw. 1418 für zwei Theologieprofessoren der Leipziger Universität reserviert; das Besetzungsrecht lag bei der Universität. Jedoch dehnten die Wettiner auch hierauf ihren Einfluß aus ( G e ß II, 839 f., Nr. 1513; vgl. das bei Z i e s c h a n g S. 139 und 143 über die entsprechenden Merseburger und Naumburger Verhältnisse Gesagte). Somit konnten eigentlich höchstens noch der Kaiser oder der Bischof von Meißen selbst vermöge ihres jus primariarum precum eine den Wettinern nicht genehme Stellenbesetzung durchführen. Jedoch sind uns Beispiele dafür bekannt, daß die Kaiser die ihnen hiernach zustehenden Präsentationen den Wettinern überließen ( Z i e s c h a n g S. 143).
4 8 ) Vgl. vor allem C D S R II, 3, S. 272 Nr. 1253 vom 19. 3. 1485. Demnach erstreckte sich das Präsentationsrecht der Fürsten abgesehen von der Propstei Würzen auf sämtliche sog. Dignitäten (vgl. oben S. 9 Anm. 33) des Domkapitels. Die Beschränkungen, denen sich die sächsischen Fürsten für die Ausübung dieser Präsentationsrechte in eben dieser Urkunde zugunsten des Kapitels unterwerfen, dürften ebenso zu beurteilen sein wie die oben Anm. 45 erwähnten Beschränkungen bei Verleihung der Kanonikate. 4T
) Zieschang
S. 141 ff.
31
A/2. Der Einfluß der Wettiner im Hochstift
tan 4 8 . U n d die zuverlässige H a l t u n g eines D o m k a p i t e l s w a r bei dem A n teil, den ein solches an der S t i f t s - und Diözesanregierung hatte 4 9 , f ü r den Landesherrn
nicht bedeutungslos.
Einem widerspenstigen
Bischof
waren
schon dadurch in manchem die H ä n d e gebunden 5 0 . A b e r solche Bischöfe w a r e n selten. Denn der Besitz des Präsentationsrechts f ü r die Domherrenstellen bedeutete f ü r die W e t t i n e r n a t u r g e m ä ß eine weitgehende Sicherung gegen eine ihnen nicht genehme Bischofswahl seitens des D o m k a p i t e l s ;
das w a r
vermutlich
die wichtigste A u s w i r k u n g
jenes
Rechts f ü r sie 51 . A b e r auch direkte Einflüsse der sächsischen Fürsten auf die Besetzung des bischöflichen Stuhls lassen sich f ü r Meißen w i e f ü r Merseburg und N a u m b u r g nachweisen 5 2 . So haben diese e t w a im K a p i t e l f ü r die W a h l ihres K a n d i d a t e n vorgearbeitet oder den Papst u m die Provision desselben 4 8 ) Der Wunsdi, politisch ergebene Domherren zu haben, erscheint schon in dem ersten Gesuch eines Wettiners an den Papst um Verleihung von Präsentationsrechten im Meißner Domkapitel als Begründung: In der päpstlichen Bulle vom 12. Dezember 1399, die diese Rechte gewährt und die dem päpstlichen Kanzleigebrauch gemäß den Wortlaut der zugrundeliegenden Supplik wiederholt, heißt es, M a r k graf Wilhelm habe den Wunsch ausgesprochen, in Meißen als einer seiner stärksten Festungen einige Domherren zu haben, qui velut praecipui zelatores status et honoris dicti marchionatus ipsi marchioni sedulis studiis assistant et debita fidelitatis obsequia impendant ( C D S R II, 2, S. 285 Nr. 752, vgl. S. X X I V und Z i e s c h a n g S. 29 f.). Dieses politische Moment taucht auch in dem Gesuch Friedrichs des Streitbaren um weitere Präsentationsrechte von 1422 wieder auf (a.a.O. S. 451). — Solche zelatores fanden die Wettiner naturgemäß in erster Linie im Adel ihres Landes. So finden w i r auf den Domherrenstühlen vor allem sächsische Adelige ( Z i e s c h a n g S. 141; vgl. e t w a die Aufzählungen sämtlicher bzw. vieler Domherren: C D S R II, 3, S. 303 Nr. 1309 [ 1 4 9 8 ] ; S. 336 f. Nr. 1363 [ 1 5 1 8 ] ; sowie im Visitationsprotokoll von 1540: Dr. Loc. 10599 Visitation und derselben Instruktion, Bl. 67 ff.). — Uber Meißner bzw. Merseburger oder Naumburger Domherren als Beamte und R ä t e der sächsischen Fürsten vgl. Zieschang S. 145 ff. Bezeichnend ist auch, d a ß der Meißner Domherr und herzogliche Kanzler Dr. N i k l a s von Heinitz dem Herzog Georg einen Kandidaten zur Präsentation für eine Meißner Domherrenstelle empfiehlt mit den Worten, d a ß der Betreffende dem leblichen s t i f f t erlich und s.f.g. nicht weniger nützlich sein wird, und d a ß er ein man is, den s.f.g. och mochte gebruchen ( Z i e s c h a n g S. 144). 49)
S. o. S. 9 f. Für die wettiner-freundliche H a l t u n g des Domkapitels vgl. z. B. die Zustimmung desselben zur Übertragung weiterer Präsentationsrechte im Kapitel an die sächsischen Fürsten: C D S R II, 3, S. 264 Nr. 1241 vom 18. 3. 1482. Bemerkenswert ist ferner, d a ß das Kapitel von Herzog Georg „Befehle" entgegennimmt ( G e ß II, 590). In einem Streit mit Bischof Johann VI. im J a h r e 1489 wandte sich das Kapitel klagend an Herzog Georg ( Z i e s c h a n g S. 125). In dem Konflikt zwischen Herzog Georg und dem genannten Bischof (vgl. über diesen unten S. 34 f.) stand das Kapitel auf Seiten des Herzogs: Z i e s c h a n g S. 145; vgl. S. 98 f., wonach der Bischof behauptete, Herzog Georg habe das Kapitel gegen ihn aufgehetzt. Vgl. ferner unten S. 43. B1) Z i e s c h a n g S. 138. 5 2 ) A.a.O. S. 129 ff.; P. K i r n S. 32 f. 50)
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Erster Teil: Die Grundlagen
ersucht. K a m es zur Kapitelswahl, was wohl immerhin die Regel blieb, so waren die Fürsten persönlich oder doch ihre Räte anwesend; die Domherren werden dann nicht so leicht den Mut gefunden haben, gegen den fürstlichen Willen zu stimmen. Ein solches Unterfangen war auch ziemlich zwecklos, da die Fürsten mehr als einmal neue Bischöfe, die ihnen nicht genehm waren, an der Besteigung des bischöflichen Stuhls mit Erfolg gehindert haben, darunter übrigens auch solche, die ihre Einsetzung päpstlicher Provision verdankten. Ferner haben sich die Wettiner vermutlich auch dadurch ihnen genehme Bischöfe gesichert, daß sie bereits deren Vorgänger zur Annahme eines Koadjutors vermochten, dem sie dann vom Papst das Recht zur Nachfolge zusichern ließen 53 . Zieschang nimmt wohl mit Recht an, daß der Einfluß der Wettiner auf die Besetzung der Bischofsstühle ihres Landes die Regel gewesen ist 54 . Auf Grund dessen treten uns in den sächsischen Bischöfen hauptsächlich sächsische Adelige und wettinische Räte entgegen; es verhielt sich also mit ihnen ebenso wie mit den Domherren, aus deren Kreis sie oft hervorgegangen waren. Sie waren mithin fast stets Menschen, die politisch an Gehorsam gegenüber dem Hause Wettin gewöhnt waren. Diese Haltung behielten sie dann meistens auch als Bischöfe bei, wozu der Dank, den sie den Fürsten oft f ü r ihre Erhebung zur Bischofs-, vielleicht auch schon zur Domherrenwürde schuldeten, mit beigetragen haben wird; sehr häufig finden wir sie auch dann noch als Ratgeber der Fürsten 55 . Das Verhältnis der sächsischen Bischöfe und Domkapitel zu den Wetti53 ) Für diesen Brauch im allgemeinen vgl. RE 10, 609 f.; H e e k e l S. 68. D a ß er auch in Meißen geübt wurde, zeigt G e ß I, S. L X V I und der Fall Bischof Johanns VIII., der seit 1534 K o a d j u t o r seines Vorgängers war. D a ß Johann (VIII.) das jus succedendi besaß, scheint mir aus dem Brief des Cochläus an Fabri vom 28. 10. 1534 (hg. v. W. F r i e d e n s b u r g : Z K G 18, 1898, S. 257 ff.) sowie aus M a c h a t s c h e k S. 679 hervorzugehen. Nach M a c h a t s c h e k S. 691 hat allerdings trotzdem eine Wahl stattgefunden, was an sich durch Verleihung des jus succedendi überflüssig gemacht war. 54 B5
) Z i e s c h a n g S. 138. Ausnahmen s. u. S. 35 f.
) Z i e s c h a n g S. 107 ff., 129 ff.; G o e r l i t z S. 246 f. — Ein Fall ist uns bekannt, in dem die Wettiner einen Bisdiof — den N a u m b u r g e r Bischof Christian von Witzleben — unter Hinweis darauf, d a ß sie ihm zu seiner Würde verholfen haben, ersuchen, ihnen schriftlich zu versichern, daz er yn getruwelich raten und helfin sulle wider allirmellich ( Z i e s c h a n g S. 132). Zieschang glaubt, daß diesem Begehr eine derzeitige Abmachung zwischen den Fürsten und dem Bischofs-Kandidaten zugrunde gelegen habe, und rechnet damit, daß solche Abmachungen „allgemein gebräuchlich gewesen sind". Eine solche Abmachung zwischen dem erweiten, aber noch nicht bestätigten Bischof und dem Landesfürsten ist uns z. B. vom Hochstift Havelberg überliefert. D o r t mußte K o n r a d von Lintorf 1401 dem Kurfürsten von Brandenburg versprechen, f ü r den Fall, d a ß er durch furderung, gnade und gunst desselben auf den bischöflichen Stuhl käme, diesem gegen-
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A/2. Der Einfluß der Wettiner im Hochstift
nern ist somit praktisch wohl in der Regel beinahe das von U n t e r t a n e n zu ihren Landesherren gewesen. Kein W u n d e r , daß dann die Stiftsterritorien im wettinischen Landesstaate nahezu aufgingen 5 6 ! Diese loyale H a l t u n g gegenüber der sächsischen Landesgewalt w a r bei den spätmittelalterlichen
Meißner Bischöfen
aber
doch nicht
ganz
ohne
über sich urkundlich zu politischer Gefolgschaft zu verpflichten, wofür der Kurfürst ihm Schutz zuzusagen gelobte ( H ä d i c k e S. 50). Als Beispiel dafür, daß noch die Bischöfe als Ratgeber der sächsischen Fürsten fungierten, läßt sich außer dem bei Z i e s c h a n g und G o e r 1 i t z a.a.O. gesammelten Material noch anführen die Gesandtschaft Bischof Johanns V I I . von Meißen und des Dr. Simon Pistoris im Auftrag Herzog Georgs von Sachsen nach Posen zum König von Polen zwecks einer Vermittlung zwischen König Ferdinand und Johann Zapolya vom Oktober/November 1530 (erwähnt in Sigmund von Herbersteins Selbstbiographie, in: Fontes rerum Austriacarum I, 1, 1865, S. 292). Bei dieser Gelegenheit dürfte, wenn die Kunde davon nicht überhaupt leeres Gerücht ist, ein kleiner Zwischenfall passiert sein, der bisher, soviel ich sehe, noch keine befriedigende Aufhellung gefunden hat. In Dr. Loc. 8994 Ein Lied, findet sich ein von Herzog Georg verfaßtes und eigenhändig niedergeschriebenes Gedicht, dem der Herzog die Überschrift gegeben hat: Ein naw lid von den ungschwnden[\] lugen der jenen, dy vom Bischoff von meyssen gthicht haben, als solt her zeu passen dy wort haben außglest gOtts wort bleybet ewiglich (nach der Wiedergabe J . K. S e i d e m a n n s im Archiv für Literaturgeschichte 3, 1874, S. 44; außerdem ist das Gedicht abgedruckt und besprochen A S G 12, 1874, S. 104 f. von einem Ungenannten und A R G 24, 1927, S. 164 ff. von Hans B e c k e r ) . D a das Gedicht selbst keinerlei Andeutung über das zugrundeliegende Faktum enthält, war man auf die Deutung der Überschrift angewiesen. Festzustehen schien, daß der Meißner Bischof den Wahlspruch der Evangelischen Verbum Dei ma.net in eternum irgendwo ausgetilgt haben sollte. Aber bei welcher Gelegenheit? Die Worte zeu possen deutete man als „zum Possen"; der Publikator in A S G dachte auch schon an einen Ortsnamen und zwar das Kloster Bosau bei Zeitz. An das ferne Posen wagte niemand zu denken. Und doch dürfte es zur Gewißheit werden, daß das Geschchnis dorthin zu verlegen ist, durch eine wohl Anfang der 1530er Jahre aus dem lutherischen Lager hervorgegangenen Satire (erwähnt von C 1 e m e n : N A 26, 1905, S. 28 f.. Darin findet sich ein fingierter Brief (abgedruckt a.a.O. S. 39 f.), worin dem Bischof von Meißen der Hinweis auf folgendes Erlebnis in den Mund gelegt wird: Er habe zu Posen in Polonia die Herberge nicht betreten wollen, wenn nicht zuvor ille Diabolicus Rythmus [er war wohl als Inschrift an dem Gebäude angebracht] Verbum Domini manet in aeternum durch eine Latte verdeckt würde. Und daß Bischof Johann V I I . von Meißen (daß dieser in der Satire gemeint ist und nicht sein gleichnamiger Nachfolger, dessen Regierungsantritt auch noch in die Regierungszeit Herzog Georgs fällt, möchte ich aus verschiedenen eine Datierung ermöglichenden Angaben derselben schließen) tatsächlich einmal in Posen war, ist uns durch Herberstein (s. o.) verbürgt. 5 e ) Sehr interessant ist ein Vergleich der staatlichen Situation der sächsischen Hochstifter mit der der brandenburgischen Brandenburg und Havelberg. (Über diese vgl. die genannte Arbeit von H ä d i c k e ; zur Sache vgl. außerdem oben S. 22 Anm. 12, S. 29 Anm. 44 und oben Anm. 55). D a ß die Lage von Brandenburg und Havelberg der der sächsischen Hochstifter ähnlich gewesen ist, bemerkt H ä d i c k e ausdrücklich S. 4 Anm. 1. Seinen Ausführungen zufolge hat sich in
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Erster Teil: Die Grundlagen
Ausnahme. Durchbrochen wurde sie namentlich von dem letzten vorlutherischen Inhaber des Bisdiofsstuhles, Johann VI. von Salhausen (1487—1518). Sein Gebaren befremdet um so mehr, als auch bei ihm die Voraussetzungen für eine wettinerfreundliche Politik gegeben waren. Wie die meisten seiner Vorgänger entstammte auch er dem sächsischen Adel, hatte bereits lange den beiden brandenburgischen Hochstiftern der Wandel von der Reichsstandschaft zur Landsässigkeit vor allem dadurch vollzogen, d a ß die Markgrafen ihr Fürstenamt, dem die Bischöfe freilich von A n f a n g an, aber unbeschadet ihrer Selbständigkeit, unterstanden hatten, hinentwickelten zur Landeshoheit. Für die Luxemburger, die 1373 die Mark übernahmen, und die ihnen folgenden Hohenzollern galt vom Beginn ihrer Regierung an der Grundsatz, der f ü r die erwähnte (s. o. S. 21) Konsolidierung der Staaten überhaupt kennzeichnend ist, quod quidquid i n territorio sit, illud etiam d e territorio sit ( H ä d i c k e S. 45, Sperrungen von Hädicke). Diesen Bestrebungen kamen die realen Machtverhältnisse entgegen. Die Bischöfe zu Brandenburg und Havelberg mußten ebenso wie der zu Meißen ihre Bisdiofsstädte mit den viel mächtigeren M a r k g r a f e n teilen, ihr weltliches Herrschaftsgebiet lag ebenso wie das ihres Meißner Amtsgenossen verstreut innerhalb des markgräflichen Gebietes (a.a.O. S. 20 f., 38). D a konnte sich keine wirkliche Landeshoheit entwickeln. Die Hochstifter waren auf die M a r k g r a f e n angewiesen. Das zeigt sich namentlich auf militärischem Gebiete. Bereits die Eroberung des den Hochstiftern bei ihrer G r ü n d u n g vom deutschen König übereigneten Besitzes von slavischer Herrschaft hatte der Markgraf besorgen müssen (a.a.O. S. 20). Audi später blieben die Hodistifter hinsichtlich Krieg und Frieden von den M a r k g r a f e n abhängig. Sie sahen das auch selbst ein und haben darum z. B. die eine Zeit der Wirrnisse abschließende Übernahme der Mark durch die H o h e n zollern freudig begrüßt, obwohl doch jene unsicheren Verhältnisse eine Durchsetzung ihrer Reichsunmittelbarkeit hätten ermöglichen können (a.a.O. S. 35, 48). Auch im einzelnen zeigt die Entwicklung mit Sachsen viele Parallelen. Das Ergebnis ist freilich in Brandenburg doch ein etwas anderes, insofern als die dortigen Bischöfe am Ausgang des Mittelalters noch stärker unter der markgräflichen Gewalt stehen als die sächsischen. Das läßt sich nur an verschiedenen Einzelerscheinungen aufzeigen: Die brandenburgisdien Bischöfe galten seit der luxemburgischen Zeit als Vasallen der Markgrafen und leisteten den Huldigungseid (a.a.O. S. 44). Die Markgrafen gebrauchten ihnen gegenüber die dementsprechende Anrede unser Getreuer (a.a.O. S. 43), während die Wettiner die sächsischen Bischöfe als besonderer lieber Freund und Euer Lieb anredeten, d. h. nicht wesentlich anders als völlig reichsunmittelbare Bischöfe ( G o e r l i t z S. 245). Die brandenburgischen Bischöfe übten seit 1445 im wesentlichen keine weltliche Gerichtsbarkeit mehr aus (a.a.O. S. 52 f.). Von 1471 bis 1495 wurden sie nicht mehr gesondert zu den Reichsanschlägen herangezogen; als das 1507 und 1521 doch wieder geschah, protestierten sie, da das gegen alles Herkommen gehe. Dazu — vielleicht das wichtigste Moment — hatten, wie erwähnt (s. o. S. 29 Anm. 44), die Hohenzollern seit 1447 das Nominationsrecht f ü r die Bischofsstühle ihres Landes, d. h. dieses Redit war eigentlich nur dem damaligen Kurfürsten Friedrich II. gewährt worden, aber audi dessen Nachfolger übten es weiter aus und setzten sich damit durch. •— Von Seiten der Wettiner wurde freilich ein Unterschied zwischen ihrem Verhältnis zu „ihren" Bischöfen und dem der Hohenzollern zu den ihrigen nicht zugegeben (vgl. G e ß I, 432 f. N r . 432; S. 449 f. N r . 440). Und schließlich war dieser Unterschied ja auch nur ein gradueller, kein grundsätzlicher. Audi die brandenburgischen Hochstifter waren formalreditlich Reichsstände geblieben.
A / 2 . D e r E i n f l u ß der Wettincr im H o d i s t i f t
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dem Meißner Domkapitel angehört — die letzten Jahre als Dekan 5 7 — und wird auch einmal vor seiner Erhebung zur Bischofswürde als Rat der sächsischen Fürsten bezeichnet 58 . Trotz alledem versuchte er als Bischof die volle staatliche Selbständigkeit des Hochstifts mit allem Nachdruck durchzusetzen. Seine Uberzeugung war, dass alle fürstlichen Rechte, die Regalien und weltlichen Gerichte ihm allein in seinem Stifte und nach dem Papste und der kaiserlichen Majestät keinem Fürsten auf Erden irgend welche Macht über ihn . . . und des Stiftes Weltlichkeit zustehe53. Dabei mußte er mit Herzog Georg, der nicht der Mann war, von seinem herkömmlichen Rechte etwas nachzulassen 60 , natürlich zusammenstoßen. Der langjährige und äußerst heftige Streit ging vor allem um die militärischen Leistungen des Stifts an den Herzog und um das bischöfliche Münzrecht. Diese unabhängige Politik des Bischofs wurde bezeichnenderweise nicht vom Domkapitel, aber, wenigstens teilweise, von den Stiftsständen eingehalten 61 . Der Konflikt wurde 1511 durch einen Schiedsspruch beigelegt, der in allen wesentlichen Punkten eine Niederlage des Bischofs bedeutete 62 . Dennoch hörte dieser auch weiterhin nicht auf, Schwierigkeiten zu machen 63 . Im übrigen lassen sich politische Spannungen zwischen der wettinischen Landesgewalt und dem Meißner Bischofsstuhl mehr vermuten als nachweisen f ü r die Zeit besonderer Machtentfaltung Böhmens unter Kaiser Karl IV. und die folgenden Jahrzehnte. Die damaligen böhmischen Herrscher haben in dem Bestreben, die angrenzenden Länder unter ihren Einfluß zu bringen, nicht nur die Meißner Diözese dem Erzbischof von Prag unterstellt 64 , sondern auch durchgesetzt, daß nacheinander mehrere ihnen nahestehende Männer vermöge päpstlicher Provision — bisweilen unter Verwerfung einer bereits stattgehabten Kapitelswahl — den Meißner Bischofsstuhl bestiegen. Diese hielten dann (wenigstens zum Teil) auch noch als Bischöfe ihre engen Beziehungen zur böhmischen Krone aufrecht und 57 ) Vgl. C D S R II, 3, S. X I I I sowie die daselbst S. 459 im Register über ihn angeführten Aktenstücke. 58 ) P. K i r n S. 32. 59 ) Nach dem Regest eines Briefes des Bischofs an die Bürgermeister und Stadträte der Stiftsstädte Stolpen und Bischofswerda v o m 23. 12. 1508: C D S R II, 3, S. 323 N r . 1338. B0
) Vgl. oben S. 24.
61
) C D S R II, 3, S. 323 N r . 1338. Zur A n t w o r t des H e r z o g s auf das hier erwähnte Schreiben der Stiftsstädte an ihn vgl. oben S. 24 und G o e r 1 i t z S. 259 f. G2
) C D S R II, 3, S. 325 f. N r . 1342.
G3
) G e ß I, S. L X X X I Anm. 1.; P. K i r n S. 124 Anm. 59; N . P a u l u s , Tetzel S. 29 f. Zu dem Streit im allgemeinen vgl. G o e r l i t z S. 259 ff., 276; Z i e s c h a n g S. 83 ff., 96 ff. Z.s Darstellung wird freilich v o n Goerlitz als unzureichend bezeichnet. 64
) S. o. S. 7 f., vgl. K ö t z s c h k e - K r e t z s
c h r a a r l , 140 f.
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Erster Teil: Die Grundlagen
hatten keine Lust, sich einer Oberhoheit der Wettiner zu beugen. So suchte Bischof Thimo (1399—1410) sich deren Einfluß zu entziehen, indem er Stolpen zu seiner Residenz wählte 6 5 , dessen Kapelle er zur Stiftskirche erhob. Sein Versuch, auch den geistlichen Gerichtshof nach Stolpen zu verlegen, scheiterte jedoch an dem Widerstande Markgraf Wilhelms I. von Meißen, wie denn dieser auch durch Schutzverträge der bereits erwähnten Art, die sich gerade f ü r diese Zeit nachweisen lassen, die „böhmischen Bischöfe" an die wettinische Landesgewalt zu ketten sich bemühte. Bei Bischof Thimo aber scheint er damit kaum das politische Treueverhältnis erreicht zu haben, das er wünschte. Denn als dieser 1409 auf dem Konzil zu Pisa, wohin er als einer der Stellvertreter des deutschen und böhmischen Königs Wenzel gereist war, dem soeben erwählten Papst Alexander V. über alle Bedrängnisse, die er und sein Stift daheim erführen, klagte, da erwähnte er unter seinen Bedrängern auch Markgrafen (marchiones), womit er doch wohl die Wettiner meinte 66 . Bemerkenswert ist auch, daß Thimo ebenso wie sein Vorgänger Johann III. mit dem Domkapitel in dauerndem Unfrieden lebte, offensichtlich deshalb, weil er die Tradition der Meißner Bischöfe völlig durchbrach, und zwar wohl nicht zuletzt durch sein gespanntes Verhältnis zu den Wettinern. Aber auch nachdem der Einfluß der Könige von Böhmen auf das Hochstift Meißen wieder dem der Wettiner Platz gemacht hatte, haben jene noch gelegentlich Interesse an demselben bekundet. Darauf berief sich denn auch Kaiser Sigismund, als er die Wahrnehmung des Schutzes des Hochstifts Meißen dem jeweiligen König von Böhmen übertrug 6 7 . Von einer Ausübung des Schutzrechts hören wir freilich nichts 68 . Der Einfluß der Wettiner auf die Stiftsregierung wirkte sich naturgemäß aber nun nicht bloß auf deren staatliche, sondern auch auf deren kirchliche Funktionen aus. Vielleicht hat sogar das letztere nicht weniger in der Absicht der Fürsten gelegen als das erstere, zumal beides dem Zug der Zeit entsprach. Denn das Streben der spätmittelalterlichen Fürsten nach einer Konsolidierung ihrer Staaten 69 äußerte sich nicht nur in territorialer — gleichsam außenpolitischer —, sondern auch in innenpolitischer Richtung: Die Fürsten lenkten ihr Augenmerk nicht nur auf eine Abrundung ihres Gebiets und damit eine Bevormundung kleiner benachbarter Potentaten, sondern auch auf die Unterwerfung der innerhalb der Landesgrenzen wirkenden K r ä f t e unter ihren Einfluß. Dazu gehörte nicht zuletzt auch die Kirche. Das Streben nach Machterweiterung und das Gefühl der Verant65
) Vgl. oben S. 18.
6G e7
) CDSR II, 2, S. 348 Nr. 806.
) CDSR II, 3, S. 43 f. Nr. 951 vom 9. Juni 1434.
BS
) O. R i c h t e r , Reichsstandschaft, S. 119.
C9
) S. o. S. 21.
A / 2 . Der E i n f l u ß der Wettiner im Hochstift
37
wortung gingen dabei H a n d in Hand 7 0 . Das bedeutet aber f ü r die Hochstifter, daß sie auf ihrem ureigensten Aufgabengebiet, dem der Kirchenleitung, Eingriffe seitens der in ihren Diözesen regierenden weltlichen Landesherren erfuhren. Dabei liegt es auf der H a n d , daß die Fürsten dort, wo sie auf die Staatlichkeit eines Hochstifts bereits Einfluß besaßen, besonders leicht und weitgehender als sonst in dessen kirchliche Befugnisse einzugreifen vermochten. So also vor allem in Ostdeutschland und mithin auch beim Hochstift Meißen 71 . Unter den spätmittelalterlichen Wettinern sehen wir von Markgraf Wilhelm I. (1349—1407) an manchen zielbewußten Förderer eines landesherrlichen Einflusses auf die Kirche seines Territoriums, so daß auch im meißnisch-sächsischen Raum die Staatsgewalt bereits vor Einführung der Reformation sich eine weitreichende Machtstellung innerhalb der kirchlichen Sphäre erworben hatte 7 2 . Dabei kam jedoch immer viel auf jeden einzelnen Herrscher an. Deshalb war es schließlich von nicht geringer Bedeutung, wie die beiden Fürsten, die auf der Schwelle vom Mittelalter zur Reformationszeit die beiden wettinischen Territorien regierten, ihre Aufgabe gegenüber der Kirche sahen: Friedrich der Weise und Herzog Georg. Ihre kirchenregimentliche Haltung d ü r f t e darum auch unser besonderes Interesse finden. Beiden war die Sache der Kirche Herzensanliegen und beide hielten sich f ü r deren gedeihliche Entwicklung in ihrem Lande f ü r verantwortlich. Beide sahen sich bei dem vielfach ungenügenden Durchgreifen der kirchlichen Instanzen vor die Aufgabe gestellt, diesem Verantwortungsbewußtsein die Tat folgen zu lassen, und beide hatten dabei nur das Wohl der Kirche im Auge, nicht die Ausdehnung ihrer eigenen Macht. Aber beide beschritten doch praktisch verschiedene Wege. Friedrich der Weise 73 — wir fassen hier nur sein Verhalten vor dem Auftreten Luthers ins Auge — war von Haus aus streng darauf bedacht, alle wohl erworbenen Rechte zu schützen. D a r u m wandte er sich, wenn er auf kirchlichem Gebiete Mängel erblickte, stets zuerst an die kirchlichen Instanzen. N u r wenn er da kein Gehör fand, griff er selbst ein aus notfurderung und fürstlicher oberig-
70 ) Über die A n f ä n g e des landesherrlichen Kirchenregiments im Spätmittelalter im allgemeinen vgl. J. H a s h a g e n , Staat und Kirche vor der Reformation, 1931; H e r m e l i n k - M a u r e r S. 43 f f . ; K. M ü l l e r , Kirchengeschichte II, 1, S. 139 f f . ; W e r m i n g h o f f , Verfassungsgeschichte S. 87 f f . 71 ) Zieschang r e r S. 47.
S. 8; W e r m i n g h o f f
S. 91 f.;
Hermelink-Mau-
72 ) Für die spätmittelalterlichen A n f ä n g e eines landesherrlichen Kirchenregiments in Sachsen vgl. die sdion mehrfach benutzten Veröffentlichungen v o n Z i e s c h a n g und v o n P. K i r n , sowie G e ß I, Einleitung. Audi in der Anm. 70 angeführten Literatur findet sich manches über Sachsen. 73
) Vgl. P. K i r n
S. 125 ff.
38
Erster Teil: D i e Grundlagen
kait74; er tat das jedoch ungern und war sich dabei stets bewußt, daß er damit ein Notrecht ausübe. Eine Ausdehnung der landesherrlichen Befugnisse auf kirchlichem Gebiet lag somit nicht in seiner Absicht und ist auch im wesentlichen unter seiner Regierung nicht eingetreten. Auch Herzog Georg 75 gestand an und f ü r sich der geistlichen Gewalt ihren selbständigen Aufgabenbereich zu. Doch bei seinem großen Eifer f ü r eine Besserung der kirchlichen Zustände und seiner durchgreifenden Energie hat er die Kirche seines Landes fast völlig unter seine Herrschaft gebracht. Er warf ein wachsames Auge auf alle kirchlichen Verhältnisse, o f t bis ins kleinste hinein. Wo er dabei auf Mißstände traf, trat er in der Regel an die zuständigen kirchlichen Instanzen, also namentlich auch die Bischöfe, heran und bat sie entweder direkt um Abstellung oder er setzte sich f ü r gemeinsame Beratungen zwischen staatlicher und kirchlicher Gewalt ein. Durch die Häufigkeit dieses Verfahrens wurden die Bischöfe geradezu in eine Art Beamtenverhältnis dem Herzog gegenüber hinabgedrückt, besonders sobald der Herzog ihnen genaue Anweisungen f ü r die Erledigung eines Falles gab 76 oder, wenn er eine gemeinsame Beratung wünschte, sogar den Termin d a f ü r von vornherein vorschrieb 77 . Bisweilen aber schaltete Georg die Bischöfe auch ganz aus und wendete sich direkt an untergeordnete kirchliche Organe, z. B. Offiziale 7 8 , oder griff selbst ein 79 , auf schriftlichem Wege oder durch seine staatlichen Unterorgane. Dieses selbständige Vorgehen erschien dem Herzog bei der Nachlässigkeit der geistlichen Instanzen besonders sachdienlich; darum suchte er die gesetzliche Grundlage dafür zu schaffen: So beantragte er 1503 beim Papst, daß ihm die Strafgewalt über die Geistlichen und das Reformationsrecht f ü r die Klöster seines Landes eingeräumt werde 80 , und 1523 ersuchte er als der landesfürst und oberster collator81 das Oberhaupt der Kirche um das Recht der Abset74 ) Zu den in diesen Ausdrücken liegenden Rechtstheorien vgl. S. 431 f f . ; H e r m e l i n k - M a u r e r S. 44.
Hashagen
75 ) Vgl. L. C a r d a u n s , Zur Kirchenpolitik H e r z o g Georgs v o n Sachsen, vornehmlich in seinen letzten Regierungsjahren: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 10, 1907, S. 101 f f . ; G. W o l f , D i e Kirchenpolitik des H e r z o g s Georg: N e u e Jahrbücher für das klass. Altertum 9, 1906, S. 416 f f . ; G e ß I und II. (Die aus dieser Quellensammlung von mir auf den folgenden Seiten im einzelnen angeführten Belege erheben natürlich keinerlei A n spruch auf Vollständigkeit.) 76
) G e ß I, 534. ) G e ß I, N r . 222. 7S ) G e ß I, S. LVI A n m . 2, Schreiben v o m 30. 12. 1509, ferner a.a.O. N r . 57. 7T
79 ) G e ß I, S. LVII A n m . 2, ferner a.a.O. N r . 18, 33, 449. Nach H a s h a g e n S. 399 f. sind auch v o n anderen deutschen Fürsten derartige Verfügungen bekannt. fi0
) Geß
81
I, S. L X I I I , X X X V I I .
) G e ß I, N r . 424. — D a m i t wäre erwiesen, daß auch die sächsischen Fürsten den Patronat (den ja die spätmittelalterlichen Fürsten auf die Kollatur ausdehn-
A / 2 . Der E i n f l u ß der Wettiner im Hochstift
39
zung aller unwürdigen Pfarrer und ihrer Ersetzung durch würdige. Diese Gesuche wurden zwar, soweit ersichtlich, abgelehnt 82 , aber wir können an ihnen ersehen, wie Herzog Georg sein Kirchenregiment auffaßte, nämlich „nicht viel anders als ein lutherischer Fürst" 8 3 . Das Wort, das er einmal aus Anlaß eines Streites um eine Deutschordensballei gesprochen haben soll, er were in seinem Lande selbsten Pabst, Kayser und Teutscher Meister 84 , ist jedenfalls f ü r ihn charakteristisch, wenn es auch natürlich nicht so verstanden werden darf, als hätte Georg sein Land von der Jurisdiktion des Oberhaupts der Christenheit lösen wollen 85 . Vergegenwärtigen wir uns kurz, in welcher Weise das kirchenregimentliche Walten der Wettiner auf den wichtigsten Gebieten des dem Bischof von Meißen unterstehenden Kirchenwesens in Erscheinung trat. Dabei sei zuerst nochmals auf ein Ereignis hingewiesen, das dieser ganzen landesherrlichen Kirchenpolitik sehr förderlich geworden w a r : die päpstliche Exemtion der Diözese Meißen von der erzbischöflichen Gewalt 8 9 . Denn mit der Ausschaltung der außer Landes befindlichen übergeordneten kirchlichen Instanz war natürlich für die weltliche Landesgewalt die Durchsetzung ihres Einflusses auf das Meißner Kirchengebiet ganz wesentlich erleichtert. Ein Gebiet, auf dem die Wettiner sich immer wieder zum Einschreiten genötigt sahen, war das der geistlichen Gerichtsbarkeit. Hier handelte es sich darum, ihre Untertanen von einem Erscheinen vor außer Landes befindlichen Gerichten fernzuhalten, Ubergriffe der kirchlichen Rechtsprechung aufs weltliche Gebiet zurückzuweisen sowie Mißständen im Verfahren der geistlichen Gerichte entgegenzutreten. Ihre Erfolge bei alledem entsprachen jedoch o f t nicht den Wünschen. Mehr zu erreichen vermochten sie den Ablässen gegenüber, über deren Zulassung oder Verbot f ü r ihr Land sie ganz nach Maßgabe ihrer wirtschaftlichen, politischen oder religiösen Interessen entschieden. Aber auch an die zentralen Aufgaben eines Kirchenregiments, Fürsorge für Gottesdienst, Welt- und Ordensklerus, wirtschaftliche Betreuung von Kirchgemeinden und Klöstern, gingen die Wettiner ebenso wie viele ihrer Standesgenossen heran. So kümmerte sich Herzog Georg um ten, vgl. R E 15, 18 ff.) ratione dominii ausübten oder wenigstens auszuüben beanspruchten (gegen H a s h a g e n S. 464, der dies für die Mark Meißen und die Lausitzen in Abrede stellt). 82
) Geß
I, a.a.O.; C a r d a u n s S. I i i
83
) R i e k e r : Zsdir. d. S a v i g n y - S t i f t u n g für Reditsgesch., Kan. Abt. 8, 1918, S. 267. 84 ) H a s h a g e n S. 556. H e r m e l i n k - M a u r e r ses Wort kursiere im Munde aller möglichen Herren. 85
) Vgl. H ä r t u n g
se
) Z i e s c h a n g S. 28 f.; vgl. oben S. 7 f.
S. 46.
S. 47 sagt allerdings, die-
40
Erster Teil: Die Grundlagen
ordnungsgemäße Beichte und Sakramentsempfang seiner Landeskinder 8 7 , um die Wiederaufrichtung darniederliegender Gottesdienste 88 , um die stiftungsgemäße Abhaltung von Prozessionen 89 . Den Propst eines Nonnenklosters läßt er ersuchen, f ü r die Nonnen besondere Predigten zu halten, da es nicht gut sei, wenn Klosterjungfrauen und Laien immer dieselbe Predigt hörten 9 0 . Bei einem Pfarrer läßt er anfragen, weshalb ein in seiner Kirche begangener Frevel nicht in der Predigt gerügt worden sei 91 . Auch bei seinen Klostervisitationen, auf die wir sogleich zu sprechen kommen werden, ging es dem Herzog vor allem darum, daß die Würde des Gottesdienstes in den Klöstern aufrecht erhalten werde 92 . Damit das Ansehen des Gottesdienstes erhalten bleibe, bedarf es geeigneter und würdiger Priester. Hier bot sich den weltlichen Fürsten eine weitere dankenswerte Aufgabe und zwar um so mehr, als die in ihren Maßnahmen o f t so scharfen geistlichen Gerichte dem Klerus gegenüber vielfach eine unbegreifliche Nachlässigkeit zeigten. So hören wir, d a ß sie bisweilen gegen Geldzahlung den Geistlichen sogar Konkubinen erlaubten 93 . In Sachsen — genauer: Thüringen — hatte schon Herzog Wilhelm I I I . 1446 in seiner Landesordnung, nach Geß dem „bedeutsamsten Dokument der staatskirchlichen Bewegung auf deutschem Boden im 15. Jahrhundert" 9 4 , erklärt, auf gebührende Bestrafung unwürdiger Priester bei ihren Vorgesetzten dringen und nach Möglichkeit dabei mitwirken zu wollen 95 . Auf diesen Bahnen sehen wir insbesondere Herzog Georg wandeln. Die Ablehnung seiner von uns schon erwähnten 9 6 Anträge an den Papst um Überlassung der Strafgewalt über den Klerus und des Rechts der Absetzung unwürdiger Pfarrer hinderte ihn hier nicht am energischen Vorgehen. Sei es, daß er die Schlichtung bzw. Bestrafung des betreffenden Falles selbst in die H a n d nahm, mit dem Bischof gemeinsam beraten ließ oder diesem die Angelegenheit ganz übergab — letzteres allerdings meist nicht, ohne ihn zur nötigen Strenge zu ermahnen —, immer wieder sehen wir seine durchgreifende H a n d im Spiel 97 . 8
") G e ß I, Nr. 18. ) G e ß I, Nr. 57. 89 ) G e ß I, Nr. 23. 90 ) G e ß I, Nr. 33. 91 ) G e ß I, Nr. 449. a2 ) G e ß , Die Klostervisitationen Herzog Georgs von Sachsen, 1888, S. 42, vgl. S. 39. 93 ) P. K i r n S. 63; G e ß I, S. LXIII und Nr. 21. ° 4 ) G e ß I, S. X X I . 9S ) G e ß I, S. LIII. 98 ) S. o. S. 38 f. ° 7 ) Vgl. oben S. 38. Als Beispiele für das selbständige Vorgehen des Herzogs bzw. seiner Beamten vgl. G e ß I, Nr. 21, 59, 502; für gemeinsame Beratungen Nr. 153; für Weitergabe an den Bischof Nr. 59, 106, 222, 248, 249, 252. 88
A / 2 . Der Einfluß der Wettiner im Hochstift
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Besondere Fürsorge seitens der Wettiner erfuhren weiterhin die Klöster 0 8 and zwar auf wirtschaftlichem wie auf geistlichem Gebiete. So war eine Einflußnahme der weltlichen Landesfürsten auf die Wahl der Äbte und sonstigen Oberhäupter der Klöster keine Seltenheit. D a die Fürsten eine Beseitigung der Mißstände in den Klöstern planmäßig betrieben wissen wollten, hatten sie besonderes Interesse an der Durchführung von Visitationen dieser Anstalten. Darum waren sie es immer wieder, die die Anregung zu solchen Unternehmungen gaben 0 9 ; Friedrich der Weise und Georg beteiligten sich sogar selbst daran durch Abordnung weltlicher Räte zu den Visitations-Kommissionen. Schließlich nahm Herzog Georg sogar 1535 eine Visitation der Thüringer Klöster seines Landes ganz selbständig in die Hand. So war in Sachsen wie anderwärts die Durchführung kirchenregimentlicher Aufgaben weithin aus der Hand der Bischöfe in die der Landesfürsten übergegangen. Die Bischöfe waren ähnlich wie auf staatlichem, so auf kirchlichem Gebiet nicht mehr selbständig. Namentlich eine so kraftvolle Natur wie Herzog Georg erscheint im Vergleich zu ihnen als der eigentliche Inhaber der Jurisdiktionsgewalt über die Kirche seines Landes. Die Bischöfe waren vielfach nur noch ausführende Organe seines Willens. Man könnte sie mit landesherrlichen Konsistorien vergleichen. Es war für die Ausbildung und Festigung dieses Zustandes von ausschlaggebender Bedeutung, daß das energische und segensreiche Vorgehen der Wettiner auf kirchenregimentlichem Gebiete in hohem Maße Anerkennung und Unterstützung bei ihren Untertanen, Klerikern wie Laien, fand. Bei dem häufigen Versagen oder den ungerechtfertigt harten Maßnahmen der geistlichen Obrigkeiten war man froh, für seine Nöte bei den weltlichen ein offenes Ohr und eine helfende Hand zu finden. D a ß freilich die landesherrliche Klosterpolitik namentlich den Prälaten auch zu weit gehen konnte, mußte Herzog Georg erfahren, als er, wie erwähnt, seine Klosterpolitik ausschließlich durch weltliche Räte durchgeführt und durch diese einschneidende wirtschaftliche Maßnahmen erlassen hatte 1 . In dem großen Gebiet, das außerhalb der sächsischen Lande der Jurisdiktion des Bischofs von Meißen unterstand, den beiden Lausitzen, ist von kirchenregimentlichen Handlungen der weltlichen Landesherren im 9S
) Vgl. dazu noch besonders G e ß , Klostervisitationen.
) Wie sie dabei ihre Stellung mitunter auffaßten, zeigt uns der Z i e s c h a n g S. 118 Anm. 4 berichtete F a l l : Kurfürst Ernst und H e r z o g Albrecht beauftragen den Bischof von Naumburg mit der Reformation der Nonnenklöster seiner Diözese bis vff vnser widerruffen und begründen diesen ihren Schritt damit, daß sie selbst zur Durchführung dieses Werkes willig seien, aber ihrer übrigen Geschäfte wegen nicht die nötige Zeit dazu hätten. 00
G e ß , Klostervisitationen S. 37, 42.
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Erster Teil: D i e G r u n d l a g e n
Spätmittelalter, also der Könige von Böhmen bzw. von Ungarn, wahrscheinlich sehr viel weniger zu spüren gewesen 2 . Das läßt sich auf Grund der staatlichen Situation des Landes vermuten. Die Lausitzen waren für Böhmen ein Außenbezirk, in dem die Könige das Regiment im wesentlichen ihren Landvögten überließen. Darum waren die Stände hier zu größerer Selbständigkeit gelangt 3 . Unter ihnen dürften daher auch in erster Linie die Träger eines „Kirchenregiments" der Laiengewalten in vorreformatorischer Zeit zu suchen sein. Das gilt namentlich von den Städten. So läßt sich beobachten, daß der Rat zu Görlitz sich seine Selbständigkeit gegenüber den geistlichen Gewalten in kirchlichen Dingen ähnlich wahrte wie ein Landesherr. Er unterwarf die Besetzung geistlicher Stellen seinem Einfluß, kämpfte gegen Übergriffe des geistlichen Gerichts aufs weltliche Gebiet, vertrat seine Pfarrer gegen geldliche Anforderungen seitens des Bischofs von Meißen und des Kapitels 4 und trieb eine energische Klosterpolitik 5 . Nicht viel anders wird es auch in den übrigen größeren Städten gewesen sein — der Rat zu Bautzen z. B. erklärte, sein Franziskanerkloster gegen etwaige Eingriffe der Observanten schützen zu wollen® —, zumal die Räte der deutschen Städte überhaupt eine eigene Kirchenpolitik ähnlich der der Landesfürsten trieben 7 . Audi der Lausitzer Adel wird auf seinen patrimonialen Herrschaften das kirchliche Wesen beeinflußt haben, wie er es jedenfalls in der Reformationszeit tat 8 . Wie haben sich nun die Meißner Bischöfe zu diesen bedeutenden Einschränkungen ihrer Kompetenzen gestellt? Wenn Bischof Thimo den geistlichen Gerichtshof von Meißen nach Stolpen zu verlegen suchte9, so war seine Hauptabsicht dabei doch sicherlich, die kirchliche Rechtsprechung den Einwirkungen der Wettiner zu entziehen. Rücksichtslose Ausnutzung der ihm auf diesem Gebiete gegebenen Möglichkeiten beobachten wir vor allem 2 ) Zu Beginn der R e f o r m a t i o n s z e i t — aber wohl unbeeinflußt von deren Geschehen — hören wir v o n einem königlichen M a n d a t gegen die geistliche Gerichtsbarkeit ( G e ß I, N r . 460). E t w a 1521 klagt der Bischof v o n Meißen dem L a n d vogt der N i e d e r l a u s i t z gegenüber, sein O f f i z i a l für die N i e d e r l a u s i t z und andere Geistliche würden von der weltlichen Obrigkeit, welche geistliche Sachen vor ihr Gericht zöge, gestraft (C. S. S e n f f , Kirchenreformations- und Jubelgeschichte des A m t s Stolpen, 1719, S. 390 f.). 3
) Kötzschke-Kretzschmar
4
) A . Z o b e 1 : N L M 102, 1926, S. 131 f f .
I, 146 f f .
6
) P. K i r n
6
) A . a . O . S. 104.
S. 103 f.
7 ) Vgl. etwa H e r m e l i n k - M a u r e r S. S c h u l t z e , Stadtgemeinde und R e f o r m a t i o n , m i n g h o f f , Verfassungsgeschichte S. 106 f f . eine eigene Kirchenpolitik trieben, sagt P. K i r n 8
) Kötzschke-Kretzschmar
9
) Vgl. oben S. 36.
1,224.
26, die Z u s a m m e n f a s s u n g bei A. Tübingen 1918, S. 12 f f . , W e r D a ß auch die sächsischen S t ä d t e S. 107, vgl. S. 103 f.
A/2. Der Einfluß der Wettiner im Hochstift
43
wieder bei Bischof Johann VI. 10 , der überhaupt im kirchlichen Bereich ebenso wie im staatlichen seine Selbständigkeit mit allen Mitteln durchzusetzen strebte. Einen „Papst im kleinen" nennt ihn Kirn 11 . Das tritt vor allem noch auf dem Gebiet der Klosterpolitik in Erscheinung18. Aber im übrigen haben die Bischöfe, soviel wir sehen, die Einmischung der Landesfürsten in ihr kirchliches Aufgabengebiet zu allermeist geduldet — solange diese ihren Glauben teilten. Bei ihrer allgemeinen Abhängigkeit von den Fürsten wäre eine andere Haltung wohl auch nicht ratsam gewesen. Es mochte ihnen auch oft sachdienlich erscheinen, wenn die Gewalt, die die Exekutive doch schließlich in Händen hatte, schon bei der Beratung der nötigen Maßnahmen mit beteiligt war. Auch Bequemlichkeit mag mitgespielt haben 13 . Von daher wird es auch verständlich, daß Herzog Georg seinen Antrag an den Papst, ihm das Absetzungsrecht für ungeeignete Pfarrer einzuräumen, durch Vermittlung Bischof Johanns VII. stellen lassen konnte, daß also ein Bischof von Meißen selbst die Befugnisse des Herzogs auf seine eigenen Kosten in bedeutendem Ausmaße mit erweitern half 14 . Audi sonst sind Förderungen des landesherrlichen Kirchenregiments durch die Bischöfe zu beobachten. Eine solche lag etwa vor, wenn Johann V. zusammen mit dem Kapitel der Übertragung weiterer Präsentationsrechte in demselben an die Fürsten zustimmte 15 . Insbesondere mag hierbei der Wunsch mitgespielt haben, dem Eindringen auswärtiger Einflüsse durch päpstliche Provisionen zu entgehen 16 . Die Überwachung der kirchlichen Vermögensverwaltung durch den kurfürstlichen Amtmann wurde, wie uns von einem kursächsisdien Dorf berichtet wird, von den Vertretern des zuständigen Bischofs von Brandenburg geradezu als ein Fortschritt angesehen17. Vielleicht dachten die Meißner Bischöfe ebenso. Noch weit stärker als auf direktem Wege haben die Bischöfe von Meißen — und zwar gerade auch der auf die Wahrung seiner Rechte so eifrig bedachte Johann VI. — das landesherrliche Kirdienregiment der Wettiner indirekt gefördert, nämlich insofern als sie ihre Aufgaben nur ungenügend erfüllten. Herzog Georg hat 1503 seinen Antrag an den Papst, die Strafgewalt über die Geistlichen ihm einzuräumen, unter anderem ausdrücklich damit begründet, daß der Bischof — und das war eben damals Johann VI. 10
) G e ß I, S. LXVI; CDSR II, 3, S. 326 Nr. 1342, Nr. 9 der Beschwerdepunkte Herzog Georgs. u ) P. K i r n S. 98. 12 ) P. K i r n S. 95 ff.; G e ß I, S. IL, LI; d e r s . , Klostervisitationen S. 9; CDSR II, 3, Nr. 1342, Punkt I, 10 und II, 4. 13 ) Vielleicht spielte auch ein gewisses „Schwächegefühl" mit ( H a s h a g e n S. 322). 14 ) G e ß I, Nr. 424; vgl. dazu oben S. 38. 15 ) CDSR II, 3, S. 264 Nr. 1241; vgl. oben S. 31 Anm. 50. 10 ) So Z i e s c h a n g S. 139. 17 ) P. K i r n S. 109.
44
Erster Teil: Die Grundlagen
— darin nachlässig sei 18 . Die Erklärung, die Georg 1538 in Leipzig den Prälaten für seine rein weltlichen Klostervisitationen gab, der Bischof kümmere sich um die seiner Aufsicht unterstehenden Klöster nur selten und dann auch nur ungenügend, w a r z w a r angesichts der thüringischen Verhältnisse ausgesprochen, aber es w i r d in der Meißner Diözese nicht anders gestanden haben. Und w i r hören denn auch, daß hier Bischof Johann VI. seiner 1511 dem Herzog gegenüber abgegebenen Verpflichtung, neben der Duldung landesfürstlicher Beteiligung an den Klostervisitationen auch von sich aus nach Kräften Klöster zu reformieren 1 9 , erst auf dringliche Ermahnungen Georgs hin nachgekommen sei 20 . Darum w i r d man ohne weiteres behaupten dürfen, daß die Machteinbuße, die die Bischöfe von Meißen im kirchlichen Bereiche gegen Ende des Mittelalters durch die sächsischen Landesfürsten erfuhren, in beträchtlichem M a ß e selbst verschuldet w a r . Dabei ist freilich zu beachten, daß es in anderen Hochstiftern im allgemeinen nicht anders lag. Unser Überblick über die Lage des Hochstifts Meißen beim Regierungsantritt des ersten lutherischen Wettiners albertinischer Linie hat uns vor allem gezeigt, wie weitgehende Einflüsse auf den kirchlichen wie den staatlichen Aufgabenkreis dieses Stifts das sächsische Herrscherhaus damals bereits besaß. Man w i r d darum sagen dürfen, daß Herzog Heinrich und seine Nachfolger, wenn sie, veranlaßt durch die religiösen Neuerkenntnisse Luthers, die Verhältnisse dieses Hochstifts auf kirchlichem wie schließlich auch auf staatlichem Gebiete durchgreifend umgestalten wollten, d a f ü r bereits weitgehend den Boden bereitet fanden 2 1 . Die politische Vormundschaft der Wettiner über das Hochstift konnte vielleicht bis zu einer Beseitigung von dessen Eigenstaatlichkeit weitergeführt, die mannigfache kirchenregimentliche Tätigkeit der Wettiner zu einem vollen Kirchenregiment der18)
G. W o 1 f a.a.O. S. 420. CDSR II, 3, S. 326 Nr. 1342 Punkt I, 10; G e ß I, S. LI f. 20) G e ß a.a.O.; nach Geß handelt es sich dabei um eine Auswirkung der D i f ferenz zwischen Herzog und Bischof in der Frage der Klosterpröpste. Auch auf dem Gebiete der geistlichen Gerichtsbarkeit hätte Johann VI. durch maßvolles und gerechtes Vorgehen wohl den meisten Eingriffen von herzoglicher Seite entgehen können (vgl. G e ß I, S. L X V I ; CDSR a.a.O. Punkt I, 9). 2 1 ) Das hat bereits zu Herzog Georgs Zeiten mancher empfunden. Der Jurist Dr. Georg von Breitenbach äußerte 1535 auf die herzogliche Aufforderung zur Visitation der Klöster in Thüringen hin, bei der, wie erwähnt (s. o. S. 41), kein Geistlicher beteiligt war, er fürchte, eine solche „Visitation" erinnere zu stark an die lutherischen Visitationen Kurfürst Johann Friedrichs ( G e ß , Klostervisitationen S. 28). Dem entsprach der Eindruck, den der A b t von Pforta von dieser Visitation hatte: die Feinde Herzog Georgs würden frohlocken: Triumphe, Luthere, vicisti tandem (a.a.O. S. 31). Diese Äußerungen beziehen sich zwar nicht auf Vorgänge innerhalb der Meißner Diözese, beleuchten aber dennoch auch deren Verhältnisse, die grundsätzlich nicht anders lagen. 19)
A/2. Der Einfluß der Wettiner im Hochstift
45
selben ausgebaut werden, falls der Bischof sich nicht f ü r eine Amtsführung in lutherischem Sinne gewinnen ließ. U n d es mußte nicht nur möglich erscheinen, daß die sächsischen Fürsten derartiges erreichten, sondern auch verlockend, den von der spätmittelalterlichen Entwicklung eingeleiteten Weg in dieser Weise zu Ende zu gehen. Die Wettiner mußten sich dazu namentlich auf dem Gebiete ihrer staatlichen Beziehungen zum Hochstift getrieben sehen; sie wären, was diese staatlichen Beziehungen anbelangt, wohl auch unabhängig von dem Reformationswerk eines Martin Luther auf dieser Bahn weiter gegangen. So mußte man von vornherein annehmen, daß bei dem Vorgehen der lutherischen Wettiner gegen das Stift sich religiöse und politische Beweggründe verknüpfen würden. Aber dennoch handelte es sich bei einem solchen Vorgehen nicht um eine einfache Fortführung der bisherigen Entwicklung. Denn dieser ganze Bau sollte ja auf eine neue religiöse Anschauung gegründet werden. Es war die Frage, ob unter diesen Umständen beim Hochstifte nicht der Wille erwachen würde, die volle Selbständigkeit zu erringen bzw. wiederzugewinnen, und ob es bei solchem Streben nicht Helfer finden würde, die auch f ü r die Wettiner eine beachtliche Gegnerschaft darstellen würden.
B. D i e S t e l l u n g d e s H o c h s t i f t s i m S t r e i t e d e r r e l i giösen M e i n u n g e n bis zum RegierungsantrittHeinrichs des F r o m m e n ( 1 5 3 9 ) Für einen weltlichen Fürsten, der einem Hochstift gegenüber die Forderungen der Reformation durchzusetzen gewillt war, war natürlich die Frage von entscheidender Bedeutung, welche Haltung dieses Stift dazu einzunehmen versprach. Auch die Feststellungen, die wir im letzten Abschnitt betreffs des Hochstifts Meißen machten, wiesen uns darauf hin. Diese Frage stellen heißt, nach der Haltung fragen, die das Hochstift Meißen bis zum Regierungsantritt Herzog Heinrichs (1539) im Streite der religiösen Meinungen eingenommen hatte. In Zusammenhang damit werden wir auch beobachten, inwieweit die lutherische Bewegung bereits in dieser Zeit in der Meißner Diözese Fuß gefaßt hatte, namentlich soweit es sich dabei um geschlossene Gebiete handelte. 1. D i e R e g i e r u n g B i s c h o f s e n ( t 10. A p r i l 1 5 1 8 )
Johanns
VI.
von
Salhau-
Als Luther hervortrat, saß auf dem Meißner Bischofsstuhl noch Johann VI. von Salhausen, der uns bereits mehrfach begegnet ist 22 . Was die religiöse Haltung dieses auf die Selbständigkeit seines staatlichen und kirch22
) S. o. S. 15, 17 f., 22, 31, 34, 43 f.
A/2. Der Einfluß der Wettiner im Hochstift
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selben ausgebaut werden, falls der Bischof sich nicht f ü r eine Amtsführung in lutherischem Sinne gewinnen ließ. U n d es mußte nicht nur möglich erscheinen, daß die sächsischen Fürsten derartiges erreichten, sondern auch verlockend, den von der spätmittelalterlichen Entwicklung eingeleiteten Weg in dieser Weise zu Ende zu gehen. Die Wettiner mußten sich dazu namentlich auf dem Gebiete ihrer staatlichen Beziehungen zum Hochstift getrieben sehen; sie wären, was diese staatlichen Beziehungen anbelangt, wohl auch unabhängig von dem Reformationswerk eines Martin Luther auf dieser Bahn weiter gegangen. So mußte man von vornherein annehmen, daß bei dem Vorgehen der lutherischen Wettiner gegen das Stift sich religiöse und politische Beweggründe verknüpfen würden. Aber dennoch handelte es sich bei einem solchen Vorgehen nicht um eine einfache Fortführung der bisherigen Entwicklung. Denn dieser ganze Bau sollte ja auf eine neue religiöse Anschauung gegründet werden. Es war die Frage, ob unter diesen Umständen beim Hochstifte nicht der Wille erwachen würde, die volle Selbständigkeit zu erringen bzw. wiederzugewinnen, und ob es bei solchem Streben nicht Helfer finden würde, die auch f ü r die Wettiner eine beachtliche Gegnerschaft darstellen würden.
B. D i e S t e l l u n g d e s H o c h s t i f t s i m S t r e i t e d e r r e l i giösen M e i n u n g e n bis zum RegierungsantrittHeinrichs des F r o m m e n ( 1 5 3 9 ) Für einen weltlichen Fürsten, der einem Hochstift gegenüber die Forderungen der Reformation durchzusetzen gewillt war, war natürlich die Frage von entscheidender Bedeutung, welche Haltung dieses Stift dazu einzunehmen versprach. Auch die Feststellungen, die wir im letzten Abschnitt betreffs des Hochstifts Meißen machten, wiesen uns darauf hin. Diese Frage stellen heißt, nach der Haltung fragen, die das Hochstift Meißen bis zum Regierungsantritt Herzog Heinrichs (1539) im Streite der religiösen Meinungen eingenommen hatte. In Zusammenhang damit werden wir auch beobachten, inwieweit die lutherische Bewegung bereits in dieser Zeit in der Meißner Diözese Fuß gefaßt hatte, namentlich soweit es sich dabei um geschlossene Gebiete handelte. 1. D i e R e g i e r u n g B i s c h o f s e n ( t 10. A p r i l 1 5 1 8 )
Johanns
VI.
von
Salhau-
Als Luther hervortrat, saß auf dem Meißner Bischofsstuhl noch Johann VI. von Salhausen, der uns bereits mehrfach begegnet ist 22 . Was die religiöse Haltung dieses auf die Selbständigkeit seines staatlichen und kirch22
) S. o. S. 15, 17 f., 22, 31, 34, 43 f.
Erster T e i l : D i e G r u n d l a g e n
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liehen Regimentes so eifrig bedachten Kirchenfürsten anbetrifft, so stoßen wir auf die eigenartige Tatsache, daß einige ältere protestantische Geschichtsschreiber ihn als einen Vertreter evangelischer Überzeugung schon vor Luthers Auftreten ansehen zu dürfen glaubten. So nahm Matthias Flacius Illyricus ihn in seinen Catalogus testium veritatis auf 23 . Auch wir können an den angeblichen Äußerungen Johanns VI., auf die diese Historiker sich dabei stützen, nicht einfach vorübergehen. Erstmalig, soviel ich sehe, bei Fürst Georg von Anhalt lesen wir die Äußerung des Bischofs: Wenn er die Bibel für sich neme, so bedünckt im, es gierig in der Christlichen Kirchen nicht recht zu2i. Georg Fabricius25 gibt dieses Wort in folgender Form wieder: Si sacra Biblia lego, aliam invenio religionem, quam quae nostra hodie est, et illam nostris moribus et institutis valde dissimilem. Aus dieser Grundeinsicht heraus scheint der Bischof nun auch gelegentlich eine freiere Haltung zu dem Kirchenwesen seiner Zeit eingenommen zu haben, wie uns namentlich wieder Georg Fabricius überliefert 26 . So soll er, bei Stiftung einer Messe um Rat gefragt, seine Kritik an der ungeheuren Vermehrung der Meßstiftungen in folgendes Bild gefaßt haben: Der schönste Körperteil an einem Pferde seien die Augen; aber wenn der ganze Leib eines Pferdes aus Augen bestünde, dann würde das, was sonst eine Zierde sei, zur Unnatur. Starke Bedenken scheint er auch dem Mönchtum gegenüber gehabt zu haben. Wenn er einen Mönch sah, soll er geäußert haben, es gebe kein frecheres Tier als das, das aus der Kutte hervorschaue. An seiner Tafel habe man nie einen Mönch angetroffen. So habe er es auch nicht begrüßt, daß Herzog Georg von Sachsen während seines Episkopats zu Annaberg und auf dem Königstein zwei neue Klöster stiftete. Als er lobend davon habe sprechen hören, habe er scherzend die Vergeblichkeit solcher Gründungen dargelegt; denn beide Klöster würden bald eingehen, das eine wegen des Rauchs aus den Schmelzhütten, das andere wegen der 2 3 ) S o gibt j e d e n f a l l s C h r . F. B ö r n e r , De ratione reformandi a Joanne VIII. p r o p o s i t a , U n i v . P r o g r . L e i p z i g 1 7 3 9 , S. V an, w o b e i er sich selbst dem U r t e i l des Flacius anschließt. F e r n e r w e r d e n die angeblich v o r r e f o r m a t o r i s c h e n Aussprüche des Bischofs noch v o n a n d e r e n ä l t e r e n Geschichtsschreibern ( G e o r g Fabricius, D a v i d C h y t r ä u s ) e r w ä h n t , o h n e d a ß diese d a r a u f ein U r t e i l nach der A r t des Flacius a u f b a u e n , w ä h r e n d C . S. S e n f f , K i r c h e n r e f o r m a t i o n s - u n d Jubelgeschichte des A m t s S t o l p e n , 1 7 1 9 , S. 6 4 doch i m m e r h i n meint, w e n n J o h a n n V I . l ä n g e r gelebt hätte, so w ü r d e er L u t h e r keine S c h w i e r i g k e i t e n bereitet haben. 2 4 ) D e s H o c h w ü r d i g e n . . . Fürsten G e o r g e n . . . zu A n h a l t P r e d i g t e n und S c h r i f ten, W i t t e n b e r g 1 5 7 7 , Bl. 4 4 6 . D a s W o r t ist e r w ä h n t i n n e r h a l b einer l ä n g e r e n theologischen D e n k s c h r i f t G e o r g s v o n A n h a l t f ü r H e r z o g G e o r g v o n Sachsen aus d e m J a h r e 1 5 3 8 . D e r V e r f a s s e r leitet es ein mit den W o r t e n . . . man sagt von dem Bischoff von Meissen, dem von Salhausen, das er also sol gesagt haben. D e m nach h a t m a n sich diese Ä u ß e r u n g J o h a n n s V I . d a m a l s noch m e h r f a c h e r z ä h l t . 2 5 ) A n n a l e s urbis Misnae, Buch 3, z u m J a h r e 1 5 0 8 (in: Georg R e r u m M i s n i c a r u m libri Septem, 1 5 6 9 , S. 1 7 2 ) . 26)
A . a . O . S. 1 7 2 f .
Fabricius,
47
B/1. Bischof Johann V I . ( f 1518) aus Böhmen einströmenden hussitischen Einflüsse 2 7 . A u d i dem
Ablaßver-
kauf gegenüber soll der Bischof Bedenken gehabt haben. So habe er das blinde
Volk
bedauert, das in großer Schar dem J o h a n n Tetzel
nachlief,
da es sein Geld in einen Kasten stecke, zu dem es keinen Schlüssel habe. Die Weihe von Kirchen soll er w i d e r r a t e n oder nach Möglichkeit schoben haben, d a er die superstitiones
venales
—
aufge-
nach G e r s d o r f 2 8
kann
darunter „nur der bei Kirchen- oder A l t a r w e i h e n übliche A b l a ß verstanden w e r d e n " — ins Ü b e r m a ß habe wachsen sehen 2 9 . Namentlich über die Tetzelsche A r t des Ablaßvertriebs soll er sich ereifert haben: Bei seiner Unverschämtheit
und Unbedachtsamkeit
werde dieser der letzte
Ablaß-
k r ä m e r sein 3 0 . Als ein gelehrter D o m h e r r ihm mitgeteilt habe, „ T e t z e l " sei in der türkischen Sprache das W o r t für „ T e u f e l " , habe er ausgelassen gelacht und nichts hinzugefügt. Wahrscheinlich lagen diesen Bedenken hanns V I .
gegen den A b l a ß
auch nationale
Erwägungen
zugrunde.
H e r z o g G e o r g soll er einmal geäußert haben: Es sein viel Betrügereien Mißbrauche
zu Rom,
[lies: aus] Teutschland ärgerlich,
gebrauchten
als zu Ehren
dadurch
man
erpresset, sich auch
des göttlichen
das Geld
und derer
Namens31.
lebten
von
denen
armen
die Geistlichen
geistlichen
Güter
mehr
gar zu
JoZu und
Leuten
als
übel
und
Schanden
V o n dem nationalen E m p f i n d e n des
Bischofs zeugt auch eine Äußerung, die dieser anläßlich eines Streites um die Rechtmäßigkeit eines für den W i e d e r a u f b a u des Freiberger D o m e s v o m Papste bewilligten Butterbriefes getan haben soll: E r habe sich darüber empört, daß das, was in R o m öffentlich und ungestraft das ganze
Jahr
'- 7 ) Hussitisdie Einflüsse, nidit „Husiteneinfälle" (so Chr. S c h ö t t g e n , Historie der chursächsischen Stiftsstadt Würzen, 1717, S. 65) sind wohl mit der „aura Boemica Hussitica" des Fabricius gemeint. — Ich gebe die Situation dieses Wortes über die Klöster nach Georg F a b r i c i u s , Originum illustrissimae stirpis Saxonicae libri Septem, Jena 1597, Buch 7, S. 846, da sie mir wahrscheinlicher ist als die etwas andere in Fabricius' Annales urbis Misnae, wo der Herzog den Bischof wegen seiner Klostergründungen um Rat fragt. 2 8 ) C D S R II, 3, S. X V . 2 9 ) Entsprechend lesen wir auch bei der Streitschlichtung zwischen Herzog Georg und Bisdiof Johann vom Jahre 1511 die Forderung des ersteren, der Bischof solle „die noch nicht geweihten Kirchen und Altäre . . . binnen kurzem durch einen Suffragan weihen . . . lassen" ( C D S R II, 3, S. 326 Nr. 1342, Punkt I, 11). Handelt es sich hier um „Vernachlässigung" der „amtlichen Verpflichtungen" des Bischofs ( G e r s d o r f : C D S R II, 3, S. X V ) oder grundsätzliche Gegnerschaft, wofür vielleicht die Erwähnung des Suffragans sprechen könnte? Zur Stellung des Bischofs zum Ablaß s. u. S. 48 ff. 3 0 ) Dieses Wort sowie das über das blinde Volk lesen wir auch bei Petrus A 1b i n u s , Meißnische Land- und Bergchronica, Dresden 1589, Landchronica S. 342. Albinus leitet diese Äußerungen ein mit den Worten: Wie denn auch von Bischoff Johan von Sellhausen zu Meyssen bewust, das er von jhm [Tetzel] gesagt. Also waren diese Aussprüche des Bischofs zur Zeit des Albinus wohl noch auf Grund mündlicher Oberlieferung bekannt. 31) S c h ö t t g e n a.a.O. S. 63.
48
Erster Teil: D i e Grundlagen
hindurch verkauft werde, den Deutschen nur gegen besondere Geldzahlung straflos zu essen erlaubt sei32. Bei all diesen Äußerungen ist nun freilich zu bedenken, daß es sich um unkontrollierbare Uberlieferungen älterer, manchmal unkritisch vorgehender Schriftsteller handelt, die sich auch bereits in einem gewissen zeitlichen Abstand zu den Ereignissen befinden. Audi können wir zu einzelnen Punkten Feststellungen machen, die uns vor einer Überschätzung der reformatorischen Neigungen des Bischofs warnen. So hat dieser, obwohl er selbst anscheinend gern die Bibel zur H a n d nahm, in seinen Synodalstatuten das Verbot der Bibellektüre oder -erklärung mit Ausnahme der Sonntagsperikopen f ü r die Schulen aus den Statuten von 1413 übernommen, einschließlich der Begründung, daß aus solchem Studium erfahrungsgemäß meist Sekten entstünden 33 . Dazu mag ihn vor allem Furcht vor hussitischen Strömungen veranlaßt haben. Denn daß er derartigen Einflüssen energisch entgegentrat, zeigt uns sein Verhalten gegenüber dem Annaberger Pfarrer Johann Pfennig, der nach Böhmen zu den Hussiten gegangen w a r : Er hielt ihn sechs Jahre in H a f t , bis dieser, wie es heißt, durch einen unglücklichen Vorfall im Gefängnis den Tod fand 3 4 . Besonders schwierig erscheint es mir, von der Einstellung des Bischofs zum Ablaßwesen ein klares Bild zu bekommen. Denn seine von uns angeführten ablaßfeindlichen Äußerungen finden, soviel wir sehen können, in seinem praktischen Verhalten keine Bestätigung. So berichten uns zahlreiche Urkunden, wie Johann VI. selbst Ablässe errichtet hat 3 5 . Und daß er trotz seines Eiferns gegen die Habsucht der Kurie auch römische Ablässe nicht grundsätzlich abwies, zeigt seine Zulassung des Peterskirchen-Ablasses trotz des Verbots der Wettiner 3 6 . Audi 32
) Georg F a b r i c i u s , Annales, a.a.O. S. 172 f. Ober diesen Freiberger Butterbriefstreit vgl. J. L. P a s i g , Johann VI., Bischof v o n Meißen, 1867, S. 184 ff. 33 ) Statuta synodalia episcopatus Misnensis, Leipzig: Lotter 1504, Bl. 17. Vgl. G e ß I, S. L X V . 34 ) Monachus Pirnensis bei J. B. M e n c k e , Scriptores rerum Germanicarum, Bd. 2, 1728, Sp. 1486 f. Freilich ist nach G e ß II, S. 680 A n m . 1 der Monachus Pirnensis „nur mit Vorsicht zu benutzen". 3B ) C D S R II, 3, N r . 1285, 1292, 1305, 1317, 1343. G e r s d o r f (a.a.O. S. X V ) erwähnt ferner, daß der Bischof in den (oben A n m . 33 erwähnten) Synodalstatuten „an jedem Sonn- und Festtage des Jahres jedem gläubigen Kirchenbesucher durch seine ganze Diöces mindestens vierzig Tage und nicht selten mehr verliehen" habe. Soll man annehmen, d a ß all diese Ablaßstiftungen auf den Wunsch der Wettiner zurückgingen? Friedrich der Weise wenigstens erwarb ja sehr gern Ablässe für sein Land. Wir hören auch, daß er 1493 Bischof Johann VI. anläßlich der Bitte um Bestätigung einer kurfürstlichen Stiftung in der Torgauer Pfarrkirche bat, etlichen aplas dazu zu geben (P. K i r n S. 124). Aber es fällt schwer anzunehmen, d a ß der Bischof, der sonst seine Selbständigkeit v o n der fürstlichen G e w a l t so hartnäckig zu verteidigen pflegte, hier wider bessere Überzeugung so bereitwillig nachgegeben haben soll. 36 ) G e ß I, S. L X X X I A n m . 1; P. K i r n S. 124 Anm. 59; P a u l u s , Johann Tetzel, 1899, S. 29 f.
B/1. Bischof Johann VI. (f 1518)
49
das Verbot, mit dem er dem L i v l ä n d e r - A b l a ß v o n 1508 entgegentrat, besagt für seine grundsätzliche Einstellung nichts, ging es ihm doch dabei, wie er uns selbst berichtet, um die Erhaltung der exemten Stellung seiner Diözese. D e n n die päpstliche Bewilligung dieses Ablasses lautete auf die Magdeburger Kirchenprovinz; w u r d e er auf das Bistum Meißen
ausge-
dehnt, so mußte dieses dadurch als ein Bestandteil der Magdeburger Erzdiözese erscheinen 37 . Aber trotz aller dieser gegenteiligen Beobachtungen möchte ich glauben, daß jene angeblichen Aussprüche des Bischofs doch historische Wahrheitsmomente enthalten und einen Rückschluß auf seine D e n k w e i s e erlauben. M a n w i r d darum bei ihm v o n einem E i n f l u ß der G e d a n k e n w e l t des H u manismus sprechen dürfen. Dieser Bischof hat nun in seinen letzten M o n a t e n noch das Auftreten Luthers erlebt. Wie hat er sich zu ihm gestellt? Höchstwahrscheinlich hat Luther, bereits kurz ehe durch den Thesenanschlag v o m 31. Oktober 1517 sein N a m e in aller M u n d e kam, zu unserem Bischof Beziehungen aufge37 ) Vgl. des Bischofs eigncnen Bericht in seiner Administrationis Epitome vom 20. 7. 1512 (abgedruckt S c h ö t t g c n a.a.O., Anhang S. 108 ff.; P a s i g S. 213 ff., die Stelle daselbst S. 230.) Merkwürdigerweise wird von N . P a u 1 u s S. 13 f. bestritten, daß Johann VI. den Livländer-Ablaß habe hindern wollen. Dabei ist aber zu beachten, daß Paulus des Bischofs eigene Äußerungen darüber nicht kennt, nur den Bericht über diese Ereignisse bei Georg F a b r i c i u s (Originum stirpis Saxonicae S. 846 und Annales urbis Misnae a.a.O.; P a u l u s ' Literaturangabe: „Fabricius, Rer. Misn. libri S. 77" muß ein Versehen sein; er kann damit wohl nur S. 172 meinen). Festzustehen scheint mir freilich, daß Johann VI. den Ablaßverkauf in seiner Diözese nicht hindern konnte. P a u l u s a.a.O. und J. J. V o g e l , Leben Tetzeis, 1717, S. 124 ff. berichten einzelnes über diesen. G e ß I, S. L X X V I I erwähnt die Tatsache des Ablaßverkaufs in der Meißner Diözese summarisch. D a ß der Ablaßverkauf stattfand, kann uns auch nicht wundern, da Herzog Georg diesen Ablaß gern gestattete ( H a s h a g e n S. 170). Auch der Eigenbericht des Bischofs und der des F a b r i c i u s , Annales a.a.O., lassen m. E. erkennen, daß der Ablaßverkauf wenigstens mancherorts doch versucht worden ist. — Jedenfalls kann man aus dem Verhalten des Bischofs gegenüber dem Livländer-Ablaß keine grundsätzliche Ablaßgegnerschaft folgern, wie z. B. Chr. Fr. B ö rn e r S. 8 es getan hat. D a ß Johann VI. die exemte Stellung seiner Diözese nur als „Vorwand" (praetendens) gebraucht habe, ist nicht zu beweisen. Wenn B ö r n e r sich für seine Behauptung einer grundsätzlichen Ablaßgegnerschaft Johanns VI. ferner auf dessen Synodalstatuten beruft, so ist dem entgegenzuhalten, daß dort nur das vom Bischof nicht genehmigte Ablaßverkaufen verboten wird. Man kann angesichts der Haltung Johanns VI. gegenüber dem Peterskirchen-Ablaß von 1516 nicht einmal mit Sicherheit behaupten, daß diesem fremde Ablässe „unangenehm" waren, wie es G e r s d o r f (CDSR II, 3, S. X V ; entsprechend H . G r ö g e r , Tausend Jahre Meißen, 1929, S. 367 f.) tut. Oder sollte der Bischof den PeterskirchenAblaß in Verleugnung seiner Grundhaltung in seinem Stift nur zugelassen haben, um damit dessen politische Selbständigkeit von den sächsischen Landen darzutun? Das anzunehmen, erscheint mir doch schwierig.
50
Erster Teil: D i e Grundlagen
nommen. Wie er im Mai 1518 an Papst Leo X. schrieb 38 , hatte er eine Weile vor jenem folgenreichen Schritt wegen der Mißbräuche des Ablasses etliche Magnaten der Kirche privatim ermahnt. Er wird dabei seine Briefe an die Bischöfe von Meißen, Merseburg und Naumburg meinen, von denen wir aus einem Bericht seines Freundes Myconius wissen. Leider sind diese Briefe nicht auf uns gekommen. Audi über ihren Erfolg unterrichtet uns nur die summarische Angabe Luthers in dem genannten Schreiben an den Papst, bei den einen [jener „Magnaten"] habe sein Wort Aufnahme gefunden, anderen habe es lächerlich, anderen nichts gedeucht 39 . Ein günstiges Echo fand Luther vermutlich beim Bischof von Merseburg 40 . Wie sich Johann VI. von Meißen verhalten hat, wissen wir nicht. D a er den Ablaß, der Luther jetzt auf den Plan rief, in seinem Stift zugelassen hatte, kann man sich nicht recht denken, daß er Luthers Ausführungen begrüßt hat. Die einzige Äußerung Johanns VI. über Luther, die auf uns gekommen ist, lautet jedenfalls negativ. Aus seiner oben 41 bereits zitierten, zu Herzog Georg geäußerten Feststellung, es seien viele Betrügereien und Mißstände zu Rom, man erpresse von den Deutschen das Geld und die Geistlichen lebten übel und ärgerlich, hat der Bischof die Folgerung gezogen: Derohalben wäre es Zeit, daß eine gute Reformation vor die Hand genommen würde, wo nicht, so würde der schwartze Münch zu Erffurt42 eine anrichten, daß man die Hände über den Kopff würde zusammenschlagen4S. Abgesehen davon ist, soviel ich sehe, von einer Stellungnahme Johanns VI. zu Luther und seiner Sache nichts überliefert. Was Machatschek 44 diesbezüglich wissen will, entbehrt wohl durchweg der Grundlagen. Denn Schriften Luthers, deren Verbreitung der Bischof mit Verboten hätte entgegentreten können, sind doch bis April 1518 — am 10. April 1518 starb Johann VI. 4 5 — kaum erschienen und von neuen [d. h. lutherischen] Predigern kann man f ü r diesen Zeitraum erst recht nicht sprechen 46 . U n d bei der Versetzung des Augustiner-Chorherrn Martin Schirnstein aus dem Meißner Afrakloster in das Kloster Petersberg bei Halle im Jahre 1517 „wegen verdächtiger religiöser Äußerungen" scheint mir weder die Beteiligung des Bischofs noch der lu3S
) W A 1, 527 ff.
39
) J. K ö s 11 i n und G. K a w e r a u , Martin Luther, sein Leben und seine Schriften, 5. A u f l . Berlin 1903, Bd. I, S. 153. 40
) Vgl. K ö s t l i n - K a w e r a u
41
) S. o. S. 47.
a.a.O. und G e ß I, 28 f. N r . 35.
42 ) Wohl eine Anspielung auf Luthers Augustiner-Kutte. Wunder nimmt freilich, daß der Bischof Luther noch nach dessen reformatorisdiem Hervortreten in Erfurt wohnen läßt. 43
) S c h ö 11 g e n S. 63.
44
) M a c h a t s c h e k , S. 626.
45
) C D S R II, 3, S. 336 N r . 1363.
4e
) Quellen gibt M a c h a t s c h e k dafür nicht an.
B / 2 . Bf. J o h a n n V I I . und H z . Georg gegen die R e f o r m a t i o n
51
therische Charakter jener Äußerungen erwiesen zu sein 47 . Was schließlich Machatschek und andere 48 auf Grund falscher Datierung eines Lutherbriefs über das Verhältnis Johanns V I . zum Reformator noch meinten beitragen zu können, ist längst als falsch erkannt worden 49 . Die bei den älteren Geschichtsschreibern 50 beliebte Frage, wie sich J o hann V I . zur Reformation Luthers gestellt hätte, wenn er länger gelebt hätte, ist natürlich müßig. Wir gewinnen bei ihm, wenn unsere Quellen Glauben verdienen, den Eindruck eines Mannes, der gemeinsam mit vielen seiner Zeitgenossen eine Reform der Kirche herbeisehnte, dem aber Luther hierin viel zu weit zu gehen schien. 2. D e r K a m p f g e g e n d i e R e f o r m a t i o n u n t e r B i s c h o f J o h a n n V I I . v o n S c h l e i n i t z ( f 13. O k t o b e r 1 5 3 7 ) und H e r z o g Georg von Sachsen Die Aufgabe einer wirklichen Auseinandersetzung mit der neuen religiösen Strömung fiel in Meißen somit erst dem Nachfolger Johanns V I . zu. Am 27. April 1518 wählte das Domkapital seinen damaligen Senior und Kantor Johann von Schleinitz zum Bischof 51 . Die Herrschaft über das Hochstift kam also wieder an den Spross einer sächsischen Adelsfamilie. Es ist darum nicht verwunderlich, daß wir auch bei diesem Bischof persönliche und vor allem verwandtschaftliche Beziehungen zum herzoglichen Hofe und den sächsischen Hochstiftern antreffen. Ein Vetter zweiten Grades Johanns V I I . war der Obermarschall Herzog Georgs von Sachsen Heinrich von Schleinitz, der allerdings wohl bereits in dem Jahre der Bischofswahl starb 5 2 . Auch Johann selbst hatte schon im Dienste dieses Herzogs gestanden: in den Jahren 1509/10 war er als dessen Beauftragter in Sachen 47) J . L . R ü l i n g , Geschichte der R e f o r m a t i o n zu Meißen, 1839, S. 2 9 , auf den Machatschek diesbezüglich verweist, sagt n u r : „ m a n [Sperrung von m i r ] M. hatte ihn 1 5 1 7 um einiger verfänglicher Ausdrücke willen auf einige Zeit in das Petersberger Kloster bei H a l l e verwiesen". Eine Quelle gibt Rüling dafür nidit an. Das es sich um lutherische Gesinnung handelte, könnte m a n allerdings daraus schließen, daß Schirnstein (nach Rüling) 1 5 1 9 dem Klosterleben überhaupt den Rücken kehrte.
) P a s i g S. 198 f f . ; B ö r n e r S. V I I A n m . f . ) G e ß I, S. L X V A n m . 1. 50) Z . B. S e n f f (vgl. oben S. 4 6 A n m . 2 3 ) und B ö r n e r. 51) C D S R II, 3, S. 3 3 6 N r . 1 3 6 3 . O b bei dieser W a h l die Wettiner einen besonderen Einfluß ausgeübt haben, ist nach P . K i r n S. 3 2 nicht bekannt. 4S 49
52) Spätestens 1 5 2 1 , vgl. G e ß I, 2 0 A n m . 2. — Z u m Verwandtschaftsverhältnis beider vgl. die genealogischen Tafeln in: Die Geschichte des Schleinitz'schen Geschlechts, von einem Mitgliede des Geschlechts, Berlin 1 8 9 7 . Die Verwandtschaftsdarstellungen in [ G r u n d i g und K l o t z s c h ] , Sammlung vermischter N a c h richten zur sächsischen Geschichte, Bd. 3, 1 7 6 9 , S. 3 6 6 f. und bei S e n f f S. 6 7 sind falsch.
Erster Teil: Die Grundlagen
52
derBenno-Kanonisation in Rom gewesen 53 . Wohl noch mannigfaltiger waren die Beziehungen zu den sächsischen Hochstiftern. Im Meißner Kapitel, dem Johann von Schleinitz selbst seit wenigstens 1484 angehört hatte 5 4 , bekleidete ein Sohn jenes Obermarschalls Heinrich, Ernst von Schleinitz, seit 1514 die Würde des Propstes 55 . Auch in vergangenen Zeiten hatte man schon Träger des Namens Schleinitz im Chorgestühl der Meißner Domkirche angetroffen 5 6 . Im benachbarten Naumburg hatte ein Johann von Schleinitz von 1422—1434 die Bischofsmitra getragen 57 , und während der Regierung Johanns VII. von Meißen sehen wir in Merseburg einen Vinzenz von Schleinitz zu derselben Würde gelangen 58 . Außer diesen f ü r eine sächsische Adelsfamilie herkömmlichen Beziehungen beobachten wir bei Johann VII. sogar verwandtschaftliche und freundschaftliche Verbindungen mit der Kurie. Ein Großvetter von ihm, Nikolaus von Schönberg, war Kardinal 5 9 . Mit dem päpstlichen Kammerherrn Karl von Miltitz, gleichfalls einem Sachsen, der 1524 zu seinen übrigen zahlreichen Pfründen 6 0 auch noch ein Kanonikat in Meißen erwarb 6 1 , pflegte er freundschaftlichen Verkehr 6 2 . Man wird sagen dürfen, daß der neue Bischof durch all diese Beziehungen mit der alten Kirche eng verwachsen war und daß man also von vornherein wenig H o f f n u n g haben konnte, er werde sich zur Sache Luthers günstig stellen. Aber auch Johanns VII. Persönlichkeit ließ einen aufgeschlossenen Sinn f ü r die neue religiöse Haltung vielleicht kaum erhoffen. Denn bei Antritt seiner Regierung gehört dieser bei einem Lebensalter von etwa 50 Jahren immerhin bereits zur älteren Generation 6 3 . Als weitere ErschweG3
) G e ß I, 34 Anm. 1. ) G. I C n o d , Deutsche Studenten in Bologna, 1899, N r . 3336. 1498 begegnet Johann von Schleinitz als K a n t o r in Meißen (CDSR II, 3, S. 303 N r . 1309) 1518 als Senior (a.a.O. S. 336 N r . 1363). B5 ) G e ß I, 114 Anm. 1; vgl. über ihn unten S. 56 Anm. 78. 5e ) Vgl. das Register in C D S R II, 3. 57 ) R E 13, 661. 58 ) F r a u s t a d t S. 63. 50 ) [Grundig-Klotzsch], Sammlung vermischter Nachrichten a.a.O. und S e n f f S. 68 f. eo ) H e r m e 1 i n k - M a u r c r S. 34. 61 ) Ge ß I, 40 Anm. 3. D a ß er sich auch gelegentlich einmal in Meißen aufhielt und an Kapitelsversammlungen teilnahm, beweist G e ß II, 390 N r . 1128. e2 ) Vgl. das Postskript von Miltitz' Schreiben an K u r f ü r s t Friedrich den Weisen vom 19. 2. 1520, gedruckt bei S e n f f S. 107 f f . ; vgl. ferner M a c h a ts c h e k S. 684. 63 ) S e n f f S. 440 gibt an, Johann VII. sei 1537 im 67. Lebensjahre gestorben. Er müßte dann ca. 1470 geboren sein. D a er aber nach K n o d N r . 3336 im Jahre 1479 bereits Student in Leipzig war, wird man sein Geburtsjahr vielleicht noch etwas früher ansetzen müssen. Auch die Geschichte des Sdileinitz'schen Geschlechts gibt zwar das J a h r 1470 als Geburtsjahr an, aber ohne Quellenangabe. Dabei ist zu beachten, d a ß auch dieses Werk nicht unbedingt zuverlässig ist. 34
B/2. B f . Johann V I I . und Hz. Georg gegen die Reformation
53
rung k a m bei ihm möglicherweise d a z u ein gewisser Ehrgeiz, der nach einer glanzvollen K a r r i e r e strebte. W i e es scheint, h a t er nicht nur im G l a n z seiner Bischofswürde sich gesonnt 6 4 , sondern dank seiner Beziehungen zu K a r dinal Schönberg sich auch H o f f n u n g e n auf den roten H u t gemacht, vielleicht nicht ganz ohne Ursache 6 5 . W a s nun die Stellung unseres Bischofs zu M a r t i n L u t h e r anbetrifft, so hat ihn vielleicht schon die Leipziger Disputation
desselben mit Eck zu
einem Gegner des R e f o r m a t o r s gemacht. J o h a n n V I I . h a t z w a r der Disputation nicht beigewohnt 6 6 , auch ein direktes Zeugnis über seine Stellung zu ihr gibt es, soviel ich sehe, nicht. W i r sind auf Vermutungen angewiesen. D a ist nun festzustellen, daß H e r z o g G e o r g und sein H o f t h e o l o g e H i e ronymus Emser, die w i r f o r t a n in der religiösen F r a g e stets als Gesinnungsv e r w a n d t e des Bischofs finden 6 7 und zu denen dieser jetzt schon in enger 6 4 ) Vgl. Luthers Worte an Spalatin vom 14. 1. 1519 (WAB 1, 302): Episcopo Misnensi quid acciderit, satis miror. Nisi illud Ecclesiastici verum patitur in se ipso: Honores mutant mores, Et vulgo adjectum: Sed raro in meliores. Unser Interesse im allgemeinen dürfte ferner die dann folgende Bemerkung Luthers haben: Nec vidi unquam hominem [den Bischof von Meißen], nisi quod antea Vicario nostro [damit kann doch wohl nur Staupitz gemeint sein?] Amicissimum fuisse scio. Die folgenden Sätze gehören wohl inhaltlich nicht mehr dazu. — D a ß Johann von Schleinitz am Erwerb der Bischofswürde stark interessiert gewesen ist, darf man vielleicht aus der Tatsache schließen, daß er bei der Bischofswahl seine eigene Stimme dem Domherrn Heinrich Mönch gab, der sonst weiter keine Stimme erhielt, dessen Kandidatur also wohl von vornherein aussichtslos war ( C D S R II, 3, S. 336 f. Nr. 1363). C 5 ) S c h ö 11 g e n S. 67. „Ich glaube", urteilt Schöttgen über den Bischof, „daß er einen Cardinal im Leibe gehabt. . .". Audi in dem oben S. 33 Anm. 55 erwähnten (von C l e m e n : N A 26, 1905, S. 39 f. abgedruckten) fingierten Brief werden dem Bischof von Meißen — höchstwahrscheinlich Johann V I I . — die Worte in den Mund gelegt: Quando ero unus Cardinalis. Und schließlich könnte man aus dem Text des Schreibens Papst Hadrians V I . an Herzog Georg von Sachsen vom 8. Sept. 1522 ( C D S R II, 3, S. 340 Nr. 1373) schließen, daß wenigstens eben dieser (bekanntlich nur sehr kurz regierende) Papst deutscher Herkunft sich tatsächlich mit einem solchen Plane getragen hat, als er damals Johann V I I . zu sich berief: Von glaubwürdigen Leuten schreibt der Papst dort, habe er erfahren, venerabilem fratrem Joannem episcopum Misnensem ea doctrina ac rerum experientia praestare, quod nobis in regimine universalis ecclesiae . . . plurium utilis esse poterit. 8 e ) S e n f f S. 86. Indirekt geht es aus F r a u s t a d t S. 35 und J . K . S e i d e m a n n , Die Leipziger Disputation im Jahre 1519, 1843 (bes. S. 59), hervor. 6 7 ) Zur Gesinnungsverwandtschaft Johanns V I I . mit Emser vgl. bes. unten S. 67, auch S. 71 ff. Ferner ist daran zu erinnern, daß Emser dem Bischof als Begrüßungsadresse für dessen Rüdekehr aus Rom (vgl. zu dieser Romreise unten S. 68 ff.) 1523 die Druckausgabe des Briefes Heinrichs V I I I . von England an die sächsischen Fürsten widmete ( G e ß I, 499 Anm. 1). T h u r n h o f e r (Corpus Catholicorum 4, S. 17 Anm. 3) urteilt, Bischof Johann V I I . sei ein besonderer Gönner Emsers gewesen.
Erster Teil: Die Grundlagen
54
Beziehung stand 6 8 , durch die in Leipzig zu Tage tretende Verwandtschaft Luthers mit Hus zu ausgesprochenen Lutherfeinden wurden 0 9 . Weiter ist in Betracht zu ziehen, daß Johann V I I . in einem ein halbes J a h r später erlassenen Mandat eine besondere Empfindlichkeit gegenüber der Gefahr des Hussitismus zeigt 7 0 , und daß diese Empfindlichkeit im Hochstift Meißen wohl auf alter Tradition beruhte 7 1 . Über die Haltung des Domkapitels hören wir, daß wenigstens einige seiner Mitglieder durdi die Disputation einen günstigen Eindruck von Luther erhielten. So schreibt der Humanist Petrus Mosellanus an seinen Schüler und Freund, den Meißner Domherrn 7 2 Julius Pflug über Luthers E r f o l g : Dein D. Gabelentz, Maltitz,
ferner
der treffliche
Heinrich Mann,
D.
Heinitz
Monachus,
sieht
die Sache
D. Hermersdorf},
Dir hierin ganz ähnlich73.
richtig Johann
an: von
Ihre Einstellung zu
Luther scheint sich aber bald geändert zu haben 7 4 . Jedenfalls finden wir Bischof und Kapitel in der antilutherischen Front, als der Reformator wenige Monate nach der Leipziger Disputation in sei6 8 ) Hinsichtlich Herzog Georgs s. o. S. 51 f. Hinsichtlich Emsers ist zunächst auf G. K a w e r a u , Hieronymus Emser, 1898, S. 14 zu verweisen, wo von einem Aufenthalt Emsers in Rom berichtet wird, der nach Kawerau 1506/7 anzusetzen ist. Während dieses Aufenthaltes sei, wie Emser später dankbar erzählte, der nachmalige Bischof Johann V I I . von Meißen ihm „ein freundlicher Führer und Wegweiser zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt [Rom] gewesen" und habe ihm ihre Altertümer erklärt. Aber auch abgesehen davon bestanden wohl Beziehungen zwischen Johann von Sdileinitz und Emser, seitdem dieser am Hofe Herzog Georgs lebte und für die ICanonisation Bennos (s. u. S. 70 f.) arbeitete. Beides war seit 1505 der Fall (vgl. darüber R E 5, 340). fi9) Für Georg vgl. R E 6, 531 und G. W o l f a.a.O.; für Emser vgl. R E 5, 340. 7 0 ) S. u. S. 56 f., vgl. S. 61. T 1 ) S. o. S. 48. 7 2 ) Seit 1519 in dieser Stellung (RE 15, 260 Z. 23). ,a) S e i d e m a n n , Leipziger Disputation S. 79. Seidemann bezeichnet diese Männer zwar S. 59 als „Leipziger Doctoren", jedoch geht aus der von ihm S. 79 Anm. ** für Heinitz angeführten Literatur hervor, daß es sidi um den damaligen Meißner Domherrn Dr. Niclas von Heinitz handelt. Und dann dürfte es wohl auch für die übrigen außer Zweifel sein, daß damit ebenfalls die gleichnamigen Meißner Domherren gemeint sind. 7 4 ) Das steht fest betreffs des Dr. Heinitz, für den es auch S e i d e m a n n a.a.O. S. 79, Anm ausspricht unter Hinweis auf einen Brief Luthers an Spalatin vom 17. 5. 1520. Dort (WAB 2, 104) äußert Luther: De mea causa, quaeso, audi, quod ego vehementer admiror: Uber Alveldii [doch wohl die in Luthers Brief an Spalatin vom 5. 5. 1520 erwähnte Schrift Alvelds Super apostolica sede, an videlicet divino sit jure necne, wodurch sidi Luther angegriffen fühlte, vgl. WAB 2, 98 und Anm. 5] cepit placere D. heynitzer Misne. Obsecro, tantis viris non esse nasum ullum non est mirabile? Daß mit D. heynitzer der Meißner Domherr Dr. Niclas von Heinitz gemeint ist, sagt auch Clemen zur Stelle. Heinitz begegnet denn auch künftig als besonders markanter und allem Anschein nach auch besonders tüchtiger Vertreter des alten kirchlichen Systems, von Herzog Georg, dessen Kanzler er von
B/2. Bf. J o h a n n VII. und H z . Georg gegen die Reformation n e m Sermon
von
nams
und von
Christi
dem hochwürdigen
Sakrament
den Bruderschaften
des heiligen
wahren
55 Leich-
aussprach, er w ü r d e es begrüßen,
w e n n ein allgemeines christliches K o n z i l den Laienkelch w i e d e r einführe 7 6 . H e r z o g G e o r g meinte, eine solche A n r e g u n g müsse propagandistisch
im
hussitischen Sinne w i r k e n . D a r u m bedeute die Verbreitung der Schrift an den gemeinen M a n n — Luther hatte seinen S e r m o n für die breitere Ö f f e n t lichkeit geschrieben — eine große G e f a h r f ü r die sächsischen Lande 7 6 . Er hielt es deshalb für angezeigt, aus der inneren A b l e h n u n g z u m o f f e n e n Einschreiten überzugehen, u n d teilte d a r u m seine B e d e n k e n sofort den Bischöfen z u M e i ß e n u n d Merseburg mit, w o b e i er sie ersuchte, mit ihren K a piteln über G e g e n m a ß n a h m e n z u beraten u n d i h m darüber z u berichten. A n seiner M i t w i r k u n g solle es, w e n n diese gebraucht w ü r d e , d a n n nicht fehlen 7 7 . D e r Bischof v o n M e i ß e n teilte Georgs A u f f a s s u n g durchaus. D a er selbst m i t d e m K a p i t e l nicht s o f o r t z u einem Entschluß k a m , bat er den H e r z o g , b e i m M e i ß n e r K a p i t e l die A b s e n d u n g eines Vertreters m i t Be1500—1506 gewesen war, und dem Kapitel in gleicher Weise geschätzt (vgl. die Akten bei G e ß I, bes. S. 39 N r . 51 u. Anm. 2; S. 248 f. N r . 285; S. 329 N r . 348). Bei der Bischofswahl von 1518 hatte er nächst dem Gewählten die höchste Stimmenzahl ( C D S R II, 3, S. 337 N r . 1363). — Von Heinrich Monachus' bzw. Mönchs, D. Christoph von Gabelentz' und D. Nicol von H e r m s d o r f f s Stellung zu Luther hört man weiter nichts. Johann von Maltitz ist der spätere Bischof J o h a n n V I I I . Ober die sonstige H a l t u n g des Meißner Domkapitels zur Leipziger Disputation läßt sich noch sagen, d a ß der Dechant Joh. Hennig überhaupt dagegen gewesen war, d a ß die Disputation stattfinde, und zwar, wie wenigstens H e r z o g Georg vermutete, unter Einfluß der Leipziger theologischen Fakultät ( G e ß I, 59 N r . 74), die mit ihrem Bischof Adolf von Merseburg der Meinung war, daß die f ü r die Disputation vorgesehenen Streitfragen durch den Spruch des Papstes bereits erledigt seien (G. W o l f a.a.O. S. 422). Auf das Domkapitel als Ganzes einsdiließlidi des Bischofs bezieht sich vielleicht folgende Stelle in einem Briefe Luthers an Spalatin vom 25. 12. 1519 (WAB 1, 600): Hac hora mihi Philippus referí, sacerdotes Misnenses adeo cum Emsero in me irtsanire, ut sine peccato esse eum censeant, qui me interfecerit: quod Boemos audiant de me glorian tanquam suo patrono . . . D a ß mit den sacerdotes Misnenses das Domkapitel gemeint ist, ist mir wahrscheinlich. Denn unter der Priesterschaft der Meißner Diözese wird man kaum eine solch einhellige Meinung angetroffen haben. Auch d a ß die sacerdotes mit Emser zusammen genannt sind, d ü r f t e f ü r meine Deutung sprechen, da Emser zum Hochstift in enger Beziehung stand (vgl. oben Anm. 68). Das Domkapitel als solches muß also bald nach der Disputation zu erklärter Feindschaft gegen Luther übergegangen sein, was durch den weiteren Verlauf der Ereignisse ja auch bestätigt wurde. Vielleicht war diese H a l t u n g des Kapitels durch Nachrichten veranlaßt, wie auch Herzog Georg sie kurz darauf K u r f ü r s t Friedrich dem Weisen mitteilte (G e ß I, 110 f. N r . 146). Doch d ü r f t e n K ö s t l i n - K a w e r a u I, 293 im I r r t u m sein, wenn sie unsere Briefstelle in Zusammenhang mit den Wirkungen von Luthers Sermon vom Hochwürdigen Sakrament nennen. Das d ü r f t e zeitlich schwer möglich sein. H e r z o g Georg empfing den Sermon am 24. 12. 1519 ( G e ß a.a.O.); in Meißen ist er wohl kaum früher gewesen. 7B 7e
) W A 2, 742. ) Georg an K u r f ü r s t Friedrich, 27. 12. 1519: G e ß I, 110 f. N r . 146.
56
Erster Teil: Die Grundlagen
schlußvollmacht nach Dresden zu erwirken für den bevorstehenden Termin, an dem er, der Bischof, selbst in Dresden sein werde. Ebenfalls möchte der H e r z o g den D o m p r o p s t 7 8 dahin bescheiden, da diesem gelegenheyt sacken wol bekant
seyn.
solicher
E r , der Bischof, wolle dann mit diesen Mitgliedern
des Kapitels beraten und sodann nach des H e r z o g s Bedenken Beschluß fassen 7 9 . So ist dann w o h l auch gehandelt w o r d e n 8 0 . Einige Zeit d a n a d i erschien jedenfalls ein bischöfliches M a n d a t , das der Geistlichkeit die Einziehung aller E x e m p l a r e jener Lutherschrift befahl 8 1 . Es w a r „die erste öffentliche amtliche E r k l ä r u n g eines deutschen Bischofs gegen L u t h e r " 8 2 . Es ist bemerkenswert, wie bei dieser ersten M a ß n a h m e , die ein Bischof von Meißen gegen L u t h e r Landesherrn
getroffen hat,
die Beteiligung des
an den kirchlichen Angelegenheiteil,
weltlichen
die wir für das
Spät-
7 7 ) Georg an den Bischof von Meißen (gleichlautend an den Bischof von Merseburg), 27. 12. 1519: G e ß I, 111 f. Nr. 147. 7 S ) Das ist der oben S. 52 genannte Ernst von Schleinitz, der 1508 bereits Propst des Erzstifts Prag geworden war und als solcher 1524—1542 die Administratur dieses von 1421—1561 sedisvakanten Erzbistums innehatte. Er hatte in Bologna (soweit nach K n o d Nr. 3332) und Paris studiert und soll bezüglich seiner Kenntnis des kanonischen Rechts alle Prälaten der sächsischen Bistümer übertroffen haben. Dieses Zeugnis glaubte ihm jedenfalls Emser geben zu dürfen, dessen Ansicht freilich R ü 1 i n g S. 14 anficht. Luther soll er einmal an Herzog Georgs Tafel mit Disputieren arg zugesetzt haben (nach M. J . F. U r s i n u s , Diplomatische Geschichte der Dompröpste des hohen freien Stifts Meißen: Journal für Sachsen 1792/3, S. 821 ff.). Nach dem auf altgläubiger Seite stehenden Pirnaischen Mönch ( M e n c k e , Scriptores II, 1466) war er ein gros liphaber cristlicher alder ordnunge. Wie K n o d , der auch jene Disputation mit Luther vor Herzog Georg erwähnt, a.a.O. weiter mitteilt, schrieb man es seinem Einfluß zu, daß dieser Wettiner bis zu seinem Tode katholisch blieb. Doch sind derartige Urteile natürlich immer mit Vorsicht aufzunehmen, und hier ist das zumal ratsam, da Knod im wesentlichen A. F r i n d , Kirchengeschichte Böhmens IV, 118 f. benutzt zu haben scheint und Frind recht unzuverlässig ist. E. v. Schleinitz starb 1548 ( U r s i n u s a.a.O.). 7 9 ) Bischof von Meißen an Herzog Georg, Stolpen 1. 1. 1520: G e ß I, 114 Nr. 150. D a ß der Bischof nicht nur aus Gehorsam gegen Georg auf dessen Anregung eingeht, sondern ein wirkliches Interesse an der Angelegenheit hat, läßt sich daraus erkennen, daß er in einem Postskript ganz von sich aus dem Herzog nahelegt, auch auf der künftigen Leipziger Messe gegen eine Verbreitung der lutherischen Schrift vorzugehen (Leipzig gehörte nicht zur Meißner Diözese!). 8 0 ) Die in Aussicht genommene Verhandlung hat vermutlich am Sonnabend nach Erhardi, den 14. Januar, stattgefunden (vgl. G e ß I, 116 Nr. 153 und die Angabe nach Erhardi schirsten im Briefe des Bischofs an den Herzog vom 1. 1. 1520). 8 1 ) Text dieses Mandats vom 24. 1. 1520: WA 6, 151 ff. Wenn K n o d Nr. 3336 schreibt, Johann V I I . habe selbst gegen Luthers Abendmahlslehre geschrieben, so meint er wohl dieses oder ein ähnliches Mandat (etwa das vom 26. 2. 1528, s. u. S. 71 f.). Von einer wirklichen Sdiriftstellerei des Bischofs habe ich jedenfalls nichts finden können. 8 2 ) K ö s 11 i n - K a w e r a u I, 294.
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mittelalter beobachtet hatten, weitergeht. Auch in diesem Falle hatte Herzog Georg, wie sonst oft 83 , wieder die Initiative. Besonders auffällig ist jetzt noch, wie stark Bischof Johann VII. die Beteiligung Herzog Georgs in Anspruch nahm. Er läßt vom Herzog nicht nur, wie dieser angeboten hatte, die Durchführung beschlossener Maßnahmen unterstützen84, sondern unterwirft auch die Beschlußfassung dessen Urteil und läßt von ihm sogar die Verhandlungsteilnehmer einberufen. Der Bischof von Merseburg, Adolf von Anhalt, handelte dagegen völlig selbständig, was er als Glied eines fürstlichen Stammes sich vielleicht auch eher erlauben durfte. Er sah von einem Verbot der Schrift ab85 und brachte stattdessen Luther gegenüber in einem privaten Briefe sein Bedauern zum Ausdruck, daß dieser durch seine Schrift die Gewissen beunruhige86. Dem Herzog Georg hatte er einfach geantwortet, er wolle Fleiß anwenden, daß aus dieser Schrift beim Volk kein Ärgernis entstehe. Sicherlich war der Weg des Merseburger Bischofs der klügere, denn das Mandat des Bischofs von Meißen dürfte erst recht „Ärgernis" im Volke hervorgerufen haben. Luther war nämlich nicht gewillt, die Vorwürfe, die das Mandat ihm machte, auf sich sitzen zu lassen. Dort hieß es, daß durch den in Luthers Sermon ausgesprochenen Wunsch nach Einführung des Laienkelchs durch Konzilsbeschluß bei vielen Christen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Sakraments unter einer Gestalt entstehen könnten. Daraus wieder seien für die Kirche und namentlich die Meißner Diözese, die an das hussitische Böhmen grenze, varia .. . scandala et scismata zu befürchten. Und damit dem durch Luthers Schrift bereits angerichteten Schaden begegnet werde, befahl das Mandat den Pfarrern, in der Predigt darauf hinzuweisen, ut omni dubitatione semota firmissime et inviolabiliter credat, sub qualibet specie integrum Christum dominum et salvatorem nostrum contineri, daß ferner die Kommunion sub una auf den Beschluß eines allgemeinen Konzils zurückgehe. Deswegen sei der Sakramentsempfang unter beider Gestalt temeraria, presumptuosa, scandalosa, seditiosa et ecclesiastici ritus turbativa, et ex consequenti eterne damnationis inductiva61. Luther sah sich hierdurch mit haltlosen Argumenten gewissermaßen zum Ketzer gestempelt. Darum brachte er mit „rascher Hand" eine Antwort zustande88, die er selbst als animosior et superbior bezeichnet. Denn bei dem Triumphzug, den die Meißner mit ihrem überall angeschlagenen Mandat gegen ihn veranstalteten, dürfe eine Siegerhymne nicht fehlen, fügt er 83)
Vgl. oben S. 38 ff. So verstehe ich jedenfalls Herzog Georgs Angebot an die Bischöfe in seinem Schreiben vom 27. 12. 1519. 8 5 ) K n a a k e in W A 6, 76. 8 S ) Bischof von Merseburg an Luther, 25. 2. 1520: W A B 2, 52. 8 7 ) W A 6, 152. 8 8 ) An Spalatin, 5. 2. 1 5 2 0 : W A B 2, 3 0 ; an dens., 8. 2. 1 5 2 0 : W A B 2, 36. 84)
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Erster Teil: Die Grundlagen
spottend hinzu 8 9 . In dieser Schrift 90 läßt er dem Bischof persönlich dadurch die größte Schonung angedeihen, daß er die Verfasserschaft des Mandats dem bischöflichen Offizial, unter dessen Siegel es ausgegangen war, zuschreibt. Der „fromme" Bischof selbst habe offenbar gar kein Wissen darum gehabt 91 . Den vermeintlichen Verfasser übergießt er nun aber mit der ganzen Schärfe seines Spottes. Der Offizial müsse zugeben, daß er, Luther, die Einführung des Laienkelchs vom Beschluß eines allgemeinen Konzils abhängig gemacht sehen wolle. Dennoch sei das einzige Argument, das der hochgelerte meyster diser tzedell gegen ihn anzuführen vermöge, die Berufung auf wiederum ein Konzil 9 2 . Nun wolle er, Luther, gerne von seyner [des Offizials] grundloszer weyszheit Unterricht empfahenn, warumb seines Concili Ordnung besserlich und meins Concili Ordnung ergerlich sey. Ein ander Mal solle er auff den nüchtern morgen Zettel schreiben, sonst müsse er, Luther, argwöhnen, er habe sein gehirn ym ketzschperg98 vorloren. Und daß die Kommunikanten auch bereits sub una den ganzen ) An Spalatin, 11. 2. 1520: WAB 2, 38. ) Doctor Martinus Luthers antwort auff die tzedel, tzu Stolpen sigel ist aus gangen: WA 6, 137 ff. 8B 90
szo unter des
Officials
9 1 ) In Wirklichkeit war Luther von der Verfasserschaft bzw. Verantwortlichkeit des Bischofs überzeugt (vgl. seine Schreiben an Spalatin vom 5. 2.: WAB 2, 30, und vom 12. 2. 1520: WAB 2, 39, sowie vom ca. 16. 2. 1520: WAB 2, 44. Er wollte diesen nur persönlich schonen und ihm einen Rückzug nahelegen (WAB 2, 31 Anm. 3). 9 2 ) Das Mandat hatte damit natürlich das Konzil zu Konstanz gemeint. Merkwürdigerweise hat aber Luther dabei, wie er weiter unten ausführt, das letzst Romisch Concili, das noch nit tzehen jar alt sei (also, wie auch K n a a k e zu der Stelle anmerkt, das Laterankonzil von 1512—1517), im Auge, das aber, wie auch der Bischof von Meißen in einem Entwurf zur Antwort auf unsere Lutherschrift (gedruckt durch J . K. S e i d e m a n n : Theologische Studien und Kritiken 53, 1880, S. 339 ff.) Luther korrigierend bemerkt, gar nichts von Dem Hochwirdigen Sacrament geordnet sunder bleiben lest bey der aussaczung des alten vnd vor langen Jharen gehalten Concilij. Audi in seiner lateinischen Entgegnung auf das meißnische Mandat sagt Luther wieder: aiunt [die Verfasser des Mandats], esse novissimi Lateranensis concilii statutum, ut una species laicis tantum detur (WA 6, 148 Z. 22 f.). Luther hat also in diesem Punkte das Mandat mißverstanden bzw. ungenau gelesen. Das Laterankonzil von 1512—1517 war dort auch erwähnt, aber in ganz anderem Zusammenhange. Es war dort nämlich auf die Bestimmung des Laterankonzils Bezug genommen, daß kein theologisches Buch gedruckt werden darf ohne vorherige Approbation des Bischofs, in dessen Diözese es erscheinen soll (vgl. RE 3, 524 Z. 21 ff.). Dieser Irrtum Luthers war insofern etwas peinlich, als er an diese vermeintliche Behauptung des Mandats ein gut Teil seiner spöttischen Kritik anschloß. 9 3 ) Anspielung auf einen (dem Hochstift gehörenden?) Weinberg? Vgl. WA 6, 138 Anm. 1; S e n f f S. 102. [Gemeint ist laut Hinweis von Elisabeth Werl-Dresden das Dorf Kötzschenbroda nordwestlich Dresden, seit 1935 nach Radebeul eingemeindet, wo Wein angebaut wurde. Vgl. K. B l a s c h k e , Historisches Ortsverzeichnis von Sachsen, 1957, Teil I, S. 25],
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Christus empfingen, das sei, fährt Luther fort, auch in seinem Sermon zu lesen, das lehrten sogar die Böhmen. Der Zettelschreiber fechte hier also gegen einen Feind, der gar nicht vorhanden sei. Der Offizial erwähne diesen Passus nur, um Luther beim Volke als Ketzer zu verdächtigen. Für war es were schadt gewesen, wo dye tzedell tzur ander, dan fastnachts tzeyt were aus gangen93a. Vergebens suchte Spalatin Luther von einer Veröffentlichung dieser Antwort, ohne noch ihren Inhalt zu kennen, abzuhalten, da daraus ein neuer Brand entstehen würde. Er kam damit zu spät; Luthers „Antwort" war schon im Druck 94 . Es war diesem das liebste, wenn die Sache ihren Gang ging. Wer weiß, was Gott dadurch wirken wollte 95 . Auch von einer Friedensaktion des Kurfürsten, die Spalatin anscheinend nahegelegt hatte — wenn wir Luthers Ausführungen in einem nicht ganz sicher datierbaren Brief 96 auf unseren Fall beziehen dürfen —, wollte er nichts wissen. Man habe hier nur die eine Wahl: entweder das Wort Gottes zu verleugnen oder auf Frieden und Ruhe zu verzichten. Jedenfalls wolle er hier Gottes Vorsehung nicht in den Arm fallen 97 . Nur insofern gab er schließlich Spalatins Ermahnungen nach, als er versprach, in der lateinischen Antwort, die er auf das meißnische Mandat noch folgen lassen wollte, sich zu mäßigen und dieselbe Spalatin und den Seinen vor der Drucklegung zu lesen zu geben. Doch habe er nie Gegner gehabt, die er so verachtet habe 98 . Die lateinische Antwort, die Luther daraufhin herausbrachte99, schließt sich inhaltlich sehr eng an die deutsche an, der sie auch in der scharfen und spöttischen Tonart kaum nachsteht. Einen sichtbaren Widerhall bei den Gegnern hat, soviel ich sehe, nur die deutsche Antwort Luthers gefunden. In Stolpen war man darüber natürlich 93
* ) W A 6, 139 Z. 30.
) Luther an Spalatin, 12. 2. 1520: WAB 2, 39. — Daß Spalatin, als er Luther diese Mahnung zugehen ließ, dessen Schrift noch nicht kannte, ergibt sich aus Luthers Brief an diesen vom 11. 2. 1520 (WAB 2, 38), wonach Luther ihm erst damals ein Exemplar des Urdrucks übersandte. Erst Luthers Brief an Spalatin vom ca. 16. 2. (WAB 2, 43 f.) setzt voraus, daß Spalatin die „Antwort" gelesen hat. 94
95
) Luther an Spalatin 12. 2. 1520: W A B 2, 39.
86
) D. i. der Brief Luthers an Spalatin, ca. 14. 2. 2 0 : W A B 2, 41 f.
®7) Ders. an dens., ca. 16. 2. 1520: WAB 2, 43. 98
89
) An Spalatin, 18. 2. 1520: WAB 2, 46 f.
) Ad schedulam inhibitionis sub nomine episcopi Misnensis editam super servnone de sacramento eucbaristiae M. Lutheri Augustiniani responsio. 1520: WA 6, 142 ff. K n a a k e s einleitende Bemerkungen über die Entstehungsverhältnisse und Wirkungen der Schrift sind zum großen Teil zu streichen, da die meisten der hierfür herangezogenen Briefstellen sich auf Luthers deutsche Antwort beziehen. Luthers Brief an Spalatin vom 18. 2. zeigt deutlich, daß die lateinische Antwort damals noch nicht abgeschlossen war.
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Erster Teil: Die Grundlagen
wenig erfreut 1 . Der Bischof entschloß sich, die weiteren Schritte wieder unter Beistand Herzog Georgs zu tun. Dieser verfaßte, nachdem ihn Luthers Spotten zunächst erheitert hatte, für den Bischof eine schriftliche Erklärung. Danach sollte dieser sich als Verfasser des Mandats bekennen, dessen Inhalt mit dem Hinweis auf den uffrurigen Charakter von Luthers Sermon rechtfertigen und seinem Gegner vorhalten, daß seine polemische Tonart sich schlecht zu den Regeln reime, die er selbst in seiner Tessaradecas consolatoria für das Verhalten in widerwertigen sachen gegeben habe. Ferner sollte der Bischof seine Bereitschaft erklären, Luther gegenüber vor unsserm gordenten richter sich zu rechtfertigen. Da aber Luther ja doch keinen Richter, der ihm nicht zu Gefallen rede, anerkenne, müsse er auf einen anderen Weg sinnen, um zu seinem Recht zu kommen2. Soweit war es wohl mit dem landesherrlichen Kirchenregiment in Sachsen noch nie gekommen, daß ein Landesherr für den Bischof sich an den Schreibtisch setzte und für ihn das Konzept schrieb! Bischof Johann ging auch nicht ohne weiteres darauf ein. Des Herzogs Entwurf war ihm offenbar zu scharf. Er schrieb jedenfalls einen zweiten, in dem er auf jene Aufzeigung des Widerspruchs zwischen Luthers Benehmen und seinen eigenen Grundsätzen verzichtete und diesen einen berumpten predicanten nannte. Doch wagte er offenbar nicht, den herzoglichen Entwurf einfach unter den Tisch fallen zu lassen, sondern schickte ihn, etwas abgemildert, zusammen mit seinem eigenen dem Kapitel zu und bat dieses, entsprechend seinem Erbieten, ihn, den Bischof, in dieser Sache zu unterstützen, zwischen beiden auszuwählen3. Das Kapitel entwarf ein drittes Konzept, dessen Inhalt wir nicht kennen4, wie überhaupt der weitere Gang der Kontroverse, soviel ich sehe, von hier ab dunkel ist5. *) Von der Wirkung der lutherischen Schrift auf den Bischof und seinen Offizial erhalten wir ein sehr lebendiges Bild durch Karl von Miltitz im Postskript seines Schreibens an Kurfürst Friedrich vom 19. 2. 1520 (abgedruckt S e n f f S. 107 ff.). 2) G e ß I, 116 f. N r . 155. 3 ) Bischof Johann an das Kapitel, Stolpen 8. 3. 1520, gedruckt durch Seidem a n n : Theologische Studien und Kritiken 53, 1880, S. 339 ff. Anschließend sind die beiden Entwürfe abgedruckt, der Entwurf Georgs in der durch den Bischof abgeänderten Form. 4 ) Das Domkapitel an den Bischof, 16. 3. 1520: a.a.O. Jenes dritte Konzept ist jedenfalls dort nicht abgedruckt. 5 ) Nicht ganz deutlich ist mir auch, ob der Bischof überhaupt geantwortet hat. Vgl. K n a a k e in W A 6, 143; K ö s t l i n - K a w e r a u I, 297. Vielleicht beziehen sich auf unsere Angelegenheit auch die Erwähnungen der „Meißner" bzw. des „Meißners" in Luthers Briefen vom 25. 3. 1520 an Seligmann ( W A B 2, 76) und an Spalatin vom 13. 5. 1520 ( W A B 2, 103). Vgl. über die ganze Kontroverse auch K ö s t l i n - K a w e r a u I, 292 ff. Was dort jedoch S. 296 f. über die Folgen von Luthers lateinischer Gegenschrift gesagt ist, betrifft in Wirklichkeit die deutsche Gegenschrift (vgl. oben Anm. 99). Auch K ö s t l i n - K a w e r a u s Ausführungen über die Friedensvorschläge der kurfürstlichen Regierung (S. 294) sind
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Man wird sagen müssen, daß der weitere Gang der Reformationsgeschichte der Besorgnis Bischof Johanns und Herzog Georgs recht gegeben hat. Luther aber, der damals noch glaubte, mit Hussitismus nichts zu tun zu haben6, fühlte sich durch das meißnische Mandat wirklich ungerecht behandelt, — darum seine Schärfe. Mag man nun urteilen, daß die Meißner besonders empfindlich waren gegen alles, was nach Hussitismus roch, oder daß sie nur einfach schon die Konsequenz zogen aus Luthers Standpunkt, die dieser selbst noch nicht spürte, jedenfalls waren beide Parteien durch diese literarische Fehde in empfindliche Feindschaft zueinander geraten; zu dem sachlichen war auch ein persönlicher Gegensatz gekommen. Für die Fortentwicklung der gegenseitigen Beziehungen war daraus nichts Gutes zu erwarten. So hat Bischof Johann von Meißen, als die Kirche gegen Luther das Urteil sprach, im Gegensatz zu vielen seiner deutschen Amtsgenossen 7 , offenbar keine Bedenken getragen, die hieraus für ihn sich ergebenden Konsequenzen zu ziehen. Am 21. September 1520 wurde die päpstliche Bannandrohungsbulle Exsurge am Meißner Dom angeschlagen8. Zu einer sofortigen Verbrennung der in der Bulle verdammten Bücher, wie es diese forderte und wie es in den Niederlanden und am Rhein geschah9, scheint es in Meißen aber zunächst nicht gekommen zu sein, vielleicht weil Herzog Georg — aus gewissen rechtlichen Bedenken — damit zögerte 10 . Jedenfalls aber war der Bischof entschlossen, alle Schriften Luthers zu vernichten, soerst eine Folge von Luthers Antwort auf die tzedel (s. o. S. 59). Jedenfalls wird der Brief Luthers an Spalatin, der hierfür die Quelle ist, von Clemen WAB 2, 40 f. auf ca. 14. ?. 1520 datiert. Zu korrigieren ist schließlich noch K ö s t l i n - K a w e r a u s Angabe (S. 297), die lutherische Antwort sei dem Bischof von Meißen durch einen erzbischöflich Mainzischen Sekretär überbracht worden. Nach Miltitz' Brief an den Kurfürsten (s. o. Anm. 1) w a r es der Sekretär des Bischofs von Meißen selbst. °) Das zeigt namentlich Luthers Brief an Spalatin vom 18. 2. (WAB 2, 46 f.), wo Luther ausspricht, es wäre besser gewesen, wenn die Meißner mit seinem R a t eine Erklärung herausgebracht hätten, d a ß er, Luther, es anders meine, als das Volk ihn möglicherweise verstünde (nämlich als einen hussitischen A u f r u h r p r e d i ger). Andererseits äußert Luther gerade dieser Tage gegenüber Spalatin, er habe weithin in demselben Sinne wie H u s gelehrt, ohne es zu wissen (in dem Brief vom ca. 14. 2. 1520: WAB 2, 40 ff.). 7 ) Vgl. P. K a 1 k o f f : Z K G 37, 1918, S. 98 f f . 8 ) C D S R II, 3, S. 339 N r . 1370. Nach K a l k o f f ( Z K G 25, 1904, S. 520) machte Eck in Meißen den A n f a n g mit der Anschlagung der Bulle. Nach C l e m e n (WAB 2, 166 Anm. 1) ist in Meißen wie in Merseburg und Brandenburg nicht unbedingt eine persönliche Anwesenheit Ecks anzunehmen. 9 ) Vgl. H e r m e l i n k - M a u r e r S. 94. 10 ) W A B 2, 215 A n m . 5 ff. Eck, dem die Bücherverbrennung zunächst zugekommen wäre (nach C l e m e n — vgl. oben Anm. 8 — ist es fraglich, ob dieser überhaupt selbst in Meißen war), hat nach K a l k o f f ( Z K G 37, 1918, S. 96) dies aus Rücksicht auf die sächsischen Fürsten vermieden.
Erster Teil: Die Grundlagen
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bald die in der Bulle für Luthers Widerruf und dessen Bekanntwerden vorgesehene Frist von zweimal 60 Tagen 1 1 verstrichen sei. Das war für die Meißner Diözese — für die Berechnung des Termins war von dem Tage des Bekanntwerdens der Bulle auszugehen — am 21. Januar 1521 der FalL Am 7. Januar erließ Johann V I I . an seine Pfarrer ein Mandat, das die Veröffentlichung der päpstlichen Bulle und die Verbrennung von Luthers Schriften verlangte 1 2 . Dabei ist er, namentlich auf ernestinischem Gebiete, teilweise auf passiven Widerstand gestoßen 13 , hat sich auch dem sächsischen Kurfürsten gegenüber zu einer gewissen Rücksichtnahme genötigt gesehen 1 4 . Trotzdem gelang es ihm, ganze Wagenladungen von Schriften Luthers zu verbrennen 1 5 . Die herzogliche Regierung wird dabei ihren Beistand nicht versagt haben 16 , wenn auch in diesem Falle der Bischof der vorwärtsdrängende Teil gewesen zu sein scheint 17 . Luther, der schon im November " ) K a 1 k o f f : ZKG 37, 1918, S. 94 mit Anm. 1. 1 2 ) Regest des bischöflichen Mandats vom 7. 1. 1521: Verzeichnis Oberlausizischer Urkunden 2, 119. Die Behauptung M a c h a t s c h e k s (S. 640), am 7. Januar 1521 sei in der Diözese Meißen die Bulle Decet Romanum pontificem, die endgültig den Bann über Luther aussprach (während die Bulle Exsurge diesen nur angekündigt hatte), angeschlagen worden, ist natürlich irrig. Es handelt sich jetzt erst um die Bulle Exsurge. Die Bulle Decet war erst am 2. 1. 1521 in Rom verkündigt worden. Selbst dem Wormser Reichstag von 1521 lag sie in ihrer endgültigen Fassung noch nicht vor. 1 3 ) Vgl. das Verhalten des Kustos zu Lichtenberg: S e c k e n d o r f I, 282; ferner Luther an Link, 7. 3. 1521 (WAB 2, 282) und Planitz an den Amtmann zu Leisnig, 27. 2. 1521 ( W ü 1 c k e r - V i r c k S. 593 ff.). Diese Stellen berichten nur von den Widerständen bei der Veröffentlichung der Bulle; bei deren Vollstrekkung werden sie erst recht sich ergeben haben. Einen anschaulichen Einblick in die Schwierigkeiten, mit denen bei Publikation und Exekution der Bulle damals gerechnet wurde, zeigt der Briefwechsel zwischen dem Merseburger Bischof, der ebenso wie sein Meißner Amtsnachbar es am Gehorsam gegenüber der päpstlichen Bulle nicht fehlen lassen wollte, und der herzoglich sächsischen Regierung: G e ß I, Nr. 184, 187 f., 190 f., 193. Von seinen Diözesanen sagt der Bischof dort (Nr. 184, S. 148), sie seien auf Luthers Schriften ganz vorfliessen. Es wird in der Meißner Diözese vielfach nicht anders gestanden haben. ) K a 1 k h o f f : ZKG 37 1918, S. 96. ) Luther an Spalatin, 27. 2. 1521: WAB 2, 270; an Johann Lang, 6. 3. 1521: WAB 2, 277. 1 8 ) Vgl. G e ß I, 161 Nr. 201. 1 T ) Dieser Schluß darf wohl aus dem oben Anm. 13 erwähnten zwischen dem Merseburger Bischof und der herzoglichen Regierung geführten Briefwechsel gezogen werden, bei dem der Bischof offenbar auf die Durchführung der Bulle drängt, die Regierung hingegen ängstlich zur Versöhnung mahnt. Und wenn schon der maßvolle und versöhnliche Bischof von Merseburg (s. o. S. 57) diese Haltung einnahm, wird sein Meißner Amtsgenosse, mit dem er sich zwecks Exekution der Bulle voreyniget hatte ( G e ß I, 147 f. Nr. 184), es wohl erst recht nicht an Aktivismus haben fehlen lassen. In Betracht zu ziehen ist dabei freilich, daß die Haltung der herzoglichen Regierung durch die Abwesenheit Georgs beeinflußt gewesen sein mag. Vgl. auch G. W q 1 f a.a.O. S. 424, 14 15
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1520 angekündigt hatte, die Bischöfe von Meißen und Merseburg, die, wie er höre, die Bannbulle vollziehen wollten, wieder an den Pranger zu stellen 18 , hat wohl diesmal von einem literarischen Einschreiten abgesehen. Es war für Bischof Johann offenbar von Anfang an selbstverständlich, daß er auch gegen Anhänger Luthers in seiner Diözese vorging, sobald diese ihrer religiösen Uberzeugung entsprechend handelten. Einer der ersten Kleriker, die auf Grund von Luthers Verwerfung des Zölibats eine Ehe eingingen, war der junge Pfarrer J a k o b Seidel zu Glashütte im östlichen Erzgebirge 19 . Der Bischof ließ ihn gegen Pfingsten 1521 durch die weltliche Landesgewalt verhaften und setzte ihn in Stolpen gefangen 20 . Nach viereinhalbmonatiger Untersuchungshaft ließ er ihn gegen Bürgenstellung wieder frei 2 1 . Als Seidel jedoch daraufhin in Döbeln bald eine rege Predigttätigkeit im lutherischen Sinne entfaltete, ging Herzog Georg, der sich schon längst auch dieses Falles mit großem Interesse angenommen hatte 2 2 , mit Gefangensetzung gegen ihn und die mitschuldigen Döbelner Bürger vor 2 3 . Aber auch damit war der „Fall Seidel" noch nicht zu Ende. Aus der Gewalt des Herzogs wieder in die des Bischofs überliefert, gelang Seidel die Flucht; es folgte seine abermalige Gefangennahme, schließlich gegen Martini 1523 seine Freilassung gegen die Schwörung von Urfehde und die Zusage, sich in Brabant oder England niederzulassen und sich des Priesteramts völlig zu enthalten 24 . Nachdem er daraufhin Sachsen und die Diözese Meißen verlassen hatte, gelang es ihm jedoch mit Unterstützung des Reichsregiments, sich über die Einhaltung der beiden letztgenannten Bedingungen
18
) An Spalatin, 13. 11. 1520: W A B 2, 213 f.
) Man liest seinen Namen auch in der Form Seidler. In den Akten gehen beide Namensformen durcheinander. Ich entscheide mich für die von G e ß I, Register, gebrauchte Form Seidel. Knappe biographische Angaben über ihn macht G e ß I, 172 Anm. 1. Seine Verheiratung erwähnt G e ß I, 199 Anm. 2. Daß die Verheiratung der Grund für die Gefangensetzung war, steht in dem Brief der Wittenberger Reformatoren an den Bischof von Meißen ( C R 1, 418 ff.; S e i d e m a n n , Erläuterungen S. 28 f.); auch G e ß I, 199 Anm. 2 sagt es. Dem Bericht des Bischofs an das Reichsregiment vom 31. 12. 1523 zufolge, der freilich einige Ungenauigkeiten aufweist, wurde Seidel audi seiner Irrlehre wegen inhaftiert. 19
20
) G e ß I, 172 N r . 212.
) Nach dem Protokoll des bischöflichen Kanzlers von Rotschitz über die Verhandlung mit der Glashütter Abordnung vom 9. 10. 1521, exzerpiert bei G e ß I, 218 Anm. 1, abgedruckt bei S e i d e m a n n, Erläuterungen S. 14. 21
22
) G e ß I, 174 Nr. 215.
) G e ß I, 217 ff. N r . 2 6 7 ; S. 227 f. Nr. 2 6 9 ; S. 231 f. N r . 2 7 3 ; S. 242 f. N r . 2 7 9 ; Hans von der Planitz an Kurfürst Friedrich, 2. 1. 1522: W ü l c k e r - V i r c k S. 59. 23
2 4 ) Bischof von Meißen an das Reichsregiment, 31. 1. 1523: G e ß I, 594 ff. Nr. 591.
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Erster Teil: Die Grundlagen
hinwegzusetzen 25 . Er begegnet uns im August 1524 als Prediger in Nürnberg28. Eine neue Wendung nahm die Sache Luthers durch die Wittenberger Ansätze zu einer Neuordnung des gottesdienstlichen Lebens um Weihnachten 1521. Herzog Georg, an den soeben die Reihe gekommen war, den Vorsitz beim Reichsregiment in Nürnberg einzunehmen, erließ von dort sogleich dringliche Mahnungen an seine heimgelassenen Söhne, gegen ein etwaiges Übergreifen der Wittenberger Bewegung auf das eigene Land ja mit der nötigen Strenge vorzugehen. Entsprechend wird auch ein gleichzeitiges Schreiben an den Bischof von Meißen gefaßt gewesen sein27. Auf dessen Haltung kam es jetzt um so mehr an, als die Unruhen von Wittenberg aus audi auf benachbarte ernestinische Ortschaften, die seiner Diözese angehörten, übergegriffen hatten 28 . Da war es nun bedeutungsvoll, daß Herzog Georg dem Bischof, der, wie wir nicht mehr zweifeln dürfen, auch jetzt von vornherein zum Vorgehen gegen die Neuerungen entschlossen war, hierfür Hilfestellung gab. Auf seine Initiative erließ das Reichsregiment an diejenigen geistlichen und weltlichen Fürsten, die an dem Wittenberger Unruhegebiet Anteil hatten oder diesem benachbart waren, am 20. 1. 1522 ein Ausschreiben, das die Adressaten zum Einschreiten gegen die Verachtung der kirchlichen Zeremonien ermahnte29. Der Bischof von Meißen, der wohl ebenso wie der Merseburger zusammen mit diesem Regimentsmandat auch 25
) G e ß I, 581 f. N r . 579; S. 603 N r . 598.
2B
) G e ß I, 726 N r . 715. Merkwürdigerweise hat sich während der zweiten Gefangenschaft Seidels im bischöflidien Gefängnis das Gerücht gebildet, der Bischof habe diesen erworget: nach H a n s von Minckwitz' Bericht an K u r f ü r s t Friedrich vom 4. 4. 1522 über das Verhör des P f a r r e r s zu Lochau Franz Günther ( N a me nach K. P a l l a s : Ztsdir. d. Ver. f. Kirchengesch. d. Prov. Sachsen 6, 1909, S. 29) vor dem Bischof von Meißen (gedruckt bei K. P a l l a s : A R G 5, 1907/8, S. 290; vgl. u. Anm. 31) hat Günther es damals dem Bischof gegenüber behauptet. O b w o h l dieser d a r a u f h i n lebhaft protestierte (deutlicher als bei Minckwitz in der Flugschrift Verhör und Acta vor dem Byschoff von Meyssen kegen den Byscboff tzu der Lochaw, hg. v. H e r m a n n Barge in: Flugschriften aus den ersten Jahren der Reformation I, 51 ff., das. S. 81), wurde die Behauptung Günthers anscheinend weiterhin geglaubt. Wir finden jedenfalls den Tod Seidels im bischöflichen Gefängnis als Tatsache angegeben mit einem gewissen Vorbehalt bei S e n f f , S. 125, auf diesem basierend bei C. Chr. G e r c k e, Historie der Stadt und Bergvestung Stolpen, 1764, S. 37 f., schließlich sogar bei R a n k e II, 11. 27 ) G e ß I, 247 f. N r . 284. Das Schreiben an den Bischof von Meißen druckt G e ß nicht ab. 28 29
) Lt. G e ß I, 260 f f . N r . 293.
) G e ß I, 250 ff. N r . 288. D a ß dieses M a n d a t auf Betreiben H e r z o g Georgs ausging, geht nach G e ß I, 250 Anm. 2 aus Planitz' Berichten (bei W ü l c k e r V i r c k ) hervor. Auch R a n k e (II, 38) behauptet dies ohne weiteres. D a ß das M a n d a t an alle am Wittenberger Unruhengebiet beteiligten oder diesen benachbarten Fürsten erging, sagt P a l l a s : A R G 5, 1907/08, S. 221.
B / 2 . Bf. J o h a n n V I I . und H z . Georg gegen die R e f o r m a t i o n
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ein Schreiben Herzog Georgs mit demselben Anliegen erhalten hatte 3 0 , entschloß sich daraufhin sogleich zu einer Visitationsreise in die ernestinischen Teile seiner Diözese. Er kündigte diese seine Absicht dem Kurfürsten Friedrich an, bat um Schutz für sich und seine Begleiter während dieser Reise und um Auslieferung der ihm, dem Bischof, bekanntgewordenen Straffälligen. Der Kurfürst erklärte sich mit der Reise des Bischofs einverstanden und sagte ihm den erbetenen Schutz zu; die Bitte um Auslieferung jener Leute ignorierte er zunächst überhaupt, dann antwortete er, da der Bischof die betreffenden Orte zu besuchen gedenke, könne er ja nun selbst mit ihnen handeln. Unter diesen ungünstigen Vorzeichen unternahm Johann V I I . die Reise. Die Tätigkeit während derselben bestand für ihn und seine geistlichen Begleiter — Domdechant Johann Hennig, Theologieprofessor Hieronymus Dungersheim (Ochsenfurt) aus Leipzig und einen gewissen Magister Melchior Luderer — im Predigen und im Verhören der abtrünnigen Kleriker. Der Bischof verbot diesen weitere Amtshandlungen und befahl ihnen, die Diözese zu räumen. Eine Körperstrafe über sie zu verhängen, hielt er nach den mit dem Kurfürsten bereits gemachten Erfahrungen wohl für zwecklos. Aber auch der Vollzug der nun verhängten Strafen und damit der Erfolg der ganzen Visitationsreise hing natürlich davon ab, ob der Bischof dafür die Hilfe des weltlichen Arms finden würde. Diese blieb jedoch aus. Kurfürst Friedrich wies die wiederholt an ihn gestellte diesbezügliche Forderung Johanns V I I . mit den verschiedensten Argumenten von sich 31 . Der Bischof scheiterte also mit seinen Maßnahmen, sobald die betreffende weltliche Obrigkeit diese nicht unterstützte. Er ist an den sächsischen Kurfürsten noch einmal im darauffolgenden Jahre wegen der Ent-
30) Vgl. G e ß I, 2 7 8 N r . 3 0 4 . D a ß H e r z o g Georg bei dieser ganzen Angelegenheit die treibende K r a f t w a r , kann m a n übrigens auch daraus schließen, d a ß außer den Bischöfen von Meißen und Merseburg, die ja beide in Abhängigkeit v o m albertinischen Sachsen standen, niemand auf das Regimentsmandat hin energische M a ß nahmen ergriffen hat ( P a l l a s : Ztschr. d. Ver. f. Kirchengesch. d. P r o v . Sachsen 6, 1 9 0 9 , S. 2 8 ) . 31) Die A k t e n über diese Visitationsreise Johanns V I I . von Meißen sind v e r öffentlicht v o n K . P a l l a s : A R G 5, 1 9 0 7 / 8 , S. 2 1 7 ff. F ü r das V e r h ö r des P f a r rers zu Lochau vgl. außerdem die oben A n m . 2 6 angeführte Flugschrift. Vgl. ferner die auf obiger Aktenpublikation beruhende Darstellung von P a l l a s , Die Visitationsreise des Bischofs J o h a n n V I I . : Ztsdir. d. Ver. f. Kirdiengesdi. d. P r o v . Sachsen 6, 1 9 0 9 , S. 1 f f . ; ferner P . K i r n , S. 1 4 6 f. Z u den kirchlichen N e u e r u n gen im ernestinischen Teil der Diözese Meißen vgl. auch N . M ü l l e r , Die W i t tenberger Bewegung 1 5 2 1 und 1 5 2 2 : A R G 6, 1 9 0 8 / 9 , S. 4 6 5 f. F ü r den zwischen dem Bischof von Meißen und dem Kurfürsten nach der Visitationsreise über die Auslieferung der N e u e r e r geführte Briefwechsel vgl. auch Machatschek S. 6 4 6 . P a l l a s druckt freilich das d o r t e r w ä h n t e Schreiben nicht ab, auch sonst ist es mir nicht begegnet. F ü r die zwischen dem Bischof von Meißen und dem K u r fürsten v o r der Visitationsreise über den P f a r r e r zu Schmiedeberg Nikolaus Clajus geführte Korrespondenz vgl. S e c k e n d o r f I, 2 0 2 f.
66
Erster Teil: Die Grundlagen
führung der Nonnen aus dem Kloster Sitzenroda herangetreten 32 . Im übrigen aber hat er wohl von jetzt ab der religiösen Entwicklung in Kursachsen ihren Lauf gelassen 33 . Sein Nachfolger hat dies 1538 mit dem Nürnberger Friedstand begründet 34 . Um so nachdrücklichere Unterstützung hat Johann VII. dagegen auch weiterhin durch Herzog Georg gefunden. Man muß sogar sagen, daß eigentlich dieser es wahr, der den ganzen Kampf gegen die Lutherischen in seinem Lande führte und den Bischof nur, sobald es ihn gut dünkte, zur Unterstützung dieses Kampfes heranzog, gewissermaßen um diesem ein geistliches Gepräge zu verleihen, oder damit man durch doppelte Bemühhung desto sicherer Erfolg habe. So ließ der Herzog, noch unter dem Eindruck der Wittenberger Wirren, durch seine Söhne — er selbst weilte in Nürnberg — die Bischöfe seines Landes ersuchen, Neuerungen seiner Untertanen in Beichte und Sakramentsempfang zu erkunden und ihm zu melden 35 . Kurz danach erließ er an seine Amtleute den Befehl, auf Beichte und Sakramentsgenuß ihrer Hintersassen in der Osterzeit streng zu achten; wer dies ohne hinreichenden Grund unterlasse, sei gefangenzunehmen 36 — also eine Art Hirtenbrief, aber ganz ohne Beteiligung der Geistlichkeit erlassen. Entsprechend geschah das Verbot von Luthers Septembertestament für die herzoglichen Lande ganz ohne Beteiligung der Bischöfe. Diese wurden nur zwei Tage danach von dem herzoglichen Erlaß in Kenntnis gesetzt und ersucht, denselben für ihre Geistlichkeit und die Stiftsuntertanen zu übernehmen 37 . Ein Aufruf zur Verhaftung der Wiedertäufer stammt ebenfalls von Herzog Georg, der die Bischöfe dabei nicht erwähnt 38 . Die Verächter der Lehre oder der Zeremonien der römischen Kirche ließ der Herzog gefangennehmen oder des Landes verweisen 39 . Den Bischöfen überließ er Urteilsspruch und Strafvollzug anscheinend nur, wenn es sich um Geistliche handelte 40 . Johann VII. ist mit dieser starken Bevormundung durch Herzog Georg wahrscheinlich gern einverstanden gewesen. Das können wir schon daraus schließen, wie bereitwillig und in welchem Ausmaße er auf die Hilfe des Herzogs bei seiner Kontroverse mit Luther anläßlich von dessen Abendmahls-Sermon von 1519 zurückgriff. Dasselbe läßt sich auch daraus entnehmen, daß der Bischof auf politischem Gebiete die bekanntlich ohnehin ) ) S. 40. 34) 3B) 3e) 37) 38) 39) 40) 32
33
P. K i r n S. 152 f. K. P a l l a s : Zeitsdir. d. Ver. f. Kirchengesch. d. Prov. Sachsen 23, 1927, G. P 1 a n i t z : B S K G 17, 1903, S. 113. Georg an seine Söhne, Nürnberg, 17. 3. 1522; G e ß I, 291 f. Nr. 318. G e ß I, 302 f. Nr. 329. G e ß I, 386 f., Nr. 400 vom 7. 11. 1522, vgl. S. 387 Anm. 1. G e ß II, 849 N r . 1525 vom 31. 12. 1527. G e ß I, 490 f. N r . 488; II, 354 Nr. 1091. G e ß I, 292, Nr. 319.
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sehr enge Verbindung seines Stifts mit dem albertinischen Sachsen41 anscheinend nodi mehr zu verdichten geneigt war. Wir hören gerüchtweise, daß um die Wende 1521/22 zwischen ihm und Herzog Georg folgender Plan besprochen wurde: Das Wurzener Stiftsterritorium, das auf drei Seiten von ernestinischem Gebiet umgeben war, sollte an den Herzog übergehen, wofür dieser ein Gebiet innerhalb seiner Lande dem Hodistifte übereignen wollte. Der Einfluß des Herzogs auf das Hodistift wäre dann natürlich vollendet gewesen, während jetzt das Stift gerade auf Grund seiner Beziehungen zu beiden wettinischen Gewalten immer noch gewisse Möglichkeiten einer selbständigen Politik hatte, was von dem Vorgänger des jetzigen Bischofs auch in dieser Richtung ausgenutzt worden war 42 . Aber für Johann VII. trat dieses Interesse anscheinend völlig zurück. Er hätte, wie wir hören, wahrscheinlich gern gesehen, daß des stiffts gutter alle under herzog Jorgen legen*3. Sein Hauptbeweggrund dabei war vermutlich die Erhaltung der alten Religion im Wurzener Lande, die sonst bei dessen geographischer Nähe zu Kursadisen gefährdet erscheinen mußte und deren Änderung dem Hodistift auch wichtige Einnahmequellen entziehen konnte. Der Plan kam nicht zur Durchführung. Wenn Johann VII. sich auch von Herzog Georg bei der Bekämpfung der Lutherischen stark ins Schlepptau nehmen ließ, so kann doch kein Zweifel sein, daß er voll und ganz dahinter stand. Er scheint sogar auf die kirchlich-theologische Haltung seines Herzogs nicht ganz ohne Einfluß gewesen zu sein. In einem Briefe Landgraf Philipps von Hessen an Herzog Georg lesen wir jedenfalls die Worte, er solle doch dem Bischof von Meyssen und dem Empser auch nit weiter glauben, wan was sie mit dem wort gottes beweisen können44. Und daß Johann VII. sich den Kampf auch selbst durchaus angelegen sein ließ, zeigt uns neben manchen bisher gemachten Beobachtungen die Aussage Georgs über ihn, er befleißige sich in der Be41
) S. o. S. 2 4 .
42
) P. K i r n
S. 3 4 A n m . 15.
) P l a n i t z an K u r f ü r s t Friedrich den Weisen, N ü r n b e r g , 1. 11. 1521 ( W ü l k k e r - V i r c k S. 2 6 f. N r . 12) und ders. an dens., N ü r n b e r g , 2 1 . 1. 1 5 2 2 ( a . a . O . S. 70). — Demselben Zweck wie der dargelegte P l a n sollte wohl ein zweiter ebend a genannter dienen, der das Kollationsrecht für die W u r z e n e r Striftspräbenden in den päpstlichen M o n a t e n an H e r z o g Georg vorsah. Auch dieser P l a n wurde nidit in die T a t umgesetzt. 43
44) Philipp an Georg, 11. 3. 1 5 2 5 : G e ß I, 75 N r . 8 3 0 . D a ß sich Georg in theologischen Fragen mit dem Bischof besprach, zeigt auch G e ß II, 7 6 8 ff. N r . 1461 f. Aus den Randbemerkungen zu N r . 1 4 6 1 ist audi die Theologie des Bischofs etwas zu erkennen. O b freilich der Einfluß J o h a n n s V I I . auf den H e r z o g soweit ging, daß man das Beharren des letzteren bei der katholischen Kirche d a r a u f zurückführen darf, wie A . F r i n d , Kirchengeschichte Böhmens IV, 4 3 7 , es getan hat, erscheint mir zweifelhaft. Frinds Angaben müssen jedenfalls mit Vorsicht aufgenommen werden.
68
Erster Teil: Die Grundlagen
kämpfung der Lutheraner, so daß für die Zeit seiner, des Herzogs, Abwesenheit für ihn mit Verfolgung und beswerung gerechnet werden müsse 46 . Darum hat Johann V I I . sicherlich auch die Einladung Papst Hadrians VI. nach Rom, die etwa im Spätsommer 1522 an ihn erging 46 , dankbar begrüßt, zumal infolge der religiösen Wirren das Hochstift tatsächlich in nicht geringer Gefahr gestanden zu haben sdieint 47 . Konnte er doch Hoffnung haben, zumal bei seinen Beziehungen zu einflußreichen Persönlichkeiten an der Kurie 4 8 , dort Wege zu einer wirksameren Bekämpfung der Abtrünnigen seiner Diözese zu finden. So reichte er während seines römischen Aufenthaltes an den Papst eine ausführliche Denkschrift ein 49 . In seiner Diözese, so führte er hier aus, seien viele, ja er wage zu sagen, der größere Teil, Anhänger Luthers, namentlich im Priester- und Mönchsstande. E r erbitte nun für den Fall, daß manche der Abgefallenen ihren Irrtum bereuen und in den Schoß der Kirche zurückzukehren den Wunsch haben sollten, das Recht, diesen die Absolution selbst erteilen und sogar die Befugnis dazu noch einigen Priestern seiner Diözese übertragen zu dürfen, wenn auch die Absolution der Anhänger Luthers an sich durch Leo X . dem apostolischen Stuhl vorbehalten sei. Betreffs der hartnäckigen Kleriker aber bitte er um 4 B ) Georg an seine Söhne, 4. 7. 1523: G e ß I, 538 Nr. 531. Immerhin wird man sagen müssen, daß das stark ausgebaute landesherrliche Kirchenregiment Georgs audi ein gewisses Mißtrauensvotum gegen den Klerus und damit audi gegen unseren Bischof war (vgl. G. W o l f a.a.O. S. 434). So gibt auch zu denken, wenn der Bischof einem wegen seiner lutherischen Lehre gefangenen Prediger für seine etwaige Freilassung u. a. die Bedingung stellt, er müsse sich von den Landen Herzog Georgs (nicht, wie man erwarten sollte: von der Meißner Diözese!) in einem Umkreis von 10 Meilen fernhalten ( G e ß II, 680). Demnach war also die Wahrung der Interessen Georgs und die Furcht vor diesem für den Bischof das Leitmotiv des Handelns. 4 B ) Vgl. Papst Hadrian VI. an Herzog Georg, 8. 9. 1522: CDSR II, 3, S. 340 f. Nr. 1373. 4 7 ) Vgl. außer dem eben erwähnten Wort Herzog Georgs aus dem Jahre 1523 das Schreiben des Bischofs an das Kapitel vom 24. 11. 1522. Eben auf der Reise nach Rom befindlich, übergibt dort der Bischof dem Kapitel die Schlösser des Stifts und entschuldigt sich, daß er den Adressaten den Tag seiner Abreise nicht mitgeteilt habe, mit Hinweis auf die ferlichen vnd sorglichen leuffte, so itzunder vorhanden .. . Dan es meine grosse notdorfft erfordert meinen abeschid so vii möglichen gewest heimlichen zuhalten . . . (CDSR II, 3, S. 341 Nr. 1374). Vgl. ferner das Schreiben des Papstes an Herzog Georg vom 8. 9. 1522 (a.a.O., S. 340 f. Nr. 1373) mit der Bitte an diesen, während der Romreise des Bischofs dessen Kirche und Diözese zu schützen. 4 8 ) S. o. S. 52. Georg F a b r i c i u s , Annales III, 178 zum Jahr 1518 sagt über Johann VII., besonders im Hinblick auf dessen Romreise: estque plurimum usus auctoritate et opera Nicolai Schonbergii Cardinalis et Caroli Milticii secretarii Pontificii, qui tum gratia singulari apud Leonem X et postea apud dementem VII [nicht weniger wohl auch bei Hadrian VI.] valebant. 4 B ) Hg. v. A. P o s t i n a , Die Stellung des Meißner Bischofs Johann VII. von Schleinitz zur religiösen Neuerung: Römische Quartalschrift 13, 1899, S. 340 ff.
B/2. Bf. Johann VII. und Hz. Georg gegen die Reformation
69
die Erlaubnis, wenn er ihrer habhaft werde, sie mit Anwendung der Tortur verhören, nach ihren Genossen befragen und mit dem Tode bestrafen zu dürfen, und zwar je nach der Größe des Vergehens entweder heimlich oder öffentlich. Denn H o f f n u n g auf Umkehr sei bei solchen Leute ja ohnehin nicht vorhanden. Wenn sie aus dem Gefängnis entlassen würden, würden sie schlimmer als zuvor. Das habe ihn die Erfahrung schon mehrfach gelehrt 50 . Zum Schluß bittet der Bischof noch um ein päpstliches Breve, das ihm und seinen Priestern die Erlaubnis erteile, die officia divina zu halten und Weihen zu vollziehen, ohne wegen der möglichen Gegenwart von Schismatikern Gewissensbedenken haben zu müssen. Ebenso bittet er um die Befreiung von Gewissensbedenken für den Fall, daß er trotz aller angewandten Vorsicht einmal einem Ketzer die Priesterweihe spenden sollte. Wie der Papst sich zu dieser Bittschrift gestellt hat, wissen wir nicht 51 . Nach Postina steht es fest, daß der Bischof die Todesstrafe nicht angewandt hat 52 . Betreffs der Bitten des Bischofs, Schismatiker selbst absolvieren, die Befugnis dazu auch anderen Priestern übertragen sowie trotz der möglichen Gegenwart von Schismatikern die officia divina ohne Gewissensbedenken halten zu dürfen, ist auffällig, daß der Nachfolger Bischof Johanns VII. 1539 dieselben Wünsche dem Papst unterbreitet hat 53 . Demnach könnte man annehmen, daß Johann VII. hier nichts erreicht hat. Dagegen spricht allerdings, daß der Bischof in dem Hirtenbrief, den er kurz nach 50
) Man wird hier besonders an den Fall Seidel zu denken haben (s. o. S. 63 f.). ) P o s t i n a a.a.O. S. 339 bekennt jedenfalls, diese Frage nicht beantworten zu können. B2 ) Audi mir sind Fälle des Vollzugs von Todesstrafen durch Johann VII. nicht begegnet. Wenn S e c k e n d o r f I, 203 schreibt, nach einem Briefe des Hans von Mindewitz an den sächsischen Kurfürsten vom 5. 4. 1522 hätte der Bischof von Meißen einen Pfarrer aus dem herzoglichen Sachsen getötet, so handelt sichs offenbar um den Brief vom 4. 4. 1522 und somit um das oben Anm. 26 besprochene Gerücht vom Tode Jakob Seidels im bischöflichen Gefängnis. Doch scheinen tatsächlich Stolpener Gefangene in ihrer dortigen H a f t verstorben zu sein. So berichtet der Monachus Pirnensis (bei M e n c k e II, 1602) von einem Luterschen Barfusser custos, der, im Jahre 1526 dahin eingeliefert, dort an s. steffans tage vorczweifelt und vorhart starb, wart daselbst undern galgen begraben. Einen zweiten Fall dieser Art erzählt S c h ö t t g e n in seinem „Versuch einer Historie der Meißner Bischöfe" (von mir benutzt in der Abschrift Paul Reinhards im Domarchiv Meißen, A 24): Johann VII. habe einen Prediger aus Oschatz über Jahr und Tag zu Stolpen im Gefängnis schmachten lassen, so daß dieser darüber gestorben sei. Ferner ist zu vergleichen J. G. W o r b s , Kirchen-, Prediger- und Schulgeschichte der Herrschaften Sorau und Triebel, 1803, S. 19: Der Bischof von Meißen habe „die Geistlichen in Verhaft" genommen und sie „verhungern oder auf andere Art umkommen" lassen, „wovon man das Beispiel von dem benachbarten Pfarrer Bogener in Nieder-Hartmannsdorf hatte". Der Fall Bogener gehört allerdings, wenn M a c h a t s c h e k S. 694 recht hat, in die Regierungszeit Bischof Johanns VIII. (vgl. unten S. 85 Anm. 54). Doch ist daran zu erinnern, daß vielfadi Herzog Georg anstelle des Bischofs gegen die Lutherischen vorging. B1
63
) S. u. S. 94.
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Erster T e i l : D i e G r u n d l a g e n
seiner Rückkehr aus Rom 5 4 erlassen hat 5 5 , den Abgewichenen zusagt, er wolle sie, wenn sie zur rechten Lehre zurückkehrten, wieder aufnehmen wie der Vater den verlorenen Sohn in der Bibel 56 . Offenbar hatte sich die päpstliche Gnadengewährung nur auf seine Person bezogen. Daß dem Bischof die Durchführung von Todesstrafen fern lag, möchte man folgenden Anordnungen des Hirtenbriefes entnehmen: Alle, die bei ihrem Ungehorsam verharrten, müsse er aus der Kirche ausstoßen, zum Verderben des Fleisches, wie Paulus sage, damit sie durch öffentliche Verachtung getroffen, zur Besinnung kämen. Darum spreche er über alle diese hiermit die Exkommunikation aus und weise die Priester an, diese Strafe in ihrer Gemeinde in einzelnen unter Namensnennung über die Abtrünnigen zu verhängen, soweit diese nicht binnen einem Monat Buße täten. Die Namen dieser Exkommunizierten seien allsonntäglich im Gottesdienst durch die Pfarrer bekannzugeben. Nun führte aber Johann VII. den Kampf gegen Luther und seine Anhänger nicht nur negativ, durch Bestrafung derselben und Verbot ihrer Lehren und Gebräuche, sondern auch positiv, indem er das alte Kirchenwesen zu stärken und Schäden an demselben zu beheben trachtete. So befahl er in einem Anhang zu dem eben erwähnten Hirtenbrief 5 7 den Geistlichen bei Strafe der Amtsentsetzung, binnen zwei Monaten ihre Konkubinen von sich zu tun und jede Beziehung zu ihnen abzubrechen, damit nicht die Gegner berechtigterweise daran Anstoß nähmen und ihm zu Unrecht fernerhin nachsagten, er verbiete die Ehe und erlaube das Konkubinat, um den entsprechenden „Zins" einzustecken. Daß der Bischof freilich hier nicht viel erreicht hat, darf man aus dem Zeugnis Julius Pflugs schließen, der am 4. Mai 1539 an den päpstlichen Nuntius Aleander das Gesuch um Aufhebung des Zölibats für die Diözese Meißen mit dem Hinweis begründete, daß die meisten der dortigen Pfarrkleriker im Konkubinat lebten 68 . Der Stärkung der alten Kirche und damit indirekt der Bekämpfung der Lutheraner sollte auch die Heiligsprechung Bennos 59 schließlich dienen. Ihren Vollzug am 31. Mai 1523 60 hat Johann VII. vermutlich als den wichtigsten Erfolg seiner Romreise gebucht, wie denn auch diese Angelegenheit durdiB 4 ) D i e Rückkehr muß kurz vor dem 23. M a i 1523 erfolgt sein (vgl. G e ß I, 499 A n m . 1). 6 5 ) Hirtenbrief des Bischofs v o m 15. 6. 1523, gedruckt bei S e n f f S. 401 f f . , teilweise — in lateinischer Fassung — b e i M a c h a t s c h e k S . 651. 5 0 ) Auch P o s t i n a a.a.O. S. 340 meint, die Vollmacht, v o m Kirdienbanne loszusprechen, scheine J o h a n n V I I . v o m P a p s t erhalten zu haben. 57) S e n f f S. 411 f f . 5 8 ) N B 4, 553 f f . 5 9 ) S. o. S. 14. 60) O. L a n g e r : M M 2, 188S, S. 128. Der zweite Teil seiner A r b e i t : Bischof Benno von Meißen. Sein Leben und seine K a n o n i k a t i o n ( M M 1, 1886, S. 1 f f . , M M 2, 1888, S. 99 f f . ) liegt im wesentlichen dem Folgenden zugrunde.
B / 2 . Bf. Johann VII. und H z . Georg gegen die Reformation
71
aus der eigentliche Anlaß der Reise gewesen sein kann. Mit diesem Ereignis fanden jahrzehntelange nachdrückliche Bemühungen ihr Ziel, an denen Herzog Georg, die Bischöfe und Domherren zu Meißen, sowie zahlreiche andere Kleriker teilgehabt hatten. Man hatte weder Zeit noch Geld noch ausgedehnte Reisen gescheut. Herzog Georg hatte wie sonst in kirchlichen Dingen so auch hier die Führung gehabt®1, doch das Meißner Hochstift dürfte an Eifer kaum zurückgestanden haben. Im Jahre 1521 schrieb Herzog Georg an den Kaiser, die Meißner Kirche sei durch die Benno-Angelegenheit fast an das Ende ihrer finanziellen Kraft gekommen62. Die päpstliche Kanonikationsbulle wurde durch Johann VII. am 7. September 1523 in Meißen publiziert93. Bei der nächsten Wiederkehr des für Benno festgesetzten Heiligentages, am 16. Juni 1524, beging man im Dom unter großen Festlichkeiten die Erhebung der Reliquien. Jedodi die Einstellung der Bevölkerung hierzu war geteilt. Das dürfte zuletzt noch besonders die Kampfschrift Martin Luthers bewirkt haben, die kurz vor dem Feste erschien unter dem Titel Wider den neuen Abgott und alten Teufel, der zu Meißen soll erhoben werden°4. So wurde das feierliche Geschehen zu Meißen von der Bevölkerung der Diözese großenteils verspottet, und zwar nicht nur in den lutherischen Hochburgen des ernestinischen Sachsen85, wo auf des Bischofs besondere Anordnung die Einladungsbriefe zu dem Fest auch hatten angeschlagen werden sollen60. Daran werden auch die Entgegnungen kaum etwas geändert haben, mit denen die katholischen sächsischen Theologen Emser, Alveld und Bachmann Luthers Hieb zu parieren suchten67. Es dürfte also die Kanonisation Bennos, soweit man mit ihr der lutherischen Bewegung entgegenarbeiten wollte, ein Schlag ins Wasser gewesen sein. Andere Maßnahmen, mit denen Johann V I I . auf positivem Wege dem Abfall entgegen zu arbeiten suchte, liegen stärker im inneren Bezirk des Glaubenslebens. So empfiehlt er seinen Diözesanen Buße, Fasten, Gebet, Bittgänge und Prozessionen68. Am meisten entsprach den Forderungen der 6 1 ) Deutlicher als bei L a n g e r erkennt man das aus den einschlägigen Akten bei G e ß. 62)
G e ß I, 190 Nr. 235.
93)
W A 15, 171.
64)
W A 15, 170 ff.
S 5 ) Das zeigen Herzog Georgs(!) hiergegen erschienene Mandate ( L a n g e r a.a.O. S. 133 f.). e e ) G e ß I, 621 Anm. 1; vgl. Georg an die ernestinischen Fürsten, 21. 3. 1524: a.a.O. S. 620 f. 8 7 ) Die Titel sind zusammengestellt R E 2, 602. Bachmann hat sich außerdem noch einmal 1527 mit einer Predigt für die Kanonisation Bennos eingesetzt ( L a n g e r S. 137; Titel dieser Predigt W A 15, 173). e s ) Vgl. die Hirtenbriefe vom 1. 10. 1 5 2 4 : S e n f f S. 417 ff. und vom 26. 2. 1528: a.a.O. S. 379 ff.
72
Erster Teil: Die Grundlagen
Zeit jedenfalls die deutsche Ubersetzung des Neuen Testaments, mit der unser Bischof zusammen mit seinem Merseburger Amtsgenossen und mit Herzog Georg den albertimschen Hoftheologen Emser beauftragte 69 . Die Arbeit Emsers, die wenig Eigenes bot, kann jedoch mit der Luthers in keiner Weise verglichen werden70. Auch die Unterstützung, die Johann VII. geeigneten jungen Leuten, die sich dem Priesterstande widmen wollten, aus eigenen Mitteln zuwandte, war sicher eine kluge, wenn auch aufs Ganze gesehen wenig wirksame Tat 7 1 . Natürlich vermochte der Bischof mit solchen Maßnahmen den Einfluß eines Luther nicht einzudämmen. Deshalb geht daneben die Anwendung der schon bekannten Kampfmethoden weiter, wieder unter starker Beteiligung Herzog Georgs. 1524 ordnete dieser eine Visitation der Bischöfe von Meißen und Merseburg unter Mitwirkung einiger herzoglicher Räte an. Als deren Zweck wird außer der Bekämpfung der neuen Lehre die „Besserung der üblen Haushaltung und Herstellung der geistlichen Zucht und Ordnung" genannt. Doch habe sie „nur die Trostlosigkeit des allgemeinen Zustandes" bestätigt72. Vielleicht sind solche Visitationen öfters gehalten worden73. Auch mit öffentlichen Verbots- und Mahnbriefen hat der Bischof wohl nicht gespart74. Derjenige vom 26. Februar 1528 hatte wieder eine kleine literarische Kontroverse mit Luther zur Folge. Johann VII. hatte hier wieder nachdrücklich befohlen, das Sakrament ja nur unter einer Gestalt zu reichen und die Pfarrkinder zu belehren, daß darin der ganze Christus, Leib und Blut, genossen werde. Luther dachte nicht daran, sich mit unserm Bischof über diese Frage erneut in eine Auseinandersetzung einzulassen, gab aber seinen auf die Anfrage eines Angefochtenen hin geschriebenen Bericht an einen guten Freund von beider Gestalt des Sakraments aufs Bischofs von Meißen Mandat im Druck heraus75. Die seelsorgerliche, grundsätzlich gehaltene Schrift enthält gelegentlich auch wieder spöttische Bemerkungen über den Bischof von Meißen. Auf dessen Seite war man auch diesmal wieder mit Entgegnungen nicht faul. Herzog Georg verfaßte eigenhändig eine solche, die aber wohl nicht herausgekommen ist76. Vor allem aber ließ er durch Cochläus ) J. K. S e i d e m a n n , Die Reformationszeit in Sachsen, 1846, S. 97. ) Vgl. R E 5, 341 Z. 24 ff. 7 1 ) Geschichte des Schleinitzschen Geschlechts S. 496 ff. 7 2 ) A D B 8, 687 (Flathe). 7 3 ) In seinem oben Anm. 68 erwähnten Hirtenbrief vom 26. 2. 1528 sagt der Bischof, an väterlichen Ermahnungen, öffentlichen Edikten und Visitationen habe er es nicht fehlen lassen. Audi die Angabe des Georg F a b r i c i u s (Annales III, 178 zum Jahre 1518, s. o. S. 46 Anm. 25), Johann VII. habe alle Kirchen seiner Diözese selbst inspiziert, dürfte, wenn ihr Glauben geschenkt werden darf, auf mehrere Visitationsreisen hindeuten. 69 70
) S. Anm. 73 Anfang. ) W A 26, 555 ff. 7 6 ) Sie findet sich Dr. Loc. 10 299 Dr. M. L u t h e r s . . . 1516—1539, Bl. 32 ff. und umfaßt über 30 Blatt. 74
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B/2. Bf. Johann VII. und Hz. Georg gegen die Reformation
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antworten 7 7 . Dieser w a r soeben an die Stelle des 1 5 2 7 verstorbenen Emser als theologischer Berater des Herzogs getreten. Einige Jahre später erhielt er auch ein Kanonikat in Meißen 78 . Wenn eine zeitgenössische Flugschrift im Recht ist, hat das Domkapitel den gehässigen konfessionellen Polemiker mit seiner spitzen Feder anfangs nicht gern gesehen 79 . Doch sollte er später dem Hochstift noch manchen Dienst leisten. Weitere Entgegnungen verfaßten Johann Mensing und Hieronymus Dungersheim 80 . Luther verzichtete auf eine Stellungnahme zu diesen Gegenschriften 81 . Der Herzog w a r es auch weiterhin, der bei seinen Vögten oder Stadträten Erkundungen über lutherische Gottesdienste 82 , Ubergehung Fastengebots 83 oder Teilnahme von Untertanen an — vielleicht jenseits Landesgrenzen stattfindenden — Abendmahlsfeiern unter beiderlei
den des der Ge-
7T)
ADB 8, 686. Codiläus schrieb drei Gegenschriften. RE 4, 198 Z. 7 ff., 40 f. 7 9 ) In dem von protestantischer Seite geschriebenen Schriftchen Ein Sendbrieffe an einen fürnemen Thumbherren des S t i f f t s Eychstat von D. Jobann Cochles newlich ausgangner S c h r i f f t an Kayserliche Maiestet wider Herren Philip. Melanthonem. 1544. lesen wir Bl. B 2 b : Als er [Cochläus] sieb von Mentz in das Stift Meyssen tbet, wolte das Capittel ihn nit admittirn, er gelobete denn wider den Luther nichts zu schreyben. Denn sie zuvor erfaren, was unehr und u n g l i m p f f s bey yedderman sie des Emsers halb eingelegt und tragen hetten müssen, so wüsten sie auch, wie ein t r e f f l i c h e r Theologus Cocles war, daß er der Man nicht war, der solche Sachen füren solt, wie denn in gantz Meyssen seer schimpflich von seinen Büchern geredet. Vgl. dazu S p a h n , Johannes Cochläus, 1898, S. 136 f.: Codiläus habe die Dresdner Hofkreise zu wenig entschieden in der Glaubensfrage gefunden, ebenso den Adel des Landes überhaupt, den Kanzler Pistoris, Carlowitz, Witzel, Pflug. Der Adel des Landes habe Cochläus bedeutet, daß man seinen Übereifer gegen Luther ungern sah. Sollte diese Stimmung dann nicht auch im Domkapitel zu Hause gewesen sein? Zumindest war sie dort vertreten in der Person des von S p a h n erwähnten Domherrn Julius Pflug (über ihn vgl. unten S. 86 f.). Betreffs seiner meint S p a h n auch S. 138, daß um 1534 zwischen ihm und Codiläus Spannungen bestanden haben, und S. 276, daß beide wohl erst 1539 nach Herzog Georgs Tod einander näher getreten seien. Das war zumindest bei Pflug sowie den übrigen von S p a h n namentlich genannten Männern die Folge von deren erasmisdier, zu religiösem Vergleich geneigter Gesinnung (vgl. dazu unten S. 92 ff.). In einem gewissen Gegensatz zu der Behauptung des „Sendbriefs" steht allerdings die von S p a h n S. 189 mitgeteilte Tatsache, die Kapitel zu Meißen und Merseburg hätten zugunsten des Drucks der Cochläus'schen Bücher im Winter 1533/34 die Wolrabsche Druckerei in Leipzig durch eine einmalige Zahlung unterstützt. [ J . V. P o l l e t : Julius Pflug, Correspondance, Bd. 1, Leiden 1969, S. 417, bezeichnet das Verhältnis zwischen Pflug und Codiläus als gut.] 78)
80)
Titel in WA 26, 556 ff. WA 26, 557. S 2 ) Rat zu Annaberg an Georg, 29. 4. 1531: Dr. Loc. 10 300 Dr. M. Luthers . . . 1518—1539, Bl. 180. 8 3 ) Rat zu Oschatz an Georg, 22. 2. 1533: a.a.O. Bl. 197 f. 81)
74
Erster Teil: Die Grundlagen
stalt 84 einzog. In einem Edikt vom 20. Spetmber 1532 warnte er seine Landeskinder noch einmal nachdrücklich vor der neuen Lehre. Wer ihr weiter anhänge, solle im Lande nicht geduldet werden. Wer etwas Neues einführe, solle an Leib und Gut gestraft werden 85 . Demgemäß sind tatsächlich Landesverweisungen durchgeführt worden 86 . Der Bischof von Meißen wurde an den Bestrafungen anscheinend wieder nur beteiligt, soweit es sich um Personen geistlichen Standes handelte, und auch dann mußte der Herzog ihm die Straffälligen zuschicken, da diese seine Zitation zu allermeist verachteten 87 . Infolge der großen Wachsamkeit Herzog Georgs konnte das alte Kirchenwesen in den von diesem regierten Teilen der Meißner Diözese wohl noch einigermaßen aufrecht erhalten werden. Aber es zeigte sich doch immer wieder mehr oder weniger deutlich, wie viele Anhänger Luther unter der Bevölkerung zählte. Es ist an das Urteil Gustav Wolfs zu erinnern, daß uns aus den Akten nur die auffälligeren Einzelsymptome von lutherischer Gesinnung entgegentreten, daß aber unter der Oberfläche davon sehr viel mehr dagewesen sein muß 88 . Einige wenige Beispiele mögen das illustrieren. Anfang 1522, zur Zeit der Wittenberger Unruhen, äußerte Herzog Georg in Nürnberg dem kursächsischen Vertreter Hans von der Planitz gegenüber, in seinem Lande wolle jetzt das ganze Volk sub utraque kommunizieren, wenn er es nicht mit Gewalt hindere 89 . Auf das Verbot der Septemberbibel hin wurden dem Amtmann zu Meißen ganze drei Exemplare abgeliefert, sämtlich aus der Hand von Domherren oder Domvikaren 90 . Anfang 1523 schrieb Herzog Georg dem in Rom weilenden Bischof von Meißen 84 ) A.a.O. Bl. 246: Der Vogt zu Oschatz soll feststellen, wer zum Abendmahl sub utraque nach Mahlis gegangen ist. 85 ) Nadi Spalatins Dissertatio . . . de Alberti Ducis . . . Liberis ( M e n c k e II, 2131 f.). 88 ) So im Bereich der Diözese Meißen im Jahre 1532 in Oschatz (Dr. Loc. 10 300 Dr. M. Luthers . . . 1518—39, Bl. 242 ff.) und im Jahre 1535 in Mittweida (a.a.O. Bl. 260 ff.). Für Mittweida vgl. auch G. P 1 a n i t z : BSKG 17, 1903, S. 75 ff. 87 ) So stellt der Herzog dem Bischof unter dem 23. 6. 1526 eine geflohene und verehelichte Nonne aus Riesa zur Bestrafung zu ( G e ß II, 558 Nr. 1268). — Am 26. 2. 1533 erklärt sich der Bischof dem Herzog gegenüber gern bereit, die zwei Priester, den Kantor und Schulmeister, die an der Übertretung des Fastengebots in Oschatz teilgenommen haben, in Strafe zu nehmen. D a nun aber seine Jurisdiktion so sehr verachtet werde, daß Priester und namentlich Kapläne, die keine Lehen hätten, kaum vor ihm erschienen, bitte er den Herzog, die Genannten ihm nach Stolpen zu schicken (Dr. Loc. 10 300 a.a.O. Bl. 196). 88 ) G. W o 1 f a.a.O. S. 433 f. Diese von W o l f in Hinblick auf die Zustände in der ersten Hälfte des Jahres 1523 getroffene Feststellung gilt natürlich für den ganzen Zeitraum bis 1539. 89 ) Planitz an Kurfürst Friedrich, 2. 1. 1522: W ü 1 c k e r - V i r c k S. 59. 80 ) G e ß I, 453 Nr. 444, vgl. G. W o l f a.a.O. S. 431, 433. Außerhalb der Meißner Diözese war das Ergebnis nach den uns von G e ß mitgeteilten Akten noch schlechter ( G e ß I, 459 Nr. 454; S. 441 f. Nr. 435; S. 406 f. Nr. 416).
B/2. Bf. Johann VII. und H z . Georg gegen die Reformation
75
zur Begründung für einen beim Papst vorzubringenden Antrag auf Erleichterung der Fastengebote für das Herzogtum, durch den lutherischen Irrtum sei das gemeyne volk in dise abwege kamen und noch teglich mehr gefurt wirt, das sie des fastens ... wenig ader garnicht achten91. Aus Chemnitz erfahren wir vom Jahre 1534, daß die christlichen Begräbnisse große Verachtung unter der Bevölkerung erfuhren. Wenn einmal jemand mit christlichen Zeremonien begraben werde, so schreith man die priester aus den heusern an und schmeth sie92. Noch schlimmer stand es um das alte Kirchenwesen in den Teilen der Meißner Diözese, in denen der starke und immer zum Zuschlagen bereite Arm Herzog Georgs nicht waltete. Kursachsen, das der Bischof ja schon nach den ersten Jahren „abgeschrieben" hatte, kann hier außer Betracht bleiben. Viel Abfall fand sich aber auch in dem großen Gebiet der beiden Lausitzen. Der Landesherr war zwar für den größten Teil dieser Lande der König von Böhmen, und den böhmischen Königsthron hatten in unserem Zeitraum nur katholische Herrscher inne. Wir beobachten jedoch, wie wir bereits erwähnten93, hier eine verhältnismäßig große Selbständigkeit der Stände, und diese wirkte sich vielfach günstig für die Reformation aus. So fand sich meist schon frühzeitig lutherische Verkündigung in den Oberlausitzer Sechsstädten, von denen nur Zittau hier außer Betracht bleibt, da es zur Diözese Prag gehörte94. In diesen Städten treffen wir schon in den ersten Jahren der Reformation lutherische Gesinnung unter den Bürgern an. Die Stadtregimenter bekannten sich zumeist erst etwas später dazu, haben dann aber fast überall früher oder später die evangelisdie Predigt bzw. den lutherischen Gottesdienst als dauernde Einrichtung durchgesetzt. In den oberlausitzer Landgemeinden lag die Einführung des lutherischen Gottesdienstes wohl zu allermeist an der Einstellung der jeweiligen Grundherren, und die war durchaus uneinheitlich.
91
) G e ß I, 422 N r . 424.
B2
) M a c h a t s c h e k S. 678 f. — Zum Ganzen vgl. G. W o 1 f a.a.O. S. 433 ff.
93
) S. o. S. 42.
° 4 ) Für die gesamte Oberlausitz vgl. J. G. M ü l l e r , Versuch einer Oberlausitzischen Reformationsgeschichte, 1801; für die sächsische Oberlausitz im allgemeinen: L. B ö n h o f f , Die Einführung der Reformation in den Parochien der sächsischen Oberlausitz: BSKG 27, 1913, S. 132 ff.; H . F. R o s e n k r a n z u. a., Die Einführung der Reformation in der sächsischen Oberlausitz nach Diözesen geordnet, 1 9 1 7 ; im speziellen: F. H . B a u m g ä r t e l , Die kirchlichen Zustände Bautzens im 16. und 17. Jhdt., Diss. Greifswald 1899 (auch als Beigabe zum Progr. der Realschule in Bautzen erschienen); A. Z o b e l , Untersuchungen über die Anfänge der Reformation in Görlitz und der preußischen Oberlausitz: N L M 102, 1926, S. 126 ff.; O. W e i c h e n h a n , Die evangelische Kirche im Kreise Lauban: Das Heimatbuch des Kreises Lauban, 1928, S. 327 ff.; P. B e r k e l , Geschichte der Stadt Lauban, 1896.
76
Erster Teil: Die Grundlagen
Ähnlich ist das Bild in der Niederlausitz 95 . Früh schon fand sich lutherische Gesinnung und oft auch bald lutherische Predigttätigkeit in den größeren Städten. Für die markgräflichen Mediatstädte liegen uns nur wenige Nachrichten vor. Möglicherweise hatten die meisten von ihnen vor 1540 noch keine lutherischen Prediger. In den zu Brandenburg gehörenden Landesteilen — Cottbus, Sommerfeld — hatte die evangelische Bewegung unter dem entschieden katholischen, bis 1535 regierenden Kurfürsten Joachim I. Schwierigkeiten. Im Lande Beeskow-Storkow drang die reformatorische Bewegung in den 1530er Jahren mehr und mehr durch, obwohl der Pfandherr, Bischof Georg von Lebus, ein fanatischer Verfolger der lutherischen Lehre war. Also selbst das Regiment zweier Bischöfe, des einen als weltlichen, des andern als geistlichen Oberherrn, vermochte das religiöse Neuwerden hier nicht zu verhindern. Der niederlausitzer Adel zeigte sich vielfach auf seinen Grundherrschaften als Förderer lutherischer Glaubenshaltung, namentlich im Westen, wo die Nachbarschaft Kursachsens einwirkte. Auf dem Lande drangen die neuen religiösen Anschauungen im allgemeinen langsamer durch, unter der deutschen Bevölkerung freilidi meist rascher als unter der wendischen. Ebenso wie in der Oberlausitz waren diese Landkirchen praktisch eigentlich nur von ihrem Patron abhängig. Wie stellten sich nun die übergeordneten Gewalten der Lausitzen zu diesem Geschehen? Bischof Johann VII. erließ mehrfach generelle Aufrufe an die böhmische Landesgewalt, sie solle das Ihre tun zur Aufrechterhaltung der altkirchlichen Ordnung 98 . Auch von Einzelmaßnahmen des Bischofs gegen die Reformation hören wir. So lud er um 1525, als in Görlitz und Lauban lutherische Zeremonien eingeführt worden waren, die dortigen lutherischen Geistlichen nach Stolpen zur Verantwortung vor, freilich ohne Erfolg 97 . An den Rat zu Lauban erließ er außerdem noch einmal ein Predigtverbot für den lutherischen Prediger 98 . Vielleicht ist dessen Ausweisung aus der Stadt eine Folge davon. Jedoch bekam er einen lutherischen Nachfolger. Auch beim Rat zu Görlitz wurde der Bischof wenigstens 1529 noch einmal vorstellig 99 . Wegen der lutherischen Predigt eines ausgelaufenen Mönchs zu Sommerfeld wandte sich Johann VII. 1525 an den zuständigen Landesherrn, Kurfürst Joachim I. von Brandenburg. Dieser wird bei seiner bekannten antilutherischen Einstellung ihm den weltlichen Arm wahrscheinlich nicht verweigert haben 1 . In Kamenz erreichte der Bischof 1534 die Ent9 5 ) Vgl. R. L e h m a n n , Die Reformation in der Niederlausitz: Jahrbuch f. Brandenburg. Kirdiengesdi. 25, 1930, S. 83 f f . 8 6 ) S e n f f S. 390 f.; B a u m g ä r t e l S. 1 1 ; G e ß I, 464 f. Nr. 460. 97) M a c h a t s c h e k S. 658; vgl. auch die früheren Mahnungen des Bischofs und Kapitels an den Rat zu Görlitz: Verzeichnis Oberlausizischer Urkunden II, 125, 127. 9 8 ) M a c h a t s c h e k S . 659. 9 9 ) Z o b e l : NLM 102, 1926, S. 162. Bischof an Kurfürst Joachim, 10. 4. 1 5 2 5 : G e ß I, 96 f. Anm. 3.
B/2. Bf. Johann VII. und H z . Georg gegen die Reformation
77
fernung des evangelischen Predigers2. In Bautzen unterstützte er 1527 die gegen die lutherischen Geistlichen gerichteten Bemühungen des Stiftskapitels bei König Ferdinand3. Inhaftierungen scheinen dem Bischof in den Lausitzen nur wenige gelungen zu sein4. Wenn auch unsere Nachrichten über das bischöfliche Vorgehen in Oberund Niederlausitz sicherlich sehr bruchstückhaft sind5, so wird man doch behaupten dürfen, daß hier nicht die Energie entfaltet wurde, die hätte entfaltet werden können. Eine Visitationsreise nach Art derjenigen ins kursächsische und herzoglich-sächsische Gebiet6 scheint Bischof Johann hier nicht unternommen zu haben. Die Reise, die er 1520 anläßlich einer Kirchenweihe in Bautzen durch Teile der Oberlausitz unternahm, und wobei er auch in Hinblick auf Luther die Bevölkerung zum Festhalten an der alten Religion ermahnt haben soll, kann doch nicht ganz mit jener verglichen werden. Auch wird uns dabei erzählt, daß der Bischof solche Weihehandlungen — und also wohl Reisen durch die Diözese überhaupt — selten persönlich vorgenommen habe7. Noch trauriger stand es anscheinend mit der Ausübung des bischöflichen Regiments in der Niederlausitz. Schon um das Jahr 1521 äußerte der Bischof dem Landvogt der Niederlausitz gegenüber, in die Niederlausitz wüsten die Bischöflichen nicht freundlich zu kommen, und schlägt darum für eine Beratung mit dem Adressaten und einem Ausschuß der niederlausitzer Stände über kirchliche Mißstände in diesem Gebiet zwei oberlausitzer Städte vor 8 . Der Archidiakon der Niederlausitz kam wahrscheinlich auch nur selten in seinen Bezirk, und der Offizial, der ihn in der Ausübung der geistlichen Gerichtsbarkeit ständig zu vertreten hatte, wird sich an seinem Amtssitz Lübben bei der großen Entfernung vom bischöflichen Zentrum wahrscheinlich etwas verlassen vorgekommen sein9. Doch scheint die Schuld des Bischofs nicht nur in Versäumnissen bestanden zu haben. Wir hören auch, daß er und seine Vorgänger durch brüske Haltung den Klerus vor den Kopf stießen und bei diesem somit eine Voraussetzung für den Abfall von der alten Kirche schufen. In Görlitz beschlossen am 27. April 1525 die Priester der drei oberlausitzer Sedes Görlitz, Reichenbach und Seidenberg, gedrängt durch wirtschaftliche Not, die Lösung von -) G. G r o ß e in: M. J. K r ö m e r , Wie Sachsen die Reformation erlebte, 1939, S. 2 1 0 ; M a c h a t s c h e k S . 685. 3) B a u m g ä r t e l S. 15 f. 4 ) S. o. S. 69 Anm. 52. 5 ) Auch die angeführten Maßnahmen erheben natürlich nicht den Anspruch, das vorhandene Material vollständig zu erfassen. 6 ) S. o. S. 64 ff., 72. 7 ) Von der Reise und Amtsverriditungen des Bischofs Johannis zu Meißen in der Oberlausitz Ao 1520: Laus. Magazin 4, 1771, S. 366 ff.; vgl. auch J. G. M ü 1 l e r S. 202 f.; Z o b e 1 a.a.O. S. 128 f. 8 ) S e n f f S. 390 f. 9 ) L e h m a n n a.a.O., S. 86, 89; vgl. auch unten S. 85.
Erster Teil: Die Grundlagen
78
der bischöflichen Jurisdiktion und dauernde Verweigerung der Abgaben an den Bischof. Die verständnislose Haltung des letzteren bzw. auch seiner Vorgänger gegenüber der wirtschaftlichen Lage des Klerus hatte diesem Schritt schon seit langem vorgearbeitet 10 . Die Könige — es handelt sich für unseren Zeitraum zunächst um den Jagelionen Ludwig, dann, seit 1526, um den Habsburger Ferdinand — waren an sich nicht gewillt, dem Bischof den weltlichen Arm zu verweigern. Sie erließen zahlreiche Ausschreiben an die lausitzer Stände gegen die neue Lehre 11 . Ferdinand schärfte sogar seinerseits dem Bischof ein, keine lutherischen Geistlichen zu dulden 12 . Von Ludwig ist uns ein energisches Schreiben an seinen Landvogt der Niederlausitz überliefert 13 : Sein, des Königs, Mandat, wie man sich gegenüber den Geistlichen verhalten solle 14 , werde in der Niederlausitz übergangen; darum habe sich die lutherische Lehre ausgebreitet. Die Bannbriefe und Mandate des Bischofs und seiner Unterorgane würden nicht mehr befolgt. Der Landvogt solle dem Bischof den weltlichen Arm leihen und die „Weltlichen" zur Beobachtung ihrer kirchlidien Pflichten anhalten. Jedoch all diese Verordnungen hatten nicht sehr viel Erfolg 15 . So wird man Rudolf Lehmanns angesichts der niederlausitzer Verhältnisse ausgesprochenes Urteil 16 , König Ferdinand habe nirgends die Einführung des neuen Glaubens gehindert, mit nur geringer Einschränkung für das Gebiet beider Lausitzen in Anspruch nehmen dürfen. Und auch über König Ludwig wird man kaum anders urteilen können 17 . Der Landesherr der Lausitzen war eben durch die Stände zu stark gehemmt 18 . Die Macht der Landstände war auch für die Handlungsfreiheit der königlichen Landvögte als Vertreter des Königs, auf die bei der Entfernung der Lausitzen vom königlichen Regierungssitz viel ankam, das Haupthindernis. Aus einem Schreiben Herzog Georgs von Sachsen an seinen Amtmann zu 1 0 ) Z o b e l : NLM 102, 1926, S. 186 f f . ; vgl. NLM 101, 1925, S. 169 f f . Vgl. auch oben S. 42. " ) Vgl. Verzeichnis Oberlausizisdier Urkunden II, 130, 134, 138; B a u m g ä r t e l S. II f., 13; L e h m a n n S. 103; Z o b e l : NLM 102, 1926, S. 165; M a c h a t s c h e k S. 678. 1 2 ) 27. 2. 1 5 2 9 : M a c h a t s c h e k S. 670. 1 3 ) G e ß I, 744 f. Nr. 734, datiert vom 19. 9. 1524. 1 4 ) G e ß scheint dieses Mandat nicht zu kennen. 1 5 ) In Guben beschloß angesichts des königlichen Ausschreibens von 1529 eine Bürgerversammlung auf dem Marktplatz, trotz aller Gefahr von Luthers Lehre nicht zu lassen ( L e h m a n n S. 95). Der Rat zu Görlitz vermochte, auch einem direkt an ihn ergangenen Befehl, den lutherischen Prediger zu entlassen, im Jahre 1528 zu trotzen ( Z o b e l a.a.O.). 1 6 ) Jahrbuch f. Brandenb. Kirchengesch. 25, 1930, S. 103. 1 T ) Vgl. das Urteil J. W. N e u m a n n s (Versuch einer Geschichte der Niederlausitzer Landvögte I, 1832, S. 133), König Ludwig sei weit davon entfernt gewesen, die lutherischen Regungen „in irgend einer Beziehung für wichtig anzusehen".
1S)
L e h m a n n a.a.O. S- 103 f.; K ö t z s c h k e - K r e t z s c h m a r I, 224.
B/2. Bf. Johann V I I . und Hz. Georg gegen die Reformation Sagan vom 2 0 . 1. 1 5 2 5 1 9 erfahren wir, daß die herren cron
zu Behaim
und
ritterschaft
79 der
damals dem L a n d v o g t der Niederlausitz befohlen hatten,
dem H e r z o g bei seinem Vorgehen gegen die Lutherischen in seinem zur Niederlausitz gehörigen Lehnsgebiet nicht beizustehen, sondern die L u t h e rischen gegen G e o r g zu unterstützen. D i e L a n d v ö g t e w a r e n aber auch von H a u s aus keine fanatischen Verfolger der neuen Lehre, haben sogar teilweise heimlich mit ihr sympathisiert 2 0 . Z u erwähnen w ä r e n noch die Schritte, die H e r z o g G e o r g v o n Sachsen zur R e t t u n g der alten Kirche in den Lausitzen unternahm. Selbstverständlich w a r sein Vorgehen zunächst für seine dort liegenden Herrschaftsgebiete: Senftenberg,
Finsterwalde,
Sonnewalde
und
Sagan.
Jedoch
zumindest 2 1
in Sonnewalde bekam auch er die M a c h t der lausitzer Stände zu spüren. Aber auch abgesehen von seinem Herrschaftsgebiet ließ sich G e o r g mehrfach die Belange der römischen Kirche in den Lausitzen angelegen sein 2 2 . W e n i g stens z u m Teil w a r e n auch seine Bemühungen in den Lausitzen ohne E r folg. D a somit Bischof J o h a n n V I I . weder von selbst noch mit H i l f e der einheimischen Laiengewalten der neuen religiösen S t r ö m u n g H e r r wurde, stieg in ihm immer wieder das Verlangen auf, auswärts, bei den H ä u p t e r n der Christenheit, um Unterstützung nachzusuchen. V o r allem zog es ihn begreiflicherweise immer wieder nach der E w i g e n S t a d t . W i r sehen ihn schon kurz nach dem großen Meißner Benno-Feste, also nur ein reichliches J a h r ) G e ß II, 14 f. Nr. 786. ) Für den Landvogt der Niederlausitz, Heinrich Tunkel, vgl. L e h m a n n S. 104; für den Landvogt der Oberlausitz, Herzog Karl von Münsterberg, vgl. A D B 15, 358 ff.; W A B 2, 569 f f . ; J . G. M ü 11 e r S. 189. Seine Haltung gegen zwei Bautzener Verspötter des Papsttums: B a u m g ä r t e l S. 10. Für Münsterbergs Nachfolger Zdislaus Berka von der Duba vgl. M ü l l e r S. 191, B a u m g ä r t e l S. 17. Im Jahre 1544 rufen die oberlausitzer Stände angesichts der königlichen Befehle gegen die neue Lehre seinen Schutz an: P. A r r a s , Regestenbeiträge zur Geschichte des Bundes der Sechsstädte der Oberlausitz: N L M 79, 1903, S. 253. Auch von den dem oberlausitzer Landvogt unterstehenden Amtshauptmännern zu Bautzen und Görlitz ( K ö t z s c h k e - K r e t z s c h m a r I, 146) war wenigstens der erstere, Nikolaus von Gersdorf, der Verkündigung Luthers anscheinend nicht abgeneigt. Dafür spricht, daß er 1527 zusammen mit dem Rat zu Bautzen dem Nachsuchen des katholischen Klerus nach einer Vertreibung eines lutherischen Predigers nicht stattgab, sondern auf Wunsch der evangelischen Prediger eine Disputation veranstaltete ( R o s e n k r a n z S. 54; C. K n a u t h e : Lausitzisches Magazin 1, 1768, S. 296 ff.). Derselbe Amtshauptmann dürfte es gewesen sein, der 1530 der Stadt Kamenz die Erlaubnis zur Berufung eines evangelischen Predigers gab ( B ö n h o f f : B S K G 27, 1913, S. 138 f . ; R o n n e b e r g e r in: H . F. Rosenkranz, Einführung der Reformation S. 68). 19 20
21) mann 22) 1321;
Für die allgemeine Lage vgl. oben S. 78 f.: Georgs Schreiben an seinen Amtzu Sagan vom 20. 1. 1525. G e ß I, 467 f. Nr. 463; S. 717 Nr. 707; II, 96 ff. Nr. 852; S. 622 f. Nr. B a u m g ä r t e l S. 10 f.
80
Erster Teil: D i e Grundlagen
nach Rückkehr von der ersten Romreise, die er als Bischof unternommen hatte, wieder dahin abreisen. Die unerhörte grosse uncristliehe tegliche bosheyt, so an vil orten im stift Meissen von den menschen geubet unde vorbracht werd, beschwerten sein Gewissen so, daß er wenig Ruhe finde. Da er nun selbst damit nicht fertig werde, habe er sich entschlossen, zum Papst zu reisen und ihn um Hilfe zu bitten. So schreibt er zur Begründung seiner Reise an Herzog Georg 23 . Über die Verhandlungen des Bischofs in Rom sind wir diesmal gar nicht unterrichtet. Auch dem Hirtenbrief, den der Bischof wohl unmittelbar nach seiner Rückkehr am 1. Oktober 1524 erließ, kann man diesbezüglich wohl nichts entnehmen 24 . Das einzige, was wir darüber hören, ist die bald danach von ernestinischer Seite ausgesprochene Vermutung, der Bischof hätte in Rom gegen den sächsischen Kurfürsten gearbeitet 25 . Es scheint überhaupt, daß Bischof Johann seine Tätigkeit gegen die Lutherischen auch auf politischem Gebiet betrieben hat, — dann freilich wohl erst recht im engsten Einvernehmen mit Herzog Georg. Anfang 1526 treffen wir ihn auf einer Reise nach Spanien zum Kaiser. Vielleicht steht diese Reise in Zusammenhang mit der gleichzeitigen des Herzogs Heinrich von Braunschweig, der den Kaiser f ü r die Ziele des Dessauer Bündnisses katholischer Fürsten gewinnen wollte 26 . Unter solch mannigfachen Kämpfen neigten sich die Jahre Johanns VII. schließlich dem Ende zu. 1534 wählte er seinen jüngeren Verwandten 2 7 , den Dechanten 28 des Domkapitels Johann von Maltitz, zu seinem Koadjutor und unternahm mit ihm zusammen eine nochmalige Reise nach Rom, doch wohl, 23 ) Würzen, 25. 7. 1524: G e ß I, 710 N r . 700. A n f a n g August w a r der Bischof vermutlich schon unterwegs (vgl. a.a.O. S. 716 N r . 706; S. 717 N r . 707). 24 ) Auf den Hauptinhalt wurde oben S. 71 schon Bezug genommen. 25 ) S. u. A n m . 26. 2e ) Vgl. den Bericht albertinischer Räte über eine Verhandlung mit ernestinischen Räten, die nach dem 15. 1. 1526 in Würzen stattgefunden hat ( G e ß II, 485 ff. N r . 1202). Demnach haben dort letztere zur Begründung der Kriegsrüstungen des sächsischen Kurfürsten ausgeführt, ihr Herr fühle sich durch das Dessauer Bündnis bedroht, auch könne er aus des Bischofs v o n Meißen Reise nach Spanien z u m Kaiser nichts guts . . . abnemen, dann er [der Bischof] were unlängst zu Rom gewest, was guts er sich doselhst wider s. k f l . g. zu tractirn understanden, das wüste man wol. D a ß mit dieser Romreise die v o n 1524 gemeint ist, nehme ich an, obwohl in dem Bericht dann eigentlich zu erwarten wäre wider Sr. K f l . G. Bruder. Zu Heinrichs v o n Braunschweig Reise nach Spanien Frühjahr 1526 vgl. R a n k e II, 271 f f . V o n Kriegsgelüsten des Bischofs Johann spricht auch Luthers Brief an Link v o m 28. 3. 1528; Apud nos nihil novi, nisi quod Episcopi hella et caedes spirare dicuntur, et stultus ille Misnensis minis ardet pro suo more ( W A B 4, 435). 2T ) D a ß beide blutsverwandt waren, lesen wir bei B ö r n e r S. X . S e n f f (S. 69) sagt, daß Johanns V I I . Mutter eine geborene v o n Maltitz gewesen sei. 28 ) Seit 1527 ( R ü l i n g S. 150), als Nachfolger Dr. Johann Hennigs.
B/3. Bischof Johann V I I I . und der Tod Herzog Georgs
81
um ihm v o m P a p s t das jus succedendi zusichern zu lassen 2 9 . A m 13. O k t o ber 1 5 3 7 segnete er das Zeitliche 3 0 , ohne einen E r f o l g der Bemühungen zu sehen,
die
den
Hauptinhalt
seiner
bischöflichen
Amtsführung
gebildet
hatten. 3.
Bischof H e r z o g
Johann Georgs
VIII. (17.
von
April
Maltitz
und
der
Tod
1539)
D e r neue Bischof, J o h a n n ( V I I I . ) von Maltitz, schien durch Lebensgang und persönliche
Beziehungen
bestimmt,
den bisherigen
Kurs
des
Hoch-
stifts Meißen weiterzuführen. Sohn eines herzoglich sächsischen R a t e s und Hofmarschalls, w a r er schon in jungen J a h r e n , w ä h r e n d seines in Leipzig und B o l o g n a verbrachten Studiums, in das Meißner D o m k a p i t e l aufgenommen w o r d e n und hier durch das Vertrauen des ihm blutsverwandten
Bi-
schofs und seiner Mitkanoniker in den Besitz der wichtigsten Ä m t e r
ge-
langt 3 1 . Nicht minder scheint er das Vertrauen H e r z o g Georgs genossen zu haben 3 2 . J o h a n n V I I I . sah mancherlei Mißstände im kirchlichen Wesen, auch V e r säumnisse des bischöflichen A m t e s 3 3 und bemühte sich sofort mit Eifer um ihre Behebung. V o r allem handelte es sich dabei auch für ihn um
den
K a m p f gegen die Lutherischen. I m N o v e m b e r oder Dezember 1 5 3 7 berief er eine Priesterversammlung nach Zschillen (Wechselburg) ein, um v o r L u 2 B ) Cochläus an Johann Faber, 28. 10. 1534 (hg. v. W. Friedensburg: Z K G 18, 1897, S. 257 ff.): nunc episcopus noster Romam profectus coadjutorem accipiet (a.a.O. S. 262). Mit diesen Worten ist doch wohl gemeint, daß dem J o hann von Maltitz vom Papst das jus succedendi zugesprochen werden sollte, da an sich, wie ich aus H e c k e 1 S. 68 entnehme, bei der Annahme eines Koadjutors die Mitwirkung des Papstes nicht vonnöten war. Nach G e ß I, S. L X V I war dieser Brauch im Hochstift Meißen nicht unbekannt. Gegen die Annahme, daß für Johann von Maltitz das jus succedendi beantragt oder zumindest, daß es ihm auch tatsächlich gewährt worden ist, könnte nur sprechen, daß nach dem Tode Johanns VII., wenn M a c h a t s c h e k S. 691 recht hat, doch eine Bischofswahl stattgefunden hat, die freilich für Johann von Maltitz entschied. 3 0 ) Der Todestag ist enthalten in der Inschrift auf der bei G u r 1 i 1 1 , Beschreibende Darstellung H. 40, S. 340, Fig. 435 abgebildeten Grabplatte. 3 1 ) Vgl. oben S. 80 f., ferner G e ß I, 63 Anm. 1; R ü l i n g S. 150; K n o d Nr. 2265 und Nachtrag S. 686. Der Vater Sigismund von Maltitz ist häufig in G e ß ' Akten erwähnt. Das Vertrauensverhältnis Johanns von Maltitz zu Johann V I I . kommt auch dadurch zum Ausdruck, daß dieser ihn schon 1523 mit nach Rom genommen hatte ( R ü l i n g a.a.O.). Weiter spricht für die enge Verbundenheit beider, daß Johann V I I . seinem Nachfolger eine ansehnliche Geldsumme vererbte ( S e n f f S. 443). 32
) S. u. S. 90 f.
33
) G. P 1 a n i t z : B S K G 17, 1903, S. 125, 128.
82
Erster Teil: D i e Grundlagen
thers Lehre zu warnen 3 4 . Etwa gleichzeitig erließ er ein Mandat gegen den Konkubinat der Priester, jenes Unwesen der Papst-Kirche, das jetzt die Position der Gegner stärken half. Er war, wie er wenigstens an die Herzogin Elisabeth zu Rochlitz schrieb, willens, dagegen vorzugehen 35 . Sodann ließ er unmittelbar nach seiner am 10. Februar 1538 geschehenen Konsekration 36 einen Hirtenbrief ausgehen, der ebenfalls vor Luther warnen sollte. Er war von Johann Cochläus verfaßt 3 7 , dessen Hilfe in dem religiösen Kampfe das Hochstift Meißen damit, soviel ich sehe, erstmalig in Anspruch nahm 3 8 . Jeder, so hieß es hier, der sich von der christlichen Kirche trenne, gehe der Seligkeit verlustig; denn bei ihm sei die von Paulus 1. Korinther 13 gepriesene Liebe zu vermissen. Wer diese im Festhalten an der allgemeinen Kirche sich äußernde Liebe nicht habe, dem helfe auch aller Glaube, alle Tugenden, ja das Martyrium nichts. Darum sei jede Sektiererei als solche verderblich, auch wenn sie gar keine Irrlehre enthalte. Die Kirche der Sektierer könne schon deshalb nicht die rechte Kirche sein, weil sie lokal so begrenzt und zeitlich so jung sei. Zum Schluß versprach hier der Bisdhof seinen Diözesanen, über das, was zu wissen not sei, die zehn Gebote, die Sakramente, den Glauben, das Beten, die Zeremonien und Ordnungen der Kirche, sie durch ihre Seelsorger unterrichten zu lassen mit abstellung der ärgerlichen mißbrauche. Aber Johann V I I I . war auch gewillt, mit der Tat gegen die „Sektierer" streng einzuschreiten. Dazu bestand neuerdings auch innerhalb des albertinischen Sachsen in bestimmten Gebieten besonderer Anlaß. Herzog Georgs Bruder Heinrich, der in den albertinischen Ämtern Freiberg und Wolkenstein im wesentlichen als selbständiger Regent herrschte, hatte sich durch einen lutherischen Gottesdienst mit Abendmahlsfeier unter beiderlei Gestalt, der N e u j a h r 1537 im Dom zu Freiberg stattfand, offen zum Protestantismus bekannt 3 9 . Kurz nach Pfingsten 1537 hatte er dann in seinem Gebiete eine Kirchenvisitation im lutherischen Sinne durchführen lassen. 34 ) A.a.O. S. 102. [A. Lobeck schrieb im Anschluß an G. Planitz „Schilda". Laut H i n w e i s von Elisabeth Werl-Dresden meint das „Schelte" der Quelle jedoch Zschillen ( = Wechselburg bei Rochlitz), nicht Schilda (Kreis Hoyerswerda, Oberlausitz).] 3B ) A.a.O. S. 105. 3e ) R ü 1 i n g S. 150. 3T ) K o n z e p t Dr. Loc. 8994 Acta, die Veränderung der Religion . . . 1538—1556, Bl. 13 f. mit dem D a t u m Stolpen, 12. 2. 1538 (die Datierung auf den 7. 2. 1538 bei G e ß, Klostervisitationen S. 52 Anm. 1 dürfte auf einem Lesefehler beruhen). D a ß das K o n z e p t v o n der H a n d des Cochläus stammt, sagt G e ß a.a.O. 38 ) Vgl. oben S. 73. D i e dort erwähnte Schriftstellerei des Cochläus war im Auftrag des H e r z o g s Georg geschehen. 39 ) Zu den Ausführungen über die Freiberger Reformation im allgemeinen vgl. E. B r a n d e n b u r g , H e r z o g Heinrich der Fromme v o n Sachsen und die Religionsparteien im Reiche: N A 17, 1896, S. 121 ff., bes. S. 130, 138 f f . ; J. K. S e i d e m a n n , D . Jakob Schenk, 1875, S. 20 ff., 36 f.
B/3. Bischof Johann V I I I . und der T o d H e r z o g Georgs
83
Daraufhin hatte Herzog Georg den Bischof von Meißen — damals noch Johann V I I . — zur Verhängung des Bannes über Heinrich zu bewegen gesucht. Wie dieser sich dazu gestellt hat, wissen wir nicht. Jetzt entschloß sich Johann VIII., seinerseits eine Kirchenvisitation in Freiberg zu halten. Er wurde aber vom dortigen Rate, dem er seine Absicht mitgeteilt hatte, kurtz beantwortet und mit glimpff abgewiesen*". Die Visitation hat denn wohl auch nicht stattgefunden. Der Bischof versuchte dann, soviel ich sehe, im wesentlichen nur noch einmal, in die Freiberger Verhältnisse einzugreifen, indem er im Mai 1538 dem Rate zu Freiberg gegenüber sein Recht der ersten Bitte geltend machte 41 . Der R a t lehnte auch dieses Ansuchen ab mit dem Bemerken, er habe das erste Lehen bereits einem Stadtkinde versprochen 42 . Der Bischof äußerte zurück, er gedenke, mit dem Rate weiter darauf Antwort zu nehmen*3, doch finde ich von seinen ferneren Schritten nichts. Herzog Georg konnte sich zu einem Gewaltakt gegen seinen Bruder nicht entschließen. Die einzige Unterstützung, die er dem Bischof — und zwar bereits Johann V I I . — tatsächlich zuteil werden ließ, war die Sperrung der Einkünfte, die dem Klerus in Heinrichs Gebiet aus seinen Landen zustanden. Aber dieses Druckmittel half nicht. So mußte das Freiberger Ländchen als verloren betrachtet werden. Im Sommer 1538 fand dort eine zweite lutherische Visitation statt. Schärfer war das Vorgehen des Bischofs gegen Herzog Georgs Schwiegertochter Elisabeth, die seit Frühjahr 1537 verwitwet in den albertinischen Ämtern Rochlitz und Kriebstein residierte und dort bald die Reformation einführte 4 4 . Der Bischof f a n d gegen sie auch stärkere Unterstützung durch den Herzog. Als Mittel gegen Elisabeths Maßnahmen sollte zunächst die schon erwähnte 4 5 Priesterversammlung in Zschillen dienen, zu deren Einberufung Herzog Georg den Bischof aufgefordert hatte. Doch Elisabeth untersagte den Priestern ihres Gebiets die Teilnahme. Etwa gleichzeitig, am 2. 12. 1537, erließ sie ein strenges Verbot des Konkubinats der Priester mit gleichzeitiger Erlaubnis zur Heirat f ü r diese und eine Verordnung über das heilige Abendmahl: jeder solle nach seinem Gewissen unter einer oder beiderlei Gestalt kommunizieren, doch sollten Priester, die nicht gewillt seien, den Kelch zu reichen, das Gebiet der Herzogin räumen. Daraufhin untersagte der Bischof der Fürstin derartige Neuerungen; wenn sie mit 40
) Andreas M o 11 e r u s , Theatrum Freibergense chronicum, 1653, II, 204.
41
) Der Bischof an den R a t zu Freiberg, 15. 5. 1538, gedruckt bei [ G r u n d i g - K l o t z s c h ] , Sammlung vermischter Nachrichten II, 1768, S. 358. 42 ) D e r R a t zu Freiberg an den Bischof v o n Meißen, 20. 5. 1538, gedruckt bei G. H . U l b r i c h t , Geschichte der Reformation in Freiberg, 1837, S. 98 f. 43 44
) A . a . O . S. 51.
) Vgl. G. P l a n i t z , Zur Einführung der R e f o r m a t i o n in den Ämtern Rochlitz und Kriebstein: B S K G 17, 1903, 24 f f . 45 ) S. o. S. 81 f.
84
Erster Teil: D i e Grundlagen
Gewalt gegen seine Geistlichen einschreite, werde er sein Recht suchen. Kurz danach ließ Georg seiner Schwiegertochter durch eine Gesandtschaft drohen, daß sie bei Einführung von Ketzereien ihres Wittums verlustig gehe. Im weiteren Verlauf verbot Johann V I I I . seinem Klerus den Gehorsam gegen Elisabeths ketzerisdie Anordnungen. Die Herzogin verwies dem Bischof gegenüber auf die hilfsbereit hinter ihr stehenden evangelischen Stände, eine Drohung, die ihr Bruder, Landgraf Philipp von Hessen, wenige Wochen später in einem Schreiben an Herzog Georg noch unterstrich. Letzteres verfehlte nicht den Eindruck auf den Adressaten. Schon kurz vorher hatte er dem ihn um R a t fragenden Bischof von Merseburg, dessen Diözese am Gebiete Elisabeths auch Anteil hatte, keinen anderen Bescheid zu geben gewußt als die Aufforderung, es noch einmal mit Schreiben und Mandaten zu versuchen und, nütze das wieder nichts, auf eine allgemeine Besserung der Dinge zu warten. Von dem Plan, zusammen mit den Bischöfen von Meißen und Merseburg ein Vorgehen des Reichskammergerichts gegen seine Schwiegertochter zu erwirken, kam der Herzog auch wieder ab, als dieses ihm nicht ohne weiteres zu Willen war. Da er je länger je mehr einem gewaltsamen Vorgehen abgeneigt war, die Häupter der Schmalkaldener hingegen f ü r jede weitere Behelligung der jetzt ihrem Bündnis beitretenden Herzogin tatkräftigen Widerstand in Aussicht stellten, konnte auch eine vom Bischof geplante Visitation in Elisabeths Gebiet nicht durchgeführt werden 4 6 . So endete auch dieser Konflikt bald mit einem völligen Verzicht des Bischofs. Ferner galt die besondere Fürsorge des neuen Bischofs der Rettung der alten Religion in den Lausitzen 47 . D a dort das Eindringen der Neuerungen im wesentlichen an dem mangelhaften Durchgreifen der Staatsgewalt lag, war dem Bischof ein Besuch König Ferdinands in Bautzen im Mai 1538 sehr willkommen. Er legte ihm unmittelbar zuvor seine Anliegen schriftlich dar, wobei er namentlich die Untätigkeit der königlichen Befehlshaber den Protestanten gegenüber anprangerte und betonte, wenn etwas geschehen sollte, dann jetzt, wo der König das Gebiet zu betreten sich anschicke 48 . Sodann ließ er ihn in Bautzen durch eine lateinische Rede des Cochläus begrüßen und brachte anschließend seine Wünsche dem König noch einmal mündlich zu Gehör. Ferdinand befahl daraufhin den Landständen, das gesamte Kirchenwesen in den vorigen Stand zurückzuversetzen; sonst werde er ungnädig sein 40 . Der Einfluß der Stände setzte sich jedoch auch diesmal wieder durch: Sie erklärten, von der einmal erkannten Wahrheit nicht wie46 ) hatte 47 ) 48 ) Acta, 49 )
O b die Visitation sonst stattgefunden hat, ist mir nicht ersichtlich. Vielleicht der Bischof es bei seinem Plane doch nur auf Elisabeths Gebiet abgesehen. Vgl. oben S. 75 f f . Datiert v o m 19. 5. 1538: nicht behändigte Ausfertigung Dr. Loc. 8994 die Veränderung der Religion . . . , Bl. 87 f f . S e n f f S. 149 f.; R ü 1 i n g S. 6.
B/3. Bischof Johann V I I I . und der Tod H e r z o g Georgs
85
der abgehen zu können, worauf Ferdinand tatsächlich die Erlaubnis gab, nach der Augsburgischen Konfession zu predigen 50 , was aber wiederum nicht sein letztes Wort sein sollte. Unter diesen Umständen konnten natürlich auch Einzelmaßnahmen des Bischofs nicht von Erfolg sein51. Eine besondere Schädigung erfuhr das Hochstift damals in der Niederlausitz durch einen seiner eigenen Beamten. Der dortige Vertreter des bischöflichen Regiments, der Offizial zu Lübben Erasmus Günther, ging zum Gegner über. Jetzt, im Jahre 1538, kam seine Einstellung offen ans Licht, als er das subsidium biennale des Klerus der Sedes Lübben nicht abführte. Aber er hatte schon längere Zeit vorher die Interessen der römischen Kirche nur noch unvollkommen gewahrt, sogar unter der Decke die Lutherischen unterstützt. Jetzt setzte der Bischof ihn ab. Für das Hochstift war der Fall um so tragischer, als Bischof Johann VII. seinerzeit geglaubt hatte, gerade in Günther auf Grund von dessen Tüchtigkeit den Mann gefunden zu haben, der das schon damals — Günther scheint Anfang der 1530er Jahre nach Lübben geschickt worden zu sein — arg darniederliegende römische Kirchenwesen in der Niederlausitz zu retten geeignet war 52 . In Herzog Georgs Gebiet wurde gegen die Lutherischen in der bisherigen Weise vorgegangen. Wenn Machatschek53 recht hat, ließ Georg im Jahre 1538 mehrere verheiratete Geistliche dem Bischof auf dessen Antrag in die Stolpener Gefängnisse einliefern 54 . Daneben führte der Herzog auch ohne den Bischof den Kampf gegen die religiösen Neuerungen weiter 55 . •
50
) B a u m g ä r t e l S. 18. ) Nach R ü l i n g a.a.O. machte Johann V I I I . im Mai und Juni 1538 das Recht der ersten Bitte geltend, jedoch mit geringem Erfolg. Nach Beiträge zur Kirchen-, Gelehrten- und Landesgesdiichte des Markgrafentums Oberlausitz I, 1772, S. 45 f f . erhob er dieses Recht der Stadt Görlitz gegenüber, an die er auch im J a n u a r 1539 nochmals wegen der eingezogenen geistlichen Lehen, Wiedereinsetzung der entsetzten Priester und Nachzahlung des schuldigen subsidium biennale herantrat. Er wurde beide Male abschlägig beschieden ( Z o b e l : N L M 102, 1926, S. 227 ff.). 51
52 ) Vgl. J. W. N e u m a n n , Ein Abschnitt aus dem zweiten Teil einer Geschichte der Kreisstadt Lübben: N L M 33, 1856, S. 122, 148 ff. Demnach geschah die Amtsenthebung Günthers durch den Bischof im Jahre 1539. Merkwürdigerweise wird aber bei C. P e t e r s e n , Die Geschichte des Kreises Beeskow-Storkow, S. 322 erwähnt, Bischof Georg von Lebus habe 1546(!) den Bischof von Meißen gebeten, den lutherischen „Buben" zu Lübben, den O f f i z i a l E. Günther, nicht länger in seiner Stellung anzuerkennen. Jedenfalls aber ist die Geschichte des S c h l e i n i t z 'sehen Geschlechts im Irrtum, wenn sie (S. 493) die Amtsenthebung Günthers dem Bischof Johann V I I . zuschreibt. 53 ) M a c h a t s c h e k S. 694, ohne Quellen-Angabe. 54 ) M a c h a t s c h e k erwähnt darunter namentlich den „ P f a r r e r zu H a r t mannsdorf", Johann „Pogener". Dieser ist wohl identisch mit dem oben S. 69 Anm. 52 erwähnten „Bogener". B5 ) Georg an den R a t zu Annaberg, 31. 10. 1538: Dr. Loc. 10 299 Dr. M. Lu-
86
Erster Teil: Die Grundlagen
Das Bild, das wir durch das Bisherige von der Haltung des Hochstifts Meißen innerhalb der religiösen Gegensätze bekommen, bedarf aber nun f ü r die letzten Regierungsjahre Herzog Georgs einer Ergänzung. Die schroff altgläubige Haltung, die uns bisher immer entgegentrat, hatte eine gewisse Auflockerung erfahren namentlich durch den neuen Dechanten 56 Julius von Pflug 5 7 . Dieser, geboren 1499, hatte sich voll Eifer in Bologna und Padua wie auch früher schon in Leipzig humanistischen Studien hingegeben, während in Deutschland der Religionsstreit ausbrach. Als Liebhaber stiller Gelehrtenarbeit sah er darin nur die „große Tragödie", zumal er die Überwindung der Gegensätze f ü r möglich hielt. D a r u m hatte er sich wie viele ihm gleich gerichtete Geister seiner Zeit den Dienst an dem Werke der religiösen Einigung zur Aufgabe gesetzt. Seit dem Augsburger Reichstag von 1530 hatte er versucht, den Altmeister Erasmus d a f ü r zu gewinnen, aber nur erreicht, daß dieser seine Gedanken darüber in einer größeren Schrift veröffentlichte. D a r u m war er nun selbst darangegangen, im Geiste des Erasmus an der Verfolgung seines Zieles zu arbeiten. So hatte er in der Naumburger Diözese, wo er seit 1532 als Propst zu Zeitz gelebt hatte, sich für die Gewährung von Laienkelch und Priesterehe als Abwehrmittel gegen den immer größer werdenden Abfall zum Protestantismus eingesetzt. Eine weitere Möglichkeit, f ü r sein Ziel zu arbeiten, hatte sich ihm dann durch seine Teilnahme an dem Religionsgespräch ergeben, das im April 1534 in Leipzig zwischen kurmainzischen und kursächsischen Abgesandten im Dienste des Einigungsgedankens stattfand. Wenn Pflug dabei nicht nur
thers . . . 1516—1539, Bl. 240 e: Befehl zur Gefangensetzung von Bürgern, die Ketzereien (anscheinend über die Kommunion) durch Anschläge verbreitet haben; ders. an dens., wohl vor 17. 12. 1538: a.a.O. Bl. 243 f. (von diesem Tage ist ein Schreiben des Rates an Georg datiert — a.a.O. Bl. 249 —, das anscheinend die Antwort darstellt): Befehl, Leichen von Ketzern nicht auf dem Friedhof, sondern unter dem Rabenstein zu begraben; Georg an den Propst des Jungfrauenklosters Sornitz, 24. 5. 1538: Dr. Loc. 10 300 Dr. M. L u t h e r s . . . 1518—1539, Bl. 235: Er habe betr. des Vorgehens gegen Unordnungen in der Kommunion schon Befehl gegeben. M ) Dieses Amt bekleidete Pflug offenbar seit 1534 (RE 15, 261 Z.4; A. J a n s e n in Neue Mitt. a. d. Gebiet hist.-antiqu. Forschungen 10, 1864, 1. Hälfte S. 75 Anm. 1), anscheinend seitdem der bisherige Dechant Johann von Maltitz zum Koadjutor aufgerückt war (s. o. S. 80 f.). [Vgl. dagegen jetzt J. V. P o 11 e t : Julius Pflug, Correspondance, Bd. 1, Leiden 1969, S. 406 Anm. 1, wonach Pflug erst am 22. 12. 1537 Meißner Domdechant wurde, da der Koadjutor bis zu seiner Bischofswahl Dechant blieb.] 5T ) Die folgenden Ausführungen sind wiedergegeben nadi RE 15, 260 f. (Artikel „Pflug" von G. K a w e r a u ) und vor allem O. A. H e c k e r , Religion und Politik in den letzten Lebensjahren Herzog Georgs des Bärtigen von Sachsen, 1912.
B / 3 . Bischof J o h a n n V I I I . und der T o d H e r z o g Georgs
87
den Bischof von Meißen, sondern außerdem inoffiziell Herzog Georg von Sachsen vertrat, so war das wohl die Wirkung von dessen maßgebendstem R a t Georg von Carlowitz gewesen 58 . Diesen, seinen Schwager, hatte Pflug wohl kurz zuvor für den Gedanken des Religionsvergleichs gewonnen. Carlowitz sollte es nun im wesentlichen auch sein, der dafür sorgte, daß im albertinisdien Sachsen und im Hochstift Meißen das Gespräch über dieses Thema durch die nächsten Jahre fortgeführt wurde. Aber auch wohl sämtliche akademisch gebildeten albertinisdien Räte waren von Erasmus beeinflußt und einem Ausgleich in der Religion zugeneigt. Für das Hochstift wurde vor allem von Bedeutung, daß es Julius Pflug gelang, Bischof Johann V I I I . für seine Ideen zu gewinnen 59 . Die Sorge um die Erhaltung seiner Diözese wird diesem für die Pläne seines Denkens das Ohr geöffnet haben, zumal seit 1537 eine protestantische Thronfolge im albertinisdien Sachsen in bedrohliche Nähe gerückt war. So hören wir ihn wie Pflug auf einer Versammlung, die Herzog Georg im Juli 1538 mit den Prälaten seines Landes in Leipzig hielt, im Gegensatz zu sämtlichen übrigen Teilnehmern die Frage des Herzogs, ob Laienkeldi und Priesterehe zwecks Wiederherstellung der kirchlichen Ordnung im Lande zuzulassen sei, bejahen. Der Bischof bat sogar den Kardinalerzbischof Albrecht von Mainz, sidi bei der Kurie um Befürwortung dieser beiden unbedingt notwendigen Zugeständnisse zu bemühen. Wir erkennen also, daß Johann V I I I . in seinem Herzen doch etwas anders dachte, als er aus Gehorsam gegen die Kirche durch seine von uns geschilderten Maßnahmen sich zeigte. In den nächsten Monaten hatte der Bischof, wohl auf Grund der weiteren rührigen Bemühungen von Carlowitz, die vor allem durch die immer stärker drohende protestantische Thronfolge ausgelöst waren, noch mehrmals Gelegenheit, sich in demselben Sinne wie in Leipzig zu äußern. Wie er und Pflug sich zu dem von Herzog Georg ihnen zur Begutachtung vorgelegten Ergebnis eines zweiten Leipziger Religionsgesprächs, das im Januar 1539 mit dem Ziele eines Konfessionsausgleichs stattgefunden hatte, gestellt haben, ist leider nicht bekannt geworden, da der Tod Georgs ihnen die Über58) O b der damalige Bischof von Meißen, J o h a n n V I I . , innerlich hinter den Unionsversuchen stand, ist nicht ersichtlich. Ich könnte mir denken, d a ß J o h a n n V I I . P f l u g dazu nur entweder diesem oder H e r z o g Georg zu Gefallen delegiert hat. G e o r g hätte dann dieses Mittel ergriffen, um selbst nicht hervortreten zu müssen. 59) H e c k e r , der dies S. 68 f. behauptet, bringt dafür keinen direkten Beleg. E r hat diesen Schluß wohl nur aus der H a l t u n g des Bischofs gezogen, die nun in einer Reihe v o n Fällen zu Tage tritt. Allzu viel läßt sidi daraus freilich für die Theologie Johanns V I I I . nicht entnehmen. Immerhin werden wir uns hier d a r a n erinnern dürfen, daß J o h a n n von M a l t i t z bereits als junger D o m h e r r eine sehr positive H a l t u n g zur Leipziger Disputation eingenommen hatte (s. o. S. 5 4 ) . M ö g licherweise hat er also den Gedanken der Humanisten nie fern gestanden.
E r s t e r Teil: Die Grundlagen
88
reichung einer diesbezüglichen Denkschrift schließlich ersparte80. Jedenfalls aber verwies der Bischof in seiner Antwort auf die ihm Anfang März 1539 gestellte Frage Herzog Georgs, was auf das Begehr der Landstände nach Zulassung des Laienkelchs zu tun sei, auf die Möglichkeit eines päpstlichen Dispenses für Sachsen — im Gegensatz zu seinem Merseburger Amtsgenossen und obwohl Herzog Georg anscheinend eine andere Antwort gewünscht hatte. Und als die Stände Ende März ihr Verlangen wiederholten, versprach er, wie freilich unter dem Drude der Gegenseite jetzt auch der Bischof von Merseburg, umgehend einen diesbezüglichen Antrag an den Papst zu stellen. Dies war dann freilich noch nicht geschehen, als mit dem Tode Herzog Georgs eine ganz neue Lage für das Hochstift eintrat 61 . Uns erscheint es fraglich, ob man mit solchen Zugeständnissen die religiöse Befriedung hätte erreichen können. Es ist aber festzustellen, daß Luther sich damals einiges davon versprach. Er äußerte sich sehr befriedigt über die Befürwortung von Laienkelch und Priesterehe durch Bischof Johann V I I I . auf der Leipziger Prälatenversammlung von 1538: Wann das geschehe, hetten wir gleich sate2. Er fühlte sich dadurch sogar aufs Neue bestärkt in der von ihm in seinen späteren Jahren überhaupt vertretenen Ansicht63, daß die Hochstifter durchaus bestehen bleiben könnten, wenn sie nur die Predigt des reinen Wortes Gottes nicht hinderten. Darum redete er auch Caspar Zeuner, der für das Freiberger Superintendentenamt ausersehen war, zu, die Zustimmung des Bischofs von Meißen dafür zu suchen64, und setzte ihm sogar den Brief an diesen auf 65 . Einen ähnlichen Brief, ebenfalls nach seinem Konzepte, hatte kurz vorher Nikolaus Hausmann, der 60) B r a n d e n b u r g a . a . O . S. 171. Einige Vermutungen nahme der beiden Geistlichen spricht H e c k e r S. 1 0 9 f. aus.
über die
Stellung-
el) Vgl. Cochläus an Giberti, Bischof v o n Verona, Meißen, 2 0 . 4. 1 5 3 9 ; N B 4, 5 4 4 ff. Immerhin ist die Eingabe herzoglicher R ä t e (auch Pflug w a r wohl an ihrer Abfassung beteiligt, vgl. C a r d a u n s a . a . O . S. 125 A n m . 3), in der den Bischöfen von Meißen und Merseburg die N o t w e n d i g k e i t des Laienkelchs ausführlich dargelegt wurde, damit diese deshalb beim P a p s t einen V o r s t o ß machten (gedrudtt a . a . O . S. 144 ff.), nach R o m gelangt, wie sich aus C a r d a u n's Vorbemerkungen a.a.O. ergibt. Ich könnte mir denken, d a ß dies im Zusammenhang der Gesandtschaft des Bischofs von Meißen an Aleander unter H e r z o g Heinrich, die ja denselben Zweck verfolgte (vgl. unten S. 9 3 f.) geschehen sei. Freilich habe ich in den publizierten Nuntiaturberichten aus Deutschland keinen Hinweis d a r a u f gefunden. [Vgl. dazu P o 11 e t a . a . O . S. 4 1 0 ff.] 62) W A Tischreden 4 N r . 4 7 3 1 . — Noch im Juli 1 5 3 9 nach Beendigung der ersten Visitation im Hochstift Meißen, als die Gegensätze zwischen den Protestanten und dem Bischof schon in schärfster Weise in Erscheinung getreten waren, bemerkt Justus J o n a s in einem Briefe an J o a d i i m von A n h a l t ( K a w e r a u I, 3 3 1 ) : Es ist das gerächt, der bischof Meissen soll vor sein person der [evangelischen] leer nit vbel geneigt seyn. fi3) S. o. S. 3 f. ni 65
) W A Tischreden 4 N r . 4 7 3 1 . ) W A B 8, 3 5 9 ff.
B/3. Bischof Johann VIII. und der Tod Herzog Georgs
89
dasselbe Amt hatte übernehmen sollen, aber gleich darauf starb, an den Bischof geschrieben 66 . Die hier angeregte Anlehnung des reformatorischen Superintendentenamtes an den bischöflichen Stuhl ist nicht zustande gekommen. Der Bischof von Meißen hat, zumindest auf den einen der beiden Briefe, überhaupt nicht geantwortet 6 7 . Im übrigen sollte die Diskussion über die von Luther jetzt gestellte Frage sehr bald aufs Neue aufgenommen werden und zwar in einer für das Hochstift Meißen entscheidenden Situation. Bei unserer Betrachtung über die Stellung des Hochstifts Meißen im Rahmen der religiösen Gegensätze in der Zeit von 1517 bis 1539 sahen wir dieses durchweg auf Seiten der alten Kirche 8 8 . Die scharfe Gegnerschaft gegen die Neuerungen hatte nur in den letzten Jahren eine leichte Auflokkerung erfahren: Man hielt gewisse Zugeständnisse an die Lutherischen für möglich. Ein evangelischer Fürst, der die Reformation im Hochstift Meißen einführen wollte, mußte also mit entschiedenem Widerstande desselben rechnen, wenn es nicht gelang, auf Grund von jener Annäherungsbereitschaft des Stifts doch noch eine gemeinsame Basis mit diesem zu finden. Andererseits konnte aber gerade die Entwicklung der Jahre 1517 bis 1539 die Hoffnung erwecken, daß auch ein solcher Widerstand nicht unüberwindlich sein werde, wenigstens soweit es sich um die Einführung der lutherischen Lehre im Gebiete weltlicher Landesherren handeln würde. Denn in dieser Beziehung war ja, wie wir feststellten, bereits vor 1539 manche starke Bresche in die Machtstellung des Hochstifts Meißen geschlagen worden.
)
fle
67
W A B 8, 308 ff.
) W A B 8, 309.
e s ) An Ausnahmen wären nur zu erwähnen der Domherr Kaspar von Schönberg, der nach K ö t z s c h k e : Der Dom zu Meißen S. 31, evangelische Neigungen gehabt hat, ein 1524 „aus Gewissensnöten" absagender Vikar ( G r ö g e r S. 359), sowie der Vikar Fabian Kain, der sdion 1521 sich die Verbreitung reformatorisdier Schriften angelegen sein ließ (vgl. O. C 1 e m e n , Ein lutherischer Meißner Domvikar 1 5 2 1 : N A 42, 1921, S. 259 ff.).
Zweiter
Teil
DER A U S B R U C H DES K O N F L I K T S ZWISCHEN WETTINISCHER LANDESGEWALT UND HOCHSTIFT UND SEINE ENTWICKLUNG UNTER HERZ O G H E I N R I C H D E M F R O M M E N ( 1 5 3 9 — 1 5 4 1 ). 1. V e r s u c h e d e s H o c h s t i f t s , f o r m a t i o n zu v e r h i n d e r n
die E i n f ü h r u n g d e r R e -
Während man, wie sich uns zeigte, auf protestantischer Seite hinsichtlich des Hochstifts Meißen infolge von dessen Bereitschaft zu Zugeständnissen zeitweise vielleicht gewisse Hoffnungen für das Zustandekommen einer Zusammenarbeit in der religiösen Frage hegte, sah das Stift selbst in einer lutherischen Regierung des albertinischen Sachsen von vornherein seinen Feind 1 . Als nach Herzog Georgs plötzlichem Tode am 17. April 1539 dessen lutherischer Bruder Heinrich, der bereits in seinem bisherigen Herrschaftsgebiete Freiberg die Reformation eingeführt hatte 2 , die Regierung über die gesamten albertinischen Lande antrat, tat man darum auf Seiten des Hochstifts Meißen vorerst sein Möglichstes, um ein lutherisches Regiment Heinrichs doch noch zu verhindern. Ein Erfolg solcher Bemühungen mochte insofern nicht aussichtslos erscheinen, als die Stände des Landes und Herzog Georgs hinterlassene Räte darin mit den Hochstiftern Meißen und Merseburg in einer Front standen 3 . Diese gemeinsame Front bestand schon seit den Tagen, da Herzog Georg angesichts der drohenden Regierungsnachfolge seines evangelischen Bruders Heinrich durch mancherlei Pläne versucht hatte, seinem Lande das katholische Bekenntnis auch für die Zeit nach seinem Tode zu sichern. Beide Bischöfe waren neben Landadeligen, Stadtregimentern und Räten vom Herzog als Vollstrecker seines kurz vor seinem Tode aufgesetzten Testaments bestimmt worden, demzufolge Heinrich die an sich ihm zufallende Hinterlassenschaft Georgs an Barvermögen Vgl. dazu außer dem Folgenden die Tatsache, daß die Domherren, besonders Cochläus, von Anfang an damit rechneten, daß sie ihre Kirche verlassen müßten (Codiläus an Nausea, Meißen, 18. 4. 1539, gedruckt: Epistolarum miscellanearum ad Fr. Nauseam libri X, Basileae 1550, S. 244 f.; Pflug und Cochläus an Aleander, Prag, 4. 5. 1539, gedruckt N B 4, 553 ff.). 2 3
) S. o. S. 82 f.
) So schreibt Cochläus (an Aleander, Meißen, 19. 4. 1539: N B 4, 541 ff.), man hoffe seitens des Hochstifts angesichts der drohenden lutherischen Reformation auf den Adel.
1. Versuche des Hochstifts, die Reformation zu verhindern
91
und fahrender Habe nur erben sollte, falls er in das Nürnberger katholische Fürstenbündnis einträte und, was natürlich die Folge davon gewesen wäre, sein Land selbst beim alten Glauben ließe. Und die Bischöfe hatten denn auch zusammen mit den Vornehmsten der Landschaft ihr volles Einverständnis zu diesem Testamente gegeben 4 , das allerdings infolge des plötzlichen Todes Georgs keine Rechtskraft mehr erhalten hat 5 . Der Bischof von Meißen hat vielleicht auch die Einladungen zu dem Landtag ausgehen lassen, auf dem das Testament des Herzogs in Geltung gesetzt werden sollte 6 . Es ist darum selbstverständlich, daß der Bischof die sogleich nach Georgs Tod von dessen Räten und namhaften Männern des Landes unternommenen Bemühungen, den neuen Herzog dennoch zur Anerkennung jenes Testaments zu gewinnen, zumindest ideell unterstützt hat 7 . Sein Dechant Julius Pflug war sogar persönlich daran beteiligt. Das Begehr dieser Männer wurde jedoch von Heinrich zurückgewiesen 8 . Ferner richteten sich die Blicke der an der alten Religion hängenden Kreise des Herzogtums Sachsen jetzt auf den Nürnberger Bund. Auch der Bischof von Meißen dürfte auf ihn gewisse Hoffnungen gesetzt haben, zumal er ja selbst Mitglied war 9 . Herzog Heinrich von Braunschweig als Hauptmann für die norddeutsche Provinz dieser Liga konnte aber jetzt an einen Kriegszug nicht denken, da die bei Herzog Georg deponierten Bundesgelder dessen Bruder in die Hände gefallen waren. E r sagte lediglich baldige Hilfe zu 10 . Was er in der augenblicklichen Situation für Sachsen unternahm, war nur eine persönliche Reise nach Spanien zum Kaiser, um bei diesem einige wichtige Mandate zu erwirken. Deren Inhalt dachte sich Georg von Carlowitz, der Rat Herzog Georgs, folgendermaßen: E r sollte die Reichsacht über jeden der albertinischen Landstände ausgesprochen werden, der vom Nürnberger Bund wiche; an Herzog Heinrich und dessen Sohn Moritz sollte ein kaiserlicher Befehl ergehen, bei Verlust von Lehen und Regalien die Stände nicht vom Nürnberger Bund abzudrängen und die 4
) B r a n d e n b u r g : N A 17, 1896, S. 175 ff.
5
) A. a. O., S. 180.
6 ) Jedenfalls baten Georgs hinterlassene Räte sofort nach dessen Tod den Bischof, diesen Landtag abzusagen (Schreiben der Räte an den Bischof, Dresden, 17. 4. 1539, gedruckt bei S e i d e m a n n , Die Reformationszeit in Sachsen, 1846, S. 264 f.; vgl. B r a n d e n b u r g a.a.O., S. 178 und 181). 7 ) Höchstwahrscheinlich war Johann VIII. auch beratend an diesen Versuchen beteiligt. Hatten doch Georgs Räte gleichzeitig mit der Bekanntgabe vom Tode ihres Herrn den Bischof gebeten, sich nach Meißen zu begeben und dort bis nach des Herzogs Beisetzung zu bleiben (Schreiben der Räte an den Bischof, s. o. Anm. 6).
8) B r a n d e n b u r g 9
a.a.O., S. 182 f.
) S. o. S. 27.
10
) Brandenburg
a.a.O., S. 185.
92
Zweiter Teil: Konflikt zwischen Landesgewalt und Hochstift
Geistlichkeit nicht zu behelligen, namentlich ihr ihre kaiserlichen Privilegien zu belassen 11 . Da man aber auf eine Hilfe des Kaisers zumindest lange warten mußte, hielt der Bischof, wohl kurz vor Mitte Mai, als bereits Reformen von Seiten Herzog Heinrichs drohten, eine Beratung mit Vertretern des Adels, wobei man beschloß, auf jeden Fall die alte Religion beizubehalten und König Ferdinand, der damals in Prag Hof hielt, durch eine Gesandtschaft um seine Unterstützung zu bitten. Der Erfolg dieser Gesandtschaft war, daß Ferdinand dem Herzog unter Hinweis auf den Nürnberger und Frankfurter Friedstand eine etwaige Änderung der Religion sowie jeglichen Eingriff in die reichsfürstlichen Rechte der Bischöfe, namentlich des zu Meißen, im Namen des Kaisers verbot 1 2 . Auch in dem Schutzbrief, den Ferdinand unterm 20. Mai f ü r den Bischof und das Domkapitel zu Meißen ausstellte 13 , wird man einen Erfolg dieser Gesandtschaft erblicken dürfen. Vor allem aber unternahm Johann V I I I . in der Erkenntnis, daß man trotz solcher Bemühungen mit Reformen Heinrichs rechnen müsse, sogleich nach dessen Regierungsantritt Schritte, um durch eigene Reformen im Geiste der von uns bereits erwähnten 1 4 humanistischen Ausgleichstheologie eine radikale Änderung des Kirchenwesens durch den Landesherrn möglichst zu verhindern 1 5 . Damit traten jene Ideen erneut in das kirchenpolitische Gespräch, deren Vertretung durch den Bischof nicht lange vorher einmal bei Luther die H o f f n u n g auf eine Zusammenarbeit zwischen dem Hochstift und den Protestanten erweckt hatte. D a der Bischof aber mit seinen Reformen die Absicht verband, das alte Kirchenwesen unbedingt zu erhalten mußte ein Sich-Finden der religiösen Parteien auf dieser vermittelnden Linie von vornherein fast ausgeschlossen erscheinen. Im Zuge dieser Bestrebungen sollte namentlich das schon unter Herzog Georg geplante 16 Gesuch an den Papst um Gewährung des Laienkelchs f ü r die Meißner Diözese jetzt schleunigst gestellt werden. Eine günstige Gelegenheit dazu ergab sich dadurch, daß der Kardinallegat Aleander, der zur Zeit von Herzog Georgs Tod am H o f e König Ferdinands in Wien weilte, f ü r die nächsten Tage mit diesem in Prag erwartet wurde 1 7 . Ferner sollte eine Art Glaubenslehre ver" ) B r a n d e n b u r g a.a.O., S. 186 f. 12 ) De Mussi an Farnese, Prag, 17. 5. 1539: N B 4, 56 ff.; ders. an dens., Prag, 23. 5. 1539: 61 ff.; Ferdinand an Heinrich, Prag, 16. 5. 1539: Ausf. Dr. Loc. 10301 Schriften, belangend Herzog Heinrichs zu Sadisen Geistlichkeit, 1530, Bl. 172 ff. 13 ) Dr. Orig. 10 910. M ) S. o. S. 86 ff. ls ) Vgl. darüber auch die Darstellung von C a r d a u n s a.a.O., S. 128 ff. le ) S. o. S. 88. 17 ) Schon am 19. April — 2 Tage nach Georgs Tod — stand die Absendung Pflugs an den Kardinallegaten Aleander fest (Cochläus an Aleander, Meißen, 19. 4. 1539: N B 4, 541 ff.). Ich nehme an, daß man schon damals vorhatte, Pflug nicht nur, wie Cochläus schreibt, über die Lage im albertinischen Sadisen berichten zu lassen, sondern vor allem auch durch ihn um jene Dispensation nachzusuchen.
1. Versuche des Hochstifts, die Reformation zu verhindern
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faßt und dem Klerus als Richtschnur f ü r seine Verkündigung zugestellt werden. Darin sollte vermutlich die Erlaubnis des Laienkelchs und einiger weiterer Zugeständnisse an die Lutherischen, die man durch päpstliche Dispensationen noch zu erreichen hoffte, wovon sogleich näher zu berichten sein wird, ausgesprochen werden. Damit solche Pläne durch den Herzog nicht durchkreuzt würden, bat Johann diesen bei einer Unterredung in Dresden am 22. April, die Rechte des Stifts zu schützen, und erbot sich, eine christliche lähr in artickeln, so unser seelen heil belanget, aus der heiligen schrift ziehen und den seelsorgern unsers bistumbs undergeben zu lassen, domit durch gleichformischte predigten einigkeit und besserung in der kirchen gottes mecht uffgericbt werden. Heinrich ließ dem Bischof darauf antworten, er wolle ihn und die Stiftsverwandten bei ihren Privilegien und Gewohnheiten, soviel die christlich, gotlich und ehrlich, bleiben lassen und beschützen; die Absicht des Bischofs, gutte ordenung zu stellen dem euangelio und gottes worte gemess zu eintrechtiger lehre, habe er gern gehört und sei geneigt, solch christlich werk zu fördern, nur bedinge er sich aus, daß die bischöfliche Reformschrift ihm vorher zugestellt werde, damit er sie von Gelehrten der heiligen Schrift begutachten lassen könne 1 8 . O b sich Heinrich von den bischöflichen Reformvorschlägen etwas versprach, ist aus dieser Antwort nicht ersichtlich. Jedenfalls war diese so gefaßt, daß sie den protestantischen Ansprüchen auf eine selbständige Regelung der kirchlichen Verhältnisse nichts vergab. Immerhin konnte der Bischof auf Grund dieses Bescheids die H o f f n u n g haben, daß der Herzog zumindest vor Überreichung seiner Vorschläge keine Reformen durchführen werde 1 9 . Johann V I I I . fertigte darum am 30. April, als er über die A n k u n f t Aleanders in Prag sicher zu sein glaubte, seinen Dekan Julius Pflug, der in hohem Maße die Sympathien dieses Kardinals besaß 20 , und den Domherrn Cochläus als Gesandte dorthin ab 21 . Das wesentlichste Begehr, das diese durch Aleander ls ) Das Vorbringen des Bischofs ist wiedergegeben nach dessen Brief an Heinrich, Meißen, 3. 6. 1539: Ausf. Dr. Loc. 10 301 Schriften, belangende Herzog Heinrichs zu Sachsen Geistlichkeit, 1530, Bl. 184, 186; die Antwort des Herzogs nach dessen Schreiben an den Bischof vom 4. 6. 1539: Ausf. Dr. Loc. 8994 Acta, die Veränderung der Religion, 1538—1556, Bl. 70. D a ß es sich bei diesen Verhandlungen zwischen Bischof und Herzog um eine Unterredung, nicht um schriftlichen Meinungsaustausch (so R ü 1 i n g S. 6) handelt, möchte ich Heinrichs Worten (a.a.O.) was Ewer lieb . . . negst zu Dresden an uns gelanget entnehmen. 19 ) Freilich, ein direktes „Versprechen" Heinrichs, „nicht übereilt vorgehen zu wollen, wenn er [der Bischof] in religiösen Dingen tue, was seines Amtes sei", ist wohl nicht erfolgt. Cochläus, der das Ergebnis des 22. April so beurteilt (an Aleander, Stolpen, 1. 6. 1539: N B 4, 561 ff.; vgl. C a r d a u n s a.a.O., S. 129), färbt die Geschehnisse damit wohl etwas zugunsten des Bischofs. 20 ) Vgl. die Anm. des Herausgebers bei dem erwähnten Briefe des Cochläus an Aleander vom 19. 4. 1539 und de Mussis Schreiben an Aleander, Prag, 3. 5. 1539: N B 4, 40 ff. 21 ) Beglaubigungsschreiben des Bischofs für die Gesandten, Stolpen, 30. 4. 1539: N B 4, 552 f.
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Zweiter Teil: Konflikt zwischen Landesgewalt und Hothstift
dem Papst übermitteln sollten, war die schon erwähnte Bitte, daß das Abendmahl in der Meißner Diözese und in Heinrichs Gebiet oder in Deutschland überhaupt bis zum Konzil nach freier Wahl jedes einzelnen Kommunikanten unter einer oder beiderlei Gestalt genossen werden dürfe. Dazu kamen Wünsche nach weiteren Dispensationen, namentlich Gestattung der Priesterehe und der Ordination verheirateter Priester, Erlaubnis, mit Schismatikern Handel zu treiben, in ihrer Gegenwart Messe zu lesen, ihnen ein ehrliches Begräbnis zu gewähren, reumütige Schismatiker zu absolvieren sowie diese Absolutionsgewalt einigen Priestern einzuräumen, von der Irregularität zu dispensieren — wobei wahrscheinlich besonders wieder an die Ketzerei gedacht war — und anderes mehr. Schließlich sollten die Gesandten noch die Bitte anbringen, der Papst möchte bald das Generalkonzil veranstalten oder zusammen mit dem Kaiser einen Weg zur Rückführung der deutschen Schismatiker in die alte Kirche finden, ne tandem in paganismum décidantM. Pflug und Cochläus trafen jedoch Aleander in Prag nicht an, da dieser wegen einer plötzlich aufgetretenen Krankheit in Wien geblieben war2®; nur eine Audienz bei König Ferdinand scheinen sie in der böhmisdien Hauptstadt erreicht zu haben24. So konnten sie die Wünsche ihres Bischofs nur schriftlich fixieren und durch Aleanders Sekretär diesem zusenden lassen. Pflug stellte dabei Laienkelch und Priesterehe als die unumgänglichsten Zugeständnisse an die Neuerer hin 25 . Die Gesandten reisten darauf wieder heim und warteten nun mit ihrem Bischof eine schmerzlich lange Zeit auf Antwort. Am 1. Juni wandten sich der Bischof und Cochläus nochmals sehr dringlich an Aleander 29 ; der Bischof schrieb, wenn nur das eine Zugeständnis der communio sub utraque gemacht werde, hoffe er, seine Diözese im Gehorsam gegen den päpstlichen Stuhl erhalten zu können; Cochläus schlug vor, die Kurie möge doch die erbetenen Dispense wenigstens im geheimen erteilen. Am 24. Juni hielt Cochläus, dem Johann V I I I . wegen Überhäufung mit anderen widitigen Geschäften die Verfolgung dieser Angelegenheit inzwischen übertragen 2 2 ) Die bischöflichen Wünsche sind wiedergegeben nach deren an Aleander zugesandter schriftlicher Fixierung durch Cochläus: N B 4, 557 f. 2 3 ) N B 3, 49. 2 4 ) Nach dem oben Anm. 20 erwähnten Schreiben de Mussis an Aleander. 2 B ) Die Aufzeichnung der Wünsche des Bischofs übernahm Cochläus (s. o. Anm. 22), während Pflug in seinem und des Cochläus Namen einen persönlichen Brief an Aleander schrieb ( N B 4, 553 ff.); vgl. die Schreiben von Aleanders Sekretär de Mussi an seinen Herrn (Prag, 5. 5. 1 5 3 9 : N B 4, 44) und an Kardinal Farnese (Prag, 11. 5. 1 5 3 9 : N B 4, 49 ff., denen die Schriftstücke der Meißner als Anlagen beigefügt waren. 2 8 ) Der Bischof von Meißen an Aleander, Stolpen, 1. 6. 1 5 3 9 : N B 4, 559 ff.; Cochläus an denselben, Stolpen, 1. 6. 1539: N B 4, 561 ff.
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hatte 27 , dem Kardinal erneut seine Saumseligkeit vor: aus seinem Zögern entstünden Nöte, die nicht verantwortet werden könnten 28 . Erst am 16. Juli bequemte sich Aleander zu einer Antwort 29 : Seine fast viermonatige Krankheit habe ihn am Schreiben gehindert; außerdem sei die Sache derart, daß man vielleicht besser nichts schreibe. Er habe die meißnischen Anträge sogleich an den Papst geschickt, glaube aber nicht, daß dieser und das Kardinalskollegium dem Ansuchen der Adressaten statt geben würden, wenn sie auch das Urteil vieler beachtenswerter Gelehrter auf ihrer Seite hätten. Auch er, Aleander, selbst gedenke die Angelegenheit nicht weiter zu fördern; denn man dürfe nicht, um einen Teil der Kirche zu retten, die ganze Kirche zerstören. Der Papst bemühe sich lebhaft um den Frieden in der Kirche. Darum sollten doch auch die Meißner Geduld haben, donec veniat plenitudo temporis30. Würde die Lage für die Adressaten unerträglich, so sollten sie Christi Rat befolgen und in eine andere Stadt fliehen, am besten nach Rom. Mit diesem Bescheid fand die Angelegenheit, soweit es sich um die wesentlichsten Punkte, die Forderung von Laienkelch und Priesterehe, handelt, ihren Abschluß. Vom Papst ist also diesbezüglich gar keine Antwort erfolgt. Die übrigen Zugeständnisse sind dem Hochstift auf wiederholtes Drängen unterm 9. November 1540 — also nach anderthalbem Jahr — bewilligt worden31. Bischof Johann wurde mithin bei seinem Versuche, durch ein gewisses Entgegenkommen gegenüber den Lutherischen seine Amtsgewalt und sein Stift zu retten, von der Leitung seiner Kirche im Stich gelassen. Und ein eigenmächtiges Vorgehen in den zur Verhandlung stehenden Punkten kam für ihn seiner ganzen theologischen Haltung nach nicht in Frage. Damit waren die wesentlichsten Stücke des bischöflichen Reformprogramms ausgeschieden. Das ohnehin äußerst zweifelhafte Gelingen des Zweckes, den der Bischof mit seinem Reformwerk verfolgte, war dadurch noch mehr in Frage gestellt. In diese mißliche Lage geriet Johann freilich nicht erst durch die Ablehnung der Kurie, sondern schon durch deren Zögern mit der Antwort. Denn inzwischen hatten sich in Sachsen Ereignisse vollzogen, auf Grund deren auch eine positive Antwort im Juli wohl nichts mehr gefruchtet hätte. Herzog Heinrich bzw. seine Ratgeber hatten auch in den von Georg ererbten Landen ihre Glaubenshaltung bald offen kund werden lassen. Da2 T ) Vgl. Cochläus an Johann Faber, Bischof von Wien, Meißen, 24. 6. 1539, gedruckt b e i F r i e d e n s b u r g : Z K G 18, 1898, S. 293 ff. 2 8 ) Cochläus an Aleander, Meißen, 24. 6. 1 5 3 9 : N B 4, 564 ff. 2 9 ) Aleander an den Bischof von Meißen, Pflug und Cochläus, Wien, 16. 7. 1 5 3 9 : N B 4, 573 ff. 3 0 ) Gal. 4, 4. 3 1 ) N B 6, 51, Anm. 2 ; C a r d a u n s a.a.O., S. 130 f.
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Zweiter Teil: Konflikt zwischen Landesgewalt und Hochstift
für hatte namentlich der sächsische Kurfürst Johann Friedrich gesorgt, der jetzt in den ersten Monaten von Heinrichs Regierungszeit dessen Maßnahmen derart bis ins einzelne leitete, daß er geradezu als der eigentliche Regent des albertinischen Sachsen betrachtet werden muß 3 2 . So ließ sich der Herzog auf der Ende April und im Mai stattfindenden Huldigungsreise von evangelischen Predigern begleiten 33 . Wohl in Zusammenhang damit bekam auch das Hochstift Meißen sehr bald Gelegenheit, das neue Regiment und seine religiöse Gesinnung mit eigenen Augen und Ohren kennenzulernen. Am Sonntag Jubilate, dem 27. April 1539, ließ Herzog Heinrich in seiner Gegenwart seinen Hofprediger Paul Lindenau im Meißner Dom öffentlich predigen. Die Eindrücke, die Cochläus davon empfing, dürften die des ganzen Kapitels gewesen sein. Ohne Stola und Chorrock, in profaner Kleidung, schreibt dieser, habe Lindenau von der Kanzel heruntergeplappert, ein Fall, der, soviel man wisse, in der sechshundertjährigen Geschichte der Domkirche einzig dastehe. Der Herzog habe ein großes Selbstgefühl, betrachte sich als die Rute Gottes. Sie würden seine Machenschaften gegen das Stift wohl bald zu spüren bekommen 34 . In der Tat, nach diesem Ereignis mußte man noch mehr als vorher befürchten, daß Heinrich die Freiheiten des Hochstifts nidit sonderlich achten werde. Audi erfolgten im Mai sdion einzelne Maßnahmen gegen das alte Kirchenwesen, die die Opposition des Hochstifts hervorriefen: Die Feier des Dreißigsten für Herzog Georg im Dom zu Meißen wurde verboten 3 5 ; die Domgeistlichkeit beging sie trotzdem in voller Feierlichkeit, wenn auch mit geringer Laienbeteiligung 36 . Der Vermittlungskatholik Georg Witzel, seit 1538 in Sachsen an den religiösen Ausgleichsversuchen beteiligt, dessen Postille mit Zustimmung Herzog Georgs zwecks Verbreitung an sämtliche Kirchen Sachsens eben in Leipzig gedruckt wurde, wurde von der neuen Regierung gefangen gesetzt. Johann V I I I . verwendete sich vergeblich für ihn, fand jedoch Gelegenheit, ihm heimlich seine freundschaftliche Fürsorge zu erzeigen, als es Witzel gelang, von Leipzig nach Meißen zu entfliehen, von wo er sich weiter auf die bischöfliche Burg Stolpen und schließlich in die böhmischen Berge begab 37 . Auch Cochläus, der, jedenfalls nicht mit Unrecht, den besonderen Zorn der Lutherischen auf sich gerichtet glaubte 38 , fühlte sich in Meißen bald nicht mehr sicher. Am 23. Mai, demselben Tage, an
32
) B r a n d e n b u r g a.a.O., S. 241.
) A.a.O., S. 195; C. W . H e r i n g , Geschichte der im Jahre 1539 im Markgraftum Meißen . . . erfolgten Einführung der Reformation, 1839, S. 34. 3 4 ) Codiläus an Aleander, Meißen, 27. 4. 1 5 3 9 : N B 4, 549 f. 35) B r a n d e n b u r g a.a.O., S. 189. 33
3e
) Cochläus an de Mussi, Meißen, 20. 5. 1539: N B 4, 559.
) R E 21, 4 0 6 ; Codiläus an Nausea, Stolpen, 1. 6. 1 5 3 9 : Epist. misc. ad F. Nauseam S. 2 4 7 ; Codiläus an Aleander, 1. 6. 1539: N B 4, 561 ff. 3 8 ) An Nausea, Meißen, 18. 4. 1539: Epist. misc. S. 244 f. 3T
1. Versuche des Hochstifts, die Reformation zu verhindern
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dem Witzel aus Leipzig floh, verließ er Meißen und begab sich nach der bischöflichen Residenz Stolpen, kehrte aber auf Rat des Dekans Pflug bald zurück, da der Herzog sein Verschwinden übel vermerkt hatte 39 . Wie ein Fanal wirkte ferner auch in die Meißner Diözese herüber die feierliche Einleitung des Reformationswerks in Leipzig in den Pfingsttagen (25./26. Mai) in Anwesenheit der sächsischen Fürsten und führender protestantischer Theologen, wobei Luther in der Thomaskirche predigte. Im Anschluß daran wurde hier evangelischer Gottesdienst eingerichtet 40 . Trotz alledem war aber in der Diözese Meißen der katholische Gottesdienst zunächst noch unbehindert fortgegangen 41 . Erst Anfang Juni, nach Rückkehr Heinrichs von der Huldigungsreise, wurden hiergegen entscheidende Maßnahmen getroffen. Am 2. bzw. 3. Juni wurde dem Dresdner Stadtpfarrer Dr. Peter Eisenberg die übliche Prozession für das auf den 5. Juni fallende Fronleichnamsfest, jede Messe ohne Kommunion und alle anderen vom evangelischen Standpunkt aus nicht tragbaren Zeremonien verboten, die Spendung des Kelchs an die Laien zur Pflicht gemacht 42 . Damit war für den Bischof eine höchst unangenehme Lage entstanden. Er sah dadurch seine eigenen Reformpläne durchkreuzt. Denn wenn diese umwälzenden herzoglichen Verfügungen sich einmal durchgesetzt hatten, dann bestand für eine Verwirklichung seines gemäßigten Reformprogramms, auf dessen Genehmigung durch den Papst er ja damals noch immer wartete, zumal bei der lutherischen Gesinnung weiter Volkskreise Sachsens43 natürlich keinerlei Hoffnung mehr. Er richtete darum umgehend eine nachdrückliche Beschwerde an den Landesherrn 44 , worin er diesem insbesondere vorhielt, daß er sein Vorgehen als einen Bruch seiner, des Herzogs, Versicherungen vom 22. April 45 empfinde, denn er habe den Herzog damals so verstanden, als begrüße er seine Reformabsichten und gedenke nicht, in seine geistliche Obrigkeit einzugreifen. Er selbst habe jedenfalls, fährt der Bischof fort, seinem damaligen Versprechen gemäß jene christliche lähr in artickeln . . . ) Cochläus an Aleander, Stolpen, 1. 6. 1539: N B 4, 561 ff. ) H e r i n g , S. 35 ff. 4 1 ) Wenn der Pfarrer zu Etzdorf unterm 2. Mai 1539 dem Bischof klagt, daß der Bürgermeister zu Roßwein ihm untersagt habe, daselbst Messe zu lesen ( S c h ö t t g e n , Versuch einer Historie der Meißner Bischöfe, Mß A 24, unter Berufung auf S e c k e n d o r f S. 1807), so handelt es sich wohl um einen Einzelfall, der keinen landesherrlichen Befehl hinter sich gehabt haben dürfte. 4 2 ) Eisenberg an den Bischof von Meißen, 2. 6. 1539, gedr. von Georg Müll e r : Ein Brief D. Peter Eisenbergs an Bischof Johann VIII. von Meißen: Dresdner Geschichtsblätter 4, 1895, S. 182 f.; H e r i n g S. 34. Diese Zeremonien wurden vorerst nur für Dresden, nicht, wie B r a n d e n b u r g a.a.O. S. 195 anscheinend meint, für das ganze Land verboten. Denn noch am 9. Juni klagte der Bi39 40
schof nur über das Verbot der gotlichen ampt in Dresden (s. u. S. 100). ) B r a n d e n b u r g a.a.O., S. 192 f. ) Datiert Meißen, 3. 6. 1539, s. o. Anm. 18. « ) S. o. S. 93.
43 44
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Zweiter Teil: Konflikt zwischen Landesgewalt und Hochstift
stellen und zu meherem teil fertigen lassen, sowie darüber hinaus mancherlei zum besten dieser Lande beradtschlagt. Dies alles wolle er Heinrich mitteilen lassen; er sei der Zuversicht, der Herzog werde daraus ersehen, daß er vornehmlich auf die Ehre Gottes und die Besserung des ihm befohlenen Werks bedacht sei und die kirchliche Spaltung in seinem Gebiet aufzuheben suche. Daran wolle er arbeiten, solange er nicht durch Gewalt daran gehindert und anderen Leuten nicht gestattet werde, in das einzugreifen, was ihm befohlen sei. Der Herzog möge also niemandem gestatten, sich in seine Amtsbefugnisse einzumischen. Ferner beteuerte der Bischof — vielleicht schon von der Befürchtung geleitet, daß er die erbetenen Zugeständnisse vom Papst nicht erhalten werde — , daß die Zeremonien der Kirche gutt und der schrift gemess seien. Sollte er bemerken, das einiger grewel ader abgotterei darinnen wer, so würde er dies keins wegs dulden. Jedenfalls gedenke er, damit man sehe, das wir in diesem fal den gewissen gerne helfen wolten, den rechten vorstand der ceremonien an tag bringen zu lassen. .. ; dan nochdem die äußerlichen ceremonien zu gutter kirchenordenung gehörig, ist es besser, die mit christlichem vorstände zu behalten, dan umb etzlicher myßbräuche willen, ab sich die mit eingemenget, abezutun, Weichs ane ärgernus und zuruttunge nicht wol gescheen kan noch magk. Der Bischof schloß mit der Bitte, der Herzog wolle doch ihn und sein Stift bei ihren Privilegien gnädiglich schützen. Wenn Herzog Heinrich und die Seinen bis dahin noch eine gewisse H o f f nung gehabt haben sollten, bei ihrer Kirchenerneuerung die Duldung oder gar Unterstützung des Hochstifts zu finden — die feindlichen Maßnahmen desselben hatten sich ja bisher mehr oder weniger im Verborgenen abgespielt —, so wird ihnen dieses Schreiben des Bischofs gezeigt haben, daß daran nicht zu denken war. In seinem Antwortschreiben 46 beleuchtete Heinrich denn auch nur den Graben, der zwischen beiden Teilen aufgebrochen war. Er stellte darin zunächst richtig, wie seine dem Bischof am 22. April gegebenen Zusagen gelautet hätten 4 7 . E r habe nun, fuhr er fort, geglaubt, daß die fuergenohmene ordenung des Bischofs ihm zum förderlichsten zugestellt würde. Wäre das geschehen, so hätte er nicht gezögert, das, was darinnen mit rat der vorständigen der heiligen schrieft christlich und gütlich befunden, tatkräftig zu unterstützen. D a er aber nichts diesbezügliches erhalten habe und der brauch bebstischer messen und prozess des tags corporis Christi wider gott sein und ane beschwerunge der gewissen und seien Seligkeit nicht können verbracht werden, so habe er sich zur Abschaffung dieser Zeremonien verpflichtet gefühlt, könne das auch ohne Gewissensverletzung nicht rückgängig machen. Johann V I I I . wird dem Vorwurf des Herzogs, daß er mit der Ober4e
) Dresden, 4. 6. 1539, s. o. Anm. 18.
47
) S. o. S. 93.
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2. Die Auseinandersetzung um den Liber Misnicus
reichung seiner Reformvorschläge allzu lange gezögert habe, im Stillen recht gegeben haben. Der Grund dafür war, wie ich unbedingt annehme, daß er selbst von Aleander bzw. den Papste keinen Bescheid bekam. Dem Herzog gegenüber äußerte er umgehend48, es habe ihm in Anbetracht der Wichtigkeit des Werks nit. .. gelingen wollen, damit zu eilen; überdies sei ja Heinrich in letzter Zeit auf der Huldigungsreise gewesen, so daß er ihn nicht habe erreichen können. Um nun trotz der Ungunst der Situation, von der ihn das letzte Schreiben des Herzogs besonders nachdrücklich überzeugen mußte, nichts unversucht zu lassen, entschloß sich Bischof Johann, ohne die Antwort der Kurie abzuwarten, seinem Landesherrn nunmehr baldigst seine Reformvorschläge zu unterbreiten. Die Überreichung derselben geschah am 10. Juni durch eine aus dem Domdekan Julius Pflug und zwei Domherren bestehende Gesandtschaft 49 .
2. D i e
Auseinandersetzung
um
den
Liber
Misnicus
In der Vorrede 50 sprach der Bischof aus, daß er eine solche lehre schon längst für nötig gehalten habe. Wir erinnern uns, daß er bereits in dem kurz nach seiner Konsekration erlassenen Hirtenbrief einen derartigen Katechismus angekündigt hatte 51 . Diese lahr sei nun — so heißt es in dem Begleitschreiben weiter — nicht die unser, sonder gots lehr..., als die man aus seinem worte gezogen hat. Wenn die fleißig getrieben werde, werde der Afterglaube und große Frevel von selbst vergehen. Damit nun nutzloser Zank vermieden würde über Fragen, die den Laien nichts angingen, habe man viel disputirlichs dings übergangen; soweit dies aber nicht möglich gewesen sei, seien diese auf eine Weise dargelegt worden, die zu christlicher vorgleichung fast [ = sehr] dienet. Über die Sakramente und Zeremonien wolle er, der Bischof, noch Lehren ausgehen lassen. Hinsichtlich des letzteren hoffe er auf Beseitigung des Zwiespalts in der Religion. Johann dachte hierbei natürlich in erster Linie an die Punkte, betreffs deren er den Papst um Zugeständnisse gebeten hatte. Sodann erörterte das Begleitschreiben noch einige Fragen der Ordnung des Kirchenwesens. So wurde die Errichtung guter Schulen aus Überschüssen der Klostereinkünfte in Aussicht gestellt.
4 8 ) Donnerstag, am Tage Corporis Christi r i n g S. 78.
=
5. 6. 1539, gedruckt bei
He-
48) S e c k e n d o r f III, 215. Demnach wäre die Obergabe am 9. Juni erfolgt. Das Datum des 10. Juni (dinstag nach corporis Christi) ergibt sich aus einer von bischöflicher Seite gegebenen Notiz auf der Ausfertigung des Schreibens Heinrichs an den Bischof, Dresden, 6. 6. 1539: Dr. Loc. 8993 Reichsstand der Bischöfe 1512—1549, Bl. 10. 50) B1)
Reinkonzept Dr. Loc. 8994 Acta, die Veränderung der Religion, Bl. 124 ff. S. o. S. 82.
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2. Die Auseinandersetzung um den Liber Misnicus
reichung seiner Reformvorschläge allzu lange gezögert habe, im Stillen recht gegeben haben. Der Grund dafür war, wie ich unbedingt annehme, daß er selbst von Aleander bzw. den Papste keinen Bescheid bekam. Dem Herzog gegenüber äußerte er umgehend48, es habe ihm in Anbetracht der Wichtigkeit des Werks nit. .. gelingen wollen, damit zu eilen; überdies sei ja Heinrich in letzter Zeit auf der Huldigungsreise gewesen, so daß er ihn nicht habe erreichen können. Um nun trotz der Ungunst der Situation, von der ihn das letzte Schreiben des Herzogs besonders nachdrücklich überzeugen mußte, nichts unversucht zu lassen, entschloß sich Bischof Johann, ohne die Antwort der Kurie abzuwarten, seinem Landesherrn nunmehr baldigst seine Reformvorschläge zu unterbreiten. Die Überreichung derselben geschah am 10. Juni durch eine aus dem Domdekan Julius Pflug und zwei Domherren bestehende Gesandtschaft 49 .
2. D i e
Auseinandersetzung
um
den
Liber
Misnicus
In der Vorrede 50 sprach der Bischof aus, daß er eine solche lehre schon längst für nötig gehalten habe. Wir erinnern uns, daß er bereits in dem kurz nach seiner Konsekration erlassenen Hirtenbrief einen derartigen Katechismus angekündigt hatte 51 . Diese lahr sei nun — so heißt es in dem Begleitschreiben weiter — nicht die unser, sonder gots lehr..., als die man aus seinem worte gezogen hat. Wenn die fleißig getrieben werde, werde der Afterglaube und große Frevel von selbst vergehen. Damit nun nutzloser Zank vermieden würde über Fragen, die den Laien nichts angingen, habe man viel disputirlichs dings übergangen; soweit dies aber nicht möglich gewesen sei, seien diese auf eine Weise dargelegt worden, die zu christlicher vorgleichung fast [ = sehr] dienet. Über die Sakramente und Zeremonien wolle er, der Bischof, noch Lehren ausgehen lassen. Hinsichtlich des letzteren hoffe er auf Beseitigung des Zwiespalts in der Religion. Johann dachte hierbei natürlich in erster Linie an die Punkte, betreffs deren er den Papst um Zugeständnisse gebeten hatte. Sodann erörterte das Begleitschreiben noch einige Fragen der Ordnung des Kirchenwesens. So wurde die Errichtung guter Schulen aus Überschüssen der Klostereinkünfte in Aussicht gestellt.
4 8 ) Donnerstag, am Tage Corporis Christi r i n g S. 78.
=
5. 6. 1539, gedruckt bei
He-
48) S e c k e n d o r f III, 215. Demnach wäre die Obergabe am 9. Juni erfolgt. Das Datum des 10. Juni (dinstag nach corporis Christi) ergibt sich aus einer von bischöflicher Seite gegebenen Notiz auf der Ausfertigung des Schreibens Heinrichs an den Bischof, Dresden, 6. 6. 1539: Dr. Loc. 8993 Reichsstand der Bischöfe 1512—1549, Bl. 10. 50) B1)
Reinkonzept Dr. Loc. 8994 Acta, die Veränderung der Religion, Bl. 124 ff. S. o. S. 82.
100
Z w e i t e r T e i l : K o n f l i k t zwischen Landesgewalt und Hochstift
Der Erzieher des Herzogs August — des jüngsten Sohnes Heinrichs — , Johann Rivius 5 2 , habe in seinem, des Bischofs, Auftrage eine Schulordnung geschrieben. Die Klöster seien als Pflegestätten guter Bildung zu erhalten. E r wolle deshalb mit den Klosterprälaten Verhandlungen über eine gute und bequeme Ordnung aufnehmen. In diesen Vorschlägen zur Hebung der Bildung leben zum Teil Anregungen wieder auf, die die Prälaten des albertinischen Sachsen im Juli 1538 Herzog Georg gegenüber gegeben hatten; das gilt namentlich für den Plan, aus Überschüssen der Klöster das Schulwesen zu finanzieren 53 . Weiterhin versprach der Bischof, mit Hilfe seiner Archidiakonen fleißig Synoden und Visitationen einzurichten. Betreffs der Absichten des Kaisers zur Religionsvergleichung äußerte er gute Zuversicht. Am Schluß bat er den Herzog um Schutz, klagte über das Verbot der gütlichen ampt in Dresden und ersuchte um dessen Aufhebung. Er hoffe, zur Zufriedenheit Gottes und des Herzogs der Kirche vorzustehen. Der Katechismus selbst 54 gibt schon in seiner Vorrede die beiden Stichworte als seine Themen an, mit denen für alle Erasmianer das Verhalten gekennzeichnet ist, das den Christen Gott gegenüber zukommt: Glaube und christlicher Wandel. Diesen beiden Stichworten entspricht — freilich mehr äußerlich als sachlich — die Einteilung der Schrift in eine Auslegung des Apostolikums (des „Glaubens") und des Dekalogs. Zu Anfang der Ausführungen über das Apostolikum wird eine Definition des Begriffs Glauben gegeben. Dabei wird, ebenso wie das die Reformatoren getan haben, das alleinige Gelten-Lassen eines gegenständlichen Glaubensbegriffs unter Bezugnahme auf J a k . 2, 19 abgelehnt. Zu dem Glauben an die Existenz und das Wirken Gottes müsse notwendigerweise das hertze . . . auch darzu kommen, also, daß man in Gott glaube, welchs so vil ist, als daß wir neben angezeigtem [dem historischen] glauben unser vertrawen in ihn setzen, auch ihme uns gantz ergeben und befehlen, mit ungezweiffelter Zuversicht, er werde uns alles guts mitteilen . . , 55 . Wir vernehmen also hier ganz lutherische Töne. Audi die Auslegung des ersten Artikels bewegt sich durchaus in den Gedankengängen des Reformators. Bei der Besprechung des zwei62) Sächsischer H u m a n i s t , Schulmann und Theologe; vgl. über ihn R E 17, 4 8 ff. U n t e r H e r z o g M o r i t z ließ er sich an führender Stelle für die protestantische K i r chen- und Schulverwaltung verwenden. B3
) H e c k e r S. 14.
) Die Ausfertigung befindet sich im Staatsarchiv W e i m a r , Reg. N 72, Bl. 8 ff. (vgl. W A B 8, 4 6 0 ) . Gedruckt wurde der Katechismus 1 5 4 1 und nochmals 1 5 4 2 bei F r a n z Behem in M a i n z . N a c h letzterer Ausgabe gab M o u f a n g ihn neu heraus: Katholische Katechismen des 16. J a h r h u n d e r t s in deutscher Sprache, 1 8 8 1 , S. 1 3 5 — 2 4 2 . Diese Ausgabe ist im Folgenden benützt. — Eine kurze Beurteilung des Katechismus findet sich bei R . S t u p p e r i c h , D e r Humanismus und die Wiedervereinigung der Konfessionen, 1 9 3 6 , S. 4 0 ff. 64
6B
) Mouf ang
S. 1 3 6 f.
2. Die Auseinandersetzung um den Liber Misnicus
101
ten56 Artikels wird von der Erbsünde gehandelt. Durch den Sündenfall sei die menschliche natur dermassen verderbt. . . worden, daß sie von der zeit her an ihr selber der göttlichen ding unverstendig und von jugent an zum argen geneigt ist gewesen, wie sie dann noch ist. Diese Lage des Menschen nutze nun der Teufel aus und reitzet und treibt ihn von einer wircklichen boßheit zu der andern, damit... er endtlicb gar zu bodem gehe und in die ewige verdammnus falle57. Wenn man auch an einer anderen Stelle unseres Katechismus58 liest, daß bereits die Erbsünde selbst verdamlich sei, so vermißt man hier doch die Tiefe des reformatorischen Sündenverständnisses, nach dem Erbsünde nicht nur eine Verderbnis der menschlichen Natur, die Neigung zum Vollzug einzelner wircklicher sünden59, bedeutet, sondern eine Kraft, die den Willen des Menschen dauernd gegen Gott bestimmt, ihn nicht zu wahrer Gottesliebe, Gottesfurcht und rechtem Gottvertrauen kommen läßt. Immerhin steht auch für den Meißnischen Katechismus der unwiedergeborene Mensch ganz unter der Herrschaft der Sünde; denn der Teufel lest ihn nichts fürnemen oder thun, welchs Gott gefallen mag. Aus dieser Lage kann der Mensch ihm [ = sich] selber... nit. .. helffen noch sich erledigen60. So ist der Mensch angewiesen auf die Erlösung, die Christus uns durch seinen Opfertod erworben hat. Sie wird uns zunächst zugeeignet, wie zu dem „zehnten Artikel" (von der Vergebung der Sünden) ausgeführt wird, durch die Taufe. Diese bewirkt für uns Vergebung der Erbsünde61. Da wir aber auch weiterhin immer wieder Sünde tun, brauchen wir auch immer aufs neue Sündenvergebung. Wir erreichen diese einfach durch den Glauben an das für uns erworbene Verdienst Christi. Der Verfasser beschreibt an diesem Punkte die Rechtfertigung ganz in lutherischer Weise: Die [Sündenvergebung] zu erlangen, ist von nöten, daß sich einer selber erkenne, sich demütige vor dem Herren, bekenne seine sünde, laß sie ihm auch entgegen sein, und stelle seinen glauben und vertrawen in unsern Herrn Jesum Christum, in deß namen uns die sünde verzihen wirt, so wirt ihm die sünde keinswegs zugerechnet, sondern durch die gerechtigkeit Christi... zugeB 6 ) D e r Liber Misnicus folgt nicht unserem Brauche der Einteilung des A p o s t o likums in drei Artikel nach den drei Personen der T r i n i t ä t , sondern zählt innerhalb unseres zweiten und dritten Artikels die einzelnen Glaubenssätze als besondere Artikel. So u m f a ß t der zweite Artikel des L . M . nur die W o r t e Und in Jesum Christum, seinen einigen Son, unseren Herren (S. 1 3 9 ) , der dritte Artikel die Aussage: der empfangen ist von dem heiligen Geiste, geboren von Maria, der Jungfrawen. A u f diese Weise k o m m t für das ganze Apostolikum die Zahl v o n z w ö l f Artikeln zustande. [Diese Zeitung geht ins 4. J a h r h u n d e r t zurück: R E 1, 7 4 4 ; R G G 3 1, 5 1 0 ] .
) ) 59) eo) 57
58
M S. S. S.
oufang 167. 167. 140.
S. 1 4 0 .
G1
) S. 1 6 7 f.
102
Zweiter Teil: Konflikt zwischen Landesgewalt und Hochstift
deckt, gleich als weren sie nie geübetei. Von den Sakramenten ist hierbei nur in sofern die Rede, als der Gebrauch des Bußsakraments solchen, die im glauben etwas schwach sind, empfohlen wird 8 3 . Überhaupt beherrscht der Gedanke einer Rechtfertigung aus Glauben die Ausführungen des Katechismus so stark, daß auch die Taufe demgegenüber, wenigstens äußerlich, zurücktritt 6 4 . Durch die in Christus geschehene Versöhnung werden wir der ewigen Seligkeit vergewiset [ = vergewissert] 8 5 . Aber das ist nun für den Verfasser des Meißnischen Buchs wie für alle Erasmusschüler ebenso wie für die Adepten der herkömmlichen katholischen Theologie noch nicht das letzte Wort. Es rächt sich jetzt das zu oberflächliche Sündenverständnis. So wird die reformatorische Überzeugung, daß der Mensch während seines ganzen Lebens Sünder bleibt und immer nur auf Grund der Vergebung in Christus vor Gott bestehen kann, nicht vorgetragen. Vielmehr hat Christus die gnad von Gott dem Vater erlanget, daß ein jeder, welcher in ihn glaubt und durch die gnad des heiligen Geists ernewert ist, solche [böse] begird durch die einwirckung desselbigen heiligen Geistes numals überwinden und dermassen zemen kan, daß sie ihn von Gott nicht abreissen . . . 6 8 . Christus hat auch reynigung unserer hertzen87 dermassen erworben, daß die bösen begirden nicht mehr in den rechten Christen herschenm. Weiter unten heißt es: aus den erzelten Artickeln von unserm Herrn Jesu Christo hat man klar zu befinden, daß er für unsere sünde genug gethan zu Vergebung derselbigen. Des gleichen auch, das er uns armen menschen (welche aus der verderbten natur zum argen geneigt seind) gesund gemacht habe69. Auch wird die Dämpfung der böß begir (welche nid/t ein gerings stück berürter erbsünde ist) bereits als Wirkung der Taufe an62
) S. 168.
) S. 171 f. ) So ist in den dem „zehnten Artikel" vorausgehenden Abschnitten als „Vorbedingung" für die Rechtfertigung des Menschen fast stets nur der Glaube genannt (vgl. S. 143 ff., bes. S. 155); die Taufe wird lediglich an zwei Stellen (S. 146 und 157) erwähnt. Die Frage, ob es sich um Vergebung der Erbsünde oder der acta peccati handelt, wird dabei nicht berührt. Deshalb sowie vor allem auf Grund des oben dargelegten Tatbestandes kann idi S t u p p e r i c h nicht ganz recht geben, wenn er (S. 41 f.) die Rechtfertigung im Liber Misnicus lediglich auf das Taufsakrament gegründet sieht. — Dem Glauben eine so hohe Bedeutung für das Zustandekommen der Rechtfertigung beizumessen, dürfte der Verfasser unserer „Christlichen Lehre" bei Erasmus gelernt haben (vgl. S t u p p e r i c h S. 8 f.). 63
64
) M o u f a n g S. 144. ) S. 144. 6 7 ) Der Liber Misnicus braucht also hier einen — auf Thomas zurückgehenden — Lieblingsausdruck des Erasmus (vgl. S t u p p e r i c h S. 9), der auch im Regensburger Buch wieder auftaucht (.a.O. S. 114). 68) M o u f a n g S. 145. 6 9 ) S. 149. G5
e6
2. Die Auseinandersetzung um den Liber Misnicus
103
gegeben70. Dem entspricht die Tatsache, daß der Katechismus beim Gerechtfertigten die Fähigkeit zu guten Werken feststellt und deren Vollzug von ihm fordert, wie es erasmischer und scholastischer Tradition entspricht 71 . Wir hörten zwar oben, daß uns die Sündenvergebung der ewigen Seligkeit gewiß macht. Auch ist es die Überzeugung der „Christlichen Lehr", daß ein Mensch, der erst auf dem Sterbebett Buße tut, hoffen darf, das Heil zu erlangen, obwohl er keine guten Werke getan hat. Aber die Buße bis zur Todesstunde aufzuschieben, ist gefährlich; der Tod kann den Menschen auch plötzlich ereilen. Deshalb ist es ratsam, die Buße sofort zu vollziehen 72 . Und da gilt denn nun, daß wir nach erlangter Sündenvergebung fähig sind zu guten Werken. Die Gaben, die uns durch Christi Opfertod gegeben sind, bestehen nicht nur in Vergebung der sünden, reinigung unserer hertzen, sondern auch in neigung und gescbicklichkeit zu einem gotseligen leben13. Darum ist es nun der wille Gottes, dass wir uns in der empfangenen gnade also üben, wie die S c h r i f f t an vilen stellen anzeigt1*. Der Katechismus warnt schärfstens vor der irrigen Meinung, als seien wir durch Christus zu fleischlicher freiheit und Sicherheit berufen 75 . Somit wird ebenso wie bei Erasmus und allen seinen Schülern und übrigens auch schon längst vorher in der katholischen Theologie 76 gewissermaßen ein zweiter Akt der Rechtfertigung gefordert: zu der Sündenvergebung kommen als heilsnotwendig die guten Werke. So lesen wir, Christus sei gen himel gefaren, uns gnade zu erlangen, damit wir . . . gerechtfertiget würden und in ein newes, gottseliges leben . . . tretten, solcbs auch durch die mitwirckung des heiligen Geists seliglich . . . volbrechten11. Oder: dem Christen als Kinde Gottes gebühre es, daß er dem willen und gebotten Gottes. . . mit hochem fleiß gelebe und dem mit dienstbarlichen gehorsam nachkomme, sonsten und ohne das wirt er der götlichen verordenung nach billich enterbet™. Darumb sollen wir Christen die gebott Gottes halten, sofern die zu einem guten und frommen wesen von nöten79. Dabei fehlt in unserer „Christlichen Lehre" 70)
S. 167.
71)
Vgl. S t u p p e r i c h S. 9 f.; H e c k e r S. 40 f.
72)
M o u f a n g S. 151.
73)
S. 154, vgl. 149, 151, 167, 170. — S. 167 wird diese Fähigkeit als eine Wirkung bereits der Taufe hingestellt. 74)
S. 149. S. 150. So wird auch schon am Eingang der „Christlichen Lehre" bei der Definition des Glaubens scharf polemisiert gegen einen bloßen glauben, den das hertz nimmer erfehret. 7 8 ) S t u p p e r i c h S. 9 f., bes S. 10 Anm. 4. So audi im Regensburger Budi von 1540/41 (a.a.O. S. 110, 114 f.) und bei den Regensburger Verhandlungen (a.a.O. S. 122). 7 7 ) M o u f a n g S. 154 f. 7 8 ) S. 179. Ebd. 7o)
104
Zweiter Teil: K o n f l i k t zwischen Landesgewalt und Hochstift
nicht der an Luther anklingende Gedanke, d a ß der Mensch, nachdem er die gaben der liebe hat und ist selber zum guten geneigt, gerne und ohne gezwang80 Gottes Willen erfüllt 8 1 . Aber es k o m m t dem Katechismus doch nicht so sehr auf diese H a l t u n g als solche an, aus der dann ganz impulsiv ein G o t t wohlgefälliges H a n d e l n hervorbrechen w ü r d e , sondern d a r a u f , d a ß die guten Werke getan werden. U n d damit w i r d eben schließlich doch das erreicht, was Luther mit seinem sola fide rückhaltlos b e k ä m p f t e und worin er die Wurzel der Erbsünde e r k a n n t e : D e r Blick des Menschen w i r d von G o t t weg und auf ihn selbst und sein eigenes T u n gelenkt. D a r a n kann auch die Tatsache nichts ändern, d a ß der Liber Misnicus durchaus zugesteht, d a ß wir von wegen unsers widersetzigen fleischs, auch sonstigen allerley not, so uns zu banden stest, das Gebot der vollkommenen Gottesliebe nicht können noch mögen gantz erfüllen82 u n d also, wie schon oben erwähnt 8 3 , immer wieder sündigen u n d unsere Zuflucht zu der Vergebung in Christus nehmen müssen. D e n n es handelt sich dabei doch nicht um eine dauernde S ü n d h a f t i g keit des Menschen, sondern nur um einzelne acta peccati. Das zeigt sich darin, d a ß der Verfasser unseres Buches auch in diesem Zusammenhang noch eine menschliche A k t i v i t ä t im Auge hat. Die Lage des Menschen sieht f ü r ihn jetzt folgendermaßen aus: Wer getaufft ist in unsern Herrn Christum, angezeigter gestalt glaubet, sich auff ihn verlest, durch die liebe den fleyschlichen begirden widerstehet und nach dem geist allhie in allem guten wandert, dem werden die sünden, welche er auß gebrechlichkeit nicht meiden kann, keineswegs zugerechnet, reichen ihm auch zu keiner verdamnüssi. Es k o m m t dem Meißnischen Buch gerade auch angesichts der bleibenden Schwachheit des Menschen entscheidend darauf an, d a ß wir so viel thun, als an uns ist9i. Wenn unser guter Lebenswandel die Voraussetzung f ü r die Erlangung des ewigen Lebens ist, so entsteht natürlich der Eindruck, als sei das ewige Leben unser Verdienst. D e m widerspricht jedoch unser Katechismus: wir seien guts zu thun schuldig, derhalben wir uns unsers verdiensts nichts zu rühmen haben, sondern seind mehr pflichtig, wenn wir gleich alles, das wir thun solten, gethan hetten, uns für unnütze knechte zu achten, Luc. 17m. 80
) S. 184; vgl. S. 183, 151. ) Dieser Gedanke ist auch sonst bei der Erasmianern anzutreffen, wie die beliebte Verwendung des biblischen Bildes v o m guten Baum mit den guten Früchten zeigt (vgl. S t u p p e r i c h S. 116). 82 ) M o u f a n g S . 184. 83 ) S. o. S. 101. 84 ) M o u f a n g S. 185, entsprechend S. 146. S. 241 wird nicht einmal v o m sündigen Charakter der bösen Begierden gesprochen, vielmehr heißt es da, daß 81
diese uns an der ewigen Seligkeit nit hindern, so wir den begirden mit der that nicht nachkommen oder aber darein nicht verwilligen. Hier ruht also der Blick nur auf den acta peccati. 85 80 ) S. 185. ) S. 152.
2. Die Auseinandersetzung um den Liber Misnicus
105
Dennoch kann sich leicht die Vorstellung eines Billigkeitsverdienstes einschleichen, wenn das Verdienstproblem an folgendem, schon von den Scholastikern gebrauchten87 Bilde veranschaulicht wird: Unser Verhältnis zu Gott sei wie das eines Bauern zu seinem Erbherrn. Der Bauer habe kein Recht, für seine Dienste Lohn zu fordern. Wenn ihm aber der Herr dennoch Lohn versprochen habe, so dürfe er sich auf diese Zusage verlassen. So dürften auch wir für einen christlichen Lebenswandel bei Gott keinen Lohn beanspruchen. Da aber Christus uns gnediglichen versprochen hat unsere gute werck reichlich zu belonen, mögen wir uns diser seiner gnedigen und mitten zusagen wol trösten und unsern Glauben darein richten%i. Hierbei ist die Tatsache übersehen, daß die Arbeit jenes Bauern eine wirkliche Leistung ist, unsere Werke hingegen nie vor Gott bestehen und also auch keinen gnadenweise verheißenen Lohn nach sich ziehen können. Lohn kann uns nur um des Verdienstes Christi willen gegeben werden89. Mit der Taufe, der, wie wir sahen, für die Rechtfertigung des Menschen grundlegende Bedeutung zukommt, stehen wir vor der Tatsache der Kirche90. Unser Katechismus kennt einen doppelten Kirchenbegriff. Zunächst spricht er von der unsichtbaren Kirche 91 . Sie ist der Tempel des heiligen Geistes, der Leib Christi 92 . Sie umfaßt außer den rechten und waren Christen auch die lieben Engel sampt allen seligen seien33. Diser Kirchen eigent einigkeit und liebe9*. Ihre Glieder bilden eine wirkliche Liebesgemeinschaft, die gemeinschaft der Heiligen95. Diese unsichtbare Kirche steht jedoch nun in engster Verbindung mit der eusserlichen, der sichtbaren Kirch, welche begreifft alle die, welche haben gemeinschafft einer Sacrament und lere. Nur Mitglieder der sichtbaren Kirche können der unsichtbaren angehören: dann durch die Tauff setzt er [der heilige Geist] uns ein in das gebäw und diesen leib unsers Herrn Jesu Christi, also und der gestalt, dass ausserhalben dero heiligung [die in der Taufe besteht, wie sich aus dem Vorhergehenden ergibt] niemands der [unsichtbaren] Christlichen Kirchen eingeleibt wirdw. Außerhalb der sichtbaren Kirche kann ebensowenig jemand selig werden, als zu den Zeiten Noe die leute ausserhalb angezeigter Archen haben mögen erhalten werden91. Denn die äußerliche Kirche besitzt die mittel und werck-
87
) ) 89 ) 90 ) 91 ) 92 ) 93 ) 94 ) 95 ) 96 ) 97 ) 88
W A B 8, 475, Z. 240 f f . M o u f a n g S. 153. Vgl. die Stellungnahme der Wittenberger R e f o r m a t o r e n : WAB 8, 475. Vgl. dazu M o u f a n g S. 158 f f . Der Ausdruck begegnet zuerst a.a.O., S. 161. S. 158 f. S. 158. S. 159. S. 161. S. 159. S. 162.
106
Zweiter Teil: K o n f l i k t zwischen Landesgewalt und Hochstift
gezeuge gütlicher Gnaden, als nemlich das wort Gottes und die Sacrament und anderes mehr, womit sie dem geistlichen leib dienet zu seiner erbawungiS. Andererseits gilt f ü r den Meißnischen Katechismus jeder, der die der äußerlichen Kirche verliehenen Gnadengaben genießt, also bereits jeder Getaufte, auch als Glied der unsichtbaren Kirche, solange er nicht in Todsünde fällt. Geschieht letzteres, so wird er zunächst in der sichtbaren Kirche dennoch geduldet, solange H o f f n u n g auf seine Besserung besteht. Erst wenn letzteres nidit mehr der Fall ist oder wenn er seinen Mitchristen Ärgernis gibt, wird er durch den Bann auch aus der sichtbaren Kirche ausgeschlossen". Bei diesem engen Zusammenhang zwischen sichtbarer und unsichtbarer Kirche muß folgerichtig ein Ketzer ohne weiteres als außerhalb des Leibes Christi stehend gelten. Die Todsünde, deren er sich vor allem schuldig macht, ist die gegen die christliche liebe und einigkeit1. D a ß er auch aus der sichtbaren Kirche ausgeschlossen wird, ist nur die notwendige Konsequenz seines eigenen Handelns 2 . Seine Lage ist nun hoffnungslos: er ist nun ein gantz abgesondert glied von geistlicher und eusserlicher Kirchen, hat kein erquickung mehr von dem geist Gottes . . ., sondern faulet und verdirbt in der gewalt des Teuffels, zu seinem ewigen verdamnüs3. N u n fände sidi freilich bei den Ketzern die Ansicht, die recht Christliche Kirch sey bey ihnen allein. Doch damit lasse man außer acht, daß es im Apostolikum heiße, daß die Kirch gemein sey. Das bedeute aber, daß die Christliche Kirch nicht in einem oder zweien örtern der Welt beschlossen werde, sondern sey ausgebreittet an alle örter. Diese Kirche sei durch gemeinschafft der Sacrament, des glaubens und anderer Dinge, so zu Christlicher ordenung dienen, einigt. Dieser Kirche, die sich auf die Apostel gründe und von einer Generation der andern weiter tradiert worden sei — und nur ihr, darf man sinngemäß hinzufügen —, gelte die Verheißung Christi: Sihe ich bin bey euch zu jeder zeit bis zum ende der Welt5. Die Kirche des Heils ist also f ü r den Liber Misnicus einzig die katholische Kirche. D a r u m wird vor jeder Absonderung von dieser Kirche schärfstens gewarnt. Mit dieser Mahnung, unbedingt an der katholischen Kirche festzuhalten, steht der Verfasser des Meißnischen Katechismus wieder in einer Front mit dem älteren Erasmus und seinen Schülern 6 . B8
) Ebd.
" ) Ebd. -1) S. 160, vgl. 161, wo es von den Gliedern des Leibes Christi heißt: sie trennen sieb von einander nicht; vgl. ferner S. 219. 2
) ) 4 ) 5 ) 6 ) 3
S. 163 f. S. 164. Ebd. S. 165. Vgl. S t u p p e r i c h S. 8, 12, 16; H e c k e r S. 37 f f .
2. Die Auseinandersetzung um den Liber Misnicus
107
Wenn der Liber Misnicus katholischer Anschauung entsprechend in der katholischen Kirche die einzige gottgewollte erblickt u n d überzeugt ist, d a ß Christus mit seinem heiligen Geiste dauernd bei ihr wohnen werde, so sieht er — im Zuge derselben Vorstellungswelt — diesen heiligen Geist in erster Linie in den Bischöfen dieser Kirche als den Nachfolgern der Apostel w i r k sam. D a r u m r u h t auch f ü r ihn „der Schwerpunkt der K i r d i e " „nicht in der Gesamtheit der Gläubigen, sondern in den Amtsträgern, die Christi Stellvertreter sind" 7 . Diese sind durch Christus mit Leitungsgewalt f ü r die Kirche ausgestattet. D a r u m ist die Kirche ein Reich mit Regenten u n d Regierten. Den Bischöfen als den Regenten 8 gebühre — wie der Verfasser unseres Katechismus in seinen Erklärungen zum vierten Gebot a u s f ü h r t — nicht weniger Gehorsam als der weltlichen Obrigkeit 9 . Z u r H a n d h a b u n g ihres Regiments sei ihnen Strafgewalt eingeräumt, nämlich das Recht zur Verhängung des Bannes 1 0 . Diesen dürfe d a r u m niemands [ = niemand ( N o minativ)] verachten, sondern [müsse viel-] mehr die gewalt Gottes (welches befehlhaber sie [Bisdiöfe u n d P r ä l a t e n ] seind) darinnen erkennen, und dero mit gebürlicher ehrerbiettung räum gebenEbenso habe die Kirch gleich so wol als das weltlich regiment ihr eigen Recht neben dem göttlichen12. U n d z w a r seien die Kirchensatzungen — als Beispiele werden die Einsetzung der Sonn- und Feiertage sowie die Fastengebote a u f g e f ü h r t — aus dem heiligen Geiste heraus erlassen. Ihre Vernachlässigung sei Verachtung ordentlicher gewalt und Ärgernis f ü r den christlichen Nächsten u n d d a r u m sünde u n d z w a r namentlich deshalb, weil ein derartiges Verhalten in Widerspruch stehe mit der Liebe, mit welcher wir unser Oberkeit, auch sonsten unserm nechsten zugethan13. So ist denn das v o m Liber Misnicus seinen Lesern so dringend nahgelegte Festhalten an der katholischen Kirche f ü r ihn wie f ü r den gesamten Katholizismus gleichbedeutend mit einer U n t e r w e r f u n g unter alle A n o r d n u n g e n der Leiter dieser Kirche. D a ß die zwischen den Religionsparteien strittigen Einzelfragen in der „Christlichen Lehr" nur zu einem geringen Teile behandelt seien, hatte schon die Vorrede angekündigt, verbunden mit dem Versprechen, über Sakramente und Zeremonien stehe die Ausgabe von Richtlinien noch bevor. D a ß der Fastenbrauch in unserem Katechismus bejaht w i r d , erwähnten wir schon. Zu seiner Begründung w i r d allerdings nicht seine satisfaktorisdie W i r k u n g angeführt, sondern n u r die durch ihn erleichterte Züchtigung der geilheit 7
) Friedrich H e i l e r in RGG 2 3, 681. ) M o u f a n g S. 210. Es werden hier ausdrücklich nur die Bischöfe genannt unter Hinweis auf die Pastoralbriefe. Außer ihnen ist nur noch von Prelaten und Archidiaconen die Rede (S. 216). Der Papst wird nirgends erwähnt. 9 ) S. 215 f. 10 ) S. 210 f., 211 f. " ) S. 216. 12 ) Ebd. 13 ) S. 218. 8
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Zweiter Teil: Konflikt zwischen Landesgewalt und Hochstift
unsers Cörpers und fleischs1*. Der Empfang des Bußsakraments wird, wie schon gesagt16, in das Belieben des einzelnen gestellt. Die zeitliche Strafe behalte sich Gott unterweilen vor. Diese werde nun durch ein gestreng leben abgetragen. Weiter heißt es: Zu solchem abtrag dienet auch das Almußu. Bei der Auslegung des ersten Gebots wird von wundertätigen Gegenständen und der Anrufung der Heiligen gesprochen. Wenn Gott durch irgendeine Creatur Wunder wirke, dürfe man nicht diese Dinge anbetten und seinen glauben darein setzen und somit sich ein nebengot darauß machen, sondern müsse Gott die Ehre geben, der durch die erweite mittel seine macht und gnade gegen uns beweiset, in müssen es dann die gemein Christliche Kirche biß daher löblich gehalten hat und noch helt17. Ganz ähnlich wird auch das Verhalten beschrieben, das den Heiligen gegenüber gezieme. Es sei nicht zu bezweifeln, daß die Heiligen als Glieder des Leibes Christi, die nun außgestritten haben und in die ewige Seligkeit eingegangen, sich unserer Notdurft annehmen und fürbittend für uns eintreten. Doch müßten wir dabei wissen, daß sie nicht aus eigener Macht helfen können, sondern nur uns die hülff bey Gott helffen erlangen1*. Da nun die Heiligen die besagte Stellung zu uns einnehmen, sei es recht und christlich, daß wir begern, daß die lieben Heiligen neben uns fürbitten, wie dann die exempel der Schrifft anzeigen und in gemeiner Christlichen Kirchen biß daher gehalten ist worden und noch gehalten wirt19. Aber unser Vertrauen dürften wir allein auf Gott setzen und müßten überzeugt sein, daß dieser auch ohne die Fürbitte der Heiligen uns zu helfen bereit sei20. Das Mönchtum ist nirgends erwähnt, doch ist es offenbar gemeint, wenn es bei der Erklärung des zweiten Gebotes heißt: wider diß Gebot handeln auch die, welche ihr gelübd, so sie Gott unserm Herrn gethan, brechen21. Neben diesen Ausführungen über die Angelegenheiten des christlichen Glaubens und der Kirche gibt der Katechismus noch längere Anweisungen für das Verhalten der weltlichen Obrigkeiten und deren Untertanen. Sie werden teils zusammen mit den Maßregeln für das Verhalten gegenüber der kirchlichen Obrigkeit bei der Erklärung des vierten Gebotes aufgeführt, teils auch bei der des ersten22. Das Bestehen weltlicher Obrigkeit sei uns menschen hoch von nöten, auff daß wir under derselbigen ein ruhiges und 14
) S. 217.
15
) S. o. S. 102.
le
) M o u f a n g S. 172.
" ) S. 191 ff. 18
) S. 193. ) S. 195. 20 ) S. 194 f. — Ähnlich ist der Passus über die Stellung zu den Heiligen im zweiten Leipziger Religionsgespräch ( H e c k e r S. 103). 21 ) M o u f a n g S. 199; vgl. WAB 8, 474 Z. 204 ff. 22 ) M o u f a n g S. 205 ff., 213 f f . 19
2. Die Auseinandersetzung um den Liber Misnicus
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gotförchtigs leben mögen füren23. Sie sei von Gott eingesetzt. Ihre Aufgabe sei, die Bösen zu strafen und die Frommen zu schützen, nötigenfalls auch unter Benutzung des Schwertes. Pflicht der Untertanen sei es, die Obrigkeit durch Gehorsam bei der Durchführung dieser Aufgabe zu unterstützen, und nicht zuletzt auch dann, wenn ihre Herren zu Kriegszügen aufbieten, unweigerlich Folge zu leisten. Wer das nicht tue, der erzürnet Gott21. Innerhalb dieser politischen Ethik finden sich nun aber auch mancherlei Spitzen gegen die Gepflogenheiten der Protestanten. So werden die Fürsten ermahnt, daß sie die geschrieben Recht ja nicht in änderung füren. Dann solchs bringt Verachtung dem Rechten, welches sein ansehen vom alter bekommet25. Die Pflicht der Obrigkeit, zum Schwert zu greifen, sei auch dann gegeben, wen sich die bösen und freveliche leute rottiren2e. Eine ihrer vornehmsten Aufgaben sei fromme und redliche leute ihre tugent gemessen zu lassen27. Noch stärker gerügt wird die Außenpolitik der protestantischen Stände. Die politischen Bündnisse der grossen Herren und Potentaten, heißt es in der Auslegung des ersten Gebots, brächten für diese Fürsten die Gefahr mit sich, daß sie darein zu sehr . . . vertrawen und also eine abgötterey stifften, Weichs Gott nicht ungestrafft lest. Und daß dem also sey, befindet sich bey uns Christen auß teglicher erfarung; dann die grossen bündtnüß richten selten etwas guts auß, dann sie werden gemeinglich auß oben angezeigtem unordenlichem vertrawn auffgeriebt29. Unrecht ist nach den Ausführungen der Christlichen Lehr zum vierten Gebot auch jedes gewaltsame Vorgehen von Reichsständen gegen den Kaiser. Diesen Fall hat der Verfasser offensichtlich im Auge, wenn er die Frage behandelt, ob eine untergeordnete Obrigkeit der übergeordneten Widerstand leisten darf, wenn die höcbere oberkeit die undere wölt durch unrecht beweltigen. Ein derartiger Widerstand sei auch dann Verletzung von Gottes Ordnung, wenn . . . der unfal29 nicht allein dem herren, sondern auch den underthanen zu nachteil und Verderb gereichen wolt30. Überdies bestehe hier die Gefahr, daß sich jemand betreffs Recht und Unrecht täusche, und die Erfahrung lehre, daß mancher ihr zum Opfer falle. Auch beim fünften Gebot wird nochmals betont, daß ein jeder krieg, welcher ordentlicher oberkeit zu entgegen und wider gemeinen landfrieden angefangen wirt, Gott auch entgegen sey^. Das Untertanenverhältnis, in dem deutsche Fürsten zum Kaiser
23
) S. 2 0 5 .
24
) S. 2 1 4 .
25
) S. 2 0 7 .
2e
) S. 2 0 7 .
2T
) S. 2 0 8 .
28
) S. 195.
29
) D . h. das v o n der höheren Obrigkeit der niederen zugefügte Unrecht.
30
) S. 2 2 0 .
31
) S. 221 f.
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Zweiter Teil: Konflikt zwischen Landesgewalt und Hochstift
für unseren Katechismus stehen, ziehe für jene auch unbedingte Gefolgschaftspflicht in den Türkenkämpfen des Reiches nach sidi32. Wenn ein Fürst dem Kaiser zuwider handele, so seien seine Untertanen von der Gehorsamspflicht ihm gegenüber entbunden und verpflichtet, sich nach dem Gebot des Kaisers zu richten; denn in dem verachtestu die gewalt nicht, wenn du erwelest, der höchern gewalt zu dienen. Dann deines herren herr ist auch dein herr33. Betrachtet man unseren Katechismus in seinem Verhältnis zu den Konfessionen, so muß man urteilen, daß er kaum eine Lockerung der katholischen Anschauungen bringt. Eine entgegenkommende Haltung zu den Errungenschaften der Reformation findet sich im -wesentlichen nur in folgenden Punkten: 1. dem Fiduzialglauben wird eine bedeutsame Rolle für das Verhältnis des Christen zu Gott zugewiesen; 2. diesem Glauben kommt namentlich bei der Rechtfertigung eine wesentliche — anscheinend die ausschlaggebende — Bedeutung zu; 3. die Beichte vor dem Priester wird nicht gefordert. Als 4. Punkt könnte man dazu noch die Tatsache fügen, daß der Liber Misnicus als Quelle nur die Bibel, nicht auch die kirchliche Tradition, benutzt. Aber das ist unverbindlich; ein Schriftprinzip wird damit nicht aufgestellt. Von den Einzelfragen des kirchlichen Wesens ist, wie gesagt, vieles unerwähnt gelassen. Jedoch mit der Forderung, daß sich der Christ um seines ewigen Heils willen in jedem Falle an die Anordnungen der Obrigkeit der katholischen Kirche zu halten habe, ist ja eigentlich alles auf die Satzungen dieser Kirche festgelegt. Das Meißnische Buch enthält somit weniger Zugeständnisse an die Anschauungen Luthers als andere zeitgenössische Reformprogramme, die gleichfalls humanistischem Geiste entsprungen sind, wie z. B. des Erasmus De amabili ecclesiae concordia34 oder der auf dem sogenannten zweiten Leipziger Religionsgespräch im Januar 1539 von Bucer und Witzel aufgestellte Entwurf 85 . Dieser Unterschied ist aber begreiflich. Jene Programme waren unverbindliche Vorschläge für die kirchlichen bzw. weltlichen Obrigkeiten zur Beilegung des Religionsstreites in der Gesamtkirche oder doch einem möglichst großen Teil derselben. Im Meißnischen Katechismus dagegen haben wir die verbindliche Lehrschrift eines deutschen Bischofs vor uns, die sofortige Richtschnur für die Verkündigung in dessen Diözese werden sollte, und zwar eines Bischofs, der sich unter keinen Umständen von der katholischen Kirche und ihrer Lehre lösen wollte. Unter diesen Umständen konnte hier natürlich keine Ansicht vertreten werden, die seitens dieser Kirche womöglich nicht gebilligt worden wäre. Somit kann der Liber Misnicus eigentlich nur den Versuch darstellen, die 32
) S. 215. ) S. 219. Vgl. das S. 213 f. über das Recht der Untertanen, an die höhere Obrigkeit zu appellieren, Gesagte. 34 ) Vgl. darüber H e c k e r S. 36 ff.; S t u p p e r i c h S. 8 ff. 35 ) Vgl. darüber H e c k e r S. 94 ff.; S t u p p e r i c h S. 44 ff. 33
2. Die Auseinandersetzung um den Liber Misnicus
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katholische Lehre f ü r Menschen, die von Luther beeinflußt waren, schmackh a f t zu machen. Wenn der Fürst, dem diese „Christliche Lehre" überreicht wurde, sich weiter wie bisher streng an die Wittenberger Reformation hielt, so war darum an der Ablehnung dieses Katechismus nicht zu zweifeln. Die Frage nach dem Verfasser des Meißnischen Buchs läßt sich vorläufig noch nicht ganz befriedigend beantworten. Das Werk selbst gibt über seine H e r k u n f t keinerlei Auskunft. Die beiden Druckausgaben sind unter dem Namen des Bischofs erschienen 36 , doch braucht dieser deshalb noch nicht der Verfasser zu sein. Nach Seckendorf 37 haben wir es mit vel Pflugii vel Vicelii opera zu tun. Luther meinte, als ihm 1541 das Werk im Druck vorgelegt wurde: Julius Pflug se ipsum prodit38. Bei beiden Äußerungen handelt es sich wohl nur um Vermutungen, die aber gegenüber anderen Möglichkeiten insofern eine große Wahrscheinlichkeit f ü r sich haben, als die beiden genannten Männer die markantesten Vertreter erasmischer Gedanken sind, die damals im albertinischen Sachsen lebten. Man könnte nun versuchen, von den uns sonst überlieferten Arbeiten Pflugs und Witzeis aus zwischen beiden Männern zu entscheiden. Dieser mühevolle 38 Weg ist bis jetzt noch nicht beschritten worden, und auch wir können ihn hier nicht einschlagen. Immerhin läßt sich einer Entscheidung der Frage auf Grund gewisser äußerer Beobachtungen etwas näher kommen. D a ß Julius Pflug als Meißner Domdekan bei seiner geistigen Regsamkeit und seiner Begeisterung f ü r interkonfessionelle Ausgleichsversuche sich zumindest die Mitarbeit an dem Werke nicht entgehen lassen haben wird, ist von vornherein anzunehmen. Bei Georg Witzel hingegen ist wenigstens eine tiefgehende Beteiligung angesichts der Unruhe von dessen äußeren Lebensumständen während der in Frage kommenden Zeit fast ausgeschlossen 40 : wie sich aus Cochläus' Brief an Aleander vom 1. Juni 4 1 ergibt, floh Witzel am 23. Mai von Leipzig nach Meißen, am 24. von da nach Stolpen und schon vor dem 1. Juni weiter nach Böhmen. Seine alleinige Autorschaft ist daher ausgeschlossen. Denn der Katechismus war Anfang Juni noch nicht fertig 42 , auch wird man mit dem Beginn seiner Abfassung nicht bis Ende Mai gewartet haben. Auch die Annahme einer Zusammenarbeit von Pflug und Witzel scheidet beinahe aus, da Pflug sich in den Tagen der Flucht Witzeis anscheinend in Meißen auf3S ) Der Titel der Ausgabe von 1541 ist wiedergegeben bei C. F. S. XI. 3T ) 111,215. 3S ) WAB 8, 459 f.
Börner,
39 ) Bei Julius Pflug besteht die besondere Schwierigkeit, daß seine theologischen Schriften größtenteils noch ungedruckt sind (vgl. S t u p p e r i c h S. 11 f.). 40
) Vgl. o. S. 96.
41
) S. o. S. 97 Anm. 39.
42
) S. o. S. 98 f.
112
Zweiter Teil: Konflikt zwischen Landesgewalt und Hochstift
hielt 43 , wo Witzel wohl nur eine Nacht blieb. So ist hinsichtlich Witzeis nur noch die Möglichkeit übrig, daß dieser in den wenigen Tagen des Stolpener Aufenthaltes dem Bischof einige Ratschläge für die Gestaltung des Katechismus gab. Im übrigen ist natürlich nicht ausgeschlossen, daß auch noch weitere Männer an dem Werke mitgearbeitet haben. So könnte man an den Bischof selbst denken, der in jenen Tagen dem ihm nahestehenden Friedrich Nausea versprach, einige Bücher, die dieser ihm geschickt hatte, um ihres religiösen Inhalts willen besonders genau zu lesen44. Herzog Heinrich nahm dem bischöflichen Gesandten die umfangreiche Schrift ab und übergab sie bei seiner kurz darauf in Würzen erfolgenden Zusammenkunft dem sächsischen Kurfürsten mit der Bitte, die Wittenberger Reformatoren um deren Begutachtung und Ratschläge für die dem Bischof darauf zu gebende Antwort zu ersuchen. Daraufhin sandte Johann Friedrich die „Christliche Lehr" mitsamt der Vorrede am 22. Juni an Luther, Jonas, Cruciger und Melanchthon und bat sie, dem Wunsche seines Vetters baldmöglichst zu willfahren, damit das volck durch solche gleißner, die unsers bedunckens viel ein anderß suchen vnd maynen, dan sie furgeben, dadurch nit verfurth werden45. Dieser Vorwurf der Heuchelei, der ja nicht ganz unberechtigt war, begegnet auch in dem Gutachten, das Luther, Jonas und Melanchthon ihrem Kurfürsten als Antwort auf sein Ansuchen unterm 1. Juli zusandten49. Sie hätten, schreiben die Reformatoren da, der Meyßnischen pfaffen geticht mit allem fleiß gantz durchlesen", und obwohl dieses Im anfang vnd etlichen artickeln schön beranget vnd sich mit vnsern feddern schmuckett, ßo ist doch vill giffts dorin. Es sei vnfruntlich, das sie sich itzundt mit vnser lahr schmucken, Ire Verfolgung zu sterckennis. Offenbar gehe die Absicht der Meißner dahin, Herzog Heinrich, dem fromen alden Fürsten, das gewissen irr zu machen. In Wirklichkeit werde in dem Katechismus Herzog Heinrich wie alle protestantischen Stände mit harten vnd schrecklichen wortten verdammt, so wie sie bisher In keynem Concilio noch verdampt worden seien. Vielleicht gehe die Absicht der Meißner mit ihrem Buche auch dahin, 4 3 ) Nach dem genannten Schreiben des Codiläus an Aleander vom 1. Juni 1539 wollte jener „übermorgen" mit dem Bischof nach Meißen zurückkehren, um sich dort mit Dekan (d. i. Pflug) und Kapitel zu beraten. 4 4 ) Der Bischof von Meißen an Nausea, Stolpen, 1. 6. 1539: Epist. misc. ad F. Nauseam, S. 246. Daß der Bischof der ausschließliche Verfasser gewesen ist, wie F r a u s t a d t S. 79 und H e r i n g S. 32 meinen, ist wohl wenig wahrscheinlich. 4 5 ) WAB 8, 460 f. 4 6 ) WAB 8, 469—481. Verfasser ist Melanchthon (a.a.O. S. 477). 4 7 ) Einen Eindruck von der eifrigen Vorarbeit der Reformatoren vermitteln ihre (WAB 8, 477 ff. wiedergegebenen) Randglossen in der Weimarer Originalhandsdirift des Liber Misnicus. 4 8 ) WAB 8, 469.
2. Die Auseinandersetzung um den Liber Misnicus
113
mit dem schönen gepreng den Adell von Irem herrn vff Ire Seiten zu ziehen. Denn ohne Zweifel mache es Eindruck auf weit weise leut, wenn man für die einigkeit, gutte Ordnung, gehorsam, autoritet der Regenten vnd kirchen lobende Worte habe, hingegen Spaltungen und Ungehorsam scharf verwerfe 49 . Darum solle man die pfaffen nicht on andtwurtt lassen, sondern ihnen darlegen, daß man ihre Schrift zu einer Reformation für undienlich erachte. Die Gründe dafür fassen die Reformatoren unter drei Punkten zusammen. So werde erstens einer Einigung der Kirche damit nicht gedient, daß die meisten der strittigen Artikel verschwiegen würden. Denn soll der Aertzet die wunden heilen, so muß ehr sie anrhuren. Falls aber diese übergangenen Artikel stillschweigend mit gemeint seien bei der Forderung, daß man die Kirchenbräuche halten solle, so handelten die Meißner sehr meuchlich50. Jedenfalls aber — und das sei der zweite Grund für die Ablehnung — komme die pharisäische bitterkeit genugsam an tag durch die Ausführungen der „Christlichen Lehr" über die Kirche und ihre Satzungen. Der Kirchenbegriff dieses Buchs, insbesondere die Forderung nach Unterwerfung aller Christen unter die Jurisdiktions- und Lehrgewalt der katholischen Kirche, wird natürlich auf das entschiedenste zurückgewiesen. Denn dann würde man ja all die sattsam bekannten Irrtümer dieser Kirdie beibehalten müssen, was um der evangelischen Wahrheit willen ganz unmöglich sei. Eine solche Unterwerfung komme auch dann nicht in Frage, wenn Lehre und Ordnungen der römischen Kirche, wie das neuerdings üblich sei 51 und auch im vorliegenden Katechismus getan werde, ihrer, der Reformatoren, Auffassung angenähert würden. Denn wenn die Gegenpartei tatsächlich Gottes Ehre suche, solle sie auch offen ihre bisherigen Irrtümer bekennen. D a das aber nicht geschehe, wolle sie offensichtlich die alten Irrtümer insgeheim beibehalten. Aber auch abgesehen von den vorliegenden Irrtümern sei die für die Bischöfe beanspruchte Gewalt über die Kirche Unrecht: Der Bruch menschlicher Satzungen dürfe niemals als Sünde gelten, denn die Freiheit von menschlichen Satzungen sei von Christo geordnet52. Sodann beanstanden die Reformatoren an den Ausführungen des Katediismus über einzelne kirchliche Gebräuche und Ordnungen noch mancherlei, wiewohl diese Darlegungen zum theill mit seuberlichen wortten geredt53 seien. So wird als bedenklich angestrichen, daß es über die Anrufung der Heiligen heiße: wie es bis anher gehalden. Nicht ganz im Recht sind wohl die Reformatoren, wenn sie feststellen, das Meißnische Buch fordere die Beichte 54 . Damit wird wohl 49)
W A B 8, 470.
60)
Ebd.
51)
Hierbei verweisen die Reformatoren auf den italienischen Reformkatholizismus, wie er von Contarini, Sadolet und Pole vertreten werde. 52)
W A B 8, 473.
63)
W A B 8, 474.
B4)
Ebd.; vgl. oben S. 102 u. 108.
114
Zweiter Teil: Konflikt zwischen Landesgewalt und Hochstift
auch ihre Beanstandung hinfällig, es w e r d e nicht gesagt, ob [bei der Beichte] die erzelung [d. h. die A u f z ä h l u n g sämtlicher Sünden] von noten sey. H i n gegen stellen sie mit Recht aus, d a ß der Gedanke der satisfactio insgeheim vertreten werde, wenn von der A b t r a g u n g der zeitlichen Strafe durch ein strenges Leben die Rede sei. Ferner t r e f f e n sie berechtigterweise die Feststellung, d a ß durch die A n p r a n g e r u n g der Gelübdebrecher indirekt das Mönchtum bejaht werde. Aus all dem werde jedenfalls deutlich, das damit die vorigen Irrthumb sollen bestettigt vnd die rechte lahr verdampt sein. In einem dritten Abschnitt setzen sich die R e f o r m a t o r e n mit der Rechtfertigungslehre des Liber Misnicus auseinander. H i e r geben sie zu, d a ß im Artickel vonn Vergebung der sundt vnd Iustification durch den glauben an vielen ordten schon und recht geredet werde; Den was nicht strafflich, sollen wyr nicht scheiden™. Dennoch sei dabei eine ausdrückliche Zurückweisung irgendwelcher Bedeutung der Werke f ü r die Rechtfertigung zu vermissen. D a h e r sei anzunehmen, das sie mit eyner subtilitet dennoch die werck mit vndter bringen, so es disputiert wurde. Weiter w i r d bemängelt, d a ß der Liber Misnicus nirgends davon rede, das nach der vernewerung In menschen sund bleibe, vnnd das auch hernach der mensch durch glauben allein umb Christus willen gerecht sey, nicht von wegen eigner tagenden. Z u m Schluß verweisen die R e f o r m a t o r e n noch auf den Widerstand, den der Bischof von Meißen gegen die Neuerungen H e r z o g Heinrichs auf dem Gebiete der Sakramente und Zeremonien inszeniert habe, u n d auf sein neuliches Vorgehen gegen Diözesanen, die das Sakrament Christlich empfangen hätten. All das zeige, was man von seiner R e f o r m a t i o n zu erwarten habe. M a n solle nun den Meißner P f a f f e n darlegen, w a r u m m a n ihre Reformvorschläge nicht annehmen könne, anschließend aber sie gnediglich vnnd Christlich ermahnen, sich der von H e r z o g Heinrich geplanten Kirchenerneuerung anzuschließen u n d so anderen Vorbild zu sein; denn sie, die Meißner, e m p f ä n den ja selbst, wie viel f ü r Vaterland und Christenheit an einer rechten Christlichen einigkeit gelegen sei®6. Die A n g r i f f e des Meißnischen Buchs auf die protestantische Bündnispolitik hatten die R e f o r m a t o r e n in diesem Gutachten passieren lassenreichten aber ihrem K u r f ü r s t e n , vielleicht von ihm d a r u m noch besonders ersucht, bald darauf noch eine besondere Denkschrift ein 58 , in der sie das Recht z u m Abschluß von Bündnissen u n d z u m Widerstand gegen den Kaiser theologisch begründeten. Die Unterzeichner w a r e n dieses M a l Luther, Jonas und Bugenhagen. Sie sprachen dabei die Vermutung aus, die Meißner versuchten mit ihren diesbezüglichen E r m a h n u n g e n den meißnischen Adel, 5S
) WAB 8, 474. ) WAB 8, 476. S t u p p e r i c h S. 42 macht fälschlich die Wittenberger statt der Meißner zum Subjekt des letztgenannten Satzes. B7 ) WAB 8, 475 Z. 255 f. 58 ) WAB 8, 515 ff. Be
2. Die Auseinandersetzung um den Liber Misnicus
115
der im wesentlichen noch durchaus zur alten Kirche hielt 59 , vielleicht auch Herzog Heinrich selbst, von einem vollen Anschluß an den Schmalkaldischen Bund, der jetzt nach des Herzogs Regierungsantritt im gesamten albertinischen Sachsen zu erwarten war 8 0 , abzuhalten. Luther fügte dem Gutachten mit eigener Hand noch einige sarkastische Bemerkungen über die Bündnispolitik der katholischen Reichsstände an, an der ja auch das Hochstift Meißen Anteil hatte. Das völlig ablehnende Urteil der Wittenberger zu dem Meißner Katechismus kann uns nicht wunder nehmen. Die Tatsache, daß hier eine ganz andere Gedankenwelt vorlag, konnte Luther und seinen Mitarbeitern nicht verborgen bleiben. Ihr Urteil entspricht der Stellungnahme, die sie zu anderen Ausgleichsversuchen der mittleren, auf Erasmus zurückgehenden Linie eingenommen haben 61 . Die Protestanten, namentlich Herzog Heinrich und die Seinen, gewannen also durch den Meißner Katechismus endgültig die Überzeugung, daß es zwischen den religiösen Anschauungen des Hochstifts und den ihrigen trotz einzelner Annäherungen keine Brücke gebe. Der Herzog wird das auch dem Bischof gegenüber zum Ausdruck gebracht haben®2. Eine Einführung der Reformation im Hochstift Meißen war von jetzt ab nur noch gegen den Widerstand des Stifts möglich. Für das Hochstift bedeutete die Ablehnung seiner „Christlichen Lehr" durch die sächsischen Fürsten und die Wittenberger Theologen das endgültige Scheitern des Versuchs, Herzog Heinrich noch auf die Seite der alten Kirche herüberzuziehen und auf diesem Wege eine lutherische Reformation des Stifts zu verhindern. Von nun ab konnte es nur noch versuchen, im Kampfe gegen den Herzog seine Rechte zu wahren. Das wesentlichste Ergebnis der Zeit von April bis Anfang Juli war somit, daß die Fronten deutlich auseinandertraten. Als die ablehnende Stellungnahme der Wittenberger zum Meißner K a ) B r a n d e n b u r g a.a.O., S. 192. ) A . a . O . S. 134 f. 61) So bezeichneten die Reformatoren den Leipziger E n t w u r f Bucers und W i t zeis v o m J a n u a r 1539 als „gefährliches Flickwerk voller Sophisterei" ( S t u p p e r i c h S. 4 8 ; die Formulierung stammt von diesem). Vgl. weiter die Stellungnahme Fürst Georgs von Anhalt und Melanchthons zu den Vermittlungsversuchen K u r fürst Joachims II. von Brandenburg (a.a.O. S. 49 f.). Vgl. endlich die Beurteilung des Regensburger Buchs durch Luther und Melanchthon (a.a.O. S. 126 ff.). Luther fühlte sich übrigens durch dieses anscheinend an den Liber Misnicus erinnert, wenn er dazu meinte, es were Hertzog Georgens und dere zu Meissen Reformation ( W A B 9, 457, 8). 50
60
6 2 ) Die Nachricht von einer A n t w o r t Heinrichs an den Bischof ist mir zwar nirgends begegnet, doch zweifle ich nicht, daß eine solche ergangen ist, da Heinrich die Ratschläge der Reformatoren dafür erbeten hatte und diese ihrerseits nachdrücklich gemahnt hatten, das man die pjaffen nicht on andtwurtt laß ( W A B 8, 470).
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Zweiter Teil: Konflikt zwischen Landesgewalt und Hochstift
techismus a m Dresdner H o f e 6 3 und dann wohl auch im Hochstift Meißen bekannt wurde, w a r e n jedoch die Gegensätze zwischen diesen beiden Stellen auch bereits durch die inzwischen eingetretenen Ereignisse hinreichend deutlich in Erscheinung getreten. D e m V e r b o t
der alten Zeremonien
in
Dresden w a r bald, e t w a Mitte Juni, ein solches für fast alle übrigen Städte des albertinischen Sachsen gefolgt und die Reichung des Abendmahls unter beiderlei Gestalt zur Pflicht gemacht w o r d e n 6 4 . Mehrerenorts w a r e n lutherische Prediger aufgetreten 6 5 . So w u r d e a m 6. Juli der erste evangelische Gottesdienst in der Dresdner Kreuzkirche 6 6 , a m 4. Juli in der C h e m n i t z e r Jakobikirche 6 7 culmine an
apud
gehalten.
Schon urteilte Cochläus: In
nos relligio68.
sie herangebrachten
summa
ruit
alto
a
Die Geistlichkeit erstattete teilweise über die
Forderungen
nach gottesdienstlichen
Neuerungen
dem Bischof Mitteilung und erwirkte v o n diesem natürlich den Befehl, sich ablehnend zu v e r h a l t e n ; diesem Befehl ist sie, wie es scheint, wenigstens mancherorts dann auch nachgekommen 6 9 . A m 2 3 . J u n i erließ der Bischof einen H i r t e n b r i e f 7 0 , worin er dem Diözesanklerus befahl, sich v o n der w e l t lichen Obrigkeit nicht zu Neuerungen bewegen zu lassen, und ihm v e r sprach, allerleye
ihm demnächst seinen Katechismus vorzunehmen,
so zu christlicher
zuzustellen,
zucht
und
sowie
einickeit
überhaupt
dinen
magk.
So n a h m die K a m p f h a l t u n g , in die beide Parteien zueinander traten, immer deutlichere F o r m e n an. D e m H e r z o g gegenüber gab Bischof
Johann
6 3 ) Eine entsprechende Mitteilung des Kurfürsten Johann Friedrich an Herzog Heinrich ist mir zwar nicht begegnet, doch ist nicht zu bezweifeln, daß diese erfolgt ist. 6 4 ) Cochläus an Aleander, Meißen, 24. 6. 1539: N B 4, 564 ff. (hier wird die an sich merkwürdige Feststellung gemacht, daß sich das genannte Verbot [nur] auf fast alle Städte beziehe, während es von dem Befehl zur Reichung von beiderlei Gestalt ohne eine derartige Einschränkung heißt, er sei durch landesherrliches Gesetz verkündet worden). Der Rat zu Meißen an Heinrich, 20. 6. 1539, gedruckt bei W. L o o s e , Die Reformationsurkunden der Stadt Meißen; MM 2, 1891, S. 371 f. 6 5 ) Der Bischof von Meißen an Heinrich, ca. 15. 6. 1539 (Absender, Adressat und mutmaßliches Datum ergeben sich aus dem Inhalt des Schreibens), Konzept Dr. Loc. 8994 Acta, die Veränderung der Religion 1538—1556, Bl. 64 ff. — Ders. an Johann Faber, Bischof von Wien, Stolpen, 30. 6. 1539: N B 4, 570 f. 66) H e r i n g S. 35. 6 7 ) W. G e r b e r in: M. J . K r ö m e r , Wie Sachsen die Reformation erlebte, 1939, S. 182. 6 8 ) An Joh. Faber, Bischof von Wien, Meißen, 24. 6. 1539, gedruckt bei W. F r i e d e n s b u r g : Z K G 18, 1898, S. 293 ff. 6 9 ) Vgl. die erwähnten Schreiben des Rats zu Meißen an Heinrich vom 20. 6. und des Cochläus an Faber vom 24. 6. 1539. 7 0 ) Nicht behändigte Ausfertigung: Dr. Loc. 8994 a.a.O. Bl. 71. Die Behauptung von S. I ß l e i b ( B S K G 19, 1905, S. 166 Anm. 2) dieses Schreiben sei an das Domkapitel gerichtet, ist unrichtig. Sie wird nicht zuletzt auch durch die handschriftliche Bemerkung auf der Rückseite widerlegt: Mandatum secundum ad Clerum.
2. Die Auseinandersetzung um den Liber Misnicus
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trotzdem den Versuch noch nicht auf, diesen durch Vorhaltungen und Vorschläge für die alte Kirche zu gewinnen. Es mag sein, daß er sich in Bezug auf Heinrichs Person noch Hoffnungen gemacht hat. Die Schuld für das Verhalten Heinrichs legten er und die Seinen dessen Ratgebern bei. So klagte der Bischof Mitte Juni, anscheinend noch vor Ausgang jener entscheidenden Bestimmungen über die Zeremonien, dem Herzog 7 1 über die an mehr als einem orte eingedrungenen protestantischen Prediger sowie überhaupt über Entziehung der ihm zustehenden geistlichen Administration. Ferner versicherte er, er habe bedacht, wie in den einer christlichen vorgleichunge bedürftigen Fragen ohne Gewissensverletzung und unter Aufhebung der Kirchenspaltung eine Linderung erreicht werden könne. So hoffe er, daß auch die Sakramente den Untertanen zum Besten ordentlicher maße und weise und unter abwendunge des sorglichen ärgernus gereicht werden könnten. Damit nahm Johann Bezug auf die in seinem Katechismus übergangenen Punkte. Er hatte ja auch dort bereits versprochen, über Sakramente und Zeremonien noch Lehren ausgehen lassen zu wollen, und gesagt, daß er diesbezüglich eine Beseitigung des Religionszwiespalts erhoffe. Er hatte dabei natürlich vor allem seine beim Papst beantragten Dispensationen im Auge. Wir erfahren auch aus einem Schreiben des Cochläus an Friedrich Nausea vom 24. Juni 7 2 , daß der Bischof sich damals ernsthaft um Stoff für jene Denkschriften bemühte: Cochläus bat nämlich hier den Adressaten im Auftrage des Bischofs, ihnen zu dem genannten Zweck seine vortrefflichen Abhandlungen über die Zeremonien zuzusenden. Bezeichnend ist wieder die dabei gebrauchte Begründung: ut ei facilius possimus defendere ac conservare pios ritus Ecclesiae nostrae. Die christliche Vergleichung sollte also auch in den hier zur Verhandlung stehenden Punkten im wesentlichen nur in einem Auffrisieren der römischen Überlieferung bestehen. Nach Ausgang jener durchgreifenden Verfügungen über die Zeremonien beschwerte sich Johann unterm 26. Juni bei Heinrich energisch über die Neuerungen und die, wie er höre, in Aussicht genommene landesherrliche Kirchenvisitation 73 . E r sei überzeugt, das Mißtrauensvotum, das ihm damit gestellt werde, nicht verdient zu haben. Er habe sich häufig erboten und tue dies auch hiermit wieder, in seinem Bistum für ein christliches Wesen zu sorgen und auch selbst Visitationen vorzunehmen. Auch habe er den Herzog gebeten, vorgefundene Mißbräuche ihm anzuzeigen, und deren ordnungsgemäße Behebung nach Kräften und Gebühr zugesichert. Um nun in diesen Fragen voranzukommen, mache er den Vorschlag, etwa zehn oder elf verständige albertinische Adelige sowie einige Gelehrte nach Dresden zu senden, wozu Heinrich auch seinerseits jemanden verordnen könne. Diese sollten dann 71)
In dem oben A n m . 6 5 angeführten Schreiben. Epistol. misc. ad F. N a u s e a m S. 2 4 9 f. 7 3 ) Ausf. D r . L o c . 8 9 9 9 Kopien etlicher Schriften 1 5 3 9 , Bl. 2 ff., gedruckt bei H e r i n g S. 79 ff. 72)
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miteinander von den Artikeln, so Änderung betreffend wären, sich unterreden und über dieselben vollkommlicb rathschlagen74. Der Bischof griff damit also den damals im Schwange gehenden und in Sachsen ja auch bereits in die Tat umgesetzten Gedanken eines Religionsgesprädies auf. Mandl protestantischer Fürst hätte vielleicht diesen Vorschlag nicht rundweg von der Hand gewiesen, und wäre es auch nur aus diplomatischen Gründen gewesen75. Heinrich und seine Ratgeber, darunter vor allem der sächsische Kurfürst, liebten jedoch solche Umwege nicht. Was sie für recht erkannt hatten, sollte geraden Weges in möglichster Schnelligkeit durchgeführt werden. Darum lehnte Heinrich das bischöfliche Anerbieten glatt ab: Da er die Augsburgische Konfession angenommen habe, erachte er die in Vorschlag gebrachte bischöfliche Delegation für unnötig. Sollte etwas wider das genannte Bekenntnis vorgenommen werden, dem werde er sich widersetzen. Falls aber der Bischof geneigt sei, zu der von seinem kurfürstlichen Vetter und ihm selbst bestellten Visitationskommission noch zwei seiner Gelehrten abzuordnen, die im Sinne der Augsburgischen Konfession mitarbeiten würden, so habe er nichts dagegen76. Das letztgenannte Anerbieten machte der Herzog übrigens auch dem Bischof von Merseburg77. Johann von Meißen beantwortete die herzogliche Ablehnung mit dem abermaligen Erbieten zur Reform; namentlich hoffe er bestimmt, mit bewilligung der hohen oberkeyt — d. h. also doch wohl: des Papstes —, den Artikel von der Kommunion ane ergernus und verletzunge der gewissen in Richtigkeit zu bringen; er könne nicht finden, daß die Kommunion sub una in der heiligen Schrift verboten sei. Wenn Heinrich gestracks und in allen punkten nach der Augsburgischen Konfession handele, so sei das seines Erachtens nicht gut und der christlichen Einigkeit nicht förderlich. Darum bitte er den Herzog nochmals dringend, ihm sein bischöfliches Amt zu belassen79. Über eine Antwort Heinrichs auf dieses bischöfliche Schreiben habe ich nichts gefunden. Die ablehnende Haltung Heinrichs war vielleicht auch der Grund, weshalb der Bischof von dem um diese Zeit gefaßten Plan, durch eine Gesandt74)
Zitiert nach der Wiedergabe bei H e r i n g .
75)
Ich denke hierbei, abgesehen von der Reformation Joachims II. von Brandenburg, die ja ihre eigenen Wege ging, an die Ratschläge Landgraf Philipps von Hessen an Herzog Heinrich, das neue Kirchenwesen schrittweise zur Durchführung zu bringen und zunächst mit dem Rat der Stände gute christliche ordnunge, so dem evangelio, auch der alten christlichen apostolischen kirchen gemeß und gleichformig seien, aufzurichten ( B r a n d e n b u r g : N A 17, 1896, S. 188). 7 0 ) Heinrich an den Bischof, Dresden, 1. 7. 1539: Absdir. Dr. Loc. 8994 Acta, Bl. 114 f.; mit zahlreichen, jedoch für den Inhalt nicht ins Gewicht fallenden Fehlern gedruckt bei H e r i n g S. 82 ff. 7 7 ) Konzept Dr. Loc. 8999 a.a.O., Bl. 6, 8, wo sich auch das Konzept zum Schreiben an den Meißner Bischof findet. 7 S ) Dat. v. 4. 7. 1539: Ausf. a.a.O. Bl. 17 f., Inhaltsangabe und Teilabdruck bei H e r i n g S. 84 f.
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schaft von Adeligen beim Herzog für sich petitionieren zu lassen, wieder abkam 70 . Diese Abordnung sollte anscheinend in ihrem eigenen Namen oder dem der Landschaft, aber wohl nicht im Auftrage des Bischofs, sprechen, wenn auch der Inhalt ihres Vorbringens anscheinend in der bischöflichen Kanzlei aufgesetzt war. Man kann nicht in Abrede stellen, daß dieser Bischof im Rahmen der religiösen Grundüberzeugungen, auf denen er nun einmal stand, sich soweit als irgend möglich, ja fast über die Grenze dessen hinaus, was die Würde seiner Stellung zuließ, um eine Verständigung mit der Gegenpartei bemüht hat. Aber die Verschiedenheit der religiösen Parteien in der Grundhaltung ließ natürlich hier ebensowenig wie sonst in der abendländischen Christenheit eine Einigung zu. 3. D i e e r s t e
Visitation
Die bisher geschilderten Maßnahmen Herzog Heinrichs zur Einführung der Reformation waren gewissermaßen nur das Vorspiel. An sehr vielen, vielleicht sogar den meisten Kirchen des Landes dürfte der Gottesdienst trotzdem noch in der alten Weise fortgegangen sein 80 . So vor allem im Dom zu Meißen. Hier hat vor der ersten Visitation, d. h. also bis Mitte Juli, außer der erwähnten Predigt Lindenaus vom 27. April 1539 8 1 wohl nur ein lutherischer Gottesdienst stattgefunden, und zwar betrat am 5. Juli in Gegenwart und auf Veranlassung des sächsischen Kurfürsten dessen Prediger J a k o b Schenk die Domkanzel zu einer Predigt, in der er den Papisten die Gliedschaft der christlichen Kirche absprach und die Bevölkerung aufrief, dieselben wirtschaftlich zu boykottieren 82 . Sonst aber war es noch möglich gewesen, sogar die Fronleichnamsprozession und selbst das BennoFest — freilich an dem auf den eigentlichen Heiligentag folgenden Sonntag — nach altem Ritus im Dom zu begehen. Zu dem letztgenannten Anlaß hatte sich sogar eine größere Anzahl Ablaßhungriger eingefunden 83 . 7 9 ) Eine Instructio dafür, anscheinend in der bischöflichen Kanzlei entstanden, findet sich Dr. Loc. 8994 a.a.O. Bl. 60 ff., ein zweites Exemplar daselbst Bl. 116 ff. Bl. 60 ff. ist am Schlüsse vermerkt, daß dieser Antrag an Heinrich nicht gestellt worden sei. — Dieselbe Gesandtschaft meint der Bischof vielleicht auch, wenn er am 30. Juni an Johann Faber (s. o. Anm. 65) schreibt, er stehe im Begriff, Herzog Heinrich durch Freunde zu beschicken. 8 0 ) Das gilt ganz besonders von den ländlichen Kirchen. Hinsichtlich der Städte berichtet Justus Jonas nach Beendigung der ersten Visitation unterm 29. 8. 1539 dem Kurfürsten, sie, die Visitatoren, hätten da größtenteils bereits evangelischen Gottesdienst angetroffen ( K a w e r a u I, 360). 8 1 ) S. o. S. 96. 8 2 ) Cochläus an den Dompropst Ernst von Schleinitz, Meißen, 6. 7. 1539: N B 4, 571 ff. 8 3 ) Cochläus an Faber, Meißen, 24. 6. 1539, bei F r i e d e n s b u r g : Z K G 18, 1898, S. 293 ff.
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schaft von Adeligen beim Herzog für sich petitionieren zu lassen, wieder abkam 70 . Diese Abordnung sollte anscheinend in ihrem eigenen Namen oder dem der Landschaft, aber wohl nicht im Auftrage des Bischofs, sprechen, wenn auch der Inhalt ihres Vorbringens anscheinend in der bischöflichen Kanzlei aufgesetzt war. Man kann nicht in Abrede stellen, daß dieser Bischof im Rahmen der religiösen Grundüberzeugungen, auf denen er nun einmal stand, sich soweit als irgend möglich, ja fast über die Grenze dessen hinaus, was die Würde seiner Stellung zuließ, um eine Verständigung mit der Gegenpartei bemüht hat. Aber die Verschiedenheit der religiösen Parteien in der Grundhaltung ließ natürlich hier ebensowenig wie sonst in der abendländischen Christenheit eine Einigung zu. 3. D i e e r s t e
Visitation
Die bisher geschilderten Maßnahmen Herzog Heinrichs zur Einführung der Reformation waren gewissermaßen nur das Vorspiel. An sehr vielen, vielleicht sogar den meisten Kirchen des Landes dürfte der Gottesdienst trotzdem noch in der alten Weise fortgegangen sein 80 . So vor allem im Dom zu Meißen. Hier hat vor der ersten Visitation, d. h. also bis Mitte Juli, außer der erwähnten Predigt Lindenaus vom 27. April 1539 8 1 wohl nur ein lutherischer Gottesdienst stattgefunden, und zwar betrat am 5. Juli in Gegenwart und auf Veranlassung des sächsischen Kurfürsten dessen Prediger J a k o b Schenk die Domkanzel zu einer Predigt, in der er den Papisten die Gliedschaft der christlichen Kirche absprach und die Bevölkerung aufrief, dieselben wirtschaftlich zu boykottieren 82 . Sonst aber war es noch möglich gewesen, sogar die Fronleichnamsprozession und selbst das BennoFest — freilich an dem auf den eigentlichen Heiligentag folgenden Sonntag — nach altem Ritus im Dom zu begehen. Zu dem letztgenannten Anlaß hatte sich sogar eine größere Anzahl Ablaßhungriger eingefunden 83 . 7 9 ) Eine Instructio dafür, anscheinend in der bischöflichen Kanzlei entstanden, findet sich Dr. Loc. 8994 a.a.O. Bl. 60 ff., ein zweites Exemplar daselbst Bl. 116 ff. Bl. 60 ff. ist am Schlüsse vermerkt, daß dieser Antrag an Heinrich nicht gestellt worden sei. — Dieselbe Gesandtschaft meint der Bischof vielleicht auch, wenn er am 30. Juni an Johann Faber (s. o. Anm. 65) schreibt, er stehe im Begriff, Herzog Heinrich durch Freunde zu beschicken. 8 0 ) Das gilt ganz besonders von den ländlichen Kirchen. Hinsichtlich der Städte berichtet Justus Jonas nach Beendigung der ersten Visitation unterm 29. 8. 1539 dem Kurfürsten, sie, die Visitatoren, hätten da größtenteils bereits evangelischen Gottesdienst angetroffen ( K a w e r a u I, 360). 8 1 ) S. o. S. 96. 8 2 ) Cochläus an den Dompropst Ernst von Schleinitz, Meißen, 6. 7. 1539: N B 4, 571 ff. 8 3 ) Cochläus an Faber, Meißen, 24. 6. 1539, bei F r i e d e n s b u r g : Z K G 18, 1898, S. 293 ff.
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Zweiter Teil: Konflikt zwischen Landesgewalt und Hochstift
Um nun seinen Anordnungen zur Erneuerung des Kirchenwesens überall die Durchführung zu sichern, plante Herzog Heinrich nach dem Vorbild der übrigen protestantischen Stände eine Visitation seines gesamten Gebietes. Es war f ü r ihn, da die Bischöfe von Meißen und Merseburg sich der Durchführung einer Reformation im lutherischen Sinne versagt hatten, nach dem Vorgange seiner ihm gleichgesinnten deutschen Standesgenossen eine Selbstverständlichkeit, daß er die Erkenntnisse Luthers seinerseits f ü r seine Lande in die Tat umsetzte, indem er die von seinen Vorgängern seit Generationen ausgeübten kirchenregimentlichen Funktionen zu einem vollen Kirchenregiment ausbaute. Über die Befugnisse der Bischöfe als geistlicher Oberhirten sich hinwegzusetzen, war f ü r Heinrich ebensowenig ein Problem wie f ü r seine lutherischen Standesgenossen. Schwierigkeiten bereitete jedoch die Frage, ob die Meißner und Merseburger Stiftsterritorien und das gottesdienstliche Leben an den Kathedralkirchen selbst mit in die Visitation einbezogen werden sollten. Fragen wir uns zunächst, welche Stellung die Protestanten, namentlich ihre Theologen, zu anderen derartigen Fällen in jenen Jahren eingenommen haben. H ä t t e man einfach einer Einziehung der geistlichen Territorien das Wort geredet, wie Luther das am Anfang teilweise getan hatte, so wäre damit auch das Problem der Religion in den Stiftslanden gelöst gewesen: sie hätten sich, so wie nun einmal die Entwicklung in der Reformationszeit gelaufen war, nach der Konfession ihrer neuen weltlichen Machthaber richten müssen. Aber davon waren die Wittenberger Theologen, wie wir sahen 84 , abgekommen. Sie wollten das Bestehen geistlicher Territorien anerkennen 85 . Mit dieser Anerkennung ging jedoch der Plan H a n d in H a n d , die Stifter im Innern den Forderungen der neuen Lehre entsprechend umzugestalten. Nicht Säkularisation, sondern Reformation war hinsichtlich der geistlichen Fürstentümer die Parole geworden 86 . Was die Durchsetzung solcher Pläne anbelangt, so dachten jedoch die evangelischen Stände, soweit nicht etwa einzelne Bischöfe von sich aus diese Neuerungen durchführen würden, im wesentlichen wieder nur an ein Zusammengehen aller Stände des Reichs und verwarfen Reformationen geistlicher Fürstentümer durch einzelne protestantische Reichsstände als unerlaubte Eingriffe in fremde Hoheitsrechte. So verurteilten die Wittenberger Theologen 1537 das Vorgehen der Stadt Augsburg, die in dem innerhalb ihrer Mauern gelegenen, aber nicht ihrer Hoheitssphäre angehörenden Domstift den alten Kultus abgeschafft hatte, indem sie eben dieses staatsrechtliche Verhältnis als Be-
84
) S. o. S. 3 f.
85
) Wie wir bereits erwähnten (s. o. S. 88), hat Luther das A n f a n g des Jahres 1539 sogar einmal speziell im Hinblick auf das Hochstift Meißen ausgesprochen. se
) Vgl. H e c k e 1 S. 12 f f .
3. Die erste Visitation
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gründung anführten 87 . Die hier auftretende grundsätzliche Stellungnahme ist wohl nicht ohne Rücksicht auf die realen Verhältnisse entstanden. Diesen Eindruck gewinnt man, wenn man 1538 Luther und Melanchthon in einem Gespräch mit Martin Bucer, der hier einen anderen Standpunkt vertrat, äußern hört, die Reformation geistlicher Fürstentümer sei zur Zeit zu gefahrvoll 88 . Das Gutachten, das Luther Herzog Heinrich Anfang Juli 1539 über die Frage der Ausdehnung der Visitation auf das Gebiet des Hochstifts Meißen erstattete 88 , ging andere Wege. Hier legte der Reformator dem Fürsten dar, daß er als Landesfürst und Schutzherr des Hochstifts Gott gegenüber die Schuldigkeit habe, die grewliche, schreckliche, Gottslesterliche abgotterey zu dempffen, wo mit es sein kan. Darum dürfe er in Meißen so wenig wie in Stolpen oder Würzen eine Winkelmesse dulden90. Doch könne man vorläufig die Stiftsgeistlichkeit — gedacht ist wohl vor allem an das Domkapitel zu Meißen, ferner wohl auch an die Kollegiatkapitel zu Stolpen und Würzen — weiter ihre Hören halten und unter sich predigen lassen, ob sie noch sich wolten erkennen, bis man sehe, wo es hinausgehe. Dieselbe Regelung hatte Luther in dem gleichen Gutachten unmittelbar vorher auch für die Klöster angeraten. Hinsichtlich des Hochstifts kann Luther dabei jedoch nicht umhin, ironisch zu bemerken, die Meißner hätten eigentlich wol ein bessers verdienet mit yhrem feinen buchlin, darin sie Christum zum narren vnd vns alle zu karten menlin zu machen sich vnterstanden. Weiterhin sollten auch die Stifts- ebenso wie die Klosteruntertanen visitiert werden, sonderlich weil sie schreien vnd solch begeren, sonst wolt es lauten, als wolt man sie verlassen. Die Reformationspflicht für das Hodistift Meißen spricht Luther dem Herzog also in dessen Eigenschaft als Landes- und Schutzfürst zu. Wenn er hier zu einem anderen Urteil kam als zwei Jahre früher beim Hochstift Augsburg, so liegt das also daran, daß er die staatsrechtlichen Verhältnisse beider Hochstifter als verschieden ansah, weil er im Falle Meißen die staatsrechtliche Auffassung seiner Landesfürsten zu der seinigen machte. Die den Visitatoren zugestellte Instruktion 91 gedachte der Reformation des Hochstifts Meißen in folgender Weise. Die Visitatoren hätten hier eine Versammlung des Kapitels einberufen zu lassen und dieser folgendes anzuzeigen: Den Kapitularen sei bekannt, daß der Stift Meissen dem hause zu ) K ö h 1 e r S. 58 ff. ) A.a.O. S. 113 f. 8 9 ) W A B 8, 482 f. 9 0 ) Auch der ernestinisdie Altkanzler Brück wollte die Beseitigung der altgläubigen Zeremonien auf die bischöflichen Städte ausgedehnt sehen (C. A . H . B u r k h a r d t , Geschichte der sächsischen Kirchen- und Schulvisitationen, 1879, S. 234). 9 1 ) Datiert vom 10. 7. 1539, gedruckt bei S e h l i n g , Kirchenordnungen 1, 257 ff. 8T 88
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Zweiter Teil: Konflikt zwischen Landesgewalt und Hochstift
Sachsen als desselben landes und schütz fursten zugethan und das die Stiftskirche zu Meissen in unstrm schlos und unter unser obrichait und aller gerichtbarkait gelegen were. D a r u m erkenne sich Herzog Heinrich von seines fürstlichen Amtes wegen vor Gott schuldig, hier ebenso wie sonst darauf zu achten, daß nichts getan werde, was vor Gott unrecht sei. Er habe nun gehofft, Bischof und Kapitel würden von selbst die größten Abgöttereien, namentlich Privatmesse, Kult der Heiligen, besonders Bennos, und falsche Lehre abstellen. Doch da nichts dergleichen geschehen sei, aus dem Katechismus des Bischofs vielmehr entnommen werden müsse, daß man alles beim Alten bleiben lassen wolle, sehe er sich genötigt, dem Kapitel seine Visitatoren zu schidien. Er begehre nun vom Kapitel und dem gesamten Stiftsklerus die Abstellung sämtlicher Messen genannter Art und jeder nicht mit der Augsburgischen Konfession und der Apologie derselben übereinstimmenden Lehre. Ferner solle der Stiftsklerus namentlich abbrechen lassen und beseit thun das erhoben bebstlich werek und greuel unter dem namen bischof Bennes und nach Übereinkunft mit den Visitatoren christliche Zeremonien einführen. Andernfalls könne er nicht umhin, von sich aus entsprechend vorzugehen 9 2 . Für diese Verhandlungen wird den Visitatoren noch besonders befohlen, etwaige Wünsche des Kapitels nach einer Bedenkzeit oder Mitteilung an den Bischof nicht zu gewähren 9 3 . Das Gutachten Luthers wurde also hier insofern sogar noch übertroffen, als die Lehre nach der Augsburgischen Konfession und die Einführung evangelischer Zeremonien im Dom verlangt wurde. Nachdem die Vorgänge der ersten auf den Regierungsantritt Herzog Heinrichs folgenden Wochen gezeigt hatten, daß das Hochstift Meißen jedweden Neuerungen des Landesherrn im Sinne Luthers von vornherein feindlich gegenüber stand, war nun in dem Plan der Visitation, dem Gutachten des Reformators und der den Visitatoren übergebenen Instruktion das Programm f ü r den Kampf aufgestellt worden, den die herzogliche Regierung daraufhin gegen das Stift zu eröffnen gewillt war. Dem Bischof sollte seine Jurisdiktion genommen, das Stift in eine evangelische Anstalt umgestaltet und die neue Religion womöglich auch im Stiftslande eingef ü h r t werden. Als weiteres Ziel hat man vielleicht jetzt schon einen evangelischen Episkopat vor sich gesehen, wie das denn später ernsthaft versucht wurde. Man gedachte also beim Hochstift Meißen offenbar etwa die Pläne zur Durchführung zu bringen, welche die Protestanten in jenen Jahren bei den Verhandlungen des Reiches als Gesamtlösung f ü r die geistlichen Territorien anregten, deren Verwirklichung ihnen aber im großen und ganS2 83
) A.a.O., S. 262 f. ) A.a.O., S. 263.
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zen aus machtpolitischen und rechtlichen Bedenken nicht angängig erschien94. Außer genannter Instruktion übergaben die sächsischen Fürsten — die Ernestiner Johann Friedrich und sein Bruder Johann Ernst weilten jetzt als Gäste bei Heinrich, um Vorbereitung und Beginn des Visitationswerks mit zu überwachen — den Visitatoren für das Domkapitel noch einen Kredenzbrief 85 , dem Johann Friedrich anscheinend selbst noch die Drohung angefügt hatte, falls das Kapitel der Anordnungen der Visitatoren nicht willfahren würde, so wurdet ir vns zu anderm cristlichen vnd billichen eynsehen vrsach geben. Das Visitationswerk wurde nun beim Hochstift Meißen begonnen. Die Fürsten waren zu Anfang selbst anwesend und versuchten zunächst — am 14. Juli — in einem Gespräch mit dem Bischof nochmals, diesen zu einer Anerkennung ihrer geplanten Änderungen zu gewinnen. Dieser Versuch mißlang natürlich 66 , und so trafen die Fürsten miteinander ein feierliches Abkommen, in dem sie ihren Entschluß bekräftigten, im Hochstift eine Visitation durchzuführen, und sich für sich und ihre Erben verpflichteten, bei allen Angriffen, die ihnen daraus erwachsen könnten, für einen Mann zu stehen97. Sie waren sich also der Gefährlichkeit dieses Werks durchaus bewußt. Daraufhin verhandelten am folgenden Tage die Visitatoren, bei denen sich noch der kursächsische Rat Hans von Padk befand, mit dem Kapitel 98 . Justus Jonas brachte das Begehr der Fürsten vor, wobei er speziell auch die Forderung nach Abschaffung des Zölibats wie der vota monastica überhaupt 94)
S. o. S. 120 f.
95)
Datiert Dresden, 12. 7. 1539, gedrudkt C D S R II, 3, S. 352 N r . 1408.
9e)
Justus Jonas an Fürst Joachim von Anhalt, Dresden, 17. 7. 1 5 3 9 : w e r a u I, 330 f.
Ka-
B7)
Copei des abschieds zu Meissen, den bischof doselbst belangende, datiert vom
14. 7. 1 5 3 9 : Dr. Loc. 8993 Gebrechen 1 5 4 0 — 1 5 4 2 , Bl. 173 ff. Wie aus einem Zettel Johann Friedrichs an Heinrich (a.a.O. Bl. 189) und dem Schluß des Briefes Johann Friedrichs an Heinrich vom 3. 10. 1539 (a.a.O. Bl. 168) hervorgeht, hat man diesen Abschied jedoch nicht unterschrieben. Die mehrfachen diesbezüglichen Mahnungen Johann Friedrichs (vgl. noch dessen Schreiben an Heinrich vom 7. 5. 1540, Ausf. a.a.O. Bl. 206 ff., und 28. 5. 1540, Ausf. a.a.O. Bl. 203) blieben erfolglos. So wurde auch hieran der bald eintretende Bruch zwischen den wettinischen Vettern offenbar. Daß die von Jonas (s. o. Anm. 96) erwähnte Verhandlung der Fürsten mit dem Bischof vor dem Abkommen lag, darf man wohl daraus schließen, daß in diesem weiterhin der bereits zurückliegenden Aussprache jener mit diesem über einen anderen Gegenstand — die Reichsstandsfrage, s. u. S. 131 ff. — gedacht ist. Im Zusammenhang mit dieser Frage ist wohl auch die religiöse Angelegenheit erörtert worden. 98)
Nach dem von Spalatins Hand geschriebenen Bericht an den Kurfürsten
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Z w e i t e r T e i l : K o n f l i k t zwischen Landesgewalt und Hochstift
namhaft machte". Die in der Instruktion enthaltene Forderung nach evangelischen Zeremonien wurde also reichlich weit gefaßt. Der Dekan Julius Pflug antwortete im Namen des Kapitels, zur Beratschlagung dieser Sache müßten sie erst ein Generalkapitel einberufen, auf dem sie dann beschließen wollten, was gottlich vnd christlich wäre. Außerdem gebühre die Visitation bei ihnen dem Bischof und sei ihr Stift von Kaiser Otto dem Großen gegründet und privilegiert; darum könnten sie sich nicht wider die vbung vnd gemeine rechte in eine fremde Visitation einlassen und bäten darum, sie mit dieser zu verschonen. Daraufhin unternahm Hans von Pack einen energischen Vorstoß: Sie hätten Befehl von den Fürsten und gäben sich mit einer dilatorischen Antwort nicht zufrieden. Zu dem Rechtsstandpunkt des Kapitels sei zu sagen, daß Verpflichtungen contra bonos mores nicht bänden, noch weniger gegen Gott und sein Wort. Als Pflug es bei dem vorher Gesagten bleiben ließ, erklärte Pack noch dringlicher, die Visitatoren hätten Befehl, wenn das Kapitel ihr Begehr ablehne, den Baal in irer kyrchen, den Bischof Benno und die Privatmessen, abzuschaffen. Pflug verwahrte sich gegen den Vorwurf des Baalskultes und bat, man möchte keine Gewalt brauchen. Hierauf schloß Pack das Gespräch mit der umwundenen Erklärung: man wurd sich der maßen und also erzeigen, das es für keyn gewalt anzuziehen. Daraufhin brachen in der folgenden Nacht gegen 3 Uhr auf Befehl der Fürsten, besonders des Kurfürsten 1 , Steinmetze in den Dom ein und machten in Gegenwart von Amtspersonen, wohl auch Bewaffneten, die Benno-Tumba samt dem Altar des Heiligen dem Pflaster gleich2. Eine hölzerne Statue des Heiligen wurde geköpft und im Schlosse oder Schloßhofe vor dem Dom aufgestellt, wo die Fürsten ihre besondere Freude daran ( K a w e r m I, 3 3 7 ff.), D a t i e r u n g nach dem erwähnten Briefe des Justus J o n a s an Joachim von Anhalt. D a m i t stimmt im wesentlichen überein der Beridit, den der Bischof 1 5 4 1 auf dem Reichstag zu Regensburg dem Kaiser einreichte ( C D S R II, 3, N r . 1423, S. 3 6 4 f . ) ; nur setzt der Bischof die Verhandlung auf den 14. Juli. D a aber J o n a s ' Brief an Joachim v o n A n h a l t unmittelbar nach den Ereignissen geschrieben ist, dürfte die hier gegebene D a t i e r u n g der in dem zwei J a h r e später entstandenen bischöflichen Bericht vorzuziehen sein. " ) Diese Punkte erwähnt J o n a s jedenfalls in dem oben A n m . 9 6 genannten Schreiben als in dem an das Hochstift ergangenen „ M a n d a t " enthalten. Ich nehme an, daß sie dann gleich zu Beginn der ersten Verhandlung mit vorgebracht worden sind. *) N a c h H e r z o g Heinrichs Biografen Freydiger, vgl. R ü 1 i n g S. 192. 2 ) Vgl. J o n a s an Joachim von A n h a l t (s. o. A n m . 9 6 ) und den Bericht des Bischofs an den Kaiser (s. o. A n m . 9 8 ) . Nach der von J o n a s gegebenen Datierung ergibt sich der frühe Morgen (3 U h r ) des sechzehnten Juli als Zeitpunkt der Z e r störung. Clemen ( W A B 8, 5 3 3 ) errechnet, obwohl er sich a u f dieselbe Quelle bezieht, meines Eraditens irrtümlicherweise den 15. Juli. Auch G r ö g e r S. 3 7 3 d a tiert die Zerstörung auf die N a c h t v o m 15. zum 16. Juli. Dabei, wie auch nochmals S. 3 9 9 , erklärt er übrigens dieses Ereignis als solches nur für wahrscheinlich; mir scheinen die Quellenangaben hierüber keinerlei Zweifel zu verdienen.
3. Die erste Visitation
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hatten 3 . Wurde nun von diesem Vernichtungswerk auch der Hauptgegenstand der Meißner Benno-Verehrung, die Reliquie des Heiligen, getroffen? Man muß von vornherein annehmen, d a ß die sächsischen Fürsten und ihr Anhang auf sie es besonders abgesehen hatten. U n d dieser Annahme entsprechen in der Tat mehrere Berichte. Am 17. Juli 1539, also bereits einen Tag nach dem Geschehnis, spricht Kaspar Cruciger in einem Briefe an Friedrich Myconius von der Zerstörung des Kultus und der Reliquien Bennos 4 . Genaueres darüber erzählt uns ein anderer Zeitgenosse, Sebastian Fröschel 5 : die Herzöge hätten Bennonis Beine in die Elbe geschüttet und geworffen. Ebenso leben diese Dinge noch im Jahre 1576 im Bewußtsein des Kurfürsten August; er wird sich seinerzeit als dreizehnjähriger Knabe mit großem Interesse von seinem Vater und Bruder haben erzählen lassen, wie die Gebeine Bennos mit einem großen Feldgeschrei vieler Trompeter in einem Kasten in die Elbe bei Meißen versenkt worden seien9. N u n werden aber die Reliquien Bennos bekanntlich bis zum heutigen Tag in der Frauenkirche zu München verehrt. Bei der Behauptung der Echtheit derselben stützt man sich katholischerseits auf die Urkunde, die darüber 1576 bei Überführung der Gebeine aus Sachsen nach Bayern von dem damaligen Meißner Bischof Johann I X . ausgestellt worden ist 7 . Dort heißt es, Johann V I I I . hätte die Reliquien, um sie vor dem Zugriff Herzog Heinrichs zu schützen, aus dem Meißner D o m in die Kapelle der Burg Stolpen gebracht. Ebenso, nur nicht mit der gleichen Bestimmtheit, äußerte sich Bischof Johann I X . kurz darauf dem Kurfürsten August gegenüber, der ihn wegen dieser Verkaufsangelegenheit zur Rede gestellt hatte 8 . N u n könnte man freilich an der Richtigkeit dieser Angaben Johanns IX., die so lange nach den Ereignissen liegen, zweifeln, zumal er mit ihnen einen bestimmten Zweck verfolgte. Doch werden diese, wenn wir der Darstellung eines alten Historikers trauen dürfen, bestätigt durch ein leider weder mir noch einem sonstigen Bearbeiter der Angelegenheit zu Gesicht 3 ) C D S R II, 3, S. 365 N r . 1423. H i e r heißt es, die Statue sei inn das schloß für die kirche gesetzt w o r d e n . 4 ) C R 3, 744. 5 ) I n : V o m Königreich Jesu Christi, W i t t e n b e r g 1566. Die Stelle ist wiedergegeben nach dem Abdruck dieser Schrift in: Unschuldige Nachrichten v o n alten und neuen theologischen Sachen, Jg. 1717, S. 12 f f . u n d f i n d e t sich d o r t S. 43. — A u g e n zeuge scheint Fröschel nicht gewesen zu sein. 6 ) So die W o r t e des K u r f ü r s t e n in einem Sdireiben an seine Räte, Glücksburg, 19. 9. 1576, nach der Wiedergabe bei K . v. W e b e r , D i e Reliquien des heiligen Benno u n d die N o n n e n im Kloster z u m heiligen K r e u z bei Meißen 1539: Aus vier J a h r h u n d e r t e n , N e u e Folge 1, 1861, S. 9. 7 ) G e d r u c k t in A c t a S a n c t o r u m , q u o t q u o t t o t o orbe coluntur, T o m u s J u n i i tertius, S. 203 f.; S. C a l l e s , Series Misnensium episcoporum, 1752, S. 3 5 7 — 3 6 0 ; G e r c k e S. 759. N a c h E. K l e i n , D e r heilige Benno, 1904, S. 174, b e f i n d e t sich diese U r k u n d e im Münchener Staatsarchiv. 8 ) K. v. W e b e r S. 11 f.
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Zweiter Teil: Konflikt zwischen Landesgewalt und Hochstift
gekommenes Schreiben Bischof Johanns V I I I . an seinen Merseburger Amtsgenossen, das am 21. J u l i 1539, also wenige Tage nach dem Geschehnis abgefaßt sein soll 9 . Außerdem werden sie durch zwei meines Erachtens sehr gewichtige argumenta e silentio gestützt: A u f dem Reichstag zu Regensburg 1541 gab Bischof J o h a n n V I I I . dem Kaiser in einer umfangreichen Beschwerdeschrift über das kirchenzerstörende Vorgehen Herzog Heinrichs und Kurfürst Johann Friedrichs u. a. eine genaue Schilderung der Meißner Geschehnisse von Mitte Juli 1539 1 0 . Dabei berichtet er eingehend von der Zerstörung des Bennograbmals; über das Schicksal der Gebeine des Heiligen wird jedoch dabei kein W o r t gesagt. Man kann sich wohl kaum denken, daß der Bischof die Erwähnung eines so schwerwiegenden Anklagepunktes unterlassen hätte. Dazu kommt ein Schreiben des Cochläus an Farnese vom 5. August 1539, also unmittelbar nach jenen Ereignissen entstanden 1 1 . Hier wird mit bewegten Worten geklagt, daß der so einzigartig reiche Gottesdienst im Meißner D o m sein Ende gefunden habe und zwar einesteils durch die Zerstörung des Benno-Altars — ein Reliquienfrevel wird nicht erwähnt! 1 2 — , andernteils durch die Anordnungen Herzog Heinrichs 1 3 . Schließlich scheint mir auch noch in einer zeitgenössischen Flugschrift aus lutherischen Kreisen gesagt zu werden, daß die Benno-Reliquie verschwunden gewesen sei, kurz ehe ihre Vernichtung von protestantischer Seite habe erfolgen können 1 4 . Die bischöflichen Beauftragten müssen jedoch, als sie die Benno-Reliquien in Sicherheit brachten, an ihrer Stelle wohl andere Ge9 ) Dieses Schreiben ist erwähnt in dem anonymen Aufsatz „Kurtze Historische Erzehlung von des Stiffts Merseburg Kriegs- und Friedens-Standt seit 1477": J. Ch. H a s c h e , Magazin der Sächsischen Geschichte 2, 1785, S. 398. Der Verfasser hat, wie aus einigen Stellen hervorgeht, archivalisdie Quellen benutzt, fußt also möglicherweise auch im vorliegenden Falle auf einer solchen. 1 0 ) CDSR II, 3, Nr. 1423. " ) Datiert aus Stolpen, gedruckt NB 4, 578 ff. 1 2 ) Auch sonst führten die Domherren als Grund für das von ihnen freiwillig übernommene Interdikt nur die Zerstörung des Benno-Grabes, nicht die Entfernung der Gebeine an, vgl. den oben Anm. 96 erwähnten Brief des Justus Jonas an Joachim von Anhalt vom 17. 7. 1539 und den Bericht der Visitatoren vom 6. 8. 1539 (K a w e r a u I, 334 ff.). 1 3 ) Soviel ich sehe, sind diese argumenta e silentio bisher noch nirgends beachtet worden. 1 4 ) Es ist dies die Warhafftige newe Zeitung von dem Abgot zu Meissen und seinem nachbarn, dem schwartzen Hergott zu Dresden (wieder gedruckt bei J. Ch. H a s c h e , Magazin der sächsischen Geschichte 1, 1784, S. 19 ff., aber auch im Originaldruck von 1539 noch vorhanden, z. B. in der Sächsischen Landesbibliothek Dresden, verfaßt von einem gewissen Günther Strauß in Form eines satirischen Gedichts. Hier wird ein Zwiegespräch zwischen Benno und dem Schwarzen Herrgott geschildert über die aus der neuen Lehre für sie sich ergebende Gefahr. Benno rät, der neuen Lehre zu weichen, nach Rom zu gehen, beim Papst zu klagen u. a. Als der Schwarze Herrgott erkannt habe, daß auch er „sein Nest" räumen müsse, habe er zu Benno gesprochen, es gefiele ihm sein Rat, das wir verlassen unser hol [Höhle], eh dann man uns zum landt ausiagt. Nun heißt es weiter: Als bald
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beine in das Meißner Prunkgrab gelegt haben, die dann bei der lutherischen Visitation als die vermeintlich echten im Triumph in die Elbe versenkt wurden 15 . Denn man wird doch schwerlich jene Nachrichten von der Versenkung auf ein leeres Gerücht zurückführen können. Immerhin müßte aber dann die Nachricht von jener Auswechselung der Gebeine in einzelnen protestantischen Kreisen bald durchgesickert sein, sonst wäre die erwähnte Flugschrift nicht möglich gewesen. Eine Schwierigkeit liegt dabei freilich in der Tatsache, daß die Kunde von einer solchen Auswechselung den albertinisdien Hof nicht erreicht zu haben scheint. Nach diesen dramatischen Ereignissen verließen die Fürsten Meißen. Die Visitatoren unternahmen am 16. oder 17. Juli nochmals einen vergeblichen Vorstoß beim Kapitel. Sie mußten sich schließlich damit begnügen, demselben die Wiederaufnahme gottesdienstlicher Handlungen, die dieses, wohl wegen der durch die Zerstörung des Benno-Grabmals geschehenen Entweihung des Domes, von selbst fallen gelassen hatte, zu verbieten, es sei denn, die Domherren setzten sich mit dem Meißner Superattendenten in Verbindung, der dieser hendel bevelhaber sei16. Diesem Verbot sind die Domherren auch nachgekommen 17 . Außer der fürstlichen Autorität wird sie dazu auch die Stimmung des breiten Volkes bewogen haben, dessen Abneigung gegen die altgläubige Geistlichkeit sich geradezu in Tätlichkeiten zu entladen drohte. So erfahren wir, daß der Herzog unmittelbar nach dem Abschluß des Visitationswerks in Meißen dem dortigen Stadtrat befehlen mußte, geer diese red gesagt, da warens auf, es was recht zeit, sonst hett man sie zum land ausgheit. Anscheinend handelt es sich dabei um die Reliquien der Heiligen, nicht ihre Standbilder, denn jedenfalls das Benno-Standbild wird ja, wie wir sahen, bei der Visitation nodi vorgefunden, malträtiert und — nach einem Schreiben des Meißner Dompropstes E. v. Schleinitz an Bischof Faber in Wien (Dresden, 27. 7. 1539, wiedergegeben N B 4, 578 Anm.) — in die Elbe geworfen. Strauß schließt mit der Feststellung: So seien Meißen und Dresden ihre Götzen losgeworden. 15 ) Das nimmt als Möglichkeit auch O . L a n g e r (MM 2, 1891, S. 139) an. le ) Jonas, Creutzen, Spalatin an den Kurfürsten und Herzog Johann Ernst, 6. 8. 1539: K a w e r a u I, 334 f f . ; vgl. dazu C D S R II, 3, S. 365 N r . 1423. R ü t i n g , S. 69, behauptet, — hierin o f f e n b a r auf F a b r i c i u s , Rerum Misn. S. 192 zurückgehend —, die Visitatoren hätten ferner den Domherren eröffnet, sie sollten sich bedenken, ob sie ein evangelisches Lehr- oder Kirchenamt übernehmen wollten. D a n n könnten sie in der Stadt bleiben. Sonst werde' man sie ungehindert abziehen lassen. Doch erwähnen die Visitatoren in dem genannten amtlichen Bericht davon nichts. L o o s e (MM 2, 1891, S. 361) meint, die Angaben Rülings über die Vorgänge bei der Visitation in Meißen (auch im Hochstift?) am 16. und 17. 7. 1539 entbehrten jeder Begründung. 17 ) C D S R II, 3, S. 365 N r . 1423 und der oben Anm. 96 erwähnte Brief des Justus Jonas an Joachim von Anhalt vom 17. 7. 1539. E. K l e i n S. 170 f. meint zwar, es scheine, „daß wenigstens in dem durch einen hohen steinernen Lettner gegen das Kirchenschiff vollständig abgeschlossenen hohen Chore der Kathedrale der katholische Gottesdienst noch eine Zeitlang f o r t g e f ü h r t werden d u r f t e " . Doch habe ich nirgends einen Hinweis gefunden, der diese Vermutung rechtfertigen könnte; auch Klein gibt keine Begründung d a f ü r .
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Zweiter Teil: Konflikt zwischen Landesgewalt und Hochstift
gen Aufruhrlustige mit aller Strenge vorzugehen; er, der Herzog, gebiete, daß dem Klerus nichts getan werde18. Während dieses ihres Aufenthaltes in Meißen gingen die Visitatoren auch daran, das Kirchenwesen der Stadt Meißen und ihrer Klöster im evangelischen Sinne zu regeln. Hierbei trafen sie das mit dem Hodistift ja von altersher18 eng verbundene Afrakloster bereits im Zerfall. Von seinen wenigen Insassen erklärte sich nur einer für die alte Kirche und wanderte aus. Zwei der Afra-Mönche traten noch im gleichen Jahre in den lutherischen Kirchendienst20. Auf die Visitation der Stadt Meißen folgte auf einer etwa sechswöchigen Rundreise die der übrigen namhafteren Städte des meißnischen21 albertinischen Sachsen22; die kleinen Städte und Dörfer wurden, da diese erste Visitation möglichst rasch gehen sollte, nicht an Ort und Stelle visitiert 23 , sondern ihre Pfarrgeistlichkeit und die Vorsteher ihrer Klöster jeweils in die nächste von den Visitatoren berührte Stadt beschieden. Unter diesen Umständen konnte naturgemäß das Visitationswerk kein gründliches sein. In den Städten zwar wurden fähige neue Pfarrer und Diakone eingesetzt 24 ; auf dem Lande blieben jedoch die kirchlichen Verhältnisse im allgemeinen die alten. Die Landpfarrer erschienen vor den Visitatoren in Gruppen zu 20 bis 30, wurden lediglich gegen Beibehaltung der römischen Mißbräuche verwarnt und blieben so gut wie sämtlich auf ihren Stellen; der Mangel an geeigneten neuen Kräften und das Fehlen von Geldmitteln zur Pensionierung der untauglichen alten wirkte dabei mit. Zahlreiche Klöster — darunter mehrere, die von alters her der Visitation des Meißner Bischofs unterstanden25 —, erklärten, den Anordnungen der Visitatoren gehorchen zu wollen. Dennoch waren sich diese darüber im klaren, das die monche nit des weniger seer vil practiken machen vnd wider die gotlich lere vorbitert sind vnd bleiben26. Durch die von den Visitatoren vorgenom1 8 ) Heinrich an den Rat zu Meißen, 18. 7. 1539, gedruckt bei L o o s e : MM 2, 1891, S. 375. 1 9 ) S. o. S. 19. 2 0 ) G r ö g e r S. 373 ff.; R ü 1 i n g S. 71 ff., 197 ff. 2 1 ) Das albertinische Thüringen, das durch eine andere Kommission etwa gleichzeitig visitiert wurde, bleibt für uns außer Betracht, da es außerhalb der Diözese Meißen lag. M ) Die Reiseroute der Visitatoren ist u. a. aufgezeigt bei S e h 1 i n g , Kirchenordnungen I, 86. 2 3 ) So jedenfalls nach der oben Anm. 22 zitierten Reiseroute und dem Abschlußbericht der Visitatoren an Herzog Heinrich vom 29. 8. 1539 ( K a w e r a u I, 350 ff.); nach B r a n d e n b u r g : N A 17, 1896, S. 195 f. sind jedoch einige von ihnen „gelegentlich" mit herangezogen worden. 2 4 ) Jonas und Spalatin an Johann Friedrich und Johann Ernst, 1. 9. 1539: K a w e r a u I, 362. In den Städten, heißt es hier, seien „hin und wieder" wolgeschickte Pfarrer und Diakone eingesetzt worden. Heißt das „überall" oder „mancherorts"? 2 5 ) Vgl. S t a r k e : MM 8, 1913, S. 305. Justus Jonas an Johann Friedrich, 29. 8. 1 5 3 9 : K a w e r a u I, 359.
3. Die erste Visitation
129
mene Einsetzung von Superintendenten27 wurde bereits begonnen, die althergebrachte, vom Bischof abhängige kirchliche Organisation durch eine neue zu ersetzen. Alles in allem war jedoch eine lutherische Reformation des Kirchenwesens durch diese Visitation nur sehr bruchstückhaft erreicht28. Die Visitatoren selbst waren sich darüber am allerwenigsten im unklaren. So schilderte Justus Jonas kurz nach seiner Rüdekehr aus dem albertinischen Sachsen dem Kurfürsten Johann Friedrich in bewegten Worten, wie noch viel hundert29 papisten pfarrer do sitzen, gesammlet bapsts hefe vnd grundsuppe aus allen lendern, vnd seind ihr lere vnd lebens nichts vorhort noch examinirt, werden durch den aufzug nur in ihrem muttwillen gesterket. Vnd haben sich iren viel auch albereit hören vnd vornhemen lassen, sie hatten gemeynt, der platzregen der Visitation worde sterker gewesen sein . . . 30 . Daß die adligen Patrone hinter solchen widerspenstigen Pfarrern standen, ist in Anbetracht der Haltung, die der albertinische Adel in der religiösen Frage überhaupt einnahm, nicht verwunderlich81. Auch der kurz zuvor erlassene bischöfliche Hirtenbrief 32 mag dabei mitgewirkt haben 33 . Noch weniger geschah gegen das alte Kirchenwesen im Stiftsterritorium. Eine eigentliche Visitation wurde hier nicht vorgenommen34, Luthers dahingehende Forderung also im ganzen außer acht gelassen. Der Grund dafür wird die Scheu vor politischen Verwicklungen gewesen sein, zumal seit einige in einem ähnlichen Abhängigkeitsverhältnis wie die Bischöfe zum wettinischen Staate stehende Grafen gegen eine Ausdehnung der Visitation auf ihr Gebiet unter Hinweis auf ihre reichsfürstliche Stellung energisch protestiert hatten 35 . Es wurden nur ganz vereinzelt an Kirchen, die der weltlichen Obrigkeit des Bischofs unterstanden, reformatorische Maßnah27)
Vgl. S. I ß 1 e i b : B S K G 19, 1905, S. 176. Ober die erste albertinisdie Visitation vgl. S e h l i n g I, 86 ff.; B u r k h a r d t S. 2 3 4 ff., 231 ff.; I ß 1 e i b S. 170 ff.; H e r i n g S. 55 ff.; B r a n d e n b ü r g a.a.O. S. 195 f.; die Briefe des Justus Jonas und teilweise auch der übrigen Visitatoren: K a w e r a u I, 3 3 9 ff. N r . 444, 453, 455, 4 5 6 , 457. 2S)
2 9 ) Luther schreibt am 19. September 1539 an den Kurfürsten von über 5 0 0 papistischen Pfarrern ( W A B 8, 551 ff.), wohl auch nur eine ganz oberflächliche Schätzung. 30)
Jonas an Kurfürst Johann Friedrich, 12. 9. 1 5 3 9 : K a w e r a u I, 364. B r a n d e n b u r g a.a.O., S. 196. 3 2 ) S. o. S. 116. 33) B r a n d e n b u r g a.a.O. 3 4 ) Bischof von Meißen an Heinrich von Braunschweig, Stolpen, 2. 9. 1 5 3 9 : Abschr. D r . Loc. 9 0 2 4 Bischof zu Merseburg und Meißen 1 5 3 9 — 1 5 4 2 , Bl. 84b f. Hier schreibt der Bischof, die Visitatoren hätten die Gebiete, an denen ihm die weltliche Herrschaft zustehe, verschont. 31)
3 5 ) Schon die Instruktion für die Visitatoren erwähnte das Stiftsgebiet außer der Meißner Domkirche nicht. Dennoch stellten die Wettiner noch in ihrem „Abschied zu Meißen" v o m 14. 7. 1 5 3 9 (s. o. S. 123 Anm. 9 7 ) ihren Entschluß fest, in Stiftskirche und Stift Meißen (unter dem letzteren kann doch wohl bei dieser Zusammenstellung nur das Stiftsterritorium gemeint sein) eine Visitation durch-
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Zweiter T e i l : Konflikt zwischen Landesgewalt und Hochstift
men durchgeführt. Vor allem lag den Fürsten begreiflicherweise daran, daß der Dom zu Meißen, die Hauptkirche der Diözese, zu einer Stätte evangelischen Gottesdienstes werde. Den Visitatoren waren hier, wie wir sahen, nur negative Maßnahmen gelungen. Doch hat anscheinend seitdem Herzog Heinrichs Hofprediger Paul Lindenau hier einige Wochen evangelische Predigttätigkeit ausgeübt. An seine Stelle trat in der zweiten Hälfte des August — ebenfalls vorübergehend — Nikolaus von Amsdorf, von Herzog Heinridi nach seiner Mithilfe bei der Reformation der Universität Leipzig hierher gerufen. Er erstattete dem Landesherrn ein Gutachten, wie man den Dom, der jetzt ganz wüste stehe, mit dem gesamten ihm zur Ausübung des Gottesdienstes zugeeigneten Besitz zum rechten waren gotsdinst verwenden könne. Leider ist diese Denkschrift, soviel ich sehe, bis jetzt nicht bekannt geworden. Ein sofortiger Erfolg dieser Vorschläge, die offenbar die Einrichtung eines evangelischen Domgottesdienstes vorsahen, der dem römischen in der Mannigfaltigkeit der Ausgestaltung irgendwie entsprach, ist nicht festzustellen; erst geraume Zeit später werden derartige Pläne Gegenstand der Verhandlung 36 . Zunächst schuf man nur das Amt eines ständigen evangelischen Dompredigers; es wurde seit dem Spätherbst 1539 erstmalig von einem gewissen Sebastian Steude bekleidet, aber von 1540 ab dem jeweiligen Meißner Superintendenten mit übertragen 37 . Eine weitere evangelische Predigerstelle innerhalb des Stiftslandes errichtete der sächsische Kurfürst zuführen. Dem entspricht, daß, wie H e r i n g S. 86 mitteilt, erst nach Weigerung der Grafen den Visitatoren die Weisung erteilt wurde, deren Gebiet sowie das der Bischöfe unberührt zu lassen. — F r a u s t a d t (S. 87) vermutet, daß die Grafen bei ihrem Protest im Einvernehmen mit den Bischöfen handelten. 3 6 ) Nikolaus von Amsdorf an Herzog Heinrich, Meißen, 20. 8. 1 5 3 9 : Ausf. Dr. Loc. 9024 a.a.O. Bl. 10 f.; vgl. E. J . M e i e r , Nie. von Amsdorfs Leben, in: Das Leben der Altväter der lutherischen Kirche, hg. v. Moritz Meurer, Bd. 3, 1863, S. 162 f. Die Denkschrift Amsdorfs selbst ist mir leider weder in dem genannten Aktenbande noch sonst entgegengetreten; sie scheint auch keinem der bisherigen D a r steller vorgelegen zu haben. — Die Behauptung I ß 1 e i b s (a.a.O. S. 171 f.), Amsdorf habe damals den evangelischen Gottesdienst im Meißner Dom eingerichtet, läßt sich m. E. nicht halten. Denn evangelische Gottesdienste haben wohl vor ihm schon mehrere darin stattgefunden. Darüber hinaus hat aber, wie aus späteren Verhandlungen hervorgeht (s. u. S. 149 ff.), auch Amsdorf nichts erreicht. D a ß vor seinem Antritt bereits ein lutherischer Domprediger da war — und zwar eben wohl Lindenau — ergibt sich auch aus dem Schreiben des Bischofs von Meißen an Herzog Heinrich von Braunschweig vom 28. 7. 1 5 3 9 : Abschr. D r . Loc. 9024 a.a.O. Bl. 82. 3 7 ) Der Zeitpunkt des Amtsantritts Steudes ergibt sich aus einem Briefe des Bischofs von Meißen (Verfasserschaft nicht sicher, aber wahrscheinlich) an Fabri vom November 1539 ( N B 6, 235 f.) und einem solchen desselben an denselben vom 10. Dezember 1539 ( N B 6, 237 ff.). Nach dem erstgenannten Schreiben fehlt ein lutherischer Domprediger noch, im zweiten wird seine gewaltsame Einsetzung berichtet. Über Steudes Lebensgang vgl. G r ü n b e r g , Sächsisches Pfarrerbuch, Bd. 2, S. 9 0 8 ; W A B 9, 500 f. Nach R ü l i n g S. 106 war der baldige Weggang Steudes verursacht durch die Mißhelligkeiten, die diesem von der „papistischen
4. Der Streit um die Reichsstandschaft des Hochstifts
131
1539 in Würzen, jedoch nicht an der dortigen Kollegiatstiftskirche, sondern an der Stadtkirche St. Wenzel. Der erste evangelische Pfarrer, Johann Hofmann, trat am 12. September 1539 hier an. Wir hören, daß sich die Bürgerschaft mit Eifer zu seinen Predigten hielt 38 . Im Stiftskapitel trat immerhin einer der Domherren mit seiner lutherischen Haltung offen hervor, indem er sich verheiratete 39 . Wenn sodann dem Priester des Stiftsdorfes Brießnitz bei Dresden verboten wurde, die Messe nach römischem Ritus zu zelebrieren 40 , so scheint den Anlaß dazu ein diesbezügliches Ersuchen der Bewohner an den Herzog gegeben zu haben 41 , auch die Lage dieses Dorfes inmitten herzoglichen Gebietes mag dabei mitgesprochen haben. Ferner erfahren wir, daß der Pfarrer zu Altenmügeln, das gleichfalls der weltlichen Obrigkeit des Bischofs unterstand, sich der Reformation anschloß. Die Visitatoren hatten ihn zum evangelischen Pfarrer bestallt, da der größte Teil seines Sprengeis im Herzogtum lag. E r wurde jedoch vom Bischof entfernt 42 . 4. D e r S t r e i t stifts
um
die
Reichsstandschaft
des
Hoch-
Die erste Visitation im albertinischen Sachsen hatte das alte Kirchenwesen vielerorts praktisch noch bestehen lassen und damit dem Bischof von Meißen noch eine gewisse Möglichkeit des Wirkens erhalten. Dennoch zeigt Klerisei" bereitet worden seien. Über die Zusammenlegung des Dompredigeramtes mit dem Meißner Superintendenten-Amt seit 1540 vgl. G r ü n b e r g I, 418. 3 8 ) Kurfürst Johann Friedrich an den R a t zu Würzen, Torgau, 9. 5. 1540, gedruckt bei J . L. P a s i g , Kurze Geschichte der Reformation und der Stadt Würzen, 1839, S. 44 f f . ; vgl. ferner P a s i g S. 39 f., 42; Chr. S c h ö t t g e n , Historie der chursädisischen Stiftsstadt Würzen, Leipzig 1717 (es wurde das Exemplar der sächsischen Landesbibliothek Dresden mit handschriftlichen Bemerkungen benutzt), S. 2 9 3 ; G r ü n b e r g I I , 3 6 5 ; das Schreiben des Bischofs von Meißen an Fabri, Stolpen, 16. 10. 1539: N B 6, 233 f. Anscheinend wurde dem Stadtpfarrer Hofmann auch 1539 bereits ein evangelischer Diakonus beigegeben: G r ü n b e r g I I , 567, vgl. I, 6 9 5 ; C . G. D i e t m a n n , Die gesamte der ungeänderten Augsburgischen Confession zugethane Priesterschaft in dem Churfürstentum Sachsen, Bd. 5, 1763, S. 668. Nadi Oswald R i c h t e r , Ober die Verdienste des sächsischen Fürstenhauses um die Aufhebung des Bistums Meißen in dem Zeiträume von 1539—1555, Progr. Döbeln 1874, S. 10, gab ein Gesuch des Rates zu Würzen dem Kurfürsten die Veranlassung zum Eingreifen. ) Bischof von Meißen an Fabri: N B 6, 233 f. ) A.a.O. 4 1 ) Damit begründet der Herzog jedenfalls acht Wochen später dem Bischof gegenüber sein Vorgehen (Schreiben vom 15. 12. 1539: Konzept D r . Loc. 10 593 Visitationsacta 1539, Bl. 169 f.). 4 2 ) Urban Klaus, „pfarher zu Mogeln", an den Bischof von Meißen, 2. 11. 1539: Ausf. Dr. a.a.O. Bl. 167; Herzog Heinrich an den Bischof von Meißen, 17. 12. 1539: Ausf. a.a.O. Bl. 168; vgl. dazu das Schreiben der Pfarrkinder und Kirchväter zu Altenmügeln an die Visitatoren vom 20. 2. 1540: Ausf. a.a.O. Visitationsacta 1540, Bl. 15 f. 30
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4. Der Streit um die Reichsstandschaft des Hochstifts
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1539 in Würzen, jedoch nicht an der dortigen Kollegiatstiftskirche, sondern an der Stadtkirche St. Wenzel. Der erste evangelische Pfarrer, Johann Hofmann, trat am 12. September 1539 hier an. Wir hören, daß sich die Bürgerschaft mit Eifer zu seinen Predigten hielt 38 . Im Stiftskapitel trat immerhin einer der Domherren mit seiner lutherischen Haltung offen hervor, indem er sich verheiratete 39 . Wenn sodann dem Priester des Stiftsdorfes Brießnitz bei Dresden verboten wurde, die Messe nach römischem Ritus zu zelebrieren 40 , so scheint den Anlaß dazu ein diesbezügliches Ersuchen der Bewohner an den Herzog gegeben zu haben 41 , auch die Lage dieses Dorfes inmitten herzoglichen Gebietes mag dabei mitgesprochen haben. Ferner erfahren wir, daß der Pfarrer zu Altenmügeln, das gleichfalls der weltlichen Obrigkeit des Bischofs unterstand, sich der Reformation anschloß. Die Visitatoren hatten ihn zum evangelischen Pfarrer bestallt, da der größte Teil seines Sprengeis im Herzogtum lag. E r wurde jedoch vom Bischof entfernt 42 . 4. D e r S t r e i t stifts
um
die
Reichsstandschaft
des
Hoch-
Die erste Visitation im albertinischen Sachsen hatte das alte Kirchenwesen vielerorts praktisch noch bestehen lassen und damit dem Bischof von Meißen noch eine gewisse Möglichkeit des Wirkens erhalten. Dennoch zeigt Klerisei" bereitet worden seien. Über die Zusammenlegung des Dompredigeramtes mit dem Meißner Superintendenten-Amt seit 1540 vgl. G r ü n b e r g I, 418. 3 8 ) Kurfürst Johann Friedrich an den R a t zu Würzen, Torgau, 9. 5. 1540, gedruckt bei J . L. P a s i g , Kurze Geschichte der Reformation und der Stadt Würzen, 1839, S. 44 f f . ; vgl. ferner P a s i g S. 39 f., 42; Chr. S c h ö t t g e n , Historie der chursädisischen Stiftsstadt Würzen, Leipzig 1717 (es wurde das Exemplar der sächsischen Landesbibliothek Dresden mit handschriftlichen Bemerkungen benutzt), S. 2 9 3 ; G r ü n b e r g I I , 3 6 5 ; das Schreiben des Bischofs von Meißen an Fabri, Stolpen, 16. 10. 1539: N B 6, 233 f. Anscheinend wurde dem Stadtpfarrer Hofmann auch 1539 bereits ein evangelischer Diakonus beigegeben: G r ü n b e r g I I , 567, vgl. I, 6 9 5 ; C . G. D i e t m a n n , Die gesamte der ungeänderten Augsburgischen Confession zugethane Priesterschaft in dem Churfürstentum Sachsen, Bd. 5, 1763, S. 668. Nadi Oswald R i c h t e r , Ober die Verdienste des sächsischen Fürstenhauses um die Aufhebung des Bistums Meißen in dem Zeiträume von 1539—1555, Progr. Döbeln 1874, S. 10, gab ein Gesuch des Rates zu Würzen dem Kurfürsten die Veranlassung zum Eingreifen. ) Bischof von Meißen an Fabri: N B 6, 233 f. ) A.a.O. 4 1 ) Damit begründet der Herzog jedenfalls acht Wochen später dem Bischof gegenüber sein Vorgehen (Schreiben vom 15. 12. 1539: Konzept D r . Loc. 10 593 Visitationsacta 1539, Bl. 169 f.). 4 2 ) Urban Klaus, „pfarher zu Mogeln", an den Bischof von Meißen, 2. 11. 1539: Ausf. Dr. a.a.O. Bl. 167; Herzog Heinrich an den Bischof von Meißen, 17. 12. 1539: Ausf. a.a.O. Bl. 168; vgl. dazu das Schreiben der Pfarrkinder und Kirchväter zu Altenmügeln an die Visitatoren vom 20. 2. 1540: Ausf. a.a.O. Visitationsacta 1540, Bl. 15 f. 30
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Zweiter Teil: K o n f l i k t zwischen Landesgewalt und Hochstift
sie, daß der Landesfürst an der Arbeit war, die Kirche seines Territoriums dem bischöflichen Regiment zu entziehen. Die im Visitationswerk jetzt noch offenen Lücken konnten bald geschlossen werden, und dann war es um die Jurisdiktion dieses geistlichen Oberhirten in dem wichtigsten Teil seines Sprengeis geschehen. Dazu hatte man, was natürlich f ü r das Hochstift besonders schmerzlich war, mit dem Verbot des alten Gottesdienstes im Meißner Dom und der Einsetzung eines evangelischen Dompredigers angefangen, das Kirchenwesen im Stiftsgebiet selbst dem Bischof zu entfremden. Weitere Nöte ergaben sich f ü r das Hochstift im Sommer und Herbst 1539 von ganz anderer Seite her. Herzog Heinrich und seine Helfer hatten bei ihrem Kampf gegen das Hochstift, soviel wir sehen können, nur dessen geistlichen Aufgabenbereich im Auge gehabt, wenn auch das staatsrechtliche Gebiet schon durch Ausdehnung der Visitation auf die Kathedralkirche mit berührt wurde. Eine Änderung der staatsrechtlichen Stellung des Stifts Meißen lag jedoch allem Anschein nach wenigstens zunächst nicht in ihrem Programm. Namentlich eine grundsätzliche Erörterung dieses Themas haben sie sicherlich eher gescheut als herbeigesehnt. Dennoch entstand jetzt um die stiftische Reichsstandschaft ein hartnäckiger Streit. Er wurde ausgelöst durch den Bischof selbst, der in der reichsunmittelbaren Stellung seines Stifts eine W a f f e gegen die religiösen Bestrebungen Herzog Heinrichs zu haben meinte. Bischof Johann nahm zusammen mit seinem Merseburger Amtsgenossen diese W a f f e auf, indem er gemeinsam mit diesem entgegen dem Brauch der letzten Jahrzehnte 4 3 die kleine Reichsversammlung zu Worms im Juni 1539 durch einen besonderen Gesandten beschickte 44 , anstatt dem Herkommen nach den albertinischen Gesandten mit seiner Vertretung zu beauftragen. Das Erscheinen dieses bischöflichen Vertreters, eines gewissen Christoph von Könneritz, im Fürstenkollegium des Reichstages hatte natürlich den lebhaften Protest seitens des herzoglich sächsischen Abgesandten Georg von Schleinitz zur Folge. Dieser verlangte unter Hinweis auf die herkömmliche Vertretung der sächsischen Bischöfe durch die Wettiner in den Angelegenheiten des Reiches die Entfernung des Christoph von Könneritz aus der Versammlung. Könneritz entgegnete, die Bischöfe seien als Reichsfürsten stets zu den Reichstagen geladen worden und hätten ebenso die Reichsanlagen bezahlt; darum bestehe er auf seiner Teilnahme an den Beratungen. Der mit Leidenschaft geführte Streit 45 wurde vorläufig vertagt: Die Ge43
) S. o. S. 25 f. ) F r a u s t a d t S. 89 ordnet die Wormser Reichstagsbeschickung zeitlich und sachlich völlig unrichtig ein. Es scheint ihm gar nicht b e w u ß t geworden zu sein, daß die S. 83 v o n ihm geschilderten Verhandlungen der Bischöfe untereinander und mit K ö n i g Ferdinand erst die Folge dieser Reichstagsbeschickung waren. 45 ) Christoph v o n der Straß an die Bischöfe, Speyer, 16. 6. 1539: Abschr. D r . Loc. 8993 Reichsstand der Bischöfe, Bl. 41 f f . : es sei „rauch Zugängen"; Schleinitz habe Könneritz mit der U n g n a d e der sächsischen Fürsten gedroht. 44
4. Der Streit um die Reichsstandsdiaft des Hochstifts
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sandten der Fürsten erklärten sich ebenso wie die der Kurfürsten am Tage darauf, an dem sich der ganze Streitfall noch einmal vor dem Plenum wiederholte, in dieser Sache f ü r nicht entscheidungsberechtigt und nahmen lediglich das Vorbringen beider Teile zu den Reichsakten. Könneritz nahm an den Verhandlungen weiterhin teil 46 . Jetzt konnten natürlich auch die sächsischen Fürsten die Frage der Reichsstandschaft der Hochstifter nicht mehr auf sich beruhen lassen. Der unklare, gewissermaßen gewohnheitsrechtliche Zustand, der sich zwischen den Stiftern und dem meißnisch-sächsischen Staate im Mittelalter diesbezüglich gebildet hatte, konnte eben nicht fortbestehen, nachdem beide Teile über der religiösen Frage in schärfsten Gegensatz zueinander geraten waren. Jeder der Beteiligten drängte darauf, ihn in seinem Sinne zu lösen. Gelang dies nicht, so mußte jeder von ihnen auch gerade in der religiösen Frage die unangenehmsten Rückwirkungen erwarten 4 7 . D a r u m geht es auch beim Streit um die Reichsstandschaft der Hochstifter Meißen und Merseburg im Grunde um die religiöse Angelegenheit. Dessen werden sich Kurfürst Johann Friedrich und Herzog Heinrich bewußt gewesen sein, als sie vom Meißner Bischof in einem scharfen Schreiben vom 18. Juni 15 3 9 48 , in dem sie ihm vorhielten, daß er dem zwischen Sachsen und dem Stift seit langem geübten Brauche zuwider gehandelt habe, die sofortige Zusage verlangten, sich fürder des Reichstagsbesuches zu enthalten, damit sie nicht genötigt seien, selbst die wege zu suchen. Ein entsprechendes Schreiben sandte Herzog Heinrich dem Bischof von Merseburg 49 . Bischof Johann antwortete am 2. Juli, also erst nach geraumer Zeit 50 . Er wies darauf hin, daß auch seine Vorgänger hierin sowie hinsichtlich Bezahlung der Reichsanlagen selbständig gehandelt hätten. D a r u m bitte er, von ihrer Forderung abzusehen, anderenfalls sehe er sich zur Anzeige an König Ferdinand genötigt. Daraufhin bestellten die Fürsten den Bischof auf Sonntag, den 13. Juli, 46 ) Quellen über die Geschehnisse auf dem Reichstag: Bericht Georgs von Schleinitz an Herzog Heinrich, undatiert: Dr. Loc. 10 183 Reichstag zu Worms, Bl. 40 ff.; Bericht Christophs von Könneritz an den Bischof von Meißen: Dr. Loc. 8 993 Reichsstand, Bl. 78 f f . (Ausf.). 4T ) So hatte Christoph von der Straß den Bischof von Meißen in seinem erwähnten Schreiben vom 16. Juni mit allem Nachdruck darauf aufmerksam gemacht, d a ß er nach Verlust der Reichsunmittelbarkeit die religionwirkung balde im lande haben werde. Andererseits zeigte Johann Friedrich H e r z o g Heinrich gegenüber die G e f a h r auf, d a ß ein als reichsunmittelbar anerkanntes Stiftsterritorium ein Asyl f ü r die Altgläubigen der wettinischen Lande sein werde, d a ß sie in diesem Falle auch ihre Gebiete vor den katholisierenden Tendenzen des Bischofs nicht würden schützen können (an Heinrich, Trockenborn, 19. 9. 1539: Ausf. D r . Loc. 8993 Gebrechen 1540—1542, Bl. 181 ff.). 48
) Ausf. Dr. Loc. 8993 Reichsstand, Bl. 66 f. ) S. I ß 1 e i b : BSKG 19, 1905, S. 163. 50 ) Konzept Dr. a.a.O., Bl. 20 f f . 49
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Zweiter T e i l : K o n f l i k t zwischen Landesgewalt und Hochstift
nach Meißen51, wohin sie zu diesem Zeitpunkt anläßlich des Anfangs der ersten Visitation sich zu begeben gedachten. Dort ließen sie — offenbar im Rahmen derselben Verhandlung, in der sie den Bischof letztmalig für ihr Visitationswerk zu gewinnen suchten52 — diesem ihren Standpunkt in der Reichsstandsfrage nochmals darlegen und wiederholten ihre Forderung nach jener Zusicherung53. Doch Johann lehnte es ab, sich seines entliehen gemuets alhier vornemen zu lassen. So beschlossen die Fürsten, dem Bischof einen Entwurf zu der Verpflichtung zugehen zu lassen, sich künftiger Reichstagsbesudie zu enthalten, den er binnen acht Tagen, von ihm und dem Domkapitel unterschrieben, zurückzusenden habe54. Gleichzeitig faßten sie den Entschluß, für den Fall, daß der Bischof auch jetzt noch ihrem Verlangen nicht nachkommen sollte, jene Verpflichtung durch eine Zwangsmaßnahme zu erpressen: Dem Bischof, Kapitel und allen Stiftsuntertanen solle die Benützung sämtlicher Straßen und Wege in beiden sächsischen Fürstentümern verboten werden. Wer dennoch hier angetroffen werde, solle gefangen genommen werden. Namentlich an den vornehmen Stiftspersonen solle diese Maßnahme streng durchgeführt werden. Die Fürsten verpflichteten sich, bei allen Folgen, die ihnen aus diesem Vorgehen erwachsen könnten, füreinander einzustehen55. Auf das ihm damit gestellte Ultimatum hin teilte der Bischof dem Fürsten am letzten Tage der ihm zugebilligten Frist, dem 20. Juli, mit 56 , es sei ihm unmöglich gewesen, in der Zwischenzeit das Kapitel vollzählig einzu5 1 ) Die sächsischen Fürsten an den Bischof, Königstein, 9 . Juli 1 5 3 9 : Ausf. D r . a . a . O . Bl. 61, 6 4 . 52)
S. o. S. 123.
53)
Vermutlich ist auch bei dieser Gelegenheit der Versuch der Fürsten unternommen worden, die Rechte des Bischofs noch über den bisherigen Brauch hinaus einzuschränken. Jedenfalls äußert dieser unterm 18. August schriftlich gegenüber H e r z o g Heinrich von Braunschweig (Abschr. D r . L o c . 9 0 2 4 a . a . O . Bl. 83 f.), die sächsischen Fürsten hätten ihm persönlich (das kann doch wohl nur jetzt in Meißen geschehen sein) eröffnet, sie gestünden ihm keinerlei Regalien zu, so dürfe er seine U n t e r t a n e n zu seiner eigenen N o t d u r f t nicht besteuern, dürfe nidit den Zehnten aus den Bergwerkseinkünften des Stifts nehmen u. a. D a r u m sei er auch nicht in der Lage, eine Reichsanlage zu bezahlen. 5 4 ) N o t e l der Verschreibung des Bischofs: D r . L o c . 8 9 9 3 Reichsstand, Bl. 4 9 f., gedruckt C D S R II, 3, S. 3 5 2 N r . 1 4 0 9 , w o allerdings das D a t u m falsch aufgelöst ist. 5B ) Copey des abschieds zu Meissen, Meißen, 14. Juli 1 5 3 9 : D r . L o c . 8 9 9 3 Gebrechen 1 5 4 0 — 1 5 4 2 , Bl. 1 7 3 ff. W i e gesagt (s. o. S. 1 2 3 A n m . 9 7 ) , ist jedoch die Inkraftsetzung dieses „Abschieds" durch Unterzeichnung der Vertragschließenden dann unterblieben. 5G)
K o n z e p t D r . Loc. 8 9 9 3 Reichsstand, Bl. 33 f.
4. Der Streit um die Reichsstandschaft des Hochstifts
135
berufen, das ja jene Verpflichtung mit vollziehen sollte 57 . Damit die Adressaten aber nicht dächten, er wolle sie in dieser Angelegenheit schädigen, erbiete er sich zu der Verpflichtung, den nächsten Reichstag nicht zu beschikken, sondern sich mit Hinweis auf ein diesbezügliches Verbot seiner Fürsten zu entschuldigen. Anders könne er aus Gründen des Gewissens und der Ehre nicht handeln, denn er sei ja dem Reich mit Eid und Pflichten verwandt. Dieses Schreiben haben die Fürsten, soviel ich sehe, gar nicht beantwortet, sondern sich angeschickt, ihre Zwangsmaßnahmen zu vollstrecken. So ging unterm 18. August dem Stadtrat zu Meißen 68 und entsprechend wohl den übrigen an der Vollstreckung der Maßnahmen Beteiligten der Befehl zu, vom 15. des Monats ab den Stiftsuntertanen das Benutzen von Straßen und Wegen der Stadt zu verbieten und den in der Stadt Wohnenden Hausarrest aufzuerlegen. Entsprechend dem Meißner Beschluß wurden dem Rat diesbezüglich vor allem die vornehmen Stiftsuntertanen — thumherrn, pfaffen vnd ander stattlichen — ans H e r z gelegt. Kapitel und Stiftsuntertanen, namentlich die Stiftsstädte Stolpen, Meißen, Bischofswerda, Würzen und Mügeln wurden davon durch Schreiben 69 bzw. öffentliche Anschläge 60 unterrichtet. Dem Bischof selbst scheint man — entgegen der Meißner Abmachung — von dieser Maßnahme gar keine Mitteilung gemacht zu haben. In seiner Beschwerde an die sächsischen Fürsten vom 17. August 61 bezieht er sich jedenfalls lediglich auf die öffentlichen Anschläge in den stiftischen Städten. In diesem Schreiben wiederholt er sein Anerbieten vom 20. Juli, den nächsten Reichstag nicht zu besuchen, noch einmal. Für den Fall, daß diese sich damit nicht begnügen sollten, stellt er in Aussicht, die Sache durch den Kaiser und auf dem Rechtsweg entscheiden zu lassen 62 . Die Fürsten eröffnen daraufhin dem Bischof, daß die Straßensperrung in K r a f t bleibe, bis die 57 ) Die Behauptung O. R i c h t e r s , kapitel habe den in C D S R II, 3, N r . unterschrieben, ist demnach unrichtig, H . G r ö g e r s (S. 373, 401), auch der
Verdienste S. 10 und Anm. 14, das D o m 1409 vorliegenden Entwurf vor Erklärung völlig unverständlich ferner die Meinung Bischof habe jenen Entwurf unterschrieben.
5S
) C D S R II, 3, S. 353 f. N r . 1410.
69
) D a t . vom 7. 8. 1539: Abschr. Dr. Loc. 8993 Acta Misnensia, Bl. 125—127.
G0 el
) E r w ä h n t C D S R a.a.O.
) Reinschrift Dr. Loc. 8993 Reichsstand, Bl. 39.
62 ) Dieser Weg, Streitigkeiten zwischen Wettinern und Hochstift zur Entscheidung zu bringen, entsprach nicht dem Herkommen. Nach W. G o e r 1 i t z S. 275 ff. pflegte derartiges in der Zeit von 1485—1539 entweder durch herzogliche Räte oder durch beiderseitige Räte bereinigt zu werden; in einem Falle weiß G o e r 1 i t z zu berichten, d a ß dabei noch das Urteil des wettinischen Oberhofgerichts zu Leipzig eingeholt wurde.
136
Zweiter Teil: Konflikt zwischen Landesgewalt und Hochstift
Verschreibung gegeben sei. Eine Anklage bei Kaiser und Reichskammer brauchten sie nicht zu scheuen63. Nachdem der Bischof sich also hatte überzeugen müssen, daß ihm hier der Weg verbaut sei, zeigte ihm ein am selben Tage empfangenes Schreiben des Wurzener Rates, daß er unter doppeltem Druck stand 64 . Handel und Wandel, so hieß es hier, lägen still: die Handwerker seien am Besuch von auswärtigen Märkten und damit am Absatz ihrer Waren gehindert, da andererseits den wettinischen Untertanen der Umgegend verboten sei, das Stiftsland zu betreten, stocke jeder wirtschaftliche Austausch vollends. Sogar innerhalb des Stiftsgebietes selbst würden teilweise die Bauern an der Vornahme der nötigen Feldarbeiten gehindert. Die uns hier gegebene Schilderung von der Wirkung der Straßensperrung wird durch andere Aussagen ergänzt. So ist es mancherorts zur Gefangensetzung von Stiftsuntertanen gekommen 65 . Den Domherren und Domvikaren, die in Meißen in ihren Behausungen von allem abgeschnitten werden sollten, gelang gleich in den ersten Tagen der Sperrmaßnahmen noch die Flucht 66 . D a ß dies möglich war, lag wohl nicht zuletzt an ihren verwandtschaftlichen und standesgenossenschaftlichen Beziehungen zu Herzog Heinrichs Lehnadel, dem hier die Straßensperrung aufgetragen war 67 . Julius Pflug floh zunächst nach Zeitz und von da vermutlich seiner Absicht gemäß weiter nach Mainz, wo er gleichfalls ein Kanonikat besaß 68 . Der sächsische Kurfürst hatte sich vergeblich bemüht, ihn auf der Durchreise durch sein Gebiet aufzuspüren 69 . Die übrigen Domherren versuchten, durch ihre Verwandten auf Herzog Heinrich einzuwirken 70 ; daß ihre Bemühungen zum Erfolg geführt hätten, läßt sich freilich nicht feststellen. Auch die vom Bischof jetzt erlassenen Hilfegesuche nach auswärts brachten wenigstens umgehend natürlich keine Entlastung. Am 18. August wandte sich Johann an Herzog Heinrich von Braunschweig 71 , am 22. August an e 3 ) Ausf. Dr. Loc. 8993 Reichsstand, Bl. 62 f., datiert vom 21. 8., dem Bischof lt. Kanzlei-Notiz am 24. 8. zugegangen. 6 4 ) Ausf. Dr. Loc. 8993 a.a.O. Bl. 75 f., datiert vom 21. 8. 1539, lt. Kanzleivermerk vom Bischof am 24. 8. empfangen. 6 5 ) Der Bischof an den Kaiser, etwa April 1541: C D S R II, 3, S. 362, N r . 1422. e 8 ) Die Ursache der Flucht der Domherren war also nicht die Visitation, wie F r a u s t a d t S. 89 meint. 6 7 ) Vgl. unten S. 149. 6 S ) R E 15, 261. e 9 ) Bischof von Meißen an Heinrich von Braunschweig, Stolpen, 18. 8. 1 5 3 9 : Abschr. Dr. Loc. 9024 a.a.O. Bl. 83 f.; Kurfürst Johann Friedrich an Herzog Heinrich von Sachsen, Weimar, 29. 8. 1539: Ausf. a.a.O., Bl. 2 3 ; vgl. B r a n d e n b u r g a.a.O., S. 266. I 0 ) Bischof von Meißen an Heinrich von Braunschweig, Stolpen, 2. 9. 1539: Abschr. Dr. a.a.O. Bl. 84b f. n ) Vgl. oben Anm. 69.
4. Der Streit um die Reichsstandschaft des Hochstifts
137
König Ferdinand 72 — auf beide Schreiben kommen wir noch zurück 78 — und gleichzeitig an die den Wettinern erbeinungsverwandten Fürsten Landgraf Philipp von Hessen 74 und Kurfürst Joachim von Brandenburg 75 ; letzteren ruft er um Vermittlung bei den sächsischen Fürsten an. Joachim kommt denn auch dem Begehr des Bischofs getreu den vermittelnden Tendenzen seiner Politik nach und bittet die Wettiner, die Rechte desselben nicht zu schmälern in betracbtungk, wes Weiterung in disen geschwinden Zeiten im heiligen reich daraus entstehen und erfolgen mochte™. Philipp erklärt sich Heinrich gegenüber zum Unterhändler bereit, falls es gewünscht werde 77 . Als jedoch Heinrich dieses Anerbieten Philipps zur Kenntnis nahm, war bereits eine Wendung eingetreten, die ein Eingehen darauf nicht mehr in Frage kommen ließ 78 . Die durch die Straßensperrung hervorgerufene Bedrängnis stellte sich nämlich f ü r den Bischof als so ernst dar, daß er diese nicht für längere Zeit glaubte bestehenlassen zu dürfen. Denn er mußte unter solchen Umständen gewärtig sein, daß seine Untertanen ihm nicht die Treue halten würden, zumal auch unter ihnen Anhänger Luthers keine Ausnahme waren 79 . Die Leute des Kurfürsten zumindest haben es den Stiftshintersassen gegenüber anscheinend auch nicht an entsprechenden Hinweisen fehlen lassen 80 . In Anbetracht dessen hat nun Johann VIII. bereits spätestens am 2. September uf emsig anhalden und bit der unsern, wie er an genanntem Tage an Herzog Heinrich von Braunschweig schreibt, anscheinend von sich aus an Heinrich von Sachsen den Entwurf zu einer Verpflichtung der von diesem geforderten Art gesandt 81 . Daraufhin hat dieser, anscheinend noch bevor er ,2 ) CDSR II, 3, S. 354 Nr. 1411; das Datum beruht auf einer zeitgenössischen Notiz auf dem Konzept des Schreibens Dr. Loc. 8993 Reichsstand, Bl. 120 ff. 73 ) S. u. S. 142 f. ,4 ) Stolpen, 22. 8. 1539: Abschr. Dr. Loc. 8993 Reichsstand, Bl. 59 f. ,5 ) Ausf. a.a.O. Bl. 74, 77, wörtlich mit dem Schreiben an Philipp übereinstimmend. '«) Dat. vom 1. 9. 1539: Ausf. Dr. a.a.O. Bl. 58. " ) Dat. vom 3. 9. 1539: Ausf. a.a.O. Bl. 57. Unter dem 1. 9. hatte er bereits dem Bischof von diesem seinem Erbieten Mitteilung gemacht: Ausf. Dr. a.a.O. Bl. 65. iS ) Dementsprechend enthielt naturgemäß die Antwort Heinrichs an Philipp vom 15. 9. 1539 eine Ablehnung ( B r a n d e n b u r g a.a.O. S. 269 und Anm. 79). ,9 ) Bisdiof Johann an Heinrich von Braunschweig, 2. 9. 1539 (s. o. Anm. 70). Man denke auch an das oben S. 131 über Würzen Gesagte. Aus dem (oben Anm. 69 erwähnten) Brief des Bischofs an Heinrich von Braunschweig vom 18. August scheint mir ferner hervorzugehen, daß vielleicht auch Stiftskleriker unter dem Druck der Verhältnisse lutherisch wurden. ä0 ) Der Wurzener Rat hatte in seinem Klageschreiben an den Bischof vom 21. August (s. o. S. 136 Anm. 64) erwähnt, er sei bei seinen Bemühungen um Lokkerung der Sperrmaßnahmen an die sächsischen Fürsten gewiesen worden. 31 ) S. o. Anm. 79. Ein Exemplar dieses Entwurfs ist mir nicht begegnet.
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Zweiter Teil: Konflikt zwischen Landesgewalt und Hochstift
Kurfürst Johann Friedrich davon in Kenntnis setzte, verhandeln lassen82. Jedenfalls konnte er dem kurfürstlichen Vetter vor dem 19. September Mitteilung von einem Anerbieten des Bischofs machen, das er selbst für nicht ungünstig erachtete. Nicht so Johann Friedrich. Ihm mißfiel in dem bischöflichen Entwurf besonders der Passus, sie, die Wettiner, hätten die Klage des Bischofs beim Kaiser zugelassen und wollten der Entscheidung des Reichsoberhaupts gewarten. Darum legte er einen neuen Entwurf bei, der dem bischöflichen gegenüber, wie er schreibt, nur wenig abgeändert war, und bat Heinrich, sich um die Annahme desselben durch den Bischof zu bemühen. Dabei solle der Vetter doch auch versuchen, die Einbeziehung des Domkapitels und namentlich der Nachfolger des gegenwärtigen Bischofs in die Verpflichtung zu erreichen83. Daraufhin ließ Heinrich durch Georg von Schleinitz, wohl am 25. September84, erneut mit dem Bischof verhandeln, mit dem Erfolg, daß dieser den Entwurf Johann Friedrichs unter Einbeziehung seiner Nachfolger, jedoch unter Auslassung des Kapitels, annahm. Heinrich gab sich damit zufrieden85, und unter dem 3. Oktober erklärte auch Johann Friedrich sein Einverständnis86. Der nunmehr endgültigen Fassung der Verschreibung87 zufolge verpflichtete sich Bischof Johann vor vns vnd vnsere nachkamen, künftig an keinem Reichstag teilzunehmen noch einen Abgesandten dazu zu senden. Dabei behielt er sich — wiederum unter Einschluß seiner Nachfolger88 — vor, falls er in diesen Angelegenheiten bescbwerunge hätte, sich beim Kaiser zu beklagen und dessen Entscheidung zusammen mit den Wettinern abzuwarten. Diesem Vorbehalt hatte 1 2 ) Eine solche — durch Anton von Schönberg geführte — Verhandlung wird wahrscheinlich durch das Schreiben Johann Friedrichs an Heinrich vom 19. 9. 1539 (s. o. S. 133 Anm. 47) sowie durch das Vorhandensein zweier Exemplare der „Verschreibung" des Bischofs, die das Datum des 15. September tragen: Dr. Loc 8993 Reichsstand, Bl. 51 f., und Loc. 8994 Der B i s c h ö f e . . . angemaßte Session im Reich, Bl. 165 f. Diese beiden Exemplare zeigen zwar nicht die Textgestalt, die die bischöfliche Verschreibung am 15. September gehabt haben muß, sondern eine spätere, doch scheint mir dieses Datum ein Hinweis darauf zu sein, daß die Verschreibung an diesem Tage eine neue Fassung erhalten hat. Nun enthält aber obiges Schreiben vom 19. 9. die erste Rückäußerung Johann Friedrichs auf das bischöfliche Anerbieten zum Vollzug einer Verpflichtung; demnach dürfte Heinrich zunächst — und zwar eben am 15. September — selbständig verhandelt haben. 13)
Johann Friedrich an Heinrich, 19. 9. 1539 (vgl. oben Anm. 82). Das Datum des 25. 9. trägt die vom Bischof den sächsischen Fürsten zugestellte Ausfertigung der Verschreibung (Dr. Orig. 10 916, gedruckt C D S R II, 3, S. 356 Nr. 1413), und deren Text ist seit Schleinitz' Verhandlung nicht mehr geändert worden. 8 ä ) An Johann Friedrich, Dresden, 27. 9. 1 5 3 9 : Konzept Dr. Loc. 8993 Gebrechen, Bl. 186. 8G ) An Heinrich, Zwickau, 3. 10. 1539: Ausf. Dr. Loc. 8993 a.a.O. Bl. 164, 168. 8 T ) S. o. Anm. 84. 8 8 ) Dieser Passus ist in der Wiedergabe C D S R a.a.O. weggelassen. S4)
139
4. Der Streit um die Reichsstandschaft des Hochstifts
er jedoch die Einschränkung anfügen müssen, d a ß die sächsischen Fürsten denselben nur soweit bewilligt hätten, als sie nach schuldig
vnd
vnuortzigen
irer
gehurliehen
notturft
hirinnen
gelegenheit
widerum
der
gentzlich
suchen auch
haben.
D a r a u f h i n stellten die H e r z ö g e dem Bischof einen Reversbrief aus, w o rin sie ihm zusicherten, ihn und seine N a c h f o l g e r bei Reichsversammlungen dem K a i s e r gegenüber zu vertreten und schadlos zu h a l t e n 8 9 . N a c h Austausch der U r k u n d e n w u r d e die Straßensperrung u m Mitte O k t o b e r aufgehoben 0 0 . Die D o m h e r r e n und übrigen Geistlichen außer Cochläus und dem ehemaligen D o m p r e d i g e r D r . Melchior Riedel konnten nach Meißen z u rückkehren 9 1 . So hatten die sächsischen Fürsten a u f staatsrechtlichem Gebiete einen Sieg über das Hochstift davongetragen, der recht bedeutsam aussah. D e n n mit dem schriftlichen Verzicht des Bischofs auf künftige eigene Reichstagsbeschickungen w a r ja doch ein lange geübtes Gewohnheitsrecht kodifiziert w o r 3 9 ) Originalurkunde des Reversbriefs: Dr. Orig. 10 918. Den Wunsch des Bischofs, die Fürsten möchten in diesem Reversbrief die Zusage geben, ihn samt seinem Kapitel wie ihre Vorfahren in gnädigem Schutz und Schirm zu halten, hatten die Wettiner aus der Befürchtung heraus abgelehnt, der Bisdiof möchte hierin die Verpflichtung zum Schutze der alten Religion sehen: Heinrich an J o hann Friedrich, 27. 9. 1539 (a.a.O.) und dieser an jenen, 3. 10. 1539 (a.a.O.). Vgl. über die Vorgeschichte des Reverses außerdem die Schreiben Heinrichs an Johann Friedrich vom 7. 10. 1539: Konzept Dr. Loc. 8993 Gebrechen, Bl. 191, und dieser an jenen vom 13. 10. 1539: Ausf. a.a.O. Bl. 204, sowie die Textentwürfe a.a.O. Bl. 165 und 187 f. 9 0 ) Vgl. das erwähnte Schreiben Johann Friedrichs an Heinrich vom 3. 10. 1539, ferner das Schreiben Johann Friedrichs an den Bisdiof vom 19. 10. 1539: Ausf. Dr. Loc. 8993 Reichsstand, Bl. 73, sowie Heinrich an den Stadtrat zu Meißen, Dresden, 15. 10. 1539: C D S R II, 3, S. 357 Nr. 1415. 9 1 ) Der Bischof an Heinrich von Braunschweig, 1. 10. 1539: Absdlr. Dr. Loc. 9024 a.a.O. Bl. 86b—88. o b Cochläus und dem Domprediger Dr. theol. Melchior Riedel (Rüdel) die Rückkehr nach Meißen geradezu durch den Herzog verboten worden war oder ob sie nur eine Rückkehr nicht glaubten wagen zu dürfen, ist aus den mir vorliegenden Quellen nicht ersichtlich. Mehr für das erstere spricht freilich, wenn es in einem Briefe des Bischofs von Meißen an Bisdiof Fabri von Wien vom November 1539 (NB 6, 235 f.) heißt, daß Cochläus von Meißen fern sein müsse. Cochläus hatte soeben angesichts der lutherischen Ordinationen im albertinischen Sachsen wieder seine polemische Feder ergriffen zur Abfassung einer Schrift De Ordinatione Episcoporum atque Presbyterorum et De Eucharistiae eonsecratione, quaestio hoc tempore pernecessaria ( S p a h n S. 275). Riedel, der zugleich Mitglied der Leipziger theologischen Fakultät und übrigens auch Generaloffizial in spiritualibus sowie Dechant von Würzen war ( R ü l i n g S. 168 f.; L o o s e : MM 4, 1897, S. 361 Anm. 21 ; O. K i r n , Die Leipziger Theologische Fakultät, 1909, S. 30, 38, 40), hatte jetzt eine Disputation der Leipziger Universitätstheologen mit den Visitatoren geleitet (Cochläus an Fabri, 24. 6. 1539, gedruckt bei F r i e d e n s b u r g : Z K G 18, 1898, S. 293 ff.; Bisdiof von Meißen an dens., Stolpen, 30. 6. 1539: N B 4, 570 f.).
140
Zweiter Teil: K o n f l i k t zwischen Landesgewalt und Hochstift
den. Der vom Bischof dabei gemachte Vorbehalt weist jedoch darauf hin, daß dieser Sieg noch nicht sicher war. Johann äußerte denn auch gegenüber Herzog Heinrich von Braunschweig, die Verbindlichkeit seiner Erklärung stehe bei des Kaisers Entscheidung 92 . Von des Kaisers Einstellung hing freilich nicht nur die bischöfliche Reichsstandschaft, sondern die Dauerhaftigkeit aller Maßnahmen ab, die die sächsischen Fürsten bisher gegen das Hochstift durchgeführt hatten und noch durchzuführen gedachten. Hatte doch das Reich, wie wir uns erinnern 93 , seit 1526 die Erhaltung der geistlichen Gebiete in ihrem alten Zustand sich zur Aufgabe gemacht. Aber auch in der Diözese Meißen — abgesehen vom Stiftsterritorium —, soweit sie unter der weltlichen Herrschaft Herzog Heinrichs stand, konnte, ja mußte der Kaiser auf Grund päpstlichen Urteilsspruchs wie der Reichsabschiede eigentlich gegen die religiösen Neuerungen vorgehen, da der Albertiner als neuer protestantischer Reichsstand nicht den Schutz des Nürnberger und Frankfurter Friedstandes genoß. Wir hatten schon gesehen, wie Karl V. sowie sein ihn im Reiche vertretender königlicher Bruder von der altgläubigen Partei mit den sächsischen und meißner Angelegenheiten befaßt wurden 94 . Heinrich von Braunschweig war gegen Ende Juli, also gerade um die Zeit, da die Verhandlungen zwischen Bischof Johann und den Wettinern auf dem toten Punkte angelangt waren und Repressalien drohten, von seiner Spanienreise zurückgekehrt 85 . Am 28. Juli empfing der Bischof durch seine Vermittlung ein Schreiben des Kaisers 96 , in dem dieser ihm mitteilte, er habe Heinrich von Braunschweig aufgetragen, ihn zu schützen. Das Reichsoberhaupt verspürte also offenbar keine Neigung zu tatkräftigem Eingreifen 97 . Die Ausfertigung der ge9 2 ) Bischof v o n Meißen an Heinrich v o n Braunschweig, 1. 1 0 . 1 5 3 9 (s. o. Anm. 91). 8 3 ) S. o. S. 3. 9 4 ) S. o. S. 9 1 f. ®®) Der Zeitpunkt der Rückkehr ist zu erschließen aus einem Schreiben der herzoglich braunschweigischen Statthalter an den Bischof v o n Merseburg v o m 19. 7. 1 5 3 9 : Abschr. D r . Loc. 9 0 2 4 a.a.O. Bl. 1 0 1 , nach dem der Herzog noch nicht zurück, aber täglich zu e r w a r t e n ist, und einem solchen des Bischofs von Meißen an Heinrich v o n Braunschweig v o m 28. 7. 1 5 3 9 (Abschr. a.a.O. Bl. 82), in dem jener den Rückgekehrten begrüßt. 8 6 ) K a r l V . an den Bischof v o n Meißen, Toledo, 1 0 . 6. 1 5 3 9 : A u s f . D r . Loc 7 2 7 0 Das Nürnberger Bündnis b e t r e f f e n d , Bl. 3, laut Eingangsnotiz am 28. 7. v o m Bischof empfangen. 9 7 ) W i e aus dem erwähnten Schreiben des Bischofs v o n Meißen an Heinrich von Braunschweig v o m 28. 7. 1 5 3 9 hervorgeht, hatte dieser jenem im A u f t r a g e des Kaisers audi sonst noch einige Mitteilungen gemacht, auf deren Inhalt jener aber d o r t nicht eingeht. Diese Mitteilungen mögen e t w a dem entsprochen haben, was der Braunschweiger einige Wochen später Herzog L u d w i g v o n Bayern über die in Spanien vernommenen Verlautbarungen des Kaisers hinsichtlich seiner Religionspolitik zur Kenntnis bringen ließ (Denkschrift Heinrichs f ü r Ludwig, undatiert [nach 22. 9. 1 5 3 9 ] : Abschr. D r . Loc. 8 0 3 0 A c t a , was K u r f ü r s t J o h a n n Fried-
4. Der Streit um die Reichsstandschaft des H o d i s t i f t s
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wünschten Mandate an Herzog und Stände des albertinischen Sachsen, die das Testament Herzog Georgs für rechtsgültig erklärten, hatte der Braunschweiger zwar erreicht, nicht aber ihre Zustellung an die Adressaten, angeblich infolge Hintertreibung seitens einiger lutherisch gesinnter Räte König Ferdinands, dem der Kaiser sie zunächst übersandt hatte 98 . Audi König Ferdinand erreichte mit seinem Vorgehen gegen Heinrich von Sachsen nichts. Den von ihm in seinem Schreiben vom 16. Mai vertretenen Rechtsstandpunkt bestritt der Adressat einfach". Daraufhin versuchte Ferdinand mittels einer Gesandtschaft Heinrich durch Hinweis auf Herzog Georgs Testament zum Nachgeben zu bringen. Falls der Albertiner sich auch jetzt noch widerspenstig zeige, sollte der Gesandte mit der Ungnade des Kaisers und dem Einschreiten des Nürnberger Bundes drohen. Doch auch all das machte auf Heinrich keinen Eindruck 1 . Daraufhin wendete sich Ferdinand an seinen kaiserlichen Bruder, bekam aber nur eine dilatorische Antwort 2 . Schließlich ließ er Heinrich noch durch dessen Schwager, Herzog Albrecht von Mecklenburg, bei Gelegenheit eines Besuchs die Andeutung zugehen, daß sich aus seinem Verhalten gegen die sächsischen Bischöfe leicht Folgen hinsiditlich seiner Belehnung ergeben könnten 3 . Außerdem wurde Ferdinand weiter beim Kaiser vorstellig. Unter dem 5. September 4 ersuchte er ihn um eine schleunige Entscheidung in der sächsischen Angelegenheit. Denn in Herzog Georgs Testament seien sie, die Habsburger, als Erben eingesetzt. Die gegenwärtigen Maßnahmen Heinrichs — die Religionsänderung wie die angekündigte Straßensperrung gegen die Bischöfe — böten ihnen den besten Anlaß zum Eingreifen. Dieses Schreiben war wohl eben fertiggestellt, als der König das erwähnte 5 , aus der N o t rieh, Bl. 48 f f . ) . Demnach hatte der K a i s e r seine Zufriedenheit mit dem Bestehen des N ü r n b e r g e r Bundes geäußert und ausgesprochen, er habe nicht nur seinen Anteil zu den Bundeslasten beigetragen, sondern außerdem eine große Geldsumme f ü r den N o t f a l l in Deutschland deponiert. Was der Kaiser über seine Absichten zur Erhaltung der alten Religion hatte verlauten lassen, wird allerdings dem an den Bayern abgehenden Gesandten nur mündlich a u f g e t r a g e n . — Ü b e r die tatsächliche H a l t u n g K a r l s V. dem N ü r n b e r g e r B u n d gegenüber vgl. außer meinen weiteren A u s f ü h r u n g e n vor allem H . B a u m g a r t e n , K a r l V. und der katholische B u n d v o m J a h r e 1538: Dtsch. Ztschr. f. Geschichtswiss. 6, 1891, S. 273 f f . 9S) B r a n d e n b u r g : N A 17, 1896, S. 266, 269 und A n m . 77. N a c h C a r d a u n s ' Urteil (Einleitung zu N B 5, S. L X A n m . 3) sind die M a n d a t e , die der Braunschweiger in Spanien e m p f i n g , nach K a r l s V. sonstigem Verhalten zu schließen, wahrscheinlich nur sehr unbestimmt gehalten und wohl verklausuliert gewesen.
" ) Heinrich an Ferdinand, 27. 5. 1 5 3 9 : K o n z e p t D r . Loc. 10 301 Schriften, wie H e r z o g Heinrich Gottes Wort angenommen, Bl. 41 f f . B r a n d e n b u r g a.a.O., S. 264. 2 ) K a r l an Ferdinand, M a d r i d , 12. 8. 1 5 3 9 : N B 6, 301 A n m . 1. 3) B r a n d e n b u r g a.a.O., S. 270 f f . 4 ) N B 6, 301 A n m . 1. 5 ) S. o. S. 136 f.
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Zweiter Teil: Konflikt zwischen Landesgewalt und Hochstift
der inzwischen zur Tatsache gewordenen Straßensperrung geborene flehentliche Hilfegesuch des Bischofs von Meißen empfing. Hier war u. a. die Bitte ausgesprochen, Ferdinand möchte dem Kaiser Mitteilung machen und bei ihm eine ernstliche Inhibition an die Wettiner anregen. Der König entsprach diesem Wunsch und ließ die bisdiöfliche Beschwerdeschrift, mit einem kurzen Begleitschreiben versehen6, umgehend an den Kaiser nach Spanien gelangen. Dabei legte er diesem nahe, außer dem Mandat an die sächsischen Fürsten einen Befehl an das Reichskammergericht und dessen Fiskal zu senden, falls die Wettiner auch jetzt noch sich widerspenstig zeigen sollten, auf dem Prozeßwege gegen sie einzuschreiten. Karl V. konnte sich zu einem kriegerischen Eingreifen in die sächsischen Verhältnisse auch jetzt nicht entschließen, sondern ging nur auf die letztgenannten Anregungen seines Bruders ein. Er ließ gleichzeitig und wohl sofort nach Eingang des Schreibens Ferdinands je ein Mandat an die Wettiner 7 und an das Reichskammergericht8 ausgehen. Den ersteren gebietet er bey vormeydung vnnser vnnd des reichs schwerer vnngnade vnd straff vnnd einer peen nehmlich hundert marck lottigs goldes9, den Bischof unbeeinträchtigt im Besitz seiner Reichsstandschaft zu lassen und von ihren Zwangsmaßnahmen gegen denselben ungesäumt abzustehen. Andernfalls sehe er sich genötigt, gegen sie zu prozedieren. — Dieses kaiserliche Schreiben ist jedoch, wenn überhaupt, erst verspätet und auf Umwegen in die Hand seiner Adressaten gelangt. Zunächst wurde seine Annahme in Wien, wohin Karl es zunächst gesendet haben muß, durch zwei sächsische Räte verweigert10. Sodann scheint es gegen Anfang Februar 1540 durch einen Kammergerichtsboten doch noch zugestellt worden zu sein11. Daß der Kaiser sich zu einer Politik der Gewalt gegen Heinrich von Sachsen, die zugleich die Rettung der Hochstifter Meißen und Merseburg «) Ferdinand an Karl V., 5. 9. 1 5 3 9 : Abschr. Dr. Loc. 8993 Reichsstand, Bl. 31 f., gedruckt C D S R II, 3, S. 355 f. N r . 1412. 7 ) Dat. Madrid, 14. 10. 1 5 3 9 : Abschriften Dr. Loc. 8993 Gebrechen, Bl. 169 ff.; a.a.O. Reidisstand, Bl. 24 ff., 53 f.; gedruckt C D S R II, 3, S. 356 f. N r . 1414. 8
) Dat. Madrid, 14. 10. 1539: Abschr. Dr. Loc. 18 993 Acta Misnensia, Bl. 28 f.
) Diese Summe ist wohl damals die für Landfriedensbruch übliche Strafe gewesen. Sie erscheint jedenfalls auch in dem Lehnsbrief Karls V. für Herzog Heinrich von Sachsen (Abschr. Dr. Loc. 9 6 0 7 Herzog Heinrichs von Sachsen Belehnung betreffend, Bl. 31 ff.) als Strafe für jeden, der den Belehnten in seinem Besitzstand störe. B
1 0 ) Das geht m. E. hervor aus einer Bemerkung auf der Abschrift des kaiserlichen Schreibens Dr. Loc. 8993 Gebrechen, Bl. 169 ff.: Copei des mandats, so man uns des biscbofs zue Meissen halben bat zue stellen und wir nicht annehmen wollen, actum Wien, sontags nach Elisabeth ao 39 [ = 23. N o v . 1539] — Dr. Komerstadt — Georgius v. Schleiniz. X 1 ) Jedenfalls teilt der Merseburger Bischof unter dem 4. 2. 1540 (Ausf. Dr. Loc. 8993 Reichsstand, Bl. 148) seinem Meißner Amtsgenossen mit, ihm sei glaub-
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mit sich gebracht hätte, nicht entschließen konnte, macht ein Blick auf seine politische Lage begreif lieh. Er hatte zwar 1538 mit seinem alten Gegner Franz I. von Frankreich einen zehnjährigen Waffenstillstand geschlossen, wenige Monate nachdem auch mit Zapolya, dem alten Rivalen seines Bruders Ferdinand um die ungarische Königskrone, ein Vertrag zustande gekommen war. Jedoch bildeten die Türken immer wieder eine ernste Gefahr. Soeben — 1539 — war ein wuchtiger Schlag gegen sie geplant gewesen, aber nicht zur Verwirklichung gelangt. Auch dem Friedenszustand mit Frankreich war auf die Dauer nicht zu trauen. Vor allem aber fühlte Karl seine niederländischen Erblande bedroht, seit diese (1538/9) durch Vereinigung des Herzogtums Geldern mit Jülich-Kleve-Berg einen überaus mächtigen Grenznachbarn erhalten hatten. U m diese Gefahr erst einmal abzuwehren, lag ihm jetzt daran, mit den Protestanten in friedlichen Beziehungen zu bleiben, zumal deren Schmalkaldischer Bund eine höchst beachtliche Macht darstellte, die durch Vereinbarungen mit Frankreich und neuerdings auch Kleve leicht noch anwachsen konnte 1 2 . Diese Friedenspolitik des Kaisers w a r es nun auch, die dem Nürnberger Bund letztlich jedes tatkräftige Eintreten f ü r die sächsischen Hochstifter unmöglich machte. Auf die Klagen der Bischöfe von Merseburg und Meißen über die Tätigkeit der Visitatoren in ihren Bistümern und die gegen den Bischof von Meißen vorgenommene Straßensperrung hin 13 berief Herzog Heinrich von Braunschweig auf den 25. August eine Bundesversammlung der niedersächsischen Provinz dieser Liga nach Gandersheim ein. Hier wurde ein Schreiben an Heinrich von Sachsen beschlossen 14 : er solle die Bischöfe von Meißen und Merseburg in ihren geistlichen und weltlichen Rechten unbehelligt lassen sowie die Straßensperrung aufheben. Für den Fall, daß Heinrich dem nicht nachkomme, fügte man eine verkappte Kriegsdrohung liehen angezeigt, daß den Wettinern durch einen Kammergerichtsboten ein kaiserliches Mandat zugestellt worden sei, w o v o n er inliegend eine Abschrift übersende. Eine solche Anlage findet sich nun zwar bei der jetzigen Anordnung der Aktenstücke bei dem bischöflichen Schreiben nicht; doch spricht mancherlei (Handschriftengleichheit, Wasserzeichen, N o t i z auf der Rückseite v o n der H a n d eines bischöflich meißnischen Beamten) dafür, daß wir diese Beilage in der Abschrift des kaiserlichen Mandats an die sächsischen Fürsten v o m 14. 10. 1539 auf Bl. 24 ff. des gleichen Aktenstücks vor uns haben, zumal kein weiteres kaiserliches Mandat existiert, das hier in Betracht käme. — Auffallend ist freilich, daß in den Briefen der Wettiner, soviel ich sehe, nie davon die Rede ist. 12 ) Vgl. u. a. Karl M ü l l e r S. 140 f. 13
II, 1, S. 406 f f . ;
Hermelink-Maurer,
) Bischof von Meißen an Heinrich von Braunschweig, 28. 7. 1539: Abschr. Dr. Loc. 9024 a.a.O. Bl. 82 f.; ders. an dens., 18. 8. 1539: Abschr. a.a.O. Bl. 83 f.; Bischof von Merseburg an Heinrich v o n Braunschweig, 16. 7. 1539: Abschr. a.a.O. Bl. 102; ders. an dens., 17. 8. 1539: Abschr. a.a.O. Bl. 108b f. 14 ) Bericht über die Bundesversammlung zu Gandersheim: Abschr. Dr. Loc. 8030 Acta, was Kurfürst Johann Friedrich, Bl. 28 ff.
144
Zweiter Teil: Konflikt zwischen Landesgewalt und Hochstift
an 15 . Der Albertiner ließ sich jedoch dadurch nicht beirren, sondern legte in einer umgehend ausgefertigten Antwort seinen Rechtsstandpunkt dar 16 . Daraufhin beschloß eine erneute niedersächsische Versammlung der katholischen Liga am 22. September in Lauenburg, hinsichtlich der Reichsstandschaft der sächsischen Bischöfe es ruhig zu den zwischen diesen und den Wettinern sich anbahnenden Verträgen 17 kommen zu lassen, wegen der Unterdrückung der waren religión in beiden Bistümern hingegen auf einer gemeinsamen Tagung beider Bundesprovinzen auf Abhilfe zu sinnen 18 . Die süddeutschen Bundesglieder hatten sich bereits am 3. September in Landsberg 19 mit den sächsischen Angelegenheiten beschäftigt. Sie hatten festgestellt, daß man zunächst über die Haltung des Kaisers Kunde haben müsse; denn ohne dessen tatkräftigen Beistand sei ohnehin nichts zu erreichen. Darum solle dem Kaiser ein Bericht zugestellt werden, in dem dieser in Anbetracht der Schwäche des Nürnberger Bundes 20 und der im Vergleich damit großen Macht der Schmalkaldener um wirksamen Beistand zu bitten sei. Ferner solle man dem Kaiser nahelegen, Herzog Heinrich von Sachsen bei der Reichsacht den Vollzug des Testamentes Herzog Georgs zu gebieten und im Weigerungsfalle das Land einem anderen zu geben. Auch der sächsischen Bischöfe solle der Kaiser in diesem Mandat an Heinrich von 15 ) Heinrich von Braunschweig an Heinrich von Sachsen, 25. 8. 1539: Ausf. Dr. Loc. 8993 Reidisstand, Bl. 68 ff. 16 ) Heinrich von Sachsen an Heinrich von Braunschweig, Schellenberg, 1. 9. 1539: Reinschrift a.a.O. Bl. 55 f. 1T ) Auch der Bischof von Merseburg mußte Herzog Heinrich von Sachsen — er stand ja nur unter albertinischer Schutzherrschaft — die schriftliche Versicherung geben, sich künftiger Reichstagsbeschickungen zu enthalten (vgl. F r a u s t a d t S. 89). Die Vorgeschichte seiner Verschreibung, die sich inhaltlich und wohl auch textlich völlig mit der Johanns von Meißen deckt, wird von Fraustadt nicht berichtet. Es scheint, daß es im Merseburgischen zu einer Straßensperrung nicht gekommen ist, sondern der Bischof hier unter Eindruck des schlimmen Geschicks seines Meißner Amtsgenossen nachgegeben hat (vgl. das vom Bischof von Merseburg an den Kaiser auf dem Reichstag zu Regensburg eingereichte Klageschreiben: Abschr. Dr. Loc. 8994 Der Bischöfe angemaßte Session, Bl. 3 ff.). 18 ) Bericht über den Lauenburger Tag: Abschr. Dr. Loc. 8030 a.a.O. Bl. 30 f. Als Mittel zu einer Lösung der sächsischen Verhältnisse in seinem Sinne hat Heinrich von Braunschweig wohl immer den Krieg im Sinne gehabt. Das zeigt nicht nur die entsprechende Anspielung in seinem Briefe an Heinrich von Sachsen vom 25. 8. 1539, sondern auch ein Dr. Loc. 8030 a.a.O. Bl. 56 f. abschriftlich wiedergegebenes bedenken [Heinrichs von Braunschweig] . . . uff H. Henrichs zu Sachsen antwort. Dort heißt es, nun solle der Kaiser mit seiner Macht im Verein mit dem Nürnberger Bunde eingreifen. 18 ) Nicht Landshut, wie B r a n d e n b u r g a.a.O. S. 268 schreibt. 20 ) Bundesglieder waren außer dem Kaiser und König seit Herzog Georgs von Sachsen Tode nur noch die Herzöge von Bayern, Erich und Heinrich von Braunschweig, Albrecht von Mainz für Magdeburg, der Erzbischof von Salzburg, die Bischöfe von Meißen und Merseburg und die Grafen Hoyer und Philipp von Mansfeld ( B a u m g a r t e n a.a.O. S. 292, 293 f.).
4. Der Streit um die Reichsstandschaft des Hochstifts
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Sachsen gedenken. Sei über Heinrich die Acht verhängt — die lediglich aus weltlichen, keineswegs aus religiösen Gründen erfolgen müsse —, so sei mit einer geschlossenen Hilfeleistung der Schmalkaldener für diesen weit weniger zu rechnen, als wenn der Nürnberger Bund jetzt von sich aus losschlage und so den Krieg als einen Religionskrieg erscheinen lasse. Wenn der Kaiser in dieser Weise vorgehe, so dürfe man durch Druck seitens des meißnisch-sächsischen Adels auf ein Nachgeben Heinrichs hoffen. Außer dem Kaiser müsse man sich auch der Hilfe König Ferdinands versichern und solle im übrigen versuchen, den Nürnberger Bund durch Gewinnung des Papstes noch weiter zu verstärken 21 . Die Hoffnung der Oberdeutschen auf eine friedliche Lösung wird aus dem Ganzen deutlich. Der diese Vorschläge überbringende bayrische Gesandte traf erst kurz nach dem Lauenburger Tag vom 22. September bei Heinrich von Braunschweig ein. Dieser erklärte sich mit dem Plane der Oberdeutschen, an den Kaiser und König zu schreiben, durchaus einverstanden; denn ohne Beistand derselben sei ein Krieg für den Nürnberger Bund aussichtslos. Und daß es zum Kriege komme, sei unumgänglich, wenn anders man die sächsischen Bischöfe retten wolle. Diese Schreiben sollten, so meinte der Braunschweiger, sogar schleunigst abgesandt werden, da sonst der Gegner die Initiative in dem drohenden Kriege 2 2 an sich reißen werde. Auch solle der Bund inzwischen schon Landsknechte anwerben. Hatte somit Herzog Heinrich von Braunschweig die zur Besonnenheit und Ruhe mahnende Stellungnahme der Süddeutschen im wesentlichen gebilligt, so erwachte seine alte Lust am schnellen Dreinfahren sofort wieder, als, während der bayrische Gesandte noch bei ihm weilte, neue Klageschriften der sächsischen Bischöfe eintrafen 2 3 . Er hielt nun trotz des Schreibens an den Kaiser an der Lauenburger Forderung einer gemeinsamen Bundestagung der Ober- und Niederdeutschen zwecks Beratung einer Hilfsaktion für die sächsischen Bischöfe fest und bat Ludwig von Bayern, den Termin zu dieser Versammlung schleunigst anzusetzen. Denn wenn auch ohne den Kaiser nichts Fruchtbares in dieser Angelegenheit ausgerichtet werden könne, so bestimmten doch die Bundessatzungen, daß die Bundesglieder auch ohne den Kaiser Entschließungen zum 2 1 ) Instruktion Ludwigs von Bayern für seinen Gesandten an Heinrich von Braunschweig, der wir unsere Kenntnis von den Landsberger Verhandlungen überhaupt verdanken: Abschr. Dr. Loc. 8030 Acta, was Kf. Johann Friedrich, Bl. 34 ff. 2 2 ) Über die in jenen Jahren Deutschland bewegende Kriegsstimmung vgl. z. B. W. R o s e n b e r g , Der Kaiser und die Protestanten 1537—1539, 1903, S. 20 ff. 2 3 ) Vielleicht der Brief des Bischofs von Meißen vom 1. 10. 1539: Abschr. Dr. Loc. 9024 a.a.O., Bl. 8 6 ° — 8 8 (damit würde allerdings die Audienz des bayerischen Gesandten bei Heinrich noch später anzusetzen sein, was eine Schwierigkeit bedeutet); einen der Zeit nach in Betracht kommenden Brief des Merseburger Bischofs habe ich nicht gefunden.
146
Zweiter Teil: Konflikt zwischen Landesgewalt und Hochstift
Schutze "von Bundesgliedern f a ß t e n 2 4 . H i e r ging also dem H e r z o g sein T e m perament allen klugen Überlegungen gegenüber durch. Die Denkschrift an den Kaiser w i r d daraufhin K ö n i g Ferdinand zugestellt 2 5 . Dieser macht sich aus Furcht, die Fürsten des N ü r n b e r g e r Bundes möchten sonst den Habsburgern untreu w e r d e n 2 6 , deren F o r d e r u n g zu eigen und ersucht den Kaiser dringend u m Ausfertigung des hier
beantragten
scharfen Mandates gegen Heinrich v o n Sachsen und u m Vorbereitung des Krieges 2 7 . Doch v o m Kaiser k o m m t wieder eine hinhaltende
Antwort28.
U n d bald ist auch F e r d i n a n d wieder einer friedlichen Lösung des Konflikts mit Heinrich von Sachsen stärker zugeneigt. Heinrich von
Braunschweig,
der E n d e N o v e m b e r nach einem Besuche bei L u d w i g v o n B a y e r n nach Wien k o m m t , um mit Ferdinand über den geplanten A n g r i f f gegen Sachsen zu verhandeln, m u ß sich eine Ablehnung rascher kriegerischer M a ß n a h m e n gefallen lassen. Jedenfalls w i r d es aber F e r d i n a n d dabei nicht an ermunternden W o r t e n für den Braunschweiger haben fehlen lassen 2 9 ; auch hatte ihm der päpstliche Nuntius M o r o n e noch den V o r s a t z des Papstes mitgeteilt, den N ü r n b e r g e r Bund mit 5 0 0 0 0 D u k a t e n zu unterstützen 3 0 . D i e in Aussicht genommene N ü r n b e r g e r Bundestagung fand a m 15. J a n u ar 1 5 4 0 in Landshut statt. H i e r stellte man nur fest, d a v o m Kaiser noch keine A n t w o r t eingetroffen sei, könne m a n keine Entschließung fassen. V o n der B e r a t u n g einer H i l f s a k t i o n ohne A b w a r t e n der kaiserlichen
Antwort,
wie Heinrich von Braunschweig gedacht hatte, ist also keine R e d e . F ü r den 2 ' 1 ) Denkschrift Heinrichs von Braunschweig an Ludwig von Bayern, undatiert (nach 22. 9. 1539): Absdir. Dr. Loc. 8030 a.a.O. Bl. 48 ff. 2 5 ) Auszug aus dem Abschied des Landshuter Tages, Januar 1540: Absdir. Dr. Loc. 8030 a.a.O. Bl. 20. 2 e ) Vgl. eine Äußerung Morones an Farnese vom 17. 11. 1539 (NB 5, 19) und N B 6, 311 Anm. 1. 2 7 ) Ferdinand an Karl V., Wien, 17. 11. 1539: N B 6, 302 ff. 2 8 ) An Ferdinand, Paris, 7. 1. 1540: N B 6, 310 ff. 2 8 ) Audi Karl ließ es sich angelegen sein, die Glieder des Nürnberger Bundes bei guter Zuversicht zu erhalten. So legt er seinem Schreiben an den Bruder vom 7. 1. 1540 einen Brief bei, den Ferdinand den Bundesgliedern zeigen könne. Doch darf derlei nicht darüber hinwegtäuschen, daß er sich durch das Bestehen des Bundes dessen Ziele in seiner Politik nicht hat bestimmen lassen (vgl. die oben S. 141 Anm. 97 erwähnte Arbeit von B a u m g a r t e n ) . 3 0 ) Morone an Farnese, Wien, 30. 11. 1539: N B 5, 23. Die Kurie war für einen Krieg gegen Heinrich von Sachsen und arbeitete eifrig auf eine Stärkung des Nürnberger Bundes hin, trat jedoch aus politischen Erwägungen diesem selbst nicht bei (vgl. C a r d a u n s ' Einleitung zu N B 5, S. L I I ff., und etwa Farnese an Poggio vom 21. 10. 1539: N B 5, 4, sowie Morone an Cervini: N B 5, 29). Für Ferdinands Haltung vgl. außerdem noch dessen Schreiben an Karl vom 26. 1. 1540 ( N B 6, 311 Anm. 1). — Auch vorher sdion hatte Ferdinands Haltung gewechselt: Nach einem Bericht Morones an Farnese vom 13. 10. 1539 ( N B 5, 3) war er damals gegen einen Krieg, am 5. 9. (Schreiben Ferdinands an Karl: N B 6, 301 Anm. 1) anscheinend dafür.
4. Der Streit um die Reidisstandschaft des Hochstifts
147
Fall, d a ß letztere noch längere Zeit verziehe, nahm man sich nur vor, in etwa vierzehn Tagen dem Reichsoberhaupt durch einen gut unterrichteten Gesandten die Dinge noch einmal recht dringlich darstellen zu lassen 31 . So sah sich Bischof Johann also noch im Winter 1539/40 trotz aller von seiner und anderer Seite ergangenen Bemühungen ohne tatkräftigen Beistand von außen her. Die Hilfe, die ihm zuteil geworden war, hatte im wesentlichen nur aus Vertröstungen und Versprechungen bestanden. N a mentlich Herzog Heinrich von Braunschweig hatte mit ermutigenden Worten nicht gespart, und zwar nicht nur nach seinem Besudle bei Ferdinand im November, als die Haltung des Königs ihm immerhin ein gewisses Recht dazu gegeben hatte 3 2 . Auch das doch überaus magere Ergebnis der Bundestagung in Landshut, Januar 1540, glaubte er dem Bischof gegenüber mit den ermutigendsten Ausdrücken darstellen zu dürfen: in Landshut sei beschlossen worden, ihn zu retten, handthaben und vorteidingen, darzu sich euer lieb gewislich und ungezweifelt vorlassen dorfen33. Der Braunschweiger glaubte beim Bischof von Meißen besonderen Anlaß zu haben, durch solche Worte dessen Standhaftigkeit zu stärken. Dem Merseburger Bischof gegenüber spricht er sich über den angeblichen Kleinmut des Meißners zweimal scharf tadelnd aus. Das erste Mal, weil Johann sich bei seinen Verhandlungen mit den sächsischen Herzögen am 14. Juli in Meißen betreffs seiner Berechtigung zur Reichsstandschaft habe unsicher machen lassen 34 , das andere Mal, nachdem dieser den Wettinern ein erstes Anerbieten zu einem Vertrage über seine Reichstagsbeschickungen gemacht hatte: ein solcher Vertrag möge zwar sein, aber damit sei ja doch die alte Religion noch nicht wiederhergestellt. Wenn Johann so kleinmütig sei, wäre er besser gar nicht im Nürnberger Bund 36 . Audi Bischof Sigismund von Merseburg war über 31 ) Auszug aus dem Abschied des Landshuter Tages: Absdir. Dr. Loc. 8030 a.a.O. Bl. 20 f.; Heinrich von Braunschweig an den Bisdiof von Meißen, 7. 2. 1540: Abschr. Dr. Loc. 9024 a.a.O. Bl. 123b f. Da der Kaiser Mitte Februar 1540 in den Niederlanden, in Gent, eintraf (NB 5, S. LX), war eine Gesandtschaft an ihn jetzt verhältnismäßig leicht zu bewerkstelligen. Vielleicht ist das einzelne Doppelblatt Dr. Loc. 8030 a.a.O. Bl. 19 und 22 (Abschr.) ein Beweis für die Absendung dieses Gesandten; seinem aus kurzen Stichworten bestehenden Inhalt nach läßt sich das Aktenstück gut als eine Instruktion Herzog Heinrichs für einen solchen Gesandten auffassen; sein Original stammt angeblich von der Hand des Kanzlers Heinrichs. 32
) Heinrich von Braunsdiweig an den Bisdiof von Merseburg mit der Bitte um Mitteilung an den Bischof von Meißen, Deutsdienbrod in Böhmen, 29. 11. 1539: Abschr. Dr. Loc. 9024 a.a.O. Bl. 122. 33 ) Heinrich von Braunschweig an den Bischof von Meißen, 7. 2. 1540. Abschr. a.a.O. Bl. 123b f. Entsprechend äußert sich jener diesem gegenüber am 10. 10. 1539: Absdir. a.a.O. Bl. 89. 34 ) Heinrich von Braunsdiweig an den Bischof von Merseburg, 27. 7. 1539: Abschr. a.a.O. Bl. 105b ff. 35
) Ders. an dens., 13. 9. 1539: Abschr. a.a.O. Bl. 115.
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Zweiter Teil: Konflikt zwischen Landesgewalt und Hochstift
das angeblich zu nachgiebige Verhalten Johanns von Meißen ungehalten 88 . Wir werden, wenigstens was den Tadel des Braunschweigers im zweiten Falle anbetrifft, anders urteilen müssen. Der Bischof von Meißen konnte wohl hier nicht anders handeln, wenn er nicht die ganze Existenz seines Stifts aufs Spiel setzen wollte. Auch der Merseburger hat ja schließlich in der Reichsstandsfrage die geforderte Verschreibung noch vollzogen, und zwar lediglich von der Furcht getrieben, das schlimme Geschick des Meißner Stifts könne auch das seinige ereilen 37 . Johann hat denn auch auf die Vorwürfe hin, die der Braunschweiger audi ihm zwischen den Zeilen gemacht hatte 3 8 , sich durch Hinweis auf seine bedrängte Lage gerechtfertigt 39 , und der Braunschweiger Herzog machte ihm in seinem daraufhin ergangenen Antwortschreiben 40 keine Vorwürfe mehr. 5. D i e H a l t u n g d e r a l b e r t i n i s c h e n zweite Visitation
Stände
und
die
Wie wir wiederholt beobachteten, verbanden der Bischof von Meißen und seine Gesinnungsverwandten mit ihrer Hoffnung auf Unterstützung durch den Kaiser und die altgläubigen Reichsstände die Erwartung, daß dann auch die Stände des albertinischen Sachsen sich zu tatkräftiger Hilfe aufraffen würden. Der Bischof hatte, wie wir sahen, gelegentlich den Beistand von Vertretern des Adels in Anspruch genommen bzw. vorgehabt, dies zu tun 4 1 . Eine erste Gelegenheit, als Corpus sich mit der Religionsfrage zu befassen, bot sich den Landständen, als der neue Herzog sie im November 1539 zu seinem ersten Landtag nach Chemnitz berief. Hier sprachen die Stände offen ihr Mißfallen darüber aus, daß der Landesherr religiöse Neuerungen vorgenommen habe, ohne sie zu befragen. Eine vorherige Beratung mit ihnen hätte, so meinten sie, seine Unternehmungen ersprießlicher gestaltet. Immerhin zeigten sie sich jetzt im großen und ganzen bereit, auf den Boden der neuen Ordnung zu treten, versuchten aber in einer Reihe nicht unwesentlicher Punkte, ihre Interessen und Wünsche durchzusetzen. So solle der Herzog niemandem gegen seine Gewissensüberzeugung Zwang antun, auch ihnen ihre Patronatsrechte belassen. Die Erfüllung dieser Wünsche hätte natürlich eine weitgehende Durchlöcherung des protestantischen Bekenntnisstandes bedeutet. Die Stände brachen auch manche Lanze für den Bischof. So beantragten sie, der Landesherr solle mit den Bistümern wie auch ) Vgl. F r a u s t a d t S. 84. ) Vgl. oben S. 144 Anm. 17. 3 8 ) In dem Schreiben vom 13. 9. 1530: Ausf. Dr. Loc. 8993 Reichsstand, Bl. 35. 3 9 ) An Heinrich von Braunschweig, 1. 10. 1 5 3 9 : Absdir. Dr. Loc. 9024 a.a.O. Bl. 86b—88. 4 0 ) An den Bischof von Meißen, 10. 10. 1 5 3 9 : Absdir. a.a.O. Bl. 89. 4 1 ) S. o. S. 92. 3e 37
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Zweiter Teil: Konflikt zwischen Landesgewalt und Hochstift
das angeblich zu nachgiebige Verhalten Johanns von Meißen ungehalten 88 . Wir werden, wenigstens was den Tadel des Braunschweigers im zweiten Falle anbetrifft, anders urteilen müssen. Der Bischof von Meißen konnte wohl hier nicht anders handeln, wenn er nicht die ganze Existenz seines Stifts aufs Spiel setzen wollte. Auch der Merseburger hat ja schließlich in der Reichsstandsfrage die geforderte Verschreibung noch vollzogen, und zwar lediglich von der Furcht getrieben, das schlimme Geschick des Meißner Stifts könne auch das seinige ereilen 37 . Johann hat denn auch auf die Vorwürfe hin, die der Braunschweiger audi ihm zwischen den Zeilen gemacht hatte 3 8 , sich durch Hinweis auf seine bedrängte Lage gerechtfertigt 39 , und der Braunschweiger Herzog machte ihm in seinem daraufhin ergangenen Antwortschreiben 40 keine Vorwürfe mehr. 5. D i e H a l t u n g d e r a l b e r t i n i s c h e n zweite Visitation
Stände
und
die
Wie wir wiederholt beobachteten, verbanden der Bischof von Meißen und seine Gesinnungsverwandten mit ihrer Hoffnung auf Unterstützung durch den Kaiser und die altgläubigen Reichsstände die Erwartung, daß dann auch die Stände des albertinischen Sachsen sich zu tatkräftiger Hilfe aufraffen würden. Der Bischof hatte, wie wir sahen, gelegentlich den Beistand von Vertretern des Adels in Anspruch genommen bzw. vorgehabt, dies zu tun 4 1 . Eine erste Gelegenheit, als Corpus sich mit der Religionsfrage zu befassen, bot sich den Landständen, als der neue Herzog sie im November 1539 zu seinem ersten Landtag nach Chemnitz berief. Hier sprachen die Stände offen ihr Mißfallen darüber aus, daß der Landesherr religiöse Neuerungen vorgenommen habe, ohne sie zu befragen. Eine vorherige Beratung mit ihnen hätte, so meinten sie, seine Unternehmungen ersprießlicher gestaltet. Immerhin zeigten sie sich jetzt im großen und ganzen bereit, auf den Boden der neuen Ordnung zu treten, versuchten aber in einer Reihe nicht unwesentlicher Punkte, ihre Interessen und Wünsche durchzusetzen. So solle der Herzog niemandem gegen seine Gewissensüberzeugung Zwang antun, auch ihnen ihre Patronatsrechte belassen. Die Erfüllung dieser Wünsche hätte natürlich eine weitgehende Durchlöcherung des protestantischen Bekenntnisstandes bedeutet. Die Stände brachen auch manche Lanze für den Bischof. So beantragten sie, der Landesherr solle mit den Bistümern wie auch ) Vgl. F r a u s t a d t S. 84. ) Vgl. oben S. 144 Anm. 17. 3 8 ) In dem Schreiben vom 13. 9. 1530: Ausf. Dr. Loc. 8993 Reichsstand, Bl. 35. 3 9 ) An Heinrich von Braunschweig, 1. 10. 1 5 3 9 : Absdir. Dr. Loc. 9024 a.a.O. Bl. 86b—88. 4 0 ) An den Bischof von Meißen, 10. 10. 1 5 3 9 : Absdir. a.a.O. Bl. 89. 4 1 ) S. o. S. 92. 3e 37
5. Haltung der albertin. Stände und zweite Visitation
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mit den Klöstern, Stiftern und Komtureien ohne ihre Bewilligung keine Veränderung vornehmen, sondern diese möglichst noch bis zu einem vielleicht zu erwartenden Reichsbeschluß über deren Geschick in ihrem Zustande belassen; namentlich die Bistümer und Stifter, die z. T. kaiserliche Lehen seien, dürfe der Herzog nicht antasten, da das zum Kriege führen könne. Auch beschwerten sich die Stände darüber, d a ß Heinrich sie zwecks Verhängung der Straßensperrung gegen die Bischöfe und Domherren aufgeboten habe, denn diese seien z. T. ihre Lehnsherren und Verwandten. Der Herzog möchte ein derartiges Ansinnen künftig vermeiden, sonst würden sie selbst f ü r das Recht der Bischöfe sorgen. Die Landschaft als solche stand also noch, wie zu Herzog Georgs Zeiten 42 , zwischen den Konfessionen; das Hochstift hatte an ihr jedenfalls einen Rückhalt. Freilich ohne tatkräftige Unterstützung von außen her reichte auch ihr Arm nicht allzu weit. So vermochte der Landesherr in den meisten der erwähnten Punkte sich eben doch durchzusetzen. Wenn er auch auf Anwendung von Glaubenszwang verzichtete, so betonte er doch gleichzeitig seine Pflicht, die unchristlichen Mißbräuche im Gottesdienst allenthalben abzuschaffen. Die Patronatsrechte gestand er nur soweit zu, als deren Inhaber selbst für tüchtige christliche — d. h. natürlich: lutherische — Pfarrer sorgen würden 4 3 . Die Reformation der Bistümer und Klöster bis zum Reichsbeschluß zurückzustellen, lehnte er ab. Hinsichtlich der Beschwerde der Landstände über das Aufgebot gegen den Stiftsklerus verwies er einfach auf deren uneingeschränkte Gefolgschaftspflicht. N u r betreffs der künftigen Verwendung der Kirchengüter verpflichtete er sich zur Verständigung mit einem Ausschuß der Landschaft. Erst recht wurde in Chemnitz der Protest der geistlichen Landstände, die gegen jede geschehene oder künftige Änderung auf kirchlichem Gebiete Einspruch erhoben hatten, vom Landesherrn zurückgewiesen. Das gleiche Schicksal hatten die meisten der Wünsche, die der Bischof von Meißen dann noch besonders vorbrachte. Johann bat, daß im Dom wieder etliche Gesänge erlaubt würden, daß ihm das Recht zur Besetzung der Dompredigerstelle zugestanden würde, daß in Meißen das Schimpfen auf ihn und andere altgläubige Geistliche von den Kanzeln herab unterbliebe, endlich, daß der
42
) Vgl. oben S. 88. ) Ich möchte in diesem Punkte also eher einen Sieg des Herzogs sehen, nidit, wie B r a n d e n b u r g a.a.O. S. 199 meint, einen solchen der Stände. Audi in der Instruktion zur zweiten Visitation vom 22. 12. 1539 (Absdir. Dr. Loc. 10 599 Visitation samt derselben Instruktion 1539, Bl. 1 ff., gedruckt bei S e h 1 i n g I, 281 ff.) heißt es im 14. Punkt: die Lehen- [ = Patronats-] herren sollten nur einen Pfarrer aufnehmen, der von den Superattendenten oder Visitatoren für tüchtig befunden worden sei. Eine andere Frage ist natürlich die praktische Handhabung dieser Angelegenheit. 43
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Zweiter Teil: Konflikt zwischen Landesgewalt und Hochstift
Herzog die Ausdehnung seiner Visitationen auf das Stiftsgebiet unterlassen möchte. Nur der dritte dieser Punkte wurde bewilligt 44 . Es wird sich uns jedoch zeigen, daß der Landtag zu Chemnitz trotz alledem eine Milderung der Religionspolitik, ja der ausgesprochen protestantischen Politik des Landesherrn überhaupt zur Folge hatte. Wenn Bischof Johann die Verschonung des Stiftsterritoriums mit den herzoglichen Visitatoren erbat, so mochte er die von uns erwähnten Geschehnisse am Meißner Dom, in Würzen, Brießnitz und Altenmügeln46 im Auge haben. Möglicherweise waren das ja doch nicht die einzigen Fälle. Anlaß zu dieser Annahme können besonders die Äußerungen des Bischofs gegenüber Johann Fabri vom 10. Dezember 1539 46 geben: falcem in ditionem nostram immittunt, quantum ad religionem spectat, adeo ut in locis nobis vere subiectis divina celebrare non audemus. Auch in dieser schweren Lage sann Johann noch auf Mittel und Wege, um zu halten, was zu halten war. So hegte er den Plan, Mönche, die infolge ihres Festhaltens an der alten Kirche ihre Klöster verlassen mußten, in geeigneten Fällen in Pfarrstellen einzusetzen. Dabei war er sich darüber im klaren, daß die Bevölkerung, selbst soweit sie sich altgläubige Prediger würde gefallen lassen, doch an der Kutte Anstoß nehmen würde. Darum bat er den päpstlichen Nuntius Morone, für Dispensation der Mönche vom Tragen ihres Ordenskleides zu sorgen47. Dennoch hatte eine tief pessimistische Stimmung bei ihm, wenigstens zuweilen, die Oberhand. Er sitze auf seiner Burg zwischen der lutherischen Mark Meißen und der lutherischen Lausitz und wage nicht, irgendwohin zu gehen, meint er Johann Fabri gegenüber48. Er sei bereits genötigt, lutherische Dienerschaft zu nehmen. Komme keine Änderung, so sei seine Ab44) I ß l e i b a.a.O. S. 182 ff., H e r i n g S. 93 ff. Das „Antragen" der Stände findet sich in Abschrift Dr. Loc. 9353 Landtag zu Chemnitz, Bl. 2 1 b ff., die Petition des Bischofs von Meißen und des Herzogs Antwort D r . Loc. 9024 a.a.O. Bl. 8 f. Möglicherweise hörte die protestantische Geistlichkeit trotzdem nicht auf zu schmähen ( C D S R II, 3, S. 364 f.). 4 u ) S. o. S. 129 ff. Betreffs Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse in Brießnitz unternahm Heinrich im Dezember weitere energische Schritte, vgl. Dr. Loc. 10 593 Visitationsacta 1539, Bl. 164 f., 169 f., 171, 173 f., sowie Loc. 10 594 Visitationsacta 1541, Bl. 234 f. 4 6 ) N B 6, 237 ff. Ähnliche Äußerungen des Bischofs lesen wir auch in seiner Denkschrift für König Ferdinand von etwa Februar 1540: nicht behändigte Ausf. Dr. Loc. 8994 Acta, die Veränderung der Religion, Bl. 93 ff. ' " ) Bischof von Meißen an Morone, 10. 12. 1539: N B 6, 238 Anm.; vgl. darüber auch das eben genannte Schreiben an Fabri. 4 8 ) In einem zweiten, gleichfalls vom 10. Dezember 1539 datierten Briefe: N B 6, 236 f. Betr. der Niederlausitz schreibt der Bischof hier, der Offizial von Lübben habe seinem Sekretär vertraulich mitgeteilt, dieses Land werde bald völlig lutherisch sein. N u r in Lübben werde das Abendmahl noch unter einer Gestalt gefeiert. Der Landeshauptmann Hans von Minckwitz suche aber, ihn und die Bevölkerung mit größtem Eifer für die lutherische Form der Kommunion zu gewinnen.
5. H a l t u n g der albertin. Stände und z w e i t e Visitation
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sieht, den Episkopat an einen anderen abzutreten und sich ins Privatleben zurückzuziehen, wenn noch irgendwo gute Christen zu finden seien. Falls keine Änderung eintrete, so sei es sicher, daß die sächsischen Hochstifter bald an die Wettiner fallen würden 4 9 . Der Drude der Wettiner auf das Hochstift ging denn auch tatsächlich weiter. Um die bei der ersten Visitation Herzog Heinrichs offengelassenen zahlreichen Lücken zu schließen, wurde kurz vor Ende des Jahres 1539 eine zweite Visitation eingeleitet. Am 5. Januar 1540 erschienen die Visitatoren vor dem Meißner Kapitel 5 0 . Dieses verwies auf seinen bei der vorigen Visitation und auf dem Chemnitzer Landtag ausgesprochenen Protest gegen derartige Visitationen überhaupt, und erneuerte diesen trotz des energischen Einspruchs der Visitatoren. Auf die Frage, ob sie die Anordnungen der ersten Visitation befolgt hätten, antworteten die Domherren, daß sie das landesherrliche Verbot der Divina hätten halten müssen. Dem Begehr der Visitatoren nach einem Verzeichnis sämtlicher Domherren und Vikare, das auch die Angabe über deren Residenzpflicht enthalten sollte, wurde stattgegeben. Auch sah sich das Kapitel nicht in der Lage, die geforderte Inventarisierung und Aufzeichnung der Kirchenkleinodien zu verhindern. Am 6. Januar, an dem auch diese Bestandsaufnahme geschah, forderten die Visitatoren die anwesenden Vikare gesondert vor, stellten ihnen dar, daß der Herzog anstelle der päpstlichen Mißbräuche evangelische Zeremonien zu setzen entschlossen sei, und verwiesen auf ihren Befehl, Tauglichkeit und Bereitschaft der Vikare zum lutherischen Kirchendienst festzustellen. Den Gutwilligen gedenke der Landesherr gegebenenfalls das Einkommen zu erhöhen. Sollten aber einige von ihnen den Müßiggang der Annahme der kirchlichen Neuerungen vorziehen, so hätten sie, die Visitatoren, Befehl, auch dies dem Herzog zu melden; dieser werde sie dann sein Mißfallen spüren lassen. Trotz dieses Druckes blieb die Mehrzahl der Vikare standhaft 5 1 , was bei ihren dürftigen äußeren Ver49
) Eine ähnliche Stimmung spricht aus dem einen Tag später geschriebenen Brief des Bischofs an N a u s e a : Epistol. misc. ad F. N a u s e a m S. 268. 50 ) Vgl. über diese Visitation im Meißner Hochstift die beiden oben S. 11 f. Anm. 48 genannten Protokolle, den Brief des Domherrn N i k o l a u s v o n C a r l o w i t z an Julius P f l u g , Stolpen, 6. 3. 1540, in: Ch. E. W e i ß e , N e u e s Museum für die sächsische Geschichte 1, 1800, S. 136 f f . ; I ß 1 e i b a.a.O. S. 188 f. 51 ) D a s bezeugen uns übereinstimmend das Protokoll der Visitatoren, das des Stiftssyndikus und der Brief des D o m h e r r n Carlowitz. L o o s e (MM 4, 1897, S. 347 ff.) w e i ß nur bei 5 v o n sämtlichen Vikaren, Choralisten und Kaplänen zu berichten, daß sie unmittelbar oder bald nach der z w e i t e n Visitation evangelisch wurden. Bei einigen weiteren vermag er den Zeitpunkt des Ubertritts nidit genauer anzugeben; immerhin traten einige noch in der ersten H ä l f t e der 1540er Jahre über. D i e Zahl der Vikare usw., v o n denen Loose überhaupt zu berichten weiß, daß sie sich dem lutherischen Bekenntnisse anschlössen, beträgt 13 (bei einem von ihnen nimmt es Loose auch nur an). Freilich ist die Zahl derer, v o n denen Loose ausdrücklich melden kann, daß sie katholisch blieben, noch geringer. Bei den meisten ist eben die Einstellung in der Bekenntnisfrage nicht bekannt. Zu den Vikaren, die evangelisch wurden, gehört der Stiftssyndikus Johann Fritzsch, der gleich-
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Zweiter Teil: Konflikt zwischen Landesgewalt und Hochstift
hältnissen 5 2 besonders beachtenswert ist. D i e Visitatoren entschlossen sich daher bald, v o n der begonnenen Einzelbefragung abzusehen. Sie schlössen die Vernehmung mit einem Hinweis a u f die zu erwartende G n a d e b z w . U n g n a d e des Fürsten und der ernsten E r m a h n u n g , priesterlich und unärgerlich zu leben, keine verdächtigen Weibspersonen unter sich zu dulden, ihre Tonsur verwachsen zu lassen und fleißig die evangelische P r e d i g t zu besuchen, d a m i t der gemeine M a n n ein E x e m p e l habe. D e r herzogliche A m t mann habe Befehl, die Befolgung dieser Anordnungen zu überwachen und nötigenfalls mit Strafen einzuschreiten 5 3 . D e m Klerus der
Fürstenkapelle
— oder zumindest den sog. G r a b a t e n 5 4 — überreichten die Visitatoren eine Ordnung, nach der er sich an der Fürstenkapelle mit
Singen
und
Lesen
zu halten h ä t t e 5 5 . E i n Teil des Chores wurde abgeschafft; der Stiftssyndikus erhielt Befehl, seine Einkünfte einzubehalten und bei sich zu hinterlegen. D e r den G r a b a t e n präsidierende Kapellenmeister erhielt die A n w e i sung, nach einer ihm zu diesem Zwecke übergebenen Kirchenordnung die K o m m u n i o n zu bestellen, sobald sie von Stiftsangehörigen begehrt werde,
wohl noch jahrzehntelang in seiner Stellung blieb ( L o o s e a.a.O. S. 361 Anm. 27). Außer den von Loose mitgeteilten Fällen ist ein Bekenntniswechsel bekannt von dem Vikar Fabian Kain. 52
) S. o. S. 12 f.
) Wie ein bald danach eingetretener Fall zeigt, war jetzt — wenigstens nach Aussage des Amtmanns zu Meißen — dem Kapitel die Jurisdiktion über seine eigenen Mitglieder und die Stiftsvikare überhaupt genommen und den zwei Predikanten ( = Domprediger und Meißner Stadtpfarrer?) und dem Amtmann als oberstem Exekutor übertragen (Bischof von Meißen an Heinrich, 30. 4. 1540: Konzept Dr. Loc. 8993 Reichsstand der Bisrhnfp 1512—1549, Bl. 124 f.). 53
64
) Vgl. oben S. 13 Anm. 53.
) Aus dem Protokoll der Visitatoren wird nicht recht klar, ob der diesbezügliche Satz sich nur auf die zuletzt aufgeführte Gruppe derer, so in des Fürsten Kapellen sindt (nach L o o s e : MM 4, 1897, S. 357, vgl. S. 367, sind diese identisch mit den im Protokoll vorhergenannten Priestern auf der Grabaterei), oder auch auf die vorhergenannten sechs Kapläne, deren Funktionen nicht angegeben werden, und die sieben Vikarien in den fürstlichen Capellen, die Schutterei genant, bezieht. Im letzteren Falle möchte man annehmen, daß die Durchführung dieser gottesdienstlichen Neuordnung auf Schwierigkeiten gestoßen ist, da es über jene Gruppe von sechs Kaplänen im Protokoll der Visitatoren heißt, von ihnen habe lassen. Es hat sich keiner zu einigen bestellunge der kirchen wollen gebraueben übrigens den Anschein, daß für die Fürstenkapelle schon bei der ersten Visitation derartige Neuerungen verfügt worden sind. Nach R ü 1 i n g S. 70 u. 196 findet sich in den Meißner Ratsakten ein Schreiben der damaligen Visitatoren an den Rat, datiert Dresden, 19. 7. 1539, mit Anordnungen für die Choralisten in der Fürstencapelle, worin der Rat ersucht wird, ein Auge darauf zu haben, daß solchem Befehle nachgegangen wird. Der Inhalt dieser Anordnungen, die wohl auf einer besonderen, anscheinend verloren gegangenen Beilage aufgezeichnet waren, ist freilich nach R ü 1 i n g S. 70 nidit bekannt. [Vgl- jetzt auch H . Klemm, unten S. 164 Anm. 26.] 55
5. Haltung der albertin. Stände und zweite Visitation
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natürlich nur unter beiderlei Gestalt; dieser Kleriker, von dem uns überliefert ist, daß er sich bald verheiratet hat 5 6 , erschien den Visitatoren offenbar besonders zuverlässig. Am 7. Januar verhandelten die Visitatoren nochmals mit dem Kapitel. Sie hielten ihnen das Gerücht vor, etliche unter ihnen hielten noch Messe, und forderten für den lutherischen Domprediger ein Haus und die N u t z nießung der für diese Stellung zur Verfügung stehenden Einkünfte, die in einem Verzeichnis zusammenzustellen seien 57 . Die Domherren versicherten, von der Abhaltung von Meßgottesdiensten durch einen aus ihrem Kreise nichts zu wissen, und versprachen, gegebenenfalls davon Anzeige zu erstatten. Das Verzeichnis der Einkünfte des Dompredigers reichten sie ein. Die Einräumung einer Kurie f ü r den neuen Prediger verweigerten sie, ließen aber verlauten, daß sie hier der Gewalt gegebenenfalls würden weichen müssen. Zum Schluß gaben die Visitatoren den Domherren noch dieselben Anweisungen wie tags zuvor den Vikaren und gaben bekannt, daß im Übertretungsfalle der herzogliche Amtmann den Befehl habe, dem Landesherrn Anzeige zu erstatten. Die Domherren versuchten vergeblich, mit der Polizeiaufsicht des Amtmanns verschont zu bleiben. Auf dieser Visitation wurde auch die Domschule geschlossen. Die Visitation des Herzogtums 5 8 wurde diesmal gründlicher gehandhabt als das erste Mal. In den Städten verschwanden die oppositionellen Elemente im großen und ganzen. Freilich kam es viel darauf an, mit welcher Strenge die jeweilige Stadtobrigkeit die Anweisungen der Visitatoren durchführte. Auf dem platten Lande, wo freilich diesmal überall an O r t und Stelle visitiert wurde, blieb dagegen die kirchliche Neuordnung weiterhin recht unvollkommen. Die Instruktion sah zwar die Absetzung untüchtiger Geistlicher gegen eine Abfindungssumme vor, doch schritt man zu dieser Maßnahme aus Mangel an geeigneten Kräften anscheinend nur in besonders schwerwiegenden Fällen. So blieb der Adel mit seinen Patronatskirchen während der ganzen Regierungszeit Herzog Heinrichs in der Ausübung katholischer Gebräuche unbehelligt. Die Einstellung der Klöster zu den Neuerungen war sehr verschieden. Die Mönche und Nonnen wurden vor die Entscheidung gestellt, entweder das lutherische Bekenntnis anzunehmen oder auszuwandern. Im ersten Falle hatten sie die Wahl, ob sie nach Ablegung ihres Ordenskleides unter Beobachtung evangelischer Kirchenbräuche im Kloster bleiben oder dasselbe mit einer Abfindungssumme ®6) L o o s e : MM 4, 1897, S. 365 Anm. 67. 5T ) Der altgläubige Domprediger Dr. Melchior Riedel mußte ebenso wie Cochläus spätestens seit dem Herbst 1539 Meißen fernbleiben (s. o. S. 139). Letzterer konnte aber trotzdem seine Einkünfte weiterbeziehen (nach dem a.a.O. erwähnten Schreiben des Bischofs Johann an Bischof Fabri). 5S ) Vgl. darüber I ß 1 e i b a.a.O. S. 185 ff., 193 f.; H e r i n g S. 98 ff.; B u r k h a r d t S. 255 ff.; B r a n d e n b u r g a.a.O. S. 200.
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Zweiter T e i l : K o n f l i k t zwischen Landesgewalt und H o d i s t i f t
verlassen wollten. Wenn in mehreren Klöstern hartnäckiger Widerstand geübt wurde, so mag das nicht zuletzt an einem gegen Anfang der Visitation ergangenen Befehl des Bischofs gelegen haben, zu keiner der vom Landesherrn geforderten Veränderungen die Hände zu bieten, was um so leichter möglich sei, da die kaiserliche Hilfe nicht mehr fern zu sein scheine 59 . Diesen widerspenstigen Ordensleuten wurde zunächst eine teils längere, teils kürzere Bedenkzeit eingeräumt. Das für die Nonnen zu Freiberg vom Meißner Dompropst und Prager Administrator Ernst von Schleinitz sowie anderen Adligen, großenteils böhmischen Herren, eingereichte Gesuch um Ausdehnung dieser Bedenkzeit auf ein halbes J a h r — wobei natürlich die stille Hoffnung im Hintergrunde stand, das lutherische Kirchenwesen werde sich nicht mehr lange halten können — wurde von Heinrich abgelehnt 60 . Einige Klosterinsassen verließen auch sogleich das Land. Ferner erging an die Klöster die Aufforderung, einen Teil ihrer Einkünfte zur Besoldung der protestantischen Geistlichkeit abzugeben. Bei den in Ablehnung verharrenden Klöstern freilich war die Feststellung der Einkünfte und ihre Verwendung im lutherischen Sinne sehr schwierig. Hinsichtlich des Stiftsterritoriums stellte die Visitationsinstruktion 61 fest, daß eine Visitation ohne Nachsuchen der Gemeinden nicht in Betracht komme. Für den Fall, daß er jedoch von den Pfarrkindern darum gebeten werde, betonte der Landesherr seine Bereitschaft, in seiner Eigenschaft als Schutzherr dem stattzugeben. Diese Milderung der noch soeben auf dem Landtag zu Chemnitz eingenommenen Haltung nimmt wunder. Man wird darin wie in der laxen Durchführung der zweiten Visitation überhaupt eine Auswirkung der auf diesem Landtag eingeleiteten Politik einer stärkeren Anlehnung an die Stände sehen dürfen 02 . Die Visitation des Stiftslandes unterblieb denn auch 63 . Die bischöflichen Untertanen glaubten es also offenbar nirgends wagen zu dürfen, den Herzog um reformatorische Maßnahmen zu bitten. Denn daß sie teilweise Neigung dazu verspürten, sahen wir ja 8 4 . 59) Die Visitatoren an Heinrich, Meißen, 14. 1. 1 5 4 0 : Ausf. D r . L o c . 10 5 9 3 Visitationsacta 1 5 4 0 , Bl. 6 f.; Heinrich an den Bischof, 16. 1. 1 5 4 0 : Ausf. D r . L o c . 8 9 9 4 Geistliche H ä n d e l , Bl. 8 ; A n t w o r t des Bischofs, 18. 1. 1 5 4 0 : D r . L o c . 10 5 9 4 Visitationsacta 1 5 4 1 , Bl. 156. 60) Ausf. der Bittschriften: D r . L o c . 10 5 9 3 Visitationsacta 1 5 4 0 , Bl. 2 9 , 31 f f . ; A n t w o r t des H e r z o g s : a . a . O . Bl. 4 0 . 61) Abschrift D r . L o c . 10 5 9 9 Visitation samt derselben Instruction 1 5 3 9 , Bl. 1 ff., gedruckt bei S e h 1 i n g I, 2 8 1 ff. G2) B r a n d e n b u r g a . a . O . S. 2 0 0 . Charakteristisch für diese Situation ist auch das — wie wir in einem Briefe des Justus J o n a s an Fürst G e o r g von A n h a l t v o m 9. Juni 1 5 4 0 ( K a w e r a u I, 3 9 2 ff.) lesen — damals im Meißnisdien umlaufende Gerüdit, in der Meißner K a t h e d r a l e sei den D o m h e r r e n wieder etwas v o m papistischen Kultus gestattet. Wie J o n a s a . a . O . auf G r u n d einer Erkundigung bei den Visitatoren mitteilt, w a r dieses Gerüdit jedoch völlig unbegründet. 63) B u r k h a r d t S. 2 7 0 . ü 4 ) S. o. S. 137.
5. H a l t u n g der albertin. S t ä n d e u n d zweite Visitation
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Vom Meißner Dom abgesehen, hat Herzog Heinrich, soviel ich sehe, nur in einem Falle in die kirchlichen Verhältnisse des Stiftsterritoriums eingegriffen, nämlich bei der schon berührten65 Pfarrei Altenmügeln. Den Anlaß dazu gab ein Bittgesuch der herzoglichen Parochianen dieses Kirchspiels, die, wie erwähnt, hier die große Mehrzahl bildeten. Sie mochten den altgläubigen Geistlichen, den der Bischof hier wieder eingesetzt hatte, nicht dulden, sondern wünschten ihren früheren Pfarrer, der seit der ersten Visitation sein Amt im lutherischen Sinne führte, zurück66. Der Herzog gab diesem Wunsch trotz der scharfen Einsprüche des Bischofs, der eine Auspfarrung der herzoglichen Dörfer aus Altenmügeln vorschlug, statt, ließ es auch sein Bewenden haben, als der Wiedereingesetzte ohne seinen Befehl seine Tätigkeit auch auf die nach Altenmügeln inkorporierte Pfarrei Neuenmügeln, deren Sprengel ganz auf bischöflichem Gebiete lag, ausdehnte 67 . Der Bischof unternahm jedoch auch weiterhin Schritte, um das lutherische Kirchenwesen in Altenmügeln zu verhindern 68 . Im übrigen läßt sich für die Meißner Stiftslande nur feststellen, daß der sächsische Kurfürst in Pausitz im Wurzener Stiftslande, das gerade vakant war, auf eindringliches Bitten der Einwohner einen evangelischen Pfarrer einsetzte 69 und über die im vergangenen Jahre in der Stadt Würzen selbst eingeführten kirchlichen Neuerungen seine schützende Hand hielt. Hier hatte das junge lutherische Kirchenwesen unter den Unterdrückungsversuchen des Bischofs und des örtGB
) S. o. S. 131. ) P f a r r k i n d e r und Kirchväter zu A l t e n m ü g e l n an die herzoglichen Visitatoren, 20. 2. 1540 (s. o. S. 131 A n m . 42). 66
67 ) Bischof an Heinrich, 1. 3. 1540: K o n z e p t D r . Loc. 10 593 Visitationsacta 1540, Bl. 17 f.; A n t w o r t Heinrichs, D r e s d e n , 5. 3.: A u s f . a . a . O . Bl. 19; Bischof an Heinrich, 14. 4. 1540: K o n z e p t a.a.O. Bl. 54 f.; A n t w o r t Heinrichs, Dresden, 1. 5. 1540; A u s f . a.a.O. Bl. 62. 68 ) Vgl. Heinrich an den Bischof, 24. 9. 1540: A u s f . D r . Loc. 10 593 Visitationsacta 1540, Bl. 179. D e m n a c h scheint der Bischof den lutherischen P f a r r e r geradezu an der A m t s a u s ü b u n g gehindert zu haben. 69 ) J o h a n n Friedrich an den Bischof v o n Meißen, Eisenach, 8. 7. 1540: A u s f . D r . Loc. 8994 Geistliche H ä n d e l 1523—1569, Bl. 14. Pauß, wie der O r t d o r t gen a n n t w i r d , ist Pausitz, vgl. N e u e Sächsische Kirchengalerie: D i e E p h o r i e G r i m m a links der Mulde, Leipzig 1911, Sp. 552. Z u der g a n z e n Angelegenheit vergleiche daselbst Sp. 567 f f . D e r Bischof b e h a u p t e t e z w a r a m 12. 11. 1540 H e r z o g Heinrich v o n Braunschweig gegenüber (Abschr. D r . Loc. 9024 Bisdiof zu Merseburg u n d Meißen 1539—1542, Bl. 94b bis 96*), der K u r f ü r s t habe im A m t W ü r zen sämtliche altgläubigen P f a r r h e r r e n v e r j a g t u n d lutherische v e r o r d n e t , doch ist hinsichtlich der N e u e Sächsische Kirchengalerie: D i e E p h o r i e G r i m m a rechts der Mulde, Leipzig 1914, Spalte 57 f. als P f a r r e i e n des W u r z e n e r „Amtes u n d S t i f t s " bezeichneten 13 K i r c h d ö r f e r abgesehen v o n P a u s i t z nur in z w e i Fällen (Nischwitz, a.a.O. Sp. 542, u n d K ö r l i t z , a.a.O. Sp. 503, w o der 1539 lutherisch gewordene W u r z e n e r S t i f t s h e r r H e r m a n n H a m m e r P f a r r e r w a r ) das V o r h a n d e n sein eines evangelischen Geistlichen v o r der Visitation v o n 1542 erwiesen (vgl. a.a.O. Sp. 443, 321, 285, 307, 481, 379, 209, 616, 340).
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Zweiter Teil: Konflikt zwischen Landesgewalt und Hochstift
liehen Stiftskapitels zu leiden. Dem neuen Stadtpfarrer und dem gleichfalls evangelisch gesinnten Stiftsherren Hermann Hammer wurden die Einkünfte entzogen und die Entfernung aus ihren Stellen angedroht. Die Stiftsherren suchten dem Pfarrer seine Gemeinde abspenstig zu machen und zum Abendmahlsempfang nach altem Ritus zu bewegen. Der Bischof setzte sich der Errichtung einer protestantischen Schule entgegen. Der R a t der Stadt mochte aus Furcht vor dem Bischof die vom Pfarrer vorgeschlagene Einziehung der an der Stadtkirche noch bestehenden Altarstiftungen zum Besten einer solchen Schule nicht zugestehen. Auf diese Nachrichten hin gab Kurfürst Johann Friedrich seinen Schössern zu Grimma und Eilenburg Anweisung, den Betrag der den beiden Geistlichen entzogenen Einkünfte von den Bezügen einzubehalten, die dem Wurzener Kapitel aus ihren Ämtern zustünden, und damit die Geschädigten zu versorgen. An den Bischof stellte er das Begehr, von seinen Unterdrückung^ versuchen abzulassen. Dem Rat zu Würzen sicherte er seinen Schutz in Sachen des Evangeliums zu, befahl ihm jedoch, in weltlichen Angelegenheiten dem Bischof den gebührenden Gehorsam zu leisten 70 . Obwohl also auch die zweite Visitation noch Inseln alten Kirchentums inmitten der albertinischen Lande bestehen ließ, war doch die Lage für das Hochstift bitter genug. Wir können uns denken, daß unter diesen Verhältnissen in den ersten Wochen des Jahres 1540 die Kunde von der bevorstehenden Ankunft des Kaisers im Deutschen Reiche nach jahrelanger Abwesenheit nicht zuletzt im Meißner Hochstift mit großer Freude begrüßt wurde 71 . Die Hoffnung freilich, daß bereits die Anwesenheit des Kaisers, der tatsächlich im Februar 1540 wenigstens in den Niederlanden, in Gent, eintraf 7 2 , Herzog Heinrich zur Zurückhaltung bei seinen religiösen Maßnahmen nötigen werde, erwies sich als trügerisch 73 . Immerhin war jetzt das Reichsoberhaupt in der Nähe, und die altgläubige Partei konnte ihm nun leichter ihre Nöte und also auch die des Stifts Meißen zu Gehör bringen. Damit hatte Bischof Johann anscheinend bereits gerechnet, als er wohl im Februar persönlich zu König Ferdinand nach Prag gereist war und diesem wieder einmal die Beschwernisse seines Stifts geschildert hatte. Insbesondere hatte er ihm nahegelegt, daß der Kaiser doch bei den Wettinern Vorstöße machen solle hinsichtlich einer Annullierung der Verschreibung, die er und 7 0 ) Johann Hoffmann an Justus Jonas, 19. 4. 1540, exzerpiert W A B 9, 9 7 f.; Hermann Hammer an dens., 22. 4. 1540, exzerpiert ebd. S. 98 f.; Luther und Jonas an Johann Friedrich, Wittenberg, 25. 4. 1540: W A B 9, 99 f.; Johann Friedrich an seine Schösser zu Grimma und Eilenburg, 7. 5. 1540, exzerpiert a.a.O. S. 9 9 ; ders. an den Rat zu Würzen, 9. 5. 1540 (s. o. S. 131 Anm. 38). 7 1 ) Vgl. die S. 150 Anm. 46 erwähnte Denkschrift Bischof Johanns für König Ferdinand von etwa Februar 1540. T 2 ) S. o. S. 147 Anm. 31. 7 3 ) Nik. von Carlowitz in dem S. 151 Anm. 50 erwähnten Schreiben vom 6. 3. 1540 an Pflug; Bischof von Meißen an Morone vom 9. 3. 1540: N B 6, 239 Anm.
5. Haltung der albertin. Stände und zweite Visitation
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Bischof Sigismund von Merseburg in der Reichsstandsfrage hatten geben müssen, sowie einer Anerkennung von Herzog Georgs Testament 7 4 . Ferner nutzte Herzog Heinrich von Braunschweig, vom Meißner Bischof wie sächsischen Adeligen immer wieder um Hilfe gegen ihren Landesherrn ersucht 75 , die Nähe des Kaisers im Frühjahr 1540 zu einem neuen persönlichen Besuch bei diesem. Er beantragte ein Ultimatum an den Albertiner und f ü r den Fall von dessen Ablehnung das Einschreiten mit Waffengewalt 7 6 . Karl konnte sich aber zu einer Drohung nicht entschließen. Er begnügte sich mit einem ernsten Schreiben an den sächsischen Herzog 7 7 : er habe das Testament Herzog Georgs f ü r gültig erklärt; es befremde ihn nun, daß Heinrich sich nicht danach richte; er befehle ihm, das von jetzt ab zu tun und insbesondere von seinem Vorgehen gegen die katholische Kirche und die Bischöfe Abstand zu nehmen. Für den Fall, daß Heinrich von Sachsen eine abschlägige Antwort gebe, deutete der Kaiser dem Braunschweiger an: wenn die Stärkung des Nürnberger Bundes, die er auf dem nächsten Reichstag versuchen wolle, gelinge, so wolle er mit Gewalt gegen Sachsen vorgehen. Mit diesem Bescheide solle sich Heinrich von Braunschweig endlich zufrieden geben 78 . Mit dem Gedanken einer Gewaltanwendung gegen den Albertiner hat sich Karl allerdings damals wohl nur vorübergehend getragen 70 , vielleicht auch nur als mit einer Möglichkeit, die aber zur Zeit f ü r ihn weit im Hintergrund stand. Denn im großen und ganzen läuft seine Religionspolitik jetzt noch mehr als zuvor in friedlichen Bahnen. Befand er sich doch 1540/41 in einer großen Notlage, und zwar namentlich dadurch, daß sein augenblicklicher Hauptfeind Wilhelm von Kleve sich um Anschluß an die mei74 ) Vgl. die mehrfach erwähnte Denkschrift sowie das Schreiben des Bischofs von Meißen an Herzog Heinrich von Braunschweig vom 20. 2. 1540: Abschr. Dr. Loc. 9024 a.a.O. Bl. 90 ff. 75 ) Vgl. das erwähnte Schreiben des Bischofs von Meißen an Heinrich von Braunschweig vom 20. 2. 1540. Ferner schreibt Morone unterm 14. 3. 1540 aus Gent an Sforza (NB 5, 120 f.), der Bischof von Meißen und die sächsischen Adeligen ersuchten den Nürnberger Bund unausgesetzt um Hilfe gegen Heinrich von Sachsen. Auch in der Denkschrift Heinrichs von Braunschweig über die Politik des Nürnberger Bundes von etwa August/September 1540: Dr. Loc. 8030 Acta, was Kurfürst Johann Friedrich, Bl. 70 ff., sind Schreiben der Bischöfe von Meißen und Merseburg an den Braunschweiger von Anfang 1540 erwähnt, übrigens auch Suppliken, die die Genannten zur selben Zeit an den Kaiser nach Gent direkt gerichtet haben. 7e
) Morone an Sforza: N B 5, 120 f. ) Karl V. an Heinrich, Gent, 26. 4. 1540: Ausf. Dr. Loc. 10 520 Herzog Georgens zu Sachsen Testament, Bl. 98 ff.; vgl. Brandenburg a.a.O. S. 273. 78 ) Dr. Held an Heinrich von Braunschweig, 11. 5. 1540: Abschr. Dr. Loc. 8030 Acta, was Kurfürst Johann Friedrich, Bl. 27, 32; vgl. audi das erwähnte Schreiben Morones an Sforza. 79 ) Vgl. C a r d a u n s in N B 5, S. LXIV. 77
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Zweiter Teil: Konflikt zwischen Landesgewalt und Hochstift
sten seiner übrigen Gegner bemühte 80 . Der dem Braunschweiger gegebene Bescheid erweckt ja auch den Eindruck, als habe der Kaiser damit einen ihm unbequemen Querulanten sich vom Halse schaffen wollen. Der einzige Druck, den Karl V. tatsächlich auf Grund seines Briefes vom 26. April auf Heinrich von Sachsen ausübte, bestand denn auch darin, daß er dessen Belehnung von der Erfüllung der in dem Briefe aufgeführten Forderungen abhängig machte 81 , bis er ihm trotz seiner ablehnenden Antwort die Lehen schließlich auf dem Regensburger Reichstag von 1541 ohne Gegenbedingungen erteilte 82 . Unter diesen Umständen war es auch vergebens, daß die Glieder des Nürnberger Bundes anläßlich des Religionsgesprächs zu Hagenau im Juni 1540 König Ferdinand baten, beim Kaiser Schritte gegen Heinrich von Sachsen zu veranlassen 83 , vergebens auch, daß der Bischof von Meißen selbst sich mit einer eingehenden schriftlichen Darlegung seiner Nöte und der Bitte um Mandate für die Wettiner an die Habsburgischen Brüder nach Hagenau wandte 8 4 . Heinrich von Braunschweig gab daraufhin seiner großen Enttäuschung über die Politik des Kaisers Ausdruck. Gelegentliche Berichte an den Bischof von Meißen sind ihm bei dieser Lage der Dinge sicherlich schwer geworden. Im Mai machte er ihm Mitteilung von dem Schreiben des Kaisers an Heinrich von Sachsen 85 . Sodann weiß er offenbar nichts anderes zu tun, als sich nach einigen Monaten bei Johann zu erkundigen, ob dieses Erfolg gezeitigt habe. Nachdem der Bischof diese Frage verneint hatte 8 6 , vermag er ihn im Dezember 1540 im wesentlichen nur auf des Kaisers Maßnahmen auf dem künftigen Reichstag zu vertrösten 8 7 . Erst recht geriet begreiflicherweise Bischof Johann in Unmut. E r schien fast den Eindruck zu gewinnen, als kämpfe er auf verlorenem Posten. So meint er gegenüber Heinrich von Braunschweig, der Kaiser solle ihn und seinen Merseburger Amtsgenossen wissen lassen, wes wir uns halten Sölten. ) H e r m e l i n k - M a u r e r S. 160. ) Protokoll Heids, Medieln, 28. 5. 1540: Abschr. Dr. Loc. 9 6 0 7 Herzog Heinrichs zu Sachsen Belehnung betreffend 1539—1541, Bl. 19; Antwort Heinrichs an den Kaiser, 17. 6. 1 5 4 0 : Konzept a.a.O. Bl. 72 ff.; Rückschreiben des Kaisers an Heinrich, Utrecht, 18. 8. 1540: Ausf. a.a.O. Bl. 82. 8 2 ) Abschr. des Lehensbriefs, datiert Regensburg, 2. 7. 1 5 4 1 : Dr. a.a.O. 83) B r a n d e n b u r g a.a.O. S. 293. 8 4 ) Datiert Stolpen, 26. 5. 1 5 4 0 : nicht behändigte Ausf. Dr. Loc. 9024 a.a.O. Bl. 13 ff. Nach S p a h n , Cochläus S. 283, hat der Bischof damals auch Cochläus beauftragt, auf dem Hagenauer Gespräch seine Sache zu führen. 8 5 ) Vgl. Bischof Johann an Herzog Heinrich von Braunschweig, Stolpen, 1. 6. 1 5 4 0 : Dr. Loc. 9024 a.a.O. Bl. 93^ f. 8 6 ) Bischof an Heinrich, Stolpen, 12. 11. 1540: Abschr. a.a.O. Bl. 94b—96*. 8 7 ) An den Bischof von Meißen, Wolfenbüttel, 1. 12. 1 5 4 0 : Abschr. a.a.O. Bl. 130 f. eo
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Zu dem kaiserlichen Schreiben an Heinrich von Sachsen vom 26. April 1540 bemerkt er ein andermal dem Braunschweiger gegenüber, wenn dies etwas fruchten solle, so müsse es von einer ernstlichen einsehung und execution begleitet werden; ferner sei ein gleiches Schreiben an den sächsischen Kurfürsten des bischöflichen Amtes Würzen wegen nötig. Befremden mußte den Bischof auch, daß er auf sein Hilfegesuch an den Kaiser vom 26. Mai 1540 ein halbes J a h r später noch keine Antwort hatte 8 8 . Immerhin spricht er dem Braunschweiger gegenüber die H o f f n u n g aus, der Kaiser werde sich auf dem kommenden Reichstag gnädig erzeigen, äußert aber gleichzeitig wieder sein Befremden darüber, daß Karl den ihm abgenötigten Verzicht auf die Reichsstandschaft nicht kassiert habe, so daß er nun gar nicht wisse, ob er auf dem bevorstehenden Reichstag erscheinen dürfe. Jedenfalls wolle er aber einen Gesandten dahin senden, hoffe auch auf den Beistand Heinrichs von Braunschweig. Dennoch fügt der Bischof den resigniert klingenden Satz an, er wäre gern ein gehorsamer Reichsfürst, wenn er nur dabei geschützt würde. U n d diesbezüglich hat er anscheinend ein gut Stück H o f f nung verloren 8 9 . Bei der geschilderten H a l t u n g des Reichsoberhaupts begegnete den Wettinern auf Grund ihres Vorgehens gegen das Meißner Hochstift ein Widerstand der Reichsgewalt, abgesehen von den vorübergehenden Schwierigkeiten bei Herzog Heinrichs Belehnung, nur durch den aus dem kaiserlichen M a n d a t vom 14. Oktober 1539 anläßlich der Straßensperrung 9 0 sich entwickelnden Prozeß. Wie wir sahen, hatte der Kaiser gleichzeitig mit seinem Schreiben an die sächsischen Fürsten ein solches an das Reichskammergericht gesendet. In diesem hatte er die Behörde von der Angelegenheit unterrichtet und sie beauftragt, falls jenes M a n d a t nichts fruchte, auf dem Prozeßwege gegen die Wettiner vorzugehen. Daraufhin wurde der kaiserliche Fiskal klagend beim Kammergericht vorstellig, worauf dieses dem Kurfürsten wie Herzog Heinrich unter dem 25. Februar 1540 ein Pönalmandat zusandte 9 1 mit dem Gebot, bei einer Strafe von 100 Mark lötigen Goldes binnen neun Tagen nach Empfang dieses Schreibens von ihrem Vorgehen gegen Bischof Johann von Meißen als einen Reichsfürsten abzulassen, denselben bei seinem fürstlichen Stand sowie seiner gemeinen administration, wie er und seiner andacht vorfahren bischoffe als geistliche fürsten die von uns [Sub88 ) Ich setze dabei voraus, daß der Bischof in seinem Schreiben an den Braunschweiger vom 12. 11. 1540 seine Eingabe an den Kaiser vom 26. April meint und nicht eine spätere, deren Existenz mir entgangen wäre. 8B ) Vgl. die erwähnten Schreiben Bischof Johanns an Heinrich von Braunschweig vom 20. 2., 1. 6. und 12. 11. 1540.
0°) S. o. S. 142. 91 ) Ausf. Dr. Loc. 8993 Gebrechen, Bl. 134: laut Eingangsvermerk am 2. Mai in Dresden zugestellt. Das Mandat ist in abgekürzter Form und z. T. nur als Regest wiedergegeben CDSR II, 3, S. 357 f. Nr. 1416.
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Zweiter Teil: Konflikt zwischen Landesgewalt und Hochstift
jekt ist der Kaiser] und dem heiligen reiche empfangen . . ., ruhig bleiben zu lassen92 und den dem Bischof etwa abgedrungenen Vertrag 93 für nichtig zu erklären. Für den Fall, daß die Adressaten dagegen berechtigte Einwände zu haben meinten, wird ihnen das Recht zum Einspruch binnen 38 Tagen nach Empfang des Mandats zugestanden. Die Wettiner hatten, wie wir sahen, vor ihren ersten Gewaltmaßnahmen gegen das Hochstift Meißen beschlossen, in allen sich daraus ergebenden Schwierigkeiten eine einheitliche Abwehrstellung einzunehmen. Doch hatte Heinrich es dann abgelehnt, diesem Beschluß durch seine Unterschrift Rechtskraft zu verleihen94. Es kam auch hierin die Wendung in seiner Politik zum Ausdruck, die durch seine Nachgiebigkeit gegenüber den Ständen seines Landes verursacht war. Und nun gingen denn beide Vettern tatsächlich verschiedene Wege. Der Kurfürst blieb dem von ihm wie den übrigen schmalkaldischen Ständen schon früher eingeschlagenen Verfahren treu: er lehnte das Gericht von vornherein als befangen ab 95 . Herzog Heinrich ließ sich von seinen Hofräten sowie den Leipziger Juristen Dr. Simon Pistoris und Dr. Ludwig Fachs — daß diese beiden Leipziger sowie Dr. Melchior von Osse, der Verfasser des Gutachtens der Hofräte, die schon bei Herzog Georg die Stellung von Räten bekleidet hatten, wieder herangezogen wurden, ist auch eine Folge jener politischen Kursänderung96 — von einer Rekusation mit Rücksicht auf Kaiser und Reichsrecht abraten 97 . Diese Männer empfahlen ihm den Versuch, gegen das Recht des kaiserlichen Fiskals und damit auch des Reichskammergerichts zu einem Vorgehen in dieser Angelegenheit Einspruch zu erheben98. Die Leipziger Juristen, deren Gutachten Heinrich dem seiner Hofräte vorzog 99 , rieten ihm, dafür folgende Gründe geltend zu machen: 1. Der Bischof habe auf Grund der ihm rechtmäßiger92
) Dieser Passus ist in C D S R a.a.O. weggelassen.
) Das Mandat rechnet mit dem Abschluß des Vertrags lediglich als mit einer Möglichkeit, die Wiedergabe in C D S R a.a.O. stellt ihn als Tatsache hin. 93
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) S. o. S. 123 mit Anm. 97.
) An Heinrich, 7. 5. 1 5 4 0 : Ausf. Dr. Loc. 8993 Gebrechen, Bl. 206 ff.; an dens., 28. 5. 1540: Ausf. a.a.O. Bl. 203. 9e) B r a n d e n b u r g a.a.O. S. 199. 9 7 ) Gutachten der Hofräte, spätestens 14. Mai 1540 überreicht: Dr. Loc. 8993 Gebrechen, Bl. 75 ff., ohne Unterschrift und Datum. Gutachten des Dr. Fachs und Dr. Pistoris, 21. 5. 1540: Ausf. a.a.O. Reidisstand, Bl. 221, Forts. Bl. 135 ff. Zu der verschiedenen Haltung, die Johann Friedrich, ja der Sdimalkaldische Bund überhaupt, einerseits und Heinrich andererseits zum Reichskammergericht im allgemeinen um jene Zeit einnahmen, vgl. B r a n d e n b u r g a.a.O. S. 290. 9 5 ) Denselben Standpunkt hatte auch schon Herzog Georg vertreten. So folgert dieser aus seinen oben S. 24 nadi W. G o e r l i t z S. 232 wiedergegebenen Darlegungen, daß die Bischöfe nicht vor das Reichskammergericht gehörten. 9 9 ) Vgl. Heinrichs Schreiben an den von ihm mit seiner Vertretung vor Gericht beauftragten Lic. Johann Helffmann vom 27. 5. 1540: Konzept Dr. Loc. 8993 Gebrechen, Bl. 237 f. 9B
5. H a l t u n g der albertin. S t ä n d e und zweite Visitation
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weise abgedrungenen Versicherung hinsichtlich des Besuchs von Reichstagen nicht geklagt. 2. Die Erörterung von Angelegenheiten wie der vorliegende Streit gehöre auf einen Reichstag. 3. Selbst für den Fall, daß der Bischof von Meißen als reichsunmittelbar zu betrachten sei, sähe die Ordnung des Reichs für die Beilegung dieses Zwistes andere Mittel und Wege vor als das vom Reichskammergericht eingeschlagene Verfahren. Bei Besprechung des ersten Punktes raten die Leipziger Juristen, zur Begründung der Rechtmäßigkeit jenes Vertrages die staatsrechtliche Situation der sächsischen Hochstifter darzulegen. So spreche gegen deren Reichsstandschaft ihre geographische Lage, ihre Einbeziehung in die wettinische Landesteilung von 1485, ihre Teilnahme an den sächsischen Landtagen, die Annahme von deren Beschlüssen, die Tatsache der Inanspruchnahme von Rat und Beistand der Wettiner seitens der Bischöfe und zwar auch in Reichsangelegenheiten, die teilweise Einbeziehung der Stifter in das sächsische Territorialsteuersystem 1 , die im schriftlichen Verkehr zwischen den Bischöfen und den Herzögen gebrauchten Anredeformen, sowie deren häufige Verwendung als wettinische Räte. Es möge zwar sein, daß die Bischöfe Reichslehen innehätten, einige Male Reichstagsausschreiben erhalten hätten und zu den Reichsanlagen herangezogen würden. Doch dürfe daraus nicht ihr Reichsfürstenstand gefolgert werden; denn entscheidend sei, daß sie seit Menschengedenken in keinem Reichsabschied erwähnt seien2. In etwa diesen Gedankengängen bewegte sich auch die von dem Gutachten der Leipziger Rechtsgelehrten inspirierte Eingabe, die nun der von Herzog Heinrich mit seiner Vertretung vor dem Reichskammergericht beauftragte Lic. Johann Helffmann machte3. Hier wird die Kompetenz des Gerichts angefochten unter Hinweis auf die Reichsmittelbarkeit des Bischofs und den Vertragsschluß. Ferner wird dargelegt, daß Herzog Heinrich nicht verpflichtet sei, in die Verhandlung zu willigen, solange er durch den Bischof der ihm zustehenden Rechte — des Gehorsams und des Dienstes — beraubt ) S. o. S. 27 A n m . 32. ) I m H e r z e n dachte m a n allerdings auf wettinischer Seite etwas anders. S o machten bei einer V e r h a n d l u n g mit ernestinischen R ä t e n in Leipzig a m 27. 4. 1541 die Vertreter H e r z o g Heinrichs — unter denen sich neben zwei Standespersonen D r . Fachs b e f a n d — geltend, einen rechtlichen A u s t r a g der Irrung mit den Bischöfen vor dem Kaiser könne man nicht w a g e n (vgl. den Bericht der Vertreter H e i n richs D r . Loc. 8993 Gebrechen, Bl. 239 f f ) . Noch aufschlußreicher ist das F o l g e n d e : Heinrichs A n w a l t H e l f f m a n n entdeckte in dem ihm übersandten Aktenmaterial eine v o n einem Merseburger Bischof dem H e r z o g G e o r g zugestellte Vollmacht für seine Vertretung auf dem Reichstag und zog daraus auch den Schluß, d a ß die sächsischen Bischöfe Reichsstände seien (an Heinrich, 6. 10. 1 5 4 0 : A u s f . D r . a.a.O. Bl. 142 und 145). Dennoch stritt er dem Gericht gegenüber nachdrücklich die Reidisunmittelbarkeit der Bischöfe ab, wie das Folgende zeigt. x
2
3) Auftragserteilung in dem oben A n m . 99 erwähnten Schreiben v o m 27. 5. 1540. D e r E n t w u r f zu H e l f f m a n n s E i n g a b e findet sich D r . a.a.O. Bl. 277 f f . , die Abschrift der endgültigen Fassung a.a.O. Bl. 285 f f .
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Zweiter T e i l : K o n f l i k t zwisdien L a n d e s g e w a l t und Hochstift
sei. Damit versuchte man sich also durch Hinweis auf gerade die Punkte, um die der Rechsstreit ging, der Verhandlung zu entziehen. Daraufhin stellte der Fiskal in einer Replik 4 die Reichsunmittelbarkeit des Bischofs von Meißen fest, die u. a. eben doch aus der Tatsache von dessen Belehnung durch das Reich sich ergebe, und erklärte die von Heinrichs Anwalt vorgebrachten Argumente für nichtig oder doch undienlich, die eigentliche Gerichtsverhandlung zu verhindern. Helffmann beantwortete diese Replik in einer Duplik, und so gingen die Eingaben der Parteien für und gegen die Zuständigkeit des Reichskammergerichts weiter hin und her 5 , so daß beim Tode Herzog Heinrichs im August 1541 der eigentliche Prozeß noch immer nicht begonnen hatte 6 . Diese Hinzögerung war teilweise schon dadurch verursacht, daß Helffmann jedes Vorbringen des Fiskals sowie jede von ihm geplante Gegeneingabe zunächst nach Dresden zur Kenntnisnahme bzw. Begutachtung zu senden hatte 7 und der Dresdner Hof dann seinerseits erst wieder den Rat von Fachs oder Pistoris einholte. Vor allem aber hielt Helffmann mit voller Absicht die Verhandlung so lange wie möglich bei der Frage der Zuständigkeit des Gerichts fest, um es möglichst spät zum eigentlichen Prozeß kommen zu lassen, da, wie er am 14. August 1540 an Herzog Heinrich schreibt8, Protestanten sich zur Zeit am Kammergericht wenig Hoffnung machen dürften. Und im November 1541 begründet er Herzog Moritz gegenüber diese Verschleppungstaktik mit der Hoffnung auf eine Visitation und Reformation des Gerichts vor Beginn der eigentlichen Verhandlungen 9 . Die Reichsgewalt vermochte also auch durch das Vorgehen ihres obersten Gerichtshofs dem Meißner Hochstift keinen wirksamen Schutz angedeihen zu lassen. Somit hatten die Wettiner die Möglichkeit, in der Verfolgung ihrer Reformationspläne fortzufahren. Herzog Heinrich hatte begreiflicherweise den Wunsch, zur Finanzierung des neuen Kirchenwesens Besitz und Einkünfte der bisherigen kirchlichen Anstalten mit heranzuziehen. Auf dem Landtag zu Chemnitz war ja bereits über diesen Punkt verhandelt worden, und die Landschaft hatte sich damit einverstanden erklärt, vorausgesetzt, daß sie dabei mit zu Rate gezogen werde 10 . Von den Männern, den ) Abschrift D r . a.a.O. Bl. 290 f f . ) Diese Eingaben finden sich, größtenteils in Abschriften, in D r . a.a.O. Bl. 294 f f . 6 ) H e l f f m a n n an H e r z o g Moritz, 18. 11. 1 5 4 1 : A u s f . D r . a.a.O. Bl. 193 f. 7 ) Vgl. H e l f f m a n n an Heinrich, 20. 2. 1541: A u s f . D r . a.a.O. Bl. 296, 301. 8 ) A u s f . D r . a.a.O. Bl. 211 f f . 8 ) In dem genannten Briefe v o m 18. 11. S o zieht H e l f f m a n n die Einreichung jeder E i n g a b e so lange hin als irgend a n g ä n g i g ; vgl. seine Äußerungen an H e i n rich unterm 6. 10. 1540 (Ausf. D r . a.a.O. Bl. 142, 145) und an M o r i t z in dem erwähnten Schreiben. 1 0 ) S. o. S. 148 f. 4
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5. Haltung der albertin. Stände und zweite Visitation
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sog. Sequestratoren, die im Mai 1540 beauftragt worden waren, über die finanzielle Lage der geistlichen Anstalten des Herzogtums Erkundigungen einzuziehen 11 , wurde das Hochstift Meißen zwar entgegen der ihnen ursprünglich zuteil gewordenen Weisung12 unberücksichtigt gelassen18. Doch wandte sich der Herzog unterm 14. Juni 1540 direkt an das Domkapitel 14 : Da er die protestantischen Pfarrer mit Unterhalt versorgen müsse, begehre er, daß das Kapitel ihm am 1. August durch seinen Syndikus in Dresden ein Verzeichnis seiner Besitzungen, Einkünfte und Ausgaben überreiche. Das Kapitel setzte den Bischof in Kenntnis 15 , worauf dieser dem Herzog darlegte, daß es ihnen angesichts des von Heinrich mitgeteilten Motivs der Angelegenheiten aus Gewissensgründen unmöglich sei, auf jenes Begehr einzugehen16. Die Einreichung des Verzeichnisses unterblieb denn auch trotz der von Heinrich wiederholten Forderungen 17 jetzt und weiterhin 18 . Mit den mancherlei Drohungen, die von herzoglicher Seite ergingen und auf das Kapitel auch den Eindruck nicht verfehlten 19 , wurde anscheinend gar nicht oder doch nur in geringem Umfange Ernst gemacht. Die Sequestratoren erklärten am Ende ihres Besuchs beim Meißner Kapitel Anfang Dezember 1540 sogar, sie hätten dasselbe nicht zu dringen, sondern nur dessen Antwort an den Herzog zu überbringen, der dann mit der Landschaft weiterberaten wolle 20 . Eine solche Beratung hat dann in den letzten Lebenstagen " ) I ß l e i b a.a.O. S. 195. 12 ) Vgl. die Anfrage der Sequestratoren an die herzogliche Regierung vom 24. 5. 1540 (Ausf. Dr. Loc. 10 593 Visitationsacta 1540, Bl. 82 f.), ob die H o d i stifter sowie die unter Oberhoheit der Dynasten gelegenen geistlichen Güter mit heranzuziehen seien, und die auf der Adresse dieses Schreibens stichwortmäßig hingeworfene A n t w o r t : di sequestratores sollen aller geistlichen einkommen halben bericht tun. 13 ) In dem Dr. a.a.O. Bl. 113 f. vorliegenden Verzeichnis der Kompturhöfe, Stifter und Klöster, die in dießer Sequestration (daß damit die von Mai bis Juli 1540 geschehene gemeint ist, ergibt das a.a.O. Bl. 112b a l s Konzept befindliche Schreiben des Herzogs an die Sequestratoren v o m 7. 7. 1540) übergangen worden sind, ist auch das stift Meissen mit aufgeführt. 14 ) Ausf. Dr. a.a.O. Bl. 109. 15 ) Datiert vom 26. 6. 1540: Dr. Loc. 8994 Geistliche Händel 1523—1569, Bl. 11. 16 ) Datiert vom 5. 7. 1540: Ausf. a.a.O. Bl. 10, 13. 1T ) I ß l e i b a.a.O. S. 196 Anm. 1; Heinrich an den Bischof, 16. 7. 1540: Ausf. Dr. Loc 9024 Bischof zu Merseburg, Bl. 18 f. 18 ) I ß l e i b S. 198 f. Vgl. ferner das Schreiben des Kapitels an den Bischof vom 5. 4. 1541: Konzept Dr. Loc. 8994 Acta, die Veränderung der Religion, Bl. 134 ff. 19 ) So drohten die Sequestratoren, als sie A n f a n g Dezember 1540 in Meißen direkt vorstellig wurden, mit einer Sperrung sämtlicher Einkünfte des Kapitels, die im Herzogtum stünden (das Kapitel an den Bischof, 5. 12. 1540: Ausf. Dr. a.a.O. Bl. 56 ff.). 20 ) Die Sequestratoren an Heinrich, undatiert, aber dem Inhalt nach von A n fang Dezember 1540: (Ausf. ?) Dr. a.a.O. Bl. 109 f.
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Zweiter Teil: Konflikt zwischen Landesgewalt und Hochstift
Herzog Heinrichs — übrigens im Beisein des Domkapitels — in Dresden stattgefunden. Hier setzte sich der Ausschuß der Stände zwar für die Einbeziehung des Kapitels in die Sequestration ein 21 , doch hatte das Hochstift die Angelegenheit immerhin über ein J a h r hingezögert. Unter diesen Umständen gelang es den Wettinern nur insofern, etwas von den Einkünften des Stifts ihren Interessen zuzuführen, als sie einen Teil der diesem aus ihren Landen zustehenden Zinsen einbehielten. D a ß der Kurfürst auf diese Weise die von bischöflicher Seite finanziell geschädigten lutherischen Wurzener Geistlichen schadlos hielt, erwähnten wir sdion 22 . Diese Dinge hatte der Bischof offenbar im Auge, wenn er am 1. Juni 1540 Herzog Heinrich von Braunschweig gegenüber von Zinsentzug seitens des Kurfürsten spricht 23 . Ebenda wie in seinem Schreiben vom 12. November desselben Jahres an die gleiche Adresse klagt er nun aber auch über ein kurfürstliches Verbot, ihm die im Stiftsgebiet stehenden Zinsen zu reichen. Diese Behauptung war allerdings in dieser Verallgemeinerung unrichtig. Denn im letztgenannten Briefe wird einige Zeilen später gesagt, daß der Kurfürst einen solchen Zinsentzug erst als Drohung ausgesprochen habe, um den Bischof in einer bestimmten Angelegenheit unter Drude zu setzen. Auch Herzog Heinrich ließ verschiedenenorts Geistlichen des Stiftsterritoriums die Einkünfte aus seinem Gebiet sperren 24 . Doch das eigentliche Ziel, das die Wettiner mit dem Hochstift Meißen verfolgten, war ja nicht Säkularisation, sondern Reformation. Darum lag es auch nicht in ihrem Plan, demselben seine Einkünfte sämtlich zu entfremden; ein bedeutender Teil derselben sollte vielmehr einem lutherischen Domgottesdienst zugute kommen. Für die Fürstenkapelle war ja bereits bei der zweiten, wohl sogar schon bei der ersten Visitation eine neue Gottesdienstordnung verfügt worden 25 . Unter dem 16. November erließ Herzog Heinrich eine solche für den ganzen Dom, die den Gesang der Hören ablösen sollte 26 . Hier wurden neben den lateinischen auch deutsche Gesänge angeordnet. Ferner sollte bei den Lektionen die ganze Bibel nach und nach zu Worte kommen, nicht nur einzelne Abschnitte derselben. Gleichzeitig wurde ) I ß l e i b a.a.O. S. 213. ) S. o. S. 156. 2 3 ) Abschr. Dr. Loc. 9024 a.a.O. Bl. 93b f. 2 4 ) Vgl. die Schreiben des Bischofs an Heinrich vom 5. Juli (s. o. Anm. 16) und 16. November 1540 (Ausf. Dr. Loc. 9024 a.a.O. Bl. 21 f.) sowie die Gesandtschaft desselben an den herzoglichen R a t Anton von Schönberg (undatierte Instruktion Dr. Loc. 8994 Geistliche Händel, Bl. 30 f.). S. o. S. 152. 2 5 ) An das Kapitel: Ausf. Dr. Loc. 8994 Geistliche Händel, Bl. 15. Die Gottesdienstordnung selbst findet sich a.a.O. Acta, die Veränderung der Religion, Bl. 19 ff. [veröffentlicht von H. K l e m m , Zwei Gottesdienstordnungen der Reformationszeit für den Meißner Dom: Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie 13, 1968/9, S. 1 1 3 — 1 1 9 . ] 21
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5. Haltung der albertin. Stände und zweite Visitation
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die Abhaltung der Marien- und Heiligenfeste — jene mit Ausnahme der mehr der Verehrung Christi dienenden — untersagt. Als Strafen für das Fernbleiben von dieser neuen Form des Gottesdienstes wurde die Vorenthaltung der Präsenzgelder sowie für hartnäckige Fälle die Sperrung der Einkünfte festgesetzt. Das Domkapitel scheint von der Absendung eines schon fertiggestellten Protestschreibens abgesehen zu haben, als es merkte, daß der Herzog es zunächst nicht weiter drängte 27 . Der noch in der Ferne weilende Julius Pflug gab dem Kapitel das Gutachten, daß zwar die Herkunft der neuen Kirchenordnung aus der heiligen Schrift anzuerkennen, diese aber dennoch abzulehnen sei, da sie eine altehrwürdige, kirchliche Ordnung, die auch schriftgemäß sei, verdrängen wolle 2 8 . Der Druck, den die herzogliche Regierung dann zwecks Einführung dieser Kirchenordnung doch noch ausübte, hat offenbar nur die Vikare getroffen. Sieben derselben scheinen die neue Ordnung angenommen zu haben, dreizehn weiteren, die dies aus Gewissensgründen ablehnten, wurden seit Januar 1541 auf fürstlichen Befehl durch den Amtmann zu Meißen die Präsentien vorenthalten 2 9 . Etwas später wurden die Chorsänger vom Domprediger vor die Alternative gestellt, entweder nach der neuen Ordnung zu singen oder den Abschied zu nehmen. Doch enthob hier das Dazwischentreten des Kapitels die Betroffenen wenigstens fürs Erste einer Entscheidung 30 . Ferner wurde um Mitte Juli 1541 vier Vikaren der Fürstenkapelle, die in die liturgischen Neuerungen nicht willigen mochten, ein herzoglicher Befehl eröffnet, wonach ihnen die Einkünfte zu entziehen seien 31 . Das gleiche Los traf aus demselben Grunde drei „alte Chorschüler", die auf der zweiten Visitation ihres Dienstes entsetzt, aber auf Fürbitte des Kapitels im Genuß ihrer Einkünfte belassen worden waren 32 . All diese Geschädigten gingen den ständischen Ausschuß, der Anfang August 1541 in Dresden versammelt war, um Fürsprache beim Landesherrn an, wobei das Domkapitel ihre Gesuche unterstützte 33 . Die Land2 7 ) Das Kapitel an Heinrich, undatiert, Konzept Dr. a.a.O. Bl. 25 f.; vgl. dazu die Bemerkung in dem Schreiben des Kapitels an den Bischof vom 5. 12. 1540 (Ausf. a.a.O. Bl. 56 ff.): da man sie mit der Kirchenordnung nidit weiter bedrängt habe, hätten sie mit ihrer beschriebenen Antwort innegehalten. 2 S ) Pflug an das Domkapitel, 31. 12. 1540: Ausf. a.a.O. Bl. 81 f. 2 9 ) Vgl. die Bittschrift, die diese 13 Vikare am 3. August 1541 dem Ausschuß der Landstände einreichten: Ausf. Dr. Loc. 10 594 Visitationsacta 1541, Bl. 240 f. 3 0 ) Das Kapitel an den Bischof, 5. 4. 1541 (Konzept Dr. Loc. 8994 a.a.O. Bl. 134 ff.). 3 1 ) Bittschrift dieser Vikare an den ständischen Ausschuß, 3. 8. 1 5 4 1 : Ausf. Dr. Loc. 10 594 a.a.O. Bl. 236 f. 3 2 ) Bittsdirift der Betroffenen an denselben vom gleidien Tage: Ausf. a.a.O. Bl. 238 f. 3 3 ) Schreiben des Kapitels an den Ausschuß, Meißen, 4. 8. 1541: Konzept Dr. Loc. 8994 a.a.O. Bl. 145 f.
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Zweiter T e i l : K o n f l i k t zwischen L a n d e s g e w a l t und Hochstift
schaft stellte sich jedoch auf Seiten Vikare brachte sie die Bitte vor, daß Kirchenordnung nur die Präsentien, stößigen Lebenswandel führten — ten 34 .
des Herzogs. Lediglich zugunsten der denselben bei Verweigerung der neuen nicht jedoch — wenn sie einen unandie Einkünfte entzogen werden soll-
Diese Erfahrungen werden die herzogliche Regierung mehr und mehr zu der Gewißheit geführt haben, daß eine wirkliche Reformation des Hochstifts im wesentlichen nur durch Neuvergebung der Lehen möglich war. Der ja schon seit alters von den Wettinern mit Erfolg beschrittene Weg, sich durch Ausnutzung ihrer Patronatsrechte ein ergebenes Stift zu schaffen, mußte auch jetzt von vornherein verlockend erscheinen. Die Möglichkeit, eine Domherrenstelle neu zu besetzen, ergab sich nach Herzog Heinrichs Regierungsantritt erstmalig durch den am 3. Oktober 1539 erfolgenden Tod des Leipziger Theologieprofessors Dr. Paul Schwofheim, der seit 1523 dem Kapitel angehört hatte 35 . Die Universität, bei der das Verleihungsrecht für die erledigte Pfründe formal lag, präsentierte als neuen Inhaber den jungen verheirateten, schon vor 1539 evangelisch gesinnten Theologen Lic. Nikolaus Scheubel 36 . Das Kapitel lehnte jedoch die Aufnahme ab, da der Präsentierte nicht die im kanonischen Recht für die Bekleidung mit der Domherrenwürde festgesetzten Voraussetzungen erfülle. Nach seinem bereits am 21. März 1541 erfolgten Tode 3 7 präsentierte die Universität den Theologen Lic. Bernhard Ziegler, der jedoch als Protestant für das Kapitel gleichfalls inhabilis war. Das Kapitel wies darum auch ihn ab, schlug aber vor, ihm anstatt des Kanonikats ein noch ertragreicheres Jahresstipendium zu geben. Dieser Vorschlag wurde jedoch abgelehnt. Auf diesem toten Punkte standen die Verhandlungen noch bei Herzog Heinrichs Tode. Die Landschaft, deren Fürsprache das Domkapitel auch hierfür angerufen hatte, hatte offenbar hier nichts vermocht 38 . Immerhin gelang dem Bischof und ) I ß l e i b a . a . O . S. 213. ) Vgl. über ihn O . K i r n , D i e Leipziger theologische F a k u l t ä t S. 29, 4 0 ; L o o s e : M M 4, 1897, S. 359 A n m . 15; M a c h a t s c h e k S. 706 und A n m . 4 ; R ü l i n g S. 17, 160. 3 6 ) Vgl. O . K i r n S. 39, 41, 4 4 ; R ü 1 i n g S. 108. 3 7 ) O . K i r n S. 44. 3 8 ) D a s K a p i t e l an den Bischof, 5. 4. 1541: K o n z e p t D r . Loc. 8994 A c t a , die Veränderung der Religion, ßl. 134 f f . ; dasselbe an den Ausschuß der L a n d s t ä n d e , Meißen, 4. 8. 1 5 4 1 : A u s f . D r . Loc. 10 594 Visitationsacta 1541, Bl. 246 f. D a ß die Angelegenheit beim T o d e Heinrichs noch auf diesem P u n k t e stand, zeigt das Schreiben des K a p i t e l s an H e r z o g M o r i t z v o m 26. 11. 1 5 4 1 : A u s f . D r . L o c . 8988 Lic. Bernhard Zieglern 1541, Bl. 1 f. A u s diesen Q u e l l e n scheint mir hervorzugehen, d a ß ebenso wie Ziegler auch bereits Scheubel die A u f n a h m e ins K a p i t e l verweigert worden ist, wie denn auch O . K i r n S. 44 A n m . 2 seine A u f n a h m e im G e g e n s a t z zu G . B. W i n e r , D e facultatis theologicae evangelicae in hac universitate originibus, 1839, S. 16 — auf dem auch R ü l i n g S. 108 f., vgl. S. 216, basiert — für fraglich hält. 34
35
6. Reichstag und Kaiser
167
Kapitel unter dem protestantischen Regiment noch die selbständige Verleihung einer Reihe erledigter Stiftspfründen, darunter die der Kantorei 3 9 . So hatten sich für das Hochstift in einer weiteren Reihe von Punkten Schwierigkeiten ergeben, ohne daß es der herzoglichen Regierung auch nur in den meisten Fällen gelungen wäre, ihr Programm durchzudrücken. 6. R e i c h s t a g
und
Kaiser
Auf Seiten des Hochstifts setzte man in dieser bedrängten Lage, wie wir schon sahen, große Hoffnungen auf den Reichstag, den der Kaiser nach seiner Rückkehr in das Reich endlich einmal wieder selbst abzuhalten im Begriff war. Am 10. November 1540 ging das offizielle Ausschreiben mit der Einladung zu dem auf den 6. Januar nach Regensburg anberaumten Reichstag in der bischöflichen Kanzlei ein 40 . Noch stand ja aber einem Besuche desselben für den Bischof jener Vertrag mit den Wettinern im Wege 41 . Johann setzte darum seine beiden Schutzfürsten von dem Erhalt der Einladung umgehend in Kenntnis: D a der bevorstehende Reichstag in erster Linie der Behandlung der Religionsfragen dienen solle, hoffe er, man werde ihn nicht an seinem Besuche hindern. Sonst werde er auch ohne Erlaubnis nach Regensburg gehen, da er sich dem ausdrücklichen Befehl des Kaisers, dem er geschworen habe, nicht entziehen könne 4 2 . Daraufhin scheint Herzog Heinrich zunächst nichts getan zu haben. Man möchte fast annehmen, daß er den Reichstagsbesuch des Bischofs zwar nicht ausdrücklich erlauben, aber stillschweigend hat dulden wollen. Jedenfalls äußerte der Kurfürst, in der Annahme, daß der Bischof an Heinrich das gleiche Ansuchen gerichtet habe wie an ihn selbst, seine Verwunderung über das lange Stillschweigen des Vetters, als er am 24. November an diesen mit dem Vorschlag herantrat, den Kaiser in einem gemeinsamen Schreiben um Zurücknahme seines Reichstagsausschreibens an den Bischof zu bitten mit Hinweis darauf, daß der Streit um die Reichsstandschaft desselben j a noch vor dem Kammergericht nicht entschieden sei. Dem wollten sie, so schlug 39) Vgl. die dem Bericht der Sequestratoren an den H e r z o g v o n A n f a n g D e zember 1 5 4 0 (s. o. S. 1 6 3 A n m . 2 0 ) beiliegende Zusammenstellung. D a ß der neue K a n t o r v o m H e r z o g präsentiert w o r d e n sei, wie R ü l i n g S . 1 1 3 wissen will, w i r d eigentlich durch das Schreiben Heinrichs an das K a p i t e l v o m 2. 1. 1 5 4 1 (Ausf. D r . L o c . 8 9 9 4 a . a . O . Bl. 128 f.) als unmöglich erwiesen. 40) Ausf. des v o m 14. 9. 1 5 4 0 datierten Ausschreibens mit dem E m p f a n g s v e r merk der bischöflichen K a n z l e i : D r . L o c . 8 9 9 3 R o m . Kais. Reichstagsausschreiben, Bl. 19, gedr. C D S R II, 3, N r . 1 4 1 7 .
) Vgl. oben S. 138. ) Bischof J o h a n n an Heinrich, 12. 11. 1 5 4 0 : Ausf. D r . L o c . 8 9 9 3 Reichsstand, Bl. 147, gedr. C D S R II, 3, N r . 1 4 1 8 . Wörtlich stimmt damit überein das Schreiben desselben an J o h a n n Friedrich v o m 13. 11. 1 5 4 0 : Absdir. D r . a.a.O. Gebrechen, Bl. 2. 41 42
6. Reichstag und Kaiser
167
Kapitel unter dem protestantischen Regiment noch die selbständige Verleihung einer Reihe erledigter Stiftspfründen, darunter die der Kantorei 3 9 . So hatten sich für das Hochstift in einer weiteren Reihe von Punkten Schwierigkeiten ergeben, ohne daß es der herzoglichen Regierung auch nur in den meisten Fällen gelungen wäre, ihr Programm durchzudrücken. 6. R e i c h s t a g
und
Kaiser
Auf Seiten des Hochstifts setzte man in dieser bedrängten Lage, wie wir schon sahen, große Hoffnungen auf den Reichstag, den der Kaiser nach seiner Rückkehr in das Reich endlich einmal wieder selbst abzuhalten im Begriff war. Am 10. November 1540 ging das offizielle Ausschreiben mit der Einladung zu dem auf den 6. Januar nach Regensburg anberaumten Reichstag in der bischöflichen Kanzlei ein 40 . Noch stand ja aber einem Besuche desselben für den Bischof jener Vertrag mit den Wettinern im Wege 41 . Johann setzte darum seine beiden Schutzfürsten von dem Erhalt der Einladung umgehend in Kenntnis: D a der bevorstehende Reichstag in erster Linie der Behandlung der Religionsfragen dienen solle, hoffe er, man werde ihn nicht an seinem Besuche hindern. Sonst werde er auch ohne Erlaubnis nach Regensburg gehen, da er sich dem ausdrücklichen Befehl des Kaisers, dem er geschworen habe, nicht entziehen könne 4 2 . Daraufhin scheint Herzog Heinrich zunächst nichts getan zu haben. Man möchte fast annehmen, daß er den Reichstagsbesuch des Bischofs zwar nicht ausdrücklich erlauben, aber stillschweigend hat dulden wollen. Jedenfalls äußerte der Kurfürst, in der Annahme, daß der Bischof an Heinrich das gleiche Ansuchen gerichtet habe wie an ihn selbst, seine Verwunderung über das lange Stillschweigen des Vetters, als er am 24. November an diesen mit dem Vorschlag herantrat, den Kaiser in einem gemeinsamen Schreiben um Zurücknahme seines Reichstagsausschreibens an den Bischof zu bitten mit Hinweis darauf, daß der Streit um die Reichsstandschaft desselben j a noch vor dem Kammergericht nicht entschieden sei. Dem wollten sie, so schlug 39) Vgl. die dem Bericht der Sequestratoren an den H e r z o g v o n A n f a n g D e zember 1 5 4 0 (s. o. S. 1 6 3 A n m . 2 0 ) beiliegende Zusammenstellung. D a ß der neue K a n t o r v o m H e r z o g präsentiert w o r d e n sei, wie R ü l i n g S . 1 1 3 wissen will, w i r d eigentlich durch das Schreiben Heinrichs an das K a p i t e l v o m 2. 1. 1 5 4 1 (Ausf. D r . L o c . 8 9 9 4 a . a . O . Bl. 128 f.) als unmöglich erwiesen. 40) Ausf. des v o m 14. 9. 1 5 4 0 datierten Ausschreibens mit dem E m p f a n g s v e r merk der bischöflichen K a n z l e i : D r . L o c . 8 9 9 3 R o m . Kais. Reichstagsausschreiben, Bl. 19, gedr. C D S R II, 3, N r . 1 4 1 7 .
) Vgl. oben S. 138. ) Bischof J o h a n n an Heinrich, 12. 11. 1 5 4 0 : Ausf. D r . L o c . 8 9 9 3 Reichsstand, Bl. 147, gedr. C D S R II, 3, N r . 1 4 1 8 . Wörtlich stimmt damit überein das Schreiben desselben an J o h a n n Friedrich v o m 13. 11. 1 5 4 0 : Absdir. D r . a.a.O. Gebrechen, Bl. 2. 41 42
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Zweiter T e i l : K o n f l i k t zwischen Landesgewalt und Hochstift
Johann Friedrich weiter vor, die Drohung anschließen, falls der Kaiser ihrem Begehr nicht stattgäbe, so seien sie genötigt, ihrerseits auf eine Teilnahme am Reichstag zu verzichten 43 . Dieses gemeinsame Schreiben an den Kaiser ist denn auch, wahrscheinlich allerdings in einer von Heinrich gewünschten etwas milderen Fassung, rasch zustande gekommen 44 . Der Kaiser antwortete umgehend mit einem Schreiben, dessen freundlicher Ton und Inhalt von den vorangegangenen Geschehnissen auffallend absticht 45 . D a er den künftigen Reichstag vor allen Dingen der Religionsfrage wegen einberufen habe und also den R a t von Bischöfen und Geistlichen brauche, ersuche er die Wettiner, den Bischof von Meißen sowie die übrigen Bischöfe in euern furstentumben gesessen, die zu dem Reichstag erfordert seien, auß ytzt erzcelten Ursachen dißmals auf dem Reichstag erscheinen zu lassen. Diese Gewährung solle E. L. an derselben und des hauses von Sachsen gerechtikeyten keynen schaden ader nachteil bringen, was er den Fürsten auf ihren Wunsch auch urkundlich zu versichern bereit sei. Dieses Schreiben sandten die Fürsten dem Bischof zu; gleichzeitig erklärten sie ihm: Da der Kaiser, wie ersichtlich, sein Ausschreiben bis auf die Religionssache zurückgezogen und hinzugefügt habe, daß der bischöfliche Reichstagsbesuch dem Hause Sachsen keinen Nachteil bringen solle, seien sie mit einer Teilnahme des Adressaten an der Reichsversammlung einverstanden, vorausgesetzt, daß dieser sich lediglich an den Verhandlungen über die Religionsfrage beteilige 48 . Damit hatte Bischof Johann also sein erstes Anliegen, am Reichstage teilnehmen zu dürfen, erreicht. Die Wettiner werden nicht die Möglichkeit gesehen haben, sich dem klaren Wunsche des Reichsoberhaupts zu widersetzen, suchten aber dessen Begehr in ihrem Sinne auszulegen. Denn daß der Bischof sich nur an den Religionsverhandlungen beteiligen dürfe, war ja in dem kaiserlichen Schreiben gar nicht gesagt, wenn dieses auch in dieser Beziehung wohl absichtlich unklar gehalten war. Ob der Bischof tatsächlich zur Reichsstandschaft gelangen werde, mußte sich also erst auf dem Reichstag selbst zeigen. Immerhin war jetzt für ihn wenigstens die Möglichkeit gegeben, die Sache seines Stifts einmal dem Reichsoberhaupt per4 3 ) J o h a n n Friedrich an Heinrich, 2 4 . 11. 1 5 4 0 : Ausf. a . a . O . Bl. 1, 8. D i e diesem Schreiben beigelegte N o t e l zu dem gemeinsamen Schreiben an den Kaiser findet sich a . a . O . Bl. 10 f. 4 4 ) D a s ergibt sidi aus der kaiserlichen A n t w o r t und deren D a t u m . Die von Heinrich offenbar gewünschte mildere Fassung ist aus den K o r r e k t u r e n ersichtlich, die J o h a n n Friedrichs N o t e l v o m 2 4 . N o v e m b e r in Heinrichs K a n z l e i erfahren hat. 4 5 1 A n die sächsischen Fürsten, 2 6 . druckt C D S R II, 3, N r . 1 4 1 9 .
12. 1 5 4 0 : Abschr. D r . a . a . O . Bl. 2 3 0 ,
ge-
4 e ) Die sächsischen Fürsten an den Bischof, 2 5 . 1. 1 5 4 1 : Reinsdir. a . a . O . Bl. 2 3 2 , gedruckt C D S R II, 3, N r . 1 4 2 1 .
6. Reichstag und Kaiser
169
sönlidi darzulegen. E r hat sich denn auch offenbar sehr bald auf die Reise gemacht: am 9. März finden wir ihn bereits in Regensburg 47 . Die Instruktion 4 8 , die Herzog Heinrich seinen Gesandten zum Regensburger Reichstag mitgab, nahm auf des Bischofs Reichstagsbesuch folgendermaßen Bezug: Falls dieser, so hieß es, sich an einer nicht die Religion betreffenden Verhandlung mit Session beteiligen sollte, so sollten die Gesandten dagegen mit Angabe der Gründe protestieren. Helfe das nicht, so sollten sie sich der Session so lange enthalten, bis die Session der Bischöfe abgeschafft sei. Im wesentlichen ebenso instruierte der Kurfürst seine Reichstagsgesandten; nur trug er diesen auf, zusammen mit ihren albertinischen Kollegen gleich von vornherein in einer Audienz beim Kaiser ein Fernhalten der Bischöfe aus allen nicht die Religion betreffenden Verhandlungen 49 durchzusetzen zu suchen, unter Umständen mit Beifügung der Drohung: sonst müssten sie den Sitzungen fernbleiben. Ferner sollten sich die Gesandten vom Kaiser die versprochene Versicherung, daß der jetzige Reichstagsbesuch den Rechten des Hauses Sachsen keinen Abbruch tue, geben lassen 50 . Diesem Vorschlag Johann Friedrichs hat sich Heinrich angeschlossen und seine Gesandten nachträglich entsprechend informiert 5 1 . Ob die beiderseitigen sächsischen Gesandten diese Audienz beim Kaiser gehabt haben, habe ich bis jetzt nicht feststellen können. Es läßt sich lediglich aus dem späteren Gang der Dinge schließen, daß diese Audienz wahrscheinlich stattgefunden hat und daß die Gesandten darin das Fernbleiben des Bischofs aus den Reichstagssitzungen bis zur Entscheidung eines mit der Lösung des Konflikts beauftragten Ausschusses erreicht haben 52 . Uber die 47) Das geht h e r v o r aus einer von den Augsburger Reichtstagsgesandten unter diesem D a t u m an ihren R a t gesandten Liste der bereits anwesenden Reidisstände, gedruckt bei F. R o t h , Zur Geschichte des Reichstages zu Regensburg im J a h r e 1 5 4 1 : A R G 2, 1905, S. 2 8 7 . 48) Absdir. des Lehenbriefes D r . L o c . 9 6 0 7 H e r z o g Heinrich zu Sachsen B e lehnung, Bl. 9 0 f f . ; Relation der Gesandten Heinrichs an diesen v o m 1. 8. 4 1 : D r . L o c . 10 183 Instruction, Bl. 2 4 0 ff. 49) Selbst bei den Religionsverhandlungen sollten die Bischöfe nicht Session nehmen, — ein Punkt, auf den die sächsischen Fürsten aber nicht so entscheidenden W e r t gelegt haben. 60) Auszug aus der Instruktion des Kurfürsten für seine Gesandten an den Reichstag zu Regensburg: Absdir. D r . L o c . 8 9 9 3 Gebrechen, Bl. 1 9 5 ff. 61) Nachträgliche Teilinstruktion Heinrichs für seine Reichstagsgesandten, die der Instruktion J o h a n n Friedrichs sachgemäß wörtlich nachgebildet ist: Ausf. D r . L o c . 10 183 Regensburgischen Reidistages, Religion und andere H ä n d e l , Bl. 158 ff. U n t e r m 6. 4. schickte Heinrich sie seinen Gesandten z u : Ausf. D r . a . a . O . Bl. 175 ff. B 2 ) Eine Frucht dieser Audienz der sächsischen Gesandten beim Kaiser könnte darin zu erblicken sein, d a ß der Bischof bei der Verlesung der Reichstags-Proposition des Kaisers a m 5. 4. 1541 nicht teilnehmen durfte (von einem V e r b o t an den Bischof wissen wir freilich nichts, nur von der Tatsache, d a ß Pflug als sein B e a u f t r a g t e r im Mainzer Gefolge teilnahm), sondern nur sein „ B e a u f t r a g t e r "
170
Zweiter Teil: Konflikt zwischen Landesgewalt und Hochstift
Tätigkeit dieses Ausschusses hören wir so gut wie nichts; nur wird deutlich, daß er gegen die Belange der sächsischen Fürsten eingestellt gewesen ist 53 . Im April wurde dem Kurfürsten wieder ein kaiserliches Schreiben, das den Reichstagsbesuch der Bischöfe betrifft, überbracht. Wie alle Stände des Reichs, hieß es da, so seien auch die Bischöfe von Meißen und Merseburg mit einer zweiten Einladung zum bevorstehenden Reichstag bedacht worden. Die Wettiner sollten die Bischöfe nun nidit hindern, es solle ja ihren Privilegien keinen Abbruch tun. Auf diesem Reichstag könnten auch die zwischen den Wettinern und den Bischöfen entstandenen Mißhelligkeiten zum Austrag gebracht werden. Er, der Kaiser, werde es an Fleiß dazu nicht mangeln lassen 54 . Der Kaiser deckt also jetzt erst, nachdem die Wettiner die Bischöfe haben zum Reichstag ziehen lassen, seine Pläne etwas mehr auf. Johann Friedrich, der Heinrich dieses kaiserliche Schreiben in Abschrift mitteilt, spricht die Vermutung aus, daß jemand am kaiserlichen H o f e sein müsse, der der Bischöfe Bestes im Auge habe, da dieses kaiserliche Schreiben so bald nach Eintreffen ihrer „Antwort" 5 5 ausgegangen sei: Der Zweck, den man mit dem geplanten Austrag verfolge, sei offenbar der, die Bischöfe von ihrem, der Wettiner, Einfluß zu lösen, um ihnen völlige Freiheit in der Religionssache zu geben. D a nun aber die beiderseitigen Reichstagsgesandten bald instruiert sein müßten, wie sie sich den zu erwartenden Unterhandlungen gegenüber verhalten sollten, schlage er eine Besprechung ihrer Räte vor, die auf dem künftigen Oberhofgerichtstag zu Leipzig sein würden 5 6 . Diese Beratung zu Leipzig hat stattgefunden 5 7 , hat jedoch das Folgende nicht beeinflußt, da inzwischen, wohl in den ersten Maitagen, den sächsischen Gesandten auf dem Reichstag zu Regensburg zwei Klageschriften des Julius Pflug, aber auch dieser nidit als Reichsstand, sondern nur unter den Mainzischen Höflingen (nach dem Bericht der kursächsischen Reichstagsgesandtschaft wiedergegeben bei S e c k e n d o r f III, 355). Frcilich müßte, wenn das eine Frucht jener Audienz gewesen ist, diese stattgefunden haben, ehe die albertinischen Gesandten jene nachträgliche Teilinstruktion Heinrichs, die ja vom 6. 4. datiert war (s. o.) erhielten. 53 ) Vgl. das Schreiben der herzoglich sächsischen Räte an Heinrich vom 25. 7. 1541: Konzept Dr. Loc. 10 183 a.a.O. Bl. 242 f. 54 ) Kaiser an die sächsischen Fürsten, Speyer, 19. 1. 1541: Abschr. D r . Loc. 8993 Gebrechen, Bl. 229, gedruckt C D S R II, 3, N r . 1420. 55 ) D a m i t kann wohl nur das Schreiben der sächsischen Fürsten an den Kaiser gemeint sein, mit dem jene diesen um Zurückziehung des Reichstagsausschreibens an den Bischof von Meißen gebeten hatten (s. o. S. 167 f.). B0 ) Johann Friedrich an Heinrich, 18. 4. 1541: Ausf. D r . Loc. 8993 Gebrechen Bl. 226 ff. 57 ) Bericht der Räte H e r z o g Heinrichs über die Unterredung mit den kurfürstlichen Räten vom 27. 4. 1541 zu Leipzig: Dr. Loc. 8993 Gebrechen, Bl. 239 ff. Interessant ist an dem Bericht die verschiedene Stellung der beiden wettiner Linien zum Kaiser. Heinrich will es mit dem Kaiser nicht verderben und ist d a r u m geneigt, auf eine „gütliche" Verhandlung einzugehen; Johann Friedrich hingegen will
6. Reichstag und Kaiser
171
Bischofs von Meißen an den Kaiser überreicht worden waren mit dem Begehr, die Stellungnahme ihrer Herren dazu einzuholen, und dadurch f ü r die sächsischen Fürsten der Gang der Verhandlungen bestimmt wurde. In dem ersten der beiden Schreiben schildert der Bisdhof dem Reichsoberhaupt, wie die sächsischen Fürsten auf Grund seines Besuchs des Reichstags zu Worms 1539 ihn, der doch unbestreitbar Reichsfürst sei, wie er durch kaiserliche Ausschreiben, Quittungen und andere Schriftstücke beweisen könne, mit scharfen Zwangsmaßnahmen zum Verzicht auf seine Reichsstandschaft gezwungen hätten. Der darüber geschlossene Vertrag sei natürlich an sich schon nichtig, da er die Rechte des Reiches beseitige, auch sei er von ihm nur mit dem Vorbehalt der Klage beim Kaiser eingegangen worden. Der Kaiser wolle nun die sächsischen Fürsten dazu anhalten, ihn in seiner Reichsstandschaft unbeirrt zu lassen, den Vertrag zu annullieren, sowie von ferneren Gewaltmaßnahmen gegen das Stift abzusehen 58 . Das zweite Schreiben bringt im allgemeinen Klagen über die Maßnahmen der sächsischen Fürsten auf dem Gebiete der Religion. Erst gegen Schluß gedenkt der Bischof noch einmal der ihm von den sächsischen Fürsten entzogenen weltlichen Obrigkeit. D a seine Hilfegesuche an Herzog Heinrich von Braunschweig erfolglos geblieben seien, habe er nur noch beim Kaiser H o f f n u n g auf Hilfe. Dieser wolle bei den sächsischen Fürsten den Verzicht auf alle Eingriffe in die geistlichen und weltlichen Angelegenheiten des Stifts durchsetzen und die Stiftsuntertanen, die man ihm abspenstig zu machen drohe, durch ein öffentliches Mandat zum Gehorsam zurückführen 5 9 , an den Kurfürsten von Sachsen und Herzog Heinrich, über deren Inhalt er auf jeden Fall eine neue Selbständigkeit der Bischöfe verhindern und darum einer Verhandlung aus dem Wege gehen, sofern es sidi nur einigermaßen riskieren läßt. Noch deutlicher wird diese verschiedene Haltung, wenn die ernestinischen Räte Herzog Heinrich Vorwürfe machen, daß er dem Bischof von Merseburg die Reise zum Reichstag gestattet habe, und die Albertiner entgegnen, es sei doch selbstverständlich, daß Heinrich dem Ersuchen des Kaisers nachgäbe; im übrigen ginge der Bischof von Merseburg den Kurfürsten ja gar nichts an. 58 ) Abschrift des undatierten Schreibens Dr. Loc. 8993 Reichsstand der Bischöfe, Bl. 99 ff.; gedruckt CDSR II, 3, Nr. 1422. 6B
) Abschrift dieses ebenfalls undatierten Schreibens Dr. Loc. 8993 Reichsstand, Bl. 82 ff. und anderswo. Wiedergegeben ist es CDSR II, 3, Nr. 1423, und zwar von den S. 363 unten befindlichen Worten ab obschon diese Fürsten viele Güter.. . Sein Anfang fehlt im CDSR. Dessen Inhalt ist kurz folgender: Der Bischof erinnert den Kaiser an sein früheres Schreiben, in dem er diesem dargelegt habe, wie die sächsischen Fürsten ihn mit Gewalt seines Fürstenstandes zu berauben suchen. Um den Kaiser nicht auf einmal allzu sehr zu bemühen, habe er seine übrigen Beschwerden seinem jetzigen Schreiben vorbehalten. — In der sich somit ergebenden Textgestalt dieses zweiten bischöflichen Klageschreibens stimmen alle von mir aufgefundenen Exemplare desselben — die auf die vom Bisdiof dem Kaiser übergebene Ausfertigung zurückgehenden Abschriften ebenso wie die auf ein Aktenstück der bischöflichen Kanzlei zurückgehende Abschrift Dr. Loc. 8993 Acta Misnensia, Bl. 46^ ff. — überein. Der im CDSR als Anfang von Nr. 1423
172
Zweiter Teil: Konflikt zwischen Landesgewalt und Hochstift
Ferner beantragt der Bischof von Meißen beim Kaiser noch je ein M a n d a t genaue Vorschläge macht. D e n Fürsten sollte d a befohlen werden, sich jeglichen Eingriffs in die geistliche und weltliche Obrigkeit der Bischöfe zu enthalten, den Geistlichen ihr E i n k o m m e n nicht vorzuenthalten, den D o m k l e rus nach seinen Statuten leben zu lassen und niemandem im U n g e h o r s a m gegen den Bischof beizustehen 6 0 . Schließlich ging den sächsischen Gesandten auf dem Regensburger Reichstag in diesen T a g e n noch ein Klagschreiben des Bischofs von Merseburg an den Kaiser ähnlichen Inhalts z u 6 1 . D a r a u f h i n ließen die sächsischen Fürsten beschleunigt — schon drängten die kaiserlichen R ä t e 6 2
—
durch ihre R ä t e , die deshalb am 2 2 . M a i in
Zwickau zusammenkamen, eine A n t w o r t an den Kaiser entwerfen 6 3 . Aber bis die beiden Fürsten vergingen
sich über den endgültigen
noch Wochen. D i e verschiedene Politik,
Text
geeinigt
die beide
hatten,
wettinische
Linien jetzt v o n neuem trieben, w i r d uns aus dem hierüber geführten Briefwechsel wieder deutlich 6 4 . (bis von ihren gewaltsamen beginnen abzustehen etc.) wiedergegebene Text stellt die ziemlich ungenaue Wiedergabe eines dritten bischöflichen Schreibens dar, das abschriftlich Dr. Loc. 8993 Acta Misnensia, Bl. 39 b ff. vorliegt. D a ß es sich bei dem Anfang von C D S R Nr. 1423 um ein „zweites" Schreiben handele, ist eine Bemerkung des Herausgebers, die im Text Acta Misnensia Bl. 39 b nicht steht. Dort heißt es vielmehr anstelle der im C D S R gleich danach regestmäßig wiedergegebenen Worte „eine Beschwerdeschrift" etliche beschwerden . . . in zweien Schriften underschiedlichen [d. h. nach den Materien getrennt, s. o.] furgebracht. D a ß in C D S R a.a.O. die dritte Klagschrift der zweiten vorangestellt ist, ist aus derselben Anordnung in dem Dresdner Aktenbande Loc. 8993 Acta Misnensia erklärlich, der eine nach Meißner Archivbeständen (wann?) gefertigte Zusammenstellung von für das Hochstift wesentlichen Dokumenten in Abschrift bringt. Nicht erklärt werden dann freilich von da aus die Verschmelzung der beiden Schreiben usw. Noch mehr muß man sich wundern, wenn man das dritte Klageschreiben als Nr. 1424 in C D S R noch einmal wiedergegeben findet. Die hier im vollen Wortlaut abgedruckten Sätze finden sich wörtlich in dem dritten Schreiben laut der Abschrift Acta Misnensia Bl. 39^ ff., und auch das regestenartige Stüde entspricht unserm Schreiben. 6 0 ) Der vom Bischof von Meißen beantragte Inhalt dieser Mandate: Absdir. Dr. Loc. 8994 Der Bischöfe angemaßte Session, Bl. 7. 6 1 ) Abschr. Dr. Loc. 8994 Der Bischöfe angemaßte Session, Bl. 3 ff. 6 2 ) Johann Friedrich an Heinrich vom 14. 5. 1541: Ausf. Dr. Loc. 8993 Gebrechen, Bl. 274 f. e 3 ) Instruction Heinrichs für seine Räte nach Zwickau vom 20. 5. 1541: Konzept Dr. Loc. 8993 Reichsstand, Bl. 175 ff. Den Text des in Zwickau hergestellten Entwurfs haben wir wohl Dr. Loc. 8993 Gebrechen, Bl. 147 ff. vor uns, wenn wir von den dort angebrachten Korrekturen absehen. ®4) Für die Behauptung Oswald R i c h t e r s S. 18, die Verantwortungsschrift der sächsischen Fürsten sei durch die Wittenberger Juristenfakultät verfaßt worden, habe ich bis jetzt keinen Beleg gefunden. Es könnten Wittenberger Juristen in Zwickau mitgearbeitet haben; Johann Friedrich mag auch später in den Verhandlungen um den endgültigen Text deren R a t herbeigezogen haben.
6. Reichstag und Kaiser
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Zunächst beanstandete Heinrich auf Anraten der Doktoren Pistoris und Fachs, durch die er den Zwickauer Entwurf hatte begutachten lassen, einige in dem Entwurf ausgesprochenen Behauptungen betreffend der den sächsischen Fürsten am Hochstift zustehenden Rechte, die sich nicht halten lassen würden. Hier gab Johann Friedrich nach 05 . Sodann wurde aber lange diskutiert über die Frage, ob man berechtigt sei, sich als „Landesfürsten" der Bischöfe zu bezeichnen, oder ob nur der Titel „Erbschutzfürsten" zulässig sei. Johann Friedrich glaubt, die den Wettinern an den Stiftern nach und nach durch Gewohnheit und Verträge zuteil gewordenen Rechte dem Kaiser gegenüber nicht anders wahren zu können als dadurch, daß er sich als Landesfürst bezeichnet; freilich sieht auch er in der beanspruchten landesfürstlichen Stellung keine volle Herrschergewalt über den Bischof wie über seine übrigen Untertanen — ja noch nicht einmal auf die Stufe eines Landsassen will er ihn herabdrücken —, aber doch weitgehende obrigkeitliche Rechte. Der Ausdrudk Erbschutzfürst allein ist dem Kurfürsten zu mager. Die Bischöfe würden dann sagen, daß damit nur das Schutzrecht im Sinne von Schutzpflicht gegeben sei und daß sich ihre Reichsunmittelbarkeit damit durchaus vertrage. Auch sei die Erbschutzherrschaft als solche ein Recht, das der Kaiser leicht beseitigen könne, um den Stiftern einen katholischen Schutzherren zu geben. Die Stifter würden damit zu Hochburgen kaiserlicher und damit antiwettinischer Politik werden. Heinrich dagegen sieht in dem Ausdruck Landesfürst einen Rechtsanspruch, den die Wettiner bisher den Bischöfen gegenüber nicht erhoben hätten und der darum zu meiden sei. Hinter dieser großen Korrektheit verbirgt sich natürlich ängstliche Rücksichtnahme auf den Kaiser, was sogar eingestanden wird. Historisch gesehen haben beide Vettern nicht ganz recht. Der Kurfürst insofern nicht, als schon seit längerer Zeit sächsische Fürsten wie Bischöfe in der „Schutzverwandtschaft" gewisse landesherrliche Rechte jener über diese inbegriffen sahen. Immerhin wird man Johann Friedrich recht geben müssen in der Vermutung, daß die Bischöfe jetzt dem Begriff Schutzfürsten obige Deutung geben würden. Und Heinrich insofern nicht, als j a auch der Titel Landesfürst in der Vergangenheit gar nicht unbekannt gewesen war, ja sogar er, Heinrich selbst, hatte — horribile auditu — diesen Ausdruck noch vor zwei Jahren und anscheinend ganz unbedenklich gebraucht in Schreiben, die er zusammen mit dem kurfürstlichen Vetter an den Bischof von Meißen und das Meißner Kapitel gerichtet hatte 6 6 ; aber das war ja eben in der ach so
6 B ) Fachs und Pistoris an Heinridi vom 26. 5. 1 5 4 1 : Ausf. Dr. Loc. 8993 brechen, Bl. 223 f.; Heinridi an Kurfürst vom 29. 5. 1 5 4 1 : Konzept Dr. Loc. Der Bischöfe angemaßte Session, Bl. 38 f.; Johann Friedrich an Heinridi 6. 6. 1 5 4 1 : Ausf. a.a.O. Bl. 44 ff. 8 6 ) In dem Schreiben der sächsischen Fürsten an den Bischof von Meißen 18. 6. 1539 (s. dieses oben S. 133) und an das Kapitel zu Meißen vom 7. 8. (s. dieses oben S. 135 Anm. 59).
Ge8994 vom vom 1539
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Zweiter Teil: Konflikt zwischen Landesgewalt und Hochstift
weit zurückliegenden Zeit geschehen, als der Kurfürst auch die albertinische Politik völlig bestimmt hatte. So wird lange Zeit ein wenig erfreulicher Briefwechsel geführt 97 . Der Kurfürst versagt sich nicht, dem Vetter gegenüber ganz offen zu äußern, die Leute, auf deren R a t er höre, stünden anscheinend insgeheim auf Seiten der Bischöfe, was aber nur die Gegenfrage auslöst, wen Johann Friedrich damit meine. Schließlich führt, als beide Vettern schon nahe daran waren, ihre Schreiben an den Kaiser gesondert abzufassen, die Entsendung des Jobst vom Hain, die Johann Friedrich am 10. Juli als letzten Versuch unternimmt, noch zum Ziele. Es kommt ein Kompromiß zustande: anstatt „ihre (der Bischöfe) Landes- und Erbschutzfürsten" wird gesetzt „die Landesfürsten und Erbschutzfürsten" 68 , dann könne man diese Ausdrücke, falls sie beanstandet würden, je nach Gutdünken auslegen (ob „Landesfürst" auf die Bischöfe zu beziehen ist oder nicht). Mit dem Datum des 17. Juli 1541 geht das gemeinsame Schreiben nach Regensburg 89 . Darin wird nun gegen die Behauptung der bischöflichen Reichsstandschaft wieder mit etwa denselben Argumenten Stellung genommen, die wir aus der Denkschrift von Dr. Fachs und Pistoris 70 kennen. Man habe es hier jedenfalls mit einem uralten Herkommen zu tun, das mit Vorwissen der Römischen Kaiser geübt worden sei und somit einer verbrieften Privilegierung gleichgeachtet werden müsse. Der Kaiser werde wohl bei Erwägung dessen ihr Vorgehen gegen den Bischof von Meißen, das sie auf Grund von dessen Besuch des letzten Reichstages unternommen hätten, verstehen; denn selbst das Landfriedensgesetz gestatte einem jeden die Wahrung seiner Rechte auch auf dem Wege gewaltsamen Vorgehens. Die diesbezüglichen Beschuldigungen des Bischofs von Meißen ebenso wie die Einmischung des Nürnberger Bundes müßten sie sich entschieden verbitten. Den letzteren gehe dieser Handel gar nichts an; denn ebenso wie der Eintritt der Bischöfe in den Nürnberger Bund nur auf Bewilligung Herzog Georgs geschehen sei, hätten die Bischöfe jetzt diese Liga wieder zu verlassen, da sie ihnen als den jetzigen Landes- und Erbschutzfürsten feindlich gegenüber stehe. Demgemäß wolle der Kaiser
6 T ) S. außer den S. 173 Anm. 65 aufgeführten Schriftstücken hauptsächlich noch Kurfürst an Heinrich, 20. 6. 1541: Ausf. Dr. Loc. 8994 Der Bischof zu Meißen, Bl. 64 ff.; Heinrich an Kurfürst, 30. 6. 1 5 4 1 : Konzept a.a.O. Bl. 74 ff.; Instruktion des Kurfürsten für Jobst vom Hain, 10. 7. 1 5 4 1 : Ausf. a.a.O. Bl. 89 ff.; Antwort Heinrichs an J . v. Hain vom 15. 7. 1 5 4 1 : Konzept a.a.O. Bl. 9 9 ff. 6 8 ) Die Wiedergabe in C D S R II, 3, N r . 1426 ist hier ungenau. 8 B ) Abschr. Dr. Loc. 8993 Acta Misnensia, Bl. 63 ff.; dieses Exemplar entstammt der bischöflich-meißnischen Kanzlei, muß also auf dem in Regensburg überreichten Text beruhen. Wiedergegeben C D S R II, 3, N r . 1426; vollständig bei H o r t l e d e r , Von den Ursachen des Teutschen Krieges S. 1294 ff. (dieser Abdruck jedodi von mir wegen technischer Schwierigkeiten nicht mit der angegebenen Abschrift verglichen). T 0 ) S. o. S. 160.
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den Bischöfen gebieten, den Nürnberger Bund zu verlassen, die Reichsstandschaft sich weder jetzt noch später anzumaßen, sondern sich vielmehr auf ihre Pflichten den Wettinern gegenüber zu besinnen. Weiterhin wolle er den Kammergerichtsprozeß abschaffen; denn es könne ihm, Herzog Heinrich, nicht zugemutet werden, sich an zwei Orten in derselben Angelegenheit zu verantworten. Schließlich entrollen die sächsischen Fürsten noch ihre Zukunftspläne gegenüber den Bischöfen: wenn diese sich samt ihren Kapiteln und Klerus als „christliche" Bischöfe erzeigen würden, so sollten sie ihnen gegenüber keinen Grund zur Klage mehr finden. Wenn sie aber auf ihren yrthummen beharren würden, so könnten sie es ihnen als den Landes- und Erbschutzfürsten nicht verdenken, ab wir yre abgotterei, misbreuche und gerucklicbe irthump . . . niederlegen und abtun und dagegen die warheit gottes, auch christliche ceremonien unsern fürstlichen pflichten nach gegen gott aufrichten müssen. Denn der Kaiser werde selbst erachten können, daß ihnen verschiedene Religion in ihren Landen unleidlich und daß es ihnen ganz besonders beschwerlich sei, das die leute unter unserm landesschutz yhrer Seligkeit beraupt werden solten. Die Diplomatie der Protestanten war also immer noch der Appell an das angeblich im Grunde gut protestantische Empfinden des Kaisers. Jedenfalls war es reichlich viel, was hier vom Kaiser verlangt wurde: er sollte nicht nur den Stiftern die Reichsstandschaft aberkennen, sondern auch ihrer Reformation freien Lauf lassen. Anfang Mai waren die beiden Klageschreiben des Bischofs von Meißen in Regensburg den sächsischen Gesandten zugestellt worden. Jetzt gegen Ende Juli erst traf die Antwort darauf ein. So kann man es verstehen, daß den Bischöfen zu Meißen und Merseburg, denen bis zum Entscheid darüber Stand und Stimme im Reichstag verwehrt war, die Geduld riß und der Bischof von Meißen unter Wiederholung seiner Klagepunkte den Kaiser um eine Entscheidung ohne Rücksicht auf die ausstehende Antwort der Wettiner bat, denn die Sache liege ja völlig klar 7 1 . Aber Karl V. wollte das entweder den sächsischen Fürsten nicht antun, oder es war ihm gerade recht, die Entscheidung, die ihn, wie wir sehen werden, in eine Zwitterstellung hineinbrachte, möglichst weit hinausschieben zu können. Auch der zur Entscheidung der bischöflichen Reidhsstandschaft eingesetzte Ausschuß nahm Anstoß am späten Eintreffen der sächsischen Denkschrift. Als sie ihm überreicht wird, ist er gerade im Begriff, dem Reichstag über sein Beratungsergebnis vorzutragen, und verweigert ihre Annahme. So bleibt den sächsischen Gesandten weiter nichts übrig, als dem Plenum die Denkschrift ihrer Fürsten auszuhändigen; nachdem die Stände ihrem T 1 ) Klageschreiben des Bischofs von Meißen an den Kaiser, undatiert: Abschr. Dr. Loc. 8993 Acta Misnensia, Bl. 39*> ff., wiedergegeben im Anfang von C D S R II, 3 Nr. 1423; zum Textkritischen vgl. oben Anm. 59.
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Unwillen über das späte Eintreffen des Schreibens Ausdruck gegeben haben, nehmen sie dieses an. Auch ihnen war übrigens die Angelegenheit der sächsischen Bischöfe nicht neu; der Bischof von Meißen hatte sie darüber instruiert und sie gebeten, sich für seine Interessen einzusetzen 72 . Beratungen und Beschlüsse über die Session der sächsischen Bischöfe finden zunächst nicht statt. Schon hoffen die sächsischen Gesandten, bei dem nahe bevorstehenden Abschluß des Reichstages und der Menge des noch vorliegenden Beratungsstoffs werde wohl die Angelegenheit vergessen werden 73 . Leider hatten sie sich darin getäuscht. Zunächst bekommt der Bischof von Meißen Gelegenheit, die Denkschrift seiner Gegner zu beantworten 74 . Da ist nun in Hinblick auf den langen Streit der sächsischen Fürsten um die Berechtigung des Ausdrucks „ Landesfürsten" interessant, daß der Bischof schon in dem Titel Erbschutzfürsten eine Anmaßung sieht, die unter den früheren Wettinern nicht üblich gewesen sei. Im übrigen bringt der Bischof zum Erweis seiner Reichsstandschaft zahlreiche Belege bei und betont, daß seine und seiner Vorgänger Beteiligung an den Angelegenheiten des sächsisch-meißnischen Landes stets aus freiem Entschluß erwachsen sei. Sodann hat der Kaiser, offenbar in der Erkenntnis, daß der Reichstag bei der beschränkten Zeit die bischöfliche Reichsstandschaft nicht mehr werde entscheiden können oder daß diese Entscheidung nicht in seinem Sinne ausfallen würde, von sich aus sehr rasch den Schiedsspruch gefällt. Am 26. Juli beurkundet er dem Bischof von Meißen seinen Fürstenstand, nachdem er der sächsischen Fürsten Denkschrift wol erwogen habe, und verweist die Wettiner bezüglich etwaiger Einwände ans Reichskammergericht 75 . Diese Urkunde bekommt aber nur der Bischof, nicht die sächsischen Fürsten oder deren Gesandte. Schon am Tag zuvor hatte der Kaiser den sächsischen Fürsten den Befehl zugehen lassen, sich in des bischofs aigentumb aller gebotsmessigkait und Ordnung in gaistlichen und weltlichen suchen zu enthalten sowie darüber hinaus das alte Kirchenwesen in der Diözese des Bischofs wiederherzustellen 76 , und schließlich war noch ein Ausschreiben an die bischöflichen Untertanen ergangen mit der Anordnung, dem Bischof als euerm rechten herren in allen gaistlichen und weltlichen Sachen gehorsam zu sein. T 2 ) Bisdiof von Meißen an die Reichsstände, undatiert: Abschr. Dr. Loc. 8993 Acta Misnensia, Bl. 57 ff., wiedergegeben C D S R II, 3 N r . 1425. 7 3 ) Heinrichs Gesandte an Heinrich vom 25. 7. 1541; s. o. S. 170 Anm. 53. 7 4 ) Bischof von Meißen an den Kaiser, undatiert: Abschr. Dr. Loc. 8993 Acta Misnensia, Bl. 77^ ff.; wiedergegeben C D S R II, 3, N r . 1427. 7 5 ) Ausf. Dr. Orig. 11 0 0 5 ; wiedergegeben C D S R II, 3, N r . 1430. 7 e ) Kaiser an Heinrich, 25. 7. 1541: Ausf. Dr. Loc. 8994 Der Bischöfe von Meißen und Merseburg angemaßte Session im Reich, Bl. 149 f.; C D S R II, 3, Nr. 1428. — In bezug auf das letztere finde ich allerdings das Schreiben etwas unklar.
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Daraufhin gibt der Kaiser dem Pfalzgrafen Friedrich Befehl, die Bischöfe von Meißen und Merseburg am 27. Juli durch den Reichserbmarschall Wolff von Pappenheim feierlich in den Reichsrat einführen zu lassen 77 . Günstigerweise, vielleicht auch nicht ohne Absicht, geschieht das an einem Tage, an dem die katholischen und protestantischen Stände getrennt beraten. Infolgedessen wird die Erklärung, daß auf des Kaisers Befehl die beiden Bischöfe Stand im Reiche hätten, nur vor den katholischen Ständen abgegeben, die dies natürlich bereitwilligst anerkennen 78 . Erst am späten Abend kommt der Vorfall den sächsischen Gesandten zu Ohren. Der von ihnen zunächst — wohl am folgenden Morgen — befragte Pappenheim verweist lediglich auf seinen Befehl. Daraufhin wenden sie sich an Pfalzgraf Friedrich und den kaiserlichen Vizekanzler Dr. Naves mit der Bitte, dem Kaiser ihr Befremden auszudrücken über die Teilnahme der Bischöfe an der Sitzung in Anbetracht der kaiserlichen Zusage, der Reichstagsbesuch der Bischöfe solle dem Hause Sachsen nicht nachteilig sein 79 ; der Kaiser wolle doch das damals diesbezüglich angebotene Reversal ihnen ausstellen und das Vornehmen der Bischöfe abschaffen. Daraufhin gibt ihnen der Pfalzgraf die Antwort — ob nach vorangegangener Rücksprache mit dem Kaiser oder von sich aus, wird aus unserer Quelle nicht ganz deutlich —, die Bischöfe hätten den Reichsstand nicht auf Grund kaiserlichen Befehls, sondern aus eigener Initiative eingenommen. Granvella gibt den Gesandten noch den R a t zu protestieren; das erbetene Reversal wolle er ihnen verschaffen. Zu letzterem kommt es jedoch trotz mehrfachen Nachsuchens der Gesandten nicht mehr, da der Kaiser schon im Aufbruch ist. Vom kaiserlichen H o f begeben sich die Gesandten nach dem Rathaus, wo heute am 28. Juli wieder alle Reichsstände gemeinsam beraten. D a müssen sie sich denn nun mit eigenen Augen von der Anwesenheit der Bischöfe überzeugen. Verhandlungsgegenstand ist die Türkenhilfe, also eine rein weltliche Angelegenheit. Instruktionsgemäß eröffnen die Gesandten den Reichsständen unter Beifügung von Drohungen, daß ihre Fürsten nicht gesonnen seien, die Bischöfe hierbei zu dulden. Doch müssen sie es sich zunächst gefallen lassen, daß die Bischöfe mit einem triumphierenden Lächeln durch ihren Sprecher auf das Dekret verweisen lassen, das ihnen vom Kaiser diesbezüglich zugestellt worden sei. Die sächsischen Gesandten wie alle protestantischen Stände sind empört, als sie von der Ausfertigung eines kai) Ausf. Dr. Loc. 8994, a.a.O. Bl. 149 f.; CDSR II, 3, N r . 1429. ) Notariatsinstrument für den Bischof von Meißen vom 28. 7. Dr. Orig. 11 006, wiedergegeben C D S R II, 3, Nr. 1431; kaiserliche vom 29. 7. 1541: Ausf. Dr. Orig. 11 007, wiedergegeben CDSR II, Audi diese kaiserliche Beurkundung ließen sich die Bischöfe notariell Ausf. Dr. Orig. 11 008. 7 9 ) S. o. S. 168. 77
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1541: Ausf. Beurkundung 3, N r . 1432. beglaubigen:
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serlichen Dekrets hören, das ohne ihre Befragung ausgestellt worden sei. Sie müssen jedoch bei so vielen Leuten das Wissen um ein solches Dekret feststellen, daß ihnen ein Zweifel daran kaum berechtigt erscheint. Die sächsischen Gesandten erkennen somit, daß der Kaiser bzw. der Pfalzgraf sie belogen hat. Diesen das zu beweisen, halten sie allerdings offenbar für unratsam, sondern unternehmen einen Vorstoß gegen die bischöfliche Reichsstandsdiaft erst am folgenden Tage wieder, als der Kaiser den Ständen den Abschied bekannt geben will. Im Kurfürsten von Brandenburg glauben sie den geeigneten Mann zu finden, der sich beim Kaiser für eine Entfernung der Bischöfe, die auch heute wieder zur Sitzung erschienen sind, einsetzen kann. Doch läßt der Kaiser durch diesen nur antworten: Da die Bischöfe einmal im Rate säßen, könne er sie doch nicht wieder hinaustun. Ein Eingehen auf die Frage, ob die Bischöfe selbständig oder auf sein Geheiß zur Sitzung erschienen seien, vermied Karl V. also. Das gewünschte Ziel wird erst erreicht, nachdem die Gesandten gedroht haben, andernfalls den Abschied nicht bewilligen zu können. Da nun aber der Kaiser den Bischöfen gegenüber nicht wortbrüchig erscheinen will, gebraucht er zunächst für ihre Entfernung aus dem Reichsrat einen Vorwand: Er läßt sie durch seinen Bruder Ferdinand ettlicher suchen halben zu einer Besprechung rufen; sodann gibt er ihnen schriftlich die Zusage, daß sie trotz ihrer Abwesenheit bei der Verlesung und Unterzeichnung des Reichsabschieds des Reidisstandes nicht verlustig sein sollten80. Aber auch ein praktischer Versuch zur Durchsetzung der reichsfürstlichen Stellung der Bischöfe wurde noch einmal gemacht: ihre Namen wurden trotz der genannten Abwesenheit noch nachträglich unter den Reichsabschied gesetzt. Die sächsischen Gesandten erfahren davon und dringen gegenüber König Ferdinand — der Kaiser war schon am Nachmittag zuvor abgereist — auf Entfernung dieser Namen; andernfalls könnten sie den Abschied nicht annehmen. Und tatsächlich läßt der Römische König die Namen der sächsischen Bischöfe aus dem Original des Reichsabschieds wieder ausradieren 81 . Wir sehen also den Kaiser ein richtiges Doppelspiel treiben. Die Notwendigkeiten seiner vielverzweigten Politik zwangen ihn dazu. Einerseits war es für ihn, der sich stets als Beschützer der katholischen Kirche fühlte, selbstverständlich, jedem altgläubigen Reichsstand beizustehen. In der vorliegenden Situation wird für ihn weiterhin die Rücksicht auf die übrigen streng katholischen Reichsstände mitgespielt haben, die durch seine fried80
) Kaiserliche Beurkundung vom 29. 7. 1541: s. o. Anm. 78. ) Relation der Reichstagsgesandten Heinrichs an Heinrich vom 1. 8. 1541: Dr. Loc. 10 183 Instruktion auf den gegen Regensburg angesetzten Reichstag, Bl. 240 ff. — Ebenso sind die sächsischen Bischöfe auch als Unterzeichner der in Regensburg beschlossenen eylenden Türkenhilfe nachträglich wieder gestrichen worden — dies ist wenigstens auf dem in Dr. a.a.O. Bl. 124 ff. abschriftlich vorhandenen Exemplar des betreffenden Aktenstücks geschehen. 81
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liehe Politik gegenüber den Protestanten schon stark befremdet waren. Bestand auch die Hilfe, die der Kaiser vorerst gewährte, nur in einem Bogen Pergament, so schuf dieser doch damit ein klares Rechtsverhältnis, dem er später einmal, sobald er die Arme freier hatte als jetzt, mit Gewalt Geltung verschaffen konnte. Zunächst war es freilich noch nicht soweit. Und daraus erklärt sich die andere Seite seines Verhaltens, seine Rücksichtnahme auf Sachsen. Gerade jetzt am Ende des Reichstages, wo es ihn ungeheure Mühe kostete, die Protestanten zur Annahme des Reichsabschieds in einer für ihn tragbaren Form zu bewegen, mußte er einen offenen Bruch mit dem Hause Sachsen unbedingt vermeiden. Man wird übrigens sagen dürfen, daß Karl mit diesem Doppelspiel in Sachen der sächsischen Bischöfe im Kleinen wiederholte, was er im Großen in denselben Tagen in Regensburg bei den Verhandlungen zum Reichsabschied tat, indem er Protestanten wie Katholiken in zwei geheimen Deklarationen Zugeständnisse machte, die den Anordnungen des Reichsabschieds direkt widersprachen. Audi dabei sah er sich durch die Rücksichtnahme auf beide Parteien zu solchem Handeln genötigt. Zum Verständnis solchen Verhaltens wird man sich vielleicht hier wie im Falle der sächsischen Bischöfe auch der Übereilung erinnern dürfen, mit der die letzten Verhandlungen des Regensburger Reichstages geführt wurden 82 . Wenige Tage nach diesen Regensburger Ereignissen starb Herzog Heinrich83. Überblicken wir noch einmal kurz die Ereignisse, die seine Regierung für das Hochstift Meißen mit sich brachte. Nachdem sich gezeigt hatte, daß zwischen den religiösen Anschauungen dieser geistlichen Institution und den ausgesprochenen lutherischen der beiden wettinischen Linien keine Brücke möglich war, versuchten Kurfürst Johann Friedrich und Herzog Heinrich, mit Gewalt ihre protestantischen Belange dem Stift gegenüber durchzusetzen. Hierbei gelang ihnen zwar im wesentlichen die Reformierung des Kirchenwesens der albertinischen Lande im lutherischen Sinne, womit sie dem Hochstift das Kernland seiner Diözese entfremdeten und die geistliche Jurisdiktion des Bischofs an den Rand des Erlöschens brachten. Hingegen blieben sie mit ihren Bemühungen, die Verhältnisse des Stiftes selbst im Sinne Luthers neu zu ordnen, auf halbem Wege stehen, namentlich soweit es sich um das Vorgehen der albertinischen Regierungsgewalt handelte. Der Grund dafür lag wesentlich an der Haltung der albertinischen Stände. Darum hing die Durchsetzung der reformatorischen Gedankenwelt gegenüber dem Hodistift Meißen letztlich von Herzog Heinrichs Nachfolger ab. 82 ) Zu den Hauptverhandlungen des Reichstags zu Regensburg vgl. P. H e i d r i c h , Karl V. und die deutschen Protestanten am Vorabend des Sdimalkaldischen Krieges, I. Teil, 1911. 83
) Am 18. August 1541 ( I ß 1 e i b a.a.O. S. 215).
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UND
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Literatur und Abkürzungen
185
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Literatur und Abkürzungen
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Literatur und Abkürzungen
187
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Literatur und Abkürzungen
Ziesdiang, Rudolf: Die Anfänge eines landesherrlichen Kirdienregiwents in Sachsen am Ausgange des Mittelalters. In: BSKG 23, 1909, S. 1—156. ZKG = Zeitschrift für Kirchengeschichte. Zobel, A l f r e d : Untersuchungen über die Anfänge der Reformation in Görlitz und der Preußischen Oberlausitz. In: N L M 101, 1925, S. 133—188; 102, 1926, S. 126—251.
PERSONENREGISTER Adolf von Anhalt, Bf. v. Merseburg 50, 55—57, 62—65, 72 Albinus, Petrus 47 Aleander, Hieronymus 70, 88, 90, 9 2 — 97, 99, 111 f., 116 Alexander V., Papst 36 Albredit, Erzbf. v. Mainz 2, 87, 144 Albredit VII., Hz. v. Mecklenburg 141 Albrecht I., Hz. v. Preußen 2 Albredit der Beherzte, Hz. v. Sachsen 24 f., 41 Alveld, Augustinus 54, 71 v. Amsdorf, Nikolaus 130 August I., Hz. u. Kf. v. Sachsen 100, 125 Bachmann, Paul 71 Barbara, Hzn. v. Sachsen 14 Behem, Franz 100 Benno, Bf. v. Meißen 14, 52, 54, 70f., 79, 119, 122, 124—127 Berka von der Duba, Zdislaus 79 Bogener (Pogener), Johann 69, 85 v. Breitenbadi, Georg 11, 44 Brück, Gregor 121 Bruno, Bf. v. Meißen 19 Bucer, Martin 4, 110, 115, 121 Bugenhagen, Johann 114 v. Carlowitz, Georg 73, 87, 91 v. Carlowitz, Nikolaus 151, 156 Cervini, Marcello 146 Christian v. Witzleben, Bf. von Naumburg 32 Chyträus, David 46 Clajus, Nikolaus 65 Clemens VII., Papst 11 Cochläus, Johann 13, 32, 72 f., 81 f., 84, 88, 90, 92—97, 111 f., 116 f., 119, 126, 139, 153, 158 Contarini, Gasparo 113 v. Creutzen, Meldiior 127 Cruciger, Kaspar 112, 125 Dungersheim (Ochsenfurt), Hieronymus 65, 73 Eck, Johann 53, 61
Eisenberg, Peter 97 Elisabeth, Hzn. zu Rochlitz 82—84 Emser, Hieronymus 53—56, 67, 71—73 Erasmus von Rotterdam 86 f., 102 f., 106, 110, 115 Erich I., Hz. v. Braunschweig 144 Ernst, Kf. v. Sachsen 24 f., 41 Eugen IV., Papst 29 Faber (Fabri), Johann 32, 81, 95, 116, 119, 127, 130 f., 139, 150, 153 Fabricius, Georg 46 f., 49, 68, 72 Fachs, Ludwig 27, 160—162, 172—174 Farnese, Alessandro 13, 92, 94, 126, 146 Felix V., Papst 29 Ferdinand I., Kg. 33, 77 f., 84 f., 92, 94, 132 f., 137, 141—143, 145—147, 150, 156, 158, 178 Flacius, Matthias 46 Franz I., Kg. v. Frankreich 143 Friedrich II., Kf. v. Brandenburg 29, 34 Friedrich II. von der Pfalz 177 Friedrich der Streitbare, Mgf. v. Meißen, Kf. v. Sachsen 31 Friedrich der Weise, Kf. v. Sachsen 22, 37, 41, 48, 52, 55, 60, 63—65, 67, 74 Fritzsch, Johann 12, 151 Fröschel, Sebastian 125 v. Gabelentz, Christoph 54 f. Georg III., Fürst v. Anhalt 46, 115, 154 Georg, Bf. v. Lebus 76, 85 Georg der Bärtige, Hz. v. Sachsen 10, 14, 22—29, 31, 33, 35, 37—41, 43 f., 46 f., 49—92, 95 f., 100, 141, 144, 149, 157, 160 f., 174 v. Gersdorf, Nikolaus 79 Giberti, Gian Matteo 88 Granvella, Nikolaus 177 Günther, Erasmus 85 Günther, Franz 64 Hadrian VI., Papst 53, 68 vom Hain, Jobst 174 Hammer, Hermann 155 f. Hausmann, Nikolaus 88
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Personenregister
Heidenreich, Bf. v. Brandenburg 22 v. Heinitz, Niklas 31, 54 Heinrich d. J., Hz. v. Braunschweig 80, 91, 129 f., 134, 136 f., 139 f., 143— 148, 155, 157—159, 164, 171 Heinrich VIII., Kg. v. England 53 Heinrich der Fromme, H z . v. Sachsen 5 f., 25, 27, 44 f., 82 f., 88, 90—100, 112, 114—179 Held, Matthias 157 f. Helffmann, Johann 160—162 Hennig, Johann 55, 65, 80 v. Hermsdorf, Nikolaus 54 f. Herwig, Bf. v. Meißen 19 Hof(f)mann, Johann 131, 156 Hus, Jan 54, 61 Joachim I., Fürst v. Anhalt 88, 123 f., 126 f. Joachim I., Kf. v. Brandenburg 76 Joachim II., Kf. v. Brandenburg 115, 118, 137, 178 Johann III., Bf. v. Meißen 36 Johann V., Bf. v. Meißen 18, 43 Johann VI. (v. Salhausen), Bf. v. Meißen 15, 17 f., 22, 31, 34 f., 43—51 Johann VII. (v. Schleinitz), Bf. v. Meißen 17 f., 33, 43, 51—81, 83, 85, 87 Johann VIII. (v. Maltitz), Bf. v. Meißen 18, 27, 32, 54 f., 69, 80—99, 116—118, 125 f., 132—140, 142— 145, 147—179 Johann IX., Bf. v. Meißen 125 Johann II. (v. Schleinitz), Bf. v. Naumburg 52 Johann III. (v. Schönberg), Bf. v. Naumburg 11, 23 f. Johann Ernst, Hz. v. Sachsen 123, 127 f. Johann Friedrich, Kf. v. Sachsen 96, 112, 114, 116, 123—131, 133—139, 155—157, 160, 168—174, 179 Jonas, Justus 88, 112, 114, 119, 123 f., 126—129, 154, 156 Kain, Fabian 89, 151 Karl IV., Kaiser 8, 35 Karl V., Kaiser 91 f., 126, 135 f., 138 —148, 156—161, 167—179 Karl I., Hz. v. Münsterberg 79 Klaus, Urban 131 v. Komerstadt, Georg 142
v. Könneritz, Christoph 132 f. Konrad v. Lintorf, Bf. v. Havelberg 32 Lang, Johann 62 Leo X., Papst 50, 68 Lindenau, Paul 96, 119, 130 Link, Wenzel 62, 80 v. Lintorf s. Konrad v. Havelberg Luderer, Melchior 65 Ludwig X., Hz. v. Bayern 140 f., 144 —146 Ludwig, Kg. v. Ungarn 78 Luther, Martin 1—5, 10 f., 14, 37, 44 —46, 49—64, 66, 68, 70—74, 77— 80, 82, 88 f., 97, 111 f., 114 f., 120 —122, 129, 137, 156 v. Maltitz, Johann s. Johann VIII. v. Meißen v. Maltitz, Sigismund 81 v. Mansfeld, Gff. Hoyer u. Philipp 144 Maximilian I., Kaiser 23—25 Melanchthon, Philipp 4, 55, 73, 112, 115, 121 Mensing, Johann 73 v. Miltitz, Karl 52, 60 f. v. Minckwitz, Hans 64, 69, 150 Monadius (Mönch), Heinrich 53—55 Monadius Pirnensis 69 Moritz, Hz. u. Kf. v. Sachsen 91, 100, 162, 166, 179 Morone, Giovanni 146, 150, 156 f. Mosellanus, Petrus 54 de'Mussi, Domenico 92—94, 96 Myconius, Friedrich 50, 125 Nausea, Friedrich 90, 96, 112, 117, 151 v. Naves, Johann 177 Nikolaus, Bf. v. Meißen 22 v. Osse, Melchior 160 Otto der Große, Kaiser 5, 8, 124 v. Pack, Hans 123 f. v. Pack, Otto 26 v. Pappenheim, Wolf 177 Peter, Bf. v. Naumburg 24 Pfennig, Johann 48 v. Pflug, Julius 54, 70, 73, 86 f., 90— 95, 97, 99, 111, 124, 136, 151, 156, 165, 170
Personenregister Philipp, Lgf. v. Hessen 67, 84, 118, 137 Philipp, Bf. v. Naumburg 11 Pistoris, Simon 27, 33, 73, 160, 162, 172—174 von der Planitz, Hans 62—64, 67, 74 Pogener s. Bogener Poggio, Giovanni 146 Pole, Reginald 113 Riedel (Rüdel), Melchior 139, 153 Rivius, Johann 100 v. Rotsdiitz, Georg 63 Sadoleto, Jacopo 113 v. Salhausen, Johann s. Johann VI. v. Meißen Schenk, Jakob 119 Sdieubel, Nikolaus 166 Schirnstein, Martin 50 f. v. Schleinitz, Ernst 52, 56, 119, 127, 154 v. Schleinitz, Georg 132 f., 138, 142 v. Schleinitz, Heinrich 51 f. v. Schleinitz, Johann s. Johann VII. v. Meißen u. Johann II. v. Naumburg v. Schleinitz, Vinzenz s. Vinzenz v. Merseburg v. Schönberg, Anton 138 v. Schönberg, Johann s. Johann III. v. Naumburg v. Schönberg, Kaspar 89 v. Schönberg, Nikolaus 52 f. Schwof heim, Paul 166
191
Seidel (Seidler), Jakob 63 f., 69 Sforza, Ascanio 157 Sigismund, Kaiser 36 Sigismund, Bf. v. Merseburg 27, 84, 88, 90, 118, 120, 126, 132 f., 140, 142— 145, 147 f., 157 f., 170—172, 175— 177 Spalatin, Georg 53—55, 57—63, 123, 127 f. v. Staupitz, Johann 53 Steude, Sebastian 130 von der Straß, Christoph 132 f. Strauß, Günther 126 f. Tetzel, Johann 47 Thimo, Bf. v. Meißen 36, 42 Thomas v. Aquin 102 Tunkel, Heinrich 79 Vinzenz v. Schleinitz, Bf. v. Merseburg 52 Wenzel, Kg. 36 Wilhelm V., Hz. v. Kleve-Jülich 157 Wilhelm I., Mgf. v. Meißen 8, 31, 36 f. Wilhelm III., Hz. v. Sachsen 22, 24, 40 Witzel, Georg 73, 96 f., 110—112, 115 v. Witzleben, Christian s. Christian v. Naumburg Wolrab, Nikolaus 73 Zapolya, Johann 33, 143 Zeuner, Kaspar 88 Ziegler, Bernhard 166
ORTS-
UND
TERRITORIENREGISTER
Altenmügeln 131, 150, 155 Altjeßnitz 6 Annaberg 46, 48, 73, 85 Augsburg 3 f., 86, 120 f., 169
Göda 16 Görlitz 42, 7 6 — 7 9 , 85 Grimma 16, 156 Großenhain 9, 16, 19 Guben 78
Bautzen 9, 19, 42, 77, 79, 84 Beeskow 6, 76 Berlin 6 Bischofswerda 16, 24, 28, 35, 135 Bitterfeld 6 Böhmen 14, 24, 35 f., 42, 47 f., 57, 75, 111 Bologna 56, 81, 86 Brandenburg 15 f., 21 f., 29, 3 2 — 3 4 , 43, 61, 76 Brießnitz 16, 131, 150 Chemnitz 7, 75, 116, 1 4 8 — 1 5 1 , 162 Clöden 7 Cottbus 76
154,
Dahlen 15 Dessau 80 Deutschenbrod 147 Döbeln 63 Dresden 9, 16, 56, 58, 73, 93, 97, 99 f., 1 1 5 — 1 1 8 , 123, 127, 131, 138 f., 155, 159, 1 6 2 — 1 6 5 Eichstätt 73 Eilenburg 156 Eisenach 155 Erfurt 50 Etzdorf 97 Finsterwalde 79 Frankfurt a.M. 92, 140 Freiberg i.S. 82 f., 88, 90, 154 Freising 24 Fulda 3 Fürstenberg 6 Fürstenwalde 6 Gandersheim 143 Gent 147, 156 f. Glashütte 63 Glücksburg 125
Hagenau 158 Halle 50 f. Havelberg 16, 22, 3 2 — 3 4 Hoyerswerda 82 Kamenz 76, 79 Köln 3 Königstein i.S. 46, 134 Konstanz 58 Köpenick 6 Kötzsdienbroda 58 Kriebstein 83 Landsberg 144 f . Landshut 144, 146 f. Lauban 76 Lauenburg 144 f. Lausitzen 7, 9, 15—18, 39, 41 f., 7 5 — 79, 84 f., 150 Lebus 76, 85 Leipzig 11, 27, 30, 54, 56, 65, 73, 81, 86—88, 96 f., 108, 110 f., 115, 130, 135, 139, 170 Leisnig 62 Lichtenberg 62 Lochau (Annaburg) 64 f. Lübben 77, 85, 150 Madrid 141 f. Mahlis 74 Mainz 15, 73, 100, 136, 170 Magdeburg 8, 49, 144 Mecheln 158 Merseburg 4, 11, 21, 2 3 — 2 7 , 2 9 — 3 1 , 61, 73, 90, 133, 142, 161, 163; s. ferner die B f f . Adolf, Sigismund u. Vinzenz Mittweida 74 Mügeln 15—17, 135 München 125 Münsterberg 79
Orts- und Territorienregister Naumburg 4, 11, 13, 21, 23—26, 29— 32, 41, 50, 52, 86 Neuenmügeln 155 Nieder-Hartmannsdorf 69, 85 Nisan 7, 9 Nürnberg 25—27, 64, 66 f., 74, 91 f., 140—147 Oschatz 69, 73 f. Osnabrück 3 Österreich 21—23
193
Schmalkalden 2, 4, 84, 115, 143—145, 160 Schmiedeberg 65 Seidenberg 77 Senftenberg 79 Sitzenroda 66 Sommerfeld 76 Sonnewalde 79 Sornitz 86 Speyer 3, 132, 170 Stolpen 9, 13, 16, 18, 24, 28, 35 f., 42, 56, 59 f., 63, 69, 74, 76, 82, 85, 93 f., 96 f., 111 f., 116, 121, 125 f., 129, 131, 135—137, 139, 151, 158 Storkow 76
Padua 86 Paris 56, 146 Pausitz 155 Pesterwitz 16 Thüringen 40 f., 128 Pfalz 23 Toledo 140 Pirna 9, 69 Torgau 131 Pisa 36 Trockenborn 133 Pomesanien 2 Posen 33 Prag 7 f., 35, 56, 75, 90, 92—94, 154, Utrecht 158 156 Verona 88 Preußen 2
Wechselburg s. Zschillen Wernsdorf 16 Weimar 136 Radebeul 58 Wien 94 f., 116, 127, 139, 142, 146 Regensburg 102 f., 115, 124, 126, 158, Wittenberg 3, 64, 105, 111 f., 114 f., 167, 169 f., 172, 174 f., 178 f. 156 Reichenbach (Oberlausitz) 77 Wolfenbüttel 158 Riesa 7, 74 Wolkenstein 82 Rodilitz 82 f. Worms 62, 132, 171 Rom 50, 52—54, 62, 68, 70, 74, 80, Würzen 9, 15—19, 30, 67, 80, 112, 121, 88, 95, 126 131, 135—137, 139, 150, 155 f., 159, Roßwein 97 164 Quedlinburg 3
Sagan 79 Salzburg 144 Samland 2 Schellenberg 144 Schiida 82
Zeitz 4, 86, 136 Zittau 75 Zsdieila 9, 19 Zschillen (Wediselburg) 7, 81—83 Zwickau 138, 172 f.