Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft [181]

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19007

Nummer 181 | September 2014 3. Quartal | 46. Jahrgang

MITTEILUNGEN DER KARL -MAY-GESELLSCHAFT

Inhaltsverzeichnis Joachim Biermann

In eigener Sache

1

Jürgen Seul

Als Karl May an Kronprinz Wilhelm schrieb

2

Die Bevölkerung der schönen Landschaft mit Menschen

15

Aufgelesen …

32

Hartmut Schmidt

Rund um die Straße Bab el Hadid

34

Jörg-M. Bönisch

Erinnerungen an Max Mühlner, dem ersten Mitarbeiter des Karl-May-Verlags, der vor hundert Jahren in Frankreich fiel

43

Peter Wayand

Klangexperimentelles Gedankencluster

49

Jörg-M. Bönisch

Die Karl-May-Stummfilme und die Ustad-Film GmbH im Spiegel der Filmzeitschriften 1920/21 (Teil 10)

54

Die Geschichte eines bislang unbekannten Gesuchs an Seine Kaiserliche Hoheit

Hartmut Wörner

Materialien zu Karl May und Hermann Hesse (Teil 1)

… aus der Zeitschrift ›Gefahrstoffe. Reinhaltung der Luft‹ Auf Karl Mays Spuren in Kairo

Manos Tsangaris’ Karl-May-Oper ›Raum der Wahrheit‹ in Dresden

Beilagenhinweis Diesem Heft liegt als Beilage das Inhaltsverzeichnis zu den Mitteilungen Nr. 171–180 bei.

Unser Titelbild Blick auf Kairo in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, also etwa zur Handlungszeit vieler Erzählungen Karl Mays, die dort einen ihrer Schauplätze haben. Hartmut Schmidt stellt im vorliegenden Heft eine Kairoer Straße im Bild vor, wie sie May zur Zeit seiner Orientreise erlebt hat.

In eigener Sache Da legt im Jahr 1906 ein bekannter deutscher Schriftsteller, der seit Jahren bereits im Zentrum einer Pressefehde steht, bei Hofe sein neuestes Werk mit der Bitte um allergnädigste Annahme desselben vor. Und die Reaktion: Niemand scheint dort, an allerhöchster Stelle in Berlin, diesen Mann auch nur dem Namen nach zu kennen, und so startet ein reger Briefverkehr zwischen Berlin, Dresden und Radebeul, um festzustellen, ob denn dieser Karl May überhaupt würdig sei, dass ihm die erbetene allerhöchste Aufmerksamkeit zuteil werde. Das Ergebnis ist vorherzusehen: So bürokratisch-korrekt das ganze Verfahren abläuft, so korrekt haben deutsche Behörden auch schon in den Jahrzehnten zuvor gearbeitet, und es bleibt nicht aus, dass es den Beteiligten ein Leichtes ist, die Karriere dieses Mannes von Anfang an nachzuzeichen: Gar vorbestraft ist er und einen Doktortitel hat er sich angemaßt, der ihm nicht zusteht. Da steht auch bei Hofe das Urteil schnell fest – mit so einem Menschen will man nichts zu tun haben. Jürgen Seul zeichnet diese Geschichte eines bisher unbekannten Immediatgesuchs Karl Mays an den deutschen Kronprinzen detailliert nach. Und vielleicht lassen das Verhalten und die Ignoranz der Beteiligten nicht nur die

akribische Arbeitsweise deutscher Amtsstuben deutlich werden, sondern zeigen auch auf, wie weit man in den allerhöchsten Kreisen von dem entfernt war, was das Volk seinerzeit bewegte. Und damit erhellt sich ein wenig auch die gleichermaßen für die Folgen ihres Handelns blinde Binnensicht von Adel und höchsten Kreisen, die sie – nicht nur im Deutschen Reich – keine zehn Jahre später in einen grausamen Krieg hineingleiten ließ, wie ihn die Welt zuvor noch nicht gekannt hatte. Die Stimme eines so unbekannten Autors, der ihnen sein Es sei Friede! entgegenrief – sie musste wohl ungehört verhallen. Teile des Orients im Bild vorzustellen, wie ihn Karl May einige Jahre zuvor kennengelernt hatte, als er seine Orientreise unternahm, ist das Anliegen Hartmut Schmidts in seinem Beitrag. Hartmut Wörner beleuchtet May im literarischen Kontext seiner Zeit und stellt ihn Hermann Hesse gegenüber, und Jörg-M. Bönisch erinnert an einen der frühen Gefallenen des Ersten Weltkriegs aus der May-Szene. Der Ausbruch eines Krieges – eine Trauerkunde nennt May dies zurecht in Und Friede auf Erden! Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre, Ihr

Mitteilungen der KMG Nr. 181/Setpember 2014

Joachim Biermann

1

Jürgen Seul

Als Karl May an Kronprinz Wilhelm schrieb Die Geschichte eines bislang unbekannten Gesuches an Seine Kaiserliche Hoheit Kronprinz Wilhelm (links) im Jahr 1927 mit seinem Vater, dem ehemaligen Kaiser Wilhelm II. (Mitte) und seinem Sohn Prinz Wilhelm (rechts).

1 Anfang September 1906. Schauplatz Potsdam: Neues Palais, der Regierungs- und Wohnsitz von Kaiser Wilhelm II. (1859–1941), dem Souverän des Deutschen Reiches und Vater von Kronprinz Friedrich Wilhelm Victor August Ernst1. An diesem Ort der Macht befindet sich auch der Schreibtisch des Hofmarschalls des Kronprinzen, Ernst Ulrich von Trotha2, der Anfang Septem1

2

2

Kronprinz Wilhelm wurde am 6.5.1882 als ältester Sohn von Kaiser Wilhelm II. und Kaiserin Auguste Viktoria in Potsdam geboren. Nach Erlangung des Offizierspatents und der Beförderung zum Oberleutnant absolvierte er zwischen 1901–1903 in Bonn ein Studium des Staats- und Verwaltungsrechts. Am 6.5.1905 heiratete er Cecilie Prinzessin von Mecklenburg-Schwerin. Aus der Ehe gingen vier Söhne und zwei Töchter hervor. Nach Beginn des Ersten Weltkriegs übertrug ihm sein Vater das Oberkommando der 5. Armee, und als General der Infanterie stand Wilhelm 1916 an der Spitze der Heeresgruppe ›Deutscher Kronprinz‹ im Raum Verdun. Maßgeblich war Wilhelm ein Jahr später am Sturz des Reichskanzlers Theobald von Bethmann Hollweg beteiligt. Dieser hatte sich für die Abschaffung des Dreiklassenwahlrechts und die Einführung des gleichen Wahlrechts in Preußen ausgesprochen. Außerdem hatte er der Friedensresolution des Reichstags zugestimmt. Zusammen mit Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff erwirkte Wilhelm die Entlassung Bethmann Hollwegs beim Kaiser. Im Zuge der Novemberrevolution und der Abdankung seines Vaters ging auch Kronprinz Wilhelm 1918 ins holländische Exil nach Wieringen. Am 1.1.1919 verzichtete auf alle Rechte an der preußischen und deutschen Krone. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland trat Wilhelm dem Stahlhelm bei und pflegte engen Kontakt zu Reichspräsident Hindenburg und Generalmajor Kurt von Schleicher. 1932 unterstützte er Adolf Hitler. Dessen öffentliche Absage an die Monarchie 1934 veranlasste Wilhelm, sich zunächst vom NS-Regime abzuwenden. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde sein Angebot, als Offizier zu dienen, von der Obersten Heeresleitung unter General Walther von Brauchitsch abgelehnt. 1941 nahm Wilhelm lose Verbindungen zum Widerstandskreis um den preußischen Finanzminister Johannes Popitz auf, der monarchistische Restaurationspläne hegte. Am 4.5.1945 erfolgte Wilhelms Festnahme in Österreich durch französische Truppen. Im Oktober desselben Jahres wurde er aus der französischen Gefangenschaft entlassen und lebte fortan in einer Villa in Hechingen (Württemberg) am Fuße der Hohenzollernburg, wo er am 20.7.1951 starb. – Die Angaben wurden entnommen: http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/PreussenWilhelm/. Ernst Ulrich von Trotha (1854–1946). Er bekleidete zwischen 1905 bis 1908 das Amt des Hofmarschalls des Kronprinzen Wilhelm. Auskunft: Ulrich FeldMitteilungen der KMG Nr. 181/September 2014

ber 1906 ein Schreiben aus Radebeul bei Dresden vom 5. des Monats entgegennimmt. Der Absender des Briefes ist Karl May.3 Der Schriftsteller äußert darin eine Bitte unmittelbar an ›Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit des Kronprinzen des Deutschen Reiches und von Preußen‹. Dieses Immediatgesuch an den ältesten Sohn des Kaisers veranlasst den Hofmarschall zu Erkundigungen über den Bittsteller. Wer ist dieser Karl May? Das scheint man sich trotz des in der Bevölkerung bestehenden Bekanntheitsgrades des Schriftstellers am kaiserlichen Hof zu fragen. Ein munterer Korrespondenzgang nimmt nun seinen bürokratischen Lauf. Von Trotha4 wendet sich zunächst protokollgemäß an die Kgl. Preußische Gesandtschaft in Dresden. Sie ist eine von acht innerdeutschen preußischen Gesandtschaften jener Zeit (neben Darmstadt, Hamburg, Karlsruhe, München, Oldenburg, Stuttgart und Weimar). Beigefügt ist dem Schreiben Mays Immediatgesuch. Empfänger dieser Nachfrage des Hofmarschalls ist am 15. September der Gesandte Hans Prinz zu Hohenlohe-Öhringen5. Noch am glei-

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hahn, M. A., Kunstberater der Generalverwaltung d. vorm. reg. Preußischen Königshauses in einem Schreiben vom 11. 7. 2013 an den Verfasser. Karl May: Brief an den Kronprinzen Wilhelm vom 5.9.1906. – Trotz intensiver Nachforschungen ließ sich Karl Mays Schreiben nicht auffinden. Ernst Ulrich von Trotha: Schreiben an die Königlich Preussische Gesandtschaft in Dresden vom 14.9.1906. In: Kgl. Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten. In: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz. Akte I. HA Rep. 81 Gesandtschaft Dresden nach 1807, Nr. 158: Gesuche von Privatpersonen, Blatt 433. Hans Prinz zu Hohenlohe-Öhringen (1858–1945) besuchte die Ritterakademie

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chen Tag reicht dieser die Anfrage aus Potsdams an die zuständigen Kollegen des Kgl. Sächsische Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten in Dresden weiter.6 Empfänger ist dort der Kgl. Sächsische Geheime Legationsrat Robert von Stieglitz7: Kgl. Preuß. Gesandtschaft.

Dresden, den 15. September 1906. Min. d. ausw. Ang.

B 1703.

17. Sept. 1906 No. 818 C.

Seiner Hochwohlgeboren den Königl. Sächs. Geheimen Legationsrat Herrn von Stieglitz Der in Radebeul-Dresden, Villa [„]Shatterhand“ wohnende Karl May hat sich in der unter ergebenster Rückbittung beigefügten Eingabe an Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit den Kronprinzen mit der Bitte gewandt, seine dramatischen Arbeiten entgegennehmen zu wollen. Erhaltenem Auftrage gemäß beehrt sich der Unterzeichnete Seine Hochwohlgeboren, den Königlich Sächsischen Geheimen Legationsrat, Herrn von Stieglitz, um eine sehr gefällige Vermittlung einer Auskunft über die Persönlichkeit und die Verhältnisse des p. May zu bitten, insbesondere ob derselbe der erbetenen Vergünstigung würdig erscheint. Zugleich ergreift pp. (gez.) G[ra]f. Hohenlohe8

2 Nun konnte zwar Mays Brief nicht ermittelt werden, doch aufschlussreich ist der Hinweis, dass sich seine Bitte an den Kronprinzen auf die Entgegennahme seiner „dramatischen Arbeiten“ bezog.8 Es spricht 6

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Hans Prinz zu Hohenlohe-Öhringen: Brief an Robert von Stieglitz vom 15.9.1906. In: Sächsisches Landeshauptarchiv Dresden. Ministerium des Innern, Nr. 11628. Erörterungen über die Antecedentien pp. verschiedener Personen pp. 1906. F. 20 c., Band 18, Blatt 179. – Die ursprüngliche Aktennummerierung wurde handschriftlich geändert. Die nachfolgenden Angaben aus dieser Akte beziehen sich auf die handschriftliche Aktennummerierung. Der Jurist Robert von Stieglitz (1865–1933) war von 1890 bis 1894 Legationssekretär im Sächsischen Außenministerium und zwischen 1894 bis 1905 Legationsrat bei der Sächsischen Gesandtschaft in Berlin. Im Jahr 1905 erfolgte die Ernennung zum Ministerialrat. Von 1905 bis 1914 agierte er als Referent im Sächsischen Außenministerium mit dem Tätigkeitsschwerpunkt „Gesandtschaften“. Im Jahr 1914 wurde er Nachfolger des Sächsischen Gesandten von Friesen. Im November 1918 trat Robert von Stieglitz – der letzte sächsische Gesandte an den süddeutschen Höfen – aus dem Staatsdienst aus. Die schreibmaschinenschriftliche Unterzeichnung des Schreibens mit „Gf. Hohenlohe“ deutet auf den ersten Blick darauf hin, dass ein „Graf Hohenlohe“ und damit nicht der Preußische Gesandte, Prinz zu Hohenlohe-Öhringen, der Verfasser ist.

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vieles dafür, dass des Schriftstellers einziges Drama Babel und Bibel. Arabische Fantasia in zwei Akten von Karl May 9, welches erst am 1. September 1906 – also erst 4 Tage vor Abfassung des Gesuchs – im Verlag von Friedrich Ernst Fehsenfeld erschienen war, den Hauptgegenstand seines Anliegens bildete. Mays Erwartungen an dieses Werk waren enorm gewesen, obwohl ihm Fehsenfeld seine deutliche Skepsis zum Ausdruck gebracht hatte. Noch vor der Vollendung des Dramas am 14. Juli ließ der Verleger seine Ablehnung erkennen, indem er meinte, ihm sei das Alles viel zu hoch [...] Er wolle »Geschäfte« machen, d e r Theaterdirektor aber, der dieses Stück aufführen werde, müsse erst noch geboren werden.10

3 Im Sächsischen Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten wird über das Amtshilfeersuchen der Preußischen Gesandtschaft durch Robert von Stieglitz per Beschluss12 befunden: 818 C.

Min. d. Inn. 19. Sept. 1906 Beschluß Des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten vom 17. September 1906 U. R.

Diese ungünstige Einschätzung sollte sich bewahrheiten; sie animierte den Verfasser des Werks offenbar zur Anrufung von hoheitlichen Protegés, wie den Prinzessinnen Marie-Therese und Wiltrud von Bayern, auf deren Einfluss er hoffte. Ihnen gegenüber äußerte er, Babel und Bibel solle zuerst in München gegeben werde[n]. Alle bisherigen Kritiken und Zuschriften stimmen darin überein, daß diese Erstaufführung eine sogenannte »dramatische That«, also ein Erfolg sein werde, den ich meinem München am allerliebsten gönne […] »Babel und Bibel« hat für sich selbst zu wirken. Taugt es nichts, so mag es verschwinden. Taugt es aber etwas, so wird es, ob früher oder später, gewiß gegeben werden, und […] wenn mir das gelingt, so danke ich Gott […] und freue mich unendlich darauf, daß Sie, verehrteste Prinzessin, die Sie mein ganz besonderer psychologischer Liebling sind, meine herrliche Marah Durimeh auf der Bühne sehen werden, die Menschheitsseele, im Strahlenpanzer von Krystall, d. h. im Schutze Gottes, der sie gegen Alles feit [...]11

dem Ministerium des Innern zur gefälligen Äußerung ergebenst mitzuteilen. In V. (gez.) v. Stieglitz.

Im Ministerium des Innern wiederum erfolgt am 19. September 1906 ebenfalls ein Beschluss:13

No. 1820 II A

403/II Beschluß des

Aber es scheint naheliegend, dass auch der älteste Sohn des deutschen Kaisers zu den ersten Persönlichkeiten aus dem Hochadel gehörte, an die sich der Dichter wegen seines dramatischen Werks gewandt hatte.

Ministeriums des Innern, II. Abteilung, vom 19. September 1906

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Es erschien möglich, dass es sich bei dem Unterzeichner des Schreibens um einen gräflichen Namensvetter des Prinzen Hohenlohe handelt. Nachdem umfangreiche eigene Recherchen ergaben, dass in dem fraglichen Zeitraum kein weiteres Mitglied der Adelsfamilie Hohenlohe für die preußischen Gesandtschaft in Dresden tätig war, ergab eine Anfrage beim Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein im Schloss Neuenstein am 9.4.2014 folgende Auskunft bzw. Erklärung der Stellvertretenden Leiterin, Frau Gabriele Benning, zu dem „dubiosen“ Kürzel „Gf “: „Ich vermute [...], dass im Schreibbüro der Gesandtschaft versehentlich bei der Unterschriftsformel Gf. (= Graf) verwendet wurde. Eine plausible andere Erklärung habe ich sonst leider nicht.“ Man wird nach alledem davon auszugehen haben, dass „Gf. Hohenlohe“ mit dem Prinz zu Hohenlohe-Öhringen identisch ist und hier lediglich ein schlichter Bürofehler bei der Unterzeichnung des Schreibens vorliegt. Karl May: Babel und Bibel. Arabische Fantasia in zwei Akten. Freiburg 1906. Karl May: Brief an Sascha Schneider vom 26.6.1906. In: Hansotto Hatzig: Karl May und Sascha Schneider. Dokumente einer Freundschaft. Bamberg 1967 (Beiträge zur Karl-May-Forschungs 2), S. 116–119 (117). – Die Beziehung zwischen May und Fehsenfeld erreichte am 31.3.1907 mit der Kündigung des Verlagsvertrags durch den Verleger einen Tiefpunkt. Karl May: Brief an Prinzessin Wiltrud von Bayern vom 29.11.1906. In: JbKMG 1983. Husum 1983, S. 92–99 (97f.) Mitteilungen der KMG Nr. 181/September 2014

Urschriftlich nebst Anlagen u. V. d. R.14 an die Amtshauptmannschaft Dresden-Neustadt zur Erörterung und Erfolgsanzeige. [gez.] Merz Hierzu: 1 Gesandtschaftsnote 1 Immediatgesuch

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Kgl. Sächsisches Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten: Beschluss vom 17.9.1906. In: Sächsisches Landeshauptarchiv Dresden. Ministerium des Innern, Nr. 11628. Erörterungen über die Antecedentien pp. verschiedener Personen pp. 1906. F. 20 c., Band 18, Blatt 179. Kgl. Sächsisches Ministerium des Innern: Beschluss vom 19.9.1906. In: Sächsisches Landeshauptarchiv Dresden. Ministerium des Innern, Nr. 11628. Erörterungen über die Antecedentien pp. verschiedener Personen pp. 1906. F. 20 c., Band 18, Blatt 180.

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4 Ausgerechnet die Amtshauptmannschaft Dresden-Neustadt wird nun um ein Leumundszeugnis über Karl May gebeten; war sie es doch, die in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts in Mays ominöse Affäre um die unberechtigte Führung eines Doktortitels involviert gewesen war. Als falscher Doktor, als Dr. med. Heilig, hatte sich der Schriftsteller schon 1864 während seiner Straftatenzeit ausgegeben, als Dr. phil. war im Oktober 1888 seine Anmeldung beim Gemeindeamt in Kötzschenbroda erfolgt. „Im Schriftverkehr mit Verlegern und Redakteuren hatte er sich seit Jahren als Doktor betiteln lassen“, so der May-Biograf Hermann Wohlgschaft.14 „Auch im 2. Jahrgang (1880) von Kürschners Literaturkalender war May mit dem Doktortitel verzeichnet. Es hieß dort – wohl kaum ohne Hinzutun des Schriftstellers – May, Dr. [ab 1884 Dr. phil.] Karl. Journalist. Redakteur.“ Vermutlich zu Beginn des Jahres 1892 hatte May mit dem Berliner ›Informationsinstitut für wissenschaftliche Zwecke. Spezialität: Promotionswesen‹ Kontakt aufgenommen, um den Doktortitel zu erlangen. Die Antwort des Direktors des Instituts, Dr. Hermann Grünfeld15, vom 25. Februar 1892 lautete: „Sehr geehrter Herr! Ihre Promotion ist an einigen Universitäten zulässig und durchführbar, vorausgesetzt, dass Sie gewillt sind, sich in drei Fächern für das Doctorat vorzubereiten […].“

May war offenbar nicht gewillt gewesen, denn die Ableistung etwaiger Prüfungen für das Doktorat lassen sich nicht belegen. Stattdessen war May in der Öffentlichkeit als Dr. Karl May, genannt Old Shatterhand unbehelligt von den Behörden aufgetreten. Der erste amtliche Anstoß war schließlich vom Dresdener Polizeipräsidenten Albin Hugo Le Maistre ausgegangen, der in einem Schreiben vom 14. Oktober 1898 an den Amtshauptmann Kurt von Burgsdorff mitteilte:

Nur einen Tag später war der Sächsischen Amtshauptmannschaft Dresden-Neustadt vom Radebeuler Gemeindevorstand eine „Strafnotifikation mit dem Bemerken [überreicht], daß May sich Dr. phil. nennt, auch sein Namensschild an der Villa so lautet“17 zugegangen. Dieses auch strafrechtlich relevante Verhalten hatte zu einer Untersuchung geführt. Am 10. November 1898 war es zu einer Vernehmung Karl Mays durch die Amtshauptmannschaft Dresden gekommen, die von Assessor Dr. Eduard Heusch durchgeführt wurde: „Ich habe den Dr. Titel von der Universität Rouen in Frankreich verliehen erhalten, erklärte May. Nur in Ansehung des amerikanischen Dr. Titels habe ich Genehmigung (zur Führung des Titels in Deutschland bezw. Sachsen) für erforderlich gehalten. – Im Laufe der Vernehmlassung gab er an, daß er große Reisen gemacht, u. a. lange Jahre in China gewesen sei und dabei eine dem Dr. Titel gleiche oder noch höherstehende Würde erworben habe.“18

May wurde nun die Führung des Doktortitels untersagt. Strafrechtliche Schritte wurden nicht eingeleitet, obwohl für eine Verurteilung nach § 360 Nr. 8 StGB der einschlägige Tatbestand erfüllt wurde. Claus Roxin19 vermutet, dass den Behörden der falsche Doktortitel nicht wichtig genug gewesen sei. Es handelte sich nach damaligem Recht „um ein Bagatelldelikt, dessen Strafbarkeit May vermutlich nicht bekannt war.“ Letzterer Vorgang liegt nun acht Jahre zurück, aber wie sich ahnen lässt, ist die sächsische Verwaltung nicht vergesslich. Sie weiß über Karl May Auskunft zu geben. Der Auskunftsgeber ist Freiherr Ernst von Salza und Lichtenau20, der am 26. September 190621 dem Innenministerium kollegial und pflichtschuldigst über Karl May mitteilt: 16

„Ein sogen. Schriftsteller Dr. May habe dadurch die Aufmerksamkeit auf sich gezogen, daß er sich den ständig oder vorübergehend hier weilenden Mitgliedern des Mecklenb. Fürstenhauses zu nähern gewußt hat und sich dieser Beziehungen gelegentlich rühmt. Der Mann entpuppt sich bei näherer Prüfung als ein vorbestrafter Schwindler und Hochstapler, namentlich auch in der Richtung, daß er seine schriftstellerische Tätigkeit auf dem Gebiet von überseeischen Reiseschilderungen pp. entfaltet, wobei es [sic] sich den Anschein gibt, als ob er über Selbsterlebtes und Selbstgesehenes berichtet, während er in Wahrheit dem Vernehmen nach über die deutschen und österreichischen Grenzen nicht weit hinausgekommen sein dürfte. – Ew. Hochwohlgeboren auf ihn aufmerksam zu machen halte

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ich mich auch deshalb verpflichtet, weil May unter der Flagge eines Dr. philosophiae segelt, jedenfalls ohne zur Führung dieses Titels berechtigt zu sein.“16

Hermann Wohlgschaft: Karl May. Leben und Werk. Erster Band. Bargfeld 2005 (KMW IX.1.1), S. 755. Hermann Grünfeld: Brief an Karl May vom 25.2.1892, zit. nach: Christian Heermann: Winnetous Blutsbruder. Karl-May-Biografie. Bamberg/Radebeul 2002, S. 302. Mitteilungen der KMG Nr. 181/September 2014

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Le Maistre: Brief vom 14.10.1898 an Kurt von Burgsdorff, zit. nach: Rudolf Lebius: Die Zeugen Karl May und Klara May. Ein Beitrag zur Kriminalgeschichte unserer Zeit. Reprint der Ausgabe Berlin-Charlottenburg 1910. Mit einer Einführung von Jürgen Wehnert (Veröffentlichungen aus dem Karl-May-Archiv 1). Lütjenburg 1991, S. 320. Gemeindevorstand Radebeul: Brief an Kurt von Burgsdorff. In: Akten der Kg. Sächs. Amtshauptmannschaft Dresden N. 1898, Az. 1943 II 98 zu XIV I. 30 (Blatt 1), zit. nach: Lebius, wie ebd., S. 319–321 (319). Karl May: Aussage vom 10.11.1898. In: Akten der Kg. Sächs. Amtshauptmannschaft Dresden N. 1898, Az. 1943 II 98 zu XIV I. 30 (Blatt 6), zit. nach: Lebius, wie ebd., S. 319–321 (320). Claus Roxin: Mays Leben. In: Karl-May-Handbuch. Hg. von Gert Ueding in Zusammenarbeit mit Klaus Rettner. Würzburg 22001, S. 62–123 (99). Freiherr Ernst von Salza und Lichtenau (1860–1926), Rittergutsbesitzer auf Sornßig bei Pommritz, königlich sächsischer Wirklicher Geheimer Rat, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in Berlin, Bevollmächtigter zum Bundesrat und Klostervogt zu St. Marienthal. Zwischen 1906 bis 1909 war er Amtshauptmann der Amtshauptmannschaft Dresden-Neustadt. Freiherr Ernst von Salza und Lichtenau: Brief an das Kgl. Ministerium des Innern, II. Abteilung, vom 26.9.1906. In: Sächsisches Landeshauptarchiv Dresden. Ministerium des Innern, Nr. 11628. Erörterungen über die Antecedentien pp. verschiedener Personen pp. 1906. F. 20 c., Band 18, Blatt 181.

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5 Der Eingang der Auskunft der Amtshauptmannschaft Dresden-Neustadt wird beim Innenministerium am 28. September 1906 vermerkt. Noch am selben Tag erfolgt nach Kenntnisnahme der Auskunft ein Beschluss:22

zen zu Hohenlohe-Oehringen, unter Bezugnahme auf die sehr gefällige Note vom 15. September 1906 den in Radebeul-Dresden, Villa Shatterhand wohnenden Karl May betreffend, den beifolgenden Auskunftsbogen ergebenst zur Verfügung zu stellen und dazu zu bemerken, dass May nach Ansicht der Königlich Sächsischen Regierung der erbetenen Vergünstigung nicht würdig erscheint. Mit Vergnügen benutzt der Unterzeichnete auch diesen Anlass zur erneuten Versicherung seiner ausgezeichnetsten Hochachtung.

1820a / II A Auf 2. S[eite] der Gesandtschaftsnote, Beschluss des Ministeriums des Innern vom 28. Septbr. 1906 Dem Ministerium der ausw[ärtigen] Angel[egenheiten] nebst Anlage mit dem Bemerken zurückzugeben, daß nach den Ausführungen in dem beigefügten Auskunftsbogen der Gesuchsteller May der erbetenen Vergünstigung nicht würdig erscheint.

[unleserliche Unterschrift] 2 Anlagen.

Ein Kurier bringt am 12. Oktober eine Mitteilung des Prinzen zu Hohenlohe-Oehringen vom gleichen Tag an Fürst Bernhard von Bülow24 der jedoch nicht in seiner amtlichen Funktion als Reichskanzler, sondern als Preußischer Ministerpräsident eingeschaltet wird. Erhalten hat sich die handschriftliche Vorlage der Mitteilung:

[gez. Unterschrift (unleserlich)] 28.9.1906 Dr[esden] 12.10.06

Am 4. Oktober wird der Beschluss gemeinsam mit dem Immediatgesuch und der Auskunftsbogen wieder an die Kollegen beim Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten abgegeben. Dort empfindet der loyale Obrigkeitsgeist in Sachen Karl May das Gleiche. Man entscheidet dementsprechend am 9. Oktober 1906:23 Königl. Sächsisches Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten

Dresden, den 9. Oktober 1906

Seiner Durchlaucht dem Königlich Preussischen ausserordentlichen Gesandten

Fürst Bülow – Berlin E[uer] D[urchlaucht] beehre ich mich gef[älligst] zu melden, daß der Hofmarschall s. K. u. K. H. [seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit] des Kronprinzen in einem Schreiben vom 14. v[origen] Mts., II. 2070, die K[aiserliche] Ges[andtschaft] gebeten hat, ihm eine Äußerung über die Persönlichkeit u. die Verhältnisse eines Karl May in Radebeul-Dresden, insbesondere ob derselbe der erbetenen Vergünstigung würdig erscheint, zukommen zu lassen. Dem Gesuch ist ausnahmsweise stattgegeben worden u. füge ich den Auskunftsbogen der K[öniglich] S[ächsischen] Regierung gef[älligst] bei. E[uer] D[urchlaucht] darf ich die weitere Veranlassung anheimstellen. gez. Pr[in]z H[ohenlohe]

und bevollmächtigten Minister, Prinzen zu Hohenlohe-Oehringen, etc. etc etc. Der Unterzeichnete beehrt sich Seiner Durchlaucht dem Königlich Preussischen ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister, Prin-

mit d[er] geehrsamen Bemerkung, daß May wohl nach meinem Dafürhalten abschlägig zu bescheiden sein dürfte.

Bedauerlicherweise24ließ sich kein weiteres Dokument mehr ermit24

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23

12

Kgl. Sächsisches Ministerium des Innern: Beschluss vom 28.9.1906.In: Sächsisches Landeshauptarchiv Dresden. Ministerium des Innern, Nr. 11628. Erörterungen über die Antecedentien pp. verschiedener Personen pp. 1906. F. 20 c., Band 18, Blatt 182. Kgl. Sächsisches Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten. In: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz. Akte I. HA Rep. 81 Gesandtschaft Dresden nach 1807, Nr. 158: Gesuche von Privatpersonen, Blatt 432. Mitteilungen der KMG Nr. 181/September 2014

Bernhard von Bülow wurde am 3.5.1849 als Sohn des früheren Staatssekretärs im Auswärtigen Amt, Bernhard von Bülow, und seiner Frau Luise Victorine (geb. Rücker) in Klein Flottbeck (bei Altona) geboren. Nach dem Jurastudium in Lausanne, Berlin und Leipzig nahm er als Freiwilliger am Deutsch-Französischen Krieg teil. Bevor von Bülow 1874 als Diplomat in den Auswärtigen Dienst eintrat, absolvierte er zwischen 1871 und 1874 seinen vorbereitenden Justiz- und Verwaltungsdienst in Metz. 1886 heiratete er die geschiedene Marie Gräfin von Dönhoff, geborene Prinzessin di Camporeale. Die weitere Laufbahn führte ihn als Gesandten nach Bukarest, als deutscher Botschafter nach Rom und als Staatssekretär ins Auswärtige Amt. Bülows Außenpolitik zielte auf eine starke deutsche Welt-

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teln. So fehlt auch eine Stellungnahme oder ein etwaiges Antwortschreiben des Reichskanzlers von Bülow an Karl May. Den Gesamtumständen zufolge und auch aufgrund des Umstandes, dass der Schriftsteller später keine entsprechende Erwähnung machte, muss davon ausgegangen werden, dass ihm die Vergünstigung, dem Kronprinzen Wilhelm ein Exemplar seines Babel und Bibel zukommen lassen zu dürfen, tatsächlich abschlägig beschieden wurde.

Kronprinz Wilhelm

Für Hinweise und Transkriptionen dankt der Verfasser Frau Sigrid Seltmann (Berlin), Frau Ulrike Müller-Haarmann (Bonn), Herrn Ruprecht Gammler (Bonn), Herrn Ulrich Feldhahn, M. A., Kunstberater der Generalverwaltung des vormals regierenden Preußischen Königshauses (Berlin), Herrn Prof. Dr. Kurt Andermann, Archivdirektor Hohenlohe – Zentralarchiv Neuenstein (Schloss Neuenstein) und Herrn Thomas von Bülow, Schriftführer des von Bülowschen Familienverbandes e. V. (Sindelfingen).

machtstellung. Mit dem Ausbau der deutschen Kolonialbesitzungen unterstützte er die offensive Kolonialpolitik. 1899 erfolgte seine Ernennung zum Grafen. Am 16.10.1900 wurde von Bülow zum Reichskanzler und preußischen Ministerpräsidenten ernannt. Unter seiner Regierung kam es zum Ausbau der Sozialgesetzgebung und zur Unterstützung agrarischer und industrieller Interessen. 1905 wurde er zum Fürsten erhoben. 1908 sorgte die Daily-Telegraph-Affäre dafür, dass von Bülow das Vertrauen Kaiser Wilhelms II. verlor. Am 16.7.1909 trat er schließlich als Reichskanzler zurück. 1917 scheiterte der Versuch der 3. Obersten Heeresleitung, von Bülow wieder als Reichskanzler einzusetzen, am Widerspruch des Kaisers. Daraufhin zog er sich aus dem politischen Leben zurück. Am 28.10.1929 starb Fürst Bernhard von Bülow in Rom. Die Angaben wurden entnommen: http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/BuelowBernhard/. – Dass es sich bei dem Empfänger des Schreibens um den Reichskanzler von Bülow handeln muss, wurde durch Herrn Thomas von Bülow, Schriftführer des von Bülowschen Familienverbandes e. V. (Sindelfingen), in einer Mitteilung an den Verfasser vom 26.12.2013 bestätigt. 14

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Hartmut Wörner

Die Bevölkerung der schönen Landschaft mit Menschen Materialien zu Karl May und Hermann Hesse (Teil 1) I. Ein Vergleich zwischen May und Hesse?

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turverbundenheit“ auszeichnen, seien „derzeit nicht mehr so stark im öffentlichen Bewusstsein“, die „Nachfrage nach seinen Büchern“ habe sich „etwas verringert“. Gelesen werde Hesse vorwiegend von „junge[n] Menschen vor ihrer Festlegung auf einen Beruf “.

n einem am 23.9.2012 in der Tageszeitung ›Die Welt‹ publizierten Interview1 benannte Hermann-Hesse-Lektor und -Editor Volker Michels aus Anlass des 50. Todesjahrs Hesses verschiedene Charakteristika seines Lebens, Werkes und seiner Wirkung. Hesse sei „von der Kritik immer wieder als Trivialautor“, als „etwas rückständiger Romancier […], allenfalls besserer Jugendbuchautor“ wahrgenommen worden. Seine „oft aus erheblichen Krisen hervorgegangenen Dichtungen“, die „für ihn selbst eine Art von Autotherapie“ gewesen seien, hätten auch eine „therapeutische Wirkung“ auf den Leser. Hesse werde von den „Lesern geliebt, von der Kritik fast geschlossen abgelehnt“. Ihm wird „ein absolut positives Verhältnis zum Altern, ja selbst zum Tod“ zugeschrieben. Seine in „Millionen Exemplaren“ verbreiteten Werke, die sich durch „Ethik“ und „Na-

Diese Merkmale kennzeichnen auch Leben, Werk und Wirkung Karl Mays. Deshalb erscheint die Frage nicht unberechtigt, ob es mehr Gemeinsamkeiten von May und Hesse geben könnte als ein Jubiläumsjahr.2 Allerdings ging Roxin 1970 davon aus, dass es „keine literarische Verwandtschaft“ der beiden Autoren gebe.3 Nach seiner Studie ist ein Vergleich „vom ästhetischen Standpunkt aus unergiebig“4. Parallelen „unter leserpsychologischem Aspekt“ schließt Roxin allerdings nicht aus und weist darauf hin, dass beide Autoren in ganz unterschiedlicher Weise – Hesse mit seinem ›Weg nach Innen‹ und May mit seinem „Aufbruch in ein exotisches Phantasiereich“ – die „Fesseln der

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Reich-Ranicki hat Hermann Hesse marginalisiert. Ein Gespräch mit dem langjährigen Hesse-Lektor und Editor Volker Michels. In: Die Welt, 23.9.2012 (http:/www.welt. de/109379848).

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May starb am 30.3.1912, Hesse am 9.8.1962. Claus Roxin: Hermann Hesse, Karl May und der Pazifismus. In: M-KMG 5/1970, S. 11–14 (12). Ebd., S. 12. 15

bürgerlichen Alltagsrealität zerbrechen“ und so auf ihre Leser, insbesondere Heranwachsende, wirken.5 Eine weitere Parallele, auf die er vertiefter eingeht, sieht Roxin im Pazifismus, der Hesse lebenslang und May im Alter prägte.6

im Kern nichts anhaben können. Kulturwissenschaftliche Untersuchungsansätze ermöglichen mittlerweile eine Einordnung von in Mays Werk vermittelten Aussagen in den historischen, sozialen und politischen Kontext seiner Zeit.

In der Tat: Mit Blick auf die dichterische Gestaltung des Stoffes und die Wahl der Sujets erkennt man kaum Berührungspunkte zwischen dem empfindsamen Ästheten, wortmächtigen Poeten, ethischen Humanisten und feinsinnigen Psychologen Hesse, der 1946 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde, und dem Phantasten May, der nie als preiswürdig angesehen wurde. Allerdings hat die May-Forschung seit 1970 Erkenntnisse zu Leben, Werk und Wirkung des Autors zu Tage gefördert, die neue Ansatzpunkte für eine vergleichende Analyse aufzeigen könnten. Es ist mittlerweile nachgewiesen, dass Mays Werke auch ›Reisen ins Innere‹ des Menschen sind. Seine Bedeutung als spirituell motivierter Autor mit hohem ethischem Anspruch wird in vielen Untersuchungen verfochten. Selbst die literarische Qualität der vor dem künstlerisch bedeutsamen Spätwerk entstandenen literarischen Produktion Mays wird mittlerweile aufgrund vertiefter Befassung mit seiner Erzähltechnik differenzierter und insgesamt deutlich positiver gesehen als einst. Der in Quellenstudien geführte Beweis, dass May in großem Umfang fremdes Gedankengut übernahm, hat der Wahrnehmung seines Werkes als unverwechselbares Original

Diese Vielfalt der Erträge der May-Forschung soll hier Ausgangspunkt für einen neuen Blick auf mögliche Affinitäten von Karl May und Hermann Hesse sein. Angesichts des mittlerweile anerkannten Rangs Mays ist heutzutage auch die Gefahr geringer, sich dem Vorwurf auszusetzen, mit einem solchen Vergleich apologetische Tendenzen zu verfolgen.

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Roxins Feststellungen von 1970 sind insoweit unverändert gültig, als bei einer vergleichenden Betrachtung dieser beiden Autoren nicht die äußere Thematik ihrer Werke oder die Art und Weise der poetischen Gestaltung als zentraler Ansatzpunkt gewählt werden kann. Zu offensichtlich ist, wie bereits angesprochen, der Unterschied bei der Wahl der Sujets und der Art ihrer literarischen Aufbereitung. Mays Schreibstil ist – vor Am Jenseits – „sicher frei von literarisch-ästhetischen Ambitionen, in den Erzählungen dominiert der Dialog, Reflexionen der Abstraktionen finden kaum statt. Die Protagonisten treten meist als fertige Gestalten ohne große Entwicklung auf, und Individuen wie Gruppen werden häufig in Stereotypen beschrieben.“7 Hesses Stil und 7

Johannes Zeilinger: Die Islamrezeption bei Karl May und ihre Folgen für den Islam- und Orientalismusdiskurs in Deutschland. In: Heiko Ehrhardt/ Friedmann Eißler (Hg.): „Winnetou

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Darstellungsweise sind zwar meist durchaus eingängig, aber doch ästhetisch ambitioniert, wenngleich er nur in seiner Frühphase einem ausgesprochenen Ästhetizismus huldigte. Auch in seinen Werken wird gereist, aber nicht in exotische, phantastische Abenteuerwelten außerhalb der durch bürgerliche Regeln geprägten Zivilisation. Bei Hesse finden wir keinen übermächtigen, unverletzlichen IchHelden, der allen anderen Protagonisten überlegen ist und alles regelt. Seine Charaktere stehen zwar, worauf noch einzugehen sein wird, häufig für die von ihm aufgrund seines eigenen Lebensgefühls postulierte polarische Spaltung alles Menschlichen, sie sind aber nicht holzschnittartig, sondern psychologisch nuanciert gezeichnet. Eine vergleichende Untersuchung zu May und Hesse kann somit nur am literarischen Selbstverständnis der Autoren, den inneren Triebfedern ihres Schaffens, an ihrem Verständnis des Menschlichen in der Welt und am ethisch-spirituellen Gehalt ihrer Werke ansetzen.

arrivierter Autor. Fast hätten sich beider Wege in Kirchheim unter Teck kreuzen können. May hielt sich im September 1898 mit seiner Frau Emma in der württembergischen Stadt beim befreundeten Fabrikanten Weise auf und arbeitete dort am Roman Am Jenseits.8 Hesse verbrachte dort im August 1899 mit Freunden „einige frohe und ausgelassene Ferientage“.9 Hesse und May hatten, wie Serden berichtet, auch mindestens einen gemeinsamen Bekannten: Alfred Biedermann (1884–1971), ein badischer Bahnbeamter und Schriftsteller, der ab 1898 mit May in Briefkontakt stand, war 30 Jahre mit Hesse befreundet.10 Wir wissen auch, dass Hesse um 1919 Mays Schatz im Silbersee und Von Bagdad nach Stambul gelesen hat11 und schätzte. Hesse bezeichnet in einem Zeitungsartikel Mays Werke als „Dichtung der Wunscherfüllung“ und erkennt damit eine psychische Triebfeder seines Schaffens: „In dicken Büchern erfüllt er sich alle Wünsche, die das 8

Mays und Hesses (1877–1962) Lebenszeiten überschneiden sich immerhin fast 35 Jahre. Zu Mays Lebenszeit erschienen Hesses Romane ›Peter Camenzind‹ (1904) und ›Unterm Rad‹ (1906), ›Gertrud‹ (1910) sowie mehrere Bände mit kürzeren Prosatexten und Gedichten. Zum Zeitpunkt von Mays Tod 1912 war Hesse bereits ein ist ein Christ“. Karl May und die Religion. Berlin o. J. (2012), S. 167. Das Zitat von Zeilinger, das für eine Vielzahl ähnlicher Feststellungen in der Sekundärliteratur steht, habe ich aufgrund seiner Prägnanz ausgewählt.

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Martin Lowsky: „… nach dem einsamen Orte geflohen …“. Karl May zu Besuch in Kirchheim unter Teck. Marbach 1995. (SPUREN 32. Deutsche Schillergesellschaft). Aufgrund neuer Erkenntnisse ist ein Besuch Mays in Kirchheim 1898 eher unwahrscheinlich. Es kann aber als sicher betrachtet werden, dass er sich zumindest 1901 dort aufhielt. Dazu: Hartmut Wörner: Ein Dichter, ein Fabrikant und ein Stadtschultheiß. Unveröffentl. Manuskript. Veröffentlichung voraussichtlich in der ›KarlMay-Haus Information‹ Nr. 30. Bernhard Zeller: Hermann Hesse. Hamburg 2005, S. 44 (rororo Monographien). Karl Serden: Alfred Biedermann von 100 Jahren geboren. In: M-KMG 64/1985, S. 24. Roxin, wie Anm. 3, S. 12. 17

Leben ihm unerfüllt ließ.“12 Er überschätzt sogar die Wirkung von Mays Werk: „Wie muss er auf die Jungen wirken! Hätte er doch den Krieg noch erlebt und wäre Pazifist gewesen! Kein Sechzehnjähriger wäre mehr eingerückt!“13 Hier wird auch deutlich, dass Hesse kein Kenner Mays war und seine MayLektüre nur eine Episode gewesen sein muss. Er beschenkte jedoch seine Söhne mit May-Büchern und protestierte 1922 gegen das MayVerbot in einem Schweizerischen Landerziehungsheim, in dem einer seiner Söhne Schüler war.14 Nachfolgend soll Gemeinsamkeiten und Unterschieden der beiden Schriftsteller anhand einer Betrachtung ihres Kunstverständnisses, ihrer literarischen Programmatik und ihres Menschenbildes nachgespürt werden. Eine zweite Studie soll zu einem späteren Zeitpunkt weitere Aspekte beleuchten. Es wird sich erweisen, dass eine von diesen Ansatzpunkten ausgehende vergleichende Analyse mehr als punktuelle Überschneidungen in der literarischen Motivation sowie im Welt- und Menschenbild der beiden Autoren zu Tage fördert.

II. Kunstverständnis und literarische Programmatik

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Interessant ist jedoch, dass Mays und Hesses Reflexionen über die Kunst deutliche Affinitäten aufweisen. Im Zentrum von Mays Kunstbegriff steht der ethische Anspruch: Wahre Kunst ist Gottesbote 18 schreibt er auf der Orientreise. Nach dem ersten Brief über Kunst (1906) führt jede wirkliche, jede wahre, jede edle Kunst ganz unbedingt empor zum Welterlöser.19 Kunst hat eine Doppelaufgabe […]: Gott zur Ehre und dem Menschen zum Frieden, zum Heile! 20 Ganz ähnliche Gedan15

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arl Mays bewusste Auseinandersetzung mit dem Kunstbegriff und seiner Rolle als Künstler,

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d. h. der „Versuch einer ästhetischen Grundsatzreflexion“15, begann erst auf der Orientreise 1899/1900, also an der Schwelle zum Alter. Hier wurde ihm bei der Betrachtung der Ruinen von Baalbek bewusst, dass er über kein ausgebildetes Kunstverständnis für das Schöne16 verfügte. Hesse hingegen war vom Beginn seiner literarischen Karriere an, der zeitlich in etwa mit Mays Orientreise zusammenfällt17, ein selbstbewusster Künstler mit ästhetischem Anspruch.

Hermann Hesse: Karl May. In: Ders.: Eine Literaturgeschichte in Rezensionen und Aufsätzen. Frankfurt a. M. 1975, S. 355. Ebd., S. 357. Claus Roxin: Hermann Hesse als Leser Karl Mays. In: M-KMG 77/1988, S. 51.

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Hans-Rüdiger Schwab: Karl Mays Ästhetik. In: Hartmut Vollmer/Florian Schleburg (Hg.): Karl May im Aufbruch zur Moderne. Bamberg, Radebeul 2012, S. 180–226 (180). Karl May: Reisetagebuch der Orientreise vom 4. Juni 1900. In: Ders.: In fernen Zonen (GW 82). Bamberg, Radebeul 1999, S. 181. Die ersten Buchveröffentlichungen Hesses erfolgten 1898 (Gedichtsammlung ›Romantische Lieder‹) und 1899 (Prosastücke ›Eine Stunde hinter Mitternacht‹). Karl May: Gedicht für Friederike Hardegg vom 25.8.1899. In: May, In fernen Zonen, wie Anm. 16, S. 100. Karl May: Briefe über Kunst I. In: May: Abdahn Effendi (GW 81). Bamberg, Radebeul 2000, S. 420. Karl May: Briefe über Kunst III. In: ebd., S. 429.

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ken finden wir bei Hesse, der in seinem Artikel ›An einen Staatsminister‹ (1917) auf „die Stimme der Bibel, die ewig klare Stimme der Menschlichkeit, die aus der Kunst zu uns spricht“21 abhebt. In der Erzählung ›Klein und Wagner‹ (1920) formuliert Hesse in der Wiedergabe von Überlegungen des Protagonisten Klein folgenden Auftrag der Kunst: „Kunst war nichts anderes als Betrachtung der Welt im Zustand der Gnade, der Erleuchtung. Kunst war: hinter jedem Ding Gott zeigen.“22 Zentral für Mays Kunstbegriff ist die Harmonie ohne die wohl nichts wirklich schön [ist].23 Dabei stellt er einen engen Zusammenhang mit Goethe24 her. Der junge Hesse wiederum zog aus der Lektüre Goethes „ein Gefühl der Sicherheit“, Goethe „lehrt Harmonie“.25 In diesen Kontext passt auch die Ablehnung des Naturalismus. Dass die Kunst das Hässliche will ist für May absolut unmöglich 26. Seine einzige naturalistische Schrift Frau Pollmer, eine psychologische Studie war ausdrücklich nicht zur Publikation bestimmt. In Hesses erstem Roman ›Peter Camenzind‹ sieht der Protagonist 21

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Hermann Hesse: An einen Staatsminister. Zitiert nach: Heinz Stolte: Hermann Hesse. Weltscheu und Lebensliebe. Hamburg 1971, S. 89. Hermann Hesse: Klein und Wagner. In: Gesammelte Dichtungen Dritter Band. 1952 (Suhrkamp), S. 518. May, Reisetagebuch, wie Anm. 16, S. 181. Ebd. Brief Hermann Hesses aus seiner Tübinger Lehrzeit als Buchhändler 1895–1898. Zitiert nach: Zeller, wie Anm. 9, S. 38. May, Briefe über Kunst III, wie Anm. 20, S. 430.

Camenzind die Veröffentlichung eines ehemaligen Bekannten kritisch, weil dort – unter Berufung auf den französischen Naturalisten Emile Zola – „viel Schmutziges aus Cafés und Bordellen der Großstadt“ geschildert wird.27 In Hesses reifem Roman ›Narziss und Goldmund‹ (1930) reflektieren der vergeistigte Mönch Narziss und der sinnlich geprägte Holzschnitzer Goldmund über Kunst. Narziss: „Ich glaube, die Kunst besteht nicht bloß darin, daß durch Stein, Holz und Farben etwas Vorhandenes aber Sterbliches dem Tod entrissen und zu längerer Dauer gebracht wird.“ Goldmund: „Das Urbild eines guten Kunstwerks ist nicht eine wirkliche, lebende Gestalt, obwohl sie der Anlaß dazu sein kann. Das Urbild ist nicht Fleisch und Blut, es ist geistig. Es ist ein Bild, das in der Seele des Künstlers seine Heimat hat.“28 Einen ähnlichen Gedanken bringt May in seinem ersten Brief über Kunst: Die Kunst ist diejenige Betätigung des menschlichen Geistes und der menschlichen Seele, welche in das Innere des Gegenstandes eindringt, um das Wesen desselben zu erfassen, und dann wieder nach außen zurückkehrt, um das Äußere im Einklang mit dem Inneren darzustellen! […] Wie Gott sich in sich selbst versenkte, als er beschloss, das All mit seiner Schöpfung zu erfüllen, so lässt sich der schaffende Künstler in sein eigenes Ich hinunter […].29 27 28

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Hermann Hesse: Peter Camenzind. In: Gesammelte Dichtungen Erster Band. 1952 (Suhrkamp), S. 327f. Hermann Hesse: Narziss und Goldmund. In: Gesammelte Dichtungen Fünfter Band 1952 (Suhrkamp), S. 278f. May, Briefe über Kunst I, wie 19

May und Hesse gehen somit nicht von einer modernen Autonomieästhetik30 aus, sondern von einer eher idealistischen Programmatik, nach der sie Kunst auf einen ethisch-spirituellen Zweck ausgerichtet sehen. Damit sind die beiden Schriftsteller in der Epoche, in der die künstlerische Prägung Hesses und die Neuorientierung Mays stattfand, nicht allein: „die kulturelle Situation nach 1900 [ist] durch allgemeine Suchbewegungen nach einem neuen spirituellen Weltbild gekennzeichnet.“31 Natürlich sind die künstlerischen Konzepte des späten Karl May und Hermann Hesses nicht deckungsgleich. Mays Programmatik fordert in „letzter Konsequenz […] Gesinnungen, keine Kunst. Ja, das Wort ›Kunst‹ kann nachgerade zum Synonym einer erlesenen, nach ›oben‹ strebenden Gesinnung werden.“32 Der stark durch Goethe und die Befassung mit der deutschen Romantik33 geprägte Hesse, dem eine kunstvolle Gestaltung seiner Texte immer am Herzen lag, wäre so weit nicht gegangen. Für den gereiften Hesse war seine Kunst (z. B. im ›Steppenwolf‹) immer auch eine Spiegelung komplexer psychischer Prozesse, wobei sein Blick auf das menschliche Innere – geprägt durch die intensive Befassung mit

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Anm. 19, S. 419f. Vgl. zu dieser Thematik: Wolfgang Braungart: Erbauungsliteratur. Anmerkungen zu Karl Mays Lyrik. In: JbKMG 2002, 19–39 (20f.). Schwab, Ästhetik, wie Anm. 15, S. 198. Ebd., S. 190. Ralph Freedman: Hermann Hesse. Frankfurt a. M. 1999, S. 111, 117.

Psychoanalyse34 – ›objektivierter‹ und differenzierter war als die ›Psychologie‹ des späten May. Ein Unterschied ergibt sich aus dem bipolaren Weltbild Hesses, auf das noch vertieft einzugehen sein wird. Nach einer inneren und äußeren Krise 1916/17 wandte sich Hesse einem Menschenbild zu, bei dem die sinnlich-triebhafte Ebene eine zentrale Rolle spielt. Kunst, die bei May ausschließlich der auf das Göttliche ausgerichteten geistig-seelischen Ebene des Menschen zugeordnet wird, ist für Hesse deshalb auch Vereinigung von Sinnlichkeit und Geistigkeit. Dies verdeutlicht folgendes Zitat aus ›Narziss und Goldmund‹: „Alle jene Kunstwerke, die wahrhaft erhaben und […] vom ewigen Geheimnis erfüllt waren, […] hatten dies gefährliche, lächelnde Doppelgesicht, dies Mann-Weibliche, dies Beieinander von Triebhaftem und reiner Geistigkeit.“35

Mit Blick auf die festgestellten Affinitäten im Kunstverständnis der beiden Autoren mag noch von Interesse sein, dass zumindest der junge Hesse die Begeisterung Mays für die Arbeiten des Malers Sascha Schneider teilte. Der 20-jährige Hesse äußerte sich 1897 in einem Brief an seine Eltern begeistert zu einem der frühen Kartons, die Schneider 1895 schlagartig bekannt machten. „Es hat noch nie ein Stück bildender Kunst mich so plötzlich und stark ergriffen.“ Auch die anderen in Schneiders Mappe ›Meisterwerke der Holzschneidekunst‹ verbreiteten Werke, die in 34 35

Stolte, Hesse, wie Anm. 21, S. 104f. Vgl. auch: Freedman, wie Anm. 33, S. 247ff. Hesse, Narziss, wie Anm. 28, S. 177.

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mancher Hinsicht auf die späteren Titelzeichnungen für Mays Reiseerzählungen vorausweisen, wirkten auf ihn „stärker und nachhaltiger, als mich z. B. je ein Trauerspiel ergriffen hat.“36 Die Gemeinsamkeiten des Kunstverständnisses Mays und Hesses strahlen auch auf ihr Bild des Künstlers, respektive des Dichters, und die Darstellung der eigenen ›literarischen Berufung‹ aus. Mays Helden, insbesondere das ›Ich‹ sind fast durchgehend Literaten. In Im »wilden Westen« Nordamerika’s (1882) stellt sich Old Shatterhand dem Westmann und Detektiv Fred Walker als Writer37 vor und absolviert eine ersten Schießprobe mit einem Zwicker auf der Nase 38. Old Shatterhand lässt sich auch in Satan und Ischariot I als Litterat in das Fremdenbuch des ›Meson de Madrid‹ im verschlafenen Guaymas eintragen.39 Von Karl Goldschmidt und Katombo in Scepter und Hammer, Robert Bertram im Verlornen Sohn, William Ohlert in Der Scout, Sappho/Old Shatterhand in »Weihnacht!« bis hin zum ›Ich‹ in den Alterswerken Und Friede auf Erden! und Winnetou IV – immer wieder zeichnen sich zentrale Figuren dadurch aus, dass sie (auch) Schriftsteller sind, wobei diese Eigenschaft in den späteren Werken

immer stärker in den Vordergrund rückt.40 Bei Hesse sind die Protagonisten sehr oft Künstler, wobei sich bei ihm der Bogen vom Literaten (›Peter Camenzind‹, ›Steppenwolf‹), über den Musiker (›Gertrud‹), den Maler (›Roßhalde‹, ›Klingsors letzter Sommer‹) bis hin zum Bildhauer (›Narziss und Goldmund‹) spannt. Wolff hat gezeigt, dass Mays Bild vom Künstler und Schriftsteller von einem im 19. Jahrhundert verbreiteten sozialen Stereotyp geprägt war, das dem ›Dichter‹ eine ganz besondere, herausgehobene Rolle als „Held der Innerlichkeit“ zuschreibt.41 Damit verbindet sich auch, dass „der Dichter […] eigentlich Lyriker oder Dramatiker ist, nicht etwa Romancier.“42 Dieses Stereotyp des ›wahren Dichters‹ führt May nicht nur bei literarischen Protagonisten relativ früher Werke wie Richard Forster in Ein Dichter oder Robert Bertram im Verlornen Sohn aus, die berühmte Lyriker sind. Er legt es auch der rückblickenden Darstellung seines eigenen künstlerischen ›Erweckungserlebnisses‹ in Mein Leben und Streben (1910) zu Grunde. Aus dem ersten Theaterbesuch Karls im Alter von kaum neun Jahre[n] 43 resultiert nach dem – wahrscheinlich stili40

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Hermann Hesse, zitiert nach Annelotte Range: Zwischen Klinger und Karl May. Studien zum zeichnerischen und malerischen Werk von Sascha Schneider (1870–1927). Bamberg 1999, S. 36. Karl May: Im »wilden Westen« Nordamerika’s (HKA IV.27), S. 18. Ebd., S. 30. Karl May: Satan und Ischariot I (GR XX), S. 13.

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Günter Scholdt: Selbstporträt à la Fehsenfeld. Karl Mays autobiographische Hinweise in den ‚Gesammelten Reiseromanen‘. In: JbKMG 1996, S. 12–38. Reinhold Wolff: „Ein Schreiber? O jazik, o wehe, und ich habe ihn für einen tapferen Beduinen gehalten!“ Karl Mays Umgang mit den Dichterstereotypen des 19. Jahrhunderts. In: JbKMG 1993, S. 116–134 (119). Ebd., S. 128. LuS-HKA, S. 57. 21

sierten – Rückblick des alten May der Wunsch so ein großer Dichter zu werden wie Goethe und Theaterstücke zu schreiben.44 Wie bekannt, realisierte May, der in sein gesamtes Werk eigene Gedichte einstreute, dieses „literarische IchIdeal“ im Alter forciert mit dem Gedichtband Himmelsgedanken (1901), dem Drama Babel und Bibel (1906) und weiteren Arbeiten, die allerdings nicht über das Stadium von Entwürfen und Fragmenten hinausgekommen sind.45 Auch Hesse, der mit dreizehn Jahren beschloss, „dass ich Dichter werden wollte“46, orientiert sich zumindest in seiner Frühphase am Dichterstereotyp des 19. Jahrhunderts. In seinem ersten Roman, dem stark autobiographisch geprägten47 ›Peter Camenzind‹, in dem in Ich-Form die Entwicklung eines Literaten dargestellt wird, wird die geistige Exklusivität des ›wahren Dichters‹ postuliert. Camenzind, das Alter Ego Hesses, schreibt schon als Jugendlicher Gedichte und Novellen und wird von seinem späteren Freund Richard zu Beginn des Studiums in Zürich schon bei der ersten Begegnung aufgrund seines Äußeren als ›Künstler‹ identifiziert: „Und ganz gewiß sind Sie auch ein Dichter. Ich kann das am Blick und an 44 45 46

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Ebd., S. 58, 73. Wolff, wie Anm. 41, S. 128. Hermann Hesse: Kurzgefasster Lebenslauf (von 1925). Zitiert nach: Freedman, wie Anm. 33, S. 136. Zur Altersangabe, vgl. ebd., S. 136. Ebd. S. 15: „Von Kindheit an hatte Hesse sich in den Kopf gesetzt, ein Dichter zu werden […].“ Hesse begann bereits im Alter von 7 Jahren zu dichten (ebd., S. 46). Stolte, Hesse, wie Anm. 21, S. 33.

der Stirn sehen.“48 Literarische Texte unterliegen einer deutlichen qualitativen Kategorisierung: „Sieh, ich hielt dich immer für einen Dichter und halte dich noch dafür, aber nicht deiner Feuilletons wegen, sondern, weil ich fühle, daß du etwas Schönes und Tiefes in dir leben hast, das früher oder später einmal hervorbrechen wird. Und das wird dann eine wirkliche Dichtung sein.“ 49

Negativ besetzt ist folglich das „verächtliche Leben eines kleinen Berufsliteraten“50. Zum Bild des Künstlers gehört auch eine Bildungsreise des jungen Camenzind nach Oberitalien.51 Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass auch der große Prosaerzähler Hesse wie May zeitlebens Lyrik verfasste.52 Dabei teilt Hesse das Schicksal Mays, dass seine – ebenfalls eher konventionelle – Lyrik geringer geschätzt wird als seine Prosa.53 48 49 50 51

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Hesse, Peter Camenzind, wie Anm. 27, S. 259. Ebd., S. 286. Ebd., S. 281. Ebd., S. 287ff. Hesse selbst reiste 1901 erstmals nach Italien, vgl. Freedman, wie Anm. 33, S. 129f. Camenzind reist später auch noch nach Mittelitalien (Assisi), vgl. Hesse, Peter Camendzind, wie Anm. 27, S. 319ff. Wolff, wie Anm. 41, S. 129 sieht Mays Lyrik „im Kontext einer Lyrik Ende des 19. Jahrhunderts, die zwar von den Entwicklungen der modernen Lyrik seit des Franzosen des L’art pour l’art und des Symbolismus unberührt geblieben ist, aber geradewegs in die Lyrik eines Hermann Hesse und anderer in unserem Jahrhundert führt.“ Zu Hesses Lyrik vgl. Stolte, wie Anm. 21, S. 158ff. Zu den Muttergedichten Mays und Hesses (in: JbKMG 1970, S. 110–113): Wolf-Dieter Bach: Muttergedichte Karl Mays und Hermann Hesses. In: JbKMG 1970, S. 114–117. Bach (S. 117)

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Kunstbegriff und literarische Programmatik sind eng miteinander verbunden. Dies zeigt ein Blick auf die Entwicklung des literarischen Programms des Peter Camenzind, „in welchem wir ohne Zweifel das jugendliche Programm Hesses selber vor uns haben“54. Die dort definierten ›Eckpunkte‹ prägen, allerdings bei starker Verschiebung der Schwerpunkte, das gesamte Werk Hesses. Ein Ziel des frühen Hesse ist es dabei „den heutigen Menschen das großzügige, stumme Leben der Natur nahe zu bringen und lieb zu machen.“55 Dabei soll die Naturbetrachtung verdeutlichen, „daß wir nicht Götter sondern Kinder und Teile der Erde und des kosmischen Ganzen sind.“56 Natur verweist auf Gott: „Der innerste Kern jedes Wesens ist […] Gottes Kind und ruht ohne Angst im Schoß der Ewigkeit.“57 Wie

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kommt zu dem Ergebnis, dass die Muttergedichte Mays „besser [sind] als die Hesses. Sie sind konsequenter im Ausdruck des Gefühls, deutlicher in der Darstellung des Themas, kräftiger gezeichnet.“ Stolte, Hesse, wie Anm. 21, S. 37. ›Peter Camenzind‹ war das einzige Werk Hesses, das in Mays Bibliothek stand, vgl. Franz Kandolf/Adalbert Stütz: Karl Mays Bücherei. In: KMJb 1931, S. 212–291 (S. 277). Hesse, Peter Camenzind, wie Anm. 27, S. 328. Bei Hesse rückt nach einer persönlichen Krise 1916/17, die er mit Hilfe einer psychoanalytischen Behandlung überwand, die Natur stärker in den Hintergrund: „Der romantische Betrachter der äußeren Natur wurde damit zum Betrachter der inneren Welt, nachdem sein Blick auf sein eigenes Seelenleben gelenkt worden war.“ (Freedman, wie Anm. 33, S. 248). Ebd. Ebd., S. 329.

an anderer Stelle noch im Detail belegt werden soll, sehen wir hier eine Affinität zu May. Dieser rückte zwar in seinen Werken die Natur zwar meist nicht ins Zentrum, sondern ›benutzte‹ sie als Kulisse der abenteuerlichen Handlung. Immer wieder machte er jedoch gewaltige Natureindrücke zum Ausgangspunkt von Reflexionen über die Einbettung des Menschen in einen von Gott geschaffenen und gesteuerten Kosmos. Ein weiterer ›Programmpunkt‹ Camenzinds/Hesses ist es, „das schöne Geheimnis der Liebe in eure Herzen zu legen. Ich hoffte, euch zu l e h r e n , allem Lebendigen rechte Brüder zu sein und […] voll Liebe zu werden58. Auch die Bedeutung der Liebe bei beiden Autoren wird noch vertiefter zu betrachten sein. Klar ist jedoch, dass für May der Begriff der (Nächsten-)Liebe eine zentrale Kategorie seines Weltbilds war, die sein Werk prägt.59 Auch der May’sche Anspruch, der Lehrer meiner Leser 60 zu sein, findet hier seine Entsprechung bei Hesse. „Das alles“ will der Schriftsteller Camenzind/Hesse „schlicht, wahrhaftig und gegenständlich darstellen, ernsthaft und scherzhaft, wie ein heimgekehrter Reisender seinen Kameraden von draußen erzählt.“61 Hier haben 58 59

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Ebd. Hervorhebung von mir. Vgl. z. B. Hartmut Wörner: Dann bin ich ganz bei dir, ganz, ganz. Eine weitere Spurensuche zum mystischen Karl May. Teil 1. In: M-KMG 174/2012, S. 17ff. Karl May: Winnetou I (HKA VI.12), S. 129. Hesse, Peter Camenzind, wie Anm. 27, S. 329. 23

wir nicht nur einen Anklang an den May’schen Begriff der ›Reiseerzählung‹ sondern eine Affinität zu Mays Interpretation seines literarischen Stils in Mein Leben und Streben: Auch befleißige ich mich keiner sogenannten künstlerischen Form. Mein schriftstellerisches Gewand wurde von keinem Schneider zugeschnitten, genäht und dann gar gebügelt. Es ist Naturtuch. Ich werfe es über und drapiere es nach Bedarf oder nach der Stimmung, in der ich schreibe.62

Beide Autoren propagieren somit einen schlichten, verständlichen Stil. Allerdings schrieb Hesse – im Gegensatz zu May – von Anfang an mit künstlerischem Anspruch und, wenn auch fast immer gut verständlich, nicht schlicht. Und: Mays ›Schlichtheit‹ ging verloren, als er im Alter Literatur bewusst künstlerisch gestaltete. Beide Autoren richten ihr Werk auf einen ethisch-spirituellen Zweck aus. Bereits im frühen ›Peter Camenzind‹ definiert, wie gezeigt, Hesse seine Zielsetzung als Literat entsprechend. Nach dem 1925 in reiferem Alter publizierten ›Kurgast‹, einem autobiographischen Bericht über einen Kuraufenthalt in Baden/Schweiz, geht es ihm darum, einen „Ausdruck für das Ewige“ zu finden.63 Mays Qualität als spiritueller Schriftsteller, die im Spätwerk im Märchen von Sitara auch programmatisch dargestellt wird, ist mittlerweile durch eine 62 63

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LuS-HKA, S. 191. Hermann Hesse: Kurgast. Aufzeichnungen von einer Badener Kur. In: Gesammelte Dichtungen Vierter Band. 1952 (Suhrkamp), S. 115. Bei der Niederschrift der Erstfassung 1923 war Hesse 46 Jahre alt.

Vielzahl von Untersuchungen belegt. Man kann somit von einer grundlegenden Gemeinsamkeit der literarischen Ziele von May und Hesse ausgehen. Sie wollten ihren Lesern den Weg zu einem sinnvollen, von Liebe geprägten Leben zu weisen. Beide sahen dabei einen Bezug zwischen dem Individuum und der Präsenz des Göttlichen in der Welt. Dies führt zu dem Dreh- und Angelpunkt im Werk beider Autoren, der im folgenden Kapitel vertieft untersucht werden soll. Camenzind/Hesse wird nämlich bewusst, dass er literarisch bei einer spirituell aufgeladenen ästhetischen Naturbetrachtung nicht stehen bleiben kann. „Nun sah ich endgültig ein, daß ich meine schönen Landschaften mit Menschen bevölkern müsse und daß diese gar nicht natürlich und treu genug dargestellt werden könnten.“64 Hier klingt das Thema an, das Hesses Werk nach ›Peter Camenzind‹ immer stärker prägen wird. „Es geht ja Hermann Hesse in allem, was er geschrieben hat, immer nur um das eine, um die Frage: Wie ist Leben in einem echten menschlichen Sinne überhaupt möglich? Wie soll das Leben gelebt werden, um seinen eigentlichen Sinn, seinen Gehalt, seine reine Form zu offenbaren?“65

Der individuelle Mensch, seine 64

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Hesse, Peter Camenzind, wie Anm. 27, S. 330. Dies markiert eine wichtige Entwicklungsstation, weil Hesses Herz bis dahin „eigentlich nie den Menschen, sondern stets der Natur und den Büchern“ gehört hat (Hesse in einem Brief an Stefan Zweig von 1903, zitiert nach: Freedman, wie Anm. 33, S. 140). Stolte, Hesse, wie Anm. 21, S. 74f.

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Entwicklung und der Sinn seines Lebens steht im Fokus von Hesses literarischer Betrachtung. Ab ›Demian‹ (1919) wird diese Betrachtung stark durch die Psychoanalyse geprägt. Wir wissen, dass diese Thematik – vor dem Alterswerk teilweise unter- oder halbbewusst – auch im Zentrum des Werkes Karl Mays steht.66 Deshalb erscheint es lohnend, im Folgenden den Gemeinsamkeiten und Unterschieden des Menschenbilds von May und Hesse nachzugehen.

III. Das Menschenbild bei May und Hesse

D

ie literarische Konstruktion der Personen, die die fiktiven Landschaften in den Werken von May und Hesse bevölkern, unterscheidet sich sehr deutlich. Bei May finden wir meist holzschnittartig gezeichnete Figuren, deren Charakter regelmäßig bereits aufgrund ihres Äußeren bestimmt werden kann. Dabei sind die Protagonisten im für May typischen Dualismus von Gut und Böse klar einer Seite zuzuordnen. „An einer sorgfältigen Ursachenforschung zum Verhalten seiner Figuren zeigt May insgesamt […] wenig Interesse.“67 Oft stehen die Figuren für einen Aspekt des Menschlichen (Geiz, Stolz, Mut, Kauzigkeit). Dieses Konzept wird in der Spätphase zu Allegorien von Geist (Ustad), Seele (Schakara), Anima (Halef), Barmherzigkeit (Merhameh) etc. weiterentwickelt. Hinzu tritt im 66 67

Vgl. hierzu: Hermann Wohlgschaft: Karl May. Leben und Werk (HKA IX.1), S. 11–30. Helmut Schmiedt: Handlungsführung und Prosastil. In: Gert Ueding (Hg.): Karl-May-Handbuch. Stuttgart 1987, S. 147–176 (160).

Alterswerk die bewusste biographische Spiegelung von Personen aus Mays Umfeld. Hesse zeichnet demgegenüber seine Charaktere psychologisch differenziert. Zwischenmenschliche Konfliktsituationen wie das Scheitern der Ehe des Malers Johann Veraguth in ›Roßhalde‹ (1914), Entwicklungsgeschichten wie die Emil Sinclairs in ›Demian‹ oder gespaltene Charaktere wie Harry Haller in ›Der Steppenwolf‹ (1927) werden von ihm differenziert gestaltet. Aber: Es gibt Annäherungen von beiden Seiten. So bedient sich Hesse in seinen großen Prosatexten von ›Gertrud‹ bis zu ›Das Glasperlenspiel‹ (1943) immer wieder der Technik der polarischen Spaltung: „was im eigenen Inneren als spannungsvoller Widerspruch, als Polarität eines und desselben Charakters empfunden wird, zerlegt sich im gestalteten Werk in zwei polarisch einander zugleich widersprechende und ergänzende Personen.“68 Und May verzichtet keineswegs auf die Darstellung psychischer Konflikte und innerer Vorgänge. Diese werden bei ihm in das „Aussehen [seiner Figuren] und vor allem ihr Verhalten projiziert und darin buchstäblich ausagiert.“69 Dies geschieht zunächst un- bzw. halbbewusst und im Spätwerk in ambitionierter künstlerischer Gestaltung. Ungeachtet deutlicher Unterschiede bei der literarischen Darstellung des Menschen gehen beide Autoren von einer ähnlichen, spirituell aufgeladenen ›Definition‹ des Menschlichen aus. Nach Hesses Vorspann zu seinem Roman ›Demian‹ ist der Mensch „ein 68 69

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Stolte, Hesse, wie Anm. 21, S. 44. Schmiedt, wie Anm. 67, S. 160. 25

kostbarer, einmaliger Versuch der Natur“ und „nicht nur er selber, er ist auch der einmalige, ganz besondere, in jedem Fall wichtige und merkwürdige Punkt, wo die Erscheinungen der Welt sich kreuzen […]. Darum ist jedes Menschen Geschichte wichtig, ewig, göttlich. […] In jedem ist der Geist Gestalt geworden, in jedem leidet die Kreatur, in jedem wird ein Erlöser gekreuzigt.“70 Für May ist jeder Mensch […] ein Ebenbild Gottes, der die Liebe ist; alle Gesetze menschlicher Entwickelung sollen sich auf das eine, große Gesetz der Liebe gründen, damit das Ebenbild des großen göttlichen Meisters nicht beleidigt, beschimpft und entweiht werde.71 Für beide Autoren ist der Einzelmensch in seinem ethischspirituell – in der Ausrichtung auf das Göttliche – definierten Lebenssinn ein zentrales Thema. Beide formten dieses Thema in ihren Werken immer differenzierter aus und vertraten in ihrer reifen Phase (Hesse) bzw. im Spätwerk (May) differenzierte psycho-ethische Modelle, die an die Leser vermittelt werden sollten.

III.1 Die Polarität des Menschlichen May und Hesse gehen davon aus, dass das Schicksal des Einzelmenschen und der Menschheit geprägt wird durch eine Spaltung des Menschlichen in zwei Pole. Bei May steht für diese Polarität der Dualismus zwischen Gut und 70 71

26

Hermann Hesse: Demian. In: Gesammelte Dichtungen Dritter Band. 1952 (Suhrkamp), S. 101f. May, Im »wilden Westen« Nordamerika’s, wie Anm. 37, S. 47.

Böse, der d a s prägende Motiv seines gesamten Werkes ist.72 Programmatisch-gleichnishaft wird dies im Märchen von Sitara ausgedrückt, wo Ardistan für das Böse, d. h. Egoismus, Gewalt, das Wohlbehagen im geistlosen Schmutz und Staub 73 und Dschinnistan für das Gute, d. h. Humanität und Nächstenliebe 74 steht. Der innere Konflikt zwischen dem Guten und dem Bösen im Menschen wird bei May literarisch mit wenigen Ausnahmen (wie Old Wabble im Surehand, Waller in Und Friede auf Erden!, die Brüder Enters/Sander in Winnetou IV) durch äußere Kämpfe zwischen Figuren(gruppen) dargestellt. Bei Hesse wird die Polarität des Menschlichen ab dem Roman ›Demian‹, in dem er begann, seinen poetischen Realismus mit allegorischen, symbolischen Motiven anzureichern, zu einem zentralen Thema, das in seinen großen Prosawerken bis hin zum Spätwerk ›Das Glasperlenspiel‹ immer wieder aufgegriffen wird. ›Demian‹ ist die Entwicklungsgeschichte des Ich-Erzählers Emil Sinclair vom pubertierenden Jugendlichen bis zum Erwachsenen, der das Göttliche im eigenen Inneren gefunden hat. Hier entfaltet Hesse sein spezifisches – von der Psychoanalyse Freuds und Jungs beeinflusstes75 – Konzept von der dualen Spaltung alles Menschlichen erstmals in voller Klarheit. Sinclair erlebt in seiner 72

73 74 75

Vgl. z. B. Hartmut Wörner: Dann bin ich ganz bei dir, ganz, ganz. Eine weitere Spurensuche zum mystischen Karl May. Teil 2. In: M-KMG 175/2012, S. 10ff. LuS-HKA, S. 13. Ebd., S. 14. Stolte, Hesse, wie Anm. 21, S. 104f.

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Pubertät intensiv, dass es neben dem Geistigen im Menschen einen sinnliche Pol der Leidenschaften, Triebe, Begierden gibt. Dieser umfasst auch das Böse, das in ›Demian‹ in der Figur des Volksschülers Franz Kromer, der die lichte Kinderwelt Sinclairs irreversibel zerstört, personifiziert wird. In Hesses Konzept der Dualität des Menschlichen ist der ›zweite Pol‹ deutlich breiter und differenzierter als in Mays Modell, das von dem konventionellen Gedanken einer Dichotomie von Gut und Böse ausgeht. Dieser Gedanke wird von Werk zu Werk schrittweise immer weiter ausgeformt. In der Erzählung ›Klein und Wagner‹, die die Erlebnisse des mit einer Straftat (Unterschlagung von Geld) aus seinem kleinbürgerlichen Leben ausgebrochenen kleinen Bankbeamten Klein auf seiner Flucht nach Italien schildert, deutet Hesse das Triebhafte, Böse (für den die Figur des Wagner steht) als integralen Bestandteil des Menschen: Klein hat „Angst vor seiner wirklichen Natur, […] dem Tier oder Teufel, den er in sich entdecken konnte, wenn er einmal die Fesseln und Verkleidungen seiner Sitte und Bürgerlichkeit abwürfe.“76 Auch der – letztlich erfolgreich – durch verschiedene Stationen nach dem Sinn des Lebens suchende indische Brahmanensohn Siddharta erkennt in der gleichnamigen romanhaften Erzählung von 1922 die Macht der sinnlichen, ›dunklen‹ Ebene des Menschen: „alle diese Triebe, alle diese Kindereien, alle diese einfachen, törichten, aber ungeheuer starken, stark lebenden, 76

Hesse: Klein und Anm. 22, S. 490.

Wagner,

wie

stark sich durchsetzenden Triebe und Begehrlichkeiten, waren für Siddhartha jetzt keine Kindereien mehr, er sah um ihretwillen die Menschen leben, sah sie um ihretwillen Unendliches leisten, Reisen tun, Kriege führen, Unendliches leiden […].“77 Dabei wird das Ringen zwischen Sinnlichkeit und Geist in ›Klein und Wagner‹ und in ›Siddhartha‹ letztlich aufgehoben in der Erkenntnis des Reichs Gottes, das, wie auch im ›Demian‹ im Inneren des Menschen gesucht und gefunden wird.78 In der erlösenden Vollendung des Menschen, dem Durchbruch zum göttlichen Selbst, wird der polare Gegensatz irrelevant. In ›Demian‹ wird die Möglichkeit der Aufhebung der „konventionelle[n] Wertung von Gut und Böse“ dargestellt im „gnostische[n] Mythos von Abraxas, der Gottheit, die […] beides vereint.“79 In ›Klein und Wagner‹ löst sich das „Geheimnis“ in Kleins Todesstunde: „sich fallen lassen, sich nicht gegen Gottes Willen sträuben, sich an nichts klammern, nicht an Gut und Böse. Dann war man erlöst, dann war man frei von Leid und Angst, nur dann.“80 Siddhartha kommt nach seiner Vollendung am Ende seiner Sinnsuche zu der Erkenntnis: „Die Welt selbst aber, das Seiende um uns her und in uns innen, ist nie einseitig. Nie ist ein Mensch, oder eine Tat, ganz Sansara oder ganz Nirwana, nie ist ein Mensch ganz heilig oder ganz sündig. […] Und wenn Zeit nicht wirklich ist, so ist die Span77 78 79 80

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Hermann Hesse: Siddhartha. In: Gesammelte Dichtungen. Dritter Band. 1952 (Suhrkamp), S. 715. Stolte, Hesse, wie Anm. 21, S. 118. Freedman, wie Anm. 33, S. 251. Hesse, Klein und Wagner, wie Anm. 22, S. 551. 27

ne, die zwischen Leid und Seligkeit, zwischen Böse und Gut zu liegen scheint, auch eine Täuschung.“81

Im ›Steppenwolf‹ schildert Hesse das Eintauchen des im Versuch der Überwindung seiner inneren Spaltung durch geistige Askese in eine totale Entfremdung von der bürgerlichen Gesellschaft geratenen Schriftstellers Harry Haller in eine sinnliche Welt von Erotik, Jazzmusik, Tanz und Drogen. Der Kontakt mit den Barmädchen Hermine und Maria zeigt Haller, dass die sinnliche Seite des Menschen nicht verdrängt werden soll: „[Ich hatte] das Leben eines Harry gelebt, der eigentlich nichts war als ein sehr zart ausgebildeter Spezialist für Dichtung, Musik und Philosophie – den ganzen Rest meiner Person, das ganze übrige Chaos von Fähigkeiten, Trieben, Strebungen hatte ich als lästig empfunden und mit dem Namen Steppenwolf belegt.“82

Aber auch im ›Steppenwolf‹, der passagenweise als ›Feier‹ der Sinnlichkeit gelesen werden kann, wird in einem Gespräch Hermines und Harrys die letztendliche Erfüllung des Menschen in der Transzendenz zum Göttlichen, der „Ewigkeit“ gesehen „jenseits der Zeit und des Scheins. Dorthin gehören wir, dort ist unsere Heimat, dorthin strebt unser Herz […]“83. „Die Frommen nennen es Reich Gottes.“84 Es geht um „den Gedanken der Ewigkeit […]. Ein „echter Mensch [ist] durch die Leiden, Laster, Irrtümer, Leidenschaften und Mißverständnisse 81 82 83 84 28

Hesse, Siddhartha, wie Anm. 77, S. 725. Hermann Hesse: Der Steppenwolf. In: Gesammelte Dichtungen Vierter Band. 1952 (Suhrkamp), S. 319. Ebd., S. 346. Ebd., S. 345.

der Menschen hindurchgegangen und ins Ewige, in den Weltenraum hindurchgestoßen“85. Wenn Hesses Konzept im manchem Detail auch widersprüchlich und unentschieden erscheint (auch hier liegt eine Ähnlichkeit mit May), kann man das den Roman abschließende Magische Theater durchaus mit Stolte so deuten, dass hier (letztlich) der Durchbruch von „Illusion, bloße[r] Erscheinung und Spiel, bunte[r] Oberfläche“ zur „eigentlichen Tiefe der Welt, der absoluten Existenz eines göttlichen All-Einen“ gestaltet wird.86 Im Magischen Theater wird einerseits die Zerissenheit der menschlichen Psyche, die Fülle (verdrängter) Wünsche und ›Abgründe‹ im Inneren des Menschen gespiegelt. Zugleich stellt Hesse aber – durch die Einbeziehung der ›Unsterblichen‹ Goethe und Mozart in das traumartige Geschehen – den Bezug des krisengeschüttelten Individuums zur Ewigkeit, zur „unerschütterlichen Kontinuität des Geistes“ dar.87 In ›Narziss und Goldmund‹ zeigt Hesse die Dualität des Menschlichen anhand der polarisch gespaltenen Protagonisten Narziss, eines asketischen Mönchs und Geistesmenschen, und Goldmund, eines sinnlichen Nichtsesshaften und Bildhauers. Während in der Phase von ›Demian‹ bis ›Siddhartha‹ das Sinnliche, Triebhafte zwar als integraler Teil des Menschen, aber eher als seine dunkle Seite gesehen wird, werden in ›Steppenwolf‹ und ›Narziss und Goldmund‹ stärker positive Aspekte dieses Pols betont. 85 86 87

Ebd., S. 347. Stolte, Hesse, wie Anm. 21, S. 205. Freedman, wie Anm. 33, S. 370.

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Goldmund ist zwar eine problematische Natur, aber kein schlechter Mensch und ein großer Künstler. Narziss sagt zu Goldmund: „Die Naturen von deiner Art, die mit den starken und zarten Sinnen, die Beseelten, die Träumer, Dichter, Liebenden sind uns andern, uns Geistmenschen, beinahe immer überlegen. Eure Herkunft ist eine mütterliche. […] Eure Gefahr ist das Ertrinken in der Sinnenwelt, unsere das Ersticken im luftleeren Raum. Du bist Künstler, ich bin Denker. Du schläfst an der Brust der Mutter, ich wache in der Wüste.“88

Die erwünschte Harmonie zwischen den beiden Polen, die aber nie zu einer völligen Verschmelzung führt, wird in der lebenslangen Freundschaft der beiden Protagonisten literarisch gestaltet. Noch weiter geht Hesse in seinem letzten Roman ›Das Glasperlenspiel‹, in dem die Lebensgeschichte des Meisters des – für den transdisziplinären Kernbestand von Bildung und Kultur (universitas omnium litterarum) stehenden – Glasperlenspiels Josef Knecht erzählt wird. Knecht gelangt in der ›Gelehrtenrepublik‹ Kastalien zu vollendetem geistigen Adel, entscheidet sich aber gegen Ende seines Lebens dafür, seine hohe Position im ›Elfenbeinturm‹ aufzugeben und seine Bildung als Hauslehrer in den Dienst der ›Normalwelt‹ zu stellen. Im ›Glasperlenspiel‹ spiegelt sich die Polarität zwischen der – gegenüber dem ›Steppenwolf‹ und ›Narziss und Goldmund‹ – in den Vorder88

Hesse, Narziss und Goldmund, wie Anm. 28, S. 51. Hesses Verknüpfung des Weiblichen/Mütterlichen mit der Sinnlichkeit wird an anderer Stelle noch nachzugehen sein.

grund gerückten Geistigkeit und der sinnlichen, praktischen ›Welt‹ in der sich im Laufe ihres Lebens zu tiefer Freundschaft wandelnden Rivalität von Josef Knecht und dem ›Weltmenschen‹ Plinio Designori. Auch hier wird der Gedanke der Verbindung der gegensätzlichen aber miteinander verknüpften Pole wieder aufgegriffen: „Warum nur lebten die beiden Welten anscheinend nicht harmonisch und brüderlich neben- und ineinander, warum konnte man sie nicht beide in sich hegen und vereinen.“89 Der ›Geistesadlige‹ Josef Knecht ist sich der „unaufhörlich pulsierenden Polarität“ seiner Seele90 bewusst und sieht, dass auch die Gelehrtenrepublik Kastalien mit dem Glasperlenspiel den natürlichen Prozessen, „der Zeit unterworfen und von ihrer mitleidlosen Gewalt umspült und erschüttert“91 wird. Knechts und Designoris Ideal wird die „Befreundung und Durchdringung von Kastalien und Welt“.92 Wenn wir in einer bipolaren Konzeption des Menschlichen und der intensiven literarischen Auseinandersetzung mit ihr eine zentrale Gemeinsamkeit von May und Hesse erkennen können, so liegen auch die Unterschiede der beiden Modelle auf der Hand. May wäre eine Apotheose der Sinnlichkeit, wie sie Hesse im ›Steppenwolf‹ schuf, fremd gewesen. In seinem abenteuerlichen Universum spielt zwar die Körperlichkeit eine zen89

90 91 92

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Hermann Hesse: Das Glasperlenspiel. In: Gesammelte Dichtungen Sechster Band. 1952 (Suhrkamp), S. 176. Ebd., S. 359. Ebd., S. 360. Ebd., S. 514. 29

trale Rolle, dies aber immer im Kontext eines asketischen Lebensstils. Im ethisch-spirituellen Konzept des Alterswerks propagiert er ein anderes, neues, höheres Leben, in dem der Mensch alle Rücksicht auf den Leib und seinen Zusammenhang mit dem Menschheitskörper zu überwinden […] und sich nur noch als Geist zu betrachten [hat], während der Leib für ihn gestorben ist.93 Karl May identifizierte somit die sinnliche, tierhafte Seite des Menschen mit dem Bösen und verband dies mit dem Körperlichen. Den ›lichten‹, zu Gott hin ausgerichteten Pol des Menschen repräsentieren bei May die ›psychischen Komponenten‹ Geist und Seele. Er propagiert auch nicht eine Versöhnung von Geist und Sinnlichkeit, sondern eher die Überwindung des Körperlichen und Sinnlichen in einer auf Gott gerichteten Vergeistigung des Edelmenschen. Dies verdeutlichen auch die Ausführungen Mays bei seinem Vortrag in Lawrence 1908: „Die Erde ist eine Materialisation des göttlichen Willens. Sein Geist hat sich in Seele, sodann in Kraft und endlich in Stoff verwandelt. Auf demselben Wege hat der Stoff die Aufgabe, als Kraft, als Seele, als Geist zu Gott zurückzukehren.“94

Allerdings ordnet der späte May Elemente, die von Hesse dem sinnlichem Pol des Menschlichen 93

94

30

Karl May: Im Reiche des silbernen Löwen IV (GR XXIX), S. 35: Kara Ben Nemsi im Nachtgespräch mit dem Ustad. Bericht über den „Vortrag des Herrn Dr. Karl May“ am 18.10.1908 in Lawrence/Mass. In: Deutscher Herold vom 19.10.1908, faksimiliert in: Gerhard Kußmeier/Hainer Plaul: Karl May – Biographie in Dokumenten und Bildern. Hildesheim, New York 1978, S. 254f.

zugeordnet werden, der ›edlen Seite‹ des Menschlichen zu. Plaul hat mit Blick auf Mein Leben und Streben darauf hingewiesen, dass „May im Emotionalen jene Sphäre [erblickte], in der sich die Läuterung zum sittlich Guten zu vollziehen habe.“95 Das Emotionale, das nach Hesse dem Bereich der Sinnlichkeit/Natur zuzurechnen wäre, bezeichnet May als Seele, eine „zentrale[ ] Kategorie seiner Ethik“96. Man kann sogar noch darüber hinausgehen: Lowsky weist auf eine Szene im ›Silberlöwen IV‹ hin‚ in der in der Darstellung Schakaras, die auch die Seele symbolisiert, eine „fast blasphemische Erotik“ mitschwingt.97 In der ›Droschkenparabel‹, in der May sein Menschenbild darstellt, gelingt das menschliche Leben nur im Zusammenwirken von Leib/Stoff (Droschke), Anima/Kraft (Pferd), Seele (Kutscher) und Geist (Fahrgast). Wenngleich May das Böse mit der sinnlichen, körperlichen Seite des Menschen verknüpfte, sieht man hier doch zumindest eine Annäherung an Hesses Gedanken einer Harmonisierung der Pole des Menschlichen. Erleichtert wird die Feststellung solcher Schnittmengen natürlich dadurch, dass Hesses und Mays Menschenbilder keine wissenschaftlichen Modelle, sondern poetische Konzepte sind. Klar ist jedoch, dass in den dualen Menschenbildern der beiden Autoren die Grenzlinien zwischen den Polen Gut/Edel/ Dschinnistan (Geist/Seele) und 95 96 97

Hainer Plaul: Editorischer Bericht zu Mein Leben und Streben. In: LuSHKA, S. 388–428 (389). Ebd. Martin Lowsky: Karl May. Stuttgart 1987, S. 108.

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Böse/Sumpf/Ardistan (Körper/ Anima) bei May sowie Geist/Askese und Sinnlichkeit/Weltlichkeit bei Hesse anders verlaufen. Hesse propagiert die Integration beider Pole und sieht eine echte Überwindung der Gegensätze – und damit auch des Bösen als Teil der sinnlichen Seite – nur in einer mystischen Transzendenz, während bei May das Böse besiegt werden kann und muss. Recht nahe kommen sich die beiden Autoren in ihrer Interpretation dessen, was den Sinn des Lebens ausmacht. Bei Hesse besteht dieser darin, in voller Autonomie den Weg ins eigene Innere zu gehen, und dort im Göttlichen, in der Erkenntnis der von innen kommenden Einheit aller Dinge die Vollendung, Erlösung von allen Bindungen und Ängsten zu finden (›Demian‹, ›Siddhartha‹). Ungeachtet der großen Bedeutung, die Hesse dem sinnlichen Pol des Menschen und der damit verbundenen Möglichkeit eines ›weltlichen Weges‹ (Narziss, Designori etc.) zumisst, macht er dann doch deutlich, dass die wahre, letzte Vollendung des Menschen mit seinem geistigen Pol verbunden ist (›Siddhartha‹, ›Glasperlenspiel‹). Dies klingt auch an im ›Tractat vom Steppenwolf‹, nach dem „der ›Mensch‹ nicht schon Erschaffenes [ist], sondern eine Forderung des Geistes, eine ferne, ebenso ersehnte wie gefürchtete Möglichkeit, und […] der Weg dorthin immer nur ein kleines Stückchen weit und unter furchtbaren Qualen und Ekstasen zurückgelegt wird“98. Wie bereits deutlich wurde, reduziert 98

Hesse, Steppenwolf, wie Anm. 82, S. 247.

Hesse, in seiner spirituellen, wenn auch nicht christlich-religiösen Ausrichtung, das Geistige nie auf den Intellekt, sondern sieht es im Bezug auf das im Inneren des Menschen präsente Göttliche. Der vollendete Mensch (z. B. Siddhartha und der Musikmeister im ›Glasperlenspiel‹), der den Durchbruch vom „lebenden ›sterblichen‹ Ich“ zum „›unsterblichen‹ Selbst“99 erreicht hat, zeichnet sich durch Nächstenliebe, Güte und Heiterkeit aus. In diesen Figuren stellt Hesse die Möglichkeit einer Überwindung des Bösen zumindest durch einzelne, auserwählte Individuen dar. Die Vollendung liegt im mystischen Erkennen der durch das göttliche Innere vermittelten Einheit aller Dinge, die mit der Aufgabe des ›Ego‹ verbunden ist. Hesse vertritt ein holistisches Weltbild, das deutlich durch östlich-buddhistisches Gedankengut beeinflusst ist. Wie Hesse geht es auch dem späten May „um nichts weniger […] als darum, den Menschen und damit die Menschheit zu humanisieren“100. Sinn des Lebens ist für ihn die „sittliche Menschwerdung“101, die sich in der Entwicklung vom Gewaltzum Edelmenschen, in der Überwindung des Bösen durch die Nächstenliebe vollzieht. Zentraler Bezugspunkt ist auch für May Gott, dessen Verhältnis zum Menschen er – wenn auch nicht so ›östlich‹ wie Hesse – mystisch sah. Wie 99

Freedman, wie Anm. 33, S. 353, zu Hesses autobiografischen Reiseberichten ›Kurgast‹ und ›Nürnberger Reise‹ (1927). 100 Plaul, wie Anm. 95, S. 388. 101 Ebd., S. 389.

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bei Hesse wird auch bei May in der geistigen Vollendung die Dualität des Menschlichen irrelevant. Dies erlebt der Ustad im ›Silberlöwen IV‹: Da, als sie [die untergehende Sonne] mir so das Geheime erschloß, da mussten die Erdenphantome verschwinden: Sie wurden zu nichts; auch das meine zerfloß, und ich ging, um ›das Licht ohne Schatten‹ zu finden.102 Wie Hesse sieht May das Potenzial zur Erlösung im Inneren des Menschen. Die Vollen-

dung folgt bei ihm allerdings nicht aus dem Erkennen der göttlich vermittelten Einheit aller Dinge, sondern aus der Läuterung des dem Schöpfer gegenüberstehenden Individuums. Trotz bestehender Unterschiede postulieren May und Hesse die Zielsetzung einer ethisch-spirituellen Vollendung des durch eine polarische Spaltung der menschlichen Natur geprägten Lebens. (wird fortgesetzt)

102 May, Im Reiche des silbernen Löwen IV, wie Anm. 93, S. 83.

Aufgelesen … … aus der Zeitschrift ›Gefahrstoffe. Reinhaltung der Luft‹

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anchmal stößt man an Stellen auf Ausführungen zu Karl May, an denen man sie überhaupt nicht erwartet hat. So kam der Schriftsteller kürzlich im Editorial der Fachzeitschrift ›Gefahrstoffe. Reinhaltung der Luft‹, die naturwissenschaftlichen Themen gewidmeten ist und von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e. V. und der Kommission Reinhaltung der Luft im VDI und DIN – Normenausschuss KRdL herausgegeben wird, ausführlich zur Sprache. Weniger überrascht ist man dann allerdings, wenn man den Namen des Autors liest: Dr. Eckehard Koch, als Karl-May-Experte wohlbekannt und bis zu seiner Pensionierung im Hauptberuf im nordrhein-westfälischen Ministe-

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rium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz tätig. Trotzdem bleibt es ein ungewöhnlicher Kontext, in den Karl May hier gestellt wird (jb): „Die vorliegende Ausgabe hat die Innenraumluftbelastung als Schwerpunkt. Diese Art der Belastung existiert schon, seitdem es Rauch in den steinzeitlichen Höhlen gab. Erst mit der Gründung von Städten entwickelte sich die Außenluftbelastung, bekannt schon aus dem römischen Recht und später aus den Regelungen des Mittelalters und der Neuzeit. Aber erst mit der industriellen Revolution trat sie richtig ins Bewusstsein. […] Erinnern wir uns: In Deutschland fiel der Beginn der rasanten industriellen Entwicklung zum Teil mit der litera-

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rischen Epoche der Romantik zusammen. Schon Goethe, der bekanntlich einen anderen Zugang zur Naturwissenschaft verfolgte als die Mehrzahl der Naturwissenschaftler – man denke nur an seine Farbenlehre und seine Angriffe auf Newton –, brachte die Beunruhigung vieler seiner Zeitgenossen über die technisch-industriellen Neuerungen in ›Wilhelm Meisters Wanderjahre‹ zu Ausdruck. Romantiker wie Novalis arbeiteten an der Entzauberung der Welt. […] In seinem Roman ›Die Epigonen‹ (1836) schilderte Karl Leberecht Immermann, der der Romantik nahestand, die Verrwüstung in Verseuchung der Landschaft durch den Krieg des Industriellen gegen die alte Welt. So gab es Stimmen gegen den Raubbau an der Natur, aber insgesamt ging es den Dichtern und Schriftstellern um die Schilderung der Dramen einzelner Personen oder Gruppen in der sich wandelnden Welt, um ihre Schicksale, ihre Lieben und Leiden – man denke nur an Gerhar[t] Hauptmanns ›Die Weber‹. So blieb das auch nach dem Zweiten Weltkrieg in den Zeiten des Wiederaufbaus. Die Folgen für Luftreinhaltung und Umweltschutz wurden wenig thematisiert – und wenn, dann in der Darstellung der Diskrepanz zwischen der erlebten Umwelt, die der Ausbeutung und Zerstörung unterlag, und der erinnerten, so in Jürgen Beckers ›Das Ende der Landschaftsmalerei‹ 1974. Das war ein Jahr nach dem Aufsatz des Schriftstellers Hans Magnus Enzensberger ›Zur Kritik der politischen Ökologie‹ im Kursbuch, einer der ersten Schriften, in der sich die Linke in der Bundesrepublik mit Fragen der Umwelt befasste, wohl eine Reaktion auf ›Die Grenzen des Wachstums‹. Als eine Ausnahme in der bundesrepublikanischen Literatur, die wie schon hundert Jahre vorher überwiegend um das Lebensdrama einzelner kreist, ist Günter Grass hervorzuheben. In seinem Erzählwerk ›Die Rättin‹ gibt er dem Thema der zerstörten Welt, der verseuchten Ostsee, der sterbenden Wälder Raum, al-

lerdings ein Szenario nach dem „Großen Knall“ als „Ende des dreistufigen Weltkriegs“. In der Riege der deutschen Schriftsteller, die das Thema Umweltschutz ansprachen, wird einer nur selten wahrgenommen, nämlich Karl May. Mit ihm verbindet man, jedenfalls die Älteren unter uns, nur die spannenden Abenteuerromane, die uns als Jugendliche in ihren Bann zogen. Nicht viele dagegen kennen seinen allerletzten Roman oder haben ihn verstanden, den er 1910 – zwei Jahre vor seinem Tode – veröffentlichte: ›Winnetou, 4. Band‹, der heutzutage als ›Winnetous Erben‹ im Handel ist. Hierin, einer nur vordergründigen Abenteuererzählung, in Wirklichkeit einem symbolischen Schlüsselroman, geht es um das Schicksal der Indianer, um ihren Aufbruch in Richtung Zivilisation, und um das Schicksal der Menschheit allgemein, die zu einem Reich der Entmilitarisierung und des Friedens, der allgemeinen Humanität finden soll. Hierin heißt es u. a.: »Man will hier eine Stadt gründen... Man pumpt in der Nähe schon Oel. Man hat den einen Wasserfall schon in Ketten geschlagen, um Elektrizität zu gewinnen. Dadurch ist mit der Zerstörung des herrlichen Landschaftsbildes und der Entweihung und Verschmutzung aller Ideale begonnen. Man fällt den Wald. Man zerstört ihn durch Steinbrüche, die man in den Felsen schlägt, um Material für den Kollossalbau des Denkmales und der Häuser zu gewinnen. Man will sogar das Wunder dieser Gegend, den herrlichen »Schleierfall«, vernichten, um Platz für Profangebäude zu gewinnen.« Wie prophetisch! – Karl May hat in seinen späten Werken nicht nur den Ersten Weltkrieg oder die Auseinandersetzung mit dem Islam geahnt, sondern auch die Umweltzerstörung.“ (Eckehard Koch: Industrialisierung und Umweltschutz – literarische Spuren in Deutschland. In: Gefahrstoffe. Reinhaltung der Luft. Air Quality Control Nr. 3 – März 2014, S. 57)

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Hartmut Schmidt

Rund um die Straße Bab el Hadid Auf Karl Mays Spuren in Kairo

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rei Werke Karl Mays sind es, die den Namen ›Reiseerzählungen‹ zu Recht verdienen. In sie ließ der Schriftsteller reale Erlebnisse seiner Orient- und Amerikaaufenthalte einfließen. Der Roman Et in terra pax (1901) steht am Anfang dieser Vermischung zwischen Phantasie und Wirklichkeit. In der 1907 erschienenen Novelle Schamah geht May noch einen Schritt weiter, denn hier werden nicht nur persönliche Erinnerungen seines Palästina-Aufenthaltes (1899/1900) reflektiert und mit der Handlung vermischt. Um die Authentizität zu steigern, waren dem Text außerdem eine Reihe Fotos beigegeben, die alle von seiner späteren Frau Klara im Jahr 1900 aufgenommen wurden und ihn im Heiligen Land zeigten. Den Schlusspunkt bildete dann Winnetou IV (1909), wo im zweiten Kapitel besonders das CliftonHotel an den Niagarafällen eine wichtige Rolle spielte. Die Mays logierten dort vom 24. September bis 4. Oktober 1908 während ihrer Amerika-Reise. Auch hier belichtete Klara eifrig und mit Leidenschaft fotografische Platten, doch fanden diese Aufnahmen keine Verwendung als Illustrationen zu Winnetou IV. Es erscheint reizvoll, dem Balanceakt zwischen Realität und Phantasie nachzuspüren. Was ist 34

Wahrheit, was Fiktion? Zeitgenössische Postkarten und Aufnahmen aus heutiger Zeit gewähren uns einen kleinen Blick in diese Welt. Beschränken wir uns auf Kairo und beginnen mit einer Passage aus dem ersten Kapitel von Et in terra pax: Da sind zunächst die Touristen. Man gehe einmal durch die Scharia Bab el Hadid nach dem Bahnhofe, um diese Leute bei ihrer Ankunft aussteigen zu sehen. Sie kommen eigentlich nicht, sondern sie werden gebracht; sie steigen nicht aus, sondern sie werden ausgestiegen. Sie bilden Cook- oder Stangen»Herden«, welche sich jeder Selbständigkeit begeben und ihren Hirten zu parieren haben.1

Abb. 1. Kairo – Hauptbahnhof (um 1900)

Abb. 2. Kairo – Hotel Bavaria (vor 1900)

Am 14. April 1899 traf Karl May mit der Eisenbahn, aus Ismailija kommend, auf dem Hauptbahnhof (Abb. 1) in Kairo ein. Seine Ankunft wird sich nicht so, wie oben von ihm geschildert, vollzogen haben. Nachdem er aus dem Zug ausgestiegen war, winkte er sicher eine Droschke heran und fuhr mit ihr zu seinem Hotel ›Bavaria‹ (Abb. 2), das in den nächsten Wochen Aufenthalt und Ruhepol für ihn in der ägyptischen Hauptstadt sein sollte. Die zurückgelegte Strecke war nur kurz, führte durch die Straße 1

Karl May: Und Friede auf Erden! (GR XXX), Freiburg i. Br. 1904, S. 45.

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Abb. 5: Kairo – Hotel Continental

Abb. 3: Kairo – Sharia Kameel

Bab el Hadid und mündete auf den Platz Kantaret ed-Dikkeh, wo sich seine Herberge befand. Vom Platz aus führten strahlenförmig mehrere Straßen in das Zentrum der ägyptischen Metropole. Durch eine von ihnen, die Sharia Kameel (Abb. 3) gelangte man am berühmten Hotel Shepheards vorbei zu Esbekieh (Abb. 4), einer Grünanlage mit parkähnlichen Ausmaßen. Hier schlug das Herz des europäisch geprägten Kairo und hier stand auch das Hotel Continental (Abb. 5), in dem May mit seiner Gattin und Plöhns während ihres Aufenthaltes in Kairo vom 10. bis 28. April 1900 wohnten. Von ihren Hotelfenstern hatten sie eine schöne Aussicht und blickten auf das Opernhaus mit dem imposanten Reiterstandbild Ibrahim Paschas (Abb. 6) davor. Un-

Abb. 4: Kairo – Esbekieh

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mittelbar daneben befand sich in einem stattlichen Gebäude die Agentur des Norddeutschen Lloyd (Abb. 7). Wir wissen nicht, wie May seine Orientreise vorbereitete, ob er alles in Eigenregie unternahm oder ein Reisebüro mit der Planung beauftragte. Vermutlich hatte er seinen Aufenthalt im ›Bavaria‹ schon vorher gebucht. Aber Dokumente darüber existieren leider nicht mehr. Fest steht hingegen, dass May vom Hauptbahnhof durch die Straße Bab el Hadid zum Hotel am Platz Kantaret ed-Dikkeh gefahren sein muss – es war die kürzeste Verbindung (Abb. 8). Von den Gebäuden, die er dabei sah, existieren in der Gegenwart kaum noch welche. Rechts und links der GomhouriaStraße (heutiger Name) stehen

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Abb. 6: Kairo – Reiterstandbild Ibrahim Paschas vor dem Opernhaus

Abb. 7: Kairo – Agentur des Norddeutschen Lloyd (davor das Reiterstandbild Ibrahim Paschas, vgl. Abb. 6)

Abb. 8: Kairo – Stadtplan

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Orientalisches Flair findet man aber auch in der modernen Gomhouria-Straße noch vereinzelt. Ein Beispiel dafür ist ein Sebil der Mutter des Khediven aus osmanischer Zeit (Abb. 10). Das waren öffentliche Brunnen, die die Bewohner des Viertels mit dem im Orient kostbaren Wasser versorgten. Der Sebil in der GomhouriaStraße mit dem Namen ValideBrunnen wurde in der Amtszeit Mohammed Alis erbaut. Er wirkt inmitten der modernen Bauten wie ein Fremdkörper, erinnert aber auch daran, dass man sich in einer orientalischen Großstadt befindet. Karl May hat ihn mit Sicherheit gesehen, denn sein Weg vom Bahnhof zum Hotel führte direkt daran vorbei.

Abb. 9: Kairo – Blick in die heutige Gomhouria-Straße

Abb. 10: Kairo – Sebil der Mutter des Khediven in der heutigen Gomhouria-Straße

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Abb. 11: Zug des Khediven durch die Bab el Hadid in Kairo – Postkarte von 1904.

Doch nicht nur Touristen strömten durch die belebte Straße zu ihren Hotels ins Stadtzentrum. Eine am 30. Juni 1904 abgestempelte Postkarte (Abb. 11) macht deutlich, dass der Khédive auch die Bab el Hadid für seine Auftritte bevorzugte. Sie und ihre Verlängerung führte direkt zum Place d’Abdîn, wo er seinen Amtssitz im Vizeköniglichen Schloss hatte.

statt orientalischer Häuser mit ihren charakteristischen, malerischen Maschrabiyen hässliche Hochhäuser (Abb. 9). Maschrabiyen, Erker aus kunstvoll zusammengefügten filigranen Holzeinzelteilen, muss man im heutigen Kairo mit der Lupe suchen. Hinter ihnen konnten die Frauen unbeobachtet vor neugierigen Männeraugen das Geschehen auf der Straße betrachten.

Doch zurück zur Bab el Hadid. Auf der Postkarte sind deutlich rechts und links Grünanlagen zu sehen. Die findet man in der Gegenwart nicht mehr; alles ist dicht bebaut. Herausragendes Gebäude am Beginn der Straße ist die El-Fatah-Moschee mit einem sehr hohen Minarett. Das im modernen Stil erbaute Gotteshaus erlangte 2013 traurige Mitteilungen der KMG Nr. 181/September 2014

Berühmtheit. In ihr hatten sich Hunderte von Islamisten und Anhänger des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi versammelt. Am 17. August 2013 stürmten Sicherheitskräfte die Moschee, und es kam zu einem Schusswechsel. Knapp ein Jahr später nach seinem ersten Besuch in Kairo fährt Karl May wieder, diesmal am 9. April 1900, durch die Bab el Hadid. Aber jetzt reist er nicht allein; sondern wird von seiner Frau Emma und dem befreundeten Ehepaar Plöhn begleitet. Ihr Ziel ist das Hotel Continental (Abb. 12) gegenüber der Esbekieh. Ob er noch einmal Kontakt zu seinen Wirtsleuten im ›Bavaria‹ aufgenommen hat, wissen wir nicht. Ein Zeitzeuge erinnerte sich später: „Im schlich-

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Abb. 12: Kairo – Gebäude des Hotel Continental mit dem Reiterstandbild Ibrahim Paschas

ten deutschen Gasthaus Schüler [sic!], wo er sechs Wochen lang recht bescheiden Aufenthalt genommen hatte, wurde Karl May nach seiner Wegreise vermißt wie

Sonderheft der Karl-May-Gesellschaft Nr. 151 | 2014

Christopher Schulze

Karl Mays China-Bild Erzählerische Gestaltung und Funktion der Fremde

ein lieber Freund.“2 Sie hatten ihren berühmten Gast nicht vergessen … 2

Hans Rühlmann: Karl May in Kairo. In: KMJb 1923, S. 129.

Christopher Schulze legt eine umfassende Gesamtschau seines Themas vor. Dabei geht er davon aus, dass China als Schauplatz geradezu idealtypisch die ‚Fremde‘ darstellt. Ausgehend von einer Definition der thematischen Leitbegriffe ‚Fremdheit‘, ‚Stereotyp‘, ‚Vorurteil‘ und ‚Bild‘ untersucht er, inwieweit May auf solche Modelle zurückgreift, welche Aspekte chinesischer Kultur er aufgreift und welche er ausspart. Zudem überprüft er, ob und wie sich Mays China-Bild im Laufe seines Schaffens verändert hat. Dabei widerlegt er die bisher gängige These, May habe mit Et in terra pax eine plötzliche Wendung seines China-Bildes zum Positiven vollzogen, und kommt zu dem Schluss, es sei von einer „diskursiven Kontinuität“ geprägt gewesen. 71 S. 5 € zzgl. Versandkosten. Zu beziehen über die Zentrale Bestelladresse der KMG (s. hintere Umschlaginnenseite).

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Jörg-M. Bönisch

Erinnerungen an Max Mühlner, dem ersten Mitarbeiter des Karl-MayVerlags, der vor hundert Jahren in Frankreich fiel

W

er bei seinem Besuch in Radebeul nach der Besichtigung des Karl-May-Museums seine Schritte auch in den Garten der Lutherkirche lenkt, entdeckt sicherlich das Denkmal, das an die Gefallenen des ersten Weltkrieges erinnert, der vor 100 Jahren begann.

stößt vielleicht auch auf den Namen Max Mühlner.

Rechts neben dem Denkmal sieht man die Rückfront der ›Villa Bärenfett‹. Und wer sich die Mühe macht, die verwitterten Inschriften des Denkmals zu entziffern,

Nr. 42 vom 20.2.1914 auf Seite 1584 veröffentlicht.

Im Februar 1914 suchte Dr. E. A. Schmid einen Mitarbeiter per Annonce im ›Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel‹. Diese Anzeige wurde in Nr. 41 vom 19.2.1914 auf Seite 1552 und in

Der Leipziger Max Mühlner, geboren am 1.10. 1890 vermutlich

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in Leipzig, bewarb sich und erhielt die Stelle. Am 1. April 1914 begann seine Tätigkeit, als einziger Mitarbeiter, für den Verlag der Karl-May-Stiftung. Der Verlag hatte in dieser Zeit zahlreiche Schwierigkeiten zu überwinden, und die Arbeit dürfte nicht einfach gewesen sein.

„Im ersten Geschäftsjahr erledigten der Verlagsleiter und sein Gehilfe alle Arbeiten selbst, auch die kleinsten und die größten. Sie hatten keine Schreibhilfe, sondern wechselten sich an der einzigen Schreibmaschine, die das Unternehmen damals besaß, ab.“

als er eben verbunden werden sollte, durch eine Granate getötet.“

Per Eisenbahn wird das Regiment ab dem 14. August nach Westen transportiert. Die Fahrt führte auch über Leipzig. Ob er dabei noch einmal seine Eltern sehen konnte, ist nicht bekannt. Über Luxemburg marschiert das Regiment am 20.8. in Belgien und am 26.8. in Frankreich ein. Es kommt zu zahlreichen Gefechten.

Die Aufzeichnungen des Regiments berichten über die hohen Verluste an diesem Tag bei einem Angriff auf die gegnerischen Stellungen: 47 gefallene, 28 vermisste und 221 verwundete Offiziere und Soldaten.3 Insgesamt werden in diesem Krieg 60 Offiziere und 2153 Soldaten des Regiments ihr Leben lassen.

Dass sich Max Mühlner, wie zahlreiche seiner Berufsgenossen im Kriegsdienst befindet, meldet das ›Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel‹ am 7.10.1914 auf Seite 1497 im Redaktionellen Teil.

Eine Traueranzeige des Verlages und eine Nachricht erscheinen im ›Börsenblatt‹ am 15. Oktober.

Zu diesem Zeitpunkt ist er bereits bei Prosnes gefallen.

wird Mühlner als schwer verwundet und vermisst gemeldet.

In einem Brief vom 13.10. an den Vater Otto Mühlner teilt Dr. Schmid den Eltern den Verlust ihres Sohnes mit:

Dr. Schmid informiert am 21.10. die Eltern, macht ihnen aber wenig Hoffnung:

Noch einmal kommt Hoffnung auf. In der Verlustliste der Sächsischen Armee vom 20.10.1914

berichtete Katharina Schmid später.“1 Seine Aufgaben erledigte Max Mühlner zur vollsten Zufriedenheit von Dr. E. A. Schmid. Im Sommer 1914 verschärften sich die Spannungen in Europa. Am 31. Juli 1914 erklärte Kaiser Wilhelm II. den Kriegszustand für das Deutsche Reich und am 1.  August ordnete er die Mobilmachung an. Auch Max Mühlner erhält die Einberufung zum Königlich Sächsischen Reserve-InfanterieRegiment Nr. 102. An seine Eltern in Leipzig schreibt er am 1. August, dem ersten Tag der Mobilmachung: „Nun ist es gekommen, wie ich es geahnt hatte. […] Ich muß am Mittwoch [5.8. d. V.] eintreffen“.2 Und er infor1 2

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miert seine Eltern noch, dass er sich an diesem Tag verlobt hatte.

Zit. nach: 100 Jahre Karl-May-Verlag. Bamberg, Radebeul 2013, S. 22. Ganz besonders herzlich habe ich

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„Wir erhalten soeben die traurige Nachricht, daß Ihr Sohn Max am Sonntag den 27. September den Heldentod fürs Vaterland erlitten hat. Er wurde an diesem Tag verwundet und, Lothar Schmid (†) für die Briefe von Dr. E. A. Schmid, Max und Otto Mühlner, aus denen ich zitiere und die er mir vor längerer Zeit überließ, zu danken.

„In der neuesten Verlustliste wird nun allerdings Ihr Sohn wieder als ‚schwer verwundet und vermißt‘ bezeichnet. Ein ganz schwacher Hoffnungsschimmer bleibt ja nun allerdings freilich zurück, doch kann man Ihnen leider nicht raten, ihm allzusehr Raum zu geben.“ 3

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Trümper/Bödemann: Das König. Sächs. Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 102. Chemnitz 1929. 45

Weiter berichtet er, dass Karten sowie ein Brief und ein Paket mit Liebesgaben von Klara May mit den Vermerk „gefallen“ zurückgekommen sind. Otto Mühlner schrieb am 7.4.1915 an Dr. Schmid, dass alle Nachforschungen und Anfragen ergebnislos geblieben sind und wohl keine Hoffnung mehr besteht.

Als gefallen wird Max Mühlner dann auch in der Deutschen Verlustliste vom 19.5.1916 gemeldet. In einer Anzeige der Stadt Radebeul und in einer vom Handlungs-Gehilfen-Verband wird auch Max Mühlners gedacht.

Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel vom 15.10.1914, S. 7788

Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel vom 15.10.1914, S. 1536. Redaktioneller Teil

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Radebeuler Tageblatt, 16.3.1915

Eine Grabstätte von Mühlner existiert nicht mehr. Vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. erhielt ich folgende Auskunft: „[…] die im Raum bei Prosnes gefallenen und dort bestatteten deutschen Soldaten nach dem Krieg und während der 20er Jahre […] auf die deutschen Soldatenfriedhöfe 1914/18 Aubérive, Berru und Bligny umgebettet worden sind. […] Max Mühlner konnte vermutlich bei den Umbettungen nicht identifiziert werden. Wir gehen daher davon aus, dass

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auch er in einem Kameradengrab als Unbekannter ruht.“

„Wenn es zum Kampf kommt, dann gehe ich mit Gott und so er will, kehre ich gesund wieder heim. Wenn es mir aber anders beschieden sein sollte, meine lieben, lieben Eltern dann lebt wohl und habt nochmals herzlichen, kindlichen Dank für all Eure Liebe, die Ihr mir gegeben habt.“

(Max Mühlner am 1.8.1914)

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Peter Wayand

Klangexperimentelles Gedankencluster Manos Tsangaris’ Karl-May-Oper ›Raum der Wahrheit‹ in Dresden ›Karl May, Raum der Wahrheit‹. Oper Aufführung am 5. Juli 2014, 19:00 Uhr Semperoper (Semper 2), Dresden

es opernhaft an, denn „Legt die beste Form, um ext-

reme, übermenschliche Gefühle auszudrücken, ist die Oper!“, soll der berühmte US-amerikanische Komponist, Dirigent und Pianist Leonard Bernstein (1918–1990) einmal sinngemäß gesagt haben. Extreme, übermenschliche Gefühle, ja, aber ist die Oper auch die beste Möglichkeit, um freie, überbordende und überschäumende Gedanken und Gedankenfetzen zum Klingen zu bringen? Um diese Kernfrage kreist das neue Experiment, das, im Auftrag der Semperoper in Dresden, in den vergangenen Wochen auf der Probebühne von Semper 2 gewagt worden ist. Drei namhafte Initiatoren haben sich zusammengesetzt, um ein äußerst idealistisches Projekt ins Leben zu rufen, nämlich die erste Oper der Musikgeschichte, die sich, unter dem Titel ›Karl May, Raum der Wahrheit‹, mit dem sächsischen Volksschriftsteller Karl May auseinandersetzt. „Wir wollten keinen Roman von May zur Oper werden lassen“, erinnert sich der Lyriker, Essay-

ist und Romancier Marcel Beyer (*1965), der das Libretto geschrieben hat, an die Anfänge, „wir wollten uns auf ihn als Person konzentrieren.“ Zu dem Wir gehören noch der verantwortliche Theaterregisseur, Autor, Dramaturg und Schauspieler Manfred Weiß (*1958), die Dramaturgin Valeska Stern und natürlich der Komponist, Musiker, Installations- und Performancekünstler und Lyriker Manos Tsangaris (*1956), den man mit der musikalischen Umsetzung des Librettos beauftragt hatte: „[…] selbst wenn vielleicht bestimmte Aspekte von Figuren vor allem in ihrer äußerlichen Erscheinungsweise überzeichnet oder bewusst sehr scharf gezeichnet sind […], war ja für uns alle die Voraussetzung, Karl May als Figur, als Mensch, als Biographie ernstzunehmen. Und das heißt, da hätte sich jede Art von Stilkopie verboten.“

Noch unter der Federführung der ehemaligen Intendantin der Semperoper, Frau Dr. Ulrike Hessler (1955–2012), begann also die Gruppe bereits 2010 mit der

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Umsetzung des Werks, das von vornherein als sehr gewagt eingestuft wurde. Erstens ist das Thema ›Karl May‹, trotz der räumlichen Nähe zu Radebeul und zum Erzgebirge in dieser Form noch nie angegangen worden, zweitens ist die künstlerische Umsetzung, sowohl vom Libretto als auch von der Partitur her, sehr avantgardistisch. Dem Zuschauer und Zuhörer wird zugemutet, die gewohnten Seh- und Hörgewohnheiten gänzlich aufzugeben und sich auf ein zirka einstündiges fünfdimensionales Erlebnis einzulassen, was aber gerade durch seine extravagante Ungewöhnlichkeit in seinen Bann zu ziehen weiß. Bühne und Zuschauerraum bilden eine quadratische Einheit. In der Mitte sitzt ein dünn besetztes Kammerorchester. Ringsherum sind Bühnenteile in unterschiedlichen Höhen gebaut, so dass sich der Eindruck einer unebenen Landschaft, ja, man ist fast versucht, von ›Kraterlandschaft‹ zu sprechen, aufdrängt. An der Decke darüber ist eine gerahmte Leinwand gespannt, die, mal mit Schwarzlicht, mal mit ergänzenden historischen Filmausschnitten und Bildern, das Bühnengeschehen, vor allem das, was am Schreibpult verfasst wird, konterkariert und so wie ein Dimensionsbrecher wirkt: Diesseits Ardistan, jenseits Dschinnistan und das Bühnengeschehen als die Geisterschmiede von Märdistan. Um diesen Bühnenaufbau herum sind die Stuhlreihen für das Publikum angeordnet. Wer nun hinter diesen Stuhlreihen eine Wand vermutet, der irrt sich allerdings gewaltig, denn jenseits der mit wildroman50

tischen Naturdarstellungen Nordamerikas bemalten Stoffbahnen gibt es noch eine Welt, eine mystische Welt der Geister, die sich ständig bemerkbar macht. Der Chor bewegt sich nämlich hinter diesen Stoffwänden und singt und spricht aus dem Off, also quasi die Adaptation einer Filmtechnik für die Theaterbühne, die ihre Wirkung nicht verfehlt. Choristen übernehmen diverse Standrollen, die als Stillleben hinter der Kulisse gestellt und geisterhaft in manchen Szenen punktuell durch den Stoff sichtbar werden. Der Chor, der, angelehnt an die aristotelische Dramentheorie, sich kommentierend und wertend dem Geschehen auf der Bühne widmet, agiert sowohl hinter den Kulissen als auch auf den Bühnenteilen davor, wo sich insgesamt fünf Darsteller ihren Rollen widmen. Es gibt gleich drei Karl Mays, einen jungen (Rainer Maria Röhr), einen alten (Julian Arsenault) und einen, der schlicht mit „Karl May spricht/schreibt“ bezeichnet wird (Julian Mehne). Diesen Reigen ergänzen prächtig die beiden Ehefrauen Mays, Emma Pollmer (Julia Mintzer) und Klara Plöhn (Romy Petrick). Diese fünf Sänger agieren rein klassisch in der Verwendung ihrer Stimmen, eine Reminiszenz an die große Gesangstradition der Semperoper, die den „Raum der Wahrheit“ dann doch in eine gewisse zeitliche Nähe zum 19. Jahrhundert rückt, wobei es allerdings dann auch bleibt, denn das Orchester, das unter der hervorragenden Leitung seines Dirigenten Erik Nielsen steht, schöpft alle Mittel der sogenannten neuen Musiksprache aus. Wer hier

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schwungvolle Melodien und eine harmonische Klangstruktur erwartet, ist fehl am Platz, vielmehr bestechen die Musiker durch das Erzeugen von Geräuschen und Klangclustern, die das Geschehen wunderbar illustrieren und einen dramaturgisch wichtigen und spannungserzeugenden Kontrast zu den rein klassischen Solostimmen bilden – eine notwendige und produktive Reibung. Eine überragende Leistung von Sängern und Musikern, ein großes Lob an alle Beteiligten und vor allem den musikalischen Leiter, der es durch sein ruhiges, besonnenes Dirigat immer wieder versteht, dieses schwierige, vertrackte ›Zeugs‹ zu meistern und zu wunderbarem Bühnenleben zu erwecken. Dem Zuschauer bleibt im Rahmen dieses Bühnengesamtkonzepts eine Verortung des eigenen Selbst versagt. Länge, Breite, Höhe, Zeit und Transzendenz verschwimmen zu einem transdimensionalen Cluster, in dem das Publikum absolut integriert als pars pro toto mitspielt. Der „Raum der Wahrheit“ oder vielmehr der Raum, in dem sich Wahrheiten abspielen, Wahrheiten stattfinden, Wahrheiten gesucht und gefunden werden, weist, trotz Verschmel-

zung von Realität und Fiktion, mit unverhohlenem Zeigefinger in die Zukunft des Theaters und Musiktheaters. Wenngleich der May-Kenner nichts wirklich Neues erfährt, keinerlei neues Licht auf seinen verehrten Schriftsteller geworfen sieht, so wird ihm doch drastisch Mays Schwäche und seine psychische Problematik vor Augen geführt. Wie sieht es in einem pseudologischen Phantasten aus? Wie fühlt ein Mensch, der Realität und Fiktion nicht mehr auseinanderhalten kann? Befindet sich dieser Mensch nicht in einem andauernden Zustand der inneren Auflösung, des ständigen Verlusts von Grenzen und bewussten Übergängen? Wie empfindet er sich im linearen Zeitstrom der eigenen Existenz selbst? Begegnet er der eigenen Vergänglichkeit und auch der trügerischen Verblendung eines auf Selbsttäuschung aufgebauten Erfolgs?

Karl May, Raum der Wahrheit: Julian Mehne (Karl May spricht) und Julia Mintzer (Emma Pollmer). Foto: Matthias Creutziger.

Konsequent ist dann das kurze Libretto von Marcel Beyer, dessen Prägung durch Friederike

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Karl May, Raum der Wahrheit: Rainer Maria Röhr (Karl May jung) und Julian Arsenault (Karl May alt). Foto: Matthias Creutziger. (Mehr Fotos und ein Video auf der Homepage der Semperoper: http://www. semperoper.de/ oper/premieren/ detailansicht/ details/60035/ besetzung/20816. html)

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Mayröcker (*1924), über die er seine Magisterarbeit geschrieben hat, unverkennbar ist, auch ohne Handlung. In zwölf Bildern konfrontiert der Autor in Verbindung mit der Musiksprache den Rezipienten mit verschiedenen Grundkonzepten des May’schen Schriftstellerlebens – oder sollte man besser sagen, Schriftstellerdaseins? Der Kreislauf von Leben und Sterben, der Sprachverlust des alten May und der neologistische Erfindungsreichtum des jungen Autors, die Phantasmen der großen Pläne, die May immer wieder schmiedet, die Old-Shatterhand-Legende, sächsische Séancen und der darin zum Ausdruck kommende Hang zum Spiritismus – im übrigen ein Phänomen der Zeit, nicht nur der May’schen Biographie, dem zum Beispiel auch der britische Schriftsteller Sir Arthur Conan Doyle (1859–1930), der Erfinder Sherlock Holmes’, anhing – die grausamen, lebenszerstörenden Angriffe auf den alten Mann, den Publikumsliebling, die Auslandsreisen

in den Orient und nach Nordamerika, die damit verbundene Konfrontation mit der historischen Wirklichkeit und schließlich das Aufkommen des neuen Mediums Film als große Konkurrenz zum Buch sind die Themen des Textbuchs, das in der Gestalt eines großen dramatischen Gedichts daherkommt. Allerdings nicht als lyrische Reminiszenz auf das 19. Jahrhundert, sondern als kurze, im wahrsten Sinne des Wortes ›verdichtete‹ aus einzelnen Worten und verknappten Satzteilen bestehende Sprachcluster. Modern, gewagt, avantgardistisch, mutig, aber genialisch und zukunftsweisend. Das Libretto wurde dann auch komplett dem hübsch und mit viel Verve erstellten Begleitheft beigegeben. Und dieses Heft ist ein kleines Kunstwerk für sich. Eigentlich ein riesengroßes Faltblatt, doppelseitig bedruckt mit vielen wichtigen Informationen in unterschiedlicher Druckanordnung. Eben ein Spiegelbild der Stück-, Bühnen-, Regie- und Musikkomposition.

ein großes Wagnis auf sich genommen, ein finanzielles Risiko, denn die Oper wird mit Sicherheit kein Publikumsliebling werden; jedenfalls noch nicht in der heutigen Zeit. Zu speziell ist das Thema, zu ungewöhnlich und eigen die musikalische Umsetzung. Das Gros der üblichen Opernbesucher wird mit einem solchen Werk wenig anfangen können, da gibt es keine Ohrwürmer, keine den Ohren schmeichelnden Harmonien, keine Katharsis auslösende dramatische Handlung. Es ist intellektuelles Musiktheater, ein Stück, zu dessen Verständnis Hintergrundwissen bitter nötig ist, und selbst eingefleischte Fach-

leute müssen sich intensiver damit befassen, um entsprechende Ansatzpunkte zu entdecken. Aber das Gesamterlebnis ist ein alle Sinne ansprechender, transdimensionaler, transmedialer Genuss für all jene, die die Bereitschaft mitbringen, sich darauf wirklich offen einzulassen. Und ihrer möge es in Zukunft noch viele geben, denn verdient hätte es das Stück, aber es wird wohl das Schicksal vieler solcher moderner Arbeiten ereilen, nämlich eingepackt im Fundus vergessen zu werden. Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich ja zuletzt – oder nie, wie Karl May.

Vor kurzem erschienen

K ARL M AYS W ERKE Historisch-kritische Ausgabe Herausgegeben von der Karl-May-Gesellschaft

Abteilung IV – Reiseerzählungen, Band 9

Im Lande des Mahdi. Erster Band Reiseerzählung zu beziehen durch: Karl-May-Museum Radebeul, Karl-May-Straße 5, 01445 Radebeul [email protected] • www.karl-mays-werke.de

Was bleibt am Ende noch zu sagen? Die Semperoper hat mit der Verwirklichung dieses Projekts

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Jörg-M. Bönisch

Die Karl-May-Stummfilme und die Ustad-Film GmbH im Spiegel der Filmzeitschriften 1920/21 (Teil 10) reift auch der „UndTag,baldan dem der erste

K a r l M a y-F i l m über die Leinwand rollen wird. Der Traum aller Gymnasiasten und solcher, die es werden wollen, ist in Erfüllung gegangen!“1

Am 7. Oktober 1920 war es endlich soweit.

Dresdner Nachrichten, 64. Jg., Nr. 404/7. Oktober 1920, S. 8

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Illustrierte Film Woche, Nr. 43/23. Oktober 1920, S. 454. Mitteilungen der KMG Nr. 181/September 2014

Einen Tag später berichteten die ›Dresdner Nachrichten‹ über die Uraufführung. „Karl May im Film. Findige Filmregisseure haben sich nun auch der farbenglühenden Reiseerzählungen Karl Mays bemächtigt, eines fertigen Stoffes, der wie kaum ein anderer Gelegenheit bietet, phantastische Bilder aus fernen Welten und Zelten auf die weiße Flimmerwand zu malen. Mit Genehmigung des Karl-May-Verlages in Radebeul ist eine Serie künstlerischer Großfilme im Entstehen begriffen, deren erster am gestrigen Donnerstagmittag vor geladenen Gästen in den K a m m e r- L i c h t s p i e l e n in der Wilsdruffer Straße seine Uraufführung erlebte. ‚A u f d e n Tr ü mm e r n d e s P a r a d i e s e s‘ benennt sich das sechsaktige Filmschauspiel und ist stofflich entnommen dem Kapitel ‚Der Überfall‘ aus der Reiseerzählung ‚Von Bagdad nach Stambul‘. Karl Mays Schriften sind so bekannt, daß sich eine Beschreibung der Handlung erübrigt. Es soll hier nur kurz gesagt werden, was die Filmkünstler daraus gemacht haben. Es ist ein köstliches phantastisches Gebilde geworden mit entzückendem landschaftlichen Hintergrunde und glänzenden darstellerischen Leistungen der Schauspieler, von denen nur Gustav Kirchberg, Meinhart Maur, Carl de Vogt, Beate Herwigh, Anna v. Pahlen und Dora Gerson genannt seien. Die fremdländisch anmutenden Aufnahmen sind in Dresdens nächster Nähe erfolgt: bei Pillnitz und in einem Steinbruche bei Pirna, der zum Trümmerfelde am Euphrat umgewandelt wurde. Ob hierbei wohl Prof. Sascha Schneider Mithelfer war? Er wohnte als sehr interessierter Zuschauer der Vorstellung bei. Auch die Witwe Karl Mays war zugegen und viele Bühnengrößen, die sich an dem vollendeten Spiele ihrer Kolleginnen und Kollegen erbauten. Auch Männer von Rang und Würden waren erschienen und bewunderten die neue

grandiose Schöpfung der Filmindustrie. Die Kammer-Lichtspiele dürften in den nächsten Tagen das Ziel Tausender bilden.“2

Leider geht die Zeitung in ihrer durchaus positiven Kritik nicht auf den Inhalt des Filmes ein. Die optimistische Vorhersage sollte sich nicht erfüllen. Mehr auf die Handlung des Films gingen die ›Dresdener Neueste Nachrichten‹ in ihrer Besprechung am 10. Oktober ein. Aber auch sehr kritische Töne finden sich in dem Bericht. „Der erste Karl-May-Film In den Kammerlichtspielen wird der erste Karl-May-Film gezeigt: ‚Auf den Trümmern des Paradieses‘ nach dem Kapitel ‚Der Ueberfall‘ aus der Reiseerzählung ‚Von Bagdad nach Stambul‘. In einem Vorspiel läßt Marah Durimeh, die Menschheitsseele, den Helden Kara Ben Nemsi in einem geheimnisvollen Kristall seine früheren Schicksale sehen. Im 7. Jahrhundert n. Chr. kämpft er als Abd ul Malik gemeinsam mit Halef für Hassein, den Enkel des Propheten. Die große Spaltung in der Welt des Islam geht weiter. In diesem Streit zu helfen und zu heilen gebietet Marah Durimeh dem Helden. Das eigentliche Spiel zeigt sein erstes Abenteuer in diesem Dienst: Das Lager des Prinzen Hassein Ardechis wird von den Kurden überfallen. Kara Ben Nemsi und Halef stehen ihm bei. Ueberfall, Verrat, Flucht, bunte Schicksale. Das etwa ist der Film. Der Gedanke, Karl May zu filmen, war zweifellos glücklich. Idealeren Stoff für einen Film kann man sich nicht denken als die lebendigen Abenteuererzählungen Karl Mays mit dem Hintergrund der fremden Land2

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Dresdner Nachrichten, 64. Jg., Nr. 406/8. Oktober 1920, S. 4. 55

schaft. Leider hat der Filmautor seine Aufgabe von einer anderen Seite angefaßt. Dieselben Einflüsse, die Karl May dahin brachten, daß er in seinen späteren Werken seine Neigung zur Symbolik und Mystik auf Kosten seines gesunden, frischen Tatsachensinns überwuchern ließ, waren auch bei diesem Film am Werke. Man hat ein mit schwerer Phantastik beladenes, den naiven Beschauer verwirrendes Vorspiel ersonnen, das an die tiefsten Probleme rühren will. Wozu? Um eine harmlose, von einem glänzenden Fabulieren ersonnene Abenteuererzählung zu ‚motivieren‘. Von Karl May blieb dabei wenig. Neugierig gespannte Jugend wird hingehen und ihren Karl May vergebens suchen. Schade! Der Film an sich ist gut. Gewandte Technik in der Szenengliederung, meisterliche Auswahl und Erfassung landschaftlicher Bilder, die Massenszenen dramatisch aufgebaut. Elbsandsteinbrüche bei Pirna sind in die Trümmerfelder am Euphrat geschickt verwandelt. Der Helfenberger Grund, der Elbestrand erscheinen als kurdische Landschaft durchaus glaubwürdig. Als Darsteller verdient Meinhart M a u r vor allem Lob. Er hat Karl May gelesen und verstanden. Carl d e Vo g t stellt eine glänzende Filmheldengestalt hin, aber keinen Kara Ben Nemsi. Ihm fehlt die Innerlichkeit, die Güte unter Verzicht auf alle Pose. Freilich trägt daran der Filmautor die Schuld, der dem Helden, dem Verkünder der christlichen Ethik um jeden Preis die Worte zumutete: ‚Und‚ du hast Saduk nicht getötet?‘ Zu loben war die Maske der Marah Durimeh. – Man will Karl May weiter filmen. Hoffentlich wirklich Karl May.“3

Von den Filmzeitungen berichteten nur der ›Film-Kurier‹ und 3

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Dresdener Neueste Nachrichten, 10. Oktober 1920.

›Der Film‹ von der Uraufführung in Dresden. Die anderen veröffentlichten Kritiken des Films erst nach der Berliner Erstaufführung. Der ›Film-Kurier‹ informierte seine Leser am 12. Oktober 1920. In diesem Artikel überwiegt die negative Kritik, und dass der Direktor der Kammerlichtspiele bei der Uraufführung sogar den Schluss umstellte, spricht wohl auch gegen einen gelungenen Film. Im Einzelnen schrieb die Zeitung: „Fi l m-K r i t i k Karl May-Film Uraufführung: Kammerlichtspiele Dresden. (Von unserem Korrespondenten) Dresden, 12 Oktober. ‚Auf den Trümmern des Paradieses‘ nennt sich der erste K a r l - M a yF i l m, resp. der zweite, denn der erste ist, obwohl fertiggestellt, bis jetzt noch nicht zur Aufführung gelangt. Der Gedanke, Karl May zu verfilmen, war gut, die Ausführung – das Manuskript – jedoch, ist der glühenden, farbenprächtigen Schilderungsweise nicht gerecht geworden. Dieser Ausschnitt ‚Von Bagdad nach Stambul‘ ist kein Karl May. Drei Handlungen laufen nebeneinander, zwei Akte Traum, ein Akt Erzählung, vier Akte Handlung. Um diesen Film richtig zu verstehen, muß man unbedingt die Beschreibung gelesen haben. Darin liegt der große Fehler. Die Regie S t e i n s hat mit viel Liebe gearbeitet, prächtige Landschaftsbilder, brillante Architektur, glänzende Massenszenen und Einzelspiel, auch die Photographie R o n a s ist, abgesehen von einigen überlichteten und unscharfen Bildern, auf der Höhe. Das Ganze macht den Eindruck einer schönen Frau ohne Seele. Unter den Darstel-

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lern verdient vor allen M e i n h a r d M a u r als Halef Omar und Saduk ein uneingeschränktes Lob. Seine beiden Gestalten sind von Lebenssaft durchströmt. Auch E r w i n B a r o n schuf Prachttypen voll Rasse. C a r l d e Vo g t zeichnete sich durch routiniertes Spiel aus, der große Zug der Güte und Religiosität war leider zu blaß. Besonderer Dank gebührt Direktor P f o t e n h a u e r von den Kammerlichtspielen, der als bekannter Fachmann helfend eingriff, indem er die recht oft unverständliche Handlung durch Einschieben von Titeln dem großen Publikum wenigstens etwas näher brachte und den Schluß umstellte. Unmögliches zu schaffen war natürlich auch ihm nicht möglich, der Film hat keinen Schluß. Die Hauptpersonen reiten in die Ferne, wird sie Omram erreichen? Wer weiß es! Der Zuschauer verläßt unbefriedigt das Theater. Schade, sehr schade! Die schönheitstrunkenen Einzelbilder können nicht retten. Hoffen wir, daß bei den weiteren Karl May-Filmen der Autor sorgfältiger zu Werke geht und die Psyche Karl Mays voll erfaßt. Efah.“4

Auch für den Kritiker der Zeitschrift ›Der Film‹ ist dieser Film kein Karl-May-Film geworden. „Auf den Trümmern des Paradieses Phantast. Filmschauspiel in 6 Akten, nach einem Kapitel: ‚Der Ueberfall‘ in der Reiseerzählung ‚Von Bagdad bis Stambul‘ von Karl May. Für den Film bearbeitet von Maria Luise Droop, Regie Joseph Stein. Bauten und Dekoration Gustav Knauer. Photographie Joseph Rona. Fabrikat Ustad-Gesellschaft. Die vielen Anhänger Karl Mays werden die Theater stürmen und ihren Karl May nicht finden, dafür gute, ja vorzügliche, künstlerisch gestellte Bilder 4

Film-Kurier, Nr. 229/12. Oktober 1920, S. 2.

des Orients, ein malerisch schönes Bilderbuch, aber keinen Karl MayFilm. Karl May, der Gott der Jugend, verfilmt, ein famoser Vorwurf. Dazu gehört allerdings mehr als ein künstlerisch und photographisch schönes Bilderbuch mit einigen interessanten Momenten. Frau Louise Droop wollte jeden Kitsch vermeiden, das ist ihr auch gelungen, doch dabei ist sie zu stark nach rechts gerutscht und im künstlerischen Fluge nach oben manchmal unverständlich geworden. Einzelnes, so die Erzählung der Erlebnisse mit Saduk, in die immer die Wirklichkeit hineinspielt, erfordern eine riesige Aufmerksamkeit des Zuschauers und schwächen die an für sich wirksame Erzählung. Eine ganz vorzüglich gestellte Szene des Herausreißens der Zunge Saduks dominiert, nur halte ich es für unmöglich, daß Saduk nach dieser entsetzlichen Prozedur durch den Saal zu seinem Herrn laufen kann! Das orientalische Milieu in der sächsischen Schweiz und im Helfensberger Grunde gestellt, verdient alles Lob. Die Darstellung Meinhard M a u r s, der 3 Rollen spielt, ist mustergiltig. Auch Erwin B a r o n brachte den brutalen Helden prachtvoll. Carl d e Vo g t schöpfte seinen Kara ben Nemsi nicht voll aus, er war teilweise viel zu farblos. Die übrigen Mitspielenden waren in mehr oder minder kleinen Rollen durchgängig einwandfrei. Josef R o n a, als Operateur, hat sich mit diesem Film unbedingt einen Namen gemacht. Dankenswert hat auch Direktor Pfotenhauer vom Kammerlichtspiel in Dresden durch Einschiebung von Titeln und Umstellung des Schlusses mitgewirkt. Hoffen wir, daß sich der weitere Karl Mayfilm durch Klarheit der Handlung auszeichnet, dann wird bei den vielen erstklassigen Mitarbeitern Herr Knevels auch geschäftlich den verdienten Erfolg zu verzeichnen haben. F. A.“5 5

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Der Film, Nr. 42/16. Oktober 1920, S. 40: die Schreibweise entspricht dem Original. 57

Die Kritiker der beiden Zeitungen und auch der ›Dresdner Neuesten Nachrichten‹ sind sich einig, dieser Film ist kein Karl-MayFilm geworden. Und auch Karl de Vogt konnte in der Hauptrolle wohl nicht überzeugen. Gelobt wurde der Kameramann des Films Josef Rona. Seine Lebensdaten konnte ich nicht ermitteln. Das ›Film-Magazin‹ veröffentlichte 1920 ein Foto von ihm und einige Informationen über seine bisherigen ereignisreichen Tätigkeiten (s. Abb. oben).6 Wie die weitere Verbreitung des Films nach der Uraufführung in Deutschland war, lässt sich an Hand der Filmzeitschriften nicht nachweisen. 6

58

Film-Magazin. Verlag Reinhold Kühn, Berlin 1920, S. 538f.

Bereits am 21.10. erfolgte eine Presse- und Interessentenvorführung (Kinobesitzer) des Films in Wien (vgl. die Abb. S. 59). Eingeleitet wurde diese Vorführung mit einem Vortrag von Amand von Ozoróczy aus dem die beiden österreichischen Filmzeitschriften ›Der Filmbote‹ und die ›Neue Kino-Rundschau‹ ausführlich zitieren: „Karl May kennt jeder und liest jeder oder hat ihn zumindest gelesen. Der Karl May-Verlag berichtet über einen Auflagenstand von über drei Millionen, und das allein in deutscher Sprache. Interessant ist, daß nach einer Mitteilung der ‚Bosnischen Post‘ (Sarajewo) die Werke Karl Mays noch während des Krieges von Professor Schuzuki ins Japanische übertragen worden sind. Karl May ist vor allem der Abgott der Jugend, dieses Wort in jenem weitesten Sinne genom-

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men, in dem auch der Graukopf jung ist, wenn er sich die Begeisterungsfähigkeit für Ideale bewahrt hat. Auch andere haben abenteuerliche Handlungen geschaffen, Spannungen und Effekte, über sie hinaus aber hat Karl May den idealen Schwung, bietet das ideale Ich, wo Kara Ben Nemsi das Herz und sein getreuer Hadschi Halef den Mund auf dem rechten Fleck hat. Hier ist Bruderliebe, bis zur Feindesliebe gesteigerte Menschenliebe, die grandiose Perspektive der Völkerversöhnung und Völkerverbrüderung. Das braucht unsere Zeit und das braucht auch der Film. Alles theoretische Gerede von Kinoreform ist müßig; gebt uns edle Filme, so wird sich das Kino veredeln. Es hat den Weg von der Volksunterhaltung zur Volkserziehung vor sich und mit und durch Karl May wird es diesen Weg machen. Karl May hat Reiseromane geschrieben, von denen ein Teil in Amerika an den jetzt längst verwischten Indianergrenzen spielt. Ihre ureigenste Domäne aber ist

der Orient, der auch den Schauplatz des gezeigten Filmes bildet. Mays ganze Liebe gehört dem Orient und fast könnte man sagen, die Liebe des Orients gehört wieder Karl May, dessen Gabe einer unerschöpflich bilderreichen Phantasiefülle direkt aus dem Oriente zu stammen scheint; in einer der interessantesten Episoden der morgenländischen Geschichte wird der Beschauer des ersten May-Films auf dem Wege eines Traumgesichtes eingeführt. Weit entfernt, sein Stoffrecht etwa als Monopolgebiet eifrig zu hüten, kann im Gegenteil Karl May gar nicht begreifen, daß andere Dichter nicht auch ins Morgenland gehen, dessen Stoffe dem künstlerischen Faltenwurf so sehr entgegenkommen. Er ruft es ihnen zu in einem Gedichte, aus dem eine Strophe als Leitmotiv auf die Einladungskarten gesetzt war. Dieses ‚Unseren Dichtern‘ aus dem 49. Bande der gesammelten Werke rezitierte zum Schluß der Vortragende frei aus dem Gedächtnis, von einem

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links: Der Filmbote, Nr. 42/16. Oktober 1920, S. 72 rechts: Neue KinoRundschau, Nr. 189/ 16. Oktober 1920, S. 53

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machtvollen Organ unterstützt, mit rhetorischem Schwung und zündender Wirkung.“7

Anders als seine deutschen Kollegen findet der Kritiker des ›Filmboten‹ lobende Worte für den Film. Einige Auszüge: „Wo die Möglichkeit, Karl May’s Werke zu lesen, aufhört, stellt das Kino sich mit der Gelegenheit ein, sie zu sehen. Tausende von Menschen, die sich die im Sonnenlicht edler Menschlichkeit prangenden Werke des Dichters, deren ethischer und volksbildnerischer Wert immer mehr gewürdigt wird, kaufen möchten, verlassen den Buchladen mit einem sehr langen Gesichte; nicht weniger als 80 bis 90 Kronen kostet ein Werk von ihm. […] Sicherlich wird ein Karl May-Film nicht nur jene in das Kino führen, die Karl May noch nicht kennen, sondern auch jene anderen ungezählten Tausende, die kaum der Versuchung werden widerstehen können, sich ihren Liebling im Wandelbild zuzuschauen. Der Film […] wird ihnen nun manche Ueberraschung bringen. Was die szenische Darstellung betrifft, so beweist diese wieder einmal die schier unbegrenzte Wirkungsmöglichkeit der kinematographischen Inszenierungskunst. Es ist geradezu erstaunlich, was alles auf dem Sand der Brandenburgermark entstehen kann. Einige Kilometer weit von der modernsten Metropolis Europas reiten wir an den Ufern des Flusses, der das Paradies durchströmte, wandern wir durch die Straßen der Hauptstadt der Königin Semiramis und über Trümmerfelder, die zu den ältesten Kulturdenkmälern der Menschheit zählen und lernen die Geheimnisse von Konstantinopel kennen. Was den textlichen Teil betrifft, so wird der Leser von May’s Werken 7

60

Der Filmbote, Nr. 44/30. Oktober 1920, S. 18; Neue Kino-Rundschau, Nr. 192/6. November 120, S. 13f.

allerdings in dem Film einigen Charakteren begegnen, die er bis jetzt nicht gekannt hat. Die Frage ob dieser Personalzuwachs nötig gewesen, ist eine müßige angesichts der Tatsache, daß die Wirksamkeit des Bildes dadurch sicher nicht gelitten und der Charakter des Werkes keine Verblassung erfahren hat. Der Stempel des Genius bleibt ihm erhalten. […] Die Tragkraft des ersten Karl MayFilms ist nicht zu bezweifeln; sie ist groß genug sich selbst auf die folgenden zu übertragen, was genug sagt.“8

Sehr kurz fiel dagegen die Besprechung der ›Neuen Kino-Rundschau‹ aus: „[…] sei bemerkt, daß die Vision am Anfange des Films zu ausführlich behandelt wurde und beinahe drei Akte füllt, während die Haupthandlung teilweise sprunghaft und unklar erscheint. […]“9

In die Wiener Kinos kam der Film allerdings erst am ersten April 1921. In Deutschland meldeten die Filmzeitschriften Ende Oktober, dass die Erstaufführung des Films in Berlin am 5. November erfolgt: „Der von uns besprochene erste Karl May-Film (Ustad-Film) „Auf den Trümmern des Paradieses“ wird am 5. November d. J. in Berlin der Oeffentlichkeit vorgeführt, und zwar im Film-Theater Motivhaus.“10

Nach dieser Erstaufführung in Berlin erschienen auch in den anderen 8 9 10

Der Filmbote, Nr. 44/30. Oktober 1920, S. 25. Neue Kino-Rundschau, Nr. 191/30. Oktober 1920, S. 17. Der Film, Nr. 43/23. Oktober 1920, S. 51.

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Filmzeitschriften Kritiken über den Karl-May-Film. Der Kritiker der ›Lichtbild-Bühne‹ meinte: „In die romantische Welt des Islam führt im Motivhaus der erste Carl May-Film […]. Carl de Vogt als Kara ben Nemsi und die anderen Darsteller tun ihr Bestes, um uns Carl Mays Helden menschlich nahe zu bringen. Viele Texte müssen dem Verständnis des Zuschauers nachhelfen, manche Einzelheiten verwirren, und doch geht es mit diesem Film wie mit den Büchern Carl Mays, es liegt ein eigener Reiz über den entzückenden Märchenbildern, wundervolle Landschaften bieten dem Auge wohltuende Ruhepunkte. […]“11

Die ›Deutsche Lichtspiel-Zeitung‹ urteilt wie folgt: „Mit diesem Film beginnt die von der Ustad-Film-Gesellschaft geplante Verfilmung der Carl May-Romane. Der erste Film zeichnet sich durch Leistung der Regie, die in den Händen von Joseph Stein lag und durch die Leistungen der Darsteller aus […] Dagegen ist das Manuskript vollkommen mißlungen. Die Bearbeitung durch Marie Louise Droop wußte nicht einmal die Atmosphäre der Carl May’schen Romane wiederzugeben. Spannung wurde nicht erzeugt, vielmehr flossen Vision und Wirklichkeit wirr durcheinander. Daß der Film gleichwohl genießbar war, ist eben den Darstellern, der Regie und vor allem dem Architekten Knauer und dem Photographen Rona zu verdanken.“12

Ausführlich besprach ›Der Kinematograph‹ den Film. Da die Zeitung auch umfangreich über den 11 12

Lichtbild-Bühne, Nr. 46/13. November 1920, S. 35. Deutsche Lichtspiel-Zeitung, Nr. 46/13. November 1920, S. 6.

Inhalt des Filmes eingeht, ist dieser Bericht besonders interessant. „Nun ist im Motivhaus auch der erste Carl May-Film aus der Taufe gehoben worden. Wer dabei Indianer- und Wildwestszenen zu sehen erwartete, der wird zunächst enttäuscht gewesen sein. Eifrige May-Leser werden aber wissen, daß der bekannte Vielschreiber seine Stoffe in allen Erdteilen gefunden hat, und vielleicht sind gerade die weniger berühmten, außerhalb der Indianerzone sich abspielenden Erzählungen nicht seine schlechtesten.

Film-Kurier, Nr. 250/5. November 1920, S. 4 (Der Hinweis Uraufführung trifft nur für die erste Aufführung in Berlin zu.)

Der vorliegende Film greift ein interessantes Kapitel aus einer Reiseerzählung heraus, das in Form einer Rahmenhandlung die Kämpfe zwischen den Fatimiden und Ommejaden, den

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rechtmäßigen und unrechtmäßigen Nachfolgern des Propheten Mohammed schildert. Kara ben Nemsi, der Pfadfinder in der Wildnis der menschlichen Seele, der mit seinem treuen Diener Hadschi Halef Omar das Land durchkreist, um allen Elenden und Bedrückten zu Hilfe zu kommen, erlebt diese Kämpfe im Traum, während er sich in einer Höhle Kurdistans zum Schlaf niedergelegt hat. Er sieht, wie der rechtmäßige Nachfolger des Propheten mit seinen Anhängern dem Durst erliegt, da ihm seine Feinde in dem wasserarmen, sonnendurchglühten Land den Weg zum lebenspendenden Euphrat abgeschnitten haben, sieht das klägliche Ende der tapferen kleinen Schar, die, wehrlos geworden, schließlich den feindlichen Pfeilen zum Opfer fällt. Als Kara ben Nemsi aus schwerem Schlaf erwacht, ruft ihn sein Diener, er möge einer persischen Reisegesellschaft zu Hilfe kommen, die von einer Schar Kurden überfallen wurde. Es gelingt ihm, die Ueberfallenen, einen persischen Prinzen und seine Begleiter, zu retten, doch hört er aus der Geschichte des Prinzen, die ihm dieser erzählt, daß ihm noch immer Gefahr droht. Er rät ihm, das Lager abzubrechen, und macht sich mit dem neugewonnenen Freund eilig auf den Weg nach Bagdad. Hier schließt der Film, etwas unbefriedigend […]

Auch nicht sehr positive Urteile von Berliner Tageszeitungen liegen mir vor. Hier einige Auszüge: „Gestern wurde nun der erste MayFilm […] uraufgeführt. Man sollte eine bittere Enttäuschung erleben. Anstatt einen interessanten, spannenden, fesselnden Film zu sehen – wie es gar nicht anders zu erwarten war – (gibt es einen Leser, der jemals beim Lesen eines May-Buches Langeweile hatte?) – bekam man einen Film zu sehen, der gerade auslangte, die Aufmerksamkeit der Zuschauer zu fesseln. Marie Luise Droop hatte die Verfilmung übernommen. Wirklich eine ‚Ver‘-filmung. […] fertigte sie ein Manuskript – – der liebe, gute Karl May würde sich im Grabe umdrehen, wenn er es sehen könnte. Armer Karl May, Liebling unserer Jugend, der du durch deine wundervollen Erzählungen, deinen blendenden Stil, deine fließende Schreibweise uns so manche schöne Stunde beschertest. Wie ist dein ‚Werk‘ von Marie Luise Droop mißhandelt […] worden!“15

Der Film hat manche gute Eigenschaften, vor allem sehr schöne klare Bilder […] dagegen vermißt man die eigentliche straffe Handlung, die durch den Traum und die Erzählung des geretteten Perserprinzen allzulange Unterbrechung erfährt und mehr zur Nebensache wird. Das Manuskript scheint hier aus dem Wust des Stoffes nicht gerade glücklich zusammengestellt zu sein […]“13

„[…] muß jedoch festgestellt werden, daß Marie Luise Droop, die als Verfasserin dieses ersten Filmes zeichnet, keine gerade glückliche Hand gezeigt hat. […] Marah Durimeh (die Menschheitsseele) hätte idealisierter gegeben werden müssen. […] Auf die Masken sollte mehr Sorgfalt verwendet und dem Beschauer durch entsprechende Wortbilder der Gang der Handlung wenigstens etwas verständlich gemacht werden.“16

Und der Kritiker der ›Illustrierten Film Woche‹ urteilt kurz

14

13

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und knapp: „Den Film nach den Karl May Erzählungen hatte ich mir doch etwas anders gedacht […]“14

Der Kinematograph, Nr. 722/14. November 1920.

15 16

Illustrierte Film Woche, Nr. 46/47 vom 20. November 1920, S. 494. Neue Zeit, Charlottenburg, 6. November 1920. Der Tag, 6. November 1920.

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„Carl Mays verfilmte Reiseerzählung von Bagdad nach Stambul, erlebte gestern […] ihre Uraufführung. Ein verlorenes Bemühen, den Jahrhunderte alten Kampf zwischen den dynastischen Richtungen des Islam im Film darstellen zu wollen. Es bleibt nur eine verworrene zwischen Traum und Wirklichkeit schwankende Geschichte übrig, die unbefriedigt läßt.“17 „[…] Der Regisseur Josef Stein […] daß Kostüme auf Schwarz- und Weißwirkung, Kontur und Plastik gewählt werden müssen, überläßt er der Erkenntnis späterer Generationen. Es muß im 7. Jahrhundert christlicher Zeitrechnung, wie die mohamedanische Seherin dem Helden verkündet noch keine Kriegsware gegeben haben, denn als der Enkel Mohameds im Feldlager nach wochenlanger Belagerung halb verdurstet stirbt, sinken sein samt- und seidenes Theaterkostüm, der reihergeschmückte Turban makellos auf den weichen Pfühl. Hübsch ist es auch, daß persische Bogenschützen sich, wahrscheinlich in der Volksschule eine so elegante Lateinschrift aneignen, und einen perforierten Notizblock bei sich tragen. Denn wenn der stumme Sadok […] die verräterische Botschaft senden will, benutzt er liebenswürdig unsere europäischen Methoden.“18

Die Zitate aus den verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften belegen wohl eindeutig, ein KarlMay-Film, wie ihn sicherlich auch die große Schaar seiner Leser erwartet hatte, war der Ustad-Film nicht gelungen. Erstaunlich ist auch, dass, im Gegensatz zu den anderen Filmge17 18

Berliner Abendpost, 7. November 1920. Berliner Börsen-Courier, 13. November 1920.

sellschaften und Verleihfirmen, das Filmhaus Bruckmann für den fertigen Film in den Fachzeitschriften fast keine Werbung machte. Auch das könnte die Kritiker durchaus beeinflusst haben. Nur in der ›Lichtbild-Bühne‹ wurde eine ganzseitige Anzeige veröffentlicht. Später änderte das Filmhaus seine Strategie in Sachen Werbung. Bei den Karl-May-Filmen meinte man wohl, der Name Karl May ist zugkräftig genug.

Über die Resonanz des Publikums und die weitere Verbreitung in Deutschland ist den Zeitschriften nichts zu entnehmen. Nur bei herausragenden Filmen wie z.  B. ›Die Nibelungen‹ wurde über Besucherzahlen berichtet. Ermittelt habe ich nur, daß der Film in Breslau am 2. November und in

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Lichtbild-Bühne, Nr. 47/20. November 1920, S. 47

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Leipziger Tageblatt, Nr. 530, Morgen-Ausgabe, 12. November 1920, S. 8

Leipzig am 12. November 1920 in die Kinos kam. Und auch dort ist von wirksamer Werbung nichts zu spüren. Der Hinweis „nach Carl Mays Reiseabenteuer ‚Von Stambul nach Bagdad‘“ zeugt auch nicht gerade von viel Karl-May-Kenntnissen des Kinobesitzers. „Der nächste Film soll in der ‚Todeskarawane‘ eine bedeutend dra-

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matischere Steigerung bringen“19 schrieb „Der Tag“. Nachzutragen wäre noch: Am 14.3.2014 wurde der erste Film der Ustad ›Das Fest der schwarzen Tulpe‹ in Nürnberg auf dem 19. Filmfest Türkei/Deutschland und am 7.5.2014 in Dortmund gezeigt. (Fortsetzung folgt) 19

Der Tag, 6.11.1920.

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Siglenverzeichnis GR XXI GW 35 HKA III.1

JbKMG KMG-N KMJb LuS LuS-HKA M-KMG SoKMG

Karl May’s gesammelte Reiseromane [ab Bd. XVIII: Reiseerzählungen]. Freiburg 1892ff. (Reprint, hg. von Roland Schmid. Bamberg 1982–1984) (hier: Band XXI) Karl May’s Gesammelte Werke (bis 1945: Radebeul; ab 1950: Bamberg) (hier: Band 35) Karl Mays Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Hg. von Hermann Wiedenroth und Hans Wollschläger, ab 1999 von Hermann Wiedenroth, ab 2008 von der Karl-May-Gesellschaft. Nördlingen 1987ff., Zürich 1990ff., Bargfeld 1994ff., Bamberg/Radebeul 2008ff. (hier: Abteilung III, Band 1) Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft. Hamburg 1970ff., Husum 1982ff. KMG-Nachrichten Karl-May-Jahrbuch. Breslau 1918, Radebeul 1919–1933, Bamberg 1978–1979 Karl May: Mein Leben und Streben. Freiburg 1910 (Reprint, hg. von Hainer Plaul. Hildesheim, New York 1975; 31997) Karl May: Mein Leben und Streben. In: ders.: Mein Leben und Streben und andere Selbstdarstellungen (HKA VI.1, 2013) Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft Sonderheft der Karl-May-Gesellschaft

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