Mentales Stressmanagement Yoga für den Verstand mit The Work von Byron Katie 9783873878631, 9783873878785


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Table of contents :
Einleitung
Warum ich dieses Buch geschrieben habe
An wen sich das Buch richtet
Aufbau des Buches
1. Warum es sinnvoll ist, sich mit seinen Gedanken zu beschäftigen
1.1 Mentale Komfortzone vs. Yoga für den Verstand
1.2 Die vier Fragen von The Work
1.3 Der Stress entsteht im Kopf
1.4 Die Realität sollte anders sein
1.5 Die Macht der Gedanken
1.6 Die Welt entsteht in unserem Kopf
1.7 Wir fühlen, wie wir bewerten
1.8 Das ABC der Gefühle
1.9 Überdenken Sie Ihr Denken
1.10 Tun Sie sich was Gutes – Stressmanagement
2. Einstieg in The Work
2.1 Die Kakerlaken-Lady
2.2 The Work nach Byron Katie
2.3 Gedanken festmachen
2.4 Die Befragung
2.5 Die Umkehrungen
2.6 Folgen Sie der einfachen Anleitung
2.7 Welche stressvollen Gedanken kann ich befragen?
3. Tiefer einsteigen in The Work
3.1 Innehalten – Gedanken beobachten
3.2 „Urteilen Sie über Ihren Nächsten“
3.3 Noch tiefer bohren – die Unterfragen
3.4 Welche Gefühle gibt es überhaupt?
3.5 Die drei Angelegenheiten im Universum
4. Gelassen sein mit dem, was war, und mit dem, was kommen mag
4.1 Die Vergangenheit ist vorbei
4.2 Einfach atmen
4.3 Es ist nie zu spät, eine glückliche Kindheit zu haben
4.4 Raus aus der Komfortzone
4.5 Das Feld von hinten aufräumen
4.6 Sich selbst begleiten – eine schriftliche Meditation
4.7 Und was ist mit der Zukunft?
4.8 Leben im gegenwärtigen Augenblick
5. Kritik als Geschenk
5.1 Nachdenken über Kritik
5.2 Gedanken sind nicht persönlich
5.3 Umkehrung zu „Mein Denken“
5.4 Urteile anderer über Sie
5.5 Umgang mit Kritik
5.6 Über das Urteilen hinaus
6. Sich selbst lieben
6.1 Die Liebe Ihres Lebens – Sie selbst!
6.2 Gedanken über uns selbst
6.3 Perfektionismus ade
6.4 Mit gutem Gewissen Nein sagen
6.5 Sich selbst ein guter Freund sein
6.6 Wie wir mit uns reden
7. Über das gewohnte Denken hinaus
7.1 Denken – außerhalb des vorgegebenen Rahmens
7.2 Was bringt’s? Wir schauen ins Gehirn
7.3 Weiteres Rüstzeug
7.4 Glauben Sie alles, was Sie denken?
7.5 Dran bleiben!
Nachklang und Danksagung
Anhang
Lösung für das 9-Punkte-Problem
Hilfreiche Adressen und Internetseiten
Quellennachweise
Anmerkungen
Beileger
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Mentales Stressmanagement Yoga für den Verstand mit The Work von Byron Katie
 9783873878631, 9783873878785

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Tanja Madsen Mentales Stressmanagement Yoga für den Verstand – mit The Work von Byron Katie

Urheberin der in diesem Buch dargestellten Selbstbefragungsmethode The Work ist Byron Katie (http://www.thework.com). Viele der Ideen und Übungen stammen von ihr. Die Beschreibung von The Work erfolgt nach bestem Wissen im Sinne der Urheberin.

Copyright: © Junfermannsche Verlagsbuchhandlung, Paderborn 2012 Coverfoto: © Evgeny Kuklev – iStockphoto.com Coverentwurf / Reihengestaltung: Christian Tschepp Alle Rechte vorbehalten. Erscheinungsdatum dieser eBook-Ausgabe: 2012 Satz & Digitalisierung: JUNFERMANN Druck & Service, Paderborn ISBN der Printausgabe 978-3-87387-863-1 ISBN dieses eBooks: 978-3-87387-878-5

Einleitung „Der wahre Zweck eines Buches ist es, den Geist hinterrücks zum eigenen Denken zu verleiten.“ Christopher Morley

Warum ich dieses Buch geschrieben habe In diesem Buch stelle ich eine Methode vor, die uns hilft, mit Stress anders und besser umzugehen – The Work[1] von Byron Katie. Vielleicht sind Sie neugierig zu erfahren, was sich hinter der Methode verbirgt und wie Sie davon in Ihrem Leben profitieren können? Vielleicht beschleicht Sie aber auch der Gedanke, schon wieder eines dieser Selbstoptimierungsbücher, das ein Patentrezept für ein leichteres Leben verspricht? Ich möchte Sie nicht mit einer schnellen Lösung für alle Probleme ködern. Ich zeige Ihnen einen einfachen Weg zu mehr Gelassenheit und Gleichmut, aber, um es gleich vorwegzunehmen, es ist kein bequemer Weg. Er verlangt von Ihnen, dass Sie sich auf vielleicht fremde, ungewohnte Ideen und Denkweisen einlassen. Wenn wir beim Umgang mit Stress mehr Stress produzieren und weiterhin auf gewohnte Strategien setzen, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn wir keine nennenswerte Veränderung erreichen. Wollen wir andere Ergebnisse, braucht es neue Strategien. Vielleicht haben Sie schon einiges ausprobiert, um gelassener zu werden, mehr Frieden mit sich und der Welt zu finden und ein glückliches Leben zu leben? Hat es gut funktioniert? War es nachhaltig? Wenn ja, wunderbar, behalten Sie Ihre Strategien unbedingt bei. Wenn nicht, könnte The Work etwas für Sie sein. Was unterscheidet The Work von den unzähligen anderen „Ich mach Dich glücklich und zufrieden“-Methoden? Viele Wege führen dahin, weniger Stress und mehr Lebenszufriedenheit, Gelassenheit und Glück zu

empfinden. Das Besondere an The Work: sie ist leicht zu verstehen und zu erlernen und sie ist tiefgreifend und nachhaltig in ihrer Wirkung. Sie ist eine einfache Gebrauchsanweisung, um mit stressvollen Gedanken besser umzugehen. Die Methode ist eingängig und für alle Lebensthemen und Gedanken universal einsetzbar. Und meine Empfehlung lautet gleich: Glauben Sie mir bitte erst einmal nichts! Alles, was ich hier beschreibe, basiert auf meinen ganz subjektiven Erfahrungen und den Rückmeldungen von Klienten und Menschen, die The Work erlebt haben und für sich nutzen. Das muss mit Ihnen überhaupt nichts zu tun haben. Testen Sie es für sich selbst. Probieren Sie The Work aus und erleben Sie die Wirkung. Wenn Sie davon überzeugt sind, haben Sie ein hilfreiches Instrument für sich entdeckt, um zukünftig ihre belastenden und einschränkenden Gedanken zu hinterfragen. Wenn es nicht für Sie funktioniert, haben Sie durch dieses Buch zumindest mehr darüber erfahren, wie Ihr Verstand funktioniert, wie Gedanken und Gefühle entstehen und welchen Einfluss sie auf Ihr Stressempfinden haben können.

An wen sich das Buch richtet Das Buch richtet sich an Menschen, die nach Wegen suchen, anders mit Stress umzugehen. Menschen, die mehr Bewusstsein für das bekommen wollen, was sich zwischen ihren beiden Ohren abspielt – in ihrem Gehirn und ihrem Verstand[2]. Das Buch ist dabei sowohl für Leser geschrieben, die mit The Work noch gar nicht vertraut sind, als auch für Work-Infizierte, die schon Erfahrungen damit gemacht haben. Ich würde mich freuen, wenn Sie von dem Buch so profitieren, dass Sie dadurch eigene handfeste Erfahrungen machen. Dass Sie selbst die Auswirkung von stressvollen Gedanken auf Ihren Körper und Ihr Wohlbefinden nachvollziehen können und die befreiende Nachwirkung von The Work erleben. The Work ist keine graue Theorie, sie ist eine Erfahrung, die auf persönlichen Erkenntnissen beruht. Was würde es Ihnen nutzen, Ihren Verstand mit noch mehr Fakten, Theorien und Ansichten zu füllen, wenn es doch eigentlich um so etwas

Handfestes wie Stressmanagement geht? Sie erhalten hier eine praktisch anwendbare Anleitung und ich lade Sie ein, damit zu experimentieren. Deshalb ist „Mentales Stressmanagement“ auch als Ihr persönliches Übungsbuch gedacht, das Sie einlädt, alles direkt selbst für sich zu prüfen. Ein Yogabuch macht einen auch nicht gelenkiger, wenn man es nur liest, sich die netten Bilder von Yogis in irgendwelchen verrenkten Positionen anschaut und das Buch dann wieder ins Regal stellt. Mit dem mentalen Yoga ist das nicht anders, es entfaltet seine Wirkung mit dem Machen. Das Leben wird Ihnen auch nach dem Lesen dieses Buches und dem Beherzigen aller Empfehlungen Knüppel zwischen die Beine werfen. Der Unterschied wird sein: Wenn Sie sich bewusster über Ihre Gedanken sind und sie mit The Work befragen, werden Sie wahrscheinlich anders damit umgehen. Vielleicht können Sie sogar annehmen, was ist, ohne Groll oder Drama. Es kann gut sein, dass Sie sich dann über Dinge im Außen, die Sie nicht ändern können, nicht mehr so aufregen. Mit der Befragung von The Work haben Sie eine Art „Gelassenheitsformel“, um Ihren sorgenvollen Gedanken zu begegnen. Das Resultat: Ihre Lebensqualität steigt noch mehr und Sie werden klarer und aufgeräumter in Ihrem Verstand und das wirkt sich positiv auf ihr Handeln aus.

Aufbau des Buches Das Buch lädt Sie ein zu einer Reise in Ihren Verstand. Wir beginnen im Kopf, da wo Gedanken entstehen, und schauen uns an, welche Wirkung sie auf uns haben. Gedanken sind der rote Faden, der sich durch alle Kapitel des Buches webt und sie miteinander verbindet. Die Reise gliedert sich in 7 Stationen: Zuerst schauen wir den Neurowissenschaftlern, den Philosophen und den Psychologen über die Schulter und vergegenwärtigen uns ihre Erkenntnisse aus den letzten 2000 Jahren über Denken, Fühlen und Handeln. Das Denken ist dabei der Ausgangspunkt für alle weiteren Kapitel, genauer gesagt, dass stressvolle Denken. Im 2. Kapitel mache ich Sie mit der Methode The Work bekannt, so dass Sie sie auch für sich selbst

anwenden können. Im 3. Kapitel geht es um einen vertiefenden Einblick in die Methode. Sie erfahren, wie Sie Ihren Urteilen über andere auf die Spur kommen und ihnen mit The Work begegnen können. Da The Work universal einsetzbar ist, schauen wir uns in den darauffolgenden Kapiteln verschiedene „Lebensthemen“ an, die Sie untersuchen können: In der 4. Station räumen wir das Feld von hinten auf, indem wir uns mit der schmerzlich erinnerten Vergangenheit beschäftigen und einen Blick in die ungewisse Zukunft riskieren. Kapitel 5 steht im Zeichen von Kritik. Häufig eine lästige, unangenehme Sache. The Work hilft uns, Kritik nicht als Angriff, sondern vielmehr als Geschenk zu sehen, in dem Wachstumspotential steckt. Station 6 lädt zum Wehgesang ein: „I’m a loser baby, so why don’t you kill me.“ Ich zeige Ihnen, wie wir von Selbstanklage und harscher Kritik an uns zu mehr Selbstannahme und Begeisterung für uns selbst kommen. Auf der letzten Station gehen wir der Frage nach, ob das Universum freundlich ist. Außerdem prüfen wir, welche Wirkung mentales Training wie The Work auf unser Gehirn haben kann. Abschließend fügen sich die noch offenen Enden zusammen und wir knoten ein Netz aus weiteren Ergänzungen, Anregungen und hilfreichen Tipps, das Sie auf Ihrer weiteren Reise mit The Work gut halten wird.

1. Warum es sinnvoll ist, sich mit seinen Gedanken zu beschäftigen Was Sie in diesem Kapitel erwartet Wie viele Gedanken haben wir schätzungsweise am Tag? Diese und weitere Fragen rund um unser Denken betrachten wir im 1. Kapitel. Ich möchte Sie für Ihre Wahrnehmung und Ihr Denken sensibilisieren und Ihnen verdeutlichen, wie einflussreich Gedanken sind. Sie werden sehen, wie wir unsere ganz subjektive Welt kreieren und dabei viele Informationen ausblenden, regelrecht blind dafür sind. Dies führt zu verzerrten kurzsichtigen Urteilen über die Welt und uns selbst. Durch das ABC der Gefühle werden Sie erkennen, dass es beim Stressmanagement sinnvoll ist, bei diesen Urteilen anzusetzen. Genau das geschieht mit The Work, wir hinterfragen unsere stressvollen Gedanken. Dank dieses kraftvollen Werkzeugs können wir unseren Wahrnehmungshorizont erweitern. Die stoische Philosophie und auch die Kognitive Verhaltenstherapie haben vieles mit The Work gemeinsam. Sie halten wertvolle Erkenntnisse für uns bereit, die ich Ihnen aufzeigen möchte.

1.1 Mentale Komfortzone vs. Yoga für den Verstand „Die größte Entscheidung deines Lebens liegt darin, dass du dein Leben ändern kannst, indem du deine Geisteshaltung änderst.“ Albert Schweitzer

Vor einigen Jahren brachte mich mein Trainer und heute sehr geschätzter Freund und Kollege Ralf Giesen in Kontakt mit The Work. Er hatte die Begründerin Byron Katie live erlebt und war begeistert von der positiven und nachhaltigen Auswirkung dieser Methode auf stressvolle Glaubenssätze. Als Psychologin hatte ich schon viele verheißungsvolle Methoden zum Thema „Stressmanagement“ studiert und ausprobiert und war nun skeptisch, wie denn vier einfache Fragen dazu beitragen sollten, weniger Stress mit täglichen Herausforderungen zu haben und glücklicher und gelassener zu werden. Das war mir nämlich trotz der vielen Selbsthilfebücher, die ich gelesen hatte und der SelbstoptimierungsWorkshops, die ich hoffnungsvoll aufgesucht hatte, nie wirklich dauerhaft gelungen. Das Buch trägt nicht umsonst den Untertitel Yoga für den Verstand, The Work ist nämlich nicht unbedingt etwas für mentale Couchpotatoes. Die Methode ist übersichtlich, schließlich handelt es sich ja „nur“ um ein paar Fragen und Gedankenstretchings, aber dabei fordert sie uns heraus, unser gewohntes Denken infrage zu stellen. Für die Befragung, wie The Work auch genannt wird, müssen wir unsere mentale Komfortzone verlassen und uns in die Stretchingzone begeben. Wie der Name schon sagt, erfordert dieser Bereich ein „Dehnen“, das vielleicht ungewohnt, beanspruchend oder herausfordernd ist. Aber wir gewinnen auch etwas, wenn wir unser vertrautes, eingeschränktes Denken befragen, nämlich mentale Flexibilität, mehr Gelassenheit und inneren Frieden. So bin ich dann doch noch zum großen Fan von The Work geworden, da ich merke, dass ich anders mit herausfordernden und stressvollen Momenten umgehe, seitdem ich sensibilisiert bin für meine stressvollen Gedanken, sie wahrnehme und konsequent hinterfrage. Themen oder Ereignisse, die mich früher garantiert gestresst oder sogar aus der Bahn geworfen hätten, kann ich heute mit mehr Gleichmut und Klarheit begegnen. Ich bin zwar noch immer nicht erleuchtet im esoterischen Sinne, das strebe ich jedoch auch gar nicht an. Ich habe etwas viel Kostbareres gewonnen: Die Sicherheit –

egal welche Dinge mir noch widerfahren, ich bin gut gewappnet, ich habe die vier Fragen und die Anleitung zu den Umkehrungen, die mich durch das Dickicht meiner stressvollen Gedanken navigieren werden.

1.2 Die vier Fragen von The Work Vielleicht sind Sie ja schon ganz ungeduldig, wie denn jetzt diese vier „Superfragen“ von Byron Katie lauten? Hier sind sie: 1. Ist es wahr? (Ist die Antwort „nein“, gehen Sie zu Frage 3.) 2. Können Sie mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist? 3. Wie reagieren Sie, was passiert, wenn Sie diesen Gedanken glauben? 4. Wer wären Sie ohne diesen Gedanken? © 2012 Byron Katie International, Inc.

Sie finden die Fragen und die Anleitung zu den Umkehrungen auch auf einer Karte zum Herausnehmen in diesem Buch, quasi „The Work to go“. So können Sie The Work immer bei sich tragen und sich selbst befragen oder jemand anderen bitten, Ihnen die Fragen vorzulesen. Mir gefällt an der Methode, dass alles, was sie ausmacht, auf eine kleine Karte passt. Ich muss keine langen theoretischen Abhandlungen lesen, ich brauche keine Gerätschaften, ich kann einfach diese vier Fragen und Umkehrungen anwenden. Im Anschluss an die Fragen wird mit dem Ursprungsgedanken „gespielt“ und er wird in verschiedene Richtungen umgekehrt. Im zweiten Kapitel leite ich Sie Stück für Stück durch The Work und Sie haben anschließend die Gelegenheit, es direkt selbst auszuprobieren. Bevor wir aber mit der Befragung starten, möchte ich Sie erst einmal mit unserem Verstand vertraut machen, „jenem „Ding“, das vermutlich irgendwo in unserem Gehirn entsteht und uns ermöglicht, ein ganzes Universum

entstehen zu lassen und uns gleichzeitig die Hölle auf Erden bescheren kann. Bühne frei für den Verstand.

1.3 Der Stress entsteht im Kopf „Der Mensch bringt täglich sein Haar in Ordnung, warum nicht auch seine Gedanken?“ Indische Weisheit In meiner täglichen Praxis als Coach begegnen mir viele verschiedene Menschen: Studenten, Menschen im Ruhestand, Arbeitssuchende, Hausfrauen, Überflieger, Depressive, Ausgebrannte, Workaholics. Auf den ersten Blick wenden sie sich mit den unterschiedlichsten Anliegen an mich. So erleben einige einen Burnout und wollen da schnellstmöglich wieder raus, andere greifen nach den Sternen und wünschen sich Unterstützung bei der Erreichung ihrer Ziele. Manche wollen ihre Konflikte mit anderen lösen oder einen liebevolleren Umgang mit sich selbst erlernen. Egal wie das Anliegen auch gelagert ist, allen gemein ist letztlich ein mentales Phänomen: stressvolle Gedanken über sich, andere und die Welt. Ein Klient z. B. suchte mich auf, weil ihm gekündigt wurde. Er fand seit fast einem Jahr keine neue Arbeit, obwohl er beruflich eine Eins-a-Vita und exzellente Referenzen vorweisen kann. Sein alter Arbeitgeber hatte ihn entlassen und an dieser für ihn bitteren Erfahrung kaute er noch Monate später. Er hegte großen Groll auf den Arbeitgeber und auf das System und zweifelte zu allem Übel auch noch an sich selbst und seinen Fähigkeiten. Im Coaching verdeutlichte ich dem arbeitssuchenden Klienten seine hinderlichen und stressvollen Konzepte über den alten Arbeitgeber, den Arbeitsmarkt und vor allem über sich selbst. Mit The Work konnte er Glaubenssätze über sich hinterfragen, die ihn zum Teil seit seiner Grundschulzeit beschwert hatten. Als er erkannte, dass viele seiner

stressvollen Gedanken der Befragung durch The Work nicht standhielten, fiel die „Verschwörungstheorie“, der er seit seiner Kündigung anhaftete, wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Es wurde ihm möglich, sein Bild über sich zu verändern und gestärkter und positiv überzeugt von sich in Verhandlungen mit potenziellen Arbeitgebern zu gehen. Am Ende fand er einen sehr guten Job, obwohl sich im Außen nichts verändert hatte, sein ExArbeitgeber war derselbe und seine Vita war ebenfalls nach wie vor die gleiche. Das, was sich geändert hatte, waren die Bewertungen der Situation und der eigenen Fähigkeiten. Das war der Katalysator für Veränderung – wenn wir hinderliche Gedanken entzaubern, wird der Weg frei für kraftvolles Handeln.

Stop it! Jetzt kann man erwidern, ja gut, dann ignoriere ich halt einfach meine stressigen oder nervigen Gedanken oder ich übertünche sie mit positiveren. Das hat meines Wissens nach noch nie befriedigend und dauerhaft funktioniert. Je mehr wir lästige Gedanken loswerden wollen, desto penetranter bleiben sie uns auf den Fersen. Es ist wie bei einem Bumerang, ich werfe ihn von mir weg und er kommt genau zu mir zurück und je heftiger ich werfe, desto schneller und schwungvoller kommt er zurück. Ein Klient sagte zu mir, er habe Angst vor Höhe, da er befürchte, sich dann runterzustürzen und deshalb meide er generell alle hohen Gebäude. Würde ich ihm sagen, ja Mensch, Sie sehen ja selber ein, dass die Befürchtung unrealistisch ist, geben Sie doch einfach dem Gedanken keinen Raum in ihrem Leben, würde ich wahrscheinlich nur ein müdes Lächeln ernten. Wenn es so leicht wäre, Gedanken einfach zu ignorieren, wären wir Coaches und Therapeuten wohl bald arbeitslos. Sehr amüsant wird übrigens diese Art der Methode in einem Sketch von Mad-TV[3] vorgeführt: Eine Klientin kommt zum Psychotherapeuten mit der Angst, sie könne lebendig begraben werden. Der Therapeut interessiert sich herzlich wenig für die Beweggründe der Frau, ihre Lebensgeschichte oder ihr Verhältnis zu

ihrer Mutter. Seine Intervention besteht lediglich aus der Botschaft: „Stop it!“ Weiterhin sagt er ihr, wie unrealistisch das ist und dass sie doch kein kleines Mädchen mehr sei. Die Klientin reagiert sehr irritiert auf diese Intervention und da sie den Vorschlag ihres Therapeuten noch nicht annehmen kann, wird seine Botschaft noch drastischer und er sagt: „Stop it or I’ll bury you alive.“ (Hören Sie auf damit oder ich begrabe Sie lebendig!) Auch diese Drohung wird den stressvollen Gedanken wenig einschüchtern, er wird sicher weiter sein Eigenleben im Verstand der Klientin führen.

Also was tun? Die Gedanken willentlich zu beeinflussen oder zu unterdrücken funktioniert nicht. Na dann vielleicht die Gedanken ignorieren, ihnen einfach keinen Raum geben. Sie ahnen wahrscheinlich, worauf das hinausläuft. Bitte denken Sie jetzt mal nicht an einen rosaroten Elefanten, der Pfeife rauchend in einem Schaukelstuhl sitzt. Es geht nicht. Unser Gehirn versteht das Wort ,nicht‘ nicht. Erst einmal müssen wir uns das gedanklich repräsentieren, was wir nicht denken wollen. Wir holen es dadurch zuerst in den Fokus der Aufmerksamkeit, geben ihm besonders viel Energie, um es dann zu negieren. Was bleibt uns dann übrig? Den Gedanken mit Verständnis begegnen und sie auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu hinterfragen. Das, was dann passiert ist, dass uns die Gedanken loslassen und nicht wir sie. Wie das gelingen kann, davon handelt dieses Buch.

1.4 Die Realität sollte anders sein „Verlange nicht, daß die Dinge gehen, wie du es wünschest, sondern wünsche sie so, wie sie gehen, und dein Leben wird ruhig dahin fließen.“

Epiktet Ich sitze am Köln-Bonner Flughafen fest. Der Abflug verzögert sich wegen Schnee und Eis schon um Stunden. Meine Coachingtermine mit Klienten in Berlin werde ich nicht halten können, und mein Terminkalender ist kurz vor Ende des Jahres übervoll, ich weiß nicht, wann ich jetzt noch Ausweichtermine anbieten soll. Ein Berg voll Papierkram wartet ebenfalls auf mich, an dem ich hier vom Flughafen aus aber leider auch nichts machen kann. Vergeudete Zeit? Solche Situationen kennen wir wahrscheinlich alle, es läuft anders als geplant. Ein willkommener Anlass, sich zu beklagen, zu beschweren oder gar auszuflippen. Der Flughafen Berlin-Tegel hatte kein Enteisungsmittel vorrätig, mitten im Winter! Gedanken, die mir durch den Kopf gehen: „Die Realität sollte anders sein. Ich habe keine Zeit für so was. Es ist nicht das erste Mal Winter in Berlin – welcher Idiot hat vergessen, das Enteisungsmittel nachzubestellen? Das war doch nicht so vereinbart, das habe ich so nicht gebucht!“ Bei den sporadischen Durchsagen der Fluggesellschaft, dass die Flugzeit noch mal nach hinten korrigiert werden muss, entgeisterte Gesichter bei den Wartenden. Manch einer macht seinem Frust lauthals Luft. Ist es nicht häufig so, dass wir mit dem, was ist, hadern? Dass wir die Realität anders haben wollen, als sie ist? Sei es im Stau, bei einem wichtigen Termin, mit dem anspruchsvollen Kunden, mit den nölenden Kindern oder der plötzlichen Grippe, die uns ganz unpassend heimsucht. Was, wenn ich jetzt innehalte und das kraftraubende Lamentieren in meinem Kopf unterbreche? Einfach dasitzen, aus dem Fenster schauen auf die verschneite Flughafenlandschaft und dabei meinen aufgepeitschten Verstand mit seinen Gedanken beobachten. Präsent sein im Hier und Jetzt. Was für ein Geschenk, was für eine schöne Einladung, einfach mal zu entschleunigen, die kommenden Tage werden sowieso hektisch genug. Annehmen, was ist. Ja, wenn das so einfach wäre! Permanent schießen uns doch Gedanken und Bewertungen durch den Kopf, die im Widerstreit sind mit dem, was ist. Die Gegebenheiten im Außen können wir sehr häufig

nicht ändern, ich kann nichts dazu beitragen, dass das Flugzeug endlich startet, es steht nicht in meiner Macht. Aber ich kann mir meine stressvollen Gedanken dazu anschauen, darauf habe ich Einfluss. Nicht so sehr auf das, was ich denke. Das entzieht sich sehr häufig meiner Kontrolle, ES denkt mich und wenn ich mir vornehme, heute mal nicht zu denken, ist es prompt schon wieder passiert. Denken wir ununterbrochen oder hört es irgendwann auch auf?

Ein ganz normaler Tag Ich wache auf, bin noch halb im süßen Zwischenland, wo es noch keine Gedanken gibt, und halb schon ist mein Bewusstsein erwacht. Und dann verliere ich den seligen Zustand des Nicht-Denkens ganz und mein IchBewusstsein rastet ein, ich bin mir meiner bewusst und denke die ersten bewussten Gedanken des Tages: „Du musst aufstehen. Ich habe keine Lust auf den Tag. Vergiss nicht, den Klienten später anzurufen. Was soll ich heute anziehen? Hoffentlich ist noch Milch da.“ Und wumms, ist der Gedankenapparat angeschaltet und er wird eifrig schnurren und Gedanken produzieren, bis ich abends im Bett liege und irgendwann in eine traumlose Schlafphase übergleite. Gedanken begleiten uns, sobald unser Bewusstsein wach ist und das ist, außer im Schlaf oder Koma und vielleicht noch in einigen raren Momenten wie z. B. der Meditation, eigentlich immer der Fall. So kommen wir dann auch auf schätzungsweise stolze 60–80.000 Gedanken pro Tag! Nicht, dass uns alle Gedanken bewusst wären, glücklicherweise läuft ein Großteil der Gedanken wie ein weißes Rauschen auf einer vorbewussten Ebene ab. „Rechter Arm, streck dich aus und greife nach der Tasse Tee“, ist so ein Gedanke, der in unserem „impliziten Gedächtnis“ verarbeitet wird und gar nicht in unser Bewusstsein kommt – es sei denn, wir hatten einen Schlaganfall und trainieren, die gelähmte Seite wieder zu bewegen. Bei automatisierten Handlungsabläufen, wie z. B. aus dem Bett aufstehen und ins Bad gehen, können wir uns also getrost auf unseren Autopiloten verlassen, wir müssen darüber nicht mehr nachdenken. Im Gegensatz dazu steht das explizite Gedächtnis, in dem Wissen über die

eigene Person sowie über die Welt allgemein und persönliche autobiografische Ereignisse gespeichert sind und wir bewusst und explizit darüber berichten können (Roth, 2009). Von den vielen Gedanken, die wir tagtäglich denken, sind die meisten noch nicht einmal innovativ. Vermutlich 60–80 % wiederholen sich wie ein inneres Mantra. Ich rede jetzt nicht nur von „banalen“ Gedanken wie „Ich koche heute einen Eintopf und nachher gehe ich zum Sport“. Nein, ich rede von beschwerenden Gedanken wie „Mein Partner sollte seine Socken nicht immer so liegen lassen“ oder „Ich bin es nicht wert, gemocht zu werden“. Unsere bewussten Gedanken sind wie ein innerer Monolog, es ist, als ob ein Kommentator in unserem Kopf haust, der zu allem seinen Senf abgibt. Beobachten Sie sich doch selbst einmal bei einer einfachen, alltäglichen Tätigkeit, wie z. B. eine Fußgängerzone entlangschlendern. Könnte sich folgender Gedankenstrom so oder so ähnlich auch in Ihrem Kopf abspielen? „Mein Gott ist die dick. Oh, ein Eis hätte ich jetzt auch gerne. Ah sieh mal an, die Herbstkollektion ist schon raus. Die Schuhe sind ja schön. Denk dran, noch Briefmarken zu kaufen. Hoffentlich habe ich Karl nicht vor den Kopf gestoßen als ich ...“. Dieses innere Hörspiel läuft innerhalb von Sekunden in uns ab, ob wir wollen oder nicht. Oder gelingt es Ihnen, die Stopp-Taste zu drücken und Ihre Gedanken zum Verstummen zu bringen? „So, heute mal nur Stille in meinem Kopf!“ Dumm gelaufen, schon wieder ein Gedanke. Viele Gedanken sind uns gar nicht bewusst, andere wiederum sind uns sehr vertraut, da sie uns täglich mehrere Male besuchen kommen. Solche Evergreens können liebevoll sein und uns in eine gute Stimmung versetzen. Oder aber es sind Gedanken folgender Couleur: „Ich muss das machen. Mein Partner unterstützt mich nicht genug. Mein Chef ist inkompetent. Die Politiker sind doch alle korrupt. Das Leben ist hart.“ Kommen Ihnen solche Gedanken bekannt vor? Haben Sie so etwas auch schon mal gedacht? Vermutlich ja, denn die Gedanken, die wir haben,

unterscheiden sich gar nicht so großartig voneinander. Das stelle ich immer wieder in Coachings und Trainings fest, wenn Menschen ihre stressvollen Gedanken mitteilen. „Keine neuen Gedanken auf diesem Planeten, alles recycelt“ – wie Byron Katie so schön sagt. Wir kreisen gedanklich immer wieder um dieselben Themen und Inhalte, egal ob es sinnvoll ist oder nicht. Unsere viel zitierten Mantren lauten so oder so ähnlich: Er sollte dies tun ... Sie sollte das nicht tun ... Ich bin nicht gut genug ... Ich will aber ... Ich brauch von dir, um glücklich zu sein ... Das hätte mir nicht passieren sollen ... Ich will das nicht erleben ... Ich muss das oder dies tun ... Können wir etwas tun, um diese Mantren zum Schweigen zu bringen? Bitte probieren Sie dazu folgende Übung aus:

Übung Nicht denken Halten Sie bitte jetzt einmal inne. Lesen Sie sich diese Instruktion durch und gehen Sie anschließend einige Momente in Stille. Bleiben Sie in den nächsten Minuten äußerlich und innerlich still und denken Sie nichts. Wenn Sie abdriften und anfangen zu denken, holen Sie sich zurück und beginnen wieder, nichts zu denken. Bleiben Sie einfach ganz bei sich, gedankenfrei. Auswertung: Und, wie hat das funktioniert? Ist es Ihnen gelungen, längere Zeit nichts zu denken? Oder sind immer wieder Gedanken gekommen? Den wenigsten gelingt es, auch nur eine Minute gedankenfrei zu bleiben. Gedanken kommen einfach, ohne dass wir das längerfristig unterbinden könnten. Nicht denken zu wollen, ist wie sich

vorzunehmen, nicht zu atmen oder nicht zu kommunizieren: Es ist ein Ding der Unmöglichkeit. Wenn „nicht denken“ nicht funktioniert, welche Möglichkeiten haben wir dann, mit unseren Gedanken, vor allem den stressvollen, umzugehen? Probieren Sie bitte als Nächstes folgende Übung aus.

Übung Beobachter sein Da wir also nicht „nicht denken“ können, probieren Sie jetzt einmal, sich selbst beim Denken zu beobachten. Dieses Mal ist es ganz und gar erwünscht, Gedanken zu haben. Nehmen Sie einfach Ihre Gedanken wahr, ohne etwas zu verändern oder zu urteilen. Lauschen Sie Ihren Gedanken, während Sie auf Ihrem Stuhl sitzen oder auf einer Unterlage liegen. Seien Sie Beobachter Ihrer Gedanken. Lassen Sie den Gedankenstrom an sich vorbeiziehen, bleiben Sie dabei neutral und schauen Sie sich das Schauspiel aus der Ferne an. Falls Sie anfangen Ihren Gedanken nachzuhängen, ist das völlig in Ordnung, holen Sie sich dann gedanklich wieder zurück und gehen Sie auf Ihren Beobachterposten. Beginnen Sie jetzt. Auswertung: Wie ist Ihre Erfahrung mit dieser Übung gewesen? Den meisten geht es so, dass Sie, sobald Sie nichts mehr tun, außer Ihre Gedanken zu beobachten, erst mitkriegen, wie viele Gedanken eigentlich passieren. War es leicht für Sie, einfach Ihre Gedanken zu beobachten, ohne darauf einzusteigen? Wenn das noch ungewohnt ist, fällt es Menschen häufig erst einmal schwer. Je mehr Sie diese Art der Wahrnehmung schulen, desto leichter und selbstverständlicher wird es für Sie und kann letztlich zu einer Gewohnheit und Haltung werden. Um da hinzukommen, können Sie diese Haltung den ganzen Tag über immer wieder mal einnehmen. Sie warten auf den Zug? Ein wunderbare

Gelegenheit Ihre Gedanken zu beobachten. Die Schlange an der Supermarktkasse zieht sich in die Länge? Nutzen Sie diese Situation, um wahrzunehmen, was in Ihrem Kopf passiert. Werden Sie zum Beobachter Ihrer Gedanken, ohne sich gleichzeitig damit zu identifizieren. Sie müssen ja nicht alles glauben, was Sie so denken. Der indische Philosoph Jiddu Krishnamurti sagt dazu so passend: „Die höchste Form menschlicher Intelligenz ist, zu beobachten, ohne zu bewerten.“ Sie fragen sich jetzt eventuell, was das alles mit Ihrem Wohlbefinden oder mit Stress zu tun hat? Eine ganze Menge. Vielleicht ist Ihnen durch die Übungen bewusst geworden, dass Sie erstens Gedanken haben und zweitens, davon auch noch unzählige. Und was schätzen Sie, sind die Gedanken, die Sie so den ganzen Tag vor sich hin denken, hilfreich? Sind sie eine Unterstützung für Sie? Sagt Ihr innerer Kommentator beständig mit liebevoller Stimme: „Du bist spitze! Du bist ein wunderbarer, liebenswürdiger Mensch. Die Welt ist ein sicherer und freundlicher Ort. Mein Körper ist ein Wunderwerk der Natur. Meine Kinder lieben und respektieren mich. Mein Chef bewundert meinen Einfallsreichtum?“ Wenn ja, wunderbar. Weiter so! Oder nagen die Gedanken eher an Ihrer Stimmung wie Mäuse am Speck, wo am Ende nur noch ein angeknabbertes Stückchen Ihres Wohlbefindens übrig bleibt? Das würde sich dann ungefähr so anhören: „Du bist ein Versager, nichts kriegst du ordentlich geregelt. Meine Kinder tanzen mir auf der Nase rum. Mein Körper ist ein Wrack. Mein Chef würdigt mich nicht.“ Wenn Ihnen das bekannt vorkommt, dann seien Sie sich bewusst, dass solche Gedanken einen gehörigen Einfluss auf Ihre Stimmungen, Gefühle und Ihr Stressempfinden haben und ebenso auf Ihr Verhalten. Der erste Schritt zur Veränderung ist wahrzunehmen, dass Sie Gedanken haben. Erst wenn Ihnen bewusst ist, dass Sie stressvolle Gedanken haben, können Sie darauf eingehen. Die Grundlage ist geschaffen. Viele Menschen laufen schlafwandlerisch durch den Tag, ohne dass ihnen jemals bewusst wird, was sie über sich und die Welt für Mythen und stressvolle Geschichten glauben.

1.5 Die Macht der Gedanken „Wir sind, was wir denken. Alles, was wir sind, entsteht aus unseren Gedanken. Mit unseren Gedanken formen wir die Welt.“ Siddhartha Gautama Was sind überhaupt Gedanken? Ein Gedanke ist flüchtig, von außen nicht greifbar oder erkennbar, er spielt sich nur in unserem Inneren ab, genauer gesagt irgendwo in unserem Gehirn. Obwohl Gedanken so ätherisch wirken, haben Sie ein messbares physiologisches Korrelat. Bei einem Gedanken werden chemische Substanzen in unserem Gehirn ausgeschüttet und elektrische Impulse weitergegeben. Gedanken haben reale Auswirkungen auf jede Zelle unseres Körpers und darauf, wie wir uns fühlen und verhalten. Beim Lügendetektor-Test wird dieses Wissen genutzt, um den Wahrheitsgehalt von Aussagen zu prüfen. Die Testperson wird, während sie Fragen beantwortet, an Geräte angeschlossen, die Handtemperatur, Puls, Blutdruck, Atemfrequenz, Muskelspannung und Handschweiß bestimmen. Stellen Sie sich vor, die Person hat eine Bank ausgeraubt und wird beim Test danach gefragt. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird der Körper eine Stress-Reaktion zeigen und die Hände werden schwitzig und kälter, der Blutdruck steigt an, das Herz rast, der Atem geht schneller und die Muskulatur spannt sich an. Die Reaktion auf die Frage erfolgt unmittelbar, selbst wenn die Person nicht antwortet und ihre Gedanken nur für sich behält. Wenn die Person aber unschuldig ist, wird sie auf die Frage nach dem Banküberfall eine entspannte Körperreaktion zeigen, d. h. die Hände werden trockener und wärmer, Puls und Atmung werden langsamer und der Blutdruck sinkt. Auch hier wird die körperliche Reaktion unmittelbar sichtbar (Amen, 2010, S. 95). Das gilt für unsere Gedanken generell und auch wenn wir nicht an Gerätschaften angeschlossen sind, die unsere Köperreaktionen messen, spüren wir manchmal von selbst, wie unser Herz rast oder wir feuchte Hände

bekommen, während wir an bestimmte Dinge denken. Gedanken haben eine Auswirkung auf unseren Körper, das zeigt der Lügendetektor-Test sehr deutlich. Dabei werden Menschen über konkrete Aktionen befragt, wie z. B. einen Banküberfall, aber auch unsere Fantasie ist so machtvoll, dass sie eine schwere Stressreaktion auszulösen vermag. Stellen Sie sich vor, es ist schon spät und Ihr Partner ist noch nicht zu Hause. Komisch, das sieht ihm gar nicht ähnlich. Leider hat er das Handy nicht mitgenommen, sonst könnten Sie leicht klären, was denn los ist. Langsam werden Sie nervös und während Sie den Abwasch machen, stellen Sie sich vor, wie Ihr Partner womöglich einen Unfall hatte, wie er blutüberströmt im Straßengraben liegt. Wie der Notarztwagen kommt und ihn mit heulenden Sirenen ins Krankenhaus fährt. Aber die Hilfe kommt zu spät, Ihr Partner ist tot und Sie bekommen Besuch von der Polizei, die Ihnen diese schreckliche Nachricht überbringt. Sie stellen sich vor, wie Sie am Küchentisch zusammenbrechen, überlegen sich gedanklich schon mal, was Sie bei der Beerdigung tragen werden und der Kloß in Ihrem Hals wird immer dicker. Sie sind angespannt und Ihre Augen werden feucht. Sie fragen sich, wie Sie diesen Schmerz aushalten werden, da geht plötzlich der Schlüssel in der Tür und Ihr Partner steht vor Ihnen, total lebendig. Er hatte einfach die Zeit vergessen. Gott sei Dank war alles nur eine Fantasie, aber komisch, die Gefühle haben sich doch so echt angefühlt. Wie kann das sein? Unser Gehirn unterscheidet nicht, ob etwas „real“ passiert ist oder ob wir es uns in unserem Kopf nur vorgestellt haben, eine Vielzahl von gleichen Hirnarealen ist aktiv (Singer, 2002, S. 71). Gedanken scheinen zwar flüchtig, sie haben aber zugleich ein physiologisches Korrelat. Während dieser Film vor Ihrem inneren Auge ablief, hat sich in Ihrem Körper eine neuroendokrine Stressreaktion aufgebaut. Während Sie sich das Horrorszenario lebhaft ausgemalt haben, ist im Außen, in der Wirklichkeit gar nichts passiert, trotzdem fühlen Sie die Stressreaktion in Ihrem Körper. Vielleicht läuft vor Ihrem inneren Auge nicht genau so ein Film ab, aber wie sieht es aus mit der nächsten Prüfung, dem nächsten Flug, der ausstehenden E-Mail des Angebeteten? Die inneren Filme sind

auswechselbar, aber die Gefühle, die aus diesen Gedanken resultieren, sind echt. Mögen Sie Ihr Entertainmentprogramm? Läuft bei Ihnen in Dauerschleife eine Soap-Opera, eine Tragödie, ein Bollywoodfilm, eine Komödie oder ein Splattermovie? Wenn man bedenkt, welchen Effekt die Gedanken auf unser Wohlbefinden haben, sollte man sich gut überlegen, welche Filme man auswählt.

Übung Die Zitrone Am besten lassen Sie sich diese Übung von jemandem vorlesen. Falls das nicht geht, lesen Sie den Text und geben Sie sich währenddessen die Zeit, die Worte auf sich wirken zu lassen. Stellen Sie sich bitte einmal vor Ihrem inneren Auge eine Zitrone vor. Eine schöne, gelbe Zitrone. Schauen Sie sich diese Zitrone einmal genauer an, die Struktur der Schale, die Farbgebung, die Form. Dann riechen Sie an der Zitrone. Wie riecht die Frucht? Stellen Sie sich vor, wie Sie mit einem Messer die Zitrone aufschneiden. Vielleicht entfaltet sich dabei noch mehr von dem Duft der Zitrone? Schauen Sie sich die Zitrone jetzt von innen an, ihr Fruchtfleisch, die Farbe, die Kerne ... Halten Sie Ihre Nase ganz nah an die geöffnete Zitrone, was riechen Sie? Dann nehmen Sie gedanklich noch einmal das Messer zur Hand und schneiden sich einen kleinen Schnitz von der Zitrone ab. Vielleicht tropft dabei etwas Saft von der Zitrone am Messer herunter? Nehmen Sie das kleine Zitronenstückchen in Ihre Hand und schauen Sie es sich genauer an. Was können Sie wahrnehmen? Legen Sie sich jetzt den Zitronenschnitz auf Ihre Zunge. Nehmen Sie wahr, was auf Ihrer Zunge passiert. Schmecken Sie den Geschmack der Zitrone? Was passiert in Ihrem Mund, was passiert mit Ihrem Gesicht?

Auswertung: Haben Sie etwas Saures auf Ihrer Zunge gespürt, hat sich der Mund zusammengezogen? Manch einer nimmt auch vermehrten Speichelfluss in seinem Mund wahr. Anhand dieses kleinen Experiments können Sie selbst die Erfahrung machen, was ein Gedanke bewirken kann. Es war lediglich eine Fantasie, eine Halluzination. Keine Zitrone da, außer in Ihrer Vorstellung. Unser Gehirn kümmert sich nicht darum, ob etwas „real“ oder „eingebildet“ ist. Mit The Work können wir uns aber darum kümmern. Sie werden erleben, dass Sie mit The Work täuschend echte Halluzinationen in Ihrem Verstand enttarnen können.

Unsere Erinnerung spielt uns einen Streich Haben Sie sich schon mal mit anderen Menschen über einen Roman unterhalten und sich gewundert, von welchem Buch die anderen da eigentlich reden? In einer Studie wurden einmal Geschwisterpaare gebeten, in einem Aufsatz zu beschreiben, wie damals in ihrer Familie Weihnachten gefeiert wurde. Es war den Forschern anschließend nicht möglich, anhand der einzelnen Beschreibungen die Geschwisterpaare zu identifizieren. Wie kann das sein? Die Geschwister haben doch an derselben Feier teilgenommen? Anscheinend haben unsere Erfahrungen und Erinnerungen eine sehr individuelle, subjektive Färbung. Nur weil Geschwister am selben Weihnachtsfest teilgenommen haben, heißt das noch lange nicht, dass sie genau das gleiche Weihnachten erlebt haben, geschweige denn es über die Jahre gleich in Erinnerung behalten. Es geht sogar noch weiter, nicht nur, dass wir Situationen unterschiedlich wahrnehmen und erinnern, wir können sogar Ereignisse erinnern, die uns nie passiert sind. In wissenschaftlichen Experimenten ist es immer wieder gelungen, Teilnehmern falsche Erinnerungen „einzupflanzen“. Die Psychologin Elizabeth Loftus untersucht seit dreißig Jahren, wie sich „falsche Wahrheiten“ in unserem Gehirn als Realität festigen können. In ihrer Studie „Lost in the mall“ (Loftus, 1999) wurde den Teilnehmern z. B.

suggeriert, dass sie als 5- oder 6-Jähriger einmal in einem Einkaufszentrum verloren gegangen und später von einem Erwachsenen gefunden worden wären. Immerhin 6 von 24 Teilnehmern konnten sich an dieses nie stattgefundene Ereignis erinnern. Loftus und ihr Team manipulierten in einer anderen Studie Fotos, und suggerierten einigen Teilnehmern dadurch erfolgreich, dass sie als Kind einmal mit ihrem Vater in einem Heißluftballon geflogen seien. Die Ballonflug hatte nie stattgefunden, ebenso wenig wie die Begegnung mit Bugs Bunny in Disneyland. Auch hier zeigte Loftus Studenten fiktive manipulierte Fotos von ihnen als Kind mit Bugs Bunny im Arm. Ein Anteil von 35 % konnte sich an diese nie stattgefundene Begegnung in Disneyland später erinnern (Schuhmacher 2005). In einem anderen Zusammenhang wird ebenfalls deutlich, wie unterschiedlich, begrenzt und fragil unsere Wahrnehmung und Erinnerung sind: bei Zeugenaussagen. In einem Gemeinschaftsprojekt haben die Polizei von Manchester, die BBC und Open University das Thema Zeugenaussage mit modernster Technologie im Gruppenexperiment erforscht (Winterman, 2010)[4]. In einer fingierten Szene in einem Pub wurde Probanden dieses Experiments eine täuschend echte Messerstecherei präsentiert. Der Pub war ausgestattet mit 10 versteckten Kameras, die unter anderem die Augenbewegungen der Personen aufzeichneten. So konnte z. B. festgestellt werden, dass Personen das Verbrechen „gesehen“ hatten, obwohl sie anschließend felsenfest davon überzeugt waren, nichts gesehen zu haben. Sechs Wochen nach dem Vorfall wurden die Zeugen gebeten, anhand von 10 Fotografien die Beteiligten an der Messerstecherei zu identifizieren. Keiner identifizierte den Mörder, nur einem fiel überhaupt auf, dass er auch im Pub anwesend gewesen war. Zwei identifizierten einen Unschuldigen als Mörder, den die Versuchspersonen nie zuvor gesehen hatten. Warum haben Geschwister unterschiedliche Erinnerungen ans gemeinsame Weihnachtsfest oder warum erinnern wir sogar Dinge, die nie geschehen

sind. Warum erinnern Zeugen unterschiedliche Dinge und blenden andere aus? Dies hat mit unserer Wahrnehmung und Aufmerksamkeit zu tun, die begrenzt sind. Das Abspeichern von Erlebnissen in unserem Gehirn verläuft nicht wie mit Akten in Papierform oder Daten am Computer, wo etwas schwarz auf weiß niedergeschrieben ist und genau so jederzeit wieder abrufbar ist. Jedes Mal, wenn wir uns an ein Ereignis wieder erinnern, verändert unser Gehirn auch diese Erinnerung, überschreibt sie, passt sie an neue Erfahrungen und Gegebenheiten an. Häufig ergänzen wir sogar Aspekte, die eigentlich nicht passiert sind, die aber so stimmig ins Bild passen. „Falsche“ Erinnerungen, die jedoch vom Urheber gar nicht so wahrgenommen werden und auch nicht absichtlich geschehen. Wenn wir also selbst bei einem sprichwörtlichen Elefantengedächtnis Sachverhalte nicht eins zu eins wahrnehmen, abspeichern und erinnern, müssen wir uns fragen, ob wir immer Recht haben mit unserer Variante einer Geschichte. Dann bekommt die Aussage „es ist nie zu spät, eine glückliche Kindheit zu haben“ eine ganz neue Bedeutung. Unsere Geschichten über die Vergangenheit in einem neuen Licht zu sehen, ermöglicht uns The Work. Dies wird uns in den folgenden Kapiteln und vor allem im 4. Kapitel noch mal verstärkt beschäftigen.

1.6 Die Welt entsteht in unserem Kopf „Die Umwelt, so wie wir sie wahrnehmen, ist eine Erfindung.“ Heinz von Foerster Die Welt, so wie wir sie mit unseren Sinnessystemen wahrnehmen können, entspricht keinem objektiven Abbild der Wirklichkeit. Mit unseren fünf Wahrnehmungskanälen Sehen, Hören, Tasten, Schmecken und Riechen nehmen wir immer nur einen bestimmten Ausschnitt der Welt da draußen wahr. Oder können Sie vielleicht Sprengstoff riechen? Ein Hund schon. Auch das menschliche Auge sieht nur in einem Schwingungsbereich von ca. 380 bis 780 Nanometer, das bedeutet Millionstel eines Millimeters, alles

darunter oder darüber ist für unser Sehsystem nicht wahrnehmbar. Bienen können etwas sehen, was dem menschlichen Auge verborgen bleibt, den ultravioletten Schwingungsbereich. Das Studium des menschlichen Auges liefert generell lehrreiche Informationen zum Thema Wahrnehmung. Es gibt bekanntlich den sprichwörtlichen „blinden Fleck“, der uns blind sein lässt für gewisse Eigenschaften oder Persönlichkeitsmerkmale an uns selbst. Das menschliche Auge verfügt tatsächlich über so eine Stelle. Sie befindet sich da, wo der Sehnerv von der Netzhaut alle Informationen an das Gehirn weitergibt. An dieser Stelle gibt es keine Stäbchen und Zapfen, folglich sind wir dort blind. Davon merken wir aber gar nichts, die Welt erscheint uns ja nicht löchrig wie ein Schweizer Käse, sondern als vollständiges Gesamtbild. Das liegt daran, dass unser Gehirn diese fehlende Information mithilfe der angrenzenden Sehzellen und des anderen Auges füllt. Der blinde Fleck offenbart sich uns nur, wenn wir die Augen durch ein Wahrnehmungsexperiment austricksen (Maturana & Varela 2011, S. 21 f.). Schließen Sie das linke Auge (oder decken Sie es mit der Hand ab) und schauen Sie auf den ✹. Den ● sehen Sie dabei trotzdem noch im Gesichtsfeld. Lassen Sie den Blick fixiert auf den ✹, während Sie nun den Abstand zur Buchseite verändern, indem Sie das Buch zu sich hin- und von sich wegbewegen. Der ● verschwindet an einer bestimmten Stelle. Mit dem linken Auge geht es analog seitenverkehrt.

Wir sehen also keine löchrige Welt, sondern haben im Gegenteil normalerweise ein sehr homogenes, präzises und tiefenräumliches Seherleben. Da wir es so gewohnt sind, verwundert es uns vielleicht nicht. Wenn man sich aber bewusst macht, dass unser Kopf und unsere Augäpfel sehr viel in Bewegung sind, verblüfft es schon eher: Eigentlich führen unser

Augen ständig kleine feine Bewegungen aus, die man Augentremor nennt. Manchmal hüpft das Auge sogar hin und her, wenn es die Umwelt abtastet. Diese willkürlichen Augenbewegungen kann man beobachten, wenn man jemandem in die Augen schaut. Wie kommt es trotzdem in unserer Wahrnehmung zu einem scharfen, stabilen Bild der Welt und nicht wie zu erwarten, einem unscharfen oder verwischten? Tatsächlich wird die neuronale Aktivität, die eigentlich dabei entstehen müsste, unterdrückt und wir sind sogar für einen Sekundenbruchteil blind. Wir merken es wieder einmal nicht, denn diese kleine Lücke wird durch unser Gehirn überbrückt. Das Bild zwischen den Augenhüpfern wird künstlich verlängert. „Zeit ist eben auch eine Konstruktion des Gehirns“, sagt der Hirnforscher Gerhard Roth dazu in seinem empfehlenswerten Buch Aus Sicht des Gehirns (vgl. ebd. S. 47). Der blinde Fleck oder unser hin und her springendes Auge machen deutlich: Wir sehen nicht, dass wir nicht sehen. Gleichzeitig aber sind wir uns so gewiss, dass unsere Wahrnehmung korrekt und vollständig ist. Wir sind unserer eigenen Blindheit gegenüber blind und das betrifft nicht nur unsere Augen, das betrifft unsere Wahrnehmung insgesamt. Der Neurobiologe Wolf Singer sagt, dass „Wahrnehmung nicht als passive Abbildung von Wirklichkeit verstanden werden darf, sondern als das Ergebnis eines außerordentlich aktiven, konstruktivistischen Prozesses gesehen werden muß, bei dem das Gehirn die Initiative hat. Das Gehirn bildet ständig Hypothesen darüber, wie die Welt sein sollte, und vergleicht die Signale von den Sinnesorganen mit diesen Hypothesen. Finden sich die Voraussetzungen bestätigt, erfolgt die Wahrnehmung nach sehr kurzen Verarbeitungszeiten. Treffen sie nicht zu, muß das Gehirn seine Hypothesen korrigieren, was die Reaktionszeit verlängert. In den meisten Fällen dürfte sich der Wahrnehmungsakt jedoch auf das Bestätigen bereits formulierter Hypothesen beschränken“ (vgl. ebd. S. 72 ). Unser Gehirn entspricht nicht dem viel zitierten „Computer“, der Informationen von der Außenwelt empfängt. Es bringt vielmehr seine

eigene Welt hervor. Wir nehmen keine Bilder mit den Sehzellen war, sondern elektrische Impulse. Wir sehen mit dem Gehirn, nicht mit dem Auge. Wahrnehmung ist eine kreative und konstruktivistische Leistung. Diese neurologischen „Beschränkungen“ oder auch Wahrnehmungsfilter gelten ebenfalls für unser Hören, Fühlen, Riechen und Schmecken und sie gelten für alle Menschen gleichermaßen. Hinzu kommen aber noch subjektive Wahrnehmungsfilter, die sich aus unserer Sozialisation, unseren ganz persönlichen Erfahrungen und der Kultur, in der wir leben, ergeben. Stellen Sie sich vor, Sie wachsen an einem Ort auf, wo es kein Konzept für „Arbeit“ gibt, wo dieses Wort gar nicht in Ihrer Sprache existiert. Wie erleben Sie den Tag, wenn Sie nicht unterteilen können in Arbeit und Freizeit, aufstehen, zur Wasserstelle gehen, um Wasser zu holen, das Dach der Hütte neu decken oder mit anderen Dorfbewohnern ein Schwätzchen halten oder singen? Die Yequana-Indianer aus Venezuela haben in ihrer Sprache kein Wort für unseren Begriff „Arbeit“. Es gibt einfach Dinge, die ohne Bewertung von ,das ist Arbeit / das ist Freizeit‘ getan werden, alles ist gleichbedeutend. Unsere Kultur prägt uns nachhaltig, das kann vermutlich jeder bestätigen, der schon mal eine Zeit im Ausland gelebt hat. Als ich in Guatemala in einem Kinderdorf mit einheimischen Kollegen zusammengearbeitet habe, fiel mir auf, welche unterschiedlichen Vorstellungen wir über Erziehung hatten, geschweige denn vom Thema Pünktlichkeit. Soziale Normen variieren von Kultur zu Kultur und helfen uns in der Komplexität des sozialen Miteinanders zu orientieren. Auf der anderen Seite sorgen sie aber auch dafür, dass wir davon ausgehen, die Welt sei so, wie wir sie gewohnt sind oder wie wir sie kennen. Vielleicht ist das alles ein alter Hut für Sie und Sie wissen natürlich, dass es keine objektive Realität gibt. Mir ist das auch schon lange klar, ich frage mich dann nur, wie es dazu kommen kann, dass ich in einem Streit so vehement auf meiner Position und der Richtigkeit meiner Version der

Situation beharre? Das ist ja irrsinnig, kann ich ja noch nicht mal davon ausgehen, dass mein Gegenüber und ich die Kaffeetasse vor uns „gleich“ wahrnehmen. Wie soll es dann erst bei einem hochkomplexen Vorgang wie einer Diskussion oder einer Beziehung zwischen zwei oder mehreren Menschen sein? Die von uns wahrgenommene Wirklichkeit entsteht durch eine subjektive, aktive Konstruktion. Da wir die Konstrukteure sind, haben wir die Freiheit, unsere Wahrnehmung der Realität zu verändern. Davon handelt dieses Buch – mehr Freiheit in sich zu finden, indem man seine subjektiven Wirklichkeitskonstruktionen hinterfragt und dadurch erweitert.

Ein Wandergeist macht uns unglücklich Wie kommt man auf 60-80.000 Gedanken pro Tag? Unter anderem, indem wir Menschen gedanklich häufig nicht im Moment präsent sind, sondern gedanklich umherwandern. Dass sich dies auf unsere Lebenszufriedenheit auswirkt, konnten die beiden Forscher Killingsworth & Gilbert (2010) eindrucksvoll aufzeigen. Sie statteten in ihrer Studie über 2250 Teilnehmer mit einem iPhone und einer besonderen App aus, um sie während des Tages über ihre mentale Verfassung zu befragen. Das Forscherteam von der Harvard Universität war daran interessiert herauszufinden, wie häufig unser Verstand auf Wanderschaft geht und wie sehr die Stimmung davon beeinflusst wird. Die App unterbrach die Teilnehmer zufällig bei ihren täglichen Aktivitäten mit folgenden Fragen: 1. Wie fühlen sie sich gerade auf einer Skala von 0–100 (sehr schlecht – sehr gut)? 2. Was machen sie gerade? 3. Denken Sie gerade an etwas anderes als das, was sie gerade tun? Antwortmöglichkeiten: Nein; Ja, etwas Angenehmes; Ja, etwas Neutrales; Ja, etwas Unangenehmes.

Der große Vorteil dieser Studie lag darin, dass die Forscher sich die moderne Technologie zunutze machen und dank der App die Teilnehmer in Echtzeit die Fragen beantworten lassen konnten. In vorangegangenen Forschungsarbeiten zu dem Thema gaben die Befragten immer nur rückblickend Auskunft über ihre Befindlichkeit. In der Rückschau werden aber häufig Erlebnisse „verfälscht“ erinnert. In dieser Studie wurden die Beteiligten aber im Moment des täglichen Handelns direkt über ihre Gedanken befragt. Spannendes Ergebnis: Der Verstand wandert häufig umher, egal welcher konkreten Aktivität die Menschen in diesem Moment nachgehen. Es gibt nur eine Ausnahme, beim Sex scheinen die Menschen ziemlich fokussiert zu sein. Zweites Ergebnis: Wenn der Verstand wandert, sind die Menschen unglücklicher, egal welcher Tätigkeit sie gerade nachgehen. Ob ich ein Fünf-Gänge-Menü in einem absolut angesagten Restaurant mit einer wahnsinnig attraktiven Begleitung zu mir nehme oder in der Mensa eine undefinierbare Pampe in Gegenwart von hunderten Kommilitonen esse. Wenn der Verstand dabei abschweift, vermiese ich mir das Essen, so oder so. Und das trifft für die mentale Wanderschaft zu angenehmen wie unangenehmen Orten gleichermaßen zu. Interessanterweise wandern die Teilnehmer aber häufiger zu unangenehmen Themen und vergällen sich damit ihre Lebenszufriedenheit gleich doppelt, einmal indem sie nicht präsent im Moment sind und zum zweiten, weil sie sich dann auch noch unangenehme Dinge vorstellen. Angenehme Tagträume machen die Lage aber auch nicht besser. Die Strategie, wenn in meinem Leben schon alles schief läuft, dann male ich mir wenigstens ein wunderbares Leben in meiner Fantasie aus, befriedigt wohl doch nicht. Verlockende Fantasien wie, wenn ich im Lotto gewinne, dann sind alle meine Probleme mit einem Schlag gelöst und dann kaufe ich mir ein Villa, ein Lamborghini und eine Yacht, trüben die Stimmung mehr, als dass sie einen positiv stimmen. Also, positiv gefärbte Tagträume machen nicht glücklicher, als sich mit dem aktuellen Moment zu beschäftigen. An neutral gefärbte Themen zu denken oder gar sich Horrorfantasien auszumalen macht deutlich unglücklicher als präsent im Hier und Jetzt zu sein.

Abbildung 1: Wo sind Sie gerade mit Ihrer Aufmerksamkeit? Bedeutet das Ergebnis, dass wir ab jetzt jegliche mentale Abschweifung unbedingt unterbinden sollten? Auf keinen Fall, diese menschliche Fähigkeit, mit dem Verstand zu reisen, birgt auch einen evolutionären Vorteil. Unsere umherwandernden Gedanken ermöglichen uns auch etwas zu erschaffen, Pläne zu schmieden, unsere Ziele umzusetzen, Probleme und

Herausforderungen zu lösen und sie können eine Quelle der Fantasie und Kreativität für uns Menschen sein. Ohne Gedankenreisen wäre wahrscheinlich kein Film oder Buch entstanden. Es geht also wie so häufig um die Balance zwischen Tagträumerei, die sich ungünstig auf die Lebenszufriedenheit auswirkt, und dem kreativem Erschaffen mithilfe unserer Gedanken. Sie können gerne einmal für sich prüfen, ob es auch bei Ihnen zutrifft, dass Ihr Verstand von dem abschweift, was Sie gerade tun. Beobachten Sie sich doch z. B. mal beim Abwasch. Sind Sie ganz präsent mit dem Teller beschäftigt, den Sie gerade im Wasser schrubben? Spüren Sie das Wasser auf Ihren Händen, die Temperatur, die Textur des Schaums? Widmen Sie sich mit all Ihrer Aufmerksamkeit genau dem Teller, den Sie gerade in den Händen halten oder sind Sie gedanklich schon beim anschließenden Fernsehprogramm? Ich lag letztens nach einer sehr anstrengenden Yogastunde in der wohlverdienten Endentspannung. Alle viere von mir gestreckt, vergällte ich mir diesen süßen Moment der Entspannung nach der körperlichen Anstrengung, indem ich mir lebhaft vor Augen führte, welche Speise ich gleich zu verzehren gedachte. Ich wägte innerlich verschiedene Restaurants ab und dachte auch daran, dass ich im Anschluss unbedingt noch ein, zwei E-Mails beantworten musste. Wenn Sie bei sich feststellen, dass auch Ihr Verstand häufig umherwandert und Sie gedanklich mit etwas anderem beschäftigt sind als dem, was sie eigentlich tun, stehen mehrere Strategien zur Verfügung, um mehr Lebenszufriedenheit zu erreichen: entweder Sie haben häufig Sex, Sie üben sich in Achtsamkeit mit dem Fokus auf das Hier und Jetzt, Sie versenken sich in eine mentale Tätigkeit und planen oder kreieren etwas, oder Sie nageln einen Ihrer 80.000 Gedanken fest und befragen ihn mit The Work.

Achtsamkeit „Achtsamkeit ist ein aufmerksames Beobachten, ein Gewahrsein, das völlig frei von Motiven

oder Wünschen ist, ein Beobachten ohne jegliche Interpretation oder Verzerrung.“ Krishnamurti Das Thema Achtsamkeit wird uns in diesem Buch immer wieder begegnen. Es bedeutet, mit allen Sinnen den Moment wahrzunehmen, ohne zu bewerten oder zu urteilen. Eigentlich ist Achtsamkeit auf den ersten Blick etwas ziemlich Unspektakuläres. Es ist einfach ein bewusstes Wahrnehmen im Gegensatz zum Auto-Pilot-Modus, zu blinden Routinen und Multitasking. Das Entlastende an der Achtsamkeit ist, dass es nichts zu erreichen gilt, kein Ziel muss erfüllt werden. Die Kunst besteht darin, sich ganz auf den Augenblick und das, was man wahrnimmt, einzulassen. Sie können z. B. Ihre Gedanken, körperlichen Empfindungen oder Gefühle beobachten und ihnen dabei mit einer offenen und akzeptierenden Haltung begegnen. Der Unterschied zum alltäglichen Bewusstsein? Sie sind mit Ihrer Bewusstheit fokussiert und geben sich nicht blind dem automatischen Denken hin. So eine achtsame Haltung ermöglicht es Ihnen, Gedanken überhaupt erst einmal wahrzunehmen und sich gleichzeitig nicht in eine Geschichte verstricken zu lassen, sondern Beobachter zu bleiben. Eine regelmäßige Achtsamkeitspraxis führt zu sehr positiven Resultaten wie Schmerzlinderung, Verbesserung der Immunfunktionen, Stressabbau und zu mehr Wohlbefinden generell (Siegel, 2010). Um diese Wirkung zu erfahren, braucht es jedoch eine regelmäßige Praxis. Probieren Sie es aus.

Übung Achtsam sein im Hier und Jetzt Sich seines Atems bewusst zu werden ist eine hilfreiche Praxis, um sich den Moment zu vergegenwärtigen und im Hier und Jetzt zu sein. Halten Sie inne und nehmen Sie wahr, wie Sie gerade sitzen oder liegen. Spüren Sie die Unterlage, auf der Ihr Körper ruht ... Und dann gehen Sie mit

Ihrer Aufmerksamkeit zu Ihrer Atmung. Nehmen Sie wahr, wie der Atem ein und ausströmt, ohne etwas daran zu verändern. Spüren Sie, wie sich Ihre Bauchdecke beim Einatmen hebt, beim Ausatmen senkt und wie dann vielleicht eine kleine Atempause entsteht, bevor der nächste Atemzug kommt ... Seien Sie sich in diesem Moment einfach gewahr, wie der Atem fließt, wie Es Sie atmet ... Vielleicht, wenn Sie ganz genau beobachten, können Sie wahrnehmen, wie sich Ihre Nasenlöcher etwas weiten, wenn die Luft einströmt ... Wenn Gedanken auftauchen und Sie auf eine Reise mitnehmen, können Sie Ihren Atem als Magnet nutzen, um sich immer wieder zurück in den Moment zu ziehen. Nehmen Sie wahr, wie die Atmung kommt und geht. Mehr gibt es jetzt nicht zu tun – wahrnehmen, was ist, ohne es zu beurteilen oder zu verändern. Auswertung: Wie war das für Sie, sich mit Aufmerksamkeit Ihrer Atmung zuzuwenden? Vielleicht hat Ihr Verstand während der Übung geplappert und Kommentare abgegeben? Das geschieht häufig und sollte uns nicht dazu bringen, diese Art der Wahrnehmungsschulung infrage zu stellen. Unser Verstand produziert Gedanken am laufenden Meter. Das ist seine Natur. Je häufiger wir jedoch den Verstand an diese Art der bewussten Wahrnehmung gewöhnen, desto stiller wird er werden. Vielleicht haben Sie auch schon eine angenehme Wirkung verspürt, nachdem Sie sich voll und ganz auf Ihre Atmung fokussiert haben? In sich zu ruhen und in der eigenen Präsenz zu baden kann sehr wohltuend sein.

Stoische Ruhe „Nicht die Dinge selbst, sondern die Meinungen von den Dingen beunruhigen die Menschen.“ Epiktet

Wir haben gesehen, dass der Strom der Gedanken zu uns gehört wie der beständige Fluss der Atmung. Gedanken geschehen einfach und dabei können sie großen Einfluss haben auf unser Wohlbefinden, auf unsere Stimmung und letztendlich auch auf unser Handeln. Dabei fußen unsere Gedanken, Einschätzungen und Bewertungen auf keinem objektiven Abbild der Wirklichkeit. Wir konstruieren uns unsere Welt und sind dabei partiell blind für das große Gesamtbild. Die Urteile über die Realität und nicht „die Realität“ an sich als Ursache für Gefühle zu betrachten, basiert auf einer längeren Tradition. So hat der stoische Philosoph Epiktet schon vor fast 2000 Jahren den viel zitierten Ausspruch getan, dass es eben unsere Meinungen sind, die uns beunruhigen und nicht die Dinge selbst. Sie finden in diesem Buch einige Zitate von Epiktet und einem weiteren Vertreter der Stoa, Marc Aurel, da sie so gekonnt auf den Punkt bringen, was es braucht, um zu einem geglückten Leben zu finden. Ziel der Stoiker war es nämlich, eine unerschütterliche Seelenruhe zu erreichen. Dafür gaben die Vertreter des Stoizismus neben philosophischen Überlegungen tatsächlich auch praktische Lebenshilfe bis hin zu asketischen Benimmregeln an die Hand (Wöhrle, 2002). The Work weist auffallende inhaltliche Ähnlichkeiten mit dem Gedankengut der Stoa auf. Sie scheint wie eine pragmatische Weiterführung der Stoa zu sein, auch wenn Byron Katie selbst anfangs vielleicht nicht vertraut war mit den Schriften der Stoiker. Wie kommt es, dass die Philosophie eines freigelassenen Sklaven aus Rom, der im ersten und zweiten Jahrhundert n. Chr. lebte, durch die Jahrhunderte hinweg und auch heute noch so populär ist? Für Epiktet hatte Sklaventum nichts mit der äußeren Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe zu tun, sondern vielmehr mit einer bestimmten Geisteshaltung. Erstrebenswert ist es, zu einer inneren Freiheit zu gelangen, indem wir uns von irreführenden Meinungen befreien. Diese Freiheit im stoischen Sinne hat dementsprechend nichts damit zu tun, ob wir Sklave oder Freier sind. Die Frage ist sowieso, ob ein vermögender Mensch in einer hohen, angesehenen Position mit all den Verpflichtungen und Ängsten um sein Ansehen und seinen Besitz freier ist als ein Sklave. Freiheit im Sinne von Epiktet

bedeutet auch nicht, so zu leben, wie man will, da einem das Leben unabhängig von Rang, Namen oder Geschlecht immer wieder einen Strich durch die Rechnung machen kann. Wir verlieren Menschen, die wir lieben, unser Körper wird krank, Besitztümer kommen und gehen und wir können das nicht verhindern. Aber uns kann niemand daran hindern, unseren Verstand zu gebrauchen, also unsere Gedanken, Urteile und Handlungsimpulse, die wir zu den Ereignissen haben, zu reflektieren. Epiktet spricht davon, diese Meinungen und Ansichten zu „reinigen“. Unsere innere Freiheit liegt darin, dass äußere Dinge keine Macht über uns haben müssen. Für Epiktet gab es die Labels „gut“ und „schlecht“ zur Beschreibung von Situationen nicht, für ihn waren die Dinge erst einmal wertneutral, gleichgültig oder indifferent. Erst die geistigen Urteile machten es zu einer guten oder schlechten Sache. Die Bewertung einer Situation nimmt der Mensch selbst vor. Deshalb forderte Epiktet den Menschen dazu auf, die Vorstellungen des Verstandes kritisch zu prüfen und sich dabei nur auf den Bereich zu fokussieren, auf den er Einfluss hat, sein Inneres. Das verlangt allerdings Disziplin und tägliche Praxis. Epiktet empfahl dabei geistige Übungen, wie z. B. sich selbst zu beobachten, ein Rezept, das heute genauso wie damals aktuell ist und etwa in der Achtsamkeitsmeditation befolgt wird. Weiterhin sollte man sich an die Dinge erinnern, die gut sind, und Zwiesprache mit sich selbst halten. Außerdem solle der Mensch immer prüfen, ob er überhaupt Einfluss auf die Dinge habe. Falls uns also etwas zustößt, was nicht in unserer Macht steht, solle man erwidern: „Geht mich nichts an!“, und sich nur um sein Inneres kümmern, der Bereich, über den der Mensch Macht hat. Was dann folgt, ist Freiheit, innere Ruhe, Beherrschung der Affekte und Glückseligkeit. Epiktet war klar, dass dies keine einfache Sache ist, die man einmal verinnerlicht hat und nach der man dann sein Leben ausrichtet. Es bedarf der ständigen Praxis, des Übens (Weinkauf, 2001, Wöhrle, 2002). So bot also schon damals Epiktets Anleitung Lebenshilfe in Sachen Glück und Zufriedenheit. Seine Unterteilung in äußere und innere Dinge wird uns auch noch einmal im 3. Kapitel begegnen, bei Byron Katies drei Angelegenheiten des Universums.

The Work ist ebenso mehr eine praktische Lebensphilosophie als eine Theorie. Die Methode ist schnell erklärt, es geht vielmehr darum, sie anzuwenden und regelmäßig zu praktizieren, wann immer stressvolle Gedanken auftauchen. Mit The Work werden stressvolle Gedanken ebenfalls „gereinigt“, indem wir sie hinterfragen. Epiktet wurde als Sklave geboren, er hatte eine körperliche Behinderung und als freigelassener Mensch musste er aufgrund einer kaiserlich angeordneten Philosophenvertreibung seine Heimat verlassen. So wurde innere Freiheit für ihn ein bedeutsames Thema beim Streben nach einem geglückten Leben. Bei The Work geht es auch um diesen Punkt, innerlich frei zu sein und sich nicht unglücklich zu machen durch vermeintliche äußere oder mentale Barrieren. Epiktets bekanntes Handbüchlein der Moral heißt übersetzt auch so viel wie „Handwaffe“, etwas, das uns hilft, uns zu verteidigen gegen die Unwägbarkeiten des Lebens. Ebenso funktionieren die vier Fragen und Umkehrungen als „Handwaffe“ gegen mentale Turbuenzen. Wir machen jetzt einen großen Zeitsprung in das 20. Jahrhundert zu einer Nachbardisziplin der Philosophie, der Psychologie. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war bei den Psychologen eine Richtung vorherrschend, die sich Behaviorismus nennt. Ihre Vertreter, wie John B. Watson oder Burrhus F. Skinner, vertraten die Auffassung, dass innerpsychische Prozesse des Menschen nicht wissenschaftlich untersuchbar seien. Sie bezeichneten die seelischen Vorgänge als „Blackbox“ (schwarze Schachtel) und konzentrierten ihre Forschungsarbeiten rein auf äußerlich beobachtbares Verhalten. Ethisch fragwürdige Versuche mit Tieren und Menschen wurden zu dieser Zeit durchgeführt, um einfache Reiz-Reaktionsketten zu beschreiben und dabei mentale Vorgänge zu negieren. Verhalten sollte allein durch Umweltbedingungen, denen ein Individuum ausgesetzt ist, determiniert werden. Diese einseitige und radikale Sicht zur Erklärung menschlichen Handelns setzte sich glücklicherweise nicht durch und wurde durch die kognitive Wende abgelöst.

Denkfehler „Nicht unsere Stimmungen prägen unsere Gedanken: Unsere Gedanken entscheiden über unsere Stimmungen.“ Aaron T. Beck Psychologen, allen voran Albert Ellis und Aaron T. Beck, erkannten, dass der Mensch sich nicht allein durch sein äußerlich beobachtbares Verhalten beschreiben lässt. Als Gegenbewegung entstand die kognitive Verhaltenstherapie, die an philosophische Vorläufer wie Epiktet anknüpfte und viel stärker an inneren psychischen Vorgängen interessiert war. Darauf spielt auch das Wort „Kognition“ dieser Therapierichtung an. Gemeint ist das, was sich in unserem Kopf abspielt, also Denken, Erinnerungen an die Vergangenheit und Vorstellungen von der Zukunft sowie Tagträume. Mit „Verhalten“ ist das Handeln gemeint, das aus den Kognitionen entsteht. Es kann im Außen sichtbar sein, wie z. B. laut rumschreien, aber auch das unterdrückte, nicht im Außen sichtbare Handeln, wie sich auf die Zähne beißen. „Therapie“, ein Wort, das häufig noch seltsame Assoziationen auslöst, meint in dieser Therapieschule ganz pragmatisch die Anleitung für strukturierte, systematische Verhaltensweisen, um ein Problem zu lösen oder ein Ziel zu erreichen (Wilson & Branch, 2007). In der Kognitiven Verhaltentherapie geht es also vor allem darum, dysfunktionale, unangemessene Denkprozesse beim Klienten zu identifizieren und dann durch verschiedene Interventionen aufzulösen. Auch hier gibt es wieder Gemeinsamkeiten mit The Work, der Fokus liegt bei beiden Ansätzen auf den Gedanken und besonders den sogenannten „Denkfehlern“. Diese bereiten uns Kummer und Sorgen und engen unseren Handlungsradius ein. Zusammenfassend können wir festhalten: Sowohl bei den stoischen Philosophen, bei den Vertretern der Kognitiven Verhaltenstherapie als auch bei The Work liegt das Augenmerk auf den Gedanken und Urteilen. Wie

erklärt sich diese ungebrochene Popularität für das Thema Gedanken und Bewertungen, wenn es um ein glückliches Leben geht?

1.7 Wir fühlen, wie wir bewerten „Es gibt nichts Gutes oder Schlechtes; erst die Gedanken machen es dazu.“ Hamlet Auf den ersten Blick scheint es doch so: Es passiert ein Ereignis, das etwas mit mir macht. Ich stecke mitten im Feierabendverkehr umgeben von ganz vielen Autos. Dann fährt mein Vordermann auch noch so langsam an der grünen Ampel an, dass er gerade noch rüberkommt, ich aber nicht. Die Konsequenz: je nach Temperament und Stimmungslage kann von gelassen bis wütend alles dabei sein. Körperlich empfindet man vielleicht Spannung oder das Herz rast. Das zusammengenommen führt zu einer Handlung. Manch einer macht seinem Ärger lauthals Luft, indem er flucht oder hupt, andere atmen tief ein und zählen bis zehn. Die Situation, in dem Fall das Verhalten des Vordermanns, ist Auslöser für meine Gefühle und mein Verhalten. Der andere oder die Situation macht, dass ich mich auf eine bestimmte Art fühle. Das würde bedeuten, dass wir wenig Einfluss auf unsere Reaktionen haben. Es passiert etwas mit uns und wir reagieren automatisch und zwangsweise mit einem Verhalten. Wie lässt sich dann unterschiedliches Verhalten von Menschen in derselben Situation erklären oder auch unser eigenes Verhalten, das in ähnlichen Situationen ebenfalls unterschiedlich ausfällt? Schauen wir uns folgende Situation an: Ein Mitarbeiter begegnet seinem Chef auf dem Flur, er schaut ihn an und grüßt ihn freundlich. Der Chef ignoriert den Gruß und geht, ohne eine Miene zu verziehen, vorbei. Neun Mitarbeiter, neun Meinungen:

Mitarbeiter 1 denkt: „Was für ein Arschloch, der Typ ist sozial so was von inkompetent“, und fühlt sich wütend. Mitarbeiter 2 denkt: „Oh Gott, hoffentlich habe ich nichts falsch gemacht bei meinem letzten Bericht und deshalb straft er mich jetzt mit Nichtachtung“, und fühlt sich ängstlich und unsicher. Mitarbeiter 3 denkt: „Der ist wahrscheinlich gerade gedanklich mit was anderem beschäftigt“, und fühlt sich neutral und entspannt. Mitarbeiter 4 denkt: „Der hat wohl heute Morgen Saures von seiner Frau bekommen, der Arme“, und fühlt sich belustigt. Mitarbeiter 5 denkt: „Der big boss hat ihm wohl heute zugesetzt“, und fühlt Schadenfreude. Mitarbeiter 6 denkt: „Wenn er mich nicht gesehen hat, ist ihm wahrscheinlich auch nicht aufgefallen, dass ich zu spät komme“, und fühlt sich erleichtert. Mitarbeiter 7 denkt: „Über welchen Geniestreich der wohl wieder brütet, der kriegt ja gar nichts von der Außenwelt mit“, und ist neugierig. Mitarbeiter 8 denkt: „Ach, heute bin ich verschont geblieben, normalerweise quatscht der einem sonst eine Frikadelle ans Ohr“, und freut sich. Mitarbeiter 9 denkt: „Der hat bestimmt letztens mitbekommen, wie ich in der Kantine über ihn hergezogen bin“, und fühlt sich beschämt.

Diese unterschiedlichen Bewertungen ein und derselben Situation zeigen uns, dass es einen Interpretationsspielraum zwischen einer Situation und einer Reaktion gibt, nämlich unsere eigene Bewertung. Nach dem „Reiz“ folgt nicht immer direkt die Reaktion, sondern unsere Bewertung des Reizes und die wiederum beeinflusst im starken Maße unsere Reaktion. Es gibt einen Spalt zwischen Reiz und Reaktion, in dem Wahl- und Gestaltungsfreiheit für uns steckt. Wir haben nicht die eine Realität da draußen, sondern immer nur subjektive Versionen, der Realität. Mit unseren Gedanken über die Realität beeinflussen wir die nachgeschalteten Gefühle und Handlungen.

Abbildung 2: Die Bewertung gibt den Ausschlag.

Dass sich unsere eigene Bewertung eines ehemals schmerzlichen oder peinlichen Ereignisses im Laufe der Zeit verändern kann, haben Sie sicher selbst schon einmal erlebt. Im Nachhinein fragt man sich, wie man die Situation damals beim ersten Date so schwer nehmen konnte oder man kann sogar darüber lachen. Da hat sich wohl die eigene Bewertung der Situation verändert. Was die Zeit und die Lebenserfahrungen hervorbringen können, können wir mit The Work beschleunigen. Wir brauchen nicht Jahre warten, bis die Zeit die Wunden heilt. Wir können direkt akute stressauslösende Ereignisse unter die Lupe nehmen und die Urteile darüber hinterfragen. Das, was sich dann einstellt, ist eine Neubewertung des Ereignisses. Dass unsere Gedanken und Bewertungen Gefühle hervorbringen können und nicht die Ereignisse im Außen, mag provokant klingen. Zwingt uns das Außen nicht doch auch eine bestimmte Wahrnehmung auf? Das Außen, also der Kontext, mag eine Einladung sein, etwas auf eine bestimmte Art und Weise wahrzunehmen. Stellen Sie sich vor, in einem Büro arbeiten drei Menschen zusammen. Die Raumtemperatur beträgt 21 Grad Celsius. Die eine Person fröstelt und zieht sich eine dicke Jacke an, die zweite empfindet die Temperatur als sehr angenehm, der dritten Person ist es warm und sie sitzt im T-Shirt da. Der Außenreiz ist für alle gleich, sogar physikalisch messbar, trotzdem bewertet jeder der drei den Reiz unterschiedlich. Spinnen wir das Beispiel weiter, jetzt fällt die Heizung aus und die Temperatur im Raum sinkt auf 1 Grad runter. Jeder normal denkende Mensch würde mir doch Recht geben, dass es kalt ist im Raum und dass man da unweigerlich friert. Jetzt beherrscht aber einer der Rauminsassen die Technik des autogenen Trainings oder Selbsthypnose und bringt sich qua Gedankenkraft in einen körperlichen Zustand, in dem er Wärme empfindet. Diese etwas konstruierte Situation verdeutlicht, es ist nicht zwingend und für alle gleich, wie wir etwas wahrnehmen und bewerten. Natürlich gibt es in diesem Fall körperliche Beschränkungen, bei minus 40 Grad hilft vielleicht auch kein autogenes Training mehr, aber es zeigt, dass es einen gewissen Spielraum gibt, wie wir etwas bewerten. Wenn schon bei so einem physikalischen Außenreiz unterschiedliche Wahrnehmungspositionen möglich sind, wie ist

das dann erst bei einem so vielschichtigen Wesen wie einem Menschen oder in einer Situation, in der es mehrere Beteiligte gibt? All das sind Einladungen, die nicht zwangsweise zu einer bestimmten Gefühlsreaktion führen müssen. Das ABC der Gefühle verdeutlicht dies sehr gut.

1.8 Das ABC der Gefühle Schauen wir uns das ABC der Gefühle von Albert Ellis an, einem der beiden Vorreiter der kognitiven Verhaltenstherapien. Dieser Ablauf erklärt, weshalb dysfunktionale Gedanken der Dreh- und Angelpunkt von Stressmanagement und Veränderungsinterventionen sind. A steht in diesem Modell für „activating event“, zu Deutsch auslösendes Ereignis. Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie lernen einen überaus anziehenden Menschen kennen und wollen sich mit ihm verabreden. Sie überwinden Ihre Unsicherheit und rufen ihn an, um ein Date auszumachen und handeln sich dabei einen Korb ein. Diese Situation ist das auslösende Ereignis für das, was als Nächstes folgt, die Bedeutung, die wir dem beimessen. Das Ereignis ist neutral, stellen Sie sich vor, es würde von einer Kamera gefilmt. Die Kamera hat keine Vorlieben, sie nimmt neutral auf, was sich vor ihrer Linse abspielt: Mensch A fragt Mensch B, ob sie sich verabreden wollen. Mensch B lehnt ab. Gedanken wie „Das ist ja unerhört“ kann die Kamera nicht einfangen. Das aktivierende Ereignis kann, wie in diesem Beispiel, etwas Externes sein, also etwas, das im Außen geschieht. Es kann sich aber auch „nur“ in unserem Kopf abspielen in Form einer Fantasie oder Halluzination. Das heißt, wir nehmen gedanklich vorweg, wie es wohl sein wird, wenn das Ereignis eintritt. Dann findet das Ereignis intern in unserem Kopf statt. Das Gleiche geschieht bei Erinnerungen an die Vergangenheit.

B steht für „Belief“, also Gedanken, Überzeugungen, Konzepte, Erkenntnisse, Ansprüche, Bedeutungen, Haltungen, Ideen, Werte, sprich den kognitiven Output, der sich aus dem auslösenden Ereignis ableitet. Zurück zum Beispiel: Der andere gibt mir einen Korb und das bedeutet: „Ich bin unattraktiv und nicht begehrenswert. Das ist das Schlimmste, was mir passieren konnte. Es ist super peinlich.“ Ich bewerte also das auslösende Ereignis und die Bedeutung, die ich dabei dem Ereignis beimesse, ist zutiefst subjektiv. Ich könnte auch andere Bedeutungen in das Ereignis legen und denken: „Pech für den anderen, wenn der wüsste, was ihm entgeht.“ C steht für „Consequences“, die Konsequenzen oder Reaktionen, also die körperlichen Reaktionen, Gefühle und Verhaltensweisen, die durch die Gedanken und Bewertungen entstehen. Beispiel: „Ich fühle einen Druck im Bauch, bin traurig und beschämt und schwöre mir, mich nie wieder so weit aus dem Fenster zu hängen und warte zukünftig ab, bis der andere sich regt.“

Abbildung 3: Das ABC der Gefühle. Zusammenfassend, es gibt ein Ereignis, das sich im Außen oder in meinen Gedanken abspielt. Das bewerte ich, indem ich das Ereignis in einem mentalen Ordner abhefte, nicht ohne ihm vorher noch ein Etikett zu verpassen, eine Bewertung. Das bleibt nicht ohne Folgen, die Etikettierung führt zu einer körperlichen Empfindung und ein Gefühl breitet sich aus. Es gibt allerdings auch Gefühle, die unabhängig von Gedanken entstehen. Dies ist vor allem bei den Affekten wie Wut, Ärger, Aggressivität, Panik, Lust und sexuellem Begehren der Fall. Sie sind häufig sehr stark und übermannen uns, ohne dass unser bewusster Verstand ein Mitspracherecht hätte. Diese Affekte müssen wir nicht erlernen, sie gehören zur biologischen Grundausstattung dazu und es fällt uns schwer, sie zu

unterdrücken oder zu kontrollieren. Oder können Sie einen drohenden Wutanfall einfach abwenden? Wenn die Sicherung einmal durchgebrannt ist, können die meisten Menschen sich nicht mehr im Zaum halten. Wir sind uns auch häufig unserer Bewertungen und Gedanken nicht wirklich bewusst. Sie geschehen auf einer unbewussten Ebene und wir werden ihrer nur manchmal gewahr. Nichtsdestotrotz entfalten sie ihre Wirkung. Um der stressauslösenden Gedanken habhaft zu werden, nutzen wir deshalb bei The Work das Arbeitsblatt „Urteilen Sie über Ihren Nächsten“, das Sie in Kapitel 3 kennenlernen werden. So deutlich voneinander getrennt, wie ich Ihnen die Chronologie des ABCSchemas dargeboten habe, findet es vermutlich nicht statt. Bewertung, Gefühle, körperliche Empfindungen und Verhaltensweise greifen ineinander und vermengen sich in vielfältiger Weise. Zur Veranschaulichung hilft es aber, die drei Aspekte einzeln unter die Lupe zu nehmen. Die ABC-Kette macht deutlich, dass es sinnvoll ist, an den eigenen Urteilen und Bewertungen eines Ereignisses anzusetzen. Wo ich nicht viel Gestaltungsspielraum habe, ist am Ursprung, dem auslösenden Ereignis. Hätten wir nicht manchmal gerne die Welt anders? Hoffnungslos. Der Autofahrer vor mir trödelt und ich komme nicht mehr über die grüne Ampel. In dem Moment kann ich die Situation nicht ändern. Ich hätte gerne, dass der andere sich auf ein Date mit mir einlässt. Die Entscheidung liegt nicht in meiner Macht. Aber ich kann an einem Punkt ansetzen, der sehr machtvoll ist, meinen Bewertungen und Gedanken. Diesen Punkt haben die philosophischen Schulen wie die der Stoiker und psychologische Richtungen wie die der kognitiven Therapien erkannt. Bei The Work geht es ebenfalls genau um diesen Punkt, die stressauslösenden Gedanken zu identifizieren und zu hinterfragen. Die ABC-Kette offenbart uns die Chance zur inneren Freiheit. Unsere Gefühle werden uns nicht von irgendwoher eingegeben und wir sind ihnen auch nicht willenlos ausgesetzt. Gefühle passieren und wir haben darauf Einflussmöglichkeiten. Wir können das,

was wir fühlen, mitgestalten. Dieses Modell entzieht uns aber auch den womöglich bequemen „Opferstatus“. Niemand anders macht mir schlechte Gefühle, wenn, dann mache ich mir diese schlechten Gefühle durch das, was ich über ein Ereignis denke. Wir tragen Ver-antwort-ung, wie wir auf etwas antworten. Dies mag eine bittere Pille zum Schlucken sein, lassen Sie uns deshalb den Implikationen des ABC-Schemas noch etwas mehr Zeit widmen.

1.9 Überdenken Sie Ihr Denken „Wenn die Marsmenschen eines Tages herausfinden, wie die Menschen denken, lachen die sich tot.“ Albert Ellis „Ich weiß, dass es katastrophal ausgehen wird!“ Ach ja, kann die Person in die Zukunft sehen? „Mein Gegenüber fragt sich bestimmt gerade, was redet die da für ein dummes Zeug.“ Die Person scheint in Gedankenlesen geschult zu sein. Wenn man über diese übersinnlichen Fähigkeiten verfügt, kann man sich natürlich auf seine seherischen Aussagen verlassen, aber was ist mit den Normalsterblichen, die sich in wildes Spekulieren verlieren? Wenn ich glaube zu wissen, was ein anderer über mich denkt, dann unterliege ich einem Irrtum, meinem Denken fehlt da ein Teil der Information. In der kognitiven Therapie spricht man von einem Denkfehler und davon gibt es einige. Allen gemein ist, dass sie unser Denken einengen und uns klein und unsicher fühlen lassen und dass sie nicht auf Tatsachen gebaut sind. Weitere Kostproben gefällig? „Ich fühle einfach, dass ich ein schlechter Mensch bin!“ Es ist nicht so weise, sich immer auf seine Gefühle zu verlassen, vor allem, wenn sie einem vermeintliche Fakten vorgaukeln. Was ist denn der Beweis dafür, dass jemand ein schlechter Mensch ist? Das flaue Gefühl im Bauch? Da hilft es, den Kopf einzuschalten, die Gedanken zu beobachten und diese

kritisch zu hinterfragen. Beim ABC-Schema ist deutlich geworden, dass Gefühle aus Gedanken entstehen, daher nutzen Gefühle als Beweismaterial zur Untermauerung von Annahmen herzlich wenig. Hilfreich, um sich als Versager zu fühlen, ist auch immer die selektive Wahrnehmung: Jemand denkt, „Ich habe mein Leben verwirkt“, weil er gerade arbeitslos geworden ist. Dass er nebenbei einen gesunden Körper, eine Familie und Freunde hat und einen guten Abschluss in der Tasche, blendet er völlig aus. Die Aufmerksamkeit wird selektiv auf einen Sachverhalt gelenkt. Wäre der Fokus auf den persönlichen Erfolgen und den Zielen, die man schon erreicht hat, würde man mit dieser Strategie gut fahren. Das ist aber meist nicht der Fall, der Tunnelblick erlaubt einem eine nur düstere, finstere und sehr einseitige Wahrnehmung. Ein Beispiel aus meinem eigenen Leben als Trainerin ist, ich bekomme 10 Rückmeldungen von Teilnehmern über das Seminar. Neun Teilnehmer sind völlig begeistert und zufrieden und ein Teilnehmer moniert eine kleine Sache. Wem schenke ich wohl meine ganze, exklusive Aufmerksamkeit? Oder kennen Sie den: Ich bin der Nabel der Welt, daher dreht sich auch immer alles um mich. Man gesellt sich bei einer Party zu einer kleinen Gruppe von Menschen und kurz danach verfallen alle ins Schweigen. „Das hat bestimmt mit mir zu tun“, schießt es einem durch den Kopf. Vielleicht sollte man sich nicht immer direkt zum Zentrum des Universums machen und alles auf sich beziehen. Es gibt so viele Gründe, warum der Gruppe der Gesprächsstoff ausgegangen sein kann, die nichts mit einem zu tun haben. Von diesen Denkfehlern gibt es noch weitere Spielarten. Sie sind wunderbar dazu geeignet, uns selbst in die Pfanne zu hauen und uns unglücklich zu machen. Wir fühlen, wie wir denken. Gesundes Denken führt zu einem glücklicheren und zufriedeneren Leben. Wie können wir irrationalen Gedanken begegnen? Die Philosophen um Epiktet und die Psychologen um Albert Ellis sehen die Lösung im Disputieren von Gedanken. Ellis hat nicht nur die Entstehung von Gefühlen in seinem ABC der Gefühle beschrieben,

er hat auch einen Weg beschrieben, mit dysfunktionalen Bewertungen umzugehen. Sein ABC wird vervollständigt durch D und E. Das D steht für Disputieren der irrationalen Überzeugungen, also ein Prüfung und Diskussion der Gedanken. Vielleicht ist der Klient ja doch auf dem Holzweg, wenn er glaubt, dass er nie wieder einen Partner findet, weil ihn der jetzige verlassen hat. Der Therapeut fragt z. B.: Können Sie zweifelsfrei beweisen, dass Ihre Gedanken richtig sind? Was spricht gegen diese Annahme? Was ist das Schlimmste, das geschehen kann, wenn Sie diese Annahme aufgeben? Und was ist das Beste, das dann passieren kann? Was dann folgt, ist das E, das für Effektive neue Philosophie oder vernünftige Überzeugungen steht. Der Klient erkennt durch das Disputieren, dass seine Annahme eng und rigide war und öffnet sich für alternative Annahmen (Ellis & Hoellen, 1997). Hier finden sich wieder starke Gemeinsamkeiten mit The Work. Denkfehler bzw. stressvolle Gedanken werden ebenfalls mit den vier Fragen geprüft und innerlich mental diskutiert. Was dann folgt, ist häufig eine veränderte Wahrnehmung und dadurch eine Neubewertung der Situation oder Person. (Für die folgende Übung empfiehlt es sich, dafür zu sorgen, diese in Papierform vorliegen zu haben.)

Übung Gedanken erzeugen Gefühle Um den Zusammenhang zwischen A, B und C für Sie spürbar zu machen, lade ich Sie zu folgender Übung ein. Auf der linken Seite der Tabelle finden Sie eine Situation, in der mittleren Spalte einen möglichen Gedanken zur bzw. eine Bewertung der Situation und auf der rechten Seite Gefühle, die durch diese Gedanken ausgelöst werden können. Prüfen Sie, ob das nachvollziehbar für Sie ist und ergänzen Sie

gerne eigene ABC-Ketten, also Situationen, Gedanken und Gefühle, aus ihrem Leben. Spüren Sie nach, welche emotionale Tönung ein Gedanke bei Ihnen auslöst. A Situation: auslösendes Ereignis

B C Gedanke: Ich denke, Gefühle: ... Deshalb fühle ich mich z. B. ...

Meine Freundin meldet sich länger nicht bei mir.

dass meine Freundin traurig, einsam mich nicht mehr mag.

Mein Kunde lobt meine Arbeit dass mein Kunde nicht. enttäuscht ist von meiner Arbeit.

beschämt

Der Staat verlangt mehr Steuern von mir als letztes Jahr.

dass der Staat mich schröpfen will.

wütend, entrüstet

Ich reise einen Monat alleine durch Lateinamerika.

dass ich mich auf mich selbst verlassen kann.

stark und selbstbewusst.

Ich habe alle Anforderungen für ein Projekt erfüllt und es termingerecht abgeschlossen.

dass ich ein Projekt Stolz, Freude erfolgreich gemeistert habe.

Ich komme in die Kaffeeküche dass mich die und die anwesenden Kollegen Kollegen ablehnen. werden mit einem Mal still.

unsicher, traurig

Ich liege abends müde in einem frisch bezogenem Bett in einem Hotel.

dass die Welt ein sicherer Ort ist.

entspannt und gelassen

Ich bin arbeitssuchend und höre von den aktuellen

dass ich nie wieder verzweifelt, eine Anstellung finde. ohnmächtig.

Arbeitslosenzahlen. Ergänzen Sie selbst: A Finden Sie aktuelle Ereignisse aus Ihrem Leben und beschreiben Sie sie neutral mit einem Satz:

B Welcher Gedanke, welche Bewertung entsteht aufgrund der Situation?

C Benennen Sie die daraus entstehenden Gefühle.

1.10 Tun Sie sich was Gutes – Stressmanagement In diesem Buch geht es um Stressmanagement. Ein sperriges Wort, das einfach meint, einen gesunden, guten Umgang mit Belastungen und Herausforderungen im Alltag zu finden. Stress an sich ist erst einmal nichts Schlechtes. Stress kann uns kurzfristig aktivieren, innere Kräfte mobilisieren, damit wir leistungsbereit sind. Wenn sich die aufgebaute Stressreaktion in unserem Körper wieder abbauen kann und sich Phasen

von Stressaktivierung und Entspannung abwechseln, ist alles noch im grünen Bereich (Kaluza, 2004). Unsere Lebendigkeit ist gekennzeichnet durch Phasen, die sich abwechseln: Schlafen und wach sein, einatmen und ausatmen, anspannen und entspannen. Wenn wir diesen Rhythmus beherzigen, kann uns eine Stressreaktion nichts anhaben. Stress wirkt sich erst dann nachteilig auf die Gesundheit und das psychische Wohlbefinden aus, wenn es zu einer chronischen Dauerbelastung kommt, bei der unser Organismus keine Möglichkeit mehr hat, sich durch Ruhephasen zu regenerieren. Wenn wir zu lange zu wenig schlafen oder zu lange die Luft anhalten, geht uns über kurz oder lang die Puste aus. Nicht anders ist es mit Stressreaktionen. Wenn der Organismus ständig in Alarmbereitschaft ist und es wenige Erholungsphasen gibt, kommt es zu einer Erschöpfungsreaktion mit vielfältigen körperlichen und psychischen Begleiterscheinungen. Egal ob wir das Leben einer Hausfrau und Mutter, eines Studenten, eines Lehrers oder einer Spitzenmanagerin leben, häufig sind wir mit Herausforderungen, Mehrfachbelastungen und komplexen Anforderungen konfrontiert. Ein gelassenerer Umgang mit diesen Herausforderungen ist das Beste, was wir uns selbst angedeihen lassen können, damit wir am Ende nicht gesundheitlich auf der Strecke bleiben. The Work ist mentales Stressmanagement, das sich positiv auf unsere Gefühle und unsere körperlichen Reaktionen auswirkt. Auch wenn The Work an den Gedanken ansetzt und beispielsweise nicht am Körper, hat es letztlich einen Effekt auf Gefühle und die körperliche Ebene. Gefühle und Gedanken sind aufs Engste miteinander verwoben und sind die Impulsgeber für Handlungen. Zu einem ganzheitlichen Stressmanagement gehört sicher körperliche Bewegung, Entspannung oder eine ausgewogene Ernährung. Wenn wir aber glauben, dass das lästig ist oder dass wir dafür keine Zeit haben, sind es wiederum die Gedanken, die uns daran hindern, joggen zu gehen, zu meditieren oder weniger Kaffee zu trinken. Wenn wir diese hinderlichen Gedanken befragen, fällt es uns womöglich leichter, besser für uns und unseren Körper zu sorgen.

Ein weiterer Punkt, der dafür spricht, an den stressauslösenden Gedanken anzusetzen, ist, dass sie zu stressvollen Emotionen wie Ärger, Wut, Groll, Angst oder Resignation führen. Nicht nur, dass diese Gefühle unangenehm für uns sind, sie vergiften förmlich unseren Körper. Ist unser Wohlbefinden beeinträchtigt, sinkt z. B. die Anzahl der Antikörper ab und das Stresshormon Cortisol wird vermehrt ausgeschüttet. Dies schwächt auf verschiedenen Ebenen unser Immunsystem und wir werden anfälliger für Erkrankungen wie Erkältungen aber auch Krebs. Wenn wir ständig unter Strom stehen, ist der Sympathikus in Alarmbereitschaft, in dieser Habachtstellung ist unser Organismus auf Kampf oder Flucht gepolt. Wenn zu wenig Entspannung durch das Umschalten auf den Parasympathikus folgt, hat unser Organismus zu wenig Zeit für Entspannung und Regeneration. Die Folge: Schlafstörungen, Probleme mit der Verdauung, aber auch Erkrankungen auf der psychischen Ebene wie Angststörungen oder Depressionen. Auch unsere Skelettmuskulatur gerät in Mitleidenschaft, chronische Verspannungen sind die Folge. Neben ausreichender Bewegung, gesunder, ausgeglichener Ernährung und Entspannung durch Yoga, Meditation, Autogenem Training und ähnlichem, ist The Work eine ausgezeichnete Methode, Gefühle wie Ärger, Wut oder Angst konstruktiv zu nutzen und zu verändern. Noch ein Wort zum Thema Burnout, da es zurzeit in aller Munde ist. Es ist ein schillernder Begriff, der zudem nicht sonderlich trennscharf ist und viele verschiedene Symptome unter sich vereint. Auch die Ursachen für einen Burnout sind vielfältig, so tragen äußere Faktoren wie die Arbeitsbedingungen als auch eine persönliche Disposition zu solch einem Erschöpfungszustand mit bei. Und auch hier gilt als Prävention: Psychohygiene durch mentales Stressmanagement ist möglich und hoch sinnvoll. Das Thema Burnout wird uns in Kapitel 6 wieder begegnen, wenn wir uns mit Selbstanklage, Perfektionismus und Kritik an uns selbst befassen. Gedanken zum Weiterdenken

The Work: nichts für mentale Couchpotatoes. Tagtäglich besuchen uns unzählige Gedanken. Wir können sie weder abstellen, unterdrücken noch übertünchen – zumindest nicht langfristig. Die Realität sollte anders sein – ein kollektives Mantra mit wenig Hoffnung auf Erfüllung. Gedanken haben einen starken Einfluss auf unsere Gefühle und unser Erleben: Wo war die Zitrone? Nur in unserem Kopf. Wir nehmen die Welt da draußen nicht wahr, wir konstruieren sie in uns. Auf unsere Erinnerung ist kein Verlass, sie ist brüchig, fragil und selektiv. Erinnerungen können uns sogar eingepflanzt werden. Die Begegnung mit Bugs Bunny hat nie stattgefunden. Ein Wandergeist ist menschlich, zu viel davon kann aber unsere Lebenszufriedenheit schmälern. Wir können Gedanken beobachten, ohne sie gleichzeitig zu glauben und uns in eine Geschichte verstricken zu lassen. Stoische Ruhe entsteht durch eine bestimmte Geisteshaltung. Die Stoiker, Kognitive Psychologen und The Work stoßen ins gleiche Horn: Gedanken und Bewertungen sind Ursprung von Gefühlen und Handlungen. Sie sind das Schlüsselelement, an dem The Work ansetzt.

2. Einstieg in The Work Was Sie in diesem Kapitel erwartet Im ersten Kapitel habe ich aufgezeigt, wie machtvoll unsere Gedanken sind und welchen Einfluss sie auf unsere Lebensqualität haben. Ich stelle Ihnen jetzt eine Methode vor, die eine sehr nützliche Gebrauchsanweisung für unseren Verstand ist, denn sie hilft uns, unsere stressauslösenden Gedanken zu erkennen und zu hinterfragen – The Work von Byron Katie.

2.1 Die Kakerlaken-Lady The Work wurde von einer amerikanischen Geschäftsfrau entwickelt, die vordergründig von Psychologie und Stressmanagement keine Ahnung hatte und die in ihrem Leben vielleicht auch noch nie ein Selbsthilfebuch in den Händen gehalten hatte, bevor sie selbst einige davon verfasste. Wieso sollte eine Methode, die von einer ehemaligen Immobilienmaklerin kommt, die jahrelang massive psychische Probleme hatte, etwas Hilfreiches für andere Menschen bereithalten? Byron Katie hat zwar keinen Doktortitel in Psychologie und ist auch nicht als Coach ausgebildet, dafür hat sie aber handfeste Erfahrungen mit psychischen Abgründen. In ihren Dreißigern durchlief sie eine mehrere Jahre währende Depression inklusive Panikattacken, Übergewicht und Jähzorn, der sich auf jeden entlud, der ihr in die Quere kam. Irgendwann entschied sie sich, in eine Einrichtung für Frauen mit Essstörungen zu gehen – die einzige Einrichtung, für die ihre Krankenkasse bereit war die Kosten zu übernehmen. Dort verbannte man sie auf den Speicher, weil alle anderen Frauen Angst vor ihren Wutausbrüchen hatten. Katie erzählte, dass sie sich nicht für würdig empfunden habe, in ihrem Bett zu schlafen. So lag sie auf dem Boden und irgendwann krabbelte eine Kakerlake über ihren Fuß. Dieses profane Ereignis löste ganz unerwartet ein völlig neues Bewusstsein in ihr aus: Sie konnte plötzlich die Welt um sich herum ohne Konzepte, ohne Geschichten wahrnehmen. Jegliche Labels, auch über sie selbst, lösten sich in diesem Moment auf. Sie empfand sich nicht mehr als „Ich“ und wurde zu einem unpersönlichen „Es“. Und sie erkannte, dass dieses „Es“ geatmet wurde und auch gedacht wurde. Sie empfand keinerlei Trennung zu den anderen und der Welt und es gab in diesem Moment nichts, das sie nicht liebte. Byron Katie kam zu der Einsicht, dass sie, sobald sie Schmerz verspürte, in Widerstreit mit der Realität geriet: „Das Leben sollte

einfach anders sein, als es ist.“ (Mitchell, 2002, S.10). Um diesem stressauslösenden Grundgedanken in all seinen Ausprägungen zu begegnen, entwickelte sie die vier Fragen und die Umkehrungen, die die Methode The Work ausmachen. Jetzt, 26 Jahre später, begegnet einem eine strahlende, herzliche und humorvolle Frau, die sehr engagiert und aktiv in der Weltgeschichte herumreist, um den Menschen The Work näherzubringen. Wie konnte es zu so einer weitreichenden Veränderung bei ihr kommen? Sie sagt, indem sie jeden stressvollen Satz hinterfragt hat, der in ihrem Verstand aufgetaucht ist.

2.2 The Work nach Byron Katie „Das Glück deines Lebens hängt von der Beschaffenheit deiner Gedanken ab.“ Marc Aurel Stellen Sie sich folgende Szenerie vor: Sie sitzen in Ihrem Auto und fahren ganz entspannt auf einer Autobahn. Das Wetter ist traumhaft, die Sonne scheint und Sie fahren gemächlich auf der freien Straße. Nebenbei hören sie vielleicht noch Musik im Radio. Als auf der rechten Fahrbahnseite eine Karawane von Lastwagenfahrern auftaucht, fahren Sie auf die linke Fahrbahn, um zu überholen. Während Sie überholen, sehen Sie im Rückspiegel, wie ein Auto mit Lichthupe in großer Geschwindigkeit auf Sie zugerast kommt. Sie können nicht rechts einscheren, also fahren Sie weiter auf der linken Spur. Der BMW-Fahrer, wie Sie jetzt erkennen, rückt gefährlich nahe an Ihre Stoßstange heran und gibt Ihnen mit seiner Lichthupe deutlich zu verstehen, dass Sie Platz machen sollen. Welche Gefühle und Gedanken haben Sie wohl in diesem Moment? The Work wird auch Überprüfung oder Selbstbefragung genannt. Diese beiden Begriffe deuten schon an, worum es geht – die Überprüfung stressvoller Gedanken durch eine Befragung des eigenen Selbst, genauer gesagt, des Verstandes. Genau dies geschieht bei dieser einfachen und übersichtlichen Methode. The Work ist dabei sehr strukturiert und folgt einem klaren, vorgegebenen Ablauf, den ich Ihnen in diesem Kapitel näherbringen möchte. Erwachsene wie Kinder können die Befragung anwenden, um ihre stressauslösenden Gedanken zu überprüfen. Mit stressauslösend sind generell all die unangenehmen Gefühlsreaktionen gemeint, die ein Gedanke auslösen kann. In dem obigen Beispiel könnte der Gedanke lauten: „Der BMW-Fahrer sollte mich nicht so bedrängen.“ Gefühle, die dieser Gedanke auslöst, sind z. B. Wut, Unbehagen oder Angst. Das ist mit stressvollem Gedanken gemeint, ein Gedanke also, der einen unangenehmen Impuls im Körper auslöst. Vielleicht krampft sich der Magen zusammen oder Sie würden am liebsten flüchten oder Sie spüren, wie sich dabei Ihre Schultern anspannen. Genau

diese Qualität von Gedanken brauchen wir für The Work, sie sind das ideale Ausgangsmaterial für die Befragung. Es gibt natürlich auch andere Gedanken wie z. B. „Ich liebe meinen Partner“ oder „Ich genieße es, meinen Körper durch Yoga zu bewegen“. Diese Gedanken sind wunderbar und ich hoffe, Sie haben viele Gedanken dieser Art in Ihrem Leben, denn davon kann man gar nicht genug haben. Sie bewirken ebenso wie die stressauslösenden Gedanken einen Impuls im Körper, ein Gefühl, mit dem Unterschied, dass sie keinen Stress, sondern Harmonie und Wohlempfinden auslösen. Aber zurück zu den negativen Gedanken: Wir Menschen wollen diese Art von Gedanken normalerweise nicht haben und versuchen sie mit verschiedenen Methoden zu eliminieren: Arbeit, Computer und Internet, Shopping, Fernsehen, Alkohol, Zigarette, Essen ... mit wenig Erfolg. Gedanken lassen sich langfristig nicht übertünchen oder ausrotten, sie geschehen einfach, so wie Atmung geschieht oder Regen passiert. Ich zeige Ihnen in diesem Kapitel eine Methode, mit der Sie auf kluge Weise mit Ihren stressvollen Gedanken Frieden schließen können.

2.3 Gedanken festmachen Unser Verstand ist flink wie ein Wiesel, vielleicht ist Ihnen auch schon mal aufgefallen, wie er von einem Thema zum nächsten hüpft, er schlägt förmlich innerlich Kapriolen und produziert Gedanken als Massenware. Wie kann ich da überhaupt einen einzelnen stressvollen Gedanken identifizieren? Es hat sich in meiner Praxis als Coach und Begleiterin bei The Work sehr bewährt, zuerst eine Art Bestandsaufnahme über ein Stress-Thema zu machen und unzensiert alle Gedanken dazu aufs Papier zu bringen. Der Vorteil vom Festhalten auf Papier ist, dass man es nachher schwarz auf weiß hat, oft vergisst man nämlich wie bei einer Teilamnesie die Sätze, die einem noch vor fünf Minuten unter den Fingernägeln gebrannt haben. Die Gedanken aufzuschreiben unterstützt den Verstand dabei, sich auf ein Thema zu fokussieren. Und die Gedanken festzuhalten ist auch ein Nachhaltigkeits-Check, ob The Work langfristig etwas gebracht hat. So, wie wir unsere stressvollen Gedanken schnell wieder aus den Augen verlieren, so vergessen wir auch schnell mal, dass wir überhaupt so einen Gedanken je gehabt haben. Wenn Sie Ihre Gedanken schriftlich fixieren und am besten noch an einem Ort, z. B. Ihrem persönlichen Gedankenbuch, dann haben Sie immer wieder die Möglichkeit, darin zu blättern und zu prüfen, was aus all den stressvollen Gedanken in Ihrem Leben geworden ist. Womöglich huscht ein Lächeln über Ihre Lippen, wenn Sie sehen, welchen Gedanken Sie vor einem Jahr noch Glauben geschenkt haben.

The Work ist eine Erfahrung und die lässt sich am besten machen, wenn man sie selbst erlebt. Ich rege Sie in diesem Buch immer wieder an, The Work auszuprobieren und für sich selbst zu testen. Theoretisch darüber zu reflektieren ist das eine, es am eigenen Leib zu spüren nochmal etwas ganz anderes. Byron Katie sagt oft, „Glauben Sie mir nichts – testen Sie es für sich selbst“; dem schließe ich mich gerne an. (Für die folgende Übung empfiehlt es sich, dafür zu sorgen, diese in Papierform vorliegen zu haben.)

Übung Stressauslösende Gedanken finden Ich lade Sie jetzt ein, Ihren stressvollen Gedanken über einen anderen Menschen auf die Spur zu kommen. Welcher Mensch ärgert Sie mit seinem Verhalten oder Ansichten? Wer drückt so richtig Ihre Knöpfe, wer hat Sie enttäuscht, Ihnen wehgetan und Sie verletzt durch sein Verhalten? Beginnen Sie, indem Sie an diese eine Situation denken, in der Sie Stress empfunden haben. Es kann ein einmaliges Ereignis sein oder eine Situation, die sich schon öfters wiederholt hat und wenn es auch nur in Ihren Gedanken war. Gehen Sie gedanklich in diese Situation zurück und nehmen Sie die Person wahr, die noch an der Situation beteiligt ist. Lassen Sie die Gefühle hochkommen, die in dieser Situation durch diese Person entstehen. Nehmen Sie wahr, welche Gefühlsregungen geschehen und welche Gedanken über die Situation oder die anwesende Person auftauchen. Seien Sie ruhig kritisch mit dem anderen, lassen Sie ihm nichts durchgehen, nehmen Sie sich selbst nicht zurück, schreiben Sie das auf, was Ihnen auf dem Herzen liegt. Seien Sie dabei ruhig kindisch, anklagend und überhaupt nicht weise und erwachsen. Gedanken von mir über einen Kollegen in einer Arbeitsbesprechung lauteten z. B.: „Ich bin sauer auf Peter, weil er mir nicht zuhört.“ „Ich bin genervt von Peter, weil er immer wieder auf demselben Thema rumreitet.“ Jetzt sind Sie dran, schreiben Sie Ihre stressvollen Gedanken über eine andere Person hier auf: Ich bin z. B. wütend auf / wegen

Paul weil er nie seine Sachen wegräumt. Vielleicht ist das ungewohnt oder sogar unangenehm für Sie, Ihre stressvollen Gedanken wahrzunehmen und zu Papier zu bringen. Eigentlich hat „man“ ja solche Gedanken gar nicht oder wenn, dann behält man sie lieber für sich. Es scheint kindisch, unspirituell oder gar ungehörig, solche Gedanken laut auszusprechen. Aber Hand aufs Herz, haben wir sie nicht trotzdem alle, diese „ungehörigen“ Gedanken über die Welt, andere und uns? Die Gedanken sind da und mit dem Aufschreiben verschaffen wir ihnen endlich Gehör. Der Verstand mit allen seinen Gedanken hat eine Daseinsberechtigung und mit dem Aufschreiben auf Papier darf der häufig von uns zensierte Verstand sich endlich einmal austoben. Tipp Für den Anfang bitte ich Sie, ausschließlich Sätze über andere aufzuschreiben und nicht über sich selbst. Häufig kommt von Menschen, die noch nicht mit The Work vertraut sind, die Frage: „Kann ich nicht über mich selbst schreiben, mit mir habe ich doch den größten Stress, die anderen interessieren mich gar nicht so?“ Die Antwort ist, ja, es ist möglich über sich selbst Sätze zu finden und aufzuschreiben, doch für den Anfang hat es sich bewährt, erst einmal Gedanken über andere zu schreiben. Falls Sie befürchten, es könnte dabei nicht genug um Sie gehen, keine Sorge, letztlich landet man bei der Befragung, auch und gerade über andere, am Ende immer bei sich selbst. Außerdem: Üben wir nicht alle schon genug Selbstangriff und Kritik mit uns? Mir ist noch selten jemand begegnet, der nicht auch sehr hart und streng mit sich selbst umgeht. Oft sind wir uns selbst doch die härtesten Kritiker. Wenn wir den anderen als Spiegel für uns nutzen, werden wir letztlich auch auf uns selbst zurückgeworfen und erkennen auf diese Art womöglich sogar Dinge, die wir sonst bei uns selbst nie gesehen hätten. Und ich verspreche Ihnen, dass wir später im Laufe des Buches auch noch auf andere Themenbereiche kommen werden und Sie dann auch über sich selbst The Work machen können.

2.4 Die Befragung Alle Sätze, die Sie aufgeschrieben haben, bilden das Rohmaterial für die nun folgende Befragung, The Work. Jeder dieser stressvollen Gedanken kann ein wunderbares Vehikel

zur Selbsterkenntnis sein. Sie können jetzt jede einzelne Aussage auf ihre „Wahrheit“ hin überprüfen. Wahrheit ist ein gewichtiges Wort und die Frage stellt sich, was ist schon wahr? So viel dürfte nach dem ersten Kapitel deutlich geworden sein, eine objektive Wahrheit gibt es nicht. Also kann hier, wenn von Wahrheit die Rede ist, nur Ihre ganz persönliche Wahrheit gemeint sein. Gleichzeitig können wir mit unserer begrenzten und konstruierten Wahrnehmung nie genau wissen, ob wir nicht doch Aspekte ausblenden. Bei der Suche nach Wahrheit hinterfragen wir also unsere eigene Sichtweise.

The Work – Vier einfache Fragen, die Ihr Denken verändern Hier kommen die vier Fragen. Sie haben sie im 1. Kapitel bereits gesehen, jetzt widmen wir uns ihnen ganz ausführlich. Glücklicherweise sind die Fragen leicht verständlich, so dass Sie sie sofort anwenden können. Es braucht dafür kein jahrelanges Studium, keine besondere Ausbildung oder einen hohen IQ, jeder Mensch mit einem offenen Verstand kann sich die Fragen stellen. 1. Ist es wahr? (Ist die Antwort „nein“, gehen Sie zu Frage 3.) 2. Können Sie mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist? 3. Wie reagieren Sie, was passiert, wenn Sie diesen Gedanken glauben? 4. Wer wären Sie ohne diesen Gedanken? © 2012 Byron Katie International, Inc.

Zum Kennenlernen der Methode führe ich Sie mit einer Work von mir durch die Befragung: Es geht bei mir um einen Kollegen, mit dem ich einmal ein gemeinsames Projekt hatte, in dem ich unsere Zusammenarbeit als schwierig empfunden habe. Mein stressvoller Gedanke über Peter lautete: „Ich bin sauer auf Peter, weil er mir nicht zuhört.“ Dieser Satz wird in einem ersten Schritt gekürzt. Der Anfang des Satzes beschreibt mein Gefühl, sauer zu sein auf Peter. Das Gefühl ist wie die Eingangspforte zu meinem stressauslösenden Gedanken. Der zweite Teil des Satzes ist der Gedanke, der das Gefühl ausgelöst hat. Diesen Teil nehmen wir für die Befragung und kürzen den Satz auf: „Peter hört mir nicht zu“. Wir steigen also mit unserer Befragung hinter dem Komma des Satzes ein.

Dann folgen die vier Fragen, bezogen auf diesen Satz in der Situation, in der ich über Peter gedacht habe, dass er mir nicht zuhört. Es ist sehr hilfreich, sich gedanklich in die Situation zurückzuversetzen und aus dieser Warte heraus die vier Fragen zu beantworten. Ich stelle mir also Peter vor meinem inneren Auge in der konkreten Arbeitssituation vor und frage mich: 1. Ist es wahr? „Peter hört mir nicht zu.“ Meine Antwortet lautet: Ja. Wäre meine Antwort ein Nein, überspringe ich Nummer zwei und mache direkt mit Frage drei weiter. 2. Kann ich mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist? „Peter hört mir nicht zu.“ Meine Antwort ist auch hier: Ja. Vielleicht fragen Sie sich jetzt, was denn der Unterschied zwischen Frage 1 und 2 sein soll? Frage 1 und 2 sind tatsächlich unterschiedlich. „Ist es wahr“ ist wie eine erste Kontaktaufnahme mit dem inneren Kommentator, der womöglich total überzeugt ist von seinem Gedanken. Ist es wahr, dass Peter mir nicht zuhört? Bin ich hellsichtig und kann in seinen Kopf schauen? Kenne ich alle Arten auf der Welt, jemandem zuzuhören oder lasse ich nur meine Art des Zuhörens als korrekt gelten? Die Antwort auf diese Frage ist generell ein Ja oder ein Nein und beide Antworten sind gleich gut. Wenn ich mit „Ja“ antworte, ist Frage 2 wie eine Einladung, tiefer zu gehen, genauer hinzuschauen. Kann ich mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist? Bin ich Gott und allwissend, weiß ich wirklich, was in mir, meinem Gegenüber oder der Welt vorgeht? Auch hier ist die mögliche Antwort ein einfaches Ja oder Nein und beide Antworten sind gleich gut. Das Festlegen auf ein Ja oder ein Nein „zwingt“ meinen Verstand, genauer hinzusehen. Manchmal höre ich nämlich als Antwort auf Frage 1: Jein, sowohl als auch, manchmal ist es wahr und manchmal nein, so genau kann ich das nicht sagen usw. Merken Sie, wie man sich mit dieser Antwort drückt, Farbe zu bekennen? 3. Wie reagiere ich, wenn ich diesen Gedanken glaube? „Peter hört mir nicht zu.“

Meine Antwort: Ich bin irritiert, verunsichert und auch beleidigt. Ich fühle mich nicht gesehen von ihm und auch nicht wertgeschätzt. Das fühlt sich unangenehm an, mein Körper wird hart und fest, meine Atmung wird flacher. Ich rege mich innerlich über Peter auf, erzähle mir eine Geschichte, was für ein unmöglicher Kerl er ist. Ich ziehe mich beleidigt zurück, werde einsilbig, meine Stimme bekommt etwas Gepresstes und Unfreundliches. Ich höre ihm in dem Moment nicht mehr zu, ich bin so beschäftigt mit mir und meiner Enttäuschung. Frage 3 macht deutlich, welche Auswirkungen ein Gedanke auf mein Wohlbefinden und mein Leben hat. „Wie reagiere ich, was passiert, wenn ich den Gedanken glaube“, zeigt mir, wie ich mein Leben mit dem Gedanken lebe. Unterm Strich hat ein stressvoller Gedanke stressvolle Auswirkungen auf mich. Ich bin z. B. gehemmt, blockiert, habe keinen Zugang zu meinen Ressourcen, bin nicht im Kontakt mit mir selbst und dem anderen, usw. 4. Wer wäre ich ohne diesen Gedanken? „Peter hört mir nicht zu.“ Meine Antwort: Ohne den Gedanken bin ich entspannter. Ich kann ihm besser in die Augen schauen und ihn wahrnehmen. Mein Körper fühlt sich weicher an, der Atem geht wieder tiefer. Ich habe nicht mehr so einen Druck auf der Brust. Ich bin flexibler, kann leichter in den Kontakt gehen mit Peter. Es hat nicht mehr so etwas Verbissenes zwischen uns, sondern einen verspielteren Austausch. Frage 4 klingt zu Anfang vielleicht ungewöhnlich. Wer wäre ich ohne den Gedanken? Manch einer versteht die Frage so, dass dann das Gegenteil von dem wahr ist, was ich denke. Beispielsweise wird dann aus dem Gedanken „Peter hört mir nicht zu“ das Gegenteil „Peter hört mir zu“. Das ist damit aber nicht gemeint, denn Frage 4 zielt darauf ab, wer ich wäre, in genau diesem Moment in eben dieser Situation, wenn dieser Gedanke einfach gar nicht da ist, nicht existiert. Alles ist so wie es ist, jeder Beteiligte tut, was er tut, das einzige, was anders ist, ich bin ohne den Gedanken. Als Antwort auf Frage 4 kommt dann sehr häufig: Mir geht es besser, ich bin gelassener, mehr im Frieden mit mir und dem anderen usw. Wir können also dank Frage 3 und 4 den Unterschied wahrnehmen zwischen „Ich habe den Gedanken“ und „Ich habe den Gedanken nicht“ und der ist meistens frappierend und zeigt sehr deutlich den Einfluss von Gedanken auf unser Wohlbefinden. Es gibt drei Dinge, die die Work erleichtern, Papier, Stift und ein offener Verstand. Papier und Stift haben wir schnell zur Hand, aber wie sieht es mit einem offenen Verstand aus?

Unterliegen wir nicht häufig der Versuchung, es schon genau zu wissen? Ich weiß es, ich weiß schon, wie es geht, ich weiß die Wahrheit. Gewissheit beißt sich mit Offenheit. Wenn ich schon alles weiß, quasi allwissend bin, kann ich mir die Befragung schenken. Könnte es sein, dass wir nicht alles wissen, dass wir gar nicht die Gewissheit haben können mit unserer begrenzten Wahrnehmungsmöglichkeit? Wenn wir uns zu gewiss sind, könnte es uns gehen wie dem jungen Kerl, der davon überzeugt war, ein Zombie zu sein. Mit dieser Überzeugung strapazierte er seine gesamte Umwelt und sein Vater wollte ihn mit einer logischen Frage von seiner irrigen Überzeugung befreien. Er fragte seinen Sohn: „Bluten Zombies?“ Der erwiderte, „Nein, natürlich nicht, Zombies sind tot und können nicht mehr bluten“. „Das heißt“, erwiderte der Vater, „wenn du bluten würdest, wärest du kein Zombie?“ „Ja genau.“ Der Vater nahm eine Nadel und stach seinem Sohn in den Finger. Ein Tropfen Blut quoll aus dem Finger hervor und der Vater rief entzückt, „Siehst du Sohn, du blutest, du kannst also kein Zombie sein!“ Der Sohn schwieg einen Moment und erwiderte dann mit völliger Gewissheit, „Ich hab mich vertan, Zombies bluten doch“.

Probieren Sie es aus! So, jetzt können Sie die vier Fragen praktisch erleben. Nehmen Sie einen Satz von Ihrem Blatt und bitten Sie entweder jemand anderen, Sie zu begleiten oder begleiten Sie sich selbst. Die Person, die Sie begleitet, braucht übrigens keinerlei Vorerfahrungen mit The Work zu haben. Drücken Sie ihr einfach die vier Fragen in die Hand. Nutzen Sie dafür die Karte in dem Buch, die Sie heraustrennen können. Selbst ein Kind, das schon lesen kann, könnte sie dabei begleiten. Falls Sie niemanden zum Begleiten haben oder Sie lieber für sich im Kopf die Befragung machen, ist es sehr hilfreich, die Antworten auf die vier Fragen schriftlich zu geben. Sie können dafür diese Vorlage nutzen: (Für die folgende Übung empfiehlt es sich, dafür zu sorgen, diese in Papierform vorliegen zu haben.)

Übung Untersuchung eines Gedankens Sie haben in der Übung: Stressauslösende Gedanken finden auf Seite 50 mehrere Gedanken zu Papier gebracht. Suchen Sie sich jetzt einen Gedanken davon aus. Kleiner Tipp, nehmen Sie den mit der größten Ladung, der Ihnen am stärksten unter den Fingernägeln brennt. Übertragen Sie diesen Satz auf diese Seite:

A Ich bin sauer auf / wegen Anne weil sie mich beleidigt hat. Wie lautet Ihr Einzeiler, der Gedanke, der sich aus A ableitet und den Sie untersuchen wollen? Lassen Sie das Gefühl weg und nehmen Sie nur den Teil nach dem Komma. B Beispiel: Anne hat mich beleidigt. Unter B steht jetzt Ihr Gedanke, mit dem Sie durch die vier Fragen gehen. Bevor Sie Antworten zu den vier Fragen geben, begeben Sie sich gedanklich in eine konkrete Situation hinein, in der der Gedanke aufgetaucht ist. Beantworten Sie die vier Fragen aus der Situation heraus. Frage Nr. 1: Ist es wahr? Lassen Sie ein einfaches Ja oder Nein genug sein. Falls Ihre Antwort Nein ist, gehen Sie direkt zu Frage 3.

Frage Nr. 2 Können Sie mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist? Lassen Sie sich Zeit mit Ihrer Antwort. Byron Katie sagt, The Work ist eine Meditation.

Frage Nr. 3 Wie reagieren Sie, was passiert, wenn Sie diesen Gedanken glauben?

Nutzen Sie die Ausgangssituation für Ihre Untersuchung: Welche Gefühle entstehen in Ihnen, was nehmen Sie in Ihrem Körper wahr, welche Bilder tauchen auf? Nehmen Sie wahr, wie Sie sich verhalten, wenn Sie diesen Gedanken glauben. Schreiben Sie alles auf, was Sie an sich beobachten:

Frage Nr. 4: Wer wären Sie ohne diesen Gedanken? Sie können gerne die Augen schließen, während Sie beobachten, wer Sie in der selben Situation ohne diesen Gedanken sind. Vielleicht hilft Ihnen die Vorstellung, dass Sie einfach nicht in der Lage sind, diesen Gedanken zu denken, er existiert nicht in Ihrem Kopf. Wer oder was sind Sie dann? Stellen Sie sich vor, alles bleibt gleich, jeder Beteiligte tut immer noch genau das, was er tut, mit der Ausnahme, dass Sie Ihren Gedanken nicht denken können.

Geschafft, das waren die vier Fragen. Vielleicht merken Sie jetzt schon eine Irritation oder Veränderung Ihres Ursprungsgedankens, vielleicht ist aber auch alles gleich geblieben. So oder so, der nächste Schritt ist jetzt, Ihren Gedanken umzukehren.

2.5 Die Umkehrungen „Betrachte einmal die Dinge von einer anderen Seite, als du sie bisher sahst, denn das heißt ein neues Leben beginnen.“ Marc Aurel The Work ist noch nicht komplett, was jetzt folgt, ist ein Abwandeln des Ausgangsgedankens. Bei den Umkehrungen wird mit der ursprünglichen Aussage gespielt; so kann der Satz z. B. in sein Gegenteil verkehrt werden. Die Umkehrungen sind

eine Gelegenheit, das Gegenteil von dem, was man für wahr hält, in Betracht zu ziehen. Es kann gut sein, dass man mehrere Umkehrungen findet. The Work hat Parallelen zum Yoga, besonders wenn es um die Umkehrungen geht. So, wie man beim Yoga seinen Körper bewegt und stretcht, um ihn geschmeidiger und gelenkiger zu machen und gleichzeitig zu mehr innerer Ruhe zu finden, so ist The Work ein mentales Training. Ich dehne meinen Verstand in neue, ungewohnte Richtungen, um ihm eine bis dato unbekannte Perspektive zu ermöglichen. Wenn ich einen Kopfstand mache, so ist die Welt umgedreht, bei den Umkehrungen drehe ich eine Annahme ins Gegenteil und schaue, wie die Welt aus dieser Perspektive aussieht. Ich kann den Ursprungsgedanken meist auf zwei bis drei Weisen umkehren. 1. Umkehrung: zu mir selbst Aus „Peter hört mir nicht zu“ wird „Ich höre mir nicht zu.“ Mit einer Umkehrung ist die Arbeit aber noch nicht getan, einfach nur etwas zu behaupten, bewirkt meistens keine nachhaltige Veränderung in meinem Denken. Ich schaue weiterhin, wo es wahr ist: „Ich höre mir nicht zu“. Manch einer lehnt eine Umkehrung pauschal ab und sagt vielleicht vorschnell, nein, das stimmt auf keinen Fall! Wenn ich die Umkehrung auf den ersten Blick ablehne, hilft es, erst einmal einen Gang runterzuschalten und den besserwisserischen Verstand zu zügeln. Von da aus schaue ich, wo es Beispiele für die Umkehrung gibt. In meinem Fall: Wann und wo habe ich mir meiner Meinung nach selbst nicht zugehört, vor allem in meiner Ausgangssituation? Es zählen nur Beispiele, die mich selbst stichhaltig überzeugen, hilfreich ist es daher, so genau und präzise wie möglich zu sein. Wenn ich sage, ja, es gibt sicher auch Momente, in denen auch ich mir nicht zugehört habe, reicht das nicht aus. Die Umkehrung ist eine Einladung an den Verstand, tief abzutauchen auf eine innere Reise nach Erinnerungen und Bildern, die womöglich lange vergraben waren und auf die ich jetzt das Scheinwerferlicht der Erkenntnis lenke. Lassen Sie sich ruhig Zeit beim Finden von Beispielen und geben Sie sich nicht mit weniger als 3 anschaulichen Beispielen zufrieden. Schauen Sie vor allem nach Beispielen in der konkreten Situation. Ich finde dazu folgende Beispiele in der Situation: 1. In dem Gespräch mit Peter übergehe ich meine Impulse zu unserem Projekt und höre mir selbst nicht zu. 2. In dem Moment sage ich mir, jetzt hör dem Peter doch einfach mal ganz entspannt zu, und mein Verstand tut das ab und geht lieber in die Beschwerde über ihn.

3. Ich höre meinem eigenen Gedankenschwall nicht zu, da schalte ich selbst auf Durchzug. Ich kann über die Situation hinaus auch Beispiele finden, wie ich mir nicht zuhöre, z. B.: 1. Ich höre mir nicht zu, wenn ich mir fest vornehme, mich mehr zu bewegen und dann doch den ganzen Tag am Rechner hocke. 2. Umkehrung: zum anderen Aus „Peter hört mir nicht zu“ wird „Ich höre Peter nicht zu.“ Es gibt häufig noch eine oder zwei weitere Umkehrungen. Ich glaube von jemandem, er tue etwas, das ich selbst ablehne oder verurteile. Könnte es nicht sein, dass auch ich dieses verurteilte Verhalten manchmal an den Tag lege? Genau auf diesen Mechanismus spielt die nächste Umkehrung an, die Umkehrung zum anderen. Wenn ich denke, „Peter hört mir nicht zu“, ist vielleicht auch wahr „Ich höre Peter nicht zu“. Autsch, das kann wehtun, die Erkenntnis, dass ich womöglich keinen Deut besser bin. Wo ist es wahr, dass ich mich so verhalte? Die Beantwortung dieser Frage braucht Ehrlichkeit sich selbst gegenüber und einen offenen Verstand. Häufig gibt es einen ersten Reflex der Abwehr: Wer – ich? Nein, ich höre immer zu! Wenn ich auf dem Standpunkt verharre, behalte ich Recht und Peter bleibt ein unangenehmer Zeitgenosse für mich. Für den Moment ist das vielleicht erleichternd, aber in der nächsten Begegnung werde ich es bei Peter wieder denken und bei anderen auch und überhaupt, die Welt scheint voll von Leuten zu sein, die nicht zuhören. Das muss so sein, wenn ich die anderen als Projektionsfläche nutze, sie zeigen mir die Bereiche, für die ich selbst noch blind bin. Ich finde dazu folgende Beispiele: 1. Ja, als ich so beschäftigt damit war, mich innerlich über ihn aufzuregen, konnte ich ihm gar nicht mehr zuhören. 2. Ich bin schon mit so einer Haltung zu ihm gegangen, dass ich seine Vorschläge gar nicht hören wollte, weil meine sowieso die besseren sind. Dadurch entgeht mir etwas in unserem Gespräch, ich höre ihm gar nicht mehr wirklich zu. 3. Anscheinend habe ich während des Gesprächs auch nicht nur zugehört, da ich Momente hatte, in denen ich mich gefragt habe: Was hat er jetzt noch mal gesagt? 3. Umkehrung: ins Gegenteil Eine Umkehrung, die immer funktioniert, ist die Verkehrung ins Gegenteil: Aus dem Gedanken „Peter hört mir nicht zu“ wird „Peter hört mir zu.“ Meine Beispiele auf die Situation bezogen lauten:

1. Er hält sich zumindest nicht die Ohren zu, er steht mir gegenüber und nickt sogar. 2. Er bezieht sich in unserem Gespräch auf das, was ich gesagt habe. 3. Er muss mir irgendwie zugehört haben, weil er sich später an Dinge erinnert, die ich ihm erzählt habe. Ich bleibe bei den Umkehrungen inhaltlich so genau wie möglich beim Ursprungssatz. Als Faustregel gilt, bei der Umkehrung ins genaue Gegenteil setzte ich entweder ein „nicht“ ein oder ich streiche ein „nicht“ aus dem Satz. Aus „Mein Vater interessiert sich nur für sich.“ wird „Mein Vater interessiert sich nicht nur für sich.“

Abbildung 4: Umkehrungen – Yoga für den Verstand

Wasser auf meine Mühlen Das waren jetzt drei Umkehrungen, was halten Sie von dieser weiteren Umkehrung? Aus „Peter hört mir nicht zu.“ wird „Ich höre Peter zu.“ Ist doch ein sympathischer Satz, Peter hört mir zwar nicht zu, aber umgekehrt ist es wahr, ich höre ihm zu. Wäre das nicht Wasser auf meine Mühlen? Genau deshalb ist es keine wahre Umkehrung oder anders ausgedrückt, es ist eine „doppelte Umkehrung“. Doppelt in dem Sinne, dass zwei Elemente aus dem Satz verändert werden. „Peter hört mir nicht zu.“ „Ich höre Peter zu.“ Diese Umkehrung ist im Prozess von The Work jedoch nicht sinnvoll, weil sie den ursprünglichen Standpunkt eher zu untermauern hilft: Der andere ist im Unrecht und ich

habe Recht. Generell gilt für die Umkehrungen: Bleiben Sie semantisch so genau wie möglich am Ursprungssatz. Verändern Sie jeweils nur einen Aspekt am Satz, also z. B. den Namen der Person durch ihren eigenen oder lassen Sie das Wort „nicht“ weg.

Abbildung 5: Diese Mindmap zeigt Ihnen das Prinzip der Umkehrung als Bild.

Weiter mit Ihrer Work (Für die folgende Übung empfiehlt es sich, dafür zu sorgen, diese in Papierform vorliegen zu haben.)

Übung

Umkehrungen finden Jetzt sind Sie dran, Ihre vorher begonnene Work zu vervollständigen. Ihr Ursprungsgedanke lautet: Beispiel: Anne hat mich beleidigt. 1. Zu mir selbst: Beispiel: Ich habe mich selbst beleidigt. Ihre Umkehrung lautet:

Finden Sie drei konkrete Beispiele, wie das auch wahr ist, vor allem in der Ursprungssituation:

2. Zum anderen: Beispiel: Ich habe Anne beleidigt. Ihre Umkehrung lautet:

Finden Sie drei konkrete Beispiele, wie das auch wahr ist, vor allem in der Ursprungssituation:

3. Ins Gegenteil: Beispiel: Anne hat mich nicht beleidigt. Ihre Umkehrung lautet:

Finden Sie drei konkrete Beispiele, wie das auch wahr ist, vor allem in der Ursprungssituation:

Haben Sie drei Umkehrungen bilden können? Wenn nicht, liegt das womöglich daran, dass Ihr Ursprungssatz gar nicht so viel hergibt. Der Satz „Klaus ist inkompetent“ lässt sich z. B. nur ins Gegenteil und auf mich selbst beziehen. „Klaus ist nicht inkompetent“, was ich noch steigern kann zu „Klaus ist kompetent“ und „Ich bin inkompetent“. Die Umkehrung auf den anderen bezogen funktioniert vom Satzbau her nicht, aber ich kann mich bei „Ich bin inkompetent“ fragen, inwiefern das im Kontakt mit Klaus zutrifft. Wie bin ich in der Beziehung zu ihm inkompetent? Wundern Sie sich also nicht, wenn Sie nur zwei Umkehrungen finden sollten.

Die Umkehrungen – Ich doch nicht! Beispiele für die Umkehrungen zu finden kann eine ganz schöne Herausforderung sein. Wir sind zu Anfang vielleicht erstmal blind gegenüber bestimmten Verhaltensweisen. Sie erinnern sich an den blinden Fleck aus dem ersten Kapitel? Es gibt ein nettes Experiment, welches das Thema partielle Blindheit eindrucksvoll illustriert. In dem Experiment sieht man einen Filmausschnitt, in dem zwei Teams, eines in weißen Trikots, das andere in schwarzen, miteinander Ball spielen. Aufgabe ist es, nur die Ballkontakte innerhalb der weißen Mannschaft zu zählen. Eine klassische Konzentrationsaufgabe aus der Wahrnehmungspsychologie. Am Ende der Sequenz wird man gefragt, wie viele Ballkontakte es gab. Darauf kommt es aber eigentlich nicht an, sondern die Frage ist vielmehr, ob man den Menschen im Gorillakostüm gesehen hat, der mitten durch das Spielfeld gewandert ist. Ungefähr die Hälfte der Betrachter nimmt den Gorilla gar nicht wahr! Wie kann das sein, er ist ja mitten durchs Bild getapert, hat sich auf die Brust getrommelt und ist dann wieder aus dem Bild gegangen. Sie glauben das nicht? Dann schauen Sie sich den Film[5] „The Monkey Bussiness Illusion“ von Daniel J. Simons (2010) an, es lohnt sich auch, wenn Sie schon von dem Experiment gehört haben sollten. Wie kann das sein? Wenn ich gedanklich auf etwas fixiert bin, sehe ich den Gorilla nicht. Ich blende ihn einfach aus, obwohl er vor meiner Nase herumtanzt und sich auf die Brust trommelt. So, wie wir vielleicht den Gorilla nicht wahrnehmen, nehmen wir auch andere Dinge um uns herum nicht wahr. Wir denken z. B., „Mein Mitarbeiter engagiert sich nicht genug in der Firma“. Durch dieses Urteil konditionieren wir unsere Wahrnehmung: Wir sehen nur noch, wie der Mitarbeiter sich nicht engagiert. Dass Engagement vonseiten des Mitarbeiters stattfindet, bleibt uns dadurch verborgen. Umkehrungen laden uns dazu

ein, unsere partielle Blindheit aufzugeben und unsere Augen zu öffnen für das, was die ganze Zeit schon um uns war, von uns aber nicht wahrgenommen wurde. Fragt man Teilnehmer des Gorillaexperiments, ob Ihnen bei der Ballspielsequenz etwas aufgefallen sei, sieht wie gesagt ungefähr die Hälfte den Gorilla nicht. Wenn man den Versuch aufdeckt und sagt, dass ein Gorilla mitten durchs Spielfeld getapert sei, sind einige Teilnehmer felsenfest davon überzeugt, dass das nicht möglich sein kann. Erst wenn man ihnen die Sequenz ein zweites Mal vorspielt und Ihnen zeigt, wann der Gorilla auftritt, sind sie fähig, diese Information aufzunehmen. Ähnlich ist es manchmal mit den Umkehrungen und Beispielen. Ich war lange Zeit davon überzeugt, dass mein Partner faul sei. Es war mein tägliches Mantra: Er ist faul, er ist faul, er ist faul. Und natürlich sah ich überall Beweise für seine Faulheit. Da lag er lümmelnd auf der Couch und schaute Fernsehen. Da lag ein Berg Klamotten auf seinem Stuhl, den er nie aufräumte. Ich hätte unzählige Beweise aufführen können für seine Faulheit. Dabei entging mir aber, dass er nicht so faul sein konnte, denn immerhin joggte er in dieser Zeit mehrmals die Woche und lief am Ende noch einen Marathon. Ich joggte nie, auch sonst verausgabte ich mich nicht sonderlich mit Sport. Ich hatte vielleicht keinen Kleiderberg dafür jedoch einen Papierberg auf meinem Schreibtisch. Heute lache ich über diesen Gedanken, mein Partner sei faul. Er kommt mir einfach nicht mehr in den Sinn, da sein Fleiß und seine Aktivität, die auch schon immer da waren, jetzt für mich viel deutlicher wahrnehmbar sind als früher. Zudem musste ich mir eingestehen, dass ich auch nicht immer die Aktivste und Fleißigste bin. Im Gegenteil, ich liebe meine Couch und einen schönen Fernsehabend. Und manchmal bin ich einfach zu faul meine stressvollen Gedanken zu befragen – z. B. über meinen Partner. (Für die folgende Übung empfiehlt es sich, dafür zu sorgen, diese in Papierform vorliegen zu haben.)

Übung Weitere Umkehrungen Umkehrungen zu finden ist am Anfang vielleicht etwas ungewohnt und sie sind noch nicht sofort in einem Satz erkennbar. Mit der Zeit werden Sie sicherlich ein immer besseres Auge dafür bekommen und unterscheiden können, was eine Umkehrung ist und was nicht. Mit The Work ist es, als ob man eine neue Sprache mit einer ungewohnten Grammatik lernen würde. Wenn man aber einmal die Grammatik verstanden hat, kann man sie auf jeden neuen Satz anwenden. Hier haben Sie jetzt die

Möglichkeit, die Grammatik zu üben: Finden Sie für jeden der unten aufgelisteten Gedanken mögliche Umkehrungen und schreiben Sie sie auf die leeren Linien. Beispiel: Anton verbessert mich immer. Umkehrung zu mir selbst: Ich verbessere mich immer. Umkehrung zum anderen: Ich verbessere Anton immer. Umkehrung ins Gegenteil: Anton verbessert mich nicht immer, oder sogar: Anton verbessert mich nie. Jetzt sind Sie dran: Bilden Sie die Umkehrungen. Am Ende dieser Übung finden Sie die Lösungen dazu. A: Mein Chef interessiert sich nicht für mich. Umkehrung zu mir selbst:

Umkehrung zum anderen:

Umkehrung ins Gegenteil:

B: Mein Kollege ist voreingenommen. Umkehrung zu mir selbst:

Umkehrung zum anderen:

Umkehrung ins Gegenteil:

C: Mein Kind schaut zu viel Fernsehen. Umkehrung zu mir selbst:

Umkehrung zum anderen:

Umkehrung ins Gegenteil:

Lösungen: A: Umkehrung zu mir selbst: Ich interessiere mich nicht für mich. Umkehrung zum anderen: Ich interessiere mich nicht für meinen Chef. Umkehrung ins Gegenteil: Mein Chef interessiert sich für mich. B: Umkehrung zu mir selbst: Ich bin voreingenommen in Bezug auf mich selbst. Umkehrung zum anderen: Ich bin voreingenommen, bezogen auf meinen Kollegen. Umkehrung ins Gegenteil: Mein Kollege ist nicht voreingenommen. C: Umkehrung zu mir selbst: Ich schaue zu viel Fernsehen. Umkehrung zum anderen: Dieser Satz kann nicht auf den anderen umgekehrt werden. Umkehrung ins Gegenteil: Mein Kind schaut nicht zu viel Fernsehen. Ich habe Sie jetzt einmal durch den kompletten Ablauf einer Work geführt. Zuerst haben Sie einen oder mehrere stressvolle Gedanken zu Papier gebracht und dann haben Sie mit einem dieser Sätze die Befragung durchgeführt. Dann habe ich Ihnen die Umkehrungen erläutert und Sie haben selbst Umkehrungen für Ihren Ursprungssatz gefunden. Wie war Ihre Erfahrung damit? Hat es gut geklappt oder gab es Unsicherheiten oder hat es vielleicht gar nicht funktioniert? Im Folgenden zeige ich Ihnen, was Sie tun können, um aus Ihrer eigenen Work das Beste rauszuholen.

2.6 Folgen Sie der einfachen Anleitung Bei der Befragung geht es darum, dem Leitfaden zu folgen und die Fragen genau zu beantworten. Eigentlich sind es ja nur vier Fragen und Umkehrungen, die man beantwortet, aber es lauern „Fallstricke“ am Wegesrand unseres Verstandes. Es erfordert ein ganz schönes Stretching, sich gedanklich darauf einzulassen und eine Bereitschaft,

alte, womöglich liebgewonnene Überzeugungen neu zu betrachten. So ist es nicht verwunderlich, dass man beim Beantworten der Fragen auch gern mal ins Lamentieren kommt. So kommt auf eine der 4 Fragen anstelle einer „einfachen und ehrlichen“ Antwort auch schonmal eine Rechtfertigung oder ein Beleg, wie sehr man doch im Recht ist. Verständlich, nachvollziehbar, doch damit verlässt man The Work und die Methode verliert ihre Wirkung. Die Befragung funktioniert nur, wenn wir uns die Zeit und den Raum geben, die vier Fragen wahrhaft und ohne Abschweifung zu beantworten.

Fallbeispiel Ich zeige Ihnen an einer Work von Hans[6] über seine Mutter, was ich damit meine, wenn die Fragen nicht im Sinne der Work beantwortet werden. Hans hat den Gedanken: „Meine Mutter ist anstrengend.“ Ich bitte ihn, eine konkrete Situation zu finden, in der er das über seine Mutter glaubt. Seine Antwort ist: Sie ist immer anstrengend. Das ist sehr pauschal und macht es dem Verstand schwerer bei der Untersuchung. Nach einigem Nachhaken entscheidet er sich für eine Situation aus seiner Schulzeit. Auf Frage Nummer 1, ob es wahr ist, dass seine Mutter anstrengend ist, antwortet er: „Oh ja, absolut, seit ich mich erinnern kann, macht sie uns fertig mit ihrer Art. Auch meine Brüder denken so. Mann, du solltest meiner Mutter mal begegnen, du würdest bestimmt dasselbe über sie sagen. Es ist nicht möglich, mit ihr ein normales Gespräch zu führen ...“ Das ist gemeint mit beschweren und rechtfertigen. Hans steigt bei seiner Antwort in eine Geschichte ein und beschwört auch noch Verbündete herauf, die ebenso denken wie er. Außerdem schweift er ab von der Ursprungssituation aus der Schulzeit und wird verallgemeinernd. Lassen Sie es bei Frage Nummer 1 mit einem einfachen Ja oder Nein gut sein. Auch wenn es Ihnen schwer fallen sollte, entscheiden Sie sich für ein klares Ja oder Nein. Und beide Antworten sind gleich gut. Keine ist besser oder schlechter als die andere, Sie dürfen Ihren Standpunkt haben und auch behalten. Und wenn es nur noch den leisesten Hauch eines Glaubens daran gibt, dass der Gedanke wahr ist, geben Sie dem nach und Antworten Sie mit Ja. Frage Nummer 2: Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass es wahr ist, „Deine Mutter ist anstrengend in der Situation“? Hans erwidert bei dieser Frage: „Mit absoluter Sicherheit kann man es ja nie wissen, dann muss ich jetzt ja wohl nein sagen“.

Das stimmt nicht, der rationale Verstand kann ja wissen, dass es nicht wahr ist, aber der noch glaubende Anteil in Ihnen wird darauf wenig Rücksicht nehmen. Stellen Sie sich z. B. einen Menschen vor, der Panik vor hohen Gebäuden hat. Rational weiß die Person schon, dass nichts Schlimmes passieren kann, wenn sie auf den Fernsehturm hochfährt, das ändert aber nichts daran, dass sie trotzdem Panik davor hat und befürchtet, dass der Turm einstürzen könnte. Ich hatte mal einen Klienten, einen erwachsenen Mann mit exzellenter Ausbildung, erfolgreich im Job, der hatte manchmal abends, wenn er wach im Bett lag, Angst vor Monstern. Als erwachsener Mann wusste er natürlich, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass ein Monster aus dem Schrank gestürmt kommt, aber er hatte trotzdem diese Sorge. Seien Sie bei Frage Nummer 2 nicht weiser, erwachsener oder spirituell weiterentwickelt, als Sie tatsächlich sind, gönnen Sie sich ein Ja, wenn Sie noch den leisesten Glauben daran haben, dass es wahr sein könnte. Seien Sie ehrlich mit sich selbst. Frage Nummer 3: Wie reagierst du, wenn du den Gedanken glaubst, „Deine Mutter ist anstrengend, in der Situation“? Hans kommt auch hier gerne wieder ins Schwadronieren: „Meine Mutter hat mich damals bei dieser Schulaufführung von mir begleitet, da waren ganz viele Eltern von anderen Kindern aus meiner Klasse und sie hat mich immerzu gefragt, wessen Eltern sind das und zu wem gehört dieses Kind. Mann, und ich wollte einfach nur meine Ruhe haben und eine gute Zeit mit meinen Freunden. Sie hat mir die ganz Schulaufführung mit ihrer nervigen Art verdorben.“ Dies ist eine schöne Antwort, aber es ist nicht die Antwort auf die Frage, wie reagiere ich, wenn ich den Gedanken glaube. Merken Sie, wie hier eine Geschichte erzählt wird, die den Ursprungsgedanken nur noch bestätigt und festigt? Eine Antwort auf die 3. Frage könnte allerdings lauten, „Ich merke, wie ich wütend werde auf sie und enttäuscht bin von ihr. Ich bin angespannt und verstockt.“ Frage Nummer 4: Wer wärest du ohne den Gedanken, „Deine Mutter ist anstrengend“? Hans: „Ohne den Gedanken, du meinst, sie wäre dann also nicht anstrengend gewesen? Na, dann wäre ich glücklich.“ Es passiert häufiger, dass Menschen davon ausgehen, dass das Gegenteil zutrifft, wenn ein Gedanke nicht mehr da ist. Das ist mit Frage 4 aber nicht gemeint. Ohne den Gedanken „Sie ist anstrengend“, impliziert nicht „Sie ist nicht anstrengend“. Man kann es sich so vorstellen: Wer wäre ich, wenn ich von diesem Konzept „anstrengend sein“ gar keine Ahnung hätte? Mir hilft manchmal die Vorstellung, ein Außerirdischer kommt von seinem Heimatplaneten auf die Erde und in seiner Welt gibt es diesen Begriff gar nicht, geschweige denn eine Vorstellung davon, was das sein könnte. Ich schlüpfe in die Haut

des Außerirdischen und mit seiner Haltung schaue ich mir die Person an, über die ich worke und nehme dann einfach wahr, was ich sehe. Ich habe quasi diesen Filter nicht mehr und dadurch sehe ich kein „anstrengend Sein“. Oder Sie stellen sich vor, Sie hätten wie der Direktor der Zauberschule Hogwarts, Albus Dumbledore, die Möglichkeit, sich eines Gedankens mittels eines Zauberstabs zu entledigen. Er zieht einfach einen Gedanken aus dem Kopf und deponiert ihn im Denkarium. Dort kann er jederzeit wieder aufgerufen werden, aber er ist fürs Erste aus dem Kopf heraus. Ein weiterer Kniff, um in den Zustand von „ohne den Gedanken sein“ zu kommen ist, sich zu vergegenwärtigen, wann man den Gedanken zum ersten Mal gedacht hat. Meistens ist so ein Gedanke ja erst im Laufe des Lebens aufgetaucht, ich habe ihn nicht von Geburt an. Wie war es, als ich diesen Gedanken noch nicht denken konnte, als er auf meiner „Festplatte“ noch gar nicht existierte? Dies kann eine hilfreiche Brücke sein zu dem Gefühl, wer ich ohne den Gedanken wäre. Dennoch fällt es Menschen bisweilen schwer, Frage Nummer 4 zu beantworten. Manchmal ist es so ein radikaler Perspektivwechsel, dass er erst einmal nicht möglich scheint. Das ist ähnlich wie beim Yoga, es gibt Positionen, wie z. B. den Kopfstand, vor denen einige zurückschrecken, weil sie so schwierig erscheinen. Wenn man sich dann darauf einlässt und sie ausprobiert, vielleicht erst einmal mit Unterstützung, merkt man plötzlich, ach so geht das, ist ja gar nicht so schwer, wie ich immer gedacht habe. Meine Erfahrung ist, je häufiger ich The Work praktiziere, desto leichter wird es, die Fragen zu beantworten. Es wird wie eine Gewohnheit für den Verstand. Tipp Stellen Sie sich vor, Sie schreiben folgenden stressvollen Gedanken auf: „Ich bin sauer auf meinen Kollegen, weil er meine Anrufe ignoriert und mir schnippisch auf meine EMails antwortet und nie seinen Müll wegräumt.“ Dann beginnen Sie mit Ihrer Befragung, „Ist es wahr, ,Mein Kollege ignoriert meine Anrufe, antwortet mir schnippisch auf meine E-Mails und räumt nie seinen Müll weg‘?“ Schwirrt Ihnen auch der Kopf? So einen Bandwurmsatz kann man nicht im Kopf behalten, geschweige denn befragen. Tun Sie Ihrem Verstand einen Gefallen und geben Sie ihm häppchenweise Ihre Gedanken, indem Sie komplexe Schachtelsätze aufteilen. Aus dem ursprünglichen Bandwurmsatz werden drei neue Konzepte, die Sie dann jeweils einzeln befragen: „Ich bin sauer auf meinen Kollegen, (das Gefühl fällt weg) weil er meine Anrufe ignoriert / mir schnippisch auf meine E-Mails antwortet / nie seinen Müll wegräumt.“

1. Mein Kollege ignoriert meine Anrufe. 2. Er antwortet mir schnippisch auf meine E-Mails. 3. Er räumt nie seinen Müll weg.

2.7 Welche stressvollen Gedanken kann ich befragen? The Work ist thematisch universell einsetzbar und nicht festgelegt auf spezielle Themenbereiche. Jeder stressauslösende Gedanke kann befragt werden. Am besten, man beginnt mit irgendetwas im Außen und nicht mit sich selbst. Es können z. B. Menschen sein, die Sie auf die eine oder andere Art stressen. Egal ob wir diese Menschen lange kennen, wie Familienangehörige oder Freunde, oder ob wir nur eine kurze Begegnung mit ihnen hatten, an der Supermarktkasse oder in der Bahn. Wir müssen diese Leute also noch nicht einmal gut kennen, es können Fremde sein, die uns mit ihrem Verhalten irritieren oder ärgern. Es spielt auch keine Rolle, ob die Person, mit der wir Stress haben, noch lebt oder schon verstorben ist. Unsere Gedanken kennen weder Zeit noch Raum und daher hegen wir vielleicht noch Groll gegen eine Person, die schon nicht mehr unter uns weilt. Wenn uns die Vergangenheit Material liefert, dann auch die Zukunft. Wir können unsere Ängste über die Zukunft generell oder zukünftige Begegnungen mit The Work befragen. Wir können also The Work über Einzelpersonen machen, aber auch über Gruppen von Menschen, z. B. bestimmte Volksgruppen, Nationen, Parteien, Vereine oder Institutionen. Der Staat und jede andere Ansammlung von Menschen kann uns eine wunderbare Vorlage für stressvolle Gedanken bieten. Auch „abstrakte“ Themen wie Geld, Umweltverschmutzung oder Massentierhaltung bieten Material für stressbeladene Urteile. Und wir können auch uns selbst zur Zielscheibe von Urteilen machen, sei es unseren Körper, mit dem etwas nicht stimmt, oder auch uns als Person. Wir werden in diesem Buch viele der genannten Themen ausführlicher betrachten und Sie werden sehen, The Work ist es egal, welches Thema wir nehmen, die Methode ist universal nutzbar. Wir haben die Auswahl und unser Kompass ist die Höhe unseres Stresspegels. Wer oder was triggert mich am meisten, was bringt mich aus meiner Mitte? Das weist mich darauf hin, was mein nächstes Thema für The Work ist.

Was tun, wenn ich keine stressvollen Sätze habe? Manchmal erzählen mir Teilnehmer in Workshops oder Klienten im Coaching, dass sie einfach keine stressvollen Sätze bei sich wahrnehmen oder dass sie zwar früher mal welche hatten, aber jetzt eben nicht mehr. Sie wären im Frieden mit jedem und hätten

allen Menschen um sich herum verziehen. Auf meine Frage, ob Sie sich denn nicht manchmal doch aufregen würden über die langsame Kassiererin an der Supermarktkasse oder die Fahrweise eines Autofahrers oder die Verschleuderung von Steuergeldern, erwidern sie, dass so etwas für sie nicht so ins Gewicht falle oder dass sie daran eben keinen Gedanken verschwenden würden. Falls Sie keine stressvollen Gedanken (mehr) finden können, freuen Sie sich und genießen Sie Ihr Leben. Es kann bedeuten, dass Sie zu den beneidenswerten Menschen gehören, die generell wenig stressvolle Gedanken haben oder dass Sie bereits erleuchtet sind. Es kann aber auch bedeuten, dass Sie im Moment noch nicht mitkriegen, mit welchen Konzepten und Glaubenssätzen Sie durch die Welt gehen. Wenn wir 60–80.000 Gedanken pro Tag haben, müssen viele unbewusst ablaufen, quasi wie die Hintergrundmusik im Café, die gespielt wird, die wir aber nicht mehr hören. Wenn Sie nichts Gravierendes an anderen auszusetzen haben, dann gehen Sie mit der Lupe ran. Seien Sie ganz genau, es gibt nichts zu Banales, was man nicht beworken könnte. Sie brauchen auch kein schweres Geschütz aufzufahren, Sie können ebenso gut mit „harmlosen“ Sätzen The Work machen. Es muss nicht immer der große Lebensvorwurf gegenüber den Eltern sein oder die Abrechnung mit dem Ex-Partner, es können auch „Bagatellen“ sein, wie die nicht korrekt verschlossene Zahnpastatube. Auch für solche Gedanken kann eine Befragung sehr erhellend sein. Es gibt nichts zu Profanes für The Work und wegen der dreckigen Unterhosen auf dem Boden wurden schon Kriege geführt. Wenn Ihnen nichts Schweres auf dem Herzen liegt, dann fangen Sie mit etwas Naheliegendem an, schlagen Sie die Zeitung auf, schauen Sie Fernsehen und lassen Sie sich anregen. Wenn Ihnen erst einmal nichts eingefallen ist, hilft Ihnen vielleicht diese Themensammlung, um auf stressauslösende Gedanken zu kommen. Zu Ihrer Inspiration gibt es hier eine Liste mit bestimmten Menschengruppen oder Themen, über die Sie schreiben können. Sie können die Liste jederzeit ergänzen: Partner

Ex-Partner

Familienmitglieder Männer

Eltern

Vorgesetzte

Chef

Frauen

Homosexuelle

Migranten

Politiker

Neonazis

Bettler

Straßenmusikanten Verbrecher

Nachbarn

Celebrities

Junkies

Börsenspekulanten Ökos

Frauenquote

Fundamentalisten

Mütter mit ihrem Nachwuchs

Massentierhaltung fette Menschen

Gott

Atomkraftwerke Teilnehmer von Realityshows im Fernsehen Banken / Banker

Hartz-IVEmpfänger Esoteriker

Picken Sie sich eine Menschengruppe oder ein Thema heraus, was Sie anpiekst. Was ist es an dieser Personengruppe / diesem Thema, das Sie nervt, erbost oder Sie schlichtweg ablehnen? Erstellen Sie dann Ihre Liste von Gedanken. Hier einige Beispiele von anderen: Ökos sind ... Ökos sind ungepflegt und haben fettige Haare. Ökos sind Schluffis. Ökos sind naiv. Ökos sind militant. Esoteriker sind ... Esoteriker sind leichtgläubig. Esoteriker glauben jeden Mist. Esoteriker bedienen sich abstrusester Methoden. Mütter mir ihrem Nachwuchs sind ... Mütter mir ihrem Nachwuchs sind anstrengend. Mütter mit ihrem Nachwuchs sind militant. Mütter mir ihrem Nachwuchs weichen keinen Zentimeter vom Bürgersteig aus. Mütter mir ihrem Nachwuchs haben nur ein Thema, ihren Nachwuchs. Mütter mir ihrem Nachwuchs halten sich für den Nabel der Welt.

Fallbeispiel Antje hat den Gedanken, Mütter mit ihrem Nachwuchs halten sich für den Nabel der Welt. Vielleicht haben Sie selbst auch schonmal über einen Menschen oder eine Gruppe von Menschen den Gedanken geglaubt, sie halten sich für den Nabel der Welt. Ich lade Sie ein, die Work von Antje als Einstieg für Ihre eigene Work zu nutzen. Finden Sie Ihre eignen Antworten auf die vier Fragen und halten Sie bei den Umkehrungen nach Ihren Beispielen Ausschau. T A

: Antje, hast du eine konkrete Situation, wo du das über eine Mutter geglaubt hast? : Ja, letztens bei einem Essen mit ein paar Erwachsenen und einer Mutter, die gerade ein Kind bekommen hat. T : In der Situation, ist das wahr, die Mutter hält sich für den Nabel der Welt? A : Ja, ich finde schon. T : Ja und nimm wahr, wie deine Antwort mehr ist als ein Ja oder ein Nein. Und kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist, sie hält sich für den

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Nabel der Welt? : Ja! : Wie reagierst du, was passiert, wenn du diesen Gedanken glaubst? : Ich bin total genervt von dieser Frau, fast schon angewidert. Ich mag ihren Ausführungen gar nicht zuhören. Ich finde sie und ihr Kind doof und mich nervt es, dass diese Frau das Gespräch von 8 Erwachsenen dominiert. Es ist nicht möglich in Ruhe ein Gespräch zu führen, das kotzt mich an. Mir vergeht der Appetit, wenn sie da ellenlang von ihrer Geburt erzählt. Da habe ich keinen Bock mehr, mich noch mal mit denen zu treffen. : In derselben Situation, wer wärst du ohne den Gedanken, die Mutter hält sich für den Nabel der Welt? : Keine Ahnung. Ich kann mir das nicht so vorstellen, ohne den Gedanken. Sie quatscht ja immer noch. : Genau, alles bleibt, wie es ist, und stell dir einfach für einen Moment lang vor, du könntest den Gedanken nicht glauben, sie hält sich für den Nabel der Welt. Du kannst den Gedanken behalten, ich lade dich nur für einen Moment ein wahrzunehmen, wer bist du ohne den Gedanken. : Mhhhh, der Brass auf sie ist etwas weg. Ich merke, dass ich mich mehr entspannen kann. Ich nehme es nicht mehr so wichtig und schwer. Ich kann diese Mutter auch wieder mehr ernst nehmen, muss sie nicht so verspotten. Ah, ich merke auch gerade, dass ich das sogar mit Humor nehmen könnte. Die Situation hat ja auch etwas Absurdes. : Dann kehre den Gedanken um: Die Mutter hält sich für den Nabel der Welt. : Sie hält sich nicht für den Nabel der Welt. Ja, eigentlich hält sie ihren Nachwuchs für den Nabel der Welt. Um den dreht sich ja ein Großteil ihrer Ausführungen. Ja und sie hat ja auch mal geschwiegen oder sich in Gespräche über andere Themen eingeklinkt. Sie hat mich sogar gefragt, wie es bei mir gerade jobmäßig läuft, da hielt sie sich auch nicht für den Nabel der Welt. : Hast du noch eine Umkehrung? : Ja klar, ich halte mich für den Nabel der Welt. Ja, Mist, das stimmt natürlich auch. Ich will eigentlich, dass sich bei dem Essen alles um mich und meine Bedürfnisse dreht. Ich will, dass der Abend nach meinen Wünschen verläuft und die anderen, vor allem die Mutti und ihr Kind, interessieren mich überhaupt nicht. Ja, das ist wohl war. Und generell kann ich das auch sehen, dass ich um meinen Nabel kreise und egoistisch und egozentrisch bin. : Gibt es noch eine Umkehrung? : Ich halte sie für den Nabel der Welt? : Ja, schau mal, ob du da was finden kannst.

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: Naja, ich gebe ihr ja an dem Abend diese Aufmerksamkeit. Ich bin total auf sie und ihren Nachwuchs fixiert. Sogar als wir weg waren, habe ich mich in Gedanken über sie aufgeregt. Da hielt ich sie immer noch für den Nabel der Welt. Ja, das stimmt schon auch, ich habe sie durch meine Fixierung dazu gemacht.

Frage: Warum soll ich all die negativen Gedanken über andere aufschreiben, das zieht mich doch nur runter? Ich bin froh, wenn ich die Gedanken nicht habe, warum sollte ich sie extra erzeugen? Manch einer äußert sogar die Sorge, dass die Beschäftigung mit stressvollen Gedanken energetisch nachteilig für ihn sei. Die Gedanken sind aber da, ob uns das gefällt oder nicht. Gedanken ereignen sich unablässig und da wird auch der eine oder andere stressvolle dabei sein, selbst wenn ich auf der spirituellen Entwicklungsskala schon ganz weit oben angekommen bin. Wenn ich diese stressauslösenden Gedanken erkenne und aufs Papier bringe, gebe ich mir selbst die Möglichkeit, etwas zu verändern. Wenn ich die Existenz dieser Gedanken leugne, wie lebe ich dann mein Leben? Wichtig ist zu verstehen, dass ich nicht meine Gedanken bin. Ich kann Beobachterin / Beobachter meiner Gedanken sein, aber ich bin nicht meine Gedanken und Gedanken sind auch nichts Persönliches. Ich glaube nicht, dass Gedanken extra erzeugt werden, wenn wir sie aufschreiben und dann auch noch befragen. Sie schwelen so oder so die ganze Zeit in unserem Bewusstsein, wir kriegen sie nur häufig nicht mit. Wir spüren nur das Resultat dieser schwelenden Gedanken, wir trauen uns nicht den Mund aufzumachen bei einer Besprechung, wir fragen andere nicht um Hilfe oder wir haben anstrengende Beziehungen mit anderen Menschen. Unser Verhalten, im ABC-Schema die Konsequenzen, ergeben sich durch unsere Gedanken und Bewertungen einer Situation. Wenn ich mir gestatte, einen Scheinwerfer auf den Gedankenwirrwarr in meinem Kopf zu halten, sehe ich ihn plötzlich erleuchtet und das ermöglicht mir, mich damit zu beschäftigen. Sich nicht um seine stressvollen Gedanken zu kümmern ist wie sein Haus von Mäusen bevölkern zu lassen, die die Substanz anknabbern, und gleichzeitig dabei so zu tun, als wäre alles in bester Ordnung. Ich sehe die Mäuse vielleicht nicht und von außen fällt einem auch nichts auf, aber das Fundament wird trotzdem löchrig. Wenn ich mich mit meinen stressvollen Gedanken identifiziere und sie nicht hinterfrage, wird auch meine mentale und psychische „Substanz“ löchrig und plötzlich kriege ich einen Wutanfall wegen einer Lappalie, weil vorher schon so viele Kleinigkeiten an mir genagt haben. Gedanken zum Weiterdenken The Work können wir universell für alle Stressthemen einsetzen.

The Work besteht aus vier Fragen und Umkehrungen. Einfache Sätze sind leichter zu worken als komplizierte Schachtelsätze. The Work hört auf zu wirken, wenn wir die Fragen nicht beantworten und anfangen, Geschichten zu erzählen. Es gibt kein Thema, was zu profan wäre, um es nicht mit den vier Fragen zu untersuchen.

3. Tiefer einsteigen in The Work Was Sie in diesem Kapitel erwartet Im zweiten Kapitel haben Sie The Work mit ihren vier Fragen und Umkehrungen kennengelernt. Wir steigen jetzt tiefer in die Materie ein. Sie lernen das Arbeitsblatt „Urteilen Sie über Ihren Nächsten“ mit seinen verschiedenen Fragen kennen und anwenden. Dies ermöglicht eine ausführlichere Bestandsaufnahme über ein Stressthema. Außerdem erhalten Sie Tipps und Kniffe, wie Sie Ihre Gefühle identifizieren und wie Sie Ihrem Verstand begegnen können, falls er sich an einem Gedanken „festbeißen“ sollte. Byron Katies „Drei Angelegenheiten des Universums“ helfen uns, unseren Verantwortungsbereich und die Grenzen unserer Einflussnahme zu erkennen.

3.1 Innehalten – Gedanken beobachten Ich lade Sie auf dieser Reise mit ihrem Verstand immer wieder ein, innezuhalten und einen Schritt aus sich heraus zu machen, um zum Beobachter zu werden. Wenn wir uns nicht so stark mit unseren Gedanken identifizieren, haben wir auch mehr Abstand zu ihnen und lassen uns nicht so leicht in den mesmerisierenden bzw. hypnotisierenden Sog ziehen, den Gedanken und Geschichten auf uns ausüben. Ihr Beobachterposten in Ihnen kann überall sein. Sie können sich z. B. vor Ihrem inneren Auge vorstellen, auf einer Bergspitze zu sein, von der Sie das ganze Geschehen mit etwas Abstand betrachten. Oder Sie stellen sich Ihren Gedankenstrom vor wie vorbeiziehende Wolken, die den Himmel bedecken. Sie können sich dieses Schauspiel von Ferne anschauen und darauf vertrauen, dass Ihre Gedanken, genauso wie die Wolken am Himmel, weiterziehen werden. Vielleicht nehmen Sie beim Beobachten Ihrer Gedanken wahr, dass sie in Wellen

kommen, manchmal schwappt ein ganzer Schwall an Gedanken über uns herein, dann ziehen sich die Gedanken wieder zurück und es herrscht einen Moment lang Stille, bis zur nächsten Welle. Wie alles im Leben, hat auch der Strom der Gedanken einen Rhythmus und wir können Beobachter dieses Aufs und Abs sein, ohne eingreifen zu müssen. Einfach wahrnehmen, der Gedanken gewahr werden, die einzeln oder als ganzer Schwarm auftauchen und auch wieder verschwinden. Sie können auch ganz bewusst den Inhalt ihrer Gedanken wahrnehmen und sich gleichzeitig nicht in die Geschichte einspinnen lassen. Sprechen Sie von sich in der 3. Person und sagen Sie sich z. B.: „Jetzt denkt sie, sie muss noch die E-Mail verschicken“. Dies schafft einen inneren Abstand und verdeutlicht, dass Sie nicht Ihre Gedanken sind. Jeder Gedanke ist willkommen, es geht nicht darum etwas zu verändern, etwas wegzumachen. Es darf genau so sein. Indem wir die Gedanken wahrnehmen, geben wir ihnen die Erlaubnis zu sein und das führt häufig dazu, dass sie von sich aus weiterziehen. Wenn wir uns an die Gedanken anhaften, geben wir ihnen Futter, sie werden präsenter und nehmen mehr Platz in unserm Geist ein. Während Sie Ihre Gedanken wahrnehmen, seien Sie sich bewusst, dass es nicht Ihre Gedanken sind. Nicht Sie denken sondern Es denkt Sie. Ihre Gedanken sind nicht persönlich gemeint, sie geschehen einfach und nicht jeder Ihrer Gedanken ist wahr. Lassen Sie uns jetzt die Gedanken anschauen, die nicht wahr sind, da sie mit der Wirklichkeit im Widerstreit liegen. Sie erkennen sie daran, dass sie Stress in Ihnen auslösen. Jeder stressauslösende Gedanke kann der Einstieg zu der Befragung mit The Work sein.

3.2 „Urteilen Sie über Ihren Nächsten“ Vielleicht haben Sie ja jetzt richtig Gefallen daran gefunden, Ihre stressvollen Gedanken zu Papier zu bringen? Der Einzeiler aus Kapitel 2 war erst der Anfang, ich stelle Ihnen jetzt ein umfangreicheres Arbeitsblatt vor, auf dem Ihr Verstand sich so richtig austoben darf. Das Arbeitsblatt „Urteilen Sie über Ihren Nächsten“ ist von Byron Katie entwickelt worden

und ermöglicht es uns, eine längere und ausführlichere Bestandsaufnahme zu einem Stressthema bzw. über eine Person, die uns stresst, zu machen. Sie werden gleich sehen, dass es auf dem Arbeitsblatt weitere nützliche Fragen gibt, die Ihnen helfen, genau diese stressbeladenen Gedanken ans Tageslicht zu bringen. Das Arbeitsblatt „Urteilen Sie über Ihren Nächsten“ und weiteres hilfreiches Material können Sie übrigens kostenlos auf der deutschen Webseite für Byron Katies Methode The Work herunterladen: http://www.thework.com/deutsch/. (Für das folgende Arbeitsblatt empfiehlt es sich, dafür zu sorgen, diese in Papierform vorliegen zu haben.)

Urteilen Sie über Ihren Nächsten 1. In dieser Situation, zu dieser Zeit und an diesem Ort: Wer ärgert, verwirrt oder enttäuscht Sie und warum? Ich bin Gefühl auf / wegen Name weil Beispiel: Ich bin wütend auf Paul, weil er mir bezüglich seiner Gesundheit nicht zuhört.

2. In dieser Situation: Wie wollen Sie, dass er / sie sich ändert? Was wollen Sie, dass er / sie tut? Ich will, dass Name

Beispiel: Ich will, dass Paul sieht, dass er Unrecht hat. Ich will, dass er aufhört zu rauchen. Ich will, dass er keine Lügen mehr darüber erzählt, was er mit seiner Gesundheit macht. Ich will, dass er sieht, dass er sich umbringt.

3. In dieser Situation: Welchen Rat können Sie anbieten, um ihm / ihr zu helfen? Name sollte / sollte nicht

Beispiel: Paul sollte tief Luft holen. Er sollte sich beruhigen. Er sollte sehen, dass seine Handlungen mich und die Kinder ängstigen. Er sollte wissen, dass Recht zu haben es nicht wert ist, wieder einen Herzanfall zu bekommen.

4. Damit Sie in dieser Situation glücklich sein können: Was brauchen Sie, dass er / sie denkt, sagt, fühlt oder tut? Ich brauche von

Name dass

Beispiel: Ich brauche von Paul, dass er mir zuhört. Ich brauche von ihm, dass er Verantwortung für seine Gesundheit übernimmt. Ich brauche von ihm, dass er meine Meinung respektiert.

5. Was denken Sie über ihn / sie in dieser Situation? Erstellen Sie eine Liste. Name ist Beispiel: Paul ist unfair, arrogant, laut, unehrlich, völlig daneben und unbewusst.

6. Was ist es in dieser Situation, was Sie nie wieder erleben wollen? Ich will nie wieder

Beispiel: Ich will nie wieder erleben, dass Paul mich wieder belügt. Ich will nie wieder sehen, wie er raucht und seine Gesundheit ruiniert. © 2011 Byron Katie International, Inc. Alle Rechte vorbehalten. http://www.thework.com/deutsch Rev. 16 Jul 2011

Das Arbeitsblatt besteht aus insgesamt 6 Fragen. Die Frage Nummer 1 kennen Sie schon aus dem 2. Kapitel; was in diesem Arbeitsblatt dazu gekommen ist, sind die Fragen 2–6, die dazu dienen, dem Thema, über das Sie worken wollen, noch tiefer auf den Grund zu gehen. Ich zeige Ihnen jetzt für jeden Fragetyp, wie Sie damit The Work machen und wie Sie anschließend dazu die Umkehrungen formulieren.

Fallbeispiel Anhand des Arbeitsblatts von Anita, die sich Ihren Frust über Ihren Partner von der Seele geschrieben hat, demonstriere ich Ihnen die Vorgehensweise mit The Work. Herausgekommen ist dabei Folgendes:

Urteilen Sie über Ihren Nächsten 1. In dieser Situation, zu dieser Zeit und an diesem Ort: Wer ärgert, verwirrt oder enttäuscht Sie und warum? Ich bin super wütend, enttäuscht und frustriert über Frank, weil er kein Verständnis für mich hat, weil er einfach in den Kontaktabbruch geht, weil er mich mit Nichtbeachtung straft, weil ich ihm egal bin. Weil er mich zur Weißglut treibt. 2. In dieser Situation: Wie wollen Sie, dass er / sie sich ändert? Was wollen Sie, dass er / sie tut? Ich will von Frank, dass er mich so akzeptiert, wie ich bin, dass er fürsorglicher ist, mich unterstützt. Ich will, dass Frank zugänglicher ist, gesprächsbereit, verständnisvoll, dass er mir etwas entgegensetzt. 3. In dieser Situation: Welchen Rat können Sie anbieten, um ihm / ihr zu helfen? Frank sollte sich mehr für unsere Beziehung engagieren, er sollte meinen Schmerz sehen und mich trösten, er sollte mich nicht so hängen lassen, er sollte sich nicht aus dem Staub machen.

4. Damit Sie in dieser Situation glücklich sein können: Was brauchen Sie, dass er / sie denkt, sagt, fühlt oder tut? Ich brauche es von Frank, dass er auf mich zugeht, dass er liebevoll und zugewandt zu mir ist, dass er mit mir vernünftig kommuniziert. 5. Was denken Sie über ihn / sie in dieser Situation? Erstellen Sie eine Liste. Frank ist ein Arschloch, ein Gefühlslegastheniker, ein Eisblock, autistisch, völlig verlangsamt, ignorant, phlegmatisch, bequem, unfähig mir etwas entgegenzusetzen. 6. Was ist es in dieser Situation, was Sie nie wieder erleben wollen? Ich will nie wieder erleben, dass Frank mich auflaufen lässt, dass er in den Kontaktabbruch geht, dass wir uns wegen Lappalien heftig zoffen, dass ich Trennung als einzigen Ausweg sehe. Ich zeige Ihnen jetzt exemplarisch zu jeder der 6 Fragen auf dem Arbeitsblatt von Anita, wie die Befragung und die Umkehrungen funktionieren. Sie können während des Lesens Ihre eigenen Antworten auf die Fragen mitlaufen lassen. 1. Ich bin ... Anita schreibt bei Nummer 1 über ihren Partner: Ich bin super wütend, enttäuscht und frustriert über Frank, weil er kein Verständnis für mich hat, weil er einfach in den Kontaktabbruch geht, weil er mich mit Nichtbeachtung straft, weil ich ihm egal bin. Weil er mich zur Weißglut treibt. Ich lade Sie ein, Anitas Work auch für sich selbst zu nutzen. Sie können Anitas Antworten verfolgen und gleichzeitig auch die Fragen an sich selbst richten und zu eigenen Antworten kommen. Vielleicht haben Sie ja auch schon einmal über einen Menschen gedacht, er habe kein Verständnis für Sie. Versetzen Sie sich in diese Situation zurück, spüren Sie, was diese

Situation auslöst, und beantworten Sie die folgenden Fragen aus dieser Position heraus für sich mit. Frank hat kein Verständnis für mich. T : Anita, hast du eine Situation vor Augen, in der du diesen Gedanken gehabt hast? A : Ja, ganz frisch, gestern Abend, als wir zusammen im Bett lagen kurz vorm Einschlafen und wir uns gezofft haben. T : Wunderbar, dann lade ich dich ein, genau diese Situation zu nehmen, du kannst dazu gerne deine Augen schließen. Nimm einfach wahr, was du in dem Moment fühlst. Und ist es wahr, Frank hat kein Verständnis für dich? A : Ja T : Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist. Frank hat kein Verständnis für dich? Langes Schweigen A : Ich kann es nicht genau beantworten, ich sage Ja. T : Und wie reagierst du, wenn du diesen Gedanken glaubst, er hat kein Verständnis für dich? A : Ich werde wütend, ich fühle mich traurig, verlassen und einsam. Es fühlt sich absolut getrennt an zwischen uns, als ob uns Welten trennen. Er liegt neben mir im Bett, aber es ist so kühl und distanziert zwischen uns. Ich merke einfach diese wahnsinnige Wut, die da in mir ist. Ich würde ihn am liebsten rütteln, ich will was von ihm in dem Moment, was er mir aber nicht gibt. In dem Moment hasse ich ihn, ich denke, es hat alles keinen Sinn. Ich denke über Trennung nach, ich bin verzweifelt, ich fühle mich wirklich wie verlassen, es ist ganz existenziell in dem Moment, ich bin sprachlos und gelähmt. T : Was passiert noch, wenn du glaubst, er hat kein Verständnis für dich und er liegt da neben dir im Bett. A : Ich nehme eigentlich wenig von ihm wahr und seine Seite, seine Perspektive, was er tut, ist wie ausgeblendet. Ich sehe nicht das große Bild, ich sehe dann nur diesen Moment und der ist so dramatisch. Heute

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mit etwas Abstand sieht das schon wieder ganz anders aus. Ich sehe in dem Moment nicht die Liebe für ihn, ich sehe auch nicht, dass diese ganze Verzweiflung und Wut und dieser Schmerz nicht so viel mit ihm zu tun hat, sondern dass es mit mir zu tun hat. : Wer wärst Du ohne diesen Gedanken, Frank hat kein Verständnis für dich? : Tja, ich liege im Bett, er liegt neben mit und er tut halt, was er tut. Ah, es bekommt nicht so eine Dramatik ohne den Gedanken. Dann ist er nicht der Buhmann, der Schuldige, der etwas falsch macht. Wenn ich das denke, dann will ich was von ihm und ohne den Gedanken, da macht er halt, was er macht, er macht zwar nicht, was ich will, aber ich bin dann nicht so bedürftig. Ich bin dann wieder mehr mit mir in Kontakt, bin bei mir, kann mich um meinen Schmerz kümmern. Es entdramatisiert das Ganze, ohne den Gedanken lastet da auch nicht so eine Bürde auf ihm, dass er da was machen müsste. Ich kann ihn dann mehr sehen, ich kann dann über den Tellerrand schauen. Ohne den Gedanken kehrt so eine Ruhe ein, habe ich das Gefühl, vorher war es so laut und lärmend in meinem Kopf. : Dann dreh den Gedanken um: Frank hat kein Verständnis für dich. : Ich habe kein Verständnis für mich. Dass ich da so heftig reagiere, dass ich da so existenziell in Not gerate, da verstehe ich mich selber nicht, da habe ich kein Verständnis für mich. Ja und das, was ich in diesem Streit so von mir gegeben habe, da stand ich so neben mir und dachte mir, das kommt jetzt aus meinem Mund, das ist ja verrückt. Da vergesse ich ja jegliche Contenance. Dafür habe ich auch kein Verständnis. : Und ein letztes Beispiel? : Dass ich da so sprunghaft bin und schnell auch die Trennung ins Kalkül ziehe und dann denke, so jetzt muss ich mich trennen und mir schon vor meinem inneren Auge die nächsten Schritte ausmale. Da habe ich auch kein Verständnis für mich. : Wie lautet eine weitere Umkehrung? : Ich habe kein Verständnis für Frank.

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Ja, das trifft 100 % zu, ich habe kein Verständnis für seine Reaktion gestern Abend, ich habe kein Verständnis dafür, dass ich da verzweifelt weinend im Bett liege und er da nicht auf mich zugeht, mich nicht anspricht. Ich habe kein Verständnis für seine Erklärung des Streits, wie das entstanden ist, da verstehe ich ihn auch nicht. Das stimmt auf jeden Fall total und auch in anderen Situationen habe ich kein Verständnis für ihn, wenn er sich z. B. in Gruppensituationen so grummelig verhält und absondert. : Und die letzte Umkehrung? : Frank hat Verständnis für mich? : Ja genau und wie ist das wahr, gib ein Beispiel, dass Frank Verständnis hat für dich in dieser Situation. : Hm, naja, er hat nicht gesagt, du Anita, da habe ich jetzt echt null Verständnis für dich. Das ist ja nur eine Annahme von mir oder so eine Spekulation. Und wenn ich sehe, was er da in der Situation gemacht hat, wir liegen da zusammen, wir diskutieren, wir streiten, dann nimmt er seine Sachen und zieht ins andere Zimmer und schläft da. Er hat Verständnis für mich, kann durchaus sein, für meine Situation oder meinen Standpunkt, er hat zumindest nicht das Gegenteil behauptet. : Ja und hast du noch ein Beispiel, das dir zeigt, dass er Verständnis für dich hat? : Ich habe ihm ja so Vorhaltungen gemacht und da hat er gesagt, ja du hast Recht und dann hat er sein Ding dazu erzählt und da hatte er Verständnis für meine Position. Er sieht es vielleicht anders oder kann dem nicht entsprechen, aber in dem Moment hat er gesagt, ja du hast Recht. : Und hast du noch ein drittes Beispiel? : Heute rief er an und hat sich entschuldigt, dass es ihm leid tut, dass er blöd reagiert hat, da sehe ich auch Verständnis für meine Warte, für meine Position. Er sieht schon was ich meine oder er hat schon Verständnis für einige Aspekte zumindest, aber das impliziert nicht, dass er das dann umsetzen muss oder danach handeln muss.

Erkennen Sie beim Lesen dieses Beispiels die Struktur von The Work? Es sind die vier Fragen und Umkehrungen mit Beispielen, die im Text fett gedruckt sind. Anita hat schon viel Erfahrung mit The Work und findet ganz von selbst ihre Antworten und Beispiele. Meine Begleitung ist in dem Moment nicht mehr als die vier Fragen zu stellen. Schauen wir uns Nummer 2 vom Arbeitsblatt an, das von der Fragestellung her etwas anders gelagert ist. 2. Ich will, dass du ... Anita schreibt: Ich will von Frank, dass er mich so akzeptiert, wie ich bin, dass er fürsorglicher ist, mich unterstützt. Ich will, dass Frank zugänglicher ist, gesprächsbereit, verständnisvoll, dass er mir etwas entgegensetzt. Auch hier gilt wieder die Einladung an Sie, mitzumachen. Von wem wollen Sie, dass er oder sie Sie so akzeptiert, wie Sie sind? Von wem wollen Sie das und haben aber gleichzeitig das Gefühl, dass diese Person es nicht tut? Vergegenwärtigen Sie sich die Situation und die Person und beantworten Sie die Fragen für sich mit. Ich will, dass Frank mich so akzeptiert, wie ich bin. T : Du willst, dass Frank dich so akzeptiert, wie du bist, ist das wahr? A : Ja! T : Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist, du willst, dass Frank dich so akzeptiert, wie du bist? A : Ja das will ich. T : Und wie reagierst du, wenn du glaubst, du willst, dass Frank dich so akzeptiert, wie du bist und er tut es vielleicht nicht? A : Ich werde wütend auf ihn. Ich würde ihn am liebsten schütteln, es bekommt so etwas Fanatisches von meiner Seite aus, als ob ich davon abhängen würde. Frank ist mein Gegner in dem Moment und ich bin wieder bedürftig, weil ich etwas von ihm will, was er mir nicht gibt. T : Und wer wärst du in genau der gleichen Situation ohne den Gedanken, du willst, dass er dich akzeptiert, wie du bist?

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: Dann beruhige ich mich innerlich wieder mehr, ich kann mal einen tiefen Atemzug nehmen, ich werde auch weicher im Brustkorb. Ohne den Gedanken tut es auch nicht mehr so weh. Es wird ruhiger in meinem Kopf. : Wie lautet eine Umkehrung? : Ich will, dass ich mich so akzeptiere wie ich bin. Ja, ich will, dass ich mich auch als hysterischen Haufen Elend akzeptiere, der bedürftig ist und seinen Freund attackiert. Ja genau, ich will dass ich mich mit meinen Stimmungen und Launen akzeptiere, mit Frank und in anderen Situationen, z. B. auf der Arbeit auch. : Ja und die nächste Umkehrung. : Ich will von mir, dass ich Frank so akzeptiere, wie er ist. Ja in dem Moment, wo er neben mir im Bett liegt und mir nichts entgegenbringt oder wo er seine Sachen schnappt und sich auf die Couch verkrümelt. Da will ich ihn akzeptieren in seiner Entscheidung. Das stimmt. : Und die dritte Umkehrung? : Ich will nicht von Frank, dass er mich so akzeptiert, wie ich bin. Oh, das ist ja doof, wie soll das funktionieren? : Ja, wie ist es wahr, dass du nicht willst, dass er dich so akzeptiert? Gibt es ein Beispiel in der Situation oder in deinem Leben generell, wo du das finden kannst? : Na ja, ich bin ziemlich hysterisch in der Situation und kritisiere Frank und da will ich nicht, dass er mich so akzeptiert. Ich kann mich ja selber so nicht akzeptieren, warum sollte er das dann tun müssen? : Ja und hast du noch ein Beispiel? : Ich will nicht, dass er mich so akzeptiert, wenn er es nicht kann. Ich will nicht, dass er sich meinetwegen verrenkt und mir zuliebe etwas tut, was nicht wirklich aus ihm kommt. Macht das Sinn? : Ja und vor allem muss es für dich Sinn machen. Es sind deine Beispiele. Und hast du noch eins?

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: Ja vielleicht will ich das nicht, weil eigentlich kann ich mir ja nichts davon kaufen, dass er mich akzeptiert. Es ist schön, wenn er es tut, aber besser wäre mal, wenn ich mich so akzeptieren würde, wie ich bin.

Ich will aber ... Bei der Nummer 2 und auch im Folgenden bei Nummer 3 und 4 wird für die Befragung der komplette Satz genommen. Sie erinnern sich, bei dem Satz „Ich bin super wütend, enttäuscht und frustriert über Frank, weil er kein Verständnis für mich hat“, befragen wir nur den Teil nach dem Komma. Bei der Nummer 2 „Ich will von Frank, dass er mich so akzeptiert, wie ich bin“, nehmen wir den kompletten Satz in die Befragung. Hier liegt die Betonung auf dem „Wollen“. Und wollen wir nicht permanent etwas vom lieben Gott, der Welt und den anderen? „Ich will aber“ hört man nicht nur von kleinen Kindern am Süßigkeitenregal, auch wir Erwachsene wollen etwas vom anderen, wenn wir ehrlich mit uns sind. Diese Frage holt uns also wunderbar in unserem Wunschdenken ab. Wir wollen etwas anderes, als gerade da ist, um endlich glücklich sein zu können. Bei den Umkehrungen wird das „Ich will“ mit genutzt. So kommt die Umkehrung „Ich will nicht, das Frank mich akzeptiert, wie ich bin“ zustande. Das ist ja genau das Gegenteil von dem, was ich eigentlich will! Korrekt, und wie ist es trotzdem oder gerade deshalb auch wahr, dass ich es nicht will? Byron Katie sagt gern, The Work heißt nicht umsonst Work, also Arbeit. Es kann harte Gedankenarbeit sein, gute, für einen selbst stimmige Beispiele zu finden. Das Prinzip bei den Umkehrungen für diese Art von Sätzen ist das gleiche wie bei den Sätzen für Nummer eins: ins Gegenteil, zu mir selbst und zum anderen. Zu mir selbst umgedreht wird der Satz zu „Ich will, dass ich mich selbst akzeptiere, wie ich bin“. Ist das nicht viel wahrer? Ist das nicht viel wichtiger? Was nützt es mir, wenn alle mich akzeptieren, nur ich selbst mich nicht akzeptieren kann? Wie kann ich mir selbst geben, was ich im Außen von jemand anderem verlange? Die dritte Umkehrung ist zum anderen, also „Ich will, dass ich Frank so akzeptiere, wie er ist“. Kann ich

das, was ich vom anderen einfordere, dem anderen geben? Wo akzeptiere ich den anderen noch nicht und wünsche mir das aber? 3. Du solltest ... Anita schreibt bei 3.: Frank sollte sich mehr für unsere Beziehung engagieren, er sollte meinen Schmerz sehen und mich trösten, er sollte mich nicht so hängen lassen, er sollte sich nicht aus dem Staub machen. Wann und wo haben Sie schonmal diesen Gedanken gehabt, jemand sollte etwas für Sie tun? Vielleicht sollte sich jemand mehr für Ihre Beziehung engagieren oder jemand sollte sich mehr in seinem Projekt engagieren? Suchen Sie sich eine Situation aus, in der dieser Gedanke, „Jemand sollte sich auf die eine oder andere Art mehr engagieren“, aufgetaucht ist. Welche Antworten und Beispiele für die Umkehrungen sind Ihre? T A T A T A

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: Er sollte sich mehr für eure Beziehung engagieren, ist das wahr? : Hm, ja schon. : Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass es wahr ist, er sollte sich mehr für eure Beziehung engagieren, als er es tut? : Nein. : Und wie reagierst du, wenn du den Gedanken glaubst? : Total entnervt, da würde ich am liebsten die Brocken schmeißen, da könnte ich mich wieder so aufspulen über diesen Typ. Dann kriege ich so etwas Verbittertes, Hartes, mein Gesicht verzerrt sich, ich gehe in eine absolute Forderungshaltung ihm gegenüber. Meine Stimme wird schrill und laut. : Und ohne den Gedanken? : Das wirft mich auf mich selbst zurück. Ohne den Gedanken bin ich nicht mehr so mit Frank beschäftigt sondern mehr bei mir. Es kehrt auch wieder mehr Ruhe ein, mein Körper entspannt sich und das Rauschen im Kopf hört auf. Ich bin wieder klarer. Ich kann Frank mehr akzeptieren, so wie er ist. Ich merke, mein Glück hängt nicht von ihm ab bzw. von dem, was er tut oder eben nicht.

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: Dann gib mir eine Umkehrung, Frank sollte sich mehr für eure Beziehung engagieren ... : Ich sollte mich mehr für unsere Beziehung engagieren. Aber das tue ich doch schon. Ich mache so viel ... : Anita, das ist wunderbar, dass du das schon tust – und wo tust du es eben noch nicht? Wenn du nach Beispielen Ausschau hältst, wo du es sowieso schon tust, fühlst du dich ja nur bestätigt in deiner Sicht. Diese Umkehrung ist eine Einladung, dahin zu schauen, wo du vielleicht bis jetzt blind warst. Wo solltest du dich mehr engagieren für eure Beziehung, vor allem in dem Moment, wenn ihr beide im Bett liegt? : Naja, ich sollte mich mehr engagieren, indem ich ihm erlaube so zu sein, wie er ist. Ich sollte mich engagieren, indem ich mich um meine stressvollen Themen kümmere und ihn nicht damit belagere. Und ich sollte mehr Engagement einbringen in Sachen Hobbys. Er interessiert sich für Poker, Fußball, nervige Männerdokus über Schwertransporter und so ein Zeug und das sollte ich ihm einfach zugestehen. Ihm da den Raum für lassen. Ja, da könnte ich mich mehr engagieren für unsere Beziehung, indem ich ihn da einfach in Ruhe lasse. : Hast du eine weitere Umkehrung? : Er sollte sich nicht mehr für unsere Beziehung engagieren. Diese Umkehrungen finde ich immer schwierig, ich will ja, dass er es macht. : Ja, auf den ersten Blick ist das vielleicht wahr – und wo willst du nicht, dass er sich mehr engagiert oder warum möchtest du nicht, das er es tut? : Na erst einmal, weil es die Realität ist. Er tut es nicht und ich will nicht, dass er etwas für mich tut, was nicht seinem Wesen entspricht. Es soll kein Schauspiel aufführen, nur um mir gefällig zu sein. : Ja, damit erkennst du an, was ist, die Realität. Und wo noch, wo willst du nicht, dass er sich mehr engagiert? : Manchmal will ich einfach meine Ruhe haben, auch vor ihm, da will ich ungestört mein Ding machen und da will ich dann nicht sein Engagement. : Und hast du noch ein drittes Beispiel?

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: In der Situation gestern Abend im Bett will ich irgendwann nicht mehr, dass er sich mehr für unsere Beziehung engagiert, weil dann alles schon so verfranst ist und ich von ihm auch gar nichts mehr annehmen könnte. : Und kannst du noch eine Umkehrung finden? : Ich sollte mich mehr für meine Beziehung engagieren? Ist das eine Umkehrung? : Ja genau, du beziehst es auf dich selbst. Du solltest dich mehr für deine Beziehung zu dir selbst engagieren ... : Ja das macht Sinn, wenn ich da verzweifelt neben Frank im Bett liege, sollte ich mich mehr um meine Beziehung zu mir selber kümmern. Wenn ich es nicht mache, macht es ja keiner.

Ratschläge für mich Haben wir nicht häufig Ratschläge für andere parat? Wir wissen so genau, was dem anderen jetzt guttun würde, was er brauchen würde, was sein Bestes wäre. Diese Ratschläge sind sicher gut gemeint und letztlich sind sie für uns bestimmt. Wenn ich meine, der andere sollte sich mehr engagieren, dann ist die Umkehrung, ich sollte mich mehr engagieren, so viel wahrer. Warum? Weil ich nur darauf Einfluss habe. Außerdem fällt mir in der Situation auf, dass es an Engagement mangelt. Ich sehe, was es brauchen würde, also bin auch ich aufgerufen, es in die Welt zu bringen. Kann ich meine eigenen Ratschläge befolgen? 4. Ich brauche von dir ... Anita schreibt bei 4.: Ich brauche es von Frank, dass er auf mich zugeht, dass er liebevoll und zugewandt zu mir ist, dass er mit mir vernünftig kommuniziert. Von wem brauchen Sie es, dass er oder sie auf Sie zugeht? Gibt es eine Person in Ihrem Leben, von der Sie es brauchen, dass sie auf Sie zugeht, damit Sie wieder glücklich sein können? Stellen Sie sich diese Person vor

Ihrem inneren Auge in einer konkreten Situation vor, in der der Gedanke aufgetaucht ist. T A T A

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: In dem Moment, wo du neben Frank im Bett liegst, ist es wahr, du brauchst es, dass Frank auf dich zugeht? : Nein, nicht wirklich. : Und wie reagierst du, wenn du das aber glaubst? : Dann werde ich so ungeduldig mit ihm, dann warte ich ab, dass er sich endlich regt. Es bringt mich in so eine Wartestellung. Ich werde passiv, wie eine selbstgefällige Prinzessin, die darauf wartet, dass der Prinz kommt. Und ich behandle Frank mit Abscheu, ich verachte ihn und gleichzeitig will ich, dass er auf mich zukommt. Ist schon absurd. : Und wer wärst du ohne den Gedanken? : Entspannter, meine Atmung ist wieder weicher. Es fühlt sich gut an, in dem Moment nichts von ihm zu wollen. Ich kann ihm freundlicher begegnen. : Du brauchst es, dass er auf dich zugeht, dreh es um. : Ich brauche es von mir, dass ich auf mich zugehe. Ja, als ich da verzweifelt alleine im Bett lag und gar nicht wusste wohin mit mir, da hätte ich es gebraucht, dass ich mich um mich kümmere, mich selbst in den Arm nehme, mir zuhöre. Und auch später, mit etwas kühlerem Kopf dachte ich mir, Mann, bist du eine hysterische Kuh. Da brauche ich auch, dass ich mich so annehme und auf mich zugehe. : Die nächste Umkehrung? : Ich brauche es von mir, dass ich auf Frank zugehe. Vor allem erstmal innerlich, emotional. Wenn ich denke, mein Partner ist ein Arschloch, dann brauche ich es, dass ich auf ihn zugehe. Ja, das stimmt gerade sehr, ich habe mich durch meine Gedanken über ihn auf Distanz gebracht. : Und die letzte Umkehrung? : Ich brauche es nicht von Frank, dass er auf mich zugeht. Ja, ich habe die Nacht ja überlebt, auch ohne dass er auf mich zugegangen ist. Außerdem brauche ich es nicht von ihm, wenn ich ihn doch eigentlich

gerade verachte. Und ich brauche es nicht von ihm, weil ich ja auch auf ihn zugehen kann, da breche ich mir auch als Prinzessin keinen Zacken aus der Krone. Unser Rezept zum Glücklichsein Die Nummern 2, 3 und 4 vom Arbeitsblatt „Urteilen Sie über Ihren Nächsten“ zeigen uns, dass wir vermeintlich etwas vom anderen brauchen, um glücklich zu sein. Ich will etwas vom anderen, er oder sie sollte etwas tun oder unterlassen und ich brauche etwas vom anderen. Das werden wir von unseren Partnern, Kindern, Eltern und Chefs aller Wahrscheinlichkeit nach nicht bekommen. Anstatt uns die Zähne an der harten Realität auszubeißen und in eine Warteposition zu gehen, können wir selbst aktiv werden. Können wir das, was wir vom anderen einfordern, uns selbst geben? Aus der Forderung „Ich will, dass er mich mehr liebt“, wird dann „Ich will, dass ich mich mehr liebe“. Kann ich mir das geben? Dann muss ich nicht auf den anderen warten, sondern kann jetzt in diesem Moment das bekommen, was ich wollte. Aus „Er sollte mir mehr zuhören“ wird dann „Ich sollte mir mehr zuhören“. Wo höre ich mir selbst nicht zu? Wenn ich mir selbst nicht zuhöre, wie kann ich dann von anderen verlangen, dass sie mir zuhören? „Ich brauche vom anderen, dass er mich ernst nimmt“ wird dann zu „Ich brauche von mir, dass ich mich ernst nehme“. All das, was wir bei Nummer 2, 3 und 4 über den anderen aufschreiben, ist für uns selbst bestimmt. Wenn der andere etwas tun oder unterlassen soll, damit ich glücklich sein kann, bin ich zu 100 % in seinen Angelegenheiten. Wer ist dann bei mir in dem Moment? Wenn ich vom anderen etwas brauche, lenkt das von mir ab und dem, was ich mir selbst geben kann. Es eröffnet mir viel Freiheit, wenn ich erkenne, wie ich mir selbst meine Bedürfnisse erfüllen kann und nicht darauf warten muss, dass jemand anderes das für mich übernimmt. Go first, ist das Prinzip. Ich bin das lebendige Beispiel für all die Dinge, die ich von andern erwarte, ich gebe sie mir selbst zuerst.

5. XY ist ... Anita schreibt bei 5.: Frank ist ein Arschloch, ein Gefühlslegastheniker, ein Eisblock, autistisch, völlig verlangsamt, ignorant, phlegmatisch, bequem, unfähig mir etwas entgegenzusetzen. Bei der Liste von Nummer 5 werden die einzelnen Aussagen ohne die vier Fragen direkt umgedreht. Wenn man seine Work von 1 bis 4 getan hat, ist der Verstand meistens schon so offen, dass man bei Nr. 5 direkt zu den Umkehrungen kommen kann. T A

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: Anita, du hast geschrieben, Frank ist ein Arschloch. Wo bist du ein Arschloch? : Oh, das ist eine harte Nuss, hätte ich mal lieber was Freundlicheres bei Nummer 5 geschrieben. Ich bin ein Arschloch, weil ich so gehässige Gedanken gegenüber meinen Partner hege. : Und was ist das Gegenteil von Arschloch? : Vielleicht lieber Zeitgenosse? : Und wo ist Frank ein lieber Zeitgenosse? : Ach eigentlich die allermeiste Zeit! Selbst bei dem Streit verhält er sich noch lieb, er droht mir nicht, er schüchtert mich nicht ein, er sagt schlicht seine Meinung und dann verkrümelt er sich.

Bei der Liste von Nummer 5 findet man zu jedem Punkt Beispiele. Bei „negativen“ Urteilen wie „Gefühlslegastheniker“ dreht man es zu sich um und gibt Beispiele, wo das auf einen selbst zutrifft. Dann dreht man die Bedeutung des Wortes um, bei „Gefühlslegastheniker“ z. B. „gefühlvoller Mensch“, und schaut, wie das auf die Person zutrifft, über die man The Work macht. Manchmal kommt es auch vor, dass man „positive“ Aspekte auf seine Liste geschrieben hat, wie z. B. „freundlich“. Hier drehe ich das Wort nicht um, ich schaue nur, wie es auch auf mich zutrifft – Wo bin ich freundlich? – und dann gebe ich dafür Beispiele. 6. Ich will nie wieder ...

Anita schreibt bei Nummer 6 über Frank: Ich will nie wieder erleben, dass Frank mich auflaufen lässt, dass er in den Kontaktabbruch geht, dass wir uns wegen Lappalien heftig zoffen, dass ich Trennung als einzigen Ausweg sehe. Die Nummer 6 wird folgendermaßen geworkt. T A T A T A T A T A

: Anita, was willst du nie wieder mit Frank erleben, lies mal vor. : Ich will nie wieder erleben, dass Frank mich auflaufen lässt. : Dreh es um zu „Ich bin bereit zu erleben ...“ : Ich bin bereit wieder zu erleben, dass Frank mich auflaufen lässt. : Wie fühlt sich das an? : Das ist o.k., die Vorstellung stresst mich jetzt gerade nicht mehr. Es gäbe Schlimmeres. : Dann probier mal, Ich freue mich darauf ... : Ich freue mich darauf wieder zu erleben, dass Frank mich auflaufen lässt. : Wie ist diese Vorstellung für dich? : Tja, dann könnte ich mal ausprobieren, wie es ist, wenn ich mich um mich selber kümmere. Vielleicht würde ich beim nächsten Mal auch einfach anders damit umgehen können? Ja das ist o.k., ich freue mich, kann ich auch sagen.

„Das Schlimmste, das jemals passiert ist, ist ein unhinterfragter Gedanke.“ Byron Katie Das, was wir am meisten fürchten und nie wieder erleben wollen, kann wieder geschehen, ob real oder in unseren Gedanken. Die Umkehrungen bei der Nummer 6 erfordern Offenheit und Bereitschaft, sich gedanklich genau auf das einzulassen, was wir eigentlich am allerwenigsten erleben wollen. Es ist wie eine Feuerprobe, die uns zeigt, welche stressvollen Gedanken eventuell noch da sind. Wenn wir merken, dass uns die Umkehrungen noch nicht behagen, gibt uns das den Hinweis, dass es noch stressvolle Sätze rund um das Thema gibt, die es wert sind, befragt zu werden.

Häufig kommt bei der Nummer 6 die Frage: „Wie kann ich mich allen Ernstes auf etwas freuen, das einfach furchtbar ist?“ Wenn ich bei Frage Nummer 6 z. B. den Gedanken aufgeschrieben habe: „Ich will nie wieder erleben, dass mein Partner mich betrügt“, wird daraus: „Ich freue mich darauf, dass mein Partner mich betrügt“. Das ist doch Masochismus! Wie können wir uns für eine zukünftige Erfahrung öffnen und bereit sein, wenn sie schon beim ersten Mal so schmerzlich war? Was die Situation so schmerzlich gemacht hat, sind die unhinterfragten Gedanken dazu. Wenn wir aber die stressvollen Gedanken zu diesem Thema auf einem Arbeitsblatt geworkt haben, kann es gut sein, dass das Thema seinen Schrecken für uns verliert. Das bedeutet nicht, dass wir zu allem, was geschieht, Ja und Amen sagen müssen. Wir haben natürlich die Wahlfreiheit, in diesem Fall z. B. in der Beziehung zu bleiben oder zu gehen und vieles weitere mehr. Wann sind wir klarer im Geist, freier in unseren Entscheidungen und integrer mit uns selbst? Wenn wir einen Zettel voll stressvoller Gedanken über unseren Partner und seinen Betrug haben oder wenn wir diesen Zettel geworkt haben? Auch hier gilt wieder die Empfehlung, testen Sie es für sich selbst. Schauen Sie, ob es für Sie persönlich funktioniert. Tatsächlich freuen sich Menschen häufig nach einer Work, eine Situation noch einmal zu erleben, weil sie regelrecht neugierig sind, wie sie die Situation beim nächsten Mal empfinden werden. Die Situationen, die wir ablehnen, können wieder geschehen. In diesem Fall: Entweder betrügt uns der Partner tatsächlich oder wir lassen diesen Film in Gedanken abspulen und erleben es in unserem Kopf. So oder so, es kann wieder geschehen. Können wir die Realität annehmen, so wie sie ist, oder kämpfen wir dagegen an? Kämpfe gegen die Realität sind so aussichtslos wie Don Quijotes Kampf gegen Windmühlen. Nachdem Sie die Demo von Anita mitverfolgt haben, gilt jetzt die Einladung an Sie, es selbst auszuprobieren. Es kann hilfreich und

inspirierend sein, The Work bei anderen zu verfolgen. Oft findet man sich selbst im anderen gespiegelt. Sind wir Menschen uns nicht einfach sehr ähnlich, was unsere Gedanken betrifft? Ich habe noch nie einen Gedanken von jemand anderem gehört, den ich so oder ähnlich nicht auch schon einmal selbst gedacht habe oder den ich nicht zumindest auch nachvollziehen konnte. Auch wenn es vielleicht spannend ist, andere bei ihren Gedankenmeditationen zu beobachten, möchte ich Sie ermuntern, Ihre eigenen Sätze zu worken. Füllen Sie dafür ein komplettes Arbeitsblatt aus und befragen Sie sich anschließend selbst oder lassen Sie sich dabei begleiten.

Ihr eigenes Arbeitsblatt Ich leite Sie jetzt Schritt für Schritt durch das Arbeitsblatt, so dass Sie es komplett ausfüllen können. Bevor Sie das Arbeitsblatt ausfüllen, nehmen Sie sich einen Moment der Stille und lassen Sie eine Situation vor Ihrem inneren Auge auftauchen, in der Sie sich gestresst gefühlt haben, ärgerlich, wütend oder traurig waren. Wem tragen Sie noch etwas nach? Schauen Sie sich um in dieser Situation, welche Person ist noch anwesend? Es kann sich um eine einmalige Situation mit dieser Person handeln, es kann aber auch eine altbekannte, oft erlebte Situation sein. Nehmen Sie all Ihre Gefühle wahr und füllen Sie das Arbeitsblatt aus dieser Haltung heraus aus. (Für das folgende Arbeitsblatt empfiehlt es sich, dafür zu sorgen, diese in Papierform vorliegen zu haben.)

Urteilen Sie über Ihren Nächsten 1. In dieser Situation, zu dieser Zeit und an diesem Ort: Wer ärgert, verwirrt oder enttäuscht Sie und warum? Ich bin

Gefühl auf / wegen Name weil

Beispiel: Ich bin wütend auf Paul, weil er mir bezüglich seiner Gesundheit nicht zuhört. 2. In dieser Situation: Wie wollen Sie, dass er / sie sich ändert? Was wollen Sie, dass er / sie tut? Ich will, dass Name

Beispiel: Ich will, dass Paul sieht, dass er Unrecht hat. Ich will, dass er aufhört zu rauchen. Ich will, dass er keine Lügen mehr darüber erzählt, was er mit seiner Gesundheit macht. Ich will, dass er sieht, dass er sich umbringt.

Ich will, dass jemand etwas macht oder es anders macht als bisher. Ist dies nicht ein Wunsch, den wir insgeheim oder auch offen ausgesprochen alle kennen? Erlauben Sie sich ruhig bei Frage 2 eine Wunschliste auszufüllen. Was ist es, das sie vom anderen wollen? Seien Sie ganz genau und pochen Sie auf Ihre Wünsche! Lassen Sie dem anderen nichts durchgehen und seien Sie präzise und genau in dem, was Sie aufschreiben. Für das gesamte Arbeitsblatt gilt, es ist o.k. jeweils einen Satz aufzuschreiben oder mehrere. Machen Sie es so, wie es gerade für Sie am sinnvollsten ist.

3. In dieser Situation: Welchen Rat können Sie anbieten, um ihm / ihr zu helfen? Name sollte / sollte nicht

Beispiel: Paul sollte tief Luft holen. Er sollte sich beruhigen. Er sollte sehen, dass seine Handlungen mich und die Kinder ängstigen. Er sollte wissen, dass Recht zu haben es nicht wert ist, wieder einen Herzanfall zu bekommen.

Bei dieser Frage können wir endlich einmal ungefragt Ratschläge geben. Was sollte der andere tun oder lassen? Meinen wir nicht sowieso zu wissen, was für den anderen das Beste wäre? Seien Sie ganz genau in Ihrem Ratschlag, der von Herzen kommt. Was braucht Ihr Gegenüber, womit wäre Ihrem Gegenüber gedient? Welche Ratschläge sollte die Person beherzigen, damit die Person es besser hat, glücklicher sein kann oder Sie mit ihr? 4. Damit Sie in dieser Situation glücklich sein können: Was brauchen Sie, dass er / sie denkt, sagt, fühlt oder tut? Ich brauche von Name dass

Beispiel: Ich brauche von Paul, dass er mir zuhört. Ich brauche von ihm, dass er Verantwortung für seine Gesundheit übernimmt. Ich brauche von

ihm, dass er meine Meinung respektiert.

Stellen Sie sich vor, Sie hätten Geburtstag und alle Ihre Wünsche würden erfüllt. Holen Sie sich, was Sie brauchen, indem Sie es ganz genau aufschreiben. Was brauchen Sie vom anderen, damit Sie glücklich und zufrieden sein können? 5. Was denken Sie über ihn / sie in dieser Situation? Erstellen Sie eine Liste. Name ist

Beispiel: Paul ist unfair, arrogant, laut, unehrlich, völlig daneben und unbewusst.

Hier können Sie eine schöne Liste über den anderen erstellen, beschreiben Sie, wie er ist. Alle Ihre Urteile über den anderen finden hier ihren Platz. Seien Sie ganz genau, ruhig pingelig und gnadenlos ehrlich. Es kann auch mal vorkommen, dass wir positive Dinge über die Person in der Situation denken. Die dürfen natürlich auch auf den Zettel. 6. Was ist es in dieser Situation, was Sie nie wieder erleben wollen? Ich will nie wieder

Beispiel: Ich will nie wieder erleben, dass Paul mich belügt. Ich will nie wieder sehen, wie er raucht und seine Gesundheit ruiniert.

Was ist das Schlimmste, was Sie sich vorstellen können, das mit dieser Person wieder passieren könnte? Malen Sie sich ein Horrorszenario aus und schreiben Sie es hier auf. Ich will nie wieder erleben, ... Ihr ausgefülltes Arbeitsblatt ist das Rohmaterial für die Befragung. Jeder einzelne Satz von Nummer 1 bis 4 wird mit den 4 Fragen der Work befragt. Bei der Nummer 5 und 6 verfahren wir etwas anders. Bei der Nummer 5 drehen wir alles direkt zu uns selbst und ins Gegenteil um, ohne die Befragung zu machen. Bei der Nummer 6 nehmen wir die ursprüngliche Aussage und drehen sie um zu „Ich bin bereit ...“ und „Ich freue mich ...“. Auch hier gilt, Sie können sich selbst mit den vier Fragen begleiten oder jemand anderen bitten, Ihnen die Fragen vorzulesen. Falls Sie lieber von jemand anderem begleitet werden möchten, können Sie auch die Helpline von Byron Katie nutzen. Dies ist ein kostenloser Service, der Ihnen die Möglichkeit bietet, mit gut ausgebildeten Begleitern Ihre Work via Skype oder Telefon zu machen. Mehr Informationen finden Sie unter: http://www.instituteforthework.com/itw/?q=node/116. Seit Neustem gibt es sogar eine App von Byron Katie, die einen bei der Befragung unterstützt, bis jetzt allerdings nur auf Englisch. Wenn Sie möchten, dass Sie jemand persönlich begleitet, können Sie sich auch einen Coach oder Facilitator suchen, der in der Methode ausgebildet ist. Mehr Informationen dazu auch im Anhang des Buches. Egal ob Sie sich selbst begleiten oder von jemand anderem die Fragen gestellt bekommen, The Work ist wie eine Gedankenmeditation. Geben Sie sich den Raum, Ihre Antworten entstehen zu lassen. Sie erinnern sich an den jungen Mann, der glaubte, er sei ein Zombie? Der besserwisserische Verstand hat gern schnelle Antworten parat. Es ist sehr hilfreich, sich für die Befragung in einen unschuldigen Zustand des Nicht-Wissens zu

versetzen. Ich wünsche Ihnen tolle Erkenntnisse beim Erkunden Ihres Verstandes. Die vier Fragen von The Work sind knapp und eingängig. Bei den Umkehrungen ist das nicht immer der Fall. Es ist, als würde man eine neue Grammatik lernen, es braucht ein wenig Übung. Das Prinzip bei den Umkehrungen ist immer das gleiche, wir können den Ursprungsgedanken zu uns nehmen, zum anderen umdrehen oder ins Gegenteil kehren. Wenn das gerade noch Böhmische Dörfer für Sie sind, kein Problem. Finden Sie die Umkehrungen für die folgenden Sätze. (Für die folgende Übung empfiehlt es sich, dafür zu sorgen, diese in Papierform vorliegen zu haben.)

Übung Noch mehr Umkehrungen Sie haben hier noch einmal die Möglichkeit, ihren Verstand zu trainieren, richtige Umkehrungen zu finden. Sie kennen diese Art der Übung schon aus Kapitel 2, hier finden Sie jetzt Sätze, die bei Frage 2 bis Frage 4 beim Arbeitsblatt entstehen. A: Ich will, dass mein Kunde mir vertraut. Umkehrung zu mir selbst:

Umkehrung zum anderen:

Umkehrung ins Gegenteil:

B: Mein Vater sollte mich unterstützen. Umkehrung zu mir selbst:

Umkehrung zum anderen:

Umkehrung ins Gegenteil:

C: Ich brauche es, dass ich mich auf meinen Mitarbeiter verlassen kann. Umkehrung zu mir selbst:

Umkehrung zum anderen:

Umkehrung ins Gegenteil:

Lösungen: A: Umkehrung zu mir selbst: Ich will, dass ich mir vertraue. Umkehrung zum anderen: Ich will, dass ich meinem Kunden vertraue. Umkehrung ins Gegenteil: Ich will, dass mein Kunde mir nicht vertraut. B: Umkehrung zu mir selbst: Ich sollte mich unterstützen. Umkehrung zum anderen: Ich sollte meinen Vater unterstützen.

Umkehrung ins Gegenteil: Mein Vater sollte mich nicht unterstützen. C: Umkehrung zu mir selbst: Ich brauche es, dass ich mich auf mich verlassen kann. Umkehrung zum anderen: Ich brauche es, dass mein Mitarbeiter sich auf mich verlassen kann. Umkehrung ins Gegenteil: Ich brauche es nicht, dass ich mich auf meinen Mitarbeiter verlassen kann. Frage: Wenn es am Ende sowieso immer auf mich zurückfällt, warum drehe ich dann nicht direkt den Gedanken um? Stellen Sie sich vor, Sie glauben den Satz, „Mein Chef ist ein Choleriker“. Eine Umkehrung lautet: „Ich bin ein Choleriker“. Wie würde sich das für Sie anfühlen, direkt aus dem Stegreif Beispiele für diese Umkehrung zu finden? Vielleicht funktioniert es, vielleicht ist aber auch der Verstand noch nicht offen und bereit dafür. Sie machen ja auch nicht Sport und gehen direkt in den Spagat oder machen einen Hochsprung, ohne sich aufzuwärmen. Und so sind die vier Fragen wichtiger Bestandteil von The Work und helfen, den Verstand zu öffnen und flexibel zu machen für die Umkehrungen, die dann folgen. Wenn Sie direkt zu den Umkehrungen gehen, berauben Sie sich womöglich wichtiger Erkenntnisse. Meine Empfehlung lautet: Machen Sie immer die komplette Work, es kann ja ein „Quickie“ sein. Frage: Dann bin ich ja am Ende immer der Schuldige? Manch einer versteht die Umkehrungen als Einladung zur Selbstkasteiung. Wenn aus „Herbert ist kaltherzig“ die Umkehrung „Ich bin kaltherzig“ wird, nutzen Menschen das vereinzelt dazu, die Schuldpeitsche über sich selbst zu schwingen. Sie ziehen daraus die Quintessenz, am Ende bin dann ich immer der Böse. Das fühlt sich bestimmt nicht besonders bereichernd an und warum sollte ich meine Zeit mit einer Methode verschwenden, bei der ich mich am Ende schlechter fühle als am Anfang. Das kann doch nur

einen Masochisten reizen. Es geht bei The Work nicht um Schuldzuweisungen, im Gegenteil, das wäre ja auch nur wieder ein Konzept, was ich hinterfragen kann: „Er / Sie / Es hat Schuld an der Situation“ – ist das wahr? Bei den Umkehrungen und den dazugehörigen Beispielen geht es darum, milde und liebevoll mit sich zu sein. Wo bin ich kaltherzig? Vielleicht genau in dem Moment, in dem ich mich selbst verurteile. Wo bin ich Herbert gegenüber kaltherzig? Wenn ich dazu konkrete Beispiele finden kann, bringt mich das eher auf Augenhöhe mit Herbert, als dass es mich abwertet. Er ist manchmal kaltherzig und auch warmherzig und ich bin es auch. Es scheint einfach menschlich zu sein. Und wenn es mir nicht gefällt, kaltherzig gegenüber Herbert zu sein, kann ich beginnen, die Umkehrung aktiv zu leben und warmherzig zu sein. Ich kann das lebende Beispiel für einen warmherzigen Menschen werden. Ich kann Warmherzigkeit in die Welt bringen und mich bei Herbert bedanken, der mich auf den Gedanken gebracht hat, Warmherzigkeit zu wählen.

3.3 Noch tiefer bohren – die Unterfragen Sie haben die vier Fragen der Work kennengelernt. Im Laufe der Zeit hat Byron Katie vor allem der Frage 3 weitere hinzugefügt, die helfen können, den Verstand auf eine noch weitere Reise zu schicken. Es braucht sie nicht unbedingt für The Work, doch manchmal können sie eine wichtige Unterstützung sein. Frage 3: „Wie reagieren Sie, was passiert, wenn Sie diesen Gedanken glauben?“ Mögliche Unterfragen von Byron Katie[7]: Welche Gefühle breiten sich in Ihrem Körper aus, wenn Sie diesen Gedanken glauben (Traurigkeit, Angst, usw.)? Gedanken führen zu Gefühlen, das haben wir z. B. durch das ABC der Gefühle im ersten Kapitel gesehen. Diese Unterfrage spielt genau auf diesen Zusammenhang an und macht die Wirkung zwischen einem

stressvollen Gedanken und den daraus folgenden Gefühlen spürbar. Mit dem Gedanken erleben wir häufig stressvolle Emotionen, ohne ihn erleben wir dagegen vielfach Entspannung oder Leichtigkeit. Falls es Ihnen schwerfällt, verschiedene Gefühle zu unterscheiden oder zu benennen, können Sie die Liste von Gefühlen & Reaktionen auf Byron Katies Webseite nutzen.[8] Bringt dieser Gedanke Frieden oder Stress in Ihr Leben? Eine einfache Frage, bringt der Gedanke Frieden oder Stress. Früher dachte ich bei der Frage immer, ist doch offensichtlich, dass der Gedanke Stress bringt, sonst würde ich ihn ja nicht worken. Sich das aber noch mal während einer Work zu vergegenwärtigen, kann erkenntnisreich sein. Es zeigt uns, wie wir uns mit unserem Kopfkino so schnell und leicht in einen stressvollen und ressourcenarmen Zustand bringen können. Wohin reist Ihr Verstand, wenn Sie diesen Gedanken glauben (Vergangenheit, Zukunft)? Wenn wir einen Gedanken glauben, tauchen manchmal Bilder von früher auf, als wir den Gedanken auch schon gedacht haben. Manche Gedanken begleiten uns schon ewig und sind wie alte Bekannte, die immer mal wieder vorbeischauen. Ein Gedanke kann eine Kaskade von mit ihm verwobenen älteren Erinnerungen wachrufen. Ich glaube den Gedanken „Mein Bruder ist unzuverlässig“ und erinnere mich an viele Begebenheiten, wo ich das auch schon gedacht habe. Der Verstand findet wie ein exzellent ausgebildeter Spürhund weitere Beispiele, die meinen Grundsatz nur noch bestätigen. Ein Gedanke kann uns auch dazu bringen, uns Bilder von einer Zukunft auszumalen. Bei dem Gedanken „Die Banken sollten nicht so riskante Geschäfte machen“ sehen wir uns vielleicht schon auf der Parkbank sitzen, mit ein paar Plastiktüten, in denen all unsere Habseligkeiten verstaut sind. Unser Verstand macht so etwas Irrationales, er verknüpft Dinge miteinander, die nicht im Zusammenhang stehen. Die Gefühlswirkung ist dabei aber echt, wie wir in Kapitel 1 gesehen haben.

Die Frage, wohin der Verstand reist, zeigt uns, dass wir häufig nicht nur den Moment in Betracht ziehen, sondern sowohl alte Kamellen aus der Vergangenheit als auch unheilvolle Bilder aus der Zukunft heraufbeschwören. Welche Süchte oder Zwänge beginnen sich zu manifestieren, wenn Sie diesen Gedanken glauben (Alkohol, Einkaufen, Essen, Fernsehen)? Stressvolle Gedanken hinterlassen unangenehme Gefühle. Um diese zu dämpfen oder um sich davon abzulenken, helfen uns Genussgifte wie Kaffee oder Süßigkeiten oder zwanghafte Handlungen wie Kontrollzwang, exzessives Tagträumen oder der Impuls, andere zu attackieren. Die Frage lädt uns ein, nach diesen Süchten und Zwängen Ausschau zu halten und zeigt uns, wie stressvolle Gedanken Gefühle und dadurch Handlungen auslösen können. Beschreiben Sie die körperlichen Empfindungen, die auftauchen, wenn Sie diesen Gedanken glauben. Gedanken erzeugen häufig eine Resonanz in unserem Körper, der Brustkorb wird eng, die Schultern spannen sich an, der ganze Oberkörper kribbelt, die Arme fühlen sich wie taub an. Diese Frage lädt uns ein, nach innen zu horchen und unseren Körper wahrzunehmen. Wie behandeln Sie involvierte Personen, wenn Sie den Gedanken glauben? Wenn wir glauben, ein Kunde behandle uns respektlos, wie behandeln wir dann den Kunden? Wie gehen wir mit ihm um in Gedanken? Vielleicht belehren wir ihn oder schimpfen mit ihm. Und wie behandeln wir ihn in Taten? Geben wir ihm einen kühlen Blick oder behandeln wir ihn wie einen Aussätzigen? Wie behandeln Sie sich selbst, wenn Sie diesen Gedanken glauben? Wie gehen wir mit uns selber um in dem Moment, wenn wir z. B. glauben, der andere sollte uns zuhören. Wie reden wir mit uns selber, wie behandeln wir uns? Bremse ich mich dann vielleicht selber aus, höre ich mir selber nicht mehr zu?

Frage 4: „Wer wären Sie ohne den Gedanken?“ Mögliche weitere Fragen: Wie leben Sie ihr Leben, ohne den Gedanken? Wie behandeln Sie die involvierte Person, ohne den Gedanken? Wie fühlt es sich in ihrem Körper an, wenn Sie diesen Gedanken nicht denken können? Probieren Sie aus, ob diese Unterfragen hilfreich für Sie sind. Wie gesagt, sie sind zwar nicht nötig für The Work, aber es kann sich durch eine Unterfrage noch einmal ein neues Fenster der Erkenntnis öffnen. Meine Empfehlung ist auf jeden Fall, falls Sie sie einsetzen, bleiben Sie beim originalen Wortlaut der Fragen. Meine Erfahrung aus Workshops, in denen ich The Work vermittelt habe, ist, dass Menschen gern schnell kreativ werden und die Ursprungsfragen und auch die weiteren Fragen abändern. So stellte ein Teilnehmer in einem Workshop neben den vier Fragen gern immer wieder die Frage: „Aber warum?“ Nichts gegen Neugier und Kreativität, aber gerade für den Anfang, wenn Sie die Methode erlernen, empfehle ich buchstabengetreu bei den Fragen zu bleiben. Sie haben sich gut bewährt und es steckt Kalkül dahinter. Und die Frage „Warum“ ist nicht zielführend, da sie einen auffordert, nach Begründungen und Rechtfertigungen Ausschau zu halten und gerade das wollen wir mit The Work ja vermeiden. Weiterhin macht es einen Unterschied, ob ich bei Frage Nummer 3 sage „Wie reagieren Sie, wenn Sie diesen Gedanken glauben?“ oder „Wie reagieren Sie, wenn dieser Satz wahr ist?“. Die beiden Sätze sind auf den ersten Blick ähnlich, aber eben nicht identisch. Also folgen Sie der einfachen Anleitung und seien Sie sich nicht zu schade, die Fragen wortwörtlich abzulesen. Und ist es nicht auch angenehm und erleichternd, als Begleiter einfach nur die vorgegebenen Fragen ablesen zu können, ohne sich darüber Gedanken machen zu müssen, was jetzt die nächste hilfreiche Intervention sein könnte? In den nächsten Kapiteln finden Sie Beispiele zu The Work mit den Unterfragen.

3.4 Welche Gefühle gibt es überhaupt? Auch wenn The Work auf den ersten Blick als ein mentaler und kognitiver Prozess erscheint, geht es dabei genauso um Gefühle. Gedanken und Gefühle sind so eng miteinander verwoben, dass es schwer fällt, sie gesondert zu betrachten. Bei The Work werden stressvolle Gefühle als Einstiegspforte genutzt, um die stressauslösenden Gedanken zu identifizieren. Die erste Frage auf dem Arbeitsblatt zielt auf diese Gefühle ab. „Ich bin (Gefühl) sauer, wütend usw. auf Peter, weil ...“ Das Gefühl hilft uns, unseren stressvollen Gedanken zu finden und zu formulieren. Bei Frage Nummer 3 werden ebenfalls Gefühle angesprochen: „Wie reagiere ich, wenn ich diesen Gedanken glaube?“ Eine Unterfrage zielt noch genauer auf den Körper und die Gefühle ab: „Welche Gefühle breiten sich in Ihrem Körper aus, wenn Sie diesen Gedanken glauben?“ Und bei Frage Nummer 4, „Wer wäre ich ohne den Gedanken?“, tut sich ebenfalls etwas auf der Gefühlsebene. Für manche ist es ungewohnt, Empfindungen, Gefühle oder Stimmungen zu benennen. Es fehlen womöglich einfach die Begriffe dafür. Zur Unterstützung empfehle ich Ihnen Byron Katies Liste mit positiven und negativen Gefühlen und Empfindungen. Nutzen Sie die Liste gern, wenn Sie Ihre Work machen. Lassen Sie sich inspirieren von dieser breiten Gefühlspalette, die wir Menschen empfinden können. Es geht in dieser Liste nicht nur um die acht Grundgefühle, sondern um viele Nuancen auf der breiten Klaviatur der menschenmöglichen Gefühle. Die Liste ist bestimmt nicht vollständig, vielleicht fallen Ihnen selbst noch weitere Beschreibungen und Begriffe für Gefühle und emotionale Zustände ein. Frage: Werde ich nicht passiv und phlegmatisch, wenn ich worke? Dann lasse ich ja anderen alles durchgehen? Das ist eine Befürchtung, die häufiger genannt wird. Angenommen, Sie empfinden ihrem Chef gegenüber großen Ärger und haben einen Groll auf ihn. Sie sind aufgrund Ihrer Geschichte über ihn so blockiert, dass Sie gar

nicht entspannt agieren können. Dann füllen Sie ein gepfeffertes Arbeitsblatt über ihn aus und worken jeden Satz über diesen Menschen. Glauben Sie wirklich, dass Sie danach passiv und phlegmatisch werden und engelsgleich alles hinnehmen, was Ihr Chef Ihnen bietet? Dank The Work schalten wir ja nicht auf Durchzug, im Gegenteil, wir nehmen viel deutlicher wahr, und zwar was unsere Wahrheit ist. Wenn das Geschichtenerzählen im Kopf durch die Work unterbrochen ist, kann ich dann nicht viel eher einen klaren Gedanken fassen? Die Befürchtung, apathisch oder zynisch zu werden, wird auch im Zusammenhang mit den drei Angelegenheiten des Universums geäußert. Sie sollen aber ganz im Gegenteil dazu dienen, uns Klarheit zu verschaffen, wo und wie wir aktiv werden können.

3.5 Die drei Angelegenheiten im Universum „Es ist dumm, sich über die Welt zu ärgern. Es kümmert sie nicht.“ Marc Aurel Ich finde, mein Partner sollte auch The Work machen. Warum muss eigentlich ich hier die ganze Arbeit machen? Ein verführerischer Gedanke, mein Partner (ersetzen Sie das Wort wahlweise durch Mama, Papa, Chef, Freundin) sollte erkennen, dass The Work ihm / ihr helfen würde. Werden Sie ruhig zum Missionierer und überzeugen Sie jeden, ob er es hören will oder nicht, dass The Work das Beste für ihn wäre. Wahrscheinlich werden Sie gemieden werden und nicht mehr zum nächsten Familienfest eingeladen, was natürlich auch eine positive Nebenwirkung sein kann. Und ganz im Ernst, wenn Sie glauben: „Der andere sollte The Work machen“, ist das ein wunderbarer Satz zum Befragen. Und Sie ahnen jetzt schon, worauf es hinausläuft: „Ich sollte The Work machen“, was uns zum nächsten Thema führt: die drei Angelegenheiten des Universums.

Byron Katie sagt, sie könne nur drei Angelegenheiten im ganzen Universum ausmachen: 1. Meine Angelegenheiten 2. Die Angelegenheiten anderer 3. Die Angelegenheit Gottes (ersetzen Sie das Wort wahlweise mit höherer Macht, Buddha, Allah oder Wirklichkeit) Diese Einteilung hilft uns zu erkennen, wo wir Einflussmöglichkeiten haben und wo eben nicht. Dadurch können wir uns gezielt auf den eigenen Aktionsradius konzentrieren, denn nur da sitzen wir wirklich am Drücker. Wenn ich mich in das Leben anderer einmische oder mir den Kopf über den Job von „Gott“ bzw. der Realität zerbreche, werde ich mir die Zähne ausbeißen, aber trotzdem nicht viel erreichen außer Frust und Kummer. Meine Angelegenheit ist mein Leben, meine Gedanken, meine Gefühle, meine Handlungen, das, was ich zu Mittag esse, oder welche Kleidung ich anziehe oder wie ich meinen Mann oder mich selbst behandle. Das alles ist mein Spielfeld, hier habe ich Einfluss, hier kann ich etwas machen, es verändern. Die Angelegenheiten der anderen sind deren Sache, dazu zählt, was andere über sich selbst und andere denken, auch über mich. Dazu zählt ihr Verhalten, auch mir gegenüber. Mein Kollege kann mich nicht leiden, seine Angelegenheit. Dass mich das ärgert, meine Angelegenheit. Mein Mann liebt mich, seine Angelegenheit, ich liebe ihn, meine Angelegenheit. Was andere machen oder denken ist ihre Angelegenheit. Das hilft mir, das Ende meines Einflussbereiches zu erkennen, denn ich kann nicht in die Köpfe dieser Menschen kriechen und ihnen neue Gedanken einpflanzen, so dass sie sich nach meinen Vorstellungen verändern. Wir sind sehr häufig in den Angelegenheiten der anderen: Wenn Sie sich Ihr ausgefülltes Arbeitsblatt „Urteilen Sie über Ihren Nächsten“ anschauen, werden Sie feststellen, dass Sie da die ganze Zeit in den Angelegenheiten des anderen sind. Es ist zum Verzweifeln, in den Angelegenheiten der

anderen zu sein, weil wir da so wenig Gestaltungsspielraum haben. „Meine Mutter sollte sich mehr für mich interessieren.“ Das ist ein frommer Wunsch und es bleibt ihre Angelegenheit. Ich kann mich auf den Kopf stellen, Hampelmann machen, auf den Boden schmeißen und einen hysterischen Schreianfall bekommen, ich kann ihr eine Pistole auf die Brust halten und ihr drohen und sie wird sich dann vielleicht für mich interessieren oder auch nicht. Es bleibt auf jeden Fall ihre Angelegenheit und nicht meine. Meine Angelegenheit ist es, mich für mich selbst zu interessieren und mich für meine Mutter zu interessieren. Da habe ich volle Verantwortung. Sich in den Angelegenheiten der anderen aufzuhalten, erzeugt Stress und Ohnmacht, da wir merken, dass wir in diesem Bereich eigentlich nichts ausrichten können. Wenn ich außerdem immerzu damit beschäftigt bin, was andere denken, tun oder machen, wer kümmert sich dann um mich? Dieser Job ist dann vakant, niemand da, der sich um meine eigenen Angelegenheiten kümmert. Die dritte Angelegenheit ist die Gottes oder was auch immer wir als eine höhere Macht anerkennen. Wir können das Wort Gott auch austauschen durch das Wort Wirklichkeit oder Realität. Dazu zählen Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, das Wetter allgemein, ein Flugzeugabsturz, Stau, Krieg. Auch unser Körper ist nicht unsere Angelegenheit, sondern Gottes. Mein Körper hat eine Grippe, Gottes Angelegenheit. Meine Gedanken dazu, meine Angelegenheit. Auch bei den Angelegenheiten Gottes habe ich keine Macht. Als der isländische Vulkan mit seiner Aschewolke den Flugverkehr lahmlegte, saß ich auf Mallorca fest. Zugegeben, es gibt Schlimmeres. Aber auch wenn ich gewollt hätte, ich hätte nichts an der Situation verändern können. Ich hätte mit aller Kraft pusten können, aber die Aschewolke hätte sich nicht aufgelöst. Wie häufig regen wir uns auf über das Wetter oder den Stau? Die Realität sollte anders sein als sie ist? Damit bin ich zu 100 % in der Angelegenheit Gottes. Ich höre manchmal als Einwurf darauf: „Ja aber der Stau oder auch der Krieg ist doch menschengemacht. Es gibt doch einzelne Personen, die dafür die Verantwortung tragen!“ Gut, und dann ist es immer noch nicht meine

Angelegenheit. Vielleicht ist der Stau entstanden, weil jemand einen Unfall gebaut hat, aber die Ausmaße sind dann kollektiv, es betrifft ganz viele Autofahrer, die mit ihrem Auto Teil des Staus sind. Die drei Angelegenheiten sind auch keine Einladung, alle viere von mir zu strecken und zu sagen, och, in Afrika sterben gerade Tausende von Menschen, wen kümmert es, ist doch nicht meine Angelegenheit. Dass z. B. eine Dürrekatastrophe passiert, ist Gottes Angelegenheit, dass die Menschen vor Ort leiden und verhungern, ist ihre Angelegenheit. Dass mich das berührt, dass mich das kümmert, ist meine Angelegenheit und ich kann auf vielfältige Art und Weise aktiv werden. Ich kann Geld spenden, ich kann andere Menschen aufrufen, Geld zu spenden, ich kann vor Ort aktiv werden und die Menschen unterstützen oder in meinem Umfeld schauen, wie ich Menschen in Not helfen kann. Wie bin ich wohl eine größere Unterstützung für mich selbst und die anderen: Wenn ich gelähmt bin von meinem Schmerz und meiner Wut über die Missstände in dieser Welt oder wenn ich mit einem klaren Verstand meine Verantwortlichkeiten sehe? Manch einer glaubt, wenn ich anerkenne, dass der Krieg Gottes Angelegenheit ist, toleriere ich das, was geschieht. Ich gebe keine Macht ab, wenn ich die Wirklichkeit anerkenne, dass Krieg nicht in meiner Macht liegt. Im Gegenteil, ich gewinne mentale Macht, da ich mich nicht mit Dingen aufhalten muss, die in meinen Gedanken nicht lösbar sind, sondern mit klarem Verstand handeln kann. Bei der Befragung eines stressvollen Satzes kann ich mich bei Frage 3 fragen, in wessen Angelegenheit ich mich gerade befinde, wenn ich diesen Gedanken glaube? Dies kann sehr erhellend sein. Es zeigt mir sofort die Grenzen meines Handlungsspielraumes auf. Ich denke, „Mein Bruder sollte sich häufiger bei mir melden“. Dabei bin ich zu 100 % in seinen Angelegenheit. Wenn es mich stresst oder traurig macht, dass er sich nicht

bei mir meldet, bin ich bei mir, bei meinen Gedanken und Gefühlen. Daran kann ich etwas ändern. Vielleicht kennen Sie das Gelassenheitsgebet, das vermutlich auf Reinhold Niebuhr zurückgeht: „Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“ In ihm kommt wunderbar zum Ausdruck, worauf die drei Angelegenheiten von Byron Katie anspielen.

Abbildung 6: In welcher Angelegenheit befinden Sie sich? (Für die folgende Übung empfiehlt es sich, dafür zu sorgen, diese in Papierform vorliegen zu haben.)

Übung Die drei Angelegenheiten Schauen Sie sich die einzelnen Aussagen an und überlegen Sie, wessen Angelegenheit es ist? Meine Angelegenheit Gottes Angelegenheit der anderen Angelegenheit Meine Liebe für meinen Hund Die Unzufriedenheit meines Chefs mit mir Der Klamottenstil meines Partners Es regnet Dass mein Freund den Kontakt abbricht Meine Wut auf meinen Vater Ein Hurrikan wütet Dass meine Mutter sich bei mir über mich beschwert Es nervt mich, dass

meine Mutter sich bei mir über mich beschwert Dass die Nachbarn den Müll falsch trennen Es herrscht Krieg Ein Stau auf der Straße Der Drogenkonsum meines Kindes Mein Körper Ich würde folgende Kästchen ankreuzen: Meine Angelegenheit Gottes Angelegenheit der anderen Angelegenheit Meine Liebe für meinen Hund

X

Die Unzufriedenheit meines Chefs mit mir

X

Der Klamottenstil meines Partners

X

Es regnet

X

Dass mein Freund den Kontakt abbricht Meine Wut auf meinen Vater

X X

Ein Hurrikan wütet Dass meine Mutter

X X

sich bei mir über mich beschwert Es nervt mich, dass meine Mutter sich bei mir über mich beschwert Dass die Nachbarn den Müll falsch trennen

X

X

Es herrscht Krieg

X

Ein Stau auf der Straße

X

Der Drogenkonsum meines Kindes Mein Körper

X X

Vielleicht können Sie bei einigen Punkten sehr gut mitgehen? Die Liebe, die wir für jemanden empfinden, ist unsere Angelegenheit, es ist ja unser Gefühl und es sind unsere Gedanken zu dieser Person. Der Pulli, den unser Partner trägt und den wir gruselig finden, ist wiederum die Angelegenheit des anderen. Das ist manchmal schwer zu ertragen, löst es doch so viele Gefühle oder Gedanken in uns aus. Und da sind wir wieder bei unseren Angelegenheiten. Der Kleidungsstil des Partners oder die fettigen Haare des eigenen Teenagers, da kann man vielleicht noch mitgehen, aber wie sieht es aus mit der Drogensucht des eigenen Kindes? Themen dieser Art erhitzen häufig die Gemüter, wollen wir doch für unsere Angehörigen immer das Beste und eben keine Drogenkarriere. Und auch bei einem Thema dieser Art bedeutet die Anerkennung der drei Angelegenheiten nicht, dass wir die Augen davor verschließen. Wo ist unser Einflussbereich? Wir können uns unsere Gedanken und Ängste anschauen und befragen, wir können uns unserer eigenen Abhängigkeiten und Süchte bewusst werden, wir können

aktiv werden in der Drogenberatung und Aufklärung, wir können Geld spenden für Kampagnen und Vereine und wir können unseren Angehörigen jegliche Unterstützung und Hilfe anbieten. Ob sie sie annehmen oder ob sie weiterhin Drogen nehmen, ist ihre Angelegenheit. Dass das Wetter so etwas wie Gottes Angelegenheit ist, fällt häufig noch leicht hinzunehmen. Es ist halt höhere Gewalt. Bei Themen wie Krieg oder unserem eigenen Körper regen sich schon eher die Zweifel. Ich lade Sie ein, diese Angelegenheiten für sich zu prüfen. Hören Sie auf Ihre eigenen Antworten auf die Frage, in welcher Angelegenheit Sie sich gerade befinden. Vielleicht fällt Ihnen dabei auch auf, dass Sie sehr viel Zeit in den Angelegenheiten anderer verbringen. Frage: Wann merke ich denn endlich was? Manchmal fragen mich Klienten, wann denn mit der befreienden Wirkung von The Work zu rechnen sei. Sie hätten ja jetzt schon einen Satz oder sogar ein ganzes Arbeitsblatt geworkt und sie fänden ihren Chef immer noch genauso doof wie vorher. The Work ist kein Zaubermittel, mit dem man husch husch vielleicht 20–30 Jahre lang gehegte Glaubenskonstruktionen aushebelt. Manch einer merkt unmittelbar nach einer Work eine Veränderung und fühlt sich leichter, gelöster oder friedlicher. Manch einer merkt zuerst kaum etwas und ist dann vielleicht verdutzt, wenn er irgendwann mitkriegt, dass er anders reagiert als gewohnt. Ich selbst dachte schon häufiger, interessant, früher wärst du doch jetzt normalerweise ausgeflippt, und erkenne mich gar nicht wieder. Das sind die Momente, in denen ich besonders deutlich spüre, dass The Work nachhaltig etwas bewirkt. Eine wiederkehrende Situation, die mir dazu einfällt, sind meine Flyer. Es kam mehrmals hintereinander vor, dass die Druckerzeugnisse völlig anders aussahen, als ich mir das so vorgestellt hatte. Die Farbgebung wich stark von dem ab, was ich im Kopf hatte, oder Innen- und Außenseite einer Broschüre waren farblich unterschiedlich. Da ich mich für eine Perfektionistin und Ästhetin halte, führten diese

unerfreulichen Druckergebnisse zu regelmäßigen Wutausbrüchen und unschönen Telefongesprächen mit unschuldigen Servicemitarbeitern. Ich hoffe, es existieren keine Mitschnitte von diesen Telefongesprächen, da ich dort alle kommunikationspsychologischen Kenntnisse, die ich mir in jahrelangen Weiterbildungen angeeignet habe und auch als Trainerin an andere weitergebe, in keinster Weise beherzigt habe. Letztens kam dann wieder so ein Paket vom Drucker, eine Maxipostkarte, die aber nur minimal bedruckt war, so dass ein großer weißer Rand auf Vorder- und Rückseite klaffte. Ich öffnete das Paket, sah das Ergebnis und sagte mir ruhig und gelassen, da ist wohl etwas schief gelaufen, das kläre ich gleich mal mit denen. Im Nachhinein war ich selbst verblüfft über meine Art zu reagieren und ich denke, es ist das Ergebnis von The Work. Interessanterweise habe ich nie über die Flyer oder die Servicemitarbeiter selber geworkt. Man workt über seine Mama, man workt über seinen Papa und nach und nach wird man umgänglicher mit anderen Menschen, die mit Mama und Papa nichts zu tun haben. Mir kommt es manchmal so vor wie bei der Akupunktur, man bekommt Nadeln ins Ohr gepiekst und daraufhin funktioniert die Leber wieder besser. Gedanken zum Weiterdenken Das Arbeitsblatt „Urteilen Sie über Ihren Nächsten“ erlaubt eine ausführliche Bestandsaufnahme über ein Stressthema. „Ich will, dass der andere ..., der andere sollte ... und ich brauche vom anderen ...“ wird umgekehrt zu „Ich will, dass ich ..., Ich sollte ... und ich brauche von mir.“ Es ist meine Verschreibung zum Glücklichsein. Die Feuerprobe: Die Umkehrung zu Nummer 6, „Ich will nie wieder erleben“, wird zu: „Ich freue mich darauf, wieder zu erleben.“ Bin ich bereit für die Wirklichkeit? Unterfragen bei Frage Nummer 3 und 4 können eine Unterstützung sein, bei der Befragung tiefer zu forschen.

Es gibt 3 Angelegenheiten im Universum: Meine, die der anderen und Gottes Angelegenheit. In wessen Angelegenheit ich mich gerade befinde, ist eine hilfreiche Frage, denn nur in meiner Angelegenheit bin ich am Zug.

4. Gelassen sein mit dem, was war, und mit dem, was kommen mag Was Sie in diesem Kapitel erwartet Nachdem Sie in den letzten beiden Kapiteln das Handwerkszeug für The Work vermittelt bekommen haben, können Sie nun jedes Thema, über das Sie stressvolle Gedanken haben, angehen. Lassen Sie uns mit einem Thema beginnen, das eigentlich nicht mehr fassbar ist, da es nicht mehr existiert und uns trotzdem schlaflose Nächte, Ängste oder Kopfzerbrechen bescheren kann – die Vergangenheit. Wenn wir das Feld von hinten aufräumen, machen wir uns frei für die Gegenwart. Sie werden sehen, es ist nie zu spät, eine stressfreie und glückliche Vergangenheit zu haben. Ebenso können wir uns mit The Work die imaginierten Schreckgespenster der Zukunft anschauen und hinterfragen, damit wir offen und bereit sind für das, was kommen mag.

4.1 Die Vergangenheit ist vorbei „Denn nur der gegenwärtige Augenblick ist es, der verloren gehen kann, weil man nur diesen allein besitzt und man das nicht verlieren kann, was man nicht besitzt.“ Marc Aurel Unser Verstand ist mit seinem Fokus nicht immer präsent im Hier und Jetzt, das haben Sie sicher auch schon festgestellt. Mit unserem Wandergeist schweifen wir ab in eine imaginierte Zukunft oder tauchen ein in Bilder und Erlebnisse, die längst vergangen sind. So habe ich heute einen Termin, auf den ich keine Lust habe, weil es in der Vergangenheit vier Termine dieser

Art gab. Ich erinnere mich heute immer wieder an die längst vergangenen Termine, fühle mich dadurch unwohl und male mir dann noch eine Zukunft aus, nämlich dass der heutige Termin genauso unerquicklich verlaufen wird wie die letzten. Wer wäre ich ohne diese Geschichte, wenn ich ganz frisch und frei an den heutigen Termin herangehen könnte? Es gibt einige Menschen, die tatsächlich keine Vergangenheit haben, da bei ihnen aufgrund von Verletzungen oder Erkrankungen Hirnareale beschädigt wurden, die für die Speicherung von Erinnerungen zuständig sind. Stellen Sie sich vor, Sie hätten ein Leben ohne Vergangenheit, ohne Referenzerfahrungen, die es Ihnen ermöglichen, Situationen oder Personen einzuordnen und aufgrund von Erfahrungswerten entsprechend zu reagieren. Jeder Mensch dem Sie begegnen, wäre ein Unbekannter für Sie, egal ob es sich um einen Familienangehörigen handelt oder einen Fremden, der an der Türe klingelt, um Ihnen etwas zu verkaufen. Wie die Begegnungen mit diesen Menschen auch verlaufen sind, ob man Ihnen liebevoll und wohlwollend begegnet ist oder Sie abschätzig und unfreundlich behandelt hat, Sie erinnern sich nicht daran, für Sie ist jeder Mensch gleich. Unsere Erinnerungen an die Vergangenheit können Segen oder Fluch sein. Einerseits machen sie unser Leben überschaubarer und besser einschätzbar, andererseits aber führen sie auch zu einer vorgefassten Meinung und schmälern dadurch unseren Erfahrungshorizont. Im Normalfall haben wir unser Gedächtnis nicht verloren und erinnern uns an Menschen, Begegnungen und Situationen, teilweise sogar ganz genau, auch wenn sie Jahrzehnte zurückliegen. Die Vergangenheit kann dabei in ein sanftes Licht getaucht sein: die glückliche Kindheit, die goldenen Zeiten des Verliebtseins, der Traumurlaub in der Karibik – Erinnerungen, die uns mit einem satten Gefühl der Zufriedenheit erfüllen. Was aber, wenn die Vergangenheit von einem düsteren Gewand umhüllt ist, wenn wir davor zurückschrecken, uns in die abseitigen Gefilde unserer Erinnerungen zu begeben, da sie so schwer auf uns lasten? Unsere Erinnerungen, ob aufbauend, inspirierend, traurig oder peinlich, können wir nicht leugnen.

Sie besuchen uns, meist unerwartet, angelockt durch einen vertrauten Duft, durch den Klang eines Musikstückes, durch eine Fotografie oder die Begegnung mit einem Menschen. Wir können die Vergangenheit nicht ungeschehen machen, das vermag keine Technik oder Methode auf dieser Welt. Wir können vielleicht verdrängen, Erlebnisse in die letzte Ecke unseres Bewusstseins verbannen, aber was geschehen ist, ist geschehen. Was wir allerdings tun können, ist eine neue Betrachtungsweise diesen Erlebnissen gegenüber einzunehmen. Das geschieht häufig von ganz allein und wir sagen dazu: „Die Zeit heilt alle Wunden.“ Mit etwas Abstand erscheinen die Erlebnisse in ein freundlicheres Licht getaucht oder wir vergessen schlichtweg, was geschehen ist. Das, was die Zeit vermag, können wir beschleunigen. Wir müssen nicht jahrelang geduldig warten, bis die Zeit uns ihren Dienst erweist und der Trennungsschmerz verblasst. Das, was uns bei zurückliegenden Ereignissen häufig milde und versöhnlich stimmt, ist ein Perspektivwechsel und emotionaler Abstand. Das können wir mit The Work schneller erreichen, denn dort gehen wir gezielt in die belastende Situation zurück, hinterfragen die stressvollen Gedanken darüber und nehmen durch die Umkehrungen verschiedene neue Wahrnehmungspositionen ein. Wenn wir uns mit der Vergangenheit beschäftigen, stellt sich die Frage, ob wir uns eigentlich sicher sein können, dass unsere Erinnerungen überhaupt „richtig“ bzw. „wahr“ sind. Sie erinnern sich an die Geschwister und ihre unterschiedlichen Versionen vom Weihnachtsfest? Bei einer großen Familienfeier konnte ich letztens ähnliche Erfahrungen machen. Bei einer Diashow wurden Geschichten über die Anwesenden erzählt und einige der Anekdoten wurden von Beteiligten gar nicht mehr erinnert und diejenigen, die sie erinnerten, hatten unterschiedliche Versionen auf Lager. Oder was ist mit den Erinnerungen an Ereignisse, die nie geschehen sind, wie in der Studie, in der Menschen als Kinder angeblich einmal in einem Einkaufszentrum verloren gegangen waren? Erinnerungen sind sehr fragile Konstrukte, die nicht sicher konserviert in unserem Verstand abgelegt werden. Erinnerungen verblassen über die Zeit oder werden durch unsere

Neubewertung verändert. Wir können uns also bei Erinnerungen nicht sicher sein, ob sich das Erlebte genau so abgespielt hat. Noch ein Grund mehr, die Geschehnisse mit einem offenen Verstand unter die Lupe zu nehmen. Wenn wir also mit bestimmten Erinnerungen nicht glücklich sind, weil sie uns traurig oder wütend machen, können wir mit The Work den Wahrheitsgehalt der Gedanken über diese Situationen überprüfen. „Vergangenheit ist Geschichte, Zukunft ist Geheimnis, und jeder Augenblick ein Geschenk.“ Ina Deter Unser Verstand unternimmt Zeitreisen, er wandert zurück in die Vergangenheit, lässt Erlebnisse und Personen täuschend echt wiederauferstehen und dabei scheinen wir zu vergessen, dass die Vergangenheit gar nicht existiert, dass es sich um Halluzinationen handelt. Ist es nicht ein Segen, dass die Vergangenheit vorbei ist? Uns mögen peinliche Dinge widerfahren sein, Schmähungen durch andere oder sogar traumatische Ereignisse. Können wir da nicht einfach froh sein, dass es vorbei ist? Anscheinend nicht, sonst würden wir ja keine stressvollen Gedanken über unsere Vergangenheit mehr haben. So bedauern wir z. B. jetzt, dass wir damals keine glückliche Kindheit hatten, dass unser ExPartner uns schlecht behandelt hat oder wir hadern damit, dass unser letzter Arbeitgeber uns nicht genügend Entwicklungsmöglichkeiten geboten hat. So schlimm und schmerzlich unsere Vergangenheit war, so viel Unrecht uns auch passiert sein mag, das Gute und Gnädige an der Vergangenheit ist immer, dass sie vorbei ist. Schlicht und ergreifend vorüber! Das hindert uns aber in keinster Weise daran, die Vergangenheit in unseren Gedanken am Leben zu erhalten. Unser Ex-Partner hat uns vielleicht verlassen, einmal, womöglich auch häufiger. Und wie häufig haben wir dieses Szenario in unserem Kopf wieder durchlebt? Wie häufig haben wir uns selbst einen Dolch ins Herz gerammt, indem wir einen inneren Film ablaufen ließen, sogar mehrmals zurückspulten und wiederholten, in Zeitlupe abspielten und

dann noch ein Standbild machten? Einer meiner Ex-Partner hat in einem Café mit mir Schluss gemacht. Jedes Mal, wenn ich wieder in dem Café bin, sehe ich den Tisch, an dem es passiert ist und ich erinnere mich daran, wie wir da saßen, er die Beziehung beendet hat und wie schlecht es mir damit ging. Das Ganze ist vor Jahren passiert und ich habe seitdem noch viele Male mit mir Schluss gemacht – in Gedanken. Vergangenheit und Zukunft sind wunderbare mentale Konzepte, um sich in einen schlechten Zustand zu manövrieren. Sowohl die Vergangenheit als auch die Zukunft sind jetzt in diesem Moment nicht da. Wenn wir präsent im Moment sind, einfach wahrnehmen, was ist, unsere Atmung, wie der Bauch sich hebt und senkt, dann ist alles da, alles in Ordnung. Der Stress beginnt, wenn wir uns eine Zukunft ausmalen oder in die Vergangenheit abtauchen. Die Vergangenheit ruhen zu lassen mag sich wie eine hohle Phrase anhören, wenn uns in unserer Wahrnehmung Schlimmes, Unverzeihliches angetan wurde. Ich lade Sie in diesem Kapitel ein, Ihre Gedanken darüber zu befragen. Laut Byron Katie ist das Schlimmste, das jemals passiert ist, ein unhinterfragter Gedanke. Wenn wir uns der Vergangenheit zuwenden, können wir das Feld von hinten aufräumen. Es ist sehr sinnvoll, sich mit seinen Altlasten auf konstruktive Weise zu beschäftigen. Wenn wir sie nämlich für uns lösen, machen sie uns frei für die Gegenwart. Wenn vergangene Erlebnisse noch an uns nagen, sind wir versucht, den damit verbundenen Schmerz in die Zukunft zu projizieren und das macht uns unfrei. Ohne dass wir es bewusst steuern, reinszenieren wir in der Gegenwart die schmerzlichen Erfahrungen aus der Vergangenheit. „Wenn jemand die Treppe runterfällt und sich ein Bein bricht – was soll dann daran heilsam sein, ihn noch einmal hinunter zu schubsen?“ Richard Bandler zugeschrieben

Die Vergangenheit lässt sich auch mit The Work nicht ändern im dem Sinne, dass etwas ungeschehen gemacht wird. Wenn wir als Kind die Treppe heruntergefallen sind, dann wird das nach der Untersuchung mit The Work auch immer noch so sein. Aber die Art und Weise, wie wir darüber denken, ändert sich. Wir haben natürlicherweise eine ganz subjektiv gefärbte Erinnerung an vergangene Erlebnisse. Im 1. Kapitel haben wir gesehen, dass unser Verstand keiner Kamera gleicht, die alles unzensiert aufnimmt. Wir haben verschiedene Filter über unserer WahrnehmungsLinse, vielleicht sogar noch eine Fluse oder einen Fettfilm. Mit dieser Linse blenden wir manche Aspekte aus, andere werden verzerrt wahrgenommen und weitere in Großaufnahme abgelichtet. Mit The Work können wir die vergangenen Erlebnisse neu wahrnehmen, indem wir die Linse auf Stellen richten, die bis jetzt verborgen waren, oder indem wir dadurch für Klarsicht sorgen, dass wir die Linse von Staub, Flusen und Fettfingerabdrücken befreien. Hat jemand z. B. die Erfahrung von Missbrauch in der Kindheit gemacht, dann geht es nicht darum, dies zu leugnen, schön zu reden oder noch einmal genau so zu durchleben und zu durchleiden. Es geht darum, die Implikationen und Konsequenzen, die jemand daraus ableitet, neu zu betrachten. Das wirkt sich positiv auf die Gegenwart aus. Indem die Gespenster aus der Vergangenheit ihren Schrecken verlieren, wird der Weg frei für eine erfreulichere Zukunft. Eine Klientin, die eigentlich wegen einer aktuellen Trennungsgeschichte zu mir ins Coaching kam, erzählte mir von ihren beiden Vätern. Ihr leiblicher Vater hatte die Familie verlassen, als sie noch ein kleines Mädchen war. Ihr Stiefvater trennte sich von ihrer Mutter, als sie ein Teenager war. Als ihr leiblicher Vater wegging, wurde ein neuer Gedanke in ihrem Verstand geboren: Er verlässt uns und meldet sich kaum noch bei mir, das muss bedeuten: „Er lehnt mich ab.“ In ihrer kindlichen Unschuld suchte sie eine Erklärung für das Verhalten ihres Vaters und wurde auch fündig: „Ich bin nicht gut genug.“ Ihr Vater hielt den Kontakt zu ihr nicht aufrecht und sie glaubte, es habe mit ihr zu tun, sie sei nicht richtig, nicht gut genug. Von da an versuchte sie immer gut und angepasst zu sein. Als ihr Stiefvater Jahre

später ebenfalls von der Familie wegging, verstärkte sie dieses Muster. Sie versuchte, seine Anerkennung und Aufmerksamkeit durch Leistung und Erfolg zu bekommen – mit wenig Resonanz. In ihrer aktuellen Trennung von ihrem Lebensgefährten wurde dieser Gedanke, nicht gut genug zu sein, wieder aktiviert. Sie suchte nach Fehlern bei sich, um sich zu erklären, warum ihr Partner sie verlassen hatte. Sie ging blind davon aus, dass mit ihr etwas nicht stimme, dass sie etwas falsch gemacht habe. Durch The Work konnte die Klientin glaubwürdige Beispiele in ihrem Leben finden, dass ihre beiden Väter sie nicht abgelehnt, im Gegenteil, sogar angenommen hatten. Und sie sah, wie die Umkehrung wahr war, dass sie ihre Väter ablehnte. Zu einem hatte sie seit Jahren keinen Kontakt mehr, weil sie ihn und sein Verhalten während der Scheidung so abgelehnt hatte. Und sie erkannte, wie sie sich selbst abgelehnt hatte und dies sich wie ein roter Faden durch ihr Leben zog. Sie hatte durch ihre Work ein neues, kompletteres Bild von ihren Vätern gewonnen. Die Trennungen gehören zu ihrer Biografie, aber der Rest ist eine Geschichte. Der Negativpropaganda in ihrem Verstand wurde durch The Work die Grundlage entzogen. Die Klientin erkannte auch, dass es jetzt an ihr lag, sich selbst für gut genug zu befinden und sich nicht mehr abzulehnen.

4.2 Einfach atmen „Unser wahres Zuhause ist der gegenwärtige Augenblick. Wenn wir wirklich im gegenwärtigen Augenblick leben, verschwinden unsere Sorgen und Nöte und wir entdecken das Leben mit all seinen Wundern.“ Thich Nhat Hanh

Meditation

So wie in den vorangangenen Kapiteln lade ich Sie auch in diesem zu einer Meditation ein. In diesem Kapitel geht es um die Themen Vergangenheit und Zukunft und unser Atem ist dabei eine wunderbare Unterstützung, uns auf das Hier und Jetzt zu fokussieren. Wir können immer nur für den Moment atmen, wir können keinen Atemzug im Nachhinein nachholen oder vorsorglich für die Zukunft schon mal etwas Atem sparen. Atem geschieht immer nur im Moment, deshalb ist er ein hilfreicher Lehrmeister für Ihre Präsenz im Augenblick. So lange wir leben, begleitet uns der Atem. Jetzt gerade sind Sie entweder beim Einatmen, Ausatmen oder Pausieren. Diese drei Phasen wechseln sich beständig ab, egal was Sie tun, ob Sie liegen, stehen oder gehen. Wenden Sie sich nun Ihrem Atem zu. Nehmen Sie wahr, wie der Atem in Sie einströmt und sich in Ihrem Körper ausbreitet. Spüren Sie die Stellen in Ihrem Körper, die sich durch den Atem ganz natürlich weiten und ausdehnen. Spüren Sie, wie der Atem wieder ausströmt, von ganz alleine, seinem eigenen Rhythmus folgend. Wie sich Ihr Körper dadurch wieder zusammenzieht. Und dann eine Pause, ein Moment des Innehaltens, bevor sich die Lunge wieder mit Sauerstoff füllt. Folgen Sie dem beständigen Strom Ihres Atmens mit Ihrer Wachsamkeit. Erlauben Sie sich, dass es so sein darf, wie es gerade ist. Verändern Sie nichts, nehmen Sie Ihren Atem einfach nur wahr. Vielleicht tauchen dabei Kommentare in Ihrem Inneren auf, wie „Das ist aber eine langweilige Übung. Ich bin heute so kurzatmig. Was soll mir das bringen? Ich sollte mehr in den Bauch atmen“. Das ist völlig in Ordnung, so tickt unser Verstand. Er kommentiert beständig unser Tun und Handeln. Und so wie der Strom des Atems ist auch der Strom der Gedanken ein Kommen und Gehen. Wenn wir das einfach wahrnehmen ohne daran festzuhalten, kann der Strom seinem natürlichen Rhythmus folgen. Vielleicht gelingt es Ihnen jetzt, mehr und mehr mit Ihrem Atem zu verschmelzen. Ganz und gar Atem zu werden und gar nicht mehr eine Trennung zu empfinden zwischen Ihnen als denkendes Wesen und Ihrem Körper. Vielleicht wird alles zu einem Ganzen und der Gedanke, Sie wären derjenige, der etwas tut, weicht einem Gefühl von: es wird getan. Es

geschieht, ohne Ihr Dazutun. Es atmet Sie. Jetzt, in diesem Augenblick, in dem Sie ganz achtsam sind mit Ihrer Wahrnehmung, können Sie sich fragen, ob es irgendein Problem gibt? Ob irgendetwas in diesem gegenwärtigen Moment nicht in Ordnung ist? Vielleicht erkennen Sie, dass ohne eine Geschichte dieser Moment perfekt ist. Wenn wieder Gedanken auftauchen, wenn Erwartungen entstehen, ist das ganz in Ordnung. Wenn Sie sich dessen gewahr werden, holen Sie sich zurück zu Ihrer Präsenz im Augenblick. Der Atem kann Ihnen als Magnet dienen, sich immer wieder auszurichten nach dem beständigen Strom des Ein- und Ausatmens. Wohl wissend, dass Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit jederzeit zurückkehren können zu Ihrem Atem, dass er jederzeit da ist und immer nur im Moment geschieht, bitte ich Sie jetzt, sich mit Ihrer Aufmerksamkeit dem Thema des Kapitels zuzuwenden, der Vergangenheit und Zukunft.

4.3 Es ist nie zu spät, eine glückliche Kindheit zu haben „Einige der schlimmsten Dinge in meinem Leben sind mir gar nicht passiert.“ Mark Twain Der finnische Psychotherapeut Ben Furman hat ein Buch mit dem Titel Es ist nie zu spät, eine glückliche Kindheit zu haben geschrieben. Er ist ein Vertreter der lösungsfokussierten Therapie und zeigt in diesem pragmatisch geschriebenen Buch auf, wie Menschen mit einer schwierigen Kindheit trotzdem ein erfülltes Leben haben können. Der Titel ist verheißungsvoll. Können wir jetzt als Erwachsene im Nachhinein unsere Kindheit oder generell Vergangenes in einem anderen Licht betrachten? Konzepte über die Welt, unsere Eltern oder die Vergangenheit schleppen wir häufig ein Leben

lang mit uns herum. Mir begegnen Menschen in Coachings und Seminaren, die schon lange den Kinderschuhen entwachsen sind, womöglich selbst längst erwachsene Kinder haben und immer noch davon überzeugt sind: „Meine Eltern haben mich nicht unterstützt. Meine Lehrer haben mich nicht genug gefördert. Ich hatte eine furchtbare Kindheit.“ Auch wenn die Vergangenheit längst vorbei ist, hindert uns das anscheinend nicht daran, sie in unserem Verstand immer wieder zu reaktivieren, womöglich zu hegen wie einen kostbaren Schatz und nicht infrage zu stellen. So laufen wir durch die Welt und bauen unsere Identität auf mit Überzeugungen wie: „Die anderen lehnen mich ab.“ Dass so ein Glaubenssatz Spuren hinterlässt, möchte ich Ihnen anhand eines besonderen Phänomens deutlich machen. Wir müssen uns übrigens dabei unserer Glaubenssätze gar nicht bewusst sein. Sie wirken auch, wenn sie in unserem Unbewussten herumwabern, und haben so oder so massiven Einfluss auf unser Leben und unsere Lebenszufriedenheit. Die Rede ist von den „Selbsterfüllenden Prophezeiungen“. Wir glauben etwas, z. B.: „Ich werde die Prüfung bestimmt in den Sand setzen“, und fallen tatsächlich durch. Waren magische Kräfte am Werk oder hellseherische Fähigkeiten oder hatte die Person vielleicht einfach nur Pech? Das Prüfungsergebnis hat sicher nichts mit wahrsagerischer Treffgenauigkeit zu tun, vielmehr handelt es sich um einen Denkfehler. Im ersten Kapitel habe ich Ihnen verschiedene Formen des dysfunktionalen Denkens vorgestellt. Die Selbsterfüllende Prophezeiung gehört ebenfalls zu dieser Gattung. Wenn ich überzeugt bin, dass ich die Prüfung nicht schaffe, ist mein Verstand auf dieses Ergebnis gepolt. Der Glaube, dass ich in der Prüfung durchfalle, führt vielleicht zu körperlicher Verspannung. Ich bekomme einen Tunnelblick und übersehe womöglich wichtigen Lernstoff oder missverstehe eine Prüfungsfrage oder bin frühzeitig körperlich erschöpft. Das Ergebnis – ich bin durchgefallen – bestätigt dann nur meine Vorannahme. Habe ich es doch gewusst, ich werde die Prüfung nicht bestehen. Der Gedanke hat genau das heraufbeschworen, was ich befürchtet habe.

Stellen Sie sich vor, ein Mädchen entwickelt über ihren Vater den Gedanken: „Er ist unzuverlässig, auf ihn ist nie Verlass.“ Das Mädchen wird älter und hinterfragt dabei nie ihre schmerzlichen Gedanken über ihren Vater. Sie macht mit diesem Konzept im Hinterkopf Erfahrungen mit anderen Männern und irgendwann kommt sie zu dem pauschalen Urteil: „Auf Männer ist generell kein Verlass.“ Wie lebt diese Frau ihr Leben? Wie geht sie mit Männern in Kontakt? Wie lebt sie Partnerschaft, wenn sie davon überzeugt ist, dass auf Männer kein Verlass ist? Solche Glaubenssätze sind sehr einflussreich und führen dazu, dass wir genau das bekommen, woran wir glauben. Und es hat nichts mit Magie zu tun, sondern mit unserem Verstand, den wir abgerichtet haben, z. B. auf die Fährte „Auf Männer ist kein Verlass“. Der gut dressierte Verstand erfüllt nur seinen Job und kramt haufenweise Beispiele hervor, die beweisen, dass auf Männer kein Verlass ist. Der britische Psychologie-Professor Richard Wiseman (2003) hat sich in seiner Forschung über Glück, Lebensfreude und Erfolg mit selbsternannten Glückspilzen und Unglücksraben beschäftigt. Um das Thema Glück ranken sich viele Mythen, die wie Geschichten von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden, ohne dass sie jemals hinterfragt würden. So gilt es in manchen Ländern als Symbol für Glück, wenn eine schwarze Katze die Straße überquert, in anderen Ländern ist genau das Gegenteil der Fall, es ist ein Zeichen für bevorstehendes Pech. Aberglaube kann mächtig sein und Menschen dazu bringen, Dinge auf eine ritualisierte Art und Weise zu tun, die jeder Logik entbehrt. Es gibt Überlieferungen, dass in bestimmten Naturvölkern dem Schamanen die Macht zugesprochen wird, mit dem Blick töten zu können. Bekommt ein armer Stammesbewohner diesen Blick vom Schamanen, weiß er, dass sein Stündlein geschlagen hat und bereitet sich auf den Tod vor, der innerhalb kürzerer Zeit eintritt. Ein Mensch, der nichts von diesem magischen Blick weiß, würde die Situation sicher unbeschadet überleben. Glaube ist machtvoll und kann im schlimmsten Fall tödlich ausgehen. Daher ist es so wichtig, sich seiner Glaubenssätze bewusst zu

werden, vor allem der sich selbst sabotierenden, begrenzenden und behindernden. Viele Interventionen im Coaching und der Psychotherapie setzen genau dort an, ebenso wie The Work. Was der Glaubenssatz, „Ich bin ein Glückspilz“ vs. „Ich bin ein Pechvogel“ mit Menschen macht, hat Wisemann auch untersucht, mit spannenden Ergebnissen. Er zeigte in seinen Experimenten, dass Glück nichts mit Magie oder Zufall zu tun hat, sondern dass bestimmte Gedanken und daraus resultierendes Verhalten die Auslöser sind. Über Zeitungsanzeigen suchte er Menschen, die sich entweder für ausgewiesene Glückskinder hielten oder für vom Pech verfolgte Unglücksraben. In einem Experiment bat er die Teilnehmer aus beiden Gruppen, Abbildungen in einer Zeitung zu zählen. Die Pechvögel brauchten im Schnitt 2 Minuten, die Glückspilze nur einige Sekunden. Lag es daran, dass die Glückspilze einfach mehr Glück hatten oder gar gutes Karma? Auf der 2. Seite der Zeitung befand sich ein Hinweis: Hören Sie auf zu zählen, es gibt 43 Bilder in dieser Zeitung. Dieser Hinweis nahm die halbe Seite der Zeitung ein und war in großen Lettern geschrieben. Einigen fiel er direkt ins Auge, andere übersahen ihn einfach, obwohl alle Teilnehmer gleiche Ausgangsbedingungen hatten. In der zweiten Hälfte der Zeitung gab es einen weiteren Hinweis: Hören Sie auf zu zählen und sagen Sie dem Versuchsleiter, dass Sie das gelesen haben und gewinnen Sie 250 $. Auch diesen Hinweis übersahen die Pechvögel, da sie so damit beschäftigt waren, die Abbildungen zu zählen. Das liegt wahrscheinlich daran, dass Menschen mit einer negativen Vorstellung von sich und der Welt generell häufiger angespannt und ängstlich sind als die Menschen, die eine positive Vorstellung von sich und der Welt haben. Angst und Anspannung sind aber keine guten Berater, wenn es darum geht, offen zu sein für die Welt und für die Informationen, die sie bereithält. In einem weiteren Wahrnehmungsexperiment (ebd.) erschienen in der Mitte eines Monitors Punkte, die sich bewegten und ab und zu von größeren Punkten am Rande des Monitors ergänzt wurden. Den meisten

Versuchsteilnehmern fielen diese großen Punkte direkt auf. Als einer anderen Gruppe jedoch ein großer finanzieller Gewinn versprochen wurde, wenn sie sich genau auf das Zentrum des Monitors fokussieren würden, verpasste plötzlich ein Drittel die großen Punkte. Je mehr sie sich konzentrierten und anspannten, desto weniger sahen sie. Genauso ist es mit vermeintlichen Pechvögeln, sie verpassen einfach Chancen und Möglichkeiten, weil sie weder nach rechts noch links schauen. Sie sind zu verbissen auf eine Sache fokussiert und bekommen dadurch all die Möglichkeiten und Angebote am Wegesrand nicht mit. Glückspilze sind entspannter und offener und erkennen dadurch mehr Chancen. Glaubenssätze, Urteile, Mythen und Geschichten führen dazu, dass nur bestimmte Dinge in unser Leben eintreten und andere eben verborgen bleiben, obwohl sie die ganze Zeit da sind. Der Grund dafür: Gedanken sind Filter. „Auf Männer ist kein Verlass“ lässt einen nur die Unzuverlässigkeit erkennen. Dass aber auch Zuverlässigkeit da ist, geht uns bei aller Konzentration auf das Gegenteil durch die Lappen. The Work hilft uns an dieser Stelle, tief sitzende Glaubenssätze zu hinterfragen und andere Wahrnehmungsoptionen in Betracht zu ziehen. Die gute Nachricht ist: Wir können von der Pechmarie zur Goldmarie werden. Was es dafür braucht ist, die knackigen Glaubenssätze zu identifizieren, die Ihnen Ihr Leben schwer machen. Die wie kleine Torpedos Ihr Glück, Ihren Erfolg oder Ihre Entwicklung torpedieren. Welche Person aus der Vergangenheit, z. B. aus Ihrer Kindheit, hindert sie heute daran, glücklich und erfolgreich zu sein? Welche schmerzlichen, beschämenden oder traurigen Ereignisse von früher hängen Ihnen jetzt noch nach? Wenn Sie Ausschau halten nach solchen Situationen, Ihre stressvollen Gedanken darüber aufschreiben und hinterfragen, birgt das die Chance, Ihren begrenzenden Glaubenssätzen zu entwachsen und sich frei zu machen.

Fallbeispiel: Ich will, dass Papa einfach zufrieden mit mir ist.

Im Folgenden zeige ich Ihnen eine Work mit Claudia, einer erwachsenen Frau, die selbst schon Kinder hat. In ihrer Work geht es um eine lang zurückliegende Episode mit ihrem Vater am Abendbrottisch. Sie sagt, dass dieses wiederkehrende Erlebnis sie bis heute stark geprägt habe in ihrem Glauben an sich selbst. Obwohl sie studiert hat und mehrere Weiterbildungen erfolgreich absolviert hat, dachte sie lange Zeit über sich, sie sei dumm und habe nichts Wichtiges mitzuteilen. Sie halte sich bei Gesprächen auch oft zurück, weil sie befürchte, sie könne etwas Falsches sagen. Claudia hat bereits Erfahrungen mit The Work gesammelt. T

: Claudia, du hast ein Arbeitsblatt über eine zurückliegende Situation mit deinem Vater ausgefüllt? C : Ja, die Situation ist folgende: Als ich ca. acht Jahre alt war, hat mein Vater mir beim Abendessen häufig Matheaufgaben gestellt, Zentimeter- / Meter-Rechnungen oder Gramm- / Kilogramm- / ZentnerRechnungen o. ä. – und ich fand das furchtbar! Und darüber habe ich das Arbeitsblatt geschrieben: Arbeitsblatt: 1. Ich bin verletzt von meinem Vater, weil er mir mit seiner Abfragerei das Abendessen verdorben hat, und weil ich deshalb immer Angst vor dem gemeinsamen Abendessen hatte. 2. Ich will, dass Papa einfach zufrieden mit mir ist. Ich will, dass er mich lobt. Ich will, dass er mich ermuntert und an mich glaubt. Ich will, dass er mich sanft behandelt. Ich will, dass er mich liebt, so wie ich bin. 3. Papa sollte mich nicht abfragen. Er sollte mich nicht unter Druck setzen. Er sollte mich nicht anbrüllen, weil ich etwas nicht kapiere oder behalte. Er sollte nicht so lieblos sein. 4. Ich brauche von Papa, dass er an mich glaubt, dass er geduldig bleibt, dass er mir sagt, dass er mich liebhat, auch wenn ich etwas nicht kann. 5. Papa ist furchteinflößend, ein Zerstörer, ein Fremdkörper, diktatorisch, gefühllos, ein brüllendes Monster.

6. Ich will nie wieder das Gefühl haben, ein Nichts zu sein, weil ich etwas nicht kann. Nr. 1: Mein Papa hat mir mit seiner Abfragerei das Abendessen verdorben. T C T C T

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: Gut, dann lass uns mal von oben starten. Liest du noch einmal vor, was du bei 1. geschrieben hast? : Ich bin verletzt von meinem Vater, weil er mir mit seiner Abfragerei das Abendessen verdorben hat. : Okay, die Claudia von damals ist so sieben oder acht Jahre alt? : Ja. : Gut, und aus dieser Perspektive heraus – die kleine Claudia beim Abendessen in der Situation – ist das wahr, dass dein Papa dir das Abendessen verdorben hat? : Ja! : Und kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist, dass dein Vater dir mit seiner Abfragerei das Abendessen verdorben hat? : Ja! : Wie reagiert die kleine Claudia in der Situation, wenn sie glaubt, der Papa hat ihr mit seiner Abfragerei das Abendessen verdorben? : Also, ich habe immer schon vorher Angst davor, wenn ich weiß, dass er da ist, und es ein gemeinsames Abendessen gibt. Ich würde die Situation am liebsten verhindern. Und ich freue mich auf die Tage, wo er nicht da ist, was regelmäßig der Fall war. : Und in dem Moment, wo du am Abendbrottisch sitzt, und der Papa fragt – wie reagierst du? : Ich versuche, die Abfragerei zu verhindern, indem ich ganz viele andere Dinge erzähle, sitze aber ständig mit hochgezogenen Schultern da und versuche eigentlich, mich möglichst verschwinden zu lassen. Ich bin sehr angespannt, kann nicht richtig schlucken, habe auch gar keinen richtigen Appetit und warte nur wie ein Kaninchen vor der Schlange auf

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die erste Frage, also, warte darauf, wann es losgeht. Und sobald es losgeht, dann geht es nur noch darum, es durchzustehen. Ich versuche, ihm zu gefallen, also möglichst die Antworten zu wissen. Und wenn ich dann merke, ohje, ich weiß die Antwort schon wieder nicht – dann ist es eigentlich aus, dann habe ich totalen Nebel im Kopf – dann habe ich den totalen Blackout. : Und wie behandelst du deinen Papa, wenn du glaubst, er hat dir mit seiner Abfragerei das Abendessen verdorben? : Ich behandle ihn wie jemanden, der auf keinen Fall zu mir gehört, wie jemanden, mit dem ich nichts zu tun haben will, wie einen Störfaktor. Und ich behandle ihn auch wie meinen Scharfrichter, der totale Macht über mich hat, auch über meinen Status. : Und wer wärst du kleine Claudia beim Abendessen ohne den Gedanken, Papa hat mir mit seiner Abfragerei das Abendessen verdorben? : Es fühlt sich freier an, in dem Sinne, dass ich viel leichter sagen könnte: „Ich weiß es nicht“. Und interessanterweise könnte ich wütender antworten und sagen: „Oh Mann, lass das!“... und ihm wirklich einmal sagen, dass ich das doof finde, dass er das macht. : Und wenn du ihn einmal anschaust vor deinem inneren Auge – ihr seid beim Abendessen, und er tut, was er tut. Er fragt dich ab, und du kannst es nicht glauben, dass er dir das Abendessen verdorben hat – was passiert dann? : Dann nehme ich wahr, wie gestresst er ist, unter was für einem Druck er steht. Es kommt mir hier gerade so vor, als hätte dieser Druck nur ganz minimal etwas damit zu tun, dass ich gerade eine Antwort nicht weiß – als hätte es überhaupt nur ganz wenig mit mir zu tun. Dann wundere ich mich eher, und frage mich, was er wohl hat und warum er so einen Stress hat. Ja, und dann tut er mir sogar ein bisschen leid. Interessanterweise sehe ich gerade zum ersten Mal, dass meine Mutter da auch noch sitzt und dass da etwas passiert, was mit den beiden zu tun hat und nicht viel mit mir. Das macht mich ruhiger. Ja! Ich verstehe auf einmal, dass es überhaupt nicht um die fehlende Antwort geht.

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: Und ohne diesen Gedanken, was kannst du noch wahrnehmen, was geschieht? : Ich mag wieder gerne Abendessen! (lacht) Ja, es beruhigt sich etwas innerlich. Ich muss keine Antwort wissen, ich brauche keine Antwort zu wissen, wenn ich keine habe. Ich werde wieder größer und bekomme mehr Möglichkeiten zu reagieren. Und was auch noch spannend ist: Ich frage mich zum ersten Mal, ob es mich überhaupt selbst interessiert, die Antwort zu wissen. Ich erinnere mich, dass ich oftmals gar kein großes Interesse daran hatte, wie viele Zentimeter ein Meter hat. Ohne den Gedanken habe ich plötzlich die Möglichkeit zu sagen: „Wenn es für dich wichtig ist, dann finde ich die Antwort gerne für dich heraus – mir ist es eigentlich wurscht ...“ ... und wenn es mich wahrhaftig interessiert, dann bin ich davon überzeugt, dass ich es schnell lernen werde und auch behalten kann. Ich erkenne auf einmal, dass ich dem anderen gar keinen Gefallen tun muss. : Dann kehre den Gedanken einmal um: „Mein Vater hat mir mit seiner Abfragerei das Abendessen verdorben“. : Mein Vater hat mir nicht mit seiner Abfragerei das Abendessen verdorben. : Wie ist das wahr? : Wie eben schon gesagt, er hat mir nicht das Abendessen verdorben, da es in diesem Moment gar nicht wirklich um mich und mein Nicht-Wissen ging. Viel eher würde stimmen, er hat sich selbst das Abendessen verdorben ... auch wenn das jetzt spekulativ ist ... : Wie ist es wahr, dass er es nicht gemacht hat? : Wenn er zum Abendessen nicht da war, dann hat er es nicht gemacht ... nee, das gilt nicht, oder?! : Genau! Wie ist es wahr, dass er dir nicht das Abendessen verdorben hat, wenn er da war? : Wenn noch jemand anderes beim Abendessen dabei war, dann hat er es nicht getan ... : Und wie ist es wahr in dem Moment, in dem nur noch deine Mutter und du beim Abendessen waren – und er es dir mit seiner Abfragerei

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nicht verdorben hat? : Also, er hat mir das Abendessen nicht verdorben, wenn ich die Antwort wusste. Es war ja nicht immer so, dass ich keine wusste ... und ... uff, schwierig ... Es gab einmal eine Situation, da hat mein Vater Papier und Stift geholt und hat mir zur Erklärung etwas aufgezeichnet und aufgeschrieben und erklärt. In dem Moment hat er es mir nicht verdorben, da habe ich das Gefühl gehabt, in dem Moment ging es um die Aufgaben – und dabei auch wahrhaftig um uns beide ... um Papa und Tochter. Papa erklärt seiner Tochter etwas, wie Papas das halt tun ... Diese Situation fand ich sogar ganz schön! : Und wenn du an die Situation denkst, über die du das Arbeitsblatt ausgefüllt hast, wie ist es da wahr, dass dein Vater dir mit seiner Abfragerei nicht das Abendessen verdorben hat? Er tut, was er tut, er stellt Fragen ... Wenn du dir die Situation als Schlagzeile vorstellst, ganz neutral und nüchtern ... was passiert eigentlich? : Er stellt Fragen ... Ja, das ist es, er hat eigentlich nur Fragen gestellt. : Ja, und der Rest ist das, was du in deinem Kopf daraus gemacht hast. : Okay, er hat Fragen gestellt, und ich habe keine Antwort gegeben ... und an der Stelle wird es schwierig ... aber okay, eine Schlagzeile dazu würde lauten: „Mann regt sich auf“ oder „Mann brüllt rum“ ... und das hat ja auch nichts mit mir zu tun. Ja, jetzt erkenne ich ... ohne meine Geschichte im Kopf hat mein Vater Fragen gestellt und wurde – neutral gesagt – laut, aber er hat mir dadurch nicht das Abendessen verdorben, denn das alles ist nicht meine Angelegenheit, sondern seine. : Und wie lautet die nächste Umkehrung? : Ich habe mir mit seiner Abfragerei das Abendessen verdorben. : Und wie ist das auch wahr oder wahrer? : Ja, das stimmt auf jeden Fall! – Indem ich das alles zu meiner Angelegenheit gemacht habe ... seinen Stress in der Situation habe ich zu meinem Stress gemacht.

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Zweitens habe ich mir das Abendessen verdorben, indem ich mir schon vor jedem Abendessen mit ihm die Geschichte im Kopf erzählt habe und im Nachhinein auch ... also, dass es wieder passieren wird ... und drittens habe ich mir das Abendessen verdorben, dadurch, dass ich nie klar gesagt habe, dass ich die Fragerei nicht möchte. : Ja, so hast du dir das Abendessen mit seiner Abfragerei verdorben ... und gibt es noch eine andere Umkehrung? : Ich habe mir das Abendessen mit meiner Abfragerei verdorben. Ja, das habe ich getan, indem ich mich vor den Abendessen selber schon immer abgefragt habe ... und sicherlich auch durch den Gedanken: „Ich kann das nicht“, wenn ich vorher schon gemerkt habe, dass ich die Antworten nicht weiß ... Und es gab noch eine weitere innere Abfragerei meinerseits, die sich um das Thema „Wie könnte ich von diesen Mathematik-Fragen ablenken ... was könnte ich noch erzählen, damit er gar nicht auf die unangenehme Fragerei kommt?“ drehte, damit habe ich mir auch das Abendessen verdorben. : Gibt es noch eine Umkehrung? : Ich habe ihm mit meiner Abfragerei das Abendessen verdorben. Ist ein bisschen spekulativ ... aber es stimmt bestimmt. Es war sicherlich nicht spaßig für ihn. Und ich hatte oft den Eindruck, dass es ihn rasend machte, wenn ich wie ein Kaninchen dagesessen habe. Wenn ich innerlich durch meine eigene Abfragerei schon so unter Stress kam, dass ich ihm gegenüber dann einsilbig oder verstockt war. Ich war durch meine innere Abfragerei so blockiert, dass ich Dinge die ihm wichtig waren nicht beantworten konnte. Und ich habe ihm das Abendessen verdorben, da er diese Dinge, die er mich fragte, für elementar wichtig hielt, und er Sorge hatte, dass ich ohne sie nicht erfolgreich durch mein Leben komme, wenn ich sie nicht lerne und behalte.

Nr. 2: Ich will, dass Papa einfach zufrieden mit mir ist.

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: Dann lass uns zum nächsten Satz gehen. : Ich will, dass Papa einfach zufrieden mit mir ist. : Ist das wahr, du willst, dass Papa einfach zufrieden mit dir ist? : Ja. : Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist, du willst, dass dein Papa einfach zufrieden mit dir ist? : Ja. : Wie reagierst du, was passiert in dieser Situation, wenn du willst, dass Papa einfach zufrieden mit dir ist? : Dann will ich es ihm nur recht machen, habe aber eine Riesenangst davor, es nicht zu können. Und in der Angst bin ich wie gefangen. : Und wie fühlt sich das an? Wo in deinem Körper kannst du das wahrnehmen? Diese Angst, dieses Gefangensein? : Es ist sofort wieder eine Anspannung da, besonders im Oberkörper, Schultern, Nacken, und es geht bis in die Ohren, in den Kiefer hinein. Ich werde dann auch so unbeweglich. Ich will das auch nicht zeigen, und das macht es doppelt anstrengend. : Wie gehst du mit dir um, wie behandelst du dich selbst, wenn du den Gedanken glaubst, du willst, dass dein Papa einfach zufrieden mit Dir ist? : Ich setze mich selbst total unter Druck. Ich nehme überhaupt nichts mehr von mir wahr, was ich möchte, was ich will. Ich verschließe mich. Ich teile mich in zwei Teile: Es gibt eine äußere Hülle, die ich zeige, und innen drin bin ich etwas ganz Eigenes, was niemand wissen darf, weil es nicht sein darf. Und ich versuche mich möglichst glatt zu verhalten um durchzukommen und mich möglichst unsichtbar zu machen. : Und wie behandelst du deinen Papa, wenn du glaubst, du willst, dass er einfach nur zufrieden mit dir ist? : Ja, ich behandle ihn dann wie einen unbequemen Störfaktor, dem man nichts recht machen kann.

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: Und wie behandelst du ihn in dem Moment als unbequemen Störfaktor? C : Ganz, ganz schlecht! Ich will dann immer, dass er weg ist! In Gedanken würde ich ihn am liebsten rausschmeißen. Ich behandle ihn, als sei er ein gegnerischer Krieger, den man besiegen muss, den man aber nicht besiegen kann, weil er so stark ist. Es ist auch zweigeteilt: Eigentlich möchte ich auf seiner Seite sein – es ist so ein Anziehen und Abstoßen ... T : Und in dem Moment, beim Abendessen, wer wärest du ohne den Gedanken, du willst, dass er einfach zufrieden mit dir ist? C : Zuerst kommt ein verändertes Körpergefühl, ich spüre ziemlich viel Bewegung, also ich würde am Tisch nicht mehr so still sitzen ... und ich würde ganz andere Dinge erzählen. Ich würde viel mehr einfach so herumplappern. Also, es fühlt sich viel lebendiger an, viel freier und viel lustiger. Ich bin viel mehr bei mir und im Moment und was gerade da ist – nicht mehr in einer abwartenden Haltung. Ich bin in Aktion und nicht mehr nur in Reaktion. T : Dann dreh den Gedanken einmal um: du willst, dass Papa einfach zufrieden mit dir ist. C : 1. Umkehrung: Ich will nicht, dass Papa einfach zufrieden mit mir ist. Ein Beispiel ist, weil er mir so immer wieder einen Beweis dafür liefert, dass er wirklich eklig ist, d. h. dass ich Recht habe. Ein weiteres Beispiel ist, weil dadurch die Verbundenheit zu meiner Mutter stärker spürbar war. Ich fühlte mich wie eine Verbündete meiner Mutter, gegen meinen Vater – und die Zeit, in der ich mit meiner Mutter allein war, wurde dann noch kostbarer. Ich hatte das Gefühl, ich bin dann näher an ihr, wenn mein Vater nicht mit mir zufrieden war. (... lange Pause ...) T : Magst du hören, welches Beispiel ich für mich gefunden habe? C : Ja, gerne. T : Mir fällt dazu ein, ich will nicht, dass mein Papa einfach zufrieden mit mir ist, da es mir selbst auch oft so schwer fällt, einfach zufrieden

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mit mir zu sein. Aus diesem Wissen heraus will ich für ihn auch nicht, dass er mit mir einfach zufrieden ist, wenn es ihm gar nicht möglich ist, wenn er gar nicht an diesem Punkt steht ... : Stimmt, und es geht sogar noch einen Schritt weiter. Wenn ich aus den Augen des achtjährigen Mädchens auf die Situation schaue, dann glaube ich, dass er gar nicht zufrieden mit mir sein kann, weil ich mich selbst doof finde. Ich finde doof, dass ich nichts behalte und verstehe ... nein, noch schlimmer finde ich an mir, dass mich das alles gar nicht interessiert. Ich bin selbst überhaupt nicht zufrieden mit mir und habe tatsächlich die Idee, dass er gar nicht zufrieden mit mir sein kann. : Und dann willst du in diesem Moment auch gar nicht, dass er zufrieden mit dir ist? : Ja genau! Das ist mir in der Situation zwar nicht bewusst, aber ich weiß, dass ich es schlimm finde, dass mich das alles nicht interessiert, denn ich glaube ihm, dass es wichtig ist, diese Dinge zu wissen. Ich habe ihm das wirklich geglaubt und will nicht, dass er einfach zufrieden mit mir ist, wenn ich es doch selbst nicht bin und sein kann. : Wie lautet die nächste Umkehrung? : Ich will, dass ich einfach zufrieden mit mir bin. In dieser Situation würde ich gerne denken, dass es okay ist, wie ich bin, würde ich gerne zufrieden mit mir sein, auch wenn ich die Antwort nicht weiß, auch wenn mich das Ganze nicht interessiert. Diese Umkehrung ist auf jeden Fall wahr. Ein weiteres Beispiel ist, ich will, dass ich einfach zufrieden mit mir bin, weil diese Versteckerei so anstrengend ist. Ich würde mich gerne ganz zeigen, so, wie ich halt wirklich bin und nichts zurückhalten müssen. Ich will nicht unzufrieden mit mir sein, wenn mir in dieser Abendessen-Situation der Salzstreuer oder die Teetasse umfällt ... Und ein letztes Beispiel ist, ich will in dieser Situation einfach zufrieden mit mir sein, mit dem, was in meinem Kopf vorgeht, auch wenn es sich

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nicht um Mathematik dreht, wenn ich einfach irgendwelche kindlichen Geschichten erzählen möchte. : Hast du noch eine Umkehrung? : Ja, ich will, dass ich einfach mit meinem Papa zufrieden bin. : Ja, und wie ist das wahr in dem Moment, bei dem Abendessen? : Ich will ihn gar nicht gerne als gegnerischen Krieger sehen, sondern möchte gerne einfach nur zufrieden mit meinem Papa sein und gemeinsam mit ihm und meiner Mutter zu Abend essen. Was mir noch einfällt ist, es war ja nun die Geschichte, dass ich quasi alles doof finden muss, die Aufgaben, seine Rumbrüllerei ... Ich will aber gar nicht, dass ich diese ganzen Aufgaben und seine Fragen doof finden muss. Es gab auch immer eine Stelle in mir, die ihn dafür bewundert hat, dass er all diese Dinge weiß und dass er sie mir beibringen kann – und dafür möchte ich einfach nur gerne mit ihm zufrieden sein. Und ich möchte auch einfach mit meinem Papa zufrieden sein, weil wir dann eine komplette Familie sind und nicht nur Bündnisse gegeneinander.

Nr. 2: Ich will, dass Papa mich lobt. T C T C T

: Ja. Was steht als nächstes auf deinem Zettel? : Ich will, dass er mich lobt. : Ist das wahr, du willst, dass er dich lobt? : Ja! : Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, du willst, dass er dich lobt? C : Ja! T : Wie reagierst du, was passiert, wenn du glaubst, du willst, dass er dich lobt – und er tut es vielleicht nicht, in dem Moment, am Abendbrottisch? C : Ich habe das Gefühl, es ist etwas falsch mit mir. Ich bin nicht so, wie ich sein sollte. Es ist wieder dieses angespannte Gefühl da, und ich sitze wie auf heißen Kohlen. Ich will es meinem Papa wirklich recht

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machen, so dass ich einmal etwas höre wie z. B.: „Das hast du gut gemacht.“ : Wie behandelst du ihn, wenn du willst, dass er dich lobt, und er tut es vielleicht nicht? : Ich behandle ihn als Maßstab, wie einen Scharfrichter, bei dem es heißt: „Daumen hoch – hurra, ich darf weiterleben“, „Daumen runter – das ist mein Untergang, ich bin ein Nichts.“ Ja, das ist mein Gefühl gewesen. Er war einfach das Maß der Dinge. : Ja. Und wer wärest du in diesem Moment, wenn du das gar nicht glauben könntest, du willst, dass er dich lobt? Wer wärst du ohne den Gedanken? : Entspannter! In mir drin fährt etwas total runter. Ich bin wieder bei mir, und bin einfach so, wie ich bin. Ich bin dann viel zappeliger, viel kindlicher, viel sprudelnder, ohne Hintergedanken. Es gibt auch keine versteckten Fragen mehr, diese Fragen, ob ich das jetzt erzählen kann, ob das okay so ist, wie ich bin ... und das ist so ungewohnt. : Ja, nimm das einfach mal wahr ... wie sich das anfühlt, diese Zappeligkeit, diese Lebendigkeit ohne den Gedanken ... : Es ist alles unbedarft, alles ist zu meiner Unterhaltung da, alles, was da ist. Es ist sehr spaßig oder vielmehr interessant. Ich fühle mich gerade sehr an meine Tochter erinnert, an ihre Art. : Ja, der Gedanke kam mir auch gerade. Dann dreh den Gedanken doch einmal um: Ich will, dass er mich lobt. : Ich will nicht, dass er mich lobt. In der Situation beim Abendessen, wo ich die Antwort nicht weiß, ist es ja so, dass ich mich selbst auch nicht gut finde. Ich finde mich selbst blöd, und deshalb will ich hier auch nicht, dass er mich lobt. Also, ich denke, ich habe es nicht verdient, dass er mich lobt. : Wie ist es noch wahr, dass du nicht willst, dass er dich lobt? : Ich will nicht, dass er mich lobt, in dieser Situation, wenn er es nicht kann, wenn er das Bedürfnis nicht hat, weil ich sofort mitbekomme, wenn es nicht ehrlich gemeint ist. Und ich will nicht, dass er mich lobt, wenn ich das selbst nicht tun kann. Dann glaube ich es ihm

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auch nicht. Selbst wenn ich durch einen Trick geschafft hätte, die richtige Antwort zu wissen und er mich deshalb gelobt hätte – und es gab ja Situationen, wo ich etwas versucht habe, eine vernünftige Antwort geben konnte und eine positive Reaktion meines Vaters kam –, selbst dann war ich nicht glücklich damit. Also, wenn ich selbst mich nicht authentisch für etwas loben kann, dann will ich auch nicht, dass er mich lobt. : Das bringt uns zur nächsten Umkehrung ... : Ich will, dass ich mich lobe. : Und wie ist das wahr? : Das ist ähnlich wahr wie der Satz: „Ich will, dass ich mit mir zufrieden bin“ ... einfach nur zufrieden bin. Ich habe gerade gespürt, wie gut es tut, wenn ich mich einfach so nehmen kann, wie ich bin und mich dafür auch loben kann – wenn es ausreicht, einfach nur zu sein. Das ist genug! In der Situation will ich, dass ich mich dafür lobe, dass ich immer wieder probiere, diese blöden Aufgaben zu rechnen, obwohl es mich nicht interessiert. Als letztes Beispiel fällt mir ein, ich will, dass ich mich dafür lobe, dass ich immer nur versucht habe, meinem Vater zu gefallen und ihm dadurch nah zu kommen. : Und welche Umkehrung gibt es noch? : Ich will, dass ich ihn lobe. : Und wie ist das wahr – in der Situation? : Wenn ich ihn lobe in dieser Situation, z. B. für sein großes Wissen, das er hat, dann bringt mich ihm das allein gefühlsmäßig schon sehr viel näher, als wenn ich ihn innerlich ständig abwerte. : Und in dem Moment, in dem er Dich abfragt ... : Ich will ihn in dieser Situation dafür loben, dass er mir, seiner Ansicht nach, etwas sehr Wichtiges vermitteln und etwas Gutes mitgeben möchte fürs Leben ... ob ich das nun in dem Moment verstehe oder nicht ... Ich will ihn dafür loben, dass er sich in dieser Situation auf seine ganz eigene Art und Weise um unser Familienleben bemüht ...

etwas schwer zu erkennen für ein achtjähriges Mädchen, aber ja, so war es ... Nr. 3: Papa sollte mich nicht abfragen. T C T C T C T C

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: Magst du den nächsten Satz bei Punkt 3 des Arbeitsblattes einmal vorlesen? : Papa sollte mich nicht abfragen. : „Papa sollte dich nicht abfragen.“ – ist das wahr, in der Situation beim Abendessen? : Ja. : Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist: „Er sollte dich nicht abfragen“? : Nein. : Wie reagierst du, was passiert, wenn du glaubst, „Er sollte dich nicht abfragen“, und er tut es? : Körperlich bin ich wieder sehr angespannt, ich bin verkrampft und stecke in dieser Geschichte fest, mein Vater sollte nicht tun, was er gerade tut. Mein Fokus ist auf Ablenkung ausgerichtet. Ich bin überhaupt nicht bei ihm und den Fragen, sondern nur bei dem Gedanken, dass er mich jetzt gerade nicht abfragen sollte. : Und in wessen Angelegenheiten bist du, wenn du glaubst, „Er sollte dich nicht abfragen“? : Ich bin in seinen Angelegenheiten und kümmere mich nicht um meine. : Bringt der Gedanke „Er sollte dich nicht abfragen“ Frieden oder Stress in dein Leben? : Es ist total stressig ... Und jetzt spüre ich erst wirklich, wie sehr ich in seinen Angelegenheiten bin. : Ja, es ist seine Angelegenheit. Und was du daraus machst und wie es dir damit geht, das sind deine Angelegenheiten. Jetzt schau mal, wer bist du in dem Moment ohne den Gedanken „Er sollte dich nicht abfragen“?

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: Ich bin bei mir und habe eine Chance, meinen Vater überhaupt zu hören. Genau, ich habe eine Chance zu hören, dass er eine Frage stellt und merke, dass ich die Möglichkeit habe zu antworten – entweder kann ich die Frage beantworten oder ich kann sagen „Ich weiß es nicht“ oder was auch immer. Und keine dieser vielen möglichen Antworten ist besser oder schlechter als die andere. Sehr spannend. T : Dann dreh den Gedanken um: „Papa sollte mich nicht abfragen.“ C : Die 1. Umkehrung ist: Papa sollte mich abfragen. Er sollte mich abfragen, weil es tatsächlich seine Angelegenheit ist, ob er es tut oder nicht. Wenn er mir eine Frage stellen möchte, dann sollte er es tun ... (... lange Pause ...) T : Magst du hören, was mir dazu einfällt? C : Ja. T : Mein Vater sollte mich abfragen, weil er gute, wichtige und relevante Dinge fragt. Weil er denkt, dass es wichtig ist, diese Dinge zu wissen, und dass es mein Leben erleichtert, wenn ich sie weiß. C : Ja, das stimmt. T : Er sollte mich abfragen, wenn es seine Art ist, mit mir in Kontakt zu treten und mit mir zu sprechen, im Austausch zu sein, es ist sein Stil ... C : Ja, das stimmt. Ich habe dadurch Kenntnisse gewonnen, die ich teilweise heute noch abrufen kann ... 50 Kilo sind ein Zentner, gut was?! T : Siehste, ich hätte es nicht gewusst! (beide lachen) C : Und ja, es stimmt auch – in dieser Zeit war das seine Art und Weise, an meinem Leben Interesse zu zeigen ... und ich merke gleichzeitig, dass ich an diesem Punkt doch noch ein bisschen in der Story stecke ... T : Ja, und wenn dies ein freundliches Universum ist – wie könnte es dann das Beste sein, das dein Vater dich abfragt beim Abendessen? Wie ist es das Beste für dich, das Beste, was dir passieren kann? C : Im Zuge der ganzen stressvollen Geschichte, die ich mit meinem Vater hatte, hat diese Abendessen-Abfrage-Geschichte natürlich auch dazu beigetragen, dass unser Verhältnis so positiv, zugewandt und

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verständnisvoll ist, wie ich es heute empfinde. Wenn ich mit diesem Blick darauf schaue, dann ist es auf lange Sicht das Beste, was mir passieren konnte, dass er mich damals abgefragt hat ... und dass ich jetzt hier sitze und diese ganzen stressigen Sätze hinterfrage ... und damals in dem Moment ... war es das Beste, was mir passieren konnte, da ich dadurch ein sehr enges Verhältnis zu meiner Mutter entwickelt habe. Es hat uns näher gebracht. : Okay, hast du noch eine Umkehrung? : Ich sollte mich nicht abfragen. In der Situation sollte ich mich nicht vorher schon abfragen, also mich nicht schon vor jedem Abendessen mit dieser Geschichte beschäftigen und sie mir tausendmal im Kopf erzählen. Ich sollte mich nicht abfragen ... Ich sollte mir diese ganzen Ablenkungsfragen, wie z. B.: „Wie komme ich bloß um das Thema herum?“, „Was könnte ich noch erzählen?“, nicht stellen, die mich vom Eigentlichen abhalten, nämlich, wie es mir in dem Moment gerade wirklich geht. Diese Fragen halten mich davon ab, mich um meine Angelegenheiten zu kümmern. Ich sollte mir auch nicht diese ganzen Zweifel-Fragen stellen, die ich mir im Nachhinein oft gestellt habe, z. B.: „Vielleicht stimmt ja tatsächlich etwas nicht mit mir?“, „Vielleicht ist etwas falsch an mir?“, bis hin zu „Vielleicht bin ich in der ganz falschen Familie gelandet?“, „Vielleicht sind das gar nicht meine Eltern?“ Ja, das stimmt – ich sollte mich nicht infrage stellen! : Gut, wie lautet die nächste Umkehrung? : Ich sollte meinen Vater nicht abfragen. Ich sollte seine gute Absicht mir gegenüber nicht infrage stellen. Das heißt für mich auch, dass ich seine Motive nicht negativ hinterfragen sollte, also, dass ich an seiner Liebe zu mir zweifle ... Und es stimmt auch in dem Sinne, dass ich seine Kenntnisse nicht abfragen sollte. Denn das habe ich früher innerlich, sozusagen als Rache für sein Abfragen, getan. Und ihn damit sehr abgewertet, z. B. mit negativen Gedanken wie: „Er kann ja noch nicht mal Englisch“, und:

„Was hat er denn für einen Schulabschluss? Er hätte das Gymnasium ja nie geschafft.“ Nr. 4: Ich brauche von Papa, dass er mich liebt, wenn ich etwas nicht kann. T C T C T C T C T C

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: Gut. Dann lass uns übergehen zu Punkt 4 deines Arbeitsblattes. : Ich brauche von Papa, dass er mich liebt, wenn ich etwas nicht kann. : Ist das wahr, du brauchst von Papa, dass er dich liebt, wenn du etwas nicht kannst? : Ja. : Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist, du brauchst von ihm, dass er dich liebt, wenn du etwas nicht kannst? : Aus der Sicht der Achtjährigen, ja! : Und aus der Sicht der Achtjährigen, wie reagierst du, wenn du glaubst, du brauchst, dass er dich liebt, wenn du etwas nicht kannst? : Dann setzt ein ganzer Mechanismus ein, es ihm recht machen zu wollen. : Wie fühlt sich das an, wenn du glaubst, du brauchst, dass er dich liebt? : Absolut anstrengend und energieraubend. Ich muss mich verstellen, muss Dinge von mir verstecken. Ich kann nicht im Moment sein. Ich bin sehr angespannt und auf der Hut. Ich muss quasi wie ein Hellseher sein, vorausahnen wie ein Gedankenleser, was der andere möchte. : Wie kannst du das in deinem Körper wahrnehmen, welche Gefühle breiten sich in deinem Körper aus, wenn du glaubst, du brauchst, dass er dich liebt, wenn du etwas nicht kannst? : Es ist ein Ziehen im Körper, in der Herzgegend ... ein Leeregefühl. Es ist eine Sehnsucht nach seiner Liebe. Emotional merke ich gerade, dass sich Traurigkeit ausbreitet, ein Gefühl von Verlorenheit.

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: Die kleine Achtjährige, wer wäre sie in dem Moment ohne den Gedanken, ich brauche von Papa, dass er mich liebt, wenn ich etwas nicht kann? C : Ich komme in meinen Körper zurück, mein Blick wird klar, ich kann ihn sehen. Ich kann meinem Vater erst einmal wieder ins Gesicht, in die Augen sehen. Ohne den Gedanken bin ich viel näher an ihm dran. Ohne den Gedanken sehe ich auch, dass er etwas weiß und mir etwas erklären kann. Ich muss ihn bloß fragen. – Komischerweise habe ich plötzlich auch eine Gewissheit, er wird mir Dinge erklären, eben weil er mich liebt. Es hat gar nichts damit zu tun, ob ich etwas weiß oder nicht. T : Dann kehr den Gedanken einmal um: „Du brauchst von Papa, dass er dich liebt, wenn du etwas nicht kannst.“ C : Ich brauche nicht, dass Papa mich liebt, wenn ich etwas nicht kann. (... lange Pause ...) T : Und – hast du es überlebt, bist du erwachsen geworden? C : Äh, ja! Offensichtlich habe ich es nicht gebraucht, dass er mich liebt, wenn ich etwas nicht kann. Und gerade habe ich verstanden, dass ich es nicht brauche, von ihm geliebt zu werden, wenn ich etwas nicht kann, weil er es so oder so tut. Er liebt mich, ob ich etwas kann oder nicht. Die Verknüpfung zwischen Nicht-Können und Nicht-Lieben ist plötzlich aufgelöst. Diese Verknüpfung ist völlig absurd. Wenn sie tatsächlich wahr wäre, hätte ich überhaupt keine Chance auf Liebe von meinem Vater, denn ich kann natürlich ganz viele Dinge nicht. Ich kann z. B. kein Chinesisch, ich kann nicht steppen o.ä. – und ja, es stimmt, ich brauche es nicht von meinem Vater, dass er mich liebt, wenn ich kein Chinesisch kann ... T : Und wie lautet die nächste Umkehrung? C : Ich brauche von mir, dass ich mich liebe, wenn ich etwas nicht kann. Ja, das brauche ich auf jeden Fall. T : In der Situation, ganz konkret, wie und wo brauchst du es, dass du dich liebst, wenn du etwas nicht kannst?

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: Ich brauche es, um bei mir zu bleiben, um ehrlich sagen zu können, was in diesem Moment meine Bedürfnisse sind. Und ich brauche es, dass ich mich liebe, wenn ich etwas nicht kann ... (... lange Pause ...) T : Magst du ein Beispiel von mir hören? C : Ja ... T : In diesem Moment, wenn ich ratlos da sitze und keine Antwort auf die Fragen weiß und vielleicht sogar den Gedanken habe, dass ich dumm bin, genau dann brauche ich es, dass ich mich liebe, dass ich an mich glaube, auch, wenn ich etwas nicht kann. Dann brauche ich es am allermeisten, dass ich mich selbst in den Arm nehme. C : Ja, das stimmt sehr – ich brauche es in dem Moment auch, dass ich mich liebe, weil ich dadurch auch ein bisschen zum Spiegelbild für meine Eltern werden kann, denn ich glaube, dass Selbstliebe aus- und zurückstrahlt. T : Ja, und wie lautet die dritte Umkehrung? C : Ich brauche, dass ich ihn liebe, wenn ich etwas nicht kann. Ich brauche, dass ich ihn liebe, um begreifen zu können, dass die Verknüpfung zwischen Nicht-Können und Nicht-Lieben wahrhaftig nicht besteht. Damit ich erkennen kann, dass ich meinen Vater liebe, obwohl er kein Englisch kann oder keinen Schulabschluss hat. Ich brauche, dass ich ihn liebe, wenn ich etwas nicht kann, aber auch, wenn er etwas nicht kann. T : Ja, und wie ist es wahr, dass du es brauchst, wenn du etwas nicht kannst? C : Ich brauche es, dass ich ihn liebe, weil ich dann die Verbindung nicht zu ihm verliere. Ich kann ihn dann viel leichter etwas fragen und mit ihm sprechen. Ich brauche es, dass ich ihn liebe, wenn ich etwas nicht kann, weil ich überhaupt nicht anders kann. Er ist mein Vater, er gehört ganz grundsätzlich zu meiner Sippe, und ich liebe ihn.

Nr. 5: Mein Vater ist furchteinflößend, ein Zerstörer, ein Fremdkörper, diktatorisch, gefühllos, ein brüllendes Monster. T C T C

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: Gut. Dann lass uns zu Punkt 5 des Arbeitsblattes übergehen. Was hast du da geschrieben? : Mein Vater ist furchteinflößend. : Und wie ist es wahr, dass du furchteinflößend bist? : Ich bin meiner Tochter gegenüber furchteinflößend gewesen, als ich sie eines Morgens furchtbar angebrüllt habe, weil sie meiner Ansicht nach sehr getrödelt hat und sich nicht anziehen wollte, um rechtzeitig in die Kita zu gehen. : Und wie bist du furchteinflößend in Bezug auf deinen Vater? : Ich glaube, ich war furchteinflößend in der Phase, als meine Gefühle für meinen Vater komplett verschüttet waren, ich ihn sehr kalt, hart und abweisend behandelt habe und keinen Kontakt mehr zu ihm wollte. : Und was ist für dich das Gegenteil von furchteinflößend? : Mein Vater ist vertrauenserweckend. : Und wie ist das wahr? : Mein Vater war vertrauenserweckend, wenn man sich verletzt hatte oder einen Unfall hatte. Er ist Rettungssanitäter und wusste / weiß immer genau, was zu tun war. Das weckte Vertrauen. : Was steht als Nächstes auf deinem Blatt? : Mein Vater ist ein Zerstörer. : Und wo bist du ein Zerstörer? : Ich bin ein Zerstörer in meinen Gedanken und Geschichten, die ich über meinen Vater hatte bzw. habe. Ich habe fast unsere Beziehung zerstört, indem ich keinen Kontakt mehr haben wollte und ihn als den Zerstörer verurteilt habe. : Was ist das Gegenteil von Zerstörer für dich? : Mein Vater ist ein Erbauer. : Und wie stimmt das? : Mein Vater ist Maurer, er hat unser Haus, unser Zuhause gebaut. : Und in der Beziehung zu Dir, wie ist er da ein Erbauer?

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: Na ja, ohne ihn gäbe es mich nicht. In gewisser Weise hat er mich genetisch mit erbaut. – Es stimmt auch in Bezug auf unsere Verbindung: Wir sind immer dran geblieben, ich auf meine Art und er auf seine Weise! : Hm und was steht als nächstes auf deiner Liste? : Mein Vater ist ein Fremdkörper. : Wie ist es wahr, dass du ein Fremdkörper bist? : Ich habe mich in meiner Familie tatsächlich selbst oft wie ein Fremdkörper gefühlt und hatte Gedanken, wie: „Ich gehöre hier nicht hin“, oder auch: „Ich will gar nicht zu ihm gehören.“ : Und was ist das Gegenteil von „Fremdkörper“? : Mein Vater ist zugehörig ... : Wie oder wo ist er zugehörig? : Er ist zugehörig zu mir. Er hat alles dafür getan, dass wir, unsere Familie, immer noch zusammen sind, trotz aller Trennungsgedanken und -geschichten. : Was steht als Nächstes da? : Mein Vater ist diktatorisch ... Wo bin ich das? Ja, ich bin oft in meinem Denken meinem Vater gegenüber diktatorisch. Ich habe schon so oft gedacht, er sollte anders sein, anders handeln – und indem er nicht so gehandelt hat, wie ich wollte, habe ich ihn als Fremdkörper verurteilt und behandelt – das ist ganz schön diktatorisch. : Und das Gegenteil? : Er ist demokratisch. : Und wo ist er demokratisch? : Er hat mir oft die Freiheit gelassen, mich selbst zu entscheiden. Er hat sehr deutlich gemacht, wie seine Entscheidung ausfallen würde, aber er hat mich nicht gezwungen, mich ebenfalls so zu entscheiden. Dort, wo ich häufig gedacht habe, er will mich in etwas hineindrängen und ich hätte keine Wahl, hatte ich grundsätzlich die Möglichkeit einer freien Entscheidung – ich habe es nur oft nicht gesehen. : Hast du noch etwas auf deiner Liste?

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: Er ist gefühllos. Wo bin ich gefühllos? – Ja, das habe ich schon erwähnt. Ich habe eine ganze Zeit lang meine Gefühle für ihn völlig unterdrückt und war ihm gegenüber sehr kalt. Es schien, als seien die Gefühle für ihn weg. ... Und wo ist er gefühlvoll? Ja, in der Situation kann ich nun sehen, dass mein Vater dort voller Gefühle ist. Der letzte Satz in der Liste lautet: Er ist ein brüllendes Monster. : Wo bist du das? : Ja, es gibt mehrere Gelegenheiten, in denen ich ihn angebrüllt habe, in denen ich das brüllende Monster war. Eine davon liegt ungefähr drei Jahre zurück. Da habe ich ihn in einem nächtlichen Streit-Marathon so angebrüllt, dass ich danach Halsschmerzen hatte. : Und was ist für dich das Gegenteil von einem brüllenden Monster? : Mein Vater ist ein stiller Fels. : Und wie ist das wahr? : Es gab in der Abfrage-Abendessen-Situation tatsächlich immer irgendwann einen Punkt, da sagte mein Vater überhaupt nichts mehr. Das war zwar nicht immer angenehm, aber da hatte ich oft das Gefühl, innen passiert ganz viel, aber nach außen ist er ganz still, wie ein Fels, an dem man nicht mehr rühren kann. Das war mir als Kind, mit ganz vielen anderen Gedanken im Kopf, sogar manchmal unheimlich. Heute ist das anders – da sehe ich häufig diesen stillen Felsen mit einem reichen Innenleben.

Nr. 6: Ich will nie wieder das Gefühl haben, ein Nichts zu sein, weil ich etwas nicht kann. T

: Dann lass uns einmal den Punkt sechs des Arbeitsblattes anschauen. Was hast du geschrieben? C : Ich will nie wieder das Gefühl haben, ein Nichts zu sein, weil ich etwas nicht kann. T : Ich bin bereit ...

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: Ich bin bereit, wieder das Gefühl zu haben, ein Nichts zu sein, weil ich etwas nicht kann. : Wie fühlt sich das an, das zu sagen? : Das Nichts hat nicht mehr die Bedeutung von „ich bin klein“, sondern plötzlich sind diese negativen Bewertungen weg. Ja, deshalb bin ich gerne bereit dazu, ein Nichts zu sein – sozusagen wie eine frische Festplatte, die man neu bespielen kann. Der Satz bekommt eine ganz neue Bedeutung für mich. Und ich bin auch bereit dazu, weil ich dann nachfragen kann und offen für Neues bin. Das Nichts fühlt sich auf diese Weise recht attraktiv an. : Dann schau doch mal, wie es ist zu sagen, ich freue mich darauf ... : Ich freue mich darauf, wieder das Gefühl zu haben, ein Nichts zu sein, weil ich etwas nicht kann. – Gerade kam mir der Gedanke, dass ich mich darauf freue, ein Nichtsnutz zu sein, weil ich etwas nicht kann ... Ich habe plötzlich eine innere Referenz dafür, dass ich nicht gezwungen bin, zu etwas nütze zu sein. Ich darf auch völlig nutzlos sein ... ein unbeschriebenes Blatt ... unschuldig, wie ein Kind ... Ich darf einfach nur sein. Ja, und ich freue mich darauf, weil es auch eine gute Erinnerung ist, das „etwas Nichtkönnen“ von dem Gefühl „nutzlos sein“ zu entkoppeln. Daran möchte ich gerne immer wieder erinnert werden! : Claudia, ich danke dir für diese Work.

Kommentar zu Claudias Work Dies war, wie in Kapitel 3 auch, eine Work über ein komplettes Arbeitsblatt. Es mag ein zeitaufwändiger und intensiver Prozess sein, aber wenn ich die Wahl habe, worke ich persönlich gerne ein komplettes Arbeitsblatt zu einem Stressthema anstelle eines einzelnen Satzes. Da ist es ähnlich wie beim körperlichen Yoga oder beim Sport. Eben mal fünf Liegestütze machen ist sicher besser als gar nichts. Und ich bevorzuge eine Abfolge von mehreren Übungen, damit jede Körperpartie gefordert und gestärkt wird und ich nicht den Bauch oder Rücken vernachlässige. Das

Arbeitsblatt mit seinen sechs unterschiedlichen Fragen ist so genial von Byron Katie durchdacht, dass wir damit unser Stressthema von den unterschiedlichsten Seiten beleuchten können. Jeder Fragetyp auf dem Blatt zielt auf eine bestimmte Facette ab, auch wenn es auf den ersten Blick redundant erscheinen mag. Sie müssen am Ende auch nicht jeden einzelnen Satz zu einer Frage worken, aber gerne zu jeder Frage des Arbeitsblattes einen Satz. Picken Sie sich dabei, so wie Claudia und ich auch, die Sätze mit der stärksten Ladung heraus. Vielleicht haben Sie bei Claudias Work bemerkt, dass ich immer dieselben Fragen im gleichen Wortlaut gestellt habe. Das zeugt nicht von mangelnder Fantasie, sondern ist absichtlich so gehalten. Das Arbeitsblatt und die Fragen und Umkehrungen sind die feste Struktur von The Work, den Rest füllt der Befragte mit seinem Verstand aus. The Work ist ein sicheres Vehikel, das wir nutzen können, um in unser Inneres zu reisen. Wenn wir The Work anwenden, finden wir zu unserer eigenen Weisheit und Wahrheit. Bei der Begleitung erlaube ich mir deshalb auch keinen Freestyle, keine Abweichung von The Work. Ich vertraue auf die Wirkung der Fragen und die Weisheit meines Gegenübers. Was nutzt es meinem Gegenüber, wenn ich versuche, ihm meine Wahrheit, also meine Sicht der Dinge aufzudrängen? Ich kann ihm das zwar anbieten, und das tue ich auch manchmal, aber der andere braucht das nicht wirklich von mir. In den vielen Works, die ich begleitet habe, habe ich mit diesem „puristischen“ Vorgehen die besten Erfahrungen gemacht. Ebenso schätze ich, wenn ich selbst begleitet werde, die pure Work ohne weiteren Schnickschnack. Ohne „Ich habe hier noch eine Empfehlung oder einen Ratschlag für dich“ oder „Hast du schon einmal Reiki oder was auch immer ausprobiert? Mir hat das bei dem Problem total geholfen“. Wenn uns bei der Begleitung Ratschläge auf der Zunge liegen, sind sie in dem Moment eigentlich mehr für uns bestimmt als für den anderen. Wie bei den Umkehrungen auch, kann ich den Tipp oder meine Empfehlung für den anderen direkt zu mir umkehren.

Der Verstand denkt manchmal, die Methode sei zu einfach, um zu funktionieren und auch nachhaltig etwas zu bewirken. Es müsse schwer und mühselig sein, Veränderungen zu bewirken, darum brauche es auch eine aufwändige und komplizierte Methode. Oder es brauche einfach viel Zeit, damit sich etwas ändern kann. Kann es nicht auch schnell und mit einfachen Mitteln möglich sein, etwas mit neuen Augen zu betrachten? Eine Veränderung zu spüren? Ist es nicht das, wonach wir uns eigentlich sehnen? Eine leicht zu verstehende und einfach anzuwendende Gebrauchsanweisung für unseren Verstand. Mit The Work haben wir genau so etwas an die Hand bekommen. Hat diese Work über ein längst vergangenes Ereignis bei Claudia irgendetwas bewirkt? Kann sie nach dieser Work die Situation mit anderen Augen betrachten? Vielleicht haben Sie in ihrer Work mitverfolgen können, wie sie die Situation mit der Abfragerei und ihrem Vater durch die Befragung mehr und mehr mit einem neuen und auch milderen Auge betrachten konnte. Die Situation hat sich die ganze Zeit über nicht verändert, der Vater hat sie beim Abendbrot abgefragt. Was sich allerdings verändert hat, ist Claudias Wahrnehmung und Bewertung. An einer Stelle sagt Sie über ihren Vater: „Er ist mein Vater, er gehört ganz grundsätzlich zu meiner Sippe, und ich liebe ihn.“ Das in dieser ehemals stressvollen Situation zu erkennen wäre für Claudia vor der Work nicht vorstellbar gewesen. Ob eine Work über die Eltern Wirkung zeigt kann man wunderbar testen, indem man sie für ein paar Tage besucht. Wie lange braucht es dieses Mal, bis die Eltern die alten Knöpfe drücken und man als erwachsener Mensch wieder auf ein Kleinkindalter regrediert? Martina setzte sich ein paar Monate nach ihrer Work über Ostern dieser Feuerprobe aus und bemerkte, dass ihr alter Groll nicht mehr so spürbar war. Sie berichtete mir außerdem, dass sie den beruflichen Werdegang ihres Vaters mehr anerkennen konnte und ihm das auch mitgeteilt habe. Das sei neu für Claudia, war sie doch früher eher sparsam mit wertschätzenden Worten gegenüber ihrem Vater.

Die alte Angst, Claudia könne heute als Erwachsene etwas Falsches sagen, sei immer noch da, aber sie probiere mehr aus und traue sich auch mal, einfach drauf los zu reden. Außerdem sei bei ihr die Erkenntnis durchgesickert, sie könne es eh nicht allen recht machen, was sie als sehr beruhigend empfand.

4.4 Raus aus der Komfortzone „Nicht dort, wo du es schon zur Meisterschaft gebracht hast, sollst du dich weiter erproben, sondern dort, wo es dir an solcher Meisterschaft mangelt.“ Chinesische Weisheit Lang gehegte Überzeugungen über andere oder sich selbst zu hinterfragen ist nicht immer angenehm und kann vor allem schwerfällig sein. Wir verlieren dadurch womöglich gewohnte und lieb gewonnene Strukturen und verlässliche Routinen. Claudia hatte in ihrer Work über ihren Vater manches Mal mit sich zu kämpfen. Sie meinte selbst, es wäre eine schwere Geburt für sie gewesen, das Arbeitsblatt über ihren Vater zu worken. Es wäre ein so ungewohntes, fremdes gedankliches Terrain gewesen, worauf sie sich einlassen musste. Warum sollte man dieses unbequeme Wagnis eingehen? Weil man dafür entlohnt wird! Es gibt ein sehr hilfreiches Modell, das ich in fast allen Seminaren und Coachings vermittle, wenn es darum geht, das Thema Veränderung zu veranschaulichen. Ich kenne leider den Urheber dieses einfachen und zugleich sehr plausiblen Modells nicht. Laut diesem Modell gibt es drei Zonen, in denen wir uns mental oder auch handelnd aufhalten können: Der Kern, die Komfortzone, ist der Bereich, in dem wir uns wohl fühlen. Dort können wir uns auf unsere gewohnten Routinen verlassen und alles läuft nach einem vertrauten Schema F. Ob es

der Tatort ist, den wir jeden Sonntag schauen, der immer gleiche Aufstrich auf der Frühstücksstulle oder dasselbe Urlaubsdomizil seit Jahren, in der Komfortzone gibt es nicht viel Neues. Das ist auf der einen Seite sehr entlastend und entspannend. Es fühlt sich vertraut und wohlig an. Wir können uns da richtig reinlümmeln und loslassen. Aber diese Idylle hat auch einen kleinen Nachteil, es kann ziemlich langweilig werden im Schoße der Komfortzone. Hier kann ich kein Abenteuer erwarten, keine Innovation oder Wachstum. Mit den Gedanken ist es nicht anders, die Komfortzone beinhaltet die immer gleichen Gedankenabfolgen. Unhinterfragte Automatismen, Urteile und vermeintliche Wahrheiten über einen selbst, andere und die Welt. Manche Menschen haben übrigens eine ziemlich beengte Komfortzone, sowohl mental als auch real. Ich habe mit Klienten gearbeitet, die nur mit großer Überwindung in der Lage waren, ihre Wohnung zu verlassen. Der einzige Ort, wo sie sich sicher und komfortabel gefühlt haben, war ihr Zuhause. Ein ziemlich beschränkter Aktionsradius in einer geschrumpften Komfortzone. Die mentale Komfortzone befindet sich dort, wo ich starr an meinen Konzepten festhalte und der Verstand überzeugt ist, dass er weiß, wie der Hase läuft. Wie kommt jetzt Leben in die Komfortzone? In dem wir einen Schritt wagen, rein in die Stretchingzone. Wir merken sofort, dass wir uns dahin begeben, weil z. B. unser Puls schneller geht oder unser Herz rast. Die Stretchingzone ist ungewohnt, eine Herausforderung, denn unsere herkömmlichen Routinen greifen nicht mehr. Wir lassen uns auf unwegsames Gelände ein und müssen uns überraschen lassen, was passiert. Aber wir werden auch entlohnt für unseren beherzten Sprung in die Stretchingzone, denn dort findet Wachstum statt. Dort haben wir die Möglichkeit, über uns hinauszuwachsen, uns von unseren mentalen Ketten zu befreien. Die mentale Stretchingzone entspricht dem Verstand, der sagt: „Ich weiß nicht und ich bin offen, es herauszufinden“. The Work durchzuführen wird häufig als Stretchingzone empfunden. Auf der Handlungsebene würde das für jemanden, der Angst hat, sein Zuhause

zu verlassen, bedeuten, die Tür aufzumachen und nach draußen zu gehen. Dadurch könnte er die neue Erfahrung machen, dass es möglich ist und dass er es auch überlebt, sich außerhalb seiner gewohnten vier Wände aufzuhalten. Ja, wenn das so einfach wäre, würde es keine Menschen mehr geben, die Angst vor Höhe, weiten Plätzen, Spinnen oder was auch immer haben. Es würde keine Menschen mit Zwangsstörung und Kontrollwahn geben. Die Stretchingzone fordert Überwindung von uns, aber wir bekommen auch etwas: Selbstsicherheit, Stärke, Freiheit und eine größere Komfortzone. Die Stretchingzone mag für jedes Individuum sehr unterschiedlich ausfallen, für den einen beginnt sie an dem Punkt, vor zehn Leuten eine Referat zu halten, bei anderen beginnt sie erst, wenn sie vor 1000 Leuten eine Rede halten müssen. Was für alle Menschen aber gleich ist, ist das ungewohnte und unangenehme Gefühl in der Stretchingzone. Die Situation oder Überzeugung, die für uns eine Stretchingzone darstellt, ist austauschbar. Das, was für uns alle gilt, sind unsere subjektiven stressvollen Bewertungen über die Situation. Was uns gerne in der Komfortzone hält, ist ein kleiner netter Mitbewohner namens innerer Schweinehund. Er flüstert uns ins Ohr, dass es ganz bestimmt anstrengend, unangenehm oder peinlich wird, wenn wir etwas Neues wagen und dass wir lieber auf die kuschelige Komfortzone setzen sollten. Es gibt noch eine dritte Ebene, die Panikzone. Stellen Sie sich vor, Sie gehen mit jemandem, der Höhenangst hat, ohne Vorbereitung auf den Fernsehturm. So fühlt sich die Panikzone an. Es ist zu viel auf einmal und schadet eher, als dass es uns unterstützt. Haben wir einmal die Panikzone erlebt, tun wir meist alles, um dieses furchtbare Gefühl nicht mehr erleben zu müssen. Deshalb ist jemand, der Angst vor engen dunklen Räumen hat, da er dort einmal eine Panikattacke erlebt hat, bereit, viele Kilometer Umweg zu fahren, um nur nicht durch einen Tunnel zu müssen. Die Kunst besteht für uns Menschen darin, ehrlich zu spüren, ob wir noch in der Stretchingzone sind oder schon in der Panikzone. Man könnte sich ja auch selbst etwas vormachen, weil es so anstrengend ist, und sagen, dass das jetzt schon Panikzone ist, obwohl da noch etwas „Spiel“ wäre. In

homöopathischen Dosen schadet die Panikzone nicht. Manche stressvollen Gedanken oder ihre Umkehrungen können sich wie Panikzone anfühlen, da sie unsere Identität zu bedrohen scheinen oder wir befürchten, dass wir etwas für uns Wichtiges verlieren. The Work erscheint manchen radikal, da alte, lang gehegte Geschichten wie Sand in der Hand zerrieseln können. Wenn wir aufgrund von Erlebnissen zu dem Gedanken kommen „Mir wurde etwas angetan“ oder „Ich bin ein Opfer“, besteht die „Gefahr“, dass nach der Work kein Stein mehr auf dem anderen steht. Welche bequemen und vertrauten Gedanken tummeln sich bei Ihnen in der Komfortzone? Welcher unangenehmen Geschichte aus Ihrer Vergangenheit, z. B. über Ihren damaligen sadistischen Sportlehrer in der 6. Klasse, über einen gemeinen Mitschüler, über Ihre ältere Schwester glauben Sie noch blind? Manchmal ist es einfach Gewöhnung oder Bequemlichkeit, bestimmte Überzeugungen zu kultivieren. Dann müssen wir uns selbst nicht bewegen, nicht hinterfragen, können uns womöglich auf einem Opferstatus ausruhen. Von einem Opfer wird nicht viel verlangt, ein Opfer wird geschont, dem darf man nicht zu viel zumuten. Als Opfer darf man auch Ansprüche stellen. Wenn man sich als Opfer sieht, beraubt man sich selbst aber auch der Kraft, aktiv zu werden, für sich einzustehen. Man hält sich womöglich selbst klein. Was da hilft, ist den Verstand etwas zu stretchen.

Abbildung 7: Den inneren Schweinehund in Bewegung bringen.

4.5 Das Feld von hinten aufräumen „Was für ein herrliches Leben hatte ich! Ich wünschte nur, ich hätte es früher bemerkt.“ Colette Räumen Sie das Feld von hinten auf, indem Sie sich bewusst werden, was Sie heute im Hier und Jetzt davon abhält, glücklich und zufrieden zu sein. Welche Person oder welche Situation aus Ihrer Vergangenheit hält Sie heute noch gedanklich davor zurück, ein unbeschwertes, freies Leben zu führen? Byron Katie empfiehlt, mit The Work die gesamte Familie „abzugrasen“ und Arbeitsblätter über Mutter, Vater, Verwandte und Lehrer auszufüllen. Das ist der schnellste Weg, sich die Gegenwart von hinderlichem Gedankenballast freizuschaufeln. Falls Sie Inspiration brauchen, blättern Sie einmal in Ihren alten Fotoalben. Wenn Sie beim Anblick alter Fotos ein unangenehmes Gefühl beschleicht, sind Sie auf der richtigen Fährte. Was war an der Situation und den beteiligten Personen damals nicht in Ordnung? Ich lade Sie ein, Ihr vergangenes Leben vor Ihrem inneren Auge entstehen zu lassen. Vielleicht gibt es Stationen, die Sie erinnern, oder Begegnungen mit Menschen, die besonders hervorstechen? Diese Bilder lösen vielleicht auch eine Resonanz in Ihrem Körper aus, ein Gefühl. Und während Sie Ihre Zeitreise weiterführen, können Sie sich fragen, wo es eine Situation oder ein Erlebnis gab, bei dem Sie gemerkt haben, dass die Welt für Sie nicht in Ordnung ist. Wenn eine Situation auftaucht, nehmen Sie wahr, welche gefühlsmäßige Färbung diese Erinnerung in Ihnen auslöst. Geben Sie den Gefühlen den Raum, sich entfalten zu können. Welche Person ist in diesem Moment anwesend? Füllen Sie Ihr Arbeitsblatt über diese Person aus. Gehen Sie zurück in die Situation und füllen Sie aus der Perspektive des 5jährigen Jungen, des 8-jährigen Mädchens ein Arbeitsblatt aus: (Für das folgende Arbeitsblatt empfiehlt es sich, dafür zu sorgen, diese in Papierform vorliegen zu haben.)

Urteilen Sie über Ihren Nächsten 1. In dieser Situation, zu dieser Zeit und an diesem Ort: Wer ärgert, verwirrt oder enttäuscht Sie und warum? Ich bin Gefühl auf / wegen _____________________________, Name weil

Beispiel: Ich bin wütend auf Paul, weil er mir bezüglich seiner Gesundheit nicht zuhört.

2. In dieser Situation: Wie wollen Sie, dass er / sie sich ändert? Was wollen Sie, dass er / sie tut? Ich will, dass Name

Beispiel: Ich will, dass Paul sieht, dass er Unrecht hat. Ich will, dass er aufhört zu rauchen. Ich will, dass er keine Lügen mehr darüber erzählt, was er mit seiner Gesundheit macht. Ich will, dass er sieht, dass er sich umbringt.

3. In dieser Situation: Welchen Rat können Sie anbieten, um ihm / ihr zu helfen? Name sollte / sollte nicht

Beispiel: Paul sollte tief Luft holen. Er sollte sich beruhigen. Er sollte sehen, dass seine Handlungen mich und die Kinder ängstigen. Er sollte wissen, dass Recht zu haben es nicht wert ist, wieder einen Herzanfall zu bekommen.

4. Damit Sie in dieser Situation glücklich sein können: Was brauchen Sie, dass er / sie denkt, sagt, fühlt oder tut? Ich brauche von Name dass

Beispiel: Ich brauche von Paul, dass er mir zuhört. Ich brauche von ihm, dass er Verantwortung für seine Gesundheit übernimmt. Ich brauche von ihm, dass er meine Meinung respektiert.

5. Was denken Sie über ihn / sie in dieser Situation? Erstellen Sie eine Liste.

Name ist Beispiel: Paul ist unfair, arrogant, laut, unehrlich, völlig daneben und unbewusst.

6. Was ist es in dieser Situation, was Sie nie wieder erleben wollen? Ich will nie wieder

Beispiel: Ich will nie wieder erleben, dass Paul mich belügt. Ich will nie wieder sehen, wie er raucht und seine Gesundheit ruiniert. © 2011 Byron Katie International, Inc. Alle Rechte vorbehalten. http://www.thework.com/deutsch Rev. 16 Jul 2011

Befragen Sie anschließend Ihr Arbeitsblatt Satz für Satz. Sie können sich dabei selbst schriftlich begleiten oder jemand anderen bitten, Ihr Begleiter zu sein. Für die eigene schriftliche Begleitung stelle ich Ihnen nun einen Leitfaden vor, den Sie dazu nutzen können.

4.6 Sich selbst begleiten – eine schriftliche Meditation Wenn Sie gerade keinen Partner zur Hand haben, der Sie bei der Work begleitet, können Sie sich selbst dieser Partner sein. Wie Sie vielleicht schon in Kapitel 2 und 3 erlebt haben, können Sie sich selbst wunderbar begleiten. Hilfreich ist dabei, The Work schriftlich zu machen. Das bündelt

die Aufmerksamkeit und Sie haben Ihre Work nachher schwarz auf weiß. Beides ist von großem Vorteil. Gedanken verflüchtigen sich schnell wieder, gerade noch hatte man ihn und im nächsten Moment löst er sich auf. Für die schriftliche Work gibt es ebenfalls ein Arbeitsblatt von Byron Katie mit dem Namen „Untersuche eine Überzeugung“. Es navigiert Sie durch Ihre Work mit den 4 Fragen und Unterfragen und den Umkehrungen. Es ist wie ein Kochrezept, beantworten Sie einfach die Fragen, dann kommt am Ende eine Work raus. Der zweite Vorteil der schriftlichen Selbstbefragung ist, dass Sie Ihre Gedanken fixiert haben. Das ermöglicht Ihnen immer wieder zu dem Papier zurückzukehren und zu prüfen, ob der Gedanke noch „Ladung“ hat. Es ist wie eine Nachhaltigkeitssicherung, ob Ihre Work langfristig wirkt.

Vorlage: Untersuchen Sie eine Überzeugung Tragen Sie in der ersten Leerzeile einen belastenden Glaubenssatz über eine (lebende oder verstorbene) Person ein, der Sie noch nicht hundertprozentig vergeben haben (z. B.: „Er interessiert sich nicht für mich“ oder „Ich habe es falsch gemacht“). Untersuchen Sie diese Überzeugung dann schriftlich mit den folgenden Fragen und Umkehrungen (verwenden Sie zusätzliches Papier, falls nötig). Während Sie die Fragen beantworten, schließen Sie die Augen, seien Sie still und gehen Sie in die Tiefe, so lange Sie es auf sich wirken lassen. Die Überprüfung hört in dem Moment auf zu funktionieren, in dem Sie aufhören, die Fragen zu beantworten. Wie lautet Ihr Glaubenssatz:

1. Ist das wahr? 2. Können Sie mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist? 3. Wie reagieren Sie, was passiert, wenn Sie diesen Gedanken glauben?

a) Welche Gefühle tauchen auf, wenn Sie diesen Gedanken glauben (Traurigkeit, Angst, usw.)? b) Bringt dieser Gedanke Frieden oder Stress in Ihr Leben? c) Welche Bilder sehen Sie (Vergangenheit und Zukunft), wenn Sie den Gedanken glauben? d) Was für Süchte / Zwänge beginnen sich zu manifestieren, wenn Sie diesen Gedanken glauben (Alkohol, Einkaufen, Essen, Fernsehen)? e) Beschreiben Sie körperliche Empfindungen, die auftauchen, wenn Sie diesen Gedanken glauben. f) Wie behandeln Sie diese und andere Personen, wenn Sie diesen Gedanken glauben? g) Wie behandeln Sie sich selbst, wenn Sie diesen Gedanken glauben? 4. Wer wären Sie ohne den Gedanken? Schließen Sie Ihre Augen und beobachten Sie, lassen Sie es auf sich wirken. Wer oder was sind Sie ohne den Gedanken? Kehren Sie den Gedanken um. Beispiel einer Aussage: Er hat mich verletzt. Mögliche Umkehrungen: 1. Zu mir selbst. [Ich habe mich verletzt.] 2. Zum anderen. [Ich habe ihn verletzt.] 3. Ins Gegenteil. [a) Er hat mich nicht verletzt. b) Er hat mich unterstützt.] Und finden Sie drei echte, konkrete Beispiele, wie jede Umkehrung in dieser Situation für Sie wahr ist. © 2011 Byron Katie International, Inc. Alle Rechte vorbehalten. http://www.thework.com/deutsch Rev. 16 Jul 2011

4.7 Und was ist mit der Zukunft? „Die Vergangenheit ist im Grunde genommen ebenso ein Produkt der Phantasie wie die Zukunft.“ Jessamyn West Auch die Zukunft kann uns gehörig stressen. Wir antizipieren dass, was uns widerfahren ist oder was wir gehört haben, was anderen widerfahren ist, und vermiesen uns damit den Augenblick. Das eine ist, im Frieden zu sein mit dem, was war, das andere, offen zu sein für all das, was kommen mag. Die Zukunft kann sich nur zusammensetzen aus eigenen und vermeintlichen Erinnerungsschnipseln, Phantasien und Erzählungen anderer. Wir selber waren ja noch nie wirklich in der Zukunft. Wir sitzen vielleicht gemütlich auf unserer Couch und stellen uns vor, wie es wohl sein wird, wenn unser Partner uns mal verlassen wird. Wie es sein wird, keinen Job mehr zu haben oder was passiert, wenn die Weltwirtschaft zusammenbricht. Wie auch immer, all das sind nur Hirngespinste. Selten kommt es genauso, wie man es sich vorgestellt hat. Die Wirklichkeit hat ihre eigene Choreografie und wartet meist mit unerwarteten Dingen auf. So wie die schmerzvolle Vergangenheit bietet sich auch die angstbesetzte Zukunft an für eine Untersuchung mit The Work.

Fallbeispiel: Es gibt keinen Partner, der mich so annimmt, wie ich bin. Sarah hat die Sorge, dass sie keinen Partner findet, der sie einfach so annimmt, wie sie ist. Sie lebt momentan in einer Art Beziehung und hat diese Befürchtung sowohl bezogen auf den aktuellen Partner als auch auf einen zukünftigen potenziellen Partner. Sarah ist erfahren mit The Work.

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: Ist das wahr, jetzt in diesem Moment, es gibt keinen Partner, der dich so annimmt, wie du bist? : Ja. : Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass es wahr ist, es gibt keinen Partner, der dich so annimmt, wie du bist? : Nein. : Wie reagierst du, wenn du das glaubst, es gibt keinen Partner, der dich so annimmt, wie du bist? : Dann bin ich traurig, enttäuscht, fühle mich leer, unvollständig. Dann gehe ich in die Zukunft und denke, das wird immer so bleiben. Oder an ganz schlechten Tagen in die Vergangenheit und denke dann, das war noch nie so oder es war schon mal so, aber ich habe es verloren. Ich bin da sehr im Außen. Ich bin total fixiert auf diese Idee, einen Partner zu haben, bei dem das so sein könnte. Dann scanne ich die Männer, die mir begegnen, und frage mich, könnte das vielleicht ein Partner sein, der mich so annimmt, wie ich bin? Ist es vielleicht er? (Lachen). Ich bin total verkrampft und nicht bei mir. : Wie behandelst du potenzielle Partner noch, wenn du glaubst, es gibt keinen Partner, der dich so annimmt, wie du bist? : Oh weia, auf eine gewisse Art und Weise fordernd, weil ich das ja erwarte, dass mich dieser Partner bitteschön so annimmt, wie ich bin. Dann eben auch schnell enttäuscht, wenn ich dann meine, Anzeichen zu erkennen, dass es nicht so ist. Aber auch distanziert auf eine gewisse Art und Weise, weil ich ja Angst habe vor dieser Ablehnung und das schon wie voraussetzte, dass das passieren wird. Dann halte ich mich zurück, dann zeige ich mich nicht so, wie ich wirklich bin. Dann versuche ich das dem anderen irgendwie recht zu machen. Dann merke ich auch, wie ich versuche, die Anerkennung von dem anderen zu bekommen. Ich bin dem anderen gegenüber nicht authentisch. Wie behandle ich ihn? Ich zeige ihm nicht, was wirklich da ist. Und ich will irgendwas von dieser Person und das fühlt sich nicht wirklich gut an. : Wie gehst du mit dir selber um, wie behandelst du dich in dem Moment, wenn du glaubst, es gibt keinen Partner, der dich so annimmt,

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wie du bist? : Mit mir selber bin ich dann sehr kritisch. Das fängt beim Körper an, dass mir da alle möglichen Sachen nicht gefallen. Dann denke ich, ich müsste jetzt erst einmal 5 kg abnehmen und dann müsste ich dies und das und wenn ich das dann alles geschafft habe, kann mich jemand vielleicht so annehmen, wie ich bin. Also ich bin sehr kritisch in Bezug auf äußere Dinge, dann aber auch auf innere Qualitäten. Da denke ich, du musst jetzt noch ganz viel an dir selber arbeiten und wenn du dann alles gelöst hast, dann kann dich vielleicht jemand so annehmen, wie du bist. Nach dem Motto, wenn ich keine Probleme mehr habe, kann mich jemand so annehmen, wie ich bin (Lachen). Also ich habe unheimlich viele Erwartungen an mich und mache mir auch sehr viel Druck, was ich alles besser machen müsste, anders, wo ich noch nicht gut genug bin. Ich mache mir Leistungsdruck und dann behandle ich mich so unentspannt. Dann bin ich sehr ernst und nicht so lustig mit mir. Ich denke, ich muss ganz viel leisten. Das mache ich dann in der Regel auch, dann arbeite ich viel und mache andere Dinge, um mir selbst anzuerkennen, dass ich viel geleistet habe. : Wer wärst du jetzt, in diesem Moment, ohne den Gedanken, es gibt keinen Partner, der dich so annimmt, wie du bist? : Ruhig ... entspannt, ja auch bei mir in diesem Moment. Dankbar für alles, was ich schon habe, was da ist. Ja, vor allem dankbar. (Lächeln) : Wie gehst du mit potenziellen Partnern um ohne den Gedanken, es gibt keinen Partner, der dich so annimmt, wie du bist? : Ich hätte mehr Selbstvertrauen und wäre damit auch viel unabhängiger von einem potenziellen Partner. Dann könnte ich mehr bei mir sein, auch wenn ich im Kontakt bin mit dem anderen. Es wäre viel freier, weil ich dann von dem nichts brauche oder erwarte. Dann wäre ich in mir einfach sicherer. Und dann bestimmt auch eine angenehmere Gesellschaft für mich und für andere, wenn ich nichts brauche. : Dann dreh den Gedanken mal um, es gibt keinen Partner, der dich so annimmt, wie du bist? : Es gibt einen Partner, der mich so annimmt, wie ich bin.

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: Wie ist das wahr? : Die Person, die im Moment in meinem Leben ist, hat noch nie zu mir gesagt, du musst anders sein, damit ich dich annehmen kann. Mit dem letzten Partner, mit dem ich ja sehr lange zusammen war, war das auch so, der hat das auch nicht gesagt. Und wer weiß, manchmal lernt man schnell jemanden kennen und vielleicht gibt es da im Universum irgendwo jemanden. Es gibt bestimmt irgendwo jemanden. Also, was ich jetzt vor allem sehe, ist, dass es noch nie jemand zu mir gesagt hat. Es ist nur eine Interpretation. T : Hast du noch eine Umkehrung? S : Es gibt keinen Partner, den ich so annehme, wie er ist. (Lachen) Das ist, glaube ich, viel wahrer. Oh je oh je. Ja, in der letzten Beziehung sehe ich es ganz extrem, dass ich ständig unzufrieden war und gemeckert habe. Da habe ich den Partner nicht so angenommen, wie er ist. Auch jetzt in der Beziehung ist es so, dass eigentlich ich immer diejenige bin, die unzufrieden ist und die meckert. Ich habe es auch schon ein paarmal ausgesprochen, das und das geht für mich nicht. Und auch da Druck aufgebaut nach dem Motto, wenn du das nicht änderst, dann geht es für mich nicht. Und da sehe ich ganz klar, dass ich diejenige bin, die den Partner nicht so annimmt, wie er ist. Ja, das stimmt viel mehr. T : Sarah, ich danke dir sehr für diese Work. Kommentar zu Sarahs Work Sarah erzählte mir kürzlich, sie habe einen Mann kennengelernt, der sie genau so annehmen würde, wie sie ist. Er würde sie auf Händen tragen, wäre total in sie verliebt und hätte rein gar nichts an ihr auszusetzen. Ich schmunzelte und erinnerte sie an ihre Work zu diesem Thema. Die Wirklichkeit war freundlicher als Sarah befürchtet hatte. Interessanterweise hatte Sarah die Work zu diesem Thema völlig verdrängt. Diese Teilamnesie, Dinge auszublenden, kenne ich gut von mir und anderen. Da plagt man sich mit stressvollen Konzepten und glaubt womöglich, dass sich das Leben in

diesem Bereich nie ändern wird. Dann macht man The Work über seine Überzeugungen und das Stressthema löst sich und man vergisst dabei einfach, dass man diesen Stress überhaupt je gehabt hat. Der Verstand erfreut sich nicht lange an der Lösung, sondern sucht sich direkt ein neues Problem. Sarah hatte jetzt zwar einen Partner, der sie so annahm, wie sie ist, sie wiederum konnte ihren Partner jedoch nicht so annehmen, wie er ist, und schickte ihn nach einem kurzen Intermezzo in die Wüste.

4.8 Leben im gegenwärtigen Augenblick „Warum nicht heute Morgen aufwachen?“ Dschalal ad-Din Muhammad Rumi Anregung: Stellen Sie sich vor, Sie verbringen den heutigen Tag so, als ob es der erste und womöglich letzte Tag Ihres Lebens wäre. Wenn sich Ihre Augen einer Sache zuwenden, nehmen Sie die Welt um sich herum mit einem frischen, unverbrauchten Blick wahr. Seien Sie wie ein kleines Kind, das sich gar nicht sattsehen kann an all dem, was es zu entdecken gibt. Ist es nicht ein Wunder, dass wir sehen können? Und was wir mit unseren Augen alles erblicken können, die Farben und Formen und diese Vielgestaltigkeit der Welt. Haben Sie heute, an diesem Tag, einmal Augen für Dinge, die Ihnen vielleicht sonst entgehen, denen Sie keine Aufmerksamkeit schenken. So wie Babys, die fasziniert sind von allem, was in ihr Blickfeld kommt. Sei es ein Stein, ein Hund oder eine gelbe Gummiente. Betrachten Sie heute einmal den Himmel, so als ob Sie ihn das erste Mal erblicken würden. Tun Sie ja eigentlich auch, gibt es doch nie zweimal ein und denselben Himmel mit seinen vielfältigen Wolkenformationen und Farbnuancen. Wir reden viel über das Wetter, beschweren uns womöglich. Schauen Sie sich heute einfach den Himmel an, ohne das Wetter einzusortieren in schönes oder schlechtes Wetter. Vielleicht sehen Sie Wolken am Himmel oder Vögel oder ein Flugzeug? Der Himmel zeigt sich auf so mannigfaltige Art und Weise. Keine gleicht der anderen. Wenn wir genau hinschauen, können wir das

erkennen, selbst die Blätter eines Baumes unterscheiden sich in Größe, Farbe und Form. Und dann nehmen Sie einmal die Menschen um sich herum wahr. Streichen Sie sie mit Ihrem Blick. Nehmen Sie Kontakt auf, indem Sie ihnen in die Augen schauen. Betrachten Sie ihre Gesichter, ohne zu kategorisieren, dies ist ein schönes Gesicht, das ist ein faltiges Gesicht. Lassen Sie Ihren Blick weich werden und schenken Sie Ihrem Gegenüber ein Lächeln, einfach so. Geben Sie diesem Menschen Ihre volle Präsenz, schenken Sie sich dem anderen mit Ihrer vollen Aufmerksamkeit. Erkunden Sie heute die Welt wie Kinder, die sich darin vergessen können, einem Insekt auf einem Blatt zuzuschauen. Leben Sie den heutigen Tag ohne eine Geschichte. Seien Sie offen für Begegnungen und lassen Sie sich überraschen, was der Tag für Sie bereithält. Das ist es, das ist der Tag, alle anderen sind schon vorbei und vielleicht ist es der letzte, der Ihnen gegeben wird. Das ist es, besser wird es nicht. Und wenn wir realisieren, dass dieser Tag uns gegeben wird, dass er ein kostbares Geschenk ist, dann stellt sich vielleicht ein Gefühl der Dankbarkeit ein. Wenn wir heraustreten aus der Idee, dass dies nur einer von vielen Tagen ist und wir uns gewahr werden, dass dies der einzige Moment ist, den wir haben, wird das Geschenk offenbar. In dieser Präsenz können wir unser Herz öffnen und uns verbinden mit dem Fluss des Lebens.[9] Gedanken zum Weiterdenken Mit The Work können Sie Ihre stressvollen Konzepte sowohl über die Vergangenheit als auch die Zukunft hinterfragen. Erfahrungen führen zu Annahmen über die Welt, die zu Selbsterfüllenden Prophezeiungen werden können. Selbsterfüllende Prophezeiungen sind machtvoll, sie ziehen wie ein Magnet jene Gedanken in unser Leben, von denen wir überzeugt sind. Wir können von einer Pechmarie zu eine Glücksmarie werden, indem wir unsere selbstsabotierenden Konzepte hinterfragen und

dadurch mit einer offeneren, entspannteren und neugierigeren Haltung durch die Welt gehen. Das, was geschehen ist, kann nicht ungeschehen gemacht werden, aber die Bewertung darüber kann sich mit The Work verändern. Wir können unsere Komfortzone erweitern, indem wir uns in die Stretchingzone begeben. Dadurch sprengen wir mentale Fesseln und wachsen über uns hinaus. Die Realität ist schön, wenn wir mit unserem Fokus im Hier und Jetzt sind.

5. Kritik als Geschenk Was Sie in diesem Kapitel erwartet Kritik wird häufig als unangenehm oder ungerechtfertigt empfunden. Wäre es nicht entlastend und hilfreich, wenn wir anders als gewohnt mit Urteilen und Kritik von anderen umgehen könnten? Ich zeige Ihnen in diesem Kapitel, dass in Kritik auch wertvolle Information für uns enthalten sein kann. Indem wir durch The Work Rückmeldungen und Äußerungen mit anderen Ohren hören, verlieren sie ihre Wucht und Härte für uns. Mit dem Wissen können Sie sich auf die nächste Standpauke freuen, da Sie einsehen, dass nichts im Außen Sie treffen kann, sondern nur Sie sich selbst.

5.1 Nachdenken über Kritik „Bedenke, daß nicht derjenige dich kränkt, welcher dich schmäht, oder schlägt; sondern die Meinung, als liege darin etwas Kränkendes. Wenn dich also jemand ärgert, so wisse, daß dich deine Meinung geärgert hat.“ Epiktet Jetzt, da Sie vertrauter sind mit der Befragung und den Umkehrungen von The Work, können wir voranschreiten zu einem Thema, das uns sowohl im privaten als auch beruflichen Kontext immer wieder begegnet: Kritik. Bei dem Arbeitsblatt „Urteilen Sie über Ihren Nächsten“ sind wir eingeladen, unsere Urteile über andere aufs Papier zu bringen und zwar ehrlich und unzensiert. Haben wir nicht ständig Urteile über unsere Mitmenschen oder gute Tipps parat, was der andere tun oder unterlassen sollte? So ist es nicht verwunderlich, dass andere umgekehrt genauso Urteile über uns haben oder

uns ungefragt Ratschläge erteilen. Wenn wir uns diese Kritik oder diese Ratschläge anhören, sind das die stressvollen Gedanken eines anderen über uns. Eigentlich müsste uns das nicht weiter tangieren, die Gedanken des anderen sind ja dessen Angelegenheit. Häufig genug trifft uns Kritik aber wie ein Schlag in die Magengrube. Der erste Impuls ist dann Verteidigung oder Attacke nach vorne. Was ist eigentlich so schlimm oder schmerzlich an Kritik und Urteilen anderer, dass wir uns häufig dagegen wehren, sie überhaupt anzuhören, geschweige denn anzunehmen? Bei einem Seminar kam einmal ein Teilnehmer in der Mittagspause zu mir und fragte mich, ob er mir ein persönliches Feedback geben dürfe. Gutgläubig willigte ich ein und lächelte den Teilnehmer ermunternd an. Er sagte daraufhin: „Tanja, ich finde du bist so unauthentisch.“ Mir klappte die Kinnlade runter, damit hatte ich nun gar nicht gerechnet. Äußerlich hielt ich mein Lächeln aufrecht, sagte etwas wie: „Vielen Dank für deine Rückmeldung, das ist ja interessant.“ Innerlich traf mich diese Kritik. Ich fühlte mich beschämt und verletzt. Dass ich in dem Moment ebenfalls im Kontakt mit dem Teilnehmer nicht authentisch war und äußerlich eine Fassade aufrechterhielt, fiel mir erst viel später auf. Ich hätte in dem Moment ja auch ehrlich sagen können: „Das verletzt mich gerade“, oder: „Ich weiß jetzt auch nicht, was ich sagen soll, dass haut mich aus der Bahn“. Ich ließ mir davon aber nichts anmerken, denn „The Show must go on“, tat ganz gelassen und ging wieder ins Seminar zurück, als ob nichts geschehen wäre. Wieder zuhause, erzählte ich Freunden und Kollegen von dieser unschönen Episode. Natürlich beschwerte ich mich über diesen unmöglichen Teilnehmer und erhoffte mir von jedem, dass er sich voll und ganz auf meine Seite stellt. Wenn dann ein Freund zu mir sagte: „Ach Quatsch, der Typ hat doch keine Ahnung, du bist vollkommen authentisch“, war meine Welt wieder in Ordnung. Wofür hat man schließlich Freunde, wenn nicht dafür, dass sie einem im Dunkeln tappen lassen? Mit etwas Abstand verstand ich nämlich, dass es durchaus sein könnte, dass ich nicht immer zu 100 % authentisch bin. Mit noch mehr Zeit erkannte ich, dass ich sogar sehr häufig im Kontakt mit Menschen, vor allem auf der

professionellen Ebene, nicht authentisch bin, sondern im Gegenteil vorgebe, etwas zu sein. Beispiel gefällig? Ein Teilnehmer strapaziert die in meinem Empfinden als kurzes Blitzlicht gedachte Runde mit langatmigen Ausführungen. Ich lächle und nicke und innerlich denke ich: „Wann hört der endlich auf zu quatschen.“ Ist mein Lächeln authentisch? In der Befindlichkeitsrunde im Seminar sage ich: „Mir geht es super, ich freue mich sehr auf das heutige Seminar“, und innerlich verspüre ich Widerwillen, das Thema zu unterrichten. Davon gibt es unzählige Beispiele in meinem beruflichen wie auch in meinem Privatleben. Als ich bereit war, mir anzuschauen, wo ich nicht authentisch bin, verlor die Rückmeldung, ich sei unauthentisch, auch an Schärfe. Der Teilnehmer hatte mich ja lediglich auf etwas aufmerksam gemacht, was ich selbst auch in mir erkennen konnte. Er sieht, ich bin nicht authentisch, ich sehe, ich bin nicht authentisch, wunderbar, da sind wir ja einer Meinung. Interessanterweise bekam ich im Anschluss an diese Episode häufiger die Rückmeldung von Teilnehmern, ich sei so authentisch. Wer hat nun Recht? Ich denke, alle. Ich bin authentisch und auch unauthentisch und beides darf sein. Wäre es nicht schön, wenn sogenannte Kritik ihren Schrecken für uns verlieren würde und wir das Geschenk erkennen könnten, das darin für uns verborgen liegt? Ohne den Hinweis des Teilnehmers hätte ich diese ganze persönliche Weiterentwicklung wahrscheinlich nie durchlaufen. So unangenehm es im ersten Moment war, im Nachhinein bin ich dem Menschen sehr dankbar, dass er mich auf etwas aufmerksam gemacht hat, für das ich zu diesem Zeitpunkt noch blind wahr. Epiktet bringt es in seinem zu Anfang zitierten Ausspruch auf den Punkt: Mich kann etwas nur dann kränken, wenn ich der Meinung bin, dass in der Aussage etwas Kränkendes für mich liegt. Vielleicht hat Ihnen schon mal jemand so etwas gesagt wie: „Du bist verschwenderisch“, und Sie haben lachend abgewunken und gesagt: „Ach ich weiß, so bin ich halt.“ Wenn wir selbst schon erkannt haben, dass wir bestimmte Facetten in uns haben und damit

auch noch im Frieden sind, kann uns ein Urteil von außen gar nichts mehr anhaben. Aber wie können wir mit den Urteilen anderer Frieden schließen, die wir auf den ersten Blick gar nicht in uns erkennen können und auch gar nicht in uns haben wollen? Auch hierbei hilft uns The Work. Die Übungen in diesem Kapitel erfordern einen wendigen und offenen Verstand, der sich auf alle Facetten des Menschseins erstreckt. Byron Katie beschreibt den hier vorgestellten Umgang mit Kritik u. a. in ihrem Buch Ich brauche deine Liebe – stimmt das? (S. 296 ff.).

5.2 Gedanken sind nicht persönlich „Gesunder Menschenverstand: eigentlich nur eine Anhäufung von Vorurteilen, die man bis zum 18. Lebensjahr erworben hat.“ Albert Einstein Bevor wir uns der Kritik zuwenden, die uns besonders herausfordert, noch ein Wort zu dem, woraus sich Kritik zusammensetzt, den Urteilen. Urteile bestehen aus Gedanken. Diese Gedanken sind nicht persönlich und kritische Gedanken und Urteile ebenso wenig. Gedanken, ob die eigenen oder die der anderen, geschehen einfach. Oder haben Sie sich bewusst ausgesucht, welche Urteile Sie über den Stuhl haben, auf dem Sie gerade sitzen? Wer ist der Urheber Ihrer Gedanken und Bewertungen? Wir sind leicht versucht zu sagen, Ich, da die Gedanken im eigenen Verstand zu hausen scheinen. Wir bekommen sie ja nicht von außen eingegeben oder jemand pflanzt sie nachts heimlich in unseren Verstand, oder? Wundert es Sie nicht auch manchmal, wie schnell Sie Urteile parat haben, ohne groß darüber nachzudenken? Oder was für krudes oder wirres Zeug Sie sich zusammenreimen, wenn Sie Ihren Verstand einmal an die lange Leine lassen?

Unser Verstand ist vergleichbar mit einem Eisberg. Die Spitze, die über dem Wasser sichtbar ist, entspricht unseren bewussten Gedanken, die nur etwa 10 % ausmachen. Der Rest ragt tief ins Wasser und ist uns nicht bewusst. Die Frage ist: Was sind die 10 %, die uns bewusst sind und dadurch auch beeinflussbar, und was entsteht im Unbewussten und bleibt uns verborgen? Der Hirnforscher John-Dylan Haynes interessiert sich dafür, wie menschliche Entscheidungen zustande kommen und hat das viel diskutierte Libet-Experiment zum Thema Willensfreiheit repliziert (Schnabel, 2008). Seine Studien brachten Erstaunliches zutage. Mithilfe eines bildgebenden Verfahrens wurde die neuronale Aktivität von bestimmten Hirnregionen der Versuchsteilnehmer während des Experiments aufgezeichnet. Anhand der Daten konnte das Forscherteam voraussagen, ob Versuchspersonen einen Knopf mit der linken oder rechten Hand drücken werden und das schon bis zu sieben Sekunden, bevor die Probanden sich bewusst entscheiden. Sieben Sekunden, das ist keine Kleinigkeit, gerade wenn wir uns im Bereich der neuronalen Verarbeitung des Gehirns bewegen, wo Prozesse im Millisekundenbereich ablaufen. Haynes interpretiert seine Ergebnisse so: „Eine Kaskade von unbewussten Prozessen fängt an, eine Entscheidung vorzubereiten, lange bevor diese ins Bewusstsein dringt.“ (ebd.) Ein weiteres Beispiel für unbewusst ablaufende Prozesse in unserem Gehirn ist die Einschätzung von Persönlichkeitseigenschaften von Menschen, die man vorher noch nie gesehenen hat. Innerhalb von Millisekunden fällt unser Verstand ein Urteil über ein Portraitfoto: sympathisch, freundlich, gefährlich, gemein. So schnell können wir gar nicht bewusst denken, wie unser Unbewusstes Urteile raushaut, die sich bei längerer Überlegung häufig auch noch als falsch erweisen. Wenn sich unser Verstand dann einschaltet, werden wir uns unserer Urteile nur sicherer, egal ob wir damit oft falsch liegen. Selbst wenn wir gar keine Urteile fällen wollen, wird unser Gehirn Gesichter einschätzen, einsortieren und bewerten, es ist ein automatisierter Prozess (Willis & Todorov, 2006).

Glauben Sie, es hat einen Einfluss auf Ihre Wahrnehmung und Ihre Urteile, ob Sie bei einem ersten Date etwas Warmes oder Kaltes trinken? Der Priming-Experte John Bargh untersucht genau solche Einflüsse. Die Frage, die ihn antreibt, ist, in welcher Weise Reize bestimmte Gedächtnisinhalte bahnen, also primen. Er fand heraus, dass selbst so etwas „Banales“ wie der Härtegrad des Stuhls, auf dem wir sitzen, beeinflusst, wie hart und kompromisslos wir in einer Diskussion argumentieren. Ein Kalt- oder Heißgetränk in der Hand entscheidet mit darüber, ob wir Menschen bei einer ersten Begegnung sympathisch oder kühl empfinden (Williams & Bargh, 2008). Dies zeigt, in welchem Maße auch die Umgebungsreize Einfluss darauf ausüben, welche Urteile wir treffen. Unser Unbewusstes trifft Entscheidungen, lange bevor wir das mitkriegen. Es fällt Urteile über andere innerhalb von Millisekunden, und äußere Einflüsse wie die Temperatur eines Getränks wirken sich auf unsere Bewertungen aus. Das Vertrackte: Unser Bewusstsein kann die unbewussten Einflüsse, denen es ausgesetzt ist, nicht zurückverfolgen. Wir wissen also nicht, dass wir beeinflusst werden. Die vorgestellten Studien und Experimente werfen die Frage auf, wer eigentlich das Ruder in der Hand hat. Wenn wir uns den Eisberg vergegenwärtigen, sehen wir ein einheitliches Gebilde. Ein Teil ist sichtbar und ein Großteil liegt im Verborgenen, aber es gibt keine Trennung zwischen den 10 % und den restlichen 90 %. So ist es auch mit unserem Gehirn, es gibt keine Trennung zwischen den unbewussten und bewussten Abläufen. Wir können uns nicht aus der Affäre ziehen, indem wir unserem Unbewussten alles in die Schuhe schieben. Wäre es nicht praktisch, wenn wir sagen könnten: „Ich kann nichts dafür, es ist mein Unbewusstes, was Sie total unsympathisch findet?“ Unsere Blitzurteile entstehen nicht aus dem Blauen heraus, sondern speisen sich aus unseren Vorerfahrungen, aus genetischen Programmen, aus unserer Erziehung und Sozialisation, unseren Vorlieben und dem, was uns bekannt ist bzw. dem, was uns fremd ist. Das heißt, auch wenn viele unserer Urteile sich aus unbewusstem Material speisen und innerhalb von Millisekunden entstehen, haben wir etwas damit

zu tun und tragen die Verantwortung dafür. Die neurowissenschaftlichen Studien sprechen dafür, dass Gedanken nicht persönlich sind im Sinne von bewusst gemacht oder gewählt. Aber es ist unser Job, die Konsequenzen dafür zu tragen. Dass Routinen und Vorurteile, die in unserem Unbewussten abgelegt sind, unser Denken steuern, ist in vielen Fällen gut so, sogar überlebenswichtig. Wir brauchen diese unbewussten Filtersysteme und Automatismen, um uns in einer hochkomplexen Umwelt zurechtzufinden. Es erleichtert uns unser Leben ungemein. Autofahren, Ball spielen, sich in Mumbai als Tourist zurechtfinden, ohne unseren Autopiloten wären wir überfordert. Bewusst ablaufende Prozesse sind zwar deutlich flexibler, aber auch viel langsamer und verbrauchen viel mehr Energie. Deshalb versucht das Gehirn, ohne uns klarzukommen und schaltet auf Automatik. Wir sind dabei häufig die letzten, die mitbekommen, was unser Gehirn schon längst entschieden hat (D’Amicis, Höfer & Röckenhaus). Auf der anderen Seite hemmen uns unhinterfragte Vorurteile und Routinen, mindern unsere Kreativität. The Work ist ein Weg, diese Vorurteile und Routinen zu hinterfragen und dadurch neue, unbekannte Welten kennenzulernen. Ist es nicht entlastend, sich von der Urheberschaft an den eigenen Gedanken zu distanzieren, also weg von „Ich denke“ hin zu „Es denkt“? Es geschieht und währenddessen erzählt der plappernde Verstand eine Geschichte dazu. Der bewusste Verstand bekommt als letztes mit, was entschieden wurde. Doch selbst wenn Gedanken geschehen und wir gar nicht so sehr der Steuermann dafür sind, tragen wir die Verantwortung dafür. Unsere Gedanken sind trotzdem unsere Angelegenheit, auch wenn ein Großteil davon unbewusst abläuft. So wie für uns gilt, dass Urteile schnell und unbewusst geschehen, so gilt dieser Automatismus auch für unsere Mitmenschen. Vielleicht stimmt uns das milde, wenn wir das nächste Mal Zielscheibe von Urteilen und Bewertungen sind.

„Wenn dir jemand hinterbringt, daß der oder jener Schlimmes von dir rede, so verteidige dich nicht gegen das Gesagte, sondern antworte: Der wußte also nichts von meinen übrigen Fehlern, sonst würde er wohl nicht bloß von diesen gesprochen haben.“ Epiktet (Für die folgenden Übungen empfiehlt es sich, dafür zu sorgen, diese in Papierform vorliegen zu haben.)

Übung Die härtesten Urteile Schreiben Sie bitte jetzt einmal auf, was die schlimmste und härteste Kritik ist, die Sie je zu hören bekommen haben. Was hat Sie am tiefsten gekränkt? Womöglich erinnern Sie jetzt genau die Episode, die sich Ihnen ins Gedächtnis gebrannt hat, sind immer noch sprachlos ob der ungerechtfertigten oder sogar unverschämten Kritik. Wunderbar, schreiben Sie genau das auf. Wenn Ihnen gerade nichts dazu einfällt, können Sie sich auch überlegen, welche Kritik Sie niemals hören wollen. Vielleicht wurde jemand in Ihrem Umfeld schon mal so richtig zusammengefaltet vom Chef, von den Kritikern, von der Welt und Sie dachten innerlich: „Gott sei Dank geht dieser Kelch an mir vorüber und diese Standpauke ist nicht für mich“? Stellen Sie sich vor, sie wäre an Sie gerichtet gewesen und schreiben Sie die Kritikpunkte auf, so als ob sie für Sie bestimmt gewesen wären. Wenn Gedanken nicht persönlich sind, können wir genauso gut auch mit geborgten Gedanken arbeiten. Egal ob die Kritik Ihnen galt oder einer anderen Person, listen Sie einfach die Aussagen auf, die Sie ganz und gar unmöglich, inakzeptabel und kränkend finden.

Beispiele: Du wirkst so unauthentisch als Trainerin. Du bist kaltherzig. Du bist gierig.

Finden Sie jetzt in einem 2. Schritt konkrete Beispiele in Ihrem Leben, in denen es wahr ist, dass Sie genau so sind oder waren. Ich bekam einmal die Rückmeldung, ich sei kaltherzig. Das traf mich ungemein und ich fand dieses Urteil so ungerecht. Ich konnte beim besten Willen nicht finden, wo ich kaltherzig bin. Ich war doch warmherzig und hätte dafür so viele schlagende Beweise gehabt! Als ich mich auf diese Übung einließ, konnte ich behutsam Stück für Stück Beispiele an die Oberfläche kommen lassen, für die es wahr ist, „Ich bin kaltherzig“. Ich töte genüsslich Moskitos. Anscheinend mache ich mir keine Gedanken darüber, wie sehr Tiere leiden müssen, damit meine französische Ringsalami auf dem Abendbrottisch landen kann. Eine Bettlerin kommt in das U-Bahnabteil und bittet um etwas zu trinken oder zu essen und ich ignoriere sie. Menschen leiden wegen einer Naturkatastrophe, es wird um Spenden gebeten, ich interessiere mich weder für diese Menschen noch spende ich. Ich verschließe mein Herz einer Freundin gegenüber, indem ich mich über sie beklage und nicht sehe, in welcher persönlichen Krise sie gerade steckt. Ich kaufe Kleidung bei H&M, „Made in Bangladesh“, wohl wissend, dass die Produktionsbedingungen vor Ort katastrophal

sind und mein Kleidungsstück womöglich von Kinderhänden genäht wurde. Das sind meine Beispiele, wie und wo es wahr ist, dass ich kaltherzig bin. Vielleicht können Sie damit gar nichts anfangen. Gut so, finden Sie Ihre eigenen Beispiele. Es macht nur „kling“ im Verstand, wenn uns die Beispiele überzeugen, wenn sie Sinn für uns machen. Wo sind Sie kaltherzig? Gibt es konkrete Beispiele in Ihrem Leben dafür? Als ich mich bei meinem Partner beklagte, dass ich einfach keine Beispiele dafür finden könne, wann ich kaltherzig sei, konnte er mir interessanterweise direkt mehrere Beispiele aufzählen, wo er mich als kaltherzig empfunden hatte. Wenn wir blind sind für uns, ist es gut, einen ehrlichen Gefährten zu haben, der einen direkt mit der Nase draufstößt. Wenn Sie bei sich selbst auf der Leitung stehen, können Sie andere Menschen zu Rate ziehen. Ein präziseres Feedback als von unserem Partner, unseren Kindern oder engsten Freunden gibt es kaum, wer kennt uns schon so genau? Unseren Mitmenschen bleiben keine unserer Macken oder Marotten verborgen, wir können noch so sehr versuchen, sie zu verheimlichen. Sich dieses Feedback freiwillig von anderen zu holen, darum wird es später in diesem Kapitel noch gehen.

Übung Beispiele finden Jetzt sind Sie dran, finden sie zu jeder Aussage Ihre persönlichen Beispiele: Aussage:

Beispiele:

___________________________________________________ ___________________________________________________ ___________________________________________________ ___________________________________________________ Wie war das für Sie, sich auf diese Art und Weise mit Kritik zu beschäftigen? Haben Sie Beispiele in Ihrem Leben gefunden, in denen Sie genau das Verhalten zeigen, was jemand anderes an Ihnen moniert? Wenn ja, können Sie ab sofort entspannen und brauchen nicht in den Gegenangriff überzugehen. Ihr Gegenüber erkennt beispielsweise, dass Sie geizig sind und Sie erkennen ebenfalls, dass Sie geizig sind. Wunderbar, zwei Menschen, eine Meinung. Sie können wieder zur Tagesordnung übergehen und sich überlegen, wo Sie denn noch Geld einsparen könnten. Wenn es Ihnen jedoch schwer fällt, die Kritikpunkte an sich zu finden, kann das verschiedene Gründe haben: Manchmal braucht es einfach Zeit, bis Beispiele an die Oberfläche des Bewusstseins dringen. Beispiele zu finden, kann wie eine Meditation sein, die man über den Tag gedanklich mitlaufen lässt. Man gibt dem Bewusstsein einen Suchauftrag, Erinnerungen zu durchforsten und mit diesem Fokus kommen dann manchmal längst vergessene Erinnerungen an die Oberfläche des Bewusstseins. Eines Tages fiel mir einfach kein überzeugendes Beispiel dafür ein, wie es wahr sein könnte, dass meine Mutter sich für mich einsetzt. Ich saß gedanklich auf dem Trockenen, es wollte mir bei meiner Work einfach kein glaubwürdiges Beispiel dazu einfallen. Ein paar Tage später tauchte dann in meinem Verstand eine alte, lang vergessene Erinnerung auf, in der meine Mutter sich wie eine Löwin für mich und mein Wohlergehen eingesetzt hatte. Wie konnte ich das nur vergessen? Diese Erinnerung war so kraftvoll, dass sie dieses lang gehegte Konzept: „Sie setzt sich nicht für mich ein“, völlig wegspülte. Anschließend ploppten weitere Beispiele hoch, es gab kein Halten mehr, der Damm war gebrochen. So kann es manchmal unterstützend sein, sich Zeit zu geben, damit Beispiele gefunden werden können. Wenn Sie gedanklich festhängen, geben Sie sich eine Pause und

halten dann mit einem frischen Verstand Ausschau und vertrauen darauf, dass der Verstand schon zur rechten Zeit die rechten Beispiele bringt. Es kann auch andere Gründe geben, warum es uns schwerfällt, Beispiele zu finden: Wenn wir etwa die Verhaltensweisen, für die wir Beispiele bei uns suchen, ablehnen. Diese Ablehnung kann wie ein Zensor im Verstand wirken. Wer findet schon gern Belege für etwas bei sich, was er eigentlich bemängelt oder verwerflich findet? Wenn es Ihnen so geht, dass Sie die Kritik nur schwer annehmen können, schauen Sie hinter die GedankenKulissen. Wenn Sie bestimmte Verhaltensweisen an sich selbst ablehnen, dann gibt es dazu eine Übung, um die dahinterliegenden Glaubenssätze zu bergen. Wenn Sie im Frieden sind mit Ihrer Art zu sein und Ihren „Macken und Marotten“, dann fällt es auch leichter anzunehmen, was andere über Sie Denken.

Übung Was ich an mir selbst ablehne 1. Schritt: Erstellen Sie eine Liste von Verhaltensweisen, die andere an Ihnen kritisieren und die Sie selbst auch nicht sonderlich schmeichelhaft an sich finden und dementsprechend ablehnen. Meine Liste sieht folgendermaßen aus: Ich bin unordentlich. Ich bin unzuverlässig. Ich bin eine Dramaqueen. Ich bin kompliziert. Ich bin undankbar. Ich bin dominant. Ich bin gierig. Ihre Liste 1 lautet:

___________________________________________________ ___________________________________________________ ___________________________________________________ ___________________________________________________ 2. Schritt: Nehmen Sie jetzt eine Verhaltensweise nach der anderen unter die Lupe. Ich beginne mit „Ich bin unordentlich“ und versetze mich in eine Situation, in der ich das gedacht habe. Dann frage ich mich: „Was muss man glauben, um sich so zu verhalten?“, „Was muss man über sich selbst, andere oder die Welt denken, um so ein Verhalten zu zeigen?“ Falls Sie mit dem unpersonalisierten „man“ nichts anfangen können, ersetzen Sie es durch ein „ich“. Das „man“ dient einfach dazu, etwas Distanz zu schaffen zwischen dem Verhalten und den Bewertungen darüber. Sie können damit auch allgemeine oder kollektive Annahmen einfangen. Was man halt so sagt. Beispiel: Ich bin unordentlich. Liste 2: Was muss man glauben, um sich unordentlich zu verhalten? Ordnung halten ist anstrengend. Aufräumen ist lästig. Alles direkt wieder an seinen Platz zurücklegen, hält mich auf. Aufräumen ist etwas für Spießer. Ihr Satz aus Ihrer Liste 1 lautet:

Was muss man glauben, um sich so zu verhalten? Listen Sie ihre Gedanken dazu hier auf: ___________________________________________________ ___________________________________________________ ___________________________________________________ ___________________________________________________ ___________________________________________________

___________________________________________________ ___________________________________________________ ___________________________________________________ Meine Glaubenssätze aus der Liste 2 führen also dazu, dass ich unordentlich bin. Ich könnte den Ursprungssatz „Ich bin unordentlich“ befragen oder die darunterliegenden Konzepte, wie z. B. „Ordnung halten ist anstrengend“. Es ist so, als ob ein Gedanke ganz viele Verwandte hat, die aus demselben Holz geschnitzt sind. Rund um das Thema Ordnung gibt es eine persönlich gefärbte Geschichte, die sich aus vielen Gedanken zusammensetzt. Eine Geschichte ist wie ein Vogelnest, in der alle Gedanken wie Halme ineinandergreifen und sich gegenseitig stützen und Stabilität verleihen. Wenn wir einige Gedanken worken, ist es, als ob wir Halme aus diesem Nest rauspicken und irgendwann fällt womöglich das gesamte Nest in sich zusammen. Das Thema „Ordnung“ kann dann auf einmal viel stressfreier betrachtet werden, weil die ganzen Kumpelgedanken, die dem Konzept Ladung gegeben haben, nicht mehr da sind. Die Sätze aus dem Vogelnest worke ich wie gehabt folgendermaßen: Konzept: Ordnung halten ist anstrengend. Frage 1: Ordnung halten ist anstrengend – Ist das wahr? Ja. Frage 2: Ordnung halten ist anstrengend – Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass es wahr ist? Nein. Frage 3: Ordnung halten ist anstrengend – Wie reagierst du, was passiert, wenn du diesen Gedanken glaubst? Ich habe schon gar keine Lust mich zu bewegen oder darum zu kümmern. Ich verspüre Unlust, der Gedanke klebt mich förmlich an

meinem Stuhl fest. Ich merke, wie ich mir eine alte Geschichte dazu erzähle und mich damit lahmlege. Mir ist alles zu viel, ich tue nur das Nötigste und das mit Widerwillen. Ich behandle die Wohnung oder meinen Schreibtisch lieblos, die Gegenstände sind mir lästig. Frage 4: Ordnung halten ist anstrengend – Wer wärst du ohne diesen Gedanken? Es würde einfach geschehen. Ohne diese Geschichte lege ich einen Gegenstand an seinen Ort oder räume ich etwas in die Spülmaschine ein. Es geschieht von ganz alleine, es ist wie ein natürlicher Fluss. Es fühlt sich beschwingter und freier an. Ich würde mich verantwortlicher für die Wohnung und die Gegenstände in der Wohnung fühlen.

Umkehrungen: Ordnung halten ist anstrengend. 1. Umkehrung ins Gegenteil: Ordnung halten ist nicht anstrengend. Beispiele: Einen Gegenstand vom Boden aufzuheben ist nicht anstrengend. Die Geschirrspülmaschine auszuräumen ist auch nicht anstrengend. Blätter auf einen Stapel zu legen ist nicht anstrengend. 2. Umkehrung ins Gegenteil gesteigert: Ordnung halten ist leicht. Beispiele: Ja es ist kinderleicht, ich brauche dazu kein Diplom oder muss kein kompliziertes Verfahren beachten, ich lege einfach einen Pulli zusammen. Wenn die Wohnung manchmal aufgeräumt und geputzt ist, fällt es mir anfangs tatsächlich leicht, Ordnung zu halten. Es ist leicht, weil ich theoretisch weiß, wo alles hingehört.

3. Umkehrung zu meinem Denken: Mein Denken ist anstrengend, wenn es um Ordnung halten geht. Beispiele: Ja ich hege meine uralte Geschichte über Ordnung halten und wie doof das ist und dass ich das nicht kann. In meinem Denken male ich mir aus, wie anstrengend und aufwändig es sein wird, aufzuräumen, das hat mit der Realität nichts zu tun. Ja, mein Denken über das Thema ist anstrengend, ich merke regelrecht, wie es mich lahmlegt. Diese Übung ist wie eine Immunisierung gegen Kritik. Wenn demnächst z. B. jemand zu Ihnen sagt: „Du bist ein Schlamper, überall lässt du alles liegen“, gibt es keine Schockreaktion mehr, sondern Verständnis. Erstens lässt der andere Sie ja nur teilhaben an seiner Sicht der Dinge. Das ist zu 100 % seine Angelegenheit, darum brauchen Sie sich also schon mal gar nicht zu kümmern. Zweitens sind Ihre Angelegenheiten Ihre Gedanken zum Thema Ordnung bzw. unordentlich sein. Wenn Sie Ihre Work rund um das Konzept Ordnung gemacht haben, ist das Thema am Ende nicht mehr mit stressvollen Gedanken aufgeladen. Sie können Verantwortung für Ihren Part übernehmen und entspannter mit dem Thema umgehen.

5.3 Umkehrung zu „Mein Denken“ Die letzte Umkehrung aus dem Beispiel „Ordnung halten ist anstrengend“ ist neu. Ein Satz wie „Ordnung halten ist anstrengend“ ermöglicht nicht so viele Spielarten bei den Umkehrungen wie Sätze, in denen Personen vorkommen. Ich kann „Ordnung halten ist anstrengend“ weder zu mir selbst umdrehen noch zum anderen. Ich kann aber das Wort „Ordnung“ ersetzten durch „Mein Denken“ oder „Meine Gedanken“. Die Umkehrung zum

Denken können wir also zum einen bei abstrakten Themen wie Ordnung, Geld, Sex usw. einsetzen oder bei körperlichen Themen. Aufräumen ist lästig wird zu Mein Denken ist lästig oder Meine Gedanken sind lästig (vor allem wenn es ums Aufräumen geht). Mein Körper ist steif wird zu Mein Denken ist steif. Vielleicht fragen Sie sich, wozu diese Art der Umkehrung dient? Was macht den Unterschied zwischen „Aufräumen ist lästig“ und „Mein Denken in Bezug auf Aufräumen ist lästig“? Diese Variante der Umkehrungen spielt auf den Mechanismus an, der allem innewohnt – unsere Gedanken und Bewertungen machen es zu etwas Lästigem. Aufräumen an sich ist neutral und manche Leute lieben es, machen es sogar zu ihrem Beruf, und andere wiederum hassen es. Ohne meine Geschichte ist es einfach eine Handlung, bei der ich Dinge an einen Platz tue, aufhebe oder zusammenfalte. Die Umkehrung „Mein Denken ...“ hilft mir, mir dessen bewusst zu werden. Letztlich ist es ja immer mein Denken, das mir etwas als lästig erscheinen lässt. Ich empfehle Ihnen, die Umkehrung zu Ihrem Denken für abstrakte Themen oder bei körperlichen Themen auszuprobieren, und wenn es für Sie Sinn macht, Beispiele zu finden, falls es bei Ihnen aber nicht funktioniert, sich nicht damit aufzuhalten. Jetzt sind Sie dran! Worken Sie ihre Sätze aus der 2. Liste und beachten Sie die neue Umkehrung zu „Mein Denken“. Seien Sie hier, wie generell bei The Work, gnädig mit sich selbst. Ich betone es immer wieder: The Work ist keine Einladung zur Selbstkasteiung. Es geht nicht darum, am Ende der Schuldige zu sein. Es geht generell nicht um die Schuldfrage, dies ist ein weiteres Konzept, das Trennung schafft zwischen mir und anderen. In der Work geht es im Gegenteil darum, Trennung aufzuheben, sich verbundener mit dem anderen oder sich selbst zu fühlen und sich auf Augenhöhe zu begegnen. Wenn Sie also nach Umkehrungen und Beispielen Ausschau halten, betrachten Sie sich mit einem milden Auge.

Übung Eine eigene Work Suchen Sie sich ein Konzept aus Ihrer 2. Liste: „Was muss jemand glauben, um sich so zu verhalten?“

Beispiel: Ordnung halten ist anstrengend. Befragen Sie Ihren Satz mit The Work. Gehen Sie in eine Situation hinein, in der Sie den Gedanken glauben und fragen Sie sich, „Ist das wahr ...“. Sie wissen ja, vier Fragen und Umkehrungen.

Konkrete Beispiele finden, ja, wenn das so einfach wäre ... Umkehrungen sind schnell gefunden, vor allem, wenn man einmal die immer gleich bleibende Grammatik dahinter verstanden hat. Wir können einen Gedanken ins Gegenteil umkehren und meistens zu uns selbst und zum anderen. Bei manchen Sätzen können wir auch eine Umkehrung mit „Mein Denken ...“ bilden. Mit den konkreten, sinnesspezifischen Beispielen, die es dann zu finden gilt, sieht es da schon anders aus. Zu erkennen, dass auch das Gegenteil von dem wahr ist, was ich glaube, stellt häufig den größten Gedankenstretch da. Umso verständlicher, dass wir uns damit schwer tun können. In einem meiner Seminare hatte eine Teilnehmerin ein gepfeffertes Arbeitsblatt über ihren Ehemann ausgefüllt. Bei den Umkehrungen ins Gegenteil hakte es. So dachte sie, ihr Mann sei einfach gestrickt. Sie konnte durchaus finden, wie das auch auf sie zutraf, aber sie konnte beim besten Willen nicht finden, wie das Gegenteil wahr sein konnte: Ihr Mann ist nicht einfach gestrickt, vielleicht sogar geistig auf

der Höhe, ein Intelligenzbolzen oder einfach gescheit. Andere Teilnehmer gaben Beispiele aus ihrem Leben und boten ihr Hinweise an, wie es sein könnte, dass ihr Mann nicht einfach gestrickt sei. Sie ließ kein Beispiel gelten, es machte einfach nicht Klick in ihrem Verstand. Wir spüren sehr genau, wann ein Beispiel uns trifft und überzeugt und an unserem Konzept rüttelt und wann es wie eine leichte Brise einfach an uns vorbeistreicht. Von außen war mir und auch anderen Teilnehmern ganz klar, dass ihr Mann auch gescheit sein muss, immerhin hatte er Jura studiert. Es nützt natürlich herzlich wenig, wenn andere die Klarsicht haben, es setzt einen womöglich selbst eher noch unter Druck. Wahrhafte Beispiele zu finden, ist manchmal wie bei diesen Kippbildern, wo es darum geht, das zuerst nicht Offensichtliche zu erkennen. Vielleicht kennen Sie eines der bekanntesten, eine Zeichnung, in der sowohl das Porträt einer jungen als auch einer alten Frau versteckt ist? Manche Menschen sehen, wenn sie das Bild betrachten, nur die junge Frau, andere nur die alte und die, die es bereits kennen, können hin und her switchen zwischen beiden Gesichtern. Ich habe in meinen Seminaren die erstaunlichsten Erfahrungen mit diesem Kippbild gemacht. Manchen Teilnehmern war es nicht möglich, beide Gesichter zu sehen. Erklärungen, das Abdecken mancher Stellen des Bildes oder das farbliche Hervorheben nützte alles nichts. Manche Menschen können anfangs eines der beiden Gesichter nicht sehen, obwohl es offensichtlich da ist. Irgendwann fällt der Groschen und man sieht, was die ganze Zeit da war. Man kann dann umgekehrt gar nicht mehr ausblenden, dass beide Gesichter da sind. Wenn unser Verstand einmal erkannt hat, dass zwei Gesichter da sind, ist es so offenkundig. Beispiele zu finden kann wie eine Knobelaufgabe sein, die wir durch den Tag mitnehmen. Wir suchen mit dem Scheinwerfer unsere Erinnerung nach echten Beispielen ab. Wenn Sie bei Ihrer Work keine Beispiele finden, dehnen Sie die Suche aus. Gehen Sie schwanger mit den Umkehrungen und lassen Sie sich überraschen, welche Geschenke Ihr Verstand für Sie bereithält. Wenn wir dann einmal ein für uns einleuchtendes Beispiel gefunden haben, können wir nicht mehr zurück in den Zustand von „der Verstand weiß schon, wie es ist“. Wenn wir Zeuge

eines treffsicheren Beispiels geworden sind, gibt es kein Zurück. Und am Ende, wenn wir mehrere gute Beispiele für uns gefunden haben, verschließt sich endgültig die Tür zu dem Raum in unserem „Ich-weiß-Verstand“, wo wir felsenfest überzeugt waren und die Tür zu diesem Raum hat keine Klinke mehr. Wir können ihn nicht wieder betreten. Wir können in diesen alten Gedankenraum nicht mehr zurück, wir können unser Denken nicht mehr in die Steinzeit zurückversetzen, wenn unsere Synapsen einmal neue Gedächtnispfade aktiviert haben.

Das Museum alter Überzeugungen Vielleicht haben Sie ja als Kind auch einmal an den Weihnachtsmann geglaubt oder an den Osterhasen und irgendwann haben Sie entweder schlagartig aufgehört daran zu glauben oder es dämmerte Ihnen langsam, dass es sich um eine Mär handeln muss. Wie auch immer, wir glauben in unserem Leben häufig etwas und verlieren auch wieder den Glauben daran. Wie fühlt es sich jetzt für Sie an, wenn Sie an den Weihnachtsmann denken? Einige Konzepte von uns landen irgendwann im Museum der alten Überzeugungen und wenn wir sie hervorkramen, schmunzeln wir vielleicht über diese Gedanken. Sie haben keinen Einfluss mehr auf uns. Sie haben jegliche emotionale Ladung verloren. So kann es uns mit jedem Konzept gehen, das wir hinterfragen. Wenn wir die Geschichte vom Weihnachtsmann über Bord werfen konnten (auch wenn das für die meisten keine stressvolle Geschichte war), können wir das auch mit anderen Geschichten, sogar den stressvollen. Nichts anderes geschieht bei The Work, wir hinterfragen Gedanken und dadurch landen sie im Museum alter Überzeugungen. Wir können sie uns von Zeit zu Zeit anschauen, uns an alte Zeiten erinnern, als wir sie noch geglaubt haben, aber wir sind einfach nicht mehr so verbunden mit diesen Gedanken. Sie haben uns losgelassen. Sie können das für sich besonders gut nachvollziehen, indem Sie sich ein Buch zulegen, in das Sie alle Ihre stressvollen Gedanken aufschreiben, die Sie worken. Es kann sehr nett und erhellend sein, von Zeit zu Zeit darin zu blättern. Ich erinnere noch einen meiner ersten Sätze, den ich geworkt habe:

„Der Staat schuldet mir eine Arbeit“. Ich kann gar nicht glauben, dass ich diesen Gedanken einmal geglaubt habe. Glücklicherweise gibt es Zeugen, die mich immer wieder gern daran erinnern. Dieser Satz hängt nicht mehr im Museum, er liegt eingemottet im Magazin des Museums. Damals war ich felsenfest von der Richtigkeit meines Gedankens überzeugt, heute kann ich darüber wirklich nur schmunzeln. Wenn Sie in Ihrem Buch die Sätze schwarz auf weiß stehen haben, können Sie immer wieder prüfen, wie Sie zu den Gedanken stehen, die Sie geworkt haben. Es ist wie eine Qualitätskontrolle – taugt The Work und ist sie nachhaltig?

5.4 Urteile anderer über Sie „Mir ist vollkommen klar, dass die ganze Welt mich liebt. Ich erwarte nur nicht, dass alle Menschen das bereits wissen.“ Byron Katie Mit The Work haben wir ein Werkzeug an der Hand, um stressbeladene Urteile anderer über uns so zu behandeln, dass sie annehmbar für uns werden. Mit der Befragung ist es möglich, dass wir ein offenerer und besserer Zuhörer werden, wenn jemand uns seine Meinung über uns mitteilt. Wenn Kritik ihren Schrecken verliert, können wir sogar gezielt die Meinung anderer über uns einholen. Würden Sie nicht auch manchmal zu gerne wissen, was Ihr Partner, Ihr Chef, Ihre Mitarbeiter, Ihre Kinder oder Ihre Freunde so insgeheim über Sie denken? Wir haben vielleicht Fantasien darüber, was andere an uns nervt oder was sie sich von uns wünschen, aber genau wissen können wir es nicht. Sich das ausgefüllte Arbeitsblatt „Urteilen Sie über Ihren Nächsten“ von jemandem über sich selbst anzuhören, kann da Abhilfe schaffen. Sie können auch gegenseitig ein Arbeitsblatt ausfüllen, vorausgesetzt, Ihr Gegenüber ist offen und bereit, gemeinsam mit Ihnen zu worken. Dann kann eine Partnerwork sehr erhellend und fruchtbar sein. Ich habe diese Art der Partnerwork durch Byron Katie kennengelernt (siehe z. B. Ich brauche deine Liebe – stimmt

das?, S. 245 ff.). Anfangs war ich noch nervös und verängstigt bei dem Gedanken, was wohl andere über mich auf ihrem Zettel stehen haben. Heute liebe ich es, in den allermeisten Fällen, mir die Zettel von anderen über mich anzuhören. Und falls mich etwas an dem Zettel zwackt, weiß ich, was zu tun ist. Wenn Sie sich auf diese Art der Kommunikation einlassen wollen, schreiben Sie und Ihr Partner unzensiert Ihre Gedanken übereinander auf. Lesen Sie sich dann gegenseitig das Arbeitsblatt wortwörtlich vor. Lassen Sie sich anschließend von Ihrem Gegenüber begleiten, Satz für Satz. Umgekehrt begleiten Sie Ihren Partner bei seiner Work über Sie. Sie haben Respekt vor dieser Übung? Verständlich, dies ist eine neue und vielleicht ungewohnte Art mit „Kritik“ bzw. Feedback umzugehen. Was ist Ihre Befürchtung, was ist das Schlimmste, das bei so einer Übung passieren könnte? Was sind Ihre stressvollen Gedanken dazu? Ihr Arbeitsblatt sagt zu 100 % etwas über Sie aus, nicht über den anderen. Wenn Ihr Gegenüber gekränkt sein sollte, dann hat es etwas mit ihm zu tun und er kann seine stressvollen Gedanken dazu hinterfragen. Wenn Sie umgekehrt gekränkt sind, wissen Sie, was zu tun ist: Ihre stressvollen Konzepte hinterfragen. Im Folgenden zeige ich Ihnen, wie The Work in einer Partnerschaft eingesetzt werden kann.

Ein Paar workt miteinander übereinander Nina und Heiko sind ein Paar, Heiko hat bereits viele Erfahrungen mit The Work gemacht, Nina hat noch nie zuvor geworkt. Beide sind offen und neugierig, sich auf eine Partnerwork übereinander einzulassen. Das Arbeitsblatt übereinander ausfüllen T

: Schön, dass ihr bereit seid, gemeinsam übereinander ein Arbeitsblatt auszufüllen und zu worken. Die Idee ist jetzt gleich, eine Situation zu finden, wo jeweils der andere involviert war und wo irgendetwas für

euch nicht stimmte. Wo ihr gemerkt habt, da stresst mich der andere, oder da bin ich verletzt, enttäuscht oder traurig. Also wo so ein Gefühl von Stress im Kontakt mit dem anderen entstanden ist. Der andere muss dabei gar nicht anwesend gewesen sein, das Szenario kann auch in unseren Gedanken passieren. Es kann also auch ein Telefonat gewesen sein, eine SMS oder eine E-Mail. Der einzige Berührungspunkt sollte eben der andere sein und ob ihr den live erlebt habt oder digital, das ist egal. Und es kann eine Situation sein, die schon monatelang zurückliegt oder heute Morgen beim Frühstückstisch passiert ist. Aus dieser Warte heraus lade ich euch ein, dieses Arbeitsblatt auszufüllen und dabei nichts zurückzuhalten. Ihr habt euch ja vorhin gegenseitig die Erlaubnis gegeben, ehrlich sein zu dürfen, und das bedeutet, ihr könnt euch gleich gegenseitig austoben auf eurem Arbeitsblatt, ihr müsst nichts zurückhalten. In dieser Situation, was ist es, was dich am anderen stört? N : Ich habe mal eine Frage, soll ich mir dabei nur eine Situation aussuchen oder kann ich auch mehrere nehmen? T : Ja, nimm dir eine konkrete Situation vor. Diese nutzen wir dann als Mikroanalyse fürs Gesamtbild. Es ist für den Verstand leichter, sich bei der Work auf eine Situation zu konzentrieren und nicht pauschal zu schauen. Diese Situation ist wie eine Facette eines Gesamtbildes und wenn wir uns diese anschauen, strahlt das meistens auch auf das Gesamtbild aus. Deshalb nehmen wir jetzt nur eine Situation unter die Lupe. Und wenn ihr eine Situation habt, dann schaut, was da für Gedanken kommen über den anderen. Was braucht ihr in der Situation vom anderen, damit ihr glücklich sein könnt? Und es muss kein großes Lebensthema sein, was ihr euch jetzt aussucht. Es kann auch eine Bagatelle sein. Die Zahnpastatube, die nicht korrekt verschlossen wurde. Es funktioniert beides gleich gut für eine Befragung. Die beiden füllen ihr Arbeitsblatt übereinander aus. Sich gegenseitig vorlesen

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: Dann lade ich euch jetzt ein, euch gegenseitig das vorzulesen, was auf eurem Blatt steht. (Lachen, etwas Nervosität macht sich breit.) N : Oh Gott, hätte ich doch etwas anderes geschrieben. T : Ich bitte euch, gleich nur das vorzulesen, was auf eurem Blatt steht und das ist vielleicht eine Herausforderung, weil man dann merkt, man würde es gerne noch etwas erklären oder in anderen Worten ausdrücken. Und bitte gebt dieser Versuchung nicht nach und lest wirklich das vor, was auf eurem Blatt steht. Wenn du dran bist mit vorlesen, lass dir Zeit dabei, deine Gedanken auf dich und dein Gegenüber wirken zu lassen. So dass der andere die Möglichkeit hat, das Gesagte wirklich aufzunehmen. Für den, der zuhört: Prüfe für dich, ob du etwas damit anfangen kannst. Ob das bei dir irgendetwas auslöst. Der Empfänger kann seinem Gegenüber ein Zeichen geben, ob das Gehörte bei ihm angekommen ist, indem er nickt oder Danke sagt. Es sind die Gedanken des anderen und ihr könnt für euch prüfen, was es mit euch macht. Vielleicht kommt ein Impuls, sich zu rechtfertigen oder zu sagen, das stimmt doch gar nicht – nimm das einfach wahr. Wer möchte beginnen? H : Ich lege los. Ich bin sauer und enttäuscht auf dich, weil du einfach gegangen bist, ohne mich zu fragen, ob ich mitkommen will. In dieser Situation will ich, dass du mich fragst, ob ich mitkommen will. Ich will nicht, dass du einfach beleidigt abziehst. Du solltest mal den Mund aufmachen und mich fragen und mir sagen, wenn du spazieren gehen willst. Ich brauche von dir, dass du mich fragst, ob ich mitkommen möchte. Dass du nicht wortlos gehst. Dass du dich nicht permanent angegriffen fühlst. Du bist nur in deinem Kopf, hektisch, gestresst, kommst nicht zur Ruhe, machst alles mit dir selbst aus, rechtfertigst dich permanent, fühlst dich schnell angegriffen, bist unnahbar, immer am Machen, redest nicht mit mir, stellst mich vor vollendete Tatsachen, machst dir dein Bild und hältst dich daran fest, egal was ich dazu sage.

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Ich will nie wieder erleben, dass du einfach gehst, ohne mich zu fragen, ob ich mitkommen will. Ich will nie wieder, dass du dir deine Geschichten schön redest, dich permanent rechtfertigst und angegriffen fühlst. : Danke Heiko, da kann ich einiges unterstreichen, das stimmt wirklich. Mein Arbeitsblatt ist nicht so auf eine Situation bezogen. : Das ist in Ordnung, lies es trotzdem einfach vor. : Ich bin so aufgeregt. Also, ich bin wütend auf dich Heiko, weil du mich ständig zuquasselst und belehrst. Mich macht das traurig, dass du immer über mir stehen willst, sei es mit dem Job oder mit Geld, da ist immer dieser Konkurrenzkampf. Ich will, dass du dich für mich freust. Ich will, dass du dich nicht mit mir vergleichst. Ich will, dass du nicht jedes Teil analysierst. Du solltest nicht so viel reden, du solltest nicht jedes Teil analysieren, du solltest mich nicht belehren. Du solltest es lassen, mit erhobenem Finger zu schimpfen. Ich brauche von dir, dass du mich mehr lobst, auch vor anderen. Dass du dich freust für mich. Du bist liebevoll, feinfühlig, sensibel, gut aussehend, ehrlich, unsicher, hast ein total großes Herz, wechselst zwischen unsicher und dominant, denkst meistens nur an dich und deine Gefühle. Ich will nie wieder, dass du mit erhobenem Zeigefinger mit mir rummeckerst und mich anbrüllst. Und ich will nie wieder, dass du andere vor mir lobst und mich ignorierst. : Danke, ja, das passt.

Im Folgenden zeige ich Ihnen Ausschnitte aus der Partnerwork von Nina und Heiko: Die Nummer 1 des Arbeitsblattes: Ich bin ... T N

: Dann lasst uns loslegen. : (lachend) Oh, es geht noch weiter?

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: Ja, jetzt schauen wir uns diese einzelnen Konzepte mit The Work an. Ich begleite jeweils abwechselnd einen von Euch. Heiko, fängst du an, dann kann Nina sehen, wie The Work funktioniert? : Ja, gerne. : Lies noch mal vor, was du bei Nummer eins geschrieben hast. : Nina ist einfach gegangen, ohne mich zu fragen, ob ich mitkommen will. : Dann vergegenwärtige dir die Situation mit Nina, wo du das geglaubt hast. Und ist das wahr, Nina ist einfach gegangen, ohne dich zu fragen, ob du mitkommen willst? : Ja. : Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist, Nina ist einfach gegangen, ohne dich zu fragen, ob du mitkommen willst? : Ja. : Wie reagierst du, was passiert, wenn du das glaubst, Nina ist einfach gegangen, ohne dich zu fragen, ob du mitkommen willst? : Ich fühle mich irgendwie hilflos, ich bin geschockt, irritiert, traurig, bin sauer, werde wütend, bin trotzig. Fühle mich innerlich in Aufruhr. Dann werde ich flapsig, behandle Nina mit einem Vorwurf. Ich ermahne sie und tadle sie und kritisiere sie, kritisiere dich. Ich will auch, dass du mich fragst und dich entschuldigst. Weil das nicht passiert, bin ich noch bestimmender und eindringlicher. Ich reagiere auch beleidigt und sag dann: „Dann geh doch!“ Ich reagiere abwertend und schiebe dich weg. : Wo in deinem Körper kannst du all das wahrnehmen, wenn du glaubst, Nina ist einfach gegangen, ohne dich zu fragen, ob du mitkommen willst? : Ich merke, dass ich innerlich aufgeregt bin, mein Atem geht flacher, meine Gesichtszüge entgleisen und ich bin angespannt. : Wer oder was wärst du in dieser Situation ohne den Gedanken, Nina ist einfach gegangen, ohne dich zu fragen, ob du mitkommen willst? : Ich würde sie wahrscheinlich fragen, wo willst du denn hin. Ich würde nachfragen und mich da einklinken und wäre nicht so vorwurfsvoll. Ich wäre lockerer und könnte einfach fragen. Ich würde

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mehr Verantwortung für mich übernehmen, meine Jacke schnappen und fragen, ob das o.k. ist, dass ich mit spazieren komme. Ich würde kommunizieren, wäre handlungsfähiger, wäre freier, wäre kreativer. : Schau sie dir mal jetzt an, ohne den Gedanken, was nimmst du wahr? : Jetzt sehe ich meine Süße. Dass sie hübsch und liebevoll ist, eine schöne Frau, die ich sehr lieb habe. Ich fühl mich verbundener, ohne Stress. Ich würde dich auch einladender fragen, ob ich mitkommen kann und würde mich nicht abgestoßen fühlen. Ich könnte lustiger und leichter mit der Situation umgehen. : Dann dreh den Gedanken um: Nina ist einfach gegangen, ohne dich zu fragen, ob du mitkommen willst. : Du bist nicht einfach gegangen, ohne mich zu fragen, ob ich mitkommen will. Ich sehe, dass du dich ganz langsam angezogen hast und demonstrativ deine Sachen gepackt hast. Da kann ich jetzt auch sehen, dass du da gerne eine Reaktion gehabt hättest von mir. Das war vielleicht auch eine körperliche Geste als Frage, ob ich mitgehen will. Du bist ja nicht wortlos gegangen, du hast ja gesagt, du bringst jetzt den Müll runter, hast mit mir kommuniziert. Du hast mir mehrere Gelegenheiten gegeben, darauf zu reagieren. Du hast mir halt nur nicht die Frage gestellt, die ich hören wollte. : Hast du noch eine Umkehrung? : Ich bin einfach gegangen, ohne dich zu fragen, ob du mitkommen willst. In der Situation wo du den Mantel gepackt hast und gegangen bist, bin ich einfach gegangen? Oh ja stimmt, ich bin innerlich gegangen, aufgrund meines Glaubenssatzes über dich bin ich in den Trotz gegangen und habe dich nicht gefragt, ob du mit mir spazieren willst. Ich habe nicht gesagt, dass ich mit dir spazieren gehen will, sondern habe flapsig und beleidigt reagiert. Ich bin auch gegangen, habe mich innerlich verabschiedet.

Und auch davor, als wir heute Morgen aufgestanden sind, habe ich mein Ding gemacht. Ich war egoistisch und habe dich nicht miteinbezogen. Ich habe mich einfach an den Tisch gesetzt und gearbeitet. T : Und wie lautet eine weitere Umkehrung? H : Ich bin einfach gegangen, ohne mich zu fragen, ob ich mitkommen will. Das stimmt, aus verletztem Stolz war ich beleidigt und dann habe ich mich in dem Moment auch nicht mehr wahrgenommen. Ich war da einfach nicht bei mir und habe mich da auch nicht gefragt, was ich eigentlich will. T : Danke Heiko. Im Anschluss daran begleite ich Nina mit ihrem Satz bei Nummer 1, Heiko mit einem Satz bei Nummer 2 und dann wieder Nina mit einem Satz bei Nummer 2, der im Folgenden abgebildet ist: Die Nummer 2 des Arbeitsblattes: Ich will ... T N T

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: Nina, wie lautet dein nächster Satz? : Ich will, dass er nicht immer jedes Teil analysiert. : Wähle auch hier wieder eine Situation, wo du das glaubst. In dem Moment, ist das wahr? Du willst, dass er nicht immer jedes Teil analysiert. : Ja! : Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist, du willst, dass er nicht immer jedes Teil analysiert? : Ich würde jetzt sagen, Ja. : Wie reagierst du, wenn du diesen Gedanken glaubst? : Es macht mich wahnsinnig und bringt mich zur Weißglut. Ich denke dann immer, ich komme da nicht gegen an, ich weiß auch nicht mehr, was ich tun kann, bin auch hilflos in der Situation. Merke dann auch in mir, dass ich Streit vermeiden will und innerlich würde ich am liebsten sagen: „Halt’s Maul.“ : Wie behandelst du Heiko in dem Moment?

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: Ich gehe in Konfrontation und auch in die Provokation. Ich wehre das ab, ich will das gar nicht an mich rankommen lassen, mach zu und lass ihn nicht mehr rein. : Wer wärst du in dem Moment ohne den Gedanken? : Wenn ich das wüsste! : Dann nimm Dir einen Moment Zeit, das wahrzunehmen. Heiko macht das, was er macht und du machst das, was du machst. Der einzige Unterschied ist, du kannst den Gedanken nicht denken, „Du willst, dass Heiko nicht immer jedes Teil analysierst“. : Vielleicht würde ich einfach in Ruhe kommunizieren können, dass ich gerade darüber nicht reden will oder dass mir das gerade zu viel ist. Ich würde mehr Gelassenheit haben, mich mehr mitteilen in diesem Moment. Ich könnte dann einfach sagen: „Du, ich möchte jetzt gerade nicht reden.“ Ich merke auch in der Situation, dass ich mich übergehe. Ich nehme mich gar nicht wahr. Weil ich keinen Streit will, lass ich ihn einfach reden. Und ich will ihm auch nicht das Gefühl geben, dass er jetzt nicht reden darf, aber in mir brodelt es und brodelt es und ich gebe mir nicht die Erlaubnis, dass ich darüber jetzt nicht reden will. : Und wenn du das nicht glauben würdest, du willst, dass Heiko nicht immer jedes Teil analysierst, wie würdest du dann mit dir selber umgehen? Wie würdest du dich selber behandeln? : Ich könnte liebevoller mit der Situation umgehen und ich würde da auch mehr bei mir bleiben. Ich könnte sagen, du Schatz, dass stresst mich gerade, ohne in die Konfrontation zu gehen. Ich wäre gelassener und könnte das Detaillierte von ihm vielleicht auch besser annehmen. Vielleicht könnte ich sogar etwas lernen oder was Neues für mich mitnehmen? : Dann dreh den Gedanken um: Du willst, dass Heiko nicht immer jedes Teil analysierst. : Ich will, dass ich nicht immer jedes Teil analysiere. Ja, in mir selber gedanklich. Ich will, dass ich jedes Detail kommuniziere, anstatt es gedanklich zu analysieren.

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(Lachen) Oh ja, ich analysiere auch oft Details und manchmal wünsche ich mir für mich selbst, dass ich es nicht tue, weil ich merke, wie es mich eng macht alles zu erkunden und zu analysieren. Da wäre ich gerne auch freier von meinen Gedanken und meinem analytischen Gequatsche. : Hast Du noch ein Beispiel bezogen auf Heiko, wo du willst, dass du nicht jedes Detail analysierst? : Ich analysiere oft Details innerlich, ohne ihn daran teilhaben zu lassen. Er spricht die Details oft aus und ich mache es mehr mit mir aus und analysiere das in mir, z. B. denke ich „Oh jetzt redest du so viel“ und kommuniziere das einfach nicht mit dir. : Und eine weitere Umkehrung? : Ich will, dass er jedes Detail analysiert. Eigentlich sträube ich mich ja dagegen. Das ist schon eine riesen Wucht. Eigentlich würde ich jetzt sagen, nein ich will das nicht! : Ja und jetzt ist die Aufgabe für den Verstand zu schauen, wie es wahr ist, dass du das willst. Die Realität ist, er analysiert jedes Detail und wenn du eine Liebhaberin der Realität wärest, wie ist es dann wahr, dass du das willst? : Ja gut, er schüttelt mich dadurch ja auch, immer wieder zu kommunizieren. Wenn ich nichts sage, bin ich in meinem Gefangenen drin und wenn er dann so detailbesessen nachfragt, muss ich mich damit auseinandersetzen. Ich muss mich mit mir auseinandersetzen. Mit meiner Angst wirklich zu kommunizieren und zu sagen, was mich stört. Auch mit der Gefahr, dass wir uns streiten, was ich ja eigentlich immer vermeiden will. Also das ist so ein Punkt, wo ich durch ihn was lernen kann. : Ja und hast Du noch ein Beispiel dafür, dass Du es willst ...? : Schwierig. : Wie könnte das was Gutes für ihn, für Dich, für die Welt bereithalten? : Dass ich noch mal genauer auf die Sache draufgucke. Dass ich nicht zu schnell Dinge abtue, dass ich durch ihn lernen kann, mal genauer

hinzuschauen. Dass ich das annehme, nachspüre, ob man das nicht auch so hinterfragen kann. Ich tue Dinge manchmal so schnell ab. T : Und auf lange Sicht, wie ist es das Beste, was für dich geschehen kann? N : Ja, wirklich bei mir ans Eingemachte zu gehen. Das ist bei mir ein ganz starker Punkt, zu lernen, dass man diskutieren kann, ohne sich dabei zu streiten. Man kann ja ganz heftig diskutieren und daran Freude haben, das lerne ich gerade. Es kann ja Spaß machen und muss nicht immer diese Dramen beinhalten. Ich habe noch so Angst vor Streit und gehe dadurch in die Vermeidung. Mit Heiko und seiner Art ins Detail zu gehen kann ich das ganz gut lernen. Da muss ich mich damit auseinandersetzen, auch wenn ich es eigentlich nicht will. T : Danke dir, Nina. Die Nummer 3 des Arbeitsblattes: Der andere sollte ... T H T H T H

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: Heiko, lass uns schauen, was bei dir bei Nummer 3 steht. : Ja, Nina sollte ihren Mund aufmachen. : Dann geh noch mal in die Ausgangssituation. Ist das wahr, Nina sollte ihren Mund aufmachen? : Nein. : Und wie reagierst du, was passiert, wenn du das glaubst? : Ich bin sauer, werde aggressiv, bin wütend, fühle mich hilflos, verunsichert, so vor vollendete Tatsachen gestellt, machtlos und ich bin ängstlich. : Wie behandelst du sie in dem Moment? : Fordernd, konfrontativ, belehrend, ich bohre penetrant, will, was ich will, beiß mich da fest, kann da auch nicht loslassen, wie ein Terrier. Barsch, bitter, es hat alles so eine aggressive Tönung. Wenn ich dann nicht von ihr kriege, was ich will, werde ich zickig, gehe aus dem Kontakt und schmeiß dann alles hin. Habe dann keine Lust mehr, geh flüchten, es ist mir alles zu viel. Also, sie kann es mir dann sowieso nicht recht machen.

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: Wer wärst du ohne diesen Gedanken in derselben Situation? : Dann hätte ich den Stress nicht, weil ich es ja nicht anders haben will. Dann wäre die Situation halt, wie sie ist und ich würde da an nichts festhalten. Ich wäre freier, ich wäre klarer, ich wäre wachsamer und aufmerksamer, ich wäre viel präsenter. Ich wäre einfach da, würde sehen, was passiert und darauf reagieren. Ich wäre offener und nicht so weg. Ich würde nicht an der Vergangenheit festhalten oder eine Zukunft projizieren, sondern wäre da und dann würde ich darauf reagieren. Es wäre viel stressfreier. Der Kampf ist vorbei. Ich würde anders hinhören, was du mir sagst. Es gibt nicht den richtigen Weg und darum würde ich dir anders zuhören. : Dreh es um. : Ich sollte meinen Mund aufmachen. Im ersten Moment, wo du den Mantel anziehst, hätte ich dich schon fragen können, ob du los willst. Ich hätte da schon viel früher drauf reagieren können, du hast dich ja eine Weile angezogen. (Lachen) Ich hätte also erst einmal fragen können, wo du hin willst und dann hätte ich auch was sagen können. Dass ich z. B. mitkommen will, wenn du spazieren gehst. Ach, ich hätte meinen Mund aufmachen sollen, habe ich aber nicht gemacht. Auch vorher schon, als ich mich an den Schreibtisch gesetzt habe, um noch etwas zu arbeiten. Da hätte ich auch kommunizieren können, ich mache jetzt noch dies und dies, bevor wir spazieren gehen. : Und eine weitere Umkehrung? : Sie sollte nicht ihren Mund aufmachen. Weil ich dadurch lerne, für mich Verantwortung zu übernehmen. Wenn sie nicht ihren Mund aufmacht und ich warte, dann mache ich mich abhängig und dadurch lerne ich auch, wo ich meinen Mund nicht aufmache. Dass ich sehe, dass ich da handeln kann oder kommunizieren kann. Und du solltest nicht deinen Mund aufmachen mit dem Spaziergang, weil ich ja eigentlich wusste, wo du hin willst. Ich hätte einfach sagen können, ich komme mit, dass hätte uns die ganze Situation erspart.

Und in einer anderen Situation mit dir, wo du nicht deinen Mund aufgemacht hast, lerne ich mir meine Ruhe zu nehmen und dich einfach zu fragen. Und wenn es zum 100. Mal ist. Da meine Unsicherheit zu überwinden und mir zu sagen, die Information hole ich mir jetzt, und dich einfach zu fragen. Dann bin ich auch zufriedener, wenn ich das nämlich nicht tue, bin ich auch über dich genervt. Da sollte ich meinen Mund aufmachen, wenn ich das gerne anders hätte. T : Danke dir, Heiko. Die Nummer 4 des Arbeitsblattes: Ich brauche von ... T N T N T N T N T N T N T N

: Nina, was steht bei dir bei Nummer 4? : Ich brauche es von Heiko, dass er sich für mich freut, wenn ich Erfolg habe. : Hast Du eine Situation dazu vor Augen? : Ja. : Und ist das wahr? Du brauchst es von ihm, dass er sich für dich freut, wenn du Erfolg hast? : Sagen wir mal so, es wäre schön gewesen, es hätte mich gefreut. : Ja, und ist das wahr, du brauchst es von ihm? : Brauchen ist vielleicht übertrieben, aber ich sage mal, ich würde es mir wünschen. : Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, du brauchst es von ihm, dass er sich für dich freut? : Nein. : Wie reagierst du, wenn du glaubst, du brauchst es von ihm, dass er sich für dich freut, wenn du Erfolg hast? : Ich gehe mit einer großen Erwartungshaltung ran. Ich setze mich selber unter Druck, Leistungsdruck, ich will mein Bestes geben. : Wie behandelst du ihn in dem Moment? : Ich setze das voraus. Wenn es dann nicht kommt, dann habe ich wieder mein eigenes Muster, dann schweige ich und entziehe mich und verbuddele mich und rede nicht mehr. Ich bin trotzig.

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: Wer wärst du in dem Augenblick ohne den Gedanken? : Naja, ohne den Gedanken hätte ich mich selber mal freuen können. Und wahrscheinlich ihn nicht unter so eine Erwartungshaltung gesetzt. : Dreh es um. : Ich brauche es von mir, dass ich mich für mich freue, wenn ich Erfolg habe. Ja, das stimmt! Das ist ein wahrer Satz. Und ich brauche es nicht, dass er sich für meinen Erfolg freut. Hätte ich mich selber gefreut, hätte ich das nicht von ihm gebraucht. Hätte ich gesehen, was ich da geleistet und aufgebaut habe, hätte ich es nicht von ihm gebraucht. : Gib noch ein Beispiel. : Ich brauche es für mich selber, dass ich mich über alles freue, was ich tue. Ja das brauche ich von ihm nicht. Ich sollte mich wertschätzen und freuen über das, was ich tue. : Danke dir.

Die Nummer 5 des Arbeitsblattes: Du bist ... T

: Dann kommen wir zu Nummer 5 auf dem Arbeitsblatt. Heiko, lies bitte an Nina gerichtet noch einmal vor, was du dort alles aufgeschrieben hast. H : Nina, du bist nur in deinem Kopf, hektisch, gestresst, kommst nicht zur Ruhe, machst alles mit dir selbst aus, rechtfertigst dich permanent, fühlst dich schnell angegriffen, bist unnahbar, immer am Machen, redest nicht mit mir, stellst mich vor vollendete Tatsachen, machst dir dein Bild und hältst dich daran fest, egal was ich dazu sage. T : Und dreh es alles zu Dir. Lies es langsam und schau dabei, ob du es zu dir nehmen kannst. Ob du es finden kannst, auch in dieser Ausgangssituation. H : Ich bin nur in meinem Kopf, hektisch, gestresst, komme nicht zur Ruhe, mache alles mit mir selber aus, rechtfertige mich permanent, fühle mich schnell angegriffen, bin unnahbar, immer am Machen, rede nicht mit dir, stelle dich vor vollendete Tatsachen, mache mir ein Bild

und halte mich daran fest, egal was du dazu sagst. Ja, das stimmt, auch in der Situation. Die Nummer 6 des Arbeitsblattes: Ich will nie wieder erleben ... T N

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: Nina, was willst du mit Heiko nie wieder erleben ... : Ich traue mich gar nicht, meins vorzulesen. Ich will nie wieder, dass du mit erhobenem Zeigefinger mit mir rummeckerst und mich anbrüllst. Und ich will nie wieder, dass du andere vor mir lobst und mich ignorierst. Wie geht das jetzt? : Ich bin bereit wieder zu erleben ... : Ich bin bereit wieder zu erleben, dass du mit erhobenem Zeigefinger mit mir rummeckerst und mich anbrüllst. Dass du andere vor mir lobst und mich ignorierst. : Ist das vorstellbar für dich? Es könnte wieder passieren, dass er mit erhobenem Zeigefinger vor dir steht. Und bist du bereit, das wieder zu erleben? : Ja, mir bleibt ja nichts anderes übrig. (Lachen) : Dann probier mal, „Ich freue mich darauf, wieder zu erleben ...“. : Ich freue mich darauf wieder zu erleben, dass du mit erhobenem Zeigefinger mit mir rummeckerst und mich anbrüllst. Dass du andere vor mir lobst und mich ignorierst. : Wie könnte das eine gute Sache sein? Stell dir vor, das Universum ist freundlich, wie wäre es das Beste, was dir geschehen kann ... : Dass ich meine Grenzen setze! Ja, dann freue ich mich drauf. : Und dass er andere vor dir lobt und dich ignoriert? : Auch gut, weil ich dann lerne, mich selber zu loben. : Es kann wieder passieren, aber es heißt nicht, dass du genauso reagieren wirst wie früher. : Ja, das stimmt. : Ich danke euch beiden für eure Offenheit und Ehrlichkeit.

Voneinander lernen Diese Art der Kommunikation ist sicher anders als die gewohnte Form des Austausches. Vielleicht teilen wir unsere stressvollen Gedanken normalerweise dem anderen gar nicht mit? Oder wir beschweren uns lieber lauthals bei Freunden und Kollegen über die betreffende Person. Wir suchen uns Verbündete, die uns bestätigen, was für ein unmöglicher Kerl der andere doch ist. Und falls wir dem anderen doch unsere Urteile mitteilen, klingen sie häufig wie Vorwürfe und Beschwerden. Wie kommen wir aus dieser Nummer raus? Mit Offenheit und Interesse können wir von unserem Gegenüber wertvolle Information über uns bekommen. Wer könnte uns besseres Feedback geben als jemand, der mit uns arbeitet oder lebt? Umgekehrt, wenn wir Stress mit einem Menschen haben, übernehmen wir durch eine Work über diese Person Verantwortung für unseren Part, unsere stressvollen Gedanken und Gefühle. Durch die Umkehrungen erweitern wir unseren Wahrnehmungshorizont über die Person und uns selbst. Und vielleicht werden wir milde, wenn wir erkennen, dass wir häufig selbst nicht leben, was wir dem anderen vorhalten oder von ihm erwarten. Mit einem Team von insgesamt vier Kollegen wählten wir einmal diese Form der Kommunikation für unsere Teamentwicklung. Wir gingen gemeinsam für eine Woche in Klausur und workten unsere eigenen Themen, also auch stressvolle Gedanken übereinander. Innerhalb dieser Woche stieß mir immer wieder auf, dass die anderen drei in meiner Wahrnehmung abends nur noch wie besessen in ihre Laptops hackten. So hatte ich mir unsere Teamentwicklung aber nicht vorgestellt. Ich dachte, wir würden abends gemütlich beisammensitzen und uns nett austauschen. So schrieb ich einen Zettel über die drei mit dem Haupturteil „Ihr seid Workaholics“. Ich las den dreien mein Arbeitsblatt vor und anschließend workte ich die ganzen Urteile auf meinem Zettel. Ich empfand es als sehr befreiend und lehrreich, auf diese Art miteinander umzugehen und voneinander zu lernen. Das Thema Work-Life-Balance ist für alle

Beteiligten nach wie vor relevant. Witzigerweise war ich es, die bei unserem letzten Zusammentreffen am meisten in die Tasten gehauen hat, schließlich sollte dieses Buch ja fertig werden. Zudem machen zwei von den Kollegen jährlich weitaus mehr Urlaub und längere Fernreisen als ich. Wie so häufig, die Umkehrungen sind wahrer. Wie schön, wenn das in einem freundschaftlichen und kollegialen Klima erkannt werden kann. Falls Sie Lust bekommen haben, mit einem Partner übereinander zu worken, dann empfehle ich Ihnen dabei wertschätzend, liebevoll und respektvoll miteinander umzugehen. Ein Zettel über den anderen sollte nicht falsch verstanden werden als die Chance, dem anderen endlich einmal einen reinwürgen zu können. Und wenn ich glaube, ich könnte durch meinen Zettel meinen Partner weich kochen, ihn umstimmen oder ihm ein schlechtes Gewissen machen, bin ich auf dem Holzweg. The Work funktioniert nicht mit einem Motiv im Rücken. Und wie der Partner reagiert, ob und wie er eingeht auf das Arbeitsblatt und ob er sich zukünftig deshalb ändert – das alles sind seine Angelegenheiten.

Es wieder gut machen Nach einer Work merken Sie vielleicht, wie sich Ihr Herz für die andere Person öffnet, manchmal nur einen Spalt weit, manchmal vielleicht wie ein Scheunentor. Der Groll oder Ärger, der zwischen Ihnen und dem anderen stand, hat sich durch die Befragung verändert, eventuell sogar in Luft aufgelöst. Bei den Menschen, die wir mit Urteilen belegen, ist es so, als ob mehrere Lagen graue Schleier über ihnen liegen. Wir sehen die Menschen verschleiert und haben keinen klaren Blick auf sie. Mit der Befragung unserer stressvollen Konzepte lüften sich diese Schleier und wir bleiben mit einem klareren Bild über den anderen zurück. Diese Erfahrung kann zu dem Wunsch führen, sein Gegenüber an den guten neuen Erkenntnissen teilhaben zu lassen. Möglicherweise sich zu entschuldigen für die eigenen Gedanken und das daraus resultierende Verhalten. Wenn ich ehemals über einen Kollegen gedacht habe, er engagiere sich in unserem

Gemeinschaftsprojekt zu wenig und ich dann gefunden habe, dass das Gegenteil wahrer ist, kann ich ihm das mitteilen. Dabei empfiehlt es sich sehr, nur von sich und seinen Angelegenheiten zu erzählen: das sind die eigenen Gedanken, Gefühle und Handlungen. Ich kann z. B. zu meinem Kollegen sagen: „Ich habe über dich geglaubt, dass du dich zu wenig in unserem Projekt engagierst. Was ich vielmehr gefunden habe ist, dass ich mich zu wenig engagiere. Ich war zu faul einen Beitrag für das Forum zu schreiben. Ich habe tausend Vorwände gehabt, meine Aufgaben für das Projekt nicht zu erfüllen und ich habe bei der letzten E-Mail an die Teilnehmer nicht 100 % von mir gegeben. Außerdem habe ich erkannt, dass du dich nicht zu wenig engagierst: Du nimmst deine Aufgaben in deinem Bereich sehr ernst, lädst z. B. sofort die Audiodatei hoch. Du kümmerst dich rührend um die Teilnehmer, schreibst ihnen lange E-Mails. Und Du bestärkst mich in meinen Aufgaben, indem du mir sehr positives Feedback gibst.“ Diese Art der wertschätzenden Kommunikation lässt Widerstände, Ressentiments oder Vorurteile wie Eis in der Sonne dahinschmelzen. Indem man sein Gegenüber würdigt, fühlt man sich automatisch verbundener. Wenn wir Ratschläge für andere parat haben, können wir auf ähnliche Art damit verfahren. „Meine Mutter sollte mir zuhören, mein Vater sollte mich respektieren und mein Partner sollte mich auf Händen tragen!“ Wenn ich diese Ratschläge umkehre auf mich, wird daraus „Ich sollte meiner Mutter zuhören und auch mir selbst“. Vielleicht wird mir dann klar, dass es nicht so einfach ist, anderen oder sich selbst zuzuhören und dass man häufig an seinen eigenen hohen Ansprüchen scheitert. Davon kann ich meinem Gegenüber berichten. So kann ich meiner Mutter persönlich oder in einem Brief mitteilen, dass ich dachte, sie solle mir zuhören und dass ich herausgefunden habe, dass dies keine einfache Aufgabe sei. Dass es mir selbst sehr oft nicht gelingt, mir oder anderen zuzuhören. Und dass ich mich zukünftig mehr darum kümmern möchte, mir selbst zuzuhören und dass ich auch ihr eine bessere Zuhörerin sein möchte. Wenn ich glaube, mein Vater sollte mich mehr respektieren, kann ich durch die Befragung in meinem

Leben schauen, wo ich ihn nicht respektiert habe. Das, was ich ihm da nicht geben konnte, kann ich ihm ab sofort umso mehr geben: Respekt. Das ist meine Verschreibung fürs Glück, meine Wiedergutmachung. Wenn Sie andere an Ihren Erkenntnissen teilhaben lassen möchten, sprechen Sie ausschließlich von sich. Bleiben Sie bei Ihren Ausführungen nur in Ihren Angelegenheiten, berichten Sie nur von Ihren Gedanken und Taten. Dies ist kein Forum für Anklage, Schuldzuweisungen und Beschimpfungen dem anderen gegenüber, auch nicht indirekt. Die Wiedergutmachung erfordert geistige Größe und ein Übernehmen von Verantwortung. Sie ist ein Ausstrecken der Hand, eine Geste des Friedens. Und letztlich tun wir es für uns. Wir machen uns selbst dadurch frei. Sie können abschließend Ihr Gegenüber noch um Verzeihung bitten. Wenn Ihnen danach ist und es von Herzen kommt, können Sie dem Menschen mitteilen, dass es Ihnen Leid tut, wie Sie sich verhalten haben und ob es etwas gibt, was Sie für den anderen tun können, um es wieder gut zu machen. Die Idee der Wiedergutmachung stammt wie so vieles in diesem Buch von Byron Katie. Sie beschreibt diese Art der „Umkehrungen in Aktion“ z. B. in Ihrem Buch Lieben was ist (S. 140 ff.).

5.5 Umgang mit Kritik Es gibt also verschiedene Möglichkeiten, mit Kritik umzugehen, welche Variante wählen Sie? Variante Work-Fanatiker: F T

: Ich finde, du bist unordentlich. Räum doch mal deinen Kram weg. : Und Schatz, wie lautet die Umkehrung???

Variante Krieg: F

: Ich finde, du bist unordentlich. Räum doch mal deinen Kram weg.

T

: Wie bitte? Spinnst du? Schau doch mal bei dir! Hast du dir mal angeguckt, wie dein Schreibtisch aussieht? Warum hackst du auf mir rum? Du bist genauso nervig wie meine Mutter! Erst einmal vor der eigenen Haustüre kehren, gell.

Variante Frieden: F T

: Ich finde, du bist unordentlich. Räum doch mal deinen Kram weg. : Ja das ist mir auch aufgefallen, ich bin unordentlich. Ich verspreche dir, dass ich mich darum kümmere. Kannst du mir vielleicht dabei helfen?

Es gibt Kritik, ist das wahr? Wir können die Kritik, die uns trifft, wunderbar mit The Work befragen. Was dann häufig geschieht, ist, dass Sie an Ladung für uns verliert. Plötzlich ist es gar nicht mehr so schlimm, wenn jemand behauptet, wir seien kaltherzig. Es kickt uns nicht mehr aus unserer Mitte. In dem Moment, in dem wir Freundschaft geschlossen haben mit „kaltherzig“, tut es nicht mehr weh und es verliert seine Wucht als Kritik. Wenn die Ansage, „Du bist kaltherzig“ nicht mehr schmerzt, weil sie nicht mehr als Kritik wahrgenommen wird, gibt es dann überhaupt noch irgendetwas, was als Kritik verstanden werden kann? Es gibt Kritik. Ich lade Sie jetzt ein zu einer schriftlichen Work zum Thema Kritik. Suchen Sie sich bitte eine Situation, in der der Gedanke in Ihnen aufgetaucht ist „Ich werde kritisiert“. Vergegenwärtigen Sie sich den Moment, die vielleicht anwesenden Personen, den Sachverhalt. Spüren Sie noch einmal die Gefühle, die in der Situation aufgetaucht sind, als jemand Sie kritisiert hat. Hören Sie noch einmal die Worte, die von dieser Person an Sie gerichtet wurden. Und in dem Moment, ist es wahr, es gibt Kritik?

Falls Sie mit Ja geantwortet haben, können Sie mit absoluter Sicherheit wissen, dass es wahr ist, es gibt Kritik? Überlegen Sie, was ist Ihr Beweis dafür, dass es Kritik gibt? Nehmen Sie wahr, was in dieser Situation geschieht, was die beteiligten Personen sagen. Es gibt Kritik, können Sie sich absolut sicher sein? Und lassen Sie ein einfaches Ja oder Nein als Antwort genug sein.

Wie reagieren Sie, was passiert, wenn Sie in dem Moment den Gedanken glauben, es gibt Kritik?

Was geschieht in Ihrem Körper, wenn Sie den Gedanken glauben? Welche Resonanz erzeugt der Gedanke in Ihnen? Wo genau spüren Sie es?

Wie behandeln Sie involvierte Personen, wenn Sie glauben, es gibt Kritik? Wie gehen Sie innerlich, also gedanklich mit Ihrem Gegenüber um, wenn er oder sie sich mitteilt und Sie glauben, es gibt Kritik? Wie behandeln Sie ihn oder sie in Taten?

Wie gehen Sie mit dem Gesagten um, wenn Sie glauben, es gibt Kritik?

Wie behandeln Sie sich selbst, wenn Sie in der Situation glauben, es gibt Kritik? Was sagen Sie zu sich selbst? Wie behandeln Sie sich in dem Moment?

Wer wären Sie in dieser Situation ohne den Gedanken, es gibt Kritik? Stellen Sie sich vor, Sie hätten gar keine Idee von dem Konzept „Kritik“? Sie wüssten gar nicht, was das sein soll? Wie leben Sie Ihr Leben in dem Moment, in dem Ihr Gegenüber Ihnen etwas mitteilt?

Wie fühlt es sich an, ohne den Gedanken, es gibt Kritik?

Lassen Sie uns zu den Umkehrungen gehen: „Es gibt Kritik“ wird zu ... Es gibt keine Kritik. In der Situation, wie ist es wahr, es gibt keine Kritik? Vielleicht unterstützt es Sie, ganz nüchtern und mit einer neutralen Brille die Situation zu betrachten. Mensch spricht mit Mensch. Mensch A teilt Mensch B seine Gedanken mit. Wie lauten Ihre Beispiele?

Eine weitere Umkehrung könnte sein: Es gibt Lob ... Können Sie etwas damit anfangen, vor allem in der spezifischen Situation? Wie lauten Ihre Beispiele?

Wer wären Sie ohne den Gedanken, es gibt Kritik? Wie würden Sie Ihr Leben leben?

5.6 Über das Urteilen hinaus Der Meditationslehrer Joseph Goldstein erzählt die Geschichte einer Lehrerin, die Äpfel mit in den Unterricht brachte und ihre Schüler fragte: „Welche Farbe haben die Äpfel?“ Einige Schüler riefen grün, ein paar rot, andere sagten gelb. Ein Schüler antwortet jedoch: „Weiß!“ Warum sagst du weiß, fragte die Lehrerin, wo du doch siehst, dass die Äpfel farbig sind. Der Schüler ging nach vorne, biss in einen Apfel und zeigte allen Anwesenden das Weiße des Apfels. Wir haben in diesem Kapitel gesehen, dass Urteile blitzschnell geschehen und gewohnte Denkroutinen bequem für uns sind und uns ein Gefühl von Vertrautheit geben. Schade nur, wenn uns dadurch etwas verborgen bleibt, was auch da ist und unser Bild über die Welt vervollständigen könnte. Was wird wohl möglich, wenn wir uns in einen Zustand versetzten, der über das Urteilen hinausgeht?

Meditation: Namasté „Viele Leute glauben zu denken, dabei ordnen sie lediglich ihre Vorurteile neu.“ William James Diese Meditation ist eine Einladung, einen Ort in Ihnen zu finden, wo Urteile ihre Bedeutung verlieren. Urteile werden so schnell und unbewusst gefällt, dass wir mit unserem bewussten Verstand kaum nachkommen und nur noch mit dem Ergebnis konfrontiert werden: Der andere ist sympathisch, unfreundlich, klug, hinterhältig. Und es gibt in jedem von uns einen inneren Ort, an dem diese Urteile zerrinnen wie Sand zwischen den

Fingern. Einen Ort, wo der Verstand schweigt und sich das Herz öffnet. Dahin möchte ich Sie jetzt begleiten. Geben Sie sich dazu einen Moment Zeit, um sich zu spüren, um bei sich anzukommen. Nehmen Sie Kontakt zu sich auf, Ihrem Körper, Ihrer Atmung, Ihrem Sein. Und es gibt keine richtige oder falsche Art sich einzulassen auf diese Meditation und vielleicht sind Sie schon gespannt, welcher Weg jetzt Ihrer sein wird ... Wenn Sie soweit sind, lassen Sie vor Ihrem inneren Auge einen Menschen auftauchen, den Sie ablehnen. Es kann eine Ihnen vertraute Person sein, über die Sie sich zur Zeit aufregen. Es kann jemand sein wie ein Junkie, den Sie einmal auf der Straße gesehen haben und den Sie unangenehm fanden. Lassen Sie sich von Ihrem Unbewussten überraschen, welcher Mensch auftaucht ... Wenn Sie einen Menschen gefunden haben, nehmen Sie die Urteile wahr, an denen ihr Verstand Sie jetzt teilhaben lässt. Lauschen Sie Ihrem Verstand mit seinen Gedanken, Urteilen und Geschichten über diesen Menschen ... Können Sie die Auswirkung dieser Urteile in sich spüren? Vielleicht bemerken Sie eine Anspannung in sich oder ihre Atmung, die beeinflusst wird durch die Gedanken ... Und dann, wenn Sie soweit sind, schauen Sie sich diese Person vor Ihrem inneren Auge an. Möglicherweise spüren Sie auch einfach die Anwesenheit der Person, ohne sie zu sehen. Nehmen Sie diesen Menschen wahr: Seine Körperhaltung, sein Gesicht, seine Augen, seine Präsenz. Schauen und spüren Sie ganz achtsam hin ... und nehmen Sie Ihre Empfindungen und Körperreaktionen wahr, die entstehen ... Vielleicht steigen Urteile in Ihnen auf und das ist ganz in Ordnung. So ist unser Verstand, das ist seine Natur. Nehmen Sie diese Urteile einfach wahr, ohne in eine Geschichte einzusteigen. Lassen Sie Ihren Verstand ruhig plappern und bleiben Sie gleichzeitig in Verbindung mit diesem Menschen ... Welche Geschichte hat er wohl zu erzählen? Wie mag sein Lebensweg bis jetzt gewesen sein? Was ist seine Version der Realität? ... Und während Sie ihn weiterhin beobachten, können Sie schauen, ob es zwischen Ihnen und dem anderen etwas gibt, was Sie gemeinsam haben? Etwas Menschliches, das Sie vielleicht trotz aller Unterschiede verbindet. Wie wäre es, wenn Sie

entgegen aller Bedenken ihr Gegenüber einmal ohne Ihre Urteile betrachten könnten? Wer wären Sie ohne Ihre Geschichte in diesem Moment? Was nehmen Sie dann wahr? In diesem Zustand von Offenheit wird es vielleicht möglich, sogar Gemeinsamkeiten zu erkennen. Bei all den Unterschieden, die es zwischen Ihnen geben mag, eint sie womöglich der gemeinsame Wunsch nach Sicherheit, nach Gemeinschaft oder nach Frieden? Vielleicht hat Ihr Gegenüber auch Familie, Kinder, Freunde, deren Wohlergehen ihm am Herzen liegt. Vielleicht kämpft der andere auch manchmal mit den Widrigkeiten des Lebens, sorgt sich um seine Arbeit, seine Gesundheit? ... Und während Sie dem anderen in die Augen schauen oder ihn spüren, lenken Sie ihre Aufmerksamkeit zu Ihrem Herzen. Lauschen Sie Ihrem Herzen ... Und Ihr Herz kann spürbar und hörbar und sichtbar werden und sich in seiner Güte ausdehnen, wie die Kreise im Wasser, wenn man einen Kiesel hineinwirft. Und während Sie die Lebendigkeit Ihres Herzens spüren, können Sie das Gefühl ausdehnen, so dass es auf das Herz des anderen trifft ... Indem Sie den anderen mit Ihrem Herzen berühren und sich berühren lassen, können Sie ein Stück weit im Gleichklang schwingen, während Ihre beiden Herzen erfüllt sind vom Pochen und Pulsieren, vom Ausdehnen und Überfließen. Und verbunden durch einen gemeinsamen Herzschlag kann sich Ihr Herz noch ein Stück weiter öffnen und den anderen aufnehmen in die Weiten Ihres Herzens. Wenn der Verstand zur Ruhe kommt, können wir uns in unser Herz begeben, an einen Ort der Sicherheit und Verbundenheit. Und dort können sich Vorstellungen über den anderen ganz leicht lösen. Können Labels abfallen wie die Blätter von den Bäumen im Herbst ... Und ich weiß nicht, ob es für Sie passt? Vielleicht mögen Sie jetzt im Zustand des Verbundenseins dem anderen einen ganz besonderen Gruß von Herz zu Herz zukommen lassen: Der Gruß lautet Namasté. Er bedeutet:[10] „Ich ehre den Platz in dir, in dem das gesamte Universum residiert. Ich ehre den Platz des Lichts, der Liebe, der Wahrheit, des Friedens und der Weisheit in dir. Ich ehre den Platz in dir, wo, wenn du dort bist und auch ich dort bin, wir beide nur noch eins sind. Ich ehre den Ort in dir, an dem wir alle eins sind.“

Spüren Sie die Resonanz dieses Segens in sich. Der Ort, an dem wir alle eins sind. Der Ort in Ihrem Herzen, der allezeit da ist und von dem aus es möglich ist, den anderen anzuerkennen, so wie er ist. Sie tragen diesen Ort immer mit sich und können jederzeit zu ihm zurückkehren. Namasté. Gedanken zum Weiterdenken In Kritik liegt ein Geschenk für uns verborgen, sind Sie bereit nachzuschauen? Gedanken passieren und sind nicht persönlich, trotzdem tragen wir die Verantwortung für ihre Auswirkungen. „Mein Denken ...“ ist eine weitere Form der Umkehrung bei abstrakten Themen, Gedanken über den Körper oder einen selbst. Aufrichtige, lehrreiche Kommunikation: miteinander übereinander worken. Der Frieden beginnt in mir: die Wiedergutmachung als Friedensangebot. Namasté.

6. Sich selbst lieben Was Sie in diesem Kapitel erwartet Von den Urteilen über andere lenken wir jetzt das Scheinwerferlicht auf uns selbst. Oft sind wir uns doch selbst der härteste Kritiker. Wenn wir uns jedoch mehr annehmen und lieben, müssten wir nicht im Außen nach Aufmerksamkeit und Liebe suchen. Wir beleuchten auch das Burnout-Syndrom im Lichte von stressvollen Gedanken über uns selbst. Mithilfe von The Work können wir all die Geschichten auflösen, die uns noch daran hindern, den wertvollen glänzenden Edelstein in uns selbst zu erkennen, der wir eigentlich sind.

6.1 Die Liebe Ihres Lebens – Sie selbst! „Alle Liebe dieser Welt ist auf Eigenliebe gebaut.“ Meister Eckhart Wir sind es, die wir im Spiegel erblicken. Wir sind es, die uns ein Leben lang begleiten. Niemand wird uns je so nahe sein, wie wir uns selbst. Daher ist es sinnvoll, sich selbst der beste Lebensgefährte der Welt zu sein. An sich zu glauben, sich selbst anzunehmen mit allen Macken und Schrulligkeiten. In sich und die eigenen Fähigkeiten zu vertrauen. Einfach sich selbst der größte und treueste Fan zu sein. Das scheint jedoch für viele von uns die schwierigste Aufgabe überhaupt zu sein. Zum Einstieg in das Thema Selbstliebe bitte ich Sie einmal, folgende Übung zu machen. (Für die folgenden Übungen empfiehlt es sich, dafür zu sorgen, diese in Papierform vorliegen zu haben.)

Übung Meine positiven Eigenschaften Schreiben Sie bitte jetzt 15 positive Eigenschaften oder Verhaltensweisen auf, die Sie an sich schätzen. Seien Sie großzügig mit sich selbst! 1. _________________________________________________ 2. _________________________________________________ 3. _________________________________________________ 4. _________________________________________________ 5. _________________________________________________ 6. _________________________________________________ 7. _________________________________________________ 8. _________________________________________________ 9. _________________________________________________ 10. _________________________________________________ 11. _________________________________________________ 12. _________________________________________________ 13. _________________________________________________ 14. _________________________________________________ 15. _________________________________________________ 16. _________________________________________________

Auswertung „Dich klein zu machen dient der Welt nicht. Es liegt nichts Erleuchtetes darin, zu schrumpfen, damit andere Menschen sich in deiner Nähe nicht unsicher fühlen.“ Marianne Williamson

Und, haben Sie sich die Finger wund geschrieben bei dieser Übung? Konnten Sie gar nicht mehr stoppen in Ihrem Schreibfluss? In den meisten Fällen höre ich von Menschen, denen ich diese Aufgabe gebe, dass es ihnen sehr schwer gefallen ist, überhaupt ein paar positive Eigenschaften zu finden. Würde ich die Aufgabe anders formulieren und Sie bitten, 15 Schwächen oder „Charakterfehler“ an Ihnen zu benennen, würden Sie womöglich schreiben, was das Zeug hält. Wie kommt das? Warum sind wir entweder so kritisch mit uns selbst oder so blind für unsere Stärken und Erfolge? Wie kommt es, dass wir über uns glauben: „Ich bin nicht gut genug. Ich kann das nicht. Ich bin noch nicht soweit. Die anderen sind weiter als ich. Ich bin zu jung / alt / unerfahren / klein / dumm, um das zu machen.“ Die Liste der Selbstanklagen könnte sicher noch länger sein, mit weiteren harten Urteilen über uns selbst. In den meisten Coachings, die ich gebe, ist unabhängig vom Auftrag der Kern bei meinen Klienten letzten Endes ein negatives und abwertendes Selbstkonzept. Egal, ob sie wegen einem beruflichen oder privaten Thema zu mir kommen. Die Menschen denken über sich, dass sie beruflich nicht gut genug sind oder sie zweifeln an ihren persönlichen Kompetenzen. Die gute Nachricht ist, dass all diese stressvollen Selbstkonzepte auch wieder nur Gedanken und Geschichten sind, die wir hinterfragen können. Wir kommen mit diesen Gedanken nicht auf die Welt. Im Gegenteil, wenn wir klein sind, halten wir alles für möglich, sind mächtig stolz auf uns und erfreuen uns an uns selbst. Irgendwann jedoch machen wir bestimmte Erfahrungen mit unseren Eltern, unseren Geschwistern, in der Schule und dann beginnen wir etwas über uns zu glauben. Wir bilden eine Identität aus und kleben ganz viele Post-it-Zettel mit Zuschreibungen daran. Aus dem ehemals seligen Zustand der Unbekümmertheit erwächst ein Wesen, das mit Post-it-Zetteln übersät ist. Wir bilden eine Identität aus mit einem Ego, das von sich glaubt: Ich bin eine Frau, ich bin eine Psychologin, ich bin eine Trainerin, ich bin eine schlechte Autofahrerin, ich bin eine falsche Freundin, ich bin eine

undankbare Tochter, ich bin eine uninteressante Gesprächspartnerin und vieles mehr. Dies sind alles Zuschreibungen und Konzepte über uns selbst. Als Babys sehen wir einen Hund und sagen „wuwu“. Dann lernen wir, dass dieses Wesen Hund heißt. Irgendwann sagen wir, „das ist ein flauschiger freundlicher Hund, den ich gerne streicheln würde“, oder „das ist ein gemeiner bissiger Hund, vor dem muss man sich in Acht nehmen“. Wir kommen mit diesen Konzepten nicht auf die Welt, wir lernen sie. Dasselbe gilt für Zuschreibungen über uns selbst. Ich bin nicht auf die Welt gekommen mit der Annahme, ich sei eine schlechte Autofahrerin. Ich habe es gelernt über mich zu denken und es beeinflusst mich beim Autofahren und beim Einparken. Wie können wir in diesen ursprünglichen Zustand der unschuldigen Selbstliebe zurückkommen? Indem wir Schicht für Schicht jedes Konzepts befragen, mit dem wir uns selbst sabotieren und begrenzen. Indem wir die Propaganda in unserem Verstand unterlaufen und wieder zum wahren Kern in uns finden: Liebe. Nichts ist sinnvoller als bei sich selbst anzufangen. Wenn wir uns nicht selbst lieben, werden wir versuchen, Anerkennung und Liebe im Außen zu bekommen. Und das ist der direkteste Weg in die Hölle.

6.2 Gedanken über uns selbst „I’m a loser baby so why don’t you kill me.“ Beck Mit The Work können wir neben den stressvollen Gedanken über die Welt und andere auch die Gedanken über uns selbst hinterfragen. Es ist eigentlich nicht nötig, landen wir ja bei The Work über andere am Ende mit den Umkehrungen auch immer bei uns selbst. Die Beispiele bei den Umkehrungen zu uns selbst zeigen uns deutlich unsere blinden Flecken und sind unser Rezept zum Glücklichsein. Wir können das Außen in Form von anderen Menschen, Institutionen oder unserem Körper wunderbar als Projektionsfläche für unser Denken nutzen. Und wir können darauf

vertrauen, dass unsere stressvollen Gedanken und Urteile über andere uns schon alles geben werden, was wir für unsere Selbsterkenntnis und unser Wachstum brauchen. Interessanterweise wollen sich viele Menschen aber trotzdem mit den kritischen Urteilen über sich selbst beschäftigen. Es vergeht kein The WorkSeminar von mir, ohne dass der Wunsch geäußert würde, über sich selbst eine Arbeitsblatt auszufüllen, obwohl ich die Teilnehmer bitte, über jemand anderen zu urteilen. Das Kapitel zum Thema Selbstanklage steht nicht umsonst als letzte Themenstation auf dem Reisefahrplan. Erst wenn Sie Erfahrungen mit The Work über andere gemacht haben, ist es überhaupt sinnvoll, das Scheinwerferlicht auf sich selbst zu richten und Konzepte über sich zu befragen. Denn The Work über sich selbst soll keine Einladung sein, die Schuldpeitsche zu schwingen. So wie es bei The Work generell nicht um die Schuldfrage geht. Aber gerade bei der Selbstbeurteilung ist Milde und Freundlichkeit geboten und das Wissen, dass wir in jedem Moment immer nur unser Bestes geben. Wenn ich wütend oder enttäuscht von mir bin, weil ich denke, dass ich mich in einer Situation idiotisch verhalten habe, hat dieses Selbsturteil eine emotionale Ladung. Es kann passieren, dass diese Gefühle es mir erschweren, ehrliche Antworten auf meine Work zu geben. Vielleicht schleicht sich ein Motiv in meine Work ein, nämlich anders sein zu wollen oder besser sein zu müssen. The Work mit einem Motiv einzusetzen ist nie besonders förderlich für den Erkenntnisgewinn. Wenn ich mit mir selbst unzufrieden bin, könnte das Motiv, mich anders haben zu wollen, so stark sein, dass es mir meine Work erschwert. Hinzu kommt, dass wir bei einer Work über uns selbst weniger Umkehrungen bilden können. Das Gegenüber fehlt in dieser Form der Work. Peter, meine Mutter, der Staat, sie alle spielen keine Rolle bei IchSätzen und so kann ich keine Umkehrung auf diese anderen bilden. Das ist schade, denn die Umkehrungen bezogen auf die anderen bergen die Chance, in die gelebte Umkehrung zu gehen. Aus „Peter lässt mich nicht ausreden“

wird „Ich lasse Peter nicht ausreden“ und da kann ich selbst aktiv werden und das Gegenteil leben und Peter ausreden lassen. Aber gut, dann bringen Sie eben alle Ihre Schwächen und Makel aufs Papier. Sie können ein komplettes Arbeitsblatt über sich ausfüllen oder einzelne Urteile. Ich zeige Ihnen jetzt einen Weg, wie Sie auf Urteile über sich selbst kommen. Welche Verhaltensweisen lehnen Sie besonders an sich ab? Was genau macht es Ihnen schwer, sich selbst so zu lieben und anzunehmen, wie Sie sind? Machen Sie eine Bestandsaufnahme und listen Sie alle verachtungswürdigen, unmöglichen und nicht akzeptablen Verhaltensweisen und Eigenschaften von sich auf, die Ihnen zeigen, dass Sie sich nicht lieben bzw. ein schlechter Mensch sind. Mit Verhaltensweisen sind auf der einen Seite tatsächlich Taten oder Eigenschaften gemeint, wie z. B. „Ich schreie meinen Partner an“, aber auch Dinge, die in ihrem Kopf passieren, wie z. B. „Ich denke schlecht über meinen Partner“. Beispiele: Ich bin kritiksüchtig. Ich bin illoyal meinen Freunden gegenüber. Ich bin faul. Ich lästere über andere Menschen. Ich bin beruflich nicht erfolgreich. Ich bin unordentlich. Ich schaue zu viel Fernsehen. Ich esse zu viel. Ich glaube nicht an mich und meine Fähigkeiten. Ich komme morgens nicht aus dem Bett. Ich verplempere meine Zeit bei Facebook und im Internet. Ich halte nicht mein Wort. Ich rauche zu viel / trinke zu viel Kaffee / zu viel Alkohol. Ich bin unsicher auf Partys und bei Gruppenveranstaltungen. Ich habe null Disziplin. Ich lüge andere an.

Ich bin mäkelig und kritisch. Ich bringe nichts zu Ende. Ich habe meine Finanzen nicht im Griff. Ich bin zu langsam. Ich bin arbeitslos. Ich bin ungeduldig. Ich bin neidisch auf den Erfolg anderer. Ich bin depressiv und ziehe mich von der Welt zurück.

Übung Was ich an mir ablehne Schreiben Sie jetzt ihre Liste. Sie können sich gerne bei der Liste oben bedienen.

Was muss man glauben ... Ich hoffe, der Platz hat ausgereicht. Schauen Sie sich noch einmal Ihre Liste an. Ist es nicht verblüffend, was wir so an uns auszusetzen haben? Was wir uns vorwerfen? Und das sind alles einfach nur Gedanken und Konzepte, die

nicht in Stein gemeißelt sind. Lassen Sie sich überraschen, was die Befragung dieser Konzepte zutage fördert. Angenommen, Sie lehnen an sich ab, dass Sie kritiksüchtig sind. Was muss man glauben, um sich so zu verhalten? Ich bin kritiksüchtig und was muss man glauben, um sich so zu verhalten ... Ich / der andere / die Welt ist nicht o.k., so wie sie ist. Ich bin besser als die anderen. Ich weiß, wie es richtig geht. Der andere macht es falsch. Der andere muss sich ändern. Ich muss den anderen darauf aufmerksam machen. Ich kann den anderen, so wie er ist, nicht ertragen.

Übung Was muss man glauben ... Wählen Sie ein Konzept aus Ihrer Liste „Was ich an mir ablehne“ aus. Sie sind ...

Dann fragen Sie sich, was muss man glauben, um sich so zu verhalten?

Anschließend können Sie jede Überzeugung mit den vier Fragen untersuchen.

Fallbeispiel Ich habe mir die Überzeugung „Ich bin kritiksüchtig“ ausgewählt. Mit der Frage „Was muss man glauben, um sich so zu verhalten?“ habe ich Konzepte gefunden, die das Verhalten kritiksüchtig zu sein, nähren. Ich kann mir dann jeden dieser einzelnen Sätze aus der Liste vornehmen und worken. Es sind Urteile dabei, die etwas über mich aussagen, und Urteile über andere. Beides funktioniert und ich demonstriere jetzt exemplarisch die Work mit dem Satz: Ich weiß, wie es richtig geht. Vielleicht kommt Ihnen dieser Gedanke bekannt vor? Ich lade Sie ein, eine Situation zu finden, in der dieser Gedanke für Sie wahr war. Wo Sie über sich geglaubt haben, ich weiß, wie es richtig geht. Finden Sie Ihre eigenen Antworten auf die Fragen und Umkehrungen. Ich weiß, wie es richtig geht. Die Ausgangsituation dazu ist: Gemeinsam mit einem Kollegen plane ich ein Teamteaching. Wir besprechen den Ablauf des Seminars. In der Situation glaube ich, ich weiß, wie es richtig geht. In der Situation, ist das wahr? Ich weiß wie es richtig geht? Ja. Kann ich mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist, ich weiß, wie es richtig geht? Nein.

Wie reagiere ich, was passiert, wenn ich diesen Gedanken glaube: Ich weiß, wie es richtig geht. Es zieht sich in mir körperlich zusammen, es fühlt sich eng an in der Brust und im Schulterbereich. Ich bekomme einen Tunnelblick und bin dadurch nur noch auf mich fokussiert. Ich höre meinem Kollegen nicht richtig zu, lasse seine Vorschläge nicht wirklich wirken und bei mir ankommen. Ich bin verbohrt und wenig offen und flexibel. Es gibt kein Wir-Gefühl, sondern es fühlt sich getrennt an zwischen uns. Wenn ich glaube, ich weiß wie es richtig geht, tue ich die Vorschläge, die Erfahrungen und das Wissen meines Kollegen ab. Ich bin verbohrt und rechthaberisch. Meine Stimme bekommt etwas Gepressten und Schrilles. Wer wäre ich in der Situation ohne den Gedanken, ich weiß, wie es richtig geht? Ich wäre offener und zugänglicher. Es gäbe keinen Kampf zwischen mir und meinem Kollegen. Es wird mehr zu einem Miteinander als zu einem Gegeneinander. Die ganze Situation entspannt sich. Ich mag meinen Kollegen, höre ihm zu. Es ist mehr Leichtigkeit spürbar. Mein Körper ist weicher, die Atmung fließt tiefer. Ich bin neugierig, was mein Kollege zu sagen hat und mit einbringt. Umkehrungen 1. Ich weiß nicht, wie es richtig geht. In der Situation weiß ich nicht, wie es richtig geht. Ich kann nicht hellsehen und weiß nicht, was für die Teilnehmer das Beste wäre. Mein Kollege ist ein erfahrener Trainer. Er weiß sicher Dinge, die ich nicht weiß. Es gibt so viele Möglichkeiten, ein Training zu gestalten. Woher soll ich mit meinem „kleinen Verstand“ wissen, wie es richtig geht? 2. Ich weiß, wie es falsch geht. Ja, in dem Moment meine ich zu wissen, wie es falsch geht. Wenn ich glaube, ich weiß was richtig ist, habe ich auch eine Meinung dazu, was

falsch wäre. Die Umkehrung funktioniert auch in der Richtung, dass ich weiß, wie es falsch geht, nämlich durch meine Rechthaberei. Wenn ich glaube, ich wüsste was, werde ich eng und verbohrt. Das fühlt sich nicht gut an und verhindert Kreativität. Mit dieser Erfahrung weiß ich jetzt, wie es falsch geht.

Was hat’s gebracht? Gerne und schnell kommt die Frage, was so eine Work nun bringt. Bin ich jetzt nicht mehr kritiksüchtig? Das kann ich nicht behaupten. Mein Verstand kritisiert immer noch schnell und gerne. So eine lang gehegte Verhaltensweise ändert sich meistens nicht mit einer Work. Darum geht es auch gar nicht. Für mich persönlich ist die Erkenntnis aus dieser Work, dass es nicht nur nach meinem Sturkopf gehen muss. Dass mein Partner wertvolles Wissen beisteuern kann. Und ich bin mir dabei überhaupt nicht böse, dass ich mich so verhalten habe oder so über meinen Partner gedacht habe. Das ist der wichtige Punkt bei einer Work über sich selbst. Verständnis für sich zu haben. Nach dieser Work war auch meine Bereitschaft größer, mich auf unser gemeinsames Projekt mehr einzulassen und darauf zu vertrauen, dass wir zu zweit etwas Kreativeres erreichen können, als wenn jeder sein Ding allein durchzieht. Mein Partner und ich haben jetzt mehrere Trainings gemeinsam geplant und durchgeführt und ich merke als Nachwirkung dieser und weiterer Works über das Thema, dass ich entspannter im Umgang mit ihm bin. Dass das gemeinsame Trainieren mehr Leichtigkeit bekommen hat. So löst sich in Bezug auf den Kollegen das Kritisieren häppchenweise auf und am Ende auch an anderen Stellen. Für jeden ist die Wirkung von The Work unterschiedlich und auch jede Work für sich genommen fühlt sich anschließend verschieden an. Das Resultat oder die Wirkung lässt sich nicht vorher bestimmen. Am besten, Sie machen Ihre eigenen Erfahrungen mit der Befragung über sich selbst. Vielleicht haben Sie gesehen, dass es bei diesem Ich-Satz nicht so viele Umkehrungen gibt wie bei den Sätzen über andere. Das ist generell der

Fall. Die Ich-Sätze geben nicht so viel her, da das Austauschen von Personen wegfällt. Als Faustregel gilt: Die Umkehrung ins Gegenteil ist immer möglich und manchmal macht noch die Umkehrung ins gesteigerte Gegenteil Sinn. Aus „Ich bin dumm“ wird dann „Ich bin klug“.

6.3 Perfektionismus ade „Es ist nicht Ihre Aufgabe, mich zu mögen – es ist meine.“ Byron Katie Das Thema Burnout ist in aller Munde. Medien wie Spiegel, Fokus und Stern berichten in regelmäßigen Abständen von der Burnout-Falle, dem ausgebrannten Ich oder der Erschöpfungsdepression. Die zahlreiche Selbsthilfe- und Ratgeberliteratur verspricht viele Wege, erst gar nicht in den Burnout zu kommen oder da wieder herauszufinden. Was bedeutet der Begriff überhaupt? Das Wort Burnout ist ein schwammiger Sammelbegriff, hinter dem sich ein weitgefächerter Symptomkomplex vereint. Sehr häufig ist es ein schleichender Prozess, der sich in unterschiedlichen Formen und Ausprägungen zeigt. So findet man bis zu 130 verschiedene, teilweise widersprüchliche Symptome zur Beschreibung von Burnout (Findeisen & Hockling 2008). Zu diesen vielgestaltigen Symptomen gehören laut Schaufeli (1992) unter anderem ein großer Widerstand zur Arbeit zu gehen, Gefühle des Versagens, Ärgers und Widerwillens, Schuldgefühle, Entmutigung und Gleichgültigkeit, Frustration und Misstrauen bis hin zu paranoiden Vorstellungen. Auf der kognitiven Ebene kann es zu Grübelschleifen kommen, man wir verengter im Denken und hat Widerstände gegen Veränderungen. Die Konzentration leidet. Betroffene berichten auch von unterschiedlichen psychosomatischen Beschwerden wie Gefühlen von Müdigkeit und Erschöpfung, Schlafstörungen und sexuellen Problemen. Erkrankungen wie häufige Erkältungen und Grippe, Kopfschmerzen und

Magen-Darm-Beschwerden tauchen auf. Burnout kann dazu führen, dass Betroffene ihren Symptomen durch übermäßigen Alkohol- oder Kaffeekonsum entgegenzuwirken versuchen. Auch Drogenkonsum als Selbstmedikation kann zum Einsatz kommen. Betroffene ziehen sich häufig zurück, im Berufsleben wie im Privaten. Die Menschen haben das Gefühl, dass jeder Kontakt zu viel ist und wollen eigentlich nur noch ihre Ruhe haben. In Berufen, in denen sie viel Kundenoder Patientenkontakt haben, sind klassische Symptome negative Gefühle gegenüber den Menschen, Unfähigkeit, sich einzulassen, verminderte Empathie bis hin zu Zynismus. Ein Burnout entsteht nicht von jetzt auf gleich, sondern baut sich langsam auf. Er entsteht aufgrund von bestimmten Arbeits- und Lebensbedingungen, äußeren Sachzwängen, Termin- und Leistungsdruck, einer körperlichen und psychischen Disposition und schlechten Stressbewältigungsstrategien. Am Ende ist man an einem Punkt angelangt, an dem sich eine totale emotionale, körperliche und psychische Erschöpfung breitmacht. Es hat sich so viel aufgestaut, dass einem alles zu viel erscheint und man am liebsten nur noch die Flucht ergreifen würde. In so einem Zustand dreht das Gedankenkarussell unaufhörlich und ein erster Schritt ist, sich dessen gewahr zu werden. Wenn man das Gedankenkarussell langsam anhält, kann man der einzelnen schwirrenden Gedanken im Kopf habhaft werden. Die Gedanken drehen sich häufig um das eigene vermeintliche Scheitern, um Enttäuschung über sich und andere oder eine pessimistische Zukunftsprognose. Der Zustand des Ausgebranntseins ist real und fühlt sich für die Betroffenen bedrohlich, schrecklich und ausweglos an. Stressvolle Bewertungen und Befürchtungen sind mit eine Grundlage für diesen unsäglichen Zustand. Genau an diesen Befürchtungen und Überzeugungen können wir mit The Work ansetzen. Ich habe häufig mit Klienten zu tun, die sich völlig ausgebrannt fühlen und teilweise für längere Zeit arbeitsunfähig sind oder

waren. Ich kenne Burnout auch aus eigener, schmerzlicher Erfahrung. Was mir bei mir selbst und auch bei allen diesen unterschiedlichen Einzelfällen auffällt, ist eine ähnlich gelagerte Geisteshaltung: ein ausgeprägter Perfektionismus, die Angst und Schwierigkeit sich abzugrenzen und Nein zu sagen und ein überhöhter Arbeitseifer aus Angst z. B. vor einem Arbeitsplatzverlust oder aus dem Streben nach Anerkennung und Wertschätzung. Klassische Gedanken aus dem mentalen Burnout-Karussell haben zu tun mit den Themen Kunden, Chef oder Existenzsicherung und Geld. Zum anderen aber auch mit Konzepten wie einem stark ausgeprägten Leistungsskript, verbunden mit einem sehr hohen Anspruch an sich selbst. Das kann sich dann so anhören: Ich bin nicht gut genug. Ich muss 150 % leisten. Ohne mich bricht der Laden zusammen. Ich darf den Kunden nicht verlieren. Ich bin unersetzbar. Wenn ich diese Leistung nicht erbringe, lehnen die anderen mich ab. Ich muss mich zusammenreißen. Wenn ich Nein sage, verprelle ich den anderen. Ich darf die anderen nicht enttäuschen. Es muss alles ganz schnell gehen. Ich muss immer freundlich sein und zu allem Ja sagen. Nur wenn ich etwas leiste, bin ich etwas wert. Ich darf mir keine Schwächen erlauben. Wenn ich X nicht schaffe, wird Y enttäuscht sein. Ich darf keine Fehler machen. Fehler sind inakzeptabel. Wenn ich scheitere, bin ich ein Versager. Meine Arbeit zu verlieren, wäre das Schlimmste, was mir passieren könnte.

Bei so vielen Geboten und Verboten schwirrt einem schnell der Kopf. Die Auswirkungen solcher negativen Selbstsuggestionen ist, dass sie einen starr und unflexibel werden lassen. Es gibt nur ein Entweder-Oder, keine Grauschattierungen und Möglichkeiten. Die Liste der oben genannten Überzeugungen ist bei weitem nicht abgeschlossen. Es gibt weitere Spielarten dieser Form der Selbstanklage und Selbsteinschüchterung. Sie kennen wahrscheinlich schon Ihren ganz persönlichen Lieblingsantreiber. Bei den obigen Gedanken handelt es sich meist um Glaubenssätze, die wir im Laufe des Lebens verinnerlicht haben und an denen wir uns seither ausrichten. Ob als Burnout-Prävention oder auch, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, es ist hilfreich, sich dieser stressvollen Überzeugungen anzunehmen. Die Gedanken, die mit „Ich muss“ anfangen, sind besonders prädestiniert dafür, Druck aufzubauen und Stress zu erzeugen. Bei den Umkehrungen von Ich-muss-Sätzen gibt es einige Varianten, die ich Ihnen zeigen möchte.

Fallbeispiel: Ich muss ... Was müssen Sie? Gibt es irgendetwas, von dem Sie überzeugt sind, dass Sie es machen müssen? Suchen Sie sich eine Situation, gern bezogen auf das Thema Arbeit, in der Sie überzeugt sind, dass Sie es machen müssen. Stefan hat den Gedanken, er muss den Kunden zufriedenstellen. T S T

: Ist das wahr, du musst den Kunden zufriedenstellen? : Ja. : Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass es wahr ist, du musst den Kunden zufriedenstellen? S : Ja, schon. T : Wie reagierst du, wenn du den Gedanken glaubst, du musst den Kunden zufriedenstellen? S : Es baut sich Druck auf in mir. Ich werde verkrampft und angespannt. Ich bekomme etwas Gehetztes. Es fühlt sich echt

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unangenehm an. : Wie behandelst du den Kunden, wenn du glaubst, du musst ihn zufriedenstellen? : Ich versuche mich in ihn hineinzuversetzen. Ich zermartere mir mein Hirn, was dem Kunden gefallen könnte, was der Kunde will. : Wessen Angelegenheit ist es, ob der Kunde zufrieden ist oder nicht? : Ja schon seine ... : Und Stefan, bringt dieser Gedanke Frieden oder Stress in dein Leben? : Ziemlich viel Stress. : Wer wärst du ohne den Gedanken, du musst den Kunden zufriedenstellen? : Ich merke, dann bin ich wieder mehr bei mir. : Wie fühlt sich das an, ohne den Gedanken? : Ich bin gelassener, irgendwie auch zuversichtlicher. Ich vertraue mehr auf mich und meine Fähigkeiten. Ich kann mich dadurch auch wieder mehr auf das eigentliche Projekt konzentrieren. Mit dem Gedanken tut sich so ein Nebenschauplatz auf. Ohne den Gedanken geht es wieder mehr um das Wesentliche, meine Arbeit an dem Projekt. : Dann kehre den Gedanken einmal um. : Ich muss den Kunden nicht zufriedenstellen. : Ja, wie ist das wahr? : Die Welt geht nicht unter, wenn er nicht zufrieden ist. Ich könnte immer noch Korrekturen vornehmen. Und wenn auch das nicht funktioniert und der Kunde unzufrieden abzieht, ist das auch kein Drama. Außerdem hat der Kunde von mir nicht explizit gefordert: „Mach mich zufrieden“. Das hat er eigentlich nie gesagt, fällt mir gerade ein. : Hast du noch eine Umkehrung? : Was gibt es noch für Möglichkeiten? : Du kannst das Wort „muss“ ersetzen durch „dürfen“ oder “wollen“ ...

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: Ja, ich will ihn zufriedenstellen. Das ist mir ein Anliegen. Der Kunde ist mir wichtig und ich will ihm eine gute Arbeit abliefern. Und es fühlt sich anders an zu sagen, Ich will – anstelle von – Ich muss. In „Ich will“ steckt mehr Freiheit und Selbstbestimmung. Mir fällt noch eine Umkehrung ein: Der Kunde muss mich zufriedenstellen. Ist das eine wahre Umkehrung? T : Nein, das ist keine sinnvolle Umkehrung, die würde ich mir nicht anschauen. Da bist du in den Angelegenheiten des Kunden. Noch einmal zusammengefasst gibt es folgende Möglichkeiten, diesen Muss-Satz umzukehren. Es geht dabei aber nicht um einen Wettbewerb, nach dem Motto: „Wer hat die meisten Umkehrungen“, sondern darum, welche Umkehrungen uns wirklich betreffen. Welche sind sinnvoll, schaffen einen Erkenntnismehrwert? Umkehrung ins Gegenteil: Ich muss den Kunden nicht zufriedenstellen. Umkehrung von „muss“ zu „will“: Ich will den Kunden zufriedenstellen. Umkehrung von „muss“ zu „darf“: Ich darf den Kunden zufriedenstellen. Die Umkehrung ins Gegenteil funktioniert immer und ist meines Erachtens nach auch die wichtigste. Die Umkehrungen zu „wollen“ oder „dürfen“ kann manchmal ebenfalls Sinn machen. Mit welchen Gedanken halten Sie sich selbst auf Trab? Halten Sie Ausschau nach Ihren inneren Antreibern, die Ihnen mentale Daumenschrauben ansetzen. Im Verlauf dieses Kapitels lade ich Sie ein, sich Ihrer Selbstgespräche bewusst zu werden. Wenn wir die selbstsabotierenden Gedanken aufs Papier gebracht haben, können wir sie hinterfragen.

Ein weiterer Punkt bei der Burnout-Prävention ist, sich nur auf die eigenen Angelegenheiten zu konzentrieren. Wir können es nicht jedem Menschen in unserem Umfeld recht machen. Es kann passieren, dass ein Kunde oder der Chef unzufrieden mit uns ist. Oder dass andere enttäuscht von uns sind, weil wir Fehler gemacht haben oder hinter den Erwartungen, die man in uns gesetzt hat, zurückgeblieben sind. Wessen Angelegenheit ist die Enttäuschung oder Frustration unseres Chefs oder der Kunden über uns? Die der anderen! Tun Sie sich selbst einen Gefallen und nehmen Sie sich Ihrer eigenen Angelegenheiten an. Das allein ist ein Ganztagsjob, da bleibt eigentlich keine Zeit mehr übrig, sein Helfer-Syndrom zu pflegen oder sich aufzuopfern für andere. Beobachten Sie sich doch einmal einen Tag lang dabei, in wessen Angelegenheiten Sie sich so aufhalten. Das kann mental stattfinden, aber auch in Interaktion mit Menschen, bei Gesprächen und Handlungen. Im nächsten Abschnitt geht es darum, mit gutem Gewissen Nein zu sagen. Etwas, was uns manchmal schwer fallen kann, eben weil wir womöglich zu sehr in den Angelegenheiten anderer sind und nicht so sehr in unseren.

6.4 Mit gutem Gewissen Nein sagen „Als ich mich wirklich selbst zu lieben begann, habe ich mich von allem befreit, was nicht gesund für mich war, von Speisen, Menschen, Dingen, Situationen und von allem, das mich immer wieder hinunterzog, weg von mir selbst. Anfangs nannte ich das ‚gesunden Egoismus‘, aber heute weiß ich, das ist ‚Selbstliebe‘.“ Charlie Chaplin

Zur Selbstliebe gehört es auch, seine eigenen Grenzen wahrzunehmen und zu akzeptieren. Wenn ich glaube, ich brauche von meinem Gegenüber Wertschätzung und Anerkennung, mache ich mich zu seinem Spielball. Was bin ich alles bereit einzutauschen für ein bisschen Liebe vom anderen? Die Frage ist sowieso, ob der andere mich liebt, wenn ich mich ihm zuliebe verstelle, anpasse oder mich zurücknehme? Und wenn ich nur auf diese Art Aufmerksamkeit und Anerkennung von diesem Menschen bekommen kann, will ich das dann überhaupt? Oder bin ich bereit zu riskieren, integer und authentisch zu sein, mit der Gefahr, dass der andere dann das Interesse an mir verliert? Die Fähigkeit Nein zu sagen hängt ebenfalls mit dem Thema Burnout zusammen. Wenn ich mich nicht abgrenzen kann, sorge ich vielleicht nicht gut für mich, da ich Dinge tue, die ich eigentlich nicht machen will. Andere Menschen haben oft ein untrügliches Gespür dafür, wen sie um einen Gefallen bitten können und wen nicht. Oder wem man etwas mehr zumuten kann, ohne dass er murrt. Ein ehrliches Nein zum anderen ist ein aufrichtiges Ja zu mir selbst. Wer kommt an erster Stelle? Warum fällt es überhaupt schwer, Nein zu sagen (vgl. hierzu Byron Katies Ich brauche deine Liebe – stimmt das?, S. 115 ff.)? Ein sehr guter Freund bat mich einmal um einen kleinen Gefallen. Witzigerweise der, der mich auch zur Work gebracht hat. Ich sollte seinen Koffer im Zug von Bonn nach Berlin mitnehmen. Ich hatte selbst schon einen großen Koffer dabei und der Gedanke, seinen auch noch mitzuschleppen, missfiel mir. Ich kam gerade von einem 9-tägigen Seminar mit Byron Katie, wo wir das Nein-Sagen geübt hatten. Also sagte ich zu meinem Freund: „Danke dass du mich fragst, und nein, ich will deinen Koffer nicht mitnehmen.“ Er war, glaube ich, recht verdattert ob dieser Antwort. Ich fuhr dann zwar nur mit einem Koffer zurück nach Berlin, dafür mit einem weiteren mentalen Koffer voller Schuldgefühle. Gott sei Dank dauerte die Bahnfahrt ein paar Stunden, genug Zeit, um mir all die stressvollen Gedanken über mich, meinen Freund und die Situation anzuschauen. Das Nein-Sagen fühlte sich furchtbar an, also schaute ich, welche Gedanken dahinter verborgen waren.

Ich habe meinem Freund einen Gefallen ausgeschlagen und das bedeutet: Ich bin eine schlechte Freundin. Er verurteilt mich. Ich habe ihn im Stich gelassen. Ich bin unzuverlässig. Er denkt, ich bin unfreundlich. Ich bin egoistisch. Er versteht mich nicht. Ich denke nur an mich. Ich habe ihn enttäuscht. Er lehnt mich ab. Ich habe die Freundschaft zerstört. Er denkt, ich bin undankbar. Er ist ganz traurig. In dieser Liste tauchen sowohl Sätze über mich selbst als auch den anderen auf. Es funktioniert beides. Diese und viele weitere Gedanken machen es uns schwer oder halten uns davon ab, Nein zu sagen. Unser schlechtes Gewissen, was andere oder Gott über uns denken, hindert uns daran, zu einer integren Entscheidung zu kommen und zu stehen. Was sind Ihre Befürchtungen, was passieren wird, wenn Sie anderen gegenüber Nein sagen, ihnen einen Gefallen ausschlagen? Stellen Sie sich vor, Ihr Chef, Ihr Partner, Ihre Schwiegermutter bittet Sie um einen kleinen oder auch großen Gefallen und Sie möchten es nicht tun. Was ist Ihre Befürchtung, was passieren wird, wenn Sie Nein sagen? Wie wird Ihr Gegenüber schlimmstenfalls reagieren? Nehmen Sie sich gedanklich eine Situation heraus, in der es Ihnen schwerfällt oder schwergefallen ist, Nein zu sagen. Was waren oder sind in diesem Moment Ihre Gedanken, die Sie davon abhalten? Oder was befürchten Sie, würde geschehen, wenn Sie Nein sagen? Bringen Sie all das aufs Papier und machen Sie Ihre Work dazu.

6.5 Sich selbst ein guter Freund sein

„Wollen Sie die Liebe Ihres Lebens kennenlernen? Dann sehen Sie in den Spiegel.“ Byron Katie Wie können wir Selbstliebe kultivieren? Wie können wir uns selbst ein guter Freund sein? In diesem Buch geht es darum, Gedanken überhaupt erst einmal wahrzunehmen und sie dann gegebenenfalls zu hinterfragen. Seitdem Sie sich mit diesem Thema befassen, nehmen Sie sicher schon viel deutlicher wahr, welche Gedanken Ihnen durch den Kopf gehen. Jetzt lade ich Sie ein, in den nächsten Tagen und Wochen Ihren Fokus über das Beobachten hinaus in eine bestimmte Richtung zu lenken. Dass dies sinnvoll ist, haben Vertreter der Positiven Psychologie durch verschiedene Experimente bestätigen können (Wallis, 2005). Hat die Positive Psychologie etwas mit Positivem Denken zu tun? Nein. So wie die Kognitive Psychologie in den 60er-Jahren einen Paradigmenwechsel einläutete und den kognitiven Prozessen mehr Platz eingeräumt hat, so brachte Ende der 90er-Jahre die Positive Psychologie einen neuen, frischen Blick auf die Menschen ein. Nicht mehr Defizite, Pathologisches und nur der Erhalt eines Status Quo waren im Fokus dieser Psychologen, allen voran Martin Seligman. Das Interesse verlagerte sich auf Aspekte wie Glück, Zufriedenheit oder Optimismus. Die Positive Psychologie ist ressourcenorientiert. Es geht nicht mehr um die Frage, wie man einen psychischen „Normalzustand“ erreicht und halten kann, sondern welche Faktoren Wachstum und Erblühen befördern. Studien zeigen, dass die Beschäftigung mit Positiver Psychologie Menschen glücklicher und zufriedener macht (Seligman, 2011). In diesem Buch ermuntere ich Sie immer wieder, Ihre Gedanken zu beobachten und mehr Bewusstsein dafür zu entwickeln. Es geht jetzt noch einen Schritt weiter – nämlich darum, Ihren Gedankenfokus auf Positives auszurichten. Menschen mit einer Depression, einem Burnout oder generell in einer Krise sind häufig blind für das Schöne und Gute in ihrem Leben.

Die Gedanken sind dann sehr eingeengt auf den Mangel, auf das, was nicht gut ist, was fehlt. Das heißt aber nicht, dass das Gute nicht da wäre. Es ist die ganze Zeit um uns herum, wir haben nur die Sinne noch nicht dafür geschärft. Nicht dass wir uns missverstehen, es geht hier nicht darum, etwas, das uns missfällt, positiv zu denken oder schönzufärben. Stellen Sie sich vor, jemand hält sich für einen ausgemachten Versager. Was bringt es diesem Menschen, sich vor einen Spiegel zu stellen und sich selbst zu beteuern, dass er ein Gewinner-Typ ist, wenn er eigentlich davon überzeugt ist, dass er ein Loser ist? Wenn wir uns nur lange genug gut zureden, wird es schon fruchten und wir sehen uns im Lichte des Gewinners? Wohl kaum – wenn wir nicht selbst stichhaltige Beispiele dafür finden, dass wir ein Gewinner sind, funktioniert es nicht. Wir kaufen uns diese Art der Selbstsuggestion nicht ab, weil sie uns nicht überzeugt. Etwas drastischer ausgedrückt: Wenn Sie einen Hundehaufen haben und darüber Himbeersirup gießen, wird daraus noch lange nicht Himbeersorbet. Auf den ersten Blick sieht der Haufen verführerisch aus, aber bitte bloß nicht probieren. The Work fordert unseren Verstand nicht auf, einfach Dinge blind zu schlucken, sondern stichhaltige Beweise zu finden, wie es wahr ist, dass wir z. B. ein Gewinner-Typ sind. Ich wiederhole nicht einfach nur die positiven Annahmen, sondern bemühe meinen Verstand, stichhaltige Nachweise zu liefern. Nur so kann es überzeugend und nachhaltig wirken. Da unser Verstand Beweise braucht, das Gute und Positive in unserem Leben und in uns selbst anzuerkennen, geben wir sie ihm, indem wir danach Ausschau halten. Es ist wie so häufig eine Frage der Gewohnheit. Wenn man den Verstand jahrelang darauf konditioniert, sich selbst zu attackieren, braucht er Zeit umzulernen.

Übung Was gut lief

Die Übung „Was gut lief“ stammt von Martin Seligman aus seinem jüngsten Buch Flourish, was so viel heißt wie „Erblühen“ (2011, S. 33 f.). Sie passt sehr gut zum Thema Selbstanerkennung und ist eine besondere Art der Gedankenschulung. Nehmen Sie sich täglich, z. B. abends, bevor Sie zu Bett gehen, Zeit, Ihren Tag Revue passieren zu lassen. Finden Sie drei Dinge oder Ereignisse, die an dem heutigen Tag gut gelaufen sind und schreiben Sie sie auf. Dann fragen Sie sich, warum das passiert ist? Warum ist das so zustande gekommen? Es kann sich dabei um etwas ganz „Großes“ handeln, wie „gestern habe ich den Mount Everest ohne Sauerstoffflasche bestiegen“, muss es aber gar nicht! Es können auch sehr gut die etwas „profaneren“ Ereignisse sein, beispielsweise: Ich habe heute mehrere Stunden an meinem Projekt gearbeitet. Warum ist das passiert? Weil ich mich darauf fokussiert habe, weil es mir wichtig ist, weil es mich erfüllt. Ich habe mich mit einer Freundin zum Mittagessen getroffen. Warum ist das passiert? Weil es mir ein Bedürfnis war, weil ich mir die Zeit dafür genommen habe, weil ich sie angerufen habe und mich verabredet habe. Ich bin zum Yoga gegangen. Warum ist das passiert? Weil ich es mir vorgenommen habe. Weil ich meinem Körper einen Ausgleich zum vielen Sitzen geben wollte. Weil es mir guttut. Mein Bruder hat einen tollen Job akquiriert. Warum ist das passiert? Er ist ein talentierter Handwerker. Er bietet eine gute Arbeit an. Er ist sehr engagiert in seiner Firma. Täglich die Segnungen anzuerkennen, die im Leben passieren, wirkt wie ein Glücksverstärker. Wir sehen zum einen die Segnungen in unserem

Leben, die wir vielleicht sonst schnell übersehen würden. Zum anderen können wir bei einigen Segnungen erkennen, dass wir selbst etwas dazu beitragen. Seligman fand heraus, dass Menschen, die diese Übung regelmäßig anwendeten, weniger depressiv und dafür glücklicher waren und das lang anhaltend, über 6 Monate hinweg (Wallis, 2005). Diese Übung ist wie Balsam für unseren selbstkritischen Verstand. Sie hilft uns, uns in einem freundlicheren Licht zu sehen, nachsichtig und gnädiger mit uns selbst zu sein. Dankbar zu werden für all das, was schon immer in uns da war und um uns geschieht und wir vielleicht einfach noch nicht gesehen haben.

Das Gasthaus von Dschalal ad-Din Muhammad Rumi „Das menschliche Dasein ist ein Gasthaus. Jeden Morgen ein neuer Gast. Freude, Depression und Niedertracht – auch ein kurzer Moment von Achtsamkeit kommt als unverhoffter Besucher. Begrüße und bewirte sie alle! Selbst wenn es eine Schar von Sorgen ist, die gewaltsam Dein Haus seiner Möbel entledigt, selbst dann behandle jeden Gast ehrenvoll. Vielleicht bereitet er dich vor auf ganz neue Freuden. Dem dunklen Gedanken, der Scham, der Bosheit – begegne ihnen lachend an der Tür und lade sie zu Dir ein. Sei dankbar für jeden, der kommt, denn alle sind zu Deiner Führung

geschickt worden aus einer anderen Welt.“ Die Worte des islamischen Mystikers Rumi in seinem Gedicht „Das Gasthaus“ sind eine Einladung, alle Gedanken willkommen zu heißen, nicht nur die schönen, die freundlichen, die positiven. Auch die stressvollen, die düsteren und die unliebsamen. Warum sollten wir auch den selbstkritischen oder den selbstverletzenden Gedanken die Türe öffnen? Weil jeder Gedanke und besonders die stressauslösenden, ein Geschenk für uns bereithält. Ein Gedanke löst in uns Stress aus, weil er im Widerstreit steht mit unserer wahren Natur: Liebe und Verbundenheit. Ein stressvoller Gedanke treibt einen Keil zwischen uns und andere Menschen oder uns selbst. Wenn wir den Gedanken dann hinterfragen, wird unsere Wahrnehmung oft weicher, kompletter, runder. Die andere Person, das Außen oder man selbst hat sich nicht verändert. Es ist nur unsere Wahrnehmung, die sich verschoben hat. So kann jeder stressauslösende Gedanke betrachtet werden als eine Alarmglocke, die uns aus einem schlafwandlerischen Traum aufwecken will. Die stressvollen Gedanken sind eigentlich eine Unterstützung für uns, damit wir genau wissen, wo wir hinschauen sollen. Das Geschenk besteht darin, dass wir uns nach einer Work oft bereichert fühlen, da sich alles stimmiger anfühlt. Das Gefühl von Dissonanz oder Schieflage ist nicht mehr da. Bis jetzt hat sich bei jedem stressvollen Gedanken, den ich hinterfragt habe, gezeigt, dass er so nicht ganz wahr war und einen Teil der Wirklichkeit ausgeblendet hat. Wenn ich also diese traurigen, dunklen Gedanken willkommen heiße, sie aufs Papier bringe und dann hinterfrage, bleibt Erkenntnis, Erleichterung und Freude zurück.

6.6 Wie wir mit uns reden Warum fällt es uns manchmal so schwer, uns selbst zu lieben und unsere Bemühungen anzuerkennen? Stellen Sie sich vor, Sie wären sich selbst der größte Fan. Es geht hier nicht um eine narzisstische Haltung, in der man sein grandioses Selbst bewundert und kein Interesse oder Mitgefühl für

andere aufbringt. Es geht schlicht um Selbstakzeptanz. Was haben wir so Schlimmes verbrochen, dass wir uns selbst mental ins Gesicht schlagen und uns zum Verstummen bringen? Wenn wir uns mit irgendwelchen Supermännern oder Superfrauen vergleichen, werden wir daneben immer zwangsweise als Loser dastehen. In Coachings und Seminaren begegnen mir wunderbare, liebenswürdige, begabte Menschen, die tatsächlich von sich glauben, sie wären nicht gut genug. Und wie leben wir unser Leben, wenn wir ständig mit einem Post-it auf unserer Stirn herumlaufen, auf dem steht, „Ich bin nicht gut genug“? So kritisch und hart, wie wir mit uns selbst umgehen und reden, geht kaum ein anderer Mensch mit uns um. Es mag sein, dass Sie, als Sie noch ein Kind waren, von Ihren Eltern oder Lehrern harte Worte zu hören bekommen haben. Und auch heute kann das Ihr Erleben sein, dass Ihr Chef nicht sonderlich löblich von Ihnen spricht oder Ihre Mutter kein gutes Haar an Ihnen lässt. Das ist sicher prägend und verletzend. Umso wichtiger ist es, dass wir ihnen nicht beipflichten und glauben. Wir können mit gutem Beispiel vorangehen und anfangen, anders, unterstützender mit uns selbst zu reden. Die folgende Übung dient dazu, sich Ihres mentalen Dialogs über sich bewusst zu werden und von da aus mit der Befragung zu starten.

Übung Gedanken über mich Diese Übung habe ich von Ralf Giesen übernommen. Suchen Sie sich einen beliebigen Tag aus und führen Sie an diesem Tag genau Buch über Ihre Selbstanklage. Statten Sie sich mit Papier und Stift aus und hören Sie Ihrem Verstand zu, während Sie durch den Tag gehen. Jedes Mal, wenn Ihnen bewusst wird, dass Sie kritisch, lieblos, gnadenlos oder abfällig über sich gesprochen haben, notieren Sie die Aussage. Sie haben beim Einkauf etwas vergessen und als sie es zu Hause realisieren, schlagen Sie sich an den Kopf und sagen: „Mensch, ich dumme Kuh!“

Sie stehen in der Umkleidekabine und probieren ein Kleidungsstück an. Ihr Gedanke: „Ich habe ganz schön Speck hier bekommen.“ Sie sind beim Sport und denken: „Mann bin ich steif, die anderen sind viel beweglicher.“ Sie sind bei der Arbeit und erstellen ein Schriftstück. Ihr Gedanke: „Das, was ich schreibe, taugt eigentlich nichts, das ist Schrott.“ Die Sätze, die Sie gefunden haben, sind Gold wert. Sie zeigen uns, was noch zwischen uns und unserer Selbstliebe steht. Der erste Schritt ist, dass wir wahrnehmen, welche Gedanken, vielleicht fast wie Automatismen, über uns auftauchen. Was plappert der innerer Kommentator den Tag über so vor sich hin? Diese Gedanken tauchen womöglich nicht das erste Mal auf, es sind vielmehr die guten alten Evergreens der Top-Ten-Liste: „Selbstanklage“. In einem zweiten Schritt können Sie diese Gedanken dann schriftlich für sich befragen. Einen nach dem anderen, heute, die ganze Woche und gerne auch darüber hinaus: Ich bin eine blöde Kuh – in dieser Situation, ist das wahr?

Übung Brief an mich selbst „Sich selbst zu lieben, ist der Anfang einer lebenslangen Leidenschaft.“ Oscar Wilde Nachdem Sie einen Tag lang Buch geführt haben über Ihre selbstanklagenden Gedanken, folgt jetzt eine weitere Übung zu Ihrer Liste. Menschen, die einen Tag lang ihre Liste geschrieben haben, fanden das sehr aufschlussreich. Interessanterweise war es eine lange,

harsche Auflistung, gespickt mit Evergreens, die schon einen langen weißen Bart haben, weil sie uns so vertraut sind. Vielleicht ging es Ihnen ähnlich damit? Ich lade Sie jetzt ein, sich selbst gegenüber Wiedergutmachung zu leisten. Sie kennen die Wiedergutmachung bereits aus dem 5. Kapitel. Dort ging es darum, es bei jemand anderem zu tun, hier geht es um Sie selbst. Und das geht so: Schreiben Sie sich einen Brief und beginnen Sie ihn mit Ihrem Namen. Dann schauen Sie sich die Sätze von Ihrer Liste an, greifen die auf, die Sie geworkt haben, und berichten sich selber in Ihrem Brief, wie die Umkehrungen Ihrer Gedanken eigentlich viel wahrer sind. Das kann dann z. B. so klingen: Liebe Tanja, ich habe über dich gedacht, du schaffst das nicht. Was ich gefunden habe ist, wie gut du alles schaffst. Seit 36 Jahren schaffst du dein Leben ganz erfolgreich. Du schaffst es im Moment täglich, an deinem Buch zu schreiben, und du schaffst es zusätzlich, alle Aufgaben zu erledigen, die du dir vorgenommen hast. Du schaffst es sogar, zum Yoga zu gehen oder dich um deine Freundschaften und deine Beziehung zu kümmern. Außerdem habe ich gedacht, du solltest mehr geben. Was ich vielmehr gefunden habe ist, du solltest nicht mehr geben. Du sitzt schon so viele Stunden am Rechner und deine rechte Schulter tut weh – da solltest du nicht noch mehr geben. Dein Kopf ist leer, da kommt nicht mehr viel bei rum, da solltest du nicht noch mehr geben. Du liegst abends auf der Couch vor dem Fernseher und schaust „Raus aus den Schulden“ und da solltest du nicht mehr geben, weil es in dem Moment die Art ist, wie du entspannen magst. Ich bin dir dankbar und ich bin stolz auf dich, in Liebe Tanja

Wenn es für Sie passt, können Sie Ihren Brief mit einem positiven Zuspruch enden und ihn dann mit Ihrem Namen unterzeichnen. Würden Sie nicht gerne einmal Empfänger eines unterstützenden und liebevollen Briefes sein? Wir können uns selbst einen solchen Liebesbrief zukommen lassen. Es ist eine Möglichkeit, sich selbst Anerkennung und Wertschätzung zuteilwerden zu lassen. Nachdem ich Ihnen einige Spielarten vorgestellt habe, wie Sie stressvolle Urteile über sich finden und damit umgehen können, zeige ich Ihnen abschließend einen Ausschnitt aus einer Work. Arndt ist freiberuflich als Trainer und Coach tätig und ist gestresst über seine berufliche und finanzielle Lage. Er hat bereits Erfahrungen mit The Work und hat ein komplettes Arbeitsblatt über sich selbst ausgefüllt. Sie sehen hier einen Ausschnitt aus seiner Work über sich selbst.

Fallbeispiel: Ich bin beruflich eine Null. Ich bin beruflich eine Null. T A T

: Arndt, ist das wahr, du bist beruflich eine Null? : Ja. : Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist, jetzt in diesem Moment, du bist beruflich eine Null? A : (Langes Schweigen) Ja. T : Wie reagierst du, wenn du das glaubst? A : Dann entsteht eine totale Verzweiflung und Frustration in mir. Dann würde ich mich am liebsten nur noch aufs Sofa hocken, den Fernseher anschalten und mich verstecken. Ich kann mich kaum aufraffen. Es hat fast schon etwas Suizidales im Sinne von, wenn jetzt mein Leben zu Ende wäre, hätte ich auch nichts dagegen. Also eine völlige Resignation. Als ob ich vor einem Scherbenhaufen sitze. Ich

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sehe nur noch das, was gerade beschissen ist und vergleiche mich mit mir selber zu anderen Zeitpunkten in meinem Leben und ich vergleiche mich mit anderen, die viel erfolgreicher sind als ich. : Gibt es irgendwelche Süchte oder Zwänge, die sich manifestieren, wenn du glaubst, du bist beruflich nicht erfolgreich? : Ich gehe total viel in eine Traumwelt, wo alles schön und einfach und toll ist. Es hat etwas von einer Sucht. Wenn das hier nicht aushaltbar ist, muss ich mir halt schöne Bilder in meiner Fantasie machen. : Und wie behandelst du dich, wenn du glaubst, dass du beruflich eine Null bist? : Ich lehne mich ab. Ich verurteile mich. Ich zweifle an mir und meinen Fähigkeiten. Ich bin hart zu mir selbst und gnadenlos. Ich traue mir nichts mehr zu. : Wer wärst du jetzt in diesem Moment ohne den Gedanken, dass du beruflich eine Null bist? : Entspannter. Dann wachse ich mehr in meiner Präsenz. Dann tue ich die Dinge, die ich tue, mit Engagement, auch mit mehr Zuversicht. Da kommt mehr Fluss rein, Freude zurück, es tut sich was an meiner Ausstrahlung. Auch nach außen hin wachse ich, werde größer, habe mehr Standing. : Und wie behandelst du dich selbst ohne den Gedanken. : Milder und freundlicher. Ich habe mehr Geduld mit mir und schreie mich innerlich nicht mehr so an. Ich finde mich in Ordnung ohne den Gedanken. : Dann kehr den Gedanken um, du bist beruflich eine Null. : Ich bin beruflich keine Null. Tja, wie ist das wahr? Das kann ich nicht wirklich sehen. : Ohne diese Geschichte über deinen beruflichen Erfolg, wie ist das wahr, jetzt in diesem Moment, dass du keine Null bist in dem, was du tust? : Ich mach jetzt das, was mir am meisten Spaß macht. Meiner Berufung zu folgen war lange Thema für mich und jetzt mache ich

wenigstens das, was mir Spaß macht. T : Du bist beruflich keine Null, weil du machst, was dir Spaß macht. Und was fällt dir noch ein? A : Naja, die paar Kunden, die ich habe, sind schon zufrieden mit mir und geben mir positives Feedback. Und wenn ich mir die letzten Jahre anschaue, ist da was entstanden. Eine kontinuierliche Weiterentwicklung, die Saat geht mehr und mehr auf, was die Auftragslage angeht. T : Danke, Arndt. Ich brauche von mir, dass ich beruflich erfolgreicher bin. T A T A T A

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: Ist das wahr, du brauchst von dir, dass du beruflich erfolgreicher bist? : Ja! : Kannst du absolut sicher wissen, dass das wahr ist? : Ja. : Wie reagierst du, was passiert, wenn du diesen Gedanken glaubst? : Ich bin frustriert und werde schlecht gelaunt. Es ist nicht genug, was ich jetzt habe. Ich bin resigniert und hoffnungslos. Ich glaube, ich komme nie raus aus meinem Karrieretief. : Das ist ein guter Satz „Ich komme nie raus aus meinem Karrieretief“, den kannst du dir als nächstes mit The Work anschauen. Und wie behandelst du dich, wenn du glaubst, du brauchst es, dass du beruflich erfolgreicher bist? : Ich bin nicht gut genug. Ich verurteile mich und zweifle an meinen Fähigkeiten. Ich denke, dass etwas nicht mit mir stimmt, dass ich etwas falsch mache. Ich vertraue mir nicht und mache mich selbst an bzw. eigentlich mache ich mich selbst fertig. : Wer wärst du denn jetzt in der gleichen Situation ohne den Gedanken, du brauchst es, dass du beruflich erfolgreicher bist? : Irgendwie gelassener. Mehr im Moment und nicht mehr so in die ungewisse Zukunft gerichtet. Ich kann mich auch besser annehmen,

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finde mich in Ordnung, so wie ich bin. Jetzt merke ich auch mehr Leichtigkeit, mir wird es leichter ums Herz, ich spüre nicht mehr so einen Druck auf mir lasten. : Welche Umkehrung kannst du finden? : Ich brauche nicht von mir, dass ich beruflich erfolgreicher bin? : Ja, wie ist das wahr? Welches Beispiel findest du konkret? : Ich kann momentan meine Miete zahlen. : Das wäre ein Beispiel, hast du noch eins? : Bis jetzt bin ich noch nicht in den Miesen und komme gut über die Runden. Ich habe auch noch einige feste Trainingsaufträge in diesem Jahr auf die ich zählen kann. : Gut zu wissen, und hast du noch ein Beispiel? : Ich bekomme häufiger gutes Feedback von meinen Coachingklienten. Letztens habe ich jemanden erfolgreich geholfen bei seiner Angst, vor Publikum zu sprechen. Da brauche ich also auch nicht, dass ich beruflich erfolgreicher bin. : Danke Arndt, und ich lade dich ein, heute noch nach weiteren Beispielen Ausschau zu halten, die dir zeigen, dass du es nicht von dir brauchst, beruflich erfolgreicher zu sein als du gerade bist.

Gedanken zum Weiterdenken Mit The Work können Sie auch stressvolle Konzepte über sich selbst hinterfragen. Sie können Ihren Verstand für die positiven Seiten Ihrer selbst sensibilisieren. Ein positiver Fokus auf uns selbst hat nichts mit einer rosaroten Brille zu tun, wir schmecken sofort heraus, ob es Himbeersorbet ist oder nicht. Wir können uns der negativen Selbstgespräche mit uns bewusst werden. Sie liefern wertvolles Material für eine Befragung.

7. Über das gewohnte Denken hinaus Was Sie in diesem Kapitel erwartet Die mentale „Yoga-Reise“ zum Verstand nimmt Kurs auf die letzte Station. Nachdem Sie The Work kennengelernt haben und wir die Themen Vergangenheit, Kritik und Selbstanklage besucht haben, möchte ich Sie im letzten Kapitel mit weiterführenden Gedanken rund um The Work vertraut machen und vielleicht noch offene Enden zusammenfügen. In diesem Kapitel gebe ich Ihnen zusätzliches Rüstzeug für die Momente an die Hand, in denen mentale Stürme in Ihrem Verstand wüten und Sie die Wirklichkeit noch nicht so annehmen können, wie sie in dem Moment ist. Und ich zeige Ihnen anhand von neurowissenschaftlichen Befunden, dass es sinnvoll ist, The Work zu einer täglichen Praxis werden zu lassen.

7.1 Denken – außerhalb des vorgegebenen Rahmens „Man kann ein Problem nicht mit der gleichen Denkweise lösen, mit der es erschaffen wurde.“ Albert Einstein Wenn The Work so etwas ist, wie Yoga für den Verstand, dann waren vielleicht einige Stressthemen in diesem Buch für Sie ein leichtes Aufwärmtraining und andere fühlten sich womöglich an wie ein Fortgeschrittenenlevel. Lassen Sie uns noch einmal einen Moment Zeit nehmen, The Work und ihre Wirkweise zu reflektieren. Vielleicht haben Sie beim Worken gemerkt, wie anstrengend und anspruchsvoll es sein kann, die Fragen zu beantworten und wahrhafte Beispiele zu finden. Augenscheinlich

geht es bei The Work doch lediglich darum, ein paar Fragen zu beantworten und Umkehrungen zu finden. Warum ist das manchmal so schwierig? Häufig haben wir in unserem Leben Denkroutinen ausgebildet, die sich bewährt haben und dabei tiefe Gedächtnisspuren in unserem Gehirn hinterlassen haben. Dadurch büßen wir allerdings Flexibilität in unserem Denken ein. Das folgende 9-Punkte-Problem zeigt, wie unser Verstand sich schwertun kann, eine Lösung zu finden, weil er zu stark in den gewohnten Denkroutinen verhaftet ist.

Die Aufgabe besteht darin, alle Punkte mit insgesamt vier geraden Linien zu verbinden, ohne den Stift dabei abzusetzen. Mir sind zwei Lösungswege dazu bekannt (Rachow, 2009). Probieren Sie es aus, bevor Sie weiterlesen. Falls Sie diese Aufgabe schon kennen, erinnern Sie sich noch, wie Ihr Verstand bei der Lösungsfindung vorgegangen ist? Ob es Ihnen leicht oder schwer gefallen ist, die Aufgabe zu lösen? Die Lösung finden Sie auf Seite 237. War es leicht für Sie, eine Lösung für diese Denkaufgabe zu finden? Für viele Menschen stellt diese Aufgabe ein kniffliges Rätsel dar, das nicht sofort lösbar ist, da wir häufig in unseren gewohnten Bahnen denken und

dadurch eben nicht über den Tellerrand schauen. Das 9-Punkte-Problem verlangt aber das Verlassen gewohnter Denkroutinen. Bei The Work werden wir ebenfalls aufgefordert, unsere gewohnte „Denkweise“ zu hinterfragen, zugunsten einer Erweiterung des Blickwinkels. Wenn wir stressvolle Gedanken über einen Menschen oder eine Situation haben, verläuft unser Denken in eingespielten, begrenzten Bahnen. Die Befragung erweitert die Grenzen unseres eng gefassten mentalen Rahmens. Der britische Mathematiker Henry Ernest Dudeney ersann das 9-Punkte-Problem, welches nur gelöst werden kann, wenn wir die mentalen, also nicht wirklich vorhandenen Grenzen überschreiten und uns im Raum ausdehnen. Interessanterweise finden Kinder schneller eine Lösung als Erwachsene, bei ihnen haben sich bestimmte Denkgewohnheiten wohl noch nicht so gefestigt. Wenn sich unser Geist einmal geöffnet hat für eine neue Art des Denkens, ist es auch möglich, weitere Lösungen zu finden. Eine Erweiterung des 9-Punkte-Problems ist übrigens, alle Punkte mit insgesamt drei geraden Linien zu verbinden, ohne dabei den Stift abzusetzen. Probieren Sie es aus. Die Lösung finden Sie auf Seite 237.

Diese Lösung erfordert noch mehr ungewöhnliches Denken, da hier die Vorstellung davon, was es heißen kann, dass der Stift die Punkte mit einer Linie berührt, erweitert wird. Wir können mit einem Stift eine Linie ziehen,

die den Punkt am äußersten Rand streift und berühren ihn trotzdem noch, genau so, als ob wir mit der Linie mitten durch den Punkt gehen. Was hat das alles mit unserem Verstand und The Work zu tun? The Work erfordert ein Denken außerhalb des uns vertrauten Rahmens. Auch hier werden Grenzen ausgedehnt und der mentale Horizont erweitert. Wir neigen dazu, unsere Sicht der Dinge für einzig korrekt zu halten. Meine Art den Abwasch zu tätigen ist die einzig richtige, deshalb muss ich meinen Partner darauf aufmerksam machen, dass seine Art nicht korrekt ist, auch wenn es viele verschiedene Arten gibt, am Ende sauberes Geschirr zu erhalten. The Work ist eine Einladung das, was wir für wahr halten infrage zu stellen. Könnte es nicht auch sein, dass wir nicht alles wissen, dass wir gar nicht die Gewissheit haben können, mit unseren begrenzten Wahrnehmungsmöglichkeiten? Die Frage 1, „Ist das wahr?“, fordert uns auf, unsere Gewissheit infrage zu stellen. Wenn ich glaube, wenn ich sogar überzeugt bin von einer Sache, zementiert dies meine Wahrnehmung in einen festen, wasserundurchlässigen, harten Klumpen. Unser Verstand baut aus diesen Klumpen einen Schutzwall auf, der nur noch meinem Denken konforme Beweise durchlässt –gleichgesinnte Gedanken, die unser Gedankengebäude stützen. Können wir mit absoluter Sicherheit wissen, dass es wahr ist? Wenn wir Gott wären oder zumindest hellsichtig, könnten wir es vielleicht wissen. Aber können wir mit unserer eingeschränkten Wahrnehmung wirklich wissen, ob es wahr ist? Können wir in den Kopf des anderen schauen? Können wir in die Zukunft schauen? Können wir wirklich unserer Wahrnehmung trauen? Können wir auf unser Urteil bauen, nach allem, was wir über die Begrenztheit unserer Wahrnehmung und die automatischen Urteile, die unser Unbewusstes innerhalb von Millisekunden fällt, gehört haben? Frage 2 ist die Einladung, all das ins Kalkül zu ziehen. Wenn wir etwas glauben, können wir mit Frage 3 erfahren, wie wir unser Leben mit diesem Gedanken leben. Welche Auswirkungen dieser Gedanke

auf unseren Körper, unsere Gefühle, unsere Beziehungen zu anderen und uns selbst hat. Können wir den Druck in unserem Körper wahrnehmen, den ein stressvoller Gedanke auslöst? Woran hindert uns dieses Konzept, was sind wir nicht in der Lage zu tun, wenn wir diesen Gedanken glauben? Was haben wir davon, den Gedanken in uns aufrechtzuerhalten? Vielleicht ermöglicht uns der Gedanke, uns auf einem bequemen Opferstatus auszuruhen? Ohne unsere Gewissheit, ohne den Gedanken entfaltet sich ein ganz anderes Leben vor unserem inneren Auge. Frage 4 lädt dazu ein, das wahrzunehmen. Was wird möglich, ohne den stressvollen Gedanken? Wie leben wir unser Leben, ohne den Gedanken? Wie behandeln wir andere und uns selbst, ohne den Glauben an diesen Gedanken? Wie fühlt es sich in unserem Körper an, wenn wir ohne den Gedanken sind? Welche Körperhaltung nehmen wir ein, wenn wir frei sind, keiner Geschichte mehr anhaften? In den Umkehrungen können wir verschiedene Wahrnehmungspositionen einnehmen. Wir testen probeweise das Gegenteil von dem, was wir glauben. Zu Anfang manchmal undenkbar. Wenn wir uns aber darauf einlassen, wird unsere Wahrnehmung komplettiert. Das, was wir ehemals ausgeblendet haben, wird sichtbar. Der andere ist unfreundlich und der andere ist auch nicht unfreundlich. Das dichotome Denken ist aufgehoben, Menschen können beides zur selben Zeit sein und nichts von beidem. Die Work dient uns dazu, Denkgewohnheiten zu unterbrechen, Automatismen, die sich einfach abspulen, infrage zu stellen und über den gewohnten Tellerrand hinauszuschauen, wie bei dem 9-Punkte-Problem. Jeder Gedanke fügt sich in eine Geschichte ein und diese Geschichten bringen unsere Sicht der Welt hervor. Wir haben die Wahl: Setzen wir weiterhin auf unsere Gewissheit oder sind wir offen für ein „Ich weiß es nicht und ich bin offen, es herauszufinden“? Das automatische Denken geschieht wie von selbst und verbraucht nicht so viel Energie, deshalb setzt

unser Gehirn auch gern auf diese kräftesparende Variante. Den gewohnten Denkrahmen zu dehnen erfordert unser volles Bewusstsein und verbraucht viel mehr Energie, aber es zahlt sich aus. Die Folge ist eine Veränderung der Architektur im Gehirn und dadurch mehr Flexibilität und Freiheit im Denken.

7.2 Was bringt’s? Wir schauen ins Gehirn „Gehirn: ein Organ, mit dem wir denken, dass wir denken.“ Ambrose Bierce So unterschiedlich verschiedene Meditationsformen, die Schulen der kognitiven Therapie oder The Work in ihrer Ausübung sind, sie haben eines gemeinsam: Sie trainieren den Verstand auf eine bestimmte Art und Weise. Wenn ich Zeit und Energie aufbringe, um regelmäßig meiner Meditationspraxis nachzugehen oder stressauslösende Konzepte mit The Work zu hinterfragen, stellt sich die Frage: Was bringt es mir, welchen Effekt hat mentales Training auf meinen Verstand und mein Gehirn? Menschen, die The Work praktizieren, berichten von mehr Wohlbefinden, Gefühlen von Gelassenheit und innerem Frieden. Mentales Training hat aber auch weiterreichende Implikationen, was die Struktur unseres Gehirns betrifft. Die geistige „Nutzung“ unseres Denkapparats, sei es durch Meditation wie z. B. die Praxis der Achtsamkeit, durch The Work oder durch täglichen stundenlangen Fernsehkonsum, wirkt sich auf die Gehirnarchitektur aus und verändert sie. Der Neurowissenschaftler Gerald Hüther bringt es in seiner Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn (2010) auf den Punkt: „Benutzung bestimmt Gehirn.“ Lange Zeit lautete die vorherrschende Doktrin in den Neurowissenschaften, im Gehirn sei nach der Geburt eines Menschen alles fest verdrahtet. Wie bei einem Haus, in dem die Kabel einmal verlegt werden und dort fest an Ort und Stelle liegen, bis das Material womöglich alt und porös wird und es zu einem Kabelbrand kommt. Heute weiß man, dass unser Gehirn zu unglaublichen

Neuverdrahtungen fähig ist. Das Wort dafür heißt „Neuroplastizität“ und beschreibt die Fähigkeit unseres Gehirns, sich immer wieder neu zu strukturieren. Kommt ein Mensch z. B. blind auf die Welt oder erblindet in frühen Jahren, werden die Sehzellen in der Sehrinde, die eigens fürs Sehen zuständig sind, nicht aktiviert. Eigentlich sind sie absolute Spezialisten fürs Sehen aber sie sind flexibel und anstelle einzurosten oder abzusterben, schulen sie um und dienen blinden Menschen beim Hören, Fühlen oder Sprechen (Begley 2009, S. 193). Die Umwelt, persönliche Erlebnisse, das Praktizieren eines Hobbys wie Musizieren, Computer spielen oder eine Sportart, hinterlassen sprichwörtlich Eindruck im Gehirn. Bestimmte Areale weiten sich aus, andere verkleinern sich womöglich. Es ist wie bei einem Muskel, der bei regelmäßigem Training wächst. So vergrößert sich bei Pianisten das Areal im Gehirn, das für die Feinmotorik der Finger zuständig ist. Aber auch unsere Innenwelt, unsere Gedanken haben eine Einwirkung auf das Gehirn und seine Struktur. Durch Messmethoden wie Neurofeedback wird es z. B. Menschen mit einem Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADS) möglich, Areale im Gehirn durch Gedankenkraft zu entspannen. Zwangspatienten lernen in der Kognitiven Verhaltenstherapie erfolgreich, die Überaktivität eines Bereichs in ihrem Gehirn, der die Zwangsgedanken hervorbringt, gedanklich so zu beeinflussen, dass sich fehlerhafte chemische Prozesse zum Positiven verändern. Bei Depressionen lässt sich ähnliches beobachten, kognitive Umstrukturierungen von Überzeugungen führen bei Betroffenen zu einem ähnlich positiven Effekt wie die Gabe von Antidepressiva (ebd., S. 250ff.). Zusammenfassend: Gedanken sind flüchtig und nicht greifbar, trotzdem vermögen sie Einfluss auf Gehirnstrukturen auszuüben, so dass Zwangserkrankungen, Depressionen oder ADS gemildert oder sogar geheilt werden können. Es ist also sinnvoll, sich über die Benutzung seines Gehirn Gedanken zu machen und es durch Mentaltraining in positiver Weise zu beeinflussen. Je häufiger wir bestimmte Gedanken denken, desto leichter

wird es, sie immer wieder zu denken. Sie werden zu einem Automatismus. Wenn wir wiederholt bestimmte grüblerische Schleifen denken, z. B. „Das Leben ist trostlos“, wird aus einem kleinen Trampelpfad in unserem Gehirn irgendwann eine neuronale Schnellstraße oder gar Autobahn. Neuronale Schnellstraßen bringen Vorteile mit sich, sie ermöglichen uns, schnellere Entscheidungen zu fällen. Verschlungene kleine Trampelpfade sind im Vergleich eher schwerfällig und langsam. Von uns gehegte Überzeugungen gleichen einer fest zementierten achtspurigen Autobahn in unserem Gehirn. Wir bedienen uns ihrer gern und automatisch in jeder Lebenslage, egal ob sie passen oder nicht, weil es einfach so bequem und schnell geht. Die gute Nachricht: Es ist auch möglich, eine viel genutzte Datenbahn wieder verkümmern zu lassen (Hüther 2010). Wenn wir nämlich die zugrunde liegenden Gedanken nicht mehr kultivieren, wächst der Pfad langsam wieder zu. Wenn ich mein Gehirn nur sehr einseitig nutze, z. B. indem ich viel Zeit vor dem Computer verbringe und meinen Körper kaum bewege, so verkümmern die Areale, die für die Bewegungskoordination zuständig sind. Wenn ich umgekehrt selbst im hohen Alter anfange, ein Musikinstrument zu erlernen, werden bestimmte Hirnareale mehr gefordert und dadurch aktiviert. Dies kann man schon nach einigen Wochen Training durch bildgebende Verfahren erkennen. Unser Gehirn ist plastisch, es ist möglich, bis ins hohe Alter Verschaltungen zu verändern oder zu etablieren. Das bedeutet, dass die Art und Weise, wie wir unser Gehirn benutzen, unser Denken, Fühlen und Handeln bestimmt. Das, was wir immer wieder denken, führt zu Denkgewohnheiten, im positiven wie negativen Sinne. Gewohnheiten werden zu unhinterfragten Routinen, die zu Verhaltensweisen führen, die dann letztlich zu unserem Leben werden. Glücklicherweise kommen wir nicht mit einem Gehirn auf die Welt, das dann zeitlebens so verdrahtet bleiben muss. Wir haben die Chance, die Struktur unseres Gehirns durch die Art der Benutzung mitzugestalten. The Work dient dazu, Denkgewohnheiten zu verändern. Mit der Befragung

rütteln wir an vielleicht fest etablierten neuronalen Autobahnen und tragen dazu bei, neue, zu Anfang eventuell zarte, verschlungene Denkwege zu beschreiten. So kann aus der festen Überzeugung, „Das Leben ist trostlos“, eine lahme Verbindung werden, die langsam zuwuchert und irgendwann nicht mehr genutzt wird. Der zarte neue Pfad „Das Leben ist schön“ bekommt eine Chance und wird mehr und mehr ausgebaut. Eine Veränderung in unserer Gehirnarchitektur hat stattgefunden. Wenn das „depressive oder zwangsgestörte Gehirn“ durch mentales Training wie die Achtsamkeitsmeditation positiv verändert werden kann, dann gilt das erst recht für das „normale“ Gehirn. Kognitive Verhaltenstherapie führt dazu, dass grüblerisches Denken und ständiges Widerkäuen von Geschichten abgeschwächt und eine Neubewertung von Gedanken gefördert wird. Diese Effekte gelten auch für The Work. So erwähnen die beiden Schmerz-Experten David Wise und Rodney Anderson von der Stanford University in ihrem Buch A Headache in the Pelvis (Kopfschmerz im Becken) Byron Katies Methode mit den Worten: „Die beste Form der kognitiven Therapie bietet unseres Erachtens The Work von Byron Katie, die eine Methode liefert, um katastrophenartiges Denken mit einem Prozess zu entwaffnen, welchen man alleine durchlaufen kann. Das ist die Methode, die wir empfehlen.“[11] In unserem Verstand erzeugte mentale Impulse wie Meditation oder Gedanken können also ebenso das Gehirn verändern wie Reize von außen. Das zeigt auf eindrucksvolle Weise eine Studie von Pascual-Leone (Begley, 2011, S. 270). In seinem Experiment lernten Teilnehmer eine Fingerübung auf dem Klavier und durch das tägliche Training reduzierte sich die Fehlerrate der Teilnehmer. Der Abschnitt im Gehirn, der für die Bewegung der Finger zuständig ist, hatte sich nach nur 5 Tagen Training stark auf andere Bereiche ausgedehnt. Das war zu erwarten, bestätigen doch viele Studien, dass der häufige Gebrauch eines Muskels dazu führt, dass das Gehirn diesem Bereich mehr Platz einräumt. Aber, und jetzt kommt das Verblüffende an der Studie, eine zweite Gruppe sollte nur an die

Klavierübungen denken. Die Probanden spielten das Stück im Kopf und stellten sich dabei vor, wie sich ihre Finger dabei bewegen. Der motorische Bereich im Gehirn, der für die Fingerbewegungen zuständig ist, vergrößerte sich genauso wie bei den wirklichen Klavierspielern. Pascual-Leone schließt daraus: „Mentales Üben aktiviert die gleichen motorischen Schaltkreise wie reales Üben – und zwar mit demselben Resultat: Die erhöhte Aktivität verursachte eine Expansion des zuständigen Bereichs im motorischen Kortex“ (S. 270). Mentales Üben findet auch bei The Work statt, z. B. wenn wir uns bei Frage Nummer 4 vorstellen, wer wir ohne den stressvollen Gedanken wären. Wir stellen uns das probeweise vor und üben es dadurch, so dass es zukünftig auch real möglich wird, dieses Verhalten zu zeigen. Durch The Work trainieren wir mental, wie wir zukünftig mit einer stressvollen Situation umgehen können. Ich höre häufig von Menschen, die The Work praktizieren, dass sie immer wieder verblüfft sind, wie anders sie mit ehemals stressvollen Situationen umgehen. Das Einzige, was sie dafür getan haben, ist, es durch die Befragung im Geiste „durchzuspielen“. Äußerlich haben sie nichts weiter getan. Wenn wir regelmäßig The Work praktizieren, aktivieren wir dadurch bestimmte Areale im Gehirn. Je häufiger wir dies tun, desto stärker bilden sich bestimmte Hirnstrukturen aus. Durch diese Art des Mentaltrainings können wir bewusster und angemessener auf herausfordernde Situationen reagieren. Es spulen sich nicht mehr konditionierte Automatismen als Reaktionen ab, sondern der Spalt zwischen einem Reiz und einer Reaktion wird größer und wahrnehmbarer. Wir bekommen den Fuß zwischen die Tür und können eingefahrene Reaktionsmuster ausbremsen und anders reagieren. Dafür braucht es jedoch regelmäßiges Training. Die meisten Menschen können gehen oder sogar laufen, aber die wenigsten von uns könnten sofort an einem Marathon teilnehmen. Das heißt, die Fähigkeit sich zu bewegen haben wir ebenso wie die Fähigkeit unsere Gedanken wahrzunehmen und zu hinterfragen. Um einen Marathon laufen zu können braucht es Training, sonst geht uns schnell die Puste aus. Im wilderen Fahrwasser des Lebens ist es gut, sich

auf einen trainierten Verstand verlassen zu können. Die Trockenübung ist, The Work zu einer Gewohnheit werden zu lassen, dann sind wir gewappnet für Weiteres.

7.3 Weiteres Rüstzeug Nachdem wir gesehen haben, welchen Einfluss wir auf unser Gehirn ausüben können, kommen wir jetzt zu weiteren Aspekten, die mit The Work zusammenhängen. Ich bezeichne dies als Rüstzeug, da es uns unterstützen kann, eine tiefere Erfahrung mit der Befragung zu machen. Lassen Sie uns anfangen mit einer bestimmten Geisteshaltung, die dem Erkenntnisgewinn durch The Work hinderlich sein kann: ein explizites Motiv.

Das Leid soll weggehen! „Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann.“ Francis Picabia Vor einigen Jahren befand ich mich in einer sehr schmerzlichen Krise. Mein Partner und ich hatten uns getrennt und so fuhr ich allein in den gemeinsam geplanten Urlaub nach Venedig. Irgendwie eine blöde Idee. Als ich die verliebten Pärchen rund um mich sah, bekam ich plötzlich die fixe Idee, ich bräuchte meinen Partner jetzt ganz dringend und augenblicklich zurück. Der war sich da aber gar nicht so sicher und orientierte sich schon anderweitig. In einem Zustand von emotionaler Verzweiflung schlurfte ich durch den Dogenpalast und konnte der Audioguide-Führung keinerlei Aufmerksamkeit schenken, war mir doch nur danach, alle viere von mir zu strecken und zu heulen. Da fiel mir ein, ich könnte ja worken und mir dadurch Erleichterung verschaffen. Ich könnte ja den Schmerz wegworken! Warum war ich eigentlich nicht schon früher auf diese geniale Idee gekommen? Jetzt besaß ich schon diese Superwaffe des mentalen

Stressmanagements, worauf wartete ich da noch? Ich workte also rauf und runter: „Er sollte mich nicht verlassen. Ich halte den Schmerz nicht aus. Er liebt mich nicht mehr. Ich werde nie wieder einen Partner finden.“ Das Ergebnis: Erlösung? Schmerzfrei? Mitnichten, es tat immer noch weh. Ich war enttäuscht, hielt diese Methode doch nicht, was sie versprach – inneren Frieden und Gelassenheit? Später wurde mir klar, dass The Work sich nicht als schnell wirkendes Schmerzmittel einsetzen lässt. Durch die VenedigGeschichte habe ich verstanden, dass The Work nicht funktioniert, wenn ich sie mit dem Motiv anwende, dass ich mich anschließend bedeutend besser fühle oder der Schmerz weg sein muss. Wenn ich die Befragung nur mit dem Ziel mache, anschließend keinen Schmerz oder Stress mehr zu empfinden, geht der Verstand in den Streik. Er lässt sich nicht so einfach austricksen. Die beste Haltung für eine Work ist ein offener Verstand, der nichts erzwingen will, der eine Haltung hat von: „Ich weiß nicht und ich bin offen zu erfahren.“ Dann können mit The Work tatsächlich Wunder geschehen, plötzlich ist man nicht mehr eifersüchtig, wenn der Partner sich auf einer Party prächtig amüsiert, oder man wird gelassener oder toleranter, wo man früher engstirnig und festgefahren war. Aber wir können den Endzustand nach einer Work nicht schon vorher bestimmen. Aber wann soll ich denn dann überhaupt The Work machen, wenn es sich nicht empfiehlt, damit ein Motiv zu verfolgen? Geht das überhaupt, The Work ohne ein Motiv zu machen? Irgendetwas motiviert uns doch immer zu worken, sonst würde man sich ja gar nicht die Mühe machen. Das stimmt, ein Motiv bringt uns dazu The Work zu machen – uns stresst z. B. der Gedanke: „Mein Partner liebt mich nicht mehr“, und das gibt den Auslöser, die vier Fragen zu stellen. Wenn ich dabei jedoch das Ziel verfolge, dass ich anschließend Erlösung oder Entlastung empfinde, nehme ich etwas vorweg, was der Befragung nicht zuträglich ist. Wenn ein Künstler sich vor die Leinwand setzen würde mit dem Motiv, jetzt ein besonders schönes oder originelles Bild zu malen, würde er sich vermutlich keinen Gefallen tun.

Der Künstler bringt das auf die Leinwand, was in ihm ist und anschließend zeigt sich, ob es schön anzusehen oder originell ist. Es gibt bei The Work einen Unterschied zwischen der Haltung „Ich habe stressvolle Gedanken über meinen Partner und die schaue ich mir an und ich bin gespannt, was da raus kommt“ oder „Ich habe stressvolle Gedanken über meinen Partner und die möchte ich weg haben“. Es ist paradox, ich kann meine schmerzlichen Gedanken nicht willentlich loswerden, aber es geschieht von selbst, wenn ich meine Gedanken und Befürchtungen hinterfrage, denn dadurch lassen sie mich los. Das, was ich tun kann, ist mit einem offenen Verstand neugierig zu sein für die Wahrheit.

Das Universum ist freundlich? „Die Realität ist stets viel freundlicher als jede Geschichte, die wir uns darüber erzählen.“ Byron Katie Ich möchte Ihnen jetzt einen Gedanken von Byron Katie näherbringen, der auf den ersten Blick ausgesprochenes Yoga für den Verstand sein kann. Wenn wir uns mit dem Gedanken jedoch anfreunden können, kann er als Balsam für den gestressten Verstand funktionieren. Es geht um die Annahme „Das Universum ist freundlich“. Ist das wahr, das Universum ist freundlich? Vielleicht mutet es seltsam an, dem Universum menschliche Eigenschaften oder sogar Absichten zuzuweisen? Wenn wir uns aber einen Moment lang erlauben, das Universum als etwas Personifiziertes zu betrachten, wie würde Ihre Antwort ausfallen? Nehmen Sie sich einen Moment Zeit, um die Frage für sich zu beantworten: Ist das Universum freundlich? Ist Ihnen das Universum wohlgesonnen? Wenn Sie Ihr Leben betrachten, können Sie finden, dass es ein freundlicher Ort ist, an dem Sie sich aufhalten? Hier ist Platz für Ihre Gedanken dazu:

Das Universum ist einfach, es ist nicht beseelt und hat keine menschlichen Vorlieben oder Eigenschaften. Wenn wir die Frage testweise trotzdem mit einem Ja beantworten und davon ausgehen, dass das Universum ein freundlicher und sicherer Ort ist, gehen wir anders durch die Welt, als wenn wir annehmen, dass das Universum unsicher und gefährlich ist. Die Selbsterfüllenden Prophezeiungen der Glückspilze und Unglücksraben aus dem 4. Kapitel zeigen uns, welchen Einfluss eine Annahme über die Welt auf unser Leben hat. Dabei treffen wir selbst die Wahl, die Welt entweder auf die eine oder die andere Art zu sehen. Das Universum hat sicher keine menschlichen Absichten und dementsprechend ist die Annahme „Das Universum ist freundlich“ nicht beweisbar, aber sie ist nützlich. Sie ist wie ein Brillengestell, versehen mit einem besonders gefertigten Glas, das ich bewusst auswähle und aufsetzte. Auch hier geht es wie bei der Dankbarkeitsübung aus Kapitel 7 nicht um Positives Denken und eine rosarote Brille. Sie erinnern sich an den Hundehaufen mit Himbeersirup? Die Aussage „Das Universum ist freundlich“ klingt erst einmal wie ein Kalenderspruch, wenn wir ihr nicht durch unsere lebendigen Beispiele Leben einhauchen. Wenn die Sonne scheint, vor meiner Nase eine Parklücke frei wird und ich dann noch im Briefkasten einen handgeschriebenen Liebesbrief vorfinde, ist es leicht zu finden, dass das Universum freundlich ist. Aber was ist mit den Regentagen in unserem Leben, wenn nicht alles am Schnürchen läuft? Die Kunst besteht darin, den Verstand zu schulen, den Wahrheitsgehalt dieser Annahme in allen Lebenslagen zu entdecken. Byron Katie sagt, sie habe seit dem Erlebnis in der Dachkammer, als ihr Verstand wie ausgewechselt wurde, keinen Tag mehr gehabt, an dem es für sie nicht wahr sei, dass das Universum freundlich ist. Gleichzeitig lädt sie jeden ein, ihr nichts davon zu glauben und es lieber für sich selbst zu testen. Dem schließe ich mich an: Können Sie für Ihr Leben finden, dass das Universum freundlich ist? Ich lade Sie

ein, sich auf die Suche nach Beispielen zu machen und diese Aussage für sich zu testen. (Für die folgende Übung empfiehlt es sich, dafür zu sorgen, diese in Papierform vorliegen zu haben.)

Übung Das Universum ist freundlich Wenn Sie Lust haben, sich auf dieses Experiment einzulassen, bitte ich Sie jetzt einmal Ihren Tag Revue passieren zu lassen und sich zu fragen: Was habe ich heute erlebt, welche Erfahrungen habe ich heute gemacht, die mir zeigen, dass es ein freundliches Universum gibt? Was sind Ihre Beweise dafür, dass das Universum freundlich ist? Es müssen keine drastischen Beweise sein, wie der Lottogewinn oder die Begegnung mit der großen Liebe. Vielleicht liegt gerade in den kleinen Dingen, die wir schnell für selbstverständlich halten, die Erkenntnis bereit, dass das Universum freundlich ist? Für mich ist es ein freundliches Universum, weil ... Ich sitze in einem Raum, in dem die Heizung funktioniert und es angenehm temperiert ist, während es draußen Minusgrade hat. Ich habe gerade einen köstlichen Milchkaffee getrunken und einen leckeren Lebkuchen genascht. Ich habe zwei gesunde Hände, die meine Worte schnell in die Tastatur tippen. Ich habe einen Verstand, der gut funktioniert. Ich sitze auf einem Stuhl, der mich trägt und stützt. Es gibt Strom in der Wohnung und dadurch Licht. Ich habe noch etwas zu Essen im Kühlschrank und brauche heute nicht einkaufen zu gehen.

Ich könnte diese Liste ohne Probleme weiterführen. Wenn man einmal angefangen hat, ist der Blick wie geschärft für all die Unterstützung um einen herum. Manchmal sind wir anfangs blind für all die Dinge, die schon da sind. Für die Fülle, die uns umgibt. Gerade Menschen in Krisen oder einer depressiven Phase sehen eher den Mangel und das, was nicht gut läuft. Es ist gut für die eigene Psychohygiene, seinen Verstand immer wieder nach Beispielen für ein freundliches Universum Ausschau halten zu lassen. Je mehr wir unseren Verstand in dieser Disziplin trainieren, desto leichter fällt es uns und desto mehr entfaltet sich Leichtigkeit, Dankbarkeit und Wohlbefinden in unserem Leben. Man könnte natürlich auch hinschauen, wie es wahr ist, dass das Universum unfreundlich ist. Einige Menschen sind Spezialisten darin, das Haar in der Suppe zu finden. „Heute hat sich erst jemand in der Supermarktkasse vorgedrängelt, dann gab es Stau auf dem Heimweg und zu guter Letzt hat mich der Nachbar nicht gegrüßt.“ Das ist das Rezept zum Unglücklichsein und Menschen mit einer pessimistischen Denkstruktur sind wahre Meister darin, sich auf das zu fokussieren, was anders ist als erwartet, nicht funktioniert und schief gelaufen ist. Wie ist es wahr, heute in Ihrem Leben, dass das Universum freundlich ist? Welche Beispiele haben Sie dafür?

Diese Art des Denkens mag neu und ungewohnt sein. Vielleicht spüren Sie eine angenehme Wirkung, nachdem Sie Beispiele in Ihrem Leben

gefunden haben? Diese neue Art sein Denken auszurichten braucht Training, damit es uns in Fleisch und Blut übergeht. Die „alte“ Art des Denkens kultivieren wir vielleicht schon seit Jahrzehnten und sie steckt uns dadurch in den Knochen. Um eine neue Art des Denkens zu kultivieren, braucht es, wie bei körperlicher Fitness auch, regelmäßige Praxis. Empfehlung Nehmen Sie sich drei Wochen lang jeden Abend vor dem zu Bett gehen einige Momente Zeit, Ihren Tag Revue passieren zu lassen. Finden Sie Beispiele, wie es wahr ist, dass das Universum freundlich ist, und schreiben Sie sie auf. Manchmal hilft es, mit dem Naheliegenden anzufangen und dann regelrecht warmzulaufen für die außergewöhnlichen Dinge. Machen Sie diese Übung regelmäßig über mehrere Tage. Sie können auch tagsüber immer wieder Ihren Fokus dahin lenken und Beispiele dafür finden, dass das Universum freundlich ist: Es weht eine angenehme Brise. Sie haben einen Sitzplatz in Fahrtrichtung in der Bahn. Ein Fremder auf der Straße lächelt sie an. Wichtig dabei: Schreiben Sie es auf und machen Sie das regelmäßig über einen längeren Zeitraum. Lassen Sie diese Art der Gedankeninventur zu einer Routine werden.

Wie ist es das Beste? Durch die obige Übung trainieren Sie Ihren Verstand, besser wahrzunehmen, was alles Gutes um Sie herum geschieht. Das ist keine Selbstverständlichkeit, unser Verstand ist womöglich seit langer Zeit auf ganz andere Dinge gepolt, wie z. B. Mangel, Fehler und Hindernisse. Es ist

so wie mit dem Gorilla, der durch das Bild tapert, während zwei Mannschaften sich Bälle zuwerfen. Zuerst sehen wir ihn nicht, aber wenn wir einmal auf ihn aufmerksam geworden sind, können wir gar nicht mehr anders, als ihn zu sehen. Wir haben unsere Aufmerksamkeit neu ausgerichtet. Und genau das ist es, was unser Bewusstsein braucht, um etwas zu registrieren: Aufmerksamkeit. Wir könnten theoretisch 11 Millionen Informationseinheiten gleichzeitig wahrnehmen, bewusst aber maximal 40. Ständig werden wir mit Sinnesreizen bombardiert und unsere Nervenzellen konkurrieren dabei miteinander. Aufmerksamkeit ist der Schlüssel für unsere Wahrnehmung. Michael Merzenich (Begley 2010) zeigt dies eindrucksvoll in einem Experiment. Er stimulierte mithilfe eines Vibrationsreizes über einen Zeitraum von 6 Wochen täglich 100 Minuten lang die Finger von Affen. Währenddessen hörten die Affen via Kopfhörer bestimmte Töne. Die Affen wurden dabei entweder dazu gebracht, auf ihre Finger zu achten und den Tönen keine Aufmerksamkeit zu schenken oder auf die Töne zu achten und nicht auf ihre Finger. Beide Affengruppen hatten also dieselbe physische Erfahrung gemacht, die Fingerstimulation gepaart mit der Tonabfolge. Einziger Unterschied: Sie hatten dabei ihre Aufmerksamkeit auf unterschiedliche Sinne gelenkt, die eine Gruppe auf den Hörsinn, die andere auf den Tastsinn. Ergebnis des Experiments war, dass sich bei den Affen, die sich auf die Fingerbewegung konzentriert hatten, der somatosensorische Kortex veränderte, was nach 6 Wochen taktiler Stimulation zu erwarten ist. In diesem Fall hatte er sich um das Zwei- bis Dreifache vergrößert. Wenn die Affen aber darauf trainiert wurden, sich auf das Hören zu konzentrieren, vergrößerte sich der somatosensorische Kortex nicht, obwohl deren Finger auf die gleiche Art und Weise stimuliert worden waren. Dafür vergrößerte sich in ihren Gehirnen der Bereich der Hörrinde. Der Unterschied erklärt sich durch die ungeteilte bewusste Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit ist wie ein Tor zum Bewusstsein, das mehr neuronale Information einströmen lässt. „Wenn Sie ihre Aufmerksamkeit gezielt auf etwas richten, so dämpft das gleichzeitig die Aktivität der Nervenzellen, die nicht auf das Ziel der

Aufmerksamkeit konzentriert sind.“ (ebd. S. 280) Aufmerksamkeit macht den Unterschied – die physischen Stimuli bei den Affen waren genau gleich, aber ihre Gehirne zeigten unterschiedliche neuroplastische Veränderungen. Das, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten, bekommt Gestalt, hat Einfluss auf unser Gehirn und dementsprechend auf unsere Erfahrungen, unabhängig vom äußeren, physikalischen Reiz. Wenn wir den Fokus auf ein freundliches Universum lenken, werden wir mehr und mehr davon wahrnehmen. Umgekehrt werden wir, wenn der Fokus auf dem Mangel, dem Opfersein und dem Schlechten liegt, dies in die Pforten unseres Bewusstseins einströmen lassen, obwohl im Außen die Fülle vorhanden ist. So weit, so gut: Die Sonne scheint, ich habe einen vollen Kühlschrank, mein Partner unterstützt mich. Wunderbar, aber was ist mit Ereignissen, die wir so nicht geplant haben? Die wir sogar schmerzlich oder ärgerlich finden? Wie ist es wahr, dass das Universum freundlich ist, wenn ich einen Autounfall habe, wenn ein Kunde seine Rechnung nicht bezahlt, wenn ich ins Krankenhaus muss oder mein Partner stirbt? Ist das nicht der blanke Hohn, da von einem freundlichen Universum zu sprechen? Wir können auch in herausfordernden Lebenslagen ein freundliches Universum als Grundlage nehmen und uns fragen, wie das Ereignis, trotz aller Widerstände in uns, etwas Gutes für uns bereithält. Wenn ein Ereignis anders als gewünscht eintritt, können wir uns fragen, wie es das Beste für uns ist, dass es geschehen ist. Und wir können den Fokus ausdehnen und uns überlegen, wie es das Beste für weitere involvierte Personen oder sogar die ganze Welt ist.

Fallbeispiel Eine Klientin kam zu mir ins Coaching, da sie von ihrem Partner verlassen wurde und sich Unterstützung und Hilfe wünschte. Die Klientin empfand die unerwartete Trennung als sehr schmerzlich und schwer auszuhalten.

Umso verblüffter war ich, dass sie auf meine Frage, wie das das Beste sei, was ihr passieren könne, sehr klar Punkte benennen konnte: 1. Sie hatte in dieser Beziehung und auch in vorangegangenen Beziehungen mit der bedrohlichen Angst gelebt, ihre Partner könnten sie verlassen. Jetzt, wo genau das eingetroffen war und sie Single war, brauchte sie diese Angst nicht mehr zu haben. Sie empfand das als sehr entlastend, sich darüber keinen Kopf mehr machen zu müssen. 2. Sie hatte sich in dieser Beziehung sehr nach ihrem Partner ausgerichtet und sich häufig Gedanken gemacht, was er wolle, wie es ihm jetzt ging, und war dadurch mit ihrer Aufmerksamkeit ständig in seinen Angelegenheiten. Mit der Trennung musste sie sich keine Gedanken mehr darum machen, was er wohl zu Abend essen wolle, sie musste nur noch sich selbst fragen, was sie wolle, und konnte alles nach ihrer Façon tun. 3. Nach der Trennung hatte sie schnell neue nette Freunde und Kollegen kennengelernt. Dadurch, dass sie mehr Zeit hatte als sonst, war sie offen für neue Begegnungen und auch Aktivitäten. Sie fing auch mit einem neuen Hobby an, wofür sie vorher in der Beziehung keine Veranlassung gesehen hätte und was sie jetzt als sehr befriedigend empfand. 4. Sie sah in dieser neuen Situation ohne Partner auch die Chance, sich mehr auf sich zu besinnen, sich selbst besser kennenzulernen und die Erfahrung zu stärken, dass sie sehr wohl ohne Partner leben könne und das sogar sehr gut. Als die Klientin diese Beispiele fand, hörte der Trennungsschmerz, den sie empfand, nicht wie auf Knopfdruck auf, aber es war entlastend und befreiend für sie, in der Situation auch wahrhafte und sinnstiftende Beispiele zu finden, wie es das Beste war, was ihr passieren konnte. Ich will nie wieder erleben ... Die Annahme eines freundlichen Universums hilft uns auch beim Arbeitsblatt „Urteilen Sie über Ihren Nächsten“. Bei der Nummer 6 geht es

um die Frage, was wir nie wieder erleben wollen. Eine Klientin von mir wollte nie wieder erleben, dass ihre Mutter allein Weihnachten feiert. Aus diesem Gedanken wird die Umkehrung: „Ich bin bereit wieder zu erleben, dass meine Mutter alleine Weihnachten feiert“ und „Ich freue mich darauf wieder zu erleben, dass meine Mutter alleine Weihnachten feiert“. Wenn das schwer annehmbar ist, weil man ja eigentlich genau das nicht wieder erleben will, baut einem das freundliche Universum eine Brücke. Wenn wir uns für einen Moment auf das Gedankenexperiment einlassen – die Mutter feiert ganz alleine Weihnachten, wie ist es das Beste, was geschehen kann? Wie gesagt, „Yoga für den Verstand“, manchmal gibt es Entspannungspositionen und manchmal ziemlich herausfordernde. Die Klientin fand tatsächlich Beispiele, wie es das Beste ist: 1. Die Klientin feierte das erste Mal mit ihrem Freund und seiner Familie, was ihr Herzenswunsch war. Ihre Mutter wusste das und sie wünschte sich das Beste für ihre Tochter und in dem Wissen war es das Beste für sie, alleine Weihnachten zu feiern. 2. Ihre Mutter war alleinerziehend und hatte sich jahrelang auf ihre Tochter ausgerichtet, dieses Weihnachten barg die Chance, sich einmal um sich zu kümmern und Weihnachten nach ihrem Geschmack zu feiern. 3. Die Klientin konnte auch finden, wie in dieser Situation Wachstumspotenzial für die Mutter steckte, die ihr Leben sehr nach ihrer Tochter ausgerichtet hatte: „Vielleicht lernt sie dadurch mich mehr loszulassen und wieder mehr ihr eigenes Leben zu leben.“ Eine Situation oder Begebenheit ist nicht per se gut oder schlecht, sondern es liegt im Auge des Betrachters. So kann eine ehemals als negativ oder dramatisch eingeschätzte Situation ihren Schrecken verlieren, wenn wir unseren kreativen Verstand nutzen und Ausschau halten nach dem Positiven darin. Manchmal zeigt sich der Nutzen, der Sinn oder das Gute erst im Nachhinein. Daher können Sie sich auch fragen, wie ist es das Beste für mich oder Beteiligte oder die Welt, auch auf lange Sicht?

7.4 Glauben Sie alles, was Sie denken? „Du denkst, du könntest dein Denken kontrollieren. Kannst du auch den Wind kontrollieren?“ Byron Katie Vielleicht ist Ihnen ja auch schon aufgefallen, dass Sie nicht der einzige Mensch sind, der stressvolle Gedanken hat, sondern dass in all unseren Köpfen stressauslösende Gedanken und Geschichten existieren. Und dieses Gedankengut in unseren Köpfen ist noch nicht einmal besonders originell. Ich glaube manchmal über mich „Ich kann das nicht“ und stelle immer wieder fest, den Gedanken hatten andere auch schon. Gedanken sind doch nicht so exklusiv wie wir vielleicht meinen, sondern eher kollektiv. Falls Ihnen einmal die eigenen stressvollen Gedanken ausgehen sollten, bedienen Sie sich doch einfach bei der Liste der universellen Glaubenssätze, die weiter unten folgt. Es ist bestimmt etwas Passendes für Sie dabei. Sie können auch eine x-beliebige Boulevardzeitung aufschlagen oder Fernsehen schauen und dabei Sätze, die Ihnen auffallen, aufschreiben und hinterfragen. Dass Gedanken nicht so exklusiv sind und andere Menschen sie ebenfalls mit uns teilen, ist ein weiterer Hinweis darauf, dass Gedanken gar nicht persönlich sind. Wir haben bereits im 5. Kapitel gesehen, dass wir Urteile über andere Menschen innerhalb von Millisekunden treffen. In der kurzen Zeitspanne kann unser Bewusstsein gar nicht seinen Senf dazugegeben haben. Wenn wir Gedanken persönlich nehmen würden, sowohl unsere eigenen als auch die der anderen, wäre das so, als ob wir das Wetter persönlich nähmen. Ich habe den Regentropfen nicht gemacht und ich habe auch nicht den Gedanken gemacht, der gerade in meinem Verstand vorbeischaut. Aber wenn ich ihn glaube, liegt es an mir, Verantwortung für mein Glauben und für meine Handlungen zu übernehmen. Bin ich in der Geschichte verfangen oder stehe ich außerhalb der Geschichte? Hänge ich

den Geschichten an und identifiziere ich mich mit ihnen oder bin ich frei von Identifikation? Gedanken sind einfach nur chemische und elektrische Vorgänge im Gehirn. Bei Zwangsneurotikern wird das besonders deutlich. Sie haben ganz übermächtige Zwangsgedanken, die ihnen keine Ruhe lassen, wie: „Verdammt, ich habe bestimmt vergessen die Herdplatte auszuschalten“, oder: „Ich muss mir unbedingt die Hände waschen“ – obwohl die Person vielleicht schon 10 Mal überprüft hat, ob der Herd noch an ist, oder obgleich sie schon ganz wunde Hände hat, weil sie sich schon 30 Mal die Hände gewaschen hat. Menschen mit einer Zwangsstörung wissen eigentlich, dass ihre Gedanken nicht wahr sind. Wenn sie wieder nach Hause eilen, um zu überprüfen, ob die Herdplatte wirklich aus ist, wissen sie im Grunde schon, dass sie aus sein wird. Das Problem ist, dass sie sich gegen diese Gedanken nicht wehren können, sie scheinen übermächtig zu sein (Begley, S. 244). Zwangsgedanken sind ein extremerer Fall als alltägliche Gedanken, doch wir können aus ihnen etwas über die Natur der Gedanken lernen. Ein Mensch mit Zwangsgedanken käme nicht auf die Idee, diese Gedanken als seine eigenen anzusehen. Es ist vielmehr wie der Mann im Ohr, der ihnen etwas einzuflüstern versucht. Warum sollte es dann mit den „normalen“ Gedanken anders sein? Gedanken sind einfach Abläufe im Gehirn, sie sind keine absoluten Wahrheiten, vielleicht sind sie einfach nur ein Rauschen im Gedankenuniversum. Gedanken spiegeln die Realität nicht eins zu eins wider.

Abbildung 8: Unsere Gedanken sind nicht exklusiv, sie sind kollektiv. Es folgt hier eine Liste mit universellen kollektiven Glaubenssätzen. Die Idee stammt von Byron Katie. Vielleicht sind ja gute alte Bekannte dabei, vielleicht auch Gedanken, die Ihnen so noch nie gekommen sind. Wie auch immer, diese unvollständige Liste kann Ihnen zur Inspiration dienen, falls Ihnen Ihre eigenen stressvollen Gedanken einmal ausgehen sollten oder Sie einen Gedanken nicht in Worte fassen können. Unvollständige Liste universeller Glaubenssätze Ich bin nicht gut genug. Ich kann das nicht. Er hört mir nicht zu. Sie respektiert mich nicht. Er lehnt mich ab. Ich bin noch nicht so weit.

Ich habe einen Fehler gemacht. Die haben einen Fehler gemacht. Ich habe versagt. Immer muss ich alles machen. Die Welt ist ein gefährlicher Ort. Geld regiert die Welt. Ich gehöre nicht dazu. Ich bin allein. Das Leben ist hart. Niemand hat mich lieb. Mein Leben ist eine Baustelle. Die anderen lehnen mich ab. Ich muss das machen. Ich muss perfekt sein. Auf die anderen ist kein Verlass. Ich brauche es, dass die anderen mich wertschätzen. Der Staat verschleudert unser Geld. Die anderen sind erfolgreicher als ich. Das hätte nicht passieren dürfen. Ich wäre jetzt gern woanders. Ich sollte weiter sein. Geld stinkt. Frauen sind ... Männer sind ... Eigene Ergänzungen:

Hippie-Identität

„Tun Sie nicht so, als seien Sie weiter, als Sie sind.“ Byron Katie Manchmal begegnen mir Menschen, die behaupten, dass sie eigentlich gar nichts mehr wirklich stressen würde in ihrem Leben. Und falls doch mal der Partner den Abwasch auf die falsche Art getätigt hätte, würden sie sofort erkennen, dass das Quatsch ist und über sich selbst lachen. Wunderbar, wenn Menschen zu so einem souveränen und friedvollen Zustand gekommen sind. Vielleicht lügen sie sich dabei aber auch ein bisschen in die eigene Tasche? Ich nenne dieses Phänomen, über allem zu stehen, die „Hippie-Identität“. Byron Katie sagt dazu, sich in der eigenen Evolution weiter geben, als man ist. Ein Hippie hat vielleicht die Maxime Liebe, Frieden, Toleranz und Gewaltfreiheit zu leben, aber wie sieht es hinter der Fassade aus? Bin ich wirklich an dem Punkt, an dem ich diese Werte verinnerlicht habe und lebe oder wäre ich nur gern schon dort? Wenn mich ein falsch zusammengelegter Gartenschlauch nervt, ist es dann nicht authentischer, dazu zu stehen und ehrlich zu sein vor sich selbst und anderen? Und nicht so zu tun, als ob mich nichts mehr ankratzen kann? Es ist ein falsch verstandenes Ziel, keinerlei Stressthemen mehr im Leben zu haben und es ist einfach auch unwahrscheinlich, dass einem dieses gelingt. Vor allem, wenn man ein irdisches Leben mit Job, Familie und Verpflichtungen lebt. Ich habe mich mit vielen Menschen ausgetauscht, die schon länger The Work anwenden, und ich habe Kurse von Trainern besucht, die The Work unterrichten. Zu Anfang war ich schockiert, dass sie nach so vielen Jahren Praxis mit The Work immer noch stressbeladene Gedanken über ihre Partner oder Kinder hatten. Ich dachte insgeheim, die hätten die Methode nicht richtig verstanden oder einfach noch nicht genug geworkt. Ich fand es wenig erstrebenswert, so zu werden wie sie und nach Jahren der Work immer noch zu glauben „Mein Partner sollte nicht so faul auf der Couch rumlümmeln“. Jetzt worke ich selbst seit ein paar Jahren und habe immer noch und immer wieder stressvolle Gedanken über meinen

Partner, meine Mama, meinen Papa und die Welt überhaupt. Es sind sicherlich weniger stressvolle Gedanken geworden und manch Gedankenkartenhaus ist vollends kollabiert. Einige Geschichten, die ich früher gehegt habe wie meinen Augapfel, kann ich heute einfach nicht mehr glauben. Das zeigt mir auch, wie nachhaltig The Work wirkt. Dennoch glaubt der Verstand immer noch und immer wieder bestimmte Konzepte und Gedanken. Wir können Gedankenkonditionierungen, die wir uns über Jahrzehnte eingeprägt haben, nicht einfach über Bord werfen. The Work ist kein Schnellschussverfahren, hier heißt es, einen Gedanken nach dem nächsten zu befragen. Was ich auch erkannt habe, ist, dass Menschen, die schon länger worken, genauer werden in ihren Urteilen über andere. Wenn das Feld soweit abgegrast ist, dass ich über meinen Partner oder meine Mutter nicht mehr viel Stressauslösendes denke, ist es möglich, tiefer zu graben, präziser zu werden in den Urteilen. Das hört sich dann vielleicht so an: „In dem Moment, in dem wir gemeinsam auf dem Bahnsteig stehen, brauche ich von dir, dass du lächelst und nicht so ein Gesicht ziehst.“ Diese Mikroanalyse einer Situation kann bewirken, dass das Gesamtbild, das wir über eine Person haben, verändert wird. Dieser eine Gedanke ist ja auch nur wieder eine Spielart des Grundgedankens „Die Wirklichkeit sollte anders sein, als sie ist“. Wenn mein Partner in diesem Moment nicht lächelt, ist das die Realität. Im Kleinen wie im Großen lösen die Gedanken Stress aus, die mit der Realität im Widerstreit liegen. Bei dem Grundgedanken ist es wie bei einem Hologramm, diesen faszinierenden dreidimensionalen Bildern. Wenn man ein Hologramm in zwei Hälften zerteilt und dann eine Hälfte mit einem Laser anstrahlt, kann man nach wie vor in der Hälfte das komplette Bild sehen. Teilt man diese Hälfte noch einmal, kann man immer noch das gesamte Bild sehen, wenn auch kleiner. Im Unterschied zu einer normalen Fotografie beinhaltet jeder Teil eines Hologramms die Gesamtinformation des kompletten Bildes. Die Information des Hologramms ist in jeder Facette des Gesamtbildes gespeichert. So ist es auch mit bestimmten Überzeugungen, die wir hegen. Der Gedanke „Die Welt sollte anders sein als sie ist“ ist so eine Grundüberzeugung, die in allen möglichen

Variationen immer wieder auftaucht: „Mein Vater sollte mich mehr unterstützen“, „Meine Mutter sollte mich nicht so häufig anrufen“, „Mein Partner sollte mehr Sport treiben“, Sie kennen solche Gedanken ja bereits. Daher ist es unerheblich, wo wir mit unserer Befragung ansetzen, letztlich arbeiten wir am Gesamtbild. Es ist nur leichter für unseren Verstand, konkret in eine Situation zu gehen und von da aus The Work zu machen.

Opferstatus Auch mit einiger Workerfahrung beißt sich der Verstand gern einmal fest. Es ist nicht so, als wäre man von seinem Ego befreit, nur weil man seine Gedanken hin und wieder befragt. Noch während ich dieses Buch schrieb, baute mein Verstand eine Verschwörungsgeschichte über einen Kollegen auf, in der natürlich ich Recht hatte. Bei unserem gemeinsamen Arbeitsprojekt hatte ich das Gefühl, dass alles an mir hängen blieb. Und das auch noch in der Endphase dieses Buchprojekts! Ich dachte: „Er sollte sich mehr engagieren“, und fand, dass ich so was von Recht hatte. Da mir klar war, dass ich auf jeden Fall Informationen rund um das Projekt, meinen Kollegen und mich ausblende, dass ich nur die halbe Wahrheit sehe, wollte ich den Gedanken worken. Ich nahm mehrere Anläufe, um diesen Gedanken zu hinterfragen, und jedes Mal bei Frage 4 konnte ich mir einfach nicht vorstellen, wer ich ohne diesen Gedanken wäre. Mein Verstand hatte sich an dieser Geschichte festgebissen wie ein Bullterrier an der Wade des Postboten. Zu allem Übel legte mich der Gedanke auch noch völlig lahm. Ich verspürte keinerlei Lust, mich auch nur ein Stück weit mehr für das Gemeinschaftsprojekt zu engagieren. Irgendwann rieselte es langsam in meinen Verstand ein, dass ich an meinem Kollegen gerade nichts ändern kann, aber sehr wohl an mir. Ich erkannte, dass dieser Gedanke „Er sollte sich mehr engagieren“ einfach eine willkommene Ausrede für mich war, in dem Moment nicht mein Bestes zu geben. Ich fragte mich, wie häufig ich eigentlich schon im Außen nach irgendwelchen Ausreden gesucht hatte, um mich nicht voll und ganz

engagieren zu müssen. Der Staat, die wirtschaftliche Lage, die Kunden, meine Kindheit, meine Eltern, mein Geschlecht, meine Vita, alles willkommene Geschichten, um mich davon abzuhalten, mich mit Haut und Haaren dem zu verschreiben, was vor mir liegt. Einfach anzuerkennen und zufrieden zu sein, mit dem was ist. Und von da aus zu starten mit der Frage, was ich jetzt tun kann. Wie kann ich jetzt am besten der Welt und mir selbst dienen? Ein erster Schritt in die Richtung ist, der Umkehrung „Ich sollte mich mehr engagieren“ Leben einzuhauchen. Das macht mich frei und lässt mich aktiv werden, unabhängig von meinem Partner, den Umständen, der Gesellschaft. Dass mein Partner sich nicht mehr engagieren sollte, wurde mir dann später auch noch klar. Erstens tat er sowieso schon so viel und zweitens erinnerte mich der Ursprungsgedanke an eine sehr wichtige Erkenntnis. Ich liebe Ausreden. Ich liebe meine Geschichten, die mir dazu dienen, in meiner behaglichen Komfortzone zu bleiben. Und wenn ich irgendwann keine Lust mehr verspüren sollte, Recht zu haben, dann worke ich. Glücklicherweise kommt das immer häufiger vor. Wie oft dienen uns wohl Dinge im Außen, Geschehnisse und Umstände als willkommene Ausrede, nicht aktiv zu werden? Sich klein zu machen oder sich als Opfer zu fühlen? Wir können uns selbst von mentalen Barrieren befreien, indem wir uns anschauen, was uns im Außen hindert. Machen Sie eine Bestandsaufnahme und listen Sie alle Punkte auf, die Sie vermeintlich hindern loszugehen, aktiv zu werden, Ihre Träume zu verwirklichen. Hinterfragen Sie anschließend jedes hinderliche Konzept mit The Work. Dies ist meiner Erfahrung nach einer der kraftvollsten Wege, sich selbst zu befähigen und Verantwortung für sich zu übernehmen. Eine sehr beeindruckende Person, die sich nicht von Barrieren beeinträchtigen lässt, ist Amy Purdy. Ihr wurden als junge Frau aufgrund einer Blutinfektion beide Beine unterhalb der Knie amputiert. Zusätzlich verlor sie ihre Milz, ihre Nieren und ihr Gehör auf einer Seite. Das hindert

sie aber in keinster Weise daran, eine inspirierende öffentliche Rednerin, Model und erfolgreiche Snowboarderin zu sein. Interessanterweise sagt auch sie, dass sie nichts ändern wollte an ihrer Situation: „Meine Beine haben mich nicht behindert, wenn überhaupt, haben sie mir etwas ermöglicht ... Sie zwangen mich auf meine Vorstellungskraft zu vertrauen.“[12] Auf humorvolle Weise benennt sie Vorteile, die ihre Prothesen mit sich bringen. Keine kalten Füße beim Snowboarden, Schuhe in allen Schuhgrößen und eine variable Körpergröße, je nachdem, mit wem sie ausgeht. Sie ist eine Meisterin darin, Beispiele zu finden, wie es das Beste für sie ist, was passieren konnte. Sie lädt uns ein, Herausforderungen als Segnungen zu betrachten, die uns helfen, weiter zu gehen, als wir uns je vorgestellt hätten.

7.5 Dran bleiben! Die Reise durch unseren Verstand nähert sich ihrem Ende. Wir haben bei der ersten Station gesehen, dass es nicht möglich ist, eine längere Zeitspanne ohne Gedanken zu sein. Denn Gedanken geschehen einfach und speisen sich aus einer unerschöpflichen Quelle, die uns zum größten Teil gar nicht bewusst ist. Was wir aber tun können, ist einen Beobachterposten einzunehmen und uns selbst beim Denken zu beobachten. Wir haben durch das ABC der Gefühle gesehen, dass Gedanken und Gefühle sehr eng miteinander verwoben sind und dass ein Urteil oder eine Überzeugung der Auslöser für Gefühle und Handlungen sind. Anschließend haben Sie The Work mit ihren 4 Fragen und Umkehrungen kennengelernt und hoffentlich die Wirkweise auch an sich selbst praktisch erfahren. Weitere Aspekte von The Work sind die Unterfragen, die aber nicht zwingend für eine Befragung benötigt werden. Byron Katies „Drei Angelegenheiten des Universums“ dienen als Unterstützung, den eigenen Verantwortungsbereich und Handlungsspielraum zu erkennen und zu nutzen und sich nicht unnötig in anderer Leute Angelegenheit abzustrampeln. Im

weiteren Verlauf der Reise haben wir uns mit dem Thema Vergangenheit beschäftigt. Das Beste an der Vergangenheit? Sie ist vorbei! Um den Rest, die übrig gebliebenen stressvollen Überzeugungen, können wir uns mit The Work kümmern. Das Gleiche gilt für alle Befürchtungen und Unkenrufe bezogen auf die Zukunft. Beim Thema Kritik haben Sie vielleicht erkennen können, dass sie gar nicht so einen Schrecken verbreiten muss. Im Gegenteil, es können Geschenke für uns darin verborgen liegen, wenn wir uns mit einem offenen Verstand auf sie einlassen. Die Themenreise endete bei uns selbst, bei Selbstanklage und überhöhten Erwartungen sich selbst gegenüber. Mit The Work können wir mit etwas Praxis auch Urteile über uns hinterfragen, so dass wir uns mit einem milderen Auge betrachten können. In der letzten Station auf der Reise durch das Land der Gedanken habe ich Sie eingeladen, über den gewohnten Rahmen hinaus zu denken. Stressmanagement bedeutet neben Bewegung, gesunder Ernährung und Entspannung auch, den kreativen Verstand zu nutzen, alte ausgetretene Gedankenpfade zu verlassen und sich auf neue Wege einzulassen. Mit The Work können wir unsere mentalen Grenzen ausdehnen. Das kommt auch unserem Gehirn zugute, denn die Benutzung bestimmt das Gehirn. Das Worken mit Motiv bringt meistens nicht das gewünschte Ergebnis. Ein neugieriger und offener „Ich weiß nicht-Verstand“ ist die beste Voraussetzung für eine Work. Die Annahme, dass das Universum freundlich ist, ist eine hilfreiche Brücke, das Gute und Sinnhafte in Ereignissen zu erkennen. Liebe Leserin, lieber Leser, ich möchte mich bei Ihnen bedanken, dass Sie sich auf diese Reise durch Ihren Verstand und in Ihr Herz eingelassen haben. Ich hoffe, dass Sie am Ende wertvolle Souvenirs in Form von sowohl Erkenntnissen als auch Handwerkszeug für sich mitgenommen haben. Es würde mich freuen, wenn aufgrund der Lektüre der Funke übergesprungen ist und Sie The Work als hilfreich und nützlich für sich entdeckt haben.

Manche Menschen, die The Work einmal kennengelernt haben, denken, dass sie The Work auch durchdrungen haben. Auf einer intellektuellen Ebene ist The Work leicht zu verstehen, es ist ja nicht viel mehr als vier Fragen und Umkehrungen. Auf einer intuitiven Ebene ist The Work jedoch so viel mehr. Ich bin nach Jahren der intensiven Beschäftigung mit The Work immer wieder fasziniert, wie mit diesen immer gleichen vier Fragen weitere und tiefere Erkenntnisse möglich sind. Wie sich Gelassenheit und innerer Frieden offenbaren, wenn wir uns einlassen auf diese Reise nach innen. So ist The Work für mich nicht einfach eine weitere Methode in der Sammlung der „Ich mache dich glücklich und stressfrei“-Methoden. Für mich ist The Work mehr als das. Sie ist eine Haltung, eine Lebensphilosophie, bei der es um so viel mehr geht als Stressmanagement: Es geht um ein geglücktes Leben durch mehr inneren Frieden. Wie auch immer, so wie bei jeder Stressmanagement-Methode gilt auch bei The Work die Devise: Dran bleiben – weiter machen! Ich wünsche Ihnen viel Leichtigkeit mit The Work und wunderbare Erkenntnisse.

Nachklang und Danksagung Dieses Buch zu schreiben und mich monatelang intensiv mit The Work, Gedanken und dem Verstand auseinanderzusetzen war ein sehr fruchtbarer Prozess für mich. Überrascht bin ich, dass sich dann doch so viele Buchseiten zu The Work gefüllt haben, geht es ja eigentlich um eine übersichtliche Methode mit vier Fragen und Umkehrungen. Für mich wird immer wahrer, ich weiß, dass ich nicht weiß. Ich bin sehr dankbar, dass The Work in mein Leben getreten ist und dass ich von dieser humorvollen, beeindruckenden und geistig so klaren Person Byron Katie lernen darf. Ohne das geniale Selbsthilfesystem The Work wäre dieses Buch natürlich nie entstanden. Viele Übungen und Denkimpulse in diesem Buch habe ich von Byron Katie übernommen. Darüber hinaus habe ich von weiteren wunderbaren Menschen The Work vermittelt bekommen, deren Wissen und Erfahrungen mit in dieses Buch eingeflossen sind. Namentlich Ralf Giesen, mein Mentor, Kollege und Freund, der mich beständig fördert und in meiner Entwicklung unterstützt. Chris Spieler, mit dem ich es sehr genieße, Seminare zu The Work zu geben, und dessen herrliches Lachen einfach ansteckend ist und alle Schwere und Ernsthaftigkeit aufzulösen vermag. Darüber hinaus danke ich allen meinen Ausbildern und Kollegen im Ausbildungsprogramm von Byron Katie. Ihr Wissen und ihre Erfahrung sind mit in das Buch eingeflossen. Ich möchte auch meine Dankbarkeit meinen Klienten gegenüber ausdrücken, die mich so viel lehren über die Natur von Gedanken, The Work und mich selbst. An diejenigen, die ihre persönliche Work für dieses Buch zur Verfügung gestellt haben, danke für euer Vertrauen und eure Offenheit!

Herzlichen Dank an all die, die das Manuskript gelesen und mir wertvolles und hilfreiches Feedback gegeben haben. Meiner Freundin und Kollegin Kerstin Esser, der guten Seele unseres Mallorca-Teams, immer da für mich, unterstützend und hilfsbereit. Meinem Bruder Leif Erik Madsen, der mir als Work-Neuling sehr präzise Rückmeldungen über die Verständlichkeit des Manuskripts gegeben und mich in meinem Vertrauen gestärkt hat, meinen Kurs weiterzuverfolgen. Margarete Alshut, Freundin und Impulsgeberin, die an mich glaubt, egal was passiert und mir immer guten Zuspruch und Wertschätzung zuteilwerden lässt. Barbara Ullrich, „Mrs. Work“, die dank ihrer sehr genauen und liebevoll kritischen Art zum letzten Feinschliff beigetragen hat. Ich danke Dr. Stephan Dietrich vom Junfermann Verlag, der den Anstoß für dieses Buch gegeben hat. Ohne seinen Impuls, seine Mut machende Begleitung und Unterstützung wäre dieses Buch nicht zustande gekommen. Ich habe die unkomplizierte und verlässliche Zusammenarbeit sehr geschätzt. Mein ganz besonderer Dank geht an meinen Verlobten Markus Büsges, dem dieses Buch gewidmet ist. Er hat mir nicht nur in den letzten Monaten des Um-mich-selbst-Kreisens den Rücken freigehalten und Verständnis für mich aufgebracht, sondern insgesamt in den letzten sieben Jahren. Er war der Erste, der meine Texte zu lesen bekam und war mir dabei ein behutsam kritischer Feedbackgeber. Als passionierter Nicht-Worker hat er mir gute Impulse gegeben und ich habe unsere philosophischen Debatten sehr genossen. Außerdem hat er die wunderbaren Illustrationen in diesem Buch beigesteuert. Ich danke ihm vom Herzen für diese schöne Teamwork und dafür, dass er mich in den letzten Monaten begleitet hat.

Ich bin sehr neugierig zu erfahren, welche Gedanken, Fragen oder Erfahrungen Sie rund um diese Lektüre haben, und lade Sie herzlich ein, mit mir in Kontakt zu treten. Homepage: http://www.tanjamadsen.de http://www.mentalesstressmanagement.de E-Mail: [email protected] Ich wünsche Ihnen von Herzen viel Erfolg mit dem Yoga für Ihren Verstand, Ihre Tanja Madsen

Anhang Lösung für das 9-Punkte-Problem

Hilfreiche Adressen und Internetseiten Byron Katie: http://www.thework.com Auf der Webseite von Byron Katie können Sie die Arbeitsblätter und weitere Ressourcen kostenlos herunterladen und sich Filmsequenzen anschauen, die Byron Katie mit Menschen bei The Work in Aktion zeigen. Auf dieser Seite finden Sie auch die Certified Facilitators, also langjährig ausgebildete Trainer und Coaches, die Seminare und Einzelsitzungen anbieten. Ebenso finden Sie die Helpline, die Sie kostenlos nutzen können, wenn Sie The Work praktisch am Telefon oder via Skype erleben wollen. Es gibt auch eine Unterseite in Deutsch und in anderen Sprachen. Sie finden auf der Seite auch Hinweise zu Veranstaltungen mit Byron Katie. The School ist eine neuntägige Veranstaltung, die regelmäßig von Byron Katie geleitet wird. Aktuell ist ein E-Learning-Programm in Vorbereitung, das vermutlich Anfang 2013 online geht und Menschen ermöglicht, über eine Lernplattform Kurse zu belegen. Verband für The Work of Byron Katie (vtw) e.V. http://www.vtw-the-work.org Argentinische Allee 201 D-14169 Berlin [email protected] Ziel des Verbandes ist es, The Work im deutschsprachigen Raum zu verbreiten und ein Forum für den Austausch der Mitglieder untereinander zu bieten. Ausbildungen Falls Sie eine Ausbildung zum Begleiter in The Work machen wollen, gibt es zwei von Byron Katie offiziell anerkannte Möglichkeiten:

1. Certified Facilitator for The Work of Byron Katie (ITW) Das ITW (Institute for The Work) hat seinen Sitz in Ojai, Kalifornien. Die Ausbildung dauert zwei bis vier Jahre und umfasst ca. 100 Seminartage. Fließende Englischkenntnisse sind Voraussetzung für die Teilnahme. 2. Coach for The Work of Byron Katie (vtw) Der vtw (Verband für The Work of Byron Katie e.V.) mit Sitz in Berlin bietet eine 25 Tage umfassende Ausbildung an.

Quellennachweise A

, D. G. (2010). Das Glückliche Gehirn. Ängste, Aggressionen und Depressionen überwinden. München: Goldmann Verlag. B , S. (2010). Neue Gedanken Neues Gehirn. Die Wissenschaft der Neuroplastizität beweist, wie unser Bewusstsein das Gehirn verändert. München: Goldmann Arkana. D’A , F., H , P. R , F. (2011). Das automatische Gehirn, Dokumentation Deutschland 2011, WDR/Arte. E , A. & H , B. (1997). Die Rational-Emotive-Verhaltenstherapie – Reflexionen und Neubestimmungen. München: J. Pfeiffer Verlag. F , J. H , S. (2008). Burnout – Wege aus der Krise. Erkennen, Akzeptieren, Handeln. Berlin: Cornelsen Verlag. H , G. (2010). Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. K , G. (2004). Stressbewältigung. Trainingsmanual zur psychologischen Gesundheitsförderung. Heidelberg: Springer Medizin Verlag. K , B. (2012). Ich brauche deine Liebe – stimmt das? München: Goldmann. K , M. A. G , D. T. (2010), A Wandering Mind Is an Unhappy Mind. Science, 330 (6006), 932. L , E. F. (1999). Lost in the Mall: Misrepresentations and Misunderstandings. Ethics and Behavior, 9 (1), 51-60. M , H. R. V , F. J. (2011). Der Baum der Erkenntnis. Die biologischen Wurzeln menschlichen Erkennens. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag. M , B. K. (2001). Lieben was ist. Wie vier Fragen Ihr Leben verändern können. München: Arkana. R , A. (Hrsg.) (2009). Spielbar. 51 Trainer präsentieren 77 TopSpiele aus ihrer Seminarpraxis. Bonn: Managerseminare. R , S. R -K , W. (2003). Burnout in der sozialen Arbeit. Augsburg: ZIEL, 2003.

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, G. (2009). Aus Sicht des Gehirns. Frankfurt am Main: Suhrkamp Taschenbuch Verlag. , U. (2008). Der unbewusste Wille. DIE ZEIT, Nr. 17 (http://www.zeit.de/2008/17/Freier-Wille, Abrufdatum 25.04.2012). , A. (2005). Das betrogene Ich. ZeitWissen 05 (http://www.zeit.de/zeitwissen/2005/05/Autobiographisches_Gedaechtnis.xml/seite-5, Abrufdatum 25.04.2012). , M. E. (2011). Flourish. A Visionary New Understanding of Happiness and Well-being. New York: Free Press. , D. J. (2010). Das achtsame Gehirn. Freiburg: Arbor-Verlag. , W. (2002). Der Beobachter im Gehirn. Essays zur Hirnforschung. Frankfurt am Main: Suhrkamp Taschenbuch Verlag. , C. (2005). The new Science of Happines. TIME Magazine (http://www.authentichappiness.sas.upenn.edu/images/TimeMagazine/in dex.htm#8, Abrufdatum 25.04.2012). , W. (2001). Die Philosophie der Stoa. Ausgewählte Texte. Stuttgart: Reclam. , L. E. B , J. A. (2008). Experiencing Physical Warmth Promotes Interpersonal Warmth. Science 322, 606-607. , J. T , A. (2006). First Impressions. Making Up Your Mind After 100-Ms Exposure to a Face. Psychological Science 17 (7), 592598. , R. B , R. (2007). Kognitive Verhaltenstherapie für Dummies. Der leichte und erfolgreiche Weg zum inneren Frieden. Weinheim: WILEY-VCH. , D. (2010). Why can’t we trust what we see? BBC News Magazine (http://news.bbc.co.uk/2/hi/uk_news/magazine/8617945.stm, Abrufdatum 25.04.2012). , R. (2003). The Luck Factor. Skeptical Inquirer, 27 (3). , G. (2002). Epiktet für Anfänger. Eine Lese-Einführung. München: Deutscher Taschenbuch Verlag.

Anmerkungen [1] The Work ist ein feststehender Begriff für die Methode von Byron Katie. Auch im Deutschen hat sich The Work als Bezeichnung etabliert, das Verb dazu heißt im Deutschen „worken“. Befragung, Gedankenmeditation oder Überprüfung sind alternative Begriffe für The Work und werden in diesem Buch abwechselnd verwendet. [2] Byron Katie spricht im Englischen von „Mind“, was im Deutschen vor allem mit Geist und Verstand aber auch mit Gehirn oder Gedächtnis übersetzt wird. Ich möchte an dieser Stelle keine philosophische Abhandlung über die Definition von Geist und Verstand schreiben. Laut Wörterbuch bedeutet Verstand die Fähigkeit zu verstehen, zu urteilen und zu denken. Ich nutze den Begriff „Verstand“ zusammenfassend als Beschreibung für Wahrnehmung, denken, kognitive Fähigkeiten wie erinnern, sich etwas vorstellen, fantasieren, entscheiden, beabsichtigen, planen als auch die fokussierte Aufmerksamkeit bei Achtsamkeit und Konzentration. [3] http://www.youtube.com/watch?v=BYLMTvxOaeE, (Abrufdatum: 14.04.2012). [4] http://news.bbc.co.uk/2/hi/uk_news/magazine/8617945.stm (Abrufdatum: 14.04.2012). [5] http://www.theinvisiblegorilla.com/videos.html (Abrufdatum: 14.04.2012). [6] Die Namen der Personen in allen Fallbeispielen in diesem Buch sind auf Wunsch der Klienten verändert. [7] © 2011 Byron Katie International, Inc. Alle Rechte vorbehalten. http://www.thework.com/deutsch Rev. 16 Jul 2011.

[8] http://www.thework.com/deutsch/downloads/Emotions_and_Reactions_ List_German.pdf (Abrufdatum: 14.04.2012). [9] Inspiriert von Louie Schwartzberg in einem TED-Talk: http://www.thecultureconcept.com/circle/louie-schwartzberg-happinessrevealed (Abrufdatum 24.04.2012). [10] Laut einer Überlieferung hat Mahatma Gandhi Albert Einstein das Wort Namasté mit diesen Worten erklärt. [11] http://www.byronkatie.com/2008/07/a_note_from_helsinki.htm (Abrufdatum 14.04.2012). [12] http://www.youtube.com/watch?v=N2QZM7azGoA (Abrufdatum: 14.04.2012).

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