Mein Herz – Niemandem : Das Leben der Else Lasker-Schüler 9783549073551

Gottfried Benn hielt sie für die größte Lyrikerin, die Deutschland je hatte, Karl Kraus bekannte, für eines ihrer Gedich

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German Pages [493] Year 2009

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Mein Herz – Niemandem : Das Leben der Else Lasker-Schüler
 9783549073551

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Kerstin Decker

Mein Herz Niemandem Das Leben der Else Lasker-Sehüler Provvläen

Kerstin Decker Mein Herz - Niemandem

Kerstin Decker

Mein Herz - Niemandem Das Leben der Else Lasker-Schüler

Propyläen

Alle Zitate aus Else Lasker-Schülers Werken und Briefen sind kursiv ge­ druckt. Es wird zitiert nach: Else Lasker-Schüler, Werke und Briefe, Band 1-8, Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 1996-2005. Die oft sehr eigenwillige Orthographie wurde beibehalten. Den wörtlichen Reden Else Lasker-Schülers, die nicht kursiv stehen, liegen Zeugnisse Drit­ ter zugrunde. Alle Zitate von Gottfried Benn aus: Gottfried Benn. Sämtliche Gedichte, Klett-Cotta, Stuttgart 1998.

Propyläen ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH www.propylaeen-verlag.de ISBN 978-3-549-07355-1 © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2009 Alle Rechte Vorbehalten Lektorat: Karin Schneider Gesetzt aus der Adobe Garamond bei LVD GmbH, Berlin Druck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck Printed in Germany

Alles Schreiben ist autobiographisch? Für niemanden gilt diese Vermutung mehr als für Else Lasker-Schüler, die »größte Lyrikerin, die Deutschland je hatte« (Gottfried Benn). Ihr Werk ist ihre Autobiographie. Das Folgende: der Versuch einer Übersetzung. Gibt es etwas Traurigeres als ein entschlüsseltes Werk? Dieses Buch ist ein Lob der Schlüssel. Wer hatte schönere als sie? Biographie ist radikale Vergegenwärtigung.

Inhalt

»Herwarth! Gestern war ein Monstrum im Café«

n

Turm oder nicht Turm? Eine Kindheit im Wuppertal

39

Peter Hille feiert der Sonne Geburtstag

61

»Wie meine Mutter starb, zerbrach der Mond.« Das Jahr 1890

70

Schach! Das Mädchen heiratet

77

Bowle in Friedrichshagen und Strindberg im »Schwarzen Ferkel«. Frau Doktor Lasker trifft in Berlin ein

82

Tino und Paul oder Zur Welt kommen

91

Das Reich Gottes am Müggelsee

109

Debüt im Flaschenkeller? oder Was ist Dichtung?

121

Glas mit Burgunder heiratet Porzellan mit Mokka

138

Ein tanzender Stern

149

Männer. Frauen. Künstler. Ein melancholischer Herbst. Tino wird Jussuf

168

»Man kann von seiner eigenen Welle umgerissen werden.« Fünf Briefe an einem Tag an einen Mann

178

»Kennst Du ein luxuriöses Herz?«

189

Dr. Benn

197

Blaue Pferde, getürmt, und die Dichterin in Prag

212

Die Boheme zieht um

242

Nach Moskau. Und Briefe anden Blauen Reiter

247

Krieg mit Schärpe

264

Das fünfzigste Jahr

283

Palästina, nur »die Sternwarte ihrer Heimat«? Kischnev in Barcelona

296

Eewwer wenn hä in Splitter gönn dut sing Bank?

310

Platz machen für Gott oder Die Privatbolschewistin mit Truppen

320

Paul

334

Am Meer

359

Ein Preis. Eine neue Liebe. Zwei neue Bücher. Zwei Beinahe-Theaterpremieren. Und ein Brief an Franz von Papen

378

Neun Reisetaschen, ein Koffer. »Die Fehlbare«

386

Jussuf in Jerusalem und die Achse Zürich-Rom

393

Das Blaue Klavier am Lago Maggiore. Hexengäsecke in Zürich

404

Die dritte Reise

414

»So hat Niemand barfuß sein Herz gehen lassen durch die Menge.«

428

Die anderen

445

Anmerkungen

447

Zeittafel

463

Literatur

465

Personenregister

467

Bildnachweis

475

»Herwarth! Gestern war ein Monstrum im Café« Die Poesie setzt sich aus, weil sie nicht weniger ist als eine Analogie der Existenz - ein objektloses, offenes Wagnis. ... Existenz und Poesie sind in ihren Grundbewegungen miteinander solidarisch. Peter Sloterdijk

I. Die letzte Augustwoche des Jahres 19 n beginnt. Eine Frau geht nach Hause. Sie geht ins Café, in ihr Café. Oder sollte man sa­ gen: Sie geht zur Arbeit? Nur die Lebensbürger glauben, dass das drei grundverschie­ dene Dinge sind, ein Zuhause, eine Arbeit, ein Café. Und Tho­ mas Mann. - Wann arbeiten diese Leute eigentlich?, fragte er beim Besuch des Lokals, um dessen Tische lauter Menschen sei­ nes Berufs saßen. Jetzt! Jetzt arbeiten sie. Die nicht mehr ganz junge Frau mit dem schwarzen, halblangen Haar will einen Brief schreiben. Zu­ erst einen, bald noch einen, am Ende drei. Drei sind verabredet. Drei Briefe direkt aus dem Café. Die etwas heruntergekommene Gaststätte im Kaiserstil des napoleonischen Frankreich, von Passanten auch »Café Größen­ wahn« genannt, trägt ihr übliches Einheits-Nikotingelb vom Rokokostuck bis zu den Vorhängen. Die oft mit Ölfarbe oder Buntstiften kleiner und großer Künstler bemalten Marmortische stehen wie gewohnt auf ihren gusseisernen Füßen. Die Spiegel sind halb erblindet, die Polster waren einmal rot. Die Zeitungen tragen den Aufdruck »Gestohlen im Café des Westens« und werden vom Zeitungskellner Rudolf Rattke, dem »roten Rudi«, ii

verwaltet, der - sagt man - mehr von Literatur versteht als alle anwesenden Literaten zusammen. Auch bezahlt er nicht selten die Rechnung der Briefschreiberin und ihres Mannes. Dafür ver­ merkt die Briefschreiberin manchmal in ihrer Korrespondenz, wenn Herr Rattke etwas gesagt hat oder Grüße ausrichten ließ. Der Vermerk »Gestohlen im ...« ist weit mehr als ein Miss­ trauensantrag. Er ist ein begründeter Misstrauensantrag. Auch verschmähen die neuen Dichter kein Manuskriptpapier. Nicht Zeitungsränder, nicht Cafehausrechnungen. Sie mag besonders Telegrammformulare. Telegrammformulare passen gut. Denn die neuen Gedichte der neuen Dichter sind, genau gelesen, Tele­ gramme. Bloß kein Wort zu viel, aber das: weltsprengend! Ein Brief ist etwas anderes. Sie kann den ersten auch nachher im Bett schreiben, vielleicht macht sie das sogar, sie schreibt gern im Bett. Hauptsache, es wird ein echter Cafehausbrief. Und ein Liebesbrief, einer, wie ihn die Welt noch nicht gelesen hat! Und die Welt soll ihn lesen. Im »Sturm«, dem Zentralorgan der Ber­ liner Moderne. Letztlich wird er überhaupt nur zum Mitlesen ge­ schrieben und sie wäre die Letzte, das zu leugnen. Eine Frau schreibt ihrem Mann, der verreist ist - nichts ist na­ türlicher. Eine Frau schreibt ihrem Mann, der verreist ist, als Lek­ türe für alle? Nichts ist unnatürlicher. Aber sie ist eine öffentliche Frau. Sie ist eine Dichterin. Und ihr Mann - ihr zweiter Mann ist ein öffentlicher Mann, nämlich der Chefredakteur des Zen­ tralorgans. Warum sollte ihre Liebe da nicht öffentlich sein? Der Dichter wird nicht zuletzt dadurch definiert, dass er öf­ fentlich liebt, und er besitzt dafür auch eine Entschuldigung: die Form. Else Lasker-Schülers Mann Herwarth Waiden ist nach Nor­ wegen gefahren, begleitet von seinem Rechtsanwalt. Waiden hat die Reise nötig, denn es ist anstrengend, eine Avantgardezeitschrift herauszugeben. Wenige wissen das besser als seine Frau und sein Rechtsanwalt Curt Neimann. Der muss die Prozesse führen, in die sein weitgehend mittelloser Mandant immer wieder verwickelt wird. Waiden kann im September zum dritten Mal nacheinander die Miete der ehelichen Wohnung nicht zahlen. Dreimal nicht 12

Im Café des Westens. Von links: Anna Scheerbart, Samuel Lublinski, Salomo Friedlaender alias Mynona, Paul Scheerbart, Else Lasker-Schüler und Herwarth Waiden.

zahlen können ist sehr gefährlich, denn dann verliert man nicht nur seine alte Wohnung, sondern findet auch keine neue mehr. Weil man auf die schwarze Liste kommt. Norwegen ist ein guter Ort, die schwarze Liste zu vergessen. Die Reise bezahlt der Rechtsanwalt. Die Daheimgebliebene nennt ihn nur das »Kurtchen«. Ihr Mann und das Kurtchen wa­ ren einmal Schulfreunde, jetzt ist das Kurtchen der Schatten ihres Mannes. Auch darum spricht sie im Brief gleich beide an: Lieber Herwarth! Liebes Kurtchen! Der Liebesbrief ist nicht nur deshalb ungewöhnlich, weil ihn schon am 2. September 1911 alle im »Sturm« lesen können, sondern auch, weil die im Café zurückgelassene Ehefrau darin ihrem Ehemann nicht von ihrer Liebe zu ihm berichtet, sondern darüber, in wen sie sich - in seiner Abwesenheit - gerade ver­ liebt hat: Ich habe nämlich noch nie so geliebt wie diesmal. Wenn es Euch interessiert: ...l Es interessiert die Leser des »Sturm« sehr. Die »Briefe nach Norwegen« entstehen. Es werden viel mehr als nur drei.

Wenn der letzte geschrieben ist, ist im Leben der Else LaskerSchüler nichts mehr, wie es war.

II. Sie hat große dunkle Augen und einen schmallippigen Mund. Viele finden ihre Augen schön, den Mund eher nicht. Sie ist noch immer knabenhaft schlank. Vor ein paar Mona­ ten ist Else Lasker-Schüler zweiundvierzig Jahre alt geworden, aber niemand hat ihr zum Zweiundvierzigsten gratuliert. Das liegt daran, dass niemand von dieser Zahl weiß. Sie glaubt, es sei besser so. Auch schreibt man Liebesbriefe aus Cafés besser mit Anfang, Mitte dreißig. Alle Welt hält sie für Anfang, Mitte dreißig. Und manchmal denkt sie wie alle Welt. Wenn sie siebenundfünfzig ist, wird alle Welt ihr zum Fünfzigsten gratulieren, dem Geburtstagskind ist das unangenehm. Und wenn sie siebenundsechzig wird ... Die Bürger, solche, die ihre Briefe so ängstlich vor Fremden hüten wie ihr Eigentum und über alles »privat« schreiben, mag man nach Ziffern ehren. Die Bürger mögen sich ihre Jahre als Verdienst anrechnen, aber wer zählt einer Weltenerfinderin die Jahresringe nach? Gratulanten haben keine Ahnung vom Schöp­ fertum. Ihre bloße Existenz ist eine Leugnung dessen, was sie preisen möchten. Das missfällt der Zweiundvierzigjährigen. Das Kurtchen und ihr Mann sind fast zehn Jahre jünger als sie. Herwarth Waiden war immer ein getreuer Chronist dessen, was seine Frau über die Liebe weiß. Und dass sie mehr darüber weiß als fast alle anderen und dass sie es tiefer weiß, dass sie es so sagen kann, als habe noch nie jemand vor ihr geliebt - auch da­ für hat er sie geheiratet. Das war 1903. Dass sie es immer neu wissen würde, nahm er in Kauf. Im letzten Sommer lasen alle im soeben begründeten »Sturm«:

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Leise sagen Du nahmst dir alle Sterne Über meinem Herzen. Meine Gedanken kräuseln sich, Ich muß tanzen. Immer tust du das, was mich aufschauen läßt, Mein Leben zu müden. Ich kann den Abend nicht mehr Über die Hecken tragen. Im Spiegel der Bäche Finde ich mein Bild nicht mehr. Dem Erzengel hast du Die schwebenden Augen gestohlen; Aber ich nasche vom Seim Ihrer Bläue. Mein Herz geht langsam unter Ich weiß nicht wo Vielleicht in Deiner Hand. Überall greift sie an mein Gewebe. Das ist angewandte Ozeanographie. Welcher Mann, der das liest, und sei es der eigene, dürfte glauben, dieses »Du« sei er? Höchstens ein Partikel darin könnte er, Herwarth Waiden, sein. Er ist Künstler und Bewunderer genug, das zu wissen. Kurz darauf hat die Essener »Rheinisch-Westfälische Zei­ tung« das Gedicht nachgedruckt. Sie hatte auch etwas darunter geschrieben: »Vollständige Gehirnerweichung, hören wir den Leser - leise sagen.« Eine Hamburger Zeitung druckte nun das 15

Gedicht und dazu die Nachbemerkung der »Rheinisch-West­ fälischen«. Klage!, riet Waiden seiner Frau. Niemand versteht Else Lasker-Schüler besser als ihr Mann. Und niemand verteidigt sie besser. Natürlich öffentlich, im »Sturm«: »Ich habe nichts dagegen, daß die Herren Kunst ko­ misch finden. Ich werde sie aber daran hindern, ihren Geist an Kunst aufzugeilen. Ich werde mich in ihre Verstandesregion hinunterbegeben und ihnen beweisen, daß Impotenz keine Ge­ sundheit ist. Kranke Laien halten sich oft für gesund. Sie sollen aber nicht exzentrisch werden wollen ... Sie sollen im Lande bleiben und sich redlich mit Vermischtem nähren ... Kunst muss vor Prostitution geschützt werden. Denn Kunst fordert Liebe.«2 Und wenn seine Frau liebt, weiß Herwarth Waiden, ist das Kunst. Das Café unterteilt sich in das Schwimmer- und das Nicht­ schwimmerbecken. Im Ersten sitzt, wer schon einen Namen hat, im zweiten sitzt, wer gern einen hätte. Die Ersten können ihre Rechnung zahlen, die Nichtschwimmer oft nicht einmal das. Sie ist gewissermaßen eine nichtschwimmende Schwimmerin. Was­ serkakao ist am billigsten. Gewiss bestellt die Briefschreiberin das Übliche und beginnt den ersten Brief: Liebe Jungens!... Vor­ gestern war ich mit Gertrude Barrison in den Lunapark gegan­ gen, leise in die ägyptische Ausstellung ... ich tanzte mit Minn, dem Sohn des Sultans von Marokko. Wir tanzten, tanzten wie zwei Tanzschlangen, oben auf der Islambühne, wir krochen ganz aus uns heraus, nach den Locktönen der Bambusflöte des Bändigers, nach der Trommel, pharaonenalt, mit den ewigen Schellen. Das ist Lasker-Schüler’sche Prosa. Ganz hier und ganz im Nir­ gendwo. Und jeder, der fragt: Ja, wo denn nun?, ist ihr noch nicht gewachsen. Ist es ihr Mann? Vielleicht wüsste Herwarth Waiden doch gern etwas über den Realitätsgrad dieses Minn, vor allem angesichts des Fortgangs:... er und ich verirrten uns nach Tanger, stießen kriegerische Schreie 16

aus, bis mich sein Mund küßte so sanft, so inbrünstig, und ich hätte mich geniert, mich zu sträuben. Der letzte Halbsatz ist natürlich boshaft. Dabei kennt Her­ warth Waiden diesen Minn schon, denn er ist eine Figur aus den Büchern seiner Frau. Sie begegnet immerzu den Helden ihrer Bü­ cher in der Wirklichkeit. Und warum sollte sie nicht in seiner Ab­ wesenheit den gerade wiedereröffneten größten Vergnügungs­ park Berlins am hinteren Ende des Kurfürstendamms besuchen? Schließlich wohnen sie da und seine Frau mag Rummelplätze. Außerdem, wird der Ehemann sich sagen, sind da noch zwei an­ dere Männer, die seiner Frau sehr gut gefallen, der »Slawe« und der »Bischof«. Drei sind ungefährlicher als einer. Es handelt sich bei Letzteren nicht um beklagenswerte leben­ dige Schaustücke eines Vergnügungsparks, sondern um Stamm­ gäste des Cafés am entgegengesetzten Ende des Kurfürsten­ damms. Der »Slawe« ist vorerst wichtiger. Ihn möchte sie immer wie­ der betrachten, wie ein Gemälde: Eine Feuerfarbe hat sein Ge­ sicht, ich verbrenne im Anschaun und muß immer wieder hin ... Ich schrieb ihm: »Süßer Slawe, würdest Du in Paris im Louvre gehangen haben, hätte ich Dich statt der Mona Lisa gestohlen. Ich möchte Dich immer anschauen ich würde gar nicht müde werden; ich würde mir einen Turm bauen lassen, ohne Türe. Ich möchte am liebsten zu Dir kommen, wenn Du schläfst, damit Deine Wimper nicht zuckt im Rahmen. ... Du warst so schön, man müßte Dich zweimal stehlen, einmal der Welt und einmal Dir selbst.« Ob Herwarth Waiden weiß, wer der Slawe ist? Die Leser des »Sturm« finden die Briefe aus dem Café auch deshalb so inte­ ressant, weil sie meist selbst dort verkehren. Wer vor dem Tisch der Verfasserin stehen bleibt, um sie zu begrüßen, vielleicht et­ was verlegen, vielleicht etwas zu lang, riskiert mit einem »Ach­ tung, Sie treten ja meinem Neger Achmed auf die Zehen!« emp­ fangen zu werden. Sie mag es, wenn die Gäste sich umdrehen und auf die leere Stelle hinter sich schauen J Seit dem 2. September 1911 begutachten die Besucher des Cafés einander mit ganz neuer Aufmerksamkeit. Auf direkte 17

Nachfragen - eine kommt aus Prag - reagiert die Autorin eher abwiegelnd: ... aber ich wundere mich, dass Sie mir nicht Zu­ trauen, Menschen formen zu können nach meiner Phantasie. Der Slawe ist nicht in Wirklich]keit. An einer Stelle der Seite hätte ich seinen wirklichen Nam[en] genannt. Und ihr Mann erfährt: Du brauchst gar keine Angst zu ha­ ben, Herwarth, er hat mir auf meinen Liebesbrief gar nicht geantwortet. Ja, der Slawe habe ihr nicht einmal die Hand ge­ geben. Aus Scheu, aus Vorsicht? Oder vor allem aus Respekt vor Waiden? Denn fast alle Gäste des Cafés möchten gern ein­ mal bei ihm veröffentlichen oder es weiterhin tun dürfen, in eben jenem »Sturm«, in dem am 2. September 1911 steht, wer warum zweimal gestohlen werden sollte und wie es in Tanger war. Die Ehefrau fährt fort: ... Was ich ein ausgesuchtes Un­ glück in der Liebe habe. Ihr auch? Am 2. September sind die Empfänger, die lieben Jungens, noch genau eine Woche unterwegs. Die Absenderin glaubt zu diesem Zeitpunkt, dass sie bloß noch zwei Briefe schreiben wird, schließlich sind die Jungens gleich wieder da. Was für ein verbaler Hochseiltanz, immer in der Schwebe zwischen übermütigem Spiel und Ernst. Noch hält sie die Balance. Sie ist eine Weltenerfinderin, eine Weltenschöpferin, eine Eigen­ weltenbewohnerin, auch - darin liegen ihr Glück und ihre Tra­ gik zugleich - eine Eigenweltinhaftierte. Für jeden anderen mö­ gen diese Worte zu groß sein, für Else Lasker-Schüler sind sie gerade groß genug. Wenn sie die Wände ihres Ichs fühlt, fällt sie in namenlose Traurigkeit. Das geschieht oft. Depressionen sind Ausdehnungskrisen. Jetzt, Anfang September 1911, spürt sie wohl keine Enge - ihr Ich ist so weit wie die Welt. Jeder Weltenschöpfer braucht ein Inkognito, einen Ort zum Ausruhen nach der ganzen Creatio ex nihilo. Else Lasker-Schü­ ler geht ins Café, denn es gibt ja nichts Objektiveres wie das Café, nachdem man in seiner Literatur am Schreibtisch zu Haus die Hauptrolle gespielt hat. Entzückend, sich abzuschütteln, seine intensive Last. 18

Sie geht dorthin, selbst wenn sie nicht viel mehr erschaffen hat als einen alten Teppich: Ein alter Tibetteppich Deine Seele, die die meine liebet, Ist verwirkt mit ihr im Teppichtibet. Strahl in Strahl, verliebte Farben, Sterne, die sich himmellang umwarben. Unsere Füße ruhen auf der Kostbarkeit Maschentausendabertausendweit. Süßer Lamasohn auf Moschuspflanzenthron, Wie lange küßt dein Mund den meinen wohl Und Wang die Wange buntgeknüpfte Zeiten schon? Bereits der erste Tag dieses vielversprechenden Jahres 19 u hatte sie erhöht gefunden. Ernannt zur »stärksten und unweg­ samsten lyrischen Erscheinung des modernen Deutschland«. Wegen dieses alten Teppichs. Genau zu Silvester hatte das Ge­ dicht in der obersten Kunst- und Sprachaufsichtszeitschrift, der »Fackel«, gestanden. Die Promotion wiederum fand sich nur in einer Fußnote. Aber sie war von einem, der es wissen musste, sie war vom obersten Kunst- und Sprachaufseher persönlich. Karl Kraus hatte seine Auszeichnung wie folgt begründet: »Das hier aus der Berliner Wochenschrift »Der Sturm< zitierte Gedicht ge­ hört für mich zu den entzückendsten und ergreifendsten, die ich je gelesen habe, und wenige von Goethe abwärts gibt es, in de­ nen so wie in diesem Tibetteppich Sinn und Klang, Wort und Bild, Sprache und Seele verwoben sind.«4 Von Goethe abwärts? Else Lasker-Schüler wird da immer ihre Zweifel behalten: »Der reimte doch Wipfeln auf Gipfeln. Das darf doch kein Dichter!«5 Außerdem erscheint ihr die Technik der »Wahlverwandtschaften« ein wenig mangelhaft. Aber gleichgültig, ob von Goethe auf- oder abwärts: Da nützt 19

die einsame Aufklärungsarbeit eines Franz Kafka gar nichts mehr, der bald einen Prager Schutzmann, der Else Lasker-Schü­ ler rundweg vom Altstädter Ring verhaften möchte, über deren wahre Identität belehren will: »Das ist nicht der Prinz von The­ ben, das ist nur eine Kuh vom Kurfürstendamm!« Jeder, der in ihre Welt eintritt, bekommt einen neuen Namen. Das macht es schon für die Zeitgenossen reizvoll und schwierig, die »Briefe nach Norwegen« zu lesen: Wer verbirgt sich hinter welchem Namen? Wenn einer aber seinen alten behalten darf, ist das ein schlimmes Zeichen. Dann wurde ihm der Zutritt zu ihrer Welt entweder nie gestattet oder schon wieder verweigert. Herwarth Waiden heißt natürlich nicht Herwarth Waiden. Den Namen hat er erst von seiner Frau bekommen. In Wirklich­ keit heißt er Georg Levin. Doch an den Namen erinnert sich schon lange keiner mehr, wahrscheinlich nicht einmal er selbst. Wer aber mit einer Abkürzung anzutreffen ist, mit B. etwa, der ist verdammt in der Else-Lasker-Schüler-Welt. Eine furcht­ barere Strafe ist undenkbar. B. gibt es wirklich. B. ist Berthold Lasker, ihr erster Ehemann. Da ist er wieder, der höhere Realismus der Else Lasker-Schüler. Es existiert nur eine wirkliche Hölle: ganz vergessen zu sein. Ganz vergessen ist, wem auch noch sein Name genommen wird, der selbst den Toten bleibt. Berthold Lasker weilt noch unter den Lebenden, noch lange, von den ersten Septembertagen 1911 aus gesehen. Ja, diese große Bekennerin ist zu großen Schweigsamkeiten fähig. Zu tieferem Schweigen als jeder gewöhnliche Mensch. Auch das macht sie zur Dichterin. Welchen Wert hätte denn das Sagen-Können ohne das Schweigen-Können? Erst auf seinem Grunde wird es bedeutsam. Fast zehn Jahre hat ihre erste Ehe gedauert. Kein direktes Wort ist davon geblieben. Nur B. Und diese große Schweigende, die nie Leichthinsprechende anders wird man nicht zum Dichter, zur Dichterin - plaudert so leicht-sinnig in den September hinein. Wie sollte sie nicht? Denn für eine Dichterin geht es ihr er­ staunlich gut. Ihr neuer Gedichtband »Meine Wunder« ist ge­ 20

rade erschienen. Gleich wird sie auf Lesereise gehen - sie mag es, aufzutreten. Sogar ihr Schauspiel soll endlich aufgeführt wer­ den. Und zwar am Deutschen Theater. Es heißt »Die Wupper« und sie hat es zu Jahresbeginn im Kabarett schon mal auf Platt vorgetragen. Denn wenn sie auch der »Prinz von Theben« ist, so stammt sie doch aus Elberfeld an der Wupper. Elberfelder Platt sollten auch die »Sturm«-Leser verstehen, sonst kriegen sie jetzt nicht raus, was die Absenderin über die bevorstehende »Wupper«-Aufführung sagen will: Der Derektör Reenbardt han et meck versproocken optuföbren; wenn meck ens nur der olle Großvatter em erschten Akt vöber nich sterben dut; hä leid on die Luft. ... On de Grätz vom Dütschen Triater sollemm speelen. Selbst der Wiener Karl Kraus empfängt inzwischen Briefe, die beginnen: Verährter Dalai Lama van Wien on Omgägend. Wat soll eck? ln die Depesche warn Drockfähler ... On nu, lewen Se’ wöll, ming verehrter Dalai Lama on eck ende met Luther sing Sprüchsken: Hier stonn eck, helpen Se meck eck kann nich anders. Wat nu? Else Lasker-Schüler ahnt nicht, dass Luther sing Sprüchsken bald vor ihr stehen wird wie noch nie in ihrem Leben. Wer an Else Lasker-Schüler denkt, denkt eigentlich nie an eine Frau mit Witz, mit freiem Lachen. Auch deshalb nicht, weil in jedem Lachen - insofern es nicht eines über andere ist - eine Selbstrelativierung steckt, und zu Selbstrelativierungen, sagt man, hatte sie wenig Talent. Oder doch? Einen allerletzten Übermutsbrief schreibt sie, zeitgleich mit den ersten aus dem Café, aber dieser hier ist nicht öffentlich, der ist nur an drei Herren in Prag, die sie zum Vorlesen eingeladen haben: Lieber Wily Haas Ich schreibe dies bei Gas Auch an Franz Werfel Und an R. A. Jokl Mein Bogen steht auf einem Sokl Ich liege nämlich im Bett 21

Ich und mein Skelett Wie wärs natürlich nett Wenn ich ein Abend hätt In Prag inmitten Euch Ich lese dann schön Zeug Ich lese wunderschön Ihr werdet das schon sehn. Wie sieht Franz Werfel aus? Und R. A Jokl aus? Ich hab mich sehr verändert Meine Augen sind umrändert Meine Backen sind ganz blaß Und grün wie Kraut und Gras 6

Diese letzten vier Zeilen wissen schon mehr als sie. Der Verrat kommt meist von der Seite, von der man ihn am wenigsten erwartet.

III. Was ich ein ausgesuchtes Unglück in der Liebe habe. Ihr auch?, hatte sie gefragt. Die Briefschreiberin erkundigt sich auch wei­ terhin nach dem Befinden der reisenden Jungens: Wie geht es Euch? Ihr seid wohl schon im Wendekreis des Schneehuhns angelangt? So kann man das nennen. Denn die haben keineswegs Un­ glück in der Liebe. Ja, Herwarth Waiden könnte sich gerade­ wegs den Satz seiner Frau Ich habe nämlich noch nie so geliebt wie diesmal aus ihrem allerersten Brief ausleihen. Zur selben Zeit, als die Dichterin im Café des Westens das Genre des Liebesbriefs neu erfindet und von all seinen Vorher­ sehbarkeiten befreit, beschließt das Leben, das Gleiche zu tun. Die Norwegenreisenden kommen auf dem Weg nach Bergen in das schwedische Landskrona, wo Herwarth Waldens Schwes­ ter mit ihrem schwedischen Mann lebt. Außer Waldens Schwes­ zz

ter leben auch richtige Schwedinnen in Landskrona, und eine gefällt Waiden besonders. Sie ist gewissermaßen die Anti-Else. Eher groß, nicht klein wie sie. Jünger als Herwarth statt viel älter als er. Blond statt schwarz wie sie. Vor allem blond. Sonst ist sie eigentlich nichts. Oder doch, da ist noch etwas. Die Schwedin wird es so formulieren: »... da ich schon als junges Mädchen die ersten >SturmSturm< viel Geld, und Waldens kaufmänni­ sche Fähigkeiten waren leider >gleich nulb, wenn er auch selber davon überzeugt war, daß er sie in reichem Maße besitze.«11 Else Lasker-Schüler ist noterprobt. Aber Notstände sind stei­ gerbar. Und es ist doch etwas anderes, zu zweit in Not zu sein als allein. Nicht lange und auch die Leser des »Sturm« erfahren: Her­ warth! Gestern war ein Monstrum im Café mit orangeblonden, angesteckten Locken, und wartete scbeints bis Mitternacht auf Dich, Herwartb. Leugne nur nicht, Du kennst sie;... Nachher ging sie in die Telephonzelle ... Im Falle des Cafés des Westens steht die Telefonzelle im Café und nicht davor, und der deutsche Kaiser steht als Statue und oberster Fernsprechwächter oben­ drauf. ... ich und Zeugen hörten sie unsere Nummer rufen, aber Deine Sekretärin musste wohl schon gegangen sein, denn das Monstrum stampfte wütend mit dem Fuß, daß die gläserne Tür des kleinen Kabinetts klirrte. Und so stampfen nur Verhältnisse! Es wäre doch eine Gemeinheit, wenn Du mir untreu wärst. Je­ mand hat hier im Café gesehn, wie sie Dir unterm Tisch eine ih­ rer künstlichen orangefarbenen Locken schenkte. Aber was wollte ich noch sagen: heute morgen war Minn bei mir in der Wohnung; auf seiner stolzen Schulter trug er einen großen Rei­ sekorb, mich darin sofort einzupacken nach Tanger. ... Also bleibe noch ruhig am Nordpol, Du und Kurtchen. 2-5

Am Nordpol von Berlin? Was für eine Bannung des Schmer­ zes im Lachen. Sie möchte das Lachen grenzenlos machen: O, Herwarth, o, Kurtchen! Wie sich die Welt verändert hat; früher war die Nacht schwarz, nun ist sie goldblond. Karl Kraus ist nicht wohl bei den »Briefen aus Norwegen«. Das ist verständlich, denn auch er kommt darin vor, und normaler­ weise ist er es, der andere Vorkommen lässt. Oder eben nicht. Ob und wie, entscheidet er. Hier entscheidet er gar nichts: Lie­ ber Herwarth, edles Kurtchen! Ich habe mir seit einigen Tagen vorgenommen, Karl Kraus, der Dalai-Lama in Wien soll außer­ dem Minister werden. Ich sehe ihn überhaupt nicht mehr anders als auf einem mächtigen Stuhl sitzen. ... Vielleicht würde sie dann Hofdichterin, mit einer Apanage? Ich hätte die Angelegen­ heit Dalai-Lamas längst zur Sprache gebracht, aber die Leute, wie gesagt, lächeln immer langwierig, wenn ich was sage ... Der kleine Jakobsohn hat zweiundzwanzig Nummern der Fackel be­ stellt; ich habe Dir sofort gesagt, Herwarth, er ist gar nicht so schlimm, es wird ihn auch noch der Sturm umreißen. - Die »Sturm«- und »Fackel«-Autorin flüchtet sich in eine Normali­ tät, die es vielleicht schon nicht mehr gibt, in die Normalität des gemeinsamen Kunstkampfes. Und sie hat prophetische Gaben: Zwar wird Kraus nicht Mi­ nister, dafür aber Diktator. Doch sie wird nicht Hofdichterin, sondern entlassen. Denn ab Dezember wird Karl Kraus nicht nur der Chefredakteur der »Fackel« sein, sondern zugleich alle Au­ toren. Ein Mann, ein Blatt. Die bisherige »Fackel«-Autorin wird das lange nicht verstehen, eigentlich nie. Der Brief an die ewigen Nordpolfahrer endet: Ich kann Euch heute nur eine Postkarte schreiben; der Bischof telefoniert eben, ob wir gleich etwas in Sibirien spazieren gehen wollen. Wir nennen nämlich die Ge­ gend am Lützowerplatz in Charlottenburg Sibirien. Der »Bischof«, Cafehausgast wie sie, war bis eben nur ein Hintergrundmann, viel unschärfer als Minn und der Slawe. Er scheint zu dem Typus zu gehören, der das Unglück von Frauen bemerkt und dem sie es darum erzählen. Mag sein, dass sie ihn deshalb den »Bischof« nennt. Weil er ein Tröster ist und von der 2.6

Erotik des Trösters. Er bekommt später noch eine sehr schöne Trost-Szene, die wirklich war, und ist überaus böse, als er sie im »Sturm« lesen muss. Vielleicht weiß der Bischof schon alles, als sie durch Sibirien spazieren gehen. Der werdende Diktator in Wien erfährt es gerade. Irgendwann im September empfängt Karl Kraus einen Brief von Else Lasker-Schüler, den er nicht in der »Fackel« drucken könnte. Dazu ist er zu schutzlos. Kraus, für alle Welt der große Unvertraute - ihr könnte keiner vertrauter sein: Ich bin so wü­ tend, ich bin so wütend ich habe schon alle Stühle alle Tische Bettlehne Schrank totgeschossen mit einer Pistol. Die Art wie ich belogen wurde von Anfang an, ist so grenzenlos. Alle Stühle, alle Tische, Bettlehne und Schrank? Eine weiß, Jahre später, von noch einem Beinahe-Todesopfer: Mit dem Re­ volver in der Hand erscheint die Dichterin - der Berichterstat­ terin zufolge - in der Redaktion des »Sturm« am Potsdamer Platz 18. Dort gibt es nur Bücherregale vom Boden bis zur De­ cke, einen kleinen Diwan, Waldens Riesenschreibtisch und da­ rüber eine große runde Gipsplakette mit dem Kopf von Franz Liszt. Herwarth Waiden glaubt nämlich, er habe Ähnlichkeit mit ihm, außerdem hat er in seiner Jugend einen Liszt-Wettbe­ werb gewonnen. Allerdings ist der Komponist nicht mehr gut erkennbar, denn Oskar Kokoschka hat bereits mit Schwarz, Rot und Weiß darübergemalt und aus dem Liszt sein eigenes Porträt gemacht. Außerdem befindet sich noch eine Hand im Raum, eine gelbliche Hand. Es ist die Hand von Karl Kraus, sie ist aber auch nur aus Gips und außerdem auf einer Ebenholzplatte be­ festigt. Wenn Kraus könnte, würde er die Hand wohl nun zurückzie­ hen aus Waldens Büro und Leben, wie er es in Wirklichkeit auch tut. Wer eine Else Lasker-Schüler gegen eine kleine Schwedin tauscht, mit dem spricht ein Karl Kraus nicht mehr. Und noch je­ mand ist anwesend. Eine blonde Sekretärin, die Sekretärin ihres Mannes. Die Eindringlingin betritt also mit der Waffe in der Hand die Redaktion, sieht die Sekretärin, hebt den Lauf, zielt auf die Sekretärin und will...? Schwer zu sagen, was sie will. Lockenundame erschießen? 2-7

Alles erschießen, was blond ist? Hat sie da Zeit für langwie­ rige, kleinliche Identitätsprüfungen? Immerhin ist sie eine Dich­ terin. Die Berichterstatterin ist ausgerechnet Lockenundame selbst, Nell Waiden, die Nächteverfärberin.12 Herwarth Wai­ den, schließt sie ihren Bericht, soll seiner Nochfrau im letzten Augenblick den Revolver aus der Hand geschlagen haben. Alles böse Nachrede? Else Lasker-Schüler kann ungebärdig, trivialromanhaft sein in ihrem Zorn. Nur die mittleren Tempe­ ramente begnügen sich grundsätzlich mit mittleren Reaktionen. Aber hat sie denn Grund, so maßlos enttäuscht zu sein? Ihr Mann hat nur das Gleiche getan wie sie. Er hat sich verliebt. Schon möglich, dass Else Lasker-Schüler der Ansicht ist, für sol­ che Dinge sei die Literatur da. Und für jemanden, der wie ihr Mann das Sich-Verlieben nicht zum literarischen Ereignis um­ schmelzen kann, ins Ewigkeitsfeste also, scheint es sehr unpas­ send. Doch wäre das eine hochmütige Sicht der Dinge, und sie mag den Hochmut nicht. Nein, es muss etwas anderes sein. Das Nichtoffene, das Nicht­ öffentliche seiner Liebestat? So schreibt sie es Kraus genau zwei Jahre später: Ich sagte immer alles, auch die Schwärmerei da­ mals zu Oskar Kokoschka und alles. Er heimlich.13 Und nun? Mag sein, sie hofft, dass das Monstrum wieder ver­ schwindet wie ein böser Traum. Vielleicht schreibt sie auch dar­ um weiter ihre »Briefe nach Norwegen«, um alles in der Schwebe zu lassen, keinen Endpunkt zu setzen. Lockenundame sieht auf den Fotos erstaunlich bieder aus, gar nicht wie die große Verführerin, eher hausfrauenhaft. Ist es gar das, was Waiden so begeistert? Dass jemand einfach - ganz nor­ mal sein kann. Nell Waiden erklärt das so: »In seiner ersten Ehe hatten er und seine Frau, Else Lasker-Schüler, eigentlich nur im Kaffeehaus gelebt. Ein behagliches, eigenes Heim kannte er nicht. Als ich in sein Leben trat und für uns eine Wohnung einrichtete, fand er diese sehr hübsch und ging kaum noch ins Café.«14 Tapfer berichtet die Briefschreiberin weiterhin von dort, ob­ wohl: Ich habe das Café satt, aber damit will ich nicht behaup­ ten, daß ich ihm Lebewohl für ewig sage, oder fahre dahin Zi­ geunerkarren. Im Gegenteil, ich werde noch oft dort verweilen. z8

Gestern ging es Tür auf, Tür zu, wie in einem Bazar; nicht alles dort ist echte Ware: Imitierte Dichter, falsches Wortgeschmeide, Similigedanken, unmotivierter Zigarettendampf. ... Warum es einen so ins Café zieht! Eine Leiche wird jeden Abend dort in die oberen Räume geführt; sie kann nicht ruhen. Warum man überhaupt in Berlin wohnen bleibt? In dieser kalten, unerquick­ lichen Stadt. Aber die so fragt, weiß die Antwort längst: Eine unumstößliche Uhr ist Berlin, sie wacht mit der Zeit, wir wis­ sen, wieviel Uhr Kunst es immer ist. Und ich möchte die Zeit so gern verschlafen. Daten haben die »Briefe nach Norwegen« nicht, wie auch Else Lasker-Schülers übrige Briefe nur selten eine Zeitangabe tragen, schon weil sie die Botschaften verkleinern würden, als ob sie an etwas so Zufälliges wie einen Tag und einen Monat gebunden seien. Auch von Minn und dem Slawen berichtet sie weiter - es wäre kleinlich, gerade jetzt aufzuhören. Dabei weiß sie nicht einmal, ob Minn noch in der Stadt ist. Nein, das Spiel macht keinen Spaß mehr. Wer aber verträgt den Kopf- und Herzsprung!... Ich bin die letzte Nuance von Verlassenheit, es kommt nichts mehr danach.

IV. Aber sie muss weiterspielen. Sie hat hier ein öffentliches Amt. Sie hat ein öffentliches, »Sturm« für »Sturm« nachlesbares Ge­ sicht zu verlieren. Im Café wird man den Punktestand mit­ zählen. Noch immer beginnen die Briefe mit Liebe Nordländer! oder nur mit Herwarth! Einmal sogar mit Lieber Herwarth! Und es ist doch gut, dass sie diese Briefe hat. Da kann sie ihren Mann öffentlich darum bitten, Gedichte, die an andere Männer gerichtet sind, abzudrucken. Sie spielt noch immer besser als alle. Herwarth! Bitte, laß diese Gedichte im Sturm drucken, sie sind an Tristan - vielleicht glaubt er dann - bei Gedichten kann man nicht lügen. 29

Wenn wir uns ansebn Blühn unsere Augen.

Oder: Herwarth!... noch ein Gedicht für den Sturm. Ich bin rasend verliebt in jemand, aber Näheres sag ich nicht mehr. So kann es immer an Dich gerichtet sein. Du bist alles was aus Gold ist In der großen Welt. Ich suche deine Sterne Und will nicht schlafen. Wir wollen uns hinter Hecken legen Uns nie mehr aufrichten. Wenn ich tot bin, Spiele Du mit meiner Seele. Ein bisschen untergehen darf sie, aber das muss Stil haben, gro­ ßen Stil. Freunde wollen helfen, wollen beide wieder verbinden. Als ob das so einfach wäre. Sie sagt ihrem Mann gleich, dass es das nicht ist: Was ist das Leben doch für ein eitler Wettbewerb gegen das Aufschweben zur Ewigkeit. Ich bin erregt, ich hatte schon einige Male heute das Gefühl, ich muß sterben. Wenn ich auch im Bilde lebe, Bild bin, aber meine Eindunkelung Dir gegenüber macht mir schon lange Schmerzen. Wir können uns beide kaum mehr sehen, Herwarth; alle die Leute, die uns wieder zusammenbrin­ gen wollen, sind nichts weiter als Ölschmierer oder Terpentin­ wäscher, uns auffrischen wollen sie; über die echten Farben un­ echte, gezwungene schmieren. Sie möchte eine Brücke besitzen und jeder müsste ihr Brückenzoll zahlen. Karl Kraus’ Sekretär hat sie ein Gedicht geschickt, auch einen Brief dazu, den soll ihr Mann ruhig lesen: Es war Nacht, als Ihr Brief kam, ich hatte 3°

mich gerade aufgehängt, konnte nur morgens den Baum nicht wiederfinden. Ob das ein Glück für Ihr Flugblatt ist, kann ich nicht beurteilen. Denn ich bin noch sehr angegriffen von der Aufhängerei und von allem Drum und Dran. Machen Sie gute Stimmung für mich, mir fehlt jede. Auch ist Berlin so langweilig, es ist weder interessant zu leben, noch zu sterben, was ich nun beides beurteilen kann. Und dann: Liebe ]ungens! Ich habe vor, regierender Prinz zu werden. Müßten mir nicht alle Menschen Tribut zahlen? Aber der real existierende Prinz - zwischen Sterbebäumen und Allmachtsphantasien hin und her schwankend, dabei kann er nicht mal die Lockenundame aus der Welt schaffen - liegt jetzt sehr oft leidend im Bett und öffnet nicht mal seine Post. Waiden kommt nur noch selten in die gemeinsame Wohnung in der Ka­ tharinenstraße, Gartenhaus, Parterre, Ku’damm-Ende. Und als er doch kommt, findet er unter der ungeöffneten Post auch einen Brief von Karl Kraus, den er liest und ihr nicht zeigen will. Er sagt nur, sie solle den Dalai Lama nicht mehr erwähnen in ihren Briefen im »Sturm«. Kraus habe sich beklagt. Sie beklagt sich zurück, und natürlich werden die beiden Briefe, die schon geschrieben sind, erscheinen wie sie sind. Mit Kraus drin, 8. No­ vember 1911: Ich grüße Sie Excellenz, seien Sie meiner großen, allergrößten Ausnahmeverehrung und allergrößten Achtung ge­ wiß, aber auch meinem unbeugsamen Eigenwillen und meiner unerschütterlichen Stärke. Ihr Prinz von Theben. Jussuf (Else LSchüler). Kraus interveniert noch einmal, aber nicht beim Prinzen. Das ist unvorsichtig; er begibt sich in höchste Gefahr verstoßen zu werden, denn der Prinz von Theben, der Ohnmächtigste und Allherrschendste zugleich, kann rücksichtslos sein auch gegen sich selbst. Kränkungen kann er nicht verwinden, und dieses Sich-an-Dritte-Wenden ist eine große Kränkung: Werter Herr Minister. ... Mir geht es schlecht; und ich habe eine Antwort von ihnen an mich Selbst erwartet. Ich bin nicht zu verwöhnen, Sie brauchen keine Angst haben. Ich mache mir nie eine Ehre aus etwas. Ich erkläre hiermit unsere freund­ schaftlichen sowie diplomatischen Beziehungen für erledigt. 31

Der Prinz von Theben. Ich mißbrauche Ihre Briefe nicht. Ich werfe jeden Brief nach gelesener Tatsache fort.15 Es wäre eine harte Bilanz dieses Herbstes, nicht nur einen Mann, sondern auch den besten Fern-Vertrauten zu verlieren. Dabei wollte sie doch Ende November bei Kraus in Wien vor­ tragen. Aber sie nimmt jetzt alles in Kauf, Prinz bleibt Prinz, auch ein an Leib und Seele kranker. Und krank ist sie fast im­ mer kurz vor Ende dieses Jahres. Paul Zech, der Mitdichter und Mitelberfelder - und schon deshalb eine Person ganz besonde­ ren Vertrauens -, erfährt es am 3. Dezember: Ich war schwer krank, bin sozusagen mit Opium ernährt worden vier Wochen. Eigene Briefe in einer Zeitschrift zu haben, eine Instanz zu sein also - vorwiegend für Eigenherzkunde, aber auch für alles, was sonst noch geschieht -, verführt doch, jedem zu sagen, was man denkt, auch denen, denen man es nicht sagen sollte, weil man sie noch brauchen könnte. Und ihr ist jetzt so zerstörerisch zu­ mute - so selbstzerstörerisch, so existenzzerstörerisch auch. Sie nimmt keine Rücksicht mehr, schon gar nicht auf sich. Musste dieser offene Brief an Paul Cassirer, den Kunsthänd­ ler, sein, nur weil der eine Ausstellung machen wollte von einem, dessen Bilder sie nicht halb so gut fand wie die Kokoschkas, nur ähnlich? Kokoschka hatte er vorher ausgestellt, und nun einen Halb- oder Viertel-Kokoschka? Hat Cassirer das nötig? Hat nicht auch er ein Gesicht zu verlieren? Ich hörte mit nicht gerin­ gem Erstaunen, daß Sie eine zweite Ausstellung von Kokoschka in Ihren Sälen veranstalten wollen, Kopien seines Genies. Wa­ rum das schon bei seinen Lebzeiten? ... Ich fordere Sie allerhöflichst auf, Sir, diese Ausstellung zu unterlassen. Oskar Ko­ koschka ist kein Zwilling, er hat noch nicht einmal einen Vetter, aber einen Meuch eifreund. Das ist stark, aber nicht unbedingt selbstmörderisch. Schließ­ lich hat Cassirer noch nicht davon gesprochen, ihre Zeichnun­ gen ausstellen zu wollen, das macht er erst viel später. Bei Max Reinhardt ist das schon etwas anderes. Den Intendanten des Deutschen Theaters bloßzustellen, der gerade die ernstesten Pläne mit ihrem Schauspiel »Die Wupper« hat, ist eindeutig 32

selbstmörderisch. Und das nur wegen Hofmannsthals »Jeder­ mann«. Das Stück hatte ihr entschieden missfallen: Ich war nämlich in jedermann oder heißt es Allerlei? Ich glaube, es heißt Allerlei für jedermann oder Jedermann für Allerlei. Und die Au­ torin empfiehlt dem Intendanten ein Kölner »Hänneskentheater« aufzusuchen, weil bei gleichem Anspruch doch ein gewisser Vorzug auszumachen sei: Die Figuren seien lebendig. Ein Vor­ zug, der bei ungleich höherem Anspruch - das muss sie unbe­ dingt noch sagen - auch auf ihr eigenes Theaterstück zutreffe. Und wie lebendig alles dort sei! Sie weiß schon genau, wie das ausgeht: Nun wird mein Stück eine Geisel sein in Reinhardts Händen, er wird meine Dichtung ins Feuer werfen oder sie mit ein paar Phrasen seiner Sekretäre wiedersenden lassen. Gleichviel, ich will keine Rührung noch Sentimentalität aufkommen lassen, Herwarth, ich muss meine Dichtung opfern der Wahrheit, dem »Ehrgeiz« zum Trotz. Der Prinz von Theben wirft die letzte Fessel von sich. Was für ein Jahresende! Nichts als Scherben. Und die Prager Lesung - verschoben, ganz abgesagt? Was heißt, die Prager ha­ ben kein Geld? Karl Wolfskehl, Freund, Dichter, Münchner Mit­ telpunkt-Bohemien, vertraut sie am 19. Dezember an, wie es um den Prinzen und seine Heere steht:... ich verstecke immer mei­ nen Kopf in den Sand der Wüste und muss weinen. Und Krieger sollten nicht weinen, darum schäm ich mich. Und ich wollte Dir erst schreiben wenn es mir besser ginge, aber wir sind schon alle fast verhungert. So schlimm ist es Ramsenit - so heißt Wolfskehl in der Else-Lasker-Schüler-Welt und ich habe keine Hoffnung mehr. Aber das darf dich nicht rühren, sonst wankt deine Pyra­ mide. ... ich kann keine Träume mehr deuten, nur meine noch, die sind abgebrannt zu Asche und leuchten nicht mehr blau, wie meine wilden Perlen. Im Februar 191z lesen die Freunde des »Sturm« die letzten »Briefe nach Norwegen«. Herwarth! Ich muß viel denken, ich hab auch wieder viel Angst. Und mein Herz spür ich immer so komisch, ich kann nachts nicht schlafen und träume mit offenen Augen Wirklichkeiten. Es gibt einen Menschen in Berlin, der hat 33

dasselbe Herz wie ich eins habe, dein Freund der Doktor. Sein Herz ist karriert: gelb und orangefarben mit grünen Punkten. Galgenhumor! Und manchmal ist es schwermütig, dann spiegelt sich der Kirchhof in seinem Puls. Das muß man erleben! Aber meins ist manchmal doppelt vergrößert, oder es ist purpurblau. Wenn er wenigstens Schwärmerei des Herzens kennen würde-, aber die Unruhe fühlt er manchmal. Ich erlebe alle Arten des Herzens, nur den Bürger nicht. O, die Herzangst, wenn das Herz versinkt in einen Wassertrichter oder zwischen Himmel und Erde schwebt in den Zähnen des Mondes oder es einsinkt - o, der Augenblick, wenn meine Stadt Theben-Bagdad einsinkt. Und zuletzt, gleich nach dem Telegramm folgenden Wort­ lauts: Eben regierender Prinz von Theben geworden. Es lebe die Hauptstadt und mein Volk!, folgt noch ein Gruß an die Norwe­ genreisenden: Ich hoffe, Dich haben meine Briefe nicht gelang­ weilt, oder hat Kurtchen oft gegähnt? Lies noch einmal meinen Brief, Herwarth, der mit den Worten endet: Ich bin das Leben. Wie stolz! Nun bin ich wie ein durchsichtiges Meer ohne Boden, ich hab keinen Halt mehr. Du hättest nie wanken dürfen, Her­ warth. Was helfen mir nun Deine bereitwilligen Hände und die vielen anderen Finger, die mich bang umgittern, durch die meine Seele grenzenlos fließt. Bald ist alles zu Tode überschwemmt, al­ les ist in mir verschwommen, alle meine Gedanken und Emp­ findungen. Ich habe mir nie ein System gemacht, wie es kluge Frauen tun, nie eine Weltanschauung mir irgendwo befestigt, wie es noch klügere Männer tun, nicht eine Arche habe ich mir gezimmert. Nur selten, fast nie, spricht diese Frau sich ungeschützt aus, ohne Bild, ohne Verfremdung, ohne Spiel. Hier tut sie es, und so werden die Briefe an ihren Mann - ganz anders als begonnen zum Ende doch Liebesbriefe, wenn auch Nachrufe auf das, was sie gemeinsam waren: Ich bin ungebunden, überall liegt ein Wort von mir, von überall kam ein Wort von mir, ich empfing und kehrte ein, so war ich ja immer der regierende Prinz von Theben. Wie alt bin ich, Herwarth? Tausend und vierzehn. Ein Spießbür­ ger wird nie tausend und vierzehn, aber manchmal hundert und vierzehn, wenn er es »gut« meint. Herwarth, warst Du mir treu? 34

Ich möchte aus Geschmacksgründen in Deinem Interesse, daß Du mir treu warst. Nach mir durftest Du Dich nicht richten, ich hab den Menschen nie anders empfunden wie einen Rahmen, in den ich mich stellte; manchmal, ehrlich gesagt, verlor ich mich in ihm, zwei waren aus Gold, Herwarth, an dem einen blieb mein Herz hangen. Herrlich ist es, verliebt zu sein, so rauschend, so überwältigend, so unzurechnungsfähig ... Wie bürgerlich ist gegen die Verliebtheit die Liebe, oder Jemand müßte mich ge­ liebt haben. Hast Du mich geliebt, Herwarth? Wer hat mich ge­ liebt? Ich würde mich im selben Augenblick zu seinen Füßen nieder­ werfen wie vor einem Fels, wie vor einem Altar, ich, der Prinz von Theben. Ich würde den Liebenden mit mir tragen in den Tod... Im Juli wird Karl Kraus erfahren: Wertester Herzog, Sie wis­ sen gewiß, daß Herwarth und ich schon lange jeder einzeln sind - ich sehe ihn gar nicht und wir sind jeder für uns. Und als müsste sie sich noch immer selbst davon überzeugen: Ich und H. sind unerschütterlich auseinander; sehen und sprechen uns nicht, ich habe eingesehn, wir sehen und fühlen anders, wir spielen und lieben anders, ich bin Krieger mit dem [gezeichne­ tes Herz] er mit dem [gezeichneter Kopf im Linksprofil mit Auge und Ohr] Material: ich: Glas mit Burgunder er: Porzellan mit Mokka16 Krieger ist das Schlüsselwort. Else Lasker-Schüler warf ihrem Mann nicht Ehebruch, sondern Fahnenflucht vor. Seite an Seite hatten sie gestanden im Kampf für die neue Kunst. Und nun er­ setzte er sie durch eine Dilettantin. Der Prinz von Theben ist zu Beginn des Jahres 1912 eine dreiundvierzigjährige verlassene Frau mit unehelichem Kind. Paul, der geliebte Sohn, inzwischen zwölf Jahre alt, ist nicht Herwarth Waldens Kind und nicht das Kind ihres ersten Mannes. Ab jetzt wird sie allein für Paul sorgen müssen. Nie wieder wird sie eine eigene Wohnung besitzen. 35

Im letzten Brief nach Norwegen, ganz am Ende, hat sie über das Wohnen geschrieben: Ich flüchte in das Dickicht, Herwarth, ich habe immer das Haus gehaßt, selbst den Palast; wer auch nur ein Gemach sein Eigentum nennt, besitzt eine Häuslichkeit. Ich hasse die Häuslichkeit, ich hasse drum auch die letzte Enge, den Sarg. Ich gehe in den tiefsten Wald, Herwarth ... Ich lege mich unter die großen Bäume und strecke mich mit ihren Wur­ zeln, die sich immer umhalten, wie knorpliche Schlangen. Man hat Else Lasker-Schüler stets zu sehr aufs erste Wort ge­ glaubt. Sie sagt, wie bürgerlich ist gegen 'Verliebtheit die Liebe, und man hat es geglaubt. Dabei geht dieser Satz so großartig weiter: Oder Jemand müßte mich geliebt haben. Sie sagt, sie hasse die Häuslichkeit, und man hat es wieder geglaubt. Wie simpel, wie uninteressant wäre das ohne den Widerruf, ohne das Nichtaushaltenkönnen der eigenen Wahrheiten. Meist steht der Widerruf schon im selben Satz. Ihr Gang ins Dickicht ist eine Flucht. Und besitzt, nein, beherrscht der Prinz von Theben statt nur eines Hauses, eines Palastes nicht eine ganze Stadt? Es ist nicht wahr, dass sie immer das Haus gehaßt hat. Sie liebte es, denn es steht für die Möglichkeit, eine Heimat haben zu können. Alle Erwachsenen sind Heimatvertriebene. Und Else Lasker-Schüler ist eine Heimatdenkerin, eine Heimatdichterin im tiefsten Sinne des Wortes. Niemand hat ihn so formuliert - so in ihrem Sinne formuliert - wie Ernst Bloch: Heimat ist das, was allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war. Manchmal fasst sie das Verlorene in einen Satz: Ich wollte, ich wäre Jemand sein Kind. Das Bürgerkind Else Lasker-Schüler hat den letzten bürger­ lichen Halt verloren.

V. Wir sind nur auf dem Wege, das Leben ist nur Weg, hat keine Ankunft, denn es kommt nirgendwo her. - Tiefstes Weltwissen steht neben scheinbar Alltäglichstem, das ist fast immer so in diesen Briefen. Das ist ihre Fallhöhe, diese scheinbare und doch 36

so absichtsvolle Unordnung. Die bürgerliche Literaturkritik fällt darauf herein und verwechselt es mit Nichtkönnen, setzt ihr höhnischstes Lachen auf und beharrt auf der Unterscheidung von Höherem und Niederem. Doch diese Unterscheidung zählt für die Besucher des Cafés des Westens längst nicht mehr - ge­ rade dieses Wissen eint sie. Es ist eine Bürger-Unterscheidung, und das Hohe der Bürger ist auch danach. Else Lasker-Schüler muss nicht auf eine Nachwelt warten, die sie versteht. Sie könnte immer wieder die Rezension Paul Zechs lesen, geschrieben, als die »Briefe nach Norwegen« als Brief­ roman erscheinen. Nur selten wird man von einem anderen Menschen so verstanden, nur selten wird etwas bis dato ganz und gar Unerhörtes, Freches, eine Miss-Form, eine Un-Form von einem anderen Menschen so verstanden, und falls doch, hat er oft nicht die neue Sprache dafür. Paul Zech besitzt sie. Er schreibt über »Mein Herz«: »Sie glaubt nicht an die Realität der Kunst, sie glaubt an die Wahrheit der Illusion und handhabt das Material der Sprache, von den Instinkten eines rein torenhaften Spieltriebs geschwellt, wie eine heilige Sache. Ihr Roman ist im Sinn des Dogmas - höchste Formlosigkeit, aber ebenmäßig geschliffene Kugel inneren Erlebnisses, getragen vom Blut der Herzhingabe.« Und dabei: was für eine »Kraft des Neuschöpfe­ rischen«. In diesen Briefen »wogt die ganze Erlebnisart einer vergeistigten Weltseele vorüber, um dort zu landen, wo noch keines Fuß je und je den Boden betrat in Ungestraftheit. Kunst ist ihr Mittel zur Befreiung aus dem umgitterten Sein der Alltäg­ lichkeit.«17 Ob Zech dabei ahnt, welche Katastrophe ihres Lebens sich mit diesen Zeilen maskiert? »Sie zerschlägt alle For­ men der Tradition und schafft in höchster Ergriffenheit ein Neues in Sprache, Gliederung und Aufbau. Schonungslos gegen Mit- und Umwelt. Alle Figuren stehen maskenentrissen und krümmen sich unter der Durchleuchtung ihres seherischen Ge­ fühls.« Nie sei eine künstlerische Szene - das Genre der Kolle­ genliteratur steht längst in voller Blüte - so porträtiert worden, drei vier knappe Sätze genügen, und es »stehen erlauchte Grö­ ßen da, plastischer und umgrenzter als in dickleibigen EssayBüchern. Und nie hat Wortkunst solche Triumphe gefeiert, als 37

in den Aphorismen, die wie silberne Glaskugeln in der Flutung der Geschehnisse auf- und niedersteigen.«18 Und noch jemand denkt an sie, gerade jetzt, im Jahr 1912, aber sie wird das erst viel später erfahren: »Und ich bin der arabische Schüler, der das Byssus-Gewand der Stern-Herrin zu entfalten betet. Ich hasse den Tag und die schamlose Sonne. Ich liebe die Nacht und das judäische Mädchen Tino. Die Jephta-Tochter. Die Peter Hille der Kleider enthüllte, als er die Byssus-Falten der Prinzessin zerglättete. Es ist lange her. ... Ihr versteht viel, alles versteht Ihr. (Was man Euch vorlegt.) Aber sagt mir: ich versteh, daß dem schwarzen Schwan Israels der Diamant in die Stirn dringt und wehe tut, sehr wehe.«19 Senna Hoy ernennt sie zur Hohepriesterin der Liebe, ja zur al­ ternativheiligen Trinität: »Und Opfer und Priesterin und Göttin ist uns Tino./Ihr versteht mich./Ihr versteht mich doch.« Es ist lange her? Den Namen Tino hatte Peter Hille ihr gegeben. Er hat sie zur Dichterin gemacht, hat sie zum »schwarzen Schwan Israels« er­ nannt. Es wird für immer ihr größter Ehrentitel bleiben. Und Senna Hoy, der Anarchist, nun langsam in einem Moskauer Ge­ fängnis sterbend, war beider Zeuge.

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Turm oder nicht Turm? Eine Kindheit im Wuppertal

ln Elberfeld an der Wupper geboren, in Gedanken im Himmel, betreue ich die Stadt Theben und bin ihr Prinz Jussuf. Ich bin weder siebzehn noch siebenzig Jahre, habe keine Uhr und keine Zeit. Meine Bücher laufen so herum und werden einmal im Meer ertrinken. Geld habe ich einmal sehr viel und einmal gar keines. Früher habe ichs manchmal nicht geglaubt, jetzt aber weiß ich es; ich bin die Else Lasker-Schüler - leider. Auf meinem Ge­ burtsschein steht noch immer Goldelse; aber ich bin nicht zu versetzen. In all den Jahren, die ich lebte, ist mir eines ganz ge­ wiß geworden: ich kann keinen Bohnenkaffee vertragen. In die Schule ging ich sehr ungern; wenn ich auch immer ir­ gendwo anders war im Gedanken, so rettete mich das doch nicht vor den vielen Strafarbeiten und dem Nachsitzen im Schulzimmer in Elberfeld an der Wupper, darin die Arbeiter und Arbeiterinnen die gefärbte Baumwolle auf ihre Echtheit auspro­ bierten. Ich aß immer Korinthenbrötchen, die wir uns während der Pause neben dem Schulhof in einer kleinen Bäckerei holten. ... Mit fünfJahren dichtete ich mein erstes Buch; es erschien in einer Auflage von 30000 Stück bei Ullstein. Seitdem leiste ich nichts mehr. Mit elfJahren wurde ich gelinde aus der Schule ge­ nommen; Fräulein Lichtenstein, die Schwester von Hauff-Lichtenstein kam in unser Haus am Fuße des Waldes und unterrich­ tete mich, aber ich lernte nicht bis drei zählen. Mit diesem Lebenslauf wird Else Lasker-Schüler einmal in eine Anthologie aufgenommen, die - laut Titel - »Führende Frauen Europas« vorstellt.20 Sie erscheint 1930. Prüfen wir die Einzelheiten. 39

Mit fünfJahren dichtete ich mein erstes Buch; es erschien in einer Auflage von 30000 Stück bei Ullstein.

In Elberfeld an der Wupper muss in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts ein kleines schwarzhaariges Mädchen auf dem Turm seines Elternhauses gestanden haben, das schrie, so laut es konnte, hinab auf die anderen Elberfelder: Ich langweile mich so! Daraufhin, berichtet das Mädchen, als es erwachsen ist - aber richtig erwachsen wird es nie -, seien zwar nicht alle Elberfelder unter dem Turm zusammengelaufen, aber seine Mutter sei ge­ kommen und habe ihm ein neues Spiel erfunden, eines mit Knöp­ fen. Es wird immer Else Lasker-Schülers Lieblingsspiel bleiben. 40

Sie spielt es ihr ganzes Leben lang, zuerst mit Knöpfen, dann mit Buchstaben, mit Wörtern. Wie die Buchstaben, die Wörter hat jeder Knopf eine andere Form und Farbe. Vor den Buchstaben legte sie die Knöpfe zu Knopfstrophen. Die Germanisten sind schon immer sehr unzufrieden gewesen mit den autobiographischen Auskünften der Dichterin. Sie sind die geborenen Spielverderber und fangen gleich an: Turm? Vom Turm ihres Elternhauses hat sie gerufen? Das ist unmöglich. Das Haus der Schülers besaß gar keinen Turm! Sie haben ihr wohl auch nicht geglaubt, dass sie mit fünf Jah­ ren ihr erstes Buch dichtete, obwohl das sehr gut zu einer ande­ ren Altersangabe passt, die sie viel früher gab und sich unmög­ lich so lange gemerkt haben konnte: Mit vier Jahren lernte ich zum Zeitvertreib von der Gouvernante schreiben. Jedem Buch­ staben malte ich ein Tuch um den Hals, da er fror, es war im Winter.11 Darf man wirklich Else Lasker-Schüler’schen Höhenund Zeitbegriffen vertrauen? Die Biographen haben auch schlechte Erfahrungen mit ihrem Geburtsdatum gemacht. Im Jahr 1958 wurde es erstmals rich­ tig genannt, in der Dissertation von Karl Josef Höltgen »Unter­ suchungen zur Lyrik Else Lasker-Schülers«. Schon Heine fand, jeder solle das Geburtsdatum haben, das zu ihm passt. Er wählte die Silvesternacht 1799, um, gerade noch ein Sohn des alten Jahrhunderts, zugleich der erste Mann des neuen Jahrhun­ derts zu sein. Else Lasker-Schüler liebte Heine sehr. Auch war er gewissermaßen ein Nachbar - aus Düsseldorf am Rhein. Geboren also ist Else Lasker-Schüler nachweislich nicht am 11. Februar 1876 oder 1891 - dieses Datum wird sie im Alter bevorzugen -, sondern vielmehr am 11. Februar 1869, in der Herzogstraße, in dem Haus, in dem sich ursprünglich auch das Bankgeschäft ihres Vaters befand. Bankier? Das war eine Berufstätigkeit, die der Tochter später sehr unpassend für ihren Vater schien. Warum bloß müssen alle Juden eine Bank haben, selbst wenn sie eine haben? Aron Schüler hatte wie Heines Vater ursprünglich im Konfek­ tionsgeschäft angefangen und »bunte Westen« verkauft, als Ban­ 41

kier verkaufte er vor allem Papiere, wie eine Anzeige aus dem Ge­ burtsjahr seiner jüngsten Tochter vermerkt: »Das Bank-Geschäft von A. Schüler, Elberfeld, besorgt den An- und Verkauf sämmtlicher Staats- und Eisenbahnpapiere mit 1/3 % Provision franco aller Spesen«. Später muss die »Schülerbank« sich an der Finan­ zierung des Baubooms der Gründerjahre beteiligt haben, weshalb die Tochter ihn zum Architekten ernennen wird. Und wenn die Bank doch einmal erwähnt werden muss, dann als ein Typus Bank, von dem man nie zuvor gehört hatte und nie wieder hören sollte: eine Bank für Müde und Beladene. Auch als Immobilien­ makler - in der Industriestadt Elberfeld herrschte durch den ste­ ten Zustrom verarmter Bauern und kleiner Handwerker im­ merfort Wohnungsnot - war Aron Schüler nach Auskunft seiner Tochter ein bemerkenswerter Mann: Von den Armen nahm mein Vater keinen Mietzins, denn wer in seinem Hause wohnte, der wohnte auch in seinem Herzen.2-1 Immerhin hat sie, wenn sie das sagen wird, eine große Beglaubigung für das Wesen ihres Vaters sich selbst: Und ich bin stolz darauf, da mein Vater sich ganz aus­ gab ... die eigene Tochter für seine Weitherzigkeit zeugt, nicht eine Stube besitzt, gar ein Fleckchen erbte.13 Im Übrigen erkennt sie ihm das Naturell eines Kindmannes zu, wie es schon Heine, aus den gleichen und noch anderen Grün­ den, für seinen Vater getan hatte. Ein Kindmann ist von vornhe­ rein vor dem Verdacht gefeit, mit den Zinsen aus fremder Not sein Geld zu verdienen, wie es dem großen antijüdischen Kli­ schee entspricht, das der Tochter nur allzu gegenwärtig ist - und das sie wie Heine mitunter selbst teilt. Einem Kindmann aber kann man nicht einmal seine Religion übel nehmen. Doch vergessen wir nicht die Schlüsselfrage: Turm oder nicht Turm? Sie wird verschärft durch die Tatsache, dass es sich beim Turm keineswegs nur um den wichtigsten Teil des Elternhauses handelte, sondern man sich das Wuppertal ihrer Kindheit vol­ ler Türme vorzustellen hat. Türme, Aussichtstürme, die ihr bau­ unternehmerischer Vater errichtet habe und die sie an seiner Hand, sobald sie irgend im Rohbau begehbar waren, hinauf42.

Der Vater Aron Schüler, Bankier, den - sagt seine Tochter - niemand zu den Erwachsenen zählt. Im »Arthur Aronymus« wird sie ihm ein großes Denkmal setzen.

kletterte. Bei diesen Aufstiegen trug das Mädchen Hosen wie ein Junge, weil der Vater - sagt die Tochter - Mädchen nicht so sehr schätzte. Vielleicht aber auch nur, weil zum Klettern Hosen viel praktischer sind. Dieses Bild - Vater und Jungentochter steigen gen Himmel muss man sich merken. Denn es ist ein Urbild. Es wird über die Jahre hinweg in ihren Dichtungen immer wiederkehren. Nie, sagen misslaunig die Forscher, habe sich auch nur ein einziger Beleg für Aron Schülers architektonischen Himmelssturm finden lassen. Aber die Tochter scheut keine Nachprüfbarkeit. Sie gibt sogar Sichtweiten an. Vom Turm ihres Hauses habe sie bei gu­ tem Wetter bis zu Heine hinüberschauen zu können. Bis an den Rhein, wird sie sagen und sich den Berg dazwischen wegdenken. Diese Untersuchung unterscheidet sich von anderen durch 43

eindeutige Parteinahme: Turm! Wenn jemals ein Haus einen Turm besaß, dann dieses in der Sadowastraße 7 in Elberfeld. Und wenn jemals eine Stadt Aussichtstürme besaß, dann diese im Wuppertal. Selbst wenn man von ihnen nur eine hervorra­ gende Aussicht auf die Schornsteine ringsum gehabt haben sollte. Sie waren wohl selber welche. Drei Gründe für ein getürmtes Wuppertal: Else Lasker-Schüler war es ganz gewiss, und wer die seelische Wahrheit einer Dichte­ rin nicht ernst nimmt, nimmt diese selbst nicht ernst. Zweitens darf man wenigen Dingen auf der Welt so sehr vertrauen wie den seelischen Wahrheiten nichttrivialer Naturen, es steckt immer auch ein großer empirischer Wahrheitskern darin: In den sech­ ziger Jahren haben aufmerksame Beobachter an Else LaskerSchülers nun vollkommen turmlosem Elternhaus die Linien eines offenbar fehlenden Baugliedes bemerkt und geschlussfolgert: » Der >TurmMappe< und wollte Professor werden. Pülle Kaufmann hatte meist Watte in den Ohren. Ihn traf sie manchmal in aller Birnenfrühe in der SchülerGasse, sogar mit leeren Ohren, was das Mädchen, auf die weit­ abstehenden Löffel weisend, zu Vorschlägen der leichtfertigsten Art verlockt haben will, denen tiefste Reue folgte: »Heute mußt du aber gehört haben, Pülle!« » Wa, antwortete Pülle genau wie mit den Wattebüscheln in den Höhlen. »Wa?« »Pülle«, rief ich ungeduldig, »wenn du mir sagst, was ich dir eben anvertraute, schenk ich dir meine KnopfSammlung.«... » Wa?« Aber dann sich überstürzend fragte er: »Die ganzen Knöpfe? «2? Die Autorin erwähnt es nicht eigens, vielleicht auch, weil es ihr so selbstverständlich war: Sie spielt mit Jungen. Und das in einem Alter, wo diesen nichts verächtlicher, komischer und in seiner ganzen Existenz unverständlicher vorkommt als ein Mäd­ chen. Und ein Mädchen muss jungenhart, jungenschweigsam und jungenböse sein können, wenn es mitspielen will - das weiß sie seit dem tragischen Bulldoggentod des Nachbarspitzes. Denn ihr und Friedrichs Schwester wäre vor Tränen gewiss nicht ein­ gefallen, was dieser sofort erkannte: dass die Hinterbliebenen ge­ rettet waren. Der alte Springmayer hatte schon am Zaun gewar­ tet, als der Leichenzug sich näherte. Friedrich hielt eine tapfere Rede, der zu entnehmen war, wie sie nach dem Überfall der Bes­ tie - man warf sich vergeblich dazwischen - das arme Tier zum Tierarzt trugen, welcher nun auch den Oberkörper enthaarte, um der Wunde besser Herr zu werden. Aber während der Be­ handlung starb der liebe, liebe Lump ... Statt der erwarteten Schläge bekamen die standhaften Lügner nun Trost. Der alte Springmayer grub mit feuchten Augen das Grab im Spring­ 4»

mayer-Garten gleich neben dem Schüler-Garten. Else holte un­ ter Tränen Vergissmeinnicht, Friedrich aber nahm sein Kreuz­ chen, drehte die braunen Augäpfel zum Himmel, in der Zeit seine Schwester die Hände faltete, ihr Abendgebet sagte: »Ich bin klein, mein Herz ist rein, soll niemand drin wohnen, wie Spitz allein.« Beide Mädchen hatten Friedrich unter Androhung schwerster Prügel versprechen müssen, nie, niemals etwas zu verraten, weshalb die Mädchen nicht nur für den Hund beteten, sondern ein wenig auch für sich selbst. Wer mit Jungen spielt, muss wie sie sein. Und er sollte ihnen mehr zu bieten haben als Birnen und Knöpfe. Vielleicht ein Abenteuer. War es ein Abenteuer, wenn die Kinder Aron Schüler in die Marienstadt begleiten durften, in seine Marienstadt, wo die ar­ men Leute wohnten? Am Sonnabend aber brachte mein Vater in seinen Tausendtaschen Knallbonbons mit nach Haus. Am Mor­ gen schon mußte ich meinen sechsjährigen Kameraden holen und wir marschierten mit Herrn Schüler durch seine Marien­ stadt, die lag hoch auf einem Hügel. Aber bevor wir abzogen, lie­ ßen wir die Bonbons knallen ... Alle die armen Kinder an den Häuserecken beneideten unsA° Spätere Interpreten haben Else Lasker-Schüler ihre glückliche Kindheit nicht glauben wollen,31 ebenso wenig wie sie Heine seine unbeschwerten Kinderjahre glaubten. Hat nicht der immer neu aufflackernde Antisemitismus das Mädchen aus der Schule vertrieben? War die gleich zu schildernde Kritik ihrer roten Mäd­ chenhose nicht in Wahrheit eine judenfeindliche Schmähung? Kinder haben ein feines, zugleich sehr unbarmherziges Gespür für Andersheit. Es hält sich zuerst an Sichtbarkeiten. Ihr Jüdisch­ sein war nicht sichtbar. Ihr Mädchensein schon. Sie wusste, dass sie dadurch gewisse Nachteile hatte, dass sie dafür selbst unter Freunden einen Preis bezahlen musste. Besonders gern spielte Else Lasker-Schüler Krieg, meist nach­ mittags in Paul und Walter Kaufmanns Garten. Und das, obwohl ihr Part dabei von vornherein festgelegt war, und sie sah das ein: ... ich musste der Feind sein, weil ich ein Mädchen war, zur 49

Strafe.11 Dass sie nicht jeden Preis entrichtet hätte - wohl schon damals wie später keine Demütigung ertrug fügt sie sofort an: Sonst bemerkte ich nie von seiten meiner Spielgefährten irgend eine Geringschätzung mir gegenüber und ich fügte mich drein, freiwillig ein französischer General zu werden, denn die Feinde behaupteten, sie könnten dann besser richtig schimpfen, da ich unter meinem Röckchen eine weite, rote Flanellhose trage »Franzos mit der roten Hos«.11 In den Augen des neuen sieghaften, in Versailles reichseinig ge­ wordenen Deutschland konnte man nicht viel weniger sein als ein Franzose, das wusste jedes Kind. Weshalb Else bald in Kauf­ manns Küche gesperrt wurde und dort so tun musste, als sei sie ein ganzes Regiment gefangener Franzosen: Der Walter war am hitzigsten ...er war Feldmarschall geworden, damit er die Lust nicht verliere; er war furchtbar zu schauen; mein Herz sprang wie die Feinde, die von der Anhöhe des Gartens auf ihren Ros­ sen ins Tal sprengten. Feldmarschall Walter stand schon vor mei­ nem Turmverließ; ich stemmte mit übermenschlicher Anstren­ gung meinen kleinen Körper gegen das dröhnende Holz. Mein Röckchen wehte aufgehißt als Fahne im Wind am Fenster. Ich vergaß meinen militärischen Generalsrang und schrie: »Mama, Mama!« Als es draußen - deutsche Kriegslist! - ganz still wurde, wagte das gefangene Franzosenregiment Else mit einem großen Ruck, gemacht aus dem Mut der Verzweiflung, den Ausbruch aus seinem Küchenturm, was den davor wachenden Willy Him­ mel beinahe seinen Zeigefinger gekostet hätte, der nun - nach dem Bericht der Autorin - nur noch sehr lose mit der übrigen Hand verbunden war: Den ohnmächtigen Verwundeten trugen die Kameraden auf Seraphinens Kanapee; in der Zeit nahm ich die Flucht.14 Die Grenze vom Spiel zum Ernst war überschritten. Und es wurde ein neues unbarmherziges Spiel daraus, ein Wirklichkeits­ spiel diesmal. Das deutsche Heer ließ das feige französische Re­ giment noch lange spüren, dass es den Kameraden auf dem Ge­ wissen hatte: Seit dieser Niederlage verfolgten mich die kleinen deutschen Spielsoldaten mit ihrem Haß, standen oft an der Ecke in der Austraße, noch dazu mit einem Heer verbündeter Jungens, 5°

rissen mir den Schulranzen vom Rücken, warfen mich zur Erde und traten und pufften mich: »Franzos mit der roten Hos! Fran­ zos mit der roten Hos!« Einmal kam Pülles Mutter gerade vor­ bei, im Sonnenschein und mit ihrem grünen Sonnenschirm; wie die Suppenkasparmutter sah sie aus, als sie den Mund ermah­ nend ganz rund öffnete: »Pülle -!« Dann wurde Else krank, be­ kam den Ziegenpeter und das deutsche Heer geriet in große Scheu vor mir: ich sei verhext von einer bösen Zauberin; aus den Nebengassen nur hörte ich noch manchmal ganz leise das böse Liedchen: »Franzos mit der roten Hos!«55 Der Krieg im Kaufmann’schen Garten, in der Kaufmann’schen Küche hat ein ungutes Ende genommen, und trotzdem gilt es, drei Dinge zu vermerken: Auch später wird sie nur mit Jungen, mit möglichst jungen Männern spielen und mit dem eigenen, dem weiblichen Geschlecht fast so wenig anfangen können wie ein zehnjähriger Junge. Die Auskunft, dass sie das Soldatenspiel liebte, bezieht sich nicht nur auf die Zeit vor dem deutsch-französischen Krieg in Kaufmanns Garten. Noch mit über vierzig Jahren wird sie Franz Marc schreiben: O Rüben, ich liebe nur noch die Schlacht, die Kriegsdudelsäcke, Kokostrommeln, meine Krieger und mich im Schlachtschmuck. Ich kannte im Leben nur einen Neid - wenn Soldaten vorbeimarschierten, die Mir nicht gehörten. Dein Bru­ der56 Jussuf von Theben ist nicht zuletzt ein Krieger. Franz und Ma­ ria Marc werden sie einmal in einem Pensionszimmer antreffen versunken im Spiel, den Tisch voller Zinnsoldaten. Mag sein, sie hat die Zinnsoldaten für ihren Sohn gekauft, doch der könnte befremdet gewesen sein. Vierzehnjährige reagieren sehr sensibel auf die Missachtung der Würde ihres Alters. Kinderwelten. Dass zu ihrer Kinderwelt außer dem Rote-HosenRuf noch zwei andere böse Rufe gehörten, wird sie erst viel spä­ ter aufschreiben. Ein in ihrem Nachlass gefundener Aufsatz, wahrscheinlich aus dem letzten Lebensjahr, trägt einen so har­ ten, einen so wenig Lasker-Schüler’schen Titel, dass schon er allein erschreckt: Der Antisemitismus. Und es ist doch so sehr 51

eine Lasker-Schüler-Schrift, dass sie trotz des Titels einen ihrer schönsten Sätze über Elberfeld enthält, auch weil sie gerade einen anderen Elberfelder in ihrem Jerusalemer Café traf: Sind wir doch beide Kinder derselben Stadt, und die singt ein Lied, begegnen sich zwei ihrer Kinderd7 In »Der Antisemitismus« steht aber auch das: Ich erlebte als Schulkind schon einige antisemitische Aufstände nach Schul­ schlußA* Es ist eher akustischer Aufruhr gewesen wie »Jud, Jud, Jud, hast Speck gefressen - spuck ut, spuck ut!«39 Kenner der Geschichte des Wuppertals vermuten, sie war nicht selbst Zeu­ gin dieses Rufs, sie habe nur davon gehört. »Jud! Jud! Jud! Hepp! Hepp!« hat sie gehört, sie erklärt die Motivation der Schmähung gleich zweimal, lange vorher. Nicht nur am katholischen St. Laurentiustag gab es Streitigkeiten zwi­ schen den Lutherischen und den Katholischen, schon weil die Protestanten längst in der absoluten Mehrheit waren. Die christ­ liche Versöhnung gestaltete sich denkbar einfach: ... immer mußten es die Juden am Ende ausfressen, da sie die kleinste Ge­ meinde zwischen den Christen sehr inzüchtig lebten. Nur mein Papa hat nömmes wat gemerkt, ewwer wenn et tum Krawall twischen den Religionen kam, hat er eenfach mitgehauen. Auf mich hatten die Kinder der Mucker einen besonderen Pik, weil ich ein rotes Kleidchen trug. Auch machte ich immer die Augen so weit auf.*° In der Geschichte ihres Vaters »Arthur Aronymus« hört der Va­ ter das böse Wort: Den Kaspar Setzdich und den Willi Himmel hatte er viel lieber, trotzdem sie ihn einmal Jud! Jud! Jud! hepp! hepp! ausschimpftem, weil sie bei ihm ein Korinthenbrötchen im Ranzen gefunden hatten und er ihnen nichts mitgeben wollte.*1 Gastronomische Wirklichkeiten sind kindliche Elementar­ wirklichkeiten, wie auch das »Jud, Jud, Jud, hast Speck gefres­ sen - spuck ut, spuck ut!«. - Eine Harmlosigkeit im Beginn, nicht viel mehr. Aber sie registriert unnachsichtig die Andersheit und bestätigt an ihr das eigene Mehrheitsein, schafft Macht- und Ohnmachtverhältnisse, Herrschaft und Knechtschaft. In jeder Kinderwelt wird das wieder geschehen, jede Minderheit wird es neu zu erdulden haben. 52-

Das Wissen darum macht für den Erleidenden nichts leichter, nicht mal im Nachhinein, und doch sind - auch für Else LaskerSchüler - Unterscheidungen hier sehr wichtig. Noch 1944 betont sie, nie den furchtbaren Vorwurf des Christusmords vernommen zu haben in den manchmal vor Elend wutüberschwemmten Gassen meiner Heimat im Rheinland. Sie betont die banalen Gründe der Grausamkeit. Das Wutüberschwemmte, wie muss es sie erschreckt haben. Aber dass die Wut und ihre Gründe oft sehr zufällig aufeinandertreffen, dass die Wut sich ihre Gründe sucht, weiß sie auch. Waren denn die Juden schuld, dass es den Bleichern im Wup­ pertal schlecht ging am Ende des 18. Jahrhunderts? Sie peitsch­ ten sie aus, um sie zu vertreiben, und hatten bei ihrem Herzog schließlich 1794 ein Verbot der Judenansiedlung erwirkt. Und als die Juden dann wiederkehrten nach dem Einzug Napoleons mag das unwillkürliche Gedächtnis des Volkes vermerkt haben, was alles mit ihnen kam. Ungeheure Steuerlast, Einquartierun­ gen, die ganze Willkür einer Fremdherrschaft, die mit den zag­ haft zurückkehrenden Juden nichts zu tun hatte - aber was ge­ meinsam ankommt, ist das nicht doch irgendwie verwandt? Logik des einfachen Volkes, Analogiewahrnehmung, unbewusst. Es ist kein Versöhnlertum, wenn die Dichterin Hass und Ge­ genhass zu keinem Zeitpunkt ihres Lebens gestattete, die geis­ tige Regentschaft zu übernehmen. Hass und Gegenhass führen zum Bankerott der Seele41. 150000 Einwohner hatte Elberfeld, als sie Kind war, nur 1500 waren Juden. Ein Prozent. Erst 185z hatte es wieder eine nen­ nenswerte jüdische Gemeinde im Wuppertal gegeben. Fünfund­ sechzig erwachsene Männer zählte die Gemeinde Barmen-Elber­ feld 1859, einer hieß Aron Schüler. Vier Jahre zuvor war er gekommen, aus Geseke in Westfalen seine Tochter wird es vorzugsweise Hexen-Gäsecke nennen -, wo sein Vater Moses Schüler ein Fuhr- und Bankgeschäft be­ trieb. Moses Schülers Enkelin wird ihren Großvater einst be­ rühmt machen. Nach dem Tod seiner Frau Rosa hatte er deren jüngere Schwester geheiratet, so dass Else Lasker-Schülers Vater 53

schließlich ungefähr zwanzig Geschwister und Halbgeschwister besaß, was seine Tochter sehr beeindrucken sollte, ja ihr gera­ dezu biblisch Vorkommen würde. Auf dreiundzwanzig wird sie die Zahl der Moses-Schüler-Kinder einmal festlegen. Ob Moses seine Enkelin Else erkannt hat? Es war für ihn schon eine große Aufgabe, sich die eigenen Kinder zu merken, was den alten Mann manchmal in große Verlegenheit setzte. Ins­ besondere, wenn er wieder fremde Nichtsnutze aus seinem Gar­ ten vertrieben hatte, bis die Jungen und Mädchen - schon vor dem Zaun - schüchtern riefen: Wir sind doch deine Kinder Als eine seiner Halbschwestern heiratete, fuhr Aron Schüler nach Frankfurt. Der anfängliche Westenhändler hatte in Elber­ feld inzwischen schon das Bankgeschäft eröffnet und sah sich wohl mit einem gewissen, über den engeren Anlass hinausgehen­ den Interesse in Frankfurt um, insbesondere unter den Sonne­ manns, denn seine Halbschwester war im Begriff, einen Sonne­ mann zu heiraten. Leopold Sonnemann wird man bald auch außerhalb von Frankfurt kennen, er ging gerade daran, die »Frankfurter Zeitung« zu gründen. Als Aron Schüler dessen Familie besichtigte, fand er auch eine Nicht-Sonnemann. Sie war eine Cousine des Bräutigams und lebte im Hause, weil ihre Mutter kurz nach der Geburt gestor­ ben war. Der Vater - Jacob Kissing aus Kissingen - hatte bald wieder geheiratet und sein neues Leben wohl nicht mit einem Kind aus dem alten betreten wollen. So war Jeanette Kissing nach Frankfurt gekommen. Aron Schüler und Jeanette Kissing heirateten noch im Jahr ih­ rer ersten Begegnung. Else Lasker-Schülers Brüder kamen zur Welt. Sie werden dem jüngsten Kind der Familie so alt scheinen, dass es den Ältesten nur »Mann« nannte. Dass Martha und Anna seine Schwestern waren, glaubte es schon eher, auch gingen Schwestern nicht wie Brüder auf weit entfernte Internate und standen nicht als be­ fremdlicher Besuch plötzlich vor der Tür. Es gelang ihr nicht, den Ältesten zwischen den anderen Geschwistern auf eine Schnur zu reihen, weshalb sie ihr Märchenbuch befragte, das von verirrten Königssöhnen wusste. So wurde dem Mädchen Alfreds Bruder54

schaft... in jedem Jahr schleierhafter und mysteriöser. Bis er mich einmal bei seiner Ankunft zu Hause zwischen Portieren hervorzog, hinter denen ich mich, von seinem faszinierenden Wesen behext, versteckt hatte und mir einen Schlag wegen mei­ ner Unhöflichkeit ins Gesicht gab. »Zum Andenken. «44 Was der Anrede »Mann« wohl eine unaufhebbar kalte Betonung verlieh. Sie war nicht das Kind, solche Kränkungen zu verzeihen. Vor allem Anna wird Else immer nah bleiben. Am nächsten aber war ihr wohl der jüngste Bruder Paul. Paul wird sie einmal ihr eigenes Kind nennen, in Erinnerung an den Bruder. Pauls Züge wird Eduard Sonntag in ihrem Schauspiel »Die Wup­ per« tragen, Eduard wird er heißen, weil der Bruder diesen Na­ men schön fand. Sie kann sich keinen schöneren denken als Paul. Vielleicht war dieser Bruder der Einzige, dem sie seine Bildung nachsah. In seiner Dachkammer, die sie auch das Giftzimmer nennen wird, standen in Gläsern Salze und Säuren und andere Chemikalien, die er mischte, wenn er nicht gerade kleine Lo­ komotiven baute und in seinen griechischen und lateinischen Büchern las. Mit Paul lernte sie, was sie in der Schule verwei­ gerte. Trotzdem wurde ihr möglicherweise nur ein einziges Mal ein Lob ins Klassenbuch geschrieben. Dass sie sämtliche Flüsse Afrikas ohne Stocken aufsagen konnte - Senigal und Gambia, Niger und Dscholiba, Zair und Orangefluß, Nil und Zambesi -, war aber kaum Pauls Verdienst. Wahrscheinlich hätte sie das auch gekonnt, wenn sie die Namen nie zuvor gehört hätte. Denn sie verstand Sprachen, die sonst keiner verstand, und musste sie nicht erst lernen wie ihr Bruder Griechisch und La­ tein. Sie atmete Sprachen ein. Ihre ersten Gedichte - berichtet die über Fünfzigjährige - habe sie in ihrer eigenen Ursprache ge­ schrieben, die sie nie wieder verlernt habe: Elbanaff: Min salihihi wali kinahu Rahi hatiman fi is bahi lahu fassun -

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Das soll heißen: Weltflucht Ich will in das Grenzenlose Zu mir zurück, Schon blüht die Herbstzeitlose —

Allerdings lauten die letzten beiden Zeilen des Gedichts: Zu entfliehen Meinwärts. Was die Dichterin aus folgenden zwei Zeilen Ursprache über­ setzt haben will: El fidda alba hire Wa wisuri - elbanaff!45 Aber bedeutete Elbanaff nicht eben noch Weltflucht und was macht dieser Bindestrich da? Sagen wir es so: Möglicherweise verdankt Else Lasker-Schü­ ler ihrem Bruder Paul Unterricht in vielen Dingen, die man außer Ursprachen noch kennen sollte. Auf langen Waldspaziergängen musste er ihr immer wieder die Geschichte Josefs, des Gotteskin­ des, erzählen, der von seinen Brüdern in die Grube geworfen und schließlich nach Ägypten verkauft wurde. Das bin ja ich!, mag sie festgestellt haben nach Art aller Menschen, die kein Talent besitzen, klein von sich zu denken. Und war nicht auch Josef ein Nachkömmling gewesen wie sie, dem die Eltern schon darum mit besonderer Zärtlichkeit anhingen? Ihrem jüdischen Re­ ligionslehrer hat sie all das sicher nicht gesagt, als sie bei der Josefsgeschichte mitten im Unterricht in Tränen ausbrach. Be­ stimmt hat er gefragt, warum, aber sie wird gewusst haben, dass Lehrer sich in solchen Nachfolgedingen und Reinkarnationen nicht auskennen. Der schönste Knopf ihrer Sammlung hieß »Josef von Ägypten«. 56

Vielleicht hat sie mit Paul ihre ersten und tiefsten Religions­ gespräche geführt, auch für Gott war der Bruder Spezialist, denn aus ihm sollte gar kein Chemiker, Physiker, Modelleisen­ bahner oder Altphilologe werden, sondern ein Mann Gottes. Allerdings kein Mann des jüdischen Gottes, sondern einer des katholischen Gottes. Arons Sohn im Kloster? Den Mönch wird ihn die Schwester nennen. Niemand in der Familie scheint diese Laufbahn missbilligt zu haben. Gott ist Gott, mag Aron Schü­ ler gedacht haben, der ohnehin mehr vom Kredit- und Bau­ wesen verstand. Gottes Geschöpfe wohnen gratis unter dessen Himmel wie Aron Schülers ärmste Mieter in seinen Wohnun­ gen - wenn wir der Tochter glauben dürfen. Ist es da noch wich­ tig, ob ein katholischer oder ein jüdischer Gott die Immobilie Welt verwaltet? Es ist hier vielleicht zu früh, die Familie des Vaters ausführli­ cher vorzustellen, die Tochter selbst macht das erst sehr spät, da ist sie schon über sechzig Jahre alt und schreibt seine Geschichte gleich doppelt, als Theaterstück und in Prosa, weitet sie ins Gleichnishafte. Was aber verstehen kleine Kinder schon von Fa­ miliengeschichte als Weltgeschichte als Religionsgeschichte? Wenn Kindheitskapitel in Büchern enden, dann wissen Leser und Autor: Hier ist etwas abgeschlossen, die Vorgeschichte eines Menschen. Von jetzt an übernimmt er sich selbst oder, we­ niger euphorisch gesagt, das Leben übernimmt ihn. Hier ist das anders. So weit wie andere Menschen, selbst andere Dichter, wird sich diese Frau nie von der Welt ihrer Kindheit, nicht ein­ mal von ihren Spielen entfernen. Fast scheint es, als ob der Kon­ tinent ihres Kindseins fortwährend an den der erwachsenen Frau stoße und nichts Vermittelndes, Abdämpfendes ist dazwi­ schen. Aus diesen Zusammenstößen werden ihre bezwingendsten Schöpfungen kommen, aus ihnen rührt aber auch die Tra­ gödie ihres Lebens. Heimat ist dort, wo die Welt noch selbstverständlich ist. Wo alles Antwort gibt. Heimat ist ein Resonanzraum. Sie ist dort, wo der Mensch sich nicht erklären muss. Für Else Lasker-Schüler ist Elberfeld dieser Raum gewesen. Der Waldraum, der Gar­ tenraum, der Mutter-Vater-Raum, der Paul-Else-Raum, sogar 57

Kaufmanns Küchenraum. Kein Jud!-Jud!-Ruf vermochte seine innerste Akustik zu beschädigen. Aber die Dissonanzen hat ihr feines Gehör wahrgenommen. Würde sie sonst einmal nach The­ ben umziehen, Theben als erste Zweitstadt nach Elberfeld oder sollte man sagen: zweite Erststadt? Aus der Kindheit kommt wohl auch das, was dem Menschen aufgegeben ist. In ihrem Falle ist es: die Dinge bis auf den Grund zu durchschauen, wo sie sich nicht mehr feindlich sind. Diese Frau ist weise. Vielleicht will sie deshalb nie gebildet scheinen, weil die gebildeten Weisen so selten sind, die verbildeten Gebildeten aber so häufig. Dass die Dichter mit den Sehern, mit den Propheten verwandt sind, weiß jeder. Nur kann es, will es kaum einer mehr denken. Und es kommt darauf an, es doch zu tun, in einem ganz und gar unmetaphysischen, geradezu gottlosen Sinn, in einem Else Lasker-Schüler’schen Sinn. Anders wird das Dichterleben, die Le­ bensdichtung dieser Frau nicht verständlich. Es ist ein Sonntag im Februar, als Paul Schüler an Tuberkulose stirbt. Er wurde einundzwanzig Jahre alt. Die Traueranzeige der Eltern spricht von »langem Leiden« und einem »sanften Tod«. Zum ersten Mal geht sie nicht an der Hand des Bruders, son­ dern schweigend hinter ihm her mit einem Trauerflor um den Arm und schwarzen Glasperlen um den Hals. Die katholischen Geistlichen von Elberfeld sollen den Zug bis an die Pforte des jüdischen Friedhofs begleitet haben. Else Lasker-Schüler hat immer darauf bestanden, mit elf Jah­ ren das letzte Mal zur Schule gegangen zu sein. Die Forscher waren respektlos genug, herauszufinden, dass das nicht stim­ men konnte. Dreizehn Jahre alt muss das Mädchen, das stolz darauf war, nie bis drei zählen gelernt zu haben, auf jeden Fall gewesen sein, als es seinen Schulbesuch abrupt einstellte. Es ist unmittelbar nach dem Tod des Bruders, als Else mit der ganzen Familie auf die Heimkehr der Mutter wartet, die die Sadowastraße aufwärts allein in den Wald gelaufen und zum Abendbrot nicht heimgekommen war, während ein Gewitter aufzog. Mein Papa und alle meine Geschwister gingen Mama su­ chen. Oh, es war so wehmütig - wenn doch schon ein Kind ver58

lorengebt - und erst wie hier - eine Mama ... Mein Papa weinte bitterlich mit offenen Augen, wie noch kleine Tragkinder zu jam­ mern pflegen. Ich bemühte mich, ihn nicht anzusehen, um nicht lachen zu brauchen. Es blitzte immerzu, und dann der Donner hinterher, wie Bangemachen! Die jüngste Tochter steigt auf den Turm, um Ausschau zu halten. Auf einmal sah ich meine liebe, liebe Mama so traurig den kleinen Berg herabkommen, so trau­ rig, das vermag meine Hand nicht zu schildern, da müßte ich schon mein Herz aus der Brust nehmen und es schreiben lehren. Aber es schnürte sich zusammen zu einem einzigen Blutstropfen, der keine Gefahr kannte, und ich sprang über die Holzzinnen unseres Turms, meine traurige Mutter schneller zu erreichen; verfing mich aber in die aufgespannte Jalousie des unteren Turm­ fensters und lag geborgen wie in meiner Mutter Arm. Die Freiwillige Feuerwehr rettet das Mädchen, und da sein Zweitältester Bruder Feuerwehrmann ist, trägt er die Schwester hinunter von Stufe zu Stufe, von Luft zu Luft. Aber so schnell findet das Mädchen den festen Boden unter den Füßen nicht wieder: Ich hatte den Veitstanz bekommen. Ein unwillkürliches, unbeherrschbares Gliederzucken, Glie­ derwerfen, wie es nach Kinderkrankheiten auftreten kann und gewöhnlich bald wieder vergeht. Der Arzt diagnostiziert es als Folge des Schrecks. Er nannte mich seitdem »Springinsfeld«. Aber ich wußte, ich hatte den Veitstanz bekommen von etwas ganz anderem — vom ersten Schmerz meines Lebens, den auch das schönste Elternhaus nicht hat verhindern können. An weiteren Schulbesuch ist in diesem Zustand einer gewis­ sen Unbeherrschtheit nicht zu denken. Kindsein heißt, in der eigenen Ewigkeit zu leben und die Erfah­ rung der Vergänglichkeit noch nicht gemacht zu haben. Dichter wird wohl, wer, obwohl längst erwachsen, nie ganz aufhören kann, sich in der Ewigkeit zu Hause zu fühlen: In Elberfeld an der Wupper geboren, in Gedanken im Himmel... Die Männer und Frauen vom anderen Zeitbegriff - die Abgesandten der Wissenschaft - haben Else Lasker-Schülers Umgang mit der eigenen Frühe immer wieder Verklärung genannt. Aber Ver­ 59

klärungen geschehen bewusst, sie werden gemacht. Sollte man, was aus dem seelischen Urgrund eines Menschen, gar einer Dichterin, zur Form findet, wirklich Verklärung nennen? Der Tod des Bruders hat ihr erstes Kindsein beendet. Sie ist gerade dreizehn Jahre alt geworden. Sie geht ins Exil: Sie wird nein, eben nicht erwachsen, denn ganz erwachsen sein heißt für Else Lasker-Schüler: ganz tot sein. Und so trägt sie zeitlebens dieses größere und mit anderen Seelen- und Bewusstseinsteilen so merkwürdig unverbundene Stück Kinderseele in sich, wie das für einen Dichter unabdingbar ist. Aber sie lernt nun doch, in der Vergangenheitsform und in der seltsamsten Zeitform, der Zukunft, zu denken. Für ein Kind existiert nur die Gegenwart. Die Sündenfallgeschichte beschreibt in Wahrheit das Drama der Zeitformen. Niemand wird das ein­ mal besser und panischer wissen als gerade sie: Wenn man ält­ lich ist, kann man keine Jahreszeit des Herzens erleben, selbst den Winter nicht, ebenso wie der Kindische nichts vom Frühling weiß.*6 Dem Gefallenen, dem aus seiner kindlichen All-Gegen­ wart Gefallenen, aber noch nicht ganz »Ältlichen« stehen andere Heimaten offen, nur sind diese viel schwerer erreichbar. Der Dichter und »Höhenstrolch« Peter Hille aus Erwitzen in West­ falen, der einmal ihr Erwecker sein wird, nennt diese zweite Hei­ mat »Heimweh und Sehnsucht nach allen Weiten«.

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Peter Hille feiert der Sonne Geburtstag Ich bin nahe bei den Dingen, darum bin ich Dichter. Peter Hille

Als der erste große Schmerz Else Schülers Leben verändert, öff­ net in Amsterdam ein deutscher Dichter sein Fenster. Nie war ihm die Sonne so böse vorgekommen, so provokant. Er möchte dem hellen Morgen »vor Wut ins Gesicht schlagen«. Dabei gibt es keinen Tag, an dem das unpassender wäre. Denn es ist Pfings­ ten, Pfingsten 1883. Jährlicher Gedenktag des Zungenrednertums, ein Feiertag für alle Dichter. Und niemand weiß besser, unentrinnbarer als Peter Hille, dass er einer ist. Aber er schließt das Fenster wieder, macht das Zimmer ganz dunkel und geht nicht aus dem Haus. Eine ganz und gar un­ pfingstliche Selbsterkenntnis trifft ihn: »Ich kann nicht tragisch, nicht wichtig werden nicht byronisch beispielsweise.« Es ist ein Selbstporträt in einem Satz, es berührt den Kern seiner Existenz, eins vorausgesetzt: Sein Dasein ist durchaus eine Tragödie. Das kann man nicht denken, wenn man noch sehr jung ist: dass das eigene Leben zwar ein Drama sein kann, sein Hauptdarsteller aber trotzdem kein tragischer Held. Wie kann man nur so leben?, werden selbst seine Mitdichter, Freunde und Bewunderer immer wieder fragen. Nur eine wird diese Frage niemals stellen - Else Lasker-Schüler, die soeben da­ bei ist, ihren Schulbesuch endgültig einzustellen. In der Schule verliert »man das Gefühl für die eigene Indivi­ dualität, büßt seine Zeit in Irrungen ein«, weiß der bekennende Schulabbrecher Peter Hille. So treffend kann das Mädchen das längst noch nicht formulieren, obwohl es eine Lehrerin hat, die 61

der Mutter versicherte: Die Else ist gar nicht außergewöhnlich dumm im Grunde. In Peter Hille wird sie einmal ihren großen Lehrer finden. Denn der größte Lehrer für einen Menschen ist wohl der, der auszusprechen vermag, was man selbst längst weiß, ohne es schon sagen zu können. Es ist jemand, der uns die eigene Existenz wortfähig macht. Der künftige Lehrer der jetzt Vierzehnjährigen - er wird gleich dreißig Jahre alt - ahnt vielleicht zum ersten Mal, welcher Preis für das »Gefühl der eigenen Individualität« zu entrichten ist. Im dreißigsten Jahr hört das Leben auf, ein Spiel zu sein. Es ist die Zeit der ersten Bilanz. Mit dreißig sollte man irgendwo einzie­ hen können, am besten in das Haus des eigenen Seins. Man sollte sich selbst Obdach gewähren können. Aber da ist kein Haus, da ist - nie war es deutlicher zu sehen - ein Trümmerfeld. Nur die Jugend und manche Romantiker halten Trümmerfelder grund­ sätzlich für Schauplätze von Tragödien. Sie sind es nicht immer. Zerstörung kann viel banaler sein. Mit einer Erbschaft seiner Mutter ist Hille nach Amsterdam gekommen. Die dreitausend Mark gaben ihm die Illusion von Freiheit. Reisen und Geld machen schwerelos. Und wozu hätte er noch in Bremen bleiben sollen? Das »Bremer Tageblatt. Or­ gan für Gewerbs- und Verkehrsinteressen«, dessen Herausgeber er gewesen war, hatte am i. November 1879 sein Erscheinen ein­ gestellt. Es hat seinen ersten Geburtstag nicht erlebt. Und was heißt »Herausgeber Hille« ? Ohne die Harts hätte er keinen Mo­ nat durchgehalten. Ohne seine Schulfreunde Julius und Heinrich Hart besäße sein Leben keinen Halt. Sie werden ihm, obwohl jünger als er, zeitlebens Vater und Mutter zugleich sein und nebenbei das literarische Deutschland auf den Kopf stellen. Bald wird niemand, der in der Literatur der Zeit einen Namen haben oder haben wollen wird, an ihnen vor­ beikommen, auch Else Lasker-Schüler wird das nicht schaffen. Einer ihrer frühesten und schönsten erhaltenen Kurzbriefe wird an Julius Hart gerichtet sein: Euch, meinen lieben Gleichfließen­ den die Kunde, daß ich, Euer Jünger, wieder in Berlin bin. Eden war zu klein für mich und nicht das wahre Paradis. Die, da ge­ boren wurde um zu leiden. Else Lasker-Schüler.47 Die außer62

ordentliche Doppelbegabung der beiden Revolutionäre, paral­ lel zur Revolution auch noch die Folgen der Revolution aufzu­ fangen, also Heimaten für Entheimatete zu schaffen, wird in die­ sen viel später zu deutenden Zeilen erkennbar. Den ersten Weltumsturzverein gründeten Julius und Heinrich gemeinsam mit Peter Hille schon am Gymnasium in Münster. Er hieß »Satrebil«, rückwärts gelesen: »Libertas«. Das »Satrebil« war laut Julius Hart und wie im Grunde alle Schülervereine jener Zeit - andere gründeten etwa einen »Bund der Leben­ digen« - ein Zirkel »für Kunst, Literatur, Freidenkertum und Revolution wider alle Tyrannei«. Die Reihenfolge ist ebenso beredt wie erstaunlich. Man verschickte neben der obligatori­ schen Lektüre verfemter Schriftsteller auch regelmäßig »Huldi­ gungsdrahtgrüße« - Telegramme -, etwa an Ernst Haeckel und Wilhelm Liebknecht. Eine junge Generation reagierte auf ihre Zeit. Nur dass nicht alle auf alles gleich stark reagierten, Hille etwa waren die Industrialisierung sowie die Naturwissenschaften und im Grunde sogar die soziale Frage recht egal. Denn sie gehörten doch allzu offensichtlich der verfließenden Zeit an, wogegen ein Dichter es mehr mit der Ewigkeit zu tun hat. Nur ist die reine Ewigkeit für den Menschen nicht greifbar oder bleibt nur leere Beschwörung. Hille mag es geahnt haben. Es kam also darauf an, Ewigkeiten mit Zeitkernen zu schaffen - eine Aufgabe, die dem Poeten Hille mehr lag als den Harts. Aber es ist schwer, von Ewigkeiten mit Zeitkernen zu leben. Das »Bremer Tageblatt. Organ für Gewerbs- und Verkehrsin­ teressen«, dessen »freisinnige« Ausrichtung er in »streng frei­ sinnig« korrigierte, bezeugte Hilles Bereitschaft, sich auch auf allzu Zeitliches und Interessehaftes einzulassen. Darum musste ihn das Fiasko besonders kränken. Vielleicht wollte er sich selbst beweisen, dass er künftig auch ohne die Harts existieren konnte: Er nahm das Geld seiner toten Mutter, die zehn Kinder geboren hatte und in der Irrenanstalt gestorben war, und verließ Bremen, zunächst in Richtung London. Er wohnte in den Proletarierquartieren Whitechapels, be­ suchte Marx, Engels und Swinburne und fasste in der Bibliothek 63

des British Museum den Plan, eine malaiische Literaturge­ schichte zu schreiben. Der eine entwirft ein »Kapital«, der an­ dere eine malaiische Literaturgeschichte. Aber so weit ließ Hille es doch nicht kommen. Erotisch sind Ideen, nicht ihre Durch­ führung. Obwohl er manchmal sogar wie Marx denken konnte: »Arbeiten ist bei sich selbst sein.« Hätte er genauer werden sol­ len? Arbeit, die sich wie von selbst verrichtet, ist Bei-sich-selbstSein. Beflügelte Arbeit. Eine malaiische Literaturgeschichte aber schreibt sich nicht von selbst. Oder hätte er nur nicht zu diesem bekannten Londoner Phrenologen gehen sollen? Der Phrenologe Ludgate Hill hatte eine »Lücke« in Peter Hil­ les Hirn festgestellt. Ja, wie soll man denn mit einer Lücke im Kopf arbeiten? Dabei mag Peter Hille sein Hirn, er nennt es »je­ denfalls zart und locker gefügt«. Und die Schrift »Die Muse bei den Buren« ist fertig geworden, in ein paar Jahren -1894- wird sie jeder lesen können, nur macht das kaum einer. Nun ist er hier in Amsterdam, Dacotastraat 108. »Ich erschre­ cke oft, daß ich so einsam bin - literarisch wehrlos.« Das Geld ist gleich alle, er spürt schon die Schwere in allen Gliedern. Nor­ malerweise hat er eine gute Rechtfertigung für die Art seines In­ der-Welt-Seins: »Programm habe ich nicht. Die Welt hat auch keins.« Aber jetzt braucht er einen Halt, jetzt macht er doch ein Programm: »Im späteren Leben will ich mich an das Einfache halten, um leisten zu können, was in mir sitzt.« Schreibt es auf, versucht sich als Herausgeber einer deutschen Zeitung, die noch viel schneller als das »Bremer Tageblatt. Organ für Gewerbsund Verkehrsinteressen« ihr Erscheinen einstellen muss, und in­ vestiert sein allerletztes Geld in eine holländische Theatergruppe, die bald darauf ihre letzte Vorstellung gibt. Zeit zurückzukehren nach Hause. Nach Hause? Zu den Brüdern Hart also, den beiden Eckpfei­ lern seines Lebens, den einzigen. Er wandert, ein anderes Transportmittel als die eigenen Füße kann er nicht mehr zahlen. Unterwegs wächst ihm der Bart, den er nie mehr abnehmen und für den Else Lasker-Schüler, die Bärte nicht ausstehen kann, immer eine Ausnahme machen wird. Pe­ ter Hille sieht bereits aus wie Peter Hille, als er in Münster an64

kommt. Und er kommt nicht allein, die fünfzehnjährige Tochter seines niederländischen Druckers ist mit ihm gewandert. Schwer zu sagen, über was der Vater der Brüder Hart mehr er­ schrocken ist. Über den Bart des Ankömmlings oder über seine Begleitung. Er untersagt seinen Söhnen, die nach dem Bremer Fiasko nach Berlin gegangen waren, künftig jeden Verkehr mit diesem Landstreicher. Sicher ist, dass Hille diese Libbeth geliebt hat. Geliebt auf eine Peter-Hille-Weise wohl, mit einer zurückhaltenden, diskreten Sinnlichkeit. Die nächste Frau in Hilles Leben, die mehr ist als ein Wirtshausabenteuer, die Hauptfrau seines Lebens überhaupt, wird Else Lasker-Schüler heißen. Die fünfzehnjährige Libbeth verschwindet nur zu bald aus seinem Dasein. Freunde setzen sie eigenhändig in einen Zug zurück nach Amsterdam. Hille aber fährt weiter nach Berlin. Julius Hart: »Ein paar Jahre hatte ich ihn nicht gesehen ... Draußen klingelte es an der Flurtür, und meine Wirtin ... kam bald darauf mit einem etwas erschreckten Gesicht zu mir herein. »Draußen steht ein fremder MenschEr sieht ganz verwahrlost aus. Ein Bettler.« Ein strenger Blick glitt an mir hinunter. >Er fragte, ob Julius zu Hause wäre. Er sagte weiter nichts als Julius.« - »Peter!«, schrie ich. »Das kann nur Peter sein«, und stürzte zur Tür. Ja, da stand er wirklich, still und freundlich lächelnd.« Er trägt seinen gan­ zen Besitz bei sich: eine Flasche Wein, ein Zigarrenkistchen zur Aufbewahrung seines einzigen Hemdkragens und »unter dem Arm ein unendlich großes, dickes, schweres Hauptkassenbuch, wie es, glaub ich, nur allergrößte Weltfirmen nötig und im Be­ sitz haben.« Das Kassenbuch »kam nicht von seiner Seite. Es begleitete ihn auf Schritt und Tritt bei seinen Spaziergängen auf der Straße. Öfters blieb er dann stehen, klappte es auf und schrieb mit tiefversonnenem Ausdruck einen jener Aphorismen nieder, um derentwillen ihn die Literaturgeschichte besonders schätzt... Die Leute auf der Straße blieben dann meist auch ste­ hen.«48 Julius und Heinrich Hart bewohnen bei der skeptischen Dame in Moabit zwei kleine Zimmer. Eins davon bekommt nun Hille, 65

das andere ist ohnehin schon besetzt: von einem großen Tisch voller Bücher. Nach dem Augenzeugenbericht von Paul Ernst sind das alles Rezensionsexemplare, die meisten noch unaufgeschnitten, und zwischen den Büchertürmen sind »zwei kleine Stellen« frei, wo die beiden Harts neue Bücher schreiben - Rezensionsexemplare für andere Tische. Nun sitzt noch ein Dritter bei ihnen. Außer­ dem ist der Raum meistens überfüllt mit jungen literarischen Revolutionären, »die in Worten jeden Augenblick eine Welt ver­ nichteten und eine neue ... schufen«, berichtet Heinrich Hart in »Wir Westfalen«. Zu diesem Zeitpunkt wandelt die höhere Tochter Else, die Schulflüchterin, noch durch den Gartensaal des Elternhauses, wenn sie nicht gerade auf den Turm steigt. Niemand stört sie beim Träumen, höchstens ihre Privatlehrerin. Und doch sieht die Heranwachsende in der Industriestadt El­ berfeld genau, dass viele ganz anders leben als sie. Nicht nur ihr Drama »Die Wupper« wird das bezeugen. Sie sieht das ganze Proletarierelend, noch darf sie sich fragen: Was hat das mit mir zu tun? Ob sie sich vorstellen kann, je so arm zu sein wie diese Arbeiter? Als Proletarier, das sieht sie auch, wird man geboren und man bleibt es. Den Fabrikantensohn Engels aus dem be­ nachbarten Barmen hat beides empört, das Elend ebenso wie seine Unentrinnbarkeit, deshalb kam er zu dem Ergebnis, dass ein Fabrikerbe sein Geld nirgends besser anlegen kann als in der Beförderung der Weltrevolution. Nein, eine Proletarierin wird aus der Bankiers- und Maklertochter nicht. Proletarier träumen nicht, nicht so wie sie. Sie träumt sogar zu viel, um zur Beförderung der Weltrevolution zu taugen. Wer viel träumt, dem fehlt die Grundsätzlichkeit. Aber da sind noch die Proletarier mit anderen Mitteln, die Dichter. Da sind viele mit einem Peter-Hille-und-Gebrüder-HartLeben. Wenn sie die drei, zu denen sie einmal gehören wird, jetzt sehen könnte an ihrem Tisch mit den drei Arbeitslöchern, wäre sie abgestoßen oder fasziniert? Geld habe ich einmal sehr viel und einmal gar keines, wird sie schreiben und dieses eine Mal verschweigen, dass sie viel öfter gar keines hat. 66

Peter Hille besitzt wohl nur einmal in seinem Leben eine nen­ nenswerte Summe selbstverdienten Geldes. Julius Hart hat die­ sen Vorfall viele Jahre nach Hilles Tod notiert: »Als Peter Hille reich war«49. »Wieder klingelte es, und wieder stürzte die Wirtin ins Zim­ mer, aufgeregt, zitternd, und sank luftschnappend auf den ei­ gens dazu hergestellten Stuhl. >Paeschke!NeeDer blaue Reiter« erfanden wir am Kaf­ feetisch in der Gartenlaube in Sindelsdorf; beide liebten wir Blau, Marc - Pferde, ich - Reiter.« Marc antwortete Waiden sofort und bot einen Holzschnitt an, den er zu Else Lasker-Schülers Gedicht gemacht habe. Aus­ gerechnet zu einem Gedicht seiner Exfrau, mochte Waiden den­ ken. Sie hatte dem Chefredakteur des »Sturm« strikt untersagt, irgend etwas von ihr zu drucken oder ihren Namen zu erwäh­ nen. Das würde er nun tun müssen, zumal der Maler die Veröf­ fentlichung unter einen großen Vorbehalt stellte: »In der Erwar­ tung rückhaltloser Offenheit bitte ich Sie nun, Ihre Frau zu fragen, ob es ihr angenehm ist, die Zeichnung als Illustrirung ihres Gedichts anzusehen; sollte sie eine Fremdheit der Zeich­ nung gegenüber empfinden ...« Waiden stand vor der Alternative Fragen oder Drucken und entschied sich für Letzteres. Im September war der Holzschnitt auf der Titelseite des »Sturm«. Sie bemüht sich, dieses Periodi­ kum nicht mehr zur Kenntnis zu nehmen, aber da hat sie eine Ausnahme gemacht. Und schreibt dem Maler nun diesen Brief. Sie sind sich bereits in ihrer beider Intimstem begegnet - in ihrem Gedicht, in seinem Holzschnitt -, sie kennen sich demnach schon äonenlang, sie darf ganz offen sein: Aber nun lieg ich im 7.elt und bin so krank - vielleicht werd ich nie wieder gesund - immer muß ich weinen und bald bin ich gar nicht mehr fähig Gedichte zu schreibend03 Marc muss ihr gleich geantwortet haben, empfängt nun aber einen noch viel merkwürdigeren Brief. Die Absenderin äußert ihr aufrichtiges Erstaunen, Post von ihm zu bekommen, denn sie könne sich nicht erinnern, ihm geschrieben zu haben: Verehrter Blauer Reiter. Ich weiß von nichts! Bitte senden Sie mir den Brief der meine Unterschrift trägt. Ein üble Person - das Dienstmäd216

Franz Marcs Holzschnitt zu Else Lasker-Schülers Gedicht »Versöhnung« (iÿiz).

chen? - hat schon zweimal sich erlaubt Briefe zu schreiben mit meiner Namensunterscbrift und genauer Handschrift.2-0* Was ist mit ihr geschehen? Sie ist seit Anfang November, seit ihrer Scheidung, krank, vielleicht nimmt sie wieder Opium, manchmal hat sie hohes Fieber, wer soll sich da noch zurechtfin­ den in der Welt und in der eigenen Korrespondenz? Sie fährt fort: Haben Sie nicht ein Gedicht von mir illustriert, blauer Reiter? ... Ich kenne nur zwei Gemälde von Ihnen, gelbe Kuh, blaue Reiter. An dieser Stelle könnte er gekränkt sein, denn er hat noch nie blaue Reiter gemalt, nur blaue Pferde. Alle Reiterfragen beant­ wortet Kandinsky, der aber auch schon eine gelbe Kuh gemalt hat. Damit Marc sich besser zurechtfindet in ihrer Welt, schickt sie ihm genau zwei Wochen später ihre Kurzbiographie: Blauer Rei­ ter. Ich bin aus Galiläa, ging dann nach Bagdad, kam dann nach Theben. So erklärt sich alles. Grüße dein Gemahl. Der Prinz.

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Und dann kommt nicht sie zum Jahreswechsel nach München, sondern Maria Franck und Franz Marc fahren nach Berlin - zu Marias Berliner Bankdirektoren-Eltern, die die Aufenthalte ihrer kunstsinnigen Tochter in München nie gutgeheißen haben. Nun liebt sie dort auch noch einen Maler, einen Hungerleider in spe also. Doch es hilft alles nichts, sie müssen ihn miteinladen, wollen sie ihre Tochter nicht verlieren. Die Francks wohnen standesgemäß in einer Viel-zu-viele-Zimmer-Wohnung Hinter der Katholischen Kirche, hinter der Oper Unter den Linden. Das Paar verabredet sich mit dem Chefredakteur des »Sturm« und seiner Frau nahe den Redaktionsräumen im Café Josty am Potsdamer Platz. Es geht um die Zusammenarbeit in der Zu­ kunft. Marc ist irritiert. Er hatte sich Waldens Frau anders vor­ gestellt, viel weniger blond. Bald spüren sie Blicke, wie Pfeile von einem feindlichen Tisch abgesandt. - Da sitzt der Prinz von The­ ben mit seinem Rest-Gefolge und würde um sein Leben nicht he­ rüberkommen, nicht einmal um den Blauen Reiter zu begrüßen. Franz Marc und Maria kommen auch nicht zu ihr, zu unvorbe­ reitet sind sie zwischen die Fronten eines kalten Krieges geraten. Dabei hatte Marc auch der Dichterin seine Ankunft angekün­ digt, mit einem getuschten Pferd, hinter dem ein Reiter steht Reiter auf Pferden sitzend sind trivial -, und den Worten: »Der blaue Reiter präsentirt Eurer Hoheit sein blaues Pferd.« Sie durfte sich verstanden fühlen und schrieb sofort zurück: Der blaue Reiter ist da - ein schöner Satz, fünf Worte - lauter Sterne. Ich denke nun wie der Mond. Wohne in den Wolken namentlich am Abend wenn Niemandwer mehr durch die Straße geht. Ich denke nun wie die Mondscheibe, eingesunken ... Und nun trennt sie diese unüberwindliche Distanz von ein paar Tischen. Maria Franck nennt die Schwedin später zusammenfassend »eine komplette Gans«,205 eine Wahrnehmung, die die gegen­ seitige Sympathie beim Kennenlernen kurz darauf durchaus be­ fördert haben dürfte. Wassily Kandinsky in Murnau erfährt, dass Else Lasker-Schüler ein »prächtiger Mensch« ist. Paul in der Odenwaldschule er­ fährt, dass seine Mutter schon einen Weihnachtsbaum für ihn 218

geschmückt hat und sich sehr auf ihn freut. Aber selbst das SichFreuen-Wollen kostet sie übermäßig Kraft, die neuen Freunde wissen es bald: O, blauer Reiter, goldene Reiterin - Maria hat langes dichtes blondes Haar ich muß wohl sterben - wo soll ich j Tage schlafen wie ein Fakir das Leben verlassen und es dann wieder überraschen oder überfallen? Bin auf einem ewigstürmenden Meer; - seit vor­ gestern wieder kein Strand und würde selbst landen bei Men­ schenfressern.106 Muss sie wirklich so weit fahren?, überlegen Maria Franck und Franz Marc und beschließen, sie im Januar einfach mitzu­ nehmen nach Sindelsdorf. Berge, werden sie der Lebensseekran­ ken erklärt haben, wiegen jeden Strand auf. Zum neuen Jahr sendet Marc ihr den »Turm der blauen Pferde«, auf eine Post­ karte gemalt. Nur Wochen später wird er diesen Turm noch ein­ mal malen, aber viel größer und in Öl. Marcs berühmtestes Ge­ mälde gilt heute als verschollen, Kenner vermuten es im Tresor einer Schweizer Bank. Am 4. Januar bringt Else Lasker-Schüler ihren Sohn zum An­ halter Bahnhof, er fährt mit einem Schulfreund und dessen Mut­ ter zurück in die Odenwaldschule. Am 5. Januar 1913 schreibt sie den Marcs eine Karte, eine fahrende Lokomotive darauf mit Mondsichel: Bin morgen pünktlich da zur Bahn. Jussuf. Sie reist statt zu den Kannibalen nach Oberbayern. Und dann geschieht das für alle Unerwartete. Sie kann nicht an Land gehen in Oberbayern. In Sindelsdorf, im Haus der neuen Freunde, wird sie noch kränker und noch trauriger. Wie soll man die Tage überstehen ohne den Lärm einer großen Stadt? Wo Krach ist, ist Leben! Aber in dieser Wüste von Schnee? ... weile hier im Sternbild Schnee - allerdings nicht von Cana kom­ mend und ich friere draussen auf den Wegen. Immer schneit es und abends fliegen die Raben über die weißen Wiesen. Ich bin krank und bin allen Menschen böse.107 Die Stille dröhnt in ihren Ohren. Sie muss an einen Ort, wo mehr Menschen sind als morgens zwei, mittags zwei und abends 219

zwei. Marc schlägt das Sindelsdorfer Gasthaus vor. Was die große Stadt aus dem menschlichen Nervensystem machen kann!, mag sich die Wirtin sagen und leiht ihrem Gast Kneipps Ratge­ ber der Wasserkuren. Wenn jemand Kneipp nötig hat, dann ohne Zweifel diese Berlinerin. Aber auch ins Sindelsdorfer Gasthaus folgt ihr der Horror Vacui. Es gibt nur eine Lösung: München! Sie kehrt zurück unter das schon vertraute Dach der Pension Modern und schreibt den Sindelsdorfern dankbare Briefe. Nicht Kneipps Ratgeber, wohl aber der russische Arzt Max Epstein macht wieder eine stand­ hafte Kriegerin aus ihr. Maria und Franz Marc finden sie am Tisch ihres Pension-Modern-Zimmers, den Tisch voller Zinnsoldaten, Kämpfe auf Le­ ben und Tod ausfechtend. Wahrscheinlich befinden sich nicht nur Waiden und die neue Frau Waiden längst unter den Opfern. Hat sie die Zinnsoldaten für Paul gekauft oder für sich? Else Lasker-Schüler wird in die Münchner Wohnung Kandinskys und seiner Lebensgefährtin Gabriele Münter eingeladen, findet aber nicht zu den Worten der Begeisterung, die man von einem Besuch erwarten darf. Ohne Begeisterung kann sie Be­ geisterung nicht ausdrücken, auch da unterscheidet sie sich vom Durchschnitt. Die Seele von Menschen mit solcherart Fähig­ keiten nennt sie Pudelseele. Sie ist kindhaft ehrlich, also bis zur Unhöflichkeit ehrlich. Die Kinder und sie haben keine Pudel­ seele. Kandinsky hatte wenige Jahre zuvor sein erstes abstraktes Bild gemalt, seiner tiefsten Überzeugung folgend, dass die wirkliche Malerei nichts sei als angewandte Musik. Die Besucherin war wohl der Meinung, dass dieser Maler das geliehene Buch der Sin­ delsdorfer Gastwirtin mindestens so nötig hatte wie sie. Man ist sehr höflich zueinander und hofft, es bald überstanden zu haben. Gabriele Münter hält den Gast für eine modische Weltschmerzlerin, und modische Weltschmerzier findet sie furchtbar. Ein paar Tage später besucht Else Lasker-Schüler die FranzMarc-Ausstellung beim Münchner Opernsänger und Kunst­ händler Thannhauser. Leider ist nicht nur Maria Franck da, sondern auch Gabriele Münter. Wieder ist man sehr höflich zu220

einander, blickt gemeinsam auf die Bilder, bis Else Lasker-Schüler vor einem - oder in der Mitte zwischen zweien? - stehen­ bleibt und sagt: »Dieses Bild hat mich am tiefsten berührt.« Das nun Folgende schildert Maria Franck so: »Münter fragt: »Wel­ ches? Der Tiger oder der Affe?< Lasker-Schüler: »Der Tiger!'

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(£■ 16 Else Lasker-Schüler zeichnet Gottfried Benn als Giselheer, 1913.

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V,** **3^4 ***•( -lüJt Igross< vorsichtig zu sein: es ist nur in den allersel­ tensten Fällen wirklich angebracht. Meiner Überzeugung nach ist Else Lasker-Schüler eine Dichterin. Damit scheint mir alles ge­ sagt, woran unsereinem etwas liegen kann, soweit einem an der Meinung andrer etwas liegt. Hamlet sagt: >Nennt mich was für ein Instrument Ihr wollt. < Dieser Standpunkt genießt hauptsäch­ lich meine Sympathie.«296 Des Prinzen Sympathie gewiss auch. Sie nennt Flechtheim, den Verleger ihres Luxusbuches, inzwi­ schen meist Rattenkönig und wird das bald, für alle Welt nach­ lesbar und im Tonfall beinahe heineisch, begründen: Solche 316

Kreaturen sind ja nur beim Schwänze zu packen, immer wieder bei dem Ahn, dem Urnagetier. Aber was könnte ihr Anwalt Ka­ lischer mit einer Äußerung Hamlets anfangen? Menschen ohne Geldsorgen sind für Menschen mit Geldsorgen manchmal nur schwer verständlich. Es ist offensichtlich, der Kampf hat begonnen. Zwischen Au­ torin und Verlag steht bereits der Anwalt. Wie der Verleger ihres Luxusbuches eben noch auf sie zugetreten ist, erfährt auch bald alle Welt: > Wir beide sind gleichen Blutes, Prinz von ThebenIch möchte es auf eine Blutuntersuchung an­ kommen lassen. < Das war im Romanischen Café, vor etwa drei Monaten. Ich ahnte schon, daß für mich kein Sonntag mehr kommen würde. Das Luxusbuch »Theben« erscheint im Frühsommer. Sie wid­ met es - Paolo Pedrazzini. Die beiden Elberfelder wissen schon, wer das ist. Spätestens jetzt wird es auch Paul bemerken. Im Juli zieht sie sich mit ihrem Finanzminister Gebhard - der vielleicht nun erst wirklich zu ihrem Finanzminister wird - zu Beratungen nach Kolberg zurück. Im vergangenen Sommer hatte sie dort das Geld aus Amerika erhalten. Jetzt schreibt sie Briefe, wie sie einer Finanzkrise, die am Ende des Jahres fast den gesamten Mittel­ stand Deutschlands vernichtet haben wird, angemessen sind: Ich bin Else Lasker-Schüler und friste am Meer, bade und fresse nichts. Da der Empfänger ein Schweizer ist, fragt sie an, ob er jemanden kenne, der ihr monatlich hundert Franken sende, bis die Zeiten besser würden. Und ob eventuell über Rilke - dem es wohl schon bei Erwähnung ihres Namens schwarz vor Augen wird - ihrem Sohn eine Stellung in der Schweiz zu verschaffen sei? Von Gebhard, ihrem Finanzminister, der im Nebenberuf Seidenfabrikant ist, will sie nichts haben. Es nähme ihr die Un­ befangenheit. Doch zunächst denken die zwei Elberfelder in Kolberg in der Nachfolge von Carl Krall sen. weniger über Geld als über Schmetterlinge nach. Wenn es eine Auferstehung der Toten gibt, müsste sie dann nicht auch für Schmetterlinge gelten? Klaus sagte, er sei tot. Aber ich hob den kleinen verirrten Schmetter317

ling von der Düne auf und legte ihn zwischen meine Hände, ein warmes Häuschen. Ab und zu hauchte ich durch die Fingerspal­ ten etwas Juliwind hinein, aber die armen Schmetterlingsflügel blieben verdorrt.2-97 Sie nimmt den Toten mit in ihre Pension, wo man die Ostsee noch rauschen hört bis in ihre kleinste Muschel, und legt ihn neben ihren Teller in den Sonnenschein. Klaus Geb­ hard sieht es mit missbilligender Skepsis. Aber ihr wird ganz theologisch, ganz ökologisch zumute: Ich fühlte tatsächlich aus allen meinen Poren, die dem kleinen Toten Odem einflößten, Gott strömen. So müßte ein Mensch dem anderen den lieben Gott schon auf Erden zu ersetzen trachten, das hieße, sich ganz ausgeben, sich vollenden, Gott Ehre machen, sein Ebenbild leuchtend bestrahlen und es nicht verzerren - an eigener Seele. Und verantwortlich sind wir für sein Tier und Blühen und Ver­ welken seiner Blume, die man nicht - es spricht die Vordenke­ rin der Mülltrennung - in den Kehricht zwischen Lumpen und Scherben werfen, aber sie hinter dem Aaun dem Erdreich wie­ dergeben sollte. Das Vorstandsmitglied der Seidenwebereien Wm. Schroeder &c Co. AG in Krefeld sowie der Gebhard & Co. AG in Vohwinkel bei Elberfeld - es ist zugleich Direktor beider Fabriken - kann sich nicht länger den Wiederbelebungsversu­ chen im Garten der Villa Agnes entziehen, weshalb es nun eben­ falls beginnt, den toten Zitronenfalter zu beatmen, und dabei von seiner Tischnachbarin Wissenswertes über das Atmen er­ fährt, nämlich dass es im Grunde nur eine Sünde vor Gott gäbe: nicht zu atmen. ... die Atmung, die nicht eingehalten, Unge­ horsam gegen das Urgesetz bedeute und die einzige Sünde sei gegen Gottvater! - Der Tod! - »Er hat sich bewegt...« Unsicht­ bar noch, nun ganz deutlich, seine Fühler kosteten träumerisch vorerst noch vom Rosa des Rosensaftes. Wir guckten uns, der Klaus und ich, zagend in die Augen einen Wunderaugen­ blick. Und dann ist der von den Toten auferstandene Schmetterling weg. Der Hauptunterschied zwischen einem Zitronenfalter und einem Menschen besteht im Sommer 1923 darin, dass der Mensch zum bloßen Überleben schon mehrere Millionen täglich braucht. Sie schreibt wieder Bettelbriefe. Ob der Lesezirkel Hottingen in 318

der Schweiz sie nicht mal wieder einladen wolle, und wenn ja, könne ihr jemand vorher hundert Franken leihen? »Hamlet sagt: »Nennt mich was für ein Instrument Ihr wollt.*« Dieser Standpunkt mag »hauptsächlich« Hauptmanns Sympa­ thie genießen, aber der Prinz kann sich unmöglich weiter demü­ tigen, indem er solche Briefe schreibt und sich währenddessen von seinem Luxusbuchverleger ins Gesicht lachen lassen muss. Der hat seinen Querschnitt-Verlag einfach zur Hälfte abgegeben. Die Haupteigenschaft des Nachfolgers besteht nun darin, für viel weniger verantwortlich zu sein als sein Vorgänger. Das empört sie. Sie weiß nicht, wohin mit ihrer Not.

Platz machen für Gott oder Die Privatbolschewistin mit Truppen

Im September nimmt der Prinz sein ganzes Prinzentum zusam­ men und schreibt sich alle Demütigungen vom Leib. Er gedenkt, den Kampf gegen Flechtheim doch noch zu gewinnen, denn seine Stimme hört man, auch wenn es eine fast oder zumindest symbolisch fast verhungerte Stimme ist. Sie schreibt ihr J’accuse, sie schreibt im Namen so vieler, ach was, fast aller Schriftsteller und Maler, außer Gerhart Hauptmann natürlich: Ich habe mich entschlossen, ohne Rücksicht auf meine noch ungedruckten Manuskripte, aufzuräumen. Einer von uns Dich­ tern muß seinen Ehrgeiz opfern, auf seine Sehnsucht verzichten, den Nachklang seiner Schöpfung zu erleben, ihr ins Antlitz zu blicken - also auch in fürderhin gedruckte Bücher -... Ich werde die Händler aus ihren Tempeln jagen, die wir Dichter ihnen auf­ gerichtet haben. Ich streite für mich und für alle Dichter, vor allen Dingen für die Dichtung, die schließlich immer von neuem erlischt im geschwächten Körper.198 - Wird das nicht ein hun­ dertfaches Bejahen geben? Und wie ernst die Lage ist, erkennt man nicht zuletzt daran, dass soeben eine Wienerin im Stadt­ schloss ein Restaurant für notleidende Künstler eröffnet hat. ... Räumen Sie auf mit mir, h. P., da es sich auch hier handelt um eine Weltordnung. Aber wer ist h. P.? H. P. ist gewissermaßen der Nachfolger Gerhart Hauptmanns als oberster Schiedsrichter, h. P. ist das hochzuverehrende Publi­ kum. Und dieses soll nun über Herrn Flechtheim zu Gericht sit­ zen: Er rühmt sich seiner Perfidien, sie seien rheinisch. Ich aber und hoffe auch Sie, h. P., Sie finden es schweinisch. Heinrich 320

Heine aus Düsseldorf wäre erstaunt und erfreut über seine Waf­ fenschwester. Auch darf man den Flechtheims keineswegs Düs­ seldorf, den Rhein und die spanischen Herkünfte überlassen. Vielleicht ist Else Lasker-Schüler in Flechtheim zum ersten Mal ein wahrer Zyniker des Geldes begegnet, ein Mensch also, der der Macht, die das Geld ihm über andere, vor allem seine Angestellten, verleiht, nicht gewachsen ist. Das schweinisch ist viel mehr als bloßer Reim auf rheinisch, dass es überaus wört­ lich zu nehmen ist, spürt das h. P. beim Lesen sofort. Und wie­ der wandte ich mich zu der verstummten Tafelrunde, meiner lie­ ben mittellosen Freunde unter den Ostjuden gedenkend, der innigen Dichter, die der große rheinische Westjude täglich als Lumpengesindel ihrer armen Kleidung wegen zu titulieren pflegte, dabei ist ihr betender Talmudfinger reiner als Ihre un­ lautere Seele, Herr Flechtheim. Nur: sie streitet nicht gegen Flechtheim allein, der von Düssel­ dorf aus überall Dependancen eröffnet hat, sie streitet ausdrück­ lich im Namen der Dichter gegen die Verleger. Gegen einen al­ lein, das trägt nicht. Sie darf unmöglich in den Verdacht geraten, hier eine Privatfehde gewinnen zu wollen. Also zettelt sie einen literarischen Klassenkampf an. Dennoch, ihr Gewissen ist fein organisiert, sie hat es vorher genau befragt, und es hat ihr auch im Fall Cassirer - obwohl gewiss viel, viel leiser - geantwortet: Du darfst! Und wie mag sie sich ihrer unzähligen angstvollen, bittenden Briefe an Axel Juncker, ihren ersten Verleger, erinnert haben. Wieder fühlte sie einen heiligen Zorn in sich aufsteigen. Nur Heinrich F. S. Bachmair und Erich Oesterheld nimmt sie aus. Ihr wird genau das zum Ärgernis, was Karl Marx einst am Kapitalismus störte: Die Arbeiter schaffen den ungeheuren Reichtum des Industriezeitalters, aber sie haben nichts davon. Die Dichter schaffen den Reichtum der Verleger, aber - sie ha­ ben nichts davon? Sie weiß selbst, das klingt naiv. Naiv will sie nicht sein. Sie versteht ausdrücklich, dass aus Idealismus noch nie ein Verleger Bücher gedruckt hat. Sie verlangt ja nur eines: den gewissenhaften Verleger. Den Verleger als Gärtner, der, was er 321

ernten will, sorgsam pflegt und begießt. Sie fühlt sich schlecht begossen. Ein Gärtner und sein Obst - das ist eine Schicksalsge­ meinschaft. Die fordert sie ein. Sie verlangt Verleger, die uns körperlich und seelisch schonen, noch dazu in dieser Zeit. Denn noch dazu in dieser Zeit fällt es unangenehm auf, dass die Reichen nach einer Inflation immer noch reich sind, die aber, denen das Nötigste immer knapp war, nun gar nichts mehr ha­ ben. Sollte das Zufall sein? Was hätten einem Alfred Flechtheim schon die dreitausend Dollar bedeutet, die sie geerbt hat? Ihr haben sie viel bedeutet, schon als Sicherheit für ihr Kind, aber nun sind sie weg, haben sich aufgelöst in die vielen Nullen auf den Geldscheinen. Bis zum n. April 1924, gibt sie später an, habe sie mit ihrem Luxusbuch 11 Billionen Mark und 66 Mil­ lionen verdient. Es hört sich an wie: Nichts habe ich verdient! Aber vielleicht ist schon eine Schicksalsgemeinschaft zu viel verlangt. Sie hegt da einen schlimmen Verdacht. Hat nicht sogar Gott selbst sich aus der Schicksalsgemeinschaft mit seiner Schöp­ fung entlassen - Gott, der Verleger der Welt? ...ob Gott nicht selbst jung und ungeduldig seine Schöpfung: die Welt, dem Sa­ tan zu verlegen gab, der nun seinen Nutzen herauszieht? Solche Schöpfungsgeschichten zu denken lernt man nicht zuletzt bei Heine. Oder hat sie nur die Kabbalisten weitergedacht? In höl­ lischen Farben gebunden und eitel goldenen Lettern, liegt das Buch des Ewigen auf dem Tisch der Ewigkeit, über das er seine Allmacht verlor? Denn Zank und Hader enthalten sicher nicht die Zeilen Gottes, das Innere des Buches der Welt. Und Kunst, glaubt sie, ist göttlich. Der Künstler selbst: verur­ teilt, gleichzeitig erwählt und berechtigt, Trauer und Freude in­ tensiver getönter zu empfinden, als der tägliche Mensch, bleibt der Künstler der Leidtragende auf Erden, zumal seine kargen Verhältnisse seine Wünsche vergiften. So wird »Ich räume auf!« zugleich zu ihrem ästhetischen Bekenntnis. Was macht die Dich­ tung? Bevor sie es sagt, bittet sie ihr h. P. um etwas, denn sie weiß, dass jede Botschaft vorbereitet sein will: Rücken Sie näher zueinander, daß ich mein Herz auf Ihren Schoß legen kann ... Gedichte, sagt sie, sind es, die Euch die Welt vervielfachen, Euch entrücken in eine Paradiesinnerlichkeit, in der man nur durch 322

den Zauber der Dichtung schon im Leben heimzulanden ver­ mag. Daher rühre die Verantwortung des Verlegers: Der Ver­ leger, der sich für die Dichtung einsetzt, unterstellt sich in jedem Fall dem höheren Gesetze. Er verhilft ja Seelisches festzulegen. ...Er gehe doch einmal in sich. Falls er keine Angst verspürt, möge es ihm unheimlich werden um seines Herzens Kirchhof. Sie schreibt das alles nicht auf einmal, ihre Streitschrift hat Zeit zu wachsen, schließlich braucht sie zu ihrem Erscheinen einen Verleger, und dass sie auf diesen Berufsstand nicht mehr rechnen darf, weiß sie selbst: Wer wird noch von mir ein Buch drucken wollen ... Aber sie ist zufrieden mit sich, so zufrieden wie der Mensch nach großen Befreiungsschlägen sein kann. Plötzlich ist alles wieder neu, sogar die Sonne. Wie lange hat sie dieses doch so vertraute Gefühl nicht mehr verspürt? Ich bin nun nach 8 Wochen Hausarbeit in die Sonne gegangen. Und sie hat noch mehr Grund, froh zu sein. Vom düsteren Ausblick des Sommers - die Verlage betrügen mich, mein Kind verhungert - scheint zumindest Letzteres nicht einzutreten. Die bereits erwähnte bemerkenswerte Wienerin, die im Berliner Stadtschloss das Restaurant für hungrige Künstler eröffnet hat, holt Paul zu sich. Wer öfter in durchaus realistisches Schwarz sieht, dem scheint auch das plötzliche Licht heller als den mittleren Temperamen­ ten, denn sein Kontrastgrund ist schärfer. Wir Nichthungernden haben kein Recht, mit einer gewissen - im Falle Else LaskerSchülers längst üblich gewordenen - Nachsichtigkeit zur Kennt­ nis zu nehmen, wenn sich ihrem Blick die Zukunft, das schwarze Loch, für Augenblicke doch wie eine Verheißung öffnet: Paul hat Riesenglück: Unerhört feine Leute nehmen ihn Mittwoch Abend mit nach Wien: Freunde ... von Architekt Loos und Kraus. Sie waren hier um große Küchen für uns alle zu eröffnen, enorm rei­ che Leute, die durchaus Paul mitnehmen, daß er noch lernt und später zu ihren Freunden als Journalzeichner soll. ... Ich bin glücklich!1" Obwohl sie nun, kurz vor dem Höhepunkt der Inflation, Paul ganz neu einkleiden muss, ihm überhaupt alles wieder kaufen muss. Er hatte, was er besaß, tatsächlich versetzt. 323

De lewen Jongens ut Elwefeldt kommen sie schon wieder be­ suchen und sollen gut aufpassen, wenn sie zu ihr ins Hotel wol­ len: letztes Zimmer: 74 Kajütte, nicht stolpern, da lauter Tritte. Sie schreibt noch immer an ihrer großen Weltordnungsschrift, nun meist Brochure genannt, teilt Gebhard mit, wer außer ihr noch der Auffassung ist, dass Flechtheim aussehe wie eine Ratte, und kündigt Anfang November an, zum ersten Mal aus der Bro­ chure zu lesen. Ihr Finanzminister hat da noch Überarbeitungs­ vorschläge, wahrscheinlich sind es Milderungs-, Versöhnungs­ vorschläge. Aber kein Jota werde sie ändern, antwortet der Prinz seinem Minister. Außerdem sei kein Geld eingetroffen, von keinem Verlag, und selbst wenn, sie sei nicht bestechlich, ihr gan­ zes Ziel sei letztlich Selbstachtung wie ich von meinen Eltern lernte.300 Gebhard soll kommen, den Vortrag zu hören, schließ­ lich sei die Schrift ihm zugeeignet. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass das Vorstandsmitglied der Seidenwebereien Wm. Schroeder & Co. AG in Krefeld sowie der Gebhard & Co. AG in Voh­ winkel bei Elberfeld und zugleich beider Direktor an dieser Stelle einen großen Schreck bekommt, denn es ist nicht gut, als Kapi­ talist in den Verdacht quasi kommunistischer Agitation zu gera­ ten. Er wird sie mit Mühe davon abhalten können, diese Anklage ihm zu widmen. Am 25. November liest sie zum ersten Mal aus ihrer Schrift, im Berliner Theater Tribüne. Drei Tage später erscheint im »Ber­ liner Börsen-Courier« Herbert Iherings Fazit dieses ungewöhn­ lichen Abends: »Es gibt wenige Künstler, die heute noch den Mut haben, ihr eigenes Leben zu leben. Ein Leben fern vom Betrieb, einsam, ihren Phantasien hingegeben. Zu diesen wenigen, die sich nicht industrialisiert haben, gehört Else Lasker-Schüler ... Diesen Mut zu sich selbst, diese Versunkenheit in sich selbst ge­ ben dem Aufschrei >Ich räume auf< das Erschütternde. ... Else Lasker-Schüler findet Worte - tiefere Sinnbilder als sie tagesbe­ rühmte >Dichterfürsten< gefunden haben ... Worte voll reinerem Humor, als sie Humoristen jemals finden können.«301 Was Ihring stört, ist das allzu persönliche Detail - vom Turmschrei in Elberfeld, vom Knopfspiel, der Lasker-Schüler’schen Ursprache und anderem lesen wir hier -, es scheint ihm wie Abschweifung, 324

dabei möchte sie wohl so unauffällig wie möglich die nicht ganz irdische Herkunft der Dichtung bezeugen. In der Schweiz, dem nicht so kriegsversehrten Land, liest sie kurz darauf vor allem Gedichte und verdient für sich und ihr Kind. Ist es das neugewonnene Gefühl, auf eine ganz eigene Art auch mächtig zu sein gegen die Mächtigen dieser Welt, das sie - mitten im Vortrag - den direkt vor ihr sitzenden Herrn bitten lässt, sich einen anderen Platz zu suchen? Die unüber­ hörbare, allgegenwärtige Lautkulisse seines Schnupfens, fürch­ tet sie, beeinträchtige die Wirkung ihres Vortrags. Worauf das reichste Faktotum der Stadt schnaubend den Saal verlässt und sich auch andere, Unaufgeforderte, aus Solidarität oder Gefolg­ schaft erheben, viele Männer kahl und viele Frauen köpfig wohl 20 an der Zahl. Das berichtet sie am 7. Dezember 1923 launig aus ihrem Oasenzimmer mit Perserteppichen, und Riesenses­ sel ... und allem, was ihre Berliner Kajüte sonst noch nicht zu bieten hat. Sie steht hier in der Schweiz nun manchmal vor den Schlaraffenlandauslagen der Confiserien und studiert ungläu­ big die Preise, ich kann nur nichts mehr vertragen da Magen zu eingeschrumpftO02- Eigentlich will sie weiter ins Tessin, Richtung Paolo P., die beiden Wupperindianer sollen auch kommen, und dann geschieht es. Hochzuverehrender Karl Kraus Ich liege tatsächlich an Wundfieber im Bett, die Schwester ging eben fort. Ich kann nicht schlafen denn ich bin total ver­ nichtet und ich habe sechs Wunden und zittere am ganzen Kör­ per ... Ich sitze auf dem Bettrand, habe den Tisch ans Bett ge­ zogen und schreibe Ihnen, Karl Kraus. Es ist ihr Berliner Kajütenbettrand, auf dem sie sitzt in solcher Fassungslosigkeit, nur zehn Tage später, am 17. Dezember. Und dann fällt ihr immer nur einer ein, Karl Kraus. Die Wunden hat sie von den Schergen der Frau, bei der sie noch vor Wochen Pauls und damit ihr eigenes ganzes Glück vermutete: Eugenie Schwarzwald, der Wiener Wohltäterin, auch Fraudoktor ge­ nannt, weil sie in Zürich über »Gleichnis und Metapher bei Ber­ told von Regensburg« promoviert hatte. 32-5

Doch außer bei Bertold von Regensburg gedachte Fraudoktor es nirgends bei Metapher und Gleichnis zu belassen, insbeson­ dere nicht bei der Mädchenbildung, die bislang ihrer Ansicht nicht viel mehr war als eine Metapher. Sie gründete erst Mäd­ chenschulen neuen Typs, dann Kriegshilfen und zuletzt, wäh­ rend der Inflation in Deutschland, die Österreichische Freundes­ hilfe für Deutschland. Dieser Frau, diesem Friedensengel, hat sie ihren Paul anvertraut, und wie sollte sie nicht? Die eigenen Freunde verkehren in Fraudoktors Wiener Salon, und der Ornament-ist-Verbrechen-Radikalarchitekt Loos, von ihr voller Zärt­ lichkeit der Gorilla genannt, hatte die Schwarzwald-Wohnung in Wien gestaltet. Man besitzt, erfuhr Else Lasker-Schüler voll Freude und Überraschung, manchmal Freunde, von denen man gar nicht weiß. So dachte sie. Inzwischen hat sie Eugenie Schwarzwald immer wieder gebe­ ten, ihr doch ein Wort über Paul zu schreiben. Wie es ihm gehe. Was er mache. Auf Pauls Es-geht-mir-gut mochte sie sich nicht verlassen; sie wusste, etwas anderes würde ihr Sohn nicht schrei­ ben, selbst wenn er am Verhungern wäre. Vielleicht hat sie Frau­ doktor etwas zu oft gebeten. Als sie erfuhr, dass diese in Berlin war, ist sie hingegangen, in die Österreichische Gesandtschaft. Stand schon vor der Tür, als Fraudoktors Haare noch nicht frisiert waren. Hätte sie nicht Verständnis haben müssen, dass solches Betragen verstimmt? Hat sie selbst nicht einst, halb­ bekleidet, diese Unter-uns-Frauen-Pragerin vor ihrer Tür ange­ herrscht? In der Österreichischen Gesandtschaft fand sie Fraudoktor zum ersten Mal ganz verändert: dann sprachen wir uns im Salon, wo sie eiskalt zu mir war, ich erkannte sie nicht wieder ... Wochen später, vielleicht noch in ihrem Oasenzimmer mit Perserteppichen, vielleicht erst im Tessin, das sie als Eisschlucht vorfand, gar doppelt vereist, denn Paolo Pedrazzini war nicht da, hörte Else Lasker-Schüler eine innere Stimme - Kraus kann sie das so sagen, er weiß, dass sie Stimmen hört, auch die vom Erzengel Gabriel -, und sie kehrte schnell um, fuhr zurück nach Berlin. Und wirklich, die Schwarzwald war wieder in Berlin, wie ihr die Stimme gesagt hatte. Sie drang in die Schlossküche ein, zu 326

Eugenie Schwarzwald vor, dann kam es erst zu einer katastrophischen Unterredung und schließlich zur Katastrophe selbst: Sie winkte, zwei Herrn, grobe Kerle pufften mich mit Fäusten traten mich und ich weiß nur wie mir so rot vor den Augen wurde. Dann habe sie durch das Rot hindurch wieder die Um­ risse der Suppenküchenleiterin erkannt, worauf sie der Österrei­ cherin mit letzter Kraft eine Ohrfeige gegeben habe. Wahrschein­ licher ist, dass sie die sechs Wunden erst jetzt, nach der Ohrfeige, empfing. Aber was ändert das? Die leichtfertige Rede der Bio­ graphen von der unbeherrschten Frau, deren Emotionen öfter stärker gewesen seien als sie selbst, verstimmt. Zwei Männer ha­ ben sie ergriffen, mit Gewalt sollte das unerfreuliche Gespräch beendet werden. Nur eine Pudelseele nähme das ohne Gegen­ wehr hin. Sollte man nicht behaupten: Die Ohrfeige - ehrt sie? Vor der Tür heben Studenten die Ohnmächtige auf, bringen sie in ein Krankenhaus. Sie spricht von einem gebrochenen Schulterknochen und einem angebrochenen Knie. Die Misshandelte kann wohl nicht sagen, was mehr schmerzt, ihre sechs Wunden oder der Satz der Schwarzwälderin: »Ihr Sohn kann nichts!« Oder der andere: »Sie!!! holen Sie Ihren Sohn und machen Sie, daß Sie herauskommen!! Sie!!!« Jetzt bricht alles aus ihr heraus, die ganze Sorge um Paul, und ist nicht sie selbst schuld an allem, schon deshalb, weil sie seine Mutter ist? Und weil sie so allein ist und nicht einmal Kraus ihr hilft? Ich hätte einen Tropfen meines Lebens gegeben, wenn Sie sich einmal mit ihm unterhalten hätten mit diesem kleinen Jun­ gen, der begeistert, so wahr ich Ihnen schreibe, von jedem Wort gewesen war in Berlin in Ihrem Vortrag damals. Wenn ich nicht seine Mutter wäre, Paul stände ganz anders ... Ich schreibe mein Testament, ich bin so gebrochen von der Schmach von der Qual, die mir vor den hunderten Menschen in der Volksküche ohne jede Veranlassung... die Schwarzwald antat, ich bin still, ich bin leise wie ein Sterbender Kurz darauf fasst sie, was ihr widerfuhr, in den Satz: ... ich hatte ein Unglück auf dem Boden dieser Welt.

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Es wird Weihnachten, Paul ist nicht mehr bei Eugenie Schwarz­ wald, aber noch in Wien, in guter Obhut, glaubt seine Mutter. Ein Paket von den Ashers ist angekommen, hundertachtzig Pfund schwer, zwanzig davon sind Zucker. Sie packt um und schickt einen Teil des amerikanischen Weihnachtens weiter zu Paul nach Wien. Sie bedankt sich für die große Bonbonniere, die sie von ihrem Finanzminister bekommt. Und doch, sie hat jetzt fast so ein Weihnachten wie einst Peter Hille, sogar das Klingen der Glocken scheint ihr feindlich. Heiligabend 1923: Diese Kälte! Kajütte: Eiskammer. Was­ serstand: 2 Kilometer gefroren ...es erfrieren Mark und Kno­ chen, die noch flüssig waren vor paar Wochen ... Ich friere Sauerkraut und Pökelkamm Eiszapfen meine Seife Kamm u. Schwamm Und in den Kirchentürmen bimundbam Sind festgefroren an der Glocke Klang. Anfang Januar 1924 bekommt der andere Wupperindianer ein Dankesgedicht, ein Selbstermutigungsgedicht zum neuen Jahr: Kralls dicker Karl, seit der Stollen, Bin ich gesund und aufgequollen, Die Reste schmecken wirklich gut. Geschworen hab ich zwar: zwei Eide Und die Rosinen schwimmen mir im Blut. Sein oder nicht Sein, will und wollen Nur Euch zur Liebe habe ich den Mut -! Und schmause schon beim ersten Wagenrollen In Chocolade eingetaucht die Scheiben Stollen. Jussuft04 Der Prinz, Rosinen im Blut, trägt tapfer weiter seine Brochure vor, die inzwischen fast zu einem ganzen Buch angeschwollen ist. Nur welcher Verleger wird ein Antiverlegerbuch verlegen? Immerhin, Jacobsohns »Weltbühne« will Ausschnitte drucken und die Ordnungsschrift vielleicht sogar ganz herausbringen. Sie reist und liest, liest und reist und Anfang Februar kommt sie in Wien an, um auch hier zu lesen. Vor allem aber, um end­ 328

lieh ihren schwarzwaldbefreiten Sohn in die Arme zu nehmen. Manchmal gibt es keine größeren Befreiungen als die von Wohl­ tätern. Ein Durchreisender sah Paul schon vor seiner Mutter. Er hatte eine Stunde Aufenthalt in Wien, ging in ein Cafe, als ein großer blasser junger Mann »zu ihm trat, eine große Eiandzeichnung scheu vor ihn schob«. Rudolf Schottländer, »der ein großer Ken­ ner und Sammler war, entdeckte die Unterschrift des Blattes und fragte ihn: >Sind Sie der Sohn von Else Lasker-Schüler?Viennadie Jeneräle! Die Jeneräle! die sin unsere ein­ zige Chance.Und mich wird man nicht sprechen lassen?... Ich bin ein Fürst«.«458 Jetzt teilt sie Salman Schocken, dem Gründer der Kaufhaus­ kette Schocken und größten Unterstützer ihres diesjährigen Auf­ enthalts, mit, wie die jüdisch-arabische Versöhnung ins Werk zu setzen sei. Schocken ist viel mehr als ein Kaufhausdirektor, er hatte, noch in Berlin, ihr »Hebräerland« verlegen wollen, dessen Zentrum schließlich die jüdisch-palästinensische Versöhnung ist. Das Vor­ haben war an der Devisenfrage gescheitert. Hier in Palästina hat er die »Ha’aretz« gegründet, und es ist gut, eine Zeitung zu ha­ ben als Begleiterin der Versöhnung. Für die »Ha’aretz« schreibt sie nun auch. Der Sekretär des Verlegers hat schon ihre »Weiße Georgine« ins Hebräische übersetzt. Schocken zeigt ihr seine Ge­ mäldesammlung, seine Buchsammlung, aber nun soll er den Blick aus seiner Zeitung heben, seine Bilder vergessen: Adon, schmeißen Sie alle Bücher fort, lassen Sie uns Jahrmarkt bauen. Ich wollte es schon vorriges Mal. Erkundigte mich - Holz ganz einfaches - Karrossel - schwer mit bunten Glasperlen behän­ gen - Buden zum Zusammenklappen. Ich leite zuerst Karrossell mit hebräischen und arabischen kindlichen Volksliedern. Alle Kinder kommen von 4-9 Ehr abends, und sich liebende Men­ schen und freuen sich was. Auch Waffelbude. Was sagen Sie? Ich flieg sonst fort - was soll ich hier - da man wie eingesperrt. - Ich kann organisieren. Habe IdeeeenA^9 Sie hat sogar schon Handwerker gefunden, die die Buden bauen. Preiswert. Und der Platz für den Jahrmarkt ist längst ausgesucht, ganz nah, fast noch in Rechavia. Der Jahrmarkt-eine liebe reine Sache. Gott könnte kommen und sich mit den kleinen und großen Kindern freuen, überlegt die unermüdliche Besucherin von Rummelplät­ zen aller Art. So versöhnen wir zunächst das Volk Judas und des Arabers. 4*5

Kurz darauf detoniert fast vor ihren Füßen ein Sprengsatz, ein Milimetermili und Splitterfeuer von der Bombe, die 3 Min. von mir losging, hatten fast getroffen. Die »Palestine Post« vom 14. August titelt: »13 Injured by Bomb in Jerusalem Street. Mis­ sile Believed Thrown from Passing Car«4fio. Am selben Tag hatte sie abreisen wollen, aber ihre Rückfahrt verzögert sich ein we­ nig wegen Formalität. Das Einreisevisum für die Schweiz ist noch nicht da. Sie weiß nicht, was andere aus der Bombe lernen, sie lernt vor allem: Der Rummelplatz muss gebaut werden! Mag sein, Scho­ cken hat noch anderes zu tun, und im August von Palästina ist selbst sie kein guter Bauherr und Impresario von Rummelplät­ zen. 7-12 Tage muss sie wohl noch warten wegen der Formali­ tät. Sie hat eine schmerzhafte Bindehautentzündung, die will nicht besser werden im Wüstensand. Und Zürich liegt näher an Berlin, näher am Schicksal ihrer Nichten. Sie schreibt Edda und Erika am 25. August 1939, sie sollen Hedwig Grieger, Pauls Kin­ dermädchen, zu ihr in die Schweiz einladen. Sie wollte schon längst einmal kommen. Vier Tage später fragt sie Emil Raas: Ich kann nicht verstehen, warum, nachdem ich 6 Jahre in der Schweiz lebte, ich kein Vi­ sum bekommen soll? Ob ich denunziert bin? Schließlich hat sie sich längst an alle wichtigen Schweizer gewandt, einen Bundes­ rat, einen Dichter ... Aber die Behörden wollen sich durch nichts mehr beruhigen lassen. Am 23. August haben sie die folgende Auskunft ins Hotel Vienna gesandt, zuzustellen durch die Kon­ sulatskanzlei in Tel Aviv: »Das Gesuch um Erteilung der Aufent­ haltsbewilligung in Zürich ist von der kantonalen Fremdenpoli­ zei Zürich abgewiesen. Die Einreise in die Schweiz zu jedem anderen Zwecke als zur Durchreise innert 24 Stunden vor dem 23. August 1941 ohne ausdrückliche Bewilligung der Eidgenös­ sischen Fremdenpolizei in Bern ist untersagt. ... Begründung: Aus vorsorglich armenpolizeilichen Gründen. - Ueberfremdung.« Ja, aber sie wird weiter für die »Ha’aretz« schreiben, auch von der Schweiz aus, fünf Beiträge monatlich, dafür soll sie zehn Pfund bekommen, das muß doch die Behörden beruhigen, wenn ich Ihnen Abschrift oder Original Contract sende? 426

Sie verlässt sich ganz auf Raas, er hat die »Protokolle der Wei­ sen von Zion« als Fälschung entlarvt, er wird auch diesen Fall regeln. Man wisse hier nie, sagt sie ihm, wenn man hinausgehe, ob man auch wieder heimkehre, so gefährlich sei es. Aber nicht deshalb will sie zurück und aus dem Becher einen der Schweizer Berge, frisches Schneewasser trinken.*61 Ihr Mädchen, die treu­ este Seele, die sie auf Erden hat, kommt sie besuchen. Da muss sie doch da sein. Nur einen guten, tröstlichen Gedanken hat sie am 29. August 1939: Es giebt keinen Krieg - ich bin überzeugt, wir alle! Am 30. August schreibt sie an Edda in Berlin: Ich hatte Tante zu lieb. Hier sagte ein berühmter Professor »nach guter Bestrah­ lung der Wunde — fast keine Gefahr mehr.« Grüßt sie bitte! Das heißt: Sie liebt Deutschland noch immer, es ist heilbar, viel­ leicht schon auf dem Wege zur Besserung. Zwei Tage später beginnt der Zweite Weltkrieg. Hedwig Grieger hat für den 3. September 1939 eine Fahrkarte für die weiteste Reise ihres Lebens gekauft. In die Schweiz.

»So hat Niemand barfuß sein Herz gehen lassen durch die Menge.«

Dem Holden Ich taumele über deines Leibes goldene Wiese, Es glitzern auf dem Liebespfade bin die Demantkiese Und auch zu meinem Schoße Führen bunterlei Türkise. Ich suchte ewig dich - es bluten meine Füße Ich löschte meinen Durst mit deines Lächelns Süße. Und fürchte doch, daß sich das Tor Des Traumes schließe. Ich sende dir, eh ich ein Tropfen frühes Licht genieße, In blauer Wolke eingehüllte Grüße Und von der Lippe abgepflückte eben erst erblühte Küsse. Bevor ich schwärmend in den Morgen fließe. Sie ist eine, auf die man mit Fingern zeigt. Wenn die Kinder sie kommen sehen, lachen sie oder laufen weg. Meist tun sie beides. Oder sie rennen hinter ihr her. Sie verscheucht sie. Manchmal wagen sie sich ganz nah heran an die komische, kleine gebückte Alte im schmutzigen Pelzmantel mit den viel zu großen Ohrrin­ gen und der dunklen Kappe. Das ist nicht ungefährlich, denn wahrscheinlich, glauben die Kinder, ist sie eine Hexe. Würde sie ihnen sonst Geld geben, manchmal unglaublich viel? Oder sie weiß selbst nicht, dass es so viel ist. Erwachsene sagen ihr, sie soll nichts geben, die Jungen kaufen sich ohnehin nur Bonbons 428

dafür. Dann antwortet sie: »Tät ich auch!« Sie möchte io Häu­ ser für die ärmsten Kinder Jerusalems errichten lassen - jüdische arabische - wo sie gespeist werden, wo sie zunächst 2 Stunden unterrichtet werden.*61 Meist schimpft sie vor sich hin - wie eine Hexe eben. Sie sieht genau, wie die Jungen verhandeln, wer zuerst zu ihr gehen soll. Sie mag sie trotzdem. Sie möchte, dass die Zeitungsausru­ fer untersucht werden, ob sie ihre kleinen Lungen nicht gefähr­ den. Manche Eltern sind böse, wenn die Kinder die Alte ärgern, sie sagen, sie sei keine Hexe, im Gegenteil. Sie sprechen mit großer Ehrfurcht von ihr. Was ist das Gegenteil einer Hexe? Nur die Eltern der Eselstreiber sagen wohl gar nichts. Dabei bekommen die fast immer Süßigkeiten. Vielleicht sogar die Esel. Sie sollen die armen Tiere nicht prügeln, sie sollen Mitleid ha­ ben. Die kleinen arabischen Eselstreiber schauen ganz ernst, nehmen die Süßigkeiten. Wenn sie sich umgewandt hat, begin­ nen sie zu lachen. In meinem Schoße In meinem Schoße Schlafen die dunklen Wolken Darum bin ich so traurig, du Holdester. Ich muß deinen Namen rufen Mit der Stimme des Paradiesvogels Wenn sich meine Lippen bunt färben. Es schlafen schon alle Bäume im Garten Auch der nimmermüde Nor meinem Fenster Es rauscht der Flügel des Geiers Und trägt mich durch die Lüfte Bis über dein Haus.

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Meine Arme legen sich um deine Hüften, Mich zu spiegeln In deines Leibes Verklärtheit. Lösche mein Herz nicht aus Hu den Weg findest Immerdar. Sommer 1941 in Jerusalem. Die Alte, der die Kinder auf Jerusa­ lems Straßen nachrufen, ist dieselbe Frau, die diese Gedichte schreibt. Sie liebt. Sie wohnt nicht mehr im Hotel Vienna, sie hatte es schon im Mai 1940 verlassen müssen, weil britische Soldaten es brauch­ ten. Auch aus dem Hotel Atlantic musste sie ausziehen, nun sucht sie ein Privatzimmer. Sie wollte nie Untermieterin werden, ihr Leben lang ist sie den Privatvermietern aus dem Weg gegan­ gen - jetzt muss sie froh sein, wenn sie irgendwo ein Zimmer be­ kommt. Es herrscht große Wohnungsnot in Jerusalem. Sie ist vorläufig bei einem Zahnarzt und seiner Schwester eingezogen, die sind ein wenig zusammengerückt, auf dem Boden hat sie einen Platz zum Schlafen. Die Tage verträumt sie im Café Sichel. Manchmal fährt sie nach Tel Aviv, da lag das Meer vor mir und ich trank nur einen Schluck und setzte dann die ewige Schale wieder zur Ewigkeit. Ich fuhr ab immer rechts und links die seltsamen verstorbenen Berge die aber viele wieder grünen Und die Orangen in Höhen aufgestülpt.^ Manchmal steht sie auch Liebeswache vor dem Haus des Mannes, den sie liebt. Er hat eine Frau und Kinder. Was soll seine Frau denken? Was die Nachbarn? - So fragen Spießer, weiß sie, die konstitutiv Nichtliebenden. Sie macht sich lächerlich - vor denen, nicht vor Gott. Darum ist es ihr egal. Sie liebt. Sie liebt einen vierzigjährigen, verheirateten Mann. Er heißt Ernst Simon. Und was das Schlimmste ist: Er ist ein Beinahe-Professor. Er wird auch noch einer. Jetzt unterrichtet er am Lehrer­ seminar. Sie liebt einen Akademiker! Er ist so gebildet, dass er sogar mit Gershom Scholem befreundet ist. Sie versucht ihn da430

von abzubringen: Ich hab mich mit dem Kabbalisten schlagen wollen, aber er rennt immer fort, Adon.464 Simon hält auch Vor­ träge in der Synagoge ihres Jerusalemer Lieblingsrabbiners Kurt Wilhelm, den sie Pastor nennt. Simon predigt sogar beim Pastor. In der Synagoge hat sie ihn wohl zum ersten Mal gesehen. Er predigt auf Hebräisch, er trägt vor auf Hebräisch - etwa über seinen verstorbenen Freund Franz Rosenzweig, den sie schon seines Namens wegen mag und weil er Simon so wichtig war und: Sie versteht alles! Dabei ist ihr Hebräisch eine Sprache mit viel mehr als sieben Siegeln. Und so wird das bleiben. In Jerusalem wird seit Kriegsausbruch in der Öffentlichkeit nicht mehr deutsch gesprochen. Das macht sie einsam, sie ver­ steht nicht, was die Leute auf der Straße sagen. Mit ihr spricht Ernst Simon deutsch. Sie hat ihm ein Gedicht geschickt - er glaubte, auf eine solche Gabe mit einem Gedicht antworten zu müssen, »freilich mit dem eines dezidierten Nicht-Dichters, dem nur ein paar Jahre einmal ein Gedicht passiert. Ich sende Ihnen das letzte, entstanden vor fast 2 Jahren, in der Nacht vom io. auf den n. November 1938, als hier die Nachrichten von Pogrom und Synagogensturm in Deutschland eintrafen. Mein - kurz danach verstorbener - Vater ... kämpfte damals mit dem Tode, und sein Sterbezimmer lag un­ mittelbar über dem Hof der Synagoge Sigismundshof. Ich hatte ihn wenige Monate vorher noch zum letzten Mal besucht.«465 Simons Gedicht heißt »Gnade«, die erste Strophe lautet: Nun spielst Du, Vater, heiter mit dem Tode, Und er mit Dir - der Kampf ist aufgegeben. Noch fühlst und atmest Du - doch Deinem Leben Schwand, was ihm eigen bleibt: Maß und Methode. Ihre Antwort, zwei Tage später, war sehr kurz, sehr kühl, sie schickte ihm Brief und Gedicht zurück, sie fürchte, ich verliere Ihre Antwort auf meinen Robinsonfährten, oder in meinem Ka­ schemmenleben. Es lohnte sich schon inmitten der Gartenlau­ ben und ihren Bewohnern: Maas und Methode zu haben, aber der Sturm saust darüber weg, er muß.466 431

Es empört ihr Herz zutiefst, dass einem noch auf dem Sterbe­ bett nachgerühmt werden kann, das Höchste seines Daseins seien »Maß und Methode« gewesen. Traurigeres kann sie nicht denken. Vielleicht hat sie deshalb ein kleines Blatt zu dem zu­ rückgeschickten Gedicht gelegt - ihre Ehrung des toten unbe­ kannten Vaters, der gewiss mehr war als eine Inkarnation von Maß und Methode. Aber so wie dieser Nichtdichter es rühmt, scheint er selbst »Maß und Methode« für das Größte zu halten, was ein Mensch auf Erden erreichen kann. Ihre Liebe muss ein Irrtum sein. Ist sie denn hier von lauter Scholems umgeben? Neues über Scholem: Ein Clown ohne Ulk. Er ist nicht ernst, aber ernsthaft... 467 Doch dann sah sie Simon wieder, kaum eine Woche später, und nun sagt sie ihm vieles. Ihre Enttäuschungen in Jerusalem. Dass ihr Jonathan und David in Europa näher waren. Da dachte ich Sie könnten mich irgentwie ermutigen. Wie Sie Ihrem Freund ermutigten wie Sie Ihren wunderschönen ]ungen ermu­ tigen immerzu, immerdar. Doch nun ist es zu spät, ein kleiner Abgrund grub sich zwischen unsA6i Es ist nicht zu spät. Ihre Briefe werden nun Liebesbriefe, un­ terbrochen fast nur von einem Nichtliebesbrief, einem Weltord­ nungsbrief, der ist an Churchill - es ist schon der zweite - und der alte Jethro Bithell soll ihn weiterleiten.469 An den Papst hat sie sich auch schon gewandt. Man kann doch nicht Papst sein und einfach zuschauen! Sie hat das etwas päpstlicher formuliert. Englisch fiel ihr im Unterschied zu Hebräisch noch nie schwer, Churchill, der nun endlich aufwachen und seine Zigarre wegle­ gen soll, wird es lesen können. Ohnehin ist sie gerade sehr geübt darin, denn Briefe ins Ausland dürfen seit Kriegsbeginn nicht mehr deutsch geschrieben werden. Eigentlich gibt es nichts, was sie nicht auf Englisch sagen könnte, und doch ist sie dankbar da­ für, dass das Deutschverbot nur Briefe ins Ausland betrifft. Denn wie hätte sie den Satz Ihr Brief an mich war so lieb und ich wi­ ckelte mir, als es Abend wurde, mein Herz darin euA7° überset­ zen sollen? Oder: Als ich Sie sah, befanden wir uns in einem an­ deren Spalt der Welt. Niemand begegnete uns; und der Mond sagt nichts wieder ... Ich habe gesprochen! In der Synagoge da432.

mais lag ich im Gedanken auf Eurer Hand, (ganz fern.) Gott ist kein Spießer, er freute sich, Jussuf*7' Egal, wo sie jetzt hingeht - ob sie auf der Ben-Jehuda-Straße im Café Sichel sitzt oder bei Salman Schocken zu Besuch ist, der noch immer keinen Rummelplatz mit ihr eröffnen will -, sie trägt ihre neue Liebe immer bei sich. Auch wenn sie über die Schwelle des Büros für die Einwanderer aus Deutschland tritt, wo sie monatlich ihre Rente abholt. Manchmal möchte sie die auch zweimal haben, dann ist ihr Geld entweder alle oder sie hat vergessen, dass sie es schon geholt hat. Sie bekommt eine Rente von fünfzehn Pfund oder mehr mo­ natlich von der Jewish Agency und von Salman Schocken, das ist nicht wenig, ein mittleres Beamtengehalt - der Mann, der es ihr auszahlt, ein Familienvater, hat 17,50 Pfund im Monat. Nach Auskunft dieses Finanzobmanns bekam sie sogar zwanzig Pfund. Man hat ihr den »Ehrensold« bald gewährt, nachdem alle wuss­ ten, dass Else Lasker-Schüler nun wohl für lange Zeit in Jerusa­ lem bleiben würde. Vielleicht hat sie das zuletzt begriffen. Vielleicht erst im De­ zember 1939, als die Spedition Société par actions Danzas & Cie, Transports Internationaux aus Zürich sich bei ihr meldete: Zwei Gepäckstücke, ein Handkoffer und ein sehr großer Koffer, insgesamt 76,3 Kilo, befänden sich bei ihnen auf Lager. - Sollte sie also doch noch in ihrem großen Schweizer Koffer aus dem Kaufhaus Brann am Strand von Jaffa schlafen und tagsüber Mu­ scheln hineinlegen? Aber sie hat gar keine Zeit zum Muschelnsammeln, sie muss arbeiten. Denn alles in ihr sträubt sich, eine Rente anzunehmen. Renten bekommen Menschen, die alt und zu nichts mehr nütze sind, also nicht sie. Sie kann die fünfzehn oder zwanzig Pfund nur annehmen, weil sie sie als Honorar versteht, als Gegenleis­ tung für harte Arbeit. Und sie schont sich nicht. Sie arbeitet an ihrem neuen Schauspiel, einem Schauspiel, wie es die Welt noch nicht gesehen hat: Die Nazis erobern die Hölle! In ihrem Schauspiel kommen vor: sie selbst, Faust und Me­ phisto, Frau Marthe Schwertlein, Hitler, Göring und Goebbels, 433

der Baal, ein Jerusalemer Augenarzt und viele, viele andere ... Das ganze Welttheater in ihrem Kopf: »Ichundlch« also. Und auch das Herz von Ernst Simons Vater spielt mit, ein Herz aus »Maß und Methode«, aus Mass und Mäßigung, so ein mittle­ res bürgerliches Erdenherz wie es die meisten Menschen haben, eins von den Herzen, die sie nie ganz verstehen wird. Max Reinhardt soll es inszenieren, sie weiß auch schon, wer Faust und Mephisto spielen wird: Karl Hannemann ist - wie in Berlin schon - Mephisto und Aribert Wäscher ist Faust. Zur Si­ cherheit, und weil beide nicht da sind, schreibt sie die Besetzung gleich mit in ihr Schauspiel. Die beiden Berliner Schauspielerfreunde haben auch sie nie vergessen: Die Leber ist von einem Hecht Was längst schon ohne Reiz ist. Uns geht es allen furchtbar schlecht. Weil Jussuf in der Schweiz ist.471 Und nun ist sie noch weiter weg. Es hilft nichts, vorerst wird sie allein alle Rollen spielen müssen. Sie kündigt ihren Auftritt für den zo. Juli 1941 im Berger Club, Jerusalem, an. Und alle, alle kommen. Bis auf Gershom Scholem natürlich. Aber der andere Professor, mit dem sie sich immer wieder ver­ trägt, obwohl sie seine Bibelübersetzung nicht mag und er ein schlechtes Gedicht nicht von einem guten Gedicht unterscheiden kann, ist gekommen. Es ist so voll, dass Martin Buber stehen muss. »Ich und Ich. Da sitzt nun diese 65 Jahre alte Frau, arm, ge­ brochen, sie wird bald sterben, und sagt, ihr Vers sei die einzige Illusion, die sie nicht getäuscht habe, spricht von Wolfgang Ephraim Goethe, zerteilt sich in Faust und Mephisto, läßt die­ sen sagen, er habe jenen aus der Bourgeoisie* gerettet. Sie läßt den Teufel angesichts dieser Welt der Hitler, die in die Hölle ein­ bricht, kapitulieren, sie läßt Göbbels sich mit Frau Marthe Schwertlein kopulieren, sie beschwört alle Zauber des alten, ed­ len Deutschland. Sie verstößt gegen die Grammatik, sie spricht 434

gelegentlich auch im Vers platte Alltagssprache, reimt assoziativ wie Kinder oder Kranke und ist doch in ihrer Gesamtwirkung von erschütternder Großartigkeit. Das ist sie, wie in Urzeiten: die Dichtung, Phänomen des Wahnsinns, an dem sich die Welt nicht erneuert, das sie aber in alle Ewigkeit beschämt« .473 - Man muss wohl selbst Dichter sein, um so über Dichtung schreiben zu können: Werner Kraft, der Kronzeuge Else Lasker-Schülers, ihr großer Propagandist. Anfang des nächsten Jahres erfährt er, dass sie nicht Mitte sechzig, »sondern mindestens 74 Jahre alt« sein soll. »Dann ist ihre Vitalität ungeheuer.« Im September 1923 hatte Werner Kraft zum ersten Mal in sei­ nem Tagebuch über sie nachgedacht: »In Berlin habe ich übri­ gens wieder Gedichte von Else Lasker-Schüler gelesen und finde einige von ihnen nun endgültig bis zur Erhabenheit groß ... Bild, Sprache und Symbolik in diesen Gedichten ist vollkommen neu.« Er hat ihr Briefe geschrieben, nicht alle abgeschickt, er gra­ tulierte ihr auch zum Kleist-Preis. Aber erst hier, in Jerusalem, hat sie ihn wohl wahrgenommen. Andererseits ist er noch im Februar nach ihrem Tod überzeugt: »Ich glaube nicht, daß sie einen Menschen wie mich gesehen hat, und gleichzeitig hat sie mich doch gesehen.«474 Ja, hat sie. Er sei der einzige dichterische Mensch hier, hat sie ihm im Juni gesagt. Und er sagt ihr, dass er keinen Künstler kenne, der so wie sie eine Mischung aus Dilettantismus und Genie sei. Und ihr Vor­ trag: »Die Nüchternheit eines so ekstatischen Menschen ist ein­ fach erstaunlich.« Seine präzise, schöne hochachtende Nüch­ ternheit auch: »Sie kann kein Deutsch. Aber das >wider dem Verbote« ist hundertmal stärker als jede >richtige< Wendung, die man erdenken könnte.«475 Werner Kraft ist noch etwas: Zeuge dieser unmöglichen gro­ ßen Liebe. Er ist ihr Freund. Er ist Simons Freund. Und er ist bei­ der Mittler. Sie fragt ihn nach Art der Verliebten aus, will alles wissen »über S.«. Und »S.« liest ihm mitunter noch am selben Abend ihre Briefe vor - aus Hilflosigkeit, aus Ratlosigkeit -, und der Befragte kann nicht umhin, sie schön zu finden. Er versucht, ihre Liebe zu tadeln. Als ob eine Liebe sich tadeln ließe! Sie hat kein Herz aus »Maß und Methode«. 435

29. September 1941: »Sie ist »verliebt« in S. mit allem Zubehör der List, der Dämonie, der edlen Entsagung, des rasenden Begeh­ rens ... Ich bin der Vertraute, der in den Roman verwebt wird.... S. verhält sich in seiner Ablehnung grundsätzlich richtig. Es ist unmöglich, einem Dämon den kleinen Finger zu reichen.«476 * Es wird Winter in Jerusalem. Es ist schon der dritte im heilig-unheiligen Land. Am 10. Januar 1942 machen sich alle gerufenen Indianer von Jerusalem und Umgebung auf den Weg zur ersten Indianervollversammlung. Else Lasker-Schüler gründet einen »Kraal«. Und sie ist der Häuptling. Sie bestimmt, ob und wer wann sprechen darf. Wer überhaupt kommen darf. Zuerst will sie sagen, was der Kraal will und wie er aussieht, mir ähnlich. Für den ersten Abend hat sie Martin Buber zum Hauptredner be­ stimmt. Vielleicht, weil er bei ihrer »Ichundlch«-Premiere stehen musste. Und weil er, glaubt sie, doch ein guter, ein lieber Profes­ sor ist. Er dürfe erzählen, was er wolle, vom Kabbalisten Lurja - besonders gern -, aber auch von sich selbst. Buber entscheidet sich für unveröffentlichte Geschichten vom Berdyezewer Rabbi. Beginn '/2 9 Uhr abends im Saal: Centre de Culture Française: Ben Jehuda Str. 3. Für dieses eine Mal mag es gehen, denn der Kraal soll ganz woanders tagen: in ihrem Zimmer. Sie hat ein Zimmer bekom­ men, ein großes, helles Zimmer mit einem Baum davor. Ein Kraalzimmer. Es ist schön, sie möchte fliegen darin. Ihre Ver­ mieterin heißt Leokardia Weisenfeld und kommt aus Russland. Sie können beide kein Jiddisch. Sie nicht, weil sie aus Elberfeld stammt. Leokardia Weisenfeld nicht, weil sie gar keine russische Jüdin ist, sondern nur einen russischen Juden geheiratet hat. Sie sprechen beide zerbrochenes Deutsch, jede das ihre. Sie verste­ hen sich sehr gut. Der erste Abend wird ein großer Erfolg, aber Ernst Simon ist nicht gekommen, das macht sie traurig. Ihre Tage sind nun ge­ füllt, der nächste Kraal kommt bestimmt, und sie muss sich um alles kümmern. Die Einladungen schreibt sie per Hand und trägt 436

sie selbst aus. Sie sitzt an der Kasse. Die Eintrittspreise schwan­ ken, sie müssen vor allem den Stromverbrauch decken. Zu ihrer »Arthur Aronymus«-Lesung im November ist der Eintritt frei, aber: Vorheriger Austritt 20 Piaster. In ihrem Kraalzimmer tagt der Kraal dann doch nie, vielleicht, weil es nur einen Stuhl darin gibt. Und weil sie nicht zugleich al­ les organisieren, an ihrem neuen Palästina-Buch weiterschreiben und auch noch aufräumen kann. Und weil auf der anderen Seite des Zimmers der unbegehbare Tibetteppich liegt. »Das war ein kleiner oller Teppich, auf den durfte man nicht treten«, sagt viel später ihre beste Freundin. Sie heißt Meira und ist die kleine Tochter der Vermieterin. Meira darf »du« zu ihr sagen. Sie gehen dreimal in der Woche ins Kino und spielen zusammen. Meira mag ihre Freundin, sie schämt sich aber vor den anderen Kindern, mit ihr gesehen zu werden. »Sie sah aus wie eine verrückte Frau. Sie war alles, was pfui-pfui war.«477 Nicht dass sie schlecht gerochen hätte: »Sie war rein, ihr Körper war nicht schmutzig. Ich wußte als Kind im­ mer, wenn jemand schlecht gerochen hat. Das tat sie nicht, wenn ich mit ihr Hand in Hand zusammen gegangen bin.«478 Meira mag ihre Hände »kräftige, starke Hände, starke Finger« und ihren Witz, ihr »schönes Lachen«. Wenn nur die anderen Kinder nicht wären. Und wenn sie beim Laufen neben der alten Frau nicht so große Schritte machen müsste, denn obwohl Meira jung ist und Else alt, ist Else schneller. Aber die Leute im Haus sagen zu Meira, dass ihre Freundin eine große Frau sei, man ihr das bloß nicht ansehe, aber eines Tages werde sie, Meira, stolz sein, Else Lasker-Schüler gekannt zu haben. Wenn sie losgehen, er­ mahnt Meira die Freundin immer, nichts Komisches oder Pein­ liches zu machen. Komisch und peinlich ist alles, was kein Mensch sonst tut au­ ßer ihr. Und das ist einiges. Wenn sich irgendwo eine dichte Men­ schentraube bildet, ist es nicht unwahrscheinlich, dass sie sich in der Mitte befindet. Etwa als sie diesem Araber, der ein kleines Kalb mit verbundenen Augen an einem Strick hinter sich her­ zieht, das Kalb wegnehmen will. Vielleicht hat sie den Anblick seines harten, nicht locker lassenden Griffs nicht ertragen oder 437

dass das Kalb nichts sehen kann beim Laufen: »Sie böser Mann, lassen Sie sofort das Tier los! Das wird nicht geschlachtet!« - Sie bedroht ihn mit ihrem Stock, er lässt sein Kalb trotzdem nicht los. Er hat auch keine Vorstellung davon, was diese offenbar ver­ rückte Frau von ihm will. Egal was, er lässt nicht los, das ist sein Kalb. Egal wie, sie lässt auch nicht los, sie muss dieses Kalb ret­ ten, wenn sie schon den vielen Eseln so wenig helfen kann. Im­ mer mehr Menschen sammeln sich um die drei, die sagen nichts, mischen sich nicht ein, schauen nur und sind gespannt, wie es weitergeht. Plötzlich lässt Else Lasker-Schüler los, läuft mit einer ungeheuren Behändigkeit ins nächste Café, lässt sich das Tele­ fon geben und ruft erst die Polizei, dann den Leiter der Jerusale­ mer Veterinärmedizin an: »Hier spricht ein Kalb. Man führt mich im Augenblick mit verbundenen Augen über die Jaffa­ straße, was gedenken Sie, dagegen zu tun?«479 Wenn Meira mit ihrer großen Freundin, die eigentlich ihre kleine Freundin ist, ausgeht, soll so etwas nicht passieren. Und dann passiert meist doch etwas, und Meira ist böse und Else lacht sie an und erklärt: »Ich habe es mit Absicht gemacht!«480 Nach dem Kino gehen sie meist essen, »in einem sehr guten, teu­ ren Restaurant«, nur ihr Brot darf Meira nicht essen, denn das ist für die Vögel. Halb Jerusalem weiß, dass sie einen »bedeutenden« Teil ihres Geldes für Vogelfutter ausgibt. Der Maler Mirón Sima läuft an dem kleinen öffentlichen Gar­ ten in der Gazastraße vorbei, als er Scharen auf- und niederflie­ gender Vögel bemerkt und die Stimme einer älteren Frau hört. Else Lasker-Schüler? Er schaut zu, passt aber auf, dass sie ihn nicht bemerkt. So hat er sie schon oft gezeichnet. Was den jun­ gen Maler aus Dresden zunehmend irritiert, ist, dass er nichts von dem versteht, was sie sagt. Bis ihm klar wird, dass es gar keine richtige Sprache ist, vielmehr »ein improvisiertes, selbst­ erfundenes Idiom, in dem sie auf die Vögel einredete. Hatte sie nicht im Grunde recht? Welcher Vogel versteht deutsch, franzö­ sisch oder hebräisch? Es müßte eher eine Sprache sein, die dem Gurren oder Zwitschern oder sonstigen Tierlauten verwandt, al­ len Beteiligten verständlich sein könnte. Else Lasker-Schüler sah 438

»Was mir auffiel, waren ihre Augen. Tief, dunkel, durchdringend ... ein Blick, der hinter dem Geschauten manches vermutete, abtastete, anleuchtete.« (Miron Sima)

wie verwandelt aus. So hatte ich sie noch nie gesehen. Ihre Züge waren gelöst, der Blick weich und die Bewegungen spielerisch, und seltsam genug, sogar ein wenig kokett.«481 - »Das Gebet«: Des Tieres Seele hingegen hängt noch blind in seiner Körperillu­ sion am Kosmos, noch nicht irdischer Verantwortung überge­ ben. Der Dichter im Zustand des Dichtens erlebt illuminiert den Halbschlummer des Tieres, aber auch der Pflanze und des Steins. Die Dichtung bettet sich neben Gott. ... Das Tier wie die Pflanze, auch der Stein, noch gewissermaßen an der Schnur der Schöpfung hangend, zählen zu den noch nicht ausgetragenen Schöpfungen zwischen himmlischen und irdischen Ozonen. ... Das Bewusstsein des Tieres ist der Trieb, ihn zähmen zu wollen, so paradox es klingen mag, geschmackloser Frevel. Des Tieres elementaren Weltenschlummer zwischen Zeit und Ewigkeit ver­ suche man nicht zu kitzeln.**1 - »Sie streute das Futter nicht nur auf den Boden, sondern warfes auch mit hochschnellenden Be­ 439

wegungen in die Luft. Ihre Stimme war zuweilen leise und be­ schwichtigend, dann wuchs sie an, wurde laut und stürmisch und vermengte sich mit einem hellen Lachen. ... In diesen Augenblicken begriff ich tiefer als je zuvor das Urmenschliche, Urnatürliche im Wesen der Dichterin.«483

In die Höhlen schleiche ich Mit den Pantern In der Nacht. So bange mir in der Dämmerung Weh ... Legen sich auch schlafen Die Sterne auf meine Hand. Du staunst über ihr Leuchten Doch fremd dir die Not Meiner Einsamkeit. Es erbarmen sich auf den Gassen Die wilden Tiere meiner. Ihr Heulen endet in Liebesklängen. Du aber wandelst entkommen dem Irdischen Um den Sinai lächelnd verklärt Fremdfern vorüber meiner Welt.

Dem Verklärten heißt dieses Gedicht. Sie schickt ihm wohl auch dieses, bevor es erscheint. Er will längst nur noch im Brief mit ihr sprechen. Weil sie zwei ganz verschiedene Herzen haben, hat er gesagt. Er könne nicht wie sie »im glühenden Zentrum des Herzens« leben. Er brauche die kühlere Hautoberfläche in der Berührung mit fremdem Leben. Ja, er brauche ein Dasein mit Maß und Methode, fremdfern ihrer Welt. Anders überlebe er sich nicht. Bei ihr dagegen, das weiß er wohl, sind Herz und Haut eins. Das mache ihr Leben so groß. Und so schwer.484 440

Sie schreibt an ihrem zweiten Palästinabuch, das sie nicht voll­ enden wird, hört die Nachrichten aus Europa und hat Mühe, sie zu begreifen, sie ganz zu begreifen. Sie geht mit Meira ins Kino und trägt die Einladungen für den Kraal aus, der aus Ermange­ lung einer genügenden Anzahl Dichter in Jerusalem schon zu Themen übergehen muss wie »Der Jude als Patient« oder »Du und der Luftschutz«. Und immer wieder schreibt sie ihm, unend­ lich viele Briefe, schreibt an einen, der in derselben Stadt wohnt, in ihren immergleichen Tagen: Um 7 Uhr auf um V28- Zimmer reinigen, Bett ausklopfen draußen, entwanzen, entlausen, um Vz 9 karges schlechtes Frühstück, um 9 Café um V2 10 Café II Caféhaus III. und um 12 miserable Mittag.4*5 Und da sind noch der ganze Nachmittag, der ganze Abend übrig. Zu ihrem »feier­ lich gehobenen Dasein« hatte Thomas Mann gratuliert. Das Entlausen und Entwanzen, vielleicht sogar das Aufräu­ men würde ihre Vermieterin gern übernehmen, und zwar mit Lysol und Karbol und mit Handschuhen. Entweder, sagt Meiras Mutter, man muss der Frau helfen oder sie muss raus. Meira schämt sich für das Zimmer ihrer Freundin. Meira darf rein, aber ihre Mutter nicht, schon gar nicht mit Lysol und Karbol. Leokardia Weisenfeld und Else Lasker-Schüler sprechen längst nicht mehr dieselbe Sprache. Die Untermieterin ruft alle guten Geister und Rabbi Pastor Wilhelm, Werner Kraft und Ernst Simon zum Beistand gegen diese Frau, die sogar imstande wäre - wenn sie es nicht so tapfer verhindern würde - sich mit Kar­ bol und Lysol am Tibetteppich zu vergehen. Ernst Simon kommt und die Vermieterin schlägt ihm vor: Wa­ rum nehmen Sie die Frau nicht zu sich? Jeden Tag würden Sie ein Lied kriegen, und Sie sind der große Mann! Herbst 1943. Nicht nur Leokardia Weisenfeld unterliegt der Dichterin des »Blauen Klaviers«, das jetzt viele kennen in Jeru­ salem. Ihr letzter Gedichtband ist erschienen, darin auch die Ge­ dichte An ihn. Wer Deutsch versteht in dieser Stadt, liest mit Ehrfurcht, die Verfasserin erregt eher Furcht, selbst bei ihren Nächsten. Werner Kraft am 15. November 1943: »Ich komme zu ihr, morgens um Vi 11 Uhr. Schmutz in ihrem Zimmer. Sie 441

muß alles allein machen. Sie schimpft schrecklich auf ihre Wir­ tin, auf die Juden, auf alles. Kocht sich ein Ei. Will es im Stehen essen. Ich sage, sie soll sich einen Stuhl nehmen, ich könne nicht sitzen, wenn sie steht. Wird ärgerlich auf mich, tut es aber. Sie hat Kakao gekocht, nimmt den Topf und läßt ihn auf die Erde fallen. Schimpft auf mich, weil sie immer denken müsse, daß ich ihr etwas sage. Ich will gehen. Sie läuft mir nach. >Sie sehen mich nicht wieder, wenn Sie jetzt gehen!< Ich bleibe. Später gehe ich doch. Sie ist einverstanden. Warum erzähle ich das alles? Weil ich ihre Lage so spüre, daß mir die Haut schaudert. So kann es allen gehen, so kann es auch mir gehen. Es gibt keine Hilfe, aber wenn ich Gift hätte und sie wollte es haben, ich glaube, ich würde es ihr geben. Noch ein paar herrliche Gedichte, gewiß. Aber der Preis, den sie dafür zahlt, ist zu hoch. Vielleicht hätte ich gegen jeden Widerspruch ihr helfen müssen, das Zimmer sauber zu machen, den Fußboden aufzunehmen usw. Ich fühlte mich zu schwach dazu, den Kampf mit ihr aufzunehmen.«486 Man kann nicht gewinnen gegen sie. Am größten - und strengsten - Feiertag der Juden, am Jom Kippur, sitzt die Dich­ terin des »Versöhnungstages« in der Synagoge und: isst Schoko­ lade. Der Synagogendiener nähert sich ihr, wohl ganz so wie der Elberfelder Synagogendiener einst auf den störenden Aron Schü­ ler zugetreten ist: »Herr Schüler, eck verlier mine Stellong ... wenn eck Önck nicht ganz ergebenst herausholen tu.« Der Jeru­ salemer Synagogendiener bittet die Dichterin des »Versöhnungs­ tags«, die Schokolade nicht aufzuessen, nicht hier in der Syna­ goge. Ein unwiderrufliches »Stören Sie meine Andacht nicht!« ist die Antwort.487 Sie möchte sterben. Sie kann nicht sterben. Für ein Bonbon leb ich weiter. Ihr Herz, das zu schwach ist für das Heilige Land, krampft sich öfter zusammen als früher. Manchmal finden Freunde sie unterwegs, sich an einem Baum, einer Wand festhaltend. Und nicht immer geben sich Hunde die Mühe, Frau und Wand zu un­ terscheiden. Sie glaubt, es liegt an ihr. Sie erträgt die Nachrichten aus Europa nicht, nicht einmal die guten, die guten-schrecklichen. Ihr Finanzobmann in der Jewish 442

Agency findet eines Tages einen Zettel auf seinem Schreibtisch: »Ich möchte nicht, daß das Wuppertal bombardiert wird.«488 Im November 1944 ist sie wütend auf die Menschen, die sie überleben werden. Für den Kraal hat sie keine Kraft mehr und doch hat sie am 26. Oktober noch einmal gelesen. »Frische Eier statt 10 Piaster Eintritt willkommen«, stand auf der selbstge­ malten Ankündigung. Sie würde gern noch einmal zu den Kes­ tenbergs in Tel Aviv, und zu den Grosshuts in Haifa muss sie auch, aber später: Seid nicht böse, Sina und Salander, ich bin traurig für alle miteinander. Euer Jussuf.^9 Sie muss auch wie­ der mit Meira ins Kino gehen. Werner Kraft schlägt ihr vor, einen Club der Unsterblichen zu gründen mit Goethe, Schiller und Karl Kraus als Mitgliedern. Er sagt ihr, dass Liebe die Ver­ wirklichung des Unmöglichen ist. Sie mag diesen Gedanken. Liebe? Eine große Angst befällt sie: Wenn sie nun nie mehr lie­ ben könnte? Sie denkt über den Antisemitismus nach, unternimmt immer neue Versuche, ihn zu begreifen. Der Antisemitismus: Gehört zur Erbschaft, eine Eigenschaft, die erblich, die man erbt. Ein Unvermögen. Ein Unvermögen, an dem der Erbende - verarmt. Oft nimmt dieses unechte Vermögen den ganzen beglückten fleischigen Cassenschrank des Erbenden ein, sein gut versiegel­ tes Herz oder es verschwendet so im Vorbeigehen mit seinen bleiernen Thalern bewerfend. ... Ich hatte mir vorgenommen überhaupt nicht mehr meine Empfindungen niederzuschreiben. Und doch wird zum Beispiel so ein lyrisches Gedicht von oben unsichtbar, unhörbar dir dem Dichter und mir in Herz gegossen wie in eine Schaale ... Der Antisemitismus: Ihn, erachte ich für einen Erbteil vom Va­ ter auf den Sohn. Ein Erbe mit dem der Erbende selten umzuge­ hen weiß. Ja er bewahrt den ihm zugefallenen unechten Schatz indem er sich nicht etwa bemüht ihn zu bewahren im Safe seines Herzens, doch ihn bei Gelegenheit zu verschwenden, um seine Seele zu verarmen. Denn die Thaler des Antisemitismus führen zum Bankerott der Seele.... Durch die ewigen ungerechten Miß­ handlungen giebt es ein standgehaltenes Israel aber auch ein 443

Misrael. Ich habe darum ... nicht das Recht es zu richten, aber ich bin nicht so groß es zu lieben.490 Es sind noch mehr Versu­ che, das ihrer liebenden Natur letztlich Unbegreifliche durchs Begreifen zu bannen; sie beginnen fast immer gleich und brechen doch alle ab. Am 16. Januar 1945 wird Else Lasker-Schüler mit einem schwe­ ren Herzanfall in das Hadassa-Krankenhaus auf dem Skopus ge­ bracht. Sie stirbt einen langen schweren Tod. Mein Herz liegt bloß,/mein rot Fahrzeug/Pocht grausig. Der große Mitdichter und Hauptadressat ihrer Dichtung zugleich ist schon unvergäng­ lich. Und sein sterblicher Teil? Sie hat auch jetzt kein mittleres Erdenherz, es will nicht aufgeben. Es wehrt sich über Tage. Else Lasker-Schüler stirbt am 22. Januar 1945 morgens um 7.25 Uhr. Am 23. Januar wird sie auf dem Ölberg beigesetzt. Rabbiner Pastor Kurt Wilhelm spricht ihr Gedicht Ich weiss. Ich weiss ... Ich weiss, dass ich bald sterben muss Es leuchten doch alle Bäume Nach langersehntem Julikuss Fahl werden meine Träume Nie dichtete ich einen trüberen Schluss In den Büchern meiner Reime. Eine Blume brichst du mir zum Gruss Ich liebte sie schon im Keime. Doch ich weiss, dass ich bald sterben muss ... Mein Odem schwebt über Gottes Fluss Ich setze leise meinen Fuss Auf dem Pfad zum ewigen Heime.

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Die anderen

Fünf Tage nach Else Lasker-Schülers Tod, am 27. Januar 1945, wird das Vernichtungslager Auschwitz befreit. Den Nichten Edda und Erika ist die Flucht aus Berlin nicht gelungen. Am 3. Februar 1945 stirbt Erika Lindner bei einem Bombenangriff im U-Bahnhof Bayrischer Platz. Edda Lindner überlebt in Berlin. Die Nationalsozialisten hatten ihren Vater Franz Lindwurm-Lindner gedrängt, sich von seinen Kindern zu trennen, worüber er vollends zum Pflegefall wurde. Herwarth Waiden ist im Oktober 1941 in einem Gefängnis bei Saratow gestorben. Else Lasker-Schülers Elternhaus in der Elberfelder Sadowastraße bleibt unzerstört. Über das weitere Leben Hedwig Griegers ist nichts bekannt. Ernst Simon (1899-1988) wird 1950 zum Professor für Päda­ gogik an der Hebrew University Jerusalem berufen. Die von Emil Raas (1910-1993) mitbegründete Berner An­ waltskanzlei existiert noch immer. Paul Goldscheider (1902-1983) wiederholte in London sein medizinisches Examen und arbeitet dort als praktischer Arzt. Gottfried Benn blieb für die nationalsozialistischen Kunstwarte trotz allem ein »Schmutzfink«, wurde Oberstabsarzt der Wehr­ macht und schrieb vernichtende Betrachtungen über »Kunst und Drittes Reich«. 1945 wird er mit Publikationsverbot belegt. Er stirbt 1956 als großer Dichter der Bundesrepublik. Paul Zech emigrierte nach Argentinien, schrieb dort noch sie­ 445

ben - zu Lebzeiten unveröffentlichte - Romane. Im September 1946 stirbt er in Buenos Aires. Emmy Hennings gehörte ab 1916 zum Züricher Dada-Kreis und heiratete 1920 Hugo Ball. Sie wurde zur Vertrauten Her­ mann Hesses. Früh verwitwet, schlägt sie sich nach dem Krieg wieder so mühsam durchs Leben wie am Anfang. Sie stirbt 1948 in Lugano. Maria Marc warb nach dem Tod ihres Mannes für dessen Werk. Sie stirbt 1950 in Ried. * Niemand hat den Lebenswiderspruch Else Lasker-Schülers - vor allem den ihrer letzten Jahre - einsichtsvoller beschrieben als der Maler Miron Sima: »Man kümmerte sich um sie, aber sie ge­ hörte zu niemand. Und so war sie mitten unter Leuten von Ein­ samkeit umhüllt, als würde sie ihre Zelle mit sich herumtragen, wie eine Schnecke ihr Schneckenhaus.«491

Anmerkungen

1 Alle Zitate bis auf Weiteres aus »Briefe nach Norwegen«, 3.1, S. 179-261. Die Bandangaben hier und im Folgenden beziehen sich auf: Else Lasker-Schüler, Werke und Briefe. Kritische Ausgabe, hrsg. von Anreas B. Kilcher u. a., Frankfurt a. M. 1996 ff. 2 Vgl. Waldens Resümee der Rechtsaffäre um »Leise sagen«, in: Der Sturm, 3. Jg., Nr. 119/120, S. 102 ff. 3 Vgl. das Zeugnis Armin T. Wegners, Unser Kaffeehaus oder Die Arche, in: Lasker-Schüler. Ein Buch zum 100. Geburtstag der Dich­ terin, hrsg. von Michael Schmid, Wuppertal 1969, S. 90. 4 Die Fackel, Wien, XII. Jg., Nr. 313/314 (31. Dezember 1910), S. 36. 5 Vgl. das Zeugnis Paul Goldscheiders, in: Lasker-Schüler. Ein Buch zum 100. Geburtstag, hrsg. von Michael Schmid, Wuppertal 1969, S.53. 6 4. September 1911. 7 Nell Waiden, Kokoschka und der Sturm-Kreis, in: Expressionis­ mus. Aufzeichnungen und Erinnerungen der Zeitgenossen, hrsg. von Paul Raabe, Olten und Freiburg i. Brsg. 1965, S. 128. 8 Ebenda. 9 Oskar Kokoschka, Mein Leben, München 1971,5.110. 10 Ebenda. 11 Nell Waiden, Herwarth Waiden. Ein Lebensbild, Berlin 1963, S. 21. 12 Ebenda, S. 36 f. 13 Nach dem 9. oder 10. September 1913. 14 Ebenda, S. 20. 15 11. November 1911. 16 18. Juli 1912. 17 Paul Zech, Mein Herz. Ein Liebesroman mit Bildern und wirkli­ chen, lebenden Menschen, in: März. Eine Wochenschrift, VII. Jg. H. 19 (8. März 1913), S. 377 f. 18 Ebenda. 19 Senna Hoy in: Die Aktion, 5.Jg., Nr. 16/17, 1915, S. 193 ff. 447

20 Führende Frauen Europas. Neue Folge. In fünfundzwanzig Selbst­ schilderungen hrsg. und eingeleitet von Elga Kern, München 1930, S. 14 ff., zitiert nach 4.1, S. 188. 21 Ich räume auf! 4.1, S. 57. 22 Ich räume auf!, 4.1, S. 69. 23 Ebenda. 24 Vgl. Else Lasker-Schüler und Wuppertal, ausgewählt und kommen­ tiert von Wolfgang Springmann, Wuppertal-Elberfeld 1962, S. 17. 25 Elberfeld im Wuppertal, 4.1, S.95. 26 Die Bäume unter sich, 4.1, S. 125. 27 Unser Gärtchen, 4.1, S. 89. 28 Spitze, 4.1, S. 108 ff. Alle Zitate bis auf Weiteres ebenda. 29 Kinderzeit, 3.1,8.416. 30 Ebenda, S. 417. 31 Vgl. Jakob Hessing, Else Lasker-Schüler. Biographie einer deutsch­ jüdischen Dichterin, Karlsruhe 1985, S. 36 f. 32 Kinderzeit, 3.1, S.417. 33 Ebenda, S. 417 f. 34 Ebenda, S. 419. 35 Ebenda, S. 144 f. 36 Briefe und Bilder, 3.1, S. 317. 37 Der Antisemitismus, spätere Fassung (?), 4.1, S. 500. 38 Der Antisemitismus, frühere Fassung (?), 4.1, S. 499. 39 Vgl. die wohl früheste Fassung des Aufsatzes, 4.1, S. 493. 40 St. Laurentius, 4.1, S. 156 f. 41 Arthur Aronymus, 4.1, S. 248. 42 Der Antisemitismus, 4.1, S. 494. 43 Die rote Katze, 4.1, S. 199. 44 Der Versöhnungstag, 4.1, S. 101. 45 Ich räume auf!, 4.1, S. 59. 46 3.1, S. 185. 47 23. August 1900. 48 »Als Peter Hille reich war. Eine Erinnerung von Julius Hart«, in: Reclams Universum, Heft 37, Leipzig, S. 13. Juni 1929, zitiert nach: Peter Hille, Ich bin, also ist Schönheit. Lyrik, Prosa, Apho­ rismen, Essays, Leipzig 1981, S. 234-250. 49 Siehe oben, alle folgenden Zitate ebenda. 50 Rüdiger Bernhardt, »Ich bestimme mich selbst.« Das traurige Le­ ben des glücklichen Peter Hille, Jena 2004, S. 69. 51 Brief Anna Schülers an Franz Lindwurm-Lindner vom 1. Juni 1893, Else-Lasker-Schüler-Archiv der Stadtbibliothek Wuppertal. 52 20. Juni 1893. 53 Else Lasker-Schüler und Wuppertal, a.a.O., S. 86. 448

54 Zit. nach Marbacher Magazin 71/1995, S. 27. 55 Ebenda. 56 Manuskript abgedruckt in: Manfred Eschberg, Simson Goldberg. Der Zeichenlehrer von Else Lasker-Schüler, in: Meine Träume fal­ len in die Welt, a. a. O., S. 85 ff. 57 3.1, S. 270 f. 58 3.1, S. 29. 59 3.1, S. 13. 60 Rainer Maria Rilke, Brief an Wilhelm von Scholz vom 31. Januar 1898. 61 Stefan Zweig, Die Welt von gestern. Erinnerungen eines Europä­ ers, Berlin und Weimar 1981, S. 130. 62 Vgl. Rüdiger Bernhardt, »Ich bestimme mich selbst«. Das traurige Leben des glücklichen Peter Hille, a. a. O., S. 217. 63 3.1, S. 29. 64 Peter von Matt, Der Mond und das Geklirr, Gedenkrede auf Else Lasker-Schüler, in: Deine Sehnsucht war die Schlange. Ein Else Las­ ker-Schüler-Almanach, hrsg. von Anne Linsei und Peter von Matt, Wuppertal 1997, S. 7. 65 11. März 1899. 66 Vgl. ebenda.: »Er empfahl ihr 1896, Gedichte an Richard Scheidt, den Herausgeber der Zeitschrift >Avalun< zu senden. ... Die Dich­ terin gab dabei ihr Geburtsdatum mit dem 11. Februar 1877 an und beargwöhnte genau, ob ihr wirkliches Geburtsjahr, auch von Peter Baum, geheimgehalten wurde.« 67 Der Postkarte, die Else Lasker-Schüler aus der Universitätsklinik schrieb, war später eine handschriftliche Notiz angeheftet, wohl von ihrer Nichte Edda Lindwurm-Lindner: »In dieser Klinik kam Paulchen am 24. 8.1899 auf die Welt. Sie erzählte mir immer, daß auch Studenten bei ihrer Entbindung dabei waren - Wie arm war sie und doch zu stolz, von den Verwandten Geld anzunehmen.« Vgl. Marbacher Magazin 71/1995, S. 35. 68 Punktierungen im Original. 69 3.1, S. 61. 70 Punktierungen im Original, auch am Ende der ersten Zeile der fol­ genden Strophen. 71 16. Mai 1914. 72 Senna Hoy, Goldene Kätie. Eine Künstlernovelle, Berlin-Steglitz 190473 Ebenda, S. 17. 74 Ebenda, S. 16. 7 5 Viel mehr als eine Magisterarbeit: Pamela Pfitzner, Kunstwelten Künstlerwelten. Zur Bedeutung der Boheme und der künstlerischen 449

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Selbstinszenierung in Leben und Werk Else Lasker-Schülers, ein­ gereicht am Philosophischen Seminar der Leibniz Universität Hannover 2009. 3.Januar 1900 Dolorosa, Confirmo te chrysmate, in: Confirmo te chrysmate, Berlin 1903, S. 4. Le Jardin des Supplices. Dem Fürsten v.V ebenda, S. 19. Eine Priesterin der Aphrodite, in: Marie Madeleine, Auf Kypros, Berlin (um 1900), S. 2. 9. Februar 1900. 1. Juni 1900. H. H. Houben an Ludwig Jacobowski vom 5. Oktober 1900, zi­ tiert nach 6, S. 402. 6. Oktober 1900. 4. Dezember 1900. Noch beabsichtigt Else Lasker-Schüler, ihm bei Onkel Sonne­ manns »Frankfurter Zeitung« eine Stelle zu verschaffen, Steiner wird Nachfolger Lublinskis als Redakteur der »Gesellschaft«. 23. Mai 1901. Zitiert nach: Peter Hille - Der Bohemien von Schlachtensee, hrsg. von Günter Albrecht, Berlin 1994, S. 231 f. Vgl. Peter Zschorlich, in: »Die schöne Literatur« 13, Sp. 212. 3-US-45. 18. September 1901. Ich räume auf!, 4.1, S. 60. Peter Hille - Der Bohemien von Schlachtensee, a. a. O., S. 49 f. 19. Oktober 1901. 30. Oktober 1901. 18. Dezember 1902. 21. September 1901. Peter Hille - Der Bohemien von Schlachtensee, a. a. O., S. 235 f. Herwarth Waiden, Zehn Gesänge zu Dichtungen der Else LaskerSchüler, Berlin 1909. 2. März 1902. 9. Februar 1903. 5. März 1902. 2. Juli 1902. Zukunft Bd. 42, S. 494-505. Zwischen dem 28. und dem 31. März 1903. 31. März 1903. 19. Februar 1903. Zwischen September und Anfang November 1902. Zwischen September und November 1902. 450

109 Peter Hille, »Mein heiliger Abend«, in: »Ich bin, also ist Schön­ heit«, S. 70. 110 Erich Mühsam, Peter Hille, AW Bd. 1, Berlin 1978, S. 175. in Peter Hille - Der Bohemien von Schlachtensee, a. a. O., S. 185. 112 Vgl. Rüdiger Bernhardt, »Ich bestimme mich selbst«, a.a.O., S. 218. 113 3.1,S.61. 114 3.1, S. 60. 115 5. Mai 1902. 116 18. April 1903. 117 3.1, S. 61. 118 3.1,S.64. 119 3-i,S.27i. 120 Peter Hille - Der Bohemien von Schlachtensee, a. a. O., S. 247 f. 121 27. Oktober 1903. 122 28. Oktober 1903. 123 Kurz vor dem 18. April 1903. 124 18. April 1903. 125 9. Mai 1903. 126 Spätestens Anfang März 1904. 127 Um den 374. April 1904. 128 27. Februar 1904. 129 Zitiert nach Peter Hille - Der Bohemien vom Schlachtensee, a. a. O., S. 226. 130 16. Februar 1905. 131 Zit. nach Peter Sprengel, Institutionalisierung der Moderne: Her­ warth Waiden und »Der Sturm«, in: Zeitschrift für Deutsche Phi­ lologie, Bd. II, Heft 2 (1991), S. 257. 132 3.i,S.39. 133 18. Mai 1904. 134 10. Mai 1904. 135 i4-Juli 1904. 136 Vgl. das Zeugnis Paul Goldscheiders in: Lasker-Schüler. Ein Buch zum 100. Geburtstag der Dichterin, hrsg. von Michael Schmid, Wuppertal 1969, S. 51. 137 3.1, S. 50. 138 Ebenda. 139 Mitte Juli 1906. 140 4. August 1907. 141 Im Folgenden alle Zitate, soweit nicht anders angegeben, aus den »Nächten Tino von Bagdads«, 3.1, S. 69-97. 142 Tilla Durieux, Eine Tür steht offen, Berlin 1965, S. 107. 143 Zwischen dem 5. August 1907 und August 1908. 4SI

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Peter Baum, 3-i, S. 12.8. Wahrscheinlich am 5. oder 12. Januar 1911. Peter Baum, 3.1, S. 70. Ebenda, S. 71. Hugo Ball, Tagebücher, zitiert nach Peter Sloterdijk, Zur Welt kommen - Zur Sprache kommen, Frankfurter Vorlesungen, Frankfurt a.M. 1988, S. 18. 149 19. Februar 1903. 150 Januar 1908. 151 30. November 1905. 152 3.1, S. 104 ff. 153 16. Februar 1908. 154 18. Februar 1908. 155 März 1908. 156 Die Wupper, 2, S. 16. 157 Ebenda. 158 19. August 1909. 159 Um den 22. September 1909. 160 22. August 1909. 161 5-/6. November 1909. 162 1. Oktober 1909. 163 9. September 1909. 164 21. September 1909. 165 20. Januar 1910. i66Nach dem Zeugnis Paul Goldscheiders, in: Lasker-Schüler, a. a. O., S. 53167 5,/6. November 1909. 168 Spätestens am 15. Dezember 1909. 169 23. Dezember 1909. 170 20. November 1927. 171 Vgl. Alfred Döblin, Autobiographische Schriften und letzte Auf­ zeichnungen, hrsg. von Edgar Pässler, Olten, Freiburg i. Br. 1980, S. 465 f. 172 1. Oktober 1909. 173 22. März 1910. 174 28. Juli 1910. 17$ 12. August 1910. 176 22. August 1910. 177 Ende Juni 1910. 178 Kurz nach dem 6. Oktober 1910. 179 Vgl. Marbacher Magazin 71/1995, 74180 27. März 1910. 181 Die Fackel, 12.Jg., Nr. 309/310, $-4 452

i8z 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197 198 199 200 201 202

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3.1, S. 157. Ebenda. Zitiert nach Marbacher Magazin 71/1995, S. 83 f. Nach dem 4. Mai 1911. 30. April 1911. 2. März 1910. »Sturm«-Archiv, BW 180. 21. Mai 191X. Vgl. »Revolution«, hrsg. v. H. E S. Bachmair, 1. Jg. 1913, Nr. x, S. 3 f. Vgl. »Saturn«, 2. Jg., H. 6, S. 109 f. Gottfried Benn, Lebensweg eines Intellektualisten, Gesammelte Werke, hrsg. von Dieter Wellershoff, Stuttgart 1989, Bd. 4, S. 28. Zitiert nach Gunnar Decker, Gottfried Benn, Genie und Barbar, Berlin 2008, S. 53. 3-i, S.277. Gottfried Benn, Lebensweg eines Intellektualisten, GW IV, S. 29. Vgl. Sturm, 3. Jg., Nr. 119/120, S. 102ff. Gottfried Benn, Rede auf Else Lasker-Schüler (1952), in Ges. Werke, a.a.O., Bd. 1, S. 535 f. 21. Oktober 1912. General-Anzeiger vom 24. Oktober 1912, StB, Wuppertal, fol­ gende Zitate ebenda. StB Wuppertal. Elisabeth Erdmann-Macke, Erinnerungen an Franz Macke, S-359Walter Benjamin, Über die Sprache des Menschen, in: Sprache und Geschichte. Philosophische Essays, hrsg. von Rolf Tiedemann, Stuttgart 1992, S. 46. 9. November 1912. 14. November 1912. Maria Franck an Elisabeth und August Macke am 21. Januar 1913, in: August Macke/Franz Marc, Briefwechsel, hrsg. von Wolfgang Macke, Köln 1964, S. 149. 15. Dezember 1912. Zwischen dem 6. und Mitte Januar. 25.Januari9i3. Maria Franck an Elisabeth und August Macke am 21. Januar 1913, in: August Macke/Franz Marc, Briefwechsel, a.a.O.,

s. 147 f210 Kurz vor dem 19. Januar 1913. 211 21. September 1913. 212 24. Mai 1913. 453

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Zit. nach Marbacher Magazin 71/1995, S. 102. 21. August 1912. Marie Holzer, in: Die Aktion, 3. Jg, Nr. 21 (1913), Sp. 525 ff. Vgl. Leopold Kreitner, Der junge Kafka, in: »Als Kafka mir ent­ gegenkam ...«. Erinnerungen an Franz Kafka, hrsg. v. Hans-Gerd Koch, Berlin 1995, S. 52 f. Um den 10. April 1913. Mai 1913. 27. Mai 1913. 3.1, S. 277. Hans Egon Holthusen, Gottfried Benn. Leben - Werk - Wider­ spruch 1886-1922, Stuttgart 1986, S. 174. Kurt Hiller, Köpfe und Tröpfe, Hamburg 1959, S. 252. Vgl. Joachim Seyppel, Das blaue Klavier oder Ich hab ein Pia­ nola. Else Lasker-Schüler und Berlin, in: Meine Träume fallen in die Welt, a. a. O., S. 3 8. 3.1, S. 305. Unser Café. Ein offener Brief an Paul Block, 3.1, S. 291. Kurt Hiller, Köpfe und Tröpfe, a. a. O., S. 69 f. Wieland Herzfelde, Zur Sache. Geschrieben und gesprochen zwi­ schen 18 und 80, Berlin und Weimar 1976, S. 70 f. Joseph Roth, Werke I, S. 83 f. 3.1, S. 299. 3.1,S.301. 3.1,8.305. 2.Juni 1913. 21. September 1913. 16. Mai 1914. Senna Hoy, Goldene Kätie, a. a. O., S. 62 f. Der Weckruf 4, 3/1906, zitiert nach: Walter Fähnders, a.a.O., S. 63. Ebenda, S 64. Die Aktion, 5-Jg., 14. April 1915, S. 193-199. 14. November 1913. Wahrscheinlich am 20. November 1913. 16. Mai 1914. Zit. nach Franz Fühmann, Vor Feuerschlünden. Erfahrung mit Georg Trakls Gedicht, Rostock 1984, S. 163. Die Fackel, 15. Jg., Nr. 386, S. 6. 20. Juli 1914. Vgl. Emmy Hennings, Ruf und Echo. Mein Leben mit Hugo Ball, Einsiedeln 1953, S. 58. Wassily Kandinsky an Franz Marc am 30. Dezember 1912, in: 454

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Wassily Kandinsky/Franz Marc, Briefwechsel. Mit Briefen von und an Gabriele Münter und Maria Marc, hrsg. von Klaus Lankheit, München und Zürich 1983, S. 206 f. Ende Juli T914. Ende September oder Anfang Oktober 1914. Anfang Oktober 1914. Elisabeth Macke an Maria Marc am 6. August 1914, in: August Macke/Franz Marc. Briefwechsel, hrsg. von Wolfgang Macke, Köln 1964, S. 188 f. Franz Marc, Briefe, Schriften und Aufzeichnungen, hrsg. von Günter Meißner, Leipzig und Weimar 1980, S. 266. Vgl. Franz Fühmann. Der Sturz des Engels. Erfahrungen mit Dichtung, München T985, S. 17. Franz Marc, Briefe, Schriften und Aufzeichnungen, S. 272. Franz Marc an Maria Marc am 23. Oktober 1914, in: Franz Marc, Briefe aus dem Feld, hrsg. von Klaus Lankheit und Uwe Steffen, München, Zürich 1982, S. 24. Franz Marc, »Das geheime Europa«, zuerst erschienen in der Zeitschrift »Forum«, 1. Jg., Heft 12, März 1915, S. 632-638, zit. nach: Franz Marc, Schriften, S. 165. Mitte Februar 1915. Franz Jung, zit. nach Marbacher Magazin 71/1995, S. 127. 14. April 1915. 2. Juni 1915. 6. Juni 1915. 30. August 1915. Die Aktion, 5-Jg., Nr. 51, Sp. 654, zitiert nach Marbacher Ma­ gazin 71/1995. Zit. nach Kirsten Jüngling/Brigitte Roßbeck, Franz und Maria Marc. Die Biographie eines Künstlerpaares, Berlin 2004, S. 162. Zit. nach Else Lasker-Schüler/Franz Marc, Mein lieber, wun­ dervoller blauer Reiter. Privater Briefwechsel, hrsg. von Ulrike Marquardt und Heinz Rölleke, Frankfurt a. M. 1998, S. 17. An Karl Kraus am 25. Februar 1919. Vor dem 10. August 1916. 7, S.422. September 1916. Mitte Oktober 1916. Anfang September 1916. 7. Oktober 1917. Bertolt Brecht, Journale I, 21. bis 26 Juni 1920, zitiert nach: 7, S.488. Mitte März 1917. 455

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io- November 1919. 29. August 1925. 20. August 1919. 15. Januar 1920. Mitte Januar 1920. Vgl. Leni Riefenstahl, Memoiren, München 1987, S. 29 f. Mein Junge 4.1, S. 177. 19. April 1921. 2. April 1920. 27. Juli 1920. 29. November 1920. Zwischen dem 12. und 16. Januar 1914. Ludwig Thoma, Unsere Muttersprache, in: Miesbacher Anzeiger Nr. 168 vom 22. Juli 1921, zitiert nach Marbacher Magazin 71/1995, S. 166. 287 Am 8. Juli 1921. 288 15. Juli 1921. 289 Vgl. Brief an Louis Asher vom 29. August 1922: And Jou Mr. Asher and Mr. René have bevore Minister Rathenaus dead umgetvechselt the present wegen Valuta, therefore he could not bring the present like we pleased, it is a pitti! (objektiv) Is not? But jou have made us verry verry verry verry verry happy.

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8. April 1922. 29. August 1922. 18. September 1922. 28. Dezember 1922. 21.Januar 1923. 8. Mai 1923. Vgl. Nachlaß Gerhart Hauptmann, SB Berlin - Preußischer Kul­ turbesitz, Nachlaß Gerhart Hauptmann, Heft III, S. 102, zitiert nach 7, S. 556 f. 4-1, S. 42. 4.1, S. 47ff. 17. September 1923. 6. November 1923. Zitiert nach 7, S. 576. 7. Dezember 1923. 17. Dezember 1923. 5. Januar 1924. Gertrud Schottländer an Erich Gottgetreu am 12. Februar 1969, zitiert nach: Erika Klüsener, Else Lasker-Schüler, Reinbek bei Hamburg 1980, S. 99 ff. 14. Februar 1924. 456

307 2.1- Februar 1926.

308 30. März 1926. 309 Berliner Tageblatt vom 19. Februar 1925, S. 4, zitiert nach Marbacher Magazin 71/1995. 310 30. Mai 1926. 3H Gottfried Benn, Summa Summarum, in: ders., Autobiographi­ sche und vermischte Schriften, Gesammelte Werke IV, hrsg. von Dieter Wellershoff, Stuttgart 1992, S. 17. 312 Ebenda, S. 18. 313 14. Mai 1926. 3t4 30. Mai 1926. 315 22. Mai 1926. 316 Alle Zitate bis auf Weiteres aus: Der Versöhnungstag, 4.1, S. 98 ff. 317 23. September 1926. 318 Nach dem 5. Oktober 1926. 319 Das Kind unter den Monaten, 4.1, S. 107. 320 7.Juli 1926. 321 Das Kind unter den Monaten, 4.1, S. 107. 322 13. April 1927. 323 19. November 1926. 3 24 Robert Musil, Rede zur Rilke-Feier in Berlin am 16. Januar 1927, in: ders., Gesammelte Werke II, Reinbek bei Hamburg 1978, S. 1234. 325 ii. März 1927. 326 16. März 1927. 327 15. April 1927. 328 28. April 1927. 329 Vgl. 8, S.448. 330 16. Mai 1927. 331 Mai 1927. 332 8, S.448. 333 Ein offener Brief an Finanzminister a.D. Dr. Rheinholdt, 4.1, S. 140 f. 334 Alle Zitate bis auf Weiteres aus: Der Uhu, 4.1, S. 137 f. 335 B. Z. am Mittag vom 28. Mai 1927. 336 ii.Juli 1927. 337 3-Juli 1927. 338 8. August 1927. 339 19. August 1927. 340 24. September 1927. 341 Vgl. Theater für die Republik im Spiegel der Kritik 1917-1933, 2. Band, hrsg. von Günter Rühle, Berlin 1988, S. 806. 457

342 343 344 345 346 347 348 349 350 35i 352 353 354 355 356 357 35« 359 360 36i

36z 363 364 365 366 367 368 369 370 371 372 373 374 375 376 377 378 379 380

Herbert Ihering im »Berliner Börsen-Courier« vom 17, Okto­ ber 19x7, zitiert nach: Theater für die Republik, a. a. O., S. 807. Alfred Kerr im Berliner Tageblatt vom 10. Oktober 19x7, zitiert nach: Theater für die Republik, a. a.O, S. 808. Ebenda, S. 810. 27. Oktober 19x7. 3. November 19x7. Vgl. Meine Andacht, 4.1, S. 153. Das Meer, 4.1., S. 196 f. Kolberg, 4.1, S. 27. Ebenda. 7. Oktober 1930. Frankfurter Zeitung vom 1. Februar 1931. Schwäbische Tagwacht vom 29. Oktober 19x9. I. Februar 19x8. 26. Februar 19x8. Paradiese, 4.1, S. 158 ff., Zitate bis auf Weiteres ebenda. 9. März 19x8. ix. März 19x8. 24. Oktober 1930. 6. März 1930. Berliner Tageblatt vom 11. Februar 1931. ix. Februar 1931. 28. Februar 19x9. 30. September 1930. Arthur Aronymus. Die Geschichte meines Vaters, 4.1, S. 241 ff. xo. November 19x7. Meine Wupper, 4.1, S. 225. 14. Oktober 1930. 15. Januar 1931. Vgl. Frank Bajohr, »Unser Hotel ist judenfrei«. Bäder-Antisemitismus im 19. und xo. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 2003. II. Juli 1931. Das Gebet, 4.1, S. xio ff., alle Zitate bis auf Weiteres ebenda. Gottfried Benn, Den Traum alleine tragen. Neue Texte, Briefe, Dokumente, hrsg. von Paul Raabe, Wiesbaden 1966, S. 73. 5-Juni 1931. 4. Februar 1931. 29. November 1931. Gottfried Benn, Den Traum alleine tragen, a. a. O., S. 74. xo. November 1932. Zitiert nach Marbacher Magazin 71/1995, S. 230. Gottfried Benn, Den Traum alleine tragen, a. a. O., S. 77. 458

38i 16. August 193z. 38z Nach dem 5. September 193z. 383 Erst Jahre später wird sie darüber berichten, weil die Zunge im­ mer noch verhärtet ist und massiert werden muss, vgl. Brief vom 3. Dezember 1935. 384 Vgl. Ernst Ginsberg, Abschied, Zürich 1965, S. 157. 385 Z3. Mai 193z. 386 Erwin Loewenson, Else Lasker-Schüler als Person. Typoskript. DLA Marbach, zitiert nach Sigrid Bauschinger, Else Lasker-Schüler. Biographie, Göttingen Z004, S. 330. 387 Zitiert nach 8, S. 58z. 388 Berta Gebhard an Else Lasker-Schüler, zitiert nach 8, S. 61 z. 389 Vgl. Jakob Hessing, Zurückgenommene Schöpfung. Über das Gedicht »Die Verscheuchte«, in: Meine Träume fallen in die Welt, a. a. O., S. 180. 390 Hugo Baum 1957, zitiert nach Manfred Escherig, Verweigerung der Einreise- und Aufenthaltsbewilligung. Bet. Z 18z 979. Else Lasker-Schüler und die Schweiz, in: Meine Träume fallen in die Welt, a. a. O., S. 135. 39 r An Fritz Strich am 18. Dezember 1934. 39z Ihre Formulierung diesbezüglich ist merkwürdig: Es passten auf mich auf in Berlin fremde Stahlhelmer und auch denen musste ich

Ebenda. 6.Juni 1933. 11.Juni 1933. 30. April 1933. zz.Juli 193z. 16. August 193z. Alle Angaben über Else Lasker-Schüler und die Schweizer Behör­ den sowie die Wortlaute, auch im Folgenden, aus: Manfred Escherig, Verweigerung der Einreise- und Aufenthaltsbewilli­ gung. Bet. Z 18z 979. Else Lasker-Schüler und die Schweiz, in: Meine Träume fallen in die Welt, a. a. O., S. 1Z5-170. 27. Oktober 1933. Vgl. Brief an den Nationalrat Farbstein vom 9. Oktober 1934. 26. Dezember 1933. Ernst Ginsberg, zit. nach Jakob Hessing, Zurückgenomme­ ne Schöpfung, in: Meine Träume fallen in die Welt, a.a.O., S. 181 f. Klaus Mann, Tagebücher 1931-1933, hrsg. von Joachim Heimannsberg, Peter Laemmle und Wilfried F. Schoeller, München 1989, S. 169. 16.Januar 1934. versprechen abzufahren.

393 394 395 396 397 398

399 400 401 40z

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437 438 439

Gershom Scholem an Walter Benjamin am 11. April 1934, *n: Walter Benjamin/Gershom Scholem. Briefwechsel 1933-194°’ hrsg. von Gershom Scholem, Frankfurt a. Main 1980, S. 133. 20. März 1933. Ebenda. 18. Dezember 1934. Ebenda. 30. November 1927. 22. Dezember 1931. Vgl. Schalom Ben-Chorin, Zwiesprache mit Martin Buber. Er­ innerungen an einen großen Zeitgenossen, Gerlingen 1978, S. 57 f. Ebenda. Das Hebräerland. Gershom Scholem an Walter Benjamin am 19. April 1934, a.a.O., S. 136. 13. April 1934. 16. April 1934. Vgl. Brief vom 6. Januar 1935 an Paul Ruppin, auch 5, S. 25 f. und S. 69. Vgl. Brief an Emil Raas, Ende April 1936. 9. Oktober 1934. 4. November 1934. 8. September 1935. Vgl. Rudolf Leonhard, Marinetti in Berlin 1913, in: Expressio­ nismus. Aufzeichnungen und Erinnerungen der Zeitgenossen, hrsg. von Paul Raabe, Freiburg im Breisgau 1965, S. 122. Vgl. 9, S. 495. 28. November 1934. 5. November 1934. 28. März 1936. Vgl. 19. Juni 1936. 25. Februar 1936. 3. Januar 1936. Wohl im Oktober 1935. Zitiert nach Nell Waiden, Herwarth Waiden, a. a. O., S. 38. Vgl. Manfred Escherig, Verweigerung der Einreise- und Aufent­ haltsbewilligung ..., a.a.O., S. 157. Zitiert nach 9, S. 501. Ende Dezember 1934. Zwischen dem 3. und 8. November 1934. 25. April 1936. i. Dezember 1935. Am 9. November 1936 an Emil Raas. 460

440 44i 442443 444 445 446 447 448 449 450 45i 452453 454 455 456 457 458 459 460 461 462 463 464 465 466 467 468 469 47° 47i 472. 473 474 475 476

30. November 1936 19. Oktober 1938. 4-i, S. 435. 19. Februar 1938. Im Besitz der Jewish National & University Library Jerusalem, zitiert nach Bauschinger, Else Lasker-Schüler, a. a. O., S. 380. 2. Juli 1938. 20. Februar 1939. Am i. August 1937. Jakob Rudolf Welti in der Neuen Zürcher Zeitung vom 21. De­ zember 1936, zitiert nach 10, S. 334. 4.1, S. 366 f.; folgende Zitate ebenda. Schalom Ben-Chorin, Jussuf in Jerusalem, in: Lasker-Schüler. Ein Buch zum roo. Geburtstag der Dichterin, a. a. O., S. 56. Vgl. ebenda, S. 59. Kurz nach dem 8. September 1939. Ebenda. 27. April 1939. Ernst Ginsberg, Abschied, a. a. O., S. 157 f. Vgl. Schalom Ben-Chorin, Jussuf in Jerusalem, a. a. O., S. 62. Miron Sima, Erinnerungen an Else-Lasker Schüler, Typoskript, ohne Seitenzahlen, ELS-Archiv, Stadtbibliothek Wuppertal. Schalom Ben-Chorin, Jussuf in Jerusalem, a. a. O., S. 63. 27. Juli 1939. Zitiert nach to, S. 482. 13. August 1939. Notizen aus dem Nachlass, 4.1, S. 489. r9. Februar 1940. 9. November 1940. Ernst Simon am 29. Oktober 1940 an Else Lasker-Schüler, zitiert nach to, S. 528. i. November 1940. 25. November 1940. 9. November 1940. Der Brief an Churchill ist nicht erhalten. 19. Dezember 1940. 23. Dezember 1940. Zitiert nach Bauschinger, Else Lasker-Schüler, a. a. O., S. 355. Werner Kraft, Tagebuch am 24. Juli 1941, zitiert nach Marbacher Magazin 71/1995, S. 345. Ebenda, 9. Februar 1945. Ebenda, 15. November 1937, S. 342. Ebenda, 29. September 1941, S. 346 f. 461

477 Erinnerungen Meira Beins, in: Meine Träume fallen in die Welt, a.a.O., S. 191. 478 Ebenda, S. 193. 479 Vgl. die Zeugnisse Heinz Gerlings, in: Meine Träume fallen in die Welt, a. a. O., S. 185, sowie Miron Sima, Erinnerungen an Else Lasker-Schüler, a. a. O., ohne Seitenzahlen. 480 Meira Bein, a.a.O., S. 191. 481 Miron Sima, a. a. O., ohne Seitenzahlen. 482 Das Gebet, 4.1, S. ii ff. 483 Miron Sima, a. a. O., ohne Seitenzahlen. 484 Vgl. Ernst Simon, Sechzig Jahre gegen den Strom. Briefe von 1917-1984, hrsg. vom Leo Baeck Institut Jerusalem, Tübingen 1998, S. 115. 485 Lieber gestreifter Tiger. Briefe von Else Lasker-Schüler, hrsg. von Margarete Küpper, München 1969, S. 319. 486 Werner Kraft, a. a. O., S. 359. 487 Vgl. das Zeugnis Werner Krafts, in: Meine Träume fallen in die Welt, a.a.O., S. 195. 488 Vgl. Heinz Gerling, ebenda, S. 183. 489 14. November 1944. 490 Der Antisemitismus, 4.1, S. 493 f. 491 Miron Sima, a. a. O., ohne Seitenzahlen.

462

Zeittafel

1869

1882 1890 1894 1897 1899

1901 1903 1905 1906 1907 !909

1911 1912

J9i3

Am ii. Februar wird Elisabeth (Else) Schüler in Elberfeld, Herzogstraße 29, geboren. Sie ist die dritte Tochter und das sechste Kind des Kaufmanns Aron Schüler und seiner Frau Jeanette. Am 2. Februar stirbt ihr Lieblingsbruder Paul. Die Mutter stirbt am 27. Juli. Sie heiratet den praktischen Arzt Dr. Berthold Lasker. Im Au­ gust Umzug nach Berlin. Am 3. März stirbt ihr Vater. Begegnet spätestens jetzt Peter Hille. Erste Gedicht-Veröffent­ lichungen. Trägt bei der literarischen Vereinigung »Die Kom­ menden« vor. Am 24. August Geburt ihres Sohnes Paul. Gedichtsammlung »Styx« erscheint bei Axel Juncker. Scheidung von Berthold Lasker, heiratet Herwarth Waiden. Die Gedichtsammlung »Der siebente Tag« erscheint in Wal­ dens Verlag des Vereins für Kunst in Berlin. »Das Peter Hille-Buch« bei Axel Juncker. »Die Nächte Tino von Bagdads«, ebenfalls bei Axel Juncker. »Die Wupper. Schauspiel in 5 Aufzügen« erscheint, aber wird erst zehn Jahre später am Deutschen Theater in Berlin uraufgeführt. »Meine Wunder« (Gedichte). Die »Briefe nach Norwegen« er­ scheinen im »Sturm«. Begegnet Gottfried Benn und Franz Marc. »Mein Herz. Ein Liebesroman mit Bildern und wirklich lebenden Menschen« erscheint. Scheidung von Herwarth Waiden. »Hebräische Balladen« bei A. R. Meyer. »Gesichte, Essays und andere Geschichten« (bei Kurt Wolff in Leipzig), Reise nach Russland, vergebliche Freilassungsbemü­ hungen um den Anarchisten Senna Hoy (Johannes Holzmann), der 1914 in der Haft stirbt. 463

1914 1917

1919 1921 1925 1926 1927

1932 1933 1934 1937 1938 1939 1941 1943 1945

Begegnet Georg Trakl. »Der Prinz von Theben. Ein Geschich­ tenbuch« erscheint. Aufenthalt mit dem erkrankten Sohn Paul in der Schweiz. Le­ sungen in Bern und Zürich. »Die gesammelten Gedichte« er­ scheinen. Die ersten vier Bände der auf zehn Bände angelegten Gesamt­ ausgabe erscheinen bei Paul Cassirer in Berlin. »Der Wunderrabbi von Barcelona« im Paul Cassirer Verlag. Im Selbstverlag erscheint »Ich räume auf! Meine Anklage ge­ gen meine Verleger«. Paul erkrankt an Tuberkulose. Aufenthalte bei ihm in Mün­ chen und in der Schweiz. Rückkehr Pauls nach Berlin. Erfolgreiche Neuinszenierung der »Wupper« im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt unter der Regie von Jürgen Fehling. Paul stirbt in Berlin im Alter von achtundzwanzig Jahren. »Konzert« und »Arthur Aronymus« erscheinen im Rowohlt Verlag. Else Lasker-Schüler erhält den Kleist-Preis. Am 19. April Flucht in die Schweiz. Erste Reise nach Palästina. »Das Hebräerland« erscheint im Verlag Oprecht in Zürich. Zweite Reise nach Palästina. Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft. Dritte Reise nach Palästina, Einreiseverweigerung in die Schweiz. Sie bleibt in Jerusalem. Lesung des Schauspiels »Ichundlch«. Gründung des Vortrags­ kreises »Der Kraal«. Die Gedichtsammlung »Mein blaues Klavier« erscheint in Je­ rusalem. Schwerer Herzanfall am 16. Januar. Tod im Hadassah Hospi­ tal in Jerusalem am 22. Januar, tags darauf Beisetzung auf dem Ölberg.

464

Literatur

Zugrunde liegen:

Else Lasker-Schüler, Werke und Briefe. Kritische Ausgabe. Im Auftrag des Franz-Rosenzweig-Zentrums der Hebräischen Univer­ sität Jerusalem, der Bergischen Universität Wuppertal und des Deut­ schen Literaturarchivs Marbach am Neckar hrsg. von Andreas B. Kilcher, Norbert Oellers, Heinz Rölleke und Itta Shedletzky, Frankfurt am Main 1996 ff., Bd. 1-5 Werke, ab Bd. 6 Briefe außerdetn:

Briefe von Else Lasker-Schüler. Bd. 1: Lieber gestreifter Tiger, Bd. 2: Wo ist unser buntes Theben, hrsg. von Margarete Küpper, München 1969 Sämtliche andere verwandte Literatur ist im Text angegeben - siehe Anmerkungen.

Else-Lasker-Schüler-Literatur (Auswahl) Bauschinger, Sigrid, Else-Lasker-Schüler. Eine Biographie, Göttingen 2004 Bauschinger, Sigrid, Else Lasker-Schüler. Ihr Werk und ihre Zeit, Hei­ delberg 1980 Deine Sehnsucht war die Schlange. Else-Lasker-Schüler-Almanach Bd. 3, hrsg. von Anne Linsei und Peter von Matt, Wuppertal 1997 Else Lasker-Schüler 1869-1945, bearbeitet von Erika Klüsener und Friedrich Pfäfflin, Marbacher Magazin 71/1995, Marbach am Ne­ ckar 1995 Else Lasker-Schüler und Wuppertal, ausgewählt und kommentiert von Wolfgang Springmann, Wuppertal-Elberfeld 1962 465

Fohsel, H. J., Im Wartesaal der Poesie. Zeit- und Sittenbilder aus dem Café des Westens und dem Romanischen Café, Berlin 1996 Hessing, Jakob, Biographie einer deutsch-jüdischen Dichterin, Karls­ ruhe 1985 Kirschnik, Sylke, Tausend und ein Zeichen. Else Lasker-Schülers Orient und die Berliner Alltags- und Populärkultur um 1900, Würzburg 2007 Klüsener, Erika, Else Lasker-Schüler mit Selbstzeugnissen und Bild­ dokumenten, Rowohlt-Monographie, Reinbek bei Hamburg 1980 Lasker-Schüler, Ein Buch zum 100. Geburtstag der Dichterin, hrsg. von Michael Schmid, Wuppertal 1969 Mein Herz Niemandem. Else-Lasker-Schüler-Almanach Bd. 1, hrsg. von Michael Schmid-Ospach, Wuppertal 1993 Meine Träume fallen in die Welt. Else-Lasker-Schüler-Almanach Bd. 2, hrsg. von Sarah Kirsch, Jürgen Serke und Hajo Jahn, Wupper­ tal 1995 Niemand hat mich wiedererkannt, Else Lasker-Schüler in Wuppertal, ausgewählt und kommentiert von Ulrike Schräder, Wuppertal 2003 Pfitzner, Pamela, Kunstwelten - Künstlerwelten. Zur Bedeutung der Boheme und der künstlerischen Selbstinszenierung in Leben und Werk Else Lasker-Schülers, Magisterarbeit an der Leibniz Universi­ tät Hannover, 2009, unveröffentlicht

Personenregister

Abbo, Jussuf 300, 354 Altenberg, Peter z6o Asher, Alice 328, 374, 414, 417 Asher, Louis 310, 313, 315, 328, 414, 417 Asher, Robert 328, 374 f., 414, 417 Bachmair, Heinrich F. S. 207, 321 Bachrach, Elvira 338, 410 Ball, Hugo 161,446 Barlach, Ernst 356 Bauer, Felice 225 f. Baum, Hugo 81, 94, 382, 384 Baum, Peter 81, 93 ff., no, 113, n6f., 119, 127, 155, 158, 161, 169, 175, 181, 284,382 Beethoven, Ludwig van 120 Ben-Chorin, Schalom 422 f., 425 Benjamin, Walter 213, 393, 395 Benn, Gottfried 5, 81, 97, 99, 197, 199, 200-203, 2°6 h, 209 f., 231-234, 236, 238241, 244,252, 260, 265, 277, 2.79, 2-88, 292, 310 f.,

337,344,35°, 35», 37*, 376£, 379, 387, 390 ff., 398,445 Bergmann, Hugo 393 Bergner, Elisabeth 297 Bertold von Regensburg 325 f. Beutler, Margarete 107, 112, 115 Bienert, Ida 315 Billinger, Richard 379 Bismarck, Otto von 74, 78 Bithell, Jethro 169-173,175, T77,179-185,192, 299, 3i3, 344, 432 Blass, Ernst 188, 334 Blei, Franz 76 Bloch, Ernst 3 6 Böcklin, Arnold 120 Bölsche, Wilhelm 84, 110 Brahms, Johannes 120 Braun, Heinrich 129 Braun, Lily 129 ff. Brecht, Bertolt 288 Brion, Marcel 344, 367, 382-, 414 f. Brod, Max 188, 225 f., 229 Buber, Martin 257, 303, 394,

467

434,436

Bulle, Oskar 284 Burckhardt, Jacob 285

Engel, Fritz 285 Engels, Friedrich 63, 66 Epstein, Max 220, 267 Ernst, Paul 66

Caro, Elfriede 366 Caro, Hugo 297 Caro, Siegfried 297, 300 Cassirer, Paul 32, 215, 283 f., 287, 297, 299, 321, 329, 335 ff., 346, 380 Castorp, Hans 348 Chopin, Frédéric 120 Churchill, Winston 432 Ciano, Edda 417 Constenoble, Anna 112, 116 Corinth, Lovis 133 f., 151 Courths-Mahler, Hedwig 307 Cymbalist, Nehemia 423

Falke, Gustav 172 Fehling, Kurt 356 f. Ficker, Ludwig von 260 f., 265, 268 f., 273 f. Flechtheim, Alfred 312 f., 316, 320 ff., 324, 343 Florath, Albert 356 Förster-Nietzsche, Elisabeth 150, 152, 165, 284 ff. Franck, Maria 212 f., 218 f., 221 f. siehe auch Marc, Maria Franck, Marie 212 f. Frank, Leonhard 345 Frankfurter, David 409, 411,

Dalbelli, Carlo 139, 146 Däubler, Teodorio 344 Dehmel, Richard 83, 119, 128, 131, 162, 172 f., i7Sj 192, 206, 224, 238 Diederich, Eugen 141, 144 Döblin, Alfred 23, 151, 177,

413 Fröhlich, Familie 81 Fulda, Ludwig 339, 345 Gabo, Naum 400 Gafner, Schweizer Nationalrat

196, 375 Dolorosa siehe EichhornFischer, Marie Durieux, Tilla 154, 173, 33 g Ehrenbaum-Degele, Hans Eichhorn-Fischer, Marie (Dolorosa) 107L, 112, Il? 175 Einstein, Albert 308 Einstein, Carl 247 f. El Lissitzky 400

419 Gebhard, Klaus 311, 3 je, 317L, 324, 329, 331 f., 373 383, 410 George, Stefan 173, 186 ff., 201, 245, 337, 339 Gide, André 391 Ginsberg, Ernst 390 f. Giotto di Bondone 178 Goebbels, Joseph 376, 384, 409,433 f. 468

Goethe, Johann Wolfgang von X9, 23, 119 h, 147, 228, 245, 368,434,443 Gogh, Vincent van 336 Goldberg, Simson 85 ff. Goldscheider, Paul 347 ff., 352-357, 361 ff-, 369 f-, 415,445 Goldschmidt, Jakob 372 Goldscheidt, Familie 81 Göring, Hermann 392, 433 Gorki, Maxim 151 Grieger, Hedwig 107, 355, 384, 389 f., 426 f., 445 Grimme, Adolf 364 Gropius, Walter 300 Großmann, Rudolf 105 f. Grosz, George 287, 375 Guggenheim, Silvain 409 Gustloff, Wilhelm 409 Haas, Willy 21,171, 227 f. Haeckel, Ernst 63 Hannemann, Karl 356, 360, 434 Hardekopf, Ferdinand 23 1 Harden, Maximilian 129 Hardt, Ernst 284 Hart, Heinrich 62-66, 69, 74 f., 80, 82, 84, 94, 109-112, IT5> T34, i36, T46 Hart, Julius 62-69, 74 ff., 80, 82, 84, 94, 109-112, 115, 1.34, 136, 146 Hasenclever, Walter 312 Hatzfeld, Adolf von 288 ff. Hauptmann, Gerhart 67, 74 f.,

80, iiif., 316, 319 f., 339, 347 Hauptmann, Margarete 316 Heartfield, John 289 Hebbel, Christian Friedrich 119,356 Heine, Heinrich 41 ff., 49, 114, 207, 222, 316, 320-323, 399 Hennings, Emmy 191, 231, 266 ff., 341, 446 Herald, Heinz 293 Hertmanni, Sanitätsrat 79 Herzfelde, Wieland 244 f., 261, 289 Hesse, Hermann 405,446 Heydt, August von der 310 Heydt, Eduard von der 315 Heym, Georg 186, 188, 200, 248 Hill, Ludgate 64 Hille, Peter 38, 60-69 passim, 74 ff., 79, 82 ff., 92 ff., 96, 100-105, no ff., ii 5-122, 127 f., 131-136, 139, 146, 150, 152, 158, 160, 169, 171L, 175,228, 232, 242, 252 f., 281 f., 302, 328, 344 Hiller, Kurt 186, 240 f., 244248, 260 f., 289 Himmel, Willy 48, 50, 52 Hindemith, Paul 371 Hirschfeld, Magnus 278 Hirschfelden, Kapitän 361 Hitler, Adolf 299, 382 f., 396, 398 f., 424,433 f. Hoddis, Jakob van 186,188, 247 f.

469

Höflich, Lucie 356 Hofmannsthal, Hugo von 33, 175 Holitscher, Arthur 344 Hollaender, Friedrich 187, 293 Höltgen, Karl Josef 41 Holz, Arno 339 Holzer, Marie 229 Holzmann, Heinrich 251 h, 256 Holzmann, Johannes 104 h, 160, 253-258 siehe auch Hoy, Senna Houben, H. H. 112 f. Hoy, Senna 38, 104 ff., 137, 144, 160, 185, 194, 224, 231,251h, 254 h, 257, 2-59 f-, 167, 344 Huf, Fritz 261 Huxley, Aldous 391 Ibsen, Henrik 83 Ihering, Herbert 324, 356 Ittmann, Kurt 386, 400 Jacobowski, Ludwig 96, 99 112-115 Jacobsohn, Siegfried 305, 3q7 328 Jank, Angelo 212 Jawlensky, Alexej von 213 Juncker, Axel 119, 126, 128, 140ff., 144, 148, 152, r6Zj 166, 170, 321 Jung, Franz 277 Kafka, Franz 20, 225 ff., 229 ff., 249, 259

Kalischer, Fritz 316 f. Kandinsky, Wassily 213, 216 ff., 220, 222, 224, 250, 264 h, 275, 282 Kaufmann, Paul 48-51, 58 Kaufmann, Walter 48-51, 58 Kerr, Alfred 120, 151, 189, 249, 356 h, 360 Kerst, Friedrich 207 f. Kessler, Harry Graf 151, 163, 293 Kisch, Egon Erwin 229 Kissing, Jeanette 54 siehe auch Schüler, Jeanette Kissing, Jacob 54 Klee, Paul 272, 279 Kleist, Heinrich von 285 Klinger, Max 120, 129 Kokoschka, Oskar 24, 27 f., 32, 201, 272 Kraft, Werner 43 5, 441, 443 Krall, Carl 308, 311, 331, 373 Krall, Carl sen. 317 Kraus, Karl 19, 21, 26 ff., 30 ff. passim, 35, 99, 108, 159, 168, 170 h, 184 h, 189-192,,

209, 216, 224, 228, 230, 247, 260, 277, 294, 307, 315, 323-331 passim, 357) 395 h, 410, 443 Kubin, Alfred 223 Lagerlöf, Selma 224 Lahmann, Heinrich 312 Land, Hans 107 Landauer, Gustav 129, x3g Langhoff, Wolfgang 413 47°

Lasker, Berthold 20, 79 f., 84-

119 h, 127, 130h, 144, 147,

88,90, 96, 98 h, 106 f., i2Oj

161

137,140,176

Lurja, Rabbuni 343,436

Lasker, Emanuel 80 Lasker-Schüler, Paul 35, 99,

Mackay, John Henry 76

104ff., 117, 121h, I42j

Macke, August 213, 223, 265,

!53-i57, 168, 176, 186,

273 Mahler, Gustav 151

209, 218, 220, 255, 266, 268, 273,279 h, 285 f.,

Majakowski, Wladimir 400

291 f., 296-301, 307-317

Maltzahn, Adalbert von 297,

passim, 323, 325-363

300

passim, 367, 376, 379, 390,

Mann, Elisabeth 420

396, 426

Mann, Heinrich 151,336, 366,

Lenin, Wladimir 254, 296

387, 391, 399

Leppin, Paul 230, 344

Mann, Katia 420

Levin, Georg 20,118,138 siehe

Mann, Klaus 391 h

auch Walden, Herwarth

Mann, Thomas 11,151, 339,

Levin, Victor 118

365,387, 408,413,441

Liebermann, Max 85, 339

Mannheim, Lucie 356

Liebknecht, Karl 257

Marc, Franz 51, 212-224

Liebknecht, Wilhelm 63

passim, 248-252, 256 fh,

Liliencron, Detlev 68, 96,172

262, 264 fh, 270-285 passim,

Lindwurm-Lindner, Anna 96-

294 f-» 299

99, IO7, n8, I2-I f-, I4G

Marc, Maria 51, 212 h, 218 h,

205,266,293, 364

220 fh, 250, 255, 262, 266,

Lindwurm-Lindner, Edda 121,

268, 271 fh, 276 h, 280 h,

266, 293,313,366,414 h, 42-6 h, 445 Lindwurm-Lindner, Erika 121, 293, 366, 385, 388 h, 410,

446 Marc, Sophie 273 Marc, Wilhelm 212 Marinetti, Filippo Tommaso

414 h, 426, 445 Lindwurm-Lindner, Franz 77 fh, 81, 148, 364 h, 445

398 fh Martersteig, Max 167 Marx, Karl 63 h, 321

Liszt, Franz 27,129

Matt, Peter von 95

Loos, Adolf 224, 323, 326

Meckert, Wirtin 132 h

Lubitsch, Ernst 297 fh, 311h

Meyer, A. R. 201, 207, 231, 298

Lublinski, Samuel 13, 112 h,

Meyer, Friedrich Andreas 423

471

Mille, Cecil B. de 391 Moissi, Alexander 297 Mühsam, Erich 107,133 Münch, Heinrich 295, 384 Münter, Gabriele 220 ff., 250 Musil, Robert 345 Mussolini, Benito 398 f., 410 f., 416 Müthel, Lothar 356 Mynona (Salomo Friedlaender) 13,248 Nadel, Arno 344 Napoleon I. Bonaparte 53 Neimann, Curt 12 Nietzsche, Friedrich 91, 107, 109, 118, 149-152, 186, 265, 272, 276 f., 284 f. Nissen, Hermann 165 Novalis 119 Oesterheld, Erich 321 Oppenheimer, Max 247 Oprecht, Emil 410 Osten, Christoph 85 Osterloh, Edith 236 Osthaus, Carl 257, 299 Paeschke, Geldbriefträger 67 Papen, Franz von 378, 383 Pauli, Gustav 364 Pauly, Ernst 243 Pedrazzini, Paolo 290 ff., 294 f-, 317, 326, 387 Pfemfert, Alexandra 247 Pfemfert, Franz 184, 247 f., 252, 257, 260

Pick, Otto 225 ff., 344 Przybyszewski, Stanislaw 82 f. Puttkammer, Marie Madeleine von 107 f., 144, 175 Puttkammer, Maximilian von 107 Raas, Emil 397, 401, 409 ff., 413, 415, 426 f., 445 Rapaport, Rechtsanwalt 257 Rathenau, Walther 373 Rattke, Rudolf 11 f. Reinhardt, Max 32 f., 119, 287, 294, 309, 3ir, 329, 434 Remarque, Erich Maria 406 f., 413 Riefenstahl, Leni 292, 298 Rilke, Rainer Maria 93, 100, 151, 172, 175, 199, 225, 270, 317, 372 Rosenberg, Hermann 133 Rosenzweig, Franz 431 Roslund, Nell 23, 25, 209 siehe auch Walden, Nell Roth, Joseph 246 Rowohlt, Ernst 312., 373, 379 Rubiner, Ludwig 247 f. Ruest, Anselm 247 Sanders-Brahms, Helma 210 Schalk, Johannes 348 f. Scheidt, Richard 95,123 Schickele, René 179, 336 Schiller, Friedrich 78, 285, 443 Schocken, Salman 405, 425 f., 433 Scholem, Betty 416

472

Scholem, Gershom 393 ff., 416,

Stern, Ernst 293, 309, 311 Sternheim, Thea 287

422,430,432,434 Schönberg, Arnold 151, 224

Stinnes, Heinrich 332, 362

Schottländer, Rudolf 3 29

Strindberg, August 80, 82 f.

Schramm, Wally 185

Swinburne, Algernon 63

Schubert, Franz 120 Schüler, Alfred 54, 363 f.

Thannhauser, Heinrich 220

Schüler, Anna 54 f., 77 ff., 81,

Thoma, Ludwig 306 f.

85, 95 siehe auch Lindwurm-

Tolstoi, Lew 276

Lindner, Anna

Trakl, Georg 258-263, 265,

Schüler, Aron 41 ff., 49, 53 f., 57, 78-81, 85, 98, 302, 304,

269 f., 273 ff., 284 Trakl, Grete 258, 275

367 f., 442 Schüler, Jeanette 70 f., 98, 153, 34°,399 Schüler, Martha 54, 81, 310, 313 Schüler, Moses 53 f.

Velde, Henry van de 150

Wagner, Richard 285 Waiden, Herwarth 12-36 passim, 118 ff., 128 f., 136 f.,

Schüler, Paul 55-58, 74, 98,

140, 150 ff., 162-165, 168, 177 f., 181,184 ff., 190,192,

356 Schüler, Rosa 5 3

194 ff., 205 f., 209, 215 f.,

Schwarzwald, Eugenie 325-

218, 220, 242 {., 247 f., 252,

32.9, 349, 374 Schwerin, Graf 113

277, 280, 283, 297, 314, 336, 398 ff., 407, 445

Sima, Miron 438, 446

Waiden, Nell 25, 28, 249, 407 f.

Simon, Ernst 430-436, 441,

Wäscher, Aribert 356, 360, 434

445 Sloterdijk, Peter 11

Wedekind, Frank 175, 178,

Solomon, Ernst von 373

Wegener, Paul 297, 299

Sonnemann, Leopold 54, 78

Weisenfeld, Leokardia 436, 441

Spatz, Paul 352

Weisenfeld, Meira 437 f., 441,

Springmayer, Friedrich 46, 48

443 Werefkin, Marianne von 213,

Stadion, Emmerich Graf von

268, 336, 356

69 Stahl, Reinhold 307

224,251, 257, 407 Werfel, Franz 21 f., 188, 267,

Steiner, Rudolf 113,115, 287 Stenzei, Abraham 343, 395

338 f. Westhoff, Clara 200

473

Wilhelm II. 74,152, 334 Wilhelm, Kurt 431, 441, 444 Wille, Bruno 84, no Wittgenstein, Ludwig 269 Wolff, Kurt 226, 231, 233, 2.y9, 263, 267, 338 Wolfskehl, Karl 33, 286 Wormser, Leopold 310 f.

Zech, Paul 32, 37, i74,I95, 207, 258,445 Zepler, Georg 247 Ziegel, Erich 379 Zucker, Jacob 416 f. Zweig, Arnold 334 Zweig, Stefan 92 f., 104, 175 347

ßildnachweis

akg-images: Seite 217 Begleitheft der Else Lasker-Schüler-Ausstellung »Sieh in mein verwandertes Gesicht«, Wuppertal 1995: Seite 364 Berlinische Galerie, Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur: Seite 13 bpk: Abb.7, 12, 19 (The National Library of Israel/R. Weiser), 21 (Kupferstichkabinett SMB); Seite 133 (Herman Buresch) Deutsche Schillergesellschaft. Deutsches Literaturarchiv Marbach: Abb. 10 (Fondation Oskar Kokoschka/VG Bild-Kunst, Bonn 2009), 11,14,16 (alle drei The National Library of Israel/R. Wei­ ser), 17, 22; Seite 200; Bild im Vorsatz: Postkarte Else LaskerSchülers an Franz Marc, 1912 und Bild im Nachsatz: Brief Else Lasker-Schülers an Karl Wolfskehl, 1916 (The National Library of Israel/R. Weiser) Else Lasker-Schüler, mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten dar­ gestellt von Erika Klüsener, Rowohlt 1980: Abb. 8 Germanisches Nationalmuseum Nürnberg: Abb. 20 Stadtbibliothek Wuppertal, Else-Lasker-Schüler-Archiv: Abb. 1-6, 9, 15, 23, 24, 26-28; Seite 40, 43, 47, 71, 155, 187, 355, 381, 42-3,439 Suhrkamp Verlag: Abb. 18 ullstein bild: Abb. 13, 25 Wikimedia: Seite 25

Kerstin Decker, geboren 1962 in Leipzig, ist promovierte Philosophin, Reporterin des Tagesspiegel und Kolumnistin der taz. Sie lebt in Berlin. Zahlreiche Buchver­ öffentlichungen, darunter eine Heineund eine Modersohn-Becker-Biographie im Propyläen Verlag.

Titelbild: ullstein bild Autorenfoto: privat Gestaltung: Morian £» Bayer-Eynck, Coesfeld www.propylaeen-verlag.de

»Sie sah die Dinge wie zum ersten Mal.« Friedrich Dürrenmatt Gottfried Benn hielt sie für die größte Lyrikerin, die Deutschland je hatte, Karl Kraus bekannte, für eines ihrer Gedichte den ganzen Heine herzugeben. Else Lasker-Schüler zählt zu den bedeutendsten deutschen Dichterinnen. Ihre expressionistische Lyrik steht am Beginn der literarischen Moderne, der sie im Kreis der Berliner Boheme des anbrechenden 20. Jahrhunderts eng verbunden ist. Bravourös gelingt es Kerstin Decker, die eigenwillige deutsch-jüdische Poetin und mit ihr jene künstlerische Blütezeit zum Leben zu erwecken.

Propyläen

ISBN 978-3-549-07355-1

www.propylaeen.de