Martin Bormann: Hitlers Vollstrecker
 9783412215460, 9783412209421

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1 Martin Bormann, Porträtaufnahme, undatiert.

Volker Koop

Martin Bormann Hitlers Vollstrecker

2012 BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Adolf Hitler und Martin Bormann (Foto: akg-images)

© 2012 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Wien Köln Weimar Ursulaplatz 1, D–50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Lektorat: Annalisa Viviani, München Umschlaggestaltung: Susanne Keuschnig, Wien Satz: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Druck und Bindung: Finidr s.r.o., Český Těšín Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the Czech Republic ISBN 978-3-412-20942-1

Inhalt 7 Vorwort 10

Hitlers Vollstrecker

25

Der heimliche Herr des Obersalzbergs

59

Der Intrigant

77

Demütigung als Machtmittel

112

Die braune Eminenz

129

Der Kirchenkampf

181

Familie und Moral

202

Der Rassenwahn

233

Kultur als Instrument der Politik

249

Der 20. Juli 1944 – Bormanns Chance zur Abrechnung

261

Die Mobilisierung der letzten Reserven

296

Trauzeuge und Testamentsvollstrecker

Anhang

321  Anmerkungen  354  Organisationsplan der Partei-Kanzlei 1944 358 Abkürzungen  359 Zitierhinweis  360 Hauptsächlich in Anspruch genommene Archive  360  Ausgewählte Literatur­ hinweise   363 Bildnachweis  364 Personenregister

Inhalt  5

Vorwort

Martin Bormann war zweifellos einer der wichtigsten Träger des nationalsozialistischen Regimes. Auffallend ist, dass seine persönliche Macht als die »Nummer 2« nach Hitler in dem Maß zunahm, in dem das »Dritte Reich« auf sein Ende zusteuerte. Bormann gehörte zwar nicht zu Hitlers »Kampfgefährten« und war auch erst relativ spät zur NSDAP gestoßen, doch er verstand es, sich beispielsweise mit der »Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft«, die er 1933 initiierte, in der Partei zu profilieren. Durch die freiwilligen Spenden deutscher Industrieller entstand ein bedeutender Fonds, aus dem er den Spitzenfunktionären der NSDAP Gelder zukommen ließ. Als Verwalter des Obersalzbergs im Berchtesgadener Land – seit 1923 Hitlers Feriendomizil, nach 1933 zum zweiten Regierungssitz neben Berlin ausgebaut – hielt sich Bormann ständig in Hitlers unmittelbarer Nähe auf und machte sich unentbehrlich. Unter seiner Leitung wurde nach Hitlers Plänen der ehemals schlichte Berghof zu einem repräsentativen Wohnsitz umgestaltet. Zwar hatten hier auch andere NS-Größen ihre Häuser, aber es ist bezeichnend, dass Bormann von seinem Haus auf alle anderen buchstäblich herabsehen konnte. Als Martin Bormann Stabsleiter des Führer-Stellvertreters Rudolf Heß wurde, war keinesfalls abzusehen, dass er eines Tages der nach Hitler mächtigste Mann des NS-Regimes werden würde. Zwar führte er in der Heß-Dienststelle zunehmend Regie, doch erst Rudolf Heß’ Flug nach Schottland am 10. Mai 1941 in dem naiven Glauben unternommen, die Briten zum Rückzug aus dem Krieg bewegen zu können, führte eine entscheidende Wende in Bormanns Leben herbei: Er stieg an allen Konkurrenten und Widersachern vorbei in die oberste Parteihierarchie auf. Am Abend nach Heß’ Flug soll Bormann in seinem Haus auf dem Obersalzberg ein Fest gegeben haben, als ob er persönlich das Ereignis feierlich begehen müsse.1 Sich ein zutreffendes Bild von Bormann zu machen, ist nicht einfach. Er hat keine Tagebücher geschrieben, keine Reden gehalten wie etwa Propagandaminister Goebbels. Sein eigentlicher Nachlass sind die unzähligen Anordnungen, Verlautbarungen und Rundschreiben, die er Vorwort  7

Tag für Tag produzierte. In den Dokumenten seiner politischen Gegner – und derer gab es viele – wird man im Hinblick auf Bormanns Persönlichkeitsprofil eher fündig als in den Beständen der Partei-Kanzlei der NSDAP. Die Hinterlassenschaften der Dienststellen von Alfred Rosenberg, Robert Ley, Hans Heinrich Lammers oder Heinrich Himmler und vergleichbarer NS-Politiker waren daher eine wichtige Grundlage für das Entstehen dieses Buches. Eine weitere Quelle zur Entschlüsselung der Person Martin Bormann ist der Briefwechsel mit seiner Frau Gerda, der bisherige Ansichten über den Sekretär des Führers zumindest partiell ins Wanken bringt. Tritt in Bormanns Verfügungen und in den Dokumenten der NS-Weggefährten der skrupellose Machtmensch zutage, begegnet man in den Briefen dem liebenden, offenbar noch immer verliebten Ehemann und Vater, der so gar nicht in den Rahmen des sonst so gefühllosen Leiters von Hitlers Partei-Kanzlei passen will. Im Vorwort zur Edition der Briefe im Jahr 1954 schockierte François Genoud, in dessen Besitz die Briefe gelangt waren, die Leser mit dem Bekenntnis, er habe bei der Lektüre eine gewisse Sympathie für Bormann empfunden. Dieses Äußerung Genouds darf allerdings nicht verwundern, war er doch ein glühender Anhänger des Nationalsozialismus und hatte mittels Verträgen mit Familien und Nachlassverwaltern die Verwertungsrechte der Texte von Hitler, Goebbels und Bormann erworben. Während die Authentizität der BormannDiktate über Gespräche mit Hitler von einigen Historikern angezweifelt wird, ist dies im Fall des Bormann-Schriftwechsels nicht der Fall. Wenn also, wovon auszugehen ist, der Briefwechsel zwischen Martin und Gerda Bormann unverfälscht ist, dann kann man daraus schließen, dass Bormann letztlich ein einsamer Mensch war. Dies geht aus nahezu jedem seiner vielen, bedauerlicherweise nur in englischer Sprache veröffentlichten Briefe hervor. Es mag sein, dass für ihn die Machtausübung eine Kompensation für den weitgehenden Verzicht auf ein Privatleben bedeutete. Bormann wollte die Macht und nutzte sie, um persönliche Antipathien auszuleben und beispielsweise seinen Kampf gegen die Kirchen zu führen. Den Preis für sein Machtstreben zahlten die Menschen in Deutschland und in den von Deutschland besetzten und beherrschten Ländern – insofern wären Mitleid oder gar Sympathie im Zusammenhang mit Bormann völlig unangebracht. Er war Hitlers Alter Ego und Vollstrecker. Er war 8  Vorwort

nicht nur in die menschenverachtende Politik der Nationalsozialisten eingebunden, sondern auch ihr Spiritus Rector. Er war eine geheimnisumwitterte Persönlichkeit – im Leben und insbesondere nach seinem Tod. Ziel dieses Buches ist es, ein wenig Licht in dieses düstere Kapitel deutscher Geschichte, das mit dem Namen Bormann untrennbar verbunden ist, zu bringen.

Vorwort  9

Hitlers Vollstrecker Die Anfänge in der NSDAP Martin Bormann wurde am 17. Juni 1900 in Halberstadt in ausge­ sprochen kleinbürgerliche Verhältnisse hineingeboren, was wesentlichen Einfluss auf seinen späteren Lebensweg gehabt haben dürfte. Ehrgeizig wie er war, glich er seine Herkunft mit einer höchst bemerkenswerten NSDAP-Parteikarriere aus. Sein Vater Theodor, Oberpostassistent und ehemaliger Militärmusiker, hatte nach dem Tod seiner ersten Frau Luise, mit der er zwei Kinder – Else und Walter – hatte, im Jahr 1898 Antonie Bernhardine Mennong geheiratet. Die beiden wurden Eltern von drei Söhnen, von denen nur Martin und Albert überlebten, die beide später einmal in Hitlers Dienste treten sollten. Der Vater starb schon 1903, Martin und Albert waren somit in jungen Jahren Halbwaisen. Mutter Antonie heiratete in zweiter Ehe den Bankbeamten Albert Vollborn. Angesichts des im »Dritten Reich« vorherrschenden Rassen- und Ahnenwahns war es Bormann – wie allen führenden Repräsentanten des Regimes – wichtig, sich mit einer weit zurückreichenden Ahnengalerie zu schmücken. Forscher von Himmlers Rasseamt der SS erhielten daher den Auftrag, eine entsprechende Herkunft nachzuweisen, und waren damit selbst dann noch beschäftigt, als es mit dem »Dritten Reich« zu Ende ging. Staatssekretär Gerhard Klopfer, der jahrelang »Rassefragen« in Bormanns Partei-Kanzlei bearbeitet hatte, schrieb am 27. Juni 1944 dem Chef von Himmlers Persönlichem Stab, SS-Standartenführer Rudolf Brandt: »Herr Reichsleiter Bormann sprach Anfang Juni mit dem Reichsführer-SS über seine Ahnentafel und insbesondere darüber, dass eine Weiterverfolgung der Ahnenforschung in Frankreich bisher nicht möglich gewesen sei. Der Reichsführer-SS wies auf seine Arbeitsstelle hin, die gerade wegen der Hugenotten-Nachkommen ausgezeichnete Arbeitsergebnisse aufzuweisen habe und bat um Zusendung der Ahnentafel, um das Weitere zu veranlassen. Es handelt sich hier um die Familie Men(n)en, meist Mennong geschrieben. Auszug der Ahnentafel liegt in der Anlage bei.«1 Von Brandt erhielt der damalige Chef des Rasse- und Siedlungshauptamtes, SS-Gruppenführer Harald Turner, 10  Hitlers Vollstrecker

dann am 14. Juli 1944 folgendes Schreiben: »Ich übersende Ihnen anliegend einen Auszug aus der Ahnentafel des Reichsleiters Bormann. Der Reichsführer-SS hatte Reichsleiter Bormann zugesagt, soweit es möglich wäre, die Forschung weiter zu betreiben.«2 Trotz aller Bemühungen gelang es augenscheinlich nicht, Bormann zur gewünschten Ahnengalerie zu verhelfen. Dabei hätte Bormann seinen Stammbaum mütterlicherseits nur allzu gern auf die Hugenotten zurückgeführt. Sie galten im Sinn der nationalsozialistischen »Nürnberger Gesetze« als »deutschen oder artverwandten Blutes«.3 Ferner hatte die »rassische Beurteilung« von Hugenotten ergeben, dass diese »eine besonders positive Auslese besten germanischen Blutes darstellten«. Nachforschungen nach möglichen Vorfahren durch das Ahnentafelamt der SS in Frankreich blieben ergebnislos und konnten nach der Invasion der Alliierten ohnehin nur noch bedingt beziehungsweise überhaupt nicht mehr fortgeführt werden. Bormann teilte damit das »Schicksal« nahezu aller NS-Führungspersönlichkeiten: Im nationalsozialistischen Sinn »wertvolles« Blut floss nicht durch seine Adern. Doch zurück zu Bormanns Lebenslauf. Er besuchte in Eisenach und Weimar Realschule und Realgymnasium, wurde im Juni 1918 mit der Sekundarreife zum Feldartillerieregiment 55 in Naumburg/Saale eingezogen, hatte jedoch das Glück, nicht mehr am Krieg teilnehmen zu müssen und ins Feld geschickt zu werden. Im März 1919 wurde er mit dem Dienstgrad eines Kanoniers entlassen, ging als Landwirtschafts-»Eleve« nach Mecklenburg und kam dort auf das Gut des Rittergutsbesitzers von Treuenfels in Herzberg, im heutigen Kreis Parchim gelegen. Im strikt antisemitischen »Verband gegen die Überhebung des Judentums« festigte Bormann sein krudes Weltbild, nach dem Juden die Schuld daran trugen, dass Deutschland den Ersten Weltkrieg verloren hatte. Diesem Verband gehörte übrigens auch der spätere NS-Chefideologe Alfred Rosenberg an, mit dem Bormann zeit seines Lebens eine tiefe Feindschaft verbinden sollte. Er wurde Abschnittsleiter der Deutschvölkischen Freiheitspartei (DFP), einer Tarnorganisation der NSDAP, im Bereich Herzberg und kam 1923 das erste Mal gerichtsnotorisch mit dem Gesetz in Konflikt. Wegen einer Wirtschaftsstraftat wurde er zu einer Geldstrafe von 30 000 Mark verurteilt. Herzberg spielte für seinen weiteren Lebensweg eine wichtige Rolle, denn dort schloss Bormann sich dem ehemaligen, illegal weiterexistieDie Anfänge in der NSDAP  11

renden »Freikorps Roßbach« an. Die Anhänger des Erste-WeltkriegOberleutnants Gerhard Roßbach waren nach dem Verbot des Freikorps zu einem großen Teil in der mecklenburgischen Landwirtschaft untergetaucht. Zu Bormanns Weggefährten gehörten jetzt unter anderem Kurt Daluege, später berüchtigter Chef von Hitlers Ordnungspolizei, eine Reihe weiterer künftiger SS- und SA-Führer sowie nicht zuletzt Rudolf Höß, von Mai 1940 bis November 1943 Kommandant des Konzentrationslagers Auschwitz. 1923 beteiligte sich Bormann gemeinsam mit Höß an der Ermordung des früheren Volksschullehrers Walter Kadow, der Albert Leo Schlageter an die französischen Besatzungsbehörden verraten haben soll. Wegen seiner Beteiligung am Kampf gegen die Besetzung des Ruhrgebiets durch Sprengstoffanschläge wurde Schlageter von französischen Militärrichtern zum Tod verurteilt und 1923 hingerichtet. Für die Ermordung Kadows wurde Höß zu zehn Jahren und Bormann am 14. Mai 1924 zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt. Offensichtlich ließ Bormann sich von Hitler und dessen Heroisierung der Landsberger Haft inspirieren, seine – kurze – Zeit als Häftling zu glorifizieren. Im Völkischen Beobachter beschrieb er weitschweifig sein Los als »Femehäftling« und als Märtyrer der »Bewegung«. »In den Kerkern der Republik« überschrieb Bormann im August 1929 sein Pamphlet, aus dem die folgenden Auszüge stammen: Das »Republikschutzgesetz«4 ist gefallen und wutbebend hat darob der eifrigste Beschützer des Gebildes, das man heute im allgemeinen verkehrterweise Republik und Staat nennt, Herr Severing5, erklärt, er werde andere Mittel und Wege suchen, um das Republikschutzgesetz zu ersetzen. Zum Lachen! Als ob uns und unsere Führer etwaige Gefängnisstrafen abhalten könnten, die Wahrheit zu sagen und unsere Pflicht zu tun, für eine bessere Zukunft unseres Volkes zu kämpfen. Wir, die wir nach der Befreiung des Kapitäns Ehrhardt6 im Gefängnis in Leipzig saßen, haben wohl die tollste und schikanenreichste Gefängniszeit erlebt, die diese »Republik« ihren Untertanen zu bieten wagte.

Bormann betrachtete sich als »Femegefangener«, für den das »Lied der Verfemten« galt:

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»Deutschland, Deutschland, ach mit wehem Herzen, seh ich deine Not und deine Schand; Trag des Kerkers Ketten, duld der Knechte Streich, wenn nur entsteht das Dritte Reich.« So denkt und fühlt der Femegefangene, und das ist der Erfolg seiner sogenannten Richter des Staatsgerichtshofes zum Schutze dieser Republik bei unserer ›Erziehung‹ gewesen. Die Strafhaft hat uns nicht zermürbt, sondern gehärtet, sie hat uns nicht zur Liebe zu dieser sogenannten Republik und ihren Trägern erzogen, sondern hat die Liebe zu unserem Volke vertieft und zugleich den Hass gegen all jene, die mit diesem Volke glauben Schindluder treiben zu können. (…) Wir alten Femegefangenen pfeifen auf persönliches Wohlergehen und persönliche Vorteile. Wir haben zur Genüge den fortgesetzten Betrug, der an unseren Volksgenossen, sowohl von den marxistischen wie von den sogenannten bürgerlichen Parteien verübt wird, in seiner ganzen Größe erkannt. Und diese Erkenntnis lässt uns einfach nicht zur satten Ruhe des trägen Spießarbeiters und Spießbürgers kommen, sie treibt uns zu unablässigem Kampf für unser Volk gegen seine Schädlinge und Feinde. Daher ist es eine Selbstverständlichkeit, dass wir in diesem Kampf für unser Volk bei jenem Manne stehen, der am meisten von allen Volksverrätern gehasst wird; dass wir in der SA getreu bis in den Tod zu jedem Manne stehen, der vermöge seiner überragenden Fähigkeiten und Führereigenschaften allein in der Lage ist, unser Volk wieder zur Sonne, zur Freiheit zu führen, zu unserem Adolf Hitler.7

Nach seiner Haftentlassung fand Bormann seine politische Heimat in Weimar in dem von Ernst Röhm geleiteten nationalsozialistischen Wehrverband »Frontbann«, dem Auffangbecken für Mitglieder verschiedener verbotener rechtsextremistischer Wehrverbände. Die Tatsache, dass Bormann sich mit Roßbach und Röhm ausgerechnet Männern angeschlossen hatte, die dann von Hitler verfolgt und – wie Röhm – ermordet wurden, schadete bemerkenswerterweise seiner Parteikarriere nicht. Der Eintritt in die NSDAP 1927 und die Bestellung zum NSDAPGaugeschäftsführer in Thüringen im Jahr darauf waren nahezu zwangsläufig für Bormann, der – ohne Beruf – im bürgerlichen Leben kaum hätte bestehen können. Im Oktober 1928 übernahm er die »SAVersicherung« in der Münchner Parteizentrale, die unter seiner Leitung ab August 1930 als »Hilfskasse der NSDAP« erheblich erweitert wurde. Die Anfänge in der NSDAP  13

Am 15. November 1928 wurde er von Hauptmann Franz Salomon von Pfeffer in den Stab der Obersten SA-Führung berufen, schied dort aber 1930 wieder aus. Anschließend wurde Bormann Geschäftsführer und Schatzmeister des Nationalsozialistischen Automobilkorps (NSAK), das 1931 in Nationalsozialistisches Kraftfahrerkorps (NSKK) umbenannt wurde. Aus der »Hilfskasse der NSDAP« wurden Angehörige von Parteimitgliedern unterstützt, die bei den Straßenschlachten um die Machtübernahme der Nationalsozialisten verletzt oder getötet worden waren. Überdies nutzte Bormann diese Kasse zur Finanzierung der Partei selbst. Gerade wegen dieser Tätigkeit fand er das besondere Wohlwollen Hitlers. Ins Visier der Polizei geriet er erneut 1931. Am 18. September 1931 durchsuchte die Münchner Polizei seine Wohnung nach politischen Schriften, wurde aber nicht fündig.8

2 Neunter Parteitag der NSDAP, »Parteitag der Arbeit« in Nürnberg, 7. bis 13. September 1937. Blick auf die Ehrentribüne während der Kundgebung: 2. von links: Martin Bormann; 3. von links: Robert Ley, der Leiter der Deutschen Arbeitsfront; 4. von links: Propagandaminister Joseph Goebbels; rechts außen: SA-Stabschef Viktor Lutze; 3. von rechts: Reichskommissar für die besetzten Ostgebiete Alfred Rosenberg.

14  Hitlers Vollstrecker

Bormanns Laufbahn innerhalb der NSDAP war inzwischen vorgezeichnet. Mit »Führerbefehl Nr. 6« vom 18. Dezember 1931 erhielt er, der jetzt dem »Vorstand der Kanzlei Hitlers (SA)« angehörte, den Rang eines Sturmführers,9 und in der Bayerischen Staatszeitung fand sich in der Ausgabe vom 6./7. August 1933 die Bekanntmachung: Auf Ersuchen des Reichsstatthalters von Bayern, General Ritter von Epp, habe Reichsorganisationsleiter Philipp Bouhler die Aufgabe des Beauftragten des Reichsstatthalters in politischen Angelegenheiten der NSDAP in Bayern übernommen und Bormann zu seinem Vertreter ernannt. 10 Erlaubt sei an dieser Stelle der Hinweis, dass sich für keinen der frühen Weggefährten Bormanns diese Bekanntschaft später einmal auszahlte. Im Gegenteil: Rosenberg, Bouhler und vielen anderen begegnete Bormann mit unverhohlener Feindschaft, möglicherweise weil sie ihn in frühen Zeiten in untergeordneter Stellung kennengelernt hatten.

Ein Karriereschub In der Zwischenzeit, im September 1929, hatte Bormann geheiratet und damit seine Parteilaufbahn abgesichert. Denn seine Braut, die 1909 geborene Gerda Buch, war die Tochter des einstigen kaiserlichen Hauptmanns Walter Buch, der inzwischen zum Obersten Parteirichter der NSDAP avanciert war. Trauzeugen waren Adolf Hitler und Rudolf Heß. Viele unterstellten Bormann, er habe Gerda nur aus Karrieresucht geheiratet. Das mag sein, doch die Ironie der Geschichte wollte es, dass Bormann in der Parteihierarchie seinen Schwiegervater bald überholte und die Urteile des Parteirichters nur wirksam wurden, wenn sein Schwiegersohn sie bestätigte. Denn in einer Verfügung vom 21. November 1942 hatte Hitler festgelegt, dass Beschlüsse des Obersten Parteigerichts erst dann Rechtskraft erhielten, wenn sie vom Leiter der ParteiKanzlei bestätigt worden waren. Daran musste er am 2. Februar 1944 die Parteigliederungen erinnern.11 1933 kam Bormann auf eigenen Wunsch in das Amt des »Stellvertreters des Führers« und wurde im Oktober 1933 Reichsleiter. Damals gab es achtzehn sogenannte Reichsleiter, die innerhalb der Partei entweder nur Hitler oder dessen Stellvertreter unterstanden. Sie bildeten die Ein Karriereschub  15

Reichsleitung mit Sitz zunächst im sogenannten Braunen Haus in München. In der NSDAP, der Bormann 1927 mit der Mitgliedsnummer 60.508 beigetreten war, hatte er sich anfangs gegen Hitlers Adjutanten, Hauptmann a.D. Fritz Wiedemann, durchzusetzen, der Bormann in einer Weise begegnete, die diesem Machtmenschen nicht gefallen konnte. Wiedemann war im Ersten Weltkrieg Hitlers Kompanieführer gewesen und ihm von daher in besonderer Weise verbunden. Der NSDAP gehörte er jedoch erst seit 1934 an. So wie Bormann es später selbst tat, berief sich auch Wiedemann in der Regel auf den »Führer« und erteilte Bormann in dessen Auftrag Befehle. »Der Führer hat angeordnet« – dies war eine Lieblingsfloskel von Wiedemann, die er beispielsweise anwandte, als es darum ging, »den in Frage kommenden Parteigenossen in geeigneter Weise« bekanntzumachen, »dass auch nach Umbau des ›Deutschen Hofes‹ während des Parteitages die Frauen der im ›Deutschen Hof‹ untergebrachten Parteigenossen nicht mit im ›Deutschen Hof‹ wohnen dürfen, weil sonst der Raum wieder zu eng wird«.12 Ein anderes Mal wollte Wiedemann lediglich Bormanns »Vorwissen« in Anspruch nehmen: Lieber Parteigenosse Bormann, Obergruppenführer Reschny hat mich wiederholt angerufen und auch gefragt, ob der Pakt mit Österreich irgendwelche Einwirkung auf die Teilnahme der in Deutschland lebenden Österreicher am Reichsparteitag habe. (…) Nachdem Sie alle Parteifragen bearbeiten, möchte ich die letzte Entscheidung beim Führer nicht ohne Ihr Vorwissen einholen und bitte Sie daher um Ihre Stellungnahme.13

Wenig behagt haben dürften Bormann solche Schreiben, die ihn zum bloßen Befehlsempfänger degradierten – ihn, der doch selbst so gern befahl: Ich habe mit Ihnen seinerzeit in Obersalzberg über die fristlose Entlassung des Geschäftsführers des Deutschen Hofes – Nürnberg gesprochen. Am nächsten Tage habe ich im Zuge dem Führer Vortrag gehalten. Wenn der Führer sich auch nicht eindeutig festgelegt hat, so hat er doch keinen Zweifel darüber gelassen, dass ihm eine andere Bereinigung der Angelegenheit erwünschter wäre. Er hat wörtlich ausgeführt: »Wenn der Mann uns ver16  Hitlers Vollstrecker

klagt (= die Partei), so kann das sehr unangenehm für uns werden.« Ich glaube deshalb im Sinne des Führers zu handeln, wenn ich Sie bitte, mit der für diese Angelegenheiten zuständigen Stelle (nachdem Reichsschatzmeister Schwarz erkrankt ist, dürfte dies wohl Herr Färber sein) diese Fragen zu besprechen, und mir mitzuteilen, ob sich nicht doch eine andere Regelung finden lässt.14

Wiedemann wurde übrigens 1941 als Hitlers Adjutant entlassen – wohl auch auf Bormanns Drängen hin – und als Generalkonsul erst in die USA und dann nach China abgeschoben.

Zwei verfeindete Brüder Auch Martin Bormanns Bruder Albert hatte eine beachtliche Parteikarriere hingelegt, stand aber stets im Schatten seines älteren Bruders. Albert Bormann, am 2. September 1902 als drittes Kind von Theodor und Antonie Bormann in Halberstadt geboren, ging nach dem Abitur ins Bankwesen, wo er von 1922 bis 1931 als Beamter tätig war. Er gehörte zu den Mitgründern der Hitlerjugend in Thüringen und war von 1929 bis 1931 deren Gauführer. 1927 trat er in die NSDAP und gleichzeitig in die SA ein. 1931 in die Privatkanzlei Adolf Hitlers berufen, wurde er 1933 deren Leiter und 1934 Reichsamtsleiter. Ferner baute er die Sachschadenskasse im Rahmen der Hilfskasse der NSDAP auf. Zunächst als SA-Sturmbannführer besoldet, folgten rasch Beförderungen bis zum Gruppenführer des Nationalsozialistischen Kraftfahrerkorps (NSKK) und Reichshauptamtsleiter der NSDAP. Im Zusammenhang mit dem Umzug der »Kanzlei des Führers« im November 1936 in die Berliner Hermann-Göring-Straße 5 (seit Kriegsende umbenannt in Ebertstraße) beziehungsweise Voßstraße 10 fand eine Neugliederung dieser Kanzlei in fünf Ämter statt, von denen Albert Bormann das Amt für soziale Angelegenheiten leitete.15 Darüber hinaus stand er der »Privatkanzlei Adolf Hitler« vor. Für die NSDAP wurde er 1938 als Vertreter des Wahlkreises BerlinWest Mitglied des Reichstags. Am 3. Juni 1938 veröffentlichte das Deutsche Nachrichtenbüro eine Verfügung Hitlers, mit der er Albert Bormanns Aufstieg bekanntgab. Zwei verfeindete Brüder  17

1. Ich habe mit Heutigem den Leiter meiner Privatkanzlei, Reichsamtsleiter Albert Bormann, zum Hauptamtsleiter befördert und als Adjutanten in meinen persönlichen Stab berufen. 2. Die »Privatkanzlei Adolf Hitler« wird gleichzeitig als eigenes Amt in die Kanzlei des Führers der NSDAP eingegliedert und mit einer Reihe neuer Aufgaben betraut. Hauptamtsleiter Bormann behält die Leitung dieses Amtes bei.16

Albert Bormann erledigte offenbar seine Aufgaben kompetent und zuverlässig. Am 9. März 1939 veröffentlichte der Völkische Beobachter einen Beitrag des Chefs der Kanzlei des Führers (KdF) Philipp Bouhler unter dem Titel »Die Kanzlei des Führers der NSDAP – Ein Bindeglied zwischen Adolf Hitler und dem deutschen Volk.« Die Kanzlei des Führers der NSDAP hat die Aufgabe, die unmittelbare Verbindung des Führers mit der Bewegung in allen Fragen, die an den Führer persönlich herangetragen werden, sicherzustellen. Es gibt wohl keine Sorge und keine Not, die dem Führer in grenzenlosem Vertrauen auf seine Hilfe und sein Eingreifen nicht unterbreitet wird. Sie ist seit ihrem Bestehen eine dem Führer unmittelbar unterstehende Dienststelle und ein Instrument des Führers zum Wohle der Gesamtheit.17

Die Bormann-Brüder waren aufs Heftigste verfeindet. Wenn sie sich im selben Raum befanden, sprachen sie kein Wort miteinander. An der Anstellung von Hitlers Sekretärin Traudl Junge hatte Albert Bormann wesentlichen Anteil. Sie beschrieb das Verhältnis der Brüder zueinander wie folgt: Die Feindschaft der Bormanns war so erhärtet und zur Gewohnheit geworden, dass sie dicht nebeneinander stehen konnten, ohne dass der eine von dem anderen überhaupt Notiz nahm. Und wenn Hitler dem kleinen Bormann einen Brief oder einen Auftrag zur Weiterleitung an den Reichsleiter gab, ging dieser hinaus, holte eine Ordonnanz, und diese leitete den Befehl dann an den großen Bruder im gleichen Zimmer weiter. Umgekehrt wurde genauso verfahren, und falls der eine Bormann bei Tisch einen Witz erzählte, lachte die ganze Gesellschaft schallend, während der Bruder völlig unbeteiligt und todernst blieb.18 18  Hitlers Vollstrecker

Am 21. April 1945 verließ Albert Bormann die Reichskanzlei und floh mit einem von Hitler zur Verfügung gestellten Flugzeug nach Berchtesgaden. Aus Angst, man könne ihn mit seinem Bruder verwechseln, versteckte er sich mit seiner Familie einige Monate im Gebiet von Berchtesgaden und Hintersee, kam über Mühldorf in die Gemeinde Forsting und arbeitete dort unter dem Namen Roth als landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter. Im April 1949 stellte er sich den bayerischen Behörden und musste sich vor der Hauptspruchkammer München verantworten. Er wurde als »Aktivist« eingestuft und für sechs Monate in ein Arbeitslager eingewiesen. Da er völlig mittellos war, wurde ihm ein Sühnebetrag von lediglich 1000 Mark auferlegt, der an einen Wiedergutmachungsfonds abzuführen war.19

Hitlers Alter Ego Nähert man sich Martin Bormann, dem »Sekretär des Führers«, über die Aussagen seiner Zeitgenossen, so stellt man fest, dass es wohl keinen zweiten NS-Repräsentanten gab, der in ähnlicher Weise gefürchtet und gehasst wurde. Gefürchtet wurde er aber weniger vom Volk, das kaum seinen Namen kannte, weil er nur selten in der Öffentlichkeit auftrat, als vielmehr von Ministern, Gauleitern, Beamten, Richtern und Generälen. Bücher verfasste er – im Gegensatz beispielsweise zu Alfred Rosenberg, dem Reichskommissar für die besetzten Ostgebiete, Joseph Goebbels, dem Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, oder selbst Robert Ley, dem Leiter der Deutschen Arbeitsfront – nicht. Er zog es vor, die Fäden aus dem Hintergrund zu ziehen. Bormann hielt keine Reden, sprach nicht im Rundfunk, und sein Konterfei gab es auch nicht in Form von Zigarettenbildern in Sammelalben, einem damals sehr beliebten und von den Nationalsozialisten intensiv genutzten Propa­ ganda­mittel. Doch trotz dieser medialen Abstinenz verfügte Bormann im nationalsozialistischen Regime über eine einzigartige Machtstellung, die er schon früh aufzubauen verstand. Es gelang ihm, seine Position gegenüber den anderen Kanzleien und Adjutanturen des NS-Staates durchzusetzen: Fast ausschließlich Bormann entschied, wer zu Hitler vorgelassen wurde. Gelang es einem der Minister oder Reichsleiter, bis zu Hitler Hitlers Alter Ego  19

vorzudringen, konnte er sicher sein, dass Bormann an dem Gespräch teilnehmen würde. In Hitlers Namen gab er »Führerentscheidungen« bekannt, identifizierte sich vollends mit den Gedankengängen des »Führers« und vertrat dessen Vorstellungen mit großer Effizienz und brutalem Durchsetzungsvermögen. Zweifellos genoss Bormann Hitlers uneingeschränktes Vertrauen. Dazu dürfte die Tatsache beigetragen haben, dass er keinerlei Ambitionen erkennen ließ, Hitler zu verdrängen, um selbst an die Spitze der Partei zu treten. Im Gegenteil: Er war der perfekte Diener seines Herrn, er hielt dem »Führer« den Rücken frei und kümmerte sich um den Regierungsablauf. Somit konnte Hitler seinem Wahn als »größter Feldherr aller Zeiten« nachgehen. Da Bormann dezidiert der Überzeugung war, die NSDAP stehe über dem Staat, betrachtete er beispielsweise die Reichsminister lediglich als Befehlsempfänger der Partei-Kanzlei. Er fühlte sich ihnen überlegen und ließ sie es auch spüren. Jede Eingabe an Hitler seitens der Partei und ihrer Organisationen musste von Bormann gegengezeichnet werden. Kein Gesetz konnte ohne seine Zustimmung verabschiedet werden, und er befand darüber, wer Beamter werden oder bleiben durfte. Wer war nun dieser Mensch, der einen so großen Einfluss auf Hitler ausübte und zum heimlichen Herrscher über Nazideutschland werden konnte? Der Internationale Militärgerichtshof in Nürnberg klagte Bormann mit den anderen nationalsozialistischen Führern am 29. Oktober 1945 in Abwesenheit an; am 1. Oktober 1946 wurde er wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum Tode verurteilt, obwohl zu diesem Zeitpunkt niemand wusste, ob Bormann überhaupt noch am Leben war. Lediglich die Anklage wegen Verbrechen gegen den Frieden ließ sich nach Auffassung der alliierten Richter nicht halten. Es könne nicht bewiesen werden, dass Bormann von den Angriffsplänen und Kriegsvorbereitungen Hitlers gewusst habe, denn er habe an keinem der entscheidenden diesbezüglichen Gespräche teilgenommen. Möglicherweise verfügten die Nürnberger Richter so kurz nach Kriegsende noch nicht über alle Dokumente, die zur Einordnung Bormanns erforderlich gewesen wären. Ihrer Ansicht widerspricht beispielsweise ein Tagebucheintrag von Propagandaminister Goebbels. Er hatte am 31. Mai 1941 notiert: »Lange mit Martin verhandelt. Das Unter­nehmen Barbarossa rollt weiter. Jetzt setzt die erste große Tar20  Hitlers Vollstrecker

3 Bormann mit Rudolf Heß in Berlin 1935.

Hitlers Alter Ego  21

nungswelle ein. Der ganze Staats- und Militärapparat wird mobil gemacht. Über die wahren Hintergründe wissen nur ein paar Leute Bescheid.«20 Der Überfall auf die Sowjetunion begann am 22. Juni 1941unter dem Decknamen »Unternehmen Barbarossa«. Man muss wohl davon ausgehen, dass Bormann bei seinem Gespräch mit Goebbels darüber bereits informiert war. Bemerkenswert ist die weitere Beschreibung Bormanns, die sich in der Nürnberger Urteilsbegründung findet:21 »Anfänglich nur ein unbedeutender Nazi, gewann Bormann allmählich immer mehr an Macht und besonders in den Tagen, da es zu Ende ging, großen Einfluss auf Hitler. Er war rege tätig beim Aufstieg der Partei zur Macht und noch mehr bei der Festigung dieser Macht. Einen großen Teil seiner Zeit widmete er der Verfolgung der Kirchen und der Juden in Deutschland.« Diese wenigen Sätze können Martin Bormann natürlich nur unzureichend skizzieren, machen aber deutlich, dass die Nürnberger Richter Bormanns Rolle im NS-System im Prinzip richtig sahen, ausgenommen die Annahme, Bormann habe von den deutschen Kriegsvorbereitungen gegen die Sowjetunion nichts gewusst. In seiner Funktion als Stabsleiter beim »Führer-Stellvertreter« Rudolf Heß war Bormann in jedes wichtige Geschehen eingebunden oder wenigstens darüber informiert, und dies galt umso mehr für die Zeit, als er die Partei-Kanzlei der NSDAP leitete beziehungsweise dann »Sekretär des Führers« war. Der Name Martin Bormann ist mit zahlreichen Charakterisierungen verbunden. Er soll »Hitlers Schatten«, die »graue Eminenz« oder gar die »treibende Kraft« hinter Hitler gewesen sein. Wenn man von Hitler absieht, findet sich keine einzige Stimme, die Sympathie oder Respekt für Bormann zum Ausdruck bringt. Hitlers Stenograf Henry Picker hat in den Tischgesprächen folgende Szene wiedergegeben: »Als der Führer den Speisesaal betrat und alles grüßte, wies er mit den Worten, ›Da gibt’s Zunder!‹ lächelnd auf die Telefonzelle neben der Tür, aus der grollend und polternd sehr vernehmlich Bormanns Stimme schallte. Reichsleiter Bormann genießt bei Hitler außerordentliches Ansehen, vertritt ihm gegenüber den gesamten zivilen Sektor und ist oft und lange bei ihm. Herr Bormann ist ein ›eiserner Kanzler‹ der Partei, von unverwüstlicher Arbeitskraft, verblüffend abgerundeten Entscheidungen und absolut sicherem Auftreten. Nur ist er in seiner Ausdrucksweise und seinem Sprechen überhaupt wesentlich lautstärker als alle anderen 22  Hitlers Vollstrecker

hier…«22 Am 12. Mai 1941 meinte Hitler zu seinem Fotografen Heinrich Hoffmann: »Verstehen Sie mich recht, Hoffmann. Ich brauche Bormann, um den Krieg zu gewinnen. Alle haben in der restlosen Ausführung meiner Befehle versagt – Bormann nie.« 23 Im Übrigen aber dominierten Ablehnung und Verachtung. In den 1949 erschienenen Erinnerungen einer der Privatsekretärinnen Hitlers heißt es etwa, Bormann sei »zweifellos Hitlers böser Geist« mit einem »unstillbaren Machthunger« gewesen.24 Und Hitler wird mit den Worten zitiert: »Mit seiner Rücksichtslosigkeit und Brutalität erreicht er jedenfalls, dass die ihm gegebenen Befehle auch durchgeführt werden.« Bormann habe in den letzten Jahren des Regimes in Hitlers Hauptquartier »unumschränkt regiert«. Otto Dietrich, Staatssekretär in Goebbels Propagandaministerium, schrieb, Bormann habe sich »geschickt in das Privatleben Hitlers hineingespielt und sich im Laufe der Jahre so in ihm verankert, dass Hitler ihn in zunehmenden Maße für unentbehrlich hielt und diesem gehirnlosen Menschen dann immer mehr politischen Einfluss gab, weil er in ihm das absolute und blind gehorchende Werkzeug zur Weitergabe und Ausführung seiner Befehle bis zum furchtbaren Ende gefunden hatte«.25 Hans Frank, Generalgouverneur im besetzten Polen, bezeichnete Bormann als eine »Lumpenkreatur«, und Reichfinanzminister Lutz Graf Schwerin von Krosigk bescheinigte ihm eine »robuste Diesseitigkeit, eine handfeste Lust an Intrigen, wie sie selbst in diesen intrigenreichen Kreisen ungewöhnlich war, einen Geltungstrieb, wie man ihn nur bei Himmler finden konnte, und eine Missachtung der Wahrheit, um die ihn in ihrer Bedenkenlosigkeit selbst ein Goebbels beneiden musste«.26 Für Walter Schellenberg, Chef des Amtes VI im Reichssicherheitshauptamt, war Bormann ein »angriffslustiger Keiler im Kartoffelfeld«. Äußerlich habe er wenig Einnehmendes an sich gehabt: »Er war ein stämmiger, untersetzter Typ mit vorgeschobenen runden Schultern und einem Ansatz zum Stiernacken. Den Kopf hielt er stets ein wenig nach vorn, so als ob der Widerstand der Nackenmuskeln zu stark wäre. Ich musste bei seinem Anblick oft an einen Boxer denken, der mit vorgeschobenem Oberkörper und schnellem Augenspiel seinen Gegner belauert und dann plötzlich auf ihn losgeht.«27 Rüstungsminister Albert Speer sprach im Zusammenhang mit Bormann von »mangelnder Intelligenz [und] ungenügendem Kontakt mit der Außenwelt«. Hitlers Alter Ego  23

Bormann sei der ständige Schatten Hitlers gewesen, »niemals hatte er es gewagt, längere Dienstreisen oder gar einen Urlaub anzutreten, unaufhörlich war er in Sorge, dass sein Einfluss geringer werden könnte«.28 Der Kaltenbrunner-Biograf Peter Black schrieb, die Position als Hitlers Sekretär sei für Bormann Garantie für seine immer erfolgreicheren Versuche gewesen, »Hitler von der Außenwelt zu isolieren und somit zum einzigen Sprachrohr für den Führerwillen zu werden«.29 Der Titel »Sekretär« habe ihn in mehrfacher Weise geschützt: Ein Sekretär führe stets nur den Willen seines Herrn aus, Angriffe auf ihn selbst seien daher auch immer Angriffe auf den »Führer« gewesen – Angriffe die man im »Dritten Reich« tunlich unterließ. Hitlers Sekretärin Gertraud (»Traudl«) Junge hatte besonders häufig Gelegenheit, Bormann zu beobachten. Sie berichtete von den Filmvorführungen für Hitler, bei denen auch Bormann häufig zugegen war. Manchmal habe man das »fette, sonore Lachen von Martin Bormann« gehört.30 Dessen Name habe zwar unter allen Befehlen und Anordnungen gestanden, aber man habe ihn selten zu Gesicht bekommen: »Dieser gedrungene, stiernackige Mann war eine der gefürchtetsten und bekanntesten Persönlichkeiten im Reich, obwohl er fast immer hinter dem Schreibtisch in seinem Bunker saß und früh bis nachts verbissen arbeitete, um die Befehle seines Führers auszuführen.« Derartige Beschreibungen sind natürlich sehr subjektiv, zumal sie teilweise erst nach Ende des NS-Regimes verfasst wurden und – je nach Verfasser – auch dazu gedient haben mögen, sich selbst zu entlasten. Propagandaminister Joseph Goebbels allerdings hatte schon am 7. November 1935, also zu einem sehr frühen Zeitpunkt, seinem Tagebuch anvertraut: »Beim Führer: Mit Heß allerlei durchgesprochen. Sein Bormann ist manchmal unerträglich. So wichtig.«31 Knapp sechs Jahre später, am 29. Mai 1941, schien Goebbels sein Urteil revidiert zu haben: »Mit Bormann komme ich gut zu Rande. Er tut alles das, was ich wünsche.«32 Goebbels hatte sich mit dieser Einschätzung gründlich geirrt, denn Bormann tat ausschließlich das, was er selbst für richtig hielt, und das, von dem er meinte, Hitler wolle es so und nicht anders.

24  Hitlers Vollstrecker

Der heimliche Herr des Obersalzbergs

In Hitlers Nähe Aus mehreren Gründen wurde Bormann frühzeitig für Hitler immer unentbehrlicher. So hatte ihm Hitler die Verwaltung seines Privatvermögens übertragen, das vor der Machtergreifung weitgehend aus den Tantiemen von Mein Kampf bestanden hatte. Dabei bootete Bormann erstmals einen Rivalen aus: Max Amann, der sich bis dahin um Hitlers Vermögen gekümmert hatte. Ferner beauftragte Hitler Bormann mit der Verwaltung des Berghofs, wodurch er Zugang zum inneren Zirkel um den »Führer« erhielt. Im Juli 1933 rief Bormann die sogenannte AdolfHitler-Spende der deutschen Wirtschaft ins Leben. Deutsche Unternehmen verpflichteten sich, der NSDAP jährlich fünf Promille ihrer Lohn- und Gehaltssumme zukommen zu lassen – bis 1945 waren es über 700 Millionen Reichsmark. Der Obersalzberg – heute Teil der Marktgemeinde Berchtesgaden – ist jährlich Ziel von Hunderttausenden von Besuchern, die aus sehr unterschiedlichen Gründen einen der wichtigsten »Täterorte« der NSZeit aufsuchen. 1923 hatte Hitler den Obersalzberg für sich als Feriendomizil entdeckt. Ab 1936 baute sein Adlatus Bormann den Obersalzberg, der zunehmend zu einer Kultstätte des Nationalsozialismus wurde, als zweiten Regierungssitz aus. Hier wurde der Führer-Mythos gepflegt, und vorzugsweise hier empfing Hitler Staatsgäste und andere hochgestellte Persönlichkeiten, um sich als großer Staatsmann zu präsentieren. In der Fassung von 2011 der »Dokumentation Obersalzberg«, herausgegeben vom Institut für Zeitgeschichte München, heißt es in diesem Zusammenhang: »Hier konnte Hitler auch vor majestätischer Bergkulisse als ein den Niederungen des Alltags entrückter Visionär dargestellt werden. Gleichzeitig und vor allem fügte der Obersalzberg dem Bild des genialen ›Führers‹ gemüthafte Werte hinzu. Der Kult lüftete zum Scheine den Schleier vor Hitlers Privatleben und zeigte ihn hier als den einfachen Mann aus dem Volk, als Kinder-, Tier- und Naturfreund, als guten Nachbarn, kurz als In Hitlers Nähe  25

normalen, herzensguten Menschen, dem man blind vertrauen konnte. Diese Inszenierung von Durchschnittlichkeit und Normalität, die von vielen noch heute mit der historischen Wirklichkeit verwechselt wird, galt es als das zu entlarven, was sie war: subtile Propaganda, die Hitlers persönliche Macht und sein Regime zu festigen half.«1

4 Der Berghof.

Den Obersalzberg hatte Hitler, wie sein langjähriger Reichspressechef Otto Dietrich schrieb, durch Dietrich Eckart, einen der Mitbegründer der NSDAP, kennengelernt.2 Eckart, Literatur- und Theaterkritiker und vor allem Erbe eines erheblichen Vermögens, hatte sich demnach nach dem missglückten Münchener Putschversuch vom 8./9. November 1923 zunächst auf dem »Platterhof« versteckt. Er gilt als »Erfinder« des Kampfbegriffs »Drittes Reich«. Eine wichtige Rolle spielte darüber hinaus das Münchener Ehepaar Edwin und Helene Bechstein, das dort eine Bergvilla besaß. Die Bechsteins, Inhaber einer berühmten Klavierfabrik, nannten Hitler damals übrigens nur »Wolf«, worauf die Namensgebung für seine Hauptquartiere – nämlich »Wolfsschanze« und »Wolfsschlucht« – zurückzuführen sein soll. Oberhalb von Bech­ steins Villa lag das »Haus Wachenfeld«, das Hitler zunächst mietete 26  Der heimliche Herr des Obersalzbergs

und 1933, nachdem er Reichskanzler geworden war, erwarb. Dieses Häuschen, dessen Kaminzimmer und Veranda bei späteren Umbauten unverändert blieben, ließ Hitler mehrmals erweitern. Der Ausbau des Obersalzbergs außerhalb des eigentlichen Berghofgeländes ist mit dem Namen Martin Bormann engstens verbunden. Er zwang die Bergbauern, ihre teils jahrhundertealten Bauernhöfe zu verkaufen und ließ sie abreißen. Ebenso entfernte er die zahlreichen geweihten Wegkreuze, ohne auf den Protest der Kirche Rücksicht zu nehmen.3 Staatsforste wurden enteignet und in den Berghof einbezogen, bis das Gelände von einem fast 1900 Meter hohen Berg in das 600 Meter tiefer gelegene Tal reichte und eine Fläche von sieben Quadratkilometern umfasste. Bis zu 5000 zumeist ausländische Arbeiter mussten auf Bormanns Anweisung den Obersalzberg ausbauen. Er ließ den Berg buchstäblich anbohren, und Hitler soll in Anspielung darauf häufig gesagt haben, er verdiene den Namen »Bormann« zu Recht. Bormann standen scheinbar unbegrenzte Ressourcen zur Verfügung, was sich beispielsweise der Reichsführer-SS, Himmler, zunutze machen wollte. Für den Umbau seines Gästehauses in Gmund am Tegernsee waren mehrere Gusseisenradiatoren, Boiler und Bleche bestellt worden. Die Anlieferung würde, falls die Bestellungen überhaupt freigegeben würden, acht Monate dauern. Von Himmlers persönlichem Stab wurde daher im Februar 1938 an Bormann die Bitte herangetragen: »Dem Reichsführer-SS ist bekannt, dass Sie für Ihre Bauten am Obersalzberg ein Kontingent zur Verfügung haben. Er lässt Sie fragen, ob es Ihnen möglich wäre, die oben genannten Mengen aus diesem Kontingent zur Verfügung zu stellen, weil die Fertigstellung des Gästehauses dadurch beschleunigt würde.«4 Bormann sagte zu. Der Obersalzberg entwickelte sich immer mehr zu einem zweiten Regierungssitz. Äußerlich wurde das dokumentiert, als Hitler im November 1938 anordnete, dass künftig, »wenn prominente Besucher zum Berghof kommen, der Posten am Teugelbrunn-Tor durch die Kompanie der Leibstandarte gestellt werden soll«.5 Welche Dimensionen der Obersalzberg erreichte, machen folgende Zahlen deutlich: Der Zaun um den inneren Bereich maß etwa drei Kilometer, der um den äußeren vierzehn. Nachdem Hitler Bormann mit der Gestaltung des Obersalzbergs beauftragt hatte, waren in kurzer Zeit zehn Quadratkilometer, davon 800 Hektar Wald und 80 Hektar landIn Hitlers Nähe  27

wirtschaftliche Bodenfläche zum »Führergebiet« erklärt und auf den Namen Bormanns ins Grundbuch eingetragen worden.

5 Bormanns Bauoffensive auf dem Obersalzberg: rechts das Haus Eckerbrunn und das alte Postamt.

1952 gab Josef Geiß, der zur Zeit der Umbauten als Buchhalter fungierte und nach Kriegsende SPD-Vertreter im Berchtesgadener Gemeinderat war, eine ausführliche Schilderung über das Geschehen auf dem Obersalzberg: 1935 begann der eigentlich Ausbau, und große Barackenlager für Tausende von Arbeitern wurden angelegt. »Haus Wachenfeld« wurde aufgestockt und erweitert; hier befanden sich ein großer Konferenzsaal, Diele, Vestibül, Speisezimmer, Wachraum, Tagesraum für das Personal, die Küche, Hitlers Wohn-, Arbeits- und Schlafräume, vier Zimmer für die ständige Leibwache und fünf sogenannte Ministerzimmer sowie die Wohnung des Hausmeisters, »Hofmarschall« genannt.6 In seinen Erinnerungen schilderte Albert Speer das rigorose Vorgehen Bormanns, das so kennzeichnend für ihn war: Ohne jedes Empfinden für die unberührte Natur durchzog Bormann diese herrliche Landschaft mit einem Netz von Straßen. (…) Auf der Spitze des Hitlerschen Privatberges errichtete Bormann ein Haus, das aufwendig in 28  Der heimliche Herr des Obersalzbergs

einem ins Bäuerliche abgewandelten Dampferstil möbliert war. Man gelangte auf einer kühn gebauten Straße dahin, die in einen in den Fels gesprengten Aufzug mündete. Allein in die Zufahrt zu diesem Haus, das Hitler nur einige Male besuchte, verbaute Bormann zwanzig bis dreißig Millionen.7 Spötter in Hitlers Umgebung meinten. »Es geht zu wie in einer Goldgräberstadt. Nur dass Bormann keines findet, sondern herausschmeißt.« (…) Im Sommer 1935 hatte Hitler eine Erweiterung seines bescheidenen Berghauses zum repräsentativen »Berghof« beschlossen. Er bestritt den Bau aus eigenen Mitteln, was jedoch nicht mehr als eine Geste war, da Bormann aus anderen Quellen für die Nebengebäude Summen vergeudete, die in keinem Verhältnis zu dem von Hitler selbst aufgewendeten Betrag standen.8

Hitler gab sich nach außen hin gern anspruchslos, aber von Bescheidenheit war auf dem Obersalzberg nichts zu spüren. Dazu Josef Geiß: »Es wurde das beste Material: Marmor, Kunst- und Natursteine und Holz von auserlesenen Sorten verwendet. In Blei gefasste Fenster und Lampen, staunenerregende Beleuchtungskörper und Kachelöfen, Möbel in Biedermeier oder Barock, Tische mit eingelegtem Mosaik oder schwersten Marmorplatten, reichlich Räume für Lebensmittelreserven und Getränke aller Art, große Küchen mit allen notwendigen maschinellen Einrichtungen für Koch-, Brat- und Backzwecke, dazu Sommerlauben und ein Wintergarten, ausgestattet mit feudalsten Sesseln und Tischen – alles dies kennzeichnet die Sucht Hitlers nach Komfort und luxuriösem Besitz.«9 Filme wurden im großen Konferenzsaal aufgeführt. Die Bedeutung des Obersalzbergs wurde häufig überhöht, beispielsweise in dem Band Adolf Hitler – Bilder aus dem Leben des Führers, 1936 herausgegeben vom Cigaretten-Bilderdienst Altona-Bahrenfeld. Darin schrieb Hitlers langjähriger Adjutant SA-Obergruppenführer Wilhelm Brückner: Manche Leute fragen sich, warum der Führer gerade den Obersalzberg sich zu seiner Heimat erkoren hat. Aber wer einmal dort droben gestanden hat, begreift, dass es in Deutschland wohl kaum einen Ort gibt, von dem aus man trotz der Nähe des umrahmenden Gebirges einen so weiten und ungehinderten Blick in die Schönheiten der Welt hat. (…) Hier inmitten dieser großartigen Natur, die ein Sinnbild ist des menschlichen Geschehens, lebt der Führer, wenn er seine großen Reden ausarbeitet, die schon oft nicht nur In Hitlers Nähe  29

dem Geschehen in Deutschland, sondern auch der Politik der Welt einen neuen Anstoß oder eine neue Richtung gegeben haben. Hier finden die entscheidenden Besprechungen statt, bevor große, in ihrer Wirkung auf Jahrhunderte berechnete Gesetze endgültig Gestalt annehmen.10

6 Arbeitszimmer auf dem Obersalzberg.

Brückner ahnte nicht, in welch bedrückender Weise er recht behalten sollte. Die Verklärung des Obersalzbergs setzte Hitlers Chefadjutant wie folgt fort: Schon wenn er auf dem Obersalzberg eintrifft, findet er eine stattliche Anzahl von Briefen und Akten, Telegrammen und Telefonanrufen vor, und mit jedem Postboten kommen neue Stöße von Arbeit heran. Fast täglich rufen die Minister und Reichsleiter an, um in irgendeiner wichtigen und dringenden Angelegenheit die Meinung des Führers zu hören. Oft kommen sie selbst nach Berchtesgaden, um dem Führer auch in seiner kurzen Erholungszeit Vortrag zu halten. Fragen der Partei, die vor wichtigen politischen Entscheidungen in Berlin zurückstehen mussten, finden hier ihre Erledigung und viele Bücher, des schöngeistigen und des politischen Schrifttums des In- und Auslandes, die in der Reichskanzlei vergeblich darauf warteten, gelesen zu werden, sie werden hier vom Führer in Ruhe durchstudiert.11 30  Der heimliche Herr des Obersalzbergs

Auf dem Obersalzberg hatte Bormann das alleinige Sagen, und Traudl Junge, Hitlers Sekretärin, beschrieb ihn als »allmächtigen Herrn«. Er sei »Rübezahl, der böse Berggeist« gewesen. »Er hatte die Verwaltung des Platterhofes und des gesamten Berghofgeländes inne. Er war verantwortlich für alle technischen Einrichtungen, für die Bauarbeiten und für die Luftschutzeinrichtungen. In der Nähe des Berghofes hatte er einen Mustergutshof errichtet mit Schweine- und Pferdezucht, Riesengärtnerei und Apfelsaftfabrik. Und obwohl er sehr jovial und gutmütig sein konnte, war er auch hier nicht beliebt, sondern gefürchtet.«12 Bormann war für die Einstellung und Überwachung des Personals zuständig und unterrichtete beispielsweise Hitlers Chefadjutanten Brückner lediglich darüber, dass er die Aufsicht über das BechsteinHaus »Fräulein Josefa Guggenbichler« übertragen habe.13 Dies sei erforderlich gewesen, weil »die in letzter Zeit im Bechstein-Haus wohnenden Gäste nicht so tadellos betreut wurden, wie ich dies wünsche«. Bormann fragte nicht etwa den Chefadjutanten – er informierte ihn schlicht über sein eigenes Vorgehen. Binnen kurzer Zeit gelang es Bormann übrigens, Brückner, den »Kampfgefährten« Hitlers, zu denunzieren und ihn im Oktober 1940 aus dem Amt zu entfernen. Brückner wechselte zur Wehrmacht, wo er bis zum Oberst aufstieg. Auf seinen Posten berief Bormann SS-Obergruppenführer Julius Schaub, der seit 1925 bereits persönlicher Mitarbeiter von Hitler war, der bei seiner zweiten Heirat sogar als Trauzeuge fungierte. Schaub bekundete seine Dankbarkeit Bormann gegenüber, indem er sich bereit erklärte, niemanden ohne dessen Einwilligung zu Hitler vorzulassen, nachdem Bormann kritisiert hatte, dass »der Hausmeister Döhring, der dazu doch nun wirklich die geringste Vorbildung besitzt, Schreiben im Auftrag des Führers hinausgehen lässt«.14 Er habe angenommen, dass es sich lediglich um Bestellungen oder die Bezahlung von Rechnungen handle. Inzwischen wisse er, dass Döhring auch sonstige Schreiben »bearbeite«. Dies halte er für unmöglich und schlage deshalb vor: Ich stelle für die Buchführung des Berghofes eine absolut zuverlässige Parteigenossin, die im Übrigen – soweit sie nicht im Berghof zu tun hat – die Fernschreiber im Gästehaus bedient. Diese Parteigenossin erledigt auch den mit der Bezahlung der Rechnungen und mit den Bestellungen verbundenen Schriftwechsel. Hinsichtlich ihrer Tätigkeit im Berghof soll sie ruhig In Hitlers Nähe  31

Ihnen [Schaub] unterstellt sein; ich will mich gar nicht um diese Dinge kümmern.

Vor allem achtete Bormann auf Hitlers Wohlbefinden. Schaub schrieb er am 31. Mai 1939, es scheine ihm und anderen aus der Umgebung Hitlers »einfach untragbar«, dass Hitler aus seinem Privateinkommen seit vielen Jahren die gesamten Kosten für den Berghof übernehme.15 Das gelte für das Gehalt der vier Telefonisten, das Begleitkommando, die militärischen und persönlichen Adjutanten und das gesamte übrige Personal. Außerdem habe Hitler bisher die Kosten für die zahlreichen Staatsbesuche selbst getragen. »Wir haben dem Führer dargelegt, dass unseres Erachtens der Führer lediglich die Kosten übernehmen könne, die für ihn selbst und für seine Gäste in Anrechnung gebracht werden könnten.« Man habe sich mit Hitler nun darauf geeinigt, dass er monatlich 3000 RM auf das Konto »Verwaltung Obersalzberg« überweise und die Verwaltung im Gegenzug die gesamten Kosten übernehme. Zwischen dem 7. Januar 1939 und dem 11. Mai 1939 seien von Hitler 26 000 RM gezahlt worden – damit seien alle Aufwendungen bis zum 15. September 1939 beglichen, rechnete Bormann vor. Auch in anderer Weise kümmerte sich Bormann um die Ausgaben, die Hitler berechnet wurden. So hatte das Hotel Imperial in Wien eine Rechnung für den Aufenthalt Hitlers vom 10. bis 12. Juni 1939 über 5855,78 RM ausgestellt. Da der Verwaltung dieser Betrag überhöht erschien, bat sie Bormann, die Rechnung zu überprüfen.16 Bormann war darauf bedacht, auch persönlich von der Nähe zu Hitler zu profitieren – und vor allem stets in seiner Nähe zu bleiben. Er ließ sich das Landhaus des Arztes Dr. Richard Seitz als eigenes Wohnhaus umbauen. Geradezu symbolhaft thronte er nun über den übrigen Parteibauten. Bormanns Haus wirkte nicht übermäßig protzig, doch innen hatte er es mit allem Komfort ausgestattet wie beispielsweise mit einem Kinderbadezimmer mit einer 2 mal 3,5 Meter großen Badewanne. Mitte und Ende der 1930er-Jahre wurde die Bevölkerung am Obersalzberg aus ihren Häusern vertrieben. Die Kapelle Maria Hilf kam zusammen mit dem angrenzenden Kindersanatorium 1937 in den Besitz von Reichsminister Martin Bormann. Um die kleine Kirche der Obersalzberger Bevölkerung abreißen zu können, musste ein geistlicher Würdenträger aus München kommen, der die Kapelle entweihte. Vor 32  Der heimliche Herr des Obersalzbergs

7 Das Landhaus Bormann auf dem Obersalzberg (ehemals Haus Seitz).

der Zerstörung durch das Naziregime wurde der Altar abgebaut, der heute als Seitenaltar in der Kirche in Oberau steht. Für die Wachmannschaften ließ Bormann Mannschaftsunterkünfte, eine Exerzier- und Turnhalle, unterirdische Schießstände, Küchen- und Wirtschaftsgebäude, einen eigenen Kinoraum und eine Reihe von Spezialbunkern bauen. Im »Gästehaus des Führers« brachte er die ParteiKanzlei unter. Allein der Umbau dieser vorherigen kleinen Pension als Kanzlei kostete rund 100 000 RM. Ferner unterhielt Bormann auf dem Obersalzberg die von Traudl Junge erwähnte Pferdezucht. Gezüchtet werden sollte mit sechzig bis achtzig Muttertieren eine Haflinger Gebirgsrasse. Ferner betrieb Bormann eine Milchwirtschaft mit achtzig Kühen und eine Schweinezucht mit hundert Tieren in modernen Ställen. Die einzige gewinnbringende landwirtschaftliche Einrichtung war laut Josef Groß, dem Buchhalter der Obersalzberg-Verwaltung, die Most- und Apfelsaftkelterei. Immense Kosten verursachte dagegen ein riesiges Gewächshaus mit einer modernen Heizungsanlage für die Züchtung von Blumen. Auf Kosten achtete Bormann zu keiner Zeit. Am Eingang »Kling­ eck« war ein Postenhaus errichtet worden, das ihm nicht gefiel. Er ließ es abreißen und auf der gegenüberliegenden Straßenseite neu errichten In Hitlers Nähe  33

– 128 000 RM wurden dafür benötigt. Noch kostspieliger gestaltete sich der Bau eines Koksbunkers auf dem Obersalzberg. Kurz vor der Fertigstellung besichtigte Bormann den Bau. Da er Anstoß an unregelmäßigen Fugen nahm, musste die Außenfassade abgetragen und neu errichtet werden: Bis dahin waren Kosten von 400 000 RM entstanden, zu denen nun weitere 370 000 RM kamen. Aber nicht nur durch seine Tätigkeit auf dem Obersalzberg war Bormann Hitler engstens verbunden. Albert Speer zufolge verstand er es gleichzeitig, die Verwaltung der persönlichen Finanzen Hitlers an sich zu ziehen. Selbst Hitlers persönliche Adjutantur war auf Bormanns finanzielle Bereitwilligkeit angewiesen, und Hitlers Geliebte, Eva Braun, war von ihm, wie sie dem Minister für Rüstung und Kriegsproduktion offen gestand, abhängig, weil Hitler ihm die Erledigung ihrer eigentlich bescheidenen Bedürfnisse übertragen hatte. Hitler lobte Bormanns finanzielles Geschick. Er erzählte einmal, wie Bormann sich im Notjahr 1932 ein erhebliches Verdienst um die Partei erworben habe, als er eine Zwangsversicherung für Unfälle in der Parteiarbeit gründete. Die Einnahmen dieser Hilfskasse seien bedeutend höher gewesen als die Ausgaben, und der Überschuss sei der Partei für andere Zwecke zugeflossen. Um die endgültige Beseitigung Hitlerscher Geldsorgen nach 1933 machte Bormann sich nicht weniger verdient. Er fand zwei ergiebige Quellen: Zusammen mit dem Leibfotografen Hoffmann und dessen Freund, dem Postminister Ohnesorge, kam er auf die Idee, dass Hitler als der Abgebildete auf Briefmarken ein Recht auf ein Bild besitze, das durch Zahlungen abgegolten werden könne. (…) Eine weitere Quelle erschloss Bormann mit der Gründung der »Adolf-Hitler-Spende der deutschen Industrie«. Die am wirtschaftlichen Aufschwung verdienenden Unternehmer wurden kurzerhand aufgefordert, sich durch freiwillige Zahlungen dem Führer erkenntlich zu zeigen. Im Jahr 1939 wurde Hitler mit dem Bau eines »Teehauses« überrascht. Eines Tages wurde Hitler von Bormann zur Besichtigung und Inbesitznahme dieses Felsennestes eingeladen, das auf der Spitze des Kehlsteins thronte und zu dem man nur über Viadukte, Tunnel und schließlich einen in den Berg getriebenen Fahrstuhl gelangte. Es war ihm gelungen, sich unscheinbar darzustellen und seine Bastion unmerklich auszubauen. Selbst unter den vielen gewissenlosen Machtträ34  Der heimliche Herr des Obersalzbergs

gern stach er durch seine Brutalität und Gefühlsrohheit hervor; er verfügte über keinerlei Bildung, die ihm Schranken auferlegt hätte und setzte in jedem Falle durch, was Hitler befohlen hatte oder er selbst aus Andeutungen Hitlers herauslesen mochte.17

Die finanziellen Möglichkeiten, die sich aus der »Adolf-Hitler-Spende« ergaben, verstand Bormann immer wieder geschickt für sich zu nutzen. Bei den »Tischgesprächen« in der Berliner Reichskanzlei meinte Hitler am 16. April 1942: Beim Durcharbeiten der Pläne für das Gauhaus der NSDAP und das Gemeinschaftshaus der Partei habe es ihm eine ganz besondere Freude bereitet, dass Reichsleiter Bormann nach Kenntnisnahme von den Plänen spontan die Zur-Verfügung-Stellung der erforderlichen Mittel angeboten habe. Da der Reichschatzmeister die Sache aber finanzieren wolle, habe er von diesem Angebot, das er Reichsleiter Bormann hoch anrechne, keinen Gebrauch gemacht. (…) Bormann hatte mit Mitteln aus der »Adolf-HitlerSpende« Hitlers Geburtshaus in Braunau und Hitlers Elternhaus in Leonding (bei Linz) gekauft und baute von den Spendengeldern die Dienstgebäude und Kasernen am Obersalzberg sowie das »Kehlsteinhaus«, das auch Hitler gelegentlich besuchte.18

Im Dunstkreis der Macht Täglich versammeln sich Hunderte und Tausende von Volksgenossen unten auf dem Fahrweg, um den Führer zur Mittagsstunde zu sehen. Der Führer, der wohl weiß, dass sie alle nach Berchtesgaden gekommen sind, nicht nur um ihn zu sehen, sondern um ihm die Liebe des ganzen Volkes auszudrücken, lässt sich durch nichts abhalten, ihnen diesen sehnlichsten Wunsch zu erfüllen. Es ist ein jedes Mal wieder erschütterndes Bild, den Jubel zu erleben, der losbricht, wenn der Führer mitten unter sie tritt.«19

Chefadjutant Wilhelm Brückner zeichnete dieses pathetische Bild, doch Hitler musste bald auf dieses »Bad in der Menge« verzichten. Der Obersalzberg wurde hermetisch von der Außenwelt abgeriegelt, und ab dem 22. September 1943 schotteten Sperrkreise ihn zusätzlich ab. InnerIm Dunstkreis der Macht  35

halb des Sperrkreises A lagen die Häuser von »Feldmarschall Keitel, Persönliche Adjutantur des Führers, Kasino 1 und Teehaus, Führer, Reichsleiter Bormann, Adjutantur der Wehrmacht beim Führer, HPA usw. Lagerhaus«.20 In Bormanns Händen lag die wirtschaftliche und finanzielle Oberleitung für den gesamten »Haushalt des Führers«, zu dem mehrere Gästeund Teehäuser und das große Begleitkommando gehörten. Seine hervorgehobene Stellung wird auch daraus ersichtlich, dass bei Tisch zu Hitlers Linken stets Eva Braun saß und ihr Tischherr ausnahmslos Bormann war. Hitler war Vegetarier, übte aber keinen Druck auf seine Gäste aus, es ihm nachzutun. Lediglich Bormann »aß ihm nach dem Mund«, wenngleich bekannt war, dass er sonst ein gutes Stück Fleisch nicht verschmähte. Dass Bormann in Hitlers persönliche Beziehungen mit eingebunden war, zeigte sich beispielsweise anlässlich der Heirat von Eva Brauns jüngerer Schwester Margarete mit Hermann Fegelein, dem SS-Obergruppenführer und persönlichen Vertreter des Reichsführers-SS bei Hitler. Gefeiert wurde in Salzburg und in Bormanns Haus auf dem Obersalzberg. Laut Josef Groß dauerten die Festlichkeiten, über die strengste Geheimhaltung angeordnet war, eine ganze Woche. Fegelein soll übrigens Bormanns einziger wirklicher Freund gewesen sein. Dennoch verhinderte er nicht, dass Fegelein füsiliert wurde, als er versuchte, wenige Tage vor dem Fall Berlins die Stadt heimlich zu verlassen. Hitler ließ ihn standrechtlich erschießen, ohne dass Bormann den Versuch unternommen hätte, ihn – was ihm durchaus möglich gewesen wäre – in letzter Minute zu retten. Obwohl zwischen Bormann und Eva Braun durchaus ein Vertrauensverhältnis bestand, hinderte dies Hitlers Geliebte – so Henry Picker – nicht daran, »Übergriffe Bormanns auf ihren fraulichen Aufgabenbereich als interne ›Chefin des Berghofs‹ mit weiblichem Geschick auszumanövrieren. Bormann machte dann seinem Ärger Luft, indem er ihre ›Marotten‹ uns gegenüber glossierte. (…) Eva Braun hatte im Übrigen zu Bormanns größtem Verdruss ihre Berghof-Haushaltsbücher stets hundertprozentig in Ordnung. Bormanns gelegentlichen Gegenkontrollen blieben so – im Gegensatz zu den bei Hitlers früherem hochgeschätztem Chefadjutanten Brückner, den er damit ›stürzte‹, völlig ergebnislos.«21 36  Der heimliche Herr des Obersalzbergs

Ablehnung, Verachtung und Angst Spätestens nachdem Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß am 10. Mai 1941 auf eigene Faust mit einer Messerschmitt Bf 110 nach Schottland flog, um in Dungavel Castle mit Douglas Douglas-Hamilton, den er für den Anführer der britischen Friedensbewegung und Gegner von Premierminister Winston Churchill hielt, Friedensverhandlungen mit Großbritannien aufzunehmen – und in der Folge für verrückt erklärt wurde –, kam im NS-Staat niemand an Martin Bormann mehr vorbei. Der innere Zirkel um Hitler zeigte sich erschüttert, und Goebbels notierte dazu am 13. Mai 1941: Am Abend kommt eine furchtbare Nachricht: Heß ist entgegen des Führers Befehl mit dem Flugzeug gestartet und seit Samstag überfällig. (…) Im Communiqué vom Führer werden Wahnvorstellungen als Grund angegeben mit illusionistischen Friedensfühlern. (…) Ich lasse noch gleich seine Bilder aus der letzten Wochenschau entfernen. Reuter meldet noch ganz friedlich. Aber der Sturm wird ja in den nächsten Stunden losgehen. Ich werde von allen Seiten, Gauleiter, Reichsleiter usw. mit Telephonanrufen bestürmt. Keiner will diesen Wahnsinn überhaupt glauben. Es klingt auch so absurd, dass man ihn für eine Mystifikation halten könnte. Der Führer ordnet an, dass Heß’ Arbeit in der »Partei-Kanzlei« fortgesetzt wird.22

Reinhard Heydrich, Chef des Reichssicherheitshauptamts (RSHA), stellvertretender Reichsprotektor für Böhmen und Mähren, war übrigens der Überzeugung, der Gauleiter der Auslandsorganisation der NSDAP, Ernst Wilhelm Bohle, habe Einfluss auf den Flug von Heß gehabt, um den sich ohnehin schnell zahlreiche Gerüchte rankten. Heydrich schickte Bormann nach einer Unterredung mit Bohle ein Fernschreiben, in dem er meinte, Rudolf Heß habe in besonderem Maße unter dem Einfluss sowohl von Haushofer sen. (Karl) als auch Haushofer jun. (Albrecht) gestanden: Gauleiter Bohle ist der Ansicht, dass speziell Haushofer jun. Rudolf Heß in seiner Beurteilung der englischen Mentalität hauptsächlichst gestärkt hat. Er ist auch überzeugt, dass Haushofer jun. durchaus in der Lage ist, vielleicht wertvolle Aufklärungen zu geben. – Ich schließe mich dieser Meinung an Ablehnung, Verachtung und Angst  37

und bitte zu gestatten, dass ich Haushofer jun. zumindest eingehend über sein Wissen in der Angelegenheit vernehmen lasse.23

Mit dem Flug von Heß und seiner Inhaftierung in Großbritannien war Bormanns Stunde gekommen – und er nahm seine Chance wahr. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Hitler keine Zeit verstreichen und somit kein Machtvakuum entstehen ließ. Er ordnete die Einrichtung der Partei-Kanzlei an und ebnete dadurch Bormann den Weg zu einer nahezu uneingeschränkten Position. Die NSDAP-Gauleiter als wichtige politische Instanz und zudem als Reichsverteidigungskommissare waren nun Bormann unterstellt. Er trug Hitler vor und verkündete dessen Entscheidungen. Absoluten Vorrang hatte für Bormann stets die NSDAP mit Hitler an der Spitze und ihm, Bormann, als rechter, häufig »lenkender« Hand. Obwohl er in erster Linie Hitlers Vollstrecker und Sprachrohr war, achtete er in Teilbereichen sehr wohl auch auf seine eigenen politischen Interessen, beispielsweise bei der unerbittlichen Verfolgung der Kirchen. Walter Schellenberg, Chef des Sicherheitsdienstes und der Abwehr im Reichssicherheitshauptamt, versuchte die Machtstellung Bormanns zu erklären: Gewiss spielte bei der Frage nach seinem großen Einfluss auf Hitler die politische Vergangenheit Bormanns eine nicht unwesentliche Rolle. Als ehemaliger Angehöriger der Schwarzen Reichswehr24 und Saboteur im Ruhrkampf gegen die Franzosen war er frühzeitig zur Partei gestoßen und hatte es unter der Protektion von Rudolf Heß verstanden, sich zäh und verbissen allmählich immer weiter nach vorn zu schieben. Er führte, ähnlich wie Heydrich, eine Personalkartei – eine Art politischer Auskunftsabteilung im Zusammenwirken mit dem SD-Inlandsnachrichtendienst. Bei jeder Ernennung oder Beförderung eines Beamten, höheren Wehrmachtsoffiziers oder Parteimitgliedes war es Bormann, der schon zur Zeit der Ära Heß auf Grund dieser Kartei ein politisches Werturteil abzugeben und dieses Machtinstrument glänzend auszunützen verstand. Mit diesem Mittel vermochte er, nicht nur auf die höheren Parteistellen entsprechenden Druck auszuüben, gleichzeitig nahm er damit Einfluss auf die gesamte Personalpolitik aller Reichsressorts. Als dann die Stelle seines früheren Protektors Heß (des Mannes, den er für verrückt erklärte) vakant geworden war, sorgte er zuerst dafür, dass 38  Der heimliche Herr des Obersalzbergs

er durch stetige Anwesenheit in der nächsten Umgebung Hitlers allmählich unersetzlich und zugleich Mithörer und Mitwisser sämtlicher internen Angelegenheiten wie auch aller politischen Besprechungen wurde. Überdies entwickelte er im Lauf der Zeit eine erstaunliche Geschicklichkeit, nicht nur durch sein ständiges Dabeisein, sondern auch durch rechtzeitiges Einwerfen geschickt gewählter Stichworte Hitler von unangenehmen Themen abzulenken oder ihn in eine andere Richtung zu dirigieren. Hinzu trat sein hervorragendes Gedächtnis, eine Eigenschaft, auf die Hitler ganz besonderen Wert legte. Denn je totaler sich das System entwickelte, desto schwieriger wurde es, die Fülle der Probleme durch das Nadelöhr des Hitlerschen Willens und seiner Aufnahmefähigkeit hindurchzufädeln. Mit dem zunehmenden körperlichen Verfall Hitlers stellte diese Aufgabe zweifellos große nervliche Anforderungen. Doch je gereizter und schwieriger Hitler, insbesondere während der letzten Kriegsjahre, wurde, umso unentbehrlicher machte sich der zu jeder Tages- und Nachtzeit anwesende Bormann. Durch sein Geschick der Vereinfachung wusste er auch die verworrensten und kompliziertesten Sachverhalte auf einfache Art in den wesentlichen Punkten zusammenzufassen. Er entwickelte dabei die Gabe, alles, was er vortrug, so logisch und psychologisch geschickt aufzubauen, dass am Schluss des Vortrags die zutreffende Entscheidung auf der Hand lag.25

Der Hitler-Biograf Werner Maser meint, dass Hitler, nachdem er »Führer« und dann Reichskanzler geworden sei, sich kaum noch mit Fragen des Finanzwesens und der Verfassung befasst oder sich über juristische Probleme informiert habe. Die Folge sei gewesen, dass »seine Unterführer, Gauleiter und höheren Beamten in vielen Dingen tun und lassen konnten, was ihnen gefiel, und auch Martin Bormann zu einem – tatsächlich unberechenbaren – Machtfaktor an der Spitze des Staates werden konnte«.26 Hitlers Geschichtsbild sei stark verzerrt gewesen, aber da »die Generale, Frontoffiziere und anderen Gäste Hitlers, Martin Bormann, Albert Speer (…) nur wenig oder nahezu gar nichts von Geschichte verstanden, fiel während der zahlreichen Äußerungen Hitlers über historische Fragen niemandem auf, wann und wo etwas nicht stimmte«.27 Bormann entlastete Hitler in allen Alltagsfragen, was Picker bestätigt. In den »Tischgesprächen« am 10. Mai 1942 meinte Hitler beispielsweise, er sei froh, dass er sich nicht um die Vorgänge in den einzelnen Gauen kümmern müsse.28 Die Gauleiter seien einheitlich erzogen, und Ablehnung, Verachtung und Angst  39

er habe in Bormann einen Mann zur Seite, der für ihn die Gauleiter mit den nötigen einheitlichen Weisungen versehe. Hermann Giesler, Hitlers Architekt, schien die Arbeitsweise Bormanns geradezu zu bewundern. Im Zusammenhang mit einer Beratung über die Räumung des Ufers des Starnberger Sees ist bei ihm zu lesen: Bormann zog einen Papierschnippel aus der Seitentasche, machte einen Krakel darauf und schob ihn in die andere Tasche. Ich kannte diese Eigenart schon, das war für ihn wie ein Knoten im Taschentuch und eine Gesprächsnotiz zugleich. Aber die folgende Bemerkung Bormanns überraschte mich. Der Professor wollte noch weitere Erläuterungen über die allseitig geformten Fassaden der Parteibauten geben, entlang der Ost-West-Achse, und über das »Geleit«. (…) Das war typisch für Bormann. Nicht nur, wie aufmerksam er einem Gespräch folgte, hier zeigte sich vielmehr auch seine Qualität als Sekretär des Führers.29

Die absolute Ergebenheit Bormanns erlaubte Hitler offensichtlich, seinem Vollstrecker manche Schwächen nachzusehen. Im Buch Hitler wird beispielsweise eine Zugfahrt Hitlers am 24. Dezember 1939 beschrieben, die ihn vom Berghof ins Rheinland, in die Nähe von Aachen führte: Bormann stieg vom Kotflügel des zweiten Wagens, lallte Hitler an, das sei nicht sein Waggon, der es aber doch war. Bormanns Mütze saß schief: Einige Zeit später erscheint Bormann im Gang von Hitlers Waggon, mit dümmlichen Lächeln nähert er sich Hitlers Abteil. Vor sich her trägt er ein Tannenbäumchen. Eva Braun hatte es auf dem Obersalzberg geschmückt und Bormann gebeten, es Hitler zu Weihnachten zu bringen. Plötzlich fällt ihm das Bäumchen aus der Hand. Nüsse und Glaskugeln rollen von den Zweigen. Wie betäubt steht Bormann mit aufgerissenen Augen da. Angst packt ihn. (…) Bormann nähert sich jetzt vorsichtig Hitlers Abteil. Er übergibt diesem einen Brief von Eva Braun und das Weihnachtsbäumchen. Zugleich wünscht der Chef der nationalsozialistischen Partei, der sich vor Trunkenheit kaum auf den Beinen halten kann, dem Führer im Namen der Partei frohe Weihnachten.30

Wie ist die einzigartige Machtstellung Bormanns zu erklären? Wie kaum einem anderen war es ihm gelungen, Hitlers Vertrauen zu gewinnen und 40  Der heimliche Herr des Obersalzbergs

sich für ihn unentbehrlich zu machen. In Goebbels Tagebuch ist unter dem 22. Oktober 1936 zu lesen: »Über Bormann äußert [sich] der Führer sehr zufrieden. Er hat Energie und Umsicht«,31 und am 5. Januar 1937 notierte der Propagandaminister: »Bormann arbeitet hier oben [Obersalzberg] fest und sicher. Er ist fest im Sattel.«32 Goebbels, der bei Hitler durchaus eine herausragende Vertrauensstellung genoss, war klug genug, sich mit Bormann nicht anzulegen oder gar eine Machtprobe zu riskieren. Er konnte ihn nicht ausstehen, wusste aber, dass er auf Bormanns Wohlwollen angewiesen war. Am 15. März 1944 meinte er: Bormann ist ein ausgesprochenes Arbeitstier. Er hat sehr viel zu tun, aber er verfügt Gott sei Dank über eine robuste Gesundheit, die es ihm gestattet, mehr zu arbeiten als normale Menschen. Für den Führer ist er ein unentbehrlicher Ratgeber. Ich freue mich, dass ich zu ihm ein gutes persönliches und sachliches Verhältnis gewonnen habe. Er kann mir im unmittelbaren Vortrag einer Unmenge von Dingen beim Führer großen Nutzen leisten.33

Offensichtlich schätzte Goebbels sein Verhältnis zu Bormann anders ein als dritte, neutrale Beobachter. Denn der Leiter der Rundfunkabteilung im Propagandaministerium, Hans Fritzsche, der Goebbels nahezu jeden Tag erlebte, wird der Wahrheit eher nahe gekommen sein, wenn er am 28. Juni 1946 vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg Bormanns Einfluss auf die Propagandapolitik und damit auf Goebbels folgendermaßen beschrieb: Ein Fernschreiben Bormanns an Dr. Goebbels etwa des Inhalts »aus der Partei höre ich Klagen über das und das Gebiet« war immer ein Anlass, den gesamten Apparat von Dr. Goebbels in schnellste Bewegung zu setzen. Und zweitens hatte Dr. Goebbels (…) eine ausgesprochene Angst vor Martin Bormann. Und ängstlich versuchte er, jede seiner Handlungen, die vielleicht von radikalen Parteielementen missdeutet werden konnte, zu rechtfertigen vor Bormann.34

In einem Gespräch mit Albert Speer machte Goebbels im Februar 1943 einmal in einem Anflug von Offenheit aus seinem Herzen keine Mördergrube:

Ablehnung, Verachtung und Angst  41

So kann das nicht mehr weitergehen. Wir sitzen hier in Berlin, Hitler hört nicht, was wir zur Lage zu sagen haben, ich kann politisch nicht auf ihn einwirken, kann ihm noch nicht einmal die dringendsten Maßnahmen auf diesem Gebiet vortragen. Alles geht über Bormann. Hitler muss veranlasst werden, öfter nach Berlin zu kommen.35

Die Innenpolitik sei Hitler völlig entglitten, sie werde von Bormann beherrscht, der es verstehe, Hitler das Gefühl zu vermitteln, er habe weiterhin die Leitung inne. Bormann treibe nur der Ehrgeiz, er sei doktrinär und für eine vernünftige Entwicklung eine große Gefahr. Zuerst müsse sein Einfluss verringert werden. Trotz dieser Einschätzung blieb auch Goebbels nichts anderes übrig, als sich dem übermächtigen Bormann zu beugen. Anfang Mai 1943 sicherte er ihm zu, in Zukunft alle an Hitler gerichteten Informationen über Bormann zu leiten und ihn zu bitten, bei Hitler Entscheidungen einzuholen. Goebbels hatte sich damit endgültig Bormann unterworfen.

8 Besprechung im Führerhauptquartier, undatiert. Von links nach rechts: Gauleiter Josef Bürckel, Reichsminister Hans Heinrich Lammers, Reichsleiter Martin Bormann, eine nicht identifizierte Person, Adolf Hitler und Reichs­ jugendführer Baldur von Schirach.

42  Der heimliche Herr des Obersalzbergs

Henry Picker bestätigte, dass Bormann Entscheidungen Hitlers nicht nur herbeiführte, sondern sie im Nachhinein auch in seinem Sinn interpretierte. Picker kann als Insider gelten, denn er nahm an zahlreichen Lagebesprechungen teil. So hatte Hitler Bormann angewiesen, von diesen Lagebesprechungen stenografische Protokolle anzufertigen.36 Da er den Generälen nicht mehr traute, sollte jedes Wort, das dort fiel, festgehalten werden. Für diesen Dienst wurden Stenografen und Schreibkräfte herbeibeordert, die früher bei Reichstagssitzungen, im Ministerkabinett oder in der Kanzlei der NSDAP Protokoll geführt hatten und dort nun nicht mehr gebraucht wurden. Einer von diesen war Henry Picker. In Anwesenheit Hitlers nahm Bormann ihnen persönlich den Eid ab, über den Inhalt der von ihnen zu erstellenden Protokolle strengstes Stillschweigen zu bewahren. Picker berichtet, er habe von Bormann zusätzlich die Genehmigung für Stichwortnotizen bei Tisch erhalten, die Bormann jedoch für eigene Zwecke umgestaltete: Typisch für diese »amtlichen« Skripte war, dass Bormann in ihnen mit Rücksicht auf seine eigenen politischen Überlegungen und Zielsetzungen ungeniert herumkorrigierte, sie teilweise im Sinne einer schärferen Formulierung umdiktierte und sie mitunter sogar mit eigenen Randbemerkungen versah, die seinen Mitarbeitern den von ihm gegenüber den Reichsministern, Reichsleitern, Reichsstatthaltern und Gauleitern gewünschten Kurs klarmachen sollten. Man muss dazu wissen, dass selbst ein so mächtiger Mann wie der Reichspropagandaminister Dr. Goebbels ab 1942 wichtige Publikationen vor der Veröffentlichung Bormann vorzulegen hatte, damit dieser – wie er es nannte – »Hitlers Einverständnis« herbeiführte.37

Bormann stand Reichsmarschall Hermann Göring ablehnend gegenüber, was zum Teil auch darauf zurückzuführen sein dürfte, dass er dessen protzigen Lebensstil und dessen bisweilen karikaturhaftes Auftreten zutiefst verabscheute. Der Historiker David Irving verweist darauf, Göring sei einmal zu Ohren gekommen, dass Bormann einen Gauleiter angewiesen habe, in seinem Gebiet alle Kruzifixe entfernen zu lassen. Er habe dann von Bormann verlangt, derartige Handlungen zu unterlassen, Bormann sei scheinbar darauf eingegangen, habe aber die Gauleiter in dem Vorgehen insgeheim bestärkt. Der Hass habe auf GegenseitigAblehnung, Verachtung und Angst  43

keit beruht.38 Später beklagte sich Göring einmal, Bormann habe zusammen mit SS-Obergruppenführer Hermann Fegelein Hitler ständig die un­g ünstigen Berichte der Luftwaffe vorgelegt, um ihn zu desavouieren. Bormann habe darin »eine ausgezeichnete Gelegenheit gesehen, gegen mich zu hetzen und den Führer gegen mich einzustellen«, beklagte sich Göring. »Glauben Sie, dass Bormann tot ist?«, sei Göring im Oktober 1945 gefragt worden. »Wenn es nach mir ginge, brät er hoffentlich in der Hölle«, soll dieser geantwortet haben.39

Die Partei-Kanzlei Mächtigste Einrichtung innerhalb des NS-Regimes war zweifellos die »Partei-Kanzlei der NSDAP«, deren Hauptsitz in München war. In der Reichshauptstadt Berlin gab es nur eine »Nebenstelle«. Die ParteiKanzlei war ursprünglich als Dienststelle des »Stellvertreters des Führers« gegründet worden. Zu ihrem Leiter hatte Hitler seinen Kampfgefährten und frühen Anhänger Rudolf Heß ernannt. Beide verband eine Landsberger Haftzeit und die Tatsache, dass Heß Hitlers Manuskript von Mein Kampf ins Reine geschrieben hatte. Heß trat 1925 in die am 24. Februar 1920 in Nationalsozialistische Deutsche Arbeitspartei (NSDAP) umbenannte, 1919 in München gegründete Deutsche Arbeiterpartei (DAP) ein und wurde Hitlers Privatsekretär. Er leitete die Politische Zentralkommission der NSDAP und wurde am 21. April 1933 zum »Stellvertreter des Führers« ernannt. Das damit verbundene Recht, in allen Fragen der Parteiführung Entscheidungen in Hitlers Namen zu treffen, nahm Heß kaum wahr, denn zu seinen herausragenden Eigenschaften zählte mangelnder Ehrgeiz. Dazu stellte Propagandaminister Goebbels am 21. Oktober 1936 fest: »Mit Bormann Frage Heß und sein Arbeitsgebiet durchgesprochen. Heß hat keine Fantasie und keine Initiative, Bormann sieht das auch und bittet mich um Hilfe. Ich willige ein. Heß ist zu nüchtern.«40 Der Leiter des Reichsrechtsamts der NSDAP und spätere Generalgouverneur von Polen, Hans Frank, bezeichnete Heß als einen »gutmütigen, aber haltlos-verträumten Schwächling ohne jeden eigengeistigen Charakterwert«. Er sei in Anschauung und Haltung »absolut sauber« gewesen, aber habe »eifersuchtsgepackt« auf Göring geblickt. »In 44  Der heimliche Herr des Obersalzbergs

kunstvoll gezierter Bescheidenheitsgeste« habe Heß wie ein »privat­ sekretärsartig im Schatten verharrendes Leidenswesen« immer darauf gewartet, dass Hitler ihn in aller Öffentlichkeit anerkennen und ihm den Vorzug vor Göring geben werde. Bormann habe seine Stellung bei Heß benutzt, um seine eigene Stellung bei Hitler aufzubauen. Darüber sei der »gutmütige« Heß sogar glücklich gewesen, »glaubte er doch, dass ein Erstarken der unmittelbaren Stellung Bormanns bei Hitler auch seinen eigenen Einfluss bei ihm fördern würde«.41 Mit der Einrichtung des Amts »Stellvertreter des Führers« waren Konflikte an der NS-Spitze vorprogrammiert. Die Dienststelle sollte die Gauleitungen, Gliederungen und angeschlossenen Verbände der NSDAP einheitlich ausrichten und stieß damit insbesondere auf den Widerstand von Reichsorganisationsleiter Robert Ley. Mit dem Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat vom 1. Dezember 1933 erhielt Heß umfassende Kompetenzen im staatlichen Bereich und wurde zudem zum Reichsminister ernannt. In einem Runderlass vom 27. Juli 1934 verfügte Hitler überdies, dass Heß an der gesamten Gesetzgebung zu beteiligen war. Im Jahr darauf erweiterte der »Führer« die Kompetenzen, indem er seinem »Stellvertreter« das Recht gewährte, an der Ernennung von Beamten mitzuwirken. Die Existenz der Dienststelle war im Mai 1941 durch Heß’ Flug nach Schottland kurzzeitig gefährdet. Unmittelbar nach Bekanntwerden des Flugs verfügte Hitler, dass sie künftig »Partei-Kanzlei« heißen solle, und bezeichnete Martin Bormann »wie bisher« als deren Leiter. Aus dieser Formulierung darf man schließen, dass Bormann auch »bisher« schon das eigentliche Sagen in der Dienststelle des »Führer«-Stellvertreters hatte. Am 29. Mai 1941 bekräftigte Hitler Bormanns Befugnisse eines Reichsministers, der der Reichsregierung und dem Ministerrat für Reichsverteidigung angehörte und sämtliche Ernennungen und Beförderungen innerhalb der Partei kontrollierte. Nach dem Selbstverständnis der NSDAP war die Partei-Kanzlei die Dienststelle Hitlers in dessen Eigenschaft als Führer der Partei. Ihr Leiter, der Hitler unmittelbar unterstellt war, musste alle grundsätzlichen Planungen und Anregungen aus dem Bereich der Partei zentral für den »Führer« bearbeiten. Ausschließlich über Bormann liefen die von Hitler erlassenen oder in seinem Auftrag für die gesamte Partei ausgearbeiteten Weisungen an die jeweils für die Durchführung zuständigen Die Partei-Kanzlei  45

Dienststellen. Nicht nur die politische Führung der Partei, sondern auch alle aus der Suprematie der Partei gegenüber dem Staat anfallende Arbeit war in der Partei-Kanzlei zu erledigen. Am 16. Januar 1942 wurde eine Verordnung wirksam, die die Stellung des Leiters der Partei-Kanzlei festigte.42 Die vorgeschriebene Mitwirkung der NSDAP an der Gesetzgebung erfolgte demnach ausschließlich durch den Leiter der Partei-Kanzlei. Vorschläge und Anregungen für die Gesetzgebung aus der Partei durften nur über den Leiter den zuständigen obersten Reichsbehörden zugeleitet werden. Auch die Mitwirkung der Partei bei der Bearbeitung der Personalien von Beamten erfolgte ausschließlich über den Leiter der Partei-Kanzlei. Bormann erhielt bei gesetzgeberischen Arbeiten in jedem Fall die Stellung eines beteiligten Reichsministers und war von vornherein von den obersten Reichsbehörden schon »bei Vorarbeiten für Reichsgesetze, für Erlasse und Verordnungen des Führers, für Verordnungen des Ministerrats, für die Reichsverteidigung sowie für Verordnungen der obersten Reichsbehörden einschließlich Durchführungsvorschriften und Ausführungsbestimmungen« zu beteiligen. Dasselbe galt für die Zustimmung zu Gesetzen und Verordnungen der Länder und zu Verordnungen der Reichsstatthalter. Zu grundsätzlichen und politischen Fragen hatte der Verkehr zwischen den obersten Reichsbehörden und den obersten Behörden der Länder, die mehrere Gaue umfassten, und den Dienststellen der Partei, ihrer Gliederungen und angeschlossenen Verbände ausschließlich über den Leiter der Partei-Kanzlei zu erfolgen. Die Machtkonzentration war damit kaum mehr zu steigern, zumal zu Bormanns Aufgaben im Krieg der Einsatz der Parteiorgane in der totalen inneren Kriegführung und die Arbeit der Partei in den eingegliederten und besetzten Gebieten und schließlich auch der Aufbau des »Volkssturms« gehörten. Neben Fragen, die Partei und Wehrmacht betrafen, lag der Schwerpunkt seiner Zuständigkeit in der »Sicherung der Einheit« von Partei und Staat. Bormanns Sonderstellung beruhte auf der persönlichen, amtsunabhängigen Vollmacht als Hitlers persönlicher Sachbearbeiter, die am 12. April 1943 mit der offiziellen Ernennung Bormanns zum »Sekretär« des Führers institutionalisiert wurde. Damit hatte er eine alles beherrschende Stellung im Führerhauptquartier, die mehr wog als die des gesamten Reichskabinetts. 46  Der heimliche Herr des Obersalzbergs

Zu erwähnen ist hier zumindest am Rande der sogenannte BormannAusschuss, mit dem die NSDAP im Zeitraum 1942/1943 ihren Einfluss auf Berliner Großbanken erhöhen wollte. Dieser von Bormann geleitete Ausschuss setzte sich ausschließlich aus Gauwirtschaftsberatern zusammen. Ferner gehörte Bormann dem »Dreier-Ausschuss« an, der den »totalen Krieg« umsetzen sollte. Die beiden anderen Mitglieder waren Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, und Hans Heinrich Lammers, der Chef der Reichskanzlei. Ebenso war Bormann Mitglied des Reichsforschungsrats, der unter anderem für die Entwicklung von Kampfstoffen und insbesondere für die grauenhaften Versuche in den Konzentrationslagern verantwortlich war, die Tausende von Menschenleben forderten. Auch Bormanns Rolle in diesen Gremien ist ein Beweis für die ungeheure Machtfülle, mit der Hitler seinen Adlatus ausgestattet hatte. Da die Nationalsozialisten schon 1933 per Gesetz Partei und Staat gleichgestellt hatten und Bormann die Kanzlei der allein staatstragenden NSDAP leitete, stand er de facto weit über allen Reichsministern und nutzte diese Stellung weidlich aus. Es ist fraglich, ob es jemanden gab, den Bormann unter den NS-Ministern, Reichs- oder Gauleitern als seinen Freund hätte bezeichnen können. Unzählige Vermerke, Briefe oder Rundschreiben sprechen eher dagegen, und Bormann selbst schien, den Formulierungen seiner Schreiben zufolge, auch keinen Wert darauf gelegt zu haben. In der NS-Führungsriege überwogen eindeutig Misstrauen und oft nur notdürftig verdeckte Ablehnung. Albert Speer meinte in seinen Verhören vom Sommer 1945 durch den US-Nachrichtenoffizier Captain Hoeffding, Bormann habe die Nachfolge Hitlers zum Ziel gehabt: Man kann das Verhältnis der verschiedenen hohen Führer zueinander nachträglich nur verstehen, wenn man ihr Streben als Kämpfe um die Nachfolgerschaft von A. H. auffasst. Die »Diadochen-Kämpfe« waren in aller Stille recht früh ausgebrochen. Bormann, Göring und Himmler standen ihrer Macht nach im Vordergrund, nachdem Heß ausgefallen war.43

Speer gab an, er habe den Eindruck gehabt, als hätte Bormann »aus dem Lebenslauf von Stalin seine Zukunft abgeleitet, da dieser auch einmal Sekretär von Lenin war«. Für Deutschland sei der Einfluss Bormanns Die Partei-Kanzlei  47

auf Hitler bereits »ein nationales Unglück« gewesen, und er, Speer, habe deshalb im Frühjahr 1943 seinen Grundsatz verletzt, innenpolitisch nicht aktiv zu werden. Vielmehr habe er nach Gesprächen mit Funk und Goebbels Göring aufgesucht, um ihn zu einem Vorgehen gegen Bormann zu bewegen. Dieser Versuch sei jedoch gescheitert. Dies ist allerdings wenig glaubhaft, da Speer sich am 20. September 1944 in einem umfassenden Brief bei Hitler über Goebbels und Bormann beklagt hatte. Diese hatten ihm vorgeworfen, sein Ministerium sei ein Sammelbecken reaktionärer Wirtschaftskreise und Speer selbst verhalte sich parteifeindlich. Am 21. September 1944 übergab Speer Hitler den Brief in dessen Hauptquartier: Ohne jede Antwort drückte er auf den Klingelknopf und gab die Akte seinem Adjutanten mit der Weisung, sie Bormann zuzustellen. Gleichzeitig beauftragte er seinen Sekretär, zusammen mit dem im Hauptquartier anwesenden Goebbels über den Inhalt des Briefes zu entscheiden. Damit hatte ich endgültig verloren. (…) Einige Stunden später bat mich Bormann in seine Kanzlei, die einige Schritte vom Hitlerschen Bunker entfernt lag. Er war in Hemdsärmeln, die Hosenträger über dem dicken Oberkörper, Goebbels gepflegt gekleidet. Unter Berufung auf Hitlers Erlass vom 25. Juli erklärte der Minister mir geradezu, er werde von der Vollmacht, mir zu befehlen, uneingeschränkten Gebrauch machen. Bormanns stimmte ein: Ich hätte mich Goebbels unterzuordnen. Im Übrigen verbäte er sich jeden Versuch, Hitler unmittelbar zu beeinflussen.44

Speer widersprach auch Bormanns Anweisung an die Gauleiter, in Rüs­ tungsfragen sich an die Partei-Kanzlei zu wenden. In seinen Erinnerungen gab der ehemalige Rüstungsminister und Organisator der Kriegsmaschinerie die Auseinandersetzung mit Bormann – und dessen Sieg – wieder: Nur in zwei Fällen sei er damit einverstanden gewesen, dass sich die Partei in Rüstungsfragen einschalte. Sowohl die Gauleiter als auch Bormanns Wirtschaftsbeauftragte müssten ihm in Rüstungsfragen unmittelbar unterstellt sein. Es müsse Klarheit über die Befehlsverhältnisse und über die Zuständigkeiten geben.45 Anzumerken ist an dieser Stelle, dass Speer sich zwar in seinen Büchern häufig mit den führenden NS-Größen befasste, aber seine eigene Bedeutung systematisch herunterspielte. Mit keinem Wort wurde er in Hitlers Testament auch nur 48  Der heimliche Herr des Obersalzbergs

erwähnt, was zusätzlich zur Verbitterung beigetragen haben mag. Dies sollte bei allen Äußerungen Speers, die auch in dieses Buch aufgenommen wurden, bedacht werden.

Bormanns Machtanspruch Hinter dem Rücken Hitlers baute Bormann sein eigenes Machtsystem auf, das nach Albert Speer folgendermaßen funktionierte: In der Tat nahm nur Bormann eine Schlüsselstellung ein, die den Spitzenfunktionären gefährlich werden konnte. Unterstützt durch die Bequemlichkeit Hitlers, bestimmte Bormann, wer im zivilen Bereich bei Hitler einen Termin bekam – oder richtiger: er bestimmte, wer keinen bekam. Kaum ein Minister, Reichs- und Gauleiter konnte bis zu Hitler vordringen; sie alle mussten Bormann bitten, Hitler ihre Probleme vorzulegen. Bormann arbeitete sehr schnell. Nach einigen Tagen zumeist bekam der betreffende Minister eine schriftliche Antwort, auf die er sonst hätte Monate warten müssen. (…) Mit einigen Sätzen trug er den Inhalt der ihm zugesandten Memoranden monoton und scheinbar sachlich vor; um dann selbst die Lösung vorzuschlagen. Meist nickte Hitler nur sein kurzes »Einverstanden«. Dieses eine Wort genügte Bormann zur Anfertigung oftmals langer Weisungen, und das selbst dann, wenn Hitler sich lediglich unverbindlich geäußert hatte. Auf diese Weise wurden in einer halben Stunde oft zehn oder mehr wichtige Entscheidungen getroffen; de facto führte Bormann die inneren Geschäfte des Reiches.46

Im NS-Deutschland gab es keinen Lebensbereich mehr, der nicht von Bormann zumindest beeinflusst oder gar gesteuert worden wäre. Er war im wahrsten Sinn des Wortes »federführend« bei der Verfolgung und Ermordung der Juden, setzte konsequent die menschenverachtenden Nürnberger Rassengesetze um, war verantwortlich für das Leben Hunderttausender Soldaten und Zivilisten, indem er den Zweiten Weltkrieg durch die Aufstellung des Volkssturms verlängerte. Während er über das Schicksal von Millionen Menschen befand, gerierte er sich gleichzeitig als pedantischer Bürokrat und Kleinkrämer. So attackierte er gegenüber dem Chef der Reichskanzlei Lammers den Deutschen Sprachverein. Der Bormanns Machtanspruch  49

Verein bemühe sich, die sogenannte »deutsche Schrift«, die »nach Auffassung des Führers als undeutsche, jüdische Schrift anzusehen ist, am Leben zu erhalten«. Er sei überzeugt, dass der »Führer, dem das engstirnige Wirken des Deutschen Sprachvereins schon seit längerer Zeit Ärgernis bereitet, die augenblickliche Auflösung des Sprachvereins anordnen würden, wenn ihm eines der törichten Schreiben über die Beibehaltung der sogenannten ›deutschen Schrift‹ in die Hände fiele«. Er sehe davon ab, Hitler über die geschilderte Haltung des Sprachvereins zu berichten, halte es aber für notwendig, dass Lammers dem Deutschen Sprachverein den weiteren Einsatz für die »deutsche Schrift« strikt untersage.47 Ferner verlangte Bormann, Lammers solle dafür sorgen, dass »ins Deutsche übernommene Fremdwörter genau so geschrieben werden, wie sie ausgesprochen werden. Daher wünscht der Führer, dass Schi mit Sch und nicht mit Sk geschrieben wird.«48 Um Tiernamen ging es in einem weiteren Schreiben, das dieses Mal jedoch Lammers an Bormann richtete. Die Deutsche Gesellschaft für Säugetierkunde habe den Namen der Spitzmaus in »Spitzer« und den der Fledermaus in »Fleder« geändert. »Der Führer hat daraufhin angeordnet, dass Bezeichnungen, die sich im Laufe vieler Jahre eingebürgert haben, nicht in dieser Weise abzuändern seien. Die bereits erfolgten Änderungen seien sofort zu widerrufen. Wenn die Mitglieder der Gesellschaft für Säugetierkunde in der Kriegszeit nichts Wichtigeres und Klügeres zu tun hätten, dann würde der Führer sie vor Aufgaben stellen, die erheblich kriegswichtiger und der heutigen Zeit angemessener seien.«49 In diesem Zusammenhang ist auch eine Anordnung zu nennen, die »Kunstsprachen« zum Inhalt hatte. Die Schaffung einer internationalen Mischsprache widerspreche den Grundanschauungen des Nationalsozialismus. Da sie letzten Endes nur im Interesse überstaatlicher Mächte liegen könne, »verbietet der Stellvertreter des Führers allen Parteigenossen und Angehörigen der Gliederungen der Partei die Zugehörigkeit zu Kunstsprachenvereinigungen aller Art. Unter dieses Verbot fallen in erster Linie ›Der deutsche Esperanto-Bund‹, ›Die neue deutsche Esperanto-Bewegung‹ und ›Der deutsche Ido-Bund‹.«50 Solche und andere überflüssigen Anordnungen erhärten zweifellos die Behauptung der Zeitgenossen, dass Bormann ein »Arbeitstier« war. Denn auch um Hochprozentiges kümmerte er sich: Der Reichskommissar für die besetzten niederländischen Gebiete habe dem »Führer« 50  Der heimliche Herr des Obersalzbergs

beschlagnahmten Eierkognak zur Verfügung gestellt. Teils sei er über den Reichsgesundheitsführer an Lazarette, teils an alte Volksgenossen verteilt worden. Lammers möge die Rechnungen begleichen, forderte Bormann.51 In einem anderen Fall reklamierte die Behörde die Verzollung größerer Mengen Alkohol. Fliegergeneral Karl Bodenschatz vertrat den Standpunkt, der Alkohol stamme aus Wehrmachtsbeständen, sei für das Führerhauptquartier bestimmt und daher zollfrei. Bormann konterte: Wie ich Pg. Winkler bereits sagte, haben weder Gruppenführer Schaub noch ich irgendein persönliches Interesse, anfallenden Zoll nicht zu bezahlen, da ohnehin die Zollgebühren nicht aus privaten, sondern aus dienstlichen Mitteln bezahlt werden. Sollte es einen besseren Eindruck machen, wenn wir für den bezogenen Alkohol Zollgebühren bezahlen, so wollen wir das sofort in vollem Umfange tun, damit selbst zu falschen Behauptungen keinesfalls auch nur der geringste Anlass besteht. Wie mir Gruppenführer Schaub heute sagte, sollen auf den Münchner Zolllisten auch 2000 Büchsen Ölsardinen stehen. Diese Ölsardinen, von denen mir bisher nichts bekannt war, sind an das Führerhauptquartier geliefert worden. Es ist selbstverständlich unmöglich, dass auf Zollfahndungslisten der Name des Führers in Verbindung mit 2000 Büchsen Ölsardinen steht. Ich bitte Sie, dafür zu sorgen, dass dies umgehend richtiggestellt wird.52

Parallelorganisationen zur Sicherung der Macht Bormann kam zugute, dass Hitler ein System von Parallelorganisationen aufgebaut hatte und Macht sich so – wenn man von ihm und Bormann absieht – nicht konzentrieren konnte. Es liegt auf der Hand, dass diese Doppel- oder gar Dreigleisigkeit für Bormann von Vorteil war, wenn es auch für den Staat (und die Partei) eine ungeheure Ressourcenverschwendung bedeutete. Keiner der zuständigen Minister oder Reichsleiter konnte übermächtig werden. Sie waren zu sehr damit beschäftigt, ihren jeweils eigenen Machtbereich zu sichern und zu vergrößern und ihre Dienststellen auszubauen. Für Bormann bot dieses System die einzigartige Chance, die verschiedenen Ebenen der Reichsführung gegeneinander auszuspielen. Parallelorganisationen zur Sicherung der Macht  51

An der Spitze standen Personen, die jeweils um ihr eigenes Ansehen beziehungsweise ihre Kompetenzen besorgt waren. Von den drei Kanzleien – Partei-Kanzlei der NSDAP, Kanzlei des Führers und Reichskanzlei – ist in diesem Buch häufig die Rede. Das Verhältnis ihrer Leiter – Bormann, Bouhler und Lammers – war von tiefer gegenseitiger Abneigung geprägt.

9 Die Reichskanzlei in Berlin.

Ähnlich sah es in den übrigen Bereichen aus. So hatte Hitler 1933 die gesamte Pressepolitik dem Reichspropagandaministerium und damit Goebbels unterstellt. Daneben aber gab es mit Max Amann einen Reichsleiter für die Presse, der gleichzeitig Präsident der Reichspressekammer war. Vizepräsident der Reichspressekammer war Otto Dietrich, der wiederum die Funktion eines Reichspressechefs der NSDAP ausübte und überdies den Posten eines Staatssekretärs in Goebbels’ Propagandaministerium bekleidete. Die Betreuung der ausländischen Journalisten dagegen oblag während des Kriegs dem Auswärtigen Amt. Um die Kultur hatten sich Joseph Goebbels und Alfred Rosenberg zu kümmern, um die Kunst Hermann Göring und Goebbels, um das »Schrifttum« Goebbels, Rosenberg und Bouhler. Die Parteischulung lag in den Händen von Rosenberg und Robert Ley, die Parteiorganisation in denen von Bormann und Ley. 52  Der heimliche Herr des Obersalzbergs

10 Robert Ley, Leiter der Deutschen Arbeitsfront.

Im Bereich der Justiz standen sich Reichsminister Franz Gürtner und Hans Frank, der Reichskommissar für die Gleichschaltung der Justiz und spätere Generalgouverneur im besetzten Polen, gegenüber. Reichsarbeitsminister Franz Seldte, der Reichsleiter der Deutschen Arbeitsfront Ley sowie der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz Fritz Sauckel rivalisierten ebenso wie im Erziehungsbereich Reichsminister Bernhard Rust, Fritz Wächter, Leiter des NS-Lehrerbundes, und Reichsjugendführer Artur Axmann. Der Reichsminister des Innern schrieb bezüglich dieser Zersplitterung, die sich bis auf die untersten Ebenen staatlicher Verwaltung fortsetzte, am 14. Januar 1943 an Bormann und Lammers, der Ersatzbedarf der Wehrmacht sei so groß, dass man »die strengste Menschenökonomie aller in der Heimatfront tätigen Kräfte sicherstellen« müsse. Er führte beispielhaft weitere Parallelorganisationen auf. Zahlreiche Aufgaben werden zugleich von Partei, ihren Gliederungen und angeschlossenen Verbänden, vom Staat und von den Wirtschaftsorganisa­ Parallelorganisationen zur Sicherung der Macht  53

tionen bearbeitet. Nebeneinander bestehen z. B. das staatliche Gesundheitsamt, das Amt für Volksgesundheit; beide benötigen Ärzte und Schwestern. In der Jugendfürsorge werden nebeneinander tätig die Jugendämter, Regierungspräsidenten und Landesjugendämter, der Vormundschaftsrichter, die HJ, die NSV, das Arbeitsamt, die DAF, Polizei usw. Auf dem Gebiet des Wohnungs- und Siedlungswesens bemühen sich der Landrat, der Bürgermeister, die örtliche Baugenossenschaft und das Wohnungs- und Siedlungsamt der DAF. In der gewerblichen Wirtschaft haben wir die Wirtschaftsgruppe Bankgewerbe und die gleiche Gruppe auch bei der DAF.53

So sehr Bormann diese Strukturen bei der Sicherung der eigenen Macht auch zugutekamen, im Tagesgeschäft wären sie häufig hinderlich. Als Reichsorganisationsleiter Ley Gauleiter, Gauobmänner und Gauorganisationsleiter nach Vogelsang bei Berlin eingeladen hatte, übte die ParteiKanzlei daran nicht nur Kritik, weil sie hätte beteiligt werden müssen, es ging um mehr. Man erkenne »erneut das Bestreben des ROL, die Gau­ organisationsleiter verstärkt in den ganzen Luftabwehrkrieg mit einzu­ beziehen. (…) Vor allen Dingen entsteht durch dieses Vorgehen ein erhebliches Durcheinander. Wer macht nicht alles in Luftabwehr. Dr. Goebbels, Dr. Ley, die NSV usw. usw. Es wird höchste Zeit, dass die Partei-Kanzlei ganz straff die Zügel in die Hand nimmt. Das sind wir dem Volk gegenüber schuldig.«54

Skepsis gegenüber Bormann Schon als Stabsleiter beim »Stellvertreter des Führers« Rudolf Heß hatte sich Bormann als der eigentlich Mächtige nach Hitler geriert. Begünstigt wurde dies, weil er bei dem eher phlegmatischen Heß auf keinerlei Widerstand gestoßen war. Nachdem Heß im Alleingang nach Schottland geflogen war, gab es keinen mehr, der sich zwischen Hitler und Bormann hätte stellen können. Besonders Goebbels tat sich schwer, die neue Situation einzuordnen. Am 14. Mai 1941 notierte Goebbels in seinem Tagebuch: Ein Herostrat und danebengelungener Messias, ein Narr der zweite Mann nach dem Führer. – Der Führer löst das Amt des Stellvertreters des Führers auf und richtet eine Parteikanzlei ein, die Bormann leitet.55 54  Der heimliche Herr des Obersalzbergs

Zurückgeführt wurde das absonderliche Verhalten von Heß auf die Beeinflussung durch einen »unausgegorenen Okkultismus«. Professor Karl Haushofer, »und seine Frau, die alte Heß, sind dabei die Bösen. Er hat auch Gesichte gehabt, sich Horoskope stellen lassen u. ä. Schwindel. So was regiert Deutschland. Das Ganze ist aus der Atmosphäre seines Gesundlebens und seiner Grasfresserei erklärbar. Sie haben ihren ›Großen‹ in diese Rolle hineingesteigert.«56 Der Geograf Karl Haushofer und Heß kannten sich seit 1919, als Heß bei ihm studierte und zeitweilig als sein Assistent arbeitete. Haushofer war der Vater von Albrecht Haushofer, den die SS wenige Tage vor Kriegsende in Berlin erschoss und der vor allem durch die »Moabiter Sonette«, die er im Zellengefängnis geschrieben hatte, bekannt wurde. Da das Verschwinden von Heß gegenüber der Öffentlichkeit unter anderem mit seiner Beeinflussung durch Hellseher und Wahrsager erklärt wurde, mussten öffentlich Konsequenzen gezogen werden. Sie bestanden beispielsweise darin, dass Goebbels verbot, »in öffentlichen Veranstaltungen okkultistische, spiritistische, hellseherische, telepathische, astrologische und ähnliche Darbietungen sowie hypnotische Experimente zu bringen«.57 Die »artistische Zaubertätigkeit« war von dieser Anordnung nicht betroffen. Eine Schilderung der Situation, wie sie sich nach Bekanntwerden von Heß’ Flug auf dem Obersalzberg ergab, ist in der Göring-Biografie von David Irving zu lesen. Am 13. Mai 1941 seien aus allen Teilen des Reichs Gauleiter und Reichsleiter erschienen und hätten sich in der großen Halle versammelt, um von Hitler Näheres zu erfahren. Zuvor hatten Hitler und Göring über die Nachfolge von Heß als »Parteiminister« gesprochen, dabei sei der Name Bormann nicht gefallen. Dieser sei eher als Nachfolger für Reichsschatzmeister Franz Xaver Schwarz infrage gekommen. Göring habe im Hinblick auf Bormann jedoch gemeint, Hitler stehe allein, wenn er glaube, damit könne der Ehrgeiz des Heß-Stabsleiters befriedigt werden. Wenige Tage später habe Göring dann einer Liste prominenter Nationalsozialisten entnommen, »dass Bormann zum ›Leiter der Partei-Kanzlei‹ ernannt worden sei. Dieser plötzliche Machtzuwachs des früheren Vermögensverwalters bedeutete für Göring eine Wendung zum Schlechteren. Jetzt hatte er jemanden gegen sich, der noch rücksichtsloser war als er selbst. Ein Beweis seiner eigenen Schwäche war seine spätere Klage: ›Bormann war ein fleißiger Arbeiter, was sehr dazu beitrug, seine Stellung zu festiSkepsis gegenüber Bormann   55

gen. (…) Bormann passte sich der Tageseinteilung des Führers an und war immer da, wenn der Führer ihn brauchte.‹ Von nun war wurde aus jeder beiläufigen Bemerkung des Führers beim Essen von Bormann sofort ein schriftlicher Befehl gemacht, hinter dem die ganze Autorität des ›Führers‹ stand.«58 Schon am 20. Mai 1941 brachte Goebbels tiefste Skepsis gegenüber Bormann zu Papier: Bormann gibt an die Partei ein Rundschreiben heraus, in dem er sich vorstellt. Seine Stellung wird von allen Seiten stärkstens angegriffen. Er ist, glaube ich, nicht ehrlich und klar. Er hat sich seine Position mehr erschlichen als erarbeitet. Die Parteiführerschaft fühlt das instinktiv, daher seine Ablehnung. Er wird sich schwer tun, wenn er sich durchsetzen will. Der Führer beginnt auch schon, ihn zu durchschauen. An Heß hat Bormann treulos gehandelt. Heß war kurzsichtig, aber anständig. Was aber haben wir von Bormann zu erwarten?59

Sein Misstrauen gegenüber Bormann und vor allem dessen künftigen Auseinandersetzungen mit den übrigen Reichsleitern schimmern aus einem weiteren Eintrag im Tagebuch Goebbels’ durch.60 Unter anderem Walter Tießler, Verbindungsmann der NSDAP zum Propagandaministerium, hatte den Propagandaminister davor gewarnt, der Leiter der Deutschen Arbeitsfront, Robert Ley, könne mit der Organisation »Kraft durch Freude« (KdF) die Partei in den Hintergrund drängen, auch Bormann sehe das so. Goebbels stimmte dieser Einschätzung nicht zu. KdF sei nun einmal eine Massenorganisation, die von Ley allein nicht geführt werden könne. Er lasse sich mit seinen Leuten nicht ausschalten: »Wir bringen bei dieser Ehe die Intelligenz. Ley bringt die Massen. Das ist eine gute Paarung. Und dass Bormann dagegen ist, ist kein Beweis. Im Gegenteil!« Hitler halte von Bormann mehr, als er angenommen habe. Dieser sei eine »starke Arbeitskraft«, und wenn Bormann »ehrlich und loyal ist, kann er schon die Brücke von der Partei zum Führer sein, wenn …« In den nächsten Tagen tauchte der Name »Bormann« immer wieder in Goebbels’ Notizen auf, wenn auch nie in positiver Weise. Am 23. Mai notierte er beispielsweise, er habe mit Tießler Parteifragen besprochen.

56  Der heimliche Herr des Obersalzbergs

11 Joseph Goebbels, Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda.

Dieser »stänkert etwas viel im Namen von Bormann«, aber das werde er ihm abgewöhnen.61 Goebbels war klug genug, um abzuwarten und seine Gedanken nicht öffentlich in der Partei zu äußern. In seiner Vorsicht dürfte er sich bestätigt gefühlt haben, als Otto Dietrich, der Pressechef der Reichsregierung, ihm am 14. Juni 1941 berichtete, Bormann habe sich bei Hitler durchgesetzt: »Eine Schattenfigur. Aber ein anderer könnte es auch nicht besser machen.«62 Unmittelbar nachdem bekannt geworden war, dass Heß sich abgesetzt hatte, gestand Hitler Bormann den Status eines Reichsministers zu und unterschrieb folgenden Erlass: Durch Verfügung vom 12. Mai 1941 habe ich für den Bereich der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei angeordnet, dass die bisherige Dienststelle des Stellvertreters des Führers von jetzt ab die Bezeichnung Partei-Kanzlei führt und mir persönlich unterstellt ist. Der Leiter der ParteiKanzlei, Reichsleiter Martin Bormann, hat die Befugnisse eines Reichsministers; er gehört als Mitglied der Reichsregierung und dem Ministerrat für die Reichsverteidigung an. Wo in Gesetzen, Verordnungen, Erlassen, VerfüSkepsis gegenüber Bormann   57

gungen und sonstigen Anordnungen der »Stellvertreter des Führers« genannt ist, tritt an seine Stelle der Leiter der Partei-Kanzlei.63

Damit stand Bormann fast an der Spitze der Partei und nach eigener Einschätzung auch des Staates, doch den Zenit seiner Macht erreichte er erst mit der Ernennung zu Hitlers »Sekretär«. Bormann hatte Reichsführer-SS Heinrich Himmler die Verfügung Hitlers vom 12. April 1943 geschickt und ihm ergänzend mitgeteilt: Wie Sie wissen, erhalte ich seit Jahren fast täglich Aufträge, die außerhalb des Aufgabenbereiches der Partei-Kanzlei liegen. Diese Aufträge habe ich bisher unter Verwendung von Briefbogen, die lediglich die Aufschrift »Reichsleiter Martin Bormann« trugen, durchgeführt, um klarzustellen, dass sie nicht in den Aufgabenbereich der Partei-Kanzlei gehören. Da sich aber mehrfach eine völlige Klarstellung als dringend notwendig erwies, hat der Führer die beiliegende Verfügung vom 12. 4. 43 getroffen. Eine neue Dienststelle mit neuen Zuständigkeiten wird damit nicht geschaffen.64

Als »Sekretär des Führers« hatte Bormann folgende Aufgaben zu erfüllen: 1. Erledigung zahlreicher persönlicher Angelegenheiten des Führers. 2. Teilnahme an Besprechungen des Führers. 3. Vortrag über eingehende Vorgänge beim Führer, die in das Arbeitsgebiet des Sekretärs des Führers fallen. 4. Übermittlung von Entscheidungen und Meinungsäußerungen des Führers an Reichsminister, andere oberste Reichsbehörden oder Dienststellen des Reiches. 5. Schlichtung von Meinungsverschiedenheiten, Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen Reichsministern und dergleichen. 6. Bearbeitung der mit den Aufträgen Linz65 zusammenhängenden Ange­legenheiten. 7. Dienstaufsicht über die Hausintendantur des Führers. 8. Dienstaufsicht über die Stenografengruppe des Führerhauptquartiers.66

58  Der heimliche Herr des Obersalzbergs

Der Intrigant

Machenschaften in der NS-Führung Es verwundert kaum, dass Bormanns Aufstieg mehrheitlich mit Argwohn betrachtet wurde. Insbesondere der Chef der Reichskanzlei Lammers konnte sich damit nur schwer abfinden. Am 8. Mai 1943 schrieb er an die »obersten Reichsbehörden« und die Hitler untermittelbar unterstellten Dienststellen: Der Führer erteilt seit Jahren gewohnheitsmäßig dem Reichsleiter Martin Bormann laufend Sonderaufträge der verschiedensten Art, die nicht in den Aufgabenkreis des Reichsleiters Bormann in seiner Eigenschaft als Leiter der Partei-Kanzlei fallen, sich vielmehr auf Angelegenheiten beziehen, in denen außerhalb des Rahmens der Partei Weisungen und Auffassungen des Führers führenden und leitenden Persönlichkeiten des Staates und staatlichen Dienststellen im Auftrag des Führers übermittelt werden sollen.1

Durch die Ernennung zum »Sekretär des Führers« sei weder eine neue Dienststelle geschaffen, noch seien neue Zuständigkeiten entstanden. Es sei vielmehr lediglich eindeutig klargestellt worden, dass Reichsleiter Bormann neben der von ihm geleiteten Partei-Kanzlei die bezeichneten Sonderaufträge des Führers erledige: »Führeraufträge dieser Art auf dem zivilen staatlichen Gebiet wird Reichsleiter Bormann in seiner Eigenschaft als ›Sekretär des Führers‹ – wie auch bisher schon ohne diese Bezeichnung – in der Regel über mich den zuständigen Reichsministern oder sonstigen Beteiligten übermitteln«, glaubte Lammers irrigerweise.2 Bormann sah sich veranlasst, die übrigen Reichsleiter oder Minister zu besänftigen, denn diese waren angesichts seiner Ernennung zum »Sekretär des Führers« gleichermaßen irritiert wie beunruhigt, zumal sie mit diesem neu geschaffenen Titel kaum etwas anfangen konnten. Bormann übersah dabei keineswegs, dass sowohl Reichsmarschall Hermann Göring als auch Goebbels eher zu seinen Feinden, denn zu seinen Freunden zu rechnen waren. Er versuchte, seine Ernennung in ihrer Machenschaften in der NS-Führung  59

Bedeutung herunterzuspielen und schrieb dem Reichsführer-SS, Heinrich Himmler, unter anderem: Reichsminister Dr. Lammers sagte mir heute im Anschluss an die Unterhaltung, die beim Führer über die Herabsetzung der Fleischrationen stattfand, die Bezeichnung »Sekretär des Führers« habe schon erheblich Staub aufgewirbelt. Ich habe Herrn Dr. Lammers erwidert, dies sei mir völlig unverständlich, denn tatsächlich sei ich in der Praxis bereits seit Jahren als Sekretär des Führers tätig geworden; wie Dr. Lammers wisse, hätte ich dabei meine persönlichen Briefbogen verwandt, und die Verwendung dieser Briefbogen gäbe zwangsläufig immer wieder zu Missverständnissen Anlass, sie setze mich Missdeutungen aus, wenn unterstellt werde, dass ich mich um Angelegenheiten kümmere, die mich gar nichts angingen und für die ich offensichtlich vom Führer nicht beauftragt sei. Ich sagte Herrn Dr. Lammers, ich hätte ja bereits betont, dass eine neue Dienststelle oder neue Zuständigkeiten überhaupt nicht geschaffen würden. An der bisherigen Handhabung würde sich überhaupt nichts ändern. Dr. Lammers erwiderte mir, man habe ihn schon scharf machen wollen, indem man gesagt habe, nun würde Dr. Lammers wohl überflüssig sein. Der Reichsmarschall habe ihm, Dr. Lammers, gesagt, künftig solle er wohl die Hände an die Hosennaht legen, wenn er einen Brief von mir als Sekretär des Führers erhielte. (…) Abschließend betonte Dr. Lammers, insbesondere Reichsminister Dr. Goebbels schiene über meine Betrauung als Sekretär des Führers wenig erbaut zu sein.3

Goebbels hatte im März 1943 seinem Tagebuch Zweifel über Bormann anvertraut und war zugleich auf den Machtkampf zwischen Göring und Bormann eingegangen: »Was Bormann anbelangt, so ist sich Göring über seine eigentlichen Absichten nicht klar. Dass er aber ehrgeizige Ziele verfolgt, dürfte wohl ohne weiteres einleuchtend sein.«4 Angesichts der immer wieder gestellten Frage nach der Position Bormanns, aber auch im Hinblick auf die zumeist verdeckt geführten Angriffe gegen ihn präzisierte Hitler am 18. Juni 1944 unter anderem das Verhältnis Bormanns gegenüber der Wehrmacht und verfügte: I. In meinem Befehl vom 22.12.1943 an die Wehrmacht habe ich angeordnet, dass der Chef des NS-Führungsstabes der Wehrmacht in 60  Der Intrigant

Durchführung seiner Aufgaben in meinem unmittelbaren Auftrag handelt und hierbei das Einvernehmen mit der NSDAP als der Trägerin des politischen Willens herzustellen hat. II. Der Leiter meiner Partei-Kanzlei ist für die aus diesem Befehl entstehenden Aufgaben der NSDAP der Wehrmacht gegenüber allein zuständig und verantwortlich. III. Insbesondere hat der Leiter meiner Partei-Kanzlei alle an der politischweltanschaulichen Führung und Erziehung der Truppe auf Grund meines Befehls vom 22.12.1943 mitwirkenden Dienststellen der NSDAP zu gemeinsamer Arbeit in einem Arbeitsstab zusammenzufassen und die Aufgaben auf die entsprechenden Reichsdienststellen zu verteilen. Er prüft das von den Dienststellen der Partei erstellte Schrifttum auf seine praktische und politische Brauchbarkeit und gibt es zur Verwendung in der Wehrmacht frei. Die Entscheidungen des Leiters meiner Partei-Kanzlei, zu denen erforderlichenfalls meine Zustimmung einzuholen ist, sind der Wehrmacht gegenüber verbindlich. IV. Um nur eine verbindliche Auffassung der NSDAP auch in diesem Aufgabengebiet wirksam werden zu lassen, sind Auffassungen der Reichsdienststellen der NSDAP der Wehrmacht gegenüber nur mit Zustimmung des Leiters meiner Partei-Kanzlei zu vertreten. V. Abmachungen, die die nationalsozialistische Führungsarbeit betreffen, sind seitens der Reichsdienststellen der NSDAP nur im Einvernehmen mit dem Leiter meiner Partei-Kanzlei und dem Chef des NS-Führungsstabes der Wehrmacht zu treffen.5

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass es mit Alfred Rosenberg einen »Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP« gab, der durch diese Anordnung eindeutig desavouiert wurde und sich nunmehr Bormann unterzuordnen hatte. Aber selbst kurz vor Ende des Regimes bestand weiterhin Unsicherheit über Bormanns tatsächliche Stellung, insbesondere auch im Hinblick auf seine Funktion als »Verwalter« des Obersalzbergs, worauf er in einem Aktenvermerk vom 28. Oktober 1944 einging: Bedauerlicherweise entstehen immer wieder Unklarheiten über das Verhältnis zwischen der Partei-Kanzlei bzw. zur NSDAP und der Verwaltung OberMachenschaften in der NS-Führung  61

salzberg. Ausdrücklich sei daher zur Unterrichtung sämtlicher Referenten festgestellt: Die Auffassung, die Verwaltung Obersalzberg sei ein Teil der ParteiKanzlei, ist falsch! 1. Tatsächlich ist die Verbindung zwischen Partei-Kanzlei und Verwaltung Obersalzberg nur deshalb gegeben, weil ich gegenwärtig Leiter der Partei-Kanzlei bin und weil ich gleichzeitig über alle Angelegenheiten des Obersalzbergs verfüge. 2. Letzteres ist nur der Fall, weil ich die Reglung der notwendigen Angelegenheiten auf dem Obersalzberg in die Hand nahm; mit meiner Tätigkeit innerhalb der Partei-Kanzlei hat dies gar nichts zu tun. (…) 5. Lediglich zu meiner Arbeitserleichterung wird die Buchhaltung der Verwaltung Obersalzberg teilweise von Sachbearbeitern der ParteiKanzlei in München erledigt. Nach dem Kriege wird der räumlichen Scheidung wegen auch diese bisherige Übung aufgehoben und die gesamte Buchhaltung auf dem Obersalzberg durchgeführt werden.6

Machtausbau mithilfe der Gestapo Bormann setzte schon früh auf den Repressionsapparat des NS-Staates, insbesondere auf den Sicherheitsdienst (SD) und auf die Gestapo. In den »Anordnungen des Stellvertreters des Führer« vom 14. Februar 1935 verlangte er in seiner Funktion als »Stabsleiter«, die Parteidienststellen mögen »nunmehr alles Misstrauen gegenüber dem SD aufgeben und ihn bei der Lösung seiner schweren Aufgaben, die ihm zum Schutz von Bewegung und Volk übertragen worden sind, mit allen Kräften zu unterstützen«.7 Da die Arbeit des Sicherheitsdienstes in erster Linie auch dem Ausbau der Partei zugutekomme, dürfe dieser nicht durch »unsachliche Angriffe bei Versagen einzelner in seinem Aufbau gestört«, vielmehr müsse der SD mit allen Kräften gefördert werden. Wenige Monate später, am 26. Juni 1935, erließ Bormann eine Weisung, worin es hieß: Um eine engere Fühlungnahme zwischen allen Dienststellen der Partei und ihren Gliederungen mit den Leitern der Geheimen Staatspolizei herbeizuführen, bittet der Stellvertreter des Führers, künftig die Leiter der Gestapo 62  Der Intrigant

zu allen größeren offiziellen Veranstaltungen der Partei und ihrer Gliederungen einzuladen.8

Am 3. September 1935 ging Bormann noch einen Schritt weiter. Nun verlangte er von den Parteidienststellen, sie müssten der Gestapo alle Personen melden, von denen bekannt sei, dass sie der NSDAP kritisch gegenüberstünden, und zwar wo immer es »einen Fall heimtückischen oder verleumderischen Angriffs gegen Parteimitglieder, die Partei oder ihre Gliederungen« gebe.9 Ein Beispiel dafür, wie Bormann den alleinigen Herrschaftsanspruch der NSDAP durchsetzen wollte, ist seine Anordnung vom 8. Juli 1940 über die »Betreuung von Angehörigen von politischen Häftlingen und der Häftlinge selbst nach ihrer Entlassung«. Für die »Inschutzhaftnahme und Festnahme« sei die Geheime Staatspolizei zuständig, räumte er ein, um dann die Vorrangstellung der Partei zu reklamieren. Ihre Aufgabe sei »die Betreuung der Angehörigen politischer Häftlinge und der Häftlinge selbst nach ihrer Entlassung«. Dabei gehe es darum, die Angehörigen »aufzuklären und sie davon abzuhalten, sich etwa aus Verbitterung oder Unverständnis außerhalb der Volksgemeinschaft zu stellen«. Die NS-Frauenschaft müsse dafür sorgen, dass die Angehörigen und Kinder von Häftlingen nicht von konfessionellen oder staatsfeindlichen Stellen beeinflusst werden könnten. Die NS-Volkswohlfahrt habe Unterstützung in Form von Lebensmittel- oder Kleidunghilfen zu leisten. Die Angehörigen sollten davon überzeugt werden, dass sie weiterhin als »angesehene Mitglieder der Volksgemeinschaft« betrachtet würden. Die politischen Häftlinge selbst müssten nach ihrer Entlassung betreut werden. Sie sollten aus ihrer Strafe die notwendigen Lehren ziehen, und in ihnen solle das Bestreben geweckt werden, wieder in die Volksgemeinschaft hineinzuwachsen. In Zukunft sollten NS-Kreisleiter über Verhaftungen informiert werden und ausreichend Durchschläge erhalten, um die zuständigen Dienststellen – NSV und Frauenschaft – informieren zu können. Die politische Überwachung bleibe allerdings in den Händen der Gestapo.10 Damit war die totale Kontrolle sichergestellt. Für straffällige Fürsorgezöglinge sollte es nur einen Weg geben: den in ein Konzentrationslager:

Machtausbau mithilfe der Gestapo  63

Reichsleiter Bormann übermittelt eine Weisung des Führers, wonach Fürsorgezöglinge, die mit Vollendung des 19. Lebensjahres aus der Fürsorgeerziehung ausscheiden, sofort auf Lebenszeit ins Konzentrationslager gebracht werden sollen, wenn bei ihnen das Ziel der Fürsorgeerziehung nicht erreicht ist.11

Bormann selbst ließ – vor Selbstbewusstsein strotzend – schon am 15. Mai 1941 Reichsinnenminister Wilhelm Frick wissen, an wen dieser und alle anderen führenden Personen des NS-Regimes sich künftig zu wenden hätten – nämlich an ihn, Bormann. In seinem Schreiben unterstrich er seinen direkten Zugang zu Hitler und verband diesen Hinweis mit einer unverhohlenen Drohung an alle, die ihm seine Stellung streitig machen wollten: Die Arbeit in der Partei-Kanzlei wird in der bisherigen Weise, aber unter Aufsicht und Obhut des Führers selbst, weitergeführt. Laufend werde ich also selbstverständlich den Führer über alle wichtigen Vorgänge unterrichten, und ich werde ebenfalls alle Reichsleiter, Gauleiter und Verbändeführer über die Entscheidungen und Auffassungen des Führers in Kenntnis setzen; ein großer Teil der von mir in den letzten zwei Jahren herausgegebenen Rundschreiben wurde ohnehin durch meine Tätigkeit beim Führer ausgelöst. Da ich zum engsten Stab des Führers gehöre, soll ich auch weiterhin ständig den Führer begleiten. Das hat während des Krieges den Nachteil, dass ich zeitweise nur fernmündlich oder brieflich erreichbar bin. Andererseits hat dieser Umstand den großen Vorteil, dass auch während des Krieges laufend alle wichtigen Angelegenheiten der Partei, der Reichsleiter und Verbändeführer an den Führer herangetragen werden können.12

Der Betonung seiner permanenten Nähe zu Hitler ließ Bormann eine nicht zu übersehende Warnung folgen: Ich habe seit 1933, als ich vor die Aufgabe gestellt wurde, die Mitarbeit der NSDAP an Gesetzen und Verordnungen sicherzustellen und durchzuführen, als ich vor die weitere Aufgabe gestellt wurde, laufend die politischen Richtlinien an die Dienststellen der Partei zu geben, als ich vor die schwierige Aufgabe gestellt wurde, eine einheitliche Meinung der bei unzähligen 64  Der Intrigant

Vorgängen beteiligten verschiedenen Dienststellen der NSDAP herbeizuführen, gearbeitet wie ein Pferd! Ja, mehr als ein Pferd, denn ein Pferd hat seinen Sonntag und seine Nachtruhe, und ich habe in den vergangenen Jahren kaum einen Sonntag und meistens herzlich wenig Nachtruhe gehabt. Trotzdem habe ich die Arbeit nicht alleine schaffen können, sondern ich bedurfte der Mitarbeiter. Ich habe deshalb die Gauleiter wieder und wieder gebeten, mir ihre fähigsten und besten Köpfe zur Verfügung zu stellen, je besser die Männer sind, die mir die Gauleiter geben, desto bessere Arbeit kann in der Zentralstelle geleistet werden. Meine Männer haben nun ebenfalls zum großen Teil in den vergangenen Jahren hart arbeiten müssen, ebenso wenig wie mich konnte ich sie schonen. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass wir eine ganz anständige und brauchbare Arbeit geleistet haben. Wer anderer Auffassung ist, der soll baldigst dem Führer mitteilen, wen er an meiner Stelle für geeigneter hält.13

Bormanns Schreiben erlauben – wie der Brief an Lammers zeigt – einen tiefen Einblick in seine Psyche. So hatte er bereits 1935, noch als Stabsleiter bei Heß, die Gauleiter wissen lassen, auf wen es im NS-Staat ankam und Gauleiter Jakob Sprenger vom Großgau Hessen zurechtgewiesen: Durch die Reichsorganisationsleitung wird mir mitgeteilt, Sie hätten sich bei Herrn Reichsorganisationsleiter Dr. Ley darüber beschwert, dass von­ seiten des Stellvertreters des Führers in der Person des Pg. Heim ein Spitzel in ihr Gaugebiet entsandt worden sei. Ich muss schärfstens zurückweisen, 1.) dass der Stellvertreter des Führers Spitzel in irgendein Gaugebiet entsendet, 2.) dass Sie sich bei einer dem Stellvertreter des Führers unterstehenden Stelle über diesen beschweren.14

Sprenger war damit auf alle Zeiten diszipliniert, und unter den Gauleitern dürfte sich Bormanns rigoroses Verhalten disziplinierend herumgesprochen haben.

Machtausbau mithilfe der Gestapo  65

Der Fall Frank Innenminister Wilhelm Frick, den Bormann für ausgesprochen unfähig hielt, wurde ab 1940 von Hitler nicht mehr in die Beratung wichtiger Fragen einbezogen, 1943 durch Himmler als Reichsinnenminister abgelöst und als Reichsprotektor für Böhmen und Mähren nach Prag abgeschoben. Im Visier speziell von Himmler befand sich übrigens Hans Frank, Reichskommissar für die Gleichschaltung der Justiz und Generalgouverneur in Polen, ohne dass Bormann ihm zu Hilfe kam. Im Spätherbst 1941 glaubten die SS-Führer, am Ziel ihrer Wünsche zu sein: Die Sicherheitspolizei hatte eine Korruptionsaffäre aufgedeckt, in die auch Frank verwickelt war.15 SS-Untersturmführer Lorenz Löv, Leiter der Warschauer Hauptverwaltungsstelle des Generalgouverneurs, hatte den Verdacht auf sich gelenkt, Ware aus einem ihm unterstellten Pelz- und Warenlager verschoben zu haben. Er wurde vor dem SS- und Polizeigericht VI in Krakau angeklagt und wegen Unterschlagung zu einer lebenslänglichen Zuchthausstrafe verurteilt. Dabei waren die Ermittler des zuständigen SS-Richters Günther Reinecke auch auf das Profitstreben des Generalgouverneurs und dessen Familie gestoßen, die sich offenbar Gegenstände angeeignet hatten, die zu Repräsentationszwecken auf Staatskosten beschafft worden waren. Besonders Pelze hätten es der Familie Frank angetan. Gleich nach der Verhaftung Lövs war das Frank’sche Pelzlager aufgelöst und der Bestand zu Spottpreisen verkauft worden. SS-Richter Reinecke meldete dem Reichsführer-SS am 1. Dezember 1941: Die Frau des Generalgouverneurs bezog aus dem Lager verschiedene Pelzmäntel (mindestens 10 Stück), die über ihren persönlichen Bedarf bei Weitem hinausgingen. Der Bedarf der Frau des Generalgouverneurs an Pelzen war damit aber bei Weitem noch nicht gedeckt! So bezog sie von der Firma Apfelbaum in Warschau u. a. noch eine Maulwurfjacke, einen Bibermantel, einen Bisammantel, einen Hermelinmantel, zwei Breitschwanzmäntel, eine Hermelinjacke, ein Silberfuchs- und Blaufuchscape und andere Pelze. Nach Aussagen des SS-Sturmbannführers Faßbender wurde bei diesen Käufen der Preis von den Beauftragten der Frau des Generalgouverneurs, Angehörigen der Dienststelle des Generalgouverneurs, einfach auf ungefähr die Hälfte des Einkaufswertes festgesetzt. 66  Der Intrigant

Auch andere Güter aus staatlichem Besitz hatte der Generalgouverneur in den eigenen Familienbesitz zu überführen verstanden: Die Familie Frank ließ sich von Warschauer Juden Brillantringe, goldene Armbänder, goldene Füllfederhalter, Konserven, Picknickkoffer, Kaffeemaschinen und Lebensmittel zu »enorm billigen Preisen« (so Reinecke) liefern. Frank gab Order, Eigentum und Erzeugnisse des Staatsgutes Kressendorf auf sein in Süddeutschland gelegenes Gut Schobernhof zu verlagern, darunter 200 000 Eier, die eingekochte Obsternte eines Jahres, ferner Bettzeug und Möbel. Zugleich ließ Frank aus Kirchen geraubte Plastiken, Madonnen, Engelputten und Ikonen in die Hauskapelle des Schobernhofs schaffen. Himmler nutzte die Affäre zu einem Coup gegen Frank. Da inzwischen auch Franks engster Gefolgsmann, der Radomer Gouverneur Karl Lasch, wegen eines Korruptionsskandals von der Sicherheitspolizei gestürzt worden war, glaubte der SS-Chef, seinen Gegner jetzt in die Knie zwingen zu können. Am 5. März 1942 musste sich der Generalgouverneur im Salonwagen des Reichskanzlei-Chefs Lammers melden und einem Inquisitionstribunal stellen, dem außer Lammers der Partei-Kanzlei-Chef Martin Bormann und Heinrich Himmler angehörten. In einem Aktenvermerk hielt Himmler den Verlauf der »Verhandlung« fest. Nach einleitenden Worten von Lammers über die zahlreichen Beschwerden und Prozesse hätten die drei Reichsleiter und Reichsminister den Versuch unternommen, »über die Fragenkomplexe mit dem Generalgouverneur Dr. Frank persönlich und kameradschaftlich zu sprechen, damit sie abgestellt werden können, ohne dass der Führer mit diesen Dingen befasst werden muss«. Es sei über den Prozess Löv und über Franks Verhältnis zur SS und zur Polizei gesprochen worden. Frank erwiderte in sehr schauspielerischer Form und sprach von seiner Arbeit und von der Korruption, angeblich solle er der Oberkorruptionist sein. Im Gespräch über die SS und Polizei kam er darauf zu sprechen, dass es gar nicht klar sei, dass er an diese Stelle zurückkomme; er unterstünde zwar nur dem Führer, es sei aber ein unmöglicher Zustand für ihn, dass einer von uns ihm diese Vorwürfe zutraue und so von ihm denke.16

Himmler habe angemerkt, dass von den Beteiligten private und staatliche Beschlagnahmen nicht auseinandergehalten worden seien, und von Der Fall Frank  67

den persönlichen Verhandlungen von »Fräulein Frank«, der Schwester des Generalgouverneurs, mit Juden. Bormann habe sich eingeschaltet und erklärt, Hitler stehe auf dem Standpunkt, Verwandte sollten nicht von Verwandten beschäftigt werden, woraufhin Frank gemeint habe, er sei froh, dies zu hören, diese Haltung des »Führers« sei ihm völlig neu. Nach einer längeren Aussprache darüber, ob einer von uns noch den geringsten Vorbehalt gegen ihn – Frank – hätte – was von mir mit der Begründung verneint wurde, dass wir sonst gar nicht mit ihm über diese Dinge gesprochen hätte, sondern sie unmittelbar an den Führer herangetragen hätten ‒, kamen wir auf die Frage von SS und Polizei zu sprechen. Frank stimmte ohne weiteres zu, dass nunmehr sofort ein Staatssekretariat für SS-Obergruppenführer Krüger (…) eingerichtet werden würde.17

Frank musste zusagen, dass Krüger auch direkte Weisungen des Reichsführers-SS entgegennehmen durfte. Außerdem verpflichtete er sich, den SS-feindlichen Gouverneur des Distrikts Lublin, Ernst Zörner, abzulösen. In Franks Diensttagebuch ist lediglich zu lesen, dass er sich vom 31. Januar bis 6. März 1942 »im Reich« aufgehalten hatte,18 nicht aber davon, dass er in dieser Zeit auf Druck Himmlers und Bormanns der Aufwertung des Höheren SS- und Polizeiführers in den Regierungsrang zum Staatssekretär für Sicherheitswesen zustimmen musste. Entlarvend ist auch das Fernschreiben, das Frank am 23. Oktober 1942 an Bormann sandte: Sehr geehrter Pg. Bormann, ich erhalte soeben durch Pg. Stahl in Vorlage Ihr Rundschreiben betreffend die Neuordnung der Justiz, in dem in Absatz 2 mitgeteilt wird, dass ich den Führer gebeten hätte, mich von meinen Parteiämtern zu entbinden. Ich stelle dazu fest, dass dem nicht so ist; ich habe weder mein Amt als Reichsleiter der NSDAP noch als Leiter des Arbeitsbereiches Generalgouvernement der NSDAP, sondern entsprechend der in dem Schreiben des Reichsministers Lammers von 28. Juli 1942 enthaltenen klaren Aufforderung, die im Einvernehmen mit Ihnen mir mitgeteilt wurde, mein Amt als Leiter des Reichsrechtsamtes und als Leiter des NS-Rechtswahrerbundes niedergelegt. Ich ersuche Sie daher, zur Kenntnis zu nehmen, dass hier offensichtlich ein Irrtum vorliegt und bitte um Berichtigung dieses Rundschreibens.19 68  Der Intrigant

Am 12. Mai 1943 erklärte Frank in einem Schreiben an Bormann, er könne sein »an den Führer gerichtetes Rücktrittsgesuch nicht mehr länger aufrechterhalten«, und zeigte sich bereit, die Parteiorganisation im Generalgouvernement in Bormanns Sinn zu regeln.20 Am 14. Januar 1944 beklagte er sich darüber, niemals persönlich Kontakt zu Bormann gehabt zu haben und bat ihn »nunmehr dringendst« um eine Aussprache über Parteiprobleme im Generalgouvernement.21 Dieses Gespräch kam am 18. Januar 1941 in München zustande. Im Diensttagebuch Franks heißt es darüber: Generalgouverneur Frank ging dann auf das persönliche Verhältnis zwischen Reichsleiter Bormann und ihm ein. Er brachte unumwunden zum Ausdruck, dass allgemein die Meinung herrsche, Reichsleiter Bormann sei ein Feind des Generalgouverneurs. Reichsleiter Bormann erklärte hierzu, dass davon keine Rede sein könne. Er wäre glücklich, wenn das persönliche Verhältnis zwischen dem Generalgouverneur und ihm so gut wie nur möglich und die politische Zusammenarbeit zwischen ihnen beiden restlos gesichert wäre. In einem Augenblick wirklich herzlicher Kameradschaft gaben sich Reichsleiter Bormann und Generalgouverneur Dr. Frank die Hand und schlossen damit symbolisch die ganze bisherige, manchmal Fehldeutungen ausgesetzt gewesene Entwicklung ab. Bezüglich der Organisation der NSDAP im Generalgouvernement erklärte Generalgouverneur Dr. Frank, dass er angesichts des Führermangels unbedingt so lange als nur möglich an der Personalunion zwischen dem Generalgouverneur und dem Leiter des Arbeitsbereiches Generalgouvernement der NSDAP festhalten müsse. Es sei mit seinem Prestige völlig unvereinbar, dass er die Leitung des Arbeitsbereiches Generalgouvernement der NSDAP abgebe. Reichsleiter Bormann erklärte, dass er nicht daran denke, die Leitung des Arbeitsbereiches Generalgouvernement der NSDAP von der Person des Generalgouverneurs zu lösen. Dies sei im Augenblick gar nicht möglich, sei von ihm aber auch gar nicht beabsichtigt. (…) Zum Schluss dieses persönlichen Teils der Aussprache gab Reichsleiter Bormann die Zusicherung ab, dass er volles Verständnis für die Schwierigkeiten des Generalgouverneurs habe und dass er sich dem Generalgouverneur in jeder Weise – auch außerhalb des Parteisektors – zu Aussprachen wie zu Hilfestellung dienstlicher Art zur Verfügung halte.22

Der Fall Frank  69

Bei Heinz Höhne ist über das eigenwillige Verhalten Franks zu lesen: Aber Frank war kaum nach Krakau zurückgekehrt, da setzte er schon einen Brief an Lammers auf, in dem er praktisch alles zurücknahm, was er im Salonwagen gestanden hatte. »Heute kann ich sagen«, schrieb Frank, »dass es im Generalgouvernement eine einwandfreie staatliche, wirtschaftliche und soziale Ordnung der Deutschen gibt, die nur gemeinste Verleumdung zu negieren vermag«. (…) Frank tat, als sei nichts geschehen. Er begann von neuem, SS und Polizei in Reden und Erlassen auf das schärfste anzugreifen. Als schließlich Globocnik in Lublin anfing, ohne Genehmigung der Krakauer Regierung Polen zu vertreiben und an deren Stelle Deutsche anzusiedeln, kannte Franks Zorn keine Grenzen mehr. Ohne die Folgen zu bedenken, eröffnete er einen in der Geschichte des Hitler-Regimes einzig dastehenden Feldzug gegen Himmler. Der Generalgouverneur ließ sich von einigen deutschen Universitäten zu Vorträgen einladen und hastete von Katheder zu Katheder. Berlin, Wien, München, Heidelberg – überall hörten seine alarmierten Zuhörer eine noch nie öffentlich formulierte Botschaft: Fort mit der Willkür von Polizei und SS! Am 9. Juni 1942 in der Berliner Universität: »Noch nie war ein Reich denkbar ohne Recht – oder gegen das Recht. Ein Volk lässt sich nicht durch Gewalt beherrschen, ein Volksleben ohne Recht ist undenkbar. (…) Es geht nicht an, dass in einem Staat einem Mitglied der Gemeinschaft Ehre, Freiheit, Leben, Eigentum genommen werden, dass man es verstößt und verurteilt, ohne dass es zuvor gegen die erhobenen Anklagen hat Stellung nehmen können.« Am 1. Juli 1942 in der Wiener Universität: »Ich werde mit dem ganzen Fleiß meiner Ideen immer wieder bezeugen, dass es schlimm wäre, wollte man etwa polizeistaatliche Ideale als ausgeprägt nationalsozialistische Ideale hinstellen. (…) Es gibt viele, die sagen: Die Menschlichkeit ist etwas Müdes, irgendetwas, was sich mit der Stärke dieser Zeit nicht verträgt. Ich bin anderer Meinung. Jeder Staat, auch der unsere, muss es sich zum Grundsatz machen, dass (…) in keinem Fall Menschlichkeit einen Staat gefährden kann.« Am 20. Juli 1942 in der Münchner Universität: »Es darf nicht den Anschein bekommen, als ob das Recht in unserem Reiche schutzlos werden sollte. Das Recht ist der persönliche Schutz unseres Volkes. (…) Es ist nicht

70  Der Intrigant

die Gewalt allein, die den Staat stark macht. Brutalität aber ist niemals mit Stärke identisch. (…) Ich sage: Stark ist nur, wer das Recht nicht fürchtet.« Am 21. Juli 1942 in der Heidelberger Universität: »Niemals darf es einen Polizeistaat geben, niemals! Das lehne ich ab. Ich bin daher als Nationalsozialist und als Führer der deutschen Rechtswahrer berufen, mich gegen diese dauernden Verunglimpfungen des Rechts und der Rechtswahrer in jeder Form zu verwahren.« Die Eingeweihten hielten den Atem an. Jetzt musste der vernichtende Schlag gegen den selbstmörderischen SS-Kritiker Frank kommen, jetzt konnte nichts und niemand den Herausforderer Himmlers mehr retten. Und der Schlag kam. Hitler gab die Antwort. Nach eigenen Worten hatte Frank selbst vierzehn Rücktrittsgesuche als Generalgouverneur eingereicht, die Hitler sämtlich ablehnte. Stattdessen entließ er ihn 1942 »cum infamia« aus sämtlichen Reichs- und Parteiämtern, zwang ihn aber auf dem Krakauer Posten zu bleiben.23

Am 6. Februar 1944 kam Frank mit Hitler und Bormann zusammen, und es ergibt sich in der Tat die Frage, ob Frank in seinem Diensttagebuch die Ereignisse nicht massiv schönte beziehungsweise fälschte. Denn seiner Schilderung zufolge hatte Hitler nicht nur eine Rede gelobt, die Frank vor der Auslandspresse in Berlin halten wollte, sondern er hatte auch Franks Vorgehen in Polen unterstützt: »So wie Sie es gemacht haben, ist es völlig recht. Den Polen muss man immer sagen, dass sie nur unter deutscher Führung leben können und dass – wenn die Bolschewiken ins Land kämen – in einigen Jahren kein polnisches Volk mehr existieren würde.« Gegen Schluss der Aussprache habe Hitler ihm zugesagt, »dass er alles tun werde«, um Frank zu helfen, da seine Aufgabe wichtig sei: Er vergewisserte sich dann auch noch, ob Reichsleiter Bormann alles aufgezeichnet habe, was aus der Besprechung festzuhalten sei. Im Übrigen gab er mir anheim, mich künftig vertrauensvoll an ihn zu wenden. Die Besprechung hatte insgesamt annähernd 2½ Stunden gedauert und endete in freundlicher Harmonie und war wohl vom Führer so gedacht, um einen völligen Ausgleich zwischen ihm und einem seiner ältesten Mitkämpfer in Anwesenheit des Leiters der Partei-Kanzlei zu dokumentieren.24

Der Fall Frank  71

Im Zusammenhang mit Frank lässt sich im Übrigen sehr anschaulich darlegen, in welcher Weise Bormann in dessen aktive Politik eingriff und ihm einen Kontrolleur nicht nur zur Seite, sondern de facto über ihn stellte. Bormann hatte seinen Vertrauten, Oberdienstleiter Walter Tießler, zum stellvertretenden Leiter des Arbeitsbereichs Generalgouvernement der NSDAP bestimmt. Tießler stellte sich am 27. Januar 1944 bei Frank in Krakau vor und zeigte ihm in seinem Handeln von Anfang an, dass er sich Bormann verpflichtet fühle und nicht dem Gouverneur Frank.25 Nachdem Tießler, den Bormann als seinen »besten Mann« bezeichnete, am 17. Februar 1944 in sein Amt eingeführt worden war, kam es sehr schnell zu tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten und schließlich am 27. November 1944 zu einer Aussprache zwischen Frank und Tießler. Frank begab sich dazu ins Haus der NSDAP in Krakau. Tießler empfinde sich offensichtlich weniger als sein Stellvertreter, denn als Beauftragter einer anderen Dienststelle, nämlich der Partei-Kanzlei, warf er ihm vor. Die beiden Funktionen Tießlers als Beauftragter von Reichsleiter Bormann und als Stellvertreter des Arbeitsbereichs müssten streng voneinander geschieden werden. »Was Oberdienstleiter Tießler jetzt im Auftrage des Reichsleiters Bormann im Generalgouvernement tue, müsse sich im Rahmen der Methode halten, in der sich alle Beauftragten von obersten Reichs- und Parteidienststellen gerierten.« Wenn er, der Generalgouverneur, ins Haus der NSDAP gekommen sei, »so bedeute das die Wiederübernahme der Leitung des Arbeitsbereiches durch ihn, den Generalgouverneur, auch in tatsächlicher Beziehung«, meinte Frank irrtümlich, auch wenn er – erfolgreich – Tießlers Dienstzimmer für künftige Besprechungen im Haus der NSDAP für sich beanspruchte.26 Wie weit sich Frank und die NSDAP – hier konkret Bormann – voneinander entfernt hatten, zeigen Briefe des Generalgouverneurs, in denen er die Auflösung des Generalgouvernements vorschlug. Bezeichnenderweise hatte Frank die entsprechenden Briefe vom 7. und 18. August 1944 nicht an Bormann, sondern an Propagandaminister Goebbels gerichtet. Diese zitierend, hieß es in einem Fernschreiben vom 2. September 1944 an Bormann, Frank habe zugleich Goebbels gebeten, bei Hitler die Genehmigung zu seiner Einziehung zur Wehrmacht herbeizuführen. Er schlage er vor, dass er ermächtigt werde, die Dienststellen im Generalgouvernement zu liquidieren. Die Funktionen der Zivil72  Der Intrigant

verwaltung im Restraum des Generalgouvernements sollten von den örtlich angrenzenden Gauleitern beziehungsweise Reichsverteidigungskommissaren in gegenseitiger Abgrenzung übernommen werden. Hierbei würde der Rest des Distrikts Krakau dem Gauleiter von Oberschlesien, der Rest des Distrikts Radom dem Gauleiter des Warthegaus und der Rest des Distrikts Warschau dem Gauleiter von Ostpreußen zufallen. Himmler begrüßte diesen Vorschlag und meinte, solange man vom Generalgouvernement nur noch ein Fünftel habe, sei es richtig, den gesamten Regierungsapparat einzusparen, doch in der Partei-Kanzlei gab es Bedenken. An sich, so hieß es, könne in Zeiten des totalen Kriegs die Einsparung von Arbeitskräften nur begrüßt werden, doch dürfte fraglich sein, ob Hitler dies aus außenpolitischen Gründen akzeptiere. »Hinsichtlich der Verwaltung der besetzten Ostgebiete haben wir bisher die Auffassung vertreten, dass der Führer trotz der großen Gebietsverluste nicht geneigt sein dürfte, die Dienststellen des Ostministeriums oder die Dienststellen der Reichskommissare völlig zu beseitigen, weil mit einer solchen Maßnahme nach außen hin der Eindruck eines etwaigen Verzichts auf diese Gebiete entstehen könnte.«27

Primat der Partei – und Bormanns Für Bormann galt – wie bereits erwähnt – der absolute Vorrang der NSDAP vor jeglichen staatlichen Einrichtungen. Aus dieser Haltung resultierend betrachtete er sich als allen staatlichen Repräsentanten überlegen, handelte dementsprechend und behandelte sie und seine Umgebung herablassend und beleidigend. Welch geradezu krankhafte Auffassung Bormann von der Bedeutung der Partei hatte, verrät eine Anordnung an alle Gauleiter vom 23. Januar 1936. Es ging um die Frage, ob das Mitgliedsbuch der NSDAP als amtliches Ausweispapier gelten könne. Bormann wandte sich strikt dagegen. Ein solches Mitgliedsbuch stelle das »urkundliche äußere Zeichen für die Zugehörigkeit zu der engsten Gefolgschaft des Führers und zur einzigen politischen Gemeinschaft des deutschen Volkes« dar. Wenn es nun als Personalausweis bei Post-, Finanzbehörden und so weiter verwandt würde, dann sei dies eine »Entweihung«.28

Primat der Partei – und Bormanns  73

Symptomatisch für Bormanns Haltung ist der Verlauf des folgenden »Tischgesprächs« in der Wolfsschanze, bei dem Stenograf Henry Picker die Zielscheibe war: Zum nachfolgenden Vermerk erhielt ich von Reichsleiter Bormann noch während des Abendessens eine Karte mit der für ihn typischen Weisung: »Diktieren Sie den Vermerk über dieses Gespräch, dessen Wichtigkeit Sie wahrscheinlich gar nicht einsehen, nicht einfach herunter, sondern setzen Sie sich nach dem Essen zunächst an Ihren Schreibtisch und arbeiten Sie den Vermerk genauer aus.« Diese beleidigende Formulierung Bormanns war der Ausdruck seines Ärgers darüber, dass ich mich als volljuristischer Berufs­ beamter weder dienstlich noch privat von der Überheblichkeit mancher Parteifunktionäre – ihn eingeschlossen – beeindrucken ließ und auch in meinem Verhältnis zu Hitler stur den eigenen Intentionen folgte und jeden Byzantinismus vermied.29

Gegenüber der Reichskanzlei hatte Bormann am 26. August 1935 deutlich gemacht, dass nach dem »Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat« die NSDAP die Trägerin des deutschen Staatsgedankens sei und diese Eigenschaft ihr eine Sonderstellung zuweise.30 Das »Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Partei-Uniform« vom 20. Dezember 1934 sah zudem vor, dass der Reichsjustizminister dem »Stellvertreter des Führers« alle Straffälle vorlegen musste, die einen Angriff gegen die Partei, ihre Führer oder ihre Einrichtungen darstellten. Offensichtlich wussten die Parteimitglieder mit diesem Gesetz nicht richtig umzugehen, denn Bormann sah sich als Stabsleiter von Führer-Stellvertreter Heß veranlasst, am 3. September 1935 eine Klarstellung herauszugeben.31 Der »Stellvertreter des Führers« sei deshalb beteiligt, weil er vermeiden wolle, »dass Missetäter wegen jeder kleinen Straftat monatelang in die Gefängnisse wandern und weil durch derartige Handhabung des Gesetzes ein zweites Republikschutzgesetz geschaffen wird«. Es müsse vermieden werden, ein Märtyrertum zuzulassen, dennoch müsse gegen Personen, »deren Angriffe einen schlechten Charakter oder eine ausgesprochen staatsfeindliche Gesinnung erkennen lassen, unnachsichtig vorgegangen werden«. Wenn vom »Stellvertreter des Führers« für diesen oder jenen Straffall entschieden werde, dass der Missetäter mit einer einfachen oder 74  Der Intrigant

strengen Verwarnung bestraft werden solle, so sollten künftig die Namen der Betroffenen den Gauen mitgeteilt werden. Die Ortsgruppen sollten diese »Volksgenossen« besonders ins Visier nehmen und versuchen, im nationalsozialistischen Sinn auf sie einzuwirken. Personen, die sich nicht belehren lassen wollten, sollten einer genauen Kontrolle unterzogen und eventuell der Gestapo gemeldet werden. Die Überwachung war damit perfekt. Allerdings gab es Ausnahmen, bei denen die NSDAP Nachsicht übte, wenn auch nur nach Hitlers nachdrücklichem Eingreifen. Dieses »Glück« hatte beispielsweise der sächsische Schriftsteller und Humorist Hans Reimann. Reimann hatte 1931 vom Verlag Paul Steegemann den Auftrag bekommen, Hitlers Mein Kampf unter dem Titel Mein Krampf zu parodieren. »Nachdem er das ihm bis dahin unbekannte Buch gelesen, lehnte er es auf Grund seines starken Eindrucks von dem Inhalt und trotz des für ihn materiell äußerst günstigen Vertrags schroff ab, gegen dieses Werk auch nur einige Teile zu schreiben. Daraufhin verklagte ihn der Verlag, und erst die Machtübernahme verhinderte eine Verurteilung Reimanns.« Das änderte aber nichts daran, »dass er immer wieder von allen möglichen Dienststellen der NSDAP angegriffen und in seiner schriftstellerischen Tätigkeit behindert werde«. Auch der Deutsche Verlag – ein Nachfolgeunternehmen des Ullstein Verlags zur Zeit des Nationalsozialismus – zog sich von ihm zurück. Hitler selbst entschied daraufhin, »dass der Schriftsteller Reimann in Ausübung seines Berufes wie auch in der Verbreitung seiner in Ordnung gehenden Bücher in keiner Weise behindert werden dürfe«. Bormanns Aufgabe bestand nun darin, alle Parteidienststellen aufzufordern, »eine weitere Schädigung Reimanns zu verhindern«.32 Den Vorrang der NSDAP durchzusetzen, beschäftigte Bormann über Jahre hinweg, wie ein Brief vom 9. Dezember 1937 an die Reichskanzlei zeigt. Zunächst monierte er, ihm sei aufgefallen, dass zahlreiche staatliche Stellen bei Aufzählungen »die NSDAP erst nach den Behörden des Reiches, der Wehrmacht und häufig selbst nach den kleinsten Ländern aufführen«. Eine solche Einstufung werde der Partei »als der staatstragenden Gemeinschaft des Dritten Reiches in keiner Weise« gerecht und widerspreche der Stellung der NSDAP, wie sie »durch das Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat gesetzlich festgelegt« worden sei. Die Partei sei stets an erster Stelle zu nennen. Aufschlussreich Primat der Partei – und Bormanns  75

hinsichtlich Bormanns maßloser Hybris aber sind die Äußerungen zu seiner eigenen Stellung. Er müsse Wert darauf legen, bei allen Gesetzen und Verordnungen »grundsätzlich hinter dem Führer und allenfalls unmittelbar hinter dem für das fragliche Gesetz federführenden Minister aufgeführt zu werden«. Aufgefallen sei ihm ferner, dass »dem Führer offenbar eine Reihe von Erlassen zur Vollziehung als Führererlass vorgelegt worden sind, ohne dass ich vorher Gelegenheit zur Stellungnahme hatte«. Auch das widerspreche seiner Stellung bei der Gesetzgebung.33 Die meisten NS-Repräsentanten verstanden derartige Äußerungen richtig. Artur Axmann, der letzte Reichsjugendführer, stellte in resignierender Weise denn auch fest, Bormann sei es gelungen, sich mehr und mehr zwischen Hitler und dessen engste Mitarbeiter zu stellen und seine Funktion »zu einem Nadelöhr« umzugestalten.34

76  Der Intrigant

Demütigung als Machtmittel

Reichsminister oder Gauleiter, die nicht zu dieser Erkenntnis kamen oder nicht die richtigen Konsequenzen daraus zogen, ließ Bormann aufs politische Abstellgleis stellen. Dazu zählte insbesondere der Chef der Reichskanzlei und Reichsminister Hans Heinrich Lammers, dem Bormann nahezu jeden Zugang zu Hitler verwehrte. Lammers beklagte am 9. April 1946 vor dem Nürnberger Militärgericht die Kompetenzfülle Bormanns und ihren Missbrauch: Das habe ich persönlich reichlich erfahren müssen, indem ich, der ich früher wenigstens gelegentlich allein zum Vortrag kommen konnte, nachher das nicht mehr erreichen konnte, sondern nur auf dem Weg über Bormann. Die Mehrzahl meiner Vorträge fand nur im Beisein von Bormann statt, und alles, was früher abgegeben werden konnte an den Führer auf dem unmittelbaren Wege, musste nunmehr auch in rein staatlichen Angelegenheiten den Weg über den Sekretär des Führers, über Bormann, gehen. (…) Er bekam damals den Einfluss, denn all die Dinge aus den Ressorts, die ich nicht unmittelbar durch Vortrag beim Führer oder durch Entscheidung des Führers erledigen konnte, musste ich schriftlich über Bormann leiten und bekam von Bormann eine Nachricht, der Führer habe so oder so entschieden. Die Möglichkeit des persönlichen Vortrags, bei der ich mich für den mich angehenden Minister hätte einsetzen können, die fehlte. Meine eigenen Angelegenheiten waren es ja nicht, es waren ja immer Beschwerden, Proteste und Meinungsverschiedenheiten unter den Kabinettsmitgliedern, die konnte ich aber letzten Endes nicht mehr persönlich vortragen. (…) Die Gauleiter hatten als solche selbstverständlich den Weg über die Partei-Kanzlei. Das war der für sie vorgeschriebene Weg. Da die Gauleiter aber in der Regel in Personalunion gleichzeitig Reichsstatthalter oder Oberpräsident waren, wurden diese beiden Stellungen natürlich miteinander verwischt, und es gingen viele Angelegenheiten statt den vorgeschriebenen Weg über den zuständigen Minister und über mich unmittelbar von dem Gauleiter an Reichsleiter Bormann.1

Zweifellos gehörte Lammers zu denjenigen, die besonders unter Bormann zu leiden hatten beziehungsweise deren Kompetenzen durch ihn Demütigung als Machtmittel  77

stark beschnitten wurden. Denn Lammers war in Bormanns Augen als Chef der Reichskanzlei Leiter einer staatlichen und damit der NSDAP nachgeordneten Einrichtung und bekam diese Einschätzung nahezu täglich zu spüren. Hinzu kam, dass der frühere nationalkonservative Beamte im Grunde überzeugter Monarchist war. In die NSDAP soll Lammers 1932 nur eingetreten sein, weil er zuvor bei Beförderungen stets übergangen worden war. Damit war eine Zusammenarbeit mit Bormann auf gleicher Augenhöhe ohnehin nicht möglich. Bormann schien es zu geradezu zu genießen, die übrigen Repräsentanten des Regimes zu demütigen, vor allem wenn sie ihm intellektuell überlegen waren. Dies galt auch für Alfred Rosenberg, den »Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP« und Reichskommissar für die besetzten Ostgebiete. Bormann ließ keine Gelegenheit aus, Rosenberg und Lammers bloßzustellen. Offensichtlich bereitete es ihm Freude und Genugtuung, diese beiden, die formell ja auch an der Spitze des NS-Regimes standen,

12 Albert Speer, Minister für Rüstung und Kriegsproduktion; Adolf Hitler; Hermann Esser, Staatssekretär in Bayern und Duzfreund Hitlers; Walter Funk, Reichsminister für Wirtschaft, und Alfred Rosenberg, Reichsleiter und Reichskommissar für die besetzten Ostgebiete.

78  Demütigung als Machtmittel

beispielweise um einen Termin bei Hitler geradezu betteln zu lassen. Und triumphierend setzte er seine Vorstellungen durch, unter anderem bei der Besetzung von Spitzenposten. Nachdem Lammers gegen die Ernennung von Friedrich Wilhelm Kritzinger und Gerhard Klopfer zu Staatssekretären in der Partei-Kanzlei Bedenken erhoben hatte, teilte Bormann ihm am 21. November 1942 mit: »Ich habe dem Führer heute dargelegt, warum die Ernennung der Herren Kritzinger und Klopfer zu Staatssekretären berechtigt und notwendig sei. Der Führer erwiderte mir, er sei einverstanden, dass beide Männer sofort zu Staatssekretären ernannt würden.«2 Lammers, immerhin auch Reichsminister, begegnete Bormann stets devot. Die nachfolgende Bitte um einen Termin bei Hitler zeigt einerseits die Ohnmacht des Chefs der Reichskanzlei, andererseits aber auch, dass Bormann sich vorbehalten hatte, über alle Dinge, die im Reich geschahen, informiert und an ihnen beteiligt zu werden: Sehr verehrter Herr Bormann, Anbei übersende ich Ihnen ergebenst ein Verzeichnis der Angelegenheiten, die ich zum Gegenstand einer Besprechung mit Ihnen machen möchte. (…) Sehr angenehm wäre es mir, wenn es Ihnen möglich wäre, beim Führer für den gleichen Tag zu erwirken, dass er a) uns beide für etwa 10 bis 15 Minuten, b) im Anschluss daran mich allein für etwa 20 Minuten zum Vortrag empfängt, und zwar möglichst am Nachmittag des gleichen Tages.3

Gegenstände der gewünschten Besprechung sollten sein: ■ Organisation der Polizei in Sachsen ■ Ost-Steuerfreibetrag ■ Meinungsverschiedenheiten zwischen Reichsleiter Rosenberg und Reichsminister Dr. Goebbels über die Propaganda in den besetzten Ostgebieten ■ Autonomie für Lettland und Estland ■ Dienstflagge der deutschen Staatsminister in Böhmen und Mähren ■ Beförderung des Oberregierungsrats Dr. Brandt (beim Reichsführer-SS) zum Ministerialrat ■ Beförderung von Beamten über sechs Jahre Demütigung als Machtmittel  79

■ Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes (Meinungsverschiedenheiten Sauckel/Seldte) ■ Verleihung von Titeln (Sanitätsrat, Justizrat) ■ Besetzung der Stelle des Präsidenten der Deutschen Akademie (SeyßInquart) ■ Besetzung der Stelle des Bürgermeisters in Wien ■ Staatssekretär Rothenberger (Plagiat) ■ Zuschuss für Stollenbau im Gau Westfalen-Süd ■ Generelle Regelung des Dotationswesens ■ Arbeitsdienst in Südtirol.4

Die Bandbreite der Themen, die nur mit Bormanns Votum behandelt werden konnten, zeigt auch diese Tagesordnung, die Staatssekretär Kritzinger für Gespräche mit Bormann am Wolfgangsee aufgestellt hatte: ■ Landesbildstelle Innsbruck ■ Verleihung des Professorentitels an Dr. med. Fritz Heinsius ■ Einschränkung von Dienstreisen der obersten Reichsbehörden (Verhalten des Reichsstatthalters Greiser) ■ Vortrag des Reichsarbeitsführers beim Führer über seine Stellung ■ Dotationen im Reichspropagandaministerium ■ Testament des Stabschefs Lutze ■ Doppelwohnungen führender Persönlichkeiten ■ Denkschrift des Generalgouverneurs ■ Beförderung des Ministerialrats Vogel ■ Vertretung des Reichsprotektors ■ Bezüge des Operndirektors Hartmann und des Bühnenbildners Sievert von der Bayerischen Staatsoper.5

Lammers nahm die Anweisungen Bormanns entgegen und widersetzte sich nicht. Die Reichskanzlei unter ihrem schwachen Chef war nur noch ein Instrument, ein ausführendes Organ der Partei-Kanzlei, beispielsweise bei der Begleichung von Kosten für Hitlers während des Krieges ständig wechselnde Hauptquartier. So musste die Reichskanzlei auf Wunsch Bormanns das Führerhauptquartier finanzieren. Bormann teilte Lammers bei einem Aufenthalt in Zoppot mit, dass die »Unkosten für Verpflegung, Unterbringung usw. auch des militärischen Hauptquartiers 80  Demütigung als Machtmittel

in der Hauptsache von mir getragen worden seien«.6 Lammers habe sich daraufhin bereit erklärt, die Kosten aus einem seiner Konten zu zahlen. Beigefügt war dem Schreiben eine erste Rechnung der Partei-Kanzlei über 118 505,21 RM. Am 19. Juni 1941 berechnete Bormann für anfallende Kosten bei »verschiedenen Fronteinsätzen« 748 000 RM.7 23 000 RM entfielen auf den Einsatz der Fliegerstaffel, 26 000 RM für die Berliner Kraftwagenkolonne, knapp 15 000 RM für die Dienstwagen Obersalzberg, 313 000 RM für die Neuanschaffung von Kraftfahrzeugen, 74 000 für Hotelkosten, Verzehr, Mitropa u. ä. Erstattet wurden die Kosten an die Partei-Kanzlei, wobei, wie es in einem Vermerk vom 21. Juli 1943 bezeichnenderweise hieß, »auf Beiziehung und Prüfung von Einzelunterlagen« verzichtet wurde.8 Bis dahin waren für neun Zwischenrechnungen bereits 3,22 Millionen Reichsmark gezahlt worden.9 Allein für Stenografen und Schreibkräfte waren von April bis Ende Juni 1944 13 002,89 RM an Gehältern sowie 18 750,00 RM an Sonderzulagen zu zahlen.10

Lammers – gelockertes Band der Verbundenheit Das Verhältnis Bormanns zu Lammers ist von erheblicher Aussagekraft hinsichtlich Bormanns Selbsteinschätzung und Selbstverständnis. Als Reichsminister und Chef der Reichskanzlei war Hans Heinrich Lammers eine Zeit lang der Auffassung, sein Amt sei dem Bormanns zumindest gleichwertig. So ist es zu verstehen, dass Lammers den aus Bormanns Sicht unverzeihlichen Fehler beging, die Vorrangstellung der Partei-Kanzlei in Zweifel zu ziehen. Die Konsequenzen hatte er insofern zu tragen, als Bormann ihm, wie bereits dargelegt, den Zugang zu Hitler weitgehend verwehrte. Unabhängig davon war Lammers aber anlässlich seines 65. Geburtstags von Hitler mit einer üppigen Dotation bedacht worden, im »Dritten Reich« kein unübliches Verfahren. Am 17. Mai 1944 hatte Bormann an Göring, der nicht nur Reichsmarschall, sondern auch Reichsforstmeister, Reichsjägermeister und Oberster Beauftragter für den Naturschutz im NS-Staat war, geschrieben, Hitler habe erst an eine Bardotation gedacht, sich dann aber dem Wunsch Lammers’ entsprechend entschieden, ihm eine besondere Freude zu machen und ihm das »von ihm gegenwärtig bewohnte in der Schorfheide gelegene Lammers – gelockertes Band der Verbundenheit  81

Jagdhaus nebst einem angrenzenden Grundstückskomplex«, das der Stiftung Schorfheide gehöre, zu schenken. Auftragsgemäß bitte er Göring, die Grundstücke abzutreten, damit sie Lammers gegeben werden könnten.11 Eine solche Dotation war nicht ungewöhnlich, sagte aber nichts über Lammers’ Einfluss oder gar Sympathiewerte aus, wie dies beispielsweise auch die Schenkung der Domäne Beberbeck in Kurhessen an Karl Weinrich, den ehemaligen Gauleiter von Kassel, beweist, die von Himmler strikt abgelehnt, jedoch von Bormann voller Zynismus befürwortet wurde: Ich teile Deine Auffassung, dass die Leistungen Weinrichs an sich nicht die Dotierung mit einem Bauernhof rechtfertigen. Immerhin war Weinrich aus Gründen, die Dir bekannt sind, seit 1927 oder 1928 Gauleiter des Gaues Kurhessen. Weinrich ist damals der Erste seines Gaues gewesen – er war im Übrigen schon einmal 1922 Parteimitglied – und ein späterer Abbau ließ sich nicht ohne Weiteres durchführen, da einerseits Verfehlungen nicht vorlagen, andererseits Weinrich recht tüchtige Mitarbeiter hatte, die die Schwäche des Gauleiters weitgehend ausglichen. Der Vorschlag, Weinrich einen Hof zu übergeben, stammt von mir. Aus den von Dir genannten Gründen ist Weinrich, wie so viele beschäftigungslose Leute, unzufrieden. Ich bin überzeugt, dass diese Unzufriedenheit sich sofort in strahlende Zufriedenheit wandeln würde, wenn Weinrich auf einem Hof säße und »Gardinen anstecken« könnte und Ähnliches mehr; er arbeitet nun einmal gern im Haushalt.12

Der Chef der Reichskanzlei Lammers fragte erst am 1. Januar 1945 in einem ausführlichen Brief an Bormann nach den Gründen für seine »Ausschaltung«. An den Anfang stellte er jedoch eine Hommage an Hitler: Aller Voraussicht nach wird das Jahr 1945 auch das Jahr der Entscheidung sein. Die Ansprache an das deutsche Volk, die der Führer zu Beginn des neuen Jahres gehalten hat, war wundervoll kraftspendend.

Erst dann kam Lammers auf den Kern seines Anliegens zu sprechen: Das Band unserer dienstlichen und persönlichen Verbundenheit scheint sich jedoch seit kurzem zu meinem größten Bedauern etwas gelockert zu haben, 82  Demütigung als Machtmittel

nicht durch meine Schuld, aber aus – offenbar nicht gerade bedeutsamen – Gründen, die mir nicht näher bekannt sind, die ich nur vermuten kann. Ich möchte hierzu ein offenes Wort sprechen und dabei vorweg auch auf die Sorgen allgemeiner Art eingehen, die mich gewaltig bedrücken: Mit dem Augenblick, in dem mir aus durchaus berechtigten Gründen am 21. Oktober v. J. befohlen wurde, mein dem Führerhauptquartier angeschlossenes Feldquartier aufzugeben, bin ich vom Führer und seinem Hauptquartier sozusagen völlig »abgehängt«. Meinen letzten Vortrag beim Führer hatte ich vor mehr als drei Monaten am 24. September v. J. Wenn ich auch weiß, dass der Führer infolge seiner Inanspruchnahme durch die unmittelbare Kriegführung monatelang nicht in der Lage war, meinen und auch unseren gemeinsamen Vortrag entgegenzunehmen, so halte ich es dennoch für meine Pflicht, auf diesen Vortrag zu drängen. Denn es handelt sich ja um Angelegenheiten, deren Erledigung der Führer selbst von mir verlangt, für deren rechtzeitige Erledigung ich ihm gegenüber die Verantwortung trage. Ich drängte und dränge also keineswegs meiner Person wegen, sondern nur des Führers wegen und der Sache wegen.13

Dann fuhr Lammers fort, sich für sein Verhalten zu rechtfertigen, denn es sei ihm »unmöglich gemacht«, die wichtigsten Dinge zu erledigen, obwohl er sie dennoch verantworten müsse. Die Minister und obersten Behörden und alle ihm unterstellten Dienststellen würden die nicht immer erwünschten und richtigen Wege zum Führer suchen oder sich unmittelbar an ihn wenden: Es ist schmerzlich für mich, gerade jetzt in dieser Zeit von den wichtigsten Dingen, an denen ich mitzuwirken vom Führer berufen bin, von den Dingen, die zu meinen hauptsächlichsten Aufgaben gehören, ausgeschaltet zu sein.14

Auffallend ist, dass Lammers und Bormann sich in ihrem Briefwechsel plötzlich duzten, da Lammers sich bis dahin in devoten Begrüßungsformeln ergangen hatte. Bormann solle ihm Gelegenheit verschaffen, bei Hitler »ein kurzes Vorsprechen zu erwirken«, zumal er ihm bestätigt habe, dass die gemeinsamen Vorträge sich erfolg- und segensreich ausgewirkt hätten. Der Faden sei plötzlich abgerissen, nicht durch seine Schuld: Lammers – gelockertes Band der Verbundenheit  83

Während Deines Berliner Aufenthalts, der zeitweise unterbrochen war, hast Du nicht einen einzigen Versuch gemacht, die Fühlung mit mir aufzunehmen, obwohl ich dies erwartet hatte und erwarten musste. Meine zahlreichen Versuche, Dich fernmündlich zu erreichen, waren vergeblich. Ich hatte den – mir durch verschiedene Umstände bestätigten – Eindruck, dass Du nicht angerufen werden wolltest und Dich verleugnen ließest. (…) Ich konnte und wollte Dir nicht dauernd nachlaufen. (…) Weshalb auf einmal dieses konstante Schweigen Deinerseits?15

Bormann habe ihn nicht an Dingen beteiligt, die in seiner Zuständigkeit gelegen hätten, dazu habe beispielsweise der Erlass über die Errichtung des Volkssturms gehört. Er habe nie eine Parteiangelegenheit allein oder einseitig an den Führer herangetragen. Vielmehr habe er mit Bormann vieles besprochen, was zwar nicht notwendig gewesen sei, er aber für angebracht und zweckmäßig gehalten habe. Er kenne nicht die Gründe für die Missstimmung, über die auch schon Dritte redeten. Darüber müsse sich nun Bormann äußern – schriftlich oder mündlich. Wohl eher scheinheilig antwortete Bormann am 5. Januar 1945 mit der Anrede: »Mein lieber Lammers«. Niemand bedauere mehr als er, dass Lammers zurzeit nicht in »unserer Nähe« weile, andernfalls könne man sich aussprechen, und »alle ungewollten Missverständnisse unterblieben ganz zwangsläufig«.16 Die Vermutung, er habe sich während seines Berlin-Aufenthalts verleugnen lassen, sei unhaltbar: »Der Führer begab sich kurz nach seiner Ankunft in die Behandlung des Herrn Professor von Eicken17 und war daher für niemanden zu sprechen. Diese Gelegenheit benutzte ich, um nach dem ungesunden Bunkerleben einige Tage in Mecklenburg Luft zu schnappen. Ich war also während des gesamten F.H.Qu.-Aufenthalts nur flüchtig in Berlin.« Ebenfalls am 5. Januar 1945 schickte Bormann Lammers ein Fernschreiben.18 Er habe Hitler kurzgefasst Lammers’ Sorgen vorgetragen: »Der Führer beauftragte mich, Dir mitzuteilen, dass baldigst ein Termin in Aussicht genommen werden soll.« Er müsse aber noch zwei, drei Tage warten. Lammers bedankte sich am 6. Januar 1945 und schrieb nun an den »Sekretär des Führers«, der jetzt »Mein lieber Bormann« war: Ich werde mich also darauf einrichten, etwa am Sonntag, den 14. dieses Monats, sei es zusammen mit Dir, sei es allein ins Führerhauptquartier zu 84  Demütigung als Machtmittel

reisen. Ich werde keine Sachbearbeiter mitnehmen, sondern nur meinen Adjutanten, glaube aber – schon wegen des umfangreichen Aktengepäcks – auf eine Ordonnanz nicht verzichten zu können. Am liebsten würde ich auch meine Sekretärin mitnehmen, damit ich dort und auf der Hin- und Rückreise ausgiebig arbeiten kann. Kann ich denn nicht mit meiner Begleitung in meinem Eisenbahnsonderwagen wohnen, der irgendwo abgestellt wird?19

Tatsächlich jedoch war Lammers’ Zeit abgelaufen. Am Montag, dem 23. April 1945, gegen 23.30 Uhr wurde er in seiner Wohnung verhaftet und dort in »Ehrenhaft« genommen.20 Ausführlich beschrieb er die Umstände der Festnahme am 24. April 1945 in einer »Geheimen Reichs­sache«. Lammers vermutete, dass sie mit einem Besuch bei Reichs­marschall Göring zusammenhängen könnte, an dem auch Reichsleiter Bouhler, der Generalstabschef der Luftwaffe Karl Koller und Generalfeldmarschall Walther von Brauchitsch teilgenommen hatten. Göring habe ihn mit den Worten empfangen: Hören Sie, Lammers, der Führer ist vollständig zusammengebrochen. Er hält den Krieg für verloren. Er will Berlin nicht verlassen, sondern sich dort einschließen lassen und fallen oder sich selbst erschießen. Der Führer hat die Staatsführung aufgegeben. Möglicherweise ist er auch gar nicht mehr am Leben. Es ist jetzt der letzte Augenblick, wenigstens mit den Westmächten zu verhandeln, um das deutsche Volk, soweit noch möglich, vor dem Schlimmsten zu retten. Der Führer hat keine Handlungsfreiheit mehr. Er kann und will nicht mit dem Feinde verhandeln und hat gesagt, das kann der Reichsmarschall besser als ich. Es ist nun der Augenblick, wo ich als sein Stellvertreter oder Nachfolger handeln muss.

Diese Version sollen die Generäle Eckhard Christian und Alfred Jodl bestätigt haben. Angeblich bezweifelte Lammers, dass die Voraussetzungen für die Nachfolge oder Stellvertretung Hitlers vorlägen, um dann in seiner Rechtfertigungsschrift fortzufahren: Etwa im Januar 1945 sprach ich über die Stellvertreter- und Nachfolgerfrage mit Reichsleiter Bormann. Ich deutete an, dass der Reichsmarschall einen gewissen Prestigeverlust erlitten habe und fragte Bormann: »Könnte der Lammers – gelockertes Band der Verbundenheit  85

Führer etwa die Stellvertreter- und Nachfolgerfrage neu zu regeln gewillt sein? Wollen wir darüber einmal Vortrag halten?« Bormann erwiderte mir: »Wenn der Führer diese Frage heute erstmalig regeln sollte, würde er wohl den Reichsmarschall nicht mehr bestimmen. Die einmal getroffene Bestimmung wird er aber nicht aufheben. Lassen wir den Vortrag!«

Über Funk fragte Göring beim Führer an, ob die Voraussetzungen für das Inkrafttreten der Regelungen gegeben seien. Damit meinte Lammers entlastet zu sein, zumal auch der zur Besprechung hinzugezogene persönliche Referent von Bormann, Senatspräsident Hans Müller, in die Reichskanzlei zurückgekehrt sei. Er, Lammers, habe sich mit Reichskabinettsrat Ficker besprochen. Sie seien zu dem Schluss gekommen, dass die Mitteilung von General Christian und die Bestätigung von General Jodl nicht ausreichten, um den »Stellvertreter-Erlass« auszulösen. Er sei dann nochmals zu Müller gefahren, dann zu Göring. Unmittelbar darauf sei über Rundfunk bekannt gegeben worden, Hitler habe den Befehl über die um Berlin kämpfenden Truppen übernommen. Damit sei die Frage des »Stellvertreter-Erlasses« hinfällig geworden. Er fühle sich in keiner Weise schuldig und bitte daher, »die Verhaftung wieder aufzuheben, zumal sie mich während einer Erkrankung trifft, die schwerer ist, als es den Anschein hat«. Noch am 25. April 1945 beteuerte Lammers in einem Funkspruch an Hitler seine Treue zum »Führer«: »Ich habe Ihnen in mehr als zwölfjähriger Amtszeit die Treue gehalten und habe auch jetzt nichts getan, was meine Haft erfordert. Bitte bestellen Sie bald einen Untersuchungskommissar und geben Sie mir Gelegenheit zur Verteidigung. Sie wird meine Unschuld erweisen.«21 Hitler hatte Lammers offensichtlich erschießen lassen wollen, doch die Gefangennahme durch die USTruppe bewahrte ihn vor dem Tod. In Nürnberg wurde er zu einer zwanzigjährigen Haftstrafe verurteilt, aber schon 1951 begnadigt.

Ungleiche Machtkämpfe Es gab, wie erwähnt, eine weitere Kanzlei, die »Kanzlei des Führers«, die insbesondere für an Hitler gerichtete Bitt- und Gnadengesuche zuständig war. Sie unterstand Reichsleiter Philipp Bouhler. Es war nahezu unver86  Demütigung als Machtmittel

meidlich, dass es zu Kompetenzstreitigkeiten kommen musste, bei denen es nur einen Sieger geben konnte: Martin Bormann. 1940 eskalierte die Auseinandersetzung zwischen Bormann und Bouhler. Bormann hatte damals das Reichsverfügungsblatt genutzt, um ohne Absprache einige »Klarstellungen« über Hitlers Dienststellen vorzunehmen.22 Daraufhin beklagte sich Bouhler am 23. Mai 1940 bei Heß und bezog sich dabei darauf, dass Bormann u. a. Folgendes ausgeführt hatte: 1. Die Dienststelle des Stellvertreters des Führers ist eine Dienststelle des Führers. Durch den Erlass des Führers vom 21.4.1933 hat der Stellvertreter des Führers die Vollmacht erhalten, in allen Fragen der Parteiführung im Namen des Führers zu entscheiden. In allen die Führung der Partei betreffenden Fragen ist der Stellvertreter des Führers daher oberste und letzte Instanz unter dem Führer. Keine der sonstigen Dienststellen des Führers hat die Befugnisse einer dem Stellvertreter des Führers übergeordneten Beschwerdeinstanz. 2. Was das Verhältnis der Partei zu den Einrichtungen des Staats anlangt, so obliegt dem Stellvertreter des Führers allein die Vertretung der Partei gegenüber den obersten Organen des Staates. Durch § 2 des Gesetzes zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat vom 1. Dezember 1933 ist der Stellvertreter des Führers als einziger Repräsentant der Partei Mitglied der Reichsregierung, um eine enge Zusammenarbeit der Dienststellen der Partei mit den staatlichen Behörden zu gewährleisten. (…) Am 17.3.1938 hat der Führer »aus besonderem Anlass erneut ausdrücklich angeordnet«, dass Anregungen und Vorschläge aus der Partei, ihren Gliederungen und angeschlossenen Verbänden für Regelungen, die im Wege der Gesetzgebung erfolgen sollen, nur über den Stellvertreter des Führers dem zuständigen Ressortminister zugeleitet werden dürfen. 3. Mit dem Erlass vom 10.7.1937 über die Ernennung von Beamten hat der Führer angeordnet, dass ausschließlich der Stellvertreter des Führers vor der Ernennung von Beamten durch die Fachminister zu hören ist. In allen hiermit zusammenhängenden Fragen ist daher ebenfalls allein der Stellvertreter des Führers zuständig. 4. Mit allen diesen in die Zuständigkeit des Stellvertreters des Führers fallenden Angelegenheiten haben andere Parteidienststellen nichts zu tun. Ihnen sind Sonderaufgaben übertragen worden, die außerhalb dieses Rahmens liegen.23 Ungleiche Machtkämpfe  87

Bouhler betrachtete diese »Klarstellungen« als Angriff und betonte gegenüber Heß: »Ich sage ›Angriff gegen mich‹, da es ja wohl selbst für den nur oberflächlich Eingeweihten klar ist, dass unter den ›sonstigen Dienststellen des Führers‹ nur mein Dienstbereich entweder allein oder in erster Linie gemeint sein kann.« Es liege ihm, so Bouhler weiter, »völlig fern, [sich] in eine Diskussion über die staatsrechtliche Stellung des Stellvertreter des Führers mit Pg. Bormann einzulassen«.24 Er habe nie die bevorzugte Stellung, die Heß als »Stellvertreter des Führers« besitze, außer Acht gelassen, während andererseits Stabsleiter Bormann jede Gelegenheit ergriffen habe und ergreife, »um sich solcher Fragen zu bemächtigen, die ganz eindeutig in meine Zuständigkeit gehören«. Das Verhalten Bormanns zwinge ihn, so Bouhler weiter, »nunmehr auch meinerseits die notwendigen Klarstellungen vorzunehmen und die grundsätzliche Seite« der von Bormann aufgeworfenen Fragen zu beleuchten. So habe Hitler angeordnet, »zur Bearbeitung aller Parteiangelegenheiten, die an mich als Führer der NSDAP, aus ihr und ihren Gliederungen gelangen«, eine Kanzlei des Führers der NSDAP mit Sitz in Berlin zu errichten. Daraus ergebe sich eindeutig und unmissverständlich, dass Hitler gegenüber seinem Stellvertreter in der Partei, also Heß, ausdrücklich einen Bereich von Parteifragen abgegrenzt habe, für den er seine unmittelbare Zuständigkeit besonders festlegte. Folglich seien Bormanns Ausführungen »abwegig und irreführend«. Auf sieben Seiten bemühte sich Bouhler, Bormann zu widerlegen, zog schließlich aber erwartungsgemäß den Kürzeren. So schrieb Bormann am 24. Juni 1940 an Lammers, er habe Bouhler erklärt, die Dienststelle des Stellvertreters des Führers habe ihm keineswegs irgendwelche Aufgaben entzogen, sondern Bouhler habe den bisherigen Aufgabenkreis »als zu eng empfunden«. Bouhler habe ihm erklärt, er wolle eine größere Aufgabe in den – zu diesem Zeitpunkt noch angestrebten deutschen – Kolonien übernehmen und dies Hitler vortragen. Heß werde »nach dem Kriege« dem Führer die Angelegenheit zur Entscheidung vorlegen.25 Bouhlers Einfluss war in der Tat auf die „Bearbeitung aller Eingaben reduziert, die Angelegenheiten der NSDAP betreffen«.26 Angeblich hatte Hitler Wert darauf gelegt, dass die »aus Parteikreisen« an ihn persönlich gerichteten Briefe den Weg über die Kanzlei des Führers der NSDAP nähmen. Unklarheit bestand darüber, was unter Briefen »aus 88  Demütigung als Machtmittel

Parteikreisen« zu verstehen war – nämlich »nur Zuschriften von Dienststellen der Partei, ihrer Gliederungen und angeschlossenen Verbände« oder auch »Eingaben, in Angelegenheiten des täglichen Lebens, die an den Führer persönlich gerichtet sind und in denen der Absender sich ausdrücklich als Parteigenosse bezeichnet«.27 Am 10. Juli 1942 versuchte Lammers die Zuständigkeiten zu definieren: »Angelegenheiten der NSDAP werden grundsätzlich an den Leiter der ParteiKanzlei abzugeben sein.« Mit der Formulierung »aus Parteikreisen an den Führer gerichtete Briefe« seien Eingaben gemeint, »aus denen ersichtlich ist, dass eine Bearbeitung durch die Partei gewünscht ist«. Aber: »Eingaben von Parteigenossen und Zuschriften von Dienststellen der Partei, ihrer Gliederungen und angeschlossenen Verbände kommen für eine Abgabe an die Kanzlei des Führers der NSDAP nicht in Frage, wenn es sich zweifellos um staatliche Angelegenheiten handelt und der Wunsch einer Bearbeitung durch die Partei nicht ersichtlich ist.«28 Auch Himmler verfolgte die Rivalitäten zwischen Bormann und Bouhler mit großem Interesse. In einem Vermerk für den ReichsführerSS listete SS-Oberführer Neuendorf am 10. Juni 1942 die bisherigen Streitigkeiten auf. Bouhler empfand demnach die beschriebene Aufgabenteilung als »eine Art von Ausschaltung«. Angesichts der übermächtigen Stellung Bormanns sah er seine Zukunft wohl weniger in Berlin als vielmehr in künftigen deutschen Kolonien. In Neuendorfs Vermerk ist darüber zu lesen: Man nimmt in maßgebenden Kreisen an, dass Bouhler nicht Gouverneur von Ostafrika bleiben wird, sondern dass er, nachdem er draußen in den Kolonien praktische Erfahrung gesammelt hat, den General Ritter von Epp als Kolonialminister ablöst. Reichsleiter Bormann, der ein Interesse daran hat, dass auch die restlichen Dinge, die in der Kanzlei des Führers erledigt werden, als Abteilung der Partei-Kanzlei angegliedert werden, unterstützt neuerdings Bouhler, weil er der Ansicht ist, dass Bouhler mit dem neuen kolonialen Arbeitsgebiet das Interesse an seinem früheren Arbeitsgebiet verliert. Außerordentlich interessiert an dieser Entwicklung ist Gauleiter Bohle, der in der Ernennung Bouhlers eine gewisse Gefahr für das Vorrecht der AO [Auslandsorganisation], die Menschenführung in den Kolonien zu haben, sieht. Er hält es für ausgeschlossen, dass die AO neben einem Reichsleiter als Generalgouverneur, gewissermaßen zur Kontrolle der weltanschauUngleiche Machtkämpfe  89

lichen Ausrichtung, einen Landesgruppenleiter der AO. einsetzt. Dann aber wäre die AO., zum wenigsten in Ostafrika, mit einem ihr seinerzeit verliehenen Recht zur Menschenführung in den Kolonien ausgeschaltet.29

Bouhlers Parteikarriere war nach der Auseinandersetzung mit Bormann beendet. Die von ihm geleitete »Parteiamtliche Prüfungskommission zum Schutze des nationalsozialistischen Schrifttums« (PPK) wurde im Januar 1943 Rosenberg unterstellt. Einen schrecklichen Namen machte er sich jedoch als Verantwortlicher des NS-Euthanasieprogramms »T 4«. Hitler hatte ihn und seinen Begleitarzt Dr. Karl Brandt am 1. September 1939 damit beauftragt, »die Befugnisse namentlich zu bestimmender Ärzte so zu erweitern, dass nach menschlichen Ermessen unheilbar Kranken bei kritischster Beurteilung ihres Krankheitszustandes der Gnadentod gewährt werden kann.«30 Im Verlauf des Euthanasieprogramms brachten die Nationalsozialisten mehr als 70 000 physisch und geistig behinderte Menschen kaltblütig um.

Bohles Sturz Die erwähnte Auslandsorganisation (AO) der NSDAP stand unter Leitung von Gauleiter Ernst Wilhelm Bohle. Sein Stellvertreter war Alfred Heß, der Bruder des »Führer-Stellvertreters« Rudolf Heß. Nach Heß’ Flug nach Schottland sank natürlich auch der Stern von Alfred Heß und ebenso der von Bohle, der gleichzeitig Staatssekretär im Auswärtigen Amt war. Schon am 9. Juni 1941 hatte Außenminister Joachim von Ribbentrop gegenüber Bormann die Auffassung geäußert, die Auslandsorganisation im Auswärtigen Amt solle weiterarbeiten wie bisher. Hierüber beriet Bormann mit Hitler, der die vorgeschlagene Übertragung der Aufgaben an Außenstellen des Auswärtigen Amts ablehnte. Die Aufgaben der AO könnten nur unabhängig vom staatlichen Apparat des Auswärtigen Amts erledigt werden. Einverstanden zeigte sich Hitler jedoch damit, Gauleiter Bohle aus dem Amt des Staatssekretärs zu entlassen.31 Am 20. Oktober 1941 führten Ribbentrop und Lammers ein langes Gespräch über die Zukunft der AO und damit Bohles, über das Lammers einen Vermerk folgenden Inhalts verfasste: Der Minister wolle die »Auslandsorganisation im Auswärtigen Amt« wieder vom Amt 90  Demütigung als Machtmittel

trennen. Er habe Hitler diesen Wunsch mitgeteilt, der sich damit einverstanden erklärt habe. Allerdings lege Ribbentrop Wert darauf, dass »das Ausscheiden der Auslandsorganisation aus dem Auswärtigen Amt sich so vollziehe, dass dieses Ausscheiden während der Dauer des Kriegs in der Öffentlichkeit nicht in Erscheinung trete. Es müsse also von einer Veröffentlichung im Reichsgesetzblatt und einer Bekanntgabe an die Presse abgesehen werden. Er, Lammers, habe Ribbentrop darauf aufmerksam gemacht, dass Staatssekretär Bohle in den Warte- oder in den endgültigen Ruhestand versetzt werden müsse, da die AO nach ihrer Abtrennung vom Auswärtigen Amt wieder eine reine Parteiorganisation sei, an deren Spitze ein Staatssekretär nicht infrage komme. Bormann lege Wert darauf, dass die Trennung de facto schnellstens vollzogen werde, de jure dagegen erst später. Bei seinem Vortrag bei Hitler habe dieser betont, er habe es überhaupt für falsch gehalten, die parteiamtliche Auslandsorganisation mit dem Auswärtigen Amt zu koppeln. Der Reichsaußenminister habe aber darauf bestanden.32 Es kam zu einem intensiven Schriftwechsel über die Frage, ob und gegebenenfalls wer Bohles Bezüge zu zahlen habe, wobei »Reichsleiter Bormann an dieser Frage nicht interessiert« war. In einem Nachsatz ergänzte Lammers, Bohle gebe der De-facto-Lösung den Vorzug: Er ist der Ansicht, dass eine Versetzung in den Wartestand für ihn aus sachlichen und persönlichen Gründen unerträglich sei. Er würde es sehr gern sehen, wenn die Staatssekretärsstelle, die er bei der De-facto-Lösung bis auf weiteres behalte, vom Auswärtigen Amt losgelöst und auf die Reichskanzlei übertragen würde. Bohle wies auch darauf hin, dass nach der De-factoLösung eine Reihe von Maßnahmen erforderlich seien, die er bei Reichs­ leiter Bormann beantragt habe. Ich erwiderte ihm hierauf, dass ich mich nur mit der Loslösung seiner staatlichen Stellung vom Auswärtigen Amt zu befassen hätte und alle Maßnahmen, die nach dieser Loslösung auf dem Gebiete der Auslandsorganisation der NSDAP nötig seien, dem Reichsleiter Bormann überlassen müsste. Die Frage, ob Bohle als Staatssekretär mit oder ohne Gehalt beurlaubt würde, sei eine Frage, die zwischen dem Leiter der Partei-Kanzlei und dem Auswärtigen Amt geklärt werden müsse.33

Bohles Sturz  91

Die Demütigung von Robert Ley Ein NS-Funktionär, den Bormann unverhohlen verachtete, war Robert Ley. Er behandelte den Reichsorganisationsleiter der NSDAP und Führer der Deutschen Arbeitsfront (DAF) in geradezu demütigender Weise, ohne dass dieser sich zur Wehr setzen konnte. Ley, der von Hitler immerhin mit einer Dotation in Höhe von einer Million Reichsmark bedacht worden war, beklagte sich beispielsweise am 1. Juli 1941 bei Bormann über die Handhabung der Personalangelegenheiten in der Partei. Dies veranlasse ihn, »Parteigenosse Bormann« in aller Ruhe seine Meinung darzutun. Ich hoffe, dass es mir gelingen möge, Sie zu überzeugen, um damit endlich zu einem vernünftigen Verhältnis zwischen Ihrer Personalstelle und meinem Hauptpersonalamt zu kommen. Ich habe mir die Mühe gegeben, mir alle Anordnungen und Verfügungen des Führers und des ehemaligen Stellvertreters des Führers betreffs dieser Angelegenheiten herauszusuchen. (…) Es ist ganz klar, dass die Ernennung und Abberufung der Politischen Leiter bis zum Kreisleiter abwärts (…) nur Aufgabe des Führers sein kann. Es ist dann aber ebenso klar, dass die Bearbeitung der Vorschläge und damit die Personalakten für alle Politischen Leiter, die der Führer ernennt, in meinem Hauptpersonalamt durchgeführt werden muss.34

Er verlange nicht mehr und nicht weniger, als dass so verfahren werde. Es würden klare Verhältnisse geschaffen und es werde auf dem »zwischen Ihnen und mir noch strittigem Gebiet endlich Ruhe« eintreten. Goebbels bemerkte dazu am 24. Januar 1941: »Ley klagt sehr über den Mangel an Kameradschaft in der Partei, besonders bei Bormann. Er steht zu lange in der Sonne des Führers und ist etwas ausgedörrt.«35 Dazu mochte beigetragen haben, dass Ley als »Reichstrunkenbold« bekannt war und er kein besonders großes Ansehen genoss, auch wenn er beispielsweise die »Adolf-Hitler-Schulen« ins Leben gerufen hatte. Um diese Schulen ging es unter anderem in einem Gespräch, das Bormann mit ihm am 1. Oktober 1943 führte.36 Ley hatte dabei die Einrichtung von »Adolf-Hitler-Mädchenschulen« gefordert und stieß damit auf Bormanns Widerstand. Die Reichsjugendführung habe ohnehin schon einen solchen Vorschlag gemacht und Hitler habe entschieden, 92  Demütigung als Machtmittel

zunächst nur eine einzige »Versuchsschule« zu eröffnen. Es sei notwendig, so Bormann in dem Vermerk, die Angelegenheit »initiativ« zu behandeln. Wenn in der bisherigen Weise weitergeträumt werde, habe man eines Tages in jedem Gau eine »Adolf-Hitler-Mädchenschule«, aber keine staatlichen Mädchenschulen mehr. Um die sogenannten Nationalpolitischen Erziehungsanstalten hatte es zu diesem Zeitpunkt eine bereits mehrjährige Auseinandersetzung gegeben. Hitler wollte Mädchen den Zugang zu diesen Erziehungsanstalten verwehren und Internate für sie schaffen, die dem Inspekteur dieser NS-Kaderschmieden, SS-General August Heißmeyer, unterstellt werden sollten.37 Im oben erwähnten Gespräch hatte Ley auch die Umgestaltung von Friedhöfen verlangt.38 Er habe seine Ehefrau zum Beispiel im Garten beerdigt, wo sie täglich von den Kindern besucht werde, berichtete er Bormann. Außerdem hatte er vorgeschlagen, auf Erbhöfen private Sippenfriedhöfe einzurichten. Darauf ging Bormann zwar nicht ein, doch gestand er zu, die Gemeinden zu verpflichten, »der einzelnen Sippe genügend Platz [zu] reservieren, damit mit dem bisherigen rein kapitalistischen Kauf von Familiengräbern gebrochen« werde. Familiengräber könnten sich schließlich nur reiche Familien leisten, und eine solche Regelung sei selbstverständlich »mit nationalsozialistischen Auffassungen völlig unvereinbar«. Ferner wollte Ley Bormann für sein Vorhaben der »Begabtenförderung« gewinnen, bekam aber zur Antwort, »eine Erörterung hierüber sei nutzlos«. Unbefriedigend endete auch Leys Versuch, die Heimstättenämter der DAF in die politische Organisation der NSDAP einzugliedern, was seinen Einfluss vergrößert hätte. Bormann meinte, Ley wäre sicherlich anderer Auffassung, »wenn z. B. Herr Speer oder ein anderer Reichswohnungskommissar sei«. Für ihn gehe daraus eindeutig hervor, dass Ley die Eingliederung der Heimstättenämter in den eigentlichen Parteiapparat nur deshalb wünsche, weil er selbst Reichswohnungskommissar sei. Werde später einmal ein anderer Reichswohnungskommissar, würde diese Konstruktion sofort zusammenfallen. Die tatsächliche Stellung Leys entlarvt das folgende Gesprächsprotokoll vom 23. August 1943, in dem Ley Bormann u. a. um einen Gesprächstermin bei Hitler bat. Es ist paradigmatisch für Bormanns Umgang mit von ihm verachteten Personen:

Die Demütigung von Robert Ley  93

Dr. Ley: Ich höre, dass Giesler39 am Donnerstag dem Führer vorträgt, ich wäre gern dabei und hätte dabei gleich meine Berichte und Vorschläge gemacht. Reichsleiter: Der Termin muss verschoben werden. Dr. Ley: Wenn es ist, bitte ich darum, dass auch ich dazukomme; kann mein Termin nicht Ende der Woche sein? Reichsleiter: Ich kann Ihnen jetzt noch nichts sagen. Dr. Ley: Ich habe alles so weit fertig und ich hätte es wirklich gern dem Führer vorgetragen. Reichsleiter: Aus anderem Anlass hat der Führer dieser Tage erneut mehrfach und eindeutig befohlen, er wünsche nicht mehr Vorlage irgendwelcher Anordnungen, die nicht mit anderen abgestimmt seien; er legt also besonderen Wert darauf, dass jeder Erlass auch tatsächlich vorher abgestimmt ist. Dr. Ley: Der Erlass, den Sie vorlegen wollten, von [Richard] Gölz, ist der vorgelegt worden? Reichsleiter: Nein, mit dem Entwurf von Gölz bin ich nicht einverstanden. Dr. Ley: So, wie wollten Sie ihn denn haben? Reichsleiter: Den habe ich offiziell gar nicht an Sie herausgegeben. M. E. wird man bei dem Entwurf bleiben müssen, wie ihn Herr Speer übermittelt hat. Dr. Ley: Ja eben, aber ich glaube, dass Sie mich missverstehen. Nicht mein erster Entwurf, sondern das ist ja doch der zweite von Speer, der mit Speer vereinbart ist. Eben das meine ich. Reichsleiter: Zu diesem zweiten Speer-Entwurf werde ich Ihnen umgehend meine Meinung sagen. Dr. Ley: Den meine ich ja. Ach so, noch etwas, mein Artikel ist jetzt diese Woche nicht gekommen. Ist da von Ihnen etwas veranlasst worden? Reichsleiter: Nein, mir völlig unbekannt. Dr. Ley: So, ist also nicht an höchster Stelle irgendwie Missfallen über meinen Artikel? Reichsleiter: Ich habe nichts davon gehört, ich kann natürlich nicht sagen, ob Dr. Dietrich etwas veranlasst hat. Dr. Ley: Nein, nein, ich habe schon gehört, es ist allgemein gesagt worden, nur hat man diese Woche den Artikel nicht gebracht. (…) 94  Demütigung als Machtmittel

Dr. Ley: Wie ist sonst die Lage? Reichsleiter: Himmler ist Innenminister geworden. Dr. Ley: Ja, Gott sei Dank, aber was ist mit Daluege? Reichsleiter: Daluege ist krank. Dr. Ley: Da habe ich aber noch nichts [mit]bekommen. Reichsleiter: Ja, der ist schwer krank. Er bat um einen Urlaub auf zwei Jahre, der ihm bewilligt wurde. Dr. Ley: Wie ist sonst die Lage militärisch? Reichsleiter: Es geht planmäßig, es brennt im Osten überall, aber die Sache steht gut. Dr. Ley: Also, ich wollte dies nur fragen, sobald der Termin sein kann, bitte ich, ihn doch zu machen.40

Ley war nicht in der Lage, sich gegen Bormann aufzulehnen oder ihn gar offen zu bekämpfen. Er glaubte jedoch, ein anderes Mittel gefunden zu haben, sich an ihm zu rächen: Er schwärzte Gauleiter, die ja dem Leiter der Partei-Kanzlei unterstanden, bei Hitler an und meinte damit Bormann zu treffen. Im November 1944 sandte Ley dem »Führer« einen Bericht, nachdem er die Oberbefehlshaber der Heeresgruppen im Westen und die dortigen Gauleiter besucht hatte: »Gauleiter Dr. Meyer machte bei diesem Besuch auf mich nicht ganz den günstigen Eindruck, den ich früher von ihm immer wieder hatte.« Er habe den Eindruck gehabt, dass Meyer dazu neige, die Ruhr oder zumindest das linke Rheinufer aufzugeben. Er habe ihm eindeutig klargemacht, dass es hier kein Wenn und Aber gebe und dass nach dem Führerbefehl »jeder Quadratmeter Boden und jedes Haus, jedes Dorf und jede Stadt bis zum letzten Blutstropfen zu vereidigen sei«. Gauleiter Josef Grohé habe sich wieder etwas gefangen. Er, Ley, habe mit ihm dessen Schwächen besprochen und ihm geraten, sich von einigen seiner Leute zu trennen und sich vor allem einen anderen Stellvertreter zu suchen. Grohé habe ihm recht gegeben, und der Gau KölnAachen werde damit wieder in volle Fahrt kommen. Gauleiter Gustav Simon in Trier sei durch persönliche Angriffe schwersten Belastungen ausgesetzt und mache einen müden, abgekämpften Eindruck. Gauleiter Robert Wagner habe sein Quartier in Oberkirch bei Offenburg aufgeschlagen. Es sei unfassbar, »mit welcher Sorglosigkeit die Führung auch Die Demütigung von Robert Ley  95

vor allem der Partei den Dingen gegenübergestanden« und es damit den Feinden leicht gemacht habe, Straßburg im Handstreich zu nehmen: »Mein Eindruck geht dahin, dass Gauleiter Wagner seine große Stunde versäumt hat, er hatte die Gelegenheit gehabt, einmal zu beweisen, dass auch ein politischer Führer eine Stadt und ein Gebiet verteidigen und halten kann.«41 Es ist erstaunlich, in welcher Weise sich Ley anmaßte, über die Gauleiter zu urteilen und damit in ihr Schicksal einzugreifen.

Rosenbergs Niederlagen Aus den oben zitierten Auszügen wird überdeutlich, dass Ley jede Selbstachtung verloren hatte. Aber er war nicht der Einzige, der sich vor Bormann unterwürfig geben und um Termine bei Hitler betteln musste. Dieselbe bittere Erfahrung machte auch Alfred Rosenberg. Er war unter anderem »Beauftragter des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP«, Leiter des Außenpolitischen Amts der NSDAP und Reichsminister für die besetzten Ostgebiete, also kein unbedeutender NSFunktionär. Dennoch konnte Bormann es sich leisten, Rosenberg immer wieder zu desavouieren und hinzuhalten: Reichsleiter Rosenberg stellte an Reichsleiter Bormann die Frage wegen seines Termins beim Führer. Er wies auf die Dringlichkeit seiner Bitte hin unter Bezugnahme auf sein letztes Schreiben an Reichsleiter Bormann und betonte, dass es nicht um organisatorische Fragen ging, sondern dass von dritter Seite her Aufgaben angepackt worden seien (z. B. General Wlassow), die geklärt werden müssten. Er müsse in dieser Frage beim Führer Vortrag halten, da er als Ostminister den besten Überblick habe und auch persönlich wissen müsse, woran er sei. (…) Hinweis auf den gestern an Dr. Lammers geschriebenen Brief wegen des Termins, eine weitere Arbeit sei so nicht möglich, wenn der Führer nicht unterrichtet sei. Reichsleiter Bormann betonte, dass er heute mit Reichsminister Lammers beim Führer sei und den Führer wegen eines in Kürze stattfindenden Termins für Reichsleiter Rosenberg ansprechen wolle.42

96  Demütigung als Machtmittel

Mit Rosenberg und Himmler zugleich legte sich Bormann im Zusammenhang mit den geplanten Salzburger Wissenschaftswochen an.43 Himm­lers Organisation Ahnenerbe e.V. hatte diese Wissenschaftswochen vorbereitet und damit den Unmut Rosenbergs auf sich gezogen. Weil er meinte, für die »geistige Erziehung« mehr oder weniger allein zuständig zu sein, reklamierte er für sich die Festlegung der Themen und die Auswahl der Redner. Zugleich monierte er, beim Ahnenerbe handle es sich um keine offizielle Stelle der NSDAP. Auf seine Beschwerden gegenüber Heß richtete Bormann als dessen Stabsleiter dann am 4. August 1939 ein Schreiben an SS-Gruppenführer Karl Wolff, den Chef des Persönlichen Stabs von Reichsführer-SS.44 Rosenberg habe sich unter anderem darüber beschwert, dass der mitbeteiligte Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Bernhard Rust, sich mit ihm hätte in Verbindung setzen müssen. Außerdem dürfe das Ahnenerbe e.V. nicht als »irgendwie autorisierte Einrichtung der Bewegung« in Erscheinung treten. Der Stellvertreter des Führers sei auch der Auffassung, bei dem Ahnenerbe handle es sich um keine amtliche Einrichtung der Partei. Bormann versuchte den Konflikt zu entschärfen, indem er die Salzburger Wissenschaftswochen als eine lokale Angelegenheit deklarierte. Die Redner, so seine Anordnung, solle nunmehr Rosenberg im Einvernehmen mit dem zuständigen Gauleiter und Landeshauptmann von Salzburg, Friedrich Rainer, auswählen. Die Salzburger Wissenschaftswochen, die Rosenberg übrigens lieber am Chiemsee gesehen hätte, fanden natürlich statt, woraufhin Rosenberg sich bei Bormann beklagte. Die Tagung zeige, »dass hier erneut gegen eine vom Führer eingesetzte Dienststelle der NSDAP, ja gegen eine ausdrücklich vom Stellvertreter des Führers genehmigte Anordnung eine Gliederung der NSDAP über das alles glaubt hinweggehen zu können, im Vollbewusstsein, über die Exekutive der Staatspolizei zu verfügen«.45 Bormann kam immer wieder zugute, dass die übrige NS-Führung untereinander zerstritten war – woran er ja nicht unbeteiligt war – und er die Rolle des Schiedsmanns auszuüben hatte. Beispielhaft hierfür steht ein Streit der beiden Reichsleiter Bouhler und Rosenberg im Februar 1940. Der Vorwurf lautete, Rosenberg habe eine Rede Bouhlers vom 30. Oktober 1937 anlässlich der Eröffnung der »Woche des Buches« in Weimar geringfügig für den Völkischen Beobachter, das Parteiorgan der NSDAP, geändert. Heß stellte nach dreijährigem Streit fest, Rosenbergs Niederlagen  97

13 Adolf Wagner, Gauleiter von München-Oberbayern, Hitler, Architekturprofessor Roderich Fick und Reichsleiter Philipp Bouhler, Chef der »Kanzlei des Führers«.

»dass die gegenseitig erhobenen Vorwürfe und Schwierigkeiten zwischen den beiden Reichsleitern letzten Endes auf Überschneidungen in der praktischen Arbeit zurückzuführen sind. Die Überschneidungen wiederum sind das Ergebnis nicht völlig klarer Abgrenzungen in den ihnen erteilten Aufträgen. Die endgültige Scheidung ihrer Arbeitsgebiete kann nur der Führer selbst vornehmen. Der Führer kann sich erst nach Beendigung des Krieges hiermit befassen. Bis dahin hat der Stellvertreter des Führers durch vorläufigen Eingriff versucht, die Reibungsmöglichkeiten zu verringern. Beiden Reichsleitern wurde zur Auflage gemacht, künftighin keine ehrverletzenden Vorwürfe mehr gegeneinander zu erheben, geschweige denn diese Vorwürfe zu verbreiten, indem sie anderen Personen zugeleitet werden.«46 Richtig sei allerdings, »dass Reichsleiter Bouhler eine Anordnung, die er dem Stellvertreter des Führers vor Herausgabe zuleitete, und der dieser eine neue Fassung geben ließ, nachträglich in zwei Punkten abänderte. Er hat eine Unkorrektheit begangen, indem er nicht neuerdings die Genehmigung des Stellvertreters des Führers zu dieser Abänderung einholte. Es wird ihm zugebilligt, dass er durch diese Abänderung weder den Sinn der Entscheidung des Stellvertreters des Führers vom 15.8.1937 entstellte, noch den Sinn des 98  Demütigung als Machtmittel

vom Führer selbst an Reichsleiter Rosenberg gegebenen Auftrags entstellen wollte.«47 Geradezu unterwürfig gab sich Rosenberg in einem Schreiben vom 8. Dezember 1943. Er gestand Bormann zu, dass die Partei-Kanzlei die zentrale Vertretung für die verschiedenen Dienststellen gegenüber der Wehrmacht sei, um dann vor Bormann zu Kreuze zu kriechen: Pg. Passe werde bestätigen, dass jede Veranstaltung in engstem Einvernehmen mit der Partei-Kanzlei erfolgte, dass ich auch bei allen Einladungen, die ich für das Gebiet der nationalsozialistischen Erziehung durchführte, die Vertreter der Partei-Kanzlei stets berücksichtigt habe. Alle Tagungen sind stets in engstem Einvernehmen durchgeführt worden. (…) Das Wesentliche, soweit meine Arbeit in Frage steht, ist ja wohl, auf die vielen Anfragen, namentlich des jüngeren Offizierskorps, über den Sinn des Krieges, über das Wesen unserer Gegner, über die Reichsidee im Kampf der verschiedenen Weltanschauungen Antwort zu geben. (…) Was meinen letzten Vortrag beim Führer anbetrifft, so ist es nicht meine Schuld, dass Sie diesmal nicht anwesend waren. Ich hatte Sie ohnehin darüber sprechen wollen, doch war es, wie Sie wissen, nicht möglich.48

Bormann brüskierte Rosenberg, wann immer er nur konnte. So hatte Rosenberg noch 1943 drei neue Hauptämter in seiner Dienststelle einrichten und die Hauptstelle »Einsatz und Förderung« zu einem Amt aufwerten lassen wollen. Bormann lehnte am 13. April 1944 ab: Er habe entsprechende Wünsche anderer Reichsleiter auch zurückgewiesen und müsse Rosenbergs Ansinnen bis nach dem Krieg zurückstellen.49 Zu einer Zusammenarbeit zwischen Bormann und Rosenberg, die sich ja immerhin aus Freikorpszeiten kannten, konnte es offensichtlich nicht mehr kommen. So hatte Bormann am 26. September 1944 ein Rundschreiben verfasst, in dem er über ein Treffen mit dem russischen General Wlassow auf Einladung Himmlers berichtete. Dabei sei – unter Missachtung von Rosenbergs Zuständigkeiten – festgelegt worden: 1. Ein Ansprechen der Ostarbeiter in Deutschland und ihre Ausrichtung zum antibolschewistischen Kampf, 2. zum anderen eine ebensolche antibolschewistische Ausrichtung der fremdvölkischen, aus Russland stammenden Hilfswilligen, Rosenbergs Niederlagen  99

3. weitere Maßnahmen, die für Deutschland im Kampf gegen das bolschewistische Russland notwendig sind.50

Mit diesem Rundschreiben hatte Bormann den erneuten Zorn Alfred Rosenbergs als Reichsminister für die besetzten Ostgebiete auf sich gezogen. Dieser schrieb ihm am 17. Oktober 1944: Ich lege Einspruch ein gegen die Form Ihres Rundschreibens vom 26.9.44 – betr. General Wlassow. Wie Ihnen bekannt sein dürfte, werden die politischpsychologischen Gesichtspunkte bei Behandlung der Angehörigen der Ostvölker in Deutschland vom Ostministerium koordiniert oder durch seine Initiative an die für die jeweilige Betreuung in Frage kommenden Stellen herangetragen. In diesem Sinne werden die auf die Ostarbeiterbetreuung bezüglichen Gedanken mit der DAF bzw. dem GBA besprochen, die für Sicherheitsfragen bezüglichen mit dem Reichssicherheitshauptamt, die Frage der Legionäre bzw. der verwehrten Legionäre mit dem OKW usw. Zum Zwecke der einheitlichen Behandlung aller dieser Fragen stehen dem Ostministerium die Leitstellen für alle Völker des Ostens und die Zentralstelle für die Angehörigen der Völker des Ostens (ZAVO) zur Verfügung. Über die Notwendigkeit dieser Arbeit, um eine Verwirrung zu verhindern und hier zweckmäßig alle politisch-psychologischen und sonstigen Gesichtspunkte zu überprüfen, sind sich auch jetzt alle Stellen einig. Zudem teilte mir Reichsminister Dr. Lammers durch Fernschreiben vom 24.9.44 mit, dass der Führer zustimmt, dass die Behandlung der Ostvölker im Machtbereich des Großdeutschen Reiches nach den Grundsätzen und Richtlinien des Ostministeriums erfolge. Da er dabei auf einen Vortrag beim Führer in Ihrer Gegenwart hinwies, musste ich annehmen, dass Ihnen der Inhalt dieses Fernschreibens ebenfalls bekannt war. Ich habe daraufhin Dr. Lammers zunächst einen kurzen Sachstand über die bisherige Arbeit nach dieser Richtung hin übersandt und glaubte, dass er Ihnen mitgeteilt worden ist. Ich lege Ihnen diesen Bericht nochmals bei. Die Folgen, die durch eine einseitige Behandlung des großrussischen Wlassow-Problems entstanden sind, habe ich in einem unmittelbaren Schreiben an den Führer gemeldet und dem Reichsminister und Chef der Reichskanzlei übersandt nebst notwendigen Erläuterungen. Ich richte nun die Bitte an Sie, vorläufig der Partei keine näheren Informationen zugehen zu lassen, ehe die ganze Lage geklärt ist, und zweitens auch in Zukunft Mitteilungen an die Partei, die Ostvölker betreffen, mit mir abzustimmen.51 100  Demütigung als Machtmittel

Bormann und Rosenberg waren in gegenseitiger tiefster Abneigung miteinander verbunden, wobei zwangsläufig Bormann in all den Auseinandersetzungen stets der Sieger blieb, wie an einigen ausgewählten Beispielen gezeigt werden soll: ■ Im Mai 1944 beklagte sich Rosenberg darüber, dass Bormann erstens die Einrichtung neuer Hauptämter und eine Reihe von Beförderungswünschen abgelehnt hatte. Die Verbitterung Rosenbergs tritt in den folgenden Zeilen deutlich zutage: Ihre Mitteilung, dass zum 20.4.d.Js. ein Stop für Neuernennungen von Hauptbereichsleitern und Dienstleitern erlassen ist, folgte auf Grund falscher Unterrichtung. Ich habe bei der Schulungstagung in Würzburg feststellen müssen, dass die Parteigenossen Ruder und Mauer von der ParteiKanzlei zum 20.4. d. Js. ihre Beförderung zum Dienstleiter erhalten habe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie, sehr geehrter Parteigenosse Bormann, bei generellen Anordnungen für die Partei für Ihre eigene Dienststelle Ausnahmen machen.52

■ Als »Beauftragter des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP« war Rosenberg zuständig für sogenannte Reichsthemenlehrgänge. Die Programme hatte Bormann zu genehmigen. Am 1. Juni 1944 forderte er Rosenberg auf, von solchen Lehrgängen künftig abzusehen und sie den Gauschulungsleitern zu überlassen.53 ■ Ebenfalls am 1. Juni 1944 beschwerte sich Rosenberg bei Bormann darüber, dass er sich seit fast einem Jahr vergeblich um Offiziere für die Wehrmachtsschulungsarbeit bemühe. Dies habe er auch mit Generalfeldmarschall Keitel abgesprochen: Irgendwo ist die Sache abgestoppt und nicht durchgeführt worden. Ich weiß nicht, ob die Partei-Kanzlei/M. 2 aus Unkenntnis der Sachlage eingegriffen hat. Ich würde es nun für zweckmäßig halten, wenn Sie, lieber Parteigenosse Bormann, Anweisung geben, dass die begrenzte Zahl Herren, die ich nun einmal für die Arbeit benötige, entweder in Form der Kommandierung oder der uk.-Stellung auch bei der Partei-Kanzlei freigegeben werden.54

Rosenbergs Niederlagen  101

■ Am 19. Januar 1945 reichte Rosenberg bei Bormann eine Liste von 21 Mitarbeitern zur Beförderung ein.55 Betroffen davon waren das Aufbauamt Hohe Schule sowie die Hauptämter Schulung und Erziehung, Überstaatliche Mächte, Wissenschaft sowie u. a. die Ämter Schulungshaus, Lehrstoff und Lehrmittel, Volkskunde und Feiergestaltung sowie die Ämter Liberalismus und Amerikanismus, Judentum und Freimaurerei, Marxismus und Bolschewismus. Alle Vorgeschlagenen gaben an, »gottgläubig« zu sein. Bormann lehnte alle Beförderungswünsche ab.

Gespräche mit Hitler So rigoros, anmaßend und verletzend sich Bormann gegenüber anderen NS-Repräsentanten verhielt, so devot war er gegenüber Hitler. Zum Beispiel mokierte sich Reinhard Heydrich, Chef der Sicherheitspolizei und des SD, über ein »Tischgespräch«, das Bormann am 21. Juni 1941 nach dem Überfall auf die Sowjetunion mit Hitler geführt hatte:

14 Von links nach rechts: Martin Bormann, Wilhelm Keitel und Adolf Hitler bei einer Besprechung im Führerhauptquartier.

102  Demütigung als Machtmittel

Mein Führer, Sie machen sich verständlicherweise große Sorgen, die Auslösung eines solch gewaltigen Feldzugs zur rechten Zeit und mit den rechten Mitteln hängt doch allein von Ihnen und Ihrer Berufung ab. Die Vorhersehung hat Sie zum Träger solch weitbestimmender Entscheidungen ausersehen, und kein anderer als ich weiß besser, mit welcher Sorge und Mühe Sie sich den kleinsten Problemen bei der Vorbereitung Ihrer Entscheidung gewidmet und darüber nachgegrübelt haben.56

Auch zwischen Bormann und Heydrich war es offenbar zu einer offenen Feindschaft gekommen, wie aus einer Beobachtung des SD-Chefs Walter Schellenberg hervorgeht: Während seiner letzten Reise ins Führerhauptquartier sollte er [Heydrich] Hitler über bestimmte Wirtschaftsfragen des Protektorats und die dazu von ihm ausgearbeiteten Vorschläge berichten. Nachdem er schon längere Zeit vor dem Befehlsbunker Hitlers gewartet habe, sei Hitler plötzlich in Begleitung Bormanns herausgekommen. Heydrich habe vorschriftsmäßig gegrüßt und erwartet, dass Hitler ihn nun ansprechen und zum Vortrag bitten werde. Der Führer habe ihn aber stattdessen einen Augenblick unwillig angesehen und ihn wortlos stehen lassen. Daraufhin habe Bormann den Führer mit einer Handbewegung wieder in den »Bunker« lanciert. Und an diesem Tage sei Heydrich auch nicht mehr von Hitler empfangen worden. Am nächsten Tag habe ihm Bormann eröffnet, der Führer lege auf Heydrichs Vortrag keinen Wert mehr, da er sich über die mit Heydrich zu besprechenden Sachprobleme bereits klar geworden sei. In der Form sei Bormann zwar äußerst höflich geblieben, doch sei die eisige Kälte auf der ganzen Linie deutlich zu spüren gewesen.57

Heydrich befürchtete seitdem, ein entscheidender Schlag gegen ihn stehe bevor. Schellenberg war überzeugt, »dass Heydrich der geheimen Feme des allerengsten Führungskreises (Hitler-Bormann-Himmler) zum Opfer gefallen war«. Unabhängig davon, ob diese Vermutung zutraf oder nicht, muss es zwischen Bormann und Heydrich zu einem heftigen Konflikt gekommen sein, denn seinen Posten hatte Heydrich – so nahm er jedenfalls an – Bormann zu verdanken. Heydrich habe in einem Gespräch erwähnt, dass Hitler beabsichtige, Konstantin Freiherr von Neurath, den ReichsGespräche mit Hitler  103

protektor in Böhmen und Mähren, abzulösen und durch Heydrich zu ersetzen. Schellenberg schrieb darüber in seinen Memoiren: Ich war nicht wenig erstaunt und überrascht. Bormann, so berichtete Heydrich, unterstütze diese Kandidatur, Himmler hingegen sei nicht sehr begeistert darüber, wolle ihm aber keine Hindernisse in den Weg legen. Vielleicht, so meinte Heydrich, wünsche er auch nur Hitler gegenüber einen Meinungsstreit mit Bormann zu vermeiden. Heydrich erging sich dann in längeren Ausführungen über das Verhältnis Himmler–Bormann und sagte, er habe mit letzterem eine längere Unterredung gehabt und den Eindruck bestätigt gefunden, Bormann sei ein nicht zu unterschätzender Gegner, und es erscheine ihm sehr unklug, sich mit diesem zu verfeinden. Bormann habe sich inzwischen beim Führer so stark in den Vordergrund geschoben, dass es angebracht wäre, ihm auch unsererseits etwas mehr Aufmerksamkeit zu widmen, und zwar riet er mir, Bormann nicht nur wichtige Lageberichte, sondern auch ab und zu interessante Einzelmeldungen zugehen zu lassen.58

Das bisherige Verhältnis Bormann–Heydrich sei nicht besonders gut gewesen. Sie hätten ihre Stärken und Schwächen genau gekannt und vorsichtig operiert. Wenn Bormann nun die Ernennung Heydrichs zum stellvertretenden Reichsprotektor befürworte, müssten besondere Gründe vorliegen, argwöhnte Schellenberg. Aufgrund seiner Nähe zu Hitler kannte Bormann besser als jeder andere die Gedankengänge des Diktators, zumal er dessen Äußerungen in der Regel zu Papier brachte und sie nachlesen konnte. Bezeichnend ist der Aktenvermerk Bormanns über ein Gespräch mit Hitler, an dem am 10. Dezember 1942 auch der niederländische NS-Führer Anton Adriaan Mussert, Oberbürgermeister Müller, Rotterdam, Reichskommissar Arthur Seyß-Inquart, Himmler, Reichsminister Lammers sowie der Generalkommissar in den Niederlanden, Fritz Schmidt, teilgenommen hatten. Bormann übernahm Hitlers Argumentation und machte sie sich fortan zu eigen. Am 14. Dezember notierte er Folgendes über das Gespräch: Der Führer legte dar: Wir befinden uns seit dem Einfall der Hunnen in der gewaltigsten Entscheidung. Falsch wäre es, den gegenwärtigen Krieg als reinen Weltanschauungskrieg anzusehen, denn bei einem Siege des Bolsche104  Demütigung als Machtmittel

wismus blieben weder Amerika noch Afrika außerhalb der weltanschaulichen Entscheidung. Wenn Europa dem Bolschewismus verfiele, dann würde dies nicht einen Regimewechsel, nicht allein den Wechsel einer Weltanschauung bedeuten, sondern es würde bedeuten, dass der innerasiatische Menschenrohstoff ganz Europa überflutet wie früher die Hunnen und Türken dies taten. Unsere religiöse Reformation bedeutet einen inneren Prozess. Der Mohammedanismus bedeutete zusätzlich mit der anderen Weltanschauung auch die Herrschaft einer anderen Rasse. Ähnlich liegt der Fall auch jetzt wieder. Die Herrschaft des Bolschewismus würde für ganz Europa mit sich bringen die Herrschaft der innerasiatischen Menschenrassen über die europäischen, die mehr oder weniger vernichtet und ausgelöscht würden; der Rest würde eine weitgehenden Rassenmischung unterworfen. (…) Dem Bolschewismus als Idee setzt der Führer unseren Sozialismus entgegen: Der Führer hat sich entschlossen, rücksichtslos alle gesellschaftlichen Schranken in Deutschland einzureißen, d. h. nicht Vernichtung der sogenannten oberen Gesellschaftsschichten, sondern lediglich Freimachen der Aufstiegsmöglichkeiten für alle wirklich Tüchtigen. (…) Mein [Bormanns] Einwurf, die Revolutionsereignisse von 1789 bis 1793 [Französische Revolution] seien als harmloses Kinderspiel anzusehen gegen die Folgen einer bolschewistischen Überflutung, wurde vom Führer völlig bestätigt.59

Einwürfe Bormanns sind selten. Er zog es vor, zu schweigen und sich Notizen zu machen. Hinsichtlich des Arbeitseinsatzes in Frankreich und Italien hatte Bormann Lammers angerufen und ihm mitgeteilt, da sich die Auffassungen des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, Fritz Sauckel, und des Ministers für Rüstung und Kriegsproduktion, Albert Speer, widersprächen, habe Hitler keine Entscheidung getroffen.60 Botschafter Otto Abetz, Thüringens Gauleiter Fritz Sauckel und Reichskommissar für die Niederlande Hans Fischböck sollten sich zu Besprechungen in Berchtesgaden bereithalten. Auffallend ist, dass dann in allen Berghof-Protokollen und -Berichten keine einzige Wortmeldung von Bormann enthalten ist.61 Für Bormanns Denken und Handeln waren die Privatgespräche mit Hitler ausschlaggebend. Kaum jemand hatte die Möglichkeit, in so intimer Atmosphäre Hitlers Gedankenwelt kennenzulernen. Es handelte sich um Monologe, bei denen Hitler sich über seine Kindheit und SchulGespräche mit Hitler  105

zeit ausließ, aber in denen er auch zu aktuellen Fragen der Partei oder des Kriegsverlaufs Stellung bezog. Für Bormann waren diese Gespräche, die er protokollierte, von eminenter Bedeutung, erhielt er doch auf diese Weise Kenntnis von Hitlers Ansichten und Einschätzungen und konnte ihm entsprechend nach dem Mund reden. Gegenüber seinen politischen Konkurrenten besaß er damit einen immensen Vorteil. Einige Auszüge aus den Gesprächsprotokollen verdeutlichen, in welch bevorzugter Situation sich Bormann befand. Über das Gespräch mit Hitler – beziehungsweise über den Monolog des »Führers« – am Abend des 18. Januar 1942 im Führerhauptquartier hielt Bormann folgende Aussagen Hitlers fest: Mein ganzes Leben war nichts als ein ständiges Überreden. 1932 hatte ich im Kaiserhof eine mehrstündige Unterredung mit Meißner;62 er sagte mir, er sei sein ganzes Leben Demokrat gewesen, aber vielleicht in anderer Richtung, als wir uns das dächten. In Wirklichkeit stünden wir uns gar nicht so fern und er wolle alles tun, um uns beim alten Herrn63 zu helfen; leicht sei das nicht, da der alte Herr durch seine ganze Auffassung ausgesprochen feindlich gegen uns eingestellt sei. Ich muss sagen, dass mir Meißner eigentlich doch als Erster das Leben des alten Herrn in einer sehr überzeugenden Form geschildert hat. Auf wen sollte er sich stützen? Die Deutschnationalen waren unfähig. Gegen die Verfassung geht er nicht, was soll er machen? Es war ihm eine große Überwindung, mit gewissen Sozialdemokraten und Zentrumsleuten zusammenzuarbeiten. Dazu kam seine Abneigung gegen Hugenberg,64 der ihn 1925 als Landesverräter bezeichnet hatte, schon deshalb, weil er Meißner behalten hat. Der alte Herr hat mich eingeladen: Herr Hitler, ich will hören, was Sie für Gedanken haben! Es war wahnsinnig schwer, über einen solchen Abgrund weg eine Weltanschauung zu vermitteln. Anknüpfen konnte ich nur an militärische Kenntnisse über die Notwendigkeit des Aufbaus einer Organisation. Die Brücke zum Soldaten habe ich sofort gehabt, aber die Brücke ins Politische zu finden, war ein großes Kunststück. Als ich fertig war, steigerte er sich in Zustimmung hinein. Und dann erinnerte er sich eines Vorgangs aus Ostpreußen: Aber so dürfen ihre jungen Leute auch nicht vorgehen! In Tannenberg kürzlich riefen sie »Erwache, erwache!« – Ja, ich schlafe doch nicht! Es waren Leute da gewesen, die den alten Herrn glauben gemacht hatten, das habe ich auf seine Person bezogen, während der Ruf 106  Demütigung als Machtmittel

doch »Deutschland erwache!« gewesen war! Gleich danach ließ er mich wissen, er werde mich immer hören, wenn es etwas zu entscheiden gäbe. Doch der Einfluss der mir feindlichen Kreise blieb noch so stark, dass ich 1933 zuerst nur in Gegenwart von Papen65 ihm Vortrag halten durfte. Eines Tages war Papen verreist. Ich ging allein hin. Wieso ist denn immer der Herr von Papen dabei? Ich will doch Sie sprechen! Papen hat, wie er zurückkam, bedauert, dass er auf die Reise gegangen war. Der alte Herr hat ihn für eine Art Windhund gehalten, aber, ich glaube, doch ganz gern gehabt. Papen hat ihn sehr geschickt behandelt. Papen hat sich auch verdient gemacht. Der erste Anstoß kam von ihm: Er hat den Einbruch in die heilige Verfassung vollzogen. Dass er nicht weiter konnte, war klar. Wenn Antonescu66 nicht den Weg zum Volk bekommt, ist er verloren. Wer an die Exekutive gebunden ist, kann nicht bestehen. Atatürk hat sich durch seine Volkspartei die Herrschaft gesichert. Ähnlich ist es in Italien. Wenn Antonescu heute etwas passiert, so hat er keinen Faktor, der die Nachfolgeschaft bestimmt. Sofort würden in der Armee die Prätendenten miteinander zu ringen anfangen. Horia Sima67 hätte ich erschießen lassen und Legion zum Träger der Gewalt gemacht. (…) Wir hatten 5½ Milliarden Jahresdefizit im Reich und in den Ländern. Dazu sollten weitere 5 Milliarden als Zahlung an den Feindbund kommen. Kolossaler Erfolg, sagte er [von Papen] mir, als er von Genf zurückkam, gegen die 150 Milliarden, die auf dem Papier standen. Dabei waren am 30. Januar 83 Millionen in der Reichskasse! Ich sagte ihm: Mit was wollen Sie bezahlen? Er: Ja, wir müssen doch bezahlen, sonst werden wir exekutiert! Wieso exekutiert! Sie haben doch nichts, in das vollstreckt werden könnte! Wie ich dann für Aufrüstung 3 Milliarden haben wollte, hat man mir diese Verpflichtung dem Ausland gegenüber entgegengehalten. Ich sagte: Dem Ausland wollt Ihr das geben? – Dann doch lieber dem Inland! Dem englischen Botschafter habe ich bei seinem Antrittsbesuch meinen Standpunkt klargemacht. Seine Antwort war: Sie wollen damit sagen, dass das neue Deutschland die Verpflichtungen, die seine früheren Regierungen eingegangen sind, nicht anerkennt? Verträge schon, erwiderte ich ihm, aber nicht Erpressungen. Alles, was unter dem Motto »Versailler Vertrag« versprochen wurde, halte ich für erpresst. Großartig, sagte er, das werde ich sofort meiner Regierung berichten! Nie ist England oder Frankreich einer Zahlung wegen noch ans uns herangetreten. Vor den Engländern habe ich in dem Punkt

Gespräche mit Hitler  107

keine Angst gehabt, aber ich hatte die Sorge, die Franzosen könnten das benützen, um, sagen wir, Mainz zu besetzen.68

Über den Verlauf des Kriegs äußerte sich Hitler in der Nacht vom 17. auf den 18. Januar 1942 in der Wolfsschanze Bormann zufolge »dem Sinne nach u. a. in folgenden Gedankengängen«: Erst kommt der Schnee und dann der Frost! So stand es in den Büchern über Russland, und Hilger hat mir auch nichts anderes gesagt. Man sieht, auf all diese Beobachtungen ist kein Verlass. Man mag die Durchschnittstemperatur unter Zuhilfenahme des Mittels einer großen Reihe von Jahren errechnen, aber man muss dann doch dazu vermerken, es kann auch einmal ein Jahr kommen, in dem die Temperaturschwankungen bei weitem größer sind, als das errechnete Mittel annehmen lässt. Was war es, was zu dem Schock geführt hat, das Unerwartete, und dass die Leute dafür nicht ausgerüstet waren. Und weiter: die Taktik unserer Führung hat sich auf diese Gegebenheiten erst umstellen müssen. Heute lassen wir die Sowjeteinheiten durchbrechen, ohne uns vom Fleck zu rühren. Hinter unseren Linien werden sie dann vernichtet, oder sie verkommen in den Dörfern, denn es fehlt ihnen an jeder Nachschuborganisation. Dazu braucht man aber Nerven und, das kann ich offen sagen, mein Herr Vorgänger hat die Nerven dazu nicht gehabt. Die Generäle müssen eiskalte Hundeschnauzen sein, unangenehme Leute, wie ich sie in der Partei habe. Das sind die Soldaten, die man in solcher Lage nötig hat. Wäre der Frost nicht gekommen, so wären wir weitergelaufen, 600 Kilometer; wir waren nahe daran! Die Vorsehung hat eingegriffen und hat uns vor einer Katastrophe bewahrt. Das Öl, das wir jetzt brauchen, hatten wir schon. Da kommt so ein Rindvieh daher und erfindet ein Einheitsöl.69 Ich habe eine Wut auf die Ämter, alles Konstruieren von Leuten, die nicht zugleich in der Fabrikation tätig sind, führt zu falschen Ergebnissen. Achten auf das, was wir das Schöne nennen, ist eine Sache für den Frieden. Für den Krieg brauche ich Lokomotiven, die 5, 6 Jahre halten; dementsprechend kann ich auf alles das verzichten, was die Maschine instand setzt, weitere zehn Jahre intakt zu bleiben. Kürzlich ist eine Messerschmitt70 den anderen in die Hand gefallen. Die sind darüber sehr erschrocken. Eine amerikanische Zeitung schreibt, man sei der Meinung gewesen, die Deutschen besäßen keine guten Stoffe, jetzt müs108  Demütigung als Machtmittel

se festgestellt werden, dass gut drei Jahre vergehen, bevor Amerika etwas herausstellen könne, von der stofflichen Qualität dieses Flugzeuges; dagegen die amerikanischen Maschinen einsetzen, bedeute so viel wie Selbstmord. Nun erfordert ein deutsches Flugzeug freilich mindestens sechsmal mehr Arbeit als ein amerikanisches. Auf Malta besteht unsere Taktik darin, dass wir dauernd angreifen, sodass die Engländer ununterbrochen schießen müssen. Wir haben dabei fast keine Verluste. Aber auch die italienischen Maschinen sind den Hurrikan weit überlegen. In Alexandrien haben die Italiener jetzt wieder einen ihrer Torpedo-Angriffe gemacht. Nach englischem Urteil sind das sehr tapfere Männer, die diese Angriffe durchführen. Die Italiener haben das, was wir jetzt mit dem Wetter erlebt haben, durch die Fehler in ihrem Kräfteeinsatz erfahren: den Schock, der lähmt.71

Am 19. Januar 1942 ließ sich Hitler über die Disziplin innerhalb der Partei aus: Er habe fortgesetzt Schwierigkeiten gehabt, seine Männer vor Duellen zu bewahren und diese dann einfach verboten. Ein paar meiner besten Leute sind mir durch solche Dummheiten zusammengeschossen worden. Und aus was für Gründen! Einmal waren wir im Reichsadler: Heß war da mit seiner Frau und seiner Schwägerin. Ein halb betrunkener Student kam daher und flegelte die Damen an. Heß bat ihn heraus und sagte ihm die Meinung. Den nächsten Tag kamen zwei solche Affen an und brachten ihm eine Forderung, weil er einem Korpsstudenten eine Belehrung gegeben hätte. Ich verbot ihm, darauf einzugehen. (…) Ein unersetzlicher Verlust war Strunk, unser einziger Korrespondent von Weltformat. Seine Frau ist beleidigt worden und er wird erschossen!72 Wo bleibt da die Vernunft? 1923 bekam auf einmal Dietrich Eckart aus irgendeinem Grund 16 oder 17 Forderungen von lauter jungen Burschen. Ich bin dazwischengefahren. Vor mir haben sie alle Respekt gehabt. (…) Wer ist bei uns heute berechtigt, sich zu wehren? Eine Sonder-Ehre gibt es nicht. Würde die Deutsche Arbeitsfront auch noch das Recht verlangen, sich zu duellieren, dann blieben nur ein paar Unglückselige über, die keine Ehre haben.73

Als Letztes der zahlreichen Privatgespräche sei das vom 22. Januar 1942 angeführt, bei dem Hitler sich in Anwesenheit Himmlers und des Salz-

Gespräche mit Hitler  109

burger Gauleiters Friedrich Rainer zur Lösung von »Nationalitätenproblemen« äußerte: Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir bei einer gleichmäßigen zweihundertjährigen Führung das Nationalitätenproblem gelöst haben. Mit Anbruch des Dreißigjährigen Krieges war es schon so weit. In den vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts schämte sich jeder Tscheche, tschechisch zu reden. Ihr Stolz war, deutsch zu sprechen. Und der allergrößte Stolz, für einen Wiener gehalten zu werden. Die Durchführung des allgemeinen gleichen geheimen Wahlrechtes musste in Österreich zu einem Zusammenbruch der Deutschen führen. Die Sozialdemokraten sind grundsätzlich mit den Tschechen gegangen, dazu der Hochadel. Das deutsche Volk ist zu intelligent für den Adel, er braucht so etwas wie die kleinen Randvölker. Die Tschechen waren besser wie die Ungarn, die Rumänen und Polen. Es hatte sich ein fleißiges Kleinbürgertum gebildet, das sich seiner Grenzen bewusst war. Sie werden auch heute mit Grimm sowohl wie mit einer grenzenlosen Bewunderung zu uns aufblicken: Wir Böhmen sind zum Regieren nicht bestimmt! Nur in der Beherrschung fremder Völker lernt man das Führen, ihr Minderwertigkeitsgefühl hätten die Tschechen verlernt, wenn sie sich im Lauf der Zeit den übrigen österreichischen Randvölkern überlegen gesehen hätten. Den Zustand vor dem März 1939 kann man sich nicht mehr vorstellen: Wie war das unmöglich! Nach Jahrhunderten einer Selbstbeschau müssen wir lernen, aktiv vorzugehen. Das dauert fünfzig bis hundert Jahre. Wir hatten es gekonnt: andere beherrschen! Österreich ist das beste Beispiel dafür. Hätten sich die Habsburger nicht mit der Gegenseite verbündet, so wären die neun Millionen Deutschen mit den fünfzig Millionen anderen fertiggeworden. Wenn man sagt, für die Engländer kämpfen Inder, ja, die anderen Völker haben auch für die deutschen in Österreich gekämpft! In Niedersachsen ist die Herrschaftsfähigkeit doch sicherlich zuhause, die englische Herrenschicht ist von dort ausgegangen. Durch ihre Sammelmethode bringt die SS daraus das Führerreservoir zusammen, mit dem man in hundert Jahren das Ganze regieren kann, ohne sich groß überlegen zu müssen, wen man wohin setzt. Entscheidend ist, dass man aus der Beengtheit dieses Kantonalgeistes herauskommt, deshalb bin ich so froh, dass wir in Norwegen und da und dort sitzen. Die Schweizer sind nichts als ein missratener Zweig unseres Volkes. Wir haben Germanen verloren, die als Berber in Nordafrika und als Kurden in Kleinasien sitzen, einer von ihnen war Kemal 110  Demütigung als Machtmittel

Atatürk, ein blauäugiger Menschen, der mit den Türken doch gar nichts zu tun hatte.74

Bormann war, dies zeigte sich immer wieder und überdeutlich, kein Mensch, der zu Erringung eigener Macht und ihrer Sicherung Bündnisse schmiedete, nach Fraktionen suchte oder Kompromisse akzeptierte. Im Gegenteil, er ging den genau anderen Weg. Er brüskierte potenzielle Konkurrenten, nahm keinerlei Rücksicht auf ihre Gefühle und konnte sich dieses Verhalten leisten, weil er sich des absoluten Vertrauens Hitlers sicher war. Letztlich war Bormann ein zwar mächtiger, aber doch einsamer Mann.

Gespräche mit Hitler  111

Die braune Eminenz

Bormann teilte anderen nur noch die Wünsche und Entscheidungen des »Führers« mit. Beispielhaft hierfür ist ein Schreiben an Reichskabinettsrat Dr. Lilly, einen Mitarbeiter von Reichsminister Lammers. Geradezu stakkatoartig wurden darin wirkliche oder vermeintliche Führerwünsche mitgeteilt: Bei der heutigen Besprechung des Führers mit dem Reichsbevollmächtigten Dr. Goebbels schnitt der Führers selbst das Thema »Preußische Ministerpräsidentschaft« an; der Führer beauftragte mich, Ihnen mitzuteilen, dass diese Preußische Ministerpräsidentenschaft so rasch wie möglich liquidiert werden solle. Auch das Preußische Finanzministerium soll sofort aufgelöst werden, die Aufgaben des preußischen Finanzministeriums soll der Reichsfinanzminister übernehmen. Der Führer erklärte sich mit der Ausdehnung der Frauendienstpflicht bis zum 55. Lebensjahre einverstanden. Der Führer erklärte sich mit der Einstellung der Kunstzeitschriften »Kunst im Deutschen Reich«, »Kunst dem Volk« und »Simplicissimus« usw. einverstanden. Der Führer erklärte sich mit der Schließung sämtlicher Theater einverstanden. Der Führer betonte, auch im Auswärtigen Amt müsse ausgekämmt werden. Notwendig sei aber, dass der Führer ganz genaue Zahlenangaben über derzeit noch im Amt und in den einzelnen Gesandtschaften beschäftigte Menschen erhielte. (…) Der Führer betonte, selbstverständlich müsse auch die Wehrmacht in der Heimat nach 1906 geborene Männer, soweit sie kv. seien, so weit wie möglich auskämmen.1

Es gab eine Fülle solcher Ankündigungen für Lammers, hier noch einige Beispiele:

112  Die braune Eminenz

Der Führer wünscht, dass der Reichsunterrichtsminister in besonderem Maße die Hochschulen in den Gauen Oberdonau, Niederdonau, Kärnten, Steiermark und Tirol fördert, besonders liegt dem Führer an baldiger Eröffnung der Technischen Hochschule in Linz.2

Oder: Der Führer wünscht, dass in die Bunker, die bei den Wohnungen Prominenter errichtet wurden, bei Luftgefahr, soweit möglich, auch Anlieger aufgenommen werden. (…) Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ein entsprechendes Rundschreiben, das im gleichen Wortlaut auch an die Reichsleiter und Gauleiter hinausgehen würde, den Obersten Reichsbehörden zustellen würden.3

Hinsichtlich der Einstellung der Kunstzeitschriften kam es einmal mehr zum Streit mit Rosenberg. Dieser wehrte sich vehement, doch vergeblich gegen das Aus für die Zeitschrift Kunst im Deutschen Reich. Sie sei das einzige repräsentative Organ für bildende Kunst der Bewegung, verdiene also eine andere Beurteilung als private Unternehmen, mokierte er sich und forderte Bormann auf, das Problem »dem Führer zur erneuten Entscheidung vorzulegen«.4 Daran aber war überhaupt nicht zu denken, wie ihm Bormann ohnehin schon beschieden hatte. Die entsprechenden Listen seien Hitler vorgelegt worden, und dieser habe persönlich nach reiflicher Überlegung und Prüfung entschieden.5

Zwiespalt mit Himmler Selbst der sonst so einflussreiche Reichsführer-SS, Heinrich Himmler, lag mit Bormann im Streit, wie der SD- und Sipo-Chef Walter Schellenberg berichtete. Vor allem aber habe sich Himmler durch ein persönliches Darlehen der Partei-Kanzlei in Höhe von 80 000 RM in Bormanns Hände begeben. Als Schellenberg mit Himmler über dessen angespanntes Verhältnis zu Bormann gesprochen habe, habe dieser geantwortet: »Der Führer habe sich so an diesen Mann und seine Arbeitsweise gewöhnt, dass es sehr schwer sei, seinen Einfluss zu dämmen oder sein Tätigkeitsgebiet zu beschneiden.« Himmler habe dann erklärt: »Ich werde einfach durch die Tatsache gezwungen, mich immer wieder mit Zwiespalt mit Himmler  113

Bormann zu arrangieren, obwohl aller Anlass bestünde, ihn aus seiner Stellung herauszumanövrieren. Ich betrachte ihn auch für viele Fehlentscheidungen Hitlers als mitverantwortlich.«6 Aber auch Himmler war auf das Wohlwollen Bormanns angewiesen und konnte seiner Abneigung gegen den Chef der Partei-Kanzlei nicht offen Luft machen. Da Himmler auch Reichskommissar für die Festigung des deutschen Volkstums und Präsident des Ahnenerbe e.V. war, benötigte er Bormanns Unterstützung, um zu Hitlers Beauftragten für Verhandlungen mit allen germanisch-völkischen Gruppen ernannt zu werden. In der entsprechenden Verfügung hieß es: Für Verhandlungen mit allen germanisch-völkischen Gruppen in Dänemark, Norwegen, Belgien und den Niederlanden ist im Bereich der NSDAP, ihrer Gliederungen und angeschlossenen Verbände ausschließlich der Reichsführer-SS zuständig.7

Sollte die Zusammenarbeit anderer Dienststellen, z. B. der Hitlerjugend (HJ), mit diesen Gruppen erwünscht sein, so waren dazu Himmlers Einverständnis sowie seine Weisungen einzuholen. Dass es Spannungen zwischen Himmler und Bormann gab, war weithin bekannt. Bormanns Schwager, SS-Hauptsturmführer Hermann Buch, berichtete dem Reichsführer-SS am 16. Augst 1944 von einem Vorfall, der sich am 6. Juli 1944 zugetragen hatte. SS-Gruppenführer Harald Turner, stellvertretender Chef des Rasse- und Siedlungsamtes der SS, habe bei seinem Besuch der SS-Junkerschule in Bad Tölz unter anderem »schlecht von der dienstlichen Arbeit Martins« gesprochen. »Er behauptete in diesem Zusammenhang auch, dass der Führer in manchen Dingen falsch beraten würde bzw. falsche oder entstellte Meldungen erhalten würde«. Er, Hermann Buch, habe Martin Bormann in Schutz genommen und erklärt, dieser genieße das volle Vertrauen Hitlers, werde von diesem gedeckt. Außerdem habe er auf das freundschaftliche Verhältnis von Bormann und Himmler verwiesen. Turner habe darauf entgegnet, diese Freundschaft bestehe nur zum Schein, in Wirklichkeit sei zwischen Martin und Himmler »wie zwischen Partei und SS ein Spalt, der dienstlich klar zum Ausdruck komme«. Es müsse spätestens bei Kriegsende zur Auseinandersetzung zwischen Partei und SS kommen. Turner habe gemeint, Bormann müsse von seiner jetzigen 114  Die braune Eminenz

Position entfernt werden. Er habe zu viele Feinde und sei gefährlich, woraufhin Buch nochmals erklärt habe, Martin Bormann genieße das Vertrauen Hitlers und werde, falls dieser sich nach dem Krieg anderen Aufgaben widme, ihm bestimmt folgen.8 Es war offenkundig, dass solche Denunziationen Himmler höchst willkommen waren. Kein Geringerer als der Chef des SS-Hauptamts, SS-Obergruppenführer Gottlob Berger, beklagte sich am 9. März 1943 bei Himmler vehement über Bormann.9 Zuvor hatte er Himmler sogar sonntags angerufen. Als Grund für den ungewöhnlichen Anruf gab Berger an, seit Wochen werde »unsere Arbeit von der Partei-Kanzlei in München, ich möchte nicht sagen, sabotiert, aber doch sehr erschwert. Ich bin unsicher darüber geworden und dachte mir: Beginnt nun auch hier die in der NSDAP leider trotz des Krieges übliche Tour!« Was er mit dieser »Tour« meinte, erläuterte Berger am 23. April 1943 in einem ausführlichen Schreiben an Himmler: Die Reichsjugendführung, und zwar Artur Axmann und Baldur von Schirach, steht im Augenblick in einem scharfen Kampf mit der Partei-Kanzlei. Sie werfen Letzterer vor und beweisen, dass in sechs aufeinanderfolgenden Fällen Reichsleiter Bormann den Führer falsch unterrichtet und Entscheidungen des Führers veranlasst hätte, die sie aufgrund dieser falschen Informationen als hinfällig erachten würden. Beide wollen in der nächsten Zeit persönlich beim Führer erscheinen und – wenn dieser Umstand nicht abgestellt wird – um anderweitige Verwendung bitten. Reichsleiter Bormann hat den Gauleiter Bohle beauftragt, die gesamte germanische Arbeit in die Hand zu nehmen und zu steuern. Er hat den Beförderungsvorschlag unseres Willi Deppner an Gauleiter Bohle zur Stellungnahme übersandt. Die Reichsjugendführung ist hierüber sehr erbittert.10

Berger bat Himmler, »dieses als reine Meldung« auffassen zu wollen, zur Beunruhigung seitens der SS bestehe kein Anlass: »Wer die Arbeit macht, hat seine Anhänger; den Zeitpunkt der Übergabe an die Partei wird der Reichsführer-SS-bestimmen.« Bormann zeigte Himmler immer wieder die Grenzen auf. So hatte Himmler die Heimschule Schweiklberg, die 1941 aufgelöste Abtei der Benediktinerkongregation von St. Ottilien, in seiner Eigenschaft als Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums beschlagZwiespalt mit Himmler  115

nahmt. Die dort untergebrachten Schüler mussten auf andere Heimschulen verteilt werden. Am 30. Oktober 1943 verlangte Bormann von Himmler, die Schule wieder freizugeben: Die Errichtung von Heimschulen ist trotz kriegsbedingter Schwierigkeiten weitgehend zu fördern. Ich bin wiederholt, auch gegenüber der Wehrmacht, die Schweiklberg für ihre Zwecke in Anspruch nehmen wollte, für die Erhaltung Schweiklbergs als Heimschule eingetreten. Auf meinen ausdrücklichen Einspruch hin verzichtete das OKW auf Schweiklberg. Nun will Ihre Dienststelle Schweiklberg nehmen. Dabei braucht gerade der Gau Bayreuth besonders notwendig eine große Zahl nationalsozialistisch geführter Internate, um die Kinder aufnehmen zu können, die infolge Fehlens staatlicher Schülerheime die in diesem Gau bestehenden konfessionellen Internate besuchen müssen. Ich bitte Sie dringend zu veranlassen, dass Schweiklberg als Heimschule wieder freigegeben wird.11

Zu Beginn des Jahres hatte sich Bormann bei Himmler über Werbemethoden der Waffen-SS gewandt und am 24. Februar 1943 festgehalten: Von allen Gauen laufen Klagen über die Werbemethoden der Waffen-SS ein. Einige Beispiele: Gauleitung Moselland, RAD-Männer des Jahrgangs 1925, die erst wenige Tage einberufen waren, wurden von einer SS-Musterungskommission im Einvernehmen mit den RAD-Abteilungsführern gegen ihren Willen zum Eintritt in die Waffen-SS veranlasst. Den Berichten zufolge ist von allen Arbeitsmännern mit einer Größe über 1,65 m eine bestimmte Anzahl herausgezogen und trotz Weigerung durch dienstlichen Befehl unter Hinweis darauf, dass die SS-Abordnung unmittelbar aus dem Führerhauptquartier komme, zum »freiwilligen« Eintritt in die Waffen-SS durch Unterschriftsleistung gezwungen worden.12

Schüler hätten an Lehrgängen in Wehrertüchtigungslagern teilgenommen und am Ende Verpflichtungen für die Waffen-SS unterschreiben sollen. »Ich bitte Sie dringendst, heute noch derartige Werbemethoden zu untersagen, da ich andernfalls erheblich Weiterungen befürchte.« Himmler fehlte offensichtlich der Mut, direkt gegen den mächtigen Rivalen Bormann vorzugehen. Er machte lieber Umwege und denunzierte mit Vorliebe Bormanns Untergebene wie beispielsweise den Gau116  Die braune Eminenz

leiter von Oberdonau und Landeshauptmann von Oberösterreich August Eigruber. Dieser hatte am 25. November 1942 in Linz eine Rede gehalten, die Himmler in einem Brief an Bormann am 14. Januar 1943 Punkt für Punkt zerpflückte. Er wusste: Wenn er den Gauleiter attackierte, traf er damit zugleich dessen Vorgesetzten Bormann. Der Reichsführer-SS schrieb, er halte es für »absolut falsch und unangebracht, dass Parteigenosse Eigruber davon spricht, dass die Gliederungen, die Verwaltung und die Wehrmacht, und erst recht schon nicht die Polizei die Aufgabe hätten, das Volk zum Gedanken der Reichseinheitlichkeit zu erziehen«.13 Selbstverständlich komme diese Aufgabe in erster Linie der Partei zu, aber nach dem ihm bekannten Willen des Führers ebenso der Wehrmacht als Reichsinstrument, den Gliederungen der Partei und ebenso der Polizei. Er finde es »kindlich, diese Dinge abzustreiten und hier einen völlig unnötigen Angriff zu fahren«. Doch damit nicht genug. Himmler nahm »in schärfster Form dagegen Stellung, dass Parteigenosse Eigruber die Frage der Behandlung und Überwachung der Ausländer lediglich als seine Sache« ansah. Sicherlich kämen da oder dort von einzelnen Firmen und auch von einzelnen Polizeiorganen Missgriffe vor. Er dürfe aber darauf hinweisen, dass die Einrichtung von Bordellen für die Ausländer auf seine Weisungen und auf seine Anregung hin zurückzuführen sei. Vor allem aber müsse er betonen: Es nimmt mir kein einziger Gauleiter die Verantwortung für die Gefahr ab, dass uns aus den 5 Millionen fremdländischer Arbeiter in Deutschland , die wir ohne Zweifel zur Arbeit dringend notwendig haben, eine Riesen-Sabotageorganisation erwachsen kann, die eines Tages auch schlagartig arbeiten könnte. Wenn hier nun der einzelne Hoheitsträger glaubt, nur den biederen Mann spielen zu können, um sich bei den Ausländern beliebt zu machen, und dann vielleicht sogar diesen gegenüber die eigene Polizei als den dummen Jungen hinzustellen, dann handelt ein solcher bestimmt nicht im Reichsinteresse.14

Zur Frage von schwangeren Ausländerinnen meinte Himmler, dies sei von ihm so geregelt worden, dass diese in Deutschland bleiben könnten. »Solange wir nur polnische Arbeitskräfte hatten, waren wir alle uns darüber klar, dass wir keine polnische Unterwanderung – wie wir sie ja Zwiespalt mit Himmler  117

schon früher in Deutschland hatten – dulden wollten. Dazu war die Voraussetzung, dass sich hier keine Familien mit Kindern gründeten.« Bormann solle, so Himmler abschließend, »dem Parteigenossen Eigruber den primitivsten kameradschaftlichen Führungsgrundsatz vermitteln, dass Schwierigkeiten, die er glaubt, irgendwo zu sehen, nicht vor Hunderten von Menschen ausgepackt werden, sondern im kleinsten Kreis besprochen und erledigt werden müssen«. Ein weiteres Konfliktfeld mit Himmler berührte das sogenannte »Führer-Begleitkommando«, das unter dem Kommando von SS-Brigadeführer Johann (Hans) Rattenhuber stand. In einem Schreiben mit dem Briefkopf »Verwaltung Obersalzberg. Reichsleiter M. Bormann« beschwerte sich Bormann am 10. Dezember 1937 bei SA-Obergruppenführer Brückner darüber, dass dieser direkt an Hitler in Fragen der »Wachangelegenheit« herantreten wolle.15 Wenn er dies für notwendig halten würde, dann hätte er dies auch selbst tun können, belehrte Bormann den Obergruppenführer, zumal es sich ja ausschließlich »um die Torwächter bei meinen Bauten« handelte. Pg. [ Julius] Schaub habe ihm versichert, »der Führer werde bestimmt nichts dagegen haben, wenn ich die jetzt eingestellten Arbeiter aus Zweckmäßigkeitsgründen durch dienstunfähige SS-Männer der Totenkopfverbände« ersetzen werde. In Bormanns Visier war insbesondere Rattenhuber geraten, weil er die von Bormann ausgewählten Arbeiter als Kontrollposten für unzuverlässig hielt. Es sei, so schrieb Rattenhuber am 13. Dezember 1937 an »Hochwohlgeboren« Bormann, »wiederholt zu unliebsamen Szenen [gekommen], da die Kontrollposten nicht die mindeste Autorität besitzen«. Er habe dies Bormann gemeldet und gleichzeitig vorgeschlagen, »anstelle der Arbeiter Rekonvaleszenten der aktiven Standarten oder SS-Totenkopfverbände auf dem Berge einzusetzen«. Er habe Bormann gebeten, »beim Führer« anzufragen, ob dieser mit der Regelung einverstanden sei. Gleichzeitig habe Bormann klären wollen, ob diese Männer in Zivil oder in Uniform Dienst tun sollten. »Herr Reichsleiter sagten, mir in der Begründung meines Vorschlages vollkommen Recht gebend, zu, die Sache mit dem Führer und Obergruppenführer Brückner besprechen zu wollen. Ich selbst teilte damals Herrn Reichsleiter mit, dass ich über diese Kontrollposten Obergruppenführer Brückner selbst noch Vortrag erstatten werde, damit auch Obergruppenführer Brückner bei der Besprechung mit dem Führer in die Sache eingeweiht sei.« Rattenhuber 118  Die braune Eminenz

führte ebenso langatmig wie devot den Sachverhalt aus, um mit den Worten zu schließen: »Auf Grund meines vorstehenden Berichtes in der Sache der Kontrollposten bitte ich Sie, Herr Reichsleiter, nochmals darauf aufmerksam machen zu dürfen, dass ich keinen Schritt ohne Ihre ausdrückliche Genehmigung vorgenommen habe, und wäre zugleich dankbar, wenn Herr Reichsleiter in Würdigung meiner Ausführungen, die Angelegenheit baldmöglichst erledigen und mir kurz Weisung geben wollten.«16 Auch Jahre später war die Sache noch nicht erledigt. 1944 teilte Bormann Himmler mit, die dortigen Verhältnisse unter dem Kommando von Polizeihauptmann Johann Rattenhuber bereiteten ihm seit Langem Sorge. Dem Kommando fehle die straffe Führung. »Die Männer machen nichts als ein bissel Wachdienst, dessen Einteilung eben so wenig straff gehandhabt wird wie die übrigen Angelegenheiten des Kommandos«, meinte Bormann festgestellt zu haben: Die Chargen des Kommandos fühlen sich Truppenoffizieren gleichwertig, obwohl sie die Aufgaben dieser Truppenoffiziere weder bewältigen können noch übernehmen wollen. Die lasche Kommando-Führung schien erträglich, solange dieses Kommando aus wenigen Männern bestand. Der Vorteil des Kommandos beruhte auf der langjährigen Erfahrung aller Angehörigen bei den vielen Reisen des Führers. (…) Wegen ihres Alters und wegen ihrer inzwischen erreichten hohen Chargen sind die meisten Angehörigen des Kommandos nicht mehr als Ordonnanzen, Läufer, Telefonisten und dergleichen zu verwenden. Sie brauchen im Gegenteil selbst Läufer und Ordonnanzen und sind unzufrieden, wenn diese nicht in genügender Zahl zugeteilt werden.17

Einen Wunsch zur Unterbringung des Kommandos auf dem Obersalzberg lehnte Bormann gegenüber SS-Obergruppenführer Julius Schaub, Hitlers persönlichem Adjutanten, am 17. November 1944 ab.18 Bormanns Vorwürfe wollte Himmler so nicht akzeptieren. Deshalb antwortete er am 2. November 1944, auch er sorge sich seit zwei/drei Jahren um das Begleitkommando.19 Tatsache aber sei, dass Hitler jede Versetzung von alten Männern, die Ihnen ja alle wohl bekannt sein dürften, sowohl mir gegenüber als auch gegenüber SS-Oberst-Gruppenführer Sepp Dietrich Zwiespalt mit Himmler  119

striktest und energischst abgelehnt hat. Er hat SS-Oberst-Gruppenführer Dietrich einmal gesagt: Solange er lebe, werde er keinen dieser Männer hergeben. Dabei ergibt sich ganz von allein Folgendes: 1. Diese Männer, die zum großen Teil durch den Führer selbst zu höheren Dienstgraden befördert wurden, sind heute in keiner Weise mehr so beweglich und jung, dass sie den ursprünglich geplanten Schutz für den Führer darstellen. 2. Da das Begleitkommando nur eine bestimmte Stärke haben kann, blockiert man dadurch das Nachströmen jungen, tatkräftigen Nachwuchses. 3. Der derzeitige Kommandoführer ist ein braver, alter SS-Mann, hat aber nicht die Möglichkeit, sein Kommando zu erziehen und junge Leute wirklich heranzubilden. Außer diesen Punkten gibt es noch manche andere Gesichtspunkte, die nachteilig sind. Ich glaube, es ist am besten, wenn wir bei einer der nächsten Gelegenheiten noch einmal über diesen ganzen Komplex sprechen.

Kontroversen um den Postschutz Zu heftigen Kontroversen zwischen Bormann auf der einen und Reichspostminister Wilhelm Ohnesorge sowie Himmler auf der anderen Seite kam es im Zusammenhang mit dem sogenannten Postschutz, einer 1933 aufgestellten bewaffneten Organisation, die im März 1942 der Allgemeinen SS unter- und damit den übrigen »Kampforganisationen« der NSDAP gleichgestellt wurde. Gottlob Berger war militärischer Leiter des Postschutzes und verantwortlich für Ausbildung und Bewaffnung. Als Leiter der Partei-Kanzlei schrieb Bormann am 26. März 1943 an Himmler: Der Reichspostminister hat zu Beginn dieses Jahres eine verstärkte Werbung für den Postschutz angeordnet. Durch diese Werbung soll – wie es in der Anordnung heißt – erreicht werden, dass innerhalb des Postdienstes alle männlichen Gefolgschaftsmitglieder dem Postschutz oder der Postschutzreserve angehören. Da der Postschutz Bestandteil der Allgemeinen SS geworden ist, bedeutet die Anordnung des Reichspostministers praktisch, dass in Zukunft jeder Postbedienstete zwangsläufig Angehöriger der Allgemeinen SS sein wird. 120  Die braune Eminenz

Ich habe den Reichspostminister gebeten, seine Anordnung über die verstärkte Werbung aufzuheben und auch innerhalb des Postschutzes den Grundsatz der Freiwilligkeit zu wahren. Ich kann nicht annehmen, dass es in Ihrer Absicht liegt, von dem Prinzip einer scharfen Auslese für die Allgemeine SS abzugehen. Ich wäre deshalb für Ihre Stellungnahme dankbar, ob und in welcher Form in Zukunft die Aufnahmebestimmungen für den Postschutz denen der allgemeinen SS angeglichen werden sollen.20

Berger reagierte am 7. April 1943 mit einer Stellungnahme für den Leiter von Himmlers persönlichem Stab, SS-Obersturmbannführer Rudolf Brandt: Lieber Doktor, seit Wochen, ja, ich kann sagen, seit Monaten weise ich darauf hin, dass Kräfte innerhalb der Deutschen Reichspost in enger Zusammenarbeit mit SS-Standartenführer Dr. [Karl] Kernert in der Parteikanzlei am Werke sind, das gute Einvernehmen zwischen Reichsführer-SS und Reichspostminister Dr. Ohnesorge zu zerstören. Es wurde nichts unversucht gelassen. (…) Reichsleiter Bormann kann keinesfalls dem Reichspostminister Vorschriften machen über ergangene Erlasse zur Verstärkung des Postschutzes. Übernimmt Reichsleiter Bormann die Verantwortung bei irgendwelchen Unruhen? Es wurde ausschließlich für den Postschutz geworben. Dass nur noch SS-Angehörige in der Deutschen Reichspost sein dürfen, das glaubt doch niemand, dass aber die Männer, die zum Postschutz kommen, Angehörige der Allgemeinen-SS sein müssen, hat ja der Führer befohlen! Im Übrigen, weiß Reichsleiter Bormann überhaupt, wie stark der Postschutz ist? Weiß er überhaupt, um was für Männer es sich handelt? Wenn er das wissen würde, dann hätte er diesen Brief nicht geschrieben. Er ist glatt auf irgendwelche Angaben und das Geschrei der SA hereingefallen und wirklich in jeder Hinsicht der Dumme. Der Reichspostminister wird sich das nicht gefallen lassen, das kann ich schon heute sagen, und wird sich persönlich an den Führer wenden. Es wäre viel besser gewesen, die Parteikanzlei, d. h. Reichsleiter Bormann, hätte hier beim SS-Hauptamt angefragt und zahlenmäßig feststellen lassen, um wie viel Männer es sich dreht, wie viel neu dazukommen, wie viel hiervon SS-tauglich, nur über die Dauer des Krieges übernommen worden sind aus reinen Sicherheitsgründen, wie viel junge Jahrgänge ab 08 dabei sind und wie viel Weltkriegsteilnehmer. Das Kontroversen um den Postschutz  121

hätte dann alles ein ganz anderes Bild gegeben, und der Brief, der – weil es sich um einen ganz ungerechtfertigten Angriff handelt – Verbitterung hervorruft, wäre nicht notwendig gewesen. Es ist im Übrigen auch ganz eigenartig, dass zuerst von den Gliederungen der Partei verlangt wurde, dass wir mit unseren Auslesebestimmungen nicht so scharf sein sollten, sondern großzügigst ermöglichen, auch Angehörige der SA, des NSKK und des NSFK in den Postschutz zu übernehmen. Nun kommt auf einmal die Bremse! Wenn ich mich in der heutigen Zeit auf die SS-Bestimmungen zurückziehen würde, dann kann ich morgen den Postschutz aufgeben. Denn junge Leute sind überhaupt nicht da. Es handelt sich zu 82 Prozent um den Jahrgang 04 und älter. Aber wenn die Partei-Kanzlei den Schutz der Deutschen Reichspost übernimmt, habe ich nichts dagegen. Von diesem Brief habe ich einen Durchschlag mehr machen lassen für unsere Enkel. Den werde ich an einem besonders sicheren Ort aufbewahren, damit man in 30 oder 50 Jahren erkennen kann, mit was für Dingen man in Deutschland gespielt hat und was in Deutschland wichtig war ausgerechnet in dem Augenblick, wo Europa in Brand aufzugehen droht.21

Am 29. April 1943 gab Berger seiner Hoffnung Ausdruck, »dass Reichsleiter Bormann nun endlich einmal einsieht, dass er in dieser Frage Postschutz von seinen zuständigen Herren sehr schlecht, in einem SS-feindlichen Sinne beraten wurde. Vielleicht, dazu bitte ich dann die Unterstützung des Reichsführers-SS, trägt dieses Schreiben nun dazu bei, die schrägen Vögel, wenn nicht auszuschalten, so doch in ihrer Tätigkeit einzuschränken.«22 Auch Reichspostminister Wilhelm Ohnesorge wandte sich an Bormann und versuchte am 6. Mai 1943 seine Position, die identisch mit der der SS war, darzustellen: Ich habe in meiner Verwaltung bisher die Interessen der Partei stärker als jede andere Verwaltung vertreten und habe dabei keine Organisation der Partei bevorzugt oder zurückgestellt. So habe ich vor allem das NSKK, NSFK und die SA in der Durchführung ihrer vormilitärischen Ausbildung weitgehendst durch Zurverfügungstellung von Werkstätten und der für die handwerkliche Schulung erforderlichen Maschinen, Werkzeuge, Baumaterialien, Ausstattungsgegenstände usw., durch die Bereitstellung für die vor122  Die braune Eminenz

militärisch auszubildende Jugend notwendigen Ausbilder und für das NSFK seit 1941 durch weitgehende Förderung bei der vormilitärischen Fliegerfunkausbildung unterstützt. Wie weit diese Förderung der Gliederungen durch die Deutsche Reichspost gegangen ist, können Sie z. B. daraus ersehen, dass von den 1080 Funklehrern des NSFK allein 960 Männer Angehörige der Deutschen Reichspost sind und dass die im Bereiche der Deutschen Reichspost und mit deren Unterstützung im Laufe der Jahre für das NSFK geworbenen 300 000 Förderer 47 Prozent der Gesamtförderer (636 000) darstellt. Wie weit die finanzielle Unterstützung der Gliederungen der Partei geht, wollen Sie daraus ersehen, dass ich seit 1938 jährlich allein dem NSKK eine laufende Zuwendung von 50 000 RM zahle. Die einzigste Gliederung der Partei, die bisher nicht in dieser Art wie das NSFK, NSKK und die SA unterstützt worden ist, ist die SS. Der Vorwurf, dass ich die SS gegenüber anderen Parteigliederungen bevorzugen würde, ist also völlig ungerechtfertigt. Dagegen habe ich eine verstärkte Werbung für den Postschutz aus dienstlichen Gründen vornehmen müssen. Ich habe schon früher von den männlichen Angehörigen der Deutschen Reichspost verlangt, dass sie dem Postschutz als Mitglied angehören. Durch die unsicheren Verhältnisse in der Südkrain und Südsteiermark, in der Ukraine, in Holland, im Ostland und in den übrigen besetzten und von meiner Verwaltung zu betreuenden Gebieten bin ich gezwungen gewesen, den Postschutz erneut aufzubauen, da mir die staatlichen Sicherheitsorgane einen Schutz der Einrichtung meiner Verwaltung in diesen Gebieten nicht gewährleisten konnten. So hat erst kürzlich das Wehrkreiskommando VI eilig eine schriftliche Erklärung der Deutschen Reichspost darüber verlangt, dass sie den Schutz von kriegswichtigen Posteinrichtungen auch um Sonderfalle, d. h. im Falle feindlicher Handlungen auf dem Festlande selbst übernommen habe und auf militärischen Schutz verzichte. In einem weiteren Schreiben hat die Wehrmachtsnachrichtenkommandantur in Münster eine Überprüfung der Schutzmaßnahmen bei den Ämtern mit fernmeldetechnischen Einrichtungen gebeten und dazu folgendes mitgeteilt: »Es darf nicht erwartet werden, dass die fernmeldetechnischen Einrichtungen der Deutschen Reichspost wie bisher auch weiterhin von Sabotageversuchen verschont bleiben. Vielmehr ist mit Sicherheit damit zu rechnen, dass in nächster Zeit vermehrt Sabotageakte verübt werden, und zwar nicht nur heimlich, sondern auch mit offener Gewalt.« So ist Kontroversen um den Postschutz  123

es dann mit ausdrücklicher Genehmigung des Führers zu der Verbindung des Postschutzes mit der SS gekommen, und der Führer hat mir selbst seine Freude über diese Vereinigung ausgesprochen. Die Stärke und der Ausbau des Postschutzes richtet sich allein nach den dienstlichen Notwendigkeiten meiner Verwaltung. Es ist hierbei zu berücksichtigen, dass in den weitverzweigten Gebieten des Ostens und in den übrigen besetzten Gebieten eine sehr große Anzahl von Fernmeldeeinrichtungen, Verstärkerämtern usw. durch meine Verwaltung zu betreuen und auch zu schützen sind, dass es ferner notwendig ist, die Kraftpostlinien vor den wiederholten Überfällen, die bereits eine große Anzahl von Opfern gefordert haben, und deren Schutz durch die Polizeiorgane abgelehnt worden ist, durch meinen Postschutz zu schützen. (…) Der Eintritt in den Postschutz ist völlig freiwillig. Es wird kein Zwang ausgeübt und ist auch kein Zwang ausgeübt worden. Die Mitgliedschaft im Postschutz schließt aber auch nicht, wie Sie in Ihrem Schreiben vom 26. März unterstellen, die Betätigung als Politischer Leiter aus. Im Übrigen darf ich auf Folgendes hinweisen. Durch die Übernahme in die Allgemeine SS hat die Waffen-SS die Möglichkeit, auch unter den Postangehörigen weitgehendst zu rekrutieren. Ich habe mich beim Aufruf zur freiwilligen Meldung für den Postschutz hiervon leiten lassen und ich nehme an, dass auch Sie unter diesem Gesichtspunkt für meine Werbemaßnahmen immer volles Verständnis aufbringen.23

Contis Demontage Innerhalb der NS-Führung isoliert fühlte sich auch Reichsgesundheitsführer Leonardo Conti. Seine Schreiben an die Partei-Kanzlei beinhalteten in der Regel Hinweise auf die Gefährdung der Volksgesundheit und wirkten daher auf Bormann eher störend. Er wird nicht gern gelesen haben, dass beispielsweise schon im Frühjahr 1942 beträchtliche Gewichtsabnahmen bei Jugendlichen, arbeitenden Frauen und nicht eingezogenen Männern zu verzeichnen waren, und zwar nicht nur in Großstädten, sondern auch in ländlichen Gebieten.24 Beim Festakt für den an den Folgen eines Attentats verstorbenen Chef des Reichssicherheitshauptamts sowie stellvertretenden Reichsprotektor für Böhmen und Mähren, Reinhard Heydrich, in Berlin hätten »die spalier­bildenden 124  Die braune Eminenz

Jungen fast durchweg schlecht ausgesehen«. Fehlgeburten nähmen zu, und aus einem Südgau sei berichtet worden, »dass zum ersten Mal wieder mit Hinweis auf die vermehrte Arbeit an die Ärzte das Ansinnen gestellt wird, Abtreibungen vorzunehmen«. Am 1. Mai 1943 wandte sich Conti in eigener Sache Hilfe suchend an Bormann.25 Seinem Ansehen und seiner Arbeit werde bewusst geschadet, indem bei einem Kameradschaftsabend des Chefs des Wehrmachtssanitätswesens das Gerücht gestreut worden sei, er, Conti, strebe ein über dem zivilen und militärischen Sektor stehendes Reichsgesundheitsministerium an. Das aber sei nicht genehmigt worden. Weil es im zivilen Gesundheitswesen zahlreiche Mängel gebe, habe der »Führer« seinen Begleitarzt, Prof. Karl Brandt, zum Generalkommissar, zum Leiter des gesamten medizinischen Vorrats- und Versorgungswesen und zum Koordinator der medizinischen Forschung ernannt. Conti klagte gegenüber Bormann sein Leid: Sie werden es mir nachfühlen können, dass ich diese Situation unerträglich finde und die Stunde einer endgültig klaren Entscheidung sehnsüchtigst erwarte. (…) Es kann neben dem Reichsgesundheitsführer nicht einen Generalkommissar des Führers geben, der sich überall einschalten kann. (…) Das an und für sich schon zersplitterte Gesundheitswesen wird durch die neue Sachlage einem Chaos und einer Auflösung zugetrieben. Ich kann dies als der für das Gesundheitswesen Verantwortliche, aber auch als Nationalsozialist, nicht weitermachen. Jeder Tag, der verstreicht, bevor eine eindeutige Klärung erfolgt, schädigt mein Aufgabengebiet und damit auch das deutsche Volk.26

Dennoch übersandte Staatssekretär Klopfer Conti den Entwurf eines Hitler-Erlasses, in dem es hieß: »Mein Generalkommissar Prof. Dr. med. Brandt, ist beauftragt, zentral die Aufgaben und Interessen des gesamten Sanitäts- und Gesundheitswesens zusammenzufassen und weisungsgemäß zu steuern«, und bat um Stellungnahme.27 Am selben Tag antwortete Conti per Fernschreiben, die »neue und außerordentlich weitgehende Beauftragung würde nicht nur einen völligen Dualismus gegenüber den bestehenden Einrichtungen bedeuten, sondern vielmehr ein Chaos herbeiführen«.28 Unterstützung bei Bormann fand Conti nicht. Dieser ließ den Reichsgesundheitsführer am 6. August 1943 Contis Demontage  125

wissen, Contis Einschätzung sei verständlich, aber er möge doch baldigst mit Herrn Dr. Brandt über die anstehenden Tagesfragen und auch über die Röntgenangelegenheit sprechen.29 Bei dieser »Röntgenangelegenheit« handelte es sich um Kastrationsversuche mittels Röntgenstrahlen. Vor allem in den Konzentrationslagern fanden Kastrationen auf diese Weise statt. Nach zahlreichen herabwürdigenden Versuchen war die Kanzlei des Führers der NSDAP, also Bouhler, allerdings zu dem Schluss gekommen, eine Kastration des Mannes auf diesem Weg »sei ziemlich ausgeschlossen oder erfordere einen Aufwand, der sich nicht lohne«. Demgegenüber dauere die operative Kastration nur sechs bis sieben Minuten und sei damit »zuverlässiger und schneller zu bewerkstelligen als die Kastration mit Röntgenstrahlen«.30 Einen Empfang bei Hitler nutzte Conti, um im Anschluss mit Bormann seine Situation zu besprechen. Er habe Bormann zu erkennen gegeben, dass er nun »nach so vielen Jahren dem Führer Vortrag halten« müsse. Ein Gauleiter habe bereits davon gesprochen, »der Conti sei mehr oder weniger ein toter Mann. (…) Bormann meinte, ich solle mich durch solche Dinge nicht in Minderwertigkeitskomplexe hineinjagen lassen. Viele Minister und Reichsleiter seien länger nicht beim Führer gewesen. Thierack sei ein einziges Mal da gewesen.« Der Führer wisse Bescheid, aber Bormann und Lammers sollten erst einmal eine Klärung herbeiführen. Als Conti auf Klärung der Sachlage drängte, sei Bormann »etwas ärgerlich« geworden. »Sie müssen aber auch vernünftig sein. Und machen Sie sich keine Sorgen, im Besonderen bekommen Sie keine Minderwertigkeitskomplexe. Dass sie kein toter Mann sind, wird sich schon zeigen, wenn die notwendigen Schritte erfolgen. Auf solch Gerede dürfen Sie gar nichts geben. Halten Sie sich an Lammers, ohne ihm direkt auf die Nerven zu fallen. Er ist derjenige, der zunächst die Dinge in der Hand und zu ordnen hat.«31

Bormanns Demissionsgesuch Die Auseinandersetzung zwischen Conti und Brandt hatte Folgen, die weithin unbekannt sind. Bormann ersuchte Hitler um seine Entlassung als »Sekretär des Führers« und um seine Versetzung an die Front. In einem ausführlichen Brief berichtete er seiner Frau darüber und ließ 126  Die braune Eminenz

keinen Zweifel daran, wie sehr er den Begleitarzt Hitlers, Karl Brandt, SS-Obergruppenführer, Euthanasiebeauftragter und Bevollmächtigter für das Sanitäts- und Gesundheitswesen, ablehnte. Am 14. August 1944 schrieb Bormann, das sei ein schwarzer Tag für ihn gewesen, der ihn aus dem Gleichgewicht gebracht habe.32 Er habe immer viel von Brandt gehalten und ihn für das Ehrenkreuz vorgeschlagen. Dann habe sich Brandt aber gegenüber Conti in einer unerfreulichen Weise verhalten. Er habe dessen Reputation infrage gestellt und auf unglaublich raffinierte Weise verhindert, dass Conti mit Hitler zusammentraf. Brandt habe ein kühnes Vorhaben verfolgt, um seine eigenen ehrgeizigen Pläne zu verwirklichen, und zwar mithilfe von Speer, dessen Vertreter Saur & Co. Er habe versucht, Conti die Gelegenheit zu geben, wenigstens einmal selbst mit Hitler zu sprechen, bevor er »geschlachtet« werde. Zu seinem großen Kummer habe sich Hitler, der alles, was positiv über Brandt erzählt werde, glaube, sehr verärgert gezeigt. Bormann habe Hitler gesagt, dass er – um ihn zu schonen – nicht alle Beschwerden gegen Brandt weitergegeben habe. Brandt habe bewusst und raffiniert ein Netz gesponnen, und es sei eine Ungerechtigkeit, Conti als völlig inkompetent darzustellen beziehungsweise seine Schwächen hochzuspielen. Ein Mann, der der erste Arzt im roten Berlin gewesen sei, habe es nicht verdient, in dieser Weise von einem Emporkömmling wie Brandt in Schwierigkeiten gebracht zu werden. Er habe Hitler gesagt, dass in seinen Augen Brandt ein ehrgeiziger Emporkömmling und ein Intrigant sei, mit dem er nicht am selben Tisch sitzen wolle. Obwohl er wiederholt und dringend um seine Entlassung gebeten habe, habe der Führer dies leider abgelehnt. Dieses Ereignis habe ihn völlig erschüttert, was sehr viel über ihn Aussage. Bormann bezeichnete Brandt weiter als »widerlich« und riet Gerda Bormann dringend, sich nicht von Brandt beeindrucken zu lassen, er sei einer der cleversten Betrüger, die er kenne. Falls Bormann sein Rücktrittsangebot tatsächlich ernst gemeint haben sollte, würde dies einen Blick auf eine völlig neue oder doch zumindest unbe­kannte Facette seines Charakters zulassen. Wenn man einen posi­ tiven Aspekt darin erkennen will, dann den, dass Bormann anders als die vielen Liebediener um Hitler zu seiner Überzeugung stand und selbst die Demission in Kauf zu nehmen bereit war. Man mag hier von Charakter­ festigkeit sprechen. Wenn dies denn so stimmt, dürfte jedoch andererseits bewiesen sein, dass Bormann Hitlers menschenverachtende Politik Bormanns Demissionsgesuch  127

im Übrigen guthieß und sich mit ihr identifizierte, denn von weiteren Rücktrittsgesuchen ist nichts bekannt. Insofern war er sicherlich der treueste – und »ehrlichste« aller Hitler-Vasallen.

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Der Kirchenkampf

Der Name Martin Bormann steht wie kein anderer für die Verfolgung des Christentums und ganz besonders der Amtskirche während des »Dritten Reichs«, wenngleich auch viele andere NS-Repräsentanten ihm in ihrem Hass auf die christlichen Kirchen kaum nachstanden. Für den Reichsführer-SS, Heinrich Himmler, beispielsweise waren Christen und vor allem Priester nicht mehr als «Bolschewisten»: Der gesamte Inhalt der Priesterschaft und des gesamten Christentums ist nach meiner festesten Überzeugung nach ein erotischer Männerbund zur Aufrichtung und Aufrechterhaltung dieses 2000-jährigen Bolschewismus. (…) Ich habe die Überzeugung, dass die römischen Kaiser, die die ersten Christen ausrotteten, genau dasselbe getan haben, was wir den Kommunisten heute tun. Diese Christen waren damals die übelste Hefe, die die Großstadt [Rom] aufgenommen hatte, das übelste Judenvolk, die übelsten Bolschewiken, die es gab.1

Einem sehr hohen Vertreter der Kirche soll er gesagt haben: »Eure Zeit ist vorbei, jetzt kommt an Euch genau das heran, was Ihr uns getan habt. Die 2000 Jahre sind herum, die Ihr an der Sonne und wir im Schatten gelebt haben. Jetzt kommt die Zeit, in der wir an der Sonne leben und Ihr im Schatten.«2 Hitler ließ kaum eine Gelegenheit aus, die Kirchen und ihre Vertreter zu verspotten. Bei den Katholiken gingen nur »die alten Weiblein in die Kirche: weil sie der irdischen Lust entsagen müssen«.3 Das sei lauter »dürres Holz«. Er, Hitler, habe sich geweigert, am 21. März 19334 die Kirche zu besuchen. Er habe sich in der Partei nie darum gekümmert, welcher Konfession seine Umgebung sei. Der ganze katholische Kirchenglauben sei eine »unglaublich schlaue Mischung von Heuchelei und Geschäft unter Ausnutzung der menschlichen Anklammerung an die überkommene Gewohnheit«.5 Ein gebildeter Geistlicher könne »unmöglich den Unsinn glauben, den die Kirche verzapfe«. Aus seinen Gesprächen mit dem »Führer« zitierte Bormann, dass Hitler zwar Bormanns Demissionsgesuch  129

Duelle grundsätzlich ablehnte, er sie jedoch in einigen Ausnahmefällen befürworten würde: »Ich würde Duelle erlauben grundsätzlich nur zwischen geistlichen Herren und zwischen Juristen.«6 Während aber Hitler weder aus der katholischen Kirche austrat noch von ihr exkommuniziert wurde – was man angesichts seiner auch dem Vatikan nicht verborgen gebliebenen menschenverachtenden, mörderischen Politik durchaus hätte erwarten dürfen – und zeitlebens Kirchensteuern zahlte, war Bormann 1936 aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Dagegen ließ beispielsweise Reichsmarschall Hermann Göring am 4. November 1938 seine Tochter Edda kirchlich taufen, was für erheblichen Unmut bei Kirchenfeind Bormann sorgte.7 Immerhin: Reichsbischof Ludwig Müller nahm die Taufe vor und Hitler selbst war Taufpate. Als Geschenk brachte der Staatssekretär im Luftfahrtministerium Erhard Milch einen Lucas Cranach mit, die Stadt Köln schenkte ebenfalls einen Cranach (»Madonna mit dem Kind«) und Zehntausende von Offizieren und Soldaten der Luftwaffe spendeten aus diesem Anlass für das »Edda-Schlösschen« im Garten von Carinhall.8 In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass Bormann auch in einem anderen Fall mit Göring haderte: Er hatte herausgefunden, dass Görings

15 Hitler bei Göring und seiner Frau im Anwesen Carinhall in der Schorfheide.

130  Der Kirchenkampf

Kindermädchen nicht der NSDAP angehörte. Görings Frau Emmy wies Bormanns Vorwürfe mit dem Hinweis zurück, sie sei auch kein Parteimitglied. Hitler verlieh ihr daraufhin zu Weihnachten 1944 das »Goldene Parteiabzeichen«, um sie vor weiteren Attacken Bormanns zu bewahren.9 Nach außen hin bekannte sich die NSDAP zur Glaubensfreiheit, und Heß ordnete als Hitlers Stellvertreter am 17. Oktober 1933 an: »Kein Nationalsozialist darf irgendwie benachteiligt werden, weil er sich nicht zu einer bestimmten Glaubensrichtung oder Konfession oder weil er sich zu überhaupt keiner Konfession bekennt. Der Glaube ist eines jeden eigenste Angelegenheit, die er nur vor seinem Gewissen zu verantworten hat. Gewissenszwang dar nicht ausgeübt werden.«10 Dieser Erlass stellte ebenso eine Augenwischerei dar wie die Bildung einer »Abteilung für kulturellen Frieden«.11 Heß erklärte, der »Führer« habe eine solche Abteilung gebilligt, die alle mit den Kirchen zusammenhängenden Fragen bearbeiten solle. Gerade bei der Behandlung dieser schwierigen Fragen müsse unbedingt einheitlich und streng nach den Weisungen des »Führers« vorgegangen werden. Zum Leiter der Abteilung wurde NSDAP-Mitglied Hermann von Detten berufen, der bis dahin der »Arbeitsgemeinschaft katholischer Deutscher« angehört hatte. Die Abteilung wurde 1936 bereits wieder aufgelöst, ohne im Geringsten etwas bewirkt zu haben. Das Verhältnis Hitlers zur Kirche beschrieb Albert Zoller in den 1949 erschienenen Erinnerungen Hitler privat in treffender Weise. Hitler sei klug genug gewesen zu wissen, dass er den moralischen Halt, den der religiöse Glaube bot, nicht rücksichtslos beseitigen konnte. »Das Parteiprogramm hatte ausdrücklich Religionsfreiheit verkündet. Viele Parteigenossen waren auch nicht aus der Kirche ausgetreten, sondern hielten treu an ihrem Glauben fest. Hitler wusste zudem, dass viele Menschen, die sich nach außen hin von ihrer Konfession gelöst hatten, im Innern noch gläubig waren und sich diesen moralischen Halt besonders im Leid und Elend des Kriegs bewahrten. Es ist bekannt, dass Bormann gerade während des Kriegs einen eigenen zynischen Krieg gegen die Kirche in Süddeutschland begann und aus Schulen und Privathäusern Kreuze und christliche Symbole entfernen ließ. Damit entfesselte er aber eine wahre Revolte nicht nur unter den Gläubigen, sondern auch unter den Menschen, die sonst gleichgültiger in religiösen Dingen waren. Deshalb gebot Hitler ihm halt. Bormanns Bormanns Demissionsgesuch  131

Fanatismus, verbunden mit einer völligen Unkenntnis der menschlichen Psychologie, hatte nicht begriffen, dass dieser Feldzug gegen die Kirche zu einem Zeitpunkt, in dem die Menschen schwerste seelische Belastungen auferlegt waren, nur Hass erzeugen musste.«12 Den von Bormann geführten Kirchenkampf hatte Hitler also mit einer erheblichen Skepsis betrachtet – nicht weil er inhaltlich anderer Auffassung war, sondern weil er während des Kriegs zusätzliche Konfrontationsfelder vermeiden wollte. Diese Ansicht wird von Ernst Kaltenbrunner, in der Nachfolge Heydrichs Chef des Reichssicher­ heitshauptamtes (RSHA), gestützt. Er erklärte vor dem Nürnberger Militärtribunal, Hitler habe zumindest während des Krieges eine Art »Burgfrieden-Zustand« gewollt. Dagegen sei Bormann »trotz dieser hitlerischen Einstellung (…) weiterhin aktiv gegen die Kirche aufgetreten«.13 Ebenfalls vor dem Nürnberger Militärtribunal nahm Franz von Papen, der letzte Reichskanzler vor Hitler und danach für ein Jahr sein Stellvertreter, Stellung zu dem 1933 mit dem Vatikan geschlossenen Konkordat und zu der Tatsache, dass hiergegen von deutscher Seite schon bald verstoßen wurde: »Ich glaube, dass zu jener Zeit Hitler selbst durchaus willig war, den religiösen Frieden zu halten, dass aber die radikalen Elemente seiner Partei es nicht wünschten und dass es vor allen Dingen der Einfluss von Goebbels und von Bormann ist, die Hitler immer erneut zu Verstößen auf dem kirchenpolitischen Gebiet drängten.«14 Es wäre sicherlich falsch, von Papens Einschätzung überzubewerten. Auch Hitler war ein Gegner der Kirche, der katholischen insbesondere. Hätte sich die Kirche uneingeschränkt auf seine Seite gestellt, hätte er sie gefördert – nicht des Glaubens wegen, sondern als ein Instrument zu seiner Machtsicherung. Hitlers Stenograf Henry Picker notierte über ein »Tischgespräch« vom 11. Mai 1941, er habe in Bormanns Auftrag Hitler ein Fernschreiben des SD vorgelegt, nach dem die deutschen Bischöfe am selben Tag einen Hirtenbrief verlesen würden. Darin heiße es, dass die NS-Regierung den auf der Grundlage des Konkordats selbstverständlichen »Kriegs-Burgfrieden« breche, obwohl 93 Prozent des deutschen Volks christlich seien. Hitler habe angeordnet, nicht gegen den Hirtenbrief vorzugehen und stattdessen in der Presse die Verbundenheit mit der Ostfront herauszustellen.15

132  Der Kirchenkampf

Die in diesem Punkt pragmatische Haltung Hitlers versuchte Bormann auf eine für ihn typische Weise zu unterminieren. In seinen Erinnerungen beschrieb Albert Speer Bormanns perfides Vorgehen: Er benutzte jede Gelegenheit, um seine Absichten voranzutreiben; selbst beim Mittagessen brach er die unausgesprochene Verabredung, keine Themen zur Sprache zu bringen, die geeignet seien, Hitler die Laune zu verderben. Für solche Vorstöße hatte Bormann eine eigene Technik entwickelt. Er ließ sich von einem Teilnehmer der Runde den Ball zuspielen, indem er ihn zunächst laut erzählen ließ, welche aufrührerischen Reden ein Pfarrer oder Bischof gehalten habe, bis Hitler schließlich aufmerksam wurde und Einzelheiten verlangte. Bormann entgegnete, etwas Unangenehmes sei passiert, immerhin, er wolle Hitler damit beim Essen nicht behelligen. Nun forschte Hitler weiter und Bormann tat, als ließe er sich seinen Bericht abringen. Die zornigen Blicke seiner Mitgäste störten ihn ebenso wenig, wie das rot anlaufende Gesicht Hitlers. Irgendwann zog er dann ein Aktenstück aus der Tasche und begann Passagen aus einer aufsässigen Predigt oder einer Kirchenbotschaft zu verlesen. Hitler wurde daraufhin oft so erregt, dass er – untrügliches Zeichen seines Unmutes – mit den Fingern zu schnalzen begann, sein Essen abbrach und Vergeltung für später ankündigte.16

Auch diese Darstellung widerspricht der Behauptung des Kaltenbrunner-Biografen Peter Black, »selbst so ein pathologischer Feind des Christentums wie Martin Bormann« habe davor gewarnt, durch Angriffe auf die Kirchen Unruhe unter der Bevölkerung zu erzeugen.17 Baldur von Schirach, erster Reichsjugendführer, sprach vor dem Nürnberger Militärtribunal davon, Bormann habe »seine antireligiöse Gesinnung am deutlichsten in den Jahren 1943, aber schon beginnend 1937, gezeigt«.18 Zu dieser Zeit war Bormann noch Stabsleiter beim Stellvertreter des Führers, Rudolf Heß, betrieb aber sehr wohl seine eigenständige antikirchliche Politik. So kümmerte er sich beispielsweise um Formulare, auf denen »Ehrenpatenschaften durch den Führer« beantragt werden konnten.19 Dort traten Fragen auf wie »Wann soll die Taufe stattfinden?« oder »Wann hat sie bereits stattgefunden?« Bormann monierte, dass viele »Partei- und Volksgenossen« aus der Kirche ausgetreten und dennoch »gottgläubig« seien. Vonseiten der Kirche werde nun suggeriert, »dass sowohl der Führer als auch der Preußische Bormanns Demissionsgesuch  133

Ministerpräsident die Ehrenpatenschaft nicht übernehmen, wenn die Kinder nicht kirchlich getauft sind«. Das habe zu Gewissenskonflikten von Partei- und Volksgenossen geführt, die, um die Ehrenpatenschaft zu erlangen, gegen ihre Überzeugung wieder in die Kirche eingetreten seien. Die Formulare dürften darum nicht weiterverwendet werden. Frühzeitig, nämlich am 7. Januar 1936, hatte Bormann auch die Gestapo für seinen Kirchenkampf eingespannt: »Nehmen Pfarrer oder sonstige katholische Unterführer gegen den Staat oder die Partei Stellung, so ist Meldung hierüber auf dem Dienstwege an die Geheime Staatspolizei zu erstatten.« Das aber bedeutete für die Betroffenen Verhaftung, Folter, die Einweisung in Konzentrationslager und häufig den Tod. Bormann bekräftigte gleichzeitig eine am 14. November 1935 erlassene Anordnung, der zufolge »sämtliche Parteidienststellen von der Behandlung religiöser bzw. kirchlicher Fragen unbedingt Abstand zu nehmen hätten«. Allen Unterführern der Partei, ihrer Gliederungen und angeschlossenen Verbänden sei es untersagt, »in die religiösen bzw. kirchlichen Kämpfe unserer Zeit in irgendeiner Form einzugreifen«.20

Forcierung der Kirchenaustritte Bormann wollte zweifellos die christlichen Kirchen als Institution auslöschen. In einer ungeheuren Zahl von Anordnungen und Rundschreiben drangsalierte er ihre Repräsentanten und ihre Mitglieder. Er ging ohne Rücksicht auf die Stimmung im Volk vor, oft sehr zum Missfallen anderer NS-Führer. In einem ersten Schritt plante Bormann, die Kirchen zunächst durch Mitgliederverlust zu schwächen. Es entsprach dabei seiner Wesensart, sich häufig hinter Scheinargumenten zu verschanzen, so auch hier. Für den Kirchenaustritt waren damals im Reich Gebühren in Höhe von 2 beziehungsweise 5 Reichsmark zu zahlen, was Bormann für unangebracht zu halten vorgab.21 Er verwies gegenüber dem Reichsminister der Justiz darauf, die völlige Glaubensfreiheit sei »oberster Grundsatz für das gesamte Staatswesen«. Es würde aber der Glaubens- und Gewissensfreiheit widersprechen, wenn für die prak­ tischen Folgerungen, die der Einzelne daraus ziehe, nämlich den Kirchenaustritt, eine staatliche Gebühr erhoben würde. Im Übrigen könnten viele Menschen die erforderlichen Mittel nicht aufbringen. Der 134  Der Kirchenkampf

Justizminister möge daher »beschleunigt« für das ganze Reich die volle Gebührenfreiheit einführen. In der Regel war das persönliche Erscheinen der Austrittswilligen bei den staatlichen oder kirchlichen Behörden erforderlich. Damit war es vor allem Wehrmachtsangehörigen, die im Felde standen, häufig nicht möglich, den Kirchenaustritt zu vollziehen. Für Bormann stellte es jedoch keine Schwierigkeit dar, Soldaten die Formalitäten zum Verlassen der Amtskirche zu erleichtern. Am 7. Februar 1940 erließ der Justizminister auf Drängen Bormanns eine Vorschrift, nach der Kirchenaustrittserklärungen auch durch den militärischen Disziplinarvorgesetzten, zum Beispiel den Kompaniechef, beglaubigt werden konnten. Einer öffentlichen Beglaubigung durch ein Amtsgericht oder eines Notars bedurfte es nicht mehr. Auf die angebliche »religiöse Toleranz« des nationalsozialistischen Staates berief sich Bormann ein weiteres Mal, als er einen sofortigen Erlass zur Vereinheitlichung des Kirchenaustrittsrechts forderte.22 Die Kirchensteuerpflicht erfolgte keineswegs immer mit dem Kirchenaustritt, sondern in einigen Ländern des Reichs – wie in Schaumburg-Lippe – erst zwei Jahre später. Bormann verlangte »mit Rücksicht auf die unhaltbaren Auswirkungen« und im Hinblick auf die »Kriegswichtigkeit« unmissverständlich ein Ende dieser unterschiedlichen Praxis. Es fällt auf, dass Bormann sich sehr oft auf vermeintliche Anfragen und Wünsche aus der Partei oder der Bevölkerung berief, um seine kirchenfeindlichen Entscheidungen zu treffen oder zu begründen. Kritikern seiner Politik – und derer gab es viele – wollte er damit offensichtlich weismachen, lediglich des Volkes Willen zu erfüllen. Ein an alle Gauleiter gerichtetes Schreiben vom 15. März 1941 ist hierfür exemplarisch.23 In vielen Parteiveranstaltungen werde über »nach dem Kriege durchzuführende Maßnahmen auf konfessionellem Gebiet« diskutiert, schrieb Bormann. Parteigenossen bäten um Rat, weil sie vor die Entscheidung gestellt worden seien, entweder aus der Kirche auszutreten oder ihr Amt in der »Bewegung« aufzugeben. Bormann ließ keinerlei Zweifel daran: »Eine Tätigkeit in der Bewegung ist mit einer Tätigkeit für konfessionelle Organisationen unvereinbar.« Es sollten aber nur diejenigen aus der Kirche austreten, die sich auch innerlich von ihr gelöst hätten. Der Kirchenaustritt sei schließlich keine »Opportunitätsangelegenheit«. Derartige Austritte verschleierten lediglich bestehende konForcierung der Kirchenaustritte  135

fessionelle Bindungen und würden die Gefahr »eines heimlichen Gebrauchs konfessioneller Einrichtungen« in sich bergen. In diesem Zusammenhang hatte Bormann schon 1938 angeordnet, dass Pfarrer »als Hoheitsträger« umgehend von ihren Parteiämtern entbunden werden müssten, als politische Leiter oder Unterführer nach und nach auszuwechseln seien und ab sofort keine neuen Parteiämter übernehmen dürften.24 Heuchlerisch begründete er dies mit der »Neutralität der Partei gegenüber den Kirchen«, die es gebiete, »alle sich möglicherweise ergebenden Reibungsflächen auszuschalten«. Bormann stellte am 15. Mai 1941 übrigens auch klar, dass politische Leiter der NSDAP Kirchensteuern zu zahlen hätten: »Wer in der Kirche bleibt, muss selbstverständlich auch Kirchensteuern zahlen.«25 Die Zahl der Kirchenaustritte war für Bormann ein wichtiges Indiz dafür, inwieweit sich die nationalsozialistische Ideologie in Deutschland beziehungsweise in den besetzten Gebieten durchgesetzt hatte. Anders ausgedrückt: Dort, wo relativ wenige Menschen die Kirche verließen, sah Bormann ein Versagen der NSDAP-Gauleiter. Penibel hatten die NS-Ministerien und Dienststellen daher Erhebungen über die Entwicklung der Kirchenaustritte durchzuführen. Besonders interessant ist die »Statistik über die Kirchlichen Verhältnisse in den Gauen des annektierten Österreich«, denn dort hatte es ja einen »Nachholbedarf« für Bormanns Kirchenkampf gegeben. Den Gauleitern sollten »durch diese Auswertung statistischer Zahlen (…) Anregungen für Ihre künftige Arbeit auf dem konfessionellen Gebiet gegeben werden«.26 Kirchenaustritte 1938: 174 310 (davon kath.: 159 315, evang.: 8054) 1939: 210 379 (196 481/10 570) 1940: 54 611 (46 637/6552) Kircheneintritte 1939: 4362 kath., 3659 evang. Kirche 1940: 5217/2311 Damit gehörten ca. 560 000 »Volksgenossen« in den Gauen Wien, Niederbzw. Oberdonau, Salzburg, Tirol-Vorarlberg, Steiermark und Kärnten keiner Konfession mehr an.

136  Der Kirchenkampf

Kirchliche Trauungen 1939 wurde in Wien von 100 Ehen nur 26,7 kirchlich getraut. Die entsprechenden Zahlen für die übrigen Gaue lauteten: Oberdonau: 64,0 Niederdonau: 62,7 Tirol-Vorarlberg: 62,2 Kärnten: 51,2 Salzburg: 53,3 Steiermark: 47,1 Taufen von Neugeborenen je 100 Geburten: 1940 (in Klammern Zahlen von 1939) Tirol-Vorarlberg: 92,7 (100) Niederdonau: 90,8 (95,9) Oberdonau: 90,5 (93,5) Salzburg: 88,4 (92,7) Steiermark: 85,6 (86,4) Kärnten: 75,0 (80,1) Wien: 73,1 (76,2)

Auffallend sei, so hieß es in dem Papier, dass der Prozentsatz der Taufen weitaus höher sei als der der kirchlichen Trauungen. Viele meinten offenbar, ihre Kinder »sollten zunächst ruhig getauft werden; später könnten sie sich dann selbst entscheiden«. Zur Teilnahme an konfessionellen Veranstaltungen war am Beispiel der Diözese Wien abzulesen, dass die Zahl der Kommunionen gegenüber 1939 gleich blieb. Es hätten mehr Menschen an Exerzitien und Einkehrtagen teilgenommen, obwohl infolge staatlicher Eingriffe nur noch zwei Exerzitienhäuser zur Verfügung stünden. Ebenso soll die Zahl der Kirchenbesucher 1940 gegenüber dem Vorjahr um ein Drittel gestiegen sein. Letzten Endes aber führe – so Bormanns Mahnung an die österreichischen Gauleiter – »nur eine positive weltanschauliche Arbeit zu dauerhaften Erfolgen«.

Forcierung der Kirchenaustritte  137

Die Sprache als Waffe Bormann wusste um die Bedeutung von Worten und setzte sie gezielt in seinem Kampf gegen die Kirchen ein. Beispielsweise ließ er Begriffe wie »Gottesdienst« aus dem amtlichen Sprachgebrauch streichen. Man müsse sich davor hüten, verlangte er am 2. Februar 1939, »aus der Begriffswelt der christlichen Kirchen Formulierungen zu übernehmen, die für die christlichen Kirchen seitens der Partei die Anerkennung besonderer Aufgaben oder die Notwendigkeit ihres Vorhandenseins bedeuten«.27 Geistliche dürften nicht als »Diener Gottes« bezeichnet werden, sie seien »Kirchendiener und Kirchenbeamte«. Ohnehin könne man den Kirchendienst nicht mehr mit Gottesdienst gleichsetzen. Nachdem der nationalsozialistische Staat den Begriff »gottgläubig« geprägt habe und die »Gottgläubigen« keiner Konfession mehr angehörten, könne man entsprechend den konfessionellen Kirchendienst nicht länger als Gottesdienst benennen. In demselben Rundschreiben forderte Bormann dazu auf, nicht mehr von christlichen Weltanschauungen, sondern lediglich von christlichen Konfessionen zu sprechen. Auf Begriffe wie »religiös« sei zu verzichten; sie müssten durch »kirchlich« oder »konfessionell« ersetzt werden. Ebenso gehörten Formulierungen wie etwa der Satz: »Es ist die Aufgabe von Partei und Staat, für das Diesseits zu sorgen, Aufgabe der Kirchen jedoch ist die Vorbereitung für das bessere Jenseits«, aus dem Sprachgebrauch getilgt, was Bormann wie folgt begründete: Damit unterstellen wir als richtig, dass die Kirchen von diesem besseren Jenseits genau Bescheid wissen, während wir uns mit einem angeblich schlechteren Diesseits begnügen wollen. In Wirklichkeit wissen aber die Geistlichen von diesem Jenseits so wenig wie wir. Sie behaupten es nur zu wissen, während wir ehrlich sagen, dass wir es nicht wissen. Wir wollen den Kirchenvertretern dann aber auch nicht den Gefallen tun, und ihnen dieses Wissen entgegen unserer Überzeugung zugestehen.28

Gegenüber dem Oberkommando der Kriegsmarine bekräftigte Bormann am 5. April 1940 diese Darstellung. Das Wort »Kirchendienst« könne nicht beanstandet werden, da es sich um »Veranstaltungen handelt, die von den Kirchen eingerichtet sind und ausgestaltet werden«. Es könne 138  Der Kirchenkampf

von den »Volksgenossen, die einer christlichen Kirche nicht angehören, (…) als verletzend empfunden werden«, wenn gesagt werde, »dass nur die Angehörigen der christlichen Kirche einen ›Gottesdienst‹ haben«.29 Offenbar hatte sich Großadmiral Erich Raeder, Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, gegen Bormanns Semantik gewandt, denn in Goebbels’ Tagebuch ist unter dem 9. April 1940 zu lesen: »Bormann verteidigt gegenüber Raeder das Wort Kirchendienst statt Gottesdienst.«30 Kennzeichnend ist in diesem Zusammenhang auch, dass Bormann anordnete, die Begriffe »Arbeitgeber« und »Arbeitnehmer« aus dem Sprachgebrauch zu tilgen, da sie »aus der künstlichen Aufzüchtung von angeblichen Gegensätzen durch den Marxismus geprägt« seien. Bormann begründete sein Vorgehen damit, dass sich die Partei und die Deutsche Arbeitsfront seit Jahren bemühten, die »Gemeinschaftsidee« durchzusetzen, insbesondere die »Idee von der Betriebsgemeinschaft«. Daher solle nur noch von »Betriebsführer und Gefolgschaft« gesprochen werden. Gerade staatliche Stellen und Behörden hätten es aber bisher nicht verstanden, »diese Ausdrücke aus dem öffentlichen Leben verschwinden zu lassen«. Man finde sie weiterhin in der Gesetzgebung sowie in Anordnungen und Erlassen der Reichsregierung. Der Chef der Reichskanzlei Lammers solle sämtliche Reichsminister »bitten, künftig für die Vermeidung der Ausdrücke ›Arbeitnehmer‹ und ›Arbeitgeber‹ Sorge zu tragen«.31 Bormann focht einen im Grunde aussichtslosen Kampf gegen die Kirchen. Er vermochte sie zwar zu drangsalieren, und doch waren christlicher Glaube und christliche Kirchen tief im Denken der Menschen verwurzelt. Auch 1942 verwandten Wehrmachtsdienststellen beispielsweise noch den Begriff »religiöses Schrifttum«, was Bormann zu einem seiner vielen Rundschreiben veranlasste. Das Oberkommando der Wehrmacht musste sich belehren lassen, »dass der Begriff ›religiöses Schrifttum‹ nicht richtig sei, dass auch Schrifttum der Gottgläubigen oder überhaupt anderer Gläubigen auch als ›religiöses Schrifttum‹ zu betrachten sei«.32 Die aus der Kirche ausgetretenen »Volksgenossen« hätten mit dem Austritt ihr »religiöses Empfinden« nicht verloren. Das Oberkommando der Wehrmacht sagte zu, künftig nur noch von »konfessionellem« Schrifttum zu sprechen. Auch in einem anderen Punkt musste Bormann feststellen, dass die überwältigende Mehrheit der Deutschen – selbst der NSDAP-MitglieDie Sprache als Waffe  139

der – seiner kirchenfeindlichen Politik nicht folgen wollte. Es bestehe »eine krampfhafte Sucht, für kirchliche Veranstaltungen Ersatz in nationalsozialistischen Feiern zu schaffen«, beschwerte er sich am 29. Mai 1941. Parteimitglieder glaubten, die kirchliche Taufe durch Feiern ersetzen zu müssen, in denen Kinder in die »Volksgemeinschaft« aufgenommen würden. »Da das deutsche Kind durch die Geburt ein Glied der Volksgemeinschaft wird, ist es überflüssig, es außerdem durch sakramentähnliche Handlungen in die Volksgemeinschaft aufzunehmen. Die Geburt, der Familienzuwachs wird gefeiert«, belehrte Bormann die Gauleiter. Es könne auch nicht Aufgabe der »Bewegung« sein, an die Stelle der Konfirmation besondere »Lebenswendefeiern« für gottgläubige Jungen und Mädel zu setzen. Die »Verpflichtung der Jugend« als eine Feier der Hitlerjugend unter Leitung des »Hoheitsträgers« richte sich an die gesamte Jugend ohne Rücksicht auf eine etwaige Konfessionszugehörigkeit. Sie solle die Bedeutung dieses Abschnitts im Leben der jungen Menschen würdigen und sie nach Schulentlassung und vor Berufseintritt »zu noch höherem Einsatz im Kampf und in der Arbeit der Nation verpflichten«. Ferner seien Bestrebungen beobachtet worden, so Bormann weiter, aus der nationalsozialistischen Morgenfeier einen Ersatz für den konfessionellen Gottesdienst in Form einer »Gottesfeier« zu machen. Die NS-Morgenfeiern dienten aber nicht der »religiösen Einkehr und Erbauung«, sondern der politischen Willensbildung. Mehrfach sei der »Führer« diesen Fehlentwicklungen entgegengetreten. »Auf keinen Fall soll und darf der Nationalsozialismus, wie der Führer immer wieder betont, einen Ersatz für kirchliche oder religiöse Handlungen darstellen oder religiöse Handlungen darstellen oder gestalten helfen. Der Nationalsozialismus ist eine wissenschaftlich fundierte Lebensauffassung, der alles Mystische und Kultische fernzuhal­ten ist.« Unmissverständlich schloss Bormann mit dem Verlangen: »Unsere Feiern müssen daher ein Gepräge erhalten, das den in der nationalsozialistischen Weltanschauung begründeten Lebensgesetzen entspricht und der Arbeit und dem Kampf des deutschen Volkes dient. Jede Ablenkung des deutschen Menschen von den Aufgaben, die ihn in seinem Volk gestellt sind, muss unterbleiben, da sie der Bewegung und der Nation nur schadet.«33 Mit dem von den Nationalsozialisten geprägten Begriff der »Gottgläubigen« sollte denjenigen, die sich außerkirchlich zum Religiösen 140  Der Kirchenkampf

und zum Gottesglauben bekannten, die Möglichkeit gegeben werden, die zuvor übliche Bezeichnung »Dissident« zu umgehen. Es gab dabei immer wieder Versuche, Organisationen von Gottgläubigen aufzubauen, war aber von Bormann strikt abgelehnt wurden.34 Dies würde zwangsläufig dazu führen, dass aus der Gottgläubigkeit eine Konfession entstehe. Die Einstellung der Partei zu Organisationen Gottgläubiger entspreche daher der zu anderen konfessionellen Gemeinschaften. Sechs Jahre nach Hitlers Machtergreifung betrug die Zahl der »Gottgläubigen«, gemessen an der Gesamtbevölkerung von knapp 80 Millionen Menschen, laut Volkszählung vom 17. Mai 1939 im Reichsdurchschnitt lediglich 2 745 893, also 3,5 Prozent. 35 Großstadtgaue wie Berlin, Hamburg und Wien mit 10,2 Prozent, 7,5 Prozent beziehungsweise 6,4 Prozent bildeten eine Ausnahme. Im Einzelnen ergab sich folgendes Bild: Großstädte, in denen die gottgläubige Bevölkerung 10 Prozent der gesamten Bevölkerung erreichte Graz: 12,8 Prozent Braunschweig: 11,3 Prozent Solingen: 10,6 Prozent Leipzig: 9,9 Prozent Gaue Düsseldorf: 6,0 Prozent Essen: 5,3 Prozent Sachsen: 5,3 Prozent Thüringen: 5,1 Prozent Steiermark: 4,9 Prozent Westfalen-Süd: 4,9 Prozent Schleswig-Holstein: 4,3 Prozent Zwischen 3,9 und 3,0 Prozent Süd-Hannover, Braunschweig, Salzburg, Magdeburg-Anhalt, Mark-Brandenburg, Köln-Aachen, Halle-Merseburg, Hessen-Nassau, Mecklenburg, Weser-Ems.

Die Sprache als Waffe  141

Zwischen 2,6 und 2,0 Prozent Kärnten, Niederschlesien, Westfalen-Nord, Württemberg-Hohenzollern, Franken, Kurhessen, Pommern. Zwischen 1,9 Prozent und 1,1 Prozent München-Oberbayern, Baden, Danzig-Westpreußen, Ost-Hannover, Westmark, Oberdonau, Tirol-Vorarlberg, Sudetenland, Moselland, Ostpreußen, Niederdonaa. Schlusslichter im nationalsozialistischen Sinn waren: Schwaben: 0,8 Prozent Oberschlesien: 0,6 Prozent Mainfranken: 0,5 Prozent Bayerische Ostmark: 0,4 Prozent.

Schließung der Fakultäten und Klöster Als Stabsleiter von Heß und später als Chef der NSDAP-Partei-Kanzlei zog Bormann alle Register, um gegen Geistliche vorzugehen. Dazu gehörte es auch, sie von der Erziehung der Jugend auszuschließen. Dabei gab er vor, Schüler schützen zu wollen und deshalb zu seinem Vorgehen gezwungen zu sein. In vielen Gegenden des Reichs würden Geistliche für den Religionsunterricht an staatlichen Schulen herangezogen, schrieb er am 28. Februar 1937 dem Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Bernhard Rust. Es seien ihm Fälle berichtet worden, in denen diese ihre Stellung als Lehrer missbrauchten. Sie hätten unter anderem Schüler gezüchtigt, »die auf die Anfrage des Geistlichen wahrheitsgemäß angaben, dass sie die Kirche oder die Messe usw. nicht oder nicht regelmäßig besuchten«. Mehrfach habe sich die Bevölkerung »durch diesen Amtsmissbrauch der Geistlichen als Lehrer so erregt, dass es zu Demonstrationen gegen die Geistlichen und zu deren Inschutzhaftnahme gekommen« sei. Da die Geistlichen sich auch sonst – z. B. bei der Gestaltung der Stundenpläne – wenig entgegenkommend gezeigt hätten, sei es an der Zeit, »die staatlichen Schulen von diesen Resten einer kirchlichen Unterrichtstätigkeit zu befreien«.36 Die Mitteilung des Reichsinnenministers Wilhelm Frick an Bormann 142  Der Kirchenkampf

vom 31. August 1940 gehört auch in diesen Zusammenhang. Frick schrieb, dass er »schon von jeher den Standpunkt vertreten habe, dass Schulräume in keinem Fall für kirchliche Zwecke zur Verfügung gestellt werden dürfen. Von diesem Grundsatz braucht auch in den eingegliederten Ostgebieten nicht abgewichen zu werden. Die volkstumspolitischen Aufgaben, die in diesen Gauen zu leisten sind, werden weit besser von der Partei wahrgenommen als von den Kirchen, die meines Erachtens hierfür denkbar ungeeignet sind. Im Übrigen halte ich es für zweckmäßig, dass in den Orten, in denen eine Kirche für die evangelischen Balten- und Wolhyniendeutschen nicht zur Verfügung steht, eine katholische Kirche für den evangelischen Gottesdienst hergerichtet wird, sofern sich in diesen Orten mehrere katholische Kirchen befinden.«37 Nach Bormanns Verständnis war es ausgeschlossen, dass Geistliche Mitglieder der NSDAP sein könnten. Eine entsprechende Anordnung datiert vom 9. Februar 1937: Um jedes Hineintragen kirchenpolitischer Gegensätze in die Bewegung zu verhindern, und um selbst den Verdacht einer einseitigen Stellungnahme für oder gegen eine bestehende Kirchengemeinschaft zu vermeiden, ist von der Aufnahme von Angehörigen des Geistlichen-Standes in die Partei abzusehen.38

Eine solche Formulierung habe sich als zu eng erwiesen, meinte Bormann zwei Jahre später und bestimmte nunmehr: »Geistliche sowie sonstige Volksgenossen, die konfessionell stark eingebunden sind, können nicht in die Partei aufgenommen werden.« Darüber hinaus habe er angeordnet, dass in Zukunft Parteigenossen, die in den geistlichen Stand einträten oder sich dem Studium der Theologie zuwendeten, aus der Partei ausscheiden müssten. 1939 verstärkte Bormann seinen Kampf gegen die Kirchen, indem er entschieden gegen die Ausbildung des theologischen Nachwuchses vorging. Zunächst bestritt er den wissenschaftlichen Charakter der Theologie, um unter anderem damit die Schließung oder Verlegung Theologischer Fakultäten begründen zu können. Minister Bernhard Rust, dem formell die Hochschulen unterstanden, ließ er am 24. Januar 1939 wissen, grundsätzlich könne die theologische Forschung nicht den übrigen Wissenschaftsgebieten gleichgestellt werden, da sie »weniger eine freie WisSchließung der Fakultäten und Klöster  143

senschaft, als vielmehr eine konfessionelle Zweckforschung darstellt«. Theologische Fakultäten, »die durch keine ausdrückliche Bestimmung in den Konkordaten und Kirchenverträgen genannt sind, wie z. B. München und einige andere«, könnten ohne Weiteres beseitigt werden. Dasselbe gelte für die Theologischen Fakultäten »in der Ostmark, Wien und Graz«. Bei den übrigen Fakultäten werde es durch die Einführung der Wehrpflicht und die Durchführung des Vierjahresplans ohnehin zu einem Nachwuchsmangel kommen, der dann Zusammenlegungen erforderlich mache. Er, Bormann, werde es ausdrücklich begrüßen, wenn Rust Theologische Fakultäten, soweit sie nicht ganz beseitigt werden könnten, wesentlich einschränke. Die frei werdenden Lehrstühle sollten den »besonders in den letzten Jahren neu geschaffenen Forschungsgebieten wie der Rassenforschung, der Altertumskunde usw. zugeführt werden«.39 Wiederum schob Bormann Dritte vor, um die eigene Politik zu verfolgen.40 Der Gauleiter von Mecklenburg, so behauptete er am 7. März 1939, habe ihm mitgeteilt, es würde »in der gesamten Parteigenossenschaft Mecklenburgs sowie bei der Bevölkerung und unter den Dozenten und Professoren außerordentlich begrüßt werden, wenn die evangelische theologische Fakultät an der Universität Rostock beseitigt würde«. Theologiestudenten hätten das Studium schon aufgegeben und sich bei Partei und Behörden gemeldet, um in andere Berufe übernommen zu werden. In vielen evangelischen Kirchen Mecklenburgs gebe es wegen des geringen Besuchs nur noch einen eingeschränkten Gottesdienst. Diese Umstände ließen die beschleunigte Verlegung der Rostocker Fakultät besonders wünschenswert erscheinen. Seine Wünsche hinsichtlich der Zukunft der theologischen Ausbildung, die er als solche der NSDAP darstellte, teilte Bormann dem Wissenschaftsminister am 23. Juni 1939 im Detail mit: Die evangelische Fakultät Königsberg muss als einzige dieser Art in Ostpreußen sowie für den gesamten Nord-Ost-Raum bis auf weiteres erhalten bleiben. Die katholische staatliche Ausbildungsanstalt in Braunsberg soll mit der katholischen Fakultät an der Universität Breslau zusammengelegt werden. Für Breslau müssen sowohl die katholische wie evangelische Fakultät erhalten bleiben. Ebenso müssen beide Fakultäten an der Universität Prag einstweilen bestehen bleiben, da es zur Zeit nicht richtig wäre, die Universität zu verkleinern.41 144  Der Kirchenkampf

Ähnliche Verhältnisse lägen in Wien vor, wo es die einzige Universität der »Ostmark« mit theologischen Fakultäten gebe. Die Entscheidung über deren Zukunft müsse jedoch zurückgestellt werden. Die drei theologischen Fakultäten im deutschen Ostseeraum sollten in Kiel zusammengefasst werden, und in Bayern seien fünf staatliche Philosophisch-Theologische Hochschulen nicht mehr notwendig. Vor allem die Hochschulen in Passau, Regensburg und Bamberg sollten schnellstens aufgelöst werden, »da sie Mittelpunkte einer außerordentlich starken konfessionellen Betätigung gegen den Nationalsozialismus sind«. Zur Zukunft der Theologischen Fakultät Berlin betonte Bormann, »dass sie auf keinen Fall in die neue Hochschulstadt [als solche sollte Berlin ausgebaut werden] übernommen werden darf«. Sie müsse daher »in absehbarer Zeit verschwinden«. Allerdings halte er es nicht für richtig, wenn sie, wie vom Wissenschaftsminister angeregt, nach Greifswald verlegt würde. Denn grundsätzlich sei es unangebracht, eine theologische Fakultät von einer Großstadt in eine Kleinstadt zu verlagern: »Es darf nicht die Möglichkeit gegeben werden, dass etwa eine größere Zahl von Theologie-Studenten die durch eine solche Zusammenlegung in eine kleine Universitätsstadt kommen, dieser Stadt und womöglich noch der gesamten Umgebung das Gepräge geben.« Reichsleiter Alfred Rosenberg, der sich zumindest im Kirchenkampf mit Bormann einig wusste, versuchte, die Schließung von Fakultäten zu nutzen, um die von Hitler im Januar 1940 genehmigte »Hohe Schule« als Elite-Universität der Nationalsozialisten zu etablieren. Nachdem SSStandartenführer Walther Wüst, Kurator von Himmlers »Ahnenerbe« Rektor der Münchner Universität geworden war und Rosenbergs Institut zur Erforschung der arischen Geistesgeschichte außerhalb der Universität angesiedelt worden war, sah Rosenberg seine Pläne gefährdet und beschwerte sich bei Bormann. Michael H. Kater zufolge schrieb er: Es ist genau der alte Gelehrtenklüngel, der jetzt empört ist, dass endlich von der NSDAP eine systematische Forschungstätigkeit beginnt. Wir werden es später erleben, dass dieser ganze Klüngel zusammen mit einigen dilettantischen Persönlichkeiten aus unserem eigenen Lager gegen die Hohe Schule zwar nicht öffentlich Sturm laufen wird, aber mit allen Mitteln bürokratischer und sonstiger Fakultätsbedrückung die Arbeit der Hohen Schule und ihrer Außenstellen zu unterminieren suchen wird.42 Schließung der Fakultäten und Klöster  145

Ohnehin entwickelte sich Himmlers »Ahnenerbe« zunehmend zu einer Konkurrenz für Rosenbergs »Hohe Schule«. Im Frühjahr 1939 fürchtete Rosenberg gegenüber Bormann nicht zu Unrecht, sein »Aufbauamt« könne im Vergleich zum »Ahnenerbe« benachteiligt werden. Er habe SS-Obergruppenführer Gottlob Berger auch bereits in diesem Sinn geschrieben. Zwar erklärte Berger dann Ahnenerbe-Reichsgeschäftsführer Sievers, Rosenberg sei verärgert, und riet ihm zur Mäßigung, doch konnte davon keine Rede sein. Rosenberg lag im Übrigen nicht nur mit Bormann im Streit, sondern auch mit Himmler. Als Rosenberg an einem neuen Buch, Vom Mythus zum Typus, arbeitete, hatte Himmler nichts Eiligeres zu tun, als Bormann zu empfehlen, vor Veröffentlichung dieses Buch doch dem »Führer« vorzulegen.43 So wie er gegen den wissenschaftlich-theologischen Nachwuchs vorging, bekämpfte Bormann auch den »Klosternachwuchs«, und zwar unter anderem mit der »l. Reichsverordnung des Reichsarbeits- sowie des Reichskirchenministers und des Stellvertreters des Führers zur Verhinderung des Klosternachwuchses« vom 21. Oktober 1940. Ohne Umschweife hieß es dort: 1. Es ist unerwünscht, dass arbeitsfähige Menschen in Orden und Klöster eintreten und so dem Arbeitsprozess entzogen werden. 2. Wer bereits in einem Arbeitsdienstverhältnis steht und dieses zu lösen wünscht, um in einen Orden einzutreten, ist vom Arbeitsamt zu verständigen, dass die Lösung des Dienstverhältnisses für diesen Zweck nicht mehr möglich ist. (…) 5. Alle Parteistellen sind angewiesen, Fälle, in denen junge Menschen, die noch in keinem Dienstverhältnis stehen, in einen Orden eintreten wollen, sofort dem zuständigen Arbeitsamt anzuzeigen, damit diese dem Ordensanwärter eine Arbeitsstelle zuweist.44

Reichsarbeitsminister Franz Seldte ging in diesem Fall noch einen Schritt weiter als Bormann: Erlangen Arbeitsämter Kenntnis, dass Jugendliche, die noch in keinem Beschäftigungsverhältnis stehen, in einen Orden (Kloster) einzutreten beabsichtigen, so haben sie diese einer Berufstätigkeit zuzuführen, äußers146  Der Kirchenkampf

16 Reichsarbeitsminister Franz Seldte.

tenfalls im Wege einer Dienstverpflichtung. (…) Der Stellvertreter des Führers wird die Ortsgruppen der NSDAP anweisen, in jedem Falle, in denen sie von einem beabsichtigten Eintritt eines Volksgenossen in einen Orden (Kloster) Kenntnis erhalten, dies unverzüglich dem zuständigen Arbeitsamt zu melden.45

Über Hitlers Intentionen hinaus Hitler hatte, wie bereits erwähnt, offensichtlich Interesse an einem gewissen »Burgfrieden« mit den Kirchen, doch Bormann verstand es, entsprechende Äußerungen des »Führers« in seinem Sinn zu interpretieren und gegenüber den Gauleitern lediglich von einigen »Unsicherheiten« zu sprechen, die er ausräumen wolle: Hitler habe 1940 eine Anordnung über Maßnahmen auf konfessionellem Gebiet getroffen, und der Erlass des Reichsministeriums des Innern vom 24. Juli 1940 dazu laute: »Der Herr Reichsminister und Chef der Reichskanzlei hat mir aus gegebenem Anlass mitgeteilt, dass der Führer alle nicht unbeÜber Hitlers Intentionen hinaus  147

dingt notwendigen Maßnahmen zu vermeiden wünscht, die das Verhältnis des Staates und der Partei zur Kirche verschlechtern könnten.« Bormann verstand es geradezu meisterhaft, die Aussage des Erlasses nahezu in ihr Gegenteil zu verkehren: »Diese Führerentscheidung hat bei einigen Dienststellen zu der irrigen Annahme geführt, alle Maßnahmen auf konfessionellem Gebiet oder mit Auswirkungen auf dem konfessionellen Gebiet hätten zu unterbleiben. Dies ist keineswegs der Sinn der Führeranordnung. Diese Anordnung richtet sich nicht gegen sachlich notwendige Maßnahmen.« Als Beispiel führte Bormann ausgerechnet die Beschlagnahme von Klöstern in den »ostmärkischen Gauen« an. Es sei dort keine Beunruhigung entstanden, »weil die Bevölkerung rechtzeitig in geeigneter Weise über die Notwendigkeit der Maßnahme« aufgeklärt worden sei. »Ferner konnte auch eine vorläufige Regelung des Friedhofrechts (…) und eine Beschränkung des Nachwuchses für Orden und Klöster erreicht werden.« Nunmehr stehe die reichseinheitliche Regelung der Seelsorge in öffentlichen Kranken-, Heil- und Pflegeanstalten an.46 Es liegt nahe, dass die Gauleiter daraufhin jedes von Bormann ge­wünschte Vorgehen gegen die Kirchen als »sachlich notwendig« betrachteten und dass Widerstand hiergegen ausblieb. Bormann betrieb eine ausgeklügelte Politik der Nadelstiche, wozu auch das Verbot für Geistliche gehörte, Kraftfahrzeuge zu benutzen. Sicher nicht zufällig zu Weihnachten 1940 – am 25. Dezember – schrieb Bormann den Gauleitern, eine Reihe von ihnen hätten ihm berichtet, »dass die Zulassung der Weiterbenutzung von Kraftfahrzeugen durch Geistliche vielfach von der Bevölkerung nicht verstanden wird und in Widerspruch zu der Regelung dieser Frage bei Dienstwagen der Partei und im Gegensatz zur Einschränkung der Benutzung von Kraftfahrzeugen durch gewerbliche Betriebe steht«.47 Er forderte die Gauleiter auf, ihm konkrete Fälle zu nennen, um dann entsprechend vorgehen zu können. Die Verantwortung für die Beschlagnahme von Klöstern, den sogenannten Klosterraub, trug im Wesentlichen Bormann. Bemerkenswert ist, in welcher Weise er diesen Aspekt seines Kampfes gegen die Kirchen begründete. In seinem Rundschreiben vom 20. März 1941 nahm er dazu Stellung. In der Ostmark hätten wertvolle Besitzungen der Kirchen beschlagnahmt werden müssen. Die Gauleiter hätten berichtet, diese Maßnahmen seien vor allem aus diesen Gründen erforderlich geworden: 148  Der Kirchenkampf

nach Verstößen gegen Verordnungen der Kriegswirtschaft, z. B. wegen Hamsterns von Lebensmitteln, Stoffen, Lederwaren usw., außerdem wegen Nichtbeachtung des Heimtückegesetzes und wegen unbefugten Waffenbesitzes. Bei diesen Beschlagnahmungen kämen Entschädigungszahlungen an die Kirchen nicht infrage, bekräftigte Bormann. 48 Reichsstellenleiter Adolf Baum schrieb am 2. Juli 1943 an den NSDAP-Reichsschatzmeister Franz Xaver Schwarz: Der Elsässer Gauleiter Robert Wagner habe auf Betreiben von Reichsleiter Bormann den Stillhaltekommissar 49 beauftragt, die Auflösung der Klöster und Ordensgemeinschaften nunmehr vorerst im Elsass beschleunigt durchzuführen: Die Durchführung sei nicht so einfach wie vor zwei Jahren in Lothringen und Luxemburg. Zunächst sollten die »beschaulichen Orden« – jene, die nur beten und nicht arbeiten – erfasst werden, zwei Monate später die anderen. Die Mitglieder der »beschaulichen Orden« sollten, sofern sie nicht in die Welt zurückzukehren beabsichtigten, in Klöster nach Bayern und Württemberg gebracht werden, bis auch diese aufgelöst würden.50 Konkret ging der Klosterraub dann vielfach in dieser Form vor sich: Sonntag, den 11. Juli, werden 23 Klöster im Elsass (beschauliche Orden) vom SD besetzt. Der SD sorgt dafür, dass die Insassen der Klöster die Bevölkerung nicht aufwiegeln können und dass am Montag gleich nach Sonnenaufgang per Omnibus die infrage kommenden Ordensleute an weit entfernte Bahnhöfe mit Schnellzugsverbindungen gebracht werden. (…) Der Befehl zur Auflösung der Ordensgemeinschaften ist von Reichsleiter Bormann zur vordringlichen Durchführung gegeben worden.51

Beschwerden über Beschlagnahmungen kirchlicher Gebäude wurden in der Partei-Kanzlei von Bormann schlichtweg ignoriert.52 »Der Bischof von Hildesheim protestiert in äußerst scharfer Form gegen die Beschlagnahme des Klosters Ottbergen. Beschlagnahme: 18.7.1941. Ausweisung der Patres: 25.7. und 11.8.1941« oder »Der Bischof von Trier, der bereits früher wegen der Schließung der Abtei St. Matthias in Tier vorstellig geworden war, protestiert gegen die Einziehung des Bischöflichen Priesterseminars Rudolfinum in Trier« lauteten beispielsweise zwei der zahllosen Beschwerden, die kein Gehör fanden.

Über Hitlers Intentionen hinaus  149

Ferner unternahm Bormann alles in seiner Macht Stehende, um den Grunderwerb der »Toten Hand«53 zu unterbinden – nicht veräußerbare Güter aus Kirchen- oder Klosterbesitz. Dazu schrieb er am 13. Februar 1941 den Gauleitern, es gebe Möglichkeiten, dies zu verhindern, wenn ein erhebliches öffentliches Interesse dem entgegenstehe«. Ihm seien Fälle berichtet worden, in denen die Kirche versuchte, »einen Strohmann (z. B. ein Kirchenvorstandsmitglied) beim Grundstückserwerb vorzuschieben und formell für diesen, materiell aber für sich Liegenschaften zu erwerben«. Dem müsse mit den schon bestehenden Bestimmungen begegnet werden.54 Als erforderlich betrachtete Bormann es offensichtlich, Theologen zum Reichsarbeitsdienst einzuziehen. Im Einvernehmen mit der ParteiKanzlei hatte Reichsarbeitsdienstführer Konstantin Hierl am 7. März 1941 eine Richtlinie für die Behandlung von Theologen im Reichsarbeitsdienst erlassen.55 Bormann leitete sie am 10. April 1941 allen Reichs- und Gauleitern zu.56 Der Reichsarbeitsdienst habe »die ihm durch Gesetz zugewiesene Erziehungsaufgabe an allen Arbeitsmännern – und damit auch an dem im RAD befindlichen Theologen, Abiturienten, die Theologie studieren wollten und Theologiestudenten – zu erfüllen«, hieß es darin. Die Theologen sind wie alle übrigen Arbeitsmänner zu behandeln, eine Sonderstellung ist ihnen nicht einzuräumen. (…) Die Bestimmungen über den Kirchgang und religiöse Betätigung gelten für alle Arbeitsmänner ohne Einschränkung. Schikanen und kleinliche Verbote erziehen nicht zur Volksgemeinschaft, sondern schaffen nur »Märtyrer«. (…) Es ist streng darauf zu achten, dass die Theologen gleichmäßig und gerecht behandelt werden, dass von ihnen keine Propaganda getrieben wird und keine Zellen gebildet werden. Die Werbung jeglicher Art für eine kirchliche Richtung unter den Arbeitsmännern ist verboten. Unstatthaft ist die Organisierung des Kirchgangs für die Arbeitsmänner bestimmter Bekenntnisse. Jeder Arbeitsmann hat persönlich um Urlaub zum Kirchgang nachzusuchen. Unstatthaft ist fernerhin die Organisierung von Besuchen der Arbeitsmänner beim Pfarrer und bei Familien des gleichen Bekenntnisses. Es soll vorgekommen sein, dass sich Reichsarbeitsdienstführer in persönlichen Angelegenheiten Theologiestudenten ihrer Abteilung, also Arbeitsmännern, anvertrauten. Die Stellung des Reicharbeitsdienstführers zur Kir150  Der Kirchenkampf

che ist seine persönliche Angelegenheit. Es ist jedoch unmöglich, dass ein Reicharbeitsdienstführer einen Arbeitsmann, der Theologie studiert oder studieren will, als seinen Seelsorger betrachtet.57

Eine weitere Schmälerung des kirchlichen Einflusses veranlasste Reichsminister Rust, der für Schulen zuständig war, im Frühjahr 1941 auf Bormanns »Anregung« hin.58 Bisher war es möglich gewesen, Ortspfarrer als Schulbeiräte zu wählen. Nach der Einführung »der deutschen Gemeinschaftsschule und der Trennung der dauernd vereinigten Kirchen- und Schulämter [bestehe] für die Berufung eines Geistlichen kein Bedürfnis mehr«. Geistliche sollten daher nicht mehr neu berufen, die Aufträge der »zur Zeit als Schulbeiräte berufenen Geistlichen für erledigt« erklärt werden. So wie für Geistliche an den Schulen kein Platz mehr war, sollten sogenannte Kirchenbeamte den Kirchendienst verlassen und anderweitig untergebracht werden. Eine Zeit lang war Bormann sogar bereit, Geistliche, die aus ihrem Amt schieden, finanziell zu unterstützen. Am 3. Juni 1941 unterstellte er, dass zahlreiche Geistliche ihren Beruf aufgeben wollten, doch diesem Vorhaben oft wirtschaftliche Gründe entgegenstünden. Die Gauleiter sollten daher darauf achten, dass für solche Geistliche auch nach ihrem Ausscheiden »eine angemessene Lebenshaltung« gewährleistet sei. Die Landesarbeitsämter hätten für eine Übergangszeit Unterhaltszuschüsse zu zahlen und dafür zu sorgen, dass diese Zuschüsse »nicht kleinlich bemessen« seien. Es sei auch darauf hinzuweisen, dass viele Pfarrer, »deren Überführung in andere Berufe wir jetzt vornehmen müssen«, ihre Berufe nicht aus innerer Neigung gewählt hätten, sondern weil sie von Eltern, Pfarrern oder Lehrern dazu bestimmt worden seien. Ferner sei die Ausbildung zum Pfarrer ohne Kosten für die Eltern erfolgt. »Es ist daher erforderlich, dass auch wir begabten Kindern unbemittelter Familien den Weg zu einem wissenschaftlichen Studium eröffnen; sie müssen kostenlos in unsere Schulen (Adolf-Hitler-Schulen, Nationalpolitische Erziehungsanstalten) aufgenommen werden. Diese Kinder sind für den Staat umso wertvoller, als sie noch jene urwüchsige Kraft besitzen, die Gelehrtenkindern vielfach mangelt.«59 Das NS-Regime legte daher Wert auf die Einrichtung von staatlichen Schulinternaten, nicht nur für Kinder, Jungen sowie Mädchen, »die Über Hitlers Intentionen hinaus  151

unter vergangenen Verhältnissen in kirchlichen oder wenigstens konfessionell beeinflussten Internaten aufgenommen wurden«. Bormann wies ausdrücklich darauf hin, dass diese Internate »Kinder mittelloser Eltern (zum Beispiel von Kleinbauern und Landarbeitern), die früher auf konfessionelle Internate kamen, um Geistlicher zu werden«, aufnehmen sollten. In enger Zusammenarbeit mit der Staatspolizei müsse es gelingen, baldigst die erforderlichen Gebäude sicherzustellen.60 Es ist bemerkenswert, in welcher Weise Bormann sich um die Unterbringung ehemaliger Geistlicher und Ordensangehöriger »sorgte«. Im Dezember 1941 beschrieb er die Möglichkeit, diesen Personenkreis in Handwerkerberufe zu überführen, vor allem wenn sie bereits früher einmal handwerklich tätig gewesen waren.61 Sie sollten in der Regel als Handwerksgesellen eingesetzt werden, in besonderen Fällen sollte auch die Eintragung als selbstständiger Handwerksmeister in die Handwerksrolle möglich sein. Das Ausmaß der Macht, über die Bormann verfügte, und wie sehr er in jedes einzelne Leben eingreifen konnte, dokumentiert folgendes Beispiel: Nach § 71 Deutsches Beamtengesetz (DBG) konnten Beamte entlassen werden, wenn sie der nationalsozialistischen Weltanschauung gefühls- oder verstandesmäßig fremd gegenüberstanden und nicht rückhaltlos für den Nationalsozialismus eintraten. Bormann oblag es, Beamtenernennungen zuzustimmen, und er schaltete sich immer wieder ein, so in einem Schreiben an Innenminister Frick am 5. Dezember 1940: Bei den Vorwürfen, die zur Einleitung von Verfahren aufgrund von § 71 führten, handele es sich immer um »Beanstandungen politischer Art«. Gerade im Krieg könne es notwendig sein, einen Beamten, der im Frieden noch tragbar erscheinen möge, aus dem Dienst zu entfernen. »Besonderen Schwierigkeiten in der Beurteilung begegnen die Fälle, in denen die nationalsozialistische Unzuverlässigkeit eines Beamten mit seiner kirchlich-politischen Haltung in Verbindung steht. Ich bin gelegentlich auf die Auffassung gestoßen, solche Fälle sollten z.Zt. zurückgestellt werden, da sie auf religiösem Gebiet Unruhe schaffen könnten. Dieser Auffassung vermag ich mich nicht anzuschließen.« Es werde keinem Beamten die Teilnahme an kirchlichen Veranstaltungen verwehrt, aber die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft führe oft dazu, dass der Beamte aus seiner religiösen Anschauung Bindungen herleite, »die ihn vermeintlich an der Erfüllung seiner Pflichten gegenüber dem 152  Der Kirchenkampf

Staat hindern«. Die Verfolgung eines solchen Sachverhalts könne »niemals zu einer Unruhe auf religiösem Gebiet führen, da kein dem nationalsozialistischen Staat verbundener Volksgenosse – gleichviel zu welcher Religionsgemeinschaft er sich bekennt – ein solches Verhalten billigen wird. Vielmehr muss die Abstandnahme von Maßnahmen gegen einen Beamten, der sich unter Hinweis auf seine religiösen Pflichten seiner Gehorsamspflicht gegenüber dem nationalsozialistischem Staat entzieht, in weiten Kreisen der Beamtenschaft Verwirrung anrichten und übelwollenden Elementen die Möglichkeit zu propagandistischer Ausnutzung dieser Lage geben. Gerade dieser Umstand ist mit ein Grund für die Durchführung solcher Verfahren auch im Krieg. Ich darf nochmals wiederholen, dass ich eine Beunruhigung auf religiösem Gebiet nur dann zu besorgen vermag, wenn Beamte wegen ihrer Teilnahme am religiösen Leben ihrer Kirche verfolgt werden würden. Hiervon kann aber keine Rede sein«.62 Wer aber einem Gebot der Kirche Vorrang vor einem Gebot des nationalsozialistischen Staats gebe, von dem müsse man sich trennen und dürfe ihm auch keine Ruhestandsbezüge geben. Zufrieden zeigte sich Bormann, als einige Gauleiter damit begannen, Listen über die seit Kriegsbeginn in ihrem Verantwortungsbereich bestraften Geistlichen aufzustellen. Solche Zusammenstellungen seien zweckmäßig, lobte er, bat aber gleichzeitig, von einer Übermittlung an ihn abzusehen. Sie sollten weitergeführt werden, damit er sie im Bedarfsfall jederzeit abrufen könne.63 Ein weiteres Mittel, mit dem Kirchen geschwächt werden sollten, bestand darin, die Verbreitung christlichen Gedankenguts zu erschweren. Hierfür wurde die Papierzuteilung für die konfessionelle Presse, das wirksamste Medium für die Kirchen, erheblich gekürzt. Am 6. Juni 1940 übersandte Bormann den Gauleitern einen Überblick, der anschaulich dokumentiert, in welchem Maße die kirchliche Presse bereits zurück­ gedrängt war.64 Die Zahl der im gesamten Reich erscheinenden katho­ lischen Zeitschriften betrug 229 gegenüber 450 im Jahr 1936. Die Auf­ lagen der Blätter hatten sich kaum geändert und lagen bei den katho­lischen Bistumsblättern bei 10 741 Millionen Stück monatlich. Allerdings war der Umfang der Ausgaben stark reduziert worden. Der Gesamtseitenumfang aller Bistums- und Sonntagsblätter betrug im März 1936 3062 und im März 1940 1070 Seiten pro Monat. Der PapierverÜber Hitlers Intentionen hinaus  153

brauch war von 383 733 auf 143 971 Kilogramm monatlich zurückgegangen. Bei den Blättern der evangelischen Presse gab es eine ähnliche Entwicklung. Die Gesamtzahl der Druckschriften lag am 1. April 1934 bei 1205 und im März 1940 nur noch bei 733. Die Auflage aller Blätter war von fast 15 Millionen Stück auf 9,8 Millionen Stück gesunken, der Umfang lag mit 6 Seiten bei nur noch einem Drittel des ursprünglichen Umfangs. Statt 500 462 Kilogramm wurden 1940 169 970 Kilogramm Papier für die evangelische Presse verbraucht. Am Gesamtpapierverbrauch der Reichspressekammer hatte die katholische Presse 1936 einen Anteil von 1,46 Prozent, der bis Februar 1940 auf 0,5 Prozent gesunken war. Bei der evangelischen Presse hatte sich der Anteil von 0,9 Prozent auf 0,5 Prozent nahezu halbiert.

Ein ohnmächtiger Kirchenminister Mit Hanns Kerrl gab es sehr wohl auch einen Reichsminister für kirchliche Angelegenheiten. Rosenberg hatte dessen Kompetenzen klar umrissen. Nicht zuständig sei der Reichsminister für die Vertretung der Interessen der Kirchen gegenüber Partei und Staat; die Vertrauenswerbung für die Kirchen im Volke; für die Wiederherstellung der reinen Lehre der Kirche; die Bestimmung dessen, was NS-Weltanschauung sei und was nicht; die Angleichung, »Versöhnung« oder gar Gleichsetzung von Kirche und Nationalsozialismus.65

Die Aufgaben bestünden vielmehr darin, dem Hoheitsanspruch des Staates den Kirchen gegenüber bedingungslos Geltung zu verschaffen. Für den Nationalsozialismus könne es keine Überordnung, sondern nur eine Unterordnung der Kirchen unter die Lebensnotwendigkeiten des ganzen Volkes geben. Den Kirchen müsse mehr und mehr Vereins- und Sektencharakter verliehen werden. Daher müssten zunächst all ihre Vorrechte gebrochen werden.

154  Der Kirchenkampf

Kerrl hatte aber im Grunde wenig zu sagen, wie Bormann gegenüber dem Chef der Reichskanzlei, Hans Heinrich Lammers, am 1. November 1940 bekräftigte: Der Reichsminister Kerrl hat dem Evangelischen Oberkirchenrat unter dem 21.8. mitgeteilt, die deutsche evangelische Kirche in den neu erworbenen Ostgebieten, insbesondere auch im Reichsgau Wartheland, sei verfassungsmäßiger Bestandteil der altpreußischen Kirche. Der Führer, der, wie Ihnen bekannt ist, eine evangelische Reichskirche nicht mehr wünscht, hat gestern Abend daraufhin erneut entschieden, Reichsminister Kerrl solle seine Tätigkeit auf das Altreichsgebiet beschränken, keinesfalls aber mehr Entscheidungen über die Kirchenverhältnisse in den neuen Gebieten treffen; die Gauleiter der Ostmark, des Warthegaues usw. seien sonst keinesfalls in der Lage, jene Möglichkeiten, die der konkordatsfreie Raum der weltanschaulichen Arbeit biete, in entsprechender Weise auszunutzen; mit den konkordatsfreien Gebieten habe Reichsminister Kerrl nichts mehr zu tun.66

Die Gauleiter von Wien, Niederdonau, Oberdonau, Steiermark, Kärnten, Salzburg, Tirol-Vorarlberg, Sudetenland, Wartheland, Danzig-Westpreußen, Baden, Westmark und Moselland unterrichtete Bormann am 25. Februar 1941 darüber, Hitler habe entschieden, die Tätigkeit des Reichsministers für kirchliche Angelegenheiten auf das Gebiet des Altreichs zu beschränken. Daran, dass er das Sagen in Fragen des Umgangs mit den Kirchen hatte, ließ Bormann auch hier keinerlei Zweifel und versteckte sich einmal mehr hinter Hitler: »Damit die vom Führer gewünschte Linie in konfessionellen Angelegenheiten in den neuen Gebieten einheitlich gewahrt wird, muss in allen wichtigeren und grundsätzlichen Fragen rechtzeitig meine Stellungnahme eingeholt werden.«67 So hatte Kerrl beispielsweise für den 28. November 1938 eine Synode der Deutschen Evangelischen Kirche einberufen und musste diese auf Anordnung Hitlers absagen. Rosenberg hatte dies zum Anlass genommen, um noch einmal darauf hinzuweisen, dass »jede Verkoppelung der Partei mit der Kirchenpolitik unstatthaft« sei.68 Lammers bestätigte Bormanns Machtposition am 25. September 1941. Demnach waren Kerrls ohnehin begrenzten Befugnisse auf die Gebiete des Reichs beschränkt, für die das Konkordat vom 20. Juli 1933 galt: Ein ohnmächtiger Kirchenminister  155

Für die einheitliche Behandlung politisch-konfessioneller Angelegenheiten in den konkordatsfreien Gebieten des Reichs trägt der Leiter der ParteiKanzlei Sorge, der auch sonst für das gesamte Reichsgebiet die Stellungnahme der Partei im Rahmen seines Aufgabenbereichs auf die gesamtpolitischen Erfordernisse abstimmt. In allen wichtigen und grundsätzlichen Fragen ist daher von den in den genannten Gebieten des Reichs zuständigen Stellen die Stellungnahme des Leiters der Partei-Kanzlei einzuholen. Um die Einheitlichkeit der politischen Linie zu wahren, und um die Verwertung der gewonnenen Erfahrungen sicherzustellen, sorgt der Leiter der Partei-Kanzlei nach dem Willen des Führers auch in den angegliederten und den besetzten Gebieten, in denen eine Zivilverwaltung eingerichtet ist, (…) durch seine Beratung der zuständigen deutschen Stellen für eine einheitliche Behandlung der politisch-konfessionellen Angelegenheiten.69

In einem Vermerk für seinen Stellvertreter Helmuth Friedrichs beklagte sich Bormann am 16. Februar 1943 über die Kirchenpolitik von Fritz Schmidt (parteiintern »Schmidt-Münster« nach seiner Heimatstadt genannt), Generalkommissar in den Niederlanden z.b.V.: Über unseren Herrn Schmidt-Münster höre ich immer wieder die gleichen Klagen: »Er treibt keine zielklare Politik, sondern er versucht laufend, einzelne Personen und Gruppen gegen einander auszuspielen.« Beispiel: Schmidt-Münster hat, um keine Widerstände der Niederländer gegen den Arbeitsdienst zu bekommen, in die Zeitung setzen lassen, im niederländischen Arbeitsdienst werde geistliche Betreuung stattfinden. Das hat man in die Presse gesetzt, will es aber nicht durchführen. Ich halte solche Methoden für höchst gefährlich, weil sie niemals Erfolge bringen, denn die Betrogenen werden sich immer gegen den Betrüger wenden. Eindeutig möchte ich klarstellen, dass ich für das, was Pg. Schmidt-Münster in den Niederlanden als Politik bezeichnet und tut, keinerlei Verantwortung trage oder übernehmen möchte.«70

Verschärfung des Kampfes Unmittelbar nach Bormanns Übernahme von Heß’ Dienststelle, die in »Partei-Kanzlei der NSDAP« umbenannt wurde, verschärfte Bormann 156  Der Kirchenkampf

sein Vorgehen gegen die Kirchen. Er nutzte seine Machtstellung, um sie unerbittlich und auf allen Ebenen zu schwächen. In einem Rundschreiben zu konfessionellen Kindergärten vom 11. Mai 1941 erinnerte er alle Gauleiter daran, dass er und der Reichsinnenminister einen Erlass herausgegeben hätten, dem zufolge alle Kindergärten, die nicht in der Verantwortung der Gemeinde lägen, von der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) zu übernehmen seien.71 Wie die Partei es stets gefordert habe, regele nun ein staatlicher Erlass, dass von »der Führung der Kinderfürsorgeeinrichtungen von konfessioneller Seite abzusehen« sei. Ebenfalls am 11. Mai 1941 legte Bormann die Bestimmungen für die Enteignung von Kirchengebäuden fest.72 Er berief sich einmal mehr auf »entsprechende Anfragen« und stellte fest, in besonderen Fällen könnten Kirchengebäude für Zwecke des Staates oder der Gemeinden verwendet werden. Infrage komme eine Umgestaltung als Museum, Raum für Veranstaltungen (Konzerte, Vorträge, Kino usw.). Es müsse sich jedoch »um wirklich gute Gebäude handeln«. Dieses geradezu zügellose Treiben veranlasste Propagandaminister Goebbels immerhin zu dem kritischen Tagebucheintrag: »Bormann bohrt wieder in der Kirchenfrage. Aber kleinlich und in einer Art von Bilderstürmerei. Ich lasse ihm durch Tießler bestellen, dass ich mir davon gar nichts verspreche.«73 Bormann ließ sich davon nicht beeindrucken, schließlich war er nach Hitler der zweitmächtigste Mann im Staat. Verschiedentlich versuchte er sogar, Hitler zu einem Verbot des Absingens von Kirchenliedern in seiner Gegenwart zu veranlassen.74 »Jedes Mal erwiderte Hitler dann: Bormann müsse seine Einstellung zur heutigen Kirchenführung scharf trennen von seiner Einstellung zu dem von den Kirchen überlieferten religiösen Kulturgut.« Ein Weihnachtslied wie »Stille Nacht, heilige Nacht« möchte er – Hitler – am Weihnachtsabend überhaupt nicht missen; es sei eines der schönsten Kirchenlieder, die es auf der Welt gebe. Kurz nachdem Heß sich abgesetzt hatte, verkündete Bormann, Hitler habe entschieden, dass wegen der notwendigen Leistungen der Kriegswirtschaft der Fronleichnams- und der Himmelfahrtstag auf die darauffolgenden Sonntage verlegt würden.75 Es dauerte nicht lange, und Bormann verfügte die Kürzung staatlicher Zuschüsse an die evangelische Kirche in den österreichischen Gauen Wien, Oberdonau, Niederdonau, Kärnten, Salzburg, Steiermark und Tirol-Vorarlberg.76 Die UnterstütVerschärfung des Kampfes  157

17 Zu Bormanns Leidwesen dachte Hitler nicht daran, das Weihnachtsfest abzuschaffen. Für die Auslandsdeutschen ließ er sich sogar für solch kitschige Weihnachtsgrußkarten ablichten.

158  Der Kirchenkampf

zung von Geistlichen mit Kindern sollten mit Wirkung vom 1. Oktober 1941 gestrichen werden, es sei denn, sie dienten noch in der Wehrmacht. Ab dem 1. April 1942 sollten dann auch diese Zahlungen eingestellt werden. Die Gewährung von Kinderbeihilfen für Geistliche regelte Bormann endgültig im Oktober 1941. Grundsätzlich stehe Kinderbeihilfe auch diesem Personenkreis zu, jedoch nicht, wenn er in Wort und Tat den nationalsozialistischen Staat oder die NSDAP bekämpfe. Ein Geistlicher, der meine, sich aus grundsätzlichen Bedenken heraus nicht am Winterhilfswerk beteiligen zu können, dürfe nicht glauben, »dass er an den bevölkerungspolitischen Maßnahmen des nationalsozialistischen Staates« teilhaben dürfe.77 Als weitere Absurdität gilt in diesem Zusammenhang auch die Vorführung eines «Vorspannfilms« im Führer­ hauptquartier. Bormann kritisierte die »absolute klerikale Tendenz« des Streifens und ordnete an, ihn an das Propagandaministerium zurückzuschicken.78 Bezüglich des Vorgehens gegen die Kirchen stand Propagandaminister Goebbels oftmals im Widerspruch zu Bormann – nicht weil er die Kirchen schonen, sondern weil er erst nach dem Krieg gegen sie vorgehen wollte. Aus einer Vorlage für Bormann vom 4. Mai 1941 ergibt sich Goebbels’ pragmatische Haltung.79 Anlass war eine Wochenschau, in der eine Frau mit Kruzifix gezeigt worden war. Goebbels erklärte, er sei in dieser Frage grundsätzlich auf der Seite der Partei, hoffe aber andererseits, »dass die Partei ihm als Propagandist das notwendige Verständnis entgegenbringe, da er auf derart propagandistisch wirkende Bilder nicht verzichten könne«. In Kirchenfragen stehe er, Goebbels, »mit den fanatischsten Vertretern der Partei auf diesem Gebiet auf einer Stufe«. Er dürfe die Dinge aber nicht nur vom Grundsätzlichen aus betrachten. So halte er es für die Dauer des Kriegs nicht für angebracht, »über das Nichtspielen von Chorälen in Kurorten« offizielle Anordnungen herauszugeben. »All die gewünschten Anordnungen und offiziellen Regelungen auf dem kirchlichen Gebiet könnten wir kinderleicht treffen und die verbundene notwendige Aufklärungsarbeit durchführen«, wenn der Krieg gewonnen sei. Bis dahin aber gelte es zunächst einmal, Rücksicht auf die Stimmung des Volkes auch auf diesem Gebiet so weit zu nehmen, wie es irgend möglich sei. Während Goebbels vor einem offen ausgetragenen Kampf gegen die Kirche warnte, gingen Bormann und Himmler – die ansonsten häufig Verschärfung des Kampfes  159

Widersacher waren – in dieser Beziehung im Gleichschritt voran, wie an folgendem Fall exemplarisch gezeigt werden kann. Opfer war Josef Wagner, Gauleiter von Westfalen-Süd bis Januar 1941, zuvor auch Gauleiter und Oberpräsident der Provinz Schlesien sowie Reichskommissar für die Preisbildung. Er war all seiner Ämter enthoben worden, weil man ihm zu enge Beziehungen zur katholischen Kirche vorwarf. Endgültig in Ungnade waren Wagner und seine Frau gefallen, nachdem sie ihre Tochter verstoßen hatten, weil sie einen SS-Junker heiraten wollte. Wagners Frau schrieb einen »Fluchbrief«, den der SS-Bräutigam der Gestapo zuspielte. Am 23. Oktober informierte Bormann Himmler über Hitlers Befehl, Wagner durch die Gestapo überwachen zu lassen.80 Wagner wurde aus der Partei ausgestoßen, doch Himmler war das Vorgehen gegen den ehemaligen Gauleiter, für das Bormanns Schwiegervater, der oberste Parteirichter Walter Buch, verantwortlich war, zu milde. Am 5. März 1943 beklagte sich Himmler bei Bormann über den »Parteigenossen Buch« und bezeichnete den Bericht des Obersten Parteigerichts als »einzige Freisprechung« von Josef Wagner.81 Im Einzelnen hielt Himmler ihm folgende Verfehlungen vor: Er habe seine Kinder in Breslau in eine Klosterschule geschickt, weil es die beste Schule Breslaus gewesen sei, und es sei seine Sache, seine Kinder »in ihrer religiösen Auffassung später anders zu lenken«. Himmler: »Es wäre festzustellen, ob diese Aussage, dass die Kinder in der Klosterschule waren, stimmt. Sollte dies der Fall sein, so steht diese Handlung in krassem Gegensatz zu der angeblich inneren freien Haltung des Gauleiters Wagner gegenüber der katholischen Kirche. Auch keine Ausrede, dass die Taktik im Kampf gegen die Kirche dies gefordert hätte, kann Wagner in diesem Fall entschuldigen.« Goebbels hatte dazu festgehalten, Hitler habe ein »klirrendes Scherbengericht« abgehalten.82 Wagners »klerikale Einstellung [ist] eines Gauleiters unwürdig. Bei Gelegenheit der Verheiratung seiner Tochter mit einem gottgläubigen Kriegsberichterstatter hat seine Frau einen Brief an diesen geschrieben, der einfach jeder Charakterisierung spottet«. Nach dem 20. Juli 1944 wurde Wagner verhaftet und am 22. April 1945 – kurz vor Kriegsende – von der Gestapo in Berlin erschossen.

160  Der Kirchenkampf

Bormanns persönliches »Glaubensbekenntnis« Bormann führte seinen Kampf gegen die Kirchen im Allgemeinen mithilfe von Rundschreiben, Verordnungen und Erlassen. Die intellektuelle Auseinandersetzung, ethische oder moralische Diskurse waren dem Machtmenschen völlig fremd. Einen Monat nachdem der »Stab des Stellvertreters des Führers« in »Partei-Kanzlei der NSDAP« umbe­ nannt worden war, ließ er sich am 7. Juni 1941 in einer umfangreichen Geheimanweisung über das Verhältnis von Nationalsozialismus und Christentum aus. Darin beschränkte er sich zum Teil auf die Wiedergabe von Hitlers Äußerungen über die Kirche sowie auf dumpfe NSParolen, die niemanden wirklich hatten überzeugen können: Nationalsozialistische und christliche Auffassungen sind unvereinbar. Die christlichen Kirchen bauen auf der Unwissenheit der Menschen auf und sind bemüht, die Unwissenheit möglichst weiter Teile der Bevölkerung zu erhalten; denn nur so können die christlichen Kirchen ihre Macht bewahren. Demgegenüber beruht der Nationalsozialismus auf wissenschaftlichen Fundamenten. Das Christentum hat unveränderliche Grundsätze, die vor fast 2000 Jahren gesetzt und immer mehr zu wirklichkeitsfremden Dogmen erstarrt sind. Der Nationalsozialismus dagegen muss, wenn er seine Aufgabe auch weiterhin erfüllen soll, stets nach den neuesten Erkenntnissen der wissenschaftlichen Forschung ausgerichtet werden. Die christlichen Kirchen haben die Gefahren, die ihrem Bestand durch die exakten wissenschaftlichen Erkenntnisse drohen, seit jeher erkannt und sich daher bemüht, durch eine Scheinwissenschaft, wie es die Theologie ist, die wissenschaftliche Forschung durch ihr Dogma zu unterdrücken oder zu verfälschen. Unser nationales Weltbild aber steht weit höher als die Auffassungen des Christentums, die in ihren wesentlichen Punkten vom Judentum übernommen worden sind. Auch aus diesem Grunde bedürfen wir des Christentums nicht. Kein Mensch würde etwas vom Christentum wissen, wenn es ihm nicht in seiner Kindheit von den Pfarrern eingetrichtert worden wäre. Der sogenannte liebe Gott gibt das Wissen von seinem Dasein den jungen Menschen keineswegs von vornherein mit auf den Weg, sondern überlässt dies trotz seiner Allmacht erstaunlicherweise den Bemühungen der Pfarrer. Wenn also unsere Jugend künftig einmal von diesem Christentum, dessen Lehren weit Bormanns persönliches »Glaubensbekenntnis«  161

unter den unseren stehen, nichts mehr erfährt, wird das Christentum von selbst verschwinden. Verwunderlich ist auch, dass den Menschen vor Beginn der heutigen Zeitrechnung nichts von diesem Christengott bekannt war und dass auch seit diesem Zeitpunkt der bei weitem größere Teil der Erdenbewohner nie etwas von diesem Christengott erfahren hat und daher nach der recht anmaßenden, aber christlichen Auffassung von vornherein verdammt ist. Wenn wir Nationalsozialisten von einer Gottgläubigkeit sprechen, dann verstehen wir unter Gott nicht, wie die naiven Christen und ihre geistlichen Nutznießer, ein menschenähnliches Wesen, das irgendwo in den Sphären herumsitzt. Wir müssen vielmehr den Menschen die Augen öffnen, dass es neben unserer kleinen, im großen Weltall höchst unbedeutenden Erde noch eine unvorstellbare große Zahl weiterer Körper im Weltall gibt, noch unzählige Körper, die wie die Sonne von Planeten und dieser wieder von kleineren Körpern, den Monden, umgeben werden. Die naturgesetzliche Kraft, mit der sich alle diese unzähligen Planeten im Weltall bewegen, nennen wir Allmacht oder Gott. Die Behauptung, diese Weltkraft könne sich um das Schicksal jedes einzelnen Wesens, um jeden kleinsten Erdenbazillus kümmern, könne durch sogenannte Gebete oder andere erstaunliche Dinge beeinflusst werden, beruht auf einer gehörigen Dosis Naivität oder aber auf einer geschäftigen Unverschämtheit. Demgegenüber stellen wir Nationalsozialisten uns die Forderung, möglichst natürlich, d. h. lebensgesetzlich zu leben. Je genauer wir die Gesetze der Natur und des Lebens erkennen und beachten, je mehr wir uns an sie halten, desto mehr entsprechen wir dem Willen der Allmacht. Je mehr wir den Willen der Allmacht einsehen, desto größer werden unsere Erfolge sein. Aus der Unvereinbarkeit nationalsozialistischer und christlicher Auffassungen folgt, dass eine Stärkung bestehender und jede Förderung neu entstehender christlicher Konfessionen von uns abzulehnen ist. Ein Unterschied zwischen den christlichen Konfessionen ist hierbei nicht zu machen. Aus diesem Grunde ist daher auch der Gedanke auf Errichtung einer evangelischen Reichskirche unter Zusammenschluss der verschiedenen evangelischen Kirchen endgültig aufgegeben worden, weil die evangelische Kirche uns genauso feindlich gegenübersteht wie die katholische Kirche. Jede Stärkung der evangelischen Kirche würde sich lediglich gegen uns auswirken.83

162  Der Kirchenkampf

Erstmals in der deutschen Geschichte habe »der Führer die Volksführung bewusst und vollständig selbst in die Hand genommen«. Mit der Partei, ihren Gliederungen und angeschlossenen Verbänden habe er sich und damit der deutschen Reichsführung ein Instrument geschaffen, das ihn von der Kirche unabhängig mache. Nun müsse »das Volk den Kirchen und ihren Organen, den Pfarrern, entwunden werden«. Niemals mehr dürfe den Kirchen wieder ein Einfluss auf die »Volksführung« eingeräumt werden. »Dieser muss restlos und endgültig gebrochen werden«, bekräftigte Bormann abschließend. Grundsätzlich zum Christentum äußerte sich Bormann in einem Vermerk für seinen Stabsleiter Helmuth Friedrichs am 26. Januar 1943. Er referierte den Inhalt eines Gesprächs mit Hitler, verzichtete auf eigene Ansichten und übernahm dessen Argumentation: Die Missionare, die zur Ausbreitung des Christentums nach Germanien kamen, waren politische Kommissare. Der römische Staat wurde durch das Christentum vernichtet; die sogenannte Religion des Paulus revolutionierte die Sklaven und das römische Untermenschentum. (…) Die römischen Künstler, der römische Staat, hatten die schönsten Kunstwerke geschaffen, die sogenannten Kunstwerke, die von den Christen jener Jahre geschaffen wurden und in den Katakomben erhalten sind, tragen bolschewistisch-futuristische Züge. Die ganze Größe des Gegensatzes zwischen Heidentum und Christentum offenbart sich in der Hygiene, die beide auslösten. Wir stehen heute noch staunend vor den römischen Wasserleitungen und Bädern! Demgegenüber unterdrückte das Christentum jede naturnotwendige Hygiene; der wurde ein Heiliger, der in seinem eigenen Kot lebte. Auch heute noch ist es den Nonnen verboten, sich unentkleidet zu baden. Sie baden ebenso wie die Kinder, die bei den »Englischen Fräulein« erzogen werden, im langen Hemd. Wir würde die Welt aussehen, wenn das Christentum nicht gekommen wäre und die wissenschaftliche Forschung um 1500 Jahre aufgehalten hätte.84

Auch Alfred Rosenberg, NS-Chefideologe und »Beauftragter des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP«, musste sich Belehrungen Bormanns gefallen lassen, vor allem wenn es um Fragen der Religion und des Schulunterrichts ging. Angeblich verbreitete Reichsbischof Ludwig Bormanns persönliches »Glaubensbekenntnis«  163

Müller das Gerücht, er habe von Rosenberg den Auftrag erhalten, Richtlinien für die Gestaltung des Religionsunterrichtes in den Schulen auszuarbeiten. Er, Bormann, habe zwar die Richtigkeit der Erklärungen von Müller nicht nachprüfen können. Die zur Debatte stehende Frage sei aber für die künftige weltanschauliche Haltung der Partei von so grundsätzlicher Bedeutung, dass er es für notwendig halte, Rosenberg auf die ernsten Bedenken hinzuweisen, die er gegen eine solche Beauftragung erheben werde. Das Reichserziehungsministerium habe wiederholt den Wunsch geäußert, es mögen neue Richtlinien für den Religionsunterricht ausgearbeitet werden, die auch die Billigung der NSDAP fänden. Dieser Wunsch sei stets abgelehnt worden, da es nicht Aufgabe der Partei sei, Richtlinien für die Unterweisung in den Lehren christlicher Konfessionen zu geben. Dann fuhr Bormann fort: Christentum und Nationalsozialismus sind Erscheinungen, die aus ganz verschiedenen Grundursachen entstanden sind. Beide unterscheiden sich im Grundsätzlichen so stark voneinander, dass es nicht möglich sein wird, eine christliche Lehre zu konstruieren, die von der Ebene der nationalsozialistischen Weltanschauung voll bejaht werden könnte, ebenso wie sich die christlichen Glaubensgemeinschaften niemals dazu verstehen können, die Weltanschauung des Nationalsozialismus in vollem Umfange als richtig anzuerkennen. Die Herausgabe nationalsozialistischer Richtlinien für die Erteilung des konfessionellen Unterrichts würde aber eine Synthese von Nationalsozialismus und Christentum zur Voraussetzung haben. Eine solche halte ich für unmöglich. Wenn die Richtlinie wirklich von nationalsozialistischem Geist getragen sein soll, würden in ihnen ganz wesentliche Glaubenssätze der christlichen Lehre nicht anerkannt werden können. Ich erwähne hier nur die Stellungnahme der christlichen Kirchen zur Rassenfrage, zur Frage der Verhinderung oder Vernichtung unwerten Lebens, ihre Stellungnahme zur Ehe, die sich im Zölibat der Priester sowie in der Duldung und Förderung der Mönchs- und Nonnensorden kundtut, die germanischem Gefühl widersprechende Lehre von der unbefleckten Empfängnis Mariae usw. (…) Nicht durch einen Kompromiss zwischen Nationalsozialismus und christlicher Lehre werden die Kirchen überwunden, sondern nur durch eine neue Weltanschauung, deren Kommen Sie ja selbst in Ihren Werken angekündigt haben. (…) Was daher meines Erachtens nottut, ist die Ausarbeitung eines kurzen Leitfadens über 164  Der Kirchenkampf

eine nationalsozialistische Lebensgestaltung. (…) In einen solchen Leitfaden gehört etwa das Gebot der Tapferkeit, das Verbot der Feigheit, das Gebot der Liebe zur allbeseelten Natur, in der sich Gott auch im Tier und in der Pflanze offenbart, ein Gebot der Reinerhaltung des Blutes; es gehören auch Grundsätze hinein, wie sie zum Teil auch in den alttestamentlichen Dekalog aufgenommen sind, soweit sie als sittliche Grundsätze jeglichen Völkerlebens angesehen werden können. Die Herausgabe eines solchen Leitfadens kann und darf allein aus unserer nationalsozialistischen Lebenshaltung heraus entstehen. Seine Sittengebote brauchen nicht begründet zu werden durch den Hinweis auf irgendwelche Glaubensdogmen über die Erschaffung des Lebens und über das Fortleben der Seelen nach dem Tode. (…) Was die Erteilung des Religionsunterrichtes in den Schulen anlangt, so braucht m.E. an dem jetzt bestehenden Zustand nichts geändert zu werden. Keinem nationalsozialistischen Lehrer darf nach den eindeutigen Weisungen des Stellvertreters des Führers irgendein Vorwurf gemacht werden, wenn er sich bereitfindet, in den Schulen christlichen Religionsunterricht zu erteilen. (…) Umdeutungen, Auslegungen und Auseinandersetzungen im Sinne der mehrfachen Versuche einzelner kirchlicher Richtungen haben sie zu unterlassen.85

Nahezu täglich verließen Rundschreiben die Partei-Kanzlei, mit denen Bormann die kirchliche Tätigkeit weiter einschränkte oder die Kirchen schikanierte. Am 22. Mai 1941 äußerte sich Bormann über das Friedhofsrecht. Manche Pfarrämter verlangten, »alle Grabmale auf Friedhöfen, also auch die von Gottgläubigen, müssten mit Zeichen eines der christlichen Glaubensbekenntnisse versehen sein«. Davon könne keine Rede sein. Ebenso dürften Berechtigte an Erbbegräbnissen durch Wechsel ihrer Konfessionszugehörigkeit in keiner Weise benachteiligt werden. »Es ist insbesondere unstatthaft, dass die Pfarrämter den aus der Kirche ausgetretenen Berechtigten die Benutzung des Erbbegräbnisses versagen oder es sogar für verfallen erklären.«86 Um die »würdige Bestattung gottgläubiger Volksgenossen« ging es Bormann am 1. Juli 1941: Sie stoße vielfach auf Schwierigkeiten, weil kirchliche Stellen sich weigerten, Glocken zu läuten oder läuten zu lassen. Kirchen meinten, nur ihnen stehe das Verfügungsrecht über die Glocken zu. »Unabhängig von der Zugehörigkeit des Verstorbenen zu einer Konfession gehört nach dem im Volke bestehenden Brauchtum zu einer angemessenen und würdigen Bestattungsfeier auch das Läuten der Bormanns persönliches »Glaubensbekenntnis«  165

Glocken.«87 Da ein direkter Kontakt zwischen der Partei und kirchlichen Stellen unerwünscht sei, sollten Angehörige der Ortspolizeibehörde ihren Wunsch mitteilen. Diese sei berechtigt, das Notwendige zu veranlassen. Selbst um die Form der Beerdigung kümmerte sich Bormann. In einer vertraulichen Information teilte er mit, dass die Feuerbestattung als »artgemäße Bestattungsform anerkannt und der Erdbestattung grundsätzlich gleichgestellt« werde. Daraus sei aber vereinzelt gefolgert worden, »dass die Feuerbestattung künftig die ausschließliche nationalsozialistische Bestattungsform darstellen werde«. Beide Bestattungsformen rührten »aus der arteigenen Überlieferung der Stämme des deutschen Volkes« her, »die Erdbestattung sei aber als die natürlichere Bestattungsform anzusehen, ohne dass damit die Feuerbestattung von Seiten der Partei offiziell abgelehnt werden soll«.88 Während Bormann darüber spottete, dass Kirchengemeinden ihre Glocken nicht für verstorbene »Gottgläubige« läuten wollten, hatten die Nationalsozialisten unter maßgeblicher Beteiligung der Partei-Kanzlei Bronzeglocken für »kriegswichtige Aufgaben« abmontieren und einschmelzen lassen. Grundlage war die »Anordnung zur Durchführung des Vierjahresplanes über die Erfassung von Nichteisenmetallen« vom 15. März 1940. Auf Grundlage dieser Anordnung wurde am 12. November 1941 mit der Abnahme von Glocken begonnen, wobei Bormann zufolge »künstlerisch oder geschichtlich wertvolle Glocken« von der Aktion ausgenommen bleiben sollten und jede Kirchengemeinde eine Glocke behalten durfte.89 Bormann verlangte in diesem Kontext von den »Hoheitsträgern« der Partei, durch geeignete Aufklärung »etwa auftretenden unsinnigen Gerüchten entgegenzutreten«. Die Geistlichen müssten die Kirchgänger durch eine Kanzelverlesung über die Maßnahmen unterrichten. In diesem Zusammenhang sind auch die sogenannten »Gefallenenfeiern« zu erwähnen, um deren Gestaltung sich Bormann ebenfalls kümmerte. Ihm ging es darum, christliche Bezüge zu tilgen. Entschieden hatte er daher: Das Gedicht von Bahr »Wenn einmal Zeiten kommen« entspricht nicht der nationalsozialistischen Haltung. Wenn tatsächlich einmal Zeiten kommen sollten, in denen das Volk nicht mehr bereit ist zu kämpfen, dann sollte 166  Der Kirchenkampf

es nur eine Bitte an den Allmächtigen geben: dem Volk wieder einen Führer zu schenken, der es aus der Machtlosigkeit und dem Pazifismus herausreißt. (…) Zu dem Gedicht von Walter Flex »Ahnen und Enkel« muss hauptsächlich in Hinsicht auf die 2. Strophe betont werden, dass es aus einer christlichen Grundhaltung entstanden ist. Die Formulierung »Heut braucht der Gott des ew’gen Lichts das deutsche Volk zum Engel des Gerichts« verträgt sich nicht mit unserer Auffassung vom Sinn dieses Krieges. (…) Die Worte »Denn Gott ist gerecht« können schon deswegen ohne weiteres gestrichen werden, weil hierdurch keine entscheidende Beeinträchtigung des Gesamtbeitrags entsteht. »Gott ist gerecht« ist eine absolut jüdisch-alttestamentarische Fassung. Wie weit es die einzelne Mutter als eine besondere Gerechtigkeit empfindet, dass sie ihren Sohn verliert, ist zumindest zweifelhaft. Ein Gauleiter hat daher auch die Frage gestellt, ob Gott 1918 auch gerecht gewesen sei, als er das deutsche Volk nach heroischem Kampf dem nationalen Unglück überließ, während für die Juden und Judengenossen geradezu das Paradies auf Erden entstand.90

Es sollten alle Gedichte ausgelassen werden, »die unnötigerweise an die Tränendrüsen der Frauen rühren«. Worte wie Segen, Jüngster Tag, Altar, Gottesbote, Flehen usw. seien tatsächlich dem christlichen Sprachgebrauch entnommen und entsprächen nicht der nationalsozialistischen Weltanschauung. Bormann mischte sich übrigens auch in die Besetzung von Kommandeursposten ein, wenn er meinte, der infrage kommende Offizier könne zu sehr kirchlich geprägt sein. Diese Erfahrung musste beispielsweise Karl-Gustav Sauberzweig machen, SS-Brigadeführer und Kommandeur der 13. Waffen-Gebirgs-Division der SS »Handschar«. Bormann wollte ihn von seinem Posten abgelöst wissen, doch Himmler setzte sich für ihn ein: »Ich glaube aber, dass Sauberzweig, der sehr aufgeschlossen ist, und den ich einige Tage bei mir hatte, innerlich völlig von der Kirche zu lösen ist, sodass er auch auf diesem Gebiet ein totaler Nationalsozialist wird.« Geistliche, jedenfalls solche der katholischen oder evangelischen Kirche, mussten nach Bormanns Überzeugung aus der Wehrmacht ferngehalten werden. In seinem Rundschreiben vom 7. Mai 1941 begründete er, warum es nicht in Betracht komme, Geistliche zum Wehrdienst einzuziehen. Schon mehrfach hätten die Kirchen die Teilnahme Geistlicher am Kriegsdienst, die Verleihung von Kriegsdienstauszeichnungen und Bormanns persönliches »Glaubensbekenntnis«  167

die Zahl der gefallenen Geistlichen »politisch-propagandistisch« ausgewertet. Nach dem Krieg würden die Kirchen vielleicht darlegen, so Bormanns Befürchtung, »dass die Geistlichen keine Gegner des Nationalsozialismus sein könnten, weil eine so große Zahl von ihnen für das nationalsozialistische Reich gekämpft und in diesem Kampf auch ausgezeichnet worden wäre bzw. Opfer gebracht hätte«. Außerdem stehe fest, dass Geistliche, die als Soldaten, Unterführer oder Offiziere in der Wehrmacht dienten, in noch stärkerem Maß als die Feldgeistlichen in der Lage seien, ihre militärische Stellung auszunutzen und für ihre Konfessionen Propaganda zu betreiben. Vielfach hätten solche Geistlichen in Uniform »Kirchendienste« abgehalten und in den sogenannten Kasernenstunden mitgewirkt. Die Hoheitsträger sollten vielmehr die Frage aufwerfen, »inwiefern wohl die Tätigkeit dieser Geistlichen zur Erringung des Sieges beitrüge«.91 Entsprechend sollte der militärische Dienst auch von der Wehrmachtsseelsorge freigehalten werden. Ordensangehörige der Gesellschaft Jesu – Jesuiten – mussten aus der Wehrmacht entlassen und zur Landwehr II versetzt werden.92 Sie erhielten in ihren Papieren den Zusatz »n.z.v.« – nicht zu verwenden. Am 17. Januar 1940 wandte Bormann sich an den »Reichsleiter Pg. Rosenberg« und verwies darauf, dass nach Berichten aller Gauleitungen »die Betreuung der Angehörigen der Wehrmacht durch die Kirchen beider Konfessionen nach wie vor überaus rege ist«. Soldaten erhielten von den Geistlichen ihrer Heimatgemeinden laufend religiöse Druckschriften. Diese seien zum Teil »nicht ungeschickt verfasst« und übten »auf die Stimmung der Truppe einen gewissen Einfluss aus«. Alle Versuche, den Versand dieser »Traktate« einzuschränken, seien erfolglos geblieben. »Es können also nur durch polizeiliche Einzelmaßnahmen Schriften, die geeignet sind, den Wehrwillen der Truppe zu schwächen, beschlagnahmt werden.« Auch die vom Oberkommando der Wehrmacht durchgeführte Vorzensur sei nicht geeignet, »die Soldaten vor einer unerwünschten Beeinflussung durch die Kirchen zu bewahren. Eine Schrift, die nach ihrem Inhalt lediglich christlich dogmatisch gebunden ist, ohne dass in ihr Angriffe gegen Partei, Staat oder Wehrmacht enthalten wären, wird im Allgemeinen von der Zulassung durch die Prüfungskommission nicht ausgeschlossen werden können.« Bormann schlug vor: »Wenn der Beeinflussung der Soldaten durch die Kirchen wirksam entgegengetreten werden soll, so kann es m.E. nur 168  Der Kirchenkampf

dadurch geschehen, dass unter Mithilfe der Partei in kürzester Frist möglichst viele gute Schriften geschaffen werden, die so abgefasst sind, dass sie von den Soldaten wirklich gerne gelesen werden, den Soldaten aber keine christliche, sondern nationalsozialistische Weltanschauung vermitteln.« Die Schriften sollten kein »allzu geistiges, philosophisches Gepräge tragen«, sondern vielmehr in ihrer äußeren Form so mannigfaltig wie nur möglich gestaltet werden.93 Und Max Amann als Präsident der Reichspressekammer verwies am 15. Januar 1941 darauf, dass die Verteilung religiösen Schrifttums an Wehrmachtsangehörige ausschließlich über die Wehrmachtsseelsorge erfolgen dürfe.94 Die Verteilung konfessioneller Schriften – auch von überprüften Schriften – durch Geistliche oder andere Religionsdiener, konfessionelle oder andere kirchliche Organisationen oder deren Beauftragte, sei untersagt. Gegen Verstöße werde man »mit den schärfsten Mitteln« vorgehen. Am 13. März 1941 hieß es in einer weiteren Anordnung von Bormann: Militärische Feiern irgendwelcher Art dürfen mit religiösen Feiern nicht verbunden werden. Einzige Aufgabe der Wehrmachtspfarrer ist die seelsorgerische Betreuung der Wehrmachtsangehörigen ihres Bekenntnisses, soweit diese das nicht ausdrücklich ablehnen. Vorträge mit Inhalten außerhalb des religiösen Gebietes sind verboten. Beerdigungen unter Heranziehung eines Pfarrers dürfen nur stattfinden, wenn aus den Papieren des Verstorbenen eindeutig hervorgeht, dass er einer christlichen Konfession angehört hat. Sie sind zu unterlassen, wenn es entsprechende schriftliche Willenserklärungen gibt.95

Wehrmachtsangehörigen war darüber hinaus die Teilnahme an Audienzen des Papstes in Rom in Uniform strikt verboten.96

Geistliche als »Spaltpilze« Selbst als mit dem Volkssturm Kinder und Greise rekrutiert wurden, schloss Bormann die Einberufung von Geistlichen kategorisch aus. Der Reichsorganisationsleiter der NSDAP, Robert Ley, hatte Bormann ein Schreiben des Leiters des NSDAP-Hauptschulungsamts, Heinrich Geistliche als »Spaltpilze«  169

Bruhn, zur Frage, ob Geistliche denn zum Volkssturm einberufen werden sollten, zugeschickt und sich Bruhns Ansichten angeschlossen.97 Bruhn hatte sich für das Einziehen von Geistlichen ausgesprochen und dies folgendermaßen begründet: 1. Die Eingliederung von Pastoren und Priestern ermöglicht, diese Kräfte unabhängig von ihrer beruflichen Stellung unter die Disziplin dieser Kriegseinrichtung zu stellen. Dadurch wird jede anderweitige Verfügung durch internationale Befehlsstellen zunichtegemacht. Beispiel: Wenn ein Priester sabotiert und hetzt, kann er als Volkssturmmann zur Rechenschaft gezogen werden und nicht als Pfarrer. 2. Durch den Anschluss von Priestern und Pastoren geben wir den Konfessionen die Möglichkeit, mit unseren Wertbegriffen gegen uns im Volk und der Welt wirksam zu argumentieren. 1. Beispiel: Was geschieht, falls die Konfessionen auf den Gedanken kommen, ihre Geistlichen zur freiwilligen Meldung dem Vaterland zu senden, und dies abgelehnt wird. 2. Beispiel: Was sagen die Söhne im Fronteinsatz, wenn ihre Väter als Pastoren, die selbst Weltkriegssoldaten waren, als wehrunwürdig erklärt werden? 3. Die Presse hat jeden Deutschen aufgefordert, sich freiwillig zu melden. Was wird das Volk sagen und empfinden, wenn der Pastor durch den Hoheitsträger der Partei oder Volkssturmführer zurückgewiesen wird? Sie erklären, man stelle sie gleich mit Zuchthäuslern, Juden, Ausländern und Kastrierten. Ähnliche Fälle sind bei Wehrversammlungen bereits vorgekommen. Diese Probleme werden in verstärktem Maße beim Volkssturm auftreten. 4. Durch die Eingliederung aller deutschen Männer in den Volkssturm ist erstmalig die Möglichkeit gegeben, auch diesen Menschenkreis unserer politischen Beeinflussbarkeit zu unterwerfen. Dieses bedeutet positives Ausstrahlen unserer sieghaften Idee und braucht kein Anlass zu unerwünschten Auseinandersetzungen mit den Konfessionen zu sein.

Bormann aber lehnte solche Vorstellungen strikt ab. Nach außen hin verkündete er in einem Rundschreiben vom 2. November 1944, die vom »Großdeutschen Reich für wesentliche Teile seines Gebietes getroffenen Abmachungen [lassen] eine Einziehung katholischer Geistlicher 170  Der Kirchenkampf

zum Wehrdienst nicht zu«.98 Der Grundsatz einer gleichmäßigen Behandlung zwischen den einzelnen Konfessionen erfordere es, dass die übrigen konfessionellen Vereinigungen nicht anders behandelt werden. Außerdem könnte die Teilnahme Geistlicher am Dienst im »Deutschen Volkssturm«, der vorwiegend sonntags stattfinde, leicht zu der von kirchlicher Seite befürchteten Gefährdung einer ausreichenden konfessionellen Tätigkeit führen. Seine tatsächlichen Beweggründe hatte Bormann jedoch in einem Vermerk vom 1. November 1944 zusammengefasst, und diese lasen sich ganz anders. Wenn die Auffassung von Ley–Bruhn richtig wäre, so schrieb Bormann, hätte die NSDAP erheblich mehr Einfluss auf die Geistlichen haben müssen, die in der Partei waren. Tatsächlich aber hätten diese »immer und überall als Spaltpilz« gewirkt. Kämen sie in den Volkssturm, würden sie dort sehr rasch den Einfluss gewinnen, den man nicht wolle. Weiter könne man »nichts mehr gegen die offen oder heimlich hetzenden Pfarrer sagen«. Bruhn irre, wenn er meine, die Geist­lichen den Volkssturmgesetzen unterwerfen zu können. Sie unterstünden – jedenfalls nach ihrer eigenen Auffassung – zunächst den Gesetzen ihrer Kirche, denen sie in erster Linie zu gehorchen hätten. Bei Widersprüchen würde ein Geistlicher stets seinem eigenen Kirchengesetz folgen. Bruhns Argumentationen seien »ausgesprochen töricht«, denn: Das Reich der Geistlichen, in dem sie zu dienen haben, ist nicht von dieser Welt. – Darauf kommt es an. Was würde es für einen Eindruck machen, wenn wir die Geistlichen zwar als Volkssturm-Soldaten zuließen, aber wenn wir die Ausübung geistlicher Handlungen wie Beichte, Abendmahl, letzte Ölung usw. untersagten! Wir nehmen Pfarrer lt. wiederholtem FührerBefehl auch nicht in die NSDAP. Wäre Bruhns Argumentation richtig, wäre auch die Entscheidung des Führers falsch!99

Mit dem Hinweis auf Hitler war jede weitere Diskussion hinfällig. Demgegenüber weigerte sich Bormann, Organisten, Küster und sonstige Kirchenbedienstete vom sonntäglichen Dienst im Volkssturm zu befreien.100 Die Kirchen hätten durch die völlige Befreiung der Geist­ lichen vom Dienst im Volkssturm weitgehendes Entgegenkommen gefunden. »Unter den heute gegebenen Umständen müssen sich die Geistliche als »Spaltpilze«  171

Geistlichen durch Selbsthilfe oder durch die Heranziehung nicht einsatzpflichtiger weiblicher oder älterer männlicher Kräfte helfen.« Notfalls müsse es vorübergehend hingenommen werden, dass in einzelnen Fällen Kirchendienste ohne Orgelspiel durchgeführt würden. Wenn Geistliche schon nicht zur Wehrmacht einberufen werden könnten und dürften, sollte doch erwogen werden, ob sie nicht wenigstens zum Arbeitseinsatz herangezogen werden könnten, schlug Rosenberg Bormann Ende Oktober 1944 vor: »Die Partei blutet sich nach und nach aus und kann kaum die wichtigsten Aufgaben bewältigen.« Wenn Millionen alter Männer und Millionen von Frauen in schwerster Arbeit tätig seien, »dann erscheint es geradezu als historische Ungerechtigkeit, hier den gesamten Klerus gleichsam unter Naturschutz zu stellen«. Sie sollten in »festgefügten Kolonnen für bestimmte Arbeiten auf einem übersichtlichen Platz«, beispielsweise beim Bau von Wällen oder Kanälen eingesetzt werden.101 Bormanns Antwort kam postwendend. Der »Führer« lehne den Arbeitseinsatz auch unter den jetzigen Verhältnissen ab.102 Sorge bereitete den Nationalsozialisten die Reaktion des Auslands auf ihre kirchenfeindliche Politik. Begegnet werden sollte der Kritik mit einer eigenen Auslandspropaganda, die eher auf Verschweigen als auf offensiver Darstellung beruhen sollte. Walter Tießler, Verbindungsmann der Partei-Kanzlei zur Reichspresseleitung, verfasste am 27. Juli 1942 für Heinrich Hunke, den Leiter der Auslandsabteilung im Propagandaministerium, einen ausführlichen Vermerk zu den Vorgaben, die die ParteiKanzlei gemacht hatte. Leitmotiv sollte sein: »In Deutschland herrscht absolute Glaubens- und Gewissensfreiheit.« In »geeigneter Form, vielleicht durch Mundpropaganda«, könnte herausgestellt werden, die Kirchen hätten sich in Deutschland in politische Angelegenheiten gemischt und dies habe gewisse Maßnahmen der Regierung erforderlich gemacht. Im Übrigen sei dies keine neuartige Erscheinung, sogar strenggläubige Katholiken hätten als weltliche Herrscher Konflikte mit der Kirche gehabt. Die Behandlung kirchlicher Fragen im Rundfunk hat mit Vorsicht zu erfolgen. Rein kirchliche Veranstaltungen kommen für eine Übertragung nicht in Frage. (…) Das Wirken und die Aussprüche der deutschen Bischöfe sind in der Auslandspropaganda nicht zu erwähnen. (…) Wird die Bestrafung 172  Der Kirchenkampf

von Vertretern der Kirche erwähnt, so geschieht das unter dem Gesichtspunkt notwendiger Maßnahmen gegen eine einzelne Person, aber nicht gegen die Konfession, der sie angehörte. Über Maßnahmen gegen Klöster und kirchliches Vermögen wird nichts gebracht. Die Verbreitung ausländischer kirchlicher Schriften in Deutschland ist nicht erwünscht. Über den Einsatz Geistlicher im Rahmen der Wehrmacht und etwa erfolgter Auszeichnungen wird nichts gebracht. Es ist grundsätzlich unerwünscht, deutsche Geistliche im Ausland persönlich auftreten zu lassen.

Unter der Rubrik »Einzelfragen« war dann zu lesen: Beschlagnahme der Klöster: Über die Beschlagnahme von Klöstern und kirchlichen Einrichtungen ist nichts zu bringen. Die Maßnahmen auf diesem Gebiet sind z.Zt. abgeschlossen. Kruzifixe in den Schulen: Über die Beibehaltung oder die Herausnahme der Kruzifixe in den Klassenzimmern sind keine Meldungen oder Kommentierungen zu bringen. Ebenso ist die Frage des Religionsunterrichts in den Schulen möglichst nicht zu erörtern.103

Der Blick auf das Echo im Ausland war auch ausschlaggebend für die Beurteilung einer Reihe von Hirtenbriefen in Diözesanblättern, mit denen sich Bormann im Juli 1942 beschäftigte.104 Auf Veranlassung Bormanns hatte Kirchenminister Kerrl dem Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz, Bischof Adolf Bertram, eine massive Drohung zukommen lassen. Im Amtsblatt der Erzdiözese Freiburg war demnach ein Fastenhirtenbrief des Erzbischofs abgedruckt worden, der einen Rückblick auf die Auseinandersetzungen zwischen Staat und Kirche in Deutschland zum Inhalt hatte. Radio Vatikan hatte eine Auswahl von Zitaten gesendet, die im NS-Sinn als gegen den Staat gerichtet verstanden wurden. In einem weiteren Amtsblatt war ein Hirtenwort zum »Heldengedenktag« veröffentlicht worden, »dessen Inhalt nicht dem Charakter dieses Tages entspricht und ebenfalls Bedenken erregt hat«. Kerrls Warnung lautete: »Tatsächlich haben denn auch diese Veröffentlichungen in kirchlichen Amtsblättern durch ihre Verbreitung im Ausland zu einer Schädigung der deutschen Belange geführt, was bei der Herausgabe der Briefe von vornherein hätte in Betracht gezogen werden müssen.« Es könne – so der Kirchenminister – dem Staat nicht zugemutet werden, derartige Äußerungen hinzunehmen. Sollte dieser Hinweis Geistliche als »Spaltpilze«  173

nicht genügen, sehe er sich gezwungen, »ganz allgemein die vor­herige Vorlagepflicht anzuordnen oder sogar ein Verbot der amtlichen Diözesanblätter in Betracht zu ziehen«. Die Reaktion des Auslands auf seine kirchenfeindlichen Maßnahmen war durchaus etwas, was Bormann zwar nicht fürchtete, jedoch bei seinem Handeln bisweilen berücksichtigte. Am 26. April 1943 erinnerte er die Gauleiter daran, dass Hitler ihm die volle Verantwortung dafür übertragen hatte, dass die Partei alle Weisungen im Hinblick auf »die Behandlung der Konfessionen« einzuhalten habe.105 Bormann warnte davor, »dass einzelne Unterführer der Bewegung« sich dazu hinreißen ließen, »irgendwelche Differenzen mit der Kirche auszutragen und Beschlagnahmen aus irgendwelchen Gründen durchzuführen«. Seine Sorge: »Jedes derartige Vorgehen wäre geeignet, eine unnötige Beunruhigung der Bevölkerung oder eine internationale Hetze auszulösen!« In der derzeitigen Situation müsse die NSDAP die Bevölkerung über die kriegsbedingten Maßnahmen der Führung aufklären, das Verständnis für die Erfordernisse des Krieges vertiefen und den Willen zum Endsieg stärken. Ferner habe sie die Soldatenfrauen und die Angehörigen der Gefallenen und Vermissten zu betreuen. »Alle Angelegenheiten, die für den Ausgang des Krieges nicht entscheidend sind oder die sogar geeignet sind, Differenzen auszulösen und die Volksgemeinschaft zu spalten, sind zurückzustellen«, hatte Bormann erkannt: »Dazu gehören insbesondere auch die politisch-konfessionellen Angelegenheiten, die gegenwärtig nicht geregelt werden müssen.« Die NSDAP bestimmte, was rechtens war, und häufig mischte sich Bormann in die Rechtsprechung ein. 1944 war gegen Rudolf Kriß Anklage erhoben worden. Kriß stammte aus einer alteingesessenen Berchtesgadener Familie, hatte in Wien gelehrt und 1938 wegen seiner NS-kritischen Haltung Lehrverbot erhalten. Er gehörte dem Vorstand der »Berchtesgadener Weihnachtsschützen« an, die 1933 Hitler zu ihrem Ehrenmitglied ernannt hatten. Die »Weihnachtsschützen« wehrten sich gegen die Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten, und innerhalb des Vorstands wurde schon 1943 überlegt, wer nach dem Krieg Bürgermeister von Berchtesgaden werden könne. Dies war auch der Grund für die Verhaftung von Kriß und die Anklage wegen »Wehrkraftzersetzung und Feindbegünstigung«. Die Partei-Kanzlei hatte Bedenken und meinte, die vorgesehene 174  Der Kirchenkampf

18 Der NSDAP war es außerordentlich unangenehm, dass sie gegen die »Berchtesgadener Weihnachtsschützen« nur bedingt vorgehen konnte. Immerhin war Hitler ihr Ehrenmitglied.

Fassung der Anklage und die Begründung mutete seltsam an. Kriß werde als »Werkzeug des politischen Katholizismus« hingestellt. Das könne möglicherweise der »unerwünschten Auffassung Nahrung [geben], Kriß sei weniger ein Verbrecher, denn ein Märtyrer. Die ebenfalls recht breiten Ausführungen, wonach die ›Vereinigten Weihnachtsschützen des Berchtesgadener Landes‹ als solche unter der unmittel­ baren Einwirkung des politischen Klerus stehen, werden, wie zu befürchten ist, von dem unbefangenen Leser als befremdlicher Gegensatz empfunden werden zu der ferner hervorgehobenen Ehrenmitgliedschaft des Führers zu der Vereinigung.« Die Anklage solle unter diesen Gesichtspunkten noch einmal geprüft werden, verlangte die ParteiKanzlei.106 Kriß wurde schließlich vom Volksgerichtshof wegen Hochverrats zum Tode verurteilt, zu lebenslangem Zuchthaus begnadigt, von den Amerikanern befreit und erster Nachkriegsbürgermeister von Berchtesgaden. Geistliche als »Spaltpilze«  175

Selbst in den letzten Kriegstagen unterließ Bormann nicht die Verfolgung der Kirchen. Das Oberkommando der Wehrmacht wies er am 12. März 1945 mit Hinweis auf das Kriegslazarett 4610 des Panzerkorps 1 zurecht. Dort fänden sich bei einer Belegung von ständig etwa 1000 Mann vier Geistliche, je zwei evangelische beziehungsweise katholische. Sie seien nicht ausgelastet und betrieben »höchstens Seelenfang«. Dagegen gebe es keinen hauptamtlichen »Nationalsozialistischen Führungsoffizier« (NSFO). Es solle, so Bormann, höchstens ein Pfarrer bleiben und umgehend ein NSFO eingesetzt werden, »der die nationalsozialistische Führungsarbeit durchsetzt und aktiviert«.107 Die Kirchenpolitik zeigt auch, wie gespannt das Verhältnis zwischen Bormann und Rosenberg war. Deutlich wird dies an einer Beschwerde Bormanns darüber, dass Rosenbergs Dienststelle sich an einer Besprechung mit der Unterabteilung Kirchenwesen der Regierung des Generalgouvernements in Krakau beteiligt hatte. Dabei sei es, wie ihm berichtet worden sei, auch um »politisch-konfessionelle Angelegenheiten« gegangen, beispielsweise um die konfessionelle Betreuung der Volksdeutschen und die staatliche Behandlung der Kirchen im Generalgouvernement. Bormann verwies auf verschiedene Bestimmungen, nach denen er »in grundsätzlichen und politischen Fragen« eingeschaltet werden müsse, und dass konfessionelle Probleme behandelt worden seien, für die er allein verantwortlich sei. Erschwerend komme hinzu, dass der Minister für kirchliche Angelegenheiten für das Generalgouvernement nicht zuständig sei, sondern dass es sich beim Generalgouvernement um ein »konkordatsfreies Gebiet« handele. Die Erörterung der konfessionellen Themen »mit Vertretern Ihrer Dienststelle mit Vertretern staatlicher Behörden im Allgemeinen und in den neuen Gebieten im Besonderen steht daher im Widerspruch zu den Weisungen des Führers«. Rosenberg solle künftig diesen Ausführungen Rechnung tragen und von derartigen Besprechungen unter allen Umständen absehen.108 In diesem Zusammenhang sei auch auf eine Aussage Baldur von Schirachs verwiesen. Dieser erklärte am 23. Mai 1946 vor dem Nürnberger Militärgericht, er habe einen Erlass herausgegeben, dem zufolge die Hitlerjugend an Sonntagen während der Messe keinen Dienst haben sollte. »Es entstanden Schwierigkeiten wegen dieser meiner Haltung in der Parteikanzlei. Bormann war natürlich ein lebhafter Gegner eines solchen grundsätzlichen Zugeständnisses an die Kirche.« Ferner habe er 176  Der Kirchenkampf

das Buch Ein gutes Jahr 1944 als Weihnachtsgabe des Kriegsbetreuungsdienstes herausgeben lassen. Dies habe das christliche Gedicht »Bayerische Weihnachtskrippe«, ein Marienbild und das »Wessobrunner Gebet« enthalten: »Ich habe diese Weihnachtsgabe für – ich glaube – 80 000 oder 100 000 Soldaten herstellen lassen, und ich habe sie ins Feld geschickt noch 1944.« Bormann habe sich zehn Exemplare kommen lassen, um bei Hitler gegen ihn zu intrigieren. Im Übrigen habe Bormann ihn mehrfach zum Kirchenaustritt aufgefordert, dem sei er nicht gefolgt.109

Konzessionen bei Ostarbeitern und muslimischen Verbündeten Während auf der einen Seite Bormann die deutsche Amtskirche und ihre Glieder mit aller Macht bekämpfte, kam auch er nicht umhin, gegenüber den sogenannten Ostarbeitern sowie den Muslimen, die an der Seite der Nationalsozialisten kämpften, Konzessionen zu machen. Dabei war Bormann 1941 noch strikt gegen die seelsorgerische Betreuung von polnischen Zivilarbeitern im sogenannten Altreich vorgegangen. In einem Erlass vom 13. Juni 1940 hatte der Reichsminister für kirchliche Angelegenheiten zugelassen, dass polnische Zivilarbeiter zusammen mit Deutschen an »Kirchendiensten» teilnehmen dürften, doch Bormann veranlasste den Minister zur Änderung dieser Bestimmung. Er berief sich dabei einmal mehr auf angebliche Berichte aus den Gauen, »aus denen hervorging, dass diese Regelung zu Beanstandungen geführt hatte«. Auf Druck Bormanns änderte Kerrl den Erlass und sprach nun davon, die bisherigen Regelungen hätten »höchst unlieb­same und jedes Gefühl für nationale Würde und Selbstachtung entbehrende Erscheinungen mit sich gebracht«. So seien »dem polnischen Zivilarbeiter in den Gottesdiensten nicht nur besonders zur Verfügung gehaltene, sondern sogar bevorzugte Plätze zugewiesen und die Polen den deutschen Kirchenbesuchern als Vorbild hingestellt worden. An einzelnen Orten habe die Geistlichkeit die Polen sogar durch zweisprachige Rundschreiben zum Besuch deutscher Gottesdienste eingeladen mit dem Hinweis, es würden ihnen gute Plätze zur Verfügung gestellt werden. Auch seien Arbeitgeber aufge­ fordert worden, Polen Fahrräder für den Weg von der Unterkunft zur Konzessionen bei Ostarbeitern und muslimischen Verbündeten  177

Kirche zur Verfügung zu stellen. Er sehe sich daher veranlasst, die Teilnahme von Arbeitern polnischen Volkstums an den Gottesdiensten der örtlichen Pfarrgemeinde schlechthin zu untersagen. In Zukunft könne es daher nur noch gesonderte Gottesdienste für Polen geben. Lieder in polnischer Sprache dürften nicht gesungen werden, »wie denn überhaupt nur der Gebrauch der deutschen Sprache zugelassen ist«.110 Angesichts der Tatsache, dass ohne die Millionen von Zwangs­ar­ beitern die Wirtschaft und insbesondere die Kriegswirtschaft zusammengebrochen wäre, sah sich Bormann veranlasst, wider Willen eine Änderung dieser harten Bestimmungen ins Auge zu fassen. Zur »konfessionellen Versorgung der im Reich eingesetzten Ostarbeiter« verfasste er daher im Juli 1944 ein ausführliches Rundschreiben. Sie waren in der Kriegsproduktion unentbehrlich, denn die deutschen Männer waren an der Front oder zu Hunderttausenden bereits gefallen. In Übereinstimmung mit dem Reichssicherheitshauptamt wurden deshalb am 1. Juni 1944 folgende Bestimmungen erlassen:111 Die in der Kriegsproduktion zwangsweise tätigen Polen und Ostarbeiter sollten durch orthodoxe Geistliche betreut werden, die im Zusammenhang mit den »deutschen Absetzbewegungen im Osten ins Reich« gekommen waren. Jedem von ihnen wurde ein Bezirk zugewiesen, der in der Regel drei Gaue umfasste. Die Aufgaben bestanden in Taufen, Trauungen Beerdigungen und »Kirchendiensten«. Aktiv werden durften diese Geistlichen nur auf ausdrückliche Anforderung von Ostarbeitern, die über den zuständigen Lagerführer der Deutschen Arbeitsfront (DAF) an die Gestapo zu richten waren. Deutschen war die Teilnahme an den kirchlichen Handlungen für Ostarbeiter, die stets in »schlichtem Rahmen« stattfinden mussten, verboten. Mit dem Einsatz der Geistlichen wurde zugleich das Auftreten von Laienpredigern beendet. Wie detailliert die Vorschriften formuliert wurden, zeigt beispielsweise der folgende Passus: »Jedoch bestehen gegen die nach orthodoxem Ritus vorgeschriebene Mitwirkung eines aus den Ostarbeitern unter maßgeblicher Beteiligung der Geheimen Staatspolizei auszuwählenden sogenannten Psalmsängers bei den Sonderkirchendiensten keine Bedenken. Dieser bleibt nach wie vor als Ostarbeiter im Arbeitsprozess und darf keinerlei konfessionelle oder gar missionarische Tätigkeit im Lager entfalten.« Ostarbeiter mit anderem als griechisch-orthodoxem Bekenntnis durften seelsorgerisch nicht betreut werden, hier wurden 178  Der Kirchenkampf

»sicherheitspolitische Bedenken« geltend gemacht. Worum es den Nationalsozialisten ging, zeigt die Begründung für die vermeintliche Großzügigkeit: Die durch den vorstehenden Erlass geregelte konfessionelle Betreuung der Ostarbeiter bezweckt eine günstige arbeitsmäßige Beeinflussung derjenigen Ostarbeiter, die ausdrücklich für ihren privaten Bereich eine solche Betreuung durch einen orthodoxen Geistlichen wünschen. Zu beachten ist, dass innerhalb des Gesamtproblems der Hebung der Arbeitsfreudigkeit der Ostarbeiter die konfessionelle Betreuung nur ganz an der Peripherie liegt und erfahrungsgemäß auch nur den geringeren Teil von ihnen erfassen kann und soll.

Die Betreuung müsse vor allem auf den Ausbau der »KdF-Veranstaltungen« gerichtet sein, um die Ostarbeiter nicht durch fehelende Abwechslung »der kirchlichen Beeinflussung in die Arme zu treiben«. Ausdrücklich verboten waren die »Missionierung der entkirchlichten Ostarbeitermassen« sowie die Bildung von kirchlichen Gruppen innerhalb der Lager, die sicherheitspolitisch durch mögliches gemeinsames Handeln eine Gefahr darstellen könnten. Die Geistlichen sollten mit ihren Familien grundsätzlich nicht in einem Lager wohnen und waren aus »stimmungsmäßigen und propagandistischen Gründen« von den »Ostarbeiterbestimmungen« ausgenommen. Sie und ihre Familienangehörigen sollten nicht das Kennzeichen »Ost« tragen. Für die Ehefrauen wurde der Arbeitszwang aufgehoben, doch sollten die Kinder in Arbeitsstellen eingewiesen werden. Das Reichssicherheitshauptamt schließlich hatte dafür zu sorgen, »dass die konfessionelle Betreuung der Ostarbeiter keine unter Abwehrgesichtspunkten unerwünschten Folgen hat«. Unter strikter Beobachtung der Geheimen Staatspolizei und insbesondere der Partei-Kanzlei standen die kriegsgefangenen Priester. Angeblich hatten sich verschiedene Gauleitungen über deren »staatsfeindliche Beeinflussung der Kriegsgefangenen« beklagt, woraufhin Bormann das OKW aufforderte, hiergegen vorzugehen.112 Die Wehrkreiskommandos wurden angewiesen, diese Priester zu verwarnen und schärfstens zu überwachen. Einzelne Priester, »die sich als Hetzer betätigen sollten«, waren »sofort auszuschalten«. Allerdings sah Bormann »aus besonderen Gründen« davon ab, den kriegsgefangenen Priestern Konzessionen bei Ostarbeitern und muslimischen Verbündeten  179

die Genehmigung zur Ausübung ihrer seelsorgerischen Tätigkeit in den Kriegsgefangenenlagern und Arbeitskommandos ganz zu entziehen«. Völlig anders gingen die Nationalsozialisten hingegen mit Muslimen um. Sie wurden als potenzielle Verbündete im Kampf gegen die Kolonialmächte und besonders gegen die Sowjetunion umworben. Dem Islam wurden daher zahlreiche Sonderrechte zugestanden.113 Hitler selbst hatte – Bormann zufolge – festgelegt, dass Deutsche, die sich für den Islam entschieden, Mitglieder der NSDAP bleiben könnten.114 Wehrmacht und Waffen-SS stellten muslimische Einheiten auf, in denen Mullahs beziehungsweise Imame Dienst taten. 1944 wurden in Guben und Dresden sogar noch Mullah-Schulen gegründet, in denen die SS Imame ausbildete. Zudem fanden an der Göttinger Universität entsprechende Lehrgänge statt. Nicht unerwähnt bleiben soll schließlich noch das Verhältnis der Nationalsozialisten zu den Mennoniten. Diese hatten im Januar 1938 beschlossen, den Grundsatz der Wehrlosigkeit aufzugeben, lehnten aber eine Eidesleistung ab und wollten sie durch ein Treuegelöbnis ersetzen. Damit stießen sie auf den heftigen Widerstand Bormanns, der ihnen mitteilte, er sehe sich außerstande, einer solchen Sonderregelung zuzustimmen: »Die Eidesleitung auf den Führer bedeutet zugleich ein Bekenntnis zum Nationalsozialismus und zu dem vom Nationalsozialismus geforderten Gemeinschaftsgedanken. Bei Leistung des Eides muss verlangt werden, dass der Einzelne seine persönliche Auffassung gegenüber seiner Eingliederung in die Gemeinschaft zurücktreten lässt.«115 Es bestehe für die NSDAP keine Veranlassung für eine Sonderregelung, da ohnehin nur vereinzelt Angehörige der Mennonitengemeinde die Eidesleistung abgelehnt hätten. Die Dienststellen der Partei forderte Bormann auf, keine Ausnahmen bei der Eidesleistung mehr zuzulassen. Zur Parteimitgliedschaft von Mennoniten erklärte er, es müsse jeweils geprüft werden, »ob die zu beurteilende Person grundsätzlich alle Punkte des Parteiprogramms bejaht« und ob sie »als Parteigenosse oder Parteianwärter zu begrüßen« sei.

180  Der Kirchenkampf

Familie und Moral

»Den ersten, besten und ihr gemäßesten Platz hat die Frau in der Familie, und die wunderbarste Aufgabe, die sie erfüllen kann, ist die, ihrem Land und Volk Kinder zu schenken.«1 Mit diesen Worten eröffnete Joseph Goebbels im März 1933 in Berlin die Ausstellung »Die Frau, Frauenleben und -wirken in der Familie, Haus und Beruf«. Die Familiengründung hatte allerdings nicht die Verwirklichung privaten Glücks im Sinn, sondern wurde als nationale Pflicht angesehen. Um das deutsche Volk zu stärken, sollten Frauen und Männer möglichst früh heiraten und schnell möglichst viele Kinder bekommen.

Das Familienbild Im Nationalsozialismus wurde ein Familienbild gepflegt, das der Wirklichkeit in keiner Weise entsprach. Die Familie sollte, wie Bormann es formulierte, »Keimzelle des Volkes und das tragende Fundament des Staates«2 sein. Tatsächlich aber ging es den Nationalsozialisten ausschließlich darum, in den Familien – und mit zunehmender Kriegsdauer auch außerhalb der Familien – möglichst viele Kinder für den »Führer« zeugen zu lassen. Frauen waren in erster Linie Gebärautomaten. Wenn sie in den Fabriken arbeiteten oder als Straßenbahnschaffnerinnen, dann nicht, weil dies einem geänderten Frauenbild entsprochen hätte, sondern der puren Not gehorchend. Sie mussten die Stellen der Männer übernehmen, die als Soldaten an der Front standen und fielen. Die Zukunft eines Volkes sei nur gesichert, »wenn seine Familien gesund und erbtüchtig sind und wenn in ihnen die lebensbejahenden Tugenden vorhanden sind und gepflegt werden«, hatte Bormann formuliert und wollte daher »nationalsozialistische Familienabende« einführen. Am 6. Februar 1944 schrieb er den Gauleitern, die deutsche Familie müsse »ein Bollwerk deutscher Sitte, deutschen Ehrgefühls und deutschen Lebenswillens« sein.3 Die NSDAP habe die »von Natur aus vorhandene und gottgewollte Ordnung des Lebens in jeder Hinsicht zu fördern und zu festigen«. Das fünfte Kriegsjahr erfordere von der politiDas Familienbild  181

schen Führung, alles zu tun, um das Familienleben mehr als bisher in die politische Arbeit einzubeziehen und immer bewusster darauf das Gemeinschaftsleben aufzubauen. Auffallend ist, dass ausgerechnet Bormann sich auf eine »gottgewollte Ordnung des Lebens« berief. Je länger der Krieg dauere und je größer die Opfer und die Pflichten seien, desto mehr würden die Familien »in ihrem natürlichen Leben und Bestand gefährdet«. Die durch den Krieg bedingte Trennung von Mann und Frau, von Eltern und Kindern führe häufig dazu, dass sich die Familienangehörigen fremd würden und mit der Zeit verschiedene Ziele und Auffassungen verfolgten, die sich politisch und bevölkerungspolitisch nachteilig für die Gemeinschaft auswirkten. Der »seelische und geistige Gleichklang innerhalb einer Familie« müsse aber »unbedingt erhalten bleiben«. Dazu sollten die »nationalsozialistischen Familienabende« beitragen. Ihnen fiel unter anderem die Aufgabe zu, »Verständnis für die vielfältigen Arbeiten und Aufgaben der Partei, der Gliederungen und angeschlossenen Verbände zu wecken und besonders die Frauen und Familien, die der Partei nicht angehören, mit den politischen und kulturellen Aufgaben der Partei vertraut zu machen«. Ferner sollten die Familienabende »sinn- und kraftvoll die Schulungs-, Propaganda- und Kulturarbeit der Partei« vereinigen. Je nach örtlichen Möglichkeiten sollten sie in Abständen von sechs bis acht Wochen stattfinden und »durch die Anwesenheit der in Urlaub weilenden Soldaten und Verwundeten und der Urlauber des RAD, der OT, der verlagerten Betriebe und der Evakuierten den Charakter einer großen Familienfeier« erhalten. »Jeder Abend hat unter einem bestimmten Thema zu stehen. Eine kurze politische Ansprache steht im Mittelpunkt. Der Abend ist musikalisch und gesanglich zu umrahmen, wobei möglichst örtliche Kräfte mitzuwirken haben.« Die Abende sollten lebendig, farbenfroh und zeitnah gestalten werden. »Der regen und geschickten Tätigkeit unserer weltanschaulichen Gegner im Innern müssen wir nicht nur in der reinen Schulungstätigkeit, sondern auch in der Propagandaund Kulturarbeit zielsicher entgegenwirken«, ließ Bormann Reichsleiter Rosenberg als Beauftragten für die Überwachung der geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP wissen.4 So könne »gleichzeitig ein wertvoller Ausgleich für die kriegsbedingten Einschränkungen der Theater-, Konzert-, Lichtspiel- und der reinen gesellschaftlichen Veranstaltungen« geschaffen werden. Zugleich 182  Familie und Moral

sicherte Bormann Rosenberg zu, dessen Dienststelle »bei der Herausgabe von Redner-Material zu beteiligen, soweit darin grundsätzliche Fragen der geistigen und weltanschaulichen Erziehung behandelt« würden.5 Den Nationalsozialisten lag in keiner Weise daran, die Familie als Institution zu fördern. Es ging ihnen um die »Sicherung der Zukunft des deutschen Volkes«, wobei sie diese mit der des Nationalsozialismus gleichsetzten. Über die »volkliche« Zukunft – eine typisch nationalsozialistische grässliche Wortschöpfung – hatte Bormann in der Nacht zum 28. Januar 1944 gesprochen und diesbezüglich anschließend ein düsteres Bild gezeichnet:6 Die »volkliche Lage« werde nach dem Krieg katastrophal sein, waren sich Hitler und Bormann einig. »Wir werden den Krieg militärisch auf jeden Fall gewinnen, ihn volklich aber verlieren, wenn wir nicht zu einer ganz entscheidenden Umstellung der ganzen bisherigen Auffassungen kommen«, stellte Bormann fest und fuhr fort: »Selbst bei einem Sieg würden die nordischen Völker spätestens in hundert Jahren von der gewaltigen asiatischen Volksmasse erdrückt.« Nach dem Krieg würden drei bis vier Millionen Frauen keine Männer mehr haben. »Der sich daraus ergebende Geburtenausfall wäre für unser Volk gar nicht zu ertragen.« Trotz dieser zu erwartenden Lage wollten die Nationalsozialisten keine Abstriche von ihren rassistischen Vorstellungen machen. »Nun können die Frauen, die nach diesem Weltkrieg nicht mit einem Mann verheiratet sind oder werden, ihre Kinder ja nicht vom heiligen Geist bekommen, sondern nur von den dann noch vorhandenen deutschen Männern. Verstärkte Fortpflanzung des einzelnen Mannes ist – selbstverständlich vom Standpunkt des Volkwohls – nur bei einem Teil dieser Männer erwünscht. Die anständigen, charaktervollen, physisch und psychisch gesunden Männer sollen sich fortpflanzen, nicht die körperlich und geistig Verbogenen.« Jede gesunde Frau müsse sich möglichst viele Kinder wünschen, Aufklärung sei erforderlich, vor allem bei Ehefrauen, »die vielfach erst seit ihrer Verheiratung zu Ehrbarkeit-Fanatikerinnen werden«. Aber, so Bormann weiter: »Wir können heute noch nicht an die Frauen, deren Männer voraussichtlich noch fallen werden, appellieren, und wir können unsere Aufklärung mit Rücksicht auch auf unsere Soldaten nicht beginnen.« Es werde ja nicht »ohne weiteres jedem der Soldaten erwünscht sein, wenn seine Frau oder Braut nach seinem Tode Kinder Das Familienbild  183

von einem anderen Manne bekommt«. Wichtig sei es, zügig alle »unerwünschten Hemmnisse unserer Zielsetzung« abzubauen. Insbesondere gelte es, »Dichter und Schriftsteller unserer Zeit auszurichten. Neue Romane, Novellen und Bühnenstücke, die Ehedrama – Ehebruch setzen, sind nicht mehr zuzulassen, ebenso wenig irgendwelche Dichtungen, Schriftstellereien, Kinostücke, die das außereheliche Kind als minderwertiges, uneheliches behandeln.« Das Wort unehelich muss gänzlich ausgemerzt werden, da die Silbe »un« im Allgemeinen etwas Abzulehnendes bezeichnet: ehelich – unehelich Frieden – Unfrieden Ehre – Unehre frei – unfrei sympathisch – unsympathisch appetitlich – unappetitlich hold – unhold Heil – Unheil Glück – Unglück Glaube – Unglaube.

Wenn man in der Tierzucht genau darauf achte, dass nur zueinanderpassende Tiere miteinander verkoppelt würden, dann müsse man – so Bormann, der sich in dieser Frage mit Himmler einig wusste – die für alle Säugetiere geltenden Regeln auch beim Menschen beachten: »Will ich Kinder, die einen ausgeglichenen Charakter haben und keinen in sich zerrissenen, dann muss ich propagieren, dass nur Menschen, die wirklich zueinander passen, miteinander Kinder erzeugen. Mit anderen Worten: Wir können nicht wünschen, dass eine Frau – und sei es auf dem Wege sogenannter Fernzeugung – von irgendeinem Manne Kinder bekommt.« Frauen sollten nach dem Krieg eheähnliche Verhältnisse eingehen, aus denen möglichst viele Kinder erwüchsen. Jede Diffamierung müsse hart bestraft werden, auch wer »gegen die Propagierung volklicher Notwendigkeiten redet«. Das werde manchen Pfarrer treffen. Es gehe auch darum, Frauen, die Kinder wollten, materiell abzu­ sichern.

184  Familie und Moral

Frauen, die berufstätig sind und Kinder bekommen, müssen höher besoldet werden und entsprechende Wohnungen bekommen. Die Zahl der Heimschulen (Volksschulen – Internate, Oberschul-Internate mit Vorschule) ist gewaltig zu steigern. Frauen sollen ihre Kinder nicht erst im schulpflichtigen Alter auf Internate/ Heimschulen geben können, sondern laut Führer-Anordnung soll die NSV die besten Entbindungsheime schaffen und außerdem die besten Kinderheime, in denen die Kinder vom Kleinkind bis zum schulpflichtigen Alter erzogen werden.7

Man müsse »geradezu einen Mutterkult treiben und hierin darf es keinen Unterschied zwischen Frauen, die nach der bisherigen Weise verheiratet sind, und Frauen, die von einem Mann, dem sie in Freundschaft verbunden sind, Kinder bekommen, geben«. Auf besonderen Antrag sollten Männer nicht nur mit einer Frau, sondern mit einer weiteren ein festes Eheverhältnis eingehen können, »in dem die Frau dann ohne weiteres den Namen erhält, die Kinder ohne weiteres den Namen des Vaters. Nach diesem Krieg müssen die kinderlosen Ehen und die Junggesellen weit schärfer als bisher versteuert werden«.8 In der Bevölkerung stießen die Nationalsozialisten mit ihren Vorstellungen über ledige Mütter und deren Kinder nicht auf die erhoffte Zustimmung. Es würden noch immer »recht überholte Auffassungen« geäußert, beklagte sich Bormann bei Rosenberg. Immer wieder würden Abhandlungen und Bücher erscheinen, »die eine zeitgemäße Lösung der Frage erschweren«.9 Allen einschlägigen Schriften müsse daher besondere Beachtung geschenkt werden. Da er selbst größtes Interesse an solchen Veröffentlichungen habe, bitte er darum, beteiligt zu werden, falls in Rosenbergs Dienststelle solche Schriften zur Prüfung vorlägen. Hinsichtlich des Zeugens von Nachkommen für den »Führer« hatte sich Bormann als ausgesprochenes Vorbild erwiesen und in seiner Frau die ideale Partnerin gefunden. Der nationalsozialistischen Bevölkerungspolitik entsprechend kamen die Kinder des Ehepaars Bormann in kurzen Abständen zur Welt: 14. April 1930: Adolf Martin 9. Juli 1931: Ehrengard (gestorben kurz nach ihrer Geburt, Zwillingsschwester von Ilse) Das Familienbild  185

9. Juli 1931: Ilse (Zwillingsschwester von Ehrengard; da Ilse nach ihrer Taufpatin Ilse Heß benannt wurde, wurde sie nach dem Heß-Flug 1941 in Eike umbenannt.) 25. Juli 1933: Irmgard 31. August 1934: Rudolf (benannt nach Rudolf Heß, nach Heß-Flug 1941 umbenannt in Helmut Gerhard) 13. Juni 1936: Heinrich Hugo (genannt »Heiner«, benannt nach seinem Paten Heinrich Himmler) 4. August 1940: Eva Ute 23. Oktober 1941: Gerda 4. März 1942: Fred Hartmut 18. September 1943: Volker

Bormanns Briefe Es war keineswegs übertrieben, wenn Bormann behauptete, wie ein Pferd zu schuften. Insbesondere nachdem er »Sekretär des Führers« geworden war, musste er nahezu rund um die Uhr in Hitlers Nähe sein. Er wusste nie, wann er zum Vortrag gerufen wurde oder wann Hitler ihn in seinen Diensträumen aufsuchen würde, zumal dies vorzugsweise nachts der Fall war. Über sein Leben für Hitler, das Bormann sich ja so ausgesucht hatte, geben seine Briefe an seine Frau Gerda sehr anschaulich Auskunft. Diese Briefe sind 1954 von dem britischen Historiker Hugh R. Trevor-Roper ediert worden. Sie gewähren einen tiefen Einblick in das Seelenleben Bormanns. Was die beiden sich schrieben, war nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, sodass keiner der beiden sich zurückhalten oder – für die Nachwelt – »verstellen« musste. In der Erläuterung zur Edition dieser Briefe gab Trevor-Roper an, sie seien von Gerda Bormann mithilfe von Gauleiter Franz Hofer an SS-Obergruppenführer Wolff weitergeben worden. Von ihm habe sie dann François Genoud bekommen, der das Copyright von der Familie Bormann erhalten habe. In diesen Briefen berichtete Bormann über seine tägliche Arbeit, gab Einschätzungen über die politische und militärische Lage preis, die für jeden anderen eine drakonische Bestrafung wegen Verrats von Staatsgeheimnissen oder Wehrkraftzersetzung zur Folge gehabt hätten. Er kündigte an, seiner Frau für die damalige Zeit kostbare Güter 186  Familie und Moral

zum Obersalzberg zu schicken, die es für die deutsche Bevölkerung längst nicht mehr gab. Er schrieb sich all seine Probleme von der Seele. Auffallend ist die Vielzahl der Briefe sowie die gegenseitige Zuneigung, die aus ihnen spricht. »Mein liebstes Herz«, »großartigste Frau der Welt«, »bezauberndste Frau«, »meine Süße«, »beste Frau von allen« – das sind nur einige der Kosewörter, mit denen Martin Bormann Gerda bedachte. Sie habe ihn zum glücklichsten Mann der Welt gemacht, zum reichsten überdies. Häufig reichte es nur für ein paar Zeilen, oft wurde Bormann im Schreiben unterbrochen und konnte die Briefe erst nach Unterbrechungen beenden. Manche Briefe bestanden aus einer Zeile: »Die herzlichsten aller Grüße der liebenswürdigsten aller Frauen – Für immer Dein – M.B.« (1. März 1943) oder »Gerda-Liebling, heute habe ich Dir nichts zu sagen, außer: Du bist mein Allerbestes – Lass es Dir gut gehen und pass auf all unsere Kinder auf.« (27. Juli 1943). »Du kannst Dir nicht vorstellen, wie glücklich ich bin, Dich zu haben«, leitete er ein Schreiben ein (9. September 1943), »Meine liebe, kleine Gerda, meinen tiefen Dank für die wunderschönen Tage, die Du und die Kinder mir gaben«, ein anderes (28. Oktober 1943). Zugleich räumte er ein, bisweilen zu Tode erschöpft zu sein: »Ich bin einfach zu müde, Dir einen Brief zu schreiben«, fünf bis sechs Stunden Schlaf seien zu wenig (19. August 1943); da er nur anderthalb Stunden geschlafen habe, könne er noch nicht einmal mehr über den Anschlag auf Hitler schreiben (21. Juli 1944), er sei in großer Eile, Lammers werde gleich da sein, und er werde mit ihm zum Führer gehen (24. August 1944); letzte Nacht war es wieder 5 Uhr morgens, bevor er zu Bett gegangen sei, und das erste Telefongespräch sei um 9.30 Uhr gekommen (7. September 1944); heute sei er wieder zu müde, einen längeren Brief zu schreiben (9. Februar 1945); das Papier warte darauf, weiter beschrieben zu werden, aber heute habe er zu viel Arbeit, sodass er dazu nicht komme (17. Februar 1945). Bormann machte sich Sorgen wegen der Luftangriffe der Alliierten auf Süddeutschland, gab seiner Frau Hinweise, wie sie sich zu verhalten habe, beispielsweise dass der Tunnel zum Kehlstein-Haus der sicherste Platz sei. Ein völlig anderes Bild Bormanns als seine Rundschreiben und Anordnungen vermitteln diese Briefe, und ganz besonders die, die er in den letzten Wochen vor dem Untergang des »Dritten Reichs« schrieb. Er habe sich gerade in sein Büro zurückgezogen, den einzigen Raum, der Bormanns Briefe  187

wenigstens zeitweise Fenster habe und einigermaßen warm sei, schrieb er am 4. Februar 1945 aus dem Führerhauptquartier.10 Der gestrige Angriff sei sehr schwer gewesen. Außer den Bahnhöfen und Bahnlinien, die am härtesten getroffen worden seien, seien das Zentrum und der Süden der Hauptstadt schwer beschädigt worden. Der Garten der Reichskanzlei biete einen erstaunlichen Anblick: tiefe Krater, umgestürzte Bäume und die Wege blockiert durch Massen von Trümmern. Hitlers »Residenz« sei schwer getroffen, vom Wintergarten und der Banketthalle stünden nur noch Reste der Wände, und der Eingang zur Wilhelmstraße, wo die Wehrmacht sonst Posten gestanden habe, sei völlig zerstört. Bormann beschrieb die Zerstörungen im Umfeld, um festzuhalten, dass man trotz allem weiterarbeite, denn der Krieg gehe ja an allen Fronten weiter. Die Telefonverbindungen seien zwar gestört, aber es hätte noch schlimmer kommen können, wenn alle Bomben, die auf die Straße und in den Garten gefallen waren, die Büros getroffen hätten. Zu allem Überfluss gebe es im sogenannten Regierungsviertel kein Licht, Strom und kein Wasser. Vor der Reichskanzlei stehe ein Tankwagen, und das sei die Versorgung fürs Kochen und Waschen. Das Schlimmste sei der Zustand der Wasserklosetts. Die »Schweine« des Kommandos benutzten sie ständig, ohne dass jemand einen Eimer Wasser nehme, um sie zu säubern. Dann fügte er hinzu: Eine halbe Minute noch! Da gibt es noch etwas, das ich Dir sagen muss. In meiner ganzen Arbeit kam ich zu dem Schluss, dass ich Dich in der Zukunft freundlicher und liebevoller behandeln muss, als ich das in der Vergangenheit getan habe. Bis jetzt habe ich das zu wenig getan. Und manchmal war ich richtig biestig zu Dir. Von uns allen – Vater und Kindern – hast Du das Recht alle Liebe zu bekommen, die wir Dir geben können.11

Ebenfalls am 4. Februar verfasste Bormann einen weiteren Brief. Nur noch zwei Räume in der Partei-Kanzlei waren voll funktionsfähig und hatten noch Türen und Fenster. Die Arbeit war praktisch zum Erliegen gekommen, der Zug aus München war nicht eingetroffen, sodass Bormann keine Post erhalten hatte. Dass vor einer halben Stunde das Licht angegangen war, bezeichnete er ebenso als Segen wie die Tatsache, dass in seinem Zimmer neue Fensterscheiben eingesetzt worden waren. Da die Heizung nicht funktioniere, sitze er aber weiterhin in seinem Pelz188  Familie und Moral

mantel. Das aber alles sei nichts im Vergleich zur Situation im Osten, wo Dorf um Dorf in Flammen aufgehe. Und wo die Bevölkerung, sofern sie nicht habe in die Wälder fliehen können, erschossen werde oder auf andere Weise zu Tode komme – die Frauen, nachdem sie wieder und wieder vergewaltigt worden seien. Das alles würde er seiner Frau nicht schreiben, wenn er nicht wüsste, dass sie eine mutige und verständnisvolle nationalsozialistische Kameradin sei. Aber ihr könne er offen sagen, wie unerfreulich – in der Tat, wenn er ganz ehrlich sein solle, wie verzweifelt – die Lage wirklich sei. Aber er wie auch seine Frau würden den Glauben an den Endsieg nicht verlieren.12 Am Nachmittag des 5. Februar 1945 beschrieb Bormann die aussichtslose Situation. Die Wasserversorgung arbeite wieder, aber die Zentralheizungsanlage sei zerstört. So säßen alle an ihren Schreibtischen, eingehüllt in Pelze und seine Kollegen in der Partei-Kanzlei hätten nur Kerzenlicht.13 War Bormann eine gespaltene Persönlichkeit? Dem Bild, das die Briefe an seine Frau Gerda vermitteln, widersprechen die Schilderungen von Zeitzeugen, die Bormann aus nächster Nähe beobachten konnten, so wie Obersalzberg-Buchhalter Josef Groß. Dieser berichtete, »dass Kinder und Dienstpersonal, ja sogar die eigene Frau« aufatmeten, wenn Bormann längere Zeit vom Obersalzberg abwesend war. Seinen Kindern sei er nur dann ein guter Vater gewesen, wenn es seine Laune zugelassen habe: »Wie berechtigt die Furcht vor seiner Strenge war, geht daraus hervor, dass sich Bormann nicht scheute, seine eigenen Kinder mit der Reitpeitsche zu züchtigen. So stolperte einmal einer seiner Buben in eine Regenpfütze. In seinem Jähzorn vergaß sich der Vater so weit, dass er seinen Sohn mit Fußtritten traktierte.« Bormann habe seinen Kindern nur begrenzt Umgang mit Altersgenossen gestattet und sei geradezu wütend geworden, wenn sie von den Feierlichkeiten einer Erstkommunion, Konfirmation oder von Fronleichnamsprozessionen berichteten. Er sei streng darauf bedacht gewesen, dass Untergebene, Angestellte und selbst die Mieter der Siedlungshäuser auf dem Obersalzberg aus der Kirche austräten. Seine Frau Gerda habe nur dann Gäste einladen dürfen, wenn er die Auswahl traf. Einen Gärtner, der Hitler einmal direkt zum Geburtstag gratulierte, habe Bormann auf der Stelle entlassen. Seinem Chauffeur habe er mit dem Konzentrationslager gedroht, weil einmal der Wagen auf den vereisten Straßen ins Schleudern gekommen war. Er habe einen Anschlag auf sich vermutet.14 Bormanns Briefe  189

Die Affäre mit »M.« Ungeachtet seiner Liebe zu seiner Frau Gerda pflegte Bormann zahlreiche außereheliche Beziehungen. Seine Frau duldete seine Eskapaden in der Überzeugung, die Harmonie in der Familie sei besser gewahrt, wenn sie gute Miene zum bösen Spiel machte. Bormann unterhielt unter anderem ein intensives Verhältnis mit der vierzehn Jahre jüngeren Schauspielerin Manja Behrens. Die beiden hatten sich anlässlich eines Filmempfangs kennengelernt. Pikant ist, dass Propagandaminister Goebbels ein Filmverbot gegen Manja Behrens verhängt hatte. Im Briefwechsel von Martin und Gerda Bormann ist stets nur die Rede von »M.«. Ihre Identität enthüllte der britische Historiker Hugh Trevor-Roper Mitte der 1960er-Jahre. Manja Behrens hatte nach Kriegsende am Theater am Schiffbauerdamm beziehungsweise an der Volksbühne Berlin gearbeitet sowie einige kleinere Rollen für die DEFA erhalten. Nach dem Bekanntwerden ihres Verhältnisses mit Martin Bormann erhielt sie ein Berufsverbot, das erste Mitte der 1980er-Jahre aufgehoben wurde. 2003 starb sie in Berlin. Gerda Bormann duldete das Verhältnis ihres Mannes mit der gebürtigen Dresdenerin nicht nur, sondern begrüßte und unterstützte es geradezu. Der Historiker Ian Kershaw schreibt, Bormann habe im Januar 1944 seiner Frau mitgeteilt, ihm sei es gelungen, Manja Behrens zu verführen,15 doch diese Darstellung stimmt nicht. Denn schon am 24. Januar 1943 hatte Gerda Bormann ihrem Mann geschrieben, sie habe gespürt, dass zwischen »M.« und ihm etwas sei.16 Als er die Familie das letzte Mal auf dem Obersalzberg besucht habe, sei sie dann sicher gewesen. Sie möge »M.« aber viel zu sehr, als dass sie ihr böse sein könnte, und auch alle Kinder liebten sie. »M.« sei weitaus praktischer und hausfraulicher als sie selbst. Gerda Bormann bedauerte, dass »M.« und eine weitere Liebschaft von Martin Bormann, »Ilse R.«, keine Kinder haben könnten, da ihre Verlobten gefallen seien. Bei »M.« könne Martin Bormann das aber ändern. Sie riet ihrem Mann jedoch, darauf zu achten, »dass M. in einem Jahr ein Kind bekommt und ich erst im nächsten, so dass Du immer eine bewegliche Frau an Deiner Seite hättest«. Bormann, der die Briefe mit eigenen Anmerkungen zu versehen pflegte, vermerkte an dieser Stelle: »Was für eine verrückte Idee!« 190  Familie und Moral

Gerda Bormann schlug vor, ihre eigenen und die Kinder von Manja und Martin zusammen zu erziehen. Diejenige der beiden Frauen, die gerade keinen Säugling zu versorgen hatte, könnte bei Martin Bormann auf dem Obersalzberg oder in Berlin sein. Bormanns Kommentar hier: »Das würde nie funktionieren! Selbst wenn die beiden Frauen die engsten Freundinnen wären, sollte jede für sich bleiben. Besuche – ja, aber ohne es zu übertreiben.« In dem recht langen Brief zum Thema »M.« sprach Gerda Bormann davon, dass sie Manja ihre eigenen Kinder anvertrauen würde, nur in einem Punkt solle Martin Bormann vorsichtig sein und Manja behutsam belehren, denn Manja sei nicht völlig frei vom christlichen Glauben. Wenn er, Martin, das Christentum angreife, würde er nur ihren Eigensinn anstacheln. Nicht weil »M.« Christin aus Überzeugin sei, sondern aus purem Widerspruchsgeist. Bormann hierzu: »Das stimmt, dieser Geist ist in ihr sehr stark entwickelt.« Martin solle ihr aufklärende Lektüre geben, aber diskret, und dann werde »M.« sicherlich die richtigen Schlüsse ziehen. Einige Tage später, im Brief vom 27. Januar 1944 an ihren Mann, befasste sich Gerda Bormann erneut mit »M.« und meinte gleich zu Beginn, der Gedanke an »M.« lasse sie nicht los, und das werde wohl auch noch eine Zeitlang so bleiben. Natürlich sei sie auf beide nicht böse oder gar eifersüchtig. Bormann habe sich plötzlich in die Affäre mit Manja hineinreißen lassen, so wie er oft von einer Idee besessen sei oder einem Verlangen und das dann in seiner ungestümen, resoluten Weise umsetze. Er, Martin, sei so unberechenbar wie seine Mutter. Sie frage sich, ob Martin »M.« mit seiner ungestümen Art geschockt habe – Kommentar Bormanns: »Zuerst ja, kein Zweifel« – und ob »M.« ihn wirklich liebe. Hierzu bemerkte Bormann: »Ich glaube, sie liebt mich sehr. Aber natürlich ist ihre Liebe nicht so tief, wie Deine.« Auf Gerdas Frage, ob Manja Bormann liebe wie eine verheiratete Frau und ob sie bei ihm bleiben werde, auch wenn sie seinen Namen nicht tragen könne, meinte Bormann. »Das wird die Zukunft allein zeigen.« Gerda Bormann schlug nun vor, nach dem Krieg rassisch einwandfreien Männern gesetzlich zu erlauben, zwei Frauen zu haben. Notiz Bormanns an dieser Stelle. »Der Führer denkt in ähnlicher Weise!« So viele einwandfreie Männer fielen in diesem Krieg, und so viele wertvolle Frauen blieben kinderlos – aber gerade von diesen Frauen brauche man auch Kinder, meinte Gerda Bormann, wobei Bormann Die Affäre mit »M.«  191

hierzu notierte: »Absolut – für kommende Kämpfe, die das Schicksal der Nation entscheiden.«17 Der Gedanke an die Polygamie beschäftigte Gerda Bormann weiterhin und ließ sie selbst Mohammed in neuem Licht erscheinen. Am 2. Februar 1944 schrieb sie, Polygamie sei für den Religionsstifter eine unbedingte Notwendigkeit gewesen, denn wie sonst hätte Mohammed genügend Soldaten bekommen können, um den Islam mit Feuer und Schwert zu verbreiten.18 Martin Bormann fühlte sich durch die Briefe seiner Frau bestärkt und schrieb ihr am 5. Februar 1944, sie habe keinerlei Grund, eifersüchtig zu sein, denn es gebe fünfzehn gemeinsame Jahre und zehn gemeinsame Kinder. Er würde sich nicht wundern, wenn er »M.« eines Tages in einer Kirche sähe.19 Am 21. Februar 1944 schrieb er Manja einen Brief, und am selben Tag schickte er seiner Frau eine Kopie dieses Schreibens. Angesichts von Gefahren kühl zu bleiben, sei nicht die Stärke von Manja. Bei jedem Luftalarm fürchte sie sich zu Tode und male sich die schrecklichsten Dinge aus. Er habe »M.« eine Epistel geschickt, die er beifüge.20 Darin hatte Bormann seiner Geliebten unter anderem einige grundsätzliche Bemerkungen geschrieben: »Überzeugte Katholiken oder Protestanten sollten das Leben ertragen und den Tod nicht fürchten, denn sie würden Sorgen und Not als Vorspiel zur ewigen Seligkeit erleben. Was wollten nun die Nazis? Sie wollten die Menschen an die Naturgesetze gewöhnen und sie für den Überlebenskampf stärken.« Nachdem Bormann sich über die Weltanschauung der Nationalsozialisten ausgelassen hatte, schrieb er: »Du machst immer wieder einen Prediger aus mir. Jetzt sei ein liebes Mädchen. Nach allem musst Du sehen, dass dies kein Kostüm ist, das mir steht.« Am Morgen des 18. August 1944 telefonierte Bormann mit Manja, der er einen weiteren Brief geschrieben habe, wie er seiner Frau umgehend mitteilte.21 Sie habe sich riesig über diesen Anruf gefreut. Er habe ihr geraten, zum Obersalzberg zu fahren, und er werde sie dort, wenn sie lange genug bleibe, treffen. Bormann erwähnte im Folgenden zwar noch ein paarmal »M.« in seinen Briefen, sprach von Telefonaten oder Besuchen, schickte Briefe von Manja zum Obersalzberg weiter, ohne aber in die Tiefe zu gehen. Gerda Bormann widmete hingegen Manja am 12. September 1944 einen längeren Passus und übermittelte ihrem Mann die herzlichsten Grüße von »M.« Sie habe mit »M.« gesprochen, die weitaus empfindlicher als ein »Rehlein« und derzeit mit einer äußerst stupiden Arbeit 192  Familie und Moral

beschäftigt sei. Ob Bormann nicht etwas für Manja tun könne, fragte die besorgte Ehefrau.22 Am 25. September 1944 antwortete Bormann, »M.« wolle nach Kattowitz als Nachrichtenhelferin gehen, eine völlig verrückte Idee. »M.« könne nicht in einer solch fremden Umgebung unter schrecklichen Bedingungen leben. Außerdem lasse die Moral unter den Soldaten nach, und die Nachrichtenhelferinnen hätten häufig das Ansehen von »Matratzen«. Sie sollte nach München oder Salzburg gehen, es sei bedauerlich, dass sie weder Schreibmaschineschreiben noch Stenografie beherrsche, denn dann würde sie in seiner Verwaltung unterkommen, natürlich nicht bei ihm in Berlin, sondern in München.23 Gerda Bormann plädierte indessen für die »Volksnotehe« und wollte darüber hinaus jede deutsche Frau verpflichten, mindestens vier Kinder zu gebären. Solche Vorstellungen entsprachen ganz den Auffassungen Hitlers, der verdienten Offizieren – zunächst Ritterkreuzträgern – die Möglichkeit der Mehrfachehe geben wollte. Auch die Zahl von vier Kindern je deutsche Frau gehörte zur NS-Programmatik, vor allem bei Himmler, dem Reichsführer-SS und Vorsitzenden des Lebensborn e.V.

Die Moral des Korps der »Politischen Leiter« Mit Himmler verband Martin Bormann übrigens die Vorliebe für Seitensprünge. »Von 1940 an hatte sich der SS-Chef von seiner übernervös-zänkischen Ehefrau Margarete innerlich gelöst und sich seiner ehemaligen Sekretärin Hedwig – ›Häschen‹ – Potthast zugewandt, einer attraktiven Kölnerin, die er seit 1937 kannte. Die Kaufmannstochter, am 6. Februar 1912 geboren, war nach dem Besuch der Mannheimer Handelshochschule Mitte der 1930er-Jahre als Sekretärin in den Persönlichen Stab des Reichsführer-SS eingetreten. Himmler wollte sich scheiden lassen, konnte sich dazu aber dann doch nicht entschließen. Das Verhältnis blieb nicht ohne Folgen. Anfang 1942 sah Häschen Potthast der Geburt ihres ersten Kindes, Helge, entgegen (1944 folgte ein zweites, das Mädchen Nanette Dorothea). Für Himmler ergab sich ein kniffliges Problem. Er konnte die Mutter seines neuen Kindes nicht länger in Untermiete bei der Familie Müller in Berlin-Steglitz, Bismarckstraße 48c, wohnen lassen. Das Wohnungsproblem stellte sich umso dringliDie Moral des Korps der »Politischen Leiter«  193

cher, als die Eltern Potthast – ungehalten über die Liaison – ihre Tochter immer wieder drängten, die Beziehung zum Reichsführer-SS abzubrechen. Sie meinten, Himmler könne als verheirateter Mann ihrem Kind kein bürgerliches Heim bieten. »Häschens« Schwägerin Hilde Potthast, die Frau des an der Ostfront gefallenen Bruders, Dr. Walter Potthast, machte sich zur Dolmetscherin der elterlichen Gefühle. »Der Eltern wegen wünschte ich, dass Du möglichst bald heiraten würdest«, schrieb sie. Und in einem anderen Brief: »Ich befürchte, Hedwig, dass es nie zu einer Versöhnung [mit den Eltern] kommen kann. Sie würden jederzeit alles verzeihen, wenn Du Dich von ihm trennen würdest oder wenn er sich für Dich frei machte. Dein Zusammenleben mit ihm ist das Härteste an der ganzen Sache.« Schwägerin Hilde ließ nicht locker: »Er ist nun einmal verheiratet, und sie sehen die ganze Angelegenheit als Betrug seiner Frau und Missachtung Dir gegenüber an. Mutter frug mich, ob seine Frau es nun wüsste, ich musste ihr da ja leider sagen, dass es bis jetzt, soviel ich wüsste, nicht der Fall sei. Das legte sie dann als Feigheit aus. Die Eltern leiden ganz schrecklich darunter.«24 Wollte er Hedwig Potthast nicht verlieren, so musste Himmler ihr ein eigenes Haus beschaffen. Der Herr des SS-Imperiums, der über den größten Polizeiapparat der deutschen Geschichte gebot, verfügte jedoch nicht über Privatkapital. Er tat folglich das, was auch andere Parteigenossen taten: Er beantragte einen Kredit bei der Partei-Kanzlei. Bormann bewilligte ihn großzügig und zahlte Himmler 80 000 Reichsmark aus, mit denen der SS-Chef nahe dem Königssee in Berchtesgaden-Schönau für Hedwig Potthast ein Haus bauen ließ. »Haus Schneewinkellehen‹ begründete auch eine zeitweilige Allianz zwischen Himmler und Bormann, zumal sich die einsame HimmlerGeliebte mit der nahebei wohnenden Ehefrau Bormanns anfreundete. »Ach, Pappi«, schrieb Gerda Bormann ihrem Ehemann, »man kann sich gar nicht vorstellen, was alles passieren würde, wenn Du und Heinrich nicht um alles bemüht wäret. Der Führer könnte niemals alles alleine machen. Deshalb müsst Ihr Euch beide gut halten und auf Euch aufpassen.«25 Martin Bormann passte auf. Er sorgte dafür, dass »Onkel Heinrich« nicht zu mächtig wurde. Er richtete ihn auf, wenn den Reichsführer einmal der Kleinmut befiel, er rüffelte ihn, falls sich Himmler unterstand, den »Chef« – Hitler – zu kritisieren. Einmal beklagte sich Himmler beim »Sekretär des »Führers«, Hitler behandle 194  Familie und Moral

ihn ungerecht, er sei für ihn nur gut genug, um immer neue Divisionen aufzustellen. Bormann beschwichtigte ihn und warnte, Himmler solle die Kritik an Hitler nicht zu weit treiben. Himmler konnte Bormann gegenüber jederzeit offen über »Häschen« sprechen, so wie auch Gerda Bormann ihrem Mann freimütig über die Begegnungen mit Himmlers Geliebten berichtete. Am 21. September 1944 schrieb sie, sie habe am Vortag »Häschen« im gemütlichen Schneewinkellehen besucht. Helge sei ein bisschen größer als Hartmut, aber viel dünner. In seinen Bewegungen und seinem Körperbau ähnele er Heinrich, so, wie Hartmut nach Martin komme. Das Mädchen ähnele auf frappierende Weise ihrem Vater. Häschen habe einige Fotos aus Himmlers Kindheit, auf denen er exakt gleich aussehe. Das Kind sei ordentlich gewachsen und habe den ganzen Nachmittag in seinem Korb gelegen und mit seinen kleinen Händen gespielt. Den Begriff des »Ehebruchs« wollte Gerda Bormann am liebsten aus dem Sprachgebrauch tilgen. Sie setzte sich vielmehr für die Gleichstellung »unehelicher« Kinder ein und stimmte darin mit der Linie der Partei und der Auffassung ihre Mannes überein. Dieser hatte hinsichtlich unehelicher Kinder am 10. März 1944 folgende »Klarstellung« verfasst: 1. Im unausweichlichen ständigen Lebenskampf behauptet sich ein Volk umso leichter, je größer die Zahl seiner Geburten und damit die Zahl seiner Arbeiter und Soldaten ist. In den traurigen Nachkriegsjahren von 1918–1928 wurden 800 000 Jungen zu wenig geboren. Hätten wir heute zusätzlich 800 000 Soldaten, wäre der Kampf im Osten ungleich leichter. 2. Die Geburtenziffern der Völker des Ostens liegen weit höher als die unseren. Bei Fortdauer unserer Geburtenarmut würde unser Volk in fünfzig und erst recht in einhundert Jahren den vervielfachten Druck der Völker des Ostens auszuhalten haben. 3. Wollen wir, dass unser Volk den Kämpfen der Zukunft gewachsen ist, dann müssen wir in der Zukunft wieder zu jenen Geburtenzahlen, die noch unseren Großeltern selbstverständlich waren, kommen. Die in vergangener Zeit von bürgerlichen Eltern vertretene Auffassung, man sorge am besten für die Zukunft jedes Kindes, wenn man nur ein oder Die Moral des Korps der »Politischen Leiter«  195

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zwei Kinder habe, ist also völlig26 falsch. Das Gegenteil ist richtig. Und deshalb müssen künftig alle Angehörigen unseres Volkes wünschen, dass so viele wie möglich Kinder geboren werden. Je mehr Kinder aber jetzt und in der Zukunft geboren werden, desto gründlicher ist die Zukunft unseres Volkes gesichert und verbürgt. Wollen wir also erreichen, dass unsere Helden des ersten und des jetzigen Weltkrieges nicht umsonst gefallen sind, dann müssen wir unserem Volk so viele Kinder wie nur möglich wünschen. Und jede Mutter, die an die Zukunft ihrer Kinder denkt, muss wünschen, dass möglichst alle Frauen möglichst viele Kinder bekommen. Wie schon der Erste Weltkrieg, bedeutet auch dieser Krieg einen ungeheuren Aderlass für unser Volk. Hunderttausende wertvoller junger Männer sind für Bestehen und Zukunft unseres Volkes gefallen. Damit ist Hunderttausenden junger Frauen und Mädchen die Möglich­ keit, verheiratet zu sein, genommen. In vielen Fällen besteht aber die Möglichkeit, dass ein junges Mädel oder eine junge Frau, die sich nicht mehr verheiraten kann, von einem anderen geliebten Mann Kinder bekommt. Es ist, wenn wir daran denken, dass unsere Soldaten in Vergangenheit wie Gegenwart stets für unseres Volkes Zukunft fielen, selbstverständlich, dass wir uns herzlich freuen und es begrüßen müssen, wenn möglichst viele wertvolle Frauen, die nicht mehr heiraten können, Kinder bekommen. Derartige Frauen und Kinder abzulehnen, wäre nicht nur maßlos dumm, sondern hieße einen geradezu widerwärtigen Pharisäer-Standpunkt einnehmen. Diese außerehelichen Kinder sind meist rechte Glückskinder! Im Übrigen sind eine große Anzahl der berühmtesten Männer außerehelich geboren. Um auch äußerlich klarzustellen, wie engherzig und engstirnig die Ablehnung der außerehelichen Kinder wäre, habe ich bestimmt, dass an Mitarbeiterinnen, die außereheliche Kinder bekommen, genau die gleichen Zahlungsbeihilfen wie an verheiratete Frauen zu zahlen sind. Auch für unsere Mitarbeiterinnen soll die Geburt eines Kindes nicht Strafe, sondern Glück bedeuten, und deshalb wird neben der einmaligen Zahlung aus Anlass der Geburt die laufende Kinderbeihilfe gewährt.

196  Familie und Moral

11. Die materielle Unterstützung allein genügt aber nicht. Wir müssen vielmehr fordern und darauf achten, dass alle Volksgenossen und insbesondere die verheirateten Frauen allen jenen Frauen, die unserem Volk außereheliche Kinder schenken, mit größtem Takt und liebevollem Verständnis begegnen.27

Der NS-Staat sollte Bormann zufolge sogar die Funktion des Kupplers übernehmen, um den notwendigen Nachwuchs zu erzielen. In einem Schreiben an den Chef der Reichskanzlei Lammers stellte Bormann am 12. Februar 1944 die Frage, »ob bereits jetzt im Kriege die Notwendigkeit zur Schaffung von Einrichtungen bestände, die jungen ehewilligen und kinderfreudigen Menschen die Gelegenheit zum Bekanntwerden vermittelt«. Der Leiter des »Rassenpolitischen Amts« bei der Gauleitung in Dresden, zugleich Landesleiter des Reichsbundes Deutsche Familie in Sachsen, habe zunächst in der Briefzentrale des Reichsbundes erfolgreich einen Versuch gestartet. Nach Veröffentlichung in Gauzeitungen seien in kurzer Zeit 25 000 Anträge eingegangen. Diese Tätigkeit solle aufs gesamte Reichsgebiet ausgeweitet werden. Bormann wies Lammers auch darauf hin, »dass der Reichsinnenminister in 11 Großstädten des Reiches Ehevermittlungsstellen für Schwerstversehrte geschaffen hat«, um den schwerstversehrten Soldaten zu helfen, »die durch ihre Verwundung bedingte Erschwerung bei der Eheschließung mit Rat und Tat zu erleichtern«.28 In eine ähnliche Richtung zielte Bormanns Versuch, durch »Veranstaltungen für Urlauber« die Zahl der Eheschließungen zu steigern. Die Einrichtung einer Briefzentrale reiche nicht, meinte er. Trotz kriegsbedingter Verhältnisse müsse »durch Schaffung und Gestaltung einer gewissen Geselligkeit dem Fronturlauber eine Anregung und die Möglichkeit zum Kennenlernen junger Mädchen gegeben werden«, hieß es umständlich. Dies sei bevölkerungspolitisch unerlässlich, denn es könne von ledigen Frontsoldaten nicht verlangt werden, auch während des Krieges zu heiraten, ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, »Mädchenbekanntschaften auf guter Grundlage« zu machen. Es müsse in Erwägung gezogen werden, das Verbot von Tanzveranstaltungen aufzuheben, denn ein Gauleiter habe damit eine positive Erfahrung gemacht: »Front­urlauber wurden zu einer geschlossenen Veranstaltung eingeladen, in der zwischen einzelnen Darbietungen künstlerischer Art getanzt wurde. Das Die Moral des Korps der »Politischen Leiter«  197

Ergebnis war gut. Nach anfänglicher Zurückhaltung, die jeder neue eingetroffene Urlauber zunächst zeigte, griff sofort Behaglichkeit und Gemütlichkeit um sich. (…) Zum Schluss der Veranstaltung machte sich ein Offizier zum Sprecher der anwesenden Urlauber. Er dankte für diesen einzigartigen Nachmittag und gab der Hoffnung Ausdruck, dass auch anderen Kameraden derartige Zusammenkünfte geboten werden möchten.« Auf dieser Basis regte Bormann »gesellige Urlaubstreffen« an, bei denen die Partei zwar nicht als Veranstalter auftreten müsse, aber die Aufgabe habe, sie genau zu überwachen: Die Mädel erscheinen zu dieser Veranstaltung nicht in BDM-Kleidung, sondern in netten Nachmittagskleidern oder, der Landschaft entsprechend, in Trachten. (…) Die Erfahrungen haben gezeigt, dass es zweckmäßig ist, wenn die Leitung des Tanzes einem erfahrenen Tanzmeister übertragen wird. (…) Der Tanz ist nur als Teil der Geselligkeit einzuflechten und darf nicht über diese Form hinausgehen. (…) Sind Ausflugsorte vorhanden, können bei günstigem Wetter auch gemeinsame Ausflüge veranstaltet werden.29

Bormann zeigte sich zuversichtlich, dass durch solche Veranstaltungen »dem Urlauber nicht nur Gelegenheit zur Zerstreuung und zum Kennenlernen von Mädeln zur Auswahl einer Lebensgefährtin« gegeben werde. Ebenso wichtig schien ihm, dass Urlauber gleichzeitig »auch zur Partei und ihren Gliederungen zurückgeführt« würden.

Partnerwahl und »gesundes Volksempfinden« Um das vermeintlich »gesunde Volksempfinden« ging es Bormann im Zusammenhang mit dem Entwurf eines Erlasses von Reichsinnenminister Wilhelm Frick, der »Ehen mit erheblichem Altersunterschied« verbieten wollte. Diesem zufolge sollten Ehen »zwischen Heiratslustigen grundsätzlich verboten werden (…), wenn zwischen ihnen ein unnatürlich hoher Altersunterschied besteht. Das gilt nicht nur für die Fälle, dass die Frau älter ist als der Mann, sondern auch dann, wenn der Mann in einem Maße älter ist als die Frau, dass das Verhältnis dieser Menschen zueinander eher dem Vater-Kindes-Verhältnis ähnelt«. Maßgebend seien das gesunde Volksempfinden und die Grundsätze einer gesunden 198  Familie und Moral

Bevölkerungspolitik. Menschen sollten hinsichtlich ihrer Gattenwahl als geistig gestört bezeichnet werden können. Bormann lehnte den Entwurf ab und begründete dies am 17. August 1943 unter anderem wie folgt: Der Mann, von dem sich die Volksgemeinschaft im Hinblick auf seine körperliche und geistige Gesundheit und Leistungsfähigkeit die Zeugung ebenso gesunden Nachwuchses wünscht, wird für geistesgestört erklärt in einem Maße, welches die Ehe für die Volksgemeinschaft unerwünscht erscheinen lässt, wenn er eine ebenso gesunde, aber nicht mehr gebärfähige Frau heiratet. Abgesehen davon, dass es für eine gealterte Frau nicht gerade schmeichelhaft ist, wenn man den gesunden Mann, der sie heiraten will, nur wegen dieser seiner Absicht für geistig gestört erklärt, wird das gesunde Volksempfinden diesen Weg mit Recht ablehnen.30

Auch in einem weiteren Punkt stellte sich Bormann gegen Frick. Der Innenminister wollte Standesbeamte anweisen, die Eheschließung bei voraussichtlicher Unfruchtbarkeit zu verweigern. Bormann beauftragte am 7. Oktober 1944 seinen Staatssekretär Gerhard Klopfer, diesen Vorschlag zu verwerfen. Eine solche Regelung würde zu unerwünschter Beunruhigung in der Bevölkerung und insbesondere auch der Wehrmachtsangehörigen führen. Dem Standesbeamten könne nicht überlassen werden, die Ehetauglichkeit nachzuprüfen und festzustellen, ob die Verlobten zeugungs- bzw. gebärfähig seien: »Der Standesbeamte kann unmöglich darauf achten, ob eine Missbildung der Geschlechtsorgane vorliegt.« Auch das Alter sei nicht ausschlaggebend. Die bei Eingehung der Ehe bereits bestehende Unfruchtbarkeit der Frau sei als Irrtumsfall zu behandeln, die nach Eheschließung vorzeitig eintretende Unfruchtbarkeit sei gesondert zu behandeln.31 Aber nicht nur mit der Wahl des Ehepartners befasste sich Bormann, sondern auch mit der angemessenen Kleidung für Frauen. So hatte er sich am 5. Juli 1943 in einem Rundschreiben über das Tragen langer Hosen durch Frauen geäußert. Auch in dieser Hinsicht war es kriegsbedingt zu veränderten An- und Einsichten gekommen. Die Umstände des Krieges hatten dazu geführt, dass viele Frauen aus beruflichen Gründen Hosen im Herrenschnitt trugen. Dies war nicht beanstandet worden, doch die Schwierigkeiten in der Beschaffung von Webstoffen »haben Partnerwahl und »gesundes Volksempfinden«  199

darüber hinaus auch manche nicht berufstätige Frau veranlasst, im Haushalt, im Garten und in der Öffentlichkeit lange Hosen zu tragen. Das hat nicht nur Moral-Apostel, die das Tragen langer Hosen durch Frauen als schamlos und anstößig bezeichnen, auf den Plan gerufen. Auch in anderen Kreisen hat es eine völlig unberechtigte Kritik hervorgerufen. Es besteht aber nicht der geringste Anlass, den Vertretern einer solche Moral-Auffassung etwa durch den Erlass eines Verbotes nachzugeben, denen noch zu allen Zeiten hat eine von dem Üblichen abweichende Kleidung den Widerspruch dieser Moral-Apostel gefunden.« Als Gründe nannte Bormann: 1. Die berufliche Notwendigkeit des Tragens von Herrenhosen lässt sich nicht genau umgrenzen. Einer Frau, die z. B. in Haus und Garten von früh bis spät tätig ist, kann man das Tragen langer Hosen, da sie für die Arbeit sehr praktisch ist, ebenfalls nicht verwehren. 2. Es lässt sich nicht vermeiden, dass z. B. die als Schaffnerin berufstätige Frau auch auf dem Wege von und zur Arbeitsstätte ihre Einkäufe und sonstigen Besorgungen in Dienst- bzw. Arbeitskleidung mit langer Hose erledigt. Dasselbe Recht muss man einer Frau zubilligen, die zwar nicht berufstätig ist, aber einen Haushalt zu versorgen hat. Vielfach werden die Einkäufe mit dem Fahrrad besorgt; zweifellos kann eine Frau in langer Hose ungehinderter Rad fahren als im Rock. 3. Ferner ist nichts dagegen einzuwenden, wenn manche Frauen die umgearbeiteten langen Hosen ihrer im Felde stehenden Männer tragen, weil die Kleidungsknappheit sie dazu zwingt. 4. Auch in Kur- oder Badeorten besteht kein Grund zu einem Verbot: Urlaub in andere als ihre Heimatorte bekommen nur Frauen, die im Erwerbsleben, und zwar meist im Rüstungsbetrieb, schaffen. Auch diesen größtenteils schwer arbeitenden Frauen und Mädchen, die sonst hinter der Drehbank oder einer anderen Maschine stehen, kann man das Tragen einer langen Hose nicht verbieten. In diesem Zusammenhang weise ich erneut darauf hin, dass der Führer immer wieder betont, die Auswirkung von Verboten müsse sehr genau überlegt werden. Alle Verbote, deren Einhaltung man nicht kontrollieren könne, oder deren Übertretung von vornherein sicher sei, seien töricht. Gerade für den weiteren Kriegsverlauf sei es erforderlich, nur solche Maßnahmen zu treffen, die wirklich kriegsnotwendig seien, nicht aber 200  Familie und Moral

Maßnahmen, die praktisch so gut wie gar keinen Nutzen für den Kriegsausgang brächten. 32

Aus alledem wird deutlich, dass Frauen für die Nationalsozialisten eine untergeordnete Rolle einnahmen. Ihre Aufgaben reduzierten sich darauf, das Haus in Ordnung zu halten und Kinder zu bekommen, um zum Erhalt des »deutschen Volkes« beizutragen. Ferner waren sie zumindest in den Kreisen führender NS-Repräsentanten als Geliebte gern gesehen, sofern sie keine Ansprüche anmeldeten. Das nationalsozialistische Deutschland war eine ausgesprochene Männerwelt, in der für die Achtung der Frau kein Platz war. Umso erstaunlicher ist es, dass Hitler gerade unter Frauen zahlreiche Anhängerinnen fand, die in ihrer Begeisterung die Frauenfeindlichkeit seines Systems nicht mehr zur Kenntnis nahmen.

Partnerwahl und »gesundes Volksempfinden«  201

Der Rassenwahn

Die unsägliche Rassenideologie, die in den Nürnberger Rassegesetzen zum Ausdruck kam, war ein wesentliches Fundament der nationalsozialistischen Weltanschauung. Neben Hitler war es in erster Linie Himmler, der wie kaum ein anderer vom »guten Blut« schwadronierte und die abenteuerlichsten Theorien und schrecklichsten Praktiken entwickelte, um »unreines Blut« auszumerzen. Aber auch der überzeugte Nationalsozialist Bormann empfand sich als Angehöriger einer zum Herrschen bestimmten Rasse. Zwar gab es innerhalb der Partei-Kanzlei das »Rassenpolitische Amt der NSDAP« unter Walter Groß, doch mit nur fünfundzwanzig Mitarbeitern handelte es sich um eine relativ kleine Parteidienststelle. Wenig bekannt ist, dass die Reichsleitung der NSDAP noch im Juli 1933 nur Himmler mit dem im Dezember 1931 gegründeten »Rasseamt der SS« das einzige Rasseamt zugestand und die »völlig uneinheitliche und überstürzte Gründung von weiteren sogenannten Rasseämtern verurteilte. Dies drohe zu einer Gefahr für die Durchsetzung des Rassegedankens zu werden. »Kommt nämlich auch der Begriff ›Rasseamt‹ durch die Benutzung durch Unberufene, unfähige und falsche Leute und durch seine häufige Anwendung in Verruf wie etwa der Begriff ›Kommissar‹ oder der Begriff der ›Gleichschaltung‹, dann wird der Rassegedanke schwerstens geschädigt.« Jetzt komme es auf »die Aufklärung über Rassefragen, die Propaganda für den Rassegedanken« an. Gegen die »auf dem Gebiet der Rassenfrage eingerissene Disziplinlosigkeit [werde] mit den schärfsten Mitteln vorgegangen werden. Wer ein Rasseamt gründet, ohne von den dazu berufenen Stellen beauftragt zu sein, ist ein Schädling«, hieß es unverblümt und drohend.1 In einem Rundschreiben an die Ministerien des Reichs und der Länder beklagte Bormann dennoch ein Jahr später, es bestehe in der Behandlung rassenpolitischer Fragen noch immer nicht die notwendige Übereinstimmung.2 Vor allem werde nicht auf außenpolitische Wirkungen Rücksicht genommen.

202  Der Rassenwahn

Bormanns Hass auf die Polen Auch wenn Bormann und Himmler häufig unterschiedlicher Auffassung waren – in ihrer Rassenpolitik waren sie sich einig. Beide – keineswegs Abbilder des »arischen« Ideals – verfolgten unbarmherzig alle, die nicht ihren Rassevorstellungen entsprachen: Himmler mit dem Mordinstrument SS, Bormann mit Anordnungen und Erlassen. Bormanns besondere Verachtung galt den Polen – auch hier ähnelte er Himmler. Als Stabsleiter des »Stellvertreters des Führers« hatte er die Möglichkeit und die Instrumente, nach dem deutschen Überfall auf Polen die dortige Bevölkerung zu drangsalieren und ihrer elementarsten Menschenrechte zu berauben. Bormann stand damit zwar zum Teil im Widerspruch zum Reichsminister der Justiz Franz Gürtner, doch er, Bormann, vertrat die Partei und hatte damit das letzte Wort. Am 21. August 1940 beklagte sich Bormann beim Chef der Reichskanzlei, Hans Heinrich Lammers, über Gürtner, der offensichtlich das Recht noch nicht vollständig dem Parteiwillen untergeordnet hatte. Der Reichsminister der Justiz sei der Meinung, dass das bürgerliche Recht für alle in den Ostgebieten wohnenden Menschen ohne Rücksicht auf ihre Volkszugehörigkeit eingeführt werden müsse, beklagte sich Bormann. Für Gürtner sei es ausreichend, Richtern durch eine Generalklausel die Möglichkeit zu geben, von der Anwendung des deutschen Rechts abzusehen. »Ein Denken, das bei der Einführung von Rechtsvorschriften in erster Linie Räume und Gebiete im Auge hat, die dort wohnenden Menschen aber unberücksichtigt lässt, beruht auf Gedankengängen, die in der heutigen Zeit keine Berechtigung mehr haben«, befand Bormann und stellte klar: »Auf deutsches Recht dürfen sich immer nur deutsche Menschen berufen können, vor allem dann, wenn sie gezwungen sind, mit Menschen völlig anderer Rassenprägung in einer Gemeinschaft zu leben.«3 Hierzu ist aber einzuwenden: Hätte Deutschland Polen nicht überfallen, wären »deutsche Menschen« nicht »gezwungen« gewesen, mit »Fremdvölkischen« zusammenzuleben, schon gar nicht in einem von Deutschen besetzten und unterdrückten Land – aber eine solche Einsicht war von Nationalsozialisten kaum zu erwarten. In der Verfolgung von Polen gab Bormann nicht auf. Am 2. September 1940 schrieb er in dieser Angelegenheit erneut an Lammers. Nunmehr konkretisierte er seine »Bedenken« gegen die Vorlage des JustizBormanns Hass auf die Polen  203

ministers und machte zugleich deutlich, dass er in den Polen keine »vollwertigen« Menschen sah. Man könne nicht eine Regelung treffen, »die zunächst den Polen grundsätzlich gleiche Rechte gewährt wie den Deutschen, aber gleichzeitig die Entziehung dieser Rechte durch besondere gesetzliche Maßnahmen vorsieht«, monierte Bormann. Hier sehe er »eine große Gefahr für den weiteren Ausbau eines Sonderrechts für die Polen«. Nach Einführung des deutschen Rechts könnte ein Richter »z. B. nicht mehr das Klagerecht und das Zeugnisrecht der Polen allgemein verneinen, er könnte nicht grundsätzlich Vollstreckungen eines Polen gegen einen Deutschen verhindern, er könnte nicht die Eintragung von Grundstücksrechten für einen Polen ablehnen usw.« – für Bormann eine geradezu unerträgliche Vorstellung. Er habe nichts gegen die Einführung des bürgerlichen Rechts nur für die Deutschen in den Ostgebieten. Den Polen dürfe jedoch keine Rechtsstellung eingeräumt werden, »die sie nach dem Willen der politischen Führung nicht einnehmen sollen«. Der Justiz wollte Bormann nur die Ausführung des Parteiwillens zugestehen. »Dieser Wille muss dem Richter bekanntgegeben werden, ihn festzustellen ist der Richter weder fähig noch zuständig.«4 In mehreren Anweisungen, zuletzt in der Anordnung 332/44, hatte Bormann ohnehin zum wiederholten Mal klargestellt, dass die Rechtsprechung dem Diktat der NSDAP und damit seinem unterworfen war. Eingriffe in schwebende gerichtliche Verfahren sollten zwar unterbleiben, doch: »Hält es eine Parteidienststelle für geboten, in einer Strafsache dem Gericht den Standpunkt der Partei über eine grundsätzliche oder politische Frage bekanntzugeben, so muss sie mich unterrichten, damit von mir bei dem Reichsminister der Justiz das Erforderliche veranlasst werden kann.«5 Daran, dass die Justiz allenfalls Vollzugsorgan der Partei sein durfte, ließ Bormann zu keiner Zeit auch nur den geringsten Zweifel. Gegenüber den Reichs- und Gauleitern kritisierte er am 24. Juli 1940 eine ganze Reihe »unverständlicher« Urteile, bei denen Hitler »die sofortige Abstellung unzulänglich verurteilter Verbrecher an die Staatspolizei und ihre sofortige Erschießung durch diese veranlasst« habe. Er führte dann unter anderem konkret diesen Fall an: In einer vom Sondergericht München in Augsburg durchgeführten Verhandlung wurde der 28 Jahre alte Josef Mühlbach zu 10 Jahren Zuchthaus, 204  Der Rassenwahn

10 Jahren Ehrenrechtsverlust und zur Sicherungsverwahrung nach Verbüßung der Strafe verurteilt. Mühlbach hatte arbeitende Frauen, die von der Nachtschicht kamen, überfallen und unter Todesdrohungen willfährig zu machen versucht. Eine Frau, die seinen Angriffen Widerstand entgegensetzte, warf er mit Wucht gegen eine Hauswand und schlug sie derart, dass sie blutüberströmt am Platze blieb; dann nahm er der Frau die Geldbörse und ging davon. Eine andere Frau bedrohte er mit Erschießen, eine weitere mit dem gezogenen Messer usw. Auch in diesem Fall hat der Führer die sofortige Erschießung des Mühlbach durch Organe der Staatspolizei angeordnet. Bei dieser Gelegenheit hat der Führer erneut betont, es sei völlig untragbar, dass auf der einen Seite Zehntausende bester Deutscher ihr Leben für Volk und Vaterland einsetzten, während auf der anderen Seite Verbrecher nur milde verurteilt würden.6

Auch NS-Justizminister Franz Schlegelberger, der den politisch miss­ liebigen Fritz Gürtner abgelöst hatte, war für Bormann lediglich eine Marionette und konnte dies immer wieder den Briefen aus der ParteiKanzlei entnehmen. Am 13. Juli 1941 warf ihm Bormann zu milde Urteile über Polen vor.7 Ihm sei berichtet worden, dass im Umgang mit den im Reichsgebiet eingesetzten polnischen Landarbeitern »eine irgendwie gezeigte Nachsicht zur Folge hat, dass die Polen in ihrer Arbeitsleistung sofort nachlässig werden und außerdem ein freches, selbstherrliches Wesen an den Tag legen«. Bormann kam zu dem Schluss, »sämtliche Urteile lassen die Unfähigkeit der Richter erkennen, den angeklagten Polen entsprechend entgegenzutreten«. Dabei komme es nicht nur darauf an, im Strafmaß etwas über das hinauszugehen, was man im gleichen Fall einem Deutschen geben würde: »Der Richter muss sich vielmehr auch darüber im Klaren sein, dass die von der eines Deutschen gänzlich verschiedene Wesensart der Polen eine andere Behandlung erfordert. Ebenso erscheint prüfenswert, ob nicht mit Rücksicht auf die viel geringere Strafempfindlichkeit des Polen bei Anrechnung der Untersuchungshaft nach anderen Gesichtspunkten verfahren werden muss, als sie bei einem deutschen Angeklagten am Platz sein mögen.« Bei den geschilderten Fällen werde auf nachträgliche staatspolizeiliche Maßnahmen nicht verzichtet werden können. »Auch soll nicht nur der angeklagte Pole erkennen, was er zu erwarten hat, wenn er sich nicht in den ihm gezogenen Grenzen hält, das Urteil soll Bormanns Hass auf die Polen  205

ebenso auf die deutsche Bevölkerung erzieherisch wirken und ihr die noch nicht allenthalben klare Haltung gegenüber fremdem Volkstum vermitteln.«8 Bormann führte einige Urteile auf, die er missbilligte: Michael Jakubowski war in der Nacht zum 27. Mai 1940 von seiner Arbeitsstelle entflohen und hatte ein Fahrrad gestohlen. Kurz darauf wurde er festgenommen. Das Amtsgericht Memmingen verurteilte ihn zu sieben Monaten Gefängnis unter Anrechnung der Untersuchungshaft. Bormann: »Dieses Urteil wird in dem hier vorliegenden Bericht als völlig instinktlos bezeichnet. Welche Wirkung sich der Richter von dem Urteil versprochen hatte, ist nicht zu erkennen.« Immer wieder hätten sich die Richter der Situation nicht gewachsen gezeigt und beispielsweise »dem von vornherein sich im Unrecht befindlichen, weil zur Nachtzeit sich draußen herumtreibenden Polen, nahezu das Recht [zugestanden], gegenüber dem ihn deshalb maßregelnden Deutschen sich zur Wehr zu setzen«. Mit anderen Worten: Bormann unterstellte den Polen eine »geringere Strafempfindlichkeit« und verlangte gleichzeitig, sie müssten sich den deutschen »Herrenmenschen« widerstandslos unterordnen.9 In einem anderen Fall hatte ein Sondergericht in Königsberg eine Ehefrau aus dem Kreis Insterburg zu jeweils zehn Jahren Zuchthaus und Ehrverlust verurteilt, weil sie sexuelle Beziehungen zu einem polnischen Kriegsgefangenen unterhalten hatte. Die Verurteilung sei auf der Grundlage der Strafvorschriften zum Schutz der Wehrkraft des deutschen Volkes ergangen, zumal in diesem Fall auch noch das »gesunde Volksempfinden gröblich verletzt worden sei. Als »eindringliche Warnung« sei das Urteil in der gesamten Presse abgedruckt worden.10

Eindeutschung und Ausbeutung Bormann war – neben Himmler – die treibende Kraft, wenn es darum ging, die Menschen in den besetzten Ostgebieten zu unterdrücken oder gar auszurotten. Dem Reichskommissar für die besetzten Ostgebiete, Alfred Rosenberg, rief Bormann am 23. Juli 1942 in Erinnerung, der »Führer« lege auf die Beachtung und Durchsetzung folgender Grundsätze in den besetzten Ostgebieten Wert: 206  Der Rassenwahn

1. Wenn Mädchen und Frauen der besetzten Ostgebiete ihre Kinder abtreiben, dann kann uns das nur recht sein; keinesfalls sollen sich also deutsche Juristen dagegen wenden. Man müsste nach Auffassung des Führers sogar einen schwungvollen Handel mit Verhütungsmitteln in den besetzten Gebieten zulassen, denn wir können keinerlei Interesse daran haben, dass sich die nicht deutsche Bevölkerung vermehrt. 2. Die Gefahr, dass sich die nicht deutsche Bevölkerung in den besetzten Ostgebieten stärker als bisher vermehrt, ist sehr groß, denn die gesamten Lebensumstände werden für die nicht deutsche Bevölkerung selbstverständlich viel besser und gesicherter. Gerade deshalb müssen wir die notwendigen Vorkehrungsmaßnahmen gegen eine Vermehrung der nicht deutschen Bevölkerung treffen. 3. Deshalb soll auch keinesfalls eine deutsche Gesundheitsfürsorge für die nicht deutsche Bevölkerung in den besetzten Ostgebieten einsetzen. Ein Impfen z. B. der nicht deutschen Bevölkerung und ähnliche vorbeugende Gesundheitsmaßnahmen sollen keinesfalls infrage kommen. 4. Keinesfalls darf der nichtdeutschen Bevölkerung eine höhere Bildung beigebracht werden. Würden wir in diesen Fehler verfallen, würden wir uns selbst einen kommenden Widerstand geradezu züchten. Es muss also nach Auffassung des Führers genügen, wenn die nicht deutsche Bevölkerung – auch die sogenannten Ukrainer – lesen und schreiben lernen.11

Ähnlich dachte bekanntlich auch Himmler. Er hatte bereits 1939 für die »nichtdeutsche« Bevölkerung in Polen verlangt, dass es für sie keine höhere Schule als die vierte Klasse der Volksschule geben dürfe. »Ziel dieser Volksschule sei lediglich einfaches Rechnen bis 500, Schreiben des Namens sowie die Lehre, dass es ›ein Gottesgebot ist, den Deutschen gehorsam zu sein und ehrlich und brav zu sein‹. Lesen halte er nicht für erforderlich.«12 Diese wahnwitzigen Ansichten kamen auch zum Ausdruck, als es darum ging, den Mangel an Hausgehilfinnen im »Altreich« zu beheben. In einem Schreiben an Reichsarbeitsminister Franz Seldte wurde darauf verwiesen, dass »in den ehemals polnischen Gebieten, die jetzt Reichsgebiet geworden sind«, ca. 7,8 Millionen Polen lebten. Wenn auch damit zu rechnen sei, dass ein erheblicher Teil der Polen in das Generalgouvernement evakuiert werde, so würden doch erhebliche polnische Volksteile im Reichsgebiet verbleiben, hieß es. Bemerkenswert Eindeutschung und Ausbeutung  207

war die Begründung, mit der nun erläutert wurde, warum viele dieser »Volksteile« ins »Altreich« geholt werden könnten: Es wird sich hier um solche Schichten handeln, die eindeutschungsfähig erscheinen. Ein großer Teil dieser im Reich bleibenden Schichten ist, soweit es sich um die ehemals preußischen Gebiete handelt, meistens irgendwie deutscher Abstammung, aber im Laufe der Zeit polonisiert worden. Der Kreis des Einschlages deutschen Blutes im Polentum ist größer, als wie man zunächst denkt. Weckt man in den Angehörigen dieser Schichten den Gedanken an ihre deutsche Abstammung und bringt man sie in deutsche Verhältnisse, so ist es klar, dass man hier eine Rückdeutschung bzw. Eindeutschung leichter erreichen kann. Es erscheint deshalb zweckmäßig, jüngere Menschen aus diesen Schichten, wenn sie nicht unumgänglich in Posen benötigt werden, in das Reich zu bringen.13

Entlarvend waren in dem Schreiben auch die Passagen über die Frauen. Sie enthüllten, dass es nur um die Ausbeutung polnischer Frauen unter Beibehaltung rassischer Vorstellungen ging: Bringt man jüngere Frauen als Hausangestellte in das Reich, so kann man damit nicht nur viel zur Eindeutschung beitragen, sondern auch die bestehende Hausgehilfinnennot abstellen. Es kommen als Hausangestellte für das Reich nur solche Mädchen in Betracht, die schon etwas Deutsch sprechen. Weiter ist es erforderlich, dass sie in ihrem rassischen Erscheinungsbild erträglich sind. Im Wesentlichen unterscheidet sich der Pole in ehemaligen preußischen Gebieten in seinem rassischen Erscheinungsbild kaum von der umwohnenden deutschen Bevölkerung. Trotzdem wird, um die Einreise rassisch unerwünschter Elemente in das Altreichsgebiet zu verhindern, eine Aussiebung der in Betracht kommenden Personen stattzufinden haben.14

»Aussieben« ließ Bormann auch in anderen Bereichen, beispielsweise bei der Gewährung von Ehestandsdarlehen und Kinderbeihilfen im Reichsprotektorat Böhmen und Mähren. Gegenüber Reichsprotektor Konstantin von Neurath ging er am 20. Juni 1940 darauf ein, dass die Protektoratsregierung ein Gesetz, plane, das Hilfen vorsehe, »wie dies im Reich aus bevölkerungspolitischen Gründen und aus Gesichtspunkten des Familienlastenausgleichs schon seit Jahren geschieht«. Seit der 208  Der Rassenwahn

Errichtung des Protektorats sei ein Ansteigen der Geburtenzahlen des tschechischen Volkes festzustellen, und es sei anzunehmen, dass sie weiter stiegen, wenn die beabsichtigten Maßnahmen durchgeführt würden. In dieser Hinsicht befand Bormann: »Es bedarf keiner weiteren Erörterung, dass diese Entwicklung vom deutschen Standpunkt aus betrachtet nicht gerade als erwünscht angesehen werden kann.«15 Bormann war Rassist durch und durch und bemühte sich, auch in dieser Beziehung Hitler zu gefallen. In den »Tischgesprächen« vom 22. Juli 1942 im Führerhauptquartier »Werwolf« bei Winniza wird beispielsweise eine Fahrt durch eine benachbarte Kolchose geschildert, die Bormanns Einstellung widerspiegelt: Er betonte, den Kindern hier in der Ukraine sehe man nicht an, was sie später für flache slawische Gesichtszüge bekämen. Die Kinder seien, wie die meisten Menschen des ostbaltischen Typs, blond und blauäugig, dann seien sie pausbäckig und rund, sähen also wirklich nett aus. Demgegenüber seien unsere vorwiegend nordischen Kinder in ihrer Jugend im Aussehen ähnlich wie junge Fohlen ungelenk, hätten anscheinend viel zu dünne und zu lange Beine, schmale und eckige Körper und Gesichter! Den Kindern in der Ukraine sehe man also nicht an, wie stark ihre rundlichen Gesichter später verflacht und vergröbert würden. Im Übrigen, betonte Reichsleiter Bormann, sehe man, wenn man im Lande umherfahre, zwar wenig Männer, aber unglaublich viel Kinder. Dieser Kinderreichtum könne uns eines Tages sehr zu schaffen machen; denn es sei der Kinderreichtum einer Rasse, die weit härter als unser eigenes Volk erzogen würde. Nirgends sehe man hier einen Menschen mit Brille, die meisten hätten ein einwandfreies Gebiss, seien in einem guten Ernährungszustand und offenbar von der Jugend bis zum Alter kerngesund. Die harten Verhältnisse, unter denen diese Menschen lebten, hätten einen natürlichen, äußerst scharfen Ausleseprozess durchgeführt. Wenn unsereins ein Glas Wasser trinke, das nicht gereinigt sei, dann werde man krank. Diese Menschen lebten in Dreck und Schmutz und tränken ein geradezu unglaubliches Wasser aus ihren Brunnen und Flüssen und blieben dabei kerngesund. Wir müssten Abend für Abend »Atrebin« essen, um nicht Malaria zu bekommen, und diese Russen oder sogenannten Ukrainer seien gegen Malaria ebenso gefeit wie gegen Fleckfieber, obwohl die Läuse ihre Hausgenossen seien. Wenn nun unter einer deutschen geregelten Verwaltung und damit einer viel größeren Sicherheit diese Volk sich noch stärEindeutschung und Ausbeutung  209

ker als bisher vermehre, dann liege das nicht nur nicht in unserem Interesse, sondern im Gegenteil werde und der volkliche Druck dieser Russen oder sogenannten Ukraine in gar nicht allzu ferner Zeit wieder gefährlich werden. Wir könnten aber nur ein Interesse daran haben, dass diese Russen oder sogenannten Ukrainer sich nicht mehr so stark vermehrten; denn eines Tages wollten wir ja doch dieses gesamte bisher russische Land deutsch besiedelt haben.16

Der Schreibtischtäter Drei Wochen nach dem Überfall auf die Sowjetunion diktierte Bormann am 17. Juli 1941 einen Aktenvermerk, in dem er beschrieb, wie die Nationalsozialisten mit der Bevölkerung in den besetzten Gebieten umgehen wollten: Sie sollte ermordet und ausgelöscht werden. Am Vortag hatte die Besprechung bei Hitler stattgefunden, an der neben Bormann auch Rosenberg, Göring, Lammers und Keitel anwesend waren: Wir werden also wieder betonen, dass wir gezwungen waren, ein Gebiet zu besetzen, zu ordnen und zu sichern, im Interesse der Landeseinwohner müssten wir für Ruhe, Ernährung, Verkehr usw. sorgen; deshalb unsere Regelung. Es soll also nicht erkennbar sein, dass sich damit eine endgültige Regelung anbahnt! Alle notwendigen Maßnahmen – Erschießen, Aussiedeln etc. – tun wir trotzdem und können wir trotzdem tun. (… ) Wir tun also lediglich so, als ob wir ein Mandat ausüben wollten. Uns muss aber dabei klar sein, dass wir aus diesen Gebieten nie wieder herauskommen. Demgemäß handelt es sich darum. 1. Nichts für die endgültige Regelung zu verbauen, sondern diese unter der Hand vorbereiten; 2. Wir betonen, dass wir die Bringer der Freiheit wären. Im Einzelnen: Die Krim muss von allen Fremden geräumt und deutsch besiedelt werden. Ebenso wird das alt-österreichische Galizien Reichsgebiet. (…) Grundsätzlich kommt es also darauf an, den riesenhaften Kuchen handgerecht zu zerlegen, damit wir ihn 210  Der Rassenwahn

erstens beherrschen, zweitens verwalten und drittens ausbeuten können. Die Russen haben jetzt einen Befehl zum Partisanen-Krieg hinter unserer Front gegeben. Dieser Partisanen-Krieg hat auch wieder einen Vorteil: er gibt uns die Möglichkeit, auszurotten, was sich gegen uns stellt.17

Die Bildung einer militärischen Macht westlich des Urals dürfe nie wieder infrage kommen, »und wenn wir hundert Jahre darüber Krieg führen müssten«. Und weiter hieß es: »Nur der Deutsche darf Waffen tragen, nicht der Slawe, nicht der Tscheche, nicht der Kosak oder der Ukrainer!« Angesichts eines solchen Vermerks ist es berechtigt zu behaupten, Bormann sei ein Schreibtischmörder gewesen. So kamen die Nürnberger Richter zu dem Schluss: Bormann betätigte sich emsig an der Judenverfolgung, nicht bloß in Deutschland, sondern auch in den einverleibten und eroberten Ländern. Er nahm teil an Besprechungen, welche zur Überführung von 60 000 Juden aus Wien nach Polen mit Mitwirkung der SS und der Gestapo führten. Er unterzeichnete die Verordnung vom 31. Mai 1941, welche die Wirkung der Nürnberger Gesetze auf die einverleibten Ostgebiete ausdehnten. In einem Befehl vom 9. Oktober 1941 erklärte er, dass die dauernde Ausschaltung der Juden aus dem Gebiet Großdeutschlands nicht mehr durch Auswanderung erfolgen könne, sondern nur durch Anwendung »rücksichtsloser Gewalt« in den Sonderlagern des Ostens. Am 1. Juli 1943 unterzeichnete er eine Verordnung, welche den Juden den Schutz der Gerichte entzog und sie der ausschließlichen Rechtsprechung der Gestapo Himmlers unterstellte.18

Nachdem Bormann am 29. Mai 1941 Leiter der Partei-Kanzlei der NSDAP und 1943 »Sekretär des Führers« geworden sei, habe er Zutritt zu den Besprechungen Hitlers gehabt. Ein wichtiges Datum sei der 24. Januar 1942 gewesen. Damit habe Bormann die Kontrollgewalt über alle von Hitler erlassenen Gesetze und Befehle erhalten. Am 1. Dezember 1942 seien alle NSDAP-Gaue zu Reichsverteidigungsbezirken deklariert worden. Die Gauleiter der Partei habe man zu Reichsverteidigungskommissaren ernannt, die Bormann unterstanden und denen de facto der Der Schreibtischtäter  211

gesamte zivile Kriegseinsatz im »Altreich« und in den besetzten Gebieten unterstand. Die Nürnberger Richter führten dann aus: Mittels dieses Mechanismus beherrschte Bormann die rücksichtslose Ausbeutung der unterworfenen Bevölkerung. Sein Befehl vom 12. August 1942 stellte alle Parteiorgane dem Himmlerschen Programm für Zwangsumsiedlung und Entnationalisierung in den besetzten Gebieten zur Verfügung. Drei Wochen nach dem Einmarsch in Russland nahm er am 16. Juli 1941 mit Göring, Rosenberg und Keitel an der Besprechung in Hitlers Feldhauptquartier teil. Bormanns Bericht zeigt, dass genau umrissene Pläne zur Versklavung und Ausrottung der Bevölkerung jener Gebiete besprochen und abgefasst wurden. Und am 8. Mai 1942 beriet er mit Hitler und Rosenberg die zwangsweise Ansiedlung von Niederländern in Lettland, das Ausrottungsprogramm in Russland und die wirtschaftliche Ausbeutung der Ostgebiete.19

Bordelle zum »Schutz deutschen Bluts« Besondere Sorge bereitete den Nationalsozialisten die Möglichkeit, dass deutsche Frauen sich mit »fremdvölkischen« Männern abgeben könnten. Einerseits war dies aus rassistischen Gründen nicht erwünscht, andererseits war man sich sehr wohl der Gefahr bewusst, Verbündete damit zu verprellen, indem sie als rassisch minderwertig dargestellt wurden. In den Anfangsjahren der NS-Herrschaft hatte die Partei es durchaus befürwortet, Frauen, die sich mit »Fremdvölkischen« eingelassen hatten, öffentlich anzuprangern. Die Kriegsumstände zwangen die NSFührung zwar nicht zu einem Umdenken, jedoch zu einem anderen Verhalten diesen Frauen gegenüber. In einem Rundschreiben vom 13. Oktober 1941 verkündete Bormann das geänderte Vorgehen: Insbesondere mit Rücksicht auf die Gefühle der Angehörigen mit uns verbündeter und befreundeter Nationen hat der Führer für die Zukunft jede öffentliche Anprangerung von solchen deutschen Volksgenossen und Volksgenossinnen, die sich im Verkehr mit Ausländern würdelos benehmen, eindeutig verboten. Alle Dienststellen der Partei sind umgehend darauf hinzuweisen, dass künftig in derartigen Fällen die Anprangerung in der Presse, das Abschneiden der Haare, die Zurschaustellung am Pranger, das Herumfüh212  Der Rassenwahn

ren solcher Personen mit entsprechenden Schildern usw. strikt verboten sind und unbedingt zu unterbleiben haben. Unerwünschtem Verkehr mit Ausländern muss in Zukunft allein durch mündliche Erziehung und Aufklärung der Volksgenossen und Volksgenossinnen unter Ausschluss der Öffentlichkeit entgegengewirkt werden. Bei Verkehr mit Polen, mit Kriegsgefangenen und dergleichen ist nach wie vor Anzeige bei der zuständigen Stelle der Geheimen Staatspolizei zu erstatten.20

Der »Reinhaltung deutschen Blutes« diente den NS-Rassevorstellungen zufolge die Einrichtung von Bordellen eigens für »fremdvölkische« Arbeiter. Hauptsächlich ging es darum, jeden Kontakt von ihnen zu deutschen Frauen zu verhindern. In Linz war deshalb ein »Muster-Bordell« eingerichtet worden, und Bormann meinte, die im Gau Oberdonau gewonnenen Erfahrungen könnten für die Durchführung ähnlicher Maßnahmen in anderen Gauen wertvoll sein. Wert legte er darauf, »dass in den für fremdvölkische Arbeiter bestimmten Bordellen deutschblütige Mädchen nicht eingestellt werden und dass deutsche Volksgenossen diese Häuser nicht besuchen dürfen«. Seinem Rundschreiben hatte Bormann einen Erfahrungsbericht der Gauleitung Oberdonau vom 27. Dezember 1940 beigefügt. Diesem zufolge handelte es sich bei den Arbeitskräften der »Reichswerke Hermann Göring« in Linz vorwiegend um Tschechen, Slowaken, Bulgaren und Italiener: Um immer wiederkehrenden unerwünschten Verkehr dieser ausländischen Arbeitskräfte mit deutschen Frauen entgegenzuwirken, wurde von der Gauleitung unter besonderer Mitwirkung des Rassenpolitischen Amtes und Unterstützung der Kriminalpolizei und der Gemeinde Linz die Errichtung eines Bordells ins Auge gefasst. Bauherr war die Stadtgemeinde Linz. Bei der Errichtung des Gebäudes wurden nicht, wie es ursprünglich vorgesehen war, die primitivsten Bedürfnisse zugrunde gelegt, sondern es wird gleich so gebaut und eingerichtet, dass der Betrieb allen Anforderungen, die man an Häuser dieser Art und in dieser Umgebung stellen kann, vollauf genügt. Die Baukosten für die Errichtung des Rohbaus betragen 70 000 RM, für die Inneneinrichtung inklusive Gartengestaltung werden weitere 40 000 RM erforderlich sein. Der künftige Pächter hat einen monatlich Mietzins von RM 1200 zu zahlen. Sollte es einen Ausschank von alkoholischen Getränken geben, erhöht sich die Miete um 300 RM.21 Bordelle zum »Schutz deutschen Bluts«  213

Leiter des Bordells war der Pächter, seine Lebensgefährtin, die ihn unterstützte, war eine ehemalige Prostituierte, die mehrere slawische Sprachen sprach. Ursprünglich war ein Haus für dreißig Prostituierte geplant. Baubeschränkungen ließen jedoch nur fünfzehn zu. Im Pachtvertrag wurde ausdrücklich festgelegt, dass keine »deutschblütigen« Mädchen eingestellt werden durften: »Die Kriminalpolizei wird nur die Einstellung nicht deutschblütiger Insassen arischer Abstammung dulden.« Im Lauf der Zeit sollten in Linz noch mehrere Bordelle eingerichtet werden. Die Häuser sollten »nach Möglichkeit mit Mädchen von dem Volke belegt [werden], dessen Angehörige in den nächstgelegenen Baracken wohnen. Es wird streng dafür gesorgt, dass keine Deutschen in Häuser, die mit fremden Mädchen belegt sind, gehen und keine fremden Arbeiter in die bisher schon in der Stadt vorhandenen deutschen Häuser kommen«.22 Die Finanzierung von Bordellen sei kein wirtschaftliches Problem, meinte Bormann am 16. April 1941 und verlangte, dass nun »endlich überall, wo fremdvölkische Arbeiter beschäftigt werden, der Anordnung des Führers entsprechend Bordelle eingerichtet werden«.23 Am 15. Oktober 1941 beklagte sich Bormann in einem seiner vielen Rundschreiben erneut darüber, dass »bisher erst eine verschwindend geringe Zahl von Bordellen errichtet worden« sei.24 Um die Schwierigkeiten zu beseitigen, sei Folgendes veranlasst worden: Die Leiter der Kriminalpolizei-Leitstellen, die Präsidenten der Landesarbeitsämter und die Kommunaldezernenten der Reichsmittelinstanz der allgemeinen Verwaltung unter Vorsitz der Gauobmänner der Deutschen Arbeitsfront würden in Kürze in jedem Gau zusammentreten, um den Bedarf an Bordellen festzustellen, die Planung in die Hand zu nehmen und die Grundlagen der Finanzierung festzulegen. Die Kriminalpolizei sei für die Gesamtplanung verantwortlich. Der Reichsminister für Munitionsbeschaffung Todt habe für Bordellzwecke aus der laufenden Barackenfertigung zunächst 150 Baracken fertiggestellt, die vom Reichskriminalpolizeiamt nach Bedarf abgerufen werden könnten. Ferner stehe für notwendige Umbauarbeiten ein Sonderkontingent an Holz, Eisen und Zement zur Verfügung. Ein festes Eintrittsgeld wird von den Besuchern nicht erhoben, vielmehr zahlen die Insassinnen der Bordelle eine feste Miete an den Pächter. Wie viel sie von den Besuchern erhalten, ist ihre Sache. (…) Ich weise nochmals darauf 214  Der Rassenwahn

hin, dass die beeilte Errichtung der Bordelle zur Abwendung der dem deutschen Blute drohenden Gefahren vom Führer selbst angeordnet wurde und bitte alle Gauleiter, sich dafür einzusetzen, dass die Ausführung des Führerbefehls nunmehr sofort erfolgt.25

Um das »Blut« und die »Ehre der deutschen Frau« ging es auch im Hinblick darauf, dass sich in Deutschland Millionen von Kriegsgefangenen, Zwangs- und Fremdarbeitern aufhielten. Dabei ergaben sich immer wieder Kontakte zwischen deutschen Frauen und den »Fremdvölkischen«. Bormann teilte am 7. November 1942 dem Chef der Reichskanzlei Lammers mit, Hitler habe sich hierzu wie folgt geäußert: a) Eine Kriegerfrau lässt sich mit einem französischen Kriegsgefangenen in intimen Verkehr ein. Sie bekommt eine hohe Zuchthausstrafe. Der Mann steht im Felde, er kommt auf Urlaub und verlangt, dass seine Frau aus dem Zuchthaus entlassen wird, während er auf Urlaub ist. Er habe ihr verziehen. b) Viele Soldaten an der Front, insbesondere Bauern, verzeihen ihren Frauen einen Fehltritt mit einem Kriegsgefangenen. Teilweise nehmen sie diese Verfehlungen nicht so tragisch, teilweise fühlen sie sich durch die äußeren Umstände zur Verzeihung gezwungen, weil sonst ihr Anwesen keine leitende Hand hätte oder die Kinder ohne Aufsicht wären. c) Eine Kriegerwitwe hat ein – bisher unbekannt gebliebenes – Verhältnis mit Geschlechtsverkehr mit einem ledigen französischen Kriegsgefangenen. Der Gefangene stammt aus der Gegend von Dieppe und wird nach Abwehr des Landungsversuchs zur Belohnung für das Verhalten der Diepper Bevölkerung mit freigelassen. Um der deutschen Frau willen verzichtet der französische entlassene Kriegsgefangene auf die Rückkehr, lässt sich sofort als französischer Zivilarbeiter verpflichten und will jetzt die deutsche Kriegerwitwe heiraten. Nachdem der französische Kriegsgefangene sich in einen freiwilligen französischen Zivilarbeiter verwandelt hat, ist ein Verkehr mit der Kriegerwitwe für diese nicht mehr strafbar. Es ist für den Richter fast unmöglich, in diesen Fällen ein den wirklichen Verhältnissen gerecht werdendes Urteil zu finden. Auf der einen Seite ist es seine Aufgabe, ehrloses und würdeloses Verhalten zu bestrafen. Das ist er auch dem deutschen Soldaten schuldig, der von der Heimat erwartet, dass »zu Hause aufgepasst wird«. Auf der anderen Seite gibt es Fälle, in denen Bordelle zum »Schutz deutschen Bluts«  215

der betrogene Ehemann und Soldat die Angelegenheit als seine Privatsache betrachtet und den Standpunkt vertritt, die Erledigung dieser Angelegenheit müsse ausschließlich ihm überlassen werden. Es geht nicht an, einen Unterschied zwischen verheirateten und unverheirateten Frauen, die sich mit Kriegsgefangenen einlassen, zu machen. Man kann nicht die verheiratete Frau besser stellen als die unverheirateten, denn bei den Ehefrauen kommt zu der Ehrlosigkeit und Unwürdigkeit ihres Verhaltens noch der Treuebruch gegenüber ihrem an der Front stehenden Ehemann. Die Bestrafung kann auch nicht von der Genehmigung des Ehemannes abhängig gemacht werden. Das wäre allein aus zeitlichen Gründen (Feldpost) nicht möglich. Der Führer bemerkte, es solle folgende Linie eingehalten werden: Der Verkehr von Frauen mit Kriegsgefangenen müsse strafbar bleiben, denn er bedeute einen Verrat am Frontsoldaten und an der Würde des deutschen Volkes. Verzeihe der Soldat seiner Ehefrau, so könne das nur auf eine Gnadenentschließung von Bedeutung sein. (…) Die Justiz dürfe in den Fällen großzügiger Gnade üben, in denen sich der Ehemann gegen eine Bestrafung oder Strafvollstreckung wende. Eine Verschärfung der geltenden Strafbestimmungen, z. B. der Vorschriften betreffend den Verkehr mit fremdvölkischen Zivilarbeitern, die ehemaligen Feindstaaten angehörten, sei abzulehnen. Eine solche Maßnahme wäre auch nicht geeignet, eine drohende völkische Unterwanderung zu verhindern. Ein ausdrückliches Verbot jeglichen Verkehrs mit ausländischen Arbeitern auch aus befreundeten Staaten unter Androhung gerichtlicher Strafen wäre aus außenpolitischen Gründen nicht möglich.26

In Verlegenheit gerieten die Rassenfanatiker der NSDAP nicht zuletzt durch Verbündete wie Japan und durch die Frage, wie mit »Mischehen zwischen Deutschen und Japanern« umzugehen sei.27 Dabei handelte es sich nach NS-Diktion um die »Verehelichung reichsangehöriger nichtjüdischer artfremder Mischlinge ersten Grades mit anderen Artfremden«. Gegen derartige Eheschließungen bestünden keine Bedenken, so das Ergebnis der Partei-Kanzlei, »wenn sich der Betreffende im Ausland befindet und zu erwarten ist, dass er auch im Ausland bleibt. Eine Einreise der Artfremden ins Reichsgebiet muss unter allen Umständen verhindert werden.«28 216  Der Rassenwahn

Um die propagandistische Behandlung von Ostarbeitern gab es übrigens heftige Auseinandersetzungen zwischen dem Propagandaministerium und dem Gauleiter von Ostpreußen, Erich Koch, in die sich auch Bormann einschalten musste. Koch hatte sich bei Bormann schriftlich über eine zu wohlwollende Behandlung von Ostarbeitern durch das Propagandaministerium beklagt. In diesen Richtlinien vom 11. August 1944 hieß es: Im Lauf der letzten Monate sind Hunderttausende Angehörige der Ostvölker Soldaten in den Reihen der deutschen Wehrmacht geworden. In den letzten Wochen sind sie im Osten und in Frankreich zum Kampf eingesetzt worden und haben sich fast ausnahmslos hervorragend geschlagen und zum Teil schwere Verluste erlitten. Sie tragen auf Befehl des Führers deutsche Wehrmachtsuniform, deutsche Rangabzeichen und erhalten auch die deutschen Tapferkeitsauszeichnungen (einschl. des E.K.). Diese Männer setzen ihr Blut und ihr Leben für Deutschland ein und haben infolgedessen Anspruch darauf, als Waffengefährten mit Achtung und Anerkennung behandelt zu werden. Es geht unter keinen Umständen an, dass Männer aus den Reihen der Ostfreiwilligen, die etwa verwundet und mit dem E.K. in deutscher Uniform ins Reich auf Urlaub fahren, ihre Brüder und Schwestern, die Ostarbeiter, in einem Zustand vorfinden, den in den Freiwilligen jede Kampfbereitschaft für Deutschland zerstören und im Gegenteil zu einer schweren Stimmungskrise dieser Verbände führen würde. Deshalb und mit Rücksicht auf die Leistung der Ostarbeiter für die deutsche Rüstung muss unser Verhalten den Ostarbeitern gegenüber so beschaffen sein, dass sie nicht das Gefühl haben, in der Fremde ein Sklavendasein zu führen, sondern dass sie im Lande ihrer Befreier ein anständiges und menschenwürdiges Dasein finden.29

Die Reichsführung habe deshalb folgende Maßnahmen beschlossen: 1. Es muss aufs schärfste darauf geachtet werden, dass Misshandlungen, Veruntreuungen von Lebensmitteln, verächtliche und ehrkränkende Behandlung unterbleiben. 2. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass Ostarbeiter, wenn sie sich nichts zuschulden kommen lassen und gut arbeiten, anständig und freundlich behandelt werden.30 Bordelle zum »Schutz deutschen Bluts«  217

Man dürfe gegen Ostarbeiter keine unverdienten Strafen verhängen, Verfehlungen des deutschen Personals seien mit durchgreifenden Maßnahmen zu ahnden. Die Ostarbeiter müssten das Gefühl haben, nicht vogelfrei zu sein, sondern dass es auch für sie eine Gerechtigkeit gebe. Aber: »Die Maßnahmen dürfen nicht zu den Fehlern führen, dass wir von einem Extrem ins andere fallen. Der Abstand, der sich aus der Rolle unseres Volkes als Führungsmacht ergibt, muss immer gewahrt bleiben.« Erbost schrieb Gauleiter Koch Bormann einen Brief aus dem hervorgeht, dass er sein Weltbild nicht erschüttern lassen wollte. In den Richtlinien des Propagandaministeriums würden Tendenzen verfolgt, »die nur den Hirnen von Emigranten entsprungen sein können«. Ihm habe noch kein Soldat, der mit Freiwilligenverbänden zusammen gekämpft habe, gesagt, dass diese sich gut schlagen würden. »Ich weiß nur, dass sie immer wieder übergelaufen sind, oftmals nachdem sie ihre deutschen Führer meuchlings ermordet hatten. (…) Die Apostrophierung des Führers und die Herausstellung gewissermaßen als Vater dieses Gedankens der Aufstellung von Osttruppen ist meines Erachtens eine ganz bewusste politische Tendenz.« Es sei unerhört, »dass dieses Flugblatt, sobald es auf die Deutschen zu sprechen kommt, mit den härtesten Ausdrücken um sich wirft. Der Deutsche soll die Fremdvölkischen zuvorkommend behandeln, gerade noch, dass er den ausgesprochenen Verbrechern und Kommunisten gegenüber streng sein darf«. Der Höhepunkt sei aber die Feststellung, nach der es Aufgabe der Partei sei, »für die richtige Behandlung der Ostarbeiter mit großer Energie einzutreten«. Die Partei sei immer noch »der Führungsorden des deutschen Volkes und keine Schutzorganisation für Ostarbeiter«, geiferte Koch. Bormann solle Goebbels veranlassen, diesen Richtlinien eine entsprechende Richtigstellung nachzuschicken.31 Bormann stellte sich in diesem Fall jedoch uneingeschränkt hinter das Propagandaministerium, das Koch eine harsche Stellungnahme zugeleitet hatte. Im Ministerium seien keine Emigranten beschäftigt, auch nicht als Berater. Wenn Koch behaupte, es gebe niemanden, der sage, die Freiwilligenverbände würden sich gut schlagen, dann sei dem entgegenzuhalten, dass bisher 2296 EK II und 140 EK I an Ostfreiwillige verliehen worden seien. Ebenso seien die Ostfreiwilligen bisher viermal im Wehrmachtsbericht lobend erwähnt worden, der bekanntlich »vom Führer persönlich kontrolliert wird«. Bemerkenswert ist der 218  Der Rassenwahn

abschließende Satz der Stellungnahme des Propagandaministeriums: Mit Besorgnis müsse man in Bezug auf die Behandlung der Ostvölker im Gau Ostpreußen feststellen, dass die dort geführte Politik nicht mit den letzten Tendenzen der obersten Reichs- und Parteidienststellen in Einklang zu stehen scheine.

Bormanns Judenverfolgung Als Leiter der Partei-Kanzlei und Vertrauter Hitlers war Bormann auch in den Massenmord an den Juden tief verstrickt. Selbst wenn sich unter den Tötungsbefehlen nicht Bormanns Unterschrift befindet, war er doch über alle Vorbereitungen zur Auslöschung des jüdischen Volkes informiert und an ihnen beteiligt. An der Wannseekonferenz vom 20. Januar 1942, auf der die »Endlösung« beschlossen wurde, war Bormanns Dienststelle beispielweise durch Ministerialdirektor Gerhard Klopfer vertreten. Als Leiter der »Staatsrechtlichen Abteilung III« in der »Partei-Kanzlei der NSDAP« war Klopfer, den Bormann persönlich zum Staatssekretär beförderte, zuständig für »Rasse- und Volkstumsfragen«, Wirtschaftspolitik und für die Zusammenarbeit mit dem Reichssicherheitshauptamt. Niemand wird behaupten wollen, Klopfer habe ohne enge Absprache mit Bormann an der Wannseekonferenz teilgenommen! Zur Vernichtung der Juden meinte Albert Speer in seinem Buch Der Sklavenstaat, dass vor allem in Hitler, Goebbels und Bormann, »diesem hasserfüllten Motor«, die treibenden Kräfte zu sehen seien.32 Allerdings relativierte Speer diese Aussage. »Es ist zu vermuten, dass das Reichssicherheitshauptamt die Ermordung aller Juden forderte und darin von Bormann im Auftrag Hitlers unterstützt wurde.«33 Es waren viele kleine Schritte, die Bormann in seiner Verblendung gegen alles, was jüdisch war, unternahm. Beispielsweise beim Verbot der Frakturschrift, die Bormann als »Judenschrift« betrachtete. Die Frakturschrift für eine deutsche Schrift zu halten, bezeichnete Bormann am 3. Januar 1941 als falsch, denn in Wirklichkeit bestehe sie aus »Schwabacher Judenlettern«. In Deutschland ansässige Juden hätten bei Einführung des Buchdrucks diese »Schwabacher Judenlettern« eingeführt, teilte Bormann in einem Rundschreiben den Gauleitern mit und ließ sie Bormanns Judenverfolgung  219

zudem wissen, Hitler habe in einer Besprechung mit dem Reichsleiter für die Presse Max Amann und dem Buchdruckereibesitzer Adolf Müller entschieden, dass die Antiqua künftig die Normalschrift sei. Nach und nach sollten alle Druckerzeugnisse darauf umgestellt werden: »Die Verwendung der Schwabacher Judenlettern durch Behörden wird künftig unterbleiben; Ernennungsurkunden für Beamte, Straßenschilder u. dergl. werden künftig nur mehr in Normalschrift gefertigt werden.« Sobald dies möglich sei, solle in den Dorfschulen und Volksschulen nur noch die Normalschrift gelehrt werden.34 Im Februar 1936 verwies Bormann gegenüber dem Auswärtigen Amt darauf, dass die in einem Schreiben berührte Frage der Auswanderung von 100 000 Juden federführend im Reichswirtschaftsministerium bearbeitet werde.35 Wie es seinem Wesen entsprach, verschonte Bormann keinen Bereich des alltäglichen Lebens, um Juden in Deutschland – und später in den besetzten Gebieten – zu drangsalieren. Dabei unterstrich er bereits am 9. August 1935, dass »der Führer am gestrigen Tag erneut befohlen [hat], durch die zuständigen Parteidienststellen seien alle wilden Einzelaktionen gegen Juden zu unterbinden«.36 Die Verfolgung und anschließende Ermordung der Juden sollten offensichtlich geordnet erfolgen – nicht in Form von »Einzelaktionen«. Deshalb monierte Bormann auch, dass verschiedene Parteidienststellen, »um den Kampf gegen den Einkauf in jüdischen Geschäften wirksamer zu gestalten«, dazu übergegangen seien, Namen und Anschriften derer in der Presse zu veröffentlichen, die in jüdischen Geschäften einkauften.37 Dabei sei jedoch nicht bedacht worden, dass es in Großstädten oftmals noch nicht möglich sei, festzustellen, ob es sich um ein jüdisches Geschäft handle oder nicht, da eine äußere Kennzeichnung fehle. Es sei daher vorgekommen, dass »Volksgenossen und Volksgenossinnen« in der Presse angeprangert worden seien, weil sie zwar den Einkauf in jüdischen Geschäften grundsätzlich ablehnten, aber aus Unwissenheit in ein solches geraten seien. Um dies zu vermeiden, müsse jeder sorgfältig prüfen, in welchem Geschäft er einkaufe. Im Übrigen könne man erwarten, dass Parteimitglieder dort, wo sie ortsfremd seien, sich erkundigten und so einen Einkauf in jüdischen Geschäften vermieden. Eine ähnliche Frage behandelte Bormann am 7. August 1935, als er auf einen Befehl des Reichskriegsministers verwies, der es Angehörigen 220  Der Rassenwahn

der Wehrmacht untersagte, in jüdischen Geschäften zu kaufen. Es könne jedoch nicht angehen, so Bormann, dass solche, »die unwissend oder unabsichtlich ein jüdisches Geschäft betreten, wie mehrfach geschehen, öffentlich angeprangert und ihre Bilder z. B. in den sogenannten Stürmer-Kästen38 ausgestellt werden«. Vom »Stellvertreter des Führers« Rudolf Heß wurde im November 1937 die Frage des Aufenthalts jüdischer Kurgäste in Bädern und Kurorten geregelt. In letzter Zeit seien Juden »in größeren Mengen« aufgetreten, sodass die deutsche Bevölkerung daran Anstoß genommen habe. Juden könnten daher in Zukunft aus Bädern und Kurorten ausgeschlossen werden. In Heilbädern dürften sie sich nur noch aufhalten, wenn sie getrennt von den übrigen Kurgästen untergebracht werden könnten. Ausländische Juden sollten genauso behandelt werden wie inländische. Alle Parteidienststellen sollten dazu beitragen, dass die »deutschblütige Bevölkerung« zukünftig in deutschen Badeorten von Juden nicht mehr »belästigt« werde.39 Im März 1938 ließ Bormann beim Reichsfinanzminister anfragen, warum das »Gesetz zum Ausgleich von Schäden, die dem Deutschen Reich durch Juden erwachsen sind«, noch nicht verabschiedet sei, und forderte: »Nachdem trotz der Reichstagsrede des Führers die Lügenpropaganda der ausländischen Judenpresse fortgesetzt wurde, sind nunmehr, wie der Führer in der Rede anlässlich der Parteigründungsfeier zum Ausdruck brachte, schärfere Maßnahmen gegen die im Inland wohnenden Juden angebracht.«40 Hermann Göring berief sich am 9. November 1938 in einer Besprechung auf Bormann und meinte: »Meine Herren, die heutige Sitzung ist von entscheidender Bedeutung. Ich habe einen Brief bekommen, den mir der Stabsleiter des ›Stellvertreters des Führers‹, Bormann, im Auftrage des Führers geschrieben hat, nach dem die Judenfrage jetzt einheitlich zusammengefasst werden soll und so oder so zur Erledigung zu bringen ist.«41 Und am 4. Februar 1939 verschärfte Bormann das Vorgehen gegen Juden, indem er anordnete: Um zu verhindern, dass arbeitslose Juden der öffentlichen Fürsorge zur Last fallen und damit das deutsche Volk nicht für ihren Lebensunterhalt sorgen muss, hat der Präsident der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung durch Erlass vom 20. Dezember 1938 angeordnet, dass diese Juden zu Arbeitsleistungen herangezogen werden müssen. Ich Bormanns Judenverfolgung  221

bitte Sie, dafür Sorge zu tragen, dass die notwendigen Maßnahmen reibungslos durchgeführt werden können.42

Immer wieder tauchte Bormanns Name auf, wenn es um die Verfolgung von Juden ging. Zur menschenverachtenden Kennzeichnung der Juden meinte Bormann, das deutsche Volk erkenne in zunehmenden Maß das Wirken des in England und Russland anzutreffenden internationalen Judentums: Deshalb sollen die seit einiger Zeit gemachten Vorschläge, die im Reich lebenden Juden mit einem Kennzeichen zu versehen, in Kürze nach einheitlichen amtlichen Richtlinien durchgeführt werden; soweit Juden in der Öffentlichkeit auftreten, müssen sie ständig an ihrer Kleidung den Davidstern führen. Diese Kennzeichnung wird die Möglichkeit geben, die Einhaltung aller Bestimmungen zu überwachen, die bisher reichseinheitlich oder örtlich zur Beschränkung des jüdischen Lebens ergangen sind. Dabei werden die zahlreichen, in letzter Zeit von den Gauleitern der Partei-Kanzlei zugegangenen Anregungen ihre Verwirklichung finden.43

Mit dem ihm eigenen Zynismus beendete Bormann sein Rundschreiben: »Es wäre unter der Würde der Bewegung, wenn ihre Angehörigen sich an einzelnen Juden vergreifen würden. Derartige Aktionen sind und bleiben strikt untersagt.«44 Die Gauleiter hätten dafür zu sorgen, dass »jede ungeregelte Sondermaßnahme« gegen Juden unterbleibe. Nicht gegen einzelne Juden sollte vorgegangen werden, sondern die Nationalsozialisten planten ihre völlige Vernichtung, den Holocaust. Im Oktober 1941 verlangte Bormann vom Reichsjustizminister eine Aufstellung, »welche richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Beamten, ferner welche Notare noch im öffentlichen Dienst tätig sind, trotzdem sie Juden oder jüdische Mischlinge sind oder als Juden gelten oder mit solchen Personen verheiratet sind oder waren«.45 Am 1. Juli 1942 äußerte Hitler sich über die »Gefahren«, die das Mischlingswesen darstelle: »Während dieser Ausführungen brachte mir eine Ordonnanz eine Karte Reichsleiters Bormanns. ›Dr. Picker‹ solle besonders genau u. ausführlich aufschreiben, was der Führer über die Behandlung und Gefährlichkeit unserer jüdischen Mischlinge sagte, warum diese Mischlinge nicht in die Wehrmacht und nicht gleichgestellt werden sollen.«46 222  Der Rassenwahn

Der Chef der Reichskanzlei Lammers schrieb am 3. Dezember 1940 dem Reichsstatthalter und Gauleiter von Wien, Baldur von Schirach, Bormann habe ihm Hitlers Befehl übermittelt, 60 000 Juden aus Wien »beschleunigt« ins Generalgouvernement abzuschieben.47 Zur Begründung sollte Wohnungsnot angegeben werden. Mit einem »judenfreien« Wien befasste sich Bormann in einem Schreiben an Goebbels und übte am 8. Juni 1942 in diesem Zusammenhang scharfe Kritik an von Schirach: Am 5.6.1942 erklärt Reichsleiter Baldur v. Schirach als Gauleiter Wiens auf einem großen Appell der Deutschen Arbeitsfront: »Noch im Herbst 1942 werden wir das Fest des judenfreien Wiens erleben. Wir werden uns dann der Bereinigung der Tschechen-Frage in Wien zuwenden. Die Kugeln, die unseren Kameraden Heydrich getroffen haben, haben auch uns verletzt, denn diese Kugeln galten uns allen. Ich erteile daher als Gauleiter von Wien den Befehl, nach der Evakuierung der Juden sämtlich Tschechen aus Wien abzuschieben. So, wie ich diese Stadt judenfrei machen werde, werde ich sie auch tschechenfrei machen.«48

Bormann wies Baldur von Schirach an, im Auftrag des Führers alle Gauleiter darauf hinzuweisen, dass jede Diskussion über die Tschechen-Frage in Parteiversammlungen oder gar in der Öffentlichkeit zu unterbleiben habe. Ebenso selbstverständlich dürfe nach wie vor die Behandlung der Tschechen im Reich in der Presse keinesfalls diskutiert werden. Eifrig war Bormann darauf bedacht, »Mischlinge« insbesondere aus dem öffentlichen Dienst, der Wehrmacht und gegen Ende des Krieges auch aus dem »Volkssturm« fernzuhalten. Dabei erweiterte er die nationalsozialistische Rassenlehre um eigene »Erkenntnisse«, um über die Bestimmungen der Nürnberger Rassegesetze hinausgehen zu können. In einem Rundschreiben vom 22. August 1943 meinte er beispielsweise: Häufig wird von der beurteilenden Stelle (…) der Standpunkt vertreten, eine Äußerung zu den rassischen Qualitäten des Mischlings erübrige sich, weil er ja als Mischling bekannt sei und alle Mischlinge 2. Grades nach der Tendenz der Nürnberger Gesetze im allgemeinen gegenüber Deutschblütigen keine Schlechterstellung erfahren sollten. Es ist aber falsch, bei Abgabe solcher Beurteilungen schematisch von der Vorstellung auszugehen, alle Mischlinge Bormanns Judenverfolgung  223

2. Grades wiesen nur zu einem Viertel jüdischen Bluteinschlag auf. Bei der Beurteilung eines jüdischen Mischlings 2. Grades muss man sich vielmehr von der Erkenntnis leiten lassen, dass ein solcher Mischling von seinem halb jüdischen Elternteil weit mehr als ein Viertel jüdischen Blutes erben kann: ein Mischling 2. Grades kann mithin blutsmäßig im ungünstigsten Fall sogar einem Halbjuden gleichkommen, während es auf der anderen Seite natürlich auch möglich ist, dass er von seinem halb jüdischen Elternteil weniger als ein Viertel jüdischen Blutes geerbt hat. (…) Die im Ergebnis rassenbiologischer Beurteilung mehr zu den Halbjuden hinneigenden Mischlinge sollen ebenso wie die jüdischen Mischlinge 1. Grades von solchen Berufen ferngehalten werden, für deren Ausübung besondere Anforderungen an die Reinblütigkeit gestellt werden müssen und die nur ausnahmsweise für Mischlinge 2. Grades zugänglich sein sollen.49

Entsprechend wurde die Zulassung jüdischer »Mischlinge« zum Hochschulstudium gehandhabt: »Die Zulassung von Mischlingen 1. Grades ist grundsätzlich abzulehnen.« Keine Bedenken erhob Bormann dagegen, »dass Mischlinge 1. Grades, die gnadenweise in der Wehrmacht belassen worden sind, später aber aus anderen Gründen (etwa Verwundung) aus der Wehrmacht wieder ausscheiden, unter Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs, zum Hochschulstudium zugelassen werden«. Ebenso solche, die sich »ausgezeichnet haben, oder das Verwundetenabzeichen erhielten oder wegen Tapferkeit vor dem Feind befördert wurden und aus der Wehrmacht ausgeschieden sind«. Eine endgültige Regelung könne es aber erst nach dem Krieg geben.50 Freie Hand gab Bormann auch den Sportvereinen beim Ausschluss von »Mischlingen«. Sie könnten »Anforderungen an die Reinheit des Blutes stellen«, die über das Nürnberger Rassengesetz vom 15. September 1935 hinausgehen, legte er im Rundschreiben 238/39 zur Aufnahme von »Mischlingen« in Sportvereinen fest.51 In der Frage der Behandlung von »Mischlingen« war Bormann mit Himmler einer Meinung und tauschte sich offensichtlich mit ihm häufiger aus. Auf ein Gespräch mit Bormann bezog sich der Reichsführer-SS, als er am 22. Mai 1943 dem »lieben Martin« schrieb und auf einen Vorschlag des Amtschefs des Rassenamtes im Rasse- und Siedlungshauptamt der SS verwies. Die Prüfung von »jüdischen Mischlingen« hielt Himmler »nicht nur bei Mischlingen zweiten Grades, sondern auch bei 224  Der Rassenwahn

Mischlingen höheren Grades« für erforderlich. Man müsse hier » – das aber nur unter uns gesprochen – ein ähnliches Verfahren durchführen, wie man es bei einer Hochzucht bei Pflanzen oder Tieren anwendet«. Mindestens über drei oder vier Generationen müssten Abkömmlinge von derartigen »Mischlingsfamilien rassisch überprüft und im Falle einer rassischen Minderwertigkeit sterilisiert und damit aus dem weiteren Erbgang ausgeschaltet werden«.52 Natürlich reklamierte Bormann beziehungsweise die Partei-Kanzlei die Federführung bei der Beurteilung »jüdischer Mischlinge« für sich. Bormann verfasste am 3. Juli 1942 ein Rundschreiben, in dem er betonte, er habe schon vor Tagen darauf hingewiesen, dass »der Führer bei der Beurteilung von Judenmischlingen den schärfsten Maßstab angelegt wissen will«. Er fuhr dann fort: Dies ist von besonderer Bedeutung, da verständlicherweise diese vielen Judenmischlinge durch Eintritt in die Wehrmacht Gleichstellung mit den Deutschblütigen erreichen wollen. Erste Voraussetzung für die Aufnahme in die Wehrmacht war bisher die günstige Beurteilung durch die Parteidienststellen. Diese haben vielfach einen für Nationalsozialisten gänzlich unverständlich milden Standpunkt eingenommen, zum Teil sogar in geradezu unerhört leichtfertiger Weise – nämlich kurzerhand auf die Behauptungen des Mischlings hin Bescheinigungen ausgestellt. Von den Mischlingen selbst gemachte Angaben sind erfahrungsgemäß mit größter Vorsicht zu werten: nach eigener Angabe sind viele Mischlinge uralte Kämpfer der NSDAP oder der wirkliche Vater war nicht der jüdische Ehemann der Mutter, sondern ein goldblonder Arier usw.53

Kryptisch – zumindest für Außenstehende – beschrieb Bormanns Dienststelle das den »Mischlingen« zugedachte Schicksal. Bei einer Besprechung im Propagandaministerium war es am 10. Februar 1943 um die »Heranziehung Wehrunwürdiger zur Dienstleistung« gegangen. Dabei hatte ein Vertreter der Partei-Kanzlei darauf hingewiesen, »dass einem Einsatz der jüdischen Mischlinge und jüdisch Versippten in Form von Arbeitsbataillonen folgende propagandistische und politische Bedenken entgegenstanden:

Bormanns Judenverfolgung  225

a) Auslösung einer erheblichen Unruhe bei dem arischen Anhang, umso mehr, da die Betreffenden zum Teil noch hohe Stellungen bekleiden, b) sofort einsetzende unerwünschte Diskussion, ob die Mischlinge in Zukunft auch den Weg der Volljuden gehen müssen. Bei dieser Sachlage wurde vereinbart. 1. Das OKW schafft zusammen mit den Arbeitseinsatzstellen bei den bevorstehenden Nachmusterungen die listenmäßigen Unterlagen über den bisherigen Arbeitseinsatz dieser Gruppe. 2. Die Partei-Kanzlei wird die Frage der weiteren Behandlung dieses Personenkreises an Reichsleiter Bormann zur Entscheidung herantragen.54

»Den Weg der Volljuden« zu gehen, bedeutete im Februar 1943 – ein Jahr nach der Wannseekonferenz – längst die Deportation in die Konzentrations- und Vernichtungslager der Nationalsozialisten. 8330 wehrpflichtige »Mischlinge« waren zu diesem Zeitpunkt aus der Wehrmacht entlassen worden, doch wurde »in Anbetracht der Kriegsverhärtung« überlegt, sie »wieder zur Wehrmacht einzuberufen, da es sich nach den beim OKW vorliegenden Erfahrungen durchweg um gute Soldaten handelte. Es könnte dabei so argumentiert werden, dass ihnen auf diese Weise die Möglichkeit gegeben sei, unter Beweis zu stellen, inwieweit die kämpferische nordische Komponente in ihrer Blutmischung überwiege. Die Entscheidung, wo der »Trennungsstrich zwischen Arier und Jude im Grenzgebiet zu liegen habe«, könne jedoch nur die Partei-Kanzlei herbeiführen. Längst war der Massenmord an den Juden beschlossen, als Bormann in seinem Rundschreiben vom 11. Juli 1943 »im Auftrag des Führers« mitteilte, bei der öffentlichen Behandlung der Judenfrage müsse jede Erörterung einer künftigen Gesamtlösung – das heißt Auslöschung – unterbleiben. Es könne jedoch davon gesprochen werden, dass die Juden zu zweckentsprechendem Arbeitseinsatz herangezogen würden.55 Hinter diesen Worten verbarg Bormann, dass auf der Wannseekonferenz ausdrücklich die Tötung der Juden durch Arbeit beschlossen worden war. Ihre geplante Ermordung wurde mit »zweckentsprechendem Einsatz« umschrieben. Dem im Sinn der Nationalsozialisten »zweckentsprechendem Einsatz« von Juden entsprach auch deren Tätigkeit in 226  Der Rassenwahn

19 Hitler und Bormann (Mitte) im Gespräch mit dem Korpsführer des NSKK, Erwin Krauss, anlässlich des Besuchs der Reichs- und Gauleiter am 7. Februar 1943.

Rüstungsbetrieben, wo sie angesichts der Einberufung von Rüstungsarbeitern zur Wehrmacht nach Überzeugung von Bormann unverzichtbar waren. »Die Herausziehung der Juden aus der Rüstungswirtschaft« könne – so schrieb Bormann im März 1942 – »besonders deshalb nicht verantwortet werden, weil eine Entlastung durch Einsatz russischer Kriegsgefangener infolge der Flecktyphusgefahr, der ungünstigen Transportlage und der Ernährungsschwierigkeiten noch nicht eingetreten und in nennenswertem Umfang für die nächste Zeit auch nicht zu erwarten ist«. Betriebsführern, die auf Weisung des Reichsministers für Bewaffnung und Munition noch Juden beschäftigten, dürfe kein Vorwurf gemacht werden. Die Gauleiter müssten sie gegen Angriffe und den Verdacht der Judenfreundlichkeit vielmehr in Schutz nehmen.56 An Bormanns Hass auf Juden und an deren Schicksal änderte dies nichts. Eine wichtige Rolle in der Verfolgung ungarischer Juden spielte Bormann auch im Zusammenhang mit dem Besuch des ungarischen Bildungsministers Georg Lukács in Berlin.57 Demnach war von ungarischer Seite an die deutsche Gesandtschaft in Budapest die Anregung Bormanns Judenverfolgung  227

herangetragen worden, Bormann möge bei dem Empfang von Lukács am 12. März 1943 auch den deutschen Standpunkt in der Judenfrage darlegen. Er solle der ungarischen Seite klarmachen, »eine dauerhafte Ausschließung der bolschewistischen Gefahr vom europäischen Festland« könne nur erzielt werden, wenn die Juden aus der Lebensgemeinschaft aller europäischen Nationen ausgeschlossen werden. Aus Gründen der eigenen und der europäischen Sicherheit habe sich Deutschland entschlossen, alle Juden aus Deutschland und den von Deutschland besetzten Gebieten in Reservate im Osten abzutransportieren und diese Maßnahmen auch auf sämtliche im deutschen Machtbereich ansässigen Juden fremder Staatsangehörigkeit auszudehnen. Diese Maßnahme werde zwar besonders auf der Feindseite als grausam bezeichnet, sei aber notwendig, um den Krieg erfolgreich durchführen zu können: Die Erfahrung hat gezeigt, dass überall, wo Juden sitzen, keine Befriedigung eintritt (…) Wenn man 100 000 Juden in Deutschland oder auch in einem anderen Lande belässt, so hat dies bei der Geschicklichkeit der Juden ungefähr die gleiche Wirkung als wenn man 100 000 Agenten des Secret Service in sein Land hereinlässt, ihnen zur Tarnung auch noch die Staatsangehörigkeit des betreffenden Landes gäbe und sie dazu noch mit unerschöpflichen Geldern ausstattete. Man kann mit Recht sagen, dass die Juden gefährlicher sind als englische Agenten. (…)58

Weiter heißt es, Deutschland habe entgegenkommenderweise die Juden ungarischer Staatsangehörigkeit nicht denselben Maßnahmen unterworfen wie die deutschen, habe aber die Erwartung, »dass das befreundete Ungarn in Erkenntnis der von dem Judentum drohenden Gefahr Schutzmaßnahmen analog den deutschen Judenmaßnahmen einführen wird«. Der ungarischen Regierung müsse daher geraten werden, die Juden durch entsprechende Gesetzgebung sofort unterschiedslos aus dem kulturellen und dem wirtschaftlichen Leben auszuschalten und sofort entschädigungslos zu enteignen. Durch sofortige Kennzeichnung aller Juden die entsprechenden Regierungsmaßnahmen zu erleichtern und dem Volke die Möglichkeit zu klarer Distanzierung zu schaffen. Dem sofortigen Beginn der Aussiedlung und dem Abtransport nach dem Osten durch die hierfür eingesetzte deutsche Organisation zuzustimmen.59 228  Der Rassenwahn

Ungeachtet des Kriegsverlaufs und des drohenden Untergangs verfolgte Bormann seine kompromisslose Politik gegenüber den Juden weiter. Im Februar 1944 wurde in dieser Hinsicht seine Macht gestärkt, als nunmehr bei der Bearbeitung sogenannter Mischlingsangelegenheiten Bormann eine Schlüsselstellung zukam. Hitler verfügte am 20. Februar 1944: 1. Ausnahmegenehmigungen aller Art wegen jüdischen oder sonstigen artfremden Bluteinschlages können, soweit sie nicht mir vorzulegen sind, nur im Einvernehmen mit dem Leiter der Partei-Kanzlei erteilt werden. 2. Allen Anträgen, die mir zur Entscheidung vorgelegt werden, ist die Stellungnahme des Leiters der Partei-Kanzlei beizufügen. 3. Sämtliche Unterlagen in den bisher bearbeiteten Vorgängen dieser Art sind auf Verlangen dem Leiter der Partei-Kanzlei zugänglich zu machen.

Aus seinem Hass auf die Juden machte Bormann zu keiner Zeit einen Hehl. Bei einem »Tee-Gespräch« äußerte sich Hitler am 29. November 1944 zum wiederholten Mal über Juden, wobei Bormann eilfertig assis­ tierte und hervorhob, dass die Juden überall die Führung der unteren Klassen gegen die herrschende Klasse stellten und die Unzufriedenheit gegenüber den jeweils bestehenden Zuständen weckten, weil nur aus der Saat dieser Unzufriedenheit ihre Ernte kommen könne. Sie verhetzten und vergifteten die Atmosphäre gemeinsamer Blutsbande, sie seien die Lehrer der Klassenkampftheorie: Jede Ablehnung des Klassenkampfes ist deshalb antijüdisch, jede antikommunistische Lehre ist antijüdisch, jede antichristliche Lehre ist antijüdisch und vice versa. Demgemäß ist unsere nationalsozialistische Lehre völlig antijüdisch – antikommunistisch – antichristlich, auch wenn sie, wie z. B. bei den Aufgaben der NSV sich anscheinend nur positiv und anscheinend nur für unser Volk auswirkt. 60

Für den Juli 1944 war in Krakau ein »historisch-wissenschaftlicher« Kongress vorgesehen, der unter der Leitung von Rosenberg stehen sollte. Noch am 7. Juni 1944 teilte er Bormann mit, die Vorbereitungen seien vorangeschritten, und es gebe bereits zahlreiche Zusagen. Für die Abend­ veranstaltungen verzichte er auf »irgendwelche antijüdischen Filme, Bormanns Judenverfolgung  229

Theaterstücke usw.«, stattdessen wolle er »die vier Tage des Kongresses mit einem guten Kulturprogramm (Ballett, Fidelio) füllen«. Für den Schlussabend wolle er die Berliner Philharmoniker unter ihrem Dirigenten Furtwängler verpflichten, was jedoch Hitler genehmigen müsse.61 Es wird Bormann nur bedingt geschmerzt haben, dass er seinem Intimfeind Rosenberg kurz darauf den Befehl Hitlers mitteilen musste, den in Krakau vorgesehenen antijüdischen Kongress ersatzlos zu streichen: »In diesen Schicksalstagen der Nation [hat] der antijüdische Kongress jede Bedeutung verloren.« Außerdem würde ein solcher Kongress auch der »Nichtbeachtung verfallen«. »Der Führer wünscht daher, dass Sie die Absicht, diesen Kongress abzuhalten, bis auf weiteres gänzlich zurückstellen«, schrieb Bormann dem Reichskommissar für die besetzten Ostgebiete am 12. Juni 1944.62 Dabei hatte Rosenberg monatelang an der Vorbereitung für den antijüdischen Kongress gearbeitet und voller Stolz Bormann am 21. April 1944 über den Stand der Arbeiten informiert. Reichsstatthalter Gauleiter Sprenger habe »in vorzüglichster Weise die Obhut aller antijüdischen Forschungen in seinem Gau übernommen« – das Institut zur Erforschung der Judenfrage, den »Weltdienst« sowie eine Tagungsstätte für ausländische Judengegner. Er werde, so Rosenberg, Wert darauf legen, stets von einem historisch-wissenschaftlichen Kongress zu sprechen und richte auch an Bormann die Bitte, »von einem Judenkongress überhaupt nicht zu reden«.63 Bormann hielt an der Bedeutung der »Rassenpolitischen Ämter« der NSDAP fest, die er bereits 1942 in einem Rundschreiben hervorgehoben hatte. Nach dem Krieg werde sie »zur geschichtlich entscheidenden Aufgabe des Reiches gehören«.64 Selbst zur Jahreswende 1944/45 unterließ Bormann es nicht, seinem Hass auf die Juden Ausdruck zu verleihen, indem er sich auf »Geistliche, die jüdische Mischlinge oder jüdisch versippt sind« bezog.65 Sie dürften keinesfalls durch die Arbeitsämter erfasst oder zum Arbeitseinsatz herangezogen werden.

Vom Umgang mit »Zigeunern« und »Kolonialnegern« Auch Bormanns Einstellung zur »Behandlung der Zigeuner im Reich« gehört zum Rassenwahn des mächtigen Chefs der Partei-Kanzlei. So schrieb er etwa am 3. Dezember 1942 dem Reichsführer-SS, er habe von 230  Der Rassenwahn

SS-Gruppenführer Arthur Nebe, dem Leiter des Reichskriminalpolizeiamtes, erfahren, die Behandlung der sogenannten reinrassigen Zigeuner im Reich solle neu geregelt werden. Sie sollten – mit Ausnahme der »Roma-Zigeuner« – die Erlaubnis erhalten, »Sprache, Ritus und Brauchtum« zu pflegen und »sogar frei im Lande herumziehen und in besonderen Fällen in der Wehrmacht dienen« zu dürfen. Die Sonderbehandlung sei gerechtfertigt, weil sie sich im Allgemeinen nicht »asozial« verhielten und in ihrem Kult »wertvolles germanisches Brauchtum überliefert sei«. Eine solche Auffassung halte er, Bormann, für »überspitzt«. Dies würde ein »grundsätzliches Abweichen von den derzeitigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Zigeunerplage bedeuten und keinesfalls von der Bevölkerung oder den Unterführern der Partei verstanden werden. Auch der Führer würde es nicht billigen.«66 Abschließend sei ein Blick auf Bormanns Verhältnis zu den sogenannten deutschen Kolonialnegern geworfen. Dazu verfasste er im März 1936 folgendes Rundschreiben: In Deutschland leben etwa 50 Neger mit ihren Familien, die aus den ehemaligen deutschen Kolonien stammen. Sie haben größtenteils im Kriege auf deutscher Seite gekämpft. Die Eingeborenen sind fast sämtlich ohne feste Arbeit, und wenn sie Arbeit gefunden haben, so wird der Arbeitgeber angefeindet und zur Entlassung der Neger gezwungen. Ich weise darauf hin, dass diesen Negern eine Lebensmöglichkeit in Deutschland geboten werden muss. Es muss bei der Entscheidung dieser Frage auch in Betracht gezogen werden, dass die Neger teilweise noch mit ihrer Heimat in Verbindung stehen und über die Verhältnisse in Deutschland und ihre Behandlung dorthin berichten können. Ich bin daher mit dem Reichsaußenminister dahin übereingekommen, dass festgestellt wird, welche Neger wegen ihres Einsatzes für Deutschland unter besonderen Schutz zu stellen sind. Diesen wird dann vom Auswärtigen Amt eine Bescheinigung etwa in dem Sinn ausgestellt, dass gegen ihre Beschäftigung keine Bedenken bestehen. (…) Ich gebe hiervon vertraulich Kenntnis. Von einer allgemeinen Weitergabe an die unteren Parteidienststellen ist abzusehen, da es sich nur um etwa 50 Neger im ganzen deutschen Reichsgebiet handelt und da ich vermeiden will, dass eine Unterstützung dieser Neger falsch aufgefasst wird.67

Vom Umgang mit »Zigeunern« und »Kolonialnegern«  231

Es ist bemerkenswert, dass Bormann den Farbigen, wenn sie im Ersten Weltkrieg für Deutschland gekämpft hatten, Sonderrechte zugestand ebenso wie der Mehrzahl der »Zigeuner«. Im Übrigen gingen die Nationalsozialisten gerade in den besetzten östlichen Ländern häufig nach pragmatischen Gesichtspunkten vor und akzeptierten mit zunehmender Kriegsdauer und steigenden Verlusten selbst slawische Verbündete. Der Rassenhass des NS-Regimes konzentrierte sich auf Juden und Polen, denen kein einziger positiver Aspekt zugebilligt wurde.

232  Der Rassenwahn

Kultur als Instrument der Politik

Angesichts der allumfassenden Machtstellung der Partei-Kanzlei war es aus ihrer Sicht nur selbstverständlich, dass sie der Gestaltung und der Überwachung des sogenannten kulturellen Lebens größte Beachtung schenkte. So wie die Nationalsozialisten ihre eigene Kunstform entwickelten, für die vor allem auch Werke Arno Brekers stehen, verfolgten sie Kunst und Künstler, wenn diese nicht dem Partei-Ideal entsprachen. Am 10. Mai 1933 verbrannten sie in Berlin und anderen deutschen Städten »undeutsches Schrifttum«, 1936 erließen sie ein totales Verbot jeglicher Kunst der Moderne. Hunderte Kunstwerke, vor allem aus dem Bereich der Malerei, wurden aus den Museen entfernt und entweder für die am 19. Juli 1937 in München eröffnete Ausstellung »Entartete Kunst« konfisziert oder ins Ausland verkauft oder zerstört. Mit dem nachfolgenden Schreiben informierte der Berliner Kunsthändler Karl Haberstock Bormann am 19. November 1938 »im Einvernehmen mit dem Leiter der Abteilung bildende Kunst im Propagandaministerium, Herrn Ministerialrat Dr. Franz Hofmann« über den »Stand der Verwertung der Produkte entarteter Kunst«. Haberstock war Mitglied der »Kommission zur Abwicklung der entarteten Kunst« und Vertrauter von Hitler. Bemerkenswert ist, mit welcher Skrupellosigkeit das NSRegime mit dem Raub »entarteter Kunst« ausgesprochen lukrative Geschäfte machte. In dem Schreiben hieß es: 1. Vonseiten eines Osloer Händlers, empfohlen von der Norwegischen Gesandtschaft, ist ein Angebot auf 14 Bilder von Munch in Höhe von 6000 englischen Pfund gemacht worden. Es wird versucht, noch eine etwas höhere Summe zu erreichen. 2. Wir haben recht ansehnliche Angebote in Höhe von einigen tausend englischen Pfund auf einige französische Bilder vorliegen. Wir haben aber zunächst davon abgesehen, diese französischen Bilder einzeln zu verkaufen, weil wir versuchen wollen, sie im Zusammenhang mit einer größeren Anzahl geringwertiger Bilder zu verwerten. Wir wollen daher im Frühjahr eine internationale Auktion in Luzern machen und haben zu diesem Zweck

Kultur als Instrument der Politik  233

125 Bilder und Plastiken herausgesucht im Schätzwert von ca. 30 000 englischen Pfund. Der Vertrag ist reif zur Unterschrift.1 3. Darüber hinaus haben wir eine Reihe einzelner Angebote auf verschiedene Objekte im Gesamtbetrag von rund 2000 englischen Pfund. Nach Abwicklung dieser drei Posten bleiben immer noch einige hundert Bilder mittleren Wertes, die unserer Ansicht nach ebenfalls in Devisen absetzbar sind.2

Bormann wurde gebeten, ein Konto zu nennen, damit die Devisen nicht an die Reichsbank abgeführt werden müssten. Sowohl Reichspropagandaminister Goebbels, in dessen Ressort u. a. die Verantwortung für Film, Theater, Rundfunk und sogar für den Zirkus fiel, als auch Reichsleiter Alfred Rosenberg in seiner Funktion als »Beauftragter des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP« waren in ihrem Handeln stets auf Bormanns Wohlwollen angewiesen. Ohne jede Form der Abstimmung griff dieser unentwegt in die Zuständigkeiten anderer Reichsleiter oder Minister ein und erteilte – meist in Form von »Rundschreiben« – seine Befehle, in denen er sich häufig auf Hitler berief. So auch in einem Vermerk für den Leiter der »Fachschaft Artistik«. Den Vertretern der Reichstheaterkammer wurde darin im Auftrag der Partei-Kanzlei nahegelegt, alle fremdländisch klingenden Künstlernamen zu verbieten. Zugleich wurde allerdings auch auf die zu erwartenden Schwierigkeiten verwiesen. Die Mitglieder der Fachschaft mit englisch klingenden »Decknamen« würden für ein solches Verbot sicherlich Verständnis aufbringen. Damit sei jedoch bei Artisten mit italienisch klingenden Namen allerdings nicht zu rechnen; schließlich handle es sich bei Italien um einen Verbündeten. Außerdem gebe es zahlreiche Fantasienamen, die nicht einzuordnen und nur schwer ermittelbar seien. Ohnehin könne die erforderliche Verwaltungsarbeit während des Krieges nicht mehr geleistet werden, musste die Partei-Kanzlei schließlich einräumen.3 Vor dem Krieg hatte die NSDAP gegen englische Künstlernamen nichts einzuwenden gehabt. Bormanns Bruder Albert war als NSKKGruppenführer und Adjutant Hitlers beispielsweise am 12. Dezember 1938 ein Programm des Varietés im »Theater des Volkes« vorgelegt 234  Kultur als Instrument der Politik

worden. Hitler sollte in der Pause sprechen. Ihn erwarteten laut Fernschreiben des Propagandaministeriums »die Hiller Stepp-Girls« – »16 hübsche junge Tänzerinnen« sowie die »William Kirk-Company«.4 Ein weiteres Verbot betraf das sogenannte Conférence- und Ansagewesen. Conférenciers, Ansager und Kabarettisten trieben weiterhin ihr Unwesen, wie Bormann aus dem Reich, aber auch von der Front berichtet worden sei: Sie gefallen sich in einer leichten und billigen Anpöbelung von Zuständen im öffentlichen Leben, die durch die Not des Krieges bedingt sind. In sogenannten politischen Witzen üben sie offen oder versteckt Kritik an der Politik, Wirtschafts- oder Kulturführung des Reiches. Sie verhöhnen die bodenständigen Eigenheiten der einzelnen Stämme unseres Volkes und tragen damit dazu bei, die innere Einheit der Nation, die für die siegreiche Beendigung dieses Krieges die wichtigste Voraussetzung ist, zu gefährden.5

Untersagt war nunmehr jede Conférence, unabhängig davon, womit sie sich befasste, »mit Glossierungen von Persönlichkeiten, Zuständen oder Vorgängen des öffentlichen Lebens, auch angeblich positiv gemeinten«. Die Presse wurde angewiesen, von der Behandlung »aller lebens­ unwichtigen Fragen, die das deutsche Volk unnötig belasten oder verstimmen könnten«, abzusehen. Keinesfalls durfte »ein Volksstamm gegen einen anderen, eine Stadt gegen die andere« ausgespielt werden. Der »Führer« habe angeordnet, so drohte Bormann am 3. Februar 1941, dass Zuwiderhandlungen mit den denkbar schärfsten Strafen – Konzentrationslager, eventuell Todesstrafe – geahndet werden sollten.

Regimefreundliche Filme Besonders der Film spielte im Nationalsozialismus eine wichtige Rolle. Mit seiner Hilfe sollten die Deutschen zu nationalsozialistischem Denken erzogen werden. Andererseits war er ein Mittel, um die Bevölkerung von der zunehmenden Not wenigstens für ein paar Stunden abzulenken. Speziell die Kriegsjahre waren daher die Blütezeit von filmischen Lustspielen. Kein Wunder, dass sich zahlreiche NS-Repräsentanten berufen fühlten, sich darüber zu äußern und ihre Meinung Bormann mitzuteiRegimefreundliche Filme  235

len. Über den Bismarck-Film Die Entlassung schrieb beispielsweise Rosenberg an Bormann, er habe sich den Film angesehen, schauspielerisch erscheine er ihm bis auf wenige Einzelheiten hervorragend. Einschränkend fügte er hinzu: Geschichtlich und politisch gesehen aber halte ich eine Veröffentlichung dieses Films als ganz außerordentlich bedenklich. Ich lasse dahingestellt, ob die ganze Darstellung des Rückversicherungsvertrags historisch ist, aber in der einseitigen Betonung einer Schuld sowohl des Kaisers wie des Auswärtigen Amtes, ohne die politischen Intrigen der Russen, Engländer, und Franzosen zu zeigen, muss der Eindruck einer schwerwiegenden deutschen Schuld und damit der späteren Kriegsschuld auftreten. Sehr eindrucksvoll wird gezeigt, wie der russische Botschafter, der berechtigt war, nicht nur mit Bismarck, sondern auch mit seinem Nachfolger den Geheim-Vertrag abzuschließen, geradezu erschüttert war, dass deutscherseits ein Instrument des Friedens abgelehnt wurde. (…) Dieser Darstellung fehlt, wie gesagt, das Gegengewicht der Kennzeichnungen der französischen, englischen und russischen Kräfte und eine gelegentliche Bemerkung Bismarcks macht angesichts des bildhaften Eindrucks eines deutschen Versäumnisses keinen Eindruck.6

Rosenberg bezweifelte nicht, »dass dieser Film namentlich in Parteikreisen einen außerordentlichen Eindruck hinterlassen würde«, war sich aber ebenfalls sicher, »dass neutrale Presse-Vertreter sich diesen Stoff bei ihrer Berichterstattung nicht entgehen lassen werden, und auf Grund dieser Berichterstattung wird es nahe liegen, dass England, Amerika und vielleicht sogar Russland hier die alte Kriegsschuldlüge wieder aufgreifen«.7 Die Bismarck-Biografie ganz im Geist der NS-Ideologie hielt sich nur begrenzt an historische Tatsachen und machte aus Bismarck den Wegbereiter des Führerkults. An dem Drehbuch hatte übrigens Felix von Eckardt mitgewirkt, nach dem Krieg in der jungen Bundesrepublik Regierungssprecher von Kanzler Konrad Adenauer. Rosenberg kam zu dem Schluss, der Film sei außenpolitisch nicht tragbar, sogar ausgesprochen schädlich und innenpolitisch in keiner Weise notwendig. Seine Kritik war allerdings bald hinfällig, denn einem Aktenvermerk Bormanns vom 6. Oktober 1942 zufolge war der Film inzwischen »mit Genehmigung des Führers bereits auf den Spielplan gesetzt worden«.8 Im Übrigen 236  Kultur als Instrument der Politik

teilte Bormann die außenpolitischen Bedenken Rosenbergs nicht, »denn unsere Feinde lügen ohnehin das unglaublichste Zeug über uns zusammen; die Wahrheit ist dagegen gänzlich harmlos und bleibt unbeachtet; die faustdicken Lügen triumphieren«.9 Von Bormanns Willen und Einsatz hing es ab, ob manche Filme überhaupt gedreht werden konnten. Zum Beispiel wurden für den Film Bayer 205 Komparsen benötigt, und zwar ausschließlich farbige Kriegsgefangene aus dem Kriegsgefangenenlager Stalag IIIA in Luckenwalde bei Berlin, das anfangs rund 4000 Farbige zählte. Nach 1940 befanden sich dort noch etwa 500 von ihnen und waren für tropenmedizinische »Studienzwecke« vorgesehen. Ende 1941 wurden 300 dieser Kriegsgefangenen von der UFA als Statisten für die Herstellung des NS-Propagandafilms Bayer 205 angefordert. Dazu hatte Walter Tießler, zu dieser Zeit noch Verbindungsmann der Partei-Kanzlei zur Reichspresseleitung, Bormann am 13. August 1941 folgende Vorlage zukommen lassen: Der Arbeitsbeginn des Filmes »Bayer 205« hängt von der Gestellung einer ausreichenden Anzahl Neger und deren möglichst beschleunigten Transport zur Brennergrenze ab. Nach Auskunft des OKW stehen die vom Propagandaministerium bei Luckenwalde noch ausfindig gemachten 300 Neger kurz vor dem Abtransport nach Südfrankreich, wohin sie auf Befehl des Führers gebracht werden sollen. Das OKW hat um eine Klärung beim Führer gebeten, ob er einverstanden ist, dass die Neger zunächst statt nach Frankreich nach Italien gebracht werden, um dort 8–12 Wochen für den Film »Bayer 205« zur Verfügung zu stehen. Sofort nach Eintreffen der Genehmigung soll sich der Regisseur aufgrund eines bereits vom Reichspropagandaleiter an Pavolini gesandten Schreibens mit diesem in Verbindung setzen, um den Transport der Neger an der Brennergrenze bis Rom, sowie deren Unterbringung Verpflegung sicherzustellen. Der UFA stehen hierfür entsprechende Devisen zur Verfügung. Nach Abschluss der notwendigen Aufnahmen könnten die Neger dann sofort nach Frankreich weitergebracht werden.10

Am 19. August 1941 erinnerte Tießler Bormann an die Angelegenheit: »Goebbels lässt Sie bitten, sich beim Führer in diesem Sinn einzusetzen und eine Entscheidung herbeizuführen.«11

Regimefreundliche Filme  237

Unter dem Titel Germanin – Die Geschichte einer kolonialen Tat wurde der Streifen, der die Entwicklung eines Mittels gegen die Schlafkrankheit zum Inhalt hatte, am 15. Mai 1943 in Berlin uraufgeführt. Die nationalsozialistische Kritik lobte den Film als staatspolitisch sowie künstlerisch wertvoll. Verwunderlich ist dies nicht, immerhin war der Regisseur und Drehbuchautor, Max W. Kimmich, mit der jüngsten Schwester von Goebbels verheiratet. Der Film mit Peter Petersen, Lotte Koch und Luis Trenker in den Hauptrollen schildert den Einsatz eines Wissenschaftlers zur Bekämpfung der Schlafkrankheit in Afrika. Dem Deutschen gelingt es, ein Serum zu entwickeln, das unter dem Namen »Germanin« nach dem Ersten Weltkrieg in Afrika erfolgreich angewandt wird – trotz der Intrigen der britischen Kolonialmacht. Für Dschungelbilder eignete sich das Babelsberger Studio nicht, sodass auf das römische Cinecittà ausgewichen werden musste. 300 schwarze Komparsen, die im Lendenschurz das dankbare Patientenmaterial abgeben sollten, wurden aus den Reihen der französischen Kriegsgefangenen, die im Lager Luckenwalde interniert waren, rekrutiert. In dem Film Germanin verbinden sich verschiedene Diskurse des Faschismus: Da ist der Arzt als leuchtendes Beispiel deutschen Forschergeistes und rastloser Hingabe an die Mission, den Menschen zu helfen. Denn Deutschland wirkt in Afrika humanitär. Den Gegenpol zur deutschen Lichtgestalt gibt ein schurkischer englischer Kolonialoberst ab, der keine Hemmungen hat, alle »Germanin«-Vorräte zu verbrennen. Aber der Deutsche, der selbst erkrankt ist, rettet mit der letzten übrig gebliebenen Spritze nicht sich selbst, sondern den verhassten Briten. Die Schwarzen, die im Dienst der deutschen Kolonialmacht stehen, ergötzen das Publikum mit rituellen Tänzen. Die wenigen, die sich artikulieren können, sprechen Deutsch und sind ihren deutschen Herren sehr zugetan. Der rassistische Diskurs mündet in einer Apologie der ehemaligen deutschen Kolonialherrschaft, die von den Kolonisierten wieder herbeigesehnt wird. Immer wieder gab Tießler Beschwerden und Hinweise aus Parteikreisen an Bormann weiter. So hatte der Mecklenburger Gauleiter Friedrich Hildebrandt in einem Bericht an die Partei-Kanzlei darauf hingewiesen, dass in vielen Filmen oftmals der »Deutsche Gruß« nicht angewandt wurde, so z. B. in dem Film Sechs Tage Heimaturlaub, der 1941 mit 238  Kultur als Instrument der Politik

Käthe Haack und Gustav Fröhlich in den Hauptrollen gedreht wurde. Dazu notierte Tießler am 19. März 1942: Die Partei-Kanzlei sieht ohne Weiteres ein, dass im Film nicht bei jeder Gelegenheit der Deutsche Gruß angewandt werden kann. Sie hat es sogar im »Gasmann« beanstandet, dass der als Zeuge fungierende Schwager vor Gericht mit dem Deutschen Gruß auftrat. Trotzdem hielt sie es für angebracht, einmal die Partei über den Standpunkt aufzuklären, als gehöre es zu der nationalsozialistischen Haltung des Films, auf jeden Fall den Deutschen Gruß zu bringen.12

Für zweckfreie Kunst war im Kulturleben des »Dritten Reichs« kein Platz. Sie hatte sich vollständig der nationalsozialistischen Ideologie zu unterwerfen. Das galt natürlich auch für einen Unterhaltungsfilm wie Ich liebe Dich mit Luise Ullrich und Viktor de Kowa in den Hauptrollen. Der 1938 gedrehte Film hatte den Versuch eines Amerikaners (de Kowa) zum Inhalt, ein deutsches Mädchen zu entführen. Die Ausführung misslang, aber das Mädchen hatte sich inzwischen in den Amerikaner verliebt und folgte ihm freiwillig in die USA. Für die Partei-Kanzlei ergaben sich daraus diese Fragen: Kann es verantwortet werden, dass derart viel Geld und Material darauf verwendet wird, einen Film herzustellen, der dann politisch abgelehnt werden muss? Kann eine Propaganda für deutsche Filme im Stil des beiliegenden Illustrierten Film-Kuriers, die durchaus mit jüdisch-amerikanischen Reklamemethoden betrieben wird, geduldet werden, ohne die Soldaten, die im schärfsten Kampf gegen den Bolschewismus stehen, zu beleidigen?13

Selbst vermeintlich harmlose Dialoge führten zu Interventionen der Partei-Kanzlei. In dem Film Der Gasmann, 1941 mit Heinz Rühmann gedreht, beschimpfte eine »Dame« Rühmann, der als »Gasmann« bei ihr kassieren wollte. Sie verwies dabei drohend auf einen Vetter in der Partei, dem Gasmann werde seine Forderung schlecht bekommen.14 Dazu müsse grundsätzlich Stellung bezogen werden, verlangte die NSDAP-Partei-Kanzlei. Nur selten wurde Rücksicht auf die Gefühle der Zuschauer genommen, so zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Kulturfilm Emden. Regimefreundliche Filme  239

Hierzu liegt ein entsprechender Vermerk der Reichspropagandaleitung vor. Die Partei-Kanzlei hatte mitgeteilt, derzeit laufe der Film Emden in den Kinos und zeige die Stadt mit ihren schönen Gebäuden in unbeschädigtem Zustand. Der Filme solle jedoch – so die Anregung der Partei-Kanzlei – zurückgezogen und nicht mehr aufgeführt werden, »da zu sehr bekannt ist, dass von den englischen Bombern diese Stadt schwer heimgesucht wurde und dadurch bei der Bevölkerung nur unangenehme Gefühle geweckt werden könnten«.15 Ähnlich einzuordnen ist eine Notiz von Walter Tießler vom 18. November 1942: In verschiedenen Lichtspielhäusern des Gaues [Düsseldorf ] lief in den letzten Wochen ein Kulturfilm über die Ursache und Registrierung von Erdbeben, bei dem auch die Wirkung von Erdbeben auf Wohnhäuser dargestellt wurde. Man sah u. a. in Zeitlupenaufnahmen, wie die einzelnen Häuser zu wanken begannen, Risse bekamen, völlig zusammenstürzten und schließlich alles unter sich begruben. Wenn auch ein derartiger Film im Frieden unter normalen Verhältnissen zweifellos größtem Interesse begegnen wird, so halte ich es bei der augenblicklichen Lage auf jeden Fall für psychologisch falsch, solche Aufnahmen einem Zuschauerkreis vorzuführen, der zum größten Teil noch im Banne der letzten Terrornächte steht. Die unterhaltende, entspannende und ablenkende Aufgabe des Films wird durch derartige Aufnahmen nur zu leicht in ihr Gegenteil verkehrt. Ich halte es daher für notwendig, dass alle unnötigen Nervenaufpeitschungen von schwachen Gemütern – wie sie in dem geschilderten Falle kommen müssen – vermieden werden.16

Bekanntermaßen verbrachte Hitler zahllose Stunden in den Kinosälen, die auf dem Obersalzberg, in München und Berlin sowie in den Führerhauptquartieren für ihn eingerichtet waren. Für den notwendigen »Nachschub« an Filmen hatte in erster Linie Goebbels zu sorgen. Es ist entlarvend, bei welchen Filmen sich Hitler während des Krieges entspannte. Der Staatssekretär im Reichspropagandaministerium, Naumann, berichtete Bormann am 11. Mai 1941, Goebbels habe angeordnet: Der Film »Ihr erstes Rendezvous« ist auf den Berghof geschickt worden. Die Tobis bringt in einigen Wochen den Film »Der zerbrochene Krug« 240  Kultur als Instrument der Politik

erneut zur Aufführung. In München werden in Zukunft im Atlantik-Palast und im Sendlinger-Tor-Theater ausländische Filme in Originalfassung, also nicht synchronisiert, zur Aufführung gebracht. In der Anlage übersende ich zwei Führerinformationen zu diesem Thema mit der Bitte, sie gelegentlich dem Führer vorlegen zu wollen.17

Ein paar Tage später konnte sich Goebbels über Hitlers Reaktion auf den Film freuen: Ich habe Reichsleiter Bormann über den Erfolg der Festaufführung des Filmes »Der zerbrochene Krug« unterrichtet. Reichsleiter Bormann teilt mir nunmehr mit, dass der Führer sich über den Erfolg der Festaufführung sehr gefreut hat. Er habe in diesem Zusammenhang darum gebeten, dass die Propaganda für den Film auch in der Provinz mit aller Energie weiterläuft.18

Hingegen stieß das Bild des Lehrers, das in dem berühmten Film Die Feuerzangenbowle gezeichnet wurde, auf das Missfallen Goebbels’: Mit meiner Notiz vom 10.2. hatte ich den Film »Die Feuerzangenbowle« abgelehnt. (…) Meine Ablehnung oder Kritik erfolgt ja nicht aus persönlichen Gründen, sondern um der Filmarbeit zu helfen. Nicht nur hinsichtlich der Gestaltung, sondern auch des Eintritts für den Film gegenüber den verschiedenen Parteidienststellen und Organisationen. Gefällt ein Film nicht, macht Reichsleiter Bormann den Vorwurf. »Wozu sitzt der Tießler als Verbindungsmann im Propagandaministerium?«19

Mit dieser Frage wurde Bezug genommen auf einen Vermerk, den Tießler am 10. Februar 1942 verfasst hatte: Spoerl scheint außerordentlich wenig politisches Fingerspitzengefühl zu besitzen, sonst hätte er einen derartigen Film nicht ausgerechnet jetzt geschrieben. (…) Die Höhe der Instinktlosigkeit erreicht Spoerl damit, dass er diesen Film sogar noch als »jugendfrei« erklärt haben will. Unter den jetzigen Umständen würde ein derartiger Film auf die Schulerziehung geradezu verheerend wirken, wenn man bedenkt, dass ja zum größten Teil nur die älteren Lehrer in der Heimat geblieben sind. (…) Die ordnungsgemäße Schulerziehung ist heute durch den Lehrermangel an sich schon erschwert. Regimefreundliche Filme  241

Ein solcher Film aber würde die Autorität der Schule und der Lehrer geradezu gefährden.20

Am 2. März 1942 ging es um die Uraufführung des Films Der große König. Gemeint war damit Friedrich der Große, den vor allem Hitler und Goebbels sich zum Vorbild genommen hatten. Alle Gauleiter sollten fernschriftlich über dieses Ereignis, das am 3. März 1942 in Berlin stattfinden sollte, informiert werden. Es müsse aber noch entschieden werden, ob das Fernschreiben aus dem Propagandaministerium oder von der Partei-Kanzlei verschickt werden solle. Begründet wurde die Information wie folgt: Dieser Film bedeutet in seinem Wert eines der stärksten Propagandamittel für eine einheitliche Ausrichtung des deutschen Volkes im Sinne einer harten, unbeugsamen Propaganda. Er wird dadurch noch wertvoller, dass alle darin enthaltenen Äußerungen des großen König, die genauso heute hätten gesagt werden können, authentisch sind.21

Welche Bedeutung Filme in dieser trostlosen Kriegszeit für die einfachen Menschen hatten, zeigt ein Fernschreiben von Bormann an Tießler: Anlässlich meines diesmaligen Aufenthaltes in Berlin habe ich mehrfach Klagen über die augenblicklichen Anfangszeiten der Theater und Kinos gehört. Mir wurde gesagt, dass Menschen, die in Arbeit stehen, im Allgemeinen nach der Arbeit nicht mehr in ein Theater oder in ein Kino gehen können. Die Folge sei, dass diese Menschen zu Hause säßen und meckerten, weil ihnen die einzige heute noch mögliche Ablenkung genommen sei. Es wurde weiter betont, dass die Menschen, die trotz möglichen Fliegeralarms heute in Theater oder Kinos gingen, damit doch zum Ausdruck brächten, dass sie auch bereit seien, die Gefahr eines Fliegerangriffs auf sich zu nehmen. Mit anderen Worten: Die ins Theater oder Kino gehenden Menschen wären bereit, bei einem eventuellen Fliegerangriff im Luftschutzraum ihres Kinos oder Theaters zu sitzen und ihre Wohnung allein zu lassen. Diese Menschen nähmen es übel, wenn sie vorsichtiger behandelt würden, als sie behandelt werden wollen.22

242  Kultur als Instrument der Politik

Es lässt sich nicht leugnen, dass die Filmarbeit auch der kirchenfeindlichen Propaganda des Regimes zu dienen hatte. Bereits Anfang Juni 1938 hatte Bormann einen Brief von Goebbels erhalten, in dem ihm dieser die »von Dienststellen der Partei gegen die Darstellung kirchlicher Szenen im Film und vor allem gegen die konfessionelle Filmarbeit erhobenen Bedenken« mitteilte. Die unerwünschte konfessionelle Filmarbeit habe er deshalb ganz einstellen lassen. Außerdem werde er eine gesetzliche Prüfpflicht für Surrogate wie Stehbilder oder Bildbänder einführen.23

Schließung des Hauptamtes Schrifttum Mit der Fortdauer des Krieges wurde es immer schwieriger, ausreichend Papier für die Produktion von Büchern zu erhalten. Darum ging es beispielsweise bei Besprechungen in der Zentrale der Partei-Kanzlei in München am 29. August 1944. Zunächst fand am Vormittag eine zweistündige Unterredung mit den »Pgg. Schenke und Waldmann« statt, die im Wesentlichen die Auffassungen ihrer Vorgesetzten – Reichsleiter Bormann, Befehlsleiter Friedrichs – über die Fragen der Schrifttumsarbeit in der Partei zum Ausdruck brachten. Das Hauptschrifttumsamt der NSDAP sei im gegenwärtigen Stadium nicht mehr zu realisieren. Da die Buchherstellung auf ein äußerstes Minimum zurückgehen würde, sei aber auch die weitere Aufrechterhaltung des Hauptamts Schrifttum beim Reichsleiter Rosenberg nicht mehr gerechtfertigt: Unsere ganze Arbeit müsse stillgelegt werden, auch die Büchersammlung, die heute, wo die Soldaten nur noch kämpften und keine Zeit zum Lesen mehr hätten, nicht mehr gerechtfertigt sei. Falls einzelne Einheiten oder Lazarette nicht ausreichend beliefert worden seien, müsse die Wehrmacht durch zweckentsprechende Verteilung der noch vorhandenen Bestände einen Ausgleich schaffen. – Man riet mir, entweder als Vertreter der Dienststelle Rosenberg in die Parteiamtliche Prüfungskommission einzutreten (!!) oder in die Schrifttumsabteilung des Propagandaministeriums. Nachdem ich die schon im Schreiben des Reichsleiters Rosenberg an Reichsleiter Bormann zum Ausdruck gebrachte Auffassung nochmals nachdrücklich vertreten hatte und auf die enge und unauflösbare Verflechtung der Arbeit der Schrifttumsüberwachung mit dem gesamten ÜberwachungsSchließung des Hauptamtes Schrifttum  243

auftrag des Reichsleiters hinwies, gab man mir zu verstehen, dass das Schreiben des Reichsleiters starkes Befremden hervorgerufen habe. Man verstünde nicht, wieso er gerade im gegenwärtigen Augenblick die Kabinettsfrage stelle. Der Brief enthielte alles, was die einzelnen Amtschefs selber zur Rechtfertigung ihrer dienstlichen Existenz zu sagen gehabt hätten, schlüge aber auch ausgesprochene Scheinschließungen vor wie die der Ämter Musik und Bildende Kunst, deren Leiter ja doch, wenn auch in anderer Form, weiterarbeiten sollten. Wir sollten uns keiner Täuschung über die Radikalität der Maßnahmen des Leiters der Partei-Kanzlei hingeben, dessen Entscheidungen meist noch über die ohnehin schon radikalen Vorschläge seiner Mitarbeiter hinausgingen. Nach Auffassung von Bereichsleiter Schenke würde aber Reichsleiter Bormann die bindende Zusage an Reichsleiter Rosenberg geben, dass die jetzt vorzunehmenden Stilllegungen nur für die Dauer des Krieges Gültigkeit haben sollten. Die an der Unterredung Beteiligten waren sich darüber einig, dass die Probleme weit über ihre bloße Zuständigkeit hinausreichen und in letzter Instanz nur zwischen den beiden Reichsleitern selbst abgesprochen werden könnten.24

Für Rosenberg war die Absicht, das Hauptamt Schrifttum zu schließen, Anlass zu massiver Beschwerde gegenüber Bormann. Wieder glaubte Rosenberg, seine Dienststelle werde benachteiligt, und schrieb: »Während die Stillegung des Hauptamtes Schrifttum eine von Ihnen erwogene Maßnahme zu sein scheint, sieht man ihrerseits die Tätigkeit der Parteiamtlichen Prüfungskommission offenbar mit anderen Augen an und zieht hier lediglich gewisse kriegsbedingte Arbeitseinschränkungen in Erwägung.« Empört zeigte er sich über den Vorschlag, sein Ober­ bereichsleiter Payr solle sich zur »Parteiamtlichen Prüfungskommission« versetzen lassen und durch Rederich ersetzt werden, denn bei dem Dienststellenleiter Rederich handle es sich um jemanden, »dessen weltanschauliche Haltung durch sein Eintreten für die Astrologie im Laufe vieler Jahre immer wieder von neuem belastet wurde«. Auch die außerordentliche Härte des Krieges entbinde nicht von der Verpflichtung zu »gewissenhaftester Arbeit auch auf dem rein geistigen Gebiet des Schrifttums, das in so hohem Maße im Dienste der politischen Kriegführung steht«. Wie sehr die Beziehung von Bormann und Rosenberg zur offenen Feindschaft geworden war, zeigt der Schlusssatz von Rosenbergs Brief. Er wolle noch erwähnen, dass die Partei-Kanzlei »fern244  Kultur als Instrument der Politik

mündlich bei meinem Ostministerium angefragt hat, ob die dort jetzt frei werdenden Kräfte für den weiteren Ausbau der Partei-Kanzlei abgegeben werden könnten«. Er, Rosenberg, wisse nicht, »ob die Vergrößerung des eigenen Bürobetriebs noch in irgendeiner Weise auf den heute notwendigen und allein maßgeblichen Nenner der Konzentration der Kräfte für Wehrmacht und Rüstung zu bringen ist, möchte jedoch Ihre Aufmerksamkeit auf das Missverhältnis lenken, das hier offensichtlich vorliegt«.25 Ein weiteres Beschwerdeschreiben richtete Rosenberg am 13. September 1944 an Bormann. Dieses Mal ging es um den Einsatz frei werdender »Politischer Leiter«. Er müsse auf eine »Handhabung in Ihrer Dienststelle« hinweisen, die Bormann wohl selbst nicht billige. Der Gau Oberschlesien habe den stellvertretenden Leiter des Aufbaustabs der Hohen Schule zum Einsatz als Kreisleiter angefordert. Er lehne es ab, dass Bormanns Referenten über seine Wünsche entschieden. Ferner solle Bormann dafür sorgen, dass sich dessen Mitarbeiter »einer anderen Zusammenarbeit mit meiner Dienststelle« befleißigten.26 Wie vergiftet die Atmosphäre zwischen Bormann und Rosenberg war, zeigt auch die folgende Auseinandersetzung. Rosenbergs Dienststelle verschickte Urteile des Volksgerichtshofs im Rahmen ihrer sogenannten Führungsbriefe. Bormann ließ seinen Stellvertreter Helmuth Friedrichs dem Stabsleiter von Rosenberg, Helmut Stellrecht, schreiben, es könne nur gut sein, »wenn die Partei sieht, dass scharf durchgegriffen wird«. Manch »an sich anständigem Volksgenossen, der aber leicht zu Schwätzereien und Meckereien neigt«, würden die Urteile eine Warnung sein. So sehr also das Verfahren grundsätzlich zu begrüßen sei, so müssten doch Bedenken vorgebracht werden. Es könne der Eindruck entstehen, »als ob jedem, der einmal meckert, dies den Kopf kostet«. Einen brauchbaren Überblick bekomme man erst, »wenn auch Sondergerichtsurteile, in denen in milder liegenden Fällen Gefängnisstrafen verhängt werden, denen des Volksgerichtshofes hinzugefügt werden«. Im Übrigen habe es auch sachliche Fehler gegeben. So heiße es zu dem Urteil gegen den Bankdirektor Hermann Köhler: »Weil er sich nicht gescheut hat, als Gegner des Nationalsozialismus groß zu verdienen.« Das sei natürlich falsch. Köhler sei verurteilt worden, »weil er sich in übelster Weise defätistisch geäußert hat«.27

Schließung des Hauptamtes Schrifttum  245

Schutz von Kunstschätzen Zu kümmern hatte sich Bormann schließlich auch um die sichere Lagerung von Kunstschätzen, auf die Hitler großen Wert legte. Vom bayerischen Ministerpräsidenten Ludwig Siebert verlangte Bormanns Büro Belege über die Kosten, »die durch den Ausbau der Kemenate auf Schloss Neuschwanstein« entstanden waren.28 Allerdings schien das Märchenschloss Ludwigs II. kein Ort zu sein, an dem Kunst geschützt untergebracht werden konnte. Überlegt wurde deshalb, das Schloss zu tarnen. Dazu schrieb als Experte Prof. Rudolf Esterer am 31. Oktober 1942 Bormann einen Brief, den er auch Hitler vorlegte: Zur Klärung der Frage, ob mit einem Angriff auf das Schloss Neuschwanstein zu rechnen und ob eine Tarnung des Schlosses notwendig und möglich sind, haben wird auf Anordnung des Herrn Ministerpräsidenten schon früher das Luftgaukommando VII um Auskunft ersucht.29

Das Luftgaukommando habe in verneinendem Sinn geantwortet und am 31. Juli 1944 festgestellt: Nach eingehender Prüfung ist es bei der heutigen Materiallage nicht möglich, eine umfangreiche Tarnung des Schlosses Neuschwanstein durchzuführen. Es käme lediglich Farbtarnung durch Außenanstrich in Frage, sofern die Arbeiten durch Kräfte der B[ayerischen] Verwaltung der staatl. Schlösser, Gärten und Seen bzw. ortsansässige Firmen durchgeführt werden können. Mit einem Angriff unmittelbar auf das Schloss ist nach bisherigen Erfahrungen nicht zu rechnen. Die hohe schmale Bauweise des Schlosses erschwert den gezielten Bombenabwurf. Es wird angenommen, dass die Kunstgüter sich in Räumen befinden, die bei Feuergefahr gut zugänglich sind und in den unteren, also weniger gefährdeten Teilen des Schlosses, liegen. Es wird gebeten, besonderes Augenmerk auf Gestellung von Brandwachen und Bereitstellung von Feuerlöschmitteln, vor allem Sand, zu richten.30

Überprüfungen zeigten, dass die erforderlichen Brandschutzmaßnahmen umgesetzt worden waren, dass der allgemeine Sicherheitsschutz, vor allem in Hinblick auf Sabotage, jedoch völlig unzureichend blieb. So informierte Rosenberg Bormann am 1. Februar 1944 darüber, dass die 246  Kultur als Instrument der Politik

zuständigen Landräte für die »Kunstbergungslager« der Einsatzstäbe »Chiemsee« und »Neuschwanstein« Löschmannschaften notdienstverpflichtet hätten. Diese seien allerdings »weder körperlich noch ausbildungsmäßig in der Lage (…) einen ernsthaften Brand wirksam zu bekämpfen«. Ebenso unzureichend seien die Bewachungsmaßnahmen zum Schutz gegen Sabotageakte und Einbrüche: «Es ist von Seiten des Einsatzstabes nach dieser Richtung durch Vergitterung der ParterreFenster usw. in Neuschwanstein alles getan worden, was der Einsatzstab aus eigenen Kräften tun konnte. Die Bewachung wird in den beiden bayerischen Schlössern durch eine Wachmannschaft der Schlossverwaltung durchgeführt.« Auch diese Mannschaft bestehe nur aus alten, körperlich nicht mehr leistungsfähigen Männern. Er, Rosenberg, müsse noch darauf aufmerksam machen, »dass in der Nähe des Bergungsortes Neuschwanstein verdächtige Elemente, nach Angaben der zuständigen Ortsbehörde vermutlich abgesetzte Fallschirmspringer, gesichtet worden seien. Dies erfordere einen verstärkten Schutz des Schlosses Neuschwanstein – am besten durch die Waffen-SS«. Dort lagerten ja nicht nur die sichergestellten Kunstwerke des Einsatzstabes, sondern auch die größten Werte der Münchener Pinakothek. Bormann solle für die Wachmannschaften sorgen, da er hierzu keine Möglichkeit habe.31 Weitere Orte, an denen Bormann Kunstschätze unterbringen wollte, waren die Klöster Hohenfurth und Kremsmünster. Am 4. Januar 1943 ließ er durch seinen persönlichen Referenten Helmut von Hummel bei dem Gauleiter von Oberdonau, August Eigruber, anfragen, »ob die in Hohenfurth und Kremsmünster aufbewahrten Kunstwerke noch besonders gegen Gefahren, die durch Luftangriffe oder Feuer drohen, versichert werden sollen«.32 Das Zisterzienserkloster Hohenfurth in Südböhmen war 1940 von der Gestapo aufgehoben worden. Eine Prüfung der Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Form die staatlichen Museen und Galerien ihre Kunstwerke gegen Luftangriffe versichern sollten, ergab jedoch, dass derartige Versicherungen nicht üblich seien. Bormann wurde mitgeteilt, dass die meisten Versicherungsgesellschaften derartige Verträge ablehnten und dass die Prämien so hoch wären, dass man davon Ersatzkunstwerke kaufen könnte, wenn es sie denn gäbe. Darum würden Generaldirektor Buchner33 und Professor Bruno Grimschitz vorschlagen, die Kunstwerke, »wie bereits geschehen, möglichst dezentralisiert unterzubringen, die Bergungsräume mit allen zur VerfüSchutz von Kunstschätzen  247

gung stehenden Mitteln gegen die Gefahr von Luftangriffen zu schützen und die Kunstwerke selbst ständig durch Sachverständige beaufsichtigen und kontrollieren zu lassen«.34 Schon am 2. November 1942 hatte Hummel Eigruber gebeten, in dem von den Nationalsozialisten 1940 beschlagnahmten Benediktinerstift im oberösterreichischen Kremsmünster für das später geplante Linzer Münzkabinett »zur Unterbringung der Sammlungen etwa 20 kleinere Zimmer (Mönchszellen) im sogenannten Konventgang des 2. Stockwerks in Kremsmünster zur Verfügung zu stellen und ihm für sich selbst und seine Hilfsarbeiter 2 bis 3 möblierte Wohnräume in Kremsmünster einzuräumen«.35 Im selben Brief lobte von Hummel Gauleiter Eigruber für die abgeschlossenen Tarnungsmaßnahmen gegen Fliegersicht in Hohenfurth. Am 5. Februar 1944 ließ Bormann Rosenberg mitteilen, dass er für zwei Wochen im Ausland sei und ihn vorher noch in München sprechen wolle.36 Dabei ging es vor allem um die Sicherung von Kunstbesitz, den die Nationalsozialisten in Frankreich beschlagnahmt hatten. Nachdem sich Rosenberg bereits am 1. Februar in dieser Angelegenheit gemeldet hatte, habe Hitler angeordnet, »die in Neuschwanstein und Herrenchiemsee untergebrachten Kunstwerke müssten soweit möglich, sofort in dem neuen unterirdischen Bergungsort bei Bad Aussee geborgen werden, in dem bereits der größte Teile der Sammlungen aus Kremsmünster verwahrt wird«. Rosenberg solle seine Sachbearbeiter anweisen, sich unverzüglich mit Bormanns »Sachbearbeiter Dr. v. Hummel in Verbindung zu setzen, der Sie über die näheren Einzelheiten unterrichten und veranlassen wird, dass Ihnen in dem Bergwerk bei Bad Aussee geeignete Räume zugewiesen werden«.37 Die Kulturpolitik der Nationalsozialisten macht deutlich, dass kein Lebensbereich ausgespart wurde, wenn es darum ging, den Menschen die NS-Ideologie einzuprägen. Propagandaminister Goebbels verfügte über Instrumente, die er sehr geschickt einzusetzen wusste. Dabei schien er jeweils auf die Befindlichkeit der Bevölkerung Rücksicht zu nehmen – nicht etwa, weil er deren Sorgen, Nöte und Wünsche verstand oder gar teilte, sondern weil er die grundlegenden Methoden zur Beeinflussung der Masse beherrschte. Damit unterschied er sich – nicht in seiner Überzeugung, jedoch in seinem Vorgehen – von den dumpfen NS-Ideologen, zu denen in einem gehörigen Maß auch Bormann zählte. 248  Kultur als Instrument der Politik

Der 20. Juli 1944 – Bormanns Chance zur Abrechnung

Das Attentat vom 20. Juli 1944 auf Hitler zum Sturz des NS-Regimes bot Bormann die willkommene Gelegenheit, mit seinen Feinden abzurechnen, vor allem mit denen in der Wehrmacht. Zwar hatte Himmler den Auftrag erhalten, den Anschlag auf den »Führer« zu untersuchen, doch es ist bezeichnend, dass Bormann die Berichte von SS-Brigadeführer Walter Schellenberg, dem Chef des SD und der Abwehr im Reichssicherheitshauptamt, direkt erhielt und nicht der eigentlich zuständige Himmler. Der 20. Juli bedeutete für Bormann die Möglichkeit zur Machtausweitung, und er nahm sie wahr. Schon unmittelbar nach der Explosion produzierte er eine Flut von Fernschreiben an die Gauleiter. Er wollte als Retter Hitlers und des Regimes dastehen, indem er dafür sorgte, dass der Staatsbetrieb weiterlief, die Verschwörung in ihrem gesamten Ausmaß aufgedeckt und Hitlers Gegner eliminiert würden. Interessant ist eine Bemerkung des italienischen Botschafters Filippo Anfuso, der mit Hitler, Mussolini und Bormann noch am 20. Juli die Baracke, in der Stauffenberg den Attentatsversuch unternommen hatte, besichtigte. Ohne jede Untersuchung abzuwarten, stellte Bormann sofort die absurde Behauptung auf, »die Urheber des Attentats seien entdeckt und es sei klar, dass die Weisungen vom Moskauer Nationalkomitee Freies Deutschland ausgegangen sein. Stauffenbergs Namen nannte er nicht.«1 An diesem 20. Juli hielt Bormann noch an der Urheberschaft des Attentats durch das Nationalkomitee Freies Deutschland fest, wohl auch, weil erst gar nicht der Eindruck entstehen sollte, Offiziere der Wehrmacht könnten Hitler nach dem Leben getrachtet haben. Um 20.30 Uhr am 20. Juli 1944 teilte Bormann den Gauleitern mit, dass die Befehlsstränge funktionierten, meinte aber fälschlicherweise, zwischen dem eigentlichen Attentat und dem Widerstand insgesamt differenzieren zu müssen: Gleichzeitig mit dem Mordanschlag auf den Führer haben Generale des Heeres einen Putschversuch, der mit allen Mitteln unterdrückt werden muss Der 20. Juli 1944 – Bormanns Chance zur Abrechnung  249

20 Reichsmarschall Hermann Göring (helle Uniform) und Martin Bormann (1. von links) bei der Besichtigung der Zerstörung im Raum der Karten-Baracke im Führerhauptquartier Wolfsschanze, wo Oberst Claus Graf Schenk von Stauffenberg eine Bombe unter der Eichenplatte des Kartentisches angebracht hatte, die neben Hitler explodierte.

und werden wird, unternommen. Es ist notwendig, dass Sie sofort alle sich aus dieser Lage ergebenden Konsequenzen ziehen und dass Sie äußerste Vorsicht walten lassen. Nur Befehle des Führers Adolf Hitler oder seiner Männer haben Gültigkeit, nicht Befehle abtrünniger, reaktionärer Generale. Dem Reichsführer-SS übertrug der Führer alle notwendigen Vollmachten. Nehmen Sie daher sofort Verbindung mit Ihren zuständigen Polizeiführern auf. Sie sind dafür verantwortlich, dass Sie die Führung in Ihren Gauen auf jeden Fall fest in der Hand behalten.2

Eine Viertelstunde später, um 20.35 Uhr, setzte Bormann mit einem Fernschreiben eine Verhaftungswelle größten Ausmaßes in Gang: Der Führer hat angeordnet, dass alle Gauleiter in Verbindung mit ihren zuständigen Polizeiführern alle Personen, die mit dem reaktionären Verbre250  Der 20. Juli 1944 – Bormanns Chance zur Abrechnung

chergesindel Fromm – Hoepner – Witzleben – Freiherr v. Stauffenberg im Komplott stehen, sofort festzunehmen sind.3

Fast gleichzeitig kündigte er an, dass Hitler noch am selben Abend über Rundfunk zum „»deutschen Volke« sprechen werde,4 gewissermaßen als »lebender Beweis« dafür, dass das Attentat gescheitert war. Die Nationalsozialisten bemühten dabei immer wieder die »Vorhersehung«, die Hitler den Deutschen »geschenkt« und die ihm nun das Leben gerettet habe. In diesem Sinn waren die folgenden Fernschreiben formuliert. Um 21.20 Uhr hieß es beispielsweise, »zu den Verbrechern, die an dem Mordanschlag gegen den Führer« gewesen seien, gehöre General Friedrich Olbricht: Die glückliche Rettung des Führers bedeutet zugleich die Rettung des deutschen Volkes. Das reaktionäre Verbrechergesindel hat offenbar nach Verabredung mit dem »National Komitee Freies Deutschland« in Moskau (General von Seydlitz und Graf Einsiedel) den Anschlag gegen den Führer und gegen die dem Führer treu ergebenen Offiziere inszeniert. Nach Gelingen des Anschlages sollte die vollziehende Gewalt von der Generalsclique Trimm–Olbrich [sic]–Hübner übernommen und danach Frieden mit Moskau geschlossen werden. Dass dieser sogenannte »Frieden« das Leben des deutschen Volkes kosten würde, liegt auf der Hand. Das Missglücken des Anschlages bedeutet damit die Rettung Deutschlands, denn nun sind die auf die reaktionären Generäle gesetzten Hoffnungen endgültig zerstört.5

In eine äußerst primitive, bei ihm aber nicht seltene Diktion verfiel Bormann, als er führende Offiziere wenig später als »Miniatur-Würstchen« titulierte: Ein General Beck will sich die Führung der Staatsgeschäfte anmaßen. Der ehemalige Feldmarschall von Witzleben spielt sich als Nachfolger des Führers auf. Es versteht sich von selbst, dass nationalsozialistische Gauleiter von diesen Verbrechern, die ihrem Format nach ausgesprochene MiniaturWürstchen sind, sich nicht düpieren lassen und keine Befehle entgegennehmen.6

Der 20. Juli 1944 – Bormanns Chance zur Abrechnung   251

Wer Formulierungen Bormanns in Krisenzeiten – beispielsweise nach dem Ausscheiden Italiens als »Achsenmacht« oder beim Zusammenbruch der Fronten im Westen – vergleicht, wird feststellen, dass Bormann in solchen Situationen stets ausfallend und plump beleidigend wurde. Immerhin ahnte selbst Bormann am Tag nach dem Attentat, dass die Wehrmacht weiter Offiziere benötigte und ihre pauschale Verurteilung eingestellt werden musste. Nunmehr gab er die Aufforderung an die Gauleiter weiter, der zufolge »der Befehlshaber des Ersatzheeres, Reichsminister H. Himmler (…) Sie dringend [bittet], jedes weitere selbstständige Vorgehen gegen Offiziere, die unklare Haltung zeigten oder sogar als offene Gegner gewertet werden müssen, abzustoppen. Der Befehlshaber des Ersatzheeres bittet Sie, ihm ihre Unterlagen in alle Fällen, die Ihrer Meinung nach bereinigt werden müssen, zuzusenden«.7 Gegen die Helfershelfer und Hintermänner der Attentäter des 20. Juli laufe eine umfassende Untersuchung des Sicherheitshauptamtes. »Gerade deshalb müssen Einzelaktionen gegen Verdächtige durch Dienststellen der NSDAP ab sofort unterbleiben, damit keinesfalls die Gesamtaktion gestört wird und damit keinesfalls vorzeitige Verhaftungen und Warnungen erfolgen«, verlangte Bormann am 23. Juli. Man dürfe sich nicht hinreißen lassen, »das Offizierskorps, die Generalität, den Adel oder Wehrmachtsteile in corpore anzugreifen oder zu beleidigen«. Es müsse vielmehr betont werden, dass es sich bei den Teilnehmern des Putsches »um einen ganz bestimmten, verhältnismäßig kleinen Klüngel handelte«, ergänzte Bormann8 und gab bekannt, dass in der gesamten Wehrmacht nun »als Zeichen unverbrüchlicher Treue zum Führer und engster Verbundenheit zwischen Wehrmacht und NSDAP« der »Deutsche Gruß« eingeführt worden sei.9 Ab sofort gebe es eine »Verpflichtung zum Gruß zwischen Partei und Wehrmacht«, schrieb Bormann.10 Die »bedingungslose Zusammenarbeit zwischen Partei und Wehrmacht, die untrennbare Einheit ihres politischen Willens und ihre gemeinsame unverbrüchliche Treue zum Führer« finde ihren Ausdruck in der Verpflichtung zur gegenseitigen Erweisung des Deutschen Grußes und »in dem mit ihm zu verbindenden Bekenntnis ›Heil Hitler!‹«. Der »Deutsche Gruß zwischen Partei und Wehrmacht« sei für die ganze Welt ein sichtbares Zeichen des

252  Der 20. Juli 1944 – Bormanns Chance zur Abrechnung

»Zusammenstehens in der nationalsozialistischen Idee«, gab sich Bormann überzeugt. Nach dem Attentat »muss unser Volk, muss die breite Masse, stärker denn je die Überzeugung gewinnen, dass seine nationalsozialistische Führerschaft die beste ist, die unser Volk haben kann«, appellierte Bormann an die Reichs- und Gauleiter.11 Es dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, »dass irgendwelche führenden Männer Zeit und Muße haben, stundenlang Schaudarbietungen zuzusehen. Ab sofort dürfen »Politische Leiter« etc. nicht mehr als Zuschauer bei Fußballspielen, Pferderennen etc. teilnehmen. Zuwiderhandlungen werden mit sofortiger Amtsanhebung beantwortet.« In die »bescheidene« Lebensweise sollten verstärkt auch die Ehefrauen der führenden NS-Repräsentanten einbezogen werden. Dazu schrieb Bormann am 6. August 1944: Niemals war die Volksverbundenheit der führenden Männer notwendiger denn jetzt! (…) Nur wer einfach, wer bescheiden lebt, wird als Volksführer anerkannt, während jeder, der anders handelt, dem Ansehen des nationalsozialistischen Staates schadet. Unsere Lebenshaltung darf nicht die geringsten Angriffsflächen bieten. Deshalb müssen wir nach dem 20. Juli 1944 auch unseren Umgang und den unserer Ehefrauen überprüfen. Es muss selbstverständlich sein, dass wir nur mit Nationalsozialisten und Nationalsozialistinnen verkehren.12

Schließlich habe das Attentat nicht etwa Hitler gegolten, sondern dem »Deutschen Volksstaat«.13 Die führenden Männer des Regimes müssten »leuchtende Beispiele der Hingabe, des äußersten Fleißes sein. Nur wer einfach und bescheiden lebt, wird als Volksführer anerkannt, unsere Lebenshaltung darf nicht die geringsten Angriffsflächen bieten«, deshalb müsse auch der Umgang der Ehefrauen überprüft werden. »Wer fachlich und leistungsmäßig versagt, muss abtreten, denn sein Versagen nutzt dem Feind.« Der Krieg sei nun in das Stadium »des heiligen Volkskrieges« getreten. Man müsse den Führer entschädigen für »alle Enttäuschungen, die er erleben musste«.14 Zu den Maßnahmen, die Bormann unmittelbar nach dem Attentat ergriff, gehörte es, alle Lebensmittel, die Hitler bekam, untersuchen zu lassen, um eine Vergiftung auszuschließen. Sich darauf berufend, ordDer 20. Juli 1944 – Bormanns Chance zur Abrechnung   253

nete Himmler am 2. August 1944 an, »dass die für die Diätküche des Führers geforderten Waren sofort unter denselben peinlichst genauen Vorsichtsmaßnahmen wie alle Arzneien von uns geliefert werden«. Die SS-Obergruppenführer Kaltenbrunner und Grawitz seien ihm verantwortlich, »dass durch ewig sich ändernde, niemals aussetzende Stichproben, die von beiden persönlich vorzunehmen sind, die Durchführung dieser für das Leben und die Sicherheit des Führers unendlich wichtige Maßnahmen gewährleistet ist«.15 Die Stichproben hätten zwar in erster Linie durch den Reichsarzt-SS und die Polizei vorgenommen werden sollen, doch sollten auch der Chef der Sipo und des SD des Öfteren Proben nehmen. Nicht etwa seinem Vorgesetzten Himmler, sondern dem Leiter der Partei-Kanzlei Bormann hatte der Chef der Sicherheitspolizei und des SD und Leiter des Reichssicherheitshauptamts Ernst Kaltenbrunner, über die Stimmung in der Bevölkerung nach dem Attentat zu berichten. Dies ist ein Beweis für die hervorgehobene Position Bormanns, der am Tag des Attentats ohnehin der Einzige in Hitlers Umfeld gewesen zu sein scheint, der die Nerven behielt und die Zügel in die Hand nahm. Am 21. Juli meldete Kaltenbrunner, im ostpreußischen Rastenburg sei das Attentat bereits um 18.00 Uhr Gesprächsthema gewesen. Die Meldung habe im gesamten Volk »schlagartig stärkste Bestürzung, Erschütterung, Empörung und Wut« ausgelöst. In vielen Städten seien die Frauen in Tränen ausgebrochen. In ersten Reaktionen sei der britische Geheimdienst als Anstifter des Attentats vermutet worden, aber es seien auch sehr häufig Vergleiche mit dem plötzlichen Tod führender deutscher Männer angestellt worden. Vielfach werde vermutet, »dass in den vielen plötzlichen Todesfällen im deutschen Führerkorps ›System‹« liege.16 »Die Vorhersehung habe den Führer bewahrt, da seine Mission noch nicht beendet sei«, glaubten viele, meldete Kaltenbrunner in einem weiteren Bericht an Bormann. An die Ernennung des Reichsführers-SS zum Befehlshaber des Heimatheeres werde überall die Hoffnung geknüpft, dass jetzt einmal richtig »ausgemistet« werde. Da Himmler als einer der treuesten Kämpfer des Führers gelte, glaube man, die Gewähr dafür zu haben, dass keine weiteren Schwierigkeiten mehr aufträten.17 Am 26. Juli 1944 hielt Propagandaminister Goebbels eine Rundfunkrede, in der er einen Rechenschaftsbericht zu den Vorgängen des 20. Juli gab. In diesem Zusammenhang kam er auf die totale Kriegsfüh254  Der 20. Juli 1944 – Bormanns Chance zur Abrechnung

rung zu sprechen und zeigte sich zuversichtlich, dass er in wenigen Wochen »die Heimat in jeder Beziehung kriegstüchtig machen« werde. Hierbei sei er jedoch auf die Unterstützung der Partei angewiesen: Der Führer hat dem Leiter der Partei-Kanzlei, Reichsleiter Parteigenossen Martin Bormann, den Auftrag gegeben, die von ihm angeordneten Maßnahmen durch den Einsatz der Partei auf Grund der ihm erteilten Vollmachten tatkräftig zu unterstützen. Pateigenosse Bormann und ich sind uns seit langem einig darüber, wie das zu geschehen hat. Die Partei wird der Motor des gesamten Umstellungsprozesses sein. Sie wird von nun ab vornehmlich der Aufgabe dienen, Soldaten für die Front und Arbeitskräfte für die Rüstungsproduktion freizumachen. Sie wird diese Aufgabe mit dem an ihr gewohnten Schwung und mit ihrem alten revolutionären Elan erfüllen.18

Es war dies eines der wenigen Momente, in denen Bormann im nationalsozialistischen Rundfunk überhaupt Erwähnung fand. Goebbels brauchte Bormann und hofierte ihn entsprechend. Auch auf einer Tagung der Reichsleiter, Gauleiter und Verbändeführer der NSDAP am 3. August 1944 fand er lobende Worte für Bormann. Der Parteigenosse Bormann habe ihn »auf das wärmste unterstützt« und ihm die Hilfe der Partei in einem Umfang angetragen, dass er mit den größten Hoffnungen auf die zukünftige Entwicklung schaue.19 Die Ereignisse um den 20. Juli 1944 nutzte Bormann, wie bereits erwähnt, um mit einer Reihe von Feinden abzurechnen. Zu diesen gehörten auch Generalfeldmarschall Günther von Kluge und dessen Familie. Von Kluge, der in den Verdacht geraten war, in das Attentat verstrickt zu sein, hatte Selbstmord begangen und damit das NS-Regime in Erklärungsnöte gebracht. Der Gauleiter von Sachsen-Anhalt, Rudolf Jordan, in dessen Amtsbereich Kluges Familie lebte, wandte sich Rat suchend am 30. August 1944 an Bormann: Nach einer Meldung des Kreisleiters Pg. Reisener, Kreis Jerichow 2, ist der Feldmarschall von Kluge, der in Böhne, Kreis Jerichow 2, seine Besitzungen hat, am Sonnabend, dem 19.d.M., an einem Gehirnschlag verstorben. Die Leiche ist in Böhne schon seit etwa 8 Tagen in der Kirche aufgebahrt. Eine Beerdigung oder auch nur eine Trauerfeier hat bis jetzt noch nicht stattgefunden. Desgleichen noch keine Veröffentlichung in der Presse über das Der 20. Juli 1944 – Bormanns Chance zur Abrechnung   255

Ableben des Generalfeldmarschalls. Dieser Umstand ist Veranlassung zu allerlei Gerüchten. So wird behauptet, von Kluge gehöre zu der Verräter­ clique und sei erschossen worden oder habe sich deswegen selbst erschossen. Ich bitte um Kenntnisnahme und Mitteilung, ob diesen Gerüchten vielleicht durch Mundpropaganda entgegenzutreten ist.20

Bormann antwortete am 1. September 1944: Anliegend übermittele ich Ihnen Abschrift einer geheimen Kommandosache vom 31.8. mit der Bitte um Kenntnisnahme. Die Beisetzung der Leiche konnte erst erfolgen, als das Ergebnis der gerichtsmedizinischen Untersuchung vorlag. »OKW-Generalfeldmarschall Keitel, Führerhauptquartier, den 31. August 1944: Generalfeldmarschall von Kluge hat nach Abgabe des Oberbefehls im Westen auf der Heimfahrt im Kraftwagen seinem Leben selbst ein Ende gemacht. Aus einem hinterlassenen Brief geht hervor, dass er offensichtlich unter dem Eindruck seiner schweren Verantwortung für den Ausgang der Schlacht in der Normandie gehandelt hat. Die Beisetzung hat in der Heimat des Verstorbenen in aller Stille stattgefunden. Weitere Bekanntgabe beziehungsweise Erörterung der Vorfälle erfolgt nicht. Die Generale des Heeres sind in geeigneter Weise zu unterrichten.«21

Wie im Fall von Generalfeldmarschall Erwin Rommel lagen auch hier die Tatsachen völlig anders. Am 31. August 1944 hatte Hitler die Generäle Westphal und Krebs zu sich befohlen. Beide sollten Kommandos im Westen übernehmen. Er befahl ihnen, ihre Stäbe »von Defätisten zu reinigen«, und verwies auf den 15. August, den er als den dunkelsten Tag seines Lebens bezeichnete. Der damalige Oberbefehlshaber West, Generalfeldmarschall Günther von Kluge, hatte die Westarmee den vorrückenden Engländern und Amerikanern übergeben wollen. Nur durch einen Zwischenfall sei der Plan misslungen, berichtete Hitler den beiden Generälen. Hitler gestand in diesem Gespräch ein, dass Kluge Selbstmord begangen habe, erwähnte jedoch nicht einen Brief, den ihm Kluge geschrieben hatte. Darin stand der Satz: »Das deutsche Volk hat unermessliche Leiden zu ertragen. Zeigen Sie sich nun selbst groß genug, den aussichtslosen Krieg zu beenden.« 256  Der 20. Juli 1944 – Bormanns Chance zur Abrechnung

Mit dem Offizierskorps und dessen vermeintlicher Untreue gegenüber dem »Führer« befasste sich Bormann in einem recht persönlichen Schreiben an Gauleiter Joachim Albrecht Eggeling. Am 8. September 1944 räumte er eine »gedrückte Stimmung« ein. Das sei nach verschiedenen Rückschlägen auch nicht verwunderlich. Er sei aber der Auffassung, »dass die Stimmung durch eine Rede des Führers, den ich wiederholt schon darum bat, hochgerissen werden muss. Der Führer will auch, sobald ihm das möglich ist, sprechen«. Im Einzelnen nahm Bormann zu einer Reihe von Ereignissen »lediglich zu Ihrer und Ihrer engsten Mitarbeiter Unterrichtung« Stellung: Tatsächlich steht der Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte in einem gewissen inneren Zusammenhang mit dem 20.7.1944. Der Generalstabschef Treschkow gehörte zu den Hauptverrätern. Er beeinflusste mit seiner Miesmacherei, seiner defätistischen Haltung, eine ganze Reihe von Generalen und es ist daher kein Zufall, dass sich 15 Generale, wie aus den inzwischen abgeworfenen Flugblättern hervorgeht (Generale Basler, Hoffmeister usw.) so leicht ergaben. Die Generale Basler und Hoffmeister hielten sofort nach ihrer Gefangennahme über den russischen Rundfunk Propagandareden für Russland und gegen die nationalsozialistische Führung. Treschkows Einfluss stützte sich auf seine guten Verbindungen, er war mit Olbricht etc. engstens bekannt, musste also über die Lage Bescheid wissen. Freilich wirkt es zunächst frappierend, dass keiner der mehr oder weniger über die Widerstandsbildung Stauffenberg–Treschkow–Olbricht – unterrichteten Offiziere den Führer oder einen anderen vertrauenswürdigen Mann berichtete; das ist auf das unerhörte Kameradschaftsgefühl dieser Offiziere zurückzuführen, manche inzwischen verhafteten Offiziere erklärten, es sei richtig, dass sie von der Bildung dieser Widerstandskreise gehört hätten, sie hätten sich auch dagegen ausgesprochen, sie hätten auch nichts damit zu tun haben wollen, aber sie hätten mit Rücksicht auf die beteiligten Kameraden von einer Anzeigeerstattung abgesehen. Die Männer, die hier um den Führer leben, wussten ganz verständlicher Weise von diesen Dingen nichts, selbst die hier beschäftigten Offiziere des Wehrmachtführungsstabes wurden nicht eingeweiht, denn die Opposition der beteiligten Generalstäbler richtete sich gerade gegen das Bestehen des Wehrmachtführungsstabes, deswegen sollten ja die Männer des Wehrmachtführungsstabes auch bei dem Attentat »hochgenommen werden«. Der 20. Juli 1944 – Bormanns Chance zur Abrechnung   257

Die Offiziere des Generalstabes (OKH) wohnen und arbeiten ebenso wie die Offiziere der anderen Wehrmachtsteile nicht im eigentlichen FHqu., sondern eine Stunde entfernt; nur zu den Lagebesprechungen kommen die benötigten Offiziere nach hier! Eine gesellschaftliche Verbindung bestand nicht, denn jeder der hier tätigen Männer muss von früh bis nachts arbeiten, wenn er seine Aufgabe pflichtbewusst erfüllen will. Im Übrigen war zwar von verschiedenen Männern durchaus bekannt, dass sie nicht als Nationalsozialisten anzusehen waren, aber an so viel Intrige und Gemeinheit, wie sich durch den 20.7. offenbarte, konnte niemand glauben. Fragen Sie doch bei Gelegenheit einmal unseren Parteigenossen Gauleiter Dr. Meyer, ob er je geglaubt hätte, dass Feldmarschall von Kluge zum Defätisten oder gar zum Verräter werden könnte. Im Auftrag des Führers erkundigte sich mich seinerzeit bei Gauleiter Meyer über Kluge. (…) Im Übrigen sei betont, dass der Führer laufend von mir über alle nur einigermaßen wichtigen Mitteilungen ins Bild gesetzt wurde und wird; so einfach wie man dies glauben möchte, sind aber personelle Veränderungen nicht. Im Übrigen ist sicher, dass der Führer auch die gegenwärtigen Schwierigkeiten meistern wird. Im sechsten Kriegsjahr sind die Schwierigkeiten und Reibungen ungleich höher als im ersten Kriegsjahr; Krieg und Not führen die Volksgenossen nun einmal nicht zueinander, sondern die Spannungen wachsen. Dies ist aber nicht nur bei uns so, sondern erst recht bei unseren Gegner. Darüber kann es gar keinen Zweifel geben. Unser großes Plus ist die Festigkeit unseres Volksgefüges, das auch der gegenwärtigen Belastung unbedingt standhalten muss und standhalten wird.22

Bormann gab gerne vor, »schon immer« gewusst zu haben, wie wenig Verlass auf führende Offiziere war. Dies galt auch gegenüber Erwin Rommel, von dem er in einem Aktenvermerk für seinen Stellvertreter »Pg. Friedrichs«, am 28. September 1944 meinte: Rommel wurde seinerzeit bei Beginn des Polenfeldzuges Kommandant des Führerhauptquartiers. Diese Bezeichnung klingt sehr hochtrabend, bedeutet aber sehr wenig. Dem Kommandanten unterstanden lediglich die verschiedenen Feldlager und deren Bewachung und er hatte für die Sicherheit des Führers während der Frontfahrten zu sorgen; es begleiteten uns also während unserer Frontfahrten einige Wagen mit 2-cm-Flak und einige Pan258  Der 20. Juli 1944 – Bormanns Chance zur Abrechnung

zerspähwagen. Im Frankreich-Feldzug erhielt Rommel dann auf Befürwortung unseres Generals Schmundt hin eine Division, für die sehr rasch eine außerordentliche Reklame entfaltet wurde. Zunächst war der Staatssekretär im Propaganda-Ministerium im Stab Rommels, was dieser Division von vornherein und automatisch eine gute Presse, entsprechend zahlreiche Wiedergaben von Fotos und dergleichen sicherte. Später kam an Stelle Hankes Pg. Berndt in den Stab Rommels, der eine noch bessere Reklametrommel zu schlagen wusste. (…) Rommel kam dann nach Afrika und seither mehrten sich die skeptischen Stimmen: General Jodl bemerkte verschiedentlich, Rommel ginge es wie anderen Generalen: sobald sie Feldmarschall geworden seien, fürchteten sie für ihren Ruf und wagten nicht mehr, was sie früher gewagt hätten. Die Stellung El-Alamein wurde so ausgebaut – wie Rommel behauptete – dass sie völlig uneinnehmbar sein sollte, und zwar vor allem wegen des unerhört tiefen und dichten Minenfelds. Wenige Tage, bevor die Engländer bei El-Alamein durchbrachen, war Rommel hier im Hauptquartier, wo er erneut mit Bestimmtheit behauptete, die Alamein-Stellung sei überhaupt nicht zu durchbrechen, nach 48 Stunden war das Malheur geschehen. (…) Später wurde Rommel dann Oberkommandierender in Italien, und wiederum war es Sepp Dietrich, der über Rommels Defätismus und Skeptizimus klagte. Gauleiter Hofer erklärte, Rommel sei ein Defätist, stecke seine ganze Umgebung mit diesem Defätismus an und würde am liebsten die Abwehrstellung von vornherein am Brenner beziehen. (…) Ich selbst hielt Rommel nie für das militärische Genie, als das er herausgestellt wurde; wir erkundigten uns seinerzeit über Rommel bei der Reichsjugendführung, die ihn vor dem Kriege als Verbindungmann zum OKW kennengelernt hatte. Die Beurteilung, die sich bei unseren Akten befinden muss, besagte, dass Rommel keineswegs als Nazi anzusehen sei. Hierüber wurde der Führer unterrichtet. Ich hielt Rommel ferner für einen sehr eitlen Menschen, der sich mit Wonne von früh bis spät fotografieren ließ. Solche eitlen Menschen sind aber erfahrungsgemäß nie die tüchtigsten Menschen, denn ein wirklich tüchtiger Mensch hat es nicht nötig, sich fortgesetzt vor die Kamera zu schieben. Während des Polen-Feldzuges konnten wir hingegen einwandfrei beobachten, mit welcher Gewandtheit Rommel sich, wenn fotografiert wurde, neben dem Führer oder in dessen nächster Nähe aufbaute. Außerdem war auffallend, dass der außerordentlich kurzsichtige Rommel aus seiner EitelDer 20. Juli 1944 – Bormanns Chance zur Abrechnung   259

keit heraus nicht einmal eine Brille trug, dabei kann er Druckschrift nur lesen, wenn er sich das Papier buchstäblich vor die Nase hält.23

Am 12. August 1944 forderte Bormann die Partei auf, beschleunigt alle Personen zu benennen, die »in Vergangenheit oder Gegenwart durch ihr Verhalten Anlass zu Zweifeln an ihrer nationalsozialistischen Haltung und weltanschaulichen Festigkeit« gegeben hätten.24 Damit stieß er bei Rosenberg auf offene Ohren, der diese Aktion begrüßte und meinte, endlich von Bormann ein lobendes Wort zu bekommen. Im Amt »Kulturpolitisches Archiv« sei seit mehr als zehn Jahren umfangreiches und zuverlässiges Material gesammelt worden, »das die Grundlage für die Beurteilungen von Persönlichkeiten des Kulturlebens und in gewissem Umfange auch der Wissenschaft bildet«.25 Die Materialsammlung sei ausdrücklich im Hinblick auf die »nationalsozialistische Haltung und die kulturpolitische Zuverlässigkeit« angelegt worden. Es lägen etwa 60 000 Vorgänge vor. In der Tat erhielt Rosenberg einen Dank Bormanns, allerdings meinte dieser, das Material solle dem Reichssicherheitshauptamt zur Auswertung der von ihm angeordneten »Ausmerzung aller Verräter und Defätisten« zur Verfügung gestellt werden.26 Damit waren zum Leidwesen Rosenbergs auch die Besprechungen mit Bormann hinfällig, um die er in diesem Zusammenhang gebeten hatte. Wenn es einen »Gewinner« des 20. Juli gab, dann war dies zweifellos Bormann. Während andere NS-Repräsentanten noch von einer Schockstarre wie gelähmt waren, handelte Bormann. Mit einer Flut von Anordnungen sorgte er für Ruhe im Reich, und durch die von ihm eingeleitete Verhaftungswelle gelang es, den Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime blutig zu ersticken. Bormann festigte zugleich seine Stellung, desavouierte Himmler, indem er die eigentlichen Untersuchungen – ohne dessen Protest – an sich riss, und schwang sich zum eigentlichen Machthaber auf.

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Die Mobilisierung der letzten Reserven

Zu Beginn des Jahres 1945 verengte sich Bormann Lebensraum zunehmend auf den »Führerbunker« in Berlin. Und wenn auch um ihn herum die Welt in Flammen aufging, verlangte er bis zu seinem Tod am 2. Mai 1945 absoluten Durchhaltewillen und forderte selbst noch in aussichtsloser Lage die NSDAP-Mitglieder, insbesondere die sogenannten Hoheitsträger, auf, Hitler beizustehen. Von seinem Schreibtisch aus überschüttete Bormann die Gau- und Reichsleiter der NSDAP mit einer Flut von Rundschreiben und Befehlen, in denen er bedingungslose Gefolgschaft und die Bereitschaft, für den »Führer« das Leben zu geben, reklamierte. In seinen Formulierungen wurde er umso radikaler, je aussichtsloser die Situation wurde. Offensichtlich sah sich Bormann fast nur von Feiglingen und Verrätern umgeben. Schon in den ersten Kriegsjahren war er in seiner Geisteshaltung wie in seiner Wortwahl zunehmend aggressiver geworden. Nach dem Ausscheiden Italiens als Verbündeter der »Achse« schrieb er im Juli 1943 an alle Gauleiter: Unsere Gauleiter haben verständlicherweise den Wunsch, Kommentare zu den Vorgängen in Italien zu hören: zu gegebener Zeit wird das geschehen. Währenddessen gehen unsere Arbeit und unser Kampf unbeirrt und pausenlos weiter. Staatsfeinde, die sich jetzt demaskieren, sind rücksichtslos sofort den Dienststellen der Staatspolizei anzuzeigen. Wertlose Schwächlinge sind aus der Partei auszuschließen oder zu entlassen. Die Männer der Partei müssen wie schon mehrfach betont, auf alle nervösen und aufgeregten Gemüter unendlich beruhigend einwirken. Zu jeder Zeit müssen gerade die Parteigenossen den unerschütterlichen Glauben, dass der Führer stets zur rechten Zeit das Rechte tun wird, ausstrahlen.1

Von den Hoheitsträgern der Partei erwartete er nun, in den letzten Tagen des »Großdeutschen Reichs«, »dass sie sich auftauchenden Gerüchten gegenüber immun erwiesen« und durch »Kaltblütigkeit« auszeichneten.2 »Die Gegner der nationalsozialistischen Weltanschauung haben das deutsche Volk durch den Krieg vor die Entscheidung gestellt, entweder Die Mobilisierung der letzten Reserven  261

seine politische Freiheit durch den Einsatz der gesamten Volkskraft zu erkämpfen oder unterzugehen«, hatte er schon im September 1943 gemahnt: »In dieser weltgeschichtlichen Auseinandersetzung ist es die Aufgabe der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, die Kampfbereitschaft und den Einsatzwillen der Heimat mit allen Mitteln zu stärken. Die erbarmungslose Härte dieses Kampfes verlangt gerade von den Parteigenossen den bedingungslosen Einsatz ihrer Personen und ihren unerschütterlichen Glauben an den Sieg.« Jeder Parteigenosse unterliege der Kriegseinsatzpflicht im Rahmen der NSDAP, die »nur durch den restlosen Einsatz aller ihr zur Verfügung stehenden Kräfte die ihr in diesem Entscheidungskampf gestellten Aufgaben bewältigen« könne. Wer »Defätisten oder Gerüchtemachern widerspruchslos zuhöre« oder »deren Schwätzereien« auch noch weitertrage, habe keinen Platz mehr in der »Kampfgemeinschaft des Führers«. Und wer aus »Interesselosigkeit oder gar aus Feigheit« das Parteiabzeichen nicht trage oder bewusst den nationalsozialistischen Kampfgruß »Heil Hitler« vermeide, müsse unverzüglich aus der NSDAP ausgestoßen werden.3 Zugleich sorgte Bormann sich darum, dass Lebenswandel von NSRepräsentanten und Kriegsalltag häufig nicht in Einklang zu bringen seien. Führende Persönlichkeiten hätten vielfach neben ihrem Dienstsitz private Doppelwohnungen, vor allem Land- und Jagdhäuser, besonders in der Umgebung von Berlin und München. Dies sei weithin bekannt. Da angesichts der zunehmenden Wohnungsnot immer mehr Menschen zwangsweise in große Wohnungen eingewiesen würden, werde die Bevölkerung es nicht verstehen, wenn man diese Wohnungen anders behandle als die Zweitwohnungen anderer Personen. Der »Führer« habe daher angeordnet, »dass führende Persönlichkeiten bei der gegenwärtigen Situation ihre privaten Doppelwohnungen ebenso wie jeder andere Volksgenosse im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften zur Unterbringung von Obdachlosen und Evakuierten, besonders von Kindern, zur Verfügung zu stellen und hierbei wie auch sonst ein Beispiel zu geben haben«.4 Ein Prominenter, der in diesem Zusammenhang den Unmut Bormanns zu spüren bekam, war der Komponist Richard Strauss. Er bewohnte mit seiner Frau in Garmisch eine Villa mit neunzehn Zimmern, einem Nebenhaus inklusive Hausmeisterwohnung, zwei Zimmern, Küche und Bad. Dazu schrieb Bormann am 14. Januar 1944: 262  Die Mobilisierung der letzten Reserven

Dr. Richard Strauss hat es verstanden, sich allen Anforderungen, die man wegen der Unterbringung von Bombengeschädigten und Evakuierten an ihn stellte, zu entziehen. Auf den Hinweis, heute müsse jeder Opfer bringen, der Soldat an der Front setzt sogar ständig sein Leben ein, antwortet er, das gehe ihn nichts an, für ihn brauche kein Soldat zu kämpfen. Er lehnte sogar die höflich vorgebrachte Bitte des Kreisleiters, wenigstens zwei Räume des Nebenhauses zwei alleinstehenden Ingenieuren eines Rüstungsbetriebes zur Verfügung zu stellen, rundweg ab. (…) Der Führer, dem die Sache vorgetragen wurde, entschied, das gesamte Anwesen des Dr. Richard Strauss gehörende Nebenhaus sei sofort zur Unterbringung Bombengeschädigter und Evakuierter zu beschlagnahmen. Außerdem wünscht der Führer, dass führende Persönlichkeiten der Partei, die bisher mit Dr. Richard Strauss persönlichen Verkehr unterhalten haben, diesen alsbald einstellen.5

Kritik an mangelndem Kampfwillen Mit dem Kriegswillen der Bevölkerung war Bormann schon 1943 nicht zufrieden. Hitler hatte ihm umfangreiche Vollmachten eingeräumt, um den »umfassenden Einsatz von Männern und Frauen für Aufgaben der Reichsverteidigung« sicherzustellen. In der NSDAP, ihren Gliederungen und in den angeschlossenen Verbänden waren alle nicht für kriegswichtige Zwecke eingesetzten Kräfte freizumachen, wobei der Leiter der Partei-Kanzlei die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen hatte. 6 Da die Widerstandskraft der Heimat durch die Verschärfung des Kriegs einer immer stärkeren Belastung ausgesetzt sei, formulierte Bormann am 23. September 1943 diese Forderung an die Partei. Die NSDAP müsse den Kampfwillen des deutschen Volkes immer wieder stählen, die Meinungsbildung laufend positiv beeinflussen und negativen Erscheinungen mit aller Energie entgegentreten. Da Bormann wohl daran zweifelte, dass die Parteigenossen dies freiwillig täten, ordnete er für alle Ortsgruppen des Reichs Generalmitgliederappelle an: Die Teilnahme sämtlicher Parteigenossen an diesen Appellen ist Pflicht. Den Appellen selbst ist ein würdiger und vor allem straffer Rahmen zu geben. Den einzelnen Parteigenossen ist in eindringlicher und nachdrücklicher Weise ihre verpflichtende Aufgabe als Stimmungsträger der Heimat Kritik an mangelndem Kampfwillen  263

scharf zu umreißen. Besonders ist die Notwendigkeit der größeren Einflussnahme von Mund zu Mund auf die Stimmung und Haltung der Bevölkerung stark herauszustellen. Je intensiver einerseits der Feind und die Schwere der Zeit auf unsere Volksgenossen einwirken, desto eindringlicher muss durch alle ihre Mitglieder die NSDAP ständig den Glauben an die Richtigkeit unseres Handelns und die Sicherheit des deutschen Sieges stärken.7

Eine Woche später wurde Bormann noch fordernder und vor allem drohender: Der Krieg um Sein oder Nichtsein unseres Volkes nimmt immer härtere Formen an; unser Volk wird diesen Kampf unter allen Umständen siegreich bestehen, wenn es gläubig, treu und stets bis zum Letzten einsatzbereit dem Führer folgt. Diese Gesinnung unserem Volke zu erhalten, ist die geschichtliche Aufgabe der NSDAP; sie kann nur gelöst werden, wenn die Parteigenossenschaft eine harte Kampf- und Opfergemeinschaft darstellt, die wie einst im Kampf um die Macht mit nie erlahmender Hingabe und unerschütterlichem Vertrauen dem Werk des Führers dient. Die Aktivierung ist ein Gebot der Stunde, sie muss mit allen Mitteln betrieben werden. Ich ordne deshalb an: 1. Vierteljährlich einmal hat die gesamte Partei wie in früherer Zeit innerhalb der Ortsgruppen zu marschieren. 2. An den Aufmärschen nehmen alle Parteigenossen und uniformierten Einheiten der Partei teil. (…) 3. Nicht uniformierte Parteimitglieder tragen Braunhemd mit Hakenkreuzbinde; wer kein Braunhemd besitzt, trägt nur die Armbinde. 4. Musik- und Spielmannszüge haben an dem Marsch teilzunehmen; besonderer Wert ist auf das Singen geeigneter Kampflieder, die vorher eingehend zu üben sind, zu legen. Transparente mit Aufschriften ermahnender, verpflichtender, aber auch Kleingeister und Defätisten lächerlich machender Art können mitgeführt werden.8

Immer wieder richtete Bormann Durchhalteappelle an die Partei: Unser Führer, dem wir alle tiefsten Dank schulden, unterstrich am heutigen Abend noch einmal in aller Deutlichkeit die Verpflichtung, die wir, die 264  Die Mobilisierung der letzten Reserven

Parteigenossen des Führers, vor unserem Volk tragen, vor den gefallenen Helden unserer Kriege und vor den Leistungen unserer Ahnen. Die Verantwortung für die Zukunft unserer Kinder und Enkel hängt von unserer Bewährung ab. Dazu gehört: Die Leistung des Einzelnen muss seiner Stellung entsprechen. Jetzt scheiden sich die Führerpersönlichkeiten von den Versagern, die Starken von den Schwachen. Keiner warte darauf, dass der Nebenmann, der Mitkämpfer zuerst das Notwendige tut. Wo fehlende Initiative sichtbar wird, muss sofort und ohne Säumen der nächste Mann eingreifen, muss die ständigen Vorgesetzten informieren, muss Vorschläge machen und jede nur mögliche Hilfestellung auslösen. Wer statt in höchster Gefahr die höchste Leistung im dem größten Einsatz zu entwickeln, versagt, ist fehl am Platze. Gerade in dieser Zeit ist die Hauptaufgabe des Politischen Leiters nicht etwa die Organisierung von Sammlungen oder selbst die Evakuierung, sondern die Hauptaufgabe ist und bleibt die Organisierung des seelischen und materiellen Widerstandes. Ein Zuviel kann es hierbei nicht geben. Jetzt ist es an uns zu zeigen, dass wir eines Führers Adolf Hitler würdig sind.9

Den Freitod bezeichnete Bormann als Verrat am deutschen Volk: Das Leben des Einzelnen gehört dem Volk. Er darf daher nicht willkürlich seinem Leben ein Ende bereiten. Tut er es doch, verletzt er damit die Pflicht gegenüber seinem Volke. Das gilt besonders jetzt im Kriege. Erfahrungsgemäß wird der Freitod in vielen Fällen nach einer Verfehlung als freiwillige Sühne oder aus Scheu vor entehrender Strafe, wegen Nervenzerrüttung oder aus anderen ähnlichen Gründen gewählt. Alle diese Gründe rechtfertigen eine solche Tat aber keineswegs, denn ein tapferer Einsatz und unermüdliche Arbeit für das Volk sind nicht nur mutiger und ehrenvoller, sondern stellen auch eine bessere Sühne dar als eine feige Flucht aus dem Leben. Nur in den Fällen, in denen keinerlei weiterer Einsatz für das Volk mehr möglich ist, oder wenn bei drohender sowjetischer Gefangenschaft das Weiterleben zu einer Gefahr für das eigene Volk werden kann, ist der Freitod anders zu beurteilen. Hier handelt es sich um Ausnahmen, die nicht als unehrenhaft angesehen werden können.10

Kritik an mangelndem Kampfwillen  265

Andererseits verschloss er die Augen vor der Lynchjustiz an alliierten Piloten und rechtfertigte sie sogar, wie sein Vertreter Friedrichs es in seinem Auftrag in einem Rundschreiben am 30. Mai 1944 tat: Englische und nordamerikanische Flieger haben in den letzten Wochen wiederholt im Tiefflug auf Plätzen spielende Kinder, Frauen bei der Feldarbeit, pflügende Bauern, Fuhrwerke auf der Landstraße, Eisenbahnzüge usw. aus geringer Höhe mit Bordwaffen beschossen und dabei auf gemeinste Weise wehrlose Zivilisten – insbesondere Frauen und Kinder – hingemordet. Mehrfach ist es vorgekommen, dass abgesprungene oder notgelandete Besatzungen solcher Flugzeuge unmittelbar nach der Festnahme durch die auf das Äußerte empörte Bevölkerung an Ort und Stelle gelyncht wurden. Von polizeilicher und strafgerichtlicher Verfolgung der dabei beteiligten Volksgenossen wurde abgesehen.11

Nicht zu Unrecht betrachteten die Richter in Nürnberg diese Formulierungen als Aufruf Bormanns zur Lynchjustiz. Propagandaminister Goebbels reichte es keineswegs, was Bormann an Rabulistik aufwand. Am 28. März 1944 beanstandete er, Bormann habe »insbesondere in der Frage der Radikalisierung des Krieges nicht das gehalten, was ich mir eigentlich von ihm versprochen hatte«. Bei Bormann und in diesem Zusammenhang auch bei Speer handle es sich eben »um halbe Bürger«.12

Der totale Kriegseinsatz Auch Frauen, Kinder und Greise sollten eingespannt werden, um das NS-Regime zu retten – als Wehrmachtshelferinnen, an Flak- und Scheinwerferbatterien, als Einzelkämpfer und -kämpferinnen oder als »Werwölfe«. Im Juli 1944 hatte Bormann weitreichende Kompetenzen er­halten, um die Partei mit in den großen »Totalisierungsprozess« einzuspannen.13 Schon am 18. Februar 1943 hatte Propagandaminister Goebbels in seiner berüchtigten Sportpalastrede den »totalen Krieg« ausgerufen, der nun für die Bevölkerung bitterer Ernst wurde. Dazu gehörte beispielsweise der »Weibliche Kriegshilfsdienst«. 100 000 Luftwaffensoldaten, die bis dahin Dienst an Scheinwerferbatterien 266  Die Mobilisierung der letzten Reserven

taten, sollten an die Front und mussten durch Frauen ersetzt werden. Der Reichsarbeitsdienst erklärte sich bereit, hierfür sofort 20 000 »Arbeitsmaiden, die bereits jetzt im aktiven Arbeitsdienst sind, zur Verfügung zu stellen, wenn weitere 80 000 Mädchen, und zwar solche, die bereits durch den Reichsarbeitsdienst gegangen sind, eingezogen und ihm für den Wehrmachteinsatz zur Verfügung gestellt werden«. Sofern es nicht genügend solcher Frauen gebe, könnten auch andere weibliche Kräfte eingezogen werden. Auszunehmen seien jedoch in jedem Fall junge Frauen, »die in der Rüstungsproduktion (nicht Rüstungsverwaltung) beschäftigt sind«. Das Gleiche gelte für Mädchen, »die nach Ausbildung in sonstigem kriegswichtigen Spezialeinsatz stehen, z. B. Fahrdienstleiterinnen, Telegrafistinnen, Lehrerinnen, hauptamtlich in Sozialberufen z. B. bei der NSV als Kindergärtnerinnen, Kinderpflegerinnen, Krankenschwestern, Gemeindeschwestern, Säuglingsschwestern oder Hausgehilfinnen in kinderreichen Haushaltungen. Außerdem sind auszunehmen die hauptberuflichen Führerinnen des BDM ( Jungmädel-, Mädel- und BDM-Werk). Hier ist möglichst auch von der Einziehung der ehrenamtlichen Führerinnen abzusehen, damit der Dienst des BDM aufrechterhalten bleibt.«14 Die Einberufung der 80 000 jungen Frauen stieß bei den Gauleitern auf Widerstand. Sie monierten, dass die Wehrmacht Frauen ohnehin falsch einsetze, woraufhin Bormann bei Goebbels als »Reichsbevollmächtigtem für den totalen Kriegseinsatz« eine allgemeine Überprüfung der Wehrverwaltung beantragte.15 Die Gauleiter forderte Bormann auf, ihm Nachweise »über den unzweckmäßigen Arbeitseinsatz von Frauen und Mädchen, insbesondere von Helferinnen aus den ehemals besetzten Gebieten« zukommen zu lassen, um »das Erforderliche« veranlassen zu können. In Verhandlungen mit dem Reichsarbeitsdienst erreichte er, dass die Zahl der einzuziehenden Mädchen der Jahrgänge 1920 bis 1924 von 80 000 zunächst auf 52 000 herabgesetzt wurde. Die Gesamtzahl von 100 000 sollte dadurch erreicht werden, dass der RAD statt 20 000 insgesamt 33 000 Mädchen aus dem aktiven Reichsarbeitsdienst bereitstellte. Weitere 15 000 Frauen sollten »vom GBA der Wehrmacht unmittelbar und nicht über den Reichsarbeitsdienst zur Verfügung gestellt werden«.16 Die großen Wehrmachtsverluste erforderten immer neue Soldaten für Kampfeinsätze. Am 25. Juli 1944 hatte Hitler in einem Erlass über Der totale Kriegseinsatz  267

den totalen Kriegseinsatz die Rolle Bormanns gestärkt, indem er verfügte, der Leiter der Partei-Kanzlei werde die von ihm angeordneten Maßnahmen durch den Einsatz der Partei aufgrund der ihm erteilten Vollmachten tatkräftig unterstützen.17 Von dieser Generalvollmacht machte Bormann regen Gebrauch. In einer »Zweiten Anordnung zum totalen Kriegseinsatz« sprach er davon, die Erfüllung des von Hitler befohlenen Wehrersatzprogramms mache im verstärkten Maße die Freimachung von Kv-Soldaten für das Feldheer erforderlich. Als Ersatz müssten weitere 150 000 Frauen und Mädchen herangezogen werden: Bei dem Entwurf der Anordnung wurden die Erfahrungsberichte der Gauleiter über die erste Einziehungsaktion beim Wehrmachtseinsatz des RADwJ berücksichtigt. Beim jetzigen Truppeneinsatz der Frauen und Mädels fallen daher die Beschränkungen auf die Jahrgänge 1920 bis 1924 und die vorherige Ableistung des Reichsarbeitsdienstes weg. Es können geeignete, vorwiegend jüngere Frauen und Mädel vom 18. Lebensjahre ab herangezogen werden. Die Frauen und Mädel werden in einem besonderen Wehrmachtshelferinnenkorps zusammengefasst, das führungsmäßig der Wehrmacht untersteht, dessen weltanschauliche und politische Betreuung durch die Partei zusammen mit der Reichsfrauenführung und der Reichsjugendführung der NSDAP vorgenommen wird. (…) In der Propaganda ist der Dienst in dem Wehrmachtshelferinnenkorps, im Gegensatz zu der früheren Auffassung über den truppenmäßigen Einsatz von Frauen innerhalb der Wehrmacht, als ein besonderer Ehrendienst der deutschen Frau im Kriege herauszustellen.18

Allerdings waren nicht alle Gaue bereit, den Aufbau des Wehrmachtshelferinnenkorps zu unterstützen. Bormann beklagte sich, eine Gauleitung habe ihm mitgeteilt, es ergäben sich Schwierigkeiten bei der Heranziehung von DRK-Helferinnen, die sich im zivilen Arbeitseinsatz befänden.19 In Übereinstimmung mit dem Präsidium des Deutschen Roten Kreuzes stellte er fest, »dass eine Zurückstellung von DRK-Helferinnen lediglich wegen ihrer Zugehörigkeit zum Deutschen Roten Kreuz nicht gerechtfertigt« sei. Zum Jahreswechsel 1944/45 musste Bormann dann mahnen: »Nach den bisherigen Feststellungen erfolgen die Einziehungen zum Wehrmachtshelferinnenkorps nur sehr schleppend. Ich bitte die Gauleiter nochmals besonders dringend, sich mit 268  Die Mobilisierung der letzten Reserven

allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln für die tatkräftige Durchführung der Aktion einzusetzen.«20 Andererseits forderte Bormann vom Reichsarbeitsdienst die Rückführung der weiblichen Jugend aus den unmittelbar vom Feind bedrohten Westgebieten. Die jungen »Arbeitsmaiden« seien dem RAD anvertraut worden, der den Eltern und dem Volk gegenüber verpflichtet sei, für ihren Schutz zu sorgen, sofern er dazu irgend in der Lage sei.21 Es gab jedoch durchaus auch Frauen, die freiwillig für das NS-Regime und insbesondere für Hitler kämpfen wollten. In einem Rundschreiben Bormanns vom 2. November 1944 hieß es: In Zuschriften an den Führer und an führende Persönlichkeiten des Reiches meldeten sich mehrfach deutsche Frauen und Mädchen zum Einsatz mit der Waffe vor dem Feinde. Sie baten insbesondere um Verwendung als Einzelkämpferinnen. Solche Briefe, aus denen eine heiße Liebe zu Deutschland und ein unerschütterlicher Glaube an den Führer sprechen, sind ein überzeugender Beweis für die bedingungslose Einsatzbereitschaft unseres ganzen Volkes für den Sieg. Im Auftrag des Führers bitte ich, künftig alle derartigen Freiwilligenmeldungen von Frauen und Mädchen in Urschrift mir zuzuleiten.22

»In einigen Gauen besteht der Wunsch, eine größere Anzahl von Frauen und Mädchen zu ihrem eigenen Schutz durch die Einheiten des Volkssturmes im Gebrauch von Handfeuerwaffen ausbilden zu lassen«, meinte Bormann am 5. März 1945. Diesem Wunsch sei – insbesondere in ländlichen Ortsgruppen – nach Möglichkeit zu entsprechen. In welchem Umfang die Ausbildung durch Einheiten des Ersatzheeres, der Waffen-SS und Polizei erfolgen könne, werde durch eigene Befehle der zuständigen Kommandostellen geregelt. Die Ortsfrauenschaftsleiterinnen sollten demnach die auszubildenden Frauen und Mädchen ihren Ortsgruppenleitern melden, die in Verbindung mit den zuständigen Einheitsführern die praktische Schießausbildung in die Wege leiten sollten.23 In der Woche zuvor war Bormann auf eine Mitteilung Himmlers eingegangen, nach der Hitler zur Verstärkung der kämpfenden Truppe genehmigt habe, 6000 Jungen des Jahrgangs 1929 – also Sechzehnjährige – zur Verstärkung der hintersten Verteidigungslinie einzuziehen. Der totale Kriegseinsatz  269

»Außerdem habe der Führer (…) inzwischen die probeweise Aufstellung eines Frauen-Bataillons genehmigt. Die Frauen sollen so rasch wie möglich tadellos ausgebildet werden. Aufstellung des Frauenbataillons in Verbindung mit der Reichsfrauenführung. Bewährt sich dieses Frauenbataillon, sollen sofort weitere aufgestellt werden. Der Führer verspricht sich insbesondere von der Aufstellung dieses Bataillons eine entsprechende Rückwirkung auf die Haltung der Männer.« Ganz einverstanden war Bormann mit dieser Entscheidung Hitlers wohl nicht, denn in dem Vermerk fuhr er fort: Wir bieten also 15-jährige Jungens und wir bieten Frauen zur Verstärkung der Front auf. Dabei fluktuieren nach allgemeiner Überzeugung 500 bis 600 000 Soldaten im Reich. Würde man diese Uniformträger erfassen und wieder zu wirklichen Soldaten mit soldatischer Haltung etc. machen, hätten wir nicht nur genügend Menschen für die Front, sondern sogar die notwendigen Reserven, um selbst wieder aktiv zu werden. (…) Wir müssen also unbedingt die ganze Öffentlichkeit an dem unerhört wichtigen Problem der Erfassung dieser fluktuierenden Soldaten interessieren, und wir müssen Maßnahmen gleichzeitig in allen Gauen und in allen sonstigen Gebieten, die unter unserer Kontrolle stehen, anlaufen lassen. (…) In der ganzen Schwierigkeit des Problems kommen wir zu keinem wirklichen Erfolg, wenn nicht von vornherein mit entsprechender Härte angepackt und durchgegriffen wird. (…) Nur wenn dem, der zur Drückebergerei neigt, klar ist, dass an der Front lediglich die Möglichkeit besteht, zu fallen, dass hingegen jeder Drückeberger in der Heimat mit Sicherheit gefasst wird und dann ehrlos fällt, werden wir dieser Feigheits-Seuche Herr.24

Ideologie statt Waffen Eine wesentliche Ursache für den drohenden militärischen Untergang sah Bormann in der unzureichenden ideologischen Schulung der Wehrmachtsangehörigen. Nicht mit mehr Waffen und Menschen sollte die Niederlage hinausgezögert werden, sondern mit nationalsozialistischer Ideologie, mit dem Säen von Hass und dem Verbreiten von Todesfurcht. NS-Führungsoffiziere sollten die Wehrmacht jetzt noch zusammenhalten. Bormanns Instrument hierfür waren die NS-Führungsoffiziere. 270  Die Mobilisierung der letzten Reserven

Geleitet wurde der »Nationalsozialistische Führungsstab des OKW« (NSFO), eingerichtet aufgrund eines Erlasses von Hitler vom 22. Dezember 1943, von General Hermann Reinecke, dem Chef des Allgemeinen Wehrmachtsamts. Die NSFO kamen zwar aus dem Offizierskader der Wehrmacht, mussten aber durch einen Arbeitsstab von Bormann, den »Pg. Wilhelm Ruder« leitete, in Bezug auf ihre Ergebenheit gegenüber dem Nationalsozialismus und Hitler bestätigt werden. Um die Wehrmacht »politisch-weltanschaulich« zu festigen, ließ Bormann ab September 1944 aktive Offiziere zu achtwöchigen Schulungen in Parteidienststellen kommandieren. Im Wesentlichen handelte es sich um junge Frontoffiziere, die nach Verwundung und Genesung wieder als Einheitsführer und Kommandeure eingesetzt werden sollten. Auch Bormann waren die Auflösungserscheinungen in der Wehrmacht und – für ihn schlimmer noch – in der NSDAP nicht entgangen. Mit sich überschlagenden Befehlen versuchte er, diese Entwicklung aufzuhalten. Gleichzeitig setzte er seine Auseinandersetzung mit Rosenberg auch auf diesem Gebiet fort. Der »Führer« habe die Intensivierung der nationalsozialistischen Führungs- und Erziehungsarbeit innerhalb der Wehrmacht angeordnet, die gestellte Aufgabe sei von kriegsentscheidender Bedeutung und mithin auch von Rosenberg mit allen Kräften und Mitteln zu unterstützen, schrieb er dem Reichsleiter Rosenberg am 22. Januar 1944.25 Vorausgegangen war eine der vielen Auseinandersetzungen mit Rosenberg, in denen Bormann seinem Widersacher wieder einmal dessen Unzulänglichkeit vor Augen geführt hatte. In einem Fernschreiben vom 12. Dezember 1943 hatte Bormann Rosenberg in gewohnter Manier brüskiert und ihm dargelegt, dass er sich irre, wenn er meine, eine mit Hitler geführte Unterredung könne als Schlussstrich unter die Debatte um die Benennung der Politoffiziere betrachtet werden: Der Führer hat vielmehr, wie ich Ihnen bereits darlegte, endgültig nicht eine der ursprünglichen Bezeichnungen gewählt und auch nicht die von Ihnen genannte, sondern er hat endgültig die Bezeichnung »Offizier für nationalsozialistische Führung« (abgekürzt: NS-Führungsoffizier) verfügt und befohlen, um mit dieser Bezeichnung, wie ich Ihnen ebenfalls mitteilte, den umfassenden Auftrag des NS-Führungsoffiziers von vornherein auch in der Ideologie statt Waffen  271

Bezeichnung klarzustellen und um von vornherein über diesen Aufgabenbereich kein Missverständnis aufkommen zu lassen.26

Allerdings kam am 29. März 1945 von Bormann der Befehl, den NSFührungsstab beim OKW aufzulösen.27 Stabschef General Hermann Reinecke fühlte sich offenbar nicht mehr zuständig, aber die ParteiKanzlei konnte nicht als Befehlsstelle in Erscheinung treten, da man noch auf Hitlers Unterschrift unter den notwendigen Befehl wartete. Ziel war es, zu einer »politischen Führung aller drei Wehrmachtsteile zu kommen, die bisher vollständig gefehlt« habe. Zwei Tage zuvor hatte Bormann von Reichsmarschall Hermann Göring für einen »Sondereinsatz der Partei-Kanzlei im Westen« über bereits genehmigte vierzig Offiziere hinaus fünfzig weitere Offiziere angefordert, die »besonders energisch und politisch aktiv« sein mussten. Solche Offiziere seien »das wirksamste Mittel, um die innere Standfestigkeit von Truppe und Bevölkerung zu stärken, zersetzende und negative Erscheinungen zu beseitigen, eine enge Verbindung zwischen Partei und Wehrmacht herzustellen und auf den Volkssturm besonders einzuwirken«.28 Ähnliche Schreiben erhielten der Reichsführer-SS, Himmler, und Großadmiral Dönitz, sodass schließlich hundertfünfzig Parteioffiziere zum Einsatz kommen sollten. Dem Gauleiter des Gaus Sudetenland, Konrad Henlein, hatte Bormann am 15. März 1945 den Sondereinsatz in frontnahen Gebieten, und dies waren ja inzwischen fast alle, wie folgt begründet: Wenn Soldaten nicht mehr wie früher stünden, sondern sich absetzten und der Feindberührung zu entziehen versuchten, dann liege das an der mangelnden Einsicht in die »Unausweichlichkeit unseres Kampfes«. Auch Partei- und zivile Dienststellen hätten sich vom »Russenschreck« beeinflussen lassen. Städte und Dörfer seien kampflos von der wehrfähigen Bevölkerung verlassen worden. Es müsse der »äußerste Widerstandswillen entfacht« werden und hierfür sei die NSFO-Einsatztruppe erforderlich. Ein einziger energischer Mann reiche, »um die Bevölkerung einer Ortschaft zu fanatischem Widerstand zu entflammen, Mängel in der Bewaffnung auszugleichen, Verteidigungsstellen auszubauen, Panzernahkampftrupps auszurüsten und Wehrmacht und Volkssturm zum gemeinsamen Abwehrkampf zu organisieren«. Im Rahmen des »Sondereinsatzes der Partei-Kanzlei« werde jeder innerdeutsche Gau 272  Die Mobilisierung der letzten Reserven

fünf bewährte Führungskräfte abstellen und den »bedrängten Frontgauen« helfen, wobei neben den östlichen Frontgauen inzwischen auch Essen, Düsseldorf, Köln-Aachen und Moselland gehörten.29 Den »Parteigenossen«, die er in den Sondereinsatz schickte, gab Bormann unter anderem folgende Ermutigung mit auf den Weg: Jede Schwierigkeit kann gemeistert werden. Nicht nur oben um Hilfe rufen, sondern unten handeln und alle Kräfte einsetzen! Sie haben alle Vollmachten, die Sie zur Durchführung Ihres Auftrages brauchen. Mit zäher Entschlossenheit, Geschick und unbeirrbarer Siegeszuversicht muss es Ihnen gelingen, den verfluchten Feinden zu trotzen und schwerste Verluste zuzufügen. (…) Entscheidend ist nicht die vorbildliche Räumung, sondern die tapfere Verteidigung jedes Gebietes. Jedes Dorf und jede Stadt muss zur uneinnehmbaren Festung werden. … Hierzu ist jedes Mittel recht. Treten Sie aber hartnäckig jeder Schwäche entgegen und übergeben Sie Deserteure und unverantwortlich Handelnde zur Bestrafung den Militärbehörden. Wer ohne Befehl seinen Posten verlässt, wer seine Waffen wegwirft oder sich vor der Verantwortung drückt, bevor nicht das Menschenmöglichste zur Sicherung der deutschen Belange getan wurde, muss in Unehren sterben.30

In einer Anordnung vom 10. März 1945 gab Bormann jede sprachliche Zurückhaltung auf und polemisierte gegen die »Volksgenossen«, die sich nicht bis zum Tod den Feinden entgegenstellten. »„Einzelne minderwertige Elemente« verrieten aus Mangel an innerer Haltung ihre Treuepflicht, »feiges Gesindel« versuche, sich dem Einsatz zu entziehen, und solche »Volksschädlinge« müssten »rücksichtslos ausgemerzt werden«, geiferte Bormann. Dasselbe gelte für die »Drückeberger« der Wehrmacht, von denen manche nicht davor zurückschreckten, »sich in schamloser Weise als Verwundete zu tarnen«. Bormann verlangte »engste Zusammenarbeit zwischen Partei und Wehrmacht«, um »unser Volk zum Endkampf hochzureißen und zu einer zum letzten entschlossenen und deshalb den Sieg erkämpfenden Gemeinschaft zusammenzuschweißen«.31 In den letzten Kriegswochen versuchten die Nationalsozialisten sogar noch, mithilfe einer »Werwolf-Organisation« Angst und Schrecken unter den einmarschierenden Alliierten zu verbreiten. Die Urheberschaft nahmen viele für sich in Anspruch. Ursprünglich hatte Himmler Ideologie statt Waffen  273

als Reichsführer-SS den Befehl zur Aufstellung des »Werwolfs« erteilt. Im Frühjahr 1945 zog Goebbels die Angelegenheit an sich, aber auch Bormann befasste sich mit dem »Werwolf«, der aus dem Hinterhalt in den nunmehr besetzten deutschen Gebieten die Siegermächte attackieren sollte. Mit dem Rundschreiben vom 23. Januar 1945 unterrichtete Bormann alle Reichsleiter, Gauleiter und Verbändeführer darüber, dass Himmler »mit der Organisierung des nationalen Widerstandes an der gesamten Ostfront« beauftragt worden sei.32 Im Rundschreiben vom 10. März 1945 zur »Durchführung von Sonderaufgaben im Rücken des Feindes« nannte Bormann ausdrücklich den Begriff »Werwolf« und beschrieb dessen Aufgaben: Die Kriegslage zwingt uns, schnellstens und verstärkt alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um dir Angriffskraft unserer Feinde zu verringern. Dies kann erreicht werden durch Anschläge auf seinen Nachschub, durch Zerstörung der Lager, durch Zerstörung seiner Nachrichtenverbindungen, durch Erkundung der Verhältnisse im Rücken des Feiens zwecks Vorbereitung von Luftlandeunternehmungen, u. a.m. Nur entschlossene, tapfere Männer und Frauen jeden Alters sind für diese besonderen Kampfaufgaben geeignet. Denen ist die Durchführung solcher Aufgaben erleichtert, die in ihrer Heimat zum Einsatz kommen. Daher ist die Werbung vor allem unter den Flüchtlingen, aber auch bei anderen Volksgenossen durchzuführen, die aus den heute vom Feind besetzten und feindgefährdeten Gebieten des Reiches stammen oder deren Verhältnisse genau kennen. (…) Die Namen und die genauen Anschriften der für die Sonder-Aufgabe geeigneten Personen sind von Fall zu Fall dem zuständigen Höheren SS- und Polizeiführer unter dem Stichwort »Werwolf« zu melden. Von dort aus wird alles weitere veranlasst. Die Werbung ist sofort in Angriff zu nehmen.33

In diesen Zusammenhang gehört übrigens auch die Anweisung, trotz generellen Papiermangels eine Sonderauflage des Buches Der Wehrwolf von Hermann Löns an »bewährte Männer des Volkssturms« zu verteilen.34

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Hoffnungen hatte die NS-Führung eine Zeit lang auch auf den russischen General Wlassow und dessen Freiwilligenarmee gesetzt. Sie war nach dem früheren Generalleutnant der Roten Armee Andrei Andrejewitsch Wlassow benannt und von Hitler im Dezember 1944 aufgestellt worden. Teile dieser Armee befanden sich 1945 in Schleswig-Holstein, schlecht ausgerüstet und demotiviert, wie aus einem Wochenbericht der Gauleitung Schleswig-Holstein für Bormann vom 24. März 1945 hervorgeht: Wlassow-Anhänger stimmungsmäßig außerordentlich niedergedrückt. Sie glauben zu einem großen Teil nicht mehr, dass die Ziele der Wlassow-Bewegung (Zusammenfassung der im Reich befindlichen nationalen russischen und ukrainischen Kräfte zwecks Niederschlagung des Bolschewismus und Neuaufbau eines nationalen russischen bzw. ukrainischen Staatswesens) durchführbar sein werden. Die Meinung, dass es sich einerseits um einen groß aufgezogenen deutschen Propagandabluff, andererseits um die Gewinnung von Kanonenfutter für deutsche Zwecke gehandelt habe, wird durch die Verbreitung von Gerüchten verstärkt, wonach die Wlassow-Freiwilligen bisher in kleinen Einheiten auf große deutsche Einheiten und in verschiedenen Fronten (beispielsweise Italien) aufgeteilt wurden. Ein kompakter Einsatz der russischen Freiwilligen in einer eigenen Armeegruppe scheint deutscherseits also nicht geplant zu sein. Als maßgebliche Gründe werden genannt: Deutsches Unvermögen, eine ganze selbstständige Armeegruppe aufzustellen und auszurüsten. Deutsches Misstrauen gegenüber Wlassow und seinen Leuten. Dies wird von intelligenten Wlassow-Anhängern außerordentlich bedauert, da man meint, dass eine selbstständige auf deutscher Seite kämpfende nationale russische Armee sich propagandistisch bei den sowjetischen Armeen und auch im sowjetischen Hinterland wie ein Magnet auswirken und der moralischen Zersetzung der Sowjetfront weitgehend Vorschub leisten werden. Wlassow-Anhänger in Kiel weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die schlechte Stimmung unter den Wlassow-Leuten und das allgemeine Misstrauen der Wlassow-Bewegung, das jetzt zu beobachten sei, weitgehend dadurch genährt werden, dass die Wlassow-Freiwilligen, die sich hier in Kiel in einer beträchtlichen Anzahl gemeldet haben, bisher noch in

Ideologie statt Waffen  275

keinem Fall einberufen wurden. Während dies bei den Freiwilligenmeldungen zur Waffen-SS schon der Fall gewesen sein soll.35

Zum einen verlangte Bormann die Fortführung des Kriegs bis zum bitteren Ende, zum anderen befasste er sich sogar mit Nichtigkeiten, die einen verwundern. Offensichtlich maß er ihnen selbst im Endkampf große Bedeutung zu. Immerhin meinte er, es sei »mit den harten Gegebenheiten der Gegenwart nicht zu vereinbaren, dass Dienstjubiläen, Geburts- und andere Gedenktage führender oder sonstwie bekannter Persönlichkeiten in nahezu friedensmäßiger Breite und Auswahl durch Presse und Rundfunk gewürdigt werden«.36 Das beanspruche nicht nur einen unverantwortlichen Arbeitsaufwand, sondern finde auch keinerlei Verständnis in der Öffentlichkeit, die auch die Nachrichten auf kriegswichtige Stoffe beschränkt wissen wolle. Das hinderte ihn aber nicht daran, für ein Abendessen am Samstag, 13. Januar 1945, im Hotel Adlon pro Person »100 gr Weißbrot, 10 gr. Butter, 20 gr Fett, 25 gr Nähr­ mittel, 100 gr Fleisch. Außerdem 50 Flaschen Wein und 10 Flaschen Wermut, 6 Flaschen Kognak, 50 Zigarren, 100 Zigaretten Kyriazi« zu bestellen.37 An dem Essen nahmen »26 kommandierende Generale, 7 Herren vom Führungsstab der Wehrmacht und 10 Herren der ParteiKanzlei« teil. Für den »Pg. Ruder« war folgender Aktenvermerk vom 5. März 1945 bestimmt: Den Entwurf Ihres Rundschreibens erhalten Sie beiliegend noch einmal zurück, da dieses Rundschreiben nicht genügend ausgefeilt ist. Beispiel hierfür ist gleich der erste Satz: Das Wesentliche ist immer voranzustellen. Wesentlich ist die Herausstellung der Verantwortung des NS-Führungsoffiziers. Also muss der Satz damit beginnen, dass diese Verantwortung herausgestellt wird! Ein anderes Beispiel für die falsche Satzstellung ist der Satz: »Die enge Zusammenarbeit von Partei und Wehrmacht muss er mit aller Kraft fördern.« Da Ihr ganzes Rundschreiben dazu dienen soll, die Bedeutung des NS-Führungsoffiziers herauszustellen, müssen die Wörter dieses Satzes eine entsprechende Umstellung erfahren. Es muss also, wenn man keine bessere Formulierung findet, heißen: »Er hat die enge Zusammenarbeit von Partei und Wehrmacht mit aller Kraft zu fördern.« 276  Die Mobilisierung der letzten Reserven

Anderes Beispiel: »Der NS-Führungsoffizier muss daher bei allen politischen Ereignissen und Veranstaltungen in Erscheinung treten.« Richtiger müsste es heißen: »Bei allen politischen Ereignissen und Veranstaltungen soll der NS-Führungsoffizier in Erscheinung treten.« Ich bitte Sie dringend, sämtliche Entwürfe genauer zu überprüfen und entsprechend auszufeilen.38

Bormann war ein Kleinkrämer par excellence und verlor sich in Einzelheiten. Bis zum Ende folgte und unterstützte er blind Hitler. So ging er am 23. März 1945 in einem Rundschreiben auf Details in Hitlers »Nero-Befehl« vom 19. März 1945 ein. Hitler hatte darin umfassende Zerstörungsmaßnahmen im Reichsgebiet angeordnet und »die Ausnutzung aller Mittel verlangt, die die Kampfkraft unseres Feindes schwächen und sein weiteres Vordringen behindern«: Alle Möglichkeiten, der Schlagkraft des Feindes unmittelbar oder mittelbar den nachhaltigsten Schaden zuzuführen, müssen ausgenutzt werden. Es ist ein Irrtum zu glauben, nicht zerstörte oder nur kurzfristig gelähmte Verkehrs-, Nachrichten-, Industrie- und Versorgungsanlagen bei der Rückgewinnung verlorener Gebiete für eigene Zwecke wieder in Betrieb nehmen zu können. Der Feind wird bei seinem Rückzug uns nur eine verbrannte Erde zurücklassen und jede Rücksichtnahme auf die Bevölkerung fallen lassen. Ich befehle daher: 1. Alle militärischen, Verkehrs-, Nachrichten-, Industrie- und Versorgungsanlagen sowie Sachwerte innerhalb des Reichsgebietes, die sich der Feind für die Fortsetzung seines Kampfes irgendwie sofort oder in absehbarer Zeit nutzbar machen kann, sind zu zerstören. 2. Verantwortlich für die Durchführung dieser Zerstörung sind die militärischen Kommandobehörden für alle militärischen Objekte einschl. der Verkehrs- und Nachrichtenanlagen, die Gauleiter und Reichsverteidigungskommissare für alle Industrie- und Versorgungsanlagen sowie sonstige Sachwerte; den Gauleitern und Reichsverteidigungskommissaren ist bei der Durchführung ihrer Aufgabe durch die Truppe die notwendige Hilfe zu leisten.39

Auf diesen »Nero-Befehl« nahm Bormann Bezug und ergänzte, Hitler habe in ebenso eindeutiger Weise angeordnet: Ideologie statt Waffen  277

Gebiete, die wir z.Zt. nicht halten können, sondern deren Besetzung durch den Feind vorauszusehen ist, sind zu räumen. Der Führer verpflichtet die Gauleiter der Frontgaue, das Menschenmögliche zu tun, um die totale Räumung, d. h. die restlose Zurückführung aller Volksgenossen zu sichern. Die ungeheuren Schwierigkeiten, die mit dieser Forderung verknüpft sind, sind dem Führer nach vielfacher Schilderung geläufig. Die Forderung des Führers beruht auf genauen, triftigen Erwägung. Über die Unerlässlichkeit der Forderung der Räumung ist gar nicht zu diskutieren. Ebenso schwierig wie Räumung und Transport ist die Unterbringung der Volksgenossen in den innerdeutschen Aufnahmegauen. Diese scheinbar völlig unmögliche Bergung der Volksgenossen aus den geräumten Gebieten muss aber bewältigt werden. Der Führer erwartet, dass die innerdeutschen Gaue für die unabweisbaren Forderungen der Stunde das erforderliche Verständnis zeigen. Wir müssen mit allen Mitteln der Improvisierung die gegenwärtige Lage auf jedem Gebiet meistern.40

Ebenso kritiklos verfocht Bormann einen weiteren Zerstörungsbefehl Hitlers, den dieser am 7. April 1945 erteilt hatte. Davon waren das Verkehrs- und das Nachrichtenwesen betroffen. Wichtige Brückenbauwerke mussten zerstört werden. Gleisanlagen, Betriebsmittel und Werkstätteneinrichtungen sowie Nachrichtenanlagen der Reichspost, Reichsbahn und privater Gesellschaften waren »nachhaltig zu lähmen«. Dabei sollte stets berücksichtigt werden, diese Einrichtungen – mit Ausnahme der Brücken – wieder in Betrieb nehmen zu können, sollten die entsprechenden Gebiete zurückerobert werden.41 In diesen Zusammenhang gehört auch ein Schreiben von Generalfeldmarschall Gerd von Rundstedt, dem Oberbefehlshaber West, das Bormann einem seiner vielen Rundschreiben »zur eindeutigen Beachtung« beifügte.42 Da der Kampf auf weiten Abschnitten auf deutschen Heimatboden übergegriffen habe und deutsche Städte und Dörfer zum Kampfgebiet würden, müsse die Kampfführung fanatisiert werden. In jeder Kampfzone müsse der Einsatz zu äußerster Härte und unter Beteiligung jedes wehrfähigen Mannes auf das äußerste Höchstmaß gesteigert werden. Jeder Bunker, jeder Häuserblock in einer deutschen Stadt, und jedes deutsche Dorf müsse zu einer Festung werden, an der der Feind entweder verblute oder die ihre Besatzung im Kampf Mann gegen Mann unter sich begrabe. »Es gibt nur noch Halten der Stellung oder Vernich278  Die Mobilisierung der letzten Reserven

tung!« Die Härte des Kampfes könne dazu zwingen, nicht nur Besitztum zu opfern, sondern es aus Kampfgründen zerstören zu müssen oder durch Kampf zu verlieren. Dieser Kampf um die Existenz des deutschen Volkes mache in seiner Härte auch nicht vor Kunstdenkmälern und sonstigen kulturellen Werten Halt. Rundstedt forderte die Gauleiter und alle ihnen nachgeordneten Parteidienststellen auf, »sich für Führer und Vaterland einzusetzen« und seine Kampfführung zu unterstützen.43

Bormanns wirkungsloser Volkssturm Wesentlicher Bestandteil des erwähnten »Totalisierungsprozesses« war der Volkssturm, für den Bormann organisatorisch verantwortlich war und den er als letzte Reserve des Regimes aufzubauen hatte. Es war Bormann – wohl im Einvernehmen mit Himmler – gelungen, Hitler von der Notwendigkeit einer solchen nationalen Miliz zu überzeugen. Sie sollte ausdrücklich unter der Leitung der Partei – also Bormanns – stehen, während Himmler für die Ausbildung zuständig sein sollte. Militärisch hatte dieser Volkssturm kaum noch Bedeutung. Es gab keine Waffen mehr, mit denen er hätte ausgerüstet werden können, eine Ausbildung fand allenfalls rudimentär statt, da seine Mitglieder dringend in den Arbeitsprozessen benötigt wurden. Die Alten waren des Krieges müde, lediglich bei Jugendlichen vermochten die Nationalsozialisten noch eine gewisse Begeisterung hervorzurufen. Bekannt sind in diesem Zusammenhang Fotos, auf denen Hitler Volkssturmjungen »Eiserne Kreuze« übergibt. Das aber konnte nicht reichen, um eine Wende im Kriegsgeschehen herbeizuführen oder die an allen Fronten heranrückenden Alliierten ernsthaft aufzuhalten. Vom 25. September 1944 stammt der »Erlass über die Bildung des deutschen Volkssturms«, in dem es sehr verharmlosend und aufhetzend zugleich heißt: Nach fünfjährigem schwersten Kampf steht infolge des Versagens aller unserer europäischen Verbündeten der Feind an einigen Fronten in der Nähe oder an den deutschen Grenzen. Er strengt seine Kräfte an, um unser Reich zu zerschlagen, das deutsche Volk und seine soziale Ordnung zu vernichten. Sein letztes Ziel ist die Ausrottung des deutschen Menschen. Wie im Herbst Bormanns wirkungsloser Volkssturm  279

1939 stehen wir nun wieder ganz allein der Front unserer Feinde gegenüber. In wenigen Jahren war es uns damals gelungen, durch den ersten Großeinsatz unserer deutschen Volkskraft die wichtigsten militärischen Probleme zu lösen, den Bestand des Reiches und damit Europas für Jahre hindurch zu sichern. Während nun der Gegner glaubt, zum letzten Schlag ausholen zu können, sind wir entschlossen, den zweiten Großeinsatz unseres Volkes zu vollziehen. Es muss und wird uns gelingen, wie in den Jahren 1939–41 ausschließlich auf unsere eigene Kraft bauend, nicht nur den Vernichtungswillen unserer Feinde zu brechen, sondern sie wieder zurückzuwerfen und so lange vom Reich abzuhalten, bis ein in die Zukunft Deutschlands, seiner Verbündeten und damit Europa sichernder Friede gewährleistet ist. Dem uns bekannten totalen Vernichtungswillen unserer jüdisch-internationalen Feinde setzen wir den totalen Einsatz aller deutschen Menschen entgegen.44

Erste Entwürfe zur Aufstellung des Volkssturms waren kurz zuvor formuliert worden. Am 18. September 1944 waren die Gauleiter beispielsweise aufgefordert worden, »unverzüglich zur Bildung des deutschen Landsturms alle Waffenfähigen im Alter von 16 bis 60 Jahren zu erfassen«.45 Dieser »Landsturm« sollte von den NSDAP-Hoheitsträgern kreis- und ortsgruppenweise aufgestellt und in Kompanien und Bataillone gegliedert werden. Nach dem Papier war der »Landsturm« besonders in der Panzernahbekämpfung und im Infanteriekampf auszubilden. In den sogenannten Grenzgauen waren Einsatzübungen im Stellungsgelände abzuhalten. Die Ausbildung sollte wöchentlich mindestens einmal erfolgen, nach Möglichkeit außerhalb der regulären Arbeitszeiten. Wesentlich war, dass die Angehörigen des »Landsturms« als Kombattanten im Sinn der Haager Landkriegsordnung gelten sollten. Da Wehrmachtsuniformen nicht zur Verfügung standen, waren für sie gelbe Armbinden mit der Aufschrift »Deutsche Wehrmacht« sowie Kombattantenausweise vorgesehen. Bei dem Namen »Landsturm« blieb es nicht, stattdessen wurde als endgültiger Name »Volkssturm« eingeführt. Dazu meinte Bormann am 4. Oktober 1944: Im Volkssturm wollen wir nicht von Stürmen, Sturmbannen und Standarten schreiben und sprechen, weil wir Wert darauf legen müssen, dass bei Feindeinwirkung die Angehörigen des Volkssturms als Soldaten und nicht als 280  Die Mobilisierung der letzten Reserven

Freischärler (Partisanen) gewertet und behandelt werden. Wegen der landsmannschaftlichen Bezeichnungen fragte ich den Führer. Er entschied, lediglich die Tiroler Landesschützen sollten das Recht haben, in der von Gauleiter Hofer erbetenen Weise ihren Namen fortzuführen. Dagegen sollte es nicht erlaubt sein, einen Volkssturm z. B. Volkssturm oder Gausturm Ruhr zu nennen.46

Seinem persönlichen Referenten, SS-Standartenführer Wilhelm Zander, der sich in der Wolfsschanze aufhielt, teilte Bormann am 15. Oktober 1944 mit, er schlage als Anrede für Einheiten des deutschen Volkssturms »Heil Volkssturm!« vor. Die Antwort laute dann: »Heil Hitler!« Angeredet werden sollten die Männer mit »Heil Volkssturmmänner!«47 Am 8. November 1944 ordnete Bormann an, dass mit allen Volkssturmmännern die Eidesformel für den 12. November 1944, dem Tag der reichsweiten Vereidigung der ersten Volkssturmeinheiten, zu üben sei: Ich schwöre bei Gott diesen heiligen Eid, dass ich dem Führer des Großdeutschen Reiches bedingungslos treu und gehorsam sein werde. Ich gelobe, dass ich für meine Heimat tapfer kämpfen und lieber sterben werde, als die Freiheit und damit die soziale Zukunft preiszugeben.48

Der Stabschef der SA in München, Wilhelm Schepmann, wurde Inspekteur der Schießausbildung, »Pg. Krars« Inspekteur der motortechnischen Ausbildung. In Pressemitteilungen forderten Gauleiter die »Volksgenossen« auf, sich freiwillig zum Volkssturm zu melden. Dies war insofern überflüssig, als Jungen und Männer im Alter von sechzehn bis sechzig per Gesetz dienstverpflichtet wurden, doch meinte Bormann, es dürfe »die psychologische Wirkung einer freiwilligen Meldung nicht unterschätzt werden«.49 Seinem Stellvertreter, SS-Gruppenführer Helmuth Friedrichs, hatte Bormann bereits am 26. September 1944 die Aufstellung eines ständigen Arbeitsstabes in Berlin unter Leitung von »Pg. Hans Bofinger« befohlen. Bofinger könne sich Sporen zu seiner weiteren Parteilaufbahn verdienen, meinte Bormann und ordnete an, dass diesem Arbeitsstab Vertreter des Reichsorganisationsleiters, der SA, der SS, des NSKK, der Bormanns wirkungsloser Volkssturm  281

HJ, der NSV und Reichspropagandaleitung angehören müssten. Alle bestehenden Selbstschutzorganisationen seien vom Volkssturm zu übernehmen. Zur Einkleidung erklärte Bormann, Kombinationen, wie sie der Luftschutz trage, seien nur ein Notbehelf, zumal die Schuhbeschaffung schwierig sei.50 Sowohl Reichspressechef Otto Dietrich als auch Außenminister Joachim von Ribbentrop mussten innerhalb kürzester Zeit sämtliche bisher benutzten Räume in den Häusern Wilhelmstraße 63/64 für die Volkssturmsachbearbeiter räumen und – wie die Dienststelle Ribbentrop – nach Köpenick umziehen.51 Über die Strukturen des Volkssturms herrschte allgemein Unklarheit. Gegenüber dem Gauleiter von München, Paul Giesler, betonte Bormann, dass der Volkssturm gemäß Hitlers Weisung nicht Teil der Wehrmacht sei. Die Volkssturmmänner unterstünden nicht den Gesetzen der Wehrmacht, sondern der Volkssturm bekomme eigene Gesetze. Die Erfassung und Behandlung der Volkssturm-Männer soll nicht nach dem Militär-Schema erfolgen, sondern psychologisch richtig und weise. (…) Immer und überall soll der berüchtigte Drill vermieden werden, im Volkssturm soll der Mann nicht gebrochen, sondern gehoben und psychologisch richtig behandelt werden.52

Gauleiter wollten landesspezifische Einheiten aufstellen, andere dachten an Einheiten, die eher an einen Werkschutz erinnerten. Bormann wandte sich vehement gegen solche Überlegungen und sprach am 24. Oktober 1944 in einem Fernschreiben an die Adresse Friedrichs ein Machtwort. Hauptdienstleiter Karl-Otto Saur, Amtschef in Speers Rüstungsministerium, habe ihn angerufen und erklärt, Hitler habe mit ihm telefonisch über die Bewaffnung des Volkssturms gesprochen. Dabei habe er Hitler gesagt, viele Betriebsführer würden sich im Rüstungsministerium melden, um ihre Betriebe zu sichern: »Ich wandte mich schärfstens gegen diese Sonderwünsche der Industrie. Ich sagte Herrn Saur, wenn diesen Wünschen nachgegeben werde, dann würden wir keinen Volkssturm bekommen, sondern dann würde jeder Interessentenhaufen für sich betriebseigene Wehre erstellen. (…) Parole: Jedem seine Feuerwehr. An die Aufstellung eines Volkssturms sei dann allerdings nicht mehr zu denken.«53 Auf den Hinweis, die Betriebsführer fürchteten Produktionseinbrüche, meinte Bormann, solche Ausflüchte 282  Die Mobilisierung der letzten Reserven

gebe es bei jeder Gelegenheit, da die Betriebsführer nicht politisch erzogen seien. Er, Bormann, müsse sich auf das Entschiedenste gegen die jetzt angestrebte Aufspaltung wehren, »weil bei ihrer Durchführung von vornherein nicht von Volkstum und Volkserfassung gesprochen werden könne, sondern nur von einer Interessenteneinteilung«. Auf die zahlreichen Sonderwünsche ging Bormann auch in seinem Rundschreiben vom 27. Oktober ein und betonte nochmals und nachdrücklich: Ein Bäcker-Volkssturm ist Nonsens, ist eine contradictio in adjecto, ist ein Widerspruch in sich! Es gibt keine trockenen Platzregen! Entweder haben wir – und darin sind Reichsleiter Dr. Ley und Reichsführer-SS Himmler mit mir durchaus gleicher Meinung – Werkschar, Betriebsschutz, Innungswehr, Geistesarbeiterkompanie oder wir haben Volkssturm! Volkssturm ist die deutlichste Unterstreichung und Herausstellung der Einheit! Volkssturm ist Zusammenführung und Zusammenfassung! Volkssturm ist das Gegenteil von Aufspaltung nach Beruf oder Betrieb, nach Stand oder Rang! Volkssturm heißt Ausschöpfung aller Kräfte, die aus dem Gefühl oder Bewusstsein des Zusammenstehens aller erwachsen!54

Konflikte mit Himmler Für die militärischen Vorschriften, die Ausbildung und den Einsatz war der Reichsführer-SS Himmler zuständig, der seit dem Attentat vom 20. Juli auch Befehlshaber des Ersatzheeres war.55 Damit waren Konflikte vorprogrammiert. Das galt beispielsweise für die Frage, wer Anordnungen erlassen dürfe und wie sie zu formulieren seien. Bormann teilte Friedrichs am 22. Oktober 1944 mit, sämtliche Anordnungen sollten mit der Feststellung beginnen: »Im Einvernehmen mit dem Reichsführer-SS Himmler« bzw. »Im Einvernehmen mit dem Leiter der Partei-Kanzlei«.56 Wie wenig harmonisch das Verhältnis zwischen Bormann und Himmler war, zeigte sich daran, dass Bormann Himmlers Beauftragten, SS-Obergruppenführer Gottlob Berger, immer wieder aufs Heftigste kritisierte:

Konflikte mit Himmler  283

[2.] Dem Pg. Berger muss klar werden, dass bei aller gebotenen Eile doch die Richtigkeit über die Fixigkeit geht. [3.] Um die enge Zusammenarbeit zwischen Reichsführer-SS und mir sicherzustellen, will ich ihn nochmals bitten, sich jeweils auf Reisen einen Verbindungsmann mitzunehmen. (…) Der Verbindungsmann muss selbstverständlich die notwendigen Qualitäten haben. Wir dürfen um Himmels willen keinen Schaumschläger abstellen, sondern nur einen Mann, der zutiefst und leidenschaftlich von der Aufgabe des Politischen Leiters erfasst und durchdrungen ist.57

Bormann und Himmler versuchten nicht einmal andeutungsweise, des »Endsiegs« wegen ihren Streit beizulegen. So informierte Bormann Friedrichs über ein Gespräch mit Himmler, bei dem es unter anderem um Berger gegangen war. Himmler habe ihm gesagt, »er habe Obergruppenführer Berger eindeutig angewiesen, künftig erstens bei seinen Leisten zu bleiben, d. h. bei seiner militärischen Aufgabe, und zweitens Anordnungen nur nach Abstimmung mit uns herauszugeben. Ich wies den RFSS Himmler noch einmal darauf hin, dass dringend notwendig die Ausarbeitung der militärischen Vorschriften sei. Diese militärischen Vorschriften hatte Obergruppenführer Berger zunächst noch nicht ausgearbeitet, sich dagegen auf unser Gebiet, nämlich auf Organisationsfragen und dergleichen begeben«.58 Am 29. Oktober 1944 ging es erneut um den bei Bormann verhassten Berger. Dieser solle die »Finger von meinen organisatorischen Leisten lassen und sich stattdessen um die dringend notwendige Zimmerung des militärischen Leistens kümmern. (Nach den diversen Erfahrungen habe ich den Eindruck, dass der BdE. zweckmäßigerweise den Pg. Jüttner und nicht den Pg. Berger hätte beauftragen sollen. Aber das ist Sache des BdE.)«59 Im selben Bericht ging Bormann auch darauf ein, dass sich die SA über mangelnde Berücksichtigung beschwerte. Die SA unter Stabschef Wilhelm Schepmann könne sich nicht beklagen, »denn sie durfte die meisten Stabsführer stellen. Außerdem hat sie, wie die täglichen Interviews beweisen, einen erstklassigen Reklamefachmann. Eine Unzufriedenheit der SA kann nur entstehen, wenn mangels der vom Führer gewünschten und hauptsächlich notwendigen Ausbildung an Pak und Flak, an Geschützen, Minen, Panzern und sonstigen modernen Waffen erneut die hinreichend bekannte Schießausbildung betrieben wird. Ist das der Fall, dann hätte 284  Die Mobilisierung der letzten Reserven

die SA beauftragt werden können und die Einschaltung des BdE wäre nicht notwendig gewesen.«60 Seinen Unmut über Berger ließ Bormann am 31. Oktober 1944 in einem Brief an Himmler erneut aus und bat ihn gleichzeitig, »den folgenden Hinweis nicht zu verübeln«. Berger befasse sich hauptsächlich mit organisatorischen Angelegenheiten, für die jedoch er – Bormann – verantwortlich sei. Dagegen erteile er keine Anweisungen für die militärische Ausbildung. Mit dem Gewehr könnten die meisten Männer umgehen. Stünde diese Ausbildung im Vordergrund, dann hätte damit auch die oberste SA-Führung beauftragt werden können. »Tatsächlich wurde aber der RFSS als B.d.E. beauftragt, damit unter Ausnutzung aller Waffen und Möglichkeiten des Ersatzheeres die Ausbildung der Volkssturmsoldaten an modernen Waffen, insbesondere panzerbrechende Waffen, erfolgen kann.« Bormann schrieb, dass, wenn nicht sofort das Notwendige befohlen werden sollte, sämtliche Gauleiter mit den Ersatztruppenteilen von Generaloberst Guderian die erforderlichen Vereinbarungen treffen würden. Himmler solle ihn nicht falsch verstehen, und er wolle sich auch nicht in dessen Verantwortung mischen. Die Dinge nähmen jedoch zwangsläufig eine völlig falsche Richtung. Da seitens des B.d.E. – also Himmlers – die notwendige Initiative fehle, gehe die Ausbildung des Volkssturms in den Gauen an die Ersatztruppenteile der Panzerwaffe über.61 Deutlicher konnte die Kritik Bormanns nicht ausfallen. Das Auswärtige Amt war in die Aufstellung des Volkssturms nicht einbezogen, was wiederum zu neuen Auseinandersetzungen geführt hatte. Staatssekretär Gustav Adolf Steengracht von Moyland erinnerte am 17. Oktober 1944 daran, das Auswärtige Amt habe sich, als die Absicht zur Bildung eines Volkssturms bekannt wurde, mit der ParteiKanzlei in Verbindung gesetzt. Es habe darauf aufmerksam gemacht, dass die zu erlassenden Vorschriften auch unter völkerrechtlichen Gesichtspunkten geprüft werden sollten, »um dem Feind jeden Vorwand zu nehmen, dass der Volkssturm nicht mit den Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung im Einklang stehe und unter Umständen seine Zugehörigen als Freischärler behandelt werden könnten«.62 Das Auswärtige Amt habe ferner gebeten, bei der Abfassung der Vorschriften beteiligt zu werden, was jedoch nicht geschehen sei. Vielmehr sei dem Amt der Wortlaut des Führererlasses vom 25. September 1944 erst nachträglich zur Kenntnis gebracht worden. Dazu bemerkte SteenKonflikte mit Himmler  285

gracht: »Die Fassung des Erlasses könnte, wenn er öffentlich bekannt würde, dem Feind eine gewisse Handhabe bieten, den regulären militärischen Charakter des Volksturmes in Zweifel zu ziehen. Das gilt u. a. von dem Wortlaut der Ziffer 1, wonach der Volkssturm den Heimatboden nicht nur mit allen Waffen, sondern mit allen Mitteln zu verteidigen hat, soweit sie dafür geeignet erscheinen, sowie ferner von dem Wortlaut der Ziffer 2, der die Führung des Volkssturms den Gauleitern überträgt.«63 Der Erlass sollte daher strikter Geheimhaltung unterliegen: Nach Äußerungen der Vertreter der Partei-Kanzlei sehen die Entwürfe zu den Ausführungsbestimmungen vor, dass die Volkssturmmänner als Abzeichen eine Armbinde in schwarzer Farbe mit roten Streifen tragen sollen. Eine Armbinde dieser Art würde kaum dem in der Haager Landkriegsordnung vorgeschriebenen Kennzeichen, das aus der Ferne sichtbar sein muss, entsprechen. Eine schwarze Armbinde würde jedenfalls auf einem Rock von dunkler Farbe selbst aus kürzerer Entfernung schwer erkennbar sein. Für die Wehrmachtsarmbinde ist deshalb die gelbe Farbe wegen ihrer Leuchtkraft gewählt worden.64

Einer Notiz des Gesandten Franz von Sonnleithner für den Außenminister zufolge wies Hitler darauf hin, dass »Verteidigung mit allen Mitteln« eine Vorschrift sei, die auf jeden Soldaten zutreffe. Allgemein verbotene Mittel wie Gas seien natürlich ausgenommen. Die Gauleiter führten den Volkssturm in staatlichem Auftrag, auf die Farbe der Armbinde bestehe er nicht, sie könne beliebig geändert werden.65 Nicht nur die Gestaltung der Armbinden bereitete Schwierigkeiten, sondern die Einkleidung des Volkssturms überhaupt. Die Gauleiter mussten sogar auf die im Rahmen des »Volksopfers« gesammelten Uniformen und Ausrüstungsgegenstände zurückgreifen, wobei Bormann am 22. Januar 1945 anordnete: »Bevor diese Uniformen zu Einsatzzwecken Verwendung finden können, müssen sie unbedingt umgefärbt werden. Nach Mitteilung der Reichsvereinigung Textilveredlung stehen dazu die nötigen Mengen des Farbstoffes M 44 sowie die erforderlichen Betriebskapazitäten zur Verfügung«.66 Der Volkssturm war von vornherein zum Scheitern verurteilt, allein schon weil er nicht ausreichend bewaffnet werden konnte. In seiner 286  Die Mobilisierung der letzten Reserven

Anordnung vom 11. März 1945 teilte Bormann mit, solange Feldverbände und neu aufzustellende Formationen der Wehrmacht nicht über die notwendigen Waffen verfügten, dürften Einheiten des Volkssturms »keinesfalls mit feldbrauchbaren Waffen versehen werden«. Außerdem sei es psychologisch falsch, den Angehörigen ältester und jüngster Jahrgänge des Volkssturms Waffen zu überlassen, die dann den Männern »feldtauglicher Geburtsjahrgänge der Wehrmacht« fehlten. Der Wehrmacht müssten daher sofort Gewehre, Karabiner, Maschinenwaffe und Granatwerfer einschließlich der jeweiligen Munition abgeliefert werden.67 Auch wenn das »Großdeutsche Reich« kurz vor dem Zusammenbruch stand – an den Rassegesetzen der Nationalsozialisten wollte Bormann keinesfalls rütteln und verwehrte jüdischen »Mischlingen« den Zugang zum Volkssturm: Es ist damit zu rechnen, dass jetzt bei der Aufstellung des Volkssturms viele Mischlinge, denen eine Ausnahmebehandlung im Rahmen der Wehrmacht versagt ist, Anträge auf Aufnahme stellen werden. Sie werden die Gelegenheit nicht ungenutzt lassen, sich nun durch Teilnahme am Volkssturm für die spätere Behandlung im Zivilleben eine Grundlage zu schaffen. Diesem Bestreben kann man nur entgegentreten, wenn die Bestimmungen für den Volkssturm genau so abgefasst werden wie die für die Wehrmacht. Das bedeutet: Jüdische Mischlinge 1. Grades müssen von der Teilnahme am Volkssturm in jedem Falle ausgeschlossen werden. Jüdische Mischlinge 2. Grades dürfen im Volkssturm dienen, jedoch keine Führerstellungen bekleiden.68

Bormanns Hass auf die Kirche war so groß, dass er strikt untersagte, Geistliche in den Volkssturm aufzunehmen. Den Gauleitern schrieb er am 31. Oktober 1944: »Auf verschiedene Anfragen erwidere ich, dass Geistliche keinesfalls in den Volkssturm aufgenommen werden dürfen. Wo dies bereits geschah, ist die Entlassung aus grundsätzlichen Erwägungen sofort wieder zu veranlassen.« Jedoch gestattete Bormann die Aufnahme »politisch und kriminell vorbelasteter Elemente« in den Volkssturm.69 Sie und »sonstige schwierige Elemente« sollten zunächst wie alle anderen Volkssturmsoldaten behandelt werden und im Volkssturm die Gelegenheit erhalten, »sich wieder als vollwertiges Mitglied in die Konflikte mit Himmler  287

Volks- und Wehrgemeinschaft einzufügen«. Unter ihnen seien sehr oft »schneidige Männer, die bei richtiger Behandlung brauchbare Soldaten« werden könnten.70 Bormann hatte wohl seine Einstellung geändert, denn im Dezember 1942 hatte er beispielsweise im Hinblick auf den Einsatz von »Wehrunwürdigen« in der Wehrmacht erklärt, der Kreis, der überhaupt infrage komme, sei sehr eng zu ziehen. Auszuschließen seien »Personen, die u. a. wegen widernatürlicher Unzucht, Landesverrat usw. bestraft worden sind oder gegen die Sicherheitsverwahrung oder Entmannung angeordnet worden ist«.71 Vehement beklagte Bormann, dass die politisch-weltanschauliche Ausbildung im Volkssturm vernachlässigt werde. Er machte die Gaustabsführer dafür verantwortlich, »dass kein Lehrgang für Volkssturmführer – Gruppenführer bis Bataillonsführer – ohne nationalsozialistische Schulung stattfindet. Themen. Wofür kämpfen wir? Die Mannschaftsführung im Geist Adolf Hitlers. Wie erziehe ich zu fanatischem Hass gegen die Feinde des Reiches?«72 Und noch am 27. März 1945 verlangte Bormann: »Nach Zurückführung aus feindbedrohten Gebieten haben sich Volkssturm-Pflichtige innerhalb von 2 Tagen an ihrem neuen Wohnsitz zu melden.« Fahnenflüchtige sollten erforderlichenfalls dem nächsten Feldkriegsgericht übergeben werden.«73 Bemerkenswert sind die »Kampfsätze«, die Bormann für den Volkssturm herausgab, berief er sich doch darin auf den »Herrgott«. Allein dies zeigt, wie verzweifelt er die Lage einschätzte. Den Volkssturmmännern schrieb Bormann verpflichtend vor: 1. Treue, Gehorsam und Tapferkeit sind die Grundlagen eines Staates und machen ihn unüberwindlich. Treu seinem Eid kämpft der Volkssturmsoldat in allen Lagen verbissen und siegesgläubig. Dem Führer bis zum Tod getreu, ist er bereit, lieber im tapferen Kampf zu sterben, als jemals um die Gnade des Feindes zu flehen. 2. An Standhaftigkeit, Selbstlosigkeit und Kameradschaft unübertroffen, bildet der Volkssturm die Armee der größten Idealisten Deutschlands. 3. Sollte ein Führer in aussichtsloser Lage glauben, den Kampf einstellen zu müssen, so gilt im Deutschen Volkssturm die in unserer tapferen Kriegsmarine überlieferte Sitte: das Kommando mit allen Rechten an denjenigen abzugeben, der den Kampf fortsetzen will, und sei es auch der Jüngste. 288  Die Mobilisierung der letzten Reserven

4. Zum Schweigen erzogen, verabscheut der Volkssturmsoldat aufs tiefste den Verrat seiner Heimat oder seiner Kameraden. Seine Verschwiegenheit können weder Verlockungen noch Drohungen brechen. 5. Ritterlich gegen Frauen, rücksichtsvoll gegen Kinder, Kranke und Greise, ist der Volkssturmsoldat in Liebe zu Volk und Vaterland zur letzten Hingabe bereit. Dem Feind aber, der Freiheit und Leben bedroht, unsere Frauen schänden und unsere Kinder morden will, schlägt leidenschaftlicher Hass entgegen. 6. Wenn wir nach der Väter Art uns selbst und unserer höchsten Pflicht dem Volk gegenüber treu bleiben, wird der Herrgott unseren Kampf segnen. In schwerster Zeit zum Schutz der Heimat aufgeboten, wollen wir nicht eher ruhen, bis Sieg und Frieden erkämpft und die Freiheit des Reiches gesichert ist.74

Unabhängig vom Kriegsverlauf oder der zunehmenden Papierknappheit verfasste Bormann unentwegt Rundschreiben und erließ Anordnungen, was Goebbels zu höchst kritischen Bemerkungen veranlasste. Am 17. Dezember 1944 vertraute er seinem Tagebuch an: Die Volkssturmarbeit macht uns große Schwierigkeiten. Es hat sich darin schon eine große Bürokratie eingeschlichen, und es kommen Rundschreiben vonseiten Bormanns oder Himmlers, die geradezu lächerlich wirken. Es werden Vorschriften erlassen über die Art der Briefumschläge oder der Stempel, als wenn das in der gegenwärtigen Kriegslage das Wichtigste wäre. Auch die Gegensätze zwischen Bormann und Himmler in der Führung des Volkssturms machen sich außerordentlich lästig bemerkbar und bleiben den unteren Organen nicht verborgen.75

Als vor Beginn der Ardennenoffensive Hitlers Führerhauptquartier nach Ziegenberg bei Bad Nauheim verlegt worden war, beklagte sich Bormann in einem Brief an seine Frau Gerda darüber, dass an diesem Ort, der geheim bleiben müsse und den Speer vor Beginn der Offensive angelegt habe, Fernschreiber nicht richtig installiert waren und in dem winzigen Raum weder Schreibmaschinentische noch Regale aufgestellt worden waren.76 Bormann hatte es seit jeher verstanden, Reichsminister und Gauleiter ebenso gegen sich aufzubringen wie seine engere Mitarbeiterschaft. DieKonflikte mit Himmler  289

ses Verhalten änderte er auch in der Schlussphase des Krieges nicht, wie das Fernschreiben vom 23. Oktober 1944 an seinen Staatssekretär Gerhard Klopfer zeigt. Darin meinte er in höchst abfälliger Weise über den Verkehrsstaatssekretär Albert Ganzenmüller: »Wenn künftig zu Ihnen solch Behördenmüller in Volkssturm-Angelegenheit kommt, dann hören Sie ihn bitte erst gar nicht an, sondern drehen Sie ihn sofort zu Pg. Friedrichs ab. Jeder andere Weg belastet Sie und mich völlig unnötiger Weise.«77 Zwei Randnotizen der Geschichte sollen hier noch Erwähnung finden: Am 11. November 1944 befahl Bormann die Bildung eines Bataillons Volkssturm am Obersalzberg. Kompanie-, Zug und Gruppenführer wurden ausnahmslos junge ungediente Architekten und Meister. Der Volkssturm setzte sich vorwiegend aus Soldaten des Ersten und Zweiten Weltkriegs zusammen. Der Volkssturmdienst funktionierte nach Angaben von Josef Geiß gut, und Bormann zeigte sich großzügig. Der Dienst wurde wie jede Arbeitsleistung vergütet. Lediglich der sonntägliche Übungsdienst erregte Missfallen, da der letzte arbeitsfreie Tag geopfert werden musste. Als geradezu abwegig muss es bezeichnet werden, dass am 20. April 1945, Hitlers Geburtstag, am Obersalzberg mit großem Aufwand die letzte NSDAP-Ortsgruppe zusammengestellt wurde. Bis dahin hatten Hitler und Bormann dies nicht für notwendig erachtet. Die Verwaltung Obersalzberg veranstaltete eine Kundgebung in der Theaterhalle. NSDAP-Kreisleiter Bernhard Stredele hielt eine flammende Rede. Noch im März 1945 hatte Stredele auf einer Versammlung der ihm unterstellten NSDAP-Ortsgruppenleiter aus dem Bereich Berchtesgaden den Befehl gegeben, alle gefangen genommenen alli­ ierten Flieger zu beseitigen, da diese keine Soldaten, sondern Kriminelle seien. Dabei hatte er sich anlässlich seiner Gerichtsverhandlung auf einen Befehls Martin Bormanns berufen. Nun versprach er: »Es wird noch ein Wunder kommen. Hitler selbst wird das Wunder sein.« Das Wunder blieb aus – die Ortsgruppe wurde gerade einmal vier Tage alt, bevor der Obersalzberg im Bombenhagel der Royal Air Force versank. NS-Führungsoffiziere sollten auf Bormanns Befehl in dem verbliebenen Reichsgebiet vor Ort den Widerstandswillen stärken und stießen zunehmend auf den Widerstand der deutschen Bevölkerung, sogar der

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regionalen Parteiführungen. So etwa in Hessen-Nassau, wie der Bericht von Hauptgemeinschaftsleiter Twittenhoff zeigt: Abfahrt Berlin, 22.3.45, 15.30 Uhr In den Gaudienststellen habe man den Eindruck gehabt, Anwesenheit und Einsatz seien nicht willkommen. Gegen 22 Uhr Befehl zur totalen Räumung Frankfurts, Fahrt nach Montabaur. Beginn der Arbeit am 26.3. früh. Befehl an Ortsgruppenleiter und Bürgermeister zur Evakuierung der Bevölkerung, Festlegung von Treckstraßen, Aufbieten des Volkssturms, Bewaffnung mit Panzerfäusten und Einkleidung, Beschlagnahme geringer Benzinvorräte, Erfassung der vorhandenen Fahrzeuge, durch Kreisfahrbereitschaftsleiter, Herausführen der kriegsgefangenen über Stalag-Kdo., Inmarschsetzung der fremdvölkischen Arbeitskräfte über Vertreter des Arbeitsamtes, Herausführen der Hitler-Jugend, Jahrgänge 1927–30.78

Seine Erfahrungen fasste Twittenhoff wie folgt zusammen: Der Sondereinsatz der Partei-Kanzlei wurde nach Empfinden aller Einsatzteilnehmer von der Gauleitung Hessen-Nassau anscheinend nicht gern gesehen. (…) Die Bevölkerung kam nur im geringsten Umfang der Aufforderung zur Evakuierung nach, größtenteils mit dem Argument »wohin sollen wir denn noch« und »es ist ja doch alles aus«. (…) Die »Stimmung« der Bevölkerung, wesentlich bestimmt durch die schlechte Haltung und Stimmung der Truppen, ging einhellig dahin, dass wir den Krieg nicht mehr gewinnen könnten. (…) Es muss die Frage beantwortet werden, ob der deutsche Volkssturm, wie wir ihn in den beiden Kreisen vorfanden, mangelhaft ausgerüstet, mangelhaft ausgebildet und mangelhaft bewaffnet (auf vier Mann ein ital. Gewehr mit wenig Munition, Panzerfäuste kamen erst am Tage des Einzuges der feindlichen Panzerspitzen in Westerburg bei der Kreisleitung an), dann zur Verteidigung eingesetzt werden soll, wenn die eignen Truppen sich zurückziehen. Darüber hinaus ist der Einsatz des Volkssturmes nur im engsten Benehmen mit der Truppenführung möglich, was aber zur Voraussetzung hat, dass zwischen militärischer und politischer Führung Kontakt besteht. Wird der Volkssturm mit der Truppe zurückgeführt, dann ist es selbstverständlich, dass Kreisleiter, übrige politische Leiter und Parteigenossen mitgehen (inzwischen überholt durch Anordnung des Reichsleiters Bormann).79 Konflikte mit Himmler  291

Bormann gehörte zu den wenigen, die einen umfassenden Überblick über die immer näher rückende Niederlage hatte. Er erhielt die Berichte der Gauleitungen, in denen weitgehend darauf verzichtet wurde, die Situation zu beschönigen. So hieß es seitens der Gauleitung Halle-Merseburg am 29. März 1945: »Die bolschewistischen Kriegsgefangenen des Lagers Zirkel-Schacht haben neuerdings ihre Sowjetsterne wieder an die Mützen gemacht. Der Feldwebel des Lagers hat erklärt, dass dem nichts entgegenstände.«80 Und einem Fernschreiben vom 8. Februar 1945 musste Bormann entnehmen: Bei der Durchführung von Auffangmaßnahmen traf ich heute den Chef des 1. AR (mot.) 20, Oberleutnant Bachmann. Dieser war seit dem 15.1. 8 km südlich Kielce versprengt und hat nun nach 19 Tagen am 4.4. die eigenen Linien in Giersdorf bei Brieg erreicht. Aus dem Erlebnisbericht melde ich Folgendes: Aus dem Raum Creutzburg – Kempen starker Feindverkehr auf allen Straßen in allgemein westlicher Richtung; in Richtung Südwest kaum Verkehr. Selbst 80 km hinter der Front Ortschaften mit Truppen belegt, auch abseits der Rollbahn. Auffallend sei die reichliche Ausstattung der Bolschewisten mit Maschinenpistolen. Alle Wohnungen, die Oblt. B. aufsucht, zu sich zu verpflegen, waren verwüstet.81

In diesen Zusammenhang passt auch die Klage Himmlers: Lieber Parteigenosse Bormann! Durch die SS-Verbände, die in der Gegend lagen, höre ich, dass die Bevölkerung im Kreis Düren absolut feindlich und abweisend gesinnt war. Die Gründe konnte ich nicht erfahren. Der Gruß »Heil Hitler« ist dort geradezu unbekannt, selbst bei manchen Hoheitsträgern. Vielleicht lassen sich die Verhältnisse durch die Einsetzung eines besonders tüchtigen Kreisleiters ändern.82

Bormann schien nicht alle Hoffnung aufgegeben zu haben, es sei denn, er wollte seine Frau Gerda nicht zusätzlich beunruhigen. Denn am 2. April 1945 schrieb er ihr, er setze auf die Produktion von Jägern, die Kammler plane, und hoffe, dass die Resultate, wenn sie einträfen, nicht zu spät kämen.83 Und selbst in diesen Zeiten nutzte er die Gelegenheit, persönliche Rache zu üben – zum Beispiel an der Familie von Hitlers Sekretärin Marlene von Exner, auf die er ein Auge geworfen, aber nicht 292  Die Mobilisierung der letzten Reserven

den erhofften Erfolg erzielt hatte. Hitler schätzte Marlene von Exner, hatte sie dennoch entlassen, weil vonseiten ihrer Großmutters her Bedenken hinsichtlich der arischen Abstammung bestanden. Hitler versprach ihr jedoch, die gesamte Familie »arisieren« zu lassen. Darüber schrieb eine weitere Sekretärin Hitlers, Traudl Junge, später: In meinem Beisein wurde Reichsleiter Bormann damit beauftragt, die Arisierung der Familie Exner durchzuführen. Es war ein Auftrag, den Bormann nur mit Widerwillen annahm, denn er hatte mit seinem Werbungsversuch bei der charmanten Wienerin kein Glück gehabt und konnte ihr das nie verzeihen. Seine Rache blieb auch nicht aus, denn einige Wochen später erhielt ich einen sehr unglücklichen Brief aus Wien, dass allen Familienmitgliedern die Parteibücher abgenommen worden waren und sie alle große Schwierigkeiten hätten. Als ich Bormann nach der Sache fragte, erklärte er, er werde das schon erledigen. Aber es vergingen wieder lange Wochen, und schließlich erhielt ich einen erschütternden Bericht, dass das Leben für die Exners sehr schwer geworden sei. Marlene musste die Universitätsklinik verlassen, ihre Schwester durfte nicht Medizin studieren, der Bruder musste seine Arztpraxis aufgeben und der Jüngste konnte die Offizierslaufbahn nicht einschlagen. Ich war so wütend und entrüstet, dass ich mich an die großbuchstabige Schreibmaschine setzte, den Brief wörtlich abschrieb und damit zum Führer ging. Er bekam einen roten Kopf vor Zorn, rief sogleich nach Bormann. Auch der Reichsleiter hatte einen roten Kopf, als er aus Hitlers Zimmer kam und maß mich mit einem wütenden Blick. Aber immerhin erhielt ich im März die glückliche Botschaft, dass nun wieder alles in Ordnung sei, die ganze Familie mir außerordentlich danke und die Arisierung endlich durchgeführt sei.84

Noch kurz vor dem Zusammenbruch des Regimes lieferten die NS-Führungsoffiziere, die Bormann unterstanden, Menschen dem sicheren Tod aus. Major Klähn, Chef NS-Führungsstab 2, meldete der Partei-Kanzlei am 24. März 1945 vertraulich, der stellvertretende Chef des NS-Führungsstab der Wehrmacht, Konteradmiral Erich Alfred Breuning, habe sich am 21. März am Telefon zu einer »Gedankenführung« zum 20. Juli 1944 folgendermaßen geäußert: Der Satz: »In dem gewaltigen Ringen unserer Geschichte, in dem es um den Bestand unseres Volkes, um Sein oder Nichtsein geht, besitzen wir einen Führer, um den uns die ganze Konflikte mit Himmler  293

Welt beneidet«, sei nicht richtig. »Der Admiral ist der Auffassung, dass die Welt uns um den Führer keineswegs beneidet.« Zu dem Satz: »›Die Stärke der Staaten beruht auf den großen Männern, die ihnen zur rechten Zeit geboren werden‹ – niemals hatte dieses Wort Friedrichs des Großen mehr Gültigkeit als in unserer heutigen Zeit, die uns das Walten einer göttlichen Vorhersehung so sichtbar werden lässt«, meinte Breuning. »Das Walten einer göttlichen Vorhersehung sei angesichts unserer augenblicklichen Lage doch wirklich nicht erkennbar, deshalb hielte er diesen Satz für ungeschickt.« Schließlich zeigte sich Breuning auch mit dem Satz nicht einverstanden: »Als es um die Ehre und die Zukunft unseres Volkes ging, griff er (der Führer) zu den Waffen, und wie er sich als Politiker und Staatsmann unsterblichen Ruhm erwarb, zeigte sich in diesem Krieg sein überragendes Feldherrngenie.« Breuning meinte, »man solle diesen Satz lieber fortlassen, weil angesichts der Misserfolge doch wohl die Erwähnung des überragenden Feldherrngenies des Führers unangebracht wäre«.85 Diese Denunziation wurde zu Breunings Personalakten genommen, doch kam er mit dem Leben davon. Wer Bormanns Briefe aus den letzten Monaten seines Lebens liest, kann sich die Brutalität und Rücksichtslosigkeit kaum vorstellen, die er in seiner Funktion als Leiter der Partei-Kanzlei walten ließ. Sehr anschaulich führte eine von Hitlers Geheimsekretärinnen hierzu einige Fälle auf: Als zum Beispiel im März 1945 die Gauleiter Hofer und Forster nach Berlin kamen, um Hitler über die katastrophale Lage in ihren Gauen zu berichten, und sie vorher Bormann nicht um Genehmigung gefragt hatten, unterbrach dieser, von seinen Spitzeln unterrichtet, sofort seinen Aufenthalt am Obersalzberg und erschien in Berlin noch rechtzeitig genug, um den Absichten der Gauleiter, die den baldigen Einmarsch der Russen befürchteten, entgegenzuarbeiten. Bormann gab ihnen seine Missbilligung darüber, dass sie es gewagt hatten, über seinen Kopf hinweg Hitler aufzusuchen, deutlich zu verstehen und riet ihnen, schleunigst in ihre Gaue zurückzukehren und die Verteidigungsmaßnahmen vorzubereiten, statt nach Berlin zu kommen und zu intrigieren.86

Geradezu typisch für Bormann, der nie etwas vergaß, ist dieser Fall, mit dem er sich an Hitlers Leibfotograf Heinrich Hoffmann rächte.87 Eines 294  Die Mobilisierung der letzten Reserven

Tages hatte der Deutsche Nachrichtendienst eine Meldung veröffentlicht, der zufolge ein Gutsbesitzer zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt worden war, weil er einen halben Liter Milch für sich allein verbraucht hatte. Hoffmann, selbst Gutsbesitzer, meinte vor dritten, da müsse er ja jahrelang ins Gefängnis gesteckt werden, denn wenn er auf sein Gut käme, nehme er jeweils fünf Liter Milch mit. Bormann erfuhr davon und schickte Hoffmann einen Brief mit der Warnung. »Der Führer lässt Dir sagen, dass Du nach den bestehenden Bestimmungen nur einen halben Liter Milch verbrauchen darfst.« Eines Tages wurde Hoffmann von Bormann telefonisch mitgeteilt, dass er nach Mitteilung von Vertrauensleuten im Verdacht stehe, Träger von Paratyphusbazillen zu sein und dass er sich infolgedessen von Hitler fernzuhalten habe. Hoffmann fuhr daraufhin nach Wien und ließ sich von Spezialisten untersuchen, die zu einem negativen Befund kamen. Im März 1945 kehrte Hoffmann nach Berlin zurück, um sich zu rechtfertigen. Beim Mittagessen in der Reichskanzlei erschien Bormann im Speisesaal und rief Hoffmann zu. »Na, bist Du auch wieder da? Du hättest besser getan, Strahlen zu erfinden, die die feindlichen Flugzeuge vom Himmel holen, anstatt mit Deinen Bildern in der Weltgeschichte herumzuziehen.« Eine halbe Stunde später kam Hitler durch den Essraum. Er begegnete Hoffmann äußerst kühl und fragte drohend: »Sind Sie jetzt auch wirklich gesund?« Hoffmanns Beteuerungen und das ärztliche Gutachten, dass er niemals Paratyphus gehabt habe, konnten Hitler nicht überzeugen. Er vermied es in den wenigen ihm noch verbleibenden Wochen, mit seinem Hoffotografen zusammenzukommen. Unter all den NS-Führungspersonen schien Bormann der Einzige gewesen zu sein, der bedingungslos bis zum bitteren Ende für den Endsieg focht, auch wenn es Momente gegeben hatte, in denen selbst er nicht mehr an ihn glaubte. Es mag geradezu als Ironie des Schicksals bezeichnet werden, dass Bormann Posten um Posten aufhäufte und mit dem Volkssturm zum Schluss sogar über eine eigene »Armee« gebot. Mehr Macht konnte der NS-Staat zu diesem Zeitpunkt nicht mehr verleihen. Aber Bormann vermochte seine Machtfülle nicht zu genießen. Er hatte alle Hände voll zu tun, sie zu verteidigen, um dann schließlich doch mit allen anderen gemeinsam unterzugehen.

Konflikte mit Himmler  295

Trauzeuge und Testamentsvollstrecker

Die letzten Wochen seines Lebens verbrachte Bormann an der Seite Hitlers im Bunker der Berliner Reichskanzlei. Es war völlig klar, dass das »Großdeutsche Reich« vor dem Untergang stand. In einer Situation, in der die Rote Armee nur noch wenige Kilometer von Berlin entfernt war, erklärte der Chef der Reichskanzlei im Einvernehmen mit Bormann die Reichshauptstadt mit einem Federstrich für nicht bedroht: »Die Oderstellung soll unter allen Umständen gehalten werden. Hiernach ist die Reichshauptstadt nicht als bedroht zu erachten. Sie wird auch von der Bevölkerung nicht geräumt werden.«1 Hinter einer derart realitätsfernen Betrachtung stand die berechtigte Vermutung, die deutsche Bevölkerung werde die Waffen endgültig niederlegen, wenn Hitler die Hauptstadt räume. Ferner sah sich das Regime gar nicht mehr in der Lage, Berlin zu evakuieren, denn es gab in ganz Deutschland keine Region, in die nicht bereits Flüchtlinge strömten. Bormann bezeichnete es daher als »Ehrenpflicht« der Ressortchefs, in Berlin zu bleiben und die Stadt nur für unaufschiebbare Dienstreisen zu verlassen. Doch obwohl die Situation ausweglos war, hörte Bormann auch vom Bunker aus nicht auf zu intrigieren und setzte seinen Ehrgeiz darein, den ihm seit Langem verhassten Reichsmarschall Hermann Göring endlich zu Fall zu bringen. Nur dieser stand auf dem Weg zur uneingeschränkten Macht noch zwischen ihm und Hitler. Dass er diese »Macht« nirgends mehr würde ein- und umsetzen können, focht Bormann offenbar nicht an. Er unterstellte Göring Verrat und fand damit bei Hitler nach anfänglichem Zögern Gehör. Darüber berichtete Albert Speer in seinen Erinnerungen:2 Ein Telegramm Görings war eingetroffen, das Bormann eilig zu Hitler brachte. Ich folgte ihm, mehr aus Neugier, formlos nach. Göring fragte darin Hitler lediglich, ob er entsprechend der Nachfolge-Regelung die Gesamtführung des Reiches übernehmen solle, falls Hitler in der Festung bleibe. Bormann aber unterstellte Göring einen vollendeten Staatsstreich; vielleicht war es sein letzter Versuch, Hitler die Idee zu suggerieren, sich nach Berchtesgaden abzusetzen, um dort Ordnung zu schaffen. Indessen machte Hitler 296  Trauzeuge und Testamentsvollstrecker

bei dieser Nachricht zunächst den gleichen apathischen Eindruck, den er den ganzen Tag über schon gezeigt hatte. Aber Bormanns Drängen fand neue Unterstützung, als ein weiterer Funkspruch Görings hereingereicht wurde: Ich steckte mir eine Abschrift ein, die unbeachtet in dem allgemeinen Durcheinander dieser Stunde im Bunker herumlag: (…) »An Reichsminister von Ribbentrop. Ich habe den Führer gebeten, mich mit Weisungen bis zum 23.4., 22.00 Uhr zu versehen. Falls bis zu dieser Zeit ersichtlich ist, dass der Führer seiner Handlungsfreiheit für die Führung des Reiches beraubt ist, tritt sein Erlass vom 29.6.1941 in Kraft, nach welchem ich als Stellvertreter in all seine Ämter eintrete.« Damit glaubte Bormann, ein neues Argument zu haben: »Göring übt Verrat«, rief er erregt. »Er sendet bereits Telegramme an die Regierungsmitglieder und teilt ihnen mit, dass er auf Grund seiner Vollmacht Ihr Amt, mein Führer, heute Nacht um 24 Uhr antreten werde.« Hatte Hitler sich beim Eintreffen des ersten Telegramms eher gelassen gezeigt, so hatte Bormann nun gewonnenes Spiel. Seinem alten Rivalen Göring wurden durch einen Funkspruch, den Bormann entworfen hatte, die Nachfolgerechte genommen, er gleichzeitig des Verrates an Hitler und am Nationalsozialismus bezichtigt. Außerdem ließ Hitler ihm mitteilen, dass er auf weitere Maßnahmen verzichten würde, wenn Göring aus Gesundheitsgründen all seine Ämter niederlegte. Bormann war es damit endlich gelungen, Hitler aus seiner Lethargie aufzustöbern. (…) Etwa eine halbe Stunde später brachte Bormann das Antworttelegramm Görings: Er legte wegen eines schweren Herzleidens alle seine Ämter nieder. (…) Nun erst, in letzter Stunde, hatte Bormann sein Ziel erreicht. Göring war ausgeschaltet. Möglicherweise war Bormann dabei auch von Görings Unzuverlässigkeit überzeugt gewesen, gehasst und nun gestürzt dagegen hatte er ihn, weil zu viel Macht vereint hatte.

Während Berlin im Bomben- und Granathagel zu einer Trümmerwüste wurde, bereitete Bormann die Hochzeit von Eva Braun und Hitler vor und besorgte mit Gauleiter Wagner den erforderlichen Standesbeamten. Die Trauung fand formlos in der Nacht vom 28. auf den 29. April 1945 statt. In derselben Nacht diktierte Hitler seiner langjährigen Sekretärin Traudl Junge seine Testamente. Zu seinem Testamentsvollstrecker bestimmte er Bormann, den er als seinen »treuesten Parteigenossen« bezeichnete: Trauzeuge und Testamentsvollstrecker  297

Er ist berechtigt, alle Entscheidungen endgültig und rechtsgültig zu treffen. Es ist ihm gestattet, alles das, was persönlichen Erinnerungswert besitzt, oder zur Erhaltung eines kleinen bürgerlichen Lebens notwendig ist, meinen Geschwistern abzutrennen ebenso vor allem der Mutter meiner Frau und meinen, ihm genau bekannten treuen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, an der Spitze meinen alten Sekretären, Sekretärinnen, Frau Winter usw., die mich jahrelang durch ihre Arbeit unterstützten. Berlin, 29. April 1945, 04.00 Uhr.

21 Testament Hitlers, in dem er seinen Selbstmord und den seiner Ehefrau Eva Braun ankündigt, 29. April 1945.

Albert Speer berichtet von einem Gespräch Hitlers mit einer seiner Sekretärinnen im März 1945. Darin habe Hitler erklärt, zuerst sei Heß als sein Vertreter verrückt geworden, Göring sei durch seinen Lebenswandel und durch die Niederlage der Luftwaffe im Volk untragbar, und Himmler, den er auch als möglichen Nachfolger gesehen habe, sei mit der Partei verfeindet, völlig amusisch und nicht brauchbar.3 Fernab jeder Realität diktierte Hitler einen zweiten Teil des Testaments, das als sein »politisches Testament« bekannt wurde. Darin verstieß er Reichsmarschall Hermann Göring sowie den Reichsführer-SS 298  Trauzeuge und Testamentsvollstrecker

und Reichsinnenminister, Heinrich Himmler, aus allen Partei- und Staatsämtern. Er begründete diesen Schritt damit, dass sie durch geheime Verhandlungen mit dem Feind sowie durch den Versuch, die Macht im Staat an sich zu reißen, dem Land und dem gesamten Volk unabsehbaren Schaden zugefügt hätten. Als »Führer der Nation« ernannte er jetzt Großadmiral Karl Dönitz zum Reichspräsidenten, Joseph Goebbels zum Reichskanzler und Martin Bormann zum Parteiminister. Obwohl, so Hitler weiter, eine Anzahl von Männern wie Bormann oder Goebbels mit ihren Frauen »aus freiem Willen zu mir gefunden haben und unter keinen Umständen die Hauptstadt des Reiches verlassen wollten, sondern bereit waren, mit mir hier unterzugehen, muss ich sie doch bitten, meiner Aufforderung zu gehorchen und in diesem Falle das Interesse der Nation über ihr eigenes Gefühl zu stellen. Sie werden mir durch ihre Arbeit und ihre Treue als Gefährten nach dem Tode ebenso nahestehen, wie ich hoffe, dass mein Geist unter ihnen weilen und sie stets begleiten wird.« Goebbels hatte zu diesem Zeitpunkt bereits beschlossen, Selbstmord zu begehen. Bormann hatte hingegen nicht geplant, aus dem Leben zu scheiden. Ihm befahl Hitler, seine sterblichen Überreste im Garten der Reichskanzlei zu verbrennen. Welch ein Unterschied zu den Plänen, die der »Führer« wenige Jahre zuvor zur Beerdigung führender Nationalsozialisten entworfen hatte! Nachdem SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich, stellvertretender Reichsprotektor in Böhmen und Mähren, bei einem Attentat ums Leben gekommen war, hatte Hitler bestimmt, ihn zunächst in Berlin zu beerdigen, später in der »zu erbauenden großen Halle«.4 Reichsminister für Munitionsbeschaffung Fritz Todt sollte nicht in dieser Halle beigesetzt werden, für ihn wollte Hitler ein gewaltiges Grabmal auf dem Irschenberg an der Reichsautobahn München-Chiemsee errichten. Außerdem beabsichtigte Hitler, die großen deutschen Heerführer in der Soldatenhalle, andere große Deutsche in den zu erbauenden Berliner und Münchener Hallen zu bestatten. Grundsätzlich sollten die Ehefrauen später neben ihren Männern beigesetzt werden: »Beispiel: Frau v. Scheubner, die Gattin des am 9.11.1923 an der Feldherrnhalle gefallenen Parteigenossen, wird nach ihrem Ableben in einer Gruft, die der Führer am Fuße von einem der beiden Münchener Ehrentempel bauen ließ, beigesetzt werden.«5 Trauzeuge und Testamentsvollstrecker  299

Von solch hochfahrenden Plänen war jetzt keine Rede mehr. Im April 1945 ging es nur noch ums nackte Überleben und darum, sich aus der Reichshauptstadt abzusetzen. Von Süddeutschland, vom Obersalzberg aus, könnte man eventuell weiterkämpfen, hoffte Bormann. Zu einer Besprechung im »Führer«-Bunker kam er beispielsweise mit einer Operationskarte der sowjetisch-deutschen Front und breitete sie auf dem Tisch aus. Gemeinsam mit seinem Adjutanten Wilhelm Zander und dem Adjutanten beim Generalstabschef des Heeres, Bernd Freiherr Freytag von Loringhoven, beugte er sich darüber. Heinz Linge, SSObersturmbannführer und Hitlers Kammerdiener, der bei dem SS-Offiziersposten vor Hitlers Räumen gestanden hatte, trat ebenfalls an den Tisch. Loringhoven zeigte Bormann einen noch freien Weg in Richtung Dresden, auf dem man nach Süddeutschland gelangen konnte. (…) Bormann befahl seinem Referenten Zander, auf diesem Weg alle Mitarbeiter der Parteikanzlei, darunter den Referenten Müller und seine sechs Sekretärinnen, mit Bussen und Geländewagen unverzüglich zum Obersalzberg zu bringen. In Berlin sollten nur Zander und die Sekretärin Else Krüger bleiben, eine 30-jährige Frau, die mit Eva Braun befreundet war und die Hitler auf deren Wunsch in den letzten Tagen zusammen mit seinen Sekretärinnen zum Tee einlud.6

Wandel der Gesinnung Immer wieder hielt Bormann den Reichsministern vor, sich nicht ausreichend für den »Endsieg« einzusetzen und sich statt dessen in Intrigen zu verzetteln. Vermutet wurde, dass es sich bei den Denunziationen um Material von Himmlers Sicherheitsdienst (SD) handelte. Die Verdächtigungen des SD führten daher die Spitzen der Regierung fort­ während in Verlegenheit, denn Bormann nutzte letzten Endes die ihm zugespielten Informationen, um seine Position zu festigen. Als die Amerikaner und Engländer auf die Elbe und die Sowjetarmee auf Berlin vorrückten, schrieb Bormann einen persönlichen Brief an Kaltenbrunner, den Chef des Reichssicherheitshauptamtes.  Bormann war wütend, weil in einem SD-Bericht behauptet wurde, die Partei schimpfe auf die Wehrmacht und die Wehrmacht auf die Partei. Nachdem er sich 300  Trauzeuge und Testamentsvollstrecker

im Einzelnen über diesen Gegenstand ausgelassen hatte, fällte Bormann sein Urteil: An ihrem Berichterstatter müssen die Verhältnisse ziemlich ahnungslos vorübergegangen sein, denn sonst würde er nicht völlig unberechtigte Vorwürfe erheben. Aber das ist ja, was ich dem SD vorzuwerfen habe. Von irgendwelchen gänzlich unverantwortlichen Leuten werden Behauptungen aufgestellt und Vorwürfe erhoben, während die Verantwortlichen überhaupt nicht gefragt werden.7

Unterdessen waren Teile der Reichsregierung beziehungsweise der militärischen Führung im Begriff, sich nach Schleswig-Holstein abzusetzen, unter ihnen auch Großadmiral Karl Dönitz, der für ein paar Tage Hitlers Nachfolger werden sollte und sich als deutsches Staatsoberhaupt betrachtete. Seinem Adjutanten Walter Lüdde-Neurath zufolge »erlosch die Anwartschaft Görings auf den Thron des 3. Reiches erst am 23. April. Am Abend dieses Tages – wir waren inzwischen nach Plön ausgewichen – rief uns Bormann aus der Reichskanzlei an, ›Hermann habe im Südraum geputscht und der größtenteils nach Norden ausgewichenen Reichsregierung Befehl gegeben, sofort zu ihm zu kommen. Den Abflug der Regierung hätten wir mit allen Mitteln zu verhindern‹.«8 Dönitz ließ sich die Richtigkeit des Anrufs bestätigen und erteilte dann ein Startverbot für die Luftwaffe im Nordraum. Überall hatte Bormann in den letzten Tagen des »Großdeutschen Reichs« Verrat gewittert. Bezeichnend hierfür ist sein Funkspruch vom 28. April 1945 an den Führerbau in München: »Statt mit Befehl und Appell die Truppen, die uns freikämpfen sollten, anzutreiben, Schweigen der maßgeblichen Männer. Die Treue scheint vor der Untreue zu weichen, wir bleiben hier. Reichskanzlei bereits ein Trümmerhaufen.«9 Zwei Tage später beschrieb er die Situation so: »Nach unseren immer klareren Eindrücken treten die Divisionen im Kampfraum Berlin seit vielen Tagen auf der Stelle, statt Führer herauszuhauen.«10 Ebenfalls am 30. April 1945 erhielt Dönitz einen weiteren Funkspruch von Bormann, der in Berlin offenbar schon am Tag vorher aufgesetzt und dessen Übermittlung aus unbekannten Gründen verzögert worden war. Der Text lautete – so erinnerte sich Lüdde-Neurath – in etwa: »Neuer Verrat im Gange. Laut Feindrundfunk hat Reichsführer über Schweden KapitulaWandel der Gesinnung  301

tionsangebot gemacht. Führer erwartet, dass Sie gegen alle Verräter blitzschnell und stahlhart vorgehen.«11 Noch am selben Tag um 18.15 Uhr teilte Bormann Dönitz mit, Hitler habe ihn anstelle von Göring zu seinem Nachfolger bestimmt. Eine schriftliche Vollmacht sei unterwegs, Dönitz solle alle Maßnahmen ergreifen, die sich aus der gegenwärtigen Lage ergäben.12 Am Morgen des 1. Mai erreichte Dönitz ein Funkspruch Bormanns, nach dem Hitlers Testament in Kraft getreten sei und Bormann so schnell wie möglich nach Schleswig-Holstein kommen werde.13 Aufklärung über die aussichtslose Lage gab ein weiterer Funkspruch, der in Berlin um 14.46 Uhr aufgegeben worden war und den Bormann und Goebbels gemeinsam unterzeichnet hatten.14 Hitler sei am Vortag um 15.30 Uhr verschieden, sein Testament vom 29. April 1945 übertrage Dönitz das Amt des Reichspräsidenten, Reichsleiter Bormann das Amt des Parteiministers, Reichsminister Seyß-Inquart das Amt des Reichsaußenministers. Reichsleiter Bormann werde versuchen, »noch heute zu Ihnen zu kommen, um Sie über die Lage aufzuklären. Form und Zeitpunkt der Bekanntgabe an Truppe und Öffentlichkeit bleibt Ihnen überlassen«. Dönitz erklärte sich am 3. Mai zur Übernahme der Regierung bereit. Zugleich ordnete er an, Goebbels und Bormann zu verhaften, wenn sie in Schleswig-Holstein auftauchen sollten. Damit wollte er sich bei den Alliierten, insbesondere bei den Briten, die Schleswig-Holstein besetzt hatten, in ein gutes Licht setzen. Er konnte nicht wissen, dass beide zu dieser Zeit nicht mehr am Leben waren.

Der Zusammenbruch Über die letzten Stunden Bormanns gibt es zahlreiche Gerüchte, aber keine definitive Wahrheit. So erklärte Else Krüger, Bormanns Sekretärin, am 29. Juni 1946, vor dem Nürnberger Militärtribunal: Am 1. Mai 1945 habe ich Bormann im Bunker der Reichskanzlei das letzte Mal gesehen und gesprochen. Zu dieser Zeit habe ich schon nicht mehr für ihn gearbeitet, weil er damals seine eigenen Anordnungen und Funksprüche selbst mit der Hand geschrieben hat. (…) Seine letzten Worte zu mir, die er bei einer zufälligen Begegnung im Bunker aussprach, waren: »Also denn auf 302  Trauzeuge und Testamentsvollstrecker

Wiedersehen. Viel Sinn hat es ja doch nicht mehr; ich werde es mal versuchen, aber durchkommen werde ich doch nicht. (…) Bei Erkundigungen anderer Personen, woher er [SS-Gruppenführer Rattenhuber im Bunker Humboldthain] käme, erklärte er in meiner Gegenwart, er sei mit Bormann und anderen weg mit dem Wagen über die Friedrichstraße. Es sei vermutlich alles tot, er habe Leichen in Mengen gesehen. Ich entnahm aus seinen Äußerungen, dass er glaubte, Bormann sei tot. Es scheint mir dies auch wahrscheinlich, weil nach den Erzählungen mir unbekannter Soldaten sämtliche nach der Flucht unserer Gruppe den Bunker verlassende Personen unter heftiges russisches Feuer genommen wurden und angeblich auf der Weidendammer Brücke Hunderte von Toten liegen geblieben sein sollen.15

Erich Kempka, Hitlers langjähriger Fahrer, gab am 6. Dezember 1948 in München zu Protokoll: Von 1932 bis Kriegsende sei er Kraftfahrer Hitlers gewesen. In dieser Eigenschaft sei er auch mit Martin Bormann zusammengekommen. Nach seiner Überzeugung lebe aber Bormann nicht mehr. In den letzten Kriegstagen, insbesondere aber bei den Kämpfen um Berlin, habe er eines Tages selbst gesehen, wie Bormann in einem deutschen Panzer saß, der von einem feindlichen Explosivkörper getroffen wurde. Bormann sei durch die Explosion aus dem Panzer geschleudert worden und neben dem Panzer liegen geblieben. Er – Kempka – habe unbedingt angenommen, dass Bormann tot sei. Zur Zeit der Explosion habe er sich unmittelbar neben dem fraglichen Panzer aufgehalten und sei von dem Luftdruck gleichfalls zur Seite geschleudert worden. Was danach mit Bormann bzw. dessen Leiche geschehen sei, könne er nicht angeben.16 In der Vernehmungsniederschrift der Hitler-Sekretärin Traudl Junge vom 7. Dezember 1948 heißt es: Bormann habe ich persönlich auch gekannt. Er war ein gefürchteter Mann und ein ausgesprochener Mädchenjäger. Es gab nur wenige Mädchen, die ihm widerstanden haben, weil sie fürchteten, er würde ihnen schaden. Bormann habe ich am 1. Mai 1945 zum letzten Mal gesehen und zwar gegen Abend im großen Kohlenkeller der Reichskanzlei. Hier waren alle Angestellten und Beamten wie Arbeiter versammelt, um den letzten Ausbruchsversuch zu wagen. Ich sah noch Bormann mit Stahlhelm stehen. Die Gruppen wurden wieder in kleine Gruppen eingeteilt und haben die ReichskanzDer Zusammenbruch  303

lei verlassen. Von diesem Augenblick an habe ich Bormann nicht mehr gesehen. In dieser Hinsicht bestehen heute noch verschiedene Unklarheiten. So hat Kempka angeblich den Bormann tot liegen sehen und einige Zeit später hat ihn aber angeblich auch noch Axmann irgendwo an einem Bahngleise liegen sehen. Genaues habe ich nie erfahren. Es ist also durchaus möglich, dass er noch am Leben ist.17

Zahlreichen späteren Gerüchten zufolge wurde sogar über Jahrzehnte hinweg behauptet, Bormann sei ein sowjetischer Topspion gewesen. Reinhard Gehlen, Generalmajor und Chef der Abteilung »Fremde Heere Ost« im Generalstab des Oberkommando des Heeres, später erster Präsident des Bundesnachrichtendienstes, schrieb 1971 in seinen Erinnerungen: In einem längeren Gespräch kamen Canaris und ich zu der Überzeugung, dass die Sowjets in der obersten deutschen Führung über eine gut orientierte Nachrichtenquelle verfügen mussten. Wiederholt stellten wir unabhängig voneinander fest, dass der Feind in kürzester Zeit über Vorgänge und Erwägungen, die auf deutscher Seite an der Spitze angestellt wurden, bis ins einzelne unterrichtet war. (…) Ich will an dieser Stelle mein langes Schweigen und ein Geheimnis brechen, das – von sowjetischer Seite aufs sorgfältigste gehütet – den Schlüssel zu einem der rätselhaftesten Fälle unseres Jahrhunderts in sich birgt. Es ist die verhängnisvolle Rolle, die Hitlers engster Vertrauter, Martin Bormann, in den letzten Kriegsjahren und danach gespielt hat. Als prominentester Informant und Berater der Sowjets arbeitete er für den Gegner schon zu Beginn des Russlandfeldzugs. Unabhängig voneinander ermittelten wir die Tatsache, dass Bormann über die einzige unkontrollierte Funkstation verfügte. Wir waren uns aber darüber einig, dass ein gezielter Ansatz zur Überwachung des neben Hitler mächtigsten Mannes in der nationalsozialistischen Hierarchie zu diesem Zeitpunkt so gut wie ausgeschlossen war. Jede Unvorsichtigkeit hätte das Ende der Nachforschungen und auch unser Ende bedeutet. Canaris hat mir seine Verdachtsmomente, Vermutungen und Feststellungen über die Motive der Verrätertätigkeit Bormanns geschildert. Er schloss Möglichkeiten zur Erpressung Bormanns nicht aus, sah aber die wahrscheinlichen Beweggründe eher in dem von maßlosem Ehrgeiz und Komplexen gegenüber seiner Umgebung begründeten und letztlich nicht befriedeten Ambitionen des Reichsleiters. Wie 304  Trauzeuge und Testamentsvollstrecker

geschickt Bormann seine großen Rivalen Göring und Goebbels abwechselnd bei Hitler in Misskredit brachte, ist inzwischen bekannt. Meine eigenen Feststellungen konnten erst einsetzen, als nach 1946 für mich Möglichkeiten bestanden, die mysteriösen Umstände der Flucht Bormanns aus Hitlers Bunker in Berlin und sein Verschwinden zu untersuchen. Die wiederholt in der internationalen Presse aufgetauchten Behauptungen, Bormann lebe im undurchdringlichen Urwaldgebiet zwischen Paraguay und Argentinien, umgeben von schwer bewaffneten Leibwächtern, entbehren jeder Grundlage. Zwei zuverlässige Informanten gaben mir in den 50er Jahren die Gewissheit, dass Martin Bormann, perfekt abgeschirmt, in der Sowjetunion lebte. Der ehemalige Reichsleiter war bei der Besetzung Berlins durch die Rote Armee zu den Sowjets übergetreten und ist in Russland gestorben.18

Martin Bormanns Bruder Albert äußerte vor der Berchtesgadener Spruchkammer ebenfalls die Vermutung, sein Bruder habe überlebt und halte sich in der Sowjetunion auf.19 Auch SS-Obergruppenführer Gottlob Berger meinte vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg, Bormann halte sich in der Sowjetunion auf. Das Magazin Focus schrieb in der Ausgabe vom 29. April 1995: »In einem weiteren NSProzess ging Berger später noch einen Schritt weiter: Bormann sei Sowjetagent gewesen. Bevor er sich nach Moskau abgesetzt habe, sei ihm vom KGB aufgetragen worden, alle westeuropäischen und amerikanischen Kriegsgefangenen zu erschießen.«20 Auch der ehemalige Reichsjugendführer Artur Axmann äußerte sich zu dem geradezu abenteuerlichen Verdacht einer Spionagetätigkeit Bormanns für den Kreml. Er gab an: Bevor General Krebs [zu Kapitulationsverhandlungen] ins Feldquartier des sowjetischen Befehlshabers General Tschuikow aufbrach, fragte Dr. Goebbels Martin Bormann: »Wollen Sie mit General Krebs zusammen zu den Russen gehen?« Bormann lehnte das ab. Er begründete seine Ablehnung damit, er hielte es nicht für richtig, dass ein Parteiminister mit den feindlichen Streitkräften verhandelt. – Wenn Bormann ein Agent Moskaus gewesen wäre, hätte es da nicht sehr nahegelegen, dass er unter dem Schutz der weißen Flagge zu seinen Auftraggebern zurückgekehrt wäre? (…) Vor unserem Ausbruch aus dem Bunker gab Bormann unserem Himmelfahrtskommando nur geringe Chancen. Als wir im Bombentrichter an der WeidenDer Zusammenbruch  305

damm-Brücke saßen und über unseren einzuschlagenden Weg berieten, war für ihn das vordringlichste Ziel, sich beim neuen Staatsoberhaupt [Großadmiral Dönitz] im Norden zu melden. Das bestimmte auch unsere Route, Berlin auf dem Bahndamm nach Nordwesten zu verlassen. (…) Bei unserem Aufenthalt im Kreis der Muschiks, der Feldwache am Lehrter Bahnhof, hätte er noch Gelegenheit gehabt, sich als Mitarbeiter des KGB zum nächsthöheren Kommandeur führen zu lassen. Er verzichtete darauf und entfernte sich eiligst von uns. Er setzte damit sein Leben aufs Spiel.21

Am 17. November 1945 begann beim Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg das Ermittlungsverfahren, die Fahndung und die Voruntersuchung gegen Martin Bormann. Sir David Maxwell-Fyfe gab dabei als stellvertretender Hauptankläger des Vereinigten Königreichs folgende Erklärung ab: Wir besitzen Beweismaterial darüber, dass Hitler und Bormann zusammen mit einer Anzahl von Nazi-Beamten am 30. April 1945 in der Reichskanzlei in Berlin waren und sich zu einem bestimmten Zeitpunkt an diesem Tage in Hitlers unterirdischem Luftschutzraum im Garten der Reichskanzlei trafen. Am 1. Mai versuchten Bormann und andere Deutsche, in einem Tank aus dem Reichskanzleibezirk zu entkommen. Sie gelangten bis an die Spree und versuchten, dort eine Brücke zu überqueren. Von russischen Soldaten wurde eine Handgranate in den Tank geworfen. Drei Mitglieder der Gruppe, die mit Bormann in dem Tank saßen, sind verhört worden. Zwei davon nehmen an, dass Bormann getötet, der dritte sagt, dass er verwundet wurde. Die Lage ist daher die, dass die Anklagebehörde nicht mit Bestimmtheit sagen kann, es sei ausgeschlossen, dass Bormann tot sei. Es besteht noch eine ausgesprochene Möglichkeit, dass er am Leben ist. Der Gerichtshof bestimmte, dass dem Angeklagten Bormann die Klage in folgender Weise zugestellt werden soll: Die Bekanntmachung soll einmal wöchentlich, vier Wochen lang, über den Rundfunk verlesen werden. Die erste Verlesung soll in der Woche vom 22. Oktober stattfinden. Sie soll ebenfalls in vier verschiedenen Zeitungen, die in Bormanns Heimatstadt erscheinen, veröffentlicht werden. Die Rundfunkwiedergabe erfolgte, wie angeordnet, in den Wochen nach dem 22. Oktober über die Radiostation Hamburg und die Radiostation Langenberg, das ist Köln. Der letzte Wohnsitz des Angeklagten Bormann war Berlin. Die Bekanntmachung wurde deshalb in 306  Trauzeuge und Testamentsvollstrecker

vier Berliner Zeitungen, nämlich der »Täglichen Rundschau«, der »Berliner Zeitung«, dem »Berliner« und der »Allgemeinen Zeitung« vier Wochen lang veröffentlicht, wie es vom Gerichtshof angeordnet worden war.

Mit Zustimmung des russischen Anklägers Oberst Pokrowski entschied der Gerichtshof, das Verfahren gegen Bormann in Abwesenheit durchzuführen. Dokumentation Verfügung

Nachdem der Internationale Militärgerichtshof ordnungsgemäß eingesetzt und durch den Hauptanklagevertreter beim Gerichtshof eine Anklageschrift eingereicht wurde, aber einer der Angeklagten, Martin Bormann, unauffindbar ist, wird verfügt, dass der genannte Martin Bormann auf folgende Art und Weise unterrichtet wird:

Wortlaut der Bekanntmachung Martin Bormann ist angeklagt, Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben, wie sie im Einzelnen in der Anklageschrift, die bei diesem Gerichtshof eingereicht wurde, aufgeführt sind. Die Anklageschrift kann im Gerichtsgebäude zu Nürnberg, Deutschland, eingesehen werden. Falls Martin Bormann erscheint, hat er das Recht, sich persönlich oder durch einen Anwalt zu verteidigen. Falls er sich nicht stellt, kann gegen ihn in seiner Abwesenheit verhandelt werden. Das Verfahren beginnt am 20. November 1945 im Gerichtsgebäude zu Nürnberg, Deutschland. Wird er für schuldig befunden, wird das gegen ihn gefällte Urteil ohne weitere Verhandlung und gemäß den Verfügungen des Kontrollrates für Deutschland, vollstreckt, sobald er aufgefunden worden ist.

Auf Anordnung des Internationalen Militärgerichtshofes Generalsekretär

Der Zusammenbruch  307

Art der Bekanntgabe Diese Bekanntmachung soll vier Wochen lang wöchentlich einmal über den Rundfunk in vollem Wortlaut verlesen werden, die erste Verlesung soll in der am 22. Oktober 1945 beginnenden Woche stattfinden. Sie soll weiterhin in vier verschiedenen Ausgaben einer in dem Heimatort Martin Bormanns erscheinenden Zeitung veröffentlicht werden. Die obigen Verfügungen und der Wortlaut der Bekanntmachungen sind vom Internationalen Militärgerichtshof genehmigt worden.

GEOFFREY LAWRENCE Vorsitzender 18. Oktober 1945 29. Juli 1946, General R.A. Rudenko, Hauptankläger für die Sowjet­union

Der Name des Angeklagten Martin Bormann ist aufs engste mit der Schaffung des Hitler-Regimes verbunden. Er war einer von denen, die die schlimmsten auf die Vernichtung von Hunderttausenden unschuldiger Menschen abzielenden Verbrechen begangen haben. Zusammen mit dem Angeklagten Rosenberg führte Bormann in grausamer Logik eine Propaganda für die Rassentheorie und Verfolgung der Juden. Viele Weisungen über die Diskriminierung der Juden in Hitler-Deutschland wurden von ihm herausgegeben. Sie spielten in der Folge eine schicksalhafte Rolle und zogen die Ausrottung von Millionen von Juden nach sich. Mit dieser Tätigkeit gelang es ihm, das Vertrauen des Führers zu gewinnen, und er war – »ermächtigt, die Partei gegenüber dem Staat zu vertreten …« – und er hat sie auch vertreten. So nahm er in seiner Eigenschaft als Leiter der Parteikanzlei unmittelbar an der Vernichtung der Juden, Zigeuner, Russen, Ukrainer, Polen und Tschechoslowaken teil. Unter seiner Führung verwandelte sich die NSDAP in eine Polizeiorganisation, wobei sie auf das allerengste mit der deutschen Geheimpolizei und der SS zusammenarbeitete. Bormann wusste nicht nur von allen Angriffsplänen der Hitler-Regierung, sondern arbeitete an ihrer Durchführung aktiv mit.

308  Trauzeuge und Testamentsvollstrecker

Der ganze Parteiapparat der NSDAP wurde von ihm zur Durchführung dieser Angriffspläne der Hitler-Regierung eingesetzt, wobei er die Gauleiter zu Reichsverteidigungskommissaren in den Gebieten ernannte, in denen sie amtierten. Der Parteiapparat der NSDAP sowie Bormann persönlich nahmen aktiv an den von den deutschen Militär- und Zivilbehörden ergriffenen Maßnahmen zur unmenschlichen Ausnutzung von Kriegsgefangenen teil. Dies beweisen die unzähligen Richtlinien und Anweisungen, die von Bormann herausgegeben worden sind. Durch das Beweismaterial der Anklage und im Gerichtsverfahren ist nun nachgewiesen worden, zu welcher Massenvernichtung die bestialische Behandlung der Kriegsgefangenen geführt hat. Der Parteiapparat sowie Bormann persönlich nahmen unmittelbar an den Maßnahmen der Hitler-Regierung zur Deportierung der Bevölkerung der besetzten Gebiete in die Sklaverei teil. Mit Bormanns Einverständnis wurden ukrainische Mädchen insgeheim nach Deutschland geschafft, um dort gegen ihren Willen germanisiert zu werden. Laut Führerbefehl vom 18. Oktober 1944 wurden Bormann und Himmler mit der Führung des Volkssturmes betraut, der aus allen Männern von 16 bis 60 Jahren bestand, die ein Gewehr tragen konnten. Am Vorabend des Zusammenbruchs Hitler-Deutschlands stand Bormann an der Spitze des »Werwolfes«, einer Untergrundorganisation, die im Rücken der alliierten Truppen für Ablenkungs- und Unterminierungsmanöver geschaffen wurde. Bormann nahm unmittelbar an der Ausplünderung der Kulturschätze der historischen und anderer Werte in den besetzten Gebieten teil. 1943 machte er einen Vorschlag über die Notwendigkeit einer Steigerung der wirtschaftlichen Ausplünderung der besetzten Gebiete. Das sind die Verbrechen des Angeklagten Bormann, von Hitlers engstem Mitarbeiter; er teilt die volle Verantwortung für die unzähligen Verbrechen der Hitler-Regierung und der Nazi-Partei.22 Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Laut Verordnung vom 29. Mai 1941 übernahm Bormann die bisher von Heß bekleideten Ämter und Vollmachten; die Verordnung vom 24. Januar 1942 erweiterte diese Vollmachten und gab ihm Kontrollgewalt aller von Hitler erlassener Gesetze und Richtlinien. Damit war er also ver­-

Der Zusammenbruch  309

antwortlich für die seither erlassenen Gesetze und Richtlinien. Am 1. Dezember 1942 wurden alle Gaue zu Reichsverteidigungsbezirken und die Bormann verantwortliche Gauleiter zu Reichsverteidigungskommissaren ernannt. Dies machte sie tatsächlich zu den Verwaltern der gesamten zivilen Kriegsanstrengungen. Das war nicht nur in Deutschland der Fall, sondern auch in jenen Gebieten, die dem Reich von den absorbierten und eroberten Gebieten einverleibt worden waren. Mittels dieses Mechanismus beherrschte Bormann die rücksichtslose Ausbeutung der unterworfenen Bevölkerung. Sein Befehl vom 12. August 1942 stellte alle Parteistellen zur Verfügung des Programms Himmlers für die Zwangsumsiedlung und Entnationalisierung von Personen in den besetzten Gebieten. Drei Wochen nach dem Einmarsch in Russland nahm er am 16. Juli 1941 mit Göring, Rosenberg und Keitel an einer Besprechung in Hitlers Feldhauptquartier teil. Bormanns Bericht zeigt, dass genau umrissene Pläne zur Versklavung und Ausrottung der Bevölkerung jener Gebiete besprochen und entwickelt wurden. Am 8. Mai 1942 beriet er mit Hitler und Rosenberg die zwangsweise Umsiedlung von Niederländern nach Lettland, das Ausrottungsprogramm n Russland und die wirtschaftliche Ausbeutung der Ostgebiete. Er war an der Beschlagnahme von Kunstgegenständen und anderen Vermögenswerten im Osten interessiert. Sein Brief vom 11. Januar 1944 forderte die Gründung einer großangelegten Organisation, um Gebrauchsgegenstände aus den besetzten Gebieten der ausgebombten deutschen Bevölkerung zur Verfügung zu stellen. Bormann war besonders tätig bei der Judenverfolgung, nicht bloß in Deutschland, sondern auch in den einverleibten und eroberten Ländern. Er nahm teil an den Besprechungen, welche zur Überführung von 60 000 Juden aus Wien nach Polen in Zusammenarbeit mit der SS und der Gestapo führten. Er unterzeichnete die Verordnung vom 31. Mai 1941, welche die Wirkung der Nürnberger Gesetze auf die einverleibten Ostgebiete ausdehnte. In einem Befehl vom 9. Oktober 1942 erklärte er, dass die dauernde Ausschaltung der Juden aus dem gebiete Großdeutschlands nicht mehr durch Auswanderung erfolgen könne, sondern nur durch die Anwendung »rücksichtsloser Gewalt« in den besonderen Lagern im Osten. Am 1. Juli 1943 unterzeichnete er eine Verordnung, welche die Juden dem

310  Trauzeuge und Testamentsvollstrecker

Schutz der Gerichte entzog und sie der ausschließlichen Rechtsprechung der Gestapo Himmlers unterstellte. Bormann nahm hervorragenden Anteil am Zwangsarbeiterprogramm. Die Parteiführer beaufsichtigten in ihren jeweiligen Gauen die Zwangsarbeiterangelegenheiten mit Einschluss von Beschäftigung, Arbeitsbedingungen, Ernährung und Unterbringung. Durch Rundschreiben vom 5. Mai 1943 an das Korps der Politischen Leiter, welches bis herunter zu den Ortsgruppenleitern verteilt wurde, erließ er Bestimmungen zur Regelung der Behandlung der Fremdarbeiter, wobei er unterstrich, dass diese in Sicherheitsfragen der Überwachung durch die SS unterständen und ordnete an, dass die bis dahin verübten Misshandlungen aufzuhören hätten. Ein Bericht vom 4. September 1942 über die Verschickung von 50 000 weiblichen Dienstboten aus dem Osten nach Deutschland zeigt, dass Sauckel, Himmler und Bormann diese Aktion beaufsichtigen sollten. Bormann erließ auch eine Reihe von Befehlen an die Parteileiter über die Behandlung von Kriegsgefangenen. Am 5. November 1941 untersagte er würdige Begräbnisse russischer Kriegsgefangener. Am 25. November 1943 befahl er den Gauleitern, Fälle von milder Behandlung Kriegsgefangener zu melden. Und am 13. September 1944 befahl er den Kreisleitern, in der Frage der Heranziehung von Kriegsgefangenen zu Zwangsarbeit sich mit den Lagerkommandanten in Verbindung zu setzen. Am 29. Januar 1943 übermittelte er seinen Leitern Erlasse des OKW. Welche den Gebrauch von Feuerwaffen erlaubten, ebenso die Anwendung von Körperstrafen gegen widersetzliche Kriegsgefangene, im Widerspruch zu den Bestimmungen der Landkriegsordnung. Am 30. September 1944 unterzeichnete er eine Verordnung, welche dem OKW die Rechtsprechung über Kriegsgefangene entzog und sie Himmler und der SS überantwortete. Bormann trägt die Verantwortung für das Lynchen alliierter Flieger. Am 30. Mai 1944 verbot er das Eingreifen der Polizei oder die Einleitung von Strafverfahren gegen Personen, die sich am Lynchen alliierter Flieger beteiligt hatten. Dies war von einem Goebbelschen Propagandafeldzug begleitet, welcher das deutsche Volk zu derartigen Handlungen aufhetzte, auch die Besprechung vom 6. Juli 1944, wo Regeln über das Lynchen erörtert wurden, gehört hierher.23

Der Zusammenbruch  311

Gerade der zuletzt erwähnte Punkt zeigt, wie ungenau der Internationale Militärgerichtshof teilweise arbeitete. Denn Bormann hatte nicht das Eingreifen der Polizei im Fall von Lynchjustiz verboten, sondern erklärt: »Mehrfach ist es vorgekommen, dass abgesprungene oder notgelandete Besatzungen solcher Flugzeuge unmittelbar nach der Festnahme durch die auf das Äußerte empörte Bevölkerung an Ort und Stelle gelyncht wurden. Von polizeilicher und strafgerichtlicher Verfolgung der dabei beteiligten Volksgenossen wurde abgesehen.«24 Dies ist zwar durchaus als Aufforderung zum Lynchen aufzufassen, aber eben nicht das vermeintliche Verbot. Unabhängig davon, dass in den ersten Nachkriegsjahren Bormanns Schicksal ungewiss war, lud die Spruchkammer Berchtesgaden am Freitag, 18. Juni 1948, um 9 Uhr, zur mündlichen Verhandlung über Bormann.25 Sie kam zu dem Ergebnis, dass Bormann als Hauptschuldiger einzustufen sei.26 In Abwesenheit verfügte die Spruchkammer seine Einweisung in ein Arbeitslager auf die Dauer von zehn Jahren. Außerdem wurde die Einziehung der gesamten Vermögenswerte unter Belassung von 4000 RM und der notwendigsten Gebrauchsgegenstände beschlossen. Herausgestellt hatte sich inzwischen, dass Bormann über ein beachtliches Vermögen verfügte. In den Grundbüchern waren auf seinen Namen folgende Immobilien eingetragen, die jedoch weitgehend in Schutt und Asche lagen: Buchenhöhe Obersalzberg, 87 verschiedene Häuser, Klaushöhe, Obersalzberg, 27 verschiedene Häuser, Platterhof, SS-Kaserne, Bormann-Haus.27 Sein Privatvermögen wurde wie folgt beziffert: Bormann-Haus, 52 303 RM, Pension Waldrast, Berchtesgaden, 207 400 RM, Wohnhaus Gmund, 5800 RM, Wohnhaus München, Maria-Theresia-Str. 26, 150 000 RM, München, Wasserburger Str. 10, 100 000 RM, Bayreuth, Parsifalstr. 25, 60 800 RM.28 Die Villa Bormanns in Schluchsee/Baden, 1943 gekauft, fiel an das Amt für Vermögenskontrolle und wurde am 1. Januar 1950 dem Freiburger »Institut für internationale Begegnungen« übergeben.29 Hitlers Geburts312  Trauzeuge und Testamentsvollstrecker

haus in Braunau war ebenfalls auf Bormanns Namen im Grundbuch eingetragen. Im Mai 1952 fiel es an die Republik Österreich.30 Der Verbleib Bormanns beschäftigte Strafverfolgungsbehörden und Medien gleichermaßen. Artur Axmann bemerkte zutreffend: Es gab kaum ein Land, in dem Bormann nicht gesichtet worden war. So gab der SS-Offizier Joachim Tiburtius an, beim Ausbruchsversuch am 2. Mai 1945 Bormann in den Trümmern neben dem Hotel »Atlas« an der Friedrichstraße beobachtet zu haben, als dieser sich dort einen Zivilrock ange­ zogen hat. Ebenso wollte ihn in unmittelbarer Nähe der Pförtner vom Geschäftshaus »Weidenhof« an der Friedrichstraße/Ecke Schiffbauerdamm genau erkannt haben. Eine langjährige Angestellte des Auswärtigen Amtes, Gertrud Heimerdinger, erklärte vor einem Notar an Eides Statt, dass sie Bormann im Juni 1945 im Kriminalgericht Berlin-Moabit gesehen hat, und zwar unter Russen, von denen sie vernommen wurde. Der Schriftsteller Heinrich Lienau behauptete, dem Leiter der Parteikanzlei im Juli 1945 in Schleswig-Holstein begegnet zu sein.31

Der Herausgeber der Neuen Aschaffenburger Illustrierten Zeitung musste sich 1950 vor Gericht verantworten. Er hatte das Gerücht verbreitet, Bormann sei am Leben und Hitler habe in einem tibetischen Kloster Unterschlupf gefunden. Die Strafanzeige der Würzburger Kriminalpolizei stützte sich auf ein bayerisches Gesetz, nach dem es verboten war, Gerüchte zu verbreiten, die Unruhe und Aufregung unter der Bevölkerung verbreiten konnten.32 Weitere Spekulationen besagten: ■ »Martin Bormann ist wirklich in Südamerika. Ich habe ihn im Urwald gesehen. Jetzt hält er sich in Spanien auf.« (Paul Heßlein am 24. April 1951 in der Abendzeitung)33 ■ Bormann soll sich als »Frater Martini« in dem römischen Franziskanerkloster San Antonio aufhalten.34 ■ Der frühere argentinische Botschafter in Israel, Gregório Topolewski, erklärte im Juni 1961 in Tel Aviv, Bormann habe sich zur Zeit von Eichmanns Entführung ebenfalls in Argentinien aufgehalten. Inzwischen lebe er in Brasilien.35

Der Zusammenbruch  313

■ Am 5. Februar 1965 erschien der portugiesische Student Julio M. Pinheiro bei der Polizei in München und erklärte, Bormann lebe in St. Antao auf den Kapverdischen Inseln.36 ■ Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt fragte am 24. Juni 1965 bei der Kriminalpolizei München an, ob Bormann mit einer Sondermaschine aus Berlin am 2. Mai 1945 auf dem Flughafen München-Riem eingetroffen sein könne, ob der Flughafen überhaupt noch angeflogen werden konnte.37 Die Antwort vom 30. Juni 1965 lautete: USTruppen seien am 1. Mai 1945 in München eingezogen. Die zuständigen Stellen hielten es für ausgeschlossen, dass noch Flugzeuge hätten landen können, zumal das Flugfeld durch Bombentrichter völlig zerstört gewesen sein soll.38 Nachdem sich Hinweise verdichtet hatten, Bormanns Leiche könne sich auf einem Gelände an der Berliner Invalidenstraße 63–65 befinden, bat die zuständige Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt a.M. am 9. Juli 1965 die Generalstaatsanwaltschaft Berlin um Amtshilfe.39 Die Exhumierung war für den 20. Juli 1965 geplant, zwei Arbeitskräfte und ein Gerichtsmediziner wurden angefordert. Bei erfolgreicher Grabung sollte der Schädel sofort untersucht werden, da es »nämlich nicht ausgeschlossen [ist], dass Martin Bormann Selbstmord durch Einnehmen von Zyankali begangen hat«. Das müsste nach zwanzig Jahren bei Öffnung der Schädelhöhle bemerkbar sein. Die Grabungen waren erfolglos, doch sieben Jahre später, am 7. und 8. Dezember 1972, wurden bei Grabungsarbeiten zur Verlegung von Leitungen auf dem Ulap-Gelände, etwa zwölf bis fünfzehn Meter von der Grabungsstelle des Jahres 1965 entfernt, zwei Skelette unterschiedlicher Größe von Arbeitern entdeckt: die Gebeine von Martin Bormann und Hitlers letzter Begleitarzt Ludwig Stumpf­ egger. Die Skelette wurden im unmittelbar angrenzenden Leichenschauhaus sichergestellt. Im ersten Schädel, gefunden am 7. Dezember 1972, waren die Zähne gut erhalten. Im zweiten, entdeckt einen Tag später, waren die Zähne des Unterkiefers fast vollständig vorhanden, während im Oberkiefer mehrere Vorderzähne fehlten. Das Gebiss beider Schädel wurde von der Polizeizahnklinik in Berlin untersucht. Schädel Nr. 2 wurde aufgrund des Zahnschemas und der zahntechnischen Arbeiten (Brücke und Kronen), die aus der Praxis von Bormanns behandelndem Zahnarzt, Prof. Dr. Blaschke, stammten, Bormann zugeordnet. Am 314  Trauzeuge und Testamentsvollstrecker

12. März 1973 wurde in unmittelbarer Nähe der Fundstelle der Skelette zufällig noch eine goldenen Brücke über drei Zähne gefunden. Sie wurde dem Dentisten Echtmann zur Prüfung vorgelegt, der bestätigte, diese Brücke in der Anfangszeit seiner Tätigkeit bei Dr. Blaschke selbst gearbeitet zu haben. In den Gebissteilen beider Schädel fanden Gerichtsmediziner Glassplitterchen. Diese wurden von dem Kriminalreferat KD C (KTU-Chemie) des Polizeipräsidenten in Berlin untersucht. Die Untersuchung durch Experten ergab, dass es sich bei den Glassplitterchen um Trümmer von Ampullen beziehungsweise Phiolen handeln könnte, wie sie von KZ-Häftlingen in Sachsenhausen für die NS-Führung hergestellt worden waren. Zyankali konnte nicht mehr festgestellt werden, da es sich an der Luft zersetzt. In ihrem Schlussbericht stellte die Frankfurter Staatsanwaltschaft fest, die Lage für Bormann und Stumpfegger müsse aussichtslos gewesen sein. Sie hätten wohl die Giftampullen zerbissen und seien innerhalb weniger Sekunden gestorben. Der Tod sei am Samstag, 2. Mai 1945, zwischen 1.30 und 2.30 Uhr eingetreten.

22 Die zwei am 7. und 8. Dezember 1972 bei Tiefbauarbeiten auf dem Gelände des Lehrter Bahnhofs in Berlin entdeckten Totenschädel und Oberschenkelknochen. Der linke Schädel mit den recht gut erhaltenen Zähnen, ist, wie spätere Untersuchungen ergaben, der von Martin Bormann. Der Zusammenbruch  315

Die Fahndung nach Martin Bormann wurde daraufhin endgültig ein­ gestellt; die Skelettreste wurden zur Bestattung an die Angehörigen freigegeben. Eine Feuerbestattung wurde ausdrücklich untersagt, da die Skelette der zeitgeschichtlichen, wissenschaftlichen Forschung noch vorsorglich erhalten bleiben sollten. Die Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht Frankfurt a. M. schickte dem Standesamt I Berlin (West), Lentzeallee 107 den Beerdigungsschein zu. Es wurde verfügt, dass die gesamten Akten, Fahndungsakten, Sonderbände und Handakten »nach Ablauf der nach der Aktenordnung abzuwartenden Liegefrist« als geschichtlich wertvoll dem zuständigen Hessischen Staatsarchiv zur Verfügung gestellt werden sollten. Für Bormanns Skelett wurde die Identität 1998 durch eine DNAAnalyse an dem von Wolfgang Eisenmenger geleiteten Institut für Rechtsmedizin der Universität München endgültig bewiesen.40 Die Gebeine eines der mächtigsten Männer des Naziregimes und Vertrauten Adolf Hitlers wurden am 16. August 1999 auf Veranlassung der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main anonym in Bayern eingeäschert – Bormanns Verwandte hatten darauf verzichtet, sich selbst darum zu kümmern – und in den Gewässern der Kieler Bucht außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets gestreut. Unter der Überschrift »Seegrab für Nazi-Bonzen Martin Bormann« schrieb das Nachrichtenmagazin Der Spiegel am 28. August 1999: »Hildegard Becker-Toussaint, leitende Ermittlerin bei der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft, nennt als Grund für die heimliche Aktion: ›Wir wollten auf jeden Fall verhindern, dass irgendwo eine Gedenkstätte entsteht.‹ Die Kosten für die Verbrennung und die Bestattung auf See liegen bei insgesamt 5600 Mark.«41 Nur ein paar Aschenreste waren von Bormann geblieben, und auch diese wurden dann in die Ostsee gestreut. Bormann hat keine Tagebücher wie Goebbels hinterlassen und keine Erinnerungen geschrieben. Dennoch lässt sich von ihm ein sehr detailliertes Bild zeichnen. Sein »Nachlass« sind Tausende von Verfügungen, Befehlen, Aktenvermerken, Denunziationen, Geheimberichten und Rundschreiben, mit denen er sich Tag für Tag zu Wort meldete. In Hitlers »Drittem Reich« war Bormann der zweitmächtigste Mann, was ihm keine Freunde, dafür umso mehr Feinde einbrachte. Diesen Preis schien er für seine Machtfülle gern zu zahlen. 316  Trauzeuge und Testamentsvollstrecker

Bormann wollte nie im Rampenlicht stehen. Er profilierte sich nicht wie Goebbels, und das geckenhafte Auftreten Görings muss ihm zutiefst zuwider gewesen sein. Er war der »Schatten« Hitlers, als solcher einflussreich und gefürchtet wie kaum ein anderer. Ihm fehlten zwar Genialität und Charisma, er zeichnete sich aber durch Fleiß, Ehrgeiz, Beharrlichkeit, Organisationstalent, große Anpassungsfähigkeit, rasche Auffassungsgabe, hervorragendes Gedächtnis, taktische Schläue, Gehorsam gegenüber Hitler als seinem einzigen Vorgesetzten, Gewissenlosigkeit und Lust an Intrigen aus. Als »braune Eminenz«, als unentbehrlicher Helfer des »Führers«, als Einflüsterer und Ausführender der schmutzigen Detailarbeit, als Bürokrat regierte er unsichtbar, genoss seine geheime Macht, die umso rücksichtsloser war, da er nur mit Akten umging. Seine Opfer waren für ihn allenfalls statistische Größen, über die er kein einziges Wort des Bedauerns oder Mitgefühls äußerte. Selbst Himmler beklagte gelegentlich zumindest verbal den Massenmord an den Juden, wenngleich er ihn für zwingend erforderlich hielt. Eiskalt bediente Bormann die Hebel der Macht und steuerte den Apparat des Terrors und der Verbrechen so wirkungsvoll, dass er im Verlauf des Krieges zum heimlichen Herrscher Deutschlands wurde. Bormann brauchte niemanden aus der Führungsriege der Nationalsozialisten, aber jeder brauchte irgendwann einmal sein Wohlwollen. Glücklich kann er nicht gewesen sein – einsam und mächtig: ja. Verblendet zudem und somit ein Verhängnis für Millionen Menschen.

Der Zusammenbruch  317

Anhang

Anmerkungen

Vorwort 1 Vgl. Albert Zoller: Hitler privat: Erlebnisbericht seiner Geheimsekretärin. Düsseldorf 1949, S. 222.

Hitlers Vollstrecker 1 BArch, NS 19/1357, Schreiben Klopfer an Brandt, betr.: Ahnentafel des Herrn Reichsleiters Bormann, München, 27. Juni 1944. 2 BArch, NS 19/1357, Schreiben Persönlicher Stab RFSS an den Chef des Rasseund Siedlungshauptamtes-SS, Feld-Kommandostelle, 14. Juli 1944. 3 BArch, NS 15/456, Partei-Kanzlei, Vertrauliche Information, betr.: Rassische Beurteilung der Hugenotten, München, 4. Oktober 1941. 4 ��������������������������������������������������������������������������� Das Republikschutzgesetz wurde am 21. Juli 1922 als Reaktion auf die Ermordung des deutschen Außenministers Walther Rathenau erlassen und sollte die Verteidigung der republikanisch-demokratischen Staatsform ermöglichen. Es enthielt neben Strafbestimmungen die Möglichkeit, extremistische Vereinigungen und Meinungsäußerungen zu verbieten. 5 Carl Severing, Reichsinnenminister. 6 Hermann Ehrhardt, Kapitänleutnant a.D., Freikorpsführer. 7 Staatsarchiv München, Pol.Dir. 10015, Martin Bormann: »In den Kerkern der Republik«, in: Völkischer Beobachter, Nr. 184, 10. August 1929. 8 Staatsarchiv München, Pol.Dir. 10015, Bericht der Polizeidirektion München, München, 18. Dezember 1931. Enthalten in: Staatsarchiv München, Pol.Dir. 10015, Vernehmungsniederschrift Kempka, München, 6. Dezember 1948. 9 Ebenda, Pol.Dir. 10015, Der Oberste SA-Führer, Führerbefehl Nr. 6, München, 18. Dezember 1931. 10 Staatsarchiv München, Pol.Dir. 10015, Wichtige Bekanntmachung, Bayerische Staatszeitung, Nr. 180, München, 6./7. August 1933. 11 BArch, R 43 II/170a, Verfügung Hitler, 47/44, Führerhauptquartier, 20. Februar 1944. 12 BArch, NS 10/54, Schreiben Wiedemann an Bormann, München, 20. Juni 1936. 13 BArch, NS 10/54, Schreiben Wiedemann an Bormann, München, 29. Juli 1936. 14 �������������������������������������������������������������������� BArch, NS 10/54, Schreiben Wiedemann an Bormann, München, 30. November 1936. Anmerkungen zu »Vorwort«  321

15 BArch, R 43 II/1212, Die Kanzlei des Führers in ihren neuen Diensträumen, Deutsches Nachrichtenbüro, Nr. 1528, Berlin, 16. November 1936. 16 BArch, R 43 II/1212, Erweiterter Aufgabenkreis der Privatkanzlei Adolf Hitlers, Deutsches Nachrichtenbüro, Nr. 920, Berlin, 3. Juni 1938. 17 BArch, R 43 II/1212, Völkischer Beobachter, Nr. 68, Reichsleiter Philipp Bouhler: »Die Kanzlei des Führers der NSDAP. Ein Bindeglied zwischen Adolf Hitler und dem deutschen Volk«, 9. März 1939. 18 Traudl Junge: Bis zur letzten Stunde, a.a.O., S. 109. 19 Staatsarchiv München, PolDir.10015, Quelle: »Martin Bormann soll in Russ­ land sein«, in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 114, 21. September 1949. 20 Joseph Goebbels: Tagebücher 1924–1945. München 1999, Teil I, Bd. 4, S. 668, Eintrag vom 31. Mai 1941. 21 Internationaler Militärgerichtshof (Hg.): Nürnberger Urteil. Düsseldorf 1946, S. 168ff. 22 Henry Picker (Hg.): Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier 1941–1942. München 2003, S. 185. 23 Max Domarus: Hitler. Reden und Proklamationen 1932–1945. Kommentiert von einem deutschen Zeitgenossen. München 1965, Bd. 3, S. 1716. 24 Albert Zoller: Hitler privat, a.a.O., S. 223f. 25 Otto Dietrich: 12 Jahre mit Hitler. München 1955, S. 211. 26 Lutz Graf Schwerin von Krosigk: Memoiren. Stuttgart 1977, S. 165. 27 Walter Schellenberg: Memoiren. Köln 1959, S. 284ff. 28 Albert Speer: Erinnerungen. Berlin 1969, S. 265. 29 Peter Black: Ernst Kaltenbrunner. Vasall Himmlers. Eine SS-Karriere. Paderborn 1991, S. 223f. 30 Traudl Junge: Bis zur letzten Stunde. Hitlers Sekretärin erzählt ihr Leben. Berlin 3. Aufl. 2004, S. 55. 31 Joseph Goebbels: Tagebücher, a.a.O. Bd. 3 1935–1939, S. 905. 32 Ebenda, Bd. 4, 1940–1942, S. 1589.

Der wahre Herr des Obersalzbergs 1 Broschüre zur Dauerausstellung »Dokumentation Obersalzberg«, Institut für Zeitgeschichte, München/Berlin, Fassung 2011. 2 Otto Dietrich: 12 Jahre mit Hitler, a.a.O., S. 210. 3 Albert Speer: Erinnerungen, a.a.O., S. 98ff. 4 BArch, NS 19/3395, Schreiben Pers. Stab Reichsführer-SS an Bormann, Berlin, 4. Februar 1938.

322  Anhang

5 BArch, NS 10/116, Schreiben Bormanns an den Reichssicherheitsdienst, Obersalzberg, 24. November 1938. 6 Vgl. Josef Geiß: Obersalzberg. Die Geschichte eines Berges. München 1952. 7 Nach heutigem Wert rund 150 Millionen Euro. 8 Albert Speer: Erinnerungen, a.a.O., S. 98f. 9 Josef Geiß: Obersalzberg. Die Geschichte eines Berges, a.a.O. S. 30ff. 10 Heinrich Hoffmann (Auswahl): Adolf Hitler: Bilder aus dem Leben des Führers, hg. vom Cigaretten-Bilderdienst Altona-Bahrenfeld 1936, S. 41. 11 Ebenda, 42f. 12 Junge, Traudl: Bis zur letzten Stunde, a.a.O., S. 82. 13 BArch, NS 10/56, Schreiben Bormann an Brückner, Obersalzberg, 24. Januar 1938. 14 BArch, NS 10/56, Schreiben Bormanns an Schaub, betr.: Berghof, Obersalzberg, 28. Februar 1938. 15 BArch, NS 10/116, Schreiben Bormanns an Schaub, betr.: Berghof, Obersalzberg, 31. Mai 1939. 16 BArch, Schreiben der Adjutantur an Bormann, 13. Juli 1939. 17 Albert Speer: Erinnerungen, a.a.O., S. 98f. 18 Henry Picker (Hg.): Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier, a.a.O., S. 348. 19 Adolf Hitler: Bilder aus dem Leben des Führers, a.a.O., S. 44f. 20 BArch, NS 6/130, Anordnung von Albert Bormann und Generalleutnant Schmundt, Führerhauptquartier, 20. September 1943. 21 Henry Picker (Hg.): Tischgespräche, a.a.O., S. 352f. 22 Joseph Goebbels: Tagebücher 1924–1945, a.a.O., Teil I, Bd. 4, S. 638f., Eintrag vom 13. Mai 1941. 23 BArch, NS 19/3872, FS Heydrich an Himmler: Abschrift eines FS an Bormann, Berlin, 5. Mai 1941. 24 Sammelbegriff für die illegalen paramilitärischen Vereinigungen während der Weimarer Republik. 25 Walter Schellenberg: Memoiren, a.a.O., S. 284ff. 26 Werner Maser: Adolf Hitler. Legende – Mythos – Wirklichkeit. Köln 1971, S. 178. 27 Ebenda, S. 206. 28 Henry Picker (Hg.): Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier, a.a.O., S. 391. 29 Hermann Giesler: Ein anderer Hitler. Bericht seines Architekten. Erlebnisse, Gespräche, Reflexionen. Leoni am Starnberger See 1982, S. 194. 30 Henrik Eberle/Matthias Uhl (Hg.): Das Buch Hitler, Bergisch Gladbach 3. Aufl. 2007, S. 114. 31 Joseph Goebbels: Tagebücher 1924–1945, a.a.O., Bd. 3, 1935–1939, S. 996, Eintrag vom 22. Oktober 1936. 32 Ebenda, Bd. 3, 1935–1939, S. 1026, Eintrag vom 5. Januar 1937. Anmerkungen zu »Der wahre Herr des Obersalzbergs«  323

33 Ebenda, Bd. 5, 1943–1945, S. 2022, Eintrag vom 15. März 1944. 34 Internationaler Militärgerichtshof Nürnberg (Hg.): Der Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vom 14. November 1945 bis 1. Oktober 1946. München/Zürich 1984, 24 Teile in 12 Bänden, Verhandlung vom 28. Juni 1946, Teil 17, S. 221. 35 Albert Speer: Erinnerungen, a.a.O., S. 271. 36 Henrik Eberle/Matthias Uhl (Hg.): Das Buch Hitler, a.a.O., S. 172. 37 Henry Picker (Hg.): Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier, a.a.O., S. 34f. 38 Vgl. David Irving: Göring. Übers. von Richard Giese. München/Hamburg 1987, S. 487f. 39 Ebenda, S. 673f. 40 Joseph Goebbels: Tagebücher 1924–1945, a.a.O., Bd. 3, 1935–1939, S. 994, Eintrag vom 21. Oktober 1936. 41 Hans Frank: Im Angesicht des Galgens. Deutung Hitlers und seiner Zeit aufgrund eigener Erlebnisse und Erkenntnisse. Geschrieben im Nürnberger Justizgefängnis. München 1953 , S. 165ff. 42 BArch, NS 15/628, Auszug aus dem Reichsgesetzblatt, Teil 1, 1942, Nr. 6, 24. Januar 1942, Verordnung zur Durchführung des Erlasses des »Führers« über die Stellung des Leiters der Partei-Kanzlei vom 16. Januar 1942. 43 Albert Speer: »Alles, was ich weiß«: Aus unbekannten Geheimdienstprotokollen vom Sommer 1945. München 1999, S. 86f. 44 BArch, R 3/1526, Schreiben Speers an Hitler, Berlin, 20. September 1944. 45 Albert Speer: Erinnerungen, a.a.O., S. 406f. 46 Ebenda, S. 266. 47 BArch, R 43 II/953, Schreiben Bormanns an Lammers, betr.: Normalschrift, Führerhauptquartier, 7. November 1941. 48 BArch, R 43 II/953, Schreiben Bormanns an Lammers, Führerhauptquartier, 3. Januar 1942. 49 BArch, R 43 II/953, Schreiben Lammers an den Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung von Volksbildung, betr.: Änderung von Tiernamen, Führerhauptquartier, 11. März 1942. 50 BArch, NS 6/222, Anordnung Bormanns, Nr. 29/37, München, 18. Februar 1936. 51 BArch, R 43 II/680a, Schreiben Bormanns an Lammers, Obersalzberg, 28. Mai 1942. 52 BArch, R 2/31098, FS Bormann, München, 16. April 1942. 53 BArch, R 18/5476, Schreiben des Innenministers an Lammers und Bormann, Berlin, 14. Januar 1943. 54 BArch, NS 6/166, Notiz für Pg. Friedrich, betr.: Stellungnahme zum Schreiben Dr. Leys, München, 8. Juli 1943. 324  Anhang

55 Joseph Goebbels: Tagebücher 1924–1945, a.a.O., Teil I, Bd. 4, S. 640, Eintrag vom 14. Mai 1941. 56 Ebenda, S. 639. 57 BArch, NS 6/334, Rundschreiben Bormanns Nr. 67/41, betr.: Verbot okkultistischer und ähnlicher Darbietungen in öffentlichen Veranstaltungen, München, 3. Juni 1941. 58 Vgl. David Irving: Göring, a.a.O., S. 486ff. 59 Joseph Goebbels: Tagebücher 1924–1945, a.a.O., Teil I, Bd. 4, S. 651, Eintrag vom 20. Mai 1941. 60 Ebenda, S. 652, Eintrag vom 21. Mai 1941. 61 Ebenda, S. 655, Eintrag vom 23. Mai 1941. 62 Ebenda, S. 690, Eintrag vom 14. Juni 1941. 63 Reichsgesetzblatt 1941 I, S. 259. 64 BArch, NS 19/1205, Schreiben Bormanns an Himmler, Führerhauptquartier, 1. Mai 1943. 65 Hitler hatte die Stadt Linz zur kulturellen Metropole des Reichs machen und ein »Führermuseum« errichten wollen. Linz hatte er außerdem als seinen »Alterssitz« ausgewählt. 66 BArch, NS 19/1205, Anlage »Aufgabengebiet des Sekretärs des Führers« zu einem Schreiben von SS-Obergruppenführer Ernst Kaltenbrunner an SS-Obersturmbannführer Rudolf Brandt, Berlin, 26. Juli 1943.

Der Intrigant 1 BArch, NS 6/159, Schreiben Lammers an die Obersten Reichsbehörden, die dem Führer unmittelbar unterstellten Dienststellen, betr.: Sekretär des Führers, Berlin, 8. Mai 1943. 2 Ebenda. 3 BArch, NS 19/1205, Bormann an Himmler, Führerhauptquartier, 1. Mai 1943. 4 Joseph Goebbels: Tagebücher 1924–1945, a.a.O., Bd. 5, 1943–1945, S. 1904. 5 BArch, NS 6/151, Verfügung Hitlers, 9/44, Führerhauptquartier, 18. Juni 1944. 6 BArch, NS 6/422, Aktenvermerk Bormanns für Pg. Friedrichs, Klopfer, Keller, betr.: Verwaltung Obersalzberg, Führerhauptquartier, 28. Oktober 1944. 7 Der Nürnberger Prozess, Verhandlung vom 16. Januar 1946, Bd. 5, S. 348, Erlass Bormanns, veröffentlicht in. »Anordnungen des Stellvertreters des Führers«, Ausgabe 1937, S. 257. 8 Der Nürnberger Prozess, Verhandlung vom 30. August 1946, Bd. 22, S. 364.

Anmerkungen zu »Der Intrigant«  325

9 Der Nürnberger Prozess, Verhandlung vom 16. Januar 1946, Bd. 5, S. 349, Erlass Bormann, veröffentlicht in: »Anordnungen des Stellvertreters des Führers«, Ausgabe 1937, S. 190. 10 BArch, NS 6/339, Anordnung A 69/40, betr.: Betreuung von Angehörigen von politischen Häftlingen und der Häftlinge selbst nach ihrer Entlassung, München, 8. Juli 1940. 11 BArch, R 42 II/ 399, Vermerk betr.: Straffällige Fürsorgezöglinge, Berlin, 6. September 1941. 12 BArch, R 18/5022, Schreiben Bormanns an Frick, zugleich Rundschreiben an alle Reichsleiter, Gauleiter und Verbändeführer, Führerhauptquartier, 15. Mai 1941. 13 Ebenda. 14 BArch, NS 22/714, Schreiben Bormanns an Gauleiter Sprenger, München, 10. April 1935. 15 Heinz Höhne, Der Orden unter dem Totenkopf. Die Geschichte der SS. München 1984, S. 294ff. 16 BArch, NS 19/3899, Aktenvermerk Himmlers, Führerhauptquartier, 5. März 1942. 17 Ebenda. 18 Hans Frank: Das Diensttagebuch des deutschen Generalgouverneurs in Polen 1939–1945. Hg. von Werner Präg und Wolfgang Jacobmeyer. Stuttgart 1975, S. 467. 19 Ebenda, S. 569. 20 Ebenda, S. 658f. 21 Ebenda, S. 772. 22 Ebenda, S. 773f. 23 Hans Frank: Im Angesicht des Galgens, a.a.O., S. 405. 24 Hans Frank, Das Diensttagebuch des deutschen Generalgouverneurs in Polen, a.a.O., S. 785f. 25 Ebenda, S. 776 ff. 26 Ebenda S. 925f. 27 ����������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/166, FS von Staatssekretär Klopfer an Bormann, betr.: Aufrechterhaltung des Generalgouvernements, München, 2. September 1944. 28 BArch, NS 6/354, Der Stellvertreter des Führers, Stabsleiter, Anordnung, betr.: Mitgliedsbuch der NSDAP als amtliches Ausweispapier, München, 23. Januar 1936. 29 Henry Picker (Hg.): Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier, a.a.O., S. 229f. 30 �������������������������������������������������������������������������� BArch, R 43 II/693, Schreiben Bormanns an den Chef der Reichskanzlei, München, 26. August 1935. 326  Anhang

31 BArch, NS 10/550, Rundschreiben Bormanns, Nr. 184/35, München, 3. September 1935. 32 BArch, NS 6/222, Anordnung Bormanns Nr. 43/36, München, 17. März 1936. 33 BArch, R 42 II/194, Schreiben Bormanns an den Chef der Reichskanzlei, betr.: Rangfolge der Partei gegenüber staatlichen Dienststellen bei Anschriften, Verlautbarungen und Aufzählungen, München, 23. Dezember 1937. 34 Artur Axmann: Hitlerjugend. »Das kann doch nicht das Ende sein«. Erinnerungen des letzten Reichsjugendführers Artur Axmann. Koblenz 1999, S. 237.

Demütigung als Machtmittel 1 Internationaler Militärgerichtshof Nürnberg (Hg.): Der Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vom 14. November 1945 bis 1. Oktober 1946, a.a.O., Aussage von Lammers am 6. April 1946, Bd. 12, S. 106f. 2 BArch, R 42 II/1033c, Schreiben Bormanns an Lammers, Führerhauptquartier, 21. November 1942. 3 BArch, R 42 II/1131, Schreiben Lammers an Bormann, Führerhauptquartier, 10. November 1943. 4 �������������������������������������������������������������������� BArch, R 42 II/1131, Anlage zum Schreiben Lammers an Bormann, Gegenstände einer Besprechung zwischen Reichsminister Dr. Lammers und Reichsleiter Bormann, Führerhauptquartier, 10. November 1943. 5 BArch, R 42 II/1131, FS Kritzinger an Klopfer, Berlin, 11. August 1943. 6 BArch, R 43 II/615 c, Schreiben Bormanns an Lammers, Berlin, 2. November 1939. 7 BArch, R 43 II/615 c, Schreiben Bormanns an Lammers, Führerhauptquartier, 19. Juni 1941. 8 ������������������������������������������������������������������������������� BArch, R 43 II/615 c, Vermerk der Reichskanzlei, betr.: Kosten des Führerhauptquartiers, Berlin, 21. Juli 1943. 9 ������������������������������������������������������������������������������� BArch, R 43 II/615 c, Vermerk der Reichskanzlei, betr.: Kosten des Führerhauptquartiers, Berlin, 21. Juli 1943. 10 ������������������������������������������������������������������������������� BArch, R 43 II/615 c, Vermerk der Reichskanzlei, betr.: Kosten des Führerhauptquartiers, Berlin, 3. August 1944. 11 BArch, R 43 II/1641, Schreiben Bormanns an Göring, betr.: Dotation für den Chef der Reichskanzlei, Reichsminister Dr. Lammers, Führerhauptquartier, 17. Mai 1944. 12 Schreiben Bormanns an Himmler, 5. September 1944. 13 BArch, R 43 II/ 1641, Schreiben Lammers an Bormann, Berlin, z.Zt. Haus am Werbellinsee, 1. Januar 1945. 14 Ebenda. Anmerkungen zu »Demütigung als Machtmittel«  327

15 Ebenda. 16 BArch, R 43 II/1641, Brief Bormanns an Lammers, Führerhauptquartier, 5. Januar 1945. 17 Carl Otto von Eicken, Generalarzt der Reserve, Spezialist bei Erkrankungen des Hals-/Rachenraums. 18 BArch, R 43 II/1641, FS Bormanns an Lammers, Führerhauptquartier, 5. Januar 1945. 19 BArch, R 43 II/1641, Brief Lammers an Bormann, Berlin, 6. Januar 1945. 20 ��������������������������������������������������������������������������� BArch, R 43 II/1641, ausführlich beschrieb Lammers seine Festnahme und mögliche Gründe in einer 13-seitigen Geheimen Reichssache, Berlin, 24. April 1945. 21 BArch, R 43 II/1641, Funkspruch Lammers an Hitler, Berchtesgaden, 25. April 1945. 22 BArch, R 43 II/1212, Schreiben Bouhlers an Heß, Berlin, 23. Mai 1940. 23 BArch, R 43 II/1212, Reichsverfügungsblatt der NSDAP, Der Stellvertreter des Führers, Nr. 4/40, Ausgabe A, München, 11. Mai 1940, Bekanntgabe B 24/40, Anlage zum Schreiben Bouhler an Heß, Berlin, 23. Mai 1940. 24 BArch, R 43 II/1212, Schreiben Bouhlers an Heß, Berlin, 23. Mai 1940. 25 BArch, R 43 II/1212, Schreiben Bormanns an Lammers, Führerhauptquartier, 24. Juni 1940. 26 ������������������������������������������������������������������������ BArch, R 43 II/1212, Vermerk, betr.: Abgabe von Eingängen (Durchgangssachen) an die Kanzlei des Führers der NSDAP, Berlin, 4. Juli 1942. 27 BArch, R 43 II/1212, Umlauf Lammers, Führerhauptquartier, 10. Juli 1942. 28 Ebenda. 29 BArch, NS 19/2506, Vermerk SS-Oberführer Neuendorf, Berlin, 16. Juni 1942. 30 Harvard Law School Library Item No. 2493, Anweisung Hitlers, Berlin, 1. September 1939. 31 BArch, R 43 II/1133, Schreiben Bormanns an Ribbentrop, Führerhauptquartier, 2. August 1941. 32 BArch, R 43 II/1133, Vermerk von Lammers, Führerhauptquartier, 21. Oktober 1941. 33 BArch, R 43 II/1133, Vermerk von Lammers, Führerhauptquartier, 12. November 1941. 34 BArch, NS 22/714, Schreiben Leys an Bormann, München, 1. Juli 1941. 35 Joseph Goebbels: Tagebücher 1924–1945, a.a.O., Bd. 4, 1940–1942, S. 1522, Eintrag vom 24. Januar 1941. 36 ���������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/156, Vermerk Bormanns für Pg. Friedrich und Pg. Klopfer, Führerhauptquartier, 1. Oktober 1943. 37 BArch, R 2/31684, Schreiben Bormanns an Heißmeyer, Führerhauptquartier, 7. Juli 1941. 328  Anhang

38 ���������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/156, Vermerk Bormanns für Pg. Friedrich und Pg. Klopfer, Führerhauptquartier, 1. Oktober 1943. 39 Gemeint ist Paul Giesler, Gauleiter von Westfalen-Süd. 40 BArch, NS 6/156, Vermerk, Gespräch von Reichsleiter Dr. Ley mit Reichsleiter Bormann am 23. August 1943, 14 Uhr, Berlin. 41 BArch, NS 6/135, Bericht Reichsorganisationsleiter für Hitler, Berlin, 30. November 1944. 42 ���������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 8/193, Aktennotiz über das Ferngespräch zwischen Reichsleiter Bormann und Reichsleiter Rosenberg am 18.August 1944 um 13.45 Uhr, Berlin. 43 BArch, NS 21/34, Schreiben Bormanns an Wolff, Führerhauptquartier, 4. August 1939. 44 Ebenda. 45 BArch, NS 21/34, Schreiben Rosenbergs an Bormann, Berlin, 14. Januar 1940. 46 BArch, NS 8/183, Entwurf Schreiben Bormanns an Göring, Himmler, Rust, München, 28. Februar 1940. 47 Ebenda. 48 ���������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/142, Schreiben Rosenbergs an Bormann, betr.: Offizier für nationalsozialistische Führung, Berlin, 8. Dezember 1943. 49 BArch, N 15/628, Schreiben Bormanns an Rosenberg, betr.: Organisatorische Änderungen und Beförderungen in Ihrer Dienststelle, Führerhauptquartier, 13. April 1943. 50 BArch, R 6/85, Rundschreiben Bormanns, Nr. 282/44 g.Rm, betr.: General Wlassow, Führerhauptquartier, 26. September 1944. 51 BArch, R 6/85, Schreiben Rosenbergs an Bormann, Berlin, 17. Oktober 1944. 52 BArch, NS 15/628, Schreiben Rosenbergs an Bormann, Berlin, 19. Mai 1944. 53 BArch, NS 15/628, Schreiben der Partei-Kanzlei, Friedrichs, an Rosenberg, betr.: Reichsthemenlehrgänge, München, 1. Juni 1944. 54 BArch, NS 15/628, Schreiben Rosenbergs an Bormann, Berlin, 1. Juni 1944. 55 BArch, NS 15/628, FS Rosenbergs an Bormann, Betr.: Beförderungen zum 30. Januar 1945, Berlin, 19. Januar 1945. 56 Walter Schellenberg: Memoiren. Köln 1959, S. 179. 57 Ebenda, S. 257. 58 Ebenda, S. 188f 59 BArch, NS 6/161, Aktenvermerk. Besprechung des Führers mit Mussert – NSB, Führerhauptquartier, 14. Dezember 1942. 60 BArch, R 42 II/651, Vermerk von Lammers, betr.: Arbeitseinsatz in Frankreich und Italien, Führerhauptquartier, 19. April 1944. 61 BArch, R 42 II/651, Ausschnitt aus der Niederschrift des Reichsleiters Bormann über die Besprechung beim Führer im Berghof am 25. April 1944 mit Dr. Lammers, M. Bormann, Ley, Sauckel, Fischböck, Abetz, Liebel. Anmerkungen zu »Demütigung als Machtmittel«  329

62 Gemeint ist Hans-Otto Meißner, einer der engsten Mitarbeiter erst Eberts und dann Hindenburgs. 63 Gemeint ist Reichspräsident Paul von Hindenburg. 64 Alfred Hugenberg, Führer der Deutschnationalen Volkspartei. 65 Franz von Papen, Zentrumspolitiker, 1932–1933 Reichskanzler. 66 Rumänischer Staatschef. 67 ����������������������������������������������������������������������������� Chef der faschistischen rumänischen »Eisernen Legion«, zuletzt Hitlers Gefangener. 68 BArch, NS 6/819, Privatgespräche mit Hitler, Führerhauptquartier, abends, 18. Januar 1942. 69 Gemeint ist ein minderwertiges Einheitsöl, das für die Wehrmacht hergestellt wurde. 70 Kampfflugzeug. 71 BArch, NS 6/819, Privatgespräche mit Hitler, Wolfsschanze, nachts, 17./18. Januar 1942. 72 Roland Strunk, Korrespondent des Völkischen Beobachters und Kriegsberichterstatter war am 22. Oktober 1937 bei einem Pistolenduell verletzt worden und im Krankenhaus Hohenlychen trotz sofortiger Operation verstorben. Hitler hatte daraufhin Duelle grundsätzlich verboten. 73 Privatgespräche, Wolfsschanze, abends, 19. Januar 1942. 74 Privatgespräche, Wolfsschanze, mittags, 22. Januar 1942.

Die braune Eminenz 1 ������������������������������������������������������������������������� BArch, R 42 II/665, Schreiben Bormanns an Reichskanzlei, Führerhauptquartier, 23. August 1944. 2 BArch, R 42 II/667 c, Schreiben Bormanns an Lammers, Führerhauptquartier, 6. September 1942. 3 BArch, R 42 II/667 c, Schreiben Bormanns an Lammers, betr.: Benutzung von Bunkern, Führerhauptquartier, 6. September 1943. 4 ������������������������������������������������������������������������ BArch, NS 15/628, Schreiben Rosenbergs an Bormann, betr.: Kunst im Deutschen Reich, Berlin, 28. Dezember 1944. 5 ������������������������������������������������������������������������ BArch, NS 15/628, Schreiben Bormanns an Rosenberg, betr.: Kunst im Deutschen Reich, Führerhauptquartier, 18. Dezember 1944. 6 Schellenberg, S. 284ff. 7 BArch, NS 19/151, Rundschreiben Bormanns, 54/42, Führerhauptquartier, 12. August 1942. 8 Schreiben Hermann Buchs an Himmler, Hohenlychen, 16. August 1944. 9 BArch, NS 19/2690, Schreiben Bergers an Himmler, Berlin, 9. März 1943. 330  Anhang

10 BArch, NS 19/2185, Schreiben Bergers an Himmler, betr.: Zusammenarbeit Reichsjugendführung/Partei-Kanzlei, Berlin, 23. April 1943. 11 BArch, NS 19/151, Schreiben Bormanns an Himmler, betr.: Inanspruchnahme der Heimschule Schweiklberg (Gau Bayreuth) als Ausweichunterkunft, Führerhauptquartier, 30. Oktober 1943. 12 BArch, NS 19/1831, Schreiben Bormanns an Himmler, Führerhauptquartier, 24. Februar 1943. 13 BArch, NS 19/2678, Schreiben Himmlers an Bormann, Feld-Kommandostelle, 14. Januar 1943. 14 Ebenda. 15 BArch, NS 10/55, Schreiben Bormanns an Brückner, Berlin, 10. Dezember 1937. 16 BArch, NS 10/55, Schreiben Rattenhubers an Bormann, Berlin, 13. Dezember 1937. 17 BArch, NS 19/650, Schreiben Bormanns an Himmler, betr.: Begleitkommando, Führerhauptquartier, 17. November 1944. 18 BArch, NS 19/650, Schreiben der Verwaltung Obersalzberg, Reichsleiter Martin Bormann, an SS-Obergruppenführer Julius Schaub, Führerhauptquartier, 17. November 1944. 19 BArch, NS 19/650, Schreiben Himmlers an Bormann, betr.: Begleitkommando, Feld-Kommandostelle, 25. November 1944. 20 BArch, NS 19/98, Schreiben Bormanns an Himmler, betr.: Postschutz, 26. März 1943. 21 BArch, NS 19/98, Schreiben Bergers an Brandt, betr.: Postschutz, Berlin, 7. April 1943. 22 BArch, NS 19/98, Schreiben Berger an Brandt, Betr.: Postschutz, Berlin, 29. April 1943. 23 BArch, NS 19/98, Schreiben Ohnesorges an Bormann, Berlin, 6. Mai 1943. 24 BArch, NS 19/2396, Schreiben Contis an Bormann, Berlin, 3. Juli 1942. 25 BArch, R 18/3810, Schreiben Contis an Bormann, Verbindungsstelle Berlin, 31. Mai 1943. 26 BArch, R 18/3810, Schreiben Contis an Bormann, Verbindungsstelle Berlin, 31. Mai 1943. 27 BArch, R 18/3810, Entwurf eines Hitler-Erlasses, München, 28. Mai 1943. 28 BArch, R 18/3810, FS Contis an Bormann, Verbindungsstelle Berlin, 25. August 1943. 29 BArch, R 18/3810, Schreiben Bormanns an Conti, Führerhauptquartier, 6. August 1943. 30 Harvard Law School Library Item No. 1264, Schreiben der Kanzlei des Führers der NSDAP an Himmler, Berlin, 29. April 1944. Anmerkungen zu »Die braune Eminenz«  331

31 BArch, R 18/3811, Vermerk Contis, Beim Führer am 12. Mai 1943, Berlin, 12. Mai 1943. 32 H.R. Trevor-Roper (Hg.):The Bormann Letters. The private Correspondence between Martin Bormann and his Wife from January 1943 to April 1945. London 1954, Schreiben Bormanns an seine Frau, S.  78ff., Führerhauptquartier, 14. August 1944.

Der Kirchenkampf 1 Rede Himmlers vor SS-Gruppenführern am 18. Februar 1937, dokumentiert in: F. Bradley Smith u. a. (Hg.):Heinrich Himmler. Geheimreden 1933 bis 1945 und andere Ansprachen. Frankfurt a. M. 1974, S. 102. 2 Rede Himmlers vor unbekannter Zuhörerschaft, 1937, dokumentiert in: ebenda, S. 60. 3 Henry Picker (Hg.): Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier, a.a.O. vom 27. Februar 1942, a.a. O., S. 57ff. 4 »Tag der Erneuerung« mit Gottesdiensten und einem Festakt in Potsdam. 5 Henry Picker (Hg.): Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier, a.a.O., 9. April 1942, S. 296f. 6 BArch, NS 6/819, Hitler, Privatgespräche mit Bormann, Wolfsschanze, 19. Januar 1942. 7 BArch, NS 15/456, Vermerk Kirchenministerium, Berlin, 2. November 1938. 8 Siehe David Irving: Göring, a.a.O., S. 338f. 9 Siehe David Irving: Göring, a.a.O., S. 339. 10 BArch, NS 6/216, Anordnung von Heß, München, 17. Oktober 1933. 11 BArch, NS 6/216, Stellvertreter des Führers, Anordnung zur Bildung einer Abteilung für kulturellen Frieden, München, 21. Februar 1934. 12 Albert Zoller: Hitler privat, a.a.O., S. 191f. 13 Der Nürnberger Prozess, Verhandlung vom 11. April 1946, Bd. 12, S. 320. 14 Der Nürnberger Prozess, Verhandlung vom 17. Juni 1946, Bd. 16, S. 313. 15 Henry Picker (Hg.): Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier, a.a.O., S. 181, Gespräch vom 11. Mai 1942. 16 Albert Speer: Erinnerungen, a.a.O., S. 137. 17 Black, Peter: Ernst Kaltenbrunner. Vasall Himmlers. Eine SS-Karriere. Paderborn 1991, S. 164. 18 Der Nürnberger Prozess, Verhandlung vom 24. Mai 1946, Bd. 14, S. 534. 19 ����������������������������������������������������������������������� BArch, NS 10/56, Schreiben Bormanns an Obergruppenführer Brückner, München, 12. November 1937.

332  Anhang

20 BArch, NS 6/222, Anordnung Bormanns, Nr. 2/36, betr.: Kirchliche Fragen, München, 7. Januar 1936. 21 BArch, R 22/1862, Schreiben Bormanns an den Reichsminister der Justiz, betr.: Gebühren bei Kirchenaustrittserklärungen, München, 4. September 1936. 22 BArch, R 22/1903, Schreiben Bormanns an den Reichsminister für kirchliche Angelegenheiten, betr.: Vereinheitlichung des Kirchenaustrittsrechts, München, 4. Juli 1941. 23 ����������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/334, Schreiben Bormanns an alle Gauleiter, betr.: Erörterung konfessioneller Fragen. Kirchenaustritte von Partei- und Volksgenossen, München, 15. März 1941. 24 BArch, NS 15/456, Anordnung Bormanns Nr. 104/38, München, 27. Juli 1938. 25 ������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/334, Rundschreiben Bormanns Nr. 58/41, betr.: Vollstreckungsmaßnahmen von Kirchensteuern gegen Politische Leiter, München, 15. Mai 1941. 26 BArch, NS 6/334, Rundschreiben Bormanns Nr. 79/41, betr.: Statistik über kirchliche Verhältnisse in den Reichsgauen Wien, Niederdonau, Oberdonau, Salzburg, Tirol-Vorarlberg, Steiermark und Kärnten, München, 25. Juni 1941. 27 BArch, NS 8/251, Rundschreiben Bormanns Nr. 31/39, München, 2. Februar 1939. 28 BArch, NS 8/251, Rundschreiben Bormanns Nr. 31/39, München, 2. Februar 1939. 29 ��������������������������������������������������������������������� BArch, NS 8/185, Schreiben Bormanns an das Oberkommando der Kriegsmarine, betr.: Kirchendienst, München, 5. April 1940. 30 Joseph Goebbels: Tagebücher 1924–1945, a.a.O., Bd. 4, 1940–1942, S. 1401. 31 BArch, R 2/25006, Schreiben Bormanns an Lammers, München, 16. Mai 1938. 32 BArch, NS 6/338, Rundschreiben Bormanns Nr. 143/42, betr.: Gebrauch des Begriffs »religiöses Schrifttum« durch Wehrmachtsdienststellen, Führerhauptquartier, 18. September 1942. 33 ����������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/344, Rundschreiben Bormanns Nr. 65/41, betr.: Nationalsozialistische Feiern, Führerhauptquartier, 29. Mai 1941. 34 BArch, NS 6/335, Rundschreiben Bormanns Nr. 95/41, betr.: Betätigung in Organisationen Gottgläubiger, Führerhauptquartier, 8. August 1941. 35 ������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/335, Rundschreiben Bormanns Nr. 99/41, betr.: Bevölkerungsanteil der Gottgläubigen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung im Jahr 1939, Führerhauptquartier, 15. August 1941. 36 BArch, R 21/203, Schreiben Bormanns an den Reichs- und Preuß. Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, betr.: Geistliche als Religionslehrer, München, 28. Februar 1937. 37 BArch, R 43 II/170, Schreiben Bormanns an Frick, betr.: Benutzung von Schulen für kirchliche Zwecke, 31. August 1940. Anmerkungen zu »Der Kirchenkampf«  333

38 BArch, NS 8/182, Anordnung 24/37 des Stellvertreters des Führers vom 9.2.37, zitiert in Anordnung 34/39 vom 10. Mai 1939, München, 10. Mai 1939. 39 BArch, R 21/460, Schreiben Bormanns an den Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, betr.: Theologische Fakultäten, München, 24. Januar 1939. 40 ���������������������������������������������������������������������� BArch, NS 21/460, Schreiben Bormanns an den Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, betr.: Theologische Fakultäten (hier Evangelische Fakultät Rostock), München, 7. März 1939. 41 ���������������������������������������������������������������������� BArch, NS 21/460, Schreiben Bormanns an den Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, betr.: Theologische Fakultäten, München, 23. Juni 1939. 42 Michael H. Kater: Das »Ahnenerbe« der SS 1935–1945. Ein Beitrag zur Kulturpolitik des Dritten Reiches. München 1974, S. 77f. 43 Helmut Heiber (Hg.): Reichsführer! Briefe an und von Himmler. Stuttgart 1968, S. 164, Schreiben Himmlers an Bormann, 25. Oktober 1942. 44 I. Reichsverordnung des Reichsarbeits- sowie des Reichskirchenministers und des Stellvertreters des Führers zur Verhinderung des Klosternachwuchses vom 21.Oktober 1940, zitiert in: Johannes Neuhäusler: Saat des Bösen. Kirchenkampf im Dritten Reich. München 1964, S. 146f. 45 Ausführungsbestimmungen Va 5550/218 des Reichsarbeitsministers, Berlin, 25. September 1940, zitiert in: Johannes Neuhäusler: Saat des Bösen, a.a.O., S. 147f. 46 BArch, NS 6/334, Schreiben Bormanns an alle Gauleiter, betr.: Maßnahmen mit Auswirkungen auf konfessionellem Gebiet, München, 15. März 1941. 47 BArch, NS 6/332, Schreiben Bormanns an alle Gauleiter, betr.: Benutzung von Kraftfahrzeugen durch Geistliche, München, 25. Dezember 1940. 48 BArch, NS 6/336, Rundschreiben Bormanns Nr. 5g, betr.: Beschlagnahmung von Kirchengütern (Klosterbesitz u.drgl.), München, 20. März 1941. 49 ���������������������������������������������������������������������������� Stillhaltekommissare waren berechtigt, Vereine Verbände und andere Organisationen aufzulösen bzw. für ihre ideologische Gleichschaltung zu sorgen. 50 Schreiben des Stillhaltekommissars für das Organisationswesen im Elsass an den Reichsschatzmeister der NSDAP, betr.: Aktion des Stillhaltekommissars gegen Klöster und Kongregationen im Elsass, hier: Mitarbeit der Gaurevisionen, Straßburg, 2. Juli 1943, wiedergegeben in: Johannes Neuhäusler: Saat des Bösen, a.a.O., S. 157f. 51 Schreiben des Stillhaltekommissars für das Organisationswesen im Elsass an den Reichsschatzmeister der NSDAP, Betr.: Aktion des Stillhaltekommissars gegen Klöster und Kongregationen im Elsass, hier: Mitarbeit der Gaurevisionen, Straßburg, 2. Juli 1943, wiedergegeben in: Johannes Neuhäusler: Saat des Bösen, a.a.O., S. 157f. 334  Anhang

52 BArch, R 43 II/1212, Vermerk, betr.: Beschlagnahme kircheneigener Gebäude, Berlin, 30. August 1941. 53 Tote Hand (lateinisch manus mortua) ist die rechtliche Bezeichnung für den Besitz meist unbeweglicher Wirtschaftsgüter durch Korporationen wie die Kirche oder Stiftungen, die aufgrund des ursprünglichen Stifterwillens nicht wieder veräußert werden dürfen oder sollen. 54 �������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/334, Rundschreiben Bormanns an alle Gauleiter, betr.: Grunderwerb der Toten Hand, München, 13. Februar 1941. 55 ��������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/334, Der Reichsarbeitsdienstführer, Richtlinien für die Behandlung von Theologen im Reichsarbeitsdienst, Berlin, 7. März 1941, Anlage zum Rundschreiben Bormanns vom 10. April 1941. 56 ��������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/334, Rundschreiben Bormanns, betr.: Richtlinien für die Behandlung von Theologen im Reichsarbeitsdienst, München, 10. April 1941. 57 ��������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/334, Der Reichsarbeitsdienstführer, Richtlinien für die Behandlung von Theologen im Reichsarbeitsdienst, Berlin, 7. März 1941, a.a.O. 58 BArch, NS 6/334, Rundschreiben Bormanns, betr.: Berufung von Geistlichen als Schulbeiräte, München, 15. April 1941. 59 BArch, NS 6/334, Rundschreiben Bormanns Nr. 71/41, betr.: Unterbringung ehemaliger Kirchenbeamter und Geistlicher in geeignete Arbeitsstellen, München, 3. Juni 1941. 60 BArch, NS 6/334, Rundschreiben Bormanns, betr.: Anordnung des Führers zur Schaffung der nötigen Schulinternate, Führerhauptquartier, 22. Februar 1941. 61 BArch, NS 6/335, Rundschreiben Bormanns Nr. 156/41, betr.: Überführung ehemaliger Geistlicher und Ordensangehöriger in den Handwerkerberuf, Führerhauptquartier, 13. Dezember 1941. 62 BArch, R 42 II/447, Schreiben Bormanns an Lammers, betr.: Verfahren gegen Beamte aufgrund des § 71 DGB, München, 5. Dezember 1940. 63 ������������������������������������������������������������������������������ BArch, NS 6/332, Schreiben Bormanns, betr.: Seit Kriegsbeginn bestrafte Geistliche und Ordensangehörige, München, 3. Oktober 1940. 64 ������������������������������������������������������������������������ BArch, NS 6/332, Rundschreiben Bormanns, betr.: Papierzuteilung, Führerhauptquartier, 6. Juni 1940. 65 BArch, NS 15/421, Stellungnahme zu den die Deutsche Evangelische Kirche betreffenden Plänen des Reichsministers für kirchliche Angelegenheiten, Berlin, 3. November 1938. 66 BArch, R 43 II/170, Schreiben Bormanns an Lammers, Berlin, 1. November 1940. 67 BArch, NS 6/334, Schreiben Bormanns, betr.: Zuständigkeit in kirchlichen Angelegenheiten, München, 25. Februar 1941. 68 BArch, NS 15/421, Aktennotiz, 23. November 1938.

Anmerkungen zu »Der Kirchenkampf«  335

69 ���������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 7/339, Schreiben von Lammers, betr.: Bearbeitung politisch-konfessioneller Angelegenheiten in den nicht zum Altreich gehörigen Teilen der deutschen Machtsphäre, Berlin, 25. September 1941, Anlage zum Rundschreiben Bormanns Nr. 54/42g, Führerhauptquartier, 17. November 1942. 70 ������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 19/2690, Aktenvermerk Bormanns für Pg. Friedrichs, Führerhauptquartier, 16. Februar 1943. 71 BArch, NS 6/334, Rundschreiben Bormanns, Nr. 68/41, betr.: Konfessionelle Kindergärten, Führerhauptquartier, 11. Mai 1941. 72 BArch, NS 6/334, Rundschreiben Bormanns Nr. 57/41, betr.: Verwendung von Kirchengebäuden, die im staatlichen Besitz stehen, München, 11. Mai 1941. 73 Joseph Goebbels: Tagebücher 1924–1945, a.a.O., Teil I, Bd. 4, 1940–1942, S. 653, Eintrag vom 22. Mai 1941. 74 Henry Picker (Hg.): Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier, a.a.O., S. 109. 75 BArch, NS 6/344, Rundschreiben Bormanns Nr. 56/41, Führerhauptquartier, 14. Mai 1941. 76 ��������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/335, Rundschreiben Bormanns Nr. 92/41, betr.: Kürzung der freiwilligen Staatszuschüsse an die evangelische Kirche, Führerhauptquartier, 5. Juli 1941. 77 BArch, NS 6/335, Rundschreiben Bormanns Nr. 124/41, betr.: Gewährung von Kinderbeihilfen an Geistliche, Führerhauptquartier, 10. Oktober 1941. 78 BArch, NS 18/348, Vermerk Jankas, Partei-Kanzlei, München, Dezember 1942. 79 BArch, NS 18/253, Vorlage für Reichsleiter Bormann, betr.: Augenblickliche Propaganda und die Kirchenfrage, Berlin, 4. Mai 1941. 80 LA Berlin, B Rep 031—02-01, Nr. 12559/1, Schreiben Bormanns an Himmler, Führerhauptquartier, 21. Oktober 1943. 81 Helmut Heiber: Reichsführer! Briefe an und von Himmler, a. a. O., S. 109ff, Schreiben Himmlers an Bormann, 5. März 1943. 82 Joseph Goebbels: Tagebücher 1924–1945, a.a.O., Teil I, Bd. 4, 1940–1942, S. 1702f., Eintrag vom 10. November 1941. 83 Wiedergegeben in: Johannes Neuhäusler: Kreuz und Hakenkreuz. Der Kampf des Nationalsozialismus gegen die katholische Kirche und der kirchliche Widerstand. München 1946, S. 358ff. 84 ��������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/166, Aktenvermerk Bormanns für Pg. Friedrichs, betr.: Christentum, Führerhauptquartier, 26. Januar 1943. 85 Zitiert in: Hans-Günther Seraphim (Hg.): Das politische Tagebuch Alfred Rosenbergs 1934/35 und 1939/40. München, S. 203ff. 86 ������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/334, Rundschreiben Bormanns Nr. 69/41, betr.: Vorläufige Neureglung des Friedhofrechts, München, 22. Mai 1941. 87 BArch, NS 18/149, Rundschreiben Bormanns Nr. 82/1941, betr.: Läuten der Kirchenglocken bei der Beerdigung Gottgläubiger, München, 1. Juli 1941. 336  Anhang

88 ������������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 15/456, Partei-Kanzlei, Vertrauliche Information, betr.: Feuerbestattung, München, 28. Februar 1942. 89 BArch, NS 6/355, Rundschreiben Bormanns Nr. 143/41, betr.: Abnahme der Glocken für kriegswichtige Aufgaben, Führerhauptquartier, 9. November 1941. 90 �������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 18/731, Vorschläge der Reichspropagandaleitung für Gefallenengedenkfeiern der NSDAP, Berlin, 19. August 1941. 91 ����������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/334, Rundschreiben Bormanns Nr. 53/41, betr.: Freistellung Geistlicher vom Wehrdienst, Berlin, 7. Mai 1941. Konfessionelle Kindergärten, Führerhauptquartier, 11. Mai 1941. 92 BArch, NS 6/336, Rundschreiben Bormanns Nr. 11/41, betr.: Entlassung der Jesuiten aus der Wehrmacht, Führerhauptquartier, 12. Juli 1941. 93 BArch, NS 21/2261, Schreiben Bormanns an Rosenberg, Berlin, 17. Januar 1940. 94 BArch, NS 6/334, Schreiben der Reichspressekammer, Berlin, 15. Januar 1941. 95 BArch, NS 6/334, OKW, Betr.: Anordnung zur Wehrmachtsseelsorge vom 19. März 1941, Anlage zum Rundschreiben Bormanns an alle Reichsleiter, Gauleiter, Verbändeführer, Berlin, 4. April 1941. 96 BArch, NS 15/628, Schreiben der Partei-Kanzlei an Rosenberg, betr.: Audienz deutscher Soldaten beim Papst, Führerhauptquartier, 28. Dezember 1941. 97 BArch, NS 6/168, Schreiben Leys an Bormann, Berlin, 30. Oktober 1944. 98 BArch, NS 6/168, Rundschreiben Bormanns Nr. 374/44, betr.: Heranziehung von Geistlichen zum Deutschen Volkssturm, Führerhauptquartier, 2. November 1944. 99 ���������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/168, Vermerk Bormanns, betr.: Volkssturm, Einstellung von Geistlichen, Führerhauptquartier, 1. November 1944. 100 BArch, NS 6/99, Rundschreiben Bormanns Nr. 13/45, betr.: Befreiung von Organisten, Küstern und sonstigen Kirchenbediensteten vom Deutschen Volkssturm, Führerhauptquartier, 28. Januar 1945. 101 BArch, NS 15/628, Schreiben Rosenbergs an Bormann, betr.: Arbeitseinsatz von Geistlichen, Ordensangehörigen oder sonstigen Hauptamtlichen Kirchenbediensteten, Berlin, 23. Oktober 1944. 102 BArch, NS 15/628, Schreiben Bormanns an Rosenberg, Führerhauptquartier, 27. Oktober 1944. 103 ��������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 18/252, Notiz von Tießler für Hunke, betr.: Deutsche Auslandspropaganda in kirchlichen Angelegenheiten, Berlin, 27. Juli 1942. 104 BArch, N 15/456, Rundschreiben Bormanns Nr. 34/42, betr.: Veröffentlichung von Hirtenbriefen in den kirchlichen Diözesanblättern, Führerhauptquartier, 3. Juli 1942. 105 ������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/344, Rundschreiben Bormanns Nr.22/43, betr.: Behandlung politisch-konfessioneller Angelegenheiten, Führerhauptquartier, 26. April 1943. Anmerkungen zu »Der Kirchenkampf«  337

106 ������������������������������������������������������������������������������ Schreiben der Partei-Kanzlei, Min. Dir. Friedrich, an das Reichsjustizministerium, betr.: Strafsache gegen Dr. Rudolf Kriß, Berchtesgaden, wegen Wehrkraftzersetzung und Feindbegünstigung, München, 1. Juli 1944. 107 BArch, NS 6/169, Schreiben Bormanns an das OKW, NS-Führungsstab, 17. März 1945. 108 BArch, NS 15/628, Schreiben Bormanns an Rosenberg, betr.: Zuständigkeit zur Bearbeitung politisch-konfessioneller Angelegenheiten, Führerhauptquartier, 3. Mai 1944. 109 Der Nürnberger Prozess, Verhandlung vom 23. Mai 1946, Bd. 14., S 448f. 110 BArch, NS 6/335, Rundschreiben Bormanns Nr. 94/41, betr.: Kirchendienste für polnische Zivilarbeiter im Reich, Führerhauptquartier, 7. August 1941. 111 BArch, NS 6/351, Rundschreiben Bormanns Nr. 185/44, betr.: Konfessionelle Versorgung der im Reich eingesetzten Ostarbeiter, Führerhauptquartier, 30. Juli 1944. 112 BArch, NS 6/351, Rundschreiben Bormanns Nr. 14/43, betr.: Tätigkeit der kriegsgefangenen Priester, Führerhauptquartier, 17. Februar 1943. 113 Siehe auch: Volker Koop: Hitlers Muslime. Die Geschichte einer unheiligen Allianz. Berlin 2012. 114 BArch, NS 6/342, Rundschreiben Bormann, Nr. 124/43, Betr.: Zugehörigkeit von Parteigenossen zum Islam, Führerhauptquartier, 2. September 1943. 115 BArch, NS 15//456, Rundschreiben Bormanns Nr. 2/1939, München, 15. Dezember 1938.

Familie und Moral 1

Joseph Goebbels, im März 1933 in der Eröffnungsansprache der Ausstellung »Die Frau, Frauenleben und -wirken in der Familie, Haus und Beruf« in Berlin; zitiert in: Annette Kuhn (Hg.): Die Chronik der Frauen. Dortmund 1992, S. 477. 2 BArch, NS 6/84, Entwurf einer Anordnung Bormanns, betr.: Nationalsozialistische Familienabende, Führerhauptquartier, 6. Februar 1944. 3 Ebenda. 4 BArch, NS 8/190, Schreiben Bormanns an Rosenberg, betr.: Einführung »Nationalsozialistischer Familienabende«, Führerhauptquartier, 14. Februar 1944. 5 BArch, NS 8/190, Schreiben Bormanns an Rosenberg, betr.: Einführung »Nationalsozialistischer Familienabende«, Führerhauptquartier, 5. April 1944. 6 BArch, NS 19/3289, Vermerk, betr.: Sicherung der Zukunft des deutschen Volkes, Führerhauptquartier, 29. Januar 1944. 7 Ebenda. 8 Ebenda. 338  Anhang

9 BArch, NS 15/628, Schreiben Bormanns an Rosenberg, betr.: Ledige Mütter und deren Kinder, Führerhauptquartier, 3. Juni 1944. 10 H. R. Trevor-Roper (Hg.): The Bormann Letters, a.a.O., S. 168f., Schreiben von Martin an Gerda Bormann, Führerhauptquartier, 4. Februar 1945. 11 Ebenda. 12 Ebenda, S. 169ff., weiterer Brief vom 4. Februar 1945 13 Ebenda, S. 173f., Brief vom 5. Februar 1945. 14 Josef Geiss: Obersalzberg. Die Geschichte eines Berges. Von Judith Platter bis heute. Berchtesgaden/München 1952, S. 38f. 15 Ian Kershaw: Das Ende. Kampf bis zum Untergang. NS-Deutschland 1944/45. München 32011, S. 44. 16 H. R. Trevor-Roper (Hg.): The Bormann Letters, a.a.O., S. 42f., Brief von Gerda Bormann an Martin Bormann, Obersalzberg, 24. Januar 1944. 17 Ebenda, S. 45, Brief von Gerda Bormann an Martin Bormann, Obersalzberg, 27. Januar 1944. 18 Ebenda, S. 47f., Brief von Gerda Bormann an Martin Bormann, Obersalzberg, 2. Februar 1944. 19 Ebenda, S. 48f., Brief von Martin Bormann an Gerda Bormann, 5. Februar 1944. 20 Ebenda, S. 54f., Brief von Martin Bormann an Gerda Bormann, 21. Februar 1944. 21 Ebenda, S. 80, Brief von Martin Bormann an Gerda Bormann, Obersalzberg, 18. August 1944. 22 Ebenda, S. 110, Brief von Gerda Bormann an Martin Bormann, Obersalzberg, 12. September 1944. 23 Ebenda, S. 54f., Brief von Martin Bormann an Gerda Bormann, Obersalzberg, 25. September 1944. 24 Heinz Höhne: »Der Orden unter dem Totenkopf«, zitiert nach: Der Spiegel 4/1967, 16. Januar 1967, S. 54ff. 25 H. R. Trevor-Roper (Hg.): The Bormann Letters, a.a.O., S. 126, Brief von Gerda Bormann an Martin Bormann, Obersalzberg, 29. September 1944. 26 Hervorhebungen im Original. 27 BArch, NS 19/3289, Vermerk Bormanns, Führerhauptquartier, 10. März 1944. 28 BArch, R 42 II/ 723, Schreiben Bormanns an Lammers, Führerhauptquartier, 12. Februar 1944. 29 BArch, NS 6/346, Rundschreiben Bormanns Nr. 83/44, betr.: Veranstaltungen für Urlauber: Förderung von Eheschließungen, Führerhauptquartier, 16. April 1944. 30 BArch, R 42 II/1525a, Schreiben Bormanns an Frick, betr.: Ehen mit erheblichem Altersunterschied, Führerhauptquartier, 17. August 1943.

Anmerkungen zu »Familie und Moral«  339

31 BArch, R 42 II/1525a, Schreiben Klopfers an Frick, betr.: Verhinderung von Ehen, die voraussichtlich unfruchtbar sein werden und erleichterte Scheidung kinderloser Ehen, Führerhauptquartier, 7. Oktober 1944. 32 BArch, NS 6/342, Rundschreiben Bormanns Nr. 99/453, betr.: Tragen langer Hosen durch Frauen in der Öffentlichkeit, Führerhauptquartier, 5. Juli 1943.

Der Rassenwahn 1 BArch, NS 22/733, Mitteilung der Obersten Leitung der Parteiorganisation der NSDAP an alle Gauleitungen, München, 22. Juli 1933. 2 BArch, R 22/84, Schreiben vom Stellvertreter des Führers, Stab, München, 25. August 1934. 3 �������������������������������������������������������������������������� BArch, R 22/2863, Schreiben Bormanns an Lammers, betr.: Einführung bürgerlich-rechtlicher Vorschriften in den eingegliederten Ostgebieten, München, 21. August 1940. 4 BArch, R 22/2863, Schreiben Bormanns an Lammers, betr.: Einführung des Deutschen Bürgerlichen Rechts in den eingegliederten Ostgebieten, München, 2. September 1940. 5 BArch, R 22/20707, Reichsverfügungsblatt, Ausgabe A, Anordnung 332/44, betr.: Einflussnahme von Parteidienststellen auf die Rechtsprechung, München, 19. Oktober 1944. 6 BArch, NS 6/332, Rundschreiben Bormanns, Berlin, 24. Juli 1940. 7 BArch R 22/849, Schreiben Bormanns an den Reichsminister der Justiz, betr.: Unzureichende Bestrafung von Polen, München, 13. Juli 1941. 8 Ebenda. 9 Ebenda. 10 BArch, NS 6/332, Rundschreiben Bormanns, München, 8. Januar 1940. 11 ������������������������������������������������������������������������ BArch, NS 19/2303, Schreiben Bormanns an Reichsleiter Rosenberg, Führerhauptquartier, 23. Juli 1942. 12 ������������������������������������������������������������������������������� StAMü, SpKa Karton 1030, zitiert in der Klageschrift des Generalklägers im Kassationsverfahren gegen Max Sollmann, München, 19. Oktober 1948. 13 �������������������������������������������������������������������������������� BArch, R 41/158, Schreiben vom Stellvertreter des Führers, Stab, Leiter des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP, an den Reichsarbeitsminister, Berlin, 21. Dezember 1939. 14 Ebenda. 15 BArch, R 2/31, Schreiben Bormanns an den Reichsprotektor für Böhmen und Mähren [Konstantin von Neurath], betr.: Einführung von Ehestandsdarlehen und Kinderbeihilfen im Protektorat Böhmen und Mähren, München, 20. Juni 1940. 340  Anhang

16 Henry Picker (Hg.): Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier 1941–1942, a.a.O., S. 649f. 17 Wiedergegeben in: Hans-Adolf Jacobsen: 1939–1945. Der Zweite Weltkrieg in Chronik und Dokumenten. Darmstadt 1961. Dok. 3, S. 255ff. 18 Internationaler Militärgerichtshof (Hg.), Nürnberger Urteil, a.a.O., S. 168ff. 19 Ebenda. 20 BArch, NS 6/335, Rundschreiben Bormanns Nr. 120/41, Führerhauptquartier, 13. Oktober 1941. 21 BArch, NS 6/334, Rundschreiben Bormanns, betr.: Errichtung von Bordellen für fremdvölkische Arbeiter, München, 27. Januar 1941. 22 Ebenda. 23 BArch, NS 6/334, Rundschreiben Bormanns, betr.: Finanzierung der Bordelle für fremdvölkische Arbeiter, München, 16. April 1941. 24 BArch, NS 6/355, Rundschreiben Bormanns Nr. 126/41, betr.: Bordell für fremdvölkische Arbeitskräfte, Führerhauptquartier, 15. Oktober 1941. 25 Ebenda. 26 �������������������������������������������������������������������������� BArch, R 42 II/1544, Schreiben Bormanns an Lammers, betr.: Verhalten deutscher Frauen gegenüber Kriegsgefangenen und fremdländischen Zivilarbeitern, München, 7. November 1942. 27 �������������������������������������������������������������������������������� BArch, R 22/465, Schreiben vom Stellvertreter des Führers, Stab, Leiter des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP, an das Auswärtige Amt, betr.: Mischehen zwischen Deutschen und Japanern, Berlin, 2. Mai 1939. 28 Ebenda. 29 BArch, R 55/21347, Richtlinien vom 11. August 1944, Anlage zum Schreiben von Koch an Bormann, Königsberg, 23. September 1944. 30 BArch, R 55/21347, Richtlinien vom 11. August 1944, Anlage zum Schreiben von Koch an Bormann, Königsberg, 23. September 1944. 31 Ebenda. 32 Albert Speer: Der Sklavenstaat. Meine Auseinandersetzungen mit der SS. Stuttgart 1981, S. 20f. 33 Ebenda, S. 32. 34 BArch, NS 6/334, Rundschreiben Bormanns, Obersalzberg, 3. Januar 1941. 35 ������������������������������������������������������������������������� PA AA Inland II A/B, 42/2, Schreiben Bormanns an das Auswärtige Amt, München, 12. Februar 1936. 36 BArch, NS 6/220, Rundschreiben Bormanns Nr. 164/35, betr.: Judenfrage, München, 9. August 1935. 37 BArch, NS 6/227, Anordnung Bormanns Nr. 134/37, München, 23. Oktober 1937. 38 Schaukästen, in denen das antijüdische Hetzblatt Der Stürmer zu lesen war.

Anmerkungen zu »Der Rassenwahn«  341

39 BArch, NS 6/227, Rundschreiben von Heß, Nr. 170737, betr.: Jüdische Kurgäste in Bädern und Kurorten, München, 7. November 1937. 40 BArch, R 2/31 097, Vermerk vom Stellvertreter des Führers, Stab, betr.: Gesetz zum Ausgleich von Schäden, die dem Deutschen Reich durch Juden erwachsen sind, München, 2. März 1938. 41 Der Nürnberger Prozess, Verhandlung vom 8. Januar 1946, Bd. 22, S. 614f. 42 ��������������������������������������������������������������������������� PA AA, Inland II A/B, 42/2, Anordnung Bormanns Nr. 3239, betr.: Arbeitseinsatz der Juden, München, 4. Februar 1939. 43 BArch, Ns 6/335, Rundschreiben Bormanns Nr. 109/41, betr.: Kennzeichnung der Juden, Führerhauptquartier, 9. September 1941. 44 Ebenda. 45 BArch, R 22/4433, Schreiben Bormanns an Reichsminister der Justiz, betr.: Judenmischlinge und jüdisch Versippte im Staatsdienst, Führerhauptquartier, 10. Oktober 1941. 46 Henry Picker(Hg.): Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier 1941–1942, a.a.O., S. 572. 47 Der Nürnberger Prozess, Verhandlung vom 16. Januar 1946, Bd. 5, S 343. 48 BArch, NS 19/1969, Schreiben Bormanns an Goebbels, betr.: Behandlung von Tschechen, Führerhauptquartier, 8. Juni 1942. 49 BArch, NS 6/342, Rundschreiben Bormanns Nr. 117/43, betr.: Bewertung der Erbanlagen von jüdischen Mischlingen 2. Grades bei ihrer politischen Beurteilung durch die Partei, Führerhauptquartier, 22. August 1943. 50 ��������������������������������������������������������������������������� BArch, R 43 II/940 b, Schreiben Bormanns an Lammers, betr.: Zulassung jüdischer Mischlinge zum Hochschulstudium, Führerhauptquartier, 31. Januar 1942. 51 BArch, R 2/31098, Rundschreiben Bormanns Nr. 238/39, betr.: Auswirkungen der Nürnberger Gesetze auf Sportvereine, München, 28. Dezember 1939. 52 Helmut Heiber (Hg.): Reichsführer! Briefe an und von Himmler, a.a.O., S. 213, Schreiben Himmlers an Bormann, 22. Mai 1943. 53 ��������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/338, Rundschreiben Bormanns Nr. 91/42, betr.: Beurteilung jüdischer Mischlinge durch die Partei, Führerhauptquartier, 3. Juli 1942. 54 ������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 18/482, Vermerk RMfPV, betr.: Heranziehung der jüdischen Mischlinge und jüdisch Versippten zur Dienstleistung im Kriege, Berlin, 10. Februar 1943. 55 LA Berlin, B Rep 058, Nr. 5398, Rundschreiben Bormanns Nr. 33/43, betr.: Behandlung der Judenfrage, Führerhauptquartier, 11. Juli 1943. 56 LA Berlin, B Rep 058, Nr. 5398,Schreiben Bormanns an die Gauleiter, Berlin, 7. März1942. 57 LA Berlin, B Rep 058, Nr. 5398, Vermerk des AA für den RAM zur Vorlage bei Bormann, Berlin, 5. März 1943. 58 Ebenda. 342  Anhang

59 Ebenda. 60 BArch, NS 6/133,Niederschrift , betr.: Führer-Gespräch, Führerhauptquartier, 30. November 1944. 61 BArch, NS 15/628, Schreiben Rosenbergs an Bormann, Berlin, 7. Juni 1944. 62 BArch, NS 15/628, Schreiben Bormanns an Rosenberg, Führerhauptquartier, 12. Juni 1944. 63 BArch, NS 15/628, Schreiben Rosenbergs an Bormann, 21. April 1944. 64 BArch, NS 6/338, Rundschreiben Bormanns Nr. 109/42, betr.: Rassenpolitische Ämter, Führerhauptquartier, 24. Juli 1942. 65 BArch, NS 6/349, Rundschreiben Bormanns Nr. 476/44, betr.: Arbeitseinsatz von Geistlichen, die jüdische Mischlinge oder jüdisch versippt sind, Führerhauptquartier, 31. Dezember 1944. 66 BArch, NS 19/180, Schreiben Bormanns an Himmler, betr.: Behandlung der Zigeuner im Reich, Führerhauptquartier, 3. Dezember 1942. 67 BArch, NS 21/226, Rundschreiben Bormann, Nr. 55/36, betr.: Arbeitsverhältnis der deutschen Kolonialneger, München, 30. März 1936.

Kultur als Instrument der Politik 1 Die Galerie Theodor Fischer versteigerte im Juni 1939 rund 125 Gemälde und Plastiken bedeutender moderner Künstler wie Picasso, Braque, van Gogh, Klee und Kokoschka. Die Auktion erbrachte einen Erlös von einer halben Million Schweizer Franken. Das Geld wurde auf ein Konto der deutschen Regierung in London eingezahlt. 2 BArch, R 55/21020, Schreiben von Karl Haberstock an Bormann, Berlin, 19. November 1938. 3 BArch, NS 18/291, Vermerk der Reichskulturkammer, Berlin, 1. Oktober 1942. 4 ���������������������������������������������������������������������� BArch, NS 10/54, FS Propagandaministerium an Albert Bormann, Obersalzberg, Berlin, 12. Dezember 1938. 5 BArch, NS 6/334, Rundschreiben Bormanns, Berlin, 3. Februar 1941. 6 BArch, NS 18/283, Schreiben Rosenbergs an Bormann, betr.: Bismarck-Film Die Entlassung, Berlin, 25. September 1942. 7 Ebenda. 8 BArch, NS 18/283, Aktenvermerk Bormanns, betr.: Bismarck-Film Die Entlassung, Führerhauptquartier, 6. Oktober 1942. 9 Ebenda. 10 ���������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 18/349, Vorlage für Reichsleiter Bormann, betr.: Zurverfügungstellung von Negern für den Film Bayer 205, Berlin, 13. August 1941.

Anmerkungen zu »Kultur als Instrument der Politik«  343

11 ���������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 18/349, Vorlage für Reichsleiter Bormann, betr.: Zurverfügungstellung von Negern für den Film Bayer 205, Berlin, 19. August 1941. 12 BArch, NS 18/282, Notiz von Tießler, betr.: Der Deutsche Gruß im Film, Berlin, 19. März 1942. 13 BArch, NS 18/348, Bericht, betr.: Unterhaltungsfilm Ich liebe Dich, München, 11. September 1942. 14 BArch, NS 18/347, Vorlage Tießen für Goebbels, Berlin, 15. Februar 1941. 15 BArch, NS 18/347, Vermerk Reichspropagandaleitung, betr.: Kulturfilm Emden, Berlin, 20. Oktober 1942. 16 ���������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 18/282, Notiz für Pg. Tießler, betr.: Unzweckmäßige Filmvorführungen in luftgefährdeten Gebieten, München, 18. November 1942. 17 BArch, NS 18/362b, Schreiben Naumanns an Bormann, Berlin, 11. Mai 1942. 18 BArch, NS 18/282, Vermerk Tießler für Goebbels, betr.: Film: Der zerbrochene Krug, Berlin, 15. September 1942. 19 BArch, NS 18/348, Vermerk Tießlers, betr.: Film Die Feuerzangenbowle, Berlin, 30. April 1943. 20 BArch, NS 18/348 Vermerk Tießlers, Die Feuerzangenbowle, Berlin, 10. Februar 1942. 21 BArch, NS 18/342, Vermerk Tießlers, betr.: Film: Der große König, Berlin, 2. März 1942. 22 BArch, NS 18/354, FS Bormanns an Tießler, Führerhauptquartier, 30. Januar 1943. 23 ���������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 15/456, Schreiben Goebbels an Bormann, Betr.: Konfessionelle Filmarbeit, Berlin, 31. Mai 1938. 24 ������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 8/193, Bericht über Besprechungen in der Partei-Kanzlei in München am 29. August 1944, Protokoll Berlin, 30. August 1944. 25 BArch, NS 15/628, Schreiben Rosenbergs an Bormann, Berlin. 26 BArch, NS 15/628, Schreiben Rosenbergs an Bormann, betr.: Verfügung über neuen Einsatz freiwerdender Politischer Leiter, Berlin, 13. September 1944. 27 BArch, NS 15/628, Schreiben Friedrichs an Stellrecht, München, 4. Januar 1944. 28 BArch, NS 6/398, Brief vom Büro Bormanns an Ministerpräsident Siebert, betr.: Ausbau des Schlosses Neuschwanstein zur Unterbringung der durch den Führer zu verteilenden Kunstschätze, o.O., 14. April 1942. 29 BArch, NS 6/398, Schreiben von Prof. Rudolf Esterer an Bormann, betr.: Schloss Neuschwanstein, München, 31. Oktober 1942. 30 ������������������������������������������������������������������������ BArch, NS 6/398, Schreiben Luftgaukommando VII an die Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, betr.: Tarnung Schloss Neuschwanstein, München, 31. Juli 1942. 31 BArch, NS 15/628, Schreiben Rosenbergs an Bormann, betr.: Schutz der KunstBergungslager, Berlin, 1. Februar 1944. 344  Anhang

32 BArch, NS 6/757, Schreiben Partei-Kanzlei, Helmut von Hummel, an Gauleiter Eigruber, 4. Januar 1943. 33 Ernst Buchner, Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. 34 BArch, NS 6/757, Vorlage für Bormann, betr.: Versicherung der in Hohenfurth, Kremsmünster und Neuschwanstein aufbewahrten Kunstwerke, München, 28. Dezember 1942. 35 BArch, NS 6/757, Schreiben von Hummel an Eigruber, betr.: Hohenfurth und Kremsmünster, München, 2. November 1942. 36 BArch, NS 6/398, FS Bormanns an Rosenberg, betr.: Schutz der Bergungsorte, Führerhauptquartier, 5. Februar 1942. 37 Die wichtigsten »Bergungsorte« waren: Für die Sammlung Führermuseum Linz: Salzmine Altaussee und Steinberg (Österreich), Hohenfurth, Stift Kremsmünster, Schloss Thürntal (bei Kremsmünster), Schloss Steiersberg (bei WienNeustadt), Schloss Kogl (St. Georgen, Attergau), Grundlsee (Villa Castiglione), St. Agatha (bei Altaussee), Schloss Weesenstein (bei Dresden), Gemäldegalerie Dresden. Für den Einsatzstab Rosenberg (ER): Schlösser Neuschwanstein (Füssen), Kogl, Herrenchiemsee, Seisenegg, Nikolsburg und Kloster Buxheim bei Memmingen. Für die Sammlung Göring: Carinhall, Berchtesgaden, Veldenstein Für die »Ostbücherei«: Ratibor (Polen); (Schloss) Hungen bei Gießen (jüdische Literatur und Kultgegenstände aus der Sowjetunion).

Der 20. Juli – Bormanns Chance zur Abrechnung 1 Filippo Anfuso: Die beiden Gefreiten: Ihr Spiel um Deutschland und Italien. München 1952, S. 325f. 2 BArch, NS 6/1, FS Bormanns Nr. 1 an alle Gauleiter, Führerhauptquartier, 20. Juli 1944. 3 BArch, NS 6/1, FS Bormanns Nr. 2 an alle Gauleiter, Führerhauptquartier, 20. Juli 1944. 4 BArch, NS 6/1, FS Bormanns Nr. 3 an alle Gauleiter, Führerhauptquartier, 20. Juli 1944. 5 BArch, NS 6/1, FS Bormanns Nr. 4 an alle Gauleiter, Führerhauptquartier, 20. Juli 1944. 6 BArch, NS 6/1, FS Bormanns Nr. 5 an alle Gauleiter, Führerhauptquartier, 20. Juli 1944. 7 BArch, NS 6/1, FS Bormanns an alle Gauleiter, Führerhauptquartier, 21. Juli 1944.

Anmerkungen zu »Der 20. Juli – Bormanns Chance zur Abrechnung«  345

8 BArch, NS 6/1, Rundschreiben Bormanns, betr.: Behandlung der Ereignisse vom 20.Juli 1944 in der Öffentlichkeit, Führerhauptquartier, 23. Juli 1944. 9 BArch, NS 6/1, FS Bormanns an alle Gauleiter, Führerhauptquartier, 23. Juli 1944. 10 BArch R 43 II/1194, Reichsverfügungsblatt, Ausgabe B 1, Bekanntgabe 208/44, betr.: Verpflichtung zum Gruß zwischen Partei und Wehrmacht, München, 4. September 1944. 11 BArch, R 43 II/665, FS Bormanns, Führerhauptquartier, 1. August 1944. 12 BArch, R 43 II/1194, Rundschreiben Bormanns Nr. 71/44, Führerhauptquartier, 6. August 1944. 13 Ebenda. 14 Ebenda. 15 Helmut Heiber (Hg.): Reichsführer! Briefe an und von Himmler, a.a.O., S. 277. Schreiben Himmlers an Kaltenbrunner und Grawitz, 2. August 1944. 16 BArch, NS 6/2, Bericht Kaltenbrunners für Bormann, Erste stimmungsmäßige Auswirkungen des Anschlags auf den Führer, Berlin, 21. Juli 1944. 17 BArch, NS 6/2, Bericht Kaltenbrunners an Bormann, Berlin, 22. Juli 1944. 18 Helmut Heiber (Hg.): Goebbels’ Reden 1932–1945. 2 Bände. Düsseldorf 1971/1972. Rundfunkrede vom 26. Juli 1944, Dokument Nr. 27. Band 2, S. 342ff. 19 Ebenda, Rede vor Reichsleitern, Gauleitern und Verbändeführern der NSDAP, Posen, 3. August 1944, Dokument Nr. 28. Band 2, S. 360ff. 20 BArch, NS 6/785, Schreiben der Gauleitung Sachsen-Anhalt an Bormann, betr.: Generalfeldmarschall von Kluge, Dessau, 30. August 1944. 21 BArch, NS 6/823, Schreiben Bormanns an Jordan, betr.: Generalfeldmarschall von Kluge, 1. September 1944. 22 ��������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/153, Schreiben Bormanns an Gauleiter Eggeling, Führerhauptquartier, 8. September 1944. 23 ��������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/823, Aktenvermerk für Pg. Friedrichs, betr.: Feldmarschall Rommel, Führerhauptquartier, 28. September 1944. 24 BArch, NS 15/628, zitiert im Schreiben Rosenbergs an Bormann, Berlin, 14. September 1944. 25 BArch, NS 15/628, Schreiben Rosenbergs an Bormann, Berlin, 14. September 1944. 26 BArch, NS 15/628, Schreiben Bormanns an Rosenberg, Führerhauptquartier, 31. Oktober 1944.

Die Mobilisierung der letzten Reserven 1 BArch, NS 19/1880, FS Bormanns an alle Gauleiter, Berlin, 26. Juli 1943. 346  Anhang

2 BArch, NS 6/353, Rundschreiben Bormanns Nr. 49/45, betr.: Bekämpfung beunruhigender Gerüchte über die Frontlage. Führerhauptquartier, 1. Februar 1945. 3 ������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/343, Rundschreiben Bormanns Nr. 133/43, betr.: Kriegseinsatzpflicht der Parteigenossen, Führerhauptquartier, 16. September 1943. 4 �������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/342, Rundschreiben Bormanns Nr. 141/43, betr.: Private Doppelwohnungen führender Persönlichkeiten, Führerhauptquartier, 30. September 1943. 5 �������������������������������������������������������������������������������� BArch, R 43 II/ 667c, Bekanntgabe Nr. 12/44, betr.: Dr. Richard Strauss, Führerhauptquartier, 14. Januar 1944. 6 ������������������������������������������������������������������������������ Erlass des Führers über die umfassende Einsatz von Männern und Frauen für Aufgaben der Reichsverteidigung, 13. Januar 1943, zitiert in: Hans-Adolf Jacobsen, 1939–1945. Der Zweite Weltkrieg in Chroniken und Dokumenten, a. a. O., Dok. 112, S. 373f. 7 �������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/342, Anordnung Bormanns Nr. 55/43, betr.: Generalmitgliederappelle zum verstärkten Führungseinsatz der gesamten Parteigenossenschaft, Führerhauptquartier, 25. September 1943. 8 ���������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/342, Anordnung Bormanns, A 56/43, betr.: Aktivierung der Parteimitglieder – Durchführung von Propagandamärschen, Führerhauptquartier, 30. September 1943. 9 ����������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/350, Rundschreiben Bormanns Nr. 43/45, betr.: Einsatz der Parteiführerschaft, Führerhauptquartier, 30. Januar 1945. 10 �������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/351, Rundschreiben Bormanns Nr. 166/44 g, betr.: Freitod, Führerhauptquartier, 17. Juli 1944. 11 LA Berlin, B Rep 058, Nr. 5398, Rundschreiben 125 g, betr.: Volksjustiz gegen anglo-amerikanische Mörder, Führerhauptquartier, 30. Mai 1944. 12 Joseph Goebbels: Tagebücher 1924–1945, a.a.O., Bd. 5, 1943–1945, S. 2174, Eintrag vom 28. März 1945. 13 Ebenda, S. 2079. 14 BArch, NS 6/348, Rundschreiben Bormanns Nr. 303/44, betr.: Weiblicher Kriegshilfsdienst. Hier: Einziehung von 80 000 Frauen zur Wehrmacht, Führerhauptquartier, 7. Oktober 1944. 15 BArch, NS 6/348, Rundschreiben Bormanns Nr. 326/44, betr.: Totaler Kriegs­ einsatz. Hier: Rationeller Einsatz der weiblichen Arbeitskräfte innerhalb der Wehrmacht, Führerhauptquartier, 15. Oktober 1944. 16 BArch, NS 6/348, Rundschreiben Bormanns Nr. 330/44, betr.: Weiblicher Kriegshilfsdienst. Hier: Einziehung von 80 000 Frauen zur Wehrmacht, Führerhauptquartier, 17. Oktober 1944.

Anmerkungen zu »Die Mobilisierung der letzten Reserven«  347

17 Erlass des Führers über den totalen Kriegseinsatz, 25. Juli 1944. Zitiert in HansAdolf Jacobsen: 1939–1945. Der Zweite Weltkrieg in Chronik und Dokumenten, a. a. O., Dokument 142, S. 488f. 18 ������������������������������������������������������������������������ BArch, NS 6/348, Rundschreiben Bormanns Nr. 421/44, betr.: Zweite Anordnung zur Durchführung des totalen Kriegseinsatzes vom 29. November 1944, Führerhauptquartier, 2. November 1944. 19 ������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/348, Rundschreiben Bormanns Nr. 474/44, betr.: Wehrmachtshelferinnenkorps. Hier: Einsatz von DRK-Helferinnen, die sich im zivilen Arbeitseinsatz befinden, Führerhauptquartier, 31. Dezember 1944. 20 Ebenda. 21 BArch, NS 6/353, Rundschreiben Bormanns Nr. 144/45, betr.: Rückführung des RAD, weibliche Jugend, aus unmittelbar feindbedrohten Westgebieten, Führerhauptquartier, 19. März 1945. 22 ��������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/348, Rundschreiben Bormanns Nr. 366/44, betr.: Freiwilligenmeldungen von Frauen und Mädchen zum Kampfeinsatz gegen den Feind, Führerhauptquartier, 2. November 1944. 23 BArch, NS 6/353, Rundschreiben Bormanns Nr. 119/45, betr.: Ausbildung von Frauen und Mädchen im Gebrauch von Handfeuerwaffen, Führerhauptquartier, 5. März 1945. 24 ����������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/756, Vermerk Bormanns für Friedrichs und Klopfer, betr.: Verstärkung der kämpfenden Truppe, Führerhauptquartier, 28. Februar 1945. 25 �������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 15/628, Schreiben Bormanns an Rosenberg, betr.: NS-Führungsoffiziere, Führerhauptquartier, 22. Januar 1944. 26 ������������������������������������������������������������������������� BArch, FS Bormanns an Rosenberg, betr.: NS-Führungsoffizier, Führerhauptquartier, 12. Dezember 1943. 27 BArch, NS 6/144, Vorlage, betr.: NS-Führung der Wehrmacht. Führerbefehl vom 13. März 1945. Auflösung des NS-Führungsstabes beim OKW, Berlin, 2. März 1945. 28 BArch, NS 6/169, FS Bormanns an Göring, Führerhauptquartier, 27. März 1945. 29 BArch, NS 6/169, Schreiben Bormanns an Henlein, betr.: Sondereinsatz der Partei-Kanzlei in frontnahen Gebieten, Führerhauptquartier, 15. März 1945. 30 BArch, NS 6/169, Schreiben Bormanns, Führerhauptquartier, 17. März 1945. 31 BArch, NS 6/354, Anordnung Bormanns Nr. 129/45, betr.: Maßnahmen zur Stärkung der Kampfkraft der Front durch Erfassung der versprengten bzw. fahnenflüchtigen Soldaten sowie Verminderung des Urlauber- und Reiseverkehrs der Wehrmacht, Führerhauptquartier, 1. März 1945. 32 BArch, NS 6/354, Rundschreiben Bormanns Nr. 21/45 g.Rs., betr.: Auftrag des Reichsführers-SS im Osten, Führerhauptquartier, 23. Januar 1945.

348  Anhang

33 �������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/354, Rundschreiben Bormanns Nr. 128/45 g.Rs., betr.: Durchführung von Sonderaufgaben im Rücken des Feindes, Führerhauptquartier, 10. März 1945. 34 BArch, NS 6/756, Rundschreiben Bormanns Nr. 410/44, betr.: Verteilung des Buches Der Wehrwolf von Hermann Löns, Führerhauptquartier, 23. November 1944. 35 BArch, NS 6/135, Bericht der Gauleitung Schleswig-Holstein, betr.: WlassowBewegung, 24. März 1945. 36 �������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/353, Rundschreiben Bormanns Nr. 63/45, betr.: Veröffentlichungen über führende Persönlichkeiten, Führerhauptquartier, 6. Februar 1945. 37 BArch, NS 6/259, Vermerk der Partei-Kanzlei, betr.: Abendessen im Hotel Adlon, Berlin, 2. Januar 1945. 38 ������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/140, Aktenvermerk Bormanns für Pg. Ruder, betr.: NS-Führungsoffiziere, Führerhauptquartier, 5. März 1945. 39 »Nero-Befehl«, in: Dokumente zur deutschen Geschichte. Berlin 1977, S. 109. 40 BArch, NS 6/354, Rundschreiben Bormanns Nr. 166/45, betr.: Aufnahme der umquartierten Volksgenossen etc. aus Räumungsgebieten, Führerhauptquartier, 23. März 1945. 41 ����������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/354, Rundschreiben Bormanns Nr. 209/45, betr.: ARLZ-Maßnahmen, Führerhauptquartier, 13. April 1945. 42 BArch, NS 6/348, Anlage zum Rundschreiben Bormanns Nr. 2455/44, vom 21. September 1944. 43 Ebenda. 44 ��������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/763, Erlass über die Bildung des Deutschen Volkssturms, Führerhauptquartier, 25. September 1944. 45 BArch, NS 6/763, FS des Büros Bormann an Friedrichs, Führerhauptquartier, 26. September 1944, betr.: Ausführungsbestimmungen zum Führerbefehl über die Bildung des deutschen Landsturms, Führerhauptquartier, 18. September 1944. 46 ��������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/763, FS Bormanns an Friedrichs, betr.: Volkssturm, Führerhauptquartier. 4. Oktober 1944. 47 BArch, NS 6/763, FS Bormanns an Pg. Zander, Wolfsschanze, betr.: Anrede im Deutschen Volkssturm, Führerhauptquartier, 15. Oktober 1944. 48 ������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/168, FS Bormanns, betr.: Eidesformel des Volkssturms, Führerhauptquartier, 8. November 1944. 49 BArch, NS 15/628, FS Bormanns, Führerhauptquartier, 21. Oktober 1944. 50 ��������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/63, FS Bormanns an Friedrichs, Führerhauptquartier, 26. September 1944. 51 BArch, NS 6/63, FS Bormanns an die Partei-Kanzlei Berlin, betr.: Volkssturm, Führerhauptquartier, 3. Oktober 1944, und NS 6/73, Schreiben der Partei-Kanzlei an den Bezirksbürgermeister von Berlin-Köpenick, Berlin, 14. Oktober 1944. Anmerkungen zu »Die Mobilisierung der letzten Reserven«  349

52 ���������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/168, FS Bormanns an Giesler, betr.: Volkssturm, Führerhauptquartier, 6. November 1944. 53 ��������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/764, FS Bormanns an Friedrichs, betr.: Volkssturm, Führerhauptquartier, 24 Oktober 1944. 54 ��������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/764, Rundschreiben Bormanns Nr. 353/44, betr.: Volkssturm, Führerhauptquartier, 27. Oktober 1944. 55 BArch, NS 6/764, FS Bormanns an Stabschef Schepmann, betr.: Volkssturm, Führerhauptquartier, 26. September 1944. 56 ��������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/764, FS Bormanns an Friedrichs, betr.: Volkssturm, Führerhauptquartier, 22. Oktober 1944. 57 Ebenda. 58 ��������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/764, FS Bormanns an Friedrichs, betr.: Volkssturm, Führerhauptquartier, 25. Oktober 1944. 59 ��������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/764, FS Bormanns an Friedrichs, betr.: Volkssturm, Führerhauptquartier, 29. Oktober 1944. 60 Ebenda. 61 Helmut Heiber (Hg.): Reichsführer! Briefe an und von Himmler, a.a.O., S. 292f, Schreiben Bormanns an Himmler, 31. Oktober 1944. 62 BArch, NS 6/763, Schreiben des Auswärtigen Amtes an Bormann, Berlin, 17. Oktober 1944. 63 BArch, NS 6/763, Schreiben des Auswärtigen Amtes an Bormann, Berlin, 17. Oktober 1944. 64 Ebenda. 65 ������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/763, Notiz Sonnleithners für den RAM, Wolfsschanze, 18. Oktober 1944. 66 BArch, NS 6/99, Anordnung Bormanns Nr. 11/45, betr.: Einkleidung der zum Einsatz kommenden Volkssturm-Einheiten – Umfärbung der Partei-Uniformen, Führerhauptquartier, 26. Januar 1945. 67 BArch, NS 6/354, Anordnung Bormanns Nr. 132/45, betr.: Abgabe von Waffen des Deutschen Volkssturms an die Wehrmacht, Führerhauptquartier, 11. März 1945. 68 ����������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/764, FS Klopfers an Bormann, betr.: Jüdische Mischlinge im Volkssturm, München, 30. Oktober 1944. 69 �������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/98, Rundschreiben Bormanns Nr. 385/44, betr.: Behandlung politisch und kriminell vorbelasteter Elemente im Deutschen Volkssturm, Führerhauptquartier, 7. November 1945. 70 �������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/764, FS Bormanns an alle Gauleiter, betr.: Volkssturm, Führerhauptquartier, 31. Oktober 1944. 71 BArch, NS 19/3716, Rundschreiben Bormanns Nr. 61/42 gRS, betr.: Einsatz der Wehrunwürdigen in der Wehrmacht, Führerhauptquartier, 3. Dezember 1942. 350  Anhang

72 ���������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/99, Anordnung Bormanns Nr. 1/45, betr.: Politisch-weltanschauliche Ausrichtung der Führerschaft im Deutschen Volkssturm, Führerhauptquartier, 5. Januar 1945. 73 �������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/99, Anordnung Bormanns Nr. 48/45, betr.: Erfassung der zurückgeführten, aus dem Lazarett entlassenen oder versprengten Volkssturmpflichtigen aus feindbedrohten Gebieten, Führerhauptquartier, 27. März 1945. 74 BArch, NS 6/98, Rundschreiben Bormanns Nr. 386/44, betr.: Kampfeinsätze des Deutschen Volkssturmes, Führerhauptquartier, 8. November 1944. 75 Joseph Goebbels: Tagebücher 1924–1945, a.a.O., Bd. 5, 1943–1945, S. 2118. 76 Trevor-Roper, H. R. (Hg.): The Bormann Letters, a.a.O., Schreiben von Martin Bormann an seine Frau Gerda, 11. Dezember 1944. 77 BArch, NS 6/764, Fernschreiben Bormanns an Pg. Klopfer, betr.: Volkssturm, Führerhauptquartier, 23. Oktober 1944. 78 BArch, NS 6/169, Bericht des Hauptgemeinschaftsleiters Twittenhoff über den Sondereinsatz der Partei-Kanzlei in Hessen-Nassau, Wehrkreiskommando XII, 5. April 1945. 79 Ebenda. 80 BArch, NS 6/35, Bericht der Gauleitung Halle-Merseburg, 29. März 1945. 81 BArch, NS 6/135, Bericht von Oberleutnant d.R. Rothenburger für Bormann, Sondereinsatz Sorau, 8. Februar 1945. 82 BArch, NS 19/752, FS Himmlers an Bormann, 26. Dezember 1944. 83 Trevor-Roper, H. R. (Hg.): The Bormann Letters, a.a.O., S. 198, Schreiben von Martin Bormann an seine Frau Gerda, Berlin, 2. April 1945. 84 Traudl Junge: Bis zur letzten Stunde, a.a.O., S. 132f. 85 BArch, NS 6/169, Bericht von Major Klähn, NSFW 2, an die Partei-Kanzlei, Berlin, 24. März 1945. 86 Albert Zoller: Hitler privat. Erlebnisbericht seiner Geheimsekretärin, a. a. O., S. 223. 87 Ebenda, S. 224ff.

Trauzeuge und Testamentsvollstrecker 1 ��������������������������������������������������������������������������� BArch, NS 6/354, Rundschreiben Bormanns Nr. 81/45, betr.: Verbot der Verlagerung von Obersten Reichsbehörden aus Berlin, Führerhauptquartier, 15. Februar 1945. 2 Albert Speer: Erinnerungen, a.a.O., S. 485f. 3 Albert Speer: Alles was ich weiß. Aus unbekannten Geheimdienstprotokollen vom Sommer 1945, hg. von Ulrich Schlie. 2. Aufl. München 2000, S. 32.

Anmerkungen zu »Trauzeuge und Testamentsvollstrecker«  351

4 BArch, R 42 II/1559, Schreiben Bormanns an Lammers, Führer-Hauptquartier, 6. Juni 1942. 5 Ebenda. 6 Eberle, Henrik / Uhl, Matthias (Hg.): Das Buch Hitler, a. a. O., S. 397. 7 BArch, R 58/976, Schreiben Bormanns an Kaltenbrunner, Führerhauptquartier, 4. April 1945. 8 Walter Lüdde-Neurath: Regierung Dönitz. Die letzten Tage des Dritten Reiches. Göttingen 1951, S. 40. 9 BArch, R 62/8, Funkspruch Bormanns, 28. April 1945. 10 BArch, R 62/8, Funkspruch Bormanns an Dönitz, Berlin, 30. April 1945. 11 Walter Lüdde-Neurath: Regierung Dönitz, a.a.O., S. 42. 12 BArch, R 62/8, Funkspruch Bormanns an Dönitz, Berlin, 30. April 1945. 13 BArch, R 62/8, Funkspruch Bormanns an Dönitz, Berlin, 1. Mai 1945. 14 Walter Lüdde-Neurath: Regierung Dönitz, a.a.O., S. 45. 15 Der Nürnberger Prozess, Verhandlung vom 29. Juni 1946, Bd. 17, S. 289. 16 Staatsarchiv München, Pol. Dir. 100015, Vernehmungsniederschrift Kempka, München, 6. Dezember 1948. 17 ���������������������������������������������������������������������������� Staatsarchiv München, Pol. Dir. 100015, Vernehmungsniederschrift Junge, München, 7. Dezember 1948. 18 Reinhard Gehlen: Der Dienst. Erinnerungen 1942–1971. Mainz 1971, S. 47ff. 19 »Der Schädel als Zeuge« in: Focus, 29. April 1995. 20 Ebenda. 21 Ebenda. 22 Der Nürnberger Prozess, Bd. 19, S. 658f. 23 Ebenda,, Bd. 22, S. 667ff. 24 LA Berlin, B Rep 058, Nr. 5398, Rundschreiben 125 g, betr.: Volksjustiz gegen anglo-amerikanische Mörder, Führerhauptquartier, 30. Mai 1944. 25 ����������������������������������������������������������������������� Staatsarchiv München, SpK A K 176, Bormann, Martin, Spruchkammer Berchtesgaden, Öffentliche Ladung, Berchtesgaden, 4. Mai 1948. 26 ������������������������������������������������������������������������ Staatsarchiv München, SpK A K 176, Martin Bormann, Spruch der Spruchkammer Berchtesgaden, Berchtesgaden, 18. Juni 1948. 27 ���������������������������������������������������������������������� Staatsarchiv München, SpK A K 176, Martin Bormann, Schreiben des Generalklägers beim Kassationshof im Staatsministerium für Sonderaufgaben an die Spruchkammer Berchtesgaden, München, 1. April 1948. 28 Staatsarchiv München, SpK A K 176, Martin Bormann, Schreiben Bayerisches Landesamt für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung an die Berufungskammer für Oberbayern, Berchtesgaden, 3. März 1949. 29 Staatsarchiv München, Pol. Dir. 10015, Neue Zeitung, 3. Januar 1950. 30 Staatsarchiv München, Pol. Dir. 10015, Süddeutsche Zeitung, 24. Mai 1952.

352  Anhang

31 Artur Axmann: Hitlerjugend. »Das kann doch nicht das Ende sein«. Erinnerungen des letzten Reichsjugendführers, a. a. O., S. 515ff. 32 Staatsarchiv München, Pol. Dir. 10015, Abendzeitung, 24. Mai 1950. 33 Staatsarchiv München, Pol. Dir. 10015, Abendzeitung, 24. April 1951. 34 Staatsarchiv München, Pol. Dir. 10015, Münchner Merkur, 4. Februar 1952. 35 Staatsarchiv München, Pol. Dir. 10015, 8-Uhr-Blatt, 10. Mai 1961. 36 Staatsarchiv München, Pol. Dir. 10015, Vernehmungsniederschrift KK III A 3, München, 5. Februar 1965. 37 Staatsarchiv München, Pol. Dir. 10015, Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt a.M. an den Polizeipräsidenten München, Kriminalpolizei, betr.: Fahndung nach Martin Bormann, Frankfurt a.M., 24. Juni 1965. 38 ��������������������������������������������������������������������������� Staatsarchiv München, Pol. Dir. 10015, FS Kripo München an Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt a.M., München, 30. Juni 1965. 39 ������������������������������������������������������������������������������� LA Berlin, B Rep. 058, Nr. 5934, Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt a.M. an die Generalstaatsanwaltschaft Berlin, betr.: Fahndung nach Martin Bormann, Frankfurt a.M., 9. Juli 1965. 40 Katja Anslinger, Burkhard Rolf: »Der Fall Martin Bormann«. Institut für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München. 41 Der Spiegel, 35/1999, 28. August 1999.

Anmerkungen zu »Trauzeuge und Testamentsvollstrecker«  353

Organisationsplan der Partei-Kanzlei 1944 (nach: BArch, NS 15/628) Abteilung I Dienstleiter Zeller – Partei-Kanzlei, Führerhauptquartier, Obersalzberg u. a.

Abteilung II Oberbefehlsleiter Friedrichs, Vertreter Oberdienstleiter Walkenhorst Hauptamt II A Amt II A 1 – Organisatorische und innerpolitischen Entwicklung, Partei-Aufbau, Ausrüstung und Bewaffnung der Partei Amt II a 2: Inneres Parteirecht, Verfügungen und Anordnungen Amt II A 3: Rechtsstellung der Partei nach außen Amt II A 4: Selbstständige Hauptämter und angeschlossene Verbände Amt II A 6: Beschwerden und Bittgesuche Hauptamt II B Amt II B 1: Propaganda, Presse, Veranstaltungen und Vortragswesen Amt II B 2: Schulung und Erziehung der Partei, Erwachsenen-Bildung, Führer-Ausbildung Amt II B 3: Kulturelle Fragen, Feiergestaltung, volkskulturelle Verbände, Schrifttumsfragen Amt II B 4: Berichts- und Informationswesen, Gliederungen Hauptamt II E Amt II E 1: Arbeitsbereiche der NSDAP Amt II E 2: Ausland, alle Arbeitsgebiete der AO Amt II E 3: Volkstumspolitik, Fremdvolkfragen Hauptamt II F (Arbeitsstab) Nationalsozialistische Willensbildung und Aktivierung in der Wehrmacht. Verbindung zum NS-Führungsstab/OKW. Mitwirkung an der 354  Anhang

Auslese und Beurteilung der NS-Führungsoffiziere in Verbindung mit II P und NS-Führungsstab/OKW. Erstellung des politischen und weltanschaulichen Schrifttums für die nationalsozialistische Führung in der Wehrmacht und Prüfung des Schrifttums auf seine politische und praktische Brauchbarkeit in der Wehrmacht. Zusammenfassung der Vertreter der Reichsleiter im Rahmen der Aufgaben der nationalsozialistischen Führung in der Wehrmacht. Kommandierung von aktiven Offizieren zu Parteidienststellen in Zusammenarbeit mit II P. Durchführung von Tagungen und Lehrgängen für NS-Führungsoffiziere. Hauptamt II M Reichsverteidigungsreferat, Einsatzplanung für die Kriegsaufgaben der Partei, Reichsleistungsgesetz, Regelung des Unterkunftsbedarfs, Luftschutzfragen, Sicherstellung des personellen und materiellen Bedarfs der Gesamtbewegung, Innerer Abwehrdienst der Partei, Sabotagefälle, Auslandsbriefprüfstellen der Wehrmacht, Einreisegenehmigungen in Gebiete mit Militärverwaltung. Hauptamt II P Amt II P 1: Personalpolitische Planung, Einsatz in den neuen besetzten Gebieten, Ernennung und Beförderung der höheren Führerschaft der Partei, Besoldungs- und Versorgungsfragen, Führerauslese und Führernachwuchs. Amt II P 2: Gnaden- und Gerichtssachen, Beschwerden über Politische Leiter, kriegsgerichtliche Verurteilungen, allgemeine Disziplinarfragen. Am II P 3: Ehrungen, Verleihung von Orden und Ehrenzeichen, Betreuung von Hinterbliebenen Politischer Leiter, Reichstagsmandate, Einreisegenehmigungen in die besetzten Gebiete, Auslandsreisen. Hauptamt II S Steuerungsstelle für das Reichsamt für das Landvolk und für die Organisation Todt (2 Ämter), Sozialpolitik, Wirtschaftspolitik, Erfindungswesen.

Organisationsplan der Partei-Kanzlei 1944  355

Hauptamt II W Grundsätzliche Wehrmachtsfragen (zugleich Verbindungsstelle zum OKW), Wehrmachtsfragen in der Gesamtbewegung, Fürsorge- und Betreuungsfragen für Partei- und Volksgenossen gegenüber der Wehrmacht.

Abteilung III (staatsrechtliche Abteilung) Befehlsleiter Staatssekretär Klopfer Hauptamt III A Innere Verwaltung, Sicherheitspolizei, Ordnungspolizei, Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums, Reichskanzlei, Präsidialkanzlei, Luftfahrtministerium, (soweit Reichsverteidigung und Luftkrieg), Ostministerium, Reichsstelle für Raumordnung, Rechnungshof des Deutschen Reiches. Hauptamt III B 1 Amt III B 1: Allgemeine Preispolitik Rüstung Amt III B 2: Arbeitseinsatz, Sozialpolitik, Sozialversicherung, Verkehrswesen Amt III B 3: Ernährung, Landwirtschaft, Forst- und Holzwirtschaft, Jagd, Fischerei Amt III B 4: Gauwirtschaftsberater Hauptamt III C Justiz, Strafrecht, Zivilrecht, Recht der NSDAP, Strafsachen gegen Politische Leiter Hauptamt III D Kirche, Schule, staatliche Jugend- und Propagandafragen, Kriegshinterbliebenenversorgung Hauptamt III E Finanzen

356  Anhang

Hauptamt III P Beamtenangelegenheiten und Mitwirkung an der staatlichen Personalpolitik Hauptamt III S Sonderaufgaben, Ketzerbücherei Hauptamt III V Angelegenheiten der Sicherheitspolizei und des SD. Dazu grundsätzliche Fragen, die nicht in ein Ressort gehören (besonders historische Stellungnahmen).

Organisationsplan der Partei-Kanzlei 1944  357

Abkürzungen A.O. Auslandsorganisation der NSDAP BArch Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde B.d.E. Befehlshaber des Ersatzheeres BDM Bund Deutscher Mädel DAF Deutsche Arbeitsfront DBG Deutsches Beamtengesetz DFP Deutschvölkische Freiheitspartei FHQu. Führerhauptquartier Flak Flugabwehrkanone GBA Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz Gestapo Geheime Staatspolizei g.Rs. geheime Reichssache HJ Hitlerjugend HK Hauptkampflinie KdF Kanzlei des Führers KdF Kraft durch Freude (Einrichtung der DAF) k.v. kriegsverwendungsfähig NSAK Nationalsozialistisches Automobilkorps NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei NSFK Nationalsozialistischen Führerkorps NSFO Nationalsozialistischer Führungsoffizier NSFW NS-Führungsstab der Wehrmacht NSKK Nationalsozialistisches Kraftfahrerkorps NSV Nationalsozialistische Volkswohlfahrt OKH Oberkommando des Heeres OKW Oberkommando der Wehrmacht Pak Panzerabwehrkanone Pg. Parteigenosse RAD Reichsarbeitsdienst RADwJ Reichsarbeitsdienst weibliche Jugend RAM Reichsaußenminister RFSS Reichsführer-SS RM Reichsminister/Reichsministerium 358  Anhang

RMf VuP Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda RLBo Reichsleiter Bormann RSHA Reichssicherheitshauptamt SA Sturmabteilung (der NSDAP) SD Sicherheitsdienst Sipo Sicherheitspolizei SS Schutzstaffel (der NSDAP) SSHA SS-Hauptamt uk. unabkömmlich ZAVO Zentralstelle für die Angehörigen der Völker des Ostens z.b.V. zur besonderen Verwendung

Zitierhinweis Zitate sind in der Originalform, jedoch in der heute verbindlichen Rechtschreibung wiedergegeben. Ergänzungen des Autors sind durch eckige, Auslassungen durch runde Klammern gekennzeichnet.

Zitierhinweis  359

Hauptsächlich in Anspruch genommene Archive

Bibliothek des Deutschen Bundestags, Berlin Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde Landesarchiv Berlin Staatsarchiv München

Ausgewählte Literaturhinweise Adolph, Walter (Hg.): Im Schatten des Galgens. Zum Gedächtnis der Blutzeugen in der nationalsozialistischen Kirchenverfolgung. Berlin 1953. Aly, Götz: Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus. Frankfurt a.M. 2005. Anfuso, Filippo: Die beiden Gefreiten: Ihr Spiel um Deutschland und Italien. München 1952. Axmann, Artur: Hitlerjugend. »Das kann doch nicht das Ende sein«. Erinnerungen des letzten Reichsjugendführers. Koblenz 1999. Beer, Hugo Manfred: Moskaus As im Kampf der Geheimdienste. Die Rolle Martin Bormanns in der deutschen Führungsspitze. Pähl 1983. Besymenski, Lew: Die letzten Notizen von Martin Bormann. Ein Dokument und sein Verfasser. Stuttgart 1974. Black, Peter: Ernst Kaltenbrunner: Vasall Himmlers. Eine SS-Karriere. Paderborn 1991. Bouhler, Philipp, (Hg.): Der großdeutsche Freiheitskampf. Reden Adolf Hitlers vom 1. September 1939 bis 10. März 1940. 5. Aufl. München 1941. Brissaud, André: Canaris 1887–1945. Eine Biographie. Frankfurt a.M. 1976. Deschner, Günther: Reinhard Heydrich. Statthalter der totalen Macht. 3. Aufl. Esslingen 1992. Dietrich, Otto: 12 Jahre mit Hitler. München 1955. Domarus, Max: Hitler. Reden und Proklamationen 1932–1945. München 1965. 360  Anhang

Eberle, Henrik (Hg.): Briefe an Hitler. Ein Volk schreibt seinem Führer. Unbekannte Dokumente aus Moskauer Archiven – zum ersten Mal veröffentlicht. Bergisch Gladbach 2007. Eberle, Henrik / Uhl, Matthias (Hg.): Das Buch Hitler. 3. Aufl. Bergisch Gladbach 2007. Farago, Ladislas: Scheintot. Martin Bormann und andere NS-Größen in Südamerika. Hamburg 1975. Frank, Hans: Im Angesicht des Galgens. Deutung Hitlers und seiner Zeit aufgrund eigener Erlebnisse und Erkenntnisse. Geschrieben im Nürnberger Justizgefängnis. München 1953. Ders.: Das Diensttagebuch des deutschen Generalgouverneurs in Polen 1939– 1945, hg. v. Werner Präg und Wolfgang Jacobmeyer. Stuttgart 1975. Gehlen, Reinhard: Der Dienst. Erinnerungen 1942–1971. Mainz 1971. Geiss, Immanuel / Jacobmeyer, Wolfgang (Hg.): Deutsche Politik in Polen. 1939–1945. Aus dem Diensttagebuch von Hans Frank, Generalgouverneur. Opladen 1980. Geiß, Josef: Obersalzberg. Die Geschichte eines Berges. Von Judith Platter bis heute. Berchtesgaden 1952. Giesler, Hermann: Ein anderer Hitler. Bericht seines Architekten. Erlebnisse, Gespräche, Reflexionen. Leoni am Starnberger See 1982. Goebbels, Joseph: Die Tagebücher von Joseph Goebbels, hg. von Elke Fröhlich. München 1987–2008. Hartmann, Max: Die Verwandlung eines Berges unter Martin Bormann (1936– 1945). Ein Augenzeuge berichtet: »Meine 10 Jahre auf dem Obersalzberg«. Berchtesgaden 1989. Heiber, Helmut (Hg.): Reichsführer! Briefe an und von Himmler. Stuttgart, 1968. Ders. (Hg.): Goebbels’ Reden 1932–1945. 2 Bände, Düsseldorf 1971, 1972. Hoffmann, Heinrich: Adolf Hitler. Bilder aus dem Leben des Führers, hg. vom Cigaretten-Bilderdienst. Altona/Bahrenfeld 1936, Berlin 1939. Höhne, Heinz: Der Orden unter dem Totenkopf. Die Geschichte der SS. München 2002. Internationaler Militärgerichtshof in Nürnberg, Deutschland (Hg.): Nürnberger Urteil. Düsseldorf 1946. Internationaler Militärgerichtshof Nürnberg Hg.): Der Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vom 14. November 1945 bis 1. Oktober 1946. 24 Teile in 12 Bänden. München/Zürich 1984. Irving, David: Göring. München/Hamburg 1987. Jacobsen, Hans-Adolf: 1939–1945. Der Zweite Weltkrieg in Chronik und Dokumenten. Darmstadt 1961. Ausgewählte Literaturhinweise  361

Junge, Traudl: Bis zur letzten Stunde. Hitlers Sekretärin erzählt ihr Leben. 3. Aufl. Berlin 2004. Jochmann, Werner (Hg.): Adolf Hitler. Monologe im Führerhauptquartier 1941–1945. Hamburg 1980. Kater, Michael H.: Das »Ahnenerbe« der SS 1935–1945. Ein Beitrag zur Kulturpolitik des Dritten Reiches. 4. Aufl. München 2005. Kershaw, Ian: Das Ende. Kampf bis in den Untergang – NS-Deutschland 1944/45. 3. Aufl. München 2011. Lang, Jochen von: Der Sekretär. Martin Bormann – Der Mann, der Hitler beherrschte. Stuttgart 1977. Ders.: Der Adjutant. Karl Wolff: Der Mann zwischen Hitler und Himmler. Frankfurt a.M./Berlin 1989. Longerich, Peter: Heinrich Himmler. München 2008. Lüdde-Neurath, Walter: Regierung Dönitz. Die letzten Tage des Dritten Reiches. Göttingen 1951. Manning, Paul: Martin Bormann. Nazi in Exile. Secaucus/N.J. 1981. Maser, Werner: Adolf Hitler. Legende, Mythos, Wirklichkeit. 16. Aufl. München 1997. Misch, Rochus: Der letzte Zeuge. »Ich war Hitlers Telefonist, Kurier und Leibwächter«. 10. Aufl. München 2009. Neuhäusler, Johannes: Kreuz und Hakenkreuz: Der Kampf des Nationalsozialismus gegen die katholische Kirche und den kirchlichen Widerstand. München 1946. Ders.: Saat des Bösen. Kirchenkampf im Dritten Reich. München 1964. Peuschel, Harald: Die Männer um Hitler. Braune Biographien. Düsseldorf 1982. Picker, Henry (Hg.): Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier 1941– 1942. Berlin 2003. Ryback, Timothy W.: Hitlers Bücher. Seine Bibliothek. Sein Denken. Köln 2010. Schellenberg, Walter: Memoiren. Köln 1959. Schumacher, Martin (Hg.): M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung 1933–1945. Düsseldorf 1994. Schwerin von Krosigk, Lutz: Es geschah in Deutschland. Stuttgart 1952 Ders.: Memoiren. Stuttgart 1977. Seraphim, Hans-Günther (Hg.): Das politische Tagebuch Alfred Rosenbergs. 1934/35 und 1939/40. München 1964. Speer, Albert: Erinnerungen. Berlin 1969. Ders.: Der Sklavenstaat. Meine Auseinandersetzungen mit der SS. Stuttgart 1981.

362  Anhang

Ders.: Alles was ich weiß. Aus unbekannten Geheimdienstprotokollen vom Sommer 1945, hg. von Ulrich Schlie. 2. Aufl. München 2000. Smith, F. Bradley / Peterson, Agnes F. (Hg.): Heinrich Himmler. Geheimreden 1933 bis 1945 und andere Ansprachen. Berlin/Frankfurt a.M. 1974. Trevor-Roper, Hugh Redwald (Hg.): The Bormann Letters. The private Correspondence between Martin Bormann and his Wife from January 1943 to April 1945. London 1981. Ders.: »Hitlers Testament. Die letzten Gespräche mit Bormann (Februar 1945)«, in: Monat 14 (1961), S. 36–47. Wehler, Hans-Ulrich: Der Nationalsozialismus: Bewegung, Führerherrschaft, Verbrechen, 1919–1945. München 2009. Zoller, Albert: Hitler privat. Erlebnisbericht seiner Geheimsekretärin. Düsseldorf 1949.

Bildnachweis akg-images, Berlin: Umschlagabbildung, Abb. 19 picture-alliance / dpa: Abb. 1, 2, 3, 8, 14, 20, 21, 22 Archiv des Autors: Abb. 4, 5, 6, 7, 9, 10, 11, 12, 13, 15, 16, 17, 18 Bildnachweis  363

Personenregister

Der Übersichtlichkeit halber werden hier lediglich die aktiv handelnden Personen aufgeführt; die ausschließlich in den Zitaten erwähnten Namen sind nicht berücksichtigt. Abetz, Otto, SS-Brigadeführer, Botschafter in Paris 105 Amann, Max, Reichsleiter für die Presse 25, 52, 169, 220 Anfuso, Filippo, italienischer Gesandter in Berlin 249 Antonescu, Ion, Marschall, rumänischer Staatschef 107 Axmann, Artur, Reichsjugendführer 53, 76, 115, 304f., 313 Bahr, Hermann, österreichischer Lyriker 166 Bechstein, Edwin und Helene, Inhaber der gleichnamigen Klavierfabrik, Anhänger Hitlers und Besitzer eines Hauses auf dem Obersalzberg 26, 31 Beck, Ludwig, Generaloberst, HitlerAttentäter vom 20. Juli 1944 251 Becker-Toussaint, Hildegard, leitende Ermittlerin bei der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft 316 Behrens, Manja (»M.«) 190ff. Berger, Gottlob, SS-Obergruppenführer, General der Waffen-SS, Chef des SS-Hauptamtes 115, 120ff., 146, 283ff., 305 Bertram, Adolf, Bischof, Vorsitzender der Fuldaer Bischofskonferenz 173 364  Anhang

Black, Peter, Biograf von Ernst Kaltenbrunner 133 Blaschke, Hugo, Zahnarzt der NSProminenz 314f. Bodenschatz, Karl, General der Flieger, Görings Ständiger Verbindungsoffizier in Hitlers Hauptquartier 51 Bofinger, Hans, Leiter des Ständigen Arbeitsstabes in Berlin 281 Bohle, Ernst Wilhelm, Staatssekretär, Chef der Auslandsorganisation (AO) der NSDAP 37, 89ff., 115 Bormann, Adolf Martin, ältester Sohn von Martin und Gerda Bormann 185 Bormann, Albert, Bruder von Martin Bormann, NSKK-Gruppenführer, Adjutant Hitlers 10, 17ff., 234, 305 Bormann, Antonie Bernhardine, geb. Mennong, Mutter von Martin Bormann (siehe auch Vollborn, Antonie Bernhardine) 10, 17 Bormann, Ehrengard, Tochter von Martin und Gerda Bormann, Zwillingsschwester von Ilse 185 Bormann, Else, Stiefschwester von Martin Bormann 10 Bormann, Eva Ute, Tochter von Martin und Gerda Bormann 186

Bormann, Fred Hartmut, Sohn von Martin und Gerda Bormann 186, 195 Bormann, Gerda, geb. Buch, Frau von Martin Bormann 8, 15, 126f., 186f., 189ff. 193ff., 289 Bormann, Gerda, Tochter von Martin und Gerda Bormann 186 Bormann, Heinrich Hugo, genannt Heiner, Sohn von Martin und Gerda Bormann benannt nach seinem Paten Heinrich Himmler 186 Bormann, Ilse, Tochter von Martin und Gerda Bormann; Zwillingsschwester von Ehrengard 186 Bormann, Irmgard, Tochter von Martin und Gerda Bormann 186 Bormann, Luise, geb. Grobler, erste Frau von Martin Bormanns Vater Theodor 10 Bormann, Rudolf, Sohn von Martin und Gerda Bormann, benannt nach Rudolf Heß, nach Heß’ Flug nach Schottland 1941 umbenannt in Helmut Gerhard 186 Bormann, Theodor, Oberpostassistent, Vater von Martin Bormann 10, 17 Bormann, Volker, Sohn von Martin und Gerda Bormann 186 Bormann, Walter, Stiefbruder von Martin Bormann 10 Bouhler, Philipp, Reichsleiter, Chef der »Kanzlei des Führers« 15, 18, 52, 85ff., 97f., 126 Brandt, Karl, Generalleutnant der Waffen-SS, Hitlers Begleitarzt 90, 121, 125ff. Brandt, Rudolf, SS-Obersturmbannführer, Leiter des Persönlichen

Stabs des Reichsführers-SS 10, 79, 121 Brauchitsch, Walther von, Generalfeldmarschall 85 Braun, Eva, Hitlers Geliebte, Heirat am 29. April 1945 34, 36, 40, 297f., 300 Braun, Margarete (verh. Fegelein), Schwester von Eva Braun, Frau des SS-Obergruppenführers Hermann Fegelein 36 Breker, Arno, NS-Bildhauer und Architekt 233 Breuning, Erich Alfred, Konteradmiral, stellvertretender Chef des NSFührungsstabs der Wehrmacht 293f. Brückner, Wilhelm, SA-Obergruppenführer, Adjutant Hitlers 29ff., 35f., 118 Bruhn, Heinrich, Leiter des NSDAPHauptschulungsamts 169ff. Buch, Hermann, Sohn von Walter Buch, Bruder von Gerda Bormann, Schwager von Martin Bormann 114 Buch, Walter, Reichsleiter und Oberster Parteirichter, Schwiegervater von Martin Bormann 15, 160 Buchner, Ernst, Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen 247 Bürckel, Josef, pfälzischer Gauleiter, später Reichsstatthalter von Wien 42 Canaris, Wilhelm, Admiral, Chef der Abwehr 304 Christian, Eckhard, General der Luftwaffe 85f. Personenregister  365

Conti, Leonardo, Staatssekretär und Reichsgesundheitsführer 124ff. Daluege, Kurt, SS-Oberstgruppenführer und Chef der Ordnungspolizei 12, 95 Detten, Hermann von, Ministerialdirektor im Reichsministerium für kirchliche Angelegenheiten 131 Dietrich, Otto, Staatssekretär, Pressechef der Reichsregierung 23, 26, 52, 57, 282 Dietrich, Sepp, SS-Oberstgruppenführer, 1. Kommandeur der »Leibstandarte Adolf Hitler« 119f., 259 Döhring, Herbert, Hitlers Hausverwalter am Berghof 31 Dönitz, Karl, Großadmiral und testamentarischer Nachfolger Hitlers als Reichspräsident 272, 299, 301f., 306 Eckart, Dietrich, SS-Brigadeführer und Generalmajor der Polizei, ab 1944 Leiter des Sicherheitsdienstes (SD) und der Abwehr des Reichs­ sicherheitshauptamtes (RSHA) 26, 109 Eggeling, Joachim Albrecht, Gauleiter von Halle-Merseburg 257 Eichmann, Adolf, SS-Obersturmbannführer, Leiter des für die Deportation der Juden zuständigen Referats im Reichssicherheitshauptamt 313 Eigruber, August, SA-Obergruppenführer, Gauleiter von Oberdonau und Landeshauptmann von Oberösterreich 117f., 247f.

366  Anhang

Einsiedel, Heinrich Graf von, Mit­ begründer des Nationalkomitees Freies Deutschland, das zum Widerstand gegen Hitler aufrief 251 Eisenmenger, Wolfgang, Rechtsmediziner, ehemaliger Vorstand des Instituts für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München 316 Epp, Franz Xaver Ritter von, General, Reichsstatthalter in Bayern 15 Esser, Hermann, NS-Staatssekretär in Bayern und Duzfreund Hitlers 78 Esterer, Rudolf, Architekt und Denkmalpfleger Präsident der Bayerischen Schlösserverwaltung 246 Exner, Marlene von, Sekretärin Hitlers 292f. Fegelein, Hermann, SS-Obergruppenführer, persönlicher Vertreter des Reichsführers-SS Himmler bei Hitler 36, 44 Fick, Roderich, Architekturprofessor 98 Ficker, Hans, Reichskabinettsrat in der Reichskanzlei 86 Fischböck, Hans, Reichskommissar für die Niederlande, zuständig für Aufsicht und Kontrolle über die Ministerien der Finanzen, des Verkehrs, der Wirtschaft, des Sozialen und der Post 105 Flex, Walter, deutscher Schriftsteller und Lyriker 167 Forster, Albert, Gauleiter von DanzigWestpreußen 294 Frank, Hans, Reichskommissar für die Gleichschaltung der Justiz, Gene-

ralgouverneur in Polen 23, 44, 66‒73 Freytag von Loringhoven, Bernd, Adjutant beim Generalstabschef des Heeres 300 Frick, Wilhelm, Reichsinnenminister, Reichsprotektor für Böhmen und Mähren 64, 66, 142f., 152, 199 Friedrichs, Helmuth, Oberbefehlsleiter in der Partei-Kanzlei 156, 163, 243, 245, 258, 266, 281ff., 290 Fritzsche, Hans, Ministerialdirektor, Leiter der Rundfunkabteilung im Reichspropagandaministerium 41 Fröhlich, Gustav, Schauspieler, Rolle in dem Film Sechs Tage Heimat­ urlaub 239 Fromm, Friedrich, Generaloberst, Oberbefehlshaber des Ersatzheeres 251 Funk, Walter, Reichsminister für Wirtschaft 78 Ganzenmüller, Albert, Staatssekretär im Reichsverkehrsministerium 290 Gehlen, Reinhard, Generalmajor, Chef der Abteilung »Fremde Heere« im Generalstab des Oberkommandos des Heeres und erster Präsident des Bundesnachrichtendienstes 304 Geiß, Josef, Buchhalter der Obersalzberg-Verwaltung 28f., 33, 36, 189, 290 Genoud, François, Schweizer NSSympathisant, Besitzer von Dokumenten der NS-Führung, u.a. des Briefwechsels zwischen Martin und Gerda Bormann 8, 186

Giesler, Hermann, Architekt 40 Giesler, Paul, Gauleiter von WestfalenSüd später München 94, 282 Goebbels, Joseph, Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda 7f., 14, 19f., 22ff., 37, 41ff., 44, 48, 52, 54ff., 59f., 72, 79, 92, 112, 132, 139, 157, 159, 181, 218, 223, 234, 237f., 240ff., 248, 254, 266f., 274, 289, 299, 305, 317 Göring, Edda, Tochter von Hermann Göring 130 Göring, Emmy, Frau von Hermann Göring 131 Göring, Hermann, Reichsmarschall, Oberbefehlshaber der Luftwaffe 43ff., 52, 55, 59, 81f., 85f., 130f., 210, 212f., 221, 250, 272, 296ff., 301f., 305, 310, 317 Grawitz, Ernst-Robert, Reichsarzt-SS 254 Grimschitz, Bruno, österreichischer Kunsthistoriker 247 Grohé, Josef, Gauleiter von Rheinland-Süd 95 Groß, Walter, Pathologe im Rassen­ politischen Amt der NSDAP 202 Guderian, Heinz, Generaloberst 285 Gürtner, Franz, Reichsminister der Justiz 53, 74, 134f., 203ff. Haack, Käthe, Schauspielerin, Rolle in dem Film Sechs Tage Heimaturlaub 239 Haberstock, Karl, NS-Kunsthändler 233 Hanke, Karl, Staatssekretär im Propagandaministerium 259 Haushofer, Albrecht, Professor 37f., 55 Personenregister  367

Haushofer, Karl, General a.D., Geografie-Professor 37, 55 Heißmeyer, August, SS-General, Inspekteur der Nationalpolitischen Erziehungsanstalten 93 Henlein, Konrad, SS-Obergruppenführer, Reichsstatthalter und Gauleiter des Reichsgaus Sudetenland 272 Heß, Alfred, Bruder von Rudolf Heß 90 Heß, Ilse, Frau des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß, Taufpatin von Ilse Bormann 186 Heß, Rudolf, Hitler-Stellvertreter 7, 15, 21f., 37f., 44f., 54ff., 65, 74, 87f., 90, 97, 109, 131, 133, 142, 156f., 186, 221, 309 Heßlein, Paul, Journalist, emigrierte aufgrund seiner jüdischen Herkunft erst nach England, dann nach Chile 313 Heydrich, Reinhard, Chef des Reichssicherheitshauptamtes, stellvertretender Reichsprotektor für Böhmen und Mähren 37f., 102ff., 124, 223, 299 Hierl, Konstantin, Leiter des Reichs­ arbeitsdienstes (RAD) 150 Hildebrandt, Friedrich, Gauleiter von Mecklenburg 238 Himmler, Heinrich, Reichsführer-SS, Chef der Deutschen Polizei, Reichs­innenminister 10, 27, 58, 60, 67f., 89, 95, 97, 99, 104, 109, 113–120, 122, 129, 146, 159f., 186, 193ff., 202f., 207, 224, 230, 252, 254, 260, 269, 272ff., 279, 283–295, 299f., 310f.

368  Anhang

Himmler, Margarete, Frau von Heinrich Himmler 193 Hitler, Adolf, »Führer und Reichskanzler des Deutschen Reiches« von S. 7 bis zum Schluss des fortlaufenden Textes Hoepner, Erich, Generaloberst und Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 251 Hofer, Franz, Gauleiter von Tirol 186, 294 Hoffmann, Heinrich, Fotograf Hitlers 23, 34, 294f. Höhne, Heinz, Journalist und Sachbuchautor v.a. Studien über Geschichte des »Dritten Reichs« 70 Höß, Rudolf, Freikorpsteilnehmer, Angeklagter im Kadow-Prozess, SS-Obersturmbannführer, Kommandant des Konzentrationslagers Auschwitz 12 Hugenberg, Alfred, Führer der Deutschnationalen Volkspartei 106 Hummel, Helmut von, SS-Sturmbannführer, Wirtschaftsberater von Martin Bormann in der ParteiKanzlei 247f. Hunke, Heinrich, Leiter der Auslandsabteilung im Propagandaministerium 172 Irving, David, englischer Historiker und Publizist 43 Jodl, Alfred, Generaloberst, Chef des Wehrführungstabs im OKW 85f., 259 Jodl, Christian, General 85f.

Jordan, Rudolf, Gauleiter von SachsenAnhalt 255 Junge, Traudl, Hitlers Sekretärin 18, 24, 31, 33, 293, 297, 303 Jüttner, Hans, SS-Obergruppenführer, Chef des Führungshauptamts der SS 284 Kadow, Walter, Volksschullehrer, Roßbach-Freikorpsmitglied 12 Kaltenbrunner, Ernst, SS-Ober­ gruppenführer, Chef der Sicherheits­polizei (Sipo) und des Sicherheitsdienstes (SD), Chef des Reichssicher­heitshauptamtes in der Nachfolge Heydrichs 24, 132f., 254, 300 Kater, Michael H., Historiker auf dem Gebiet des Nationalsozialismus 145 Keitel, Wilhelm, Generalfeldmarschall, Chef des OKW 36, 47, 101f., 210, 212, 256, 310 Kempka, Erich, Hitlers Fahrer, SSObersturmbannführer 303 Kernert, Karl, SS-Standartenführer, Ministerialrat in der Partei-Kanzlei 121 Kerrl, Hanns, Reichsminister für kirchliche Angelegenheiten 154f., 173, 177 Kershaw, Ian, englischer Historiker 190 Kimmich, Max W., Regisseur und Drehbuchautor 238 Klähn, Friedrich Joachim, Major, Chef des NS-Führungsstabs 2 293 Klopfer, Gerhard, Staatssekretär und Stellvertreter Bormanns in der Par-

tei-Kanzlei 10, 79, 125, 199, 219, 290 Kluge, Günther von, Generalfeldmarschall 255f., 258 Koch, Erich, Gauleiter von Ost­ preußen, Reichskommissar für die Ukraine 217f. Koch, Lotte, Schauspielerin, Rolle im NS-Film Germanin 238 Koller, Karl, Chef des Generalstabs des Oberkommandos der Luftwaffe 85 Kowa, Viktor de, Schauspieler, Rolle in dem Film Ich liebe Dich 239 Krars, Inspekteur der motortechnischen Ausbildung des Volkssturms 281 Krauss, Erwin, Korpsführer des NSKK 227 Krebs, Hans, General der Infanterie, letzter Generalstabschef 256, 305 Kriß, Rudolf, Berchtesgadener Brauereibesitzer und Volkskundler, im Vorstand der »Berchtesgadener Weihnachtsschützen« 174f. Kritzinger, Friedrich Wilhelm, Staatssekretär in der Reichskanzlei 79 Krüger, Else, Bormanns Sekretärin 300, 302 Lammers, Hans Heinrich, Reichs­ minister, Chef der Reichskanzlei 8, 42, 47, 49f., 53, 59f., 67, 77ff., 81‒86, 90f., 96, 100, 104, 112, 139, 155, 187, 197, 203, 210, 215, 223 Lasch, Karl, Gouverneur des Distrikts Radom, ab 1941 des Distrikts Galizien 67

Personenregister  369

Müller, Hans, Senatspräsident, Persönlicher Referent von Bormann 86 Müller, Ludwig, Reichsbischof 130, 163f. Mussert, Anton Adriaan, Führer der niederländischen Nationalsozialisten 104 Mussolini, Benito, Führer des faschistischen Regimes in Italien 249

Lawrence, Geoffrey, Vorsitzender Richter beim Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg 308 Ley, Robert, Leiter der Deutschen Arbeitsfront (DAF) 8, 14, 19, 45, 52ff., 56, 65, 92‒96, 169, 171 Lienau, Heinrich, Schriftsteller 313 Lilly, Friedrich, Reichskabinettsrat 112 Linge, Heinz, SS-Obersturmbannführer, Hitlers Kammerdiener 300 Löns, Hermann, Schriftsteller, Autor des Buches Der Wehrwolf 274 Löv, Lorenz, SS-Untersturmführer, Leiter der Warschauer Hauptverwaltungsstelle des Generalgouverneurs 66f. Lüdde-Neurath, Walter, Adjutant von Großadmiral Dönitz 301 Luis Trenker, Bergsteiger, Schauspieler, Regisseur, Rolle im NS-Film Germanin 238 Lukács, Georg, ungarischer Bildungsminister 227f. Lutze, Viktor, Stabschef der SA 14

Ohnesorge, Wilhelm, Reichspost­ minister 34, 120ff. Olbricht, Friedrich, General der Infanterie 251, 257

Maser, Werner, Hitler-Biograf 39 Maxwell-Fyfe, Sir David, stellvertretender Hauptankläger der Engländer beim Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg 306 Meißner, Hans-Otto, Chef der Präsidialkanzlei 106 Meyer, Alfred, Gauleiter im Ruhr­ gebiet 95, 258 Milch, Erhard, Staatssekretär im Luftfahrtministerium 130 Müller, Adolf, Buchdruckereibesitzer 220

Papen, Franz von, 1932 Reichskanzler, 1933–1934 Vizekanzler im Kabinett Hitler, Botschafter 107, 132 Petersen, Peter, Jenaer Reformpädagoge mit rassistischen Ansichten, Rolle im NS-Film Germanin 238 Pfeffer von Salomon, Franz, Führer des »Freikorps Westfalen«, hoher SA- und NSDAP-Funktionär und Reichstagsabgeordneter 14 Picker, Henry, Hitlers Stenograf, Herausgeber von Hitlers Tischgesprächen 22, 36, 39, 43, 74, 132, 222

370  Anhang

Naumann, Werner, Staatssekretär im Reichspropagandaministerium 240 Nebe, Arthur, SS-Gruppenführer, Leiter des Reichskriminalpolizeiamts 231 Neurath, Konstantin von, bis 1938 Reichsaußenminister, Reichsprotektor in Böhmen und Mähren 103f., 208

Pinheiro, Julio, portugiesischer Student 314 Potthast Hedwig (»Häschen«), Sekretärin und Geliebte Himmlers 193ff. Potthast, Helge, Sohn von Hedwig Potthast und Heinrich Himmler 193, 195 Potthast, Nanette Dorothea, Tochter von Hedwig Potthast und Heinrich Himmler 193 Potthast, Walter, Bruder von Hedwig Potthast, an der Ostfront gefallen 194 Raeder, Erich, Großadmiral, Oberbefehlshaber der Kriegsmarine 139 Rainer, Friedrich, Gauleiter und Landeshauptmann von Salzburg 97, 110 Rattenhuber, Johann (auch Hans), SSBrigadeführer, Chef des »Führer«Begleitkommandos 118f., 303 Reimann, Hans, humoristischer Schriftsteller 75 Reinecke, Günther, SS-Richter in Krakau 66f. Reinecke, Hermann, General, Chef des Allgemeinen Wehrmachtsamts 271f. Ribbentrop, Joachim von, ab 1938 Reichsaußenminister 90f., 282, 297 Röhm, Ernst, Hauptmann der Reichswehr, Stabschef der SA 13 Rommel, Erwin, Generalfeldmarschall 256, 258f. Rosenberg, Alfred, Reichsleiter, Reichskommissar für die besetzten Ostgebiete 8, 11, 14f., 19, 52, 61,

78, 96–102, 145f., 154f., 163f., 168, 172, 176, 185, 206, 210, 229f., 234, 236f., 243ff., 248, 260, 271, 310 Roßbach, Gerhard, Oberleutnant, Freikorpsführer 13 Ruder, Wilhelm, Leiter des Stabes zur Überprüfung der NSFO 271, 276 Rühmann, Heinz, Schauspieler, Hauptrolle in dem Film Der Gasmann 239 Rundstedt, Gerd von, Generalfeldmarschall 278 Rust, Bernhard, Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Gauleiter von SüdHannover-Braunschweig 53, 97, 142ff., 151 Sauberzweig, Karl-Gustav, SS-Brigadeführer und Kommandeur der 13. Waffen-Gebirgsdivision der SS »Handschar« 167 Sauckel, Fritz, Gauleiter von Thüringen, Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz 53, 105 Saur, Karl-Otto, Abteilungschef im Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion 127, 282 Schaub, Julius, SS-Obergruppenführer, persönlicher Adjutant Hitlers 31f., 51, 118f. Schellenberg, Walter, SS-Brigadeführer, Leiter des Sicherheitsdienstes (SD) und der Abwehr im Reichs­ sicherheitshauptamt (RSHA) 23, 38, 103f., 113, 249 Schepmann, Wilhelm, Stabschef der SA in München, Inspekteur der Schießausbildung 281, 284 Personenregister  371

Schirach, Baldur von, Reichsjugendführer, Reichsstatthalter und Gauleiter von Wien 42, 115, 133, 176, 223 Schlageter, Albert Leo, Mitglied der NSDAP-Tarnorganisation Großdeutsche Arbeiterpartei, militanter Aktivist, während der frz.-belg. Ruhrbesetzung wegen Spionage und mehrerer Sprengstoffanschläge von einem frz. Militärgericht zum Tode verurteilt und hingerichtet 12 Schlegelberger, Franz, kommissarischer Justizminister, Januar 1941– August 1942 205 Schmidt, Fritz (parteiintern »Schmidt-Münster« nach seiner Heimatstadt genannt), Generalkommissar in den Niederlanden 104, 156 Schmundt, Rudolf, General der Infanterie 259 Schwarz, Franz Xaver, Reichsschatzmeister der NSDAP 55, 149 Schwerin von Krosigk, Lutz Graf, Reichsfinanzminister 23 Seitz, Richard, Arzt, Bormann ließ sich dessen Landhaus auf dem Obersalzberg als eigenes Wohnhaus umbauen 32 Seldte, Franz, Reichsarbeitsminister 53, 80, 146f., 207 Seydlitz, Walther von, General der Artillerie 251 Seyß-Inquart, Arthur, SS-Obergruppenführer, ab Mai 1940 Reichskommissar für die besetzten Gebiete der Niederlande 80, 104, 302 372  Anhang

Siebert, Ludwig, bayerischer Ministerpräsident 246 Sievers, Wolfram, Reichsgeschäftsführer des Ahnenerbe e.V. 146 Sima, Horia, Führer der rumänischen Eisernen Garde 107 Simon, Gustav, Gauleiter des Gaus Moselland 95 Sonnleithner, Franz von, Gesandter im Auswärtigen Amt 286 Speer, Albert, Generalbauinspekteur, Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion 23, 28, 34, 39, 41, 47ff., 78, 93f., 127, 133, 219, 266, 282, 289, 296, 298 Spoerl, Heinrich, Romanschriftsteller 241 Sprenger, Jakob, Gauleiter von HessenNassau (-Süd) 65, 230 Stauffenberg, Claus Graf Schenk von, Oberst, eine der zentralen Figuren des militärischen Widerstands gegen den Nationalsozialismus, Hitler-Attentäter vom 20. Juli 1944 249ff., 257 Steengracht von Moyland, Gustav Adolf, SA-Brigadeführer, Staatssekretär im Auswärtigen Amt 285f. Stellrecht, Helmut, Stabsleiter im Amt von Alfred Rosenberg 245 Strauss, Richard, Komponist 262f. Stredele, Bernhard, NSDAP-Kreis­ leiter Berchtesgaden/Obersalzberg 290 Stumpfegger, Ludwig, Hitlers letzter Begleitarzt 314 Tiburtius, Joachim, bis 1945 wirtschaftlicher Sachverständiger beim

Ullrich, Luise, Schauspielerin, Rolle in dem Film Ich liebe Dich 239

Wächter, Fritz, Leiter des NS-Lehrerbundes 53 Wagner, Adolf, Gauleiter von München-Oberbayern 98, 297 Wagner, Josef, Gauleiter von West­ falen-Süd 160 Wagner, Robert, Gauleiter und Reichsstatthalter in Baden 95f., 149 Walkenhorst, Heinrich, Funktionär in der Partei-Kanzlei, Reichshauptamtsleiter der NSDAP 354 Weinrich, Karl, Gauleiter von HessenNassau 82 Westphal, Siegfried, General der Kavallerie 256 Wiedemann, Fritz, Adjutant Hitlers 16f. Witzleben, Erwin von, Generalfeldmarschall 251 Wlassow, Andrei Andrejewitsch, sowjetischer Generalleutnant, in deutscher Gefangenschaft wechselte er die Seiten und baute die Russische Befreiungsarmee auf, die auf der Seite des Deutschen Reiches gegen die Sowjetunion kämpfte 96, 99f., 275 Wolff, Karl, SS-Obergruppenführer und Chef des Persönlichen Stabs des Reichsführers-SS 186 Wüst, Walther, SS-Standartenführer, Kurator des Ahnenerbe e.V. 145

Vollborn, Albert, Stiefvater von Martin Bormann 10 Vollborn, Antonie Bernhardine (verw. Bormann, geb. Mennong), Mutter von Martin Bormann 10

Zander, Wilhelm, SS-Standartenführer und persönlicher Referent von Martin Bormann 281, 300 Zoller, Albert, Autor von Hitler privat 131

Chef des Wehrmachtskraftwesens 313 Tießler, Walter, Leiter Reichsring für nationalsozialistische Propaganda und Volksaufklärung, Verbindungsmann der Partei-Kanzlei zur Reichspresseleitung, stellvertretender Leiter des Arbeitsbereichs Generalgouvernement der NSDAP 56, 72, 157, 172, 237ff., 241f. Todt, Fritz, Reichsminister für Munitionsbeschaffung, Leiter der Organisation Todt (OT) 214, 227, 299, 355 Topolewski, Gregório, ehemaliger argentinischer Botschafter in Israel 313 Treschkow, Henning von, Oberst im Generalstab der Heeresgruppe Mitte 257 Trevor-Roper, Hugh R., britischer Historiker 186, 190 Tschuikow, Wassili, sowjetischer Generaloberst 305 Turner, Harald, SS-Gruppenführer, Chef des Rasse- und Siedlungshauptamtes der SS 10, 114 Twittenhoff, Wilhelm, Komponist, NSDAP-Hauptgemeinschaftsleiter 291

Personenregister  373

VOLKER KOOP

HIMMLERS LETZTES AUFGEBOT DIE NS-ORGANISATION „WERWOLF“

Als eine der geheimnisumwittertsten Einrichtungen des Nationalsozialismus gilt die von Heinrich Himmler initiierte NS-Organisation »Werwolf«, die in den letzten Kriegswochen für zahlreiche Morde an deutschen Zivilisten, die mit den Alliierten kooperierten, verantwortlich war. Volker Koop legt mit seinem neuen Buch eine umfassende Darstellung vor, die der Verharmlosung oder gar Heroisierung des »Werwolfs« durch rechtsradikale Kräfte den Boden entzieht. 2008. 309 S. 9 S/W-ABB. GB. MIT SU. 135 X 210 MM | ISBN 978-3-412-20191-3

„[Ein] Buch, das wohl das ultimative zu dem Thema sein dürfte.“ Der Tagesspiegel

„Volker Koop hat eine detailreiche Darstellung der Geheimorganisation ,Werwolf ‘ vorgelegt.“ 3sat Kulturzeit

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VOLKER KOOP

IN HITLERS HAND DIE SONDER- UND EHRENHÄFTLINGE DER SS

Deutsche Oppositionelle des NS-Regimes sowie prominente Politiker aus dem europäischen Ausland wurden unter Hitlers und Himmlers Ägide als Sonder- und Ehrenhäftlinge gefangen gehalten, um als Geiseln bei Verhandlungen mit den Alliierten oder als Faustpfand für den Austausch von Kriegsgefangenen dienen zu können. Volker Koop berichtet erstmals umfassend über dieses bisher weitgehend unbekannte Kapitel der NS-Geschichte. 2010. 295 S. 20 S/W-ABB. GB. MIT SU. 135 X 210 MM | ISBN 978-3-412-20580-5

„Volker Koop hat dieses bisher kaum beachtete Thema [...] in einem sehr lesenswerten Buch aufgearbeitet.“ Die Welt

„[E]ine informative Studie.“ Süddeutsche Zeitung

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