Marketing Intelligence: Wissen als Entscheidungsgrundlage im Marketing 383492184X, 9783834921840


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Marketing Intelligence: Wissen als Entscheidungsgrundlage im Marketing
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Julika Göb Marketing Intelligence

GABLER RESEARCH

Julika Göb

Marketing Intelligence Wissen als Entscheidungsgrundlage im Marketing

RESEARCH

Bibliograische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliograie; detaillierte bibliograische Daten sind im Internet über abrufbar.

Dissertation Otto-Friedrich-Universität Bamberg, 2009

1. Aulage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Ute Wrasmann | Jutta Hinrichsen Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2184-0

Geleitwort Geleitwort

Im Marketing die „richtigen“, d.h. die im Markt und gegen die Wettbewerber erfolgreichen Entscheidungen zu treffen, stellt bekanntlich ein besonders unsicheres und riskantes Unterfangen dar. Entsprechend groß ist daher der Bedarf an Entscheidungsunterstützung.

Entscheidungsrelevant

sind

dabei

nicht

nur

Marktforschungsdaten in aggregierter Form, sondern zum Beispiel auch individuelle Kundendaten, Vertriebsdaten, Daten aus dem Marketingcontrolling, Daten über Technologieentwicklungen usw., usw.. Der Entscheider will aber nicht mit immer mehr

Einzeldaten

überschüttet

werden;

er

benötigt

die

Informationen

in

problembezogen zusammengeführter und verdichteter Weise, möglichst mit angesammeltem Erfahrungswissen angereichert und zudem ausgerichtet auf seinen spezifischen, subjektiv ausgeprägten kognitiven Entscheidungsstil. Über das traditionelle Fremdbild und Selbstverständnis der betrieblichen bzw. institutionellen Marktforschung reicht dieser Anspruch weit hinaus. Dafür hat sich in den letzten Jahren in Theorie und Praxis der Begriff der „Marketing Intelligence“ etabliert. Frau Göb beleuchtet nach einführenden und grundlegenden Ausführungen zuerst die Seite der Nachfrage nach marketingrelevanten Informationen, um dieser dann die Angebotsseite gegenüber zu stellen (Teile 3 und 4). Marketing Intelligence hat zum Ziel, die in der Praxis zu registrierende Kluft zwischen beiden Seiten durch eine gezielte (objektive) Entscheidungs- und (subjektive) Entscheiderunterstützung zu überbrücken. Dem Begriff und theoretischen Fundament von Marketing Intelligence ist daher der nächste Hauptteil gewidmet. Teil 5 befasst sich dann unter dem Stichwort des „Marketing Intelligence Cycle“ mit der konkreten Ausgestaltung dieses Konzepts. Frau Göb präsentiert es als eine Lernspirale, die von der Daten- über die Informationsebene zur Problemlösung auf der Grundlage von explizitem und implizitem Marketingwissen führt. Dieser Prozess ist für jede Einzelentscheidung zu durchlaufen, insbesondere aber institutionell in der lernenden Organisation „Unternehmen“ zu etablieren. Mit guter Begründung weist Frau Göb schließlich der Marktforschung die tragende Rolle für den fälligen Übergang von ihrem traditionellen Aufgabenfeld zum modernen Konzept der Marketing Intelligence im Sinne wissensbasierter Marketingberatung zu – eine große Herausforderung an die Marktforschung!

VI

Geleitwort

Frau Göb hat als Mitarbeiterin des Marketinglehrstuhls der Universität Bamberg eine für die Marketingpraxis höchst bedeutsame und aktuelle Thematik aufgegriffen, der bislang im deutschsprachigen Raum noch kaum die notwendige Aufmerksamkeit zuteil geworden ist. Ihrer innovativen und theoretisch gut fundierten Arbeit ist fachwissenschaftliche Beachtung ebenso zu wünschen wie breite Resonanz in der Marketing- bzw. Marktforschungspraxis. Prof. Dr. Frank Wimmer

Vorwort Vorwort

So interessant das Dissertationsthema auch sein mag, empfindet man doch nach Abschluss der Promotion zunächst eine große Erleichterung. Hinzu kommt natürlich auch ein wenig Stolz, dass man dieses Projekt erfolgreich zu Ende gebracht hat. Darüber hinaus stellt sich ein weiteres tiefes Empfinden ein: Dankbarkeit. Dankbarkeit den Personen gegenüber, die dieses Projekt nicht nur ermöglicht, sondern mich dabei unterstützt und begleitet haben. Diesen Personen möchte ich meinen persönlichen Dank aussprechen. An erster Stelle möchte ich mich bei meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Frank Wimmer für die umfassende, mit großem persönlichem Interesse und Engagement verbundene Betreuung meiner Dissertation sowie die angenehme Zusammenarbeit und Arbeitsatmosphäre an seinem Lehrstuhl bedanken. Ihm sowie dem gesamtem Team des Lehrstuhls für Absatzwirtschaft an der Universität Bamberg verdanke ich eine fachlich sowie persönlich sehr prägende Zeit. Namentlich möchte ich meinen beiden ehemaligen Kolleginnen Frau Dr. Verena Rath und Frau Dr. Christina Stötzel für die stets motivierende und herzliche Unterstützung danken. Herrn Prof. Dr. Johann Engelhard danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens. Weiterhin möchte ich Herrn Holger Dietrich für die zahlreichen fruchtbaren inhaltlichen Diskussionen sowie für die kritische und sorgfältige Durchsicht des Manuskripts danken. Mein Dank gilt auch Herrn Dr. Raimund Wildner und Herrn Wolfgang Twardawa für den stets zielführenden gedanklichen Austausch. Schließlich danke ich allen Interviewpartnern, dass sie sich Zeit genommen und mich bei meiner empirischen Untersuchung unterstützt haben. Ganz besonderer Dank gebührt schließlich meiner Familie. Meinen Eltern und Großeltern danke ich für die vielfältige Unterstützung im Entstehungsprozess dieser Arbeit. Auch möchte ich mich bei meinem Bruder Sebastian und meiner (hoffentlich) zukünftigen Schwägerin Marisa für ihre Hilfe bedanken. Besonders Marisa danke ich dabei ganz herzlich für die intensive Lektüre des Manuskripts. Mein größter Dank gilt meinem Freund Hubertus für seine zahlreichen konstruktiven fachlichen Anregungen sowie sein nahezu unerschöpfliches Verständnis, seine stete Ermutigung und seinen kontinuierlichen Beistand auch in schwierigsten Zeiten. Julika Göb

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis ............................................................................................ XIII Abkürzungsverzeichnis ........................................................................................... XV

1

2

3

Einleitung ................................................................................................... 1 1.1

Problemhintergrund und Gegenstandsbereich der Arbeit ....................... 1

1.2

Zielsetzung und methodisches Vorgehen ................................................. 4

1.3

Empirische Untersuchung .......................................................................... 7

1.4

Aufbau der Arbeit ...................................................................................... 10

Entscheidungssituation im Marketing .................................................. 13 2.1

Marketing als markt- und kundenorientiertes Entscheidungsverhalten ........................................................................... 13

2.2

Marketinginformationen als Entscheidungsgrundlage .......................... 15

2.3

Verbesserung der Entscheidungsqualität im Marketing durch Marketing Intelligence ............................................................................... 17

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen ............ 21 3.1

Entscheidungstheoretische Analyse der Nachfrageseite von Marketinginformationen – Die Entscheidungsseite im Marketing ......... 21

3.1.1

Objektiv-sachliche Ebene ..................................................................... 21

3.1.1.1

Aufgaben des Marketingmanagements .......................................... 21

3.1.1.2

Idealtypische Ausprägungen von Marketingentscheidungen .......... 25

3.1.1.2.1 Strategisch geprägte Marketingentscheidungen ......................... 25 3.1.1.2.2 Operativ geprägte Routineentscheidungen im Marketing ............ 28 3.1.2

Subjektiv-persönliche Ebene ................................................................. 32

3.1.2.1

Theoretische Grundlagen zum Entscheidungsverhalten von

3.1.2.2

Managern ....................................................................................... 32 Einfluss kognitiver Merkmale auf das Entscheiderverhalten ........... 38

3.1.2.3

Entscheidungsstile und Entscheidertypen ...................................... 42

3.1.2.3.1 Kognitive Stile von Persönlichkeitstypen ..................................... 42 3.1.2.3.2 Analytischer versus heuristischer Entscheidungsstil ................... 49 3.1.2.3.3 Idealtypische Problemlösestrategien von Marketingentscheidern ............................................................... 53

X

Inhaltsverzeichnis 3.2

Analyse der Leistungen auf der Angebotsseite von Marketinginformationen – Die Datenseite im Marketing......................... 57

3.2.1 3.2.2

3.2.2.1

Systematisierung potenziell entscheidungsrelevanter

3.2.2.2

Marketingdaten .............................................................................. 60 Intern anfallende Marketingdaten ................................................... 62

3.2.2.3

Extern zu erhebende Marketingdaten ............................................. 69

3.2.2.4

Aggregierte Markt- bzw. Marktforschungsdaten ............................. 73

3.2.3 3.3

4

Grundlegende Begrifflichkeiten ............................................................. 57 Informationsangebot für das Marketing ................................................. 60

Schaffung einer fundierten Informationsgrundlage für das Marketing ............................................................................................. 80

Kluft zwischen Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen............................................................................ 82

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence – Entwicklung eines Konzepts zur Überbrückung der Kluft zwischen Angebots- und Nachfrageseite von Marketinginformationen ......................................................................... 87 4.1

Begriffliche Präzisierung von Marketing Intelligence ............................. 87

4.1.1 4.1.2

„Intelligenz“ – Ambivalenz eines Begriffs............................................... 87 Terminologische Hintergründe von Marketing Intelligence .................... 90

4.1.3

Marketing Intelligence als Konzept zur Verbesserung der Entscheider- und Entscheidungsunterstützung im Marketing................ 94

4.2

Theoretisch-konzeptionelle Einordnung von Marketing Intelligence .... 97

4.2.1 4.2.2

Marketing Intelligence im Kontext von Marketing Controlling ................ 97 Beziehungsmanagement und internes Marketing als marketingtheoretische Fundierung ..................................................... 101

4.3

Ganzheitliches Management der Ressource Wissen als Grundlage von Marketing Intelligence ..................................................................... 109

4.3.1 4.3.2

Marketingwissen als Entscheidungshilfe für das Marketing ................. 110 Die Wissensbasis im Marketing .......................................................... 113

4.3.3

Wissensschaffung im Unternehmen als „organisatorisches Lernen“

4.3.4 4.3.5 4.4

– Das Modell der „Wissensspirale“ ..................................................... 116 Systematischer Umgang mit Wissen – Das Modell der „Bausteine des Wissensmanagements“ ............................................................... 121 Wissensmanagement als Fundament von Marketing Intelligence ....... 125

Konzeptioneller Bezugsrahmen von Marketing Intelligence ................ 128

Inhaltsverzeichnis

5

XI

Der Marketing Intelligence-Cycle – Entwicklungsschritte zur Verbesserung der Entscheider- und Entscheidungsunterstützung im Marketing....................................... 131 5.1

Der Marketing Intelligence-Cycle aus System- und Prozesssicht ....... 131

5.1.1 5.1.2 5.2

Der Marketing Intelligence-Cycle als System ...................................... 131 Der Prozess von Marketing Intelligence als Lernspirale ...................... 134

Datenebene des Marketing Intelligence-Cycles .................................... 137

5.2.1

Konkretisierung und Systematisierung von Marketingproblemen durch Analyseziele ............................................................................. 137

5.2.2

Gap-Modell der Informationsbedarfsanalyse zur Aufdeckung möglicher Diskrepanzen zwischen Informationsnachfrage und Informationsangebot ........................................................................... 140

5.2.3

Sicherstellung einer bedarfsgerechten Problemdefinition durch interaktive Zusammenarbeit von Daten- und Entscheidungsseite ....... 147

5.3

Informationsebene des Marketing Intelligence-Cycles......................... 151

5.3.1

Von Marketingdaten zu integrierten Marketinginformationen – Der Prozess der Datenintegration ............................................................. 152

5.3.1.1 5.3.1.2 5.3.1.3

Datenselektion als Voraussetzungen der Datenintegration........... 153 Datenaufbereitung zur Sicherstellung der Datenqualität ............... 154 Datenfusion zur Generierung integrierter Marketinginformationen ................................................................ 156

5.3.2

Das Data Warehouse als zentraler Baustein des Marketing-

5.3.3

Informationsmanagements ................................................................. 159 Verfahren zur Analyse von (integrierten) Marketingdaten ................... 163

5.3.3.1 5.3.3.2

Grundlegende Ansätze und Verfahren der Datenanalyse ............. 164 OLAP als hypothesengetriebenes Analyseverfahren .................... 167

5.3.3.3

Data Mining als datengetriebenes Analyseverfahren .................... 170

5.3.4

Generierung eines tiefgründigen Problemverständnisses durch Marketing Insights .............................................................................. 174

5.4

Wissensebene des Marketing Intelligence-Cycles ................................ 178

5.4.1

Schaffung und Verteilung von Marketingwissen .................................. 178

5.4.1.1 5.4.1.2

Die Sozialisation – Transfer von implizitem Marketingwissen ....... 179 Die Externalisierung – Artikulation und Überführung von

5.4.1.3

implizitem Marketingwissen in explizites Marketingwissen ........... 181 Die Kombination – Verknüpfung und Multiplikation expliziter Wissensbestandteile im Marketing ............................................... 183

XII

Inhaltsverzeichnis 5.4.1.4

Die Internalisierung – Verankerung des expliziten Marketingwissens in die individuelle Wissensbasis eines Marketingentscheiders ................................................................. 185

5.4.2

Voraussetzung für eine effektive Wissensschaffung und -verteilung im Marketing ....................................................................................... 188

5.4.2.1

Integration der Datenseite in die Entscheidungsprozesse des Marketings ................................................................................... 189

5.4.2.2

Vertrauen und Commitment zwischen Daten- und Entscheidungsseite ...................................................................... 191

5.4.2.3

Schaffung struktureller Rahmenbedingungen ............................... 193

5.4.3

6

Ganzheitliches Management von Marketingwissen ............................. 195

Rolle der Marktforschung im Sinne von Marketing Intelligence – Marktforschung als wissensbasierte Marketingberatung ................ 202 6.1

Steuerung und Koordination von Marketing Intelligence ..................... 202

6.2

Von der traditionellen Marktforschung zur Marketing IntelligenceEinheit ...................................................................................................... 207

6.2.1

Leistungs- und Servicespektrum der traditionellen Marktforschung .... 207

6.2.2

Weiterentwicklungen der Marktforschung im Sinne von Marketing Intelligence ......................................................................................... 212

6.2.2.1

Verstärkte strategische Ausrichtung der Marktforschung .............. 212

6.2.2.2

Neue Aufgaben der Marktforschung im Zeichen des Beziehungsmarketings ................................................................. 214

6.2.3 6.3

Erweiterter Aufgabenbereich der Marktforschung im Sinne von Marketing Intelligence ......................................................................... 220

Erweitertes Selbstverständnis des Marktforschers im Sinne von Marketing Intelligence ............................................................................. 223

6.3.1

Vom Informationslieferanten zum Marketing Intelligence-

6.3.2

Anforderungsprofil des Marketing Intelligence-Spezialisten ................ 225

Spezialisten ........................................................................................ 223

7

Zusammenfassung und Ausblick ........................................................ 230

Anhang................................................................................................................... 233 Literaturverzeichnis ................................................................................................ 245

Abbildungsverzeichnis Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1:

Alternative strategische Stoßrichtungen (Produkt-Markt-Matrix) ....... 26

Abbildung 2:

Die Persönlichkeitsvariablen des Entscheidungsverhaltens .............. 39

Abbildung 3:

Die Dimensionen der Persönlichkeit ................................................. 43

Abbildung 4:

Abgrenzung zwischen Marketingforschung und Marktforschung ....... 58

Abbildung 5:

Entscheidungsrelevante Kundendaten entlang des Beziehungslebenszyklus ................................................................... 66

Abbildung 6:

Das Marketing-Informationssystem (MAIS) ....................................... 91

Abbildung 7:

Begriffliche Abgrenzung der Marketing Intelligence .......................... 96

Abbildung 8:

Informationsorientierte Aufgaben des Marketing Controlling ............. 99

Abbildung 9:

Mehrstufige Kundenorientierung von Marketing Intelligence ........... 102

Abbildung 10: Das Beziehungsebenenmodell zwischen Daten- und Entscheidungsseite im Marketing .................................................... 105 Abbildung 11: Marketingtheoretische Grundlagen der internen KundenLieferanten-Beziehung im Sinne von Marketing Intelligence ........... 109 Abbildung 12: Von Marketingdaten zu handlungsorientiertem Marketingwissen .... 112 Abbildung 13: Die Wissensbasis im Marketing ...................................................... 115 Abbildung 14: Die Formen der Wissensschaffung ................................................. 117 Abbildung 15: Die Spirale der Wissensschaffung im Unternehmen ....................... 119 Abbildung 16: Die Bausteine des Wissensmanagements ...................................... 122 Abbildung 17: Die Wissenstreppe im Marketing..................................................... 126 Abbildung 18: Der Bezugsrahmen von Marketing Intelligence ............................... 129 Abbildung 19: Der Marketing Intelligence-Cycle .................................................... 132 Abbildung 20: Der Prozess von Marketing Intelligence .......................................... 136 Abbildung 21: Vom CRM-Problem zum Analyseziel (Beispiel Kundenrückgewinnung) .................................................................. 139 Abbildung 22: Zusammenhang zwischen objektivem und subjektivem Informationsbedarf, Informationsnachfrage und Informationsangebot ....................................................................... 142 Abbildung 23: Das „Gap-Modell“ der Informationsbedarfsanalyse im Marketing .... 143 Abbildung 24: Raster zur Analyse des Informationsbedarfs ................................... 148 Abbildung 25: Schritte der Datenintegration .......................................................... 152

XIV

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 26: Das Prinzip des Data Matching ....................................................... 158 Abbildung 27: Idealtypische Data Warehouse-Architektur ..................................... 162 Abbildung 28: Grundlegende Ansätze und Verfahren der Datenanalyse ............... 166 Abbildung 29: Dreidimensionale Datenansicht im Hypercube ................................ 168 Abbildung 30: Kriterien zur Auswahl von Data Mining-Methoden ........................... 172 Abbildung 31: Der Datenanalysezyklus ................................................................. 174 Abbildung 32: Die Generierung von Marketing Insights ......................................... 176 Abbildung 33: Die Formen der Wissensschaffung und -verteilung im Marketing .... 187 Abbildung 34: Typische Module eines Marketing Intelligence-Systems bei einem Konsumgüterhersteller ......................................................... 197 Abbildung 35: Die inhaltliche Ausgestaltung von Marketing Intelligence über den Marketing Intelligence-Cycle .................................................... 201 Abbildung 36: Typologie von Marktforschungskonstellationen ............................... 208 Abbildung 37: Kundenanalyse vs. Marktforschung ................................................ 216 Abbildung 38: Die Marktforschung als wissensbasierte Marketingberatung ........... 229

Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis

aCRM:

analytisches Customer Relationship Management

AMA:

American Marketing Association

CIA:

Central Intelligence Agency

CRM:

Customer Relationship Management

ESOMAR:

European Society for Opinion and Market Research

GfK SE:

Gesellschaft für Konsumforschung Societas Europaea

HTML:

Hypertext Markup Language

IT:

Informationstechnologie

KDD:

Knowledge Discovery in Databases

MAIS:

Marketing-Informationssystem

MDSS:

Management Decision Support System

MOLAP:

Multidimensionales On-Line Analytical Processing

ODS:

Operational Data Store

OLAP:

On-Line Analytical Processing

SGE:

Strategische Geschäftseinheit

S-O-R:

Stimulus – Organismus – Response

SR:

Stimulus Response

ROLAP:

Relationales On-Line Analytical Processing

URL:

Uniform Resource Locator

WWW:

World Wide Web

1

Einleitung

Einleitung

1.1

Problemhintergrund und Gegenstandsbereich der Arbeit

„Wir ertrinken in Informationen, aber uns dürstet nach Wissen.“ John Naisbitt Dieses John Naisbitt zugeschriebene Zitat verdeutlicht die gegenwärtige Situation in der Unternehmenspraxis. Eine Vielzahl an Daten und Informationen liegt in Unternehmen vor, eine fundierte Wissensbasis fehlt jedoch häufig. Für Unternehmen ist die Verfügbarkeit von relevantem Wissen von besonderer Bedeutung. Wissen stellt eine wesentliche Grundlage aller Unternehmensprozesse und -funktionen dar und bildet somit einen entscheidenden Erfolgsfaktor. 1 „In an economy where the only certainty is uncertainty, the one sure source of lasting competitive advantage is knowledge.”2 Entsprechend sind solche Unternehmen erfolgreich, die Wissen schneller

und

gezielter

als

andere

entwickeln,

bereitstellen

und

zur

Bereitstellung

von

Entscheidungsfindung heranziehen können. Aktuelle

Studien

belegen

erhebliche

Defizite

in

der

entscheidungsrelevantem Wissen in Unternehmen. Entsprechend einer Befragung von 675 Top-Managern aus Europa und den USA im Jahr 2004 verfügen 77% der Führungskräfte über keine ausreichende Datengrundlage zur Unterstützung von Entscheidungsprozessen. Dies hat zur Folge, dass mehr als die Hälfte aller strategisch wichtigen Entscheidungen auf Basis von Erfahrung und Intuition, nicht aber auf Grundlage relevanter und valider empirischer Daten getroffen wird. Die Studie konstatiert bei Führungskräften eine zunehmende Frustration über die fehlende

Verfügbarkeit

und

die

aus

ihrer

Sicht

unzureichende

Qualität

entscheidungsrelevanter Informationen. Generell existiert zwischen der Daten- und der Entscheidungsseite in Unternehmen eine Informationskluft.3 Dies

trifft

auch

auf

den

Marketingbereich

von

Unternehmen

in

der

Konsumgüterbranche zu, welcher den Rahmen für die vorliegende Arbeit liefert. Hier

1

Vgl. Binner 2007, S. 15; Al-Laham 2005, S. 468; Amelingmeyer 2004, S. 16ff.; Al-Laham 2004, S. 412ff.

2

Nonaka 1991, S. 96.

3

Vgl. Hammond 2004.

2

Einleitung

ist es in besonderem Maße notwendig, die bestehende Kluft zwischen der Nachfrage nach und dem Angebot an entscheidungsrelevanten Marketinginformationen zu überbrücken. Entscheidungssituationen und -tatbestände im Marketing zeichnen sich durch hohe Dynamik und zunehmende Komplexität aus. Es bedarf folglich schon „im Normalgeschäft“ einer Vielzahl von Informationen unterschiedlichster Herkunft über Märkte, Zielgruppen und Käufer, die auf einzelne Objekte (zum Beispiel Marken) zu beziehen und abzustimmen sind; dies zu bewerkstelligen, ist als die „klassische“ Aufgabenstellung der Marktforschung anzusehen. Marketingmanager 4 sehen sich im Zuge des Beziehungsmarketings darüber hinaus mit neuen Fragestellungen konfrontiert.

Neue

Messgrößen

wie

zum

Beispiel

der

Kundenwert,

die

Kundenzufriedenheit und -loyalität, die Wiederkaufs- und Weiterempfehlungsbereitschaft

oder

auch

Informationen

über

die

Wirkungen

von

Kundenbindungsaktivitäten rücken in den Mittelpunkt der Betrachtung. Hierzu stehen dem Marketingmanagement unternehmensintern individuelle Kundendaten und beispielsweise auch Daten aus dem Vertriebscontrolling zur Verfügung; diese müssen durch externe, oft speziell zu erhebende Marktforschungsdaten zum Verhalten und zu den Verhaltenshintergründen der Kunden ergänzt werden. Operativ ausgerichtete „Routinedaten“, wie sie für die Marketingplanung und -kontrolle seitens der Marktforschung oder aus der Kundendatenbank bereitgestellt werden, erweisen sich jedoch zunehmend als nicht ausreichend. Das Marketing ist verstärkt vor die Herausforderung gestellt, strategische Entscheidungen zu treffen, das heißt neue Produkte/Leistungen zu entwickeln und neue Märkte zu bearbeiten. Daher benötigt es für Entscheidungen über Innovationen und Zielgruppen neben vergangenheitsorientierten Daten, die in der Regel lediglich punktuell und einzelfallbezogen vorliegen, zukunftsorientierte Daten über Marktentwicklungen und -potenziale, Verhaltensweisen und Einstellungen von Ziel- und Kundengruppen sowie zu anderen Marktteilnehmern, Wettbewerbskonstellationen und Wettbewerberstrategien etc.5 Sie werden von der Marktforschung, der seit langem ein „strategisches Defizit“ zugeschrieben wird, nur bedingt zur Verfügung gestellt. 6 Stattdessen nimmt sich zumindest teilweise das strategische Marketingcontrolling

4

Der Terminus „Marketingmanager“ bzw. „Marketingentscheider“ wird in dieser Arbeit als Sammelbegriff für Entscheidungsträger im Marketingbereich generell, also zum Beispiel auch im Vertrieb, im Kundenservice, in der Kommunikation etc., verwendet.

5

Vgl. Frishammar 2003, S. 322ff.; Le Meunier-FitzHugh/Piercy 2006, S. 713.

6

Vgl. Wimmer 2002, S. 11ff.

Einleitung

3

und speziell die in jüngerer Zeit stärker thematisierte sog. „Competitive Intelligence“ 7 dieser Aufgabe an. Eine fundierte Entscheidungshilfe scheint diese Vielfalt an Daten und Information aber dennoch nicht zu bedeuten. Erst wenn die unternehmensinternen und -externen Marketingdaten in einen zweckbezogenen Kontext gebracht, das heißt, auf bestimmte Problemstellungen bezogen und zu einer einheitlichen Datenbasis verdichtet werden, kann das Marketingmanagement auf entscheidungsrelevante Marketinginformationen zugreifen. Die besondere Herausforderung liegt demnach in einer

entscheidungs-

und

darüber

hinaus

auch

entscheiderorientierten

Datenintegration, welche dem Marketingmanager bessere Einsichten in die Fragestellungen Erklärungen

des

und

Marketings Hintergründe

ermöglicht aufzeigt.

und Auf

ihm der

informationsbasierte Angebotsseite

von

Marketinginformationen geht es folglich nicht mehr nur darum, Daten zu verwalten und diese in entscheideradäquater Form an das Management weiterzuleiten, sondern es wird zunehmend darauf ankommen, aus der Vielfalt an Daten integrierte und übergreifende Informationen zu generieren, die wiederum zu Einsichten – so genannten „Insights“ – verdichtet werden.8 Speziell im Bereich der Marktforschung verbindet sich mit dem Terminus der „Consumer bzw. Market Insights“ die Vorstellung einer vertieften Einsicht in entsprechende Zusammenhänge und Hintergründe. Neben

dieser

eher

sachlich-objektiven

Ebene

der

für

entsprechende

Entscheidungssituationen benötigten Daten und Informationen ist auch die persönlich-subjektive Ebene von Bedeutung. Erst wenn der Marktforscher die vorliegenden

Marketinginformationen

in

den

Kontext

seines

subjektiven

Erfahrungswissens einbettet und diese mit seinem Verstand bewertet, um daraus Schlussfolgerungen für das Handeln des Marketingmanagements zu ziehen, entsteht entscheidungsorientiertes Marketingwissen. Subjektive Aspekte spielen ebenso auf der Seite der Entscheider eine Rolle. Marketingmanager zeigen individuelles Entscheiderverhalten, gehen Probleme auf eigene Weise an und treffen ihre Entscheidungen nach ihrem individuellen kognitiven Stil. 9 Somit beeinflussen neben den verfügbaren Marketinginformationen auch Faktoren wie Kompetenz, Intelligenz, Erfahrung, aber auch implizites Wissen und Intuition des Entscheidungsträgers den 7

Siehe hierzu Michaeli 2006; Rothberg/Erickson 2005; Kunze 2000.

8

Vgl. Davenport et al. 2001, S. 120.

9

Vgl. Brousseau et al. 2006, S. 112f.; Wierenga/van Bruggen 2000, S. 21ff.

4

Einleitung

Marketingentscheidungsprozess. Handlungsorientiertes Marketingwissen („knowhow“) entsteht daher erst durch die Verknüpfung der gewonnenen „Insights“ („knowthat“) mit dem praktischen Können bzw. den Fertigkeiten des Marktforschers sowie des

(„skills“).10

Entscheidungsträgers

Dieses

Wissen

ermöglicht

dem

Entscheidungsträger holistische Einblicke in entsprechende Sachverhalte; der Marketingmanager kann die facettenreiche Marketingrealität aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten und erklären sowie darauf aufbauend empirisch begründete Entscheidungen treffen. 11 Derartige Aspekte werden heute in Theorie und Praxis unter dem Stichwort „Marketing Intelligence“ diskutiert. Diese zielt darauf ab, Fähigkeiten für das Management marketingrelevanten Wissens zu entwickeln. Es steht die Idee im Vordergrund, von partiellen Marketingdaten und -informationen zu integriertem entscheidungs- und handlungsorientiertem Marketingwissen zu gelangen, das Marketingentscheider bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen vermag und letztendlich

einen

Beitrag

Marketingentscheidungen verbesserte

Abstimmung

leisten von

zur kann.

Verbesserung Marketing

Marketingdaten

der

Intelligence

bzw.

Qualität verfolgt

-informationen

auf

von eine die

Entscheidungsprozesse des Marketings, besser jedenfalls, als dies insbesondere aus Sicht der Marketingentscheider bislang der Fall ist.12 Das Konzept einer Marketing Intelligence umfasst damit auch die Vision einer lernenden Unternehmung: Einerseits soll die existierende Informationskluft im Marketing so gut wie möglich geschlossen werden und andererseits das Marketing langfristig auf eine umfassende Wissensbasis zugreifen können.

1.2

Zielsetzung und methodisches Vorgehen

Die einschlägige theoretische und empirische Forschung beschäftigt sich bislang vor allem mit Einzelaspekten des geschilderten Problems zwischen dem Angebot und der

Nachfrage

von

Marketinginformationen.

Es

lässt

sich

eine

intensive

Auseinandersetzung mit der Frage beobachten, wie Wissen erworben, gemanagt und umgesetzt werden kann. Diskussionen und Beiträge rund um das Thema 10

Vgl. Burmann 2001, S. 17f.; Helm/Meckl/Sodeik 2007, S. 231.

11

Vgl. Tsai/Shih 2004, S. 528f.

12

Vgl. Wimmer/Göb 2005, S. 390f.

Einleitung

5

Lernende Organisation13, Wissensmanagement14 oder Organisatorische Intelligenz 15 sind inzwischen zahlreich vorhanden und auch bereits teilweise auf den Marketingbereich

angewendet.

Die

anzutreffenden

Handlungsempfehlungen

beziehen sich allerdings fast ausschließlich auf den organisationalen Umgang mit Wissen. Dessen Wirkung auf die Entscheidungsfindung und somit auf die Entscheider- und Entscheidungsunterstützung wird in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung jedoch vernachlässigt. Andere Forschungsarbeiten analysieren die

Wahrnehmung

Marktinformationen

und im

tatsächliche

Unternehmen.

Nutzung Im

von

Rahmen

Marktforschungsdieser

Arbeiten

bzw.

werden

insbesondere Einflussfaktoren diskutiert, welche die Zusammenarbeit zwischen Marktforscher und Marketingmanager determinieren. 16 Schließlich lässt sich eine Forschungsrichtung

identifizieren,

die

auf

Basis

entscheidungstheoretischer

Grundlagen die Ausgestaltung der Markforschungsaufgabe analysiert. So werden beispielsweise kognitive Stile der Marketingmanager berücksichtigt oder auch bestehende Informations- und Wissensbarrieren untersucht, um eine effektive Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Marketing und Marktforschung zu gewährleisten. 17

Entsprechende

Forschungsbeiträge

implizieren

durchaus

bedeutsame Erkenntnisse und Einsichten; auf eine Darstellung der Gesamtsicht der Problematik, die sich an der Schnittstelle zwischen der Informations- und der Entscheidungsseite im Marketing ergibt, wird in der Regel jedoch verzichtet. Diese Lücke möchte die vorliegende Arbeit schließen: Ihr Ziel ist es, der Frage nachzugehen, wie Marketingdaten und -informationen in die Entscheidungsprozesse des

Marketings

zu

integrieren

sind,

damit

sie

Marketingentscheidern

als

Entscheidungshilfe dienen. Im Vordergrund steht dabei in prozessualer Hinsicht die Transformation von Marketingdaten in Marketinginformationen und schließlich in Marketingwissen; in diesem Zusammenhang wird vom Marketing Intelligence-Cycle gesprochen. Marketing Intelligence ist zum einen aus der Nachfrager- und zum anderen aus der Angebotsperspektive

zu

betrachten.

Seitens

der

Nachfrager

von

13

Vgl. z. B. die Arbeiten von Wengelowski 2000; Probst/Büchel 1994; Hennemann 1997.

14

Vgl. z. B. die Arbeiten von Troilo 2006; Amelingmeyer 2004; Wicki 2003; Güldenberg 2003; Neumann 2000; Willke 2001.

15

Vgl. z. B. die Arbeiten von Mähr 2003; Komus 2001; Momm 1997; Oberschulte 1994.

16

Vgl. z. B. die Arbeiten Deshpandé 1982; Deshpandé/Zaltman 1982; Wimmer 2002; Roleff 2001; Roleff/Wimmer 1999.

17

Vgl. z. B. die Arbeiten von Wierenga/van Bruggen 2000, Klose 1993.

6

Einleitung

Marketinginformationen

geht

es

darum,

welche

Entscheidungsunterstützung

hinsichtlich spezifischer Fragestellungen im Einzelfall (praktische Sicht) bzw. typischerweise (generalisierende wissenschaftliche Sicht) benötigt bzw. gewünscht wird und wie bereitgestellte Informationen tatsächlich genutzt werden; diese Perspektive wird in der vorliegenden Arbeit nicht betrachtet. Marketing Intelligence wird hier aus der Angebotsperspektive – insbesondere aus Sicht der traditionellen Marktforschung – untersucht. Daher geht es vor allem um die Frage, wie die Angebotsseite von Marketinginformationen den Prozess von Marketing Intelligence unterstützen kann und welche Funktion dabei der betrieblichen Marktforschung 18 zukommt. Hierzu möchte die vorliegende Arbeit Verbesserungsansätze und Gestaltungsempfehlungen liefern. Im Sinne des Wissensmanagements verkörpert Marketing Intelligence eine umfassende Integration und ein ganzheitliches Management von Marketingwissen. Daher

geht

es

nicht

Marketinginformationen

darum,

die

stattfindenden

innerhalb Prozesse

der

Angebotsseite

der

Wissensgenerierung

von

aufzuzeigen, sondern vielmehr um die grundsätzliche Fragestellung, wie aus Perspektive der Angebotsseite von Marketinginformationen – insbesondere der Marktforschung – das Zusammenspiel mit der Entscheidungsseite im Sinne einer Marketing Intelligence zu gestalten ist, damit sich eine verbesserte Entscheider- und Entscheidungsunterstützung im Marketing ergeben. Es ist also zu thematisieren, wie Marketingdaten und -informationen in die Entscheidungsprozesse des Marketings zu integrieren

sind,

um

tatsächlich

entscheider-

und

entscheidungsrelevantes

Marketingwissen zu generieren. Hierzu wird ein Konzept für Marketing Intelligence entwickelt,

das

es

erlaubt,

vornehmlich die inhaltliche Ausgestaltung

des

zugrundeliegenden Prozesses darzulegen. Die geschilderte Thematik wird zum einen aus Sicht der Literatur erforscht und zum anderen werden die daraus gewonnenen theoretisch-argumentativen Ausführungen durch eine eigene qualitative Erhebung ergänzt.

18

In Unternehmen der Konsumgüterindustrie arbeitet die betriebliche Marktforschung in der Regel eng mit externen Marktforschungsinstituten zusammen. In der vorliegenden Arbeit wird beides, sowohl die betriebliche als auch die institutionelle Marktforschung, ins Auge gefasst und allgemein von der Marktforschungsaufgabe bzw. von Marktforschung gesprochen.

Einleitung 1.3

7

Empirische Untersuchung

Da bislang, wie bereits erwähnt, nur wenige Forschungsergebnisse zur Integration von Marketinginformationen in die Entscheidungsprozesse des Marketings vorliegen, erschien es für die vorliegende Arbeit notwendig, eine eigene empirische Erhebung durchzuführen. Deren Ziel bestand darin, Einblicke in die Entscheidungsprozesse des Marketings zu erlangen, Verbesserungsbedarf bei der Zusammenarbeit zwischen der Angebots- und der Nachfrageseite von Marketinginformationen zu identifizieren sowie Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Entscheider- und Entscheidungsunterstützung im Marketing aufzuzeigen. Auf Basis dieser empirischen Erkenntnisse sollte ein Konzept für Marketing Intelligence entwickelt werden. Grundsätzlich besteht der Fokus wissenschaftlichen Arbeitens darin, Erkenntnisse zu erzielen. Dabei lassen sich drei Erkenntnisziele unterscheiden: Erklären, Verstehen und Gestalten. Während es beim Erklärungsziel darum geht, die Wirklichkeit kausal zu erklären, stehen beim Verstehensziel interpretative Ansätze im Mittelpunkt. Das Gestaltungsziel hingegen ist darauf ausgerichtet, praktisches Handeln mittels wissenschaftlicher Anleitungen beispielsweise in Form von Modellen, Entscheidungsund

Reflexionshilfen

zu

unterstützen;

im

Vordergrund

der

angewandten

Marketingforschung stehen die Überprüfung der Fragestellungen anhand der Praxis sowie die Anwendbarkeit der Forschungsergebnisse. 19 In der vorliegenden Arbeit soll die Empirie dazu beitragen, ein Verständnis für die Zusammenhänge und Hintergründe des Verhaltens der befragten Personen zu erlangen sowie darauf aufbauend praktisch-normative Aussagen in Form von Handlungsempfehlungen abzuleiten. In einem ersten Schritt wurde eine umfassende Literatursichtung durchgeführt, um einen Überblick über bisherige Erkenntnisse zu bekommen und einen theoretischen Rahmen zu erarbeiten. Da die Literaturbetrachtung allerdings nur eine Reflexion bereits bekannter Aspekte ermöglicht, sollten mittels der empirischen Untersuchung neue Erkenntnisse gefunden und einige Fragestellungen anhand der Praxis überprüft werden.20 Die Auswahl der empirischen Forschungsmethode im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung, die letztendlich auch das Forschungsdesign determiniert,

muss

sich

stets

an

den

spezifischen

19

Vgl. Dyllick/Tomczak 2007, S. 67f.; Kleinig 2007, S. 211ff.

20

Vgl. Kleining 2007, S. 196.

Anforderungen

der

8

Einleitung

zugrundeliegenden Fragestellungen orientieren. 21 Da in der vorliegenden Arbeit Verstehens- und Gestaltungsziele im Vordergrund stehen, kamen für die empirische Erhebung vorwiegend qualitative Verfahren in Betracht. Während sich Methoden der quantitativen Sozialforschung eher mathematisch-statistischer Verfahren bedienen, zeichnen sich Methoden der qualitativen Sozialforschung durch interpretative, kommunikative, offene und theorieentwickelnde Charakterzüge aus. 22 Qualitative Forschung zielt also auf das Erkennen, Beschreiben und Verstehen von Zusammenhängen ab, nicht aber auf deren Messung; relevante Fragestellungen sollen möglichst ganzheitlich erfasst und interpretiert werden, um hierzu Einblicke aus Sicht der befragten Person zu erlangen. 23 Für die vorliegende Arbeit bot sich daher eine qualitativ angelegte Studie an; der Objektbereich der Studie wurde auf die Branche der Konsumgüterindustrie beschränkt. Marketingmanager sehen sich hier einer sehr dynamischen und komplexen Umwelt gegenüber und benötigen daher als Entscheidungshilfe eine Vielzahl an Informationen aus unterschiedlichen Quellen. Aus diesem Grund erscheint in dieser Branche eine funktionierende Zusammenarbeit zwischen der Angebots- und der Nachfrageseite von Marketinginformationen von großer Bedeutung zu sein. Die Studie orientiert sich an ausgewählten Unternehmen der Konsumgüterbranche; es besteht kein Anspruch auf Repräsentativität oder Vollständigkeit. Vielmehr sollten – wie bereits erwähnt – Möglichkeiten der Integration

von

Marketinginformationen

in

die

Entscheidungsprozesse

des

Marketings empirisch erfasst und anschließend diskutiert werden, um ein realitätsnahes Konzept von Marketing Intelligence erarbeiten zu können. Als Instrument der Datenerhebung bot sich hierfür vornehmlich das Experteninterview an, da für die Entwicklung von Lösungen und Handlungsempfehlungen insbesondere Wissensbestände der Experten aus Marketing und Marktforschung Gegenstand des Forschungsinteresses der vorliegenden Arbeit waren. 24 Eine Forschungsstrategie als Fundament für qualitative Forschung stellt die von Glaser/Strauss (1967) entwickelte Grounded Theory dar. Diese Theorie zielt darauf ab, ein tiefgründiges Verständnis menschlichen Verhaltens und sozialer Prozesse zu

21

Vgl. Atteslander 2003, S. 6; Kepper 1996, S. 131.

22

Vgl. Kleining 2007, S. 207; Naderer 2007a, S. 20ff.; Lamnek 2005, S. 117-123.

23

Vgl. Flick 2005, S. 12f.; Kepper 1996, S. 18.

24

Vgl. Bähring et al. 2008, S. 91ff.; Pfadenhauer 2007, S. 452; Mey/Mruck 2007, S. 254f.; Kurz et al. 2007, S. 465; Gläser/Laudel 2004, S. 10f.

Einleitung

9

erlangen und auf Basis empirischer Daten eine realitätsnahe Theorie zu entwickeln, um sie für die Praxis anwendbar zu machen. Wie schon der Begriff „Grounded Theory“ zum Ausdruck bringt, „gründet“ die Theorie sozusagen in den Aussagen von befragten Personen; es handelt sich um einen qualitativen Forschungsansatz zur Erarbeitung von „empirisch gegründeten“ Theorien. 25 Grundsätzlich kann die Grounded Theory auch auf Fragestellungen des Marketings übertragen werden. 26 Anwendungsfeld der Grounded Theory sind Sachverhalte mit weitgehend offener Fragestellung.27 Die zur Theoriebildung erhobenen Daten können dabei aus unterschiedlichen Quellen stammen, wie zum Beispiel Interviews, Beobachtungen, Gesprächen, Fokusgruppen, Tagebüchern oder auch Statistiken. Neben qualitativen Daten können demnach auch quantitative Daten Verwendung finden. 28 Die Zielsetzungen der vorliegenden Arbeit entsprechen den Anforderungen der Grounded

Theory.

Einerseits

geht

es

darum,

auf

Basis

qualitativer

Experteninterviews systematisch einen theoretischen Bezugsrahmen für das Konzept von Marketing Intelligence zu entwickeln, welcher auf den Aussagen, Handlungsweisen und Erfahrungen der Zielgruppen – also der Angebots- und der Nachfrageseite von Marketinginformationen – basieren sollte. Andererseits sollten sich neue Perspektiven bezüglich der bearbeiteten Fragestellungen eröffnen, um Handlungsempfehlungen für eine Marketing Intelligence ableiten zu können. Die empirische Studie wurde in den Jahren 2006 und 2007 durchgeführt. Insgesamt wurden 16 Interviews geführt; dabei fanden acht Interviews mit Marktforschern und acht

Interviews

mit

Marketingentscheidern

statt.

Bei

der

Befragung

von

Marketingmanagern wurde bewusst eine breite Streuung über verschiedene Branchen

der

Konsumgütern,

Konsumgüterindustrie Finanzdienstleister,

(Automobilbranche,

Dienstleister

für

Hersteller

von

Unterhaltungselektronik,

Handelsunternehmen) gewählt. Damit sollte sichergestellt werden, dass eine möglichst große Bandbreite denkbarer Ausprägungen einer Zusammenarbeit zwischen Angebots- und Nachfrageseite von Marketinginformationen erfasst wird. 29 Die Interviews mit den Marktforschern wurden bis auf eine Ausnahme persönlich

25

Vgl. Charmaz 2006, S. 4ff.; Suddaby 2006, S. 633f.; Strübing 2004, S. 13f.; Strauss/Corbin 1996, S. 7ff.; Strauss 1994, S. 31.

26

Vgl. hierzu beispielsweise Goulding 2005; Goulding 2000 sowie Gummesson 2005.

27

Vgl. Lueger 2007, S. 202f.

28

Vgl. Lueger 2007, S. 196f.; Corbin 2006, S. 71; Strauss 1994, S. 25.

29

Vgl. hierzu ausführlich Schreier 2007.

10

Einleitung

durchgeführt, während die Befragung der Marketingentscheider telefonisch erfolgte. Die persönlichen Gespräche dauerten ca. eine Stunde; die Telefoninterviews im Durchschnitt etwa 45 Minuten. Als Grundlage für die Interviews wurde ein Gesprächsleitfaden erarbeitet. Die beiden Leitfäden für die Marktforscher und die Marketingenscheider unterscheiden sich nur geringfügig voneinander (siehe Anhang). Die Interviews wurden unter Verwendung eines Tonträgers mitgeschnitten, da die umfassende Dokumentation des erhobenen Datenmaterials eine grundlegende Voraussetzung für die Güte qualitativer Auswertungen ist. Anschließend wurden die Interviews

getrennt

nach

Marktforschern

und

Marketingentscheidern

inhaltsanalytisch ausgewertet. Dabei wurden systematisch aus den transkribierten Daten Informationen extrahiert. Der Vorteil dieser qualitativen Inhaltsanalyse besteht darin, dass eine problemadäquate Strukturierung bezüglich der Fragestellung geschaffen werden kann. 30 Die gewonnenen empirischen Ergebnisse wurden sukzessive im Laufe der Arbeit eingearbeitet und ergänzen somit die Überlegungen zu den jeweiligen theoretischen Zusammenhängen.

1.4

Aufbau der Arbeit

Um die Herangehensweise an die genannten Zielsetzungen der vorliegenden Arbeit zu veranschaulichen, wird im Folgenden der Aufbau der Arbeit kurz vorgestellt. In Kapitel 1 werden – nach Darstellung des Problemhintergrunds sowie der Ziele – die methodischen und formalen Grundlagen der im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten empirischen Erhebung erläutert. In Kapitel 2 wird die Entscheidungssituation im Marketing beschrieben, die den Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit darstellt. Ausgehend von den Grundlagen eines markt- und kundenorientierten Marketings wird insbesondere auf die Verknüpfung

von

Aktions-

und

Informationsseite

im

Rahmen

des

Marketingentscheidungsprozesses abgestellt, um darauf aufbauend zu erläutern, dass

30

Marketinginformationen

eine

wichtige

Entscheidungsbasis

für

das

Vgl. ausführlich zur Dokumentation und Auswertung qualitativer Daten Bähring et al. 2008, S. 101ff.; Naderer 2007b, S. 369ff.; Gläser/Laudel 2004, S. 191ff.

Einleitung

11

Marketingmanagement darstellen. Abschließend wird die Notwendigkeit von Marketing Intelligence zur Verbesserung der Entscheidungsqualität im Marketing begründet. Kapitel

3

widmet

sich

Marketinginformationen.

der

Nachfrage-

Zunächst

erfolgt

und eine

der

Angebotsseite

detaillierte

von

Analyse

der

Entscheidungsseite im Marketing. Ausgehend von grundlegenden Aufgaben des Marketings sowie idealtypischen Ausprägungen von Marketingentscheidungen interessieren insbesondere die jeweils erforderlichen Informationsbedarfe des Marketingmanagements.

Neben

dieser

sachlich-objektiven

Ebene

der

Marketingentscheidung wird in einem weiteren Schritt insbesondere auf die persönlich-subjektive Ebene des Marketingentscheiders abgestellt. Auf Basis einer theoretischen Analyse des Entscheiderverhaltens werden unterschiedliche kognitive Stile und Entscheidertypen charakterisiert. In einem nächsten Abschnitt wird die Angebotsseite von Marketinginformationen – die Datenseite – betrachtet. Nach einer kurzen Abgrenzung relevanter Begrifflichkeiten erfolgt eine detaillierte Analyse des Leistungsspektrums auf der Angebotsseite von Marketinginformationen. Hierzu wird das

vielfältige

Daten-

Zusammenfassend

wird

und

Informationsangebot

dargelegt,

dass

zur

im

Marketing

Schaffung

einer

aufgezeigt. fundierten

Informationsgrundlage für das Marketing vielfältige Daten aus heterogenen Informationsquellen und zu verschiedenen Entscheidungstatbeständen erforderlich sind. Abschließend werden in diesem Kapitel bestehende Diskrepanzen zwischen der Angebots- und Nachfrageseite von Marketinginformationen dargelegt und aufgrund der sich daraus ergebenden Informations- bzw. Wissenskluft die Notwendigkeit von Marketing Intelligence begründet. Kapitel 4 spannt einen Bezugsrahmen für das Konzept einer Marketing Intelligence auf. Nach einer begrifflichen Präzisierung werden die theoretischen Grundlagen zur Entwicklung

des

Konzepts

von

Marketing

Intelligence

erläutert,

deren

Zusammenführung schließlich in einen Bezugsrahmen für Marketing Intelligence – den Marketing Intelligence-Cycle – mündet. Dieser Bezugsrahmen, der Marketing Intelligence

als

intermediäre

Funktion

zwischen

der

Angebots-

und

der

Nachfrageseite von Marketinginformationen charakterisiert, wird in den folgenden Kapiteln konzeptionell und inhaltlich ausgefüllt. Kapitel 5 beschreibt anhand des Marketing Intelligence-Cycles, der die Daten-, die Informations-

und

die

Wissensebene

umfasst,

Entwicklungsschritte

zur

12

Einleitung

Verbesserung der Entscheider- und Entscheidungsunterstützung im Marketing. Auf der Datenebene werden vornehmlich die Definition des Marketingproblems sowie die darauf

aufbauende

Informationsbedarfsanalyse

thematisiert.

Auf

der

Informationsebene finden die Datenintegration sowie die anschließende Analyse der relevanten Marketingdaten statt, wodurch letztendlich Marketing Insights entstehen. Die Wissensebene

greift

schließlich

die

Generierung

und

Verteilung

von

Marketingwissen auf. Insgesamt wird dabei aufgezeigt, dass der Marketing Intelligence-Cycle im Sinne einer Lernspirale zu einer stetigen Verbesserung der Marketingwissensbasis beiträgt. Kapitel 6 widmet sich der Marktforschung – einem der Hauptakteure auf der Angebotsseite von Marketinginformationen. Dabei wird argumentiert, dass der Marktforschung im Sinne von Marketing Intelligence ein erweiterter Aufgabenbereich zukommt. Es wird als grundsätzliche Aufgabe der Marktforschung gesehen, den Prozess von Marketing Intelligence zu koordinieren und zu steuern. Dies hat auch Auswirkungen auf den Marktforscher selbst, von dem neue Fähigkeiten und Kompetenzen verlangt werden. Zentraler Gedanke dieses Kapitels ist deshalb die Notwendigkeit eines Selbstverständnis- und Imagewechsels der Marktforschung bzw. des Marktforschers zur Sicherstellung einer bedeutsamen Rolle bei der Umsetzung von Marketing Intelligence. Kapitel 7 rundet die Arbeit mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick auf Ansatzpunkte für weitere Forschungsbemühungen ab.

2

Entscheidungssituation im Marketing

Entscheidungssituation im Marketing

Ausgangspunkt der Arbeit ist die Entscheidungssituation im Marketing. Einleitend werden grundlegende Aspekte eines markt- und kundenorientierten Marketings beschrieben, um im Anschluss auf die enge Verknüpfung von Aktions- und Informationsseite im Rahmen des Marketingentscheidungsprozesses einzugehen. Damit

wird

verdeutlicht,

dass

Marketinginformationen

eine

wesentliche

Entscheidungsgrundlage für das Marketingmanagement darstellen. Vor diesem Hintergrund wird abschließend die Notwendigkeit der Entscheidungsunterstützung durch

Marketing

Intelligence

begründet,

um

die

Qualität

von

Marketingentscheidungen verbessern zu können.

2.1

Marketing als markt- und kundenorientiertes Entscheidungsverhalten

Die Begriffsabgrenzungen von „Marketing“ sind äußerst vielschichtig und divergent – es ist jedoch auch illusorisch anzunehmen, dass sich in Literatur und Praxis jemals eine

einheitliche,

allgemeingültige

Definition

durchsetzen

wird. 31

Nach

vorherrschender Ansicht ist Marketing „die bewusst marktorientierte Führung des gesamten Unternehmens oder marktorientiertes Entscheidungsverhalten in der Unternehmung“ 32. Im Sinne dieser ganzheitlichen Interpretation ist Marketing als marktorientierte Unternehmensführung aufzufassen und kann dabei als ein duales Führungskonzept verstanden werden. Einerseits wird dem Marketing die Rolle einer gleichberechtigten

Unternehmensfunktion

im

Sinne

eines

institutionalisierten

Marketingbereichs zugestanden; andererseits ist Marketing auch als Leitkonzept des Managements zu verstehen, das eine marktorientierte Koordination sämtlicher Unternehmensaktivitäten sicherstellt und somit eine dauerhafte Befriedigung von Kundenbedürfnissen

unter

Schaffung

komparativer

Wettbewerbsvorteile

gewährleistet.33 Marketing ist somit als eine Form der Unternehmensführung zu

31

Vgl. hierzu beispielsweise Backhaus 1999, S. 7ff.

32

Meffert 2000, S. 8 sowie ähnlich Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2008, S. 10.

33

Vgl. Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2008, S. 13f.; Kotler/Bliemel 2006, S. 37f.; Homburg/Krohmer 2006, S. 10; Bruhn 2004, S. 14ff. Dieses Marketingverständnis im Sinne eines dualen Führungskonzepts kommt auch in der Definition der American Marketing Association (AMA) zum Ausdruck: „Marketing is the activity, set of institutions, and processes for creating, communicating, delivering, and exchanging offerings that have value for customers, clients, partners, and society at large” (American Marketing Association 2007).

14

Entscheidungssituation im Marketing

charakterisieren, die sich am Markt, insbesondere an den Kunden und deren Bedürfnissen, sowie an der Konkurrenz orientiert. Grundsätzlich kann Marketing sowohl im institutionellen als auch im funktionalen Sinne verstanden werden: Marketing in institutioneller Hinsicht betrifft die Marketingorganisation34 und umfasst damit alle Stellen/Positionen im Unternehmen, die bei Marketingentscheidungen beteiligt sind; Marketing in funktionaler Hinsicht betrifft die Inhalte und damit die Tätigkeiten des Marketingmanagements. „Marketing managers typically play a lead role in this task through their responsibility to interpret the environment and make the crucial choices of which customers to serve, competitors to challenge, and products and services to offer.“ 35 Gerade die erforderliche

Orientierung

am

Markt

erhöht

die

Komplexität

der

Marketingentscheidung, denn neben der Beachtung von unternehmensbezogenen Gegebenheiten ist hier zudem eine Ausrichtung auf den Markt nötig. 36 Die Aufgabenbereiche des Marketingmanagements lassen sich daher differenzieren in unternehmensbezogene, marktbezogene sowie gesellschafts- und umweltbezogene Aufgaben; diese sind im Rahmen eines integrierten Marketingkonzeptes parallel zu berücksichtigen. Die konkrete Akzentuierung der jeweiligen Aufgaben ist allerdings abhängig vom individuellen Unternehmenstyp und von der Unternehmenssituation. 37 Grundsätzlich erfordert die Verwirklichung von Unternehmens- und Marketingzielen eine konsequente Ausrichtung sämtlicher Aktivitäten eines Unternehmens an den Bedürfnissen der Kunden und am Markt.38 Die Kunden- bzw. Marktorientierung steht daher bei vielen Unternehmen am Anfang eines jeden Wertschöpfungsprozesses und zieht sich systematisch durch die gesamte Wertkette. So beginnt beispielsweise der Innovationsprozess idealtypisch mit der Beobachtung von Kundenbedürfnissen sowie der Sammlung innovationsrelevanter Marktinformationen. Auch die weiteren Phasen der Ideengewinnung und -selektion über die Entwicklung einer Produkt- und Vermarktungskonzeption bis hin zur Einführung auf dem Markt erfordern eine

34

Siehe hierzu ausführlich Roleff 2001, S. 23ff.

35

White/Varadarajan/Dacin 2003, S. 63, zitiert nach Day 1984.

36

Vgl. Meffert 2000, S. 57.

37

Vgl. Meffert 2000, S. 11ff.

38

Vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 2002, S. 14f.; Esch/Herrmann/Sattler 2006, S. 3f.

Entscheidungssituation im Marketing

15

konsequente Berücksichtigung der Erwartungen des Absatzmarktes, um eine größtmögliche Kunden- und Marktorientierung sicherzustellen. 39 An kundengerichteten Wertschöpfungsprozessen des Marketings sind in der Regel zahlreiche Individuen aus verschiedenen Abteilungen beteiligt. Ein reibungsloser Ablauf ist nur möglich, wenn die einzelnen Aktivitäten zwischen den verschiedenen Abteilungen aufeinander abgestimmt sind. 40 Viele Unternehmen bedienen sich daher eines konsequenten Prozessmanagements, das darauf abzielt, durchgängige kundenbezogene Prozesse zu institutionalisieren und zu managen. Auch im Marketing ist eine stärkere Prozessorientierung erforderlich, die eine Ausrichtung aller Marketingaktivitäten und -entscheidungen auf den Markt erforderlich macht. 41 Eine

zielgerichtete

Umsetzung

eines

markt-

und

kundenorientierten

Entscheidungsverhaltens im Marketing ist jedoch nur zu gewährleisten, wenn dem Marketingmanagement als Entscheidungsgrundlage

entsprechende Marketing-

informationen zur Verfügung stehen.

2.2

Marketinginformationen als Entscheidungsgrundlage

Um schließlich markt- und kundenorientiert handeln zu können, benötigen Entscheidungsträger im Marketing zur Erledigung ihrer Aufgaben in der Regel umfassende Informationen. Sie müssen ständig aktuelle Informationen über Entwicklungen im Unternehmensumfeld berücksichtigen, immer flexibler auf Umfeldänderungen reagieren und demzufolge Entscheidungen in immer kürzerer Zeit fällen. Für Marketingmanager ist es daher wichtig, immer schneller an Informationen zu kommen. Daneben ist jedoch auch die Qualität der Informationen von Bedeutung. Entscheider im Marketing fordern zudem immer aussagekräftigere Informationen, die speziell auf ihre Frage- bzw. Problemstellung zugeschnitten sind. Das Marketingmanagement benötigt solche fundierten, tatsächlich entscheidungsrelevanten Marketinginformationen einerseits zur Unterstützung der Entscheidungs-

39

Vgl. hierzu beispielsweise Rath 2008, S. 30; Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2008, S. 413ff.; Homburg/Krohmer 2006, S. 570ff.; Betz 2003, S. 111.

40

Vgl. Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2008, S. 15; Narver/Slater 1990, S. 22.

41

Vgl. Diller/Ivens 2006a, S. 5f.; Diller/Ivens 2006b; Diller/Haas/Ivens 2005, S. 52f.

16

Entscheidungssituation im Marketing

findung

und

andererseits

zur

Absicherung

von

bereits

getroffenen

Marketingentscheidungen. 42 Diese Ausführungen verdeutlichen die enge Verknüpfung zwischen der Informationsund der Aktionsseite im Rahmen des Entscheidungsprozesses im Marketing. Marketingentscheidungen sind somit als „systematischer Prozess der Gewinnung und Verarbeitung von Informationen“ 43 zu verstehen. Damit kommt zum Ausdruck, dass

die

Informationsbedarfe

Entscheidungsprozessen

eines

beeinflusst

Marketingentscheiders

werden.

Zum

einen

von

den

variiert

der

Informationsbedarf des Marketingmanagements je nach Art der zu treffenden Marketingentscheidung.

So

sind

bei

strategischen

Entscheidungen

eher

Informationen erforderlich, die eine Auswahl attraktiver strategischer Geschäftsfelder sowie die Aufstellung von Marketingzielen (Absatz, Marktanteil, Image etc.) ermöglichen. Für operative Routineentscheidungen, die primär die Ausgestaltung und Kombination von Marketing-Mix-Instrumenten betreffen, sind vorwiegend detaillierte Marketinginformationen über Wirkungen und Interdependenzen der einzelnen

Marketingmaßnahmen

erforderlich.44

Zum

anderen

ist

der

Informationsbedarf von der Phase des Marketingentscheidungsprozesses abhängig, in

der

sich

ein

Marketingentscheider

jeweils

befindet.

Zu

Beginn

des

Entscheidungsprozesses werden umfassende Informationen sowohl über die Unternehmensumwelt als auch über unternehmensinterne Sachverhalte benötigt, um eine spezifische Problem- bzw. Fragestellung analysieren sowie darauf aufbauend beispielsweise für ein neu einzuführendes Produkt wahrscheinliche Absatz- und Marktentwicklungen prognostizieren zu können. Nach den Phasen der Detailplanung und

Umsetzung

bestimmte

der

gewählten

Informationen

aus

Marketingmaßnahmen, Konsumentensicht

wofür

insbesondere

(beispielsweise

über

Preisbereitschaft, Produktakzeptanz, Kommunikationswirkung etc.) erforderlich sind, gilt es, in der Kontrollphase fortlaufend im Rahmen von Abweichungs- und Ursachenanalysen die Zielerreichung anhand von Umsatz- und Absatzgrößen, mengen- und wertmäßigem Marktanteil etc. zu überwachen. 45 Obgleich sich der Bedarf an Marketinginformationen nur fallbezogen in Bezug auf eine spezifische Entscheidungssituation konkretisieren lässt, ist dennoch offen42

Vgl. Wimmer/Göb 2005, S. 387.

43

Vgl. Meffert 1992, S. 5.

44

Siehe hierzu ausführlich Abschnitt 3.1.1.2.

45

Vgl. Meffert 1992, S. 5f.

Entscheidungssituation im Marketing

17

kundig, dass das Marketingmanagement generell zur Entscheidungsfindung eine Vielzahl heterogener Informationen, die sowohl aus unternehmensinternen als auch aus unternehmensexternen Quellen stammen, benötigt. Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, dass Marketinginformationen als wesentliche, wenn nicht sogar wichtigste Entscheidungsgrundlage für das Marketingmanagement zu bezeichnen ist.

2.3

Verbesserung der Entscheidungsqualität im Marketing durch Marketing Intelligence

In den vorhergehenden Ausführungen wurde bereits kurz angesprochen, dass die Tätigkeit des Marketingmanagements und damit letztendlich auch die Entscheidungsfindung als Prozess46 aufzufassen sind. Daher wird in der vorliegenden Arbeit in Abgrenzung zur entschlussorientierten Betrachtungsperspektive eine prozessorientierte Sichtweise der Marketingentscheidung eingenommen. Bei dieser Sichtweise rücken der gesamte Entscheidungsprozess und somit auch die vor dem finalen Entschluss liegenden Vorgänge in den Mittelpunkt der Betrachtung. 47 Mit „Marketingentscheidung“ – egal ob dies eine strategische Grundsatzentscheidung oder eine operativ geprägte Routineentscheidung betrifft – wird hierbei das Resultat des gesamten Marketingentscheidungsprozesses bezeichnet. Um Marketingentscheidungen schließlich bewerten und eine Differenzierung in „bessere“ und „schlechtere“ Entscheidungen vornehmen zu können, wird ein Vergleichsmaßstab zur Beurteilung ihrer Güte benötigt. In diesem Zusammenhang wird in der Regel das Gütekriterium der „Qualität“ herangezogen, womit im betriebswirtschaftlichen Sprachgebrauch ganz generell der Beitrag zur Zielerreichung bzw. Zweckerfüllung verstanden wird. 48 „Qualität“ ist demnach ein sehr allgemeines

46

Siehe hierzu ausführlich Abschnitt 3.1.1.1.

47

Vgl. Martin 1998, S. 60. In der einschlägigen Literatur dominiert die inhaltliche Gleichstellung der Begriffe Entscheidung und Entscheidungsprozess (vgl. hierzu beispielsweise Witte 1992, Sp. 552f.; Simon 1981, S. 16; Bronner 1980, S. 9ff.; Kirsch 1977, S. 70ff.). Im Gegensatz zu prozessorientierten Ansätzen werden entschlussorientierte Ansätze als geschlossene Modelle bezeichnet, da sie sich auf den Beschluss, das heißt auf den Akt der Auswahl zwischen Handlungsalternativen, beschränken. Vorgelagerte Prozesse, wie beispielsweise das Heranziehen oder auch die Verarbeitung von Daten und Informationen, hingegen bleiben ausgeblendet (siehe hierzu Laux/Liermann 2003, S. 2; Hammann 1994, S. 9; Witte 1992, Sp. 552 sowie Mag 1969, S. 31).

48

Vgl. ausführlich Cramme 2005, S. 42.

18

Entscheidungssituation im Marketing

Konstrukt; die Bewertung von Marketingentscheidungen erfordert hingegen gerade auch aufgrund ihrer Komplexität ein differenzierteres Vorgehen. Für die Beurteilung von Entscheidungen bzw. Entscheidungsprozessen im Marketing kann man auf konkreterer Ebene die betriebswirtschaftlichen Zielkategorien der Effektivität und Effizienz heranziehen. 49 Diese beiden Kriterien bieten sich hier als Teilaspekte der Entscheidungsqualität im Marketing an. Effektivität wird als Maßgröße für den Grad der Zielerreichung (Output) verwendet; sie gibt an, inwiefern das Ergebnis einer Handlung die festgelegten bzw. vorgegebenen Erwartungen erfüllt. Die Effektivität ist damit auch für die Beurteilung von Maßnahmen zur Erreichung gegebener Ziele geeignet. Effizienz hingegen wird als Maßgröße für Wirtschaftlichkeit angesehen und spiegelt das Verhältnis von Input und Output (Input-Output-Relation) wieder. Zur Berechnung der Effizienz einer Aktivität findet ein Vergleich zwischen Zielerreichung und den hierfür eingesetzten Mitteln statt.50 Mit Drucker plakativ formuliert: Effektivität heißt „doing the right things“, Effizienz heißt „doing the things right“.51 Effektivität verkörpert somit die Wirksamkeit von Handlungen und Aktivitäten vor dem Hintergrund der ex ante formulierten Ziele und Erwartungen; Effizienz hingegen ist auf den Faktoreinsatz fokussiert, der zur Erreichung der Ziele und Erwartungen benötigt wurde. Überträgt man die beiden Maßgrößen Effektivität und Effizienz als Teilaspekte der Entscheidungsqualität auf die Entscheidungssituation im Marketing, so kann eine Marketingentscheidung beispielsweise effektiv sein, wenn auf Basis der vorliegenden Daten und Informationen eine Produktmodifikation vorgenommen wurde, die schließlich zur angestrebten Absatzsteigerung des betreffenden Produkts führt. Effizient ist eine Marketingentscheidung, wenn der eingesetzte Mitteleinsatz in günstiger Relation zu dieser Absatzsteigerung steht. So können unnötig hohe Kosten (zum Beispiel mehrfache Durchführung identischer (Marktforschungs-)Studien) oder auch fehlerhafte Aktivitäten im Rahmen des Entscheidungsprozesses (zum Beispiel falsche Interpretation vorliegender Informationen) die Effizienz einer Entscheidung reduzieren. Des Weiteren ist der zeitliche Aspekt zu berücksichtigen: die Effizienz der Marketingentscheidung sinkt, wenn sie lediglich durch unzählige Meetings und langwierige Abstimmungsrunden beispielsweise zwischen Marketing und Vertrieb 49

Vgl. Diller/Ivens 2006a, S. 5; Diller/Ivens 2006b, S. 23f.; Bauer/Stockburger/Hammerschmidt 2006, S. 22ff.; Diller/Haas/Ivens 2005, S. 58ff.

50

Vgl. Cramme 2005, S. 43 und die dort angegebene Literatur.

51

Vgl. Drucker 1974, S. 45 sowie Drucker 2006, S. 96.

Entscheidungssituation im Marketing

19

oder auch mit der Marktforschungsabteilung realisiert wurde. Der Output der Marketingentscheidung,

in

diesem

Beispiel

eine

Erlössteigerung

durch

Mehrverkäufe, würde somit aufgrund zusätzlicher Kosten und eines erhöhten Zeitaufwands geschmälert werden. Bei sämtlichen Handlungen im Marketing, wie zum Beispiel bei der Modifikation eines Produkts, wird zuvor in der Regel eine Abfolge bestimmter Tätigkeiten durchlaufen. Häufig ist am Prozess der Entscheidungsfindung zudem eine Vielzahl von Akteuren beteiligt. Der Entscheidungsverantwortliche (gegebenenfalls der Marketingmanager) muss oftmals, um zu einer fundierten Entscheidung zu gelangen, sowohl mit internen als auch mit externen Akteuren zusammenarbeiten bzw. ist auf deren

Arbeit

und

Know-how

angewiesen.

Regelmäßig

wiederkehrende

Entscheidungen, wie es häufig auf operativer Ebene der Fall ist, erfordern meist keine enge Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Akteuren; der Entscheider greift lediglich auf problemrelevante Informationen aus anderen Bereichen bzw. Abteilungen zu und berücksichtigt diese bei seiner Entscheidungsfindung. Denkbar ist beispielsweise, dass der Marketingentscheider bestimmte Kundendaten vom Vertrieb (wie soziodemographische Merkmale, Kaufhäufigkeit, Beschwerdeverhalten eines Kunden etc.) oder auch unternehmensexterne Daten aus der Marktforschung (wie Marktpotenziale, Marktsegmentierungen etc.) benötigt. Trotz der enormen Datenflut, die in heutigen Unternehmen meist vorherrscht, sieht sich der Marketingentscheider in einer Vielzahl von Entscheidungssituationen jedoch auch unvollkommenen Informationen gegenüber. Zudem können in der Regel aufgrund seiner begrenzten Informationsverarbeitungskapazität nicht alle möglichen, potenziell entscheidungsrelevanten Daten Berücksichtigung finden. Kurz gesagt: „The inability to use information effectively is the Archilles’ heel of many decision-making processes.”52 Auf der Nachfrageseite von Marketinginformationen sehen sich Marketingmanager mit immer komplexeren Entscheidungen konfrontiert, die sie häufig in immer kürzerer Zeit fällen müssen. Für Marketingmanager ist es daher wichtig, immer schneller aktuelle, entscheidungsrelevante Informationen heranziehen zu können. Im Gegenzug steigt auf der Angebotsseite von Marketinginformationen die Fülle von Marketingdaten permanent an. Neben Marktforschungsdaten

stehen

Kunden-,

Wettbewerbs-

und

Branchendaten,

Vertriebsdaten sowie Daten aus dem Controlling zur Verfügung. Diese Vielzahl an

52

Smith/Fletcher 2001, S. 220.

20

Entscheidungssituation im Marketing

Daten hat der Marketingentscheider alle auf sein Entscheidungsproblem zu beziehen. Eine verbesserte Entscheidungshilfe für die komplexer gewordenen Marketingentscheidungen scheint diese Datenflut jedoch nicht zu bringen. Vielmehr stellt es für Marketingentscheider eine immer größere Herausforderung dar, fundierte Entscheidungen zu treffen: er muss aus den verfügbaren (Einzel-)Daten die tatsächlich relevanten Informationen selektieren, diese problembezogen integrieren sowie

darauf

bestehende

basierend

Kluft

aussagekräftige

zwischen

der

Schlussfolgerungen

Nachfrage-

und

der

ziehen.

Angebotsseite

Diese von

Marketinginformationen kann sogar insgesamt zu einer Verschlechterung der Qualität von Marketingentscheidungen führen. Vor diesem Hintergrund hat sich im Marketing das Bedürfnis nach Selektion und Integration problemrelevanter

Informationen sowie insbesondere nach einer

besseren Entscheider- und Entscheidungsunterstützung verstärkt. Fraglich ist jedoch,

ob

der

Entscheidungsprozess

im

Marketing

ohne

ein

bewusstes

Management effektiv und effizient ablaufen kann. Genau an dieser Stelle setzt Marketing Intelligence an, die eine bessere Verknüpfung von Nachfrage- und Angebotsseite im Marketing postuliert. Sicherlich äußern die Marketingentscheider ihren Daten- bzw. Informationsbedarf und ebenso selbstverständlich werden diese von der Datenseite – sei es von unternehmensinternen Akteuren (wie etwa dem Vertrieb oder der betrieblichen Marktforschung) oder auch von externen Anbietern (wie etwa der institutionellen Marktforschung) – gedeckt; selten jedoch ist hierbei ein systematisches Vorgehen erkennbar. Genau dieses systematische Vorgehen ist Gegenstand von Marketing Intelligence. Der Fokus soll hierbei primär auf der inhaltlichen Ausgestaltung einer Marketing Intelligence liegen, damit eine Integration von Informationen in den Marketingentscheidungsprozess erfolgt. Erst wenn das „Zusammenspiel“ zwischen der Entscheidungs- und der Datenseite im Marketing, das sowohl den bloßen Austausch von Informationen als auch die Zusammenarbeit verschiedener

Akteure

betreffen

kann,

funktioniert,

ist

es

möglich,

Marketingentscheider bei der Entscheidungsfindung durch die Generierung von entscheidungsrelevantem Marketingwissen zu unterstützen; erst auf Grundlage von Marketingwissen

gelangen

erfolgsversprechenden

Entscheidungsträger

Marketingentscheidung.

Durch

zu die

einer

fundierten,

Entscheider-

und

Entscheidungsunterstützung mit Marketingwissen kann Marketing Intelligence schließlich auch dazu beitragen, die Entscheidungsqualität im Marketing zu verbessern.

3

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

3.1

Der

Entscheidungstheoretische Analyse der Nachfrageseite von Marketinginformationen – Die Entscheidungsseite im Marketing nachfolgende

Abschnitt

beleuchtet

die

Nachfrageseite

von

Marketinginformationen, die Entscheidungsseite im Marketing. Zunächst werden spezifische Tätigkeiten des Marketingmanagements betrachtet. Um diese näher konkretisieren sowie insbesondere die hierfür benötigten Marketinginformationen strukturieren zu können, erscheint ihre Untergliederung in einzelne Phasen sowie Einteilung in idealtypische Ausprägungen von Marketingentscheidungen sinnvoll. Insgesamt kann auf diese Weise ein Rahmen zur inhaltlichen Analyse der Informationsbedarfe im Marketing entsprechend des jeweiligen Entscheidungstatbestands geschaffen werden. Neben dieser eher sachlich-objektiven Ebene ist auf der Nachfrageseite von Marketinginformationen auch die subjektiv-persönliche Ebene des im Marketing tätigen Entscheidungsträgers, des Marketingentscheiders, von Bedeutung. Einleitend wird zunächst auf entscheidungstheoretische Grundlagen eingegangen, um darauf aufbauend das Entscheidungsverhalten von Marketingmanagern

zu untersuchen und

deren charakteristisches Informations-

und

Problemlösungsverhalten aufzuzeigen. 3.1.1 Objektiv-sachliche Ebene 3.1.1.1 Aufgaben des Marketingmanagements Vor dem Hintergrund eines prozessorientierten Marketings 53 erfordern in inhaltlicher Hinsicht sämtliche Aktivitäten und Aufgaben des Marketings eine Planung und Festlegung der Ziele, konkrete Handlungsprogramme für deren Umsetzung sowie entsprechende Kontrollmaßnahmen zur Ziel- und Maßnahmenanpassung. Die Tätigkeit des Marketingmanagements ist als systematischer, marktorientierter Prozess der Entscheidungsfindung – als Managementprozess – anzusehen. Marketingmanagement

ist

folglich

ein

institutionalisierter

„Planungs-

und

Durchführungsprozess [sowie Kontrollprozess] der Konzipierung, Preisfindung, Förderung

53

und

Verbreitung

Siehe hierzu Abschnitt 2.1.

von

Ideen,

Waren

und

Dienstleistungen,

um

22

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

Austauschprozesse zur Zufriedenstellung individueller und organisationeller Ziele herbeizuführen“54. Ausgangspunkt des Marketingmanagement-Prozesses ist die Analyse der internen und externen Umwelt. Nach Festlegung der Rahmenbedingungen geht es in der Planungsphase

darum,

Marketingziele

zu

definieren

und

Maßnahmen

zur

Zielerreichung auszuwählen. Hierbei lassen sich drei Ebenen der Planung differenzieren, die sich auf unterschiedliche Objekte beziehen und somit jeweils durch

spezifische

Entscheidungen

gekennzeichnet

sind:

die

strategische

Unternehmensplanung, die strategische Marketingplanung und die operative Marketingplanung. 55 Im Rahmen der strategischen Unternehmensplanung gilt es, das Selbstverständnis des Unternehmens, das seinen Ausdruck in der Mission und den grundlegenden Zielen des Unternehmens findet, festzulegen. Auch die Definition der strategischen Geschäftsfelder sowie die damit verbundene Abgrenzung der für das Unternehmen relevanten Märkte erfolgt auf dieser Planungsebene. Derartige Entscheidungen determinieren

neben

der

Unternehmensidentität

insbesondere

allgemeine

Grundsätze und setzen somit einen Rahmen, innerhalb dessen die einzelnen Unternehmensbereiche agieren können. Sie beziehen sich folglich auf das Objekt Gesamtunternehmen und werden von der obersten Führungsebene, in der Regel von der Unternehmensleitung, getroffen. Bei der strategischen Marketingplanung geht es vorrangig um die Formulierung marktorientierter Strategien und Ziele (externe Ausrichtung) sowie um die Festsetzung

des

notwendigen

Marketingbudgets

(interne

Ausrichtung).

Die

strategischen Geschäftsfelder bzw. Geschäftseinheiten sollen so gestaltet bzw. umgestaltet werden, dass sie einen langfristig gültigen Handlungsrahmen schaffen, in dem sich einzelne, konkrete Handlungen im Marketing abspielen können. Die strategische Marketingplanung wird in größeren Unternehmen in der Regel durch die Sparten- und Geschäftsbereichsleitung vollzogen. Nachdem der strategische Marketingplan ausgearbeitet ist, werden im Rahmen des operativen Marketingmanagements Maßnahmenprogramme für die praktische

54

Kotler/Bliemel 2006, S. 25.

55

Vgl. Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2008, S. 20ff.; Kotler/Bliemel 2006, S. 107ff. sowie Meffert 1994, S. 24ff.

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

23

Umsetzung der Strategien und Marketingziele entwickelt. Hierbei wird hauptsächlich über konkrete Handlungen im Markt oder Unternehmen entschieden. Nachdem das Marketingbudget fixiert ist, muss festgesetzt werden, wie dieses auf die einzelnen Instrumente des Marketing-Mixes56 verteilt werden soll. Die konkrete Ausgestaltung und Umsetzung des Marketing-Mixes für einzelne Produkte bzw. Produktgruppen steht somit im Mittelpunkt der operativen Marketingplanung. Als Entscheidungsträger der operativen Marketingplanung kommen Marketingmitarbeiter der mittleren und unteren Managementebene, insbesondere das Produktmanagement, in Betracht. Bereits in der Planungsphase des Marketingentscheidungsprozesses – sei es auf strategischer oder auf operativer Ebene – ist eine Fülle an Informationen erforderlich, um das Problem zunächst zu erkennen und schließlich analysieren zu können. Grundsätzlich bedarf es hierzu neben Informationen zu unternehmensinternen Sachverhalten und Gegebenheiten (zum Beispiel interne Kostenkalkulationen, Bestandsplanungen etc.) auch einer Vielzahl an externen Informationen über die Unternehmensumwelt. Unternehmensexterne Informationen lassen sich in Datenund

Instrumentalinformationen

kategorisieren: 57

Dateninformationen

dienen

insbesondere der Analyse und Beschreibung der Unternehmensumwelt. Hierfür werden hauptsächlich wirtschaftliche Informationen über gesamtwirtschaftliche Größen sowie die Branchen- und Marktentwicklungen benötigt. Darüber hinaus beinhalten Dateninformationen auch rechtliche und gesellschaftliche Aspekte. Instrumentalinformationen

hingegen

erfassen

die

Wirkung

spezifischer

Entscheidungen bzw. Maßnahmen des Marketings; zum einen legen solche Informationen die Reaktionen des eigenen Unternehmens auf Aktivitäten der Umwelt dar (wie zum Beispiel Reaktionsinformationen in Bezug auf Maßnahmen der Konkurrenz oder des Handels) und zum anderen handelt es sich um Informationen, welche die Umweltreaktionen auf die vom Unternehmen selbst durchgeführten marketingpolitischen Maßnahmen aufzeigen (beispielsweise Informationen über Abnehmer- oder Konkurrenzreaktionen). Nachdem das bestehende Marketingproblem bzw. die vorliegende Fragestellung auf Basis unternehmensinterner und -externer Informationen analysiert wurde, gilt es im Anschluss an die Planungsphase, die Marketingpläne zu verwirklichen. Die Phase

56

Nach Kotler/Bliemel ist der Marketing-Mix „eine Kombination aus den Marketinginstrumentarien, die das Unternehmen zur Erreichung seiner Marketingziele auf dem Zielmarkt einsetzt“ (Kotler/Bliemel 2006, S. 149).

57

Vgl. Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004, S. 22f.; Altobelli 2007, S. 3.

24

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

der Steuerung dient der Umsetzung bzw. Durchführung dieser Marketingpläne. Hierzu werden beispielsweise für die Koordination von Marketingmaßnahmen Informationen über deren Einsetzbarkeit und Wirkung benötigt. In der letzten Phase, der Kontrollphase, werden die Ergebnisse abschließend überprüft und bewertet. Es wird festgestellt, ob der geplante Erfolg eingetreten ist bzw. ob neue Maßnahmen notwendig sind, um erforderliche Korrekturen vornehmen zu können. Für die Kontrollphase sind Informationen über die geplanten (Soll-Werte) und erzielten Ergebnisse (Ist-Werte) erforderlich. Vielfach handelt es sich hierbei um Kennzahlen, wie beispielsweise Umsätze nach Kundensegmenten oder Produktgruppen. Um abschließend eine Ursachenforschung für mögliche Abweichungen durchführen zu können, bedarf es daher detaillierter Informationen über mögliche Ursachen von SollIst-Abweichungen. 58 „Der Marketingprozess besteht [folglich] aus der Analyse von Marketingchancen, der Ermittlung und Auswahl von Zielmärkten [(= strategische Unternehmensplanung)], der Erarbeitung von Marketingstrategien [(= strategische Marketingplanung)], der Planung des taktischen Vorgehens mit Marketingprogrammen [(= operative Marketingplanung)] sowie der Organisation, Durchführung und Steuerung [sowie Kontrolle] der Marketingaktivitäten.“59 Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass Marketingmanagement als Prozess der Planung, Durchführung und Kontrolle zu verstehen ist. Diese Struktur beschreibt sicherlich einen idealtypischen Prozess, der nicht zwingend in dieser Form durchlaufen werden muss. Diese idealtypische Betrachtung

lässt

allerdings

deutlich

erkennen,

dass

es

sich

bei

dem

Managementprozess im Marketing um einen Entscheidungsprozess handelt. In dessen

Mittelpunkt

Marketingmanager Marktpositionierung,

stehen im

verschiedenartige

Rahmen

der

Produktentwicklung

Entscheidungen:

Marketingplanung und

-gestaltung,

über

So

hat

der

Zielmärkte,

Distributionskanäle,

Preisgestaltung oder auch Fragestellungen bezüglich der Kommunikationspolitik zu entscheiden.

58

Vgl. Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004, S. 24.

59

Kotler/Bliemel 2006, S. 146.

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

25

3.1.1.2 Idealtypische Ausprägungen von Marketingentscheidungen Neben einer Analyse der Tätigkeiten und Aufgaben im Marketingmanagementprozess ist eine Differenzierung typischer Entscheidungstatbestände sinnvoll. Hierzu erfolgt eine Unterteilung im Hinblick auf die Fragestellung, ob eine Entscheidung eher strategisch oder eher routiniert und fortlaufend ist. Allerdings gilt, dass „the nature of decision [...] multifaced and continually variable“ 60 ist. Eine eindeutige Klassifizierung ist daher aufgrund der Vielfältigkeit bzw. Vielschichtigkeit sowie der Dynamik von Entscheidungen nur begrenzt möglich. Dennoch werden in dieser Arbeit

anhand

exemplarischer

Veranschaulichungen

strategisch

geprägte

Entscheidungen und operativ geprägte Routineentscheidungen als idealtypische Ausprägungen von Marketingentscheidungen voneinander abgrenzt.

3.1.1.2.1 Strategisch geprägte Marketingentscheidungen Strategisch geprägte Entscheidungen betreffen die langfristige Ausrichtung einer Unternehmung und sind daher losgelöst vom operativen Tagesgeschäft zu betrachten. Es handelt sich hierbei um mittel- bis langfristig ausgerichtete Grundsatzentscheidungen, die einen Orientierungsrahmen für alle nachgeordneten Entscheidungen darstellen. 61 Der Fokus strategischer Entscheidungen liegt häufig auf der Entwicklung von neuen Produkten und der Erschließung von neuen Märkten. Die bekannte Produkt-MarktMatrix von Ansoff (Abbildung 1) liefert Hinweise für strategische Stoßrichtungen eines Unternehmens.

60

Ansoff 1988, S. 3.

61

Vgl. Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2008, S. 21f.; Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 2002, S. 176.

26

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

Märkte Gegenwärtig

Neu

Gegenwärtig

Marktdurchdringungsstrategie

Marktentwicklungsstrategie

Neu

Produktentwicklungsstrategie

Diversifikationsstrategie

Produkte

Abbildung 1:

Alternative strategische Stoßrichtungen (Produkt-Markt-Matrix)

Quelle:

Ansoff 1966.

Die Wachstumsvektoren zeigen an, in welche Richtungen sich das Unternehmen von seinem derzeitigen strategischen Ausgangspunkt aus bewegen kann. Als solcher wird Wachstum mit bestehenden Produkten in bereits bearbeiteten Märkten angesehen. Ziel dieser Strategie der Marktdurchdringung ist es, im gegenwärtigen Markt

mit

bestehenden

Produkten

weitere

Abnehmer

zu

finden.

Die

Marktentwicklungsstrategie impliziert, die im Unternehmen existierenden Produkte neuen Zielgruppen und Kundensegmenten anzubieten. Das Gegenstück ist die Strategie der Produktentwicklung, bei der neue Produkte entwickelt und in den herkömmlichen Märkten abgesetzt werden sollen. Die Diversifikationsstrategie bildet die Synthese dieser beiden Dimensionen; hierbei sollen neue Produkte auf neuen Absatzmärkten vermarktet werden. 62 Für das Marketingmanagement verkörpern diese Richtungspfade verschiedene Entscheidungstatbestände. 63

Insbesondere

Entscheidungen

bezüglich

der

langfristigen Marktausrichtung sind für ein Unternehmen essenziell, um die Schaffung und Ausnutzung von Wettbewerbsvorteilen sicherzustellen. Mit der Wahl der strategischen Produkt-Markt-Kombination determiniert das Unternehmen seine richtungsweisenden Aktivitäten; hierin finden alle anderen Entscheidungen ihren Ursprung.64

62

Vgl. Ansoff 1985, S. 98f.

63

Vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 2002, S. 188.

64

Vgl. Becker 2002, S. 174; Benkenstein 2001, S. 9ff.

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

27

Strategische Entscheidungen bezüglich der Marktentwicklung unterliegen einem äußerst komplexen Entscheidungsprozess. Das Marketingmanagement muss hierbei relevante

Daten

und

Informationen

konsistent

auswerten

und

richtige

Schlussfolgerungen ziehen, um darauf aufbauend im nächsten Schritt eine sinnvolle Marktabgrenzung und die Wahl der zu bearbeitenden Markt- bzw. Kundensegmente vornehmen zu können. Darüber hinaus müssen grundsätzliche Entscheidungen bezüglich Zielsetzung und Vorgehensweise getroffen werden, die in strategischen, langfristig ausgerichteten Marketingzielen resultieren und letztendlich das Konzept für die eigenen unternehmerischen Stoßrichtungen im Markt determinieren. 65 Entscheidungen, welche die Absatzmärkte sowie die generelle Marktentwicklung betreffen, erfordern neben einer Vielzahl an Informationen aus heterogenen Quellen ein enormes Feingefühl für Trends und Veränderungen und sind in hohem Maße risikobehaftet. Häufig steht jedoch nicht die Erschließung von neuen Märkten, sondern eher die Weiterentwicklung des aktuellen Marktes im Vordergrund. Des Weiteren müssen sich Unternehmen stetig mit Entscheidungen bezüglich Entwicklung und Einführung innovativer Produkte beschäftigen. Gerade in der Konsumgüterbranche existiert eine deutliche Produktbezogenheit; das Produkt bildet den Vermarktungsgegenstand eines Markenartikelherstellers und bestimmt damit sämtliche produkt- bzw. produktgruppenbezogenen Aktivitäten. 66 Die strategischen Aufgaben im „Produktmarketing“ umfassen die marktorientierte Konzept- und Produktgestaltung und die damit einhergehende Planung und Festlegung des Vermarktungskonzepts, das insbesondere die strategische Ausgestaltung des Marketing-Mixes – der Preis-, Kommunikations-, Distributions- und Servicepolitik – betrifft.67 Darüber hinaus spielen auch die Innovationsplanung und damit verbundene Entscheidungen im Verlauf des Prozesses der Neuproduktentwicklung eine entscheidende Rolle.68 Für derartige strategische Entscheidungstatbestände ist es notwendig, dass der Marketingmanager über aktuelle Branchen- und Marktentwicklungen sowie generelle Gesellschafts- und Verbrauchertrends informiert ist. Neben Informationen über gesamtwirtschaftliche Kennziffern eines Landes (zum Beispiel die Entwicklung des

65

Vgl. Benkenstein 2001, S. 16ff.

66

Vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 2002, S. 579.

67

Vgl. Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2008, S. 397f.

68

Für eine detaillierte Beschreibung und Analyse der Aufgabenbereiche des Produktmarketings siehe Roleff 2001, S. 31ff.

28

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

Bruttoinlandprodukts, das Konsumklima usw.) sind für Entscheidungsträger im Marketing daher detaillierte Brancheninformationen sowie Informationen über entsprechende Marktentwicklungen relevant. Dazu bedarf es zunächst Informationen über aktuelle und potenzielle Kunden, wie beispielsweise die Zahl der Bedarfsträger und

deren

Bedarfsintensität

sowie

Informationen

Zielgruppe(n). Des Weiteren sind für strategische Konkurrenzinformationen

wichtig;

in

diesem

über

die

Kaufkraft

der

Marketingentscheidungen

Zusammenhang

kommt

der

strategischen Wettbewerbsbeobachtung, häufig zusammengefasst unter dem Begriff „Competitve Intelligence“, eine entscheidende Bedeutung zu. 69 Grundsätzlich steht bei

strategischen

Marketingentscheidungen

die

Prognose

von

zukünftigen

Entwicklungen auf Basis solcher Dateninformationen im Vordergrund, um auf diese Weise möglichst frühzeitig potenzielle Chancen und Risiken für das Unternehmen erkennen und möglichst rechtzeitig auf Gesellschaftstrends bzw. Änderungen im Verhalten der relevanten Zielgruppe(n) reagieren zu können. 70 Strategische Marketingentscheidungen bestimmen maßgeblich die grundsätzliche Richtung der Entwicklung im Marketing. Sie determinieren die externe und interne Ausrichtung des Unternehmens, also dessen Position im Markt sowie die Ausgestaltung seiner Ressourcenbasis mit dem Ziel, Wettbewerbsvorteile zu erlangen und auf diese Weise den langfristigen Erfolg eines Unternehmens zu sichern.71 Derartig strategisch geprägte Marketingentscheidungen werden in der Konsumgüterindustrie, gerade bei größeren Unternehmen, vorwiegend von der Marketingleitung getroffen.

3.1.1.2.2 Operativ geprägte Routineentscheidungen im Marketing Operativ geprägte Routineentscheidungen sind von operativen Ebenen des Marketingmanagements eher kurzfristig und fortlaufend zu treffen. Hier geht es hauptsächlich um die konkrete Gestaltung und Umsetzung des „Marketing-Mixes“ für einzelne Produkte bzw. Produktgruppen vor dem Hintergrund der festgelegten Marketingstrategie; im Fokus stehen hierbei die auf McCarthy zurückgehenden so genannten „4 Ps“ – das Produkt (product), die Distribution (place), der Preis (price) 69

Siehe hierzu ausführlich Abschnitt 3.2.2.3.

70

Vgl. für eine mögliche Kategorisierung der Informationsbereiche Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004, S. 23.

71

Vgl. Hungenberg 2001, S. 4ff.

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

29

und die Kommunikation (promotion). 72 Ihre konkrete Umsetzung finden diese im Rahmen von Produkt-, Distributions-, Preis- sowie Kommunikationspolitik. Auch für eine effektive und effiziente Gestaltung des Marketing-Mixes benötigt der Marketingentscheider

je

nach

Entscheidungstatbestand

die

entsprechenden

Marketinginformationen. Für die Produktpolitik, welche sämtliche Entscheidungen im Hinblick auf das gegenwärtige und zukünftige Produktangebot eines Unternehmens umfasst, interessieren den Marketingentscheider in der Regel, wie Innovationen bzw. Produktmodifikationen bei den Verbrauchern ankommen und wie sie von ihnen beurteilt werden. Die Vertriebspolitik bezieht sich auf marktgerichtete akquisitorische sowie

vertriebslogistische

Aktivitäten;

so

werden

beispielsweise

bei

der

Implementierung eines neuen Vertriebskanals (zum Beispiel Online-Vertrieb) Informationen von Bedeutung sein, die unter anderem erfassen, wie dieser von den Konsumenten angenommen wird und welche Auswirkungen sich dadurch auf die übrigen, bereits bestehenden Distributionskanäle ergeben. Die Preispolitik betrifft alle Entscheidungen über das vom Kunden zu entrichtende Entgelt des Leitungsangebots; hierbei interessieren den Marketingentscheider beispielsweise die Preisbereitschaft und damit verbunden die Preis-Absatz-Funktionen verschiedener Kunden- bzw. Zielgruppen. Derartige Informationen ermöglichen ihm, die Wirkung von

Preisänderungen

zu

prognostizieren

und

letztendlich

einen

möglichst

gewinnoptimalen Preis festzulegen. Operative Entscheidungen bezüglich der Kommunikationspolitik umfassen sämtliche Maßnahmen des Unternehmens, die zur Steuerung von Meinungen, Einstellungen oder auch Verhaltensweisen bei den Verbrauchern eingesetzt werden. Der Marketingentscheider benötigt daher frühzeitig Informationen, inwieweit eine Kampagne die zu vermittelnde Werbebotschaft auch tatsächlich kommuniziert und somit die gewünschten psychologischen (zum Beispiel Steigerung der Bekanntheit oder Verbesserung des Images einer Marke bzw. eines Produkts) und ökonomischen Kommunikationsziele (zum Beispiel Erhöhung des Absatzes) möglichst gut erreicht werden. Bei

operativen

Marketingentscheider

Entscheidungstatbeständen insbesondere

die

ist

demnach

Wirkungsprognose

für

den

spezifischer

Marketingmaßnahmen von Bedeutung. Die entscheidende Frage lautet: Wie werden Änderungen bezüglich der Vermarktung eines Produktes bzw. einer Marke beim

72

Vgl. Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2008, S. 22; Webster 1992, S. 10.

30

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

Verbraucher wahrgenommen und welche Auswirkungen (beispielsweise auf Umsatz, Absatz, Markenbekanntheit etc.) haben diese? Zur Beantwortung dieser Frage benötigt der Marketingentscheider vorwiegend Instrumentalinformationen, die ihm detaillierte Kenntnisse über Reaktionen der Umwelt (insbesondere der Abnehmer, aber auch der Wettbewerber) auf die eigenen Marketingmaßnahmen liefern. 73 In der Konsumgüterbranche kommt in diesem Zusammenhang insbesondere dem Markenmanagement eine besondere Bedeutung zu. 74 Es gilt, auf Basis der Markenstrategie und des damit verbundenen Markenauftritts spezifische Ziele sowie konkrete Maßnahmenprogramme zu vereinbaren. Derartige Entscheidungen im Rahmen der Markenpolitik betreffen Aktivitäten aller Marketing-Mix-Bereiche, deren entsprechende Gestaltung die Umsetzung der angestrebten Markenstrategie unterstützen soll. 75 Darüber hinaus ist im Rahmen eines integrativen Einsatzes der operativen Marketinginstrumente das Kundenbeziehungsmanagement zu nennen. Hierbei steht die Geschäftsbeziehung mit dem Kunden im Mittelpunkt der Betrachtung.76 Customer Relationship Management (CRM) als eine technologiegestützte,

kundenorientierte

Unternehmensstrategie

umfasst

nicht

nur

die

systematische Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle der auf den aktuellen Kundenstamm ausgerichteten Strategien und Maßnahmen. Es betrifft neben der Gestaltung der Beziehung zu aktuellen, bereits gewonnenen Kunden (Kundenbindungsmanagement) die Kundengewinnung, mit dem Ziel, diese langfristig an das Unternehmen

zu

binden,

abgewanderter Kunden. verschiedene

77

Produktgestaltung,

die

gegebenenfalls

auch

die

Rückgewinnung

Für die einzelnen Marketing-Mix-Instrumente existieren

Ansatzpunkte

beziehungsmanagements.

sowie zur

Förderung

Beispielsweise Implementierung

und lassen

von

Gestaltung sich

des

Kunden-

kundenindividuelle

Bonusprogrammen

oder

auch

regelmäßige Außendienstbesuche als Ansatzpunkte eines Kundenbeziehungsmanagements bezeichnen.78 Hierbei handelt es sich vorwiegend um operative Routineentscheidungen. Die Gestaltung und Umsetzung eines erfolgversprechenden 73

Vgl. für eine mögliche Kategorisierung der Informationsbereiche Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004, S. 23.

74

Konsumgüterhersteller werden daher häufig auch als „Markenartikler“ bezeichnet.

75

Vgl. Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2008, S. 349ff.; Homburg/Krohmer 2006, S. 627ff.

76

Vgl. Homburg/Krohmer 2006, S. 945ff.

77

Vgl. Hippner 2006, S. 17f.; Hippner 2005, S. 118; Müller 2004, S. 81.

78

Siehe hierzu bei Homburg/Krohmer 2006 einen Überblick beispielhafter Ansatzpunkte eines Kundenbeziehungsmanagements für einzelne Marketing-Mix-Instrumente (vgl. Homburg/ Krohmer 2006, S. 946).

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

31

Kundenbeziehungsmanagements gelingt nur durch Kombination verschiedener Marketing-Mix-Aktivitäten, wofür der Marketingentscheider bestimmte Informationen (in der Regel) aus Konsumentensicht benötigt. Die Vorbereitung operativ geprägter Routineentscheidungen fällt meistens – wie bereits dargelegt – in den Aufgabenbereich von Marketingmitarbeitern der mittleren und unteren Managementebene. Der Beschluss und somit die Entscheidung selbst sind wiederum von der Marketingleitung zu genehmigen und letztendlich zu treffen; die Verantwortung für derartige Entscheidungen liegt daher bei der Marketingleitung. Wie bereits erörtert, sind die Begriffe der „strategisch geprägten Entscheidung“ und der „operativ geprägten Routineentscheidung“ nicht eindeutig gegeneinander abzugrenzen. Zum einen ist es erforderlich, dass die Unternehmens- bzw. Geschäftsfeldstrategie operativ – und damit kurzfristig – umgesetzt wird; zum anderen sind die operativen Maßnahmen auf strategische – und damit langfristige – Marketingziele und -programme ausgerichtet. Da die gewählte Klassifizierung von Marketingentscheidungen jedoch sowohl in der Wissenschaft als auch, wie die durchgeführten Experteninterviews zeigten, in der Praxis weit verbreitet ist, wurde sie trotz der Abgrenzungsprobleme für die vorliegende Arbeit herangezogen. Generell sieht sich das Marketingmanagement bei der Entscheidungsfindung einer Vielzahl von Herausforderungen gegenüber. Die Auseinandersetzung mit globalem Wettbewerb, rasantem technologischem Fortschritt und den damit verbundenen kürzeren Produktlebenszyklen geht einher mit wachsendem Kostendruck sowie dem Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt. Konsequenz dieser dynamischen Veränderungen

ist

eine

kontinuierlich

zunehmende

Marketingmanagern zu bewältigenden Aufgaben.

79

Komplexität

der

von

Des Weiteren nimmt aufgrund

der zunehmenden Bedeutung einer wertorientierten Unternehmensführung und der damit

verbundenen

Ausrichtung

finanzwirtschaftlichen Erfolgsgrößen

bzw.

Orientierung

des

Managements

an

auch im Marketing die Forderung, die

Performance des Marketings zu optimieren und dessen Erfolgsbeiträge messbar zu machen, einen immer größeren Stellenwert ein.

79

Vgl. Kotler/Bliemel 2006, S. 3f.; Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 2002, S. 9ff.; Meffert/Burmann/ Kirchgeorg 2008, S. 15ff.; Homburg/Krohmer 2006, S. 2ff.; Matsatsinis/Siskos 2003, S. 26f.

32

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

3.1.2 Subjektiv-persönliche Ebene Neben der sachlich-objektiven Ebene, welche die Marketingentscheidung betrifft, ist auf der Nachfrageseite von Marketinginformationen auch die subjektiv-persönliche Ebene des im Marketing tätigen Entscheidungsträgers, des Marketingentscheiders, von Bedeutung. Einleitend werden zunächst entscheidungstheoretische Grundlagen aufgezeigt, im Anschluss wird darauf aufbauend die subjektiv-persönliche Ebene des Entscheidungsverhaltens Marketingentscheider

betrachtet. bzw.

Es

wird

daher

Marketingmanager

insbesondere

abgestellt

und

auf deren

charakteristisches Informations- und Problemlösungsverhalten aufgezeigt.

3.1.2.1 Theoretische Grundlagen zum Entscheidungsverhalten von Managern Marketingentscheider müssen regelmäßig Entscheidungen treffen – sei es in alleiniger Verantwortung oder als Mitglied einer Gruppe, sei es mit weit reichenden oder

verhältnismäßig

bedeutungslosen

Konsequenzen.

Das

Treffen

von

Entscheidungen, sowohl auf strategischer als auch auf operativer Ebene, gehört auch im Marketing zu den wichtigsten Aufgaben eines jeden Managers. 80 Den theoretischen Hintergrund hierfür bildet die entscheidungsorientierte Betriebswirtschaftslehre. „Die entscheidungsorientierte Betriebswirtschaftslehre versucht, die Phänomene und Tatbestände der Praxis aus der Perspektive betrieblicher Entscheidungen zu systematisieren, zu erklären und zu gestalten.“81 In der vorliegenden Arbeit wird, wie bereits dargelegt wurde, eine prozessorientierte Sichtweise der Marketingentscheidung eingenommen; das heißt, es wird nicht nur der

finale

Beschluss

Marketingentscheidung

bzw.

die

bezeichnet,

Auswahl sondern

einer es

Handlungsalternative werden

der

als

gesamte

Problemlösungsprozess der Entscheidungsfindung einschließlich der Vorgänge der Informationsgewinnung und -verarbeitung betrachtet.82 Zur Beschreibung und Erklärung des Informations- und Entscheidungsverhaltens von Entscheidungsträgern können dabei die Erkenntnisse der Entscheidungstheorie herangezogen werden. Die Entscheidungstheorie beschäftigt sich mit der Auswahl

80

Vgl. Hammond/Keeny/Raiffa 2006, S. 118 sowie die Ausführungen in Abschnitt 3.1.1.

81

Heinen 1991, S. 12.

82

Siehe hierzu Abschnitt 2.3.

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

33

von Handlungsalternativen und „umfasst sowohl die Analyse logischer Implikationen des Postulates zielentsprechender Wahlhandlungen als auch Systeme empirisch gehaltvoller Erklärungen darüber, wie Entscheidungen in der Realität gefällt werden“83. Aus dieser Definition geht bereits hervor, dass sich prinzipiell zwei Forschungsrichtungen differenzieren lassen: die deskriptive Entscheidungstheorie einerseits sowie die normative (präskriptive) andererseits. 84 Während die deskriptive Entscheidungstheorie beschreiben will, wie sich ein Individuum in realen Entscheidungssituationen tatsächlich verhält, versucht die normative bzw. präskriptive Richtung, Entscheidungsmodelle zu entwerfen, die als Grundlage für optimale Entscheidungen dienen können. Für die vorliegende Arbeit bedeutet dies, dass die deskriptive Entscheidungstheorie empirische Beschreibungen und Erklärungen liefert, warum sich (Marketing-)Entscheider so verhalten, wie sie sich verhalten; mittels der normativen Entscheidungstheorie hingegen wird aufgezeigt, wie sich rational handelnde Marketingentscheider bei Entscheidungsprozessen verhalten sollten. Die normative Entscheidungstheorie verwendet ein allgemeines Grundmodell, um zu zeigen, was ein Entscheider in unterschiedlichen Entscheidungssituationen tun soll. Als elementare axiomatische Annahmen werden vollständige bzw. weitgehende Rationalität des Entscheidungsträgers sowie dessen Streben nach Nutzen- bzw. Vorteilsmaximierung unterstellt.85 Ziel der normativen Entscheidungstheorie ist also die

Bereitstellung

oeconomicus“

86

von

Handlungsanweisungen,

um

im

rationale Entscheidungen treffen zu können.

87

Sinne

des

„homo

Ihren idealtypischen

Vorstellungen gemäß muss der Entscheidungsträger zum einen festlegen, welche Ziele er verfolgt. Hierzu stehen ihm spezifische Entscheidungsregeln zur Verfügung, mit deren Hilfe unterschiedliche Entscheidungsalternativen verglichen werden. Die Präferenzen eines Entscheiders sind dabei, so die Annahme, gemäß seiner Entscheidungslogik klar geordnet und konsistent. Zum anderen ist ein so genanntes Entscheidungsfeld gegeben, das für die einzelnen Handlungsalternativen bei verschiedenen Umweltzuständen die mit der jeweiligen Aktion verbundenen 83

Sieben/Schildbach 1994, S. 1.

84

Die betriebswirtschaftliche Entscheidungstheorie wird im Allgemeinen in diese beiden Richtungen unterteilt; der Begriff der präskriptiven Entscheidungstheorie wird dabei als Synonym für die normative Theorie verwendet (vgl. Rehkugler/Schindel 1990; Bamberg/Coenenberg 2006, S. 1ff.; Sieben/Schildbach 1994).

85

Vgl. Laux 2005, S. 15ff.

86

Vgl. hierzu beispielsweise Kirsch 1977, S. 27; Kirchgässner 1991; Dietz 2005.

87

Vgl. Laux 2005, S. 2; Bamberg/Coenenberg 2006, S. 3f.; Simon 1959, S. 254.

34

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

Konsequenzen (Ergebnisse) abbildet. Entsprechend der jeweiligen Entscheidungssituation lassen sich dabei verschiedene Arten von Entscheidungen differenzieren: Entscheidungen bei Sicherheit, Unsicherheit oder Risiko. 88 Das geschlossene Entscheidungsmodell ermöglicht es, in einer Ergebnismatrix jeder Kombination aus der jeweiligen Handlungsalternative und dem jeweiligen Umweltzustand anhand einer

so

genannten

zuzuordnen.89

Ergebnisfunktion

Entsprechend

den

den

Annahmen

entsprechenden der

Rationalität

Ergebniswert und

Nutzen-

maximierung wählt der Entscheidungsträger die Alternative mit dem höchsten Ergebniswert aus und trifft somit für die jeweilige Situation die optimale Entscheidung; in diesem Sinne handelt er (zweck-)orientiert. Vor dem Hintergrund der normativen Entscheidungstheorie lässt sich folgern, dass Informationen eine notwendige Grundlage von Entscheidungen darstellen. Erst durch die Beschaffung von Informationen ist es für Entscheidungsträger möglich, potenzielle Umweltzustände detaillierter beschreiben sowie deren Eintrittswahrscheinlichkeit abschätzen zu können, um letztendlich für jede Handlungsalternative einen spezifischen Ergebniswert zu berechnen. Diesbezüglich besteht jedoch in der Praxis ein erhebliches Informationsproblem:

es ist

unmöglich,

vollständige

Informationen über sämtliche Umweltzustände, über alle möglichen Handlungsalternativen sowie über alle Ergebnisfunktionen bzw. Ergebniswerte zu beschaffen. Vielmehr sollte eine solche modellhafte Betrachtung des Entscheidungsproblems dazu dienen, das Entscheidungsfeld (Umweltzustände, Handlungsalternativen und Annahmen bezüglich potenzieller Ergebnisfunktionen bzw. -werte) möglichst umfassend abzustecken sowie ein spezifisches Zielsystem des Entscheidungsträgers festzulegen. (Marketing-)Entscheider werden durch diese Modellbetrachtung besser beurteilen können, welche Marketinginformationen sie tatsächlich für das bestehende Entscheidungsproblem

benötigen.

Hierbei

wird

es

sich

neben

generellen

Informationen über bestehende Rahmenbedingungen hauptsächlich um Wirkungsprognosen von Marketingmaßnahmen sowie die Aufstellung plausibler Reaktionsfunktionen handeln. Auf Basis der vorliegenden Informationen soll der Entschei88

Eine Entscheidung bei Sicherheit liegt vor, wenn dem Entscheidungsträger bekannt ist, welches Ergebnis sich bei Wahl einer Handlungsalternative einstellen wird. Bei Unsicherheit kennt der Entscheidungsträger nur die Menge der möglichen Umweltzustände, aber nicht deren spezifische Eintrittswahrscheinlichkeiten. Schließlich gibt es Entscheidungen bei Risiko, bei denen der Entscheidungsträger zumindest den Umweltzuständen (objektive und subjektive) Eintrittswahrscheinlichkeiten zuordnen kann (vgl. March/Simon 1977, S. 41; March/Simon 1958, S. 137; Kirsch 1977, S. 27; Meyer 1999, S. 18).

89

Vgl. Sieben/Schildbach 1994, S. 15ff.; Laux 2005, S. 16ff.; Heinen 1991, S. 26-35; Mag 1977, S. 10ff.; Rehkugler/Schindel 1990, S. 15-42; Frese 1998, S. 48-50.

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

35

dungsträger schließlich eine weitgehend im Sinne des Rationalitätsprinzips vernünftige Entscheidung treffen. Die deskriptive Entscheidungstheorie „sieht ihre Aufgabe anders als die praktisch normative Entscheidungstheorie nicht in der Aufdeckung von Implikationen rationalen Handelns, sondern darin, die Gesetzesmäßigkeiten zu erforschen, nach denen Entscheidungen

in der Realität

gefällt

werden.

Die empirisch realistische

Entscheidungstheorie strebt also nach einem möglichst umfassenden System empirisch gehaltvoller und daher durch die Realität widerlegbarer Hypothesen, die das Entscheidungs- und Problemlösungsverhalten der Menschen erklären.“ 90 Hier rückt also das Entscheidungsverhalten von Individuen in den Mittelpunkt der Betrachtung; Ziel ist es, eine Antwort auf die Frage zu finden: „Wie werden Entscheidungen in der Wirklichkeit getroffen und warum werden sie so und nicht anders getroffen?“91 Die deskriptive Entscheidungstheorie betrachtet dabei den individuellen Entscheidungsprozess, bei dem die dem finalen Entschlussakt vorausgehenden Informations- und Kommunikationsprozesse ebenso wie der Entschlussakt selbst zum Analysegegenstand werden; der Entscheidungsprozess wird als umfassender Problemlösungsprozess aufgefasst.92 Im Mittelpunkt stellt die deskriptive Theorie auf eine verhaltenswissenschaftliche Analyse von Problemlösungs- und Entscheidungsprozessen ab, die sich als kognitive Prozesse des einzelnen Entscheidungsträgers darstellen. Kognitive Prozesse sind als gedankliche Vorgänge des Entscheiders zu verstehen, die durch Aufnahme und Verarbeitung von Informationen dessen Verhalten steuern. Hieraus wird deutlich, dass Marketinginformationen grundsätzlich einen enormen Einfluss auf das Entscheidungsverhalten

von

Marketingentscheidern

und

damit

auf

die

Problemlösungs- und Entscheidungsprozesse im Marketing besitzen. Entscheidungsprozesse laufen jedoch in der Regel nicht nach einem festen Schema ab. Die psychologische Erkenntnis der deskriptiven Theorie des Entscheidungsverhaltens in diesem Zusammenhang besteht darin, dass ein Entscheidungsträger aufgrund seiner begrenzten Informationsgewinnungs- und Informationsverarbeitungskapazität eine

90

Sieben/Schildbach 1994, S. 177.

91

Bamberg/Coenenberg 2006, S. 4f.

92

Vgl. Witte 1992, Sp. 552ff. Idealtypisch kann der individuelle Entscheidungsprozess in folgende Phasen unterteilt werden: Anregungsphase, Suchphase, Konkretisierungsphase, Evaluationsphase und Auswahlphase (siehe hierzu Laux 2005, S. 8; Heinen 1991, S. 35; Bronner 1993, S. 734; Rehkugler/Schindel 1990, S. 221).

36

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

limitierte Rationalität („bounded rationality“) besitzt.93 Rationales Handeln meint die Fähigkeit eines Entscheidungsträgers, abschätzen zu können, welche Mittel und Wege zur Erreichung eines spezifischen Ziels nötig sind.94 Abgesehen von der vollkommenen Rationalität, die vollständige Informationen über alle Umweltzustände und über alle Handlungsalternativen einschließlich der jeweils damit verbundenen Konsequenzen bzw. Ergebnisse voraussetzt, erfordert schon die Abschätzung solcher

Ursache-Wirkungsketten

aufgrund

der

Komplexität

von

Marketing-

entscheidungen eine Vielzahl an Marketinginformationen, die häufig, sofern sie überhaupt vorliegen, vom Marketingentscheider aufgrund seiner beschränkten Informationsverarbeitungskapazität nicht aufgenommen und verarbeitet werden können. Darüber hinaus kann die Entscheidungsfindung von Personen nicht nur auf Regeln der Logik zurückgeführt werden. Die limitierte Rationalität von Entscheidungsträgern lässt sich auch dadurch belegen, dass die Informationsgewinnungsund Informationsverarbeitungsprozesse von Entscheidern nicht einer objektiven, sondern vielmehr einer so genannten subjektiven Psycho-Logik entsprechen. 95 Dies bedeutet, dass der Marketingentscheider individuellen Denkgewohnheiten und -präferenzen folgt und den Entscheidungsprozess durch Beurteilungsmuster vereinfacht.96 Insgesamt versucht die deskriptive Entscheidungstheorie durch Berücksichtigung des individuellen Entscheidungsprozesses, Gesetzmäßigkeiten abzuleiten, nach denen das Entscheidungsverhalten in der Realität abläuft. 97 Hinsichtlich des Bedarfs an Marketinginformationen sowie deren Nutzung durch (Marketing-)Entscheider lässt sich festhalten, dass diese vor dem Hintergrund der normativen Entscheidungstheorie dazu dienen, die Eintrittswahrscheinlichkeit über Umweltzustände besser beurteilen und/oder die Ergebnisse einer Handlungsalternative präziser prognostizieren zu können. Informationen können folglich die Unsicherheit bzw. das Risiko von Entscheidungssituationen im Marketing minimieren oder sogar beseitigen. Es ist daher wichtig, zu erkennen, welche Marketinginformationen für die entsprechende Entscheidungssituation benötigt werden. Marketinginformationen stellen auf der objektiv-sachlichen Ebene die entscheidungs93

Vgl. Simon 1976, S. 68; March/Simon 1977, S. 42; Kirsch 1977, S. 64; Lindstädt 2006, S. 14; Cramme 2005, S. 82.

94

Vgl. Grünig/Kühn 2004, S. 45ff.

95

Vgl. March/Simon 1958, S. 107 und S. 120; Kirsch 1977, S. 64.

96

Vgl. hierzu ausführlich in Bezug auf das Verhalten von Konsumenten Riel/Weinberg/Gröppel-Klein 2009, S. 343ff. sowie Foscht/Swoboda 2007, S. 94ff.

97

Vgl. Bamberg/Coenenberg 2006, S. 4ff.; Sieben/Schildbach 1994, S. 177ff.; Kirsch 1977; Cyert/March 1963.

Kroeber-

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen logische

Grundlage

von

Marketingentscheidungen

dar:

37 je

geeigneter

die

Informationsgrundlage ist, desto bessere Entscheidungen können (unter der Annahme rationalen Handelns des Marketingentscheiders) getroffen werden. Oftmals werden jedoch Marketinginformationen – obwohl sie für die jeweilige Marketingentscheidung von Bedeutung sind – vom Marketingentscheider nicht als solche

wahrgenommen

und

folglich

bei

der

Entscheidungsfindung

nicht

berücksichtigt. Das individuelle Informations- und Problemlösungsverhalten von Entscheidungsträgern entspricht häufig nicht den Implikationen rationalen Handelns; eben damit befasst sich die deskriptive Entscheidungstheorie. Auf dieser subjektivpersönlichen

Ebene

spielen

insbesondere

Persönlichkeitsmerkmale

von

Entscheidungsträgern sowie deren beschränkte Rationalität eine Rolle; dies kann zu Inkonsistenzen im Entscheidungsverhalten führen. Gerade die Annahme der limitierten Informationsverarbeitungskapazität wirft die Frage auf, welche Marketinginformationen tatsächlich entscheidungs- und entscheiderrelevant sind. Es wird deutlich, dass eine Analyse des Prozesses der Entscheidungsfindung im Marketing auf einer Synthese von objektiv-sachlicher und subjektiv-persönlicher Ebene beruhen muss. Die objektiv-sachliche Ebene liefert die Informationsgrundlage zur entscheidungslogischen Fundierung von Entscheidungsprozessen im Marketing, während die subjektiv-persönliche Ebene den Marketingentscheider selbst bzw. dessen Entscheidungsverhalten berücksichtigt. Einerseits können umso effektivere und effizientere Marketingentscheidungen getroffen werden, je geeigneter die bereitgestellten Informationen sind; andererseits erfolgt eine umso bessere Unterstützung des Marketingentscheiders, je mehr die Informationsgrundlage auf dessen kognitiven Entscheidungsstil zugeschnitten ist. Aus der empirischen und verhaltenstheoretisch fundierten Analyse der individuellen Problemlösungs- und Entscheidungsverhaltensweisen von Marketingentscheidern – also dem deskriptiven Ansatz –

38

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

können schließlich auch Gestaltungsempfehlungen für die bereitzustellenden Informationen – und damit präskriptive Aussagen – abgeleitet werden. 98 3.1.2.2 Einfluss kognitiver Merkmale auf das Entscheiderverhalten Das

individuelle

Entscheidungsverhalten

wird

vornehmlich

Entscheidungskontext sowie von den Persönlichkeitsmerkmalen

99

vom

des jeweiligen

Entscheiders determiniert. 100 Kontextfaktoren sind generell als Bedingungen zu bezeichnen, unter denen Entscheidungsverhalten stattfindet. Im Rahmen des organisationalen Entscheidungsverhaltens werden insbesondere Macht, Ziele sowie Anreiz- und Kontrollsysteme als Determinanten des Entscheidungskontextes verstanden.101

Die

geführten

Experteninterviews

verdeutlichten,

dass

Marketingentscheidern klar definierte Ziele gesetzt werden und sie sich daher einer enormen Zielverantwortung ausgesetzt fühlen. Dabei sollen auch im Marketing Anreize die Mitarbeiter motivieren, die festgesetzten Zielvereinbarungen zu erfüllen. Kontrollsysteme kommen letztendlich zur Überprüfung des Zielerreichungsgrades zum Einsatz. Der Entscheidungskontext, der größtenteils durch das Unternehmen und

dessen

Philosophie

Marketingentscheider

determiniert

häufig

vorab

wird,

festgelegt;

ist

daher

für

hat

sich

er

den

einzelnen

quasi

in

den

Entscheidungskontext einzufügen. Für die vorliegende Fragestellung ist es daher relevant, auf das Entscheiderverhalten in diesem Kontext und somit auf solche Persönlichkeitsmerkmale

von

Entscheidungsträgern

abzustellen,

die

einen

signifikanten Einfluss auf das Entscheiderverhalten (im Marketing) haben. Generell ist anzunehmen, dass aufgrund kognitiver Persönlichkeitsmerkmale individuelle

Unterschiede

im

Problemlösungsverhalten

gegeben

sind.

98

Bei Differenzierung der entscheidungstheoretischen Ansätze in eine präskriptive bzw. normative und eine deskriptive Richtung muss berücksichtigt werden, dass sich im Hinblick auf den betriebswirtschaftlichen Erkenntnisgewinn beide Ansätze ergänzen. Die betriebswirtschaftliche Entscheidungstheorie muss daher auf einer Synthese der praktisch normativen und der empirisch realistischen Entscheidungsforschung basieren (vgl. Bamberg/Coenenberg 2006, S. 11f.; Sieben/Schildbach 1994, S. 199ff.; Rehkugler/Schindel 1990, S. 316; Pfohl/Braun 1981, S. 74ff.). „Die präskriptive Entscheidungstheorie liefert notwendige Grundlagen zur entscheidungslogischen Fundierung betrieblicher Entscheidungsprozesse, die deskriptive Entscheidungstheorie liefert Grundlagen für die Fundierung notwendiger Analysen und Prognosen“ (Bamberg/Coenenberg 2006, S. 12).

99

„Zum Kern der Persönlichkeitsmerkmale gehören Anlagen und Züge (traits) wie Intelligenz, Musikalität usw. Darüber hinaus sind die wesentlichen Persönlichkeitsmerkmale die dauerhaften Komponenten bzw. Muster der […] Zustandskonstrukte Gefühle, Wissen, Motive, Einstellungen und Werte“ (vgl. Trommsdorff 2004, S. 214 (im Original Fettdruck)).

100

Vgl. Wiemann 1998, S. 76f.

101

Vgl. O’Reilly 1990, S. 97.

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

39

Persönlichkeitseigenschaften sind relativ zeitstabile Variablen, die Merkmale des Verhaltens einer Person in bestimmten Situationen beschreiben und vorhersagen sollen.102 Als grundlegendes und einflussreichstes Paradigma zur Erklärung menschlichen Verhaltens kann

der S-O-R-Ansatz103 herangezogen

werden.

Überträgt man dieses Modell auf Entscheidungsprozesse, so wirkt ein bestimmter Stimulus in Form einer Problem- bzw. Fragestellung auf ein Individuum ein und hierfür wird eine Reaktion in Form einer Entscheidung gefunden bzw. getroffen. Persönlichkeitsmerkmale des Entscheidungsträgers – im so genannten Organismus als „black box“ – beleuchten den Zusammenhang zwischen dem Problem und der individuellen Reaktion auf diesen Stimulus. 104 Es lassen sich zwei grundlegende Kategorien von Persönlichkeitsmerkmalen bei Entscheidungsträgern unterscheiden: affektive und kognitive Eigenschaften. Abbildung 2 verdeutlicht den S-O-R-Ansatz und damit die maßgeblichen Persönlichkeitsmerkmale des Entscheiderverhaltens.

Stimulus (S)

Organismus (O) aktivierende Prozesse

Problem/ Fragestellung

Response (R) kognitive Prozesse

• Aktivierung • Emotionen • Motivationen

• Wahrnehmung • Lernen • Gedächtnis

Entscheidung

Persönlichkeit

Kognitiver Stil

Abbildung 2:

Die Persönlichkeitsvariablen des Entscheidungsverhaltens

Quelle:

in Anlehnung an Foscht/Swoboda 2007, S. 30.

Grundsätzlich lässt sich das Entscheidungsverhalten durch die intervenierenden Variablen – die aktivierenden und die kognitiven Prozesse – erklären. Als

102

Vgl. Brauchlin/Heene 1995, S. 51; Gallèn 1997, S. 541.

103

S-O-R steht für Stimulus, Organismus und Response bzw. Reaktion. Damit wird das in der Psychologie verwendete Modell des Behaviorismus um eine Innensicht erweitert. Im SR-Modell wird der Organismus als Black-Box gesehen; im Mittelpunkt der Betrachtung stehen nur Reiz und Reaktion (vgl. Foscht/Swoboda 2007, S. 29)

104

Vgl. Rehkugler/Schindel 1990, S. 220; Fink 1987, S. 5.

40

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

aktivierende Prozesse werden jene Vorgänge bezeichnet, die aufgrund innerer Erregungen und Spannungen das Verhalten antreiben. Dabei ist Aktivierung als Grunddimension des Entscheidungsverhaltens zu bezeichnen, da sie die generelle Bereitschaft eines Entscheidungsträgers betrifft, Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten.105 Sie stellt demnach die Voraussetzung dafür dar, dass ein Marketingentscheider überhaupt ein bestehendes Marketingproblem erkennt bzw. wahrnimmt. Des Weiteren haben auch Emotionen einen entscheidenden Einfluss auf das Entscheidungsverhalten, da Marketingentscheider häufig nicht im Sinne des Rationalitätsprinzip entscheiden, sondern vielmehr Entscheidungen „aus dem Bauch“ heraus

treffen.106

Problemlösungs-

Zudem und

beeinflussen

auch

Entscheiderverhalten

motivationale

von

Individuen.

Merkmale 107

Motive

das sind

„Energien“, die das Handeln auf gesetzte oder selbst gewählte Ziele hin ausrichten und steuern; sie sind als relativ stabile Prädispositionen aufzufassen und stellen die vom Entscheidungsträger angestrebten Zielzustände dar, die durch bestimmte situative Stimuli aktiviert werden.108 So können auch Motive, wie beispielsweise die Risikoeinstellung oder auch die Leistungsmotivation eines Marketingentscheiders 109, verantwortlich für dessen individuelles Entscheidungsverhalten sein. Neben den aktivierenden Prozessen haben auch kognitive Prozesse einen Einfluss auf das Entscheiderverhalten im Marketing. Kognitive Vorgänge betreffen die Aufnahme,

Verarbeitung

und

Speicherung

von

Informationen

und

damit

grundlegende Aufbauelemente des Denkens von Individuen. Dabei wird differenziert zwischen festen Komponenten und flexiblen, jedoch nur langfristig veränderbaren Bestandteilen. Während feste Strukturen die Informations- bzw. Wissensspeicherung in den verschiedenen Teilen des Gedächtnisses betreffen, beziehen sich flexible Strukturen auf Grundeinstellungen, Werthaltungen und Erfahrungen. 110 Bezogen auf das

Entscheiderverhalten

im

Marketing

lassen

sich

kognitive

Vorgänge

105

Vgl. ausführlich zum Konstrukt der „Aktivierung“ Kroeber-Riel/Weinberg/Gröppel-Klein 2009, S. 60ff.; Foscht/Swoboda 2007, S. 37ff.; Trommsdorff 2004, S. 47ff.

106

Vgl. ausführlich zum Konstrukt der „Emotion“ Kroeber-Riel/Weinberg/Gröppel-Klein 2009, S. 99ff.; Foscht/Swoboda 2007, S. 44ff.; Trommsdorff 2004, S. 67ff.

107

Vgl. ausführlich zum Konstrukt der „Motivation“ Kroeber-Riel/Weinberg/Gröppel-Klein 2009, S. 167ff.; Foscht/Swoboda 2007, S. 52ff.; Trommsdorff 2004, S. 117ff.

108

Vgl. Dörner 1987a, 238ff.; Döner et al. 1988, S. 217ff.; Endres 1999, S. 75ff.

109

Vgl. hierzu ausführlich Wiemann 1998, S. 93ff.

110

Vgl. ausführlich zu kognitiven Prozessen Kroeber-Riel/Weinberg/Gröppel-Klein 2009, S. 274ff.; Foscht/Swoboda 2007, S. 73ff.; Trommsdorff 2004, S. 87ff.

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

41

zusammenfassend als gedankliche Prozesse zum geistigen Bewältigen von Marketingproblemen kennzeichnen. 111 Unterschiedlich ausgeprägte Persönlichkeitsmerkmale – sowohl hinsichtlich der aktivierenden als auch hinsichtlich der kognitiven Prozesse – können also Ursache für Divergenzen im Verhalten einzelner Entscheidungsträger sein; spezifische Persönlichkeitsmerkmale kognitiven

Stil.

112

eines

Der

Entscheidungsträgers

kognitive

Stil

formen

stellt

folglich

ein

dessen

psychologisches

Persönlichkeitskonstrukt dar und beschreibt über verschiedene Situationen und Zeitabläufe hinweg relativ konsistente Modi der Informationsaufnahme und -verarbeitung; er bringt zum Ausdruck, wie Informationen wahrgenommen und bewertet werden.113 „Jeder hat [also] eine bestimmte, bevorzugte Weise, in der er wahrnimmt

und

beurteilt.“114

Marketingentscheider

stets

Demzufolge

ein

ist

spezifisches

davon

auszugehen,

Informations-

und

damit

dass auch

Entscheidungsverhalten entsprechend ihres kognitiven Stils aufweisen. Der kognitive Stil wird daher häufig auch als Entscheidungsstil bezeichnet. 115 Auch in der vorliegenden Arbeit werden die Begriffe Entscheidungs- bzw. Entscheiderstil synonym zum Terminus des kognitiven Stils verwendet. Anhand der kognitiven Stile lassen sich spezifische Persönlichkeitstypen unterscheiden sowie spezifische Vorgehensweisen

beim

Problemlösestrategien

Treffen

von

charakterisieren,

Entscheidungen die

bzw.

verschiedene

naturgemäß

auch

die

Entscheidungsfindung und damit letztendlich Marketingentscheidungen von damit befassten Entscheidern prägen.116 Generell

werden

in

der

vorliegenden

Arbeit

diejenigen

Personen

als

Marketingentscheider werden bezeichnet, die an der Marketingentscheidung beteiligt sind und entsprechend Verantwortung tragen; dabei kann es sich beispielsweise um Entscheidungsträger aus dem Markenmanagement, dem Produktmanagement, dem Vertrieb,

dem

Kundenmanagement

etc.

handeln.

Häufig

sind

jedoch

bei

111

Vgl. Dörner/Schaub/Strohschneider 1999, S. 198; Endres 1999, S. 63ff.

112

Vgl. Dörner 1987b; Hough/Ogilvie 2005, S. 418; Landauer 1996, S. 52-54 sowie ausführlich Sternberg 1997. So definiert Messick kognitive Stile als „charateristic self-consistencies in information processing that develop in congenial ways around underlying personality trends" (Messick 1984, S. 6).

113

Vgl. Fink 1987, S. 6; Blackman/Goldstein 1978, S. 3; Gupta/Rout 2007, S. 81.

114

Bents/Blank 1995, S. 7.

115

Vgl. Henderson/Nutt 1980.

116

Siehe hierzu ausführlich Abschnitt 3.1.2.3.

42

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

Marketingentscheidungen mehrere Personen beteiligt. In dieser Hinsicht ist daher zwischen

Individual-

und

Individual-Entscheidungen

Kollektiv-Entscheidungen sind

intraindividuelle

zu

differenzieren.

Entscheidungsprozesse

Unter zu

verstehen, bei denen eine Person den Prozess alleine steuert und auch die Entscheidung alleine trifft. Kollektiv-Entscheidungen hingegen setzen sich aus einer Menge von individuellen Entscheidungsprozessen zusammen und werden in der Gruppe getroffen. Neben dem individuellen Verhalten eines Entscheidungsträgers sind

unter

anderem

auch

Gruppengröße,

Risikoverhalten

Verhaltenseigenschaften innerhalb der Gruppe von Bedeutung.

117

und

Obgleich im

Marketing auch kollektive Entscheidungen zu treffen sind, wird in der vorliegenden Arbeit insbesondere auf das individuelle Informations- und Entscheiderverhalten von Marketingmanagern abgestellt; von daher werden Aspekte, wie zum Beispiel Gruppenstrukturen oder soziale Eigenschaften von Gruppen, bei den folgenden Ausführungen nicht berücksichtigt.

3.1.2.3 Entscheidungsstile und Entscheidertypen Eine Vielzahl von Studien – auch zu betriebswirtschaftlichen Fragestellungen – beschäftigt sich mit Entscheiderstilen bzw. unterschiedlichen Entscheidertypen, deren Ausprägungen den Entscheidungsprozess beeinflussen. Neben „rationalen“ Informationen sind auch irrationale Beweggründe bei der Entscheidungsfindung von Bedeutung. Da die vorliegende Arbeit Gestaltungsempfehlungen für die Entscheiderund Entscheidungsunterstützung im Marketing aus Perspektive der Angebotsseite von Marketinginformationen liefern möchte, werden exemplarische kognitive Stile aufgezeigt, welche die Informationswahrnehmung, -aufnahme und -verarbeitung betreffen.

Darauf

aufbauend

werden

anschließend

idealtypische

Problemlösestrategien im Marketing verdeutlicht.

3.1.2.3.1 Kognitive Stile von Persönlichkeitstypen Wie bereits erläutert, lässt sich die Verschiedenartigkeit menschlichen Handelns bzw.

Entscheidens

auf

unterschiedlich ausgeprägte Persönlichkeitsmerkmale

zurückführen. Zur Abgrenzung spezifischer Persönlichkeitstypen entwickelte Carl 117

Vgl. Bronner 1993, S. 725; Berg 1973, S. 25.

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

43

Gustav Jung (1960) eine Persönlichkeitstypologie. Die psychologischen Typen von Jung beschreiben Muster für die Art und Weise, wie Informationen bevorzugt aufgenommen und auf ihrer Basis Entscheidungen getroffen werden. Die darauf aufbauende

Myers-Briggs-Typologie

nimmt

eine

Unterscheidung

von

Persönlichkeitstypen anhand von vier Dimensionen vor: Die beiden kognitiven Funktionen „Wahrnehmung“ (sinnliche/intuitive Wahrnehmung) und „Beurteilung“ (analytische/gefühlsmäßige Beurteilung) sowie die beiden Elemente der Einstellung „Lebenseinstellung“ (beurteilende/wahrnehmende Einstellung) und „Einstellung zur Umwelt“

(Extraversion/Introversion). 118

Abbildung

3

veranschaulicht

diese

Persönlichkeitsdimensionen:

Einstellung E – Extroversion Extrovertiert oder

I – Introversion Introvertiert Einstellung zur Umwelt

Funktionen

P – Perceiving Wahrnehmend oder

S – Sensing

F – Feeling

oder

Gefühlsmäßig Lebenseinstellung

Abbildung 3: Quelle:

N – Intuition Intuition

Wahrnehmung

J – Judging Beurteilend

oder

Sinnesempfindung

T – Thinking Analytisch

Beurteilung

Die Dimensionen der Persönlichkeit in Anlehnung an Bents/Blank 1995, S. 50.

Die erste Form der Einstellung – die so genannte Einstellung zur Umwelt – bezieht sich auf die Einstellung zur äußeren bzw. inneren Welt, der Extraversion (E) und der Intraversion (I). Anhand dieser Dimensionen wird beschrieben, inwieweit eine Person bei der Entscheidungsfindung mit anderen interagiert. Da sich die vorliegende Arbeit

118

Vgl. Bents/Blank 1995, S. 12f.; Attems/Heimel 1991, S. 17.

44

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

weitgehend auf das individuelle Verhalten eines Marketingentscheiders beschränkt, wird dies nicht genauer ausgeführt. Die zweite Form der Einstellung betrifft die so genannte Lebenseinstellung, die zum einen wahrnehmend (P) und zum anderen beurteilend (J) erfolgen kann. Die einzelnen Ausprägungen dieser Dimension finden sich in den kognitiven Funktionen119 wieder, die genauer beschreiben, wie Entscheider Informationen wahrnehmen und beurteilen. Aus der Kombination des Wahrnehmungsmodus (sinnliche Wahrnehmung: S; intuitive Wahrnehmung: N) und des Beurteilungsmodus (analytisches Beurteilen: T; gefühlsmäßiges Beurteilen: F) lassen sich schließlich vier Typen des Informationsverhaltens voneinander unterscheiden:

der

SF-Entscheidertyp,

Entscheidertyp sowie der NT-Entscheidertyp.

der 120

ST-Entscheidertyp,

der

NF-

Diese Persönlichkeitstypen werden

im Folgenden näher charakterisiert und exemplarisch auf Entscheidungsträger im Marketing übertragen.

Der SF-Entscheidertyp (Sinneswahrnehmung und gefühlsmäßige Beurteilung) Entscheider, bei denen die Sinneswahrnehmung dominant ist, nehmen Informationen – vorzugsweise konkrete, objektiv überprüfbare Fakten – bewusst über die fünf Sinne wahr. Studien belegen, dass solche Personen eher detailorientiert sind und eine gewisse

Zeit

brauchen,

um

sich

mit

der

Problem-

bzw.

Fragestellung

auseinanderzusetzen. 121 Die Beurteilung der Informationen und damit das Fällen der Entscheidungen

erfolgen

beim

SF-Entscheider

eher

gefühlsmäßig.

Eine

Entscheidung wird vorwiegend aus persönlicher Überzeugung getroffen, weshalb persönliche und soziale Werte im Entscheidungsprozess von Bedeutung sind. Entscheider dieses Typus gelten als äußerst verständnisvoll und einfühlsam; sie möchten ein harmonisches Gleichgewicht erreichen und Probleme vermeiden. Permanente Rücksichtnahme auf involvierte Personen und die jeweiligen Umstände lassen die Entscheidung stark personalisiert werden. 122 Übertragen auf den Gegenstandbereich der vorliegenden Arbeit bedeutet dies, dass Marketingentscheider, die dem SF-Typ zugeordnet werden können, für ihre

119

Siehe hierzu Abschnitt 3.1.2.2.

120

Vgl. Fink 1987, S. 76; Henderson/Nutt 1980, S. 373; Gardner/Martinko 1996, S. 54f.

121

Vgl. Bents/Blank 1995, S. 19ff.; Attems/Heimel 1991, S. 18; Fink 1987, S. 85.

122

Vgl. Bents/Blank 1995, S. 25ff.; Attems/Heimel 1991, S. 20; Fink 1987, S. 93.

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen Entscheidungen

vermutlich

insbesondere

quantitative

45 Marketinginformationen

benötigen. Sie treffen ihre Entscheidungen sehr subjektiv, weil sie stark auf ihr Gefühl vertrauen. Dabei ist ihnen die interpersonelle Ebene wichtig, weshalb sie bei der

Entscheidungsfindung

Meinungen

und

Wünsche

anderer

Personen

berücksichtigen. Als typische Einsatzbereiche im Marketing können für den SFEntscheidertyp der Vertrieb oder auch das Kundenmanagement in Betracht kommen. Aufgaben in diesen Bereichen erfordern einerseits eine Orientierung an objektiven Fakten und andererseits bestehen gerade im Key-Account-Management zum Teil intensive zwischenmenschliche Kontakte mit Kunden.

Der ST-Entscheidertyp (Sinneswahrnehmung und analytische Beurteilung) Der ST-Typ zeichnet sich analog zum bereits vorgestellten SF-Typ durch bewusste Wahrnehmung und Aufnahme von Informationen aus. Die gefühlsmäßige Beurteilung einer

Situation

wird

allerdings

durch

einen

objektiven,

systematischen

Entscheidungsprozess ersetzt. Dabei werden alle Informationen sorgfältig analysiert und gegeneinander abgewogen. Der Problemlösungsprozess des ST-Entscheiders orientiert sich an einem festen Handlungsplan, der sich in der Regel bereits in der Vergangenheit bewährt hat. Dabei lässt er sich von Vorgaben und Regeln, weniger hingegen von Emotionen und persönlichen Affinitäten leiten. Grundsätzlich sind seine Entscheidungen klar nachvollziehbar, weil sie sich auf Daten und Fakten stützen und unabhängig von Personen, Situationen und Umständen getroffen werden. Da dieser Entscheidertyp laut Studien eher risikoavers ist, beschafft er relativ viele Informationen, um sich abzusichern und seine Unsicherheit zu reduzieren.123 Marketingmanager, die dem ST-Typ zugeordnet werden können, lassen sich als systematische Entscheider charakterisieren. Sie treffen Entscheidungen auf Basis von Faktenwissen; ihr Entscheidungsverhalten zeichnet sich durch analytisches Denken und systematische Beurteilung aus. Häufig vertrauen sie dabei auf Dinge, die sich in der Vergangenheit bereits bewährt haben. Ein solches Vorgehen erweist sich jedoch gerade im Marketing teilweise als problematisch, da es wichtig ist, Trends frühzeitig zu erkennen, um beispielsweise rechtzeitig mit neuen bzw. 123

Vgl. Gallèn 1997, S. 543; Bents/Blank 1995, S. 25; Attems/Heimel 1991, S. 54f.; Fink 1987, S. 93ff.; Henderson/Nutt 1980, S. 379.

46

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

modifizierten Produkten auf sich ändernde Konsumentenbedürfnisse reagieren zu können. Dennoch werden auch im Marketing ST-Entscheider benötigt. So könnten solche Entscheider beispielsweise als Marketinganalysten im Bereich der Markt- und Wettbewerbsanalyse eingesetzt

werden,

wo insbesondere ein analytisches,

objektives Handeln erforderlich ist. Des Weiteren könnte auch das Preismanagement ein passendes Aufgabenfeld für den ST-Entscheidertyp darstellen.

Der NF-Entscheidertyp (intuitive Wahrnehmung und gefühlsmäßige Beurteilung) Der NF-Typ weist als dominante Funktionen eine intuitive Wahrnehmung sowie eine gefühlsmäßige Beurteilung auf. Intuitive Persönlichkeitstypen nehmen Informationen unbewusst wahr; die intuitive Wahrnehmung ist eine Informationsaufnahme, die quasi über den so genannten sechsten Sinn erfolgt. Derartige Entscheider besitzen die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte relativ gut in ihrer Gesamtheit zu erfassen sowie bestehende Zusammenhänge und Muster zu erkennen. Eine Entscheidung wird mehr einem Gespür folgend und damit „aus dem Bauch heraus“ getroffen; der Entscheidungsträger bezieht sich bei der Entscheidungsfindung vorwiegend auf seine Erfahrungen und persönlichen Eindrücke.124 Laut Studien gilt der NFEntscheidertyp als zukunftsorientiert und innovativ; seine Überzeugungskraft und persönliche Hingabe werden durch Inspiration und Kreativität ergänzt. 125 Marketingmanager, die das Entscheidungsverhalten des NF-Typs aufweisen, lassen sich prinzipiell eher als heuristische Entscheider 126 charakterisieren. Sie stützen Entscheidungen auf Erfahrungen, die jedoch durch klare Zukunftsvisionen ergänzt werden. Bei der Entscheidungsfindung vertrauen solche Entscheider hauptsächlich auf ihr Gefühl. Vermutlich ist daher auch die Nachfrage nach Marketinginformationen relativ begrenzt; Marketingentscheidungen treffen sie häufig auf Grundlage weniger Information. Stattdessen berücksichtigen sie bei der Entscheidungsfindung ihr soziales Umfeld, da sie eine umfassende Sensibilität für die Bedürfnisse anderer Personen besitzen. Vor allem aufgrund seiner kreativen Fähigkeiten und seiner zwischenmenschlichen Offenheit scheint der NF-Entscheidertyp für den Bereich der

124

Vgl. Bents/Blank 1995, S. 19f.; Attems/Heimel 1991, S. 18f.; Fink 1987, S. 85.

125

Vgl. Gallèn 2006, S. 120; Attems/Heimel 1991, S. 52f.; Henderson/Nutt 1980, S. 375.

126

Siehe hierzu ausführlich Abschnitt 3.1.2.3.2.

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

47

Kommunikationspolitik geeignet zu sein. Des Weiteren stellt auch die Neuproduktentwicklung einen idealen Aufgabenbereich für diesen Entscheidertyp dar.

Der NT-Entscheidertyp (intuitive Wahrnehmung und analytische Beurteilung) Beim NT-Entscheider erfolgt die Aufnahme von Informationen intuitiv; er interessiert sich für das Neue und seine Handlungen sind zukunftsorientiert. Charakteristisch sind ausgeprägte analytische Fähigkeiten; daher wird er auch als so genannter „Thinking-First“-Entscheider bezeichnet.127 Grundsätzlich betrachtet er weniger Einzelaspekte, sondern vielmehr den Gesamtzusammenhang. Er generiert eine solide Entscheidungsgrundlage; intuitive Wahrnehmungen und Eingebungen werden durch ausführliche Analysen ergänzt. Aufgrund seines eher visionären Denkens legt er häufig den Grundstein für Pilotprojekte und Prototypen. Kritisch ist, dass er zwar viele neue Konzepte aufstellt und kreative Ideen generiert, deren Durchführung und Umsetzung aber oft vernachlässigt. 128 Bei der Entscheidungsfindung zeigen NTEntscheider

allerdings eine ausgeprägte Entschlossenheit

auf.

Strategische

Entscheidungen, die auf einer Symbiose aus intuitiver Wahrnehmung und analytischer

Begründung

beruhen,

sind

laut

einer

Untersuchung

Erfolg

versprechender als bei anderen Entscheidertypen. 129 Marketingentscheider, die das Verhalten eines NT-Typs aufweisen, werden ein bestehendes Marketingproblem erst definieren und sich bei der Generierung der Lösung auf einen konkreten Handlungsplan stützen. Hierfür benötigen sie eine umfassende

Informationsgrundlage,

auf

die

sie

sich

verlassen

können.

Entscheidungen werden zwar auf Marketinginformationen gestützt, aber gleichzeitig durch Intuition beeinflusst. Auf diese Weise werden vom Marketingentscheider in der Regel fundierte, kritisch reflektierte Marketingentscheidungen getroffen. Solche NTEntscheider lassen sich beispielsweise im Produktmarketing finden; in diesem Bereich könnten insbesondere Analyse und Management von Produktlebenszyklen ihrem Aufgabenbereich zugeordnet sein. Neben der Entwicklung von Neuprodukten

127

Vgl. Mintzberg/Westley 2001, S. 89f.

128

Vgl. Bents/Blank 1995, S. 69; Attems/Heimel 1991, S. 85f.; Gupta/Rout 2007, S. 82; Gallèn 2006, S. 120f.

129

Vgl. Hough/Ogilvie 2005, S. 440.

48

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

zählen auch die Verbesserung und Modifikation bestehender Produkte zu geeigneten Tätigkeitsbereichen für diesen Entscheidertyp. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es in der Praxis keinen reinen SF-, STNF- oder auch NT-Entscheidertyp gibt. Jede Person verfügt grundsätzlich über beide Wahrnehmungsfunktionen (sinnliche und intuitive Wahrnehmung) sowie über beide Beurteilungsfunktionen (analytische und gefühlsmäßige Beurteilung); jedoch wird sich jeweils eine der beiden Funktionen als dominant erweisen. 130 Obgleich es sich bei der Persönlichkeitstypologie von Carl Gustav Jung um eine allgemeine Typologie handelt, scheint eine Übertragung auf den betrieblichen Entscheider durchaus als plausibel. So weisen unterschiedliche (Marketing-)Entscheider zwar individuelles Informations- und Kommunikationsverhalten auf, wobei sie dennoch vermutlich jeweils eine dominante Funktion bei der Wahrnehmung sowie der Beurteilung von Informationen

besitzen.

Manche

Marketingentscheider

werden

daher

Marketinginformationen eher sinnlich wahrnehmen, andere hingegen eher intuitiv; ebenso wird es im Marketing Entscheider geben, die Marketinginformationen vorwiegend analytisch beurteilen, während andere Entscheider eher gefühlsmäßig vorgehen. Insofern lassen sich auch Entscheidungsträger im Marketing zumindest einem spezifischen Typ zuordnen, auch wenn sie dessen Charaktereigenschaften nicht vollständig aufweisen. Schlussfolgernd lässt sich daher vor diesem Hintergrund festhalten, dass nicht jede Information für einzelne Entscheidungsträger im Marketing gleich nützlich ist. Aus diesem Grund sollte idealerweise bereits bei der Informationsbedarfsanalyse der kognitive Stil von Marketingentscheidern berücksichtigt werden. 131 Bedeutsam für die Nachfrageseite von Marketinginformationen – die Datenseite – ist insbesondere, ob Marketingentscheider

eher

analytisch

vorgehen

und

eine

Vielzahl

an

Marketinginformationen als Entscheidungsgrundlage benötigen oder ob sie eher heuristisch handeln und daher bei der Entscheidungsfindung vorwiegend auf ihre Erfahrung,

ergänzt

um

Vereinfacht

kann

daher

ausgewählte zwischen

Marketinginformationen, einem

analytischen

und

zurückgreifen. heuristischen

Entscheidungsstil differenziert werden, wie sie im folgenden Abschnitt erläutert werden.

130

Vgl. Bents/Blank 1995, S. 42.

131

Vgl. hierzu ausführlich Abschnitt 5.2.2.

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

49

3.1.2.3.2 Analytischer versus heuristischer Entscheidungsstil Individuen

besitzen,

wie

bereits

erläutert,

eine

limitierte

Informationsverarbeitungskapazität. Gerade im Marketing stehen Entscheidungsträger schon allein aufgrund einer dynamischen Umwelt- und Unternehmenssituation vor

komplexen

Entscheidungssituationen,

die

eine

hohe

Nachfrage

nach

Marketinginformationen mit sich bringen. Selbst wenn die Angebotsseite von Marketinginformationen vollständige Informationen über sämtliche Umweltzustände und die antizipierten Ergebnisse einer jeden Handlungsalternative bereitstellen könnte, könnten vom Marketingentscheider nicht alle notwendigen und vorhandenen Informationen aufgenommen und verarbeitet werden. Es kommt daher je nach Entscheidungssituation und Entscheidertyp zu einer mehr oder minder ausgeprägten Selektion von Informationen und damit zu einer Komplexitätsreduktion. 132

Heuristische Entscheidungen Die limitierte Informationsverarbeitungskapazität von Entscheidungsträgern führt dazu, dass Entscheidungsprozesse im Marketing nicht vollkommen rational verlaufen; stattdessen ziehen Entscheider zur Problemlösung oftmals Heuristiken heran.133 „Eine Heuristik ist eine Methode, welche die Suche nach besseren Problemlösungen 134

beschränkt.“

nach

dem

Auffinden

einer

funktionsfähigen

Alternative

Es handelt sich also um Such- bzw. Lösungsverfahren, die sich in

bestimmten Situationen bereits bewährt und zu einer zufriedenstellenden Lösung geführt haben. Ein solches Auswahlprinzip, das vorrangig auf Erfahrungen basiert, schließt

also

von

vornherein

einige

potenzielle

Such-

und

damit

auch

Lösungsprozesse aus. 135 Heuristiken kommen auch im Marketing in vereinfachten Problemlösungs- und Entscheidungsprozessen zum Ausdruck; Marketingentscheider entwickeln häufig solche Vereinfachungstechniken. Dem Heuristiker ist es wichtig, funktionsfähige Lösungen für Problemsituationen zu finden; er betrachtet hierzu die Gesamtsituation anstelle separater Teilbereiche.

132

Vgl. Sieben/Schildbach 1994, S. 179f.; Kirsch 1977, S. 88ff.

133

Vgl. Dörner et al. 1983, S. 399ff.; Endres 1999, S. 88f.; Schwenk 1988, S. 44f.; Fink 1987, S. 34.

134

Fink 1987, S. 34.

135

Vgl. Klix 1971, S. 723; Kirsch 1977, S. 94f.; Henderson/Nutt 1980, S. 372; Heinen 1991, S. 41f.; sowie Rehkugler/Schindel 1990, S. 81f.; Dörner 2002, S. 126ff.

50

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

Gesunder Menschenverstand, Intuition, Gefühle und Erfahrungen spielen bei seiner Entscheidungsfindung eine große Rolle. Sein Lernen erfolgt durch Handeln; daher ist für ihn Feedback besonders wichtig. 136 Die Informationssuche des Heuristikers erfolgt eher spontan und ist weniger zielgerichtet. Er fragt zwar viele Informationen nach, selektiert diese allerdings relativ frühzeitig und verwendet nur noch Informationen bezüglich ausgewählter Sachverhalte (zum Beispiel lediglich über die wichtigsten Distributionskanäle oder Schlüsselkunden). Als Entscheidungsgrundlage präferieren

Heuristiker

aggregierte

Kurzberichte.

Sie

schätzen

Entscheidungsfindung die Unterstützung durch andere Personen.

137

bei

der

Daher werden

sie vermutlich Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen der Datenseite begrüßen und diese auch bei ihrer Entscheidungsfindung berücksichtigen. Insgesamt

sucht

der

Heuristiker

nicht

nach

einer

optimalen

Lösung

im

mathematischen Sinne, sondern nach einer befriedigenden Handlungsalternative, die seinem Anspruchsniveau entspricht. Sobald er eine akzeptable Lösung gefunden hat, bricht er den Problemlösungs- bzw. Entscheidungsprozess ab.138 Dabei bedient er sich – wie bereits erwähnt – in der Regel so genannter Heuristiken. Gerade im Marketing, wo sich Entscheidungsträger komplexen Situationen gegenübersehen und zudem oftmals unter Zeitdruck entscheiden müssen, kann sich daher eine heuristische Vorgehensweise als vorteilhaft erweisen. Exemplarisch sollen im Folgenden drei Heuristiken skizziert werden, die für das Marketing als typisch erachtet werden. 139 Eine erste Vereinfachungstechnik stellt die so genannte Verfügbarkeits-Heuristik dar, für die eine starke Orientierung an leicht verfügbaren Informationen bezeichnend ist. Dabei handelt es sich vorrangig um Informationen, die bereits im Gedächtnis des Entscheidungsträgers in Form von Erfahrungen vorhanden oder aber leicht zugänglich sind. 140 Für das Marketing ist es demnach wichtig, Marketingdaten beispielsweise in Datenbanken bzw. in einem Data Warehouse abzuspeichern, so dass Marketingentscheider bei der Entscheidungsfindung möglichst schnell und unkompliziert auf die benötigten Daten zugreifen können. 136

Vgl. Fink 1987, S. 35.

137

Vgl. Fink 1987, S. 164ff.

138

Vgl. Kirsch 1977, S. 88; Dörner 2002, S. 126ff.

139

Vgl. Wierenga/van Bruggen 2000, S. 18. Weitere Vereinfachungstechniken von Managern siehe bei Einhorn 2005, S. 150ff.; Scholz/Mieg/Weber 2003, S. 21ff.; Bazerman 1990; Schwenk 1988, S. 43f. sowie Dörner et al. 1983, S. 399ff.

140

Vgl. Wierenga/van Bruggen 2000, S. 18; Schwenk 1988, S. 51.

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

51

Des Weiteren kann sich ein Entscheider der so genannten Heuristik des Symbolcharakters bzw. der Repräsentativitätsvermutung bedienen. Im Prinzip beruht sie darauf, dass bestimmte Aspekte auf Basis ähnlicher Ereignisse aus der Vergangenheit geschätzt bzw. abgeleitet werden. Ein Produktmanager kann zum Beispiel die Abverkaufszahlen eines neuen Produkts auf Basis eines ähnlichen, bereits etablierten Produktes schätzen. Er überträgt demnach den Erfolg eines älteren Produkts auf ein neues Produkt, was jedoch nicht zwangsläufig zutreffend sein

muss.141

Ein

derartiges

Vorgehen

kann

auch

im

Rahmen

der

Neuproduktentwicklung zum Einsatz kommen. So orientierte man sich beispielsweise bei der Konzeption einer digitalen Zeitung im Internet an der klassischen Zeitung. Anstatt ein neues Konzept zu entwerfen, waren die Internetseiten der Zeitung ähnlich aufgebaut wie die der gedruckten Zeitung. 142 Die Heuristik des Verankerns und Anpassens orientiert sich schließlich an einem Ankerwert. Im Marketing werden bei der Festlegung von quantitativen Größen häufig subjektive

Schätzverfahren

angewendet.

Ein

derartiges

Vorgehen

kann

beispielsweise bei der Aufstellung des Werbebudgets für ein Produkt bzw. eine Marke zum Einsatz kommen: Die Budgethöhe für das kommende Jahr würde auf Basis des aktuellen Jahres geschätzt werden, ohne eventuelle Änderungen im Markt näher zu betrachten und gegebenenfalls zu berücksichtigen. 143 Auch bei der Prognose zukünftiger Absatzmengen kommen früher erzielte Ergebnisse als Ankerwerte

zum

Einsatz.

So

werden

beispielsweise

bereits

realisierte

Verkaufsvolumina als Ausgangswert für solche Schätzungen verwendet. In dynamischen

Märkten

kann

diese

Methode

allerdings

Vorhersagen und damit zu falschen Entscheidungen führen.

zu

unzuverlässigen

144

Eine heuristische Vorgehensweise kann sich bei Problemlösungs- und Entscheidungsprozessen im Marketing prinzipiell als effizient erweisen. Allerdings kann es auch zu Fehlentscheidungen bzw. zu Verzerrungen im Sinne eines ManagementBias

kommen,

wie

beispielsweise

zum

„Escalation-of-Commitment-Effect“145.

141

Vgl. Wierenga/van Bruggen 2000, S. 19.

142

Vgl. Hammond/Keeny/Raiffa 2006, S. 121. Als weiteres Beispiel nennen die Autoren die Entwicklung der ersten Autos, die noch stark an eine Kutsche ohne Pferd erinnern.

143

Vgl. Wierenga/van Bruggen 2000, S. 19; Roleff 2001, S. 54.

144

Vgl. Hammond/Keeny/Raiffa 2006, S. 120.

145

Der „Escalation-of-Commitment-Effect“ beschreibt das Festhalten an einer einmal eingeschlagenen Handlungsrichtung, die nicht abgebrochen wurde, obwohl sie unter rationalen Gesichtspunkten schon längst hätte abgebrochen werden müssen (vgl. Wiemann 1998, S. 2f.).

52

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

Insbesondere die häufige Anwendung von Entscheidungsheuristiken führt oftmals zu verfestigten Denkstrukturen bzw. -mustern bei Marketingentscheidern. Dies hat zur Folge, dass Marketinginformationen nur noch eingeschränkt oder auch überhaupt nicht mehr verarbeitet werden.

Analytische Entscheidungen Im Gegensatz zum Heuristiker entwickelt der Analytiker bei seiner Problemlösung eine Art Modell für die jeweilige Entscheidungssituation. Auf diese Weise sollen die hinter dem Problem stehenden Kausalzusammenhänge analysiert werden, um möglichst rationale Entscheidungen zu treffen. Entscheider, die analytisch vorgehen, beschäftigen sich daher vornehmlich mit dem einzelnen Problem und betrachten weniger die Gesamtsituation. Das Lernen findet eher durch die Analyse der Situation als durch das eigentliche Handeln statt, weshalb der Analytiker weniger Wert auf Feedback legt. 146 Die Informationssuche erfolgt über formale und rationale Analysen, wobei der Analytiker, der umfassende Detailinformationen nachfragt, eher auf quantitative Daten zurückgreift. Bei regelmäßigen Routineentscheidungen fragen analytisch orientierte

Entscheider

weniger

Informationen

nach

als

bei

neuartigen

Entscheidungen, da sie bereits eine gewisse Vertrautheit mit der Materie besitzen und daher Informationen gezielter nachfragen. Diese gezielte Informationsnachfrage führt schließlich dazu, dass sie größtenteils Informationen bereitgestellt bekommen, die auch tatsächlich für die jeweilige Entscheidungssituation relevant sind. Analytiker arbeiten weitgehend selbstständig und verlassen sich weniger auf die Unterstützung von anderen Personen. 147 Insgesamt lässt sich festhalten, dass im Marketing beide Vorgehensweisen – sowohl der analytische als auch der heuristische Stil – in bestimmten Situationen eine effektive und effiziente Problemlösung ermöglichen und sich demnach ergänzen. Einerseits ist es aufgrund der Dynamik und Komplexität der Marketingumwelt sowie der limitierten Informationsverarbeitungskapazität der Marketingentscheider nötig, den Entscheidungs- und Problemlösungsprozess zu vereinfachen und die Realität 146

Vgl. Fink 1987, S. 34f.; Henderson/Nutt 1980, S. 372.

147

Vgl. Estrin/Mock/Vasarhelyi 1972, S. 134.

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

53

nur in einer vereinfachten Modellperspektive wahrzunehmen. Andererseits fordert die dynamische und komplexe Marketingumwelt auch eine analytische Vorgehensweise; so kann es wichtig sein, wesentliche (Problem-)Bereiche zu identifizieren und losgelöst

vom

Gesamtzusammenhang

zu

betrachten

(beispielsweise

eine

spezifische Produktgruppe, die im letzten Jahr enorme Absatzeinbußen hinnehmen musste), gezielt die entsprechenden Informationen nachzufragen und die hinter dem Problem stehenden Kausalzusammenhänge zu analysieren, um zu einer möglichst rationalen Entscheidung zu gelangen. Auch die durchgeführten Experteninterviews belegen,

dass

im

Marketing häufig eine analytische,

informationsgestützte

Vorgehensweise notwendig ist und daher für die Entscheidungsfindung vielfältige Marketinginformationen heranzuziehen sind.

3.1.2.3.3 Idealtypische Problemlösestrategien von Marketingentscheidern Der Problemlösungs- bzw. Entscheidungsprozess im Marketing bewegt sich also – je nach Entscheidungssituation und Entscheidertyp – auf einem Kontinuum zwischen analytischer und heuristischer Vorgehensweise. Vor diesem Hintergrund haben Wierenga

und

van

Problemlösestrategien

Bruggen

für

abgeleitet:

den

Marketingbereich

„Optimizing“

vier

idealtypische

(Optimierung),

„Reasoning“

(Modelldenken), „Analogizing“ (Analogieschluss) und „Creating“ (Kreierung). 148

„Optimizing“ Bei der Problemlösestrategie des „Optimizing“ agiert der Marketingentscheider sehr analytisch und systematisch; das Marketingproblem ist dabei mittels eines objektiven Modells klar strukturiert. Schließlich wird jene Handlungsalternative ausgewählt, die gemäß einer mathematischen Optimierung am besten geeignet ist, ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Es ist anzunehmen, dass Marketingentscheider, die nach der Strategie des „Optimizing“ handeln, vermehrt quantitative Marketinginformationen nachfragen, da sie häufig für spezifische Entscheidungsprobleme objektive bzw. mathematische Modelle heranziehen, um zu einer optimalen Problemlösung zu gelangen.149 Beispielsweise kommen derartige Modelle in der Mediaplanung zum 148

Vgl. Wierenga/van Bruggen 2000, S. 21-33.

149

Vgl. Wierenga/van Bruggen 2000, S. 22f.

54

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

Einsatz, wenn der Zusammenhang zwischen Ausgaben einer Werbekampagne und der Platzierung in verschiedenen Medien optimiert werden soll. Das vorhandene Werbebudget kann dann je nach Wunsch auf entsprechende Medien verteilt werden, die sich in Hinblick auf Zielgruppe, Reichweite und Kosten voneinander unterscheiden. Als weiteres Beispiel ist die optimale Zuordnung der Anzahl des Verkaufspersonals auf einzelne Marken und/oder Regionen zu nennen. 150

„Reasoning“ Eine weitere Problemlösestrategie im Marketing wird von Wierenga und van Bruggen als

„Reasoning“

bezeichnet.

Da

Marketingentscheider

in

der

Regel

mit

unstrukturierten und häufig auch komplexen Entscheidungsproblemen konfrontiert werden, neigen sie dazu, die Realität in einer vereinfachten Weise – in Form eines „mentalen Modells“ – abzubilden. „A mental model is a symbolic structure, a representation of a body of knowledge in the human mind.“ 151 Ein mentales Modell beinhaltet alle für den Entscheider relevanten Variablen sowie erwarteten UrsacheWirkungs-Zusammenhänge zwischen diesen Variablen. Mit Hilfe eines derartigen „Modelldenkens“, also der Abbildung seiner subjektiven Realität, versucht das Individuum, das Problem zu lösen. „In the reasoning mode, decision makers construct a representation of the marketing phenomenon in their minds. These mental models are the basis for the manager’s reasoning about the problem.” 152 Eine solche Vorgehensweise im Sinne des “Reasoning” wäre beispielsweise für einen Produktmanager denkbar, der den Markterfolg eines neuen Produkts abschätzen möchte. Hierfür existieren keine eindeutigen mathematischen Modelle; der Manager wird daher zusätzlich eigene Erwartungen und Hoffnungen an „sein Produkt“ mit einfließen lassen. Insgesamt kreiert er sich auf diese Weise eine plausible Einschätzung, die er als Entscheidungsgrundlage heranzieht. 153 Die Problemlösestrategie

des

„Reasoning“

ist

daher

mit

einer

heuristischen

Vorgehensweise vergleichbar. Mentale Modelle sind eher qualitativer Art und durch Subjektivität und Unvollständigkeit gekennzeichnet; „although mental models may 150

Siehe Vorgehensweise sowie konkrete Einsatzbereiche der Problemlösestrategie des „Optimizing“ ausführlich bei Albers et al. 2007; Albers/Götz 2006; Albers/Skiera 2002; Albers 2000.

151

Wierenga/van Bruggen 2000, S. 24.

152

Wierenga/van Bruggen 2000, S. 24.

153

Vgl. Roleff 2001, S. 58.

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

55

not always be correct, they are useful because they offer the marketer a framework for interpreting and reasoning about marketing problems and their solutions.” 154 Ein mentales Modell ist daher als subjektiver Bezugsrahmen eines Entscheidungsträgers für das jeweilige Marketingproblem zu verstehen.

„Analogizing“ Neben der Strategie des „Reasoning“ ist auch die Problemlösestrategie des „Analogizing“ im Marketing von Bedeutung. Hierbei greifen Marketingentscheider, sofern sie schon länger im Marketing tätig sind, auf ihre Erfahrungen zurück und leiten daraus ihre Entscheidungen ab. „When confronted with a problem, a person has a natural inclination to bring to bear the experience gained from solving similar problems in the past.”155 Marketingmanager können auf ihren Erfahrungsschatz, der in

der

Regel

unterschiedliche

Neuprodukteinführungen,

Marketingerfahrungen,

Preisänderungen,

beispielsweise

Werbekampagnen

etc.,

über

umfasst,

zurückgreifen und ihre Entscheidung vor dem Hintergrund dieses Erfahrungswissens treffen, indem sie entsprechende Parallelen bzw. Analogieschlüsse ziehen. Der entscheidende

Vorteil

dieser

Problemlösestrategie

besteht

darin,

dass

Entscheidungen, die auf Erfahrung und Analogien basieren, schneller gefunden bzw. getroffen werden; es muss nicht erst ein Modell entworfen werden, wie es beim „Reasoning“ der Fall ist.156 Aufgrund des häufig enormen Zeitdrucks im Marketing ist diese Problemlösestrategie in der Praxis vermutlich von besonderer Bedeutung. Schwierigkeiten können allerdings dadurch entstehen, dass Marketingentscheider unpassende Analogien ziehen und damit fehlerhafte Entscheidungen treffen.

„Creating“ Die vierte Problemlösestrategie wird schließlich als „Creating“ bezeichnet. „The marketing decision maker is searching for novel and effective ideas and solutions by means of mapping, exploring and transforming of the problem’s conceptual space,

154

Wierenga/van Bruggen 2000, S. 25.

155

Wierenga/van Bruggen 2000, S. 26.

156

Vgl. Wierenga/van Bruggen 2000, S. 27.

56

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

expanding the number of possible solutions through divergent thinking.” 157 Gerade im Marketing ist viel Kreativität erforderlich, um

dauerhaft den Erfolg eines

Unternehmens zu sichern. Oftmals sind Marketingprobleme nur grob in Bezug auf Ziele, Inhalte und mögliche Vorgehensweisen definiert. Dies eröffnet dem Marketingentscheider einen enormen Handlungsspielraum, innerhalb dessen er seiner Kreativität freien Lauf lassen kann. So wird von Marketingentscheidern beispielsweise gefordert, innovative Produkte für den Markt zu entwickeln. Diese Herausforderung verlangt einen eher unkonventionellen Lösungsweg, um zu neuen Konzepten und Ideen zu gelangen. Durch eine offene Denkhaltung und das Reflektieren verschiedener Handlungsalternativen können neuartige Lösungen entstehen. Oftmals werden diese auch durch Kombination bekannter Elemente erreicht, über deren Zusammenspiel vorher nicht nachgedacht wurde. Eine derartige Problemlösestrategie

ist

notwendig,

wenn

völlig

oder

teilweise

unklare

Entscheidungssituationen vorliegen. 158 Als Hilfsmittel kommen daher beispielsweise bei der Neuproduktentwicklung insbesondere in der Phase der Ideengenerierung Kreativitätstechniken, wie Brainstorming, Brainwriting etc., zum Einsatz. Zusammenfassend

ist

festzuhalten,

dass

(Marketing-)Entscheider

bei

der

Entscheidungsfindung verschiedene Problemlösestrategien heranziehen. Diese sind zum einen vom zugrunde liegenden Marketingproblem (hinsichtlich dessen Komplexität, Strukturierungsgrad etc.) und zum anderen von der Persönlichkeit des Entscheidungsträgers abhängig. Auch im Marketing ist zu differenzieren zwischen unterschiedlichen kognitiven Stilen von Marketingentscheidern und demnach zwischen verschiedenen Entscheidertypen, die sich bezüglich ihres Informationsund Problemlösungsverhaltens voneinander unterscheiden. Darüber hinaus wirft auch die Annahme der begrenzten Informationsverarbeitungskapazität eines Marketingentscheiders die Frage auf, welche Marketinginformationen tatsächlich entscheidungs- und entscheiderrelevant sind. Eine für die vorliegende Arbeit wichtige Erkenntnis besteht folglich darin, dass die Datenseite, die im nächsten Abschnitt näher beschrieben wird, bei der Bereitstellung von Marketinginformationen neben der objektiv-sachlichen Ebene der Nachfrageseite von Marketinginformationen – der Marketingentscheidung



auch

deren

subjektiv-persönliche

Entscheiderverhalten – zu berücksichtigen hat.

157

Wierenga/van Bruggen 2000, S. 31.

158

Vgl. Wierenga/van Bruggen 2000, S. 29f.

Ebene



das

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen 3.2

57

Analyse der Leistungen auf der Angebotsseite von Marketinginformationen – Die Datenseite im Marketing

Nachdem

im

vorausgegangenen

Abschnitt

wesentliche

Aspekte

der

Entscheidungsseite im Marketing aufgezeigt wurden, wird in diesem Abschnitt die Angebotsseite von Marketinginformationen – die Datenseite – näher beleuchtet. Nach Klärung der für diese Arbeit grundlegenden Begrifflichkeiten der Datenseite wird im Folgenden das Informationsangebot im Marketing aufgezeigt, indem zunächst relevante Quellen von Marketinginformationen sowie deren Inhalte beschrieben werden. Abschließend wird zusammenfassend dargelegt, dass zur Schaffung einer umfassenden Informationsgrundlage für das Marketingmanagement sowohl unternehmensinterne als auch unternehmensexterne Marketinginformationen erforderlich sind.

3.2.1 Grundlegende Begrifflichkeiten Ziel

von

Marketing

Intelligence

sind

effektive

und

effiziente

Marketingentscheidungen. Hierzu ist es erforderlich, wie bereits erwähnt, sämtliche entscheidungs- bzw. problemrelevanten Informationen heranzuziehen. Dabei handelt es sich in der Regel eben nicht nur um Marktforschungsinformationen, sondern beispielsweise auch um unternehmensinterne Informationen aus dem Vertrieb oder aus dem Controlling/Rechnungswesen. Grundsätzlich sind für Marketing Intelligence daher „Marketinginformationen“ und nicht nur „Marktforschungsinformationen“ notwendig. Zur Abgrenzung dieser grundlegenden Begrifflichkeiten wird auf entsprechende

Definitionen

aus

der

Literatur

zurückgegriffen,

wo

eine

Differenzierung zwischen „Marketingforschung“ und „Marktforschung“ vorgenommen wird.159 Marketingforschung

beinhaltet

die

Beschaffung,

Analyse

und

Interpretation

zweckorientierter Informationen, die zur Identifikation und Lösung von Problemen des Marketings bedeutsam sind. Gegenstand der Marketingforschung sind dabei zum einen Informationen über die Wirkung der eigenen Marketingaktivitäten hinsichtlich Produkt-, Kommunikations-, Distributions- und Preisforschung sowie

159

Vgl. hierzu Meffert 1992, S. 15f.; Hammann/Erichson 2000, S. 33f.; Weis/Steinmetz 2002, S. 16; Altobelli 2007, S. 5.

58

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

Informationen über innerbetriebliche Sachverhalte, wie zum Beispiel Vertriebskosten, Lagerplanung etc., sofern sie für Marketingentscheidungen relevant sind. Zum anderen umfasst die Marketingforschung auch Informationen über den Absatzmarkt; dies

betrifft

sowohl

aggregierte

Absatzmarktinformationen

(zum

Beispiel

Marktpotenzial, Marktvolumen, Marktwachstum, Wettbewerbssituation etc.) als auch Informationen über einzelne Absatzmarktteilnehmer (Konsumenten, Wettbewerber, Handel etc.) sowie deren Verhaltensweisen, Einstellungen, Handlungen und Reaktionen. Solche (absatz-)marktbezogenen Informationen gehören auch zum Aufgabenspektrum der Marktforschung, die sich ausschließlich mit den Märkten eines Unternehmens beschäftigt; sie bezieht sich nicht nur auf Absatzmärkte, sondern auch auf Beschaffungsmärkte (zum Beispiel Arbeitsmarkt, Kapitalmarkt etc.).160 Abbildung 4 verdeutlicht die Abgrenzung zwischen „Marketingforschung“ und „Marktforschung“.

Marketingforschung (Absatzforschung) Innerbetriebliche Sachverhalte • Produktpolitik • Distributionspolitik • Kommunikationspolitik • Preispolitik • Vertriebskosten • Lagerkosten • EDV-Planung …

Absatzmarkt

Beschaffungsmarkt

• Marktpotenzial • Marktvolumen • Marktwachstum • Wettbewerbssituation • Kaufverhalten • Markentreue …

• Arbeitsmarkt • Kapitalmarkt • Rohstoffmarkt …

Marktforschung

Abbildung 4:

Abgrenzung zwischen Marketingforschung und Marktforschung

Quelle:

in Anlehnung an Meffert 1992, S. 16.

In der vorliegenden Arbeit wird das Augenmerk auf den Absatzmarkt gerichtet und somit werden der Beschaffungsmarkt sowie die Beschaffungsmarktforschung 160

Marktforschung ist definiert als „eine systematische, empirische Untersuchungstätigkeit mit dem Zweck der Informationsgewinnung oder -verbesserung über objektiv bzw. subjektiv bedingte Markttatbestände und -phänomene als Grundlage beschaffungs- und absatzpolitischer Entscheidungen“ (Hammann/Erichson 2000, S. 30 (im Original Fettdruck)).

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen ausgeklammert.

Daher

findet

der

Terminus

der

59

Marketingforschung

bzw.

Absatzforschung Verwendung, da es stets um absatzseitige Marketingforschung geht. Die absatzmarktgerichtete Marktforschung stellt, wie auch in Abbildung 4 ersichtlich ist, einen Teilbereich der Marketingforschung dar. Demzufolge sind in materieller Hinsicht unter „Marketinginformationen“, wie sie bei Marketing Intelligence benötigt werden, sämtliche Informationen zu verstehen, die für die Identifikation und Lösung

von

Marketingproblemen

bzw.

-fragestellungen

relevant

sind

und

Marketingentscheidern als Entscheidungshilfe dienen; die zugrunde liegenden Marketingdaten

können

unternehmensexternen

sowohl

aus

unternehmensinternen

stammen. 161

Quellen

„Marktforschungsinformationen“

hingegen

„Marketinginformationen“

zu

verstehen;

Absatzmarktinformationen

sowie

als

auch

„Marktinformationen“

sind

als

sie

anonymisierte

Teilmenge

umfassen Daten

aus bzw. von

aggregierte

über

spezifische

Absatzmarktteilnehmer, wie Konsumenten, Wettbewerber oder den Handel. Solche Markt-

bzw.

Marktforschungsinformationen

werden

von

der

betrieblichen

Marktforschung oder von Marktforschungsinstituten durch Primärforschung oder Sekundäranalyse gewonnen. 162 Demnach stellen „Marketinginformationen“ das gesamte Informationsangebot an das Marketing dar, das sich sowohl aus innerbetrieblichen als auch aus außerbetrieblichen Daten zusammensetzt. 163 In der Praxis arbeitet die betriebliche Marktforschungsabteilung in der Regel eng mit externen Marktforschungsinstituten zusammen. In der vorliegenden Arbeit wird beides, sowohl die betriebliche als auch die institutionelle Marktforschung, ins Auge gefasst und allgemein von der Marktforschungsaufgabe bzw. von der Marktforschung gesprochen.164

Die

Verzahnung

zwischen

betrieblicher

Marktforschung

und

Institutsmarktforschung erlaubt es, von einem Marktforschungssystem zu sprechen. Aus systemtheoretischer Perspektive unterteilt sich das System „Marktforschung“ demnach

161

in

die

Elemente

der

betrieblichen

Marktforschung

und

der

Zur Abgrenzung der Begriffe „Marketingdaten“ und „Marketinginformationen“ siehe Abschnitt 4.3.1.

162

Siehe hierzu ausführlich Abschnitt 3.2.2.4.

163

In Analogie zu diesen Ausführungen werden auch die Begriffe „Marktdaten“ und „Marktforschungsdaten“ synonym verwendet; unter „Marketingdaten“ ist das gesamte Datenangebot zu fassen, das potenziell für das Marketing verfügbar ist.

164

Für das Marketing stellen die betriebliche Marktforschung und die Institutsmarktforschung die wichtigsten Akteure bzw. Träger von Marktforschungsleistungen dar. Roleff spricht in diesem Zusammenhang auch von einem „Marktforschungsdreieck“ und bezeichnet die betriebliche Marktforschung, die Institutsmarktforschung sowie das Marketing als die drei Parteien, die maßgeblich an der Marktforschungsaufgabe im Unternehmen beteiligt sind (vgl. Roleff 2001, S. 81).

60

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

Institutsmarktforschung, die miteinander vernetzt sind und sich durch eine wechselseitige Zusammenarbeit auszeichnen. Bei einer derartigen Betrachtungsweise kann prinzipiell offen bleiben, wie die Marktforschungsaufgabe zwischen den einzelnen Systemelementen im Detail strukturiert und organisiert ist. 165 Die Marktforschung ist grundsätzlich als bedeutsamer Akteur der Datenseite von Marketing Intelligence aufzufassen. Zudem werden jedoch auch Aufgaben der Datenseite von anderen Stellen innerhalb des Unternehmens wahrgenommen, beispielsweise vom Vertrieb, vom Kundenservice oder auch vom Controlling. Darüber hinaus verfügt ein Unternehmen in der Regel auch über operative Informationssysteme, die wertvolle Informationen für das Marketing beinhalten. In der vorliegenden Arbeit werden Akteure der Angebotsseite von Marketinginformationen, das heißt, diejenigen, die Tätigkeiten der Datenseite im Sinne von Marketing Intelligence in Bezug auf Informationssammlung, gegebenenfalls -aufbereitung und -bereitstellung

ausüben,

als

innerbetriebliche

Informationslieferanten

bzw.

Informationsmanager bezeichnet. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine dritte Person; vielmehr sind damit Marktforscher und/oder Entscheider gemeint, die mit Aufgaben der Angebotsseite von Marketinginformationen betraut sind. 166

3.2.2 Informationsangebot für das Marketing 3.2.2.1 Systematisierung potenziell entscheidungsrelevanter Marketingdaten Nachdem

grundlegende

Begrifflichkeiten

der

Angebotsseite

von

Marketinginformationen erläutert wurden, wird im Folgenden aufgezeigt, dass dem Marketingmanagement

in

der

Praxis

ein

umfassendes

Angebot

potenziell

entscheidungsrelevanter Informationen aus heterogenen Quellen zur Verfügung steht. Ein Unternehmen besitzt in der Regel einen umfassenden Basisbestand an Daten, der neben unternehmensstrategischen Vorgaben sämtliche Daten über interne Unternehmensmerkmale (z.B. Unternehmensgröße, Finanzkraft, die vom Unternehmen ausgewählten Märkte und Vertriebskanäle) und Leistungsmerkmale 165

Vgl. hierzu ausführlich Roleff 2001, S. 81f.; Wimmer 2002, S. 9f. sowie Weber 1996, S. 24ff.

166

Dies soll jedoch keineswegs heißen, dass der Marktforscher in der vorliegenden Arbeit lediglich als Informationslieferant betrachtet wird, der für die Informationssammlung und gegebenenfalls -aufbereitung zuständig ist; vielmehr wird eine grundlegende Veränderung und Weiterentwicklung der Marktforschung gefordert, so dass ihr auch weiterhin eine entscheidende Rolle im Sinne von Marketing Intelligence beigemessen wird (siehe hierzu ausführlich Kapitel 6).

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

61

(beispielsweise produktbezogene Daten über technische Aspekte, Features oder auch

bezüglich

der

beinhaltet. 167

Produktgestaltung)

Solche

Daten

über

unternehmensinterne Vorgaben und Rahmenbedingungen beinhalten durchaus auch relevante Aspekte für Entscheidungsprozesse des Marketings. Da sie vom Unternehmen

selbst

gesetzt

werden,

sollte

diesbezüglich

eigentlich

kein

Informationsproblem bestehen und das Marketing sollte problemlos auf sie zugreifen können. Daher wird auf diese Kategorie von potenziell entscheidungsrelevanten Marketingdaten in den folgenden Ausführungen nicht näher eingegangen. Weitere potenziell relevante Marketingdaten, die dem Unternehmen intern vorliegen, werden „automatisch“ im Rahmen der operativen Geschäftsprozesse eines Unternehmens

generiert

und

zeigen

Geschäftsvorgänge

innerhalb

des

Unternehmens auf. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette lässt sich eine Vielzahl relevanter Datenquellen identifizieren; hierbei kann es sich neben den klassischen Kundenkontaktstellen auch um Fachabteilungen wie Forschung und Entwicklung, Logistik, technischer Kundendienst oder auch Rechnungswesen bzw. Controlling handeln, um nur einige zu nennen. Ein Großteil der benötigten Marketingdaten muss aber erst extra (extern) erhoben werden. Darüber hinaus können aggregierte Markt- bzw. Marktforschungsdaten über Kunden(gruppen) und Märkte zur Entscheidungsunterstützung des Marketings beitragen. 168 Zusammenfassend lassen sich drei Kategorien potenziell entscheidungsrelevanter Marketingdaten

unterscheiden:

Intern

anfallende

Marketingdaten,

extern

zu

erhebende Marketingdaten und aggregierte Markt- bzw. Marktforschungsdaten. Zur Analyse der Inhalte dieser einzelnen Datenkategorien in den folgenden Abschnitten werden neben Literatur insbesondere die Erkenntnisse der Praxis aus den eigenen Experteninterviews – sowohl von den befragten Marketingentscheidern als auch den interviewten Marktforschern – herangezogen.

167

Vgl. Forsyth/Hölscher 2006, S. 33.

168

Dies soll jedoch keinesfalls heißen, dass sämtliche verfügbaren Marketingdaten bei der Entscheidungsfindung auch zu berücksichtigen sind; welche bzw. wie viele Informationen Marketingentscheider benötigen, um eine „gute“ Entscheidung treffen zu können, ist vielmehr vom Informationsbedarf der einzelnen Entscheidungsträger abhängig (siehe hierzu ausführlich Abschnitt 5.2.2).

62

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

3.2.2.2 Intern anfallende Marketingdaten Im Rahmen der Marktbearbeitung werden unternehmensintern eine Vielzahl an Daten generiert, die automatisch über Informationssysteme erfasst werden. Neben Abrechnungssystemen aus der Finanzbuchhaltung kommen Administrations- und Dispositionssysteme,

die

Daten

bezüglich

der

Auftragsabwicklung

und

Vertriebslogistik beinhalten, zum Einsatz. Diese Daten stellen gewissermaßen zusammen

mit

den

Basisdaten

über

unternehmensinterne

Vorgaben

und

Rahmenbedingung den Datengrundstock eines Unternehmens dar. Automatisch anfallende interne Daten beinhalten einerseits solche des Rechnungswesens bzw. Controllings und andererseits auch Daten aus innerbetrieblichen Statistiken und Datenbanken. Sie bilden Mengen-, Erlös-, Kosten- und Erfolgsgrößen ab und beziehen sich typischerweise auf Produkte, in Zeiten des Beziehungsmarketings und Key-Account-Managements aber vor allem auch auf Kunden bzw. Kundengruppen. Besondere Bedeutung für das Marketing erlangen in diesem Zusammenhang „Vertriebsdaten“. Diese entstammen dem internen Vertriebscontrolling, umfassen aber

auch

Außendienstinformationen;

Vertriebsinformations-

und

hier

liegt

-steuerungssysteme.

das

Einsatzfeld

Insbesondere

moderner

Außendienst-

mitarbeiter erlangen durch ihre Arbeit frühzeitig Kenntnisse und Einsichten bezüglich aktueller und zukünftiger Entwicklungen am Markt, über Kundenbedürfnisse und damit einhergehende neue Marktsegmente, aber auch über Aktivitäten der Wettbewerber. 169 Vertriebsdaten werden beispielsweise benötigt, um zu ermitteln, wie viel Umsatz mit einzelnen Produkten bzw. Produktgruppen erwirtschaftet wird, wie viel Umsatz die einzelnen Außendienstmitarbeiter generieren oder auch wie rentabel einzelne Kunden(gruppen) für das Unternehmen sind. Grundsätzlich besteht das primäre Ziel des operativen Vertriebscontrolling also darin, sämtliche Vertriebsaktivitäten zu analysieren und deren finanzielle Auswirkungen abzuschätzen sowie letztendlich die Vertriebseffizienz sicherzustellen. Hierzu greift das operative Vertriebscontrolling auf messbare Steuerungsgrößen aus dem Rechnungswesen bzw. Controlling zurück, wie etwa Umsatz, Gewinn und Kosten, die auf spezifische Objekte

bezogen

werden. 170

Für

das

Marketing

sind

als

Analyseobjekte

insbesondere strategische Geschäftsfelder, Produkte bzw. Produktgruppen, Kunden bzw. Kundengruppen sowie Vertriebswege von Bedeutung. Darüber hinaus benötigt 169

Siehe hierzu Ken Le 2006, S. 713f.; Le Bon/Merunka 2006, S. 396f.; Homburg/Schäfer/ Schneider 2008, S. 258ff.; Cross et al. 2001; Festervand/Grove/Reidenbach 1988.

170

Vgl. Pufahl 2006, S. 175f.; Becker 2001, S. 35f.

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen das

Marketingmanagement

Vertriebsdaten

zur

63

Planung

und

Kontrolle

absatzpolitischer Maßnahmen. Im Rahmen des operativen Vertriebscontrolling werden zur Anwendung solcher Kostenrechnungsinformationen durch das Marketingmanagement verschiedene Methoden herangezogen. Weite Verbreitung im Marketing besitzen neben Voll- und Plankostenrechnungen

sowie

Prozesskostenrechnungen

insbesondere

Deckungsbeitragsrechnungen (nach Produkten, Märkten, Schlüsselkunden etc.). Darüber hinaus sind für Marketingentscheider Kundenerfolgsrechnungen als Variante der Absatzsegmentrechnung von Bedeutung, um durch Gegenüberstellung kunden(gruppen)spezifischer Kosten und Erlöse die Erfolgsbeiträge einzelner Kunden(gruppen)

zu

Geschäftsbeziehungen optimieren,

so können

ermitteln.

Will

betrachten auf

man

und

hingegen

beispielsweise

den die

Verlauf

Kundenstruktur

Basis von Kostenrechnungsinformationen

Kundenlebenszyklusrechnungen durchgeführt werden.

von auch

171

Neben Vertriebsdaten stellen heute aufgrund des Bedeutungszuwachses des Beziehungsmarketings individuelle Kundendaten eine zentrale Grundlage für Marketingentscheidungen dar. Interne Kundendaten fallen „an den einzelnen Customer Touch Points entlang der gesamten Wertschöpfungskette“172 an. Sie werden

durch

Kundenkommunikation

und

-interaktion

sowie

durch

Kundentransaktionen im Rahmen von Marketing-, Vertriebs- und Serviceprozessen generiert und in einer Kundendatenbank aufgenommen und gespeichert. 173 Das Konzept des Customer Relationship Management (CRM), das eine Ausrichtung sämtlicher Geschäftsprozesse auf den Kunden hin postuliert, umfasst neben Strategien und Maßnahmen, die sich auf aktuelle, bereits bestehende Kunden beziehen

(Kundenbindungsmanagement)

(Interessentenmanagement)

sowie

die

Gewinnung

gegebenenfalls

die

neuer

Kunden

Rückgewinnung

abgewanderter Kunden (Rückgewinnungsmanagement). 174 Der Fokus über alle Phasen

hinweg

Kundenansprache

liegt und

dabei

insbesondere

-interaktion

sowie

einer

bei

einer

Ausrichtung

individualisierten auf

profitable

171

Siehe ausführlich zu einzelnen Methoden des operativen Vertriebscontrolling beispielsweise Winkelmann 2008, S. 647ff.; Duderstadt 2006, S. 133ff.; Karlshaus 2000, S. 99ff.

172

Hippner/Leber/Wilde 2004, S. 158.

173

Vgl. Reichhold 2006, S. 32f.; Alt/Puschmann/Österle 2005, 186; Einhorn 2005, S. 78f.; Hippner/Leber/Wilde 2004, S. 163ff.; Hippner/Leber/Wilde 2002, S. 20ff.; Glazer 2000, S. 33ff.; Homburg/Sieben 2000, S. 477.

174

Vgl. Hippner 2006, S. 18; Hippner 2005, S. 118; Müller 2004, S. 81.

64

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

Kundenbeziehungen,

die

letztendlich

die

Kenntnis

bzw.

Abschätzung

des

(potenziellen) Customer Lifetime Values voraussetzt. 175 Hierfür bedarf es so genannter Customer Relationship Analytics, welche „die Gesamtheit aller Aufgaben zur Auswertung und Analyse der Kundenbeziehungen

mit

dem

Ziel der

kontinuierlichen Verbesserung der CRM-Prozesse“176 beinhalten. Für solche Analysen sind vielfältige Informationen über die Struktur, das Verhalten und die Bedürfnisse der Kunden erforderlich. Das Interessentenmanagement betrifft die Anbahnung neuer Kundenbeziehungen. In dieser Phase ist insbesondere die Optimierung von Akquisitionskampagnen von Bedeutung. Obgleich über potenzielle Kunden unternehmensintern bislang nur wenige Daten vorliegen, kann das Unternehmen beispielsweise auf Basis vorhandener Daten über aktuelle Kunden analysieren, welche Kundensegmente für das Unternehmen wertvoll sind (Zielgruppenselektion) bzw. welche Kundengruppen besonders häufig auf frühere Aktionen des Unternehmens reagiert haben (Response-Analyse) und auf

dieser Grundlage

nur potenzielle Neukunden

ansprechen, die ein ähnliches Profil aufweisen. 177 Grundsätzlich geht es demnach um die Bestimmung und Selektion einer geeigneten Zielgruppe für eine Marketingaktion, die spezifische, bereits bekannte Eigenschaften aufweisen soll. Hierzu sind neben Reaktions- und Transaktionsdaten aktueller Kunden insbesondere auch deren sozio-demographische und geographische Kundenmerkmale von Interesse, um auf Basis solcher Eigenschaften aus dem bestehenden Kundenstamm beispielsweise

potenzielle

Neukunden

genauer

beschreiben

oder

auch

Nachbarschaftsaffinitäten berechnen zu können. Gerade in dieser ersten Phase des Customer Relationship Managements ist häufig jedoch der Zukauf externer Adressdaten178 oder auch mikrogeographischer Daten notwendig. Das Kundenbindungsmanagement als zweite Phase des Customer Relationship Managements zielt auf die Festigung und Intensivierung von bestehenden Kundenbeziehungen ab, wobei profitable Kunden im Fokus stehen. Zur gezielten Ansprache benötigen Marketingentscheider daher eine Bewertung der Kunden hinsichtlich ihres aktuellen und zukünftigen Werts für das Unternehmen. Die Berechnung bzw. Prognose des Kundenwerts erfolgt unter anderem auf Basis von 175

Vgl. Wimmer/Göb 2006, S. 403f.; Homburg/Schäfer/Schneider 2008, S. 202ff.; Day 2000, S. 4.

176

Neckel/Knobloch 2005, S. 47.

177

Vgl. Hippner/Leber/Wilde 2002, S. 28.

178

Siehe Abschnitt 3.2.2.3.

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

65

Umsatz, aktuellem und erwartetem Bedarfsvolumen, Kundendeckungsbeitrag, Dauer der Kundenbeziehung sowie der Kosten der Kundenbetreuung.179 Darüber hinaus stellt im Rahmen des Kundenbindungsmanagements die Warenkorbanalyse für Marketingentscheider ein aussagekräftiges Instrument zur Beschreibung des Kaufverhaltens von Kunden dar. Neben der Untersuchung des Warenkorbinhalts (wie beispielsweise Anzahl der gekauften Produkte und Warengruppen, Anzahl von Aktionsartikeln etc.) kann hierbei eine Analyse beschreibender Merkmale eines Einkaufs, wie Warenkorbgesamtwert, Einkaufszeit etc. erfolgen. Auch kann mittels einer Warenkorbanalyse untersucht werden, welche Produkte überdurchschnittlich häufig zusammen gekauft werden. Des Weiteren können Cross- und Up-SellingAnalysen

durchgeführt

werden,

um

dem

Kunden

zur

Erhöhung

seines

Ertragspotenzials weitere und höherwertige Produkte anzubieten. 180 Da ein Unternehmen in der Regel vielfältige Daten über aktive Kunden 181 besitzt, können entsprechend

der

jeweiligen

Problem-

bzw.

Fragestellung

des

Marketings

unterschiedliche Customer Relationship Analytics durchgeführt werden, deren Ergebnisse dem Marketingmanagement umfassende Anhaltspunkte für die Planung und Gestaltung von Marketingaktionen bieten. Schließlich beinhaltet die Phase des Rückgewinnungsmanagements die Vermeidung von Kündigungen sowie die Rückgewinnung abgewanderter Kunden. Für das Marketingmanagement ist es daher wichtig, möglichst frühzeitig „gefährdete“ Kunden zu erkennen, um durch gezielte Maßnahmen (beispielsweise spezielle Angebote) mögliche Kündigungen und damit die Beendigung der Beziehung von Kunden mit hohem

Ertragspotenzial

Kundensegmentierung

zu

verhindern.

durchgeführt

Hierzu

werden,

kann

um

zunächst

eine

Gruppe

der

die

abwanderungsgefährdeten sowie der verlorenen Kunden zu identifizieren und von den aktiven Kunden abzugrenzen. In einem weiteren Schritt können dann mögliche Abwanderungsgründe ermittelt und analysiert werden. Diese Erkenntnisse kann der Marketingentscheider

im

Sinne

eines

Frühwarnsystems

zur

Identifizierung

179

Siehe hierzu ausführlich Günter/Helm 2006, S. 360ff.; Neckel/Knobloch 2005, S. 199; Cornelsen 2000.

180

Vgl. Neckel/Knobloch 2005, S. 337ff.; Hippner/Leber/Wilde 2002, S. 28f.

181

Eine unternehmensinterne Quelle zur Gewinnung von Kundeninformationen insbesondere im Rahmen des Kundenbindungsmanagements stellen Maßnahmen des Direktmarketings dar. Neben Preisausschreiben, Bonusprogrammen und Kundenclubs bieten sich auch Kundenkarten an, um wertvolle Informationen über den Kunden zu erlangen. Mittels Kundenkarten, die Kunden durch Anreize in Form von Prämien oder Rabatten dazu bewegen sollen, die Karten zu beantragen und ihre Einkäufe registrieren zu lassen, erhalten Unternehmen sozio-demographische Daten der Kunden verknüpft mit Daten über deren Kaufhistorie (vgl. Einhorn 2005, S. 112ff.; Hippner/Leber/Wilde 2004, S. 160; Tomczak/Dittrich 2000).

66

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

abwanderungsgefährdeter Kunden heranziehen. 182 Dies erfolgt häufig durch so genannte Churn-Analysen, welche die Abwanderungsneigung und –wahrscheinlichkeit einzelner Kunden prognostizieren. Analysegrundlage stellen dabei neben persönlichen Daten insbesondere Transaktions- und Nutzungsdaten der Kunden sowie Informationen aus dem Beschwerdemanagement und dem Vertrieb dar. 183 Im

Hinblick

auf

das

Management

von

Kundenbeziehungen

benötigen

Marketingentscheider in den einzelnen Phasen des Beziehungslebenszyklus vielfältige Kundendaten, um auf Basis der Erkenntnisse aus den entsprechenden Analysen fundierte Entscheidungen fällen zu können. Abbildung 5 verdeutlicht die für das Marketingmanagement potenziell entscheidungsrelevanten Kundendaten über die einzelnen Phasen des Customer Relationship Managements hinweg:

Potenzielle Kunden

Aktive Kunden Kunden mit hohem Wert

Zielmarkt

Reagierer

Neukunden

Kunden mit geringem Wert

Erfolgsbeitrag eines Kunden

Aufgaben

Kunden mit hohem Potenzial

Anbahnung von neuen Geschäftsbeziehungen Interessentenmanagement

Festigung der Beziehungen

Reaktivierte Kunden

Freiwillige Kündiger

Zurückgewonnene Altkunden

Gezwungene Kündiger Zeit

Intensivierung der Beziehungen

Kundenbindungsmanagement

Verlorene Kunden

Vermeidung von Rücknahme von ungewollten Kündigungen Kündigungen Rückgewinnungsmanagement

Vom Marketing • Zielgruppenselektion • Responseanalyse benötigte Informationen • etc.

• Warenkorbanalysen • Cross- und Up-Selling-Analyse • Kundenbewertungen • etc.

• Churn-Analysen • etc.

Verfügbare Daten

• Transaktions- und Kaufhistorie • Zahlungshistorie • Kosten der Kundenbetreuung • Kundendeckungsbeitrag • etc.

• Abwanderungs- bzw. Kündigungsgründe • Beschwerden • etc.

• zugekaufte Adressen • soziodemographische und geographische Kundenmerkmale • Kontakthistorie • etc.

Abbildung 5:

Entscheidungsrelevante Kundendaten entlang des Beziehungslebenszyklus

Quelle:

in Anlehnung an Berry/Linoff 2000, S. 72ff. und Stauss 2000, S. 452ff.

182

Vgl. Michalski 2006, S. 586ff.; Neckel/Knobloch 2005, S. 356ff.

183

Vgl. Tecklenburg 2008, S. 25ff.; Schöler 2006, S. Diller/Haas/Ivens 2005, S. 269ff.; Homburg/Fürst/Sieben 2003.

620ff.;

Bruhn/Michalski

2003;

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

67

Die Interaktion mit dem Kunden im Rahmen eines Customer Relationship Managements erfolgt in der Regel über unterschiedliche Kommunikations- und Vertriebskanäle. Ein solches Multi-Channel-Management erfordert jedoch vom Unternehmen eine kundenorientierte Ausgestaltung und Koordination der Kanäle. 184 Dies

ist

nur

möglich,

Kundendaten in einer

wenn

sämtliche

potenziell

entscheidungsrelevanten

zentralen Datenbank (vorzugsweise in einem Data

Warehouse185) zusammengeführt und gespeichert werden. Für die Speicherung und insbesondere spätere Nutzung der Kundendaten ist jedoch eine sinnvolle Strukturierung

notwendig.

So

empfiehlt

sich

beispielsweise

folgende

Systematisierung von Kundendaten: 186 Profildaten, Kontaktdaten, Transaktionsdaten und Servicedaten. Profildaten beinhalten grundlegende Identifikationsdaten von Kunden, wie Name, Titel, Anschrift und Bankverbindung, sowie sozio-demographische Merkmale einer Person, wie Geschlecht, Alter, Bildungsabschluss, Beruf, Einkommen, Familienstand etc. Darüber hinaus werden auch Daten zur Psychographie eines Kunden, wie beispielsweise Interessen, Einstellungen, Hobbys, Freizeitaktivitäten etc., erfasst. Diese Art von Kundendaten zeichnet sich dadurch aus, dass diese auf längere Sicht relativ stabil und zudem produktunabhängig sind. Grundsätzlich ermöglichen solche Kundendaten neben der eindeutigen Identifizierung und Beschreibung eines Kunden Einblicke in und gegebenenfalls Erklärungen für dessen Konsumverhalten. 187 Meist können die Profildaten einer Person nicht in ihrer Gesamtheit abgebildet werden, dennoch sollten sie möglichst vollständig erfasst werden, um eine individualisierte Kundenansprache und -interaktion zu ermöglichen. Kontaktdaten

beziehen

sich

auf

alle

kundenspezifischen

Aktionen

eines

Unternehmens. Hierbei werden Art und Häufigkeit von Kommunikationsaktivitäten (wie zum Beispiel Katalogzustellung, Mailings, Außendienstbesuche etc.), Zeitpunkt einer Aktion sowie anteilige Kosten erfasst. Darüber hinaus werden für einzelne Aktionen die Reaktionen der Kunden festgehalten. Die Erfassung und Analyse der gesamten Kommunikationshistorie zwischen Kunde und Unternehmen ermöglicht 184

Vgl. Hippner 2006, S. 36; Hippner 2005, S. 118f.

185

Vgl. hierzu ausführlich Abschnitt 5.3.2.

186

Vgl. Wimmer/Göb 2006, S. 405. Siehe hierzu ähnliche Kategorisierungen von Kundendaten beispielsweise bei Winkelmann 2008, S. 368; Homburg/Schäfer/Schneider 2008, S. 181; Krumb 2002, S. 113; Homburg/Sieben 2000, S. 477.

187

Vgl. Neckel/Knobloch 2005, S. 66; Hippner/Leber/Wilde 2004, S. 164ff.; Hippner/Leber/Wilde 2002, S. 20ff.

68

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

eine individuelle, auf den Kunden abgestimmte Kommunikation. Kontaktdaten bilden für das Marketing die Grundlage für einen langfristigen, interaktiven Dialog mit dem Kunden.188 Transaktionsdaten fallen im operativen Tagesgeschäft an und zeigen die Kaufhistorie eines

Kunden

auf.

Solche

Daten

umfassen

Kaufmengen,

Kaufhäufigkeit,

Kaufzeitpunkte, Wieder- und Zusatzkäufe, Zahlungsverhalten etc. Hieraus lassen sich wiederum weitere Informationen über das Kaufverhalten des Kunden ableiten; so erlangt das Marketingmanagement beispielsweise Kenntnisse über Produkt- und Markenaffinitäten eines Kunden, die Akzeptanz bestimmter Vertriebskanäle oder über dessen Preissensibilität und Zahlungsgewohnheiten. 189 Eine letzte Kategorie von Kundendaten stellen Servicedaten dar. Diese Daten umfassen neben allgemeinen Anfragen eines Kunden die Inanspruchnahme von Serviceleistungen

sowie

die

Erfassung

von

Reklamationen,

Retouren

und

Beschwerden.190 In diesem Zusammenhang kommt dem Beschwerdemanagement eine besondere Bedeutung zu. Dieses umfasst die Planung, Durchführung und Kontrolle sämtlicher Maßnahmen, die ein Unternehmen bezüglich Beschwerden ergreift, und generiert hierbei relevante Daten über eher unzufriedene Kunden. Beschwerdeinformationen betreffen zum einen das jeweilige Beschwerdeobjekt, in der Regel vom Unternehmen angebotene Produkte und/oder Dienstleistungen, und zum anderen Daten über das Beschwerdeproblem, wie die Art des Problems oder auch konkrete Umstände des jeweiligen Vorfalls. 191 Kundendaten

besitzen

insbesondere

für

eine

fundierte,

aussagekräftige

Kundenanalyse eine besondere Bedeutung. „Bei der Kundenanalyse handelt es sich […] um einen analytischen Prozess der Durchleuchtung und Bewertung [aktueller und] potenzieller Kunden […] mit dem Ziel einer Priorisierung und Klassifikation.“ 192 Ergebnis

solcher

Kundenbewertungen,

188

Analysen

können

Kundensegmentierungen

etwa und

Kundenpotenzialanalysen, Kundenpräferenzanalysen

Vgl. Hippner/Leber/Wilde 2004, S. 173f.; Hippner/Leber/Wilde 2002, S. 25f.; Hippner/Wilde 2001, S. 28; Schulze 2000, S. 41.

189

Vgl. Hippner/Leber/Wilde 2004, S. 172f.; Hippner/Leber/Wilde 2002, S. 24f.

190

Vgl. Wimmer/Göb 2006, S. 405.

191

Vgl. ausführlich Stauss/Seidel 2007, S. 145ff.; Wimmer 1985, S. 231f.

192

Diller/Haas/Ivens 2005, S. 157. Siehe hierzu auch Wimmer/Göb 2006, S. 404ff.

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

69

sein.193 Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass Marketingentscheider zur

Optimierung

von

CRM-Aktivitäten

und

damit

zur

Unterstützung

ihrer

Entscheidungen auf umfassende und aussagekräftige Daten sowohl über aktuelle als auch über potenzielle Kunden angewiesen sind. Wiedmann, Buxel und Siemon plädieren daher für die Implementierung einer „Customer Management Scorecard“ als

Variante

der

bekannten

Balanced

Scorecard 194,

die

als

kundenmanagementbezogenes Kennzahlensystem die Bereitstellung potenziell entscheidungsrelevanter Kundeninformationen zum Ziel hat. 195

3.2.2.3 Extern zu erhebende Marketingdaten Die internen Marketingdaten, die im Rahmen der Geschäftsprozesse in der Regel automatisch anfallen und durch entsprechende Systeme erfasst werden, sind um externe Marketingdaten zu ergänzen. Unternehmensexterne Marketingdaten werden häufig speziell für den jeweiligen Entscheidungstatbestand des Marketings extra erhoben. Insbesondere für strategische Marketingentscheidungen benötigt das Marketingmanagement umfassende Informationen über Entwicklungen und Trends am Markt, über aktuelle und potenzielle Wettbewerber sowie über Kundensegmente und deren Bedürfnisse. Im Rahmen einer Umfeldanalyse, die einerseits die Analyse der externen unternehmerischen Umwelt (Makroumwelt) und andererseits die Analyse der internen unternehmerischen Funktionsumwelt (Mikroumwelt) beinhaltet, ist daher die Bereitstellung solcher Informationen erforderlich. In diesem Zusammenhang kommt dem strategischen Vertriebscontrolling eine besondere Bedeutung zu. Dessen Informationsfunktion bezieht sich konkret auf die Entwicklung

des

Gesamtmarktes

in

Form

von

Konjunktur-,

Markt-

und

Branchendaten sowie langfristiger Umsatz- bzw. Absatzpotenziale spezifischer Kunden(segmente) und die Identifizierung potenzieller Chancen und Risiken sowie Stärken und Schwächen des Unternehmens. 196 Als Analyseinstrumente und -methoden im Rahmen der strategischen Marketingplanung und -kontrolle werden beispielweise

193

Portfolioanalysen,

SWOT-Analysen,

GAP-Analysen

Vgl. Diller/Haas/Ivens 2005, S. 157ff.; Neckel/Knobloch 2005, S. 195.

194

Vgl. ausführlich Kaplan/Norton 1997; Kaplan/Norton 2006.

195

Vgl. hierzu ausführlich Wiedmann/Buxel/Siemon 2005; Wiedmann/Buxel 2003.

196

Vgl. Becker 2001, S. 41; Homburg/Schäfer/Schneider 2008, S. 89ff.

und

70

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

Szenarioanalysen herangezogen. 197 Hierzu bedarf es neben unternehmensinternen Daten aus dem operativen Vertriebscontrolling 198 der Einbindung externer Markt- und Umfelddaten. Unter Marktdaten sind, wie bereits erläutert, klassische Marktforschungsdaten zu verstehen. Es handelt sich um aggregierte, anonymisierte Daten, zum Beispiel über Gesamtmärkte, Segmente bzw. Zielgruppen oder auch Marktanteile, sowie um Daten zum Informations-, Kauf- und Verwendungsverhalten tatsächlicher und potenzieller Kunden.199 Des Weiteren gehört das Feld der Adressendaten, die von spezialisierten Anbietern bzw. kommerziellen Adressverlagen bezogen werden können, zur Kategorie

unternehmensexterner

Marketingdaten.

Adressdaten

liegen

in

individualisierter Form vor und sind häufig in hohem Maße „qualifiziert“; das heißt, sie ermöglichen Aussagen über Wohnverhältnisse, Mediennutzung oder Kaufverhalten von Personen.200 Gleichsam zwischen aggregierten Marktdaten und personalisierten Kundendaten stehen mikrogeographische Daten. Derartige Daten ermöglichen mikrogeographische Marktsegmentierungen, indem der geographische Faktor, das Wohnumfeld

des

Kunden,

sowie

demographische

Informationen miteinander in Beziehung gesetzt werden.

und

verhaltensbezogene

201

Umfelddaten erfassen sämtliche unternehmensexternen Faktoren, die einen Einfluss auf

Marketingentscheidungen

haben

können.

Diese

Einflüsse

können

technologischer, gesellschaftlicher, politisch-rechtlicher und wirtschaftlicher Art sein.202 In technologischer Hinsicht ist für das Marketing insbesondere die Weiterentwicklung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien von Bedeutung, da sich dies beispielsweise auf die Kommunikation zwischen Konsument und Unternehmen (über neue Medien wie SMS, Kundenforen etc.) oder auch auf den Vertrieb von Gütern (beispielsweise über das Internet oder auch Handy) auswirken kann.

In

Bezug

auf

die

gesellschaftliche

Dimension

interessieren

Marketingentscheider insbesondere Informationen über den gesellschaftlichen Wertewandel sowie generelle Verhaltenstendenzen der Konsumenten, wie etwa steigendes

Umweltbewusstsein

oder

erhöhte

Qualitätsorientierung,

197

Siehe hierzu ausführlich Pufahl 2006, S. 62ff.; Becker 2001, S. 61ff.

198

Siehe hierzu Abschnitt 3.2.2.2.

die

199

Siehe ausführlich zu Markt- bzw. Marktforschungsdaten Abschnitt 3.2.2.4.

200

Vgl. Wimmer/Göb 2006, S. 406; Hippner/Wilde 2001, S. 31; Kraus 2002, S. 39f.

201

Vgl. Böhler/Scigliano 2005, S. 44f.; Hippner/Leber/Wilde 2004, S. 162; Baecker-Neuchl 2002, S. 33; Hippner/Leber/Wilde 2002, S. 18; Arnold 2002, S. 37; Meinert 1997, S. 452.

202

Vgl. Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2008, S. 63f.; Homburg/Krohmer 2006, S. 471f.

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen Auswirkungen

auf

das

Kaufverhalten

haben

71

können.

Politisch-rechtliche

Informationen betreffen Normen und Verordnungen des Gesetzgebers und der Rechtssprechung,

wie

zum

Gewährleistungsgarantien

Beispiel

usw.

Vorgaben

bezüglich

Marketingentscheider

Preisbindungen,

benötigen

häufig

zur

Festlegung von Marketingstrategien sowie zur konkreten Gestaltung operativer Marketingmaßnahmen detaillierte Kenntnisse über entsprechende politisch-rechtliche Regelungen. In Bezug auf die wirtschaftliche Dimension sind für das Marketing zum einen Informationen über konjunkturelle Einflüsse von Interesse. So können sich makroökonomische Kennziffern, wie eine gestiegene Arbeitslosenquote oder auch ein gesunkenes Durchschnittseinkommen der Bevölkerung, sowohl auf das Informationsverhalten (beispielsweise über die Mediennutzung) als auch auf das Kaufverhalten (beispielsweise durch einen erhöhten Kauf von Sonderangeboten oder durch eine Verschiebung geplanter Anschaffungen) von Konsumenten auswirken. Zum anderen erfassen wirtschaftliche Informationen auch die Dynamik und Intensität des

Wettbewerbs

Frühaufklärung

203

auf

den

Märkten.

Die

Aufgabe

einer

strategischen

muss darin bestehen, Umfeldentwicklungen rechtzeitig zu

erkennen und potenzielle Einflussfaktoren auf die Unternehmenstätigkeit sowie die Entscheidungsprozesse des Marketings zu identifizieren. Grundsätzlich sind daher im Rahmen der Entscheidungsunterstützung des Marketingmanagements auch Wettbewerbsanalysen bezüglich direkter Konkurrenten bzw. Konkurrenten der gleichen Branche von Bedeutung. Wettbewerbsanalysen konzentrieren sich dabei auf folgende grundlegende Fragestellungen: Wer sind meine Konkurrenten (bei welchen Produkt(gruppen), auf welchen Märkten)? Welche Strategien

und

Ziele

verfolgt

die

Konkurrenz?

Demnach

sind

für

das

Marketingmanagement Wettbewerbsdaten vor allem in strategischer Hinsicht entscheidungsrelevant. Zur Beantwortung solcher Fragen sind zum Beispiel Daten über

Branchen-

und

Technologieentwicklungen,

neue

Patente,

Wettbewerbsprodukte, Wettbewerbsstrukturen, die Markt- und Produktstrategie der Wettbewerber sowie deren Vertriebskanäle und -wege relevant.204 Wettbewerbsanalysen liefern also dem Marketingentscheider aussagekräftige Informationen über Aktivitäten der Konkurrenz.205 Solche wettbewerbsorientierten Aktivitäten

werden

heute

unter

dem

Stichwort

„Competitive

Intelligence“

203

Vgl. Ansoff 1975; Nick 2008, S. 15ff.

204

Vgl. Winkelmann 2008, S. 695ff.; Homburg/Schäfer/Schneider 2008, S. 219ff.; Aaker 1998, S. 65.

205

Vgl. ausführlich zu Wettbewerbsinformationssystemen Gilad/Gilad 1988.

72

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

zusammengefasst. Competitive Intelligence ist zu verstehen als „analytical process that transforms disaggregated competitor, industry, and market data into actionable strategic knowledge about competitor’s capabilities, intentions, performance, and position”206. Im Fokus steht demnach die handlungsorientierte Analyse des Wettbewerbsumfeldes zur Generierung von Wissen über Wettbewerber bezüglich deren Positionierung, Leistungsfähigkeiten und beispielsweise

Daten

über

Finanz-

und

Absichten.207 Hierzu werden

Ertragslage,

betriebswirtschaftliche

Kennzahlen der Konkurrenten gesammelt und zusammengetragen. In Abgrenzung dazu bezieht sich „Competitor Intelligence“ als Subsystem der Competitve Intelligence darauf, „zusätzliches Wissen über die Aktivitäten, Eigenheiten und Strategien eines bekannten Wettbewerbers zu sammeln“208. Der Fokus liegt dabei auf der Analyse von für das Unternehmen bedeutsamen Wettbewerbern, um deren Verhalten detaillierter untersuchen und sie besser verstehen zu können. Insgesamt wird somit deutlich, dass neben unternehmensinternen im Rahmen von Geschäftsprozessen anfallenden Daten dem Marketingmanagement eine Vielzahl potenziell entscheidungsrelevanter Marketingdaten zur Verfügung steht, die extra (außerhalb) des Unternehmens erhoben werden muss. Darüber hinaus bilden auch aggregierte Markt- bzw. Marktforschungsdaten, die im folgenden Abschnitt erläutert werden, eine bedeutsame Informationsgrundlage für das Marketing.

206

Choo 2002, S. 86.

207

Vgl. hierzu auch Michaeli 2006, S. 21ff.; Mody 2005, S. 17; Lux/Peske 2002; Wright/Pickton/ Callow 2002; Kunze 2000, S. 64ff.

208

Kunze 2000, S. 65. Vgl. hierzu auch Sammon 1984, S. 62.

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

73

3.2.2.4 Aggregierte Markt- bzw. Marktforschungsdaten Bei der Beschaffung von Marktforschungsdaten wird generell zwischen Primär- und Sekundärforschung differenziert.209 Diese Differenzierung ist für die vorliegende Arbeit nicht entscheidend, da die Frage, ob die benötigten Marktforschungsdaten aus sekundären Datenbeständen erhoben werden (können) oder ob es dazu der Primärforschung bedarf, nachrangig zur Fragestellung des erforderlichen „Inhalts“ der Daten ist. Es soll vielmehr aufgezeigt werden, welche Aussagen sich aus den jeweiligen Marktforschungsinformationen bzw. -studien ableiten lassen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass grundsätzlich zwischen quantitativen und qualitativen Marktforschungsdaten

differenziert

werden

kann.

Während

quantitative

Informationen häufig in Form von Kennzahlen zum Ausdruck kommen und demnach eher so genannte (messbare) „hard facts“ repräsentieren, steht bei qualitativen Marktforschungsinformationen die Frage nach dem „Warum“ bzw. „Wie“ und damit die erklärende, inhaltliche Komponente (so genannte „soft facts“) im Vordergrund. Die Informationsbedarfe des Marketingmanagements sind, wie bereits ausführlich erläutert, zum einen von der einzelnen Problem- bzw. Fragestellung und damit vom jeweiligen Entscheidungstatbestand und zum anderen von der Phase eines Entscheidungsprozesses, in der sich ein Marketingentscheider jeweils befindet, abhängig. 210 Im Marketing bestehen daher einerseits generelle, marktbezogene und andererseits spezifische, prozessbegleitende Informationsbedarfe. 211 Die für diese Arbeit geführten Experteninterviews mit den Marktforschern sowie frühere empirische Untersuchungen212 belegen jedoch, dass die Denkweise eines Marktforschers in der Regel eher methoden- bzw. verfahrensorientiert ist. Für einen Marktforscher stellt sich die Frage, welche Methoden bzw. Verfahren geeignet sind und damit welche Art von Studie notwendig ist, um zu bestimmten Marketinginformationen zu gelangen. Im Folgenden werden daher die Informationsbedarfe des Marketings – unterteilt in 209

Werden speziell zur Beantwortung einer Fragestellung oder zur Lösung eines Problems Daten erhoben, so handelt es sich um Primärforschung; es geht also um die Gewinnung originärer Daten. Sekundärforschung hingegen bezeichnet das Zugreifen auf vorhandene Daten, die bereits zu einem früheren Zeitpunkt und gegebenenfalls für einen anderen Zweck erhoben wurden. Vorteile der Sekundärforschung liegen hauptsächlich in der Schnelligkeit und Kostengünstigkeit der Datenerhebung. Häufig liegen jedoch Sekundärdaten für spezifische Entscheidungstatbestände nur in unzureichender Quantität und Qualität vor, so dass in bestimmten Fällen eine Primärerhebung unumgänglich ist (vgl. hierzu beispielsweise Altobelli 2007, S. 28ff.; Neckel/Knobloch 2005, S. 91; Böhler/Scigliano 2005, S. 30ff.; Böhler 2004, S. 63ff.; Wilson 2003, S. 34ff.).

210

Siehe Abschnitt 3.1.1.

211

Vgl. Roleff 2001, S. 68.

212

Vgl. Roleff 2001, S. 91.

74

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

generelle, marktbezogene und spezifische, prozessbezogene Informationsbedarfe – inhaltlich erläutert und vor diesem Hintergrund mögliche Marktforschungsstudien sowie die zugrunde liegenden Marktforschungsverfahren bzw. -methoden aufgezeigt. Generelle, marktbezogene Informationsbedarfe des Marketingmanagements sind nicht nur auf den Absatzmarkt des eigenen Unternehmens bezogen, sondern betreffen neben makroökonomischen Kennziffern grundsätzliche Branchen- und Marktcharakteristika sowie zukünftige Marktentwicklungen. Hierfür werden von der Marktforschung

mittels

Methoden

der

Ad-hoc-Forschung

umfassende

Marktstrukturanalysen bereitgestellt, die den Gesamtmarkt bzw. ausgewählte Teilmärkte untersuchen. Marktstrukturanalysen liefern dem Marketingentscheider Informationen über Wettbewerber, alternative Marken und Produkte sowie auch EinkaufsstättenMarktinformationen,

und wie

Bedarfsdeckungsraten,

Konsumenteninformationen. 213 beispielsweise Distributionsquoten

Neben

Marktpotenzialen, etc.,

werden

quantitativen

Käuferreichweiten, auch

qualitative

Informationen, wie etwa Stärken-Schwächen-Profile und Kommunikationsauftritte, ausgewiesen. Des Weiteren sind für den Marketingentscheider im Rahmen der generellen, marktbezogenen

Informationsbedarfe

allgemeine

Gesellschafts-

und

Verbrauchertrends von Interessen, um frühzeitig die Marketingstrategie des eigenen Unternehmens anpassen zu können. Marktforschungsinstitute führen daher im Bereich der Ad-hoc-Forschung so genannte Grundlagenstudien durch, die in der Regel einen qualitativen Forschungsansatz aufweisen. Derartige Studien, die oft auf qualitativ-psychologischen Verfahren (zum Beispiel Einzelexploration, Gruppendiskussion, projektive und assoziative Verfahren) basieren, analysieren vorwiegend Bedürfnisse, Motive, Einstellungen und Präferenzen von Konsumenten und identifizieren somit das Konsumentenverhalten am Markt bzw. in bestimmten Absatzmärkten.214 So werden im Rahmen der Marktsegmentierung detaillierte Zielgruppen- und Verbraucheranalysen durchgeführt, die zum Teil auch länderübergreifend Gültigkeit besitzen. Neben sozioökonomischen Segmentierungskriterien 213

Vgl. exemplarisch Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004, S. 332ff.

214

Vgl. Buber/Klein 2007, S. 54 sowie Holzmüller/Buber 2007, S. 7ff. Für eine detaillierte Beschreibung spezifischer Anwendungsbereiche qualitativer Verfahren siehe Salcher 1995, S. 129ff. sowie für eine zusammenfassende Darstellung der wichtigsten Methoden siehe Salcher 1995, S. 124f. Für eine ausführliche Beschreibung einzelner Methoden siehe beispielsweise den Herausgeberband „Qualitative Marktforschung“ von Buber und Holzmüller (2007) sowie den Herausgeberband „Qualitative Marktforschung in Theorie und Praxis“ von Naderer und Balzer (2007).

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

75

sind bei Marktsegmentierungen zunehmend psychographische Merkmale von Relevanz. Die Marktforschung bietet im Bereich der Marktsegmentierung aufwendige Life-Style-Typologien an, wodurch die Gesamtheit der Konsumenten in Segmente eingeteilt wird, die hinsichtlich Wertvorstellungen, Lebensmaximen, Konsumgewohnheiten oder auch Einstellungsmustern in sich homogen sind.215 Neben Lebensstilstudien werden, um das Marketing über generelle Verbraucher- und Gesellschaftstrends zu informieren, auch qualitative Trendstudien konzipiert, die versuchen, möglichst frühzeitig Entwicklungstendenzen im Konsum- und Freizeitverhalten der Gesellschaft aufzudecken. Darüber hinaus ist das Marketingmanagement auch an der Positionierung von (eigenen) Produkten interessiert. Hierfür sind unter anderem auch Verfahren der Adhoc-Forschung von Bedeutung. Bei qualitativen Verfahren wird das Produkt mittels Ansätzen der Motiv-, Image- und Einstellungsforschung positioniert; als Grundlage dienen

dabei

detaillierte

Zielgruppenbeschreibungen.

Daneben

ermöglichen

multivariate Analyseverfahren, wie die Faktorenanalyse,

Clusteranalyse und

Multidimensionale

Positionierung

Produkten.

216

Skalierung,

eine

Marketingentscheider

eher

quantitative

erhalten

aus

solchen

von

Grundlagen-

untersuchungen erkennbare Trendentwicklungen im Freizeit- und Konsumverhalten der Gesellschaft und damit relevante Informationen über ihre Zielgruppe. Auf Basis solcher aggregierter Marktinformationen können frühzeitig Anpassungen für einzelne Waren- bzw. Produktgruppen abgeleitet werden. Ferner

sind

für

Marketingentscheider

neben

allgemeinen

marktbezogenen

Informationen auch spezifische prozessbegleitende Marketinginformationen relevant. Solche Informationen lassen sich in der Regel einer bestimmten Prozessstufe zuordnen und beziehen sich auf Produkte bzw. deren Erfolg. Entsprechend der Aufgabenbereiche des Produktmarketings lassen sich vier Phasen unterscheiden, in denen

Marketingentscheider

Marktanalyse

und

spezifische

Positionierung,

Informationsbedarfe

Produktgestaltung,

entwickeln:

Produktvermarktungs-

konzeption sowie Produktmonitoring und -anpassung. 217 Vor der Markteinführung eines neuen Produktes sind zunächst dessen Marktchancen innerhalb bestimmter Zielsegmente zu analysieren. Dabei gilt es zu überprüfen, ob 215

Vgl. hierzu auch Baumann/Hofmann/Schubert 2006; Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004, S. 247ff.

216

Vgl. Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004, S. 352f.

217

Siehe hierzu ausführlich Roleff 2001, S. 34ff.

76

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

das Produkt(konzept) von der Zielgruppe akzeptiert wird und mit welchem Absatzpotenzial bei der Zielgruppe zu rechnen ist. Hierfür liefert neben Hintergrundinformationen aus qualitativen Zielgruppenanalysen insbesondere die Testmarktforschung218 relevante Marktforschungsinformationen für das Marketing. So soll ein Konzepttest, bei dem die spezifische Idee bzw. Konzeption für ein neues Produkt von Konsumenten beurteilt wird, prüfen, ob jenes aus Konsumentensicht einen deutlichen Vorteil gegenüber bereits bestehenden Produkten liefern kann und ob ein ausreichend großes Nachfragepotenzial vorhanden ist. Ein Konzepttest kann zum einen zur Beurteilung der Positionierung eines Produkts herangezogen werden, zum anderen treten durch einen Konzepttest bereits erste Hinweise bezüglich Ausgestaltung oder auch Verbesserung des Produkts bzw. des Konzepts zum Vorschein. Für den Marketingentscheider sind solche Informationen wichtig, um die Akzeptanz und zukünftige Nachfrage des neuen Produkts aus Verbrauchersicht besser einschätzen zu können. Im Anschluss an die Produktgestaltung

Marktanalyse und Positionierung

darum,

erfolgversprechende

Konzepte

geht in

es bei der

reale

Produkte

(Prototypen) zu überführen. Der Marketingmanager hat hierbei insbesondere über die Kombination und letztendlich die Auswahl einzelner Gestaltungsparameter zu entscheiden. In einem weiteren Schritt wird für das konkrete Produkt eine Vermarktungsstrategie im Rahmen der Kommunikations-, Preis- und Distributionspolitik festgelegt. Für experimentelle Untersuchungen der Produktgestaltung und -vermarktung bietet sich insbesondere ein Produkttest an, bei dem die subjektive Qualität eines Produkts überprüft wird. Hierbei soll insbesondere ermittelt werden, wie ausgewählte Testpersonen (in der Regel aus der Zielgruppe) ein physisches Produkt als Ganzes (Volltest) bzw. einzelne Produktbestandteile (Partialtest) beurteilen. Bei einem Partialtest wird die Wirkung einzelner Produkteigenschaften oder -merkmale, beispielsweise von Preis (Preistest), Name (Namenstest), Verpackung (Packungstest) oder Geschmack (Geschmackstest), untersucht. Aus derartigen

durch

einen

Produkttest

generierten

Informationen

lassen

sich

Verbesserungsmöglichkeiten von Produktgestaltung und Marketingkonzeption sowie Aussagen bezüglich der Marktchancen eines Produktes ableiten. Ein weiteres gängiges Testverfahren, das vorrangig die Verkaufsfähigkeit von Produkten ermittelt, ist der Storetest. Der Storetest bezeichnet einen probeweisen Verkauf von Produkten

218

Siehe hierzu ausführlich Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004, S. 160ff.; Hammann/Erichson 2000, S. 205ff.; Altobelli 2007, S. 413ff.

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

77

unter kontrollierten Bedingungen in ausgewählten Einzelhandelsgeschäften. Dabei wird insbesondere die Wirksamkeit von Marketingmaßnahmen, wie alternative Packungsgrößen, unterschiedliche Preisstellungen, alternative Produktplatzierungen etc., überprüft. Nachteilig hierbei ist allerdings, dass keine Werbung berücksichtigt wird. Des Weiteren liefern vor der Markteinführung eines Produktes Testmarktverfahren bzw.

Testmarkt-Ersatzverfahren219,

welche

die

gesamte

Marketingkonzeption

inklusive der realen Distributionssituation im Handel erfassen und den Markterfolg eines Produkts auf dem Gesamtmarkt prognostizieren, für das Marketing nützliche Informationen zur Produktgestaltung und -vermarktung. Der regionale Markttest bezeichnet

die

probeweise Einführung

eines Produktes in einen

regional

abgegrenzten Teilmarkt. Mittels spezieller Hochrechungsverfahren können für den nationalen Gesamtmarkt Absatz-, Umsatz- und Marktanteilsprognosen aufgestellt werden. Dennoch besitzt der regionale Markttest in der Marktforschungspraxis vor allem

aus

Kosten-

und

Zeitgründen

sowie

aufgrund

seiner

mangelnden

Geheimhaltung gegenüber Wettbewerbern kaum noch Bedeutung. Daher werden von der Marktforschung so genannte Testmarkt-Ersatzverfahren eingesetzt, die den aufgezeigten Schwächen des regionalen Markttests entgegen wirken können. Zu den gängigen Testmarkt-Ersatzverfahren der Marktforschung zählen der Minimarkttest und

die

Testmarktsimulation.

Bei

einem

Minimarkttest

werden

mehrere

Testgeschäfte in einzelnen Gebieten angeworben und an ein Handelspanel angeschlossen. Zusätzlich wird in jedem dieser Gebiete ein lokales Haushaltspanel rekrutiert. Somit können Marketinginformationen auf Geschäftsebene, beispielsweise Abverkäufe, Verkaufsanteile, Umschlagsgeschwindigkeit etc., und auf Haushaltsebene, zum Beispiel Informationen über Käufer, Wiederkäufer, Einkaufsintensitäten und Ähnliches, gewonnen werden. Als Weiterentwicklung des Minimarkttests bezieht der elektronische Minimarkttest (wie zum Beispiel der GfK Behavior Scan) auch Fernsehwerbung mit ein. Damit erfasst dieser die vollständige Marketingkonzeption und eignet sich insbesondere auch für Werbetests. Der elektronische Minimarkttest liefert

dem

Marketingmanagement

detaillierte

Informationen

über

reales

Einkaufsverhalten sowie Informationen über Marktanteile und Austauschbeziehungen nach Einführung des Testprodukts. Bei der Testmarktsimulation (zum Beispiel TESI der GfK) hingegen handelt es sich im Prinzip um einen Produkttest,

219

Vgl. Berekoven/Eckert/Ellenrieder Pepels 2007, S. 232ff.

2004, S.

168ff.;

Hammann/Erichson 2000,

S. 210ff.;

78

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

der durch eine Werbe- und Kaufsimulation erweitert ist. Ziel dieses Verfahrens ist die Prognose der Marktchancen von neuen Produkten vor deren Markteinführung; für das Testprodukt werden Erstkauf, Wiederkauf und Marktanteil geschätzt. Darüber hinaus werden umfangreiche diagnostische Informationen zur Verbesserung des Testprodukts und/oder dessen Marketingkonzeption generiert. Obgleich die externe Validität aufgrund der nicht voll-biotischen Situation eingeschränkt ist, stellt die Testmarktsimulation aus Kosten- und Zeitgründen sowie der Möglichkeit einer Geheimhaltung gegenüber Konkurrenzunternehmen ein beliebtes Verfahren zum Test von neuen Produkten in der Marktforschungspraxis dar. Insgesamt liefern Testmarktverfahren bzw. Testmarkt-Ersatzverfahren für das Marketingmanagement nützliche

Informationen

zur

Produktgestaltung

sowie

bezüglich

potenzieller

Vermarktungskonzeptionen von Produkten. Nach der Einführung eines neuen bzw. modifizierten Produkts möchte der Marketingentscheider insbesondere dessen Erfolg überprüfen. Hierzu benötigt er neben qualitativen Informationen (beispielsweise über die von Konsumenten geäußerte

Zufriedenheit

oder

auch

wahrgenommene

Qualität)

umfassende

quantitative Informationen (wie Produktumsatz und -absatz, Marktanteil des Produkts etc.). In der Phase des Produktmonitorings und der Produktanpassung stellen daher Panelstudien eine der wichtigsten Informationsquellen für das Marketing dar.220 Unter einem Panel versteht man eine Erhebung bei einem bestimmten, im Wesentlichen gleichbleibenden Kreis von Personen (zum Beispiel Haushalte, Verbraucher, Individuen) oder Organisationen (zum Beispiel Einzelhandelsgeschäfte), bei der über einen längeren Zeitraum hinweg in regelmäßigen zeitlichen Abständen Daten zum gleichen

Untersuchungsgegenstand

zusammengetragen

werden.

Ziel

(zum ist

Beispiel

daher

nicht

Einkäufe nur

die

bzw.

Verkäufe)

Erfassung

des

Marktgeschehens, sondern insbesondere die Ermittlung von Marktveränderungen und langfristigen Entwicklungen am Markt. Von besonderer Relevanz für das Marketing sind das Verbraucher- und das Handelspanel, die Daten über täglich notwendige Konsumgüter (FMCGs) sowie gängige Gebrauchsgüter beinhalten. Für diese Warengruppen werden dem Marketing

zum

einen

kontinuierlich

Informationen

im

Wesentlichen

über

Käuferzahlen und Käuferstrukturen sowie über Umsatz- und Absatzmengen der eigenen und der Produkte von Wettbewerbern sowie die daraus resultierenden 220

Oftmals werden mehr als 50% des Marktforschungsbudgets für Paneldaten ausgegeben (vgl. Roleff 2001, S. 97).

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

79

eigenen und Konkurrenz-Marktanteile bereitgestellt. Neben solchen Standardberichten können zum anderen auch umfassende Sonderanalysen, wie zum Beispiel Bedarfsdeckungsanalysen,

Gain-and-Loss-Analysen,

Distributionsentwicklungen

oder Preiselastizitäten, durchgeführt werden. 221 Darüber hinaus werden zur Erfolgsmessung im Rahmen der Tracking-Forschung Wellenerhebungen insbesondere

im Bereich

der Werbeforschung

und

der

Kundenzufriedenheitsforschung durchgeführt. Beim Tracking erfolgt – analog zum Panel – in Form von „Wellen“ eine laufende Überprüfung des jeweiligen Untersuchungsgegenstands; die Stichprobe ist allerdings bei den einzelnen Wellenerhebungen nicht identisch. So wird beispielsweise beim Werbetracking die Wirkung der Werbung für das neue bzw. modifizierte Produkt überprüft. Auf diese Weise lassen sich etwa Reichweite, Bekanntheit, Aufmerksamkeits- und Erinnerungswirkung messen. Das Marketing erhält somit nützliche, quantitative Informationen über die Wirkung und letztendlich den Erfolg einer Kommunikationskampagne. 222 Durch unterschiedliche Erhebungs- bzw. Untersuchungsmethoden – in Form von Adhoc-Forschung, Testmarktforschung, Panelforschung und Tracking-Forschung – wird gewährleistet, dass das Marketing auf ein umfassendes, für die entsprechende Entscheidungssituation adäquates Informationsangebot aus der Marktforschung zurückgreifen kann. In der Praxis arbeiten dabei, wie bereits erwähnt, betriebliche und institutionelle Marktforschung oftmals sehr eng zusammen. Der Tätigkeitsbereich der betrieblichen Marktforschung liegt neben der Sekundärforschung vorrangig in der Konzeption und Kontrolle von Primärstudien. Darüber hinaus stellt die Fachberatung des Marketings eine wichtige Aufgabe der betrieblichen Marktforschung dar. Die institutionelle Marktforschung hingegen ist primär für die so genannte „Feldarbeit“ zuständig; die Gestaltung des Erhebungsdesigns sowie die Durchführung und Auswertung von Primärstudien erfolgen daher, in der Regel in Absprache mit der betrieblichen

Marktforschung,

von

Institutsseite. 223

Abschließend

sei

noch

anzumerken, dass dem Marketing die gewünschten Marktforschungsinformationen in der Regel über die betriebliche Marktforschung zur Verfügung gestellt werden. Die betriebliche Marktforschung agiert daher häufig als „strategischer Brückenkopf des

221

Vgl. Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004, S. 127ff.; Hammann/Erichson 2000, S. 160ff. sowie ausführlich Günther/Vossebein/Wildner 2006.

222

Vgl. Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004, S. 190ff.; Altobelli 2007, S. 434.

223

Vgl. Berekoven/Eckert/Ellenrieder 2004, S. 36ff.; Hüttner 1997, S. 443ff.

80

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

Anbietersystems Marktforschung im Unternehmen“ 224. In eher seltenen Fällen wird die betriebliche Marktforschung außen vor gelassen, und es besteht ein direkter Kontakt zwischen Institut und Marketing. Dies ist auch der Fall, wenn ein Unternehmen keine betriebliche Marktforschungsabteilung besitzt. 225

3.2.3 Schaffung einer fundierten Informationsgrundlage für das Marketing Die vorangegangenen Ausführungen machten deutlich, dass eine grundlegende Aufgabe der Angebotsseite von Marketinginformationen darin besteht, für das Marketing eine aussagekräftige Informationsgrundlage bereitzustellen. Dies ist nur gegeben, wenn für die zentralen Entscheidungstatbestände des Marketings ausreichend

Informationen

vorliegen

und

Marketingentscheider

bei

ihrer

Entscheidungsfindung auf die erforderlichen problemrelevanten Marketinginformationen zugreifen können. Vor diesem Hintergrund ist für die Angebotsseite von Marketinginformationen – die Datenseite – eine aktive und permanente Auseinandersetzung mit den benötigten Informationsbedarfen des Marketings von besonderer Bedeutung. Die grundlegenden Informationsbedarfe des Marketings lassen sich auf Basis des strategischen Leitkonzepts des Beziehungsmarketings – als Gegensatz zum herkömmlichen Transaktionsmarketing – ableiten.226 Im Zuge des Beziehungsmarketings bildet der Kunde den zentralen Bezugspunkt aller unternehmerischen Tätigkeiten. Insbesondere die im Sinne des Beziehungsmarketings geforderte Orientierung am langfristigen Beziehungserfolg macht eine Priorisierung auf wertvolle Kunden sowie eine interaktive und individualisierte Kundenansprache erforderlich. Verdeutlicht man sich diesbezüglich den Tätigkeitsbereich von Konsumgüterherstellern, so zeichnen sich diese durch eine klare Produkt- bzw. Markenbezogenheit

aus.

Vermarktungskonzepte Distributions-Mix

sind

Produkte

mit

bzw.

Festlegung

demnach

im

Marken von

sowie

Preis-,

zugrunde

liegende

Kommunikations-

Beziehungsmarketing

kunden-

und bzw.

marktorientiert zu gestalten. Um im Sinne einer marktorientierten Unternehmens224

Roleff 2001, S. 101 (im Original mit Fettdruck).

225

Siehe ausführliche Erläuterungen bezüglich der Distributionskanäle für Marktforschungsinformationen bei Roleff 2001, S. 100ff.

226

Vgl. für eine Gegenüberstellung von Transaktions- und Beziehungsmarketing Diller 2001b, S. 165; Diller/Haas/Ivens 2005, S. 27.

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

81

führung agieren zu können, muss darüber hinaus gewährleistet sein, dass sich sämtliche Entscheidungen des Marketings an den Marktgegebenheiten bzw. Marktchancen und -risiken sowie an den Branchen- und Wettbewerbsstrukturen orientieren. Prinzipiell ist ein derartiges Vorgehen im Sinne des Beziehungsmarketings nur möglich, wenn Entscheidungsträgern im Marketing umfassende Informationen über die jeweiligen Objektbereiche zur Verfügung stehen. Die Informationsbedarfe von Marketingentscheidern werden daher vorwiegend durch ein beziehungsorientiertes Marketingmanagement determiniert; sie ergeben sich aus den Rahmenbedingungen eines beziehungsorientierten Marktgeschehens und lassen sich in „Kunde“, „Produkt/Marke“, „Markt“ und „Wettbewerb“ aufgliedern. Auch die im Rahmen der vorliegenden Arbeit durchgeführten Expertengespräche machten deutlich, dass diese Objektbereiche die wesentlichen Informationsbedarfe von Marketingentscheidern eines Konsumgüterherstellers umfassen. Für die einzelnen Objektbereiche benötigt das Marketingmanagement bei der Entscheidungsfindung – sowohl bei strategischen als auch bei operativen Marketingentscheidungen – je nach Entscheidungstatbestand spezifische Informationen. Diese Marketinginformationen stammen aus heterogenen Quellen und umfassen neben internen „automatisch“ anfallenden Marketingdaten auch (extra) extern zu erhebende Daten sowie aggregierte Markt- bzw. Marktforschungsdaten. Für die Entscheidungsund Entscheiderunterstützung im Marketing werden also sowohl unternehmensinterne als auch unternehmensexterne Marketingdaten benötigt. Die Notwendigkeit einer Ergänzung bzw. Anreicherung der internen „automatisch“ anfallenden Daten kann ein Unternehmen grundsätzlich dazu veranlassen, externe Marketingdaten zu ordern; diese reichern die intern vorliegenden Daten häufig durch eine erklärende Komponente an und sind im Marketing insbesondere für die Analyse hypothetischer Konstrukte, wie beispielsweise Image, Einstellung und Zufriedenheit, von Bedeutung. Aussagekräftige Informationen erhält das Marketing also erst, wenn die unternehmensinternen Marketingdaten durch unternehmensexterne Daten angereichert

werden;

interne

und

externe

Marketingdaten

ergänzen

sich

wechselseitig. Diese beiden Kategorien sind insofern komplementär, als – abhängig von Quantität und Qualität der Daten, die dem Marketing bereits intern vorliegen, – mehr oder weniger auf externe Daten zugegriffen werden muss, um eine adäquate

82

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

Marketingdatenbasis für den Prozess der Entscheidungsfindung zu schaffen. 227 Obwohl die heutige Informations- und Kommunikationstechnologie die Speicherung und

Verarbeitung

enormer

Datenvolumina

ermöglicht,

sollten

bei

der

Informationsbeschaffung und -bereitstellung dennoch ökonomische Restriktionen im Sinne eines ausgewogenen Kosten-Nutzen-Verhältnisses beachtet werden. Das Marketingmanagement hat sich stets die Frage zu stellen, ob die Informationen „nice to know“ oder „need to know“ sind. Im Sinne des „need to know“-Prinzips sind nur diejenigen

Marketingdaten

zu

erheben,

welche

auch

tatsächlich

für

die

Entscheidungsfindung im Marketing benötigt werden.

3.3

Kluft zwischen Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

In den vorangegangenen Abschnitten wurden zum einen die Nachfrageseite von Marketinginformationen – die Entscheidungsseite des Marketings – und zum anderen die Angebotsseite von Marketinginformationen – die Datenseite des Marketings – detailliert analysiert. Auf der Nachfrageseite von Marketinginformationen wurden die Aufgaben und prozessorientierten Tätigkeiten im Marketing aufgezeigt

sowie

idealtypische

Ausprägungen

von

Marketingentscheidungen

charakterisiert. Dabei wurde festgestellt, dass Marketingentscheider für einzelne Tätigkeitsbereiche sowie für unterschiedliche Arten von Entscheidungen jeweils spezifische Informationen benötigen. Des Weiteren wurde neben dieser eher objektiv-sachlichen Ebene der Marketingentscheidung das Informations- und Entscheidungsverhalten von im Marketing tätigen Entscheidern untersucht. Die grundlegende Erkenntnis diesbezüglich besteht darin, dass Marketingentscheider offenbar schon allein aufgrund ihrer limitierten Informationsverarbeitungskapazität nur begrenzt rational handeln. Entscheidungsträger besitzen in der Regel einen eigenen kognitiven Stil – determiniert durch spezifische aktivierende und kognitive

227

Im Hinblick auf Kosten-Nutzen-Aspekte ist stets abzuwägen, ob es vorteilhafter ist, möglichst viele Daten intern zu beschaffen oder angesichts des Aufwands und der damit verbundenen Kosten die Datenbeschaffung zu externalisieren bzw. vermehrt auf externe Daten zuzugreifen. Welche bzw. wie viele Daten letztendlich intern erhoben werden und bei welchen Daten auf unternehmensexterne Quellen zugegriffen wird, gestaltet sich bei einzelnen Unternehmen unterschiedlich und ist von einer Vielzahl von Faktoren, wie zum Beispiel der Unternehmensgröße, dem vorhandenen Fachwissen einzelner Abteilungen oder auch von unternehmenspolitischen Grundsätze abhängig (siehe ausführlich zur Diskussion über Vor- und Nachteile der Externalisierung von Informationsdiensten Roleff 2001, S. 271ff.; Hammann/Erichson 2000, S. 52f.).

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

83

Dimensionen –, der sich vor allem im Verhalten der Informationsgewinnung und -verarbeitung niederschlägt. Dahingehend lassen sich im Marketing spezifische Entscheidungsstile und Entscheidertypen sowie spezifische Problemlösestrategien von Marketingmanagern unterscheiden. Im Gegenzug stand auf der Datenseite die Analyse des Informationsangebots im Mittelpunkt der Betrachtung. Dabei wurde verdeutlicht, dass die Angebotsseite von Marketinginformationen neben intern in der Regel automatisch anfallenden Marketingdaten auch extern (extra) zu erhebende Daten sowie aggregierte Marktbzw.

Marktforschungsdaten

bereitstellen

muss,

um

die

komplexen

Entscheidungstatbestände des Marketings ausreichend erforschen zu können. Zusammenfassend

besteht

die wichtigste Erkenntnis für den vorliegenden

Untersuchungsgegenstand der Arbeit demnach darin, dass es die Aufgabe der Angebotsseite von Marketinginformationen sein muss, eine aussagekräftige, fundierte Informationsgrundlage für das Marketing zu schaffen, um die vielfältigen Informationsbedarfe des Marketings möglichst gut zu befriedigen. Sicherlich

ist

in

Abhängigkeit

vom

jeweiligen

Entscheidungsproblem

eine

unterschiedliche Art der Zusammenarbeit zwischen Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen erforderlich. So erscheint es in manchen Fällen als ausreichend, wenn ein Marketingentscheider zur richtigen Zeit auf die für ihn relevanten

Informationen

zugreifen

kann.

Bei

komplexeren

Frage-

bzw.

Problemstellung hingegen ist eine engere Zusammenarbeit zwischen den Akteuren beider Seiten erforderlich. Grundsätzlich sind ein erfolgreiches Agieren und damit eine Verbesserung der Entscheidungsqualität im Marketing nur möglich, wenn das „Zusammenspiel“

zwischen

der

Nachfrage-

und

der

Angebotsseite

von

Marketinginformation funktioniert. Dies ist jedoch nicht immer gegeben; vielmehr besteht im Marketing oftmals eine Kluft zwischen diesen beiden Seiten. Eine grundlegende Ursache für die existierende Kluft zwischen der Nachfrage- und der Angebotsseite von Marketinginformationen liegt häufig in der bestehenden Diskrepanz zwischen Informationsnachfrage und Informationsangebot. Aufgrund der zunehmenden Komplexität und Dynamik von Marketingentscheidungen benötigen Marketingmanager immer schneller aktuelle Informationen aus heterogenen Quellen. Auf

der

Datenseite

steigt

aufgrund

der

verbesserten

Informations-

und

Kommunikationstechnologie das Angebot von Marketingdaten permanent an; neben Daten des Controllings stehen Kunden-, Vertriebs- und Wettbewerbsdaten sowie

84

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

Markt- und Marktforschungsdaten zur Verfügung. Eine solche Datenflut aus heterogenen Informationsquellen bedeutet jedoch keineswegs eine verbesserte Entscheidungshilfe für den Marketingentscheider, sondern oftmals wird es für den Marketingentscheider immer schwerer, aus der Vielzahl der verfügbaren Daten die tatsächlich für sein Entscheidungsproblem relevanten Informationen zu selektieren und darauf basierend eine fundierte Entscheidung zu treffen. Zudem fehlen häufig Verknüpfungen zwischen den heterogenen Marketingdaten, so dass keine einheitliche Datenbasis gegeben ist, auf die Marketingentscheider zugreifen können. Darüber hinaus bestehen für spezifische Informationsbedarfe des Marketings dennoch Daten- bzw. Informationslücken. Neben diesem objektiv-sachlichen Informationsbedarf, der sich vorwiegend an der Art der zu treffenden Marketingentscheidung sowie an der jeweiligen Phase des Entscheidungsprozesses Marketinginformationen einzelner

orientiert, auch

den

Marketingentscheider

Informationsbedarf

resultiert

muss

die

Angebotsseite

subjektiv-persönlichen befriedigen.

einerseits

aus

der

Der

von

Informationsbedarf subjektiv-persönliche

beschränkten

Informations-

verarbeitungskapazität von Menschen und andererseits aus den kognitiven Stilen von Entscheidungsträgern. So treffen manche Marketingmanager – unter anderem geprägt von bestimmten Persönlichkeitseigenschaften – Entscheidungen eher heuristisch, andere hingegen eher analytisch; vielfach kommen daher gerade in komplexen Entscheidungssituation, wie es im Marketing der Fall ist, spezifische Problemlösestrategien

zum

Einsatz.

Marketingentscheider

zeigen

individuell

differierendes Entscheiderverhalten entsprechend ihrer subjektiven Persönlichkeitsmerkmale und treffen Marketingentscheidungen entsprechend ihres eigenen kognitiven Stils. In Abhängigkeit vom jeweiligen kognitiven Entscheiderstil fragen demnach manche Marketingentscheider tendenziell mehr Informationen nach, andere hingegen verlassen sich eher auf ihr Bauchgefühl und benötigen daher für die Entscheidungsfindung im Allgemeinen weniger Informationen. Zudem ist nicht jede Information für einzelne Entscheidungsträger im Marketing gleich nützlich. Neben dieser faktisch vorliegenden Diskrepanz zwischen Informationsbedarf und Informationsangebot scheint eine weitere Ursache für die bestehende Kluft zwischen der Entscheidungs- und der Datenseite im Marketing in einer häufig sehr eingeschränkten Zusammenarbeit der beiden Parteien begründet zu sein. In diesem Zusammenhang

verdeutlichen

die

im

Rahmen

dieser

Arbeit

geführten

Experteninterviews, dass aus Sicht der Nachfrageseite von Marketinginformationen

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

85

die Datenseite vielfach ein unzureichendes Leistungs- und Serviceprofil aufweist. Einerseits wird moniert, dass die Angebotsseite von Marketinginformationen sich nicht ausreichend bemüht, dem Marketing entscheidungs- und entscheiderrelevante Informationen zeitnah zur Verfügung zu stellen. Andererseits werden häufig auch fehlende Kompetenzen der Informationslieferanten bezüglich der Aufbereitung, Analyse und Interpretation von Daten kritisiert. Des Weiteren beklagen sich einige Marketingmanager

über

die

Passivität

der

Angebotsseite

von

Marketing-

informationen. So interessieren sich Akteure der Datenseite oftmals gar nicht für die Problem- und Fragestellungen des Marketings und bringen sich daher auch nicht proaktiv in die Entscheidungsprozesse (beispielsweise durch Erfahrungswissen aus früheren (ähnlichen) Fragestellungen) ein. Da sie zudem oftmals nur unzureichende Markt- und Branchenkenntnisse besitzen, können sie dem Marketing auch keine wirklich relevanten sachbezogenen Marketinginformationen liefern sowie zusätzliche Serviceleistungen (beispielsweise in Form von beratenden Tätigkeiten) bieten. Aufgrund dieser oder ähnlicher Punkte beurteilen Marketingentscheider die Angebotsseite von Marketinginformationen häufig als unzureichend oder gar schlecht.228 Diese Tatsache führt zu einem weiteren Aspekt, der die bestehende Kluft zwischen der Nachfrage- und der Angebotsseite noch vergrößern kann: Aufgrund eines solchen nur geringen Ansehens der Datenseite erachten Marketingentscheider es häufig nicht als notwendig, diese frühzeitig in die Entscheidungsprozesse des Marketings zu integrieren. Schon allein aus diesem Grund ist es der Angebotsseite von

Marketinginformationen

oft

nur

möglich,

die

Aufgabe

eines

„reinen

Datenlieferanten“ für das Marketing zu übernehmen. Manche Entscheidungsträger wollen ferner nicht, dass sich die Datenseite in die Entscheidungsprozesse des Marketings „einmischt“; sie sehen diese eben nur als Datenlieferanten und wünschen auch

keine

zusätzlichen

Serviceleistungen

von

der

Angebotsseite

von

Marketinginformationen. Darüber hinaus zeigen Marketingentscheider oftmals lediglich ein geringes Interesse an der eigentlichen Arbeit der Datenseite. Ihnen ist es nur wichtig, dass sie die gewünschten Marketinginformationen in ausreichender Qualität möglichst schnell erhalten. Aufgrund derartiger Aspekte beklagen Akteure

228

Vgl. auch Mahmoud 2004, S. 576ff.

86

Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen

der Angebotsseite von Marketinginformationen oftmals eine mangelnde Einbindung in die Marketingprozesse. 229 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie es gelingen kann, diese bestehende

Kluft

zwischen

der

Angebots-

und

der

Nachfrageseite

von

Marketinginformationen zu überbrücken und so die Entscheidungsqualität im Marketing nachhaltig zu verbessern. Genau an dieser Stelle setzt der Gedanke von Marketing Intelligence an, welche das Ziel einer Verknüpfung von Entscheidungsund Datenseite im Marketing verfolgt. Erst wenn das „Zusammenspiel“ zwischen diesen beiden Seiten funktioniert, ist eine effektive und effiziente Entscheidungs- und Entscheiderunterstützung

durch

die

Generierung

von

entscheidungs-

und

entscheiderrelevantem Marketingwissen möglich. Auf diese Weise kann Marketing Intelligence schließlich dazu beitragen, die Entscheidungsqualität im Marketing zu verbessern. Nachdem nun die Notwendigkeit von Marketing Intelligence zur Überbrückung

der

bestehenden

Kluft

zwischen

der

Nachfrage-

und

der

Angebotsseite von Marketinginformationen begründet wurde, folgt im nächsten Abschnitt zunächst eine theoretisch-konzeptionelle Fundierung. Darauf aufbauend werden anschließend Handlungsempfehlungen für eine inhaltliche Ausgestaltung von Marketing Intelligence abgeleitet.

229

Vgl. auch Mahmoud 2004, S. 569ff.

4

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence – Entwicklung eines Konzepts zur Überbrückung der Kluft zwischen Angebots- und Nachfrageseite von Marketinginformationen

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

In diesem Kapitel werden nun nach einer kurzen begrifflichen Präzisierung von Marketing Intelligence theoretisch-konzeptionelle Grundlagen aufgezeigt, um darauf aufbauend ein Rahmenkonzept abzuleiten, welches Marketing Intelligence als intermediäre Funktion zwischen der Angebots- und der Nachfrageseite von Marketinginformationen charakterisiert.

4.1

Begriffliche Präzisierung von Marketing Intelligence

4.1.1 „Intelligenz“ – Ambivalenz eines Begriffs Der Begriff „Intelligenz“ leitet sich vom lateinischen Verb „intellegere“ ab, das sich aus „inter“ und „legere“ zusammensetzt, und eigentlich „zwischen etwas auswählen“ bedeutet. Übersetzt wird „intellegere“ in der Regel jedoch mit „erkennen, verstehen“.230 „Erkennen, verstehen“ hat demnach offenbar etwas mit „auswählen, orientieren“ zu tun. Unter Intelligenz wird die Fähigkeit eines Individuums verstanden, durch selektive Aufnahme, Speicherung und Anwendung von Informationen eine gewisse Kenntnis seiner Umgebung zu erlangen, sich durch problemlösendes und vorausschauendes Verhalten in neuen Situationen zurechtzufinden sowie die Reaktionen der Umwelt zumindest zum Teil vorherzusehen. 231 Intelligenz im umfassenden Sinne beinhaltet demnach zwei zentrale Aspekte: Zum einen die Fähigkeit, Sachverhalte zu begreifen, das heißt nicht nur von ihnen Kenntnis zu erlangen, sondern sie mittels Intellekts zu verstehen und zu deuten (Prozess der Intelligenz); zum anderen als Resultat die Lösung von Problemen, die Bewältigung neuer Anforderungen und Situationen (Produkt der Intelligenz). Der englische Begriff „Intelligence“ steht neben „Intelligenz“ auch für „Informationen“ sowie für „Geheim- und Nachrichtendienst“. Bei Intelligenz im Sinne von Geheimund Nachrichtendienst handelt es sich um „Nachrichten“ und „Meldungen“, wie etwa

230

Vgl. Brockhaus 1996, S. 590.

231

Vgl. Winterheller 2000, S. 18.

88

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

bei der „Central Intelligence Agency“ (CIA), dem amerikanischen Geheimdienst.232 In diesem Zusammenhang wird „Intelligence“ insbesondere aus dem Blickwinkel der Suche beschrieben, da die zentralisierte und konzentrierte Suche als eine der wesentlichen Aufgaben der CIA anzusehen ist. Diese Begriffsannäherung hebt zwei Aspekte hervor: Die Suche nach relevanten Informationen sowie die Integration der bestehenden Informationen in einen umfassenderen Prozess. 233 Im betriebswirtschaftlichen Kontext ist der Terminus „Intelligence“ am treffendsten mit „tiefgehende Kenntnisse und Einsichten in einen Sachverhalt“ zu übersetzen. 234 Hierfür ist zunächst die Beschaffung und Analyse von Informationen über das Unternehmen und sein Umfeld erforderlich. In einem weiteren Schritt werden die relevanten Informationen interpretiert, um Einsichten zu erlangen sowie schließlich mögliche Alternativen bewerten und gegebenenfalls auswählen zu können. 235 Zu differenzieren ist hierbei zwischen „Strategic Intelligence“ und „Tactical Intelligence“: Während

„Strategic

Intelligence“

für

die

Implementierung

zukünftiger

Unternehmensstrategien herangezogen wird, werden auf Basis der „Tactical Intelligence“ vor allem Entscheidungen im Rahmen der operativen Geschäftstätigkeit getroffen.236 In diesem Zusammenhang wird häufig auch der Begriff „Business Intelligence“

verwendet,

worunter



sofern

man

diesen

in

informations-

technologischer Verkürzung nicht einfach gleich setzt mit Data Warehouse und Data Mining237 – „die entscheidungsorientierte Sammlung, Aufbereitung und Darstellung geschäftsrelevanter Informationen zur Planung, Steuerung und Kontrolle des Unternehmens“238 verstanden wird. Grundlegender Ausgangspunkt der Intelligenzforschung sind Theorien239, die versuchen, die menschliche Intelligenz zu erklären. Erst in den 70er Jahren begann man, diese psychologischen Erkenntnisse auf Systeme und Unternehmen zu 232

Vgl. Matsuda 1993, S. 13; Wilensky 1967, S. 8f.

233

Vgl. Grothe/Gentsch 2004, S. 20f.

234

Vgl. Boch/Echter/Haidvogl 1997, S. 46.

235

Vgl. Boch/Echter/Haidvogl 1997, S. 46ff.

236

Vgl. Rothberg/Erickson 2005, S. 5; Boch/Echter/Haidvogl 1997, S. 46.

237

Vgl. beispielsweise Amberg 2004, S. 52.

238

Schimmel-Schloo 2003, S. 54. Vgl. hierzu auch Gentsch/Grothe 2000, S. 17; Schildhauer et al. 2004, S. 20ff.

239

Zu den bedeutendsten Ansätzen der Intelligenzforschung zählen psychometrische Theorien (vgl. u. a. Spearman 1904 und 1927; Thurstone 1938), der Ansatz der Informationsverarbeitung (vgl. u. a. Sternberg 1977; Vernon 1987) sowie die Theorie der Multiplen Intelligenz von Howard Gardner (vgl. Gardner 1993 und 2002) und die Triarchische Theorie von Robert Sternberg als neuere Forschungsansätze (vgl. Sternberg 1996).

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

89

projizieren. In Analogie zur menschlichen Intelligenz umfasst der Begriff der Intelligenz in der Forschungsrichtung der Künstlichen Intelligenz die Fähigkeit, komplexe Probleme zu lösen, Sprache zu verstehen und zu produzieren, über Wissen zu verfügen, zu lernen sowie logische Schlussfolgerungen zu ziehen. Den Zusammenhang zwischen Wissen und intelligentem Verhalten von Regierung und Industrie erörtert Wilensky bereits 1967 und prägt damit den Begriff der organisationalen

Intelligenz.

Zentraler

Bestandteil

der

Intelligenz

einer

Unternehmung sind nach Wilensky analysierte und bewertete Informationen 240 im Sinne von Wissen, die gefiltert und bereinigt sind. Wissen fasst er dabei als Kern einer „intelligenten” Entscheidungsfindung auf. „Intelligence turns intellectual capital into actionable knowledge for strategic decision-makers in the organization.”241 Dies bedeutet, dass Intelligenz erst durch die Nutzung oder Aktivierung von Wissen entstehen kann. Zusammenfassend lässt sich für die Übertragung der Intelligenzansätze auf Organisationen

somit

sagen,

dass

jene

über

Intelligenz

verfügen,

die

Zusammenhänge erkennen und verstehen sowie darauf aufbauend ein kompetentes Verhalten

ableiten

können.

Dabei

entscheiden

Aspekte

wie

die

Problemlösungsfähigkeit, die Veränderungs- und Lernfähigkeit einer Organisation, aber auch das Vorhandensein einer organisationalen Wissensbasis sowie das Wissen der Mitarbeiter über die „Intelligenz“ eines Unternehmens. Intelligenz eines Unternehmens erfordert insgesamt eine erfolgreiche Anwendung organisationaler Wissens- und Lernpotenziale.242

240

„High-quality intelligence designates information that is clear because it is understandable to those who must use it; timely because it gets to them when they need it; reliable because diverse observers using the same procedures see it in the same way; valid because it is cast in the form of concepts and measures that capture reality (the tests include logical consistency, successful prediction, congruence with established knowledge or independent sources); adequate because the account is full (the context of the act, event, or life of the person or group is described); and wide-ranging because the major policy alternatives promising a high probability of attaining organizational goals are posed or new goals suggested” (Wilensky 1967, S. VIIIf.).

241

Rothberg/Erickson 2005, S. 4.

242

Vgl. Neumann 2000, S. 3f.; North 2005, S. 32ff.

90

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

4.1.2 Terminologische Hintergründe von Marketing Intelligence Die Auslegung des Begriffs „Marketing Intelligence“ ist maßgeblich von den Fragestellungen des jeweiligen Autors und seinem wissenschaftlichen Umfeld geprägt. Einige Autoren verwenden ein ziemlich reduziertes, eingeschränktes Begriffsverständnis: Marketing Intelligence ist für sie lediglich die Versorgung des Marketingmanagements mit verfügbaren, entscheidungsrelevanten Informationen. 243 So sieht beispielsweise Kelley (1965 und 1968), einer der Pioniere von Marketing Intelligence, dieses Konzept als kontinuierliche Beobachtung sich ändernder Gegebenheiten. 244 Die Aufgabe einer Marketing Intelligence besteht also in der fortlaufenden Versorgung des Managements mit aktuellen Informationen, die sowohl internen als auch externen Quellen entstammen. 245 Die zielgerichtete Aufbereitung interner und externer Informationen sowie deren systematische Weiterleitung an entsprechende

Stellen

im

Unternehmen

sollten

durch

eine

zentrale

Unternehmensabteilung erfolgen, die direkt der Unternehmensführung unterstellt ist. Resultat ist die Versorgung des Managements mit aktuellen und verlässlichen Informationen, die schnellere Reaktionen auf Umweltveränderungen und eine Verbesserung

strategischer

Entscheidungen

ermöglicht.246

Zusammenfassend

charakterisiert folgendes Zitat das Begriffsverständnis von Marketing Intelligence in diesem Sinne: „The right information must get to the right people at the right time.” 247 Andere Autoren hingegen verwenden ein vergleichbar enges, aber anderes Begriffsverständnis; sie gebrauchen den Terminus „Marketing Intelligence“ im Kontext

von

Marketing-Informationssystemen

bzw.

Marketing-Entscheidungs-

unterstützungssystemen. 248 In diesem Sinne ist Marketing Intelligence etwa für Kotler das „Marketing-Nachrichtensystem“249, innerhalb dessen nur öffentlich verfügbare Informationen über Wettbewerber und Entwicklungen der Unternehmensumwelt 243

Vgl. beispielsweise Kelley 1965; Kelley 1968; Drake/Millar 1969.

244

Vgl. Kelley 1965; Kelley 1968.

245

Vgl. Kelley 1968, S. 1ff.; Kelley 1965, S. 19ff. Hierbei differenziert Kelley in Abhängigkeit von der zu treffenden Entscheidung des Managements zwischen „Strategic Marketing Intelligence“ und „Tactical Marketing Intelligence“: „Strategic Marketing Intelligence“ bezieht sich auf strategische Entscheidungen, welche die grundlegenden, langfristig festgesetzten Ziele eines Unternehmens betreffen; „Tactical Marketing Intelligence“ hingegen findet ihre Anwendung bei taktischen bzw. operativen Marketingentscheidungen, welche sich auf einen kürzeren Zeithorizont beziehen und nicht fundamental für das Überleben des Unternehmens sind (vgl. Kelley 1968, S. 8ff.).

246

Vgl. Kelley 1968, S. 21ff.

247

Kelley 1968, S. 167.

248

Vgl. Kotler 2002; Le Bon/Merunka 2006; Lackman/Saban/Lanasa 2000.

249

Vgl. Kotler/Bliemel 2006, S. 192.

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

91

erfasst werden. 250 Er sieht Marketing Intelligence lediglich als Subsystem eines Marketing-Informationssystems (siehe Abbildung 6).

Marketing Managers and Other Users Analysis

Planning

Implementation

Organization

Control

Marketing Information System Developing needed information Assessing information needs

Internal databases

Information analysis

Marketing Intelligence

Marketing research

Distributing and using information

Marketing Environment Target markets

Abbildung 6: Quelle:

Marketing channels

Competitors

Macroenvironment forces

Publics

Das Marketing-Informationssystem (MAIS) Kotler/Armstrong 2006, S. 102.

Aus Abbildung 6 wird ersichtlich, dass Marketingmanager oder auch andere SystemUser zur Analyse, Planung, Durchführung, Organisation und Kontrolle ihrer Maßnahmen Informationen über das Marketingumfeld benötigen, beispielsweise über

Zielmärkte,

Marketingkanäle,

Wettbewerber,

externe

und

interne

Interessengruppen sowie Faktoren aus der Makroumwelt. Dazu ist zunächst der Informationsbedarf eines Marketingentscheiders zu ermitteln. Die Bereitstellung der benötigten Informationen erfolgt sodann durch die vier Subsysteme des MarketingInformationssystems: die Subsysteme „Internal Databases“, „Marketing Intelligence“ und „Marketing Research“ sammeln die Informationen und das Subsystem 250

Marketing Intelligence ist für Kotler „systematic collection and analysis of publicly available information about competitors and developments in the marketplace […] to improve strategic decision making, assess and track competitors’ actions, and provide early warning of opportunities and threats” (Kotler/Armstrong 2006, S. 104).

92

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

„Information Analysis“ bereitet diese auf. Die entscheidungsrelevanten Informationen werden schließlich dem Entscheidungsträger zur Verfügung gestellt bzw. von diesem abgerufen, um ihn bei seiner Entscheidungsfindung zu unterstützen. Grundsätzliches Ziel des Marketing Intelligence-Subsystems ist die Verbesserung der strategischen Entscheidungsfindung durch kontinuierliche Bereitstellung von Informationen über entscheidungsrelevante Entwicklungen im Marketingumfeld. Im Vordergrund steht die frühzeitige Aufdeckung von Chancen und Risiken des Unternehmens und insbesondere die Beobachtung und Analyse des Verhaltens der Wettbewerber. Interne Datenbanken, beispielsweise aus Controlling oder Vertrieb, sowie Daten aus der Marktforschung werden allerdings nicht unter den Begriff Marketing Intelligence subsumiert, sondern als separate Subsysteme des Marketing-Informations-Systems gesehen. Während Kotler Marketing Intelligence lediglich als Subsystem eines Marketing-Informationssystems betrachtet, verstehen andere Autoren unter einem Marketing Intelligence-System ein System, das für die Sammlung, Analyse, Interpretation und Weiterleitung von Informationen zuständig ist. Allerdings handelt es

sich

auch

hierbei

lediglich

um

aufbereitete

Informationen,

die

den

Entscheidungsträger im Marketing bei seiner Entscheidungsfindung unterstützen sollen.251 Wieder

andere

Autoren

legen

Marketing

Intelligence

ein

umfassenderes

Begriffsverständnis zugrunde und verstehen darunter analysierte und interpretierte Informationen, welche gegenwärtige und zukünftige Situationen im Marketing erklären.252

„Intelligence“

information“253,

das

bedeutet

heißt

in

diesem

glaubwürdige,

Zusammenhang

aussagekräftige

und

„evaluated relevante

Informationen, die für die Erstellung von betriebswirtschaftlichen Kennzahlen, wie etwa

Marktanteil,

Absatz-

und

Umsatzschätzungen,

sowie

für

Prognosen

herangezogen werden. Die Bereitstellung, Analyse und Interpretation entsprechend unternehmensinterner und -externer Informationen, die an Marketingmanager in entscheidungsadäquater Form weitergeleitet werden, erfolgen in der Regel durch ein Marketing-Intelligenz-System. Bei Marketing Intelligence handelt es sich folglich um aufgewertete Informationen – dem Marketingmanager werden analysierte und interpretierte

Informationen

zur

Verfügung

gestellt,

Entscheidungsfindung im Marketing zu verbessern.

251

Vgl. beispielsweise Lackman/Saban/Lanasa 2000, S. 6.

252

Vgl. Jaffe 1979, Grooms 2001.

253

Jaffe 1979, S. 54.

um

die

Qualität

der

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

93

Daneben existieren zahlreiche, zum Teil eher praxisorientierte Beiträge, welche sich mit Marketing Intelligence beschäftigen. 254 Auch die Autoren dieser Beiträge verwenden den Begriff „Marketing Intelligence“ sehr divergent; gemeinsamer Ausgangspunkt der Betrachtung ist hier die Marktforschung. Häufig wird auf die Notwendigkeit der Integration von Marktforschungsdaten mit unternehmensinternen Daten verwiesen. Hierzu ist es erforderlich, die heterogenen Daten bzw. Datenbestände zu systematisieren, zu komprimieren sowie sachlich, zeitlich und formal zu harmonisieren, um deren Verknüpfbarkeit und Aussagefähigkeit zu steigern. Weiterhin appellieren einige Autoren an den Einsatz innovativer Methoden der Datenerhebung sowie an die Implementierung spezieller Systeme, welche eine an den Informationsbedürfnissen der Anwender orientierte Analyse und Interpretation der integrierten Datenbestände ermöglichen. Auf diese Weise können „Insights“ – tiefgründige Einblicke insbesondere in das Verhalten der Konsumenten – generiert werden. Darüber hinaus wird häufig die Notwendigkeit einer Marketingberatung durch die Marktforschung – im Sinne von „Fact Based Marketing Consultancy“ – in den Kontext von Marketing Intelligence gestellt. Prinzipiell werden in diesen Beiträgen

vornehmlich

Aspekte

angesprochen,

wie

sich

die

traditionelle

Marktforschung verändern muss, damit ihr auch weiterhin eine entscheidende Rolle bei Entscheidungsprozessen im Marketing zukommt. Es wird deutlich, dass sowohl in der Theorie als auch in der Praxis keine einheitliche Verwendung des Begriffs „Marketing Intelligence“ vorliegt. Vielfach wird unter Marketing

Intelligence

primär

die

Informationsversorgung

des

Marketing-

managements verstanden. In Erweiterung bzw. Ergänzung der traditionellen Marktforschungsaufgabe sollen alle relevanten unternehmensinternen und -externen Informationen aus dem Unternehmen und dessen Umfeld bereitgestellt (und gegebenenfalls aufbereitet) werden, die dem Marketingmanagement sodann „gute“ Entscheidungen ermöglichen. Marketing Intelligence dient dazu, Marketingmanager rechtzeitig auf Chancen und Risiken, die aus dem Marketingumfeld des Unternehmens resultieren, aufmerksam zu machen. Neuere Beiträge gehen in dieser Hinsicht bereits einen Schritt weiter: Es geht nicht mehr um die bloße Versorgung des Managements mit (aufbereiteten) Informationen, sondern vor allem um die Gewinnung und Bereitstellung von Marketing Insights. Ausgangspunkt dieser Ansätze ist – wie bereits erwähnt – die Marktforschung. Durch Analyse und

254

Vgl. Smith 2007a; Rosinski 2007; Oktar/Erdo÷an 2007; Diller 2007, S. 333ff.; Wimmer/Göb 2006; Wimmer/Göb 2005; Zerr 2004; Weßner 2003; Smith/Fletcher 2001, S. 169.

94

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

Interpretation

integrierter,

problemrelevanter

Marketinginformationen

ist

die

Generierung von Marketing Insights möglich, die tiefgehende Einblicke in die jeweiligen Entscheidungstatbestände des Marketings gewährleisten. Weitgehend unbeachtet bleibt allerdings auch hier, dass handlungsorientiertes Marketingwissen und

damit

ein

Mehrwert

für

das

Marketing

erst

entstehen,

wenn

Marketinginformationen bzw. Marketing Insights auch in die Entscheidungsprozesse des Marketings integriert werden. Der Entscheider muss also die tatsächlich problemrelevanten,

integrierten

Informationen

in

den

Kontext

seines

Erfahrungswissens einbetten und sie mit seinem Verstand bewerten, um zu entscheidungs- und entscheiderorientiertem Marketingwissen zu gelangen; erst daraus lassen sich schließlich konkrete Schlussfolgerungen für sein Handeln ziehen.

4.1.3 Marketing Intelligence als Konzept zur Verbesserung der Entscheiderund Entscheidungsunterstützung im Marketing Das Kernproblem des in der vorliegenden Arbeit betrachteten Praxisausschnitts besteht darin, relevante Marketinginformationen in die Entscheidungsprozesse so zu integrieren, dass sie für Entscheidungsträger im Marketing auch tatsächlich nützlich sind. Nur dann kann entscheider- und entscheidungsrelevantes Marketingwissen generiert

und

verfügbar

gemacht

werden,

das

der

Unterstützung

von

Marketingentscheidern dient. Von daher ist für Marketing Intelligence eine Definition zu entwickeln, die beide Seiten, die Angebotsseite von Marketinginformationen (Datenseite)

und

die

Nachfrageseite

von

Marketinginformationen

(Entscheidungsseite), zusammenbringt. Die zentrale Aufgabe auf der Datenseite stellt die Datenintegration dar. Die vielfältigen, heterogenen Daten und Informationen (wie Marktforschungsdaten, Kunden-, Wettbewerbs- und Branchendaten, Vertriebsdaten sowie Daten aus dem Controlling)255 sind zu einer einheitlichen Datenbasis zu verdichten. Hierdurch entstehen integrierte Marketingdaten, die mittels ausgewählter Methoden analysiert und aufbereitet werden können. Im Rahmen von Marketing Intelligence soll also die Datenseite

255

für

die

Bereitstellung

Siehe hierzu ausführlich Abschnitt 3.2.2.

einer

integrierten,

holistischen

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

95

Marketinginformationsbasis sowie für die Generierung von Marketing Insights zuständig sein.256 Auf der Entscheidungsseite besteht die zentrale Aufgabe in der Datenanreicherung, die über die Analyse der Marketinginformationen hinaus eine problembezogene Interpretation sowie eine entscheidungsorientierte Aufbereitung der Ergebnisse in Richtung umsetzbarer Handlungsempfehlungen erforderlich macht. Ausgehend von einer konkreten Problem- bzw. Fragestellung sollte ein Marketingentscheider auf problemrelevante (und nur auf solche!) sowie integrierte Marketinginformationen bzw. Marketing Insights zugreifen können, die ihm von der Datenseite zur Verfügung gestellt werden. Wenn er diese dann noch in seinen Erfahrungsschatz einbettet und mit

seinem

Verstand

bewertet,

so

entsteht

Marketingwissen

bzw.

wird

Marketingwissen genutzt. Auf Basis dieses Wissens kann er – häufig ergänzt durch eine profunde Marketingberatung der Datenseite – Entscheidungen treffen, die ein „intelligentes“ Handeln im Marketing ermöglichen können. 257 Für die Generierung von Marketingwissen ist demnach eine enge Zusammenarbeit von Daten- und Entscheidungsseite unabdingbar. Sowohl von den Marketingentscheidern als auch von den Informationsanbietern 258 sind bestimmte Aufgaben zu erfüllen, damit eine effektive und effiziente Integration der Informationen in den Marketingentscheidungsprozess erfolgen kann. Erst auf diese Weise ist es möglich, zu entscheidungs- sowie auch entscheiderrelevantem Marketingwissen zu gelangen, das Marketingentscheider bei der Entscheidungsfindung unterstützt. Mit „Marketing Intelligence“ wird in diesem Sinne eine Verknüpfung der Datenseite mit der Entscheidungs- bzw. Managementseite postuliert. Kurz gesagt: Die Kernaufgabe von Marketing Intelligence ist „applying information to decision-making“259. Vor diesem Hintergrund wird den weiteren Ausführungen folgende Definition von Marketing Intelligence zugrunde gelegt: „Marketing Intelligence ist ein kontinuierlicher Prozess der Bildung von Marketingwissen aus marketingrelevanten Daten bzw.

256

Vgl. Wimmer/Göb 2005, S. 391ff.

257

Vgl. Wimmer/Göb 2005, S. 395ff.

258

Wenn in der vorliegenden Arbeit von Informationsanbietern bzw. Informationsmanagern gesprochen wird, so sind damit Marktforscher oder Mitarbeiter anderer Bereiche (Marketing, Vertrieb etc.) gemeint, die Tätigkeiten der Angebotsseite von Marketinginformationen, das heißt des Informationsmanagements im Marketing, ausführen.

259

Smith/Fletcher 2001, S. 3.

96

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

Informationen sowie subjektiven Erfahrungen mit dem Ziel, Marketingentscheidungen zu verbessern und Marketingentscheider zu unterstützen.“260 Marketing Intelligence überführt in prozessualer Hinsicht vorliegende Daten in Informationen und diese in Wissen. Im Vordergrund steht demnach die Idee, von bloßen Daten über tatsächlich problemrelevante Informationen hin zu entscheiderund handlungsorientiertem, umsetzbarem Marketingwissen zu gelangen. Im Sinne von Marketing Intelligence erscheint

demnach die bloße Versorgung des

Marketingmanagements mit Informationen nicht als ausreichend. Vielmehr ist die Generierung von entscheider- und entscheidungsorientiertem Wissen notwenig, das Marketingentscheider in Form von aussagekräftigen Schlussfolgerungen und fundierten Handlungsempfehlungen bei der Entscheidungsfindung unterstützt. Grundsätzlich geht es bei Marketing Intelligence auch darum, Fähigkeiten – sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite von Marketinginformationen – zum Management von marketingrelevantem Wissen zu erlangen, um auf diese Weise die bestmögliche Marketingentscheidung treffen zu können.

Angebotsseite von Marketinginformationen (Datenseite)

Abbildung 7:

Marketing Intelligence

Nachfrageseite von Marketinginformationen

Entscheidung

(Entscheidungsseite)

Verbesserung der Entscheidungsqualität

Begriffliche Abgrenzung der Marketing Intelligence

Abbildung 7 verdeutlicht noch einmal den zentralen Ansatzpunkt: Marketing Intelligence

steht

zwischen

Marketinginformationen.

Die

der

Angebots-

Datenseite

und

analysiert

der den

Nachfrageseite Markt

sowie

von das

marktrelevante Umfeld des Unternehmens und generiert somit Informationen; die Entscheidungsseite bearbeitet den Markt und ist letztendlich für den Marketingerfolg verantwortlich. In ihrer intermediären Position trägt Marketing Intelligence dazu bei, beide Seiten besser zu integrieren und hierdurch die Entscheidungs- und 260

Wimmer/Göb 2005, S. 390.

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence Entscheiderunterstützung

im

Marketing

sowie

97 letztendlich die

Qualität

von

Marketingentscheidungen zu verbessern.

4.2

Theoretisch-konzeptionelle Einordnung von Marketing Intelligence

Im Folgenden wird eine theoretische Fundierung der Aufgaben von Marketing Intelligence

vorgenommen,

indem

einschlägige

Konzepte

aus

der

Marketingwissenschaft diskutiert werden. Dabei wird Marketing Intelligence zunächst im Kontext von Marketing Controlling betrachtet, um bestehende Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser beiden Konzepte zu erarbeiten sowie darauf basierend erforderliche unternehmensinterne Prozesse und Strukturen einer Marketing Intelligence aufzuzeigen. Diese Ausführungen stellen insbesondere auf die sachlichobjektive Ebene von Marketing Intelligence – die Marketingentscheidung – ab. Des Weiteren

wird

Marketing

Intelligence

vor

dem

Hintergrund

des

Beziehungsmanagements sowie des Konzepts eines internen Marketings betrachtet. Diese marketingtheoretischen Überlegungen aufgreifend erfolgt zunächst die Begründung einer internen Kunden-Lieferanten-Beziehung zwischen der Angebotsund der Nachfrageseite von Marketinginformationen; darauf aufbauend werden generelle Gestaltungsempfehlungen einer Marketing Intelligence abgeleitet. Diese Überlegungen beleuchten insbesondere die persönliche Interaktion zwischen der Angebots- und der Nachfrageseite von Marketinginformationen und betreffen daher vorwiegend die subjektiv-persönliche Ebene von Marketing Intelligence – den Marketingentscheider.

4.2.1 Marketing Intelligence im Kontext von Marketing Controlling Grundsätzlich

wird

unter

Marketing

Controlling

Informationsversorgung für das Marketing-Management“

261

die

„koordinierte

verstanden. Im Hinblick

auf den Marketingentscheidungsprozess bedeutet dies, dass das Marketing Controlling die Teilprozesse – insbesondere die Planung, Organisation und Kontrolle – einer marktorientierten Unternehmensführung durch eine koordinierende

261

Köhler 2005, S. 435.

98

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

Informationsversorgung zu unterstützen hat.262 Aufgabe des Marketing Controlling ist daher die „Sicherstellung der Führungsfähigkeit des Marketing-Managements, die sich insbesondere in der ständigen Reaktions- und Anpassungsfähigkeit der Marketing-Führung an veränderte Umwelt- und Unternehmensentwicklungen durch rechtzeitiges Erkennen und Berücksichtigen von Parameteränderungen sowie die frühzeitige Adaption zukünftiger Entwicklungen zeigt“263. Hierzu bedarf es neben der Versorgung des Marketingmanagements mit internen Daten, beispielsweise aus dem Rechnungswesen, auch der Bereitstellung von unternehmensexternen Daten, wie zum Beispiel Marktforschungsdaten. 264 Grundsätzlich soll Marketing Controlling in den einzelnen Phasen des Marketing-Führungsprozesses durch eine umfassende Informationserfassung, -aufbereitung und -darstellung zur Unterstützung des Marketingmanagements beitragen.265 Neben

der

koordinationsorientierten

informationsorientierte

Sichtweise

Betrachtungsperspektive

ist

des

hiermit Marketing

bereits

die

Controlling

angesprochen. 266 Im Mittelpunkt steht eine ziel- bzw. aufgabenorientiert gestaltete Informationsversorgung für alle Funktionen des Marketingmanagements mit dem Ziel, die Effizienz im Marketing zu verbessern. Die inhaltliche Festsetzung der Marketingziele und -pläne sowie die Ausgestaltung mittels spezifischer MarketingMix-Instrumente fallen jedoch in den Aufgabenbereich des Marketingmanagements; das Marketing Controlling soll lediglich geeignete unternehmensinterne Strukturen und Prozesse schaffen, um die Informationsversorgung für den Marketingentscheidungsprozess sicherzustellen.267 Abbildung 8 veranschaulicht die Aufgaben des Marketing Controlling nach Köhler:

262

Vgl. Weber/Schäffer 2006, S. 65f.; Köhler 2006, S. 42f.; Köhler 2001, S. 967; Köhler 2005, S. 435; Weber/Schäffer 2001, S. 8f.; Link/Gerth/Vossberg 2000, S. 14; Horváth 1998, S. 144; Kiesel 1995, S. 50f.

263

Palloks 1991, S. 349. Siehe hierzu auch Weber/Schäffer 2006, S. 68ff.

264

Vgl. Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2008, S. 796; Möhlen/Zerres 2006, S. 4; Reinecke 2004, S. 55; Reinecke 2000, S. 16.

265

Vgl. Palloks 1991, S. 349; Reichmann 2001, S. 441.

266

Nach Deutschendorf zeichnet sich die deutschsprachige Marketing Controlling-Forschung insbesondere durch die koordinations- und informationsorientierte Betrachtungsperspektive aus (vgl. Deutschendorf 2006, S. 47).

267

Vgl. Köhler 2006, S. 42f.; Köhler 2001, S. 967; Köhler 2005, S. 435 sowie ter Haseborg 1995, Sp. 1543.

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

99

Problemspezifische Informationsbereitstellung für verschiedene Marketing-Organisationseinheiten

Koordination der Informationsversorgung durch Marketing-Controlling

Informationen für die Marketingplanung (strategisch/operativ)

Informationen zur Mitarbeiterführung im Marketingbereich

Informationen zur Marketingkontrolle sowie Überwachung im Rahmen von Marketingaudits

Abbildung 8: Quelle:

Informationsorientierte Aufgaben des Marketing Controlling in Anlehnung an Köhler 2006, S. 43.

Die Einordnung von Marketing Intelligence in den Kontext des Marketing Controlling ermöglicht

es,

grundlegende

Rahmenbedingungen

in

organisatorischer

und

struktureller Hinsicht für eine Marketing Intelligence-Konzeption abzuleiten. Dies lässt sich

insbesondere

daran

festmachen,

dass

Marketing

Controlling

systemkoppelnde als auch systembildende Abstimmungsaufgaben erfüllt.

sowohl 268

Als

systemkoppelnde Funktion zählt die Koordination zwischen der Angebots- und der Nachfrageseite Integration

von

von

Marketinginformationen

Marketinginformationen

in

sowie die

damit

einhergehend

die

Entscheidungsprozesse

des

Marketings zu den wesentlichen Aufgaben des Marketing Controlling; damit ist genau eine der zentralen Aufgaben von Marketing Intelligence angesprochen. Für solche systemkoppelnden Abstimmungsaufgaben umfassen beide Konzepte unter anderem auch systembildende Koordinationsaufgaben: „Die systembildende Funktion besteht in

der

Entwicklung

und

Implementierung

eines

Marketing-Planungs-

und

-Kontrollsystems sowie eines Marketing-Informationsversorgungssystems [bzw. eines Data Warehouses]. Diese Aufgabe der Metaplanung beinhaltet inhaltliche,

268

Vgl. Köhler 2001, S. 967f.

100

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

strukturelle und prozessuale Formalisierungsvorgänge.“ 269 Insgesamt wird damit deutlich, dass Marketing Intelligence – wie auch Marketing Controlling – zur Unterstützung des Marketingentscheidungsprozesses sowohl systemkoppelnde als auch systembildende Abstimmungsaufgaben auszuüben hat. Diese Ausführungen illustrieren, dass zwischen Marketing Intelligence und Marketing Controlling durchaus einige Parallelen bezüglich interner Strukturen und Prozesse erkennbar sind. Neben der Informationsversorgung des Marketingmanagements fällt es in den Aufgabenbereich beider Konzepte, die Planungs- und Kontrollsysteme mit den jeweils verantwortlichen zentralen Serviceabteilungen, wie zum Beispiel der EDV, zu koordinieren. Hierfür sind in der Regel organisationale Richtlinien sowie die Implementierung eines Marketing-Informationssystems bzw. Data Warehouse notwendig.270 In dieser Hinsicht wird beiden Konzepten eher ein instrumenteller Charakter zugeschrieben; es sollen auf der objektiv-sachlichen Ebene geeignete unternehmensinterne

Strukturen

und

Prozesse

zur

Koordination

der

Informationsversorgung und damit für die Integration von Marketinginformationen in die Entscheidungsprozesses des Marketings etabliert werden. Darüber hinaus zeichnet sich Marketing Intelligence – im Gegensatz zum Marketing Controlling – auch durch einen inhaltlichen Charakter aus. Dabei geht es insbesondere um die Frage, welche Tätigkeiten aus Perspektive der Angebotsseite von Marketinginformationen erforderlich sind, um Marketingentscheider bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen. Marketing Intelligence betrifft zudem nicht nur die bloße Versorgung des Marketingmanagements mit Daten und Informationen, sondern vielmehr die entscheidungsadäquate Integration interner und externer Daten, deren problembezogene Interpretation und Aufbereitung sowie letztendlich die Bereitstellung von Wissen zur Entscheider- und Entscheidungsunterstützung des Marketings. Des Weiteren hat Marketing Intelligence neben der Effizienz, deren Steigerung als das grundlegende Ziel des Marketing Controlling anzusehen ist, auch die Effektivität von Marketingentscheidungen sicherzustellen. Demnach steht hier zusätzlich das „Verstehen“ typischer Fragestellungen des Marketings im Vordergrund, um durch den Einsatz von „richtigen“ Maßnahmen die gesetzten Ziele erreichen zu können. Die Entscheidungen sollen auf Marketing Insights bzw. Marketingwissen basieren, 269

Horváth/Stark 1982, S. 185.

270

Vgl. Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2008, S. 832ff.

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

101

wodurch ein tiefgründiges Verständnis ausgewählter Problem- und Fragestellungen des Marketings gewährleistet wird. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Konzept des Marketing Controlling grundsätzlich als theoretische Fundierung von Marketing Intelligence herangezogen werden kann. Derartige Ausführungen beziehen sich insbesondere auf die objektiv-sachliche Ebene von Marketing Intelligence; es lassen sich unternehmensinterne

organisatorische

und

strukturelle

Rahmenbedingungen

ableiten, die für eine problemadäquate Informationsversorgung des Marketingmanagements und damit für eine Integration von Marketinginformationen in die Marketingentscheidungsprozesse notwendig sind. Bei Marketing Intelligence ist jedoch – im Gegensatz zum Marketing Controlling, wo die Effizienzsteigerung im Vordergrund steht – auch die Effektivität von Marketingentscheidungen von Bedeutung.

Marketing

Intelligence

besitzt

insgesamt

einen

umfassenderen

Geltungsbereich als das Marketing Controlling; neben instrumentellen Aufgaben zeichnet sich Marketing Intelligence zudem durch einen inhaltlichen Charakter aus.

4.2.2 Beziehungsmanagement und internes Marketing als marketingtheoretische Fundierung Wie

bereits

erläutert,

wird

eine

bloße

Bereitstellung

von

Marketingdaten

(beispielsweise über eine Datenbank) für das Marketingmanagement häufig nicht als befriedigend angesehen. Vielmehr verlangt das Marketingmanagement – auch bedingt durch die zunehmende Komplexität von Marketingentscheidungen – nach handlungsorientiertem Marketingwissen, auf dessen Grundlage gute Entscheidungen getroffen werden können. Um solches Wissen generieren zu können, ist eine interaktive Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern der Angebots- und der Nachfrageseite von Marketinginformationen notwendig. Eine problembezogene, fallweise Interaktion zwischen den beteiligten Akteuren erscheint häufig nicht als ausreichend. Es ist vielmehr eine dauerhafte, enge Beziehung erforderlich. Damit ist die subjektivpersönliche Ebene von Marketing Intelligence angesprochen. Deren inhaltliche Gestaltung basiert in theoretischer Hinsicht insbesondere auf Erkenntnissen des internen Marketings. Zunächst ist jedoch auf die interne Kunden-LieferantenBeziehung zwischen der Angebots- und der Nachfrageseite von Marketinginformationen einzugehen, welche als Kernelement des internen Marketings zu verstehen

102

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

ist. Hierfür kann das umfassendere Konzept des Beziehungsmanagements als theoretisches Dachkonzept von Marketing Intelligence herangezogen werden. „Im kundenorientierten Prozessmanagement werden wesentliche innerbetriebliche Leistungsprozesse, ausgehend von den [End-]Kundenanforderungen an das Leistungsergebnis, abteilungsübergreifend konzipiert. Auf diese Weise werden Ketten von innerbetrieblichen Kunden-Lieferanten-Beziehungen geschaffen.“271 Eine solche Prozesskette kennzeichnet auch den Prozess von Marketing Intelligence. Die Zusammenarbeit zwischen der Daten- und der Entscheidungsseite im Marketing lässt sich als interne Kunden-Lieferanten-Beziehung interpretieren. In dieser Hinsicht ist die Nachfrageseite von Marketinginformationen, die Entscheidungsseite, als interner Kunde und die Angebotsseite von Marketinginformationen, die Datenseite, als interner Lieferant zu verstehen (siehe Abbildung 9).

Top-Management

Angebotsseite von Marketinginformationen

Interne Kundenorientierung von Marketing Intelligence

Nachfrageseite von Marketinginformationen

Vertrieb

Mittelbare Kundenorientierung von Marketing Intelligence

Kundenservice

Handel Kundenorientierung des Unternehmens

Endverbrauchermarkt

Beitrag von Marketing Intelligence zur externen

Entscheidungsseite

Externe Datenlieferanten (MarktforschungsInstitute) Datenseite

Abbildung 9: Quelle:

Mehrstufige Kundenorientierung von Marketing Intelligence272 in Anlehnung an Roleff 2001, S. 7.

271

Stauss 1995a, Sp. 1052. Vgl. auch Neuhaus 1996, S. 10ff. und Töpfer 1995, S. 548ff.

272

Roleff hat sich in seiner Arbeit ausführlich mit der mehrstufigen Kundenorientierung der Marktforschung beschäftigt (vgl. Roleff 2001, S. 199ff.). Da die Marktforschung zweifelsohne einen der Hauptakteure auf der Angebotsseite von Marketinginformationen – der Datenseite – darstellt, erscheint es zweckmäßig, dieses Modell für die Analyse der internen Kunden-LieferantenBeziehung im Sinne von Marketing Intelligence heranzuziehen.

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

103

Die erfolgreiche Etablierung einer internen Kunden-Lieferanten-Beziehung zwischen der Angebots- und der Nachfrageseite von Marketinginformationen im Sinne von Marketing Intelligence ist nur möglich, wenn es der Datenseite gelingt, „ein echtes internes Marketing- bzw. Kundenverständnis gegenüber den Managern im […] Marketing

entwickeln“ 273

zu

Intelligence).

Eine

solche

(= interne

interne

Kundenorientierung

Kundenorientierung

stellt

von

Marketing

wiederum

die

Voraussetzung dafür dar, dass Marketing Intelligence die externe Kunden- bzw. Marktorientierung hinsichtlich der Kunden im Endverbrauchermarkt fördern kann (= externe Kundenorientierung von Marketing Intelligence). Ob im Rahmen der externen Kundenorientierung die privaten Endverbraucher direkt oder indirekt über den Handel erreicht werden, soll in dieser Arbeit nicht weiter thematisiert werden. Neben unternehmensinternen Daten bezieht das Marketing, wie bereits erwähnt, in der Regel auch externe Daten (beispielsweise von Marktforschungsinstituten). Solche externen Datenlieferanten müssen sich zunächst an der Angebotsseite von Marketinginformationen – ihrem Auftraggeber – orientieren bzw. sich mit ihr abstimmen;

zum

Marketingmanagement



der

Nachfrageseite

von

Marketinginformationen – besteht daher häufig nur eine mittelbare Form der Kundenorientierung (= mittelbare Kundenorientierung von Marketing Intelligence). Das Konzept von Marketing Intelligence zeichnet sich demnach durch eine mehrstufige Kundenorientierung aus (vgl. Abbildung 9). Eine derartige Interpretation der Zusammenarbeit zwischen der Angebots- und der Nachfrageseite von Marketinginformationen impliziert, dass diese in der Regel durch ein langfristiges Beziehungsverhältnis geprägt ist. Darüber hinaus führt der Austausch

von

Leistung

und

Gegenleistung

zu

einem

gegenseitigen

Abhängigkeitsverhältnis der beiden Subsysteme; so ist die Entscheidungsseite gewissermaßen abhängig von der Güte der bereitgestellten Marketingdaten und -informationen, während die Datenseite zum Beispiel auf Anfragen und „eindeutige“ Briefings des Marketings angewiesen ist. 274 Zur Etablierung und insbesondere Gestaltung einer internen Kunden-LieferantenBeziehung zwischen Angebots- und Nachfrageseite von Marketinginformationen können entsprechende marketingtheoretische Konzepte – insbesondere das Beziehungsmanagement und das Konzept des internen Marketings – herangezogen

273

Roleff 2001, S. 198.

274

Vgl. hierzu Roleff 2001, S. 184f.

104

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

werden. Beziehungsmanagement, das auch im Rahmen von internen KundenLieferanten-Beziehungen eine tragende Rolle einnimmt, ist allgemein definiert als die „Gesamtheit der Grundsätze, Leitbilder und Einzelmaßnahmen zur langfristig zielgerichteten Ausrichtung, Steuerung und Kontrolle von Geschäftsbeziehungen“275. Einen systematischen Zugang zu derartigen langfristigen, interaktiven Beziehungen kann das Beziehungsebenenmodell nach Diller verschaffen. 276 Die Analyse der Beziehungen erfolgt dort anhand einer Unterteilung in vier Interaktionsebenen: Sachebene, menschlich-emotionale Ebene, Organisationsebene und Machtebene. 277 Auf der Sachebene, welche die Effektivität einer Beziehung determiniert, findet der gegenseitige Ressourcenaustausch der beiden Subsysteme statt. „Auf der menschlich-emotionalen

Ebene

geht

es

[…]

um

ein

Konglomerat

von

Werttransaktionen, die von persönlicher Anerkennung und menschlicher Zuneigung über Offenheit, Dankbarkeit und Vertrauenswürdigkeit sowie sachlicher Kompetenz bis hin zur Selbstfindung und Bewusstseinserweiterung durch die Kommunikation mit dem Partner reichen.“278 Die Organisationsebene regelt die Arbeitsabläufe für die Zusammenarbeit, wodurch die Grundlage für eine effiziente und stabile Beziehung geschaffen

wird.

Auf

der

Machtebene

findet

ein

Interessenabgleich

der

„Beziehungspartner“ statt; hierbei werden Konflikte, die auf der Sachebene nicht verhindert werden können, in Form von Kompromissen gelöst. Diese vier Beziehungsebenen

lassen

sich

mit

den

drei

Komponenten

der

Dienstleistungsqualität – Potenziale, Prozesse und Ergebnisse – kombinieren. Hierdurch werden die Interaktionen in Potenzial-, Prozess- und Ergebnisgrößen unterteilt, wodurch eine Zwölf-Felder-Matrix entsteht (siehe Abbildung 10).279 Das so strukturierte Modell der verschiedenen Beziehungsebenen kann auch für eine detaillierte Analyse der Beziehungsqualität der internen Kunden-LieferantenBeziehung

zwischen

der

Angebots-

und

der

Nachfrageseite

von

275

Vgl. Diller/Kusterer 1988, S. 212.

276

Analog zu den Ausführungen von Zaharia (vgl. Zaharia 1996, S. 60ff.) werden mittels des Beziehungsebenenmodells von Diller/Kusterer 1988 Möglichkeiten eines internen Beziehungsmanagements zwischen den beiden Subsystemen im Marketing verdeutlicht.

277

Vgl. Diller/Kusterer 1988, S. 214-216.

278

Diller 2001a, S. 161.

279

Vgl. Diller 1995, S. 15f.

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence Marketinginformationen

im

Sinne

von

Marketing

105 Intelligence

herangezogen

werden.280 Abbildung 10 stellt bezogen auf Marketing Intelligence mögliche Gestaltungsaspekte einer

interaktiven

internen

Kunden-Lieferanten-Beziehung

zwischen

der

Angebotsseite und der Nachfrageseite von Marketinginformationen auf den verschiedenen Ebenen dar.

Sachebene • Daten und Informationen • Fachliche Kompetenz • Ausstattung • Leistungsfähige Markforschung • etc.

D A T E N S E I T E

• Leistungserstellung • Konzept- und Methodenentwicklung • Produktentwicklung • Serviceleistungen • etc.

• Bedürfnisgerechte Problemlösungen • Effektivität der Zusammenarbeit • Einhalten von Terminen • etc.

Menschlich-emotionale Ebene • Soziale Kompetenz • Kooperationsförderndes Verhalten • Kompatibilität (Ziele, Wissenskultur,…) • etc.

• Private Kontakte • Beziehungspflege • Anpassung an den Gegenüber • Verhandlungsführung • etc.

• Beziehungsstil der Zusammenarbeit • Angenehme Atmosphäre • Personifizierung der Zusammenarbeit • etc.

Organisationsebene • Organisatorische Strukturen • Informationsstruktur • Entscheidungskompetenz • IuK-Technologie • Vertragliche Abmachungen • etc.

• Schnittstellenmanagement • Operatives Management der Zusammenarbeit • Informationsfluss • Auftragsabwicklung • etc.

• Kooperationsförderndes Verhalten • Kompromissbereitschaft • Macht • etc.

• Vertrauensbildung • Machtgebrauch • Konfliktmanagement • etc.

• Effizienz der Zusammenarbeit • Vereinbarungen / Regeln • Organisationsstil • etc.

Machtebene

Potenziale

Prozesse

• Vertrauen / Commitment • Machtverteilung • Beziehungsklima • Stabilität der Zusammenarbeit • etc.

E N T S C H E I D U N G S S E I T E

Ergebnisse

Abbildung 10: Das Beziehungsebenenmodell zwischen Daten- und Entscheidungsseite im Quelle:

280

Marketing in Anlehnung an Diller 1996, S. 179.

Die subjektiv empfundene Beziehungsqualität dieser internen Kunden-Lieferanten-Beziehung wird durch die Wahrnehmung der jeweiligen Austauschprozesse auf den einzelnen Beziehungsebenen determiniert (vgl. Diller 2001a, S. 161).

106

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

Während die Sachebene die inhaltliche Ausgestaltung von Marketing Intelligence betrifft, beleuchtet die Organisationsebene in instrumenteller Hinsicht – wie es bei Marketing Controlling281 der Fall ist – die erforderlichen unternehmensinternen organisationalen Strukturen und Prozesse. Die menschlich-emotionale Ebene analysiert

die

persönliche

Interaktion

zwischen

der

Angebots-

Nachfrageseite von Marketinginformationen. Daraus resultierende

und

der

potenzielle

Konflikte und Abhängigkeiten zwischen diesen beiden Parteien werden schließlich auf der Machtebene ausgetragen; hier entsteht im Verlauf einer „guten“ Beziehung die Bildung von Vertrauen und Commitment282. Neben inhaltlichen und strukturellen Determinanten

spielen

daher

bei

internen

Kunden-Lieferanten-Beziehungen

insbesondere auch persönliche Aspekte eine entscheidende Rolle; eine „gute“ Beziehung zwischen der Daten- und der Entscheidungsseite im Marketing wird als eine grundlegende Voraussetzung für Marketing Intelligence gesehen. Darüber hinaus kann die Ausgestaltung der internen Kunden-Lieferanten-Beziehung zwischen der

Daten-

Erkenntnissen

des

Marketingansatz, berücksichtigt

der

und der

Konzepts

Entscheidungsseite im

eines

ursprünglich

insbesondere

die

internen

aus

dem

Marketing

Marketings

Dienstleistungsbereich

innerorganisationalen,

auf

basieren.

sozialen

den

Dieser stammt,

Interaktions-

beziehungen zwischen den Unternehmensmitgliedern und damit die Gestaltung von unternehmensinternen Austauschbeziehungen. 283 Dabei zielt internes Marketing als Methode auf die interne Steuerung aller im Hinblick auf die externen Märkte ausgerichteten Austauschprozesse ab.284 Internes Marketing betrifft daher „die systematische Optimierung unternehmensinterner Prozesse mit Instrumenten des Marketing- und Personalmanagements, um durch eine konsequente und gleichzeitige Kunden- und Mitarbeiterorientierung das Marketing als interne Denkhaltung durchzusetzen, damit die marktgerichteten

281

Siehe hierzu ausführlich Abschnitt 4.2.1.

282

Siehe hierzu ausführlich Abschnitt 5.4.2.2.

283

Vgl. Stauss 1995a, S. 1046 sowie Stauss/Schulze 1990, S. 3.

284

Hinsichtlich einer internen Marketingkonzeption lassen sich daneben noch zwei weitere Ansätze differenzieren: Internes Marketing wird auch als Maxime im Sinne einer unternehmerischen Grundhaltung ausgelegt, welche postuliert, dass sämtliche Entscheidungen in Einklang mit den Bedürfnissen der Mitarbeiter stehen sollen. Des Weiteren bezeichnet internes Marketing als Mittel die internen Marketinginstrumente, die zur Verhaltenssteuerung und personalorientierten Informationsbeschaffung eingesetzt werden (vgl. Stauss/Schulze 1990. S. 3ff.; Schulze 1992, S. 105ff.; Neuhaus 1996, S. 17ff.).

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence Unternehmensziele

effizient

erreicht

107

werden.“ 285

Übertragen

auf

den

Gegenstandsbereich der vorliegenden Arbeit bedeutet dies, dass Marketing Intelligence, wie hier als Konzept gedacht, ein „Stück internes Marketing“ darstellt; internes Marketing soll dazu beitragen, den innerbetrieblichen Prozess von Marketing Intelligence systematisch zu gestalten, so dass dieser im Sinne einer verbesserten Kunden- und Marktorientierung effektiv und effizient verläuft. Zur Ausgestaltung einer internen Marketingstrategie sind entsprechende Instrumente heranzuziehen. Bruhn differenziert hierbei zwischen zwei Klassen von Instrumenten: Instrumente des personalorientierten Marketingmanagements und Instrumente des marketingorientierten

Personalmanagements. 286

„Dem

personalorientierten

Marketingmanagement [– dem sog. Outside-in-Ansatz –] sind jene klassischerweise externen

Marketinginstrumente

zuzuordnen,

durch

deren

systematischen,

unternehmensinternen Einsatz hohe Mitarbeiterzufriedenheit und hohes Commitment gewährleistet werden sollen.“287 Hierbei sind insbesondere Maßnahmen der Kommunikationspolitik von Bedeutung, die eine regelmäßige interne Kommunikation zwischen dem internen Lieferanten und dessen internen Kunden gewährleisten. Für Marketing Intelligence bieten sich hierbei interne Trainings an, um die Mitarbeiter der beiden

Subsysteme

beispielsweise

hinsichtlich

etwaiger

Zielvorgaben

der

Zusammenarbeit, des Leistungsprogramms oder auch im Umgang miteinander zu schulen.288 Zudem können auch Workshops eingesetzt werden, an denen sowohl Mitarbeiter der Datenseite als auch der Entscheidungsseite teilnehmen, um interaktiv Probleme der Zusammenarbeit zu diskutieren und gemeinsam Ansätze für deren Lösung zu erarbeiten.289 „Demgegenüber sollen dem marketingorientierten Personalmanagement [– dem sog. Inside-out-Ansatz –] jene Instrumente subsumiert werden, die die absatzmarktorientierten Marketingaktivitäten durch die Optimierung unternehmensinterner

285

Bruhn 1999, S. 20.

286

In Abgrenzung zu Bruhn unterscheidet Stauss, der eine personalorientierte Auffassung des internen Marketings vertritt, drei Instrumente des internen Marketings: (1) Absatzmarktorientierter Einsatz personalpolitischer Instrumente (zum Beispiel Personalbeschaffung, Personaleinsatz, Personalführung), (2) Absatzmarktorientierter Einsatz interner Kommunikationsinstrumente (zum Beispiel interne Individualkommunikation, interne Massenkommunikation) sowie (3) Personalorientierter Einsatz externer Marketinginstrumente (zum Beispiel Werbung, Public Relations) (vgl. hierzu Stauss/Schulze 1990, S. 10ff.; Stauss 1995b, S. 265).

287

Bruhn 1999, S. 27. (Im Original mit Fettdruck)

288

Vgl. beispielsweise Stauss/Schulze 1990, S. 7f.; George/Grönroos 1999, S. 59.

289

Vgl. Roleff 2001, S 165.

108

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

Strukturen und Prozesse unterstützen.“ 290 Diese Instrumente zielen darauf ab, durch ein

marketingorientiertes

Personalmanagement

eine

möglichst

reibungslose

Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern aus verschiedenen Abteilungen – und damit auch zwischen jenen in einer internen Kunden-Lieferanten-Beziehung, wie es bei Marketing Intelligence zwischen der Angebots- und der Nachfrageseite von Marketinginformationen

der

Fall

ist



sicherzustellen.

Eine

systematische

Personalpolitik291, die bereits bei der Akquisition und Einstellung neuen Personals ansetzt, ist daher auch für Marketing Intelligence ausschlaggebend. Zur Implementierung dieser Instrumente und letztendlich der Strategie des internen Marketings bedarf es eines längerfristigen Prozesses, der insbesondere durch eine Veränderung im Bewusstsein der Mitarbeiter zum Ausdruck kommt. Daher wird für die Implementierung von Marketing Intelligence im Rahmen einer internen Marketingkonzeption ein Phasenkonzept vorgeschlagen: 292 x x

Verpflichtung des Managements

x

Vermittlung des erforderlichen Know-hows

x

Eine

Kommunikation mit den Mitarbeitern Verpflichtung der Mitarbeiter

grundlegende Voraussetzung

für

die

Implementierung

von

Marketing

Intelligence stellt die Unterstützung des Top-Managements dar; in einem weiteren Schritt sollte es dann gelingen, durch entsprechende Kommunikation das Verständnis und die Akzeptanz der Mitarbeiter zu gewinnen. Darüber hinaus müssen die Mitarbeiter über bestimmtes Know-how verfügen, so dass die geforderte interne Kunden-Lieferanten-Beziehung im Sinne einer Marketing Intelligence überhaupt funktionieren kann. Schließlich ist sicherzustellen, dass eine solche Denkhaltung auch von den Mitarbeitern gelebt wird. Eine erfolgreiche Implementierung von Marketing Intelligence gestaltet sich daher eher als mittel- bzw. langfristiger Prozess. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass auf der subjektiv-persönlichen Ebene von Marketing Intelligence sowohl das umfassendere Konzept des Beziehungsmanagements, das quasi als theoretisches Dachkonzept dienen kann, 290

Bruhn 1999, S. 27 (im Original mit Fettdruck).

291

Vgl. beispielsweise Stauss/Schulze 1990, S. 8; Bruhn 1999, S. 31f.

292

Vgl. Bruhn 1999, S. 34ff.

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

109

als auch die Strategie des internen Marketings bedeutsame Erkenntnisse für die inhaltliche Ausgestaltung einer internen Kunden-Lieferanten-Beziehung zwischen der Angebots- und der Nachfrageseite von Marketinginformationen liefern. Abbildung 11 veranschaulicht die aufgezeigte marketingtheoretische Fundierung von Marketing Intelligence.

Beziehungsmanagement Interne Kunden-Lieferanten-Beziehung

Angebotsseite von Marketinginformationen (Datenseite)

Internes Marketing

Nachfrageseite von Marketinginformationen (Entscheidungsseite) (Interner Kunde)

(Interner Lieferant)

Ziel: Interne Kundenorientierung

Abbildung 11: Marketingtheoretische Grundlagen der internen Kunden-Lieferanten-Beziehung im Sinne von Marketing Intelligence

4.3

Ganzheitliches Management der Ressource Wissen als Grundlage von Marketing Intelligence

Nachdem im vorangegangenen Abschnitt eine marketingtheoretische Fundierung für eine effektive und effiziente Zusammenarbeit zwischen der Angebots- und der Nachfrageseite von Marketinginformationen vorgenommen wurde, werden im Folgenden wissensbasierte Ansätze aufgezeigt, die im Sinne einer Marketing Intelligence zur Verbesserung der Entscheider- und Entscheidungsunterstützung im Marketing beitragen können. Ausgangspunkt hierfür ist die Ressource Wissen. Nach einer begrifflichen Abgrenzung zu Daten und Informationen, die für das Verständnis des

Wissensmanagements

bedeutsam

ist,

werden

der

Prozess

der

Wissensschaffung sowie daran anknüpfend der systematische Umgang mit Wissen im Marketing aufgezeigt. Die Synthese dieser konzeptionellen Erläuterungen mündet

110

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

schließlich in eine der zentralen Annahmen der vorliegenden Arbeit, dass nämlich das Management von Marketingwissen als Fundament von Marketing Intelligence zu verstehen ist.

4.3.1 Marketingwissen als Entscheidungshilfe für das Marketing Marketingwissen baut auf Marketingdaten und -informationen auf. 293 Daten bestehen aus Zeichen294 oder Zeichenfolgen, die in einem sinnvollen Zusammenhang zueinander stehen und bestimmten Syntaxregeln folgen; generell beziehen sich Daten auf objektive Fakten zu Ereignissen oder Vorgängen, die zusammenhanglos vorliegen – ohne Interpretation und Wertung. 295 Für den Entscheidungsträger werden Daten erst dann zu Informationen, wenn sie in einen Problemzusammenhang gestellt und

zum

Erreichen

eines

bestimmten

Ziels

verwendet

werden. 296

Marketinginformationen sind also solche Marketingdaten, mit denen der Entscheider etwas anfangen kann, weil sie sein (Fakten-)Wissen im Hinblick auf einen bestimmten

Entscheidungstatbestand

erhöhen.

Demnach

setzen

sich

Marketinginformationen aus Marketingdaten zusammen, jedoch nur aus solchen, die für

den

Marketingentscheider

inhaltlich

tatsächlich

bedeutsam

und

damit

problemrelevant sind; Marketinginformationen sind folglich im Gegensatz zu Marketingdaten empfängerorientiert. Die neu erlangten Marketinginformationen muss der Entscheidungsträger schließlich mit dem ihm vorliegenden Wissen abgleichen bzw. verknüpfen, um zweckorientiertes Marketingwissen zu erlangen. Zweckorientiertes Marketingwissen entsteht durch die Verarbeitung, Filterung und Bewertung von Informationen; erst wenn der Entscheidungsträger diese in den Kontext seines Erfahrungswissens einbettet und mit seinem Verstand bewertet, erlangen sie einen Nutzen. 297 Gerade in der Praxis ist es aufgrund der Vielzahl an verfügbaren Marketinginformationen essenziell, dass die vom Entscheidungsträger herangezogenen Informationen für die entsprechende Frage- bzw. Problemstellung auch tatsächlich relevant und nützlich sind; es sollte sich also um „zweckorientiertes 293

Vgl. Probst/Raub/Romhardt 2006, S. 16; Amelingmeyer 2004, S. 43.

294

Als Zeichen gelten Ziffern, Buchstaben und Sonderzeichen.

295

Vgl. Davenport/Prusak 1998, S. 27f.

296

Vgl. Burmann 2001, S. 21.

297

Vgl. Al-Laham 2003, S. 27ff.; Güldenberg 2003, S. 158; Neumann 2000, S. 61f.; Albrecht 1993, S. 45; Kunze 2000, S. 31f.; Komus 2001, S. 24.

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

111

Wissen“298 handeln. Solches Marketingwissen kann zusammenfassend bezeichnet werden

als

„eine

Wertvorstellungen,

fließende

Mischung

Kontextinformationen

und

aus

strukturierten

Fachkenntnissen,

Erfahrungen, die

in

ihrer

Gesamtheit einen Strukturrahmen zur Beurteilung und Eingliederung neuer Erfahrungen und Informationen bietet“ 299. Die wichtigsten Differenzierungsmerkmale von Wissen zu Daten und Informationen bestehen darin, dass Wissen an Personen gebunden ist (Personenbezogenheit) und sich auf spezifische Handlungen bezieht (Handlungsbezogenheit). 300 Nach Ryle lassen sich hinsichtlich des Merkmals der Handlungsorientierung zwei Arten von Wissen differenzieren: „Knowing that is knowledge of facts and relationships, the primary subject of formal education and news; it may be subdivided into knowingwhat and knowing-why […]. Knowing how, by contrast, is the ability to perform actions to achieve a desired result. It includes skill both in performance and in recognizing when and where this skill should be applied.” 301 Tatsächlich handlungsorientiertes Marketingwissen („Marketing Know-how“) entsteht demnach erst durch die Verknüpfung zweckorientierten Marketingwissens („Marketing Knowthat“) mit praktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten des Entscheidungsträgers („Marketing Skills“). Wichtig ist dabei, dass im Sinne von Marketing Intelligence, die eine Verbesserung der Entscheider- und Entscheidungsunterstützung im Marketing postuliert, zweckorientiertes Marketingwissen eben nicht als ausreichend erscheint; vielmehr ist das Vorhandensein spezifischer Marketing Skills – auch bei den Entscheidern auf der Nachfrageseite von Marketinginformationen – erforderlich, so dass tatsächlich handlungsorientiertes Marketingwissen entstehen kann. Erst solches

Marketingwissen,

das

vom

Marketingentscheider

in

Form

von

entscheidungsorientierten Schlussfolgerungen sowie klaren Handlungsempfehlungen direkt umsetzbar ist, kann die Qualität von Marketingentscheidungen verbessern. Abbildung 12 verdeutlicht die aufgezeigten Zusammenhänge:

298

Vgl. Wittmann 1959, S. 14; Bode 1997, S. 474ff.

299

Davenport/Prusak 1998, S. 32.

300

Vgl. Zboralski 2007, S. 15; Burmann 2001, S. 16f.

301

Ryle 1960, S. 26.

112

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

Unternehmensinterne und -externe Quellen

Integration von neuem u. bestehendem Marketingwissen

Auswahl entscheidungsrelevanten Marketingwissens

Entscheidung/ Problemlösung

Marketing Skills Verfügbares MarketingFaktenwissen

Handlungs(„Marketing Know-what“)

Marketingdaten

Marketinginformationen

Integrierte Marketinginformationen

Vorhandenes

Zweckorientiertes

orientiertes

Marketingwissen

Marketingwissen

(„Marketing Know-that“)

(„Marketing Know-how“)

MarketingErfahrungswissen („Marketing Know-why“)

Marketing Skills

Abbildung 12: Von Marketingdaten zu handlungsorientiertem Marketingwissen Quelle:

in Anlehnung an Burmann 2001, S. 18.

Zusammenfassend wird Marketingwissen für die vorliegende Arbeit wie folgt definiert: Handlungsorientiertes Marketingwissen („Marketing Know-how“) benötigt die Verknüpfung theoretischen Faktenwissens („Marketing Know-what“) sowie bestehenden Erfahrungswissens („Marketing Know-why“) mit subjektiven Fähigkeiten und Fertigkeiten des Entscheidungsträgers („Marketing Skills“). Es umfasst die Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten, die Marketingentscheider zur Problemlösung heranziehen. Die Entstehung und Anwendung von Wissen vollzieht sich demnach vor allem in den Köpfen der Mitarbeiter. Seine Nutzbarkeit hängt folglich davon ab, dass es nicht nur implizit dort verbleibt, sondern in eine explizite Form transformiert und auch für Dritte verfügbar gemacht wird.

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

113

4.3.2 Die Wissensbasis im Marketing Grundsätzlich lassen sich unterschiedliche Arten von Wissen charakterisieren. Dabei ist die Klassifikation von implizitem und explizitem Wissen von besonderer Bedeutung.302

Implizites

Wissen

umfasst

sowohl

kognitive

Elemente,

wie

beispielsweise Intuition, subjektive Einsichten, Erfahrungen sowie Ideale, Werte und Gefühle einer Person, als auch spezifische individuelle Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Problemlösung. Aufgrund des subjektiven und intuitiven Charakters von implizitem Wissen ist dieses oft nicht direkt artikulierbar; vielmehr ist es unmittelbar in das Handeln von Individuen eingebettet. Zudem ist sich der Wissensträger solchen Wissens oftmals nicht bewusst; es wird daher auch als unbewusstes („tacites“) Wissen bezeichnet. 303 Deshalb ist es schwierig und häufig auch nicht möglich, implizites Wissen zu transferieren, zu archivieren und zu reproduzieren. Dem impliziten Wissen kommt jedoch eine enorme Bedeutung zu, da es dem expliziten Wissen notwendigerweise zugrunde liegen muss. Explizites Wissen, das im Gegensatz zu implizitem Wissen nicht an eine Person gebunden ist, wird als bewusstes, artikulierbares Wissen bezeichnet, das strukturiert und sprachlich umgesetzt

in

kodierter

Form,

beispielsweise

in

Datenbanken

oder

auch

Dokumentationen, angelegt werden kann. Hierbei handelt es sich um Sach- und Faktenwissen, aber auch um dokumentierte Erfahrungen. Eine Bearbeitung, Weiterleitung bzw. Speicherung von explizitem Wissen ist somit problemlos möglich.304 Beide Wissensarten – explizites und implizites Wissen – sind grundsätzlich als komplementäre, zusammenwirkende Komponenten zu betrachten. Das heißt, die beiden Kategorien sind aufeinander bezogen: jede implizite Handlung weist in der Regeln auch bestimmte explizite Wissensanteile auf. 305 Des Weiteren kann auch eine Differenzierung von Wissen hinsichtlich des Wissensträgers306 in individuelles und kollektives Wissen erfolgen. Individuelles Wissen ist an einzelne Personen gebunden; es ist im Bewusstsein dieser Person 302

Diese epistemologische Kategorisierung in implizites und explizites Wissen wurde von Polanyi vorgeschlagen und von Nonaka und Takeuchi popularisiert (vgl. Polanyi 1966; Nonaka 1991, 1992 und 1994; Nonaka/Takeuchi 1997, S. 72).

303

Vgl. Schreyögg/Geiger 2005, S. 438f. Polanyi betont daher zusammenfassend: „We know more than we can tell“ (Polanyi 1966, S. 4).

304

Vgl. Nonaka/Takeuchi 1997, S. 18ff. Siehe zur Unterscheidung von explizitem und implizitem Wissen beispielsweise Ahlert/Blut 2006, S. 21f.; Schreyögg/Geiger 2005, S. 438ff.; Al-Laham 2004, S. 410; Amelingmeyer 2004, S. 47; Meynhardt 2004, S. 120ff.; Schwaninger 2000, S. 4ff.

305

Vgl. Reber 1993, S. 23.

306

Dabei kann zwischen personellen, materiellen und kollektiven Wissensträgern unterschieden werden (vgl. Amelingmeyer 2004, S. 55ff.).

114

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

verankert und somit auch nur dem Individuum selbst zugänglich. Analog zu solchem impliziten Wissen gibt es jedoch auch explizites Wissen, das durch Verschluss bzw. Geheimhaltung nur für ein Individuum zugänglich ist. Kollektives Wissen hingegen wird von mehreren Mitgliedern einer Organisation geteilt bzw. ist ihnen prinzipiell zugänglich. In impliziter Form ist dieses beispielswiese in aufgestellten Regeln, unternehmensinternen Prozessen und Strukturen oder auch in gemeinsamen Wertvorstellungen eingebettet,

die von einer Abteilung

oder

dem ganzen

Unternehmen geteilt bzw. gelebt werden; in expliziter Form liegt solches kollektive Wissen

beispielsweise

in

Informationssystemen,

Präsentationen

oder

auch

Handbüchern und kann auf diese Weise mehreren bzw. allen Personen im Unternehmen zugänglich gemacht werden. Zusammen bilden individuelle und kollektive Wissensbestände die Wissensbasis. Beide Komponenten können – wie bereits erläutert – sowohl implizit als auch explizit vorliegen. 307 Im

Marketing

setzt

sich

das

vorhandene

Wissen

prinzipiell

sowohl

aus

„speicherbaren“ Daten und Informationen, welche den Entscheidungsträgern beispielsweise mittels einer Datenbank zugänglich gemacht werden, als auch in hohem Maße aus persönlichen Erfahrungen zusammen. Während das theoretische Faktenwissen („know-what“) in der Regel in eine explizite Form transformierbar ist, sind das Erfahrungswissen („know-why“) sowie die Fähigkeiten und Fertigkeiten des Entscheidungsträgers überwiegend implizit. Bestimmtes Wissen ist auch an einzelne Marketingentscheider gebunden (wie beispielsweise detailliertes Wissen eines KeyAccount-Managers über seinen Kunden), während andere Bestandteile des Wissens prinzipiell allen Mitarbeitern im Marketing zugänglich sind (wie beispielsweise Wissen aus Marketing-Informationssystemen oder auch gemeinsame Werte und Richtlinien für das Marketing bzw. Unternehmen). Abbildung 13 veranschaulicht exemplarisch die Wissensbasis im Marketing, die sich aus individuellen und kollektiven Komponenten zusammensetzt, welche wiederum sowohl in impliziter als auch in expliziter Form vorliegen können.

307

Vgl. Al-Laham 2003, S. 31; Güldenberg 2003, S. 198f.

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

115

Wissensbasis im Marketing Individuelles Wissen Explizites Wissen

Kollektives Wissen

Implizites Wissen

• Datenbanken

Implizites Wissen

Explizites Wissen

• Branchen-, Marktund Kundenwissen

• Ergebnisse von Meetings, Workshops

• Expertenwissen

• Regeln, Strukturen

• Erfahrung, Intuition

• Gemeinsame Wertvorstellungen der Mitarbeiter

• Fachzeitschriften • Patente

• Formalisiertes, strukturiertes Wissen • Wissenssysteme

•… •…

• Wissenshandbuch •…

•…

Umwandlung

Umwandlung

Überführung

Abbildung 13: Die Wissensbasis im Marketing Quelle: in Anlehnung an Gentsch 2001, S. 52.

Häufig besonders wertvoll für Marketingentscheidungen ist implizites Wissen in den Köpfen einzelner Mitarbeiter. Soll solches Wissen auch anderen Mitarbeitern zugänglich gemacht werden, so bedarf es einer Umwandlung in explizites Marketingwissen sowie einer Überführung von individuellem in kollektives Wissen, um auch solches Wissen über einzelne Personen hinweg nutzbar zu machen. Die Schaffung einer expliziten, organisationalen Wissensbasis, die für alle Mitarbeiter des Marketings verfügbar und transparent ist, stellt daher eine grundlegende Aufgabe für Marketing Intelligence dar. Da die Entscheidungsqualität durch einen höheren Wissensbestand verbessert werden kann, ist eine detaillierte, möglichst vollständige

Wissensbasis

für

ausschlaggebender Bedeutung.

308

Entscheidungsprozesse

308

Siehe hierzu auch Amelingmeyer 2004, S. 18.

im

Marketing

von

116

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

4.3.3 Wissensschaffung im Unternehmen als „organisatorisches Lernen“ – Das Modell der „Wissensspirale“ Ausgehend von der Frage nach möglichen Gründen für die (damals so empfundene) Überlegenheit japanischer Unternehmen in der Produktentwicklung gegenüber ihren amerikanischen

und

europäischen

Konkurrenten

und

darauf

basierenden

empirischen Untersuchungen in japanischen Unternehmen haben Nonaka und Takeuchi ein Modell der Wissensschaffung in Unternehmen entwickelt. Die Autoren gehen davon aus, dass verbal mitteilbares Wissen, das in Worten und Zahlen fassbar ist, nur die Spitze des Eisbergs menschlichen Wissens darstellt. Wissen ist ihrer Meinung nach überwiegend etwas Implizites und daher schwer vom subjektiven Erfahrungskontext des Einzelnen zu lösen und unabhängig davon zu vermitteln. Nach ihrer Ansicht ist jedoch gerade die Nutzung von implizitem Wissen im Rahmen der Ideenfindung und Produktentwicklung ausschlaggebend für den ökonomischen Erfolg japanischer Unternehmen. 309 Diesen Ansatz japanischer Unternehmen beschreiben Nonaka und Takeuchi in ihrem Modell der „Wissensspirale“. Dabei differenzieren sie in Anlehnung an Polanyi zwischen explizitem und implizitem Wissen 310 und formulieren vier Formen der Wissensumwandlung, die den Kern ihres Ansatzes darstellen (vgl. Abbildung 14). Idealtypisch beginnt die organisationale Wissensschaffung mit dem Austausch von „Sympathized Knowledge“ – der Sozialisation. Die Sozialisation beschreibt die Entstehung von implizitem Wissen aus bereits vorhandenem implizitem Wissen. Der Sozialisationsprozess führt zu einem Erfahrungsaustausch, in welchem durch Nachahmung und Beobachtung – und eben nicht durch Sprache – das Wissen vermittelt wird und auf diese Weise neues implizites Wissen geschaffen wird, zum Beispiel

ein

gemeinsames

mentales

Modell. 311

Zum

Transfer

impliziten

Marketingwissens kommt es beispielsweise auf der Datenseite, wenn ein neuer Mitarbeiter in Zusammenarbeit und durch praktisches Mittun von seinen Kollegen erlernt, wie das Briefing eines Marktforschungsinstituts abläuft. Es findet somit eine Weitergabe impliziten Marketingwissens zwischen verschiedenen Personen statt.

309

Vgl. Nonaka/Takeuchi 1997, S. 18ff.

310

Siehe hierzu Abschnitt 4.3.2.

311

Vgl. Nonaka/Takeuchi 1997, S. 75-77.

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

117

nach …implizit

…explizit

Sozialisation

Externalisation

„Sympathized Knowledge“

„Conceptual Knowledge“

„Operational Knowledge“

„Systemic Knowledge“

Internalisation

Kombination

implizit…

Von

explizit…

Abbildung 14: Die Formen der Wissensschaffung Quelle: in Anlehnung an Nonaka/Takeuchi 1997, S. 85.

Der Externalisierungsprozess wird durch konstruktiven Dialog oder durch kollektive Reflexion ausgelöst. Hierbei erfolgt eine Umwandlung von implizitem Wissen in explizites und damit kommunizierbares Wissen. Implizites Wissen wird zunächst mit Metaphern oder auch Analogien beschrieben, um dieses quasi in explizites Wissen zu „übersetzen“; das ursprünglich implizit vorliegende Wissen ist also in explizites Wissen konvertiert worden. Dieser Prozess dient der Herausbildung von „Conceptual Knowledge“. 312 Ein Beispiel für die Externalisierung von Marketingwissen wäre, wenn sich ein Marketingmanager durch Gespräche mit Kollegen seine Erfahrungen aus einer Entscheidungssituation ins Bewusstsein ruft und diese anschließend schriftlich dokumentiert, um sie weiteren Personen zugänglich zu machen. Der Prozess der Kombination, der die häufigste Form der Wissensumwandlung in Unternehmen darstellt, verknüpft verschiedene Bereiche von explizitem Wissen miteinander. kommuniziert

Hier wird Wissen über und

in

einem

Medien

gemeinsamen

(zum Beispiel

Datenbanken)

Wissenszusammenhang

neu

zusammengestellt. Durch die Kombination von neu geschaffenem und bereits existierendem Wissen auch in anderen Abteilungen eines Unternehmens entsteht so 312

Vgl. Nonaka/Takeuchi 1997, S. 77-80.

118

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

genanntes „Systemic Knowledge“. 313 In Bezug auf Marketingwissen kommt es zu einer Kombination, wenn beispielsweise spezifische Kundenbeschwerden in einer Datenbank dokumentiert werden und solches Kundenwissen anschließend dem Produktmarketing übermittelt wird. Der Produktmanager greift dieses Wissen auf, kombiniert es mit vorhandenem (technischen) Produktwissen und führt auf Basis des integrierten Wissens gegebenenfalls entsprechende Produktmodifikationen durch. Internalisierung beschreibt schließlich eine Eingliederung expliziten Wissens in das implizite Wissen. Die Erfahrungen bei der Anwendung des expliziten Wissens („learning by doing“) führen zu einer Vertiefung der impliziten Wissensbasis. Dieser Prozess beinhaltet die Transformation von explizitem Wissen durch subjektive Erfahrung

in

spezifisches

Know-how.

So

haben

beispielsweise

Marketinginformationen erst einen Nutzen, wenn sie vom Marketingentscheider bei der Entscheidungsfindung aktiv verwendet werden, um so ein individuelles, subjektives Gefühl für die jeweilige Problem- bzw. Fragestellung zu erlangen. Auf diese Weise entsteht durch die Anwendung von expliziten Wissen so genanntes „Operational Knowledge“.314 Das praktische implizite Erfahrungswissen eines Individuums aus dem Prozess der Internalisierung stößt die nächste Spiralbewegung an und löst somit einen neuen Kreislauf der Wissensentwicklung aus. Die Generierung von neuem Wissen erfolgt – auch im Marketing – in dem dargestellten 4-stufigen Zyklus, so dass der Wissensentstehungsprozess als Spiralmodell zu verstehen ist; auf diese Weise wird eine Wissensspirale zwischen implizitem und explizitem Wissen geschaffen. 315 „Das dynamische Wechselspiel zwischen diesen beiden Wissensformen bildet den Schlüssel zur Wissensschaffung im Unternehmen [bzw. im Marketing] und vollzieht sich

in

einem

spiralförmigen

Prozess

immer

wieder

aufs

neue.“316

Der

organisatorische Wissensgenerierungsprozess weist demnach eine dynamische und kontinuierliche Entwicklung auf, die durch den Wechsel zwischen unterschiedlichen Wissenstransformationsprozessen zustande kommt. Schließlich

fügen

Nonaka

und

Takeuchi

diesem

organisatorischen

Wissensgenerierungsprozess neben der epistemologischen Dimension, die sich auf 313

Vgl. Nonaka/Takeuchi 1997, S. 81f.

314

Vgl. Nonaka/Takeuchi 1997, S. 82-84.

315

Vgl. Nonaka/Takeuchi 1997, S. 74ff.

316

Nonaka/Takeuchi 1997, S. 9.

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

119

die Unterscheidung zwischen implizitem und explizitem Wissen bezieht, die ontologische Dimension hinzu. Die ontologische Dimension als zweite grundlegende Achse der Wissenserzeugung differenziert zwischen individuellem und kollektivem Wissen317. Auf einem Kontinuum zunehmender Kollektivierung wird zwischen verschiedenen

Ebenen oder

Einheiten

im Prozess

der Wissenserzeugung

unterschieden: Individuum, Gruppe, Organisation und interorganisationale Ebene. Das

Wissen

eines

Individuums

Wissenstransformation Personenkreis.

erweitert

Diesen

wird

und

Prozess

durch

erreicht

die

vier

dabei einen

beschreiben

Nonaka

Formen

immer

und

der

größeren

Takeuchi

als

Wissensspirale, „in der die Interaktion von implizitem und explizitem Wissen auf dem Weg durch die ontologischen Schichten immer reicher wird“ 318.

Epistemologische Dimension Externalisierung Explizites Wissen

Kombination

Sozialisierung

Implizites Wissen

Internalisierung

Individuum

Gruppe

Unternehmen

Unternehmensinteraktion

Wissensebene

Abbildung 15: Die Spirale der Wissensschaffung im Unternehmen Quelle: Nonaka/Takeuchi 1997, S. 87.

317

Siehe hierzu Abschnitt 4.3.2.

318

Nonaka/Takeuchi 1997, S. 86.

Ontologische Dimension

120

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

Durch die effektive Gestaltung der Übergänge zwischen implizitem und explizitem Wissen sowie zwischen individuellem und kollektivem Wissen, aus der eine spiralförmige Bewegung des Wissens von implizitem zu explizitem Wissen (und zurück) über die unterschiedlichen Ebenen im Unternehmen entsteht, kommt es zur organisationalen Wissensschaffung. Idealerweise sollen die vier Formen der Wissensschaffung in einem iterativen Prozess immer wieder auf einem höheren Wissensstand und unter Einbezug von immer mehr Organisationsmitgliedern, das heißt auf einer höheren ontologischen Dimension, wiederholt werden. 319 Dadurch wird jedes Mal eine neue, verbesserte Basis impliziten Wissens geschaffen, von der aus eine neue Wissensspirale in Gang gesetzt werden kann. Auf diese Weise werden letztendlich organisatorische Lernprozesse geschaffen, die neues Wissen hervorbringen und dadurch die organisationale Wissensbasis kontinuierlich verändern. 320 „Unter organisationalem Lernen ist der Prozess der Erhöhung und Veränderung der organisationalen Wert- und Wissensbasis, die Verbesserung

der

Problemlösungs-

und

Handlungskompetenz

sowie

die

Veränderung des gemeinsamen Bezugsrahmens von und für Mitarbeiter innerhalb der Organisation zu verstehen.“ 321 Organisatorisches Lernen trägt letztendlich durch Wissenstransfer Intelligenz bei.

und

Wissensanwendung

zur

Entwicklung

organisationaler

322

In Anlehnung an das Modell der Wissensspirale von Nonaka und Takeuchi werden in Abschnitt 5.4.1 ausführlich Möglichkeiten der Wissensschaffung im Marketing diskutiert. Organisationale Lernprozesse unterstützen demnach auch im Marketing die Generierung und den Transfer von Wissen. Auf diese Weise trägt Marketing Intelligence schließlich zur Vision einer lernenden Organisation bei.

319

Vgl. Nonaka/Takeuchi 1997, S. 84ff.; Nonaka 1991, S. 99.

320

Vgl. Pawlowsky 1994, S. 158.

321

Probst/Büchel 1994, S. 17.

322

Vgl. Willke 2001, S. 280; Wengelowski 2000, S. 29f.

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

121

4.3.4 Systematischer Umgang mit Wissen – Das Modell der „Bausteine des Wissensmanagements“ Nach einer (modellhaften) Erläuterung, wie im Unternehmen Marketingwissen generiert werden kann, stellt sich die Frage, wie im Marketing solches Wissen gespeichert und genutzt werden kann. Die Ausführung zur Wissensschaffung sollen daher um Überlegungen zu einem umfassenden Management von Wissen im Unternehmen bzw. im Marketing ergänzt werden. Nicht selten ist es der Fall, dass prinzipiell vorhandenes Marketingwissen nicht (systematisch) genutzt wird, da es nicht transparent und verfügbar ist, wenn es benötigt wird. Zudem wird häufig ein und dasselbe Wissen (zum Beispiel

annähernd gleiche

Marktforschungsstudien)

mehrfach in Auftrag gegeben, weil nicht bekannt ist, über welches Wissen andere Mitarbeiter bzw. Abteilungen verfügen. Derartige Überlegungen verdeutlichen die Notwendigkeit eines Wissensmanagements, denn die systematische Gestaltung von Prozessen und Systemen im Sinne eines ganzheitlichen Wissensmanagements ist auch für das Marketing von entscheidender Bedeutung. In diesem Zusammenhang erscheint es zweckmäßig, auf das Modell der „Bausteine des Wissensmanagements“ von Probst, Raub und Romhardt zurückzugreifen. Dieses Modell unterteilt Wissensmanagement in verschiedene Aktivitäten bzw. Prozesse, die untereinander in Verbindung stehen. Ein äußerer Kreislauf, der die strategischen Aspekte des Wissensmanagements wiedergibt, lehnt sich an den klassischen Managementprozess an und besteht aus den Bausteinen Zielsetzung, Umsetzung und Messung. Dieser Regelkreis hebt die Wichtigkeit strategischer Aspekte eines Wissensmanagements im Unternehmen hervor. Auch im Marketing müssen konkrete Wissensziele festgelegt werden, deren Realisation schließlich kontrolliert werden muss, um gegebenenfalls zielgerichtet eingreifen zu können. Aus den

operativen

Aufgaben

des

inneren

Kreislaufs

lassen

sich

konkrete

Gestaltungsmöglichkeiten für ein Wissensmanagement im Marketing ableiten. Dieser innere

Kreislauf

umfasst

die

inhaltlichen

Bausteine

Wissensidentifikation,

Wissenserwerb, Wissensentwicklung, Wissens(ver)teilung, Wissensnutzung und Wissensbewahrung.323

Abbildung

16

verdeutlicht

Wissensmanagements nach Probst, Raub und Romhardt:

323

Vgl. Probst/Raub/Romhardt 2006, S. 33.

die

Bausteine

des

122

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

Wissensziele

Feedback

Wissensidentifikation

Wissensbewertung

Wissensbewahrung

Wissenserwerb

Wissensnutzung

Wissensentwicklung

Wissens(ver)teilung

Abbildung 16: Die Bausteine des Wissensmanagements Quelle: Probst/Raub/Romhardt 2006, S. 32.

Der Baustein der Wissensidentifikation betrifft die Schaffung einer internen und externen Transparenz über bereits vorhandenes Wissen. Gerade im Marketing, wo eine Vielzahl heterogener Informationen aus unternehmensinternen und -externen Quellen vorliegt, ist es notwendig, bereits vorhandenes Wissen zu identifizieren. Von daher muss eine gewisse Transparenz bezüglich des verfügbaren Marketingwissens geschaffen werden, so dass Marketingentscheider bei ihrer Entscheidungsfindung problemlos darauf zugreifen können. Darüber hinaus ist im Marketing häufig die Beschaffung bzw. der Zukauf externer Marketinginformationen (beispielsweise aggregierter Markt- bzw. Marktforschungsinformationen) erforderlich. Der Baustein Wissenserwerb bezieht sich daher auf die Akquisition von Marketingwissen und zeigt unterschiedliche Beschaffungsformen von unternehmensexternem Wissen auf. Eine weitere Möglichkeit, neues Wissen für das Marketing zu generieren, liegt in der Wissensentwicklung innerhalb des Unternehmens. Diese kann beispielsweise die Entwicklung

neuer

Fähigkeiten

und

Fertigkeiten,

besserer

Ideen

sowie

leistungsfähigerer Prozesse betreffen. Um jedoch das im Marketing verfügbare Wissen tatsächlich nutzbar zu machen bzw. zur Entscheidungsfindung heranzuziehen, bedarf es der Wissens(ver)teilung. Die Wissens(ver)teilung beinhaltet die Aufgabe, vorhandenes Wissen zielgerichtet und effizient

den

jeweiligen

Marketingentscheidern

zugänglich

zu

machen.

Die

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

123

Generierung und Verteilung von Marketingwissen allein ist allerdings nicht ausreichend, erst durch dessen tatsächliche Anwendung kann für das Marketing ein Mehrwert

(beispielsweise

in

Form

von

effektiveren

und

effizienteren

Marketingentscheidungen) erzielt werden. Der Baustein Wissensnutzung betrifft daher den effektiven und effizienten Einsatz von Marketingwissen entsprechend der jeweiligen Frage- bzw. Problemstellung. Um sich vor Wissensverlusten zu schützen, gilt es, die Wissensbewahrung sicherzustellen. Diese umfasst neben der Selektion von bewahrungswürdigem Wissen die Speicherung und die Aktualisierung bzw. Pflege der Wissensbasis im Marketing.324 Die Unterteilung in einzelne Wissensbausteine ermöglicht es, spezifische Aufgaben abzuleiten und damit auch Verantwortungsbereiche zuzuordnen. Generell sieht das praxisorientierte Modell von Probst, Raub und Romhardt das Management von Wissen als Führungsaufgabe an; Erfolg und Misserfolg im Umgang mit Wissen sind hauptsächlich

auf

zurückzuführen.325

Entscheidungen Die

Unterstützung

und der

Handlungen

des

Managements

Unternehmensleitung

bzw.

des

Marketingmanagements stellt also eine grundlegende Voraussetzung für ein Wissensmanagement im Marketing und damit für Marketing Intelligence dar. Für die konkrete Ausgestaltung eines jeden Bausteins stehen unterschiedliche Maßnahmen zur Verfügung. 326 Wissensziele lassen sich im Marketing beispielsweise mittels eines so genannten Wissensleitbildes determinieren; dadurch kann für das Marketing festgelegt werden, welche Fähigkeiten und Kompetenzen an welchen Stellen bzw. hinsichtlich welcher Prozesse in Zukunft ausgebaut werden sollen. Für die Identifikation von Marketingwissen können unter anderem so genannte Wissenskarten, welche die jeweiligen Wissensträger und Wissensbestände im Marketing festhalten, zum Einsatz kommen. Für den Wissenserwerb bietet sich die Akquisition von bzw. die Zusammenarbeit mit besonders wissensintensiven Unternehmen im eigenen Kompetenzfeld an. Hierfür kommt für das Marketing beispielsweise die Kooperation mit einem externen Marktforschungsinstitut in Betracht, das kontinuierlich Wissen über Markt und Konsumenten liefert. Die Wissensentwicklung, die sich unter anderem mit der Kreierung bislang nicht bestehender Fertigkeiten beschäftigt, kann beispielsweise durch die Errichtung von 324

Vgl. Probst/Raub/Romhardt 2006, S. 28ff.

325

Vgl. Soukup 2001, S. 100f.

326

Siehe für eine ausführliche Romhardt 1998, S. 69ff.

Darstellung

von

Maßnahmen

einzelner

Wissensbausteine

124

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

Kompetenzzentren (so genannter „think tanks“) gefördert werden. So könnte im Marketing ein Kompetenzzentrum „Web 2.0“ gegründet werden, dessen Mitglieder sich intensiv mit Chancen und Risiken des Web 2.0 als Kommunikationsmedium auseinandersetzen. Die Ausgestaltung der Infrastruktur, etwa die Implementierung eines Wissensnetzwerkes, kann den Baustein der Wissens(ver)teilung unterstützen. Auf diese Weise können Marketingentscheider genau auf das Wissen zugreifen, das sie zur Entscheidungsfindung benötigen. Darüber hinaus sollte die Nutzung von Marketingwissen beispielsweise durch eine nutzungsgerechte Gestaltung von Dokumenten (durch grafische Aufbereitung bzw. Visualisierung) oder auch durch eine einfache, benutzerfreundliche Handhabung von Datenbanken verbessert werden. Ein Instrument der Wissensbewahrung stellt die Bindung von wichtigen Wissensträgern

an

das

Unternehmen

mit

Hilfe

von

Anreizsystemen

und

Austrittsbarrieren dar. So verfügt beispielsweise ein Key Account Manager über wertvolles Kundenwissen; es wird daher in der Regel versucht, solche Wissensträger durch monetäre Anreize in Form von Prämien etc. zu halten. Im Rahmen der Wissensbewertung wird schließlich das Erreichen der definierten Wissensziele untersucht. In diesem Zusammenhang kann zum einen versucht werden, die Veränderung bzw. Erweiterung der Marketingwissensbasis sichtbar zu machen. Zum anderen können für das Marketing als Grundlage eines Wissenscontrollings unterschiedliche Indikatoren oder auch Messsysteme, wie etwa die Balanced-ScoreCard, herangezogen werden. Insgesamt stellen die geschilderten Bausteine des Wissensmanagements einen umfassenden Wissensmanagementansatz dar. Diese Ausführungen verdeutlichen, dass es einer systematischen Handhabung von Marketingwissen bedarf, um Wissen bei Entscheidungsprozessen im Marketing effektiv und effizient einsetzen zu können. In Abschnitt 5.4.3 werden ausführlich konkrete Maßnahmen für ein ganzheitliches und systematisches Wissensmanagement im Marketing diskutiert.

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

125

4.3.5 Wissensmanagement als Fundament von Marketing Intelligence Aus Sicht des Wissensmanagements geht es vor allem darum, „Wissen in der erforderlichen Menge und Qualität zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort in effektiver und effizienter Weise verfügbar zu machen und […] die zukünftige Entwicklungsfähigkeit der Unternehmen durch eine entsprechende Dynamik der Wissensbasis sicherzustellen“ 327. Die Fähigkeit der Veränderung und Anreicherung der Wissensbasis sowie letztendlich die intelligente Nutzung von Marketingwissen werden für Unternehmen zu maßgeblichen Wettbewerbsfaktoren. Erst das Management von Marketingwissen und letztendlich dessen erfolgreiche Anwendung ermöglichen die Umsetzung innovativer Produktstrategien, wettbewerbsfähiger Marktstrategien sowie individueller Kundenstrategien. 328 Für das Marketing gewinnt, wie bereits erläutert, bereitgestelltes Wissen (im Sinne von zweckorientiertem Wissen („Marketing Know-that“)), das sich aus theoretischem Faktenwissen („Marketing Know-what“) und subjektivem Erfahrungswissen des Entscheidungsträgers („Marketing Know-why“) zusammensetzt, erst an Wert, wenn es in handlungsorientiertes Wissen, so genanntes Können („Marketing Know-how“), umgesetzt und als Grundlage für bestimmte Entscheidungen bzw. Handlungen herangezogen wird.329 Die bloße Bereitstellung von Faktenwissen genügt nicht, wenn nicht die Umsetzung von Wissen in Können erfolgt; hierzu sind über analytische Fähigkeiten hinaus spezifische Fertigkeiten – so genannte Marketing Skills – notwendig,

damit

problembezogene Lösungsvorschläge

Marketingentscheider

akzeptiert

und

genutzt

entstehen,

werden.

Damit

die vom

ist

bereits

angesprochen, dass auch das Können noch nicht ausreicht, wenn beim Marketingentscheider die entsprechende Motivation zum Handeln nicht vorhanden ist.

Darüber

hinaus

handlungsorientiertes

ist

auch

die

Marketingwissen

Fähigkeit zielorientiert

des in

Marketingentscheiders, Entscheidungen

bzw.

Handlungen umzusetzen, notwendig für ein „intelligentes Marketing“, welches schließlich

zu

messbaren

Resultaten

führt.

Abbildung

17

veranschaulicht

zusammenfassend die erforderlichen Schritte einer Marketing Intelligence anhand der Wissenstreppe im Marketing:

327

Vgl. Amelingmeyer 2004, S. 20.

328

Vgl. North 2005, S. 31; Ackerschott 2001, S. 26ff.

329

Siehe hierzu ausführlich Abschnitt 4.3.1.

126

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

ches tegis Stra

nt eme anag m s n e Wiss

Intelligentes Marketing Anwendung

Marketinginformationen Marketingdaten Zeichen

+ zielorientiert Wollen handeln Marketing- Können („know-how“) + Motivation zum Wissen Handeln („know-that“, „know-why“) + Fähigkeiten

+ Integration (Kontext, + Bedeutung Erfahrungen)

+ Syntax

s ative oper

t men nage sma n e s Wis

Abbildung 17: Die Wissenstreppe im Marketing Quelle:

in Anlehnung an North 2005, S. 32.

Von einer wissensorientierten Unternehmensführung im Marketing kann nur gesprochen werden, wenn alle Stufen der Wissenstreppe gestaltet werden. Ist eine Stufe nicht ausgebildet, so kann diese einen Stolperstein auf dem Weg zu „intelligentem Marketing“ darstellen. Strategisches Wissensmanagement durchläuft die

Wissenstreppe

von

oben

nach

unten;

hierbei

geht

es

darum,

das

Wissensmanagement im Marketing so zu gestalten, dass es im Sinne einer Marketing Intelligence die Entscheider- und Entscheidungsunterstützung von Marketingmanagern und damit letztendlich die Effektivität und Effizienz von Marketingentscheidungen verbessert. Ausgangspunkt in strategischer Hinsicht stellt daher die Zielsetzung eines umfassenden Wissensmanagements für das Marketing und daraus resultierend von Marketing Intelligence als System dar. Für Marketing Intelligence stellt sich auf dieser strategischen (System-)Ebene insbesondere die Frage, welche Kompetenzen ein Marketingentscheider besitzen sollte und welches

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

127

handlungsorientierte Marketingwissen („Marketing Know-how“) erforderlich ist, um „intelligente“ Entscheidungen treffen zu können. Operatives Wissensmanagement hingegen verläuft die Wissenstreppe von unten nach oben und impliziert die Überführung

von

Marketingdaten

über

Marketinginformationen

hin

zu

Marketingwissen – also den Pfad, die (strategische) Zielsetzung einer Marketing Intelligence zu verwirklichen. Damit sind – jeweils für den konkreten Problem- bzw. Entscheidungsfall – die einzelnen Marketing Intelligence-Prozesse angesprochen, um auf dem Weg von bloßen Marketingdaten und -informationen möglichst weit in Richtung

handlungsorientierten,

umsetzbaren

Marketingwissens

voran

zu

kommen.330 Grundsätzlich sind daher für Marketing Intelligence im Sinne eines ganzheitlichen Wissensmanagements sowohl strategische als auch operative Aspekte von Bedeutung. Bei der Generierung von entscheider- und entscheidungsrelevantem Marketingwissen handelt es sich um einen operativen Prozess, in dessen Rahmen der Wissensbestand im Marketing kontinuierlich zu aktualisieren, zu integrieren und auf diese Weise zu erweitern ist. Zum einen ist darauf zu achten, dass das vorhandene Marketingwissen tatsächlich genutzt wird und in Entscheidungen einfließt, um den Wissensbestand im Marketing durch Lernprozesse verändern bzw. anpassen zu können; zum anderen ist es nötig, den Wissensbestand im Marketing fortlaufend zu erweitern bzw. zu aktualisieren, indem neu erworbenes Wissen mit vorhandenem Wissen integriert wird. In strategischer Hinsicht ist Marketing Intelligence als System zu verstehen, dessen grundlegende Zielsetzung in der Unterstützung

des

Marketingentscheiders

und

damit

in

einer

generellen

Verbesserung der Marketingentscheidung durch die Bereitstellung von entscheiderund entscheidungsrelevantem Marketingwissen besteht. Das Konzept des Wissensmanagements kann daher als das Fundament von Marketing Intelligence verstanden werden. Durch dessen zyklischen Verlauf in Form einer Wissensspirale wird kontinuierlich neues Marketingwissen geschaffen und die Wissensbasis im Marketing erweitert bzw. aktualisiert. Dies führt wiederum zu einer Verbesserung der Entscheider- und Entscheidungsunterstützung im Marketing. Marketing Intelligence ebnet somit durch kontinuierliche Lernprozesse den Weg für ein „intelligentes Marketing“. 330

Zur Differenzierung zwischen strategischem und operativem Wissensmanagement siehe auch das Modell der „Bausteine des Wissensmanagements“ von Probst, Raub und Romhardt (vgl. hierzu Abschnitt 4.3.4).

128 4.4

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence Konzeptioneller Bezugsrahmen von Marketing Intelligence

Auf Grundlage der theoretischen Überlegungen lässt sich nun zusammenfassend ein konzeptioneller

Bezugsrahmen

erarbeiten,

der

in

einer

ganzheitlichen

Betrachtungsperspektive möglichst viele Aspekte eines Marketing IntelligenceKonzepts abbildet. Marketing Intelligence ist als eine intermediäre Funktion zwischen der Angebots- und der Nachfrageseite von Marketinginformationen zu betrachten. Dies heißt jedoch keinesfalls, dass es sich hierbei um eine weitere Stelle zwischen den beiden Subsystemen handelt, sondern vielmehr ist Marketing Intelligence eine Funktion, die nur durch die Zusammenarbeit bzw. Verknüpfung der Daten- und der Entscheidungsseite im Marketing zu erbringen ist. Für die Generierung von entscheider- und entscheidungsorientiertem Marketingwissen – wie es im Sinne einer Marketing Intelligence gefordert wird – ist daher eine Integration der Marketingdaten bzw. -informationen in die Entscheidungsprozesse des Marketings notwendig. Marketing Intelligence im umfassenden Sinne beinhaltet zwei zentrale Aspekte: Zum einen die Fähigkeit, disaggregierte Daten über Kunden, Wettbewerber etc. in Informationen und diese in verwertbares, handlungsorientiertes Marketingwissen zu transformieren; zum anderen die Fähigkeit, auf diese Weise zur Lösung von Problemen, zur Bewältigung neuer Anforderungen und Situationen zu gelangen. Marketing Intelligence betrifft also das Management von marketingrelevantem Wissen, um auf diese Weise bestmögliche Marketingentscheidungen treffen zu können.331 Aus der in der vorliegenden Arbeit besonders beachteten Perspektive der Angebotsseite

von

problemrelevanten

Marketinginformationen Marketingdaten

stellt

neben

sich

die

aggregierten

Frage,

welche

Markt-

bzw.

Marktforschungsdaten noch benötigt werden, damit tatsächlich entscheider- und entscheidungsrelevantes Marketingwissen entstehen kann. Die Nutzung des Marketingwissens und damit die eigentliche Entscheidung hingegen sind dem Aufgabenbereich

des

Marketinginformationen

Marketingmanagements –

zuzuordnen.

Bezugsrahmen von Marketing Intelligence.

331

Vgl. Wimmer/Göb 2005, S. 389.



der

Nachfrageseite

von

Abbildung

18

veranschaulicht

den

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

129

(Angebotsseite von Marketinginformationen)

Informationsebene

Wissensebene

Datenebene

Entscheidung

ENTSCHEIDUNGSSEITE

Marketing Intelligence-Cycle

(Nachfrageseite von Marketinginformationen)

DATENSEITE

UNTERNEHMENSEINFLÜSSE

UMWELTEINFLÜSSE

Abbildung 18: Der Bezugsrahmen von Marketing Intelligence

Grundsätzlich wird deutlich, dass Marketing Intelligence als eine intermediäre Funktion

zwischen

der

Angebots-

und

der

Nachfrageseite

von

Marketinginformationen zu charakterisieren ist. Im Sinne des Wissensmanagements umfasst

Marketing

Intelligence

dabei

drei

Ebenen:

die

Datenebene,

die

Informationsebene sowie die Wissensebene. Marketing Intelligence überführt in prozessualer Hinsicht Marketingdaten in Marketinginformationen und diese wiederum in

Marketingwissen.

Dieses

Wissen

stellt

schließlich

die

Grundlage

von

Marketingentscheidungen dar. Insgesamt entsteht auf diese Weise ein Kreislauf, der so genannte Marketing Intelligence-Cycle. Der Marketing Intelligence-Cycle in prozessualer (operativer) Hinsicht überführt vorhandene Daten in Informationen und diese über „Insights“ in Wissen, auf dessen Grundlage

„intelligentes

Marketing“,

das

heißt

eine

Verbesserung

der

Entscheidungsqualität, möglich ist. Hierfür ist im Marketing eine kontinuierliche,

130

Theoretische Fundierung von Marketing Intelligence

interaktive Zusammenarbeit zwischen Daten- und Entscheidungsseite auf den einzelnen Prozessebenen notwendig. Die vom Marketingmanagement umgesetzte Entscheidung bzw. Handlung manifestiert sich in der Regel in konkreten Maßnahmen, deren Wirkungen auf der Datenebene in Form von Reaktionen (beispielsweise von Seiten der Kunden oder auch Wettbewerber) erfasst werden. Durch Analyse und Bewertung der neuen Daten gelangt man wiederum zu Informationen und letztendlich zu Wissen; auf diese Weise können zum einen Rückschlüsse auf die Qualität der realisierten Marketingentscheidung gezogen werden und zum anderen ergeben sich Möglichkeiten und Restriktionen für neue Lernprozesse

bzw.

Erkenntnisse

bezüglich

zukünftiger

Frage-

und

Problemstellungen des Marketings. In strategischer Hinsicht kann der Marketing Intelligence-Cycle als System somit im Sinne des organisatorischen Lernens zu einer kontinuierlichen Erweiterung bzw. Aktualisierung der Marketingwissensbasis und damit

zu

einer

stetigen

Verbesserung

Marketingentscheidungsprozesses beitragen.

der

Leistungsfähigkeit

des

5

Der Marketing Intelligence-Cycle – Entwicklungsschritte zur Verbesserung der Entscheider- und Entscheidungsunterstützung im Marketing

Der Marketing Intelligence-Cycle

5.1

Der Marketing Intelligence-Cycle aus System- und Prozesssicht

Marketing Intelligence ist, wie bereits erläutert, im Sinne eines umfassenden Wissensmanagements sowohl aus strategischer als auch aus operativer Perspektive zu betrachten. In strategischer Hinsicht geht es darum, im Unternehmen einen Marketing Intelligence-Cycle zu implementieren, der quasi als System im Sinne des organisatorischen

Lernens

zu

einer

kontinuierlichen

Generierung

von

Marketingwissen und damit zu einer stetigen Verbesserung der Entscheider- und Entscheidungsunterstützung des Marketings beiträgt. Grundsätzlich soll ein solches System sicherstellen, dass auch der operative Prozess von Marketing Intelligence (bezogen auf einen konkreten Entscheidungsfall) im Sinne einer Lernspirale funktioniert. Hierbei überführt Marketing Intelligence in prozessualer Hinsicht vorhandene Daten in Informationen und diese wiederum in Wissen, das den Marketingentscheider in Bezug auf die jeweilige Frage- bzw. Problemstellung bei seiner

Entscheidungsfindung

unterstützt

und

damit

letztendlich

zu

einer

Verbesserung der Marketingentscheidung für einen konkreten Entscheidungstatbestand führt.

5.1.1 Der Marketing Intelligence-Cycle als System Marketing Intelligence zeichnet sich vor dem Hintergrund des Wissensmanagements durch einen holistischen Umgang mit der Ressource Wissen aus. Dennoch wird es aufgrund der komplexen Marketingumwelt bei gleichzeitig beschränkter Rationalität der handelnden Personen nicht möglich sein, eine zentrale Stelle zu schaffen, die für die Bereitstellung entscheidungsrelevanter Marketinginformationen sowie deren Allokation in die Entscheidungsprozesse des Marketings zuständig ist. Ganz im Gegenteil müssen alle Akteure der Daten- und Entscheidungsseite mitwirken, damit Marketingwissen geschaffen wird, das schließlich zu einer Verbesserung der Entscheider- und Entscheidungsunterstützung im Marketing führt. In dieser Hinsicht muss Marketing Intelligence als System quasi eine „Infrastruktur“ implementieren, die

132

Der Marketing Intelligence-Cycle

im Sinne des organisatorischen Lernens zu einer stetigen Erweiterung der Marketingwissensbasis und damit zu einer kontinuierlichen Verbesserung der Entscheidungsprozesse im Marketing führt. Um diese Zielsetzung zu erreichen, hat Marketing Intelligence geeignete Strukturen zu entwickeln. Zum einen ist hierfür eine funktionale Ausgestaltung der Zusammenarbeit zwischen der Angebots- und der Nachfrageseite von Marketinginformationen erforderlich und zum anderen sind auch informationstechnologische Systeme zu implementieren, welche die Aufgaben einer Marketing Intelligence unterstützen bzw. überhaupt erst ermöglichen. Generell entsteht Marketing Intelligence, wie bereits erörtert, erst durch das Zusammenwirken von Angebots- und Nachfrageseite von Marketinginformationen. Als sinnvoll erscheint daher ein Kreislauf, der bestehende Marketingdaten und -informationen so in die Entscheidungsprozesse des Marketings integriert, dass durch Schaffung einer fundierten Marketingwissensbasis der Entscheidungsträger bei seiner Entscheidungsfindung unterstützt wird und somit die Qualität von Marketingentscheidungen verbessert wird. Der Marketing Intelligence-Cycle umfasst als Prozessstufen die Daten-, Informations- und Wissensebene (siehe Abbildung 19).

Datenebene

Informationsebene

• Definition des Analyseziels

• Prozess der Datenintegration

• Informationsbedarfsanalyse

• Verfahren zur Analyse von Marketingdaten

Analyse, Anreicherung

• Generierung von Marketing Insights

Problemverständnis

• Ganzheitliches Management von Wissen

Problemlösung

Abbildung 19: Der Marketing Intelligence-Cycle

ati o pre t

Wissensebene • Wissensschaffung und -verteilung (Sozialisation, Externalisierung, Kombination, Internalisierung)

Int er

on k ti ele -S Re

n, Re fle xio n

Se lek tio n

Problemdefinition

Datenseite (Angebotsseite von Marketinginformationen)

Entscheidungsseite (Nachfrageseite von Marketinginformationen)

Der Marketing Intelligence-Cycle

133

Ein grundlegendes Element des Marketing Intelligence-Cycles ist die Datenebene. Hier erfolgt die Selektion von Marketingdaten, die insbesondere durch die Systematisierung und Konkretisierung von Marketingproblemen sowie durch die darauf aufbauende Analyse des Informationsbedarfs determiniert wird. Auf diese Weise

wird

in

Zusammenarbeit

von

Angebots-

und

Nachfrageseite

von

Marketinginformationen ein Rahmen gesteckt, der den Entscheidungstatbestand eingrenzt; sicherlich handelt es sich hierbei nicht um eine detaillierte Planung. Vielmehr soll das Handlungsfeld in Form einer Problemdefinition abgesteckt werden. Das stetige Wachstum der Datenbestände im Marketing macht allerdings den Zugriff auf die benötigten Marketinginformationen immer schwieriger. Daher ist es notwendig, die erforderlichen Daten aus der Vielzahl an verfügbaren Marketingdaten zu filtern, sie gegebenenfalls mit zusätzlichen (extra zu erhebenden) Marketingdaten zu ergänzen und anschließend zu aussagekräftigen Marketinginformationen zu integrieren. Durch Analyse der integrierten, entscheidungsrelevanten Marketingdaten wird schließlich ein umfassendes Problemverständnis erlangt. Der Übergang zur Informationsebene

impliziert

demnach

die

Anreicherung

und

Analyse

entscheidungsrelevanter Marketingdaten, so dass für den Entscheidungsträger ein Informationswert entsteht. Diese Tätigkeiten fallen, wie auch in Abbildung 19 ersichtlich,

insbesondere

in

den

Tätigkeitsbereich

der

Angebotsseite

von

Marketinginformationen. Um die Entscheider- und Entscheidungsunterstützung im Marketing zu verbessern, ist jedoch die Generierung von Marketingwissen erforderlich.

Hierfür

bedarf

es

einer

Interpretation

und

Reflexion

der

Marketinginformationen, welche den Übergang zur Wissensebene ausmachen. Erst auf dieser Ebene erfolgt die eigentliche Integration der Marketinginformationen in die Entscheidungsprozesse des Marketings, weil erst hier Marketingentscheider das gewonnene Sach- bzw. Faktenwissen in den Kontext ihres Erfahrungswissens einbetten und mit ihrem Verstand bewerten, um daraus Schlussfolgerungen für ihr Handeln zu ziehen. Solches handlungsorientiertes Wissen umfasst die Gesamtheit der Fähigkeiten und Kenntnisse, die Marketingentscheider zur Problemlösung heranziehen; es kann damit unmittelbar in Handlungen umgesetzt werden. Die Kernelemente

der

Wissensebene

bilden

die

Wissensschaffung

sowie

das

systematische Management der Ressource Marketingwissen. Auf dieser Ebene des Marketing Intelligence-Cycles ist die Überbrückung der häufig bestehenden Kluft zwischen der Angebots- und der Nachfrageseite von Marketinginformationen besonders wichtig, da diese sich andernfalls in Form von Wissensbarrieren unmittelbar auf die Schaffung und das Management von Marketingwissen auswirkt;

134

Der Marketing Intelligence-Cycle

dies würde schließlich die Entscheidungsunterstützung des Marketingmanagers bebzw. unter Umständen sogar verhindern.

5.1.2 Der Prozess von Marketing Intelligence als Lernspirale Marketing Intelligence entsteht durch einen Kreislauf über die Daten-, Informationsund Wissensebene hinweg. Der Marketing Intelligence-Cycle, der in systemischer Hinsicht

insgesamt

zu

einer

Verbesserung

der

Entscheider-

und

Entscheidungsunterstützung des Marketings führt, stellt sicher, dass der (operative) Prozess von Marketing Intelligence für einen konkreten Entscheidungsfall im Sinne einer Lernspirale funktioniert. Der Prozess von Marketing Intelligence überführt – bezogen auf einen konkreten Einzelfall – die benötigten Marketingdaten in Informationen und diese wiederum in Wissen. Für einen einzelnen, spezifischen Entscheidungsfall stellt sich der Prozess folgendermaßen dar: Ausgangspunkt ist eine spezifische Problem- bzw. Fragestellung des Marketings. Nachdem diese ausreichend systematisiert und konkretisiert wurde und damit der Rahmen des jeweiligen Entscheidungsfalls in Form einer Problemdefinition abgesteckt wurde, wird der erforderliche Informationsbedarf festgelegt. In einem weiteren Schritt werden schließlich aus der Vielzahl der verfügbaren Marketingdaten die tatsächlich entscheidungs- und entscheiderrelevanten Daten selektiert und gegebenenfalls noch zusätzliche Daten, die für die Entscheidungsfindung benötigt werden, beschafft. Die relevanten Marketingdaten (und nur diese) werden zu einer einheitlichen Datenbasis verknüpft und anschließend mittels geeigneter Verfahren analysiert. Sie erlangen einen Informationswert und liefern somit ein tiefergehendes Verständnis für den jeweiligen

Entscheidungsfall.

Dieses

generierte

Faktenwissen

verknüpft

der

Marketingentscheider schließlich mit seinem persönlichen Erfahrungswissen aus früheren

(ähnlichen)

Entscheidungssituationen,

interpretiert

sodann

das

zweckorientierte Marketingwissen mittels seiner praktischen Fertigkeiten und gelangt schließlich zu handlungsorientiertem Marketingwissen, das er direkt in Form einer konkreten Entscheidung bzw. Handlung umsetzen kann. Nachdem für eine spezifische Problem- bzw. Fragestellung eine Entscheidung getroffen wurde und diese durch spezifische Maßnahmen umgesetzt wurde, entstehen oft weitere, mit dem ursprünglichen Entscheidungsfall verbundene Fragebzw. Problemstellungen. Diese durchlaufen wieder die drei Prozessstufen des

Der Marketing Intelligence-Cycle

135

Marketing Intelligence-Cycles, allerdings bereits auf einer höheren Wissensebene (vgl. Abbildung 20). Auf Grundlage dieser „besseren“ Marketingwissensbasis wird wieder

eine

Entscheidung

getroffen,

welche

die

ursprüngliche

Marketingentscheidung in der Regel optimiert (beispielsweise in Form einer Modifikation). Auch diese angepasste Entscheidung bzw. Handlung kann wiederum weitere neue bzw. ergänzende Frage- bzw. Problemstellungen mit sich bringen und stößt somit einen neuen Durchlauf des Marketing Intelligence-Cycles an, jedoch auf einem noch höheren Wissensstand. Insgesamt entsteht somit ein spiralförmiger Prozess; das heißt, idealtypisch wird der Marketing Intelligence-Cycle immer wieder auf einem stetig steigenden Wissensstand durchlaufen. Dadurch wird für einen spezifischen

Entscheidungstatbestand

jedes

Mal

eine

neue,

verbesserte

Marketingwissensbasis geschaffen, von der aus wieder eine neue Windung der Wissensspirale durchlaufen werden kann. Sicherlich ist es dem Marketing aufgrund begrenzter Zeit- und Budgetvorgaben nicht möglich, diesen Prozess für ein spezifisches Entscheidungsproblem beliebig häufig zu wiederholen. Offensichtlich ist jedoch, dass jeder weitere Durchlauf des spiralförmigen Prozesses von Marketing Intelligence grundsätzlich zu einer stetigen Erweiterung bzw. Aktualisierung des Marketingwissens für einen konkreten Entscheidungsfall beiträgt. Abbildung 20 veranschaulicht den beschriebenen Prozess von Marketing Intelligence für ein spezifisches Marketingproblem. Idealtypisch ergibt sich für jedes Entscheidungsproblem ein solcher spiralförmiger Verlauf des Marketing Intelligence-Cycles. Das bedeutet, dass im Marketing insgesamt eine Vielzahl solcher spiralförmiger Marketing Intelligence-Prozesse abläuft, nämlich für sämtliche Entscheidungsfälle. Der Marketing Intelligence-Cycle als

System

bringt

somit

einerseits

eine

permanente

Verbesserung

der

Marketingwissensbasis und andererseits eine Erhöhung der Kompetenz der Marketingentscheider mit sich; er stellt sicher, dass der Prozess von Marketing Intelligence als Lernspirale durchlaufen wird. Auf diese Weise wird nicht nur der Wissensstand im Marketing erhöht, sondern auch der Marketing Intelligence-Cycle selbst optimiert, so dass der Prozess von Marketing Intelligence immer effektiver und effizienter ablaufen kann.

136

Der Marketing Intelligence-Cycle

n

Datenebene Informationsebene Wissensebene

Kontinuierliche Verbesserung der Marketingwissensbasis für gleiche bzw. ähnliche Problemstellungen

Datenebene Informationsebene Wissensebene

Datenebene Informationsebene Wissensebene

Datenebene Informationsebene Wissensebene

Problem

Abbildung 20: Der Prozess von Marketing Intelligence

Der Marketing Intelligence-Cycle ist stets in seiner Gesamtheit zu betrachten. Nur so ist sicherzustellen, dass eine Lernspirale entsteht, welche den lernenden Charakter des Prozesses einer Marketing Intelligence widerspiegelt. Im Folgenden werden nun die einzelnen Elemente des Marketing Intelligence-Cycles genauer betrachtet und Handlungsempfehlungen für eine Integration von Marketinginformationen in die Entscheidungsprozesse

des

Marketings

abgeleitet.

Obwohl

die

einzelnen

Prozessstufen des Marketing Intelligence-Cycles getrennt voneinander betrachtet werden, darf dabei der holistische, interdependente Charakter der Elemente nicht außer Acht gelassen werden.

Der Marketing Intelligence-Cycle 5.2

137

Datenebene des Marketing Intelligence-Cycles

Das Angebot von Marketingdaten steigt aufgrund der verbesserten Informations- und Kommunikationstechnologie permanent an. Neben unternehmensinternen Daten, die „automatisch“ im Rahmen der operativen Geschäftsprozesse anfallen, sehen sich Marketingentscheider zusätzlich mit (extra zu erhebenden) unternehmensexternen sowie aggregierten Markt- bzw. Marktforschungsdaten konfrontiert. 332 Es wird daher immer schwieriger, aus dieser Datenflut die tatsächlich relevanten, vom Entscheider benötigten Marketingdaten zu selektieren. Grundsätzlich geht es daher auf der Datenebene des Marketing Intelligence-Cycles darum, bestehende Frage- bzw. Problemstellungen

zu

konkretisieren

und

zu

systematisieren

sowie

den

erforderlichen Informationsbedarf zu analysieren.

5.2.1 Konkretisierung und Systematisierung von Marketingproblemen durch Analyseziele Ausgangspunkt des Marketing Intelligence-Prozesses bildet ein spezifisches Marketingproblem. Dieses kann entweder auf der strategischen Ebene angesiedelt sein und in einer strategischen Entscheidung resultieren oder die operative Ebene betreffen und dort gegebenenfalls zu einer Routineentscheidung führen. 333 Die Zielsetzung sowohl bei strategischen als auch bei operativen Entscheidungen besteht stets darin, das vorliegende Marketingproblem zu lösen; die zu gewinnenden Erkenntnisse sollten beispielsweise zur Beantwortung spezifischer Problem- bzw. Fragestellungen

oder

auch

Handlungsmaßnahmen dienen.

zur

Gestaltung

von

Marktbearbeitungs-

bzw.

334

Um überhaupt ein Marketingproblem zu erkennen, werden in der Regel schon Marketingdaten benötigt. So können Kontrolldaten dem Marketing Hinweise liefern, inwieweit

beispielsweise

bereits

implementierte

Marketingmaßnahmen

den

Kundenwünschen gerecht werden oder ob sie gegebenenfalls zu modifizieren bzw. anzupassen sind. Aus vorhandenen Situations- bzw. Prognosedaten hingegen kann häufig abgeleitet werden, ob und gegebenenfalls welche Aktionen geplant werden 332

Siehe hierzu ausführlich Abschnitt 3.2.2.

333

Siehe zur Differenzierung Abschnitt 3.1.1.2.

334

Vgl. Neckel/Knobloch 2005, S. 161ff.

idealtypischer

Ausprägungen

von

Marketingentscheidungen

138

Der Marketing Intelligence-Cycle

sollten. Die Identifikation eines bestehenden Marketingproblems reicht jedoch noch nicht aus, um den erforderlichen Informationsbedarf abzuleiten und sich für ein geeignetes

analytisches

Vorgehen

(zum

Beispiel

für

ein

bestimmtes

Analyseverfahren) zu entscheiden. Darüber hinaus ist es notwendig, die bestehende Problem- bzw. Fragestellung zu konkretisieren. Hierfür liegen insbesondere zwei Gründe vor: Zum einen zeichnen sich auftretende Marketingprobleme anfangs durch einen eher allgemeinen Charakter aus, so dass die Ableitung spezifischer Handlungskonsequenzen oder auch analytischer Fragestellungen nur schwer möglich ist. Zum anderen können bei der Problemdefinition weitere bedeutsame Sachverhalte aufgedeckt werden, die durch die Konkretisierung erst zum Vorschein kommen.335 Obgleich eine Konkretisierung des Marketingproblems häufig eher vernachlässigt wird, ist sie durchaus von Bedeutung, da bei der anschließenden Datenanalyse nur diejenigen Problemaspekte berücksichtigt werden können, die bereits hier als relevant erachtet wurden. In

einem

weiteren

Schritt

ist

es

notwendig,

das

nunmehr

konkretisierte

Marketingproblem zu systematisieren und zu operationalisieren; das heißt, das Marketingproblem ist in beobachtbare und damit auf Basis von Daten messbare Sachverhalte zu zerlegen. Resultat ist hierbei die Formulierung eines Analyseziels – idealtypisch in Form einer analytischen Fragestellung. 336 Abbildung 21 verdeutlicht exemplarisch anhand eines CRM-Problems, wie aus anfangs noch generellen Marketingproblemen

spezifische

analytische

Zieldefinitionen abgeleitet werden können.

335

Vgl. Neckel/Knobloch 2005, S. 163f.

336

Vgl. Neckel/Knobloch 2005, S. 165.

Fragestellungen

in

Form

von

Der Marketing Intelligence-Cycle

CRMProblem bzw. -Ziel Konkretisiertes CRM-Problem bzw. -Ziel

139

Basisstrategie Kundenrückgewinnung: Verringerung der Abwanderungsrate

Untersuchung des Abwanderungsverhaltens

Vermeidung der Abwanderung

Entwicklung einer Kundenbindungskampagne

Fachliche Ebene

Analyseziel

Welche Kunden sind bereits abgewandert?

Was sind die typischen Abwanderungsgründe?

Welche Kunden sind abwanderungsgefährdet?

Welche Kunden sollen wir direkt ansprechen?

Analyseebene

Abbildung 21: Vom CRM-Problem zum Analyseziel (Beispiel Kundenrückgewinnung) Quelle: in Anlehnung an Neckel/Knobloch 2005, S. 167.

Selbst für die Konkretisierung und Systematisierung von Marketingproblemen und -fragestellungen ist bereits eine Zusammenarbeit zwischen der Angebots- und Nachfrageseite von Marketinginformationen erforderlich: Während auf der fachlichen Ebene insbesondere das Konkretisieren eines CRM-Problems bzw. –Ziels eher in den Aufgabenbereich der Entscheidungsseite fällt, obliegt es auf der Analyseebene vorwiegend der Datenseite, hieraus spezifische Analyseziele abzuleiten. Ein Analyseziel bzw. eine analytische Fragestellung liefert zum einen erste Hinweise für Informationsmanager (bzw. Marketingentscheider), welche Marketingdaten hierfür benötigt werden, und zum anderen ergeben sich bereits Anhaltspunkte bezüglich geeigneter Verfahren und Methoden der Datenanalyse.

140

Der Marketing Intelligence-Cycle

5.2.2 Gap-Modell der Informationsbedarfsanalyse zur Aufdeckung möglicher Diskrepanzen zwischen Informationsnachfrage und Informationsangebot „Umfang, Genauigkeit und Häufigkeit bereitzustellender Informationen werden vom Informationsbedarf der einzelnen […] Entscheidungsträger […] bestimmt. Dieser Informationsbedarf hängt ab von den konkreten Aufgabenstellungen, den verfolgten Zielen

und

von

sozial-

und

individualpsychologischen

Eigenschaften

der

Entscheidungsträger.“ 337 Die Festlegung des jeweils im Einzelfall bestehenden bzw. subjektiv wahrgenommenen Informationsbedarfs wird also von diversen Faktoren determiniert. Grundsätzlich benötigen Marketingentscheider aufgrund unterschiedlicher kognitiver Stile338 divergierende Informationen für die Entscheidungsfindung; das heißt, nicht alle Marketinginformationen sind für den einzelnen Entscheidungsträger gleich nützlich.

Darüber

hinaus

ordern

Marketingentscheider

nicht

selten

auch

Informationen, die sie für bestimmte Fragestellungen bzw. Entscheidungen gar nicht benötigen; der subjektiv geäußerte Bedarf an Marketinginformationen differiert somit von den objektiven Erfordernissen des Entscheidungstatbestandes. Neben diesem eher durch den Entscheider selbst hervorgerufenen Auseinanderklaffen zwischen Informationsangebot und -bedarf kann es auch vorkommen, dass für spezifische Situationen gar keine oder nur wenige Informationen vorliegen bzw. beschafft werden können. Für andere Entscheidungen hingegen liegt eine Vielzahl heterogener Daten vor, die häufig kaum überschaubar sind. Hiermit sind die Probleme des Informationsmangels und des Informationsüberflusses angesprochen, welche auch bei der Informationsplanung 339 im Marketing zu berücksichtigen sind. Vor diesem Hintergrund wird in den folgenden Ausführungen die Festlegung des Informationsbedarfs im Marketing erläutert, indem zum einen das mögliche Auseinanderklaffen von Informationsbedarf und Informationsangebot und zum anderen die eventuell daraus resultierenden Folgen des Informationsmangels und des Informationsüberflusses erörtert werden. Der Informationsbedarf ist als Auslöser der Informationsbeschaffung zu verstehen. Dem vom Marketingentscheider geäußerten Informationsbedarf wird zunächst ein 337

Picot/Reichwald 1991, S. 256.

338

Siehe ausführlich Abschnitt 3.1.2.3.

339

Die Informationsplanung als Subprozess des Informationsmanagements umfasst die Analyse der Informationsbedarfe sowie der potenziellen Informationsquellen (vgl. Christian 2002, S. 55).

Der Marketing Intelligence-Cycle

141

Informationsangebot gegenübergestellt, wobei dieses nicht notwendigerweise mit den nachgefragten Informationen übereinstimmen muss. 340 Zudem kann auch, wie bereits angedeutet, die subjektive Nachfrage von den objektiven Erfordernissen abweichen. Folglich erweist es sich auch im Marketing als schwierige Aufgabe, den „[s]ubjektiven und objektiven Informationsbedarf, die Informationsnachfrage und das Informationsangebot möglichst weitgehend in Übereinstimmung zu bringen“ 341. Bevor detailliert auf die vielfältigen potenziellen Lücken zwischen der Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen eingegangen wird und insbesondere die daraus resultierenden Schwierigkeiten der Informationsplanung im Marketing aufgezeigt werden, erscheinen zunächst einige terminologische Klärungen dieser Konstrukte als sinnvoll. Beginnend mit dem Informationsbedarf ist zwischen objektivem und subjektivem Informationsbedarf

zu

unterscheiden.

Der

objektive

Informationsbedarf

wird

unabhängig von der Person des Entscheidungsträgers definiert und leitet sich allein aus der jeweiligen Aufgabenstellung ab. 342 Es ist demnach exakt der Bedarf angesprochen, der für eine spezifische Entscheidungssituation notwendig wäre. Da dieser Bedarf kaum (und wenn überhaupt lediglich im Nachhinein) zu erfüllen ist, ist der objektive Informationsbedarf als hypothetisches Konstrukt aufzufassen. Im Gegensatz zum objektiven Informationsbedarf wird der subjektive Informationsbedarf aus Perspektive des Entscheidungsträgers definiert. Es handelt sich hierbei um den Bedarf an Informationen, welcher dem einzelnen Individuum für die jeweilige Entscheidungssituation als relevant erscheint. 343 In vielen Arbeiten werden die Begriffe „subjektiver Informationsbedarf“ und „Informationsbedürfnis“ synonym verwendet344; der Bedeutungsgleichheit dieser beiden Begriffe wird auch in der vorliegenden Arbeit gefolgt. Davon

lässt

sich

der

Begriff

der

Informationsnachfrage

abgrenzen.

Die

Informationsnachfrage bezeichnet den „von einem Entscheidungsträger faktisch geäußerten (ausgesprochenen) Wunsch nach bestimmten Informationen“ 345 und 340

Vgl. Brockhoff 1983, S. 57.

341

Picot/Reichwald 1991, S. 276.

342

Vgl. Picot/Reichwald 1991, S. 275f.; Berthel 1992, Sp. 873; Gemünden 1993, Sp. 1728; Standop 1995, Sp. 964f.; Vornkahl 1997, S. 37; Garbe 1984, Sp. 1874.

343

Vgl. Picot/Reichwald 1991, S. 275; Vornkahl 1997, S. 36f.; Berthel 1992, Sp. 873; Gemünden 1993, Sp. 1726ff.

344

Vgl. u.a. Roleff 2001, S. 64; Vornkahl 1997, S. 36.

345

Roleff 2001, S. 66.

142

Der Marketing Intelligence-Cycle

stellt daher für gewöhnlich nur eine Teilmenge des subjektiven Informationsbedarfs dar. Dies kann schon allein durch vorgegebene Budgetrestriktionen bedingt sein. Abbildung 22 veranschaulicht die dargestellten Zusammenhänge zwischen dem objektiven und subjektiven Informationsbedarf sowie der Informationsnachfrage:

Subjektiver Informationsbedarf

Objektiver Informationsbedarf

Informationsstand Informationsangebot

Tatsächliche Informationsnachfrage

Abbildung 22: Zusammenhang zwischen objektivem und subjektivem Informationsbedarf, Quelle:

Informationsnachfrage und Informationsangebot in Anlehnung an Picot/Reichwald 1991, S. 276.

Aus Abbildung 22 geht hervor, dass bei der Informationsplanung zudem das Informationsangebot zu berücksichtigen ist. Deutlich wird hierbei, dass das Informationsangebot in der Regel nicht der Informationsnachfrage des Entscheidungsträgers entspricht. Konsequenzen hiervon können einerseits Informationsmangel (entspricht in Abbildung 22 dem Teil des Informationsnachfragekreises, der nicht durch den Kreis des Informationsangebots gedeckt wird) und andererseits Informationsüberfluss (entspricht in Abbildung 22 dem Teil des Informationsangebotskreises, der nicht durch den Kreis der Informationsnachfrage gedeckt wird) sein. Im Anschluss an diese theoretische Erläuterung der Begrifflichkeiten soll nun detailliert betrachtet werden, wie derartige Lücken zwischen der Nachfrage- und Angebotsseite von Marketinginformationen entstehen können. Das „Gap-Modell der

Der Marketing Intelligence-Cycle Informationsbedarfsanalyse“

143

(siehe

Abbildung

23)

veranschaulicht

graphisch

potenzielle Lücken bei der Informationsplanung im Marketing: 346

Objektiver Informationsbedarf Entscheidungsseite (Nachfrageseite von Marketinginformationen)

Subjektiver Informationsbedarf Kommunizierter Informationsbedarf Erfasster Informationsbedarf Informationsstand Realisierbares Informationsangebot

Datenseite (Angebotsseite von Marketinginformationen)

Subjektives Informationsangebot Objektives Informationsangebot Menge an Marketinginformationen

Abbildung 23: Das „Gap-Modell“ der Informationsbedarfsanalyse im Marketing Quelle: in Anlehnung an Christian 2002, S. 60.

Ausgangspunkt ist die Nachfrageseite von Marketinginformationen. Ausgehend von einer spezifischen Frage- bzw. Problemstellung im Marketing beschreibt der objektive Informationsbedarf diejenige Menge an Informationen, die exakt für die jeweilige Entscheidungssituation notwendig wäre. Dazu muss die Fragestellung komplett beschreibbar und vollständig operationalisierbar sein; dies ist (wenn überhaupt) für Entscheidungstatbestände im Marketing bestenfalls im Nachhinein möglich.347 Folglich wird im Marketing immer eine Lücke zwischen objektivem und subjektivem Informationsbedarf bestehen. Der subjektive Informationsbedarf – in der vorliegenden

Arbeit

Marketingentscheiders

auch

als

bezeichnet

Informationsbedürfnis –

beschreibt

den

eines Bedarf,

einzelnen den

der

Marketingentscheider für die jeweilige Situation als nötig erachtet. Hierbei handelt es sich um Marketinginformationen, die aus Sicht des Marketingentscheiders zur

346

Vgl. hierzu auch Christian 2002, S. 60ff.

347

Vgl. Vornkahl 1997, S. 37; Christian 2002, S. 60; Roleff 2001, S. 64.

144

Der Marketing Intelligence-Cycle

Vorbereitung, Unterstützung und Bestätigung einer Entscheidung als essenziell eingestuft werden. 348 Der subjektive Informationsbedarf ist demnach von zwei Faktoren abhängig: von der Entscheidungssituation und vom kognitiven Stil des Entscheidungsträgers. Diese beiden Faktoren determinieren maßgeblich die Lücke zwischen objektivem und subjektivem Informationsbedarf. 349 Die

Abhängigkeit

des

subjektiven

Informationsbedarfs

von

der

Entscheidungssituation bedingt, dass bei Frage- und Problemstellungen, die in gleicher Art und Weise immer wieder auftreten, sich auch der Informationsbedarf in gleicher Form wiederholen wird. Auf Dauer wird es somit möglich sein, eine immer bessere Kongruenz zwischen objektivem und subjektivem Informationsbedarf zu erzielen. In einem dynamischen, sich permanent ändernden Umfeld – wie auch dem Marketing – hingegen wird dies nicht möglich sein, da auch der objektive Informationsbedarf sich stets ändert; der Marketingentscheider wird ständig mit neuen bzw. angepassten Frage- und Problemstellungen konfrontiert. Aus diesem Grund wird im Marketing die Entscheidungssituation weniger zu einer Anpassung von objektivem und subjektivem Informationsbedarf beitragen. Durchaus denkbar ist allerdings,

dass

jene

Marketingentscheider,

die

aufgrund

langjähriger

Berufserfahrung einen umfassenden Erfahrungsschatz besitzen, in einzelnen Situationen besser abschätzen können, welche Marketinginformationen für die Entscheidungsfindung relevant und welche eher zu vernachlässigen sind. Die Erfahrung

und

der

Marketingentscheiders

damit

häufig

können

somit

einhergehende die

Lücke

kognitive

zwischen

Stil

objektivem

eines und

subjektivem Informationsbedarf verringern. Dennoch wird der objektive Informationsbedarf in der Regel niemals mit dem subjektiven Informationsbedarf übereinstimmen; wie aus Abbildung 23 hervorgeht, sind einerseits nicht alle Marketinginformationen des objektiven Bedarfs im subjektiven

Informationsbedarf

enthalten,

andererseits

wünscht

der

Marketingentscheider Informationen, die objektiv nicht relevant sind. Um die Lücke zwischen objektivem und subjektivem Informationsbedarf jedoch möglichst gering zu halten, sind für die jeweilige Problem- bzw. Fragestellung vorab konkrete Analyseziele festzulegen; 350 je detaillierter und zielgerichteter diese sind, desto

348

Vgl. Berthel 1992, Sp. 873; Vornkahl 1997, S. 36f.; Roleff 2001, S. 64.

349

Vgl. Christian 2002, S. 60; Vornkahl 1997, S. 46ff.; Breyer 1992, S. 87ff.; Diller 1975, S. 13f.

350

Siehe hierzu Abschnitt 5.2.1.

Der Marketing Intelligence-Cycle besser

ist

auch

eine

145

Angleichung

zwischen

objektivem

und

subjektivem

Informationsbedarf möglich. Darüber hinaus treten auf der Nachfrageseite von Marketinginformationen noch weitere Lücken auf; diese entstehen allerdings in erster Linie durch Kommunikationsund Verständnisprobleme. Sobald ein Entscheidungsträger im Marketing seinen subjektiven Informationsbedarf definiert (und gegebenenfalls auch mit Kollegen abgesprochen bzw. abgestimmt) hat, muss er sein Informationsbedürfnis der Datenseite mitteilen. Hierbei handelt es sich entsprechend Abbildung 23 um den kommunizierten Informationsbedarf (in Abbildung 22 als Informationsnachfrage bezeichnet). Vorwiegend aufgrund von Mitteilungs- und Verständigungsproblemen kommt

es

zu

einer

Lücke

zwischen

subjektivem

und

kommuniziertem

Informationsbedarf. So passiert es nicht selten, dass Marketingentscheider nur einen Teil des subjektiven Informationsbedarfs in Worte fassen (können) und somit gegenüber der Datenseite nicht ihr komplettes Informationsbedürfnis äußern. Von den

Informationsmanagern

der

Datenseite

wird

dieser

kommunizierte

Informationsbedarf wiederum häufig nicht vollständig verstanden, was zu einer nochmaligen Abweichung – dem erfassten Informationsbedarf – führt. Die Datenseite kann folglich nur den erfassten Informationsbedarf befriedigen, der allerdings nicht den

gesamten

subjektiven

Informationsbedarf

eines

Marketingentscheiders

abgedeckt. Die entstehenden Lücken zwischen subjektivem, kommuniziertem und erfasstem Informationsbedarf sind also hauptsächlich auf die verschiedenen „Sprachwelten“ der Entscheidungs- und Datenseite im Marketing zurückzuführen, woraus

nicht

selten

Kommunikations-

Missverständnisse resultieren.

351

und

Verständnisprobleme

sowie

Der Informationsmanager geht daher von einem

Informationsbedarf des Marketingentscheiders aus, der nur partiell mit dem subjektiven

und

noch

weniger

mit

dem

eigentlich

relevanten

objektiven

Informationsbedarf übereinstimmt. Analog hierzu ergeben sich auch auf der Angebotsseite von Marketinginformationen Lücken bei der Informationsplanung bzw. -beschaffung. Ausgangspunkt ist das objektive Informationsangebot; hierbei handelt es sich um unternehmensinterne und

351

In diesem Zusammenhang spricht Christian 2002 von einem hermeneutischen Fehlschluss: Obwohl beide Seiten glauben, sich zu verstehen, entstehen Missverständnisse, da häufig unterschiedliche Bedeutungen derselben Worte zugrunde gelegt werden (vgl. Christian 2002, S. 61).

146

Der Marketing Intelligence-Cycle

-externe Marketingdaten, die dem Unternehmen potenziell zugänglich sind. 352 Für Informationsmanager ist es so gut wie unmöglich, alle entscheidungs- und entscheiderrelevanten Daten zu kennen und diese auch noch zu berücksichtigen. Deshalb entsteht zwischen objektivem und subjektivem Informationsangebot eine erste Lücke auf der Angebotsseite von Marketinginformationen. Das subjektive Informationsangebot umfasst diejenigen Marketingdaten, Informationsmanagern

bekannt

sind

und

von

ihnen

für

den

die

jeweiligen

Entscheidungsfall als relevant erachtet werden. Jedoch können auch diese in der Regel nicht vollständig abgerufen werden, weshalb eine weitere Kluft zwischen subjektivem und realisierbarem Informationsangebot entsteht. Nicht selten werden Informationsmanagern strenge zeitliche Vorgaben vom Marketing gesteckt, so dass es nicht möglich ist, bestimmte, vorwiegend auch primär zu erhebende Daten zu beschaffen. Außerdem determiniert auch die Zugänglichkeit das Informationsangebot; manche Informationen, beispielsweise Konkurrenzdaten, können durch die Datenseite, obgleich sie interessant sein mögen, nicht abgefragt werden. Schließlich beschränkt

oftmals

das

Informationsbeschaffung.

353

Informationsbudget

als

ökonomische

Barriere

die

Darüber hinaus beeinflusst der Informationsmanager

selbst die Informationsbeschaffung im Marketing; seine Fähigkeiten beispielsweise bezüglich Informationssuche und -verwaltung sowie sein Bemühen, möglichst alle relevanten Daten zu bekommen, determinieren zudem die Lücke zwischen subjektivem und realisierbarem Informationsangebot. 354 Der Informationsstand stellt schließlich die Schnittstelle zwischen dem erfassten Informationsbedarf

auf

der

Entscheidungsseite

und

dem

realisierbaren

Informationsangebot auf der Datenseite dar. Lediglich in diesem Bereich wird das Informationsbedürfnis des Marketingentscheiders befriedigt, sofern der Austausch der Marketinginformationen zwischen Daten- und Entscheidungsseite reibungslos abläuft. Diese aufgezeigten Lücken bei der Informationsplanung im Marketing können folglich zu einer Diskrepanz zwischen Informationsbedarf und Informationsangebot führen, woraus schließlich Informationsmangel bzw. Informationsüberlastung entstehen. Die dargestellte Problematik macht deutlich, dass der Informationsbedarfsanalyse sowie 352

Siehe dazu die Ausführungen bezüglich des Informationsangebots im Marketing in Abschnitt 3.2.2.

353

Vgl. Vornkahl 1997, S. 96ff.; Christian 2002, S. 62.

354

Vgl. hierzu auch Ballin 2005, S. 187ff.

Der Marketing Intelligence-Cycle

147

damit verbunden der Analyse des Informationsangebots im Marketing eine große Bedeutung zugemessen werden sollte. Sicherlich ist es dabei notwendig, dass die Datenseite das Angebot an Marketinginformationen sowie deren Inhalte besser kennt, dennoch sollte auch die Entscheidungsseite zumindest eine groben Überblick darüber haben. Zusammenfassend veranschaulicht das Gap-Modell etwaige Inkongruenzen, die bei der Bedarfsanalyse

zwischen der Angebots- und der Nachfrageseite von

Marketinginformationen entstehen können. Es bietet somit die Möglichkeit, den Ablauf der Informationsbedarfsanalyse detailliert darzustellen. Die Bedarfsanalyse ist im Sinne einer Marketing Intelligence von entscheidender Bedeutung; nur wenn es gelingt, bereits auf der Datenebene eine qualitativ hochwertige Datenbasis für die anstehende Marketingentscheidung zu schaffen, können auch die nachfolgenden Prozessschritte des Marketing Intelligence-Cycles erfolgreich verlaufen. Ziel soll es daher sein, die aufgezeigten Lücken möglichst klein zu halten. Im Folgenden werden insbesondere vor dem Hintergrund dieses Modells Gestaltungshinweise gegeben, um den ersten Prozessschritt des Marketing Intelligence-Cycles, die Beschaffung und Bereitstellung bedarfsgerechter Marketingdaten, zu optimieren.

5.2.3 Sicherstellung einer bedarfsgerechten Problemdefinition durch interaktive Zusammenarbeit von Daten- und Entscheidungsseite Grundsätzlich hat die Informationsbedarfsanalyse enorme Auswirkungen auf den Marketing Intelligence-Cycle. In erster Linie beeinflusst sie die Beschaffung und Bereitstellung tatsächlich entscheidungs- und entscheiderrelevanter Marketingdaten; je präziser der Informationsbedarf analysiert und übermittelt wird, desto effektiver und effizienter kann die Informationsbeschaffung und -bereitstellung im Marketing ablaufen. Zudem wirkt sich die Informationsbedarfsanalyse auf die anschließende Anreicherung und Auswertung der Marketingdaten aus; so ist zu berücksichtigen, dass eventuell Daten aufgrund fehlender Brücken-Variablen nicht mit bereits vorliegenden Daten verknüpft werden können oder spezielle Analyseverfahren nicht durchführbar sind, da methodische Voraussetzungen (Skalenniveaus etc.) nicht gegeben

sind.

Deshalb

ist

eine

detaillierte

Abstimmung

zwischen

Marketingentscheidern und Informationsmanagern bereits auf der Datenebene maßgeblich für die weiteren Prozessstufen des Marketing Intelligence-Cycles.

148

Der Marketing Intelligence-Cycle

Zur Durchführung einer zielgerichteten Informationsbedarfsanalyse im Marketing ist es empfehlenswert, ein Analyseraster heranzuziehen. Abbildung 24 verdeutlicht exemplarisch ein derartiges Raster zur Analyse von Informationsbedarfen:

Hintergrund: Zu welchem Analyseziel wird die Information erhoben? Wozu?

Inhalt: Welche Informationen werden benötigt? Was?

Form: In welcher Art und Weise sollen Informationen erhoben werden? Wie?

Bedarfsanalyse

Nutzer: Welche Managementposition benötigt Informationen? Wer?

Zeit: Zu welchem Zeitpunkt werden die Informationen benötigt? Wann?

Abbildung 24: Raster zur Analyse des Informationsbedarfs Quelle:

In Anlehnung an Dannenberg/Barthel 2004, S. 113.

Eine erste Dimension für die Analyse des Informationsbedarfs betrifft die Konkretisierung und Systematisierung des Marketingproblems in Form von klar definierten

Analysezielen. 355

Darauf

aufbauend

sind

für

die

analytischen

Fragestellungen jene Marketinginformationen zu bestimmen, die dem einzelnen Marketingentscheider als relevant erscheinen (subjektiver Informationsbedarf) und möglichst tatsächlich auch benötigt werden (objektiver Informationsbedarf). Daneben sind erforderliche Form sowie gewünschter Zeitpunkt der bereitzustellenden Marketinginformationen

festzulegen.

Solche

Aspekte

können

wiederum

das

Informationsangebot einschränken (realisierbares Informationsangebot). Mittels eines solchen Rasters zur Informationsbedarfsanalyse kann es gelingen, dass einerseits möglichst wenige Marketinginformationen vernachlässigt werden, die für die Entscheidungsfindung relevant sind, und andererseits möglichst wenige

355

Siehe ausführlich Abschnitt 5.2.1.

Der Marketing Intelligence-Cycle

149

Marketinginformationen geordert werden, die für die jeweilige Frage- bzw. Problemstellung nicht bedeutsam sind. Die W-Fragen des Analyserasters können somit dazu beitragen, eine möglichst große Überschneidung zwischen subjektivem Informationsbedarf und realisierbarem Informationsangebot zu erzielen. Damit sind allerdings noch nicht die „Gaps“ der Informationsplanung, die aufgrund von Kommunikations- und Verständnisproblemen entstehen, angesprochen. Um die Lücken zwischen subjektivem, kommuniziertem und erfasstem Informationsbedarf möglichst gering zu halten, ist im Marketing insbesondere auf eine adäquate Übermittlung des Informationsbedarfs zwischen Entscheidungs- und Datenseite zu achten. Aus den im Rahmen dieser Arbeit geführten Experteninterviews ging hervor, dass die Bedarfsübermittlung im Marketing häufig schriftlich, meistens per E-Mail, oder auch telefonisch erfolgt. Abteilungsübergreifende Treffen zwischen Angebotsund Nachfrageseite von Marketinginformationen hingegen stellen nur selten die Regel dar; derartige Treffen finden lediglich bei größeren Projekten bzw. Studien statt. Häufig erfolgt sogar die Bedarfsplanung ausschließlich durch das Marketing; das heißt, die Datenseite ist gar nicht involviert, sondern eigentlich im Sinne eines bloßen Datenlieferanten lediglich für die Beschaffung und Bereitstellung der gewünschten Marketingdaten zuständig. Es ist daher nicht verwunderlich, dass bei der Artikulation des Informationsbedarfs etliche Lücken auftreten. Entscheidungsträgern im Marketing wird es sicherlich nicht immer gelingen, ihren subjektiven Informationsbedarf zum einen vollständig und zum anderen so präzise zu äußern, dass Informationsmanager diesen komplett verstehen. Um derartige Lücken zwischen Informationsbedarf und -angebot möglichst gering zu halten, ist schon bei der Informationsbedarfsanalyse eine enge und interaktive Zusammenarbeit zwischen der Entscheidungs- und Datenseite im Marketing sicherzustellen. Die Datenseite ist daher von Anfang an in den Marketing Intelligence-Cycle einzubinden. Beide Seiten müssen sich im Sinne einer internen Kunden-Lieferanten-Beziehung auf den Standpunkt der jeweils anderen Partei auch wirklich einlassen. Häufig ist sogar ein längeres Gespräch hierfür nicht ausreichend. Vielmehr bietet sich die Implementierung von Projektteams an, die sich sowohl aus Marketing- als auch aus Informationsexperten zusammensetzen – so genannte Marketing Intelligence-Teams. So kann gemeinsam beispielsweise in einem Workshop der erforderliche Informationsbedarf für Problem- bzw. Fragestellungen eruiert werden. Aus den durchgeführten Experteninterviews ging auch hervor, dass in manchen Fällen sogar ein derartiger Workshop als nicht ausreichend erscheint;

150

Der Marketing Intelligence-Cycle

manchmal ist daher die Mitarbeit eines Informationsmanagers im Marketing über einen längeren Zeitraum notwendig. 356 Grundlegend für eine interaktive Zusammenarbeit ist, dass beide Seiten versuchen, ein gemeinsames (sprachliches) Arbeitsumfeld aufzubauen. Aufgrund unterschiedlicher Aufgabenbereiche bestehen häufig differierende Sichtweisen: Während Marketingentscheider

eher

marktorientiert

denken,

ist

die

Informationsmanagern eher methoden- und verfahrensorientiert.

357

Denkweise

von

Zudem entstehen

über die Zeit hinweg häufig auch abteilungsspezifische sprachliche Welten, die sich durch charakteristische Redestile und daraus resultierend durch die Verwendung spezifischer Fachtermini voneinander unterscheiden. 358 Darüber hinaus werden bei der Analyse von Informationsbedarfen jeweils spezifische Sachkenntnisse von Marketingentscheidern und Informationsmanagern verlangt. Marketingentscheider sollten neben umfassenden Kenntnissen über das Entscheidungsproblem auf der Fachebene

auch

detaillierte

Markt-

und

Branchenkenntnisse

besitzen;

Informationsmanager hingegen müssen ihr Expertenwissen bezüglich geeigneter Methoden und Verfahren sowie generell bezüglich der Ressource Information einbringen. Weiterhin kann eine Verbesserungsmöglichkeit der Informationsbedarfsanalyse im Marketing darin bestehen, dass der von Daten- und Entscheidungsseite gemeinsam eruierte Informationsbedarf abschließend schriftlich dokumentiert wird. Hierfür bietet sich ein Marketing Intelligence-Handbuch an, das eine Art Pflichtenheft darstellt. Die Ergebnisse der Informationsbedarfsanalyse sind im Marketing Intelligence-Handbuch schriftlich zu fixieren und sowohl vom Marketingentscheider als auch vom Informationsmanager abzuzeichnen. Das Marketing Intelligence-Handbuch dient darüber hinaus quasi als „Auftragsbestätigung“; auch bei einer internen KundenLieferanten-Beziehung muss sich einerseits der Kunde – die Entscheidungsseite – darauf verlassen können, dass die gewünschten Informationen bedürfnisgerecht aufbereitet und zur richtigen Zeit verfügbar sind; andererseits möchte der Lieferant –

356

Diesbezüglich ist anzumerken, dass sicherlich nicht bei allen Marketingentscheidern eine frühzeitige Einbindung der Datenseite in den Marketingentscheidungsprozess gewünscht ist. Dennoch ist eine bedarfsgerechte Problemdefinition, wie sie im Sinne von Marketing Intelligence gefordert wird, nur durch die frühzeitige Integration der Datenseite sicherzustellen.

357

Auch die durchgeführten Experteninterviews verdeutlichten die unterschiedlichen Denkweisen von Marketingentscheidern und Marktforschern.

358

Vgl. Christian 2002, S. 65.

Der Marketing Intelligence-Cycle

151

die Datenseite – sicherstellen, dass die georderten Informationen vom Kunden abgenommen und entsprechend honoriert werden. Zusammenfassend ist es im Sinne von Marketing Intelligence entscheidend, dass zu Beginn eines jeden Projekts in interaktiver Zusammenarbeit zwischen Daten- und Entscheidungsseite Untersuchung

eine

ohne

Operationalisierung,

bedarfsgerechte

konkrete sondern

Problemdefinition

Zielformulierung

liefert

auch

keine

erschwert klaren

erfolgt. nicht

Vorgaben

„Eine

nur

die

für

das

nachfolgende Urteilen und Entscheiden. Die Qualität der Denkprozesse vor der Datenerhebung

ist

die

Hauptdeterminante

der

Qualität

des

gesamten

Forschungsvorhabens und des nachfolgenden Entscheidungsprozesses“359. Auf der Datenebene stellt demnach der „gemeinsame Denkprozess“ zwischen der Angebotsund

der

Nachfrageseite

von

Marketinginformationen

einen

maßgeblichen

Erfolgsfaktor für den Marketing Intelligence-Cycle dar; erst wenn eine zielgerichtete und

bedarfsgerechte

Problemdefinition

vorliegt,

ist

es

sinnvoll,

auf

der

Informationsebene die nächste Phase des Marketing Intelligence-Cycles zu starten.

5.3

Informationsebene des Marketing Intelligence-Cycles

Im Rahmen der Entscheidungsfindung sind nicht alle Daten von Bedeutung. Vielmehr kann ein Marketingentscheider nur mit denjenigen Marketingdaten etwas anfangen, die sein (Fakten-)Wissen erhöhen. Auf der Informationsebene des Marketing Intelligence-Cycles geht es also nur um solche Marketingdaten, die für den Marketingentscheider inhaltlich tatsächlich bedeutsam und damit problemrelevant sind; bei Marketinginformationen handelt es sich folglich um entscheidungs- und entscheiderrelevante Marketingdaten. Lediglich solche Daten sind schließlich zu integrieren und zu analysieren, um daraus für das Marketingmanagement fundierte, aussagekräftige Informationen im Sinne von zweckorientiertem Wissen ableiten zu können.

359

Schroiff 1994, S. 19.

152

Der Marketing Intelligence-Cycle

5.3.1 Von Marketingdaten zu integrierten Marketinginformationen – Der Prozess der Datenintegration Grundsätzlich liegen im Marketing vielfältige Daten aus heterogenen Quellen vor, oft jedoch bestehen lediglich Insellösungen. So fallen beispielsweise im Vertrieb umfassende

Transaktionsdaten

-steuerungssystemen

an,

gespeichert

die

werden,

in

Vertriebsinformations-

während

der

Bereich

und des

Direktmarketings zum Beispiel über Profil- und Kontaktdaten der Kunden verfügt. Der Produktmanager besitzt Daten über Produktgestaltung und -vermarktung, dem Brand Manager hingegen liegen Daten bezüglich Markenführung und -entwicklung vor. Derartig fragmentierte Marketingdaten sind oftmals selbst innerhalb einzelner Marketingbereiche für die Entscheidungsfindung nicht ausreichend. Vielmehr benötigten Marketingentscheider – ob Key Account Manager, Produkt- oder auch Brand-Manager – neben Daten aus ihrem eigenen Bereich in der Regel Daten zu verschiedenen Sachverhalten (Produkt, Kunde etc.). Deshalb ist es – wie auch die im Rahmen dieser Arbeit geführten Experteninterviews belegen – notwendig, Daten aus heterogenen Informationsquellen zu aussagekräftigen Marketinginformationen zu verdichten. Die besondere Herausforderung liegt in einer entscheidungs- und entscheiderorientierten Datenintegration. Abbildung 25 verdeutlicht die einzelnen Schritte der Datenintegration, die im Folgenden ausführlich erläutert werden.

Heterogene Datenquellen Vertriebsdaten Problem- bzw. Fragestellung

Marktdaten Kundendaten

Selektieren / Anreichern

Bereinigen

Transformieren

Wettbewerbsdaten ….

Entscheidung

Marketingwissen

Harmonisieren

Interpretieren

Abbildung 25: Schritte der Datenintegration Quelle: in Anlehnung an Schöll 2004, S. 8.

Analysieren

Fusionieren

Der Marketing Intelligence-Cycle

153

5.3.1.1 Datenselektion als Voraussetzungen der Datenintegration Auf Grundlage der Problemdefinition (und damit der Analyse und Feststellung des Informationsbedarfs) als erste Prozessstufe des Marketing Intelligence-Cycles werden nun auf der Informationsebene entscheidungs- und entscheiderrelevante Marketingdaten

ausgewählt.

Die

Datenselektion

als

originäre

Aufgabe

der

Angebotsseite von Marketinginformationen umfasst dabei die Identifikation und Bereitstellung des benötigten Datenmaterials. 360 Hierzu sind die relevanten Marketingdaten zunächst zu katalogisieren, indem Datenquelle bzw. Datenstandort, Datenformate, -struktur und -volumen sowie Definition und Kodierung der Merkmale dokumentiert werden. 361 Bei der Datenselektion geht es in erster Linie darum, alle vorliegenden (möglicherweise) für das Marketing relevanten Daten zu identifizieren und für die weitere Nutzung bereitzustellen. Darüber hinaus ist kritisch zu hinterfragen, ob für die Problem- bzw. Fragestellung tatsächlich alle notwendigen Marketingdaten verfügbar sind. Zum einen ist zu überdenken, ob noch weitere unternehmensinterne bzw. -externe Datenquellen für spätere Analysen erforderlich sind. In diesem Zusammenhang ist insbesondere festzulegen, welche Marktforschungsdaten zur Ergänzung und Anreicherung der Marketingdaten berücksichtigt werden sollten, um beispielsweise Verhaltensmuster oder Hintergründe für spezifisches Kundenverhalten zu erkennen. Denn lediglich durch die Ergänzung um solche „soft facts“ ist es möglich, tiefgreifende Einblicke und hintergründige Erklärungen im Marketing zu erlangen. Zum anderen bezieht sich die Datenverfügbarkeit auf fehlende Datensätze und -felder.362 Damit ist bereits die Datenanreicherung angesprochen, die unmittelbar im Anschluss an die Selektion der Daten erfolgt. Die Anreicherung der Daten betrifft die Vervollständigung bzw. Ergänzung verfügbarer Datenbestände, mit dem Ziel, eine möglichst holistische Datengrundlage zu schaffen. Dabei können – je nach Erfordernis – ganze Datensätze hinzugefügt oder fehlende Einzelwerte ergänzt werden.

Häufig

können

fehlende

Informationen

durch

das

Hinzufügen

unternehmensexterner Daten oder durch die Ergänzung von Daten, die in anderen unternehmensinternen Quellen bereits vorliegen, generiert werden. Zudem ist es oft

360

Vgl. Knobloch 2000, S. 29; Knobloch/Weidner 2000, S. 349; Wang/Fu 2005, S. 1.

361

Vgl. Hippner/Wilde 2001, S. 24ff.

362

Vgl. Neckel/Knobloch 2005, S. 103; Hippner/Wilde 2001, S. 25.

154

Der Marketing Intelligence-Cycle

möglich, die erforderlichen Daten auf Basis vorhandener Attributwerte zu berechnen bzw. zu schätzen. 363

5.3.1.2 Datenaufbereitung zur Sicherstellung der Datenqualität Im Mittelpunkt der Datenaufbereitung, welche die Schritte der Bereinigung, Transformation und Harmonisierung enthält 364, steht insbesondere die Sicherung der Qualität der selektierten Marketingdaten. Im Zuge der Datenbereinigung 365 gilt es, durch geeignete Maßnahmen Datenfehler zu beseitigen, die sich negativ auf die Qualität der Analyseergebnisse auswirken können. 366 Datenfehler – das heißt Attributsausprägungen, welche die Realität nicht korrekt abbilden – können zum einen durch die Eingabe falscher Werte entstehen. Fehlerhafte Werte können beispielsweise durch Falschangaben der Untersuchungsteilnehmer, Tippfehler oder auch Missverständnisse zustande kommen. Zum anderen kann es zu Datenfehlern in den operativen Datensystemen durch so genannte Platzhalter (zum Beispiel 9.9.9999 als Geburtsdatum) kommen, die aufgrund der Unkenntnis bzw. NichtVerfügbarkeit der realen Werte beliebig eingefügt werden. 367 Solche fehlerhaften Daten oder Datensätze sollten durch geeignete Maßnahmen der Datenbereinigung erkannt und je nach deren Bedeutung für den weiteren Prozess eliminiert oder korrigiert werden. 368 Des Weiteren sind die selektierten Daten zu transformieren und zu harmonisieren, das heißt, sie sind hinsichtlich Format und Struktur zu vereinheitlichen. 369 Da sich die

363

Vgl. Neckel/Knobloch 2005, S. 103f.; Knobloch 2000, S. 33.

364

Vgl. Wilde 2001, S. 15f.

365

Der Vorgang der Datenbereinigung wird auch als Data Scrubbing bzw. Data Cleansing bezeichnet (vgl. Neckel/Knobloch 2005, S. 104).

366

Vgl. Knobloch 2000, S. 34; Mayr 1999, S. 20; Krahl/Windheuser/Zick 1998, S. 42.

367

Vgl. Neckel/Knobloch 2005, S. 104; Berry/Linoff 2004, S. 73; Knobloch 2000, S. 34; Adriaans/ Zantinge 1997, S. 42; Grimmer/Mucha 1998, S. 113.

368

Vgl. Bauer/Günzel 2004, S. 41; Hippner/Wilde 2001, S. 54f. Der Umgang mit fehlenden Werten ist jedoch – sei es Eliminierung oder auch Korrektur – stets kritisch zu prüfen. So kann es durchaus der Fall sein, dass eine Kausalität zwischen fehlenden Werten und bestimmten Sachverhalten besteht, die beispielsweise zur Aufklärung von Betrugsdelikten bedeutsam sein kann. Auch Ausreißer, die in der Regel eliminiert bzw. korrigiert werden, können hilfreiche Hinweise beispielsweise auf Missbrauch, fehlerhafte Geschäftsprozesse oder auch profitable Nischenmärkte liefern (vgl. Neckel/Knobloch 2005, S. 104f.).

369

Die Schritte der Datentransformation und der -harmonisierung werden häufig unter den Begriff der Datenkonsolidierung subsumiert (vgl. Neckel/Knobloch 2005, S. 106; Knobloch 2000, S. 35).

Der Marketing Intelligence-Cycle

155

vielfältigen, heterogenen Marketingdaten in den seltensten Fällen auf identische Abgrenzungen und Kodierungen beziehen und zudem teils personenbezogen und teils anonymisiert vorliegen, ist zunächst eine Datentransformation vorzunehmen. Hierzu werden alle Daten aus den verschiedenen unternehmensinternen und -externen Informationsquellen in ein einheitliches, für die Datenanalyse geeignetes Format überführt. Aufgrund unterschiedlicher Bezugsquellen entstehen häufig mehrfache oder uneinheitliche Repräsentationen einzelner Objekte und Attribute. Derartige Inkonsistenzen in den Daten sind durch Beseitigung von Redundanzen sowie durch Angleichung der Datenformate zu beheben. 370 So können die Identifikationsschlüssel

für

Untersuchungseinheiten

aus

verschiedenen

Informationsquellen inkompatibel sein; verschiedene Datensätzen weisen häufig unterschiedliche Kundennummern zur Identifikation des einzelnen Kunden auf. Es ist dann

erforderlich,

„zusammengehörige“ gemeinsamer Merkmale

durch

Abgleich

Kundennummern

Strukturmerkmale,

der Kunden (Name,

zum

von zu

Identifikationsdaten bestimmen.

Beispiel

Adresse etc.),

durch

Dies

der

Kunden

kann

anhand

soziodemographische

erfolgen. 371 Neben

derartig

syntaktischen Komplikationen können auch semantische Probleme auftreten. So können Inkonsistenzen in den Marketingdaten durch eine unterschiedliche Kodierung bzw. Bezeichnung inhaltlich gleicher Merkmale hervorgerufen werden. Zuweilen werden inhaltlich gleiche Attribute in verschiedenen Datensätzen unterschiedlich kategorisiert, wie zum Beispiel die Werte {0,1}, {m,w} oder {m,f} für das Geschlecht. Auch nicht kodierte Merkmale, die in sprachlicher Form ausgedrückt werden und aufgrund uneinheitlicher betriebswirtschaftlicher Begriffsauffassungen oder der Verwendung von Synonymen und Homonymen nicht einheitlich vorliegen, müssen normiert werden.372 Nachdem die problemrelevanten Marketingdaten durch die Datentransformation in ein einheitliches, für die Datenanalyse geeignetes Format überführt wurden, gilt es in einem weiteren Schritt, die Daten zu harmonisieren; das heißt, diese in eine einheitliche Struktur zu bringen. Eine Vereinheitlichung der Datenstruktur ist beispielsweise notwendig, wenn in verschiedenen Datenquellen unterschiedliche Maßeinheiten (wie Euro, Dollar, Pfund etc.) verwendet werden. Insbesondere in 370

Vgl. Wilmes/Dietl/van der Velden 2004, S. 40ff.; Becker/Knackstedt 2004, S. 198f.; Knobloch 2000, S. 35; Wilde 2001, S. 8.

371

Vgl. Hippner/Wilde 2001, S. 33; Adriaans/Zantinge 1997, S. 85.

372

Vgl. Neckel/Knobloch 2005, S. 106f.; Becker/Knackstedt 2004, S. 198f.; Hannig 2002, S. 8; Knobloch 2000, S. 35.

156

Der Marketing Intelligence-Cycle

internationalen Unternehmen, die ihre Informationen aus unterschiedlichen Ländern und Regionen beziehen, wird es zudem erforderlich sein, die Daten hinsichtlich ihrer zunächst oft unterschiedlichen Erhebungszeitpunkte anzugleichen und damit vergleichbar zu machen. Eine Harmonisierung der Marketingdaten erfolgt somit zum einen hinsichtlich der Struktur der Daten über Länder und Regionen hinweg und zum anderen hinsichtlich der Periodizität der Datenerhebung. 373 Wie

bereits

erwähnt,

dienen

die

Schritte

der

Datenaufbereitung

Datenbereinigung, -transformation und -harmonisierung



die

– hauptsächlich der

Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Datenbasis. „Without the right data there is little gold to be mined; here again, we must apply the rule >garbage in, garbage out