Lyrik-Katalog Bundesrepublik : Gedichte, Biographien, Statements 3442070171

Die Dokumentation des ersten deutschen Lvrik-Festivals Hamburg, Juni 1977 Gedichte, Biographien, Statements von Ar

127 61 12MB

German Pages [609] Year 1981

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Lyrik-Katalog Bundesrepublik : Gedichte, Biographien, Statements
 3442070171

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Sammlung »Moderne Literatur *

UfRIKKATALOG

Bundesrepublik

Herausgegeben von Jan Hans • Uwe Herms • Ralf Thenior

Originalausgabe

Wilhelm Goldmann Verlag

1. Auflage August 1978 * i.-j.Tsd.

2. Auflage Januar 1979 - 6.-8. Tsd.

Made in Germany 1979 © 1978 by Wilhelm Goldmann Verlag, München Die Rechte an den einzelnen Beiträgen liegen bei den Autoren Umschlagentwurf: Creativ Shop, A. + A. Bachmann, München Satz: Mohndruck Reinhard Mohn GmbH, Gütersloh Druck: Presse-Druck, Augsburg Verlagsnummer: 7017 ■ Vosseler/Hofmann ISBN 3-442-07017-1

Inhalt

Vorbemerkung.........................................................................

21

Gedichte ..................................................................................

23

Arnfrid Astei ........................................................................... Zeltmission ....................................................................... Am Leinpfad.................................................................... Feuchte Hände ................................................................ Telefonüberwachung...................................................... Traumkarte für Christine ............................................. Neutronenbombe ........................................................... Lektion .............................................................................. WEG (mit den Berufsverboten) ................................. Statement .........................................................................

24 24 24 25 25 25 26 26 26 369

Rose Ausländer ....................................................................... Verzaubert......................................................................... Prag..................................................................................... Weiß nicht......................................................................... Schicksal ........................................................................... Sprachspiele.......................................................................

27 27 28 28 29 30

Wolfgang Bächler.................................................................... Die Seßhaften .................................................................. Aalenerlaß......................................................................... Bürgerkriege .................................................................... Nüsse ................................................................................ Statement .........................................................................

31 31 32 32 33 373

5

Jürgen Becker........................................................................... Was kaufen wir: ein Boot, ein Zelt? .......................... Ein ganzer Freitag........................................................... Jemand sagte: ich weiß nicht mehr, was los ist ... . Eine Nachricht am Sonntag aus Stuttgart ................. Zwischenbericht................................................................

34 34 35 36 37 37

Alfred Behrens......................................................................... Landregen......................................................................... Montagmorgen am Schreibtisch................................... Statement .........................................................................

39 39 41 374

Horst Bienek ........................................................................... Bakunin oder die Anarchie der Wörter..................... Die Zelle........................................................................... Statement .........................................................................

43 43 45

Horst Bingel................................................................................. 47 Omelett mit Chrysanthemen........................................... 47 Fragegedicht ........................................................................ 48 Statement ........................................................................... yy6

Nicolas Born ........................................................................... Bewegungen, neue Organe .......................................... Dienstag, 16. August 77 ............................................... Im D-Zug München-Hannover .................................... Falsche Vorstellung mit Hausmeister Scheiße Geld Rotwein etc...................................................................... Hansjürgen Bulkowski............................................................... Erste Person Mehrzahl ..................................................... Mutation...............................................................................

51 51 53 54

54 56 56 60

Jörg Burkhard ............................................................................ 63 ohne mädchen..................................................................... 63 warum bauern beltz-bücher verpacken ......................... 64 das leben des beamten endet mit seinem tod............ 65 6

Michael Buselmeier.................................................................. Eipulver.............................................................................. Gammeln........................................................................... Erkennungsdienstliche Behandlung............................ Kunst ................................................................................ Zuhaus .............................................................................. Statement .........................................................................

66 66 67 68 68 69 377

F. C. Delius .............................................................................. Augsburger Möglichkeiten .......................................... Moritat auf Helmut Hortens Angst und Ende .... Ein Bankier auf der Flucht .......................................... Statement .........................................................................

71 71 74 76 378

Christoph Derschau ................................................................ Als mich die Hybris krallte in Harrys Bar .............. Laura.................................................................................. Statement .........................................................................

77 77 79 379

Hugo Dittberner .................................................................... Liebesgedicht aus einem Wolkenkratzer ................... Ode an den Landregen ................................................. In der freien Natur........................................................

81 81 82 83

Peter Engel................................................................................ mächtiges hirn im schnitt............................................... ein nicht geheurer freitag............................................... schließlich in herisau ...................................................... Statement .........................................................................

84 84 85 85 381

Hans Eppendorfer .................................................................. presseball........................................................................... rundschreiben .................................................................. Statement .........................................................................

87 87 88 382

7

Ute Erb ..................................................................................... Ich bin ein Stern ............................................................. Liebesklage ....................................................................... Liebesmarkt....................................................................... Deutsch für Ausländer .................................................. Statement .........................................................................

90 90 91 92 92 383

Jörg Fauser................................................................................ Toter Mann in Tophane ............................................... Metzgerei (oder: A man can be destroyed and .... defeated) .................................................................... Back in the USSR ...................................................... Liebesbriefe.......................................................................

94 94

95 96 97

Roderich Feldes ....................................................................... erlebnisse........................................................................... neujahrsgedicht mitgemischten gefühlen..................... zeit ..................................................................................... du kannst deine zeitung abbestellen .......................... Statement .........................................................................

99 99 100 101 101 384

Heiner Feldhoff .................................................................. Damenwahl 77............................................................... msv - bayern ............................................................... Gescherr ......................................................................... Lernprozeß .................................................................. Von Links nach Rechts .............................................. Statement .....................................................................

103 103 106 106 106 107 385

Ludwig Fels .............................................................................. Ja, die Freunde................................................................. Filmriß .............................................................................. Der Lottobettler ............................................................. Supersonic Rocket Ship................................................. Statement .........................................................................

108 108 109 no 111 386

8

Frederike Frei........................................................................... System................................................................................ Nestkälte........................................................................... Du liest.............................................................................. Kinderzeichnung............................................................. Statement .........................................................................

112 112 113 113 113 387

Erich Fried................................................................................ Hölderlin an Sinclair...................................................... Neue Subjektivität........................................................... Ungenau ........................................................................... Auf den Tod des Generalbundesanwalts Siegfried Buback.........................................................................

114 114 115 116

Uwe Friesel .............................................................................. Text Olevano .................................................................. Statement .........................................................................

121 121 389

Walter Helmut Fritz................................................................ Heillos................................................................................ Der indianische Freund sagt ........................................ Die Kinder ....................................................................... Statement .........................................................................

132 132 134 134 390

Joachim Fuhrmann.................................................................. Unser Einverständnis .................................................... Der Typ der in ist........................................................... Über Bäume .................................................................... Uber Unternehmer ......................................................... Statement .........................................................................

136 136 136 137 138 390

Günter Grass ........................................................................... Arbeit geteilt.................................................................... Fleisch................................................................................ Vorgeträumt .................................................................... Was uns fehlt ..................................................................

139 139 140 141 142

9

117

Günter Guben ......................................................................... pförtner nachts ................................................................ wetter-bericht .................................................................. Optimismus auf umwegen ............................................. Statement .........................................................................

144 144 145 146 391

Hannes Hatje........................................................................... poste restante 75/77

147 147

Helmut Heißenbüttel............................................................. nochwas.............................................................................. Gedicht über die Fernseherklärung des Ministerpräsidenten................................................... Gelegenheitsgedicht Nr. 36........................................... Gelegenheitsgedicht Nr. 38........................................... Der erste Gesang des Chefs ........................................ Statement .........................................................................

153 153 153 154 156 157 393

Günter Herburger .................................................................. Liebe.................................................................................. Natur und Industrie ...................................................... Wiederentdeckte Heimat............................................... Statement .........................................................................

160 161 393

Uwe Herms .............................................................................. Für Gewerkschaftsfunktionäre ................................... Auch du, mein friedlicher Rohköstler........................ Der Gas-Radiator ........................................................... Eiderstedt ......................................................................... Ich bin vier ....................................................................... Ich bin fünf....................................................................... Statement .........................................................................

163 163 164 164 165 166 166 395

Hadayatullah Hübsch............................................................. klares licht......................................................................... ziel ..................................................................................... mühelos leben.................................................................. Statement .........................................................................

167 167 168 169 396

10

159

Harald K. Hülsmann ............................................................. Nebensächliches Porträt ............................................... Gedicht über ein geplantes Gedicht............................ Statement .........................................................................

170 170 171 $97

Heinar Kipphardt.................................................................... Angelsbrucker Notizen 11............................................. Wunder.............................................................................. Annoncenakquisition...................................................... Angelsbrucker Notizen 15............................................. Angelsbrucker Notizen 2 .............................................

172 172 173 174 174 175

Karin Kiwus.............................................................................. Fragile................................................................................ Entfremdende Arbeit...................................................... Exit.....................................................................................

176 176 177 178

Klaus Konjetzky....................................................................... Nostalgie des geschichtslosen Sommers..................... Schottisches Hochland.................................................... Statement .......................

183 183 189 398

Ursula Krechel ......................................................................... Warnung........................................................................... Der Anfang des Wochenendes...................................... Jetzt .................................................................................. Nach Mainz!.................................................................... Statement .........................................................................

190 190 191 191 192 399

Karl Krolow.............................................................................. Phantasie........................................................................... Stille Wut ......................................................................... Wenn man dahinter kommt ........................................ Schmalfilm......................................................................... Er hatte Angst.................................................................. Ich atme ...........................................................................

194 194 195 195 196 196 197

11

Michael Krüger......................................................................... Notizen zur Geschichte des Fensters.......................... Statement .........................................................................

198 198 401

Otto Heinrich Kühner........................................................... Unvergänglich.................................................................. Frühgeschichtlich............................................................. Ontologisch....................................................................... Bildung.............................................................................. Kriegerehrenmal ....................................... Statement .........................................................................

204 204 205 205 206 206 402

Gregor Laschen ....................................................................... Karte aus Gripsholm...................................................... Die Totverletzten, die Sätze ........................................ Statement .........................................................................

207 207 209 403

Bernhard Laux......................................................................... Ratschläge an eine befreundete Organisation, die Massenagitation betreffend...................................... lob des Urlaubs ................................................................ richtigstellung .................................................................. Statement .........................................................................

213 213 214 215 404

Wilhelm Liefland .................................................................... gedicht am Sonnabend morgen ................................... partei partei....................................................................... nachtstück ......................................................................... Statement .........................................................................

216 216 217 218 405

Richard Limpert....................................................................... Nachtschicht .................................................................... Lehrlingswochenbuch .................................................... Hand in Hand.................................................................. Rote Fliesen - damals grau............................................. Statement .........................................................................

220 220 221 222 223 407

12

Peter Maiwald ......................................................................... Grabschrift Knigges......................................................... Landsleute......................................................................... Ballade von Samstag auf Sonntag ............................... Statement .........................................................................

224 224 225 226 408

Rainer Malkowski .................................................................. Die Buschmanngeige...................................................... Unverzichtbarer mit jedemJahr ................................... Radfahrt ...........................................................................

228 228 229 229

Christoph Meckel.................................................................... Der Traum ....................................................................... Guten Morgen.................................................................. Das wußte er schon......................................................... Kleiner Essigschwamm ................................................. Statement .........................................................................

231 231 233 234 235 408

Ernst Meister ........................................................................... Lange hast du.................................................................... Da ist kein Schöpfer........................................................ Warum erschrecke ich..................................................... Das dir zugesagte............................................................. Ewigkeit ........................................................................... Die Erzählung................................................................... Du Erde voller Schädel................................................... Statement .........................................................................

236 236 236 237 237 237 238 238 410

Franz Mon................................................................................ analyse und Synthese einestextes von aristoteles . . . abstriche in vier sätzen mitvierem .............................. panoptikum....................................................................... die toten lassen mich nicht inruhe ............................

239 239 241 242 242

3

Bodo Morshäuser.................................................................... Straßensperre.................................................................... Bild aus der Dämmerung ............................................. Zärtliche Demonstration ............................................... Statement .........................................................................

244 244 245 245 410

Nathias Neutert....................................................................... Kinderkritzelei ................................................................ Nylons ..............................................................................

247 247 248

Helga M. Novak .................................................................... Müll wegtragen................................................................ Fernsehturm .................................................................... Augenblick .......................................................................

250 250 251 252

Harry Oberländer .................................................................. an Christian friedrich hölderlin...................................... kurz vor der revolution.................................................. Statement .........................................................................

253 253 254 412

Oskar Pastior........................................................................... thesis tucha failed build.................................................. Brautkutsche hält............................................................. 3 x geklingelt - vertrackt! ............................................. Beim Hören von Musik.................................................. Enge des Denkens............................................................ Statement .........................................................................

256 256 256 257 258 258 413

Steve B. Peinemann ................................................................ Verhältnismäßigkeit der Mittel ................................... Deutsches Rondo ........................................................... Statement .........................................................................

259 259 260 414

4

Klaus M. Rarisch .................................................................... Teufelstrillersonett........................................................... Nie sättigt die Liebe sich............................................... Statement .........................................................................

261 261 262 414

Renate Rasp .............................................................................. Es ist das letzte Jahr........................................................ Sie will mir nicht glauben.............................................. Deutsche Romantik......................................................... Warum so erstaunt? ...................................................... Genie..................................................................................

264 264 265 265 267 268

Arno Reinfrank ....................................................................... Alt-neues Testament...................................................... Polnischer Traum ........................................................... Exegese für Kältetechniker ........................................... Statement .........................................................................

269 269 270 270 417’

Roman Ritter........................................................................... Das Bürofenster ............................................................. Der Vogel ......................................................................... Einen Fremden im Postamt umarmen........................

273 273 274 275

Peter Rühmkorf....................................................................... Von mir - zu euch - für uns........................................ Anschluß an Masse finden............................................. Komm raus! ................ Tagelied.............................................................................. Phönix voran! .................................................................. Statement .........................................................................

277 277 278 280 281 282 419

Johannes Schenk....................................................................... Mein Uropa Johannes Hieronimus Meyer in Hoboken und Bremen............................................. Jules Verne ....................................................................... Jakobs Leiter.................................................................... Statement .........................................................................

285

•5

285 289 289 422

Godehard Schramm ................................................................ Espana................................................................................ Ich stelle mir dein Polen vor......................................... Anna ist also Kommunistin geworden ..................... Statement .........................................................................

292 292 293 294 423

Margot Schröder....................................................................... Ich liebe meinen Hängebusen ...................................... Bauklötzer liegen herum................................................ Statement .........................................................................

295 295 296 424

Landfried Schröpfer ................................................................ Frauengruppe .................................................................. Ich kriegs zusammen...................................................... Film..................................................................................... Statement .........................................................................

299 299 301 302 425

Peter Schütt .............................................................................. Göttliche Fügung ........................................................... Krisenprogramm 1977.................................................... Fünische Impressionen .................................................. Statement .........................................................................

303 303 304 305 427

Angela Sommer ....................................................................... Die Hausfrau.................................................................... Gedicht für Boris ........................................................... Mein gut besuchtes Fest ...............................................

307 307 308 308

Kiev Stingl ................................................................................ Stingl.................................................................................. Bonjour, News ................................................................ Als ich startete..................................................................

309 309 310 311

Jürgen-Peter Stössel ................................................................ Ich....................................................................................... Widerruf........................................................................... Statement .........................................................................

313 3B 314 429

6

Hannelies Taschau .................................................................. Karl G. aus Grohnde...................................................... Besonders im Schienenbus............................................. Das war mal schön.......................................................... Diese Kinderkapelle......................................................... Statement .........................................................................

316 316 317 317 318 431

Ralf Thenior.............................................................................. Alles Gute, Alter............................................................. Nachtregen ....................................................................... Wie Sherry, vom Gast im Glas gelassen ................... Mexikanisches Gedicht .................................................. Epitaph .............................................................................. Schnee................................................................................ Ohne Gewähr.................................................................. Alfons aus der Wundertütenfabrik ............................ Statement .........................................................................

319 319 320 320 320 321 321 321 322 431

Jürgen Theobaldy.................................................................... Irgend etwas .................................................................... Was hier los ist................................................................ Kaffee, Radio an ................................................................ Schuhe im Bidet ............................................................. Harte Eier......................................................................... Statement .........................................................................

323 323 324 324 325 326 433

Uwe Timm................................................................................ Das Kinn an der Kragenbinde......................................

328 328

Guntram Vesper....................................................................... Der tiefe Schlaf ................................................................ Galeriegedanken ............................................................. Frohburg, von Manhattan aus...................................... Statement .........................................................................

331 331 332 333 434

17

Richard L. Wagner.................................................................. One of the rock’n’roll stars.......................................... Ausreden........................................................................... Hawaii................................................................................ Eines nachts in Los Angeles ........................................ Einunddreißigster januar siebenundsiebzig .............. Statement .........................................................................

335 335 336 337 338 338 434

Peter Waldheim ....................................................................... Der Reißerwolf................................................................ Rot und röter .................................................................. Statement .........................................................................

340 340 341 435

Uwe Wandrey ......................................................................... Reise durch den deutschen Spätherbst........................ Wetterwende....................................................................

343 343 344

Wolfgang Weyrauch................................................................ Lebenslauf......................................................................... Vierzeiler........................................................................... Bitte .................................................................................. Stadtgänger ....................................................................... Fragend.............................................................................. Statement .........................................................................

346 346 347 347 347 348 435

Hildegard Wohlgemuth ......................................................... Er ging .............................................................................. Nachrede........................................................................... Lehrlings Besenlied......................................................... Statement .........................................................................

349 349 350 351 436

Robert Wohlleben .................................................................. Siebenschläfer .................................................................. Ausschneidespiel ............................................................. Für Frank und kaum Jemand sonst (nu!) ................. Abends .............................................................................. Statement .........................................................................

353 353 354 354 355 437

18

Peter-Paul Zahl......................................................................... lebenszeichen.................................................................... ninguneo - verniemandung..........................................

356 356 359

Poetologische Statements....................................................

367

Lyrik-Diskussion 77

439

.............................................................

Helmut Heißenbüttel Zum Gelegenheitsgedicht ............................................. Peter Wapnewski Gedichte sind genaue Form ........................................ Jörg Drews Selbsterfahrung und Neue Subjektivität in der Lyrik ........................................................................... Jürgen Theobaldy Literaturkritik, astrologisch .......................................... Hans Dieter Zimmermann Die mangelhafte Subjektivität ...................................... Ludwig Fischer Vom Beweis der Güte des Puddings .......................... Jörg Drews Antwort auf Jürgen Theobaldy ................................... Peter M. Stephan Das Gedicht in der Marktlücke ...................................

440 443

453 463

468

479 491 496

Erstes Bundesdeutsches Lyrik-Festival: Presseecho . .

513

Daten der Autoren ................................................................

537

Gedichtbände 1970-1977......................................................

567

Anmerkung zur Lyrik-Diskussion 77................................. Fotonachweis ...........................................................................

607 607

9

Vorbemerkung

Diese Anthologie ist ein Buch für Benutzer. Es soll Nachschlage­ werk, Lese- und Arbeitsbuch sein. Kein Katalog bietet alles. Dieser bietet neben rund zweihun­ dertachtzig Gedichten von gut achtzig Verfassern ein breites An­ gebot von Materialien zur Lyrik. Zwei Drittel der Autoren haben sich in »poetologischen Statements« zu ihrer Arbeit und ihrem Selbstverständnis geäußert. Damit man sich, wörtlich genommen, ein Bild von den Autoren machen kann, sind im Abschnitt »Gedichte« den einzelnen Beiträgen Porträts der Verfasser voran­ gestellt. Der Verdeutlichung der Personen dienen weiter die bio-bibliografischen Angaben »Daten der Autoren«. Das »Erste Bundesdeutsche Lyrik-Festival«, das Anlaß und Material­ grundlage zu diesem Katalog war, dokumentieren wir mit Presse­ stimmen. Daß es im Jahre 1977 nach langer Pause wieder eine nennenswerte Lyrik-Diskussion gegeben hat, belegen wir durch eine Reihe von Aufsätzen. Was seit 1970 an Gedichtbänden erschienen ist, weist ein umfangreiches Auswahlverzeichnis nach. Lyrik hat etwas mit dem jeweiligen Zustand der Gesellschaft zu tun. Das war ein erstes Kriterium für die Auswahl der Ge­ dichte. Wichtig war uns, nicht eine bestimmte Richtung oder Schule zu begünstigen - es ging uns um die Vielfalt der poetischen Sprechweisen, die verschiedenen Ansätze der bundesdeutschen Poesie. Dabei haben wir vor allem Autoren einbezogen, die in ir­ gendeiner Form an der Lyrikentwicklung der letzten zehn Jahre beteiligt waren. Das hat uns aber nicht gehindert, auch solche Autoren zu drucken, die erst neuerdings auf oder abseits der »Szene« zu finden sind. Der problematische Begriff der »Quali21

tat« konnte dabei nur eine untergeordnete Rolle spielen. Es ging uns darum, das Spektrum dessen überschaubar zu machen, was in diesen Jahren geschrieben wird. Dazu war es nötig, daß sich die Herausgeber immer wieder von neuem über thematisch und stilistisch Relevantes verständigen mußten, bevor aus einem Vielfachen des Angebots diese Gedichte ausgewählt werden konnten. Einige Namen wird man in der Anthologie vermissen. Das liegt nicht an der Willkür der Herausgeber, sondern eher an der Skepsis mancher Autoren gegenüber dem Prinzip Anthologie. Es hat sogar einen Fall gegeben, in dem eine prominente Autorin ihre Teilnahme an der Anthologie aus »politischen Gründen« ab­ gesagt hat. Beschränkt haben wir uns auf das Spektrum der hochdeutsch geschriebenen Lyrik, da eine Dokumentation von Dialektdich­ tung sicher eine eigene Anthologie verdienen würde. Da eine Anthologie einen Redaktionsschluß hat, bleibt uns festzustellen, daß einem über der Arbeit doch immer noch etwas entgeht, das man hinterher gern mit aufgenommen hätte. Auch insofern haben wir diese Anthologie mit gemischten Gefühlen gemacht, sind aber getröstet durch die Gedichte, in denen die ge­ mischten Gefühle angesichts der Zeitläufte aufgehoben sind. Danken möchten wir Frank H. Ernsting, Brigitte Saß und Ulla Thomsen, die uns sowohl beim Lyrik-Festival als auch bei der Arbeit an diesem Katalog geholfen haben.

Jan Hans

Uwe Herms Ralf Thenior Hamburg, im Dezember 77

22

Gedichte

Arnfrid Astel

Zeltmission An Jesus kommst du nicht vorbei, las ich auf einem Plakat in der Straßenbahn. Starkes Stück bei dem Gedränge.

Am Leinpfad Das ist kein Film, was dort abläuft zwischen dir und mir am Leinpfad: 24

Ein grünfüßiges Teichhuhn lockt seine Küken, gluck sagt es gluck und wippt, mit Kopf und Schwanz wippt und gluckt es sein Leben in Ordnung, vor unseren Augen.

Feuchte Hände Immer wenn ich ihm die Hand gebe, hat er feuchte Hände. Er hat also immer feuchte Hände. Nein: immer wenn ich ihm die Hand gebe.

Telefonüberwachung Der »Verfassungsschutz« überwacht meine Gespräche. Mit eigenen Ohren hört er: Ich mißtraue einem Staat, der mich bespitzelt. Das kommt ihm verdächtig vor.

Traumkarte für Christine

Ich höre, du hast geträumt, ich hätte dir Postkarten geschrieben, aber nicht gewagt, sie abzuschicken. Dabei habe ich nicht einmal gewagt, dir Postkarten zu schreiben. Diese Traumkarte schicke ich jetzt ab. 25

Neutronenbombe

Die CSU begrüßt die Neutronenbombe. Diese Waffe würde es erlauben, ganz Bayern zu entvölkern, ohne die Baudenkmäler zu zerstören.

Lektion Ich hatte schlechte Lehrer. Das war eine gute Schule.

WEG (mit den Berufsverboten) Den Einmarsch in die CSSR haben wir auch überlebt, sagen die Freunde von der DKP nach der Ausweisung Biermanns. Hört euch das an. So reden Tote.

26

Rose Ausländer

Verzaubert Leben will ich halten das Leben in einer Hand in der andern die schnell welkende Blume Ich bin verzaubert in eine Lumpenprinzessin und heiße Rumpelstilzchen das darf niemand erfahren

Halt es geheim Bruder sonst ist es um mich geschehen und ich will leben leben mit dir 27

Prag

Immer träumte ich nach Prag immer kam etwas dazwischen Zeitnot Krankheit Krieg Kafka stand vor dem Hradschin verirrter Himmelsbote

Ich schwöre beim heiligen Franz ich kann die Mauern nicht durchbrechen die Zauberkünste schlafen

Dort träumen Dichter ihre Wunder Gut mit ihnen Kirschen essen

Trauert Prag um meinen Traum? Mein Traum trauert um Prag

Weiß nicht

Warum bis jetzt gelebt ich weiß nicht warum noch weiter mein Atem wann hört er auf und die Springbrunnensprache vor meinem Fenster Pappeln sprühendes Grün 28

Hundegebell und Sonntagsglocken Amselstimmen verworrener Lärm und Bruderzwist Blut auf Blut der Schmerz im Zahn im hämmernden Hirn ach die verleugnete Seele warum wozu

Ich weiß nicht laß mich nichts weiß ich

Schicksal

Viermal klopft es an deine Tür wie Beethovens Fünfte bedroht deinen Atem in jeder Jahreszeit Form eine Rose aus Worten ihr kurzlebiges Schicksal

Fahr einen Schlitten aus Schnee in deine schicksalhafte Zukunft Rück einen Schneemann von Haus zu Haus

Er lacht über das Schicksal der unfaßbaren Welt 29

Sprachspiele

Mit Worten seinen Besitz zählen

die Besitztümer mit anderen Worten vergleichen Sprachspiele wir erbten sie von der Sprache



Wolfgang Bächler

Die Seßhaften Oft beunruhigt sie das Glück, seßhaft geworden zu sein. Sie planen Umzüge, Reisen, wechseln das Stammlokal, wechseln die Stellung, den Standpunkt, die Frau. Sie träumen von fremden Ländern und hoffen, in anderen Räumen verändert zu erwachen. Sie suchen den neuen Spiegel für ihr altes Gesicht und sehnen sich manchmal nach Feuersbrünsten, ohne versichert zu sein. 31

Aalenerlaß Auch Aale sind Radikale. Sie schlüpfen durch die Netze, sie schlüpfen durch die Gesetze. Sie schlüpfen glatt und naß auch durch den Radikalenerlaß.

Ihre Larven verändern die Gestalt, unterwandern uns in Flüssen und Meeren. Sie lassen sich nicht bekehren. Da hilft nur Gegengewalt. Ergänzt den Radikalenerlaß durch einen verschärften Aalenerlaß! Die Maschen müssen verengt werden. Die Aale müssen verdrängt werden. Sie müssen in unsren Gewässern gefangen werden und sieden, auf kleiner Flamme verhört, gedünstet oder gar gekocht, zerstückelt in Aspik gelegt, gefressen und verdaut werden. Dann erst ist Frieden auf deutschen Erden.

Bürgerkriege

Hinter mir fielen die Türen des Waldes zu. Ich schloß sie ab, um das Geräusch der Stille nicht mehr zu hören, 32

schloß die Stimmen ein, die um mich waren und in mir waren.

Ich floh in den beruhigenden Lärm der Stadt und las die Schlagzeilen, las in der S-Bahn vom Fortgang der Bürgerkriege in Vietnam, Laos, Kambodscha, Palästina, Irland, Amerika. Die Stimmen durchdrangen die Wände der S-Bahn, die Wände des Lärms. Schüsse durchschlugen die Türen, die Fenster. Die Schüsse trafen die Stimmen, trafen, verwundeten mich.

Nüsse Für Margarethe und Volker Schlöndorff (Donnini, Herbst 1974) Das blonde Haar der Toten wächst aus der harten Erde, vergilbt zu unseren Füßen. Der Nußbaum wirft uns welke Blätter zu.

Doch in den Nüssen bilden sich Gehirne aus. Bald werden wir die Schädel knacken, die Gehirne aus den Schalen lösen und zerbeißen, Geschmack der Weisheit dieser Erde auf der Zunge. 33

Jürgen Becker

Was kaufen wir: ein Boot, ein Zelt? Wir trafen uns in der Stadt, mein Sohn und ich; so oft sehen wir uns nicht. Welche Interessen hat er jetzt? Der Auftritt der Rolling Stones, und ich war so blöd zu sagen, die sah ich vor zehn Jahren, die sind doch lange passe. Werkzeug brauchte er, den Werkzeugkasten; mit seinem Kompagnon nimmt er jetzt schwierige Mofas auseinander. Älter werdend, er hat schon seine Erinnerungen: wollte ich damals ein Boot, em Zelt? Dann suchten wir Knöpfe, originale Knöpfe für den amerikanischen Mantel von 1962, den hatte er in der Manöver-Heide gefunden und gleich am Abend selber gewaschen. Nun hing er in dem grünen Coat, ohne jeden Knopf, 34

und wir kriegten auch keinen lausigen Button in dieser ganzen Geschäftswelt. Tags darauf sah mein Vater meinen Sohn, wie er durch die Vorstadt fuhr, den Wind im Mantel, daß er aussah wie ein grüner Vogel, flatternd auf dem alten Fahrrad. Du warst ja nie da, sagte seine Mutter, als ich fünfzehn Jahre durchging, gestern, an seinem Geburtstag.

Ein ganzer Freitag Feriengeschrei der Kinder. Fahrräder glitzern in der Sonne; in den Vorgärten hustend die Männer, Rentenalter, mit klirrenden Hacken; Staubsauger aus den offenen Fenstern. Ich ging weiter durch den Vorort zum Fluß; in Ruhe sitzen weit entfernt das Geschiebe auf den Brücken; Kräne und die neuen Funkhaus-Türme; es regnete lange nicht und das Strandzeug liegt wie ein Haufen Skelett. Immer leichter und völlig unmöglich zu lernen das programmierte Sprechen; einige Leute gehen geduckt. Ich schaute den Lastschiffen nach, und ich weiß nicht warum es mich traf, als ich auf einem Ruhrort-Kahn eine Frau die Wäsche abhängen sah. Mehr Zeit Richtung Basel. Kam ein Angler dann. Draußen auf der Mole sitzend sehnte ich mich weiter hinaus. Vor Jahren schrieb ich über dieses Ufer wie von einem alten Bild, ahnungslos, was kommen sollte. Der Angler jede Woche hier, seit zweiundfünfzig Jahren; gibt es denn noch einen Fisch?

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Hubschrauber flatterten zwischen den zugeschobenen Brücken; Geräusche einer möglichen Katastrophe, der Einsatz einer plötzlichen Massenflucht ins westliche Land, und die Grenzen wären zu. Und der Angler würde sagen: das gibt es doch gar nicht nein, denn im Sommer badet er noch jeden Tag in diesem Chemie-Fluß, und mittags Rotauge oder Forelle. Was Ihr da immer erzählt, sagte der Angler, was Ihr da schreibt vom kaputten Wasser ich betrachtete lange das Wasser, und meine Phantasie veränderte es nicht. Ohne Nachricht leben, ohne Kommentar; das Leben des Anglers. Es wurde wärmer, und der Südwind kam über die Raffinerien von Wesseling; rauchend ging ich weiter.

Jemand sagte: ich weiß nicht mehr, was los ist

Es ist so; es fehlt die Möglichkeit der ruhigen Bewegung; es gibt keine Pausen im Programm - mach’ wenigstens leiser, wenn du nicht abschalten kannst, und mach’ einmal die Augen zu. Auch diese Angst, dieses vorsichtig gewordene Sprechen, dieses schnelle Abwinken; das Achselzucken so fürchterlich müde was ist so. Was macht dich so nutzlos; was macht dich abends schrill und morgens schlapp; was ist so undeutlich und schattenhaft -

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damals, als es einfacher war, die Hoffnung zu benennen und einen Baum einfach mitzunehmen, wenn man ihn brauchte -

Eine Nachricht am Sonntag aus Stuttgart

Stündlich höre ich Nachrichten, seit eine Frau nicht mehr lebt, die ich einmal sehr mochte. Ich habe sie jahrelang nicht gesehen; zuletzt, unter einer Menge von Leuten, war sie auf mich zugekommen und hatte mir die Hand gegeben; wir freuten uns beide, wir hatten uns wenig zu sagen. Kurz danach hatte sie angefangen, ihre und unsere Probleme durch eine Art Kriegserklärung zu lösen; sie hat diesen Krieg, vielleicht auch gegen mich, geführt und jetzt verloren. In der Zeit nach uns wird sie vielleicht als Heilige gelten, aber ich weiß nicht, ob das eine Zeit wird, in der sie selber hätte leben können, mit dem gedachten Glück.

Zwischenbericht

Langsam weiter. Mit einem Tagebuch versuchen, die vergangenen vierzehn Tage zu finden, zu ordnen. Hin und her zwischen Vorgängen, Gesichtern, Studios, Blüten, Tränen, Tiefgarage und vergessenen Namen. Niemanden gesehen, der ganz frei einen anschaut und dann etwas sagen kann, das jede Interessenverbindung ausschließt. Jeden Morgen noch das Glück über den Zusammenhang von Blicken aus dem Autofenster und 37

Forsythien zum Beispiel. Wichtiges Wetter; Müdigkeit und Neurosen. Spätere Zeiten nicht jetzt dementieren. Zeitungsartikel sammeln, wenn man nichts wahrnehmen wird. Kontoauszüge, an- und abschwellende Gefühle, niedriger Pegelstand, Anpassungen, Zigarettenverbrauch, Juckreiz, Streit, Unterschriftsmappen, neue Wälder, bleibende Schäden.

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Alfred Behrens

Landregen

i Den Fernseher einschalten und Landregen sehen, Po-Ebene oder sowas. »Constable’s Landschaft mit dem Titel >Weymouth< kommt immer in meinen Kopf in solchen Augenblicken«, sagt Lee Harwood auf der »Landscapes«-LP. Du gehst durch die Straßen Jungfernstieg - Kensington High Street Kurfürstendamm -, die Brüste der Frauen treffen dich genau da, wo es am meisten schmerzt. Das ist die Voranzeige für einen ganzen Tag im Glück. Demnächst in diesem Leben. 39

2 Ein alter chinesischer Maler hatte eine Landschaft gemalt. Ein schönes Tal und ferne Berge. Ihm gefiel das Tal so gut, daß er hineinging in das Bild, hinter den Bergen verschwand und nie mehr wiederkehrte. Ich will Gedichte schreiben Erfahrungsmontagen - Erregungsmontagen Erinnerungsmontagen -, Gedichte, die einen Moment des Lesens die Spannungen und die Widersprüche gelebter Momente aushalten. 3 Den Fernseher einschalten und Landregen sehen. Erinnerungen an die Liebe, an die glücklichen 6oer Jahre. Hart schlug der Regen am Morgen auf dein Dachflächenfenster. Und wir liebten uns noch einmal. »Irgendwie ist die Geschichte schließlich doch noch über den Rahmen hinausgegangen«, fährt Lee Harwood fort, »und dies hier ist >for realfor real57

hier kann ich Hund Hund unter Hunden Hundes Lust sein ihr Autowracks ganz und gar ausgeschlachtet Blech pur zerknickt verhaun verachtet kaputt wie ihr hab ich Kaputtsein mir von euch gepachtet die ihr vergeblich nach was ihr mir vorzugeben vorgebt Inhalt trachtet Inhalt bin ich ich ganz allein als Hund und Chef zu was ihr aufblickt und vor was ihr kriecht sagt euer mir Gekläff ich lieb euch umgefallen lieb ich euch ich lieb euch Scheißer fläch platt am Grund im Maul Dreck lieb ich euch ihr ausgewichsten Gaumen Beißer wo ein Wille ist da ist ein Weg einen Tod kann man nur sterben Stil kann man nicht lernen man muß das Gespür dafür haben auch ich werde täglich vor neue Konsequenzen gestellt ich kann doch nicht einfach utopisch sein Verantwortung kann doch nicht einfach so aussehn daß ich für was ihr angestellt habt hab gradezustehn auch wenn ich glaub euch treu bemühten Arbeitsviechern euch freudig mit den Schnauzen mir ins Arschloch Kriechern Ordnung muß sein wer denn des Teufels Arsch so gut gelobt wie ihr les ich bei Goethe wird belohnt von mir der ich Gott weiß kein Teufel bin nur einer euresgleichen der Chef und wie ihr wißt durch jeden Kniefall zu erweichen

Günter Herburger

Liebe Wenn mein Sohn mit den schönen blonden Haaren, mit den schönen blauen Augen und dem schönen braunen Rücken in mein Bett kommt und gähnt und weint, dann rieche ich seinen Atem, der wie meiner noch unrein ist, doch uns vereint, wie meine Stoppeln und seine kindliche Haut, wie meine Furcht, der er Kraft zutraut, wie mein trauernder Stolz, den er noch nicht kennt, wenn wir insgeheim schon Abschied nehmen und Grimassen schneiden, weil in nassen Augen, wie er es nennt, der Horizont rennt, er meint die Entfernung, so weit wir eben sehen, 159

seitdem er alles aufschreibt über Zeit und Geschwindigkeit, er sah die Männer auf dem Mond, das ist nicht mehr weit für ein Kind, das heute groß wird, Astrophysiker werden will und Gespenstergeschichten erfindet, den Plüschbär im Arm mit schlauer Angst, zwiespältiger Genuß, während ich streicheln und beruhigen muß, sein heftiger Eifer und sein weiches Herz erhöhen den Schmerz, ich sollte Streit beginnen oder mir den Kopf abschlagen lassen, morgen lache ich wieder aber jetzt bin ich verzweifelt und weine wie er, wie mein lieber, schöner, zärtlicher Sohn, wir liegen noch im Bett, aber trennen uns schon.

Natur und Industrie Die Idylle die ich im Liegestütz sehe oder wenn ich keuchend im Takt zwischen den Kornfeldern laufe überm Kopf die drehenden Mücken wie eine Mütze ich spüre meinen Schweiß zwischen den Schenkeln und denke daran daß ich jetzt im Recht bin mehr als der Bauer der stundenlang auf dem Traktor sitzt mehr als Piloten die vorsichtig den Knüppel halten hoch über mir oder wenn sie auf der Betonpiste nebenan Starten und Landen üben oder der Verkaufsfahrer für Kekse der vor jeder Bäckerei einen Knicks macht 160

bevor er hineingeht mehr als der junge Mann der unterm kreiselnden Radarkorb sitzt und auf die Scheibe sieht wo Schlangen leuchten und manchmal ein Pünktchen verlorengeht mehr als sie alle die lernen fahren oder gerade satt sind oder für einen enormen Stundenlohn vor der kochenden Stahlbirne stehen und den Abstich regulieren während ich laufe und so lange voraus bin bis ich unter der Dusche stehe und jammernd wieder zu einem vernünftigen Zäpfchen zusammenschnurre

Wiederentdeckte Heimat Plötzlich in diesem Sommer, als es doch noch heiß zu werden begann und die grünen Wiesen, die wir liebten, immer rissiger wurden, die rutschigen Grasberge, die für uns Sehnsucht ausstrahlten, nicht mehr festzuhalten waren, da hingen plötzlich Bauern, denen wir gepredigt hatten von neuen Ideen und neuem Vieh, traurige Angestellte, deren Ersparnisse wir laut gelobt hatten, an Fallschirmen und segelten dahin über das ganze Land, das dadurch Eigentum zu werden schien wie bisher nicht bekannt.

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Sie fielen und schwebten, sie zielten und strebten wieder davon. Väter, die dick geworden waren, schnellten sich an Hosenträgern mit Schreien in die Luft, blieben wenigstens eine Zeitlang in der Höhe stehen. Mütter, Einsame, Alte, die nur noch von Back- und Strickwaren gesprochen hatten, haben es auch versucht, konnten für Augenblicke auf Wolken gehen und lernten die Kinder, die sie nicht mehr begriffen hatten, wieder verstehen. Da haben wir uns gelobt, als der ganze Zauber, der so stolz gewesen war, dann zusammenbrach, Väter in der Suppe saßen, Mütter trockene Nudeln wieder sparsam in kleinste Stücke brachen, da haben wir eingesehen, daß ein Besuch in der Luft Versuch bleiben muß, weil nur die Erde uns gehört. Daß jener Ausbruch, so schön er auch ist, die Kraft der Gemeinsamkeit, die geduldige Arbeit Halm um Halm, Hirn und Herz empfindlich stört.

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Uwe Herms

Für Gewerkschaftsfunktionäre Diese verdammte Wurstfabrik hat doch tatsächlich ein Wappen. Und im Wappen hat sie ein Schwein. Und das Schwein sieht aus wie ein Butler. Und dieses Butler-Schwein geht auch noch aufrecht, trägt einen Zylinder und eine Jacke (irgendwie zu kurz). Und auf seinen Pfoten hält dieses Schwein (vorrrsecht-bette!) einen Teller und serviert Schweinswürstl die verdammte Sau.

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Auch du, mein friedlicher Rohköstler Auch du, mein friedlicher Rohköstler, hast deine Mikroben im Bauch. Und wenn du die noch atmende Blattpflanze verzehrst, die Zigarette inbrünstig ausschlägst, das kannibalische Fleischmahl verachtest unaufhaltsam handelt schon in dir der finstere Garkoch. Diesen herrlichen Lauch sieh: wie blauäugig und blond auch im Garten er dastand, zerkleinert verströmt er hier auf dem Teller sein Herzblut.

Selbst in friedlichen Zeiten, oh Freund des milchsauren Produkts, bricht dein gesundes Gebiß mehr als die knackende Blattrippe, fromme Hyäne.

Der Gas-Radiator Blau zeigt uns im Radiator die Flamme ein Sichtfenster von Marienglas. Unermüdlich und blau scheint durch Marienglas die Flamme herein in unser Zimmer. Wie gemalte Hennen sitzen sie blau Flamme an Flamme auf dem gleichmäßig gelochten Rohr. Wunderbar wandert von hier über die bläßliche Luft die Wärme, alles Hermetische hinter sich lassend, 64

den fest geschlossenen Heizraum hinter sich lassend über die bläßliche Luft. Unendlich scheint Flamme an Flamme und fast ohne Zuckung stoisch die blaue Erektion zieselt mit dem Gleichmut der Gasuhr hervor aus den Löchern im Rohr in dem hermetischen Raum hinter dem Sichtfenster von Marienglas.

Dynamisch ist das unendliche Gas brennbar und still. Blau ist das Gas und entschlossen aufzuerstehen wie uns im Radiator das Sichtfenster schon zeigt.

Eiderstedt

Schon um vier tauchte sie in meinen Augenbechern auf. Noch um zehn Uhr abends war ihr Widerschein in meinem Zimmer blutrot, und im Spiegel sah ich das Weiße an meinen Augen von Äderchen durchzogen. Sie ist eine Wanderin. Den ganzen Sommer lang nahm der Himmel über den Kögen sein Blau von deren Grün: breit wie eine Hand die ihren kleinen Finger vergessen will. Auf der Erinnerung an ihn balancierten kleine Kühe, mit den Mäulern tief im Gras. 165

Ich bin vier Ich bin vier Und meine Mami hat sich schön rausgemacht. Sie kann laufen und sprechen. Sie geht selber aufs Töpfchen Und sagt Bescheid. Morgens gehts in den Kindergarten. Wenn sie Schwierigkeiten macht Bin ich traurig. Aber wem sonst Kann ich sie aufs Auge drücken. Wenn sie strampelt und weint Weil sie nicht will Tröste ich sie und gehe dann schnell. Ich habe schließlich mein eigenes Leben.

Gewiß ist die Gruppe zu groß. Aber Mami muß es mal lernen Mit anderen zu spielen.

Ich bin fünf Ich bin fünf und schon in der Schule. Hinter dem Haus gilbt das Korn. Neben dem Feldweg lungernd schmeißen wir Erdklumpen (: was sind denn das für Scheuchen, die mit ihrem stinkenden Kohlkübel). Meine Mutter. Sie schlägt mich dafür (: das mußt du nicht tun, ganz arme Menschen sind das).

Die Wachspldäiten. Beide Augen hatten sie zugedfückt. 166

Hadayatullah Hübsch

klares licht keines meiner gedichte hat die klarheit meines fahrrads, wenn ich abends, täglich, zur moschee radle, so Allah will, frei die Stirn von bändern;

wie ich mittlerweile die Unebenheiten der Straße kenne und auf dem heimweg die zeit, wenn die ampeln ausgeschaltet werden. der lange berg, den kommend ich gemächlich nehme, ist dann bereit für dhikr * * dhikr — erinnern Allahs durch Wiederholung Seines Namens

167

bis ich eintauche in das gewühl der dornigen dichten wildbüsche der stadt, unberechenbar die zurufe der taxifahrer und umherschweifenden während der mond angemalt am plastikhimmel treibt, für die, die ihn nicht sehen.

zu hause schweigen milch mit honig Allahs Worte: Der Qur’än. klares licht liegt auf den stufen der ,wudhu der salat”,‘1', des schlafs *

keines meiner gedichte hat dieses licht

ziel

alles was ich tue zeigt, ich tue es nicht

der vogel säubert sein nest nicht mehr wenn er gen Süden fliegt. * wudhu = waschung zum gebet ** salat = islamisches ritualgebet

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eine schlänge häutet sich. ich aber bleibe unterwegs, öffne die tür: immer sonne immer mond immer regen

mühelos leben

morgens, ersehnen, wie der tag aus sich herausgeht, den lügen beine machen mittags, da haben wir gegessen, keine zeit abgesessen, keinen morgen vergessen

am abend unterwegs, noch, ohne last, den schirm ausschalten, weil es regnet: in uns so bleibt der tag aufgeschrieben so bleiben wir mühelos am leben

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Harald K. Hülsmann

Nebensächliches Porträt Federn am Hut den Körper geschüttelt von Krankheit und gelegentlichem Hunger doch offenen bereiten Gesichts kam er aus dem dunklen Schacht der Untergrundbahn

Nur Neugierde war in seinem Gesicht und sein Schatten riesig und verzerrt auf der blanken Fassade des Gebäudes hinter ihm 170

Gedicht über ein geplantes Gedicht Ich hatte mir vorgenommen ein Gedicht zu schreiben über einen Toilettenmann in meinem New Yorker Hotel

Er war klein mit dünnem Schnurrbart Er war Farbiger mit vorsichtigem Lächeln aber ausreichender Herzlichkeit mir gegenüber weit über die gezahlten 2j Cents hinaus Große Worte wollen mir nicht gelingen ihm gegenüber nicht und über ihn auch nicht Zuviel Gepäck vermutlich Gepäck das man in der Toilette nicht abstellt

•7i

Heinar Kipphardt

Angelsbrncker Notizen /1 Mein Vater, aus Buchenwald zurück recherchierte vor Ort wie er A. H. in München beim Besuch seiner alten Freundin H. ich glaube in der Amalienstraße rückwärts erschießen könne aus einem Maleratelier mit einem Zielfernrohr und Fluchtweg über die Dächer. So liegt mir der Terrorismus im Blut.

>72

Wunder

Seht, sagen sie, ihr habt zu essen und Fleisch, dreimal die Woche, von dem ihr das Fett abschneidet, ein Wunder. Denn es hat zu essen in dieser Welt statistisch von dreien nur einer, und der ißt kein Fleisch. Und ihr habt uns den Krieg verloren. Betet, und haltet Maß in euren Ausschweifungen.

Seht, sagen sie, ihr sitzt in Wohnungen, in die es nicht hineinregnet und, wenn es Winter wird, stellt ihr die Ölöfen an. Ihr badet zweimal die Woche in eigenen Wannen, wohlig, und zweimal die Woche beschlaft ihr die schönen, die rundlichen Frauen, die dreimal Fleisch gegessen haben. Das hat, statistisch gesehen, in dieser Welt nicht der zwanzigste. Und ihr habt den Krieg verloren. Ein Wunder. Bequem in die Sessel gelehnt, genießt ihr ein Fußballspiel, oder den Besuch einer Königin, oder das Wort zum Sonntag. Und trinkt, statistisch berechnet, zehn Flaschen Schnaps im Jahr mit euren schöneren Frauen, und die gesünderen Kinder trinken am Morgen Kaba.

'73

Während im fernen Vietnam andere für euch andere Häuser zerschmeißen, unfreie, fahrt ihr ins schönere Grüne im eigenen Volkswagen.

Annoncenakquisition

Im Spiegel das schnellste, das stärkste Kampfflugzeug. Wer soll das kaufen, wenn er beim Morgenkaffee darauf stößt? Ich finde heraus: Die Nation. In dieses enorme System darf sich die ganze Nation einkaufen jeder verwirklicht in ihm 2,2 mach und schneller.

Angelsbrucker Notizen 15

Wie ich nachts das Licht lösche, ausschalte die elektrischen Geräte, höre ich in meinem Ohr einen sehr hellen rosig klingenden Ton, der allen Abschaltungen widersteht. Ohne Erklärung gehe ich zu Bett. Als ich um fünf Uhr erwache, versuche ich mich seiner zu erinnern. Am Morgen erfahre ich, es ist ein Aggregat der Eisbox ausgewechselt worden, die, auf Betonboden stehend, diese Schwingungen macht. Ich lege die Hand auf sie.

'74

Angelsbrucker Notizen 2

Das Haus besteht aus vorwiegend zwei Häusern Es ist still am Wasser gelegen (Strogen) und diente in früherer Zeit Mühlenzwecken zum Beispiel der Erzeugung des elektrischen Stroms für das Gebiet Unterstrogen-Fraunberg mittels Turbine Im Mühlengebäude befindet sich heute eine Verwandlungsmaschine (Dichter) die ab und an für mehrer Stunden angeworfen wird Im Bauernhaus leben die emsigen Wunschmaschinen unter der Obhut der Mutterwunschmaschine Bellt, wenn der Schnee fällt, ein Hund schaun sie zum Fenster hinaus.

’75

Karin Kiwus

Fragile Wenn ich jetzt sage ich hebe dich übergebe ich nur vorsichtig das Geschenk zu einem Test das wir beide noch nie gefeiert haben

Und wenn du gleich wieder allein deinen Geburtstag vor Augen hast und dieses Päckchen ungeduldig an dich reißt dann nimmst du schon 176

die scheppernden Scherben darin gar nicht mehr wahr

Entfremdende Arbeit Es macht mir wirklich nichts aus dir in der Küche zu helfen aber manchmal vermisse ich jetzt diese zögernden halbwachen Momente im Türrahmen gelehnt und dir zugesehen wie du ein Frühstück eingesammelt hast mit deinem ganzen Körper Du hast immer den Tee Häufchen für Häufchen abgemessen in der Mulde deiner linken Hand und mit den Zähnen eine Packung Schnittkäse aufgerissen die Tür des Kühlschranks hast du mit dem Schenkel zugedrückt und sperrige Eierpappen eingestampft mit deinen Holzpantinen

Du hast immer mit dem Ellenbogen Kochtöpfe von der Herdplatte geschoben und andere aufgesetzt die mit beiden Händen kaum noch zu halten waren Du hast immer diese Pfannenschippe in der einen Hand gehabt und einen Keks in der anderen und ein rutschendes Geschirrtuch über der Schulter wenn irgend etwas Flüssiges zu Boden ging und du mit bloßen Zehen einen Lappen hervorgezerrt und gewischt hast als wäre ein Hobel unter deinem Fuß

>77

Und wie ein verschlafener Posaunenengel hast du immer leicht entrückt in die kochende Milch geblasen und die j-Minuten-Eier heiß in die Brusttasche deines Bademantels gesteckt Es ist immer so besänftigend gewesen zu spüren wie du voller Zuversicht alles anpacken konntest am Morgen selbstvergessen in einer Beweglichkeit bei der ich mich einig fühlte mit dir auf den ersten Blick

Wenn ich jetzt neben dir stehe in der Küche und auf meine Art aufmerksam hantiere mit den Dingen habe ich dich nie mehr vor Augen und seit wir tatsächlich miteinander anfangen habe ich aufgehört zu erleben wie es wirklich ist wenn du und ich einen Tag beginnen Ich bin dir näher gekommen vielleicht aber du bist jetzt immer eine halbe Stunde weiter weg

Exit Manchmal erkenne ich mich, immer noch hier Galway seit September wundgelegen an dieser ungelenken Krankheit für Rekruten und zaghafte Töchter, 178

mit diesen lautlos rasenden Achterbahnfahrten in meinem Gehirn die wirklich Spaß machen, denn die Zeit vergeht so dünn und weiß dabei daß mir viel leichter wird Ivy Holy and Mistletoe Make a Good Christmas Wherever You Go küß mich deine kühle Haut ist mir ganz nah ich fühle deine Spinnwebwimpern fächern Maria Maria Maria rufen sie mich wireless sogar in meiner Sprache woher wissen sie, daß ich hier bin aber ich mag Überraschungen, ich freue mich Ich muß lachen und sofort rückt diese muntere Frau näher, die ständig an meinem Bett sitzt, ihre Augen glänzen feucht, sie scheint ziemlich aufgeregt, hastig fängt sie an Geschichten zu erzählen, sie vergißt die Hälfte, wiederholt sich, aber ich kann sie ganz gut verstehen, weißt du, die Iren, sagt sie sind verquere Leute sie haben Glatteis auf den Straßen, weißt du, aber sie streuen nicht, sie besprengen nur ihre Autos mit Weihwasser und dann glauben sie daran, ganz fest und jeden Tag schlägt jemand hin, denn jedem hat Gott einiges mitgegeben zum Brechen

Ein treuherziger Optimismus, rein gegen alle Regeln der Physik, ich würde 79

ihnen gern meine Asche anbieten, aber nicht einmal die werde ich hinterlassen können in diesem Land, die Aufklärung Aufklärung Solidarität Protestmärsche Fahnen alle Bewegungen sind zu Stehkadern erstarrt und es kommt mir vor, als hätte ich über Jahre nur ein einziges monumentales Bild von Delacroix studiert

Unser komisches glückliches Pathos paradiesisch hell in der Erinnerung windstill nein ich bin nicht der Engel der Geschichte gelähmt sehe ich tief unter mir meine Flügel schleifen wenn sie mich aufnehmen und wieder umbetten ich bin eine fadenverwirrte wächserne Marionette ich bin eine bleiche Fledermaus mit zerschlissenem Cape ich bin fast körperlos a fool on a hill ein Zwischenspiel and Pli go to bed at noon

Sie weiß es schon, sie will mich noch malen lassen, bitte mein Kind wirklich das ist überflüssig: ich habe eingefallene dunkle Augen eine spitze Nase, rissige schmale Lippen wie alle, da gibt es in O1 genug, meine Schwester ist viel pragmatischer, Fotos machen es auch sie sieht aus wie die Garbo werden sie sagen kurz vor ihrem Abgang na also certainly no comeback 180

Da ist schon das Stichwort ein Atemzug und jetzt it's you he announces it's you betroffen bin ich, und jetzt jetzt bin ich bereit ein sanfter fieberfließender Leib eine schöne junge Frau schön in der Mattigkeit Gier Hingabe ich will erlöst werden, aber nicht Du Du draller dämlicher Flattermann steck Deinen naseweisen Zeigefinger weg, Du scheinheiliger Popel-Joker Dein Fernlicht blendet mich, Deine alberne schrille Neontaube nein ich bin nicht zu haben für euch in letzter Minute ihr Gauner ihr habt euch geirrt, hier ist kein Hôpital de la Conception schert euch, ihr himmlischen Heerscharen up up and away zu euren Wolkenplumeaus auf ein Viertelstündchen ewiges Leben O. K. you take the high way and I’ll take the low Ich werde meine eigene winzige Sanduhr Tod anhalten und warten, in diesem Winter ist der Frost so hart, man kann nicht die Erde aufbrechen, in die ich will aber sie laufen ja schon über die Amtsflure mit steifen Mänteln und griffbereiten Taschentüchern Wartelisten Urkunden Stempel Urnen auf akkuraten Regalen wie in einer Fayencerie 1 81

Wir werden alle völlig fertig sein wenn es vorüber ist im März im März wahrscheinlich full fathom five und du jeden Tag siehst du jetzt eine andere Gestalt sich nähern und wieder entfernen es ist gut aber ich, versteh doch ich habe gar keinen Sinn gehabt eine beliebige Kombination zusammengefallen erstickt

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Klaus Konjetzky

Nostalgie des geschichtslosen Sommers I. Schwarze Turnhosen trugen wirnur Rob, den nichts einen Teufel scherte, war in der Unterhose als die Entscheidungen gefallen waren, und wir vor der Sankt-Anna-Kirche, mein Gott! ins Brunnenbecken stiegen und eine Republik nach so viel Krieg und Siegen aus der Taufe hoben.

183

Sieben Schusser bot Rob für einen Tennisball; den hat mir ein Kästner gegeben fürs Ballaufheben und ein Doppeltes Lottchen fürs Leben noch ehe ich lesen konnte. Ich nahm die sieben und zog mich geprellt in die Hauptstadt zurück, wie wir sie vorläufig nannten. Vom Brunnenrand aus wurde scharf geschossen: zwei Blätter waren ein Schiff, die toten Fliegen Passagiere. Jeder hat jeden getroffen, aber die Fliegen gingen nicht unter, weil tote Fliegen nicht untergehen. Als die Blockade gefallen und wir eine Brücke gebaut, sah es nicht gut aus für Rob, doch der verkündete laut, bedrängt und säuisch grinsend, eine andere Republik, der nicht der Schwabe präsidierte sondern Pieck.

Wir pinkelten durch unsre nassen Hosen, bevor wir Wasser schluckten in der Schlacht. II. Viele Legislaturperioden danach, an bewegt-gepflegten Sonntagen unter Kastanienbäumen einer Kurpromenade oder wo, 184

rochs manchmal süß und warm nach Asphalt und Lakritze, nach frischen Margarinebildern und aufregend nach Chlor. Und Schutt und toten Tauben. Und so.

Lauter unerlöste Bilder: in Ruinen »da sind die Mörder« (sind die Mörder nicht da, stürzen sie ein) und in den Kellern sind Bomben und Ratten in den Kellern, am Straßeneck Männer, beim Nachbarn ein Kommunist und auf der Wiese »hausen Zigeuner«. Mit den Regeln, den alten, die man uns gab, ist alles anders geblieben, als es war. »Geht nicht in die Ruinen!« Klar? So hab ich den Kanzler gesehn nicht wissend, was ein Kanzler ist, und nicht, warum der »ein Fuchs« als ich am Fenster saß mit einer Strichliste und zählte: 9 DKWs und 14 Volkswagen und grüne Leukoplastbomber. Nur runterfallen dürft ich nicht.

>8$

III. Gut, daß ich nicht überlassen wurde den Windrosen. Erstarrt wär ich beim Sternezählen. Ich, der in Dachau das Schloss besichtigte vor allem anderen. Die »joer Jahre« wären mir zu meinen »goldenen« geworden, wo man »früher, ja früher« noch ohne Morden Versteck-Dich spielen konnte auf der Straße! (Bis sie mir auf die Schliche kamen, daß ich mich mit Elisabeth nicht finden ließ im Hollerbusch).

Das wären die Geschichten zum Hausierengehen und zum Dichten nur noch viel plastischer, versteht sich, im Detail. Manchmal hab ich einen getroffen, der unterm Fenster ging. Im schlimmsten Falle kam er rauf, um sich zu ärgern. Ich machte nicht auf. Und länger würden die Märchen und schöner im Laufe der Zeit. »Früher konnten wir unter den Kastanienbäumen noch von Kastanien träumen.«

Blieb alles so, würden mit nachsichtiger Neugier die Enkel lauschen und später tuscheln im Bett. 186

Ich wüßte nichts von ihnen, die als Siebenjährige unsere Gedichte nicht lernen und deren Geschichte nicht mein Leben wär. Zwei Jahre nach der »Währungsreform« . . . was denn das war, würden sie fragen, genau wie mir die »Machtergreifung« ein Abziehbild geblieben ist, auf dem ein blauer Buckel-Mann nach einer Krone greift.

Den Berichten der Niederlage fehlt die Erinnerung vom Sieg. Nußöl gegen »kalten Krieg«, Cattolica im Gesicht beim Wienern der Karossen. Koreanische Schüsse nicht auf den vorderen Plätzen der »Sieben Favoriten«. Mister Money holte sich alle zurück in die Chefetagen. Alles wurde wieder und maß sich an der Mannschaft von Bern und ihrem »größten Sieg«. Die Frage, ob ichs zusammenkrieg den Cowboy-Colt und die Machtergreifung, Tante Ollis Brillantring und die Wiederbewaffnung, die Nudelsuppenbüchsen der Amis und ihre Schuttberge, Radausflüge und Restauration. 187

IV. Als wir das Gewerkschaftshaus verließen, hätte uns fast die Hitze erschlagen. Wir gingen an den alten Platz, den Schatten zu genießen.

War das ein Sommerabend! Die Schwalben zogen hoch, vom Englischen Garten kam Heugeruch rüber, und schwören könnte ich noch, daß Grillen zirpten. Das letzte Abendrot wich dunkleren Tönen: also erhob ich mich von der Bank unter Kastanienbäumen, um heimzugehen zum Abendbrot, aber Rob wollte noch seine Füße in den Sankt-Anna-Brunnen stecken. Gut. V. Saß doch da Rob, der Prolet, am Brunnenrand mit hochgekrempelten Hosen, versuchte ein Kastanienblatt zu kentern Und pfiff die Internationale! Ich, »Am Brunnen vor dem Tore« schon auf den Lippen, besann mich der »historischen Stunde« und pfiff - eine Terz tiefer - mit.

188

Schottisches Hochland Kenmore liegt eine Stunde zurück. Die Postkartengrüße nach Dillingen sind gegenstandslos geworden. Wo die Augen keine Spuren finden vom Odenwald trifft kühler dich der Wind.

Ein Hochplateau geht auf. Hinter der Steinwüste steigen neue Monde zu fernen Steinnebelwänden.

Das Schaf wurde gerissen. So tot sah ich noch keins. Vielleicht gibts doch einen Gott.

Erst unten beim Abendtee am künstlichen Kamin wird die Wanderung »einmalig schön«. »Ihr müßt unbedingt mal hierher!«

189

Ursula Krechel

Warnung Komm aus der Höhe herab steig mal von deinem Roß

sieh einfach zu und staune wie ich den Kopf hebe die Schultern, die Arme davonfliege in klarer Luft ohne mich umzusehen nach dir.

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Der Anfang des Wochenendes Während ich im Supermarkt einer Frau die Vorderräder des Einkaufswagens auf die Fersen schiebe, fahre ich auch meinen Kopf spazieren. Im Wald der Konservendosen suche ich Blaubeeren und die Erinnerung an die kleine Lust auf einen trockenen, dünnen Fichtenast zu treten. Während du daheim die Kühlschranktür zuschnappen läßt wieder das kindliche Gefühl das ich auch beim Aufwachen habe wenn mich im Traum jemand geschlagen hat. Freitagnachmittags läppert sich das Glück zusammen aus prallen Einkaufstüten, aus Flaschen Kisten, Kartons. Komm! Wir setzen uns im Flur auf den Teppich und fliegen mit unseren Hoffnungen davon.

Jetzt Mit jedem Satz bin ich mutiger und mutiger geworden. Schon morgen werde ich mich nicht mehr vor dem Flimmern der Tagesschau fürchten. Ich könnte sogar in einer Teekiste über den Cabora-Bassa-See rudern eine magere Beute der Geheimdienste eine Freundin der ertrinkenden Antilopen. Als ich gelernt hatte, Ich zu sagen fing ich zu stottern an. Plötzlich lagen die Hoffnungen meiner Eltern auf Eis. Allzu lange ist dann jeder für sich geblieben 191

ohne zu wissen, wie es sich anfühlt wenn man sich die angstnassen Hände gibt.

Auf einer Parkbank schütte ich meine Handtasche aus: Sätze, Gedichtanfänge die ich bei Regen fertig schreiben will ein Lippenstift vom letzten Jahr. Früher habe ich gelernt, meine Haare in Locken zu drehen die Ellbogen von der Tischplatte zu nehmen. Jetzt lerne ich unter die Tische zu sehen an die ich mich nicht mehr setzen will. Während die Atempausen kürzer werden betrachte ich im SPIEGEL die Fotografie einer jungen Frau aus dem Neandertal. Mit halbem Herzen habe ich mich in sie verliebt. Irgendwo muß ich anfangen, aber ich fange an.

Nach Mainz!

Angela Davis, die Jungfrau Maria und ich liegen in klammen weißen Betten in einem Krankenhaus, dritte Klasse. Wir reden nicht viel. Im Nebenraum plärren die Säuglinge, die man uns abgepreßt hat. Jede von uns ist an einem Wochentag von einem gewöhnlichen Kind entbunden worden. Maria liegt sehr blond in ihren Kissen. Angela schläft viel. Ich lese in Freuds Traumdeutung und frage mich, warum ich trotzdem von pelzigen Säuge- und Nagetieren träume. Pünktlich klopft eine Schwesternschülerin und bringt die Düsseldorfer Nachrichten. Ausgerechnet Düsseldorf, denke ich noch. Hier haben sie uns niedergestreckt. Dann fällt mir die Schlagzeile auf: Zweite deutsche Teilung. 192

Alle Sozialisten nach Süddeutschland verbannt. Demarkationslinie ist der Main. Wir springen aus den Betten. Nichts wie nach Mainz den Rhein hinauf. Wir umarmen uns, lachen rennen barfuß durch die Altstadt zum Rhein. Die Kinder, ruft Maria an einer roten Ampel. Wir kehren nicht um. Die Nachkommen gehen eigene Wege. Schon stehen wir bis zu den Knien in der grauen Brühe bespritzen Brust und Arme und kraulen los. Obwohl wir gegen den Strom schwimmen, kommen wir gut voran. Was für ein Glück, die Arme auszustrecken zu prusten, gurgeln, spritzen, um sich zu schlagen. Hinter Wesseling ist das Wasser ganz klar. Möwen begleiten uns eine Weile. Während wir uns auf den Rücken werfen, reden wir darüber, was uns erwartet. Ich kneife Angela in den Arm. Wir träumen nicht. Am Loreleifelsen treffen wir tatsächlich einen Fischer in seinem Nachen. Er rudert gemächlich, damit er sich unterhalten kann. Später bittet er uns in seinen Kahn. Besonders Maria weckt sein Interesse. Sie gleiche einer bestimmten Person aufs Haar. Manchmal schaut er ihr ins Gesicht. Bis nach Bingen rudert er uns. Er zögert mitzukommen. Einerseits sehe er unser historisches Glück andererseits habe er Frau und Kinder. Während wir ihm zuwinken, werden Boot und Mütze kleiner und kleiner. Gegen Abend erreichen wir Mainz. Von weitem schon sehen wir die Fahnen am Ufer. Die Rote Hilfe begrüßt uns, reicht Decken Frottiertücher. Wie mir die Knie zittern.

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Karl Krolow

Phantasie Ein Schlag gegen den Kopf, vorsichtig, du zweifelst, ob er geführt wurde. Es kommt zu keiner Bedrückung und die normale Geschwindigkeit des Lebens geht weiter. Das Gefühl für Versagen verläßt dich nicht oder für körperliches Streicheln die sanften Finger haben wieder Gelegenheit, sich zu bewegen. Vögel bleiben Spielsachen für die Luft. Wir sind nicht für sie verantwortlich, wenn sie uns umfliegen. In Gebüschen ist Sittlichkeit versteckt. Du siehst beim Gehen auf deine Schuhe, willst nicht aufhören, «94

Kopf und Kragen zu tragen. So ist es in Ordnung. Der unmerkliche Schlag war wie Phantasie. Auf einmal ist sie da, läßt nicht nach. Die Vorstellungswelt wird weit. Vorsichtig geht man an ihr zugrunde.

Stille Wut

Stille Wut ist wie wenn Schnee fällt nachts und niemand hinsieht, wenig los ist unter Leuten. Keiner kommt dir jetzt mit offenem Nerv entgegen. Die Blumen liegen flach im Schlaf und Frauen sowieso. Da bleibt dir nichts als Schwierigkeit, allein zu sein mit einer Flasche mit bestimmtem Inhalt. Die Freundlichkeit wird so nicht auf sich warten lassen.

Wenn man dahinter kommt

Wenn man dahinter kommt, daß das Wunder aufgeht, nicht viel los ist im Leben, in dem Wäsche herein geholt wird bei Regen und man für manches zahlt. Man wußte es, wollte es so und braucht nicht von weither zu kommen. Immer kommt man von nebenan. «95

Nebenbei erfährst du, wie trockene Blätter fallen oder wie unbekümmert gelacht wird und daß die anderen die anderen bleiben.

Schmalfilm

Die handgeschriebenen Tage gehören mir ohne Übergang. Alles Mögliche fällt mir ein. Ich denke: lasse alles, wie es ist Essende, die neben einer Tür auf Teller starren, ein blaues Männerhemd, aus dem Achselhöhlen zu sehen sind, die Häresie eines Nachmittags, der nicht Abend wird. Ich blicke zwischen die Schultern von Leuten geradeaus in unbestimmtes Grün, denke nicht darüber nach, wer die anderen sind. Ich bleibe stehn, finde es gut, zuzuhören. Die Gespräche wechseln. Man ist ohne Aggression. Ich merke es. Die Luft lastet nicht. Der Zufall ist fraglos für Stunden: ein Schmalfilm, der leise läuft.

Er hatte Angst Er hatte Angst, auch ohne Gewaltverhältnisse. Die Vögel sangen fremd inmitten mechanischer Vegetation. Alles war zu berechnen, auch dieser Druck in der Magengrube: einige Tassen Tee genügten schon, 196

ein eingeschaltetes Fernsehgerät. Ihm war übel. Die Sprache als soziale Kontrolle verlor sich ihm zu einem Rauschen im Kopf, den er langsam auf die Brust sinken ließ oder einfach auf den Tisch legte. Dort sah er einem beliebigen Gegenstand ähnlich, behaart, schmal dieses Hinterhaupt, in dem keine Musik mehr war.

Ich atme Manche tragen falsche Wimpern. Die erfahrene Welt ist so. Vieles stimmt nicht, dafür hält sich Staub an Kleidern, bleibt ein leichter Fleck zurück von trockenem Blut, vom Lieben im schnellen Leben. Ich berufe mich auf nichts: ich atme nur. Verrückt riechen wilde, ländliche Blumen. Ich erinnere mich an das schöne Freie, an den Rausch, weit voneinander entfernt zu sein und auf einmal in fremden Armen.

'97

Michael Krüger

Notizen zur Geschichte des Fensters (für Ernst Brücher) i Das Eenster beobachtet mich beim Schreiben. Ich spüre seinen hellen Blick zwischen den Zeilen, seine Wahrnehmungen machen mich verlegen. Bestimmte Wörter schreibe ich hinter vorgehaltener Hand. Das l enster sieht jede Wiederholung, jede Unentschiedenheit, jeden Rückfall,

19S

jede Versöhnung mit mir selber. Es beobachtet meine Anstrengung ein anderer zu werden auf dem Papier. Es beobachtet mein Scheitern, seine Gleichgültigkeit kann sich nicht sattsehen an meinen Verstellungen. Mein Desinteresse nimmt es gelassen zur Kenntnis.

Das Fenster ist der ganz und gar abwesende Mittelpunkt aller meiner Bewegungen. Meine Sehnsucht kennt es im Detail. Wenn es dunkel ist, gibt es mich ungerührt wieder: Ein stummer Zeuge meiner Grimassen. Es zeigt mir den Schnee und die Abschweifung, das Unerhörte und die Wirkung der Sonne. In Zeiten der allergrößten Stummheit beschreibe ich das Glas meines Fensters mit einer erfundenen Sprache: dann spürt es den Schmerz.

Das Fenster beobachtet mich beim Schreiben. Es sieht mir zu, wie ich das Glas beschrifte. 2

In den Fenstern hat sich ein Blick verfangen, ein mürber Blick, sprachlos und scheu. 199

Er versucht die Dämmerung abzulenken, das alternde Gemurmel der Straße, mit stummen Phantasien.

Das Fenster wird unruhig. Unruhig erwartet es die klirrende Nacht, wenn das Licht ins Zimmer zurückkriecht, in den toten Winkel der Einbildungskraft. Der Blick beschwört die Silhouette, die Vorzüge einer verschlüsselten Physiognomie.

Er ist gegen die Auflösung.

Mit Händen und Füßen wehrt er sich gegen den Einbruch der Nacht. 3 Das Fenster ordnet Material zu einer Geschichte des Lichts. In seinen schmutzigen Scheiben sind die Strahlen verzeichnet

der aufgehenden Sonne und die heftigen Erinnerungen an ihren Untergang. Wortkarg ist der Mond

beschrieben und der flackernde Schatten der Wolken. Unschätzbare Dokumente für die Geschichte des Lichts, 200

beglaubigt durch unzählige Fingerabdrücke und die ehemals wetterfesten Gesetze der Natur. Das Fenster behauptet neutral zu sein, empfänglich für Innen und Außen.

Wir wissen es besser. Seine rechteckige Ordnung neigt zu Definitionen: der leere Raum zwischen den Blicken, so sieht es sich selbst in der langen Geschichte des Lichts. Wir wissen es besser. Jeder Blick aus dem Fenster zeigt uns die künstliche Grenze,

die den Blick trennt von der Welt. Jeder Blick ist der genormte Blick auf die Wunde, die das Fenster beleuchtet, mit einem verächtlichen eifersüchtigen Licht.

4 Dieses Fenster verleugnet das Haus, den rühmlosen Rauhputz der Mauern und das Flachdach aus hellem Metall. Sein Interesse an der Wirklichkeit 201

ist gering, innen wie außen.

Nachts träumt es von Menschen, die sich dem Wind überlassen, tagsüber läßt es sich schamlos begaffen: Blicke beantwortet es nie. Das Fenster selber sieht die Welt nicht:

Gelangweilt und ohne Erwartung überwacht es die Vermittlung des Lichts.

5 Das Fenster zeigt uns eine bewohnte Gegend. Aufgeteilt in vier Quadrate rahmt es die Landkarte der Blicke: die Gewißheit, das Glück, den Wunsch und die Aussichtslosigkeit. Das geometrische Schema kennt seine Opfer.

202

Und es erwähnt, in der linken unteren Ecke, einen Weg in die bewohnbare Welt der entstellten Bilder.

Sich mit diesem Blick begnügen zu sollen gehört zu den ungereimten Vorstellungen des Auges.

203

Otto Heinrich Kühner

Unvergänglich Eine Rasierklinge, über Bord geworfen im Sund Und liegend nun auf dem Meeresgrund, Konnte, geschaffen zum Verbrauch und Verderben, Weil rostfrei, nicht sterben. Auch eine Nelke, Dazu da, daß sie, laut Stammbuch, welke, Konnte, weil aus Polyäthylen, Nicht vergehn; Und die Butterbrothülle aus Cellophan, Die Herr S. still vergrub an der Autobahn, War so des Herrn S. in aller Stille Vergrabene, nichtsterbliche Hülle.

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Frühgeschichtlich Bei Grabungen in der oberen Alluvium-Schicht Fand man Autos von jedem Format und Gewicht, Vor allem Kotflügel, eng aneinandergereiht, Nannte die Epoche hiernach die »Kotflügelzeit« Und, bei dem Massenvorkommen des Automobils, Dieses das höchste damaligen Menschheitsziels, Der Kotfügeimensch, schloß man, samt Idolen, Ausgestorben durch überhebliches Überholen. (Bei Delphi förderte man in jener Schicht Den Lenker eines Volkswagens ans Tageslicht, Sitzend neben einer Frau, laut Gemme, Elfie, Und nannte ihn den »2. Wagenlenker von Delphi«.)

Ontologisch Eine Wegwerfflasche, deren Sinn es und Zweck, Hinterher nicht mehr da zu sein, sondern weg, Weil aber aus Kunststoff (von Höchst a. Main), Ohne die Fähigkeit, nicht mehr da zu sein, Diese Flasche also, obwohl weggeworfen, blieb Entgegen dem ihr innewohnenden Wegseinsprinzip Dennoch da, zwar hier einmal, dann dort, Aber räumlich vorhanden und auch immerfort Und war solcherart als Wegwerfflasche hierin (Wie andere ohne Daseins-) ohne Wegseinssinn; Das heißt, sie erlebte, weil aus Plastik, Jenes »to be or not to be« in aller Drastik.

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Bildung Pummerer, beobachtend der Leute Mund, Ging folgendem Sachverhalt auf den Grund: Man steckt hinein das Stück eines Kabeljaus, Und es kommen daraufhin Wörter heraus; Bei Leuten, die Austern essen oder Torte, Sind es feine und gepflegte Worte, Bei Leuten, die Rüben essen oder Kraut, Sind die Worte unfein, vulgär und laut. Pummerer findet nun, daß die Menschen bloß Zur Hebung ihres Bildungsniveaus (Was auch die Meinung der Sozialisten) Besser essen müßten.

Kriegerehrenmal Er hat nicht, wie man sagt, sein Leben Für Volk, Reich oder Vaterland hingegeben, Es wurde ihm, ohne jedes Erbarmen, genommen, Er ist nicht gefallen, sondern umgekommen, Er vergoß sein Blut, wenn auch mit »Hurra«, Weil dieser es befohlen hatte, für Feldwebel K. Es ist kein schöner Tod, vorm Feind erschlagen . . Aber er kann das alles niemandem sagen, Denn er, er lebte hinterher Nicht mehr.

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Gregor Laschen

Karte aus Gripsholm (9- Juli 1977) Das ausgekühlte Durcheinander, die Wohnung seit langem, in der die Gegenstände herrschen, Gegenmechaniken gegen den sich setzenden Staub der Trennung, ausgeklügelte Anstrengung: auf Kopfhöhe kommen, langsam, morgens. Schnee auf den Fenstern später im Jahr. Mittags dann die blaue Ordnung der Post, Nachrichtenzeit und Botschaften, die ihre Zeit, ihre Wege auf dem Buckel haben, sorgfältig. Herzjagen. Draußen im Waschbeckenglanz des Himmels das Flugzeug in seiner Schneise nach Norden, Stockholm, Oslo, als ich dir nachfuhr, frischgebadet, 207

in den Schären, vor Jahren, Blutandrang, jetzt Bild, Kammerkonzert, Flimmern viel zu laut, zu laut, un­ scharf wie die Ränder, Trauer. Die Arbeit, die dich weiter­ schleppt in den nächsten Schritt, Begriff weit weg aus der Erinnerung an unsere Körper, du dort, ich hier. Der aufkochende Kaffee läuft gleichmäßig über in den Hintergrund der zurückgebliebenen Bilder vom Leben, die schlafende Katze im Fenster, jetzt geht das Gedicht in eine Serie von Fotos auf: Apollinaire, der übern Rhein setzt mit den Mullbinden um seinen schönen Kopf auf dem Weg zu seinen schönbrüstigen Lehrerinnen und das Bild vom grünen Ast, der in den Schädel des Österreichers wuchs und von da ins Fluchtbild der Pyrenäen, in das erschöpft die Kugel einschlug wie das Grünzeug der Seine in die dem Rauch entkommene Sprache aufgeht. Das ausgekühlte Durcheinander, auf Kopfhöhe gebracht. Leerzeilen und der Applaus des Radios, nachts, der mir deinen längst vergangenen Körper unterlegt wie damals, jetzt, während du längst, Jahre schon, wie früher in anderen Bildern haust, machen keinen Sommer für dich und mich. Natürlich begehrte er sie. Da blieb die Prinzessin stehen, um sich zu pudern. Kurzatmig und langzeilig ein eingeübter Seiltrick, du da und ich nocheinmal im Netz der Vereinbarung, wahr ist nur noch: Grammatik schwarz wie dein schönes Schamhaar mit der Warze darunter, an die ich mich jetzt erinnere, Zungengefühl,

zuletzt Papier. 208

Die Totverletzten, die Sätze Der Klabautermann stößt die Tür auf. Der schießt sich seinen Schatten, wie es die Kunst verlangt, von der Schwelle aus.

Unsere Herzboje, himmelhoch abgesoffen im Lauf der Zeit, schreit: »kehr-wieder«, Metapher. Da liegen wir schon auf dem Rücken wie die Fische im Rhein und hoffen auf Schatten. Da hängt der kleine Bleifuß im Strom auf seinem Weg zum Blut, verbrüdert mit all den übriggebliebenen Schaltsternen auf dieser Parkuhr, die Goethe Herz nannte kurz vorm Showdown, im Gefühl des richtigen Augenblicks, der Stunde der Wahrheit. Da steht die Zeit rum, die Zeichen auf Sturm, der Dichter wie gehabt auf dem Kriegsfuß, dann dreht sich der Wind. In den übriggebliebenen Sätzen weinen die übriggebliebenen Figuren von vornherein. Dann dreht sich der Wind um sich selbst und fällt getroffen aufs Gesicht. Das ist so. Wir hoffen auf Schatten. Der ins Ziel gekommene Bleifuß steht köpf: erzeugt ein ruckartiges Hochreißen der Arme, die aber fallen gleichsam gelangweilt zurück in den sich Überschlagenden Körper, der einfach liegen­ bleibt. Büchner schreibt an seine Braut den Satz über die Gewalt: In Hollywood gehen die Uhren ganz anders und Andy Warhol, 209

kaninchenäugig, wiederholt das. Nobby Stiles tritt zähneknirschend über die Lederkugel mitten ins Schienbein des Gegenüber: die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge. Aus unseren Sätzen tropft Blut so sichtbar wie in den Zeitlupenbildern von Sam Peckinpah, so langsam und wiederholbar. Die Aufrichtigkeit der Zitate ist es, die uns nach Wiederholung schreien läßt: immer nur Endspiele. Die beschriebene Holz-, Marmor- und Metallanzeige auf dem Friedhof vergammelt vor Lebenslust. Diese Gegend, in der sich diese Körper überschlagen haben und niederfielen ins Bild, und diese Gegend, in der diese vereinbarten Schilder aufgerichtet sind für die Leute von der Straße, ist diese Gegend, die sich nach ganz kurzer Zeit als Engpaß herausstellt. So ist das. Gary Cooper blieb in der Mitte der Straße stehen. Engpässe sind Tatsachen. Das Wort Engpaß steht immer auf dem Papier. Da trifft dich die auch schon einsame Kugel mitten ins Großhirn. Die Wörter sind immer die Engpässe der Sätze. So kommt alles ins Lot.

Der Mond hat sein eigenes Kabäusken. Die Wölfin kennt ihren Wolf. Die Breithüftige liebt den Schmalschultrigen. 210

Der Schmalschultrige aber liebt die Schmalhüftige und verunglückt mit dem Motorrad. Die Schmalhüftige aber liebt den Schmalschultrigen und beißt ins Kissen. Der Schmalschultrige wird begraben, während die Breithüftige im Nadelöhr hängt. Der Breithüftige nimmt sich das Leben, der Mond bleibt stehen, je nach Winter reden wir vom nächsten Sommer: in der Logik ist nichts zufällig. Venedig geht unter und die übrige Welt hat ihren Alarmzustand. Die Nachrichten kommen irgendwie an. Ein Auto überschlägt sich sehr anschaulich. Dann ist der nächste Schnee schon das nächste Bluthundsgesicht. Einbahnstraße ist auch so ein Wort, das du auf der Schwelle sprichst. Da steht Lee Marvin, die Sonne im Rücken. Der Klabautermann stößt jetzt wieder diese Tür auf. Der Klabautermann steht jetzt wieder breitbeinig auf der Schwelle. Der schießt sich beidhändig und etwas gelangweilt seinen Schatten aus der Reihe vor und hinter ihm. Der Schatten reißt getroffen die Arme hoch. Auf dem Gesicht des Schattens zeigt sich für Sekunden ungläubige Verwunderung. Der Schatten fällt dann ruckartig auf die Knie und wenig später gleichsam zeitlupenbewußt aufs Gesicht, während die ungläubige Verwunderung darauf erlischt. Schatten ist auch so ein Wort, das seine Sonne im Rücken hat.

21 i

Die Sätze also sind Körper, in denen die Wörter wie Schatten auftreten, wie Krankheiten zu märchenhaften Toden, mit denen es sich noch eine Zeit lang leben läßt: sechs- und achtfüßige Wind­ märchen vor lauter Wirklichkeit, diesem klassischen Herz- und immer Zwillingsgeschoß ohne Hand und Fuß. Einbahnstraße ist auch so ein Wort, das seine Sätze im Rücken hat.

212

Bernhard Laux

Ratschläge an eine befreundete Organisation, die Massenagitation betreffend Laßt grundsätzlich außer acht daß, Genossen, andere auf dem Wege befindliche ein Recht auf Information haben nicht zu sprechen von der Notwendigkeit

Führt grundsätzlich die Auseinandersetzung indem, Genossen, ihr Verbote aussprecht die Auseinandersetzung zu führen und Fragenden Prügel androht Schickt grundsätzlich Organisierte die, Genossen, an zu Überzeugenden im Kaderwelsch vorbeiparaphrasieren die Klarheit ihrer Gedanken vorstellend 1'3

Nennt grundsätzlich reaktionär was, Genossen, in dieser Form aufmüpfend satirische Ratschläge erteilt legt zugrunde allseitiges Konkurrenzverhalten Eure Reihen werden dann sich bald geschlossen zeigen und unsere Feinde zufrieden

Kommentar eines auf diese Weise Angeredeten: »Die Arbeiter, wie ihre Kommunistische Partei, machen weniger Verse, befinden sich dafür aber im Kampf für den Sozialismus. Ich weiß nicht, wann Du Deine Gedichte machst, ich gehe jetzt z.B., weil ich morgen früh mit Arbeitern aus meinem Betrieb spreche und mich darauf vorbereite! Das ist der Unterschied! R Front«

Kommentar meinerseits überflüssig.

lob des Urlaubs in relativer abgeschiedenheit wächst das bedürfnis nach information über die bewegungen der weit

dunkle nächte, die gestirne noch überwältigender erscheinen lassen verstärken den wünsch nach klarheit

214

die relative ruhe produziert das begehren nach Produktion der abstand die notwendigkeit, teilzunehmen die große methode die kleinen begehren die ständigen Zweifel die geänderte ändernde praxis

richtigstellung

ein General­ bundesanwalt macht noch keinen Staat aber der Staat macht seine justiz

ein paar schlisse lassen den Staat noch nicht begraben sein aber ein Staatsbegräbnis ist der angemessene rahmen für die beerdigung weiterer demokratischer rechte

1'5

Wilhelm Liefland

gedickt am Sonnabend morgen

...und daß ich je die kleine neue milchkanne schlecht fand die du gekauft hast um dem elend der dosen ein ende zu machen welche sind schon längst unsterblich in andy warhols lakonischem pantheon der fakten ...und daß ich niedermachte dein gefühl der netten creatio mundi voll unschuld über die sieben bösen teufel 216

tanzend auf meiner zunge die lieber sagen sollte wie schön du bist auf dem Steg über den salzhimmel in deinen äugen ...und daß ich heulen kann wenn ich an diesen morgen zurückdenke und deine Verzweiflung wie ein nasses Segeltuch um mein herz knattert verzeih mir meinen kurs . . . und im vorraum liegt heute schnee auf der dachluke über diesem iglu über den häusern . . . und kühlt die schlafen gottes

partei partei

da geht einer über den main ins meer durch die schwarze scheibe über die lichter und schreit abschaffen abschaffen den main das meer die schwarze scheibe die lichter das schreien

1’7

die polizei nimmt ihn fest und fragt nach seinen personalien die hat er nicht er schlägt dem erstbesten eins in die fresse haut ab

später

als er im club voltaire besoffen von der sozialistischen Zukunft und seinem Untergang redet nehmen ihn die genossen in gewahrsam und heben ihn auf

für später

nachtstück

vor meinen äugen vor mitternacht hinter der jalousie dem fenster und hinter der topflärche hinter dem balkongitter vor der kreuzung die birke dahinter kein auto die lampen habe ich im köpf vor dem himmel

218

vermutlich die langen flächen des wissens nur eingezäunt durch meinen blick über all das bis die schwarze sonne dahinter das meer an sich zieht und es verschwindet von dem bild vor meinen äugen nach mitternacht neben der jalousie dem fenster

219

Richard Limpert

Nachtschicht Der Koks glüht in der Batterie am Löschturm Feuerschein

Wie war das noch. Ein Mädchen schrie ein halbzerfetztes Bein

In Dresden und in Schitomir war auch der Himmel rot vor Jahren. Doch jetzt bin ich hier gleich gibt es Pausenbrot

Wo war das damals bitte Brot in Minsk - die Kinderhand 220

Mein Kind träumt jetzt die Wangen rot vom Spiel im Kinderland

Trotz Gasgeruch vom Saugerhaus am Gleis Kamille, Mohn Das Auschwitz-Gas im Totenhaus Kamille nicht - Zyklon

Wanja aus Rostow leblos grau an einem Stricke hing

Komm heil zurück, sagt meine Frau als ich zur Nachtschicht ging Der feine Löschdampfregen fällt harmlos nur H,O

Wenn Strontium fällt, erstirbt die Welt trotz Glut - ich friere so Der Kumpel von der Morgenschicht sagt geh, dein Bett ist warm Kollege heute schlaf ich nicht heut schlage ich Alarm

Lehrlingswochenbuch Ich bin klein, die Werkstatt ist rein Maschinen sind sauber. Der Boß trinkt Wein Ich reinigte hier bis Samstag um vier sonst bis um halb sieben, der Meister trank Bier

11

Ich fegte den Hof von hinten bis vorn das Holz ist gespalten, der Geselle trank Korn Ich bin klein, mein Herz ist rein bald kommt die Prüfung. Was wird dann sein?

Hand in Hand

Unser Vater ist ein Mann, der ein Auto lenken kann. Bei der Firma Gold & Barren, fährt er den Elektrokarren. Dichten kann der Vater auch -, den defekten Fahrradschlauch. Mutti hat ’ne Halbtagsstelle. Wenn sie sagt, nun hilf mal schnelle, hört er nichts, dann ist er taub, und er macht sich aus dem Staub. Wenn der Papa helfen soll, hat er gleich die Nase voll. Er vergißt den Herd zu stochen, und kann nicht mal Kaffee kochen. Wenn er Kohlen holen soll, ist der Eimer nur halb voll. Auch beim Spülen in der Küche, gehen Teller in die Brüche. Vater murrt: »Ich bin ein Könner, das ist wirklich nichts für Männer.« Mutter sagt: »Ist es denn schön, Hausarbeit und Schaffen gehn? Hand in Hand, das ist nicht schlecht.« Da hat Mutti wirklich recht.

222

Rote Fliesen - damals grau kühle Sitzbank wie vor Jahren. Zigarette - endlich Schicht. Beulenflasche, Muckefuck. Lungenauswurf, schwarz gefärbt. Heinrich ekelt: Saukanake! Grad so wie zu Vaters Zeiten. Was heißt da Veränderung?

Doch, da hat sich was geändert. Vaters Kumpel hieß Metersky, Franneck. Frantiszeck Metersky. Mein Kollege heißt Normella, Ludschi. Luigi Normella. Herr, Gescherr’ und Pferdewechsel, junge Hufe, stramm die Fesseln. Wer sagt da Veränderung?

223

Peter Maiwald

Grabschrift Knigges Damit die Bürger besser miteinander auskamen schrieb er ihnen ein Buch voller Höflichkeiten. Seine Nachkommen starben im Mansfeldischen 1920, weil sie auf Arbeiter geschossen hatten.

224

Landsleute

Sie fürchten die Räume zwischen den Straßenlaternen und die elfte Stunde wenn die Stadtverwaltung das Licht löscht und sie ihrem Schicksal überläßt. Sie fürchten die Schatten menschlicher Körper die kein Haus haben und kein Glück und bitten die Stadtverwaltung etwas gegen die Unglücklichen zu tun. Sie fürchten sich vor Schlössern die nicht schließen und Türen, die nachts aufschnappen und Rolläden, die klemmen und die Begehrlichkeit wecken von anderen. Sie fürchten sich vor Nächten mit Freunden und Fremden die auskundschaften den Stand der Dinge in ihrem heimlichen Leben und zurückkämen.

Sie fürchten die Polizisten die sie abends mustern wenn sie nach Hause kommen von Bier und Vergnügen und fürchten sie könnten verwechselt werden. 225

Ballade von Samstag auf Sonntag Plaschek hat Anna in den Arm genommen und nichts gesagt. Anna ist mit Plaschek gekommen und hat nichts gefragt.

Sind durch die leeren Straßen gegangen bis Nummer vier. Plaschek ist zum Büdchen gegangen für zwei Flaschen Bier. Ist eine warme Nacht gewesen und oben kein Mond. Anna hat das Türschild gelesen wo Plaschek wohnt.

Sind auf dem kleinen Bett gesessen so vier fünf Schluck. Haben die große Stadt ganz vergessen und waren genug.

Plaschek hat Anna gerufen mit seiner Hand. Anna hat Plaschek gerufen bis er sie fand. Fragten im Dunkeln die Augen: siehst du denn mich? Fragten im Dunkeln die Hände: begreife ich dich? Fand Plaschek die Zigaretten in dem Jackett. Träumt Anna von großen Betten und fragt Plaschek wie’s geht. 226

Lagen die Nacht noch lange zusammen bis Morgengraun. Sagten noch oft ihre Namen und taten sich schaun. Plaschek hat Anna in den Arm genommen und schlief ruhig ein. Anna ist mit Plaschek weggeschwommen und mochten so sein.

Rainer Malkowski

Die Buschmanngeige

Schwach ist der Resonanzkörper: auf dem einsaitigen Krummstock ein leeres Straußenei. Also kein Instrument für den Beifall. Vielleicht auch kein Instrument zum höheren Ruhm von irgendwem. Niemand sonst hört was der Buschmann geigt im Steppenwind ein paar Bogenzüge lang 228

sich selbst zum Erstaunen vernehmlich.

Unverzichtbarer mit jedem Jahr Unverzichtbarer mit jedem Jahr die Fahrt an den See, wenn die Buchten zufrieren. Scheinbar nur eine kleine Veränderung der Oberfläche, aber wild winkst du am fernen Ende des Stegs und ich, die Hände voller Steine, mit denen ich das Eis zum Schwirren bringe, winke vom Ufer zurück. Für jeden von uns sind wieder ein paar Möglichkeiten mehr in der Luft. Das Wasser hat seine Gestalt schon gewechselt.

Radfahrt Schön, zu fahren im Fliegengeprall mit gleißenden Speichen die wilden Hügel hinab. 229

An weidenden Pferden surrt das Rad, am starren Maisfeld vorbei. Von der Rolle läuft an diesem großmütigen Tag der lange verwickelte Faden.

2JO

Christoph Meckel

Der Traum

Wollen wir nicht aufhören mit dem Tod. Wollen wir nicht auf den Grund der Augen gehn und aufräumen im Finsterwasser. Wollen wir nicht den teuren Schmerz zerschlagen und arm sein in der nächsten besten Freude. Wollen wir uns nicht losreißen von den Strohhalmen. Wir wollen nach Norden gehn und in der Brise leben. Niemand vermißt uns, und wir lassen die Post an die alte Adresse schicken. In unserm Bett schlafen Freunde, die gehn auch ans Telefon. Wir sind abhanden, solange das Leben reicht, wir sind in Paris und fliegen in offenen Mänteln übern Pont Mirabeau.

231

Schön ist der Tag am Ende des Sommers, und die Sonne die beste aller Welten. Zwei Illusionen weiter - und Paris liegt am Meer. Wir bringen den Donnerstag auf die nächste Bank und haben wieder Geld für Kaffee und Wein im Restaurant an der Straße nach Norden.

Das ist erst der Anfang. Im offenen Wagen fahren wir durch das Flußland. Chausseen, die unter den Himmel führen und senkrecht ins Meer. Belaubte Mauern - egal wo wir bleiben solang wir im Herbst sind. Julias Lachen im durchsonnten Nebel. Den Wagen verkaufen wir einer Garage im Hinterland. Der Koffer ist leicht, wir verschenken die Bademäntel und leben zu Fuß. Belaubte Mauern - egal wo wir bleiben solang wir im Herbst sind. Julias Lachen im durchsonnten Nebel. Abends im Regen werden die Tagträume dunkel. Wir könnten jetzt unsere Bademäntel gebrauchen und heißen Kaffee. Wir bringen den Freitag auf die nächste Bank und haben wieder Geld für Kaffee und Wein im Restaurant an der Straße nach Norden das ist erst der Anfang.

Wollen wir nicht aufhören mit dem Tod. Wollen wir nicht den teuren Traum zerschlagen. Wollen wir uns nicht losreißen von der Sonne und den Freunden telegrafieren daß wir nach Hause kommen.

Das ist erst der Anfang. Welche Regennacht wird uns abgenommen, auf welcher Bank. Wer von uns überlebt das Glück und beschafft nocheinmal Geld für eine Tasse Kaffee. Wo sind die Strohhalme.

Guten Morgen Morgendämmerung. Stunde der Müllabfuhr. Zeit der Hinrichtung und des Gebrülls in den Schlachthöfen. Zeit der lautlos fahrenden Sprengwagen und Polizeistreifen der zusammengeschossenen Bars, der leeren Taxis. Zeit betäubender Schlaflosigkeit. Zeit des Ohrensausens und des Schüttelfrostes. Die Betrunkenen wimmern im Schweiß ihres Angesichts. Die Sterbenden fallen vom Bett und werden nicht zugedeckt. Die Toten liegen im Rinnstein ohne Ausweis.

Zeit der Delirien und des Erbrechens. Des dreckigen Bestecks, des Gähnens und der Ernüchterung. Zeit der baren Verlassenheit und der leeren Taschen. Selbstmörderzeit. Rosige Hadesstunde wenn Rattenpfoten durch die Abwässer patschen und die Wanzen und Hunde sich gesättigt zurückziehn.

Das ist der Augenblick ohne Pathos und Biografie. Das ist der Augenblick, zu sagen: ich lebe. Dies ist der einzige Augenblick für ein vernehmliches Ja. Der Rest ist Zucker.

233

Das wußte er schon, als er rausgestoßen wurde in diesen einmaligen Tag. Seine Chance war vorbei an einem Morgen im Juni als er ihre Leute sah und wußte: das kann nicht gut gehn mit ihnen und ihm, der Verteilung von Macht und Revolte. Das wußte er schon, bevor seine Augen geöffnet wurden für diese Art von Komödie.

Geboren zu werden, auf den Tod genau, und jeden Tag Mensch zu sein jeden Morgen von ihrem Tiefschlag empfangen zu werden und den Abend nicht zu erreichen ohne Empörung und Aufruhr. Das Universum ist gut, die Materie geht nicht verloren, das ist in Ordnung und es hat seine Richtigkeit mit Luft und Feuer das wußte er schon, bevor die Schöpfung ihn festhielt mit Fleisch und Atem das beruhigt ihn nicht, nachdem er seinesgleichen an ihren Toden erkannte.

Für sie das Gesetz, für ihn eine Stimme leibhaftig, heillos, für ihn die Nacht und das Neinsein. Das wußte er schon, bevor die Hoffnung ihn täuschte, bevor ihr Handwerk ihn scherte. Keiner soll kommen und sagen: halb so schlimm. Wer hier ein Mensch ist, hat keine andere Wahl, als unnachgiebig zu leben ohne Schlagring und Vorrecht. Der Tag wird nicht kommen, den Zorn zu sparen und nachzuholen die Unschuld.

234

Kleiner Essigschwamm Atmen willst du? So, du willst atmen. Das ist verständlich. Leben willst du, wer möchte schon sterben. Leben sollst du, aber langsam langsam. Du kriegst noch was mit; wir sind keine Ganoven. Sie stellten ihn auf die Beine und schraubten ihn fest immer langsam, kleiner Essigschwamm. Sie warfen ihn in den Mülleimer oder daneben sie schmissen ihn öfter mal gegen die Wand. Nicht, daß wir was gegen dich hätten, kleiner Essigschwamm; sie ließen ihn leben auf die nettere Art. Sie brachten ihn unter in ihrem Kasten und er hing auf dem Stuhl und sah seine Knochen im Fernsehn; sie schnitten ihm oft mal was raus und sie setzten ihm oft mal was ein da war ihm die Sonne allmählich egal.

Da sagte er: sterben. Sie sagten: das tust du schon lange. Sterben, das ist verständlich, wer möchte schon leben. Eins nach dem andern, kleiner Essigschwamm. Du kriegst noch was mit. Wir sind keine Ganoven. Sie zeigten ihm, wer sie waren, aber langsam langsam. Sie machten ihn aufmerksam auf die Schönheit der Luft bis er umfiel; und schafften ihn auf ein Sofa damit er sich ausstrecken konnte und sterben wie jeder sie standen um ihn herum und rauchten und drückten nicht mal die Kippen in seinem Gesicht aus.

Nichts für ungut, kleiner Essigschwamm.

2J5

Ernst Meister

Lange hast du, scheint es, gewartet, um ins Flüchtige zu gelangen, denn erst jetzt bist du da. Nun fragst du, was es war, das im Augenblick ist.

Da ist kein Schöpfer, da ist kein Zeuge, da ist sie selbst, aus sich selbst, Natur, sie allein und ich wäre einsam in ihr? 2j6

Warum erschrecke ich über Seiendes, obwohl ich zu ihm gehöre? Was ist es mit dem Unterschied dessen, das lebt und das stirbt?

Das dir zugesagte Nichtsein wischt alles Gedachte weg. Das Denken krümmt sich im Wissen darum und ist doch genötigt, Welt zu verstehn.

Ewigkeit fast als Gegenstand erscheint sie schlechtem Begreifen.

Sie ist aber nie, niemals endendes Fließen und Fliehn. DENK ES GENAU.

Ob die Zeit sich verzehre als Zeit, der Leichnam fragt es nicht.

Die Erzählung von dem, das war, ist nur enthalten im Zerfall. Die Toten nämlich, unfähig sind sie der umständlichen Fabel ihrer selbst.

Dabei wäre das Grab gerade der Ort von Erzählen.

Du Erde voller Schädel, was sag ich, und was ist Sagen? Es macht die Todesrechnung den Zwang, das Rechte zu finden.

Das ist seltsam, und eine Dankbarkeit gibts.

238

Franz Mon

analyse und synthese eines textes von aristoteles

i. aber alles auch auch auch bewegt bewegt bewegt bewegt dort dort dorthin dorthin es es es es es es entsprechend gewaltsam gewaltsam gewaltsam gewaltsam gewaltsamkeit hat nach natur nur nur nur ohne ruht ruht ruht ruht seiner sich sich sich sich und und wo wo wohin wohin 259

2. aber bewegt dort es gewaltsam hat nach ohne ruht seiner und wo alles bewegt dort es gewaltsam natur ruht sich und wo auch bewegt dorthin es gewaltsam nur ruht sich wohin auch bewegt dorthin es gewaltsam nur ruht sich wohin auch es gewaltsamkeit nur sich es entsprechend

3wo hat es aber dort und ohne ruht nach seiner gewaltsam bewegt wo und es ruht sich dort natur bewegt alles gewaltsam nur auch es sich wohin ruht dorthin gewaltsam bewegt nur auch es sich wohin ruht dorthin gewaltsam bewegt nur auch es gewaltsamkeit sich es entsprechend

4hat aber dort und ruht wo es nach seiner gewaltsamkeit bewegt und es ruht sich dort wo natur alles gewaltsam bewegt nur wohin es auch ruht dorthin bewegt sich gewaltsam wohin es ruht nur dorthin bewegt sich auch gewaltsam nur es sich auch gewaltsamkeit es entsprechend Jes bewegt sich aber gewaltsam, alles bewegt sich dort gewaltsam auch wo es ruht. auch bewegt es nur dorthin gewaltsam, und es bewegt sich nur dorthin gewaltsam ohne wohin, auch hat es sich nur entsprechend seiner gewaltsamkeit. es ruht wo natur ruht, und wohin ruht.

240

6. seiner natur nach bewegt sich alles dorthin wo es auch ohne gewaltsamkeit ruht und ruht entsprechend dort wohin es sich bewegt hat. wo es aber nur gewaltsam ruht dorthin bewegt es sich auch nur gewaltsam und wohin es sich gewaltsam bewegt dort ruht es auch nur gewaltsam.

abstriche in vier Sätzen mit vierem I bevor der vierer in seinen vier wänden den vierjahresplan ver­ vierfachte, konnte vierbein unter vier äugen nicht bis vier zäh­ len. als der vierer auf seinen vier buchstaben ein Viergespann vervierte, ließ vierbein in seinen vier wänden vier gerade sein, wenn der vie­ rer unter vier äugen einen vierhänder viertelte, kroch vierbein am Vierwaldstätter see auf allen vieren. obwohl der vierer am vierwaldstätter see einen vierfüßler vier­ teilte, streckte vierbein auf seinen vier buchstaben alle viere von sich.

II bevor der vierer den vierjahresplan vervierfachte, konnte vierbein nicht bis vier zählen. als der vierer ein Viergespann vervierte, ließ vierbein vier gerade sein. wenn der vierer einen vierhänder viertelte, kroch vierbein auf allen vieren. obwohl der vierer einen vierfüßler vierteilte, streckte vierbein alle viere von sich.

241

III bevor der vierer vervierfachte, konnte vierbein nicht zählen, als der vierer vervierte, ließ vierbein gerade sein. wenn der vierer viertelte, kroch vierbein auf allen, obwohl der vierer vierteilte, streckte vierbein alle von sich. IV der der der der

vierer vierer vierer vierer

vervierfachte, vervierte, viertelte, vierteilte,

vierbein vierbein vierbein vierbein

konnte, ließ, kroch, streckte.

panoptikum treten sie näher treten sie heran treten sie nur herein treten sie ruhig fest auf treten ist leichter als beten treten sie getrost mal treten sie noch mal dreht sich nicht mehr dreh da nicht dran dreh dich nicht um.

die toten lassen mich nicht in ruhe, sie schreien, sie spielen tischtennis über größere entfernung. um atem zu holen bücken sie sich beim aufschlag, wie kinder zahlen sie die hälfte wenn sie raus­ gehen. oder wenn sie reinkommen, hamlet ist keiner von ihnen. 242

doch er hört ihnen zu. hamlet ist ihr größter fehlschlag, viel lieber als ihn zeigen sie dir ihren rücken wenn ein ball auf­ schlägt und sie mit der zunge den mund aufsperren um ihn zu empfangen, trotzki steht ihnen nahe weil er schweigt wie ein roller mit den rädern nach oben. er macht ihnen die mutprobe vor indem er vorm haus auf und ab geht und an dem engel aus essig lutscht, trotzki ist ihr fall ohne auferstehung ohne brüstung ohne konzept.

M3

Bodo Morshäuser

Straßensperre Da stehen sie uns gegenüber, die drei, dreißig Jahre nach dem Krieg und wieder im Dienst für ihn. Unsicher noch, beim ersten Auftritt so angesehen zu werden, lachen sie über die Mütze des andern, lachen über ihren Oberbullen, dem sie seinen dienstlichen Gesichtsausdruck nicht abnehmen. Sie schauen an sich herunter und kommen noch nicht zurecht mit dem Auftrag, schauen zu uns, die ihnen gegenüberstehen, und sehen unser Lachen, das der Feind ist. Vielleicht wünschen sie, gesehen zu werden wie sie nach Feierabend sind, 244

wenn sie ganz anders sind, weil sie nicht so angesehen werden wie wir sie ansehen, weil sie so sind.

Bild aus der Dämmerung

Es war wichtig, daß sie die ganze Nacht miteinander stritten, das würden sie nie bestreiten. Nun legt sie erschöpft ihre Hand auf seinen Bauch, und auch er streichelt sie wieder. Sie sind jetzt müde genug, Verständnis aufzubringen, aber auch zu müde, um noch genau und ehrlich zu sein. Zärtliche Demonstration

Im Radio spricht ein Abgeordneter zu uns hier Draußen Im Land wie wir hören und In Dieser Stunde aber immer am Rand unserer zärtlichen Demonstration redet er mit uns wie vom Mittelpunkt der Erde aus und als könnte er der Grund sein für unsere Umarmungen dabei sind wir schon wieder ganz woanders Das geht manchmal aber manchmal trifft mich auch der Schlag wenn ich an die Türklinke fasse Alle entgegnen sich einmal das ist so abgemacht Aber wie wenn wir uns nur noch verstehen würden? Wie öde fielen die Blätter und wie folgerichtig? In den Waschsalons entstehen spontane Gespräche aber die sind jetzt weit weg und doch nah Ein schwarzes Haar von dir zieht sich durch meine Liebesgeschichte 245

Wieder ertrinkt eine unserer Debatten über unsere innere Sicherheit im Schweiß der jetzt etwas kalt eintrocknet Wir glauben an die Unsicherheit die wir uns aus Mißverständnissen erziehen und siedeln auf diesem Boden unsere Geschichten und unsere Gedichte an

246

Nathias Neutert

Kinderkritzelei (für Heinar) Kalb ist man nur knapp ein Jahr, Kuh ist man für immer.

Das Kalb trinkt die Milch pur, die Kuh verdünnt sie mit Kaffee. Der Ochse ist eine unnütze Kuh: er gibt keine Milch, aber zertrampelt die ganzen Wiesen.

247

Nylons Keinerlei ewiger Wahrheit auf der Spur trudle ich durchs Viertel. Es ist Sonntag nach einer durchmachten Nacht, und ich hab keinen Pfennig mehr auf der Naht. Im Kino geben sie einen uralten Western mit Hoppalong, damals sah ich ihn dreimal, aber jetzt kaufe ich mir keine Karte, denn schon dieser Name Hoppalong reicht aus, mich in eine entlegene Gegend zu katapultieren, Erinnerung, zerkratzte Kopie! Das weiß ich noch, erste Mal mit ner Freundin ins Kino, Andrea Kliche . . . wir, in Anoraks ausm »american stock« in Röhrenjeans. Ein Western in der «Blumenburg«; sonntags 14 Uhr, für 50 Pfennig, oderso. Lange her wie Hoppalong Cassidy selbst durch den staubigen Mittag 248

ging. In jedem seiner Schritte stiefelte: Ich; und die Schultern platzten mir fast aus den Nähten vor Eckigkeit. Wie mich Andrea ansah! Ich fühlte mich. Hatte ich nicht eine Ähnlichkeit mit Hoppalong? Der schoß aus der Hüf. . . Film gerissen, dunkler Saal. . . Auf der Sessellehne, roter Samt, berührte Andreas Hand so leicht meine schnelle Rechte. Sie rückte mir auf den Leib, will mich umarmen. Da hatte ich doch Angst, sie könnte meine Nylonsocken riechen, in denen ich so schwitzte. (Ausschnitt aus dem langen Gedicht »Was ist und was sein soll«)

249

Helga M. Novak

Müll wegtragen bei einer alltäglichen Verrichtung plötzlich der Überfall und ich habe ihm freien Lauf gelassen den Bildern die mich überfielen keinen Einhalt geboten plötzlich beim Wegtragen von Müll auf dem Lande einmal alleine und koste es das Leben

auf dem Hohlweg zum Müll der Frost schlägt Bandeisen um die Stirne die steinharte Katze am Rand springt niemandem mehr vor die Füße weder von rechts noch von links und was knirscht da? der Schnee? 250

nein es sind meine alten Zähne einmal alleine und koste es das Leben

Windstille zwischen den Böschungen die Brombeerruten totlebendig erstarrt die glasigen Ebereschen und das Eichenlaub vom Vorjahr braun und faul unter eisigen Flechten ich schwenke die Tüten mit Müll unter dem fallenden Himmel und bei der Halde befällt mich eine Sehnsucht nicht mehr haltzumachen einmal alleine und koste es das Leben ich verpasse in dem weißlichgrauen Weiß die Müllgrube zwischen den Pappeln und fort und weiter und durch die Nacht und morgen und später durch flaches Licht in hellere Gebiete bis das reine Eis ja ein Land aus Eis zuhaut und sticht und mich blendet endlich fliegt aus den Händen der Müll einmal alleine und es kostet das Leben

Femsehturm

ein Turm der silbern funkelt dreihundert Meter Zementstein vielleicht stürzt er ein gegen sieben wenn es dunkelt

25«

auf seiner Spitze rotes Licht damit sie ihn nicht rammen vielleicht bricht er zusammen und ich höre es gar nicht

feldgraue Säule aus Stein mit Schießscharten ich kann warten irgendwann fällt er ein

Augenblick

sie fassen mich ins Auge und ich weiß dies Unheil stürzt aus keinem heitern Himmel und weiß das Maß ist voll und löse notgedrungen ihr Feindbild ein ich fasse sie ins Auge und weiß im Schuldbuch dieses Landes stehe ich nicht drin und während ich noch rechne komme ich langsam ihrem Feindbild nach ich fasse sie ins Auge und schweige und errichte heimlich Barrikaden aus Wörtern die schlägt mir keiner aus dem Kopf obwohl sie das Feindbild noch übertreffen

sie fassen mich ins Auge und ich weiß ohne ein einziges Wort mit ihnen zu wechseln werde ich keine Antwort schuldig bleiben denn ich löse endlich ihr Feindbild ein

* 25

Harry Oberländer

an Christian friedrich hölderlin

komm zurück wir steigen in eine Straßenbahn ein fahren natürlich schwarz du steigst auf den sitz und schreist die taubstummen an wacht endlich auf aus euerm eisernen schlaf aus fleiß und industrie seht die alten götter ihr schlagt sie ins baugerüst flüsse verfärben sich, treiben zum meer der arglosen fische laich wacht auf, werdet nicht der natur schlimmste seuche wenn sie dann stocksauer sind und schrein: geh doch nach drüben 253

haun wir ab machen uns einen ree, ziehn einen durch legen die stones auf oder die Scherben dylan oder pink floyd du wirst dich gut auskennen in diesem land vieles ist geblieben wie es war

es gibt den gejagten, verhafteten und verhörten von schwerer strafe bedroht werden alle die seine Wahrheit weitergeben ihm essen hinstellen und unterschlupf gewähren und alle die fotografiert werden an seinem grab

komme näher ich blicke jetzt über die Schulter und sage dir leise wie empedokles heute heißt

kurz vor der revolution

wurde im kino der tod in Venedig zelebriert die leute standen schlänge vor der kasse vor meinem kleinen fenster mit dem gesprungenen glas lag die matratze, der blick ging auf alte kastanien

der Schreibtisch stand gleich neben der tür die der Stuhl versperrte an der wand hing guernica von picasso

254

wir stritten uns um berge von dreckigem geschirr soffen spätabends wodka und andere harte Sachen taumelten auf die Straße und warteten daß endlich was lief es war der heiße sommer in amerikas gettos morgens, halb in der nacht raste ich über die autobahn die Stechuhr im nacken wie der eiserne gustav hart im nehmen bauten wir autos, kurz vor der revolution nachts träumten wir von fallenden kisten vom zerquetscht werden zwischen Waggons oder unter den pressen

so kam alles zusammen der krach die hitze die flugblätter lotta continua und rolling stones ravioli aus der buchse und das Studium der produktion des relativen mehrwerts

155

Oskar Pastior

thesis tucha failed build

tsohlis wynnt ar feign schlumm fawn e fee fawn e fee melos ama bull fox flipu ante fagfog? norra male fizz ncholt! amos hob y tiepha gram o funk-el-storm!

Brautkutsche hält Bräutigam ab ins Gebüsch Braut träumt einen kurzen Regen Wald macht Szene 256

Aus dem Gebüsch ein Hundekopf aus dem Gebüsch ein Kalb ein Kalb mit einem Hundekopf niemand sieht zu

Wald traurig Wald dichtet:

»Kalb mit Hundekopf ist der schlimme Prikulitsch alles fürchtet sich alles sieht zu!« Aus dem Gebüsch niemand sieht Regen niemand sieht kurzen Regen niemand Brautkutsche niemand in Kutsche ab Vöglein von links:

»Prikulitsch Prikulitsch!«

Wer es liest der hats gelesen

j X geklingelt - vertrackt! Die Niederkunft einer Wissensdurst­ strecke auf der Trockenkopie eines Postpaketes ist wieder mit der Kostprobe einer Kondensröstpastete gekoppelt! Alles was der Kenntlichkeit dient, heißt es dazu im Ermessensausweis, dient restlich der Dringlichkeitsstreckung des Besten. Dementspre­ chend sind Boden und Umfang des Estrichs aus Sahne und Stan­ niol. Nichts was im Freßpaket zusätzlich lungert, heißt es im gleichen Kapierton, kann jemals die Grenzen ersetzen; Persön­

157

lichkeitsgruppen sind grundsätzlich punktuell zu bespöken. Erst der Papierkopfversand (drei Kragenweiten, maßgeschneidertbewußt, auch hier die verkappte Coop-Pök-Regel) weckt eini­ germaßen Spektakuläres: das kobaltblaue Protokoll, recte das Doppel, perfekt verpackt, stiebt zum Himmel. Das aus den Krü­ meln ragende Über-Ich einer Wissensdurststrecke.

Beim Hören von M usik wird nämlich im Ohr Zeit freigesetzt: das Ohr produziert Freizeit. Auf dieser Erkenntnis beruht das Ohren-Leasing, ein blühender Dienstleistungszweig. Die also mit Hilfe von Leih-Ohren erzeugte Freizeit kann gespeichert wer­ den, z. B. auf Band, wodurch die Summe der Freizeit ständig zu­ nimmt, denn nichts geht verloren. Allein im Vorjahr wurden im Weltmaßstab Freizeitreserven im Umfang von 3 $0000 Musik­ jahren zurückgelegt - man bedenke! Die schwierigsten Freizeit­ probleme treten dort auf, wo die Leih-Freizeit kein Gehör findet, weil das Ohr, das sie erzeugen könnte, verliehen wurde und an­ derswo Freizeit freisetzt. Leihen Sie Ihr Ohr der Musik!

Enge des Denkens, o kränkende Beschränkung! O wesensgege­ bene Keks-Menge! Verzehrende Zwänge, fernere Dränge, o transzendente Klemme!

258

Steve B. Peinemann

Verhältnismäßigkeit der Mittel

Irgendwann mal Sitz ich da mit nem Zielfernrohr auf der Schreibmaschine Fadenkreuze auf den Brillengläsern Trag auch präzise - Was mir nicht passen wird Konzentrische Kreise links auf dem Rücken Und Zahlen von eins bis zwölf

Zeit wird’s Das Lächeln dann Abzuwischen. 159

Deutsches Rondo Da stehn Polizisten Als Zeugen vor Gericht. Fürchtet Euch! Oder lieber Nicht.

Da hat dann die Platte Einen nützlichen Sprung. Es liegt an der guten Erinnerung, Daß A weiß was B weiß und C weiß und D, Was F tat und E, Und daß G weiß und H weiß, Am Achten war’s heiß und am Neunten lag Schnee . . .

Beamte erinnern sich Protokollkonform. Für die nächste Verhandlung Lesen sie’s nach und erinnern sich wörtlich. Und keiner wird schwach. Die Wahrheit in Deutschland Trägt Uniform.

Was beeinflußt die gute Erinnerung? Einen Sprung hat die Platte, einen Sprung *”■* einen Sprung *** einen Sprung •” einen

4Oft*444

260

Klaus M. Rarisch

Teufelstrillersonett

Die kühne Kuh auf blauer Augenweide Entäußert sich der Innereien. MuTatis mutandis wird die Kuh tabu, Ruht sanft und kalbt auf Metzgermessers Schneide.

Ein Cowboy, schon im Dienst ergraut, kaut Kreide: Umsonst! Sein Schrei bleibt »Ei«. »Ei« trifft nicht zu. Die Kuh enteutert sich vom Ich zum Du, Versilbert Goldgeschmeide, heißt Herzleide. Der Teufel, der den Kuhschwanz heilig sprach, Entdeckt, daß man sich nach der Decke streckt, Empfängt den Ritterschlag zwar unbefleckt, 261

Doch endet schmachbedeckt im Schlafgemach: Er glaubt zu schlecken und wird aufgeschleckt Von einem Weib, das nach Madonna schmeckt.

Nie sättigt die Liebe sich Sonette hymnischen Charakters I Veni Creator Spiritus

Da sichten gaffend Seufzersteuerleute Von ihren Gaffelsofaschonern Land. Den ständig wechselnden Familienstand Zu schonen, üben Handstand ihre Bräute.

Auf daß er diesen Stand der Dinge deute, Stellt der Augur sein Lächeln an die Wand. Die Wand ist ignorant und kennt nicht Kant: Maxime wird des bösen Moritz Beute. O spitze Totenvögel, die skelettig Ihr um das totgestochne Hohlnichts kreist, Ist es sein Retter oder nur sein Rettich,

Des schnöde Tat ihr schnabelscharf beklagt? Der siebte Schleier Salomes zerreißt, Wenn ER beim Rettungsakte nicht versagt. II Salve Regina Für Johannes Teufel

Madonna macht den Rosenkranz mobil: Die Perlen Kerlen durch die Finger gleiten; Zur Kommunion die jungen Dinger schreiten; Fromm zwängt sich die Gemeinde ins Gestühl. 262

Schwül schwelt im Priesterherzen Lustgefühl: Er labt sich an dem Wasser, dem geweihten; Sein Es indes, es läßt zur Messe läuten; Den Küster küßt er unter Orgelspiel. Doch was zu viel ist, ist zu viel: es weint Madonna mit Bambino traut vereint Ob dieser ihres schlechten Knechtes Schmach. Da fällt die Ehre auf dem eignen Feld Als Held, den auf der Welt zurück nichts hält. Bach spielt zu ihrer Ehre »Air« von Bach.

IV Ora pro nobis Der Mutterkuchen zuckt am Marterpfahl -! Blut schänden wir aus dem Geschlecht des Wälse, Wir stürzen, Schüler, frisch aufs Virginal . . . Ora pro nobis, sancta Lasker Else!

Der Olbaum bäumt sich auf: die Callas kahl -! Geölter Blitz fährt Schreck in Gala-Hälse, Ionesco malt al fresco seine Qual . . . Im Psycho-Escorial übt bübisch Beelze -:

Fleisch fischt im Trüben, Trieb ist ausgetrieben, Freud ist im Para-Paradies geblieben . . . Der Teufel muß die Großmama versuchen; Sonst liebt er nicht Perversitäten zwar, Doch hier hilft selbst kein kreuzweis Beten gar! Gar brät im Höllenpfuhl Großmutterkuchen.

263

Renate Rasp

Es ist das letzte Jahr daß der Orientexpreß noch fährt das letzte Jahr in dem wir noch romantisch sind und für den Freund die Steuerschulden zahlen . . . Beeilt euch, steigt mit ein ins Narrenschiff noch ist nicht jeder Platz besetzt mit Träumern . . . Romeo, für dich ist ein Abteil bereit, und du, die du verlangst, daß dir ein Mann Gedichte schreibt und sich ein Taxi nimmt und mit ’nem großen Operngucker Nachts dein Haus umkreist so, wie du seins . . . 264

steig ein, du, die du noch mit deinen siebzig Jahren ein Kind gekriegt hastdu, von dem man sagt, daß er schon tot ist, fahre mit, als Geist! Du, freundlicher Vampir, komm mit, hier schmeckt der Wein ein gutes Jahr, das letzte Jahr, daß der Orientexpress noch fährt und wir romantisch sind und Narren.

Sie will mir nicht glauben daß es gerade ihr eingeschlagenes Nasenbein ist worin ich ihre klassische Schönheit erkenne auch sonst stimmt alles die Füße sogar die Liebe, die sie mir entgegenbringt kenne ich als die Liebe des Jünglings zum Mann . . . Warum zögerst du mein Vielgeliebter? Geht es zu rasch? Bin ich etwa zu schnell deine Freundin?

Deutsche Romantik

Mein Kind, wer ist der fremde Herr? Ach Mütterchen er ist so schön mit einer Krone auf dem Haar und das Gesicht ist wie aus Stein . . . Das ist der Tod, mein Kind! 265

Nimm dir ein Spiel es gibt so viel, sich abzulenken sieh dir die Straße an: das lebt und fleucht und streitet dort sieh hin . . . Ach Mütterchen, den Apfel hält er in der Hand und vor ihm reißt die Wolkendecke auf ein Lichtstrahl fällt direkt auf seine Füße und leuchtet auf die ganze Hofgesellschaft wie das strahlt ich seh nur ihn, in einem Kleid, das wie ein Kittel ist und lang . . . Vergiß ihn! Denk, du hast ihn nie gesehn! Es gibt so viele hübsche Männer, doch zm schön . . . Das taugt nicht für die Welt wie wir sie kennen sieh dich vor! Ach Mütterchen sein Blick, so weh er ist allein, der Platz an seiner Seite frei dort Königin zu sein . . . Mein Kind, bleib hier! Oh Tod! Was hab ich dir getan! Was hat sie mir voraus daß du sie willst vor mir die ich bereits geschmückt bin und bereit für diese Hochzeit sieh mein Leichenkleid und meine weißen Haare.

266

Warum so erstaunt?

Warum sind wir erstaunt wenn wir verraten werden wir haben das doch alles schon gewußt! Auch meine Kindheit ist voll mit Begebenheiten und Träumen von Freundschaft, Wahlverwandtschaften zerbrochen wie das Porzellan am Boden, und jedes Stück muß eingesammelt werden, bevor wir diese Straße nochmal gehn . . . So, wo ist jetzt der Unterschied, mein lieber neuer Feind und liebster Freund von Gestern? Ich weiß, du lächelst und ich habe das schon oft gesehn diese verständnisvolle Offenheit die Haß bedeckt mit einer Maske des Biedermannes das ist mir nicht neu, nein, garnicht neu ist mir das . . . Und doch dieser Schreck dieses Erstaunen . . . Ach, ja, ich weiß und ich erinnere mich es kommt langsam zurück daß ich in einer fremden Welt alleine bin und die Verbindung war für eine kurze Zeit zwischen zwei Fremden die sich einmal ausgeruht und fanden, daß dies doch nicht ihr Zuhause war. Es war nicht deine Schuld noch meine, nur, - siehst du ich hab an dich geglaubt du nicht an mich. 267

Genie

Das haben die Amerikaner gut gemacht mit ihrem Präsidenten, damals bang! Und weg. Und dann der Bruder. Martin Luther King bang! So sind die Amis, kümmern sich ’nen Dreck darum, daß man sowas nicht macht, doch wie es war perfekt! Der Schütze Oswald, wird man sich erinnern, wurde umgebracht, von einem Ruby, der dann bald danach am Krebs gestorben ist bang bang! Wer sich das ausgedacht hat!

268

Arno Reinfrank

Alt-neues Testament Sie sind jetzt alt, die einst dabei gewesen, als die SA im Gleichschritt durch die Straßen zog, die Fenster einschlug und ihr eignes Volk betrog in dicken Büchern kann man Einzelheiten lesen.

Mehr als in Büchern steht in den Gesichtern der Alten, die nun dem Geburtsland fern ganz unter sich in Heimen leben, wo der Davidstern noch einmal strahlt im Glanz von Sabbat-Lichtern.

Wir sollen Kaddisch sagen, wenn sie gehen, so schreiben sie es bittend in ihr Testament mit Tinte, darin schwarz wie Blut Beschwörung brennt: Wer kann dem alten Glauben da den Rücken drehen? 269

Vergessen und vergessen sollen wir, was sie bezeugen so oft wird’s mir von guten Freunden nahgelegt. Wer kann so herzlos sein? So steinern unbewegt? Das Alter ehren heißt: sich seinen Wünschen beugen.

Polnischer Traum Das laute London ist für ihn ein Küchenkeller voller Fettgeruch und Teller und Besteck von oben.

Das große London ist ein Backsteintag voll Sehnsucht in der Spülsteinbrühe nach anderen als fremden Menschen. Du fernes Polen bleibst für mich, den greisen Offizier und Tellerwäscher, Versprechen einer langen Reise.

Du schönes fohlenjunges Polen, wo Sterne abends in der Weichsel baden und Träume steigen aus dem blauen Roggenfeld . . .

Exegese für Kältetechniker Am Anfang war die Macht der Kälte: Ein Eiskristall im Herz der Königin aus Frost, die winters vor dem Schlitten Stürme wirbeln ließ, in die hinein heulte der Wolf, die Rentierherde schob die Kälber hinter sich und senkte das Geweih: Das Prinzip Leben prallte auf das Prinzip Tod.

270

Was könnte anschaulicher uns schildern die harten Vorzeitwinter aus den kruden Sagen als das Poetenwort? Ich suche in den alten Büchern die Gleichnisse für Eis und Kälte, und ich finde die Bildersprache von den »Domen voller Zapfenorgeln« und auch »wie Pfeilerhallen türkisgrüne Eispaläste«.

Um 1750 führte erstmals Bartolt Hinrich Brockes mit Worten des Vergnügens an der irdisch-physikalischen Natur Exaktheit ein: »Das allerkleinste Zweiglein stecket / in einer eiskristallnen Stangen, / die siebenmal so dick als wie es selbst. Daher / die Äste denn, derweil das Eis so schwer, / gebogen all herunterhangen.« Die Sprache, Kupplerin zwischen Gefühlen und Gedanken, bereitet heute den Poeten Schwierigkeit beim Sichtbarmachen, wie Wasser anders als die andren Flüssigkeiten die Kaltanteile nicht zu Boden sinken läßt und beim Gefrieren dank der Eigenschaft der Ausdehnung das Eis mitsamt der Tiefenwärme an die Oberfläche treibt.

Die Erde wäre lebensfeindlich wie der nackte Mond, würde das H,O beim vierten Celsiusgrade nicht in größter Dichte Wärmespeicher bleiben; See und Fluß erstarrten unauftaubar wie das Herz der Winterkönigin, die keinen Frühling kennt: Symbol der Menschenfurcht, das Leben könnte bis zu seinem Grund erkalten.

Da muß die Phantasie sich präzisieren und wie die glatte Spur des Skiläufers im Schnee mit Zeichen operieren höchst genau und dennoch bilderreich in-einer Helligkeit, die blendend an das Auge rührt. Und dies, wie alles Neue, wird erst seine Güte zeigen, wenn wir die Auswirkung der neuen Güte an uns selber messen. *7’

Erläutern ließ ich mir von Kältetechnik-Spezialisten, wie Kompressoren, Schalt- und Regeleinrichtungen zu Einheiten montiert nach Auffüllen mit 01 und Kältemittel Wasser kühlen, Temperaturen kontrollieren. Vor diesen Industrieanlagen stehend frage ich seitdem: Bricht nicht, wer derart Kälte macht, die Macht der Kälte?

Und liegt hier nicht ein Anlaß vor, Genugtuung über die Meisterschaft der Techniker und Wissenschaftler mit Nachdenken über die Grundlagen der Möglichkeiten der Menschheit zu verbinden, deren ganze Not aus Mangel an Gefühlen voller Wärme füreinander rührt, vor deren Rationalität die Todeskälte schmilzt?

Setzt Wissen in der Poesie in uns nicht Wärme frei?

^72

Roman Ritter

Das Bürofenster

Ich drehe mich am Schreibtisch um und sehe durch das Fenster ein paar Kastanienäste, ein Stück Rasen mit Buschwerk und den Stamm einer Linde. Ich gehe zum Fenster und sehe draußen die Linde, die Aste leicht vom Wind bewegt, den Rasen, der so grün ist, daß man beinah lachen muß, und die große Kastanie, durch deren Blätter man in die Sonne sehen kann. Dort drüben blüht ein Busch.

Ich öffne das Fenster und lehne mich hinaus, spüre die Wärme und rieche den Flieder.

Auf diesem Rasen, der sicher weich ist wie ein Fell, könnte man sich in die Sonne legen, lesen, herumschmusen, nichtstun, essen, fußballspielen. Der Chef sieht nicht gern, wenn man am Fenster steht und hinausschaut.

Ich gehe zu meinem Schreibtisch zurück.

Wenn der Hausmeister die Hecken beschneidet kann man von den herabgefallenen Zweigen ein paar in die Vase stellen, die auf dem Büroschrank steht.

Der Vogel Um diesen dunklen Vogel zu sehen vor den schnell fliegenden Wolken muß ich den Blick heben über die Sonderangebote über den Supermarkt über die Fensterreihen über den Betonrand über die Antenne um nichts als diesen dunklen Vogel zu sehen der nichts als fliegt. 274

Einen Fremden im Postamt umarmen Wir fahren zurück. Auf eine oder zwei Stunden kommt es nicht an. Wir haben einen Kaffee getrunken in der Raststätte und ausgelassen Bierfilze vom Tischrand hochgeschlagen und in der Luft gefangen. Nachher werden wir uns am Steuer ablösen.

Es ist Nacht, und es regnet leicht, aber im Auto ist es warm. Das Zischen des Fahrtwinds, das beständige Orgeln der Reifen, das Wiegen der Stoßdämpfer macht müde, aber nicht schläfrig. Ich fühle mich wie ein Tier in seinem Fell, ein Tier in einer runden Höhle, in einem Fell, durch das keine Nässe dringt und keine Angst. An meiner Schulter lehnt ein Mädchen, bewegungslos, in den Kurven wird es leichter oder schwerer. Für diese Zärtlichkeit muß sich keine Hand rühren.

Die schnell vorbeifliegenden weißen Lichter und die langsam vorbeiziehenden roten Leuchten, das sind die anderen. Sie gehören dazu, mit dem üblichen Risikofaktor, aber überschaubar und auf Distanz. Es gibt nichts Verläßlicheres als die weißen Streifen am Fahrbahnrand. Was die Scheinwerfer einen Augenblick lang erfassen ist vergessen, bevor es hinter uns liegt. Durch meine offenen Augen schaut einer, der mir ähnlich ist, mit einem weiten und unzerstörbaren Blick. 175

Der Mond bescheint die Wolken von hinten. Ein stiller Schleier, hinter dem sich nichts verbirgt. Ein Gefühl macht sich breit wie die Wärme des Mädchens an meiner Seite, schwebend, unbeirrbar, tonlos: Ich möchte einmal in meinem Leben mit einem Ballon still über Wälder und Wasserfälle fliegen Ich möchte einmal einen Fremden im Postamt umarmen. Ich möchte einmal ohne Angst an jeden Tag denken. In zwei Stunden kommen wir an. Im Zimmer wird der dumpfe Geruch hängen. Haare mit Staubflocken werden am Boden liegen. Aber noch sind wir unterwegs. Das Mädchen wird wieder spürbar. Der Mond scheint von vorn. Der Fahrtwind rauscht.

276

Peter Rühmkorf

Von mir - zu euch - für uns

Auf-auf, meine bettlägerigen Gespenster, meine abgestandene Windhose! Dieses gewaltige Zeitalter des Verfalls kann man doch nicht so einfach unberufen an sich vorbeirauschen lassen Entweder das Schicksal handelt oder du selber! Hier wo sich so manches schon bei bloßem Hinsehn zersetzt, noch Niveau gehalten? Soweit kommt’s! Da wolln wir doch lieber noch mal ein paar alte neue Maßstäbe anlegen. *77

Eine Stimme, meine Herrschaften, eine Stimme! Müssen wir denn alles wieder alleine machen? noch am Grabesrand den Deckel hoch und das rote Tuch rausgezogen?! O, wir wenigen Engel, die wir die Welt hier beflügeln. Sich den Kopf zergrübeln, auch ne Leistung Aber du kriegst ja nichts raus. Wo waren wir stehen geblieben, damals, Sommer Siemundsechzig? Nein, ich will weg von hier und zwar: wie dieser Kugelschreiber, wenn er auf den Rest geht, nochmal richtig loskleckst, werd ich ungebremst auslaufen wie verrückt und offen hinschmiern: Richtig, ich red von mir, zu euch, für uns.

Anschluß an Masse finden

Freunde, Fließbandleuchten, Stechuhrasse, Überlebenskünstler, Hinz und Kunz, somit leg ich meine Hand nochmal an Masse; keine Angst, ich bin ein Mensch von uns. Allenfalls im Niedergehn geübter, weiß ich nichts was unsre Schmerzen dämpft -

278

Auch mein Schalterplatz, mein ungeliebter, wie der eure rücksichtlos umkämpft. Sitzend einen Furz zu überflügeln, dafür sind wir auf der Erde angestellt Und ist schnurzegal, ob in diesen Sarg mit Außenspiegeln nochmal Liebe flutet, Sonne fällt. . .

Nochmal Hoffnung winkt. . . Was uns bindet, sag ich euch verbürglich: Alle meine Leiden waren wirklich, nur die Reime, nur die Form gelinkt.

Ohne Sender sonst, ohne Hochantenne, festgeigelt, zugeschneit wenn ich doch nur heulen könnte, wenn es an mir runterränne: Ströme - Flüssigkeit!

Rasen statt verkommne Träume auszuschwitzen, jeder, jede ein Insekt im Harz manchmal implodiert ein Kopf im Sitzen Aber der Zusammenhang bleibt schwarz.

279

Komm raus! Komm raus aus deiner Eber-Einzelbucht, aus deiner Ludergrube. Komm raus aus deiner kaskoversicherten Dunkelkammer! Auch dein Innenleben findet öfter statt, merk ich gerade (Komm raus aus deinem Farbbandkäfig) Im Prinzip ja? Prinzip sind doch längst alle Schleusen geöffnet, Gitter gefallen . . . Immer noch vielerlei Licht hier, wo sich keine Anzeigenseite dazwischenschiebt, keine Helium-Annonce DIE SONNE spannend, mit angezogenen Strahlen (Komm raus aus deinem Leichen-Entsafter) Vor dir das Meer und hinter dir die Waschmaschine . . . (aus deinem Metzelwerk, aus deinem Familien-Gefrierfach) Hier nichts gewollt zu haben ist soviel wie verspielt, das weißt du, oder? Heda, du eingerahmtes Tier, du kriegst den Kopf wohl gar nicht mehr raus aus dieser Paste, laß sehn! Unbeugsam reflektierst du dich gegen die Schreibtischkante (eisern nach innen blickend, ein Vesuv mit geschlossenen Augen) Komm raus aus deinem handversiegelten Hockergrab! Auch Kultur ist nur eine unmaßgebliche Schutzbehauptung.

280

Eine Schlacht im Sitzen gewinnen, schön wär’s! Und schön der Gedanke-da, wer sich nicht rührt, hat wenigstens Anspruch auf Schicksal (Aus deiner Tropfsteintruhe!) Komm raus aus deinem Todeskoben, überleg dir das Leben Die Morgenschiffe rauschen schon an. Ein Tag aus Gold und Grau: willst du mit rein ?

Tagelied An springt der Sommer mitten durch den Reifen - noch einmal trägt mein Glück Verweile doch und laß dich auch begreifen, mein Pfauen-Augen-Blick Es ist das Stundenglas nicht umzukehren und was die Parze spinnt. . . Das Leben, das wir beide so verehren, es rast - es rinnt -

Es traut kein Bürger, segnet uns kein Paster, kein Sozi stimmt mit ein. Es muß, mein Kind, nicht immer gleich das Laster, es kann auch Liebe sein. Denn was sich liebt, das spottet der Erfahrung und was sich fesselt, gibt sich aus der Hand. Dein Arsch hängt über mir wie eine Offenbarung, gesammelt - und entspannt. Verdammter Morgen, bleiche Abschiedsstunde, wenn uns der Schweiß gefriert. Dein Finger paßt so schön in meine Wunde; faß rein, daß sie sich spürt. 281

Und Biß um Biß, sich aneinanderreihend, machen der Seele die Gestalt bewußt. . . Scharf wie Makrelen, Plankton seihend, schlürfen wir uns die Seufzer aus der Brust. Die Nacht ist hin, die Dinge sind so sausend (Ein Kuß noch draufgepappt) Eh uns der schwarze Müllmann i : iooooo im Acheron verklappt Ein Blutsturz, gut, so steigt er, so verstrullt er, Schmerzböen, Tränenschauer, immer hinterher! Das nimmt das Wasser alles auf die leichte Schulter. Das trägt die Flut ins Meer.

Phönix voran!

Was dann nachher so schön fliegt. . . wie lange ist darauf rumgebrütet worden. Und muß doch wieder raus aus seiner Luft und runter in den Eisschleim, in den Bleiverschlag.

»Stark belastbare Führungskraft / Verkauf (43) beweglicher Praktiker mit Krisenerfahrung, kann motivieren und aufbauen -« Mit solchen zusammen mußt du nun in die Arena. Hier mal erneuere dich.

Komm-komm, alter Schmierseifenhansel, ausgerenkte Bezugsperson, der Mensch ist kein Klavierhocker! Schraube im Arsch, zum Rauf- und Runterdrehn.

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O-du und wie-du-so-sabbelst: •Es kotzt mich an, aber es wirft mich nicht um -« Das ist auch son Gedanke in 01, den kannst du dir einrahmen lassen.

Oder wie du behutsam deine Atemzüge einteilst, als wär damit Zeit zu gewinnen. Das kannst du aber nicht. Das muß erst alles - organisch - mit Gewalt - entwurzelt werden. Schon morgen. Heute noch. Rechtzeitig ist zu spät.

Ruhig vom Stuhl geschubst. Mit klarem Ruck aus den Angeln. Wie dieser ganz normale Neurotiker neulich seinem Irrenarzt die Couch vor die Füße kippte und sagte: Mit der Hypo-Bank kamen die Schulden ins Haus und mit dem Dokter die Zustände Ich aber will mein Geld zurück und meine Stimmen wieder hören.

So etwa! Beziehungsweise: wenn ich mal richtig ich sag, wieviele da wohl noch mitreden können?!

Einspruch? Nichtsda. ’n Ich hat irgendwie jeder, und das ist auch gar nicht so ungewaltig. Wenn es die Augen zuklappt, geht die Erde unter, sind die Sterne aus. 283

Und darum will ich (jetzt sofort!) den Grabstein von der Tür wegwälzen. Und darum will ich mich dir restlos unterbreiten, wie eine Juniwiese, ein Ausbund an Grün.

Und will dir den Fluß einschenken, bis du überläufst, unhaltbar, fortgerissen, und mich mit dir ertränkst.

284

Johannes Schenk

Mein Uropa Johannes Hieronimus Meyer in Hoboken und Bremen

Auf meinem Tisch die Teekanne und eine blaue Tasse, zwei Mazzen und eine halbe Gurke. Ich kann leben, sag ich und meine Oma soll hundertzwanzig werden, die Geschichtenerzählerin in ihrem kleinen Haus. Sie kocht gerade Rotkohl mit Leber. Sie weiß, ihr Enkel, der in Westberlin in der zweiten Etage, der mag das. Vielleicht wird er kommen, die Tür aufmachen und fragen Hast du Rotkohl gekocht und sind die Apfel dabei und eine gute Geschichte von meinem Uropa Hieronimus, dem freundlichen Bi­ gamisten. Das Mittagessen wird genommen mit der Geschichte von Johannes Hieronimus Meyer 185

und seiner ersten Frau auf der anderen Seite des Atlantik. Als er noch Kondukteur war von Zwiebelberg nach der Hobokenfähre.

Weißt du noch, schrieb Onkel Daniel aus Amerika, wie wir dies Lied gesungen haben und du lieber Hannes deine Musikalität erprobtest auf der Guitarre. Im Wartesaal von Hoboken und wir uns trösteten, weil die Geschäfte nicht gingen. Der Bruder fuhr auf dem Mississippi und bediente zwei schwarze Schlote über dem Strom. Ja, ich weiß noch, sagt Oma zu mir und singt Das Lied von der Dickmadam. Die aus der Eisenbahn steigt Zwiebelberg - Hoboken, sich an einen Laternen­ pfahl lehnt und traurig mit großen Augen eine Blume pflückt. Aus der Kiste eines Straßenhändlers.

Während die Eisenbahn wegfuhr, ihre Koffer: die mit hochgeschlossenen Blusen und Kleidern wodrin die Beine schwammen. So begann Uropas grandiose Karriere. Er nahm seine Papiere und verschenkte am Schluß seines Kondukteurlebens Billets Einmal nach Hoboken und nie zurück an die schönen Provinzenfrauen. Später kam er zurück. Allein auf einem dieser katastrophalen Dampfer in dunklen Zwischendecks nach Bremen. Vergessen die Frau in New York. In Bremen die Neue. Die Kinematographen die Keller 286

mit Wein und die grünschwarzgestreiften Biedermeierstühle. Weiß ich. Sein Freund Rechtsanwalt Abraham ging aus und ein bei Uropa. Briefe nach Jahren kamen aus New York zu meinem frischvermählten Uropa Vater von Oma, der auch in Versicherungen machte. Klavier spielte und sich um sieben Töchter kümmern mußte. Das mach mal.

Und die Dame aus New York mit Koffer kam in sein Haus und wollte was. So war er zweimal verheiratet. Es war beinah zum Verzweifeln. Zum Schlipsaufmachen. Sie benutzte das Gästezimmer. Paar Tage. Was sollte er machen? Er konnte sie ja nicht in der Osterstraße stehen lassen.

Es tat ihm leid. Sie ging später wieder mit ihrem Koffer. In New York wartete ein Herr mit Zylinder. Und sie fuhr auf den gebrechlichen Dampfern, zweimastig mit Spinnenfäden als Takelwerk, diesen so genau gezeichneten Linien und der schwungvollen Schrift, fein gedruckt auf gutem Papier und handkoloriert fuhr sie im Bilderrahmen an der Wand eines Bürgerhauses in Bremen über einem Sessel, auf dem ich noch als Kind neben einer Standuhr mit kleinen geschnitzten Säulen, Nach Hause. Übers wilde Meer getrieben.

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In die hohen Häuser. Dieses New York, wo jetzt bei acht Stunden Reise und Frühstück aus Hotdog mit Eiswasser und gekühltem Kaffee, die Preise klein sind und die Ausgaben viele. All diese Frauen, die ihren Männern nachfahren und die Männer ihren Frauen. Beginnen als Kondukteure und melden dann den Konkurs an. Diese Erfindung des neunzehnten Jahrhunderts.

Johannes Hieronimus hat Kinematographen vertrieben und sie auf die Dörfer gebracht und in die Vorstädte, wo sonst nur zu sehen war: der Hering auf dem Tisch, die kaputte Hand des Walzarbeiters und die bepinkelten Ecken der rußigen Häuser.

Er machte viele Menschen bekannt mit lebenden Bildern, die später zeigten: das Leben der Matrosen auf der Potemkin oder Chaplins feine Schritte in den langen Schuhen die Rolltreppen hoch und hinunter. Wo die Kunst sich davonmacht, wenn die Gewalt kommt oder Tricks erfindet und List, sie zu hintergehen. Johannes Hieronimus hat beim guten Bremer Kaffee im Vorführraum hinterm Vorhang in einer Bremer Kneipe zuerst mal nehme ich an diese Reise gesehen, zum Mond mit der Eisenbahn, stumm über die Krater und was es da sonst so gibt und Forscher auf zitternden Bildern. 288

Jules Verne Ich könnte doch, eingerollt in meiner Taucherglocke sagte Jules Verne, tauchen in die Warenhäuser navigieren an Tiefseeseifen und Höhlenmiedern vorbei auf die Suche gehen nach einem feinen Strumpf für das Mädchen im Mond, das ich vor ioo Jahren besuchte in einem meiner Bücher, ehe mir die amerikanischen Piloten zuvorkommen und meiner gedruckten Liebe einen Kaugummi verpassen, eine Splitterbombe und ein Hütchen aus Detroit. Macht die Seilwinde klar, wir klettern aufs Dach schließt den Deckel, ich tauche und bitte alle Hausfrauen, schaukelhosigen Kinder und unfreundlichen Verkäuferinnen nicht zu erschrecken über meinen durchaus gewöhnlichen Taucherglockenblick.

Jakobs Leiter

Jakobs Leiter auf rotbemaltes Holz geschrieben in krummer und schaukelnder Kinderschrift, die mich einlädt, wo ich hineingehe und mich hinsetze. Mit den jüdischen Arbeitern rede in der Westside. Du weißt ja diese Geschichte mit dem Engel und der Leiter hoch wies Chicagoer Searstower, viel höher bis zu den zärtlichen Wolken überm Michigansee, der noch eisig aber schon vom Frühling türkis aufgetaut an die Küste schwappt an den Strand, zwischen noch eingefrorenen Schiffen und Booten leicht vertäut.

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Chicago wo die Indianer aus Stein gemeißelt in einen unbeteiligten Himmel unsichtbare Pfeile abschießen und der Bus 153 direkt vor der Meat Cutter Union hält. Patrick Gorman, der Schatzmeister inmitten der hellblau bekleideten Madonnen, inmitten sorgfältig begossener Pflanzen Schiffe Erinnerungen Gedichte und Geschichten. Was sagst du zu Karl Marxens Kapital auf dem Bücherregal, gelehnt an Kennedy aus Bronze. Oh Amerika die Arbeiter müssen hart leiden unter ihrer Selbstvergessenheit.

Mitten in den stampfenden Drahtschneidern, im Höllenrauch und Krach steht der Schwarze mit zerstoßenem Ohr seit sechzehn Jahren an der gleichen Maschine. Es gibt nur den Krach und die Ohren verstopf ich mir nicht. So um die zärtlicheren Geräusche gebracht, redet er mit leiser Stimme. Fertiggemacht. Dünne Haut überm Gesicht, dem Kopf, wodrauf die Mütze sitzt, nichts nützt, aber die Hände bewegt auch im Schlaf den endlosen Draht für die endlosen Schrauben, gedreht in der Company für den endlosen Profit, zu ertragen. Mit zerfaserten Händen Bruchstücken von Erinnerungen und ich als Besucher dem schlecht wird im Rauch der Fabrik, wo draußen nicht dran­ steht, an der geweißten Fassade: 290

hier beginnt die Hölle. Wo du nicht mehr herauskannst, dann aber 5 Uhr in den Bus steigst den Expreßway entlang auf dein Bett fällst, mit verschobenen Träumen der Nacht.

Godehard Schramm

Espana

es war im Sommer damals ein Mann trieb seinen Esel über die Meseta Rotwein im Lederbeutel Oliven in Satteltaschen der Esel warf einen kurzen Schatten man schrieb in Zeitungen damals von Arbeiterunruhen Gewehrschüssen Übergriffe der Polizei blieben zwischen den Zeilen aber man schrieb von jungen irregeführten Priestern 292

Oliven kauend trieb ein Mann seinen Esel über die Meseta unter seinen müden Schlägen wurde es Herbst

Ich stelle mir dein Polen vor, was da alles verloren ging. Vom Klang deiner Sprache ganz zu schweigen. Ich seh euch die Kerzen küssen vor der schwarzen Madonna von Tschenstochau und wieder zurückkehren in eine schnatternde Gemeinsamkeit, der hier nicht nur die Weichsel fehlt. Ich seh dich durch Friedhöfe gehen, mit Wildfremden mitweinen und Kochbücher lesen auf Engelsfiguren; seh dich in großen Familien auf der Maiwiese spielen und Adlers Fittiche sind jetzt kein leeres Bild mehr; seh dich das Pionierhalstuch stolz ums ungebrochene Genick gebunden, mit Kindern herumlungern, zwischen Juden, Franzosen und Polaken, und wie ihr mit Zigaretten die offene Form der Bestechung trainiert. Dort hast du tanzen gelernt und manchmal schimpfte man euch Szwobki und euer Spielzeug habt ihr verkauft: ihr, gezwungene Ausverkäufer eueres Glücks weil die Ausreisegenehmigung für die Eltern nur das Nötigste erlaubte. Mit einem herausgeworfenen Taschentuch 293

hast du dich noch im Zug gegen den Landwechsel gewehrt als ob man je die Sehnsucht der Kinder ernst genommen hätte. Und doch hast du etwas mitgebracht aus deinem Polen, das es hier nicht gibt eine Art ganz direkten Umgangs mit Menschen. Hier schlägt man dich vor den Kopf, wenn du nicht heuchelst und nicht intrigierst. Ich stelle mir dein Polen vor: was da alles verloren ging. Ich sah ja nur nachts den Bahnhof und Pferdewagen. Da muß etwas sein, was ich nicht kenne.

Anna ist also Kommunistin geworden. Man wäscht ihre Bilder, aber die Farbe geht nicht aus, auch nicht von früheren, so warm brennt sie, ohne zu verbrennen. Allmählich zweifelt man an seinem Verstand, daß man »Das Siebte Kreuz« oder »Die Fischer von St. Barbara« noch immer für Literatur hält. Adenauers Administration ließ das einfach auf die Einfuhr­ sperrliste setzen. Es muß Gründe geben, warum Anna nicht über Dinge schreibt, von denen wir fordern, sie müßten sie bedrücken. Wie seltsam, daß uns im selben Atemzug die Verrätersprache der Werbung nicht auf die Nerven geht. Wir trennen, was wir anderen zu trennen nicht erlauben. Da muß eine Hoffnung so stark sein, daß wir Sozialdemokraten schlechtes Gewissen bekommen. 294

Margot Schröder

Ich liebe meinen Hängebusen. Meine Schwangerschaftsnarben. Ich liebe die Apfelsinenhaut auf meinen Oberschenkeln. Im Urteil der Männer verblüht. Ich sage: Die Saat geht auf. Ich bin schön wenn ich lache wenn meine Tränensäcke Falten schlagen. Ich bin kein Wesen mit falschen Wimpernflügeln.

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Bauklötzer liegen herum Worte auch. Filme laufen ab Biere auch. Schreie schlagen zu Kinder auch. Unsere Langeweile trägt Kuchenpakete nach Hause. Die Sonne muß draußen bleiben, wenn im Vier-Uhr-Western die Gerechtigkeit einen umlegt oder zwei.

Mein Sohn, du siehst so erwachsen aus mit deinem Holzgewehr. Manchmal fragst du: Was ist Krieg? Du schießt auf mich. Ich schweige getroffen. Das ist Krieg: meine Angst dich zu lieben.

Mit achtzehn ziehst du ein in die Bundeswehr. Ziehst du um ohne das Bild Zuhause. Ein Feindbild im Spind. Das ist Krieg: Die nicht genug kriegen bekriegen dich mit Befehlen bis du fehlst.

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Was soll ich in dein Poesiealbum schreiben meine Tochter? Handeln mußt du mich sehen. Ich bin für den Frieden gerüstet. Über meinem Schreibtisch lächelt grafisch veredelt Angela Davis abgehangen im Zigarettenrauch. Du hast eine gute Mutter. Die Heizung funktioniert: Wir werden zentral gewärmt. Wenn ich Flugblätter entwerfe, schreibe ich Liebesgedichte für dich. Deine Geschichte, meine Geschichte ist eine Männergeschichte. Wir haben sie aufgeschrieben, Sekretärinnen ihrer Macht. Wir schrieben: Sehr geehrte Herren bis daß der Tod uns scheide hochachtungsvoll!

Unter uns, meine Tochter, ich möchte in deinen Armen ein Kind sein. Ein Haus möchte ich bauen aus den Bausteinen Fantasie. Fraglos meine Antwort auf die Skizze Tod. Ich habe keine Angst zu sterben. Ich habe Angst abzusterben. Mein Hirn ist verrückt: 297

Ich ergreife nicht mehr seine Partei. Beunruhige dich nicht: Für die Familie gibt es kein Berufsverbot.

298

Landfried Schröpfer

Frauengruppe

Frauen sind zu uns gekommen nicht zu besuch zu einer Versammlung in unsrem zimmer. Mir bleibt nur die küche. Ich könnte euch tee kochen. Mögt ihr ihn mit jasminblüten oder mandelaroma? Ach dich brauchen wir nicht 299

sagst du und machst für die runde starken frühstückstee. Dann habt ihr die tür zugemacht aus euren problemen geheimnisse gemacht nach denen schnappe ich hinter der tür. Seid ihr denn nicht wie jasminblüten? Habt ihr etwa nicht mandelaugen? Und will ich nicht euer bestes? Da habt ihr ganz recht mich in der küche zu lassen wie eine hausfrau wenn männer geschäftliches bereden.

Wie eine hausfrau? Da habt ihr ganz recht mich in der küche zu lassen wie einen mann der alles besser weiß. Aber jetzt ihr trauen laßt mich herein. Macht doch auf und hört mir zu. 300

JCM LRIXOS 2USAFXZJ

•i ‘J*’, ’J* doch’, 'Jaj«'. '«ch j*' 'nain', 'nain doch*, 'nain, cala',

nain*

301

Film

der mann der von einem schauspieler gespielt wird und die frau die von einer Schauspielerin gespielt wird ficken

Die zuschauer wissen: der mann der der schauspieler ist und die frau die die Schauspielerin ist ficken nicht Plötzlich merken die zuschauer: nicht der mann nicht die frau die von schauspielern gespielt werden ficken

Die zuschauer sehen: der mann der der schauspieler ist und die frau die die Schauspielerin ist ficken

joz

Peter Schütt

Göttliche Fügung Spielschulden nötigten 1740 den König von Sachsen, das Herzogtum Lauenburg samt seinen 18000 Seelen an den dänischen König zu verkaufen: eine Extrazeitung teilte den Untertanen die göttliche Fügung mit.

Heute früh erfuhren die 2200 Beschäftigten der Firma Heidenreich und Harbeck in Hamburg, daß der Besitzer sie aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten 303

samt Betriebsanlagen und Aktienkapital an den Gildemeister-Konzern verkauft hat: eine außerordentliche Betriebsversammlung machte die Verkauften mit der Entscheidung des Firmeninhabers bekannt.

Den Preis haben die Heidenreicher zu zahlen: 600 von ihnen werden entlassen. Da hatten die Lauenburger es besser: sie bekamen vom Dänenkönig einen Park und ein Vierteljahr Steuernachlaß geschenkt.

Krisenprogramm 1977

Heuern und Feuern Eine Hamburger Betriebstragödie in vorerst drei Akten von Manfred Lennings, Vorstandsvorsitzender der Gutehoffnungshütte Ort der Handlung: MAN-Zweigwerk Hamburg

Regie führt: der bewährte Arbeitsplatz­ killer und MAN-Chef Dr. Moll

die Fäden zieht: Hans Martin Schleyer im Souffleurkasten: Hamburgs Bürgermeister Klose 304

von der Mitbestimmung ausgeschaltet und abgedrängt auf die Zuschauerbank: der Betriebsrat

auf der Strecke bleiben: dreihundert Kesselbauer Zweck des Spiels: mehr Profit

Fiinische Impressionen

Svendborg. Hier, in der flüchtigen trügerischen Idylle eines Strohdachhauses fand Bertolt Brecht Unterschlupf. Noch steigt Rauch über dem Dach. Das Schwalbengezwitscher übertönt die Traktoren. Die Bäume sprechen, auch ohne unser Zutun. Noch. Wer könnte, wer wollte sie zum Schweigen bringen? Draußen auf dem Sund liegt der Supertanker »Faust« an der Kette.

Odense. Auch die Märchen haben ihre Wirklichkeit. Die Giebel im Andersen-Viertel raunen sich Schauer-Geschichten zu, marktgängig. Auf den Dächern lispeln tausend Zungen. Vom Strohdach pfeift der Windgott. Vor der Stadt fährt ein Mähdrescher, der drischt das Korn, der mahlt das Korn zu Mehl, der backt das Mehl zu Brot

und zu Himbeertorte. Es wird einmal, so fangen unsere Märchen an.

Taasing. Vom Turm der Bregninger Kirche geht der Blick auf 37 Kirchturmspitzen, auf $7 Inseln, auf 1017 Strohdächer und runde elftausend Strohhaufen. Unten hält die Ewigkeit Hof. 42 Tote mit zwei mal 42 Lebensbäumen und vier mal 42 Buchsbaumhecken sind zum letzten Appell angetreten. Da oben halten sie auf Ordnung. Von See her erhebt die Stille ihre Stimme. Nicht zu überhören. Nicht nur Bomben können die Welt erschüttern. Manchmal genügt ein Hauch. Ein Hauch von Stille, ein Wort, ein Blick! Lautsprecher sind leicht zu überhören, aber die Stille nicht. Und nicht der Wind, der die Pappelsamen vom Ufer hinaufhebt bis zur Kirchturmsspitze von Bregninge, 44 Meter über dem Meeresspiegel, nah der Ewigkeit.

306

Angela Sommer

Die Hausfrau und wenn ich dann Staub gewischt die Blumen begossen und die Fenster geputzt habe setze ich mich in den Garten

seitdem ich die Pocken habe ist es bei mir immer so geruhsam ich habe zuerst meine Kinder begraben dann meinen Mann und gestern die Katzen und wenn ich dann tot bin wird mich die Tante begraben i°7

doch bis dahin bringe ich die Pocken noch bis nach München und dann ist Schluß

Gedicht für Boris ich habe die letzte Zwiebel geschält und in das sprudelnde Fett geworfen ich habe den Staub aus den Gläsern gekratzt Wein verschüttet und ein fleckiges Tischtuch aufgelegt

Boris setzt die Gardinen in Brand und wirft den Rehbraten ins Feuer so sitzen wir noch beisammen bevor ich das Kind zur Welt bringe das Boris mit den ersten Fliegenpilzen aus dem Garten füttern wird

Mein gut besuchtes Fest

Freudig in Erwartung der Gäste die nun in Scharen kommen Kinder bringen sie mit Alte und Kranke Wahnsinnige und wenn sie dann alle versammelt sind lasse ich zum Auftakt meine Aasgeier frei 308

Kiev Stingl

Stingl

Stingl hat ’n Muwie drauf, Stingl ölt sich die Fresse. Stingl tankt für 3,50 Super & na­

gelt südwärts. Stingl sucht sich ’ne Kiste & is wech wie Las Vögel Das. Stingl ist ein Nobody auf Durch­ reise. Stingl 309

kocht ab. Stingl ist eine Fort­ setzung für Peter

Kraus. Stingl geht rein und raus, Stingl flötet negativ. Stingl zerläuft in der Nord­

gegend. Stingl klaut Irrtümer. Stingl hat ’ne Sehn­ sucht drauf, die schlottert, bevor alles Mie­ se pustet & es aus ist mit Stingl.

Bonjour, News

Du sagst: »der Arbeiter ist ein historischer Fick« oder sowas,

die Leuchtreklame vom Drogen­ geschäft ist auf der anderen Stra­ ßenseite, hier seh ich hin, wie ich dich sehe, wie du dir aus jeder Stelle was rausholst, was in deine Auffassung reinpaßt. JIO

Wenn du dich vergessen willst, was du nicht weißt, machst du die Wörter klar und dunkel. Ich blätter die Seiten um und da steht eine Frau aus einem Magazin, die hat die Beine bis zum Ohr gespreizt, aber

das Foto hat keinen Eingang. Ich kann nicht glauben, daß jeder jedem so die Welt zeigt, oder das Gefühl, oder was sonst noch da ist. Aber

was ich weiß, ist viel schlimmer. Daß die Kunst das Bild aller Fotos noch einmal macht und das Davor des Davor ist das Wesen, sagst du, oder,

was dasselbe ist, das Dahinter. So verlier ich mich dahin, das Telefon läutet und eine andere oder neue Stimme sagt: »Liebling, jetzt.«

Als ich startete, wars aus; und als die inneren Stimmen kreischten, kriegten sie alle

Stielaugen. Und als sie ihre Titten übern Tisch langte, sachte

J« i

ich: »nich jetzt, Püppi. Un als ich mich klassisch fühlte, machte der Sonnenuntergang »klick« und ich hakte diesen Dienstag

ab. Und als ich die Zigaretten auf 19 pro Tach runterschraubte, hatte ich 'ne Menge Leerlauf; und als ich weiterlief, hatte ich Fatas,!>. Und als ich den härtesten D-Mark-Seller schrieb, kackten die

Füller; als ich Moonlight Drive hörte,

kramte ich im goldenen Lockenwickler; un’ als ich auf die 40 zuging, kam 78. Und als 1978

kam, startete ich.

* Morganas

312

Jürgen-Peter Stössel

Ich

Wenn ich lange genug ICH schreie und wenn ich laut genug schreien kann wenn ich oft genug die Ellbogen zeige und wenn ich deutlich genug zeigen kann daß ich der Stärkere bin wenn ich weit genug den Mund aufreiße und wenn ich nie genug bekommen kann bekomme ich gute Noten von der Deutschen Bank 3’3

Dann werde ich versetzt in die Klasse der Besitzenden dann kann ich mir was leisten zum Beispiel ein eigenes Auto dann habe ich was geleistet dann bin ich was Aber was bin ich dann mein eigener Herr oder nur

Widerruf Ja ich bin es ich ja ich war es der nein der bin ich nicht mehr

der mit dem langen Arm den Kühen in den Mastdarm langte nach den Eierstöcken fingerte Follikel fühlte flupp das fingerkuppen­ dicke Bläschen platzen ließ und dann den Uterus bei den Hörnern packte die sich krümmten während die warme Scheiße in peristaltischen Wellen gegen die gummigeschützte Hand schwappte Nein so ist es nicht mehr nein so ist es nicht

Weit entfernt von der Realität eines praktischen Tierarztes ist die wirkliche Scheiße nur noch schwarzweiße Theorie 3*4

der Wirklichkeit die in Wirklichkeit viel blutiger ist als das blutige Handwerk das ich gelernt habe damit dickköpfige Kälber ihre Geburt überleben und schneller schlachtreif werden

Ja ich lebe ich ja ich lebe noch

Die Reste eines Mittagessens zwischen den Zähnen Material für mögliche Sätze über die Unmöglichkeit glücklich zu sein



5

Hannelies Taschau

Karl G. aus Grohnde arbeitet am Kernkraftwerk also ist er für Kernkraft sie ist sein Brot Die da drüben sollen sich vorsehen sagt Karl Eines Nachts werden wir sie in die Weser treiben Die Atomgegner vor dem Schutzzaun wollen ihm schließlich sein Brot nehmen Wir sollten mehr essen und aufhören nicht mehr zu rauchen und nicht mehr gegen Atomstrom sein Auch die Wiedereinführung der Todesstrafe brächte neue Arbeitsplätze Ebenso Kriege wie viele Menschen kämen dann unter Brot als Soldaten und auch in der Rüstungsindustrie denn an den guten Waffen würde nicht mehr nur geübt bis sie veralten Schließlich ist jede Arbeit jemandes Brot 316

Besonders im Schienenbus im Oktober ist die Vereinsamung kaum noch auszuhalten das letzte Stück zwischen Vlotho und Hameln die Weserberge in kostbarem verlogenen Blau und der Fluß ein rosiger Riß zum Mittelpunkt der Erde Die Gasfackel der Kläranlage gehört dazu auch die defekte Leuchtschrift Danish und ein bestimmter Mantel aus Norwegen in kraftlosen Farben An solchen Abenden geht alles auf in Schwäche man bekommt größte Bedenken gegen jede noch so vorläufige Trennung

Das war mal schön verdammt ja endlich mal stundenlang so von sieben bis Mitternacht einen ganzen Tag sozusagen noch und noch und kein Gedanke an Fernsehen

3•7

Diese Kinderkapelle hat sich bewährt damals in Aachen: die Panne mit dem Pferd Das hatte das Hufhorn verloren und schrie vor acht Millionen Zuschauern Und bis die Pistole geholt war spielte diese Kinderkapelle vor den acht Millionen sehr schön besonders der am Schel­ lenbaum

Ralf Thenior

Alles Gute, Alter Ich werde jetzt erstmal Geburtstag haben, ich werde ganz ruhig bleiben und nichts machen und einfach Geburtstag haben, ich werde mir die Hand schütteln, mir auf die Schulter klopfen, herzlichen Glückwunsch, alter Junge, alles Gute und so weiter, halt die Ohren steif, werde ich mir zum Geburtstag sagen, nachts um halb drei auf dem Balkon mit der elften Bierflasche unter grauem Morgenhimmel. 3'9

Nachtregen Der Nachtregen auf den Kastanienblüten, der Geldumlauf im Blut, die Straßenlaterne, langsam kommen sie zur Ruhe. Der Tag sammelt stumme Erinnerung.

Wie Sherry, vom Gast im Glas gelassen

Dieser Texasnachmittag Hundeatem füllt den Raum, Jake schläft auf dem Sofa, Full Moon auf dem Stuhl, Bein leptosom überm Kopf, zwitschernde Vögel unbekannt draußen Emily Dickinson lesend, durchsichtige Tasse heißen Tees, in Nüchternheit irisierende Klarheit mischt sich mit der Frage nach ihrer Augenfarbe ». . . ich war immer ein gehorsames Kind, um schneller zu entschlüpfen . . .«

Mexikanisches Gedicht In ein Grab, in ein Grab leg ich alle Illusionen, schmücke sie mit Blumen schön, schreib auf den Grabstein Dolores.

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Epitaph

Wo werde ich sein in diesem Augenblick, unnahbar, in der Kette antlitzloser Nullen, wenn es eintritt mit fliegenden Flanken, in die Luft gegossene Weißkurve, stahlscharfer Weißblitz in die Selbstverleugnung, ascheweiß.

Schnee Ich such ne Glaskugel so mitm Dorf drin die man schütteln kann dann schneit das einfach son Dorf in ner Glaskugel wo das schneit wenn man schüttelt ne Glaskugel so zum Schütteln dann fällt Schnee verstehn Sie

Ohne Gewähr Ich will garnich im Lotto gewinnen das bringt nur Aufregung hat man ja schon oft gehört daß einer verrückt geworden is

als seine Sechs rausgefallen sind oder Herzschlag was weiß ich nee nee ich mach meine zwei Tips die Woche und wenn der Einsatz wieder rauskommt is gut

Alfons aus der Wundertütenfabrik

Ja, sagt Alfons, ich bin in der Wundertütenfabrik, ich pack die Wunder in die Tüten, wir arbeiten mit Musik, chinesische Gongs, sagt Alfons, Flöten, Gebrüll und lauter so Sachen, das is vielleicht ein Job, Du, ich muß die Indianerhauben klarmachen, und mein Nachbar macht die Tüten zu.

in

Jürgen Theobaldy

Irgend etwas

Irgend etwas hält mich davon ab dich zu lieben. Du bist schön. Ich mag dich. Gern sitze ich neben dir im Kino und versuche, die Menschen auf der Leinwand zu verstehen. Und gern bin ich mit dir am Tisch schaue dich an und lausche auf den Wein, wie er langsam in den Abgrund hinter unsren Augen rieselt. Ich kann dir auch sehr viel erzählen, zum Beispiel wie ich die Leiche deines Vaters vergraben habe, im Traum natürlich oder wie das Licht anging, als ich auf dir lag, auch im Traum, denn ich 3^3

kann dich nicht liehen. Es geht nicht. Eine Mauer oder sowas, eine unsichtbare Wand aus Glas, oder sogar ein kurzer scharfer Schnitt zwischen meinem Kopf und meinem Körper. Und jetzt, anstatt dich zu lieben schreibe ich dieses Gedicht. Umgekehrt wäre besser, würdest du sagen, wenn du dieses Gedicht gelesen hättest. Aber du hast es nicht gelesen, das heißt ich habe es dir nicht gezeigt.

Was hier los ist

Die hier bedient, nennen sie Friedel. Wenn du öfter herkommst, wirst du von ihnen hören, daß sie immer lacht. Zuhause ihr Mann sitzt im Rollstuhl. Gemessen an seiner Rente hat er eine Arschbacke zu viel. Tja, deshalb bedient hier Friedel und lacht.

Kaffee, Radio an,

früher Morgenregen, die Taubenscheiße zerfließt auf dem Pflaster, Plutonium, gelagert für die nächsten 250000 Jahre, hier stockt der Rhythmus, zerfällt, das stell dir mal vor, du, knapp über 30.

Mister Cooper geht ans Telefon im AFN, dann seine Tochter, beide einverstanden mit den nächsten 250000 Jahren, die Lebensläufe anstandslos geliefert, nichts in die Pausen gesprochen.

Etwas tropft in den Kaffee, Milch quillt hoch wie ein Pilz, thank You, Miss and Mister Cooper, jetzt machen wir wieder etwas Musik, jetzt stecken wir den Schwanz in die Steckdose. Aufstehen, Soldaten!

Vor dem Fenster rutschen die Autos durch den frühen Morgenregen, wie trübe tropft er auf die Dächer, auf Plutonium, auf die Rollbahnen. O holde Fee, schieb ab ins Märchen, die Mittagsnebel steigen.

Schuhe im Bidet

Das Wunderbare beginnt, wenn das Gewöhnliche endet, das war nicht mal neu, aber es war seine Meinung, als er von Träumen erzählte, die Jahre auseinander lagen, der zweite Traum war die Fortsetzung des ersten, sagte er, ich richte mein Leben danach ein, jetzt bin ich der Magier von Berlin, paroxystische Augenblicke nennt man das, aber wo blieb das Wunderbare? Es kam im Fernsehen, ganz nach Programmausdruck, eine Schuhverkäuferin machte ihr Glück mit ihrem Lächeln, niemand trug so grazil die Schuhkartons in den Keller wie sie, bis der unerkannte Millionär kam und dem Drehbuch den richtigen Dreh gab, der Dreh war: Sie sind wunderbar! Da ging ich weg, ein paar Schritte, und ich war in der Seitenstraße mit jungen Huren vor den Eingängen der Hotels, Mülltonnen am Bordstein. Die eine Hure wollte eine Boutike aufmachen, während die andere Hure ihre Boutike zumachte, Ausverkauf »totales wo blieb das Wunderbare? wo der ungehobelte, aber reiche Kunde, der seine Schuhe im Bidet abwusch? Da kam er,

den Matrosenhut auf, zog einen Kaffeebecher aus Blech aus der Jacke und sagte: »Ich war der Mannschaftskoch, jetzt bin ich reich. Hier fühl mal. Alles Gold«. Da ging ich wieder weg, über dreißig, kinderlos, im möblierten Zimmer, das war etwas ungewöhnlich, aber wunderbar war es nicht.

Hane Eier Ich habe mich oft gefragt wo der Begriff »harte Eier« herkommt aber ich habe es nie herausgefunden Jedenfalls ist es das Gefühl einer Verhärtung der Hoden wenn du lange nicht gefickt hast

So zwischen 16 und 20 habe ich oft »harte Eier« gehabt als ich fast nur Mädchen kannte die es nicht vor der Verlobung tun wollten nicht vor der Verlobung verstehst du? Indirekt sprachen sich alle für »harte Eier« aus: der Pfarrer natürlich (er hatte wahrscheinlich die »härtesten Eier«) der Lehrherr (weil Lehrlinge frisch und ausgeschlafen im Büro erscheinen müssen) der Trainer (denn »harte Eier« geben dir den richtigen »Biß« im Wettkampf) und mein Vater sagte: »Gelobt sei was hart macht!« und schickte mich bleich und spreizbeinig ins Büro 326

Poesie ist eine Art Widerstand und ich wußte daß ich eines Tages ein Gedicht über »harte Eier« schreiben würde Meine Jugend war nicht ohne Kämpfe ich hatte Verse im Kopf und »harte Eier« in der Hose

JV

Uwe Timm

Das Kinn an der Kragenbinde Klein und verblaßt wie auf dem alten Photo: dein Gesicht unter dem Hut, ein Mützengesicht, wie du immer behauptet hast. Deine Anzüge baute, wenn Geld da war, der Uniformschneider, grau, deine Lieblingsfarbe, und heute frage ich mich oft, an welchen fernen Küsten du standest, sitzend in der Kneipe nebenan (Bei Papa Geese, hieß sie, glaube ich), vor Steinhäger oder Weinbrand, 328

stundenlang in deinem Kürschnerkittel, mit Nerzhüten und Krawatten in deinem Laden und erzähltest von Tundren und Wanderdünen, die du überflogen hast, angeblich, als Kurierflieger. Welche blauen Fernen waren da in deiner Brust und schrumpften langsam, wie mein Haß wuchs auf dich, die lederne Kartentasche im Schlafzimmer, diesen Luftwaffendolch an der Wohnzimmerwand, was, frage ich mich heute dringend, waren deine Wünsche, abgründig, meine Sehnsüchte. Auf dem Gefechtsstand, inmitten einer Schlacht, vielleicht, mußtest du um Wechselverlängerung bitten. Die alltäglichen Niederlagen im Gesicht, redest du von Ehre und Stolz (wie jener Junge in Paris, der hungrig, wie du mir oft erzähltest, den Apfel, geschenkt von einem deutschen Offizier, wegwarf, verächtlich) das Kinn an der Kragenbinde, wie auf dem Photo, ganz verblaßt. Wie hast du dich gesehen, wenn du alten Weibern unter die Achseln greifend, maßgenommen hast? Und während du erst einen und dann auch den anderen Kürschner entlassen mußt, erzählst du überall: es geht bergauf, rauchst, auch nach dem zweiten Herzinfarkt, 329

siebzig Zigaretten täglich und sitzt immer häufiger bei Papa Geese und immer länger, bis wir dich fanden, nachts, hingestreckt, im Laden, wie durch ein Schrapnell, der Rauchtisch umgerissen, malerisch in den Scherben einer Kristallvase. Plötzlich war dein Geschrei verstummt, endlich, und nur in Träumen kamst du noch zuweilen durch Türen mir entgegen, lebend. Ja, ich weiß: ein Mann weint nicht und mit dem Daumensprung kommt man ins Ziel. Noch immer sage ich: Guten Tack, mit deiner Stimme und habe nie vergessen, die Geschichte von Kasimir, die du erzählen konntest, ohne Bruch und ohne Ende, in kalten Zeiten, als ich zu dir ins Bett kriechen durfte, weil das Wasser im Zimmer gefror. Kasimir, der Hamster, der in einer Olsardinendose die Elbe hinunterfuhr, auf der Suche nach einer neuen Welt und endlich eine Insel fand, weitab von allen Ufern, wo er lebte, bis heute, friedlich, mit Has und Igel, meinen Brüdern.

33°

Guntram Vesper

Der tiefe Schlaf Abends war Besuch da rumgesessen und gequatscht ohne Zwang zur Wachsamkeit locker zärtlich soweit wir dazu in der Lage sind oder wir sind allein gewesen haben endlich mal die verkommene Küche aufgeräumt und anschließend die neuen Fotos von Wölfchen eingeklebt während wir in Gedanken schon beim Ficken waren weil du länger brauchst gehst du als erste ins Bad inzwischen stelle ich nochmal das Radio an die Spätnachrichten was reden die da Staatsstreich Militärputsch aber nicht in Chile 33»

näher aber nicht nahe genug weil vor unserer Haustür alles ruhig ist natürlich sind wir aufgeregt ängstlich ratlos stellen andere Sender ein versuchen zu telefonieren aber einmal muß ja Schluß sein muß man ja ins Bett am nächsten Morgen (das war ein gräßlicher Film gesternabend sagst du ein Alptraum) lächeln wir schon wieder bis zur ersten Straßensperre Verkehrskontrolle sagt der Bulle ohne uns anzusehen gleich gehen wir vorsichtig mit unseren Händen um

Galeriegedanken

Das ganze 19. Jahrhundert eine Idylle im altgoldenen Rahmen keine Schuppen von Borsig keine Werkstatt von Krupp viel Landschaft eine Menge Berg und Tal Von allen Wegen winken uns zuversichtliche Landleute keine Bettlerfamilien die Stoppelfelder ohne Ährenleser allein im Besitz der Besitzer kein Gesicht geprägt vom Zwölfstundentag nirgendwo Invaliden die Kinder mit zehn noch im Schul- und nicht im Maschinensaal vielleicht von Ludwig Richter: Fürs Haus auch wenn alles ganz ganz anders gewesen ist finde ich die Bilder die schönen so lieblich

3J2

ganze Landstriche ohne Sklaven was wäre dagegen einzuwenden sich dauernd auf sanfte Abhänge lagern und einander bei den Händen halten wie schön

Frohburg, von Manhattan aus

Im Hotel Edison hinter dem Broadway in Höhe Times Square mit den dreitausend Riegeln an den dreitausend dunkelrosa gestrichenen Zimmertüren mit der hohen halbdunklen Bahnhofshalle als Foyer voller kräftiger Wachleute am Tag und nachts mit den beiden Eingängen zur 46. und 47. Straße vorn stehen ab Nachmittag schlanke hochmütige Nutten hinten liegt schon am Morgen im Theatereingang ein Mann der für die Frauen die bei Howard Johnson an den Fenstertischen frühstücken seine Hose aufknöpft in dieser anderen in einer ganz ganz anderen Welt liegen wir lange nach Mitternacht auf dem Bett in einem kleinen Zimmer im 16. Stock geblendet durch die Lichtreklame von Sony gefesselt vom Geheimnis des Riesenschildes am Haus gegenüber King Kong for Christmas umtost von Polizeisirenen aus dem Fernseher und von der 8. Avenue wir halten einander bei der Hand rauchen gucken immer an die Decke und sie erzählt mir von den endlosen trostlosen Straßen in Brooklyn 333

vom Getto im Norden Spritzen Messern großen Vermögen und ich ich erzähle von einer anderen ganz anderen Welt nämlich von Frohburg der armen Kleinstadt in Sachsen von der Töpfervorstadt die bei Eisgang immer unter Wasser stand der verfallenden Webergasse dem teils grasbewachsenen teils braungelb gepflasterten Kirchplatz mit den herrlichen weitkronigen Bäumen von den kleinen sicheren Verhältnissen in denen ich wie selbstverständlich groß geworden bin ein Raubmord und eine Brandstiftung waren in dreihundert Jahren die größten Katastrophen die man dort miterlebte wirklich mitansah jeder hatte einen Namen einer kannte den anderen zählte auf ihn rechnete mit ihm das war meine Kindheit die Menschen in dieser Gegend sind freundlich und redselig die Hügel sind sanft und die Bäche klar und die Burgen verfallen und die Dörfer waren wohlhabend und doch habe ich als Kind viel geweint viel mehr als in dieser anderen ganz anderen Welt wie merkwürdig

334

Richard L. Wagner

One of the rock’n’ roll Stars

Er wartet auf die ganz großen dinger tagsüber glaubt er daß sie nachts passieren und wenn er dann heimkommt und wiedermal gar nichts los war erwartet er sie morgen und wenn dann der folgende tag und die nacht ohne die großen dinger vorbeigegangen sind sagt er wenn morgen das wetter besser ist und dies und das passiert dann kann ich so richtig loslegen mit all dem anfangen was schon lange geplant war Aber das wetter ist nicht besser geworden

335

und dies und das ist nicht passiert und er hat nicht richtig losgelegt und es bleiben ihm wiedermal nur die erinnerungen an früher als er noch in der Turnhalle auftrat und die lebensläufe anderer musiker die es auch erst später geschafft haben und in den großen momenten ein paar knallharte sätze über das kaputte spiel Arbeit, Freizeit, Schlafengehen und nochmal das gleiche und wieder Und um die angemahnten rechnungen die engagements die ausbleiben die Schecks die nie kommen auszuhalten träumt er die sweet, sweet Rock Dreams von den palmen, den Stränden der Chartermaschine allein für ihn von der fanpost und den ausverkauften hallen vom morgen das besser sein wird strahlender und reicher

Ausreden Du gibst es mir, liebes Du gibst es mir und nicht zu knapp

Du lädst mich ins theater ein und läßt mich zwei lange stunden neben einem leeren Stuhl sitzen und sagst dann am telephon

336

Ein entlaufener Elephant sitzt in eurem garten Der Tabakonkel aus Batavia ist zurückgekommen und im keller hat man eine goldmine entdeckt Es ist nicht leicht dich zu lieben nach solchen ausreden am telephon aber ich wills versuchen weil du mindestens einmalig bist und deine ausreden sind reine poesie

Hawaii

Am samstag hab ich dich im »Gelben Hund« gesehen auf deiner jacke stand »Hawaii« und eine stoffblume wuchs aus deinem haar du hast den passanten zugelächelt die am fenster vorbeigingen während ich meine Sehnsucht nach allem zur musikbox und zum kling klang flipper trug

Jetzt habe ich eine menge liebe für dich und kann sie dir nicht geben weil du nicht zu finden bist Oh, Hawaii weil du nicht zu finden bist Die Straßen rauf und runter in den kaffees und bars in den discotheken der stadt Baby Hawaii ich weiß nicht wo du bist und kann dich nicht finden Baby Hawaii, wenn du das hier liest dann melde dich bei mir weil ich dich liebe und nicht schlafen kann ruf 309560 in München an

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Eines nachts in Los Angeles

Es klingelt und ich schlepp mich zur tür draußen stehen die zwei runtergekommensten blondinen der stadt ich starr sie an wie einen lottozettel mit den richtigen zahlen »Ich war als junge geplant, weißte.« sagt die eine entschuldigend und fragt dann nach dem größten neurotiker der stadt der mal mein freund war ich sag ihnen seine adresse und schrei ihnen »Ja, ja, der war als mädchen geplant.« hinterher Schwacher gag, nich

Einunddreißigster januar siebenundsiebzig

Zehn einpfennigstiicke auf der Schreibzeugablage Zwei leere colaflaschen im bad Sind sechzig pfennig bei tengelmann So sinds schon siebzig Kommt noch das Wechselgeld vom frühstück Wo ist das nur In der blauen jacke vielleicht Hmm, ja, neunzig pfennig Insgesamt einsfünfzig Fehlen noch fünfzig pfennig für die kleinste Schachtel Zigaretten Vielleicht im mantel Linke außentasche, rechte außentasche nichts JJ8

Innentaschen leer bis auf ein paar tabakkrümel Ahhhh, in der küche im unterschrank Gottseidank, drei leere bierflaschen Macht sechzig pfennig Macht zusammen zweizehn Da kann ich noch Streichhölzer kaufen Genau

339

Peter Waldheim

Der Reißerwolf

Ich bin der große Reißerwolf und reib dich durch die Strümpf mein Schatz, da siehste nun was ich fürn Unhold bin. Und triffst du mich um Mitternacht, gib acht, gib acht.

Ich hab Wäsche ohne Appretur, eine Mordsfigur. Und siehste mich den Reißerwolf auf deiner Tasse, faß dich kurz, mach dich lang ich spring dich an und freß dich auf. 34°

Und triffst du mich um acht nach acht, ich steh jetzt auf, gib acht. Und triffst du mich am Morgen, ich reiß dir deine Haare raus Und stell sie in der Metro aus. Und siehst du mich am Horizont hüte dich, nimm deine Zeit und wirf sie fort, glaub mir kein Wort. Ich bin der große Reißerwolf, ich flieg jetzt über dich, und triffst du mich, so hüte dich, gib acht, ich wälz dich um mach alles grade krumm, ich schreib in deinen Betten, lieg auf deinem Schrank, seh aus deinem Fenster mach alles Blinde dumm,

oh sieh mich an, ich beiße dich.

Rot und röter Laß mir nur deine Lippe und deine weißen Socken, auch hättest du Turnschuhe, weiß und blau und wärst im Segelclub unterm Mühlenberg, und jeden Tag beim »Bäcker« am Strand, Käsetorte, 34«

würdest auf die Ärsche pfeifen und die Bentleys zählen mit zagen Fingerchen, die ich mir in die Tasche stecke zum Groschenzählen.

Der Wind bläht dein Haar, und ich saufe den mistigen Kaffee, fresse die ganzen Torten. Monika das ist die Liebe. Backen aufblasen, über die blaue Elbe pusten, und dahinten im Westen verrutscht die Sonne und irrsinnige rote Wolkenfetzen kleben hinter deinen Ohren und du zahlst.

J4*

Uwe Wandrey

Reise durch den deutschen Spätherbst Ich fahre durch mein haßgeliebtes, abgeschminktes Land. Von diesen dreißig Jahren hab ich einen kalten Brand. Ich muß hier raus, doch dieser Abschied hat mich wachgeweint. Da draußen spult sich ab, vermischt sich, was sich nie vereint.

Der deutsche Zug hat keinen Bahnhof, keinen Anschluß mehr die Schranken fallen messerscharf über die Straßen her Das bunte Volk rauscht federlassend südlich ab Die flügellahmen Tauben scharren friedlich sich das Grab.

343

Fußangeln klaffen in den Gärten, die Jäger wittern Wild. In der Schonung straffen sich Fangschnüre gut gedrillt. Der atemlose Zug biegt dünne Binsen in das Moor der Zuglautsprecher dröhnt vergnügt ein eignes Tor.

Und wenn die Vogelscheuchen halbmast ihre Trikolore senken und die Programme ihren geilen Blick geehrten Killern schenken wenn durch mein D-Zug-Fenster Blitze brechen und Sirenen dann wird gefährlich, sich aus dem Ganzen noch hinauszulehnen. Nur zwangsernährt noch von der Zeitung täglich Totenbrot schnapp ich mir aus dem Fahrtwind Reime. Kurz vor Abendrot hab ich den Stolpervers auf diesen Friedhof schon bemessen gefaßt, ihn vor Kontrollen zu zerfetzen und zerfressen. Die magre Freiheit ist von ihrer Nachgeburt verschluckt und freigepreßt als Rülpsen zu vernehmen, wenn’s mal muckt im Bauch zuhälternder Behälter, die mal Richter waren. Muß ich so, isolierverglast, die Nachtgedanken tiefgekühlt verwahren?

Wetterwende Ich glaub, wir haben morgen schlechtes Wetter unsre beßren Tage sind verjährt Die Wasserratten hüpfen auf die Bretter Die ersten Kapitäne machen kehrt.

Die Bauern beugen sich den ersten Böen die Hamster haben ihre Bunker voll die Klapperstörche wolln ins Ausland wehen die Fledermäuse huschen durch den Zoll. J44

Die blinden Tauben gurren ganz neurotisch die Türkenväter hatten mal nen Job die Professoren werden anekdotisch ein Waffenhändler öffnet seinen Shop.

Im Tierpark heulen neue Hunderassen und auch die Menschenaffen kreischen sehr Gesangvereine ziern die stillen Straßen ein Richter ölt im Keller sein Gewehr.

Ein Prokurist zeigt seine Autozähne ein Kindergärtner weicht erschreckt versteckt im Kragen seine wilde Mähne bevor ein Unauffälliger ihn entdeckt. Die Demoskopen kommen wie Kakerlaken und kaufen deine teuere Meinung frei In Schultoiletten die gekreuzten Haken der Herr Direktor war doch nicht dabei.

Computer tippen lange schwarze Listen dein Telefongespräch ist konserviert Die Juden packen wieder mal die Kisten die Bücherfeuer werden schon geschürt. Man sieht schon wieder viele blanke Knöpfe die grüne Minna heult durchs Revier an ihren Fenstersthlitzen siehst du Köpfe und ihre dunklen Augen sehn nach dir.

Ich glaub wir haben morgen schlechtes Wetter die beßren Tage sind verjährt Die Wettermacher werden fetter Wir haben unsre Macher gut ernährt.

345

Wolfgang Weyrauch

Lebenslauf

Das Ei, das Gegen-Ei, der Schrei, das Ställchen, der Roller, der Widersund, das Einmaleins, die Freundschaft, die Brustwarze, der Mehrwert, die Zelle, der Schrei, der Schmerz, das Einverständnis, der Schlaf, die Angst, der Atem, das Nicht-Atmen.

346

Vierzeiler

ein Stern, ein Hieb ein Kreuz, ein Schlag vier Haken, vier Galgen ein Jot, ein Tritt

Bitte

sie, ein Schrei, in der Pyjjacke, mittags, 14 Uhr 22, der Tag, kippend, Mittwoch, und so weiter, Schlaf, Schrei, Satz, eben war ich, war ich in einer Gaskammer, ich, eine Stellvertreterin, unsereiner steckt unsereinen in die Gaskammern von unsereins, verhindre es

Stadtgänger

ich ich ich ich ich ich ich ich

verlasse das möblierte Zimmer verlasse die Wohnung des Vermieters verlasse das Mietshaus verlasse die Provinzstraße verlasse den Stadtteil außerhalb der city durchquere die city erreiche den zentralen Bahnhof treibe mich im zentralen Bahnhof herum J47

ich bin grade angekommen, aus C., D-Zug 1001, Gleis oi, Uhrzeit wieviel ich fahre grade nach Q. ich habe die Stadt, worin ich wohne, satt ich träume von einer Stadt Iberbrüg ich suche sie in der Stadt, worin ich wohne ich finde sie nicht ich fange an, eine Stadt, die noch nicht da ist, zu zeichnen ich ergänze die Zeichnungen durch Notizen ich biege, zeichnend und schreibend, um eine Ecke ich entdecke einen Zipfel einer Stadt, worin ich nicht wohne, in der Stadt, worin ich wohne ich biege um andre Ecken, und entdecke andre Zipfel von andern Städten in der Stadt, worin ich nicht wohne ich stelle fest, daß sich alle großen Städte gegenseitig Teile abtreten, ohne sie einzubüßen ich biege noch einmal um eine Ecke ich gehe fast am Mietshaus, worin ich wohne, vorbei ich kehre in mein möbliertes Zimmer zurück ich befinde mich in meinem möblierten Zimmer ich schreibe das, was ich hier schreibe

Fragend was riechen Sie in diesem Augenblick? ich, nichts was schmecken Sie, Herr? nichts, gar nichts was fassen Sie an, Fräulein? nichts, oder was sehen Sie? tausenderlei was hören Sie? was mir gefällt meine Damen und Herrn haben Sie Ihre fünf Sinne beisammen? 348

Hildegard Wohlgemuth 9

Er ging

Er ging so zärtlich über Leichen

Er brachte einen Beutepelz aus Polen und einen herrenlosen Hund

349

Er schickte Wasserrosen im November und schrieb: Sie blühten über Königskindern

Er pflückte einen gelben Stern: Für Dich von Myriams kalter Brust

Er ging so zärtlich über Leichen

ging mir voraus

Nachrede Mein Chef war in Ordnung Er war schon mein Kompaniechef Er bekam das EK I Er war mein Trauzeuge Er war mein Brotgeber Er war auf meiner Silberhochzeit Er trank aus meinem Bierglas Er bekam das Bundesverdienstkreuz Er hatte gut lachen Er konnte gut reden Jetzt rede ich 3$o

Lehrlings Besenlied Wenn ich morgens früh aufstehe und an meine Arbeit gehe schau ich hin und schau ich her ob noch was zu fegen wär Keiner hier von den Kollegen ist so gut wie ich im Fegen Und der Meister zu mir spricht: Rechtes Fegen schändet nicht

An auf hinter neben zwischen mußt du fegen mußt du wischen das erfordert die Moral drum das Ganze noch einmal Wenn ich dann zur Werkbank gehe ruft der Meister von der Höhe: Laß die Finger von dem Dings so was macht man nicht mit links

Wenn ich dann zur Leitung gehe sagt der Meister: Wehe wehe wer hier an die Leitung faßt der kriegt einen Schlag verpaßt

Wer nicht hören will muß lesen Lehrling bleib bei deinem Besen Das gehört zum Unfallschutz Fegen geht vor Eigennutz Die Reform in allen Ehren sagen wir statt fegen kehren Mit dem Besen angetanzt kehr so lang du kehren kannst 35’

Wenn ich einst zur Prüfung gehe sage ich was ich verstehe Nicht für diese Firma hier für das Leben kehren wir Eines Tags am deutschen Besen wird die ganze Welt genesen Und dann bin ich holla-hi Feger made in Germany

Robert Wohlleben

Siebenschläfer

Wenn Du mir mit spitzen Fingern Falter von den Brauen nimmst, wenn die Regendinghis schlingern, weil Du gern durch Milchglas schwimmst, wenn Du mir die Stirn beschriftest mit so kleiner Terz aus Moos, wenn Du schließlich atemlos, weil Du *s gern tust, nachtwärts driftest, nenn ich Dich mit kleinen Scherben, buntem, hartem Glasdekor, tief in Dein Oktaven-Ohr Kaurimuscheln einzukerben, fang ich Dich (Du triebst sonst weit!), fang ich Dich in Regenzeit. 353

Ausschneidespiel Scharfe Schere. Aus meiner Handfläche schneide ich Dein Ohr und Auge. Deine intelligenten Finger aus meiner mageren Hüfte. Ein ganzes Bein bis hoch zum Hintern aus meinem Rumpf. Aus dem Oberschenkel Deinen bräunlichen Bauch, aus der anderen Handfläche Deinen Zizi. Und was aus meinem? Ach aus meiner Zunge schneide ich Deine. Und woraus Deine Brüste? Dann uns zusammensetzen. Wer das könnt!

Für Frank und kaum Jemand sonst (nu!) Im Rundfunk wie im Blick verlaufen Kaltluftfronten. Was wir nicht wenden konnten bläst UNS kalt ins Genick. Schlag in den Wind so kalt die eisigen Prognosen! Wir Hemd- und Hosenlosen ham uns schwer angeknallt.

354

Da trifft es uns opstunns: Wie heizen wir die Buden, wir und unsre Druden? Mit Feuer oder uns?

Abends der Große Himmel von Curafao bis Persiko. Aber besoffen bin ich von Dir.

Peter-Paul Zahl

lebenszeichen Ihr fragt ob ich noch lebe. ich überlebe, meine bitte an Euch: geht nicht ein auf die forderung der terroristen Ihr fordert beweise: meine uhr ist von Ordiam ein geschenk meiner Schwiegermutter zum 28. Geburtstag: etwa 145 mark, ich kaufte sie in der Hermannstraße.

356

die Vornamen der architekten der häuser in denen ich gewohnt kenne ich nicht: es waren große häuser. sie waren nicht mein, es wohnten viele leute in ihnen.

aus holz geschnitztes in der diele ist mir fremd. wir sind aus anderem holz geschnitzt. bedenkt: früher hieß es auch der kleine mann habe den marschallstab im tornister. heute hat er so er will den krisenstab in der tasche.

meine bitte an Euch: geht nicht ein auf die forderung meiner entführer die mich gefangen halten nun schon 4 */« jahre. übt Euch in geduld: ihr Unterschlupf ist leicht zu finden: panzerspähwagen stehen vor ihrer tür. die orte an denen sie mich verborgen und mit mir andere 60000: sie sind leicht zu erkennen an den pforten steht: »arbeit macht frei« oder: »sieben wege führen zur freiheit. die meilensteine lauten . . .« oder knapp: »justizvollzugsanstalt.« 357

sie sind nicht zu verkennen. Ihr findet sie in jedem größeren Ort. Ihr fragt ob ich noch lebe, ich sage: mit mühe, laßt Euch zeit, aber nicht zuviel, auf jeden fall: geht nicht ein auf die forderungen der terroristen. übt kein wohlverhalten haltet Euch nicht zurück. und tut mir kein leid an: macht mich nicht zum Spitzenkandidaten, ich wäre schon dankbar wenn ich meine alten tage als kulturattache in Havanna verbringen kann, aber es tät’s schon ein andrer job meinetwegen bei der müllabfuhr wie Ihr wollt, ich tue meine arbeit.

auf jeden fall: geht nicht ein auf die forderungen der entführer in hohen ämtern nehmt keine rücksicht auf uns.

ich komme schon klar, und wenn nicht: keine pfaffen keine »internationale« am grab spielt was von den »Doors« wenn’s dazu kommt.

358

ninguneo - verniemandung

wer kennt sie nicht die Zweifel an der nützlichkeit der eigenen arbeit?

I am 20. august 1936 noch vor Sonnenaufgang ließ jose valdes gouverneur von granada den dichter erschießen auf befehl hin von general queipo de llano nummer eins damals der tötenden bestien in Spanien: gebt ihm kaffee viel kaffee! funkspruch am abend des 18. august 1936 II das verbrechen geschah in granada seinem granada noch vor Sonnenaufgang erschossen federico garcia lorca geboren im landarbeiterdorf fuente vaqueros unweit von granada seinem granada erschossen auf den feldern unweit von granada seinem granada dem sie da kaffee gaben auf den feldern war dichter nur bewaffnet mit seiner stimme seiner liebe 359

III ein gefährlicher agitator der seine höhere bildung dazu mißbrauchte die unwissenden massen auf abwege zu bringen ihm gaben sie kaffee auf den feldern unweit von granada seinem granada da war er 38 IV wer singt den bringen sie zum schweigen wer lebt den machen sie tot denn dichtung ist aufstand und kein dichter ist beleidigt wenn sie ihn Umstürzler nennen der frühling ist aufständisch sang dann neruda aber das ist eine andere geschichte eine andere geschichte auch die von nazim hikmet dem türkischen dichter den sie einsperrten 18 lange jahre und einmal gar in die latrine in der scheiße stand 50 Zentimeter hoch und der dann noch sang

360

V dem sie kaffee geben viel kaffee den sie 18 jahre aus dem verkehr ziehen dem sie das him aktionsunfähig machen den vemiemanden die wer in der latrine singt weil der aufenthalt in ihr bei weitem ehrenhafter als in jedem höheren amt den vemiemanden sie die keiner mehr kennt ist es aus mit dem amt träger des lebens also des widerstands die die singen vemiemanden sie durch eine zur tumben Selbstzweckmaschinerie verrottete justiz verbündet mit bosheit und gemeinheit mit ihrer verbohrten und vertrackten amtsdiktion ebenso komisch wie erschreckend steinherzig verniemandung durch generale durch richter und sonstige nichtse durch diese art von jedermann deren spräche deren lügen dem der sie gebraucht und sei es zum scherz die zunge gefrieren läßt gebt ihm kaffee viel kaffee ein schwacher tröst daß diese nichtse jemanden vemiemanden um etwas darzustellen 361

VI diese Zweifel an der nützlichkeit der eigenen arbeit des schreibens der verniemandeten in der zelle über verniemandete in der latrine in den kz’s auf den feldern bei granada und die nützlichkeit der Zweifel an der arbeit und die gewißheit daß da funksprüche sind: gebt ihm kaffee viel kaffee und die gewißheit über die angst beim singen in der latrine in der zelle auf den feldern bei granada oder in den Stadien: kinder pfeifend im dunklen keller gewißheit über die angst weniger um sich denn um alles: kaffee hat heute millionen von megatonnen und die bittere erkenntnis wenn die hasen flinten hätten würde man nicht so viele erschießen und die daß die hungernden nahrung brauchen aber auch das bewußtsein des ihnen vorenthaltenen

j6z

menschentums also auch gedichte Zweifel bitterer zu ertragen als die bitterste erkenntnis VII beruht wirklich die öffentliche nützlichkeit der dichter auf kraft auf Zärtlichkeit und auf freude wie neruda sang den sie verniemanden wollten was nicht gelang bislang ist dichtung aufstand und ist der frühling was er früher war hört einer den der da singt in der latrine sind bald auch hier die unwissenden massen auf abwege gebracht durch solche mit zigeunerromanzen denen sie kaffee geben ist der tod des dichters nur ein gerücht wie damals als h. g. wells Präsident des internationalen pen-dubs telegrafierte: erbitte dringend auskunft über den aufenthalt meines hervorragenden kollegen

garcia lorca und die antwort bekam von faschisten in granada nun ihrem granada: aufenthalt unbekannt

VIII in der latrine in der zelle im Stadion mit abgehackten händen auf den feldern bei granada: aufenthalt unbekannt IX bösartig wie ihre dummheit es zuläßt verbündet mit gemeinheit sitzend an den telegrafen die nichtse die kaffee ausgeben und vemiemanden der da singt waffenlos

X nützlich der Zweifel an der nutzlosigkeit der eigenen arbeit zweifellos nützlich die eigene arbeit zuweilen aushalten mußt du den Zweifel oft ganz allein singen in der latrine in der zelle 364

im Stadion auf den feldern bei granada teheran Santiago Seoul berlin sing bis sie das Stimmband durchtrennen dir kaffee geben dich vemiemanden diese nichtse die keiner kennt sind sie nicht mehr da für die wir uns schämen daß es so etwas gibt wie früher kopfjäger kannibalen und heute noch: bürokraten

XI ausgebrochen der Wahnsinn ganz öffentlich und ganz normal da dringt die stimme der Vernunft aus einer latrine es hatte der da sang seine Zweifel aber er sang und sei es aus angst und der da seinen kaffee bekam auf den feldern unweit von granada seinem granada der hatte gesungen und sei es aus Verzweiflung und eines tages zweifellos hatten die hasen sich flinten besorgt und die unwissenden massen waren auf abwege

gebracht ganz einfach und fröhlich und die dann da sangen die sangen im chor und da war kraft und Zärtlichkeit und freude daran gibt es trotz allem nicht den geringsten Zweifel

Anmerkungen:

Überschrift: ninguneo - vemiemandung: Der Begriff wurde von Octavio Paz geprägt. Strophe II: das verbrechen geschah in granada / seinem granada: Zeilen aus einem Gedicht von Antonio Machado. Strophe III: ein gefährlicher agitator / der seine höhere bildung / dazu mißbrauchte / die unwissenden massen / auf ahwege zu bringen: offizielle Einschätzung Garcia Lorcas durch die Spitzen des spanischen Faschismus. Strophe IV: dichtung ist aufstand / und kein dichter ist beleidigt / wenn sie ihn Umstürzler nennen / derfrühling / ist aufständisch: Zeilen aus »Ich be­ kenne, ich habe gelebt« von Pablo Neruda. Strophe V: das htm aktionsunfähig machen: aus dem Plädoyer des Staats­ anwalts im Prozeß gegen Gramsci. - zur tumben / Selbstzweckmaschinerie verrottete / justiz verbündet mit bosheit / und gemeinheit mit ihrer verbohr­ ten / und vertrackten amtsdiktion / ebenso komisch / wie erschreckend stein­ herzig: Zitat aus Wolf-Dieter Bachs Aufsatz »Karl May über Tage« (»Horen«, Heft ioo). Strophe VI: wenn die hasen flinten hätten / würde man nicht so viele / erschießen: Liedzeilen von Georges Brassens. - die hungernden / nahrung brauchen / aber auch das bewußtsein / des ihnen vorenthaltenen / menschentums also auch / gediehte: Zitat aus Günter Kunerts »Im weiteren Fortgang« (Hanser Verlag). Strophe VII: die öffentliche nützlichkeit / der dichter auf kraft / auf Zärt­ lichkeit/ und auffreude: Zeilen aus »Ich bekenne, ich habe gelebt« von Pablo Neruda. Strophe IX: bösartig / wie ihre dummheit es zuläßt / verbündet mit ge­ meinheit: Zitat aus Saint-Simon.

366

Poetologische Statements

• Klischees erziehen die Leute dazu, Plati-i tüden nicht nur zu sprechen, sondern auchj zu denken, und so werden sie dazu erzo-l gen, überhaupt nicht mehr zu denken.« Lee Harwood

Schon bei den ersten vorbereitenden Überlegungen zu Festival und Anthologie wurde uns bewußt, wie wenig selbstverständlich es hierzulande ist, sich über die verschiedenen Aspekte der poeti­ schen Produktion zu verständigen. Das wird noch deutlicher, wenn man sich im angelsächsischen Sprachbereich umsieht, in dem das öffentliche Gespräch über das Handwerk des Lyrikers mit einer Unbefangenheit geführt wird, die zu erlangen noch eine Menge getan werden müßte. Daß wir mit dem von den Autoren erbetenen »poetologischen Statement« keine normative Poetik gemeint haben, keine Methode, die Ergebnisse im Vorwege festschreiben will, ist klar. Ausgehend davon, daß es mit »es dichtet mich« nichts ist, ha­ ben wir die Frage gestellt, worauf der Lyriker aus ist, wenn er sich darauf einläßt, mit Sprache etwas anzufangen. Wir wollten damit ein Gespräch über die Ausgangspunkte anregen, über die Schreibanlässe und die Prozesse zwischen Absicht und letzter Korrektur - die Entscheidungen und Selektionen, über die Maß­ stäbe auch, die sich im Laufe der Arbeit einstellen. Die Reflexion von Intention und Arbeitsvorgang erscheint nicht zuletzt deshalb von Bedeutung, weil sie die Sensibilität für die Gefahren schärft, denen das poetische Sprechen permanent ausgesetzt ist; etwa den Fallgruben der Automatismen, in die hineingeraten, nichts mehr als ein weiteres Stück toter Sprache produziert wird. Wir hoffen, daß die hier versammelten Statements in ihrer Vielfalt der Ausgangspunkte und behandelten Aspekte zu weite­ ren lebhaften Diskussionen anzustacheln vermögen, um auch auf diese Weise Sorge zu tragen, daß die Dichtung als Möglichkeit und Mittel zur Entdeckung von Welt und Sprache jenseits vorge­ fertigter Denk- und Wahrnehmungsschemata am Leben bleibt.

Ralf Thenior 368

Arnfrid Astel

Frage Sie schreiben heute: Bedingt das für Sie bestimmte Forderungen und/oder Einschränkung in Bezug auf - Stoff, - Form, - Sprache eines Textes?

Antwort Stoff: meine Gegenwart. Form: Verzicht auf Metrum und Reim. Sprache: Sprache, nicht Schreibe. D.h.: Meine Stoffe sind die Stoffe meiner Rede. Ich rede gern selbst, höre gern andern Redenden zu, diskutiere über öffentliche (politische) und private Probleme und Erfahrungen. Die Form meiner Epigramme ist aus dem Gestus der Bemerkung, des Ein­ wurfs, des Zwischenrufs entwickelt. Sie ist die Stilisierung eines Redestils. An die Stelle metrischer Skandierung ist der Akzent des Affekts, der Beteiligung getreten. Der freie Rhythmus ist der Rhythmus der freien Rede.

2 Fragen Woher beziehen Sie Ihre Stoffe? In welchem Ausmaß verwenden Sie eigene Erfahrungen als Grundlage Ihres Schaffens? Wie sehen Sie das Verhältnis von Fiktion und Realität? Antwort Aus dem »Leben«; eigene Erfahrung durchaus. Fiktion ist meist irgendeine Form der Verdrängung: ich halte nichts von ihr, er­ laube sie mir nur als Stilisierung der Realität, der Erfahrung.

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3 Fragen Wie sehen Sie das Verhältnis von Form und Inhalt? Behindert (oder fördert) Sie die bewußte Beschäftigung mit solchen theore­ tischen Fragen bei Ihrer Arbeit? Antwort Form ist für mich keine selbständige Kategorie. Die Geistesge­ genwart, die Beteiligung, das Engagement an der Sache, dem Problem (»Inhalt«) bringt die Versinnlichung affektiver Rede. Insofern ist ihre »Form« ein Emanzipationsproblem, kein aufge­ setztes, keine Zutat. Der bewaffnete Arbeiter 1848 in Frankfurt auf den Barrikaden, der dem Offizier, der ihn wieder entwaffnen will, antwortet: »Das Gewehr gehört mir. Dir gehört die Kugel« - dieser nicht schreibende Arbeiter, dessen Rede aufgeschrieben und überliefert wurde, dieser Arbeiter hat es gebracht. Form ist, wenn man den Inhalt »bringt«. 4 Fragen Sehen Sie sich in einer bestimmten Tradition? Haben Sie be­ stimmte Vorbilder? Wenn ja, empfinden Sie diese als befruchtend oder als belastend?

Antwort Ja, als Redender, Sprechender, Denkender, Handelnder lebe ich eine anthropologische Konstante. Ich stehe literarisch in der Tra­ dition derer, die diese menschliche Fähigkeit stilisiert haben (Witzemacher, Epigrammatiker). Allerdings habe ich diese Fä­ higkeit studiert, nachdem man mir erklärt hatte, was ich selbst mache. Das ist befruchtend und belastend. Gescheitheit auf Fla­ schen gezogen zu studieren ist ebenso degoutant wie selbst Ge­ scheitheit auf Flaschen zu ziehen, d. h. Spontaneität zu stilisieren; es ist die Ausbeutung einer Unschuld.

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5 Fragen Welches sind Ihre Vorstellungen von der Leserschaft? Schreiben Sie für ein bestimmtes Zielpublikum? Antwort Die Leserschaft? Ich versuche zu meinesgleichen zu redschreiben, zu Menschen, die sich mit mehr oder weniger Erfolg dagegen wehren, versaut zu werden. Unterdrückung ist die größte Saue­ rei. Ich will Unterdrückte ermutigen, selbst zu redschreiben. 6 Fragen a) Wie weit geht Ihre Unabhängigkeit? b) Üben Sie neben dem Schreiben noch eine andere Tätigkeit aus? c) Arbeiten Sie als Schriftsteller auch für Massenmedien? Inwie­ fern wird dadurch Ihre Arbeitsweise beeinflußt?

Antworten a) So weit ich gehen darf, kann, so weit das Geld reicht, der Ruf, bis zur Zensurschranke, auch der eigenen. Möglichst weit. So weit ich weiß. Bis ich fertig gemacht werde. b) Ja. Rundfunkredakteur, auch Essen und Scheißen; schreiben tue ich eigentlich meistens nicht. c) Ja, aber nicht fürs »eigene« Haus; das stimuliert natürlich auf eigene Art. 7 Frage Wie sind Sie zu Ihrem ersten Verleger gekommen? Antwort Selbstverlag, Lyrische Hefte, Zeitschrift für Gedichte, gegründet 1959 in Heidelberg.

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8 Fragen Sehen Sie Ihre Produktion im »kapitalistischen« Wirtschaftssy­ stem dem Nachfrage/Angebot-Gesetz unterworfen? Hat dies für Sie allfällige Konsequenzen? Antwort Die Produktion nicht, aber die Reproduktion: kleine oder keine Auflagen. Das stimuliert auch, so lange man so nicht fertig ge­ macht wird. 9

Fragen a) Haben die Erwartungen oder Forderungen des Verlags und des Büchermarkts auf Sie einen Einfluß? b) Hatten Sie schon Auseinandersetzungen mit Verlagen und de­ ren Lektoren; wenn ja, welcher Art? c) Birgt die Vormachtstellung einiger Verlage nicht auch die Ge­ fahr der Beherrschung/Steuerung der geistigen Produktionsmit­ tel in sich? Antworten a) Siehe 8. b) Ja, Ablehnung, Zensur, Vorschlag, einen Roman zu schreiben, überhaupt »mal was anderes« zu machen; auch Unverständnis für die Tatsache, daß ich meinen Lektoren kein Landhaus für die Fe­ rien überlassen kann. c) Dreimal dürft Ihr raten. 10 Frage Können Sie uns konkrete Fälle nennen, wo Sie sich mit irgendei­ ner Form der Zensur auseinanderzusetzen hatten?

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Antwort Ja, das ist die tägliche Praxis des Autors und des Redakteurs. Konkreter Fall: »Fall Astei«: Ich wurde fristlos entlassen, ob­ wohl ich Personalrat war, weil ich das Epigramm »Auto-MobilMachung« über die Baader-Meinhof-Hysterie geschrieben hatte. Jetzt darf ich aber wieder.

Wolfgang Bächler Poetologisches Fragment Da ich an Zerstreuung, Gedankenflucht, Disharmonien leide, zu Formlosigkeiten, melancholischen und manischen Aus- und Ab­ schweifungen neige, zwingt mich das Gedicht zur Sammlung und Konzentration, mich kurzzufassen, mich und ein Stück Welt zu fassen. Es entsteht aus dem Spannungsverhältnis zwischen Subjekt und Objekt, Umwelt und Innenwelt, Bewußtsein und Unterbe­ wußtsein, ich und du, ist Dialog, Kommunikation, Widerspruch und dessen Auflösung, Widerspiel und Wiederkehr. Es versucht Ordnung und Form ins Chaos zu bringen, Stützpunkte und Schleusen in den Sog der Verzweiflung und Depressionen zu bauen, Widerstand gegen Leid und Existenzangst, Apathie und Vergänglichkeit zu leisten, die Wirklichkeit in den Wortgriff zu bekommen, durch An- und Aussprechen zu »besprechen« wie zauberkundige Frauen eine kranke Kuh »besprechen«, festen Boden zu gewinnen, zu halten, zu verteidigen. Es ist in dem Maße notwendig, in dem es Not wendet, Wider­ fahrung in Erfahrung wandelt, Unruhe in die Ruhe des Geform­ ten, Selbstzerrissenheit und Entfremdung aufhebt, sinnliche An­ schauung ins Gleichnis transzendieren läßt. Für mich ist es der einzige Weg zu Augenblicken des Glücks und der Befreiung, zu einer Ordnung und Lösung, die Freiheit schafft. Wenn es ihn auch anderen zu öffnen vermag, hat es seinen Zweck erfüllt.

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Alfred Behrens Laufen & Schreiben oder: Weshalb ich Gedichte schreibe Ich schreibe gern Gedichte, leider kann ich es mir nur selten lei­ sten. Die Literaturzeitschriften zahlen 60 Mark (wenn sie über­ haupt was zahlen) für jo Zeilen, die Rundfunkanstalten auch nicht viel mehr. Wenn ich meinen Wagen in die Werkstatt bringe, kostet die Arbeitsstunde 38 Mark. Wieviel Stunden braucht man, um ein Gedicht zu schreiben? Die Rechnung geht nie auf, vorne nicht, hinten nicht, an allen Ecken und Enden nicht. Eigentlich kann sich das Gedichteschreiben nur einer erlauben, der von nie­ mandem abhängig ist. Trotzdem schreiben wir alle Gedichte - wie kommt das? Ly­ rik ist eine handliche Sache, 100 Meter eine überschaubare Strecke, einen kleinen Zwischenspurt kann selbst der einmal ein­ legen, der gerade einen Roman schreibt oder ein Filmdrehbuch. Weshalb schreibe ich Gedichte? Ich schreibe Gedichte, um neue Themen auszuprobieren, neue Lauf- und Schreibtechniken. Als Profi überwiegend als Mittelstreckenläufer aktiv - 400 Meter/das Kurzhörspiel; 800 Meter, 1500 Meter, die englische Meile/das Feature, das längere Hörspiel, die Fernsehdokumentation; 3000 Meter Hürden, 5000 Meter/die Erzählung, der kurze Roman -, ist das Gedicht für mich in erster Linie ein Try-out, ein Testlauf für Ideen und Schreibverfahren. Deshalb nehme ich die niedrigen Startgelder, die Honorierung nach dem Amateurstatut mißbilligend in Kauf. Und träume immer wieder davon, eines Tages das freie Land am Ende aller Zielgeraden zu finden; das Land, in dem es kein Geld gibt und keinen Hunger, keine Gehaltsunterschiede und keine Klassenunterschiede, keine Existenzangst und keine Profitmaxi­ mierung; das Land, in dem die Sprinter 100 Zeilen in 9,9 Sekun­ den schreiben und die Langstreckenläufer ihre Einsamkeit ver­ gessen. Run, Run, Run!

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Horst Bienfk Ich habe mir meine Themen nicht ausgewählt, sie sind mir aufge­ zwungen worden. Zumeist durch die Biografie - was ich übrigens als den einzigen und gerechtesten Zwang anerkenne. Das zeigt sich in so autobiografisch gestimmten Darstellungen wie zum Beispiel der »Gleiwitzer Kindheit«, aber auch in so anders gearte­ ten, scheinbar fernen, wie im »Gedicht von Zeit und Erinnerung« oder der »Begegnung mit Giuseppe Ungaretti«. Wir entraten nicht der Erfahrung unserer Gegenwart, auch nicht der literarischen, in der sich das Zeiterlebnis, die Verwandlung und Vermischung der Zeit, als eines der kühnsten und utopischsten Themen darbie­ tet, die uns aber nicht das Auslöschen der Zeit in den Gaskam­ mern von Auschwitz und Maidanek vergessen lassen darf. Ich fühle mich durchaus als ein politischer, als ein »öffentlicher« Ly­ riker. Die Erfahrung meiner Kindheit ist mir nur mitteilenswert, weil sie die Erfahrung einer Generation ausmacht. Die Erfahrung in einem Konzentrationslager (in meinem Fall in einem stalinisti­ schen) wage ich nur deshalb in einem Gedicht zu vergegenwärti­ gen, weil sie Millionen von Menschen betrifft und zu einem Stigma unserer Zeit geworden ist. Eine lazarenische Erfahrung, wie sie Jean Cayrol nennt. Alle diese Erfahrungen sind mir erst dann mitteilenswert, wenn sie die Erfahrung anderer mit einbe­ greifen. Meine Stimme ist nichts. Sie ist erst etwas, wenn sie ins Wort setzt, was auch andere - wortlos - wiedererkennen. Da sind so viele auf Stil, Muster und Eigenart bedacht. Mein Traum hin­ gegen ist die Anonymität des Verfassers: der poeta anonymus. Ich habe keine Neigung zur Agit-prop, möchte weder die Zeit noch die politischen Verhältnisse ändern. Die Ohnmacht dieses Unterfangens habe ich, bevor ich mich auf das Schreiben von Ge­ dichten einließ, eingesehen, einfach, weil bisher mit Literatur we­ der die Verhältnisse verändert wurden noch dabei ein gutes Ge­ dichtentstanden ist. Ich versuche Gedichte zu schreiben, die die Zeit bewegen und doch Zeitlosigkeit in sich tragen. Zeit, die sich gegen die Zeit wehrt. Der Zeit auf ihre blutigen Finger zu sehen: das sehe ich als eine Aufgabe des Dichters. 37S

Horst Bingel Liebesbrief - an ein Finanzamt

Freunde, ein Lächeln kann Glück bedeuten. Alte Engel sind lustig. Warum glaubt ihr, daß Dichter Geld verdienen? Ihr schuftet nicht allein. Philosophie, Literatur werden bleiben. Gebt auf. Arbeitet nicht mehr. Lest Gedichte. Laßt den Steuerbescheid zu Hause. Stellt euch mit den Dichtern gut. Sie zahlen nichts. Der Mehrwert ist mehr als ein Kotau. Seid behutsam. Wir werden euch jeden Pfennig bezahlen. Freiwillig.

Für Karl Krolow

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Michael Buselmeier Ich schreibe Gedichte, überhaupt Poesie nicht primär aus politi­ schen Gründen. Meine wesentlichen Schreib- und Selbsterfor­ schungs-Motive liegen lebensgeschichtlich vor den prägenden politischen Erlebnissen der späten 6oer Jahre und reichen trieb­ strukturell tiefer als diese: es sind die existentiellen Erfahrungen der frühen Kindheit und Jugend, die Voraussetzungen eines zu­ nächst individuellen Widerstands. Als ich nach Jahren ausschließlich politischer und theoreti­ scher Anstrengung 1974/75 wieder anfing, Gedichte zu schrei­ ben, so tat ich dies, weil sich meine Wahrnehmungen, Erinnerun­ gen und Wünsche, das, was man den »subjektiven Faktor« nennt, nicht länger ausblenden ließen. Natürlich fließen politische und theoretische Erfahrungen in das Schreiben mit ein (z. B. Erken­ nungsdienstliche Behandlung, Flugblatt-Verteilen, Lektüre). Doch geht Poesie in wissenschaftlichen und politischen Katego­ rien nicht auf, sie hat - nach traditioneller Definition - eine sinn­ liche, vor-begriffliche Qualität, sie läßt sich nur gewaltsam unter Parteiprogramme subsumieren. Ihre politische Wirkung kann somit auch nur eine sehr vermittelte, quasi unterirdische sein. Gedichte ermöglichen es mir, alltägliche Widersprüche - in mir und außerhalb - im Detail sichtbar zu machen. Sie können dazu beitragen, die gerade für Linke typische Diskrepanz zwi­ schen den gespenstischen Alltagserfahrungen, den sozialkriti­ schen Reflexionen und den Wünschen bewußt auszuhalten. Die realistische Methode des Schriftstellers bestünde also darin, die Zersplitterung der Lebenszusammenhänge im Kopf jedes Ein­ zelnen nicht zu harmonisieren, sondern kritisch herauszutreiben. Die Vermittlung der getrennten Bereiche muß vom Leser selbst geleistet werden. Daß dabei ein ganz anderes Gedicht entstehen kann als das vom Lyriker verfaßte, stimmt mich froh.

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F. C. Delius

Closer to the truth »Das Thema der Kunst ist«, sagt Brecht, »daß die Welt aus den Fugen ist.« Wenn Gedichtschreiber vor diesem Thema nicht aus­ weichen, steigt die Chance, daß ihre Gedichte etwas taugen. Sie kann weiter steigen, wenn die Autoren über die schlimmen Zu­ stände der Welt, die simplen Regeln der Gesellschaft oder über die Mächte der Gewohnheit nicht jammern, sondern begreifen, daß sie, schreibend, nicht mehr tun können als den Widerspruch darzustellen zwischen diesen Zuständen usw. und den materiell und emotional betroffenen Subjekten. Selbst wenn wir Autoren das begriffen haben, werden die Gedichte immer noch sehr küm­ merlich aussehen, solange die darin verarbeiteten Erfahrungen zu kümmerlich oder ideologisch zurechtgestutzt sind. Ich wünsche mir Gedichte, die offen sind für jede Erfahrung, ob sie uns ins persönliche oder politische Konzept paßt oder nicht. Gedichte, die diese Erfahrungen möglichst komplex (hi­ storisch-kritisch), möglichst sinnlich und sprachlich präzise orga­ nisiert haben und dabei Raum für Phantasie lassen. Gedichte mit Rhythmus, aber ohne Glätte und Eindeutigkeit. Gedichte ohne Sprüche, aber mit wichtigen Gedanken (also mehr als Einfällen) und exemplarischen Situationen (Widersprüchen). »Unsere Leitsterne«, sagt Neruda, »sind Kampf und Hoff­ nung. Doch es gibt keinen einsamen Kampf, keine einsamen Hoffnungen.« Neruda hatte leichter reden als wir. Wir (die bun­ desdeutsche Lyrikerzunft) schreiben in einer Gesellschaft, in der das Vergehen von Hören und Sehen, von Lesen, Schmecken, Fühlen, Lieben, Denken propagiert und durchgesetzt wird. (Selbst Lyriker, die gegen diese Entwicklung schreiben, merken manchmal schon nicht mehr, wie die kulturelle Perversion auf sie zurückschlägt: wenn sie sich schamhaft dafür verantwortlich füh­ len, daß ihnen keiner oder kaum einer zuhört. Aber auch aus Scham entsteht Kunst nicht.) Ich nehme an, es gibt Leute, die ähnliche Hoffnungen haben 378

wie wir und denen das Wort Kampf mehr als ein Fremdwort aus Sport und Film ist oder werden könnte. Falls diese Leute Ge­ dichte wünschen, dann vermutlich solche, die die Eigenschaften der fünf oder sieben Sinne und die Wahrnehmungsfähigkeit für psychische und gesellschaftliche Prozesse wachhalten. Gedichte, die in die Winkel des Bewußtseins vordringen, wo Ängste, Träume, Erwartungen sitzen. Gedichte gegen die Sprachdem­ agogie der Werbetexter, Leitartikler, Regierungssprecher, Büro­ kraten usw. Gedichte mit mehr Aggressivität und Musikalität (als bisher hierzulande üblich). Mit mehr Phantasie - zum Ordnen, Stören, Vorausschweifen, Provozieren und mehr Phantasie für Bündnisse mit anderen literarischen, musikalischen, theatrali­ schen, filmischen Verständigungs- und Widerstandsformen.

Christoph Derschau Helmut Eisendle: Fiktives Gespräch mit Christoph Derschau, gleichsam aus dem Leben gegriffen . . .

H.E.:. . . Ja, Christoph, man muß den Leuten die Angelegenheit EINFACH und-sagen wir- DEUTLICH erklären . . . das Bild zurecht rücken . . . vielleicht darüber, daß man . . . wir oder Du . . . etwas über die konkreten Hintergründe, den background dessen, was du machst und was man ganz allgemein als LYRIK oder GEDICHTE bezeichnen WIRD, sagst. . . C. D.:. . . Erklären?. . . Mir fällt dazu nur ein Zitat von Mi­ chel Foucault über die Funktion des Autors, also einer der Texte herstellt, ein: ». . . Literarische Diskurse können nur noch rezi­ piert werden, wenn sie mit der Funktion des Autors versehen sind: Jeden Poesie- oder Fiktionstext befragt man danach, woher er kommt, wer ihn geschrieben hat, zu welchem Zeitpunkt, unter welchen Umständen oder nach welchen Gesichtspunkten ...» H. E.: . . . Meiner Ansicht nach ist das ein Standpunkt, der die Aura der Literatur, der Lyrik, der Poesie dadurch endlich zerstört, daß er einfach die Person dahinter sichtbar zu machen 379

versucht. . . oder - sagen wir so - der zwingende Ursachen für jeden Text aufdeckt . . . C. D.: Ja, zum Beispiel, wenn meine Freundin Grippe kriegt oder mein schrottreifes Auto wieder einmal nicht anspringt . . . Weißt du, Alter, ich sehe meine Gedichte als Gelegenheitspro­ dukte . . . tagtägliche Gebrauchsgegenstände ... Ich mach Ge­ dichte wie Spaziergänge . . . fünf Minuten . . . sechs Stunden . . . ich bringe einer Freundin ein Gedicht mit, das ich auf dem Weg zu ihr verfaßt habe, hinten drauf auf einem Briefumschlag oder so . . . H. E.: . . . Gut . . . Gelegenheiten . . . wenn ein Krieg aus­ bricht, ein Kleinkrieg oder ein Weltkrieg ... es wäre - für mich zumindest - zuviel verlangt, wenn es da einen Unterschied gäbe . . . Aber ich verstehe dich . . . Die Gelegenheit als Anlaß, etwas zu machen, fertig zu machen ... es erinnert mich an ein ready made ... ein Zufall setzt sich in einem Gedicht fort. Es markiert ihn dadurch . . . C. D.: Im Begriff ready made wird für mich zu viel Kunst konserviert . . . Das klingt mir zu wichtig . . . H. E.: Nehmen wir ein Beispiel: Ich denke gerade an das Ge­ dicht vom Alltagsschmerz . . . C. D.: Naja, so ein typisches Fünfminutengedicht. . . die Angst vor einer Depression der Geliebten und die Bereitschaft, mich auf sie einzustellen . . . die Hilflosigkeit, mit diesen Dingen fertig zu werden . . . was weiß ich . . . Ich finde auch, das habe ich im Gedicht selbst besser und wahrscheinlich spontaner gesagt, als ich es hier kann . . . Was sollen auch diese Interpretationen? Ich hab mich eigentlich immer bemüht, so zu schreiben, daß nichts weiter erklärt werden muß . . . H. E.: Wir haben es leider mit Leuten zu tun, die wir nicht kennen. Stell dir nur vor, Du wirst so gelesen, wie man den alten Carl Wilhelm Ramler gelesen hat. . . Ich möchte nur wissen, was der konkrete Hintergrund für dieses Gedicht war . . . C. D.: Ramler kenn ich nicht . . . Und was das Alltags­ schmerzgedicht anbelangt, ich glaube, die Freundin hat gelacht, und an dieser speziellen Art von Blumen hat sie sich sicher nicht 380

gestört... im Gegenteil ... es war ganz einfach, ohne viel Pa­ thos . . . Ich meine eigentlich nur, in jedem, der lesen und schrei­ ben gelernt hat, steckt ein potentieller Dichter, und das ist nicht zynisch . . . Wer ist schon ein richtiger Dichter? Was ist richtige Dichtung? Bin ich vielleicht ein richtiger Dichter? . . . Ich bin ich und schreib manchmal etwas über mich und andere auf, etwas, das mit dem einen oder anderen zu tun hat und hoffentlich nicht allzuweit von seinen Gedanken weg ist . . . H. E.: Gut, sehr gut, Christoph Derschau. Du bist ja ein rich­ tig demokratischer Dichter! . . . Auf, Leute, schreibt! ist eine gute Parole . . . aber gefährlich ... Es gibt pro Jahr 70000 Neuer­ scheinungen, und nur eine ist ein Derschau . . . Für mich, Christoph, bist du der HOOVERMAN, der HOOVERMAN von R. Bechtle, dem amerikanischen Neoreali­ sten . . . Du stehst plötzlich in der Tür und hast ein Gedicht in der Hand . . .

Peter Engel die worte, die für sich sprechen, sprechen wirklich nur für sich: es reicht nicht aus, sie zu notieren, sie müssen übersetzt werden in eine spräche, die nicht jedermann ohne weiteres, aber doch je­ der, der sich überhaupt bemühen mag, auf nehmen und bedenken kann, ich versuche mich also an einer »verständlichen« lyrik, die die untiefen der hermetik hinter sich gelassen hat, aber mit deren poetischem gewinn zu wuchern gedenkt.

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Hans Eppendorfer Warum schreibe ich Lyrik? Da werden Menschen mit Schüssen umgemäht, mit Granaten in die Luft gesprengt. Das Fernsehen berichtet ausführlich darüber, zeigt die Einschußlöcher in Großaufnahme, die verstümmelten Leichen unter den Planen. Zeigt die trauernden Hinterbliebenen und überträgt die Trauerfeiern in Direktaufnahme. Und eigent­ lich bin ich froh, daß ich mir immer noch keinen Farbfernseher anschaffen konnte, denn schwarze Kleidung wirkt immer so trist. Folterungen sind auch wieder in Mode, höre ich grade von Wer­ ner Veigel und mache mich über mein Beefsteak mit Blumenkohl und Muskat. Den Nachtisch hole ich mir später aus dem Eis­ schrank. Meine Verdauung sei in Ordnung, meint mein Haus­ arzt, leichte Neigung zum Bauchansatz. Schreibe ich darum Ly­ rik? Über Schlafstörungen kann ich auch nicht klagen. Honorare? Für Lyrik haben sie in Deutschland noch nie viel gezahlt. Mein erster Gedichtabdruck in der »ZEIT« brachte mir grade soviel ein, daß ich mir davon ein paar Stiefel kaufen konnte. Inzwischen sind sie aus allen Nähten und ziehen schon bei Nieselregen nasse Füße, mehr nostalgisch als praktisch. Aber was heißt schon sinn­ voll. »In deinem Alter schreibst du noch Gedichte!«, mokierte sich ein Freund. »Ja«, nuschelte ich, »manchmal, hin und wieder, aber nicht immer, ganz selten eigentlich, wie’s halt so kommt«, bis die leichte Röte im Gesicht verschwunden war. Bei ihm sei die Lyrik ohnehin bei Benn zuende. Lyrik als Waffe, als Notfall­ schirm, als Verzögerung auf dem Sturz in die Wortlosigkeit? Als Arschpieke, die wir Pennäler so liebten, gegen die träge Verfet­ tung unseres sprachlichen Vermögens. Gegen die Versandung unserer Sprache, die Verengung unseres Wortschatzes, die Satz­ feindlichkeit, die Verständigungsunlust. Warum schreibe ich Ly­ rik? Weil ich die Lyrik von Marie Luise K. nicht mochte, weil ich mit den Texten von Gottfried B. nichts anfangen konnte, weil mir j8z

die Wald- und Wiesen-Flurschäden von Herrn L., die ich in der Penne bis zur Maulsperre pauken mußte, stanken, weil . . . und so weiter, und so schrieb ich mir Lyriktexte, die ich lesen mochte, die mir Spaß machten, meine Eindrücke Wiedergaben, Gefühle widerspiegelten, Impulse vermitteln wollten, Denkanstöße, Nachdenklichkeiten. Eine Tür war aufgemacht worden, ein paar Freunde machten Mut, gaben Erfahrungen weiter, Verbesserun­ gen. Ich entdeckte ein Vehikel, das mir eine neue Beweglichkeit gab. Warum ich Lyrik schreibe?, weil ich mich bewegen muß.

Ute Erb Infolge von wenig Zeit als Raum für die Entfaltung meiner litera­ rischen Fähigkeit schreibe ich vornehmlich Gedichte im Bett. Wertvolle Anregungen zur Abfassung gereimter Gedichte bekam ich aus einer zweibändigen Poetik »Die Dichtkunst und ihre Technik. Vom Standpunkte der Neuzeit von Rudolf Gottschall«, Breslau 1873 (die Neuzeit ist ja noch nicht beendet); in der Schreibart folge ich den Regeln, wie sie in den Schulen vermittelt werden. Seit mir die Technik des Sonetts so reibungslos von der Hand geht, daß der Stundenlohn erhöht werden müßte, was ja nicht geschieht, bemühe ich mich um neue Reimschemata, die ich den Werken großer deutscher toter Dichter entnehme und mir zu variieren erlaube. Zu ungereimten Gedichten kommt es in Ge­ stalt von bedeutenden Notizen, die im Zustand der Vergessenheit reifen müssen. Die Schwierigkeit, zum Schluß zu kommen, liegt in der inhaltlich-strategischen Überlegung; der rettende Stroh­ halm ist jeweils eine Peinlichkeit. Die Gefahren des Feuilletonismus und der Panorama-Dichterei wie die Nötigung zum Plakati­ ven sind auch mir vertraut. Erst wenn ein Satz oder ein Satzglied mein ganzes im übrigen summendes Sinnen beherrscht, trachte ich danach, ihn oder es in den Kampf zwischen den Zeilen zu schicken. Wenn ich einen Text laut von Anfang bis Ende und mit Betonung einem andern vortragen konnte, ohne mich vor mir zu genieren, halte ich ihn für vorläufig vollendet. Der geduldigen

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Menschheit fühle ich mich selten gleichberechtigt. Begonnene Gedichte, die ich beim Aufräumen finde, füge ich gelegentlich zu einem Ganzen zusammen, ohne daß dies bisher jemand bemerkt hat. Auch zitiere ich auswendig in Fällen, wo das Zitat auch von mir sein könnte. Wenn ich einmal ohne mein Bett auskommen muß oder jemand mich darin stört, trage ich das Gedicht zum nächsten Papier, das ich benutzen darf, ohne den Eindruck zu er­ wecken, den Eindruck erwecken zu wollen, unter innerem Zwang zu handeln. Mit meiner Muse habe ich die Übereinkunft getroffen, daß ich sie nicht quäle, wenn sie mich in Ruhe läßt. Nicht die Angst vor Verfolgung läßt mich meine besten Zeilen oft vergessen, sondern der pure Leichtsinn. 1977 verlor ich gleich mein ganzes Tagebuch. Im übrigen halte ich das Dichten für die kleinere Kunst, die größere besteht darin, die Leser zu organisie­ ren, und die größte ist es, sich nicht einreden zu lassen, die Pro­ dukte seien auch nur im geringsten befriedigend. »Ich bin ein Dichter, ein Mensch bin ich nicht mehr« - das ist ein räudiges Be­ wußtsein, wenn auch nicht ganz so finster wie das weitverbreitete »I am a writer, not a fighter«, in dem viele Kollegen sich selbst im Unterschied zu anderen Werktätigen zum Welt-Überich auf­ schwingen.

Roderich Feldes gedichte sind eine möglichkeit, das, was mir ungeordnet durch den köpf geht, in eine handhabbare form zu bringen, handhabbar für einen leser als denkgegenstand, als möglichkeit, sich in be­ stimmten Situationen wiederzuerkennen. die gewöhnlichen abenteuer jeden tag in dem ort, in dem ich lebe, sind der Stoff, mit dem ich mich auseinandersetze, weil er mich trifft, gedichte sind im gegensatz zur prosa oder auch zu den hörspielen, die ich schreibe, versuche, einen zustand, ein gefühl, einen gedanken, für die es keine begriffe gibt, keine vorgefertig­ ten Versatzstücke, einzugrenzen, mir selbst bewußt zu machen. die schönen Wendungen, die überraschenden kombinationen, 384

rhythmus, reim, brechungen, figuren halte ich für legitim, um dem leser neben dem versuch, etwas auf den begriff zu bringen, einen anreiz zu geben, sich gerade auch mit diesem, etwas schwie­ rigeren literaturprodukt eine zeit lang zu beschäftigen.

Heiner Feldhoff Gedichte schreibe ich, weil ich gelegentlich nichts Besseres zu tun weiß. Dann krame ich in meinem Zettelkasten herum und ent­ decke vielleicht ein verschollen geglaubtes Reizwort (z.B. ge­ stern: »kugelsicherer Westen ). * Zu dem Entstehen von Gedich­ ten ist eigentlich alles gesagt, zu ihren Formen allemal, es sei denn, man betrachte die konkrete Poesie als eine Neuerung, und was ihre Inhalte betrifft, so tauchen von Zeit zu Zeit ein paar neue Vokabeln auf, die vom Altar des Fortschrittsglaubens herunter­ fallen, schwer verdauliche Brocken, über die der in sich gekehrte Lyriker zu stolpern vorgibt. Aber es gibt auch Ausnahmen: Das »Fließkomma mit Underflow« z.B., in der Betriebsanleitung meines Taschenrechners erläutert, hat es mir angetan: eine Fundsache, die ich nicht wieder hergebe; ich beanspruche, hiermit öffentlich kundgetan, das Recht ihrer erstmaligen poetischen Nutzung. Unter dem Stich­ wort »A 13« kann das entstehende Gedicht angefordert werden. So schreibe ich Gebraucht- und Zweitgedichte, sammle private Wörter, öffentliche Sätze, ordne sie und pointiere sie neu. In jüngster Zeit versuche ich, Gedichte von Zeitgenossen, die mir etwas bedeuten, für mich aus ihrem musealen Ghetto zu befreien. So hat Wolfgang Bächler ein schönes Gedicht über eine verlassene Kirche geschrieben. Mein Pendant dazu ist ein »Stillgelegtes Fahrzeug«. Die formale Identität der beiden Texte mag zu der Frage führen: Und wo bleibt das Originelle, Herr Feldhoff? Dazu Robert Walser: »Es gibt freilich mancherorts durch Über­ reizung verdorbene, sensationslüsterne Neuigkeitsschnapper und -lecker, Menschen, die fast jede Minute nach irgend noch nie dagewesenen Genüssen lüsten. Für solcherlei Leute dichtet der Dichter keinesfalls.« J85

So bin ich nicht nur Sammler und Jäger, sondern stoße, nach Celan, schweigewütig zur Heerschar der Zweitverwerter unter den Engeln. Aus dieser poetischen Existenznot, an der Grenze des Sagbaren angelangt zu sein, keine neuen Formen und Fabeln mehr zu finden, mache ich die Tugend, so zu zitieren, daß müde, übersättigte Leute, wieder aufmerken . . . Zu den Wiederbelebungsversuchen, wie ich sie verstehe, ge­ hört auch, daß ein Wort wie »Schneeglöckchen«, jahrelang in der Kälte soziolinguistischer Codierung verheizt, wieder druckreif wird, und in dem gleichnamigen Prosastück schreibt Robert Walser: »Ich habe mir vorgenommen, nächsthin zu Fuß durchs Frühlingsland zu dem Menschen hinzugehen, der Dorfschulkin­ der unterrichtet und nebenbei dichtet. Daß ein Lehrer sich mit Höherem abgibt und Tieferes erlebt, finde ich schön und natür­ lich. Er hat ja schon berufshalber mit etwas Ernstem zu tun: mit Seelen!«

Ludwig Fels Kaputt wie die Welt ist Möcht ich nicht leben. Schreiben ist Kitt, dichtet ab gegen das Blut, das heute und morgen erst recht öfter als Regen fließt. Ich waide Wörter aus träume von Gras in dieser verrückten Natur. Es schneit jetzt in diesem Gedicht und es fahren Straßenbahnen, Lastwagen über jede Zeile hinaus. PAUSE!

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(Ich mußte die Waschmaschine bedienen die Katze in den Korb legen.) So, wie das Telefon dazwischenkommt und einen Gedanken zerreißt, so kommt mir mein Leben zwischen die Literatur. Ich könnt nichts mehr vorschluchzen beim besten Willen nicht kein Kernchen Poesie höhlt meinen Augapfel aus. Die flackernde, blitzende Lustigkeit brennt nicht auf dem Papier. Fröhlich wie Gott, der vom Balkon aus auf Polizisten hält, und traurig wie ein liebesgeiler Teufel, der grausam haßt und schwach verzeiht seh ich mich den Schreibtisch stützen. Kaputt wie diese Welt möcht ich nicht sterben. Ich erreiche das Ende auf Umwegen, warte am Ziel bis der Startschuß fällt.

Frederike Frei Persönliches: Seit meiner ersten Liebe schreibe ich unprosaisch, um mir über das Prosaische klarzuwerden, um daraufhin mich selbst und die Welt zu ändern.

Allgemeines: Als kürzeste Form der Literatur hat Lyrik zuerst die Chance, den Menschen der Gegenwart (26. 4. 74) aufatmen zu lassen: Aha! Damit kann ich etwas anfangen. (Er ist am Ende). 387

Das Stilprinzip der Verschlüsselung ist ausschließlich für auf­ geschlossene Hirne gedacht, bei den heute verschlissenen Köpfen aber ausgeschlossen. Unter den Fragezeichen der Zeit muß die Kunst nicht auch noch fremdstehen. Wachsamkeit ist ihr eigentli­ ches Gebiet, weshalb hier andere Systeme versagen. Im Gegen­ satz zu den falschen Freunden und Helfern verfügt sie über genü­ gend Nachwuchskräfte, um für Aufklärung, Gerechtigkeit und Neuordnung zu sorgen. Individuelles: Die Zeit ist knapp. Deshalb möchten meine Gedichte (fast Apho­ rismen) kurzgehalten und deutlich werden, also eine Sprache transportieren, die in jeden Gehirnkasten paßt, auf hochtra­ bende, herausfallende oder schwerwiegende Worte also verzich­ ten. Ziel ist es, mit unwesentlichen Wörtern Wesentliches zu sa­ gen.

Einzelnes: Meine Lyrik sucht gern im Dreizeiler Heim. Vater, Mutter, Kind - jede weitere Person stört. Sensibler gesagt: In der einen Zeile sagen die einen, in der andern die andern und in der dritten einer allein, was er meint. Wenn man annimmt, daß Lyrik mit der Vielzeiligkeit begann, bedenkt, daß eine letzte Generation schon den Vierzeiler schrieb, läßt sich das Ende der Lyrik einhändig abzählen. Beim Zweizeiler fehlte entweder die erste oder zweite Zeile: die Meinung der ei­ nen deckt sich mit der der anderen, das Individuum steht gegen alle, oder es fehlt die letzte Zeile: die Aussage des einzelnen deckt sich mit der Meinung der einen oder anderen. Hieraus folgt der Einzeiler: Entweder die erste Zeile bleibt bestehen: eine Meinung gilt, alle andern schweigen (Diktatur), oder die letzte: ich versteh nur noch mich selbst (Chaos), oder alle Zeilen fallen in eine zu­ sammen: ich sage, was alle sagen, alle, was ich (Kommunismus). Mit dem Keinzeiler ist entweder alles gesagt worden (Friede) oder niemand traut sich noch, es weiterzusagen (Krieg). Der Durchschnitt meiner Lyrik benutzt leider den Freizeiler. 388

Besonderes: Ich bringe meine Gedichte als Lesezeichen unter die Leute, weil es Lese-Zeichen sind (zu verschiedensten Anlässen z. B.) Viel­ leicht werden sie auf diese Weise häufiger gelesen, öfter »ge­ braucht«. Außerdem sind sie so billigerund es wird niemandem ein Gedicht aufgedrängt, das er nicht haben will.

Spezielles: Auf mancherlei verschiedenen Veranstaltungen (von Ku-damm Berlin bis Frankfurter und Leipziger Buchmesse) biete ich meine Lesezeichen in einem B(a)uchladen für 50 Pf. bis 1 DM an ohne Verlags-, Staats- oder (zuweilen) Selbstzensur. Ich lege die Mu­ ster zur Auswahl vor (Themen nach Farben der Karten oder des Bändchens am Lesezeichen geordnet), schreibe die gewünschten auf mitgebrachte freie Karten ab und unterhalte mich während­ dessen über diese oder die abgelehnten Gedichte. Dabei mache ich u.a. die Erfahrung, daß jeder sein subjektives Urteil für ob­ jektiv hält, vom Fachmann bis zum Laien, und nur nach seiner ganz persönlichen Lebenssituation urteilt. Typisches: Ich schreibe die Titel als Unterschriften, da ich den Blick beim Lesen nicht durch einen Querbalken verstellen will, außerdem die »Titel« aufgrund ihrer Beschaffenheit zuletzt gelesen werden sollen.

Uwe Friesel Formen ergeben sich aus Inhalten. Ein vorherrschendes Grund­ gefühl zur Zeit ist die Angst. Die Wahnsinnstaten einiger ver­ rückt gewordener Bürgerkinder werden mißbraucht, um eine all­ gemeine Terror-Psychose zu erzeugen. Die wirklichen Probleme der Gesellschaft, Arbeitslosigkeit, Unwissen, Ungleichheit vor dem Grundgesetz, das damit seinen Anspruch verliert, für alle zu gelten, ökologische Gefährdungen, - sie alle werden mit diesen 389

Gesetzesstraffungen und Polizeiverstärkungen überdeckt. Un­ terdes dürfen Rechtsradikale, als Naturfreunde und Wandervö­ gel getarnt, Jugendliche im Granatwerfen ausbilden und die Wahrheit über Hitler verbreiten. Alles weitere ergibt sich hieraus. Auch die Formen und In­ halte der Lyrik, die ich heute schreibe, sind direkte Folge dieser neudeutschen Zustände. Wer behauptet, er könne losgelöst da­ von schreiben, beliefert damit schon die gewünschte Restaura­ tion.

Walter Helmut Fritz Ich kann einige Vorstellungen nennen, die für mich im Hinblick auf Literatur von Bedeutung sind: daß sie nichts Selbstgenügsa­ mes ist, es wenig Sinn hat, sie isoliert zu sehen; daß sie Funktio­ nalismen, Schematisierungen, Erstarrungen, Nützlichkeitsden­ ken widerspricht; daß sie nicht unmittelbar Wirklichkeit, aber als Voraussetzung - den Begriff von Wirklichkeit in eine andere Richtung bringen kann; daß sie Freiheit schafft, Unwillkürlich­ keit erlaubt, Bevormundung beseitigt, Atemraum läßt, Zweifel, die Geduld zur Skepsis wachhält, Zukunft öffnet.

Joachim Fuhrmann Anmerkung »Der Dichter, der nicht realistisch ist, stirbt. Aber der Dichter, der nur realistisch ist, stirbt auch. Der Dichter, der nur irrational ist, wird nur von seinem eigenen Ich und seiner Geliebten ver­ standen, und das ist ziemlich trostlos. Der Dichter, der Rationa­ list ist, wird sogar von den Eseln verstanden, und auch das ist reichlich trostlos.« Was ist dem Dichter Pablo Neruda da noch hintanzufügen? 390

Vor fast zehn Jahren habe ich im Anhang der AGITPROPAnthologie versucht, mehr oder minder in Brecht-Variationen, knapp etwas über realistisches Dichten zu sagen: So knapp geht mir das heute nicht mehr übers Papier. Damals gings um Agit­ prop - heute gehts um Lyrik. In beiden Fällen, glaub ich, gehts um Dichtung. Und wenn man da als Schreiber aufgefordert wird, für dieses Buch zwei »Lieblingsgedichte« herauszusuchen, so muß ich passen. Ich hab keine Lieblinge. Ein paar Liebesgedichte hab ich - vielleicht ist das eine oder andere vorn drin. Das eine oder andere: Na klar, so vielfältig ist Poesie auch bei nur einem Schreiber. Es wird bedenklich, scheint mir, wenn dieser oder je­ ner Gegenstand oder eine Liebe einer Methode unterworfen wird; es scheint mir, Methoden sind für Gedichte unbrauchbar. Und jede eindeutig bestimmte Poetik ist Methode. So schreibe ich denn hier strophig, halte mich an (von mir) gegebene Metren und gehe anderswo in freie Rhythmen über. Reime sind da gewiß Hemmnisse, aber bei genügender Überwindung haut auch das hin. Wo haut was hin? Die große Wirkung von Lyrik wie von Literaturund Kunst überhaupt seh ich nun auch nicht mehr. Da­ für seh ich die kleine Wirkung. Und die ist größer. Also zuver­ sichtlich sein und trotz allem noch auf das Schreiben hoffen und Wirkungen sehen? Aber ja: In einem nicht näher definierten Zu­ sammenhang von Realismus und Irrationalität.

Günter Guben neuerlicher versuch, ein poetologisches Statement abzugeben

wenn ich voraussetze und akzeptiere, daß das schreiben von gedichten die schwierigste, weil freieste Sache der weit ist, nach dem leben allgemein, brauch ich mich nicht zu wundern, wenn etwas in mir behauptet: »ich zweifle, also bin ich!« diese abwandlung eines sattsam überstrapazierten satzes führt mich exakt auf jenes eis, das nicht verdaubar ist. - das heißt also: indem ich ins schliddern komme, finde ich zu mir selbst, weil nur ich in dieser Situation übrig bleibe. 39’

was heißt, auf die Produktion von gedichten bezogen, »übrig bleiben«? - es gibt erfahrungen, die andere gemacht und einem mitgeteilt haben, und es gibt erfahrungen, die man zum eigenverdienst rechnen darf, beide kategorien setzt man mehr oder weni­ ger sinnvoll ein, sobald der schreibprozeß eines gedichtes oder ei­ ner anderen literarischen arbeit beginnt.

der beginn des schreibprozesses ist jedoch nicht für den moment anzusetzen, da man vor dem leeren blatt papier, mit einem schreibutensil in der hand oder vor der Schreibmaschine sitzt, es beginnt, einige Sensibilität angenommen, eigentlich immer zu schreiben, ja streng genommen gibt es gar keinen anfang, weil es kein ende gibt. - wenn bücher eigentlich keinen anfang und kein ende haben, dann kann man das von kleineren schreibprodukteinheiten erst recht nicht erwarten. - trotzdem hat es immer wie­ der den anschein, und man kann es auch beweisen, als läge mit einem bestimmten produkt auch etwas in sich abgeschlossenes vor. was also »übrig bleibt« ist der an einem endprodukt ablesbare tatbestand einer sich verbal äußernden konzentrationssituation, die untrennbar mit dem ich des Urhebers zusammenhängt. von daher gesehen betrachte ich es als unsinnig, von »neuer innerlichkeit«, vom »neuen ich«, von neuer Subjektivität oder von anderem zu sprechen; denn wer, wenn nicht irgendein ich, sollte befähigt und in der läge sein, schreibend darüber auskunft zu geben, was u.a. leben ausmacht und ist?

wer heute schreibt, und insbesondere jemand, der gedichte schreibt, sieht sich in einem maße wie nie zuvor den repressalien einer freiheit ausgeliefert, die alles, wirklich alles möglich machen und damit vieles unmöglich. die grenzen, an die das schreibende individuum stößt, begin­ nen erschreckenderweise damit, daß es zu wenig, und enden fata­ lerweise damit, daß es zuviel weiß. zwischen den polen naivität, also nicht unbedingt unwissen­ 392

heit, und kenntnis von tradition, geschichte und allem, was damit zusammenhängt, was auch nicht gerade allwissenheit garantiert, erstreckt sich das spannungsfeld, in dem der schreibende mit sich, seiner umweit und seiner literarischen Produktion auszukommen hat. - das ist nicht einfach.

ich schreibe nicht nur gedichte. wenn ich aber gedichte schreibe, dann steige ich in dieses unternehmen ein als einer, der alle kenntnisse, zumal die der literaturhistorie, ins Unterbewußtsein ge­ schickt hat, damit eines möglichst nicht geschieht: nämlich, daß ich beispielsweise mandarinen aus marmor herstelle. - was wir dringlichst brauchen, sind u.a. leute, die u.a. gedichte schreiben, die mandarinen herstellen, die wie mandarinen sind! - das aber ist schwierig und ein annahmeprinzip. - prinzipien dürfen nicht unumstößlich sein!

Helmut Heissenbüttel Wenn man zu schreiben anfängt, weiß man nicht, wohin es führt. Wenn etwas publiziert wird, weiß man nicht, wohin es führt. Es kommt darauf an, sich nach dem ersten Impuls noch einmal zu verpuppen und einen zweiten Schmetterling hervorzubringen. Schwierigkeiten allerdings macht der dritte Schmetterling. Aber ich meine, man sollte es versuchen. Ich versuche es. Dies ist mein Statement.

Günter Herburger Praxis und Theorie

Gedichte zu schreiben ist Übermut und Mühe zugleich, als stünde man plötzlich voll wißbegierigen Schreckens auf einem gespannten Seil, dessen Beginn und Ende nicht auszumachen sind. 393

Aber die außer sich geratene Figur dort oben täuscht. Sie bleibt der Erdenschwere verhaftet, dem Verdruß, den kleinen Hoffnungen, dem berechtigten Verlangen, sich, um des Himmels willen, doch auch anlehnen zu dürfen an etwas, das groß und festgefügt zu sein scheint und zum Beispiel Geschichte heißt. Denn ihr können wir nicht entrinnen. Ein Dichter versucht, das öffentlichste wie Allergeheimste auszudrücken. Er will, wenn er es ernst mit seiner Arbeit meint, daß die Praxis unbedingt die Sehnsucht einholt, gleichsam der in­ stinktsichere Käfer sich mit der bedingten Steuerelektronik von Raketen zu verbünden verstünde, damit die Gleichmütigkeit der Natur eins würde mit der anstrengenden Herrschaft der Tech­ nik. Das klingt schwierig, stellt aber nichts anderes dar, als fort­ während unterwegs zu sein nach Freundschaft, Liebe und Zuver­ sicht im Anblick des Todes, der uns allen gewiß ist, da bisher mehr die Versäumnisse unserer Geschichte zum Ausdruck ge­ bracht wurden, denn deren Möglichkeiten. Darin steckt ein not­ wendiges Maß an Utopie, ohne das ich nicht leben könnte. Wann holt das Begreifen die Erscheinungen ein, die uns allen bekannt sind? Ich schrieb Bücher, weil ich mich nicht verloren fühlen möchte. In der Schwäche fand ich Stolz, das Mißtrauen hoffte auf Würde, die Überzahl der Kleinbürger, zu denen ich gehöre, gibt den Kampf um Teilhabe an Schönheit und Wissen nicht auf. Wenn ich gering werde, hänge ich mich an die kopfwilde An­ archie. Sobald ich mich erhaben einschätze, bedrohen mich Wi­ dersprüche und Verzagtheit. Insofern lande ich immer wieder auf den Füßen. Die Traurigkeit, in die ich mich dann mitunter stürze, wird notwendig wie ein erholsames, tiefes Bad.

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Uwe Herms i. »Unter einer Epiphanie verstand er eine jähe geistige Manife­ station, entweder in der Vulgarität von Rede oder Geste, oder in einer denkwürdigen Phase des Geistes selber. Er glaubte, daß es Aufgabe des Schriftstellers sei, diese Epiphanien mit äußerster Sorgfalt aufzuzeichnen, da sie selbst die zerbrechlichsten und flüchtigsten aller Momente seien.« (James Joyce in »Stephen Hero«) 2. Die Schwierigkeit der schriftstellerischen Arbeit besteht darin, Epiphanien zu erlangen und sie so niederzuschreiben etwa als Gedicht -, daß sie dem Lesenden zu Epiphanien werden können. j. Die Realität - also einen Gegenstand, einen Sachverhalt, eine menschliche Beziehung, eine Sprachäußerung - durch den Akt äußerster geistiger Konzentration zu erfassen, daß sie essen­ tiell begreifbar wird: das ist die Leistung, die die schriftstelleri­ sche Arbeit legitimiert und notwendig macht. Hierdurch und durch die entsprechende Kraft der materialen Umsetzung in Sprache geht Literatur über die Erzeugnisse der Auch-Schriftstellerei, des Journalismus hinaus. 4. So zu verfahren, fordert einen Schriftsteller ganz. Er ist un­ teilbar. Dem kreativen Prinzip der Epiphanie folgen, heißt Erfahrungs- und Verarbeitungszeiten als Arbeit anerkennen. Dabei geht es nicht um die Idolisierung »kreativer« Arbeit. Es geht um die alternative Erfassung, Durchdringung und Darlegung der Wirklichkeit, das heißt auch: Klischee und Routine der Anerken­ nungsrituale gegenüber der gesellschaftlichen Wirklichkeit, in wessen Interesse auch immer, zu meiden, zu durchkreuzen. 5. Von Gedichten wünsche ich mir, daß sie all diesen Ge­ sichtspunkten genüge tun. Ich versuche, solche Gedichte zu schreiben. Gedichte sind nicht Texte, die man zu Gedichten er­ nennt. Die Herausgabe eines Gedichts kann nicht der Verlegen­ heitsakt ungeduldiger Prosaschreiber sein. Wann ist ein »Ge­ dicht« ein Gedicht? 6. Wenn es auf Epiphanie beruht und die Qualität einer Epi­ 395

phanie beim Lesenden erlangen kann. Wenn es konzentriert und konzentrisch geschrieben ist. Wenn es nicht bloß Zeilenbruch ist. Wenn es mehr sagt, als was ich mir sowieso schon immer sage. Wenn es mehr sagt, als mir sowieso schon immer gesagt wird. Aber mit welchen Mitteln? 7. Mit allen - unter der Bedingung, daß sie in einem Gedicht Platz haben. Wann haben sie in einem Gedicht Platz? Wenn . . . das, allerdings, muß man ausprobieren.

Hadayatullah Hübsch »Ich fürchte Allah und rede das wahre Wort.« Im Heiligen Qur’an, dem von Allah Seinem Diener Muham­ mad offenbarten Gesetz, wird die Frage nach der Natur der Spra­ che auf vielfältige Art weise behandelt, und es bedarf eines erläu­ ternden Buches, um im Einzelnen zu zeigen, welche Absichten und Aufgaben ein Dichter haben muß. Zur schöpferischen Kraft sagt der Qur’an: »Und jene, die sie statt Allah anrufen, sie schaf­ fen nichts, sind sie doch selbst geschaffen. Tot sind sie, nicht le­ bendig; und sie wissen nicht, wann sie erweckt werden.« Ein an­ derer Vers spricht von bestimmten Dichtern als den »Irrenden«, die »in jedem Tal umherlaufen und reden, was sie nicht tun.« Meine Gedichte sind Geschenke, die sich zusammengesetzt sehen aus persönlichen Erfahrungen, die während des Schreibens oder Sprechens erhellend gelebt werden - und zwar immer wieder neu -, und andererseits aus unmittelbarem Einwirken des Him­ mels im besten Falle, einem Einwirken, das sich bemerkbar macht, indem ich mit Verstand oder Gemüt mein Dichten nicht auflösen kann, ehe ich nicht mein Ich vollkommen ausgeschaltet finde. »Mit Poesie oder der Kunst, Poesie zu verfassen, habe ich nichts gemein. Mein einziges Ziel ist es, daß Menschen auf diesem Wege verstehen.« Diese Zeilen von Hazrat Mirza Ghulam Ah­ mad, dem Verheißenen Messias unserer Zeit, der von Allah »Meister der Feder« genannt wurde, deuten meine Absichten. Ein Schreiben heute muß ein Schreiben in seinem Sinne sein, es 396

gibt zudem ein Sich-Ausschreiben, ein Leer-Werden mithilfe der Sprache, das sich an dem Wunsch entzündet, die aufgestauten Eindrücke umzuwandeln. Eine Veränderung aber, die ich bewir­ ken möchte - in und außer mir -, kann nur durch die Liebe und Gnade Allahs geschehen, die ich indes erbeten kann und die mir - oft unbegreiflicherweise - immer wieder zustößt. Ich verfasse meine Verse häufig in englischer Sprache, weil die Menschen, die mir nahe sind und mich lesen wollen, oft kein Deutsch sprechen. Darüber hinaus spreche ich bisweilen satirische Gedichte, die mir entstehen, wenn ich durch die Straßen gehe - Zwei- oder VierZeiler, die ich laut sofort mitteile, die das Bedürfnis der Bürger erkennen und ihnen Lösung oder Rätsel aufgeben. Ich vergesse diese Verse fast immer sofort wieder, aber sie bleiben als Erfah­ rung deutlich.

Harald K. Hülsmann Meine erste Veröffentlichung erschien in der von Erich Kästner herausgegebenen Jugendzeitschrift PINGUIN. Es war ein Ge­ dicht über Elfen, die auf abgeernteten Feldern die Restkartoffeln auflasen. Dieser Anfang ist eigentlich symptomatisch für die nachfolgende Entwickelung. In dem romantischen Gewand der Elfengeschichte das Einsprengsel zeitbezogener Realität. Meine späteren Texte - ob Gedichte oder Kurzprosa - waren auf den ersten Blick wieder romantischer, wenpgleich sich bei ge­ nauerem Lesen auch ihre Verbindung zur Wirklichkeit gezeigt haben dürfte. Inzwischen kann ich keinen Text mehr schreiben, der nicht eine Beziehung zu der mich umgebenden Wirklichkeit hätte. Nur das Kostüm des Textes - Straßenanzug oder Stil­ kostüm - wechselt. Stilistische Änderungen, wenngleich die nie völlig extrem werden, sind bei mir weitgehendst durch den ge­ rade verarbeiteten Stoff und die persönliche Stimmung, in der ich ihn empfing, bestimmt. Das, was man früher den KUSS DER MUSEN nannte, also die Initialzündung zum Niederschreiben, kann durch einen banalen Vorgang ausgelöst werden, der vom ei­ 397

gentlichen Text scheinbar unendlich weit entfernt ist. Verbin­ dungen müssen da wohl doch bestehen, da es eben jeweils dieses und nicht ein anderes Moment ist. Dies ganz exakt zu analysie­ ren, würde allerdings wohl weder mir noch meiner Art zu schrei­ ben zugute kommen.

Klaus Konjetzky Ich möchte, daß meine Gedichte wie EINE FAUST sind. Ich möchte, daß sie konkret sind und verständlich, daß sie subjektiv sind und direkt und kühn, ich möchte, daß meine Gedichte par­ teilich sind und eindringlich und einfach und besessen und klar und griffig und kompromißlos und eindeutig und stark und un­ bedingt. Ich möchte, daß meine Gedichte wie EIN KRISTALL sind, daß sie gemeißelt sind und flächig und kantig und strukturell, ich möchte, daß meine Gedichte übertreiben und verzerren und dicht sind und verrückt und artifiziell und prall und linear und maßlos und dialektisch und streng und scharf und massiv und stringent und objektiv. Ich möchte, daß meine Gedichte wie EINE QUELLE sind, daß sie schön sind und schlicht und wesentlich und transparent, ich möchte, daß sie metaphorisch sind und fließend und assoziativ und fröhlich und phantastisch und leicht und natürlich und pa­ thetisch und spielerisch und singend und zart und ernst und ge­ heimnisvoll. Ich möchte, daß meine Gedichte EINE HÜTTE sind und ein Palast, ein Messer und ein Schild. Ich möchte, daß meine Gedichte Mut machen und überraschen und zu denken geben und Anstoß erregen und ein Ärgernis sind und herausfordern, ich möchte, daß sie offen sind und heimelig und innig und vielschichtig und aufrichtig und warm und hinterhältig und utopisch und gesell­ schaftlich und aktuell, daß sie anstacheln und aufwiegeln und ver­ söhnen. Ich möchte, daß meine Gedichte ans Herz gehen.

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Ursula Krechel Schnell, schnell!

An manchen Tagen liegt ein Gedicht auf der Straße. Gestern gegen Mittag zum Beispiel führte ein Kind eine torkelnde Frau nach Hause und als ich später dein Geburtstagsgeschenk einkaufte (ich sag nicht, was), wusch ein alter Mann im Brunnen auf dem Markt sein künstliches Gebiß. Da stand er vornübergebeugt ein Denkmal für Leiden, das sich nicht abwaschen läßt mit dem prallen Strahl. Ich weiß von alten Männern nur, daß sie alt sind, alt schon am Anfang des Gedichts. Morgens ganz früh, wenn die Straße naß ist und kinderleer wie auf gestellten Fotografien, die Zaunwinden blühen noch nicht, liegt es da. Man muß sich nur die Hände schmutzig machen, danach greifen. Jutta hat immer gesagt: wenn ich morgens ein Brötchen esse mit schöner deutscher Butter, nur reinbeiße knirschend bin ich schon bedient für den Tag. Wirklich. Warum kämpfen wir nicht für Tage, die mit Kirschmarmelade anfangen, mit Brötchen für jeden, der um sich schlagen muß? Andere sagen beim Frühstück, alles nimmt ab; hast du darüber nachgedacht, Mädchen, fragen sie, woher deine Bedürfnisse kommen? Aber das läßt Jutta kauend nicht gelten.

Wie bunte Esel schleppen die Schulkinder ihre Ranzen durch den Nebel. Ihre Kaugummipapierchen sind nur ein schwacher Trost für alle, die zu spät zur Straßenbahn laufen mit Brotkrümeln zwischen den Zähnen und einer Wut im Bauch. 399

Ich will noch schnell erzählen, schnell, schnell, wie ich heute Nacht, du hast noch Zeit, im Traum einen Löwen gezähmt habe, allerdings einen kleinen, der zuletzt in eine Plastiktüte paßte. Jetzt mußt du doch schneller laufen als die Straßenbahn fährt. Schnell, schnell entfernen sich unsere schnellen Küsse und was wie ein Gedicht werden könnte mit Kirschmarmelade, wird ein Tag wie jeder mit Hundescheiße auf der Straße und einem Brotkorb, den ich höher hänge, wenn die Tür zufällt.

Und schon wirbelt meine Schreibmaschine Staub auf, die Bleistifte singen und die Schere auf dem Tisch mit ihren geöffneten Flügeln ist ein Siegeszeichen für uns. Kauft Solinger Metallwaren! Lest Gedichte! chromglänzend kühl und schneidend. Später am Vormittag soll ich plötzlich eine Versicherung abschließen. Zehntausend für einen friedlichen Tod und siebenmal so viel für einen friedlichen Unfall, für die Schuhe vor dem Bett und den Rollstuhl, der uns spazierenfährt in hundert Jahren, wenn die Straßenbahn nicht mehr kommt. Ich soll auch Seife kaufen an der Haustür für meinen Hals und deinen, wenn du willst. Da robbt die Postbotin durch unsere Straße. Paßt auf, daß sie nicht überfahren wird, ehe sie uns unglücklich macht. Inge tritt ein mit vorsichtigen kleinen Sätzen. Schon ihr Klingeln ist vorsichtig und freundlich. Ob sie mich störe störe? Ob ich die Katze gesehen habe, die schwarze? Nein? Ich will meine Katze nehmen, sagt sie, und aus, weg hier, die Stadt mit dem Mann darin wechseln wie ein Hemd, ich will da leben, wo ich etwas lerne und erlebe. 400

Wo denn? frage ich. Wo denn? Überall kannst du. Immer, sagt sie, habe ich meine Wünsche zurückgestellt und den Hunger nach Leben. Jetzt hat sie Durst auf eine Tasse voll Glück ganz für sich allein. Ich höre mich reden wie Kranke zu Kranken reden, jeder Satz könnte der letzte sein vor dem Ende der Krankheit. Das gelüftete Bettzeug fliegt auf und davon, zipfelt und alle Nachbarinnen starren ihm sehnsüchtig nach. Wer winkt meinem tröpfelnden Teepott? Wer denkt an die Postbotin, während ich an dich denke?

Mit fertigen Sätzen sitze ich am Tisch. Still und gebeugt stehe ich auf. Mittags vermisse ich alle meine Gefühle.

Michael Krüger Aus dem »Vorgedicht« zu -Reginapoly-

Die Literatur, sehe ich mich schreiben, hat sich an das Unglück gewöhnt (sie ist mit ihm aufgewachsen, gegenseitig haben sie sich Geschichten erzählt; später Briefe gewechselt; schließlich, nach langen Jahren gegenseitiger Verehrung, beschlossen sie, gemeinsam alt zu werden: sie erinnerten sich an ihre Kindheit und an die Geschichten ihrer Kindheit, die sie jetzt interpretieren konnten). An das tägliche Unglück. An den Wunsch. An den Narzißmus der Begriffe. An die strahlenden Metaphern für den Schmerz und die Angst. An den Schmerz der Trennung und die Angst vor dem Wiedersehen. Auch 401

an die Wiederholung (das gibt ihr die Sicherheit, noch heute aufzutreten, als wäre nichts geschehen). An die Mystifikationen und die süßen Tautologien. An die falschen Namen. Schlecht und recht: an den Spiegel, das Duplikat, die Übersetzung. Vor allem aber: an das Schweigen. Sie unterbrach sich. Sie schien gedankenverloren. Sie schwieg. Sie war, infolge dieser Unterbrechung, kaum noch zu hören. Ihr angestrengtes Schweigen hat sie wieder ins Gerede gebracht. Sie spricht wieder, um auf sich aufmerksam zu machen. Vieles hat sie verlernt, verloren, vergessen; vieles hat man ihr weggenommen. Dennoch, sehe ich mich schreiben, fährt sie fort, sich zu äußern.

Otto Heinrich Kühner Warum ich heiter-skurrile Lyrik schreibe? Aus Lust an »Dichtung als Spiel« (Titel eines philologischen Werkes über Unsinnspoesie) Eben: aus Lust am Unsinn. Nach S. Freud befreit sie vom Denk- und Realitätszwang, also vom Zwang des Zwecks und der Logik. Und das Lachen seinerseits befreit vom Alpdruck menschlicher Unzulänglichkeit. Am lieb­ sten wäre ich Clown geworden. Spontaneität ist für mich wesentlich. Lachen, Weinen oder Staunen. Humor, Tragik oder Erhabenheit. Am wenigsten er­ reicht man Spontaneität durch den bloßen Gedanken, durch Reflektion. Auch Anschauung ist wichtig, Bild, Szene, Phantasie. Das macht den Unterschied des Künstlers zum Denker aus. Auch Musik. Sogar der Reim, der sinnliche Reiz des Gleich­ klangs, der schon Kinder entzückt und der in einer Zeile ein Wort oder einen Gedanken sinnfällig machen kann. 402

Also das Lukullische, Epikureische am Gedicht. Der Genuß. Das Heitere hat es hierzulande schwerer als beispielsweise im Lande eines Lewis Carroll. Hierzulande gilt Unsinnspoesie sogar als »Verlust der Mitte« trotz vieler grundsätzlicher Gegendarstel­ lungen wie etwa von Joachim Kaiser (»Die deutsche Mühsal mit dem Leichten«); danach hat der Deutsche, mangels Talent zum Humor, keine Begabung für das Heitere. Goethe (er darf auch hier nicht fehlen) sagt vom Humor zwar, er sei eine Art Poesie und der Deutsche habe bei seiner Philisterhaftigkeit wenig Sinn dafür, aber aus Shakespeares »Romeo und Julia« strich auch er den Witz; von dem völlig humorlosen Schiller ganz zu schweigen, der sich des heiteren Teils an Shakespeare so­ gar schämte. Kurzum, die Deutschen wünschen Tiefsinn. Humor ist ihnen suspekt, weil er nicht moralisch ist, nicht verändern will. Allen­ falls die Ironie läßt man gelten wie bei Thomas Mann; der Ironi­ ker und Satiriker tut etwas für die Gesellschaft. Deshalb schreibe auch ich immer wieder - ein Zwitter wie selbst der große Bert Brecht -, ohne daß ich es merke, satirische und ironische Verse.

Gregor Laschen Das Schreiben von Gedichten ist eine Arbeit, die mir die unbe­ dingteste Gelegenheit unter anderen Gelegenheiten einräumt, Sprache »anzustrengen« im Sinn von Verstehen, Verständigung über und auch Auslegung von dem, was da ringsum um mich ist, mir und anderen geschieht in schon vorhandenen Sprech-Situa­ tionen. Das Gedicht, durchaus als Kunst- oder Kopfgebilde, er­ scheint von hier aus als Möglichkeit, über die vorhandenen, ver­ einbarten, festgeschriebenen Sprech-Situationen hinauszukom­ men, jeweils neue »»Wörter erster Ordnung« (Uwe Friesei) zu erreichen. Es geht wohl um die Freilegung ursprünglich kommu­ nikativer Situationen, die Anstrengung, in eine Solidarität mit anderen zurückzugelangen, die in den vorhandenen Sprech-Si­ 40J

tuationen, in denen wir immer wieder festliegen, wenn über­ haupt, dann nur als Erinnerung noch da ist. So verstanden, eröff­ net die Erinnerungsarbeit des Gedichts einen operativen Zusammenhang Welt oder Geschichte, der die Erarbeitung von Identität ermöglicht und vor allem anschaulich werden läßt. Für mich ist die Kunstform des Gedichts die abenteuerlichste An­ strengung, Abstraktion und Sinnlichkeit in eins zu setzen, von da aus verändert oder erweitert in meinen Alltag zurückzuspringen, zuletzt nicht mehr springen zu müssen, eher da zu sein im Atem des alltäglichen Sprechens, dessen Gleichmäßigkeit dann die Be­ sonderheit ist, aber nicht nur meine.

Bernhard Laux wozu schreibe ich gedickte? 1. zur selbstverständigung hier ist das individuum, mein >ichplakatsätze< der agitationsgedichte aufgebrochen, differenziert bis in ganz subjektive (sprach)nuancen. Solche ge­ dichte können wohl zur zeit nur als leselyrik genutzt werden, (obwohl es auch dahin kommen sollte, auf plätzen und in Veran­ staltungen solche feinheiten (selbst)verständlich werden zu las­ sen . . .) die zunehmende politische Unterdrückung läßt die unmittel­ bare betroffenheit jedes einzelnen zunehmen, diese wachsende gefahr auch für die eigene person weist auf die wachsende bedeutungauch solcher literatur, die sich für die gesellschaftlichen Sub­ jekte vorrangig interessiert und einsetzt, aber das kann man ge­ rade in aufkommenden Zeiten der zensur nicht durch rückzug in (angeblich neue) innerlichkeit erreichen, die politische bedeutung des Subjekts liegt in der Wahrnehmung aller seiner freiheiten. gleiches gilt für seine literatur.

Wilhelm Liefland Die Poesie und ich

Es gibt keine Regelpoesie mehr. Wenn es sie gab, war es anony­ mer Ausdruck einer privilegierten Herrschaftsschicht, die paar Dunkelmänner im Übergang vom Barock zur Aufklärung und Erkältung des Individuums ausgenommen. Goethe machte sich schleunigst zu sich selbst auf die Socken. Und Novalis gründete mit einem Satz, der bis heute für alle Posie, ob poesie pure, abso40$

lue oder politische Lyrik, der grundlegende Satz geblieben ist: »Jedes Gedicht hat seinen eigenen Gott.« Nach meinen Lese-, in­ tellektuellen und existentiellen Erlebnissen bis 1969 mit Johannes Günther, Hölderlin, dem Expressionismus, Mallarmé & Valéry, Dylan Thomas, den Spaniern Alberti und Lorca, Rimbaud, Ver­ laine und Baudelaire, kaum ein Deutscher von Gewicht, Günter Eich vielleicht, Celan, der in Poesie und Poetik kein Deutscher ist, zuletzt Erich Fried als Tür für die Monade zur Agora hinaus für die politischen Menschen - nach all dem also hatte mich der Alkohol und die bewußte Beweisführung, daß es für und in der Poesie nichts mehr zu sagen gab, zugeschlossen, abgeschlossen. Die Situation im Psychoknast hinter verriegelten Türen ent­ sprach meinem Zustand exakt. Der Hermetismus wurde aufgebrochen. Die Studentenbewe­ gung änderte alles. Als mich die Nachricht Hans Magnus En­ zensbergers, daß die Literatur tot sei, erreichte, konnte ich mich nicht weiter aufregen: ich lag angeschnallt in der Nervenklinik. Meine lyrische Produktion aus zehn Jahren hatte ich in den Müll-Container geworfen. Dann ging ich in die Kneipe und machte an der Theke Schulden und Poesie, mündlich. 1974 fing ich in der Klapsmühle, die durch die kriminelle Weißkittelpraxis mittlerweile ein Politikum geworden war, an, mich zu behaup­ ten. Ich schrieb wieder Gedichte, langsam, tastend, mich aus ka­ tegorialen Fremdbestimmungen herauspuhlend, Mut fassend, daß in mich durch künstlerischen Wachtraum wieder Form zu bringen sei, die ich der Lyrik vermitteln konnte. Seither ist Poesie Waffe, Angriff, Schönheitsoperation am Absoluten, eine politische Entscheidung für die Utopie, nicht der lächerliche Mimesis-Muff aller Theobaldys, der übriggebliebe­ nen Kleinbürger-Meute einer großen politischen Bewegung, der Kopf- und Schreber-Kommunen-Sozialisten mit politischen und ästhetischen Wehwehchen. Poesie ist seither keine Stimmungs­ mache, kein Abbild vor der letzten Flasche Bier, wo sich aus Angst vor dem Ende einer sentimentalen Stimmung die Lüge einschleicht, sie ist klarer Ausdruck (auch in den fremdesten Me­ taphern) meines einmaligen Zustandes in dieser Welt, sie setzt die 406

ästhetische und politische Wahrheit, sie ist. Sie ist ich und die po­ litische Allgemeinheit. Es kann alles gesagt werden. Die Formen stehen grenzenlos zur Verfügung. Die Welt ist erst noch zu ge­ stalten. Die Schmerz-Differenz prägt den Ton der Poesie. Poesie ist utopisch wahr und realistisch, sonst ist sie keine. Ich messe meine Poesie in diesem Augenblick an dem Zustand des inhaf­ tierten Peter Paul Zahl - und an den Inhalten meiner Hoffnung. Novalis’ intersubjektiv gültiges Statement, jedes Gedicht (In­ dividuum) habe seinen eigenen Gott, ist kein religiöser Satz, es ist ein poetologischer Satz und eine Aufforderung zu harter Ar­ beit an der Form jedes Gedichtes, eine Absage an die Trost- und Ich-Schlamperei von Lyrikern. Nur so kann sie wahr sein. Und das ist ihre politische Essenz.

Richard Limpert Warum ich schreibe Schwerer als der Abbauhammer ist mein roter Kugelschreiber doch ich lasse ihn nicht fallen da die Hoffnung mir gebietet: »spreche, rede, rufe, schreie viel zu wenig ist gesagt wenn du jetzt nicht schreiben willst wirst du dich bald schweigend wundern weil du nicht mehr flüstern darfst« darum ruf ich denn ich hoffe und die Hoffnung stärkt den Ruf.

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Peter Maiwald Der Gedichteschreiber

Ich schrieb mein Brot in vielen langen Nächten. Die kurzen Tage haben’s restlos aufgebraucht. Ich hab Gedichte ausgetrunken und geraucht. Und was ich schrieb gehört nicht zu den schlechten. Ich schrieb, was einbringt uns ein beßres Morgen. Das brachte mir ein warmes Ansehn bei den Leut. Das Volk, das für die Zukunft keinen Pfennig scheut. Die Geldleut wollten mir darauf nichts borgen. Ich wirkte weit mit enger Gürtelschnalle. Die Frau, die Jahre mit mir aushielt, sei bedacht. Ich hab ihr viele Verse, doch kein Kind gemacht.

Die Menschen, die ich machte, liebt ich alle. Die Verse hielten länger noch als ich mich hielt. Kein Kunstfreund, wer auf sie und nicht mein Leben schielt.

Christoph Meckel Gedicht in Ermangelung eines Besseren Er ist angekommen. So, er ist angekommen. Im Glück? Im Spital? Im Computer? In der eigenen Tasche? Bei den Weisen der Vorzeit? Unsterblich im Finanzamt oder per Nachnahme bei den Toten? Er ist angekommen im Gedächtnis seiner Mitwelt endlich angekommen im offenen Kleid seiner Geliebten? Auf alle Fälle: einer ist angekommen.

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Das Gedicht handelt nicht von ihm. Es handelt von dem, der nicht ankommt. Es sucht den Mann, der nicht auf der Party erscheint, und den Namen dessen, der ohne Nachruf verschwindet in jeder Gesellschaftsordnung, im letzten Loch der nicht einverstandene Peter, der unversöhnliche Klaus, der aussortierte, mehrmals gehäutete Hans.

Es handelt von dem, der rumläuft, allein durch Babylons Städte zwischen unversenkbaren Särgen, gescheucht durch den Limbo ausgebrannt von Neinsein, Schwarzpulvergesicht, ungerecht verteilt auf den Zorn und die Zukunft heulend nach einem Wort, das ihn kennt und auslöst, und wer vor ihm zuriickweicht, wird wohl ein Mensch sein und noch ein Mensch, zurück ins Feuilleton, und noch ein Seelversorger in sein rechtmäßiges Amt, und er kann sein Gesicht wieder einpacken, kann er, und den Tag zurückgeben, unverbraucht an jede Musikbox, an nichts und niemand. Das Gedicht und was von ihm übrig bleibt in der gesammelten Zukunft handelt vom Gegensatz und von dem, der drin lebt heillos, in Ermangelung eines Bessern. In Ermangelung eines Bessern. Ja, in Ermangelung eines Bessern. In Ermangelung einer zweiten Welt, einer süßen Revolution in Ermangelung eines Gedichts oder eines Lebens und in Ermangelung eines Schlafs, der die Umarmung entwaffnet. Auf den Tod genau vorhanden handelt es von der Hoffnung ohne erkennbaren Anlaß und von dem, was ist und sein wird: leibhaftiges Nein, unwiderlegbar, von keiner Antwort gewürdigt, in der 409

Geschichte ohne Vernunft und Freude der nicht einverstandene Peter, der unversöhnliche Klaus und die fällige Anzahlung auf ein Glas Wasser. Das Gedicht handelt unerbittlich von jedem Dasein. Seine Handlung setzt sich fort an der nächsten Ecke und zu jedem Zeitpunkt, in jeder Sprache, sie sickert durch jeden Knochen ohne Anlaß. Und was es zu tun hat und wo es hinkommt, mit niemandes Hilfe in Ermangelung eines Bessern - ja wo es hinkommt! ja was es zu tun hat!

Ernst Meister Mein Gedicht sagt, was ich weiß. Es fragt dich, was du weißt.

Bodo Morshäuser Das Ende der wörtlichen Rede Manchmal ist die Stadt voll, und kein Mensch ist da. Ich gehe durch einen unerforschten Gemütszustand: die Einsamkeit in den Städten. Ebenso geht das alles durch mich hindurch. Das in jedem Sinn Gemeine an den Erfahrungen ist, daß man durch sie hindurch muß. Sie können einen stärken, aber sie können dich auch zerschmettern. An den Kiosken hängen die Erklärungen. Ich lese die Überschrift »Die nicht um Buback trauern«. Ich trauer nicht um ihn, meine Sorgen sind andre. Nicht mehr ist nur verdächtig, was man tut, sondern auch, was man unterläßt. Ganz nah kommt mir das Gesicht eines Mannes, mit dem ich sprechen könnte, und ich gehe weiter. Dann lese ich einen Brief, in dem wie selbstverständlich um 410

ein »poetologisches Statement« gebeten wird. Mir fällt auch et­ was dazu ein. Das aufzuschreiben, wird wahrscheinlich erwartet. Aber damit bin ich nicht fertig. Eben sah ich doch den Jungen, das Mädchen, von einem Auto auf den Mittelstreifen geschleu­ dert werden. Dann hörte ich in einem Lokal die Musik der siebzi­ ger Jahre: Folklore aus dem Niemandsland. Auf dem Rückweg war die Unfallstelle abgeräumt. Das will ich aufschreiben, aber damit bin ich nicht fertig. Ich schreibe ein Gedicht, in dem ein Unfall vorkommt. Dann gehe ich wieder auf die Straße, ohne et­ was von den zweistündigen Gesprächen in Washington zu er­ warten. Darüber will ich jetzt schreiben, aber ich komme nicht dazu, streiche, wieder zu Hause, zwei Zeilen aus dem Gedicht. Das Gute an manchen Gedichten der letzten Jahre war, daß sie vom Papier aus so direkt in den Körper stiegen, daß ein paar Kritiker, völlig fasziniert und fast unakademisch, diese Gedichte nur noch nacherzählten. Leider leisteten sie damit, zum Nachteil einer interessanten Lyrik-Rezeption, keine Kritik mehr. Diese Kritiker versäumten, indem sie »Kritiken« schrieben, ein Gedicht zu schreiben. Während ich diese Gedanken habe, kommt Irene ins Zimmer und erzählt ihre Erlebnisse auf der Straße. Sie spricht in einfachen Sätzen, ohne Erklärungen, ohne Interpretationen. Es ist schön, jemanden zu kennen, der das kann. Ihr zuzuhören ist manchmal ähnlich dem Lesen guter Gedichte: die Wörter sind wörtlich zu nehmen und stehen nicht für andere Wörter. Dieser Zustand des Hörens oder Lesens steht im Gegensatz zu Begriffsruinen und Formelsprache. Er ist ein Gegenbild zur ausgehöhlten Industrie­ sprache. Diesen einfachen, kreativen Zustand der wörtlichen Rede will ich nicht verlassen. Er verweigert sich der Poetologie, die mit fremden Mitteln auf die Poesie zugeht. Dann lese ich einen Brief, in dem wie selbstverständlich um ein »poetologisches Statement« gebeten wird. Ich schreibe ein Gedicht, erstmal.

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Harry Oberländer Gedichte schreiben

Kennedy wurde erschossen. Ich ging zur Schule, glaubte an die Wiedervereinigung, stellte bei den dafür vorgesehenen Anlässen Kerzen für die Brüder und Schwestern ins Fenster. Der Tod Kennedys machte mir sehr zu schaffen. Ich schrieb mein erstes Gedicht: irgendwie reimte sich »Frieden in der Welt« auf »Held«. Es waren drei Vierzeiler, wenn ich mich richtig erinnere. Dann begann ich, Lyrik zu lesen. Das heißt anderes, als uns in der Schule vorgesetzt wurde. Die Lesebuchdichter hießen Goethe, Schiller, Fontane, Conrad Ferdinand Meyer und Theo­ dor Storm. Ich besorgte mir Krolow, Eich, Hollerer, Grass, Celan und Enzensberger. Das waren viele neue Formen für mich, und obwohl mir die entsprechenden Inhalte fehlten, kopierte ich eifrig herum. Ende der sechziger Jahre, mit der Schülerbewegung, wurde das anders. Die Lyrik wurde mir ein Mittel, politische Inhalte zu transportieren. Da begann ich erst, wirklich von anderen zu ler­ nen, zum Beispiel von Erich Frieds Vietnam-Gedichten. Am Ende der Studentenbewegung, als ich an die Uni kam, galt es un­ ter den »Politisierten« als absolut überflüssig, sich mit Literatur weiter zu beschäftigen. Gedichteschreiben war eine belächelte Marotte. Das Schreiben unter diesen Bedingungen durchzuhal­ ten, bedeutete, auf der eigenen Subjektivität zu bestehen, wäh­ rend rundherum immer mehr vom objektiven Lauf der Ge­ schichte und der Klassenkämpfe die Rede war. Inzwischen ist die Entwicklung umgeschlagen. Unter der Überschrift »Alternativbewegung« wurden die verdrängten kreativen Interessen freigesetzt. Ich glaube, das ist eine Entwick­ lung, die die Lyrikproduktion begünstigt. Und zwar entgegen einer Kritik, die der Alternativbewegung wie der sogenannten »neuen Subjektivität« unpolitisches Verhalten und falsche Inner­ lichkeit vorwirft, für eine Subjektivität, die im Rahmen politi­ scher und sozialer Erfahrungen steht und Bedürfnisse artikuliert, deren historische Einlösung fällig ist. 412

Oskar Pastior Obwohl mein Vater nicht nur Zeichenlehrer war, sondern auch später einmal starb, hat meine Mutter mich zwar sowohl in Sie­ benbürgen als auch in jenem Jahre, das für mein weiteres Leben ausschlaggebend werden sollte, aber doch geboren. Ähnlich komplexe Sachverhalte sind seither in zunehmendem Maße daran schuld, daß ich nicht nur Gedichte schreibe, sondern auch andere nicht. Vielleicht hängt alles auch damit zusammen, daß ich in der Schule-Platons Schule natürlich; wo gesprochen wird, wann im­ mer, dem blüht sie - nicht genau aufgepaßt hab, wie Schuld und Sühne sich zu Krieg und Frieden verhalten (wie Romane nämlich, einerseits, doch andererseits biographisch, jeweils wie reziprok), und zwar weil ich grad damals unter den Dampfkesseln Nacht­ schicht hatte, um gegen Ursache und Wirkung ein bissel histo­ risch und ein bissel immun zu werden. Später war ich Kistennagler, Betonmixer, Wohnbaukosten­ voranschlagkalkulator, in einer kraus waldigen und ondulatorischen Landschaft, die mit Musik zu tun hat; kurzum, was ich so über mich erzählen kann, ist nachher (d. h. bedeutsam betrachtet) auch wieder künstlich, also komponiert; freilich hab ich dann studiert, in Bukarest, und sogar beim Rundfunk gearbeitet; als Reporter war ich aber schwach. Trotzdem, auch nach ein paar geographisch weiteren Hupfern und Einsichten, krieg ich noch immer eine komische, das heißt freiberufliche Gänse- und Vagantenhaut, wenn ich so sag: »Ich bin Poet« - oder gar: »Ergo sum«. Suspekt, suspekt. Denn von all den Erkenntnisgeschäften, über die ich dann Buch führe, sind zwar auch manche abwesend, doch selbst die Vordrucke entbeh­ ren fahrlässig der Vollständigkeit. Ansonsten erkläre ich hiermit, daß ich im Nageln von Butter­ kisten weniger gut bin als im Nageln von Auberginenkisten, bei denen ich es einmal auf 800 Nägel die Stunde gebracht habe. Es lebe die Auberginenkiste, sie ist eine Naturschönheit. »Unterschiedenes ist gut.«

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Steve B. Peinemann Silbenstecher (Kein poetologisches Statement)

Gemacht habe ich das schon immer: Sachen aufschreiben. Andere Leute spielen Rockmusik. Freun sich, wenn ihr Kaktus blüht. Machen ihre Frauen verrückt. Fahren Motorräder mit Trecker­ profil quer durch die Heide. Ficken für Jesus. Lassen sich vom Abteilungsleiter ins Hirn scheißen. Legen Buback um. Zischen aufm Daumen nach Nepal. Kaufen für sechstausend Mark bei Neckermann machts nötig. Werden mitm Entlassungsschein und siebenundzwanzig Pfennig in der Tasche aus dem Hafenbecken gefischt. Ich finde es gut, auf aktuelle Dinge sofort zu reagieren. Fried macht das. Dabei kommt viel Schrott raus, aber der ist auch echt. Erstmal: Einen Text außerhalb literarischer Kategorien als Le­ bensäußerung gelten lassen------ sofern er nicht im Dichtermän­ telchen einhergestelzt kommen will. Aber: Das sind nicht nur Wortinformationen. Vielleicht kann man manchmal ein Wort wieder klingen machen. Hören lernen. Sprechen lernen. Eine Beziehung zum aufrechten Gang herstel­ len. Sprechakte als Akte, nicht nur als Spreche — das hat was mit Menschenwürde zu tun.

Klaus M. Rarisch Was ist Ultimismus? Über mein Buch NOT, ZUCHT UND ORDNUNG, ultimistische Gedichte, Köln 1963 NOT In diesen Gedichten sucht ein Einzelner sich auszusprechen. Es ist nicht materielle Not, die ihn zwingt, die Stimme zu erheben, sondern die Totalität der ideologischen Ansprüche unserer Zeit 414

und Umwelt: nationaler Untertanengeist, soziale Umklamme­ rung, politische Pseudo-Antinomien und religiöser Dogmatis­ mus, in summa die Philosophie des Als-Ob. Wir leben, als ob sich die deutsche Mentalität gewandelt hätte; als ob soziale Gerech­ tigkeit realisierbar wäre; als ob wir außerhalb der Interessen­ gruppen irgendwelchen Einfluß auf den Staat ausüben könnten; als ob wir metaphysisch ein Recht hätten, so zu leben und über­ haupt zu leben; kurzum: wir leben in Heuchelei und Selbstbe­ trug. Der Verfasser glaubt nicht, durch seine Gedichte etwas zu än­ dern, irgendwen beeinflussen zu können. Denn der Geist ist nicht, was er gemäß dem pragmatischen Positivismus unserer Zeit sein soll; bloßes Instrument des Handelns, sondern zugleich we­ niger und mehr, wenn er schöpferisch wird. Das Bewußtsein des Einzelnen, das sich im Geist ausdrückt, wird in schöpferischer Indifferenz stets sich selbst reflektieren; es gibt keine künstleri­ sche Kommunikation. Der Schriftsteller, der die Ideologien der anderen kritisiert, muß seine geistige Realität dagegen setzen. Aber dieser kreative Prozeß ist ohne jede Verbindlichkeit für an­ dere, weil er sonst nur in eine neue Ideologie ausarten würde. In der Unverbindlichkeit seines Schreibens erkennt der Verfasser seine tiefste Not. Denn: »Monaden haben keine Fenster.« (Leib­ niz)

ZUCHT Der Philosophie des Als-Ob entspricht auf künstlerischem Ge­ biet eine Ästhetik, die allen Ernstes anstrebt, das Publikum völlig zu manipulieren. Die Ideologien der »konkreten Posie« zB. wol­ len den »Kunstkonsumenten« zwingen, vom »Kunstprodukt« sogenannte ästhetische Informationen entgegenzunehmen, dh. das Publikum soll auf die immer flüchtiger werdenden Reize des Neuen in der Kunst eingestimmt werden. Diesem Trend zum Neuen folgen alle Schriftsteller, die sich als Avantgardisten füh­ len, mögen auch im übrigen ihre immer schneller wechselnden Richtungen sich so voneinander unterscheiden, wie die diesjäh­ rige Kleidermode von der vorjährigen. Der gemeinsame Nenner

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der verschiedensten »Avantgardisten« heißt also: Originalitäts­ sucht. In der Kunst gibt es aber nicht das Neue als Absolutum. Geht man in der Literaturgeschichte weit genug zurück, wird man - häufig zB. in der Barocklyrik - stets die Vorläufer der je­ weilig »modernen« Manieristen von heute finden. Der Ultimismus setzt an die Stelle des Neuen als ästhetisches Kriterium die Tendenz zum Letzten, Notwendigen. Das Not­ wendige ist für den Schriftsteller das, was dem Mikrokosmos in seinem Ich den sprachlich einzig adäquaten Ausdruck gibt, was sein individuelles Bewußtsein am klarsten reflektiert. Als Indivi­ duum steht der Künstler außerhalb seiner Gegenwart, überhaupt außerhalb der Geschichte; nur als Kollektivwesen ist er ihr unter­ worfen. Das Ich des Schriftstellers, das seinen notwendigen sprachlichen Ausdruck sucht, kann daher weder »alt« noch »neu« sein: es ist einzigartig. Der Ultimist versucht, die dualistischen Zwänge der historischen Entwicklung in sich dialektisch aufzu­ heben; seine Kunst hat »progressiv-regressiven Doppelcharak­ ter« (Thomas Mann im »Dr. Faustus«). Selbstverständlich sind diese Überlegungen nicht neu. Friedrich Schlegel mit der Forde­ rung nach einer »progressiven Universalpoesie« oder Arno Holz mit seiner umfassenden theoretischen und praktischen Kon­ struktion einer Wortkunst aus dem notwendigen (anstelle des »freien«) Rhythmus haben in der deutschen Sprachebene Funda­ mente und babylonische Turmstümpfe hinterlassen, die es zu vollenden gilt. ORDNUNG Die Kunst sieht sich noch immer in gewisse klassische Ord­ nungsschemata eingezwängt, die auf bloß behaupteten, dialek­ tisch durchaus nicht begründeten Antinomien beruhen. Die Un­ terscheidung zwischen »Gedankenlyrik« und »reiner Lyrik« zB. gehört dazu. Der Ultimist dagegen arbeitet mit an der Evolution der von Willkür und antiquierten Zufallsnormen beherrschten metrischen und strophischen Gedichtformen zu einer Wortkunst aus immanenter Gesetzlichkeit. Warum dann noch Sonette schreiben? Hier wird der theoretisch überlebte Formenkanon

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praktisch noch einmal - ein letztes Mal - dargestellt und gleich­ zeitig ästhetisch zerstört. Denn es ist nur halbe Arbeit, die So­ nettform metrisch zerbröckeln zu lassen, wie es zB. Rilke in den »Sonetten an Orpheus« vorführte. Vielmehr mußte einmal un­ ternommen werden, das Gebäude des Sonetts nach klassischen Grundrissen zu errichten, seine Architektonik im Metrum (dh. optisch) fest zu fügen und es dennoch von innen auszuhöhlen: durch Alliterationen, Assonanzen und Binnenreime, die mit den Endreimen akustisch korrespondieren und so die Brüchigkeit des ganzen Gebäudes erweisen. Eine Ordnung wird scheinbar ge­ wahrt, aber zugunsten einer höheren liquidiert. Diese Entlarvung einer klassischen Pseudo-Ästhetik entspricht sprachlich dem An­ griff auf die Philosophie des ALS-OB und gleichzeitig dem Be­ wußtsein der Vergeblichkeit seiner künstlerischen Formulierung. Kunst gibt hier keine Weltanschauung, sondern der Künstler entwickelt durch die Kunst seine Ichanschauung.

Arno Reinfrank Zur Poesie der Fakten

Meine »Poesie der Fakten« befremdet nur den oberflächlichen Leser. Nachworte in den bis jetzt vorliegenden drei Bänden sol­ len Einstiegsleitern bieten in einen Schreibstil, der im Wesentli­ chen drei Ebenen benutzt: Zur Identifikationsmöglichkeit des Lesers entweder das poetische Ich oder das mitmenschliche Ich. Das letztere besteht in der plastischen Beschreibung von realen Menschen, die eine Individualgeschichte haben oder eine Lei­ stungsgeschichte erzeugen. Damit kann ich auch in die Historie zurückreichen (Gutenberg, Kopernikus), muß es aber nicht (Pasternak, Schönberg). Die Leistung bringe ich in erster Linie mit Schilderungen von naturwissenschaftlichen Entdeckungen, Erfindungen oder technischen Konstruktions-Leistungen ins Bild. Dies berührt bereits die zweite Ebene: Das Faktische. An den 417

Faktenleistungen beteiligen sich die Zeitgenossen a) als Nutznie­ ßer, b) als Leidtragende. Ich fände es unrealistisch, als Poet nur die jeweils eine Seite unter Außerachtlassung der anderen zu be­ leuchten. Für jedes Gedicht ist damit abzuwägen, welche Ten­ denz in den Fakten steckt, wo die Akzente zu setzen. Die dritte Ebene, Voraussetzung und Klammer für die beiden andern, ist das Utopische in meiner »Poesie der Fakten«. Darin finden sich meine persönlich gehorteten Erfahrungen von Ge­ sellschaft und Existenz, und als Erlerntes die Erfahrungen ande­ rer, die sie schriftlich auf uns überlieferten. Das Utopische ist breiter und tiefer zu verstehen als jedwede Ideologie. Selbstverständlich arbeite ich inmitten heutiger politischer Konstellationen, moralischer, religiöser etc. Zeitauffassungen, im Modischen. Wie jeder Kollege erlebe ich die Zwischenbeziehung von Individuum und diesem Allgemeinen (die anpasserisch oder oppositionell sein kann). Dazu nehme ich aber von den Fakten abgeleitete TendenzErkenntnisse, wobei die Fakten für die Menschheit festere Orientierungs-Strukturen bieten als das vorher Erwähnte. All das geschieht nach meiner Wahl; jedes Gedicht ist somit Aussage des poetischen Ich-Erzeugers. Dessen Utopien fundieren auf Er­ kenntnissen, nicht auf Spekulationen. Eine wichtige Erkenntnis ist dabei, daß der Mensch im Arbeitsprozeß nicht der Technik unterlegen ist und daß die Fremdbestimmung erst dann eintritt, wenn die Technik, statt sie einer Minus-Utopie zu entziehen, als feindlich zu einer Plus-Utopie interpretiert wird. Plus und Minus zu erkennen ist kein Kantianischer a priori-Prozeß. Er ist das Aggregat von Erfahrung, Erkenntnis und Vorausahnung. Somit stimme ich Karl Popper zu, der mir schrieb: »Your attitude towards the world we live in is critical, but fundamentally posi­ tive.« Damit bin ich an Irritations-Theorien usf. nicht interessiert, ebensowenig an Texten, die für Kliniker interessant sind. Meine Haltung ist die Negation der Negation. In jedes einzelne Gedicht der »Poesie der Fakten« ist das mehr oder weniger stark hinein­ gewirkt. 418

Peter Rühmkorf Kein Apolloprogramm für Lyrik Lyrik, Poesie, Sonette, Hymnen, Strophen, Oden - du versteh, panimajo? Nix? - also sagen wir mal Gedichte sind, wie ich es nach 25 Jahren Praxis einschätze, eigentlich kein öffentliches Thema. Ein allgemeineres wirtschaftliches Interesse liegt nicht vor; bei Ausfall greift kein Mensch nach dem Telefon oder dem Beschwerdebuch; die Nachfrage ist geringer als bei Nadelkissen, Katzenfallen oder anderen Auslaufproduktionen; Pflichtaufla­ gen ä la 2-Prozent-Kunstambau gibt es nicht, Betriebseröffnungen vollziehen sich so still wie Produktionseinstellungen, förde­ rungsberechtigt oder abschreibungswürdig sind weder Terzinen noch Knüppelverse, von Überweisungsprämien ist so wenig be­ kanntgeworden wie von Abschlacht-Vergütungen; kein grüner Plan greift unter die Arme; kein gemeinsamer Kampfgesang pflanzt sich als Druckwelle fort in den Kulturamtsstuben; und die Frage, ob Poesie als Gattung überhaupt verschwindet oder sich in Einzelfällen noch einmal zur Hochform entwickelt, ist etwa so bedeutungsvoll wie die gesellschaftliche Relevanz von Flaschen­ schiffen und Zigarrenbinden. Meine Buchhandlung von früher, die sich seit 5 5 ein paarmal rundum erneuert hat und mittlerweile nur noch Saisonware um­ schlägt, sprach neulich in einem Unterton des Tadels zu mir: »Herr R., wann sieht man denn mal wieder Gedichte von Ihnen?« Auf solche tartüffische Neugier wird eine redliche Antwort er­ wartet, wenn es nur vier Sätze weiter heißt: »Wir selbst führen ja schon seit längerem keine Lyrik mehr; die Nachfrage ist gleich Null; das Interesse hat sich ganz auf Soziologie und Politologie verlagert.« Ich will daraus nicht den voreiligen Schluß ziehen, daß man keine Gedichte mehr schreiben soll, aber den nachhaltigen, daß der Lyriker sich getrost als anthropologisches Monstrum verstehen kann. Was bleibt-als übergreifendes Verwunderungsmoment -, ist dies anhaltende und anscheinend durch keine Entmutigung zu

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bremsende Bedürfnis nach der Versifikation menschlicher Leiden und Leidenschaften. Eine Gesellschaft, der man mittlerweile drei Fernsehkanülen in den Überbau eingepflanzt hat und deren Be­ dürfnisse nach Gesang mit Schlagertexten, Werbepoesie und Buweh-Singvorlagen vollauf abgefriedigt scheinen, muß dies Kom­ munikationsbemühen über gebundene Sprache für baren Wahnsinn halten. Freilich, der Wahnsinn hat Methode, und die erklärt sich gewiß nicht allein aus der vagen Hoffnung, sich mit lyrischer Heimarbeit einen kleinen Nebenverdienst zu schaffen oder einen guten Namen zu machen. Mit der Inanspruchnahme einer wahrhaft archaischen Mitteilungsform treten unsere in Ver­ sen sprechenden Minoritäten aus dem Medienverbund der Kom­ munikationskonzerne aus und begeben sich in eine Sphäre magi­ scher Partizipation. Egal, ob Plakat-, ob Personalpoesie, ob lyrische Breitenagitation oder Binnenaufklärung, ob Wirkform oder Ausdrucksbegehren, Werkkreis oder Freundschaftszirkel: allein die poetische Formalisierung der Anliegen hier wie dort schafft interne Schwingungszonen, in der das magische Wort hier bin ich - dort geht es lang - Gemeinschaft stiftet und abgesonderte Gemeinden konstituiert. Daß es im kulturellen Outback noch zahlreiche lyrische Gruppen-Idiome gibt, die Wiener Lautpoesie und den Berliner Spätsurrealismus, die Mundartdichtung aus dem Bayrischen Re­ genwald und die Strukturlyrik in den Schallaboren der III. Hör­ programme, vervollständigt nur das Bild einer ins Abseits ge­ drängten Kunstgattung, deren Unterarten sich nur noch mühsam miteinander verständigen können. Die Parzellierung der lyri­ schen Sprache zu bloßen Stammesdialekten mag hier und da viel­ leicht noch mal zu kleinen Glanznummern führen - KunstKunst-Raketen zur Belebung des Reservatlebens; generell habe ich allerdings den Eindruck, als ob sich die Poesie die eigne Exi­ stenzfrage gar nicht stellt und sich vor Tod-oder-Leben in eine pläsierliche Welt des schönen Scheins verflüchtigt. So viele nette kleine Bruderschaften in Apoll! - aber kein einzelgehender Satyr wagt sich aus den Schutzgebieten hervor ins Freie, kein meinet­ wegen Marsyas, um den Sterblichen unter Lebensgefahr eine richtige Menschenmusik vorzuspielen. 420

Ich sage Marsyas! und nicht Dionysos. Damit verlassen wir nicht nur augenblicklich die Sphäre unterhaltsamer Randgrup­ pengymnastik, sondern auch das Gebiet der gefälligen Götter­ pakte und Gentiemenagreements (siehe: apollinisches plus dio­ nysisches Prinzip; siehe: delectare-et-prodesse usw. usf.) und zwingen uns, einem anderen Gesetz ins Auge zu blicken, das heißt: Unerbittlichkeit. Da sich in Prosa immer nur sehr vorbehaltlich für oder über Lyrik sprechen läßt, bleiben wir noch etwas im Mythos. Wir erinnern uns: der satyrische Wandermusikant Marsyas wurde vom göttlichen Monopolmusiker Apollon zum Wettbewerb herausgefordert - wohl in der Absicht, sich der irdischen Schmutzkonkurrenz zu entledigen. Da die zur Kunstkritik her­ angebetenen Musen sich nach dem ersten Durchgang weder für die apollinischen Sphärenklänge noch für die satyrische Aus­ drucksmusik entscheiden mochten, verfügte der Lichtgott in Eile neue Vortragsbedingungen (man solle mit umgedrehten Instru­ menten spielen, was zwar bei der Leier, aber nicht mehr bei der Doppelflöte funktioniert), und der arme Marsyas wurde um den Preis und dann leibhaftig um sein Fell gebracht. Ich meine, das mythologische Konkurrenzkampfmodell könnte auch unsern zeitgenössischen Wettbewerbsgeschädigten zu denken geben - und nicht nur in dem Sinn, sich für die alten Sphärenmelodien künftig Gewerkschaftsschutz zu erbitten. Vor die Wahl gestellt, wem das Gedicht sich gesellen soll und wem seine Stimme leihen, mit Apoll den bestechlichen Musen oder mit Marsyas den ausdrucksbegierigen Menschen, der himmlischen Betrugsartistik oder dem Hunger nach Lebenswahrheit, den Fellabziehern oder den Geschundenen, kann, muß die fast aus der Welt konkurrierende Gattung doch schon von Schicksalswegen die Partei ergreifen der so oder so oder so Deklassierten und Ent­ fremdeten. Ohne ernster werden zu wollen, als es einem gewiß vor­ nehmlich an Scene und schönem Schein interessierten Publikum zuzumuten ist: was der Marsyas-Mythos real an Erbaulichem widerspiegelt, ist nichts anderes als die Geburt des Dudelsacks 421

aus dem Geiste der Tragödie. Mithin: wenn die Menschheit ein­ mal wirklich in ihrer Qual verstummt und sich vor lauter verbaler Kommunikation und Soziolinguistik schon nichts mehr zu sagen hat, gibt ihr vielleicht ein Satyr, zu sagen, was sie leidet.

Johannes Schenk Schreibe ich, schreibe ich ersteinmal aus Angst und Traurigkeit. Schreibend versuche ich, mich zu befreien. Die Angst kommt da­ her, wie ich gelebt habe und wie ich jetzt lebe: Kommt aus der Kindheit, den Träumen, den Alpträumen, der Zeit, in der ich zur See fuhr und gelernter Proletarier wurde, also Solidarität lernte, wenn Ungerechtigkeit vorkam. Und die kam beinahe immer vor, auch während man schlief. Die Erfahrungen auf den Fracht­ dampfern waren andere als in der Kindheit. Ich begann sie zu formulieren. Mit einem vagen Gerechtigkeitsgefühl Schlimmes, das auf den Schiffen geschah, zu benennen. Das, was ich tat, wenn der Steuermann oder der Bootsmann beim Arbeitsverteilen und beim Antreiben zu bösartig wurde auf den verschiedenen Damp­ fern, tue ich nun beim Schreiben: Ich mache den Mund auf. Wenndie Angst,dieTrauer,die Wut zu groß wird, schrei ich. Vielleicht hört es jemand, dem es so geht, wie mir. Ich schreibe auch, was ich träume. Nicht, um wegzuträumen aus dem Leben, indem ich stecke, andere stecken, aber, um es besser zu träumen, gerechter zu träumen, friedlicher zu träumen, freundlicher zu träumen. Und die kleinen Wünsche zu schreiben, die viele haben. Oder die nur ich selber habe, der ich denke, mit Angst, mit Trauer, mit Utopie und Traum, viele zu sein. Nicht allein zu sein. Wenn ich auch ständig vorgeführt bekomme, wie allein ich bin: Die Entfremdungen in diesem Land, Deutschland, sitzen sich an den Tischen gegenüber und reden darüber hinweg. Ich träume beim Schreiben dagegen. Das, was ich sehe: Die Menschen die Gesten die Freundlichkeit die gebrauchten Gegenstände die Wünsche nach dem Stück Utopie, seiner Verwirklichung. Und wenn ich dann morgens die neuen Zeitungen lese, die Urteile, die 422

Vorurteile, die Berichte von einer herrschenden Gesellschaft hier, die schon wieder, 30 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus, sich anschickt, ihre Publizisten Dichter Rechtsanwälte kritische Menschen aus dem Land zu treiben, fällt mir der Koffer ein, fällt mir Resignation ins Gehirn, habe ich die Nase voll. Aber schreibe. Mit Wörtern, die mir die Herrschenden nicht nehmen können. Die Herrschenden haben Angst vor ihnen. Sie beginnen schon wieder damit, in den Gerichtssälen das Bewußtsein zu ver­ urteilen. Es gibt ein Stück von Dario Fo, ich glaube es heißt: »Weil die Arbeiter 300 Wörter haben, werden sie beherrscht von den Bos­ sen, die 3000 haben.« Mit allen Mitteln bemühen sich die Herr­ schenden, daß sich an diesem Zustand nichts oder nur so wenig wie möglich ändert. Aber es muß sich ändern. Über all das schreibe ich. Mit Angst, die wichtig ist, um zu begreifen, was ge­ schieht. MitTraurigkeit, die daraus resultiert. Mit der Hoffnung, sich daraus zu befreien, mit freundlichen Leuten, vielen. Aber auch schon beim Schreiben, alleine.

Godehard Schramm Also, wenn es sein muß, auch noch Erklärungen wie Gebrauchs­ anweisungen zu den eigenen Gedichten nachzuliefern . . . Ich sehe die Tatsachen, gelegentlich auch, wer sie herstellt. Im Gedicht gelingt es mir manchmal, und dann, wenns geschrieben ist, auch mir, mich gegen diese Tatsachen zu behaupten. Tatsa­ chen? Man betrachte Zeitungen und Fernsehen und alles andere drum herum. Inzwischen erfindet jemand den kategorischen Im­ perativ vom »kommunikativen« Gedicht oder sonst irgendwel­ che Imperative. Mich interessiert das überhaupt nicht mehr. Ich nehme mir das Recht, nach gewissen Erfahrungen und Erlebnis­ sen, meine Sprache so zu gestalten, daß sie nichts mehr mit Infor­ mation zu tun hat, daß sie aus der kümmerlichen Vermittlung »von etwas« herauskommt und - wie das auch Komponisten und Plastiker für sich beanspruchen - als eigenständiger Gegenstand, 423

kräftig, leidenschaftlich, gelegentlich voller Bilder und Meta­ phern auftritt. Das findet schon seine Leser, denn immer wieder vernehme ich als Echo, als Antwort, daß da jemand beim Lesen spürt: der schreibt ja gar nicht bloß für sich, sondern da merk ich, daß da Wörter wahr sind, daß da etwas ohne Verstellung gesagt wird. Übrigens halte ich diese hartnäckige Haltung, die mehr auf das »Existentielle« als auf ein abstrakt »Politisches« aus ist, für durchaus in der Lage, absichtlich mit Pathos zu sprechen. So ge­ schieht es, grade nach Lesungen, daß Zuhörer erstaunen und er­ schrecken: der schreibt ja von Dingen, Gegenständen, Land­ schaften, Süchten und Vorstellungen, die unverschämt unzeitge­ mäß sind. Na bitte! Das Meditative des Gedichts: eben, eben! Der Kopf hat einen Anspruch auf gewisse Reichtümer - und auf Ri­ gorosität. Ich schreibe - und wenn ich merke, den geschriebenen Satz könnte ich auch aussprechen, ohne daß was Falsches, Ver­ stelltes dran klebt, dann ist ein Stück Identität zwischen mir und meiner Welt geglückt.

Margot Schröder Wenn ich ein Gedicht schreibe, begegne ich fremden Wörtern in mir. Ich möchte sie kennenlernen, also zu Worten machen. Wie sagt Kant: »Begriffe ohne Anschauungen sind leer, Anschauun­ gen ohne Begriffe sind blind.« Im Sinne dieser Dialektik forme ich Sprachbilder. Ich setze meine Person als Unbekannte ein und das alltägliche/politische Umfeld als Tatsache. Während ich ver­ suche, meine Identität zu finden, werden die Tatsachen zu Unbe­ kannten, d.h. die Wirklichkeit wird zur Möglichkeit.

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Andfried Schröpfer ja

DIAGRAMMATISCHE GEDICHTE?

nein

Es gibt viele verschiedene poetische Sprechweisen, die alle gleichberechtigt ne­ beneinanderstehen und die dem Dichter dem jeweiligen Gegenstand angemessen zur Verfügung stehen sollten. Ralf Thenior Seit etwa einem jahr versuche ich, gedichte in form von diagrammen zu schreiben; hier abgedruckt ist ICH KRIEGS ZUSAM­ * MEN. Textsegmente - Strophen -, denen das moment einer frage eingeschrieben ist oder zugeschrieben wird, bilden die einheiten eines diagrammatischen gedichts. Als frageimpulse gebrauche ich meistens die von entscheidungsfragen, d. h. solche, auf die mit Ja, Nein, Vielleicht, Ich Weiß Nicht usw. geantwortet wird. In den meisten fällen bringe ich nur die ja- und nein-antworten ins spiel; bereits mit der berücksichtigung einer weiteren antwort kann die darstellung so komplex werden, daß sie nur noch schwer durch­ schaubar ist. Selbstverständlich könnten andere Wahlmöglichkei­ ten als Ja und Nein und nicht unbedingt gegensätzliche den textteilen aufgegeben werden. Über die antworten werden die einheiten des gedichts unter­ einander zu einer art netz verknüpft; visuell wahrnehmbar als eine mehr oder weniger symmetrisch oder asymmetrisch usw. angelegte Struktur; semantisch wahrnehmbar als ein System, d. h. als eine menge einander relational zugeordneter elemente. Beim (vor-)lesen entsteht ein durch die ja- und nein-störungen und die Wiederholung von Strophen akzentuierter Zusammenhang. ’Weitere diagrammatische texte, die aber nicht als gedichte zu verstehen sind, finden sich in PRO 20-26, Düsseldorf 1970-76. Vgl. auch DIE SCHEIDUN­ GEN DER AUGUSTE BOLTE im ersten heft 1977 von »Sprache im techni­ schen Zeitalter«.

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Der leser hat am ende (fast) jeder Strophe die wähl, entweder mit Ja oder mit Nein zu antworten und dementsprechend dem ja- oder dem nein-pfeil zu einer anderen Strophe zu folgen. Er wählt also aus, aber nicht im sinne einer entscheidung (das wäre lächerlich in einem literarischen handlungskontext); vielmehr probiert er aus, sieht nach, was passiert, worauf er stößt, wenn er an einer bestimmten stelle mit Ja bzw. Nein reagiert. Für den vortrag sollte ein weg durch das gedicht ausgesucht werden, auf dem alle Strophen mindestens einmal durchlaufen werden. Mei­ stens sind einige solcher routen angebbar, so daß das gedicht in mehreren Varianten entwickelt werden kann, ohne deshalb seine bestimmtheit zu verlieren. Sinnvolles sprechen und andere kommunikative handlungen sind auf bejahung und Verneinung, Zustimmung und ablehnung usw. und deren widerspiel angewiesen. Ja und Nein bestimmen ohne ausnahme simples schwarz-weiß-denken wie auch kompli­ zierte gedankengänge. Durch ihre anwendung in gedichten wird diesen eine semantisch elementare (wenn nicht überhaupt uni­ verselle) form aufgeprägt, die natürlich die formenden Wirkungen von rhythmus und sprechton nicht ersetzen, sondern nur ergän­ zen sollte. Das dia-grammatische verfahren des expliziten verknüpfens von textsegmenten macht erst dann rechten sinn, wenn der un­ umgänglich schematische charakter solcher Zuordnungen (für sich genommen ist freilich jede form ein Schema), also die auffäl­ lige schwäche dieses vorgehens als vorteil erkannt und genutzt wird. Auch in diesem fall gilt: Was mit dieser Schreibweise an geschichten entdeckt und erfunden wird, ist anders nicht so direkt und genau ausdrückbar, nicht so angemessen wahrnehmbar oder überhaupt nicht wahrnehmbar und damit ermeßbar. Vermittels der ja-nein-alternationen können die höllischen und auch die pa­ radiesischen labyrinthsituationen, ausweglosigkeit und zwänge, zustände der entschlossenheit und Unentschiedenheit in charak­ teristischen (oder auch: deren eigentümlichkeiten zuwiderlau­ fenden) abläufen und figuren eingefangen werden. Disparate textteile, die sich sonst zu keinem gedicht fügen, lassen sich dia-

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grammatisch - dialektisch - in unvermuteten Zusammenhang bringen, oder eine konsistente, selbstsichere anschauung kann im diagrammatischen gedicht in die irre der ihr zugrunde liegenden annahmen geführt werden. Was zunächst ein unding scheint, nämlich ein technisches me­ dium in die poesie einzuführen, mag sich als eine technik erwei­ sen, das dichotomische denken mitsamt der Wissenschaft und ih­ rer, d.i. unserer weit in verruf zu bringen, auf eine unmögliche art,— in diagramm-matisch labilen und elastischen gedichten.

Peter Schütt Anmerkungen zur aktuellen Lyrik-Diskussion Das aktuelle Interesse an der Lyrik ist bemerkenswert. Ich sehe darin kein Indiz für Nostalgie, für einen neuen Hang zur Inner­ lichkeit, für eine Flucht in die Gartenlaube. Im Gegenteil, ich ver­ mute als Grund für den gestiegenen Lyrikbedarf ein zunehmen­ des Kommunikationsbedürfnis, ein Verlangen nach mehr Solidarität und nach gemeinschaftsstiftenden Verständigungs­ formen. Die Resonanz ist meines Erachtens kaum das Verdienst der Lyriker und noch weniger der Lyrik-Kritiker und der Ly­ rik-Verwalter, sie fügt sich ein in die gewachsene Vielfalt und Breite der zweiten Kultur. Nach und nach eignen sich die demo­ kratischen und sozialistischen Kräfte alle künstlerischen und lite­ rarischen Mittel an, die für sie erreichbar und nützlich sind; der Lyrik als einer Form des öffentlichen und operativen Sprechens kommt dabei neben dem politischen Lied besondere und aktuelle Bedeutung zu. Bei Kundgebungen und Kulturveranstaltungen gegen die Berufsverbote, gegen das Atomprogramm der Regie­ rung, für Abrüstung und Frieden sind Gedichtemacher ebenso gefragt wie Liedermacher und Songgruppen. Dennoch ist das politische Gedicht hier und da in Verruf ge­ raten. Mit der These »Nun dichten sie wieder« haben die groß­ bürgerlichen Literaturmanager, denen die ganze Richtung von 427

Anfang an nicht paßte, gerade den politischen Lyrikern eine Ten­ denzwende zu verordnen versucht und ihnen eifrig die Hinwen­ dung zu mehr Subjektivität und Individualität anempfohlen. Einige Kollegen gingen ihnen auf den Leim. Das Ergebnis: ihre Gedichte sind je »individueller«, desto banaler und gleichförmi­ ger. Statt Selbstverwirklichung wird höchstens Privatisierung er­ reicht. Der Ich-Gewinn bleibt meist gering, der Welt-Verlust fällt ins Gewicht. Längst erobertes Terrain wird kampflos aufgege­ ben; so wenig wie zu Rilkes, Hesses oder Benns Zeiten genügt heut das subjektiv-ehrliche Empfinden, und wenn es noch so anarchisch oder subkulturell aufgemotzt wird. Auf die Anstren­ gung des Begriffs, die politische Bewußtheit kann das zeitgenös­ sische Gedicht weniger denn je verzichten. Die Schwierigkeiten beim Schreiben der Wahrheit haben ohne Frage zugenommen, der Zensurdruck ist gewachsen, in den bürgerlichen Medien ist die Sperre gegenüber politisch eingrei­ fender Literatur nahezu perfekt geworden. Ich leugne auch ästhetische Probleme nicht, die sich dem politischen Lyriker in den Weg stellen. Die politische Begrifflichkeit ist oft genug abge­ griffen, abstrakt und bar jeder Sinnlichkeit. Klassenkämpferische Worte und Werte, nach denen unsere Wirklichkeit geradezu schreit, sind noch viel zu wenig im Schwange. Die Manager der Lüge und der Manipulation halten ganze Sprachfelder besetzt. Ich verzichte trotzdem nicht darauf, politische Gedichte zu schreiben, auch und gerade wenn sie für den Tag gedacht sind und den Tag und den Anlaß nicht überdauern. Ich fühle mich an Auf­ träge meiner Genossen und Mitkämpfer gebunden, ich nutze die Gelegenheit, die sich mir als Autor zum politischen Eingreifen bietet, ich ergreife Partei mit den Mitteln, die mir zuerst zu Ge­ bote stehen, mit den Zeilen eines Gedichtes, eines Flugblatts, ei­ nes Pamphlets. Auch das politische Gedicht kommt ohne den subjektiven Faktor, ohne den Ausdruck persönlicher Betroffenheit nicht aus. Die Welt wird durch das Ich erfahren und gestaltet. Nötig ist die sensible Agitation, ist agitatorische Sensibilität. Die Lyrik muß, das haben Kollegen wie Ritter, Konjetzky, Delius, Schenk,

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Schramm und Maiwald vorexerziert, beide Spannungspole in sich vereinen. Bin ich etwa weniger sensibel, weniger betroffen, wenn ich meiner Empörung über den Putsch in Chile in einem Vers Ausdruck verleihe, als wenn ich meine Melancholie nach einem Kneipenbesuch aufs Papier bringe? Zeugt es von einem Mangel an Subjektivität, wenn ich die Alltagserfahrungen eines arbeitslo­ sen Jugendlichen nachempfinde? Die Gegenüberstellung von politischer Parteidichtung auf der einen und dichterischer Sensi­ bilität auf der anderen Seite stammt aus den Redaktionsstuben großbürgerlicher Zensoren. Als Lyriker, der öffentlich wirken will, greife ich gern auf sprachliche Vorlagen zurück, die allgemein bekannt sind und mit bestimmten Aussagen verbunden sind. So habe ich in letzter Zeit unter anderem die Zehn Gebote, das Weihnachtsevangelium, ei­ nen Steckbrief, eine Zeitungsannonce, einen Programmzettel oder eine Traueranzeige parodistisch verfremdet. Religiöse Vor­ lagen, das bestätigt die Resonanz bei öffentlichen Lesungen, be­ halten in unserer gegenwärtigen, von restaurativen Tendenzen vorgeprägten Periode ihren Reizwert, auch Werbetextver­ fremdungen lassen sich vielfältig einsetzen. Der Umgang mit vorgegebenen Sprachmustern nimmt der Lyrik ihren elitären Anspruch und macht sie zu einer ausgesprochen demokratischen Literaturform.

Jürgen-Peter Stössel Nicht ganz selbstverständliche Anmerkungen zum Selbstverständnis eines Gedichteschreibers

Ob ich zufällig verwandt sei mit dem gleichnamigen Autor, der das Buch über den Psychopharmaka-Mißbrauch geschrieben habe und in der Süddeutschen Zeitung Artikel über Medizin und Psychologie veröffentliche? Diese Frage wird mir immer wieder gestellt, wenn ich öffent­ lich Gedichte vortrage. Sie stellt mein Selbstverständnis in Frage, 429

das die Identität des Lyrikers und Wissenschaftspublizisten for­ dert, dadurch die Arbeitsteilung unter den Schreibenden zwar nicht grundsätzlich aufheben, aber verhindern will, daß die Wirklichkeit in zwei Bereiche aufgeteilt wird, die nicht nur durch die spezifische Art der Wahrnehmung und Vermittlung getrennt sind, sondern jeweils eigene Inhalte und Funktionen haben sol­ len. Literatur, zumal Lyrik, ist für die Mehrzahl der Autoren wie der Leser hierzuland kaum mehr als eine Freizeitbeschäftigung. Während jedoch die Autoren im allgemeinen glauben, ohne die­ sen Luxus nicht leben zu können, halten ihn die Leser, aus vieler­ lei Gründen, keineswegs für lebensnotwendig. Wenn einer Ge­ dichte schreiben will, muß er daher, falls er das Schreiben zum Beruf macht, auch etwas anderes schreiben, was zumindest so nötig gebraucht wird, daß er vom Verkauf dieser Arbeit leben kann. Daß ich diese Möglichkeit habe, ist mein Glück, wenn­ gleich ich es mitunter immer noch als unverdientes Pech emp­ finde. Als Lyriker bin ich versucht, die ökonomische Benachteili­ gung dadurch wettzumachen, daß ich den literarischen Produkten einen letztlich unbezahlbaren Wert beimesse, sie auf jeden Fall höher einstufe als die übrigen Erzeugnisse, die, obwohl ebenfalls unter Preis, auf dem Markt gehandelt werden. Gerade dadurch, daß ich die eigenen Bedürfnisse undialek­ tisch abgrenze vom Bedarf, den bestimmte gesellschaftliche Be­ dingungen hervorbringen, mache ich diesen zum Maßstab. So verkommt die Literatur zur Spielwiese für nutzlose Narren und narzistische Neurotiker, während jede andere Art des Schreibens diskriminiert wird als bloßer Broterwerb, Fron der Vernunft. Für die Literatur hat das einen beträchtlichen Realitätsverlust zur Folge, was allerdings öffentlich kaum wahrgenommen wird, da Wirklichkeit ohnehin nicht in ihr Ressort fallen soll. Gegen diese Schizophrenie verschreibe ich mir täglich die konkrete Anschau­ ung der Bedingungen, unter denen ich arbeite und lebe. Und in dem Maß, in dem ich erkenne, daß sie meine Defekte, Ängste, aber auch meine Hoffnungen, Wünsche bedingen, und daß es nicht nur meine Defekte, Ängste, Hoffnungen und Wünsche 43°

sind, kann ich über alles schreiben, was zum Leben nötig ist. Wie ich darüber schreibe, bestimmt die jeweilige Erfahrung der Reali­ tät. Ein Teil dieser Erfahrung läßt sich in Gedichten realisieren. Dazu genügt es aber nicht, am Schreibtisch den Kopf hinzuhal­ ten. Ich muß mich der Wirklichkeit stellen, um die Literatur vom Kopf auf die Füße zu stellen. Das ist auch für die Lyrik ein ver­ läßlicherer Standpunkt als jede poetologische Stellungnahme, die ich doch nur aus der Luft greifen könnte.

Hannelies Taschau Ich sehe keinen Sinn mehr in einer experimentellen Literatur, die der Sprache ein Primat vor der materiellen Wirklichkeit einräumt. Schreibend artikuliere ich meine Ängste und Hoffnungen und teile mich anderen mit, das halte ich in unserer Situation noch für sinnvoll: zu ermuntern - sich zu sehnen - sich zu wehren.

Ralf Thenior Sätze zu meiner Arbeit

1. Sprache ist das Material, mit dem ich arbeite, wenn ich Ge­ dichte mache. Die Reflektion über die Beschaffenheit dieses Materials muß jeder Arbeit vorausgehen. 2. Ich schreibe Gedichte, um zu erfahren, wieviel Sprache noch übrig ist, um über das zu sprechen, was in keiner der »norma­ len«, durchfunktionalisierten Sprechsituationen mehr Raum findet. 3. Im Arbeitsprozeß wenigstens für einen Moment die Kluft zwischen Bewußtsein und Leben überwinden, sich im Ge­ dicht als ganzes, wenn auch beschädigtes Individuum erken­ nen und damit für einen winzigen Augenblick die Selbstent­ fremdung aufheben. (Ähnliches schafft die Lektüre.) 43«

4- Das Problem ist immer das gleiche; »Himmel und Erde im Käfig der Form fangen« (Lu Chi), d. h. die Wirklichkeit bzw. den gewählten Gegenstand in seinem Wesen erkennen und von ihm dergestalt abstrahieren, daß er in sprachlich-ästheti­ scher Form neu erscheint. - Das Handwerk. 5. Das Gedicht hat, wie jedes Wort, zwei Seiten, eine materiell­ sprachliche und eine sprachlich-mitteilende. So ist es - egal, was es sich zum Gegenstand macht - immer auch mit einem befaßt: dem beschädigten Sprechen. 6. Um den Leerlauf der Zeile, die Füllsel, zu vermeiden, arbeite ich mit dem Ohr; hören, wie eine Zeile fließt, auf den Rhyth­ mus, den Sprechton des ganzen Gedichts achten - Maßstab für das Gelingen ist der Atem der gesprochenen Sprache. 7. Die wesentliche Qualität eines Gedichts liegt in der Spannung zwischen sprachlicher Genauigkeit (Genauigkeit kann in die­ sem Zusammenhang auch Vieldeutigkeit sein) und der wahr­ genommenen Beschaffenheit des Gegenstandes. Ein anderer Fall liegt vor, wenn das Gedicht reines Sprachspiel ist oder ei­ nen neuen Entwurf, eine Gegenwelt zu schaffen versucht; qualitatives Merkmal wäre dort vielleicht die innere Logik des Textes (wobei darin z. B. auch Paradoxa und Inkohären­ zen enthalten sein können). 8. Ich bin mein erster Leser; was nicht auch am Individuellen gesellschaftliche Repräsentanz hat, bleibt nur mein zufällig Privates und geht mich nichts an. 9. Wenn ich - in diesem historischen Augenblick - Gedichte schreibe, will ich mich nicht der Möglichkeit begeben, Spiel­ räume und Bedürfnisse zu erforschen und Neugier zu wekken, indem ich mich im bloßen Protest an die schlechten Ver­ hältnisse kette - das eigentlich subversive Moment der Dichtung liegt anderswo. 10. Es ist eine Binsenweisheit, daß Dichtung nichts taugt, wenn sie die Momente der Seibsterfahrung nur beschreibt oder proklamiert, statt sie zu schaffen. In den Gedichten jüngster Produktion findet man mengen­ weise Beschreibungen von Momenten sinnlicher Präsenz und 432

sensibler Selbsterfahrung. Nun ist es in jedem Falle beden­ kenswert, ob die bloße Benennung oder Situationsbeschrei­ bung einer solchen Erfahrung nicht eigentlich der Absicht ins Gegenteil ausschlägt und zu einer Verdinglichung der geprie­ senen Sinnlichkeit führt. ii. Es geht nicht um die Rentenversicherung. Ich bin für eine Dichtung, die sich mehr aussetzt, sich mehr gefährdet, für ei­ nen Dichter, der etwas riskiert. iz. Das Gedicht wird zu einem dynamischen Prozeß, wenn es, gelesen oder gehört, vom Leser oder vom Hörer in seiner Spannung wahrgenommen wird; es ist ein transitorisches Moment, ein winziger Augenblick festgehaltenen Lebens wir spüren, daß wir noch da sind. 13. Ich schreibe, um mich zu überraschen. Ich schreibe, um mich wach zu halten.

Jürgen Theobaldy Zwr Poetik Als Miß Gertrude Stein in Paris vor Mister W. C. Williams auf all ihre ungedruckten Manuskripte wies und fragte, was sie damit machen solle sagte Williams, hätte er so viel geschrieben, würde er das Beste nehmen und den Rest dort in den Ofen werfen. Das war 1924. Sie verstehe, sagte Miß Gertrude Stein, es sei nicht sein métier zu schreiben. Aber Mister Williams hatte so viel geschrieben!

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Guntram Vesper Ich meine, Gedichte sind im besten Fall die äußerste Möglichkeit der Selbstverwirklichung. Jedenfalls hier und heute. Gerade weil sie so wenig gelesen, so schlecht bezahlt werden. Weil sie durch die enger werdenden Maschen äußerer und innerer, öffentlicher und privater Organisation fallen. Wenn ich Gedichte schreibe, kann ich am genauesten denken, am tiefsten fühlen und über bei­ des am freiesten sprechen. Oder am tiefsten denken, am freiesten fühlen, am genauesten sprechen. O diese Wahnsinnsträume von unserer Kraft. Aber ohne die Träume wäre ich tot.

Richard L. Wagner Eine art Statement

Mein erstes gedicht habe ich mit elf jähren geschrieben. Es handelt von einem jungen, der mit seiner blue jeans ins Schwimmbecken springt, weil er einem mädchen gefallen will. Mein vorläufig letz­ tes gedicht habe ich gestern gemacht, es handelt von dem krieg der überall ist und den man nicht sehen kann. Zwischen diesen beiden gedichten liegen acht jahre und sicherlich hunderte ange­ fangener und ein paar dutzend beendeter gedichte. Dann gab es in diesem zeitraum ein fast ständiges herzinfarktgefühl, liebe, haß und alltagshysterien und die Unmöglichkeit das scharfe ß und das normale s richtig einzusetzen. Warum ich die gedichte schreibe, habe ich mir nie überlegt, es hat aber immer spaß gemacht und mich etliche male vor mittelmäßigen dummheiten bewahrt. Der stil meiner gedichte ist einfach der stil meiner spräche oder der Stil der leute, die in den gedichten auftauchen. Eine neue Strophe fange ich meistens an, wenn ich glaube, daß es nötig ist, manchmal weil es an der tür geklingelt hat oder ich eine neue Zigarette an­ zünden will. Meine lyrischen Mentoren waren Brinkmann und Frank O’Hara, möglicherweise wären beide gar nicht glücklich darüber, aber trotzdem vielen dank. 434

Peter Waldheim Poesie ist Poesie. Es sind Wörter, nichts als Wörter: eine Art von Zauberei. Die Sprache sagt, was sie weiß, aber das Gedicht soll mehr sa­ gen. Die Sätze, die sich nicht selber verstehen, sind die richtigen. Poesie ist Ausdruck des Leidens, statt Nachbildung der Wirklichkeit; denn wenn der Mensch in seiner Qual verstummt, gab mir ein Gott zu sagen, wie ich leide? Sie (Poesie) ist Weigerung, Protest gegen das, was ist, doch bildet sie kein Ersatzobjekt, wird nur Spiel. Das Erkenntnisinteresse der Poesie wird ihr Wirklichkeitsin­ teresse, so wäre dichten Entzauberung, das Aufbrechen der Wör­ ter (Begriffe), in denen uns die Welt nur noch wirklich ist.

Wolfgang Weyrauch Ich schreibe ein Gedicht

irgendwoher erscheint ein Einfall: aus einem einzigen Wort, das die Wörter des Gedichts auslöst, aus einer Zeitungsnotiz, aus ei­ nem Traum, aus einer Unterhaltung, aus den Zeilen eines Ge­ dichts von einem andern. Und dies sofort, oder erst nach Jahren, aus einem Vorrat, der, wie es schien, verschollen war, und dann taucht doch noch ein Quentchen daraus auf. Und dann geht es los. Entweder geht es los, und ist schon fer­ tiggeschrieben (falls irgend etwas fertiggeschrieben sein kann), oder es dauert an, dauert und dauert, und wird etwas, oder wird nichts. Die Dauer, die Wiederaufnahme während der Dauer, wi­ derspricht nicht dem Einatmen und Ausatmen jeweils bei jedem Gedicht: jedesmal ist es ein Einatmen, das alles hereinholt, was dazu gehört, also den Inhalt, das Wagnis, den Zweifel dagegen, die individuelle Situation des Verfassers, die allgemeinen Zu­ stände, und ein Ausatmen, das alles hinausschickt, nachdem es 435

sich im Autor gesammelt hat, nun aber durch das Ineinander von Gedichtschreiber und Sachverhalt und Genauigkeit und Ge­ heimnis geschleust.

Hildegard Wohlgemuth Als ich vor 40 Jahren Gedichte schrieb, die vor 30 Jahren gele­ gentlich veröffentlicht wurden im VORWÄRTS oder im Berg­ baukalender, mußte das mit Einschränkung geschehen: Der Vor­ name wurde nämlich nicht ausgedruckt. Eine junge Frau hatte solche Töne nicht anzuschlagen und überhaupt hatte eine deutsche Frau doch wirklich andere Aufgaben wahr-zu-nehmen. Als ich vor kurzem von einem Treffen schreibender Frauen nach Hamburg zurückfuhr, war ich sehr traurig. Von den meisten Frauen, die dort gelesen und gesprochen hatten, erfuhren wir von ihrem Leid und Ärger: Zeitmangel wegen der berüchtigten Doppelbelastung, Un­ verständnis der also vernachlässigten Ehemänner und Ablehnung der unromantischen Themen, auch Krach mit den Eltern, weil junge Mädchen solche kämpferischen Töne nicht anzuschlagen hätten und eine gut aussehende junge Frau doch wirklich andere Aufgaben zu haben habe. Wo war ich denn ... in welchem Jahr? Im Zugabteil mir gegenüber saß ein junger Mann, mit dem ich ins Gespräch kam. Er war ein Betroffener, Vernachlässigter mit gutem Willen und Vernunft. Kurz vor dem Aussteigen (aus dem Zug und aus dem Gespräch) legten wir unseren Kummer zusam­ men in die Frage: Was können wir tun. Ich kann nur schreiben, sagte ich traurig. Und er sagte: Ich schreibe Ihnen. Darauf warte ich seit dem Frühling.

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Robert Wohlleben Wahrscheinlich ist es so, daß Maja oder Karl oder Dagmar oder Frank mehr über meine Gedichte sagen könnten als nun grade ich. Für sie alle und noch mehr hab ich was geschrieben. Ich grinse, streichle, küsse, beiße, heule ja auch nicht nach Konzept, das etwa gar noch formulierbar wäre. So weit zu den Anlässen meiner Gedichte. Ich weiß natürlich was darüber, aber ich sag nichts. Das sind Privata, die kennen ja Jede und Jeder, sofern sie’s nur kennen wollen. Außerdem steht’s ja drin. Zur Mache kann ich natürlich ein bißchen sagen. Immer noch wichtig für mich ist eine Zeit vor so acht, neun Jahren. Damals machte ich Texte, die bis ins Wort hinein kaputtgerissen waren: »Weil schon angeschnetzt vom derben Vorgehau, / ums liebe Brot vergabelt, ums liebe Lob verschenkt, / fährt Wohlleben fort, der Motor läuft, / vom Engel gelaust.« Das fällt mir heute so nicht mehr ein. Ich hab damals wütend drauflosgespielt, sprachliche Kom­ munikation auszuixen. Erfahren dabei hab ich wohl etwas Ge­ genteiliges: Daß die zu Tage geförderte und zur Schau getragene Verzerrung mir dann unerwartet mehr Respons einhandelte, als wenn sie in ein eher temperiertes Wortmenuett abgebogen ist. So wurde es für mich Fortsetzung von Bodycheck mit andren Mitteln. Losgeworden bin ich die Angst, nicht verstanden zu werden. Denn selbst wenn! Dann hätte ich Miß Verständlichkeit, Unver­ ständlichkeit als eins meiner Merkmale zu akzeptieren wie meine schiefgeschlagene Nase. »Nicht-entzerrte Schlagertexte« ist so ein privates Etikett für meine Gedichte. Ich kam drauf, weil mir die umwerfend gewagten Sprünge in manchen Schlagertexten auffallen: »Das war immer so, / und das bleibt auch so: / - SEI DOCH FROH!« Seit einer Weile sind alle meine Gedichte direkt an jeweils je­ mand Bestimmtes adressiert, sind also immer Sprache zwischen gerade zwei Leuten. Die Dimension Öffentlichkeit macht die Ansprache schärfer, manchmal schneidender. Macht auch Spaß, so und seis auch ein bißchen clownesk und goldbetreßt mit Die­ sem und vor allem Jener zu reden, nicht als Subjekt vom Dienst engagiert.

Lyrik-Diskussion 77

Helmut Heissenbüttel Zum Gelegenheitsgedicht Die Bezeichnung Gelegenheitsgedicht hat eine alte Tradition, eine Tradition, die im Grunde so alt ist wie die Geschichte der abendländischen Lyrik selbst. Von den Preisgesängen Pindars auf die Sieger bei den olympischen Wettkämpfen im alten Griechen­ land bis zu den nur scheinbar anspruchslosen Versen, die der deutsche Romantiker Eduard Mörike an Bekannte und Ver­ wandte verschickte, kann man von Gedichten sprechen, die bei Gelegenheit entstanden, für eine Person, die in diese Gelegenheit eingebunden war. Über Jahrhunderte, ja Jahrtausende hat es Widmungsgedichte, Ergebenheitsgedichte, Preisgedichte gege­ ben mit einem ganz bestimmten Umkreis von Gelegenheit. Auf der anderen Seite hat Goethe bekannt, er habe eigentlich immer nur Gelegenheitsgedichte geschrieben, wobei er freilich nicht die bestimmbare Gelegenheit aus Adressat und Situation meinte, sondern das Gelegentliche seiner ganz subjektiven Erlebnis- und Erfahrungswelt. Der Literaturwissenschaftler Wulf Segebrecht hat in einem umfangreichen und bei aller wissenschaftlichen Ausführlichkeit und Genauigkeit sehr lesenswerten Buch diese Frage des Gele­ genheitsgedichts behandelt und unterschieden zwischen dem Gelegenheitsgedicht als Casualgedicht, das wäre das, welches für eine bestimmte Person und zu einem bestimmten Anlaß ge­ schriebenworden ist, und dem Gelegenheitsgedicht als Erlebnis­ gedicht, das wäre jenes, das Goethe im Sinn gehabt hat. Sege­ brecht geht auch ein auf die Anweisungsbücher zum Gedichtschreiben, in denen vorgeführt wird, was man etwa zu Geburts- oder Todestagen, zu Hochzeiten oder anderen Gele­ genheiten, und in welcher Form, reimen kann. Er unterscheidet hier das Gelegenheitsgedicht als Machwerk. Vielleicht komme ich nun am schnellsten auf das, was mich selbst bewogen hat, den Terminus Gelegenheitsgedicht, zunächst versuchsweise und dann immer stärker und kontinuierlicher, zu

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verwenden, wenn ich von diesem Begriff des Machwerks aus­ gehe. Machwerk, das heißt, es wird ein Gedicht nach vorgegebe­ nen Regeln zu bestimmten, gesellschaftlich festgelegten Situatio­ nen verfertigt. Es gibt noch heute Musterbücher für solche Machwerke. So werden hier und da zu Richtfesten noch heute vom Oberpolier lange Reimereien vorgetragen. Machwerk, das könnte aber auch, aus dem festgelegten gesellschaftlichen Rah­ men herausgelöst, ein Werk heißen, das bewußt gemacht worden ist und sich seines Gemachtseins nicht schämt, es nicht mit dem Schleier des Höheren und Inspirierten umkleidet. In diesem Sinne wäre für den, der das überlieferte gesellschaftliche Ritual verfallen sieht, der keine Lebendigkeit der gemeinsamen Über­ einkunft, die ja einmal etwas sehr Lebensvolles gewesen ist, mehr erkennen kann, das dem Ungemachten, dem Zerfall der Machar­ ten abgewonnene Machwerk eine durchaus lohnende und ak­ tuelle Aufgabe. Ich würde also den abwertenden Terminus Machwerk in et­ was Positives umzukehren versuchen und sagen: ein Gelegen­ heitsgedicht ist also gerade heute wieder ein Machwerk, nicht et­ was, das den individuellen Ausdruck, meine Gemütsverfassung, mein ahnendes Verlangen, meine Teilhabe am ewigen Reich der Seele oder wie immer darstellt, dies alles auf eine höhere sprachli­ che Ebene bringt als ewigen Vorrat, wie der Dichter Rudolf Bor­ chardt, der, vor allem in seiner späten Phase, durchaus Gelegen­ heitsgedichte geschrieben hat, es bezeichnet hat. Sondern ein Gelegenheitsgedicht ist zuerst einmal ein Gedicht, das gemacht worden ist in Kenntnis und aus dem Vorrat des Mediums, in dem das Gedicht steht, der Sprache. Das wäre, und ich selber habe ja jahrelang diese Möglichkeit verfolgt, denkbar als ein Machen im Vokabulären und Grammatischen der Sprache. Es ist aber ebenso etwas, das auch alle schon bereits benutzten und historisch ausge­ bildeten Redemöglichkeiten einer bestimmten Sprache in sein Machen einbezieht. Zum Machwerk gehört aber auch dazu, daß man sagen kann, wofür, für wen, für was, bei welchem Anlaß; die Adressen sollten einbezogen sein. Gegen Günter Grass, der um 1960 die Bezeich441

nung Gelegenheitsgedicht wieder aufgegriffen hat, um seine Art von Erlebnisgedicht zu verteidigen, und der lediglich die Poetisierung des Alltags, der Alltagsgebräuche meinte, meine Gedichte damals als naturalistisch, also unpoetisch kritisierte, gegen Gün­ ter Grass habe ich mich an die Adressen gehalten. Gelegenheits­ gedichte waren für mich zu allererst Gedichte, die ich für be­ stimmte Personen zu bestimmten Anlässen, Geburtstagen, Todestagen, Katalogen, Grafikmappen, so das längste mit dem Titel »Das Reich« zu Serigrafien des italienischen Malers Valerio Adami, so ein »Rotgedicht« und ein »Blaugedicht« in diesem Sommer für den Schweizer Maler Gottfried Honegger geschrie­ ben, gemacht habe. Dies ist im Prinzip nicht soviel anders, als es ein Dichter des 17. oder 18. Jahrhunderts getan hätte. Aber doch wie auf der anderen Seite des Sprachverständnisses stehend. Das Gelegenheitsgedicht der antiken Tradition, das in deutscher Sprache bis Goethe Geltung hatte, verdankte sich dem intakten grammatischen System als Variabilität grammatischer und meta­ phorischer Sonderausbildungen. Heute müßte mit dem Gelegen­ heitsgedicht als Machwerk der Bezugszusammenhang jedesmal erst wieder neu konstruiert und begründet werden. Neu gemacht werden aus der Vorgabe der Daten, welche die Adressen der Per­ sonen, des Anlasses, des Bezugswerks, in Malerei oder Musik oder wo immer, das heißt aus dem Sprachfeld, das ich mir mit den Bezügen meiner Gelegenheitsadressen vorgebe, erschließen. Das klingt kompliziert. Gemeint ist jedoch etwas eigentlich Einfaches. Ich habe in der letzten Zeit, nachdem ich lange Zeit ge­ rade davor zurückgescheut war, Gelegenheitsgedichte auf mich selbst gemacht. Das ist ein anderer Typus mit sehr alter Tradition. Das ist aber zugleich auch eine Brücke zum Erlebnisgedicht der Romantik. Die Adresse bin ich selbst in meiner momentanen Verfassung, über die ich so rücksichtslos wie möglich Auskunft gebe. Das heißt, ich versuche Sätze fest zu machen, die meiner Verfassung standhalten. Dieses Standhalten, das Risiko dieses Standhaltens, möchte ich einmal sagen, bestimmt die Auswahl der Wörter, der Satzverbindungen und der Gegenstände, der Phantasien und Erinnerungen, aber auch die besonderen Formen 442

wie sehr lange oder sehr kurze Zeilen, zufällige Reihung, zerris­ sene oder banale Syntax, Reim und Metrum. Ich versuche etwas zu machen, in dem sich aus all dem so etwas wie eine für sich ste­ hende, auf sich beruhende sprachliche Einheit ergibt. Etwas, das zu machen jetzt riskant ist. Nicht um ein Muster oder ein Modell zu liefern, an dem andere so wie ich selber sich weiterhin nach­ machend orientieren könnten, sondern um die Schwierigkeit, ja Unmöglichkeit des Musters zu demonstrieren. Noch immer, so ist meine Überzeugung, die sich der Erfahrung des literarischen Machens, der literarischen Praxis, nicht der Theorie verdankt, sind wir gezwungen, ganz unten anzufangen. Zwar gibt es groß­ artige Bauwerke, die zugleich sprachliche Trümmerfelder sind, wie Ezra Pounds »Cantos« oder William Carlos Williams’ »Pa­ terson«. Aber gerade so etwas läßt sich nicht nachmachen. Was gelernt werden kann, ist die generellste Erfahrung und sind Ein­ zelheiten der Machart. Gelegenheitsgedichte, die ich gemacht habe, sollen, an be­ stimmten, objektiven Daten eingehängt, sagen, was, meiner An­ sicht nach, heute sagbar und los ist.

Peter Wapnewski Gedichte sind genaue Form Nicht bloße Beliebigkeit ist das Gegenteil von Lyrik Organisation is as well necessary as inspiration. (T. S. Eliot)

I »Meint, was ihr wollt. Je mehr ihr glaubt, über mich sagen zu können, desto freier werde ich von euch. Manchmal kommt es mir vor, als ob das, was man von den Leuten 443

Neues weiß, zugleich auch schon nicht mehr gilt. Wenn mir in Zukunft jemand erklärt, wie ich bin auch wenn er mir schmeicheln oder mich bestärken will -, werde ich mir diese Frechheit verbitten.«

Dies ist ein Gedicht. Dies ist kein Gedicht. »Die Landschaft schwenkt. Die eigenen Geräusche brauchst du auch. Wenn du schreist, ist das eine Selbststimulation. Ruf ein paar dreckige Wörter aus deinem Körper hervor, schau nach, wo­ hin sie gehen . . . Alles Flickwörter? Also warum bist du nicht stumm . . . Die Tagträume in der Dämmerung verblassen auf dem Papier. Hier bin ich und gehe in dem lieblichen Nachmit­ tagsschatten, der die Straße nicht nur schwarz und weiß wie eine Erinnerung fleckt, die Löcher hat. Ich kann durch sie entwischen und atme auf. Ich bin froh, daß ich kein anderer bin. Wie einfach die Umgebung wird, nachdem das klar ist. Die Sonne scheint lautlos, ich mag sie und das, was sie tut, lautloser, als die Katze blinzelt, die auf dem Autoblech sitzt, faul, ausgestreckt, in ihrem eigenen, unüberschaubaren Tagtraum, lautloser als ein Schatten. Ich bin für sie draußen. Das Gehen ist ein Lied in meinem Kopf, lautlos und ohne Wörter!« Dies ist kein Gedicht. Dies ist ein Gedicht. Ein drittes Exempel:

»Stabilisator aus­ gebaut und Zugstrebe vorn rechts ersetzt. Vorderachs­ träger rechts ausgerichtet, Gummilager erneuert und Stabilisator 444

wieder montiert. Bremsjoch hinten links ersetzt und Gelenk­ welle links ausgewechselt. Fahrzeug optisch vermessen.«

Ist dies ein Gedicht? Ist dies kein Gedicht? Jedenfalls ist es eine Rechnung, die Reparatur eines Autos be­ treffend (und um wenige Zeilen gekürzt, im übrigen unangeta­ stet, nur eigenwillig in Einheiten zerlegt bei schließlicher Aus­ sparung der, wie das Gesetz der Poetik befiehlt, ans Ende postierten und durch Ziffern statt Buchstaben reizvoll ver­ fremdeten Pointe. Sie lautet »Sa. DM 962,93«). Machen wir uns also denn auch an die Auflösung der schein­ bar enigmatischen Bemerkungen, die ich den ersten beiden Bei­ spielen nachgeschickt habe. II Auch die Gedichtzeilen zu Anfang sind von mir gesetzt, also von mir umbrochen. Es handelt sich im Original um sehr prosaische Überlegungen einer Frau vor dem Spiegel. Handkes »linkshän­ dige Frau«. Alles, was ihr von mir zugemutet wurde, war die Brechung der Prosa in eine Form, die Lyrik zu sein vorgibt. Der Genauigkeit halber sei hinzugefügt, daß man dieses Experiment mit dem Text fast jeder Seite des Handkeschen Buchs durchfüh­ ren könnte - nur daß der materielle Inhalt solchem Verfahren ge­ legentlich Widerstände entgegensetzt. Die an zweiter Stelle folgende Prosapassage hingegen ist ur­ sprünglich ein Gedicht, und zwar eines von Rolf-Dieter Brink­ mann aus seinem von der Kritik hoch gelobten letzten Band »Westwärts 1 & 2«. Das originale Druckbild organisiert die Wörter und Sätze in recht beliebig wirkenden, gewissermaßen absichtslosen Zeilenbildern: »Die Landschaft schwenkt. Die eigenen Geräusche brauchst 445

du auch. Wenn du schreist, ist das eine Selbststimulation. Ruf ein paar dreckige Wörter« (. . . und so fort). Die Gegenüberstellung nötigt zu einer Frage, die Frage will eine Antwort: III Ist die Grenze zwischen Lyrik und Prosa beliebig, die »Aussage« der Form, elementare Substanz aller dichterischen GattungsLehre, hinfällig geworden? Sind Prosa und Lyrik herstellbar ge­ worden durch den Setzer, das heißt, sind sie lediglich Resultat so oder so umbrochener Zeilen? Ist »das Gedicht« nur mehr Alibi­ form für den, der nichts Umfangreiches zu sagen, nicht den Mut hat, das zu Sagende der einfältig scheinenden Prosaform anzu­ vertrauen? Fühlt anderseits »Prosa« sich dispensiert von der For­ derung nach weltbuntem Erzählen, nach aufbauend-komponierender Handlung, nach Geschichte und Geschehnis und bietet sich als leichthändig zu bewältigende Alibiform an da, wo das Gedicht ein höheres Maß von Strenge zu fordern scheint? Es ist in der Tat so, daß die Grenzen der Gattungen verwischt, ja weitgehend aufgehoben sind. Das Problem ist so neu nicht, die aus ihm sich ergebenden Fakten stellen keine Sensation dar. Goethes grundgescheites Wort von den »Naturformen« der Dichtung, mit dem er die gelehrte und aus der Antike überkom­ mene Gattungs-Trias Epik-Lyrik-Dramatik charakterisierte, verweist auf Urgliederungen der gebundenen Aussage, der Dich­ tung also. Da ist das Gedicht. Formal: knapp, konzentriert, streng stili­ siert. Inhaltlich: nach innen gewandt. In der Haltung: ichbefangen, einnehmend, monologisch. Da ist das Epos, der Roman. Formal: ausladend, ja ausschwei­ fend erzählend. Inhaltlich: Welt liefernd und Welt aufschlüs­ selnd. Inder Haltung: »objektiv«, extrovertiert, weitergehend. Da ist schließlich das Drama. Formal: »pluralistisch«, das heißt, der Autor »singt« nicht noch erzählt er, sondern er läßt an­ dere Personen für sich reden (»für sich« im doppelten Sinne). In­ haltlich: Drama ist Lehrstück, Vorführung, ist Welt als Ge-

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schichte. In der Haltung: scheinbar die »objektivste« Gattung, das Ich ist ausgelöscht, zumindest scheint es zu schweigen, und das Persönliche wird ins Allgemeine gehoben, so wie das Allge­ meine exemplarisch »personalisiert« wird. Auch diese Bestimmungen sind durch die Wirklichkeit, also die jeweiligen Texte, in Frage gestellt, nicht hat Poesie sich den Gattungszwängen zu fügen (obwohl sie es oft getan hat, im Mit­ telalter etwa oder im 17. und 18. Jahrhundert), sondern sie hat kraft ihrer Eigenmächtigkeit Gattungen zu setzen. Immerhin aber ist doch Goethes organischer Begriff »Naturformen« offen­ bar den Gegebenheiten gemäß, und mein Versuch, ihn skizzie­ rend auszufüllen, wird als Arbeitshilfe zureichen. Zurück zu unserer Frage nach der Verbindlichkeit des Ge­ dicht-Begriffs hier und heute. Meine erste These lautet: Lyrik ist eine einfache Gattung. Sie bestimmt sich wenn nicht streng, so doch klar durch Form und Gegenstand. Wo die ihr ei­ gene Form (stilisierte Knappheit) und der ihr eigene Gegenstand (das arg strapazierte »lyrische Ich«) preisgegeben sind,wird Lyrik preisgegeben. Was bleibt, ist allenfalls noch »das Lyrische«. Meine zweite These lautet: Ein gut Teil dessen, was heute als Lyrik angeboten wird und prosperiert, ist steckengebliebene Prosa, ist Schwundform des Essays, ist Tagebuch im Stammel-Look. Wem das fehlt, was man wohl den epischen Atem oder den dramatischen Nerv nennt, der macht sich und uns gern glauben, Lyrik sei Säuseln und diffuses Licht. Dabei ist sie eine spröde, strenge und sehr entschiedene Sa­ che.

IV Form ist nicht Oberfläche. Form in der Literatur ist die geglückte Angemessenheit der sprachlichen Mittel beim Versuch, Gedach­ tes in Worten zu verdinglichen. Form ist gleich Kunst, denn selbst die gewollte Un-Form ist nur zu begreifen als künstleri­ sches Prinzip und bestätigt ihr Gegenteil durch die Verneinung. Auf das Gedicht bezogen: es steht mit der Form, es fällt mit ihr.

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»Aber die großen Kunstwerke sind jene, die an ihren frag­ würdigsten Stellen Glück haben«, sagt Adorno (Noten zur Lite­ ratur I). Derselbe Adorno, dem bis zum Überdruß sein Diktum vorgehalten wird, es könne nach Auschwitz kein Gedicht mehr geschrieben werden. Eine Aussage von tiefer Richtigkeit, die nicht durch Augenschein widerlegt wird. Ein Gedicht, um zu entstehen, ein Gedicht, um zu wirken, setzt bestimmte Verbind­ lichkeiten voraus, unterstellt Konsensus, Gemeinsamkeit an Er­ fahrung, Kommunikationsmöglichkeit der Worte, der Empfin­ dungen. Es gibt Gedichte über die bestialische Welt, aber es kann kein Gedicht geben in einer durchaus bestialisierten Welt. Daß es doch noch Gedichte gibt nach Auschwitz, und das heißt nach einer Phase der Aufkündigung aller menschlichen Verbindlich­ keit, beweist nur, daß die Welt nach Auschwitz Auschwitz ver­ gessen hat. (Ob sie Auschwitz hätte überleben können, ohne es zu vergessen, das freilich ist die große Frage an die Generation von damals und die von heute.) Das von Adorno gemeinte »Glück« jedenfalls ist ein Form­ prinzip auch des Gedichtes, ohne das es nicht gedeihen kann. Und dieses »Glück« seinerseits kann nicht gedeihen abseits einer Ord­ nung, die Form hat und Maß, Gliederung und Proportion. Be­ griffe wohlgemerkt, die durchaus ihre Gegenbegriffe zulassen, ja provozieren, also Un-Maß und Disproportion und die Struktur des Wüsten, der Wüste. Wenn indessen richtig ist, daß vieles von dem, was heute als Lyrik auftritt, sich spielerischer Beliebigkeit verdankt, dann mag in diesen Stücken Kluges gedacht, Tiefes empfunden, Lust- und Schmerzvolles gefühlt sein: aber der Schritt zum Gedicht, will sagen in eine Form, die als solche dem Gedachten und Gesagten und Empfundenen einen spezifischen Mehrwert gibt, dieser Schritt ist nicht gemacht. Denn, um ein be­ rühmtes Diktum abzuwandeln, diesmal ist es von Benn: Gedicht ist das Gegenteil von Beliebigkeit. So daß zu Recht gesagt worden ist, man könne nicht ein Wort verrücken und nicht eine rhythmische Nuance verändern, ohne das Gedicht, wie es sein soll, aus den Fugen zu heben. Wenn aber das Gedicht in solch extremem Maße an die Ge-

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setze von Klang und Reim, von Rhythmus, Metrum, Strophe und Bild gebunden ist, dann bedeutet Preisgabe dieser Formantien nichts anderes als Preisgabe des Gedichtes. Es sei denn, die Gat­ tung bestimme sich neu mit Hilfe neuer Prinzipien, was mir als Ding logischer Unmöglichkeit erscheinen will. V Noch einmal Goethe: »Den Stoff sieht jedermann vor sich, den Gehalt findet nur der, der etwas dazu zu thun hat, und die Form ist ein Geheimniß den meisten.« Mit »Geheimniß« ist nichts Mystisch-Mysteriöses gemeint, sondern jene Schwierigkeit, die Funktion - und also Art - von Form zu erkennen, die »Kunst« ausmacht und die »den meisten« versperrt bleibt. Was zu tun hat mit jenem »Widerstand der Texte« (Walther Killy), den sie als Kunst wesensmäßig aus­ üben und der dem Begriff vom »Kunstgenuß« nur dann den rechten Akzent gibt, wenn man die spezifisch geistige Form des Genusses durch Mühewaltung kennengelernt hat. Übrigens sagt Goethe mit diesem Satz aus den »Maximen und Reflexionen« Bedeutendes (um es ihm gemäß auszudrücken) auch zum sogenannten Gehalt. Es ist nämlich »dazu« das zu be­ tonende Wort, und gemeint ist die Vorstellung von dem produk­ tiven Anteil des Lesers, der immer auch ein Mit-Autor des von ihm Gelesenen ist. Wohingegen der nicht-produktive, der nicht-kreative Leser (oder Kunstbetrachter anderer Art) lediglich den »Stoff« antreffen wird. Einen bescheidenen Einblick in das »Geheimniß«, das heißt das zu entschlüsselnde Wesen der Formfunktion, gibt das an dritter Stelle postierte banale Eingangsbeispiel. Wer wollte, den Spielcharakter einmal abgerechnet, bestreiten, daß die Umset­ zung der technisch-mechanischen Benennungsreihen, heraus aus den Prosa-Längen des DIN-Formates und dann hinein in die Willkür der kurzgebrochenen Zeilen, daß solche Transposition sinnverwandelnde Wirkung hat? »Stabilisator aus-«, das ist ein vitalitätsbrechender Appell, wenn er so für sich die Einheit der Zeile behauptet. Und »-träger rechts ausgerichtet«, das ist 449

stramm und scharf und kommandiert nicht zwar die Poesie, aber den Leser. Und das »wieder montiert«, einen Vers lang, hat Be­ ruhigung in sich und - fast - Trost, der indes durch das »Joch« in »Bremsjoch« hart konterkariert wird; ein »Joch«, das wie­ derum in der rhythmischen Heraushebung der Einzelzeile einen Neuwert erhält, an Last und Kreuz gemahnt. Das erfährt dann seine Klimax im pathetischen Klang des »vermessen«, der den Schlußhall setzt: eine Spur von Prometheus. In der Tat, wer wollte es bestreiten beim Blick auf unsere Autowelt: Das Fahr­ zeug, es ist optisch vermessen. Und wir mit ihm, weil wir darin. Daraus ist aber zu lernen, was es auf sich hat mit dem »Geheimniß« der Form. Sie deckt nicht ab, sie schönt nicht, sie ist nicht Fläche noch Oberfläche, sondern sie ist Substanz. In sol­ chem Sinne: Der Kern ist außen. Oder: Das Außen ist der Kern. Die scheinbar lediglich optisch-technische Umsetzung der bana­ len Rechnungsposten in gebrochene Kurzzeilen hat jedem dieser Posten eine neue Aufgabe gegeben. Eine neue Wertigkeit, die wiederum abhängig ist von der jeweiligen formalen Variante, eine andere Zeilenbrechung hätte andere Begriffe hervorgehoben und durch Verfremdung oder Verstärkung neu bestimmt.

VI Als Carlo Schmidt jüngst achtzig Jahre alt wurde, da schenkten ihm die Freunde einen Band mit Gedichten: rund zweihundert. Und zwar nicht etwa selbstverfertigte. Auch solche nicht, von de­ nen sie glaubten, daß der zu Ehrende sie liebe. Sondern, das war die Ordre: Sie schrieben ihr liebstes Gedicht auf (oder eines derer, die jeder zu seinen liebsten zählte). Es muß aufregend sein, das Ergebnis zu analysieren. Wer hat was ausgewählt? Welche Ge­ dichte sind mehrfach vertreten? Welche unbekannten ans Licht gehoben, welche der bekanntesten ignoriert worden? Welcher historischen, welcher kulturellen Landschaft sind die Zeugnisse abgewonnen, in welchen Sprachen sind sie präsentiert? Falls die Dreistigkeit einer Vermutung erlaubt ist: Keines dieser Stücke wird jenem Bereich des »Ungefähren« angehören, das die neueste Lyrik auszeichnet. Nicht, weil der Empfänger als 4J0

alter Mann und also, wie das im Alter zu gehen pflegt, als konser­ vativ zu gelten hat. Nicht, weil seine Freunde allesamt der Art wären, daß sie sich vorzüglich der Lust an Geschichte und Ge­ schehenem zuwendeten - das hieße ihn und sie unterschätzen. Sondern weil das »Glück« im Gedicht, das gelungene Maß also, gebunden ist an Prinzipien der Form, die zu bewahren nicht als »konservativ« gerügt werden darf, sondern Erfüllung eines für gültig erkannten Gesetzes bedeutet. Die großen deutschsprachi­ gen Lyriker unserer Zeit haben sich an solche Norm gehalten, da­ bei ihre Bedeutung durch Normaufhebung innerhalb des Kanons bestätigt: Günter Eich und Ingeborg Bachmann und Paul Celan, und von den Lebenden: Peter Hüchel und Karl Krolow. Der nunmehr fällige Einwand: das sei vieux jeu, und die Jun­ gen seien nur in dem Maße etwas wert, als sie »Neues« brächten, wäre ein Mißverständnis. Die Geschichte der Lyrik ist wie jede Geschichte eine der Überlagerung, auch der Erledigung des Alten durch Neues. Aber das Gedicht, wenn es denn eines bleiben und nicht bequeme Ausweichmarke sein soll, bedarf seiner es konsti­ tuierenden Momente, und das Neue ist als solches nur innerhalb der Ordnung dieser konstituierenden Elemente zu erkennen. So halten es unter den Jungen oder den etwas Älteren (also: unter den Jüngeren) etwa Jürgen Becker und Elisabeth Borchers, Mi­ chael Krüger und Peter Rühmkorf und Friederike Mayröcker. Oder andere Große, die eher die großen anderen sind: Gomringer etwa und Jandl. Als Beispiel, das diese Überlegungen erhellen mag, gilt mir ein neues Gedicht von Elisabeth Borchers:

Nachträglicher Abschied

»Auf einmal und ganz unvermittelt bleibt man stehn. Und horcht. Da war etwas. Etwas ist vergangen. 45«

(Wir sehn uns bald, wir werden reden, wir werden auch zusammen essen gehn.) Es wäre Zeit gewesen, zu hören und zu sehn. Ich wußte, ungenau, und hatte viel zu tun.«

Gewiß, auch dieser Fall wäre Verlockung zur Umsetzung. Man könnte Prosazeilen aus dem Gedicht machen, und ein jeder würde sie als solche passieren lassen. Daß sie damit andere »Wer­ tigkeit« erhalten, ist leicht einzusehen, jedoch wäre nachzuwei­ sen, daß lediglich die Art von Wertigkeit angemessen ist, die der originalen Form mitgegeben wurde. Eben die mit Adornos »Glück«. Da fällt nämlich bei Betrachtung der Form die Merkwürdig­ keit eines strukturbildenden Elementes auf. In diesem »statischen Gedicht«, das da einen Menschen plötzlich anhalten, einhalten läßt, ihn durch die Bewegung des Stillstands an den Stillstand nicht ausgelebter Gefühle erinnert, ihn nötigt, nachträglich im Innern zu vollziehen, also wirklich zu vollziehen, was äußerlich schon »gelaufen« ist (wieder Jargon es nennt): In diesem Gedicht der einfachen Bewegungen, der einfältigen Gesten bildet der sim­ ple einsilbige »-ehn«-Reim das formende, das heißt die Ordnung der Gedanken aus der Unordnung der Gefühle gewinnende Prinzip. Dreifach wirft er sein Netz über die »unvermittelte« Materie aus: »stehn« - »gehn« - »sehn«. Dazu, als eine Art Bin­ nenreim, noch einmal das zweite Wort in der Klammer: »sehn«. Schließlich das, was die Philologen einen »grammatischen Reim« nennen, also eine andere Flexionsform des gleichen Verbs: »ge­ gangen« fügt sich zu »gehn«. Da sind noch andere Bezogenheiten, etwa das Partizip »gewesen« bezieht sich auf das »vergan­ gen« davor. Oder die Koppelung des Antinomischen zum Ende: »wußte« und »ungenau«, die vom Gedicht seine Balance mitgibt in den Ausklang, das Schwebend-Unentschiedene, das Ausdruck ist eines verpaßten Lebensaugenblicks und vielleicht nicht nur Augenblicks: 452

All dies macht sinnfällig, wie ein neuer Ton und ein eigener Ton sich bemerkbar erst machen, wenn er sich der ars, der hand­ werklichen Kunst bedient, die das Gesetz der Gattung ausmacht. In diesen zwölf Versen wird eine triviale Erfahrung zu mehr, wird zu Unruhe, Appell, zu Einsicht: mit Hilfe der Form. Das Gedicht »steht« auf einfachen Wörtern, die ihre Einfachheit als Kunst ausspielen in ihrer Verschränkung und Beziehung, die Zeilen werden zu Versen durch diese Statik, und das Stehen und Gehen und Hören und Sehen und Reden, einfache Verrichtun­ gen, erfahren Eigenmächtigkeit durch die Formation im Netz­ werk des Ganzen, das ohne diese Struktur eben doch nur eine Tagebuchnotiz in Prosa wäre.

Jörg Drews Selbsterfahrung und Neue Subjektivität in der Lyrik Gleich zu Anfang die Frage, ob man sich bei der Beschäftigung mit der »Neuen Sensibilität«, der »Neuen Innerlichkeit«, der »Literatur der Selbsterfahrung«, der »Literatur einer neuen Pri­ vatheit« nicht auf den Leim begibt, den eine um Schlagworte, Pa­ rolen und kurzlebige Trendmeldungen nie verlegene Branche in­ nerhalb der Kulturindustrie, nämlich die Verlagswerbung samt einer deren Signalen oft blind und schnell folgenden Literaturbe­ richterstattung ausgelegt hat. »Lyrik ist wieder interessant ge­ worden«, »Es gibt wieder mehr Lyrikbände« lauteten zum Bei­ spiel Trendmeldungen auf der Buchmesse von 1975, welche die Messeberichterstattung auch eifrig weitergab, obwohl ein simpler Blick auf die Statistik der Lyrikveröffentlichungen gerade des Jahres 1975 hätte zeigen können, daß die Zahl der Lyrikbände, auch die der bei den großen Verlagen erschienenen, keineswegs angestiegen war. Sieht man sich die Bände der Autoren an, die seit 1975 in solchen Trendmeldungen auftauchten, so bemerkt man, daß die Schlagworte sehr verschiedene Arten von Lyrik decken, und ähnlich sieht es in der erzählenden Prosa aus. Theo-

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baldy, Schramm, Konjetzky, Kiwus, Malkowski, Krüger, Derschau - dahinter stehen ganz verschiedene Lyriktraditionen, ganz verschiedene Sprechansätze, ganz verschiedene Konzeptionen vom Verhältnis des Subjekts zur gesellschaftlichen Umwelt, auch unterschiedliche Situationseinschätzungen, und in der Prosa ist das Bild mindestens ebenso vielfältig: Radikales Sich-Einlassen aufs Subjekt fand sich - bevor die Trendmeldung von der »Neuen Subjektivität« überhaupt da war - schon in Rolf Dieter Brink­ manns »Keiner weiß mehr«, bei Herbert Achternbusch in seinen Büchern seit 1969, bei Handke ohne den unmittelbar politischen Hintergrund, der bei anderen Autoren zu konstatieren ist, bei Gerhard Roth in seinem ersten Amerika-Roman wieder unter anderen Voraussetzungen und mit anderen Resultaten als etwa bei Karin Struck. In der Prosa ist überdies zu beobachten, daß das neue Interesse fürs Subjekt, für das einzelne Individuum unter nicht politischen, sondern privat-lebensperspektivischen Aspek­ ten sich keineswegs immer als autobiographischer Roman äußern mußte - es scheint, als sei die Erzählung von fiktiven Gestalten und Situationen oft - und nach wie vor - eine viel günstigere Form, gerade radikal individuelle und subjektive Erfahrungen niederzulegen. »Selbsterfahrung«, der Begriff und die Sache, über die diesmal beim Grazer Literatursymposion gesprochen werden soll, steckt ja überdies in aller Literatur: Welches Erfahrungs­ und Erkenntnisinstrument hat denn ein Autor anders als eben sich selbst, durch welches Medium hindurch kann er denn Erfah­ rungen machen als durch sein eigenes Ich? Die Frage ist doch eher: Wie offenbart und wie verhüllt er sein Ich? Lyrik als IchAussprache und autobiographischer Roman oder Autobiogra­ phie verbürgen ja noch keineswegs die Mitteilung wirklich un­ schematischer, spezifischer Subjektivität. Aber nehmen wir das Schlagwort von der »Neuen Innerlich­ keit«, der »Neuen Privatheit« einmal beim Wort, schauen wir auf die Gemeinsamkeiten, die die Schlagworte bei einigen Autoren von Lyrik vielleicht doch decken. Bei den einzelnen Autoren ver­ schieden deutlich, insgesamt aber unverkennbar ist der Hinter­ grund politischer Erfahrungen, die alle - wir alle - seit der Mitte 454

der sechziger Jahre gemacht haben und die wahrscheinlich zu­ mindest zum Teil den Grund dafür abgeben, daß auch beim Pu­ blikum das Interesse an Lyrik wieder gestiegen zu sein scheint. Es ist vor allem die Erfahrung, daß die Ansätze zu einer oder die Hoffnungen auf eine Solidarität im großen, die gegen Ende der sechziger Jahre zu verzeichnen waren, zerbröckelt sind, daß der ebenso machtvolle wie diffuse Aufbruch zu keinen neuen For­ men, geschweige denn zu Organisationen solidarischen Han­ delns führte. Die alten Institutionen sind nicht nur mächtig ge­ blieben, sie haben sich, auch auf kulturellem Gebiet, zunächst eher noch verhärtet. Der Glaube an eine politische Perspektive, die sich eröffne, ist abhanden gekommen, und die Subjekte, die sich für kurze Zeit in einer Tendenz und in einer Art »GroßGruppe« aufgehoben fühlten, wurden wieder in die Vereinze­ lung versprengt: »Jeder für sich: / auf glückliche Weise / ver­ schollen in seinem Stuhl« (Rainer Malkowski, »Was für ein Morgen«, Frankfurt 1975, S. 44). Und zu dieser traurigen Erfah­ rung, daß die kollektive wie die individuelle Entfaltung der Sub­ jekte, die einen Moment einswerden zu können schien, wieder reduziert war, gehörte auch - und zeitlich vielleicht noch vorher -die Entdeckung, daß viele der gesellschaftskritischen Einsichten und Parolen etwas schlecht Objektives, etwas Abstraktes hatten, daß sie nicht nur nicht eingelöst wurden, sondern daß sie eine überden Kopf und das Leben des einzelnen hinweggehende All­ gemeinheit hatten, unter die das konkrete Subjekt nur in einem schlechten Sinn subsumiert wurde. Die Wendung zum eigenen Subjekt, zu seiner vereinzelten Konkretheit und seinem Alltag erfolgte nicht aus freien Stücken, sondern mangels eines Besseren, und diese unfreiwillige Rückkehr in die Vereinzelung erklärt auch einen Großteil der Melancholie, die aus der Lyrik der »Neuen Innerlichkeit« oder »Neuen Subjektivität« abzulesen ist. Die heutige politische Bewegungslosigkeit und die teils ver­ steckte, teils schon wieder offene politische Unterdrückung (». . . in einem Augenblick, da die Konservativen hierzulande unverhüllter als jemals zuvor den Obrigkeitsstaat mit Hilfe von Verbot, Zensur und allgemeiner Schnüffelei wiederherstellen 455

möchten . . . zweite Metternichsche Reaktion« - Walter Jens, »Republikanische Reden«, München 1976, S. 9) verwiesen den einzelnen zurück auf die Tatsache, daß er nun wieder allein sei­ nem eigenen Ich gegenüberstand. Zu leichtfertig hatte man ge­ glaubt, über die Gesetzmäßigkeiten der Geschichte bescheidzuwissen; sowohl die Veränderbarkeit des Menschen wie auch die politische Perspektive schienen eine sichere Sache, aber über den allgemeinen Gewißheiten ging der genaue Blick auf den einzel­ nen, auf sich selbst mit allen Widersprüchen verloren. Ohnehin werden heute Begriffe, mögen sie auch noch so präzis die anste­ henden Fragen notieren, blitzschnell zu Schlagworten; noch be­ vor auch nur ein Bruchteil der darunter befaßten Probleme voll erkannt, geschweige denn gelöst ist, hängen einem die Emanzi­ pation, der Feminismus, die Mid Life Crisis oder die Neue Sensi­ bilität schon zum Hals heraus; die Specifica rücken kaum in den Blick, da sind die Oberbegriffe auch schon bis zum Überdruß journalistisch abgefingert. Das Einzige aber, womit wir uns jen­ seits aller Parolen in den nächsten zwanzig bis vierzig Jahren mit Sicherheit werden herumschlagen müssen, ist unser eigenes Ich, mit seiner fragwürdigen Herkunftsgeschichte, seinen Brüchen und Widersprüchen, seinem nicht über-, sondern oft unter-hi­ storischen Alltag, in den bisweilen Geschichte, die wir, seien wir ehrlich, meist auch ich-zentriert erleben, als störender ferner Lärm hereindringt, wo politische Geschichte oft nur die Folie ab­ gibt für Versuche, mit uns selbst und unserem bißchen Leben klarzukommen. Diese Erfahrung scheint in den Worten Rainer Malkowskis zu stecken: »Aber ich weiß auch,/daß niemand mir abnimmt, mich zu erleben./Also gestatte ich keinem,/für mich zu sprechen.« (Malkowski, a.a.O., S. 64). Auf sich selbst oder auf Kleingruppen von Freunden zurück­ verwiesen, treten die, die da in der Lyrik jetzt »subjektiv« spre­ chen, nicht zuletzt unter dem übermächtigen Druck einer politi­ schen Situation des Immobilismus auf der Stelle. Konkret sind dabei höchstens Melancholie und fast Verzweiflung; die Hoff­ nung bleibt da zunächst schwach erinnert, wird bisweilen zaghaft genannt und im übrigen auf den Sankt-Nimmerleinstag verscho­ 456

ben. Der pseudo-politische Terrorismus der Desperados und Gewalt-Anarchisten ist ebenso ein Zeichen von Verzweiflung oder zumindest von Resignation und Ohnmacht wie die neue in­ dividualistische Sensibilität in der Prosa und vor allem in der Ly­ rik. Bei Theobaldy heißt es - und das ist jämmerlich und unend­ lich traurig zugleich -:»... Aber was nicht endet,/ was sich nie ändert, istder Wille / zu verändern.« (Jürgen Theobaldy, »Zwei­ ter Klasse«, Berlin 1976, S. 68). Man sieht, zwar ist ein erheblicher Rückzug von der Politik und politischen Hoffnungen im Gange, daß aber die Innerlichkeit die Faust in der Tasche ballt, zeigt und sei’s in fast läppischer Verzerrung -, daß sie einmal andere Erfahrungen und andere Hoffnungen als die alte Innerlichkeit hatte. Bisweilen auch wird die gegenwärtige Lage als ein vor­ übergehendes Sich-Verstecken und Sich-Ducken begriffen; das Zitat stammt wiederum aus Theobaldys »Zweiter Klasse«, S. 53: »Weißt du, sagt einer, wie ein Hammerwerfer wirft?/ Er beugt sich nach vorn, zieht die Schultern ein, duckt sich, wartet,/ sam­ melt sich, zwei Drehungen,/ dann / schleudert er den Hammer.« Was erfahren die Lyriker nun in dieser Vereinzelung, wie »individuell« sind nun die sensibel sich nachspürenden Subjekte wirklich? Ich fürchte, die Individualität ist gar nicht sehr indivi­ duell, die Innerlichkeit ist manchmal von der geschmähten alten Innerlichkeit nicht weit entfernt; es finden sich fast schon wieder poetische Standard-Posen. Die Wohnung und die Stehkneipe werden zum neuen Standard-Interieur, und die Zuwendung zu den einfachen Dingen droht in eine neue zarte Ding-Mystik um­ zuschlagen, in eine simplizianische Freundlichkeit gegen Alltags­ dinge, die sich den Gedichten dann leicht als Spannungslosigkeit mitteilt, weil da eigentlich nur aus der Not eine Tugend gemacht und das einfache Leben gepriesen wird, die Dose mit Fisch, die Büchse Ravioli, die Jacke, der Zigarettenautomat. Manchmal denkt man, liest man Gedichte von Theobaldy, Malkowski, Born oder übrigens auch die Gedichte Günter Herburgers, man sei in Franz Werfels »Weltfreund« von 1911 geraten. Ein gemeinsamer Nenner ist in vielen Gedichten gar zu schnell erreicht: Wir sind melancholische Vereinzelte, das Vokabular, mit dem wir uns ver457

ständigen, liegt eigentlich fest, und ein ebenso verdrossenes wie doch vorschnelles Sich-Einrichten in der Perspektivelosigkeit des Alltags ist in den Gedichten auch schon zu spüren. »Das Wort / Stammkneipe -/ es ist nicht das Schlechteste«, heißt es in einem solchen Gedicht; gewiß, aber so kurzatmig und schnell mit einer Pointe gekrönt oder so mäandrierend langatmig wie Kneipenge­ spräche oft sind, erweisen sich dann oft auch die Gedichte, am schlimmsten in Godehard Schramms »Meine Lust ist größer als mein Schmerz«. Wilde Unzufriedenheit, ja vielleicht Selbsthaß wäre ja vielleicht ein Mittel zur Beförderung von radikal subjek­ tiven Einsichten, ja von Einsichten überhaupt, aber ein sanfter Narzißmus, ein sanftes Selbstmitleid zeichnet diese Gedichte viel eher aus, eine illusionslose Romantik, die sich natürlich notfalls auch ganz kodderschnauzig und wegwerfend geben kann, die nur sich selbst sieht und keine Fluchtlinien, kaum eine Richtung ihres Denkens mehr hat, weder nach innen noch nach draußen oder gar in die Zukunft, auch über die kleine In-Group von ähnlich Den­ kenden gar nicht weit hinaussieht. Fast ist man versucht, Hof­ mannsthal zu zitieren: »Frühgereift und zart und traurig« - so präsentieren sich diese lyrischen Ichs vornehmlich, selbststilisiert, selbstgenießerisch, und sowohl politisch (im weitesten Sinne) wie auch sprachlich wie auch in der Strenge der Selbsterforschung und Selbsterfahrung fehlt meist das, was man psychoanalytisch »Durcharbeiten« nennen würde, und gewiß ist damit hier nicht gemeint, daß dies in Begriffen geschehen sollte, für die Lyrik meist nicht der richtige Platz ist. Aber gemeint ist, daß Subjekti­ vität, wenn sie etwas zutage fördern soll, daß Rückzug aufs Ich, wenn er sich in Poesie und Erkenntnis soll rechtfertigen können, erfordert, daß einer mit intellektueller und affektiver Radikalität sich selbst und seiner Situation sich stellt. Stattdessen findet man meist eine selbst schon wieder recht schick halblinke Melancholie, die sowohl vor den Abgründen des eigenen Ichs wie auch vor ei­ ner Analyse der politischen Situation frühzeitig halt macht. Allenthalben ist der Preis einer neuen Einfachheit der lyri­ schen Sprache zu hören, die Ablehnung jeder Kunstmetaphysik ohnehin, auch der Metaphorik, der Chiffren-Sprache und allen 458

hermetischen Sich-Zelebrierens von Lyrik; gerügt wird etwa von Theobaldy auch eine größere Distanz zur Alltagssprache. Aber was immer gegen die Chiffrenseligkeit der Lyrik in den fünfziger und frühen sechziger Jahren zu sagen sein mag, die neue Einfach­ heit erscheint auf weite Strecken wie der Versuch, sich selbst die sprachliche und gedankliche Reflexion auszutreiben und eine neue Naivität zu installieren. Der Versuch, eine neue Unmittel­ barkeit und Mitteilbarkeit zu erreichen, bezieht seine Rechtferti­ gung aus der Absicht, unverstellt und unschematisch zu sehen, zu erleben und zu sprechen. Aber ob nun der Parlando-Ton, auf den man sich weitgehend geeinigt zu haben scheint, die sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten von Erfahrungen beschränkt oder ob die Erfahrungen in einem viel zu engen Horizont gemacht wur­ den, mit viel zu geringer Öffnung für »Welt«, und deshalb zur Stereotypie neigen: Die Gefahr scheint weniger bei einer zu gro­ ßen Ferne zur Alltagssprache zu liegen, sondern vielmehr in einer zu großen Nähe zu ihr, und zwar in einer Nähe zu einer spezifi­ schen Alltagssprache, der nämlich von halblinken Kleingruppen, deren Jargon ihnen eine Verständigung untereinander wieder leicht macht. Es ist viel verstecktes Einverständnis mit imaginären Dialogpartnern, auch mit Lesern in den Gedichten von Theo­ baldy, Schramm, Malkowski, Konjetzky und Kiwus, zum Teil auch in denen von F. C. Delius und Michael Krüger, aber viel zu wenig Überraschung, Abweichung, Spannung in dieser mittelba­ ren Verständigung mit einer Zielgruppe, die zwar kaum direkt angesprochen wird, die aber als eine, deren gleichlautende Erfah­ rungen man fast umstandslos voraussetzen kann, immer zu spü­ ren ist: Jeder einzelne fröstelt, aber es herrscht doch ein einengendes Vorverständnis darüber, was in dieser Situation zu sagen ist und zu wem und wie man es sagen kann. Die Anstrengung ei­ nes Dialogs, das Sich-Abarbeiten an einem Gegenüber - und sei dieses Gegenüber auch eine politische Situation - findet sich sel­ ten, so daß diese Lyrik meist wirkt wie ein Medium der Selbst­ verständigung und Selbstbestätigung einer kleinen Gruppe in aussichtsloser Zeit. Dabei wird noch die Hoffnung hochgehalten, daß man - wie einst im Mai, als man probierte, die Sprache der 459

Arbeiter zu sprechen, weil man ja eine Massenbasis erreichen wollte - doch gerade mit einfacher Sprache ein größeres Publi­ kum erreichen könnte; da »verrät« zwar ein Lyriker voller Ironie über den anderen, daß der im Flugzeug Whisky trinke (wogegen nichts zu sagen ist), dieser andere aber - die alte und die Neue Innerlichkeit reichen sich die Hände-weiß nichts Besseres als die Günter Eichsche Formel, wir sollten Sand im Getriebe der Welt sein, zu zitieren und im übrigen seinen Gedichtband denen zu widmen, »die in den Zügen der Deutschen Bundesbahn zweiter Klasse sitzen, auf den vorderen Plätzen im Kino, für alle, die Stehplatzkarten für die Kurve haben, wo der Abstand zum Spiel­ feld am weitesten ist.« (Theobaldy, S. 75). Das ist kostenlose poetische Menschenfreundlichkeit, eine neue Spielart der Ro­ mantik, man könnte auch sagen, es ist der zur kokett populisti­ schen Anbiederei mißratene Versuch einer Umarmung des Le­ sers. ». . . und ich bin eigentlich froh darüber / nicht einer von de­ nen zu sein / die es nötig haben mit einem Kunstanspruch / auf der Nase herumzurennen« - der Seufzer der Erleichterung von Christoph Derschau in seinem Band »Den Kopf voll Suff und Kino« (Gersthofen 1976, S. 63) bezeichnet vielleicht eine Ex­ tremposition unter den Lyrikern des Neuen Subjektivismus Derschau kommt stark von der amerikanischen UndergroundPoesie und von Bukowski her -, aber von strengen poetischen Verfahren, seien es Strophe und Reim, seien es die Verfahren der Experimentellen Poesie, überhaupt von einem emphatischen Kunstanspruch haben sie sich fast alle abgewendet; was vor­ herrscht, ist eine Art Prosa-Parlando-Gedicht, mit wechselnder Nähe zum Epigramm, zur lyrischen Miniatur, zum erzählenden Gedicht, zur Ballade und zum langen, Umwelt, Gefühle, Stim­ mungen, Erinnerungen und politische Informationen aufneh­ menden langen Gedicht. Dabei vermeidet das »lange Gedicht« gewiß das schnellfertige, gefällige Zu-einer-Pointe-Eilen des kurzen Gedichts, aber die Länge des »langen Gedichts« wie zu­ gleich der Verzicht auf entschiedene sprachliche Stilisierung be­ wirken oft, daß die langen Gedichte wie Gefäße wirken, in die 460

man notfalls alles hineinstopfen kann: Die größere Freiheit, die die Langform einräumt, grenzt auch an Beliebigkeit, Schlamperei und einen geringen Grad sprachlicher Verdichtung. Die Lang­ form macht eigentlich gerade intensive Überlegungen zu einer inneren Dramaturgie des Ablaufs nötig, damit nicht additive Be­ liebigkeit herauskommt, und zugleich hätte im langen Gedicht auch ein stärker reflektierendes Sprechen seinen Platz. Aber die Langformen bei Derschau und Theobaldy, bei Schramm und Konjetzky (und, in Graz vorgetragen, bei Uwe Friesei in dem Gedicht »Olevano«) sind oft nicht viel anderes als eine Lizenz zu einem schweifenden Addieren. Bei Derschau hat das wenigstens noch etwas von programmatischer narzißtischer Anarchie, führt aber sonst meist zu einer Formlosigkeit, innerhalb deren alles be-redet werden kann, zu einem wortreichen Ineinanderblenden der verschiedensten Sphären. Michael Krüger dagegen hat in »Reginapoly« durch einen erzählenden Duktus und eine kon­ zentrierte, durchgehaltene Sprechweise, die weder aus Bequem­ lichkeit noch aus einem intellektuellen Sich-klein-machen-wollen die divergenten Einzelheiten zu einer Großform zusammen­ schlampt, einen Typus vom langen Gedicht entworfen, dem ein längerfristiges Arbeiten an Themen, an Gedanken, an einem Ge­ genüber zugrunde liegt. Seine Gedichte sind von Anschauung wie von kompliziertem Denken gesättigt, und wie er einer der weni­ gen ist, der nicht bloß regressiv-melancholisch seine Situation ge­ nießt, geschwätzig mit zusammengebissenen Zähnen darüber spricht, sondern die Anstrengung der Reflexion, der Organisa­ tion des Gedachten auf sich nimmt, so scheint mir auf dem Gebiet des politischen Gedichts F. C. Delius der einzige zu sein, der in einigen Gedichten des Bandes »Ein Bankier auf der Flucht« we­ nigstens die Anstrengung macht, die Erfahrungen der Subjekte seiner Gedichte mit politischen Situationen zu vermitteln, die Privatheit des Privaten aufzuheben. Eine ziellose Melancholie, die sich auch in Ansehung der stokkigen politischen Situation unseres Moments zu schnell mit sich selbst einrichtet; ein Fühlen, das bisweilen den sauren Kitsch nicht vemeiden kann; eine politische Resignation, für die weiß 461

Gott viel Grund ist, die aber weder viel über sich nachdenkt noch die Chance nutzt, mehr über sich selbst herauszufinden als das, was der generelle Konsens über die Situation des Subjekts - meist eines wieder sehr eng definierbaren Subjekts einer bestimmten intellektuell-soziologischen Gruppe - sagt; eine Sprache, die, was sie an Offenheit, auch Leichtigkeit stellenweise erreicht, oft wie­ der verspielt, indem sie aus Scham, Schlamperei und fehlendem Mut doch wieder nur neue subtilere Sprechschablonen vorweist und dann wirkt, als sei sie wissentlich unter ihr eigenes intellek­ tuelles Niveau gegangen - so stellt sich im Moment die Lyrik der »Neuen Innerlichkeit«, der »Neuen Subjektivität« dar. Daß sie zu subjektiv wäre, ist ihr gar nicht vorzuwerfen, sondern daß sie in einer Situation, die zwangsweise vielleicht aufs Subjekt rück­ verweist, gar nicht subjektiv genug ist. Oder sollte im Innern der Subjekte, die diese Lyrik schreiben, gar nichts mehr und gar nichts anderes los sein? Von einigen wenigen Gedichten Theobaldys, von mehreren Gedichten Krügers, von mehreren Ge­ dichten in dem Band »Grüß Gott ihr Mütter ihr Väter ihr Töchter ihr Söhne« von Paul Wühr abgesehen, der nach Alter und litera­ rischer Intention allerdings nicht zur Gruppe der hier diskutier­ ten Lyriker gehört - von wenigen solchen Gedichten abgesehen, scheint in der neuen Lyrik weniger übers Innere der zeitgenössi­ schen Subjekte zu erfahren zu sein als aus der Prosa von Nicolas Born oder Herbert Achternbusch oder Urs Widmer. Vielleicht ist die Lyrik als angeblich subjektivste, für die Selbstaussprache des Subjekts angeblich besonders geeignete Gattung eher eine Falle, verführt eher zu oberflächlicher Darstellung, fast zum Posieren von Subjektivität als die Prosa, die mehr Zeit, mehr Phantasie und längeren Atem fordert und gibt beim Hinabsteigen in die Klüfte und Brüche des Subjekts.

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Jürgen Theobaldy Literaturkritik, astrologisch Zu Jörg Drews’ Aufsatz über Selbsterfahrung und Neue Subjek­ tivität in der Lyrik

Das Bild, das Jörg Drews von der neueren Lyrik zu zeichnen ver­ sucht, ist lediglich das Bild, das er sich von den Etiketten und Meinungen gemacht hat, die bisher über sie gestülpt worden sind. Selbstverständlich versichert Drews, daß er dies gerade nicht tut, aber das gehört zum Handwerk wie das Schild an der Ladentür. Drews nennt »journalistisch abgefingert«, woran er dann noch einmal herumfingert, und zwar mit der entsprechend unsauberen Methode. Ich möchte sie eine astrologische nennen. Hat der Sterngucker die Tierkreiszeichen erst einmal ausgemacht, braucht er seine Horoskope nur so zu formulieren, daß jeder einen geeig­ neten Teil auf sich beziehen kann. Hat Drews erst einmal eine Namenskette von Lyrikern erstellt, so kann sich bei seinen wei­ teren Ausführungen jeder denken, wer wohl gemeint ist, und wenigstens einer wird wohl auch immer getroffen sein. Wenn Drews doch Namen an Detailkritik heftet und Zitate bringt, stellt er sie entweder in fragwürdige Zusammenhänge oder unter­ schiebt ihnen seine eigene Position. Wo aber hat Drews die Namen her? Aus dem trüben Himmel der Etikette. Drews geht nämlich nicht von der Entstehung und Entwicklung jener Lyrik aus, die er zu kritisieren meint, sondern von »Schlagwörtern«, von den Namen, »die seit 197$« in soge­ nannten »Trendmeldungen« vorkommen. Zwar beteuert er, daß hinter diesen Namen »ganz verschiedene Sprechansätze, ganz verschiedene Konzeptionen vom Verhältnis des Subjekts zur ge­ sellschaftlichen Umwelt« stehen, jedoch gibt er diese Beteuerung nur ab, um sich um jene Verschiedenheiten nicht weiter kümmern zu müssen. Er setzt die neuere Lyrik als gegeben voraus und mo­ gelt sich so um eine Analyse des historischen Prozesses ihrer Subjektivierung herum. Damit begibt er sich der Möglichkeit, die unterschiedlichen Leistungen der einzelnen genannten und erst 463

recht der unerwähnten Lyriker, was deren Innovationsqualität angeht, genauer zu bestimmen. Ich halte das für die Hauptschwä­ che des Aufsatzes, die durch einige richtige Teileinsichten zwar kaschiert, aber nicht aufgehoben werden kann. Überhaupt hätte sich ernsthafte Literaturkritik um die Verschiedenheiten von Sprechansätzen zu bemühen, anstatt Gedichte im Eintopf der »Gemeinsamkeiten« zu einem blassen Brei zu verrühren. Außer­ dem beginnt die Lyrik, über die Drews zu schreiben meint, auch nicht 1975, wie er vermutet, sondern sie wird 1975 erst von der »Messeberichterstattung« und dann von Drews wahrgenommen. Dies läßt eine so zufällige und inhaltlich unausgewiesene Na­ mensliste entstehen, in der Lyriker wie Rolf Dieter Brinkmann, Ludwig Fels, Christoph Meckel oder Johannes Schenk nicht auf­ tauchen und Günter Herburger oder Nicolas Born nur nebenbei gestreift werden. Eine zweite, ähnlich zentrale Schwäche des Aufsatzes liegt darin, daß Drews in seinem unhistorischen Vorgehen auch nicht einmal systematisch nach dem Neuen an der sogenannten »neuen Subjektivität« fragt. Bei Drews’ Auffassung vom Subjekt, die er jenem Etikett unterschiebt, handelt es sich aber gerade um jene Auffassung, zu der ein Teil der jüngeren Lyriker in Opposition getreten ist. Es geht nämlich heute um ein Subjekt als einer sozia­ len Größe, durchdrungen von gesellschaftlichen Widersprüchen, und nicht um ein Ich, für das »politische Geschichte oft nur die Folie abgibt. . ., mit . . . unserem bißchen Leben klarzukom­ men«. Dies aber stellt eine der Leistungen der neueren Lyrik dar, das Subjekt und sein Leben nicht von der politischen Geschichte abzutrennen, und genau dies unterscheidet sie auch von jeder Art von Innerlichkeit, ob man sie, wie Drews, die »alte« oder die »Neue« nennt, Hilfsbegriffe übrigens, die Drews beide nicht er­ klärt. Immerhin erfährt man, daß sich, wenn ich Günter Eich zi­ tiere, »die alte und die Neue Innerlichkeit . . . die Hände (rei­ chen)«. Nach Drews ist also Eichs Forderung, »Sand, nicht das öl im Getriebe der Welt« zu sein, eine Forderung der Innerlich­ keit, und zwar der »alten«, weil es sich, wenn ich sie zitiere, um eine Forderung der »Neuen« Innerlichkeit handelt. Offenbar be­ 464

deuten für Drews die Unterschiede zwischen beiden ein Genera­ tionsproblem. Hier wird es natürlich ganz bodenlos, und wir wa­ ten im Schlamm schwammigster Begrifflichkeit. Hier macht Drews genau das, was er zu beklagen vorgibt, er »fingert« Be­ griffe »journalistisch ab«, bevor er sich um eine gründliche Klä­ rung ihrer Inhalte bemüht hat. »Die Erfahrungen und Erlebnisse, von denen die Rede ist, sind nicht unteilbar jene eines einzelnen, sondern tendieren ge­ rade dahin, teilbar zu sein: für eine Gruppe, eine Generation, eine Klasse«, sagt Hugo Dittberner 1975 in einem Aufsatz über »eine neue Tendenz in der Lyrik«. Und so schrieb Rolf Dieter Brink­ mann, wenn er über sein beschädigtes Leben schrieb, zugleich über das der westlichen kapitalistischen Gesellschaften, sonst wäre sein nach außen gerichtetes, von Konsumreizen bedrängtes Ich gar nicht erklärbar. Daß ihm hierbei die Deformation persön­ lich, nicht privat, wurden, ist gerade das, wogegen er revoltierte und wogegen sich viele auflehnen, die derzeit im Gedicht »ich« sagen. Drews jedoch bleibt völlig der alten bürgerlichen Auffassung vom Ich verhaftet, wonach das Ich als ein autonomer Körper in welchen Stürmen auch immer erscheint, als ein monolithischer Block mit »Klüfte(n) und Brüche(n)«, angesiedelt oder so dahin­ treibend auf der geschichtsabgewandten Seite der Erde. Nur in diesem Zusammenhang kann Drews die Zeilen von Malkowski zitieren: »Aber ich weiß auch,/ daß niemand mir abnimmt, mich zu erleben./ Also gestatte ich keinem,/ für mich zu sprechen.« Diese Zeilen enthalten nämlich gerade nicht das Neue an der so­ genannten »neuen Subjektivität«, sie enthalten bloß ein Stück al­ ter bürgerlicher Weltanschauung. Heute aber geht es genau um das Problem, daß jene, die in unserem Namen sprechen, sich ei­ nen Deut darum scheren, ob ein lyrisches oder empirisches Ich ihnen dies >gestattetSensibilisierten< (Theobaldy), die in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre aus politischer Ein­ sicht eine »Hoffnung auf Solidarität« entwickelten und eine Teil­ habe an praktischer Veränderung möglich werden sahen, wo er also den »Glauben an eine politische Perspektive« bei diesen Wachgewordenen abhanden kommen sieht und als Folge davon eine »unfreiwillige Rückkehr in die Vereinzelung« wahrnimmt. Drews verkennt völlig, daß gerade diejenigen, die das Scheitern der sogenannten Studentenbewegung, den vergeblichen Anlauf »zu Organisationen solidarischen Handelns«, als dem Ansatz­ punkt gesellschaftlicher Veränderung, sehr bewußt erfahren ha­ ben, sich eben nicht zurückverwiesen meinten »auf die Tatsache«, 480

daß jeder »nun wieder allein seinem Ich gegenüberstand«. Son­ dern die »traurige Erfahrung«, daß der Aufbruch zu alternativen Gehalten und Formen politischer Theorie und Praxis von außen so massiv niedergedrückt und vom Inneren der Kristallisations­ punkte her so weitgehend zerbröckelt wurde, hat gerade den Re­ flektierten die Anstrengung aufgezwungen, die nicht einfach auf das »Ich« gerichtet ist: sich in der Theorie genau über die ge­ schichtlich-politischen Gründe repressiver Toleranz< oder offe­ ner Repression und über das Unzureichende der eigenen Ein­ sichten klarzuwerden und dabei in der eingeschränkten Praxis die Diskussion mit ähnlich Denkenden zu suchen. Daß dies zu einer stellenweise theoretisch und organisatorisch verhärteten »Selbst­ verständigung« innerhalb von »Kleingruppen« geführt hat, ist politisch zweifellos bedenklich, aber es signalisiert nicht einfach und überall eine politische »Resignation« und »Vereinzelung«. Vielmehr bedeutet es bei den kritischen Köpfen - zur politischen Kritik gehört die präzise, nicht nach innen gekehrte Selbstkritik - die Bemühung, sich der Erfahrung alltäglicher Wirklichkeit auszusetzen, um diese Realität erkennend zu durchdringen und aus Einsicht mögliche Perspektiven politischen Denkens und Handelns herauszubilden. Daß dies heute sehr viel zögernder, gebrochener geschieht als in den Jahren der >Studentenrevoltekritischen In­ tellektuellen« sich den Bedürfnissen und Erlebnissen der >Masse der Bevölkerung« weniger abstrakt und besserwisserisch zu nä­ hern und ihre theoretischen Anstrengungen genauer auf die wahrnehmbare Alltagswirklichkeit unserer Gesellschaft zu be­ ziehen versuchen. Die Theorie-Debatten über Ökologie, Ener­ giehaushalt, Bodenreform und Wohnversorgung, Medizin, Rol­ lenverhalten usw. einerseits und die verschiedenen Bürgerinitia­ tiven andererseits belegen dies. Indem also Drews das Verschwinden spektakulärer Aktionen größerer Gruppen und das reflektiertere, weniger spontaneistisch aufgeladene Denken der politisch >Sensibilisierten< mit dem Rückzug aufs »Ein­ zige . . ., womit wir uns jenseits aller Parolen in den nächsten zwanzig bis vierzig Jahren mit Sicherheit werden herumschlagen 48

müssen, . . . unser eigenes Ich«, mit einer schlichten Rückwen­ dung zum nun mal vorhandenen Subjekt gleichsetzt, betreibt er tatsächlich mit das Geschäft der Trendmelder und Modenmacher. Seine Kritik ist da nicht hilfreich, weil sie oberflächlich und unge­ nau vorgeht. Insofern hat Theobaldy mit seiner Abkanzelung schon recht - was den allgemeinen politisch-geschichtlichen Hin­ tergrund für die Entwicklung neuerer Lyrik in den letzten zehn Jahren angeht. Aber die Frage ist doch - und die kann man bei einigem guten Willen aus Drews’ Aufsatz herauslesen -, ob »die neuere Lyrik« jene politisch bestimmten Erfahrungen und Erlebnisweisen der »Sensibilisierten« auch wirklich ausdrückt, ob die politisch be­ stimmte Sensibilisierung der schreibenden Subjekte wirklich in den Texten erscheint, und zwar bis in die literarisch-handwerkli­ che Form hinein. Mit seinen Antworten auf eben diese Frage ver­ fährt Theobaldy noch weit großzügiger, pauschal unterstellend und obenhin verallgemeinernd, als er es Drews vorwirft. Denn Theobaldy setzt schlicht, ohne den leisesten Verweis auf die Texte selbst, die allgemeine politische Erfahrung und die »neue« Erlebnisweise einer Vielzahl von Gedichtschreibern mit dem gleich, was die Texte tatsächlich enthalten. Gewissermaßen als mache die vorauszusetzende, generelle Absicht der Autoren es überflüssig, die »Leistungen der neueren Lyrik« an den Gedich­ ten nachzuprüfen. Vermutlich meint Theobaldy es nicht so, aber seine Antwort auf Drews weckt den unguten Anschein, er meine es just so. Wenn Theobaldy als eine der wesentlichen »Leistungen« je­ ner neueren Lyrik ansieht, »das Subjekt und sein Leben nicht von der politischen Geschichte abzutrennen«, und wenn er diese ei­ gentlich »neue« Art der Subjektivität als Unterscheidungsmerk­ mal gegenüber »alter Innerlichkeit« in Lyrik verwendet wissen will, dann ist immer noch und gerade zu untersuchen, wie diese richtig verstandene neue Wendung zum Subjekt denn in be­ stimmten gemeinsamen Zügen der Gedichte erscheint. Ob sie dem von Theobaldy allgemein formulierten Anspruch nach­ kommt oder ob sie auch Tendenzen enthält, die das politisch und 482

literarisch »Neue« an dieser Subjektivität fragwürdig, ja womög­ lich unglaubwürdig werden lassen. Derartiges Fragen hat nichts mit einer akademischen Stillegung des Politischen an den Texten zu tun. Soll auch nur ein Rest von »Kunstanspruch« mit den Tex­ ten an sie erhoben sein, gehört die unerbittliche Prüfung ihrer »Leistungen« zum literarischen Handwerk, hat sie ein Teil jener Sensibilisierung zu sein, deren politischen - potentiell politischen - Charakter Theobaldy zu Recht festhalten will. Und dazu, meine ich, hat Drews einige Fragen gestellt, die zwar präzisiert werden müssen und in einen veränderten Zusammenhang geho­ ben, die man aber nicht einfach als »einige richtige Teilansichten«, welche die »Hauptschwächen« des Aufsatzes nur »kaschieren«, auf den Kehricht einer bürgerlichen Literaturkritik< werfen kann. Drews bemängelt an der Lyrik, die er unter >Neuer Subjekti­ vität«, zusammenrafft, sie habe fast schon wieder »poetische Standard-Posen« erreicht, zum Beispiel mit einem »neuen Stan­ dard-Interieur«, den alltäglichen Gegenständen und den alltägli­ chen Orten einer Welt der gewöhnlichen Leute«. An der Beob­ achtung ist etwas dran, aber sie verbleibt zu ungenau: Nicht das Erarbeiten eines literarischen Standards« von Gegenständen und Ausdrucksweisen ist gleich vom Übel, schon gar nicht liegt darin bereits eine Annäherung an die »alte Innerlichkeit«. Vielmehr kommt es auf die Verwendung der «Standards« an. Und da er­ kenne ich in vielen Gedichten, die Theobaldy der eigentlich neuen Subjektivität zurechnet (ich verzichte hier darauf, die Mehrzahl der Autoren aufzuzählen, die Theobaldy in seiner neuen Antho­ logie «Und ich bewege mich doch« - München 1977 - versam­ melt), eine fatale Ding-Magie: Es werden vielfach die Gegen­ stände, das Milieu, ja die Menschen der Alltagswelt nur noch zitiert, so als verbürge die bloße Nennung von Realitätsbestand­ teilen, die bisher aus Lyrik zumeist ausgeklammert wurden, schon eine «Sensibilität« für die alltägliche Wirklichkeit. Bei Rolf Dieter Brinkmann hatte das hastige, immer weiter eilende Auf­ zählen von Wahrnehmungen einer »unliterarischen«, nicht poe­ tisch vorgestanzten Umwelt oft noch etwas vom fast fiebrigen Tasten dessen, der sich in der deformierten, verletzenden Wirk483

lichkeit nicht einrichten kann und der sich wenigstens mit der Re­ gistrierung dieser Verletzungen seiner Erlebnisfähigkeit noch vergewissern will (vgl. etwa den Schluß des Gedichtes »West­ wärts«, das Theobaldy auch in seiner Anthologie abdruckt - dort S. 30 »Der Aufwischneger bringt Bierdosen / & dann fing ich noch einmal mit der Zeile an, / Auf einmal, da war ich, an dieser Stelle, / in meinem Leben.«) In allzuvielen Texten der hier be­ sprochenen Lyrik des letzten Jahrzehnts hat man sich bei den Gegenständen und Situationen einer unbeschönigten, »gewöhn­ lichem Umwelt ganz gut eingerichtet, man signalisiert, sie benen­ nend: Seht, ich mache mir den Alltag nicht fürs Gedicht zurecht, ich nehme ihn mit seiner Brutalität, Schäbigkeit, seinen beschei­ denen Vergnügen und den Zeichen einer unauffälligen Solidarität in den Text hinein. Allzuoft gerät aber dieses Hineinnehmen zum bloßen Wiedergeben, zum Hersagen - das dann, wie Drews ziemlich treffend bemerkt, leicht in »additive Beliebigkeit« führt. Als Beispiel greife ich eine Passage aus Nicolas Borns Gedicht »Bahnhof Lüneburg, 30. April 1976« heraus (mit den Beispielen wird weder unterstellt, eine solche Tendenz mache das Neue der »Neuen Subjektivität« aus und könne durchgängig als Erken­ nungsmerkmal dienen, noch auch, alle Gedichte eines Autors seien davon gekennzeichnet; die Beispiele können nur als not­ wendig sehr eingeschränkte Verdeutlichung eines gemeinsamen Zuges bei vielen Texten vieler, im übrigen sehr unterschiedlich schreibender Autoren dienen): »Der Kellner nimmt mir die Tasse weg die noch nicht leer ist. Eine Frau raucht mit gespreizten Fin­ ger. / Daß sie so früh daran denkt die Finger zu spreizen. / Als sie gähnt, wölben sich ihre Brüste stark hervor. Leere Streich­ holzschachtel auf dem Tisch, Zellophan / und Silberpapier. Das Wasser rauscht im Spülbecken.« (Theobaldy (Hrsg.): Und ich bewege mich doch . . ., S. 151) Eine Alltagswelt - freilich allemal vor-gewählt, literarisch aufgearbeitet - wird im Text abgebildet, als sei den Dingen und Menschen, den Erscheinungen ihr wider­ spruchsreicher politischer Charakter gleich anzusehen, als müsse der gesellschaftliche »Alltag« nicht erst durchdrungen werden, um die Widersprüche in den Text zu übersetzen. In der »Nachbemer­ 484

kung< zu seiner Anthologie schreibt Theobaldy, die dort vertre­ tenen Lyriker hätten die Möglichkeit »überhaupt erst herge­ stellt«, den Abstand »zwischen Erlebnis und Gedicht . . . gering zu halten, das Gedicht an seinen Gegenstand heranzuschieben, es ihm auf den Körper zu schreiben«. (S. 221) Darin erkenne ich die Bestätigung der schlechten Unmittelbarkeit zu den Gegenstän­ den; sie will die Mitteilung der erfahrenen gesellschaftlichen Wi­ dersprüche von den hereingeholten Gegenständen und Situatio­ nen mit deren nahegebrachter Erscheinung verbürgt sehen. Aber die Erscheinung verhüllt gerade die Widersprüche - wie wäre sonst wohl das Bewußtsein der Mehrheit der Bevölkerung in un­ serer Gesellschaft zu erklären? Das Durchdringen der Erschei­ nung, auch wenn es nicht im Kontext von Theorie, sondern von literarischer Produktion geschieht, kostet Anstrengung. Dies liegt nicht an einem unzulässigen ästhetischen Anspruch, sondern andern »ideologischen Charakter« der wahrnehmbaren Realität selbst (Alexander Kluge), der durchstoßen werden muß, für die allergewöhnlichste Wirklichkeit nicht weniger als für eine sich außerordentlich gebende. Diese Anstrengung schenkt man sich allzuoft bei den Lyrikern, um die es hier geht, beim ja so nötigen Hinwenden zum Alltäglichen. Man betrügt den Leser dann zu leicht mit der Scheinhaften Unmittelbarkeit zum Alltag um den wirklichen gesellschaftlichen Gehalt eben dieses Alltags. Etwas Entsprechendes ist von der Tendenz zu sagen, Um­ gangssprache in die Texte eingehen zu lassen. Die Gefahr liegt weniger darin, daß die aufgenommene Umgangssprache dieje­ nige von »halblinken Kleingruppen« wäre, wie Drews meint. Vielmehr macht den bedauerlichen politischen Irrtum des ästhe­ tischen Verfahrens aus, daß man vorgibt, mit der Verwendung, dem Reproduzieren eines alltäglichen Sprachgestus schon das ge­ sellschaftlich Wirkliche des Erlebten, Erfahrenen an den Leser zu übermitteln. Theobaldy erklärt: »Worum es geht, ist, daß die Sprache, in der sich die Lyrik derzeit organisiert, eine der persön­ lichen Erfahrung ist, ein Widerstand gegen die Massenmedien, Wirtschaftsverbände, Parteien und Ministerien mit ihren ver­ stümmelnden, wirklichkeitsverzerrenden und synthetischen 485

Produkten.« (Nachbemerkung, S. 223) Aber die entschleiernde Wahrheit der persönlichen Erfahrung ist im Gedicht nicht da­ durch besser herzustellen, daß man daherredet, wie es einem ge­ rade in den Sinn kommt. Nochmals: Durch den allzu lässigen Gestus des Widergebens wird der gesellschaftliche Gehalt um­ gangssprachlichen Redens gerade um seinen verdeckten wider­ sprüchlichen Charakter gebracht, der darin besteht, daß sich auch und besonders in der Alltagssprache das Ideologische - undurch­ schautes, >notwendig falsches« und wahr zeugendes Bewußtsein - mit dem Ausdruck wirklicher, treffender und betroffener Wahrnehmung so dicht vermischt. Auch hier gehört Anstren­ gung dazu, das Realistische an der Realität sichtbar zu machen, andernfalls verdoppelt man literarisch nur den Schein der Reali­ tät. Viel zu oft kann ich in dem angeblich umgangssprachlichen Ton von Lyrik aus dem letzten Jahrzehnt nur Nachlässigkeit, ja Schludrigkeit erkennen, zum Beispiel am Schluß von Theobaldys »Samstag-Gedicht«: »Keiner, für den ich gestern demonstriert habe / besitzt eine Badewanne / aber das ist kein Argument dafür / das Klosett ins Badezimmer zu bauen / oder die Miete zu erhö­ hen. / So wie es auch kein Argument dafür ist / den Teller leer zu essen / weil die Menschen in Indien hungern.« (Blaue Flecken, Hamburg 1974, S. 31). Der Schlampigkeit der Sprache, die hier bis zur grammatischen Verwirrung reicht, entspricht die trostlos undialektische Stellungnahme zum Verhältnis von individuell er­ fahrener Armut und vorhandenem gesellschaftlichen Reichtum. Theobaldy behauptet in seiner Replik auf Drews, die neue Wendung zum Subjekt bedeute »einen Schritt nach vorn«, weil »die gesellschaftlichen Widersprüche sowohl als politische wie als persönliche erlebt werden«. Um ein Gedicht zu schreiben, reicht es aber nicht hin, die gesellschaftlichen Widersprüche derart zu »erleben«, man muß sie im Text selber faßbar machen. Das aber vollzieht sich nicht sicherer durch eine möglichst »unartifizielle«, geschwinde Schreibe, denn »Sensibilität« und »Unmittelbarkeit des Erlebnisses« sind ihrerseits von den Widersprüchen durchzo­ gen, die sich nicht sozusagen von selbst im Hingeschriebenen do­ kumentieren. Ich vermisse in allzuvielen Texten der hier erörter486

ten Lyrik das Durcharbeiten auch der sprachlichen Form, der ästhetischen Organisation. Daß die damit ausgesprochene For­ derung keineswegs bedeutet, es sei zu einer höchst artifiziellen, weit von allem Umgangssprachlichen entfernten Ausdrucksweise und Organisationsform zu gelangen, müßte spätestens seit Brechts Aufsatz »Über reimlose Lyrik mit unregelmäßigen Rhythmen« selbstverständlich sein. Gerade dieser Aufsatz zeigt, daß Lyrik noch nicht durch das Verteilen alltäglicher Prosa auf »gebrochene Zeilen« die Antagonismen im Alltäglichen auch dar­ zustellen vermag. Die Alternative heißt also nicht: entweder Ele­ mente und Duktus der Umgangssprache in den Gedichten oder hermetischer »»Monolog«, »Chiffre« (Theobaldy, Nachbemer­ kung, S. 223). Sondern die Frage hat zu lauten: Wie ist »einfaches Sprechen«, das dem umgangssprachlichen nahebleibt, so litera­ risch zu organisieren, daß es noch in der Erscheinungsform des Textes die mit-gesprochenen, wesentlichen Spannungen zutage treten läßt? Mit der Nachlässigkeit des literarischen Durchgestaltens geht oft, allzuoft in den Gedichten der »Widerstand« formulierenden Lyriker eine schlimme Simplifizierung und Voreiligkeit des dezi­ diert politischen Gehalts einher. Ich will hier nur eine Form sol­ chen Widerspruchs zu den Verhältnissen, der sichs zu leicht macht, kurz anführen: die billige, gelegentlich geradezu verächt­ liche Denunziation alltäglich-politischer Erscheinungen und Verhaltensweisen. Das manchmal höhnische Besserwissen und Anschwärzen wird gern mit epigrammatischen Pointen vorge­ tragen: »Seine Frau bleibt nüchtern / sie haben einen Wagen / er arbeitet mit Computern / das erklärt sein fehlendes Gehirn.« schreibt Ludwig Fels vom »Partygast« (Ernüchterung, Berlin und Erlangen 197$). Nichts gegen Unmut, Zorn, ja Wut - aber wo sie sich auf »die da« richten, die wissenden oder unwissenden Handlanger des Systems wie auf die einzeln Schuldigen statt auf die solche Menschen und Verhaltensweisen erzeugenden Zwänge, dort droht wieder einmal die Charaktermaske mit dem verwechselt zu werden, was sie nur personifiziert. Der Unter­ schied zwischen überheblicher Denunziation und scharfer, scho­ 487

nungsloser Kritik hat nichts mit einem Mehr oder Weniger an Kraft des Widerspruchs zu tun, wohl aber mit der Genauigkeit und Eindringlichkeit dieses Widerspruchs. Äußerste Genauigkeit ist auch hier vom Gedicht zu fordern - innerhalb seiner Aussage­ form denn die Glaubwürdigkeit der »Sensibilität« hängt daran. Daß diese Glaubwürdigkeit eine politische ist, erweist sich zum Beispiel auch an Theobaldys Vorwurf gegen Drews von der »al­ ten bürgerlichen Auffassung« vom Subjekt. Solche Überheblich­ keit tut so, als sei das »andere«, das »nicht bürgerliche« Subjekt in dieser Gesellschaft schon längst konstituiert, als wäre nicht eben die Bewußtwerdung des Subjekts der Geschichte innerhalb unse­ rer spätbürgerlichen Praxis das entscheidende Problem, nicht erst seit Lukäcs und heute erst recht. Wer damit die Illusion nährt und dann noch innerhalb des weiß Gott nach wie vor bürgerli­ chen Kulturbetriebs -, mit der Bewußtseins-Opposition zu den »bürgerlichen Subjekten« und deren Verhältnissen, in denen man ja lebt, wäre das »neue Subjekt« schon gebildet, der läuft Gefahr, der allgemeinen Abschaffung von Identität zuzuarbeiten, die den Nutznießern unserer Gesellschaftsform gerade recht ist (womit wiederum beileibe nicht gesagt sein soll, Identität sei unter den bestehenden Verhältnissen nur als »bürgerliche« überhaupt mög­ lich: hier müßte man über Praxis, Öffentlichkeit und Organisa­ tion reden). Übrigens ist auch nichts gegen Pointen und epigrammatische Zuspitzung einzuwenden. Nur gibt es eine schlechte Tendenz in der politisch sensibilisierten Lyrik des letzten Jahrzehnts zur schnellen Pointe, die bald nur noch den Genuß an der fixen For­ mulierungskunst enthält. Viel zu oft entsteht der Eindruck, ei­ gentlich käme die böse Realität den Gedichtschreibern sehr zu­ paß, weil sich ihr so schön »entlarvende« Pointen abgewinnen lassen. Dieser Eindruck, daß man insgeheim die attackierten Ver­ hältnisse ganz gut brauchen kann, weil sie den Stoff für empfind­ liche, widersprechende Lyrik hergeben, hängt mit dem zusam­ men, was Drews sehr ungenau »eine selbst schon wieder recht schick halblinke Melancholie« nennt. Präziser wäre danach zu 488

fragen, wie die Erfahrung, mit realer politischer Ohnmacht in den gesellschaftlichen Prozessen leben zu müssen, durch die Gedichte mitgeteilt wird. Die Tatsache, daß eine Perspektive auf verän­ dernde Praxis für die >Neue Linke< so weit verlorengegangen ist, soll wahrhaftig nicht überspielt werden. Aber viel zu viel an der hier besprochenen Lyrik scheint zu signalisieren, daß die »Per­ spektive« des »Widerstands« gegen die »Unzulänglichkeit der Welt« (Theobaldy) aus der Klage selbst entspringe. Günter Her­ burger hat diese Haltung bereits wieder reflektiert, etwa in sei­ nem Gedicht »Blick aus unserem Fenstere »Warum werfe ich mir vor, fühle ich mich / immer wieder heimisch im Verlust, / statt Täuschungen als Waffe zu benützen? / Damit die ausgesandten Zweifel / Absicht und Wirklichkeit zusammenzwingen, / der Übermut zu schmecken beginnt, / wir nicht mehr früh verza­ gen?« (Ziele, Reinbek 1977, S. 71). Aber auch da noch etwas vom Gestus der Resignation, dem sich das Gedicht allererst verdankt und der sich das Unvermögen der selbstproduzierten Überwin­ dung bescheinigt. Es gibt wahrlich Grund genug zur Trauer, und sie soll nicht verschwiegen werden. Aber wenn sie zu rasch mit ihrer lyrischen Produktivität zufrieden ist, im Gedicht, wird sie zu literarischer Koketterie, statt zum Aufschein politischer Sen­ sibilität des Subjekts. Ich halte die Lyrik der politisch wachen >neuen Subjektivität für etwas vom Wichtigsten, was im letzten Jahrzehnt in der Lite­ ratur der Bundesrepublik entstanden ist. Eben deshalb ist scharfe Kritik am Platze: Ich sehe bei so verschieden denkenden und schreibenden Lyrikern wie etwa Ursula Krechel und Ludwig Fels, Nicolas Born und Jürgen Theobaldy, Karin Kiwus und Günter Herburger eine ganze Menge von gemeinsamen Zügen, die gerade das zu verhindern drohen, was zu >leisten< wäre: die Wahrnehmung des Subjekts als »durchdrungen von gesellschaft­ lichen Widersprüchen« auch wirklich in den Texten darzustellen, bis in die literarische Erscheinungsform. Allzuviel dieser Lyrik macht es sich mit sich selbst - und das heißt: mit dem Erleben auch des persönlichen Geschehens als einer politischen Sphäre gar zu leicht, mutet sich die Anstrengung des Begreifens und des 489

literarischen Gestaltens nicht zu. >Widerstande muß, im Gedicht, auch als ästhetisch bewirkter vorhanden sein. Daß Jörg Drews, obwohl er den geschichtlichen Kontext der Sensibilisierung für die Gedichtschreiber verfehlt, dennoch mit seiner Kritik oft Schwächen der Erscheinung dieser Lyrik annähernd trifft, liegt eben daran, daß so viele Texte den Anspruch zu wenig einlösen, den Theobaldy sehr pauschal als ihre »Leistung« reklamiert. Am Ende ist noch einem falschen Verdacht vorzubeugen: Wenn ich >Anstrengung< des Begreifens und Gestaltens fordere, heißt das nicht, ich wollte der literarischen Produktion die Phan­ tasie ausgetrieben wissen, ihr >Spontaneität< verbieten. Aber auch Phantasie und Spontaneität sind nichts Fertiges, abgetrennt von Prozessen bewußter Veränderung. Daher muß man verlangen: mehr Phantasie! Aber eine geschärfte, präzise Phantasie, die den Scheinhaften Charakter der Realität zu durchschneiden vermag und der nicht die schlechte Realität selbst wieder nur »zu Reizen wird«. Daß die Tätigkeit der Phantasie eine bestimmte und ge­ rade literarisch entscheidende Art von Arbeit ist, sollte man nicht mit einem Hinweis aufs Psychologische dieser Begrifflichkeit verächtlich machen. Wer genaue, höchst geschulte und hand­ werklich durchgebildete Arbeit - wie der Phantasie, so der analy­ tischen Erkenntnis und des Kunstverstandes - für die literarische Produktion nicht verlangt, der kann mit der nichtigen Absichn nicht entschuldigen, was an den Texten unters Urteil schlecht ge­ macht fällt. Dieses Urteil meint, richtig angesetzt, keineswegs nur die ästhetische Oberfläche, sondern mit der Erscheinungs­ form den politischen Gehalt der Texte - Brecht hätte schlicht ge­ sagt: den Gebrauchswert. Er formulierte dazu (Über reimlose Lyrik mit unregelmäßigen Rhythmen, Gesammelte Werke 19, Frankfurt 1967,8.402): »Der Beweis der Güte des Puddings liegt eben im Essen.«

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Jörg Drews Antwort auf Jürgen Theobaldy Was ich unter der Überschrift »Selbsterfahrung und Neue Sub­ jektivität« zur Diskussion stellte, war nicht ein Aufsatz, sondern es waren polemische Anmerkungen, fast Thesen. Daß sie zu dif­ ferenzieren und argumentativ ausführlicher zu belegen wären, weiß ich auch. Aber Theobaldy antwortet darauf nicht weniger pauschal und noch viel polemischer; obendrein mit Unterstellun­ gen, die - wollen wir einmal annehmen - auf einer ungenauen Lektüre meiner Anmerkungen beruhen. Das beginnt damit, daß er nicht sehen will, daß diese Anmerkungen von der Tatsache ausgehen, daß die »neuere Lyrik« erst ab etwa 1975 auf öffentli­ che Aufmerksamkeit in größerem Maße stieß - nirgends habe ich behauptet, es gebe sie erst seit 1975, auch wenn ich nicht den »hi­ storischen Prozeß« ihrer Entstehung nachgezeichnet habe. Und es endet damit, daß er den Begriff des »Durcharbeitens« bzw. den des »Sich-Abarbeitens« der Terminologie der Psychiatrie zuord­ net, obwohl er doch wissen könnte, daß dies Termini der Psy­ choanalyse bzw. einer Denktradition sind, die von Hegel zu Adorno reicht (und die ich, nebenbei bemerkt, für verbindlicher und auch menschenwürdiger halte als die Denktraditionen der Psychiatrie). Aber ich will es kurz machen, nicht mit Details von Theobaldys Replik rechten, vielmehr an einige seiner Sätze an­ knüpfend sagen: 1. Theobaldy behauptet, 6s stelle »eine der Leistungen der neueren Lyrik dar, das Subjekt und sein Leben nicht von der po­ litischen Geschichte abzutrerinen«. Er stellt als Leistung dar, was -von Ausnahmen abgesehen - leider eher ein Programm ist, bei dem er auch nicht angibt, welche Lyriker dies denn nun erfüllt hätten. Das Programm ist mir klar; das Gesetz, unter dem sie an­ getreten, fordert sicher, daß da nicht mehr einer sein »privates« Ich vorwölben soll mit dem Anspruch, er spreche mehr als nur Privates aus. Aber wenn es heute in der Lyrik wirklich um das »Subjekt als eine soziale Größe« gehen soll, so konstatiere ich, 491

daß mir das eben intellektuell ungenügend, nicht scharf, nicht dialektisch genug realisiert ist, und daß diese sozial vermittelten Subjekte einander zum Teil so verflixt ähnlich sind, daß ihre Ge­ dichte untereinander schon fast austauschbar geworden sind. 2. Berechtigte Depression und uniformer Mißmut liegen in der »neueren Lyrik« nahe beieinander, umso mehr, wenn Erfah­ rungen uns in der Tat nicht mehr nur als einzelne, sondern als »eine Gruppe, eine Generation, eine Klasse« treffen. Aber wenn nur von Erfahrungen gesprochen wird oder gar soll gesprochen werden dürfen, die ich als Gruppen-, Generations- und Klassen­ subjekt mache, dann pfeife ich auf die Neue Subjektivität. Denn meine Existenz geht bei aller Einsicht in die Vermitteltheit indi­ vidueller Existenz und bei aller Solidarität nicht auf in diesen übergreifenden Gruppen und Oberbegriffen, und die Existenz anderer interessiert mich, gerade als Leser von Lyrik, vor allem dann, wenn sie ebenfalls nicht einfach in Gruppenbegriffen und -erfahrungen aufgeht. Das mag man eine »bürgerliche Auffas­ sung von Ich« schelten, aber zu der bekenne ich mich dann noch eher, als daß ich mir einbilde, sie - wie Theobaldy offenbar von sich glaubt - schon hinter mir gelassen zu haben. Auf der »ge­ schichtsabgewandten Seite der Erde« wohne ich sicher nicht, aber an die gesellschaftliche Determiniertheit aller Widersprüche, aller »Klüfte und Brüche« in meinem Ich glaube ich auch nicht, und ich kann nur hoffen, daß auch das nach-bürgerliche Ich solche Er­ fahrungsmöglichkeiten in sich hat, sonst hat es nämlich eine Di­ mension nicht mehr, in der Widersprüche spannungsreich und fruchtbar auszutragen sind. Behaupte doch keiner, daß er sein Leben immer nur vermittelt durch und durchdrungen von poli­ tisch-gesellschaftlichen Umständen erfährt; weil mir solche Be­ hauptung unwahrhaftig erschiene, habe ich konstatiert, daß die politische Geschichte oft von uns allen nur als die Folie unseres individuellen Lebens erfahren wird. 3. »Worum es geht, ist, daß die Sprache, in der sich die Lyrik derzeit organisiert, eine der persönlichen Erfahrung ist, ein Wi­ derstand gegen die Massenmedien, Wirtschaftsverbände, Par­ teien und Ministerien mit ihren verstümmelnden, wirklichkeits492

verzerrenden oder synthetischen Produkten«, schreibt Theobaldy in seinem Nachwort zu der Anthologie »Und ich bewege mich doch . . .«, München 1977, S. 223. Das benennt aber noch kein Specificum der »neueren Lyrik«, denn gegen die standardi­ sierte Sprache aller Arten von Macht- und Meinungs-Verwaltung hat die Dichtung immer schon Einspruch erhoben, und die Kraft solchen Einspruchs ist nicht etwa dadurch schon garantiert, daß da ein Ich aufgrund »persönlicher Erfahrung« spricht, insbeson­ dere wenn das Persönliche nur in der Ich-Aussage und nicht auch in einer Sprache steckt, die sich wirklich der Uniformität entzieht. Wenn der einen Standardisierung das standardisierte Jammern entspricht, dann ist das ein Indiz dafür, daß die Kraft des Wider­ spruchs geschwunden ist. 4. »Wo dies (die Überprüfung, das Anzweifeln, die neue Be­ stimmung des Verhältnisses zwischen Innen und Außen) ohne Unerbittlichkeit geschieht, erhalten wir Tendenzdichtung oder Kunstgewerbe« - so Theobaldy, nochmals aus dem Nachwort zu »Und ich bewege mich doch . . .«. Ebendiese Unerbittlichkeit bezweifle ich bei vielen Produkten der Neuen Subjektivität. Auch beim Widerspruch, in bitteren Genrebildern und melancholi­ schen Idyllchen kann man es sich bequem machen (das Stichwort »Kunstgewerbe« hat Theobaldy in die Diskussion gebracht). Und dann sind psychoanalytische bzw. psychologische Begriffe wie »regressiv-melancholisch« oder »narzißtisch« eventuell durchaus am Platz, als Kritik an einer dubiosen neuen Einfach­ heit, die, fürchte ich, in der Lyrik allerdings so einfach nicht zu haben ist. 5. Eine neue Gefühligkeit, bei der die Gedichte von Rainer Malkowski gar nicht so weit von denen Theobaldys, Karin Kiwus’oder Borns entfernt sind, wie es Theobaldy gern hätte, sehe ich als Gefahr, eine neue Leichtigkeit sehe ich als Chance für die Lyrik. Es gibt bei Theobaldy (»Abenteuer mit Dichtung«), bei Ursula Krechel (»Nach Mainz!«), bei Ralf Thenior, Nicolas Born und Günter Herburger Gedichte, die über die uniform-melan­ cholische Zustandsbeschreibung hinausgehen und Beispiele einer offenen, gelösten, anarchischen Sprechweise sind, Entwürfe von 493

ausbrechendem Übermut und Respektlosigkeit, wo das Ich sich nicht nur in resignativer Selbststilisierung bescheidet, und diese Gedichte sind Theobaldys Ziel viel näher, »aufzustacheln zu ei­ nem intensiveren, unerschrockeneren Leben, damit es nicht end­ gültig vor den Silhouetten von Atomkraftwerken zerfällt«. In solcher Entfaltung von Phantasie werden die Gedichte auch plötzlich viel individueller als in den gefühlig rekapitulierenden Zustandsbeschreibungen (»Geschwätzigkeit mit zusammenge­ bissenen Zähnen« nannte das mal einer); da gibt es ein erheitern­ des, szenisch-utopisches Ausphantasieren von kleinen Utopien, in denen Freiheit nicht einfach zur Parole wird, sondern - bei aller Losgelassenheit - so etwas wie eine imaginative Leistung ist. 6. In der Tat habe ich einige Lyriker der letzten Jahre nicht genannt. Das hole ich gern nach, ich nehme zwei Namen heraus, Rolf Dieter Brinkmann und Ralf Thenior. Gerade diese beiden scheinen mir exemplarisch dafür, daß Theobaldy, Schramm, Krechel, auch Fels sich bestimmten Erfahrungen nicht mit der Radi­ kalität, der »Unerbittlichkeit« gestellt haben, die dann Stan­ dard-Posen des Leidens nicht aufkommen lassen würde. Vielleicht konnten sie es mit ihrer Erlebnis- und Sprachkraft auch gar nicht so wie Brinkmann, der seiner Verzweiflung einen Aus­ druck verlieh, gemessen an dem andere wie feinsinnige Epigonen wirken. Und Thenior scheint mir deshalb bemerkenswert, weil er nicht so naiv an die Unmittelbarkeit, die Unvermitteltheit von Sprache glaubt, daß er meint, man brauche nur auf die »menschen­ unwürdige« Welt sich berufen, um als Lyriker beglaubigt zu sein. 7. »Seid Sand, nicht das öl im Getriebe der Welt« - das ist sicher der äußerste Punkt, an den ein Mann wie Günter Eich ge­ langen konnte, aber ich hätte gedacht, daß solch im Grunde ganz individueller, fast metaphysischer und bestimmt nicht - in einem nach 1968er Sinn - politischer Anarchopessimismus nicht mehr die Sache derer sein könnte, die »durchdrungen von gesellschaft­ lichen Widersprüchen« sind und diese zu analysieren gelernt ha­ ben. Die Berufung auf Eich, wenn sie mehr sein soll als eine pure Reverenz, ist verräterisch für das angeblich so fortgeschrittene 494

politische Bewußtsein eines Lyrikers, in dessen Mund die Eichsche Forderung wie eine Metapher aus einer Sonntagspredigt klingt und nicht wie die Formulierung konkreter Gegnerschaft zu den Anstalten, die unser Staat gegen uns trifft. 8. »Immanent poetologische Diskussionen« gibt es - nach meinem Verständnis - gar nicht; aber beim Poetologischen anset­ zende Diskussionen hätten wir überhaupt erst zu führen, und wie immanent wir sie auch zu halten versuchten, wir würden sehr schnell auf Außer-Poetologisches kommen. Dann müßte sich auch erweisen, wo bei einer Lyrik, die programmatisch nicht mehr »Objekt von Spezialisten« sein will und die in ihrem sprachlichen Gestus dauernd »Alles easy, man!« sagt, eigentlich die Leistung, der - da doch der Kunstanspruch keineswegs aufgegeben sein soll - poetische Mehrwert steckt, der sie über den Charakter von Dokumenten, von authentischen Zeugnissen ei­ ner beschissen-stockigen, perspektivelosen politischen Situation hinaushebt. 9. Im Kern von Theobaldys Replik steckt die Auffassung, daß nur bei deutlicher Einbeziehung der politischen Verhältnisse, der gesellschaftlichen Widersprüche das lyrische Ich heute zu spre­ chen berechtigt ist bzw. zu genauen, substanziellen, weiterfüh­ renden Einsichten kommen kann. Eben dies würde ich bestreiten. Mir scheint, daß bei radikaler Genauigkeit der Reflexion und ra­ dikaler Ehrlichkeit der Selbstdarstellung auch bei einem schrei­ benden Ich, das sich scheinbar nicht mit der politischen Wirklich­ keit beschäftigt, Einsichten über das Subjekt und seine Umwelt zu Tage kommen können, die gerade deshalb, weil sie nicht so einfach auf den politischen Begriff zu bringen sind, erweisen, daß einerseits die Gesellschaft tief in unsere Individualität hinab­ reicht, unser Ich aber zugleich quersteht zu allen begrifflichen Schemata, nicht ganz aufgeht in historischer Bedingtheit und daß auch und eben daraus wir die Kraft des Widerspruchs schöpfen können. Das soll nicht ein metaphysisches Glaubensbekenntnis sein, sondern eher eine >poetologische< These. Auf die sollten wir zusammen den Whisky leeren können.

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Peter M. Stephan Das Gedicht in der Marktlücke Abschließende Marginalien zur Diskussion über die »Neue Sub­ jektivität« in der Lyrik Es ist mehr als mißlich, zu einem Festbankett zu gehen, womög­ lich in berechtigter Vorfreude mit angestautem Hunger, und dann den ganzen Abend lang nur Salzstänglein und GeishaSnacks, bestenfalls einige glasierte Windbeutel serviert zu be­ kommen. So ähnlich kann es einem mit der hoffnungsvoll von Jörg Drews in Szene gesetzten Diskussion über die »Neue Ly­ rik« ergehen. Statt sinnlicher Freuden und praktischer Erfahrun­ gen erwarteten einen dürre Gedankenexplikationen und mühbeladene Denkarbeit. Es staubte recht ordentlich szientistisch! Dabei hätte der Leser doch wohl von den angesprochenen Lyri­ kern aufgrund ihrer propagierten »Wendung zur Wirklichkeit und Alltäglichkeit« und ihres »politischen Engagements« mehr Lust am Thema erwarten dürfen. Dies sei abschließend zu sagen erlaubt. Einzig Jürgen Theobaldy replizierte. Sprach er in kol­ lektivem Auftrag oder nur für sich? Wo blieben die anderen? Drews’ Thesen waren polemisch angelegt. Sie wollten provo­ zieren und Widerspruch hervorrufen, darum gaben sie sich apho­ ristisch verkürzt und ungenau; die verwendete Begrifflichkeit (»Erfahrung, Subjekt, Wirklichkeit, Politik, Widerspruch«, u.a.) allerdings war, im Widerspruch zum Wesen thetischer Polemik, komplex und differenziert, von hoher Abstraktheit, und erfor­ derte, wie Drews in seiner Antwort auf Theobaldy unbilliger­ weise verlangt, genauere Lektüre und gründlicheres Eingehen. Warum aber sollte ein polemisch Angegriffener nicht auch - zu­ mal wenn er pro domo spricht wie der Dichter - polemisch ant­ worten? Es gerieten von Anspruch und Ausführung her zwei un­ gleiche Meßellen aneinander, die eine dem Gedicht zwar nützliche, der Diskussion eher abträgliche Unschärfe hinterlie­ ßen. Eine lutherisch saftige Fehde hätte zur Klärung der Sache, der Standort- und Tendenzbestimmung der »Neuen Subjektivi496

tat«, der »Neuen Sensibilität« oder »Neuen Innerlichkeit« Nütz­ licheres beitragen können. So aber sind nach einigem Um- und Umwälzen statt prägender literarischer Titel aus journalistischen pseudopoetologische »Schlagworte«, poetische Klischees über Poesie oder was man dafür hält, entstanden. Der »Schlamm schwammigster Begrifflichkeit«, den Theobaldy in Drews The­ sen wabern sieht, hüllt alles recht ordentlich ein. Theobaldy ent­ warf eine imposante historische, gesellschaftliche und politische Silhouette, über das einsam davor lebende und davor bestehen müssende Gedicht teilte er nichts mit. Besser als solche »astrolo­ gische« wäre astronomische Literaturkritik gewesen, statt aber­ gläubiger Sternguckerei wissenschaftliche Himmelsforschung! Es ist für die Kritik letzten Endes legitim, für die Charakterisierung neuer oder auch nur neuartiger Literaturphänomene, wie sie die »Neue Sensibilität« zweifelsohne zeigt, abstrakte Verallgemei­ nerungen zur Begriffsbildung heranzuziehen, »Etiketten« und »Trendmeldungen« zu folgen oder ihnen vorauszulaufen, ohne deren »Innovationswert« zu verletzen. Zaghaft erinnert immerhin Hans Dieter Zimmermann an das Gedicht, um das es ja bei der ganzen Debatte geht, an seine Strukt«rund seine Form. In der Literatur und für die literarische Klas­ sifizierung sei ausschließlich »das Wie und nicht das Was der Darstellung« sowie die »fachliche Qualifikation« des Schriftstel­ lers von abfragbarem Interesse. Schärfer arbeitet dann Ludwig Fischer diesen wirklich poetologischen Index heraus und bietet für eine nachfolgende Theorie (»Gehalt und Erscheinungsform«) neuer Lyrikproduktion einige Bausteine an. Nicht der »allge­ meine politisch-geschichtliche Hintergrund« (Fischer), den Theobaldy mit Leidenschaft ausmalt, vielmehr die Objektivation der »politisch bestimmten Erfahrungen und Erlebnisweisen« der schreibenden Subjekte in der literarischen Form werde das Ge­ dicht legitimieren müssen. (In der Tat, Geschichte vergeht, es bleiben allenfalls Zeugnisse, Spuren, die die schreibenden Sub­ jekte hinterlassen. Geschichte muß dialektisch von den Subjekten her definiert werden, nicht umgekehrt diese apodiktisch von je­ ner her.) Mit solchen wohl absichtlich vage gehaltenen Maximen 497

ließen sich die Leistungen der neueren Lyrik quantifizieren, ihr Kunstanspruch ins rechte Licht rücken. Fischer denkt in den Bahnen einer normativen Poetik, er appliziert die richtigen Grundsätze an die vorliegenden Gedichte, leitet sie nicht aus ih­ nen ab: »Ich sehe bei so verschieden denkenden und schreibenden Lyrikern wie etwa Ursula Krechel und Ludwig Fels, Nicolas Born und Jürgen Theobaldy, Karin Kiwus und Günter Herbur­ ger eine ganze Menge von gemeinsamen Zügen, die gerade das zu verhindern drohen, was zu »leisten»' wäre: die Wahrnehmung des Subjekts als »durchdrungen von gesellschaftlichen Wider­ sprüchen« auch wirklich in den Texten darzustellen, bis in die li­ terarische Erscheinungsform (Auszeichnung vom Verf.). Nor­ mativ auf die Wirklichkeit hin verfahren eben auch viele Gedichte der »Neuen Sensibilität« selbst. Sie gehen von einer eigenen, singulären und isolierten Erfahrung aus und stilisieren sie zum Lebensgefühl der ganzen Generation, ja der Epoche. Sie gerieren sich in der Attitüde der Kulturkritik oder gar der Gegenkultur und verkennen darin, daß gerade die Attitüde ihren genuinen kulturkritischen und »gegenkulturellen« »Gehalt« ruiniert. Bei­ spielhaft ist Ursula Krechels in hymnischer Naivität vorgetrage­ nes Gedicht »Nach Mainz!«: »Pünktlich klopft eine Schwestern­ schülerin/ und bringt die Düsseldorfer Nachrichten. Ausgerech­ net/ Düsseldorf, denke ich noch. Hier haben sie uns niedergestreckt./ Dann fällt mir die Schlagzeile auf: Zweite deutsche Teilung./ Alle Sozialisten nach Süddeutschland ver­ bannt./ Demarkationslinie ist der Main./ Wir springen aus den Betten. Nichts wie nach Mainz/ den Rhein hinauf. Wir umarmen uns, lachen/ rennen barfuß durch die Altstadt zum Rhein./« Das ist im Mantel eines Gebrauchstextes (Krankenzimmersituation, Zeitungsschlagzeile, genaue Ortsangaben) liebenswert verspon­ nener Utopismus, der besser nicht auf seinen ernsthaften politi­ schen Gehalt abgeklopft werden sollte. Der einzig ernstzuneh­ mende Satz: »Hier haben sie uns niedergestreckt« geht in dem glückseligen »prusten, gurgeln, spritzen, um sich schlagen« der im Rhein schwimmenden Schwestern unter. Genug der pauschalisierenden Ironie! Die zentralen »Schlag498

Wörter«, also die gattungspoetologischen (denn zur »Gattung«, oder meinetwegen zur »Textsorte« der Lyrik gehört auch die »Neue Sensibilität«) Begriffe, müssen der Erkenntnis erreichbar sein. Nach wenigen Jahren sozialer Extrovertiertheit und politi­ schen Engagements sieht Jörg Drews spätestens seit 1975 eine »Wendung zum eignen Subjekt«; dies sei ein Rückzug aus Politik und gesellschaftspolitischem Engagement, dem eine merkwürdig derangierte Art von Innerlichkeit entspräche. Theobaldy setzt dagegen sein Lieblingswort vom »Subjekt als sozialer Größe, durchdrungen von gesellschaftlichen Widersprüchen«. Die ei­ gentliche Leistung der Neuen Lyrik sei die Wiedervereinigung von Subjekt und politischer Geschichte. Was haben solch quasi­ erkenntnistheoretische Begriffe in einer poetologischen Diskus­ sion zu bewirken? Eines hat der Begriff »Subjekt« in allen An­ sichten darüber, die in der Geschichte der ästhetischen Reflexion von der Antike bis zum heutigen Marxismus entworfen wurden, gemeinsam; er ist an den konkreten, persönlichen Menschen ge­ bunden und definiert sich von seinem Gegenüber, dem Objekt her: der Welt, der Wirklichkeit, den alltäglichen Dingen, der Ge­ sellschaft, dem menschlichen Du, usf. »Subjekt« meint nie ein geisterhaftes Abstraktum, nie einen kollektiven Anonymus, nie eine »soziale Größe« (Theobaldy), die wie eine algebraische Un­ bekannte nach ihren Funktionen berechnet werden könnte. Die letztere - mechanistisch klappernde - Ansicht sieht das mensch­ liche Subjekt nur als gesellschaftlich-soziale Rollenperson, wie in einem barocken Theatrum mundi die Rollen des Königs, des Bi­ schofs, des Politikers, des Soldaten, des Narren und Dichters. Diese Ansicht setzt auch stillschweigend voraus, daß das Subjekt (öffentliche) Funktionen hat, in Verflechtungen und Verpflich­ tungen (nicht nur privaten) steht: »von gesellschaftlichen Wider­ sprüchen durchdrungen ist«. Ist dies das Bild des Lyrikers heute? Wo bleibt seine gesellschaftlich erkennbare »Leistung« in seinem Eingebettetsein in der Wirklichkeit? Abgesehen davon, daß das lyrische Subjekt die politische Geschichte verinnerlicht (privatim) mit sich herumträgt und seltsame, zerbrechliche Sprachgebilde am Schreibtisch dichtet (der vom »Neuen Lyriker« oft genannte

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Tresen ist nur die bohemienhafte Form des bürgerlichen Schreib­ tisches), - wo sieht man die Wirkungen dieser höchst angezwei­ felten »Leistung«? Der Literatursoziologe könnte eine deprimie­ rende Antwort auf die Frage nach Verbreitung und Rezeption von Gedichten geben! Doch auch der Dichter weiß um sein elitä­ res Publikum: »Ich weiß natürlich, daß der größte Teil meiner Leser sich aus Studenten, Schülern, Lehrern, Linken zusammen­ setzt« (F. C. Delius, in: »Für wen schreibt der eigentlich? . ..«, München 1973). Und: »Der politische Lyriker 1973 wird sich darüber klar sein, daß seine in geringer Auflage in einem Buch oder einer literarischen Zeitschrift erscheinenden Gedichte durch diese Verbreitungsform bereits ein Zielgruppenpublikum haben: vornehmlich aus Oberschülern, (Germanistik-)Studenten, Leh­ rern sowie Angestellten der Kulturindustrie . . .« (Yaak Karsunke, »Abrißarbeiter im Überbau«, 1973). Von den Programmatikern der Richtung (etwa J. Theobaldy/G. Zürcher, »Veränderung der Lyrik. Über westdeutsche Gedichte seit 1965«, München 1976; den Autoren des Rowohlt­ sehen Literaturmagazins) wird, wie Drews anmerkt, das Pro­ gramm mit der Leistung verwechselt. Von da her relativiert sich die politisch und geschichtlich nicht abgedeckte Differenzierung in ein »bürgerliches« und ein »nicht bürgerliches Ich«. Ludwig Fischer hat einige Hinweise auf diese durchaus unerledigte Pro­ blematik innerhalb der linken Theorie gegeben, die es unange­ bracht scheinen lassen, diesen Begriff in der erkenntnistheoreti­ schen und poetologischen Diskussion sinnvoll anzuwenden. Da wo ihn Theobaldy einsetzt, klingt er wie eine schlechte Metapher, fehl am Platz. Es gelingt nicht, ihn auf persönliche Erfahrungen des Subjekts zurückzuführen. Einzig dann hätte er Sinn, wenn er plausibel machen könnte, daß das Subjekt sich selbst, daß das Subjekt seine heutige »spätkapitalistische« Wirklichkeit selbst er­ fährt, und nicht sich Erfahrungen von anderswo ausborgt. Ein Gruppen-, Generations- oder Klassensubjekt ist eine ihre Kin­ der plagende Megäre, widerborstig gegen klares Denken und gute Poesie. So wie der junge Dichter sich früher etwa an Rilke, Hofmannsthal, Trakl oder Benn orientiert hat, wendet er sich 500

heute beider Konstituierung seines lyrischen Ichs diesem Fetisch zu. »Es ist fast, als spräche da ein Ich, auf das sich alle Autoren gütlich geeinigt haben«, - dieses Urteil von Peter Schneider ist hier anwendbar. Es erklärt auch, daß die verschiedenen lyrischen Sprechweisen der Gedichte sich »so verflixt ähnlich« (Drews) se­ hen, daß der Mangel an Individualität ein ins Auge springendes Charakteristikum der »Neuen Sensibilität« zu werden droht. Die Darstellung der Ich-Zuständlichkeit ist im besten Sinne »lyrisch«, gilt ja die Lyrik als subjektivste aller literarischen Kün­ ste, seltsam wirkt dabei nur der gegenteilige Anspruch, die Wirk­ lichkeit ins Gedicht eingeholt zu haben, »ein neues Verhältnis zur Praxis entwickelt« zu haben (so Theobaldy). Die Sensibilisierung für politisch-gesellschaftliche Widersprüche, die Hinwendung aufs Alltägliche und das Alltagsidiom oder die Deskription der egomanischen Misere oder des öffentlichen Elends, wirken in ih­ rer dauernden Ich-Gestikulation und Wiederholung künstlich und unernst. Eine Diskussion mit lyrischen Gemeinplätzen und mit Gedichten, anstatt mit politischen oder wenigstens rationalen Argumenten, ist so entstanden, leider gar nicht so positiv zu wer­ ten, wie Theobaldy es wünschte. »Was wichtig ist: diese Gedichte rufen Antworten hervor, Zustimmung oder Widerspruch; sie ru­ fen neue Gedichte hervor.« Nicht von der (bundesrepublikanischen) Wirklichkeit sind diese Gedichte evoziert, könnte man meinen, sondern von ande­ ren Gedichten. Gedichte als Zitate von Gedichten. Bekannt sind die Widmungsgedichte von Delius, Born, Theobaldy (Delius: »Brief an Born in Berlin«, Born: »Berliner Paraphrasen«; »Ein Foto nach und für Delius«; Delius: »Beschleunigung der Poe­ sie«). Wenn auch diese Lust am gegenseitigen Zitieren spätestens seit Brecht legitim ist, so ist die Meinung Hans Christoph Buchs nicht einzusehen, der dies Verfahren für fähig hält, mit Vorurtei­ len über das Gedicht aufzuräumen, ja den »Gebrauchsgegen­ stand« Gedicht verbessern zu helfen. Eher, scheint mir, bestäti­ gen sich die Schreiber gegenseitig und verfangen sich dabei in einem elitären Kreis. Wer die zitierten Autoren und ihre Texte nicht kennt, bleibtausgeschlossen. »Transparenter« werden Ge­ $oi

dichte durch derartige Collagen keineswegs, nur liebenswürdi­ ger. Die angerufene Wirklichkeit entgleitet ferner denn je, - vor allem dann, wenn man sich nicht nur an die 6 Prozent der Bevöl­ kerung wendet, die schon regelmäßig Bücher lesen, - wo sie den­ noch in Zitaten, Hinweisen, Chiffren und Metaphern vorhanden scheint, gibt sie nur ihr Abbild in poetisch verfremdete »Stan­ dard-Posen« (Drews), d.h. sie erstarrt zur Fiktion einer Wirk­ lichkeit. Das lyrische Ich umstellt sich mit Spiegelwänden, die ihm die gesuchte tatsächliche - i. e. pluralistisch arbeitsteilige der heutigen Industriegesellschaften - Wirklichkeit verstellen. Die Wirklichkeit besteht sicherlich aus viel mehr als nur aus Kneipe, Wohngemeinschaftszimmer mit Fernseher und Matratzen, Auto, knüppelnden Bullen, etc. Dieses Milieu bestimmt leider viele dgr in der Anthologie »Und ich bewege mich doch . . .« zusammen­ gefaßten Gedichte. Es bleibt der bestürzende Eindruck zurück, daß gerade die Dichter, die sich auf die »Wirklichkeit«, nicht mehr auf die »halbe lyrische Tradition der Moderne« (Theobaldy, »Das Gedicht im Handgemenge«), berufen, eben die »Neuen Sensibilisierten«, ihre Individualität als Einzelne, Er­ kennende und Schreibende weitgehend verloren haben, - und das angesichts einer komplexen und (im schlechten Sinne) individua­ lisierten und (wiederum im schlechten Sinne) diffusen, ja unüber­ schaubar gewordenen Wirklichkeit. Es spricht ein Ich, das objek­ tiv austauschbar ist. Verschwiege die Anthologie die Verfasser­ namen, man könnte die Gedichte nicht mehr identifizieren. Sie sind getreue Abbilder einer unbehaglich gewordenen Wirklich­ keit: sie vermitteln dem Leser ebenfalls Unbehagen, nicht zuletzt deswegen, weil sie nichts zur Transparenz dieser Unbehaglich­ keit beitragen. Dahingegen waren gerade die Dichter der Nachkriegszeit ge­ standene Einzelgänger: Etwa Günter Eich, von den Neuen Lyrikern vielberufener Dichter und Theoretiker, oder Celan und Bobrowski. Mit ihnen -Eich starb 1972 - war eine Ära deutscher Dichtung zu Ende ge­ gangen, die pluralistisch und komplex war. Es gab seit dem Ex­ pressionismus keine andauernden Richtungen oder Schulen 502

mehr. Experiment und Mutation bestimmten die Geschichte der Lyrik fortan. Es gab die Lyrik des Ausdrucks (z.B. Benn), der Naturmagie (Loerke, Lehmann), des Gebrauchswerts (Brecht), der Reflexivität (Celan) und des Experiments (Konkrete Poesie), es gab das Gelegenheitsgedicht (Grass) und das politische Ge­ dicht (Enzensberger, Fried), usf. Von »Bewegung«, wie Theobaldy von den heutigen Lyrikern, konnte man jedoch mit bestem Willen nicht sprechen. Es gab zu viele Individualisten, zu viele prägnante, originäre Stile. Um nur einige Namen der 6oer Jahre ins Gedächtnis zurückzurufen: Ingeborg Bachmann, Helmut Heißenbüttel, Dagmar Nick, Nelly Sachs, Marie Luise Kaschnitz, Wolfgang Bächler, Peter Hüchel. Auch andere bekannte Autoren ließen sich in keine Richtung zwängen, etwa Karl Krolow, Walter Helmut Fritz, Hilde Dornin, Günter Bruno Fuchs, Walter Hollerer. Auch in der jungen Generation freilich gibt es Autoren von unverwechselbarer Individualität, etwa Jürgen Becker, Chri­ stoph Meckel, Rolf Haufs oder Karin Kiwus. In ihren Gedichten findet man, dem Programm der »Neuen Lyrik« entsprechend, die Wirklichkeit. Die Wahrheit dieser Wirklichkeit und damit die »Güte« der Gedichte lassen sich an der persönlichen Erfahrung des Autors wie an der Art und Weise der Darstellung, der »hand­ werklichen Form« (Fischer) nachweisen. All diese Autoren sind keine Hermetiker, schreiben keine zeitenthobenen, geschichts­ abgewandten Gedichte. Ihre Erfahrungen sind konkret faßbar und Ausdruck individuellen Lebens, sie sind - meinetwegen subjektiv, aber sie ersticken nicht in der Dumpfheit des Privaten. Gerade da, wo man sich in die angebliche Geborgenheit des Heims oder der Ideologie zurückziehen möchte, holt einen »der Gang der Geschichte« ein. Dem Lyriker ist die Ungesichertheit der menschlichen Existenz immer bewußt. »Da ist sie, die/ Angst vor plötzlichen Stürzen:/Schädelbrüche. Bewußtlosigkeit. Auch vor/ Unverhofft einsetzender Kälte vor/ Fragen, zum richtigen Zeitpunkt gestellt./ Hätten sie nur pünktlich/ Ihre Prämie ge­ zahlt. Ihre Familie/ Braucht Trost.« Sein Gewissen beruhigt sich nicht in entspannter Kneipenatmosphäre und genossenhafter So­ 5°3

lidarität. Er weiß von seinen alten Träumen, »für die wir/ zu we­ nig getan haben. Von unserem/ zu zaghaften Widerstand. Davon, daß wir/ verführbar waren«. Geschichtsbewegende Ereignisse (im Falle des Gedichts »Ein Augenblick im Juni« der Tod Benno Ohnesorgs) werden nüchtern, illusionslos notiert: »Sie gab mir eine rote Tomate/ Ich aß sie statt sie zu werfen . . .« Rolf Haufs, aus dessen letztem Gedichtband »Die Geschwin­ digkeit eines einzigen Tages« diese Zitate entnommen sind, re­ präsentiert in solcher Ruhelosigkeit des Gefühls und der Morali­ tät, in solcher Wachheit des Bewußtseins, das mögliche Niveau heutiger Lyrik. Auch formal sind seine Gedichte durchgearbeitet, ihre Syntax ist von einer leisen Musikalität gespannt. »Privates Gedicht: Ist es nicht merkwürdig? Du kommst in dein Zimmer/ Und aus den Kleidern fallen/ Tausend Gerüche. Doch das Zim­ mer ist stärker./ M it jedem Gedanken entfernen sich/ Die ernsten Gesichter, denen du eben noch/ Zuhörtest als sie/ Von Krankhei­ ten sprachen, von/ Aufenthalten in gepflegten Sanatorien, von/ Nicht übersehbaren Gewinnen./ Am Ende rasen alle auf densel­ ben Punkt zu./ . . .« Da wo das lyrische Ego ganz bei sich zu sein scheint, in den »eigenen« vier Wänden, im »eigenen« Bett, versagt der Schutz der Versicherungen und des sonst tagsüber hilfreichen Denkens. Die verdrängte Verzweiflung tritt ein, »weiß vor Elend/ liegst du in trockenen Betten« (aus dem Gedicht »Süden«), oder in einem Café, »wo du unauffällig/ Ein bißchen verzweifeln darfst« (aus »Was ist eigentlich das Glück«), Am innersten Punkt der Bewegung zum Ich, der Reflexion über das Ich, überholt die Wirklichkeit, die für Haufs im poetologischen Sinn auch »alltäglich«, im existenziellen aber fremd ist. »Am Ende rasen alle auf denselben Punkt zu.« Bei Christoph Meckel, in seinen letzten Gedichtbänden, ist der leise, tief sitzende Schrecken über unsere unbegreiflich un­ vollkommene Wirklichkeit ebenso präsent, vielleicht noch tiefer hockend unter der glänzenden Oberfläche des alltäglichen Le­ bens und des täglichen Umgangs mit den einfachen Dingen: »Verfrüht. Nichts Besonderes geschah/ an diesem Tag. Über den 504

Weinbergen/ Michaelislicht, schimmernd/ wie der Schnecken­ schleim auf den Stufen. Ich bemerkte/ Staub auf Büchern und Gläsern, und daß die Zeit/ nicht halt macht vor dem/ der den Staub wegbläst. Die Gewißheit/ des Sterbens erschreckte mich nicht/ doch kann der Schreck noch kommen, vielleicht/ bevor die Flaschen geöffnet werden/ zum Abendessen, ein alter Wein./ So daß ich zu früh/ von nichts Besondrem gesprochen hätte.« (aus: »Wen es angeht«, 1974). Das Gedicht vermag durch scheinbare Nachlässigkeit in der Diktion mittels Anwendung rhetorischer Tricks wie Elision (»Besondrem« statt Besonderem), Ellipse und Auslassung (»Über den Weinbergen . . . Michaelislicht«; »Ich bemerkte . . . Staub«), durch gleichmütige Verknüpfung eigentlich schreck­ licher, unheimlicher Dinge (Staub) und Dimensionen (Zeit), sinnlicher Erfahrungen (»Ich bemerkte Staub auf Büchern und Gläsern«) und rationaler Erkenntnisse (». . . daß die Zeit nicht haltmacht . . .«), vordergründig die Illusion einer Gebor­ genheit in Zeit und Raum vorzugaukeln. »Nichts Besonderes ge­ schah an diesem Tag«, alles ist wie immer, ein alter Wein zum Abendessen (Sinnbild stiller Daseinsfreude, ungetrübter Gegen­ wärtigkeit), der Tod erschreckt nicht, - und doch ist dieses stille Bild, diese zu einfache, zu glatte Oberfläche des Abends von heimlichem Schrecken beunruhigt, »doch kann der Schreck noch kommen«, der Tod kann den Menschen ereilen, so daß der alte Wein ungetrunken bleiben müßte. Im »Schreck vordem Sterben« verbirgt sich die Vorstellung eines im Leben stets gegenwärtigen Todes. Die Nennung des »Michaelislichts« deutet auf einen christlichen Mythos, auf den die Oberflächenstruktur des Ge­ dichts durchsichtig ist: dessen uraltes »tremendum« wird in der heutigen Poesie zur Wirklichkeit. Der lyrische Ton von Karin Kiwus zeichnet sich durch Sensi­ bilität und kritische Vorsicht aus, bleibt dabei stets konkret und fast persönlich, wird nie hermetisch oder wirklichkeitsfern. Darum besitzt ihr Ausdruck dokumentarische und transistorische Bezeichnungskraft zugleich: er zeigt das Individuelle (und Besondere einer Frau) und am Individuellen das, was alle an­ 505

geht. Er entspricht der Diktion einer Generation, die ihre Jugend zwischen Hoffnung und Verzweiflung, Schmerz und Euphorie, Isolation und revolutionärer Verbrüderung verbrauchte. »Was wir hier zu Papier bringen können/ ist natürlich nur eine Skizze/ ein erster Entwurf/ die zögernde Erfindung jedes Einzelnen/ seine Wunschvorstellung/ etwas verschwommen noch/ denn es ist schwierig am Anfang/ mit den eigenen Mitteln umzugehen/ sorgfältig durchdacht deutlich und spontan . . .« Oder: »Die ganze Sache ist etwas überdreht/ ohne Zweifel . . .« Mißtrauen gegen private Verhaltensformen, die üblich schnell gewordenen Oberflächenkontakte zwischen Mann und Frau, das öffentliche Illusionstheater »westlicher Kulturkreise« (vgl. das gleichnamige Gedicht), durchdringt immer wieder, manchmal emotional hef­ tig, die beruhigende und abstumpfende Oberfläche des Alltags, ein Mißtrauen, das sich nicht besänftigen läßt. Kaum interpretierbar verflüchtigt sich das sprechende Ich in immer neuen sprachlichen Bildern von großem ästhetischem Reiz, man muß sich ihm von den im Gedicht aufgestellten poeti­ schen Spiegeln und Reflexen, dem sprechenden Du, dem Ande­ ren her nähern. Im Gedicht »Renaud« wird es über die Erinne­ rung an die Zartheit des hinweggestorbenen Kindes ahnbar: »Flöte und fliehendes Kinn/ ich habe/ einen Sohn gehabt/ der war neun Jahre als er nach mir starb/ Knospenkopf/ haarfeine Blü­ tenblätter/ du sprichst so leise/ konnte er sagen.« Individualistisch, oder gar autobiographisch, sprechen die Gedichte von Harald Hartung. Die einfachen Dinge des Alltags, die jeder kennt, wie Liebe, Urlaub, Kindheit, Beruf, Kinder und Tod, bilden die reale und zugleich die Realität übersteigende me­ taphysische Staffage des Gedicht-Ichs. Sie stehen damit in der durch Pablo Neruda, Charles Oison, William Carlos Williams oder Frank O’Hara initiierten Tradition der »poésie impure«, al­ lerdings in einer individuellen (deutschen?) reflektierenden Vari­ ante und ohne aufgesetzte Weltanschaulichkeit. Hartung thema­ tisiert in seinem letzten Band »Das gewöhnliche Licht« das Schweigen zwischen Ich und Du und die »Unfähigkeit/ dir zu sa­ gen wer ich bin und/ was diese/ Worte bedeuten«. 506

Als letztes Beispiel nenne ich Jürgen Becker, der nach langem Schweigen zwei Gedichtbücher veröffentlichte, »Das Ende der Landschaftsmalerei« 1974 und »Erzähl mir nichts vom Krieg« 1977. Diese Gedichte können wohl schon wegen der Schwierig­ keiten, die sie dem Leseprozeß entgegenstemmen, nicht unter die »Poetik der Einfachheit« gezählt werden. Zum Beispiel das »Ber­ liner Programm-Gedicht; 1971« gibt wirklichkeitsgetreu das Panorama der Stadt mit ihren Betonburgen inmitten der Land­ schaft, mit ihren Lebewesen, ihren politischen Widersprüchen und Absurditäten. Die Stadtlandschaft entsteht in Wörtern aus dieser Stadt: »Wörter für das, was/ wir Enten nennen, die Seen und die Spree/ und den Grünewald, die Mauer, die Stadtbahn/ die Akademie, die Glienicker Brücke, Paris Bar,/ Rieselfelder und Siemensstadt, Kornfeld,/ einen alten Mercedes und ein brauch­ bares Studio,/ Segler und Angler, Schüsse, Schnäpse, Wind/ und die ferne Ostsee.« Manche dieser Wörter sind nicht sagbar, z.B. »Reichstag«. In den Wörtern entsteht eine »verdorbene Wirk­ lichkeit«, in der die Flaggen im Wind knattern wie Maschinenge­ wehre. Selbst harmlose Bilder und Laute sind aufgeladen mit tiefgründigen Beziehungen und Bedeutungen, man könnte mit dem linguistischen Code sagen, die Landschaftsbilder entsprä­ chen den mit Gegenwärtigkeit und Geschichtlichkeit aufgelade­ nen semasiologischen Wortstrukturen. Wo die Wirklichkeit »verdorben« ist, beispielsweise durch »sogenannte Frontstadt-Mentalität«, ist auch die Sprache so ge­ stört, daß selbst schiefe Vergleiche zwischen dem Knattern der Fahnen und dem der Maschinengewehre, so nahe sie auch in die­ ser Umgebung liegen, nicht gehen: »und wir sagen: das wäre nun gar kein/ Vergleich,/ zu sagen: wie/ ein Maschinengewehr/ knat­ tert/ eine Flagge/ hinter der Mauer./ Aber so hört es sich an, sag­ ten wir, dennoch bloß/ hat verdorben die Sprache/ sogenannter Frontstadt-Mentalität/ die Möglichkeit eines Vergleichs; . . .« Der zweite Gedichtband ist wie ein Tagebuch geschrieben mit durchgearbeiteten und unfertigen Gedichten und Sätzen. Manchmal sind nur pointenhafte Gedanken notiert. Breiten Raum nehmen Beobachtungen und Aufzeichnungen ein. In ei­ 5°7

nem Tagebuch wird festgehalten, was man persönlich erlebt, er­ fährt, sieht und reflektiert, und so soll es vom Leser auch gelesen werden. Kein lyrisches Programm, keine Ideologie oder Weltan­ schauung liegen Beckers Gedichten zugrunde, sondern die per­ sönliche, auch autobiographische Erfahrung des Autors. In den Wörtern erscheint ein Subjekt als persönliches, individuelles, nicht als eine »soziale Größe«. Es beschreibt, was es sieht. Neben realistischer Dokumentation gibt es ein durchgehen­ des Thema, das dem lyrischen Subjekt von Interesse ist, seine ei­ gene Tätigkeit, das Schreiben, das immer wieder reflektiert wird. »Du läßt dir Zeit beim Schreiben, aber das heißt, daß du/ die Zeit erst mal finden mußt, und das heißt,/ du mußt dich heraushalten, alles absagen, dich zurückziehen,/ verschwinden; du mußt gegen deine Faulheit angehen und/ deine Probleme vergessen; irgend­ wann/ kommt es auf jeden Augenblick an./ Du sagst, unser Beruf macht uns so egozentrisch, daß/ er im Grunde jede menschliche Bindung ausschließt . . .« »Was bleibt aber/ sagbar von einer bio­ graphischen Phase-/ schlauer geworden?/ Ja sicher, die Zunahme von Empfindlichkeit./ Ein dickeres Fell./ Mehr Routine, im Sinne von Know How./ Weniger Kompromisse. Dagegen mehr Einsicht./ Midlife, Brüche./ Eingrenzungen-/ mußte das sein?« Die vorangegangenen Autoren mußten einigermaßen aus­ führlich präsentiert werden, um positiv deutlich werden zu las­ sen, welches Niveau an Gehalt und Form in der heutigen Lyrik trotz des vorherrschenden Programms der Einfachheit vorhan­ den ist. Gleichzeitig fallen im Vergleich dazu die Resultate der »lässigen Lyrik« negativ ab, leider, muß man sagen, da es doch um die Konsolidierung einer Lyrik der 70er Jahre geht. In Jürgen Theobaldys Gedichten sollte offenkundig werden, was in seinen poetologischen Repliken auf Drews polemisch zu­ gespitzt erscheint: das lyrische Subjekt in seinem »neuen Ver­ hältnis zur Praxis«, die eine politische ist. Durch poetische Par­ teinahme für die Opfer der Geschichte und durch Aufstachelung »zu einem intensiveren, unerschrockeneren Leben« legitimiere sich die neue Lyrik heute nach 1968 und nach dem »Ende der her­ metischen Lyrik«. 508

Das Gedicht soll das Leben des Dichters enthalten, der mitten im Leben stehen soll, kein Außenseiter im poetischen Elfenbein­ turm sein darf. Ist der Dichter so beschaffen? Das Bild des Dich­ ters in der modernen Gesellschaft ist zugegebenermaßen unsicher geworden. Für Theobaldy dagegen ist es selbstverständlich, daß der Dichter sich mitten in die Wirklichkeit, in die politische Praxis oder was er dafür hält -, stellt, und daß dessen Elemente sprach­ lich in die »Kunstfigur« Gedicht aufgehen. Nun, die politische Parteinahme ist eine Sache, eine andere die durchaus nicht ko­ stenlose »poetische Menschenfreundlichkeit«. Der Abgrund zwischen Dichtung und Leben war schon immer traumatisierend, folgerichtig also der Versuch der Neuen Lyrik, »das Gedicht in die Lücke zwischen dem Ich und dem Gegenstand« zu stellen. Das Gedicht soll die erkenntnistheoretische Brücke zwischen Ich und Gegenstand, die kommunikative zwischen Autor und Leser schlagen. Ins Gedicht selbst geht das ganze Subjekt ein, mit seinen privaten Ängsten und Nöten, seinen persönlichen Erlebnissen und Situationen, seiner öffentlichen und politischen Engagiert­ heit, - »der Lyriker setzt seine Person ein«, sagt Theobaldy. So finden sich die ganzen differenten und diffusen Memoiren des Subjekts, Kindheit, Jugend und erste Lieben, Studium, Beruf, Freundschaften, politische Erfahrungen und die allgemein menschlichen Tätigkeiten (für den Leser uninteressant), immer wieder auch das Schreiben selbst als wichtigste Tätigkeit des jun­ gen Autors, seine Lebensstationen Bett, Kneipe, Kino, Amerika­ reisen etc. (nichts wirklich Weltbewegendes oder Gesellschafts­ umwälzendes also gemessen am Programm, Geschichte und be­ sonders politische Geschichte nicht nur als Folie, sondern als Aktions- und Lebensfeld des Subjekts zu begreifen). In den einfachen Sätzen dagegen, da, wo sie ausnahmsweise einmal »echte« Erfahrungen und Empfindungen ausdrücken und nicht als »poetische Standard-Posen« eingesetzt werden, steckt, anders als vom Autor gedacht, die Wirklichkeit des Autors, die Lebensumstände eines schreibenden Zeitgenossen, und nicht in seinen großen pathetisch aufgeblasenen Ideologemen von »poli­ 509

tischer Geschichte« und »sozialer Größe«. In seinen Gedichten entdeckt sich eine Wirklichkeit, die unwirtlich und trivial, ohne die Chance schöpferischer Phantasie und menschlicher Freiheit zu sein scheint, - leider auch ohne ein diese schlechte Wirklichkeit kreativ gestaltendes oder auch nur beeinflussendes Ich. Das Ich scheint, indem es auf große Topoi und anonyme Zusammen­ hänge wie Geschichte, Spätkapitalismus, bürgerliches Subjekt, etc. rekurriert, auch in seinem kleinen, seinem Zugriff faßbaren Lebenskreis auf Wirkungsmöglichkeiten verzichtet zu haben. Es erscheint rezeptiv beobachtend, passiv dokumentierend und oft auch resignativ melancholisch. Der bedrohlichen Realität begeg­ net es in larmoyanter Selbstbetrachtung oder Weltflucht, »aber am liebsten/ würd ich jetzt wirklich duschen und dann abhaun und/ im Auto durch die Schwäbische Alb kurven« (F. C. Delius, »Selbstporträt auf dem Stuttgarter Schloßplatz«). Daß mögli­ cherweise die Lebensumstände selbst so sind, daß mit Recht von einem »beschädigten Leben« gesprochen werden kann, darf zwar nicht dem Subjekt angelastet werden, entschuldigt andererseits aber auch nicht dessen leichte, mit einigen »Leninzitaten« ge­ würzte Schreibe. Die Kritik von Drews und Fischer trifft hier bei vielen der genannten Lyriker einen wunden Punkt, weil in der Tat ihre Beobachtungen der Wirklichkeit zu ungenau und vage, zu zufällig und beliebig aufzählend bleiben. Jede Art von Enga­ giertheit bleibt in der Weise beliebig und wirkungslos. Das Ge­ dicht stachelt so ganz und gar nicht »zu einem intensiveren, uner­ schrockeneren Leben« auf, sondern verhilft aufgrund seiner andauernd erlebbaren Unwirksamkeit zu einer resignativen Le­ benseinstellung. Seine Sprache stellt so ganz und gar nicht einen »Widerstand gegen die Massenmedien, Wirtschafts verbände, Parteien und Ministerien mit ihren verstümmelnden, wirklich­ keitsverzerrenden oder synthetischen Produkten« dar, sondern wiederholt nur deren schlechten Stil. Schlechte Gedichte sind kein Protest, keine Gegenbilder, gegen eine schlechte Wirklichkeit, sondern bestenfalls deren Abbilder in schlecht gefügter Sprache. Sie sind im Grunde unentschuldbar. Sie bleiben hinter dem ge­ schichtlich bereits erreichten Niveau der lyrischen Sprache zurück

und verstoßen gegen das Wesen der Sprache, möglichst genaue, unmißverständliche Kommunikation zu ermöglichen. Gerade der Dichter hätte zur Aufgabe, gegen das uferlose Geschwätz der Welt anzuarbeiten. Die Leistung der »Neuen Sensibilität«, aus der ästhetizisti­ schen Dunstaura herausgetreten zu sein, ja, in den Mief des All­ tags, auch das erfordert in unserer Tradition Mut, und die lyrische Sprache politisch akzentuiert zu haben, soll nicht negiert werden, ist aber auch kein Anlaß zur Euphorie, daß es überhaupt noch so etwas wie Lyrik gibt. »Ich halte die Lyrik der politisch wachen >neuen Subjektivität« für etwas vom Wichtigsten, was im letzten Jahrzehnt in der Literatur in der Bundesrepublik entstanden ist«, dieses Urteil von Ludwig Fischer ist höchst lückenhaft, aber den­ noch richtig. Wo es nichts Besseres gibt, mag das Vorhandene zum Wichtigsten erklärt werden, aber nicht zum Besten, denn es gibt ja gute Gedichte auch hierzulande und ebenso in der DDR. Neben Theobaldys kann man auch in den poetologischen Äußerungen Günter Herburgers, Rolf Dieter Brinkmanns oder Nicolas Borns Parteinahme und Engagement für Politik finden. Ohne die Argumente hier ausbreiten zu wollen, erscheint, vereinfacht gesagt, alles politisch, oder, wie Theobaldy im Nach­ wortseiner Anthologie sagt, alle Lebensbereiche seien politisiert, und das bedeute die Hinwendung auf Alltägliches in der Lyrik. In dieser Ansicht verbirgt sich auch schon die selbstbewußte Le­ gitimierung der Hinwendung zur »persönlichen Erfahrung« (ebda. S. 131), oder wie Drews sagt, die »Wendung zum eigenen Subjekt . . . zur Innerlichkeit«, als poetologische Maxime des jungen Lyrikers. Alles wird von Politik überschwemmt oder po­ litisch gewertet, oder andersherum gesagt, das Private kann zum allgemein politisch Verbindlichen erklärt werden. Yaak Karsunke hat folgerichtig auch die »bürgerliche Ressortteilung zwi­ schen privat und politisch« für aufgehoben erklärt. Das erinnert entfernt nostalgisch an des Aristoteles Vision des athenischen Gemeinwesens, der Polis, in der das Politische jederzeit in den Bezirk des Privaten hereinreichen konnte und dort unter Freun­ den behandelt wurde. Das Gastmahl unter Freunden ist das 511

Sinnbild dieser politischen Kumpanei. Aber was geschieht mit denen, die nicht zum Gastmahl eingeladen sind? Welches Vor­ verständnis von Politik liegt diesen Anschauungen, dieser Lyrik der »Neuen Privatheit« zu Grunde? Zweifelsohne besitzt sie ein starkes utopistisches Moment, das darf sie als Poesie auch, aber in ihrer Übertragung auf die Alltagsrealität wird sie illusioni­ stisch. Die im Gedicht angesprochenen Probleme des Alltags las­ sen sich von jenem aus nicht verändern. Auch da, wo die Politik - mit Talleyrand - als die Kunst des Möglichen eingesetzt wird, während die Poesie die Utopie des Noch-Nicht-Seienden dar­ stellt, hat Politik ursächlich mit MachtT\i tun, während die Poesie die Ohnmacht in Sprache ist. Nimmt man hingegen den Kampf um die Macht in die Poesie hinein, verkommt sie - im Sinne von Brecht - zur Tendenzdichtung. Poesie kann politisches Handeln nicht ersetzen, kann aber Richtschnur für richtiges politisches Handeln sein. Und da, wo sie dies ist, ist sie im Alltagssinn nicht mehr politisch, sondern in einem höheren Verständnis mora­ lisch. Das ist ein wichtiger Punkt in einer Poetik der neuen Lyrik, der hier nicht weiter diskutiert werden kann, und die Debatte darüber müßte vielschichtiger geführt werden als nur mit Hin­ weisen auf die Aufsätze von Enzensberger, Adorno und Krolow. An dieser Stelle kann nur gegen die alte Illusion und den neuen Selbstbetrug der »Neuen Lyrik« opponiert werden, die eigene »Ohnmacht vorder Macht«, wie Günter Grass spottete, nicht als solche erkennen zu können. Politisch ist Poesie erst dann, wenn sie auf ihrem eigenen ästhetischen Feld ein humanes Gegenbild zur inhumanen Politik errichtet, das Orientierungsfunktion hat. Auf diese Weise kann sie, im Sinne von Adornos »Ästhetischer Theorie«, langfristig Bewußtsein und folgend Strukturen von Macht aufweichen und verändern. Nur »Sand im Getriebe der Welt» zu sein, reicht nicht aus, denn dieses riesige Räderwerk zermalt auch den körnigsten Sand, zerstört auch die widerstän­ digste Poesie.

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Erstes Bundesdeutsches Lyrik-Festival

Presseecho

Über das Festival haben reichlich einhundert bundesdeutsche Zeitungen, außerdem mehrere Rundfunkanstalten berichtet. Das Spektrum der berichterstattenden Blätter reicht - alphabetisch vom Achimer Kreisblatt und der Backnanger Kreis-Zeitung bis zur Wümme-Zeitung und der Zeit. Die Breite der Berichterstat­ tung erstreckt sich vom originalgetreuen oder regional akzentu­ ierten Nachdruck der dpa-Meldung bis zum ausführlichen Kom­ mentar des eigenen Korrespondenten. Aufschlußreicher als dieser statistische Befund ist die Fein­ gliederung: das Börsenblatt, das da und konkret waren dabei, und auch Die Zeit, Der Spiegel, das Deutsche Allgemeine Sonntags­ blatt, die Deutsche Volkszeitung und der Buchreport, zumeist mit Vorankündigungen und Nachberichten. Vollends kenntlich wird die Szene, schaut man sich die Resonanz in den Tageszeitungen an. Ausführlich berichten von den überregional beachteten Pu­ blikationsorganen über das Festival die Frankfurter Allgemeine, der Generalanzeiger für Bonn, der Kölner Stadt-Anzeiger, der Münchner Merkur, die Stuttgarter Zeitung, die Nürnberger Nachrichten und die Westdeutsche Allgemeine. Die Frankfurter Rundschaubei'ißt es bei einem Nachdruck der dpa-Meldung, die Süddeutsche Zeitung hüllt sich in Schweigen. Aufschlußreich ist schließlich auch das Verhalten der Sprin­ ger-Presse. Überregional wird das Festival nur in der bundeswei­ ten Welt angesprochen. Man muß das und die regionale Bericht­ erstattung des Hamburger Konzerns lesen, um sich am konkreten Beispiel noch einmal zu bestätigen, was bekannt ist. Ob sich die bundesdeutsche Lyrik das zugute rechnen darf? Ich meine ja. Den Wert einer Sache erkennt man schließlich im­ mer auch daran, in welchem Maß der Gegner die gern gepflegte Contenance verliert. Wie von außen auf das Festival reagiert wurde, macht der Schlußsatz eines dänischen Berichts deutlich: »Solange ein Volk über derartige Dichter verfügt, ist mir nicht bange um ein Land, aus dem ich ansonsten nur über Berufsverbote und Terroristen­ verfolgung höre.«

Den Tenor der Berichterstattung dokumentiert die nachste­ hende Auswahl repräsentativer Äußerungen. Um Wiederholun­ gen zu vermeiden, werden einige Beiträge gekürzt wiedergege­ ben. Ihr Grundtenor ist, so hoffen wir, erhalten geblieben.

Jan Hans

Die Zeit, Hamburg, i. Juli 1977 Gedichte für alle Ein Wochenende der Poesie in Hamburg Von Helmut Heißenbüttel

Was ich zuerst sah, als ich ankam, etwas verspätet, unmittelbar aus dem Urlaub von der Nordsee, morgens noch schwache See­ brise, jetzt warme Hamburger Frühsommerluft, waren die dikken Maschinen vor dem Winterhuder Fährhaus, BMW, Yahama, Honda. Aber die hatten nichts mit Lyrik zu tun. Machte nur, so war mein erster Eindruck, die Atmosphäre lockerer. Oder bilde­ ten sie eine zweifelhafte Staffage? »1. Bundesdeutsches LyrikFestival Hamburg im Winterhuder Fährhaus«, so stand auf dem Handzettel, der zur Werbung diente, und kürzer: »Lyrik Festival ’77«. Aus äußeren Gründen angehängt an den schon eingebür­ gerten »Literatrubel«, aber organisatorisch völlig unabhängig davon, geplant und durchgeführt von Jan Hans, Uwe Herms, Ralf Thenior und Uwe Wandrey (Nathias Neutert, der ur­ sprünglich mit dazu gehört hatte, war durch einen Unfall beim Zaubern ausgefallen). Das zweite, was ich sah, war eine streng bewachte Tür und dann ein vollkommen überfüllter Saal (der kleinere des Winter­ huder Fährhauses, der dann am nächsten Tag gegen den größeren ausgetauscht wurde). Kein Interesse an Lyrik? Wohl kaum. Wer gedacht hatte, dies würde nur eine geschlossene Veranstaltung für Spezialisten werden, hatte sich gründlich getäuscht. Nicht nur das. Das Publikum, in der Mehrzahl Jüngere (der Vergleich zu Pop-Konzerten war nicht abzuweisen, aber auch nicht zu bele­ gen, die Fluktuation von den normalen Rock-Interessenten des Winterhuder Fährhauses zum Lyrik-Festival hielt sich in Gren­ zen), hörte aufmerksam zu, war rasch zur Anteilnahme zu bewe­ gen, objektiv und freundlich. Die wenigen Störungen kamen von Profis. Ein harmonisches Bild? Eine neue bundesdeutsche Blüte der Literatur, ja der Lyrik speziell? 516

Mir fielen, als ich F. C. Delius, Klaus Konjetzky und Ursula Krechel zuhörte (Michael Buselmeier hatte ich versäumt), Lesun­ gen aus den fünfziger Jahren ein. Der Unterschied bestand ganz eindeutig darin, daß damals dennoch das kulturelle Bewußtsein ungebrochen war, daß auch das, was damals Protest (Nonkon­ formismus) hieß, getragen wurde von der selbstverständlichen Gewißheit literarischer Artikulationsmöglichkeit. Auch bei Grass und Enzensberger, die auf dem Handzettel gedruckt stan­ den, aber, wie einige andere, kurzfristig abgesagt hatten. Dieses Bewußtsein war hier, das kann man von allem sagen, was gelesen und diskutiert wurde, nicht nur von jüngeren Auto­ ren, sondern auch von den älteren (Ernst Meister, Erich Fried, ich selber), gründlich gestört. Daß literarische Artikulation nicht selbstverständlich ist, daß sie kritisch erarbeitet werden muß, daß sie infolgedessen immer, auch da, wo sie Privates, Sensibilität zeigt, Ergebnis einer politischen Erfahrung ist, der politischen Erfahrung, das heißt, der gründlichen Infragestellung unserer Welt gleichsam entrungen werden muß, das war einer der auffäl­ ligsten Eindrücke dieses Lyrik-Festivals. Es war zugleich ein erstes und nicht wegzudiskutierendes Positivum. Um Irrtümer zu vermeiden: dies bedeutete nicht Polit­ lyrik im Sinne der sechziger Jahre. Die Unausweichlichkeit poli­ tischer Erfahrung und die grundsätzliche Fragwürdigkeit führten, das kann man auch ganz eindeutig sagen, zu Gedichten, die in breiter Palette interessant und anhörenswert waren, mehr als alles, was gängigerweise bei uns gelobt wird. Hier war leben­ dige, aktuelle und ästhetisch differenzierte deutsche Literatur zu hören. Hier war auch, seit Jahren für mich auf so breiter Basis erkennbar, der Zusammenhang mit der anderen deutschen Lite­ ratur, derjenigen der DDR, herstellbar. Der äußere Rahmen: rund dreißig Lyriker verschiedener Produktionsweise, verschiedenen Alters, überwiegend allerdings die Generation der heute Dreißig- bis Fünfunddreißigjährigen, drei große Lesungen an drei aufeinanderfolgenden Abenden, je zehn Einzellesungen also pro Abend, von je etwa i 5 Minuten Dauer, mal mehr, mal weniger; Lesungen von je zwei Autoren 5’7

mit Diskussion in der Kneipe des Fährhauses; zwei sogenannte Lyrik-Workshops Sonnabend- und Sonntagvormittag; eine öf­ fentliche Diskussion am Sonntagnachmittag. Als Moderatoren lösten sich die Veranstalter ab, bei verschiedenem Temperament doch gleich freundlich, geduldig und aufmerksam, angenehm läs­ sig, aber nie nachlässig. Die Beteiligung gleichbleibend sehr gut. Bei einer Fülle anderer Veranstaltungen an diesem Wochenende in Hamburg eine erstaunlich hohe Zahl von Interessenten. Der Vergleich mit Unternehmungen der Berliner Akademie der Kün­ ste, Walter Höllerers »Literarischem Colloquium« fiel mir gele­ gentlich ein, aber alles hier hamburgisch lockerer, weniger pro­ fessionell, und das meine ich positiv. Obwohl nicht alle Autoren sich an den Workshops beteiligten, versammelten sich doch an den beiden Vormittagen jedesmal etwa dreißig Diskussionswil­ lige. Nach einem etwas umständlichen Beginn waren die Diskus­ sionen lebhaft, sachbezogen, gelegentlich auch personalbezogen, konkret, bemüht, Fragen zu formulieren, der eigenen merkwür­ digen Existenz auf die Spur zu kommen. Diese Diskussionen waren von den Veranstaltern von vorn­ herein als gleichwertige Ergänzung zu den Lesungen geplant. Dieser Vorsatz ist, so war mein Eindruck, durchaus eingelöst worden. Natürlich kommt es in der Beurteilung eines solchen Gruppengesprächs darauf an, was man erwartet. Wer hier darauf eingestellt gewesen war, daß eine Theorie von Lyrik heute erar­ beitet werden sollte, der kam gewiß nicht auf seine Kosten. Auch der nicht, der eine Neubelebung der Kritikmaschine der »Gruppe 47« von einst im Sinn hatte. Zum Glück wollte die auch keiner. Auch ideologische Ausrichtung fand nicht statt. Nein, es ging darum, persönliche und grundsätzliche Positionen, die heute möglichen literarischen Verhaltensweisen in einem begrenzten, überschaubaren Teilbereich erst einmal anzusprechen. Und wenn ich hier gleich ein paar Punkte vorwegnehmen kann, so würde ich sagen: es kam doch soviel heraus, daß Gedich­ temachen heute weder rein vom Methodischen noch rein von der ideologisch-politischen Tendenz her beurteilt werden kann. Daß aber vor allem politisch-gesellschaftliche und aktuelle zeitge­ 518

schichtliche Erfahrung Basis für Kriterien sein kann. Nicht Poesie als Höheres, Übergreifendes, Rechtfertigendes, sondern als Ein­ gelassensein in diese Welt. Ein Eingelassensein, in dem die Ab­ weichung vom Konsensus der herrschenden Meinung ebenso er­ kennbar bleibt wie die Widersprüche der Auseinandersetzung. Es wurde deutlich, und darin war, bei sehr verschiedenen Aus­ gangspositionen, doch eine gewisse Übereinstimmung der Auto­ ren, die diskutierten, zu erkennen, daß nicht Eindeutigkeit, Fol­ gerichtigkeit oder politisches Bekenntnis für das Wichtige gehalten wurde, sondern daß die Konkretheit des Gedichts in der ausgehaltenen Ambivalenz besteht. Der nichtaufhebbare Rest, Kennzeichen jeder menschlichen Reaktion, erschien geradezu als mögliche Definition des Gedichts. Aber ich gehe hier im Grunde schon zu weit. Ich versuche Folgerungen abzuleiten aus dem, was ich mir während der Dis­ kussion notiert habe. Die Diskussion selber war ja wiederum ge­ kennzeichnet durch das noch offene, noch nicht abschließende Umkreisen der Fragen. Zwar wurden Ralf Theniors »Zehn Sätze zu meiner Arbeit« und seine »Notizen zur jüngsten Dichtung«, die als Ansatz des Gesprächs zur Diskussion gestellt wurden, niemals im einzelnen diskutiert (und das hätte vielleicht nur wie­ der zum abgelösten Theoretisieren verführt), aber sie standen doch immer greifbar in und hinter der Diskussion. Ich jedenfalls empfand auch das als positiv, daß ein solcher Versuch, wie befra­ genswert auch immer er in Einzelformulierungen für die ver­ schiedenen Autoren gewesen sein mag, als mögliche Projektions­ wand zur Verfügung stand. Wenn ich so die Begleitdiskussion der tatsächlichen Veran­ staltung, den kleinen und großen Lesungen, vorangestellt habe, so nicht deshalb, weil diese Veranstaltung es nötig gehabt hätte, erklärt zu werden, sondern weil ich etwas von der Gesamtvor­ stellungdeutlich machen wollte, die zu diesem Unternehmen ge­ führt hat. Nicht der Show-Charakter stand, wie doch bei man­ cher Berliner Veranstaltung, im Vordergrund. Aber vielleicht gerade deshalb wurde es doch auch eine Show, die sich sehen las­ sen konnte. 5’9

Der erste Abend hatte einen deutlicher und spezifischer poli­ tischen Akzent in Gedichten vor allem von F. C. Delius, Ursula Krechel, Klaus Konjetzky, Roman Ritter und der Verlesung von Gedichten von Peter Paul Zahl durch Uwe Herms. Aber gerade die Varianten des sozialistischen Gedichts bewiesen, wie wenig man mit solchen Grobrastern tatsächlich gewinnt. Dazwischen standen, als Beispiel für Gebrauchslyrik, Pummerer-Verse von Otto Heinrich Kühner, die weniger wirkten, wo sie unmittelbar politisch wurden, und, im Prinzip, traditionelle Gedichte von Ernst Meister. Seine Lesung wurde gestört. Aber im Überspielen der Störung durch den Lesenden wurde der Grad der Identität zwischen Autor und Werk erkennbar. Meister setzte sich durch und kam, für mich überraschend, an, weil offensichtlich wurde, wie hier eine Individualität sich selbst im gelesenen Gedicht reali­ sierte. Dasselbe geschah, bei einer denkbar großen Verschiedenheit zum Werk Meisters, am folgenden Abend in der Lesung von Erich Fried. Auch bei ihm wurde in der akustischen Vorstellung die absolute Identität von Autor und Werk, von Überzeugung und Formulierung deutlich. Der zweite Abend hatte im übrigen keine besondere Akzentuierung, wenn man nicht sagen will, daß Fried als Persönlichkeit dominierte. Arnfrid Astei schob in seine Lesung einen DDR-Autor, Ulrich Schacht, ein. Im übrigen aber wurde etwa in den Gegensätzlichkeiten zwischen Gedichten von Uwe Herms, Michael Krüger, Gregor Laschen und Renate Rasp, Peter Rühmkorf, Ralf Thenior etwas hörbar von der individuel­ len Verschiedenheit im heutigen Gedicht, dem Nichtfestgelegten, der Unabhängigkeit, dem Nichtklischierbaren. Thenior schloß diesen Abend mit einem längeren Reimgedicht, das Elemente der aktuellen Popszene in die melancholische Kritik einbezog. Der dritte Leseabend war der spezielleren Hamburger Szene vorbehalten. Autoren, die seit Jahren mit den Veranstaltern ver­ bunden sind, wie Uwe Friesei, Joachim Fuhrmann oder Peter Schütt kamen zusammen mit einer kleinen Gruppe aus dem Kreis der Zeitschrift »Boa vista« (Christoph Derschau, Hannes Hatje, Kiev Stingl, Peter Waldheim). Als Einlage Frederike Frei, die ihre 520

handgeschriebenen Gedichte in einem Bauchladen einzeln ver­ kauft. Natürlich begeht man, wenn man so aufzählt, eine Ungerech­ tigkeit, weil Namen, die man nennt, um die Veranstaltung zu ak­ zentuieren, eben doch deutlich hervortreten, auch wenn man nicht wertet. Ich möchte daher die Aufzählung trennen von einer ganz subjektiven und auch durch äußere Gründe bestimmten Be­ urteilung. Manches habe ich nicht gehört. Gefallen haben mir persönlich am besten die Gedichte von Renate Rasp, Uwe Friesei und das Gedicht von Ralf Thenior. Im übrigen wurde in der öffentlichen Podiumsdiskussion nachträglich doch noch der Versuch gemacht, das Festival aus­ drücklich politisch zu akzentuieren. Nicht die Übertragung der Workshops schien einigen Autoren am Herzen zu liegen, son­ dern die politische Eindeutigkeit dessen, was sie an den Vormit­ tagen nur verdeckt geäußert hatten. Nun gut. Das kann man hin­ nehmen als eine weitere Meinungsäußerung. Das Podium wirkte allerdings ein wenig präpariert. Der Fernsehredakteur Paul Ker­ sten, der das Schlagwort von der »Neuen Innerlichkeit«, gegen das die Politakzentuierung sich abhob, vertreten sollte, wirkte ein wenig wie ein abschußbereiter Pappkamerad. Ist Lyrik in? Singen sie wieder? Aufs ganze gesehen eine in­ teressante Veranstaltung, die Wiederholung verdient, mit noch breiterer Palette, noch kontroverseren Beiträgen. Als ich nach dem ersten Abend vor dem Winterhuder Fährhaus über die Straße ging, tauchte über die Brücke ein Auto auf, das bei meinem Anblick die Fahrt ruckartig beschleunigte. Ich reagierte, wie ich es vor 37 Jahren gelernt habe. Eine Stimme kreischte: »Runter von der Straße!« Lyrik heute? Leinpfad 98 wurde eine Fete mit bunten Lam­ pions gefeiert. Das übliche. Lyrik heute? Mir sind diese beiden Szenen im Gedächtnis geblieben, weil sie zeigen, daß das, worauf man heute im Gedicht reagieren kann, nicht nur die Dinge sind, die in der Politik und daher auch in den Fernsehnachrichten ver­ handelt werden, sondern Verhaltensweisen, in denen Aggressivi­ tät, Unmenschlichkeit und Gleichgültigkeit zunehmen. 521

Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, Hamburg, j. Juli 1977 Das 1. Bundesdeutsche Lyrik-Festival in Hamburg

Trauerarbeit mit dem Material Sprache Von Herbert Glossner

Wie denn, wenn nicht subjektiv, soll ein Lyriker sich äußern? Seit den Dichtern Reim und Rhythmus verdächtig, entbehrlich je­ denfalls, wurden, erscheint ihr Produkt, das Gedicht, noch emp­ findlicher, als die Literaturgattung Lyrik dies ohnehin ist. Emp­ findlicher heißt hier: anfälliger, den Kritikern offener ausgesetzt; zugleich auch empfindsamer, sensibler für menschliches Hoffen und Leiden. Was also soll die modisch gewordene Etikettierung der Lyrik mit »neuer Subjektivität« oder »Innerlichkeit«? Die Autoren jedenfalls, die jetzt von einer Hamburger Initia­ tivgruppe zum r. Bundesdeutschen Lyrik-Festival ins Winterhuder Fährhaus geholt worden waren, wehrten sich heftig gegen solche Schubladen-Kritik; sie sei desorientierend und zeige poli­ tisches Wunschdenken an: So als sei Hinwendung zum Ich schon »Rückzug«, Selbst-Besinnung immer auch unpolitisch. Politisch, das belegte das Festival, verstehen sich die meisten, Erich Fried wie Michael Buselmeier, F. C. Delius wie Otto Hein­ rich Kühner, Klaus Konjetzky und Peter Schütt. Wer mehr Eti­ ketten mag, wird sie links nennen - aber deckt das die Trauerar­ beit, die da geleistet wird mit dem schwierigen Material Sprache? Trauerarbeit an den Erfahrungen, die das Jahrzehnt seit der Stu­ dentenbewegung füllen. Es sind die Selbst-Erfahrungen einer gekränkten Generation, ist das bewußte Abfragen der Erinnerung. Und immer wieder, verschlüsselt oder offen, aggressiv oder resignativ, das Abtasten der Wirklichkeit nach Indizien der Identifizierung. Kunst-Welt und banaler Alltag werden reflektiert auf der Suche nach Identi­ tät: wo das Ich - enttäuscht, bitter, voller Wut, auch Tatendrang 522

- sich wiederfinden kann. Auch in der Verneinung dieser Gesell­ schaft findet solcher Wunsch Gestalt. Mögen auch viele Bürger dieses Staates »ihren Staat« da nicht wiedererkennen - warum so gedacht, geredet, geschrieben wird, das kann sie nicht gleichgültig lassen. Wenn Ursula Krechel, 30, in ihrem Gedicht »Nach Mainz!« fragt (anspielend auf Friedrich Hecker, den badischen Demokra­ ten, der 1848 nach Amerika floh): »Wo gehen wir hin, eines Ta­ ges, im Rücken die blindwütige Republik?« - dann sind Nach­ fragen besser als billige Antworten. Der Begriff »Resignation« allein trifft nicht diese Empfin­ dungen, oder doch nur wenig davon. Das Ich-Sagen verrät An­ strengung, der die Man- und die Wir-Sager sich lieber entziehen. In der Diskussion wurde aus dem Publikum nach »Perspektiven« gefragt, der fehlende »Imperativ« solcher Dichtung beklagt. Aber Scheu vor allzu platter Plakativität zeichnet eben viele neuere Ge­ dichte aus. Der Imperativ sei nur die eine Seite, meinte der Lyri­ ker Gregor Laschen, 34, sie hätten nun das Bedürfnis nach ganzer Existenz, da seien lang verschüttete Details wieder zu entdecken; und in diesem Sinne schrieben auch Michael Krüger, Ernst Mei­ ster, Helmut Heißenbüttel politische Gedichte . . .

Deutsche Volkszeitung, Düsseldorf, 7. Juli 1977 Oh Poesie! Lyrik-Festival in Hamburg vom 24. bis 26. Juni Von Roman Ritter Die Poeten waren von den Socken: In hellen Scharen strömte das Publikum zu den abendlichen Dichterlesungen des »Ersten Bun­ desdeutschen Lyrik-Festivals«. Bis zu 700 Zuhörer drängelten, rangen nach Atem und Verständnis. Diese Neugierde widerfuhr jener Spezies von Belletristen, die sich sonst oft glücklich schätzen kann, wenn ein Verlag ihre Er$23

Zeugnisse in einer Minimalauflage herausgibt, wie sie sonst nur wissenschaftlichen Spezialwerken zukommt, und zu vergleichs­ weise ebensolchen Exklusivpreisen, und wenn dann womöglich noch mehr als 1000 Stück verkauft werden. Diese Neugierde machte fast schon wieder mißtrauisch. Sollte da vielleicht etwas nicht so ganz geheuer sein? Könnte da vielleicht eine sonderbare Rolle spielen eine Hinwendung, entstanden aus dem Überdruß an der öffentlichen Misere, zu vermuteten tieferen und innerli­ cheren Werten, zum geheimnisvollen Geraune, zum exklusiven Kult des Schönen? Ganz von der Hand zu weisen wären solche Motivationen nicht. Als Ernst Meister, umgeben vom unsichtba­ ren Heiligenschein des Dichterfürsten, seine edeldunklen Verse vorgetragen hatte und der frenetische Beifall abgeebbt war, konnte man Zuhörer hinter vorgehaltener Hand flüstern hören: »Verstanden hab ich’s ja nicht, aber ich fand’s echt gut.« Trotz alledem: Es wäre hämisch, ja falsch, die wortreiche Be­ geisterung der Poeten und die Neugierde der Zuhörer und Zu­ schauerais einen Fall von Nostalgie zu nehmen. Was die Lyriker unter sich und auch mit dem Publikum verband, das war das In­ teresse an Lyrik als einer Möglichkeit, sich der eigenen Existenz zu vergewissern, sie in aller Subjektivität einzubringen auch in die Sphäre des Gesellschaftlichen und der Politik. Die Widersprüche, Freuden und Verletzungen im eigenen Kopf aufzuhalten und schreibend bewußt zu machen, dieses Anliegen wurde von allen geteilt, so unterschiedlich sonst auch Schreib-»Kräfte« und -Konzeptionen waren. Es dominierten zweifellos die »Neosubjektivisten«; jener breite Strom politischer Lyrik, der spätestens seit Ende der 6oer Jahre fließt, rauschte eher im Hintergrund. Kommunikation unter den Autoren, die Verständigung über poetologische Konzepte, das Thema »Gedichte und die Wirk­ lichkeit« waren auch die zentralen Momente in zwei nichtöffent­ lichen Workshops. Profilierungszwänge und Kollegenschelte hielten sich in Grenzen, Differenzen wurden sachlich diskutiert. Daß die Dichter eine neue Poetik zur Welt bringen würden, war gar nicht erwartet worden. Immerhin wiesen alle an der Diskus­ 524

sion Beteiligten das Schlagwort von der »neuen Innerlichkeit« als feuilletonistischen Beschwörungszauber solcher Kulturideolo­ gen zurück, die vielleicht gern hätten, daß die Dichter die Augen schlössen und nur noch innerhalb ihrer eigenen Haut lebten. Unterschiedliche Auffassungen ergaben sich dort, wo es um den politischen und ästhetischen Gebrauchswert von engagierter Lyrik ging. Abgelehnt von manchen Diskutanten wurden Texte, deren Wert nur in einem politisch »richtigen« Inhalt liege und die keinen Zugewinn an Einsicht brächten - gefordert wurden solche Texte allerdings auch von niemand. Einige wollten eine »radikale Poesie« in dem Sinn, daß der Dichter vor keiner poetischen Ein­ sicht in die eigene Existenz zurückschrecken dürfe, die Poesie müsse eine radikale Form der Wahrheit sein. Das mutete nun al­ lerdings selbst wie lyrische Sprechweise an, die nicht näher zu konkretisieren war und sich eher in Referenzen vor dem verstor­ benen Rolf Dieter Brinkmann artikulierte. Mag auch die Gefahr romantizistischer Anwandlungen, lyri­ scher Selbstinszenierungen als Lebensersatz nicht von der Hand zu weisen sein, so muß doch festgestellt werden, daß diese Gene­ ration von Poeten nicht an Elfenbeintürmen bastelt. Und die Poesie spaziert auch nicht, so das Thema einer Podiumsdiskus­ sion, in die Gartenlaube. Sie geht über die Straßen und Plätze und nimmt wahr, was alles geschieht, mit ihren eigenen Augen, die auch nach innen schauen.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29. Juni 1977 Lyrik-Marathon Festival in Hamburg

Von Volker Hage Eine Überraschung: Wollen die Leute wirklich wieder Lyrik? Keiner hatte es so recht erwartet - am wenigsten die Lyriker sel­ ber. Erschrocken fragten sie einander: Ein Lyrikboom? Etwa ein Zeichen für restaurative Zeiten? Sind die Gedichte neuerdings wieder beliebter, weil sie mehr mit dem Alltag zu tun haben? Oder ist nur das Publikum aufgeschlossener, nachdem politische Enttäuschung sich breitmacht? Die Frage war: Gutes oder schlechtes Zeichen also ? Immerhin ein Zeichen: In Hamburg gab es drei Abende lang Lyrik zu hö­ ren, von 21 Uhr bis weit nach Mitternacht . . . . . . Von den Jüngeren vermißte man Karin Kiwus, Oskar Pastior und Jürgen Theobaldy. Was blieb? Immerhin genug, um den Anspruch eines »Ersten Bundesdeutschen Lyrik-Festivals« nicht als puren Hohn erschei­ nen zu lassen. Von der jüngeren, schon etablierten Lyrikgenera­ tion lasen in Hamburg: F. C. Delius, Ursula Krechel, Klaus Konjetzky, Roman Ritter und Johannes Schenk. Ihre Gedichte gehören wegen der durchsichtigen Sprache und der verarbeiteten Erfahrungen eng zusammen: ein persönliches Sprechen, das poli­ tische Belange nicht ausspart, aber den puren Aufforderungscha­ rakter umgeht. Neuere Gedichte wurden dabei kaum vorgestellt, die meisten kannte man bereits aus Lyrikbänden. Es zeigte sich, daß der öf­ fentliche Vortrag den Texten nicht immer guttat. Manches Ge­ dicht wirkte doch sehr viel blasser als auf dem Papier. Die Gefahr dieser Lyrik: Da sie bewußt auf Paradoxe und Pointen verzichtet, beginnt sie sich schnell in der Aufzählung von Details und Grup­ penzugehörigkeitszeichen zu erschöpfen. Und doch ist mit eini­ ger Sicherheit anzunehmen, daß gerade diese Poeten dem Gedicht wieder Leser zugeführt haben.

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Da hatten es die Altmeister der Lyrik beim Vortrag schon einfacher. Ein Autor wie Erich Fried, der viel herumreist und seine Gedichte großenteils schon auf rhetorische Spannung hin anlegt, weiß, wie er den Kontakt zum Publikum herstellen muß. Seine Lyrik ist deswegen nicht ohne Subtilität und Offenheit für Widersprüche. Ihm darin verwandt zeigte sich Peter Rühmkorf, während Arnfrid Astei - zielsicher - nach wie vor auf den poin­ tierten Schnellschuß setzte. Wie ein Gedicht auszusehen habe, das sich zum Vortrag eigne, fragten sich dann auch die Autoren auf zwei morgendli­ chen »Lyrik-Workshops«, wo sie unter sich waren. Gibt es wirk­ lich zwei Arten von Lyrik, die auf das Publikum hin geschriebene und die mehr in der Stille wirkende? So einfach ist die Sache wohl nicht: Ernst Meister, der wohlgelittene Senior unter den anwe­ senden Lyrikern, hat gewiß sehr dunkle Verse geschrieben (die an Benns »Das Gedicht ist monologisch« erinnern), und doch wirkten sie auf der Bühne überhaupt nicht deplaziert. Auch die von Helmut Heißenbüttel und Michael Krüger vorgelesenen Ge­ dichte waren nicht gerade von der schlichten Art; auch sie hatten ihre Resonanz. Ein erfolgreiches »Erstes Bundesdeutsches Lyrik-Festival« also? Die Vorbereitung hat viel Mühe gekostet, und ohne die Hilfe der Kulturbehörde wäre der Plan nicht durchzuführen ge­ wesen. Die Kosten der Veranstaltung liegen bei gut zwanzigtau­ send Mark (fünfzehntausend spendete die Stadt Hamburg da­ von). Doch, ein Erfolg. Wenn man es einen Erfolg nennen will, daß die in erster Linie jungen Leute (das mittlerweile schon für die Kinos typische Publikum) pro Abend fünf Mark bezahlten und auch über Stunden ein Mammutprogramm vor sich ablaufen ließen - ohne Unmutsäußerungen. Zwischenrufe, Lachen, Pfiffe? So gut wie kaum. Brav wurde geklatscht. Und die Autoren? Gewiß waren die morgendlichen Sitzun­ gen zu knapp, die Zusammensetzung war etwas heterogen, um - wie einige wünschten - wirklich über handwerkliche Probleme zu reden: am Beispiel einiger Gedichte etwa. Immerhin saß man zusammen an einem großen Konferenztisch, und wohl nicht nur

Uwe Friesei sah darin schon einen ersten Schritt im Kampf gegen die Vereinzelung. Darin war man sich doch weitgehend einig: Die Marktsituation zwinge eine ungewollte Konkurrenz auf. Ergie­ big fanden beide Seiten, Vorlesende wie Hörende, die kleinen Lesungen nachmittags im intimeren Kneipensaal. Ein Ärgernis, leider: ausgerechnet das Finale der Veranstal­ tung. Der dritte Abend war, da viele Autoren schon wieder abge­ reist waren, Hamburger Lyrikern vorbehalten. Nach welchen Kriterien hier ausgewählt worden war (ob überhaupt), blieb völ­ lig unerfindlich. Das Niveau war- mit ganz wenigen Ausnahmen -andiesem Abend deprimierend und zum Davonlaufen. Und so geschah es auch: zu guter Letzt vergraulte man die Zuhörer, ge­ gen Mitternacht war der Saal fast leer. Aber auch darin lag noch ein gewisser Trost: bewies es doch, daß das Publikum zwar überraschend aufnahmewillig ist, aber sich noch lange nicht alles als Lyrik vorsetzen läßt, was Eitelkeit gebietet, es als solche auszustellen.

Badische Zeitung, Freiburg, 4. Juli 1977 Die Poesie und ihr Pferdefuß Großer Erfolg: Das erste Lyrik-Festival der Bundesrepublik in Hamburg Von Manfred Rieger »Früher, sagen meine Freunde aus der Studentenbewegung, hast du ganz gute Gedichte geschrieben - da hattest du noch den Blick für das Gesellschaftliche . . . Mit leeren Blicken hören sie, was ich ihnen auch über Bäume sagen möchte.« So rezitierte auf dem 1. bundesdeutschen Lyrik-Festival in Hamburg der 29jährige Joachim Fuhrmann. »Wenn ein Kommunist über Krokusse schreibt, da muß doch irgendwas passiert sein«, meinte der »Akzente«-Redakteur Michael Krüger, und der Wahl-Utrechter Gregor Laschen sprach von dem Bedürfnis, »Details unserer Exi528

stenz wiederzufinden, die in den Jahren 1968-70 verschüttgegangen sind«. Eine Podiumsdiskussion des Hamburger Festivals stand un­ ter dem polemischen Motto: »Lyrik - zurück in die Garten­ laube?« Die Dichter von überall in der Bundesrepublik, die der Einladung nach Hamburg gefolgt waren, schreckten einander mit dem Pferdefuß »Neue Innerlichkeit«. Aber alle waren sich auch darin einig, daß der ihnen ganz zu Unrecht von Literaturkritikern angehängt worden sei. Man verteidigte die wiedergefundene Subjektivität, sprach von einem Nachholbedarf an Emotionalität, die wieder hinführe auf die Auseinandersetzung mit der Gesell­ schaft. »Ich kann mir nichts Innerlicheres vorstellen«, meinte Klaus Konjetzky, Lyriker und Redakteur der Zeitschrift »Kür­ biskern«, »als angesichts der aktuellen politischen Ereignisse, von denen ich mich betroffen fühle, ab und zu mal aufzuschreien und nein zu sagen.« Und Peter Rühmkorf, die graue Eminenz der Hamburger Lyrik-Szene, resümierte die Erfahrung der letzten Jahre: »Politik, Ökonomie«, so meinte er, »geht durch das Ich hindurch, spaltet das Ich, fügt ihm Schäden zu.« Ein Hauch von Gartenlaube

Im Elfenbeinturm sitzen sie jedenfalls nicht, die Empfindsamen und leicht Verletzlichen, die sich drei Tage lang in Hamburg tra­ fen, Lyriker mit Rang und Namen darunter, wie Erich Fried, Helmut Heißenbüttel, F. C. Delius, neben anderen, die hier zum ersten Mal vor ein größeres Publikum traten. Ein Hauch von lin­ ker Gartenlaube lag über dem Ganzen, aber der kam wohl mehr von der Atmosphäre des Veranstaltungsortes, dem Winterhuder Fährhaus im Norden Hamburgs, seinem sommerlichen Biergar­ ten an der Alster, dem etwas nostalgischen Interieur . . . . . . Den »Hofsänger des Kapitalismus«, darüber war man sich in Hamburg einig, gibt es nicht. Schreiben ist, nach Meinung von Klaus Konjetzky, zunächst ein Reagieren auf Verletzungen und sodann der Versuch, Welt vorstellbar zu machen. Michael Buselmeier sprach aus Anlaß eines Gedichtes über Stadtsanierung 529

in Heidelberg von dem »Versuch, in einer Sprache Bilder für die Zerstörung zu finden, die nicht die Sprache der Ökonomie und der Politik ist«.

Kein Rückzug ins Private

Von alternativem Umgang mit Sprache, von Literatur als einem alternativen Programm gegen das tägliche Blabla der Politiker war in Hamburg immer wieder die Rede. Unpolitisch sind die deutschen Lyriker jedenfalls nicht geworden. Ein Rückzug in rein private Gefilde fand nicht statt. Und angesichts der Tatsache, daß man auf die aktuelle politische Entwicklung viel zu langsam reagiert, konnte man sich mit klugen Worten von Peter Rühmkorf trösten, der auf die antizipatorische Funktion der Kunst hinwies. Lyrik wäre nicht nur ein Ventil. Die politischen Ge­ dichte von Erich Fried, Uwe Herms, Hans Magnus Enzensberger (der in Hamburg nicht vertreten war) wären schon lange vor der Studentenrevolte entstanden. Das Hamburger Lyrik-Festival soll wiederholt werden.

Stuttgarter Zeitung, 2. Juli 1977 Die Probleme der deutschen Poeten mit der Realität Das erste Lyrik-Festival der Bundesrepublik im Hamburger Fährhaus - Eine kritische Bestandsaufnahme Von Jürgen Schmidt

Das Leid, das der Radikalenerlaß und die Berufsverbote, der ge­ walttätige Umgang der politischen Parteien mit dem Gewaltbe­ griff und das zerrüttete Gefüge unserer Bildungschancen über die Öffentlichkeit gebracht haben, ist offenkundig längst zu einem millionenfachen individuellen Leid geworden. Die vielfältigen Versuche, gesellschaftliche Spielregeln in ungesellschaftlicher Weise zu reglementieren, haben mit anderen Worten inzwischen 53°

die Formen angenommen, die der Einzelne nicht mehr einfach als Ausdruck eines ungerufenen Zeitgeistes wegrationalisieren kann. Nun hat er sie, im Gegenteil, persönlich mitzuerleiden, und die­ ses Leid schreit nach Erlösung. Die allerdings kommt erfahrungsgemäß weder von selbst noch von denen, die das Leid verordnet haben - woraus folgt, daß die Suche nach Erlösung zumindest im Augenblick nur eine Suche nach selbsthilfefähigen Mitleidenden sein kann. Und so war es denn auch beim »i. Bundesdeutschen Lyrik-Festival« in Ham­ burg. Von Zuschauern und Autoren gleichermaßen gesucht wur­ den Leute, die das Sprachgebaren der Politiker und ihrer Hinter­ männer noch nicht gänzlich sprachlos gemacht hat. Gesucht wurden weiter Leute, die außer ihrer Bereitschaft zur Selbsthilfe auch noch so etwas wie eine Hoffnung gemeinsam haben. Und gesucht wurden schließlich Menschen, die ihre Hoffnungen selbst dann noch zu verteidigen bereit sind, wenn sie von Verlegern und Redakteuren, Intendanten und Lektoren schon längst wieder als »gefährlich«, »subversiv« oder gar »verfassungsfeindlich« ideo­ logisiert werden. Allen künftigen Gefährdungen zum Trotz haben sich die Ge­ suchten in Hamburg, daran kann es keinen Zweifel geben, gefun­ den, und mehr noch: lesend und diskutierend und zuhörend ha­ ben die Poeten und ihr Publikum ihr neugeordnetes Bewußtsein vom Ende der »Neuen Innerlichkeit«, von der Subjektivität als Fortschrittsträger und vom wünschenswerten Erkenntniswert der Poesie allen erdenklichen praktischen Prüfungen unterzogen und dafür fast ausnahmslos Dank geerntet . . . Das Gros der Festival-Teilnehmer schien ähnlich zu denken. Die tiefen Prägungen, die die verordneten und nichtverordneten Widersprüche in ihr Bewußtsein gegraben haben, machen ihnen allen in der gleichen Weise zu schaffen, auch wenn sie höchst un­ terschiedlich mit ihnen umgehen: sich selbst im Wechselspiel der Zeilen problematisierend und entproblematisierend (Ernst Mei­ ster); das lyrische Ich mit Hilfe vergangener Erfahrungen und Erlebnisse definierend (Johannes Schenk); Alltägliches pointiert zuspitzend (Klaus Konjetzky) oder gar ironisch umkehrend 53’

(Uwe Herms in seinem Gedicht »Ich bin vier«); die eigenen Strukturen ergründen (Renate Rasp) und gelegentlich sogar ein­ mal das poetische Milieu selbst untersuchend. Wenn jemand ein Dichter geworden ist, besagt ein Text von Erich Fried, dann prüft er seine Gefühle (seine Traurigkeit, seinen Zorn, sein Glück) zu­ allererst einmal daraufhin, ob sie als Mutterboden für weitere Gedichte taugen, anstatt sie auszuleben. Aber auch solcher Probleme waren sich die in Hamburg Ver­ sammelten wohl bewußt. Andernfalls hätte Uwe Herms kaum einen Grund gehabt, für den Lyriker als jemand zu plädieren, der mit seinem Tun identisch sein sollte; hätte Klaus Konjetzky das Auditorium nicht erst daran zu erinnern brauchen, daß persönli­ che Verletzlichkeit zu persönlichen Utopien davon führen müsse, »wie die Welt denn aussehen müßte, in der es dem Individuum besser geht«; hätte eine mutige Zuhörerin nur wenig Anlaß zu der Ermahnung gehabt, all die Fragen, die die Lyriker inzwischen aufzuwerfen imstande sind, nun endlich auch handelnd zu beant­ worten. Zu exakt demselben Ergebnis kamen im übrigen auch drei Schriftsteller und ihr Publikum im Verlauf einer langen, eu­ phorischen und ergiebigen Parallelveranstaltung in den Räumen des Hamburger Kunstvereins: Wenn das kein Signal ist!

Frankfurter Rundschau,jo.Juni 1977 Lyrik-Festival in Hamburg

HAMBURG. In den Sälen des Winterhuder Fährhauses in Hamburg ging das erste Lyrik-Festival der Bundesrepublik zu Ende. Die dreitägige Veranstaltung war von den Hamburger Schriftstellern Uwe Herms, Nathias Neutert, Uwe Wandrey, Ralf Thenior und dem Literaturwissenschaftler Jan Hans mit fi­ nanzieller Unterstützung der Kulturbehörde organisiert wor­ den. Über 30 Lyriker aus dem gesamten Bundesgebiet und aus Berlin, darunter Arnfrid Astei, Erich Fried, Helmut Heißenbüt532

tel, Ernst Meister, Ursula Krechel, Michael Krüger, Renate Rasp, Peter Rühmkorf und Johannes Schenk, lasen in drei großen Abendveranstaltungen vor einem aus der ganzen Bundesrepublik zusammengekommenen Publikum. In zusätzlichen »KneipenLesungen« und in Workshops diskutierten sie über neue Formen und Entwicklungen der deutschen Lyrik und über Probleme ih­ res »Handwerks«. dpa

Die Welt, Hamburg, 28. Juni 1977 Lyrik - getrimmt auf politische Leitsätze

Von Marion Lorenz

Einen repräsentativen Querschnitt bundesdeutscher Lyrik zu zeigen war das erklärte Ziel des »Ersten deutschen Lyrikfestivals in Hamburg«. Eben diesem Anspruch jedoch wurde zumindest die sonntägliche Podiumsdiskussion nicht gerecht. Denn was in kurzen Statements von den sechs Podiumsteilnehmern - Litera­ turwissenschaftler Jan Hans, Literat Uwe Herms, Lektor und »Akzente«-Mitherausgeber Michael Krüger, Lektor und Literat Peter Rühmkorf, Fernsehkritiker Paul Kersten und »Kürbiskern«-Redakteur Klaus Konjetzky - als Fazit ihres dreitägigen Treffens unter der Frage »Lyrik - zurück in die Gartenlaube?« gezogen wurde, reduzierte die vielfältige Erscheinungsform der lyrischen Dichtung auf den rein politischen Aspekt. Die neue Subjektivität in der Lyrik, die die Phase der politisch engagierten Dichtungen der Studentenbewegung abgelöst hatte, wurde lediglich als »Regression«, ja sogar als »Unterminierung der politischen Lyrik vor allem durch die Journalisten« apostro­ phiert, nicht aber als sich neu entwickelnde und seit jeher beste­ hende Alternative. Mitveranstalter Uwe Wandrey disqualifi­ zierte sie gar leichtfertig als »Küchen- und Kellerlyrik«. Müßte man dem Podiumsgespräch Glauben schenken, so besteht be­ merkenswerte Lyrik nur aus gesellschaftspolitischer Reflexion. 533

Als man nach der Erörterung dieser »Flucht aus der Gesell­ schaft«, die angeblich durch die manipulative Haltung der Mas­ senmedien sowie durch die »ästhetische Abwertung durch die Li­ teraturwissenschaft« mitprovoziert worden ist, zum Thema »Freiheit« kam, wurde diese »Freiheit« nicht etwa im übergeord­ net humanitären, sondern im ideologisch festgelegten Sinne ver­ standen. Nur für einen kurzen Augenblick sah das Publikum dann die individuelle, menschliche Seite der Lyrik verfochten, die »Be­ rechtigung zur Subjektivität«. Paul Kersten nämlich mochte die­ sen Aspekt nicht ganz missen: »Warum soll ein Mensch, der mit dem Tod nicht fertig wird, nicht darüber schreiben?« Das Podiumsfazit dieser anderthalbstündigen Diskussion vor einem überwiegend jugendlichen Auditorium aber färbte die Va­ leurs dann wieder eindeutig: Da verpflichtete man die Sprache, die man eben noch als »Steuerungsmittel politischer Verhält­ nisse« durch Politiker und Massenmedien entlarvt hatte, »als Mittel gegen die Massenmedien« zu dienen, und dieselbe Auf­ gabe ordnete man auch der Lyrik zu. Da kann man sich nur fra­ gen: Wo bleibt all jene.Lyrik, die den ureigensten Zustand eines Menschen als Individuum zeigt, eben die Lyrik, die mehr sein kann als nur kurzlebige, gefärbte Resonanz auf äußere Um­ stände?

Die Welt, Hamburg, i. Juli 1977 Dichtung für Stopfgänse L. S. M. - Es ist unter deutschsprachigen Dichtern Brauch gewor­ den, in Massen aufzutreten. Ob beim Steirischen Herbst in Graz, beim Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt oder jetzt beim ersten »Lyrik-Festival« in Hamburg - zwei oder drei Dutzend Dichter schütten da stunden- und tagelang ihr Füllhorn aus, als handele es sich darum, den Bonbon-Regen des Kölner Karne­ valszuges zu übertreffen. Der Olymp scheint neuerdings bevor­ 534

zugt in rauchgeschwängerten Kneipen angesiedelt zu sein, wo sich zwischen dem Klappern von Geschirr und den Prostrufen fröhlicher Zecher das rechte Maß an Verinnerlichung herstellen läßt. Für ein paar Minuten Aufmerksamkeit nehmen die Musen­ jünger fast alles in Kauf: öffentliche Notschlachtungen durch Ju­ rys, heisere Stimmen, Unverständnis und das halblaute Gähnen eines gelangweilten »Berufs-Publikums«. Wer es nämlich auf sich nimmt, einem solchen vielstündigen Dauerbeschuß mit Seelen­ pein und Weltschmerz beizuwohnen, muß schon dem Berufs­ stand übertariflich bezahlter Dichtungskonsumenten angehören. Rückenschmerzen, Kopfweh nehmen nach spätestens zwei Stun­ den so bedenkliche Formen an, daß man sie dringend bei der zu­ ständigen Berufsgenossenschaft als Arbeitsunfall anmelden muß. Es ist doch sehr die Frage, in welchem Kopf soviel Dichtung Platz haben kann. Man müßte vielleicht einmal ein Institut für Kommunikationsforschung beauftragen, festzustellen, wieviel Lyrik ein Mensch pro Tag ohne Schädigung seines vegetativen Nervensystems konsumieren kann. Und da es bei solchen Mas­ senauftritten logischerweise auch nicht darum gehen kann, die Texte richtig zu verstehen, geschweige zu verarbeiten, wäre auch interessant zu wissen, ob es sich hier um Resignation vor dem Mitteilungsverlust der Sprache oder um eine Form der gegen­ standslosen Kunst handelt. Vor allem bei der Lyrik, deren neue Attraktivität hier mit Mitteln des Gänsestopfens vermarktet wird, hat es so was ja schon gegeben. Unter uns gesagt: Wäre ich Dichter, ich zöge da doch lieber in einen Elfenbeinturm und züchtete mir eine blaue Blume.

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Daten der Autoren

Die nachstehenden bio-bibliografischen Notizen beruhen prin­ zipiell auf den Angaben der Autoren, die aus Gründen der Ein­ heitlichkeit und Benutzbarkeit redaktionell leicht bearbeitet wurden. Lakonie oder Ausführlichkeit einer Notiz beinhalten keine Wertung seitens der Herausgeber. Sie sind einzig Ausdruck der Bereitschaft der Autoren, Selbstaussagen zu ihrem Leben und Werk zu machen.

Arnfrid Astel geb. 1933 in München, aufgewachsen in Thüringen und Mittel­ franken. Studium der Biologie und der Literaturwissenschaft. Begründer der »Lyrischen Hefte«, die unter dem Titel »Literari­ sche Hefte« von anderen Herausgebern fortgeführt werden. Lebt als Rundfunkredakteur in Saarbrücken. Bücher: Notstand, ’68. Kläranlage, ’70. Zwischen den Stühlen sitzt der Liberale auf seinem Sessel, ’74. Scherben für eine neue Welt, ’76.

Rose Ausländer geb. 1907 in Czernowitz (Bukowina). Studium der Literaturwis­ senschaft und Philosophie. Verfolgung durch die Nationalsozia­ listen. Kellerversteck. Bekanntschaft mit Paul Celan. 1946 Aus­ wanderung in die USA, Arbeit als Sekretärin, Korrespondentin und Übersetzerin in New York. 1965 Übersiedlung nach Düssel­ dorf. Zahlreiche Ehrungen und Preise, u.a. Droste-Preis der Stadt Meersburg, Ida-Dehmel-Preis, Andreas-Gryphius-Preis. Bücher: Der Regenbogen, ’39. Blinder Sommer, ’6j. 36 Ge­ rechte, ’67. Inventar, ’72. Ohne Visum, ’74. Andere Zeichen, ’75. Gesammelte Gedichte, ’76 (2. veränd. u. erw. Aufl. ’77). Noch ist Raum, ’76. 538

Wolfgang Bächler geb. 1925 in Augsburg. 1947 als Student jüngster Mitbegründer der »Gruppe 47«. Von 1956 bis 1966 in Frankreich, ab 1967 wie­ der in München. Gelegentliche Filmrollen. Bücher: Die Zisterne, ’50. 0er nächtliche Gast, Lichtwechsel, ’5$. Lichtwechsel II, ’60. Türklingel, ’62. Türen aus Rauch, ’63. Traumprotokolle/Ein Nachtbuch, ’72. Ausbre­ chen, ’76.

Jürgen Becker geb. 1932 in Köln, lebt dort als Redakteur. Bücher:Felder, ’64. Ränder, ’68. Umgebungen, ’70. Eine Zeit ohne Wörter, ’71. Schnee, ’71. Das Ende der Landschaftsmalerei, ’74. Erzähl mir nichts vom Krieg, ’77. Hörspiele, ein Theater­ stück.

Alfred Behrens geb. 1944 in Hamburg. Kaufmännische Lehre, Studium an der Akademie für Grafik, Druck und Werbung Berlin. 1967 Pro­ gramme Assistant beim German Service der BBC London, 1968-1970 freier London-Korrespondent verschiedener Rund­ funkanstalten. Seit 1971 freier Schriftsteller in Berlin. 1974 Hör­ spielpreis der Kriegsblinden. Bücher: Gesellschaftsausweis, ’71. Künstliche Sonnen, ’73. Die Fernsehliga, *74. 12 Hörspiele, ein Fernsehspiel, ein Kurz­ film.

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Horst Bienek geb. 1930 in Gleiwitz. 1946 Aussiedlung. Schüler von Brecht in Ostberlin. 1951 aus fadenscheinigen politischen Gründen zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Vier Jahre in einem Kohlenberg­ werk in Workuta. Seit 1956 in der Bundesrepublik, zunächst als Funkredakteur, dann als Lektor, jetzt als freischaffender Schrift­ steller. Zahlreiche literarische Preise, u.a. Bremer Literaturpreis, Hermann-Kesten-Preis, Andreas-Gryphius-Preis. Bücher: Traumbuch eines Gefangenen, ’j7- was war was ist, ’66. Vorgefundene Gedichte, ’69. Die Zeit danach, ’74. Daneben Essays, Erzählungen, Romane. Kurzfilme, ein Spielfilm (>Die Zelle«, nach dem eigenen gleichnamigen Roman, Bundesfilmpreis in Gold).

Horst Bingel geb. 1933 in Korbach (Hessen). Realgymnasium, Buchhändler­ ausbildung, Studium der Malerei und Bildhauerei. Umfangreiche Redakteurs-, Herausgeber- und Kritikertätigkeit, Herausgeber der »Streit-Zeit-Schrift«, Begründer des »Frankfurter Forums für Literatur«. 1974-1976 Bundesvorsitzender des Verbandes deutscher Schriftsteller (VS) in der IG Druck und Papier. Lebt als Schriftsteller in Frankfurt a.M. Bücher: Kleiner Napoleon, ’56. Auf der Ankerwinde zu Gast, ’60. Die Koffer des Felix Lumpach, ’62 (verfilmt). Elefantisches, ’63. Wir suchen Hitler, ’65. Herr Sylvester wohnt unter dem Dach, ’67. Lied für Zement, ’75. Herausgeber mehrerer Antho­ logien und Dokumentationen.

Nicolas Born geb. 1937 in Duisburg. Chemiegraph. Seit 1965 Berufsschriftstel­ ler. Lebt in Dannenberg. 540

Bücher: Der zweite Tag, ’6j. Marktlage, ’67. Wo mir der Kopf steht, ’70. Das Auge des Entdeckers, ’72. Die erdabge­ wandte Seite der Geschichte, ’76.

Hansjürgen Bulkowski geb. 1938 in Berlin. Knappschaftsangestellter in Bochum, Di­ plom-Bibliothekar in Krefeld. Seit 1966 Herausgeber der Litera­ turzeitschrift »PRO« (mit Spezialbibliografie aller Gedichtpu­ blikationen in deutscher Sprache). Seit 1969 freiberuflicher Schriftsteller in Düsseldorf. Bücher: Lesen, ein Vorgang, ’72. Tempo ’77. Das ist ein Mensch (Hrsg., Kindertextsammlung), ’74. Tempo, ’77.

Jörg Burkhard geb. 1943 in Dresden. Führt seit 1968 in Heidelberg eine Buch­ handlung für Politik und Literaturbücher, »die man sonst nicht findet«. Bücher: ein paar dinge von denen ich weiß, *77 (zus. mit H. Oberländer und M. Walther). Veröffentlichungen in verschiede­ nen Zeitschriften.

Michael Buselmeier geb. 1938. Lebt als freier Publizist und Schriftsteller in Heidel­ berg. Bücher: Das glückliche Bewußtsein, ’74. Essays und Gedichte in vielen Zeitschriften.

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Friedrich Christian Delius geb. 1943 in Rom, aufgewachsen in Nordhessen. Lebt seit 1963 in Westberlin. Studium der Literaturwissenschaft, danach Ver­ lagsarbeit. 1971/72 Villa Massimo-Preis. Bücher: Kerbholz, ’65. Wir Unternehmer, ’66. Wenn wir, bei Rot, ’69. Der Held und sein Wetter, ’71. Unsere Siemens-Welt, ’72. Ein Bankier auf der Flucht, ’75.

Christoph Derschau geb. 1938 in Potsdam. Lebt in Hamburg. Bücher: Den Kopf voll Suff und Kino, ’76. Die Ufer der salz­ losen Karibik, ’77. So ein Theater!, ’77.

Hugo Dittberner geb. 1944 in Gieboldehausen. Internat. Studium der Germani­ stik, Philosophie und Geschichte in Göttingen. 1972 Promotion. Danach freier Schriftsteller mit gelegentlichen Jobs. Lebt in Echte (Niedersachsen). Bücher: Rutschbahn, *73 (zus. mit J. Wilke). Donnervogel, ’73 (zus. mit J. Wilke). Passierscheine, ’73. Heinrich Mann, ’74. Das Internat, ’74. Kurzurlaub, ’76. Der Biß ins Gras, ’76.

Peter Engel geb. 1940 in Eutin. Studium der Germanistik und Anglistik in Hamburg und Heidelberg. Herausgeber zweier Handbücher zur »alternativen deutschsprachigen Literatur« (1973, 1974) und ei­ ner Sammlung lyrischer Selbstporträts junger Autoren (1975). Lebt als Kulturredakteur in Hamburg. Bücher: Klitzekleine Bertelsmänner, ’74 (zus. mit C. Schu­ bert). Beschreibung der Fallen, ’77 (zus. mit G. Guben). 541

Hans Eppendorfer geb. 1942, aufgewachsen in Schlesien, Schwaben und SchleswigHolstein. Lebt als Journalist und freier Schriftsteller in Ham­ burg. Bücher: Der Ledermann spricht mit Hubert Fichte, ’77. Ver­ öffentlichungen in Magazinen und Anthologien, Funkarbeiten.

Ute Erb geb. 1940 in Scherbach bei Bonn. 1949-1957 DDR. Abitur auf dem zweiten Bildungsweg. Studium der Pädagogik. Arbeit im Composersatz. Lebt in Westberlin. Bücher: Die Kette an deinem Hals, ’60. Ein schöner Land, ’76. Mehrere Übersetzungen, Fernsehskizze, Funkarbeit.

Jörg Fauser geb. 1944. Nach abgebrochenem Studium Krankenpfleger in London, Nachtportier in Istanbul und Flughafenarbeiter im Rhein-Main-Airport. Lebt als freier Schriftsteller in München. Bücher: Aqualunge, ’71. Tophane. ’72. Die Harry Gelb Story, ’73. Open End, *77. Hörspiele und Artikel.

Roderich Feldes geb. 1946 in Offdilln (Hessen). Studium der Germanistik, Lin­ guistik, Philosophie und Volkskunde. 1974 Promotion. Lebt seit 1970 in Eschenburg. 1976 Georg-Mackensen-Preis für die beste deutschsprachige Kurzgeschichte. Bücher: Haubergsnelken, ’67. Das Wort als Werkzeug, ’77. ii Hörspiele, Essays, Buchrezensionen und Erzählungen für verschiedene Rundfunkanstalten, Zeitschriften und Zeitungen.

543

Heiner Feldhoff geb. 1945, aufgewachsen in Duisburg. Studium in Münster. Real­ schullehrer für Deutsch und Französisch in Altenkirchen (We­ sterwald). Bücher: Ich wollt, ich wär der liebe Gott, ’76. Wiederbele­ bungsversuche ’78.

Ludwig Fels geb. 1946 in Treuchtlingen. Volksschule, Malerlehre, Hilfsarbei­ ter, z.Z. »freier« Schriftsteller in Nürnberg. Bücher: Anläufe, ’73. Platzangst, *74. Ernüchterung, ’75. Die Sünden der Armut, ’75. Alles geht weiter, ’77. Mehrere Hör­ spiele; Buchrezensionen, Plattenkolumnen.

Frederike Frei geb. 1943 in Brandenburg, Havel, aufgewachsen in Rotenburg (Niedersachsen). Volksschule in Bonn, Gymnasium in Ham­ burg. Studium der Germanistik und Theologie, Fabrikjobs, sechs Semester Schauspielstudium, Arbeit als Sekretärin und Locherin. Seit 1975 freie Autorin und Schauspielerin. Lebt in Hamburg. Bücher: losgelebt, ’77.

Erich Fried geb. 1921 in Wien. 1938 nach der Besetzung Österreichs Flucht nach England. Arbeit als Fabrikarbeiter, Milchchemiker und Bi­ bliothekar. Seit 1946 freier Schriftsteller. Lebt in London. Bücher: Deutschland, ’44. Österreich, *45. Gedichte, ’58. Ein Soldat und ein Mädchen, ’60. Reich der Steine, ’63. Warngedichte, ’63/64. Überlegungen, ’64. Kinder und Narren, ’65. und vietnam und, ’66. Anfechtungen, ’67. Zeitfragen, ’68. Befreiung von der 544

Flucht, ’68. Die Beine der größeren Lügen, ’69. Unter Neben­ feinden, ’70. Die Freiheit den Mund aufzumachen, ’71. Gegen­ gift, ’74. Höre, Israel!, ’74. Fast alles Mögliche, ’75. So kam ich unter die Deutschen, *77. Die bunten Getüme, ’77. Zahlreiche Übersetzungen aus dem Englischen, Hebräischen und Griechi­ schen, Hörspiele, ein Opernlibretto, kritische Aufsätze zur Lite­ ratur und Politik.

Uwe Friesel geb. 1939 in Braunschweig. Studium der Germanistik, Anglistik und Philosophie in Hamburg. 1965 Verlagslektor. 1966 Hör­ spieldramaturg beim Norddeutschen Rundfunk. 1970 Drama­ turg an der Freien Volksbühne und am »Grips«-Theater, Berlin. 1968 Preis der Villa Massimo. Mitbegründer der Autoren-Edition. Lebt in Hamburg. Bücher: Linien in die Zeit, ’63. Sonnenflecke, ’65. II Tedesco, ’78. Sechs Kinderbücher, mehr als 20 Hörspiele, Theaterstücke (Volpone, Die Christusbringer), ein TV-Spiel, Übersetzungen (Schneck, Der Nachtportier; Nabokov, Fahles Feuer, Ada), Her­ ausgebertätigkeit (Noch ist Deutschland nicht verloren, ’70).

Walter Helmut Fritz geb. 1929 in Karlsruhe. 1949-1954 Studium der Literatur und Philosophie in Heidelberg. Lebt in Karlsruhe. Bücher: Achtsam sein, ’56. Bild und Zeichen, ’58. Veränderte Jahre, ’63. Umwege, ’64. Abweichung, ’65. Zwischenbemerkun­ gen, ’65. Die Zuverlässigkeit der Unruhe, ’66. Bemerkungen zu einer Gegend, ’69. Die Verwechslung, ’70. Aus der Nähe, ’72. Die Beschaffenheit solcher Tage ’72. Bevor uns Hören und Sehen vergeht, ’75. Schwierige Überfahrt, ’76. Sehnsucht, ’78. Gesam­ melte Gedichte, ’79. Hörspiele, Essays, Übertragungen aus dem Französischen.

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Joachim Fuhrmann geb. 1948 in Hamburg. Abgebrochene kaufmännische Lehre, Studium der Literaturwissenschaft. 1969 Gründung des eigenen Kleinverlags >neue presse«. 1975 Reisestipendium des Auswärti­ gen Amtes. Berufsschriftsteller. Lebt in Hamburg. Bücher: Trotzdem läuft alles, ’75. Über Bäume, ’77. Umfang­ reiche Herausgebertätigkeit (u. a. Agitprop, ’68; Linke Liebesly­ rik, ’72; Tagtäglich, ’76). Hörstücke und andere Funkbeiträge.

Günter Grass geb. 1927 in Danzig. Lebt in Westberlin und Wewelsfleth. Bücher: Noch zehn Minuten bis Buffalo, ’54. Die Vorzüge der Windhühner, ’56. Hochwasser, ’57. Onkel, Onkel, ’$8. Die Blechtrommel, ’59. Gleisdreieck, ’60. Katz und Maus, ’61. Die bösen Köche, ’61. Hundejahre, ’63. Die Plebejer proben den Aufstand, ’66. Ausgefragt, ’67. Über das Selbstverständliche, ’68. örtlich betäubt, ’69. Davor, ’69. Theaterspiele, ’70. Gesammelte Gedichte, ’71. Aus dem Tagebuch einer Schnecke, ’72. Der Bür­ ger und seine Stimme, ’74. Der Butt, ’77.

Günter Guben geb. 1938. 1973 Gründung der EDITION APPA APPA. Lebt in Esslingen. Veröffentlichungen: Prosa, Lyrik und visuelle Poesie in An­ thologien, Zeitschriften und Zeitungen, eine Langspielplatte mit experimenteller Musik, zwölf Hörspiele und andere Funktexte sowie bisher sieben Bücher (zuletzt: Beschreibung der Fallen, ’77 [zus. mit P. Engel], Dinge mit Namen, ’77).

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Jan Hans geb. 1941 in Glückstadt. Studium der Germanistik, Romanistik und Allgemeinen Sprachwissenschaft. Arbeit als Sprachlehrer und Übersetzer. Seit 1969 wissenschaftlicher Angestellter der Universität Hamburg. Zusammen mit Uwe Herms Begründer des »Hamburger Lyrik-Kontors« und Mitveranstalter des »Er­ sten Bundesdeutschen Lyrik-Festivals«. Veröffentlichungen und Lehrveranstaltungen zur Literatur des 20. Jahrhunderts und zur Medienkunde. Herausgebertätigkeit.

Hannes Hatje lebt in Hamburg. Bücher: 18 uhr 26, ’76. Veröffentlichungen in den Zeitschrif­ ten Boa Vista und Henry.

Helmut Heissenbüttel geb. 1921 in Rüstingen b. Wilhelmshaven. Studium der Archi­ tektur, Germanistik und Kunstgeschichte in Dresden, Leipzig und Hamburg. 1955-1957 Lektor und Werbeleiter. Seit 1959 Angestellter des Süddeutschen Rundfunks. Bücher: Kombinationen, ’54- Topographien, ’¿6. Textbuch 1-6, ’60; ’61; ’62; ’64; ’65; ’67 (gesammelt in: Das Textbuch, ’70). Über Literatur, ’66. D’Alemberts Ende, ’70. Zur Tradition der Moderne, ’72. Gelegenheitsgedichte und Klappentexte, ’73. Das Durchhauendes Kohlhaupts, ’74. Umfangreiche Herausgebertä­ tigkeit, Nachworte, Hörspiele und andere Rundfunkarbeiten.

Günter Herburger geb. 1932 in Isny, Allgäu. Studium des Sanskrit und der Philoso­ phie. Verschiedene Berufe in verschiedenen Ländern. Lebt in München.

$47

Bücher: Eine gleichmäßige Landschaft, ’64. Ventile, '66. Die Messe, ’69. Jesus in Osaka, *70. Training, ’70. Birne kann alles, ’71. Birne kann noch mehr, ’71. Helmut in der Stadt, ’72. Die Er­ oberung der Zitadelle, ’72. Die amerikanische Tochter, *73. Ope­ rette, ’73. Schöner Kochen, ’74. Birne brennt durch, ’75. Haupt­ lehrer Hofer, ’75. Flug ins Herz, ’77. Ziele, ’77. Drehbücher für acht Fernsehfilme und zwei Kinofilme (Tätowierung ’67; Die Eroberung der Zitadelle *77). Neun Hörspiele.

Uwe Herms geb. 1937 in Salzwedel, Altmark. Studium der Germanistik, Ge­ schichte, Kunstgeschichte, Philosophie und Anglistik in Ham­ burg und Heidelberg. 1963 Master of Arts in Evanston, 111. Meh­ rere literarische Förderpreise, u. a. Niedersächsischer Kunstpreis. Stipendiat der Villa Massimo. 1972-1977 Fernsehredakteur. Zu­ sammen mit Jan Hans Begründer des »Hamburger Lyrik-Kon­ tors« und Mitveranstalter des »Ersten Bundesdeutschen LyrikFestivals«. 1978 Gastdozent der University of Texas, Austin. Lebt als freiberuflicher Schriftsteller in Hamburg und Osterhe­ ver, Eiderstedt. Bücher: Zu Lande, zu Wasser, ’69. Brokdorfer Kriegsfibel, ’77. Der Mann mit den verhodeten Hirnlappen erfindet Trans­ portmittel und anderes - The Man with the Testiculated Brainlobes (zweisprachige Ausgabe), ’77. Familiengedichte, ’77. Franz und Paula leben noch, ’78 (zus. mit E. Herms). Übersetzungen aus dem Englischen (u.a. George MacDonald, Lilith, *77). Her­ ausgebertätigkeit, Rundfunkbeiträge.

Hadayatullah Hübsch geb. 1946. Schulen, Ersatzdienst, Arbeit in politischen Organisa­ tionen, Hippie- und Drogenzeit. Gefängnis und Nervenheilan­ stalt. Übertritt zum Islam. Arbeit als Lehrer an einer Schule für

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ehemalige Drogenabhängige. Studium der Islamwissenschaften. Seit 1973 freischaffender Schriftsteller. 1973 Kurt-Magnus-Preis der ARD. Lebt in Frankfurt am Main. Bücher: mach was du willst, ’69. Die von der Generation Ka­ mikaze, ’70. ausgeflippt, ’71. ein neuer morgen mit dir, ’74. Der, der es nicht erlebt, der wird es nie erfahren, *77. Hörspiele, Her­ ausgabe von Zeitschriften: WUDD (Zeitschrift der Liebe Allahs, für den Islam) und SADID (Zeitschrift der Worte des Neuen Menschen).

Harald K. Hülsmann geb. 1934 in Düsseldorf. Verschiedene Literaturpreise. Längere Reisen nach England und Frankreich. Lebt in Düsseldorf. Bücher: Wermutblätter und Rabenfeder, ’62. Der gute Gott Ambrosius, ’66. Aus dem Rezeptbuch des Mr. Lionel White, ’68. Lageberichte, ’70. Stuhlgänge, ’74/75. New Yorker Notizen, ’75. Texturen + Schraffuren, ’75. Fancy, ’76. Beiträge in Antholo­ gien, Zeitungen und Zeitschriften. Grafische Arbeiten.

Heinar Kipphardt geb. 1922 in Heidersdorf (Schlesien). Studium der Medizin, Phi­ losophie und Theaterwissenschaft. Arbeit als Psychiater und Neurologe, ab 1951 als Dramaturg am Ostberliner Deutschen Theater. 1959 Übersiedlung in die Bundesrepublik. Freier Schriftsteller in München. 1970/71 Chefdramaturg der Münchner Kammerspiele. Seither wieder freier Autor. Seit 1976 Mitheraus­ geber der AutorenEdition. Zahlreiche Preise. Bücher: Entscheidung, ’52. Shakespeare dringend gesucht, ’54. Der staunenswerte Aufstieg und Fall des Alois Piontek, ’56. Die Stühle des Herrn Szmil, ’61. Der Hund des Generals, ’62. Die Ganovenfresse, ’64. In der Sache J. Robert Oppenheimer, ’64. Joel Brand, ’65. Die Nacht, in der der Chef geschlachtet wurde, ’67. Stücke, ’73/74. Leben des schizophrenen Dichters Alexander M., ’76. März, ’76. Angelsbrucker Notizen, ’77.

549

Karin Kiwus geb. 1942 in Berlin. Studium der Germanistik, Publizistik, Poli­ tologie. Abschluß mit dem Magister Artium. Wissenschaftliche Assistentin in der Akademie der Künste, Berlin. 1973-1975 Lek­ torin im Suhrkamp Verlag. Seit 1975 Sekretär der Abteilung Lite­ ratur in der Akademie der Künste, Berlin. 1977 Bremer Litera­ tur-Förderpreis. Bücher: Von beiden Seiten der Gegenwart, ’76.

Klaus Konjetzky geb. 1943 in Wien. Studium der Geschichte, Germanistik und Philosophie in München. Seit 1971 freischaffender Autor. Mit­ herausgeber der »Literarischen Hefte«. Seit 1975 Redakteur der Zeitschrift »Kürbiskern«. Bücher: Perlo peis ist eine isländische Blume, ’71. Für wen schreibt der eigentlich?,’73 (zus. mitM. Bosch). Poem vom Grü­ nen Eck, ’75. Was interessiert mich Goethes Geliebte?, ’77. Her­ ausgebertätigkeit.

Ursula Krechel geb. 1947 in Trier. Studium der Germanistik, Theaterwissen­ schaft, Kunstgeschichte. Dr. phil. Dramaturgin. Seit 1972 freie Schriftstellerin. Bücher: Erika, ’73. Selbsterfahrung und Fremdbestimmung, ’75. Nach Mainz!, ’77.

55°

Karl Krolow geb. 1915 in Hannover. Studium der Germanistik, Romanistik, Philosophie und Kunstgeschichte in Göttingen und Hannover. 1956 Büchner-Preis. Lebt in Darmstadt. Bücher: Hochgelobtes, gutes Leben, ’43. Gedichte, *48. Heimsuchung, ’48. Auf Erden, ’49. Die Zeichen der Welt, ’32. Von nahen und fernen Dingen, ’53. Wind und Zeit, ’54. Tage und Nächte, ’56. Fremde Körper, ’59. Tessin (zus. mit F. Eschen), ’59. Aspekte zeitgenössischer deutscher Lyrik, ’61. Unsichtbare Hände, ’62. Ausgewählte Gedichte, ’62. Reise durch die Nacht, ’64. Schattengefecht, *64. Gesammelte Gedichte, ’65. Landschaf­ ten für mich, ’66. Poetisches Tagebuch, ’66. Das Problem des lan­ gen und kurzen Gedichts - heute, ’66. Alltägliche Gedichte, ’68. Minutenaufzeichnungen, ’68. Nichts weiter als Leben, ’70. Bür­ gerliche Gedichte (unter dem Pseud. Karol Kröpcke), ’70. Zeit­ vergehen, ’72. Der Einfachheit halber, ’77. Nachdichtungen fran­ zösischer Lyrik aus fünf Jahrhunderten, u.a. von Verlaine und Apollinaire.

Michael Krüger geb. 1943 in Wittgendorf, Kreis Zeitz. Verlags- und Druckerlehre in Berlin. 1964 Gründung der Zeitschrift »Die Diagonale« (zus. mit J. Seyppel und J. Lander). Seit 1966 Verlagslektor. Seit 1968 Mitherausgeber der Anthologie »Der Tintenfisch«, seit 1976 Mitherausgeber der Literaturzeitschrift »Akzente«. 1974 Münchner Förderpreis. Lebt in München. Bücher: Reginapoly, ’76.

55

Otto Heinrich Kühner geb. 1921 in Nimburg a. Kaiserstuhl. Gymnasium, Abitur. Kriegsdienst und russische Gefangenschaft. Studium der Litera­ tur, Philosophie und Musikwissenschaft. Von 1950-1965 Dra­ maturg und Lektor beim Süddeutschen Rundfunk. Lebt seit 1965 als freier Schriftsteller in Kassel. Bücher: Am Rande der Großstadt, ’53- Pummerer, ’68. Nar­ rensicher, ’72. Der Freiheit eine Allee, ’74. Die Lust, sich am Bein zu kratzen oder: Die Orgie des kleinen Mannes, ’76.

Gregor Laschen geb. 1943 in Samarkand. Seit 1972 Dozent für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft an der Rijksuniversiteit Utrecht, Nieder­ lande. Lebt z.Z. in Utrecht und im Bahnhof Rolandseck. Bücher: Ankündigung der Hochzeitsnächte, ’67. Lyrik in der DDR, *71. 1978 erscheint ein Gedichtband.

Bernhard Laux geb. 1946 in Schöningen, Kreis Helmstedt. Studium der Erzie­ hungswissenschaft, der Deutschen Sprache und Literaturge­ schichte in Hamburg. Erste Lehrerprüfung 1969/70, Referen­ dariat, zweite Lehrerprüfung. Danach Berufsverbot wegen Referendarsprechertätigkeit (keine Parteizugehörigkeit). Ende 1977 Aufhebung des Berufsverbots in der zweiten Instanz, Ein­ stellung trotzdem noch offen. Lebt in Hamburg. Bücher: zweierlei maß - oder warum es so schwierig ist, die menschenrechte zu verwirklichen (zus. mit N. F. Hofmann), ’72. noch ist es nicht nacht, *78. Hörspiele.

552

Wilhelm Liefland geb. 1938 in Oberkirchen. Studium der protestantischen Theolo­ gie, der Germanistik, Literaturwissenschaft, Philosophie in Hei­ delberg, Berlin, Hamburg, Frankfurt. 1969 Magister Artium. 1969-1975 überwiegend Aufenthalt in geschlossenen psychiatri­ schen Stationen wegen Alkoholismus. Seit 1975 Genesung mit einer nichtinstitutionellen Selbsthilfegruppe. Lebt in Frankfurt/ M. Bücher: Gesänge entlang der Angst, ’75. Rundfunkfeatures.

Richard Limpert geb. 1922 in Gelsenkirchen. Volksschule, Sattler- und Polsterer­ handwerk, Soldat, sowjetische Kriegsgefangenschaft 1944-1949. 1950-1954 Arbeit als Polsterer. Ab 1957 Maschinist. Mitarbeiter der »Literarischen Werkstatt Gelsenkirchen«, des »Werkkreises Literatur der Arbeitswelt«. Lebt in Gelsenkirchen. Bücher: Schichtenzettel (zus. mit J. Büscher und K. Küther), ’69. Menschen seh ich, die mit Eifer, ’70. Gedichte des Sozialpart­ ners (zus. mit H. Berger und G. Hinz), ’71. Über Erich 1933-1953, ’72. Fragen so nebenbei, *74. Zahlreiche Beiträge in Anthologien. Schallplatte: INTERNATIONALER FRAU­ ENTAG, ’77.

Peter Maiwald geb. 1946 in Grötzingen, Kreis Nördlingen. Studium der Thea­ terwissenschaft, Germanistik und Soziologie in München. Lebt seit 1970 in Neuss am Rhein. Bücher: Geschichten vom Arbeiter B., ’75. Antwort hierzu­ lande, ’76. Die Kinder von der Annostraße, ’78.

553

Rainer Malkowski geb. 1939 in Berlin. Arbeit für Werbeagenturen. 1968-1971 Teil­ haber einer Werbeagentur. Lebt als freier Schriftsteller in Bayern. 1976 Bayerischer Förderpreis. Bücher: Was für ein Morgen, ’75. Einladung ins Freie, ’77.

Christoph Meckel geb. 1935 in Berlin. Studium der Grafik in Freiburg und Mün­ chen. Reisen durch Europa, USA, Mexiko, Afrika. Lebt in West­ berlin und Südfrankreich. Bücher:Tarnkappe, ’ j6. Nebelhörner, ’59. Im Land der Um­ bramauten, ’61. Wildnisse, ’62. Dunkler Sommer und Musikan­ tenknochen, ’64.Tullipan, ’65. Die Savannen, '66. Der glückliche Magier, ’67. Bei Lebzeiten zu singen, ’67. Zettelphilipp, ’70. Ma­ nifest der Toten, ’71. Hotel für Schlafwandler, ’71. Werkauswahl, ’71. Lieder aus dem Dreckloch, ’72. Bockshorn, ’73. Die Gestalt am Ende des Grundstücks, ’74. Flaschenpost für eine Sintflut. Wen es angeht, ’74. Nachtessen, ’75. Zahlreiche Veröffentlichun­ gen in Anthologien. Grafische Arbeiten.

Ernst Meister geb. 1911 in Hagen-Haspe, Westfalen. Studium der Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte. 1939-1960 Angestellter in der Fabrik seines Vaters, im Kriege Soldat. Zahlreiche Literatur­ preise, u.a. Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis 1937, Großer Kunstpreis von Nordrhein-Westfalen 1963, Petrarca-Preis (zus. mit Sarah Kirsch) 1976, Rilke-Preis 1977. Lebt als freier Schrift­ steller in Hagen. Bücher: Ausstellung, ’32- Unterm schwarzen Schafspelz, ’53Dem Spiegelkabinett gegenüber, ’54. Der Südwind sagte zu mir, *55.... und Ararat, ’56. Fermate, ’57- Pythusia, ’58. Zahlen und 554

Figuren, ’yS. Lichtes Labyrinth, *59. Les Yeux barques (franz.deutsch), ’60. Die Formel und die Städte, ’60. Flut und Stein, '62. Gedichte 1932-1964, ’64. Au delà de l’au delà (franz.-deutsch), ’64. Zeichen um Zeichen, ’68. Schein und Gegenschein, ’68. Es kam die Nachricht, ’70. Das Heft vom Hex, ’71. Sage vom Gan­ zen den Satz, ’72. Schatten, ’73. Im Zeitspalt, ’76. Ausgewählte Gedichte 1932-1976, ’77. Hörspiele.

Franz Mon geb. 1926 in Frankfurt/M. Studium der Germanistik, Geschichte und Philosophie. Lebt als Verlagslektor in Frankfurt/M. Grund­ legung einer Kunst des Intermediums in dem Sammelband »movens«, ’60 (zus. mit W. Hollerer und M. de la Motte). Verzwei­ gung der Arbeit in optische und akustisch/phonetische Texte: Plakat-Bilder, Text- und Hörcollagen, Artikulationsversuche, Schreibmaschinengraphiken, neue Formen des Hörspiels. Bücher: artikulationen, ’59. Sehgänge, ’64. Lesebuch, ’67 (erw. Neuaufl. ’72). einmal nur das alphabet gebrauchen, ’67. herzzero, ’68. Texte über Texte, ’70. Zahlreiche Hörspiele.

Bodo Morshäuser geb. 1953 in Berlin. Gedichtveröffentlichungen in Zeitschriften, einer Anthologie und im Rundfunk. Wohnt in Westberlin.

Nathias Neutert geb. 1941. Mitbegründer des »Ersten Bundesdeutschen LyrikFestivals«. Mitherausgeber der >Boa Vista, Zeitschrift für Neue Literatur«. Lebt in Hamburg. Bücher: 100 Tricks und Zaubereien, ’76. Was ist und was sein soll, ’78. H5

Helga

M.

Novak

geb. 1935 in Berlin. Studium der Journalistik und Philosophie in Leipzig 1954-1957. 1958-1961 Arbeit in Fabriken. 1961 Über­ siedelung nach Island. 1965 zurück in die DDR, Studium am Literaturinstitut. 1966 Ausweisung aus der DDR, Annahme der is­ ländischen Staatsangehörigkeit. Lebt seit 1968 in Frankfurt/M. Bücher: Ostdeutsch-Westdeutsch, ’63. Ballade von der rei­ senden Anna, ’65. Colloquium mit vier Häuten, ’67. Geselliges Beisammensein, ’68. Wohnhaft im Westend (zus. mit H. Karasek), ’70. Aufenthalt in einem irren Haus, ’71. Balladen vom kur­ zen Prozeß, *75.

Harry Oberländer geb. 1950 in Karlshafen. Studium der Soziologie. Arbeit im Buchhandel, z.Z. im Kulturamt der Stadt Offenbach beschäftigt. Leonce-und-Lena-Preis 1973. Bücher: ein paar dinge von denen ich weiß (zus. mit J. Burk­ hard und M. Walther), ’77.

Oskar Pastior geb. 1927 in Hermannstadt/Sibiu (Rumänien). Als Angehöriger der deutschen Minderheit 1945-1949 Zivilarbeitslager in der UdSSR. Danach Kistennagler und Bautechniker in Hermann­ stadt. 1955-1960 Germanistikstudium in Bukarest. Redakteur beim deutschen Inlandssender des Rumänischen Rundfunks. Kam 1968 in die BRD. Verschiedene Literaturpreise, u.a. Lyrik­ preis des rumänischen Schriftstellerverbandes 1967, AndreasGryphius-Förderpreis 1969, Berliner Kunstpreis 1976. Lebt seit 1969 in Westberlin, freiberuflich. Bücher: Offene Worte, ’64. Gedichte, ’66. Vom Sichersten ins Tausendste, ’69. Gedichtgedichte, ’73. Höricht, ’75. Fleischeslust, 556

’y6. An die Neue Aubergine, ’76. Hörspiele, Übersetzungen aus dem Rumänischen.

Steve B. Peinemann geb. 1948. Abitur, Ausland, wollte Maler werden. Führte eine Kneipe, diverse Jobs. Studium der Anglistik, Germanistik und Pädagogik bis zum ersten Staatsexamen. Jetzt als Lehrer am »Deutsch-Institut für Ausländer« in Hamburg tätig. Bücher: Wohngemeinschaft - Problem oder Lösung ’74 (sechste, um 100% erweiterte Auf!. ’77). Euch wer’n wir was le­ sen! (zus. mit R. Thenior und R. Wohlleben), ’76. Beiträge in Anthologien und Zeitschriften.

Klaus M. Rarisch geb. 1936. Studium der Germanistik, Publizistik und Theater­ wissenschaft. Mitbegründer der literarischen »Gruppe der Vier + 4« (1957) und des Ultimismus (1958). 1961-1963 Leiter des berliner Klubs und Kulturkellers »Das Massengrab«. 1966-1968 Redaktionsleiter der Zeitschrift »total«. Lebt als Angestellter ei­ nes Forschungsinstituts in Berlin. Bücher: Not, Zucht und Ordnung, ’63. Der Tod ein Traum, ’77. Herausgebertätigkeit (u.a. Ultimistischer Almanach, ’65), Beiträge in zahlreichen Anthologien (Lyrik und Essay).

Renate Rasp geb. 1935 in Berlin als Tochter des Schauspielers Fritz Rasp. Be­ suchte die berliner »Hochschule für Bildende Künste« und die münchner »Akademie der bildenden Künste«. Arbeitete als Schriftgraphikerin für das Bayerische Fernsehen und als Werk­ studentin bei Siemens, München. Lebt abwechselnd in München und Cornwall.

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Bücher: Ein ungeratener Sohn, *67. Eine Rennstrecke, ’69. Chinchilla, ’73.

Arno Reinfrank geb. 1934 in Mannheim. Verließ die Bundesrepublik erstmals 1951, lebt seit 1954 in England - zuerst als Hausmeister, dann Filmfachberater. Jetzt freier Autor. Veröffentlichte als einer der ersten BRD-Autoren in der DDR, der Sowjetunion und der CSSR. Mehrere literarische Auszeichnungen, u.a. Kurt-Tucholsky-Preis und Staatlicher Förderpreis von Rheinland-Pfalz. Bücher: Mutationen, ’73. Fernsehabend, ’75. Feuerbefra­ gung, ’77. Rauchrichtung, ’70. Die Totgesagten, ’73. Kopfstand der Pyramide, ’74. Geschichten aus Ithopien. Das Manöver findet bei Straubs auf der Veranda statt. Plutonium hat keinen Geruch.

Roman Ritter geb. 1943 in Stuttgart. Studium der Germanistik und Geschichte in Hamburg und München. 1968 Lyrikpreis der »Jungen Akade­ mie München«. Mitherausgeber der »Literarischen Hefte«, Mit­ glied der »Wortgruppe München«. Lebt als Lektor, Journalist und Schriftsteller in München. Bücher: Vorlesungen, ’68. Literarisches Tagebuch, ’75. Einen Fremden im Postamt umarmen, ’75.

Peter Rühmkorf geb. 1929 in Dortmund. 1951-1958 Studium der Germanistik und Psychologie in Hamburg. 1958-1964 Verlagslektor. Seither freier Schriftsteller. Bücher: Irdisches Vergnügen in g, ’59. Wolfgang Borchert, ’61. Kunststücke, ’62. Über das Volksvermögen, ’67. Was heißt 558

hier Volsinii ?, ’69. Lombard gibt den Letzten, ’71. Die Jahre, die Ihr kennt, ’73. Die Handwerker kommen, ’74. Walther von der Vogelweide, Klopstock und ich, ’73. Gesammelte Gedichte, ’76.

Johannes Schenk geb. 1941 in Berlin. War sechs Jahre Seemann. 1969-1975 Kreuz­ berger Straßentheater. Lebt in Berlin. Bücher: Fisch aus Holz, ’68. Bilanzen und Ziegenkäse, ’68. Zwiebeln und Präsidenten, ’69. Die Genossin Utopie, ’73. Jona, ’76. Zittern, ’77. Die Stadt im Meer, ’77. - Ferner Stücke: Trans­ portarbeiter Jakob Kuhn, ’72. Die Sardinendose, ’75. Das Schiff, ’73-

Godehard Schramm geb. 1943 in Konstanz. Studium der Slawistik, Germanistik, Pädagogik und der osteuropäischen Geschichte. Mitbegründer des »Werkkreis Literatur der Arbeitswelt«. Förderungspreis der Stadt Nürnberg. Lebt als freier Schriftsteller in Nürnberg. Bücher: Schneewaage, ’66. Lieber rot als rot, ’70. Nürnberger Bilderbuch, ’70. Lokalanzeigen, ’73. Meine Lust ist größer als mein Schmerz, ’75.

Margot Schröder geb. 1937 in Hamburg. Erlernter Beruf Buchhändlerin. Lebt mit ihrer 16jährigen Tochter und ihrem achtjährigen Sohn in Ham­ burg. Bücher: Ich stehe meine Frau, ’75. Der Schlachter empfiehlt noch immer Herz, ’76. Die Angst ist baden gegangen, ’76. Wie­ derkäuer, ’77. Hörspiele (Ehebefragung, ’72; Prestigelücke, ’72). 559

Landfried Schröpfer geb. 1940 in Erfurt. Studium der Physik und Philosophie in Jena und Heidelberg. Zusammenarbeit mit H. Bulkowski und W. Schmidt am offenen Zeichensystem RE’UN’ANZ. Lebt in Mos­ bach (Baden). Bücher: Beschleunigung, ’73. Ich-Programme (Hrsg.), *74. Ein Hörspiel.

Peter Schütt geb. 1939 in Basbeck an der Niederelbe. Studium der Germani­ stik und Geschichte. Mitglied im »Werkkreis Literatur der Ar­ beitswelt«. Bundessekretär des »Demokratischen Kulturbun­ des«. Lebt in Hamburg. Bücher: Sicher in die Siebziger Jahre, ’69. Faustregeln für Klassenkämpfer, ’70. Aktion Roter Punkt, ’70. Friedensange­ bote, ’71. Vietnam, 30 Tage danach, ’73. Zur Lage der Nation, ’74. Streik, ’75. Mein Niederelbe-Buch, ’76. Für wen? Für uns!, ’77. Ab nach Sibirien, ’77-

Angela Sommer geb. 1948 in Reinbek bei Hamburg. Studium der Pädagogik und Soziologie. Tätig im Hamburger Schuldienst. Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien.

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Jürgen-Peter Stössel geb. 1939 in Stuttgart. Nach zwei Semestern Germanistik und Kunstgeschichte bis 1964 Studium der Veterinärmedizin in Mün­ chen. Anschließend Tierarzt auf dem Lande und in der pharma­ zeutischen Industrie. Wegen des Buches »Psychopharmaka - die verordnete Anpassung« aus der Redaktion des Arztemagazins »euromed« fristlos entlassen. Seither freier Mitarbeiter von Fachzeitschriften, Tageszeitungen und verschiedenen Rund­ funkanstalten. Mitherausgeber der »Literarischen Hefte«, Mit­ glied der »Wortgruppe München«. Lebt in Inning. Bücher: Todesursachen sind Wirkungen des Lebens, ’71. Tatworte, ’71. Ich gestehe daß ich bestreite, ’71. Psychopharmaka - die verordnete Anpassung, ’73. Friedenserklärung, ’73. Der Grund zum Leben, ’77.

Hannelies Taschau geb. 1937 in Hamburg, aufgewachsen in Schwaben und im Ruhr­ gebiet. Längerer Frankreichaufenthalt. Seit 1967 freiberufliche Schriftstellerin. 1968 Förderungspreis des Landes NordrheinWestfalen. 1972-1974 Mitherausgeberin der AutorenEdition. Lebt in Essen und in Hameln. Bücher: Verworrene Route, ’j9- Die Kinderei, ’60. Die Taube auf dem Dach, ’67. Gedichte, ’69. Strip und andere Erzählungen, ’74. Nudelspinner, *75. Sieben Hörspiele, Features, Funkerzäh-

Ralf Thenior geb. 1945 in Bad Kudowa (Schlesien). Verlagskaufmannslehre in Hamburg. Reisen und Jobs. Ziviler Ersatzdienst. Übersetzerstu­ dium (Englisch) am Institut für Übersetzen und Dolmetschen der UniversitätSaarbrücken. Danach Begabtenabitur und Germani­ 561

stikstudium. 1974 Jahrespreis der »Literarischen Hefte«. Mitver­ anstalter des »Ersten Bundesdeutschen Lyrik-Festivals«. Lebt in Hamburg. Bücher: Traurige Hurras, *77. Prosa, Hörspiele, Rundfunk­ essays.

Jürgen Theobaldy geb. 1944 in Straßburg, aufgewachsen in Mannheim. Kaufmänni­ sche Lehre. Studium der Pädagogik in Freiburg und Heidelberg, dann der Literaturwissenschaft und Politik in Heidelberg, Köln und Westberlin. Bücher: Sperrsitz, *73. Blaue Flecken, *74. Zweiter Klasse, ’76. Veränderung der Lyrik, ’76 (zus. mit G. Zürcher). Herausgeber(Und ich bewege mich doch, ’77) und Übersetzertätigkeit.

Uwe Timm geb. 1940 in Hamburg. Nach der Volksschule Kürschnerlehre. 1963 Abitur. Studium der Philosophie und Germanistik in Mün­ chen und Paris. 1971 Promotion. Mitherausgeber der AutorenEdition. Lebt als freier Schriftsteller in München. Bücher: Widersprüche, ’71. Heißer Sommer, ’74. Zeitge­ dichte, ’77. Morenga, ’78.

Guntram Vesper geb. 1941 in Frohburg (Sachsen). 1957 über Berlin in die Bundes­ republik. Zunächst Hilfsarbeiter in Hessen und Rheinland-Pfalz, dann Internatsschüler. Studium der Germanistik und Medizin in Gießen und Göttingen. Mehrere Preise, u.a. Förderpreis für Li­ teratur des Landes Niedersachsen (1968), Kurt-Magnus-Preis der ARD für Hörfunkarbeiten (1970). Lebt als Schriftsteller in Göt­ tingen und Steinheim am Vogelsberg. 562

Bücher: Politische Flugschrift, ’64. Fahrplan, ’65. Gedichte, ’66. Kriegerdenkmal ganz hinten, ’70. Der tiefe Schlaf, ’77. Prosaund Gedichtveröffentlichungen in mehr als 80 Anthologien, Hörspiele, Features.

Richard L. Wagner geb. 1958 in Kaufbeuren. Seit 1975 München, besucht eine Gra­ fik-Schule. Veröffentlichungen in »little magazines«.

Peter Waldheim geb. 1941. Schreibt Gedichte und Prosa. Lebt in Hamburg.

Uwe Wandrey geb. 1939. Schiffbauerlehre, Arbeit im Maschinenbau und als Schiffbaukonstrukteur. Nach dem Abendabitur 1960 Wehrdienst (Reserveleutnant). Studium der Germanistik, Philosophie und Geschichte. 1971 Promotion. 1966 Gründung eines kleinen Ver­ lages.Seit 1971 Herausgeber einer Kinder-und Jugendbuchreihe. Mitveranstalter des »Ersten Bundesdeutschen Lyrik-Festivals«. Lebt in Hamburg. Bücher: Reizreime, ’66. Kampfreime, ’68. Lehrzeitgeschich­ ten, ’73. Alles gelogen, ’75. Rekrutentagebuch, ’78. Herausge­ bertätigkeit (u.a. agitprop, ’69; Stille Nacht allerseits, ’7$)

Wolfgang Weyrauch geb. 1907 in Königsberg, aufgewachsen in Frankfurt/M. 1940-194$ Soldat. 1950-1958 Lektor. Zahlreiche Preise, u.a. Eh­ rende Erwähnung Kleistpreis (1929), Hörspielpreis der Kriegs­ 563

blinden (1962), Andreas-Gryphius-Preis (1973). Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Juror des Leonce-und-Lena-Preises für neue Lyrik. Lebt in Darmstadt. Bücher: Der Main, ’34. Auf der bewegten Erde, ’46. Von des Glücks Barmherzigkeit, *47. An die Wand geschrieben, ’50. Die Minute des Negers, ’53- Bericht an die Regierung, *53. Gesang, um nicht zu sterben, ’56. Mein Schiff, das heißt Taifun, ’59. Die Spur, ’63. Etwas geschieht, ’66. Geschichten zum Weiterschrei­ ben, ’69. Ein Clown sagt, ’71. Mit dem Kopf durch die Wand, ’72. Das Ende von Frankfurt am Main, ’73. Beinahe täglich, ’75. Lieber T., ’76. Zahlreiche Hörspiele, umfangreiche Herausge­ bertätigkeit (u. a. Junge deutsche Prosa, ’40. Expeditionen, ’59. Neue Expeditionen, ’75).

Hildegard Wohlgemuth geb. im Ruhrgebiet. In Ostpreußen geheiratet und an der litaui­ schen Grenze als Lehrerin gearbeitet. Geflüchtet mit Sohn und Tochter nach Schleswig-Holstein, ins Rheinland gezogen. Mit­ glied der Dortmunder Gruppe 61. Lebt seit 1970 in Hamburg. Bücher: Gedichte, ’65. Vom Brötchen, das ein Hochzeitsku­ chen werden wollte, ’69. Wen soll ich nach Rosen schicken, ’71. Auch ich auch du, ’75. Schallplatten, Gedichte und Erzählungen in Anthologien und Schulbüchern.

Robert Wohlleben geb. 1937 in Rahlstedt. 1956-1967 Studium der Germanistik und Anglistik. 1961-1964 Wirtschaftsredakteur. Von 1966-1970 Herausgeber der »Meiendorfer Beiträge« (zus. mit F. Böhm). Seit 1972 Lehrer für Deutsch als Fremdsprache in Hamburg. Bücher: Meiendorfer Müll, ’72.

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Peter-Paul Zahl geb. 1944 in Freiburg (Brsg). Lebte bis 1953 in der DDR. Mittlere Reife, Lehre und Gesellenprüfung als Kleinoffsetdrucker im Rheinland. Seit 1964 Westberlin. 1967 Gründung einer Drucke­ rei und eines Kleinverlages. Herausgeber der »Zeitschrift für les­ bare literatur: spartacus« und der »zwergschul-ergänzungshefte«. 1972 wegen Druck eines Plakats zum 1. Mai 1970 zu xh Jahr >auf Bewährung« verurteilt. Im Dezember 1972, nach Schuß­ wechsel mit der Polizei, verwundet und verhaftet. 1974 zu vier, nach Revision durch die Staatsanwaltschaft Düsseldorf zu fünf­ zehn Jahren verurteilt. Nach fast vier Jahren in Köln-Ossendorf sitzt Zahl nun in der JVA Werl. Bücher: von einem, der auszog, Geld zu verdienen, ’70. Das System macht keine Fehler. Es ist der Fehler, ’74. Schutzimpfung, ’75. Eingreifende oder ergriffene Literatur, ’76. Waffe der Kritik, ’76. Die Barbaren kommen, ’76. Wie im Frieden, *76. Leben bis zur Vergasung, ’77. Alle Türen offen, ’77. Eine Knastdokumen­ tation mit dem Arbeitstitel »Isolation« wurde verboten (». . . ge­ eignet, die Sicherheit der Anstalt zu gefährden«).

Gedichtbände 1970-1977

Ein Auswahlverzeichnis von Einzeltiteln und Anthologien Zusammengestellt von Hansjürgen Bulkowski

Einzeltitel

Manfred Ach: Beste Empfehlungen. Hamburg: MaD Verlag 1974Manfred Ach: Percussion. Langes Gedicht für Pietro Valpreda. 2 Hamburg 63, Stübberedder 14: MaD Verlag 1974. 47 S. Ada Ada: Mord in Palindrom. Vorwort Eugen Gomringer. Gra­ fik von Horst Pitzen. 53 Bonn-Bad Godesberg, Mainzer Str. 121: Amöben-Presse 1971. 35 Blätter. Wolf Aichelburg: Vergessener Gast. Gedichte. Cluj/Rumänien: Dacia Verlag 1973. in S. Ernst Albers-Schoening: Durch die Brille. Zürich: Origo Verlag 1972. 84 S. Elisabeth Alexander: Bums. 50 Gedichte mit 13 Illustrationen von Pit Morell. Hamburg: Merlin Verlag 1971.67 S. (Merlin Handbuch Nr. 3). Elisabeth Alexander: Ich bin kein Pferd. Leverkusen: Braun 1976. Markus Althaus: Autobahntunnel. Basel: GTP-Verlag 1976. Richard Anders: Preußische Zimmer. Darmstadt: Bläschke 197$. 22 Blätter (Das Neueste Gedicht Bd. 57). Oswald Andrae: Hoppenröök geiht üm. Texte in niederdeut­ scher Mundart. Mit einer Schallplatte. Rothenburg o.d.T.: Peter/Holstein 1975. 72 S. (Mundartliterarische Reihe Bd. ”)• Oswald Andrae: Wat maakt wi? Niederdeutsche Mundart-Texte mit hochdeutscher Übersetzung. 2359 Henstedt: Henstedter Handdruck Verlag 1971. 37 Bl. Oswald Andrae: Werkstattgerüchte. Mit Grafiken von Volker H. Steinhau. 2359 Henstedt: Henstedter Handdruck Verlag 1971. 26 Bl. Erich Arendt: Feuerhalm. Gedichte. Leipzig: Insel Verlag 1973. 66 S. (Insel-Bücherreihe Nr. 986). Erich Arendt: Memento und Bild. Gedichte. Leipzig: Insel Ver­ lag 1976. Hans Carl Artmann: Aus meiner Botanisiertrommel. Salzburg: Residenz Verlag 1975. Herbert Asmodi: Jokers Gala. Gedichte. München: Piper 1975. 89 S. Arnfrid Astei: Kläranlage. 100 Epigramme. München: Hanser 1970. 79 S. (Reihe Hanser 52) 568

Arnfrid Astei: Zwischen den Stühlen sitzt der Liberale auf seinem Sessel. Darmstadt: Luchterhand 1974. Annemarie in der Au: Kein Mondsilber mehr als Währung. Dortmund: Wulff 1971. 32 Bl. (Kleine Reihe Lyrik u. Prosa ’j)Annemarie in der Au: Die Türen stehen offen. Mit Psycho­ grammen von der Verfasserin. Dortmund: Wulff 1975. 65 S. (Kleine Reihe Lyrik und Prosa 38). Elisabeth Augustin: Das unvollendete Leben des Malcolm X. Mit 6 Originalgraphiken von Chiron. Rothenburg o.d.T.: Peter/Holstein 1970. 24 Blätter. Rose Ausländer: Andere Zeichen. Gedichte. Nachwort von Ma­ rie Louise Kaschnitz. Düsseldorf: Concept Verlag 1975. 73 sRose Ausländer: Noch ist Raum. Duisburg: Gilles & Francke. 1976. Rose Ausländer: Ohne Visum. Krefeld: Sassafras Verlag 1974. Rose Ausländer: Doppelspiel. Köln: Literarischer Verlag H. Braun 1977. Detlev Bantt: Konsumgüter. Prosaische Erfahrungen. 6 Frankfurt/Main, Große Friedberger Str. 37-39: Gierig 1971. 53 S. Kurt Bartsch: Die Lachmaschine. Gedichte, Songs und ein Prosa­ fragment. Berlin: Wagenbach 1971. 66 S. (Quarthefte 50). Heiner Bastian: Die Bilder sind vor allem nur wie du das rot empfindest. München: Hanser 1970. 62 S. Heiner Bastian: Tod im Leben. Gedicht für Joseph Beuys. Mün­ chen: Hanser 1972. 81 S. Isa Bauer: Rauchsegel. Gedichte. München: Delp 1970. 64 S. Walter A. Bauer: Straßen der Unrast. Gedichte. München: Delp 1971. 63 S. Jürgen Becker: Das Ende der Landschaftsmalerei. Gedichte. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1974. 119 S. Jürgen Becker: Schnee. Berlin: Literarisches Colloquium 1971. 38 S. (LCB-Editionen. 22.). Martin Beheim-Schwarzbach: Die Krypta. Hamburg: Christians J973. 57S. Erika Beide: Welt im Widerklang. Gedichte. Stuttgart: Mellinger 1970. 67 S. Anke Bennholdt-Thomsen: In Grenzen gesetzt. Mit Grammatografien von Leo A. Guzzoni. München: Relief-Verlag 1972. 51 S. 569

Max Bense: Nur Glas ist wie Glas. Werbetexte. 1 Berlin 46, Gabainstr. 5: Fietkau 1970. 31 S. (Schritte. 17.). Uwe Berger: Lächeln im Flug. Gedichte. Berlin, Weimar: Auf­ bau-Verlag 1975. 137 S. Kersti Bergroth: Neue Romantik. Gedichte. Stuttgart: Mellinger 1971. 113S. Bert Berkensträter: Zungen-Schläge. 1 Berlin 46, Gabainstr. 5: Fietkau 1971. 32 S. (Schritte. 20.). Franz Berndal: Herz für Berlin. Verse in Berliner Mundart. Mit Zeichnungen von Richard Gohlke. Wien: Europäischer Ver­ lag 1970. 36 S. Karl Bernhard: Pol und Stern. Gedichte. Nürnberg: Verlag Nürnberger Presse 1972. 115 S. Reinhard Bernhof: Was weiß ich, Spanien ist viel mehr. Gedichte. Berlin, Weimar: Aufbau-Verlag 1974. 122 S. Chris Bezzel: Die Freude Kafkas beim Bügeln Die Freude Mo­ zarts beim Kegeln Die Freude Bismarcks beim Stricken. München: Hanser 1972. 119 S. Hendrick Bicknaese: Spinnfäden für brechende Köpfe. Vorwort Peter Schütt. Hann. Münden: Gauke 1977. Peter Biele: Der Schindelmacher. Gedichte. Halle (Saale): Mittel­ deutscher Verlag 1974. 97 S. Wolf Biermann: Deutschland, ein Wintermärchen. Berlin: Wa­ genbach 1972. Wolf Biermann: Für meine Genossen. Berlin: Wagenbach 1972. Heinz Binde: Mensch und Mitmensch. Gedichte. Mit 7 Holz­ schnitten von Willy Thaler. Zürich: Strom-Verlag 1974. 83 S. Horst Bingel: Lied für Zement. Mit einem Nachwort von Karl Krolow. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1975. 89 S. (Suhrkamp Taschenbücher. 287.) Wolfgang Bittner: Erste Anzeichen einer Veränderung. Darm­ stadt: Bläschke 1976. Wolfgang Bittner: Probealarm. Fischerhude: Atelier im Bauern­ haus 1977. Wolfgang Bittner: Rechts-Sprüche. Celle: Davids Drucke J976. Lucian Blaga: Gedichte. Rumänisch-deutsch. Deutsche Nach­ dichtung und Geleitwort von Wolf Aichelburg. Bukarest: Albatros Verlag 1974. 187 S.

57°

Sebastian Blau: Die trauten Laute. Schwäbische Gedichte. Stutt­ gart: Deutsche Verlags-Anstalt 1975. 108 S. Sebastian Blau: Schwäbischer Herbst. Neue Gedichte. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1973. 92 S. Ernst Günther Bleisch: Carmina Ammeri. Gedichte. München: Marburger Kreis 1973. 8 BI. (Marburger Bogendrücke. Folge 32-)Richard Bietschacher: Lebenszeichen. Wien, München: Jugend und Volk Verlag 1970. 72 S. Richard Bietschacher: Milchzahnlieder. Bilder von Erika Fukal. Wien, München: Jugend und Volk Verlag 1970. 18 Blätter. Detlev Block: Der Telegraphenmast. Gedichte. Hamburg: Evan­ gelischer Verlag Reich 1975. 47 S. (Hamburger Lyriktexte. Detlev Block: Nichts ist botschaftslos. Gedichte. München: Delp 1972. 64 S. Johannes Bobrowski: Im Windgesträuch. Gedichte aus dem Nachlaß. Ausgewählt und herausgegeben von Eberhard Haufe. Stuttgart: Dt. Verlags-Anstalt 1970. 90 S. Ilona Bodden: Erinnerung an einen Obelisken. München: Delp 1974- 64 S. Karl Heinz Bodensiek: Zeit und Leben. Ein lyrisches Tagebuch. Horn/Niederösterreich: Berger 1970. 73 S. Heinrich Böll: Gedichte. Berlin: Literarisches Colloquium 72Heinrich Böll: Gedichte. Collagen von Klaus Staeck. Köln: Labbe & Muta 1975. 40 S. (Querheft. 1.) Hans Boesch: Ein David. Zürich, Stuttgart: Artemis Verlag 1970. 16 Blätter. Franz Josef Bogner: Ich bin. so?! Texte, Materialien und Choreografien 1958-1968. CH-3073 Gümligen: Zytglogge Verlag 1972. 28 S. (Zytglogge Test. 6.). Netti Boleslav: Ein Zeichen nach uns im Sand. München: Delp 1972. 63 S. Rolf Bongs: A bis plus minus Zett. Darmstadt: Bläschke 1972. 72 S. (Das Neueste Gedicht. Bd. 30.) Nicolas Born: Das Auge des Entdeckers. Gedichte, Zeichnungen von Dieter Masuhr. Reinbek: Rowohlt 1972. 114 S. (das neue buch. 21.)

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Nicolas Born: Wo mir der Kopf steht. Gedichte. Köln: Kiepen­ heuer & Witsch 1970. 60 S. Manfred Bosch: Lauter Helden. Westerngedichte. Graphik von Wilhelm Koch. 2359 Henstedt-Ulzburg 4, Suhlenkamp 19: Henstedter Handdruck 1971. 15 Blätter. Manfred Bosch: Lautere Helden. Neue Westerngedichte. Mit ei­ ner Serigrafie von Walter Förster. Erlangen, Berlin: Renner 1975. 20 Blätter. Manfred Bosch: Mordio &L Cetera. München: Relief-Verlag 1971. 29 Blätter. Manfred Bosch: Uf den Dag warti. Augsburg: Blasaditsch 1976. Werner Bossert: Küsse trinken sich tot. Gedichte. Klausenburg/ Rumänien: Dacia Verlag 1970. 94 S. Rainer Brambach und Frank Geerk: Kneipenlieder. Mit 9 Zeich­ nungen von Tomi Ungerer. Zürich: Diogenes Verlag 1974. 67 S. Gerhard Branstner: Ich kam und sah und lachte. Balladen, Anek­ doten und Aphorismen. Illustrationen von Fred Westphal. Berlin: Henschelverlag 1973. iji S. Thomas Brasch: Gedichte. Berlin: Verlag Neues Leben 1975. 31 S. (Poesiealbum. 89.) Verona Bratesch: Wiege im All. Gedichte. Bukarest: Kriterion Verlag 1971. 95 S. Volker Braun: Wir und nicht sie. Gedichte. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1970. 81 S. (Edition Suhrkamp. 397.). Beat Brechbühl: Auf der Suche nach den Enden des Regenbo­ gens. Gedichte. Zürich: Diogenes Verlag 1970. 71 S. Beat Brechbühl: Draußen ein ähnlicher Mond wie in China. Neue Gedichte. Mit 6 Linolschnitten von Axel Hertenstein. 7801 Pfaffenweiler, Mittlere Str. 23: Pfaffenweiler Presse 1975. 34 Blätter. Beat Brechbühl: Der geschlagene Hund pißt an die Säulen des Tempels. Alte und neue Gedichte. Zürich: Diogenes Verlag 1972. 148 S. (detebe. 24.). Beat Brechbühl: Meine Füße lauf ich ab bis an die Knie. Linol­ schnitte von Axel Hertenstein. 753 Pforzheim, Mathystr. 36: Harlekin Presse 1973. 16 Bl. Beat Brechbühl: Traumhämmer. Gedichte aus 10 Jahren. Zürich, Köln: Benziger 1977.

Claus Bremer: Anlässe. Kommentierte Poesie 1949 bis 1969. Neuwied, Berlin: Luchterhand 1970, 92 S. Rolf Dieter Brinkmann: Gras. Köln: Kiepenheuer & Witsch 1970- 71 sRolf Dieter Brinkmann: Westwärts 1 & 2. Gedichte. Mit Fotos des Autors. Reinbek: Rowohlt 1975. 183 S. (das neue buch. 63.) Resi Brockmann: Schneegarben. Erlangen: Selbstverlag 1976. Rosemarie Bronikowski: Notsignale. Rastatt: Fox Produktionen ’976Rolf Brück: Nervengras. Mit Bildgeschichten von Werner Bandel. Zeichnungen G. Fischer. 6 Frankfurt a.M. 90, Robert-Mayer-Str. 18: Verlag Erkenntnis & Interesse 1970. 20 S. Emil Bruckner: Zahl oder Wappen. Gedichte 1925-1971. Buka­ rest: Kriterion Verlag 1972. 33 S. Gudula Budke: Mit meinem langen Haar. Gedichte. München: Relief-Verlag 1972. 20 Bl. Josef Büscher: Stechkarten. Texte für Betriebsarbeiter. Ober­ hausen: Asso Verlag 1971. 42 S. Hansjürgen Bulkowski: Bulkowski live. Thesen, Vorlesestück, Fortsetzungen. Andernach: Atelier Verlag 1971. 16 Blätter (AVA-Manifest. 3.). Hansjürgen Bulkowski: Lesen, ein Vorgang. Berlin: Fietkau ’972Erika Burkart: Die Transparenz der Scherben. Zürich, Köln: Benziger 1973. 96 S. Christine Busta: Salzgärten. Gedichte. Salzburg: O. Müller 1975. 92 S. Paul Celan: Lichtzwang. Gedichte. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1970. 107 S. Paul Celan: Schneepart. Gedichte. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1971. 95 S. Ingo Cesaro: Kurzer Prozeß. Köln: Braun 1976. Peter O. Chotjewitz: Reden ist tödlich, schweigen auch. Düssel­ dorf: Eremiten Presse 1974. Hanns Cibulka: Lichtschwalben. Gedichte. Halle/Saale: Mittel­ deutscher Verlag 1973. 71 S. Peter Coryllis: Hinter der grünen Stachelwehr. München: Delp 1974573

Heinz Czechowski: Schafe und Sterne. Halle: Mitteldeutscher Verlag 1974. Edwin Wolfram Dahl: Gesucht wird Amfortas. Esslingen: Bechtle 1974. 70 S. (Bechtle Lyrik. Bd. 21.) Edwin Wolfram Dahl: Zwischen Eins und Zweitausend. Mün­ chen, Esslingen: Bechtle 1970.46 S. (Bechtle Lyrik. Bd. 20.). Gerhard Deesen: Dur und Moll. Darmstadt: Bläschke 1976. Volker W. Degener: Kehrseiten und andere Ansichten. Lyrik und Prosa. Nachwort von Hugo Ernst Käufer. Recklinghau­ sen: Bitter 1973. 48 S. (Anstöße. 3.). Franz Josef Degenhardt: Politische Lieder 1964-1972. Hrsg, von Heinz Ludwig Arnold. München: Boorberg 1972. 166 S. (Edition Text und Kritik.). Günther Deicke: Daß der Mensch ein Mensch sei. Ein poetischer Dialog in Bild und Wort von Michail Trachman und Günther Deicke. Berlin: Verlag der Nation 1975. 231 S. Wilhelm Deinen: Missa mundana. München: Delp 1972. Friedrich Christian Delius: Ein Bankier auf der Flucht. Gedichte und Reisebilder. Berlin: Rotbuch Verlag 1975. 70 S. (Rot­ buch. 144.) Klaus Demus: In der neuen Stille. Pfullingen: Neske 1974. Christoph Derschau: Den Kopf voll Suff und Kino. Gersthofen: Maro Verlag 1976. Fritz H. Dinkelmann: Wie man einen Blitz ableitet. Texte. CH4002 Basel, Postfach 794: Lenos-Presse 1973. 81 S. (Litprint. 8l< Hugo Dittberner: Der Biß ins Gras. Köln: Palmenpresse 1975. Bernhard Doerdelmann: Druckfehlerberichtigung und andere Korrekturen. München: Delp 1972. 63 S. Hilde Dornin: Ich will dich. Gedichte. München: Piper 1970. 46 S. Werner Duerrson: Mitgegangen mitgehangen. Gedichte. Darm­ stadt: Agora Verlag 1975. 89 S. (13. Erato-Druck.) Dieter G. Eberl: Dressuren. Köln: Literarischer Verlag H. Braun *977Gottfried Edel: Zyklus und Torso. Gedichte. München: Delp 1971. 64 S. Jürgen Eggebrecht: Splitterlicht. Gedichte. Ausgewählt aus neuen Gedichten mit einem Nachwort von W. D. Bach. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1975. J9 S. S74

Gerd Eggers: Mein Winterpalais. Gedichte. Berlin: Verlag Neues Leben 1972. 87 S. Ernst Eggimann: Heikermänt. Gedichte. Zürich: Verlag Die Ar­ che 1971. J5 S. Ernst Eggimann: Jesus-Texte. Zürich: Verlag Die Arche 1972. 80 S. Albert Ehrismann: Die Gedichte des Pessimisten und Moralisten Albert Ehrismann. Eine Chronik. CH-9400 Rorschach: Ne­ belspalter-Verlag 1972. 60 S. Albert Ehrismann: Später, Äonen später. Ein Gedichtbuch. CH-9400 Rorschach: Nebelspalter-Verlag 1975. 87 S. Günther Eich: Nach Seumes Papieren. Darmstadt: Bläschke 1972. ii Bl. (Das Neueste Gedicht. Bd. 51.). Ekkes: Ma(r)x und Engels. Eine fortgeschriebene Zeitgeschichte in 8 Streichen. Frei nach Wilhelm Busch neu getextet und ge­ zeichnet von Ekkes. Hamburg: Quer-Verlag 1971. 60 S. Adolf Endler: Nackt mit Brille. Gedichte. Berlin: Wagenbach 1975- 53 S. (Quartheft 74.) Peter Engel und Günter Guben: Beschreibung der Fallen. Ge­ dichte. Esslingen: Edition Appa Appa 1977. Alfred Enz: Wir fabelhaften Menschen. Verse. Neue Folge. Zeichnungen von Paul Racle. Zürich, Stuttgart: GotthelfVerlag 1975. 62 S. Hans Magnus Enzensberger: Mausoleum. 37 Balladen aus der Geschichtedes Fortschritts. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1975. 125 S. Ute Erb: Ein schöner Land. Berlin: Fietkau 1976. Ulrich Erckenbrecht: Ein Körnchen Lüge. Aphorismen und Ge­ dichte. Gießen: Achenbach 1974. 71. S. Volker Erhardt: Drunter und drüber. Getexte. Köln: DuMont Schauberg 1971. 80 S. Ernst Wilhelm Eschmann: Tessiner Episteln. Hamburg, Düssel­ dorf: Claassen 1970. 203 S. Felicitas Estermann: Wortbrot. Mit Grafiken von Valentin Drasch. Duisburg: Gilles & Francke 1972. 32 Bl. Jörg Fauser: Die Harry Gelb Story. Gedichte. Vorwort von Carl Weisser. 8906 Gersthofen/ Maro-Verlag 1973. 53 S. Willi Fehse: Das Herbstlicht. Gedichte. Frankfurt a.M.: Verlag Das Viergespann 1972. 48 S. Ludwig Fels: Alles geht weiter. Darmstadt: Luchterhand 1977.

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Ludwig Fels: Ernüchterung. Gedichte. Erlangen, Berlin: Renner 1975. 24 Blätter. Ludwig Fels: Platzangst. Neuwied: Luchterhand 1974. Werner Finck: Zwischendurch. Ernste Versuche mit dem Heite­ ren. Herausgegeben von Bartel F. Sinhuber. München, Ber­ lin: Herbig 1975. 415 S. George Forestier: Kain, Moses und andere. Mit 12 Federzeich­ nungen von Jochen Geilen. Opladen: Argus-Verlag 1972. 54 S. Gerd Forster: Unter dem Eulenkopf. Pfullingen: Neske 1977. Karlhans Frank: Spott-Lights. München: Delp 1973. 64 S. Stuart Friebert: Nicht hinauslehnen. München: Delp 1975. 64 S. Stuart Friebert: Die Prokuristen kommen. Gedichte. CH~4$66 Halten/Basel: Lenos-Presse 1972. 53 S. (litprint. Bd. 88.) Erich Fried: Aufforderung zur Unruhe. Ausgewählte Gedichte. München: Dt. Taschenbuch Verlag 1972. 161 S. (dtv. Sonder­ reihe. 103.) Erich Fried: Die Freiheit, den Mund aufzumachen. Berlin: Wa­ genbach 1972. Erich Fried: Unter Nebenfeinden. Fünfzig Gedichte. Berlin: Wagenbach 1970. 66 S. (Quarthefte. 44.) Dieter Fringeli: Das Wort reden. Gedichte. Olten, Freiburg i.Br.: Walter 1971. 61 S. Walter Helmut Fritz: Aus der Nähe. Gedichte 1967-1971. Ham­ burg: Hoffmann und Campe 1972. 86 S. Walter Helmut Fritz: Schwierige Überfahrt. Hamburg: Hoff­ mann und Campe 1976. Günter Bruno Fuchs: Das Lesebuch des Günter Bruno Fuchs. München: Hanser 1970. 394 S. Marierose Fuchs: Wirf dein Herz aus. Neue Gedichte 1964-1971. Zeichnungen von Hanna Nagel. Ratingen: Henn 1972. 95 S. Joachim Fuhrmann: Über Bäume. Hamburg: Neue Presse •977Joachim Fuhrmann: Trotzdem läuft alles. Hamburg: Neue Presse 1975. Gertrud Fussenegger: Widerstand gegen Wetterhähne. Lyrische Kürzel und andere Texte. Stuttgart: Dt. Verlags-Anstalt 1974- 87 s.

Peter Gan: Soliloquia. Gedichte. Zürich, Freiburg i. Br.: Atlantis Verlag 1970. 118 S. 576

Heinz Gappmayr: Texte. München: Willing 1972. jo BI. Heinz Gappmayr: Zahlentexte. München: Edition UND 197$. 30 Blätter. Heinz Gappmayr: Raum. München: Edition UND 1977. Burckhard Garbe: Ansichtssachen. 1 Berlin 46, Gabainstr. 5: Fietkau 1973. 18 Bl. (Schritte. 24.) Sigrid Gauch: Identifikationen. Poetische Texte. München: Re­ lief-Verlag 1975. 75 S. Hartmut Geerken: Verschiebungen. 13 Texte. Mit einem Nach­ wort von Helmut Heißenbüttel. Neuwied, Darmstadt: Luchterhand 1972. 152 S. Frank Geerk: Notwehr. 77 Gedichte 1968-1974. Köln: Kiepen­ heuer & Witsch 1975. 104 S. Christoph Geiser: Mitteilungen an Mitgefangene. Gedichte. Mit 4 Illustrationen von Ernst Mattiello. Basel: Lenos-Presse 1971. 88 S. (litprint. Bd. 96.) Harald Gerlach: Sprung ins Hafermeer. Gedichte. Mit einer Nachbemerkung von Wulf Kirsten. Berlin, Weimar: Auf­ bau-Verlag 1973. 126 S. Jens Gerlach: Bänkel-Geplänkel und Robinsongs. Illustrationen von Jutta Hellgrewe. Berlin: Henschelverlag 1972. 151 S. Jens Gerlach: Der See. Gedichte. Berlin, Weimar: Aufbau-Verlag 1974. 137 S. Walter Gerlach: Vom Geist der Truppe. Berlin: Fietkau 1974. 32 S. (Schritte. 27.) Alfred Gesswein: Rama dama, Rama woima, Rama miasma. Ge­ dichte im Wiener Dialekt. Mit einer Schallplatte. Rothenburg o.d.T.: Peter/Holstein 197$. 60. S. (Mundartliterarische Reihe. Bd. 12.) Alfred Gesswein: Beton wächst schneller als Gras. München: Delp 1977. 63 S. Paul Gisi: Tropfworte. Gedichte. München: Relief-Verlag 1972. 20. BI. Ralph Roger Glöckler: Technische Innerei. Gedichte. Darm­ stadt: Bläschke 1973. 82 S. Frank Göhre: Costa Brava im Revier. Texte & Materialien. Mit einem Nachruf von Paul Karalus. Recklinghausen: Bitter 1971. 45 S. (Anstöße. 2.) Hans Götz: Schusterkugelspiele. Gedichte, Epigramme, Apho­ rismen. Nürnberg: Verlag Nürnberger Presse 1970. 87 S. 577

Eugen Gomringer: Eugen Gomringer 1970-1972. 8033 Planegg, Postfach 25: Edition UND 1973. 43 Bl. Peter Gosse: Ortungen. Gedichte und Notate. Halle (Saale): Mitteldeutscher Verlag 1975. 131 S. Ulrich Grasnick: Ankunft der Zugvögel. Berlin: Verlag der Na­ tion 1976. Ulrich Grasnick: Der vieltürige Tag. Gedichte, Nachbemerkun­ gen von Günther Deicke. Berlin: Verlag der Nation 1973. 165 S. Fritz Grasshoff: Bilderreiches Haupt & (G)liederbuch. Köln: Kiepenheuer & Witsch 1970. 198 S. Fritz Grasshoff: Seeräuber Report. Songs, Lieder & Balladen für den Haus- und Marktgebrauch. Mit 92 Bildern von ihm selbst. Tübingen, Basel: Erdmann 1972. 93 S. Uwe Gressmann: Das Sonnenauto. Gedichte. Mit einem Essay. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Holger J. Schubert. Halle (Saale): Mitteldeutscher Verlag 1972. 106 S. Ludwig Greve: Bei Tag. Neue Gedichte. Stuttgart: Klett 1974. 51 S. (Marbacher Schriften. 7.) Fritz Grob: Schlag die Vorhänge zurück. Gedichte. CH-4600 Olten: Ildefons Verlag 1972. 64 S. Hans Grodotzky: Wenn weiter nichts passiert. . . Fast heitere Verse. 445 Lingen, Olgastr. 19: Selbstverlag 1974. 57 S. Jürgen Gross: Lebensbeschreibung. Gedichte. 7135 Oberder­ dingen: Burtan Verlag 1973. 34 S. Günter Guben: Mit dem Rücken zur Wand doch die Wand ein Anstand. Gedichte. Mit Zeichnungen des Autors. 7300 Ess­ lingen, Turmstr. 4: Edition Appa Appa 1974. 64 S. Carl Güsmer: Abziehendes Tief. Gedichte. München: Gotthold Müller 1974. 64 S. Carl Güsmer: Dächerherbst. Gedichte. München: Gotthold Müller 1970. 60 S. Albert Paris Gütersloh: Treppe ohne Haus oder Seele ohne Leib. Späte Gedichte. Mit einem Portrait von Egon Schiele. A-7001 Eisenstadt, Postfach 14: Roetzer 1974. 62 S. Aldona Gustas: Worterotik. Berlin: Fietkau 1971.33 S. (Schritte. 2I-) Aldona Gustas: Puppenruhe. Neue Gedichte. Düsseldorf: Eremiten-Presse 1977. 64 S. (Broschur. 78) Michael Guttenbrunner: Der Abstieg. Pfullingen: Neske 1975. 85 S.

578

Gottlob Haag: Mit ere Hendvoll Wiind. Hohenlohisch-fränkische Gedichte. Mit einer Schallplatte. Rothenburg o.d.T.: Peter/Holstein 1970. 80 S. Doris Haas: Gänge. Ergangenes, Verdichtetes. Mit Grafiken. München: Relief-Verlag 1972. 65 S. Peter Hacks: Lieder, Briefe, Gedichte. Wuppertal: Peter Ham­ mer Verlag 1974. Horst Händler: Späte Tage. Gedichte. Großkrotzenburg: Cruzenburch-Presse 1973. *7 Bl. (4- Druck der CruzenburchPresse.) Arthur Häny: Ein Strauß von Mohn. Gedichte. Zürich, Stuttgart: Rotapfel-Verlag 1973. 102 S. Arthur Häny: Im Meer der Stille. Gedichte. Zeichnungen von Marieluise Häny. Zürich, Stuttgart: Rotapfel-Verlag 1970. 46 S. Hans Häring: Papierkorbgedichte. Illustriert von Max Kämpf. Vorwort Rudolf Suter. Basel: Gute Schriften 1972. 71 S. Hans Häring: Und ganz ohne Ehrfurcht. Unanständige Texte zur Endzeit. Mit Holzschnitten von Hanns Studer. Ham­ burg: Terluch 1970. 14 Bl. Peter Härtling: Ein Abend, eine Nacht, ein Morgen. Neuwied: Luchterhand 1971. Peter Härtling: Neue Gedichte. Darmstadt: Bläschke 1972. 23 S. (Das Neueste Gedicht. Bd. 48.) Peter Härtling: Anreden. Neuwied, Darmstadt: Luchterhand r977Rudolf Hagelstange: Ein Gespräch über Bäume zwischen Rudolf Hagelstange und HAP Grieshaber. Mit 9 Farbreproduktio­ nen nach Holzschnitten von HAP Grieshaber und einem Originalholzschnitt. München: Bruckmann 1972. 19 Bl. Ruth Hallard: Signale aus Traumboot und Waage. Gedichte. Darmstadt: Bläschke 1974. 51 S. Margarete Hannsmann: Das andere Ufer vor Augen. Mit 16 Holzschnitten von HAP Grieshaber. Hamburg, Düsseldorf: Claassen 1972. 111 S. Margarete Hannsmann: Fernsehabsage. Gedichte. Düsseldorf: Claassen 1974. 157 S. Margarete Hannsmann: Zwischen Urne und Stier. Mit 10 Holz­ schnitt-Vignetten von HAP Grieshaber. Hamburg, Düssel­ dorf: Claassen 1971. 101 S. 579

Ludwig Harig: Zwei Dutzend Sonette an Orpheus von Rainer Maria Rilke. Mit 8 Linolschnitten von Axel Hertenstein. 753 Pforzheim, Mathystr. 36: Harlekin-Presse 1972. 18 Bl. Harald Hartung: Das gewöhnliche Licht. Pfullingen: Neske ï976. Harald Hartung: Hase und Hegel. Gedichte. Andernach: Atelier Verlag 1970. 55 S. Elfriede Haslehner: Spiegelgalerie. Gedichte. Wien, München: Jugend und Volk Verlag 1971. 71 S. Rolf Haufs: Die Geschwindigkeit eines einzigen Tages. Reinbek: Rowohlt 1977. Ernst R. Hauschka: Erwägungen eines männlichen Zugvogels. Gedichte. 8411 Kallmünz: Laßleben 1972. 168 S. Manfred Hausin: Das Gleiche mit Ketschup. Gedichte. Mit Ori­ ginalgrafiken. München: Meistraßenpresse 1971. 21 Bl. Gert Heidenreich : Rechtschreibung. Deutsches Spruch- und Lie­ dergut. München: Relief-Verlag 1971. 33 Bl. Hans-Jürgen Heise: Besitzungen in Untersee. Gedichte. Ham­ burg, Düsseldorf: Claassen 1973. 64 S. Hans-Jürgen Heise: Uhrenvergleich. Gedichte. Hamburg, Düs­ seldorf: Claassen 1971. 88 S. Hans-Jürgen Heise: Vom Landurlaub zurück. Gedichte. Düs­ seldorf: Claassen 1975. 72 S. Hans-Jürgen Heise: Nachruf auf eine schöne Gegend. Düssel­ dorf: Claassen 1977. Helmut Heißenbüttel: Das Durchhauen des Kohlhaupts. 13 Lehrgedichte. Projekt Nr. 2. Darmstadt, Neuwied: Luchterhand 1974. 233 S. Helmut Heißenbüttel: Die Freuden des Alterns. Duisburg: Hil­ debrandt 71. Helmut Heißenbüttel: Gelegenheitsgedichte und Klappentexte. Darmstadt, Neuwied: Luchterhand 1973. 142 S. (Sammlung Luchterhand. 99.) André Heller: Sie nennen mich den Messerwerfer. Lieder, Worte, Bilder. Frankfurt a.M.: Fischer Taschenbuch Verlag 1974. 81 S. 43 Bl. (Fischer Taschenbuch. 1466.) Hans Hellner: Im Zweifelsfalle nie. Randnotizen. Hamburg: Hoffmann und Campe 1970. 78 S. Peter Henisch: Hamlet bleibt. Frankfurt a.M.: S. Fischer 1971. 107 S. (Reihe F. 11.) 580

Peter Henisch: Mir selbst auf der Spur. Hiob. Gedichte. Baden bei Wien: Grasl 1977. Herbert Henke: Der grüne Widerhall. Gedichte. Mit einem Nachwort. Alma-Ata, SU: Verlag Kasachstan 1970. 55 S. Claus Henneberg: Wörterbuch zu Homer und andere Siebtexte. Mit einem Siebdruck von Reinhold Koehler. 867 Hof, Haidt­ höhe: Verlag für neue Literatur 1970. 36 Bl. Gerd Henniger: Irrläufer. Gedichte. Berlin: Henssel 1972. 58 S. Günter Herburger: Die amerikanische Tochter. Gedichte, Auf­ sätze, Hörspiel, Erzählung, Film. Darmstadt, Neuwied: Luchterhand 1973. 319 S. Günter Herburger: Training. Gedichte. Neuwied, Berlin: Luchterhand 1970. 55 S. Günter Herburger: Ziele. Reinbek: Rowohlt 1976. Alois Hergouth: Flucht zu Odysseus. Gedichte. Graz, Wien, Köln: Verlag Styria 1975. in S. Alois Hergouth: Sladka gora - Der süße Berg. Gedichte. Graz, Wien, Köln: Verlag Styria 1974. 103 S. Uwe Herms: Brokdorfer Kriegsfibel. Hamburg: Association 1977Uwe Herms: Familiengedichte. Hamburg: Svato Verlag 1977. Bruno Hillebrand: Reale Verse. Frankfurt a.M.: S. Fischer 1972. 73 s-

Rolf Hochhuth: Die Berliner Antigone. Prosa und Verse. Rein­ bek: Rowohlt 1975. 126 S. (rororo. 1842.) Franz Hodjak: Brachland. Gedichte. Klausenburg/Rumänien: Dacia Verlag 1970. 54 S. Benno Höllteufel: Friß wos i sog. Gedichte. Mit einer Schall­ platte. München: Piper 1971. 109 S. Max Hölzer: Mare occidentis. Pfullingen: Neske 1976. Kay Hoff: Bestandsaufnahme. Gedichte. Düsseldorf: Claassen 1977. 68 S. Dieter Hoffmann: Lebende Bilder. Gedichte aus einem Jahr­ zehnt. Mainz: v. Hase & Koehler 1971. 144 S. (Akademie der Wissenschaften und der Literatur. Klasse der Literatur. Bd. 30.) Hans Horn: Lyriksplitter. 35 Kassel, Gerlandstr. 7: Selbstverlag 1974. 21 Bl. Peter Hüchel: Gezählte Tage. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1972.

581

Johannes Huebner: Stern auf der Schwelle. Gedichte. Berlin: Henssel 1971. 61 S. Hadayat-Ullah PG Hübsch: Ausgeflippt. Gedichte. Neuwied, Berlin: Luchterhand 1971. 50 S. PG Hadayat Ullah Hübsch: Die von der Generation Kamikaze. 4. Poems. 8906 Gersthofen: Maro-Verlag 1970. 4$ S. Harald K. Hülsmann: Lageberichte. München: Relief 1970. Hugo Huppert: Narbengesichtige Zeit. Nachwort von Rulo Melchert. Berlin: Verlag Volk und Welt 1975. 173 S. Hugo Huppert: Wolkenbahn und Erdenstraße. Gedichte und Poeme. Halle (Saale): Mitteldeutscher Verlag 1975. 446 S. Katrine von Hutten: Von Kopf bis Fuß. 62 Stücke. Zürich, Mün­ chen: Artemis Verlag 1975. 61 S. Hans Imhoff: Allgemeine Gedichte. 1973—1975- Frankfurt a.M.: Euphorion Verlag 1975. 37 S. Rainer Jacobs: Helenas integrale Wiedereingliederung. Die Kunst, das Naturschöne und ich, hienieden. Texte und Foto­ grafien.6361 Burgholzhausen, Rodheimer Str. 17: Hartmann 1971. 26 Blätter. Erwin Jäckle: Eineckgedichte. Zürich, Stuttgart: Claassen 1974. Ernst Jandl: Alle freut, was alle freut. Ein Märchen in 28 Gedich­ ten frei nach Zeichnungen von Walter Trier. Köln: Middelhaufe 1975. 29 Blätter. Ernst Jandl: Für alle. Darmstadt: Luchterhand 1974. Ernst Jandl: Übung mit Buben. 1 Berlin 30, Habsburger Str. 6: Berliner Handpresse 1973. 73 S. (Berliner Handpresse. 37. Druck.) Ernst Jandl: Der versteckte Hirte. Mit Zeichnungen des Autors. Düsseldorf: Eremiten-Presse 1975. 22 Blätter. Ernst Jandl: Wischen möchten. Berlin: Literarisches Colloquium 1974. 48 S. (LCB-Editionen 34.) Hermann Jandl: Leute Leute. Frankfurt a.M.: S. Fischer 1970. 87 S. Reimer Jochims: Identitätstexte 1962-1973. 8033 Planegg, Post­ fach 1224: Edition UND 1973. 28. Bl. Peter Jokostra: Feuerzonen. München: Delp 1976. Hanne F. Juritz: Gedistel. Mit 33 Original-Grafiken von Sascha Juritz. 6072 Dreieichenhain: Pawel Pan Presse 1975- 18 Blät­ ter. Hugo Ernst Käufer: Bezugsverhältnisse - Interconnexions.

582

Deutsch-Französisch. Ins Französische übertragen von Jacques Parichet. Paris: Silvaire 1975. 63 S. (Collection Paral­ lèle. 13.) Hugo Ernst Käufer: Demokratie geteilt. Gedichte & Aforismen. Dortmund: Wulff 1977. Hugo Ernst Käufer: Im Namen des Volkes. 10 Abreißtexte. Und 10 Abreißgrafiken von Enric Rabasseda. Oberhausen: Asso Verlag 1972. 20 Bl. Hugo Ernst Käufer: Leute bei uns gibts Leute. Leverkusen: Braun 1975. Hugo Ernst Käufer: Rußlandimpressionen. Köln: Braun 1976. Hugo Ernst Käufer: Stationen. Gesammelte Texte 1947-1977. Köln: Literarischer Verlag H. Braun 1977. Heinz Kahlau: Du. Liebesgedichte. Nachwort Jurek Becker. Berlin, Weimar: Aufbau-Verlag 1971. 87 S. Heinz Kahlau: Flugbrett für Engel. Gedichte. Berlin, Weimar: Aufbau-Verlag 1974. 159 S. Mascha Kaleko: Wie’s auf dem Mond zugeht und andere Verse. Mit Bildern von Herbert Lentz. Berlin: Blanvalet 1971.56 S. Marie Luise Kaschnitz: Gesang vom Menschenleben. Düssel­ dorf: Eremiten-Presse 1974. Marie Luise Kaschnitz: Kein Zauberspruch. Frankfurt a.M.: In­ sel Verlag 1972. Ernst Kein: Wiener Grottenbahn. Schbrüch fon Ernst Kein. Wien, München: Jugend und Volk Verlag 1972. 78 S. Henryk Keisch: Gehauen und gestichelt. Neue Vierzeiler. Mit Collagen von Helmut Merten. Berlin: Eulenspiegel Verlag 1972. 78 S. Hans Peter Keller: Extrakt um 18 Uhr. Verse, Bruchstücke, Prosa, Spiegelungen. Ausgewählt von Marguerite Schlüter. Wiesbaden: Limes Verlag 197J. 208 S. Hans Peter Keller: Kauderwelsch. Grafiken von Jochem Poensgen. Wiesbaden: Limes Verlag 1971. 79 S. Josef Kempf: Schreib in den Sand. München: Delp 1974. 63 S. Gerhard Kerfin: Die wundersame Rettung der Stadt F. Mit farbi­ gen Grafiken von Wolfgang Simon. 1 Berlin 62, Czominstr. 6: Atelier-Handpresse 1972. 17 Bl. (Kreuberger Tiegel 1. Druck.) Hanns-Hermann Kersten: Poemes von Tante Poemma. Stutt­ gart: Dt. Verlags-Anstalt 1976. 583

Martin Kessel: Alles lebt nur wenn es leuchtet. Neue Gedichte. Mainz: v. Hase & Koehler 1971. 176 S. (Akademie der Wis­ senschaften und der Literatur. Klasse der Literatur. Bd. 32.) Siegfried Kessemeier: Gloipe inner Dör. Gedichte in sauerländi­ scher Mundart. Leer: Schuster 1971. 112 S. Klaus Kessler: Flächen und Facetten. Gedichte. Bukarest: Kriterion Verlag 1970. 118 S. Hermann Kesten: Ich bin der ich bin. Verse eines Zeitgenossen. München, Zürich: Piper 1974. 107 S. Sarah Kirsch: Es war dieser merkwürdige Sommer. Düsseldorf: Claassen 1974. Sarah Kirsch: Rückenwind. Ebenhausen b. München: Langewiesche-Brandt 1977. Alfred Kittner: Flaschenpost. Ausgewählte Gedichte. Bukarest: Kriterion Verlag 1970. 176 S. Alfred Kittner. Gedichte. Geleitwort von Marianne Sora. Buka­ rest: Albatros Verlag 1973. 276 S. Karin Kiwus: Von beiden Seiten der Gegenwart. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1976. Lothar Kleinlein: Ka Gschmarri ned. Erlesene Nürnberger Sinnund Sittensprüche. Zeichnungen von Jules Stäuber. Mün­ chen: Relief-Verlag 1972. 84 S. Eckart Klessmann: Undines Schatten. Gedichte. Dortmund: Wulff 1974. 55 S. (Kleine Reihe Lyrik und Prosa. 32.) Lothar Kluenner: Windbrüche. Berlin: Nolte 1976. Hildegard Knef: Ich brauch Tapetenwechsel. Texte. Wien, Mün­ chen, Zürich: Molden 1972. 127 S. Walter A. Koch: Es steigt ein Mensch aus seiner Höhle dem Himmel entgegen und weint. Lyrische Versuche zur Korre­ spondenz der Struktur. Hildesheim, New York: Olms 1972. 203 S. (Res semiótica. Bd. 2.) Wilhelm Koenig: lebens lauf. München: Delp 1974. 63 S. Bernd Kolf: Zwischen 7 und Unendlich. Gedichte. Klausenburg/Rumänien: Dacia Verlag 1971. 65 S. Anise Koltz: Vienne quelquien. Käme doch jemand. Lausanne, Köln: Rencontre 1970. 129 S. Anise Koltz: Fragmente aus Babylon. München: Delp 1973. J9 sKlaus Konjetzky: Poem vom grünen Eck. Nachwort von Martin Walser. München: Piper 1975. 96 S. (Serie Piper. 121.) $84

Christine Koschel: Zeit von der Schaukel zu springen. Gedichte. München: Piper 1975. 95 S. Ursula Krechel: Nach Mainz! Darmstadt: Luchterhand 1977. Karol Kröpke (d.i. Karl Krolow): Bürgerliche Gedichte. Mit 36 Zeichnungen von Arno Waldschmidt. Hamburg: Merlin Verlag 1970. 45 S. Karl Krolow: Der Einfachheit halber. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 973- 94 S. Heinz Schneeweiss: So und nicht anders. Neue Lyrik. Wiesba­ den: Limes Verlag 1974. 64 S. Peter Schneider: Ansprachen. Reden, Notizen, Gedichte. Berlin: Wagenbach 1970. 69 S. (Quarthefte. 47.) Wolf Peter Schnetz: Erotische Landschaften. Lyrik. Collagen von Peter Loeffler. Frankfurt a.M.: Euphorion Verlag 1971. 46 S. Wolf Peter Schnetz: Der Läufer. Lyrik. Fotografik von Horst Hanske. Frankfurt a.M.: Euphorion Verlag 1972. 26 Bl. Achim Schnurrer: Ich habe mit der Jungfrau Maria geschlafen. Gedichte. 5 Köln, Ennenstr. 1: Rollbuch Verlag 1971, 35 S. Walter Scholz: Planetarium. Gedichte, Erkenntnisse, Zeichnun­ gen. Mit 6 Kreidezeichnungen des Verfassers. Darmstadt: Bläschke 1975. 52 S. Godehard Schramm: Lieber Rot als Rot. Mit Grafiken von Peter Wölfel. München: Relief-Verlag 1970. 32 Bl. Godehard Schramm: Meine Lust ist größer als mein Schmerz. Gedichte. München, Zürich: Piper 1975. 120 S. Mathias Schreiber: Der Maulschellenbaum. Gedichte 1968-1973, Kransberg: Petri Presse 1974. 52 S. Margot Schröder: Die Angst ist baden gegangen. Berlin: Fietkau 1976. Rolfrafael Schroer: Die Furcht des Kopfes vor den Händen. Ge­ dichte. Andernach: Atelier Verlag 1975. 52 S. Rolfrafael Schroer: Sibirischer Tango. Zeitgenüßliche Collagen von Jochem Poensgen mit angemessenen Versen. Krefeld: Sassafras Verlag 1975. 8 Blätter. Landfried Schröpfer: Beschleunigung. Gedichte aus den Jahren 1962-1973. Frankfurt a.M., Dortmund, Darmstadt: Verlag Heinrich, Wir und die Anderen 1973. 62 S. Peter Schütt: Friedensangbote. Hamburg: Quer-Verlag 1971. 100 S. Peter Schütt: Zur Lage der Nation. Gedichte, Tagebuchblätter, Geschichten, Streifzüge, Agitprop, Roter Pfeffer und Lied­ texte. Dortmund: Weltkreis-Verlag 1974. 215 S. Rupert Schützbach: Marktbericht. Gedichte. München: Delp 1970. 64 S.

$94

Frieder Schuller: Ausgespielt. Gedichte. Cluj/Rumänien: Dacia Verlag 1972. 77 S. Günther Schulz: Rezensierte Gedichte. Berlin: Literarisches Colloquium 1971. 61 S. (LCB-Editionen. 24.) Jo Schulz: Poesie und Purzelbaum. Verse, Lieder und Geschich­ ten. Illustriert von Heidrun Hegewald. Berlin: Henschelverlag 1971. 169 S. Axel Schulze: Zu ebener Erde. Gedichte. Mit Zeichnungen von Ursula Matthauser-Neustädt. Halle (Saale): Mitteldeutscher Verlag 1973. 111 S. Axel Schulze: Winterfahrplan. Gedichte. Halle (Saale): Mittel­ deutscher Verlag 1977. Hans Schumacher: Nachtkurs. Gedichte. Zürich, Stuttgart: Ar­ temis Verlag 1971. 57 S. Gertrud Schurig: Straßen des Lebens. Gedichte und Zeichnun­ gen. Hamburg: Christians 1971. 78 S. Jutta Schütting: In der Sprache der Inseln. Gedichte. Nachwort von Ernst Schönwiese. Salzburg: O. Müller 1973. 75 S. Jutta Schütting: Lichtungen. Salzburg: O. Müller 1976. Hans Dieter Schwarze: Sterben üben, was sonst. Epigramma­ tisches. Dortmund: Wulff 1973. 47 S. (Kleine Reihe Lyrik und Prosa. 22.) Gerda Seemann: Gedichte. Zürich, Köln: Benziger 1974. 71 S. Stephan Reimund Senge: Geglitten aus Botschaften. Vorwort von Inge Meidinger-Geise. Graphik von Ursula Hess. 5561 Himmerod: Himmeroder Drucke 1973. 80 S. (Himmeroder Buchreihe. 1.) Günter Seuren: Der Jagdherr liegt im Sterben. Gedichte. Rein­ bek: Rowohlt 1974. 115 S. (das neue buch. 53.) Kurt Sigel: Knigge verkehrt. Mit Zeichnungen von Kurt Halbrit­ ter. Frankfurt a.M.: Bärmeier & Nikel 1970. 164 S. KurtSigel: Lieder & Anschläge. Gedichte. München: Delp 1970. 64 S. Kurt Sigel: Uff Deiwel-Kommraus. Gedichte von heute auf Frankfurterisch. Mit 10 Zeichnungen von Gertrude Degen­ hardt. Frankfurt a.M., Friedberger Str. 37-39: Werkstätten Galerie Gierig 1975. Eva M. Sirowatka: Ein Jahr hat viele Feste. Bilder von Herta Müller-Schönbrunn. Mainz: Dessart 1971. 10 Blätter. Eva Maria Sirowatka: Zwischenstation Erde. Ratingen, Kastel­ laun: Henn 1974.

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Dorothee Solle: Die revolutionäre Geduld. Berlin: Fietkau 1974. 34 S. Alberto Sokolko: Ballerina. Gedichte. Mit Illustrationen von Bertrand Waeber. Bern: Sanduhr Press 1971. 55 S. Ludwig Soumagne: Möt angere Wöert jedaiht, jedonn. Nach­ wort von Hans H. Reich. Düsseldorf, Krefeld: Sassafras Ver­ lag 1975. 24 Blätter. Friedhelm Spicker: Sekunden, Sekanten, Sekundanten. Schwein­ furt: Neues Forum 1970. 64 S. Heinz Stalder: Ching hei si gnue. Bern: Benteli 1970. 43 S. Kurt Stalter: Frankfurter Depressionen. Vorwort Jörg Fauser, Fotos von Michael Knaupp. 6 Frankfurt a.M., Wittelsbacher Allee 147: production des assassins. 1972. 50 Bl. Sita Steen: Mit dem Kopfe geschüttelt. Stuttgart: Dt. VerlagsAnstalt 1971. 87 S. Verena Stefan: Häutungen. Autobiografische Aufzeichnungen, Gedichte,Träume, Analysen. 8 München 80, Josephsburgstr. 16: Verlag Frauenoffensive 1975. 127 S. Gisela Steineckert: Erkundung zu zweit. Gedichte, Lieder, Chansons. Ilustrationen von Horst Bartsch. Berlin: Henschelverlag 1974. 150 S. Jörg Steiner: Der schwarze Kasten. Spielregeln. Mit einem Nach­ wort von Kurt Marti. CH-4566 Halten/Basel: Lenos Presse 1972. 45 S. (litprint. Bd. 89.) Jürgen Stelling: Ausfahrt freihalten. Lyrische Texte. 3515 Sche­ den: Gauke 1973. 41 S. Hansgeorg Stengel: Mit Stengelszungen. Epigramme. Illustriert von Rolf F. Müller. Berlin: Eulenspiegel Verlag 1974. 40 Bl. HansgeorgStengel: Der rettende Stengel. 75 Epigramme. Berlin: Eulenspiegel Verlag 1974. 75 S. Jacob Stickelberger: Schwarzi Chatz. Chansons. Zürich, Köln: Benziger 1974. 63 S. Niklas Stiller: Pampelmusen. Karlsruhe: Edition Junge Poesie . "975-34 sNiklas Stiller: Um siebzehn Uhr dreißig. Köln: Braun 76. Jürgen-Peter Stössel: Friedenserklärung. Gedichte 1968-1972. Stuttgart: Dt. Verlags-Anstalt 1973. 79 S. Jürgen-Peter Stössel: Tatworte. Gedichte. Andernach: Atelier Verlag 1971. 54 S. Rudi Strahl: Ewig und 3 Tage. Illustriert von Louis Rauwolf. Berlin: Eulenspiegel Verlag 1970. 78 S.

396

Eva Strittmatter: Ich mach ein Lied aus Stille. Gedichte. Berlin, Weimar: Aufbau-Verlag 1973. 131 S. Georg Strnadt: De faschiamaschin. Gedichte. Mit Zeichnungen von Wilfried Zeller-Zellenberg. Wien, München: Jugend und Volk Verlag 1974. 72 S. Georg Strnadt: Waunzn, flee und läus. Gedichte. Mit Zeichnun­ gen von Wilfried Zeller-Zellenberg. Wien, München: Jugend und Volk Verlag 1970. 68 S. Wilhelm Szabo: Schallgrenze. Wien: Bergland Verlag 1974. Ralf Thenior: Traurige Hurras. Gedichte und Kurzprosa. Mün­ chen: AutorenEdition 1977. Günther Theobald: Treibsand. Gedichte. Mit 14 Illustrationen des Verfassers. Duisburg: Gilles & Francke 1973. 40 Bl. Jürgen Theobaldy: Blaue Flecken. Gedichte. Zeichnungen von Berndt Höppner. Reinbek: Rowohlt 1974. 90 S. (das neue Buch. 51.) Jürgen Theobaldy: Zweiter Klasse. Berlin: Rotbuch 1976. Christian Theunert: Atomzeitlieder auf meiner Trompete. Mün­ chen: Relief-Verlag 1971. 80 S. Rolf Thut: Windmark. München: Relief-Verlag 1970. jo S. Ilse Tielsch-Felzmann: Anrufung des Mondes. Wien, München: Jugend und Volk Verlag 1970. 112 S. Ilse Tielsch-Felzmann: Regenzeit. München: Delp 1975. 61 S. WolfgangTilgner: Das älteste Handwerk. Mit kolorierten Holz­ stichen von Egbert Herfurth. Halle (Saale): Mitteldeutscher Verlag 1974. 87 S. Wolfgang Tilgner: Über mein Gesicht gehen die Tage. Gedichte. Halle/Saale: Mitteldeutscher Verlag 1971. 85 S. Uwe Timm: Widersprüche. Mit Zeichnungen von Carlo Schelle­ mann. 2 Hamburg 19, Bellealliancestr. 54: Neue Presse 1971. 46 S. Volker von Thoerne und Christoph Heubner: Lagebericht. Kas­ sel: Selbstverlag 1976. Wolfgang Trampe: Biographie. Gedichte. Berlin, Weimar: Auf­ bau-Verlag 1973. 133 S. Artur Troppmann: Zahltag. Werktagsgedichte. Oberhausen: Asso Verlag 1975. 89 S. Franz Turnier: Sätze von der Donau. München: Piper 1972. 79 sFranz Turnier: Welche Sprache ich lernte. Berlin: Literarisches Colloquium 1970. 42 S. (LCB-Editionen. 19.)

597

Joachim Uhlmann: Kernzeit. Gedichte und Tuschzeichnungen. Mit 3 Tuschzeichnungen des Autors. Berlin: Henssel 1975. 56 S. Gottfried Unterdörfer: Wildtaubenruf. Erzählungen und Ge­ dichte. Berlin: Union Verlag 1973. 158 S. Fritz Usinger: Galaxis. Gedichte 1972-1974. Offenbach a.M.: Kumm 1975. 76 S. Fritz Usinger: Der Planet. Gedichte. Darmstadt: Bernhart 1972. 105 S. Dirk Vardow: Ich springe hoch und wende mich ab. Hamburg: Zerr Verlag 76. Henning Venske: Gestammelte Werke. 2 Hamburg 50, Eimsbütteler Str. 16: Asmus 1972. 119 S. Ludwig Verbeek: Brechungen. Gedichte. Duisburg: Gilles & Francke 1971. 27 Blätter. Ludwig Verbeek: Lucide Intervalle. Gedichte. Grafik von Eck­ hard Hargesheimer. Duisburg: Gilles & Francke 1973. 30 Bl. Jürgen Völkert-Marten: Möglichkeit der Entlarvung. München: Relief-Verlag 1976. Alois Vogel: Im Auge das Wissen. München: Delp 1976. Alois Vogel: Sprechen und Hören. Gedichte. München: Delp 1971. 64 S. Alois Vogel: Vorläufige Grabungsergebnisse. Drei Texte. Wien, München: Jugend und Volk Verlag 1970. 85 S. Walter Vogt: Klartext. Gedichte. Zürich: Verlag Die Arche 1973. 46 S. Hanns Vogts: Tätowierter Tag. Gedichte 1961-1970. Wiesba­ den: Limes Verlag 1970. 61 S. (Limes Nova. 31.) Karin Voigt: Bewahre mich nicht. Wiesbaden, München: Limes Verlag 1976. Silja Walter: Der Tanz des Gehorsams oder Die Strohmatte. Mit Illustrationen der Autorin. Zürich: Verlag Die Arche 1970. U7 S. Werner Walter: Das unstete Holz. Gedichte. Halle/Saale: Mit­ teldeutscher Verlag 1970. 63 S. Werner Walz: Gedichte. Starnberg: J. Keller 1971. 37 Blätter. Beat Weber: Halbfreiheit. Bern: Zytglogge 1974. Wolfgang Weck: Weck 3. 4 Düsseldorf, Hohe Str. 26: Selbstver­ lag 1972. 43 Bl. Heinz Weder: Gegensätze. Gedichte. Frankfurt a.M.: S. Fischer 1970. 50 S. 598

Hans K. Wehren: Zwischen Lanzetten. Gedichte. Linolschnitte von Walter Podschwadek. München: Relief-Verlag 1971. 64 S. Reinhard Weisbach: Wort für Wort. Gedichte. Berlin, Weimar: Aufbau-Verlag 1971. 95 S. Immanuel Weissglass: Der Nobiskrug. Gedichte. Bukarest: Kriterion Verlag 1972. 68 S. Fritz Werf: Nur eine Wolke am blauen Himmel der Freiheit. Ge­ dichte. Andernach: Atelier Verlag 1977. Carl Werner: Gedichte. Nachrede von Wolfgang Koeppen. München: Hanser 1971. 135 S. Carl Werner: Vorschlag für eine Passion. 1 Berlin 46, Gabainstr. 5: Fietkau 1970. 33 S. (Schritte. 18.) Katharina Werner: Märchen? Mit Fotos. Bonn: Amöbenpresse 1970. 29 Blätter. Wolf Wezel: Eins. Gedichte. München: Willing 1972. 32 Bl. Rudolf Otto Wiemer: Beispiele zur deutschen Grammatik. Ber­ lin: Fietkau 1971. 32 S. (Schritte. 19.) Rudolf Otto Wiemer: Wortwechsel. Berlin: Fietkau 1973. 32 S. (Schritte. 25.) Heinrich Wiesner: Lakonische Zeilen. Mit Zeichnungen von Celestino Piatti. München: Piper 1968. 63 S. Joachim Wittstock: Botenpfeil. Gedichte. Cluj/Rumänien: Dacia Verlag 1972. 74 S. Hildegard Wohlgemuth: Auch ich auch du. Gedichte. Berlin: Fietkau 1975. 32 S. (Schritte. 29.) Hildegard Wohlgemuth: Wen soll ich nach Rosen schicken. Ge­ dichte, Balladen, Chansons. Wuppertal: Peter Hammer Ver­ lag 1971. 103 S. Gabriele Wohmann: So istdie Lage. Düsseldorf: Eremiten Presse ’974Horst Wolff ¡Tropischer Rapport. Mit Zeichnungen. Dortmund: Wulff 1970. 28 Blätter. Hans Wolffheim: Aufstand der Bäume. Gedichte. Wiesbaden: Limes Verlag 1972. 73 S. (Limes nova. 36.) Wolf Wondratschek: Chuck’s Zimmer. Gedichte. Lieder. Frank­ furt a.M.: Zweitausendeins 1975. 63 S. Michael Wulff: Dichtung. Mit einem kritischen Begleittext von Ernst Jandl. 7550 Rastatt, Postfach 1106: Fox Produktionen 1975. 66 S. 599

R. D. Wulff: Bleibt propper ihr Leut. Kürzere Wortarbeit über Allerlei oder Du Drecksau. Köln: DuMont Schauburg 1971. 32 Blätter. Peter-Paul Zahl ¡Alle Türen offen. Berlin: Rotbuch Verlag 1977. Peter-Paul Zahl: Die Barbaren kommen. Hamburg: MaD Verlag 1976. Peter-Paul Zahl: Schutzimpfung. Gedichte. Berlin: Rotbuch Verlag 1975. 61 S. Eva Zeller: Fliehkraft. Gedichte. Stuttgart: Deutsche VerlagsAnstalt 1975. 90 S. Eva Zeller: Sage und schreibe. Gedichte. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1971. 77 S. Herta Zerna: Inmitten von Berlin. Gedichte und Texte. Zeich­ nungen von Kurt Mühlenhaupt. Hamburg, Düsseldorf: von Schröder 1973. 78 S. Michael Zielonka: Ich, Zugabe zu meinem Nabelstrang. Mün­ chen: Relief-Verlag 1970. 61 S. Annemarie Zornack: Der Steinschläfer. 6 Frankfurt a.M., Post­ fach 930271: Heiderhoff 1972. 30 S. Annemarie Zornack: Tagesanfänge. Darmstadt: Bläschke 1972. 39 S. (Das Neueste Gedicht. Bd. 47.) Reinhart Zuschlag: Tagesgespräche filtern. Darmstadt: Bläschke 1976.

Anthologien Ade, Madame Muh!: Bauersleute dichten heute. Hrsg, von Rolf Italiaander. Mit Nachworten von Karl Krolow und Heinz Haushofer. Bad Kreuznach: Pandion Verlag 1970. 104 S. An-Klagen: Schriften für amnesty international. Hrsg, von Urs M. Fiechtner und Claus Magiera. Tübingen: Bruscha 1977. Anklage erhoben: Gedichte und Grafiken von Strafgefangenen. Hrsg, von Birgitta Wolf. 646 Gelnhausen/Berlin: Burckhardthaus-Verlag 1972. 144 S. Antianthologie: Gedichte in dt. Sprache, nach der Zahl ihrer Wörter. Geordnet von Franz Mon und Helmut Heißenbüt­ tel. München: Hanser 1973. 298 S. Anzeichen Zwei: Hrsg, von Ilsemarie Sänger. Berlin: Evangeli­ sche Verlagsanstalt 1972. 214 S.

600

Arbeitersongbuch: Herausgegeben von Wolfgang Bergmann u.a. Frankfurt a.M.: S. Fischer 1973. 189 S. (Fischer Taschen­ buch. 1403.) Autoren Reisen: Hrsg, von Hanns Gottschalk. München: Delp i97^ Beispielsätze: Eine literarische Entziehungskur. Hrsg, von Man­ fred Bosch. 813 Starnberg: Raith 1972. 96 S. Berliner Malerpoeten: Hrsg, von Aldona Gustas. München: Dt. Taschenbuchverlag 1977. Bundesdeutsch: Lyrik zur Sache Grammatik. Herausgegeben vonRudolf Otto Wiemer. Wuppertal: Peter Hammer Verlag 1974. 262 S. Das uns Gemäße: Lyrik-Anthologie schreibender Arbeiter. Herausgegeben von Karl-Heinz Wenzel und Jupp Müller. Berlin: Verlag Tribüne 1970. 170 S. Dein Leib ist mein Gedicht: Deutsche erotische Lyrik aus 5 Jahr­ hunderten. Herausgegeben von Heinz Ludwig Arnold. Bern, München, Wien: Rütten+Loening 1970. 318 S. Denkzettel: Politische Lyrik aus der BRD und Westberlin. Her­ ausgegeben von Annie Voigtländer und Hubert Witt. Vor­ wort von Klaus Schuhmann. Leipzig: Reclam (Reclams Universal-Bibliothek. Bd. $46.) Frankfurt a.M.: RöderbergVerlag 1974. 555 S. Deutsche Gedichte seit 1960: Eine Anthologie. Gesammelt und eingeleitet von Heinz Piontek. Stuttgart: Reclam 1972. 294 S. (Universal-Bibliothek Nr. 9401/04.) Dieses Buch ist gratis: Texte zeitgenössischer Schweizer Schrift­ steller. Hrsg, von Theo Ruff und Peter K. Wehrli. Zürich: Gratis-Verlag 1971. 96 S. Don Juan überm Sund: Liebesgedichte. Herausgegeben und mit einer Nachbemerkung von Wulf Kirsten und Wolfgang Trampe. Berlin, Weimar: Aufbau-Verlag 1975. 239 S. Epigramme Volksausgabe: Politische Kurzgedichte. Herausge­ geben von Manfred Bosch. Grafiken von Guido Zingerl. Lollar über Gießen: Achenbach 1975. 92 S. Erotische Lyrik und Grafik: Berlin: Anabas Verlag 1975. Freunde, der Ofen ist noch nicht aus: Lieder aus dem neuen Wi­ derstand. Herausgegeben von Klaus Kuhnke. Ahrensburg b. Hamburg: Damokles Verlag 1970. 125 S. (Songbuch. 9.) Frieden aufs Brot: Gedichte aus dem Rheinland. Bonn: Rhein­ land Verlag 1972. 48 S. 601

Für eine andere Deutschstunde: Arbeit und Alltag in neuen Tex­ ten. Hrsg, vom Arbeitskreis Progressive Kunst. Mit Fotos und Zeichnungen. Oberhausen: Asso Verlag 1972. 228 S. Gebrauchsanweisungen. Texte und Grafiken für die Praxis. Hrsg, von Dietrich Lange. 646 Gelnhausen: Burckhardthaus-Verlag 1971. 112 S. Gedichte aus der Bundeswehr: Herausgegeben von Helmut Bö­ ger. Wuppertal: Jugenddienst Verlag 1973. 144 S. (Judie-Taschenbuch. Nr. 9.) Gegendarstellungen: Autoren korrigieren Autoren. Herausge­ geben von Manfred Ach und Manfred Bosch. Andernach: Atelier Verlag 1974. 60 S. Geht dir da nicht ein Auge auf. Gedichte. Herausgegeben von Godehard Schramm, Bernhard Wenger und Peter Sauernhei­ mer, Frankfurt a.M.: Fischer Taschenbuch Verlag 1974. 1 56 S. Grenzverschiebung: Neue Tendenzen in der dt. Literatur der 60er Jahre. Hrsg, und mit einem Vorwort von Renate Matthaei. Köln, Berlin: Kiepenheuer & Witsch 1970. 341 S. Gut zum Druck: Literatur der dt. Schweiz seit 1964. Herausge­ geben von Dieter Fringeli. Zürich, München: Artemis Verlag 1972. 475 S. Ich bin vielleicht du: Lyrische Selbstporträts. Herausgegeben von Peter Engel. 7350 Rastatt, Postf. 1106: Fox Produktionen 1975- 83 S. Ich nenn euch mein Problem: Gedichte der Nachgeborenen. 46 junge, in der DDR lebende Poeten der Jahrgänge 1945-1954. Hrsg, und mit einem Vorwort von Bernd Jentzsch. Berlin: Verlag Neues Leben 1971. 174 S. Ich nenn euch mein Problem: Gedichte der Nachgeborenen. 46 junge, in der DDR lebende Poeten der Jahrgänge 1945-1954. Hrsg, und mit einem Vorwort von Bernd Jentzsch. Wupper­ tal: Peter Hammer Verlag 1971. 174 S. Ich-Programme: Hrsg, von Landfried Schröpfer. Gersthofen: Maro Verlag 1974. Im Bunker: 100 X Literatur unter der Erde - Texte und Daten von 110 deutschen und ausländischen Autoren. Herausgege­ ben von Walter Neumann. Recklinghausen: Bitter 1974.3 52 S. Jahrbuch für neue Dichtung: Herausgegeben von Rolf Nörtemann, Manfred Chobot und Jochen Gerz. Mit Zeichnungen und Fotos. 6301 Krofdorf-Gleiberg: Edition Endlich was Neues 1974. 214 S. 602

Die Kehrseite des Mondes: Satirische und zeitkritische Texte. Herausgegeben von Ernst Schremmer und Hanns Gott­ schalk. München: Delp 1975. 142 S. Konkrete Poesie international 2: 7 Stuttgart, Vorsteigstr. 24: Edition Rot 1970. 22 Blätter (Text. 41.) Kreatives Literaturlexikon: Ein erster Ansatz. Herausgegeben von Peter Schumann. 813 Starnberg: Raith 1974. 144 S. Kurzwaren: Schweizer Lyriker 1. Mit Autorenfotos. CH-3073 Gümligen: Zytglogge Verlag 1975. 128 S. Landschaft unserer Liebe: Herausgegeben von Holger J. Schu­ bert. Halle (Saale): Mitteldeutscher Verlag 1974. 544 S. Das letzte Mahl mit der Geliebten: Gedichte. Herausgegeben von Rainer Kirsch und Manfred Wolter. Mit Illustrationen von Lothar Sell. Berlin: Eulenspiegel Verlag 1975. 200 S. Linke Liebeslyrik: Hrsg, von Joachim Fuhrmann. Hamburg: Neue Presse 1972. Lyrik aus der DDR: Herausgegeben von Gregor Laschen. Zü­ rich, Köln: Benziger 1973. 191 S. Lyrik aus der Schweiz: Herausgegeben von Frank Geerk. Zürich, Köln: Benziger 1974. 127 S. Militante Literatur: Herausgegeben von Gerd Scherm. 3515 Scheden: Gauke 1973. 98 S. (Gauke Taschenbuch. 4.) Nachrichten aus Kasachstan: Deutsche Dichtung in der Sowjet­ union. Herausgegeben von Alexander Ritter. Hildesheim, New York: Olms 1974. 245 S. Natur ist häufig eine Ansichtssache: Hrsg, von Kurt Marti. Basel: Lenos Presse 1976. Nervöse Blätter 1: Gedichte, Bilder, Geschichten, Lesebuch. Köln: Palmenpresse 1974. 120 S. Neue Expeditionen: Deutsche Lyrik v. 1960-1973. Heraus­ gegeben von Wolfgang Weyrauch. München: List 1975. 189 S. Ohne Denkmalschutz: Ein fränkisches Lesebuch. Hrsg, von Inge Meidinger-Geise. Nürnberg: Verlag Nürnberger Presse 1970. 404 S. PEN : Prosa, Lyrik, Essay. Neue Texte dt. Autoren. Hrsg, von Martin Gregor Dellin. Tübingen, Basel: Erdmann 1971. 4?9 s.

Politische Lieder: 1970/71. Auswahl und Nachwort Annemarie Stern. Oberhausen: Asso Verlag 1971. 128 S.

603

Prolog: Lit. Spektrum. Hrsg. v. der Arbeitsgemeinschaft junger Publizisten e.V. 498 Bünde, Mindener Str. 136: Arbeitsge­ meinschaft junger Publizisten 1971. 88 S. Read in: Rheinische Autoren lesen im Rheinischen Landesmu­ seum. Düsseldorf: Rheinland Verlag 1970. Revier heute: Neue Texte aus der Lit. Werkstatt Gelsenkirchen. Hrsg, von Hugo Ernst Käufer. Recklinghausen: Bitter 1972. ’95 sRuhrtangente: Nordrhein-Westfälisches Jahrbuch für Literatur 72/73. Hrsg, vom Autorenkreis »Ruhr-Mark«. Opladen: Argus-Verlag 1972. 319 S. Sagst wasd magst: Mundartdichtung heute aus Bayern und Österreich. Herausgegeben von Friedl Brehm. München: Ehrenwirth 1975. 168 S. Sammlung I: Prosa, Lyrik, Drama, Bildende Kunst. Eine Antho­ logie der Literaturzeitschrift »das pult«. St. Pölten: Nieder­ österreichisches Pressehaus 1971. 290 S. Satzbau: Poesie und Prosa aus Nordrhein-Westfalen. Hrsg, von Hans Peter Keller und Günter Lanser. Düsseldorf: Droste 1972. 324 S. Scenen Reader 73/74: Hrsg, von Ulcus Molle. Mit Fotos und Zeichnungen. 425 Bottrop: Literarisches Informationszen­ trum 1973. 140 S. Schrauben haben Rechtsgewinde: Ein Lesebuch fragender Ar­ beiter für Arbeitnehmer und Arbeitgeber sowie deren Kin­ der. Zusammengestellt von Thomas Rother. Mit einer Ge­ brauchsanweisung von Günter Wallraff. Düsseldorf: Schwann 1971. 96 S. Schweizer Lyrik des zwanzigsten Jahrhunderts: Hrsg, von Bernd Jentzsch. Zürich, Köln: Benziger 1977. Selbst/Kenntnisse: Hrsg, von Walter Aue. Mit Fotos und Zeich­ nungen. Bad Homburg v.d.H.: Tsamas Verlag 1972. 259 S. (typos. 2.) Seifmade: Eine Anthologie von vielen für alle. Hrsg, von Benno Käsmayr. 8906 Gersthofen, Postfach 1222: Maro Verlag 1971. 147 Blätter. Sie schreiben zwischen Goch und Bonn: Bio-bibliographische Daten, Fotos und Texte von 61 Autoren. Herausgegeben von Hugo Ernst Käufer und Rolfrafael Schroer. Mit Autorenfo­ tos. Wuppertal: Peter Hammer Verlag 1975. 245 S. 604

Sie schreiben zwischen Moers und Hamm: Bio-bibliographische Daten, Fotos und Texte von 43 Autoren aus dem Ruhrgebiet. Herausgegeben von Hugo Ernst Käufer und Horst Wolff. Wuppertal: Peter Hammer Verlag 1974. 204 S. Speichen: Jahrbuch für Dichtung 1971. Hrsg, von Johannes Hübner. Berlin: Henssel 1971. 107 S. Der Tag hat vierundzwanzig Stunden: Eine Anthologie des Zir­ kels schreibender Arbeiter im VEB Petrolchemisches Kom­ binat Schwedt, Kombinatsbetrieb Zeitz. Berlin: Verlag Tri­ büne 1971. 205 S. Tagtäglich: Gedichte für Jugendliche. Hrsg, von Joachim Fuhr­ mann. Reinbek: Rowohlt 1976. Text-Bilder: Visuelle Poesie international von der Antike bis zur Gegenwart. Auswahl und Einleitung Klaus Peter Dencker. Köln: M. DuMont Schauberg 1972. 190 S. Texte aus der Arbeitswelt seit 1961: Herausgegeben von Theodor Karst. Stuttgart: Reclam 1975. 174 S. Tod in der Gesellschaft: Almanach 5 für Literatur und Theologie. Redaktion Gerhard Debus und Arnim Juhre. Wuppertal: Peter Hammer Verlag 1971. 208 S. Übergänge: Gedichte. Mit einem Nachwort von Josef Reding. München: Delp 197$. 100 S. Und Buch: Herausgegeben von Wolf Wezel. München: Willing 1971. 64 S. Us em Puurehuus: Bäuerliche Gelegenheitsdichtung der Gegenwart. Herausgegeben von Alois Senti. Mit Scheren­ schnitten von David Rogez. Winterthur: Gemsberg 1972. 148 S. Vietnam 2: 42 Oberhausen, Josefsplatz: Arbeitskreis für Ama­ teurkunst 1970. 88 S. (Werkhefte des Arbeitskreises für Amateurkunst. 30/31.) Visitenkarten. 100 Gedichte von 100 Dichtern. Berlin: Verlag Neues Leben 1976. Vorsicht, die Mandoline ist geladen: Deutsches Kabarett seit 1964. Hrsg, von Klaus Budzinski. Frankfurt a.M.: S. Fischer 1971. 251 S. (Fischer Taschenbuch. 1231.) Wer bist du, daß du schreibst?: Lyrik schreibender Arbeiter. Herausgegeben von Jupp Müller. Berlin: Verlag Tribüne 1972. 103 S. Windbericht: Hrsg, von Ernst Schremmer und Hanns Gott­ schalk. München: Delp 1971.

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Wir Kinder von Marx und Coca-Cola: Gedichte der Nachgebo­ renen. Texte von Autoren der Jahrgänge 1945—1955 aus der Bundesrepublik, Österreich und der Schweiz. Hrsg, von Frank Brunner, Arnim Juhre, Heinz Kulas. Wuppertal: Peter Hammer Verlag 1971. 198 S. Wir kommen: Literatur aus der Studentenbewegung. München: Damnitz 1976. Wortmeldungen: Eine Anthologie junger Lyrik aus dem Banat. Herausgegeben von Eduard Schneider. Timisoara/Rumänien: Facla Verlag 1972. 157 S. Zeit/Beispiele: Hrsg, von Walter Aue. Bad Homburg v.d.H.: Tsamas Verlag Pigge 1971. 233 S. (typos. 1.) Ziel und Bleibe: Eine Anthologie. Herausgegeben von Ernst Schlemmer und Hanns Gottschalk. München: Delp 1968. 345 S. Zürcher Almanach: Hrsg, von Hans Rudolf Hilty, Hans Heinz Holz, Paul Nizon. Mit vielen Abb. Zürich, Köln: Benziger 1972. 240 S. Zweizeiler: Redaktion Karl Riha und Günter Kämpf. Als Post­ kartenblock eingerichtet und gestaltet von Helga KämpfJansen. 6301 Steinbach: Anabas-Verlag 1971. 33 Blätter. Zwischenprüfung für Turandot: Geschichten und Gedichte. Redaktion Ute Fichtner, Hans-Georg Lietz, Ingrid Prignitz in Zusammenarbeit mit dem Bezirkskabinett für Kulturar­ beit im Bezirk Rostock. Rostock: VEBHinstorff 1970. 191 S. Zwischensaison: Textbuch 1 der Gruppe Olten. Basel: Lenos Presse 1975. 235 S. Zwischensaison: Textbuch 2 der Gruppe Olten. Basel: Lenos Presse 1976.

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Anmerkung zur Lyrik-Diskussion 77 (Seite 439ff.) Bei dem Aufsatz von Helmut Heißenbüttel handelt es sich um ein bisher ungedrucktes Funkmanuskript; der Aufsatz von Peter Wapnewski erschien zuerst in der »Zeit« vom 28. Januar 1977; die Aufsätze von Jörg Drews, Jürgen Theobaldy, Hans Dieter Zimmermann, Ludwig Fischer und Peter M. Stephan erschienen in dieser Reihenfolge in der Zeitschrift »Akzente«, Heft 1/1977 und folgende Hefte. Wir danken allen Autoren und der Zeit­ schrift »Akzente« für die Nachdruckerlaubnis.

Fotonachweis Arnfrid Astei: Peter Peitsch, Hamburg. - Wolfgang Bächler: S. Fischer Verlag, Frankfurt. - Jürgen Becker: Suhrkamp Verlag, Frankfurt. - Horst Bienek: Isolde Ohlbaum, München. - Horst Bingel: Karin Voigt, Mann­ heim. - Nicolas Born: Mike Hermann, Landsatz. - Michael Buselmeier: Peter Peitsch, Hamburg. -F.C. Delius: Peter Peitsch, Hamburg.-Christoph Derschau: Christiane Käsmayr. - Hugo Dittberner: Hermann Radermacher, Eschollbrücken. - Ute Erb: Peter Weber. - Heiner Feldhoff: Lorsbach, Hachenburg. - Ludwig Fels: Gebhardt-Lahm, Treuchtlingen. Frederike Frei: Elke Herms. - Erich Fried: Yoash Tatari, Köln. - Günter Grass: Foto-Studio Rama, Berlin. - Günter Guben: Marcus Guben, Eßlin­ gen. - Helmut Heißenbüttel: Peter Peitsch, Hamburg. - Günter Herburger: Isolde Ohlbaum, München.-Uwe Herms: Elke Herms.-Heinar Kipphardt: Isolde Ohlbaum, München. - Klaus Konjetzky: Peter Peitsch, Hamburg. Ursula Krechel: Peter Peitsch, Hamburg. - Karl Krolow: Peter Krolow, Düsseldorf. - Michael Krüger: Peter Peitsch, Hamburg. - Otto Heinrich Kühner: Peter Peitsch, Hamburg. - Gregor Laschen: Peter Peitsch, Ham­ burg. - Peter Maiwald: Manfred Scholz, Essen. - Rainer Malkowski: Digne Meller Marcovicz, München. - Christoph Meckel: Isolde Ohlbaum, Mün­ chen. - Ernst Meister: Peter Peitsch, Hamburg. - Bodo Morshäuser: Friedhelm Hoffmann, Berlin. - Helga M. Novak: Karin Voigt, Mannheim. Harry Oberländer: Karin Voigt, Mannheim. - Klaus M. Rarisch: Lilo Berger, Berlin. - Renate Rasp: Anke Hinz. - Roman Ritter: Peter Peitsch, Hamburg. - Peter Rühmkorf: G. P. Reichelt, Hamburg. - Johannes Schenk: Peter Peitsch, Hamburg. - Margot Schröder: Heidrun Löhr. Landfried Schröpfer: Peter Peitsch, Hamburg. - Peter Schütt: Peter Peitsch, Hamburg. - Hannelies Taschau: Renate Steinmeyer, St. Eulalia/Ibiza. Ralf Thenior: Elke Herms. - Uwe Timm: Isolde Ohlbaum, München. Richard L. Wagner: Ilse Ruppert, München. - Uwe Wandrey: Peter Peitsch, Hamburg. - Wolfgang Weyrauch: Joachim Dörr, Mainz. - Peter-Paul Zahl: Rotbuch Verlag, Berlin.

Wir danken den Autoren, Agenturen und Verlagen für die Überlassung der Bildvorlagen.

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Erklärung Der Wilhelm Goldmann Verlag freut sich, mit diesem Band eine wichtige Dokumentation zeitgenössischer Lyrik der interessier­ ten Öffentlichkeit vorlegen zu können. Diese Dokumentation enthält auch Gedichte, mit deren Inhalt sich der Verlag durchaus nicht identifizieren kann. Um der Vollständigkeit willen, und um auch jeden Anschein von Zensur zu vermeiden, erscheinen sie dennoch in dieser Sammlung.

Wilhelm Goldmann Verlag

Die Dokumentation des ersten deutschen Lvrik-i estivals Hamburg, Juni 1977

Gedichte, Biographien, Statements von Arnfried Astei Wolfgang Bächler Jürgen Becker Horst Bienek F. C. Delius Erich Fried Uwe Friesei Helmut Heissenbüttel Günter Herburger Michael Krüger Franz Mon Helga M. Novak Renate Rasp Peter Rühmkorf und anderen

Deutsche Lyrik 1977 eine Bestandsaufnahme

Ein Goldmann-Taschenbuch ISBN 3-442- 07017-1

DM 12,80