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German Pages 264 Year 2022
Ulrich Poth Martin Winkler
Leistungsstarke Lacke formulieren
Umschlagsbild: Evgenii Iakovenko – stock.adobe.com
Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Ulrich Poth und Martin Winkler Leistungsstarke Lacke formulieren Hannover: Vincentz Network, 2022 Farbe und Lack Bibliothek ISBN 3-7486-0358-4 ISBN 978-3-7486-0358-0 © 2022 Vincentz Network GmbH & Co. KG, Hannover Vincentz Network, Postfach 6247, 30062 Hannover, Germany Das Werk einschließlich seiner Einzelbeiträge aus Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urhebergesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchtnamen, Warenzeichen und Handelsnamen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um geschützte, eingetragene Warenzeichen. Das Verlagsverzeichnis schickt Ihnen gern: Vincentz Network, Plathnerstr. 4c, 30175 Hannover, Germany Tel. +49 511 9910-033, Fax +49 511 9910-029 E-mail: [email protected], www.farbeundlack.de Satz: Vincentz Network, Plathnerstr. 4c, 30175 Hannover, Germany Druck: Qubus Media GmbH, Hannover, Germany
FARBEUNDLACK // BIBLIOTHEK
Ulrich Poth Martin Winkler
Leistungsstarke Lacke formulieren
FARBEUNDLACK // BIBLIOTHEK
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Auf ein Wort
Auf ein Wort Heutige Lacksysteme müssen eine Vielzahl von Anforderungen erfüllen: vom stabilen Farbeffekt bis hin zum Korrosionsschutz. Auf unterschiedlichsten Substraten soll ein möglichst breites und optimal eingestelltes Eigenschaftsverhältnis erreicht werden. Ein umfassendes Verständnis, sowohl über die in einer Formulierung verwendeten Komponenten als auch über die Wechselwirkungen dieser untereinander, ist dazu unabdingbar. Aber nicht nur die stoffliche Zusammensetzung des Beschichtungsstoffs sind für dessen endgültige Eigenschaften verantwortlich. Auch der Produktionsprozess, das Beschichtungsverfahren und die Bedingungen bei der Filmbildung bestimmen das Eigenschaftsprofil der Beschichtung. All diese relevanten Größen stehen in Wechselwirkung miteinander und beeinflussen sich gegenseitig. Aufgrund dieser Komplexität gilt die Entwicklung und Formulierung eines Lacksystems als von Empirie geprägt. Trotzdem liegen den Eigenschaften einer Beschichtung chemische und physikalische Ursachen zugrunde. Diese Ursachen zu definieren und zu kennen ist vor allem deshalb wichtig, wenn es gilt, bestimmte Eigenschaftsanforderungen zu erfüllen, mögliche Fehler zu vermeiden oder aufgetretene Fehler zu beseitigen. In diesem Buch wird deshalb versucht, dem Lackchemiker oder Formulierungsspezialisten Prinzipien an die Hand zu geben, wie die Eigenschaften einer Beschichtung gezielt beeinflusst werden können. Ebenso soll dieses Wissen dazu dienen, Fehler zu vermeiden oder diese schnell zu korrigieren. Damit soll das vorliegende Buch gerade auch für den Quereinsteiger eine Hilfe sein, das so umfangreich vorhandene Wissen über Lacke zu strukturieren und sich schnell einen Überblick zu verschaffen. Aber auch dem erfahrenen Lacktechniker und -chemiker kann es einen neuen Blick auf viele bekannte Phänomene seiner täglichen Arbeit eröffnen. Münster in 2018, Ulrich Poth Winterthur in 2021, Martin Winkler
Redaktionelle Anmerkung Ulrich Poth, der auch in seinem Ruhestand weiter auf dem Gebiet der Farben und Lacke aktiv mitwirkte und sein Wissen gerne weitergab, konnte dieses vorliegende Buch Leistungsstarke Lacke formulieren nicht mehr beenden und so übernahm Martin Winkler, Professor an der Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, das Manuskript und rundete es mit seinem Wissen ab.
5
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis 1
E inführung und Definitionen 1.1 Bestandteile von Lacken 1.2 Abscheidung von Lacke
10 11 12
2 Verarbeitungsfähiger Zustand 2.1 Der flüssige Zustand: Lösungen und Dispersionen 2.1.1 Viskosität 2.1.2 Lösemittel 2.2 Wässrige Lösungen 2.3 Wässrige Dispersionen: Suspensionen und Emulsionen 2.4 Methoden zur Stabilisierung von Dispersionen 2.4.1 Elektrostatische Stabilisierung 2.4.2 Sterische Stabilisierung 2.5 Herstellung von Dispersionen 2.6 Viskosität wässriger Dispersionen 2.7 Nichtwässrige Dispersionen 2.8 Aerosole 2.9 Viskosität und Applikationsfestkörper 2.10 VOC-Regelungen 2.11 Verringerung des Lösemittelanteils 2.11.1 High-Solids 2.11.2 Wasserbasierte Systeme 2.11.3 100 %-Systeme
13 13 14 17 21 24 24 24 25 25 26 27 27 29 29 31 32 33 34
3
Herstellung und Lagerung von Lacken 3.1 Dispergieren 3.1.1 Dispergieren von Pigmenten und Füllstoffen 3.1.2 Dispergieraggregate 3.1.3 Pigmentpasten 3.1.4 Pulverlacke 3.1.5 Dispergieren von Effektstoffen 3.2 Mischprozesse 3.2.1 Rührvorgänge 3.2.2 Modulare Fertigungskonzepte 3.3 Lagerung 3.3.1 Flokkulation 3.3.2 Absetzen 3.3.3 Viskositätsänderung 3.3.4 pH-Wert-Änderung 3.3.5 Vermeidung der Hautbildung 3.3.6 Konservierung wässriger Beschichtungsstoffe
35 35 35 38 40 41 41 42 42 42 43 43 43 44 45 46 47
Applikation 4.1 Substrate 4.2 Applikationsverfahren
49 49 50
4
6
Inhaltsverzeichnis
5 6
4.2.1 Tauchlackieren 4.2.2 Fluten, Gießen 4.2.3 Rakeln 4.2.4 Spritzen 4.2.5 Walzen 4.3 Benetzung 4.3.1 Oberflächenspannung, Oberflächenenergie 4.3.2 Spreitung 4.3.3 Einflüsse auf die Benetzung
50 52 53 53 55 55 55 58 59
Applikationseigenschaften 5.1 Verlauf 5.1.1 Orangenhaut 5.1.2 Bénard-Zellen 5.1.3 Einfluss der Viskosität 5.1.4 Verlaufsadditive 5.2 Ablaufverhalten 5.2.1 Applikationstechnik 5.2.2 Rheologie 5.3 Kantenflucht 5.4 Glanz 5.5 Appearance 5.6 Fülle 5.7 Überlackierbarkeit 5.8 Krater 5.9 Entlüftung/Kocher
61 61 61 63 63 63 65 66 66 70 71 73 73 74 75 76
F ilmbildung 6.1 Physikalische Trocknung 6.1.1 Physikalische Trocknung Lösemittel enthaltender Beschichtungsstoffe 6.1.2 Physikalische Trocknung Wasser enthaltender Beschichtungsstoffe 6.1.3 Filmbildung bei wässrigen Dispersionen 6.1.4 Filmbildung bei nichtwässrigen Dispersionen 6.2 Chemische Filmbildung (Vernetzung) 6.2.1 Voraussetzung für die Vernetzung 6.2.2 Aufbau vernetzter Moleküle 6.3 Struktur-Eigenschaftsbeziehungen in Beschichtungsstoffen 6.3.1 Molekularer Aufbau von Polymeren 6.3.2 Schmelzpunkt und Tg 6.3.3 Beeinflussung der Glasübergangstemperatur 6.4 Physikalische Beschreibung von Netzwerken 6.4.1 Mechanische Eigenschaften von Netzwerken 6.4.2 Unter- und Übervernetzung 6.4.3 Interpenetrierende Netzwerke 6.4.4 Vernetzung bei wässrigen Bindemitteln 6.5 Wichtige Vernetzungsreaktionen und deren Anwendung 6.5.1 Molmasse und Molmassenverteilung
77 77 77 83 85 89 89 89 92 94 94 95 100 102 103 104 104 105 105 106
7
Inhaltsverzeichnis
6.5.2 Einteilung der Vernetzungsreaktionen 6.5.3 Kondensationsreaktionen 6.5.4 Additionsreaktionen 6.5.5 Polymerisationsreaktionen
106 110 121 130
7
Farbe und Effekte 7.1 Farbe 7.2 Absorption und Streuung 7.3 Anorganische und organische Pigmente 7.3.1 Anorganische Pigmente 7.3.2 Organische Pigmente 7.4 Dispergierung von Pigmenten 7.5 Pigmentkonzentration 7.6 Effektpigmente und Effektbildung 7.6.1 Aluminiumpigmente 7.6.2 Interferenzpigmente
143 143 150 156 156 158 159 162 163 163 170
Gebrauchseigenschaften von Lackfilmen 8.1 Härte und Flexibilität 8.1.1 Ausdehnung der molekularen Netzwerke 8.2 Mechanische Beständigkeiten 8.3 Haftung 8.3.1 Haftungstests 8.3.2 Vorbehandlung 8.3.3 Zwischenhaftung 8.4 Lösemittel- und Chemikalienbeständigkeit 8.5 Korrosionsschutzeigenschaften 8.5.1 Grundsätzliches zur Korrosion 8.5.2 Korrosionsschutzbeschichtungen 8.6 Wetterbeständigkeit 8.6.1 Belastung durch UV-Strahlung 8.6.2 Lichtschutzmittel 8.7 Temperaturbeständigkeit
173 173 176 179 181 182 183 185 185 189 189 193 195 195 200 204
8
9 Versuchsplanung und Fehleranalyse
207
10
211 211 212 213
8
Neuere Entwicklungen in der Lackchemie 10.1 Effektpigmente 10.2 Funktionelle Beschichtungen – Selbstheilung 10.2.1 Selbstheilung durch Verkapselung von reaktiven Komponenten 10.2.2 Selbstheilung durch (reversible) physikalische oder chemische Vernetzung von Polymeren 10.3 Funktionelle Beschichtungen – Selbstreinigung 10.3.1 Lotus-Effekt 10.3.2 Superhydrophile Beschichtungen und Photokatalyse 10.4 Antifog-Beschichtungen/hydrophile Beschichtungen 10.5 Antifouling-Beschichtungen
214 216 216 217 219 219
Inhaltsverzeichnis
10.5.1 Aktive Antifouling-Beschichtungen 10.5.2 Hydrophobe, ablösungsfördernde Beschichtungen 10.5.3 Hydrophile, anhaftungsverhindernde Oberflächen 10.5.4 Trends in der Antifouling-Beschichtung 10.6 Flüssigkeitsgefüllte Beschichtungen – SLIPS 10.7 Bioabbaubare Beschichtungen und Beschichtungsmaterialien aus nachwachsenden Rohstoffen 10.7.1 Öle 10.7.2 Cellulose und Stärke 10.7.3 Lignin 10.7.4 Proteine
220 221 223 225 225 227 229 230 232 235
11 Ausblick
236
12 Literaturverzeichnis
239
Autoren
253
Index
254
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Einführung und Definitionen
1
Einführung und Definitionen
Beschäftigt man sich mit Beschichtungstechnologie und insbesondere Lacktechnologie trifft man auf einige zentrale Begriffe, die in diesem Kapitel zum Einstieg kurz definiert werden sollen. Der zu definierende Begriff ist dabei in fett gedruckt. Der Begriff „Lack“ stammt vermutlich von dem altindischen Begriff „lākṣá“ 1. Der Begriff Lack bezog sich ursprünglich nur auf glänzende Klarlacke, wird jetzt aber verallgemeinernd angewandt. Lackiert wird schon seit langer Zeit. Lackschichten hatten dabei zwei Funktionen zu erfüllen: Dies war und ist zum einen „Schutz“ z.B. vor Korrosion und zum anderen „Dekoration“, insbesondere die Farbgebung von zu beschichtenden Objekten. Erst in neuester Zeit wurde dieses Eigenschaftsspektrum um die sogenannten „funktionalen Lacke“ erweitert. Darunter versteht man Lacke, die andere Funktionen als Schutz und Dekoration erfüllen müssen. Dies können z.B. Gleiteigenschaften sein, Easy-to-clean- oder auch Antibeschlagbeschichtungen. Vor allem im Bereich der Bautenlacke wird für einige der Materialien der Begriff „Farbe“ anstatt von Lack verwendet. Hier kommt der Aspekt der Dekoration auch sprachlich zum Ausdruck. Trotzdem ist „Farbe“ im physikalischen Sinn etwas anderes, er beschreibt den subjektiven Sinneseindruck, den das menschliche Auge durch die Remission von unterschiedlichen Wellenlängenbereichen des sichtbaren Lichts von Objekten erhält. Unter Remission wird die Rückstreuung oder Reflexion von eingestrahltem Licht an einer Oberfläche verstanden, nachdem diese mit dem eingestrahlten Licht gewechselwirkt hat [2]. Lacke gehören zu den Beschichtungsstoffen. Der englische Begriff dafür ist „Coating“ (= Überzug, von „coat“ = Mantel). All diesen Stoffen ist gemeinsam, dass sie im Gegensatz zu anderen Oberflächentechnologien wie z.B. dem Materialein- oder Abtrag oder der Strukturierung aufgetragen werden. Sie bilden dabei eine in zwei Dimensionen ausgedehnte „Schicht“. Der Untergrund, auf den beschichtet wird, wird „Substrat“ genannt. Ein Beschichtungsstoff kann unterschiedlich aufgetragen werden. Bei Lacken dominiert die Auftragung aus der flüssigen Phase. Selbst bei den als Pulver abgeschiedenen Pulverlacken geschieht die Fixierung des Lackes über einen flüssigen Zustand, der Schmelze. Im Gegensatz zu anderen Beschichtungsstoffen, werden bei Lacken im Wesentlichen organische Polymere aufgetragen. Diese bilden nach der Trocknung des Lackes einen Film. Der Begriff „Film“ leitet sich aus dem Englischen von dem Begriff für „dünne Haut“ ab und ist verwandt mit dem Begriff „Fell“ [3]. Den Prozess der Ausbildung der Lackschicht nennt man „Filmbildung“. Der Film kann durch physikalische Trocknung, chemische Reaktionen von Polymermolekülen untereinander, der sogenannten „Vernetzung“, oder auch durch den Aufbau von vernetzten Makromolekülen aus kleinen Molekülbausteinen ausgebildet werden. Beschichtungen können auch aus mehreren Filmschichten aufgebaut sein. In der Regel liegen die Filmdicken im Bereich von wenigen Mikrometern (z.B. bei Sol-Gel-Schichten) über wenige zig Mikrometer bei Flüssiglackschichten bis hin zu einigen hundert Mikrometern im Fall von Pulverlacken. 1 Die Herkunft des Wortes ist nicht ganz sicher. Wahrscheinlich gelangte es über das Sanskrit-Wort lākṣā „roter Lack“ in den deutschen Sprachraum. Dieses geht auf dieindoeuropäische Wurzel *reg- „färben, röten“ zurückführt. Vgl. altindisch ráyjati „färbt sich, rötet sich“[1].
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Bestandteile von Lacken
1.1 Bestandteile von Lacken Lacke bestehen aus unterschiedlichen Komponenten in wechselnden Anteilen: aus „Bindemitteln“, ggf. Pigmenten, Füllstoffen, und Effektstoffen, aus Lösemitteln, Dispersionsmitteln und aus Additiven. Die „Bindemittel“ (heute eher „Filmbildner“ genannt) bilden dabei nicht nur – wie der Name ursprünglich aussagt – das Verteilungsmedium für die Pigmente, Füllstoffe und ggf. noch für die Effektstoffe, sondern sind mit ihren unterschiedlichen Zusammensetzungen und Strukturen die Basis für die Eigenschaften des Films: So beeinflusst das Bindemittel z.B. die Haftung, die Flexibilität, die Härte, den Glanz, die Beständigkeiten gegen Lösemittel oder Chemikalien, Wasser und Bewitterung. Es bildet den eigentlichen Träger der Filme. Die Bindemittel in den Filmen bestehen aus „Polymeren“. Polymere sind Großmoleküle, die aus mindestens einigen oder vielen kleineren Bausteinen, den „Monomeren“, aufgebaut werden. Dabei sind die Polymere so groß, dass eine weitere Hinzufügung eines Monomers zum Polymer keine wesentliche Änderung der Eigenschaften mehr hervorruft. Nach Auftragung des Beschichtungsstoffes muss dieser getrocknet werden. Dazu unterscheidet man zwei grundsätzliche Arten der Trocknung: Bei der physikalischen Trocknung werden die Lösemittel oder die Dispersionsmittel abgegeben (siehe Kapitel 6.1). Die chemisch nicht veränderten Bindemittel (Polymere) bilden die Filmmatrix, in der nichtflüchtige Additive, dabei auch Weichmacher, ggf. Pigmente und Füllstoffe eingebettet sind. Bei der chemischen Trocknung gibt es auch Bindemittel, die erst nach der Applikation durch chemische Reaktionen Großmoleküle (Polymere) bilden. Dabei ist es das Ziel, die einzelnen Moleküle in alle Raumrichtungen untereinander zu verbinden. Dieser Vorgang wird als „Vernetzung“ (chemische Filmbildung) bezeichnet (siehe Kapitel 6.2). Lacksysteme, die auf Bindemitteln aufbauen, welche durch Vernetzung Filme bilden, werden hier als „Reaktionslacke“ bezeichnet. Die Bindemittel für Reaktionslacke können durchaus aus vergleichsweise kleinen Molekülen bestehen. Dies können Monomere, Oligomere oder Präpolymere sein. Als „Monomer“ bezeichnet man den kleinsten Baustein eines Polymers. Finden sich mehrere Monomere zu einem größeren Molekül zusammen, spricht man von einem „Oligomer“. Wachsen die Oligomere weiter und werden die Kettenlängen so groß, dass die weitere Anlagerung eines Monomers oder Oligomers keinen Unterschied in den physikalischen Eigenschaften des resultierenden Moleküls mehr ausmacht, spricht man von einem „Polymer“. Ein Polymer, dessen Molekülgröße (Molmasse) noch relativ klein ist und das in einem weiteren Vernetzungsschritt zu einem dreidimensional vernetzten Polymer aufgebaut werden kann, bezeichnet man auch als „Präpolymer“. Die Begriffe werden allerdings in der Literatur nicht scharf gegeneinander abgetrennt. „Pigmente“ sind im Gegensatz zu „Farbstoffen“ Feststoffe, die weder in den üblichen Lösemitteln noch in wässrigen Medien oder Polymeren löslich sind. Als Feststoffe besitzen sie, vor allem bei anorganischen Pigmenten, in der Regel von der Matrix verschiedene Brechungsindizes. Deshalb werden Teile des eingestrahlten Lichts (bestimmte Wellenlängenbereiche zwischen 400 und 750 nm) im Partikel absorbiert, andere dagegen am Partikel gestreut, was zur Deckkraft und zum Farbeffekt beiträgt. Farbstoffe dagegen sind löslich und absorbieren bestimmte Farben des sichtbaren Lichts, während die anderen vom Untergrund reflektiert werden und damit den Eindruck von Farbe ergeben (siehe Kapitel 7.1 bis 7.2). „Füllstoffe“ sind pigmentähnliche Produkte, die aber sichtbares Licht weder absorbieren noch streuen, weil sie Brechungsindizes besitzen, die denen der Bindemittel der Filmmatrix ähnlich sind. Sie ergeben „Fülle“ (Tiefenwirkung) oder erfüllen bestimmte andere Funktionen, die zu den geforderten Eigenschaften der Lackfilme beitragen.
11
Einführung und Definitionen „Effektstoffe“ (Effektpigmente) sind pigmentähnliche Stoffe, die das einfallende Licht in Abhängigkeit des Betrachtungswinkels (und der Wellenlänge des Lichts) unterschiedlich reflektieren (Kapitel 7.6). „Lösemittel“ sind organische Flüssigkeiten, die mit den Bindemittelmolekülen in Wechselwirkung treten können und sich so zwischen diese schieben können, das Polymer quasi „lösen“ und in einen flüssigen Zustand bringen, aus dem die Applikation erfolgen kann. Bei der Ausbildung von Filmen sollen diese Lösemittel effektiv verdampfen (siehe physikalische Trocknung, Kapitel 6.1). „Dispergiermittel“ sind Moleküle, die helfen, die Bindemittelteilchen in einer anderen Phase2, dem Dispersionsmittel wie z.B. Wasser, effektiv und stabil zu verteilen. Sie helfen damit, die Polymere im anderen Medium zu dispergieren. In einer Dispersion liegt das Bindemittel nicht gelöst, sondern als Feststoff (Suspension) oder als Flüssigkeit (Emulsion) im Dispersionsmittel vor. Das wichtigste Dispersionsmittel ist Wasser. Es gibt auch nicht wässrige Dispersionen (NADs, nonaqueous dispersions). Natürlich sollen auch die Dispersionsmittel bei der physikalischen Trocknung effektiv verdampfen. Zur Verbesserung des Eigenschaftsprofils einer Lackformulierung werden dieser „Additive“ zugesetzt, die in meistens kleineren Anteilen positiv auf die Eigenschaften der Lacke und die Bildung oder die Eigenschaften von Lackfilmen wirken. Neben den erwähnten Dispergiermitteln zählen auch Netzmittel, Verlaufsmittel, Entlüftungsmittel, Rheologiemittel, Vernetzungskatalysatoren und Initiatoren, Antiabsetzmittel und Mittel zur Vermeidung des Ablaufens, Inhibitoren und Lichtschutzmittel zu den Additiven. „Weichmacher“ sind Additive, die in größeren Anteilen zugesetzt werden und sich dann zwischen die Polymerketten der Filmmatrix einlagern und dort auch verbleiben.
1.2 Abscheidung von Lacken Lacke werden normalerweise aus der flüssigen Phase abgeschieden. Dies können z.B. Lösungen oder Dispersionen von Polymeren sein. Typische Auftragsmethoden sind: Rakeln, Sprühen, Rollen, Pinseln, Tauchen, Fluten (siehe Kapitel 4.2). Eine Besonderheit stellen die „Pulverlacke“ dar, die im dem festen Zustand als Pulver auf dem Substrat appliziert werden, dann in die Schmelze überführt werden und so über die flüssige Phase (Schmelze) einen Film bilden. Im Weiteren werden die verschiedenen Phänomene beschrieben, die bei der Herstellung von Lacken bei der Filmbildung für die Eigenschaften von Filmen eine Rolle spielen. Dabei sollen hauptsächlich die chemischen und physikalischen Hintergründe beleuchtet werden, die zur Ausbildung bestimmter Eigenschaften des erhaltenen Films führen.
2
12
nter einer „Phase“ versteht man einen chemisch und physikalisch einheitlichen Stoff. Eine Phase zeichnet sich U gegenüber einer anderen Phase durch eine w„Phasengrenze“ aus. Z.B. Wasser/Öl oder Lösemittel/Pigment oder im oben beschriebenen Fall Wasser/Bindemittelteilchen
Der flüssige Zustand: Lösungen und Dispersionen
2 Verarbeitungsfähiger Zustand 2.1
er flüssige Zustand: D Lösungen und Dispersionen
Auch wenn Kunststoffe fest erscheinen, so sind Polymere normalerweise im physikalischen Sinn keine Festkörper mit geordneten Kristallstrukturen und einem klaren Schmelzpunkt. Da die Molekülketten in einem Polymer ungeordnet vorliegen, lassen sie sich eher als Flüssigkeiten mit sehr hohen (bis zu praktisch unendlich hohen) Viskositäten beschreiben [4]. Dies hat Auswirkungen auf die Eigenschaften von ausgehärteten Lackfilmen, auf die im Kapitel 8 näher eingehen wird. Will man Polymere als Lacke verarbeiten, muss man sie in eine verarbeitungsfähige Form bringen. Dies ist in der Regel der flüssige Zustand. Dazu gibt es im Wesentlichen drei Möglichkeiten: – Auflösen des Polymers in einem geeigneten Lösemittel. – Dispergieren des Polymers in einem geeigneten Dispersionsmittel, meistens Wasser. – Fluidisieren von Polymerpartikeln in einem Luftstrom. Alle drei Möglichkeiten sowie die nötigen Voraussetzungen dazu sollen im Folgenden näher betrachtet werden. Beim Auflösen eines Festkörpers in einem Lösemittel (z.B. Salz oder Zucker in Wasser) dringt das Wasser in die geordnete Gitterstruktur des Feststoffs ein, wenn das Lösemittel in der Lage ist, starke Wechselwirkungen mit den Ionen oder Molekülen des Festkörpers auszubilden. Dabei lagern sich die Lösemittelmoleküle um die Ionen oder Moleküle des Festkörpers so an, dass diese Wechselwirkungen maximal werden. Man spricht von der „Solvatation“ eines Festkörpers durch das Lösemittel. Dabei entstehen vom Lösemittel umgebene Solvate von Ionen oder Molekülen, die dann in freien Lösemittelmolekülen beweglich sind. So gebildete Lösungen erscheinen optisch als homogene Flüssigkeiten. Durchgestrahltes Licht wird daran nicht gestreut. Auch bei Polymeren können geeignete Lösemittel mit den Polymerketten Wechselwirkungen ausbilden. Dies führt in einem ersten Schritt dazu, dass sich die Lösemittelmoleküle zwischen die Polymerketten schieben, es kommt zur Quellung des Polymers. Bei weiterer Zugabe von Lösemittel dringt so viel Lösemittel zwischen die Polymerketten, dass sich diese teilweise voneinander lösen. Im Unterschied zu Lösungen von niedrig molekularen Verbindungen sind Lösemittel nicht in der Lage, den Molekülverband der Polymeren vollständig aufzulösen und mit einzelnen Molekülen Solvate zu bilden. So bleiben in Polymerlösungen Cluster von Polymermolekülen (Assoziate) bestehen, die von Lösemittelmolekülen umhüllt und zum Teil auch durchdrungen werden. Diese sind in den Lösemittelmolekülen frei beweglich. Die in solchen Lösungen enthaltenden Molekülknäuel werden als Kolloide bezeichnet und die sie enthaltenden Lösungen als „kolloidale Lösungen“ (siehe Abbildung 2.1). Obwohl kolloidale Lösungen homogen erscheinen, wird durchgestrahltes Licht aufgrund der Größe der Assoziate an diesen gestreut. (Tyndall-Effekt).
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Verarbeitungsfähiger Zustand
2.1.1 Viskosität Die Viskosität kolloidaler Lösungen verhält sich oft anders als die der molekularen Lösungen. Unter der „Viskosität“ versteht man die „Fließfähigkeit“ eines Stoffes [5]. Man kann sich dies an Abbildung 2.2 verdeutlichen. Dabei wird davon ausgegangen, dass jeder fließfähige Stoff aus Moleküllagen besteht, die sich gegeneinander verschieben lassen. Schert man nun das Material zwischen zwei Platten mit einer definierten Kraft, so werden sich die Moleküle des Stoffes beginnen gegeneinander zu verschieben. Unter der „Schubspannung“ τ versteht man also die aufgewandte Scherkraft (F) über der gesamten Fläche (A). ⃗
F Gleichung 2.1 τ = _ A
Die Moleküllagen direkt an der Platte werden sich dabei schneller verschieben als die Lagen weiter im Inneren des Stoffes. Es entsteht damit innerhalb des Stoffes ein „Schergefälle“ (γ˙ ) . Heute wird statt Schergefälle lieber der Begriff „Scherrate“ verwendet. Unter der Scherrate versteht man die differentielle Änderung der Fließgeschwindigkeit (dv) der einzelnen Moleküllagen über die Schichtdicke der Flüssigkeit (dh). Gleichung 2.2
dv ˙ = _ γ dh
Für Moleküllösungen (Newton’sche Lösungen) beobachtet man, dass die Kraft F (und damit τ ) proportional zur Scherrate ist. Gleichung 2.3
dv = γ τ ∝ _ dh
Die Proportionalitätskonstante bezeichnet man mit η und nennt sie die dynamische Viskosität. Unter der dynamischen Viskosität versteht man damit den Quotienten aus der Schubspannung (τ) und dem Schergefälle (γ˙ ) . Ihre Einheit ist Pa⋅s. Abbildung 2.1: Modell einer kolloidalen Lösung
Gleichung 2.4
η = _γ τ˙
Gleichung 2.4 wird auch Newtonsches Gesetz1 genannt. Bei reinen Flüssigkeiten und Lösungen niedrigmolekularer Verbindungen ist die Viskosität (η) unabhängig von der Scherrate (γ˙ ). D.h., die Viskosität ändert sich bei unterschiedlichen Scherraten nicht. Solche Flüssigkeiten werden
Abbildung 2.2: Herleitung des Viskositätsbegriffs über die Scherung von Moleküllagen
14
1 Isaac Newton entwickelte 1687 in seinem Werk 'Philosophiae Naturalis Principia Mathematica' das zweite Newtonsche Gesetz über die Proportionalität von Kraft und Bewegung, auf den sich die Beurteilung des Viskositätsverhaltens der danach genannten Flüssigkeiten bezieht.
Der flüssige Zustand: Lösungen und Dispersionen als newtonisch bezeichnet. Allerdings folgt die Viskosität kolloidaler Lösungen meistens nicht dem Newtonschen Gesetz, ist also nicht von der Scherrate unabhängig. Aufgrund der Wechselwirkung der vergleichbar großen Kolloidteilchen untereinander, zeigen diese Lösungen eine Strukturviskosität (pseudoplastisches Verhalten), bei der die Viskosität mit steigendem Schergefälle fällt. Die Lösung wird also bei stärkerem Scheren immer dünnflüssiger. Das beruht darauf, dass durch die Scherung die Wechselwirkungen zwischen den Molekülknäueln mehr und mehr überwunden werden. Dieses Verhalten begegnet einem im täglichen Leben z.B. in der Küche, wenn man eine Sauce abbindet oder Pudding aufrührt. In diesen Fällen wird die hohe Viskosität von langen Stärkepolymermolekülen hervorgerufen. Bestimmte kolloidale Lösungen besitzen eine Fließgrenze. Unterhalb dieser sind die Polymerknäuel nicht in Bewegung, es ist erst eine bestimmte Scherung notwendig, bevor solche Lösungen überhaupt beweglich werden. Dies kennt man z.B. von Joghurt oder Quark. Unterhalb einer gewissen Schergeschwindigkeit fährt der Löffel durch die Substanz, ohne dass diese gerührt wird. Dies ist erst ab hohen Schergeschwindigkeiten (z.B. Mixer) der Fall. Der Zustand der zunächst unbeweglichen Lösung wird als Gel bezeichnet. Bei Zurücknahme der Scherung stellen sich die Wechselwirkungen zwischen den Molekülknäueln der kolloidalen Lösung wieder ein und die Viskositätswerte steigen wieder an. Wenn dies mit einer bestimmten merklichen zeitlichen Verzögerung stattfindet, wird dieses Verhalten als Thixotropie bezeichnet. Abbildung 2.3 zeigt das unterschiedliche Viskositätsverhalten kolloidaler Lösungen.
Abbildung 2.3: Unterschiedliches Viskositätsverhalten kolloidaler Lösungen
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Verarbeitungsfähiger Zustand Neben der dynamischen Viskosität η wird oft auch noch die kinematische Viskosität ν benutzt: Gleichung 2.5
η ν = _ ρ
mit ρ = Dichte der Flüssigkeit Messtechnisch werden die Viskositäten meistens in sogenannten Rheometern oder auch Viskosimetern untersucht. Dabei erlauben Rheometer in der Regel genauere Aussagen und werden deshalb gern in Entwicklungslabors eingesetzt, während Viskosimeter eher in der Qualitätssicherung Verwendung finden. In der Produktion wird die Viskosität meistens über die „Auslaufzeit“ aus einem „Auslaufbecher“ gemessen. Ein Auslaufbecher ist ein Becher mit einem definierten Volumen, in dessen Boden ein Loch mit einem definierten Durchmesser gebohrt ist. Wird das Loch nun verschlossen und der Becher mit Lack gefüllt, kann beim Lösen des Verschlusses die Zeit bis zum Leerlaufen des Bechers gestoppt werden. Dies erlaubt damit einen Rückschluss auf die Viskosität des Füllmaterials. Angegeben wird die Auslaufzeit als Synonym für die Viskosität. Je nach Branche und Viskositätsbereich werden unterschiedliche Auslaufbecher benutzt. So gibt es DIN-, ISO-, und FORD- (ASTM) Becher. Die Auslaufzeiten können näherungsweise ineinander umgerechnet werden (siehe Abbildung 2.4). Die Viskositätswerte sind deutlich von der Temperatur abhängig. Die Standardtemperatur war in Deutschland zunächst 20 °C und ist jetzt 23 °C. Auf alle Fälle sollte die Temperatur bei den Messwerten angegeben werden. Die Angaben der Auslaufviskosität nach der zurückgezogenen Norm DIN 53211[6] werden aktuell noch immer benutzt. Ersetzt wurde diese Norm durch ISO 2431 [7]. Damit wird die Viskosität aber nur bei einer sehr tiefen Scherrate erfasst. Dies ist für die Produktionsprozess aber meistens ausreichend. Für Flüssigkeiten, deren Viskositäten deutlich von der Scherrate abhängig sind, ist die Angabe einer Auslaufviskosität daher unpräzise. So sollten z.B. für wässrige Lacke Rotationsviskosimeter verwendet und bei unterschiedlichen Scherraten gemessen werden. Das ist natürlich mit einem besonderen Aufwand für das Gerät und die Interpretation der Messwerte verbunden. Das Viskositätsverhalten der Lösungen ist insbesondere für die Applikation wichtig. Bei vielen Applikationsverfahren wirken hohe Scherkräfte. Verhält sich die Polymerlösung strukturviskos, kommt es aufgrund der geringeren Viskosität bei hoher Scherkraft zu einer besseren Verteilung der Flüssigkeit. Höhere Viskositäten sind von Vorteil, wenn eine große Menge PolymermateAbbildung 2.4: Zusammenhang zwischen kinematischer rial aufgetragen werden soll, ohne dass Viskosität, der DIN-Viskosität und ISO-Viskosität
16
Der flüssige Zustand: Lösungen und Dispersionen sich Läufer bilden. (siehe Kapitel 5.2). Tabelle 2.1: Relative Polaritäten wichtiger Löse- und Bindemittelklassen Setzt man ein thixotropes Material als Beschichtungsstoff ein, kann bei der Lösemittel, geordnet Bindemittel geordnet absteigende Polarität absteigende Polarität Applikation aufgrund der bei hohen Scherraten tiefen Viskosität während N-Methylpyrrolidon Polyether der Applikation ein guter Verlauf erDimethylformamid Phenolharze reicht werden. Fällt die Scherung des Phenole Aminoharze Materials nach der Applikation weg, Alkohole Polyurethane baut sich die Viskosität mit einer zeitliGlykolether Epoxidharze chen Verzögerung wieder auf, was Läuferbildung des Materials verhindert. So Ketone gesättigte Polyester kann guter Verlauf mit hoher Viskosität Glykoletherester Acrylatharze bei tiefer Scherung erreicht werden. Ester ungesättigte Polyester Die Viskosität organischer LösunAromatische Alkydharze gen ist generell stark von der TemperaKohlenwasserstoffe tur und der Konzentration des Polymers Terpenkohlenwasserstoffe Öle abhängig. Lacktechnisch wird die KonAliphatische zentration des Polymers im Lösemittel Kohlenwasserstoffe immer noch nach der Bestimmungsmethode der Differenzwägung vor und nach einem Trocknungsvorgang bis zur Gewichtskonstanz, als Festkörper bezeichnet, obwohl inzwischen der Begriff 'nichtflüchtiger Anteil' (nfA) der offiziell gültige ist [8]. Allerdings gehören in einem formulierten Lacksystem zum nfA ebenfalls Pigmente und Füllstoffe. Der nfA einer Harzlösung wird in Prozent angegeben.
2.1.2
Lösemittel
Die für Beschichtungsstoffe verwendeten Lösemittel sind durch ihre Verdunstungsgeschwindigkeit, und vor allem durch ihre Lösefähigkeiten charakterisiert. Die „Lösefähigkeit“ beschreibt die Fähigkeit der Lösemittelmoleküle, mit den Bindemittelmolekülen in Wechselwirkung zu treten, d.h. Solvate auszubilden. Je mehr Lösemittelmoleküle sich an die Bindemittelmoleküle anlagern, desto größer ist deren Lösefähigkeit. Die Größe dieser Wechselwirkung ist sowohl von der Struktur der Bindemittelmoleküle als auch von der Struktur der Lösemittelmoleküle abhängig. Bereits im späten Mittelalter soll Paracelsus den berühmten Satz "Similia similibus solvuntur" ("Gleiches [eigentlich Ähnliches] löst sich in Gleichem") geprägt haben [9]. Es ist immer wieder versucht worden, diese Aussage zu präzisieren oder sogar zu quantifizieren. Ein sehr gebräuchliches Einordnungsprinzip der Lösefähigkeit erfolgt nach der Polarität der Moleküle. Die Ursache für die Polarität liegt in der unterschiedlichen Elektronegativität von Atomen. Elektronegative Atome ziehen Bindungselektronen mehr zu sich, so dass an diesen Atomen ein negativer Pol (Elektronenüberschuss) entsteht, an den daran gebundenen Atomen ein positiver Pol (Elektronenunterschuss). Damit erhält das Molekül zwei unterschiedliche Pole (positiv und negativ), es ist ein Dipol. Die Messgröße stellt das Dipolmoment dar. Je größer das Gesamtdipolmoment eines Moleküls ist, desto polarer ist es. Lösemittel und auch Bindemittel lassen sich nach ihrer (fallenden) Polarität ordnen, aufgelistet in Tabelle 2.1. Es versteht sich, dass sich die Bereiche der Polaritäten überschneiden. Polare Bindemittel benötigen demnach polare Lösemittel, um stabile Lösungen zu erzeugen und unpolare Bindemittel benötigen unpolare Lösemittel.
17
Verarbeitungsfähiger Zustand Tabelle 2.2: Beispiele von Löslichkeitsparametern nach Hildebrand, geordnet von unpolar nach polar. In der zweiten Spalte ist δ in der Form von Energiedichten angegeben, in der dritten Spalte in der neueren Form (Si-Einheiten) des kohäsiven Drucks. Praktischerweise sind die Zahlenwerte der Si-Einheiten ungefähr doppelt so hoch wie die der älteren Einheiten [11] δ [cal1/2 cm−3/2]
δ [MPa1/2]
n-Pentan
7,00
14,4
n-Hexan
7,24
Diethylether
7,62
Ethylacetat Dichlormethan
Lösemittel
δ [cal1/2 cm−3/2]
δ [MPa1/2]
Aceton
9,77
19,9
14,9
Propanol-2
11,60
23,8
15,4
Ethanol
12,92
26,5
9,10
18,2
Ethylenglykol
29,90
33,0
9,93
19,8
Lösemittel
Zur Quantifizierung des Löseverhaltens wurden sogenannte Löslichkeitsparameter entwickelt: Joel H. Hildebrand befasste sich schon seit 1916 mit der Löslichkeit von Nichtelektrolyten und definierte 1936 die nach ihm benannten Löslichkeitsparameter [10], [11] . Da die Polarität sowohl die Siedetemperatur eines Stoffes als auch dessen Lösevermögen stark beeinflusst, leitete er das Löslichkeitsvermögen von der Kohäsionskraft der Moleküle untereinander ab, die sich in der Verdampfungsenthalpie (und damit dem Siedepunkt) äußert. Dieser Kohäsionsindex (δ) ist nach Hildebrand die Quadratwurzel aus der Verdampfungsenthalpie (ΔHυ) bis in den Zustand eines idealen Gases (R · T) bezogen auf das Volumen (Vm) eines Stoffes (Gleichung 2.6): Gleichung 2.6
√
_
Δ H − R ∙ T
ν δ = _ V
m
Die dabei erhaltenen Zahlenwerte können in zwei verschiedenen Dimensionen angegeben werden. Beispiele für einige Lösemittel finden sich in Tabelle 2.2. Nach Hildebrand lösen sich am besten die Stoffe ineinander, die eine vergleichbare Größe des Löslichkeitsparameters haben. Leider lassen sich aufgrund dieser Annahmen die Löslichkeiten von Polymeren in Lösemitteln nicht immer zufriedenstellend voraussagen. Später stellte Charles M. Hansen in seiner Doktorarbeit 1967 eine dreidimensionale Definition des Löslichkeitsparameters auf [11], [12], [13]. Im Gegensatz zu Hildebrand führt Hansen die Löslichkeit auf alle bekannten Arten der zwischenmolekularen Kräfte zurück. Diese sind: 1. Dispersionswechselwirkungen δD (van-der-Waals-Kräfte, London’sche Kräfte), 2. Dipol-Dipol-Wechselwirkungen δP, 3. Wasserstoffbrücken δH. Das Quadrat des Löslichkeitsparameters (δ) nach Hansen resultiert aus der Summe der Quadrate dieser Wechselwirkungen.
√
Definition der Löslichkeitsparameter nach Hansen: _____________
2 + δp 2 + δH 2 Gleichung 2.7 δ = δ D
Durch Vergleich der δ-Werte kann man nun voraussagen, ob sich zwei Stoffe ineinander lösen, oder nicht. Ist der Unterschied Δδ der beiden Stoffe gering, so lösen sie sich ineinander. Ist er groß, bilden sich zwei Phasen. Bei Lösungsmittelgemischen errechnet sich der δ-Wert des Gemisches anteilig aus den δ-Werten der einzelnen Stoffe. Tabelle 2.3 enthält die Hansen-Parameter einiger wichtiger Lösemittel [11].
18
Der flüssige Zustand: Lösungen und Dispersionen Tabelle 2.3: Beispiele von Löslichkeitsparametern nach Hansen Lösemittel n-Heptan
δD
δP
δH
Lösemittel
15,3
0
0
Dichlormethan
δD
δP
δH
18,2
6,3
6,1
n-Hexan
14,9
0
0
Chloroform
17,8
3,1
5,7
Cyclohexan
16,8
0
0,2
Nitromethan
15,8
18,8
5,1
MIBK
15,3
6,1
4,1
NMP
18,0
12,3
7,2
MEK
16,0
9,0
5,1
DMF
17,4
13,7
11,3
Aceton
15,5
10,4
7,0
Methanol
15,1
12,3
22,3
Cyclohexanon
17,8
6,3
5,1
Ethanol
15,8
8,8
19,4
Ethylacetat
15,8
5,3
7,2
Propanol-2
15,8
6,1
16,4
n-Butylacetat
15,8
3,7
6,3
1-Butanol
16,0
5,7
15,8
Tetrahydrofuran
16,8
5,7
8,0
Ethylenglykol
17,0
11,0
26,0
Diethylether
14,5
2,9
5,1
Glycerin
17,4
12,1
29,3
Benzol
18,4
0
2,0
Butylglykol
16,0
5,1
12,3
Toluol
18,0
1,4
2,0
Butyldiglykol
16,0
7,0
10,6
o-Xylol
17,8
1,0
3,1
Wasser
15,5
16,0
42,3
Styrol
18,6
1,0
4,1
Trotz der offensichtlich hohen Bedeutung der Hansen-Parameter für die Lacktechnologie, werden diese Parameter bei der Lackformulierung oft nur wenig berücksichtigt. Dafür gibt es zwei Gründe. Zum einen sind in der Regel keine Löslichkeitsparameter von Bindemitteln für Beschichtungsstoffe verfügbar. Diese könnte man sich experimentell zumindest größenordnungsmäßig selbst bestimmen, wenn man die Polymere in Reinform isoliert und auf die Löslichkeiten in Lösemitteln mit bekannten Hansen-Parametern testet [14]. Der wichtigere Grund ist, dass Lösemittel für Beschichtungsstoffe nicht nur nach ihrer physikalischen Lösefähigkeit ausgewählt werden. Denn die lacktechnisch besten Lösemittel sind nicht die, die mit den Bindemittelmolekülen die größte Wechselwirkung eingehen, sondern die, die zwar lagerstabile Lösungen ergeben, aber bei einem gegebenen Festkörper (nfA) eine möglichst niedrige Viskosität aufweisen. Niedrige Viskositäten bei gegebenem Festkörper bedeuten im Umkehrschluss, dass für eine gegebene Viskosität ein hoher Gehalt an Festkörper erzielt werden kann. Dies bedeutet wiederum, dass ein hoher Auftragswirkungsgrad erzielt und der Anteil an organischen Lösemitteln (VOC, siehe Kapitel 2.10) gesenkt werden kann). Die physikalisch besten Lösemittel gehen jedoch mit den Bindemitteln die meisten Wechselwirkungen ein und bilden daher sehr viele und relativ große Kolloidteilchen, da die Lösemittelmoleküle in die Kolloidteilchen eindiffundieren können und diese quellen lassen („auffluten“). Da das Lösemittel mit den Polymerketten gut verträglich ist, können die Polymerketten leicht miteinander interagieren. Solche Lösungen haben dann bei einem gegebenen Festkörper die höchsten Viskositäten. Neben der Einordnung der lacktechnisch verwendeten Lösemittel nach ihrer Polarität, kann man diese auch in die Kategorien „Löser“ und „Nichtlöser“ einteilen. Auch Nichtlöser finden in einer Lackrezeptur Anwendung: Gibt man zu einer stabilen organischen Lösung einen Nichtlöser hinzu, fällt die Viskosität der Lösung stärker ab, als wenn die gleiche Menge des ursprünglichen (guten) Lösemittels zugegeben wird. Die Nichtlöser werden deshalb auch als „Verdünnungsmittel“ bezeichnet. Der Effekt kommt zustande, da sich die Nichtlöser zwischen die Solvate aus Lösemitteln
19
Verarbeitungsfähiger Zustand und Polymer schieben können und diese auf Abstand halten. Damit werden die Wechselwirkungen zwischen den Polymermolekülen minimiert, was in einer tieferen Viskosität resultiert. Dies ist in Abbildung 2.5 dargestellt. Bei Zugabe von zu viel Nichtlöser kann die Lösung allerdings instabil werden, das Bindemittel fällt aus. Eine Lackformulierung sollte also Lösemittel enthalten, die einerseits stabile Lösungen ergeben und andererseits bei einer gegebenen Viskosität (Applikationsviskosität) einen möglichst hohen Festkörper (nfA) besitzen. Es werden daher meistens Lösemittelmischungen verwendet. Für die Auswahl der Lösemittel spielt auch das Applikationsverfahren eine große Rolle. Je nach Applikationsverfahren (Einbrennlacke, lufttrocknende Lacke) werden Lösemittel mit dazu passenden „Verdunstungszahlen“ ausgewählt. Die Verdunstungszahl beschreibt, um wieviel langsamer eine bestimmte Menge Lösemittel unter Standardbedingungen verdunstet als die gleiche Menge Diethylether, was eine sehr flüchtige Verbindung darstellt. Je höher also die Verdunstungszahl, desto schwerer flüchtig ist ein Lösemittel. Dadurch ist die Anzahl der verwendbaren Lösemittel ziemlich eingeschränkt, so dass aus diesem Grund die Lösemittelzusammensetzung meistens aus Erfahrungswerten besteht und ein Rechnungsverfahren aufwendig erscheint. Die Verdunstungsgeschwindigkeit steht im Zusammenhang mit dem Siedebereich des Lösemittels (siehe Tabelle 6.1 in Kapitel 6.1.1). Dies bedeutet, dass unterschiedliche Lösemittel bei erhöhten Temperaturen auch unterschiedlich schnell verdunsten. Damit ändert sich aber auch die Polarität der Lösemittel während des Trocknungsprozesses. Dies kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass das Polymer während des Trocknungsprozesses nicht mehr mit dem Restlösemittel kompatibel ist, was zu Fehlern in der ausgehärteten Beschichtung führt.
Abbildung 2.5: Viskositätseffekte bei Zugaben von Löser und Nichtlöser
20
Wässrige Lösungen Viele der früher häufig verwendeten Lösemittel sind inzwischen als gesundheitsschädlich, toxisch oder umweltgefährdend eingestuft. Ihre Verwendung ist deshalb nicht länger möglich oder die Verwendungsmengen sind eingeschränkt. Einige Lösemittel müssen ab einem bestimmten Gehalt in einer Formulierung gekennzeichnet werden. Deshalb wird man im Alltag häufig vor die Aufgabe gestellt, diese Lösemittel durch Mischungen von einigen erlaubten Lösemitteln zu ersetzen. Hier kann der oben erwähnte Ansatz der Rechnung über Hansen-Parameter gute Dienste leisten. Außerdem besteht die Auflage, die Emission sämtlicher organischer Lösemittel zu begrenzen (VOC-Regelungen). Das führte zur Entwicklung festkörperreicher Lacke (High-Solids), wasserverdünnbarer Lacke und so genannter 100 %-Systeme (flüssige Lacke ohne Lösemittel und Pulverlacke).
2.2 Wässrige Lösungen Es gibt nur wenige Bindemittelbestandteile, die als solche wasserlöslich sind.2 Trotzdem können alle Polymere prinzipiell über eine Funktionalisierung mit hydrophilen Gruppen wasserlöslich, bzw. zumindest wasserverdünnbar gemacht werden. Unter „hydrophilen Gruppen“ versteht man chemische Struktureinheiten, die aufgrund ihrer Polarität hohe Wechselwirkungen mit Wassermolekülen eingehen können. Dies sind Gruppen, die entweder selbst ein hohes Dipolmoment aufgrund der beteiligten Atome besitzen (z.B. Polyethylenglycol-Einheiten), Gruppen die Wasserstoffbrücken ausbilden können (wie z.B. die OH-Gruppe) oder Gruppen, die eine Ladung tragen (Ionen), da Ionen von Wasser sehr gut gelöst werden, man denke nur an die gute Wasserlöslichkeit von Salzen. Unter „wässriger Löslichkeit“ wird verstanden, dass die Bindemittel als solche in einer wässrigen Phase gelöst werden können. „Wasserverdünnbarkeit“ dagegen bedeutet, dass das Bindemittel als solches nicht in Wasser löslich ist. Unter Verwendung von sog. „Colösemitteln“ kann jedoch zu solch einer (lösemittelhaltigen) Bindemittelpräparation Wasser hinzugegeben werden, ohne dass das Bindemittel ausfällt. Diese Lösemittel sind dabei wassermischbar und in der Lage, die Löslichkeit einer Bindemittelpräparation in Wasser zu vermitteln. Die eingebrachten hydrophilen Gruppen werden hier als „Trägergruppen“ bezeichnet, weil sie das an sich hydrophobe Polymermolekülknäuel in der wässrigen Phase tragen. Sie bestehen entweder aus ionischen oder polaren, sterisch wirkenden Gruppen. Ionische Gruppen tragen entweder eine positive (Kationen) oder negative (Anionen) Ladung. Am häufigsten werden anionische Trägergruppen eingesetzt. Insbesondere sind dies Carboxylatgruppen ober Sulfonatgruppen. Als Gegenionen werden meistens Ammoniumionen oder Alkalikationen ausgewählt. Amine als die basische Form der Ammoniumionen besitzen den Vorteil, dass die beim Trocknen entstehenden Amine flüchtig sind und somit nicht im Polymer verbleiben (siehe siehe Gleichung 2.8). Auch sind die dadurch im Polymer entstehenden Carboxylgruppen (Carbonsäuregruppen) deutlich weniger hydrophil als die ursprünglich vorhandenen (anionischen) Carboxylatgruppen. Beides wirkt sich positiv auf die gewünschte Wasserbeständigkeit der Filme aus. Gleichung 2.8
Polymer-COO- + R`NH3+ ↓ Polymer-COOH + R`NH2↑
Kationische Trägergruppen werden durch eine Funktionalisierung der Bindemittel mit Aminogruppen (fast immer tertiäre Aminogruppen) gebildet, die dann mit flüchtigen organischen Säuren 2 D ies sind z.B. nicht veretherte und methyl-veretherte Melaminharze, nicht-modifizierte Phenolharze, einige Polyether, einige Polyamine
21
Verarbeitungsfähiger Zustand umgesetzt werden, wodurch sich Ammoniumgruppen bilden. Oder sie werden direkt als quartäre Ammoniumsalze in das Polymer eingeführt. Als Gegenionen fungieren bei der kationischen Funktionalisierung die deprotonierten Säuren (Carboxylate). Die Verdunstung der Säuren (z.B. Essigsäure) ist langsamer als die der meisten Amine. Sie werden daher in Einbrennlacken verwendet, die höhere Einbrenntemperaturen erfordern (z.B. Automobil-OEM-Grundierungen/Elektrotauchlacke). Nichtionische Trägergruppen werden fast immer aus Polyethylenglykolen als polare Einheiten gebildet. Diese haben den Nachteil, dass sie nach der Filmbildung ihre Hydrophilie behalten. Die Möglichkeiten, ein Polymer hydrophil zu modifizieren sind in der Abbildung 2.6 nochmals zusammengefasst. Dabei gilt es noch folgendes zu beachten: Anionische Gruppen sind als deprotonierte Säuren (konjugierte Basen der Säuren) aufzufassen. Dies bedeutet, dass sie je nach ihrem pKs-Wert im sauren Milieu protoniert werden und damit Ihre Ladung verlieren. Deshalb sind anionisch modifizierte Polymere im Basischen formuliert. Dasselbe gilt in umgekehrter Weise für die kationische Stabilisierung. Diese ist in saurer Umgebung stabil. Die nichtionische Stabilisierung ist dagegen weitgehend pH-unabhängig. Die Struktur der Teilchen wässriger, kolloidaler, ionisch stabilisierter Lösungen unterscheidet sich nur wenig von denen in organischer Lösung. Sie bestehen aus Molekülknäueln, die gegebenenfalls mit Molekülen des Colösemittels aufgeflutet sind und dann meistens nur wenige Wassermoleküle enthalten. An der Oberfläche der Teilchen tragen sie ionische Gruppen. Diese ionischen Gruppen bilden Solvate mit Wassermolekülen, die dann das Kolloidteilchen in der äußeren Phase (Wasser und Anteile an Colösemittel) stabilisieren. Das Verteilungsgleichgewicht des Colösemittels wird beeinflusst durch dessen Hydrophilie und der Lösefähigkeit gegenüber dem Polymeren. Die Gegenionen sind in der wässrigen Phase weitgehend frei beweglich. Die Teilchen der wässrigen kolloidalen Lösungen können durchaus die gleiche Ausdehnung besitzen wie die Teilchen einer organischen kolloidalen Lösung. Ein Vergleich der beiden Lösungen ist schematisch in Abbildung 2.7 dargestellt. Wenn die Teilchen einer wässrigen kolloidalen Lösung eine hohe optische Dichte und ausgeprägte Grenzflächen aufweisen, was vor allem dann der Fall ist, wenn die Teilchen nur wenig aufgeflutet sind, und groß genug sind (im Bereich der halben Wellenlänge des sichtbaren Lichts) können sie optisch wahrgenommen werden, die Lösungen sind dann trüb. Viele kolloidale wässrige Lösungen zeigen ein anormales Viskositätsverhalten bei der Verdünnung mit Wasser. Während sich die Viskosität einer organischen Lösung bei Zugabe von Lösemittel stetig
Abbildung 2.6: Grundsätzliche Möglichkeiten, ein Polymer wasseraffin zu modifizieren
22
Wässrige Lösungen verringert, verhalten sich einige wässrige kolloidale Lösungen völlig anders: Bei der Zugabe von Wasser zu einer wässrigen kolloidalen Lösung steigt dabei die Viskosität zunächst an und erreicht ein Maximum. Dann fällt die Viskosität steil ab. Das Verhalten wird als „Wasserberg“ der Viskosität bezeichnet. Bei hoher Verdünnung kann dann die kolloidale Lösung instabil werden, sie wird deutlich eingetrübt und das Bindemittel fällt aus. Es wurde versucht, dieses Verhalten mit einer Inversion einer Wasserin-Öl-Emulsion in eine Öl-in-WasserEmulsion zu vergleichen. Allerdings handelt es ich dabei um ein fest/flüssig Phasengemisch (Suspension) im Gegensatz zu einem flüssig/flüssig Gemisch [15]. Zur Erklärung nimmt man an, dass bei geringem Wasseranteil ein Wasser-in-Bindemittel-Gemisch vorliegt. Hier dominieren die intramolekularen Anziehungskräfte der (hydrophilen) Polymerketten. Bei hohem Wasseranteil dagegen, liegt die gegenteilige Situation vor: Das kolloidal gelöste Bindemittel liegt verdünnt in einer Wasserphase vor. Hier sehen sich die Abbildung 2.7: Vergleich der Teilchenstruktur organischer einzelnen Polymerteilchen praktisch und wässriger kolloidalen Lösungen nicht mehr, das Solvat kann sich im Wasser frei bewegen, die Viskosität ist tief. Zwischen diesen Extremen kommt es nun zur Einlagerung von Wasser aufgrund der ionischen Struktur des Bindemittels. Dies führt zu einer Aufweitung der Polymerknäuel, die Viskosität steigt. Sind alle ionischen Anteile maximal solvatisiert, führt eine weitere Zugabe von Wasser dazu, dass es für das Gesamtsystem energetisch günstiger wird, wenn sich die Polymerketten maximal einander zukehren und die hydrophilen Gruppen zum Wasser zeigen. Dann drückt das aufgequollene Polymerteilchen das Wasser aus dem Knäuel heraus, die Ion/Wasser-Wechselwirkung erfolgt jetzt hauptsächlich außerhalb des Polymerknäuels, was dazu führt, dass die Viskosität schlagartig sinkt. Je nach der Anzahl der hydrophilen Trägergruppen kann dann die Wassertoleranz verloren gehen – das Binde- Abbildung 2.8: Viskositätsanomalie wässriger kolloidaler Lösungen mittel fällt aus.
23
Verarbeitungsfähiger Zustand Dieses Verhalten kann sowohl für die Herstellung des Lackes als auch für das Applikationsverhalten nachteilig sein. Es ist dann ein besonderer Aufwand notwendig, diese wässrigen Bindemittellösungen zu verdünnen oder mit den weiteren Bestandteilen der wässrigen Lackformulierung zu mischen. Meistens wird versucht, die negativen Auswirkungen des Wasserberges durch Kombination mit entsprechenden Colösemitteln zu vermindern. Auch bei der physikalischen Trocknung (Kapitel 6.1) durchläuft die Viskosität der Filme ein Maximum, was sich nachteilig auf den Verlauf auswirken kann. Die negativen Effekte durch das anormale Viskositätsverhalten kann durch die Wahl des Neutralisationsmittels, des Neutralisationsgrads, die Art und den Mengenanteil der Colösemittel und durch „Kombinationsbindemittel“, also einem zweiten Bindemittel, das zugemischt wird, kompensiert werden.
2.3
ässrige Dispersionen: W Suspensionen und Emulsionen
Wässrige Dispersionen von Bindemitteln entstehen durch die feine Verteilung von Polymeren in wässriger Phase. Unter einer „Suspension“ versteht man die Verteilung von Teilchen in einer flüssigen Phase, während man bei der Verteilung von Flüssigkeiten in einer nicht mischbaren Flüssigkeit von „Emulsionen“ spricht. Sowohl die Suspension als auch die Emulsion werden unter dem Begriff „Dispersion“ zusammengefasst. Allerdings hat es sich in der Lackindustrie eingebürgert, unter dem Begriff „Dispersion“ meistens eine chemische Suspension zu verstehen. Die Verteilung der Polymere in der wässrigen Phase wird durch „Emulgatoren“ und ggf. durch Schutzkolloide stabilisiert. Emulgatoren bestehen aus Molekülen, die einen hydrophilen Molekülteil und einen oleophilen/hydrophoben Molekülteil enthalten. Damit entsprechen sie vom chemischen Aufbau her den Tensiden, wenn auch die Kettenlängen bei den Emulgatoren in der Regel länger sind. Da Polymere in der Regel eher hydrophob sind, assoziiert der hydrophobe Teil mit den Bindemittelmolekülen, der hydrophile mit dem das Teilchen umgebenden Wasser. Schutzkolloide sind wasserlösliche Polymere, die eine Strukturviskosität der wässrigen Phase ergeben und damit eine Agglomeration und ein Absetzen der Teilchen verhindern. Dies sind z.B. Polyvinylalkohol oder Celluloseether.
2.4 Methoden zur Stabilisierung von Dispersionen Grundsätzlich gibt es zwei Methoden, ein Teilchen (Polymer, Pigment, Füllstoff) in einer flüssigen Phase zu stabilisieren, d.h. zu verhindern, dass die Teilchen agglomerieren: – Elektrostatische Stabilisierung – Sterische Stabilisierung Beide Methoden sind indirekt bei der hydrophilen Modifikation von Polymeren erklärt worden (siehe Kapitel 2.2 Wässrige Lösungen).
2.4.1 Elektrostatische Stabilisierung Man verwendet ionische Gruppen nicht nur deshalb, weil sie als hochpolare Gruppen vor allem mit Wasser gut verträglich sind, sondern auch, weil sie auf das Teilchen Ladung aufbringen. Bringt man auf ein Teilchen z.B. durch anionische Modifikation überall negative Ladung auf, werden sich die
24
Herstellung von Dispersionen Teilchen aufgrund der gleichnamigen Ladung abstoßen, was verhindert, dass sie agglomerieren können. Dies ist insbesondere wichtig, wenn man Teilchen in einer Dispersion stabilisieren möchte.
2.4.2 Sterische Stabilisierung Bringt man lange Ketten auf die Oberfläche eines Teilchens auf, so werden diese versuchen, einen möglichst großen Abstand voneinander einzunehmen. In die Zwischenräume, also zwischen die Ketten, kann das Lösemittel eindringen und die Konzentration der Ketten „verdünnen“. Kommt ein zweites Teilchen in die Nähe, das ebenfalls lange Ketten auf der Oberfläche trägt, kommen sich die Ketten nahe, die Ketten müssten sich durchdringen, was aber zu weniger Beweglichkeit der Ketten und einer höheren Konzentration an Kettensegmenten im Bereich um die Teilchen führt. Dies würde jedoch eine Abnahme der Entropie entsprechen, was deshalb aus thermodynamischen Gründen nicht günstig ist. Deshalb bleiben die Teilchen auf Abstand, die Dispersion ist stabilisiert. Die Emulgatoren einer Dispersion wirken nun nach diesen beiden Mechanismen. Sie bestehen aus einem hydrophoben, polymeraffinen Teil, der sich auf dem Polymerpartikel verankern kann und einem hydrophilen Teil, der mit Wasser verträglich ist. Dieser trägt entweder eine Ladung (kationische oder anionische Stabilisierung), oder lange, hydrophile Ketten (sterische, nichtionische Stabilisierung). Die Teilchen einer Suspension unterscheiden sich von den Teilchen einer wässrigen (kolloiden) Lösung dadurch, dass in einer Suspension die Teilchen nur aus dem polymeren Bindemittel bestehen und kein Lösemittel oder Wasser enthalten und die Emulgatoren eine Hülle und damit eine Barriere bilden. Die strukturellen Unterschiede zwischen Lösung und Dispersion sind modellhaft in Abbildung 2.9 dargestellt.
2.5 Herstellung von Dispersionen Wässrige Dispersionen (Suspensionen) werden aus Lösungen oder Schmelzen der Polymere hergestellt, die in eine wässrige Phase eingetragen werden. Eine Polymerschmelze wird unter hoher Scherung in eine wässrige Phase eingetragen, die eine bestimmte Menge geeigneter Emulgatoren enthält. Die Teilchengröße ist von der Art und Menge des Emulgators abhängig. Je größer die
Abbildung 2.9: Teilchenstruktur wässriger kolloidaler Lösungen und wässriger Dispersionen
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Verarbeitungsfähiger Zustand Menge und die Wirksamkeit des Emulgators sind, desto kleiner sind die Teilchen der gebildeten Dispersion. Wenn Lösungen von Polymeren in wasserverträglichen Lösemitteln in Wasser mit einem Emulgatoranteil eingerührt werden, entsteht eine vergleichbar feinteilige Dispersion. Das Lösemittel kann dann abdestilliert werden. Es ist jedoch auch möglich, Polymerisationsreaktionen direkt in der wässrigen Phase herzustellen; die Produkte werden als Primärdispersionen bezeichnet. Primäre Dispersionen entstehen meistens durch Emulsionspolymerisation direkt in der wässrigen Phase, z.B. durch die Polymerisation von Acrylaten mit ihren Comonomeren und von anderen Vinylverbindungen (Vinylester, Styrol, Ethylen, Butadien, Maleinsäureester).
2.6 Viskosität wässriger Dispersionen In Abhängigkeit vom Festkörper (nfA) verhält sich der Viskositätsverlauf von wässrigen Dispersionen anders als von organischen oder wässrigen, kolloidalen Lösungen. Die Viskositäten konzentrierter wässriger Dispersionen sind aufgrund von starken Teilchen-Teilchen-Wechselwirkungen meistens sehr hoch. Nur die Emulgatoren verhindern eine Koagulation der Polymerteilchen. Bei Zugabe von Wasser fällt dann die Viskosität deutlich auf ziemlich niedrige Werte ab, da die Polymerteilchen
Abbildung 2.10: Viskositäten organischer und wässriger, kolloidaler Lösungen und wässriger Dispersionen in Abhängigkeit vom Festkörper
26
Aerosole sich weiter voneinander entfernen können und deren Wechselwirkungen deshalb untereinander gering werden. Die beschriebenen Unterschiede sind in der Abbildung 2.10 dargestellt. Wässrige Emulsionen unterscheiden sich von wässrigen Suspensionen nur dadurch, dass die emulgierte Phase flüssig, aber unverträglich mit der sie umgebenden Flüssigkeit ist. Sie werden genauso wie Suspensionen über Emulgatoren stabilisiert. Aufgrund der niedrigen Viskosität fließen die emulgierten Tröpfchen allerdings relativ schnell zusammen und bilden geschlossene Filme. Damit feste Filme mit ausreichenden Beständigkeiten entstehen, müssen die Bindemittel von Emulsionen chemisch vernetzt werden. Dies ist allerdings in der Praxis auch bei Filmen aus wässrigen Suspensionen der Fall, um die benötigten Beständigkeiten zu erhalten. Auf die Vernetzungsreaktionen werden wir in Kapitel 6.2 näher eingehen.
2.7 Nichtwässrige Dispersionen Nichtwässrige Dispersionen (NAD = non-aqueous dispersions) bestehen aus mehr oder weniger feinen Polymerteilchen, die in einer organischen Phase verteilt sind. Meistens werden polare Polymere (z.B. PVC, Polyacrylate) in nichtwässrigen Dispersionen verwendet. Die Stabilisierung erfolgt ähnlich wie bei den wässrigen Dispersionen mit amphoteren (in polaren und unpolaren Medien löslichen) Tensiden, allerdings in der Weise, dass der polare Teil der Moleküle mit dem Polymer assoziiert und der unpolare Teil mit der umgebenden organischen Phase. Die äußere, flüssige Phase besteht dabei aus sehr unpolaren Lösemitteln wie z.B. aliphatischen Kohlenwasserstoffen. Auch die sterische Modifikation wird zur Stabilisierung der Polymerteilchen eingesetzt. So werden z.B. Polyacrylatharze aus polaren Methacrylaten ggf. zusätzlich mit Anteilen von Methacrylamid oder Acrylnitril mit Seitenketten aus unpolaren Polyestern dotiert3. Die äußere Phase besteht aus aromatenfreien Benzinen, Isoparaffinen oder hydrierten Naphthafraktionen. Ein Vorteil der Verwendung solcher NADs liegt zum einen darin, dass die in der äußeren Phase verwendeten Lösemittel zu den Verbindungsklassen gehören, die unter den Aspekten Gesundheits- und Umweltschutz relativ positiv abschneiden. Zum anderen zeigen NADs bei höheren Feststoffgehalten niedrigere Viskositäten als die vergleichbaren kolloidalen Lösungen der Polymere in Lösemitteln. Der Festkörper ist dabei mit den wässrigen Dispersionen vergleichbar. Dies stellt somit eine Möglichkeit dar, die Emission organischer Komponenten (VOC) zu verringern. Spezielle nichtwässrige Dispersionen sind Organosole und Plastisole. Organosole sind Dispersionen von schwer löslichen, polaren Polymeren in unpolaren Lösemitteln, die kleinere Anteile höhersiedender, polarer Lösemittel enthalten. Wenn bei einem Einbrennvorgang die unpolaren Lösemittel verdunstet sind, bleiben die höhersiedenden, polaren Lösemittel zunächst zurück, die dann die Polymere anlösen und zur Bildung geschlossener Filme beitragen. Plastisole enthalten dagegen Weichmacher als äußere Phase der Dispersion, die in der Lage sind, das Polymer bei höheren Temperaturen anzulösen, um dann geschlossene Filme zu bilden. Plastisole weisen daher praktisch keine Emission organischer Bestandteile auf.
2.8 Aerosole Ein Aerosol ist die feinste Verteilung eines festen (Staub) oder flüssigen (Nebel) Stoffes in einem Gas. Deshalb lassen sich auch feste Polymere zerstäuben und als Beschichtung applizieren, wenn 3 Z .B. Polycaprolactonpolyester, Polyester aus Hexahydrophthalsäureanhydrid und dem Glycidester der Neodecansäure [16], [17]
27
Verarbeitungsfähiger Zustand Tabelle 2.4: Applikationsviskositäten verschiedener Lacksysteme Auslauf-Viskosität Lacksystem
Applikationsverfahren
Effektlacke
DIN 53211 4 mm, 23 °C
ISO 2431 23 °C
Düse Ø mm
Spritzen
15
65
4
Einbrennfüller
Spritzen
35 – 45
120 – 155
4
Decklacke, Klarlacke
Spritzen
25 – 35
85 – 120
4
Coil-Coating, Can-Coating
Walzen
60 – 70
35 – 45
6
Korrosionsschutzlacke
Spritzen
50 – 70
25 – 45
6
Korrosionsschutzlacke
Streichen
90 – 110
60 – 75
6
Malerlacke
Streichen
100 – 140
65 – 105
6
die Teilchengröße nur fein genug ist. Dies ist bedeutsam für die sogenannten Pulverlacke. Die Verteilung der Partikel wird dynamisch stabilisiert, indem die Teilchen durch einen Luftstrom aufgewirbelt werden. Ein Aerosol erweckt dabei den Eindruck einer siedenden Flüssigkeit. Zur Herstellung eines (Staub-) Aerosols werden Polymere (Pulverlack-Bindemittel) bzw. ihre Mischungen mit Vernetzern, Pigmenten und Additiven auf eine bestimmte Teilchengröße vermahlen. Weil beim Mahlprozess die aufgewendete Energie auch in Wärme umgesetzt wird, müssen die
Abbildung 2.11: Typische Teilchengrößenverteilung eines Pulverlacks
28
VOC-Regelungen Bindemittel Erweichungstemperaturen von über 75 °C besitzen. Gebräuchliche Pulverlacke haben mittlere Teilchengrößen (Durchmesser) von ca. 18 bis 30 µm. Dies erklärt, warum die Schichtstärken von Pulverlacken in der Regel deutlich höher sind als die von flüssigen Lacken. Die Abbildung 2.11 zeigt eine typische Teilchengrößenverteilung eines Pulverlacks.
2.9 Viskosität und Applikationsfestkörper Die unterschiedlichen Applikationsverfahren erfordern eine unterschiedliche Viskosität, um das Lackmaterial optimal auf dem Substrat zu verteilen. Besonders die Spritzverfahren erfordern relativ niedrige Viskositäten. Tabelle 2.4 führt die üblichen Applikationsviskositäten für verschiedene Lacksysteme auf. Natürlich ist die Viskosität einer Lösung zuerst von der Konzentration der Lösung abhängig. Zum Erreichen der geforderten niedrigen Viskositäten müssen für lösemittelhaltige Formulierungen entsprechende Mengen Lösemittel verwendet werden und der Applikationsfestkörper (nfA im applikationsfähigen Zustand) kann dann relativ niedrig sein.
2.10 VOC-Regelungen Das Verdünnen mit Lösemitteln hat jedoch für die Umwelt gravierende Nachteile, da diese bei der Trocknung an die Umgebung abgegeben werden. Deshalb hat der Gesetzgeber beschlossen, den Anteil an Lösemitteln zu begrenzen und Maßnahmen zum Emissionsschutz von den Anwendern zu fordern. Nach verschiedenen nationalen Regelungen gelten seit 1999 in Europa Begrenzungen für den Ausstoß flüchtiger Bestandteile bei der Applikation von Lacken[18], [19]. In Deutschland wurde diese Richtlinie in der 31. BimschV. in nationales Recht überführt [20]. Mit der „Decopaint Richtlinie“ [21] wurde auch der Ausstoß flüchtiger Bestandteile bei der Herstellung sowie der Applikation von Beschichtungsmaterialien reglementiert. Diese sogenannten VOC-Regelungen (VOC = volatile organic compounds) wurden in zwei Stufen (2007 und 2010) eingeführt. Als flüchtige organische Verbindungen gelten laut EU-Richtlinie 2004/42/EG [21] Inhaltsstoffe eines Beschichtungsstoffes oder auch von Hilfsmitteln, die bei 293,15 K (= 20 °C) einen Dampfdruck (siehe Kapitel 6.1) von mehr als 0,01 kPa besitzen, bzw. die bis maximal 250 °C bei 101,3 kPa sieden. Von dieser Regel gibt es Ausnahmen, dies betrifft vor allem Wasser. Für die Emmisionsbegrenzungen sind je nach Verwendung und Industriezweig unterschiedliche Regelungen in Kraft. So gibt es z.B. unterschiedliche Regelungen für die industrielle Applikation von Lacken [18], [19], [20] und für das „in den Verkehr bringen“ von Lacken für den handwerklichen Bereich [22]. Die Begrenzungen im industriellen Bereich gelten für den Ausstoß flüchtiger Bestandteile in der Abluft eines verarbeitenden Betriebes (z.B. Beschichter) bezogen auf die verarbeitete Menge an Beschichtungsstoffen. Für die industrielle Applikation von Lacken besteht damit die Möglichkeit – neben der Reduktion der Anteile der Lösungsmittel in den Materialien – die Lösemittel erst in der Abluft zu reduzieren, z.B. durch Rückgewinnung oder Nachverbrennung. Die erlaubten Werte beziehen sich dabei auf die beschichteten Flächen und gelten für bestimmte Mengen des Lösemittelverbrauchs pro Jahr. Des Weiteren gelten Begrenzungen für den gesamten Ausstoß von Lösemitteln aus den Abluftanlagen. Die Angaben beziehen sich auf die Menge Kohlenstoff in den Abgasen [mg C/m³] aus der Applikation, aus dem Trockner, aus der Lösemittelrückgewinnung und der thermischen Abgasreinigung (TAR). Außerdem gibt es einen Grenzwert in Massenprozent der verwendeten Lösemittel, die nicht in den Anlagen aufgefangen werden.
29
Verarbeitungsfähiger Zustand Tabelle 2.5: Emissionsbegrenzungen für Anlagen der Lackverarbeitung nach [23] Emissionsgrenzwerte für gefasstes behandeltes Abgas Tätigkeitsbereich Grenzwert Lsm.- Applika diffuse RückVerbr. Emissionen2 Anlagen tion Trockner TAR gewin. Nr.1 bezeichnung [t/a] [mg C/m3] [mg C/m3] [mg C/m3] [mg C/m3] [%] 2.1 Oberflächen > 1–10 75 75 20 reinigung > 10 75 75 15 5.1 Reparatur >0 50 50 25 lackierung 6.1 Bandblech > 10 50 50 20 75 3 8.1 Metall-, > 5–15 100 100 253 Kunststoff> 15 50 50 20 203 beschichtung 9.2 Holz-, > 15– 100 100 25 Holzwerkstoff25 beschichtung > 25 50 50 20 20 10.1 Textil-, Gewebebe> 5-15 100 100 15 schichtung 10.2 Folien-, Papier> 15 50 50 20 75 10 beschichtung 14.1 Klebebeschich- > 5-15 50 50 100 253 tungen > 15 50 50 20 203 1
bezieht sich auf Nr. im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2001 Teil I Nr. 44 als Überführung der EU Richtlinie 1999/13/EG in deutsches nationales Recht diffuse Emission: Lösemittel in unbehandeltem Abgas, Abwasser, Lackiergut, ungefasster Abluft u.ä. 3 10 % weniger bei automatischer Beschichtung bahnförmiger Materialien 2
Tabelle 2.5 zeigt die Emissionsbegrenzungen für solche Anlagen. Für nicht industriell applizierte Beschichtungsstoffe und Hilfsmittel sind die Mengen im Material selbst begrenzt. Die Berechnung des VOC-Gehaltes wird für die EU nach ISO 11980-1 durchgeführt. Masse flüchtiger Anteile[g] − Masse Wasser[g] g l = _________________________________ Gleichung 2.9 VOC ISO 11890 _ [] []
[]
Volumen Lack l − Volumen Wasser l
Für die USA und die Schweiz [24] wird der Anteil des Wassers nicht subtrahiert, wie Gleichung 2.10 zeigt4. Gleichung 2.10
Masse flüchtiger Anteile g [g] − Masse Wasser [g] _ __________________________________ VOC (ASTM D 3960 und 10.1 . 1) l = Volumen Lack [l]
[]
Für Bautenlacke (Wandfarben, Fassadenfarben, Holzlacke [Lasuren], Primer und Effektlacke) gelten nach der EcoPaint-Richtlinie [21] für die wässrigen Systeme relativ niedrige Grenzwerte. Für lösemittelhaltige Systeme gelten vergleichbar höhere Grenzwerte. Diese Werte sind in Tabelle 2.6 gelistet.
4 Im Sinne der Schweizer Verordnung VOCV (vom 12. Nov. 1997) [24] sind flüchtige organische Verbindungen solche mit einem Dampfdruck von mindestens 0,1 mbar bei 20 °C oder mit einem Siedepunkt von höchstens 240 °C bei 1013,25 mbar. Diese sind im Anhang der Verordnung einzeln gelistet.
30
Verringerung des Lösemittelanteils Tabelle 2.6: VOC-Grenzwerte der Lösemittelemission für Bautenlacke [21] VOC [g/l] ab 1.1.2010
Produktunterkategorie
Typ
1.
Wasserbasis
30
Lösemittelbasis
30
Innenanstriche (Glanz < 25 % [60°])
2.
Innenanstriche (Glanz > 25 % [60°])
Wasserbasis
100
Lösemittelbasis
100
3.
Außenanstriche (Mineralsubstrat)
Wasserbasis
40
Lösemittelbasis
430
4.
Holz-, Metalllacke, Dekoration, innen + außen
Wasserbasis
130
Lösemittelbasis
300
Wasserbasis
130
Lösemittelbasis
400
5.
Lacke + Holzbeizen, Dekoration, innen + außen
6.
Holzbeizen mit Mindestschichtdicke
Wasserbasis
130
Lösemittelbasis
700
7.
Grundierungen
Wasserbasis
30
Lösemittelbasis
350
8.
Haft-Primer
Wasserbasis
30
Lösemittelbasis
750 140
9.
Einkomponenten-Speziallacke
Wasserbasis Lösemittelbasis
500
10.
Zweikomponenten-Speziallacke
Wasserbasis
140
Lösemittelbasis
500
11.
Multicolorlacke
Wasserbasis
100
Lösemittelbasis
100
Wasserbasis
200
Lösemittelbasis
200
12.
Lacke für Dekorationseffekte
2.11 Verringerung des Lösemittelanteils Seit Längerem werden auch aufgrund des Drucks durch den Gesetzgeber Maßnahmen zur Veringerung der Umweltbelastung durch Lösemittelemissionen getroffen. Zuerst wurden festkörperreichere Lacke, die sogenannten High-Solids, entwickelt. Die konventionellen Lacksysteme nennt man dementsprechend Low-Solids. Lacke mit einem mittleren Festkörpergehalt werden als Medium-Solids bezeichnet. Der Begriff Medium-Solids und High-Solids ist nicht einheitlich definiert, sondern bezieht sich auf die Ausgangssituation gebräuchlicher Lacksysteme (Low-Solids), wie Tabelle 2.7 zeigt. Ein weiterer Schritt zur Einschränkung der Emission von Lösemitteln war die Entwicklung und Formulierung wässriger Lacksysteme. Gerade wässrige Lacksysteme bedürfen jedoch besonderen Aufwands, um optimale Filmbildung und Filmeigenschaften zu erreichen (siehe Kapitel 6.1.2). Als neueste Entwicklung gelten die sogenannte 100 %-Systeme, die keine Lösemittel und keine Dispersionsmittel enthalten. Dies sind Lacksysteme aus flüssigen Bestandteilen, die als sol-
31
Verarbeitungsfähiger Zustand Tabelle 2.7: Definitionen festkörperreicherer Lacksysteme Verarbeitungsfestkörper Effekt-Basislacke.
low-solid
medium-solid
high-solid
10 – 15 m-%
20 – 25 m-%
30 – 40 m-%
Füller
50 – 60 m-%
60 – 70 m-%
> 70 m-%
Decklacke
45 – 55 m-%
55 – 65
> 65 m-%
Klarlacke
40 – 45 m-%
50 – 55 m-%
60 – 70 m-%
Coil-Coating, Can-Coating
50 – 60 m-%
Korrosionsschutzlacke Malerlacke
> 70 m-%
45 – 55
55 – 70
> 70 m-%
55 – 65 m-%
65 – 75 m-%
> 75 m-%
che appliziert werden können, im weiteren Sinne gehören dazu auch die Plastisole. Und natürlich gehören zu dieser Gruppe der 100 %-Systeme auch die Pulverlacke.
2.11.1 High-Solids Für eine Anhebung des Applikationsfestkörpers lösemittelhaltiger Lacksysteme können verschiedene Maßnahmen getroffen werden. Da die Viskosität einer Polymerlösung von der Größe der Polymermoleküle und von der Breite der Molekulargewichtsverteilung abhängt, liegt es zunächst nahe, das Molekulargewicht der Bindemittel zu erniedrigen bzw. verfahrenstechnische Maßnahmen zu ergreifen, um schmalere molekulare Verteilungsfunktionen zu realisieren. Dafür gibt es für die verschiedenen Bindemittelklassen bekannte Regeln [25]. Eine Begrenzung der Molmassen kann allerdings auch negative Effekte besitzen. So ist es schwieriger, aus kleinen Bindemittelmolekülen durch Vernetzung die hohen Molmassen eines Lackfilmes aufzubauen, als wenn man bereits bei relativ hohen Molmassen startet. Dies ist in Abbildung 2.12 schematisch dargestellt. Dabei veranschaulicht die Länge des Vernetzungspfeils die Menge der nötigen Vernetzungsschritte um zu einem vorgegebenen Molekulargewicht zu gelangen. Weitere Maßnahmen sind z.B. die Auswahl von Bindemitteln mit Bausteinen, die niedrigere Viskositäten ergeben [26], [27] (z.B. die Verwendung cycloaliphatischer Polycarbonsäuren statt aromatischer Polycarbonsäuren in Polyestern [27]) oder die Verwendung von Lösemitteln, die besser verdünnen (z.B. Ester an Stelle von Aromaten). Schließlich können konventionelle Bindemittel mit niedrigmolekularen Produkten kombiniert werden, die die Viskosität erniedrigen, aber sich dann am Aufbau des Films zu beteiligen, indem
Abbildung 2.12: Unterschiedliche Filmbildung aus High-Solid-Bindemittel im Vergleich zu konventionellen Bindemitteln
32
Verringerung des Lösemittelanteils Tabelle 2.8: VOC-Werte eines konventionellen, lösemittelhaltigem Lacks, eines festkörperreichern und eines wässrigen Lacksystems Lack 1 (konventionell)
Lack 2 (high-solid)
Lack 3 (wässrig)
Dichte
m-%
Vol. [ml/100 g]
m-%
Vol. [ml/100 g]
m-%
Vol. [ml/100 g]
Bindemittel
1,150
30,00
26,09
40,00
34,78
23,00
20,00
Pigment
4,000
30,00
7,50
40,00
10,00
23,00
5,75
Lösemittel 1
0,870
40,00
45,98
20,00
Lösemittel 2
0,910
8,50
9,34
Wasser
1,000
45,50
45,50
100,00
80,59
Bestandteil
nfA
60,00
80,00
79,56
100,00
46,00 22,99
Gesamt
100,00
67,77
Dichte der Lacke
1,257
1,476
1,241
VOC (ASTM D3960/10.1.1)
577,86
339,21
115,90
VOC (ISO 11890)
577,86
339,21
242,23
sie z.B. mitvernetzen (Reaktivverdünner). Solche Produkte sind z.B. niedrigmolekulare Polyole5 und Polyester6, die mit höhermolekularen Bindemitteln für die Vernetzung durch Melaminharze (siehe Kapitel 6.5.3) oder – vor allem durch Polyisocyanate (siehe Kapitel 6.5.4) kombiniert werden.
2.11.2 Wasserbasierte Systeme Während die Maßnahmen bei der Formulierung festkörperreicher Lacksysteme an technische Grenzen wie ungenügende Filmeigenschaften stoßen können, zeigen wässrige Systeme mehrere Nachteile: So liegen in wässrigen Systemen die Bindemittel als Polymerpartikel (Suspension) vor. Um optimale Filmeigenschaften erhalten zu können, müssen sich die Polymerketten beim Trocknungsvorgang möglichst gut oder zumindest teilweise durchdringen können, um eine homogene Beschichtung zu erreichen können. Dies ist bei isolierten Polymerpartikeln jedoch nur innerhalb des Partikels möglich, aber nicht zwischen den Partikeln. Dies stellt ein Hauptproblem aller dispersionsbasierten Beschichtungen dar. Und dies ist mit ein Grund dafür, warum es immer noch lösemittelbasierte Lacksysteme auf dem Markt gibt. Hier handelt es sich meistens um Spezialanwendungen, die eine besonders hohe Performance der Beschichtung verlangen. Weitere Nachteile wasserbasierter Systeme sind auch der höhere Siedepunkt von Wasser, was längere Abtrocknungszeiten oder höheren Energieverbrauch zur Trocknung bedeutet, die Frostempfindlichkeit wässriger Formulierungen und die Anfälligkeit für Schimmel. Zusätzlich können wässrige Syste-
5 Z.B. 2,4-Diethyloctandiol-1,5 [DEOD] (BASF) 6 Z.B. K-Flex, King Industries
33
Verarbeitungsfähiger Zustand me Probleme bei der Applikation wie schlechte Benetzung des Substrats oder Schaumbildung ergeben (siehe Kapitel 4.3 und 5.1). Mit der Formulierung wässriger Lacksysteme sind die VOC-Regelungen besser zu erfüllen, selbst dann, wenn noch bestimmte Mengen an Cosolventien eingesetzt werden. Tabelle 2.8 vergleicht die prinzipielle Zusammensetzung eines konventionellen Decklacks (1) mit einem festköperreichen Decklack (2) und einem wässrigen Decklack (3), der immerhin noch 8,5 m‑% Cosolvens enthält. Ganz ohne Lösemittel kommt man auch bei wässrigen Lacksystemen nicht aus.
2.11.3 100 %-Systeme In den letzten Jahren gewinnen die 100 %-Systeme zunehmend an Marktanteilen. Insbesondere sind dies die UV-Lacke und die Pulverlacke. Die UV-Lacke haben den Vorteil, dass sie keine oder nahezu keine Lösemittel benötigen, innerhalb von Sekunden mit UV-Licht aushärten und damit auch Substrate beschichtbar werden, die mit thermischer Trocknung nicht zu beschichten wären. Diese Funktionen verbinden die 100 %-Systeme mit einer breiten Einstellbarkeit der Beschichtungseigenschaften, verbunden mit chemischer Vernetzung, was guten chemischen Beständigkeiten entspricht. Als photolabile, vernetzende Gruppe wird die Acrylatgruppe eingesetzt. Ein zugegebener Photoinitiator absorbiert UV-Licht und zerfällt in Radikale, was eine radikalische Vernetzung der Doppelbindungen der Acrylatgruppe auslöst (siehe Kapitel 6.5.5). Die acrylatmodifizierten Präpolymere sind zwischenzeitlich von allen gängigen Bindemitteltypen erhältlich. So kann man neben Acrylaten auch Epoxy- oder Urethanacrylate bekommen. Nachteil der UV-Vernetzung ist, dass die Vernetzungsreaktion von Sauerstoff inhibiert wird, was zu unvollständiger Vernetzung führen kann. Ebenfalls ist eine starke Pigmentierung von Nachteil, da die Pigmente das UV-Licht abblocken, was ebenfalls zu unvollständiger Vernetzung führt. Außerdem sind hohe Schichtstärken aus dem gleichen Grund schwerer erreichbar. Trotzdem ist die UV-Lackierung heute für viele Bereiche, gerade auch in der Kunststofflackierung, nicht mehr wegzudenken. Ebenso gewinnen die Pulverlacke stetig an Marktanteilen. Der besondere Vorteil besteht in der Wiederverwertbarkeit von „Overspray“, also Pulver, das am eigentlichen Bauteil vorbeigesprüht worden ist. Dies kann eingesammelt und wieder dem Lackierprozess, der meistens ein elektrostatisches Spritzen ist, zugeführt werden. Die Beständigkeiten der pulverlackierten Teile sind sehr gut, weshalb man die Pulverlackierung vor allem im Bereich von bewitterten Bauteilen, weißer Ware oder mechanisch beanspruchten Bauteilen findet. Ein Nachteil dieses Verfahrens ist die zwingend notwendige thermische Behandlung der lackierten Teile, so dass nur temperaturunempfindliche Substrate beschichtet werden können. Auch sind die erreichten Schichtstärken meistens sehr hoch, (mehrere hundert Mikrometer) was nicht für jede Anwendung von Vorteil ist. Da bei der Pulverlackierung Feststoffe aufgebracht werden, müssen diese durch das Aufschmelzen in den flüssigen (viskosen) Zustand gebracht werden, was dazu führt, dass der Verlauf des Lackes nicht ganz gleichmäßig ist, was für optisch hoch anspruchsvolle Anwendungen (noch) nicht ausreicht.
34
Dispergieren
3 Herstellung und Lagerung von Lacken Die Herstellung von Lacken geschieht durch rein physikalische Prozesse. Dies sind in der Regel Mischvorgänge. Der aufwändigste Prozess dabei ist das Dispergieren von Pigmenten und Füllstoffen in der Bindemittelmischung. Auf dieses soll in diesem Kapitel eingegangen werden.
3.1 Dispergieren 3.1.1
Dispergieren von Pigmenten und Füllstoffen
Pigmente sind feinteilige kristalline Feststoffe, die weder in organischen Lösemitteln noch in wässrigen Medien löslich sind. Pigmente ergeben, effektiv eingebettet in die Bindemittelmatrix eines Films, den Eindruck Farbe, indem sie bestimmte Anteile (Wellenlängenbereiche) des sichtbaren Lichts streuen oder absorbieren. Das beim Betrachter zurückgestreute (farbige) Licht wird „remittiertes Licht“ genannt, den dazugehörigen Prozess nennt man „Remission“. Schematisch ist das in Abbildung 3.1 dargestellt. Sowohl die Absorption als auch die Streuung (und damit auch der Farbton) hängen von der Pigmentgröße ab, siehe Kapitel 7.2. Deshalb muss man für eine reproduzierbare möglichst effektive Einfärbung eines Lackes die Teilchengrößen der Pigmente kontrollieren. Leider kann man die wenigsten Pigmente in einer definierten Teilchengrößenverteilung kaufen. Beim Herstellungsprozess von anorganischen Pigmenten fallen diese als sogenannte „Primärpartikel“ an. Deren Teilchengröße ist abhängig von den Herstellungsbedingungen, z.B. von der Fällungsgeschwindigkeit. Primärpartikel bestehen aus einem „Einkristall“ der chemischen Verbindung. Die Kräfte zwischen den Atomen in einem anorganischen Pigment sind stark, so dass diese primären Teilchen nicht so einfach mehr weiter zerkleinert werden können, weil man dazu chemische Bindungen brechen müsste. Aus den primären Teilchen können bei der Aufarbeitung (Trocknung, Kalzinieren) „Teilchenaggregate“ entstehen, die größer sind als die Primärteilchen. In diesen sind die Primärteilchen über Flächen verwachsen. Sind sie über Ecken und Kanten miteinander verbunden, spricht man von „Agglomeraten“. Primärpartikel und Aggregate lassen sich durch Dispergieren nicht weiter zerkleinern. Sie müssen gemahlen (Kugelmühle oder Perlmühle) Abbildung 3.1: Mögliche Wechselwirkungen von Licht in einem werden. pigmentierten Lackfilm
Ulrich Poth, Martin Winkler: Leistungsstarke Lacke formulieren © Copyright: 2022 Vincentz Network GmbH & Co. KG, Hannover
35
Herstellung und Lagerung von Lacken Abbildung 3.2 zeigt eine transmissionelektronenmikroskopische Aufnahme von Flammruß. Gut zu sehen sind die Primärpartikel, die zu Agglomeraten verwachsen sind. Da zwischen Agglomeraten im Wesentlichen nur Nebenvalenzkräfte herrschen, benötigt man zum Zerkleinern dieser deutlich weniger Energie, was mit einfacheren Dispergieraggregaten bewerkstelligt werden kann [28]. Mit einer sich ändernden Teilchengröße ändert sich aber auch das Oberfläche- zu Volumenverhältnis. Je kleiner die Teilchen sind, desto größer ist ihre Oberfläche im Verhältnis zum Volumen. Die folgende Modellrechnung soll einen Eindruck für die Größenverhältnisse vermitteln: Bei einem mittleren Teilchendurchmesser von 200 nm (0,0002 mm, mittlerer Radius = 0,0001 mm) ergibt sich für ein kugelförmiges Teilchen ein Volumen von 10-12 mm3 und eine Teilchenoberfläche von 1,26 · 10-7 mm2. Somit kommen auf einen Liter Pigmentsubstanz (nicht das Schüttvolumen) 2,39 · 1017 Teilchen (239 Billarden). Deren Gesamtoberfläche ist 30.000 m²! Da die Pigmentteilchen nicht ideal kugelförmig sind, sind die Oberflächen noch etwas größer. Zum Vergleich: Stellt man sich vor, dass ein Liter Pigmentsubstanz bestünde aus einer Einkristallkugel, dann betrüge die Oberfläche nur 0.048 m2! Bestimmt man nun die tatsächliche Oberfläche von z.B. Titandioxid mit der BET-Methode 1 [29], dann erhält man im Fall von Titandioxid mit einer mittleren Teilchengröße von 200 nm und einer Dichte von 4.00 g/cm3 eine spezifische Oberfläche von 9 bis 13 g/cm3. Berechnet man die spezifische Oberfläche für unsere postulierten 200 nm Kugeln, dann erhält man einen Wert von 7.5 g/cm3. Das bedeutet, die Oberfläche der Pigmentteilchen weicht deutlich von der idealisierten Kugelsymmetrie ab, sie ist strukturiert. Dies gilt für die meisten Pigmente. Je kleiner die Teilchen sind, desto größer ist deren Oberfläche im Verhältnis zum Volumen. Dies bedeutet, dass Oberflächeneffekte mit abnehmender Größe eine zunehmende Bedeutung erhalten. Zwischen den Teilchen wirken elektrostatische Kräfte, insbesondere Dipolwechselwirkungen, induzierte Dipole und Van-der-Waals-Kräfte. Diese sorgen dafür, dass die Teilchen mit abnehmender Teilchengröße umso stärker agglomerieren. Will man jetzt Agglomerate dispergieren oder gar Aggregate auf die gewünschte Größe vermahlen, muss man erstens diese zwischen den Teilchen herrschenden Kräfte überwinden oder gar chemische Bindungen brechen. Dies drückt sich in der Oberflächenenergie (γ) der Partikel aus. Die „Oberflächenenergie“ (siehe Kapitel 4.3.1) ist die Energie (E), die benötigt wird, um die Oberfläche einer Substanz um eine bestimmte Fläche (A) zu vergrößern (siehe Gleichung 3.1). dE Gleichung 3.1 γ = _ dA
Je höher die Oberflächenenergie, desto mehr Energie muss man aufbringen, diese Partikel zu dispergieren. Nach dem Dispergiervorgang müssen die Teilchen gegen ihre Agglomera-
Abbildung 3.2: Elektronenmikroskopische (TEM)-Aufnahme von Flammruß. (Evonik) Der mittlere Durchmesser der Primärteilchen beträgt 13 nm, die BET Oberfläche 550 m²/g
36
1 B ET ist eine Bestimmungsmethode der spezifischen Oberfläche von Pulvern nach Brunauer, Emmett und Teller. Dabei wird ein Gas über die Probe geleitet und dessen Adsorption an die Oberfläche der Probe (Monolage) gemessen, woraus man auf die Oberfläche schließen kann. Die Anzahl der verbrauchten Moleküle in der Monolage multipliziert mit dem Platzbedarf eines Atoms ergibt die BET-Oberfläche.
Dispergieren tionstendenz mit Bindemittel benetzt werden und man muss dafür sorgen, dass sie auch benetzt bleiben und nicht wieder agglomerieren. Dazu werden „Dispergiermittel“ verwendet. Dispergiermittel sind chemisch ähnliche Verbindungen, wie sie auch als Emulgatoren für die Herstellung von Dispersionen oder Emulsionen eingesetzt werden. Auch die Wirkungsweise ist ähnlich. Sie bestehen immer aus einer pigmentaffinen Gruppe und einer polymeraffinen Gruppe. Die pigmentaffine Gruppe sorgt dafür, dass das Dispergiermittel mit dem Pigment wechselwirken kann und sich so an dessen Oberfläche anlagert. Die polymeraffine Gruppe sorgt für hohe Wechselwirkungen mit dem Bindemittel und verhindert die Wiederagglomeration. Wie bei der Herstellung von wasserlöslichen Bindemitteln, werden auch hier wieder die Prinzipien der elektrostatischen und der sterischen Stabilisierung verwendet. Für beide Arten der Stabilisierung werden prinzipiell verschiedene Dispergiermittel angewandt (siehe Abbildung 3.3) [30], [31]. Elektrostatische Stabilisierung: Aufgrund der Dissoziation der Ionen des polaren Kopfes entsteht um die Partikeloberfläche eine elektrostatische Doppelschicht aus negativ und positiv geladenen Ionen. Die Ladung dieser Doppelschicht wird als Zetapotenzial bezeichnet und kann gemessen werden. Aufgrund der gleichnamigen Ladungen der nun geladenen Partikel stoßen diese sich gegenseitig ab, d.h., sie werden am Agglomerieren gehindert. Erreicht das Zetapotenzial z.B. durch pH-Wert Änderung den Wert 0 V, ist keine elektrostatische Abstoßung mehr vorhanden, die Partikel agglomerieren. Die elektrostatische Stabilisierung ist nur in wässrigen Medien und bei polaren Partikeloberflächen, wie die anorganischer Pigmente, sinnvoll anwendbar.
Abbildung 3.3: Schematische Darstellung unterschiedlicher Dispergiermittel
37
Herstellung und Lagerung von Lacken So werden für Oxidpigmente bevorzugt organische Metall-Salze verwendet. Z.B. kann Titandioxid mit Zusätzen von Calciumisononanoat besser dispergiert werden2. Dies ist in Abbildung 3.4 nochmals verdeutlicht. Das Calciumion koordiniert dabei an die Partikeloberfläche. Es bildet damit die innerste elektrostatische Schicht aus. Als Gegenion koordiniert die Carboxylatgruppe der Carbonsäure ebenfalls an das Calciumion. Die negative Ladung bildet damit die äußere elektrostatische Schicht. Dies sorgt dafür, dass das gesamte Pigment nach außen hin ein negatives geladenes Feld aufweist, auch wenn das Partikel nach wie vor insgesamt elektrisch neutral ist. Die langen Ketten der Säure reichen ins Lösungs- und Bindemittel und schaffen Verträglichkeit und helfen somit der Benetzung des Partikels durch das Bindemittel. Sterische Stabilisierung: Bei unpolaren Pigmenten wie den organischen Pigmenten und in lösemittelhaltigen Lacksystemen bietet sich die sterische Stabilisierung an. Hier bestehen die Dispergiermittel aus pigmentaffinen Gruppen, die sich an die Pigmente anlagern können und für gute Benetzung sorgen. Lange Seitenketten ragen ins Bindemittel/Lösemittelgemisch. Kommen sich jetzt zwei Pigmente nahe, würde die Beweglichkeit der langen Ketten eingeschränkt, was einen Entropieverlust bedeutete. Dies ist energetisch unwahrscheinlich, weshalb die Ketten auf Abstand gehalten werden. Meistens bestehen diese Dispergiermittel aus kurzen Polymerketten wie z.B. Polyacrylate oder Polyurethane mit pigmentaffinen Seiten- oder Endgruppen.
3.1.2 Dispergieraggregate Aus dem vorhergesagten wird klar, dass man für unterschiedliche Dispergieraufgaben unterschiedliche Dispergieraggregate benötigt. Meistens werden in einer Lackfabrik Dissolver und Rührwerkskugelmühlen (Perlmühlen) eingesetzt. Konventionelle „Dissolver“ sind Rührer mit Rührwerkzeugen, die eine Rührscheibe mit einem sägezahnähnlichen Rand haben und hohe Rührgeschwindigkeiten erlauben. Inline-Dissolver arbeiten nach dem Rotor-Stator-Prinzip, die in einem geschlossenen Raum Rotoren und Statoren mit gegeneinander gerichteten Zähnen enthalten (siehe Abbildung 3.5). Bei hohen Drehzahlen des Rotors entstehen hohe Scherkräfte. Meistens werden jedoch DissolverAbbildung 3.4: Wirkungsweise von Dispergiermitteln am rührer mit einer Zahnscheibe als DisBeispiel von Calciumisononanoat pergieraggregat verwendet. Ihre Dispergierwirkung ist in der Regel nicht so hoch wie die der Rotor-Stator-Systeme, aber für die meisten Anwendungen ausreichend. Wichtig ist, dass die Rührscheibe (Dissolverscheibe) zur Größe des Behälters passt, damit eine möglichst gute Durchmischung gewährleistet ist. Der Durchmesser des Rühraggregates sollte als Faustregel die Hälfte des Durchmessers des Rührkessels beAbbildung 3.5: links Zahnscheibe, rechts Rotor-Stator-Dispergieraggregat
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2 Z.B. Octa-Soligen Calcium (Borchers)
Dispergieren tragen. Die Eintauchtiefe und die Rührgeschwindigkeit sollten so gewählt werden, dass sich ein deutlich sichtbarer Strudel bildet (Doughnut-Effekt). Auch hier gilt als Faustregel: Die Scheibe sollte etwa zu zwei Dritteln in das Dispergiergut eintauchen [32]. Die beste Dispergierwirkung wird mit „Rührwerksmühlen“ („Perlmühlen“) erreicht. Diese bestehen aus einem zylindrischen Mahlraum (mit Kühlmantel, ggf. mit Strömungsringen) in dem sich eine Rührerarmierung mit mehreren Rührscheiben befindet, die mit hoher Drehzahl bewegt werden kann. Der Raum ist bis zu zwei Dritteln mit Mahlkörpern (Mahlperlen) gefüllt, die durch die Rührscheiben bewegt werden und dadurch eine sehr effektive Scherung im Mahlgut erzeugen. Die Mahlkörper bestehen aus sehr abriebfesten Perlen (z.B. aus Zirkonoxid) oder speziellen Quarzsanden (Ottawa-Sand). Auch wenn bei diesen Geräten von Mühlen und Mahlkörpern die Rede ist, besteht der Dispergiervorgang nicht aus einer Zerkleinerung der Pigmentteilchen, sondern aus der Auflösung der Agglomerate durch Benetzung. Auch die Aggregate der Pigmente bleiben oft erhalten. Um eine optimale Dispergierung von Pigmenten für höherwertige Lacksysteme zu erreichen, werden Dissolver und Rührwerkskugelmühlen kombiniert. Für Fassadenbeschichtungen und „Wandfarben“ ist die Dispergierung in einem Dissolver ausreichend. Die „Dispergiergüte“ bzw. der „Mahlgrad“ muss im Produktionsprozess kontrolliert werden. Ausschlaggebend ist neben der Art und der Menge der Dispergiermittel auch die in das System eingetragene Energie und die Verweildauer im Dispergieraggregat, sowie die in den Rührwerkskugelmühlen verwendete Größe der Mahlperlen. Generell gilt: Je feiner man mahlen möchte, desto kleiner müssen die Mahlperlen in der Rührwerkskugelmühle sein. Meistens wird während der Lackproduktion die Länge der Dispergierzeit (Durchlaufgeschwindigkeit) und die Leistungsaufnahme des Dispergieraggregates kontrolliert. Die Partikelgrößenverteilung einer Mischung kann im Labor z.B. durch Laserbeugung bestimmt werden. Dabei wird monochromatisches Laserlicht durch die Probe hindurchgestrahlt. Abhängig von der Größe der Partikel kommt es zur Streuung des Lichts. Das gestreute Licht kann analysiert und auf die Partikelgrößenverteilung zurückgerechnet werden [34].
Abbildung 3.6: Schema einer Rührwerkskugelmühle (Perlmühle)[33].
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Herstellung und Lagerung von Lacken Dieses Verfahren ist jedoch für die Produktion ungeeignet. Einfacher und oft auch ausreichend ist die Bestimmung der Kornobergrenze mit dem „Grindometer“ [35]. Das Grindometer besteht aus einer konisch ausgefrästen und polierten Nut in einem planen Metallblock. Auf diese Nut wird an der tiefsten Stelle der gemahlene Beschichtungsstoff aufgetragen und mit einem Metallrakel in Richtung der schmalsten Stelle abgestreift. An der Stelle im Grindometer, an der die Tiefe der Nut gerade dem Durchmesser des Pigments entspricht, hinterlässt das Pigment eine Spur im abgerakelten Lack. An einer Skala lässt sich die Tiefe der Nut (und damit der Größe des größten Partikels) an der Seite des Grindometers ablesen (siehe Abbildung 3.7). Obwohl die meisten Farbtöne von Beschichtungsstoffen aus mehreren Pigmenten bestehen, ist es sinnvoll, die Pigmente einzeln zu dispergieren. Dadurch können für die Formulierung des Dispergiermaterials und für die Konditionen des Dispergierverfahrens optimale Verhältnisse und Bedingungen für jedes einzelne Pigment ausgewählt werden. Das Dispergiermaterial (Pigmentpaste) sollte eine ausreichend hohe Viskosität besitzen, damit eine hohe Scherwirkung erzeugt werden kann. Das Dispergiermedium (Dispergiermittel, Lösemittel) sollte vergleichsweise niedrigviskos sein, weil es dann eine höhere Kapillarwirkung aufweist, was die Benetzung fördert. Pigmentpasten für lösemittelhaltige Lacke enthalten daher vergleichbar höhere Pigmentmengen und kleinere Anteile Bindemittel und zusätzliche Mengen an Lösemittel. Nach der Dispergierung kann dann weiteres Bindemittel zugesetzt werden, um die Handhabung zu verbessern (Fließfähigkeit für das Dosieren) und um Flokkulation (Zusammenlagern von Pigmentteilchen) zu vermeiden (siehe Kapitel 3.3.1).
3.1.3 Pigmentpasten Pigmentpasten, die nur ein einzelnes Pigment enthalten, können in Bezug auf ihr Färbevermögen und ihren Farbort standardisiert werden. Unter „Farbort“ versteht man einen definierten Farbton in einem Farbsystem wie das La*b*-System (Kapitel 7.1). Diese Daten können dann die Basis für ein Computerprogramm sein, das geeignet ist, die erforderlichen Pastenmischungen für die Herstellung bestimmter Farbtöne zu berechnen3. Eine weitere Anwendung von Pigmentpasten besteht in der sogenannten Abtönerei. (Der Vorgang der exakten Einstellung eines Farbtons wird als „Tönen“ bezeichnet.) Der Farbton einer Lackmischung lässt sich meistens nicht exakt während der Lackherstellung einstellen, da der Farbton und die Deckkraft von der chemischen Zusammensetzung der Pigmente als auch von deren Größe und damit auch von der Mahleffiktivität zusammenhängen. Deshalb wird der genaue Farbton am Schluss des Produktionsprozesses nochmals überprüft und gegebenenfalls korrigiert. Dies funktioniert computergestützt am besten mit stan-
Abbildung 3.7: Grindometer
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3 B ei den Herstellern von Lackserien sind standardisierte Tönpasten erhältlich, die über speziell entwickelte Computerprogramme für die Herstellung (Mischung) und Justierung (Tönen) definierter Farbtöne geeignet sind. Auch für die Automobil-Reparaturlackierung werden Tönlacke für sogenannte Mischregale hergestellt, aus denen definierte (gemessene) Farbtöne anhand von Computerprogrammen gemischt werden können.
Dispergieren dardisierten Farbpasten. Das Farbmetrikprogramm schlägt dem Abtöner dann vor, welche Mengen von welcher Farbpaste zum Erreichen des Zielfarbtones benötigt werden. Oft sind die Zugabemengen dann relativ klein, so dass es vor allem längere Rührzeiten erfordert, um eine effektive Untermischung zu garantieren. Es ist natürlich das Ziel, die geforderten Farbtöne mit nur wenigen Tönschritten zu erreichen. Voraussetzung dafür sind stabile Pigmentpasten, exakte Farbmessungen, ein optimales Computerprogramm und präzise Dosierungen. Wässrige kolloidale Bindemittellösungen erscheinen auf den ersten Blick weniger zur Herstellung von Pigmentdispersionen geeignet, weil die Polymerketten in den Kolloiden dichter gepackt sind. Aber die meistens anionisch stabilisierten, wässrigen kolloidalen Lösungen weisen aufgrund ihrer ionischen Gruppen einen tensidähnlichen Charakter auf, was die Dispergier- und Benetzungseigenschaften unterstützt. So werden spezielle polymere Netzmittel für wässrige Systeme hergestellt. Dies sind z.B. als Polyacrylate mit freien, neutralisierten Carboxylgruppen4, oder auch wasserverdünnbare Polyurethane5 erhältlich. Wässrige Dispersionen und Emulsionen sind nicht als Trägerbindemittel zur Herstellung von Pigmentpasten geeignet. Die Oberflächenbelegungen mit Emulgatoren von Dispersionen und Emulsionen werden durch hohe Scherkräfte zerstört und es kommt zur Koagulierung. Wässrige Dispersionen und Emulsionen sind in der Regel nicht scherstabil. Für wässrige Lacksysteme können ebenfalls Netzmittel verwendet werden. Dazu gehören z.B. Alkylsulfonsäuresalze oder ethoxylierte Alkylsulfonsäuren6.
3.1.4 Pulverlacke Die Pigmente für Pulverlacke werden in der Schmelze des Trägerpolymers in Extrudern dispergiert. Dort erfolgt die Zerkleinerung der Pigmente zwischen den Schnecken des Extruders. Das Extrudat wird ähnlich wie die Pigmentpasten als „Masterbatch“ bei der Herstellung des Pulverlackes zur Färbung eingesetzt. Dabei wird der Masterbatch dem eigentlichen Pulverlack zugegeben und nochmals in einem Extruder mit den anderen Bestandteilen des Lackes vermischt.
3.1.5
Dispergieren von Effektstoffen
Effektstoffe (Kapitel 7.6) besitzen fast alle eine blattartige Struktur (Flakes). So besitzen einige Aluminiumpigmente einen Flake-Durchmesser von 20 µm oder mehr und Teilchendicken von ca. 1 µm oder darunter [36]. Das Länge zu Dicke Verhältnis wird auch als „Aspektverhältnis“ bezeichnet. Partikel mit hohen Aspektverhältnissen (lang und dünn) dürfen nicht hohen Scherkräften ausgesetzt werden, da die Blattstruktur sonst zerstört würde. Da Aluminiumpigmente im trockenen Zustand selbstentzündlich sein können, werden sie als konzentrierte Pasten in Lösemittel angeliefert. Diese Paste wird vorsichtig in weiterem Lösemittel aufgenommen (angepastet). Dazu werden Rührer verwendet, die nur wenig Scherkräfte auf den Lack ausüben und mit relativ niedriger Drehzahl betrieben werden7. Auch die als Pulver angelieferten Glimmerpigmente werden bei vergleichbar geringer Scherung in Lösemittel zur besseren Benetzung und Verteilung aufgeschlämmt („angeteigt“), bevor sie dem eigentlichen Lack zugegeben werden. 4 Z.B. „Additol“ XW 395 (Allnex) 5 Z.B. „Borchi Gen“ (Borchers) 6 Z.B. BASF SE 7 Zum Beispiel: Vollrath Mischer-Rührwerke: Lenartscheibe
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Herstellung und Lagerung von Lacken Damit die relativ großen Teilchen der Effektstoffe stabil verteilt bleiben, werden neben Netzmitteln weitere Additive verwendet, die die Rheologie8 so beeinflussen, dass die Partikel nicht absetzen (Kapitel 3.3.2).
3.2 Mischprozesse Mit Ausnahme der Dispergierung von Pigmenten bestehen sämtliche anderen Prozessschritte in der (Nass-)Lackherstellung aus reinen Mischprozessen.
3.2.1 Rührvorgänge Die für die Mischungen von Lackbestanteilen verwendeten Apparaturen sind durch das Nutzvolumen des Rührbehälters, die dazu gehörende Leistung des Rührwerks und den Typ der Rührerarmierung (Durchmesser und Struktur) sowie der Drehzahl charakterisiert [32]. Zur Vermeidung von Verlusten und unter dem Aspekt des Umweltschutzes sollten die Behälter geschlossen sein. Behälter und Rührer sind normalerweise aus Edelstahl gefertigt. Dies ist vor allem bei der Produktion wässriger Lacksysteme wichtig. Als Rührwerkzeuge können Scheiben-, Blatt- und Propellerrührer verwendet werden. Einen Überblick über die einzelnen Rührertypen findet man in [37]. Wässrige Dispersionen sind aufgrund ihrer Scherempfindlichkeit mit weniger Scherkräften und damit anderen Rühraggregaten zu rühren als lösemittelhaltige Systeme. Zu einer intensiven Mischung tragen nicht nur geeignete Rührbedingungen (Scherkräfte, Rührgeschwindigkeiten, laminare und turbulente Strömungen) bei, sondern auch eine ausreichend lange Rührzeit, denn Mischvorgänge kolloidaler Systeme beinhalten Diffusionsvorgänge, die zeitabhängig sind. Verfahrenstechnisch anspruchsvoll ist es, wenn sehr kleine Zugabemengen in einen größeren Ansatz eingerührt werden müssen wie dies z.B. bei der Zugabe von Additiven der Fall ist. Auch dann ist eine längere Zeit erforderlich, um eine effektive Verteilung zu erreichen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die kleinen Zugabemengen über Halbfabrikate einzutragen, die dann einfacher zu dosieren sind.
3.2.2 Modulare Fertigungskonzepte Als „Halbfabrikate“ werden Zwischenprodukte bezeichnet, die eine Produktion einfacher und schneller machen. So ermöglichen Halbfabrikate z.B. eine effektivere Mischung bei der Herstellung von Lacken. Für Produkte, die regelmäßig gefertigt werden und für Lackserien, die auf gleichen Bestandteilen basieren (z.B. Farbtonreihen für eine serielle Applikation), kann das Konzept der „modularen Fertigung“ gewählt werden. Dabei werden Halbfabrikate produziert, die alle Inhaltsstoffe enthalten, die für die sonst unterschiedlichen Produkte (z.B. für unterschiedliche Farbtöne) geeignet sind. So können Bindemittellösungen oder Dispersionen, Vernetzer, Additive und ggf. Lösemittel vorgemischt und als Halbfabrikat gelagert werden. Davon können dann Teile mit Tönpasten kombiniert zu unterschiedlichen Lacken fertiggemischt werden. Eine andere Möglichkeit besteht darin, Tönpasten mit Bindemittel, Vernetzer und Additiven zu einem fertigen Lack zu komplettieren. Man spricht dann von einem „Tönlack“. Lacke mit verschiedenen Farbtönen können dann durch Mischungen dieser Tönlacke hergestellt werden, ohne dass eine weitere Komplettierung erforderlich ist. Modulare Fertigungskonzepte zeichnen sich unter anderem durch folgende Vorteile aus: Es können einheitlichere Produkte mit hoher Reproduzierbarkeit in kürzeren Fertigungszeiten hergestellt 8 Die Rheologie beschäftigt sich mit dem Fließverhalten von Stoffen
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Lagerung werden, was für die Endprodukte zu einer schnelleren Lieferbereitschaft führt. Allerdings lohnt sich dies nur für (große) standardisierte Serien.
3.3 Lagerung Lacksysteme werden für eine rechtzeitige Belieferung vorgefertigt und müssen unter Umständen über weitere Entfernungen transportiert werden. Ebenfalls kann der Verbrauch einer Lackcharge bei der Applikation über einen längeren Zeitraum erfolgen. Deshalb müssen Lacke lagerstabil sein. Meistens wird eine Lagerstabilität unter geeigneten Bedingungen (Temperaturen zwischen +5 und 30 °C, in geeigneten geschlossenen Behältern, ohne Feuchtigkeitseinfluss) für 6 Monate garantiert. Das bedeutet, dass sich das Applikationsverhalten und die Filmeigenschaften nach 6 Monaten gegenüber der Anlieferung nicht wesentlich verändert haben. Die wesentlichen Einflussfaktoren auf die Lagerstabilität und deren Kontrolle sollen im Folgenden genauer betrachtet werden.
3.3.1 Flokkulation Pigmente treten auch im dispergierten Zustand miteinander in Wechselwirkung, dies umso mehr, wenn die Benetzung relativ unvollständig ist. Die Pigmentteilchen können dann erneut agglomerieren. Dieser Vorgang wird als „Flokkulation“ bezeichnet. Für Pigmentmischungen bedeutet der Vorgang eine Entmischung und damit eine Änderung des Farbtons. Flokkulationen können auch während der Applikation und der Filmbildung auftreten. Tritt die Entmischung während der Filmbildung ein, ist der Lack nach der Trocknung nicht homogen durchgefärbt, sondern weist von der Lackoberfläche nach unten zum Substrat hin einen sichtbaren Farbtongradienten auf. Je kleiner die Pigmentteilchen sind und je größer die spezifische Oberfläche der Pigmentteilchen ist, desto größer ist das Risiko der Flokkulation. So tendieren besonders Ruße dazu, zu flokkulieren. Dabei können dann unerwünschte braunstichige Schwarzfarbtöne entstehen. Die Prüfung, ob eine Flokkulation während der Filmbildung stattgefunden hat, wird über den so genannten „Rub-out-Test“ durchgeführt. Beim Rub-out-Test wird eine Lackprobe auf eine Glasplatte aufgebracht. Nach einer nur kurzen Zeit wird dann ein Teil der Probenfläche mit dem Finger durchmischt, um dann endgültig physikalisch zu trocknen. Wenn die beiden Teile der aufgetragenen Probe unterschiedliche Farbtöne aufweisen, hat Flokkulation und damit eine Entmischung stattgefunden. Eine mögliche Flokkulation von Pigmenten in Pigmentpasten ist auch der Grund dafür, dass Farbtöne in Tönlacken manchmal nicht im ersten Mischprozess erreicht werden und nachjustiert werden müssen, denn Flokkulationen von Pigmenten in Pigmentpasten verändern deren Farbort und das Färbevermögen. Flokkulation ist immer ein Zeichen für ungenügende Stabilisierung der Pigmentteilchen oder ungenügender Benetzung der Teilchen durch das Bindemittel beim Dispergieren. Deshalb wird ihr normalerweise über eine Rezepturänderung (Austausch der Dispergiermittel, Anpassung der Menge der Dispergiermittel) oder einer Optimierung des Dispergierverfahrens begegnet.
3.3.2 Absetzen Einige Pigmente besitzen deutlich höhere Dichten als Bindemittellösungen. Dies sind vor allem anorganische Pigmente wie Titandioxid. Die Dichte von Bindemittellösungen und -dispersionen liegt meistens zwischen 1,00 und 1,15 g/cm3. Aufgrund der Dichtunterschiede können sich die in den Beispielen genannten Pigmente mit der Zeit
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Herstellung und Lagerung von Lacken Tabelle 3.1: Dichten einiger anorganischer Pigmente und Füllstoffe Pigment
Dichte [g/cm3]
Pigment
Dichte [g/cm3]
Titandioxid
3,9 – 4,2
Titangelb
4,3 – 4,6
Eisenoxidgelb
3,7 – 4,1
Bismutvanadat
5,5 – 5,6
Eisenoxidrot
4,5 – 5,2
Chromoxidgrün
5,0 – 5,2
Kobaltgrün
4,9 – 5,5
Eisenoxidschwarz
4,6 – 4,8
Bariumsulfat
4,1 – 4,5
absetzen. Die Dichte von organischen Pigmenten liegt meistens zwischen 1,3 bis 1,8 g/cm3. Deshalb weisen organische Pigmente eine deutlich geringere Tendenz abzusetzen auf. Das Absetzverhalten von Pigmenten wird neben den Dichteunterschieden auch durch deren Benetzung und durch die Viskosität des Lacksystems beeinflusst. Gut benetzte Pigmente, die Wechselwirkungen mit den Polymermolekülen eingehen, setzen weniger ab. Auch deshalb ist es von großer Wichtigkeit, den Dispergierprozess zu beherrschen und das richtige Dispergiermittelsystem auszuwählen. Hier lassen sich durch sorgfältige Reihenversuche viele spätere Probleme frühzeitig vermeiden. Auch höhere Viskositäten der Lacke können das Absetzen deutlich verlangsamen. Die Rheologie von Lacken kann durch Additive verändert und gezielt gesteuert werden. Rheologieadditive werden genauer im Kapitel 5.2.2 besprochen. Geeignet für das Vermeiden von Absetzen sind Mittel, die die Viskosität bei niedrigem Schergefälle erhöhen. Dies sind partikulär wirkende Mittel wie Bentonite, kolloidale Kieselsäuren, Wachse (Dispersionen), kristalline Harnstoffe und molekular wirkende Mittel wie Polyurethan- und Acrylatverdicker. Sie bilden im Ruhezustand ein dreidimensionales Netzwerk aus. Dazwischen befinden sich das Bindemittel und die Pigmente. Durch Rühren kann dieses Netzwerk zerstört werden, der Lack wird fließfähig, im Ruhezustand ist der Lack hochviskos, da die Wechselwirkungen zwischen den Teilchen/Molekülen groß genug sind, um eine Bewegung des Lacks und der Pigmente zu verhindern.
3.3.3 Viskositätsänderung Während der Lagerung lösemittelhaltiger Lacke können Verdunstungsverluste auftreten, indem ein Teil der Lösemittel verdampft. Der Verlust an flüchtigen Anteilen ist mit einem Anstieg der Viskosität verbunden. Der Effekt muss durch Zugabe entsprechender Menge an Lösemittel kompensiert werden. Die Komponenten von Einbrennlacken (Hauptbindemittel und Vernetzer) reagieren erst unter den Einbrennbedingungen bei erhöhten Temperaturen ausreichend schnell. Auch wenn die Reaktionsgeschwindigkeit bei Umgebungstemperaturen sehr klein ist, ist sie nicht gleich Null, wie man sich an der Arrhenius Gleichung (Gleichung 3.2) verdeutlichen kann.
Abbildung 3.8: Mechanismus der Vernetzung eines Melaminharzes
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Lagerung Gleichung 3.2
−EA _
k = A ⋅ e R⋅T
Wobei k = Geschwindigkeitskonstante der chemischen Reaktion (je größer diese ist,desto schneller läuft eine Reaktion ab) A = Proportionalitätsfaktor, EA = Aktivierungsenergie der Reaktion, R = Gaskonstante, T= Temperatur. So können über eine längere Lagerzeit die Vernetzungsreaktionen langsam voranschreiten, was bei lösemittelhaltigen Lacken zu einem signifikanten Viskositätsanstieg führt. Der Viskositätsanstieg kann zwar durch Zugabe von Lösemittel kompensiert werden, aber die Vorwegnahme der Vernetzungsreaktion kann die Filmbildung beeinträchtigen. Dies kann sich z.B. in Verlaufsstörungen, Glanzverlust oder Kochern äußern. Es ist daher sinnvoll, eine vorzeitige Reaktion zu vermeiden oder zu verzögern. So kann z.B. bei Reaktionen, bei denen Aminoharze oder Melaminharze als Vernetzer fungieren, die Vernetzung durch die Zugabe von Monoalkoholen (z.B. n-Butanol) verzögert werden. Dies ist in Abbildung 3.8 dargestellt. Aminoharze liegen normalerweise verestert bzw. verethert mit Butanol vor. Bei höheren Temperaturen wird Butanol abgespalten und das dabei entstehende Teilchen kann dann mit dem Bindemittel reagieren. Zugabe von Butanol kann die Abspaltung von Butanol verlangsamen. Organische Reaktionen sind Gleichgewichtsreaktionen. Die Zugabe von Produkten bei einer Gleichgewichtsreaktion verschiebt das Gleichgewicht in Richtung der Edukte. Da diese Reaktion durch Säuren katalysiert wird, verzögert auch die Zugabe von Aminen die Reaktion. Bei der Kombination von OH-Gruppen tragenden Bindemitteln mit Isocyanaten als Vernetzer reagieren diese bereits bei Umgebungstemperaturen. Dabei steigt die Viskosität an. Deshalb werden die Komponenten solcher Lacke getrennt gelagert und erst unmittelbar vor der Verarbeitung gemischt. Der Zeitraum, bei dem die Mischung noch erfolgreich verarbeitet werden kann, wird als „Topfzeit“ („Potlife“) bezeichnet. Das Ende der Topfzeit ist üblicherweise erreicht, wenn die Viskosität von Zweikomponentenlacken ungefähr auf das Doppelte der Ausgangsviskosität angestiegen ist. Die Topfzeit ist abhängig von der Reaktivität der vernetzenden funktionellen Gruppen und vom Typ und der Menge des ggf. verwendeten Vernetzungskatalysators. Bei wässrigen Reaktionslacken ist eine vorzeitige Reaktion nicht über eine Viskositätsänderung zu beobachten. Wenn in den Teilchen der kolloidalen Lösungen Vernetzungsreaktionen ablaufen, kann die Viskosität sogar sinken, weil die Teilchen dichter werden können (Wasser aus den Kolloiden herausgedrückt wird). Eine Überprüfung der Lagerstabilität solch wässriger Systeme ist deshalb nur über einen Applikationstest möglich.
3.3.4 pH-Wert-Änderung Der pH-Wert einer anionisch stabilisierten, kolloidalen wässrigen Lösung ist von der Basizität des Neutralisationsmittels (meistens Amin) und vom Neutralisationsgrad abhängig. Die pH-Werte gebräuchlicher anionisch stabilisierter wässriger Lacke liegen üblicherweise zwischen 7,4 und 8,2,
Abbildung 3.9: Gleichgewicht zwischen Säure/Amin und Carboxylat/Ammonium
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Herstellung und Lagerung von Lacken der Neutralpunkt liegt aber meistens höher. Unter „Neutralpunkt“ versteht man den pH-Wert, bei dem alle Säuregruppen deprotoniert vorliegen. Niedrige pH-Werte können den Verlust der Stabilität solch kolloidaler Lösungen bedeuten, weil dabei die Anzahl der anionisch geladenen Trägergruppen zurückgeht. Die pH-Werte können sich erniedrigen, wenn das im Gleichgewicht vorliegende freie Amin verdunstet (siehe Abbildung 3.9). Ammoniumionen, die sich aus Amin und Säuregruppen gebildet haben, sind als solche nicht flüchtig, bilden aber im Neutralisationsgewicht freies Amin zurück, wenn dieses zum Teil verdunstet ist – der pH-Wert sinkt, die anionische Stabilisierung wird zerstört. Bei Lagerung sollten daher die pH-Werte wässriger Lacke überprüft und das Amin entsprechend ergänzt werden. Nach der Zugabe des Amins ist nicht nur intensive Mischung erforderlich, sondern es sollte auch eine gewisse Zeit verstreichen, bis sich das Neutralisationsgleichgewicht eingestellt hat. Änderungen des pH-Werts wässriger anionisch stabilisierter Lösungen können auch bei der Herstellung der Lacksysteme auftreten. Wenn z.B. Pigmente mit sauren Oberflächen verwendet werden, ist dies bei der Dosierung des Neutralisationsmittels zu berücksichtigen und dann z.B. mehr Amin einzusetzen. Kationisch stabilisierte Systeme enthalten organische Säuren (z.B. Essigsäure) als Neutralisationsmittel, die pH-Werte liegen zwischen 5,5 und 6,5; um stabile Dispersionen zu erzeugen. Da die organischen Säuren nur gering flüchtig sind, sind Verluste kaum zu erwarten. Kationisch stabilisierte Systeme werden vor allem für Elektrotauchlacke (Kapitel 4.2.1) verwendet. Dabei ist die Verwendung von Pigmenten mit löslichen Anteilen zu vermeiden, weil sie das Abscheideverhalten negativ beeinflussen. Pigmente mit sauren Oberflächen (z.B. Titandioxid) beeinflussen den pHWert dabei aber nur gering.
3.3.5 Vermeidung der Hautbildung Obwohl die oxidative Vernetzung durch den Sauerstoff der Luft (Kapitel 6.5.5) relativ langsam ist, kann die Reaktion an der Oberfläche von oxidativ vernetzenden Lacksystemen9 zu Beeinträchtigungen führen. Durch die Polymerisationsreaktion entsteht eine unlösliche Haut. Selbst wenn die Haut entfernt werden kann, können Gelteilchen zurückbleiben. Das gelierte Bindemittel steht dann aber nicht mehr zur Umhüllung von Pigmenten zur Verfügung, das heißt, die Pigmentvolumenkonzentration (PVK, Kapitel 7.5) erhöht sich.
Abbildung 3.10: Beispiel für Hautverhinderer: ein Ketoxim (links) und ein Phenol (rechts) 9 Z.B. Alkydharze, Öle und Standöle, Epoxidester, fettsäuremodifizierte Polyurethane
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Lagerung Es gibt allerdings Additive, die solche Hautbildungen vermeiden. Im Wesentlichen sind dies zwei Stoffklassen: Ketoxime und Phenole. Ketoxime wirken, indem sie die für die effektive Vernetzung verwendeten „Sikkative“ (Trocknungsmittel, Metallkatalysatoren) komplexieren[38]. Sikkative wirken als Katalysatoren, indem sie in den Redoxprozess zwischen den Doppelbindungen des Polymers und dem Luftsauerstoff eingreifen. Sind die Sikkative komplexiert, kommt deren Redoxpotential nicht zum Tragen, sie sind inaktiviert. Ein Vorteil der Ketoxime – vor allem des Methylethylketoxims – ist die Flüchtigkeit. Wenn Ketoxime nach der Applikation verdunsten, wird die Komplexierung des Sikkativs wieder aufgehoben, die oxidative Vernetzungsreaktion wird nicht mehr behindert. Der Nachteil der Ketoxime liegt in ihrer Gesundheitsschädlichkeit. Bei Methylethylketoxim besteht der Verdacht, dass es krebsbildend ist. Außerdem wirkt Methylethylketoxim auf die Bindehaut der Augen und kann Allergien auslösen [39]. Die Verwendung besonders von Methylethylketoxim als Antihautmittel ist deshalb eingeschränkt. Phenole wirken als Reduktionsmittel. Wegen der besseren Verträglichkeit mit den fettsäurehaltigen oxidativ vernetzenden Bindemitteln werden Alkylphenole bevorzugt (z.B. 2,6-Di-tert-butyl-4-hydroxytoluol, BHT). Solche Phenole sind nicht flüchtig, sie müssen bei der Filmbildung jedoch zunächst oxidiert werden, erst dann kann der Vernetzungsprozess starten. Daher verzögern Phenole die Antrocknung. Auch Phenole sind gesundheitsschädlich [39]. Für beide Substanzklassen werden Alternativen angeboten. Das sind vor allem Hydroxylaminderivate (z.B. Diethylhydroxylamin) meistens in Kombination mit 1,2-Ketoverbindungen (z.B. 2-Methyl-3-oxo-bernsteinsäureester,) und 1,3-Ketoverbindungen (z.B. N-Methyl-acetoacetamid)10.
3.3.6
Konservierung wässriger Beschichtungsstoffe
Bei der Formulierung völlig lösemittelfreier Lacksysteme tritt ein weiteres Problem auf. Solche wässrigen Beschichtungsmaterialien bilden einen geeigneten Nährboden für Mikroorganismen wie Bakterien, Algen und Pilze (Schimmel). Das gilt vor allem für Bautenbeschichtungen, die als Verdicker Cellulosederivate enthalten. Wenn solche Mikroorganismen sich in den Lacken ansiedeln, werden diese schließlich unbrauchbar. Es kommt zu deutlichen Verfärbungen und zur Koagulation, begleitet von sehr unangenehmen Gerüchen. Es gibt verschiedene Additive, um den Bewuchs mit Bakterien, Algen und Schimmelpilzen zu vermeiden. Dabei sollen natürlich solche Produkte ausgewählt werden, die für die Mikroorganismen sehr wirksam, aber für den Menschen nicht gesundheitsschädlich sind und die Umwelt möglichst wenig belasten. Lange Zeit wurde in geringer Menge Formaldehyd-Lösung zugesetzt, die sehr wirksam ist. Aber aufgrund der Einstufung von Formaldehyd als krebserregend [40] sind solche Zusätze untersagt. Dazu gehören auch Formaldehyd-Abspalter wie Bromopol (2,2-Dibrompropandiol-1,3), 1,3-Bis(hydroxymethyl)-5,5-dimethylimidazolidin-2,4-dion, methylolierte Amide und Formale. Für wässrige Systeme, die nicht als weiße oder brillant gefärbte Decklacke verwendet werden, ist der Zusatz einer kleinen Menge von kolloidalem Silber geeignet. Kolloidales Silber ist sehr wirksam gegen Mikroorganismen, aber für Säugetiere und damit auch für den Menschen unbedenklich. Bestimmte organische Verbindungen sind als Additive (Biozide) gegen Bakterien (Bakterizide), Algen (Algizide) und Schimmel (Fungizide) wirksam. Die wichtigsten Biozide, die bei der Lackherstellung verwendet werden, sind nicht methylolierte Imidazolidone (z.B. halogenierte 5,5-Dimethylimidazolidin-2,4-dione) und Isothiazolinone (z.B. 5-Chlor-2-methyl-4-isothiazolinon-3). Allerdings sind auch diese Additive nicht unbedenklich. Vor allem die halogenierten Verbindungen können allergen wirken. Es gibt zahl10 Z.B. „Ascinin” Anti Skin 0443, 0444, 0445, 0446 (OMG-Borchers)
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Herstellung und Lagerung von Lacken reiche Untersuchungen über gesundheitliche Schädigungen durch solche Additive, z.B. in [41]. Wenn die Produkte zunächst im Film erhalten bleiben, können sie durch Migration und Diffusion freigesetzt werden und dann für Menschen oder für die Umwelt schädlich werden. In höheren Dosen haben z.B. die Isothiazolinone eine aquatische Toxizität und können hautsensibilisierend wirken. [41]. Es wurden daher Grenzwerte für den Gehalt solcher Additive in Beschichtungsprodukten und Grenzwerte für die Freisetzung in die Umgebungsluft festgelegt, sowie die Verwendung von Bioziden beschränkt [42], [43]. Ein Lösungsansatz für hohe Wirksamkeit verbunden mit niedriger Dosierung ist die Kombination verschiedener Verbindungen, die dann auch als gemischte Produkte angeboten werden. Am bekanntesten ist eine Kombination von 5-Chloro-2-methyl-4-isothiazolin-3-on (CMIT) mit 2-Methyl-2H-isothiazolidin-3-on (MIT) im Verhältnis 3 : 111.
11 Z.B. „Mergal“ K9N (Troy Chemical Comp.)
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Substrate
4 Applikation Die Oberflächeneigenschaften eines beschichteten Körpers werden im Wesentlichen vom verwendeten Lacksystem und dessen Formulierung bestimmt. Dabei gibt das Substrat bereits einige Auswahlkriterien für das Bindemittel vor, da sich Kunststoffe z.B. nicht mit Einbrennlacken beschichten lassen, oder Haftung nur mit bestimmten Bindemitteln erzeugt werden kann. Die Oberflächengüte wird nicht nur durch die Auswahl eines geeigneten Lacksystems bestimmt, sondern hängt im Wesentlichen auch von der Geometrie des zu beschichtenden Körpers und der Auswahl eines geeigneten Applikationsverfahrens ab.
4.1 Substrate Beschichten lassen sich alle Werkstoffklassen. Diese werden klassischerweise eingeteilt in Metalle (Eisen und Stahl und Nichteisenmetalle), Kunststoffe (Kunststoffteile und Folien), mineralische Untergründe (Fassaden, Mauern und Wände, Steinplatten, Straßenbeläge), Hölzer, Leder und Papier. Eisen, Stahl und einige Nichteisenmetalle sollen durch die Beschichtung vor allem gegen Korrosion geschützt werden. Unter Korrosion versteht man üblicherweise die oberflächliche Umsetzung von Metallen mit Luftsauerstoff und Feuchtigkeit unter Bildung von basischen Oxiden und gegebenenfalls mit Kohlendioxid partiell zu basischen Carbonaten. Für einen optimalen Korrosionsschutz ist es wichtig, die gesamte Oberfläche der Metallobjekte gegen den Einfluss von Luftsauerstoff und Feuchtigkeit zu schützen, so z.B. im Auto auch den Fahrgastraum. Dazu werden spezielle Applikationsverfahren angewendet wie z.B. die Elektrotauchlackierung [44]. Beschichtungen auf Metallen bestehen meistens aus mehreren Lackschichten, nämlich aus einer Korrosionsschutz-Grundierung und folgenden Schichten, die dekorative Eigenschaften, Wetterbeständigkeit und andere Beständigkeitseigenschaften erfüllen müssen [45]. Viele Metalle bilden geschlossene Oxidschichten, die eine weitere Korrosion verhindern. Dies wird als Passivierung bezeichnet. Solche Metalle werden grundiert (geprimert), um eine optimale Verbindung (Haftung) zu den nachfolgenden Lackschichten aufzubauen [46], [47]. Einige Metallobjekte werden nach der Beschichtung verformt (Coil-Coating, Can-Coating). Deshalb müssen die Lackschichten für diese Verfahren besonders flexibel sein [48]. Viele Kunststoffe benötigen keine Lackbeschichtung. Sie sind glatt und ausreichend wetterbeständig und können auch mit Pigmenten und Effektstoffen gefüllt sein, um dekorative Eigenschaften zu erhalten. Solche Kunststoffe sind damit den Lackfilmen sehr ähnlich. Deshalb war eine logische Weiterentwicklung, Folien anstelle von Lacken auf die Substrate aufzubringen. Umgesetzt findet man das vor allem bei Automobilen. Hier wird die Folie auf das Substrat aufgeklebt [49]. Kunststoffbauteile werden oft aus thermoplastischen Kunststoffen hergestellt, vor allem, weil sie im Extrusionsverfahren wie dem Spritzguss verarbeitet werden können. Die meisten thermoplastischen Kunststoffe (Polyolefine, PVC, Polyamide) sind jedoch nicht ausreichend wetterbeständig – sie werden daher zum Schutz mit Lacken beschichtet [50]. Obwohl Kunststoffe nicht vor elektrochemischer Korrosion geschützt werden müssen, erhalten sie in einigen Fällen trotzdem
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49
Applikation eine Grundierung. Diese erfüllt einen anderen Zweck als bei den Metallen. Kunststoffe sind Dielektrika und können daher als solche für das elektrostatische Spritzverfahren (siehe Kapitel 4.2.4) nicht geerdet werden. In solchen Fällen ist die Applikation eines „Leitprimers“ [51] erforderlich, der die elektrostatische Beschichtung erst möglich macht. Einige Kunststoffe besitzen Oberflächen, die so geringe Wechselwirkungen mit den Beschichtungsstoffen eingehen (z.B. Polypropylen), dass sie nicht von diesen benetzt werden bzw. nicht auf ihnen haften. Solche Kunststoffe benötigen einen „Haftprimer“ oder bedürfen einer besonderen „Vorbehandlung“ [52] (Kapitel 8.3.2). Wenn Kunststoffe armiert sind, zum Beispiel ungesättigte Polyester mit Glasfasern, ist es schwierig, durch Beschichtungsstoffe glatte Oberflächen zu erzeugen. Solche Kunststoffe werden dann mit einem „Füllprimer“ [53] beschichtet, der die durch die Armierung verursachten Lunker und Poren abdeckt. Mineralische Untergründe wie Beton oder andere Bauteile sind basisch, haben Poren und nehmen je nach relativer Luftfeuchtigkeit auch Wasser auf. Beschichtungen müssen daher gegen den basischen Einfluss geschützt werden, die Poren müssen gefüllt werden, und es muss für eine gewisse Wasserdampfdurchlässigkeit gesorgt werden. Dafür wurden besondere so genannte „Einlassgrundierungen“ entwickelt [54]. Auch Hölzer haben Poren, und sie können Inhaltsstoffe enthalten, die die Beschichtung beeinträchtigen. Außerdem sollen transparente Beschichtungen auf Holz das Substrat nicht nur schützen, sondern auch den Charakter des Holzes betonen. Das geschieht durch die Anwendung von sogenannten „Porenfüllern“ und bestimmten Grundierungen [55]. Auch die Lackierung von Ledern soll den besonderen Charakter des Leders betonen und die Beschichtungen müssen entsprechend flexibel sein und die Haptik des Leders nicht verändern [56]. Papier wird beschichtet, um es zu schützen und um bestimmte Effekte, vor allem Glanz, zu erzeugen [57]. Druckfarben unterscheiden sich im Prinzip nicht von den Lacken, außer dass sie speziell auf die Druckverfahren hin formuliert und entwickelt sind.
4.2 Applikationsverfahren Beschichtungsverfahren gibt es viele. Grundsätzlich kann man entweder das zu beschichtende Material in Kontakt mit dem Lack bringen, oder aber man bringt das Beschichtungsmaterial auf das Substrat auf [58]. Zu ersteren Verfahren (Objekt zum Lack) gehören die Tauchverfahren und die Elektrotauchlackierung (ETL) als auch das Wirbelsintern für Pulverlacke.
4.2.1 Tauchlackieren Bei der „Tauchlackierung“ werden die Objekte in das Lackmaterial eingetaucht und dann wieder herausgezogen. Dabei wird das Objekt vom Lack benetzt. Die Benetzungsfähigkeit (Grad der Anhaftung des Lackmaterials), die Viskosität des Lackes und die Austauchgeschwindigkeit bestimmen die Schichtdicke des Lackes. Je viskoser der Beschichtungsstoff, desto dicker wird die Schicht. Je schneller das Objekt aus dem Becken gezogen wird, desto dicker wird ebenfalls die Schicht. Der Zusammenhang zwischen Schichtdicke, Viskosität und Zuggeschwindigkeit wird für hohe Zuggeschwindigkeiten und viskose Flüssigkeiten durch die Landau-Levich-Gleichung [59] beschrieben. Gleichung 4.1
50
√
_
η ⋅ v d = c ⋅ _ ρ ⋅ g
Applikationsverfahren wobei d = Schichtdicke, c = Konstante, für die meisten newtonischen Flüssigkeiten = 0,8 η = Viskosität, v = Ziehgeschwindigkeit, ρ = Dichte, g = Erdbeschleunigung Tauchverfahren kommen insbesondere bei wenig komplizierten geometrischen Objekten zur Beschichtung in Frage. So werden z.B. Medizinkatheter oder auch deren Führungsdrähte per Tauchprozess beschichtet. Der Vorteil liegt auf der Hand: Im Gegensatz zu anderen Verfahren ist der Materialverbrauch gering und es ist eine gleichmäßige Schichtstärke im Durchlaufverfahren gewährleistet. Auch ultradünne Schichten im Nanometerbereich können mit dem Tauchverfahren beschichtet werden [60]. Beim „Wirbelsintern“ wird in einem Tauchbecken mit einem luftdurchlässigen Boden (Fritte) durch einen Luftstrom ein Pulverlack-Aerosol erzeugt. In das Aerosol werden erhitzte Objekte eingetaucht. Die auf die Oberfläche des Objekts prallenden Pulverlackteilchen schmelzen und bilden eine Filmschicht. Die Dicke der Schicht hängt von der Zeit des Eintauchens und von der Wärmekapazität des Objektes ab. Vernetzende Pulverlacke, die nach diesem Verfahren appliziert werden, werden danach noch eingebrannt. So werden vor allem sehr dicke Beschichtungen z.B. für den Korrosionsschutz erzeugt. Auch die „Elektrotauchlackierung“ (ETL) [44] gehört zu den Tauchverfahren. Hier erfolgt die Beschichtung in einem Tauchbecken mit wässriger Polymerdispersion in einem elektrischen Feld. Je nachdem ob das zu beschichtende Werkstück als Anode oder als Kathode geschaltet ist, spricht man von ATL oder KTL. Für Anwendungen im Korrosionsschutzbereich, insbesondere im Automobilbau hat sich die KTL durchgesetzt. Ist das Werkstück kathodisch geschaltet (KTL), werden kationisch stabilisierte wässrige Polymerdispersionen als Bindemittel eingesetzt. Die kationischen Bindemittelteilchen werden vom kathodischen Werkstück aufgrund ihrer Ladung angezogen und lagern sich auf dem Werkstück ab. Dabei wird das Wasser herausgepresst. Gleichzeitig zersetzt sich aber auch das Wasser sowohl an der Kathode als auch an der Anode. 2H2O
Gleichung 4.2
Anodenreaktion:
Gleichung 4.3
Kathodenreaktion: 2H2O + 2e-
→ O2 + 4 H+ + 4e→ H2 + 2 OH-
Dies bedeutet, dass nach Gleichung 4.2 im Bereich der Anode die Bindemittelphase saurer, nach Gleichung 3.5 im Kathodenraum jedoch basischer wird. Die kationisch stabilisierten Bindemittel tragen meistens protonierte Amine (Ammoniumgruppen) zur Erzeugung der positiven Ladung. Geraten sie nun in das basische Milieu des Kathodenraums, werden sie deprotoniert und die elektrostatische Stabilisierung fällt weg, das Polymer koaguliert und bildet eine haftende Schicht, die nach dem Beschichtungsprozess zur chemischen Vernetzung im Ofen noch eingebrannt wird. Die Vorgänge bei der KTL sind schematisch in Abbildung 4.1 dargestellt. Da das Polymer eine nichtleitende Schicht um das zu beschichtende Substrat legt, werden mit der Zeit auch die Stellen am Objekt beschichtet, die z.B. durch Hinterschneidungen und der daraus folgenden Abschirmung durch den Faraday-Effekt zu Beginn der Beschichtung nicht vom Polymer beschichtet wurden (siehe Abbildung 4.2). Damit wird eine sehr dichte Schicht auch an komplizierten
51
Applikation Geometrien erreicht, was insbesondere für den Korrosionsschutz von unschätzbarem Wert ist. Heute werden praktisch alle Autokarosserien mit einer KTL-Grundierung als Korrosionsschutz versehen. Die Verfahren, bei denen man das Beschichtungsmaterial zum Objekt bringt, werden in direkte und indirekte Applikationsverfahren unterschieden. Zu den direkten Applikationsverfahren gehören Streichen, Rollen, Fluten und Gießen. Beim „Streichen“ und „Rollen“ wird das Lackmaterial von Pinseln oder einer Farbrolle (z.B. mit Lammfell bezogen) aufgenommen und dann manuell auf ein Substrat aufgetragen und verteilt. Der Rollprozess ist nicht nur dem heimischen Maler bei der Gebäuderenovierung vorbehalten. Insbesondere bei der Beschichtung von bahnförmigen Substraten (Folien, Metallbänder) kommt dieses Verfahren zur Anwendung („Roller-Coating“, „Coil-Coating“, siehe Kapitel 4.2.5).
4.2.2 Fluten, Gießen Beim Fluten und Gießen werden definierte Mengen Beschichtungsmaterial auf ein horizontales Substrat aufgebracht und dort verteilt. Besondere Bedeutung besitzt in diesem Zusammenhang das „Schlitzdüsenverfahren“ (Slot-Die-Coating) und die „Vorhangbeschichtung“ (Curtain-Coating). Beim Schlitzdüsenverfahren (siehe Abbildung 4.3 [61], rechts) wird das Material durch einen Spalt gepresst und dann auf dem Substrat verteilt. Die Auftragsmenge wird dabei von der Schlitz-
Abbildung 4.1: Schema der Abläufe während einer KTL-Beschichtung
Abbildung 4.2: Stufen der KTL-Beschichtung: a) Außenbeschichtung b) beginnender Umgriff
52
c) restliche Innenbeschichtung
Applikationsverfahren höhe, der Beschichtungsgeschwindigkeit und der Pumpenleistung bestimmt. Beim Vorhangverfahren fällt das Beschichtungsmaterial über meistens eine Schlitzdüse aus größerer Höhe direkt auf die Warenbahn und verteilt sich dort (nicht gezeigt). Wichtig ist hierbei, dass das Beschichtungsmaterial während des Fallens homogen und zusammenhängend bleibt, d.h., der Vorhang unter keinen Umständen abreißt, oder sich Tröpfen bilden. Dies stellt hohe Anforderungen an die Formulierung des Beschichtungsstoffes.
4.2.3 Rakeln Ein weiteres wichtiges industrielles direktes Beschichtungsverfahren ist das „Rakeln“ (siehe Abbildung 4.3, links). Hierbei wird Beschichtungsmaterial im Überschuss auf die Warenbahn aufgebracht und dann mit einem Messer (Rakel, doctor blade) das überschüssige Material wieder abgestrichen. Im Gegensatz zu den vorher beschriebenen Verfahren wird hier die Auftragsmenge über den Spalt zwischen Rakel und Warenbahn eingestellt, das Rakeln kommt damit ohne Überwachung der Pumpenleistung aus.
4.2.4 Spritzen Das wichtigste industrielle Applikationsverfahren ist das „Spritzen“. Beim Spritzen wird Lackmaterial meistens unter Druck an Düsen zu feinen Tröpfchen verteilt, die dann ggf. unter Einfluss eines Luftstrahls auf das Substrat gebracht werden und dort verfließen. Der besondere Vorteil des Spritzens liegt auf der Hand. Im Gegensatz zu den anderen hier vorgestellten Applikationsarten können nicht nur flächige Substrate oder Substrate mit einfachen Geometrien beschichtet werden, sondern auch solche mit komplizierten geometrischen Verhältnissen. Die Beschichtungsqualität ist aufgrund der feinen Zerstäubung des Lackes sehr hoch. Nachteil dieser Beschichtungsart ist jedoch, dass relativ viel Beschichtungsmaterial am Substrat vorbeigeführt wird, so dass der Verlust an Material, das sog. „Overspray“, relativ hoch ist. Dieser Nachteil wird versucht durch das „elektrostatische Spritzverfahren“ etwas zu minimieren. Bei
Abbildung 4.3: Schema eines Kammerrakels und einer Schlitzdüsenbeschichtung
53
Applikation diesem Verfahren werden die Tröpfchen des Lackmaterials elektrisch aufgeladen. Das zu beschichtende Substrat ist geerdet, so dass die geladenen Teilchen entlang der elektrischen Feldlinien zum geerdeten Objekt gelangen und weniger Material verloren geht. Z.T. können Substrate in einem Arbeitsgang zusätzlich auch auf der der Spritzpistole abgewandten Seite beschichtet werden. Der Lackauftrag ist an engen Feldlinien, d.h. besonders an Ecken und Kanten besonders hoch. Schematisch ist das in Abbildung 4.4 gezeigt. Das elektrostatische Spritzen ist auch für Pulverlacke heute das am weitesten verbreitete Beschichtungsverfahren. Die Filmbildung erfolgt in einem zweiten Schritt durch das Schmelzen der Teilchen in einem Einbrennprozess.
Abbildung 4.4: Überblick Elektrostatisches Spritzen
Abbildung 4.5: Beispiele für indirekte Walzlackierungen
54
Benetzung
4.2.5 Walzen Ein indirektes Beschichtungsverfahren ist die „Walzlackierung“. Lackmaterial wird durch unterschiedliche Verfahren auf die Oberfläche von Walzen aufgetragen und von dort aus auf flächige Substrate übertragen. Die unterschiedlichen Walzverfahren unterscheiden sich vor allem über die Art der Farbaufnahme auf die Farbübertragungswalze, als auch über die Rotation der Walze gegenüber der Warenbahn. Die Farbübertragungswalze kann gleichläufig mit der Warenbahn, synchron zur Bahnbewegung laufen, oder aber schneller oder langsamer als diese, oder auch den im Verhältnis zur Warenbahn umgedrehten Drehsinn besitzen. Dabei kann die Übertragungswalze gegenüber einer anderen, die Bahn führenden Walze, angebracht sein, das Substrat läuft dann zwischen beiden Walzen hindurch (siehe Abbildung 4.5 links), oder aber keine Gegenwalze besitzen (siehe Abbildung 4.5 rechts). Der Gegendruck auf die Übertragungswalze wird dann nur über die Warenbahnspannung (der Spannung des Bahnmaterials in der Beschichtungsmaschine) erzeugt. Bei all diesen Verfahren spielt für die Ausbildung einer guten Schicht die Benetzung des Substrates durch den Beschichtungsstoff eine herausragende Rolle.
4.3 Benetzung 4.3.1
Oberflächenspannung, Oberflächenenergie
Unter „Benetzung“ versteht man die Eigenschaft von Flüssigkeiten, in engen Kontakt mit einer Oberfläche zu treten. Die Bedeutung der Benetzung für den Kontakt zwischen Bindemittel und Pigmentoberflächen haben wir bereits im Kapitel 3.1.1 kurz diskutiert. Von guter Benetzung eines Substrates durch einen Beschichtungsstoff spricht man, wenn die Flüssigkeit auf dem Substrat spreitet, also möglichst vollständig verläuft. Möchte man eine möglichst gleichmäßige Beschichtung auf einem Substrat erreichen, muss dafür gesorgt werden, dass die Beschichtungsstoffe das Substrat möglichst gut benetzen. Obwohl Pulverlacke aus Feststoffen bestehen, läuft die Filmbildung auch hier über den aufgeschmolzenen flüssigen Zustand und die Benetzung durch die Polymerschmelze muss möglichst gut sein. Ob eine Flüssigkeit eine Oberfläche benetzt oder nicht, wird durch die Oberflächenenergien von Feststoff und Flüssigkeit bestimmt. Zum Verständnis dieser Begriffe kann man sich folgende Überlegungen zu Nutze machen: Zwischen den einzelnen Molekülen in Flüssigkeiten bestehen Anziehungskräfte (molekulare Kohäsion). Innerhalb einer Flüssigkeit ist ein Molekül in allen Raumrichtungen von anderen Molekülen umgeben, mit denen es in Wechselwirkung tritt (siehe Abbildung 4.6). An der Oberfläche (Grenzfläche zur Luft) ist dies aber nicht mehr der Fall. Moleküle an der Oberfläche können nur innerhalb der Oberfläche und nach unten in Richtung Flüssigkeit mit anderen Molekülen in Wechselwirkung treten. Damit erfährt dieses Molekül eine resultierende anziehende Kraft nach unten. Ein Molekül Abbildung 4.6: Kräfte auf ein Molekül in der Flüssigkeit an der Oberfläche befindet sich damit (rechts) und an der Oberfläche (links)
55
Applikation
Tabelle 4.1: Oberflächenspannungen einiger Flüssigkeiten Flüssigkeit
Oberflächenspannung mN/m 20 °C
Isopropanol
23
Butylacetat
25
2-Butanon (MEK)
24
Ethylenglykol
43
Di(ethylenglykol)monoethylether (Ethyldiglykol)
34
Dekan
24
Wasser
72
Quecksilber
476,0
in einem energetisch ungünstigeren Zustand als ein Molekül innerhalb der Flüssigkeit. Deshalb wird die Flüssigkeit versuchen, ihre Oberfläche zu minimieren, d.h., gegenüber Luft wird sie eine Kugelform annehmen. Deshalb bildet Wasser auf vielen oder auch Quecksilber auf fast allen Substraten relativ kugelige Tropfen. Anders gesagt: Möchte man die Oberfläche einer Flüssigkeit vergrößern, muss man Energie aufbringen. Diesen Energiegewinn zwischen Kugelform und Fläche, bzw. die zur Vergrößerung der Oberfläche nötige Energie bezeichnet man als „Oberflächenenergie“ (ε) [62]. Die Kraft, die benötigt wird, die Krümmung der Kugel „geradezubiegen“ bezeichnet man als „Oberflächenspannung“ (σ). Für Flüssigkeiten sind Oberflächenspannung und -Energie gleichzusetzen. Durch die Ausbildung der Kugelform wird die Energie der Oberfläche der Flüssigkeit minimiert. Innerhalb des Tropfens herrscht damit aber ein höherer Druck. Dieser Druck wird „Kapillardruck“ genannt. Die relativ hohe Oberflächenspannung von Wasser erlaubt es z.B. Insekten, auf seiner Oberfläche zu laufen, ohne einzusinken. Ebenso kann man eine Büroklammer oder eine Rasierklinge (am besten, wenn sie etwas eingefettet ist) auf dem Wasser durch vorsichtiges Aufsetzen schwimmen lassen. Gemessen wird die Oberflächenenergie als die Arbeit (Energie), die notwendig ist, um die Grenzfläche (Oberfläche) um eine Einheit (1 m2) zu vergrößern. Die Dimension ist kg/s2 bzw. J/m2 bzw. als Oberflächenspannung ausgedrückt: N/m. Da Feststoffe keine Kugelform annehmen können, spricht man anstatt von Oberflächenspannung lieber von Oberflächenenergie. Unterschiedliche Stoffe besitzen unterschiedliche Oberflächenenergien. Die Oberflächenspannung ist eigentlich ein Sonderfall der Grenzflächenspannung. Zwischen zwei Grenzflächen bestehen immer mehr oder weniger große Wechselwirkungen. Im Fall der Oberflächenspannung betrachtet man die Grenzflächenspannung zwischen Flüssigkeit und Luft. Genauso besitzen aber auch Festkörper Grenzflächenspannungen zu Luft (Oberflächenenergien), nur dass Festkörper ihre Oberfläche im Gegensatz zu Flüssigkeiten nicht minimieren können. Betrachtet man nun eine Flüssigkeit (Lack) auf einem Festkörper (Substrat), so werden auch dort Wechselwirkungen zwischen den Flüssigkeitsmolekülen und der Oberfläche des Festkörpers auftreten. Sind die Wechselwirkungen hoch, so wird sich ein Tropfen auf der Oberfläche nicht abtropfen, er wird den Festkörper benetzen. Sind die Wechselwirkungen geringer als die Wechselwirkungen der Teilchen der Flüssigkeit untereinander, wird der Tropfen eine möglichst kugelige Form annehmen. Eine andere Betrachtungsweise desselben Sachverhalts: Im Inneren eines Flüssigkeitstropfens herrscht wie oben beschrieben ein erhöhter Kapillardruck (siehe Abbildung 4.6). Berührt ein Trop-
56
Benetzung fen eine Oberfläche, mit der aufgrund ihrer chemischen Struktur Wechselwirkungen mit der Flüssigkeit möglich sind, geraten die Kräfte an den Molekülen der Grenzfläche Flüssigkeit/Feststoff aus dem Gleichgewicht. Der Kapillardruck im Inneren des Tropfens treibt damit den Tropfen auseinander, der Tropfen spreitet auf der Oberfläche. Es gilt: Ist die Oberflächenenergie der Flüssigkeit geringer als die Oberflächenenergie des Festkörpers, wird die Flüssigkeit den Festkörper benetzen. Ist sie höher als die des Festkörpers, wird keine Benetzung stattfinden, die Flüssigkeit fließt sich ab. Die Oberflächenspannung von Flüssigkeiten wird durch Messungen ihrer Kontaktwinkel (Randwinkel Θ auf Substraten bestimmt [63], siehe Abbildung 4.7. Dabei ist der „Kontaktwinkel“ definiert als der Winkel zwischen der benetzten Oberfläche und einer an den Tropfen angelegten Tangente durch den Berührungspunkt des Tropfens mit der Oberfläche. Die Größe der Oberflächenspannung hängt von der Größe der molekularen Kohäsion der Flüssigkeiten ab. Stark polare Flüssigkeiten weisen meistens höhere Oberflächenspannungen als weniger polare Flüssigkeiten auf. Die Ausdehnung eines Tropfens einer Flüssigkeit auf einem Substrat ist aber nicht nur abhängig von der Grenzflächenspannung der Flüssigkeit gegenüber Luft (σlg), sondern auch von der Grenzflächenspannung des Substrats gegenüber Luft (σsg) und der Grenzflächenspannung (σls) zwischen Flüssigkeit und Substrat. Es gilt die so genannte Young‘sche Gleichung (Gleichung 4.4) [64]: σsg − σsl
Gleichung 4.4 cos Θ = _ σ lg
Aufgrund dieser Gleichung 4.4 lassen sich über die Messung der Kontaktwinkel (Randwinkel) von benetzenden Flüssigkeiten deren Oberflächenenergie berechnen, oder bei bekannten Oberflächenenergien der Flüssigkeiten lässt sich die Oberflächenenergie des Feststoffs berechnen. Die Zusammenhänge sind in Abbildung 4.7 dargestellt. Normalerweise werden dazu als Flüssigkeiten Wasser (polar) und Dijodmethan (unpolar) eingesetzt.
Abbildung 4.7: Definition des Kontaktwinkels/Randwinkels Θ
57
Applikation Flüssigkeiten mit hohen intermolekularen Wechselwirkungen sind in der Regel polar. Sie zeigen gegenüber Luft hohe Oberflächenenergien. So ist Wasser, das Wasserstoffbrückenbindungen und Dipolwechselwirkungen untereinander ausbildet, eine hochpolare Flüssigkeit mit hohen Oberflächenenergien. Unpolare organische Lösemittel besitzen geringe Oberflächenenergien. Genauso verhält es sich mit den Substraten. Anorganische Stoffe (Metalle, Gläser) sind an ihrer Oberfläche oft mit stark polaren Gruppen abgesättigt (z.B. OH-Gruppen). Sie besitzen meistens hohe Oberflächenenergien. Kunststoffe dagegen besitzen normalerweise wenig funktionale Gruppen auf der Oberfläche und sind deshalb eher unpolar, besitzen also niedrige Oberflächenenergien. Vor allem Polyethylen und Polypropylen sind sehr unpolare Kunststoffe. PTFE (Teflon) ist der Stoff mit den geringsten Oberflächenenergien überhaupt [65]. Für die Benetzung eines Feststoffs durch eine Flüssigkeit kann man drei Sonderfälle unterscheiden: Kontaktwinkel Θ >90°: Kontaktwinkel Θ < 90°: Kontaktwinkel Θ = 0:
schlechte Benetzung. gute Benetzung vollständige Benetzung/Spreitung
Tabelle 4.1 listet die Oberflächenspannung (Grenzflächenspannung gegenüber Luft) einiger Flüssigkeiten auf [66].
4.3.2 Spreitung [67] Ab einem Randwinkel von Θ = 0° beginnt die Flüssigkeit den Untergrund vollständig zu benetzen. Damit wird cos Θ = 1. Kleinere Kontaktwinkel sind physikalisch nicht möglich, d.h., für eine noch bessere Benetzung verliert die Young’sche Gleichung ihre Gültigkeit. Aus der Young’schen Gleichung: σsg − σsl
Gleichung 4.4 cos Θ = _ σ lg
folgt somit:
Gleichung 4.5
σlg = σsg - σsl
oder anders ausgedrückt: Gleichung 4.6
0 = σsg - σsl - σlg
Für den Fall einer noch besseren Benetzung, die sich aber immer nur im Kontaktwinkel Θ = 0° ausdrückt, hat man den Spreitparameter S eingeführt. Gleichung 4.7 S= σsg - σsl - σlg Bei einem positiven Wert für den Spreitparameter (S ≥ 0) spreitet die Flüssigkeit auf dem Substrat, ein negativer Spreitparameter (S ≤ 0) bedeutet keine Spreitung [68]. Die Applikation von Beschichtungsstoffen erfordert demnach positive Spreitparameter. Das bedeutet, dass der benetzte Zustand einen geringeren Energiegehalt hat als der unbenetzte. Die freiwerdende Energiemenge wird zur Ausbildung neuer Oberfläche verbraucht. Dies soll anhand einer Modellrechnung nachvollzogen werden. Es wird angenommen: Auf einer Fläche von 30 · 30 mm (900 mm²) spreiten 10 Tropfen (Halbkugeln) mit einem Gesamtvolumen von 90 mm³ zu einer Schicht von 100 µm Schichtdicke (siehe Abbildung 4.8).
58
Benetzung Die Tropfen besitzen je einen Durchmesser von 3,25 mm und insgesamt eine Auflagefläche von 83 mm2. Die Grenzflächen gegenüber Luft (grau) ergeben sich damit zu 166 mm2. Die Substratfläche hat 900 – 83 = 817 mm2 Grenzfläche, die noch nicht benetzt sind und durch die Benetzung (Spreiten) beansprucht werden. Nach dem Spreiten der Tropfen beträgt die Grenzfläche gegenüber Luft 900 mm2, d.h., sie ist 734 mm2 größer als die der Tropfen gegenüber Luft. Das ist eine gewaltige Erhöhung der Grenzfläche. Die Grenzflächenenergien der Flüssigkeitstropfen müssen also so niedrig sein, dass die Arbeit der Ausbildung dieser neuen Oberflächen auf dem Substrat geleistet werden kann. D.h., der Zustand nach der Wechselwirkung der Flüssigkeitsmoleküle mit den funktionellen Gruppen der Oberfläche muss energieärmer sein, als der Zustand, bei dem nur Wechselwirkungen der Flüssigkeitsmoleküle untereinander bestehen. Maximale Wechselwirkung zwischen Molekülen bedeutet aber, das σsl minimal wird, d.h. gegen null geht. Dies wiederum bedeutet, dass für eine optimale Benetzung (S>0) σsg > σlg sein muss. Im Umkehrschluss heißt dies: Damit ein Beschichtungsstoff das Substrat optimal benetzt, muss dessen Oberflächenenergie geringer sein als die des Substrats. Prinzipiell bedeutet eine niedrige Oberflächenenergie eines Beschichtungsstoffes, eine gute Benetzung eines Substrats. Allerdings sollte auch die Grenzflächenspannung (σsl) zwischen Flüssigkeit und Substrat möglichst klein sein. Die Geschwindigkeit der Spreitung wird durch Kapillarkräfte, die Gewichtskraft und die Viskosität der Flüssigkeit bestimmt [69]. Davon lässt sich lacktechnisch nur die Viskosität beeinflussen.
4.3.3
Einflüsse auf die Benetzung
Weil im Allgemeinen gilt, dass eine niedrige Oberflächenspannung eines Beschichtungsstoffes eine der besten Voraussetzungen für eine gute Substratbenetzung ist, wurden zur Formulierung von Be-
Abbildung 4.8: Verdeutlichung der Modellrechnung: Spreiten von Tropfen
59
Applikation schichtungen schon immer die Substanzen bevorzugt, die eine niedrige Oberflächenspannung aufweisen. Das sind vor allem unpolare Verbindungen, da zwischen unpolaren Molekülen fast ausschließlich van-der-Waals-Wechselwirkungen auftreten. Es braucht also wenig Energie, die Oberfläche dieser Flüssigkeiten zu vergrößern. Unpolare Verbindungen enthalten vor allem aliphatische Ketten. Deshalb waren die oxidativ vernetzenden Öle (Kapitel 6.5.5) die Basis der ersten Beschichtungsstoffe mit gutem Eigenschaftsprofil. Ein Nachteil solcher Verbindungen ist, dass sie nur ziemlich weiche Filme mit geringerer Diffusionsdichte und damit geringerer Beständigkeit bilden. Daher wurde schon immer versucht, diesen Nachteil durch Kombinationen mit härteren, aber auch möglichst unpolaren Bindemittelkomponenten zu kombinieren. Diese Methode zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Geschichte der Entwicklung der Bindemittel für Beschichtungsstoffe. Oxidativ vernetzende Öle wurden mit Naturharzen (Kolophonium, Kopale) und ihren Modifikationen (Hartharze, Harzester) kombiniert, die härter, aber ebenfalls relativ unpolar sind. Phenolharze (Resole) wurden mit Holzöl verkocht. Alkydharze bestehen aus harten, verzweigten Phthalsäureestern und unpolaren Fettsäuren. Gesättigte Polyester gewannen an Bedeutung, als dafür Diole mit längeren aliphatischen Ketten oder Seitenketten großtechnisch zur Verfügung standen. Aus dem gleichen Grund werden Bindemittel mit cycloaliphatischen Bausteinen hergestellt, die weniger polar sind als solche mit aromatischen Bausteinen, aber eine höhere Härte besitzen als Bindemittel, die bevorzugt aliphatische Bausteine enthalten. Acrylatharze enthalten oft Acrylester bzw. Methacrylester mit längeren aliphatischen Seitenketten. Viele Polyurethane bestehen aus längeren, meistens unpolaren Weichsegmenten und polaren Hartsegmenten. Solche Kombinationen werden in der Literatur als optimale Kompromisse für Härte und Flexibilität beschrieben [70], [71]. Der Aspekt der Benetzung wird dabei meistens nicht erwähnt. Auch unpolare Lösemittel, d.h. Lösemittel mit niedrigen Oberflächenspannungen, unterstützen die Benetzung und werden daher für lösemittelhaltige Beschichtungsstoffe bevorzugt verwendet (aliphatische Kohlenwasserstoffe, Terpen-Kohlenwasserstoffe, aromatische Kohlenwasserstoffe). Im Zuge der Umstellung von lösemittelhaltigen Lacksystemen auf wasserbasierte Lacke ergaben sich Probleme, was die Benetzung des Substrats durch die flüssige Phase angeht. Wasser erscheint mit seiner hohen Oberflächenspannung zunächst wenig geeignet, Substrate effektiv zu benetzen. Die Oberflächenspannung muss für eine gute Benetzung reduziert werden. Dies wird durch Additive erreicht. Oberflächenaktive Additive wie „Substratnetzadditive“ (engl. surfactants) oder Tenside besitzen einen polaren und einen unpolaren Teil und können so eine Grenzschicht zwischen Wasser und Luft bzw. Substrat aufbauen. Die Oberflächenspannung der Flüssigkeit wird erniedrigt. Die wässrigen kolloidalen Polymerlösungen besitzen für die Emulgierung des Polymers ionische Trägergruppen, und haben deshalb selbst einen Tensid-ähnlichen Charakter, was die Oberflächenenergie des Polymers erniedrigt und dessen Benetzung fördert. Meistens reicht diese Modifikation jedoch nicht aus, weshalb auch bei diesen Verbindungen Substratnetzadditive verwendet werden. Ein Nachteil bei der Verarbeitung von Lacken, die oberflächenaktive Stoffe enthalten, besteht allerdings darin, dass solche Stoffe durch Reduktion der Oberflächenspannung nicht nur die Kompatibilität des Beschichtungsmittels zum Substrat verbessern, sondern auch zur Luft. Dies führt dazu, dass Luftblasen, die z.B. beim Rühren in das Beschichtungsmittel eingearbeitet werden, durch die Rührenergie in kleinere Luftblasen zerteilt werden, was einer Oberflächenvergrößerung der Grenzfläche Luft/Flüssigkeit entspricht. Die für diese Oberflächenvergrößerung benötigte Energie ist so gering (geringe Oberflächenspannung durch die Tenside), dass sie durch das Rühraggregat aufgebracht werden kann. Die Luft wird somit als Schaum im Beschichtungsmittel stabilisiert. Deshalb weisen Beschichtungssysteme mit oberflächenaktiven Substanzen immer auch eine größere Tendenz zur Ausbildung und Stabilisierung von Schaum auf.
60
Verlauf
5 Applikationseigenschaften Viele Eigenschaften des ausgehärteten Lackfilmes werden durch das Verhalten des flüssigen Beschichtungsstoffes während der Applikation bestimmt. Dieses Verhalten liegt in der molekularen Struktur des Beschichtungssystems begründet. Dies soll in den folgenden Kapiteln veranschaulicht und begründet werden.
5.1 Verlauf Unter „Verlauf“ versteht man die Ausbildung mehr oder weniger glatter Filmoberflächen nach der Applikation und nach dem Spreiten des Lackmaterials auf der Oberfläche eines Substrats. Die Voraussetzung für einen guten Verlauf ist eine optimale Benetzung, d.h. eine effektive Wechselwirkung zwischen Oberfläche und Lackmaterial. Diese Wechselwirkung muss so groß sein, dass sie der Erdanziehung entgegenwirken kann, denn sonst wäre es nicht möglich, vertikale Flächen von Substraten zu beschichten (siehe Kapitel 5.2). Wenn vorausgesetzt wird, dass eine optimale Wechselwirkung zwischen Substrat und Lackfilm besteht, bildet eine glatte Oberfläche des applizierten Lackfilms die geringste Oberflächenausdehnung (Grenzfläche gegen Luft) und daher einen energieärmeren Zustand gegenüber einer strukturierteren Oberfläche. Deshalb haben Lackfilme die Tendenz, Unregelmäßigkeiten in der Substratoberfläche durch eine homogene Schicht auszugleichen. Eine optimale Spreitung ist auch von der Viskosität des applizierten Films abhängig. Je nach Applikationsverfahren und Viskosität ist es möglich, dass Grenzen der Spreitung sichtbar erhalten bleiben. Das Resultat ist dann ein nicht optimal verlaufener Film. Die Strukturen können beispielsweise durch das Applikationsverfahren entstehen. Pinsel-, Roller- und Walz-Auftragsverfahren können Strukturen hinterlassen.
5.1.1 Orangenhaut Wenn bei Spritzverfahren die Benetzung oder der Verlauf nicht optimal sind, entsteht eine unregelmäßige Oberflächenstruktur, die der Oberfläche einer Apfelsinenschale ähnelt – die Apfelsinenschalen-Struktur (Orangenhaut, orange peel effect). Die Abbildung 5.1 zeigt ein Beispiel eines solchen Effekts. Die Durchmesser der flachen Erhebungen können bis zu mehreren Millimetern betragen. Sowohl bei der physikalischen Trocknung von Lacken als auch bei der chemischen Vernetzung der Bindemittel im Lackfilm ändert sich die Dichte des Lackfilms – in beiden Fällen kommt es zu einer Kontraktion. Je nach Viskosität der Lackfilme bei diesen Vorgängen können strukturierte Filme entstehen und damit ein ungenügender Verlauf. Bei ungenügendem Verlauf kann dann die Strukturierung der Filme aus einer wellenförmigen Oberflächenstruktur bestehen. Dabei können sich kürzere oder längere Wellen ausbilden. Es ist möglich diese Wellenstruktur mechanisch, oder auch über die Reflexion von Licht zu analysieren (Wave-Scan).
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Applikationseigenschaften
Abbildung 5.1: Orangenhaut, Orange-Peel (Aufnahme ZHAW)
Das Prinzip ist in Abbildung 5.2 dargestellt. Je nach Oberflächenbeschaffenheit wird das Laserlicht von einem Detektor gebündelt oder aufgefächert empfangen oder es wird am Detektor vorbeireflektiert. Aufgrund der Bewegung des Detektors über die Oberfläche kann über eine Fourier-Analyse auf die Welligkeit der Oberfläche zurückgeschlossen werden. Wellen mit Amplituden von 0,3 bis 1,2 mm werden als Short-Waves, mit 1,2 bis 12 mm als Long-Waves klassifiziert Das beobachtende Auge akzeptiert am ehesten die längeren Wellen [72]. Wenn diese längeren Wellen nur gering ausgeprägt sind, können sie sogar den positiven Eindruck der „Fülle“ erwecken (siehe Kapitel 5.6). Kürzere Wellen fallen dem menschlichen Auge negativ auf. Sehr kurze Wellen beeinträchtigen den Glanz (siehe Kapitel 5.4). Neuere Messsysteme zerlegen das Sensorsignal nicht nur in Kurzund Langwellen, sondern in fünf verschiedene Wellenbereiche Wa bis We [73]. Damit lässt sich das Erscheinungsbild von Lacken, die sogenannte „Appearance“ (siehe Kapitel 5.5), recht gut beschreiben. Die Welligkeit spielt eine große Rolle, wenn der Fokus des Auges auf die Lackoberfläche gerichtet ist.
Abbildung 5.2: Bénard-Zellen in einem transparenten
Abbildung 5.3: Reflexionsmessung von Licht an wellenförmigen Oberflächen (wave-scan)
62
Lack (Bild ZHAW)
Verlauf
5.1.2
Bénard-Zellen
Ein weiteres Phänomen, das das Erscheinungsbild beeinflusst, hat neben der Oberflächenspannung auch mit Temperaturunterschieden beim Einbrennprozess zu tun. Die Oberflächenspannung eines Lösemittels sinkt normalerweise mit höherer Temperatur. Ist die Temperaturverteilung nicht ganz gleichmäßig, fließt Material von Gebieten mit höherer Oberflächenspannung zu Bereichen mit tieferen Oberflächenenergien. Es bildet sich ein Konvektionsstrom im noch flüssigen Lack aus. Dieser führt zur Ausbildung meistens hexagonaler Strukturen im Lack (siehe Abbildung 5.2). Besonders deutlich sind diese Strukturen bei pigmentierten Lacken zu sehen, da sich die Pigmente an den Grenzflächen ablagern und somit als wabenförmige Verlaufsstörungen in Erscheinung treten. Sie werden als Bénard-Zellen bezeichnet.
5.1.3
Einfluss der Viskosität
Einen großen Einfluss auf den Verlauf hat die Viskosität während der physikalischen Trocknung und der chemischen Vernetzung von Filmen. Es ist wichtig, dass ein ausreichender Verlauf stattgefunden hat, bevor die Viskosität so hoch wird, dass das Filmmaterial nicht mehr mobil genug dafür ist. Bei Einbrennlacken ist jedoch zu beachten, dass die Viskosität nicht nur durch das Verdunsten der Lösemittel beim Ablüften erhöht wird, sondern aufgrund der Temperaturerhöhung beim Einbrennen durchaus auch nochmals sinken kann. Dies kann den Verlauf auch nach dem Ablüften nochmals stark verändern (siehe Abbildung 5.4).
5.1.4 Verlaufsadditive Fast alle gebräuchlichen Decklacke und Klarlacke sowie auch einige Lacke für Zwischenschichten (Füller) enthalten Additive, die den Verlauf verbessern sollen. Verlaufsverbessernde Additive sind vor allem Silikonöle (Polydimethylsiloxane). Des Weiteren werden bestimmte Acrylatpolymere verwendet. Polydimethylsiloxane sind sehr unpolar, d.h., ihre Oberflächenenergie ist sehr gering. Sie besitzen keine Schmelztemperaturen und sehr niedrige Glasübergangstemperaturen (ca. -120 °C). Allerdings sind sie mit keinen anderen Bindemitteln verträglich. Aufgrund der niedrigen Oberflächenenergie der Polydimethylsiloxane und der Unverträglichkeit erzeugen sie in allen Lacksystemen Filmstörungen (Krater und andere Verlaufsstörungen). Dies wurde früher gezielt bei den „Hammerschlaglacken“ eingesetzt. Der Effekt ist umso größer je höher die Molmassen der Polydimethylsiloxane sind. Die Kontamination mit Silikonen („Silikonpest“) ist sehr gefürchtet, weil sie als flüssige Produkte nur sehr schwer abzutrennen sind. Es wird deshalb beträchtlicher Aufwand betrieben, um eine Kontamination da- Abbildung 5.4: Viskositätsverlauf bei der Applikation eines mit zu vermeiden (siehe Kapitel 5.8). Einbrennlackes
63
Applikationseigenschaften Trotzdem enthalten sehr viele Lacke Silikonöle als Verlaufsmittel oder als Additive zur Untergrundbenetzung. Silikonöle als Verlaufsmittel sind so modifiziert, dass sie mit den Bindemitteln besser verträglich werden. Es gibt verschiedene Modifikationen, diese sind in Abbildung 5.5 schematisch zusammengefasst: Ein Teil des Silikongerüstes kann durch lange Seitenketten (Einheit v bzw. w in Abbildung 5.5) ersetzt werden. Durch Umsetzung von Hydroxypropylsilanen mit Ethylenoxid (E/O) oder Propylenoxid (P/O) entstehen Polyether-Seitenketten. Während das Silikonrückgrat stark unpolar ist, ist Polyethylenoxid (E/O, Wiederholeinheit n bzw. r) stark polar. Polypropylengoxid dagegen (P/O Wiederholeinheit o oder s) ist unpolar. Über das Verhältnis E/O zu P/O kann deshalb die Polarität und Verträglichkeit genau eingestellt werden. Einfacher zu synthetisieren sind E/O- bzw. P/O-Einheiten, die über eine Silylether-Einheit (Einheit y) mit dem Rückgrat verbunden sind. Allerdings ist die Silylethereinheit (y) nicht hydrolysestabil. Deshalb ist es von Vorteil, die E/O- und P/O-Ketten über Alkyleinheiten an das Silikongerüst anzubinden (Einheit x), was zu besseren Beständigkeiten führt. Ebenfalls besser beständig als Polyether-Ketten sind Polyesterketten (Einheit z). Sie erhöhen die Temperaturbeständigkeit der Silikonadditive deutlich. Früher wurde angenommen, dass die Zugabe von Silikonölen die Oberflächenspannung des gesamten Lacksystems erniedrigt, aber bei den geringen Zugabemengen dieser Additive ist diese Hypothese nicht haltbar. Viel wahrscheinlicher ist, dass der Wirkung von Silikonölen als Verlaufsmittel ein dynamischer Prozess zu Grunde liegt: Das Silikonöl ist zunächst im gesamten Lacksystem verteilt. Bei der physikalischen Trocknung separiert sich das Silikonöl in kleinen Tröpfchen, die dann an die Oberfläche der Filmschicht ausschwimmen. Dort beginnen sie aufgrund der geringen Oberflächenspannung sehr effektiv zu spreiten. Der Ablauf ist in Abbildung 5.6 links dargestellt. Bei der Spreitung der Silikonöl-Tröpfchen werden eventuell vorhandene Unebenheiten der Filmoberfläche verschoben und geglättet (Abbildung 5.6 rechts). Es existieren Ansätze, das an der Oberfläche gespreitete Silikonöl zu fixieren, um dadurch die Gleitfähigkeit zu erhöhen und – daraus folgend – die (scheinbare) Kratzbeständigkeit zu verbessern. Dann ist jedoch eine Überarbeitung der betreffenden Lackschicht nicht mehr möglich, denn die fixierte Silikonölschicht verhindert eine ausreichende Zwischenhaftung. Da fast alle Decklack- und Klarlacksysteme gelegentlich überarbeitet werden müssen, wird von den Silikonölen als Verlaufsmittel gefordert, dass sie von einer nächsten Schicht bei deren Applikation leicht aufgenommen werden können, um dann darin bei der physikalischen Trocknung erneut aufzuschwimmen.
Abbildung 5.5: Mögliche Funktionalisierungen von Silikonadditiven
64
Ablaufverhalten Polyethermodifizierte Silikonöle können auch für wässrige Lacksysteme verwendet werden. Sie wirken dort ähnlich wie in lösemittelhaltigen Systemen. Einige Silikonöl-Typen zersetzen sich aufgrund der Modifizierung bei höheren Temperaturen (ab 180 °C). Dann können alternativ Polyacrylate als Verlaufsmittel verwendet werden. Polyacrylate als Verlaufsmittel sind relativ hochmolekular und bestehen aus Monomeren von Acrylsäureestern mit längeren aliphatischen Seitenketten (z.B. aus 2-Ethylhexylacrylat). Diese sind besser temperaturbeständig als die entsprechenden Silikonöle. Sie werden daher für Einbrennlacke verwendet, die bei höheren Temperaturen vernetzen, z.B. für Coil-Coating- und Can-Coating-Lacke sowie für Pulverlacke. Die Wirkung ist ähnlich wie bei den Silikonölen. Die Polyacrylate schwimmen aus und spreiten an der Oberfläche. Im Gegensatz zu den Silikonen sind sie weniger empfindlich gegenüber Dosierungsfehlern. Die Polyacrylate sind hauptsächlich für lösemittelhaltige Systeme geeignet. Es finden sich allerdings auch Produkte auf dem Markt, die zusätzlich COOH-Gruppen enthalten. Nach der Neutralisation erzeugen sie dann Wasserverträglichkeit, so dass solche Produkte auch für wässrige Lacksysteme verwendet werden können. Der Effekt der Glättung des Films durch das Spreiten von Verlaufsmitteln hängt auch von der Viskosität des Films ab. Es ist deshalb sinnvoll, den Film relativ lange offen (niederviskos) zu halten, so dass ein optimaler Verlauf gewährleistet ist. Dies geschieht vor allem durch Verwendung kleinerer Anteile relativ hoch siedender, d.h. langsamer verdunstender Lösemittel. Die Auswahl der Lösemittel hängt natürlich von den geforderten Filmbildungsbedingungen ab. So sind für Einbrennlacke Lösemittel mit höheren Verdunstungszahlen zur Unterstützung eines guten Verlaufs zu wählen als für Lacke, die bei Umgebungstemperaturen Filme bilden sollen.
5.2 Ablaufverhalten Wenn Lacke auf vertikale Flächen aufgebracht werden, wirkt die Schwerkraft der Benetzung entgegen. Ab einer bestimmten Schichtdicke wird das Material der Schwerkraft folgen und ablaufen.
Abbildung 5.6: Wirkung von Silikonölen bei der physikalischen Trocknung
65
Applikationseigenschaften Es entstehen Läufer, wie in Abbildung 5.7 dargestellt. Es kann auch sein, dass sich ganze Schichten wie Gardinen nach unten verschieben. Von vielen Lacken wird allerdings gefordert, dass sie in hohen Schichtstärken aufgebracht werden können, ohne abzulaufen. Dies wird als „Stehvermögen“ bezeichnet. Dickere Schichten garantieren eine hohe Abdeckung des Untergrundes. Das Stehvermögen wird durch – die Benetzung (s.o.) – die Applikationstechnik – die Viskosität (Rheologie) des Lackes bestimmt.
5.2.1 Applikationstechnik Die Tendenz zur Bildung von Läufern kann bei Spritzverfahren mit applikationstechnischen Maßnahmen reduziert werden. Es gibt weniger Läufer, wenn relativ „trocken“ gespritzt wird (weniger Lackmaterial, mehr Begleitluft). Dadurch verlieren die Lacktröpfchen schon vor dem Auftreffen auf das Substrat an Lösungsmittel, die Viskosität auf dem Substrat ist bereits erhöht, was zu geringerer Läuferbildung führt. Allerdings wird für die Beschichtung mehr Zeit benötigt, um die geforderte Schichtdicke zu erreichen.
5.2.2
Abbildung 5.7: Läuferbildung
66
Rheologie
Je höher die Viskosität der Lackschicht ist, desto geringer ist die Ablaufneigung. Zur Verbesserung des Stehvermögens werden daher rheologisch wirkende Additive verwendet. Die Additive erzeugen eine Strukturviskosität, d.h., die Viskosität bei niedrigem Schergefälle wird erhöht. Dabei ist es wichtig, dass die Viskosität im verarbeitungsfähigen Zustand nicht sonderlich erhöht wird. Ansonsten müsste der Applikationsfestkörper gesenkt werden, um die geforderte Applikationsviskosität zu erreichen, was zu einer geringeren Auftragsmenge führte. Ebenfalls wäre ein guter Verlauf nicht mehr gewährleistet. Erst bei der physikalischen Trocknung, d.h., wenn die Konzentration des Additivs steigt, sollte eine Anhebung der Viskosität zum Tragen kommen. Solch ein Verhalten ist in der Abbildung 5.8 dargestellt. Oft werden Additive verwendet, die nicht nur ein strukturviskoses, sondern auch ein thixotropes Verhalten zeigen.
Ablaufverhalten Dies bedeutet, dass der Lack direkt nach der Applikation noch eine geringe Viskosität besitzt, so dass ein guter Verlauf zustande kommen kann, die Viskosität sich dann zeitverzögert aufbaut, so dass ein Ablaufen der noch nicht gehärteten Beschichtung verhindert wird.
Wirkungsweise von Rheologieadditiven
Allen Rheologieadditiven ist gemeinsam, dass zwischen Teilchen (Molekülen oder Partikeln) Wechselwirkungen ausgebildet werden, die durch Scherung aufgebrochen werden können. Sind diese Wechselwirkungen wirksam, ist die Viskosität erhöht, werden sie zerstört, bricht die Viskosität zusammen. Auch einige Pigmente können rheologisch wirken, indem sie die Viskosität bei niedrigem Schergefälle erhöhen. Dies sind insbesondere plättchenförmige Füllstoffe wie Talkum, Kaolin und Glimmer. Zur Einteilung der Verdickertypen muss man unterscheiden, ob ein wässriges oder lösemittelhaltiges Lacksystem vorliegt. In lösemittelhaltigen Systemen werden gerne partikuläre Verdicker eingesetzt, in wässrigen Systemen können sowohl partikuläre als auch molekulare Verdicker zum Einsatz kommen.
Lösemittelhaltige partikuläre Systeme Für lösemittelhaltige Systeme werden oft kolloidale Kieselsäuren eingesetzt. Ebenso sind Schichtsilikate, die so modifiziert sind, dass sie in Lösemitteln aufquellen (z.B. Bentonite mit Alkanolaminen),
Abbildung 5.8: Wirkung rheologischer Additive: Das Additiv erhöht die Viskosität bei niedrigem Schergefälle und damit das Stehvermögen des noch nicht vollständig getrockneten Lacks. Dies ist insbesondere bei Einbrennprozessen wichtig, weil durch Temperaturerhöhung die Viskosität normalerweise sinkt.
67
Applikationseigenschaften Tabelle 5.1: Verdickermechanismen der wichtigsten Verdickerklassen für wässrige Systeme Verdicker Polyurethane (HEUR)
Assoziativ
Nicht assoziativ
X
Gering
Polyacrylate
–
X
Hydrophob modifizierte Acrylate (HASE)
X
X
Hydrophob modifizierte Polyetherverdicker (HMPE)
X
–
Celluloseether
–
X
Hydrophob modifizerte Celluloseether (MMHEC)
X
X
HEUR: HASE: HMPE: HMHEC:
Hydrophobically Modified Ethyleneoxide, Urethane Rheology Modifier Hydrophobically Modified Alkali Swellable Emulsion Hydrophobically Modified Polyether Hydrophobically Modified Hydroxyethylcellulose
erhältlich. Auch werden Polyethylen-Copolymerwachs-Dispersionen, Dispersionen kristalliner Harnstoffe und Polyamid-Dispersionen angeboten. Die Polyethylen-Copolymerwachs-Dispersionen und die kristallinen Harnstoffe werden auch zur Fixierung von Effektpigmenten in Automobilbasislacken (Kapitel 7.6) verwendet. Die kristallinen Harnstoffe werden ausdrücklich als „SCA (sag control agents)“ bezeichnet. Produkte, die durch molekulare Wechselwirkung die Rheologie von lösemittelhaltigen Lacken beeinflussen sind Polyurethane, organische Aluminiumsalze und hydriertes Rizinusöl.
Wässrige Lacksysteme Produkte für wässrige Lacksysteme, die partikulär wirken, sind hydrophobierte(!) kolloidale Kieselsäuren und wasserquellbare Schichtsilikate (Montmorillonit, Hectorit). Bei den molekularen Verdickern für wässrige Systeme unterscheidet man in assoziative und nicht assoziative Verdicker. Assoziative Verdicker bilden Wechselwirkungen zwischen den anderen Bestandteilen des Lackes aus, nicht assoziative Verdicker wechselwirken mit sich selbst (Verschlaufungen der Polymere). Hier bestimmt hauptsächlich das Molekulargewicht die Wirksamkeit des Verdickers. Assoziativverdicker können selbstverständlich je nach verwendetem Polymer zusätzlich auch einen nicht assoziativen Verdickungsmechanismus besitzen. Zu den Assoziativverdickern gehören kolloidale Lösungen neutralisierter Carboxylgruppen enthaltender Polyacrylate („ASE“, alkali swellable emulsions) und hydrophobierte wasserlösliche Polyacrylate („HASE“, hydrophobically modified alkali soluble emulsions). Weitere assoziativ wirkende Verdicker sind Polyurethane, die aus Polyethylenglykolen (Weichsegment), hydrophoben Diisocyanaten und hydrophoben Endgruppen bestehen („HEUR“, hydrophobically modified ethylene-oxide urethanes). Oft besitzen besonders stark wirkende Verdicker hydrophobe Segmente. Diese sind mit der Wasserphase nicht verträglich, wechselwirken jeoch stark untereinander und auch mit den Polymeren und organischen Pigmenten, so dass sich ein Netzwerk zwischen den Lackbestandteilen aufbaut, das durch die Verdickermoleküle verbrückt wird. Je länger die hydrophoben Ketten sind, desto stärker ist diese Wechselwirkung, aber auch desto langsamer bilden sich die Assoziate wieder neu, wenn sie durch Scherung zerstört wurden. Damit wird die Viskosität stark scherkraftabhängig, die Formulierung wird pseudoplastisch. Bei kurzen hydrophoben Kettensegmenten bilden sich die Assoziate wieder schnell aus, die verdickte Lackformulierung verhält sich eher newtonisch. Damit lassen sich die Viskositätseigenschaften über die Art des verwendeten Verdickers sehr genau steuern.
68
Ablaufverhalten Tabelle 5.2: Stärken und Schwächen nichtassoziativer Verdicker Bindemittelklasse
Stärken
Schwächen
Celluloseether
Sehr gute „Low-Shear“-Stabilisierung Unempfindlich gegen pH-Wert, Cosolventien und Emulgatoren Erzeugt Wasserretention Hochwirksam
Kein Einfluss auf die „High-Shear“-Viskosität Empfindlich gegenüber enzymatisch induziertem Abbau Negativer Einfluss auf die Wasserbeständigkeit
Acrylatverdicker
Gute „Low-Shear"-Verdickung Unempfindlich gegenüber Cosolventien und Emulgatoren Biostabil Billig
Kein Einfluss auf die „High-Shear“-Viskosität Empfindlich gegen Schwankungen im pH-Wert Keine Wasserretention Benötigt Basen (Ammoniak, Amine ...) zur Neutralisation Negativer Einfluss auf die Wasserbeständigkeit
Tabelle 5.3: Stärken und Schwächen von Assoziativverdickern Stärken
Schwächen
PU-Verdicker
Sehr gute „High-Shear“-Wirksamkeit Unempfindlich gegen pH-Schwankungen Keinen Einfluss auf die Wasserbeständigkeit UV-stabil (bei aliphatischen Typen)
Moderate „Low-Shear“-Stabilisierung Empfindlich gegen Lackinhaltsstoffe wie Cosolventien und Emulgatoren
Hydrophob modifizierte Acrylate
Sehr gute „Low-Shear“-, moderate „High-Shear“-Wirksamkeit Biostabil Relativ preiswert
Empfindlich gegenüber pH-Schwankungen Keine Wasserretention Benötigt Basen zur Neutralisation Negative Beeinflussung der Wasserbeständigkeit
Hydrophobe Gute „Low-Shear“-, modifizierte moderate „High-Shear“-Wirksamkeit Celluloseether Unempfindlich gegen pH-Schwankungen Erzeugt Wasserretention Sehr effizient
Empfindlich gegenüber enzymatisch induziertem Abbau relativ teuer
Als nicht assoziativ verdickende Rheologieadditive werden in der Lacktechnik hauptsächlich Cellulosederivate und Acrylatverdicker verwandt. Die Cellulosederivate finden vor allem für wässrige Bautenlacke Anwendung. Dies sind insbesondere Methylcellulose (Methylether von Cellulose), Hydroxyethylcellulose (Umsetzungsprodukte von Cellulose und Ethylenoxid) und alkali-neutralisierte Carboxymethylcellulose (aus Alkalicellulose und Chloressigsäure). Diese Produkte wirken nicht nur bei der Vermeidung von Läufern, sondern glätten die sehr steilen Viskositätskurven der Dispersionsbindemittel (siehe Abbildung 2.10), was für die Verarbeitung der Bautenlacke (Streichen, Rollen) von Vorteil ist. Eine genauere Übersicht über Verdicker und deren chemische Strukturen findet man z.B. in [74]. Tabelle 5.1 stellt die wichtigsten Verdickersysteme und deren Verdickermechanismus zusammen [75]. In den beiden folgenden Tabellen (Tabelle 5.2 und siehe Tabelle 5.3) sind wichtige Vor- und Nachteile der einzelnen Bindemittelklassen aufgelistet, übernommen aus [76].
69
Applikationseigenschaften Typ und Menge des rheologisch wirkenden Additivs sollten natürlich so ausgewählt werden, dass der Verlauf und der Glanz der Lackschicht nicht sonderlich beeinträchtigt werden.
5.3
Kantenflucht
Rheologisch wirkende Additive werden auch zur Vermeidung der Kantenflucht verwendet. „Kantenflucht“ entsteht, wenn während der physikalischen Trocknung und der chemischen Vernetzung der Beschichtungsstoff kontrahiert und dabei von den Kanten abgezogen wird, insbesondere dann, wenn die Benetzung nicht optimal ist. Es entsteht dabei eine Wulst in geringem Abstand von der Kante, während die Kante und die unmittelbar angrenzenden Bereiche freiliegen. Deshalb ist der Effekt auch als Bilderrahmeneffekt bekannt. Dieser Prozess verläuft innerhalb von Sekunden. Erklären lässt sich dies wieder mit der Oberflächenspannung. Wie in Abbildung 5.9 dargestellt, kann der Beschichtungsfilm an einer Kante im Volumenelement über der Kante direkt nach dem Beschichten deutlich weniger Wechselwirkungen zum Substrat ausbilden, als das sonst auf der Fläche möglich ist. Dies ist umso ausgeprägter, je enger die Radien der Kante sind. Damit ist für die Flüssigkeit die Situation ähnlich wie in einem Flüssigkeitstropfen. Es entsteht an der Kante ein „Kapillardruck“ in diesem gekrümmten Volumenelement, der die Flüssigkeitsmoleküle von der Kante wegtreibt [77] hin zu den Bereichen, die eine bessere Benetzung bieten. In diesen Bereichen ist nun mehr Lackmaterial vorhanden, dem nichts anderes übrigbleibt, als ebenfalls eine gekrümmte Form anzunehmen. Damit wird die Oberflächenenergie für dieses System minimiert. Die durch den Kapillardruck ausgelöste Strömung muss allerdings Arbeit gegen den inneren Widerstand verrichten. Dieser ist vor allem durch die Viskosität der Flüssigkeit bestimmt. Deshalb werden bessere Ergebnisse zum Bekämpfen der Kantenflucht oft mit der Erhöhung der Viskosität erzielt. Eine Absenkung der Oberflächenspannung verschafft nur begrenzt Abhilfe. Da der Prozess des Wegziehens von der Kante so schnell geht, muss die Viskosität bereits beim Zeitpunkt der Beschichtung hoch sein. Dies geht allerdings dann zu Lasten des Verlaufs. Auch kann es sein, dass die Kantenflucht beim Einbrennen durch die Viskositätserniedrigung des Beschichtungsmaterials bei höherer Temperatur erneut auftritt. In bestimmten Situationen ist es nötig, die Kanten abzuflachen, damit ein einheitliches Beschichtungsbild entsteht. Auch die aufgebrachte Schichtstärke zeigt einen deutlichen Einfluss auf die Kantenflucht [77]. Bei der Kantenflucht geht die Schutzfunktion des Lackes an der Kante des Substrats weitgehend verloren, dann kann dort leicht Korrosion aufgetreten. Als Abhilfe kann durch elektrostatische Beschichtung mehr Material auf die Kante aufgebracht werden (Kantenschutz).
Abbildung 5.9: Entstehung der Kantenflucht
70
Glanz Tabelle 5.4: Empfohlene Messgeometrien für unterschiedliche Glanzstufen Glanzgrad
60°-Wert
Empfohlene Messgeometrie
Hochglanz
> 70 GE
20°-Geometrie
Mittelglanz
10 < GE < 70
60°-Geometrie
< 10 GE
85°-Geometrie
Matt
5.4 Glanz Der Glanz einer Lackschicht wird physikalisch durch den Anteil der Lichtreflexion von der Oberfläche der Beschichtung in Richtung eines Betrachters beschrieben [78]. Gemessen wird der Glanz, indem die Intensität der Reflexion eines gerichteten, fokussierten Lichtstrahls unter verschiedenen Einstrahlwinkeln (meistens 60° und 20°, für matte Oberflächen auch 85°) bestimmt wird [79] (siehe Abbildung 5.10). Der Glanz ist abhängig vom Brechungsindex der Oberfläche, deshalb wird der Glanz in „Glanzeinheiten“ (Gloss Units, GU) angegeben, bezogen auf einen Glasstandard mit definiertem Brechungsindex [79], [80]. Betrachtet man die Messmethode, wird klar, dass je nach Glanzstufe unterschiedliche Winkel zur Interpretation der Ergebnisse herangezogen werden müssen. Grob lässt sich die zu verwendende Messgeometrie wie in Tabelle 5.4 festlegen [79]: Filme mit höheren Brechungsindices zeigen höhere Glanzwerte. Höhere Brechungsindices besitzen z.B. Bindemittel, die signifikante Anteile an Styrol oder Melamin enthalten. Besonders starke Abhängigkeit zeigt der Glanz jedoch von der Oberflächenrauigkeit. Je glatter eine Lackoberfläche ist, desto höher ist der Anteil des reflektierten Lichts. Eine Voraussetzung für hohe Glanzwerte ist daher ein optimaler Verlauf. Je strukturierter eine Oberfläche ist, desto mehr wird das einfallende Licht diffus reflektiert. In Abbildung 5.10 zeigt die Streubirne schematisch an, welche Intensitäten durch Streuung an einer strukturierten Oberfläche verlorengehen. Wenn eine Oberfläche das Licht nur noch diffus streut, wirkt die Oberfläche matt. Je nach Anwendungsgebiet werden die oben genannten Glanzstufen noch weiter unterteilt. So wurden in der (überholten)
Abbildung 5.10: Prinzip der Glanzmessung. Bei Winkel 60° ist zusätzlich die Streubirne dargestellt, die durch Oberflächenrauigkeit zu Glanzverlust führt.
71
Applikationseigenschaften DIN 53778 [81] (Kunststoffdispersionsfarben für Innen) noch weitere Glanzstufen, nämlich hochglänzend, glänzend, seidenglänzend, seidenmatt, matt, definiert, die sich in Deutschland noch weitgehend gehalten haben. Diese wurde 2001 durch Europäische Norm DIN EN 13300 [82] ersetzt. Diese definiert andere Glanzstufen wie glänzend, mittlerer Glanz, matt und stumpfmatt. In der DIN EN ISO 4618 (2015-01) [83] werden sieben Glanzstufen festgelegt: hochglänzend, glänzend, halbglänzend, seidenglänzend, halbmatt, matt, stumpfmatt. Die „Pigmentierungshöhe“ hat ebenfalls einen deutlichen Einfluss auf die Glanzwerte. Je höher der Pigmentanteil, (die Pigmentvolumenkonzentration , PVK, siehe Kapitel 7.5) ist, desto mehr können Pigmentteilchen die Oberflächenstruktur einer Lackschicht und damit den Glanz beeinflussen. Hochglanz kann nur dann entstehen, wenn die Oberfläche eines Lackfilms aus einer dünnen Schicht Bindemittel besteht, die alle Pigmentteilchen überdeckt. Deshalb sind viele hochglänzende Oberflächen mit einer Klarlackschicht überzogen. Auch eine optimale Verträglichkeit der Bindemittelbestandteile ist eine Voraussetzung für hohe Glanzwerte. Findet Entmischung der Bindemittelbestandteile durch Unverträglichkeit statt, bilden sich Phasengrenzen, an denen dann Lichtstreuung stattfindet, was in geringerem Glanz resultiert. Zur Einstellung geringerer Glanzwerte werden „Mattierungsmittel“ verwendet. Der Effekt der Mattierung beruht darauf, dass die relativ großen Partikel die Filmoberfläche deutlich strukturieren, bis dahingehend, dass sie aus der Oberfläche herausragen. Die Einarbeitung (Benetzung) der Mattierungsmittel sollte dabei möglichst vollständig sein. Vor allem kommen hier Kieselsäuren (Siliciumdioxide) zur Anwendung. Diese bestehen aus relativ großen Teilchen (5 bis 15 µm, Mittelwert aus der Laserbeugung) und breiter Teilchengrößenverteilung. Zudem kann die Partikelgröße durch Agglomeration noch erhöht werden. Um deutlich matte Oberflächen zu erreichen, müssen die Zugabemengen relativ hoch sein. Üblicherweise werden 5 bis 12 Masse% auf das Lacksystem eingesetzt. Für eine bessere Verträglichkeit mit dem Bindemittel sind ebenfalls organisch nachbehandelte Siliziumdioxide als Mattierungsmittel erhältlich. Auch die chemische Zusammensetzung des Lacksystems hat Einfluss auf den Glanz oder die Mattierung. So lassen sich Einbrennlacke auf Basis Alkydharz und Melaminharz relativ leicht mattieren, während Zweikomponentenlacke auf Basis Polyester und Polyisocyanataddukten oder UV-Lacke nur sehr schwer zu mattieren sind. In diesen Fällen müssen bis zur drei- bis vierfachen Menge an Mattierungsmittel zugesetzt werden, um den gleichen niedrigen Glanzgrad wie mattierte Alkydharze zu erreichen. Ebenso spielen das Applikationsverfahren und die Filmbildungsbedingungen für die Mattierung eine Rolle. Lacke, die im Spritzverfahren appliziert wurden, besitzen aufgrund der Spritzstruktur niedrigere Glanzgrade als die gleichen Lacke nach manueller Applikation. Einbrennlacke sind deutlich matter als Lacke mit gleicher Additivierung, die bei Umgebungsbedingungen Filme gebildet haben [84]. Weitere Mattierungsmittel sind Polyethylen- und Polypropylenwachse und ihre Copolymere, die in den zu mattierenden Lacken dispergiert werden. Außerdem sind pulverförmige Polymethylenharnstoffe als Mattierungsmittel erhältlich. Es ist grundsätzlich schwierig, aus wässrigen Primärdispersionen glänzende Filme zu bilden, vor allem, wenn diese bei Umgebungstemperaturen appliziert werden, wie dies bei den Bautenlacken der Fall ist. Das liegt daran, dass die Teilchen der Primärdispersionen oberhalb der Mindestfilmbildungstemperatur (MFT, siehe Kapitel 6.1.3) nur am Rand miteinander verschmelzen und daher keine glatte Filmoberfläche bilden, was eine Voraussetzung für glänzende Filme wäre. Das wird noch dadurch verstärkt, dass solche Lacksysteme meistens ziemlich hohe Pigment- und Füllstoffgehalte besitzen.
72
Fülle
5.5 Appearance Unter „Appearance“ eines Lacksystems wird der subjektive, visuelle Gesamteindruck der Lackoberfläche verstanden. Das englische Wort hat sich eingebürgert, weil die deutsche Übersetzung „Anmutung“ etwas antiquiert wirkt. Der Gesamteindruck besteht aus „Glätte“, „Fülle“ und „Decklackstand“. Dieser wird als eine Summe von „Glanz“, „Schleier“ und „Verlauf“ definiert und wird über die sogenannte „Abbildungsschärfe“ (DOI, distinction of image) ermittelt. Für diese existieren unterschiedliche Messgeräte, die ebenfalls verschiedene Messverfahren nutzen [85], [86], [87]. Im Unterschied zur Glanzmessung ist der Fokus des Auges nicht auf die Menge des gestreuten Lichtes gerichtet, sondern auf ein reflektiertes Bild [88], [89]. Beurteilt wird eine sich spiegelnde Abbildung, die bei hohen DOI-Werten klare Umrisse zeigt, im Gegensatz zu einer unscharfen und verzerrten Abbildung (siehe Abbildung 5.11). Selbst bei gleichen Glanzwerten kann die Abbildungsschärfe unterschiedlich sein. Die Abbildungsschärfe wird vor allem bestimmt durch kleine Strukturen auf der Oberfläche. Sehr feine Strukturen ( 3900
Lackbenzin 21 [Shell]
135 – 175
6,2
22
Lackbenzin 30 [Shell]
145 – 200
3,7
100
Lackbenzin 60 [Shell]
180 – 210
0,8
197
Xylol [Exxon]
139 – 142
7
17
Solvesso 100 [Exxon]
165 – 181
2
35
Solvesso 150 [Exxon]
180 – 205
0,9
120
Solvesso 200 [Exxon]
237 – 285
0,03
> 1000
Terpene
Dipentene [Krems]
165 – 175
2
64
Alkohole
n-Propanol [BASF]
96,5 – 98
19,4
16
Isopropanol [BASF]
82 – 83
43
10
n-Butanol [BASF]
116 – 118
5
33
Isobutanol [BASF]
106 – 108
9
28
sec-Butanol [Evonik]
98,5 – 100,5
12,1
11
2-Ethylhexylalkohol [BASF]
183 – 185
0,14
600
Aromaten
Ketone
Ester
80
Isononanol [BASF]
200 – 207
< 0,1
2000
Methylethylketon [Shell]
79 – 80,5
71,7
3,3
Methylisobutylketon [Shell]
114 – 117
15,2
7,2
Isophoron [Evonik]
210 – 216
0,33
330
Ethylacetat [BP]
76,5 – 78,0
72,8
2,9
n-Butylacetat [BASF]
124 – 128
12,5
12
Isobutylacetat [BASF]
115 – 118
18,2
8
2-Ethylhexylacetat [BASF]
192 – 205
0,28
320
Physikalische Trocknung Tabelle 6.1: Siedebereich, Dampfdruck und Verdunstungszahl gebräuchlicher Lösemittel Siede bereich [°C]
Dampfdruck [hPa] (20 °C, 1013 hPa)
Verdunstungszahl Ether = 1,0
Methoxypropanol [BASF]
119 – 122
13,3
22
Butylglykol [BASF]
168 – 172
0,89
160
Lösemittel Glykolether – Glykolether ester
Referenz
Butyldiglykol [BASF]
228 – 232
0,02
~3500
Methoxypropylacetat [BASF]
145 – 147
3,37
33
Butylglykolacetat [BASF]
184 – 195
0,31
190
Butyldiglykolacetat [BASF]
238 – 248
0,018
> 4000
34,6
433,1
1,0
Diethylether [Evonik]
Dagegen verdunsten Nichtlöser, da sie wenig Wechselwirkungen mit den Polymermolekülen eingehen, aus Lösungen ähnlich schnell wie ohne Polymer. Allerdings können bei Lösemittelgemischen, wie sie für die Lackformulierung üblich sind, auch die Lösemittel untereinander wechselwirken (azeotrope Gemische) [94]. Es kann in der Mischung zu einer Erhöhung aber auch zu einer Erniedrigung des Gesamtdampfdrucks kommen. Die Verdunstungszahlen von Lösemitteln sind daher nur Anhaltspunkte. Nicht nur die Wechselwirkung unterschiedlicher Lösemittelmoleküle, sondern auch die Wechselwirkung der solvatisierten Polymerknäuel untereinander und mit freiem Lösemittel, beeinflusst die Verdunstungsgeschwindigkeit der Lösemittel und damit die Zeit der physikalischen Trocknung. Wenn Polymermoleküle eine besonders große Assoziationsneigung zeigen, werden sie bei der physikalischen Trocknung das Lösemittel zunächst schneller abgeben als andere Polymerlö-
Abbildung 6.3: Lösemittelabgabe unterschiedlicher Polymerlösungen: Bindemittel 2 hat eine größere Assoziationsneigung der Polymerknäuel untereinander als Bindemittel 1
81
Filmbildung sungen. Solche Polymere besitzen allerdings auch oft die Eigenschaft, am Ende des Trocknungsvorgangs Lösemittel in ihrem Molekülverband festzuhalten (Retention). Abbildung 6.4 zeigt schematisch die Lösungsmittelabgabe zweier Polymerlösungen, von denen eine ein Bindemittel enthält, dessen Moleküle stark assoziieren (Bindemittel 2). Bei der Verdunstung der Lösemittel aus einer Filmschicht steigt die Viskosität exponentiell an (siehe Abbildung 6.5). Lösemittel für Beschichtungsstoffe sollten deshalb so ausgewählt werden, dass dieser Viskositätsanstieg eine optimale Spreitung und einen optimalen Verlauf der Filmschicht unter den gewählten Filmbildungsbedingungen zulässt (siehe Kapitel 4.3 und 5.1.3). Ins-
Abbildung 6.4: Verdunstung eines reinen Lösemittels und Menge der Verdunstung des gleichen Lösemittels aus einer Lösung
Abbildung 6.5: Viskosität während der Applikation und der physikalischen (nicht forcierten) Trocknung
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Physikalische Trocknung besondere ist zu beachten, dass sich bei einer Trocknung im Ofen die Lösemittelzusammensetzung aufgrund der unterschiedlichen Verdunstungszahlen der Lösemittel und unterschiedlichen Wechselwirkungen untereinander während der Trocknung deutlich verändern kann, so dass im ungünstigsten Fall das Bindemittel während der Trocknung aus der Beschichtungsmasse ausfällt und es zu keiner genügenden Verfilmung kommt. Die Polymerstränge liegen bei lösemittelhaltigen Beschichtungssystemen kolloidal gelöst vor, die Kolloide sind mit Lösemittel durchdrungen. Bei der Verdunstung/Trocknung werden zuerst die freien Lösemittelmoleküle abgegeben. Dabei kommen sich die Polymerknäuel näher. Da sie noch mit Lösemittel geflutet sind, können sich die Polymerketten noch leicht bewegen, so dass bei genügender Nähe durch die fortlaufende Trocknung die Polymerstränge ineinander verfilzen können. Dabei werden dann im weiteren Verlauf der Trocknung auch die zwischen den Strängen eingelagerten Lösemittelmoleküle abgegeben, was zu einer im Idealfall homogenen Beschichtung führt.
6.1.2 Physikalische Trocknung Wasser enthaltender Beschichtungsstoffe Aufgrund ihrer hohen Polarität bilden Wassermoleküle Assoziate, deren Größe von der Temperatur abhängig ist. Das Assoziationsvermögen von Wassermolekülen ist bei +4 °C am größten, dann hat Wasser seine höchste Dichte. Wasser hat aufgrund der molekularen Assoziation über Wasserstoffbrücken in Relation zur niedrigen Molmasse seiner Einzelmoleküle einen sehr hohen Siedepunkt und auch eine sehr hohe Verdampfungsenthalpie und damit eine vergleichsweise hohe Verdunstungszahl. Die Polarität des Wassers und insbesondere die Autoprotolyse (Aufspaltung H2O H+ + OH-) ist auch der Grund für einen höheren Leitwert im Vergleich zu anderen Lösemitteln. Die Tabelle 6.2 zeigt die physikalischen Daten von Wasser im Vergleich zu anderen gebräuchlichen Lösemitteln. Aufgrund der Hydrophobie der Polymerketten treten Wassermoleküle zwar nicht so intensiv mit den meisten Bindemittelmolekülen kolloidaler wässriger Lösungen in Wechselwirkung (siehe Abbildung 2.7), wie die Lösemittel in organischen Lösungen, aber die hohe Verdampfungsenthalpie von Wasser kann bei der Applikation wässriger Lacksysteme zu Problemen führen. Anteile von Wasser können in der Filmschicht verbleiben. Das häufigste Schadensbild dabei ist die Bildung von Kochern. Kocher entstehen, wenn während der physikalischen Trocknung Einschlüsse von Wasser im Film, der bereits eine relativ hohe Viskosität erreicht hat, schlagartig austreten und dann so genannte Kochblasen oder nadelstichartige Filmfehler auftreten (siehe Kapitel 5.8). Dieses Verhalten kann durch die Viskositäts-Anomalie (Wasserberg, siehe Kapitel 2.3) wässriger Systeme noch verstärkt werden. Formulierungstechnisch kann dem Problem durch Zugabe geeigneter Co-Lösemittel begegnet werden, deren Menge natürlich innerhalb der VOC-Regelungen bleiben muss. Verfahrenstechnisch wird die Bildung von Kochern vermieden, indem dafür gesorgt wird, dass das Wasser aus dem Film gleichmäßig und möglichst vollständig verdunstet. Das geschieht während der Ablüftung bei mäßig erhöhter Temperatur über möglichst lange Zeit und vor allem bei ausreichender Belüftung. So wird beispielsweise nach der Spritzapplikation eines wässrigen Einbrennlacksystems die Temperatur innerhalb von fünf Minuten auf 60 °C angehoben mit einer Luftsinkgeschwindigkeit von ca. 0,3 m/s in der Vortrockenzone. Damit erfordert die Applikation solcher wässriger Lacksysteme einen höheren Aufwand als die lösemittelhaltiger Systeme. Aufgrund der hohen Oberflächenspannung von Wasser werden viele Dispergiermittel und Emulgatoren benötigt, was die Neigung zur Schaumbildung erhöht.
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Filmbildung Tabelle 6.2: Physikalische Daten von Wasser im Vergleich zu anderen gebräuchlichen Lösemitteln [98], [99, Kap. III-1.1]
Lösemittel Kennzahl
Wasser
nButanol
Butylglykol
Siedebereich [°C, 1013 hPa]
100
116 – 118
167 – 173
Verdunstungszahl (Diethylether = 1)
80
33
160
13,5
7,6
115
2258
599
368
344
322
305
Verdampfungswärme [kJ/kg am Kp.]
m– Xylol
Benzin 100/140
Solvesso 150
136 – 139 110 – 140 177 – 206
Dichte [g/ml]
1,00
0,81
0,90
0,86
0,74
0,89
Oberflächenspannung [mN/m, 20 °C]
72,2
25,5
27,8
29,5
25,2
33,7
Elektrischer Widerstand [kW/cm]
10
50
100
>106
>106
>106
Kohlenstoffgehalt [mg/g]
0
648
610
906
842
900
Wenn der Schaum während der Filmbildung erhalten bleibt, entstehen Filmfehler. Deshalb sind Additive erhältlich, die den Schaum rechtzeitig zerstören sollen. Schaum besteht aus Luftblasen, die durch eine Doppelschicht von Tensidmolekülen stabilisiert sein können. Voraussetzung für die Entschäumung ist, dass der Entschäumer nicht in der Lösemittelphase löslich ist, aber die Schaummembran sehr gut benetzen, bzw. ausgezeichnet spreiten kann. Die geforderte Unlöslichkeit des Entschäumers hat jedoch zum Nachteil, dass dadurch leicht Beschichtungsfehler entstehen können. Insbesondere die Menge an geringer modifiziertem Silikonöl ist zu begrenzen, damit keine Krater entstehen. Deshalb ist die optimale Menge und die Verträglichkeit der Entschäumer im Einzelfall immer zu prüfen. In Abbildung 6.6 ist der Mechanismus der Schaumzerstörung durch Entschäumer schematisch dargestellt. Die meistens hydrophoben, unlöslichen Antischaum-Additive durchdringen die Schaumdoppelschicht und verdrängen die Tensidmoleküle (b). Die Schaumlamelle wird dadurch destabilisiert und zerfällt (c). Nur wenn die Luftblasen rechtzeitig zerfallen, wird eine optimale Filmbildung möglich. Als Entschäumer kommen Mineralöle, leicht modifizierte Silikonöle (siehe Kapitel 5.1.4), hydrophobierte pyrogene Kieselsäuren sowie Kombinationen der Silikonöle mit pyrogenen Kiesel-
Abbildung 6.6: Mechanismus der Schaumzerstörung
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Physikalische Trocknung säuren in Frage [100], [101]. Des Weiteren können Trialkylphosphorsäureester und Kohlenwasserstoff-Harze als Entschäumer verwendet werden. Auch modifizierte Fettsäuren, Polyether oder modifizierte Amide finden Verwendung. Ebenfalls kann die Zugabe partiell wasserlöslicher Lösemittel (z.B. n-Butanol) Schaum verhindern.
6.1.3 Filmbildung bei wässrigen Dispersionen Im Gegensatz zu den lösemittelhaltigen Lacksystemen liegen bei wässrigen Lacken die Polymere meistens als Suspensionen (umgangssprachlich: Dispersionen) vor. Die Teilchen von Dispersionen bestehen aus geknäulten Polymermolekülen mit einer Hülle aus Emulgatoren, die die Teilchen in der wässrigen Phase tragen und stabilisieren. Eine Wechselwirkung zwischen Polymer und Wasser gibt es nur in wenigen Fällen. Wenn das Wasser verdunstet, nähern sich die Teilchen gegenseitig an. Für eine effektive Filmbildung muss zunächst die abstoßende Wirkung der äußeren Emulgatorhülle überwunden werden. Das geschieht aufgrund der Kapillarkräfte zwischen den sehr kleinen Teilchen. Damit die Teilchen zu Filmen verschmelzen können, müssen die darin enthaltenden Polymermoleküle eine Glasübergangstemperatur2 (Tg, siehe Kapitel 6.3.2) besitzen, die signifikant unterhalb der Temperatur der Filmbildungsbedingungen liegt. Nur dann kommt es zu einer effektiven Interdiffusion. Die tiefste Temperatur, bei der noch eine feste zusammenhängende Schicht gebildet werden kann, nennt man „Mindestfilmbildungstemperatur“ (MFT) [102]. Für die verbreitete Anwendung von Dispersionen für Wand- und Fassadenbeschichtungen ist die minimale Filmbildungstemperatur die Umgebungstemperatur. Natürlich sollen die gebildeten Filme eine ausreichende Härte und ausreichende Beständigkeitseigenschaften haben. Polymere mit niedrigen Glasübergangstemperaturen erfüllen diese Forderungen an Beschichtungsfilme nur unvollständig, geht doch eine tiefe Tg oft auch mit Klebrigkeit und geringeren mechanischen und chemischen Beständigkeiten einher. Allerdings können die Polymere in wässrigen Dispersionen ziemlich hohe Molmassen besitzen, was die Beständigkeitseigenschaften unterstützt und die Viskosität nicht beeinflusst. Die Viskosität von Polymerdispersionen ist von der Teilchenkonzentration und der Wechselwirkung zwischen den Teilchen abhängig, aber nicht von der Molmasse der Polymere. Insgesamt ist es erforderlich, einen Kompromiss zwischen der Filmbildung und den Filmeigenschaften zu finden. Es werden daher Polymere hergestellt, die möglichst hohe Glasübergangstemperaturen besitzen, deren Teilchen in der Lage sind, zumindest am Rand der Dispersionsteilchen miteinander zu verschmelzen. Die MFT liegt daher meistens etwas oberhalb der Glasübergangstemperatur. In einigen Fällen liegt die MFT aber auch darunter, immer dann, wenn die Polymere zumindest am Rande der Teilchen von Wasser gequollen werden können (z.B. bei Polyvinylacetat). Abbildung 6.7 zeigt eine Aufnahme eines Dispersionsteilchens in einem Rasterelektonenmikroskop vor und während der Filmbildung [103]. Wenn die Teilchen einer wässrigen Polymerdispersion optimal verfließen würden, entstünden Packungen von Hexagondodekaedern, da hier die Packungsdichte am höchsten ist. Aber in der Realität entstehen keine völlig geschlossenen Filme, sondern es bleiben leere Räume (Teilchenzwickel) übrig [104], [105]. Die Filme enthalten daher Poren die z.B. für Wasserdampf durchlässig sind. Dies ist schematisch in Abbildung 6.8 gezeigt. Die Struktur solcher Filme ist für die Beschichtungen von mineralischen Substraten von Vorteil. Wenn Lackfilme durchlässig für Wasserdampf sind, können sich Unterschiede in der Feuchtigkeit der Umgebungsluft und dem Substrat ausgleichen. Ist dies nicht der Fall, kann es zu Blasenbildungen und zur Enthaftung kommen. Die Situation ist in Abbildung 6.9 (s. Seite 87) modellhaft dargestellt. 2 O berhalb der Glasübergangstemperatur sind die Polymerstränge beweglich, darunter ist das Polymer hart und spröde, siehe Kapitel 6.3.2.
85
Filmbildung Die Wasserdampfdurchlässigkeit von Wandanstrichen wird durch eine besonders hohe Pigmentierung verstärkt. So werden meistens Systeme verwendet, bei denen so viele Pigmente bzw. Füllstoffe eingearbeitet sind, dass diese nicht mehr vollständig von Bindemittel umhüllt werden können, d.h. die kritische Pigmentvolumenkonzentration (KPVK, siehe Kapitel 7.5) wird bewusst überschritten. Allerdings sind offenporige Beschichtungen in anderen Anwendungsgebieten nicht erwünscht, dort kommt es darauf an, möglichst geschlossene Filme zu erzeugen. Dafür werden mehrere Ansätze verfolgt [105]: a) Zu wässrigen Polymerdispersionen werden so genannte „Koaleszenzmittel“ zugesetzt. Das sind höhersiedende Lösemittel, die nicht wasserlöslich sind, aber die Teilchenoberflächen anquellen, so dass die Teilchen der Dispersion besser zusammenfließen können und dichte Filme bilden. Koaleszenzmittel bestehen meistens aus Estern höherer Alkohole (z.B. Monoisobutylester von Diolen)3 die zu wenigen Masse-%-Anteilen zugesetzt werden. Der Nachteil solcher Systeme liegt in der Lösemittelemission, auch wenn einige davon aufgrund des hohen Siedepunkts nicht mehr als VOC gelten. Gerade für Wandbeschichtungen im Innenbereich sollte auf Lösemittel vollständig verzichtet werden. b) Weitere Ansätze versuchen, „heterogene Polymerdispersionen“ einzusetzen. Unter heterogen wird in diesem Zusammenhang verstanden, dass sich die Polymerpartikel in mindestens
Abbildung 6.7: REM-Aufnahme von Dispersionsteilchen links im dispergierten Zustand, rechts bei der Filmbildung
Abbildung 6.8: Schema der Filmbildung wässriger Dispersionen 3 Z.B. „Texanol“ (Eastman)
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Physikalische Trocknung zwei Eigenschaften unterscheiden. Dies könnten z.B. unterschiedliche Partikelgrößen (bimodale Dispersionen), Partikel mit unterschiedlichen Tg-Werten oder mit unterschiedlichen Molekulargewichten sein. Einen guten Überblick findet man in [106] und in der dort zitierten Literatur. Hier sollen nur die wichtigsten Prinzipien dieses Ansatzes dargestellt werden: b1) U nterschiedliche Partikelgrößen: Geht man davon aus, dass die Teilchen idealerweise Kugeln sind, dann können diese Kugeln in einer dichtesten Kugelpackung max. 74 % des gesamten Raumes ausfüllen [107]. Das restliche Volumen sind Löcher, die nicht ausgefüllt werden können. Mischt man nun eine zweite Fraktion von kleineren Kugeln dazu, können sich diese in die Löcher einlagern und damit zu einer höheren Packungsdichte führen, was dazu führt, dass mehr Berührungspunkte der Dispersionkugeln entstehen, die dann besser verfließen können. Oft werden solche „bimodalen“ Dispersionen angeboten, die ein ungefähres Verhältnis von ca. 80 % großen Teilchen zu 20 % kleinen Teilchen besitzen. Bei den kleineren Teilchen könnte es sich aber auch durchaus um kolloidal gelöste Polymere handeln. Diese füllen die Lücken zwischen den Dispersionsteilchen noch effektiver aus. Für die Filmeigenschaften ist es von Vorteil, wenn die Bestandteile der Dispersion und des gelösten wässrigen Bindemittels sich zumindest randlich durch Interdiffusion miteinander vermischen. Als kleinteilige Dispersionspartikel bzw. kolloidal gelöste Bindemittel werden gerne Polyurethane und Alkydharze eingesetzt. Dieses Prinzip ist in Abbildung 6.10 schematisch dargestellt. b2) Unterschiedliches Molekulargewicht: Die Glastemperatur ist stark von der Kettenlänge bzw. vom Molgewicht des Polymers abhängig. Kombiniert man nun zwei Dispersionen, die aus Polymerpartikeln mit unterschiedlichem Molgewicht bestehen, wird die Phase mit geringem Molgewicht eine gute Verfilmung gewährleisten, während die Partikel mit hohem Molgewicht die mechanischen Eigenschaften bestimmen. b3) Unterschiedliche Tgs: Dasselbe Prinzip wird verfolgt, wenn zwei unterschiedliche Polymere mit jeweils unterschiedlichen Tgs eingesetzt werden. Es werden wässrige Dispersionen hergestellt, die aus Teilchen mit tiefer Tg (weich) und Teilchen mit hoher Tg (hart) bestehen. Die Polymere sollten idealerweise verträglich sein. Die Teilchen mit tiefer Tg sorgen für eine gute Filmbildung, die Bereiche mit hoher Tg behindern die Beweglichkeit der Ketten und erhöhen so die mechanische Beständigkeit [106], [108]. b4) Eine Weiterentwicklung dieser Idee ist die Herstellung mehrschichtiger Teilchen, so genannter „Kern-Schale-Dispersionen“ (Core-Shell-Dispersionen). Zunächst lag es nahe, Dispersionen mit einem harten Kern und einer weichen Schale herzustellen. Die weichen Außenhüllen der Teilchen könnten dann bei der Filmbildung zusammenfließen und dichte Filme bilden [109], [110]. Die harten Kerne der Teilchen sollen dann für die Beständig- Abbildung 6.9: Austausch von Feuchtigkeit bei keit der Filme sorgen. Dispersionsanstrichen auf mineralischem Untergrund
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Filmbildung Es wurden auch einige Arbeiten über Core-Shell-Dispersionen für Lacksysteme veröffentlicht, die weiche Kerne und härtere Außenhüllen besitzen z.B. [109], [111]. Untersuchungen zeigen, dass solche Dispersionsteilchen unter anderen eine „himbeerartige“ Struktur (Raspberry-Structure) aufweisen können, bei der mehrere harte Polymerdomänen auf der Oberfläche sitzen [112]. Bei der Filmbildung werden diese Domänen vom weicheren Material eingeschlossen. Die Filmbildung über Core-Shell Partikel ist in Abbildung 6.11 dargestellt. Bei all diesen Verfahren liegen im getrockneten Zustand damit harte Domänen in einer weicheren, verfilmten Matrix vor. Es gelingt auf diese Weise, geschlossene Filme zu erzeugen, die bereits kurz nach der Applikation „Blockfestigkeit“ aufweisen. Unter Blockfestigkeit wird verstanden, dass beschichtete Objekte auch dann nicht aneinanderkleben, wenn sie durch Druck belastet werden, wie dies z.B. beim Stapeln geschieht. Auf diese Weise erzeugte Filme zeigen außerdem relativ gute Beständigkeitseigenschaften. So hergestellte Beschichtungen zeigen trotzdem in der Regel nicht dieselben guten Eigenschaften wie die entAbbildung 6.10: Filmbildung der Kombination aus Polysprechenden Lösemittelsysteme. Dies merdispersionen und kolloidal gelösten Bindemitteln. liegt daran, dass bei der Filmbildung Gestrichelt der Bereich, der mit dem gelösten Bindemittel mischbar ist. Zwischen den Partikeln befindet sich nach von dispergierten Teilchen sich die der Filmbildung das ursprünglich kolloidal gelöste Polymer. Polymerketten nie so vollständig vermischen, wie dies bei aus Lösung hergestellten Beschichtungssystemen der Fall ist. Deshalb wird versucht, die Schwachstellen im System, die nur schlecht durchmischten Grenzflächen der ehemaligen Partikel, im verfilmten Zustand weiter zu verstärken. Dies kann durch eine nachfolgende chemische Vernetzung geschehen. So kann z.B. bei Kombinationsbindemitteln auf Basis Alkydharze eine nachfolgende Vernetzung mit Luftsauerstoff die Beständigkeiten deutlich erhöhen. Als Beispiel könnten hier wässrige oxidativ vernetzende Alkydharze genannt werden (Kapitel 6.5.5). Diese verfilmen physikalisch, härten dann Abbildung 6.11: Modellvorstellung zur Filmbildung von aber über den vorhandenen LuftsauerCore-Shell-Dispersionen (oben mit hartem Kern und weistoff noch oxidativ nach und ergeben cher Schale, unten mit weichem Kern)
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Chemische Filmbilding so Beschichtungen mit einem breiten Eigenschaftsprofil. Auch anorganische Bindemittel wie die Silkate härten über eine Kondensationsreaktion (Kapitel 6.5.3) nach der Filmbildung noch nachträglich aus. Polymere in wässrigen Dispersionen können ebenfalls mit funktionellen Gruppen (z.B. Carboxyl-Gruppen, OH-Gruppen) hergestellt und mit Vernetzern kombiniert werden. Eine Vernetzung findet dabei aber allenfalls in der Hülle der Dispersionsteilchen statt (Kapitel 6.4.4). So gibt es z.B. Kombinationen aus Polymerdispersionen mit vernetzbaren Siloxanmolekülen.
6.1.4 Filmbildung bei nichtwässrigen Dispersionen Nichtwässrige Dispersionen bestehen zunächst aus relativ polaren Polymeren, die in unpolaren Medien verteilt sind und mit Tensiden stabilisiert werden. Eine wichtige Klasse sind die „Organosole“, die aus Polymerdispersionen (z.B. PVC-Copolymere) bestehen, die in einer Lösemittelmischung verteilt sind. Die Lösemittelmischung besteht hauptsächlich aus unpolaren Lösemitteln (z.B. aliphatische Kohlenwasserstoffe), enthalten aber auch Anteile höhersiedender polarer Lösemittel (z.B. Butyldiglykolacetat). Wenn Organosole in Einbrennlacken appliziert werden, lösen die zunächst verbleibenden Anteile der polaren Lösemittel bei der Filmbildung die Polymere an und es werden dadurch geschlossene Filme gebildet. Es sind aber auch Dispersionen erhältlich, die Weichmacher als äußere Phase enthalten, sie werden als „Plastisole“ bezeichnet. Die verwendeten Weichmacher lösen die Polymerteilchen bei höheren Temperaturen an, diffundieren dabei in die Polymerknäuel und ergeben dabei geschlossene Filme. Der Weichmacher vermischt sich dabei mit den Polymeren. Solche Systeme ergeben deshalb praktisch keine Emission organischer Bestandteile. Weiterhin sind auch nichtwässrige Dispersionen (NAD) erhältlich, die durch Vernetzung Filme bilden.
6.2 Chemische Filmbildung (Vernetzung) Meistens reicht die physikalische Filmbildung nicht aus, um das geforderte Eigenschaftsprofil einer Beschichtung zu erreichen. Oft bietet es sich dann an, die Polymerknäuel durch eine chemische Reaktion miteinander zu vernetzen. Es entstehen dabei Duromere. Besonders die Lösemittelbeständigkeit profitiert von der Vernetzung, denn thermoplastische Bindemittel bleiben natürlich auch im Filmzustand in den Lösemitteln löslich, in denen sie für ihre Verarbeitungsfähigkeit angelöst waren, vernetzte Polymere sind dagegen nicht mehr löslich. Im Gegensatz zu physikalisch trocknenden Harzen werden bei „Reaktionsharzen“ (Bindemittel mit vernetzenden Bestandteilen) keine hochmolekularen Verbindungen verwendet, sondern Polymere oder Oligomerverbindungen mit geringerer Molmasse. Diese erzeugen während der Verarbeitung eine tiefere Viskosität, was sich in einem höheren Festkörpergehalt (nfA) widerspiegelt, und sie sind in der Lage, nach der Applikation unter bestimmten Bedingungen besonders große, vernetzte Moleküle zu bilden. Die Reaktionslacke dominieren inzwischen den Markt der Beschichtungsstoffe.
6.2.1 Voraussetzung für die Vernetzung Für eine Vernetzungsreaktion benötigt man zwei unterschiedliche funktionelle (chemisch reaktive) -Gruppen, die miteinander eine Vernetzungsreaktion eingehen. Diese Gruppen können an unterschiedlichen Polymeren vorhanden sein, dann erhält man „fremdvernetzende Reaktionslacke“, oder sich am selben Bindemittelmolekül befinden, dann erhält man „selbstvernetzende
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Filmbildung Reaktionslacke“. In beiden Fällen muss man darauf achten, dass die beiden Gruppen nicht bereits in der Lackformulierung miteinander reagieren, sondern erst nach der Applikation durch Anwendung eines äußeren Triggers. Dies könnte z.B. eine Temperaturerhöhung sein. Man erhält in diesem Fall die sogenannten „Einbrennlacke“. Nach Arrhenius (Gleichung 6.3) steigt die Geschwindigkeitskonstante chemischer Reaktionen exponentiell mit der Temperatur an. Die Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion wird von dieser und je nach Reaktion in unterschiedlicher Weise von den Konzentrationen der Reaktanden bestimmt. Eine große Geschwindigkeitskonstante bedeutet eine schnelle Reaktion, eine kleine eine langsame Reaktion. Die Geschwindigkeitskonstante ist für eine bestimmte Reaktion spezifisch [94].
Gleichung 6.3 k = A ∙ e −E A⁄ RT
mit k = Geschwindigkeitskonstante (Veränderung der Konzentration eines Stoffes pro Zeiteinheit, k groß entspricht schneller Reaktion) A = Frequenzfaktor/Proportionalitätskonstante, EA = Aktivierungsenergie, R = Gaskonstante, T = Temperatur Logarithmiert man Gleichung 6.3 , erhält man eine lineare Abhängigkeit des Kehrwertes der Temperatur vom Logarithmus der Geschwindigkeitskonstante. Trägt man nun lnk gegen 1/T auf, so erhält man eine Gerade mit lnA als y-Achsen und -EA/R als Steigung. E
A ∙ _ 1 Gleichung 6.4 nk = lnA − _ R T
In Abbildung 6.12 ist diese Abhängigkeit der Geschwindigkeitskonstante von der Temperatur über den Temperaturbereich eines Einbrennlackes dargestellt. Dieser Zusammenhang führt zu der Möglichkeit, einkomponentige Lacke zu formulieren, die bei Raumtemperatur lagerstabil sind und erst bei höherer Temperatur miteinander reagieren. Dieser Zusammenhang macht auch deutlich, dass selbst bei tieferen Temperaturen die Vernetzungsreaktion immer noch, wenn auch langsam, abläuft. Aus diesem Grund kann die Lagerstabilität der Formulierung beeinträchtigt werden. Es ist hier ein Kompromiss zwischen schneller Härtung bei hohen Temperaturen im Ofen und langer Lagerstabilität bei Raumtemperatur zu suchen. Andere Möglichkeiten, die Vernetzung in Gang zu setzen, bestehen in der Zugabe von Katalysatoren bzw. Initiatoren vor der Verarbeitung, die eine Vernetzungsreaktion bei erhöhter Temperatur stark beschleunigen oder erst anstoßen (die Aktivierungsenergie EA herabsetzen). Neuere Ansätze das Problem zu lösen, bestehen darin, Katalysatoren zuzugeben, die chemisch maskiert sind und erst bei höherer Temperatur in die aktive Form überführt werden. Oftmals ist eine Aushärtung (Vernetzung) bei erhöhter Temperatur nicht möglich. Deshalb müssen die Polymere bereits bei Umgebungstemperatur vernetzen. Damit dies nicht bereits im Lackbehälter geschieht, müssen die Vernetzungskomponenten getrennt gelagert, ausgeliefert und direkt vor Verwendung gemischt werden. Sofort nach der Mischung der Komponenten beginnen die Vernetzungsreaktionen, was einen Anstieg der Viskosität bedeutet. Die Topfzeit (siehe Kapitel 3.3.3) gibt dabei an, wie lange ein Lacksystem verarbeitbar ist. Bei lösemittelhaltigen Produkten steigt die Viskosität in Abhängigkeit der Reaktivitäten der Komponenten und der Temperatur exponentiell an. Je niedriger die Ausgangsviskosität ist, desto geringer ist der anfängliche Viskositätsanstieg (siehe Abbildung 6.13). Ein grober Anhaltspunkt für die Dauer der Topfzeit ist der
90
Chemische Filmbilding Zeitpunkt, bis zu dem sich die Ausgangsviskosität verdoppelt hat. Entscheidend ist das Applikationsergebnis: Es muss eine ausreichende Benetzung, ausreichender Verlauf, Glätte und Glanz erreicht werden. Angestrebt werden Topfzeiten für eine ganze Arbeitsschicht, z.B. 4 ,6 oder gar 8 Stunden. Der Verlauf der Viskosität von Zweikomponentenlacken für drei unterschiedliche Ausgangsviskositäten sind in der Abbildung 6.13 dargestellt. Während beim Lacksystem 1 die Topfzeit bereits nach ungefähr 3,5 Stunden erreicht ist, beträgt die Topfzeit von Lacksystem 3 fünf Stunden. Die zweikomponentige Verarbeitung hat den gravierenden Nachteil, dass Beschichtungsmasse, die einmal gemischt wurde, auch vollständig aufgebraucht werden muss, da sie nach Ablauf der Topfzeit nicht mehr verarbeitbar ist. Für kontinuierliche Applikationsverfahren existieren deshalb Vorrichtungen, die die beiden Komponenten erst unmittelbar vor der Applikation zusammenführen und mischen. Das wichtigste Beispiel dafür sind so genannte Zwei-Komponenten-Spritzpistolen, bei denen die Bestandteile über eine Volumen-Zwangsdosierung gefördert werden und in der Pistole unmittelbar vor der Versprühung über einen statischen Mischer homogenisiert werden. Die meisten Zweikomponentenlacke bestehen aus einem so genannten Abbildung 6.12: Anwendung der Arrhenius-Beziehung „Stammlack“, der mengenmäßig die (Abhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit von der Hauptkomponente bildet, und auch die Temperatur) auf die Vernetzungsbedingungen eines Lackes Pigmente und den Großteil der Additive enthält. Die kleinere Zumischkomponente wird als „Härter“ oder auch „Vernetzer“ bezeichnet. Diese Rollenverteilung ist jedoch unerheblich, da beide Bindemittelbestandteile zum Aufbau der Filmmatrix beitragen, bei dem ein möglichst einheitliches molekulares Netzwerk bestehend aus beiden Komponenten aufgebaut wird. Obwohl Lacksysteme, die erst bei höheren Temperaturen reagieren, oder deren Reaktionen durch Zusatz von Katalysatoren bzw. Initiatoren erst angestoßen werden müssen, auch fast immer aus zwei miteinander reagierenden Polymeren/Molekülen bestehen, werden sie als „Einkomponentenlacke“ Abbildung 6.13: Viskositätsverläufe und Topfzeiten von bezeichnet, weil diese Bezeichnung auf 2K-Lacken
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Filmbildung den Auslieferungszustand bezogen wird. Auch bei Einkomponentenlacken wird die Bindemittelkomponente, die mengenmäßig dominiert, als Hauptbindemittel bzw. nur als Bindemittel bezeichnet. Die Bindemittelkomponente mit dem kleineren Mengenanteil stellt dann den Vernetzer dar.
6.2.2 Aufbau vernetzter Moleküle Durch die Vernetzung werden die Moleküle eines Reaktionsgemisches in der Regel so groß, dass sich ihre Größe dem des gesamten Reaktionsvolumens nähert. Dabei sind die molekularen Ketten mehr als einmal untereinander verbunden. Während des Vernetzungsvorgangs sind niedrig molekulare Bestandteile in das Netzwerk eingelagert. Deshalb enthalten auch fertig vernetzte Beschichtungsstoffe stets noch mehr oder weniger große Anteile nicht vernetzter Moleküle.
Abbildung 6.14: Schritt 1: Aufbau vernetzter Baumstrukturen
Abbildung 6.15: Die molekularen Baumstrukturen können auch mehrfach untereinander vernetzt sein
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Chemische Filmbilding Als Modellvorstellung, welche Schritte zur Vernetzung führen, werden folgende Teilschritte diskutiert: a) Baumstrukturen Die Reaktion beginnt mit dem Aufbau größerer, offen verzweigter Baumstrukturen. Dabei reagieren die kleinen, hochfunktionellen Vernetzermoleküle mit den Präpolymeren des Bindemittels, wodurch sowohl die Molekülmasse, als auch der Funktionalisierungsgrad des Präpolymeren steigen (siehe Abbildung 6.14). b) Mehrfachvernetzung Funktionelle Gruppen zweier Präpolymermoleküle können auch mehrfach aufeinanderstoßen, so dass die Moleküle bei der Reaktion dieser Gruppen mehr als einmal miteinander verbunden sind (siehe Abbildung 6.15). c) Verschlaufungen Es kann auch sein, dass sich zwei Polymerketten ineinander verschlaufen, ohne dass eine Vernetzungsreaktion stattfindet. Das kann man sich dann wie bei einem Kabelsalat vorstellen. („Verschlaufung“, engl.: entanglement). Dies ist schematisch in Abbildung 6.16 dargestellt.
Abbildung 6.16: Verschlaufung von Polymerketten
Abbildung 6.17: Reaktion eingelagerter niedrig molekularer Bestandteile
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Filmbildung d) Oszillation und Netzwerkbildung Auch kann sich ein Netzwerk ausbilden, indem die niedrig molekularen Bestandteile (Monomere, Oligomere) in den wachsenden Baumstrukturen eingelagert werden. Durch molekulare Bewegung können sich dabei reaktive Zentren nahekommen und zur Vernetzung führen (siehe Abbildung 6.17). e) Diffusion und Netzwerkbildung Die niedermolekularen Bestandteile können auch durch Diffusion in ein wachsendes Polymermolekül eingelagert werden, angedeutet durch den Blockpfeil in Abbildung 6.17. Durch Bewegung der Molekülketten können sich dann die Reaktionszentren nahekommen und miteinander vernetzen. Es gibt mehrere Hinweise darauf, dass die Kombination aus dem Wachstum offener Baumstrukturen und den Reaktionen aus Oszillation und Diffusion niedrig molekularer Bestandteile die wahrscheinlichsten Reaktionsschritte der Vernetzung sind. Diese Hinweise ergeben sich vor allem aus der Beobachtung von Gelierungen bei der Bindemittelsynthese. Wichtig in diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass in jedem realen Netzwerk noch Anteile von nicht, bzw. gering vernetztem Polymer eingelagert sind und damit ebenfalls eine Molmassenverteilung vorliegt.
6.3 Struktur-Eigenschaftsbeziehungen in Beschichtungsstoffen Eine Grundanforderung an die Filme von Beschichtungsstoffen besteht oft darin, ein Optimum an Härte und Flexibilität zu erreichen. Lackfilme sollen verschiedene mechanische Einflüsse unbeschädigt bestehen. Sie sollen beständig sein gegen oberflächliche Verletzungen durch Eindringen verschiedener Körper aber auch gegenüber Dehnung und Verformungen. Um Voraussagen über die mechanischen Eigenschaften eines Lackfilmes treffen zu können, muss man den strukturellen Aufbau von Polymeren verstehen. In der einfachsten Betrachtungsweise bedeutet mechanische Stabilität, dass die einzelnen Molekülstränge einen starken Zusammenhalt zeigen müssen. Die kovalente Bindung innerhalb eines Polymerstranges ist sehr stark. Zwischen den Molekülsträngen herrschen deutlich schwächere Wechselwirkungen wie Dipol-Dipol- oder van-der-Waals-Wechselwirkungen. Dies bedeutet, dass ein Bruch eines Polymers nicht innerhalb einer Polymerkette geschieht, sondern praktisch immer zwischen einzelnen Polymerketten. Mechanisch stabile Polymere erhält man demnach, wenn man einen starken Zusammenhalt zwischen den Polymerketten schafft, oder die Polymerstränge durch eine starke Vernetzung am Abgleiten hindert. Um die im Folgenden vorgestellten Strategien besser verstehen zu können, benötigt man ein besseres Verständnis vom inneren Aufbau der Polymere.
6.3.1 Molekularer Aufbau von Polymeren Ähnlich wie bei Bindemitteln in Lösung, liegen auch in Polymeren, wenn sie nicht gelöst sind, die Polymerstränge ungeordnet vor. Meistens sind sie wild ineinander verknäuelt, man kann sich das vorstellen wie Spaghetti und spricht auch deshalb vom „Spaghettimodell“. Dies bedeutet auch, dass es keine Vorzugsrichtung der Polymerknäuel gibt. Diesen ungeordneten Zustand nennt man „amorph“. Der amorphe Zustand entspricht damit einem „glasartigen“ Zustand, denn auch in Gläsern sind die einzelnen Atome nicht geordnet, sondern entsprechen eher einer unterkühlten Schmelze mit einem hohen Grad an Unordnung.
94
Struktur-Eigenschaftsbeziehungen in Beschichtungsstoffen Nicht alle Polymere liegen rein amorph vor. Aufgrund von Sekundärwechselwirkungen wie Wasserstoffbrücken oder Dipol-Dipol-Wechselwirkungen und den entsprechenden geometrischen Anordnungsmöglichkeiten von funktionellen Gruppen kann es auch in Polymeren Bereiche geben, die eine hohe Ordnung aufweisen. Dies sind Verhältnisse, wie sie auch in Kristallen anzutreffen sind. Damit existiert auch eine Vorzugsrichtung in diesen Bereichen. Diese werden „kristalline Domänen“ genannt. Die meisten Polymere besitzen in unterschiedlichem Ausmaß kristalline Domänen, man spricht von „Teilkristallinität“. Aufgrund der höheren Ordnung und damit der besseren Packung der Atome in den kristallinen Bereichen besitzen diese eine höhere Dichte und aufgrund der stärkeren Wechselwirkungen auch eine höhere mechanische Beständigkeit als in den amorphen Bereichen. Schematisch ist diese Situation in Abbildung 6.18 dargestellt. Aufgrund des Dichteunterschieds zwischen den amorphen und den kristallinen Bereichen entsteht jedoch auch ein optischer Dichteunterschied zwischen den Domänen. Dies führt dazu, dass Licht an den Phasengrenzen gebrochen und gestreut wird. Dadurch erscheinen teilkristalline Polymere trüb. Auch sind kristalline Domänen aufgrund der starken Wechselwirkungen meistens in Lösemitteln schlecht löslich. Dadurch sind Polymere mit einem hohen kristallinen Anteil als Lackbindemittel nicht oder nur schlecht geeignet. Deshalb wird versucht, eine möglichst amorphe Anordnung der Polymerstränge in einer Lackschicht zu erreichen.
6.3.2 Schmelzpunkt und Tg Aus den amorphen und kristallinen Eigenschaften von Polymeren lassen sich zwei wichtige Kenngrößen ableiten, die Glasübergangstemperatur (Tg) und der Schmelzpunkt (Tm). Beide Größen sind für das jeweilige Polymer charakteristisch und dienen deshalb auch zur Charakterisierung von Polymeren. Bei beiden Größen handelt es sich um einen Übergang vom (scheinbar) festen Zustand in einen flexiblen/flüssigen Zustand. Der Schmelzpunkt ist aus dem täglichen Leben bekannt. Wasser besitzt einen definierten Schmelzpunkt von 0 °C. Bei Eis handelt es sich um eine kristalline Struktur, die Plätze der Wassermoleküle im Kristall sind festgelegt. Bei einem Kristall handelt es sich um eine thermodynamisch stabile Phase. Sie besitzt eine hohe Ordnung und eine geringe Gesamtenergie. Bei der Bildung eines Kristalls wird deshalb die sogenannte Gitterenergie frei. Zum Auflösen der Kristallstruktur muss die bei der Entstehung des Kristalls freigewordene Gitterenergie wieder zugeführt werden. Deshalb erhöht sich die Temperatur beim Schmelzen eines Kristalls trotz Wärmezufuhr so lange nicht, bis der gesamte Kristall geschmolzen ist. Die zugeführte Wärmemenge wird zur Überwindung der Gitterenergie verwendet. Erst wenn der Kristall geschmolzen ist, erhöht sich bei weiterer Energiezufuhr die Temperatur des Systems. So ist der Schmelzpunkt von Eis bei 0 °C klar definiert. Erst bei weiterer Energiezufuhr wird das ge- Abbildung 6.18: Teilkristalline Polymere im Spaghettischmolzene Wasser erwärmt. Modell. Die kristallinen Domänen sind grau hinterlegt.
95
Filmbildung Bei amorphen Stoffen, wie z.B. Glas, ist das Verhalten jedoch anders. Da keine klare Gitterstruktur existiert, sondern die Atome oder Moleküle ungeordnet vorliegen, muss beim Übergang vom (scheinbar) festen in den flüssigen Zustand keine Gitterenergie überwunden werden. Diesen Übergang nennt man „Glasübergangstemperatur“ (Tg). Deshalb erhöht sich die Temperatur auch beim Glasübergang kontinuierlich, die gesamte zugeführte Wärmemenge kann in Bewegung der Atome/Moleküle umgesetzt werden, was sich als Temperaturerhöhung äußert. Die Ordnung eines amorphen Stoffes unterhalb der Tg entspricht deshalb der (eingefrorenen) Ordnung im flüssigen Zustand. Nur die Beweglichkeit der Atome/Moleküle ist eingeschränkt. Erwärmt man nun ein amorphes Polymer über den Glasübergangspunkt, fangen einzelne Segmente der Moleküle an, aneinander abzugleiten. Deshalb ist ein Polymer unter der Glasübergangstemperatur starr und spröde, über der Tg weich und flexibel oder sogar flüssig. Die Glasübergangstemperatur ist aufgrund des vorab beschriebenen jedoch nicht eine klar definierte Temperatur, sondern ein Bereich, in dem sich die mechanischen Eigenschaften eines amorphen Stoffes stark ändern. Je nach Messverfahren und Messbedingungen unterscheiden sich die ausgegebenen Werte für die Tg. Deshalb muss bei Angabe der Tg auch immer das Messverfahren mitangegeben werden. Am Fließpunkt (Tf) können dann ganze Polymerketten aneinander abgleiten, was sich makroskopisch als „Schmelzen“ äußert. In Wirklichkeit ist bei amorphen Polymeren der Fließpunkt jedoch kein Schmelzpunkt, da sich die Temperatur auch hier, wie bei der Tg kontinuierlich erhöht, auch wenn umgangssprachlich oft von einem Schmelzpunkt eines Polymers die Rede ist. Bei vielen amorphen Polymeren fallen Tg und Tf zusammen und werden in der Literatur deshalb meistens nicht unterschieden. Für teilkristalline Polymere jedoch gilt: Sie besitzen eine Tg, bei der die Kettensegmente beginnen, sich zu bewegen. Dies führt zu einer gewissen Flexibilisierung des Polymers. Ebenfalls besitzen sie einen wirklichen Schmelzpunkt, bei dem die kristallinen Domänen schmelzen. Die Zusammenhänge sind in Abbildung 6.19 nochmals zusammengefasst dargestellt. Die Tg und Tm sind wichtige Kenngrößen von Polymeren und damit auch von Lackbindemitteln. Die Einsatzbereiche der einzelnen Polymere hängen wesentlich von diesen Größen ab. Der molekulare Zusammenhalt von Polymeren lässt sich am besten durch die „differenzielle mechanische Thermoanalyse“ (DMTA) untersuchen [5], [113].
Abbildung 6.19: Glasübergang und Schmelzpunkt bei Polymeren
96
Struktur-Eigenschaftsbeziehungen in Beschichtungsstoffen Bei der DMTA wird die zu untersuchende Polymerprobe mit einer sinusförmigen Krafteinwirkung verformt, (Deformation γ(t)). Die Probe wird dabei nur so schwach belastet, dass sie ohne äußere Kraft wieder vollständig und unverändert in die Ausgangsposition zurückkehrt. (Belastung im linearelastischen Bereich, es gilt das Hooksche Gesetz, das die Verformung einer Feder beschreibt). Gemessen wird die „Schubspannung“ der Probe als Funktion der Zeit (τ(t)). Darunter versteht man die (Rückstell-)Kraft, die das Material der Krafteinwirkung entgegensetzt. Die Probe wird nun aufgrund des inneren Zusammenhalts der Moleküle verzögert auf diese äußere Kraft reagieren. Deshalb beobachtet man zwischen der einwirkenden Kraft und dem Verformungssignal eine Phasenverschiebung δ. Der Phasenwinkel liegt immer zwischen 0 und 90°. Ein Phasenwinkel von 0° beschreibt dabei idealelastisches (Festkörper-)Verhalten, ein Phasenwinkel von 90° ideal viskoses Verhalten. Je größer der Phasenwinkel, desto ausgeprägter ist die Dämpfung der Schwingung. Daraus lässt sich ein „komplexer Modul“ G* ableiten (Gleichung 6.5). Gleichung 6.5 G * = _γτ mit
τ = Schubspannung, γ = äußere Deformationskraft
G* kann man als Vektor mit dem Ursprung im Ursprung eines Koordinatensystems und der Länge des Betrags von G* sowie dem Winkel δ auffassen. Man kann diesen dann über Vektorzerlegung mithilfe der Phasenverschiebung δ in zwei aufeinander senkrechte Vektoren G‘und G‘‘zerlegen. G` nennt man „Speichermodul“, er beschreibt die Rückstellkraft der Probe, den elastischen Anteil. G‘‘ heißt „Verlustmodul“ und beschreibt den Teil der Energie, der letztendlich in Wärme umgesetzt wird (verloren geht) und damit den plastischen/viskosen Anteil (siehe Abbildung 6.20). Bei der DTMA wird nun die Veränderung dieser drei Werte: G‘, G‘‘ sowie δ in Abhängigkeit von der Temperatur gemessen und diese Werte (logarithmisch) gegen die Temperatur aufgetragen. Sie geben Aufschluss über die mechanischen Eigenschaften sowie über Tg und Tm und lassen damit Rückschlüsse auf die molekularen Verhältnisse innerhalb des Polymers zu. Oft wird statt δ tanδ aufgetragen. Er entspricht nach Abbildung 6.20 G‘‘/G‘. _″ Gleichung 6.6 tanδ = G G ′
So definiert man z.B. die Glasübergangstemperatur meistens als das Temperaturmaximum der G‘‘-Kurve oder auch das Maximum der tanδKurve [114 –117]. Bei (viskoelastischen) Festkörpern ist G‘ > G‘‘, bei (viskoelastischen) Flüssigkeiten liegt der Wert für G‘‘ über dem Wert für G‘ (G‘‘ > G‘). Demnach wird als Schmelztemperatur der Schnittpunkt der G‘ mit der G‘‘-Kurve verwendet. Für Beschichtungsstoffe verwendete thermoplastische Polymere besitzen
Abbildung 6.20: Aufteilung des komplexen Moduls in Speichermodul (G') und Verlustmodul (G'')
97
Filmbildung bei niedrigen Temperaturen sehr hohe Speichermodule G‘, d.h. der Glasübergangspunkt Tg liegt höher als die Gebrauchstemperatur. Unterwirft man ein amorphes thermoplastisches Polymer einer DMTA-Messung, beobachtet man idealisiert folgendes Verhalten: Mit steigender Temperatur fällt der Speichermodul um mehrere Zehnerpotenzen auf ein deutlich niedrigeres Niveau, der Glasübergangspunkt ist erreicht. Wird die Temperatur weiter erhöht, werden die Moleküle zueinander mehr beweglich, ohne wieder in ihre ursprüngliche Lage zurückzukehren. Das Polymer erweicht und beginnt zu fließen. Damit erreicht das Polymer den plastischen Zustand – es gelten ab dann die Gesetze der Viskosität üblicher Flüssigkeiten (siehe Abbildung 6.21). Die meisten thermoplastischen Polymere sind jedoch in unterschiedlichem Ausmaß teilkristallin, auch wenn dies in der Lackbranche nur zu einem geringen Teil toleriert werden kann. Im DMA-Thermogramm ergeben sich dadurch zwei markante Punkte:
Abbildung 6.21: DMTA-Kurven eines thermoplastischen amorphen Polymers
Abbildung 6.22: DMTA-Kurven eines thermoplastischen, teilkristallinen Polymers
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Struktur-Eigenschaftsbeziehungen in Beschichtungsstoffen 1. Die Tg der amorphen Bereiche am Maximum der tanδ-Kurve und 2. Tm als Schmelzpunkt der kristallinen Bereiche bei lg G‘‘ = lg G‘. Unterhalb der Tg verhält sich das Polymer fest und spröde, die Molekülketten können nicht aneinander abgleiten. Oberhalb der Tg sind die Molekülketten in den amorphen Bereichen beweglich, die kristallinen Bereiche halten jedoch das Polymer zusammen, das Polymer ist flexibel, man spricht auch vom gummielastischen Bereich. In diesem Bereich sind G‘‘ und G‘ ungefähr gleich groß, tanδ demnach ungefähr bei eins. Erhöht man die Temperatur weiter, schmelzen die Kristallite am Schmelzpunkt des Polymers auf, das Polymer geht in den viskoelastischen, flüssigen Zustand über. Dargestellt ist dies schematisch in Abbildung 6.22. Der Gebrauchsbereich solcher Polymere liegt normalerweise über der Tg und unter Tm.
Abbildung 6.23: DMTA-Kurven eines duroplastischen, vernetzten Polymers
Abbildung 6.24: Vergleich der G'-Kurven von unterschiedlichen Polymertypen
99
Filmbildung Im Gegensatz dazu sind die Moleküle in ideal vernetzten Polymeren über kovalente Verbindungen verknüpft. Kovalente Bindungen kann man bei normalen Temperaturen nicht brechen, eine Verschiebung von Kettensegmenten ist deshalb nicht möglich. Allerdings können Atome durch Temperatur in Schwingung versetzt werden. Besonders die Netzbögen (vgl. Abbildung 6.26) können sich mit steigender Temperatur bewegen, weshalb auch vernetzte Polymere eine Glasübergangstemperatur besitzen. Je nach Vernetzungsgrad fällt die Kurve von G‘ mehr oder weniger schnell ab. Deshalb lassen sich über die DMTA-Analyse auch Rückschlüsse auf den Grad der Vernetzung ziehen. Je stärker die Vernetzung, desto langsamer fällt G‘ bei Temperaturerhöhung ab. Ebenso verschiebt sich mit steigender Vernetzung der Wert der Tg hin zu höheren Temperaturen [118, Kap. 5.2]. Die DMTA-Kurven eines Duroplasten sind in Abbildung 6.23 beispielhaft dargestellt. Um mechanisch stabile Polymere zu erreichen, muss in vernetzten Polymeren der Speichermodul über den gesamten Temperaturbereich sehr hohe Werte besitzen, die mit steigenden Temperaturen höchstens leicht abnehmen, was bedeutet, dass eine starke Vernetzung der Polymerketten erzielt werden muss (siehe Abbildung 6.24). Damit hat man zwei wichtige Parameter zur Verfügung, die ein Polymer für eine bestimmte Anwendung geeignet erscheinen lassen: 1. die Glasübergangstemperatur Tg 2. der Vernetzungsgrad Im Folgenden wird noch ein dritter Parameter eingeführt.
6.3.3
Beeinflussung der Glasübergangstemperatur
Flexibilität der Hauptkette
Die Glasübergangstemperatur hat mit der Beweglichkeit von großen Abschnitten einer Polymerkette zu tun. Deshalb ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Tg mit steigender Flexibilität der Hauptkette sinkt. Flexibel sind vor allem Ketten, die ausschließlich C-C-Einfachbindungen oder C-O-Einfachbindungen enthalten, da Rotationen um diese Bindungen sehr einfach sind. Baut man jedoch Ringe, insbesondere aromatische Ringe, wie Phenylringe, in die Hauptkette ein, erhöht sich die Tg sehr stark. (Die im Folgenden skizzierten Polymere sind in Abbildung 6.25 dargestellt.) So besitzt Polyethylen (a) z.B. eine Tg von ‑145 °C [119], während Poly(p-Xylylen) (b) eine Tg von -7 °C [120] aufweist. Auch kurze Seitenketten an der Hauptkette behindern die Rotation um Einfachbindungen und schränken damit die Beweglichkeit der Kette ein. So liegt die Tg von isotaktischem4 Polypropylen (d) (eine zusätzliche Methylgruppe in der Seitenkette von Polyethylen) bereits bei ‑20 °C. Ähnlich verhält es sich bei den Acrylaten: Die Tg von Polymethacrylat (PMA, (e)) liegt bei 12.5 °C [121], während Polymethylmethacrylat (PMMA, (f)) eine Tg bis zu ca. 105 °C aufweist [122]. Insbesondere aromatische Ringe erhöhen die Tg merklich, so liegt die Tg für isotaktisches Polystyrol (c) (Polyethylen mit einem Phenylring in der Seitenkette) bereits bei 100 °C.
4 S obald man Seitenketten in ein Polymer einführt, gibt es mehrere Möglichkeiten, diese anzuordnen. Bei isotaktischen Polymeren schauen alle Seitenketten von der Hauptkette aus in dieselbe Richtung, wenn die Hauptkette in der Zickzack-Form vorliegt, also maximal gestreckt ist. Bei syndiotaktischen Polymeren wechselt sich die Orientierung der Substituenten von einer Monomereinheit zur nächsten ab, während ataktische Polymere keine spezifische Orientierung der Seitengruppen aufweisen. Iso- und syndiotaktische Polymere zeigen die höchste Ordnung und neigen deshalb am ehesten zur Kristallisation, was die mechanischen (und thermischen) Eigenschaften deutlich erhöht.
100
Struktur-Eigenschaftsbeziehungen in Beschichtungsstoffen Tabelle 6.3: Veränderung der Tg durch Variation von Seitenketten Polyalkoxymethacrylat
Polyalkoxyacrylat
R=
Tg/K
Tg/°C
R=
Tg/K
Tg/°C
Methyl
283
-10
Methyl
378
85
Ethyl
249
-44
Ethyl
300
7
Butyl
219
-74
Butyl
293
0
Hexyl
215
-78
Hexyl
268
-25
Verzweigungen der Hauptkette
Werden die Seitenketten jedoch länger, kehrt sich der Trend um. Längere Seitenketten sorgen für mehr Abstand zwischen den Hauptketten, was dazu führt, dass weniger Sekundärwechselwirkungen ausgebildet werden und die Hauptketten leichter aneinander vorbeigleiten können. Damit sinkt die Tg. Beispielhaft seien hier wieder die Acrylate erwähnt, einige davon sind in Tabelle 6.3 aufgeführt [119]. Werden die Seitenketten jedoch zu lange, nehmen auch die physikalischen Verhakungen zu, was wieder zu einer Erhöhung der Tg führen kann.
Einfluss der funktionellen Gruppen Werden in eine Kette funktionelle Gruppen eingeführt, kann dies zu deutlich stärkeren Sekundärwechselwirkungen zwischen den Ketten führen, was sich in einer Erhöhung der Tg bemerkbar macht.
Einfluss der Molmasse
Je länger die Ketten sind (je höher die Molmasse ist), desto größer ist die Chance, dass sich Ketten ineinander verhaken und desto größer ist die Möglichkeit, Sekundärwechselwirkungen auszubilden. Damit nimmt die Tg mit steigender Molmasse zu.
Einfluss der Vernetzung
Quervernetzung, sei es physikalischer oder vor allem chemischer Art, bewirkt immer eine Einschränkung der Beweglichkeit der Polymerketten, da sie durch das Netzwerk am Abgleiten gehindert werden. Damit steigt mit wachsender Vernetzung auch die Tg.
Abbildung 6.25: Glasübergangstemperaturen einiger linearer Polymere
101
Filmbildung
6.4 Physikalische Beschreibung von Netzwerken Um ein Netzwerk beschreiben zu können, bedient man sich der Begriffe „Netzknoten“ und „Netzbogen“. Unter einem „Netzknoten“ versteht man eine Verzweigungsstelle in der Polymerkette, unter einem „Netzbogen“ den linearen Teil der Kette, der zwei Netzknoten verbindet, analog zu einem Fischernetz. Das Ausmaß der Vernetzung eines Polymers wird über die „Vernetzungsdichte“ (ν) definiert. Sie ist definiert als die Anzahl der Netzbögen pro Volumeneinheit. n
m M c Vp
mp M c Vp
c c 1 = _ = _ = ρp _ Gleichung 6.7 ν = _ ̅ ̅ ̅ V p
M c
nc = Anzahl (Stoffmenge) der Netzbögen; Mc = mittlere Molmasse der Netzbogen; Vp = Volumen der Polymerprobe; mc = Masse aller Netzbogen = Gesamtmasse der Probe = mp; ρc = Dichte der Probe Um die Vernetzungsdichte zu bestimmen, existieren unterschiedliche Untersuchungsmethoden. Sehr häufig werden Quellungsexperimente durchgeführt [123], und auch rheologische Messungen, wie die DMTA, geben Aufschluss über die Vernetzung. So hängt der Speichermodul G‘ (und ebenso der E-Modul E‘) für ideale Netzwerke, von der Netzwerkdichte ab. Der Zusammenhang ist in Gleichung 6.8 und Gleichung 6.9 beschrieben [124]: ρ RT
c σ = 3 _ Gleichung 6.8 E′ = 3G′ = _ M ϵ c
E‘/G‘ = Speichermodul (je nach Messverfahren); σ = Deformationsspannung (Normalspannung); ε = Deformation: Dehnung Damit ergibt sich für den Speichermodul: Gleichung 6.9
G‘= 3ν RT
Diese Gleichungen sind nur für ein „Gausssches“ Netzwerk gültig. Angenommen wird: – Es gibt keine freien Kettenenden. – Es existieren keine Verhakungen und Verschlaufungen. – Die Ketten gehen keine Wechselwirkungen untereinander ein und beanspruchen kein Volumen. – Die Kettenlängen ändern sich bei der Deformation genauso, wie dies der makroskopische Prüfkörper tut, insbesondere sind die Netzbögen unendlich dehnbar. – Das Volumen bleibt bei Kompression konstant. – Alle Ketten sind isotrop (in alle Raumrichtungen gleich) verteilt. Gleichung 6.9 zeigt, was man auch schon durch Intuition vermutet hätte: Je größer die Netzwerkdichte eines Polymers ist, desto „härter“ ist es auch. Reale Netzwerke sind leider nicht so einfach aufgebaut. Die grundlegende Modellvorstellung ist in Abbildung 6.26 dargestellt. In realen Netzwerken kann es noch zusätzlich physikalische Ver-
102
Physikalische Beschreibung von Netzwerken knüpfungen in Form von Verschlaufungen und Verhakungen geben, die die Beweglichkeit des Polymers einschränken. Für eine physikalische Analyse und Berechnung müssen deshalb neben der Netzwerkdichte immer auch die Beweglichkeit der Netzbögen in Betracht gezogen werden. Eine weiterführende Diskussion der unterschiedlichen Modelle findet sich in [124]. Ebenfalls wirken kristalline Domänen als das Netzwerk verstärkende Faktoren. Allen Modellen ist gemeinsam, dass sie die Netzwerke nur immer im makroskopischen Bereich beschreiben können und damit über die Eigenschaften mitteln. Deshalb bilden die Aussagen immer Mittelwerte über einen makroskopischen Bereich [4].
6.4.1 Mechanische Eigenschaften von Netzwerken Welchen Einfluss hat nun der molekulare Aufbau und die Kenngrößen Tg und Tm auf die Einsatzbereiche von Polymeren? Thermoplastische Polymere können, wenn sie amorph sind, nur eingesetzt werden, wenn die Gebrauchstemperatur deutlich unter der Tg des Polymers liegt, da über der Tg plastisches Verhalten vorliegt und das Polymer zu schmelzen beginnt. Unterhalb der Tg sind solche Polymere hart und spröde, da sich die Kettenglieder nicht mehr gegeneinander bewegen können. Bei Krafteinwirkung kann diese Kraft nicht mehr durch plastische Verformung aufgenommen werden, das Polymer bricht. Die meisten thermoplastischen Polymere liegen jedoch teilkristallin vor. Hier liegt der Einsatzbereich der Polymere über der Tg und unter Tm. Damit liegt viskoelastisches Verhalten vor. Die kristallinen Bereiche sorgen für mechanische Stabilität, die amorphen Domänen lassen sich jedoch aufgrund der tiefen Tg gegeneinander verschieben und sind damit verantwortlich für den signifikanten plastischen Anteil dieser Polymere. Elastomere sind chemisch schwach vernetzte Polymere. Sie werden über ihrer Tg eingesetzt. Die Ketten sind also beweglich, jedoch verhindert die Fixierung der Polymerketten über die Quervernetzung ein vollständiges Abgleiten, also plastisches Verhalten. Da die Ketten im gespannten
Abbildung 6.26: Parameter zur Beschreibung realer Netzwerke
103
Filmbildung Zustand in eine Richtung ausgerichtet sind und auch die Quervernetzungen eine vorgegebene Orientierung besitzen, ist die Ordnung im gespannten Zustand höher als im entspannten Zustand. Damit besitzt das Polymer im entspannten Zustand eine höhere Entropie. Dieser Entropiegewinn ist letztendlich verantwortlich für das Zurückfedern in den entspannten Zustand. Duroplasten können über und unter ihrer Tg eingesetzt werden. Sie verhalten sich stets hart und je nach Vernetzungsgrad spröde, denn der plastische Anteil (G‘‘) ist gering.
6.4.2 Unter- und Übervernetzung Unter „Übervernetzung“ versteht man die Zugabe von mehr als der stöchiometrisch benötigten Menge an Vernetzer. Meistens kann deshalb der Vernetzer (langsam) mit weiteren funktionellen Gruppen im Bindemittel reagieren und damit zu einer noch engeren Vernetzung führen. Dabei wird meistens festgestellt, dass solche Filme relativ spröde sind. Der Grund dafür liegt jedoch nicht in der Höhe der Vernetzungsdichte allein, vielmehr beeinflusst die Ausdehnung der kovalent gebundenen molekularen Netzwerke die Flexibilität. Bei einer hohen Anzahl funktioneller Gruppen pro Bindemittel- und Vernetzermolekül und hoher Reaktivität dieser Gruppen entstehen aus sterischen und energetischen Gründen nur kleine Bereiche kovalent gebundener Moleküle. Dies führt dazu, dass die Filme an den nur physikalisch gebundenen Rändern der kovalent vernetzten Bereiche bereits bei kleineren Kräften gegeneinander verschoben oder getrennt werden können. Diese Betrachtungsweise wird im Kapitel 8.1.1 ausführlich diskutiert. Unter „Nachvernetzung“ wird die Reaktion von Polymeren unter Einfluss von Bewitterung oder auch künstlicher UV-Bestrahlung verstanden. Es ist gängige Meinung, dass die durch UV-Licht gebildeten Radikale untereinander reagieren und die Vernetzungsdichte erhöhen. Damit wird die Sprödigkeit solch belasteter Proben erklärt. Dies ist jedoch nicht schlüssig, da durch eine Nachvernetzung die Ausdehnung der kovalent vernetzten Bereiche im Film größer werden sollte. Viel einsichtiger ist, davon auszugehen, dass die Versprödung (z.B. durch natürliche Bewitterung, oder Bewitterungs-Kurztests) vor allem durch Abbaureaktionen des Polymers entsteht. Dabei kann durchaus die Netzwerkdichte durch Nachvernetzung lokal steigen. Dies ergibt dann eine signifikant geringere Flexibilität, vor allem auch deshalb, weil bei den Abbaureaktionen zusätzlich polare Gruppen entstehen, die für weitere Wechselwirkungen zwischen den Polymerketten sorgen. Allerdings werden offensichtlich die größeren Bereiche kovalent gebundener molekularer Netzwerke in weniger ausgedehnte Bereiche zerlegt, was dazu führt, dass das Netzwerk bereits bei geringen Belastungen bricht.
6.4.3 Interpenetrierende Netzwerke
Abbildung 6.27: Modell eines Interpenetrierten Netzwerks (IPN) aus zwei vernetzten Polymeren
104
Werden verträgliche Stoffgemische über unterschiedliche Reaktionen vernetzt, so dass zwei Netzwerktypen sich gegenseitig durchdringen, diese aber nicht kovalent untereinander verbunden sind, wird dies als „interpenetrierendes Netzwerk“ (angloamerikanisch: interpenetrating network IPN) bezeichnet.
Wichtige Vernetzungsreaktionen und deren Anwendung Die umfangreiche Literatur [125 –135] schließt allerdings auch Kombinationen von Thermoplasten mit Netzwerken ein (z.B. UP-Harze mit Polyisobutylen). Es ist ziemlich schwierig, die Struktur interpenetrierter Netzwerke realitätsnah zu beschreiben. Die Abbildung 6.27 zeigt eine Modellvorstellung für solch ein Netzwerk. Darin wurde bewusst dargestellt, dass solch ein Netzwerk in der Lage sein kann, durch Verschlaufungen die Ränder der kovalent verbundenen Bereiche des zweiten Netzwerks zu verbinden. Damit werden bereits die besonderen Vorteile interpenetrierender Netzwerke angedeutet: Es entstehen besonders großräumige Bereiche, die sowohl durch kovalente Bindungen als auch durch Verschlaufungen verbunden sind. Die Bereiche können nur durch Spaltung kovalenter Bindungen zerteilt werden. Interpenetrierte Netzwerke haben daher optimale Beständigkeiten bei besonders guter Flexibilität . Interpenetrierenden Netzwerken wird eine hohe Beständigkeit gegen mechanische Einflüsse, Chemikalien und Lösemitteln zugesprochen. Weiterhin können die Filme hohe Härte und hohe Flexibilität vereinen.
6.4.4 Vernetzung bei wässrigen Bindemitteln Wässrige Primärdispersionen enthalten Teilchen aus meistens relativ hochmolekularen Polymeren, die von einer Emulgatorhülle in der wässrigen Phase getragen werden. Solche Primärdispersionen bilden Filme durch physikalische Trocknung, indem das Dispersionsmedium (Wasser) verdunstet und die Teilchen mehr oder weniger ineinander verfließen. Diese Filme sind nicht so lösemittelbeständig wie vernetzte Polymere und auch ihre mechanischen Beständigkeitseigenschaften sind geringer. Daher wird versucht, die Polymere von Primärdispersionen chemisch zu vernetzen [136]. Da die Polymerteilchen meistens Säure-Gruppen zur Hydrophilierung tragen, bietet sich diese Gruppe zur Vernetzung an5. Die zugegebenen Vernetzer sind z.T. physiologisch bedenklich. Außerdem vermindert die Zugabe der Vernetzer die Lagerstabilität. Auch die Kombination von COOH-Gruppen enthaltenden Polymeren (Polyacrylaten) mit Aluminium- oder Übergangsmetallsalzen ist bekannt. Die Metallionen verbrücken über ionische Wechselwirkungen die Carboxyl-Gruppen unterschiedlicher Polymerketten [140]. Solche Produkte werden als selbstvernetzende Dispersionen bezeichnet. Allerdings kann es unter gewöhnlichen Filmbildungsbedingungen für Polymerdispersionen keine durchgehende Vernetzung geben. Vernetzungsreaktionen finden allenfalls in den Grenzschichten der Dispersionsteilchen statt. Trotzdem werden die mechanischen Eigenschaften (Zugfestigkeit) sowie chemischen Beständigkeiten der vernetzten Filme im Vergleich zu den Filmen ohne Vernetzer verbessert.
6.5 Wichtige Vernetzungsreaktionen und deren Anwendung Die Eigenschaften vernetzter Filme sind von der Art der Vernetzungsreaktion und von den zur Reaktion kommenden Verbindungen abhängig. Die Art der Vernetzungsreaktion beeinflusst auch die Auswahl geeigneter Applikationsbedingungen (Applikationsmethode, Vernetzungstemperatur und -zeit). Außerdem beeinflusst der Typ des Substrats die Wahl geeigneter Vernetzungsreaktionen, weil z.B. bestimmte Temperaturen das Substrat schädigen können. Um Vernetzungsreaktionen besser verstehen zu können, muss man sich mit den wichtigsten Konzepten der Polymersynthese vertraut machen, da die Vernetzungsreaktion nichts anderes ist als 5 A ls Vernetzer für Cabonsäure-Gruppen sind z.B. Diepoxide [137], Aziridine, Carbodiimide als Vernetzer beschrieben[138].Bindemittel, die β‑Diketone (z.B. Acetoacetat) enthalten, können mit Polyhydraziden vernetzt werden [139].
105
Filmbildung der Aufbau eines Polymers aus Oligomerbausteinen. Deshalb ist es gut, einige Größen zur Charakterisierung von Polymeren in solchen „Aufbaureaktionen“ zu kennen.
6.5.1 Molmasse und Molmassenverteilung Polymere entstehen normalerweise in unterschiedlichen Kettenlängen, d.h. auch die Molmasse ist innerhalb eines Polymers nicht einheitlich. Zur Charakterisierung von Polymeren und ihrer Molmasseverteilung bedient man sich deshalb zweier unterschiedlicher Arten, die Molmasse zu berechnen. Das „Zahlenmittel“ M̅ nwird gebildet durch die Summen der Massen aller Polymere dividiert durch die Gesamtanzahl der Polymere. Ni ∑ Ni Mi ⋅ Mi = _ Gleichung 6.10 M̅ n = ∑ _ ∑ N ∑ N
(
i
)
i
Ni = Anzahl des Polymers i mit Molmasse Mi
In das „Gewichtsmittel“ oder „Massenmittel M̅ w“ geht das Molgewicht der einzelnen Polymere deutlich stärker ein als in das Zahlenmittel: ∑ m i M i Ni Mi ∑ Ni Mi 2 _ _ = ∑ M = Gleichung 6.11 M̅ w = _ i ∑ m i ∑ Ni ⋅ Mi ∑ Ni Mi
(
)
Ni = Anzahl des Polymers i mit Molmasse Mi; mi = Masse des Polymers i mit der Molmasse Mi
Dies bedeutet, dass das Massenmittel auf Unterschiede in der Molmasse deutlich empfindlicher ist als das Zahlenmittel. Bei ideal uniformen Polymeren (alle Polymermoleküle besitzen dasselbe Molgewicht) ist das Gewichtsmittel gleich dem Zahlenmittel. Dies ist aber praktisch nie der Fall. Setzt man die beiden Größen ins Verhältnis, kann man die „Polydispersität D“ definieren. Sie gibt Aufschluss darüber, wie homogen die Molmasse in einem vorliegenden Polymer verteilt ist. Je näher D bei 1 liegt, desto homogener ist das Polymer in Bezug auf seine Molmassenverteilung. M̅ M n
w Gleichung 6.12 D = _ ̅
Eine weitere wichtige Größe zur Charakterisierung _ von Vernetzungs- bzw. Aufbaureaktionen ist P . Er entspricht der Anzahl der durchschnittlichen der „Umsetzungs- oder Polymerisationsgrad“ Monomereinheiten im Polymer. M̅ Gleichung 6.13 P̅ = _ M mono
6.5.2 Einteilung der Vernetzungsreaktionen Die bei Beschichtungsstoffen vorkommenden Vernetzungsreaktionen lassen sich, ähnlich wie bei der Synthese der Bindemittel, in drei Gruppen einteilen: Stufenwachstumsreaktionen: 1. Kondensationsreaktionen 2. Additionsreaktionen Kettenwachstumsreaktionen: 3. Polymerisationsreaktionen
106
Wichtige Vernetzungsreaktionen und deren Anwendung
Stufenwachstumsreaktionen
Bei Stufenwachstumsreaktionen reagieren immer zwei unterschiedliche Monomere mit je mindestens zwei vernetzungsfähigen funktionellen Gruppen miteinander. Enthalten die beiden Monomere nur zwei vernetzungsfähige Gruppen, entstehen lineare Polymere, bei mehreren funktionellen Gruppen pro Monomer entstehen Verzweigungen bzw. Vernetzungen. Die Anzahl der vernetzungsfähigen funktionellen Gruppen an einem Monomer steuert dabei, wie stark verzweigt bzw. vernetzt das entstehende Polymer ist. Die Molmasse des Polymers erhöht sich mit jedem Reaktionsschritt in Stufen. Dies ist in Abbildung 6.28 schematisch anhand der Polyadditionsreaktion zweier difunktioneller Monomere dargestellt. Dabei steht jedes Puzzleteil für ein Monomer. Jetzt könnte man meinen, damit würde sich das Molekulargewicht sehr schnell sehr hohen Werten nähern. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Da die Beweglichkeit kleiner Monomere viel höher ist und diese am Anfang der Polymerisation (Vernetzung) in hoher Zahl vorliegen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich zwei kleine Moleküle finden sehr hoch, während die Chance, dass sich zwei größere Oligomere finden, gering ist. Damit erhält man bei geringen Umsetzungsgraden (bzw. kurzer Reaktionszeit) Polymere mit geringem Molgewicht. Dies ist schematisch in Abbildung 6.29 dargestellt [141]. Man sieht, dass der Polymerisationsgrad (und damit die mittlere Molmasse) erst bei hohen Umsetzungsgraden und damit langen Reaktionszeiten steigt. Bei hohen Umsetzungsgraden ist dafür die Polydispersität D relativ hoch, es liegen sehr lange und sehr kurze Polymerketten gleichzeitig vor. Bricht man die Polymeraufbaureaktion bei unvollständigen Umsetzungsgraden ab, erhält man in Bezug auf die Molmassenverteilung deutlich einheitlichere Polymere mit allerdings geringerem Polymerisationsgrad. Kondensationsreaktionen Bei den Kondensationsreaktionen werden im Gegensatz zur Polyaddition niedrigmolekulare Reaktionsprodukte abgespalten. Meistens sind dies Wasser oder Alkohole. Sehr viele in der Lackchemie verwendeten Vernetzungsreaktionen sind Polykondensationen. Die wichtigste funktionel-
Abbildung 6.28: Bei der Stufenwachstumsreaktion erhöht sich die Molmasse nicht kontinuierlich, sondern in Stufen, hier dargestellt an einer Polyadditionsreaktion
107
Filmbildung le Gruppe in diesem Zusammenhang ist die -OH-Gruppe. Mit H-atomhaltigen funktionellen Gruppen wird daraus H2O abgespalten.6 Additionsreaktionen Bei den Additionsreaktionen werden bewegliche Atome oder Atomgruppen umgelagert, ohne dass eine Abspaltung einer niedrigmolekularen Verbindung geschieht. Zu den Additionsreaktionen gehören die Reaktionen von Polyisocyanaten, die freie Isocyanat-Gruppen enthalten, mit OH-Gruppen und NH-Gruppen enthaltenden Molekülen (Polyurethanchemie). Die Reaktionen von Epoxid-Gruppen mit NH-, Carboxyl- und OH-Gruppen bildet die zweite Gruppe der Additionsreaktionen. Die Stufenwachstumsreaktionen lassen sich in Kondensationsreaktionen und Additionsreaktionen unterteilen.
Kettenwachstumsreaktionen – Polymerisationen
Bei den Polymerisationsreaktionen7 läuft die Vernetzung nur durch Änderungen der Elektronenkonfigurationen ab. Über eine Startreaktion wird ein reaktives Teilchen erzeugt, dieses sucht sich über eine Reaktion mit einem polymerisierbaren Molekül zu stabilisieren. Dadurch entsteht ein reaktives Zentrum im polymerisierbaren Molekül, das jetzt seinerseits versucht, sich zu stabilisieren. Eine Kettenreaktion ist entstanden. Bei jedem Stabilisierungsschritt wird die Kette um eine Monomereinheit verlängert und das reaktive Zentrum an das Molekülende der wachsenden Kette verschoben. Die für die Lackchemie wichtigste Kettenwachstumsreaktion ist die radikalische Polymerisation. Hier besteht das reaktive Zentrum aus einem „Radikal“. Ein Radikal ist ein Teilchen mit einem
Abbildung 6.29: Darstellung des Molekulargewichtsaufbaus bei der Stufenwachstumsreaktion. Die Monomere sind je bifunktionell, das Molgewicht steigt erst bei hohen Umsätzen stark an
6 H ierzu gehören vor allem die Reaktionen von Aminoharzen mit OH-Gruppen enthaltenden Bindemitteln, aber auch deren Reaktionen mit sich selbst. Auch die Vernetzung durch Phenolharze gehört zu den Kondensationsreaktionen. Sowie die Reaktionen verkappter Polyisocyanate mit OH-Gruppen und NH-Gruppen enthaltenden Bindemitteln zählen dazu. Silanole und Siloxane reagieren mit OH-Gruppen durch Abspaltung von Wasser oder von Monoalkoholen. Auch die Vernetzung von Carboxyl-Gruppen enthaltenden Bindemitteln mit den OH-Gruppen von β-Hydroxyalkylamiden ist eine Kondensationsreaktion, bei der durch Veresterung Wasser abgespalten wird. Eine spezielle Kondensationsreaktion ist die Selbstvernetzung von Polyestern unter Abspaltung überschüssiger Polyolanteile. 7 Strenggenommen werden ausschließlich Kettenwachstumsreaktionen Polymerisationsreaktionen genannt. Im Alltagsgebrauch hat sich jedoch der Begriff „Polymerisation“ für alle Aufbaureaktionen eingebürgert, die Polymere zum Ziel haben.
108
Wichtige Vernetzungsreaktionen und deren Anwendung ungepaarten Elektron. Es ist besonders reaktiv und reagiert besonders gern mit den Bindungselektronen einer Doppelbindung, indem es der Doppelbindung ein Elektron entreißt, was wiederum ein einzelnes Elektron in der ehemaligen Doppelbindung zurücklässt. Das entstandene Radikal reagiert wiederum mit der nächsten Doppelbindung usw. (siehe Abbildung 6.30). Als Radikalstarter werden labile Verbindungen eingesetzt, die sich bei erhöhter Temperatur oder durch Bestrahlung mit UV-Licht zersetzen und die reaktiven Radikale bilden. Die Reaktion kommt zum Stillstand, wenn die reaktiven Teilchen durch „Abbruchreaktionen“ inaktiv werden. Dies kann z.B. die Rekombination zweier Radikale sein, die dann wieder eine Einfachbindung eingehen (siehe Gleichung 6.14). Gleichung 6.14
R∙ + ∙ R R–R
Angetrieben durch die hohe Reaktivität der reaktiven Spezies (Radikale) wächst die Kette innerhalb kürzester Zeit auf sehr hohe Molmassen an. Die Länge der Ketten kann etwas durch die Menge der Radikalstarter gesteuert werden. Je mehr Radikale um die Monomere konkurrieren und je mehr Radikale in einer Abbruchreaktion miteinander reagieren können, desto geringer ist das entstehende Molekulargewicht des Polymers. Entgegen der Stufenwachstumsreaktion verändert eine Verlängerung der Reaktionszeit zwar den Umsetzungsgrad, aber nicht das Molekulargewicht. Trotzdem enthält eine Reaktionsmischung immer gleichzeitig Polymer, Oligomere und Monomere. In Abbildung 6.31 ist der Unterschied in der Entwicklung des Polymerisationsgrades zwischen Stufenwachstum und Kettenwachstum dargestellt. Zu den radikalischen Vernetzungsreaktionen gehören die oxidative Vernetzung, d.h. die Vernetzung angestoßen durch den Sauerstoff der Luft (Kapitel 6.4.10) und die Copolymerisation von Bindemitteln mit olefinischen Doppelbindungen (meistens ungesättigte Polyesterharze) mit un-
Abbildung 6.30: Kettenwachstum anhand der Polymerisation von Styrol
Abbildung 6.31: Unterschied in der Entwicklung des Polymerisationsgrades bei Stufen- und Kettenwachstum
109
Filmbildung gesättigten Monomeren (Kapitel 6.4.11). Polymerisationsreaktionen von Bindemitteln mit olefinischen Doppelbindungen können durch UV-Licht initiiert werden (Kapitel 6.4.12). In den nächsten Abschnitten werden die einzelnen Vernetzungsreaktionen näher erklärt.
6.5.3 Kondensationsreaktionen Die wichtigste funktionelle Gruppe für Kondensationsvernetzungen ist die Alkohol- bzw. OH-Gruppe. Aus ihr kann unter geeigneten Bedingungen mit H-spendenden Gruppen Wasser abgespalten werden. Das allgemeine Schema ist Gleichung 6.15 dargestellt. Dabei ist X in der Regel eine Aminogruppe, eine andere Alkoholgruppe oder eine Carboxylgruppe (Säuregruppe).
Gleichung 6.15
Gleichung 6.15
Aminoharze
Die Grundbausteine für Aminoharze bestehen aus organischen Amiden wie z.B. Harnstoff, Urethan, oder Glycoluril, oder aromatischen Hydrazonen wie Melamin oder Benzoguanamin (siehe Abbildung 6.32). In all diesen Verbindungen existieren substituierbare H-Atome am Stickstoffatom. An diese Grundbausteine wird Formaldehyd addiert, es entstehen Alkohole, sogenannte Methylol-Gruppen (siehe Abbildung 6.33). Diese Reaktion ist eine Gleichgewichtsreaktion, was auch der Grund dafür ist, dass viele „Formaldehydharze“ über die Zeit Formaldehyd ausgasen, weshalb viele Beschichtungen auf Basis „Formaldehyd“ heute in Innenräumen nicht mehr verwendet werden. H
Gleichung 6.16
Gleichung 6.16
R
N
+
OH H2C
O
R
N
Methylol-Gruppen reagieren mit verbliebenen NH-Gruppen oder mit sich selbst beim Aufbau der Aminoharze zu größeren Molekülen. Damit die Aminoharze für die Lackanwendung (Löslichkeit, Verträglichkeit) geeignet werden, werden die zunächst freien Methylol-Gruppen zumindest teilweise mit Monoalkoholen (Methanol, Butanol) verethert. Die funktionellen Gruppen von Aminoharzen als Vernetzer bestehen daher aus verbliebenen NH-Gruppen, freien Methylol-Gruppen und veretherten Methylol-Gruppen. Aminoharze werden als Vernetzer für OH-Gruppen tragende Bindemittel verwendet. Dabei reagieren die Methylol-Gruppen oder die veretherten Methylol-Gruppen mit den OH-Gruppen und
Abbildung 6.32: Wichtige Grundbausteine für Aminoharze
110
Wichtige Vernetzungsreaktionen und deren Anwendung bilden Methylolether unter Abspaltung von Wasser oder des Veretherungsalkohols wie in der Abbildung 6.33 dargestellt. Als hydroxyfunktionelle Bindemittel werden vor allem Acrylatharze, gesättigte Polyester und Alkydharze eingesetzt. Daneben können auch Epoxidharze, Epoxidharzester, Polyvinylacetale und PVC-Mischpolymerisate, die OH-Gruppen enthalten, mit Aminoharzen kombiniert werden. Aminoharze reagieren auch mit sich selbst. Die schnellste Reaktion ist die zwischen den verbliebenen NH-Gruppen und den Methylol-Gruppen unter Abspaltung von Wasser, gefolgt von der Reaktion der NH-Gruppen mit den veretherten Methylol-Gruppen unter Abspaltung von Monoalkohol. In beiden Fällen entstehen Methylenbrücken. Methylol-Gruppen können auch untereinander unter Abspaltung von Wasser reagieren (kondensieren). Dabei entstehen Dimethylenether-Brücken. Diese entstehen auch, wenn veretherte Methylol-Gruppen mit freien Methylol-Gruppen unter Abspaltung von Monoalkohol reagieren. Die Reaktionen der Selbstvernetzung von Aminoharzen sind in Abbildung 6.34 dargestellt. Die Verknüpfungen in molekularen Netzwerken aus Melaminharzen und OH-Gruppen enthaltenden Bindemitteln zeigen unterschiedliche Beständigkeiten (vor allem Wetterbeständigkeiten). Die beständigste Verknüpfung ist die Methylenbrücke, gefolgt von den Methylolether-Brücken. Methylolether-Brücken sind chemisch gesehen Halbaminalether. Solche Verbindungen sind besonders im sauren pH-Bereich nicht stabil. Besonders empfindlich – vor allem unter dem Einfluss von Säuren – sind die Dimethylenether-Brücken. Unter besonderen Bedingungen können veretherte Methylol-Gruppen auch miteinander reagieren, dabei werden dann Acetale bzw. Formaldehyd und Monoalkohol abgespalten.
Abbildung 6.33: Reaktionen von Methylol-Gruppen und veretherten Methylol-Gruppen mit OH-Gruppen
Abbildung 6.34: Selbstvernetzung von Aminoharzen
111
Filmbildung Alle beschriebenen Reaktionen laufen bei höheren Temperaturen ab (Einkomponenten-Einbrennlacke). Sie können aber durch Säurekatalysatoren beschleunigt werden8. Durch Zusatz starker Säuren können die Reaktionstemperaturen bis auf die Umgebungstemperatur gesenkt werden. Das bedeutet dann eine Verkürzung der Topfzeit. Auch die freien Carboxyl-Gruppen der OH-Gruppen enthaltenden Bindemittel (Acrylatharze, Polyester, Alkydharze) wirken katalytisch auf die Reaktion mit Aminoharzen. Filme, die Harnstoffharze und Urethanharze als Vernetzer enthalten, sind aufgrund der geringen Stabilität der Amide nicht ausreichend wetterbeständig. Auch Benzoguanaminharze zeigen hier Schwächen. Dagegen sind Filme aus OH-Acrylaten, OH-Polyestern und OH-Alkydharzen, die mit Melaminharzen vernetzt sind, vergleichsweise wetterbeständig. Sowohl bei höheren Temperaturen als auch unter dem Einfluss von Säurekatalysatoren laufen Covernetzung mit den OH-Gruppen enthaltenden Bindemitteln und Selbstvernetzung der Aminoharze gleichzeitig ab. Das Verhältnis zwischen Covernetzung und Selbstvernetzung wird von mehreren Faktoren beeinflusst. Es ist daher nicht möglich, stöchiometrische Rechnungen durchzuführen. Die Covernetzung wird begünstigt durch höhere Anteile an reaktiven OH-Gruppen, durch den Einsatz von weniger reaktiven Aminoharzen, geringe Vernetzungstemperaturen und nur wenig Säurekatalysator. Der Anteil der Selbstvernetzung wird bei großen Anteilen von vergleichsweise reaktivem Aminoharz bei höheren Temperaturen oder bei höheren Anteilen stärkerer Säurekatalysatoren erhöht. Nicht nur die Aminoharze mit freien Methylol-Gruppen, die für Klebstoffe und Schichtstoffplatten verwendet werden, sind aufgrund ihrer hohen Polarität wasserlöslich, sondern auch die Aminoharze, deren Methylol-Gruppen mit Methanol verethert sind.
Harnstoffharze
Lange Zeit war das System aus Alkydharzen kombiniert mit Harnstoffharzen das wichtigste Produkt für die Beschichtungen von Holz, meistens für Möbellacke. Als Katalysatoren wurden Säurekatalysatoren wie alkoholische Salzsäure zugesetzt. Diese sogenannten säurehärtenden Lacke zeichneten sich durch hohe Härte und Beständigkeiten gegen Lösemittel und die meisten Chemikalien aus. Nachdem festgestellt wurde, dass solche Lackschichten auch nach längerer Zeit noch Formaldehyd emittieren, wenn auch nur in sehr kleinen Mengen, wurden solche Lacke vom Markt genommen. Heute werden für Möbellacke bevorzugt Lacke auf Basis wässriger Acrylatdispersionen (Primärdispersionen) verwendet, die in den Beständigkeitseigenschaften natürlich schwächer sind als die säurehärtenden Lacke. Säurehärtende Lacke spielen nur noch eine Nebenrolle bei industriell verwendeten Lacksystemen.
Melaminharze
Melaminharze sind inzwischen die am meisten in Lacksystemen verwendeten Aminoharze. Man unterscheidet dabei drei Klassen: – Partiell veretherte Melaminharze (enthalten freie Methylol-Gruppen) – Voll veretherte Melaminharze – Melaminharze mit freien NH-Gruppen und veretherten Methylol-Gruppen Partiell veretherte Methylol-Gruppen enthaltende Melaminharze sind meistens etwas höher molekular (im Mittel bis zu fünf Triazineinheiten pro Vernetzermolekül). Sie zeichnen sich durch gute Benetzung und hohe Reaktivität aus und ergeben Filme mit guter Lösemittelbeständigkeit. Weil 8 S äurekatalysatoren sind (geordnet nach fallender Wirksamkeit): Salzsäure, Sulfonsäuren, Phosphorsäure und ihre sauren Teilester, Maleinsäure, Maleinsäurehalbester.
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Wichtige Vernetzungsreaktionen und deren Anwendung solche Melaminharze meistens noch Anteile an freiem Formaldehyd enthalten und dieses auch bei der Vernetzung in Einbrennlacken freisetzen können, geht der Anteil dieser Melaminharze zurück. Voll veretherte Melaminharze sind meistens niedrigmolekular (z.B. im Mittel 1,3 Triazineinheiten pro Melaminharzmolekül). Die wichtigsten davon sind vollständig mit Methanol verethert. Sie werden nach ihrem Hauptbestandteil „Hexamethoxymethylmelaminharze“ (HMMM-Harze) genannt. Weil HMMM-Harze durch Umetherung reagieren, welches die langsamste Reaktion der besprochenen Melaminharzreaktionen darstellt, ist es notwendig, Säurekatalysatoren (z.B. p-Toluolsulfonsäure) zu verwenden. Damit können ausreichende Vernetzungsreaktionen auch unterhalb von 180 °C stattfinden. HMMM-Harze werden vor allem mit OH-Polyestern kombiniert. Die Filme daraus können sehr flexibel aber doch beständig gegen Lösemittel und viele Chemikalien sein. Außerdem sind die Filme in der Regel gut wetterbeständig. Aufgrund der hohen Flexibilität werden Kombinationen aus Polyestern und HMMM-Harzen für Coil-Coating- und Can-Coating-Systeme verwendet. HMMM-Harze sind relativ gut wasserlöslich. Sie werden für wässrige Lacksysteme bevorzugt mit sekundären Dispersionen von OH-Acrylaten kombiniert. Sie können aber auch als Vernetzer für kolloidal wässrige Lösungen von Polyestern oder Alkydharzen verwendet werden. Die dritte Gruppe der Melaminharze enthält veretherte Methylol-Gruppen und freie NH-Gruppen. Die freien NH-Gruppen reagieren relativ schnell mit den veretherten Methylol-Gruppen. Sie beschleunigen aber auch die Umetherung der benachbarten veretherten Methylol-Gruppen. Melaminharze mit freien Methylol-Gruppen reagieren mit OH-Gruppen von Polyestern, Alkydharzen oder Acrylatharzen bereits bei Temperaturen von 130 bis 145 °C. Klassische pigmentierte Einbrenndecklacke bestehen in Europa aus der Kombination von OH-Alkydharzen und Melaminharzen. Die Filme daraus zeichnen sich durch guten Verlauf, hohen Glanz, eine optimale Balance von Härte und Flexibilität aus und sind ausreichend wetterbeständig. Die Eigenschaften sind vom Verhältnis der Covernetzung zur Selbstvernetzung abhängig. Das Verhältnis von Covernetzung zur Selbstvernetzung wird neben der Auswahl unterschiedlich reaktiver Komponenten entscheidend durch die Mengenverhältnisse der beiden Komponenten bestimmt. Die Abbildung 6.35 zeigt schematisch die Eigenschaften von Lackfilmen aus OH-Alkydharzen und Melaminharzen in Abhängigkeit vom Mischungsverhältnis. Höhere Anteile an Melaminharz bedeuten höhere Anteile der Selbstvernetzung. Höhere Anteile an Alkydharz ergeben mehr Covernetzung. Die Anteile der Selbstvernetzung unterstützen die Härte und Lösemittelbeständigkeit , die Anteile an Covernetzung die Flexibilität und die Wetterbeständigkeit. Bei geringen Anteilen an Vernetzer gehen diese Filmeigenschaften alle zurück. Zur Erklärung dieses Sachverhaltes nimmt man an, dass höhere Anteile an Melaminharz relativ dichte Cluster bilden, während die Covernetzung weitmaschigere und ausgedehntere Netzwerke bildet, was Abbildung 6.35: Veränderung der Eigenschaften von mit in der Abbildung 6.36 modellhaft dar- Melamin vernetzen OH-Acrylaten in Abhängigkeit vom gestellt wird. Mischungsverhältnis
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Filmbildung Einbrennklarlacke (meistens für die Automobilerstlackierung) bestehen bevorzugt aus Acrylatharzen, die OH-Gruppen enthalten und mit Melaminharzen vernetzt werden. Diese Klarlackfilme zeigen eine gute Balance von Härte und Flexibilität, sie sind gut lösemittelbeständig und ausreichend chemikalienbeständig und wenn sie geeignete Lichtschutzmittel enthalten, auch ausreichend wetterbeständig. Ein spezielles Lacksystem besteht aus höhermolekularen linearen aromatischen Polyestern, die mit HMMM-Harzen kombiniert werden. Die Polyester besitzen außer am Kettenende, keine OH-Gruppen, so dass praktisch keine Vernetzung mit dem Melaminharz geschehen kann. Aber das HMMM-Harz kann unter dem Einfluss von Sulfonsäuren als Katalysator selbstvernetzen. Es entsteht dann ein Netzwerk von selbstvernetztem Melaminharz mit eingelagerten Polyestermolekülen. Die Struktur ist modellhaft in der Abbildung 6.37 dargestellt. Der Film könnte mit einem mit Stahlmatten armiertem Beton verglichen werden. Vor allem deshalb, weil sich diese Systeme sowohl durch hohe mechanische Beständigkeiten als auch durch Abbildung 6.36: Modellhafte Darstellung der Vernetzung ausgezeichnete Flexibilität auszeichnen. von Polyestern und Melaminharzen. Schwarz: PolyesterDie Produkte sind besonders geeignet für bindemittel, grau: Melaminvernetzer Coil-Coating- und Can-Coating-Lacke, die bei relativ hohen Temperaturen eingebrannt werden. Diese Lacke müssen besonders chemikalienbeständig sein (Sterilisationsfähigkeit und Beständigkeit gegen Lebensmittelinhaltsstoffe bei Can-Coating-Lacken) aber auch sehr flexibel (Tiefung und Verformung ohne Risse und ohne Haftungsverlust).
Carbamatvernetzung
Abbildung 6.37: Modell der Selbstvernetzung von HMMM-Harz in der Kombination mit hochmolekularem, linearem Polyester
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Zur Verbesserung bestimmter Filmeigenschaften werden OH-Gruppen z.B. in Acrylatharzen durch Umsetzung mit Carbaminsäureestern (Methylcarbamat) in Carbamat-Gruppen überführt. Carbamat-Gruppen reagieren mit den funktionellen Gruppen der Aminoharze (Methylol-Gruppen, veretherte Methylol-Gruppen). Es entstehen Urethane, wie in Abbildung 6.38 dargestellt.
Wichtige Vernetzungsreaktionen und deren Anwendung Die über dieses Vernetzungsverfahren hergestellten Filme sind flexibler, besser chemikalienbeständig und besser wetterbeständig als die Filme aus OH-Acrylatharzen und Melaminharzen. Zunächst wurde angenommen, dass dies an der Urethangruppe als Brückenelement liegt, die ein ähnliches Verhalten wie die Urethan-Gruppen aus Isocyanaten und OH-Gruppen zeigen sollte. Es gilt jedoch zu bedenken, dass die Vernetzungsstelle aus einer Methylol-Gruppe gebildet wurde, die Chemikalienbeständigkeit des durch die Vernetzung entstehenden Halbaminalethers ist begrenzt. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass vor allem der deutlich höhere Anteil an Covernetzung für die genannten Eigenschaften ausschlaggebend ist. Die beschriebene Kombination wird vor allem für höherwertige Einbrennklarlacke (Automobil-OEM) verwendet.
Benzoguanaminharze
Benzoguanaminharze ergeben in Kombination mit OH-Polyestern sehr flexible Filme , die allerdings nicht wetterbeständig sind. Sie werden daher für flexible und gut haftende Einbrenngrundierungen und -füller verwendet.
Urethanharze
Urethanharze (sie werden auch Carbamidharze bezeichnet, damit keine Verwechslung zu den Polyurethanen oder zu den Zweikomponentenlacken auf Basis von Polyisocyanaten entsteht) werden mit Polyestern, Alkydharzen oder Polyethern kombiniert. Sie bilden durch Vernetzung ausgesprochen flexible Filme.
Glycolurilharze
Glycolurilharze, vor allem das Tetramethoxymethylglycoluril, werden als Vernetzer in Pulverlacken, die OH-Polyester enthalten, verwendet. Sie benötigen für die gebräuchlichen Einbrenntemperaturen Säurekatalysatoren. Die Filme haften sehr gut, sind flexibel und wetterbeständig.
Andere Methylol-Gruppen-haltige Polymere
Es werden Acrylatharze auf dem Markt angeboten, die Methylol-Gruppen bzw. veretherte Methylol-Gruppen enthalten. Diese funktionellen Gruppen entstehen durch Reaktionen von Acrylamid oder Methacrylamid mit Formaldehyd und gegebenenfalls mit Monoalkoholen (meistens n-Butanol). Diese Bindemittel vernetzen bei höheren Einbrenntemperaturen (180 bis 200 °C) mit sich selbst. Die Filme zeichnen sich durch gute Haftung und Flexibilität und durch ihre Beständigkeit gegen basische Chemikalien aus. Sie wurden über einen längeren Zeitraum für die Beschichtung
Abbildung 6.38: Reaktion der Carbamat-Gruppe mit Aminoharzen
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Filmbildung von Haushaltsgeräten (Kühlschränke, Waschmaschinen) verwendet. Aktuell werden solche Kombinationen für Coil-Coating und Can-Coating verwendet.
Vernetzung durch Phenolharze
Ähnlich wie die beschriebenen Amine können auch Phenol und seine Homologen (Alkylphenole, Bisphenole) mit Formaldehyd Methylolverbindungen bilden. Dabei handelt es sich um eine elektrophile Substitutionsreaktion, die vor allem an den ortho- und para-Positionen des Phenols abläuft. Die Methylolverbindungen können mit weiteren Phenolen und untereinander durch Kondensationsreaktionen größere Moleküle aufbauen. Vernetzende Phenolharze entstehen, wenn Phenole mit einem Überschuss an Formaldehyd umgesetzt werden (Resole). Mit einem Unterschuss an Formaldehyd (im sauren Milieu) entstehen nur physikalisch filmbildende Bindemittel (Novolake), die auch Ausgangsprodukte für die Herstellung von Epoxidharzen sein können (siehe Abbildung 6.39). Um Löslichkeit und Verträglichkeit der vernetzenden Phenolharze (Resole) zu verbessern, wird ebenso wie bei den Aminoharzen zumindest ein Teil der endständigen Methylol-Gruppen mit Monoalkoholen (meistens mit n-Butanol) verethert. Phenolharzvernetzer enthalten daher Methylol-Gruppen, veretherte Methylol-Gruppen und auch noch die verbleibende phenolische OH-Gruppe (sauer) als funktionelle Gruppen. Phenolharze reagieren bei höheren Temperaturen mit OH-Gruppen enthaltenden Bindemitteln (Einbrennlacke, 160 bis 220 °C).
Abbildung 6.39: Herstellung von Phenolharzen
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Wichtige Vernetzungsreaktionen und deren Anwendung Solche Phenolharze werden z.B. zur Vernetzung der OH-Gruppen von Polyvinylacetalen verwendet. Die entstehenden Filme sind sehr gut haftend, sie sind ausgezeichnet flexibel und sehr gut lösemittelbeständig. Sie werden für Elektroisolierlacke verwendet. Phenolharze sind auch Vernetzer für Maleinatöle aus Polybutadienen und Maleinsäureanhydrid, die mit Polyolen umgesetzt sind. Diese Kombinationen werden in anionisch wasserverdünnbaren Elektrotauchlacken (ATL, engl. AED) verwendet. Die Produkte zeichnen sich durch sehr gute Benetzung (Penetration), gute Haftung und Flexibilität aus. Sie wurden für Elektrotauchgrundierungen bei der Automobilserienlackierung durch kationisch wasserverdünnbare Elektrotauchlacke (KTL, engl. CED) verdrängt, weil diese bessere Korrosionsschutzeigenschaften aufweisen. Aber sie finden noch Verwendung bei anderen industriellen Applikationen, vor allem da, wo es auf besonders gute Benetzung und Flexibilität ankommt. Eine weitere besondere Anwendung für Phenolharze ist die Vernetzung aromatischer Epoxidharze. Es werden dabei höhermolekulare Epoxidharze verwendet. Die Methylol-Gruppen und veretherten Methylol-Gruppen der Phenolharze reagieren mit den OH-Gruppen der Epoxidharze (Glycerindiether), zusätzlich besteht auch die Möglichkeit, dass die phenolischen OH-Gruppen mit den endständigen Epoxid-Gruppen reagieren. Diese Möglichkeiten der Vernetzung sind in Abbildung 6.40 dargestellt. Lacke aus aromatischen Epoxidharzen in Kombination mit Phenolharzen sind sehr gut haftend, sie können sehr flexibel sein, und sie sind ausgezeichnet beständig gegen Lösemittel und Chemikalien. Solche Systeme werden für Blechlacke verwendet. Sie sind die Basis für Innenbeschichtungen von Dosen, die beständig gegen Lebensmittelinhaltstoffe sind. Aufgrund der gelbbraunen Färbung werden sie auch „Goldlacke“ genannt. Alle Filme, die Phenolharze als Vernetzer enthalten, sind deutlich verfärbt und sind nicht wetterbeständig. Auch für wässrige Lacksysteme sind Phenolharze als Vernetzer auf dem Markt. Wasserverdünnbarkeit wird erzeugt, indem z.B. ein Teil der Phenole durch Säure-Gruppen substituiert wird. Die Bestandteile der Phenolharze Phenol, Bisphenol A und Formaldehyd sind als gesundheitsschädlich bzw. sogar als toxisch eingestuft. Es gelten daher besondere Vorsichtsmaßnahmen bzw. die Verwendung dieser Rohstoffe soll vermieden werden.
Abbildung 6.40: Möglichkeiten der Vernetzung von Epoxidharzen mit Phenolharzen
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Filmbildung
Vernetzung durch Silanole oder Siloxane
Silanole (R3Si-OH) und OH-funktionelle Siloxane (Silikone) können über ihre OH-Gruppen mit hydroxyfunktionellen Bindemitteln (oder mit sich selbst) unter Abspaltung von Wasser reagieren. Wird statt Si‑OH die Alkoxyverbindung Si‑OR eingesetzt, wird mit Polyolen Alkohol ROH abgespalten.
Silikonpolyester
Am häufigsten werden als hydroxyfunktionelle Polymere Polyester eingesetzt (siehe Abbildung 6.41). Weil die Siloxanbausteine besonders temperaturbeständig sind, wird dieses Vernetzungsprinzip vor allem für temperaturbeständige Beschichtungen verwendet. Aromatische Polycarbonsäuren wie Isophthalsäure oder Terephthalsäure sind ebenfalls temperaturbeständig und bestimmen deshalb das Polyestergerüst. Leider sind Siloxane und Polyester nicht verträglich, deshalb werden kurzkettige Silanole oder Alkoxysilane vorkondensiert (Reaktionsmechanismus in Abbildung 6.42), um sie später mit niedermolekularen hydroxyfunktionellen (Poly-) Estern umsetzen zu können [142]. Man spricht von einem Präkondensat oder von Siloxanintermediates9. Bei der nachfolgenden Kondensation mit der hydroxyfunktionellen Esterverbindung (siehe Abbildung 6.41) ist dann die Verträglichkeit noch gegeben. Beim Erreichen der nötigen Viskosität bzw. Molmasse wird die Kondensationsreaktion abgebrochen. Beim Aushärten der Beschichtung wird diese durch die Temperatur (meistens um 250 °C) wieder angestoßen. Man erhält die sogenannten Silikonpolyester. Diese können Silikongehalte von bis zu 80 % aufweisen. Sowohl die Modifikationsreaktion als auch die spätere Vernetzung werden über starke Lewis-Säuren10 katalysiert. Der meistens verwendete Katalysator ist das tetra-n-Butyltitanat. Bei Anteilen von 30 % bis 80 % an Siloxan erzielen die Lackfilme hohe Temperaturbeständigkeiten (Dauerwärmebeständigkeiten von z.B. 220 °C)11. Die Bindemittel werden für Heizungen, Öfen, Rohre, Auspuffanlagen als auch für Elektroisolierlacke und Antihaftbeschichtungen (Grillplatten, Reiskocher etc.) verwendet. Die Filme sind in der Regel gut wetterbeständig.
Silikonharze (Siloxane)
Höherfunktionelle Siloxane können auch selbstvernetzen und Filme bilden. Aus den Alkoxysilanen entstehen durch intermediäre Hydrolyse – meistens unter dem Einfluss von Katalysatoren – Silanole, die dann Cluster-artige Netzwerke aufbauen können, wie in der Abbildung 6.42 dargestellt.
Abbildung 6.41: Reaktionen von Silanolen bzw. Siloxanen mit OH-Gruppen von Polyestern
9 E in dabei eingesetztes Siloxanintermediate besteht z. B. aus dem Reaktionsprodukt aus zwei Mol Dimethoxydimethylsilan und einem Mol Trimethoxyphenylsilan (z.B. „Silikophen“ AC900, Evonik Industries) 10 Unter einer Lewis Säure (meistens ein Metallsalz) versteht man eine Verbindung, die an Elektronen verarmt ist und einer anderen Verbindung Elektronen entzieht (Elektronenakzeptor). 11 Z.B. „Silikoftal“-Reihe, Evonik Industries
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Wichtige Vernetzungsreaktionen und deren Anwendung Empfohlene Katalysatoren für die Hydrolyse und die Kondensation sind Kombinationen aus Lewis-Säure und starken Basen (z.B. Tetra-n-Butyltitanat mit Tetramethylguanidin [143]). Die Lackfilme aus solchen Siloxanen erreichen bei ausreichender Pigmentierung Temperaturbeständigkeiten bis zu 600 °C und werden für entsprechende Anwendungen gebraucht. Die Vernetzung von Trialkoxysilanen kann auch mit anderen Vernetzungsverfahren kombiniert werden. So können OEM-Klarlacke aus OH-Acrylaten und Polyisocyanataddukten mit Trialkoxysilanen modifiziert werden. In solchen Klarlacken wird damit eine Verbesserung der mechanischen Eigenschaften (Kratzbeständigkeit) erreicht [144].
Sol-Gel-Beschichtungen
Die gleichen Vernetzungsmechanismen macht man sich auch für die sog. Sol-Gel-Beschichtungen zu nutze. Man geht von Alkoxysilanen (meistens Ethoxysilanen) aus, die mit Wasser im Unterschuss hydrolisiert werden. Als Hauptbestandteile werden vor allem Tetraethoxylsilan (TEOS) und Methyltriethoxysilan (MTES) verwendet. Es bilden sich teilweise Silanole (Abbildung 6.42 oben). Diese kondensieren nach dem Mechanismus in Abbildung 6.42 unten zu größeren SiO-Einheiten, Nanopartikeln in Lösung, dem Sol. Dieses Sol stellt nach einer gewissen Reifezeit die Beschichtungslösung dar. Wird nach dem Beschichten das Lösemittel und der durch die Hydrolyse und Kondensationsreaktion entstandene Alkohol ausgetrieben, vernetzen diese Nanopartikel über die immer noch vorhandenen Si-OH und Si-OR-Funktionalitäten zu einer anorganischen Schicht, die durch Temperaturerhöhung weiter verdichtet wird, die Kondensation wird dadurch vervollständigt. Aufgrund des hohen Siliciumanteils sind solche Schichten glasartig und hart. Das interessante an der Sol-Gel-Chemie ist nun, dass man, ausgehend von organischen Alk oxysilanen (Gruppe R in Abbildung 6.42 kann in diesem Fall für einen organischen Rest stehen), die Schichteigenschaften in weiten Bereichen steuern kann. Enthält die organische Gruppe R ebenfalls vernetzbare Gruppen (z.B. Epoxy, Amine …) kann neben der anorganischen Vernetzung noch
Abbildung 6.42: Selbstvernetzung von Siloxanen/Silanen
119
Filmbildung eine organische Vernetzung stattfinden. Man erhält somit eine anorganisch/organische Hybridbeschichtung. Je nach Auswahl und Menge der hydrolysierbaren Gruppen am Silan kann man stark vernetzte oder eher flexiblere Netzwerke gestalten sowie je nach Art und Menge der organischen Gruppen erhält man polymerartigere, silikonartige oder eher anorganische Schichten. Ebenfalls lässt sich die Schichtqualität durch die Herstellungsbedingungen der Sole und die Art der Katalyse (sauer oder basisch) bei der Hydrolyse steuern [145]. Genau diese Vielfalt an Parametern ist aber auch eine Schwäche dieser Beschichtungen, da reproduzierbare Schichten nur unter strikter Einhaltung aller dieser Parameter gewährleistet ist, was in der Praxis oft zu Schwierigkeiten führt.
Vernetzung von Polyestern
Polyester enthalten aufgrund der Herstellung immer noch freie Hydroxyl- und Carbonsäure-Gruppen. Diese könnten zu einer weiteren Vernetzung während der Filmbildung durch Veresterung
Abbildung 6.43: Reaktion von β-Hydroxyalkylamiden mit Carboxyl-Gruppen enthaltenden Bindemitteln
Abbildung 6.44: Selbstvernetzung von Polyestern durch Umesterung
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Wichtige Vernetzungsreaktionen und deren Anwendung führen. Leider ist diese Reaktion zu langsam, um bei industriellen Lackapplikationen zum Tragen zu kommen.
Vernetzung von Polyestern durch β-Hydroxyalkylamide
Es sind auch OH-Gruppen enthaltende Verbindungen bekannt, die erstaunlich schnell mit Carboxyl-Gruppen reagieren. Dies sind die β-Hydroxyalkylamide (HAA). Der Reaktionsmechanismus ist hier allerdings anders [146 –149]. Die Umsetzung von β‑Hydroxyalkylamiden mit Carboxyl-Gruppen enthaltenden Bindemitteln ist der Abbildung 6.43 dargestellt. Tetrakis-2-hydroxyethyladipinamid und Tetrakis-2-hydroxypropyladipinamid sind kristalline Feststoffe, die als Vernetzer für Carboxyl-Gruppen enthaltende Polyester in Pulverlacken verwendet werden 12 [150], [151]. Es werden meistens stöchiometrische Verhältnisse eingesetzt. Eine effektive Vernetzung läuft z.B. innerhalb 30 min. bei 165 °C ab. Die Filme der Pulverlacke zeichnen sich durch sehr gute Haftung und Flexibilität aus. Sie sind auch gut wetterbeständig, da bei der Vernetzung jedoch Wasser abgespalten wird, ist die Wahrscheinlichkeit von Lackfehlern hoch. Auch ist die Wasserbeständigkeit unter sehr harschen Bedingungen nicht immer gegeben [150].
Selbstvernetzung von Polyestern
Polyester reagieren bei hohen Temperaturen unter dem Einfluss von Katalysatoren durch Umesterung und vernetzen. Dabei wird Alkohol abgespalten. Das Prinzip der Umesterung ist in der Abbildung 6.44 dargestellt. Diese Art der Vernetzung wird bei aromatischen Polyestern für die Lackierung elektrischer Leiter (Drahtlacke) verwendet13. Als Umesterungskatalysatoren werden Lewis-Säuren – vor allem Tetrabutyltitanat – verwendet. Bei Vernetzungstemperaturen von 400 bis 600 °C resultieren Lacke mit ausgezeichneter Flexibilität. Die Drähte lassen sich ohne Beeinträchtigung dehnen und wickeln. Die Filme sind sehr gut beständig gegen Lösemittel (Kühlmittel für Elektrogeräte). Sie besitzen eine sehr gute Dauerwärmebeständigkeit. Die Wärmebeständigkeit wird noch verbessert, wenn ein Teil der aromatischen Dicarbonsäuren durch Imid-Gruppen enthaltende Polycarbonsäuren14 ersetzt wird. Solche Drahtlacke aus so genannten Polyesterimiden erreichen Dauerwärmebeständigkeiten von bis zu 220 °C [152], [153].
6.5.4 Additionsreaktionen Vernetzung durch Isocyanate
Isocyanate reagieren bereits bei Umgebungstemperaturen in einer Additionsreaktion mit protonenhaltigen, nukleophilen funktionellen Gruppen wie Alkoholen (a), Aminen (c), oder Carbonsäuren (d) oder sogar Wasser (b) wie in Abbildung 6.45 dargestellt. Im Fall von Alkoholen bilden sich Urethane. Sind die Isocyanate di- oder höherfunktionell, lassen sich polymere Netzwerke aufbauen. Dies geschieht in der Polyurethanchemie vor allem über die Aufbaureaktion (a) in Abbildung 6.45. Werden als OH-Komponente unterschiedliche Polyole eingesetzt, lassen sich die Eigenschaften des vernetzten Films in weiten Bereichen steuern.
12 Z .B. Produkte „Primid“ XL-552, QM-1250, SF-4510 der Ems-Griltech 13 Die dort verwendeten Polyester bestehen aus aromatischen Polycarbonsäuren (meistens Terephthalsäure), Triolen (Glycerin, Trishydroxyethylisocyanurat [THEIC]) und vor allem Ethylenglykol als Polyolüberschuss. 14 Z.B. dem Reaktionsprodukt von 2 Mol Trimellithsäureanhydrid und 1 Mol Diaminodiphenylmethan
121
Filmbildung Damit die Additionsreaktion nicht bereits im Lack geschieht, müssen Isocyanate als Vernetzer getrennt gelagert und ausgeliefert werden und können erst kurz vor der Applikation zu den
Abbildung 6.45: Reaktion von Isocyanaten mit OH-Gruppen von Bindemitteln
Abbildung 6.46: Technisch wichtige Diisocyanate
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Wichtige Vernetzungsreaktionen und deren Anwendung OH-Gruppen enthaltenden Bindemitteln zugemischt werden. Voraussetzung für eine Vernetzung: es müssen am Vernetzermolekül mindestens zwei Isocyanat-Gruppen vorhanden sein. Die gebräuchlichsten Diisocyanate sind Hexamethylendiisocyanat (HDI), Isophorondiisocyanat (IPDI) und Toluylendiisocynat (TDI), siehe Abbildung 6.46. Grob lassen sich die Isocyanate in aromatische und aliphatische Isocyanate unerteilen. Generell gilt: Aromatische Isocyanate sind reaktiver als aliphatische. Auch bringen die aromatischen Ringe Härte und chemische Beständigkeiten in das Lacksystem ein, während lineare aliphatische Isocyanate wie HMDI eher Flexibilität in das Netzwerk einbringen. Allerdings sind Formulierungen mit aromatischen Vernetzern weniger UV-beständig, als dies Filme mit aliphatischen Vernetzern sind. Weil Isocyanate inhalationstoxisch sind, werden sie nicht als niedrigmolekulare Produkte ausgeliefert, sondern es werden Oligomere gebildet, die dann als Vernetzer (Härter) verwendet wer-
Abbildung 6.47: Oligomerisierung von Isocyanaten
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Filmbildung den können. Die Oligomere haben einen niedrigen Dampfdruck und sind daher nicht mehr inhalationstoxisch, obwohl sie immer noch gesundheitsschädlich sind. Die wichtigsten Oligomerisierungen finden sich in Abbildung 6.47. Aus diesen Oligomeren werden auch verkappte Polyisocyanate hergestellt (siehe Kapitel 6.5.4).
Vergleich der Isocyanat-Vernetzung mit Melaminvernetzung
Die Reaktivität von Isocyanat-Vernetzern mit OH-Gruppen tragenden Bindemitteln steigt mit steigender Temperatur, allerdings mit einem geringeren Gradienten als die von Melaminharzen, so dass man auch bei Raumtemperatur ausreichend vernetzte Filme erhält. Die Abhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeiten von der Temperatur ist in Abbildung 6.48 für die Melamin- und die Isocyanat-Vernetzung dargestellt. Zum Thema Verkappung von Isocyanaten siehe im Unterkapitel „Vernetzung durch verkappte Polyisocyanate“. Polyisocyanate reagieren im Unterschied zu Melaminharzen relativ einheitlich mit den OH-Gruppen der Partnerbindemittel. Es lassen sich daher stöchiometrische Verhältnisse berechnen. Dabei zeigte sich, dass bei den Verhältnissen von Isocyanat-Gruppen n(NCO) zu OH-Gruppen n(OH) zwischen 0,9 bis 1,2 ähnliche Filmeigenschaften einstellen. Isocyanate gehen in der Praxis nur eine einzige nennenswerte Nebenreaktion ein: die Reaktion mit Wasser bzw. der Feuchtigkeit der Luft. Bei dieser Reaktion entstehen aus den intermediär gebildeten Aminen mit den verbliebenen Isocyanaten Harnstoff-Brücken (Abbildung 6.47, Gleichungen b) und c)). Weil diese Reaktion ebenfalls zu einer Vernetzung führt, bedeutet dies keine besondere Beeinträchtigung der Filmeigenschaften. Allerdings kann sich bei hohen Schichtstärken das bei der Hydrolyse entstandene CO2 in Form von Blasen negativ bemerkbar machen. Filme aus Isocyanaten und OH-Gruppen tragenden Bindemitteln besitzen ausgedehntere molekulare Nerzwerke im Vergleich zu den Filmen, die aus der Kondensation von Melaminharzen mit
Abbildung 6.48: Veränderung der Reaktionsgeschwindigkeit mit der Temperatur von Isocyanatvernetzung und Melaminvernetzung mit Polyolen
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Wichtige Vernetzungsreaktionen und deren Anwendung OH-Gruppen enthaltenden Bindemitteln (Polyester, Acrylatharze, Alkydharze) hergestellten wurden. Daraus resultieren für die Polyurethane optimale Flexibilität und Haftung, dazu gute Wetterbeständigkeit, wenn aliphatische oder cycloaliphatische Isocyanate verwendet werden. Prinzipiell können OH-Gruppen enthaltende Bindemittel sowohl für die Vernetzung mit Melaminharzen als auch für die Vernetzung mit Polyisocyanat-Addukten verwendet werden. Die bei der Isocyanat-Vernetzung entstehenden Urethan-Brücken und auch die Harnstoffe sind jedoch vor allem im sauren Bereich besser chemikalienbeständig als die Methyloletherbrücken, die bei der Melaminvernetzung entstehen. Aufgrund der größeren molekularen Maschen sind Filme aus den Polyisocyanaten geringer diffusionsdicht und daher weniger lösemittelbeständig, bzw. sie quellen leichter. Diesen Trend versucht man dadurch zu kompensieren, indem Partnerbindemittel ausgewählt werden, die höhere Vernetzungsdichten ergeben, d.h. die höhere OH-Zahlen15 besitzen als die Bindemittel, die für eine Aminoharzvernetzung ausgewählt werden. Weil Polyisocyanate relativ teuer sind, werden auch bewusst Bindemittel mit niedrigeren OH-Zahlen angeboten, die dann weniger Polyisocyanat-Vernetzer benötigen, jedoch schwächere Filmeigenschaften ergeben. Ein weiterer Unterschied zwischen Polyolen für die Isocyanat-Vernetzung und solchen für die Melamin-Vernetzung besteht in den Säurezahlen16. Während die Carboxyl-Gruppen bei der Melaminharz-Vernetzung katalytisch wirken, sind sie für die Isocyanat-Vernetzung nicht notwendig, in höheren Anteilen sogar störend.
Formulierung und Verarbeitung von Polyol-/NCO-Mischungen
Die gelösten Polyisocyanat-Addukte werden als Härter kurz vor der Applikation zum Stammlack zugesetzt. Die Vernetzungsreaktion beginnt bereits direkt nach der Mischung. Die fertige Mischung muss innerhalb einer vorgegebenen Zeit, der Topfzeit, verarbeitet werden. Aromatische Polyisocyanate (Toluylendiisocyanate und MDI) sind sehr reaktiv, sie haben daher nur kurze Topfzeiten. Die aliphatischen und cycloaliphatischen Polyisocyanat-Addukte reagieren vergleichsweise langsam. Angestrebte Topfzeiten sind 4 bis 6 oder sogar 8 Stunden. Zur Beschleunigung der Vernetzungsreaktion können Katalysatoren zugegeben werden. Damit wird allerdings die Topfzeit verkürzt. Katalysatoren für die Urethanbildung sind organische Schwermetallsalze oder tertiäre Amine. Lange Zeit war das Dibutylzinndilaurat (DBTL) der wichtigste Katalysator für die Urethanbildung. Das Dibutylzinndilaurat wirkt bereits in sehr kleinen Mengen, was hohe Reaktivität und vergleichsweise lange Topfzeit bedeutet. Weil aber alle zinnorganischen Verbindungen als toxisch, reizend und umweltschädigend klassifiziert sind [154], [155] werden sie ersetzt. Zurzeit werden neben Zink, Zirkonium und Aluminiumkomplexen vor allem organische Bismutsalze empfohlen [156]. Ebenfalls katalysieren Amine die Reaktion [157]. Weil die Alternativen geringer reaktiv sind als das DBTL, werden synergistische Effekte aus der Kombination von Metallsalzen mit tertiären Aminen oder basischen N‑Heterocyclen genutzt, um die Reaktionen zu katalysieren [158]. Die Vernetzung mit Polyisocyanat-Addukten wird für hochwertige Beschichtungen in der industriellen Anwendung eingesetzt. Das sind vor allem chemikalien- und korrosionsbeständige Decklacke, Automobil-Serienklarlacke und Füller sowie Decklacke und Klarlacke für die Automobil-Reparaturlackierung.
15 D ie „OH-Zahl“ eines Polyols gibt an, wieviel OH-Gruppen in einem Gramm Polymer vorhanden sind, allerdings in einer unübersichtlichen Form: Die OH-Zahl ist die Masse an KOH (in mg), die die gleiche Menge an OH-Gruppen enthält wie ein g der Substanz (hier: des Polyols), (Einheit mg/g) 16 Die „Säurezahl“ entspricht der Masse an KOH (in mg), die erforderlich ist um die in 1 g Substanz (hier: Polyol) enthaltenen COOH-Gruppen zu neutralisieren (Einheit mg/g).
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Filmbildung Erstaunlicherweise können Polyisocyanate mit freien Isocyanat-Gruppen auch für wässrige Lacksysteme verwendet werden. Das liegt daran, dass die Isocyanat-Gruppe selbst relativ unpolar ist. Vor allem bei den aliphatischen und cycloaliphatischen Polyisocyanaten ist die Polarität gering. Deshalb liegt in der Praxis das Problem weniger an der Reaktivität der Isocyanat-Gruppe mit Wasser, sondern in der Mischbarkeit der unpolaren Polymere mit Wasser. Wässrige Systeme aus Bindemitteln, die OH-Gruppen enthalten, bilden kolloidale Lösungen mit meistens sehr kleinen Teilchen. Wird dann der Isocyanat-Härter zugemischt, bilden sich zunächst relativ wenige große Teilchen. Dies ist umso schwerwiegender, da der Härter auch mengenmäßig den kleineren Anteil in der Mischung stellt. Für eine effektive Vernetzung wäre eine möglichst vollständige Durchmischung der Bestandteile von Vorteil. Bei der handwerklichen Anwendung von wässrigen Zweikomponentenlacken stehen dabei meistens keine mechanischen Rührer zur Verfügung; es wird eine manuelle Mischbarkeit gefordert. Es wurde deshalb versucht, die Verteilbarkeit der Härter in der wässrigen Phase zu verbessern. Dazu werden vergleichsweise niedrigviskose Polyisocyanate gewählt (mit engen molekularen Massenverteilungen, oder gelöst in nicht-protischen Lösemitteln) oder die Isocyanat-Härter werden hydrophiliert. Die Hydrophilierung besteht meistens im Einbau von mit Methanol einseitig veretherten Polyethylenoxiden, deren endständige OH-Gruppe mit einem Teil der Isocyanat-Gruppen reagiert, während die dann angehängte Polyethylenglykolkette Hydrophilie vermittelt17. Die so hydrophilierten Polyisocyanate lassen sich viel besser in der wässrigen Phase verteilen und mischen sich dann auch besser mit den Partnerbindemitteln. Allerdings muss dann auch mit einer verstärkten Reaktion der Isocyanate mit Wasser gerechnet werden. Daher werden die Verhältnisse von Isocyanat-Gruppen n(NCO) zu OH-Gruppen n(OH) auf 1,3 bis 1,5 gesetzt. Die Filmeigenschaften wässriger Zweikomponentenlacke auf der Basis von Polyisocyanaten reichen fast an die lösemittelhaltiger Systeme heran. Sie werden vor allem für industriell applizierte Decklacke verwendet, wenn es um sehr gute Chemikalien- und Wetterbeständigkeit geht.
Vernetzung von Isocyanaten mit Amino-Gruppen
Freie Isocyanate reagieren mit Amino-Gruppen so schnell, dass diese Reaktion nicht ohne Weiteres für Beschichtungsstoffe angewendet werden kann. Erst wenn die Amino-Gruppen vorreagiert sind, sind solche Anwendungen möglich. Amino-Gruppen werden dazu mit Ketonen unter Abspaltung von Wasser zu Ketiminen umgesetzt (siehe Abbildung 6.49). Kombiniert man Bindemittel, die Ketimine enthalten, mit Polyisocyanataddukten, entstehen applikationsfähige Gemische. Die Vernetzung findet dann statt, wenn durch Luftfeuchtigkeit die Amine aus den Ketiminen wieder freigesetzt werden. Es entstehen Harnstoff-Brücken. Die Filme daraus zeigen besonders gute Haftung und Chemikalienbeständigkeit. Solche Systeme werden für Spezialbeschichtungen verwendet (z.B. für Folien).
Abbildung 6.49: Bildung von Ketiminen bzw. Freisetzung von Aminen
17 Z.B. „Basonat“ HW-Typen (BASF), „Bayhydur“ 3-er und 4-er Serie (Covestro)
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Wichtige Vernetzungsreaktionen und deren Anwendung Auch die Reaktion von Isocyanaten mit Wasser kann für Vernetzungsreaktionen genutzt werden. Das Prinzip der Reaktion wurde in Abbildung 6.49 (Reaktion b und c) bereits erläutert. Es entstehen dabei Harnstoffe. Dabei handelt es sich um eine Selbstvernetzung. Geeignete Bindemittel werden hergestellt, indem OH-Gruppen vor allem von Polyestern und Alkydharzen mit einem Überschuss von Polyisocyanaten (auch mehrfunktionellen Polyisocyanat-Addukten) umgesetzt werden. Es entstehen Polyurethan-Präpolymere mit end- und seitenständigen Isocyanat-Gruppen18. Es werden flüssige Systeme (für emissionsfreie Beschichtungsstoffe) hergestellt oder diese Polyurethan-Präpolymere werden in möglichst wasserfreien Lösemitteln (Ester, aromatische Kohlenwasserstoffe) gelöst. Ebenfalls wird ein Katalysator zugesetzt, um die Reaktion zu beschleunigen. Die Bindemittel werden für Holzlackierungen, Korrosionsschutzlacke, für Imprägnierungen und für Kleber und Dichtmassen verwendet.
Vernetzung durch verkappte Polyisocyanate
Während Polykondensationsreaktionen chemische Gleichgewichte sind, beobachtet man bei der Additionsreaktion von Nucleophilen an Polyisocyanate fast vollständige Umsetzung. Erst bei verhältnismäßig hohen Temperaturen (≥ 220 °C) zerfallen Urethane aus Isocyanat und OH-Gruppen wieder in ihre Ausgangsstoffe. Man kennt aber Verbindungen, die bereits bei geringeren Temperaturen Isocyanate freisetzen können. Damit hat man eine Möglichkeit, einkomponentige Bindemittel zu formulieren, die bei erhöhter Temperatur die Isocyanat-Hydroxyl-Reaktion eingehen. Die Problematik der Topfzeit kann somit umgangen werden. Durch sogenannte „Verkappungsmittel“ (engl. „Blocking agents“) werden Isocyanate in eine unreaktive Form überführt19. Bei höherer Temperatur wird dann das Isocyanat wieder zurückgebildet oder in eine reaktive Form überführt und kann mit Nukleophilen wie OH- oder NH-Gruppen reagieren. Die genauen Mechanismen werden derzeit noch diskutiert und unterscheiden sich je nach Verknappungsmittel [159 –162]. Die entstehenden vernetzten Filmstrukturen sind vergleichbar mit den aus Polyisocyanten und OH-Gruppen enthaltenden Bindemitteln entstandenen Polyurethanen. Die molekularen Netzwerkstrukturen sind jedoch meistens weitmaschiger und ausgedehnter. Daraus folgen höhere Flexibilität und gute Wetterbeständigkeit. Es hat sich herausgestellt, dass eine Kombination von Vernetzern, nämlich von verkappten Polyisocyanaten und Melaminharzen, z.B. für OH-funktionelle Acrylatharze eine positive Eigenschaftskombination darstellt. Diese so genannte „Hybridvernetzung“ ergibt sowohl eine gute Chemikalien-, Lösemittel- und Wetterbeständigkeit als auch gute mechanische Eigenschaften (Flexibilität und Härte). Die Erklärung liegt darin, dass zwei Reaktionen mit unterschiedlichen Geschwindigkeitsgradienten parallel ablaufen (siehe Abbildung 6.48) und dabei relativ ausgedehnte molekulare Netzwerke entstehen. Diese Hybridvernetzung wird z.B. für Automobil-Serienklarlacke verwendet [163], [164], [165]. Ebenfalls können Isocyanate mit einer „inneren Verkappung“ hergestellt werden. Diisocyanate werden dabei unter dem Einfluss von basischen Katalysatoren wie Pyridin oder tertiären Phosphanen zu Uretdionen (siehe Abbildung 6.47 (b)) umgesetzt20. Uretdione können bei höherer Temperatur wieder in Ausgangs-Isocyanate zerfallen und mit OH-Gruppen reagieren. Uretdione sind fest 18 Z.B. „Desmodur“ E-Typen (Covestro) 19 Gebräuchliche Verkappungsmittel für eine Einbrennzeit von 20 – 30 min bei den angegebenen Temperaturen sind für die Verkappung aromatischer Polyisocyanate Phenole (170 – 180 °C), für die Verkappung aliphatischer oder cycloaliphatischer Polyisocyanate ε-Caprolactam (160 – 165 °C), 1,2,4-Triazol (155 – 160 °C), Methylethylketoxim (150 – 155 °C), 3,5-Dimethylpyrazol-1,2 (145 – 150 °C), Ethylacetoacetat (140 – 145 °C), Diethylmalonat (130 – 140 °C). 20 Z.B. „Vestagon“ EP-Reihe (Evonik)
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Filmbildung und reagieren ohne Abspaltprodukte. Beide oben genannte Eigenschaften sind gute Voraussetzungen dafür, solche Vernetzer für Pulverlacke einzusetzen. Die Vernetzungstemperaturen können durch Katalysatoren von 170 °C auf 140 °C gesenkt werden. Pulverlacke aus geeigneten OH-Polyestern mit Uretdion-Vernetzern sind gut haftend ausreichend flexibe l und gut wetterbeständig. Verkappte Polyisocyanate können auch mit Amino-Gruppen enthaltenden Bindemitteln umgesetzt werden. Die effektiven Umsetzungstemperaturen liegen ungefähr 50 °C niedriger als die für die Umsetzung mit OH-Gruppen. Es entstehen Harnstoff-Gruppen. Die Produkte zeichnen sich durch besonders gute Haftung aus. Solche Kombinationen werden für sehr spezielle Beschichtungen (z.B. für besondere Einbrenngrundierungen) verwendet.
Verkappte Isocyanate für wässrige Systeme
Verkappte Polyisocyanate können auch als Vernetzer in wässrigen Lacksystemen dienen. Weil es schwierig ist, verkappte Polyisocyanate mit ionischen Gruppen zu dotieren, wird ein anderer Weg beschritten. Verkappte Polyisocyanate werden in organischer Phase mit ionisch stabilisierten Bindemitteln gemischt. Beim Überführen dieser Kombination in eine wässrige Phase werden die selbst nicht wasserverdünnbaren verkappten Polyisocyanate von den wässrigen Bindemitteln getragen. Dieses Verfahren wird bei der Formulierung und Herstellung kationischer „Elektrotauchlackierung“(KTL, siehe Kapitel 4.2.1) angewendet. Kationisch stabilisierte Elektrotauchlackbindemittel bestehen aus Epoxidharzen, die mit Amino-Gruppen dotiert sind und mit verkappten aromatischen Polyisocyanaten reagieren. Die Verkappungsmittel enthalten primäre und/oder sekundäre OH-Gruppen21 und reagieren analog Abbildung 6.47 (a). Die Vernetzung erfolgt bei verhältnismäßig niedrigen Temperaturen, sie liegen bei 165 bis 180 °C, weil größere Mengen an Katalysator zugesetzt werden. Das häufig verwendete Dibutylzinnoxid wurde dabei weitgehend durch Bismutverbindungen ersetzt. Ebenfalls wirken die tertiären Amino-Gruppen der modifizierten Epoxidharze katalytisch auf die Umsetzung der verkappten Polyisocyanate. Die Produkte zeichnen sich durch sehr gute Haftung und ausgezeichnete Korrosionsschutzeigenschaften aus.
Vernetzung durch Epoxide
Der Dreierring von Epoxidverbindungen reagiert gerne mit Nucleophilen22 unter Ringöffnung. Es entstehen dabei β-Hydroxyverbindungen. Reaktionspartner dafür sind primäre und sekundäre Amine, OH-Gruppen sowie Carboxyl-Gruppen. Die Reaktionen sind in der Abbildung 6.50 dargestellt. Die Reaktion von Epoxid-Gruppen mit primären oder sekundären Aminen läuft bereits bei Umgebungstemperaturen sehr effektiv ab. Eine Kombination von Epoxidharzen und Polyaminen ist demnach ein Zweikomponentensystem, bei dem der Stammlack üblicherweise das Epoxidharz und ggf. Pigmente, Füllstoffe und Additive enthält und das Polyamin die Härterkomponente darstellt. Filme aus der Kombination von aromatischen Epoxidharzen mit Polyaminen als Härter zeichnen sich durch ausgezeichnete Haftung auf Metallen und sehr gute Chemikalienbeständigkeit aus. Sie sind daher besonders geeignet für Korrosionsschutzgrundierungen. Die Produkte sind allerdings nicht wetterbeständig . 21 Z.B. Ethylhexanol und Glykolmonoether 22 Ein Nucleophil ist eine Verbindung, die ein Atom mit hoher Elektronendichte und einem freiem Elektronenpaar besitzt. Ein Teilchen, das eine positive Partialladung trägt und gerne mit Nucleophilen reagiert, nennt man Elektrophil.
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Wichtige Vernetzungsreaktionen und deren Anwendung Auch wässrige Beschichtungsstoffe auf der Basis von Epoxidharzen sind erhältlich. Weil Epoxid-Gruppen mit Carboxyl-Gruppen, die üblicherweise als anionische Träger-Gruppen für wässrige Systeme ausgewählt werden, reagieren können, werden daher vor allem sterisch gehinderte hydrophile Träger-Gruppen in Epoxidharze eingebracht. Epoxidharze werden dazu mit Polyethylenglykol-Seitenketten dotiert. Weiterhin gibt es Epoxidharzdispersionen, die über Emulgatoren in wässriger Phase gehalten werden23. Als Härter werden wasserlösliche Polyamine und Polyamidoamine verwendet. Weil emulgatorstabilisierte Dispersionen nicht geeignet sind, Pigmente darin zu dispergieren, werden diese in den wässrigen Polyaminen oder Polyamidoaminen verteilt. Zur Vernetzung werden dann die Epoxidharzdispersionen wie ein Härter zugegeben. Auch solche Systeme sind geeignet für Korrosionsschutzgrundierungen (z.B. für Großfahrzeuge, Maschinen). Eine ausreichende Vernetzung von Epoxidharzen mit Carboxyl-Gruppen enthaltenden Bindemitteln findet erst bei höheren Temperaturen statt. Die Reaktionen können mit Lewis-Säuren und auch mit Basen (z.B. N,N-Dimethylbenzylamin) katalysiert werden. Weil bei dieser Reaktion keine Abspaltprodukte entstehen, ist sie für die Anwendung in Pulverlacken geeignet, die meistens relativ dickschichtig appliziert werden. Die bekanntesten Produkte bestehen aus Carboxyl-Gruppen enthaltenden gesättigten Polyestern und festen aromatischen Epoxidharzen. Je nach Säurezahl der
Abbildung 6.50: Reaktionen von Epoxid-Gruppen mit nucleophilen Verbindungen
23 Z.B. XZ-Serie der Fa. Dow
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Filmbildung Polyester und je nach Äquivalentmasse der Epoxidharze (EEW)24 werden diese Bindemittel im Mengenverhältnis 50 : 50 bis 70 : 30 kombiniert. Die Pulverlackfilme daraus haften sehr gut auf Metall, sie sind hart und ausreichend chemikalienbeständig. Der Anteil an aromatischem Epoxidharz begrenzt die Wetterbeständigkeit. Je höher der Anteil an aromatischem Epoxidharz ist, desto besser sind die Korrosionsschutzeigenschaften. Epoxidharze können bei höheren Temperaturen auch mit amidischen NH-Gruppen reagieren. Dicyandiamid und Toluylbisguanid werden als Härter für Epoxidharze in Pulverlacken eingesetzt, die für korrosionsbeständige Beschichtungen und Elektroisoliersysteme verwendet werden (siehe Abbildung 6.51). Eine Reaktion der Epoxid-Gruppen mit OH-Gruppen läuft erst bei höheren Temperaturen ausreichend schnell ab. Sie wird durch Säuren und Lewis-Säuren katalysiert. Weil mittel- und höhermolekulare Epoxidharze auch OH-Gruppen enthalten, können sie unter bestimmten Bedingungen selbstvernetzen. Die Reaktion von OH-Gruppen mit Epoxid-Gruppen ist eine Nebenreaktion, z.B. wenn Epoxidharze mit Carboxyl-Gruppen enthaltenden Polyestern vernetzt werden (Pulverlacke, bei höheren Einbrenntemperaturen). Epoxidharze können auch mit Polyphenolen, z.B. mit Novolaken vernetzt werden (siehe 6.5.3 Vernetzung durch Phenolharze).
6.5.5 Polymerisationsreaktionen Oxidative Vernetzung
Die oxidative Vernetzung ist wohl die am längsten bekannte Vernetzungsreaktion. Dabei spielt der Luftsauerstoff die entscheidende Rolle. Die ersten Systeme basierten auf natürlichen Ölen insbesondere auf Leinöl. Leinöl wird aus den Samen der Leinpflanze gewonnen, die im Vorderen Orient schon vor mehr als 8000 Jahren für die Herstellung von Textilfasern als auch als Basis für Lebensmittel verwendet wurde. Dem flämischen Meister Jan van Eyck (um 1390-1441) wird als erster die Verwendung von Ölfarbe (Künstlerfarbe) auf der Basis von Leinöl zugeschrieben [166]. Allerdings sind bereits Leinölrezepte aus dem frühen 12. Jhd. bekannt [167]. Ein Öl besteht immer aus Glycerin, das mit sogenannten Fettsäuren verestert ist. Die Fettsäuren unterscheiden sich nun von Öl zu Öl. Sie können keine (gesättigte Fettsäuren), eine oder mehrere Doppelbindungen besitzen (ungesättigte Fettsäuren, siehe Abbildung 6.52). Öle mit mehr als zwei Doppelbindungen werden als „trocknende Öle“ bezeichnet, weil beobachtet wurde, dass aus dem flüssigen Öl unter Sauerstoffeinfluss mit der Zeit eine fest erscheinende Schicht entsteht. Öle, die höhere Anteile an Linolsäure (zwei Doppelbindungen) enthalten, werden als „halbtrocknende Öle“ bezeichnet. Wenn die linolsäurereichen Fettsäuren aus diesen
Abbildung 6.51: Amidische Härter für Epoxidharze 24 Unter der Epoxidäquivalentmasse (EEW) versteht man die Harzmenge in g, in der 1 mol Epoxid-Gruppen enthalten sind.
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Wichtige Vernetzungsreaktionen und deren Anwendung Ölen in ausreichenden Mengen in höTabelle 6.4: Anteil ungesättigter Fettsäuren in ausgewählten Ölen 26 [168] hermolekulare Bindemittel eingebaut werden, resultieren Produkte, die effekAnteil an Linolsäure in % tiv oxidativ vernetzen. Öle, die hauptBaumwollsaatöl 33 – 45 sächlich Fettsäuren mit maximal einer Sojaöl 38 – 58 Doppelbindung enthalten, tragen nicht Sonnenblumenöl 43 – 56 zur oxidativen Vernetzung bei. Diese Safloröl 73 – 79 Öle werden „nichttrocknende Öle“ genannt. Die Doppelbindungen in ungeLeinöl 17 – 24 sättigten Fettsäuren können konjuTallöl 39 – 47 giert25 (Conjuene) oder isoliert vorlieAnteil an Linolensäure in % gen (Isolene). Conjuene reagieren bei Leinöl 39 – 47 der oxidativen Vernetzung effektiver als Isolene. Quellen ungesättigter Fettsäuren sind im Wesentlichen pflanzliche Öle. Die oxidative Vernetzung startet an mehrfach ungesättigten Doppelbindungen. Luftsauerstoff ist entgegen der Lewis-Schreibweise () ein Diradikal. Das bedeutet, dass er zwei ungepaarte Elektronen (je eines in einem Orbital) enthält. Dies macht das O2-Molekül so reaktiv und erklärt die starke Oxidationskraft dieses Moleküls. Bei der Anlagerung von Sauerstoff an isolierte Doppelbindungssysteme bilden sich vor allem Hydroperoxide. Hydroperoxide zerfallen gerne in Radikale, durch Metallkatalysatoren wird dies beschleunigt. Die gebildeten Radikale starten eine Radikalkettenpolymerisation durch Übertragen des Radikals an das nächste Doppelbindungssystem. Die Polymerisationsreaktion wird dann durch die Rekombinationen mit anderen Radikalen gestoppt. Es entstehen dabei bevorzugt Sauerstoff-
Abbildung 6.52: Chemischer Aufbau von Fetten/Ölen 25 B ei konjugierten Doppelbindungen wechseln sich Doppel- und Einfachbindungen ab. Z.B. CH3-(CH2)n-CH=CH–CH=CH–CH=CH-(CH2)n-COOH 26 Außerdem enthalten die Öle von Hering, Menhaden und Sardine ungesättigter Fettsäuren mit drei und vier Doppelbindungen und vor allem 20 und 22 C-Atome
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Filmbildung brücken zwischen den Fettsäureresten, aber auch C–C-Brücken. Der Start und der prinzipielle Ablauf der oxidativen Vernetzung sind in der Abbildung 6.53 schematisch dargestellt. In Wirklichkeit sind die Vorgänge bei der oxidativen Vernetzung deutlich komplizierter, als hier gezeigt. Es wurde bereits sehr früh festgestellt, dass Anteile konjugierter Doppelbindungen die Effektivität der oxidativen Vernetzung verbessern. Zum Beispiel wurden Alkydharze auf der Basis von Leinöl in Kombination mit Holzöl hergestellt. Diese Produkte zeichnen sich durch schnelle und effektive oxidative Vernetzung aus („Durchtrocknung“). Sie wurden vor allem für Korrosionsschutzgrundierungen und Spachtel verwendet. Holzöl enthält α-Eleostearinsäure (9Z,11E,13E)-Octadeca-9,11,13-triensäure) mit drei konjugierten Doppelbindungen, die relativ schnell polymerisieren können. Die Sauerstoffaufnahme bei der oxidativen Vernetzung konjugierter Doppelbindungen und damit die Rate der Radikalbildung ist deutlich geringer als bei isolierten Doppelbindungen. Konjugierte Fettsäuren reagieren dagegen mit Radikalen schneller als isolierte Fettsäuren. Es entstehen daher ausgedehntere Netzwerke mit besseren Beständigkeitseigenschaften. Die vereinfachende Aussage [169], dass Bindemittel mit konjugierten Doppelbindungen schneller oxidativ vernetzen, ist deshalb zu relativieren. Erst die Kombination von Fettsäuren mit isolierten Doppelbindungen, die vor allem mehr Radikale bilden, mit Fettsäuren, die konjugierte Doppel-
Abbildung 6.53: Vereinfachtes Schema der oxidativen Vernetzung
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Wichtige Vernetzungsreaktionen und deren Anwendung bindungen enthalten und damit schneller polymerisieren, ergibt wirklich die schnellste Vernetzungsreaktion. Der Hydroperoxidzerfall wird durch höher geladene Metallkationen katalysiert. Die Metallsalze werden als „Sikkative“ („Trockner“) bezeichnet. Am häufigsten werden aufgrund ihres Redoxpotenzials Cobaltsalze eingesetzt. Obwohl Cobalt ein essentielles Spurenelement für Säugetiere ist (es ist das Zentralatom des Cobalamin, Vitamin B12, Tagesbedarf beim Menschen 0,1 µg Cobalt) sind Cobalt-Verbindungen inzwischen als gesundheitsschädlich eingestuft. Zwar ist die letale Dosis für elementares Cobalt relativ hoch (LD50 [Ratte, oral] 6170 mg/kg [170]), für Cobalt(II)-chlorid als typisches Salz liegt sie bereits zwischen 80 mg/kg und 766 mg/kg [171]. Cobalt-Salze können Leber- und Nierenschäden und Kardiomyopathie auslösen, sie sind fruchtschädigend und stehen im Verdacht, karzinogen zu sein [172]. Sie müssen ab einem bestimmten Anteil gekennzeichnet werden. Für den Umgang mit Cobalt-Sikkativen ist die MAK auf 0,5 mg/m³ festgesetzt [173]. Weil Cobalt-Sikkative das beste Redoxpotential für die an isolierten Doppelbindungen gebildete Hydroperoxide besitzen, sind sie nur schwer zu ersetzen. Auf der Suche nach Alternativen wurden verschiedene Metallkationen untersucht: Mangan, Eisen (Ladungszahlen 2+, 3+), Zirkon, Vanadium (2+, 3+, 4+, 5+), und Cer (3+, 4+)[174], [175]. Die Verwendung von Mangan- oder Eisen-Ionen ist wegen der Verfärbung ein Problem. Zwar haben Cobalt-Ionen auch typische Färbungen (Co2+ ist rotviolett, Co3+ ist grün), aber die Zugabemengen können aufgrund der hohen Wirksamkeit so klein sein, dass es zu keiner Beeinträchtigung des Lackfarbtons kommt. Es wird daher die Verwendung von Mangan- und Eisen-Sikkativen in kleinen Metallmengen empfohlen, wobei das Redoxpotential durch die Kombination mit Co-Sikkativen oder durch Zugabe geeigneter Komplexbildner verbessert wird [176]. Komplexbildner für Mangan- und Eisen-Sikkative sind z.B. 1,10-Phenanthrolin, 2,2'-Bipyridin und 5,10,15,20-Tetrakisphenylporphyrin [177], [178]. Die Wirkung der höhergeladenen Metallionen kann durch andere organische Metallsalze verstärkt werden, obwohl diese nicht in mehreren Oxidationsstufen vorliegen können. Es handelt sich dabei z.B. um Calcium, Magnesium, Barium, Zink oder Lithium. Diese Kationen scheinen die Komplexierung der höhervalenten Metallkationen an den Hydroperoxiden zu unterstützen. Sie werden als Co-Sikkative bezeichnet [179].
Alkydharze
Die oxidative Vernetzung spielt nicht nur bei den Ölen eine Rolle, sondern bei allen Bindemitteln, die Doppelbindungen enthalten. Insbesondere sind dies die Alkydharze, da diese stets einen hohen Anteil Fettsäuren enthalten. Die Struktur und die Herstellung eines einfachen Alkydharzes sind in Abbildung 6.54 dargestellt. Für die industrielle Anwendung werden Bindemittel (Alkydharze) mit möglichst hohen Anteilen an mehrfach ungesättigten Fettsäuren hergestellt, die dazu möglichst hohe Molmassen besitzen. Bei hohen Molmassen ist der Schritt zu einem optimal vernetzten Film kleiner als bei niedrigeren Molmassen. Hohe Anteile an Fettsäuren als Seitenketten erniedrigen die Glasübergangstemperaturen der Bindemittel allerdings deutlich. Es entstehen daher Filme mit brauchbarer Oberflächenhärte und Beständigkeiten erst nach einer ausreichenden Vernetzung. Die Vernetzungsgeschwindigkeit lässt sich durch höhere Temperaturen nur unwesentlich anheben. Allerdings reagieren konjugierte Doppelbindungen bei erhöhten Temperaturen deutlich schneller durch Bildung von C–C-Verknüpfungen. Diese Tatsache wird für Beschichtungen genutzt, die „forciert getrocknet“ werden, z.B. bei 80 °C. Dafür werden Alkydharze mit möglichst hohen Anteilen an konjugierten Doppelbindungen verwendet. Die langsame „Antrocknung“ der Bindemittel mit hohen Fettsäureanteilen ist für die handwerkliche Verarbeitung jedoch ein Vorteil, denn die längere „Offenzeit“ ermöglicht eine längere
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Filmbildung Überarbeitungszeit. Außerdem haben solche Bindemittel selbst bei hohen Molmassen vergleichbar niedrige Viskositäten und sind gut in unpolaren Lösemitteln wie z.B. aliphatischen Kohlenwasserstoffen, Isoparaffinen und hydriertem Naphtha löslich. Um die oxidative Vernetzung auch für Lacksysteme zu nutzen, die eine schnellere (physikalische) Antrocknung fordern, können Alkydharze mit Bindemitteln gemischt werden, die schnell physikalisch trocknen. In diesem Fall kann man den Fettsäureanteil der Bindemittel (Alkydharze) reduzieren. Eine einfache Reduktion der Fettsäureanteile ist jedoch problematisch, weil eine geringere Veresterung des Polyesterrückgrades in Alkydharzen mit Fettsäuren (z.B. aus dem Glycerinanteil) eine deutliche Reduktion der Molmasse erfordert. Anderenfalls lassen sich solche Bindemittel nicht mehr realisieren [136]. Eine hohe Molmasse ist für eine Vernetzung bei geringem Fettsäureanteil unabdingbar. Deshalb wird ein Teil der Fettsäureanteile durch Benzoesäuren oder auch Harzsäuren ersetzt. Dann ist zwar auch der Anteil vernetzbarer Doppelbindungen reduziert, aber es können Bindemittel mit sehr hohen Molmassen realisiert werden, was eine optimale Vernetzung stützt. Alkydharze zeichnen sich aus durch gute Benetzung von Substraten und Pigmenten, guten Verlauf hohen Glanz und hohe Flexibilität der Filme. Bindemittel, die Linolsäuren enthalten, ergeben, wenn sie optimal vernetzt sind, Filme mit guten Wetterbeständigkeiten. Solche Bindemittel werden vor allem handwerklich und als „do-it-yourself“-Systeme appliziert. Der Untergrund sind vor allem Holzteile (Fenster, Möbel, Bauteile). Die Bindemittel mit reduziertem Fettsäureanteil und der Benzoesäure-Modifikation wurden für Heizkörperlacke und Autoreparaturlacke verwendet. Sie spielen noch eine Rolle für schnell lufttrocknende Industrielacke und Holzlacke (Bootslacke). Bindemittel, die Linolensäure enthalten, vernetzen zwar recht schnell, aber sie sind nicht wetterbeständig. Es kommt unter Einfluss von Tageslicht (UV-Licht) zu Vergilbung und zur Versprödung der Filme. Die Ursache liegt darin, dass durch die hohe Anzahl der Doppelbindungen nicht nur Vernetzungsreaktionen stattfinden, sondern auch Abbaureaktionen. Die über Sauerstoffbrücken verknüpften Fettsäurereste bilden dabei Carbonyl- und Carboxyl-Gruppen. Die oft zitierte Annahme, dass es sich um eine durch UV-Licht induzierte Nachvernetzung handelt, kann nicht bestätigt werden, denn dies würde die Filmqualität eher verbessern (siehe Kapitel 8.1 und 8.2).
Abbildung 6.54: Herstellung und Struktur eines einfachen Alkydharzes
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Wichtige Vernetzungsreaktionen und deren Anwendung Alkydharze mit Linolensäure werden für Korrosionsschutzgrundierungen, Füller und Spachtel verwendet. Schnelltrocknende Produkte enthalten meistens Anteile an Harzsäuren. Sie zeichnen sich durch gute Penetration (Metallsubstrate) ausreichende Härte und gute Beständigkeiten (außer der fehlenden UV-Beständigkeit) aus.
Vernetzung ungesättigter Polyesterharze
Ungesättigte Polyester enthalten Doppelbindungen, die fast ausschließlich durch die Verwendung von Maleinsäureanhydrid als Baustein im Polymerrückgrad gebildet werden. (siehe Abbildung 6.55). Der Anteil an Maleinsäureanhydrid pro Polyestermolekül und die Molekülgröße bestimmen die Reaktivität und die Vernetzungsdichte. Als Co-Monomer für die Vernetzung wird vor allem Styrol verwendet, seltener Vinyltoluol, α-Methylstyrol, Divinylbenzol und Methacrylate. Da diese Verbindungen flüssig sind und damit die Viskosität des Gesamtsystems herabsetzen und in die Netzwerkstruktur eingebunden werden, werden diese Verbindungen als „Reaktivverdünner“ bezeichnet. Ähnlich wie bei der oxidativen Vernetzung kann die Vernetzung der ungesättigten Polyester durch eine Redox-Reaktion mit Peroxiden als Härtern angestoßen werden. Bevorzugt werden dabei Ketonperoxide oder Diacylperoxide mit tertiären Aminen eingesetzt. Verbindungen, die eine
Abbildung 6.55: Herstellung eines ungesättigten Polyesters
Abbildung 6.56: Co-Polymerisation von UP-Harzen und Styrol
135
Filmbildung Redox-Reaktion mit den Peroxiden eingehen, werden als „Beschleuniger“ bezeichnet. Es handelt sich hierbei um organische Salze höhergeladener Metallionen, die bereits bei der oxidativen Vernetzung in diesem Kapitel beschrieben wurden. Die Radikale starten eine Radikalkettenpolymerisation an den Doppelbindungen des Polyestergerüsts. Die Radikale werden bevorzugt auf Styrol übertragen. Es entstehen dabei nur relativ kurze Ketten, weil die Radikale schnell rekombinieren. Der Ablauf ist in der Abbildung 6.56 dargestellt. Diese Reaktionen werden durch den Einfluss von Sauerstoff (Luftsauerstoff) behindert. Luftsauerstoff als Diradikal inhibiert die Reaktion des Polyester-Radikals mit Styrol. Die Geschwindigkeitskonstante der Sauerstoff-Reaktion ist deutlich höher als die Übertragung des Radikals auf ein angelagertes Styrol-Molekül (siehe Abbildung 6.57). Durch die Inhibierung der Vernetzung entstehen klebrige Oberflächen. Prinzipiell kann die Sauerstoffinhibierung auf zwei Arten unterdrückt werden. Erstens kann das System aus ungesättigtem Polyester und Styrol mit einem kleinen Anteil einer Wachsdispersion versetzt werden („Wachspolyester“). Während der Filmbildung separiert sich das Wachs und orientiert sich an der Oberfläche. Die Wachsschicht an der Oberfläche hält den Luftsauerstoff ab, so dass die Vernetzungsreaktion ungestört ablaufen kann. Allerdings muss danach die Oberfläche geschliffen und poliert werden.
Abbildung 6.57: Sauerstoff-Inhibierung der radikalischen Vernetzung ungesättigter Polyester
Abbildung 6.58: Wettbewerb der Reaktion der Fumarsäureester mit Peroxidradikalen und der Reaktion des Luftsauerstoffs mit den Allylethern
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Wichtige Vernetzungsreaktionen und deren Anwendung Die zweite Methode besteht im Einbau von Komponenten in das ungesättigte Polyesterharz, die mit dem Luftsauerstoff vorreagieren. Es handelt sich dabei bevorzugt um Verbindungen mit Allylethern. Der Wettbewerb zwischen der Reaktion der Fumarsäureester mit Peroxidradikalen und der Reaktion des Luftsauerstoffs mit den Allylethern ist in der Abbildung 6.58 dargestellt. Weil aus auf diese Weise modifizierten UP-Harzen ohne die Beeinträchtigung durch Luftsauerstoff glatte und glänzende Filme entstehen, werden die Produkte als „Glanzpolyester“ bezeichnet. In Abhängigkeit vom Anteil an ungesättigten Stellen im Polyestermolekül und den Mischungsverhältnissen zwischen UP-Harz und Styrol (60 : 40 bis 70 : 30) sowie ausreichenden Mengen an Initiator und Beschleuniger reagiert der Styrol-Anteil fast vollständig. Es wird also nur wenig Styrol emittiert. Das ist vor allem deshalb wichtig, weil Styrol als gesundheitsschädlich eingestuft ist und als nervenschädigend, fruchtschädigend gilt. Die Alternativen zu Styrol sind ebenfalls gesundheitlich bedenklich bzw. copolymerisieren deutlich schlechter bei der Vernetzung. Bei der Verwendung von Styrol sind entsprechende Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten. Die Produkte bilden hochglänzende Filme mit hoher Härte und besonders guter Beständigkeit gegen Lösemittel und viele Chemikalien. Solche UP-Systeme wurden bis in die 1970-er Jahre besonders für geschlossenporige Möbel-Klarlacke und auch pigmentiert für so genannte Schleiflacke verwendet. Heute werden solche UP-Lacke noch für Piano-Lackierungen und für dekorative Holzteile im Innenbereich von Fahrzeugen (Dash-boards) verwendet. Das zweite Anwendungsgebiet der UP-Harze sind Spachtelmassen. Dazu wird die UP-Harzlösung in Styrol mit höheren Anteilen an Pigmenten und Füllstoffen kombiniert. Die UP-Spachtel können in sehr großen Schichtdicken ohne Fehlstellen appliziert werden, weil Styrol flüssig ist und damit die Viskosität des Systems niedrig hält. Da das Styrol am Aufbau des Films beteiligt ist, mitreagiert, spricht man in diesem Fall von einem Reaktivverdünner. Die Lösung des ungesättigten Polyesterharzes in Styrol kann mit dem Beschleuniger ausgeliefert werden. Aber sobald der Härter (Peroxid) zugemischt ist, startet die Vernetzungsreaktion. Je nach Reaktivität des ungesättigten Polyesters und der Anteile an Beschleuniger und Härter resultieren unterschiedliche Topfzeiten. Bei der Vernetzung wird sehr viel Energie (Wärme) frei. Besonders größere Mengen an nicht verarbeitetem Material können so heiß werden, dass Brandgefahr besteht. Es sind entsprechenden Vorkehrungen zu treffen. Ungesättigte Polyesterharze können auch für die Herstellung von Schichtstoffen und Formkörpern (Gießharze) verwendet werden. Für Schichtstoffe werden ungesättigte Polyesterharze für eine optimale Verarbeitung mit kolloidaler Kieselsäure versetzt (Gelcoat). Bauteile aus UP-Harzen werden sehr oft mit Glasfasern verstärkt. Während der Co-Polymerisation ungesättigter Polyesterharze steigt die Dichte deutlich an; es findet dabei eine Schrumpfung von 5 bis 8 Vol-% statt. Für das Entformen von Bauteilen kann das von Vorteil sein. Zu großes Schrumpfen kann allerdings zu Spannungsrissen führen. Für Beschichtungen ist das Schrumpfen von Nachteil, weil die durch die Benetzung entstandenen physikalischen Wechselwirkungen mit der Substratoberfläche dabei verloren gehen. Daher haften UP-Harzfilme vor allem auf glatten Oberflächen nicht besonders gut und ergeben auch keine besonderen Korrosionsschutzeigenschaften. UP-Harze sind nicht besonders wetterbeständig. Für eine Außenanwendung müssen nichtpigmentierte UP-Harzschichten mit geeigneten Lichtschutzmitteln versetzt werden.
UV-Vernetzung
Der Energieinhalt einer elektromagnetischen Welle ist von der Wellenlänge bzw. der Frequenz abhängig (Gleichung 6.17). Das bedeutet, je kürzer die Wellenlänge ist, desto höher ist der Energieinhalt. Die Energie elektromagnetischer Wellen (wie z.B. Licht) kann mit Materie je nach Wel-
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Filmbildung lenlänge unterschiedlich in Wechselwirkung treten. So regt Wärmestrahlung (Infrarotstrahlung) die Schwingung von Atomgruppen an, sichtbares Licht tritt mit den Elektronen von Verbindungen in Wechselwirkung. Ein Photon von UV-Licht enthält nun je nach Wellenlänge bereits so viel Energie, dass Bindungen gebrochen werden können [180], [181], dargestellt in Abbildung 6.59 . Dies ist auch der Grund für den Abbau vieler Polymere bei UV-Bestrahlung. Gleichung 6.17
E = h ⋅ ν = h ⋅ _ cλ
E = Energie, h = Plank-Konstante, ν = Frequenz; c= Lichtgeschwindigkeit, λ = Wellenlänge
Abbildung 6.59: Bindungsenergien in Bezug auf die Energie elektromagnetischer Strahlung
Abbildung 6.60: Photoinitiatoren: Unterschiedliche Reaktionswege zur Erzeugung von Radikalen
138
Wichtige Vernetzungsreaktionen und deren Anwendung Allerdings sind diese Reaktionen langsam und unspezifisch, weshalb für eine spezifische Vernetzung UV-Initiatoren als Radikalbildner herangezogen werden. Diese nehmen UV-Licht auf und zerfallen besonders leicht in Radikale, welche wiederum mit im Polymer vorhandenen aktivierten Doppelbindungen unter Kettenpolymerisation vernetzen können. Bei den UV-Initiatoren unterscheidet man zwei Grundtypen: Typ I und Typ II [182 –185]. Typ I – Initiatoren zerfallen unter UV-Licht unter homolytischem Bindungsbruch in zwei Radikale. Meistens entstehen Benzylradikale. Typ II – Initiatoren zerfallen durch UV-Strahlung nicht direkt in zwei Radikale, sondern werden durch UV-Licht in einen angeregten (energiereichen) Zustand versetzt. Dieser befähigt das Molekül, aus einem Co-Initiator (meistens ein Alkohol oder ein Amin) ein H-Atom zu abstrahieren. Der Co-Initiator als auch der Initiator werden dadurch zu Radikalen. Typische Typ II- Initiatoren sind Benzophenone. Die unterschiedlichen Reaktionspfade der beiden Typen sind in Abbildung 6.60 dargestellt. Bindemittel für die UV-Vernetzung sind oligomere Produkte, die als Doppelbindungskomponente end- oder seitenständige Acrylester-Gruppen enthalten. Dabei sind Methacrylester deutlich weniger reaktiv als Acrylester. Im Prinzip lassen sich alle wichtigen Bindemittelklassen mit Acrylat-Gruppen modifizieren. Dies ist schematisch in Abbildung 6.61 dargestellt.
Abbildung 6.61: Vielfalt der UV-vernetzenden Bindemittel
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Filmbildung Dadurch können die Filmeigenschaften der resultierenden Beschichtungen sehr genau eingestellt werden. So kennt man Polyesteracrylate, die eine gute Balance zwischen Härte und Elastizität ergeben und gut wetterbeständig sind. Polyetheracrylate ergeben niedrige Viskositäten, sie sind jedoch nicht ausreichend wetterbeständig. Polyurethanacrylate ergeben gute Haftung und sehr gute Flexibilität und Abriebbeständigkeit. Epoxidacrylate besitzen relativ hohe Viskositäten, sie ergeben gute Haftung,, sind aber nicht ausreichend wetterbeständig, 27. Die Oligomere werden in reaktiven Lösemitteln gelöst, das sind meistens mehrfunktionelle Acrylsäureester (z.B. Hexandiol-1,6-diacrylat). Durch UV-Licht wird eine Copolymerisation zwischen den ungesättigten Oligomeren und den reaktiven Lösemitteln ausgelöst. Das Prinzip ist in der Abbildung 6.62 dargestellt. Es handelt sich daher praktisch um 100 %-Systeme. Die Vernetzung durch UV-Licht findet in sehr kurzer Zeit statt. Da es sich zudem um relativ kleine, hochfunktionale Oligomere handelt, können sehr dicht vernetzte Filme entstehen, die ausgedehnte kovalent vernetzte Bereiche enthalten. So entstehen Filme, die besonders beständig sind gegen mechanische Einflüsse und unterschiedliche Chemikalien, sie verbinden hohe Härten mit sehr guter Flexibilität. UV-Lackfilme sind ein Beispiel dafür, dass sehr dichte Vernetzung nicht zwingend zu spröde Filmen führt (siehe Kapitel 8.1.1). Neben den offensichtlichen Vorteilen der UV-Vernetzung wie schneller Vernetzungsgeschwindigkeit, keine oder nur sehr wenige benötigte Lösemittel, große Variabilität in der Bindemittelauswahl und ausgezeichnete mechanische sowie chemische Eigenschaften der Filme besitzen die UV-vernetzenden Systeme auch Nachteile: Eine optimale Vernetzung erfordert eine optimale, gleichmäßige Strahlendichte. Es können daher bevorzugt planare Objekte beschichtet werden, bei denen die Strahlung nicht abgeschattet wird. Die UV-Vernetzung wird ähnlich wie die Vernetzung
Abbildung 6.62: Vernetzung durch Diacrylate 27 Z.B. Produktreihe „Laromer“ der BASF
140
Wichtige Vernetzungsreaktionen und deren Anwendung von ungesättigten Polyesterharzen durch Luftsauerstoff inhibiert, so dass der Einfluss von Luftsauerstoff ausgeschlossen werden muss. UV-Vernetzung wird deshalb vor allem für planare Objekte verwendet. Die Beschichtung geschieht durch Gießen oder Walzen und das beschichtete Substrat wird dann unter einem UV-Strahler hindurchgeführt, der in einer abgeschlossenen Haube angebracht wird, die Schutzgas enthält, wie in Abbildung 6.63 dargestellt. Die UV-Strahler sind meistens Quecksilberdampflampen, die ein relativ breites Spektrum an UV-Wellenlängen aussenden. Im Gegensatz dazu senden UV-LED-Lampen nur eine spezifische Wellenlänge aus. Je höher die Frequenz der benötigten Strahlung ist, desto schwieriger wird es, LED-Technologie aufgrund der fehlenden Strahlungsdichte einzusetzen. Hier ist die Entwicklung aktuell noch im Gang. UV-Lacke auf Basis dieser Bindemittel finden vor allem Anwendung bei der Beschichtung von Holz (Möbelteile, Paneele, Parkettböden), Folien, Papier (Druckfarben, Überzugslacke und Kaschierungen) und passenden Kunststoffteilen. Sie werden auch für Fahrzeugteile verwendet.
Dual-Cure-Verfahren
Nachdem gefunden wurde, dass UV-Klarlacke besonders kratzfest sind, wurde versucht, solche Systeme auch für weitere industrielle Anwendungen einzusetzen, insbesondere für die Automobilserienlackierung. Aufgrund der oben beschriebenen gravierenden Nachteile wie der O2-Inhibierung oder der Beschränkung auf planare Substrate, wurden Klarlacke entwickelt, die außer durch UV-Licht auch noch durch eine zweite Reaktion vernetzen. Diese Klarlacke werden als „Dual-Cure-Systeme“ bezeichnet [186]. Die UV-Vernetzung wird meistens mit einer Isocyanat-Reaktion kombiniert [187], [188]. So wurden zum einen Urethanacrylate hergestellt, die sowohl OH-Gruppen als auch ungesättigte Acrylester-Anteile aufweisen. Die Produkte werden mit Polyisocyanat-Addukten und mit UVLicht vernetzt (Zweikomponentenlacke). Zum anderen wurde ein Teil der NCO-Gruppen unterschiedlicher Polyisocyanat-Addukte mit Hydroxyalkylacrylaten umgesetzt. Diese Acrylsäureester vernetzen unter dem Einfluss von UV-Licht, die restlichen Isocyanat-Gruppen z.B. durch Einwirken von Luftfeuchte [188]28. Die Isocyanat-Reaktion kann auch an Stellen des Substrats stattfinden, die nicht von UV-Licht erreicht werden.
Abbildung 6.63: Applikation von UV-Lacken 28 Z.B. „Desmulux“ D-Typen, Allnex
141
Filmbildung Diese Dual-Cure-Klarlacke werden vor allem für die Kunststofflackierung empfohlen.
Elektronenstrahlvernetzung
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, Polymere (Bindemittel) mit Elektronenstrahlen zu vernetzen [189]. Man spricht dann von „Elektronenstrahlhärtung“ (ESH) oder „Electron Beam Curing“ (ECB). Dabei werden Elektronen ähnlich wie bei einem alten Fernsehapparat im Vakuum aus einer Kathode verdampft und über eine angelegte Spannung zur Anode hin beschleunigt. Hier liegen die Beschleunigungsspannungen zwischen 150 bis 300 kV [190]. Weil Elektronenstrahlen sehr energiereich sind, erfordern sie keine besonderen Initiatoren. Treffen die Elektronen auf Polymermoleküle, können sie ihre Energie an die Moleküle abgeben und so Bindungen brechen. Es entstehen dabei Radikale. Die Vernetzungsmechanismen sind dann analog zur UV-Vernetzung. Deshalb muss auch der inhibierende Einfluss des Luftsauerstoffs ausgeschlossen werden. Im Vergleich zur UV-Härtung hat die ESH-Methode folgende wesentlichen Vorteile [191]: – höhere Aushärtegrade, dadurch sind bessere Chemikalien- und Kratzbeständigkeiten erreichbar, – schnellere Vorschubgeschwindigkeit, – keine Beschränkung bzgl. der Pigmentierung, da der Elektronenstrahl nicht von den Pigmenten abgeschwächt wird, – keine nennenswerte Substraterwärmung und – kontrollierte Durchhärtung, da die Energie des Elektronenstrahls über die Beschleunigungsspannung in der Strahlröhre eingestellt werden kann. Die Elektronenbestrahlung (nicht-thermische Härtung) wird heute für die Oberflächentechnik auf folgenden Gebieten industriell eingesetzt: – Härtung pigmentierter Lacke auf Türen, – Rundumhärtung von Lacken auf Leisten, – kontrollierte Durchhärtung von Beschichtungen auf Fertigparkett, – hochabriebfeste Fußbodenbeläge, – Herstellung von Hochglanzoberflächen in der Plattenindustrie, – Härtung von Beschichtungen auf Möbelfolien, – Vernetzung von Lacken auf Deckschichtpapieren zur Herstellung von Laminaten wie HPL und CPL29, – Härtung von Beschichtungen auf Platten für Außenanwendungen, – Plattenlackierung mit UV-/ESH-Härtungsprozessen, – gleichmäßige Vulkanisation druckempfindlicher Klebstoffmassen zur Erhöhung der Temperaturstabilität, – Druckfarbentrocknung. Nachteil der Elektronenstrahlhärtung ist der relativ hohe apparative Aufwand und die Größe der Anlagen. Hier zeichnet sich in den letzten Jahren ein Wandel ab, so dass Elektronenstrahlhärtung in Zukunft auch für kleinere Serien interessant werden könnte.
29 HPL = High Pressure Laminate (Hochdrucklaminat); CPL = Continuous Pressure Laminate
142
Farbe
7
Farbe und Effekte
Dekoration war schon immer eine Hauptaufgabe von Beschichtungen. Davon zeugen die Höhlenmalereien von Lascaux, aber auch die Produkte unserer modernen Welt sind ohne Farbe nicht vorstellbar. Um Farbmittel wie Pigmente richtig einsetzen zu können, muss man sich die Grundlagen der Farbigkeit, sowie unseres Farbempfindens vergegenwärtigen.
7.1 Farbe Licht besteht je nach Theorie aus elektromagnetischen Wellen unterschiedlicher Wellenlängen oder aus Photonen bestimmter Energie. Die Energie eines Photons ist proportional zur Frequenz bzw. antiproportional zur Wellenlänge des Lichtes (siehe Gleichung 6.17 in Kapitel 6.5.5). Die Helligkeit (Intensität des Lichts) ist proportional zur maximalen Amplitude der Welle oder zur Menge der Photonen pro Zeiteinheit. Das menschliche Auge kann Wellenlängen zwischen ca. 380 nm (blau) und 780 nm (rot) wahrnehmen. Allerdings können wir das Licht nicht in die einzelnen Wellenlängen zerlegen und hochaufgelöst wahrnehmen, so wie dies ein Photospektrometer kann. Statt unendlich vieler Rezeptoren bedient sich das menschliche Auge zweier verschiedener Sinneszellen, den Zapfen und den Stäbchen. Die Stäbchen-Zellen nehmen unterschiedliche Helligkeiten wahr und sind vor allem für das Nachtsehen wichtig. Neuere Studien weisen darauf hin, dass auch Stäbchen-Zellen einen Anteil an der Farbwahrnehmung bei Tageslicht besitzen [192]. Die Zapfen-Zellen registrieren die unterschiedlichen Wellenlängen des sichtbaren Lichts. Man unterscheidet drei Arten von Zapfen-Zellen: S, M und L-Zellen. Sie enthalten jeweils ein Photopigment, das je nach Zellart bei unterschiedlichen Wellenlängen absorbiert und das durch Lichteinfall der passenden Wellenlänge abgebaut wird und so die Reizweiterleitung an den Sehnerv ermöglicht. Die S-Zellen sind empfindlich für blaues Licht (short-waves), die M-Zellen für grün-gelbes Licht (middle-waves) und die L-Zellen für rot-gelbes Licht (long-waves) [193]. Dabei ist interessant, dass sich die Absorptionsmaxima der M- und S-Zellen nur um wenige nm unterscheiden. In Abbildung 7.1 sind die Absorptionskurven der drei verschiedenen Zapfentypen dargestellt [193], [194]. Die Zapfen und Stäbchen sind auf der Netzhaut nicht gleichmäßig angeordnet. Stäbchen finden sich vermehrt am Sehfeldrand, während die höchste Zapfenkonzentration in der Sehfeldmitte, der Fovea zu finden ist. Auch enthält die Netzhaut weniger S-Zellen als M- und L-Zellen. Fällt Licht auf die Zapfen, werden diese je nach Wellenlänge angeregt, oder auch nicht. Das Gehirn bekommt also jeweils drei Signale s, m, und l und nicht das gesamte Spektrum zur Auswertung zur Verfügung gestellt. Hieraus erklärt sich, dass alle Farben durch drei Grundfarben r, g, und b, dargestellt werden können. Ebenfalls wird hieraus ersichtlich, dass der Farbeindruck stets subjektiv ist und für verschiedene Personen unterschiedlich sein kann. Die Signale der Sinneszellen im Auge werden also im Gehirn zum Gesamteindruck einer Farbe verarbeitet. Jeder beliebige Farbton lässt sich aus den drei Reizen der Zapfen zusammensetzen. Nehmen wir z.B. weißes Licht (auch wenn „Weiß“ im physikalischen Sinn keine Farbe ist): Obwohl weißes Licht (z.B. Sonnenlicht) aus dem gesamten Spektrum aller Wellenlängen besteht, kann dieses Weiß durch additive Mischung von nur drei Farben Rot, Grün, Blau im richtigen Mischungsverhältnis
Ulrich Poth, Martin Winkler: Leistungsstarke Lacke formulieren © Copyright: 2022 Vincentz Network GmbH & Co. KG, Hannover
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Farbe und Effekte erzeugt werden. Wichtig ist dabei, dass die drei Grundfarben richtig gewählt werden. In vielen Experimenten hat man nun versucht, das menschliche Farbempfinden physikalisch nachzustellen und zu beschreiben. Dazu mussten Versuchspersonen unter einem Öffnungswinkel von 2°, später 10°, eine reine Farbe (monchromatisches Licht) betrachten und diese durch additive Mischung zweier anderer Grundfarben nachstellen. Dabei hat sich herausgestellt, dass sich fast alle reine
Abbildung 7.1: Empfindlichkeit der Zapfen des menschlichen Auges in Abhängigkeit von der Wellenlänge des einfallenden Lichts, jeweils auf 1 normiert
Abbildung 7.2: Ergebnisse aus dem Normalbeobachterexperiment: Nachstellung jedes beliebigen reinen Farbtons durch zwei (bzw. drei) Grundfarben r ̅, g̅ , b ̅
144
Farbe Farben durch Mischung zweier anderer Farben nachstellen lassen. Allerdings gibt es auch Farben, die sich nicht durch zwei andere Grundfarben darstellen lassen, dazu müsste man eine dritte Farbe mathematisch subtrahieren. Damit lassen sich die drei Grundfunktionen s, l, m in drei Funktionen r ̅, g̅ , b̅ transformieren (siehe Abbildung 7.2). Da die Subtraktion einer Farbe physikalisch keinen Sinn ergibt, kann man die drei Grundfarben r ̅, g̅ , b̅ so transformieren, dass nur noch positive Werte der Grundfunktionen erhalten werden. Man erhält die Grundfunktionen x̅ , y̅ , z̅ , sie werden als „Normalspektralwertfunktionen“ bezeichnet (siehe Abbildung 7.3). Die Normspektralwertkurven werden in modernen Farbmessgeräten zur Berechnung des Farbortes verwendet und sind in der DIN 5033 hinterlegt [195]. Möchte man nun eine Farbe, die nicht monochromatisch ist, und von einem Objekt z.B. einer lackierten Fläche remittiert wird, eindeutig charakterisieren, muss man über das gesamte Spektrum der remittierten Wellenlängen über diese drei Funktionen aufsummieren, was einer Integration über die einzelnen Funktionen entspricht. So erhält man einen „Farbort“ X, Y, Z: Gleichung 7.1
X = k∫ Sλ β(λ) x̅ ,(λ)dλ Y = k∫ S λ β(λ) y ̅ (λ)dλ
Z = k∫ S λ β(λ) z ̅ ,(λ)dλ
Mit λ = Wellenlänge, S λ = Spektrum der Beleuchtung, β(λ) = Remissionsfunktion des beleuchteten Objekts, x̅ (λ) , y ̅ (λ) , z̅ (λ) = Normspektralwertfunktionen, k = Konstante
Abbildung 7.3: Normspektralwertkurven
145
Farbe und Effekte Dabei wird k so gewählt, dass Y bei Bestrahlung einer mattweißen Fläche (β = 1) den Wert 100 annimmt. Damit liefert der Wert für Y auch eine Bezugsgröße für die Helligkeit. Damit allerdings diese Umwandlung gelingt, muss auch noch das eingestrahlte Licht (Sλ) in Gleichung 7.1 normiert werden. Dazu versucht man z.B. das Spektrum des natürlichen Lichts an einem wolkenverhangenen Tag nachzustellen. Man bezeichnet dieses Normlicht mit D (Daylight) und der Farbtemperatur. So besitzt das am häufigsten verwendete Normlicht D65 eine Farbtemperatur von 6500K1. Wichtig an dieser Betrachtungsweise ist: – Eine Farbe kann unabhängig von ihrer Spektralverteilung durch die drei Funktionen X, Y, Z wiedergegeben werden. – Auch wenn sich die Beleuchtungsbedingungen ändern, so bleibt die Gleichheit zwischen Primärfarbe und der durch X, Y, Z nachgestellten Farbe erhalten. – Mischt man zwei Farben, muss man nicht die spektrale Verteilung dieser kennen, sondern es reicht, die Farborte der gemischten Farben zu addieren. In der Praxis wird zur Farbmessung die „Remission“, d. h. die Reflexion des Lichts von einer Fläche in Abhängigkeit von der Wellenlänge des Lichts unter einer Normlichtbeleuchtung (z.B. D65) und in Bezug zu einem Weißstandard gemessen. Dann wird der Farbton dieser Messung durch die Farbmischung aus den drei Grundfarben über Gleichung 7.1 dargestellt. Für jeden Farbton resultieren somit Anteile an rotem Licht (X), grünem Licht (Y) und blauem Licht (Z). X,Y,Z nennt man den Farbort. Man kann sich diesen als Vektor vorstellten, der in einem Koordinatensystem aus X,Y,Z vom Ursprung ausgehend zum Farbort führt (siehe Abbildung 7.4). Diese Betrachtung des Farbortes als Vektor hat den Vorteil, dass additive Farbmischungen ebenfalls als Vektoraddition dargestellt werden können. Auch lässt sich die Differenz zweier Far-
Abbildung 7.4: Der Farbort als Vektor im dreidimensionalen X,Y,Z-Farbraum
1 D ies bedeutet: Würde ein (idealisierten) Körper, der keine Strahlung reflektiert, sondern sämtliche Energie in elektromagnetische Strahlung (z.B. Wärmestrahlung, sichtbares Licht, UV-Licht) umwandelt, auf 6500K erhitzt, dann würde die wahrgenommene Farbe des Tageslichts denselben Farbeindruck erwecken, wie die Strahlung, die von diesem Körper bei 6500K emittiert würde.
146
Farbe ben, der „Farbabstand“ durch Bestimmung des Betrags der Differenz der zwei betrachteten Farbvektoren bestimmen. Dieses X,Y,Z-System kann man noch normieren, man erhält dann die (normierten) Funktionen x, y, z: X Gleichung 7.2 x = _ X + Y + Z
Y Gleichung 7.3 y = _ X + Y + Z Z Gleichung 7.4 z = _ X + Y + Z
Es gilt daher:
x+y+z=1
Da sich die drei Werte x, y, z zu 1 ergänzen, genügt es, nur die x,y-Ebene darzustellen. Man erhält so die sogenannte CIE-Normfarbtafel (siehe Abbildung 7.5). Diese wurde im Jahre 1931 von einer
Abbildung 7.5: CIE-Normfarbtafel
147
Farbe und Effekte Tabelle 7.1: Werte für Xn,Yn,Zn in Abhängigkeit von der Lichtquelle Lichtart
Xn(2°)
Yn(2°)
Zn(2°)
Xn(10°)
Yn(10°)
Zn(10°)
D50
96,422
100
82,521
96,720
100
81,427
D65
95,047
100
108,883
94,811
100
107,304
internationalen Kommission (CIE, Commision International de l`Eclairage) definiert [196]. In ihr sind alle reellen Farben, allerdings ohne Helligkeitsinformation, innerhalb der umschlossenen Fläche dargestellt. Der Vorteil an der Normfarbtafel ist, dass sie einen Bezug zu den physikalischen Messgrößen zulässt. So stellen die Spektralfarben die gekrümmte Begrenzungslinie der Farbtafel dar. Die gerade Linie zwischen den beiden Grenzen des sichtbaren Spektrums schließt den Farbbereich und wird Purpurlinie genannt. Auf ihr liegen die Farben, die ein normalsichtiger Mensch differenzieren kann, sich aber nur durch Mischen von mindestens zwei Spektralfarben erreicht erreichen lassen [197]. Bei den Werten von x = 0,33 und y = 0,33 (dann ergänzt sich z = 0,33) liegt der Unbuntpunkt (grau) mit der Farbsättigung 0. Und hier sieht man bereits den Nachteil dieser Farbtafel. Der Helligkeitswert und die Farbsättigung sind nicht darstellbar. Eine weitere Problematik des X,Y,Z-Systems und der daraus abgeleiteten CIE-Normfarbtafel besteht darin, dass Farben, die im XYZ-System gleichweit auseinander liegen, vom menschlichen Auge nicht als gleichabständig wahrgenommen werden. Um diesem Rechnung zu tragen, wurde 1976 von der CIE das X,Y,Z-System in das CIELAB-System bzw. das CIELch-System transformiert. Die Helligkeit kann dem xy-Diagramm der Normfarbtafel einfach hinzugefügt werden, weil der Wert Y aufgrund seiner Definition die Helligkeitsinformationen enthält. Man bekommt somit den x,y,Y-Farbkörper. Dieser lässt sich über die Gleichungen 7.5 bis 7.7 in den L*a*b* Farbraum umrechnen. Dabei wird dem menschlichen Farbempfinden Rechnung getragen, dass gleiche Farbabstände nicht immer als gleich wahrgenommen werden. Ist X/Xn, Y/Yn, Z/Zn > 6/29 gilt: Y − 16 Gleichung 7.5 L * = _ Y n _
√ √ √ √ √ 3
X − _ Y Gleichung 7.6 a * = _ X n Y n 3
_
3
_
Y − _ Z Gleichung 7.7 b * = _ Y n Z n 3
_
3
_
_ X ersetzt durch _ 841 X 4 ∙ _ Ist X/Xn ≤ 6/29 wird der Ausdruck _ Xn + 29 108 X _
√
3
n
Xn, Yn, Zn sind dabei die Farbkoordinaten der Beleuchtungsquelle. Die entsprechenden Werte für einen 2°-Normalbeobachter und einen 10°-Normalbeobachter (moderner) sind der Tabelle 7.1 zu entnehmen: Der große Vorteil des L*a*b*-Systems liegt darin, dass die Farbabstände dem menschlichen Empfinden sehr nahekommen. Ebenfalls entspricht der Aufbau auch intuitiv dem menschlichen Farbempfinden, da die Achsen jeweils von Komplementärfarben blau und gelb sowie rot und grün gebildet werden.
148
Farbe Die Farbtöne sind auf einer planen Kreisfläche dargestellt mit den Koordinaten a* (mit den Einheiten von -100 gesättigtes Grün, bis = +100 gesättigtes Rot) und b* (mit den Einheiten von -100 gesättigtes Blau, bis = +100 gesättigtes Gelb). Im Mittelpunkt der Fläche, mit den Koordinaten a = b = 0 ist der Unbuntpunkt (Grau). Senkrecht zu dieser Fläche wird die Helligkeit L* dargestellt von L* = 0 (Schwarz) bis L* = 100 (Weiß). Die siehe Abbildung 7.6 zeigt diese Darstellung. Der so gebildete Farbkörper entspricht einem Zylinder. Deshalb ist es auch genauso möglich, einen Farbort innerhalb dieses Körpers nicht nur durch die kartesischen Koordinaten L*a*b* darzustellen, sondern auch in Zylinderkoordinaten L*,C* und h°. C* ist darin der Betrag (die Länge) der Projektion des Farbvektors auf die a,b-Ebene und wird als Buntheit (Farbsättigung, Chroma) bezeichnet. h° ist als Winkel zwischen der a*-Achse und der Projektion des C*-Vektors auf die a*,b*-Ebene definiert. h° wird als Farbton (Hue) bezeichnet. Damit wird der Farbe durch die Helligkeit, den Farbton und die Buntheit definiert. Sowohl das L*a*b* als auch das L*C*h° - System werden zur Festlegung einer Farbe im industriellen Umfeld und zur Abmusterung von Farbtönen verwendet. Der Unterschied zweier Farben kann über einfache Vektorgeometrie bestimmt werden. Der Farbabstand Δ E zweier Farbtöne errechnet sich demnach: L * 2 + Δ a * 2 + Δ b * 2 Gleichung 7.8 ΔE = √ Δ
_________________
Meistens wird für die Abmusterung von beschichteten Teilen ein Toleranzintervall vorgegeben, innerhalb dessen zwei Farbtöne als identisch gelten. Als Faustregel gilt, dass ein ΔE von 2 von den meisten Menschen nicht mehr als unterschiedlich wahrgenommen wird. Allerdings ist das CIELAB-System nicht ausreichend empfindungsmäßig gleichabständig, weshalb es in der Zwischenzeit weitere Verbesserungen am System gibt, die sich im Markt nur in Spezialfällen durchgesetzt haben.
Abbildung 7.6: CIE-L*a*b*-System
149
Farbe und Effekte
7.2 Absorption und Streuung Farbigkeit wird in Lacken normalerweise durch Farbstoffe und vor allem durch Pigmente erzielt. Unter „Farbstoffen“ versteht man in der Polymermatrix lösliche Moleküle, die Licht bestimmter Wellenlängen absorbieren. Sie führen damit zu einer Färbung, ohne jedoch den Untergrund abzudecken. „Pigmente“ dagegen sind unlösliche Festkörper, die bestimmte Anteile (Wellenlängenbereiche) des sichtbaren Lichts streuen und/oder absorbieren, wobei dann das nicht absorbierte bzw. weggestreute Licht vom Untergrund reflektiert wird (Remission). Diese Prinzipien sind in der Abbildung 7.7 dargestellt. Da Weiß keine Farbe im engeren Sinne ist, wird ein „weißes“ Pigment alle Wellenlängen des eingestrahlten Lichts wieder reflektieren bzw. streuen, ein Teil davon wird durch das Pigment hindurchgehen und wird vom Untergrund remittiert, und fast nichts wird absorbiert. Dies bedeutet, hier kommt der weiße Farbeindruck ausschließlich durch Streuung am Pigment zu Stande. Ein farbiges Pigment wird bestimmte Wellenlängen aus dem eingestrahlten Licht absorbieren (dargestellt an dem kurzen Pfeil in Abbildung 7.7), der Rest des Lichtes wird an der Oberfläche des Pigments gestreut und vom Untergrund remittiert. D.h. der Farbeindruck entsteht bei farbigen Pigmenten durch Absorption und Streuung. Bei schwarzen Pigmenten wird das gesamte Spektrum des eingestrahlten Lichtes absorbiert und an der Oberfläche des Pigments wird kein Licht gestreut. Absorption geschieht für organische Pigmente durch Wechselwirkung des Lichtes mit bestimmten Elektronen in einem Molekül. Diesen für Licht empfänglichen Teil des Moleküls nennt man Chromophor. Für die Absorption durch Pigmente kann das Lambert-Beer`sche Gesetz (Abbildung 7.9) angewendet werden, obwohl dieses ursprünglich nur für gelöste Farbstoffe gültig ist. Es beschreibt die Abnahme der Intensität des Lichts (Extinktion) in einer absorbierenden Schicht. Dabei ist der Streuanteil eines Pigments nicht berücksichtigt. I Gleichung 7.9 E = log 10 _I0 = ϵ ∙ c ∙ d
( )
Mit
I0 = Intensität des einfallenden Lichtes; I = aktuelle Intensität; ϵ = spezifischer Extinktionskoeffizient, c = Konzentration des Farbstoffs; d = Dicke der Schicht.
Abbildung 7.7: Prinzip von Absorption und Streuung bei verschiedenen Pigmentarten
150
Absorption und Streuung Die Gleichung besagt, dass die Wechselwirkung des Lichts mit den Chromophoren umso größer ist, je mehr Chromophore das Licht passieren muss (Konzentration c in Gleichung 7.9), d.h. je vereinzelter die Moleküle in einer Matrix vorliegen. Dies bedeutet: Die Absorption ist bei kleinen Teilchengrößen besonders stark. Die absorbierte Wellenlänge entspricht der Anregungsenergie der Elektronen, um von einem Zustand in den energiehöheren zu gelangen. Die aufgenommene Energie des Elektrons wird normalerweise über Molekülschwingungen in Wärme umgewandelt. Die Aufnahme der Energie geschieht bei anorganischen Pigmenten durch Elektronenübergänge an offenen d-Schalen (z.B. bei Cu2+, Co2+, Cr2O3), Ladungsübergängen von einem Liganden zum Metall (z.B. bei CrO42–), von Metall zu Metall (unterschiedliche Ladungen der Kationen bei Fe3O4, Fe4[Fe(CN)6]3 (Berliner Blau)), von Ligand zu Ligand (z.B. bei Nickelkomplexen), innerhalb der Elektronenbänder (z.B. bei HgS), und über freie Radikale in Festkörpern (z.B. bei Ultramarinen) und schließlich durch Bandübergänge von Metallionen zum Stammgitter (z.B. bei CdS). Moleküle organischer Pigmente absorbieren Teile des sichtbaren Lichts durch umfangreiche Doppelbindungssysteme, das sind Systeme mit mehreren konjugierten Doppelbindungen. Sie werden „chromophore Gruppen“ genannt. Insbesondere sind dies Azoverbindungen, chinoide Verbindungen, β-Diketone und quasiaromatische Heterocyclen (siehe Abbildung 7.13 und Abbildung 7.14). Je ausgedehnter solch ein chromophores System ist, desto weniger Energie (Lichtenergie) ist erforderlich, um die Elektronen anzuregen. Mit einem solchen chromophoren System können bestimmte funktionelle Gruppen wechselwirken. Sie erniedrigen die Energie, die nötig ist, um ein Elektron anzuregen und verschieben damit die Absorptionen zu längeren Wellenlängen und werden „auxochrome Gruppen“ genannt. Auxochrome Gruppen sind vor allem funktionelle Gruppen, die freie Elektronenpaare besitzen. Sie werden auch im Hinblick auf den Chromophor als Elektronendonatoren bezeichnet. Typische auxochrome Gruppen sind OH-Gruppen oder Aminogruppen. Gruppen, die Elektronen des Chromophors aufnehmen können, werden als „anti-auxochrome Gruppen“ bezeichnet. Dies sind insbesondere die Nitro-Gruppe und Sulfo-Gruppe. Sind an einem Chromophor gleichzeitig auxochrome und anti-auxochrome Gruppen vorhanden, verschiebt sich das Maximum der Lichtabsorption zu längeren Wellenlängen, d.h. hin zu geringeren Energien. So hat die in vielen Pigmenten und Farbstoffen vorkommende Azogruppe ein Absorptionsmaximum bei 333 nm, also im Bereich des UV-Lichts. Die Kombination von Azogruppen mit aromatischen Verbindungen, z.B. mit aromatischen Heterocyclen, verschiebt jedoch diese Absorption zu längeren Wellenlängen. Wird der Chromophor mit auxochromen und anti-auxochromen Gruppen erweitert, verschiebt sich die Lichtabsorption bis weit in den Bereich des sichtbaren Lichts, so dass gelbe und rote Pigmente und Farbstoffe entstehen [198]. Die zweite Komponente der Farbgebung ist die „Streuung“. Streuung geschieht ungerichtet, d.h. das Licht wird in alle Raumrichtungen am Partikel abgestrahlt. Streuung ist deshalb besonders wichtig für die „Deckkraft“ eines Pigmentes, da ein Teil des Lichtes nicht mehr zum Betrachter zurückgestrahlt wird. Die Streuung ist komplex zusammengesetzt. Man kennt die Rayleigh-Streuung und die Mie-Streuung. Bei der Rayleigh-Streuung werden Lichtquanten (Photonen) durch Beugung an Molekülen gestreut, ohne die Elektronen anzuregen (elastische Streuung). Die Raleigh-Streuung spielt vor allem bei Teilchen eine Rolle, die deutlich kleiner als die Wellenlänge des sichtbaren Lichtes sind. Wichtiger für die Streuung an Pigmenten ist die „Mie-Streuung“. Sie tritt vor allem bei Teilchen auf, die einen Durchmesser von etwa der halben Wellenlänge des Lichts und etwas größer aufweisen [199]. Dies bedeutet, die Deckkraft eines Pigmentes ist partikelgrößenabhängig. So liegen die Partikelgrößen von Weißpigmenten (Titandioxid) bevorzugt um 200 nm. Streuung findet vor allem an Grenzflächen statt. Diese sind umso ausgeprägter, je stärker sich die Brechungsindizes von Pigment und Matrix unterscheiden. Dies hat vor allem Auswirkungen
151
Farbe und Effekte auf die Deckkraft eines Pigmentes. Je höher der Unterschied der Brechungsindizes ist, desto stärker wird das Licht an den Grenzflächen gestreut und umso weniger davon erreicht den Untergrund. Damit wirkt das Pigment deckend. Dies wurde versucht, schematisch in der Abbildung 7.8 darzustellen. Ein Körper mit hohem Brechungsindex (z.B. Pigment), der in eine Matrix mit geringerem Brechungsindex (z.B. Film) eingebettet ist, streut das einfallende Licht an seiner Oberfläche (Situation a in Abbildung 7.8). Wenn solch ein Körper einen ähnlichen Brechungsindex wie die ihn umgebende Matrix aufweist, wird das Licht jedoch nicht gestreut, der Körper wirkt transparent (Situation b). Wird dieser Körper in ein Medium mit noch geringerem Brechungsindex (z.B. Luft) eingebaut, wird das Licht ebenfalls wieder gestreut, die Körper wirken wieder opak (Situation c in Abbildung 7.8). Man kennt dieses Phänomen meistens noch von der eigenen Schulzeit: Kreide bestand früher aus Kalk, heute aus Gips. Der Brechungsindex dieser Pulver ist deutlich höher als der von Luft. Deshalb ist die Schrift auf der Tafel lesbar. Wird die Kreide jedoch nass bzw. liegt ein Wasserfilm auf der Tafel, verschwindet die Schrift, da der Brechungsindex von Wasser in der Größenordnung dessen der Kreide liegt. Farbpigmente erzielen sowohl den Farbeffekt als auch die Deckkraft über Streuung und Absorption. Beide Effekte sind pigmentgrößenabhängig. Je kleiner ein Pigment, desto größer ist die Oberfläche des Pigments im Verhältnis zum Volumen, d.h. desto mehr Chromophore werden vom Licht durchstrahlt. Dies führt dazu, dass die Absorption mit abnehmender Pigmentgröße einen stärkeren Einfluss bekommt. Bei der Streuung wird ein Optimum der Pigmentgröße durchlaufen. Wird ein Pigment zu klein, d.h. unter der Wellenlänge des sichtbaren Lichts, (Rayleigh-Streuung) ist diese Streuung praktisch nicht mehr sichtbar, das Pigment wirkt transparent. Die Effizienz eines Pigments ist deshalb abhängig von seiner Teilchengröße. Will man möglichst farbstarke Pigmente, muss die Teilchengröße möglichst gering sein. Dabei verzichtet man aber auf Deckkraft. Benötigt man Deckkraft, müssen Pigmente mit hohem Brechungsindex eingesetzt werden, und diese müssen Partikelgrößen in der Größenordnung der Wellenlänge des sichtbaren Lichts besitzen. In der Praxis muss man einen Kompromiss zwischen Farbstärke und Streuvermögen eingehen. Die Zusammenhänge sind nochmals in der Abbildung 7.9 veranschaulicht. Weil organische Pigmente einen ähnlichen Brechungsindex wie die sie umgebende Polymermatrix aufweisen, trägt vor allem die Absorption zum Farbeindruck bei, die Streuung spielt eine untergeordnete Rolle. Dies führt allerdings dazu, dass organische Pigmente meistens keine besonders gute Deckkraft besitzen, da diese im Wesentlichen über die Streuung zustande kommt.
Abbildung 7.8: Streuung in Abhängigkeit unterschiedlicher Brechungsindices
152
Absorption und Streuung Bei den anorganischen Pigmenten trägt der Unterschied in den Brechungsindices deutlich zum Farbeindruck bei. Dies führt in der Regel zu gedeckteren Farbtönen und zu einem deutlich besseren Deckvermögen dieser Pigmente. Die typischen Remissionskurven verschiedener Pigmente für die wichtigsten Farben sind in der Abbildung 7.10 dargestellt. Pigmente wirken dann brillanter, wenn ihre Remissionskurven hohe Maxima und steile Kurvenstufen aufweisen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Farbeindruck stärker von der Absorption und weniger von der Streuung bestimmt wird. In der Abbildung 7.11 sind die Remissions-
Abbildung 7.9: Abhängigkeit der Streuung und der Absorption in Abhängigkeit von der Teilchengröße
Abbildung 7.10: Typische Remissionskurven von Pigmenten
153
Farbe und Effekte kurven einiger Gelbpigmente dargestellt. Bleichromat zeigt eine hervorragende Farbreinheit, ist aufgrund seiner Toxizität in Europa verboten. Aus den Remissionskurven ist ersichtlich, dass sowohl Nickeltitangelb als auch Chromtitangelb nicht die nötige Farbreinheit besitzen, um Bleichromat zu ersetzen Eisenoxide liefern nur ein sehr „erdiges“, gedecktes gelb. Erst mit der Einführung der Bismutvanadat-Pigmente wurde es möglich, die Bleichromate zu ersetzen und Farbtöne mit gleicher Brillanz und gleichem Deckvermögen zu realisieren. Da sowohl Streuung als auch Absorption zum Farbeindruck beitragen, ist es von Interesse, diese beiden Effekte rechnerisch zu trennen. Paul Kubelka und Franz Munk stellten im Jahr 1931 eine Gleichung auf, die neben der Absorption auch den Effekt der Streuung erfasst [200]. (1 − R ) 2
∞ Gleichung 7.10 _ks = _ 2R∞
Mit:
k= Absorptionskoeffizient, s = Streukoeffizient, R∞ = Remission einer unendlich dicken Schicht.
Als unendliche Remission gilt der Wert der Remission, der sich mit Erhöhung der Schichtdicke nicht mehr weiter erhöht. Voraussetzung für diese Messung ist senkrecht einfallendes Licht. Ebenfalls muss die Streuung größer als die Absorption sein. Der Quotient _ks stellt dabei die Definition der Farbstärke dar. Wichtig ist die Kubelka-Munk Funktion für die Farbrezeptierung und die Berechnung, wieviel Pigmente einer bestimmten Sorte zum Erreichen eines beliebigen Farbtons einer Rezeptur zugegeben werden müssen. Dies geschieht heute computergestützt über Farbrezeptierungsprogramme.
Abbildung 7.11: Remissionskurven unterschiedlicher Gelbpigmente. Bismutvanadat zeigt ähnliche Farbtiefe und Brillanz wie das aus toxikologischen Gründen verbotene Bleichromat
154
Absorption und Streuung Tabelle 7.2: Überblick über anorganische Pigmente Farbe
Anorganische Pigmente aktuell verwendet
nicht mehr verwendet
Weiß
Titandioxid
Zinkoxid, Zinksulfid, basisches Bleicarbonat
Gelb
Eisenoxidgelb, Nickel-, Chromtitanat, Bismutvanadat
Bleichromat, Cadmiumsulfid, Zinkchromat
Orange
basisches Bleichromat, Bleichromatmolybdat
Rot
Eisenoxidrot
Cadmiunselenid, Bleimolybdat, basisches Bleichromat
Blau
Cobaltaluminat
Ultramarinblau, Berlinerblau
Grün
Chromoxidgrün, Zinkcobaltoxid
Chromoxidhydratgrün
Braun
Eisenoxide, Manganoxid
Schwarz
Ruß, (Eisentitanschwarz)
Eisenoxidschwarz
Der Vorteil an der Kubelka-Munk-Funktion ist, dass die Streukoeffizienten bzw. Absorptionskoeffizienten der einzelnen Pigmente additiv sind: Gleichung 7.11 Die Remission eines Farbtons kann anhand einer Farbmessung an der Vorlage bestimmt werden. Damit lässt sich der Quotient k/s in Gleichung 7.10 bestimmen. Die einzelnen Koeffizienten ki und si lassen sich durch „Eichfärbungenen“ experimentell bestimmen. k und s sind wellenlängenabhängig. Deshalb werden zur Eichung meistens das gesamte Spektrum eines Pigmentes bei verschiedenen Konzentrationen und mindestens zwei Schichtstärken auf weißem und schwarzem Untergrund in einem Lacksystem bestimmt. Die gesuchten Konzentrationen ci der einzelnen Pigmente in Gleichung 7.10 für einen bestimmten Farbton lassen nun iterativ durch das Rechenprogramm annähern. Für die Herstellung farbiger Lackserien (z.B. für die Automobilserienlackierung) wird aus einer Anzahl von Pigmenten eine Reihe von Tönpasten oder Tönlacken hergestellt. Die Farborte und das Färbevermögen der einzelnen Pigmente in den Pasten werden als Daten aufgenommen. Die Daten werden verwendet, um geforderte Farbtöne durch Mischungen dieser normierter Tönpasten oder Tönlacke (siehe Kapitel 3.2.3) herzustellen oder auch um geforderte Farbtöne zu justieren (Tönen). Die Rechnungen (Algorithmen) werden heute dazu von speziellen Computerprogrammen übernommen. Ziel ist es, bei der Fertigung verschiedener Lacke den geforderten Farbton möglichst genau und direkt zu treffen, bzw. nur wenige Korrekturschritte zu benötigen. Die meisten kommerziell verfügbaren Pigmente sind in Abhängigkeit von ihrer Farbe und ihrer chemischen Zusammensetzung mit Farbeigenschaften, CAS-Nummer und Nennung von Handelsprodukten im Colour Index, CI gelistet [154]. So hat zum Beispiel das schon lange bekannte Toluidinrot (4-Methyl-2-nitrophenyl-azo-2-naphtol, Helioechtrot) die Bezeichnung CI Pigment Red 3 mit der Nummer CI 12120.
155
Farbe und Effekte Tabelle 7.3: Brechungsindices einiger Weißpigmente und Füllstoffe Weißpigmente Verbindung
Farblose Füllstoffe Brechungsindex nD/20
Verbindung
Brechungsindex nD/20
Titandioxid (Rutil-Modifikation)
2,605 – 2,901
Calciumcarbonat (Calcit)
1,640 – 1,660
Titandioxid (Anatas-Modifikation)
2,488 – 2,561
Bariumsulfat
1,634 – 1,648
Zinksulfid
2,356 – 2,395
Glimmer (Muscovit)
1,552 – 1,618
Zinkoxid (Zinkweiß)
2,013 – 2,029
Kaolin
1,563 – 1,570
Basisches Bleicarbonat
1,809 – 2,076
Talkum
1,528 – 1,600
Calciumsulfat (Gips)
1,519 – 1,553
Siliciumdioxid (Quarz)
1,485 – 1,487
Calcium-Magnesiumsulfat
1,470 – 1,491
7.3 Anorganische und organische Pigmente Pigmente lassen sich in zwei große Gruppen mit deutlich unterschiedlicher Charakteristik einteilen: 1. anorganische Pigmente, 2. organische Pigmente.
7.3.1 Anorganische Pigmente Da anorganische Pigmente zumeist einen höheren Brechungsindex besitzen, spielt bei ihnen neben der Absorption auch die Streuung eine wesentliche Rolle. Dies führt dazu, dass anorganische Pigmente meistens eine höhere Deckkraft besitzen als organische Pigmente, deren Brechzahlen in etwa denen der Lackmatrix entsprechen. Lackbindemittel besitzen typischerweise Brechungsindices zwischen 1,450 und 1,610 (Alkydharze bis aromatische Epoxidharze). Ein
Abbildung 7.12: UV-Vis Spektren der Modifikationen Rutil und Anatas von Titandioxid
156
Anorganische und organische Pigmente Tabelle 7.4: Wichtige Pigmentklassen organischer Pigmente Chemische Gruppe
Farbtöne
Azopigmente Monoazo-
gelb, rot, braun
Acetesssigarylide
gelb, orange, rot
Azopyrazole
gelb, orange
β-Naphthole
rot
verlackte β -Naphthole
orange, rot,
Naphtol-AS
rot
Benzimdidazolone
gelb, orange
Diazo-
gelb, orange, rot, braun, blau
Pyrazolone
gelb
Heterocyclen Isoindoline
gelb, rot, orange
Isoindolinone
gelb, rot, orange
Diketopyrrolopyrrole
rot
Chinophthalone
gelb
Thioindigo
orange, rot, violett, braun, blau
Polycyclen Chinacridone
orange, rot, violett
Perinone
orange, rot
Perylene
rot
Indanthrone
blau
Anthrachinone
gelb, orange, braun, blau, schwarz
Dioxazine
rot, violett, schwarz
Metallkomplexe Phthalocyanine
blau, grün
Azomethine
gelb, orange
Triarylmethane
violett, blau, grün
Nebeneffekt der Streuung ist allerdings, dass die Farbtöne keine hohe Brillanz zeigen können. Deshalb weisen anorganische Pigmente bis auf wenige Ausnahmen, wie z.B. CdS, eher gedeckte Farbtöne auf. Von der Anzahl der anorganischen Pigmente werden viele heute nicht mehr verwendet. Dies sind vor allem schwermetallhaltige Pigmente. Der Grund dafür ist vor allem ihre Toxizität, bzw. ihre Gesundheitsschädlichkeit. So werden Pigmente, die Blei (toxisch) und/oder Chromate (carcinogen) enthalten, nicht mehr als färbende Pigmente verwendet. Da in alten Künstlerfarben sehr oft schwermetallhaltige Pigmente wie Bleioxid verwendet wurden, sind Künstlerfarben, die zur Restauration alter Gemälde verwendet werden, von diesem Verbot ausgenommen. Glücklicherweise sind viele moderne Pigmente den schwermetallhaltigen Pigmenten überlegen. So ist zum Bei-
157
Farbe und Effekte spiel Titandioxid allen anderen Weißpigmenten, die früher verwendet wurden, qualitativ überlegen. Tabelle 7.2 zeigt einige gebräuchliche und nicht mehr gebräuchliche anorganischen Pigmente. Weißpigmente bestehen aus kleinen Teilchen farbloser Verbindungen mit hohen Brechungsindices. Sie weisen Brechungsindices von über 1,800 auf. Titandioxid besitzt von allen Pigmenten den höchsten Brechungsindex, weshalb es sich besonders als Weißpigment eignet. Außerdem remittiert es über den gesamten sichtbaren Wellenlängenbereich zu nahezu 100 %, zeigt damit also keine Eigenfärbung, siehe auch Abbildung 7.12 [201]. Anatas zeigt dabei eine stärkere Absorption im UV-Bereich, was zu Problemen mit Kreidung führen kann, siehe Kapitel 8.6.2. In letzter Zeit ist Titandioxid in der Diskussion, da Mikro- und Nanopartikel dieses Stoffes als krebserregend eingestuft werden [202]. Dies führt dazu, dass Lacke, die Titanoxidpartikel enthalten, ab 2021 entsprechend gekennzeichnet werden müssen [203]. Trotzdem ist es aufgrund der hohen Deckkraft und Brillanz als Weißpigment konkurrenzlos. Farblose, pigmentähnliche Produkte mit niedrigeren Brechungsindices, die im Bereich der Brechungsindices der Bindemittel liegen, werden als Füllstoffe in Lackbindemitteln eingesetzt. Sie zeigen keine Streuung und bilden ein weißes Pulver an der Luft (Luft hat einen Brechungsindex von 1,000292). In Tabelle 7.3 sind die Brechungsindices von Weißpigmenten und Füllstoffen gegenübergestellt (einige davon besitzen zwei verschiedene Brechungsindices, da sie Doppelbrechung zeigen).
7.3.2 Organische Pigmente Das Färbevermögen organischer Pigmente basiert im Wesentlichen auf der Absorption bestimmter Wellenlängen des sichtbaren Lichts. Die Streuung spielt demgegenüber eine eher untergeordnete Rolle. Organische Pigmente bestechen durch ihre brillanten und reinen Farben und hoher Farbsättigung. Es sind eine Fülle organischer Pigmente erhältlich, die meisten besitzen einen roten Farbton. Grundsätzlich können sie nach chemischer Struktur und nach coloristischen Eigenschaften eingeteilt werden. Häufig teilt man sie nach chemischer Struktur ein (siehe Tabelle 7.4 ). Die wichtigste Klasse stellen die Azopigmente dar. Ihr gemeinsames Kennzeichen ist die Azogruppe ‑N=N-. Diese Gruppe kann anhand der Kombination mit anderen funktionellen Gruppen weiter unterteilt werden. Andere wichtige Pigmentklassen stellen polycyclische Verbindungen und Metallkomplexverbindungen dar. Da der Farbeindruck „Weiß“ auf möglichst vollständiger Remission durch Streuung des eingestrahlten Lichtes beruht, gibt es keine organischen Weißpigmente. Aus der Vielzahl der organischen Pigmente werden die Pigmenttypen nicht nur nach ihrem Farbton ausgewählt, sondern auch nach anderen Eigenschaften wie Migrationsstabilität, Temperaturstabilität, Wetterbeständigkeit, Beständigkeit gegen Lösemittel und Chemikalien und nach ihren Kosten. Auch in diesen Eigenschaften unterscheiden sich anorganische und organische Pigmente grundlegend. Während anorganische Pigmente meistens in nahezu allen Lösemitteln unlöslich sind, lässt sich eine zumindest teilweise Löslichkeit organischer Pigmente in organischen Lösemitteln nicht vollständig ausschließen. Auch sind anorganische Pigmente zumeist hoch temperaturstabil, während organische Pigmente aufgrund der vielen funktionellen Gruppen bei erhöhten Temperaturen Abbauprozessen bis hin zur völligen Zerstörung unterliegen. Ähnlich sieht es mit der Wetterstabilität und Chemikalienbeständigkeit aus. Auch hier zeigen die anorganischen Pigmente meistens ein stabileres Verhalten. Da anorganische Pigmente auf der Pigmentoberfläche häufig hydrophile Gruppen wie OH-Gruppen tragen, lassen sie sich in der Regel einfacher in wässriger Umgebung dispergieren als organische Pigmente, die auch feiner dispergiert werden müssen, um maximale Farbstärke zu erreichen.
158
Dispergierung von Pigmenten
7.4 Dispergierung von Pigmenten Pigmente entwickeln ihr Färbevermögen in Abhängigkeit von der Teilchengröße. Das „Färbevermögen“ ist das Maß für die Fähigkeit, einen Farbton zu beeinflussen, z.B. ein Weiß zu einem Pastellton zu tönen. Je weniger von der Farbpaste benötigt wird, um den Pastellton zu erreichen, desto höher ist das Färbevermögen der Farbpaste.
Abbildung 7.13: Strukturen wichtiger organischer Pigmentklassen. Die namengebende Struktureinheit ist fett dargestellt
159
Farbe und Effekte
Abbildung 7.14: Strukturen wichtiger organischer Pigmentklassen. Fortsetzung
160
Dispergierung von Pigmenten Nach Lambert-Beer (Gleichung 7.9) ist die Absorption direkt von der Menge der durchstrahlten Chromophore abhängig. In einem Pigment wechselwirken jedoch nur die äußersten Moleküle mit dem eingestrahlten Licht. Durch Verkleinerung eines Pigmentes werden deshalb mehr Chromophore für das eingestrahlte Licht zugänglich. Deshalb steigt das Färbevermögen mit sinkender Teilchengröße. Das „Deckvermögen“ ist die Fähigkeit eines pigmentierten Systems, die Farben eines Untergrunds abzudecken und ist natürlich von der Schichtdicke des Systems abhängig. Es kommt im Wesentlichen wie vorab dargestellt durch Streuung zustande. Diese ist ebenfalls pigmentgrößenabhängig. Die Zusammenhänge sind nochmals in Abbildung 7.15 verdeutlicht. Geprüft wird das Deckvermögen, indem der zu prüfende Lack in einem Keil auf eine Prüfkarte aufgetragen wird, die schwarz-weiß kariert ist. Bestimmt wird die Schichtdicke, bei der die Farbunterschiede der schwarz-weißen Karos nicht mehr sichtbar sind [34], [204]. Deshalb muss die Pigmentgröße für ein optimales Farbergebnis möglichst gut eingestellt sein. Pigmente liegen immer agglomeriert vor. Deshalb ist es notwendig, durch den Dispergierprozess diese Agglomerate so weit wie möglich aufzuschließen (siehe Kapitel 3.1.2). Eine besondere Rolle kommt in diesem Prozess den Dispergieradditiven zu. Diese sind in Kapitel 3.1.1 erklärt. Der Fortschritt des Dispergierprozesses wird über die Bestimmung der Teilchengröße verfolgt. Die Prüfung erfolgt üblicherweise über den Grindometer-Test. Die Messung ist ungenau, aber wegen ihres geringen Aufwands sehr gebräuchlich. Besser sind die Bestimmungen des Deckvermögens bzw. der Transparenz des Produktes in einer Lackprüfung am Ende des Produktionsprozesses. Nicht immer ist hohe Deckkraft gefordert. So sind transparente Farben erforderlich, um farbige Effektlacke zu formulieren. Dazu können Pigmente verwendet werden, deren mittlerer Teilchendurchmesser so klein ist, dass sie transparent erscheinen, oder es werden im Bindemittel lösliche Farbstoffe zur Färbung eingesetzt.
Abbildung 7.15: Abhängigkeit des Deck- und Färbevermögens von der Dispergierung
161
Farbe und Effekte
7.5 Pigmentkonzentration Das Färbevermögen von Pigmenten hängt nicht nur von ihrer Remission ab, sondern auch von ihrer Konzentration und Verteilung in einem Medium (Film). Zu deren Beschreibung wird die sogenannte „Pigmentvolumenkonzentration“ (PVK) definiert [205]. Sie beschreibt den Volumenanteil der Feststoffe am Gesamtvolumen der Beschichtung (siehe Gleichung 7.12). Dies bedeutet, dass auch die Füllstoffe einen Beitrag zur PVK liefern. Die PVK sagt also nicht direkt etwas über die Färbung aus. ∑ V Pigmente+ ∑ V Füllstoffe
_______________ ∙ 100 % Gleichung 7.12 PVK = V gesamt
Ebenfalls wird oft der Begriff „Pigmentierungshöhe“ oder „Pigment-Binderverhälntis“ verwendet. Darunter wird das Massenverhältnis der Pigmente und Füllstoffe zu Bindemittel verstanden (siehe Gleichung 7.13). ∑ m (Pigmente) + ∑ m (Füllstoffe)
Gleichung 7.13 Pigmenthöhe = __________________ m (Bindemittel)
Ein Feststoff ist solange gut in der Bindemittelmatrix eingebettet, solange seine Oberfläche vollständig von Bindemittel umhüllt ist. Berühren sich allerdings die Feststoffoberflächen, zwischen denen nur geringe Wechselwirkungen bestehen, führt diese zusätzliche Grenzfläche zu einer Schwächung der Beschichtung. Die Konzentration an Feststoffen, die bei einer idealen Verteilung der Feststoffe dazu führt, dass sich diese gerade berühren, wird „kritische Pigmentvolumenkonzentration“ (KPVK) genannt. Pigmente besitzen keine einheitliche Teilchengröße, sondern eine Teilchengrößenverteilung. Deshalb kann die KPVK nicht einfach berechnet, sondern muss gemessen werden. Außerdem wird die Oberflächenbenetzung von Pigmentteilchen vom Typ des Pigments, des Bindemittels und dessen Lieferform (in Lösemitteln, in wässriger kolloidaler Lösung oder als Dispersion) beeinflusst. Die KPVK bezieht sich deshalb individuell auf eine bestimmte Kombination von Pigment und Bindemittel. Ansatzweise kann die KPVK analytisch bestimmt werden, z.B. durch die Bestimmung der sogenannten „Ölzahl“ (Ölabsorption). Die Ölabsorption ist die Menge an Leinöl, die erforderlich ist, um eine Menge an Pigment gerade zu benetzen. Die Ölzahl wird ermittelt, indem Leinöl (ein sehr gut benetzendes Bindemittel) aus einer Bürette zu einer definierten Menge Pigment dosiert wird, das dann von Hand angepastet wird. Die Ölzahl ist die Masse an Öl, die benötigt wird, um eine Pigmentmasse von 100 g gerade zu benetzen, d.h. eine homogene Paste zu bilden [206]. Die Methode ist subjektiv und gilt streng genommen nur für Leinöl als Bindemittel. Die Ölzahl ist aber trotzdem eine wichtige Orientierungshilfe bei der Formulierung pigmentierter Lacksysteme. Die KPVK eines Pigments lässt sich näherungsweise aus der Ölzahl nach folgender Gleichung errechnen: ρPigment ∙ Ölzahl
Gleichung 7.14 KPVK = 100 / 1 + ___________ ρ ∙ 100
(
Leinöl
)
Die Ölabsorption steigt und die KPVK fällt mit steigender spezifischer Oberfläche von Pigmenten und mit fallender Teilchengröße. Die spezifische Oberfläche von Pigmenten wird meistens über eine quantitative Bestimmung der Gas-Absorption, dem sogenannten „BET-Verfahren“ (Brunauer, Emmett, Teller) gemessen. Hierbei wird Stickstoffgas über Partikel geleitet. Dieses wird an der Oberfläche der Partikel adsorbiert. Über die Menge des adsorbierten Stickstoffes kann man auf die Porosität sowie die
162
Effektpigmente und Effektbildung Tabelle 7.5: Teilchengröße, Ölzahl, KPVK und BET-Oberfläche ausgewählter Pigmenttypen Ø im Mittel [nm]
Ölzahl g/100g
BET-Oberfläche [m²/g]
Gasruß
13
620
460
8
Flammruß
95
280
20
16
PC-Blau 1
50
50
72
54
PC-Blau 2
100
45
36
56
Calciumcarbonat gefällt
80
40
20
45
Pigment/Füllstoff
Calciumcarbonat, natürlich
KPVK [Vol-%]
2500
19
3,4
65
Eisenoxidrot, transparent
20
40
100
34
Eisenoxidrot, deckend
300
24
6
44
Oberfläche der Partikel zurückrechnen [207], [208]. Mit steigender BET-Oberfläche steigt auch die Ölzahl, allerdings in geringerem Maße als die BET-Oberfläche. Die Tabelle 7.5 stellt gleiche Pigmenttypen unterschiedlicher Teilchengröße und den damit verbundenen Größen Ölzahl, KPVK und BET-Oberfläche gegenüber [99]. Die Höhe der Pigmentvolumenkonzentration bzw. die Pigmentierungshöhe bestimmt einige wichtige Eigenschaften der Lackfilme. Normalerweise ist es das Ziel, ein möglichst hohes Färbeund Deckvermögen bei möglichst dünner Schicht zu erreichen. Dies bedingt eine hohe PVK. Andererseits beeinflusst eine hohe PVK den Glanz und die Rheologie bei der Filmbildung als auch die mechanischen Eigenschaften sowie die chemischen Beständigkeiten. Als Anhaltspunkt für die Formulierung wurden für wichtige Pigmentklassen die Bereiche der optimalen PVK versucht zu ermitteln. Diese sind in Abbildung 7.16 grafisch dargestellt [209] .
7.6
Effektpigmente und Effektbildung
Effektlacke zeigen abhängig vom Betrachtungswinkel unterschiedliche Helligkeiten oder auch Farbeindrücke. Solche Effekte werden erreicht, indem plättchenförmige Partikel (Flakes), die das Licht reflektieren, möglichst effektiv in einer Lackschicht verteilt werden.
7.6.1 Aluminiumpigmente Am Anfang der Entwicklung standen die Aluminiumpigmente, wie man sie von den Metallic-Lackierungen der Autos kennt. Aluminiumpigmente bestehen aus Aluminiumplättchen, die Teilchendurchmesser betragen bis zu 25 µm und Teilchendicken von 0,1 bis 1,0 µm. Für besondere Anwendungen sind auch Plättchen mit noch größerem Flächendurchmesser von bis zu 45 µm erhältlich. Das Länge- zu Dickeverhältnis nennt man auch „Aspektverhältnis“. Effektpigmente zeigen generell ein hohes Aspektverhältnis. Aluminiumpigmente werden durch Versprühen von geschmolzenem Aluminium erzeugt, wobei die entstehenden Aluminiumpartikel in Kugelmühlen in die gewünschten blattförmigen Strukturen (Flakes) überführt werden. Dieser Prozess wird in einer Aufschlämmung (Slurry) in aliphatischen Lösemitteln (Testbenzin) durchgeführt, wobei zusätzlich Oberflächennetzmittel verwendet werden [210]. Die Pigmente werden als Paste in aliphatischen Lösemitteln verkauft. Ein direktes Einrühren in einen Lack ist nicht möglich, da die Verteilung der Pigmente nicht gewährleistet ist,
163
Farbe und Effekte die Pigmente sind zu stark agglomeriert. Deshalb muss die Pigmentpaste zuerst mit wenig Lösemittel aufgenommen werden. Darin deagglomerieren die Pigmente leicht. Diese Mischung kann anschließend dem Lackansatz zugegeben werden. Die verwendeten Netzmittel bestehen meistens aus höheren gesättigten oder ungesättigten Fettsäuren wie z.B. Stearinsäure oder Ölsäure, bzw. den entsprechenden Fettaminen. Verwendet man Netzmittel aus gesättigten Fettsäuren entstehen sogenannte „Leafing-Pigmente“. Die gesättigten Fettsäuren richten sich in einer Doppelschicht aus. Dabei orientieren sich die polaren Säuregruppen an das auf der Oberfläche des Aluminiumpigments vorhandene Aluminiumoxid und die unpolaren Alkylgruppen aneinander. Dadurch kommen weitere Säuregruppen nach außen zu liegen, was die Aluminiumoberfläche polar macht. In unpolaren Lösemitteln sind diese polaren Oberflächen unverträglich, weshalb die Aluminiumpigmente während der Filmbildung im noch flüssigen Beschichtungsmittel an die Oberfläche aufschwimmen. Sie richten sich, unterstützt durch den Schrumpf, während der Trocknung parallel zur Oberfläche aus. Dies kann im Extremfall bis zu Spiegeleffekten an der Lackoberfläche führen. Wenn die Netzmittel aus ungesättigten Fettsäuren (Ölsäure) oder Fettaminen bestehen, entstehen „Non-Leafing-Pigmente“. Aufgrund der cis-Anordnung in der Ösäure ist eine parallele Ausrichtung in einer Doppelschicht
Abbildung 7.16: Optimale PVK-Werte für verschiedene Pigmentgruppen
164
Effektpigmente und Effektbildung nicht mehr möglich. Damit wird die Pigmentoberfläche unpolar und mit den Lösemitteln und Bindemittel verträglich, weshalb sie sich gleichmäßig im Lack verteilen. Die Oberflächenbehandlung von Pigmenten ist in Abbildung 7.17 schematisch dargestellt [211]. Damit ausreichende Effekte gebildet werden, müssen die Effektlackschichten mit Non-Leafing-Pigmenten relativ hohe Anteile an Aluminiumpigmenten enthalten. Diese höheren Anteile der Effektpigmente in einer Lackschicht würden allerdings deren Wetterbeständigkeit, die Chemikalienbeständigkeit und den Glanz beeinträchtigen. Daher werden solche Effektlackschichten meistens mit einem Klarlack überschichtet. Weil bei der Einführung von Effektlacken die Automobilhersteller keine weitere Lackierstraße installieren wollten, wird die Kombination aus Effektlack und Klarlack in einer Straße appliziert. Dabei wird der Effektlack (Basislack) nur physikalisch getrocknet bevor der Klarlack appliziert wird. Dann werden beide Schichten gemeinsam eingebrannt [212]. Der Effekt in der Basislackschicht entsteht dadurch, dass die Aluminiumpigmente sowohl horizontal als auch vertikal in der Filmschicht verteilt sind. Dies verleiht der Lack den Eindruck von „Tiefe“. Eine solche optimale Verteilung ist in der Abbildung 7.18 dargestellt. Aluminium-Flakes reflektieren einfallendes Licht an den planen Oberflächen sehr gut, während dieses Licht an den Kanten der Teilchen gestreut wird. Bei kleinen Partikeln ist das Verhältnis von
Abbildung 7.17: Oberflächenbehandlung von Aluminiumpigmenten
165
Farbe und Effekte Rand zu Fläche größer als bei großen Partikeln. Dies bedeutet, dass kleine Partikel einen hohen Streuanteil aufweisen, während große Partikel mit hohem Aspektverhältnis viel Reflexion und wenig Streuung zeigen. Deshalb wirken Lacke mit einem hohen Anteil an feinteiligen Pigmenten eher matt grau, während Lacke mit großen Partikeln metallischen Glanz, bzw. hohe Glitzerwirkung aufweisen. Im Gegensatz zur Streuung ist die Reflexion gerichtet, was dazu führt, dass sich bei optimaler Ausrichtung von größeren Pigmenten die Lackschicht unter einem bestimmten Winkel, nämlich wenn der Betrachtungswinkel dem Einfallswinkel entspricht, die Schicht plötzlich stark aufhellt. Sobald man jedoch unter einem anderen als dem Ausfallswinkel auf die Oberfläche schaut, dominiert die Streuung des Lichtes an den Kanten, die Oberfläche wirkt dunkel. Die Änderung der Helligkeit in Abhängigkeit vom Betrachtungswinkel wird als „Flop-Effekt“ bezeichnet. Dieses Verhalten kann man auch messtechnisch erfassen. Der Messaufbau besteht aus einem
Abbildung 7.18: Optimale Verteilung von Aluminiumpigmenten in einer Filmschicht
Abbildung 7.19: Abhängigkeit der Helligkeit vom Betrachtungswinkel
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Effektpigmente und Effektbildung Photogoniometer. Ein Photogoniometer misst die Intensität des von einer reflektierten Schicht in Abhängigkeit vom Betrachtungswinkel. In der Abbildung 7.19 ist der Lichteinfall auf zwei Oberflächen dargestellt [213]. Dargestellt ist die Remission einmal für einen grauen Lack (viel Feinanteil der Aluminiumpigmente) und einen Metallic-Lack, mit großen Pigmenten und damit hohem Reflexionsanteil. Der graue Lack (gestrichelte Linie) zeigt über die meisten Winkel einen gleichmäßigen Verlauf der Intensität des remittierten Lichtes. Im Bereich des Ausfallswinkels der gerichteten Reflexion ist die Intensität leicht erhöht, es zeigt sich aber ein geringer Flop. Ganz anders verhält sich die Lackprobe mit den größeren Pigmentteilchen. In der Schrägsicht (also bei Winkeln im Bereich der Beleuchtung ist die Probe sehr dunkel. So wird z.B. bei einem Betrachtungswinkel von 15° eine Remission von unter 1 % gemessen. In der Aufsicht, also bei Winkeln nahe dem Ausfallswinkel des remittierten Lichtes werden z.B. bei 82° bereits deutlich mehr als 20 % Intensität erfasst, dies erhöht sich im weiteren Verlauf bei Annäherung an den Reflexionswinkel nochmals drastisch. Die Probe zeigt einen starken Flop. Auch andere Eigenschaften sind von der Größe der Flakes abhängig, die Zusammenhänge sind übersichtsartig in der Abbildung 7.20 nach [210] dargestellt. Auch die Form der Aluminiumpigment-Flakes beeinflusst die Effektgebung. Wenn die bei der üblichen Zerstäubung des flüssigen Aluminiums hergestellten relativ unregelmäßigen Teilchen zu Flakes geformt werden, entstehen Teilchen mit einem relativ unregelmäßigen Rand. Solche Aluminiumpigmente werden als Cornflake-Typen bezeichnet (weil die Form an Haferflocken erinnert). Wenn die Zerstäubung des Aluminiums so durchgeführt wird, dass mehrheitlich kugelige Partikel entstehen, die dann sorgfältig nach ihrer Größe sortiert werden und schonend verformt werden, entstehen Aluminiumpigmente die als Silver-Dollar-Typen bezeichnet werden. Solche Pigmente bilden deutlich effektreichere Basislackschichten als die konventionellen Typen. Besondere Aluminiumpigmente entstehen, indem Aluminium über einen PVD-Prozess (physical vapour deposition) auf eine Folie aufgedampft wird. Die dabei entstehende sehr dünne Aluminiumfolie (30 bis 50 nm Dicke) wird dann zu unterschiedlich großen Flakes zerkleinert. Solche PVD-Pigmente zeigen bei optimaler Ausrichtung eine ausgesprochen hohe Reflexion, so dass sich Chromeffekte verwirklichen lassen [214].
Abbildung 7.20: Eigenschaften von Aluminiumpigmenten in Abhängigkeit von der Teilchengröße
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Farbe und Effekte Der Unterschied der Aluminiumpigment-Typen ist in der Abbildung 7.21 dargestellt. Aluminium-Effektpigmente können auch mit Farbpigmenten kombiniert werden, die dann allerdings bis zur Transparenz dispergiert sein sollten. Es entsteht dann in der Aufsicht ein eher metallischer Effekt und in der Schrägsicht ein stärkerer Farbeindruck. Dies wurde versucht, in der Abbildung 7.22 schematisch darzustellen. Eine optimale Effektbildung wird dann erreicht, wenn die Pigmente möglichst gleichmäßig im Film verteilt sind und möglichst parallel zur Oberfläche ausgerichtet sind. Dies wird durch die Verwendung rheologisch wirkender Additive erreicht. Die rheologisch wirkenden Additive fixieren die im Lackfilm verteilten Aluminiumpigmente. Während der physikalischen Trocknung der Basislackfilme kommt es durch die Verdunstung zu Strömungen und Wirbeln in der Basislackschicht. Wenn keine rheologisch wirkenden Additive oder nur unzureichende Mengen verwendet werden, können die zunächst parallel zum Substrat ausgerichteten Effektpigmente bewegt werden und sich aufrecht stellen. Dabei entstehen dann Flecken mit höherem Flop-Effekt, die durch dunklere Ränder (der aufrechten Effektpigmente) begrenzt sind mit der Erscheinungsform einer Hammerschlaglackierung. Der Effekt wird durch die Bildung „bénardscher Zellen“ (Rayleigh-Bénard-Konvektion) erklärt (siehe Kapitel 5.1.2). Die Ausbildung eines optimalen Effekts ist auch von der Art der Applikation abhängig. Bei der durch Druckluft unterstützten Spritzapplikation (pneumatisches Spritzen) treffen die Spritztropfen mit einer bestimmten Aufprallwucht auf das Substrat. Durch diesen Effekt spreiten die Spritzteilchen besonders gut und dabei werden die Aluminium-Flakes mehr oder weniger in eine horizontale Lage gebracht. Diese Orientierung wird dann dadurch verstärkt, dass der Film während der physikalischen Trocknung schrumpft. Der Vorgang ist in Abbildung 7.23 dargestellt.
Abbildung 7.21: Unterschiedliche Teilchenformen der Aluminiumpigmente
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Effektpigmente und Effektbildung Die Schrumpfung ist umso größer, je niedriger der Verarbeitungsfestkörper des Effektlacks ist. Daher ist es schwierig, mit festkörperreichen Basislacken vergleichbar gute Effekte zu erreichen. Das elektrostatische Applikationsverfahren (vor allem ohne Luftunterstützung) führt zu anderen Effekten als das pneumatische Verfahren. Bei der elektrostatischen Versprühung werden deutlich kleinere Tröpfchen gebildet. Die kleineren davon enthalten oft keine Effektpigmente mehr. Ohne Luftunterstützung bewegen sich die Teilchen langsamer im elektrischen Feld zum geerdeten Objekt. Deshalb ist die Auftragswucht deutlich kleiner und damit die Vororientierung der Effektpigmente beim Spreiten viel geringer. Da die Tröpfchen kleiner sind, ist die Verdunstung des Lösungsmittels während der Applikation größer als bei der pneumatischen Applikation. Da die feinen Teilchen viel Löse- bzw. Dispersionsmittel abgegeben haben, ist auch die nachfolgende Schrumpfung geringer. Damit ist die Orientierung der Effektpigmente und so der Flop ebenfalls geringer. Manche Effekte lassen sich deshalb mit dem elektrostatischen Spritzverfahren nicht realisieren. Daher wird bei der Applikation in der Automobilserienlackierung ein kombiniertes Verfahren angewendet. Zuerst werden der Innenraum und dann der Außenbereich einer Auto-
Abbildung 7.22: Effekt der Kombination von Aluminiumpigment und transparentem Farbpigment
Abbildung 7.23: Optimale Effektbildung beim pneumatischen Spritzverfahren
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Farbe und Effekte mobilkarosserie elektrostatisch gespritzt, gefolgt von einer pneumatischen Applikation für den Außenbereich, der die Realisierung eines optimalen Effekts garantiert. Inzwischen werden besonders effektreiche Farbtöne durch die Verwendung besonderer Aluminiumpigmente (Silver-Dollar, PVD-Pigmente) auch über ein elektrostatisches Spritzverfahren realisiert, da das Aspektverhältnis größer und damit die Orientierung besser ist.
7.6.2 Interferenzpigmente Während Metalleffektpigmente gerichtete Reflexion zeigen und metallisch wirken, zeigen Interferenzpigmente ein schimmerndes, perlmuttartiges Aussehen. Unter Perlmutt versteht man die schimmernde Schicht im Gehäuse von gewissen Muscheln. Unter bestimmten Betrachtungswinkeln weist diese Schicht einen farbigen Glanz auf. Die Farbe ist dabei vom Betrachtungswinkel abhängig. Dies hat die Menschen schon lange fasziniert, weshalb Perlmutt für zahlreiche Schmuckstücke und Ornamente eingesetzt wurde und wird. Deshalb lag es nahe, diesen irisierenden Effekt auch für die Lackindustrie zugänglich zu machen. Perlmutt besteht aus Plättchen aus Calciumcarbonat (Aragonit), die alle gleichmäßig parallel ausgerichtet sind. Zwischen den Plättchen besteht eine Matrixschicht aus organischem Material, das die Plättchen zusammenhält (Abbildung 7.24 , Aufnahme: [215]). Auffällig ist die hohe Orientierung und die hohe Oberflächengüte der Aragonit-Plättchen. An ihrer Oberfläche kann deshalb gerichtete (Teil-)Reflexion von eingestrahltem Licht stattfinden. Am unteren Ende des Plättchens findet nochmals eine Teilreflexion des Lichts statt. Bei dieser Reflexion kommt es zu „Interferenz“. Wenn sich dabei die Wellenbäuche der reflektierten Lichtwellen überlagern, kommt es zu einer Verstärkung der Helligkeit (konstruktive Interferenz). Überlagern sich in Abhängigkeit von der Schichtdicke innerhalb der Glimmerteilchen die Wellenbäuche mit den Wellentälern, kommt es zu einer Abschwächung des Lichts (destruktive Interferenz). Ob konstruktive oder destruktive Interferenz beobachtet wird, hängt vom „Gangunterschied“ (Δs) des an der Oberfläche und des an der Unterseite des Plättchens reflektierten Lichtstrahls ab. Dieser ist insbesondere von der Dicke des Plättchens als auch vom Einstrahlwinkel abhängig. Ebenfalls kommt es auf die Wellenlänge des Lichtes an. Für konstruktive Interferenz gilt: Gleichung 7.15 mit n = 1,2,3…
Δs = n ⋅ λ
Abbildung 7.24: Rasterelektronische Aufnahme einer Perlmuttschicht (links) und schematische Zeichnung (rechts)
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Effektpigmente und Effektbildung Unter bestimmten Betrachtungs-(Einstrahl-)winkeln erfolgt nun konstruktive oder destruktive Interferenz für eine bestimmte Wellenlänge des sichtbaren Lichtes. Es entsteht ein Farbeindruck, der vom Betrachtungswinkel abhängig ist. Durch den regelmäßigen Aufbau der Perlmuttschicht wird dieser Effekt noch verstärkt. Das Prinzip der Interferenz an dünnen Schichten ist in der Abbildung 7.25 dargestellt. Diesen Effekt versucht man künstlich über „Interferenzpigmente“ zu erzeugen. Dabei werden dünne Plättchen in das Lackmaterial eingebettet. Die Pigmente entsprechen damit dem Aragonit, die Lackmatrix der organischen Matrix in Perlmutt. Die wichtige Produktgruppe der Interferenzpigmente sind die „Glimmerpigmente“ (anglo-amerikanisch Mica). Glimmer (Muskovit) ist ein basisches, fluorhaltiges Kalium-Aluminometasilikat (chemische Formel KAl2[(OH,F)2|AlSi3O10]). Glimmer kristallisiert in tafeligen bis plättchenförmigen Kristallen mit sehr hoher Oberflächengüte. Er ist durchscheinend und hat Brechungsindices zwischen 1,552 und 1,618 (doppelbrechend). Glimmerpigmente besitzen ein hohes Aspektverhältnis. Die Dicken liegen im Bereich der Wellenlängen des sichtbaren Lichtes, was für den Interferenzeffekt benötigt wird, meistens zwischen 300 nm und 600 nm. Die Länge und Breite des Pigments kann zwischen 1 bis 200 μm variieren [216]. Reine Glimmerpigmente besitzen nur ein geringes Deckvermögen. Werden Lacke, die reinen Glimmer enthalten, auf weißen Untergründen appliziert, erhält man ein changierendes Weiß, man spricht vom Magnolia-Effekt. Appliziert man solche Pigmente auf dunklen Untergründen, kommen die Farbwechseleigenschaften der Pigmente besonders deutlich zur Geltung. Da die Brechkraft des Glimmers nur schwach ist, wird zur Herstellung von farbstärkeren Pigmenten die Oberfläche der Pigmente mit einem hochbrechenden Material wie TiO2 überzogen (dotiert). Die Interferenz geschieht dann jeweils an den Grenzflächen der Dotierungsschicht, Glimmer dient in diesem Fall als Trägermaterial. Neben Titandioxid wird oft auch Eisenoxid oder Chromoxid zur Dotierung verwendet. Je nach Schichtdicke der Dotierung resultieren sehr unterschiedliche Farbeindrücke. So variieren die Farbtöne eines mit Titandioxid dotierten Glimmers von 50 nm bis 150 nm von Silber, über Gelb, Rot, Blau nach Grün. Das Prinzip ist in der Abbildung 7.26 dargestellt. Eine Dotierung von Glimmer mit Eisenoxid ergibt zwischen 50 bis 100 nm bronzefarbene, kupferfarbene und rotmetallische Farbtöne. Aufgrund des höheren Brechungsindexes zeigen solche Pigmente ebenfalls eine stärkere Deckkraft.
Abbildung 7.25: Entstehung von Interferenzeffekten an dünnen Schichten. Die Interferenz ist abhängig vom „Gangunterschied“ zwischen den beiden reflektierten Wellen. Dieser ist abhängig vom Brechungsindex und vor allem der Dicke der Schicht.
171
Farbe und Effekte Umhüllt man das Pigment zusätzlich noch mit einer Schicht eines transparenten, aber farbigen Materials (z.B. Fe2O3), erhält man Pigmente mit einem deutlich stärkeren Farbflop und besserer Deckkraft. Der Eindruck und die Stärke des Farbwechsels ist ebenfalls stark von der Planarität der verwendeten Trägersubstanzen abhängig. Verwendet man Plättchen, die eine Rauigkeit im nm-Bereich besitzen und dotiert diese mit starkbrechenden Materialien, ergibt sich ein stark winkelabhängiger Farbeindruck. Deshalb wurden seit Mitte der 1990er Jahre diese Pigmentklasse stark weiterentwickelt. So existieren in der Zwischenzeit Effektpigmente mit einem Kern aus dotiertem Aluminium, Glas, Borsilikat, Aluminiumoxid, Graphit. Die Dotierung erfolgt meistens über ein CVD- (chemical vapour deposition) oder ein PVD-(physical vapour deposition)Verfahren. Dadurch lassen sich Dotierungsschichten mit sehr definierter Schichtstärke erreichen. Zum Beispiel können Pigmente mit einem Aluminiumkern anstelle von Glimmer erzeugt werden, der für eine hohe Reflektivität und damit hohen Glanz sowie Deckkraft sorgt. Darauf werden mehrere semitransparente oder transparente Materialien abgeschieden, die für den Interferenzeffekt sorgen. So entstehen Pigmente mit einem sehr starken Farbwechsel, z.B. von grün nach blau bei unterschiedlichen Betrachtungswinkeln. Besonders hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die metalldielektrischen Filter (MDF). Sie bestehen aus einem hochreflektiven Metallkern. Meistens verwendet man Aluminium oder Silber, da diese über den gesamten Spektralbereich des sichtbaren Lichtes gleichmäßig reflektieren, aber auch teilweise absorbierende Metalle wie Gold können eingesetzt werden, was eine weitere Farbtonverschiebung verspricht. Über diesen Metallkern wird eine Schicht eines Dielektrikums mit tiefem Brechungsindex aufgetragen, wie z.B. SiO2 oder MgF2. Die Schichtdicke liegen normalerweise bei ungefähr der halben Wellenlänge aus dem Spektrum des sichtbaren Lichts. Darüber befindet sich eine semitransparente Schicht aus Metallen, die Mehrfachreflexion des Lichtes ermöglicht und das Pigment vor chemischen Einflüssen schützt. Oft wird hier Ni, Cr, oder „Inconel“ verwendet [217]. Auch können bestimmte Flüssigkristallpolymere (LCP) einen solch hohen Orientierungsgrad aufweisen, dass sie Schichtstrukturen ausbilden, die ebenfalls zur Interferenz geeignet sind (siehe Kapitel 10.1). Eine Anwendung solcher Pigmente besteht in der Formulierung von Sicherheitsmerkmalen auf Banknoten und Sicherheitspapieren. Diese Pigmente zeigen einen starken winkelabhängigen Farbeffekt und sind im Gegensatz zu Glimmerpigmenten gut deckend. Sie werden unter dem Namen OVP (optical versatile pigments) vermarktet, der Zugang dazu ist streng reglementiert. Druckfarben mit OVPs sind als „OVI“ auf dem Markt [218]. In der Lackierung von Gebrauchsgegenständen haben sich solche und ähnliche Effekte jedoch weniger durchgesetzt.
Abbildung 7.26: Unterschiedliche Farbtöne von mit Titandioxid dotiertem Glimmer
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Härte und Flexibilität
8 Gebrauchseigenschaften von Lackfilmen Die Grundlagen für die folgenden Aussagen wurden bereits in Kapitel 6.3 und 6.4 dargelegt. Hier soll nochmals auf einige makroskopisch wichtige Eigenschaften von Lackfilmen und die Möglichkeiten, diese beeinflussen zu können, eingegangen werden.
8.1 Härte und Flexibilität Unter „Härte“ wird die Widerstandsfestigkeit einer Beschichtung gegenüber einer mechanischen Beeinflussung verstanden. Die Härte einer Beschichtung wird über das definierte Eindringen eines Prüfkörpers in die Beschichtung bestimmt. Das kann durch den Eindruck eines plättchenförmigen Prüfkörpers (Buchholz Eindruckprüfung, [219], [220]) oder durch das Ritzen mit Bleistiften unterschiedlicher Härte geschehen [220]. Filme gelten als umso härter, je kleiner die Spur des Eindringkörpers ist. Ebenfalls lässt es sich aus dem Abrollwiderstand auf der Oberfläche der Beschichtung auf die Elastizität und Härte als Summenparameter schließen ([221–224]). Dabei wird ein Pendel auf die Beschichtung aufgesetzt (Pendelhärte). Die Berührungsfläche mit der Beschichtung bilden zwei Kugeln. Aus der Dämpfung des Pendels lässt sich auf die Härte und Elastizität der Beschichtung schließen, d.h. je länger die Pendelzeit eines schaukelnden Prüfkörpers ist, desto „härter“ ist die Beschichtung. Härte lässt sich physikalisch allerdings schwer fassen. In der DMTA gibt es zwei Größen, die die mechanischen Eigenschaften eines Werkstoffs beschreiben: Der Speichermodul G‘ beschreibt die (linear-)elastischen Eigenschaften, der Verlustmodul G‘‘ die plastischen Eigenschaften eines Stoffes. Die Summe aus Plastizität und Elastizität wird lacktechnisch als Flexibilität bezeichnet. Ein hoher Speichermodul bedeutet in diesem Zusammenhang auch einen hohen Widerstand gegen mechanische Verformung, also Härte. Dabei wird die gesamte eingebrachte Energie wieder abgegeben, wie bei einer Feder. Der Begriff „Flexibilität“ dagegen beschreibt die Fähigkeit eines Stoffes, einer äußeren Belastung auszuweichen. Dies kann auf zwei Arten geschehen: 1. Elastische Verformung (beeinflusst durch G‘), das Material kehrt nach der Belastung wieder in die Ursprungsform zurück. 2. Plastische Verformung: Das Material wird dauerhaft verformt und behält nach der Verformung seine Form bei. Ausgedrückt wird dies durch den Verlustmodul G‘‘. G‘‘ steht außerdem für die Energie, die bei einer Belastung dissipiert, also in Wärme umgewandelt wird. Der Verlustmodul ist abhängig von der Beweglichkeit der Kettensegmente untereinander. Polymere deren Moleküle relativ gering assoziiert sind und die aus beweglichen Segmenten (z.B. aliphatischen Ketten) bestehen, sind weich und lassen sich plastisch (dauerhaft) verformen. Dies bedeutet: Sowohl Härte als auch Flexibilität werden von diesen beiden Größen gesteuert und sind Summenparameter aus diesen Größen.
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Gebrauchseigenschaften von Lackfilmen Ein Festkörper ist immer davon gekennzeichnet, dass der Speichermodul größer als der Verlustmodul ist. Ist G‘‘ größer als G‘, handelt es sich um eine (viskose) Flüssigkeit bzw. Schmelze. Im festen Zustand kann man nun mehrere Extremfälle unterscheiden, diese sind in Abbildung 8.1 dargestellt: 1. G‘ ist klein, G‘‘ ist klein: Man erhält einen wenig stabilen, spröd brechenden Festkörper. 2. G‘ ist klein, G‘‘ ist ähnlich groß wie G‘, man erhält einen plastisch leicht verformbaren Stoff. 3. G‘ ist groß, G‘‘ ist klein, man erhält einen harten, spröden Werkstoff. 4. G’ ist groß, G’’ ist groß, man erhält einen harten, duktilen Werkstoff. Aus dem Gesagten könnte man schließen: Der Speichermodul muss möglichst hoch sein, um harte Beschichtungen zu erhalten. Der Speichermodul steigt sicher mit größerer Vernetzungsdichte, also müsste man die Polymerketten möglichst eng vernetzen. Deshalb bedeutet eine hohe Härte auch meistens eine hohe Diffusionsdichte gegenüber Lösemitteln und Wasser. Sie ist damit auch eine der Voraussetzungen für die Lösemittel- und Chemikalienbeständigkeit (siehe Kapitel 8.4).
Abbildung 8.1: Zusammenhang zwischen Härte, Sprödigkeit und Flexibilität und mechanischen Kennwerten
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Härte und Flexibilität Abbildung 8.2 zeigt tatsächlich gemessene Werte von G‘ unterschiedlich stark vernetzter Lackfilme (1 am stärksten vernetzt, 3 am wenigsten vernetzt) [225] im Vergleich zu einem nichtvernetzten Film (gepunktet, ohne Nummer). Hier könnte man annehmen, dass die Vernetzungsdichte Grund für die Erhöhung des Speichermoduls im elastischen Bereich der Beschichtungen ist. Dies trifft sicher zu. Neben der Vernetzungsdichte, die eine statistische mittlere Größe für makroskopische Bereiche einer Polymerschicht (Film) ist, werden die physikalischen Eigenschaften solcher Polymerschichten jedoch auch durch die Beweglichkeit der Netzbögen bestimmt, was seinen Niederschlag in der Tg sowie G‘‘ findet. Die Erhöhung von G‘‘ führt zu flexibleren Beschichtungen, die oft gegen mechanische Angriffe widerstandsfähiger sind, da die auftretenden Belastungskräfte besser dissipiert werden können. Deshalb ist die Auswahl der richtigen Vernetzungspartner so wichtig. Harte und flexible Einheiten ergänzen sich hier ideal. Trotzdem findet man, dass Filme mit hoher Vernetzungsdichte oft wenig flexibel sind – d.h. sie brechen spröde und früher als das theoretisch der Fall sein müsste. So bilden z.B. Aminoharze durch Selbstvernetzung Filme, die sehr hart und lösemittelbeständig sind, aber auch relativ spröde brechen (siehe Kapitel 6.5.3). Auch die Vernetzung höher verzweigter gesättigter Polyester mit Polyisocyanaten kann harte und wenig flexible Filme ergeben (siehe Kapitel 6.5.4). Schließlich tendieren oxidativ vernetzende Alkydharze auf Basis von Leinöl bzw. Leinölfettsäure zur Versprödung, obwohl die dreifach ungesättigte Fettsäure mit isolierten Doppelbindungen hohe Vernetzungsdichten ergeben kann (siehe Kapitel 6.5.5). Bei der Alterung von Polymeren werden kovalente Bindungen gebrochen und neue geknüpft. Dadurch kann die Netzwerkdichte durchaus steigen, das Material wird härter, zeigt aber früher Sprödbruch.
Abbildung 8.2: Beispiele von DMTA-Messungen an drei Klarlackfilmen (1 bis 3) mit unterschiedlicher Vernetzungdichte gegenüber einem unvernetzten Film
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Gebrauchseigenschaften von Lackfilmen Es gibt auch Beispiele dafür, dass Filme mit hoher Vernetzungsdichte ausgesprochen flexibel sind: Die Vernetzung mit UV-Licht , z.B. von polyfunktionellen Acrylaten, ergibt sehr hoch vernetzte Filme mit ausgezeichneten Beständigkeitseigenschaften (Lösemittelbeständigkeit, Chemikalienbeständigkeit, Wetterbeständigkeit), die aber auch hohe Flexibilität besitzen können [25] (siehe Kapitel 6.4.12).
8.1.1 Ausdehnung der molekularen Netzwerke Deshalb muss es noch eine andere Größe neben der Netzwerkdichte geben, die für die Härte und Flexibilität einer Beschichtung verantwortlich ist. Reale Filme erreichen die theoretischen Werte von G‘ meistens nie, da die Berechnungsmodelle in der Regel von idealisierten Netzwerken ausgehen [124]. In der Realität sind die Filme nie ideal vernetzt, sondern bestehen aus endlichen Bereichen kovalent vernetzter Polymere. Je stärker (enger) ein Polymer vernetzt ist, desto stärker sind die Kräfte zwischen den Ketten und desto weniger lässt sich das Polymer durch eine äußere Kraft verformen. Die ermittelte Netzwerkdichte ist immer ein über viele Polymerfragmente gemittelter Wert. In realen Netzwerken werden die kovalent vernetzten Bereiche jedoch immer begrenzt sein. Für die Verdeutlichung folgendes Gedankenspiel: Angenommen die Ränder kovalent verbundener Bereiche vernetzter Polymere verhalten sich genauso wie thermoplastische, d.h. nichtvernetzte Polymere. Sie sollten also bei höheren Temperaturen in der Lage sein, sich zu entschlaufen. Damit können die kovalent gebundenen Bereiche an den Rändern gegenseitig verschoben werden, wie schematisch in Abbildung 8.3 dargestellt. Diese Entschlaufung wird umso einfacher gehen, je weni-
Abbildung 8.3: Modell der Grenzen kovalent vernetzter Bereiche mit eingelagerten nichtvernetzten Bestandteilen
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Härte und Flexibilität ger freie Kettenenden enthalten sind. Dieses Verhalten sollte bei der DMTA-Messung sichtbar werden, da sich verschiebende Ketten (plastische Verformung) auf den Verlustmodul G‘‘ auswirken.1 Das gilt sicher auch für die Anteile möglicher Vernetzungsstellen (funktioneller Gruppen), die nicht reagiert haben. Außerdem liegen innerhalb eines kovalent verbundenen Bereichs normalerweise auch noch nichtvernetzte Anteile vor. Die Unterschiede der Größe kovalent verbundener Bereiche sollten sich vor allem im Niveau der Werte des Speichermoduls im elastischen Bereich der DMTA-Kurve ausdrücken. Je größer die kovalent verbundenen Bereiche (Makromoleküle) eines vernetzten Polymers sind, desto höher sollten die Werte des Speichermoduls im elastischen Bereich sein. Dies wird verständlich, wenn man die mechanischen Eigenschaften und chemischen Beständigkeiten in Relation zur Höhe des elastischen Bereichs der G‘-Kurve setzt. Dabei beobachtet man, dass je höher das Niveau des elastischen Bereichs ist, desto besser sind auch in der Regel die Beständigkeitseigenschaften der Lackfilme (Chemikalienbeständigkeit, mechanische Beständigkeit, Wetterbeständigkeit). Lösemittel können einfach in die Randbereiche eines stark vernetzten Polymers eindringen, sie können sich jedoch schlechter in die Netzmaschen einlagern und diese aufweiten, was als Quellung beobachtbar wird. Da kovalente Bindungen innerhalb eines Netzwerkes sehr stark sind, wird ein mechanischer Angriff, z.B. durch Abrasion oder Schnitt, vorrangig in Bereichen geschehen, die hauptsächlich durch Sekundärwechselwirkungen zusammengehalten werden und nicht im Netzwerk selbst. Dies ist wieder in den Randbereichen der Fall. Je größer damit die kovalent vernetzten Bereiche sind, desto widerstandsfähiger (elastischer) ist das Polymer gegen mechanischen Angriff. Je weniger ausgedehnt die Netzwerke sind, desto spröder erscheint das Material, auch bei hoher Netzwerkdichte. Was passiert nun bei der Vernetzungsreaktion, dass es zu unterschiedlich ausgedehnten kovalenten Bereichen kommen kann? Eine Erklärung hierfür kann die Reaktionskinetik liefern. Für eine effektive chemische Reaktion bedarf es einer bestimmten Stoßenergie, d.h. die Träger von funktionellen Partnergruppen müssen mit einer bestimmten Energie aufeinandertreffen. Die Geschwindigkeit einer Reaktion, bei der zwei Teilchen beteiligt sind (Reaktion zweiter Ordnung), ist abhängig von der Konzentration der beiden Reaktionspartner und von einer individuellen Geschwindigkeitskonstante kR : Gleichung 8.1
v = k R ∙ c A ∙ c B
Die Geschwindigkeitskonstante k Rbeschreibt die Wahrscheinlichkeit, dass das Aufeinandertreffen der Reaktionspartner zu einer Reaktion führt. Sie ist abhängig von der Aktivierungsenergie EA, der Temperatur T, der Gaskonstante R und enthält einen Frequenzfaktor A (siehe Gleichung 8.2). Die nötige kinetische Energie ist in diesem Bild die Energie, die mindestens benötigt wird, um einen inelastischen Stoß auszulösen, der zu einer Reaktion der Teilchen führt. Diese kinetische Energie muss über der Aktivierungsenergie EA liegen. Die kinetische Energie ist von der Beweglichkeit der Moleküle bzw. der funktionellen Gruppen abhängig und wird mit steigender Molekülgröße immer kleiner, d.h. bei zunehmender Vernetzung nimmt sie ab, was die Reaktion mit fortschreitender Vernetzung verlangsamt. Der Frequenzfaktor wiederum ist abhängig von der Temperatur T, einer reduzierten Masse μ, der Avogadro-Konstante NA, der Boltzmannkonstante kB und einem Wirkungsquerschnitt σ. 1 D ie anderen bekannten Methoden zur Bestimmung der Vernetzungsdichte, wie z.B. Quellexperimente, liefern stets nur statistische Mittelwerte über makroskopische Bereiche. Stofflich unterscheiden sich die freien Kettenenden dieser Ränder nicht von den Netzbogen innerhalb des kovalent vernetzten Bereichs.
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Gebrauchseigenschaften von Lackfilmen Gleichung 8.2
E A _
k = A ⋅ ⅇ − R⋅T
8 k T
B Gleichung 8.3 A = σ _ ∙ N A π ∙ μ
_
√
Der Wirkungsquerschnitt beschreibt eine Trefferfläche für die zur Reaktion kommenden Moleküle bzw. Molekülteile. Nicht berücksichtigt in diesem Modell ist die Steigerung der Viskosität bei zunehmender Vernetzung, was die Diffusion der Reaktanden zueinander vermindert und damit die Reaktionsgeschwindigkeiten zusätzlich senkt. Vorausgesetzt die Bildung von molekularen Netzwerken besteht zuerst aus der Bildung offenkettig verzweigter Bäume und anschließender Verdichtung zu einem Netzwerk durch diffusionsgesteuerte Reaktionen innerhalb dieser Bäume (vgl. Kapitel 6.2.2), wofür insgesamt vieles spricht, dann kann es aufgrund von unterschiedlichen Reaktionsgeschwindigkeiten und Funktionalitäten zu unterschiedlichen Strukturen kommen. Reagieren Komponenten mit einer hohen Anzahl an funktionellen Gruppen pro Molekül, die hohe Reaktionsgeschwindigkeiten aufweisen, dann kann die Verdichtung des Netzwerkes sehr schnell beginnen, bevor die molekularen Bäume größere Strukturen ausbilden. Die verbleibenden freien funktionellen Gruppen an den Rändern dieser Netzstrukturen können dann keine größeren kovalent gebundenen Bereiche mehr bilden, weil ihre Beweglichkeit fehlt, obwohl die funktionellen Gruppen als solche sehr reaktiv sein können. Es bilden sich nur kleinere kovalent vernetzte Bereiche. Wenn solche Komponenten nur wenige funktionelle Gruppen pro Molekül enthalten, die reaktiv sind, können vor einer Verdichtung durch diffusionsgesteuerte Prozesse deutlich größere molekulare Bäume aufgebaut werden. Die resultierenden Netzwerke besitzen dann geringere Vernetzungsdichten. Die daraus entstehenden Filme sind damit deutlich flexibler als die in den zuerst genannten Netzwerken. Komponenten mit einer hohen Anzahl von nur wenig reaktiven funktionellen Gruppen pro Molekül sind in der Lage, große molekulare Bäume aufzubauen, die dann erst später unter bestimmten Bedingungen (z.B. bei hohen Temperaturen und unter dem Einfluss von Reaktionskatalysatoren) hoch verdichtete Netzwerke ausbilden. Diese Polymersysteme mit hohen Netzwerkdichten sind sowohl sehr beständig als auch sehr flexibel. Hierzu gehören beispielsweise die selbstvernetzenden Polyester bzw. Polyesterimide für Elektroisolierlacke. Verläuft der Vernetzungsmechanismus allerdings über andere Mechanismen, wie dies z.B. bei der (radikalischen) UV-Vernetzung der Fall ist, können ebenfalls ausgedehntere Netzwerke mit hoher Vernetzungsdichte entstehen. Die UV-Vernetzung, die als radikalische Vernetzung eine Kettenwachstumsreaktion darstellt, zeichnet sich dadurch aus, dass innerhalb kurzer Zeit sehr hohe Molmassen entstehen, im Gegensatz zu den meistens bei Vernetzungsreaktionen verwendeten Stufenwachstumsreaktionen. Daher ist für die Flexibilität eines polymeren Netzwerks in erster Linie nicht nur die Netzwerkdichte entscheidend, sondern auch die Ausdehnung der kovalenten verbundenen Bereiche. Soll das Optimum an Härte, Beständigkeit und Flexibilität erreicht werden, ist die Summe aus hoher Netzwerkdichte und hoher Ausdehnung der kovalent verbundenen Bereiche entscheidend. Für die Flexibilität scheint die Beweglichkeit der Netzbögen daneben die wichtigste Einflussgröße zu sein. Als weitere wichtige Einflussgröße auf die Flexibilität ist die Schichtdicke von Filmen zu nennen. Die Flexibilität von Beschichtungsfilmen sinkt mit steigender Dicke der Filme. Auch hier kann eine Erklärung in der Ausdehnung der kovalent verbundenen Bereiche gesucht werden, denn in dickeren Schichten sind mehr Fehlstellen, sprich nur physikalisch verbundene Randbereiche vorhanden als in dünneren Schichten, die dann Bruchstellen gegenüber Verformungskräften bilden können.
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Mechanische Beständigkeiten
8.2 Mechanische Beständigkeiten Mechanische Beständigkeiten werden vor allem durch die oben definierten Größen wie Ausdehnung der kovalent verbundenen Bereiche, Netzwerkdichte und Beweglichkeit der Kettensegmente definiert. Deshalb findet eine mechanische Schädigung vorrangig zwischen einzelnen Polymersträngen bzw. in den Randzonen der kovalent verbundenen Bereiche statt. Trotzdem lassen sich stark vernetzte Beschichtungen mechanisch beschädigen. Dies bedeutet, dass die Energie der mechanischen Belastung höher sein muss als die Bindungsenergie innerhalb eines Polymerstranges. Es muss also möglich sein, kleine Molekülteile, die über kovalente Bindungen fest verbunden sind, durch mechanische Kräfte zu zerteilen. Die Bindungsenergien von C—C-Bindungen, C—O-Bindungen und C—N-Bindungen betragen zwischen 300 und 360 kJ pro Mol. Die Bindungslängen betragen ca. 0,15 nm [226]. Netzbögen aus 7 bis 10 Atomen sind demnach etwa 1 bis 5 nm lang, sie sind also nur etwas kleiner als einige der inzwischen viel beschriebenen Nanopartikel. Mechanische Belastung (z.B. durch Kratzen) wirkt normalerweise jedoch auf viel größere molekulare Bereiche. Dabei werden viele Netzbögen mit vielen kovalenten Bindungen unter Stress gesetzt. Wenn die Energie dieses Stresses durch den Bruch einer Bindung bzw. eines Netzbogens abgebaut werden kann, reicht die Summe der aus der Stressentlastung vieler Bindungen gewonnenen Energie aus, um dann mindestens einzelne Bindungen zu spalten. Wenn beispielsweise Polystyrol als unflexibles Material aufgrund der vielen aromatischen Einheiten einem Mahlprozess unterworfen wird, werden bei der Molmassenbestimmung nach dem Mahlprozess kleinere mittlere Molmassen gefunden als vor dem Mahlprozess [227]. Sind die Netzbögen allerdings sehr beweglich, wird die einwirkende mechanische Energie durch Bewegung der Netzbögen aufgebraucht (molekulare Dissipation, hohes G‘‘). Es kommt dann zu weniger oder gar keiner Zerteilung der kovalent verbundenen Bereiche. Die Reaktion einer flexiblen Filmmatrix auf mechanische Beanspruchung kann durch Pigmente noch verbessert werden. Pigmentteilchen, die 10- bis 100-mal größer sind als kovalent verbundene Polymermoleküle, können innerhalb einer solchen Filmmatrix die mechanische Energie aufnehmen und über einen großen Bereich an die Polymermatrix verteilen. Man spricht dabei von partikulärer Dissipation der äußeren Kraft. Als Faustregel kann man sich merken, dass ausgedehnte kovalent verbundene vernetzte Molekülbereiche mit beweglichen Netzbögen mechanischen Einflüssen am besten widerstehen. Der Widerstand kann durch eine Pigmentierung unterstützt werden. Dieses Verhalten spielt bei der Steinschlagbeständigkeit von Automobillackierungen eine Rolle. Wenn z.B. Straßensplit bei hoher Geschwindigkeit auf Automobilkarosserien trifft, können aufgrund der hohen Stoßenergie Schädigungen der Lackierung entstehen. Die dabei entstehenden Schadensbilder können unterschiedlich beurteilt werden. Einerseits kann die Größe der Vernetzungsstelle betrachtet und ausgemessen, andererseits kann die Tiefe der Verletzung im Lackfilm kategorisiert werden [228]. Es gibt mehrere Maßnahmen, um die Steinschlagbeständigkeit zu beeinflussen. Vor allem die Füllerschicht hat die Aufgabe, die Stoßenergie des Steinschlags aufzunehmen. Dazu muss die Füllerschicht sehr flexibel sein und die Energie aufnehmen. Zusätzlich enthält die Füllerschicht Partikel, die durch die Stoßenergie verschoben werden und damit die Energie aufnehmen (Dissipation). Es hat sich herausgestellt, dass die Art der Pigmentierung hierbei ebenfalls eine Rolle spielt. Eine geeignete Pigmentierung besteht aus der Kombination unterschiedlich großer Pigment- bzw. Füllstoffteilchen mit einem Anteil plättchenförmiger Teilchen. Plättchenförmige Partikel können nicht verbundene kovalente Bereiche überbrücken und die Stoßenergie an andere
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Gebrauchseigenschaften von Lackfilmen Partikel weitergeben. Eine typische Pigmentierung besteht zum Beispiel aus der Kombination aus Bariumsulfat (Teilchendurchmesser ~800 nm und größer) und Titandioxid (Teilchendurchmesser ~200 nm) im gleichen Massenverhältnis mit einem Anteil an Talkum bei einer Pigmentvolumenkonzentration von 20 bis 25 Vol-%. Natürlich trägt nicht nur der Füller, sondern der gesamte Schichtaufbau einer Lackierung zum Steinschlagverhalten bei. Ein weiterer Aspekt der Beständigkeit gegen mechanische Einflüsse ist die Kratzbeständigkeit. Kratzer auf Lackoberflächen entstehen vor allem durch Reibung scharfkantiger, harter Partikel (z.B. durch Sand, der vor allem aus Siliciumdioxid besteht [Mohshärte 7]). Die Oberfläche von Automobilklarlacken wird zwar auch durch Erosionsvorgänge mit Sand beim Fahren des Automobils beschädigt, besonders bei Waschvorgängen kommt es durch Reibung des an der Oberfläche haftenden Staubs und durch die verwendeten Waschbürsten zu Kratzern. Dabei kann die Verletzung auf zwei unterschiedliche Arten geschehen: – durch abrasiven Abtrag oder – durch plastische Verformung. Die resultierenden Schadensbilder sind in der Abbildung 8.4 dargestellt. Abrasive Kratzer findet man vor allem bei harten Filmen. Dabei wird die Oberfläche mit Verlust an Material zerstört. Bei flexiblen und plastischen Filmen wird durch das Kratzen das Polymer verformt. Es entsteht ein plastischer Kratzer mit Materialanhäufungen auf der Seite. Plastische Kratzer können bei leicht erhöhten Umgebungstemperaturen wieder verfließen, man spricht dann von kaltem Fluss. Wählt man nun besonders flexible Lackschichten mit einem hohen Anteil an Plastizität aus (hohes G‘‘), kann man erreichen, dass entstandene Kratzer teilweise wieder ausheilen. Aufgrund der geringen intermolekularen Wechselwirkungen zwischen den Ketten, zeigen plastische und weiche Lackschichten allerdings Defizite bei den chemischen Beständigkeiten. Deshalb werden in der Automobilindustrie oft harte, stark vernetzte Polymere verwendet, weil diese am ehesten die nötigen chemischen Beständigkeiten zeigen. Um trotzdem eine gewisse Kratzbeständigkeit erreichen zu können, besteht ein Lösungsansatz darin, Oberflächenadditive, meistens Silikone, zu verwenden, die sich an die Oberfläche orientieren und eine besondere Gleitfähigkeit erzeugen. Damit gleitet ein Gegenstand von der Oberfläche ab, bevor er diese massiv schädigen kann. Der Nachteil solcher Systeme ist, dass sie nicht direkt überarbeitet (überlackiert) werden können, da eine nachfolgende Lackierung nicht mehr ausreichend benetzt und auch nicht mehr ausreichend haftet. Eine weitere Lösung besteht darin, dass flexible Bindemittelsysteme verwendet werden, die Partikel enthalten, die einerseits die Energie der Verkratzung durch Dissipation aufnehmen, andererseits die Diffusionsdichte der Filmschicht vergrößern, was eine Voraussetzung für eine Ver-
Abbildung 8.4: Unterschiedliche Schadensbilder von Kratzern
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Haftung besserung der Chemikalien- und Lösemittelbeständigkeit ist. Für die Verwendung in Klarlacken, die als oberste Schicht sowohl kratzfest als auch chemikalienbeständig sein müssen, müssen dazu transparente Partikel verwendet werden. Da sämtliche Füllstoffe eine größere optische Dichte als die Lackmatrix aufweisen, müssen die Partikel so klein sein, dass die Mie-Streuung (siehe Kapitel 7.2) keine Rolle mehr spielt. Deshalb werden Nanopartikel in die Lackmatrix eingearbeitet. Die Wahl fällt dabei vor allem auf Siliciumdioxid-Nanopartikel, die aufgrund ihrer Härte auch eine hohe Widerstandsfähigkeit aufweisen. Es ist dabei wichtig, dass solche Partikel optimal in eine Klarlackschicht eingebettet werden, ohne den Verlauf, die Transparenz und den Glanz der Klarlackfilme zu beeinträchtigen [229]. Der Nachteil dabei ist, dass die Partikel nicht chemisch in die Filmmatrix eingebunden sind und deshalb die Phasengrenzen zwischen Partikeloberfläche und Polymer immer Schwachstellen im Gesamtsystem darstellen. Diesem Problem kann begegnet werden, indem man die Nanopartikel chemisch einbindet. Dann nehmen die harten Partikel die Kraft auf und dissipieren sie im Polymernetzwerk. Die Einbindung kann auf zweierlei Arten geschehen: Entweder durch Modifikation von Nanopartikeln mit funktionalen Gruppen, oder durch Erzeugung der (funktionalisierten) Nanopartikel in-situ aus organisch modifizierten Silanen. Beim erstgenannten Ansatz werden die Nanopartikel mit organisch modifizierten Alkoxysilanen behandelt. Über die Kondensationsreaktion mit den OH-Gruppen auf der Oberfläche der Siliciumpartikel und Abspaltung von Alkohol werden Partikel erhalten, die funktionelle Gruppen an der Oberfläche tragen und so in die entsprechenden Lacksysteme chemisch eingebunden werden können. Im zweiten Ansatz setzt man organisch modifizierte Alkoxysilane als Bindemittel ein. Über die aus der Sol-Gel-Chemie bekannten Hydrolyseund Kondensationsreaktionen (Kapitel 6.5.3) werden bei der Vernetzungsreaktion Siliciumdioxid-Nanopartikel in einem organischen Netzwerk aufgebaut [230], [231].
8.3 Haftung „Haftung“ (Adhäsion) ist die Fähigkeit von Beschichtungsstoffen, mit Substraten hohe Wechselwirkungen aufzubauen [232], [233]. Von sehr guter Haftung spricht man, wenn die Kohäsionskräfte innerhalb der Schicht geringer sind als die Adhäsionskräfte zum Substrat. Eine hervorragende Haftung entsteht, wenn das kovalente Netzwerk der Beschichtung in das Substrat fortgesetzt wird, also chemische Bindungen zwischen Substrat und Polymernetzwerk ausgebildet werden. Dies ist leider nur in wenigen Fällen realisierbar und nachgewiesen. Können keine kovalenten Bindungen ausgebildet werden, kann Haftung über Nebenvalenzwechselwirkungen entstehen. Entscheidend für eine gute Haftung ist, dass die Wechselwirkungen an den Oberflächen zueinander passen. Grundsätzlich sind dies die bekannten intermolekularen Wechselwirkungen wie H-Brücken, Dipol-Dipol-Wechselwirkungen oder Valenzkräfte und auch ionische Wechselwirkungen sind hier zu nennen. Insbesondere kann bei Kunststoffen in einer Übergangszone eine Durchmischung von Polymerketten und Substrat entstehen und diese bewirkt eine verbesserte Haftung. Das bezeichnet man auch als Interdiffusion der Schichten. Die Haftung wird auch erhöht, wenn eine mechanische Verzahnung der Schicht mit der Oberfläche des Substrates erfolgen kann. Die Funktionsweise kann man sich wie bei einem Druckknopf vorstellen, bei dem die „Haftung“ ebenfalls durch mechanische Verzahnung der beiden Hälften des Druckknopfes zustande kommt. Betrachtet man die oben genannten Haftungsmechanismen, so ist es nicht verwunderlich, dass eine Vergrößerung der zur Verfügung stehenden Oberfläche zu einer Verbesserung der Haftung führt, da mehr Wechselwirkungen zwischen Substrat und
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Gebrauchseigenschaften von Lackfilmen Beschichtung ausgebildet werden können und im Idealfall (z.B. beim Sandstrahlen) Hinterschneidungen im Substrat entstehen, die eine mechanische Verzahnung der Beschichtung mit dem Substrat ermöglichen.
8.3.1 Haftungstests Die analytischen Methoden zur Bestimmung der Haftung sind „Enthaftungstests“. Dabei wird die Kraft bestimmt, die notwendig ist, um eine Schicht von einem Substrat abzuziehen. So werden allerdings nicht nur die Adhäsionskräfte erfasst, sondern fast immer auch die Flexibilitätseigenschaften der Beschichtung. Der einfachste Enthaftungsversuch, der am häufigsten angewandt wird, ist der „Gitterschnittversuch“ [234]. Dabei wird die Schicht mit einem gitterförmigen Schnittnetz bis auf das Substrat verletzt und danach die verletzte Stelle mit einem Klebeband mit genormter Haftkraft nach Andruck abgezogen. Beurteilt wird das Schadensbild nach Anteil der freigelegten Substratfläche. Eine quantitativere Messmethode stellt der „Stirnabzugsversuch“ dar [235]. Hierbei wird die zu testende Schicht mit einem starken Klebstoff, z.B. einem Epoxidklebstoff, und einem Prüfstempel mit einer definierten Auflagefläche verklebt und in einer Zugprüfmaschine die Abzugskraft bis zum Bruch gemessen. So wird beurteilt, ob ein Adhäsions- oder ein Kohäsionsbruch vorliegt. Man erhält dementsprechend eine Aussage über die mechanischen Schwachstellen in einem Beschichtungssystem. Natürlich ist in erster Linie der Grad der Wechselwirkung in der Grenzschicht zwischen Substrat und Beschichtung ausschlaggebend für die gemessenen Haftkräfte. Ganz entscheidend ist auch hier die Größe der Ausdehnung kovalent gebundener Bereiche des vernetzten Polymers. Es ist viel schwieriger, einen größeren Bereich von einem Substrat abzuziehen als einen kleineren Bereich, auch wenn die interfacialen Wechselwirkungen pro Fläche die gleichen sind. Als dritte Einflussgröße auf die Stärke der Enthaftung ist die Beweglichkeit der Netzbögen zu nennen. Da Enthaftungstests wie der Gitterschnitttest in der Regel bei relativ hohen Abzugsgeschwindigkeiten gemessen werden, können hochbewegliche Netzbögen einen Teil der Zugkräfte aufnehmen, bevor eine Enthaftung eintritt. Die Abbildung 8.5 zeigt modellhaft die hier beschriebenen Bedingungen für gute Haftung. Die Effektivität der Wechselwirkung der Schichten wird dort durch die Anzahl von Punkten dargestellt. Damit soll aber nicht die Vorstellung der alleinigen Wirkung von „Haftgruppen“ gestützt werden. Geschieht nach bzw. während der Filmbildung noch eine chemische Vernetzung, ist zu beachten, dass sich das Volumen der Filmschicht sowohl durch die physikalische Trocknung als auch durch die Vernetzung deutlich ändert. Die Dichte vor und nach der Vernetzung unterscheiden sich normalerweise signifikant. Je stärker sich die Dichte während der Vernetzung ändert, desto stärker muss die intermolekulare Bewegung sein, um diesen Schrumpf ausgleichen zu können. Da zwischen Substrat und Polymer normalerweise schwächere Kräfte wirken als zwischen Polymer und Polymer, wird gerade an der Grenzfläche der Beschichtung zum Substrat viel molekulare Bewegung stattfinden, was zu (partieller) Enthaftung führen kann. Die besonders gute Haftung von Systemen auf Basis aromatischer Epoxidharze auf Metallen beruht zum einen auf dem Assoziationsvermögen der aromatischen Ether-Gruppierung, zum anderen sicher auch darauf, dass sich die Dichte des Films während der Vernetzung nur sehr geringfügig ändert.
182
Haftung
8.3.2 Vorbehandlung Bei den allermeisten Haftungsphänomenen spielen die oben erwähnten Nebenvalenzwechselwirkungen die dominierende Rolle. Hier spiegelt sich auch der Zusammenhang zwischen Haftung und Benetzung (Kapitel 4.3) wider, da beiden Phänomenen dieselben Wechselwirkungen zugrunde liegen. In der Praxis bedeutet dies [233], [236]: 1. Eine Substratoberfläche muss sich möglichst gut vom Beschichtungsmittel benetzen lassen und die Benetzung muss auch während der Filmbildung bestehen bleiben. 2. Die Substratoberfläche sollte derart beschaffen sein, dass möglichst viele Wechselwirkungen zwischen Beschichtung und Substrat stattfinden können. 3. Die Oberfläche des Substrats sollte nach Möglichkeit aufgeraut sein, damit möglichst viel Oberfläche zur Wechselwirkung mit dem Beschichtungsmaterial zur Verfügung steht. Idealerweise ist die Substrataufrauhung derart, dass physikalische Verzahnung erfolgen kann. Im Folgenden einige Anmerkungen zu den oben dargestellten Punkten.
Benetzung
Damit eine gute Benetzung entstehen kann, muss die Oberflächenspannung des Substrats möglichst hoch, bzw. die des Beschichtungsmittels möglichst tief sein. Vor allem Fette aus vorhergehenden Prozessen oder aus der Umwelt verunreinigen die zu beschichtenden Oberflächen. Da diese eine tiefe Oberflächenspannung besitzen, benetzen sie die Substratoberflächen meistens gut, verhindern jedoch genau deshalb die Benetzung durch das Lacksystem. Dies ist umso ausgeprägter, je polarer die Lösemittel in der Beschichtungszusammensetzung sind. Deshalb ist es äußerst wichtig, die zu beschichtende Oberfläche vor dem Beschichtungsvorgang gründlich zu reinigen. Dazu gibt es mehrere Verfahren:
Abbildung 8.5: Bedingungen für eine möglichst gute Haftung bei Enthaftungstests
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Gebrauchseigenschaften von Lackfilmen Die bekannteste und bis zur Jahrtausendwende am häufigsten eingesetzte Methode ist die Reinigung mit Lösemitteln. Insbesondere sind dies unpolare Lösemittel wie Tetrachlorkohlenstoff, Trichlorethylen (Tri), Tetrachlorethylen (Tetra), Dichlormethan (Methylenchlorid) oder Alkane wie Benzine. Aufgrund der Umweltschutzgesetzgebung und der Gefährlichkeit der Substanzen dürfen diese heute nur noch in geschlossenen Anlagen mit Lösemittelrückgewinnung verwendet werden. Die Entfettungswirkung ist aufgrund der chemischen Struktur der Lösemittel hoch und die Substrate müssen nicht mehr mit hoher Energie nachgetrocknet werden. Heute wird hauptsächlich mit wässrigen Reinigern gearbeitet. Aufgrund der hohen Polarität von Wasser müssen Tenside und Emulgatoren zur Überwindung der Oberflächenspannung eingesetzt werden. Außerdem ist der Trocknungsvorgang nach der Reinigung aufgrund des hohen Siedepunktes von Wasser energieaufwendig. Oft wird in basischem pH-Bereich gearbeitet (alkalisches Entfetten), da sich insbesondere natürliche Fette durch Esterhydrolyse spalten lassen. Zur Unterstützung der Reinigungswirkung wird oft Ultraschall eingesetzt. Auch das Wegsprengen und Mobilisieren der Verunreinigungen durch die entstehenden Gase bei der Wasserhydrolyse wird eingesetzt.
Chemische Veränderung der Substratoberfläche
Um die Wechselwirkungen und damit die Benetzung zwischen Beschichtungsmaterial und Substrat zu maximieren, kann die Oberfläche des Substrats auch chemisch verändert werden. Eine häufige Methode insbesondere zur Kunststoffvorbehandlung ist die „Plasmavorbehandlung“. Dabei wird die zu behandelnde Oberfläche einem Plasma ausgesetzt. In einem Plasma liegen Atome oder Moleküle ionisiert vor. Dies geschieht meistens, aber nicht immer, im Vakuum, d.h. unter reduziertem Druck. Gase (z.B. Sauerstoff) werden durch Mikrowellenanregung in den hochenergetischen Plasmazustand überführt. Dies führt dazu, dass die Moleküle des Substrats oder auch eventueller Verunreinigungen angegriffen und teilweise abgebaut werden. Es entstehen an den Angriffspunkten polare Gruppen wie Alkohol, Aldehyd oder Säuregruppen. Dadurch verbessert sich die Benetzung des Substrates. Dies ist insbesondere bei der Kunststoffbeschichtung von Bedeutung, da Kunststoffe meistens unpolar und damit schlecht benetzbar sind. Da in der Regel Verunreinigungen aus organischen Verbindungen bestehen, ist das Plasmaverfahren auch eine hervorragende Reinigungsmöglichkeit. Allerdings ist der technische Aufwand dafür nicht zu unterschätzen. Deshalb kommen industriell auch die Corona-Behandlung und die Beflammung zum Einsatz. Insbesondere die „Coronabehandlung“ hat sich in der Beschichtung von Kunststoffbahnen durchgesetzt. Dabei wird die Kunststoffbahn zwischen zwei Elektroden, an denen Hochspannung anliegt, vorbeigeführt. Dadurch entstehen Blitzentladungen, deren Energie ebenfalls die Kunststoffbahn angreift und damit polarer macht. Bei der „Beflammung“ wird das Kunststoffmaterial kurzzeitig einer offenen Flamme ausgesetzt, deren Energie für die nötige Oxidation der Oberflächenmoleküle sorgt. Ebenfalls können zur Haftungsverbesserung „Haftvermittler“ eingesetzt werden. Dies sind in der Regel difunktionale oder multifunktionale Moleküle, die sich einerseits aufgrund ihrer chemischen Beschaffenheit zum Substrat hin orientieren, andererseits eine hohe Affinität zum Beschichtungsmaterial aufweisen oder sogar mit dem Beschichtungsmaterial mitvernetzen können.
Aufrauhung der Substratoberfläche
Um die beschichtbare Oberfläche zu vergrößern, gibt es chemische Methoden wie das Ätzen oder auch mechanische Methoden wie das Schleifen, Bürsten sowie das Strahlen. Insbesondere das Strahlen hat eine hohe Bedeutung. Als Strahlmittel werden entweder Metallkugeln (Kugelstrahlen), oder abrasive Partikel wie Korund (Sandstrahlen) eingesetzt. Während das Kugelstrahlen
184
Lösemittel- und Chemikalienbeständigkeit keinen Materialabrieb verursacht, sondern nur die Oberfläche verdichtet und die Topographie ändert, wird durch das Sandstrahlen Substratmaterial mitsamt etwaiger Reaktionsschichten und Verschmutzungen entfernt. Damit eignet es sich als Vorbehandlung deutlich besser als das Kugelstrahlen, das oft für mangelnde Haftung verantwortlich ist. Das Strahlen mit abrasiven Partikeln führt zusätzlich noch zu einer unregelmäßigen Struktur mit Hinterschneidungen, so dass sich das Beschichtungsmaterial auch noch mechanisch im Substrat verklammern kann und ist deswegen dem Kugelstrahlen auf jeden Fall vorzuziehen.
8.3.3 Zwischenhaftung Werden mehrere Schichten übereinander appliziert, stellt sich nicht nur die Frage der Haftung zum Substrat, sondern auch die der Haftung zwischen den einzelnen Schichten. Hier gelten selbstverständlich die oben genannten Prinzipien in gleichem Maße. Grundsätzlich ist es für die Zwischenhaftung von Vorteil, wenn die tieferliegende Lackschicht vor dem Auftragen der nächsten Schicht nicht vollständig ausgehärtet wurde, so dass die Polymerketten vor der endgültigen Aushärtung ineinanderfließen können. Dazu werden die Schichten entweder direkt „nass-in-nass“ übereinander beschichtet, oder die tieferliegende Schicht wird vor der Überschichtung nur physikalisch getrocknet. Eine Verbesserung der Zwischenhaftung zwischen zwei Lackschichten kann man auch über die Art der Pigmentierung zur Strukturierung der tieferliegenden Schicht erreichen. Das geschieht vor allem durch die Auswahl der Pigmente und die Höhe der Pigmentierung. Je höher die Pigmentierung ist, desto eher resultiert eine strukturierte Oberfläche, was zu einer besseren Zwischenhaftung führen kann.
8.4 Lösemittel- und Chemikalienbeständigkeit Kommen Beschichtungen mit Lösemitteln oder Chemikalien in Kontakt, treten diese Substanzen in Wechselwirkung mit den Polymerketten. Je nach Art der Wechselwirkungen bedeutet die Anlagerung von Lösemittelmolekülen an Polymermoleküle einen Energiegewinn. Es findet Benetzung der Schicht statt. Diese Benetzung kann sich dann auch als Diffusion in das Polymernetzwerk fortsetzen. Deshalb gelten die Gesetzmäßigkeiten, die im Kapitel 2.1.2 und 4.3 erklärt werden. Physikalisch beschreiben lässt sich die Stärke der Wechselwirkung über die Hansen Parameter.[12–14]. Des Weiteren beeinflusst die Vernetzungsdichte den Grad der Aufnahme von Lösungsmittel in einem polymeren Netzwerk. Das sich im Netzwerk einlagernde Lösemittel dehnt die Netzzellen aus. Der Vorgang wird als „Quellung“ bezeichnet. Die Netzbögen werden durch die Quellung gestreckt. Es entsteht damit ein Gleichgewicht zwischen dieser Stressenergie und dem Diffusionsbestreben eines Lösemittels. Es bedarf dann nur einer sehr kleinen mechanischen Störung, um das gequollene System aus dem Gleichgewicht zu bringen. Mechanische Energie, die von außen auf die gespannten Netzbögen ausgeübt wird, kann von den gespannten Netzbögen nicht mehr dissipiert werden. Sie reicht dann aus, um das molekulare Netzwerk punktuell zu zerstören, wie in der Abbildung 8.6 dargestellt. Das ist der Grund, dass gequollene Netzwerke besonders empfindlich gegen bereits geringfügige mechanische Beeinflussungen sind. Filmschichten können dabei leicht irreparabel zerstört werden. Quellvorgänge als Diffusionsprozesse werden durch höhere Temperaturen deutlich beschleunigt. Deshalb werden Testverfahren zur Lösemittelbeständigkeit bei erhöhter Temperatur oder über einen Temperaturgradienten ausgeführt.
185
Gebrauchseigenschaften von Lackfilmen Auch wässrige Medien können in die molekularen Netzwerke der Polymere durch Diffusion eindringen. Wasser verliert vor allem bei höheren Temperaturen sein molekulares Assoziationsbestreben, und kann aufgrund seiner kleinen Molekülgröße gut in polymere Netzwerke hineindiffundieren. Wasser ist vor allem dann besonders diffusionsfähig, wenn es Tenside enthält, weil dann die Oberflächenspannung sehr niedrig ist und dadurch die Benetzung gefördert wird. Lackfilme müssen der Einwirkung solcher Waschmittel widerstehen. Die Prüfung der Lösemittel- und Chemikalienbeständigkeit von Lacken besteht durch das In-Kontakt-bringen der Beschichtungen mit verschiedenen Testsubstanzen. Lackschichten werden dem Einfluss verschiedener Lösemittel oft bei erhöhten Temperaturen ausgesetzt und die Lackschädigungen danach qualitativ beurteilt. Typische Lösemittel sind z.B. Superbenzin, Bremsflüssigkeit (Automobillacke), Xylol (Industrielacke), Ethanol (Holzlacke), „Skydrol“ (Die Hydraulik-Flüssigkeit bei Flugzeugen, bestehend aus Phosphorsäureestern), Wasser, Waschmittel (generell). Eine besondere Prüfung bildet der „MEK-Test“: Ein Wattebausch wird mit Methylethylketon (MEK) getränkt und die Lackoberfläche solange mit diesem Wattebausch hin und her gerieben (= ein Doppelhub), bis der Lackfilm eine deutliche Schädigung zeigt. Der Test ist zwar subjektiv, da die Menge MEK und der Auflagedruck nicht definiert sind, und die Lacke stofflich sehr unterschiedlich reagieren, aber er gilt als verlässliche Probe für die Stärke der Vernetzung einer Lackschicht. Beurteilt wird die Anzahl der Doppelhübe beim Reiben, bis der Film sichtbar geschädigt wird. Gefordert wird meistens eine Beständigkeit von mehr als 100 Doppelhüben [237], [238]. An diesem Test wird besonders deutlich, dass Diffusion, Quellung und Verlust der mechanischen Beständigkeit die Hauptrolle bei der Lösemittelbeständigkeit spielen.
Chemischer Abbau der Polymerketten
Lösemittel sind aber nicht die einzigen Stoffe, die Lackschichten angreifen. Einige Stoffe führen nicht nur zur Quellung, sondern auch zum chemischen Angriff auf die Beschichtung. Methylolether in Lackschichten, die Aminoharze als Vernetzer enthalten, sind erfahrungsgemäß die Verknüpfungen, die am empfindlichsten gegenüber chemischen Abbaureaktionen sind. Unter Einfluss von Säure werden die Dimethylenether-Brücken der selbstvernetzten Aminoharze hydrolysiert und zerfallen in Methylole (siehe Abbildung 8.7a), die auch Formaldehyd abspalten und die Amide der Ausgangssubstanzen zurückbilden können. Die Methylolether der Vernetzung von Aminoharzen mit OH-Gruppen enthaltenden Bindemitteln können ähnlich hydrolysiert werden (siehe Abbildung 8.7b). Dagegen erweisen sich Estergruppen von Polyestern und Alkydharzen, die meistens als besonders hydrolyseempfindlich beschrieben werden, als relativ stabil. Ester werden eher im basischen Milieu hydrolysiert (verseift) als im sauren Bereich (siehe Abbildung 8.7c). Im Gebrauchsverhalten von Lackbeschichtungen spielen aber eher saure Bedingungen eine Rolle. Allerdings bildet die Verseifbarkeit von Estergruppen bei anionisch stabilisierten wässrigen Lacken (mit pH-Werten von 7,5 bis 8,2) ein Problem bei der Lagerstabilität der daraus formulierten Lacke. Auch Urethangruppen hydrolysieren erst bei deutlich höheren pH-Werten (siehe Abbildung 8.7d), sie gelten daher als recht gut chemikalienbeständig. Testsubstanzen für die Automobilserienlackierung sind vor allem verdünnte Schwefelsäure, verdünnte Natronlauge, deionisiertes Wasser, Pankreatin-Slurry (Simulation von Vogelkot) und Baumharz-Lösung (Simulation der Ausscheidungen von Blattläusen). Daneben gibt es noch den Ölrußtest (Paste aus Eisensulfat, Schwefelsäure und Ruß). Die Verfahren sind in der DIN EN ISO 2812 [239] und deren Unterkapitel beschrieben.
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Lösemittel- und Chemikalienbeständigkeit Die Tests werden üblicherweise bei erhöhter Temperatur und mit definierter Einwirkzeit durchgeführt. Vor allem der sogenannte „Gradientenofen-Test“ [240] wird bei der Entwicklung von Automobillacken anerkannt. Dabei werden die vorab aufgeführten Chemikalien in Serie auf einem
Abbildung 8.6: Modell eines Polymernetzwerks [a)] aus Netzknoten (Punkte) und Netzbögen (symbolisiert durch Schraubenfedern), dessen Quellung, Spannung der Netzbögen [b)] und die Möglichkeit der Zerstörung einzelner Netzbögen unter Ausnutzung der Spannung zahlreicher Netzbögen [c].
Abbildung 8.7: Wichtige Hydrolysemechanismen
187
Gebrauchseigenschaften von Lackfilmen länglich lackierten Testblech aufgebracht. Das Testblech wird dann auf den Heizblock des Gradientenofens aufgelegt. Der Temperaturgradient liegt üblicherweise zwischen 35 und 80 °C; die Belastungszeit beträgt 10 Minuten. Beurteilt wird die maximale Temperatur bei dem die Lackschicht noch nicht von der jeweiligen Chemikalie gequollen oder beschädigt ist. (Beispiele für relativ gute Werte: Schwefelsäure > 55 °C, Pankreatin > 50 °C, Baumharz > 60 °C, deionisiertes Wasser > 70 °C.) Der Diffusionsprozess kann auch durch mehrere Schichten hindurchgehen, und erst in tieferen Schichten zu Schädigungen führen. Abbildung 8.8 [241] zeigt einen Querschnitt durch ein Basislack/Klarlack-System. Bei einem Belastungstest ist verdünnte Schwefelsäure durch den Klarlack (Isocyanat-Vernetzung) diffundiert und hat die Aluminiumpigmente des Basislacks zersetzt. Ein besonderer Fall der chemischen Schädigung ist die Schädigung von Lackschichten durch Vogelkot, der für die Beurteilung der Beständigkeit von Automobillacken eine wichtige Rolle spielt. Vor allem bei höherer Temperatur diffundieren die Inhaltsstoffe des Vogelkots nachhaltig in die polymeren Netzwerke von Lackschichten (besonders in Klarlackschichten). Es kommt dann zu Quellvorgängen. Besonders schwerwiegend ist die Tatsache, dass die Inhaltsstoffe bei niedrigeren Temperaturen rekristallisieren. Der Vorgang der Kristallisation und der Raumanspruch der Kristalle im Netzwerk können unmittelbar zu einer irreparablen Zerstörung der Filme führen. Zur Prüfung der Beständigkeit gegen Vogelkot wird Pankreatin als Testsubstanz verwendet, die die Wirkung der Inhaltsstoffe des Vogelkots recht gut simuliert. Pankreatin wird aus den Bauchspeicheldrüsen von Schweinen gewonnen. Es wird auch als Arzneimittel verwendet und besteht aus einem Gemisch verschiedener Enzyme (Lipasen, Amylasen, Proteasen). Die Vermutung, dass Vogelkot bzw. auch Pankreatin enzymatisch abbauend auf die Polymerbestandteile von Lackfilmen wirken, konnte in neueren Untersuchungen bestätigt werden [242]. Diskutiert wird vor allem die enzymatisch katalysierte hydrolytische Spaltung von Ether und Estergruppen. Bei Holzlacken und Möbelfolien werden Beständigkeitstests gegen verschiedene Lebensmittelinhaltsstoffe durchgeführt [243]. Bei der Prüfung von Doseninnenlacken spielen die unterschiedlichen Stoffe der Befüllung natürlich eine Rolle. Es existiert deshalb eine Vielzahl an unterschiedlichen Testmethoden und Testbedingungen [244]. Als besonders aggressiv gilt Tomatenmark, Rhabarber und Sellerie [245]. Zur Simulation des Sterilisationsprozesses werden Dosenprüfkörper z.B. mehrere Stunden in verdünnter Milchsäure, das z.B. in Sauerkraut enthalten ist, bei 130 °C (im Autoklaven) gekocht [246].
Abbildung 8.8: Chemikalientest mit verdünnter Schwefelsäure bei einem Basislack- Klarlacksystem
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Korrosionsschutz-Eigenschaften Obwohl weitmaschigere Netzwerke mit beweglichen Netzbögen positiv auf eine hohe Flexibilität wirken, was gerade im Can- und Coil-Coating gefordert ist, sind solche Netzwerke deutlich stärker quellbar, was natürlich einen Nachteil in Bezug auf die mechanische und chemische Beständigkeit bedeutet. Das ist daher wiederum ein Grund mehr, Flexibilität nicht nur durch bewegliche Netzbögen und geringere Vernetzungsdichte zu gewinnen, sondern durch ausgedehnte kovalent verbundene Bereiche mit höherer Vernetzungsdichte.
Zusammengefasst gilt
Chemische Angriffe auf Polymernetzwerke finden immer als Folge von Diffusionsprozessen statt. Es gibt zwar Unterschiede in der Chemikalienbeständigkeit unterschiedlicher funktioneller Gruppen, aber entscheidend für die chemische Beständigkeit ist die Begrenzung der Diffusion. Relativ hohe Vernetzungsdichte, geringere Beweglichkeit der Netzbögen und geringere Affinität der Bausteine der Netzwerke gegenüber den Chemikalien sind die besten Voraussetzungen dafür.
8.5 Korrosionsschutz-Eigenschaften 8.5.1 Grundsätzliches zur Korrosion Metalle reagieren vor allem in Gegenwart von Feuchtigkeit mit dem Sauerstoff der Luft und bilden Oxide bzw. Hydroxide. Dabei wird das Metall oxidiert, und der Sauerstoff reduziert. Chemisch ist eine Oxidationsreaktion dadurch definiert, dass ein Stoff Elektronen abgibt, in einem Reduktionsprozess dagegen werden Elektronen aufgenommen. Ein Oxidationsprozess (Elektronenabgabe) kann nie ohne einen entsprechenden Reduktionsprozess (Elektronenaufnahme) ablaufen. Man spricht dabei von Redox-Reaktionen. Allerdings kann man formal die Redox-Reaktion in die beiden Teilreaktionen Reduktion und Oxidation zerlegen und damit veranschaulichen, wie viele Elektronen dabei zwischen den Reaktionspartnern verschoben werden. Im Fall der Eisenoxidation sähe dies folgendermaßen aus2 (Gleichung 8.4 bis Gleichung 8.6): Gleichung 8.4
Reduktion: O2 + 2H2O + 4e- 4 OH-
Gleichung 8.5
Oxidation:
Gleichung 8.6
Gesamt: 2 Fe + O2 + 2H2O 2Fe2+ + 4 OH-
Fe Fe2+ + 2e-
Die Bereitschaft eines Stoffes, reduziert zu werden, wird anhand des Redoxpotentials definiert. Die Redoxpotentiale werden gemessen, indem die Differenz zweier Elektrodenpotentiale unter Standardbedingungen (Lösung 1 mol/l, 25 °C) bestimmt wird. Die Spannungswerte werden dann auf eine Normal-Wasserstoffelektrode (Gleichung 8.4) mit dem Potentialwert E0 = 0,00 V bezogen. Gleichung 8.7
2 H3O++ 2 e- ⇋ H2 + 2H2O
E° = 0 V
Tabelle 8.1 listet die Redoxpotentiale einiger Metalle auf.
2 D abei ist zu beachten, dass die Menge der Elektronen, die bei der Reaktion frei wird, genau der Menge an Elektronen entsprechen muss, die der Oxidation verbraucht wird, weshalb Gleichung 8.5 beim Zusammenzählen verdoppelt werden muss.
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Gebrauchseigenschaften von Lackfilmen Tabelle 8.1: Redoxpotentiale ausgewählter Stoffe Oxidierte Form
Reduzierte Form
Redoxpo-tential E°/V
Li+ + e- ⇋
Li
– 3,05
Fe2++ 2e- ⇋
Fe
– 0,41
K++
K
– 2,92
Co2++
Co
– 0,28
Ba2++ 2e- ⇋
Ba
– 2,90
Ni2++ 2e- ⇋
Ni
– 0,23
Ca2++
Sn
– 0,14
H2
0,0
e- ⇋
2e- ⇋
Na++ e- ⇋
2e- ⇋
Mg2++
Al3++ 3e- ⇋ Ti3++ 3e- ⇋
Mn2++
2e- ⇋
Reduzierte Oxidierte Form Form 2e- ⇋
2e- ⇋
Ca
– 2,76
Sn2++
Na
– 2,71
2 H++ 2 e- ⇋
Mg
– 2,38
Cu2++
Al
– 1,66
Ti
– 1,21
Mn
– 1,18
Hg2++
2e- ⇋
O2 + 4H+ + 4e- ⇋ Ag++ e- ⇋
Cr2++
2e- ⇋
Cr
– 0,91
Pt2++
Zn2++
2e- ⇋
Zn
– 0,76
Au3++
Redoxpo-tential E°/V
Cu
+ 0,52
2 H2O
+0,401
Co
+ 0,80
Hg
+ 0,85
2e- ⇋
Pt
+ 1,20
3e- ⇋
Au
+ 1,42
2e- ⇋
Je geringer das Redoxpotential eines Metalls ist, desto größer ist die Bereitschaft oxidiert zu werden. Metalle mit sehr hohen (positiven) Redoxpotentialen sind sehr beständig gegen Oxidation (Edelmetalle). Eine Redoxreaktion (in diesem Fall die Korrosion) kann dann zustande kommen, wenn die Differenz der Potentiale zwischen dem elektronenverbrauchenden (Reduktion) und dem elektronenliefernden (Oxidation) Prozess einen positiven Wert aufweist (Gleichung 8.8): Gleichung 8.8
Δ E = Ered – Eox > 0
Bei der elektrochemischen Korrosion besteht der elektronenverbrauchende, reduktive Prozess entweder in der Reduktion von H+-Ionen aus dem Wasser (Wasserstoffkorrosion), oder aus der Reduktion von in Wasser gelöstem Sauerstoff (Sauerstoffkorrosion) [247]. Der Ort, an dem die Reduktion geschieht, wird als Kathode bezeichnet. Der oxidative, elektronenverbrauchende Prozess ist dabei die Auflösung des Metalls, meistens Eisen. Der Ort dieser Reaktion stellt die Anode dar. Beide Prozesse sind schematisch in Abbildung 8.9 dargestellt, auch wenn sie in Wirklichkeit nicht räumlich getrennt ablaufen. An der Grenzfläche Metall/Wasser werden dabei Elektronen ausgetauscht, was sich in einem sogenannten Korrosionsstrom I äußert. Mit dieser Betrachtungsweise kann man bereits die Grundprinzipien für den Korrosionsschutz verstehen: Da der Potentialunterschied elektrotechnisch gesprochen eine Spannung darstellt, kann das Korrosionssystem als ein Stromkreis betrachtet werden. An der Grenzfläche Metall/Elektrolyt (Wasser) tritt ein Übergangswiderstand auf. Es gilt damit das Ohmsche Gesetz. Schreibt man es um, folgt: _ = Gleichung 8.9 I = ΔE R
E __________ Kathode − E Anode R
Da der Korrosionsstrom proportional zur Korrosionsgeschwindigkeit ist, bedeutet Korrosionsschutz, dass der Korrosionsstrom möglichst gering werden muss. Dies kann nach Gleichung 8.9 dann geschehen, wenn R möglichst groß wird (passiver Korrosionsschutz).
190
Korrosionsschutz-Eigenschaften Auch kann man dafür sorgen, dass die Reduktionsreaktion nicht stattfinden kann, indem aktiv in das Korrosionssystem eingegriffen wird (aktiver Korrosionsschutz). So kann z.B. aktiv Sauerstoff entfernt, das Medium trockengehalten oder auch der Sauerstoff durch gezielte Zugabe von Elektronen reduziert werden, so dass er nicht mehr zur Korrosion zur Verfügung steht. Beide Methoden finden auch bei Korrosionsschutzbeschichtungen Anwendung, wie im Folgenden zu sehen ist, u.a. die Bildung von Rost als typischste Korrosionserscheinung. Aufgrund seines Redoxpotentials geht Eisen teilweise als Fe2+-Ionen in Lösung. Dabei müssen Elektronen im Metall zurückgelassen werden. Wenn kein elektronenverbrauchender Prozess stattfinden kann, stellt sich nach kurzer Zeit ein Gleichgewicht ein (Gleichung 8.10). Gleichung 8.10
Fe ⇋Fe2+ + 2e-
Gleichung 8.4 Gleichung 8.5 Gleichung 8.6
Reduktion: O2 + 2H2O + 4e- 4 OHOxidation: Fe Fe2+ + 2eGesamt: 2 Fe + O2 + 2H2O 2 Fe2+ + 4 OH-
Gleichung 8.11
Weitere Oxidation von Fe: Fe2+ + H2O + OH- + ½ O2 Fe(OH)3
Bildung von Rost zu sehen in den Gleichungen 8.12 bis 8.14: Gleichung 8.12 Gleichung 8.13 Gleichung 8.14
Fe2+ + H2O + OH- + ½ O2 Fe(OH)3 2Fe(OH)3 Fe2O3 + 2H2O Fe(OH)3 + CO2 Fe(OH)CO3 + 2OH-
Abbildung 8.9: Grundsätzlicher Mechanismus der Korrosion dargestellt als zwei kurzgeschlossene Halbreaktionen. Die Elektronenaufnahme bei der Reduktion äußert sich als Korrosionsstrom I.
191
Gebrauchseigenschaften von Lackfilmen
Werden jedoch dem Gleichgewicht Elektronen entzogen, muss das Gleichgewicht ständig neue Elektronen nachliefern, was zu einer weiteren Auflösung des Eisens führt. Die Auflösung des Eisens wird dazu noch begünstigt, wenn die Fe2+-Ionen ebenfalls dem Gleichgewicht durch Bildung unlöslicher Salze entzogen werden. Dies geschieht durch eine weitere Oxidation der Fe2+-Ionen mit Luftsauerstoff zu Fe3+-Ionen, die mit den OH--Ionen unlösliche Hydroxide bilden. Diese bilden dann unter Abgabe von Wasser Eisen(III)-Oxid und zum Teil auch mit dem Kohlendioxid der Luft basische Eisencarbonate. Der Vorgang ist zusammengefasst und idealisiert in den Gleichung 8.4 bis Gleichung 8.6 sowie Gleichung 8.11 bis Gleichung 8.14 dargestellt. Die Mischung aus Eisenhydroxiden, Eisenoxiden und basischen Eisencarbonaten wird als Rost bezeichnet. Weil keine geschlossenen Schichten entstehen, schreitet die Rostbildung weiter fort. Durch diese Korrosion von Eisen und Stählen werden den daraus bestehenden Objekten beträchtliche Schäden zugefügt.
Passiver Korrosionsschutz:
Auffallend ist, dass Chrom, das als Schutzschicht für zum Beispiel Eisen verwendet wird, ein tieferes Redoxpotential (E° = -0.76V) besitzt als Eisen (E° = – 0,41V). Chrom sollte also stärker als Eisen oxidieren, was es erfahrungsgemäß nicht passiert, im Gegenteil, es erweist sich gegenüber Sauerstoffangriff als erstaunlich stabil. Die Schutzwirkung von Chrom beruht darauf, dass Chrom an der Oberfläche eine sehr dünne Chromoxid-Schicht ausbildet, die eine fortschreitende Oxidation vermeidet. Diese Schicht bildet ein geschlossenes Kristallgitter aus und haftet sehr gut auf dem Untergrund. Damit wird ein weiterer Angriff von Sauerstoff oder Säure verhindert. Das entstehende Chromoxid ist ein Nichtleiter und erhöht damit den Widerstand R für den Elektronenübergang zwischen Metall und Oxidationsmittel, was sich in einer Verringerung des Korrosionsstroms äußert (siehe Gleichung 8.9). Man spricht in diesem Fall von Passivierung. Die Passivierung ist ein typisches Beispiel für passiven Korrosionsschutz. Auch andere Metalle bilden geschlossene Oxidschichten, die eine weitere Oxidation vermeiden. Dazu gehören Aluminium, Zink und Magnesium. Eisen dagegen und auch viele Stähle bilden Oxidschichten, die nicht geschlossen sind, sondern Poren ausbilden, an denen die Oxidation fortschreiten kann. Deshalb existieren verschiedene Maßnahmen, vor allem Eisen und Stähle gegen Korrosion zu schützen. Dazu gehört die Verwendung von Edelstählen. Edelstähle enthalten Legierungen von Eisen mit anderen Metallen (Chrom, Nickel, Mangan), die dann geschlossene Oxidschichten bilden und eine fortschreitende Korrosion vermeiden. Eisen wird auch mit anderen Metallen überschichtet, wie zum Beispiel Chrom und Zink, die ihrerseits geschlossene Oxidschichten ausbilden. Schließlich werden Objekte aus Eisen durch Lackschichten gegen Korrosion geschützt. Auch hier gilt im Wesentlichen das oben gesagte: Die Lackschicht verhindert den Zutritt der Oxidationsmittel zum Substrat und erhöht als nichtleitendes Material den elektrischen Widerstand zwischen Elektrolyt und Substrat.
Aktiver Korrosionsschutz:
Beim aktiven Korrosionsschutz greift man direkt in das Korrosionssystem ein. Dies kann z.B. das Anlegen einer Spannung sein, die Elektronen in das Substrat pumpt. Die zusätzlichen Elektronen können nun von den Oxidationsmitteln aufgenommen werden. Das Eisen muss in diesem Fall keine Elektronen durch Auflösung (Oxidation) liefern, und es bleibt deshalb vor Korrosion geschützt. Ganz ähnlich funktionieren auch die sogenannten Opferanoden. Hierbei wird das zu schützende Metall leitend mit einem Metall verbunden, das deutlich unedler als das zu schützende Metall ist, also ein tieferes Redoxpotential als dieses besitzt. Aufgrund der Stellung in der Redox-
192
Korrosionsschutz-Eigenschaften reihe korrodiert das unedle Metall stärker als das zu schützende Metall und liefert durch seine Oxidation Elektronen, die durch die leitende Verbindung mit dem zu schützenden Metall auch diesem zur Verfügung stehen. Das Metall ist so vor Korrosion weitgehend geschützt.
8.5.2 Korrosionsschutzbeschichtungen Bei den Korrosionsschutzbeschichtungen spielen beide Mechanismen (aktiver und passiver Korrosionsschutz) eine Rolle, wobei der passive Korrosionsschutz überwiegt. Zumeist wird die Oberfläche von Eisen und Stählen passiviert, bevor sie mit Polymeren beschichtet wird. Die Passivierung besteht aus einer Behandlung der Oberfläche von Eisen und Stählen mit Salzlösungen, die dann mit dem Metall und seiner Oxidschicht Mischkristalle bilden, die eine weitere Korrosion unterbinden. Dies sind vor allem Verbindungen, deren Anionen XO4-Strukturen aufweisen, wie PbO44- (aber Mennige: Pb3O4), CrO42-, PO43-, TiO44-, SiO44- und ZrO44-. Weil Blei- und Chrom(VI)-Verbindungen toxisch sind, werden sie nicht mehr für Vorbehandlungen verwendet. Besonders die Chrom(VI)-Verbindungen erfreuten sich bis vor kurzem noch großer Beliebtheit, da sie einen ausgezeichneten Korrosionsschutz lieferten. Dies lag vor allem daran, dass diese Verbindungen bei Verletzung der Oberfläche eine gewisse Selbstheilung zeigten. Die jetzt verfügbaren Vorbehandlungsmaterialien enthalten Zinkphosphate und Phosphorsäure. Dieses Verfahren ist allgemein als Phosphatierung bekannt [248], [249]. Zur Ausbildung homogener Schichten enthalten die Produkte kleinere Anteile an Titanaten und Zirkonaten. Die Säure löst das Substratmaterial Eisen teilweise auf. Es entsteht dabei Wasserstoff, siehe Gleichung 8.5 und Gleichung 8.7. Durch den Verbrauch der H+-Ionen steigt in der Nähe des Substrats der pH-Wert der Lösung an, was die bei höherem pH-Wert nicht mehr löslichen Phosphate zum Ausfällen bringt. Die Phosphate bilden auf der Oberfläche von Eisen und Stählen geschlossene, relativ dünne Schichten (1 bis 2 µm) aus Eisen/ Zink-Phosphat-Mischkristallen, die eine weitere Korrosion vermeiden. Allerdings müssen diese Schichten gegen Wasser und Bewitterung geschützt werden, sie werden daher mit Lacken beschichtet. Die Phosphatierung als Vorbehandlung bildet dabei eine Schicht, auf der die nachfolgende Lackierung gut haftet. Die erste Lackschicht, die anschließend aufgebracht wird, ist in der Regel eine Korrosionsschutzgrundierung. Solche Korrosionsschutzgrundierungen machen sich die unterschiedlichen Prinzipien, eine Korrosion zu vermeiden, zu nutze. Zunächst werden Bindemittel ausgewählt, die möglichst diffusionsdicht sind und eine intensive Wechselwirkung mit der Metalloberfläche bzw. der Phosphatierungsschicht eingehen, also gut haften. Eine effektive Vernetzung und hohe Dichte der molekularen Netzwerke ergibt eine hohe Diffusionsdichte. Auch Bindemittel mit hydrophoben Bausteinen wirken positiv, da die Benetzung der Oberfläche durch Wasser erschwert wird. Insgesamt soll möglichst vermieden werden, dass Wasser durch die Lackschicht bis zur Metalloberfläche gelangt und dort die elektrochemische Korrosion auslösen kann. Hier werden vor allem aromatische Epoxidharze als Hauptbindemittel eingesetzt. Diese werden dann mit Polyaminen oder Polyamidoaminen, Epoxidharzeestern oder Epoxidacrylaten vernetzt. Des Weiteren werden vor Korrosion schützende Pigmente verwendet. Das sind vor allem Zinkphosphate, die auch andere Metallionen (Molybdän, Aluminium, Strontium) enthalten können, und saure Calciumphosphate3. Die Pigmente wirken ähnlich wie die Produkte, die für die Vorbehandlung verwendet werden. Dabei sorgen sie dafür, dass die ursprüngliche Phosphatierungsschicht auch über lange Zeit intakt bleibt. Die Wirkung kann auch durch spezielle Additive, den „Korrosionsinhibitoren“, unterstützt werden. Dabei handelt es sich um organische Zinkverbindungen4 3 Z.B. „Heucophos“ von Heubach 4 Z.B. „Heucorin“ von Heubach
193
Gebrauchseigenschaften von Lackfilmen und Salze von Sulfonsäuren5 bzw. speziellen Carbonsäuren6. Die Korrosionsinhibitoren zeigen meistens eine synergistische Wirkung mit den Korrosionsschutzpigmenten [250]. Neben den phosphathaltigen Pigmenten können auch metallische Korrosionsschutzpigmente eingesetzt werden. Im Wesentlichen kommt hier Zink zum Einsatz. Ist die Pigmentierungshöhe hoch, so dass sich die Pigmentteilchen berühren können, erhält man einen anodischen Korrosionsschutz, d.h. das in der Beschichtung enthaltene Zink wirkt gegenüber dem Substrat als Opferanode. Für alle Pigmente gilt: Der Einbau von Pigmenten führt zu einem verlängerten Diffusionsweg von angreifenden Agenzien, wie in Abbildung 8.10 schematisch dargestellt. Diese Wirkung wird verstärkt, wenn plättchenförmige Pigmente verwendet werden (Talkum, Kaolin, Glimmer und Aluminiumpigmente). Sie können mit Korrosionsschutzpigmenten kombiniert werden. Korrosionsschutzgrundierungen besitzen meistens Pigmentvolumenkonzentrationen von 20 bis 25 Vol-%, Zinkstaubgrundierungen zwischen 80 bis 90 %. Bereits in den 1950er Jahren wurden lösemittelhaltige Tauchgrundierungen durch wässrige Tauchgrundierungen ersetzt. Das geschah zunächst zur Vermeidung der Brandgefahr und erst später unter Umweltschutzaspekten. Mitte der 1960er Jahre wurden vor allem für die Beschichtung von Automobilkarosserien wässrige Tauchgrundierungen eingeführt, die über das Verfahren der Elektrophorese appliziert wurden. Bei der Elektrophorese (ETL) werden Teilchen in wässriger Phase, die Ionen enthalten, in einem elektrischen Gleichstromfeld zu einer Elektrode geführt und dort abgeschieden (siehe Kapitel 4.2.1). Zunächst wurden anionisch stabilisierte Bindemittelsysteme verwendet und die Automobilkarosserie als Pluspol geschaltet. Am Anfang der 1970er Jahre wurden diese anodischen Tauchlacke (ATL) weitgehend durch kathodische Tauchlacke (KTL) ersetzt, die sich durch einen signifikant besseren Korrosionsschutz auszeichnen. Der Nachteil der anodischen Tauchlackierung ist die Oxidationsreaktion an der Anode, die das Substrat Eisen zu Eisenionen oxidiert. Bei der kathodischen Elektrotauchlackierung dagegen ist das zu beschichtende Objekt als Kathode geschaltet, an der Eisenoxide zu metallischem Eisen reduziert werden. Die Bindemittel dieser Produkte bestehen aus mit Aminen dotierten aromatischen Epoxidharzen, die durch Neutralisation mit flüchtigen organischen Säuren (Essigsäure, Ameisensäure, Milchsäure) kolloidal wasserlöslich werden. Die Produkte werden mit verkappten Polyisocyanaten (TDI-Addukte, MDI-Oligomere) bei relativ hohen Temperaturen
Abbildung 8.10: Korrosionsschutzwirkung von plättchenförmigen Pigmenten durch Verlängerung des Diffusionswegs
5 Z.B. „Nacorr“ von King Industries 6 Z.B. „Irgacor“ von BASF
194
Wetterbeständigkeit (165 bis 180 °C) vernetzt, siehe Kapitel 6.5.4. Sie enthalten daneben Bausteine, die plastifizierend wirken (Alkylphenole, Caprolactonpolyester, Polyether). Sie werden meistens mit inerten Pigmenten und Füllstoffen pigmentiert (Titandioxid, Bariumsulfat), denn die zum Teil löslichen Anteile der aktiven Korrosionsschutzpigmente würden ein optimales Abscheideverhalten beeinträchtigen. Der besondere Vorteil dieser Elektrotauchlacke ist der hohe Auftragswirkungsgrad durch die Elektrophorese-Applikation. Vor allem werden durch dieses Verfahren auch Innenräume erreicht, was für die Korrosionsbeständigkeit komplexer Objekte (Automobilkarosserien) von besonderem Vorteil ist.
8.6 Wetterbeständigkeit Unter Wetterbeständigkeit versteht man die Widerstandsfähigkeit von Lackfilmen gegenüber der Umwelt insbesondere dem Einfluss des Wetters. Davon betroffen sind vor allem die Fassaden von Gebäuden, Industrieanlagen, Fahrzeuge (PKW, Großfahrzeuge, Schienenfahrzeuge, Schiffe), aber auch Gartenmöbel, Schilder und Straßenmarkierungen. Schädigende Einflüsse auf die Beständigkeit der Filme sind zunächst das Sonnenlicht, besonders dessen UV-Anteile, Wasser, Regen, Schnee, Luftfeuchtigkeit und Temperaturwechsel. Beim Temperaturwechsel ändert sich vor allem die Dichte der Beschichtung und beansprucht dadurch das Material mechanisch. Beim Abkühlen bildet sich Tau, das Wasser kann die Beschichtung zusätzlich schädigen. Die damit verbundenen Beeinträchtigungen werden unterstützt durch den so genannten „Fall-out“, darunter versteht man Niederschläge mit Inhaltsstoffen von Industrieabgasen und Motorenabgasen, sowie sauren Regen und durch Erosion z.B. durch Wind und Sand.
8.6.1 Belastung durch UV-Strahlung Obwohl unsere Atmosphäre einen großen Teil der energiereichen, kurzwelligen, elektromagnetischen Strahlen der Sonne filtert, kommen doch noch Teile des ultravioletten Lichts der Wellenlängen von 280 bis 400 nm auf der Erde an [251]. Die Abbildung 8.11 zeigt die Intensität der Einstrahlung des Sonnenlichts auf der Erde im Sommer, bezogen auf die UV-Lichtanteile [252]. Die Energie einer elektromagnetischen Welle hängt nach Gleichung 8.15 von der Wellenlänge ab. Gleichung 8.15
E = h ⋅ ν = h ⋅ _λc
mit ν = Frequenz, c = Lichtgeschwindigkeit, λ = Wellenlänge, h = Plancksches Wirkungsquantum Deshalb sind UV-Anteile des elektromagnetischen Spektrums des Lichts energiereicher als die des sichtbaren Lichts. Die Energiegehalte des UV-Lichts liegen in Abhängigkeit von der Wellenlänge mit 314 bis 427 kJ/mol im Bereich einiger molekularer Bindungsenergien [226]. UV-Licht ist also in der Lage, kovalente Bindungen zu spalten. Es kommt daher in Lackfilmen zu Abbaureaktionen. Daraus resultierende Schadensbilder sind Vermattung, Versprödung, Rissbildung, Schichtdickenverlust und Enthaftung bis zur Ablösung. UV-Licht kann auch mit Luftsauerstoff, besonders unter feuchten Bedingungen, Radikale erzeugen, die wiederum mit organischen Molekülen reagieren.
195
Gebrauchseigenschaften von Lackfilmen Tabelle 8.2: Bindungsenergien ausgewählter Bindungspartner Bindungspartner
Bindungsenergie [kJ/mol]
C–C
348
C–H
413
C–O
358
C–N
305
Einige funktionelle Gruppen werden von Sauerstoff, der selbst ein Diradikal darstellt, besonders leicht angegriffen. Durch meistens recht komplexe Oxidationsreaktionen kommt es so zu Abbaureaktionen. Analytisch wird nach solchen Abbaureaktionen vor allem eine Erhöhung des Gehalts an Carbonyl- und Carboxyl-Gruppen gefunden. Oxidationsreaktionen finden vor allem an folgenden Gruppen statt:
– Doppelbindungen – tertiäre H-Atome (z.B. gegenüber der Carboxyl-Gruppe von Polyacrylaten
– α-CH2-Gruppen (in der Nachbarschaft von OH-, Carbonyl- und Ester-Gruppen)
– CH- und CH2-Gruppen in der Nachbarschaft von Doppelbindungen
– Ether-Gruppierungen, vor allem bei aromatischen Ethern
– aromatische Urethan-Gruppen Diese Oxidationsreaktionen können zu Vergilbung oder zu anderen Verfärbungen führen, und neben einem molekularen Abbau trägt die Ausbildung polarerer Gruppen zur Versprödung bei. Die Schadensbilder an Lackfilmen, die einer Bewitterung ausgesetzt sind, treten je nach der Intensität der UV-Strahlung und der anderen Einflussgrößen erst nach längerer Zeit auf. Da die Hersteller von Lacken ihren Kunden eine Garantie für eine längere Bewitterungszeit geben wollen, aber bei Neuentwicklungen nicht die gesamte Garantiezeit (z.B. bis zu 10 Jahren in der Automobilindustrie) abwarten können, werden Bewitterungstests unter verschärften Bedingungen durchgeführt, indem Testbeschichtungen in Gegenden ausgelegt werden, die eine besonders hohe UV-Lichteinstrahlung und gegebenenfalls auch größere Temperaturunterschiede und Feuchtigkeitsgehalte aufweisen [253]. Insbesondere werden diese Tests auf der Halbinsel Florida, in der Wüste Arizonas, auf der Insel Okinawa, in Allunga im Nordosten Australiens, oder in Bahia in Brasilien durchgeführt. Alle diese Orte zeichnen sich durch hohe Sonnenscheindauer und hohe Anteile an UV-Licht und durch höhere Temperaturen aus. Bis auf das Wüstenklima in Arizona herrschen an allen Orten auch eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit mit Wasserdampf/Tau-Effekten zwischen Tag und Nacht. Am bekanntesten ist die
196
Wetterbeständigkeit Halbinsel Florida. Hier werden in den dafür eingerichteten Anlagen Prüftafeln ausgelegt, meistens 5° nach Süden geneigt, zusätzlich von einem schwarzen Rahmen umgeben, der für einen weiteren Anstieg der Temperatur sorgt. Die Auslagezeit beträgt mindestens zwei Jahre. Beurteilt werden nach jeweils einem Jahr der Restglanz, Risse, Verfärbungen und die Veränderung der Filmdicke. Für die Optimierung und Neuentwicklungen von Lacksystemen ist mit einem Zeitraum bis zu mehreren Jahren zu rechnen. Wenn dann noch zwei Jahre Florida-Auslage erfolgen müssen, ist es oft für eine Markteinführung zu spät. Es werden daher verschiedene Strategien angewandt, diesen Zeitverlust zu kompensieren [254]. Zum einen wird eine Vielzahl von Versuchsprodukten frühzeitig in Florida ausgelegt, um dann die Ergebnisse des letztlich erfolgreichen Produktes rechtzeitig vorliegen zu haben. Zum anderen werden Bewitterungskurztests durchgeführt. Es gibt eine größere Anzahl von Methoden und Geräten, um einen Zeitraffereffekt für die Bewitterung zu erhalten7. Grundsätzlich sind zwei verschiedene Verfahren etabliert: Geht man davon aus, dass die meisten Bewitterungsschäden durch den UV-Anteil des Sonnenlichtes initiiert werden, kann ein Schnelltest eingeführt werden, bei dem die Bestrahlung der Probe nur durch eine UV-Lampe erfolgt. Die verwendeten Lichtquellen besitzen dabei ein Strahlungsmaximum bei 313 nm (UVB-313 Strahler) oder von 340 nm (UVA-340 Strahler). Hierbei sind Fehler vorprogrammiert: Das Spektrum des Sonnenlichtes endet bei 280 nm. D.h. mit höheren Anteilen an kurzwelligem Licht bzw. mit UVLicht mit Wellenlänger unter 280 nm, was vor allem bei der Verwendung des UVB-313 Strahlers der Fall ist, werden aufgrund der deutlich höheren Energieinhalte der Strahlung völlig andere Reaktionen initiiert als im Sonnenlicht. Die Ergebnisse solcher Teste lassen sich daher nur schlecht interpretieren. Der UVB-Strahler wird teilweise immer noch in der Automobilindustrie verwendet, da die Materialien sehr schnell altern, was bedeutet, die Testzeit ist kürzer. Dieser Test findet vor allem Anwendung in der Raumfahrtindustrie, denn die Sonne sendet durchaus kurzwelligere Strahlung als 280 nm aus. Diese kommt auf der Erde allerdings nicht an, da sie durch die Atmosphäre herausgefiltert wird. Der UVA-340 Strahler zeigt jedoch im Bereich von 290 nm bis 350 nm eine gute Korrelation mit dem Sonnenspektrum.
Abbildung 8.11: UV-Strahlung auf der Erde, genormt nach ASTM G173-03, auftreffend auf eine 37° geneigte Fläche 7 Z.B. Atlas „Sun-Tester”
197
Gebrauchseigenschaften von Lackfilmen Die zweite Möglichkeit möglichst realitätsnah zu testen, besteht in der Verwendung einer Xenonlampe. Diese simuliert nicht nur die UV-Region des Sonnenlichtes, sondern bildet das gesamte Spektrum des Sonnenlichtes ab. Um das Spektrum möglichst nah an das Spektrum des Sonnenlichtes anzugleichen, werden unterschiedliche Filter verwendet. Deshalb wird meistens eine Kombination von UV-Strahlern mit bestimmten Filtern, sogenannte Kantenfilter, verwendet, was ein Spektrum erzeugt, das dem des Sonnenlichts vergleichbar ist. Der Zeitraffereffekt resultiert dann aus der Kontinuität der Bestrahlung (Tag und Nacht) und den zeitlich kurzen Wechseln zwischen Erwärmung und Abkühlung, (Wasserdampf und Tau). Besonders auffällig ist das Bewitterungsverhalten von Klarlacken. Hier werden daher zusätzlich zu Bewitterungstests stoffliche und physikalische Analysen an belasteten Klarlackschichten durchgeführt. Dabei stellt man häufig eine Änderung des Verlaufs der Werte des Speichermoduls in Abhängigkeit von der Temperatur (DMTA) als auch der Tg fest [255], [256]. Die Materialien verspröden. Weil in der Vergangenheit angenommen wurde, dass alle eng vernetzten Polymerfilme spröde sein müssen, wurde der Verlust an Flexibilität (Versprödung) unter Lichteinfluss als „Nachvernetzung“ durch UV-Licht interpretiert. Betrachtet man die Werte des Speichermoduls oberhalb der Tg, so sinken diese nach der Bewitterung. Deshalb lässt sich dieser Befund besser als Polymerabbau zu einem Polymernetzwerk mit geringerer Ausdehnung der kovalenten Bereiche im Vergleich zum Ausgangszustand des Klarlacks interpretieren. Auch die stofflichen Analysen (IR-Spektroskopie) zeigen einen Anstieg des Gehalts an CO- und Amid-Gruppen, was auf einen Abbau durch Licht, Sauerstoff und Wasser hindeutet [257]. Die Glasübergangstemperatur verschiebt sich zu höheren Werten. Dies kann durch den höheren Gehalt an polaren Gruppen interpretiert werden, die das Assoziationsverhalten der Polymermoleküle verändern. Von praktischer Relevanz ist der Rückgang der Klarschichtdicke, was zeigt, dass das Polymer nicht stärker vernetzt, sondern abgebaut wird. Alle ungeschützten Klarlacke bauen bei Bewitterung durch das Zusammenwirken von UV-Licht mit Luftsauerstoff und Luftfeuchte ab, das jedoch sehr unterschiedlich. Klarlacke, die Bindemittel
Abbildung 8.12: Schadensbilder zweier Klarlacke nach Bewitterung ohne UV-Schutz (Bindemittelbasen: styrolfreies Acrylatharz, PSA-Alkydharz, modifiziert mit gesättigter Fettsäure, Vernetzer für beide: Melaminharz)
198
Wetterbeständigkeit mit höheren Anteilen an aromatischen Bausteinen enthalten (Alkydharze auf Basis Phthalsäureanhydrid, Acrylatharze mit höheren Anteilen an Styrol), bauen langsamer ab als aliphatische Bindemittel (ohne aromatische Bausteine), obwohl aromatische Bausteine UV-Licht stärker absorbieren als aliphatische. Die Umwandlung der Energien von UV-Licht und Radikalen in chemische Energie und Wärme kann zu verschiedenen Schadensbildern führen. Bindemittel ohne aromatische Bausteine zerfallen und wittern dabei schichtig ab. Dies macht sich zuerst in einem Glanzverlust bemerkbar, die Zerstörung des Films wird aufgrund der gleichmäßigen Zerstörung der Schicht optisch wenig wahrgenommen. In Lackfilmen aus Bindemitteln mit größeren Anteilen aromatischer Bausteine bleibt die Schicht zwar länger erhalten, aber gerade deshalb gibt es Spannungen durch die entstandenen Fehlstellen in den Polymernetzwerken. Solche Spannungen können schließlich zur Ausbildung makroskopischer Risse führen, wie schematisch in Abbildung 8.12 dargestellt. Im physikalischen Sinne sind Klarlacke auf Basis von Bindemitteln mit aromatischen Bausteinen daher besser wetterbeständig als Klarlacke auf Basis von aliphatischen Bindemitteln. Allerdings wird das Schadensbild der Risse vom Kunden als Reklamationsgrund wahrgenommen, das Schadensbild des schichtigen Abbaus wird dagegen zunächst nicht wahrgenommen. Risse in Lackfilmen entstehen vor allem dann, wenn die Netzbögen des Polymers wenig beweglich sind. Ein Maß für die Beweglichkeit der Polymerketten ist die Glasübergangstemperatur des Polymeren. Die Beweglichkeit kann sowohl durch kurze Seitenketten oder durch aromatische Einheiten eingeschränkt werden. An folgendem Beispiel kann man gut den Einfluss der Kettenbeweglichkeit durch Seitenketten gegenüber dem Einfluss aromatischer Bausteine nachvollziehen. Die Glasübergangstemperaturen von Styrol und Methylmethacrylat liegen beide recht hoch (Styrol: 100 °C, Methylmethacrylat: 105 °C) und sind damit vergleichbar. Durch unterschiedliche Anteile an Styrol einerseits und Methylmethacrylat andererseits lassen sich einige Acrylatharze herstellen und daraus Klarlacke
Abbildung 8.13: Risszeiten von Klarlacken in Abhängigkeit von der Glasübergangstemperatur der Acrylatharze und damit in Abhängigkeit des Anteils der Hartsegmente
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Gebrauchseigenschaften von Lackfilmen (Melaminharzvernetzung, ohne Lichtschutzmittel) formulieren. Die dabei entstehenden Filme behalten den Trend der Lage der Glasübergangstemperaturen aus dem Acrylatharz bei. Somit lassen sich Bindemittel herstellen, deren Tg entweder im Wesentlichen vom Anteil der aromatischen Komponenten abhängt oder von der erhöhten Kettensteifigkeit durch das eingeführte Methacrylat. Von den so hergestellten Klarlacken lassen sich sogenannte „Risszeiten“ bestimmen. Darunter versteht man den Zeitpunkt bei der Bewitterung, ab welchem zuerst Risse (auch mikroskopisch kleine) beobachtet werden. Die Risszeiten sind normalerweise umso kürzer, je höher die Glasübergangstemperaturen der Ausgangsbindemittel sind. Vergleicht man die Risszeiten der formulierten Klarlacke in Abhängigkeit von der Tg, zeigt sich, dass die Klarlacke mit Styrol enthaltenden Bindemittel deutlich kürzere Risszeiten ergeben als die entsprechenden Klarlacke, die Methylmethacrylat-Bindemittel enthaltenden, obwohl die Tg jeweils in einer vergleichbaren Größenordnung liegt. (siehe Abbildung 8.13). Die Tatsache, dass nicht die Bindemittelgruppe grundsätzlich verantwortlich für die Rissbildung ist, kann auch noch auf andere Weise bestätigt werden: Vergleicht man Polyester und Alkydharze, die zum einen cycloaliphatische Bausteine (Hexahydrophthalsäureanhydrid) und zum anderen aromatische Bausteine (Phthalsäureanhydrid) enthalten, beobachtet man in Klarlacken nach Bewitterung das gleiche Schadensbild, nämlich schichtigen Abbau der aliphatischen Klarlacke und zunächst keine Risse. Noch ein weiteres Beispiel sei hier angeführt: Klarlacke auf Basis von Acrylatharzen mit Polyisocyanataddukten als Vernetzer, zeigen deutlich bessere Ergebnisse in der Bewitterung, d.h. auch längere Risszeiten, als Klarlacke auf derselben Bindemittelbasis, die mit Melaminharz vernetzt worden sind. Auch dies stützt die Vorstellung, dass es polymere Netzwerke mit unterschiedlich großen kovalent verbundenen Bereichen gibt und große kovalent verbundene Netzwerke beständiger sind als kleinere. Für den Fall der Wetterbeständigkeit würde das bedeuten, dass bei gleicher Belastung durch UV-Licht und durch Radikale bei größeren kovalent gebundenen Bereichen viel mehr Abbaureaktionen stattfinden müssen, bis es zu einem Schadensbild kommt, im Vergleich zu Netzwerken mit kleineren kovalent gebundenen Bereichen.
8.6.2 Lichtschutzmittel Da sämtliche Klarlacke, wenn auch mit unterschiedlichen Schadensbildern, bei Bewitterung abbauen, muss dieser Abbau möglichst lange hinausgezögert werden. Dazu werden Lichtschutzmittel verwendet. Aktuell enthalten alle Klarlacke eine Kombination aus UV-Absorbern und Radikalfängern [258].
Abbildung 8.14: Grundstrukturen wichtiger Gruppen von UV-Absorbern
200
Wetterbeständigkeit „UV-Absorber“ sind quasi Farbstoffe, die jedoch nicht im Bereich des sichtbaren Lichtes selektiv absorbieren, sondern im Bereich des UV-Lichtes. Die wichtigsten Stoffklassen für Klarlacke sind: Oxalanilide, Hydroxyphenylbenzotriazole und Hydroxyphenyltriazine, deren Strukturen in der Abbildung 8.14 dargestellt sind [259]. In Abbildung 8.15 sind die Absorptionskurven dreier UV-Absorber aus den genannten Stoffklassen zum Vergleich dem UV-Spektrum des Sonnenlichts gegenübergestellt. Daraus ist ersichtlich, dass die Diarylhydroxyphenyltriazine die wirksamsten UV-Absorber sind. Allerdings ist die Absorption im Bereich des nahen UV-Lichtes gering. Deshalb gibt es bereits seit längerem Entwicklungen, sogenannte „red-shifted“ Hydroxyphenyltriazinen zu entwickeln, die diese Schwachstelle beheben sollen [260], [261]. Auch bei den Benztriazolen ist diese Entwicklung im Gang [262]. UV-Absorber enthalten meistens längere aliphatische Ketten, die die Polarität der Moleküle verringert, um bessere Verträglichkeit zu erzeugen und um die Migrationsfestigkeit zu erhöhen. Auch wird versucht, die Polarität der Moleküle derart zu verändern, dass sie sich bevorzugt an die Lackoberfläche orientieren [263]. Die Absorptionswirkung der UV-Absorber folgt dem Lambert-Beerschen Gesetz (Gleichung 7.9), d.h. die Intensität des UV-Lichtes fällt über die Schichtdicke eines Klarlacks in einer Abklingfunktion. Deshalb sind nur die obersten Schichten der Absorber noch der Wirkung des UV-Lichts ausgesetzt. Dies bedeutet auch, dass die alleroberste Filmschicht nicht durch die UV-Absorber geschützt ist, da diese in der Lackschicht vorhanden sind und nicht auf deren Oberfläche. Der Polymerabbau geschieht nicht nur durch UV-Licht alleine, sondern auch durch Radikale, die z.B. mit UV-Licht und Feuchtigkeit oder Sauerstoff entstehen. Die Abbaureaktionen selbst sind radikalischer Natur [258]. Deshalb, und um die Effektivität noch zu verbessern, werden UV-Absorber mit Radikalfängern kombiniert. Die gebräuchlichen Radikalfänger sind 2,2,6,6-Tetramethylpiperidine bzw. deren Derivate. Auch hier werden längere aliphatische Ketten als Substituenten bzw. Molekülteile bevorzugt. Die Produkte werden abgekürzt als „HALS“ (hindered amine light stabilizers) bezeichnet. Das Stickstoffatom des Piperidins ist durch die vier benachbarten Methylgruppen sterisch so beein-
Abbildung 8.15: Absorptionsspektren der drei wichtigsten UV-Absorberklassen im Vergleich zum Spektrum des Sonnenlichtes
201
Gebrauchseigenschaften von Lackfilmen flusst, dass es leicht relativ langlebige Radikale bildet, die mit anderen Radikalen (z.B. den aus dem Sauerstoff entstehenden Peroxidradikalen) reagieren können und diese dadurch unschädlich gemacht werden. So wird die Bindemittelmatrix vor einem oxidativen Abbau geschützt. Die Piperidin-Derivate bilden sich im Gesamtprozess wieder zurück, das bedeutet, dass bereits kleine Zugabemengen nachhaltig wirken. Die Vorstellung des Wirkungsmechanismus ist in der Abbildung 8.16 dargestellt, genauere Angaben findet man in der Literatur [264-266]. Die 2,2,6,6-Tetramethylpiperidine als Radikalfänger unterscheiden sich vor allem durch die unterschiedlichen Substituenten am Stickstoffatom des Piperidins. Die Produkttypen sind in der Abbildung 8.17 dargestellt und sind nach aufsteigender Wirkung gruppiert [259]. Die NH- und NR-substituierten Piperidine wirken basisch und können daher sowohl die Vernetzung mit Aminoharzen als auch mit Polyisocyanaten beeinflussen. Die durch Säuren katalysierte Reaktion der Aminoharze wird gehemmt, die Additive sind danach nicht mehr wirksam. Die Isocyanat-Reaktion wird durch Amine (und auch HALS) beschleunigt, was zu kürzeren Verarbeitungszeiten führt. Die Piperidin-Amide verhalten sich in diesem Sinne neutral, sind jedoch weniger wirksam. Optimal sind Aminoxide, sie reagieren neutral und sind besonders wirksam. Die Kombination von UV-Absorbern mit Radikalfängern zeigt synergistische Effekte. Sie verlängert nicht nur die Rissbeständigkeit, sondern verbessert auch die Glanzhaltung. Das Verhalten verschiedener Klarlacke aus OH-Acrylatharz und Melaminharz ohne UV-Schutzmittel, mit UV-Absorber und mit der Kombination aus UV-Absorber und Radikalfänger ist in der Abbildung 8.18 dargestellt.
Abbildung 8.16: Denisov-Zyklus: Vorstellung über die Wirkungsweise von HALS: Endeffekt ist die Zerstörung der Radikale
Abbildung 8.17: Reaktivität der Radikalfänger in Abhängigkeit von der N-Substitution
202
Wetterbeständigkeit Selbstverständlich sind auch Lichtschutzmittel für wässrige Systeme erhältlich8. Die Pigmente in pigmentierten Lacken absorbieren ebenfalls Licht im UV-Bereich. Somit ist die Verwendung von UV-Absorbern in stark pigmentierten Lacken eigentlich nicht erforderlich. Trotzdem kommt es in den oberen Schichten pigmentierter Lackfilme zu Abbaureaktionen durch UVLicht. Diese Abbaureaktionen können durch Pigmentoberflächen noch katalytisch verstärkt werden. Dies ist insbesondere bei Titandioxid der Fall. Titandioxid absorbiert Licht im ultravioletten Bereich. Deshalb ist es nano- oder mikroskalig auch in einigen Sonnencremes mit hohem Lichtschutzfaktor enthalten. Titandioxid kommt in den zwei Modifikationen, Anatas und Rutil vor. Anatas ist dabei photochemisch aktiver als Rutil. In neuerer Zeit sind Titandioxid-Nanopartikel aufgrund ihrer Gesundheitsschädlichkeit allerdings in Verruf geraten [202]. Die aufgenommene Strahlungsenergie führt zu einer Anhebung von Elektronen aus dem Valenz- in das Leitungsband. Im Leitungsband entsteht ein „Elektronenloch“. Ein solches Elektronenloch ist ein starkes Oxidationsmittel und kann aus Wasser Bindungselektronen entreißen, es entstehen Hydroxylradikale. Das Elektron ist ein starkes Reduktionsmittel, es bildet aus Sauerstoff Superoxidradikale [258]. Daraus entstehen Polymerradikale, die letztendlich zum Polymerabbau führen [258]. Aus diesem Grund werden Titandioxide entweder mit anderen Elementen dotiert, damit das Leitungsband angehoben wird oder oberflächenbehandelt. Das Schadensbild besteht in der Abwitterung der oberen Bindemittelmatrix, die oberen Pigmentpartikel werden freigelegt. Dieser Effekt wird als „Kreiden“ bezeichnet und ist modellhaft in Abbildung 8.19 dargestellt. Verschiedene Bindemittel reagieren dabei unterschiedlich. Der Effekt kann auch durch die Zugabe von Radikalfängern vermieden werden, die auch in oberflächennahen Bereichen radikalische Abbaureaktionen unterdrücken.
Abbildung 8.18: Verbesserung der Witterungsbeständigkeit durch synergistische Wirkung von UV-Absorber und HALS 8 Z.B. „Tinuvin“ DW-Serie von BASF
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Gebrauchseigenschaften von Lackfilmen
8.7 Temperaturbeständigkeit Lackfilme können sich auch unter dem Einfluss von erhöhten Temperaturen verändern. Zum einen erfahren die Polymere oberhalb der Glasübergangstemperatur eine Erweichung. Das geschieht vor allem bei thermoplastischen Bindemitteln, die nur physikalisch Filme bilden. Liegt die Tg allerdings hoch genug, lassen sich auch thermoplastische Bindemittel bei hohen Temperaturen einsetzen. Wenn Filme erweichen, gehen natürlich einige Beständigkeitseigenschaften verloren. Bestimmte Bindemittel können sich bei höheren Temperaturen zersetzen. So ist es zum Beispiel nicht möglich, Lacke auf Basis Cellulosenitrat als (Nitrozellulose) Einbrennlacke zu verwenden. Auch Urethane können bei deutlich erhöhten Temperaturen (> 220 °C) wieder zum Teil in ihre Ausgangsverbindungen (Alkohole, Isocyanate) aufgespalten werden. Meistens ist jedoch eine begrenzte Temperaturbeständigkeit mit der verstärkten Einwirkung von Luftsauerstoff bei höheren Temperaturen verbunden. Luftsauerstoff wirkt oxidierend. Empfindlich sind vor allem aliphatische und aromatische Ether. Aliphatische Ether können an den α-C-Atomen mit Sauerstoff reagieren und dabei unter molekularen Abbau Carbonylverbindungen oder Carboxylgruppen bilden. Aromatische Ether bilden chinoide Verbindungen, was ebenfalls mit einer Vergilbung und schließlich einem molekularen Abbau verbunden ist. Auch N-aromatische Urethane und Amide reagieren ähnlich mit Luftsauerstoff bei höheren Temperaturen. Längere aliphatische Ketten können bei höheren Temperaturen oxidativ angegriffen werden. Dabei reagieren als erstes die α-C-Atome aliphatischer Seitenketten an cyclischen Einheiten oder die α-CAtome in der Nachbarschaft funktioneller Gruppen (OH-Gruppen, Aminogruppen). Dagegen sind sowohl aromatische Verbindungen oder aromatische Ester und Carbonylverbindungen (darunter auch Amide und Imide) als auch heteroaromatische Verbindungen ausgesprochen temperaturbeständig. So werden selbstvernetzende Polyester auf Basis Terephthalsäure für wärmebeständige Elektroisolierlacke verwendet (siehe Kapitel 6.5.3 Vernetzung von Polyestern). Die Temperaturbeständigkeit wird erhöht, wenn als Polyol Trishydroxyethylisocyanurat (THEIC) verwendet wird. Noch höhere Temperaturbeständigkeit wird erreicht, wenn die Terephthalsäure mindestens zum Teil durch imidhaltige Dicarbonsäuren ersetzt wird9. Diese über THEIC hochvernetzten Polyesterimide erreichen für Elektroisolierlacke Dauerwärmebeständigkeiten bis zu 220 °C und sind sehr flexibel und lösemittelbeständig. Besondere Wärmebeständigkeit weisen auch Polymere mit aromatischen oder heterocyclischen (heteroaromatischen) Bausteinen auf. Dazu gehören Polyimide, Polybenzimidazole, Polyhydantoine und Polyamidimide deren Strukturen in der Abbildung 8.20 dargestellt sind.
Abbildung 8.19: Schadensbild des Kreidens
9 Z .B. durch eine Diimidicarbonsäure aus 2 mol Trimellithsäureanhydrid und 1 mol Diaminodiphenylmethan die in-situ bei der Polyesterherstellung gebildet werden kann.
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Temperaturbeständigkeit Obwohl diese Polymere nicht vernetzt sind, besitzen sie so hohe Glasübergangstemperaturen, dass Dauerwärmebeständigkeiten bis 220 °C erreicht werden. Sie werden daher als „Pseudothermoplasten“ bezeichnet und finden aufgrund ihres Preises und zum Teil auch wegen der schlechteren Verarbeitungsfähigkeit nur in Nischen Anwendung. So werden je nach Polymer zur Filmbildung hohe Temperaturen von über 250 bis 400 °C benötigt. Auch aromatische schwefelhaltige Polymere wie Polyphenylensulfid (PPS), Polyphenylensulfon (PPSU), Polyethersulfon (PES, PESU) sowie aromatische Ketone wie Polyetherketon (PEK) oder Polyetheretherketon (PEEK) finden in der Zwischenzeit in der Lackindustrie für Spezialanwendun-
Abbildung 8.20: Temperaturbeständige Polymere mit heterocyclischen Bausteinen
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Gebrauchseigenschaften von Lackfilmen gen Verwendung [267–269]. Da diese Polymere nicht löslich sind, werden sie entweder als Pulver oder als wässriges Slurry appliziert. Beim Erhitzen über den Fließpunkt „verschmelzen“ diese Polymere dann und ergeben einen hochwiderstandsfähigen und temperaturbeständigen Film. Ebenso zeigen die Fluorpolymere, allen voran PTFE, PFA und FEP eine sehr gute Chemikalien- und Temperaturbeständigkeit und werden deshalb schon seit Längerem auch aufgrund ihrer geringen Oberflächenenergie und der damit verbundenen leichten Reinigbarkeit solcher Oberflächen in Beschichtungssystemen eingesetzt. Diese Polymere werden in der Regel als wässrige nanoskalige Suspensionen verwendet. Auch hier geschieht die Filmbildung über ein Versintern (PTFE) oder Verschmelzen (FEP, PFA) bei Temperaturen über 400 °C. Die entsprechenden Strukturen der wichtigsten Vertreter dieser Polymerklassen finden sich in Abbildung 8.21 . Besondere Temperaturbeständigkeit wird auch durch die Verwendung von vernetzenden Siloxanen erreicht. So erreichen z.B. aromatische Polyester, die 30 bis 80 Masse-% Siloxanintermediates enthalten und bei hohen Temperaturen (240 bis 280 °C) vernetzen, Dauertemperaturbeständigkeiten bis zu 250 °C10. Netzwerke, die nur aus polyfunktionellen Siloxanen (Silikonharze) gebildet werden, sind, wenn sie mit z.B. mit Aluminiumpigmenten kombiniert werden, bis 650 °C dauerwärmebeständig11. Dazu müssen sie bei hohen Temperaturen unter Einwirkung von Katalysatoren vernetzt werden (siehe Kapitel 6.5.3)
Abbildung 8.21: Strukturen weiterer hochtemperaturbeständiger Polymere 10 Silikonpolyester z.B. „Silikoftal“-Reihe von Evonik 11 Vernetzende Siloxane z.B. Silikophen-Reihe (Evonik)
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Versuchsplanung und Fehleranalyse
9 Versuchsplanung und Fehleranalyse Wegen der Komplexität einer Lackentwicklung, was sowohl die Einflussgrößen als auch die Zielgrößen (Eigenschaften) betrifft, gewinnt die statistische Versuchsplanung mit mathematischen Methoden für die Optimierung der Produkte zunehmend an Bedeutung [270]. Für uns Menschen ist es schwierig, mehr als drei Dimensionen sinnvoll zu erfassen und in einen Zusammenhang einzuordnen. Außerdem bestehen zwischen den vielen Einflussgrößen oft nicht unmittelbar erkennbare Wechselwirkungen und ein Vorgehen mit Unterstützung statistischer Versuchsplanung verspricht eine hohe Objektivität. Durch Aufstellen von „Screening-Plänen“ lassen sich die wichtigen Einflussfaktoren gezielt ermitteln, was den Aufwand für die Durchführung eines statistischen Versuchsplans minimiert. Statistische Versuchspläne sind vor allem dann gut geeignet, wenn es um die Ermittlung physikalischer Kenngrößen geht, z.B. wenn ein Zusammenhang zwischen den Einflussgrößen auf die Molmasse und die Viskosität hergestellt werden soll. Viele lacktechnisch wichtige Eigenschaften resultieren allerdings aus der Applikation von Lacken. Deshalb sollten die Applikationsbedingungen für die Prüfung gewählt werden, die mit denen der geplanten Anwendung möglichst vergleichbar sind. Dazu sind allerdings größere Ansatzmengen erforderlich. Außerdem gestaltet es sich schwierig, die Applikationsbedingungen für eine größere Versuchsserie konstant zu halten, was bei der statistischen Versuchsplanung eine Voraussetzung ist. Das ist ein Grund dafür, dass sich die statistische Versuchsplanung bislang in vielen Betrieben nicht etablieren konnte. Allerdings bestehen gute Erfahrungen für die Optimierung von Beschichtungsstoffen mit einem Vorgehen gestaffelter Kleinserien. Dabei werden wenige der Einflussgrößen ausgewählt und systematisch variiert. Bei der Auswahl mutmaßlich relevanter Einflussgrößen spielt die Erfahrung eine wichtige Rolle, was dann den Umfang der Versuche verringert. Durch dieses Vorgehen können Erfahrungen gesammelt werden. Wenn sich z.B. bei einer Versuchsserie keine besonderen Unterschiede in den Ergebnissen zeigen, sind die gewählten Einflussgrößen von geringer Bedeutung, es sollten dann andere Einflussgrößen gewählt werden. Auf den Ergebnissen einer Versuchsserie wird dann die nächste Serie aufgebaut, wobei ein gefundener Trend weitergeführt wird. Dabei ist es sinnvoll, einen der Versuche (am besten das Optimum) in der Folgeserie zu wiederholen, denn dadurch wird die Reproduzierbarkeit der Versuche und der Prüfungen überprüfbar. Hierbei sollte man sich vor Augen halten, dass bei der Optimierung von Lacksystemen nicht ein absolutes Optimum angestrebt ist, sondern dass vorgegebene Kenngrößen erreicht werden müssen. Allerdings sollten die Ergebnisse in einem sicheren Bereich liegen, das heißt, die Vorgaben müssen reproduzierbar unter Berücksichtigung der Messgenauigkeit erfüllt werden. Nach Abschluss der Entwicklungsarbeit kommt es darauf an, das Ergebnis zu reproduzieren, vor allem in größeren Chargen. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Qualität einer Formulierung exakt auf größere Mengen in der Produktion übertragbar ist, zu unterschiedlich sind die Produktions-, Verarbeitungs- und Lagerungseinflüsse im Labor- und im Produktionsprozess. Des-
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Versuchsplanung und Fehleranalyse halb ist es wichtig, die Verfahrensparameter der Produktionsanlagen möglichst gut zu kennen. In der Regel wird man die Ansatzgröße schrittweise erhöhen (Scale-up-Prozess). Dabei können offensichtliche Fehler direkt behoben und die Rezeptur gegebenenfalls angepasst werden. Wichtig ist hier, die Probeproduktionen genau gegen die vorgegebene Spezifikation zu prüfen. Problematisch wird es, wenn Fehler erst bei der Applikation beim Kunden entdeckt werden, dann kann es zu Reklamationen und zu Regressforderungen durch den Kunden kommen. Solche Schadensersatzforderungen können sich aufgrund von Produktionsausfällen beim Kunden sehr schnell auf sehr hohen Summen belaufen. Deshalb ist es besonders wichtig, die Fehlerursache vorher, und falls ein Schaden bereits aufgetreten ist, schnell zu klären. Dazu ist eine ganzheitliche Untersuchung der Rohstoffe, der Formulierungsauswahl, des Herstellprozesses, der Chargenprüfung, der Abfüllung, des Transports und auch der Applikationsbedingungen beim Kunden erforderlich. Ein systematisches Vorgehen mit den zu überprüfenden Prozessschritten ist in der Abbildung 9.1 dargestellt. Fragen, die man sich dabei stellen muss, sind insbesondere: – Ist die Eingangskontrolle der Rohstoffe korrekt durchgeführt worden? Entsprechen die Rohstoffe der versprochenen Spezifikation? – Wurden die Rohstoffe richtig gelagert? (Z.B. frostfrei für wässrige Dispersionen) Waren die Rohstoffe noch innerhalb der Gewährleistung des Herstellers, oder waren sie schon zu alt? Gab es Auffälligkeiten bei der Verwendung der Rohstoffe? Wurde dies irgendwo dokumentiert? – Wurde die richtige Formulierung verwendet? Wurden die richtigen Mengen eingewogen und in der richtigen Reihenfolge zugegeben? Kann das belegt werden? – Wurden die vorgeschriebenen Prozessparameter exakt eingehalten? Wie wurde der Erfolg der einzelnen Teilschritte überprüft? (Z.B. Leistungsaufnahme der Perlmühle, Überprüfung des Mahlgrades durch den Grindometer-Test) – Wie wurde die Endprüfung vorgenommen? Liegen die entsprechenden Dokumente zur Freigabe vor? Sind Prüfmuster vorhanden?
Abbildung 9.1: Systematische Fehlersuche und mögliche Fehlerquellen
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Versuchsplanung und Fehleranalyse – Wurde nach der Abfüllung ein Rückstellmuster genommen, das für weitere Überprüfungen herangezogen werden kann? – Kann der Schaden durch unsachgemäßen Transport oder falsche Applikations- oder Verfahrensbedingungen beim Kunden entstanden sein? – Kann der Fehler im Labor nachgestellt werden? In der Regel besteht gerade für die Herstellung ein klar dokumentierter Ablauf, der eingehalten werden muss und die entsprechenden Prozessschritte müssen sorgfältig dokumentiert werden, so dass die Nachverfolgbarkeit für jede ausgelieferte Charge vom Rohstoff bis zur Auslieferung gegeben ist. Die Erfahrung lehrt, dass die Hauptursache für versteckte Fehler in der Kontamination durch Flüssigkeiten besteht. Daher ergibt es Sinn, alle Bestandteile der Produktionsanlagen und die Behälter auf ihre Sauberkeit zu prüfen und die Reinigung ebenfalls in den internen Prozessen klar zu definieren. Es ist anzuraten, dass zum Beispiel Dichtungen, Ventile, Hähne und Pumpen vor ihrem Einbau in die Produktionslinien überprüft werden. Trotzdem lassen sich auch bei noch so sorgfältiger Produktion Fehler nicht ganz vermeiden. Hier ist dann der Lacktechniker in Zusammenarbeit mit der Produktionsleitung gefragt, die Fehlstellen zu finden und zu eliminieren.
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Effektpigmente
10 Neuere Entwicklungen in der Lackchemie Von Anfang an verfolgte die Entwicklung von Beschichtungssystemen zwei Hauptziele: 1. die Erzielung von dekorativen Effekten und 2. das Erzeugen von Schutz gegenüber Umwelteinflüssen. Dies hat sich bis in die neueste Zeit nicht verändert. Gerade die Automobilindustrie verlangt Jahr für Jahr neue dekorative Effekte für die Karosserielackierung. Auch der Korrosionsschutz, gerade an stark exponierten Anlagen, sorgt für Kosteneinsparungen in Milliardenhöhe. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die Forschungen auf diesem Gebiet weitergehen.
10.1 Effektpigmente Insbesondere Effektpigmente, die einen starken winkelabhängigen Effekt bei guter Deckkraft zeigen, wurden in der letzten Zeit weiterentwickelt. Dazu gehören insbesondere Pigmente, die auf cholesterischen flüssigkristallinen Polymeren (LCP) basieren. Flüssigkristalline Polymere weisen eine hohe Ordnung auch im flüssigen Zustand auf. Meistens handelt es sich um starre Molekülgerüste, die eine Vorzugsorientierung einnehmen. Ein Spezialfall dieser Flüssigkristalle sind die cholesterischen Flüssigkristalle. Hier ordnen sich die Moleküle in einer Helixform an. Diese Anordnung bewirkt eine starke „Anisotropie“ für das eingestrahlte Licht. Unter Anisotropie versteht man eine Änderung der Eigenschaften, z.B. eines Kristalls, in Abhängigkeit von der Raumrichtung. Im Fall der cholesterischen Kristalle erfährt senkrecht zur optischen Achse der Helix eingestrahltes Licht eine deutlich andere Polarisierung als parallel eingestrahltes Licht. Aufgrund der Periodizität der Struktur finden Interferenzeffekte des reflektierten Lichts statt. Die Interferenz ist abhängig von der Ganghöhte p in Gleichung 10.1. Liegt sie in der Größenordnung des sichtbaren Lichtes, bilden sich ähnlich wie bei den Glimmerpigmenten stark winkelabhängige Interferenzfarben aus [271]. Zusätzlich ist das reflektierte Licht noch je nach Händigkeit der Helix (Rechts oder Linksschraube) zirkular polarisiert. Analog zur Bragg-Reflexion beschreibt die Wulf-Braggsche Gleichung (siehe Gleichung 10.1) für konstruktive Interferenz den Zusammenhang zwischen eingestrahlter Wellenlänge und Ganghöhe [272]. Gleichung 10.1
λ = p n ⋅ sinΦ
mit p = Ganghöhe, n = mittlerer Brechungsindex, Φ = Einstrahlwinkel Die Ganghöhe hängt auch von der Temperatur der Polymere ab. Deshalb zeigen Flüssigkristallpolymere meistens zusätzlich noch thermochromes Verhalten [273], d.h. die Farbtöne hängen von der Temperatur ab. Um dieses Verhalten, das zum Teil unerwünscht ist, auszuschließen, werden
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Neuere Entwicklungen in der Lackchemie die Polymere nach der Anordnung vernetzt, so dass die Beweglichkeit der Moleküle stark eingeschränkt wird. Die Polymere selbst sind farblos, der Farbeffekt kommt nur durch Interferenz zustande, das nicht reflektierte Licht muss deshalb von einer dunklen Absorberschicht eliminiert werden. Entweder ist diese direkt auf den Pigmenten aufgebracht, oder es muss auf einen dunklen Untergrund beschichtet werden. Dann ist der Farbumschlag sehr stark, wie sich jeder auf den einschlägigen Passdokumenten oder auch Geldscheinen selbst überzeugen kann. Deshalb finden diese Pigmente vor allem in Sicherheitsdokumenten oder auch für Druckfarben für den Produktschutz Anwendung [274]. Ebenso sind auch Pigmente mit holographischen Strukturen für dieses Marktsegment im Einsatz.
10.2 Funktionelle Beschichtungen – Selbstheilung Neben dem „klassischen“ Gebiet der Dekoration beschäftigen sich neuere Entwicklungen vor allem mit der Einführung von zusätzlichen „Funktionen“ in die Lacksysteme. Zu diesen Funktionen soll der Systematik zuliebe in diesem Zusammenhang auch der „Schutz“ insbesondere der Korrosionsschutz gezählt werden. In letzter Zeit wird versucht, diese Funktionen auch schaltbar bzw. auf die Umwelt adaptiv zu gestalten, man spricht dann von „smarten“ Beschichtungen. Im Folgenden sollen diese Entwicklungen schlaglichtartig beleuchtet werden, näheres findet man in der Fachliteratur. Die wichtigste Funktion von Beschichtungen ist bereits klassischerweise der Schutz vor chemischem Einfluss, insbesondere dem Korrosionsschutz. Auch gerade hier gibt es in neuerer Zeit interessante Ansätze. Wie bereits in Kapitel 8.5 beschrieben, werden für den (schweren) Korrosions
Abbildung 10.1: Schema eines cholesterischen Pigmentes. Die Moleküle richten sich in einer Helix aus, dargestellt als Stäbchen. Die Ganghöhe p definiert damit die Wiederholungseinheit.
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Funktionelle Beschichtungen – Selbstheilung schutz meistens Epoxidharze verwendet. Das Ende der Lebensdauer dieser Beschichtungen ist erreicht, wenn die Beschichtung verletzt wird, sei es mechanisch oder durch Rissbildung aufgrund von Alterung des Materials. Die Lebensdauer der Beschichtung kann dann deutlich verlängert werden, wenn diese Risse von selbst wieder zuheilen, oder durch einen Reparaturmechanismus wieder geschlossen werden. Selbstverständlich finden diese Konzepte auch in anderen Gebieten Anwendung. Für die Selbstheilung werden zwei Konzepte diskutiert [275]: 1. Selbstheilung durch Verkapselung von reaktiven Komponenten 2. Selbstheilung durch (reversible) physikalische oder chemische Vernetzung von Polymeren.
10.2.1 Selbstheilung durch Verkapselung von reaktiven Komponenten Mit reaktiven Flüssigkeiten gefüllte Kapselsysteme sind bereits seit den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts bekannt. Sie wurden in den „Selbstdurchschreibpapieren“ für Formulare eingesetzt. Durch Druck wurden die Kapseln zerstört und bildeten mit Säure in der Papierbeschichtung einen Farbstoff [276]. Doch erst im Jahr 2001 wurde diese Technologie der Lacktechnik zum Wiederverschluss von entstandenen Rissen vorgestellt [277]. Das Prinzip beruht auf der Verkapselung einer reaktiven Komponente einerseits und einer anderen reaktiven Komponente oder eines Katalysators andererseits. Durch Beschädigung werden die Kapseln verletzt, laufen aus, die Inhaltsstoffe werden durch die Kapillarkräfte in den Riss gezogen und kommen in Kontakt zueinander, was wiederum eine Vernetzungsreaktion auslöst und damit den Riss verschließt (siehe Abbildung 10.2). Dieses Prinzip existiert in der Literatur in unzähligen Abwandlungen [278]. So kann die reaktive Komponente z.B. durch Sauerstoff vernetzen, ein Katalysator liegt dann in der Beschichtungsmatrix unverkapselt vor, es können aber auch zwei unterschiedliche reaktive Komponenten verkapselt werden. Die Kapseln können aus unterschiedlichen Polymeren bestehen, meistens sind dies Melaminformaldehyde, es sind aber auch Epoxid-Systeme oder Polyurethane oder Harnstoffe bekannt, sogar Sol-Gel-Systeme sind als Kapselwand bekannt [278]. Damit kann eine optimale Einbindung der Kapseln in das verwendete Lacksystem erreicht werden.
Abbildung 10.2: Prinzip der Selbstheilung durch Mikroverkapselung von reaktiven Komponenten
213
Neuere Entwicklungen in der Lackchemie Die Herstellung von Mikrokapseln ist dabei apparativ relativ einfach. Meistens geschieht sie durch Emulsion des zu verkapselnden Materials in einem für dieses unlöslichen Lösemittels, oft Wasser (Öl in Wasser-Emulsion). Als Hilfsmittel werden Emulgatoren und Schutzkolloide eingesetzt. Unter Rühren werden zur so entstandenen Emulsion Verkapselungsreagenzien zugegeben, die sich an der Phasengrenzfläche anlagern und die Tröpfchen umhüllen. Zugabe des Vernetzungsreagenzes und Änderung der Prozessbedingungen (z.B. pH-, Temperaturänderung) führt zur Stabilisierung (Vernetzung) der Kapselhülle. Die Kapseln können danach getrocknet oder auch feucht in ein Lacksystem eingebunden werden. Das Herstellungsschema ist in Abbildung 10.3 gezeigt. Obwohl das Potenzial dieser Methode groß zu sein scheint, sind bis jetzt nur wenige Lacksysteme mit dieser Technologie kommerziell erhältlich, beispielsweise ein Holzschutzlack [279]. Aufgrund der unterschiedlichen, möglichen Füllungen der Mikrokapseln lässt sich diese Technologie für die Einführung unterschiedlichster Funktionen nutzen. Füllt man die Kapseln z.B. mit Korrosionsinhibitoren, kann der Korrosionsschutz auch ohne Selbstheilung deutlich verbessert werden [280], [281]. Auch können die Kapselwände bei bestimmten pH-Werten aufgelöst werden. An korrodierenden Stellen steigt lokal der pH-Wert aufgrund der Anodenreaktion (siehe Gleichung 8.4). Kapseln, die bei hohen pH-Werten für den Inhibitor durchlässig werden, können so Korrosion in sehr frühen Stadien stoppen [282]. Außerdem können die Kapseln mit Bioziden gefüllt und so in Antifouling-Beschichtungen (z.B. für Schiffe) eingesetzt werden. Dabei dienen die Kapseln als Reservoir für die Biozide, die über die Lebensdauer der Beschichtung die Füllung langsam an das Lacksystem abgeben. Hier muss im Gegensatz zu den oben beschriebenen Kapseln die Kapselhülle semipermeabel sein, damit die verkapselten Wirkstoffe auch in die Matrix diffundieren können. Das erfordert genaue Kenntnis über das Design der Kapselhülle und die Prozesse zur Herstellung der Kapseln [283].
10.2.2 Selbstheilung durch (reversible) physikalische oder chemische Vernetzung von Polymeren Eine mechanische Verletzung eines Polymeren geschieht, wie in Kapitel 8.1.1 beschrieben, hauptsächlich zwischen den kovalent vernetzten Bereichen, da dort nur intermolekulare Wechselwirkungen herrschen. Die Kratzfestigkeit kann erhöht werden, indem die Vernetzungsdichte und die Ausdehnung der kovalent vernetzten Bereiche erhöht wird. Eine andere Möglichkeit besteht darin,
Abbildung 10.3: Herstellungsmethode für Mikrokapseln
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Funktionelle Beschichtungen – Selbstheilung dass sich ein durch eine mechanische Belastung entstandener Riss wieder durch „Selbstheilung“ schließt. Dazu muss das Polymer zumindest in einigen Bereichen flexibel genug sein, damit molekulare Bewegung zugelassen wird, und es müssen Verknüpfungsstellen geschaffen werden, die sich reversibel öffnen und wieder schließen lassen, ähnlich wie dies bei einem Klettverschluss oder einem Druckverschluss realisiert ist. Diese Verknüpfungsstellen können chemischer Natur oder physikalischer (supramolekularer) Natur sein. Typische physikalische Vernetzungsstellen sind beispielsweise Bereiche mit Wasserstoffbrückenbindungen, wie dies z.B. bei den thermoplastischen Polyurethanen verwirklicht ist. Auch aromatische π-π-Wechselwirkungen können zu einer Quervernetzung führen. Weiterhin sind ionische Wechselwirkungen (z.B. Metallionen mit Carboxylaten) reversibel. Diese Art der reversiblen Bindung ist z.B. in der Siegelschicht wiederverschließbarer Käseverpackungen verwirklicht1. Ebenfalls kann man sich auch chemische reversible Vernetzungen vorstellen. Dies könnte z.B. eine Vernetzung über die Diels-Alder-Reaktion sein. Die wichtigsten Prinzipien sind in Abbildung 10.4 gezeigt. Bei der Verletzung durch einen Kratzer werden bevorzugt die schwächeren Bindungen (z.B. H-Brücken) in den flexiblen Bereichen gebrochen. Wird das Material beispielsweise durch Sonneneinstrahlung über die Tg oder bei der chemischen Vernetzung über die Aktivierungsenergie erwärmt, können die flexiblen Bereiche wieder zusammenfließen und sich die Quervernetzungen wieder ausbilden, der Lack ist wieder ausgeheilt.
Abbildung 10.4: Wichtige Selbstheilungsprinzipien
1 Z.B. „Surlyn“ Ionomiere von Dow
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Neuere Entwicklungen in der Lackchemie
10.3 Funktionelle Beschichtungen – Selbstreinigung In den letzten 20 Jahren hat vor allem das Thema „Selbstreinigung“ bzw. „Easy-to-Clean“ und „Antigriffiti“ die Entwicklungslabore vieler Lackhersteller beschäftigt. Easy-to-Clean- und Antigraffiti-Oberflächen werden dann erhalten, wenn die Benetzung der Oberfläche mit den verschmutzenden Substanzen auf ein Minimum begrenzt werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn die Oberfläche der Lackschicht eine möglichst geringe Oberflächenspannung aufweist, siehe Kapitel 4.3. Deshalb wurden Additive entwickelt, die die Oberflächenspannung einer Lackschicht deutlich herabsetzen. Oft bestehen diese aus Silikonen oder Polyethern von Silikoneinheiten oder aus fluorierten Verbindungen. Die letzteren sind allerdings in neuerer Zeit stark unter Beschuss geraten, da sie sich im Körper und der Natur anreichern und nicht abbaubar sind. Mit ihnen sind allerdings nicht nur hydrophobe, sondern auch oleophobe Eigenschaften erreichbar, so dass auch Farben auf Lösemittelbasis derartig modifizierte Oberflächen nicht oder nur schlecht benetzen können. Soll allerdings eine Oberfläche von Wasser und Schmutzpartikeln praktisch gar nicht mehr benetzt werden, reicht eine reine Hydrophobierung auf Basis von Additiven nicht aus.
10.3.1 Lotus-Effekt Wenn eine Lackoberfläche durch Wasser (Luftfeuchtigkeit, Regen) gut benetzbar ist, können auch Verunreinigungen wie Staub und andere Partikel auf der Oberfläche anhaften. Das geschieht vor allem bei polaren Oberflächen. Unpolare Flächen werden dagegen von Wasser weniger benetzt, das dann nur Tropfen ausbildet. Werden unpolare Oberflächen mit einer Mikrostruktur versehen, ist die Wechselwirkung mit Wasser noch geringer. Das Wasser perlt einfach ab, die Oberfläche bleibt trocken. Dieses Verhalten ist in der Abbildung 10.5 modellhaft dargestellt. Liegt der Kontaktwinkel zu Wasser dabei über 150°, spricht man von superhydrophoben Oberflächen. Dieses Prinzip ist in der Natur bei einigen Pflanzen und Tieren verwirklicht. So sind die Flügel einiger Libellenarten von Wasser nicht benetzbar, auch die Blätter von Kohlrabi, Lupinen und insbesondere der Lotuspflanze sind stets trocken. Ebenso fällt beim genauen Betrachten der Blätter dieser Pflanzen auf, dass diese nicht verschmutzen, es sei denn, die Blattstruktur wird zerstört. Schmutzpartikel können aufgrund der Mikrostruktur keine großen Wechselwirkungen mit der Blattoberfläche eingehen und liegen deshalb nur lose auf. Wasser perlt ebenfalls von der Oberfläche ab. Ein Wassertropfen, der über den
Abbildung 10.5: Wirkung der Oberflächenstrukturierung auf den Kontaktwinkel gegen Wasser
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Funktionelle Beschichtungen – Selbstreinigung Schmutzpartikel rollt, kann auf den Schmutzpartikel eine größere Wechselwirkung ausüben als dieser mit der Oberfläche, er wird deshalb vom Wasser mitgenommen und abgespült [284], [285]. Die Oberfläche des Lotusblattes ist mit sehr kleinen zapfenartigen Wachspartikeln belegt. Diese Wachspartikel sind sehr hydrophob und sie strukturieren die Oberfläche des Blattes deutlich [286]. Deshalb wird dieses Prinzip als „Lotus-Effekt“ vermarktet. Es ist in Abbildung 10.6 schematisch dargestellt. Während ein Wassertropfen auf einer hydrophobierten Oberfläche den Schmutz nur verlagert und sich damit Schlieren auf dem getrockneten Substrat bilden, nimmt der auf der superhydrophoben Oberfläche abrollende Tropfen den Schmutz mit und reinigt diese dadurch. Es existieren einige Ansätze, diesen Lotus-Effekt für Lackoberflächen auszunutzen. Dazu werden den Lacken sehr feinteilige Wachsdispersionen zugefügt, die dann an die Oberfläche ausschwimmen, diese strukturieren und damit die Aufgabe der Wachspartikel der Lotusblätter übernehmen. Die Anwendung hat allerdings ihre Grenzen: Aufgrund der Strukturierung der Oberfläche können keine hochglänzenden Filme erzeugt werden, diese sind immer matt. Auch können die so gebildeten Filme nicht oder nur schwer überarbeitet werden, weil die Wachspartikel eine optimale Benetzung durch die neue Beschichtung erschweren. Der Effekt konnte bislang nur temporär erhalten bleiben, da sich Lackoberflächen im Gegensatz zu einem lebenden Blatt nicht erneuern können. Wird die Struktur verletzt, ist der Effekt beeinträchtigt, es erfolgt von diesen Stellen aus ein Aufbau durch die Verschmutzungen. Es ist also sinnvoll, diesen Effekt nur in mechanisch wenig belasteten Beschichtungen einzusetzen. Deshalb findet man ihn bislang nur in Fassadenbeschichtungen verwirklicht 2.
10.3.2 Superhydrophile Beschichtungen und Photokatalyse Erstaunlicherweise zeigen „superhydrophile“ Oberflächen ebenfalls im Zusammenhang mit Wasser einen Selbstreinigungseffekt. Spreitet ein Wassertropfen vollständig auf einer Oberfläche, kann der so hauchdünn verteilte Wasserfilm auf der Oberfläche liegende Partikel unterwandern und bei höherer Wassergeschwindigkeit wegspülen. Könnte man Superhydrophlie nur über Strukturierung der Oberfläche erzeugen, wäre dieser Technologie wahrscheinlich kein Erfolg beschieden. Allerdings sind in der Zwischenzeit Gläser und Dachziegel erhältlich, die diesen Effekt mit Erfolg ausnutzen. Bereits seit den 1980er Jahren ist bekannt, dass Polymeroberflächen unter UV-Bestrahlung insbesondere in Gegenwart von Titandioxid-Pigmenten zersetzt werden und zur Kreidung neigen (siehe Kapitel 8.6.1). Dieser Effekt wird als Photokatalyse bezeichnet und ist in der Zwischenzeit gut untersucht [287]. 1997 entdeckten Forscher aus Japan, dass eine mit Titandioxid beschichtete
Abbildung 10.6: Selbstreinigung durch Superhydrophobie vs. einfache Hydrophobie 2 Z.B. „Lotusan“ der Fa. Sto
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Neuere Entwicklungen in der Lackchemie Oberfläche (super-)hydrophil wird, wenn diese mit UV-Licht bestrahlt wird [288]. Nach der Bestrahlung stellt sich langsam wieder die ursprüngliche Oberflächenenergie der Oberfläche ein. Diese beiden Effekte (Photokatalyse und Superhydrophilie) kann man nun zur aktiven Reinigung benutzen. Bringt man TiO2 in eine Schicht ein, kann dieses unter Einfluss von UV-Licht organische Verschmutzungen oxidieren und dadurch leichter wasserbenetzbar machen. Die ebenfalls erzeugte Hydrophilie führt dazu, dass Wasser auf der Oberfläche spreitet und den oxidierten Schmutz unterwandert und entfernt.
Photokatalyse
Titandioxid kommt im Wesentlichen in zwei Modifikationen vor: Rutil und Anatas (Kapitel 7.3.1). Beide zeigen die oben beschriebenen Effekte, aber in unterschiedlichem Maß. Beide Modifikationen absorbieren im UV-Bereich, siehe auch Abbildung 7.12. Für die Selbstreinigung wird in der Regel Anatas eingesetzt, manchmal auch eine Mischung von Rutil und Anatas [289]. Zum Verständnis dieser Phänomene lässt sich das Bändermodell heranziehen. Titandioxid ist ein Halbleiter. Die Bandlücke zwischen Valenz- und Leitungsband beträgt 3,0 eV bei Rutil und 3,2 eV bei Anatas. Bei Bestrahlung mit UV-Licht kann nun ein Elektron aus dem Valenz- in das Leitungsband angehoben werden. Es entsteht damit eine Ladungstrennung. Im Leitungsband befindet sich ein „freies“ Elektron (e-), im Valenzband fehlt eine negative Ladung, es ist ein „Elektronenloch“ (h+) entstanden. Sowohl das Loch als auch das Elektron können sich durch den Kristallverbund hindurchbewegen und an der Oberfläche mit benetzenden Substanzen reagieren. Dabei ist das Elektronenloch ein starkes Oxidationsmittel, es kann insbesondere Wasser ein Elektron entreißen. Es werden dabei hochreaktive Hydroxidradikale gebildet. Gleichung 10.2
h+ + H2O H+ + OH⋅
Ebenso wirkt das Elektron als starkes Reduktionsmittel, es kann insbesondere Luftsauerstoff in Gegenwart von Wasser zu Wasserstoffsuperoxidradikalen reduzieren: Gleichung 10.3
e- + H+ + O2 HOO⋅
Beide entstehenden Radikale können nun wiederum mit organischen Substanzen reagieren und diese oxidieren. Die Gesamtreaktion stellt sich also folgendermaßen dar: Gleichung 10.4
PIH-Effekt
H2O + O2 OH⋅ + HOO⋅
Wie bereits oben angedeutet, wird die Selbstreinigung durch die erzeugte Superhydrophilie deutlich verstärkt. Diesem „PIH-Effekt“ (Photo induced hydrophilic effect) liegt ein komplizierter Mechanismus zugrunde. Vereinfacht kann er aber auf die oben aufgeführten Gleichungen zurückgeführt werden. Nach Gleichung 10.3 und Gleichung 10.4 liegen auf der Kristalloberfläche nebeneinander reduktive und oxidative Zonen vor. Dabei werden auch Bindungen auf der Oberfläche gebrochen und wieder neu geknüpft. Sauerstoff und Wasser sind wie in den oben gezeigten Gleichungen existenziell für diesen Effekt. Es treten durch die Interaktion mit diesen Stoffen starke Polarisationen der Oberfläche ein, die zu einer starken Interaktion mit weiterem Wasser führen, was in der starken Spreitung resultiert [287].
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Antifouling-Beschichtungen Dieser PIH-Effekt wirkt unter UV-Belichtung und nimmt nach Ende der Bestrahlung langsam wieder ab. Allerdings ist er reversibel, d.h. bei erneuter Bestrahlung stellt sich dieser Effekt wieder ein. Neuere Forschungen beschäftigten sich damit, die Elektronenanregung auch bereits bei Bestrahlung mit sichtbarem Licht stattfinden zu lassen. Damit lässt sich der Effekt auch in Innenräumen oder in Gebieten mit wenig Strahlung nutzen. Die Selbstreinigung über Superhydrophilie und Photokatalyse ist in der Zwischenzeit in einigen Produkten kommerziell erhältlich. Insbesondere sind dies anorganische Schichten auf Glas oder Keramik. Die Problematik, diesen Effekt auch in polymeren Beschichtungen einzusetzen liegt in der Photokatalyse, denn durch die entstehen starken Oxidationsmittel, die die organische Verbindungen zersetzen sollen, werden auch die organischen Bindemittel angegriffen, was zur Kreidung der Beschichtung führt. Aus diesem Grund eignen sich für diese Art der Anwendung nur Bindemittel mit hohem anorganischen Anteil, wie dies z.B. bei Sol-Gel-Beschichtungen verwirklicht ist (siehe Kapitel 6.5.3 Sol-Gel-Beschichtungen).
10.4 Antifog-Beschichtungen/ hydrophile Beschichtungen Für viele Anwendungen ist jedoch keine Superhydrophilie erforderlich, oft reicht auch eine starke Hydrophilie der Oberfläche aus. Anwendungen finden solche Beschichtungen z.B. als Antibeschlagschichten (Antifog-Schichten) z.B. auf Autoscheinwerfern. Meistens werden dazu Polymere mit hoher Oberflächenenergie eingesetzt, die im Idealfall auch die Eigenschaft aufweisen, Wasser bis zu einem gewissen Grad aufnehmen zu können. Als Polymere kommen z.B. Polyvinylpyrrolidone (PVP) oder der Polymere mit Polyethylenglycoleinheiten (PEG) zum Einsatz. Aufgrund der hohen Hydrophilie verläuft ein Wassertropfen, und im Idealfall werden kondensierte Tröpfchen zusätzlich noch in die Schicht gesaugt. Damit findet kein Lupeneffekt der Wassertropfen mehr statt und die beschichtete Oberfläche erscheint nach wie vor klar. Der Nachteil dieser Schichten ist im Moment noch, dass diese mechanisch und auch chemisch nicht sehr belastbar sind, und deshalb werden sie meistens dort eingesetzt, wo diese Belastungen nicht zu erwarten sind. Eine weitere wichtige Anwendung hydrophiler Schichten stellen biokompatible Beschichtungen dar. Besonders in der Medizintechnik sucht man seit Längerem nach Beschichtungen, die die Verträglichkeit von Implantaten oder invasiven Geräten mit Gewebe erhöht. Dafür müssen Oberflächen möglichst hydrophiliert werden und auch noch biologisch verträglich sein. Auch hier werden vor allem die oben genannten Polymere und Copolymere davon eingesetzt.
10.5 Antifouling-Beschichtungen Viele Oberflächen, besonders im Kontakt mit Wasser, erleiden mit der Zeit einen Bewuchs mit Mikroorganismen und bei längerer Exposition evtl. auch von Makroorganismen. Dementsprechend spricht man auch von Mikro- und Makrofouling. Dieser Bewuchs verursacht viele Schäden, z.B. im Bereich der Implantatmedizin oder auch bei marinen Anwendungen wie bei Schiffsrümpfen. Gerade das Zuwachsen von Schiffsrümpfen durch Muscheln und Algen stellt ein nicht zu unterschätzendes wirtschaftliches Risiko dar. Der Wasserwiderstand erhöht sich bei Bewuchs eines Schiffes stark, was sich auf dessen Treibstoffverbrauch auswirkt. Mit dem Verbot der hochtoxischen Zinn(IV)-Organyle aus Umweltschutzgründen wurden umweltverträglichere Lösungen gesucht. Bislang werden im Wesentlichen drei unterschiedliche Strategien und deren Kombination verfolgt.
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Neuere Entwicklungen in der Lackchemie 1. Abtöten der Mikroorganismen, bevor sie an die Schicht anhaften können (aktive Beschichtungen). 2. Verhindern der Anhaftungen der Mikroorganismen (passive Beschichtungen) durch a) Einstellen der Oberflächenenergie, so dass ein Anhaften nicht wirkungsvoll möglich ist und die Organismen durch die Strömung abgespült werden (hydrophobe Oberflächen), oft kombiniert mit speziellen Strukturierungen. b) Hydrophile Oberflächen, die aufgrund des hohen Wassergehaltes in der Schicht zu wenig Haftungsstellen für die Organismen exponieren. 3. Lässt sich das Anhaften nicht verhindern, sollte sich die Schicht langsam auflösen, so dass die angehafteten Organismen mit dieser Schicht abgespült werden. (Opferschichten) Um die Wirkungsweisen verstehen zu können, muss man sich die einzelnen Phasen der Besiedlung von Oberflächen durch Mikroorganismen verdeutlichen. Die Bildung von Biofilm erfolgt in mehreren Phasen [290], [291]: 1. Adsorption von Makromolekülen wie Peptiden oder Proteinen, es bildet sich ein Film, der die Konditionierung für die nachfolgende Besiedlung schafft. 2. Ansiedlung von Mikroben und Bakterien, 3. Anhaften der Bakterien durch Ausscheidung natürlicher „Klebstoffverbindungen“, 4. Entwicklung einer komplexeren Gemeinschaft von mehrzelligen Lebewesen wie Mikroalgen zusammen mit deren Ausscheidungen auf der Oberfläche, 5. Aufwachsen von größeren Wirbellosen wie Muscheln und Makroalgen. Diese Schritte variieren je nach Umgebung und sind noch Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion. Wichtig scheint auf jeden Fall zu sein, die Ausbildung der Konditionierungsschicht zu verhindern. Darauf zielen die passiven Beschichtungen durch Hydrophilie ab. Auf der anderen Seite kann eine leichtere Ablösung einer entstandenen Schicht ebenfalls zum Ziel führen. Hier spielen hydrophobe Beschichtungen eine wichtige Rolle. Das Abtöten der ersten Kolonisierungslebewesen entspricht im Wesentlichen der bekannten Biozidstrategie.
10.5.1 Aktive Antifouling-Beschichtungen Aktive Beschichtungen töten Mikroorganismen bei Kontakt, bevor sie die Oberfläche besiedeln können. Meistens sind die aktiven Substanzen in der Polymermatrix eingebettet. Diese kann entweder unlöslich sein, dann müssen die Substanzen durch die Polymermatrix hindurchdiffundieren können, was nach einer Zeit zu einer Verlangsamung der Biozidabgabe führt, oder die Polymermatrix ist in Wasser langsam löslich, so dass immer wieder eine neue aktive Oberfläche freigelegt wird [292]. In beiden Fällen muss ein Kompromiss zwischen guten Antifouling-Eigenschaften und mechanischen Beständigkeiten gefunden werden. In der Zwischenzeit sind diese Beschichtungen Stand der Technik, preislich konkurrenzfähig und besitzen eine Lebensdauer von mehr als drei Jahren. Allerdings erfüllen sie nicht die Anforderungen an eine gute Umweltverträglichkeit. Als Weiterentwicklung dieser Systeme kann die chemische Anbindung der Biozide an die Oberfläche der Beschichtung verstanden werden. Insbesondere organische quaternäre Ammoniumsalze (Quats) eignen sich hierfür. Sie werden ebenfalls für antimikrobielle Beschichtungen, z.B. auf Geweben, eingesetzt. Es wird angenommen, dass die positive Ladung des Ammoniumkopfes die Zellwand von Bakterien zerstört und die Zelle zum Auslaufen bringt [293]. Leider erfüllen diese kationischen Polymere zwar den Zweck der Abtötung der Mikroorganismen, oftmals haften diese dann trotzdem bereits über die Konditionierungsschicht auf den Oberflächen. Auf der Schicht aus toten Mikroorganismen kann dann trotzdem ein weiterer, wenn auch zeitverzögerter
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Antifouling-Beschichtungen Bewuchs stattfinden. Deshalb wird diese Strategie meistens mit hydrophoben Beschichtungen, insbesondere aus Silikonen kombiniert. Eine etwas andere Strategie wird in folgendem System umgesetzt: Die Ansiedlung von Bakterien funktioniert über das sogenannte „Quorum sensing“. Dabei werden die Mikroben durch interzelluläre Kommunikation in einen Modus geschaltet, der die Bildung des Films an- oder abschaltet. Bestimmte anorganische Nanopartikel wie Ceroxide können nun durch Katalyse und der Bildung bromierter Produkte in diesen Kommunikationsmechanismus eingreifen, was dazu führt, dass sich der Biofilm gar nicht erst bildet [294], [295].
10.5.2 Hydrophobe, ablösungsfördernde Beschichtungen Hat sich ein Biofilm bereits gebildet, ist es wichtig, dass sich dieser wieder einfach ablösen lässt. Besonders bei höheren Fließgeschwindigkeiten des Wassers sollte es so möglich sein, einen entstandenen Biofilm einfach zu entfernen. Interessanterweise hat sich herausgestellt, dass nicht die fluorierten Verbindungen wie PTFE hier die besten Ergebnisse liefern, sondern Silikone, die eine höhere Oberflächenenergie aufweisen als die perfluorierten Verbindungen. Dies wurde bereits schon vor einigen Jahren entdeckt. Der Zusammenhang zwischen kritischer Oberflächenenergie und der Anhaftung von Mikroorganismen wurde von Baier entdeckt [296]. Unter „kritischer Oberflächenenergie“ wird die Energie einer Oberfläche verstanden, bei der diese gerade einen Kontaktwinkel zum umgebenden Medium von 0° aufweist. Trägt man nun die kritische Oberflächenenergie gegen die Schwere der Anhaftung auf, ergibt sich die sogenannte „Baier-Kurve“ wie in Abbildung 10.7 dargestellt. Sie weist ein Minimum bei ca. 22 mN/m auf. Dies liegt ziemlich genau im Bereich der Oberflächenspannungen von Silikonen. Zu höheren Oberflächenenergien hin erreicht sie ein Maximum bei ca. 60 mN/m, um bei noch höheren Oberflächenenergien wieder steil abzufallen.
Abbildung 10.7: Baier-Kurve: Beziehung zwischen der kritischen Oberflächenenergie eines Substrats und der Anhaftungsstärke eines Biofilms
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Neuere Entwicklungen in der Lackchemie Zu beachten ist: Diese Kurve gilt experimentell für den Biofilm, der gebildet wurde, bevor die Haftklebstoffe ausgeschüttet wurden, also vor Phase 3 der Besiedlung. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass gerade Silikonbeschichtungen Oberflächen ergeben, von denen sich Biofilme wieder gut ablösen lassen. Allerdings können die entsprechenden nötigen Oberflächenenergien auch durch Zugabe perfluorierter Polymere erreicht werden, weshalb auch im angeblichen Widerspruch zur Baier-Kurve, solche Polymere zum Einsatz kommen. Die kritische Oberflächenenergie ist nicht die einzige Größe, die für einen Einsatz als Antifouling-Beschichtung wichtig ist. Aus struktureller Hinsicht gelten für die Auswahl geeigneter Polymere folgende Voraussetzungen [297]: 1. keine reaktiven Gruppen an der Oberfläche, die mit dem Biofilm reagieren könnten, 2. möglichst wenig Heteroatome, möglichst keine Ladungen an der Oberfläche, die zu ionischen/ polaren Wechselwirkungen führen könnten und damit die Oberflächenenergie erhöhen würden, 3. möglichst mikroskopisch glatte Oberflächen, so dass keine mechanische Verzahnung des Biofilms mit der Oberfläche stattfinden kann, 4. möglichst stabile Oberflächen. Können sich oberflächennahe Gruppen in Gegenwart des Biofilms umlagern, können Mikrolöcher im Polymerfilm entstehen, die die Verzahnung des Biofilms fördern. Es konnte gezeigt werden, dass neben der kritischen Oberflächenspannung, auch der Elastizitätmodul zu einer guten Ablösung bzw. Haftung beiträgt. Es gilt experimentell: _ Gleichung 10.5 Adhäsion ∝ √ γc E Mit E = Elastizitätsmodul und γc = kritische Oberflächenenergie
Das bedeutet, neben der richtigen kritischen Oberflächenenergie muss auch der Elastizitätsmodul möglich gering sein. Betrachtet man diese Punkte, müssen folgende Bedingungen an die Struktur der verwendeten Polymere erfüllt sein [298]: 1. Das Polymer sollte ein flexibles, lineares Polymerrückgrad besitzen, das keine unerwünschten Wechselwirkungen eingehen kann. 2. Es sollte oberflächenaktive Gruppen besitzen, die die gewünschte Oberflächenspannung einstellen und an die Oberfläche migrieren können. 3. Die molekulare Mobilität sollte sowohl im Polymerrückgrad und in den Seitenketten hoch sein (Tiefe Tg). 4. Es sollte einen tiefen Elastizitätsmodul besitzen. 5. Die Oberflächenrauigkeit sollte auch auf molekularer Ebene möglichst glatt sein. 6. Die Schichtdicke sollte so gewählt werden, dass sie die Bruchmechanik an der Grenzfläche Biofilm/Polymer möglichst unterstützt. 7. Die Beschichtung sollte chemisch und physikalisch stabil über die Lebensdauer der Beschichtung sein. Die meisten dieser Eigenschaften werden von Silikonen gut erfüllt. So zeigen sie eine geringe Rauigkeit, das Polymerrückgrad ist linear und gestreckt (der O-Si-O Winkel beträgt 159°) und die Methylgruppen schirmen das Rückgrat sehr gut an der Grenzfläche vom angreifenden Medium ab. Die Tg liegt ebenfalls recht tief, was zu einer hohen konformativen Beweglichkeit führt. Allerdings zeigen insbesondere Silikone nur mäßige mechanische Eigenschaften und die Haftung zum
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Antifouling-Beschichtungen Substrat ist oft nicht besonders gut. Deshalb wurde versucht, diese nachteiligen Eigenschaften durch Copolymerisation mit Urethanen oder Epoxiden zu verbessern. Diese Beschichtungen zeigen eine deutlich höhere Beständigkeit und gute Haftung bei guter antiadhäsiver Wirkung gegen Mikroorganismen. Da die Silikonoberfläche nur an der Grenzfläche zu Wasser wirken muss, besteht ein anderer Ansatz darin, Silikonadditive einer Urethan- oder Epoxidbeschichtung vor der Vernetzung zuzugeben. Aufgrund ihrer Oberflächenspannung diffundieren diese Additive an die Grenzfläche, wo sie dann durch die Vernetzung in die Polymermatrix eingebunden werden. Bei solchen „selbststratifizierenden Beschichtungen“, „self-stratisfying coatings“ wird somit ein Silikongradient mit hohem Silikonanteil an der Grenzfläche zu Wasser und geringem Anteil an der Grenzfläche zum Substrat erreicht. Auf ähnliche Weise werden auch fluorierte Additive zur Senkung der Oberflächenenergie eingesetzt. Gerade auch die Kombination von Silikonharzen mit fluorierten Additiven hat sich als vielversprechend erwiesen.
10.5.3 Hydrophile, anhaftungsverhindernde Oberflächen Der Nachteil hydrophober Antifouling-Oberflächen ist, dass stets ein hydrodynamischer Fluss benötigt wird, um die bereits gebildete Biofilmschicht wieder abzulösen. Ein weiteres Problem besteht darin, dass die Haftungsmechanismen je nach Mikroorganismus und Umgebung unterschiedlich sind. Deshalb gilt als vielversprechender Ansatz, den Biofilm erst gar nicht entstehen zu lassen, denn jede Art der Besiedlung beginnt mit der Adsorption von Proteinen und Peptiden an die Oberfläche. Dies kann durch eine starke Hydrophilierung der Oberfläche erreicht werden, so dass eine gebundene Schicht von Wasser auf der Oberfläche liegt. Hierfür eignen sich besonders Polyethylenglycol-Einheiten (PEG), dargestellt in Abbildung 10.8.
Abbildung 10.8: Modell einer PEG-ylierten Oberfläche. Ein angreifendes Protein muss die vorhandene Wasserschicht ersetzen und wird von den repulsiven Kräften der PEG-Ketten zurückgedrängt.
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Neuere Entwicklungen in der Lackchemie Es wird angenommen, dass sich diese Ketten wie eine Polymerbürste auf der Oberfläche ausrichten und sich ins Wasser strecken. Ein Protein muss nun, um am Substrat anhaften zu können, diesen Wald aus PEG-Ketten durchdringen und diese zusammendrücken, was Energie kostet. Dabei muss es Wassermoleküle zwischen den PEG-Ketten herausdrücken, was ebenfalls energetisch aufwendig ist [299]. Die Effektivität der Abweisung hängt vor allem mit der Belegungsdichte der PEG-Ketten auf der Oberfläche zusammen. Diese ist jedoch nicht so einfach, zu erhöhen. So können z.B. Kammpolymere eingesetzt werden, deren Seitenketten aus PEG-Ketten bestehen. Außerdem kann die Effektivität durch die Kettenlänge gesteuert werden. Auch die Beweglichkeit der Ketten scheint eine Rolle zu spielen. Eine besondere Herausforderung besteht in der Anbindung der PEG-Ketten an das Substrat, was oft über Pfropfungsprozesse (Grafting-Prozesse) geschieht. Die dazu nötigen Funktionalisierungen der Polymermoleküle sind von Substrat zu Substrat unterschiedlich. Eine weitere Problematik liegt in der mechanischen Labilität der aufgepfropften PEG-Ketten. Während derartige Technologien in der Medizintechnik durchaus Anwendung finden, ist eine Anwendung auf Schiffsrümpfen nicht so leicht vorstellbar. Auch werden PEG-Ketten in Gegenwart von Sauerstoff leicht oxidiert, was ebenfalls einer Langzeitanwendung im Wege steht. Neben PEG werden auch andere polare Polymere für Antifouling-Beschichtungen eingesetzt. Dies können z.B. zwitterionische Verbindungen sein, oder auch polare Verbindungen, die Wasserstoffbrücken ausbilden können.
Abbildung 10.9: Beispiel einer amphiphilen Beschichtungen: a: Struktur, b: gestreckte Form, der hydrophile Teil ist abgeschirmt, die Oberfläche erscheint hydrophob, c: Konformation in Wasser: die Ketten sind abgewinkelt, die Oberfläche erscheint polar.
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Flüssigkeitsgefüllte Beschichtungen – SLIPS
10.5.4 Trends in der Antifouling-Beschichtung Amphiphile3 Beschichtungen versuchen das Beste aus beiden oben vorgestellten Welten zu vereinen, d.h. sie besitzen biofilmabweisende (hydrophile) und ablösende (hydrophobe) Domänen. So wurden z.B. Kammcopolymere aus einem hydrophoben Rückgrat und amphiphilen Seitenketten aus Polyethylenoxid als hydorphiler Komponente und ethoxylierten Fluoralkylen als hydrophober Komponente eingesetzt. Die Idee hinter diesen Ansätzen liegt in der Beweglichkeit der Segmente. Ist die Beschichtung in Kontakt mit Wasser, ragen die hydrophilen Ketten in das Wasser und sorgen für die verminderte Ansiedlung des Biofilms. Hat sich ein Peptid jedoch trotzdem angesiedelt, kann das Polymer die Struktur ändern und die hydrophoben Domänen wechselwirken mit dem Peptid, was zur einfacheren Ablösung führt. Ein Beispiel ist in der Abbildung 10.9 dargestellt [300]. Auch eine gezielte Strukturierung der Oberflächen führt zu einer einfacheren Ablösung der angesiedelten Mikroorganismen. Insbesondere, wenn die Strukturierung kleiner als die Ausdehnung der Mikroorganismen ist, wird deren Ansiedlung erschwert. So verhindert eine Strukturierung mit Kanälen kleiner als 2 μm die Ansiedlung deutlich [301]. Dies führt natürlich zur Idee, auch superhydrophobe Oberflächen als Antifouling-Oberflächen zu nutzen, da dieser Effekt genau durch eine Strukturierung erreicht wird. Dabei hat sich herausgestellt, dass insbesondere die Größenordnung der Rauigkeit, die idealerweise im Nanometermaßstab liegt, eine entscheidende Rolle spielt. Die bedeutende Größe dabei scheint zu sein, wieviel Luft sich in den Kanälen ansammeln kann und wie lange sie auch dort verweilt, bevor Benetzung durch Wasser eintritt. Hier ist die Forschung noch relativ weit von einer industriellen Umsetzung entfernt. In ferner Zukunft ist angedacht, solche Antifouling-Systeme mit selbstheilenden Effekten auszustatten, und damit zusätzlich die Dauer der Wirkung und der Unterhaltsintervalle zu verlängern.
10.6 Flüssigkeitsgefüllte Beschichtungen – SLIPS Viele der oben genannten Anwendungen und Probleme werden auch durch eine aufkommende neue Technologie adressiert, die in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit bekommen hat und deshalb hier in einem eigenen Kapitel behandelt werden soll: Ihr Vorbild finden diese „SLIPS“ in der Natur, genau genommen in der Beutemethode der fleischfressenden Kannenpflanzen (Nepenthes). Diese Pflanzen bilden Fallgruben für Insekten aus, die sogenannten Kannen. Darin befindet sich ein stark saurer, mit Verdauungsenzymen angereicherter Saft. Sind die Insekten in diese Kannen gefallen, können sie an den Wänden nicht mehr herausklettern, da diese mit einer Flüssigkeitsschicht überzogen sind, die die Insekten immer wieder daran abgleiten lassen. Dieses Prinzip wird nun versucht, auch in Beschichtungen umzusetzen [302], [303]. Die Anwendungen scheinen schier unbegrenzt: Von der Selbstreinigung s.o. über Non-Fouling-Anwendungen bis zu Antieisbeschichtungen sind die unterschiedlichsten Szenarien vorstellbar. Im Folgenden sollen nur das Grundprinzip und die Unterschiede zu superhydrophoben Oberflächen (SHO) dargestellt werden [304]. Bei beiden Technologien wird eine Oberfläche strukturiert. Bei den SLIPS kann diese Strukturierung auch durch ein poröses Kanalsystem gebildet werden. Diese Matrix ist bei den SLIPS 3 U nter Amphiphilen versteht man Stoffe, die sowohl lipophil (fettliebend, unpolar) als auch hydrophil (wasserliebend, polar) sind. Die bekanntesten Vertreter dieser Stoffgruppe sind die Tenside.
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Neuere Entwicklungen in der Lackchemie meistens, bei den superhydrophoben Oberflächen (SHO) immer hydrophob ausgestattet und bei den SLIPS zusätzlich mit einer (meistens hydrophoben) Flüssigkeit gefüllt (siehe Abbildung 10.10). Zusätzlich müssen SLIPS folgende Bedingungen erfüllen [302]: – Die Flüssigkeit sollte dickflüssig sein, – gut auf der porösen Oberfläche spreiten, – gut auf dieser haften, – möglichst mit dem Arbeitsmedium (meistens Wasser) nicht mischbar sein. Während SHOs statische Kontaktwinkel von >150° zeigen, werden bei SLIPS oft nur 90° erreicht. Allerdings ist die Kontaktwinkelhysterese (Unterschied zwischen Vorzugs- und Rückzugswinkel4) deutlich geringer, was zu einem sehr schnellen Abgleiten auch sehr kleiner Tropfen (im Mikrometerbereich) bei bereits geringen Neigungen führt, der „Abrollwinkel“ 5 ist also sehr klein. Da die Superhydrophobie über die Luft in den Wassertropfen eingeschlossenen Kavitäten gesteuert wird, kann Wasser auf einer trockenen, superhydrophoben Oberfläche in den Kavitäten kondensieren, wobei die Hydrophobie verloren geht. Dies ist besonders für die Vereisung von Oberflächen relevant, da das Eis in den Kavitäten entsteht und dort haftet. Bei SLIPS dagegen sind die Kavitäten mit hydrophober Flüssigkeit gefüllt, was dazu führt, dass auch kondensierendes Wasser schnell abgeführt wird. Bei SHO befindet sich zwischen einem Wassertropfen und den Vertiefungen eingeschlossene Luft, die komprimierbar und für den superhydrophoben Effekt zuständig ist. Wird diese Luft stark komprimiert, kann sie mit der Zeit aus den Vertiefungen entweichen und eine Benetzung der Oberfläche begünstigen, der superhydrophobe Effekt ist zerstört. Im Gegensatz dazu sind bei SLIPS die Vertiefungen mit einer meistens hydrophoben Flüssigkeit gefüllt, die aufgrund ihrer Inkompressibilität diesen Nachteil nicht aufweist, was auch Anwendungen unter größe-
Abbildung 10.10: Struktureller Unterschied zwischen superhydrophoben Oberflächen und SLIPS-Oberflächen. Während bei superhydrophoben Oberflächen die Zwischenräume der Strukturierung mit Luft gefüllt sind, sind diese bei SLIPS-Oberflächen mit einer (hydrophoben) Flüssigkeit gefüllt. 4 U nter dem Vorzugswinkel versteht man den Winkel, der sich beim Kontaktwinkelmessen ergibt, wenn man einem Tropfen Flüssigkeit hinzuführt, diesen also vergrößert. Der Rückzugswinkel ergibt sich aus dem Kontaktwinkel, der entsteht, wenn dem Tropfen Flüssigkeit entzogen wird. Anschaulich sind diese Winkel auch an einem ablaufenden Tropfen zu sehen. An der Tropfenfront ist der Vorzugswinkel messbar, am Tropfenende ist der Rückzugswinkel definiert. Je geringer die Kontaktwinkelhysterese ist, desto gleichförmiger wirkt der Tropfen beim Abrollen. 5 Der Abrollwinkel ist als der Winkel einer geneigten Ebene gegenüber der Horizontalen definiert, an dem ein Tropfen selbständig beginnt abzulaufen. Je geringer dieser ist, desto weniger «haftet» der Tropfen auf der Oberfläche.
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Nachwachsende Rohstoffe
rem Druck ermöglicht. Ist die Flüssigkeit aus irgendeinem Grund an einem Ort nicht mehr vorhanden, kann sie aus der Matrix wieder nachströmen und den Defekt somit wieder „ausheilen“. Ebenfalls fallen mechanische Verletzungen der Oberfläche aus demselben Grund weniger ins Gewicht. Während SHOs aufgrund der Oberflächenstrukturierung matt und opak sind, können mit SLIPS auch transparente Beschichtungen erreicht werden, wenn die Brechungsindizes zwischen Matrix und Füllung annähernd gleich sind. Die Anwendungen dieser Technologie liegen auf der Hand wie z.B. – Selbstreinigung, – Antieisbeschichtungen, – Antifouling-Beschichtungen, – Korrosionsschutzbeschichtungen. Ein Problem dieser Technologie liegt allerdings in der Herstellung der strukturierten Oberfläche und der nachfolgenden Imprägnierung. Dies kann nicht in einem Arbeitsschritt geschehen. Auch verläuft die Imprägnierung oft nicht vollständig. Zur besseren Verträglichkeit muss die strukturierte Oberfläche noch nachträglich hydrophobiert werden, bevor die Imprägnierung stattfindet. Weiterhin kann die Imprägnierung teilweise in größeren Strukturen unter starker Scherbeanspruchung verlorengehen. Oft bestehen die hydrophoben Flüssigkeiten aus perfluorierten Polyethern, was unter Umweltgesichtspunkten nicht erwünscht ist. Besser wäre es, Silikonöle in den Kanälen chemisch an das Gerüst anzubinden. Dies ist zurzeit Gegenstand der Forschung. Ein anderes Problem liegt in der Herstellung der strukturierten Oberfläche an sich. Häufig kommen aufwendige Verfahren, wie Laserstrukturierung oder Microcontact-Printing, zur Anwendung, was nicht für große Flächen geeignet ist. Ein Ansatzpunkt ist eine poröse Beschichtung, die über eine spezielle Polymerisationstechnologie (Poly-HIPE) hergestellt wird [305]. Dieses Verfahren wird bislang benutzt, um Membranen herzustellen. Bis zu einer Anwendung als Polymerbeschichtung ist es also noch ein langer Weg. Auch die Sol-Gel-Methode könnte sich eignen, um die erforderliche Kanalstruktur zu erreichen.
10.7 Bioabbaubare Beschichtungen und Beschichtungsmaterialien aus nachwachsenden Rohstoffen Polymere sind in letzter Zeit in Verruf geraten, da sie biologisch nicht oder nur schwer abbaubar sind und als „Mikroplastik“ ein Problem für die Umwelt darstellen. Außerdem werden sie aus Erdöl hergestellt und im Zuge der Nachhaltigkeitsdebatte werden verstärkt Beschichtungen aus nachwachsenden Rohstoffen nachgefragt. Darauf haben viele Rohstoffhersteller reagiert und bieten in der Zwischenzeit auch Zwischenprodukte an, die zumindest teilweise auf nachwachsenden Rohstoffen basieren. Grundsätzlich ist bei dieser Diskussion festzuhalten: Bioabbaubar bedeutet nicht, dass solch beschichtete Materialien im Hauskompost verrotten, die Abbaubarkeit ist auf industrielle Kompostieranlagen ausgelegt. Es bedeutet auch nicht, dass die eingesetzten Rohstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen. Ein Polymer aus erdölbasierten Rohstoffen kann durchaus bioabbaubar sein, ein Polymer aus nachwachsenden Rohstoffen jedoch nicht. Umgekehrt gilt dasselbe.
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Neuere Entwicklungen in der Lackchemie Und zuletzt: Biobasiert bedeutet auch nicht automatisch „nachhaltig“, insbesondere wenn für die Produktion der Rohstoffe Wälder gerodet und Monokulturen mit hohem Wasserverbrauch und Biozideinsatz angelegt werden oder die verwendeten Rohstoffe mit der Nahrungsmittelproduktion konkurrieren. Die Bioabbaubarkeit spielt im Lack- und Farbenmarkt eine untergeordnete Rolle, sie ist insbesondere in der Verpackungsindustrie gefragt. Im Beschichtungssegment sind hier die Beschichtungen auf Papierverpackungen interessant. Wichtiger für den Lackmarkt sind biobasierte Bindemittel auf Basis nachwachsender Rohstoffe. Pflanzliche Biomasse besteht im Wesentlichen aus: – Fette und Öle, – Cellulose und Stärke, – Lignin, – Proteine. Die für die Lackindustrie schon seit Langem wichtigste Rohstoffklasse unter diesen sind die Öle. In Form von mehrfach ungesättigten Ölen, wie Leinöl und der Fettsäuren, sind sie bereits Bestandteil typischer Lackformulierungen. Insbesondere die Alkydharze, als wichtigste Rohstoffklasse, können hier bereits heute mit einem hohen Anteil an nachwachsenden Rohstoffen punkten. Im Folgenden sollen nur ein paar Schlaglichter auf die einzelnen Rohstoffklassen geworfen werden.
Abbildung 10.11: Verschiedene Möglichkeiten der Herstellung von Alkoholen aus Ölen/Fetten
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Nachwachsende Rohstoffe
10.7.1 Öle Neben der traditionellen Verwendung von Ölen in Alkydharzen kann diese Verbindungsklasse, insbesondere wenn sie ungesättigte Fettsäuren enthalten, für weitere wichtige Grundrohstoffe eingesetzt werden. So werden in der Zwischenzeit auch Polyurethane teilweise oder auch vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt. Die Öle spielen hierbei als Ausgangsstoff eine wichtige Rolle [306]. Von besonderem Wert sind dabei die ungesättigten Fettsäuen. Sie können z.B. zu Epoxiden umgesetzt werden, die wiederum über Ringöffnung zu den entsprechenden Alkoholen umgewandelt werden können. Über eine Hydroformulierungsreaktion und nachfolgende Reduktion sind auch um eine Methyleneinheit verlängerte Alkohole an den ehemaligen Doppelbindungen zugänglich. Durch Umesterung/Amidierung können die einzelnen Fettsäuren auch an andere alkohol-/ amingruppenhaltige Moleküle gebunden werden, siehe Abbildung 10.11 [306], [307]. Von besonderer Bedeutung sind hierfür neben dem bekannten Leinöl auch Castoröl und Sojaöl. Besonders Castoröl ist interessant, weil es bereits Hydroxylgruppen enthält (siehe Abbildung 10.12). Aber nicht nur Polyole sind aus Fettsäuren zugänglich, sondern auch aliphatische Isocyanate, siehe Abbildung 10.13. Allerdings sind die Isocyanate als Ausgangsstoffe für Polyurethane in den letzten Jahren ebenfalls unter Beschuss gekommen, da erstens deren Herstellung über den Stoff Phosgen, ein hochgiftiges Gas, läuft (es sei hier nur an das Chemieunglück von Bhopal erinnert) als auch zweitens die Isocyanate als reaktive Zwischenstufen gesundheitlich bedenklich sind. Deshalb arbeiten einige Arbeitsgruppen und auch die großen Rohstoffhersteller an Alternativen zur Isocyanat-Chemie für die Polyurethan-Herstellung. Dabei wird auch erhöhtes Augenmerk auf die Herkunft der Ausgangsmaterialien gelegt, so dass zukünftig auch isocyanatfreie Polurethane (NIPUs) auf Basis nachwachsender Rohstoffe für die Lackindustrie erhältlich sein dürften. Insbesondere scheint es
Abbildung 10.12: Struktur von Castoröl
Abbildung 10.13: Beispielhafte Herstellung von aliphatischen Isocyanaten aus Fettsäuren
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Neuere Entwicklungen in der Lackchemie interessant zu sein, die Urethane durch eine Additionsreaktion von cyclischen Carbonaten und Aminen zu erzeugen (siehe Abbildung 10.14). Die entsprechenden cyclischen Carbonate lassen sich z.B. aus vicinalen Dialkoholen mit CO2 herstellen, wie sie vor allem auch in der Biomasse (z.B. Zucker, Stärke, Cellulose, Glycerin) gefunden werden können [308]. Auch aus Ölen lässt sich über Epoxidierung der Doppelbindungen und nachfolgende Cycloaddition von CO2 ein cyclisches Carbonat erzeugen (siehe Abbildung 10.15). Ebenfalls können die epoxidierten Fettsäuren zum Aufbau von aliphatischen Polyolen genutzt werden [309]. Der oben angesprochene Weg der Epoxydierung von ungesättigten Fettsäuren legt selbstverständlich auch die Verwendung solcher Verbindungen in Epoxidharzen nahe. Auch lässt sich das bei der Verseifung von Ölen gewonnene Glycerin gut in Epichlorhydrin, einem wichtigen Grundstoff der Epoxidsynthese, sowie weitere wertvolle Grundchemikalien umwandeln, die neue Wege zur Herstellung von Epoxiden oder Polyestern ermöglichen [310], [311].
10.7.2 Cellulose und Stärke Sowohl Cellulose, Hemicellulose als auch Stärke sind Hauptbestandteile der (pflanzlichen) Biomasse. Chemisch sind sie ähnlich aufgebaut. Während Cellulose und Stärke als Makromoleküle aus Glucose-Einheiten aufgebaut sind, besteht Hemicellulose aus unterschiedlichen Zuckereinheiten. Zwischen Stärke und Cellulose liegt der Unterschied in einer anderen Verknüpfung der Glucose-Einheiten, was zu einem unterschiedlichen dreidimensionalen Aufbau der Makromoleküle führt. Alle diese Verbindungen zeichnen sich durch sehr viele OH-Gruppen aus, sie sind also hydrophil. Während Cellulose stark über Wasserstoffbrücken verbundene Fasern ausbildet, liegt Stärke amorph vor und ist wasserlöslich. Sowohl Stärke als auch Cellulose werden schon seit Langem in der Beschichtungsindustrie eingesetzt. Stärke wird vor allem als „Leimungsmittel“ in der Papierindustrie verwendet, Cellulose besonders in der Form der nitrierten oder acetylierten
Abbildung 10.14: Herstellung von NIPUs aus cyclischen Carbonaten und Aminen
Abbildung 10.15: Erzeugung von Carbonaten aus ungesättigten Ölen
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Nachwachsende Rohstoffe
Verbindungen (Nitrocellulose bzw. Celluloseacetat, Acetatseide) kommt als Bindemittel bzw. Additiv zum Einsatz. In letzter Zeit wurde vor allem der (bio-)chemische Abbau dieser Verbindungen zu kleinen, funktionalisierten Molekülen untersucht. Diese eignen sich wiederum zum Aufbau komplexerer Verbindungen, wie auch beispielsweise Polymere, sie werden als „Plattformchemikalien“ bezeichnet. So lassen sich aus den Glucose-Einheiten der Stärke und Cellulose sowohl C2- (Ethanol), C3(Milchsäure) als auch C4- (Bernsteinsäure) und C5- (5-Hexamethylfurfural oder auch C6- (Sorbit) Bausteine herstellen. Diese Bausteine sind jeweils hydroxy-, carboxyl oder sogar aldehydfunktionalisiert, was sie zu wertvollen Rohstoffen für den nachfolgenden Aufbau von Polymeren macht. Einen Überblick gibt Abbildung 10.16. Sorbit bzw. Isosorbit [312], [313] und 5-Hexamethylfurfural (5-HMF) sind neben Milchsäure vielversprechende Ausgangsstoffe. Während Bernsteinsäure direkt zur Herstellung von aliphatischen Polyestern verwendet werden kann, spielt die Milchsäure eine wichtige Rolle zur Herstellung von PLA, einem Kunststoff, der vor allem als bioabbaubarer Thermoplast verwendet wird. Isosorbit wird zum Aufbau von aliphatischen Polyurethanen mit hoher mechanischer Beständigkeit [308]
Abbildung 10.16: Einige Plattformchemikalien, herstellbar aus Cellulosen und Stärke
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Neuere Entwicklungen in der Lackchemie oder Bisphenol A-freien Epoxidpolymeren [313] eingesetzt, und es wird auch als Grundstoff für Netzmittel, Weichmacher [314] oder biobasierte Lösemittel diskutiert [312]. Ebenfalls von steigender Bedeutung ist 5‑Hydroxymethylfurfural (5-HMF). Es lässt sich aus Hemicellulose über einen zur Zeit in der Erprobungsphase befindlichen Hydrothermalprozess herstellen [315-317]. Sowohl Furfural, als auch 5-HMF werden als wichtige Plattformchemikalien diskutiert [316], [318-322]. Für weitere Informationen hierzu wird auf die angegebene Literatur verwiesen.
10.7.3 Lignin Weiterer Bestandteil der Lignocellulose ist Lignin. Lignin ist ein duroplastisches „Polymer“, in das insbesondere im Fall von Holz die Cellulosefasern eingebettet sind. Es ist wichtiger Bestandteil der Zellwand pflanzlicher Zellen. Chemisch betrachtet ist Lignin sehr eng verwandt mit den in Kapitel 6.5.3 beschriebenen Phenolharzen und damit eine wertvolle Quelle für Aromaten. Man kann sich die Struktur aufgebaut aus drei verschiedenen Grundeinheiten (Sinapylalkohol, Cumarylalkohol und Coniferylalkohol) denken, die unterschiedlich kondensiert sind, siehe Abbildung 10.17. Das hat zur Folge, dass es grundsätzlich zwei Arten der Verknüpfung dieser Grundeinheiten möglich sind. Einmal können diese Einheiten über Etherbrücken (gekennzeichnet als durchgezogene Ellipse) und einmal über C-C-Verknüpfungen (gestrichelte Ellipse) verbunden sein. Grundsätzlich gilt, dass Etherbindungen relativ einfach chemisch zu brechen sind, während dies bei C-C-Verknüpfungen nicht der Fall ist. Lignin direkt in Beschichtungssysteme einzubauen, z.B. als Polyol für die Polyurethan-Herstellung, hat gravierende Nachteile. So enthält Lignin immer noch geringe Bestandteile an Schwefel, die zu Vergilbung und Geruchsproblemen führen können. Die Vergilbung ist ebenfalls ein gravierender Nachteil der Phenolharze. Weiterhin ist es als Duromer praktisch nicht löslich und steht deshalb nicht für eine Covernetzung in ausreichendem Masse zur Verfügung. Allerdings fallen
Abbildung 10.17: Idealisierte Struktur von Lignin
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Nachwachsende Rohstoffe
beim Cellulose-Aufschluss über das alkalische Kraft-/oder Sulfatverfahren auch in organischen Lösemitteln teillösliche Lignin-Fraktionen an. Ebenso wie die Phenolharze zeigt Lignin eine hohe Sprödigkeit und Härte und eine nur geringe UV-Stabilität. Wie bei allen Naturstoffen sind die Molekulargewichtsverteilung und auch die chemische Zusammensetzung nicht einheitlich. Da es unterschiedliche Aufschlussverfahren gibt, ist das erhaltene Lignin von unterschiedlicher Zusammensetzung. Die Problematik dabei ist, dass je nach Aufschluss und Fraktionierungsverfahren des Lignins sich die Ether-Brücken zu C-C-Verknüpfungen umwandeln können, die dann nicht oder nur schwer weiter aufgetrennt werden können [323]. Soll Lignin als Aromaten-Quelle verwendet werden, muss es jedoch in die einzelnen Grundbausteine zerlegt werden können. Dazu werden im Wesentlichen vier Strategien diskutiert (siehe Abbildung 10.18) [324]: 1. oxidative Depolymerisation, 2. reduktive Depolymerisation, 3. thermische Depolymerisation und 4. chemische Modifikation. Bei der oxidativen Depolymerisation werden dem Lignin Oxidationsmittel wie O2, H2O2 oder Nitrobenzol unter Verwendung von Katalysatoren zugesetzt. Es entstehen dabei Aromaten mit Alde-
Abbildung 10.18: Zugängliche funktionelle Moleküle aus Lignin abhängig vom Verfahren
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Neuere Entwicklungen in der Lackchemie hyd-Funktion. Bei der reduktiven Depolymerisation wird als Reduktionsmittel Wasserstoff verwendet. Es entstehen dabei Phenol-Verbindungen. Bei der thermischen Depolymerisation entstehen zwischen 150 und 700 °C unterschiedliche phenolische Verbindungen neben Ketonen und gasförmigen Verbindungen wie Wasserstoff. Leider sind die Aufwendungen relativ hoch und die Ausbeuten in diesen Prozessen z.T. gering, so dass bislang diese Routen noch nicht oder nur wenig großtechnisch umgesetzt sind. Die größte Menge an anfallendem Lignin wird momentan immer noch thermisch verwertet.
Abbildung 10.19: Synthese von aromatischen Isocyanaten aus Vanillin
Abbildung 10.20: Herstellung von Epoxiden aus Hydroxybenzylalkoholen
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Nachwachsende Rohstoffe
All diese durch die oben gezeigten Verfahren erzeugten funktionellen Moleküle können nun ihrerseits wieder zum Aufbau komplexerer Moleküle für die Verwendung in Polymeren genutzt werden. So kann zum Beispiel Vanillin, das bereits schon länger aus Lignin extrahiert wird, zum Aufbau von aromatischen Isocyanaten genutzt werden. Ein Beispiel dafür ist in Abbildung 10.19 gezeigt [325]. Die beispielsweise aus dem reduktiven Prozess entstandenen Phenole können selbstverständlich auch zu weiteren Verbindungen wie Aminen, Hydrazinen, Iminen oder Anilinen umgesetzt werden [326]. Vanillin sowie daraus gewonnene Hydroxybenzylalkohle lassen sich zur Herstellung von Bisphenol A-freien Epoxiden nutzen [327]. Ein Beispiel dafür ist in Abbildung 10.20 gezeigt [328]. Da Lignin chemisch mit den Phenolharzen verwandt ist, ist es auch nicht verwunderlich, dass versucht wurde, Phenolharze auch aus den Ausgangsstoffen der Lignin-Depolymerisation herzustellen. So kann man diese phenolreichen Phasen mit Formaldehyd umsetzen und entsprechende Resole oder Novolake erhalten z.B. [329].
10.7.4 Proteine Proteine sind in der pflanzlichen Biomasse enthalten. Insbesondere kommen sie in großen Mengen in Sojabohnen, Maiskörnern und als Gluten in Getreide vor. Auch aus Algen sind Proteine gewinnbar. Dabei entsteht folgendes Problem: Außer bei der Kategorie der Algen konkurrieren diese Produkte mit Rohstoffen, die für die Nahrungsmittelproduktion vorgesehen sind. Aus diesem Grund finden Polymere auf Basis von Proteinen häufig für die Beschichtung von Esswaren Anwendung [330], [331]. Aus chemischer Sicht sind Proteine Makromoleküle mit Amidgruppen (Peptidbindung), also im weitesten Sinne Polyamide. Auch hier werden mehrere Strategien verfolgt, um diese Substanzklasse für Beschichtungsanwendungen zugänglich zu machen: 1. Zusammenmischen (Blenden) von Proteinen mit anderen Bindemitteln, 2. chemische Modifikation der Proteine, 3. Denaturierung der Proteine und Aufbau der gewonnenen Chemikalien zu neuen Polymeren. So können beispielsweise Polyurethane mit Proteinen gemischt werden. Da Beschichtungen aus Proteinen meistens spröde sind, kann eine Modifikation mit Polyurethanen zu einer Verbesserung der mechanischen Eigenschaften führen. Aufgrund der Möglichkeit von Wasserstoffbrückenbildung zwischen Urethan und Amid ist die Verträglichkeit der Polymere zumindest nach chemischer Modifikation der Proteine gut [332]. Auch konnten Polyole über die Modifikation von Proteinen mit Polyethylenglycol und Cyanursäure hergestellt werden [332]. Ebenfalls ist der Aufbau von Polyolen aus Aminosäuren über Modifikation mit Ethylendiamin beschrieben [333]. Insgesamt spielen die Proteine als Rohstoffe für die Farben- und Lackindustrie nur eine untergeordnete Rolle.
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Ausblick
11 Ausblick In der Vergangenheit wurde viel Aufwand betrieben, die technischen Eigenschaften von Beschichtungsstoffen zu verbessern. Das galt vor allem für die Beständigkeiten gegen Bewitterung, Chemikalien, Lösemittel, Wasser und mechanische Einflüsse. Inzwischen ist sowohl für industriell als auch für handwerklich zu applizierende Lacke ein hohes Niveau der technischen Eigenschaften erreicht. Trotzdem bestehen noch weitere Entwicklungsfelder, z.B. bei der Verbesserung der Kratzbeständigkeit. Ein weiteres Beispiel für Entwicklungsbedarf im Bautenlacksektor ist der Wunsch nach kürzeren Verarbeitungszeiten, was eine hohe Blockfestigkeit erfordert. Außerdem haben sich die Entwicklungsarbeiten in den letzten Jahren darauf konzentriert, die verschiedenen Lacksysteme umweltverträglicher zu machen und gesundheitsschädliche Einflüsse zu vermeiden. Dazu wurden einige Rohstoffe durch unbedenklichere ersetzt. Nachdem seit Längerem keine Bleiverbindungen mehr verwendet werden, werden aktuell Alternativen zu organischen Zinnverbindungen und Cobaltsalzen gesucht. Es ist zu erwarten, dass es notwendig sein wird, weitere Verbindungen zu ersetzen. Zunächst ergab die Entwicklung sogenannter High-Solid-Formulierung eine deutliche Verringerung der Emission flüchtiger organischer Bestandteile bei der Applikation lösemittelhaltiger Lacke. Einen weiteren Schritt in diese Richtung war die Entwicklung wässriger Lacksysteme. Während wässrige Lacksysteme bei den Bautenlacken weit verbreitet sind, gibt es bei den industriell verarbeiteten Lacken noch einen großen Anteil an lösemittelhaltigen Lacken. So wurden die wässrigen Klarlacke für die Automobilserienlackierung wieder aus dem Markt genommen. Allerdings existieren bei der industriellen Applikation lösemittelhaltiger Lacke auch alternative Methoden, die Lösemittelemission zu vermeiden oder zu verringern. Lösemittel können aufgefangen und recycelt werden (Automobilbau) oder sie werden für eine Nachverbrennung in den Einbrennöfen verbraucht (Can-Coating, Coil-Coating, Drahtlackierung). Auch hier geht die Anlagenentwicklung weiter. Keine Lösemittelemission gibt es bei der Applikation von sogenannten 100 %-Systemen, dazu gehören bestimmte Zweikomponentenlacke, die flüssige Bindemittel und Härter enthalten, und vor allem Pulverlacke und UV-Lacksysteme. Ihnen werden weitere Zuwachsraten zugesprochen. Hier wird allerdings angenommen, dass diese Produkte an bestimmte Anwendungsgrenzen stoßen. Pulverlacke benötigen hohe Schichtdicken für optimal verlaufende Filme. Damit ist ein vergleichbar höherer Materialverbrauch verbunden, was nicht nur mit höheren Kosten, sondern auch mit einer wieder höheren Umweltbelastung einhergeht, wenn die gesamte Nutzungszeit (Lifetime) eines Lacksystems einbezogen wird. Die Forderung nach weiterer Reduktion der Emission flüchtiger organischer Verbindungen wird weiter gehen. Dabei wird sicher neben den Umweltaspekten auch wieder die Einsparung von Rohstoffen aus Erdöl berücksichtigt werden. Es wird erwartet, dass die Anwendungen wässriger Systeme in allen Applikationsbereichen nachhaltig wachsen werden. Das gilt auch für die verschiedenen geographischen Regionen, denn wässrige Lacke haben global betrachtet noch ziemlich unterschiedliche Anwendungsanteile.
Ulrich Poth, Martin Winkler: Leistungsstarke Lacke formulieren © Copyright: 2022 Vincentz Network GmbH & Co. KG, Hannover
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Ausblick Besondere Aufmerksamkeit gilt einer Rationalisierung des Applikationsaufwandes. Das ist vor allem ein Aspekt für die Entwicklung wässriger Lacke, weil diese oft einen höheren Applikationsaufwand erfordern. Die verschiedenen Lacksysteme müssen einfach verarbeitbar sein. Für die industriell verarbeiteten Lacke wird gefordert, dass sie bei automatischen Applikationen (Roboter) sehr gute und reproduzierbare Lackierergebnisse zeigen. Insgesamt wird ein großes Augenmerk auf die Applikationssicherheit gelegt. Die so genannte „First-Run-OK“-Rate spielt eine große Rolle bei der Einführung neuer oder verbesserter Lacksysteme, und wird es auch weiterhin spielen. Oft gelingt es nur dann, ein neues Lacksystem verbunden mit einem höheren Preis im Markt zu platzieren, wenn plausibel eine hohe Applikationssicherheit bescheinigt werden kann, was eigentlich erst nach einer längeren Anwendungszeit wirklich feststeht. Aktuell gibt es im industriellen Anwendungsbereich neben der Verwendung von Applikationsautomaten unterschiedliche Rationalisierungsschritte: – Erniedrigung der Schichtdicken, – Verzicht auf Zwischenschichten (Füller), – Erniedrigung der Einbrenntemperaturen. Es ist zwar möglich, dass der Anteil der Kunststoffe bei den verschiedenen Gebrauchsgegenständen noch wächst, aber es wird weiterhin hohe Anteile metallischer Objekte geben, die beschichtet werden müssen. In neuerer Zeit hat sich die Bedeutung von Beschichtungen stark in Richtung funktioneller Lacksysteme bewegt. Viele Funktionen moderner Gebrauchs- und Industriegüter sind ohne Beschichtung gar nicht mehr denkbar. Diese Entwicklung gipfelt in neuerer Zeit in sogenannten „smarten“ Beschichtungen, also Beschichtungen, die ihre Eigenschaften auf einen äußeren Reiz hin verändern. Dies könnten z.B. elektrisch schaltbare Oberflächen sein, oder Oberflächen, die die Oberflächenenergie je nach Umgebung verändern z.B. von hydrophob nach hydrophil oder umgekehrt. Wie im Kapitel 10 gezeigt, sind viele Konzepte auf akademischer Seite vorhanden, die bislang noch wenig Eingang in die industrielle Praxis gefunden haben. Diese Entwicklungen könnten der Beschichtungsbranche neue Impulse geben und auch neue Märkte eröffnen. Eine weitere Herausforderung dürfte auch für die Lackindustrie die Digitalisierung darstellen, deren Folgen für die Entwicklung und Produktion bislang noch gar nicht absehbar sind. Egal, was kommt, die Lackbranche ist lebendig und stellt ein spannendes, zukunftsorientiertes Arbeitsfeld dar und wird auch weiteren Generationen von Chemikern, Lacktechnikern und Ingenieuren spannende Aufgaben bereit halten.
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Autoren
Autoren Ulrich Poth (1941–2018) begann seine berufliche Tätigkeit bei der Firma Dr. Kurt Herberts & Co. in Wuppertal nach der Ausbildung mit der Entwicklung von Bindemitteln für Elektroisolierlacke und von Pulverlacken. Er studierte an der Fachhochschule Niederrhein und schloss als Diplom-Ingenieur ab. Anschließend war er bei der BASF Coatings AG in der Bindemittelentwicklung für Industriela‑ cke tätig, mit dem Schwerpunkt Bindemittel für Automobilserien‑ lacke, später in leitender Funktion. Zuletzt war er Leiter der Ope‑ rations ‚Klarlacke und Unidecklacke‘ des Unternehmensbereich Automobilserienlacke der BASF Coatings. In seinem Ruhestand ab 2002 war er als Autor, Berater und Referent tätig. Martin Winkler (*1968) studierte Chemie an der Universität Kon‑ stanz. Nach der Promotion begann er seine berufliche Laufbahn bei der ILAG Industrielack AG (CH). Dort entwickelte er Antihaft‑ beschichtungen und funktionale Lacke für Lebensmittel- und in‑ dustrielle Anwendungen. Weitere Stationen waren die Papier‑ industrie (LandQart AG, Beschichtungen auf Banknoten) und die Verpackungsindustrie (Petroplast Vinora AG, Folienextrusion). Seit 2012 unterrichtet er an der Zürcher Hochschule der ange‑ wandten Wissenschaften (ZHAW) Chemie und Beschichtungs‑ technik und lässt seine Erfahrung in Kooperationsprojekte mit der Industrie einfließen. Martin Winkler ist auch Dozent im Fachmo‑ dul 1 des Vincentz Neworks des Farbe und Lack-Seminars: Das Bindemittel.
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Index
Index
Symbole 2K-Systeme 90 5-Hexamethylfurfural 231 100 %-Systeme 31, 34,140 π-π-Wechselwirkungen, Selbstheilung 215
A Abbaureaktion 104, 186, 195 Abbildungsschärfe 73 Abbruchreaktion 109 Abgasreinigung 29 Abluft 29 Abrasion 180 Abrollwinkel 226 Absetzen 44 Absorption 35, 150 Acrylat 34 Acrylatharze 111 Dispersionen 112 hydroxyfunktionell 113, 114 mit Methylol-Gruppen 115 mehrfunktionell 140 Acrylatverdicker 69 Acrylsäureester siehe Acrylate Additionsreaktionen 108 Additive 12 aus Isosorbit 232 Adsorption von Proteinen und Peptiden 220, 223 Aerosol 27, 51 Agglomerate 35, 39, 161 Aggregate 35, 39 Aktivierungsenergie 90, 177 Algen 47 Algizid 47 Alkydharze 111, 113, 133, 134, 135 Alkylsulfonsäuresalze 41 Aluminiumpigmente 41, 163 Cornflake-Typen 167 PVD-Pigmente 167 Silver-Dollar-Typen 167 Amide, methyloliert 47 Amine 21 Aminoharze 45, 110 Ammoniumsalze 24 quaternäre 220 amorph 94 amphiphile Beschichtungen 225 Anatas siehe auch Titandioxid 218 Anisotropie 211
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anti-auxochrome Gruppen siehe auch chromophore Gruppen 151 Antibeschlagschichten 219 Antieisbeschichtungen 225 Antifog-Schichten 219 Antifouling-Beschichtungen 214, 219, 225 Antigraffiti 216 Antihaftbeschichtungen 118 Apfelsinenschalen-Struktur siehe Orangenhaut Appearance 62, 73 Applikationsfestkörper siehe Festkörpergehalt Äquivalentmasse, Epoxidharz 130 Arrhenius Gleichung 44, 90 ASE-Verdicker siehe Verdicker Aspektverhältnis 41, 163 Assoziat 13 Assoziativverdicker siehe Verdicker ATL 51, 117 Ätzen 184 Aufbaureaktionen 106 Auslaufbecher 16 Auspuffbeschichtung 118 Außenanstriche 31 Austauchgeschwindigkeit 50 Automobil Klarlacke 125 Reparaturlackierung 125, 134 auxochrome Gruppen, siehe auch chromophore Gruppen 151 Azeotrop 81 Azogruppe 151 Azopigmente 158
B Baier-Kurve 221 Bakterien 47, 220 Bakterizid 47 Bandblech siehe Coil-Coating Bändermodell 218 Bariumsulfat 44 Basislack 32 Baumharz 186 Bautenlack 30 Beflammung 184 Bénard-Zellen 63, 168 Benetzung 44, 55, 58 Zusammenhang mit Haftung 183 Bentonit 44, 67 Benzoesäure, Bestandteil in Alkydharzen 134 Benzoguanamin 110 Benzoguanaminharze 112, 115 Benzophenone 139
Index Bernsteinsäure, aus Biomasse 231 Beschleuniger, UP-Harz-Vernetzung 136 Beständigkeit gegen Bewitterung 121, 177, 195 gegen Chemikalien 117, 174, 177, 180, 181 gegen hohe Temperaturen 204 gegen Lösemittel 89, 174, 181 gegen mechanische Einflüsse 177 gegen Steinschlag 179 BET-Methode 36 BET-Oberfläche 43, 162 Bewitterung 197 Bilderrahmeneffekt siehe Kantenflucht BimschV 29 Bindemittel 11 bioabbaubare Beschichtungen 227 biokompatible Beschichtungen 219 Biozide 47, 214, 220 Bismutsalze, organische 125 Bismutvanadat 44, 155 Bisphenol A 117 Blasen 76 Bleicarbonat 156 Bleistifthärte 173 Blister siehe Blasen Blockfestigkeit 88 blocking agents siehe Verkappungsmittel Bootslacke 134 Brechungsindex, Bedeutung für Deckkraft 152 Bremsflüssigkeit 186 Brillanz 154 Buchholz Eindruckprüfung 173 Buntheit 149
C Calciumphosphate 193 Can-Coating 28, 32, 49, 113, 114, 116, 189 Carbamatvernetzung 114, 115 Carbamidharze 115 Carbonate, zur Urethansynthese 230 Carboxylatgruppen 21, 22 Carboxymethylcellulose 69 Castoröl 229 Cellulose 230 Celluloseacetat 231 Celluloseether 24 Celluloseverdicker 69 Chroma 149 Chromeffekt 167 Chromophor 150, 152 chromophore Gruppen 151 auxochrom, antiauxochrom 151 Chromoxidgrün 44, 155 Chromtitanat 155 CIELAB 148
CIELch 148 CIE-Normfarbtafel 147 Cobaltsalz aluminat 155 Sikkativ 133 Coil-Coating 28, 32, 49, 113, 114, 116, 189 Colösemittel 21, 22, 24 Colour Index 155 Coniferylalkohol 232 Conjuene 131 Core-Shell-Dispersion 87 Cornflake-Pigment siehe Aluminiumpigmente Coronabehandlung 184 Cumarylalkohol 232 Curtain-Coating siehe Vorhangbeschichtung
D Dampfdruck 29, 78 DBTL 125 Deckkraft 28, 32, 151 Decklacke 125 Decklackstand 74 Deckvermögen 161 Decopaint Richtlinie 29 Denisov-Zyklus 202 Depolymerisation von Lignin 233 Diacylperoxide 135 Dibutylzinndilaurat siehe DBTL Dichlormethan 184 Dichtmasse 127 Dicyandiamid 130 Diels-Alder-Reaktion, Selbstheilung 215 differenzielle, mechanische Thermoanalyse siehe DMTA Differenzwägung 17 Diffusion 94 in das Polymernetzwerk 185 Diffusionsdichte 174 Diffusionsweg, verlängert 194 Digitalisierung 237 Dijodmethan 57 Dimethylenether-Brücken 111, 186 DIN 5033 145 DIN 53778 72 DIN EN 13300 72 DIN EN ISO 2812 186 DIN EN ISO 4618 72 Dipol 17, 94, 95 Dipol-Dipol-Wechselwirkungen 18, 94, 95, 181 Dipolmoment 17, 21 Diradikal 196 Sauerstoff 131 Dispergiergüte 39 Dispergiermittel 12, 37 Dispergierprozess 161
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Index Dispersion 24, 25, 33 Acrylat 112 bimodal 87 nicht-wässrig 12, 27 selbstvernetzend 105 wässrig 85 Dispersionswechselwirkung 18 Dissipation 179, 180 Dissolver 38 DMA siehe DMTA DMTA 96, 173, 198 Doctor Blade siehe Rakel DOI 73 do-it-yourself-Systeme 134 Dokumentation 209 Domänen 95 Doppelschicht 37 Doseninnenbeschichtung 117 Doughnut-Effekt 39 Drahtlacke 121 Druckfarbe 50, 141 Dual-Cure-Verfahren 141 Durchbluten 75 Duromer 89
E Easy-to-Clean 216 Effektlack 28, 163 Effektstoff siehe Effektpigment Eichfärbungenen zur Farbrezeptierung 155 Einbrechen 74 Einbrennlacke 22, 44, 90, 113, 114, 115 Einkomponentenlacke 91 Einlassgrundierungen 50 Eisenoxidpigmente 44, 153, 155 Elastizität 97, 173 electron beam curing siehe Elektronenstrahlvernetzung Elektroisolierlacke 117, 118, 130, 204 Elektronegativität 17 Elektronenstrahlvernetzung 142 Elektrophorese 194 Elektrotauchlackierung 46, 49, 51, 117, 128 Emissionsschutz 29 Emulgator 24, 25, 26, 85, 214 Emulsion 12, 23, 24, 27 Emulsionspolymerisation 26 Entfetten, alkalisch 184 Enthaftung 195 Entlüftung 76 Entschäumer 84 Epoxidharze 111, 117, 128, 229, 230, 232, 235 Vernetzung 128 Korrosionsschutz 129 wässrig 129
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Epoxidacrylate 140 Epoxy-Amin-Vernetzung 128 Epoxypulverlacke 129 Esterhydrolyse 186 ethoxylierte Alkylsulfonsäuren 41 Evaporationrate 79
F Fall-out 195 Faraday-Effekt 51 Farbabstand 147, 149 Färbevermögen 159 organischer Pigmente 158 Farbflop 166, 172 Farbmetrik 41 Farbmischung, additiv 143 Farbort 40, 145, 146 Farbreinheit 154 Farbrezeptierung 154 Farbsättigung 149 Farbstärke nach Kubelka-Munk 154 Farbstoff 11, 150 Farbtemperatur 146 Farbton 35, 149 Farbwechselpigmente 172 Fehleranalyse 208 Festkörpergehalt 17, 20, 26, 29 Fettsäuren 130 Filmbildner siehe Bindemittel Filmbildung 77, 83 Flexibilität 94, 105, 173, 178 Fließgrenze 15 Flokkulation 43 Flop-Effekt siehe Farbflop Florida-Test 197 Fluorpolymere 206 flüssigkristalline Polymere 211 Fluten 52 Folienbeschichtung 30, 141 Formaldehyd 47, 110, 112, 116, 117, 235 Formaldehydharze 110 Frostempfindlichkeit 33 Fülle 11, 73 Füller 28, 32, 73, 125, 179 Füllprimer 50 Füllstoff 11 Fungizid 47 funktionelle Beschichtungen 212, 237 funktionelle Gruppen 89, 101
G G‘ siehe Speichermodul G‘‘ siehe Verlustmodul G* siehe Modul, komplexer 97
Index Gel 15 Gelcoat 137 Gelteilchen 46 Geschwindigkeitskonstante 90, 177 Gewichtsmittel 106 Gießen 52 Gießharze 137 Gitterenergie 95 Gitterschnitt 182 Glanz 71, 202, 217 Glanzeinheiten 71 Glanzpolyester 137 Glanzschleier 73 glasartig siehe amorph Glasübergangstemperatur 85, 95, 96, 199 Glimmerpigmente 41, 67, 171 Gloss Units siehe Glanzeinheiten Glycerin 130 Glycolurilharze 110, 115 Goldlacke 117 Gradientenofen-Test 187 Grenzflächenspannung 56, 57, 59 Grindometer 40, 161 Grundierung 31, 49, 50
H Haftprimer 50 Haftung 181 Haftvermittler 184 Halbfabrikat 42 HALS 201 Hammerschlaglack 63 Hansen-Parameter siehe Löslichkeitsparameter, Hansen Harnstoffharze 112 Härte 94, 105, 173 Härter 91, 123, 125 Harzsäure 134 siehe Verdicker HASE Haushaltsgeräte, Beschichtung 116 Hautbildung 46 Haze 73 HDI 123 Hectorit 68 Heizkörperlacke 134 Helligkeit 149 Hemicellulose 230 heterocyklische Pigmente 157 HEUR-Verdicker siehe Verdicker, HEUR Hexamethoxymethylmelaminharze siehe HMMM-Harze Hexamethylendiisocyanat siehe HDI High-Solids 21, 31, 32 HMDI 123 HMMM-Harze 113
Hochziehen 74 Holzbeschichtung 30, 31, 50, 127, 134, 141 Holzöl 132 Hooksches Gesetz 97 Hue siehe Farbton Hybridbeschichtung, organisch-anorganisch 120 Hybridvernetzung 127 Hydrazon 110 Hydroperoxide 131 hydrophile Beschichtungen 220 hydrophile Gruppen 21 Hydrophilierung 223 Hydrophobierung 216 Hydrothermalprozess 232 Hydroxidradikale 218 Hydroxyalkylamide 121 Hydroxyethylcellulose 69 Hydroxylamine 47 Hydroxyphenylbenzotriazole 201 Hydroxyphenyltriazine 201
I Imidazolidone 47 Imprägnierung 127 von SLIPS 227 Industrielacke, lufttrocknend 134 Initiator 34, 90, 139 Innenanstriche 31 Interdiffusion 85, 87, 181 Interferenz 170, 211 -Pigmente 170 interpenetrierendes Netzwerk 104 ionische Wechselwirkungen 181 zur Selbstheilung 215 IPDI 123 IPN siehe interpenetrierendes Netzwerk ISO 11980-1 30 Isocyanate 45, 123 aliphatisch 123 aromatisch 123 aus Fettsäuren 229 aus Vanillin 235 hydrophiliert 126 Nebenreaktion 124 Oligomere 124 verkappt 127 isocyanatfreie Polurethane 229 Isolene 131 Isophorondiisocyanat siehe IPDI Isothiazolinone 47, 48
K kalter Fluss 180 Kammpolymere 224
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Index Kantenflucht 70 Kantenschutz 70 Kaolin 67 Kapillardruck 56 Kapillarkräfte 85 Katalysator 90, 118, 121, 125, 128 kathodische Tauchlackierung siehe KTL Ketimine 126 Ketonperoxide 135 Ketoverbindungen 47 Ketoxime 47 Kettenreaktion 108 Kieselsäure kolloidal 44, 67 pyrogen 84 Klebstoffe 127 Koagulation 26 Koaleszenzmittel 86 Kobaltgrün 44 Kocher 76, 83 Kohäsionsindex, siehe Löslichkeitsparameter, Hildebrand Kolloid 13 komplexer Modul 97 Kondensationsreaktion 107, 110 Kontaktwinkel 57 -hysterese 226 Kontamination 75 durch Flüssigkeiten 209 Konvektion 63 Korrosionsinhibitoren 193, 214 Korrosionsschutz 49, 52, 125, 189, 195 anodisch 194 aktiv 191, 192 -Beschichtungen 28, 32, 127, 193 passiv 190, 192 -Pigmente 193 Korrosionsstrom 190 KPVK siehe kritische Pigmentvolumenkonzentration Krater 63, 75 Kratzbeständigkeit 64, 119, 180 Kreiden 203, 217, 219 kristallin 95 kritische Oberflächenenergie 221 kritische Pigmentvolumenkonzentration 162 KTL 51, 117, 128 Kubelka-Munk-Gleichung 154 Kugelpackung 87 Kunststoffbeschichtung 30
L L*a*b*-Farbraum 148 Lagerstabilität 43, 45, 90 Lambert-Beersches Gesetz 150, 201
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Landau-Levich-Gleichung 50 Laserstrukturierung 227 Läufer 66 LCP 211 Leafing-Pigmente 164 Leder 50 Leimungsmittel 230 Leinöl 130, 162, 229 Leitprimer 50 Lichtschutzmittel 200 Lignin 232 Lignocellulose 232 Lösemittel 11–20, 27, 29–31, 60, 77–83, 89 hochsiedend 65 reaktiv 140 Lösemittelrückgewinnung 29, 184 Löslichkeitsparameter 18, 19 Hansen 18, 185 Hildebrand 18 Lösung kolloidal 13, 15, 79 newtonisch 14, 15 Lotus-Effekt 217 Low-Solids 31
M Magnolia-Effekt 171 Mahlgrad 39 Mahlprozess 28 Maleinsäureanhydrid 135 Malerlack 28, 32 Manganoxid 155 Massenmittel siehe Gewichtsmittel Mattierungsmittel 72 MDI 123, 125, 194 Medium-Solids 31 MEK-Test 186 Melaminharz 112 Metallbeschichtung 30, 31 Metallkomplexpigmente 157 Methylcellulose 69 Methylenchlorid siehe Dichlormethan Methylolether 111, 186 Methylol-Gruppe 110, 112, 186 verethert 113 Methyltriethoxysilan 119 MFT siehe Mindestfilmbildungstemperatur Mica siehe Glimmerpigmente microcontact printing 227 Mie-Streuung 151 Migration 48 Migrationsfähigkeit, von Pigmenten 75 Mikrokapseln, Herstellung 214 Mikroorganismen 47 Mikroplastik 227
Index Mikrostruktur 216 Mikrowellenanregung 184 Milchsäure 188, 231 Mindestfilmbildungstemperatur 72, 85 Mineralöle 84 Möbel-Klarlacke 137 Modul, komplexer 97 modulare Fertigung 42 Molekulargewicht 32, 87, 101, 106 Molekulargewichtsverteilung 32 Monomer 11 Montmorillonit 68
N Nachverbrennung 29 Nachvernetzung 104 nachwachsende Rohstoffe 227 NAD 12, 27, 89 Nanopartikel 181 Nass-in Nass-Verfahren 74 Nebenvalenzwechselwirkungen 181, 183 Netzbogen 100, 102, 103 Netzknoten 102 Netzmittel 41 Netzwerkdichte 178 Newtonsches Gesetz 15 nfA siehe Festkörpergehalt nichtflüchtiger Anteil siehe Festkörpergehalt Nickeltitanat 155 NIPU 229 Nitrocellulose 231 Non-Leafing-Pigmente 164 Normalbeobachter 144 Normalspektralwertfunktionen 145 Normal-Wasserstoffelektrode 189 Normlicht 146 Novolake 116
O Oberflächenenergie 36, 56, 59, 183, 216, 220 Oberflächenspannung siehe Oberflächenenergie Ofenbeschichtung 118 OH-Zahl 125 Ölabsorption siehe Ölzahl Öle 130, 131, 229 Oligomer 11 Ölrußtest 186 Ölzahl 162 Opferanode 192, 194 Opferschichten 220 optical versatile pigments, OVP 172 Orangenhaut 61 orange peel effect siehe Orangenhaut Organosol 27, 89
Overspray 34, 53 Oxalanilide 201 Oxidationsreaktion 189 oxidative Vernetzung 130
P Pankreatin 186, 188 Papierbeschichtung 30 partikuläre Dissipation 179 Passivierung 49, 192 PEEK siehe Polyetheretherketon PEG siehe Polyethylenglycol PEK siehe Polyetherketon Pendelhärte 173 Peptidbindung 235 Perlmühle 38, 39 Perlmutt 170 PES siehe Polyethersulfon PESU siehe Polyethersulfon PFA 206 Phenole 47 Phenol-Epoxylacke 117 Phenolharz 116 -Maleinatöle 117 -Polyvinylacetale 117 Phosgen 229 Phosphatierung 193 Phosphorsäureester 85 Photogoniometer 167 photo induced hydrophilic effect siehe PIH-Effekt Photoinitiator 34 Photokatalyse 217, 219 Photonen 143 pH-Wert 45 physikalische Trocknung 77 Pianolacke 137 Pigment-Binderverhältnis 162 Pigmente 11, 35, 150 anorganisch 156 organisch 158 schwermetallhaltig 157 Toxizität 157 Pigmentgröße 35 Bedeutung für Absorption und Streuung 152 Pigmentierungshöhe 72, 162 Pigmentkonzentration 162 Pigmentpaste 40 Pigmentvolumenkonzentration 46, 72, 86, 162 kritische 86 PIH-Effekt 218 Pinholes 76 pKa-Wert siehe pKs-Wert pKs-Wert 22 PLA, aus Milchsäure 231
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Index Plasmavorbehandlung 184 plastischer Zustand, von Polymeren 98 plastische Verformung 173 Plastisol 27, 32, 89 Plastizität 173 Plattformchemikalien 231 Polarisation der Oberfläche 218 Polarisierung des Lichts 211 Polarität 17, 19, 20, 21 Polester, Selbstvernetzung 121 Polyacrylat 41 als Verlaufsmittel 65 Polyamiddispersion 68 Polyamidimide 204 Polyamine, als Härter 128 Polybenzimidazole 204 polycyclische Pigmente 157 Polydimethylsiloxane 63 Polydispersität 106 Polyetheracrylate 140 Polyester 32, 33 aus Bernsteinsäure 231 -Drahtlack 121 gesättigt 111 hydroxyfunktionell 113 UP-Harze 135 Polyesteracrylate 140 Polyesterimide 204 Polyesteruretdion 128 Polyetheretherketon 205 Polyetherketon 205 Polyethersulfon 205 Polyethylenglycol 22, 219, 223 Polyethylenwachse 72 Poly-HIPE 227 Polyhydantoine 204 Polyimide 204 Polyisocyanat als Vernetzer 121 für wässrige Lacksysteme 126 Reaktion mit Wasser 127 verkappt 127 Polymer 11 Polymerbürste 224 Polymerdispersionen, heterogene 86 Polymerisation, radikalische 108 Polymerisationsgrad 106, 107 Polymerisationsreaktion 108 Polymerschmelze 25 Polymethylenharnstoffe 72 Polyole 33, 230 Polyphenylensulfid 205 Polyphenylensulfon 205 Polypropylenwachse 72 Polyurethane 125, 231 wasserverdünnbar 41 Polyurethanacrylate 140
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Polyurethan-Präpolymere 127 Polyurethanverdicker siehe Verdicker, Polyurethan Polyvinylacetale 111 Polyvinylalkohol 24 Polyvinylpyrrolidon 219 Porenfüller 50 Potlife siehe Topfzeit PPS siehe Polyphenylensulfid PPSU siehe Polyphenlyensulfon Präkondensat 118 Präpolymer 11 Primärdispersionen 26 Primärpartikel 35 Primer 31, 49 Proteine als Lackrohstoffe 235 Pseudoplastizität siehe Strukturviskosität Pseudothermoplasten 205 PTFE 206 Pulverlack 28, 34, 41, 51, 115 Pulverlackierung 34 Purpurlinie 148 PVC-Mischpolymerisate 111 PVK siehe Pigmentvolumenkonzentration PVP siehe Polyvinylpyrrolidon
Q Quecksilberdampflampen 141 Quellung 13, 177, 185 Quorum sensing 221
R Radikal 34, 108, 131 Radikalbildner 139 Radikalfänger 201, 203 Radikalstarter siehe Initiator Rakel 53 Randwinkel siehe Kontaktwinkel Raspberry-Structure 88 Reaktionsgeschwindigkeit 177 Reaktionsharze 89 Reaktivverdünner 33, 135 Redoxpotential 189 Redox-Reaktion 189 Reflexion 71 Reinigung mit Lösemitteln 184 wässrig 184 Rekombination 109 Remission 35, 146, 150 Reparaturlackierung 30 Reproduzierbarkeit 207 Resole 116, 235
Index Retention von Lösemitteln 82 Rheologie 42, 44 Rheologieadditive siehe Verdicker Rheometer 16 Rissbeständigkeit 202 Rissbildung 195 Risszeit 200 Rizinusöl, hydriert 68 Rotor-Stator 38 Rub-out-Test 43 Rührer 41, 42 Rührwerkskugelmühle siehe Perlmühle Rutil 218
S Sag Control Agents 68 Sauerstoffinhibierung, 34, 141 Sauerstoffkorrosion siehe Korrosion säurehärtende Lacke 112 Säurekatalysatoren 112 Säurezahl 125, 129 SCA siehe Sag Control Agents Scale-up-Prozess 208 Schaum 34, 60, 84 Schergefälle siehe Scherrate Scherrate 14 Schichtdicke 50, 178 Schichtdickenverlust 195 Schichtsilikate 68 Schimmel 33, 47 Schleifen 184 Schleiflacke 137 Schlitzdüse 52 Schmelzpunkt 95 Schrumpfung bei UP-Vernetzung 137 Schubspannung 14, 97 Schutzkolloide 24, 214 Screening-Pläne 207 Seitenketten von Polymeren 101, 133, 199 Sekundärwechselwirkungen 95, 101, 177 Selbstheilung 213, 215 Selbstreinigung 216, 217, 225 selbststratifizierende Beschichtungen 223 self-stratisfying coatings siehe selbststratifizierende Beschichtungen Sicherheitsdokumente 212 Sikkativ 47, 133 Silane 181 Silanmodifizierung von Polyolen, mechanische Eigenschaften 119 Silanole 118 Silber, kolloidal 47 Silikone 221 Silikonharze 118, 206 Silikonöl 63, 84
Silikonpest 63 Silikonpolyester 118, 206 Siloxane 118, 221 Silver-Dollar-Pigment siehe Aluminiumpigmente Sinapylalkohol 232 Sinneszellen bei Augen 143 Skydrol 186 slippery liquid infuced porous surfaces siehe SLIPS SLIPS 225 Slot-Die siehe Schlitzdüse Slurry 206 smarte Beschichtungen 212, 237 Sojaöl 229 Sol-Gel-Beschichtungen 119, 219 Solvat, siehe auch Solvatation 22, 23 Solvatation 13 Sorbit 231 Spachtelmassen 137 Spaghettimodell 94 Speichermodul 97, 173 Spektralfarben in der CIE-Normfarbtafel 148 spezifische Oberfläche siehe BET-Oberfläche Spreitparameter 58 Spreitung 55, 58, 64, 218 Spritzverfahren elektrostatisch 29, 34, 50, 54, 169 pneumatisch 53 Sprödbruch 175 Sprödigkeit 104, 174, 175 Stäbchen-Zellen 143 Stabilisierung anionisch 22 elektrostatisch 24, 37 kationisch 22 sterisch 25, 38 Stammlack 91 Stärke 230 Startreaktion 108 statistische Versuchsplanung 207 Stehvermögen 66 Sterilisation 188 Stirnabzug 182 Strahlverfahren 184 Streichen 28, 52 Streuanteil bei Aluminiumpigmenten 166 Streuung 35, 150, 151, 181 Strukturierung 216, 217, 225 Strukturviskosität 15, 66 Stufenwachstumsreaktion 107 Styrol 135, 137 Substrat 49 Substratnetzadditive 60 Sulfonatgruppen 21 Superhydrophilie 217, 225 Superhydrophobie 216, 225
261
Index Surfactants siehe Substratnetzadditive Suspension 12, 24, 27, 33
T Talkum 67 Tauchlackierung 50 anodisch siehe ATL kathodisch siehe KTL TDI 123, 194 Teilchengröße 28, 29, 152 Teilkristallinität 95 Tenside 60 Tetrachlorethylen 184 Tetrachlorkohlenstoff 184 Tetraethoxylsilan 119 Tetramethylpiperidine 201 Textilbeschichtung 30 Tg 87, 96, 100, 175 Thermochromie 211 Thermoplaste 77 Thixotropie 15, 17 Titandioxid 44, 158, 203, 217 Titandioxid-Nanopartikel 203 Titangelb 44 Toluylbisguanid 130 Toluylendiisocynat siehe TDI Tomatenmark 188 Tönen 40 Tönpaste 42, 155 Topfzeit 45, 90, 112, 125 Trägergruppe 21 Transparenz 161 Triarylmethanpigmente 157 Trichlorethylen 184 Trishydroxyethylisocyanurat, THEIC 204 Trocknung chemisch siehe Vernetzung physikalisch 11, 24 Trocknungsprozess 20 Trocknungszeit 33 Tyndall-Effekt 13
U Überlackierbarkeit 74 Übervernetzung 104 Ultraschall 184 Umsetzungsgrad 107 Unbuntpunkt 148 Unverträglichkeit 63, 72 UP-Harze 135 UP-Spachtel 137 Uretdion 127 Urethanbindung
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Beständigkeit gegen Chemikalien 125 Urethanharze 123, 125, 127 UV-Absorber 201 UV-Lack 34, 140, 176 UV-LED-Lampen 141 UV-Strahler 141, 197, 198 UV-Strahlung 195 UV-Vernetzung 137
V van-der-Waals-Wechselwirkungen 18, 60, 94, 181 Verdicker Acrylat 44 ASE 68 assoziativ 68 HASE 68 HEUR 68 molekular 67 nichtassoziativ 68 partikulär 67 Polyurethan 44 Verdunstung 77, 78 Verdunstungsgeschwindigkeit siehe Evaporationrate und Verdunstungszahl Verdunstungszahl 20, 65, 79, 81, 83 Vergilbung 134, 196, 204 Verkappungsmittel 127 Verkapselung 213 Verlauf 17, 24, 34, 61, 63, 65, 66, 70, 71, 73, 74, 82 Verlaufsadditive 63 Verlaufsstörungen 63 Verlustmodul 97, 173, 175 Vermattung 195 Vernetzung 11, 32, 88, 89, 101 bei Primärdispersionen 105 oxidativ 46 Prinzipien 92 radikalisch 34 Vernetzungsdichte 102, 174, 175, 176 Verschlaufung 93 Verseifung siehe Esterhydrolyse Versprödung 134, 195, 196 Verzahnung 181 viskoelastischer Bereich 99 Viskosimeter 16 Viskosität 14, 19, 23, 26, 44, 50, 82, 97 von Polymerdispersionen 85 VOC 19, 21, 27, 29, 30, 31, 33, 34 VOC-Regelung 29 Vogelkot 188 Vorbehandlung 50, 183, 193 Vorhangbeschichtung 52
Index
W
X
Wachsdispersionen 68 Wachse 44 Wachspolyester 136 Walzlackierung 28, 55 Warenbahnspannung 55 Wasserberg 83 Wasserdampfdurchlässigkeit 85, 86 Wasserlack 31, 33 Wasserstoffbrücken 18, 21, 95, 181 zur Selbstheilung 215 Wasserstoffkorrosion 190 Wasserstoffsuperoxidradikale 218 Wasserverdünnbarkeit 21 Wave-Scan 61 Weichmacher 12, 89 weiße Ware 34 Weißpigmente 158 Wellenstruktur siehe Welligkeit Welligkeit 61, 74 Wirbelsintern 51
Xenon-Test 198 Xylol 186
Y Youngsche Gleichung 57
Z Zahlenmittel 106 Zahnscheibe 38 Zapfen-Zellen 143 Zetapotenzial 37 Zinkcobaltoxid 155 Zinkoxid 156 Zinkphosphate 193 Zinksulfid 156 Zinn(IV)-Organyle 219 Zweischicht-Effektdecklacke 165 Zwischenhaftung 64, 185
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