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German Pages 274 [276] Year 1992
Werner Schüßler Leibniz' Auffassung des menschlichen Verstandes (intellectus)
W DE G
Quellen und Studien zur Philosophie Herausgegeben von Jürgen Mittelstraß, Günther Patzig, Wolfgang Wieland
Band 32
Walter de Gruyter · Berlin · New York 1992
Leibniz' Auffassung des menschlichen Verstandes (intellectus) Eine Untersuchung zum Standpunktwechsel zwischen „Systeme commun" und „Systeme nouveau' und dem Versuch ihrer Vermittlung
von
Werner Schüßler
Walter de Gruyter · Berlin · New York 1992
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Schüßler, Werner: Leibniz' Auffassung des menschlichen Verstandes (intellectus) : eine Untersuchung zum Standpunktwechsel zwischen „Systeme commun" und „Systeme nouveau" und dem Versuch ihrer Vermittlung / von Werner Schüßler. — Berlin ; New York : de Gruyter, 1992 (Quellen und Studien zur Philosophie ; Bd. 32) Zugl.: Trier, Univ., Habil.-Schr., 1991 ISBN 3-11-013645-7 NE: GT
© Copyright 1992 by Walter de Gruyter & Co., D-1000 Berlin 30. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Datenkonvertierung: WiTA, Lorscheid Druck: WB-Druck GmbH & Co, Buchproduktions-KG, Rieden am Forggensee Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer, D-1000 Berlin 61
Dem Andenken an RENATE ALBRECHT (1909-1992) der Förderin und Freundin
Vorwort
Die Arbeit an der vorliegenden Untersuchung wurde begonnen unter dem rein sachlichen Aspekt, die Auffassung des menschlichen Verstandes (intellectus, entendement) im Werk von G. W. Leibniz aufzuarbeiten. Je mehr wir uns aber mit den Schriften Leibniz1 und auch der entsprechenden Literatur hierzu beschäftigten, desto bewußter wurde uns die Problematik dieses Themas, und in den Vordergrund gerieten Fragen methodologischer Art, deren Beantwortung erst ein angemessenes Verständnis dessen, was Leibniz unter Verstand versteht, ermöglichen sollten. Hierbei handelt es sich um eine der Philosophie Leibniz' immer gegenwärtige Denkfigur, die man mit Friedrich Kaulbach zu Recht als „Kopernikanisches Prinzip" bezeichnen kann. Dieses Prinzip hat bei Leibniz geradezu den Rang eines Verständnisschlüssels. Daß wir gerade bei der Behandlung der Verstandesproblematik unweigerlich hierauf gestoßen sind, liegt in der Sache selbst begründet. Die Diskussion mit Locke konnte in den entscheidenden Partien, also in der Frage nach dem Ursprung unserer Erkenntnisse, nicht auf der Ebene der Substanz-Metaphysik, also innerhalb des «Systeme nouveau», geführt werden, da hierdurch jede Diskussionsgrundlage abgeschnitten worden wäre, sondern sie mußte sich auf der Ebene der gewöhnlichen Sprache, also innerhalb des «Systeme commun» bewegen, welcher ja immer auch eine bedingte Wahrheit zukommt. Das ist ähnlich, wie die Kopernikaner auch noch nach Kopernikus mit gutem Recht vom Auf- und Untergang der Sonne sprechen können. Denn wie anders sollten sie sich mit dem gemeinen Mann verständigen können? Diese Einsichten hatten für die Behandlung des Themas nicht unerhebliche Konsequenzen. So wurde aus dem eigentlichen Thema, das immer im Auge behalten wurde, mehr und mehr der Versuch, diese Denkfigur Leibniz1 einmal an einem exemplarischen Fall darzulegen. In diesem Sinne kann die vorliegende Untersuchung, die sich inhaltlich mit der Verstandesproblematik, also einer erkenntnismetaphysischen Frage beschäftigt, immer auch unter einem methodologischen Aspekt gelesen werden. Gerade bei Leibniz' Auffassung des menschlichen Verstandes erweist sich diese seltsame Ver-
VIII
Vorwort
knüpfung zwischen erkenntnismetaphysischen Sachproblemen und methodologischen Fragen der Leibniz-Interpretation als unumgänglich. Was aber auf den ersten Blick als eine Komplizierung des Sachproblems erscheinen mag, kann sich als ein Gewinn für die Interpretation herausstellen, indem hierdurch die Einzelinterpretation, die natürlich nicht vernachlässigt werden darf, über sich hinausgeführt wird, was zu einer Überwindung des grundsätzlichen Dilemmas beitragen kann, in dem jede philosophiegeschichtliche Arbeit steht, eines Dilemmas, das Leibniz treffend so formuliert: „Diejenigen, die in den Wissenschaften gerne den Nachdruck auf die Detailarbeit legen, mißachten die abstrakten und allgemeinen Forschungen, und diejenigen, die die Prinzipien gründlich erforschen, dringen selten zu den Einzelheiten vor" (G I 402f.: „Ceux qui aiment ä pousser le detail des sciences, meprisent les recherches abstraites et generales, et ceux qui approfondissent les principes entrent rarement dans les particularitos."). Zur Zitation und zu den Anmerkungen sei folgendes bemerkt: Innerhalb des Textteils bringen wir keine fremdsprachlichen Zitate, sondern nur Übersetzungen, wobei der Originaltext in den Fußnoten beigefügt ist. Ein fremdsprachliches Zitat innerhalb der Anmerkungen erhält keine eigene Übersetzung. Bei den Übersetzungen handelt es sich um von uns selbst erstellte Übersetzungen, wobei wir die eventuell vorhandenen Übersetzungen vergleichsweise zu Rate gezogen haben. Die Quellenangaben zu Leibniz (Ausgaben wie Übersetzungen) bedienen sich Abkürzungen mit Seiten- und eventuell auch Bandangabe. Die Quellenangaben zu anderen Autoren beschränken sich z. T. auf den Nachnamen des Verfassers (in Kapitälchen) mit Seiten- und eventuell auch Bandangabe (so z.B. bei Jaspers), z. T. wird auch zusätzlich das Werk aufgeführt (so z.B. bei Platon). Die Literaturangaben dagegen beschränken sich ausnahmslos auf den jeweiligen Nachnamen des Verfassers (in Kapitälchen) mit Seiten- und eventuell auch Bandangabe. Stammen von ein und demselben Verfasser mehrere Bücher und/oder Beiträge, so erhält der Verfassername eine kleine Anmerkungsziffer. Die Aufschlüsselungen zu diesen Abkürzungen und Verfassernamen (samt Anmerkungsziffern) finden sich innerhalb der Bibliographie. Nach den noch nicht im Buchhandel erhältlichen Vorauseditionen zur Reihe VI — Philosophische Schriften — in der Ausgabe der Deutschen Aka-
Vorwort
Di
demie der Wissenschaften der DDR, jetzt: Berlin (siehe Quellen zu Leibniz) haben wir nur diejenigen Texte zitiert, die hier erstveröffentlicht sind. An dieser Stelle sei auch noch darauf aufmerksam gemacht, daß LeibnizTexte zuweilen eine schwankende Accentsetzung aufweisen, die Interpunktion für den heutigen Leser nicht immer unmittelbar einsichtig sein wird und die Rechtschreibung selbst innerhalb ein und desselben Abschnittes Abweichungen aufweisen kann. Die vorliegende Untersuchung wurde im SS 1991 vom Fachbereich I der Universität Trier als philosophische Habilitationsschrift angenommen. Dafür sei dem Fachbereich ein herzliches Wort des Dankes gesagt. Für die Erstellung der erforderlichen fünf Gutachten danke ich den Philosophie-Professoren Dr. Norbert Hinske, Dr. Klaus Kremer und Dr. Emst-Wolfgang Orth von der Universität Trier, dem Psychologie-Professor Dr. Peter Schwenkmezger, ebenfalls von der Universität Trier, und dem Leibniz-Forscher Professor Dr. Otto Saame von der Universität Mainz — als auswärtigem Gutachter. Die Anregung zur Beschäftigung mit einem Thema aus der Philosophie Leibniz' ging aus von meinem verehrten Lehrer, Herrn Professor Dr.phil. Lic.theol. Klaus Kremer von der Theologischen Fakultät und der Universität Trier. Er führte mich in das nicht einfache, aber immer interessante Denken Leibniz1 ein und begleitete in den vergangenen Jahren diese Untersuchung mit ermutigendem Interesse und sachkundigen Ratschlägen. Mein Dank gilt in diesem Zusammenhang auch meinem Kollegen und Freund Dr. phil. Karl-Heinz Lembeck von der Universität Trier, mit dem ich verschiedene Probleme dieser Untersuchung im Gespräch erörtern und so einer Lösung zuführen konnte. Den Herausgebern der „Quellen und Studien zur Philosophie" danke ich für die bereitwillige Aufnahme in diese Reihe, insbesondere Herrn Professor Dr. Jürgen Mittelstraß für seine nachhaltige Empfehlung beim Verlag. Dem Verlag Walter de Gruyter danke ich für sein Entgegenkommen, ganz besonders Herrn Professor Dr. Heinz Wenzel für seine liebenswürdige Betreuung. Trier, den 1. Juni 1992
Werner Schüßler
Inhaltsverzeichnis Vorwort Abkürzungen Leibnizscher Schriften
VII XV
Erster Teil:
Einführung
l
1. Kapitel:
Ziel und Methode der Untersuchung
3
§
l Leibniz als Erkenntnistheoretiker?
3
§
2 Rechtfertigung des Themas
5
§
3 Absoluter Apriorismus oder Nähe zu Locke?
6
§
4 Methodik bei Leibniz
7
§
5 Esoterik und Exoterik
9
§
6 Kopernikanisches Prinzip
12
§
7 Methodik der Untersuchung
17
2. Kapitel:
Abgrenzung gegenüber dem Begriff der Vernunft (ratio)
23
§
8 Die Vernunft als die Verkettung der Wahrheiten
25
§
9 Vernunft und Glaube
32
§ 10 Vernunft und Freiheit
39
Zweiter Teil: Die Auffassung des menschlichen Verstandes im «Systeme commun»
43
1. Kapitel:
50
Die verschiedenen Stufen der menschlichen Erkenntnis
§ 11 Die äußeren Sinne
50
§ 12 Der Gemeinsinn und die Einbildungskraft
59
§ 13 Der Verstand
61
2. Kapitel: Die nähere Bestimmung des menschlichen Verstandes § 14 Der Verstand als aktive Anlage
69 69
1. Gegen die Lehre von der tabula rasa
70
2. Eingeborensein als „im Verstande sein"
74
XII
Inhaltsverzeichnis
§ 15 Der Verstand als Sitz der reinen oder intellektuellen Ideen: eingeborene Ideen
76
1. Zur Herkunft der Formel nisi ipse intellectus 2. Der Umfang des intellectus ipse
79 82
3. Reflexion bei Leibniz und „reflection" bei Locke
84
§ 16 Der Verstand als Sitz der ersten Prinzipien oder Axiome: eingeborene Prinzipien
87
1. Identische Axiome 2. Sekundäre Axiome
87 88
3. Das Prinzip des zureichenden Grundes § 17 Der Verstand als Quelle der notwendigen Wahrheiten:
90
eingeborene Wahrheiten
92
1. Notwendige Wahrheiten — ewige Wahrheiten — Vernunftwahrheiten
94
2. Der Unterschied zu den zufälligen oder Tatsachenwahrheiten 3. Induktion § 18 Weitere eingeborene Ideen und Wahrheiten: die Idee Gottes
98 100
und die ursprüngliche Tatsachenwahrheit „Ich bin" § 19 Die Virtualität, nicht Aktualität der Verstandeserkenntnis ...
102 104
§ 20 Die Apperzeption oder Aktualisierung der
Verstandeserkenntnis 1. Erfahrung als conditio sine qua non 2. Aufmerksamkeit 3. Wiedererinnerung?
106 107 110 113
Dritter Teil: Die Auffassung des menschlichen Verstandes im «Systeme nouveau»
115
I.Kapitel: Die Lehre von der Substanz § 21 Die Bestimmung der individuellen Substanz 1. Praedicatum inest subjecto
121 121 122
Inhaltsverzeichnis
2. Aufhebung des Unterschieds zwischen zufälligen und notwendigen Wahrheiten? 3. Begriff der individuellen Substanz und Artbegriff § 22 Die metaphysischen Voraussetzungen dieser Substanzdefinition 1. Die Substanz als Spiegel Gottes und des Universums 2. Gott und die Seele allein? § 23 Die metaphysischen Konsequenzen dieser Substanzdefinition 1. Gegen eine physische Wechselwirkung und eine Übertragung von Spezies 2. Gegen die Lehre von den Gelegenheitsursachen 3. Die Prästabilierte Harmonie 2. Kapitel:
Die aus der Substanzlehre resultierende Auffassung des menschlichen Verstandes
XIII
125 130 132 132 139 140 141 143 143 155
§ 24 Absoluter Apriorismus
156
§ 25 Die Funktion der Sinne?
158
§ 26 Die Unterscheidung der Ideen
161
1. Das Unbemerkte und das Bemerkte 2. „Petites perceptions" 3. Kontinuität der Erkenntnis? § 27 Das Innere des Innen: Das Ich und seine Ideen
163 164 167 170
1. Perception, Apperzeption und Selbstbewußtsein 2. Intellectus ipse? 3. Der Unterschied zum Tier § 28 Wahrheit als Entsprechung
171 175 180 182
§ 29 Die Realität der Außenwelt
184
XIV
Inhaltsverzeichnis
Vierter Teil: Versuch einer Vermittlung zwischen der Auffassung des menschlichen Verstandes im «Systeme commun» und derjenigen im «Systeme nouveau» 1. Kapitel:
Der Standpunktwechsel zwischen «Systeme commun» und «Systeme nouveau»
§ 30 Der explizite Standpunktwechsel § 31 Der implizite Standpunktwechsel 2. Kapitel:
189 195
195 196
Die ausdrückliche Rechtfertigung dieses
Standpunktwechsels § 32 Die sachliche Rechtfertigung
201 201
§ 33 Die formale Rechtfertigung
206
§ 34 Standpunktwechsel, Konzilianz und philosophia perennis
208
Bibliographie I. Quellen
213 215
1. Zu Leibniz A. Ausgaben
215 215
B. Übersetzungen 2. Zu anderen Autoren
217 218
II. Literatur . Hilfsmittel 1. Bibliographien A. Zur Primärliteratur
B. Zur Sekundärliteratur 2. Lexikon
221 242 242 242
242 242
Personenregister
243
Sachregister
249
Abkürzungen Leibnizscher Schriften DC
Discours proliminaire de la conformite" de la foy avec la raison
DM
Discours de m&aphysique
Mon. Monadologie
NE
Nouveaux Essais
PNG Principes de la nature et de la grace SN
Systeme nouveau de la nature et de la communication des substances
Th.
Essais de thoodicee
Weitere Abkürzungen finden sich in der Bibliographie innerhalb der Quellenangaben zu Leibniz.
Je tie suis pas de ceux a qui {'engagement tient Heu de raison, comme vous l'eprouveras quand vous pourros dire d'avoir αρροηέ quelque raison precise et pressante contre mes opinons." G. W. Leibniz (G IV 494).
Erster Teil Einführung
1. Kapitel Ziel und Methode der Untersuchung Die unübersehbare Literatur zu Leibniz um eine weitere Untersuchung zu vermehren, bedarf der Rechtfertigung. Diese Rechtfertigung erfolgt in unserem Falle auf eine zweifache Art: Sie ist einmal sachlich, sodann auch methodologisch begründet. Der Entfaltung dieser beiden Aspekte soll dieses erste Kapitel der Einführung gewidmet sein.
§ l Leibniz als Erkenntnistheoretiker? Erkenntnistheoretische Fragen bilden nicht das primäre Interesse von Leibniz.l Die erkenntnistheoretische Problematik schneidet er im allgemeinen nur im Zusammenhang mit ontologischen Fragen und im Hinblick auf diese an.2 Allein In diesem Sinne ist Leibniz wohl mehr der Scholastik als der Moderne zugewandt. Für Leibniz ist das Erkennen eine Seite am Seienden, nicht das Seiende eine Seite der Erkenntnis (vgl. WUNDT, 228; BELAVAL5, 50; BELAVAL6, 389; HACKING, 171; HEIMSOETH1, 195f. 198; JANSEN, 18. 24; LOEMKER4, 4l; PALAGYI, 53; SALAS ORTUETA, 116; SCHIMOLER, 24if.; WEIZSÄCKER, 183). — Zudem ist die Entscheidung der Frage nach dem Ursprung unserer Ideen, wie Leibniz selbst in den Quelques remarques sur le livre de Mons. Lock intitula Essay of Understanding hervorhebt, weder für den ersten Unterricht noch für die Anwendung der Denkkunst (l'art de penser) absolut notwendig. Richtiges Räsonieren ist sogar unabhängig von der Frage, ob unsere Ideen von außen kommen oder immer schon unser eigenster Besitz sind. Ja diese Frage gehört überhaupt nicht an den Anfang des Philosophierens, weil man nach Leibniz schon große Fortschritte gemacht haben muß, um sie richtig zu entscheiden. Vgl. A VI 6, 6: „Pour ce qui est de la question, s'il y a des i'idees et des verites nees avec nous; je ne trouve point que la decision en soit absolument necessaire pour les commencemens ni pour la practique de l'art de penser: Soit qu'elles nous viennent toutes de dehors, ou qu'elles viennent de nous, on raisonnera juste, pourveu qu'on garde ce que j'ay dit cy dessus, et qu'on procede avec ordre et sans prevention. La question de l'origine de nos idees et de nos maximes n'est pas preliminaire en philosophic, et il faut avoir fait des grands progres pour la bien resoudre. Je crois cependant de pouvoir dire, que nos idees ... viennent de nostre propre fonds, dont on pourra mieux juger par ce que j'ay public touchant la nature et communication des substances, et touchant ce qu'on appelle l'union de l'ame avec le corps." Vgl. HOLZ, 75; KAEHLER2, 60f. 70 u. 72 A. 38; NARSKIJ2, 430; MARSCHALLEK, 107. Aus diesem Grund halten wir es für verfehlt, wenn ZOCKER die Leibnizsche Erkenntnislehre von ihrer metaphysischen Fundierung zu trennen sucht (vgl. 2). — D. B. HART kann in seiner Un-
4
Ziel und Methode der Untersuchung
die Meditationes de cognitione, veritate et ideis3 von 1684 bilden hier eine Ausnahme. In dieser kleinen, aber sehr bedeutsamen Schrift, auf die sich Leibniz immer wieder selbst bezieht,4 macht er die erkenntnistheoretische Problematik isoliert zum Gegenstand einer Betrachtung.5 Die Nouveaux Essais sur l'entendement humain, die aus der Auseinandersetzung mit Locke und vornehmlich in bezug auf das Problem der angeborenen Ideen entstanden sind, nehmen insofern eine Sonderstellung ein, da Lockes Essay concerning human understanding Leibniz den erkenntnistheoretischen Ansatz geradezu aufzwingt,6 und es Leibniz hier vornehmlich darum geht, einen weit verbreiteten Irrtum aus der Welt zu schaffen.7 Aber auch hier wird immer wieder deutlich, daß Leibniz die erkenntnistheoretische Fragestellung in ontologische Erwägungen umbiegt. Ja man kann mit Holz sagen: „Die eingeborenen Ideen selbst sind für Leibniz ein ontologisches Problem."8 Zwar teilt Leibniz mit vielen großen Metaphysikem ein mangelndes Interesse am Erkenntnisproblem, doch ist dies bei ihm in seinem philosophischen System selbst begründet: Für die Monade
3 4 5
6 7
8
tersuchung an den Begriffen ,Jdee", „Wahrheit" und „Erkenntnis" überzeugend nachweisen, daß diese bei Leibniz nicht rein epistemologische Begriffe sind, sondern immer auch einen ontologischen oder metaphysischen Stellenwert besitzen: Ideen sind unter ontologischem Aspekt Möglichkeiten, die ihren Sitz im Verstande Gottes haben. Unter epistemologischem Aspekt sind sie Repräsentationen von Möglichkeiten (vgl. 10). Die Frage nach der Natur der Wahrheit behandelt Wahrheit unter ontologischem, die Frage nach Wahrheitskriterien behandelt sie unter epistemologischem Aspekt. Erkenntnis unter ontologischem Aspekt betrifft die Erkenntnis Gottes, Erkenntnis unter epistemologischem Aspekt die menschliche Erkenntnis (vgl. lOf. 48,103f.). G IV 422^26. Vgl. A VI6,5; NE II29, § 2 = A VI6,254; NE III4, § 4.5. 6. 7 = A VI6,296. Leibniz selbst sagt zu dieser kleinen Schrift, daß man hierin die Grundlagen eines guten Teils der den Verstand betreffenden Lehre im Abriß erklärt finden könne (NE III 4, § 4. 5. 6. 7 = A VI6,297).
Vgl. SILBERSTEIN, 9.20. HEGEL, XX 236, hat das auch schon so gesehen, wenn er schreibt: „Zu den größeren [Schriften] gehört sein Werk über den menschlichen Verstand (Nouveaux essais etc.) gegen Locke; das ist nur Widerlegung." Vgl. ROTH, 13; McRAE2, 18. Aus diesem Grunde können wir K. FISCHER nicht folgen, wenn er die Nouveaux Essais als das „philosophische Hauptwerk" von Leibniz bezeichnet (607). Daß die Nouveaux Essais „innerhalb des literarischen Ganzen von Leibniz' Werken die Hauptquelle für die Kenntnis seiner Philosophie" bilden und an allgemeiner Verbreitung und an geschichtlicher Fortwirkung nur mit der Theodic4e zu vergleichen sind, wie CASSIRER3 mit Recht feststellt (DC), muß dem in keiner Weise widersprechen. Ph. Sehr. I 30.
Rechtfertigung des Themas
5
gibt es keine Subjekt-Objekt-Relation im eigentlichen Sinne, keinen Gegensatz von Innen und Außen, von Rationalem und Empirischem, da sie durch die repraesentatio mundi bestimmt ist und so die „Summe aller möglichen Erkenntnisgegenstände" schon immer in sich trägt.9
§ 2 Rechtfertigung des Themas Selbst derjenige, der sich nur sehr wenig oder überhaupt nicht näher mit Leibniz beschäftigt hat, kennt doch seine in fast allen Philosophiegeschichten und erkenntnistheoretischen Lehrbüchern zitierte Ergänzung des sensualistischen Grundsatzes Nihil est in intellectu quod nonfuerit in sensu durch: excipe: nisi ipse intellectus.10 Diese Ergänzung wird zumeist als die entscheidende Position von Leibniz in der Frage des Aphorismus ausgegeben, ja als originäre Schöpfung der Leibnizschen Philosophie. Sie gilt in diesem Sinne geradezu als das Resümee seines erkenntnistheoretischen Nachdenkens. Aber weder hat Leibniz diesen Zusatz als erster formuliert, noch bringt der Zusatz seine eigentliche Position in dieser Frage zur Geltung.11 Was dieser „nisi"-Satz näherhin bedeutet, bleibt auch zumeist ungeklärt.12 Daß der Begriff des Verstandes bei Leibniz (lat.: intellectus, frz.: entendement) bisher nicht zum ausdrücklichen Thema einer Untersuchung gemacht wurde, ist einerseits verwunderlich, da er — wie soeben bemerkt — ja gerade die erkenntnistheoretische Position von Leibniz gegenüber derjenigen des Sensualismus absetzt, andererseits aber ist dies wohl in der Sache selbst begründet. Denn die Rede vom Verstand bei Leibniz — im Unterschied etwa zur Vernunft (lat.: ratio, frz.: raison) — ist im eigentlichen Sinne nur sinnvoll „dans l'usage ordinaire de la vie", also in der Sprache des täglichen Lebens; „dans la rigueur de la verite" metaphysique" dagegen, also im strengen Sinne der metaphysi9
10 11 12
Ph. Sehr. I 31; vgl. auch HOLZ, 75; CASSIRER3, XXIV; JANSEN, 6. 30; HEIMSOETH1, 296; HILDEBRANDT, 154; PAPE, 114; LORENZ, 24; STRAMM, 70: „Eine Subjekt-Objekt-Spaltung gibt es nicht für Leibniz. Das Objekt in seinem allgemeinsten Sinn, als Gegenstand der Erkenntnis überhaupt, wie auch als Zie/ der Tätigkeit des Subjekts, ist in das Subjekt hineinprojiziert." — Ob hieraus die Unmöglichkeit einer Erkenntnistheorie überhaupt folgt, kann erst im Verlauf der Untersuchung selbst geklärt werden. Vgl dazu auch STACK1, bes. 81. N E I I 1 , § 2 = AVI6,111. Siehe dazu unten S. 79ff. Vgl. z.B. BRANDS, 62.
6
Ziel und Methode der Untersuchung
sehen Wahrheit, ist diese Rede noch zu hinterfragen.13 Diese Problematik wird uns in den folgenden Punkten der Einführung noch weiter beschäftigen und darüber hinaus auch die Methode der Untersuchung selbst mitbestimmen. Die vorliegende Untersuchung zielt somit nicht auf eine Gesamtdarstellung des Leibnizschen Systems,14 vielmehr soll versucht werden, vom Begriff des Verstandes her einen neuen Zugang zu Leibniz zu gewinnen. Das bedeutet, daß die Substanz-Metaphysik nicht als solche interessiert, sondern nur insoweit, als es für das Verständnis der erkenntnistheoretischen Gesichtspunkte notwendig ist Erst die Untersuchung selbst muß zeigen, daß sich darüber hinaus der Begriff des Verstandes als tragfähig erweist, um das Ganze des Leibnizschen Denkens auf seine Weise zu bewältigen.15
§ 3 Absoluter Apriorismus oder Nähe zu Locke? Die Interpretationen der erkenntnistheoretischen Position von Leibniz erscheinen sehr divergent, ja zum Teil sogar widersprüchlich. Manche Interpreten sehen in Leibniz den Vertreter eines absoluten Apriorismus, der aus seiner monadologischen Metaphysik folge.16 Andere betonen seine gemäßigte Position, die ohne seine monadologische Konzeption auszukommen scheint.17 Schließlich wird von manchen Interpreten sogar auf die Nähe zu Locke bzw. zum Em-
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15
16
17
Vgl. DM § 27f. = GIV 452f. Eine vollkommene Darstellung der Leibnizschen Philosophie zu geben, hieße, eine Aufgabe lösen, die Leibniz selbst nicht hat lösen können. Daß man bei Leibniz von den verschiedensten Seiten her einen Zugang zu seinem Denken bekommen kann, liegt, so legt MATES überzeugend dar, in dem Isomorphismus, der nach Leibniz zwischen der Welt der Sprache, der Welt der Begriffe und der realen Welt besteht (vgl. 247; vgl. dazu NE II 21, § 5 = A VI 6, 173). Vgl. KLAUS, 303. Vgl. dagegen SEIDEL, 136f., der in diesem Zusammenhang von einer Vermengung der Ebenen spricht. Vgl. HARTMANN2, 4; LACHELffiR, 64; REININGER, 123; PAPE, 119; SCHNEIDERS1, 174; WILDERMUTH, 200; LEROUX, 41; LATTA, 126; BOHN, 11. 14; ODEGARD2, 116. 120; SCfflMOLER, 150;NARSKIJ1,99. 101. 105. Vgl. SILBERSTEIN, 59f.; , 79; COOPER, 467. 477. Vgl. J. JALABERT2: „Leibniz conserve done la distinction traditionelle de ' et de l'acquis par expanence" (24). Vgl. ebenso WUST, II 103, der Leibniz in einer „Mittelstellung zwischen Descartes und Locke beim Kampf um die eingeborenen Ideen" sieht. Auch HILDEBRANDT, 143.
Methodik bei Leibniz
7
pirismus allgemein verwiesen;18 der „nisi"-Satz gewinnt hier ganz die Bedeutung der inneren Reflexion im Sinne Lockes.19 Was ist hieran wahr? Verwickelt Leibniz sich in Widersprüche? Ist seine erkenntnistheoretische Position nicht konsistent?20 Oder liegt es an den Interpreten? Betrachtet man die Schriften von Leibniz rein unter einem systematischen Gesichtspunkt, so sieht es wirklich so aus, als würde Leibniz widersprüchliche Standpunkte vertreten. Berücksichtigt man dagegen, daß die Interpreten sich jeweils nur auf bestimmte Schriften von Leibniz beziehen, um ihre Interpretation zu stützen, so erscheint dies auch als ein Mangel. Wie kommen wir aus diesem scheinbaren Dilemma heraus?
§ 4 Methodik bei Leibniz Einem Denker vom Range eines Leibniz kann man wohl kaum unterstellen, daß er etwaige Widersprüche bezüglich seiner erkenntnistheoretischen Position
18
Vgl. SIGALL, T. l, 34. Diese Deutung legt Leibniz selbst nahe, wenn er in der Vorrede zu den Nouveaux Essais meint: „Ainsi je suis porte ä croire que dans le fonds son [sc. Locke] sentiment sur ce point n'est pas different du mien ou plutot du sentiment commun, d'autant qu'il reconnoit deux sources de nos connoissances, les sens et la reflexion" (NE, Preface = A VI 6, 53; vgl. NE I 3, § 8 = A VI 6, 104f.; IV 10, § 9 = A VI 6, 440f.). RESCHER2, 127, bezeichnet Leibniz sogar als einen Empiristen. Vgl. RESCHER4, 94. 99; LINDSAY, 529f.; THTLLY, 4;
, 8l; HARTENSTEIN, 457; KÖNIG, 182; Picco, 105. 19
20
Vgl. GIBSON, 282; AARSLEFF2, 406; H. BARTH, 397; JOLLEY6, 176. Leibniz selbst macht auch hier auf die diesbezügliche Nähe zu Locke aufmerksam (NE, Preface = A VI 6, 53; II l § 2 = A VI 6,111). Siehe Näheres dazu unten S. 84ff. So urteilen , 56; BURKHARDT1, 157; FRENZEL, 16; JANSEN, 36f. 56f.; SILBERSTEIN, 43. 46f. In diese Richtung scheint auch JOLLEY8, 154-159, zu gehen. Daß sich Leibniz selbst von seiner eigentlichen Theorie des Erkennens keine rechte Vorstellung gemacht hat, wie SlLBERSTEIN meint (46), erscheint uns nun doch als eine etwas voreilige, ja geradezu anmaßende Kritik. Allerdings ist SILBERSTEIN zuzugestehen, daß er sich wie kaum ein anderer vor ihm dieses Widerspruches bewußt ist, der zwischen der Abstemplung Leibniz' als absoluten Aprioristen durch die Geschichte der Philosophie einerseits und dem in keinem Handbuch fehlenden „nisi"-Satz andererseits besteht (51). Nur verstellte ihm seine Voreingenommenheit für den Kantischen Standpunkt den Weg zu einer wirklichen Lösung dieses Problems (vgl. 49. 51). Vgl. z.B. demgegenüber HOLZNER, 88, der den „nisi"-Satz gerade in Richtung eines absoluten Apriorismus hin mißversteht So auch REININGER, 124.
8
Ziel und Methode der Untersuchung
nicht wahrgenommen hätte.21 Die Meinung, Leibniz habe Gegensätze verwischt und sei den Ansichten anderer auf halbem Wege entgegengekommen,22 scheint ebenso unglaubwürdig. Denn Leibniz versteht es doch auch sehr gut, seine eigene Position gegenüber Angriffen zu verteidigen. Die scheinbare Widerspriichlichkeit muß also einen anderen Grund haben. In einem Brief an Bernoulli vom IS.November 1698 scheint dieser andere Grund auf, wenn Leibniz hier schreibt: „Ich billige durchaus Ihren Rat, daß wir, wenn wir es mit den Cartesianern und ihresgleichen zu tun haben, von der Erwähnung der ersten Materie und der substantiellen Form ganz absehen und lediglich von der an sich passiven Masse und der Entelechie oder der ursprünglichen Tätigkeit, der Seele und dem Lebensprinzip sprechen wollen."23 Ähnlich heißt es in einem Brief an Remond vom 26. August 1714: „Ich benutze jetzt die Gelegenheit des Herrn Sulli..., um Ihnen eine kleine Abhandlung zu schicken, die ich hier für seine Durchlaucht den Prinzen Eugen über meine Philosophie angefertigt habe.24 Ich hoffe, daß diese kleine Schrift dazu beiträgt, meine Gedanken besser verständlich zu machen, wenn man dem das hinzufügt, was ich in den Zeitschriften von Leipzig, Paris und Holland dargelegt habe. In denjenigen von Leipzig passe ich mich ziemlich der Sprache der Schule an, in den anderen passe ich mich mehr dem Stile der Cartesianer an, und in diesem letzten Stück bin ich bemüht, mich in einer Weise auszudrücken, die auch von denjenigen verstanden werden könnte, die noch nicht recht an den Stil der einen oder anderen gewöhnt sind."25
21
Vgl. STRAMM, 3. Vgl. demgegenüber die Interpretationen von RUSSELL2 und SCHMALENBACH, die unüberbrückbare Widersprüche feststellen, die ihrer Meinung nach das gesamte Denksystem Leibniz' in seinen Grundlagen als nicht tragfähig erweisen. 22 SoMAHNKE,310;ZOCHER,2. 23 GM HI/2 552 (Prorsus probo consilium Tuum, ut apud Cartesianos aut similes abstineamus mentione materiae primae et formae substantial!s, content! mentione massae per se passivae et entelechiae seu activitatis primitivae, animae, vitae.). Vgl. TURCK, 104. 24 Es handelt sich hierbei um die Principes de la nature et de la grace. " G III 624 („Je me sers maintenant de l'occasion de M. Sulli... pour vous envoyer un petit discours que j'ay fait icy pour Mgr. le Prince Eugene sur ma Philosophie. J'ay espere que ce petit papier contribueroit ä mieux faire entendre mes meditations, en y joignant ce que j'ay mis dans les Joumaux de Leipzig, de Paris, et de Hollande. Dans ceux de Leipzig je m'accommode asses au langage de l'Ecole, dans les autres je m'accommode davantage au style des Carte s i ens, et dans cede demiere piece je lache de m'exprimer d'une maniere qui puisse 8tre entendue de ceux qui ne sont pas encore trop accoutumes au style des uns et des autres."). Vgl. HEINEKAMP, 6.
Esoterik und Exoterik
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Leibniz übt hier sozusagen eine methodische , um die Probleme nicht zu komplizieren und die Möglichkeit eines Dialogs nicht zu verbauen.26 Ja, er geht noch weiter und paßt sich sogar dem Sprachgebrauch des jeweiligen Ansprechpartners an,27 was natürlich zwangsläufig auch eine Verschiebung der Inhalte seiner Gedanken mit sich bringt.28 Dieses methodische Prinzip von Leibniz, das besonders innerhalb seiner erkenntnistheoretischen Erwägungen zum Tragen kommt, aber auch in anderen Gebieten beobachtet werden kann, muß gleichsam den Leitfaden der Interpretation abgeben, anderenfalls wird man Leibniz nicht gerecht.
§ 5 Esoterik und Exoterik Die Beobachtung, daß Leibniz sich in seinen Schriften auf verschiedenen Ebenen der Argumentation bewegt, er den jeweiligen Diskussions- oder An2^ Vgl. hierzu auch, was Leibniz in bezug auf die Diskussion um den ontologischen Gottesbeweis sagt: „Quoyqu'il en soil, on pourroit former une demonstration encore plus simple, en ne parlant point des perfections, pour n'etre point arrest6 par ceux qui s'aviseroient de nier que toutes les perfections soient compatibles, et par consequent que 1'idee en question soit possible" (G IV 405). Ähnlich bedient er sich auch bei der Widerlegung eines einigen, allumfassenden Geistes nicht der Argumente, die sich aus seinem philosophischen System ergeben: „Je ne veux point recourir icy a un Argument demonstratif, que j'ay employe ailleurs, et tiro des Unites ou choses simples..." (G VI 538). — E. CURLEY1 spricht in diesem Zusammenhang nicht zu Unrecht vom „accommodating spirit" Leibniz' (320). 27 Vgl. McRAE2,17; NlERAAD, 22. 28 In einem interessanten und aufschlußreichen Artikel weist WEBER überzeugend nach, daß Leibniz in dem Bemühen, seine eigene Position den Cartesianem zu verminein, selbst Anlaß bietet zu Interpretationen, die falsch sind, „weil sie den Anspruch erheben, Gesamtdeutungen zu sein oder zu Gesamtdeutungen herangezogen werden" (1006). Weber kommt so zu dem wichtigen Ergebnis: „Das Schicksal der Monadologie kann man also nicht allein auf Um- und Missdeutungen der Zeitgenossen oder der Nachfolger von Leibniz oder gar auf deren 'Unreife' zurückführen, wenn auch diese Gründe nicht unbeachtet bleiben dürfen. Einen Teil der Verantwortung dafür, dass sein System so unvollkommen rezipiert wurde, trägt Leibniz selbst. Er, der schon ins andere Zimmer gelangt war, hätte das Vestibulum meiden können" (1008). Weber spielt hier auf Leibniz' Charakterisierung der Cartesischen Philosophie als J'Antichambre de la verite" an (vgl. G IV 337). — Vgl. auch schon folgende Bemerkung Natorps in einem Brief an A. Görland vom 27. 11. 1898: „Er [sc. Leibniz] thut da nur oft als verleugne er seine Philosophie. Er musste eben mit Mathematikern so correspondieren dass sie ihn verstanden. So macht er es ja immer und scheint darum so oft sich selbst, sein bestes gerade, zu verleugnen" (NATORP, II 248).
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Ziel und Methode der Untersuchung
Sprechpartner auf der Ebene abholt, wo dieser sich befindet und so überhaupt erst Verstehen und Miteinander-Sprechen ermöglicht, hat wohl als erster Lessing gemacht. „[Leibniz] that damit nichts mehr und nichts weniger," schreibt Lessing, „als was alle alte Philosophie in ihrem exoterischen Vortrage zu thun pflegte. Er beobachtete eine Klugheit, für die freylich unsere neuesten Philosophen viel zu weise geworden sind. Er setzte willig sein System bey Seite; und suchte einen jeden auf denjenigen [!] Wege zur Wahrheit zu führen, auf welchem er ihn fand."29 Aber nicht nur die „neuesten Philosophen" zur Zeit Lessings sind für diese Klugheit zu „weise" geworden, sondern auch die meisten Leibniz-Interpreten, die diese Klugheit von Leibniz nicht erkennen und dementsprechend auch nicht richtig zu deuten wissen. Eine Ausnahme bildet hier die Arbeit von Wöhrmann. Nach Wöhrmann ist das „Exoterikprinzip" ein eigenes Prinzip der Leibnizschen Philosophie, „das durchgängige Berücksichtigung verlangt, wenn man seine Texte adäquat verstehen will".30 Traut man Leibniz „in sozusagen naiv-scharfsinniger Kritik" eine schlichte Dummheit oder einen Definitionsfehler zu, so verstellt man sich dadurch geradezu den Zugang „zu der tieferliegenden Stringenz seiner wahren Theorie".31 Wöhrmann spricht in diesem Zusammenhang mit Recht von der „mäeutischen Funktion der Exoterik".32 29 30
LESSING, xi 470. Vgi. K. FISCHER, 607; METTLER, bes. 215; TINNER, bes. i07f.
WÖHRMANN, 81. BOHN, 62f., und JAENICKE, 10, haben hierauf auch schon aufmerksam gemacht. 3 ' WÖHRMANN, 78. Diese „wahre Theorie" wäre dementsprechend die esoterische Seite von Leibniz' Philosophie, das, was wir später mit dem Begriff «Systeme nouveau» — im Gegensatz zum «Systeme commun» — kennzeichnen werden. — Diese Anwendung der Begriffe „exoterisch" und „esoterisch" in bezug auf das Denken Leibniz' ist zu unterscheiden von Leibniz' eigenem Gebrauch der Begriffe „exoterisch" (bzw. populär) und „akroamatisch". In einem Brief an Remond vom 29. Juli 1715 sagt er bezüglich zweier von ihm stammender Schriften, die er Remond hat zukommen lassen: „Mais on peut dire que ce sont des Discours Exoteriques, et nullement Acroamatiques" (G III 648). Wie Leibniz den Unterschied zwischen „akroamatisch" und „exoterisch" genauer versteht, erhellt aus der Dissertatio de stilo philosophico Nizolii, wo es heißt: Est tarnen inter philosophandi modos discrimen ingens, alius enim est, ut sie dicam Acroamaticus, alius Exotericus. Acroamaticus est in quo ornnia demonstrantur, Exotericus in quo quaedam sine demonstrations dicuntur, confirmantur tarnen congruentiis quibusdam et rationibus topicis, vel etiam demonstratoriis, sed non nisi topice propositis; illustrantur exempli s et similitudinibus: tale dicendi genus dogmaticum quidem seu philosophicum est, acroamaticum tarnen non est, id est, non rigorosissimum, non exactissimum (A VI 2, 416). Vgl. dazu HOLZHEY, 227. 229. Vgl. NE, Preface = A VI 6, 48 i. V. mit NE II 29, § 12 = A VI 6, 260, wo erhellt, daß Leibniz „exoterique" mit „populaire" gleichsetzt. Leibniz1 eige-
Esoterik und Exoterik
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Auch Russell unterscheidet bei Leibniz zwischen exoterischer oder „populärer Philosophie", wie er sie nennt, und esoterischer Philosophie, wobei er die exoterische Philosophie mit Leibniz' veröffentlichten, die esoterische mit seinen unveröffentlichten Schriften identifiziert.33 Aus Rücksicht auf die religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen seiner Leser verschleiere Leibniz in seinen veröffentlichten Schriften so seine wirklichen Überzeugungen, welche er nur in den privaten Aufzeichnungen frei ausspreche.34 Diese Identifi-
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ner Gebrauch der Begriffe „exoterisch" und „akroamatisch" deckt sich also nicht mit der von uns im Anschluß an Lessing vorgenommenen Unterscheidung zwischen „exoterisch" und „esoterisch". — Das Urteil, daß der Unterschied zwischen „esoterisch" und „exoterisch" nur in der Geschichte der antiken Philosophie und ihrer Interpretation eine erhebliche Rolle spiele, er dagegen in der neueren Philosophie nebensächlich sei, wie GAISER meint (865), trifft in keiner Weise auf Leibniz zu — ganz im Gegenteil! Es ist überhaupt verwunderlich, daß Gaiser in seinem Beitrag „Exoterisch / esoterisch" im „Historischen Wörterbuch der Philosophie" Leibniz noch nicht einmal nennt. Auch WALDENFELS kommt in seinem Beitrag .Akroamatisch / erotematisch" in demselben Wörterbuch nicht auf Leibniz zu sprechen (128). Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß Leibniz selbst weder das in der Spätantike gebrauchte Gegensatzpaar .Akroamatisch — erotematisch" noch das seit dem 2. Jh. n. Chr. belegbare Gegensatzpaar „exoterisch — esoterisch" gebraucht, sondern immer nur von „akroamatisch" im Gegensatz zu „exoterisch" bzw. „populär" spricht. WÖHRMANN, 79. Vgl. Leibniz' Versuch, in einigen Dialogen selbst die sokratische Methode nachzuahmen (C 594; G VII 190). — Speziell gegenüber Damen verzichtet Leibniz — indem er an die Sokratische Mäeutik anknüpft — gerne darauf, „Gedanken des eigenen Systems systemimmanent oder gar dogmatisch zu vermitteln" (JAUCH, 390). — Dieser Unterscheidung zwischen Exoterik und Esoterik in bezug auf Leibniz, wie wir sie hier im Anschluß an Lessing vorgenommen haben, entspricht bei PARKINSON'*, 5, die Unterscheidung zwischen dem „scientific" und „metaphysical level". „Seine [sc. Leibniz] besten Gedanken waren nicht dazu angetan, ihm die Herzen zu gewinnen, und so ließ er alles, was er davon aufgezeichnet hatte, unveröffentlicht in seinem Pult liegen. Was er publizierte, war dazu bestimmt, ihm die Anerkennung von Fürsten und Fürstinnen zu erringen. Infolgedessen gibt es zwei Systeme, die man als die Philosophie Leibniz' bezeichnen kann: Das eine, das er veröffentlichte, war optimistisch, orthodox, phantastisch und oberflächlich; und ein zweites, das erst in jüngster Zeit von Herausgebern aus seinen Manuskripten zutage gefördert wurde und das tiefsinnig, geschlossen, stark spinozistisch und verblüffend logisch ist" (RUSSELL3, 591; vgl. RUSSELL4, 81; ebenso NARSKIJ1,110). Neuerdings greift C. WILSON Russells Unterscheidung wiederum auf (vgl. 312f.). Leibniz selbst scheint sogar dieser Auffassung recht zu geben, wenn er in einem Brief an Vincentius Placcius vom 21. Februar (2. März) 16% schreibt: „Qui me non nisi editis novit, non novit" (Dutens VI l, 65). — Auch PIAT unterscheidet bei Leibniz zwei Philosophien, wobei nach seinem Verständnis Leibniz' wahre Philosophie ein spinozistischer Determinismus ist, der zwar immer präsent sei, den Leibniz aber zu verheimlichen verstehe (257). Das Zugeständnis von Leibniz in den Nouveaux Essais, er sei früher ein wenig zu weit gegangen, als er sich der
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Ziel und Methode der Untersuchung
zierung ist aber zu vereinfachend.35 Denn selbst in den veröffentlichten Schriften, ja sogar manchmal in ein und derselben Schrift kann es vorkommen, daß Leibniz eine exoterische Darstellungsweise neben einer mehr esoterischen (im Sinne Lessings) wählt.
§ 6 Kopernikanisches Prinzip Die mäeutische Funktion der Exoterik ist letztlich begründet in dem, was wir mit Kaulbach das „Kopernikanische Prinzip" nennen möchten.36 In einer kleinen deutschen Schrift, die bei Guhrauer den Titel trägt „Von dem Verhängnisse"37, wird deutlich, was hierunter zu verstehen ist. Es geht Leibniz hier um den „rechten gesicht-punct", den wir einnehmen müssen, um die Dinge richtig zu erkennen.38 Diesen rechten Gesichtspunkt können wir nicht mit den „äugen des leibes" einnehmen, sondern nur mit den „äugen des Verstandes"39. Diese erkenntnistheoretische Einsicht vergleicht Leibniz mit dem Wandel des astronomischen Weltbildes: „Zum exempel, wenn man den lauff der Sterne auß unser Erdkugel betrachtet, darinn wir stehn, so kommet ein wunderliches verwirretes Wesen heraus, so die Stern-Kundige kaum in etlich tausend jähren zu einigen gewißen Regeln haben bringen können, und diese Regeln sind so schwehr und unangenehm, daß ein König von Castilien, Alphonsus genant, so Tafeln vom Himmelslauff außrechnen laßen, auß mangel rechter erkendtniß
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Seite der Spinozisten zuneigte (NE11 = A VI6,73), kommentiert PlAT mit folgenden Worten: „II y a quelque chose de plus dans le fond: Leibniz est alle jusqu'au spinozisme et n'en est pas revenu" (258). DEL BOCA schließt sich dieser Interpretation an, wenn sie zwischen einem christlichen Leibniz und einem Leibniz der spinozistischen Ansätze unterscheidet (vgl. 223). Doch findet diese These heute kaum noch Zustimmung. Vgl. dazu auch HOCHSTETTER2,96.
Vgl. HEINEKAMP, 6; O'BRIANT, 331. Vgl. KAULBACH4. Guhrauer, II 48-55. In G VII 117-123 ist diese Schrift — ohne Überschrift — mit einigen Abweichungen emeut abgedruckt, nach welcher Ausgabe wir sie im folgenden zitieren werden, wobei wir aber auf die entsprechenden Seiten bei Guhrauer verweisen. G VII 120; vgl. Guhrauer, II 51. Vgl. A I 13,13, wo Leibniz davon spricht, daß das Auge „am rechten orth" stehen muß, damit man „die schöhnheit eines perspectivischen gemähldes" recht bemerken kann. „Allein wir müßen uns mit den äugen des Verstandes dahin stellen, wo wir mit den äugen des leibes nicht stehn, noch stehn können" (G VII 120; vgl. Guhrauer, II 51; vgl. dazu VOISE, bes. 81).
Kopemikanisches Prinzip
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gesaget haben soll, wenn er Gottes rathgeber gewesen, da er die Welt geschaffen, hätte es beßer herauskommen sollen. Aber nachdem man endtlich außgefunden, daß man das äuge in der Sonne stellen müße, wenn man den lauff des Himmels recht betrachten will, und daß alsdann alles wunderbar schöhn herauskomme,40 so siehet man, daß die vermeinte Unordnung und Verwirrung unsers Unverstandes schuld gewesen,41 und nicht der Natur."42 Es gibt noch verschiedene andere Stellen im Werk von Leibniz,43 an denen er seinen neuen Standpunkt anhand der Kopemikanischen Wende44 erläutert. Dieser Tatbestand hat Kaulbach zur Einführung des Begriffs „Kopemikanisches Prinzip" veranlaßt. Nun hat bekanntlich Kant ebenfalls die Kopernikanische Wende in der Astronomie für seinen neuen Denkansatz in Anspruch genommen, und seitdem ist dieser Begriff geradezu unzertrennlich mit dem Namen Kants verbunden. Verwirrung braucht dennoch nicht zu entstehen. Es kommt ja auch sonst in der Philosophie vor, daß dieselbe Denkfigur von verschiedenen Autoren gebraucht wird, etwa das Leiter-Motiv, das nicht erst Wittgenstein verwendet, sondern das sich schon bei Fichte, Meister Eckhart, Bonaventura bis herab zu Boethius, ja bis zur Bibel (Jakobs-Leiter) belegen läßt Kant will überdies, im Unterschied zu Leibniz, mit seiner metaphorischen Kopemikusdeutung das genaue Gegenteil zum Ausdruck bringen, nämlich die definitive durch nichts mehr rückgängig zu machende Aufgabe des alten zugunsten eines neuen, besseren Standpunktes.45 Anhand dieser „Copernicanischen Reflexionsfigur"46 wird deutlich, „daß wissenschaftliches Erkennen in der Kunst der Handhabung und Wahl des richtigen Standpunktes und seiner Perspektive besteht".47 Wissenschaftliches und philosophisches Erkennen müssen immer bemüht sein, die Bedingungen des Sehens und Erkennens zu verbessern, müssen den Gesichtspunkt des natürli40
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Vgl. hierzu auch G VII 543: „Mais lorsqu'avec Copemic nous nous sommes places dans le soleil, au moins avec les yeux de l'esprit, nous avons decouvert un ordre merveilleux." Guhrauer, II 52, hat hier versehentlich: „daß die vermeinte Unordnung und Verwirrung unsers Verstandes schuld gewesen..." G VII 120; vgl. Guhrauer, II 51f. Vgl. auch G VII 543. Siehe dazu unten S. 15 A. 55. Eigenartigerweise macht DIENST in seinem Beitrag „Kopemikanische Wende" im Historischen Wörterbuch der Philosophie auf Leibniz gar nicht aufmerksam. Vgl. KANT, Kritik der reinen Vernunft, Vorrede zur zweiten Auflage, B XVIf. KAULBACH4, 333. Vgl. dazu auch NlERAAD, 78-84. KAULBACH4,334.
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Ziel und Methode der Untersuchung
chen Bewußtseins hinter sich lassen und auf eine überlegene, übergeordnete Perspektive hin überwinden, wenn auch dadurch der ,3ereich menschlicher Denkgeschichte" prinzipiell nicht zu überschreiten ist.48 In den Nouveaux Essais macht Leibniz gleich zu Anfang auf seinen neuen Standpunkt aufmerksam, durch den er eine neue Ansicht von dem Inneren der Dinge gewonnen hat.49 Aber nachdem er in einer komprimierten Form diesen neuen Standpunkt skizziert und seine Vorteile gerühmt,50 ja sogar die Radikalität dieses neuen Standpunktes in bezug auf die eingeborenen Ideen herausgestellt hat,51 erklärt er, daß er gegenwärtig diesen Standpunkt beiseite setzen, ja sich sogar den einmal angenommenen Ausdrücken anpassen wolle, da sie relativ brauchbar seien.52 Leibniz geht es darum, nachzuweisen, daß man selbst „im gewöhnlichen System"53 davon sprechen kann, daß es Ideen und Prinzipien gebe, die uns nicht von den Sinnen zukommen, sondern die wir in uns vorfinden, wenngleich die Sinne uns die Gelegenheit geben, uns dieser Ideen und Prinzipien bewußt zu werden.54 Auch in diesem Zusammenhang macht Leibniz auf die Verwandtschaft dieser Überlegung mit der „Copernicanischen Reflexionsfigur" aufmerksam: Wenn man — wie das „im gewöhnlichen System" der Fall ist — auch weiterhin von der Einwirkung der Körper auf die Seele spricht, obwohl man sich bereits in einer übergeordneten Perspektive befindet, so ist das nichts anderes, als wenn die Anhänger des Kopemikus mit den übrigen Menschen von der Bewegung der Sonne sprechen, obwohl sie diesen „Gesichts-Punkt" schon
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EBD., 337.
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„J'ay frappe d'un nouveau Systeme ...; et depuis je crois voir une nouvelle face de l'interieur des choses" (NEI l = A VI6,71). Vgl.NEIl=AVI6,71-73. „Vous saves, Philalethe, que je suis d'un autre sentiment depuis longtems: que j'ai toujours etc conune je suis encore pour I'id6e innee de Dieu, que M. des Cartes a soutenue, et par consequent pour d'autres idees innee s, et qui ne nous sauroient venir des sens. Maintenant je vay encore plus loin en conformite du nouveau Systeme; et je crois meme que toutes les pensees et actions de notre ame viennent de son propre fonds, sans lui pouvoir etre donnoes par les sens, conune vous alles voir dans la suite" (NE 11, § 1 = A VI6, 74). „Mais ä present je metrai cette recherche ä part, et m'accommodant aux expressions receues, puis qu'en effet elles sont bonnes et soutenables" (NE 11, § 1 = A VI6,74). „Dans le systeme commun" (NE I 1, § 1 = A VI6,74). N E I 1 , § 1 = AVI6,74.
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Kopemikanisches Prinzip
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lange hinter sich gelassen haben.55 JLeibniz entschließt sich also", führt Kaulbach hierzu aus, „das Sprachspiel der ordinary language und damit auch der empiristischen Philosophie mitzuspielen, die von einer teilweisen Verursachung unserer Gedanken und von einem Einfluß des Körpers auf die Seele redet, obwohl diese Rede in der 'wahren' Sprache der Leibnizschen Philosophie selbst zurückgenommen werden muß. Der Entschluß wird argumentationstechnisch begründet: er will prüfen, ob nicht sogar auch die Sprache des gewöhnlichen Denkens die Konsequenz einschließt, daß wir wenigstens nicht alle Gedanken auf dem Wege über die Sinneswahrnehmungen gewinnen."56 Mit Notwendigkeit führt natürlich ein solches Vorgehen zu einer gewissen Zweiseitigkeit in der Situation philosophischen Sprechens.57 Gerechtfertigt aber ist dies durch das von Leibniz auf der ganzen Linie seines Denkens immer wieder in Anspruch genommene „Kopernikanische Prinzip". „Danach steht es dem Philosophen offen, die von der sprechenden Gemeinschaft gesprochene, nur bedingt richtige Sprache mitzureden, wenn er es zugleich vermag, über den eige55
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EBD.; vgl. DM § 27 = G IV 452: „Aristote a mieux aime de comparer nostre ame ä des tablettes encor vuides, öu il y a place pour ecrire, et il a soutenu que rien n'esl dans nostre entendement, qui ne vienne des sens. Cela s'accorde d'avantage avec les notions populaires, comme c'est la moniere d'Aristote, au lieu que Platon va plus au fond. Cependant ces sortes de Doxologies ou practicologies peuvent passer dans l'usage ordinaire ä peu pres comme nous voyons que ceux qui suivent Copernic ne laissent pas de dire que le soleil se leve et se couche. Je trouve meme souvent qu'on leur peut dormer un bon sens, suivant le quel elles n'ont rien de faux, comme j'ay remarqud deja de quelle 3 on peut dire veritablement que les substances particulieres agissent l'une sur l'autre, et dans ce meme sens on peut dire aussi que nous recevons de dehors des connoissances par le ministere des sens, parce que quelques choses exterieures contiennent ou expriment plus particulierement les raisons qui determinent nostre ame ä certaines pensees. Mais quand il s'agit de l'exactitude des verites metaphysiques, il est important de reconnoistre l'etendue et l'independance de nostre ame, qui va infiniment plus loin que le vulgaire ne pense, quoyque dans l'usage ordinaire de la vie on ne luy attribue que ce dont on s'apper9oit plus manifestement, et ce qui nous appartient d'une maniere particuliere, car il n'y seit de rien, d'aller plus avant. II seroit bon cependant de choisir des termes propres ä Tun et ä lautre sens pour eviter l'equivocation." Vgl. G II 300: Violentum admitto utique, neque a communi sermone recedendum puto, qui ad apparentia refertur, eo fere modo, quo Copernicani de motu Sob's loquuntur cum vulgo. Simili modo loquimur de casu et fortuna. Vgl. auch G IV 495; Th I § 65 = G VI 138; G VII 543. Auch in der Frage nach der Substantialität des Körpers bringt Leibniz gerne den Vergleich mit Kopemikus: Licet enim corpora substantiae non essent, tarnen omnes homines proni erunt ad judicandum corpora esse substantias, ut omnes proni sunt ad judicandum, tellurem quiescere, etsi revera moveatur (G II 502). KAULBACH4,339f. Vgl. EBD., 340f.; PIEPMEIER, 601.
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nen Standpunkt des Sprechens hinausgehend der wahren Perspektive und ihrer Sprache Geltung zu verschaffen."58 Für die Interpretation bedeutet das, daß diese „argumentative Strategie" von Leibniz Berücksichtigung finden muß; d.h. der jeweilige „hermeneutische Zusammenhang", in den Leibniz maßgebende Wörter der Philosophie stellt, muß jeweils bedacht werden, anderenfalls kann man Leibniz nicht verstehen.59 Dieses „Kopernikanische Prinzip", das bei einer Interpretation angemessen berücksichtigt werden muß,60 hat implizit zwei weitere Aspekte im Gefolge, die gleichfalls bedacht werden müssen, nämlich einmal ein „undogmatisches Verständis systematischen Philosophierens", worauf besonders Tinner aufmerksam macht,61 sodann einen Mangel an einheitlicher Terminologie.62 Es 58
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KAULBACH4, 345; vgl. dazu NE II 9, § 8 = A VI 6, 135. NlERAAD, 80, spricht diesbzgl. zu Recht von der „Dialektik der kopernikanischen und nachkopemikanischen Position in der Sprache". Die Philosophie ist eben beim Sprechen immer genötigt — um ein Wort LlCHTENBERGs aufzugreifen —, „die Sprache der Unphilosophie zu reden" (I 431). Vgl. dazu auch BLUMENBERG1, 352 u. Anm. 1; BLUMENBERG2, 361. Zudem ist das Festhalten an der Sprache des Alltags auch nach der kopernikanischen Reform dadurch gerechtfertigt, daß sich auch der realistische Anspruch des kopernikanischen Systems als vorläufig erweisen kann. BLUMENBERG2, 649, führt dazu aus: „Eine kopernikanische Sprache hätte den Rückstand der Alltagssprache gegenüber der kosmischen Realität erst um einen einzigen Schritt aufgeholt. Dem kosmologisehen System der ineinander geschachtelten Welten und ihrer Kreisläufe von Kreisläufen, das eigentümlich doch wieder an die Epizykel des Ptolemäus erinnert, entspricht ein ganzes Schachtelsystem möglicher Sprachen. In diesem kann jede auf ein Teilsystem bezogene Sprache durch die dem übergeordneten System adäquate Sprache in derselben Weise korrigiert werden, wie Kopemikus die der Sinneswelt zugeordnete Alltagssprache korrigiert hatte. Die Komplexität dieser sich summierenden Korrekturen ist bei dem System niedrigster Stufe am größten. Die für den Beobachter auf dem Mond gültige Sprache ist noch um einen Grad komplizierter als die auf der Erde gültige, wenn dieser Beobachter nicht auf die vollständige Darstellung der ihm sich bietenden Wirklichkeit verzichten will und — wie im Präparat — nur die Konfiguration 'Erde und Mond1 oder 'Sonne, Erde, Mond' in seiner Sprache berücksichtigt. Eine astronomisch adäquate Sprache, die auch das Sonnensystem nur als ein solches niederer Ordnung innerhalb immer neuer Integrationsverhältnisse betrachten müßte, eine vollends 'durchkorrigierte' Sprache, wäre nicht nur unerreichbar, sondern auch unvollziehbar." Vgl. dagegen ERNST, 6. Vgl. KAULBACH4, 346f. Die „Dialektik" der kopemikanischen Position in der Sprache ist, wie NlERAAD, 84, richtig feststellt, „durchgehend im leibnizischen Begriffssystem" sichtbar. Vgl. dagegen ANDERSON, 56. Einem Denker wie Leibniz kann man nicht gerecht werden, wenn man versucht, den „Begriff eines sogenannten Objektiven Gesamtsystems' seiner Philosophie" von außen an ihn heranzutragen. Denn ein solches kann es bei Leibniz der Sache nach nicht geben, „weil er einen
Methodik der Untersuchung
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wird also geboten sein, Leibniz aus den Problemen heraus zu verstehen, weniger aus der bloßen Begrifflichkeit,63 in der er sich nur allzu leicht seinem jeweiligen Gegner anpaßt.64
§ 7 Methodik der Untersuchung Bedenkt man diese Punkte, so ist damit auch schon der methodische Leitfaden unserer Interpretation gewonnen: Das Exoterikprinzip, das letztlich seine sachliche Rechtfertigung aus dem Kopernikanischen Prinzip erfahrt, verlangt die Berücksichtigung der jeweiligen Ebene, auf der Leibniz sich befindet. Wir möchten diesen Unterschied der Ebenen im folgenden aber nicht mit Hilfe des Begriffspaars „esoterisch" und „exoterisch" kennzeichnen, weil diese Begriffe zu verschiedene Ausdeutungen erfahren haben,65 sondern uns im Anschluß an Leibniz' Ausführungen in den Nouveaux Essais der von ihm selbst gebrauchten Begriffe „Systeme commun" und „Systeme nouveau" bedienen.66 Systembegriff in der prätentiösen Beschränktheit eines 'corps complet' als seinem Philosophieren selbst nicht angemessen begriffen hat" (TINNER, 114). In einem Brief an Des Billettes vom 4. /14. Dezember 1696 schreibt Leibniz ausdrücklich: „Mon Systeme ... n'est pas un corps complet de Philosophie et je n'y pretends nullement de rendre raison de tout ce que d'autres ont pretendu d'expliquer" (G VII 451). Vgl. auch HUBER, 279f.; TONELLJ, 453; HOCHSTETTER1,
176; HEINEKAMP, 32; JASPERS, 232. 62
PIEPMEIER macht dies anhand von Leibniz' Erinnerungsbegriff deutlich: „Leibniz entwickelt in seinen Schriften einen genau bestimmbaren Erinnerungsbegriff. Dem entspricht keine einheitliche Terminologie. Deshalb empfiehlt es sich nicht, Leibniz' Erinnerungsbegriff von den Termini her zu entwickeln, mit denen er das Begriffsfeld bezeichnet. Eine konsistente Terminologie zu erwarten, führte zu Mißverständnissen, die darin begründet sind, daß man vom Äußerungscharakter seiner Philosophie absähe" (601). Also auch da, wo ein Gedankengang von Leibniz wegen „terminologischer Vieldeutigkeit" undurchsichtig erscheint, würde doch ein „vorschnelles Konstatieren von Widersprüchen" den „Verzicht auf systematisch einheitliche Interpretation" bedeuten (STRAHM, 3). 6 3 Das haben wir im Titel der vorliegenden Untersuchung dadurch zum Ausdruck bringen wollen, daß wir hier von Leibniz1 Auffassung" und nicht vom „Begriff" des Verstandes sprechen. 64
STRAHM, 3.
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Wie wir oben S. l Of. A. 31 zeigen konnten, benutzt ja Leibniz selbst die Begriffe „exoterisch" (bzw. populär) und „akroamatisch" in einem anderen Sinne, als wie wir die Begriffe „exoterisch" und „esoterisch" im Anschluß an Lessing verstanden wissen wollen. Vgl. NE I l, § l = A VI 6, 74. — Mit „Systeme nouveau" ist das „Systeme de l'Harmonie preetablie" (bzw. die „hypothese de la concomitance ou de l'accord des substances entre elles", die „hypothese de l'Harmonie" oder „la voye du consentement preetabli"), also die Monadologie
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Ziel und Methode der Untersuchung
Verdeutlichen wir uns die Problematik einer Leibniz-Interpretation noch einmal anhand von Leibniz1 Nouveaux Essais. Die Nouveaux Essais sind sicherlich eines der bedeutendsten Werke von Leibniz — wohl nur vergleichbar der Thtodicoe, darüber hinaus wohl auch ein Werk, das erheblichen Einfluß auf die philosophische Nachwelt hatte. Es wäre nun aber ein Mißverständnis zu meinen, in den Nouveaux Essais hätten wir die Leibnizsche Philosophie und insbesondere auch seine Auffassung der menschlichen Erkenntnis offen zutage liegen.67 Wie schon erwähnt, macht Leibniz ja selbst darauf aufmerksam, daß er seine monadologische Konzeption hier einmal beiseite legt und versucht,
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gemeint, welche zu dem „Systeme commun" (Leibniz sagt dazu auch „hypothese ordinaire de l'influence physique de l'une sur l'autre", „hypothese d'une influence reelle de l'ame sur le corps et vice versa", „influence ou dependance reelle physique", „hypothese des impressions" oder ,4a voye de l'influence") und dem „Systeme des causes occasionnelles" (bzw. der „hypothese des causes occasionelles" oder ,4a voye de l'assistance") in Konkurrenz tritt (vgl. G II 47. 57f. 94; G IV 494. 498. 499. 501. 554). Mit dem „Systeme commun" bzw. „Systeme vulgaire" (G IV 579), „opinion commune" (SN = G IV 483) oder auch „sentiment commun" (Th. I § 3 = A VI 103; G IV 531. 565) meint Leibniz diejenige Anschauung, welche einen gegenseitigen Einfluß von Körper und Seele und der Seelen untereinander annimmt, welcher Einfluß entsprechend diesem System ein natürlicher ist (vgl. G IV 593). Dieser gegenseitige Einfluß, wie ihn das „Systeme commun" versteht, ist aber nach Leibniz völlig unerklärlich (absolument inexplicable) (G VI 541). Siehe dazu unten S. 141f. — Leibniz gebraucht zur Kennzeichnung der Ebene des „Systeme nouveau" auch Wendungen wie: „dans la rigueur de la verite metaphysique" (DM § 28 = G IV 453); „dans/a/selon la rigueur metaphysique" (G I 391; vgl. G II 115. 125f. 133; G IV 475. 483; Th. III § 400 = G VI 354; G VI 494. 503; NE II 21, § 72 = A VI 6, 210; NE II25, § 5 = A VI 6,227); „dans la precision metaphysique" (G II 69); „dans un certain sens metaphysique" (G III 403); „prenant les choses ä la rigueur" (Th. I § 65 = G VI 138); „prenant les choses dans une certaine rigueur metaphysique" (NE II 21, § 41 = A VI 6, 195); „in Metaphysico rigore" (Grua I 325; G II 195; G VII 312); „ad metaphysicum rigorem" (GM VI 242); J'exactitude des verites metaphysiques" (DM § 27 = G IV 452); „dans/a la rigueur des expressions metaphysiques" (G IV 484. 582); „dans le langage de Metaphysique" (DM § 32 = G IV 457); „ä parier metaphysiquement" (G II 91); „metaphysiquement parlant" (G IV 559); „s'expliquer exactement" (Th. III § 290 = G VI 289); „dans la rigueur philosophique" (Th. III § 290 = G VI 289; G VI 586). Zur Kennzeichnung der Ebene des „Systeme commun" werden Wendungen gebraucht wie: „dans l'usage ordinaire de la vie" (DM § 27 = G IV 452); „dans l'usage ordinaire" (Th. I § 65 = G VI 138; DM § 27 = G IV 452); Jes manieres de parier ordinaires" (G IV 486); „dans le sens populaire" (Th. I § 65 = G VI 138); „en s'accomodant au langage populaire" (Th. III § 290 = G VI 289); „dans l'usage populaire" (G IV 582); „dans le langage commun" (G IV 565). Alle diese Wendungen stammen aus Schriften, die 1686 oder später entstanden sind, also aus einer Zeit, wo das Leibnizsche System in seiner reifen Form vorliegt (siehe dazu unten S. 20 A. 71). Diesem Mißverständnis sind eine Reihe von Interpreten bis in unsere Tage hinein erlegen.
Methodik der Untersuchung
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Locke innerhalb des «Systeme commun» zu widerlegen.68 Die Nouveaux Essais kämen also — wenn wir dem Urteil Leibniz' über sein eigenes Werk folgen dürfen — für unsere Interpretation des «Systeme commun» in Betracht. Doch so einfach, wie es auf den ersten Blick scheinen mag, ist es nun doch nicht. Denn selbst in den Nouveaux Essais finden sich an verschiedenen Stellen Ausführungen, die sich auf der Ebene des «Systeme nouveau» befinden. Hier tauchen dann Begriffe wie Substanz, Monade, Prästabilierte Harmonie und „petites perceptions" auf.69 Also ist nicht nur die Gleichsetzung der esoterischen Schriften mit den unveröffentlichten und der exoterischen mit den veröffentlichten — wie Russell sie vornimmt — vereinfachend und falsch, sondern darüber hinaus ist es noch nicht einmal immer möglich, bestimmte Schriften dem «Systeme commun», andere dem «Systeme nouveau» zuzuweisen. Denn selbst in ein und derselben Schrift kann es vorkommen, daß Leibniz von der Ebene des «Systeme commun» auf die Ebene des «Systeme nouveau» überwechselt, wie uns das Beispiel der Nouveaux Essais deutlich macht.70 Für die Als erster hat LEROUX ausdrücklich auf dieses Problem innerhalb der Nouveaux Essais aufmerksam gemacht und den Widerspruch aufgezeigt, der zwischen Leibniz' Auffassung der angeborenen Ideen in den Nouveaux Essais und derjenigen der monadologischen Konzeption besteht, wo Leibniz einen „inneisme integral de toutes nos connaissances" vertritt (41; vgl. 2f.)· LEROUX löst diesen Widerspruch dahingehend auf, daß er auf die Intention Leibniz' in den Nouveaux Essais aufmerksam macht: „En effet dans cet ouvrage l'auteur a beaucoup moins en vue de construire positivement un nouveau Systeme de philosophic (ce qu'il fait par exemple dans sä Monadologie) que de montrer les deficiences et les lacunes d'une philosophic qui non seulement n'est pas la sienne mais qui s'y oppose directement" (42). Daß Leibniz diese Kritik an Locke (weitgehend) unabhängig von seiner monadologischen Konzeption vornimmt, das ist nach LEROUX keine Grille (caprice) seinerseits, sondern vielmehr eine Notwendigkeit: „En effet, comment entamer encore une critique de la 'tabula rasa' de Locke quand on admet comme une these indiscutee l'apriorisme absolu de la theorie des monades et de ITiarmonie preetablie" (43)? Vgl. OTTO, 6; BURGELIN, 251; SALAS ORTUETA, 189; HARRIS, 26; SAVTLLE, 122; E. CURLEY1, 320; GffiSON, 281; TALMAGE, 209; TONELLI, 453; COPLESTON, 316; HILDEBRANDT, 153f. Vgl. JOLLEY6, 113, der hier von einem ad Aomi/HW-Argument spricht (vgl. JOLLEY5, 68). Vgl. dagegen BRANDS, 58, der meint, daß alle Argumente gegen Locke getragen seien „von spezifischen Theoremen der Philosophie Leibniz1" (vgl. 62). Der Begriff „perceptio" bzw. „perception" muß bei Leibniz noch nicht auf die monadologische Konzeption hindeuten. Perzeption kann auch im Sinne von Wahrnehmung gemeint sein, in welchem Sinne sie schon Descartes verwandt hat (vgl. z.B. DESCARTES, Oeuvres, VII 188 [Meditationes, Objectiones Tertiae, Obj. X, Resp. ]). Vgl. dazu JANKE3, 383; KASTIL, 37f.; STEGMAIER, 184. Auf eine ähnliche Problematik macht auch DUBS aufmerksam, wenn er anhand der Monadologie nachweist, daß man bei Leibniz zwischen zwei verschiedenen Bereichen von Dis-
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Ziel und Methode der Untersuchung
Interpretation ist eine solche Sachlage nicht gerade einfach, da man sich immer wieder vor die Frage gestellt sieht: Auf welcher Ebene der Argumentation befinden wir uns jetzt, im «Systeme commun» oder im «Systeme nouveau»? Die vorgelegte Studie verfolgt also vornehmlich interpretative Zwecke und ist somit weniger entwicklungsgeschichtlich orientiert. Sie beschränkt sich darum hauptsächlich auf das Leibnizsche System in seiner reifen Form, in der es seit etwa 1684 vorliegt.71 Wir werden nur dann auf Jugend- und Entwicklungsschriften zurückgreifen, wenn wir unsere Interpretation stützen wollen oder wenn es aus anderen sachlichen Gründen angezeigt erscheint, auf die Kontinuität des Leibnizschen Denkens aufmerksam zu machen oder auch Wandlungen seiner Position aufzuzeigen.72 Diese Vorgehensweise ist zudem auch durch die Beobachtung gerechtfertigt, daß Leibniz in seinen Jugend- und Entwicklungsschriften an erkenntnistheoretischen Fragestellungen nur peripher interessiert ist.73 Auch wenn Leibniz' Substanz-Metaphysik geradezu das Muster abgibt für ein „spekulatives Weiterphilosophieren auf dem Boden der vorgefundenen ideengeschichtlichen Situation"74, so hilft es für die Leibniz-Interpretation doch nur sehr wenig, die Herkunft dieses oder jenes Denkgebildes oder Terminus aufzuspüren, da sich im Leibnizschen System die Begriffe wandeln und
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kursen oft in ein und derselben Schrift zu unterscheiden habe: zwischen einem sensiblen Bereich der Phänomene oder Sinneserscheinungen und einem rationalen Bereich der Noumena oder wirklichen Realität (509. 510. 511. 515f.; vgl. STACK1, 86 u. 90). In diesem Jahr erschienen die Meditationes de cognitione, veritate et ideis, die Holz als die „erste gedruckte Schrift" der „Reifejahre" ansieht (Ph. Sehr. I 27). Vgl. GURWITSCH1, 8; CASSIRER2, 140. Vgl. GRAU, 143, der diesbzgl. das Jahr 1685 nennt; KULSTAD1, l u. Anm. 3, und PAPE, 27f., nennen das Jahr 1686. — Vgl. dazu auch die Bemerkung von Leibniz in einem Brief an Burnett vom 8. /18. Mai 1697: „Et ce n'est que depuis environ 12 ans que je me trouve satisfait" (G III 205). Es ist allerdings fraglich, ob es bei Leibniz überhaupt sinnvoll ist, von sehr verschiedenen Phasen seines Denkens zu sprechen. HERRING urteilt hier: „Die wesentlichen Inhalte seines Problemdenkens und ihrer methodischen Erörterung sind schon in sehr früher Zeit feststellbar ... Man kann hier also, sozusagen, von einer philosophia perennis im Sinne einer ungebrochenen Kontinuität der individuellen Weltschau sprechen" (391f.). Vgl. JANSEN, 2; , 127;
VOLLBRECHT, vii; PIAT, vii; MATES, 8; p. KÖHLER, 49. 73 74
Vgl. CASSIRER1, 513; HIRSCHBERGER, II I56f.
, 41; ZOCKER, 18.
Methodik der Untersuchung
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einen eigenen, aus der Tradition nicht ableitbaren Sinn annehmen.75 Denn für das, was Leibniz meinte, fand er kein begriffliches Instrumentarium vor, das er hätte benutzen und verfeinem können.76 „Er mußte vielmehr jedem Denkgebilde erst eine angemessene Form verleihen, er mußte selbst die begrifflichen Mittel entwickeln und bereitstellen, mit denen er dann arbeiten konnte."77 In diesem Sinne sind Hinweise auf die Tradition weniger im Sinne einer ideengeschichtlichen Betrachtung zu verstehen, sondern vielmehr als Verstehenshilfen gedacht. Das Leibnizsche Denken kann nur verstehen, wer selbst von diesem Denken von seiner Stelle gerührt wird, wer sich auf dieses Denken einläßt.78 „Die Probleme [bei Leibniz] kommen uns irgendwie kurios, höchstens in einem historischen Sinne 'interessant' vor", schreibt Engelhardt zu Recht. „Dies aber gerade ist zu überwinden, es muß gelingen, durch die Schicht der historischen Patina hindurchzukommen zu dem, was über die Zeiten hinweg wirklich ist."79 Zu solchen „überzeitlichen" Problemen, zu solchen perennierenden Problemen zählt Leibniz selbst neben verschiedenen anderen auch das der Ideen,80 mithin also auch die Frage nach ihrem Ursprung, die Frage nach dem Verstand. Daß dieses Problem heute nicht weniger dringlich ist als zur Zeit von Leibniz und Locke, zeigt allein die Wucht der Diskussion, die heute um Männer wie Chomsky geführt wird.81 In diesem Sinne ist die Beschäftigung mit Leibniz
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Vgl. Ph, Sehr. I 30; JASPERS, 226; AXELOS, 27. SCHMALENBACH bewertet diesen Aspekt zu negativ (13). Vgl. G IV 582, wo Leibniz selbst darauf aufmerksam macht, daß er bestimmte Worte in einem außergewöhnlichen Sinne nehme, weil er keine geeigneteren Begriffe finde, um sich auszudrücken. „Et si on ne veut point prendre garde ä cela", fährt Leibniz fort, „on me fera mille objections badines et de neant, qui ne sieront bien qu'ä quelque homme du peuple peu informe de l'interieurdes choses" (G IV 582f.). HOLZ, 19; vgl. EBD., 20. Vgl. ENGELHARDT, XV. Nicht zu Unrecht macht JASPERS in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, daß das Leibnizsche Denken zwar Denkmittel an die Hand gibt, aber nur schwer wirkliche „Ergriffenheit" bewirken könne (233-235). ENGELHARDT, XX. Vgl. das Urteil von JASPERS: „Sie [sc. Leibniz' Monadenlehre] wirkt im ganzen, trotz der anderen Momente, als ein konstruktives Gebilde. Es wird nicht glaubwürdig, reizt aber als ein intellektuelles Spiel" (228). Vgl. JASPERS, 235, wo er sogar von „grandiosen Absurditäten" spricht. Vgl. G II11; vgl. dazu HERRING, 387.
Vgl. BRANDS, bes. 79-104.
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Ziel und Methode der Untersuchung
„kein antiquarisch-historisches Unterfangen, sondern aus unserer eigenen Problemlage heraus gefordert".82
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HOLZ, 143.
2. Kapitel Abgrenzung gegenüber dem Begriff der Vernunft (ratio) Wenn wir jetzt hier, innerhalb der Einführung, den Begriff des Verstandes (lat.: intellectus, frz.: entendement) von dem der Vernunft (lat.: ratio, frz.: raison)83 abzugrenzen suchen, so muß darauf hingewiesen werden, daß diese Unterscheidung und Abgrenzung sich zunächst einmal auf das «Systeme commun» bezieht. Wie sich das Verhältnis von Verstand und Vernunft im «Systeme nouveau» näherhin darstellt, das wird die Untersuchung selbst noch aufhellen müssen. Dennoch ist eine solche grundsätzliche Klarung an dieser Stelle dringend gefordert, damit die Richtung der Untersuchung deutlich wird. In bezug auf das Verhältnis von Verstand und Vernunft trifft das zur Terminologie von Leibniz Angedeutete in besonderem Maße zu. Denn terminologisch ist diese Unterscheidung bei Leibniz nicht immer strikt durchgehalten,84 wohingegen sie sachlich eindeutig feststellbar ist. 83
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Mit dem Begriff „raison" bzw. „ratio" bezeichnet Leibniz aber nicht nur das intellektuelle Vermögen der Vernunft, sondern auch den Vemunftgrund: „La Raison est la verite connue dont la liaison avec une autre moins connue fait donner nostre assentiment a la demiere. Mais particulierement et par excellence, on l'appelle Raison, si c'est la cause non seulement de nostre jugement, mais encor de la verite meme, ce qu'on appelle aussi Raison a priori; et la cause dans les choses repond ä la raison dans les verites. C'est pourquoy la cause meme est souvent appellee raison, et particulierement la cause finale" (NE IV 17, § 1 = A VI 6, 475; vgl. Ph. Sehr. Ill 1, 73 A. *). In unserem Zusammenhang ist raison bzw. ratio aber nur im Sinne von Vernunft relevant. Vgl. z.B. G VI 465, wo Leibniz das Vermögen des Verstandes mit dem der Vernunft gleichzusetzen scheint: „[Daß] die Vernunfft aber nichts anders sey als eine Kette oder Verknüpffung der Wahrheiten, sonderlich deren (wenn man sie dem Glauben an die seite sezet) welche der Verstand mit seinen eignen Kräfften, ohne Hülfe der Offenbarung, erreichen kan." Vgl. ebenso DC § 65 = G VI 87. In G VII 516 ordnet Leibniz der „Logic* oder Denckkunst" die Kunst zu, den Verstand zu gebrauchen (vgl. NE IV 21, § l = A VI 6, 52). Jedoch scheint sich Leibniz diesbzgl. im selben Moment auch wiederum zu korrigieren, wenn er die Logik auch als „Vemunfftkunst" bezeichnet (G VII 523; vgl. 522). Vgl. DC § 29 = G VI 67, wo Leibniz davon spricht, daß der göttliche Glaube den Verstand übersteige (eile va au dela de l'entendement); doch an allen anderen relevanten Stellen des Discours preliminaire spricht Leibniz immer eindeutig von der Vernunft (raison), die durch den Glauben überstiegen wird. Keine Stelle aber ist uns bekannt, wo Leibniz umgekehrt das Vermögen der Vernunft mit dem des Verstandes gleichsetzt. Aus diesem Grunde ist ein Satz wie der folgende einfachhin falsch, wenn es heißt: „Allen menschlichen Monaden ... ist also ... mit der 'ratio', die ihnen zukommt.
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Abgrenzung gegenüber dem Begriff der Vernunft (ratio)
Es ist innerhalb der Einführung nicht möglich, den Begriff des Verstandes bei Leibniz explizit zu entfalten; dies wird ja die Hauptaufgabe der Untersuchung selbst sein. Zur vorläufigen Klärung und zur Unterscheidung von dem Begriff der Vernunft sei hier nur kurz auf die Leibnizsche Definition innerhalb der Nouveaux Essais hingewiesen, wo es heißt: „So entspricht meiner Meinung nach der Verstand dem, was bei den Lateinern intellectus genannt wird, und die Ausübung dieses Vermögens nennt sich Verstehen [Intellection]*5, welches eine deutliche Perception ist, die mit dem Vermögen der Reflexion verbunden ist, welche sich nicht bei den Tieren findet."86 ein Inbegriff von ursprünglichen notwendigen Wahrheiten eingeboren" (GRAU, 167; vgl. ebenso LACHELJER, 68). Daß Leibniz das Vermögen des Verstandes mit dem der Vernunft zuweilen gleichsetzt, nicht aber umgekehrt, ist ja auch aufgrund der traditionellen Einsicht möglich, daß die jeweils höheren Vermögen die niedrigeren einschließen. 85 Wobei dieser Begriff der „intellection" oder der intellectio in Leibniz' Denken nur eine untergeordnete Rolle spielt, und er nur an wenigen weiteren Stellen auftaucht (vgl. G II 63; G VII 290.330.507). In der Epistola ad Hanschium spricht Leibniz von der pura intellectio, worunter er die Fähigkeit des Geistes versteht, die Verknüpfung der Wahrheit auf einen einzigen Schlag (uno mentis ictu) wahrzunehmen. Eine solche Erkenntnisfähigkeit besitzt nach Leibniz aber allein Gott in allen Dingen, uns ist dies nur beim Einfachen gegeben (E 446 a; vgl. G III 30), wobei Leibniz hier wohl an die intellektuellen Ideen und ersten Prinzipien denkt (siehe dazu unten S. 76ff.). B6 NE II 21, § 5 = A VI 6, 173 („Ainsi dans mon sens Ventendement repond ä ce qui chez les Latins est appelle Intellectus, et l'exercice de cette faculte s'appelle Intellection, qui est une perception distincte jointe ä la faculto de reflechir, qui n'est pas dans les bestes."). — KAEHLER2 scheint bei Leibniz nicht zwischen Vernunft und Verstand zu unterscheiden. Denn die Vernunft, die er mit Leibniz als die Verkettung der Wahrheiten versteht, ist für ihn auch der Ort der intelligiblen Ideen (vgl. 46. 53. 64. 75). — Es kommt häufig vor, daß Leibniz da, wo es eigentlich um den Verstand geht, vom Geist (mens, Spiritus, esprit) oder sogar von der Seele (anima, ame) spricht (vgl. z.B. NE II l, § l = A VI 6, 109; II l, § 2 = A VI 6, 111), wobei er die Seele als einfache Substanz oder Monade charakterisiert (NE II12, § 17 = A VI6,145; vgl. Mon. § l = G VI 606; § 16 = G VI 609; E 745 b; G III 559. 606; G VII502). Dies ist möglich, da Seele gegenüber Geist als Gattungsbegriff fungiert: Eine einfache Substanz oder Monade, die Empfindung (sentiment) hat, nennt Leibniz Seele, kommt ihr das Vermögen der Verstandes- und Vemunfttätigkeit zu, so spricht Leibniz von Geist (vgl. G VI 506; G III 622; G IV 527; PNG § 4 = G VI 599f.; G II 325; G VII 502). Neben diesem engeren Gebrauch (stride) des Begriffs „Seele" kennt Leibniz auch noch einen weiteren Gebrauch (late): Hier meint Seele einfach das Prinzip der inneren Tätigkeit (vgl. G VII 529). Verstand und Wille sind die beiden Vermögen des Geistes (vgl. NE II 21, § l = A VI 6, 174; vgl. auch den Brief an Hermann Conring vom 19. [29. ] März 1678: Ego nihil agnosco ... in mentibus nisi intellectum et voluntatem ... [A II l, 400]). An einer anderen Stelle bezeichnet Leibniz die cognitio sui ipsius oder die conscientia als das proprium der mentes gegenüber den animae (VE 290 = Faszikel 2, N. 80; vgl. VE 292 = Faszikel 2, N. 81). Diese conscientia bildet nach Leibniz auch die imago divina
Die Vernunft als die Verkettung der Wahrheiten
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§ 8 Die Vernunft als die Verkettung der Wahrheiten In dem der Th4odicte vorangestellten Discours prtliminaire de la confornüto de lafoy avec la raison*1 macht Leibniz das Wesen der Vernunft deutlich. Die rechte Vernunft (la droite/veritable raison) — im Unterschied zur verderbten Vernunft (la raison corrompue), die mit Vorurteilen und Leidenschaften durchsetzt ist88 — ist die Verkettung (enchainement) der Wahrheiten, und zwar derjenigen Wahrheiten, zu denen der Mensch auf natürlichem Wege gelangt.89 Was bedeutet in diesem Zusammenhang das Wort „enchainement"? „Enchainement", im Deutschen mit „Verkettung" oder „Verknüpfung" wiederzugeben, meint die Fähigkeit des Zusammenführens oder „Zusammenbindens"90 von
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nobis indita (VE 290 = Faszikel 2, N. 80). Dies stimmt sachlich mit dem zuvor Gesagten überein, da allein die Verstandes- und vernunftbegabte Seele Selbstbewußtsein besitzt. — Allen einfachen Substanzen oder geschaffenen Monaden könnte man nach Leibniz auch den Namen Entelechien oder substantielle Formen geben, denn sie haben in sich eine gewisse Vollkommenheit (Mon. § 18 = G VI 609; G IV 479). Jedoch behält Leibniz gewöhnlich den Namen Monade oder Fjitelchie den einfachen Substanzen vor, die — im Gegensatz zu den Seelen — nur eine einfache Perzeption haben (vgl. Mon. § 19 = G VI610; NE II 21, § 72 = A VI 6,211). Zum Begriff der „Entelechie" vgl. Th. I § 87 = G VI 149f. G VI 49-101. Vgl. DC § 62 = G VI 84; vgl. Th. II § 147 = G VI 197; G VII 173. — „Verderbte" Vernunft heißt für Leibniz nicht „gefallene" Vernunft. Für Leibniz ist und bleibt die Vernunft auch nach dem Fall gut (vgl. Grua I 69). — Es ist auch interessant, daß Leibniz in diesem Zusammenhang von einem peccatum spricht, welches er näherhin als ein philosophicum qualifiziert und von einem peccatum theologicum unterscheidet: Peccatum philosophicum seu morale est actus humanus disconveniens naturae rationali et rectae rationi, theologicum vero et mortale est transgressio libera divinae legis. Philosophicum quantumvis grave est in illo qui Deum vel ignorat vel de Deo actu non cogitat, est grave peccatum, sed non est offensa Dei, neque peccatum mortale, dissolvens amicitiam Dei, neque aetema poena dignum (Grua I 239f.; vgl. NE I l, § 27 = A VI6, 88). Implizit ist hierin die Überzeugung ausgedrückt, daß der Mensch durch den rechten Gebrauch seiner Vernunft notwendig zur Gotteserkenntnis geführt wird. DC § l = G VI 49; vgl. DC § 23 = G VI 64; § 61 = G VI 84; § 62 = G VI 84; § 63 = G VI 86; § 64 = G VI 86; § 65 = G VI 87; G VI 465; Grua I 68; NE II 21, § 50 = A VI 6, 199; PNG § 5 (Entwurf) = Ph. Sehr. 1422 A. 1. Vgl. dazu auch HEIMSOETH1,214; BELAVAL1,68. — In den Nouveaux Essais bestimmt Leibniz in IV 17, § l = A VI 6,475 die Vernunft etwas abweichend hiervon als die Fähigkeit, die die Verknüpfung der Wahrheiten erfaßt. Wenn er diese Fähigkeit allerdings mit der Fähigkeit des Räsonierens gleichsetzt, so ist sachlich das gleiche gemeint wie bei der Bestimmung der Vernunft als der Verkettung der Wahrheiten („Enfin la faculte qui s'apper$oit de cette liaison des verites, ou la faculte de raisonner, est aussi appellee Raison ..."). Vgl. G VI 465: „Denn da der Vemunfft werck ist verschiedene Wahrheiten zusammenzubinden ..."
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Abgrenzung gegenüber dem Begriff der Vernunft (ratio)
Wahrheiten im Sinne des schlußfolgernden Denkens,91 im Sinne des logischen Beweisens92 oder Demonstrierens.93 Wenn Leibniz an anderer Stelle die Vernunft als die Erkenntnis (connoissance) der Wahrheit bezeichnet, die in einer bestimmten Ordnung voranschreitet,94 so meint diese Bestimmung das gleiche wie die zuvor erörterte: Die Vernunft schreitet zu neuen Erkenntnissen durch das Mittel des Beweises, das einer ganz bestimmten Ordnung folgt. Versteht man mit Leibniz die Vernunft als die „Verkettung der Wahrheiten", so ist es natürlich unmöglich, daß die Vernunft uns täuscht. Die Möglichkeit einer Täuschung durch die Vernunft ist dadurch per definitionem ausgeschlossen.95 Verstände man dagegen unter Vernunft die Fähigkeit, gut oder
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Vgl. DC § 64 = G VI 86: „Un raisonnement exact n'est autre chose qu'un enchainement des verites." Vgl. auch A VI 3, 670: „Pour tirer une verite d'une autre il faut garder un certain enchainement, qui soit sans interruption. Car comme on peut asseurer qu'une chaine tiendra, lors qu'on est asseure que chaque anneau ä part est de bonne etoffe, et qu'il embrasse les deux anneaux voisins s(avoir celui qui le precede et celuy qui le suit; de meme on peut estre asseure de la justesse du raisonnement, lors que la matiere est bonne, c'est a dire qu'il n'entre rien de douteux; et lors que la forme consiste dans une liaison perpetuelle des veritez qui ne laisse point de vuide. Par exemple A est B et B est CetC est D. done A est D. Cet enchainement nous apprendra aussi de ne mettre jamais dans la conclusion plus qu'il n'y avoit dans les premisses." Vgl. R 323: „Enchather une longue suite de raisonnemens". Vgl. G VII 168. 559.
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Vgl. DC § 62 = G VI 84f. Beim Beweisen ist nach Leibniz vornehmlich auf zweierlei zu achten: Erstens muß der Beweis formal richtig sein. Zweitens darf die Beweismaterie sich wiederum nur auf bereits Bewiesenes stützen (Grua I 138). Unter der richtigen Form versteht Leibniz aber nicht nur die gemeine syllogistische, sondern auch jede beliebige andere, sofem sie zuvor bewiesen wurde und so zu einem sicheren Schluß berechtigt. Bei demjenigen, auf das sich die Beweismaterie stützt, kann es sich sowohl um die Prinzipien selbst als auch um rechtmäßige Folgerungen hieraus handeln (G IV 363). Neben diesen beiden Hauptaspekten, dem formalen und dem materialen, nennt Leibniz noch weitere Verhaltensregeln, um falsche Urteile beim Schließen zu vermeiden: 1. langsames Vorgehen; 2. das Wiederholen der Operationen; 3. die Operationen in verschiedener Form vorzunehmen; 4. das Ergebnis durch Proben zu bestätigen; 5. längere Schlußreihen in einzelne Teile zu zerlegen (G IV 361).
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Vgl. NE III 11, § 21 = A VI 6, 352. Vgl. NE IV l, § 8 = A VI 6, 358, wo Leibniz davon spricht, daß unser Wissen nur allzuoft durch eine lange Kette von Schlüssen (par une longue chaine de consequences) erworben werden muß. „La raison n'est autre chose qu'une connoissance de la verite qui precede par ordre" (Grua I 138). Ein solches Verständnis von Vernunft hat letztlich natürlich ein ganz bestimmtes Verständnis
des Irrtums zur Folge: Der Irrtum wird so zur Unvernunft, die von der Verkettung der Wahrheiten nicht erfaßt wird, und sein Kennzeichen ist der Widerspruch (vgl. G IV 361. 366. 385; G VII 166f.; vgl. dazu BELAVAL6, bes. 392. 395; vgl. dagegen STACK1,81).
Die Vernunft als die Verkettung der Wahrheiten
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schlecht zu schlußfolgern, so würde auch Leibniz zugeben, daß sie uns täuschen könne und dies auch tatsächlich tue.96 Der Stellenwert, den Leibniz dem schlußfolgernden Denken einräumt, unterscheidet seinen philosophischen Standpunkt wesentlich von dem Descartes'. Während Descartes sich gerade darum bemüht, alle syllogistischen Fesseln abzuwerfen97 und die Intuition als die entscheidende Methode der Philosophie einzuführen,98 weil man mit Hilfe der Syllogistik nichts Neues finde,99 büdet letztere für Leibniz ein unentbehrliches Hilfsmittel zur Wahrheitsfindung.100 Begründet ist diese Sicht wohl letztlich in Leibniz' Wahrheitsverständnis selbst, wonach Wahrheit als das Enthaltensein des Prädikats im Subjekt verstanden wird,101 oder vielmehr als das Enthaltensein der Idee des Prädikats in der Idee des Subjekts.102 Dieses Wahrheitskriterium trifft für jeden wahren, bejahenden, allgemeinen und einzelnen, notwendigen oder zufälligen, Satz zu,103 wenn auch explizit nur im Fall der ursprünglichen oder identischen Wahrheiten, die als einzige per se gewußt werden.104 Leibniz wendet sich hiermit gegen Descartes' Evidenzkriterium, welches ihm nur als ein neues Prinzip der Irrtümer gelten kann.105 Verknüpfen oder verketten kann die Vernunft nach Leibniz einmal die Wahrheiten, die die Erfahrung ihr liefert, zum anderen diejenigen, die von den Sinnen unabhängig sind. Bei dem ersten Verfahren gelangen wir zu gemischten Schlußfolgerungen (conclusions mixtes). Bei dem zweiten Verfahren haben wir 96
Vgl. DC § 65 = G VI 87.
97
Vgl. z.B. DESCARTES, Oeuvres, X 389. 405f. (Regulae, 7, 5; 10,4; 10, 5). 98 Vgl. z.B. EBD., X 368f. (Regulae, 3,5-7). 99 EBD., X 406 (Regulae, 10, 5). — Wobei allerdings in diesem Punkt bei Descartes eine gewisse Widersprüchlichkeit festzustellen ist, da er — trotz dieser Kritik — das Verfahren der Dialektiker mit seiner neben der Inuition an zweiter Stelle genannten Methode der Deduktion nachahmt (EBD., X 368f. {Regulae, 3, 8]; vgl. EBD., X 430f. {Regulae, 13,1]). 100 Vgl. G VII 473f. 523; A VI 6, 9; NE IV 7, § 11 = A VI 6, 415-422; IV 17, § 4 = A VI 6, 478—483. Wobei Leibniz unter Syllogismen auch die Schlußreihen (les tissus de syllogismes) und all das versteht, was die formgerechte Argumentation ausmacht, d. h. jede Ericenntnis, die nicht aus sich heraus evident ist, wird durch Schlußfolgerungen erworben (NE IV 17, § 5 = A VI6,483; vgl. G IV 426). 101 Vgl. z.B. G II 56 u.ö. Siehe dazu unten S. 122ff. '°2 Vgl. NE IV 17, § 8 = A VI 6,486. 103 p 179 104
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Vgl. G VII 309. Vgl. G 1205. 392; III 324 u.ö. Vgl. dazu HEIMSOETH1,206f.
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es nach Leibniz mit der reinen und bloßen Vernunft (la Raison pure et nue) zu tun.106 Was hier auffällt und festzuhalten ist, ist die Tatsache, daß die Vernunft Wahrheiten verknüpft oder verkettet, ihr Wesen also in dieser Tätigkeit des Verkettens besteht und nicht in der Bildung oder im Auffinden ursprünglicher Wahrheiten. Natürlich gelangt die Vernunft durch diesen Prozeß des Verkettens zu neuen Wahrheiten, aber sie gibt sich die zu verkettenden Wahrheiten nicht selbst vor, jedenfalls nicht die ursprünglichen. Vorgegeben werden diese ihr einmal durch die Sinne, zum anderen von einem Vermögen, das Leibniz an dieser Stelle noch nicht näher qualifiziert, das aber nicht mit der Vernunft identisch ist. Halten wir als ein erstes Ergebnis fest: Die Vernunft, als Vermögen der Verkettung von Wahrheiten, die ihr vorgegeben sind, ist in erster Linie das Vermögen zur Schlußfolgerung, das Vermögen zum diskursiven Denken, i»' Im weiteren Verlauf des Discours pr4limnaire nennt Leibniz neben dieser hauptsächlichen Tätigkeit der Vernunft noch zwei weitere Tätigkeiten: das Begreifen (comprendre) und die Beantwortung von Einwänden (rdpondre aux objections).108 Begreifen ist eine Folge des apriorischen Beweisens, d.h. des Begründens durch die Wirkursache.109 Die zweite hier genannte Tätigkeit der Vernunft, die Beantwortung von Einwänden, ergibt sich aus der Einsicht in die Unzulänglichkeit unserer Vernunft, die oft nicht in der Lage ist, die oft zu schwach ist, etwas zu erklären oder zu beweisen. So bleibt ihr nur, auf einen falschen Einwand zu antworten.110 Die besondere Bedeutung dieser zuletzt genannten Funktion der Vernunft wird uns noch einmal sehr plastisch vor Augen geführt, wenn wir das Verhältnis von Vernunft und Glaube (bzw. Of106
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DC § l = G VI 49. Vgl. G VI 465. — Ein gemischter Schluß liegt vor, wenn ein Grundsatz (z.B. das Prinzip des Widerspruchs) auf eine sinnliche Wahrheit angewendet wird. In den Nouveaux Essais nennt Leibniz als Beispiel hierfür den Satz: ,J^e doux nest pas l'amer" (NE I l, §18 = A VI 6, 82). Vgl. BELAVAL4, 109; TALMAGE, 234; WlLDERMUTH, 146. — Vgl. auch NE I 2, § l = A VI 6, 89, wo Leibniz „raisonnement" und „discours" in eine Reihe stellt. DC §58 = G VI 82. DC § 59 = G VI 83. „La raison pourra estre trop foible pour expliquer, prouuer, decouurir quelque chose, mais eile n'est pas trop foible pour repondre ä une objection trompeuse. Soutenir le contraire, c'est renverser toutes les lumieres du raisonnement, et admettre que quelque chose de faux peut estre demonstre" (Grua 162).
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fenbarung) bei Leibniz bedenken.111 An dieser Stelle sei nur soviel hierzu gesagt: Leibniz hält am Mysteriencharakter bestimmter theologischer Aussagen (Inkarnation, Trinität, Eucharistie u.a.) fest, löst also Religion nicht in Vernunftwahrheiten auf, hebt aber auf der anderen Seite die Vernunft auch nicht vor der Religion auf, sondern bewahrt ihr Recht der Religion gegenüber, das darin besteht, der Religion gegenüber als ein negatives Kriterium zu dienen.112 Diese wesenhaften Tätigkeiten unserer Vernunft gründen sich nach Leibniz auf die von ihm immer wieder in Anspruch genommenen zwei großen Prinzipien, einmal auf das Prinzip des Widerspruchs, das mit dem der Identität sachlich übereinstimmt,113 zum anderen auf das Prinzip des zureichenden Grundes,114 das Leibniz zuweilen auch gerne als „das große Prinzip des Grundes" (le grand principe du pourquoy) bezeichnet.115 Vermöge des ersten Prinzips beurteilen wir als falsch, was einen Widerspruch einschließt, und als wahr, was dem Falschen entgegengesetzt ist oder kontradiktorisch sich zu ihm verhält.116 Dieses Prinzip wird beim Urteilen immer vorausgesetzt, anderenfalls könnte
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Siehe unten S. 32ff. Vgl. HILDEBRANDT, 487. 113 A VI 6, 4 sagt Leibniz ausdrücklich: „L'axiome de l'identicite, ou (qui est la meme chose) le principe de la contradiction". Vgl. G VII 355; vgl. MARTIN3, 10; WISDOM, 47. — Auch das Prinzip vom ausgeschlossenen Dritten ist nach Leibniz eine Folge des Prinzips des Widerspruchs (vgl. Grua II 479.1382; DC § 22 = G VI 63). 114 Vgi_ G vil 309. — In der kleinen Schrift mit dem Titel De terminis simplicioribus, deren vorläufige Datierung zwischen 1677 und 1716 angesetzt ist, heißt es: Ratiocinatio ex his duobus fluit, ut contradictoria non admittamus, et ut nihil sine ratione statuamus (VE 335 = Faszikel 2, N. 93). Vgl. auch G II 62: „Et quant ä la Metaphysique, je pretends d'y donner des demonstrations Geometriques, ne supposant presque que deux verites primitives, S9avoir en premier lieu le principe de contradiction ... et en deuxieme lieu, que rien n'est sans raison..." Vgl. Mon. §§ 31 u. 32 = G VI612; Th. I § 44 u. II § 169 = G VI 127 u. 211. »5 GIII 530. 116 Vgl. z.B. Mon. § 31 = G VI 612; Th. I § 44 = G VI 127; G VII 199f. — WISDOM, 46f., unterscheidet insgesamt vier Formen, wie das Prinzip des Widerspruchs formuliert werden kann: „1. Every proposition must be either true or false; which formulation has two components: No proposition can be neither true or false; and no proposition can be both true and false ... 2. Of two contradictory propositions, one is true and the other is false. Or, an affirmation is true if and only if its negation is false, and a negation is true if and only if the affirmation is false. Or again, the negation of a falsehood is true, and of a truth is false ... 3. Any proposition which is or implies an explicit contradiction of the form is not A', is necessarily false ... 4. Any proposition which is or is implied by an explicit identity of the form is A' is necessarily true" (vgl. HEIMSOETH1, 208f.). 112
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Abgrenzung gegenüber dem Begriff der Vernunft (ratio)
man in jedem Augenblick jeweils Gegenteiliges verteidigen.117 Vermöge des zweiten Prinzips steht fest, daß sich keine Tatsache als wahr oder existierend und keine Aussage als wahr herausstellen kann, ohne daß es hierfür einen zureichenden Grund gäbe, warum es sich gerade so und nicht anders verhält, wobei uns diese Gründe nicht immer bekannt sein müssen.118 Durch dieses
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„Puisqu'autrement il n'y auroit point de difference entre la verite et la faussete; et toutes les recherches cesseroient d'abord, s'il estoit indifferent de dire, oui ou non. On ne s^auroit done s'empecher de supposer ce principe, des [!] qu'on veut raisonner" (A VI6, 4f.). Vgl. z.B. Mon. § 32 = G VI 612; vgl. Th. I § 44 = G VI 127; G VII 199f.; C 11. — Nach Leibniz baut sich die Mathematik (also Arithmetik und Geometrie) allein auf dem Prinzip des Widerspruchs auf (was sich aber schon bald nach Leibniz ah falsch herausgestellt hat [vgl. WISDOM, 53]). Um aber von hieraus zur Physik überzugehen, ist das Prinzip des zureichenden Grundes erforderlich (G VII 355f.; A VI 3,118). — Es ist falsch, das Prinzip des zureichenden Grundes auf den Satz der Kausalität einzuschränken (vgl. McRAE2, 107; HEIMSOETH1, 209; vgl. dagegen K. FISCHER, 495). Dieses Prinzip, das ein Folgesatz (corollaire) von Leibniz' großem Prinzip „Praedicatum inest subjecto" ist (vgl. G II 56; C 11; dazu McRAE2, 104; WISDOM, 54f.; AXELOS, 158f.), hat vielmehr universale Geltung: Nihil esse sine rat ion e intelligitur de causa efficienti, materiali, formali, finali (Grua I 269; vgl. WISDOM, 54). Auf Gott angewandt bedeutet es eine Absage an den Voluntarismus (vgl. MARTIN·', 13), den Leibniz nicht einmal für den Bereich der sekundären Sinnesqualitäten zuläßt (vgl. NE, Preface = A VI 6,56), und ist es identisch mit dem Prinzip des Besten (vgl. z.B. Grua 301; G I 149; Th., Preface = G VI 44; dazu McRAE2, 108), ja ermöglicht es sogar die Demonstration seines Daseins (vgl. NE II 21, § 13 = A VI 6, 179). Auf das Problem der menschlichen Freiheit angewandt bedeutet es eine Absage an eine scheinbare „indifference d'equilibre" (vgl. NE, Preface = A VI 6, 56 u.ö.). — Universale Geltung kommt auch dem Prinzip des Widerspruchs oder der Identität zu, das sowohl für alles Sein als auch für alles Denken Gültigkeit besitzt, „für das Sein Gottes wie für das Sein seiner Werke, für das Denken Gottes wie für unser Denken" (MARTIN3, 10; vgl. 9). — Es ist interessant, daß Leibniz in einem kleinen Manuskript mit dem Titel De contingenüa, das Grua abdruckt (I 302-306) und dessen Entstehungszeit er auf 1686 (?) datiert, das Prinzip des zureichenden Grundes in einer ersten, später aber gestrichenen Formulierung als Ersatzprinzip (vicarium) bezeichnet. Diese Stelle lautet im genauen Wortlaut folgendermaßen: Quia non possumus cognoscere veram rationem formalem existentiae [, vicarium nobis Deus concessit, et experimentis perpetuis stabilivit insitum] (in ullo casu speciali, involvit enim progressum in infinitum, ideo sufficit nobis veritatem contingentium nosse a posteriori nempe per experimenta; et tarnen illud simul [discere] tenere in Universum vel generatim, quod et ratione et experientia ipsa [stabilitur] (quantum nos in res penetrare datum est) firmatur, insitum divinitus) menti nostrae principium, nihil fieri sine ratione, et ex oppositis semper illud fieri, quod plus rationis habet (Grua I 304f.: das von Leibniz Durchgestrichene in eckigen, das später Ergänzte in spitzen Klammern). Vgl. dazu auch T. BARTH, 154. KAULBACH3, 131, sagt zu Recht: „Der Anspruch auf das Prinzip vom zureichenden Grunde für die Tatsachenwelt bedeutet nichts weniger, als eine Verwandlung ... der Vemunftlosigkeit in Vernünftigkeit. Das, was zunächst, von einem subalternen Standpunkt aus gesehen und gedacht, sich bloß als
Die Vernunft als die Verkettung der Wahrheiten
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Prinzip sind auch sogleich alle okkulten primitiven vermeintlichen Qualitäten der Schule als unnötig und überflüssig erwiesen.119 Für die Bestätigung dieses zweiten großen Prinzips führt Leibniz nicht nur apriorische Gründe an,120 sondern er rechtfertigt es auch durch aposteriorische Gründe. Da es, so Leibniz, in allen bekannten Fällen zutrifft, in denen man es bisher angewandt hat, so kann — ja muß man gemäß der „Maxime der Experimental-Philosophie" hieraus folgern, daß es auch für die noch unbekannten Fälle gilt.121 Dieses Prinzip steht somit nicht nur deduktiv fest, sondern auch gemäß der Maxime der Induktion, wobei Cassirer hier mit Recht darauf hinweist, „daß jede echte methodische Induktion allgemeine rationale Hülfssätze und Vorbegriffe bereits in sich enthält".122 Das Problem der sogenannten Vernunftwahrheiten ist zu komplex, als daß es an dieser Stelle in Kürze aufgehellt werden könnte. Wir werden diese Frage im weiteren Verlauf unserer Untersuchung erörtern, wo den Vemunftwahrheiten innerhalb der Aprioritätsproblematik eine besondere Rolle zukommt.123 Das Verhältnis von Vernunft und Glaube bzw. Offenbarung dagegen soll hier innerhalb der Einführung noch kurz angesprochen werden, da es im weiteren Verlauf der Untersuchung nicht mehr zur Sprache kommen wird, es uns aber als zu wichtig erscheint, als daß es innerhalb einer Untersuchung wie dieser gänzlich vernachlässigt werden könnte. Zudem ist es eine Bestätigung dessen, was wir bereits über das Wesen der Vernunft festgestellt haben.
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Blindheit und Zufälligkeit zeigte, das erweist sich nun, in die rechte Perspektive gebracht, doch als Vernunft: als Vernunft in der Wirklichkeit." Vgl. G III 532; NE, Preface = A VI 6, 68; II 21, § 47 = A VI 6, 196; IV 3, § 6 = A VI 6, 382; C 11. — Leibniz charakterisiert in diesem Sinne seine Philosophie als eine solche, die Gründe (raisons) sucht (NE, Preface = A VI 6, 66). „Toute verite a sä preuve a priori, tiree de la notion des termes, quoyqu'il ne soil pas tousjours en nostre pouvoir de parvenir a cette analyse" (G II 62). Hier wird also noch einmal die Abhängigkeit des Prinzips des zureichenden Grundes von dem großen Prinzip „Praedicatum inest subjecto" deutlich. G VII 420. Cass.1,1 214 A. 156; vgl. I 48 A. 28. Siehe unten S. 96f.
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Abgrenzung gegenüber dem Begriff der Vernunft (ratio)
§ 9 Vernunft und Glaube Aus der Bestimmung der Vernunft als der Verkettung der Wahrheiten folgt für Leibniz, daß es keine Wahrheit geben kann, weder eine Wahrheit des Glaubens noch eine der Natur, die gegen die Vernunft stände, weil die Wahrheit weder eine doppelte sein,124 noch sich selbst widersprechen kann.125 Diesen Standpunkt gilt es im folgenden näher zu begründen und zu klären. Wenn Leibniz die Vernunft als die Verkettung der Wahrheiten bestimmt, so ist damit, wie im vorigen Paragraphen deutüch wurde, die rechte Vernunft (veritable raison) gemeint, nicht eine verderbte. Diese rechte Vernunft aber kann der rechten Offenbarung (veritable revelation) nicht widersprechen, sie muß vielmehr mit ihr übereinstimmen.126 Hinter einer solchen Auffassung steht die unausgesprochene These, daß endliche und unendliche Vernunft keine inkommensurablen Größen sind. Oder anders formuliert: daß es Prinzipien gibt, die sowohl für den Menschen als auch für Gott gelten. Dies gilt zwar in bezug auf die physischen Prinzipien nicht im absoluten Sinne, da Gott ja hiervon hätte das Gegenteil bewirken können, dagegen gilt es uneingeschränkt für die logischen und metaphysischen Prinzipien,127 wobei dies nicht heißt, daß Gott sich der Logik bedienen muß.128 Daraus aber den Schluß zu ziehen, daß er die 124
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Gegen die Lehre von der doppelten Wahrheit spricht die einfache Überlegung, daß das Licht der Vernunft nicht weniger eine Gabe Gottes ist als das Licht der Offenbarung (vgl. DC § 29 = G VI 67). Ein Kampf der Vernunft gegen den Glauben würde also letztlich ein Kampf Gottes gegen Gott sein (DC § 39 = G VI 73). Vgl. Grua I 68; DC § l = G VI 49; § 29 = G VI 67; G IV 363. Anders gewendet bedeutet dies: „Tout ce qu'on dit contre la Raison, ne porte coup que contre une pretendue Raison, corrompue et abusee par de fausses apparences" (DC § 4 = G VI 51). Grua II26; vgl. A VI 3,570. Die schönste Erklärung hierfür findet sich im Dialogus inter theologicum et misosophum. Den Einwand des Misosophen, daß die menschlichen Prinzipien den göttlichen Dingen nicht angepaßt seien, entkräftet der Theologe folgendermaßen: Respondeo dan principia communia rebus divinis et humanis et hoc optime observarunt Theologi; principia quidem physica, fateor, sunt humana tan turn, verbi gratia quod ferrum non natat in aqua, quod virgo non parit; nam per absolutam Dei potentiam, quae est supra naturam, contrarium effici polest; sed principia logica et metaphysica sunt communia divinis et humanis, quia agunt de veritate et de Ente in genere, quod est commune Deo et creaturis. Tale principium metaphysicum est: non posse idem simul esse et non esse; totum esse majus parte, item Principia logica seu formae syllogisticae, quae etiam Deus atque angeli vera esse admittent (Grua I 20). „II est vray que Dieu ne raisonne pas, ä proprement parier, en employant du temps comme nous, pour passer d'une verite ä Vautre: mais comme il comprend tout ä la fois toutes les verites
Vernunft und Glaube
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Logik verwerfe, wäre falsch.129 Implizit ist damit auch eine Absage gegen jede Form des Voluntarismus gegeben, der meint, daß die Wahrheit Gottes nicht unbedingt mit der des Menschen übereinstimme, gegen welche Meinung sich Leibniz immer vehement ausgesprochen hat. Doch soll diese Problematik hier nicht weiter entfaltet werden.130 Die Feststellung, daß menschliche Vernunft der Offenbarung nicht widersprechen kann, ist eine negative Bestimmung des Verhältnisses von Philosophie und Glaube, von Vernunft und Offenbarung. Wie aber sieht das positive Verhältnis beider aus? Hieraus den Schluß zu ziehen, daß sich Religion in Vernunft auflösen ließe, wäre für Leibniz zu weit gegriffen. Leibniz ist weit davon entfernt, ein Vertreter der Vernunftreligion zu sein. Er steht hier vielmehr in der thomanischen Tradition, die sich mit einer Richterfunktion der Vernunft131 in bezug auf die Offenbarung zufriedengibt,132 selbst aber nicht die Glaubensgeheimnisse zu begründen in der Lage ist.133 et toutes leur liaisons, il connoist toutes les consequences, et il renferme eminemment en luy tous les raisonnemens que nous pouvons faire, et c'est pour cela meme que sä sagesse est parfaite" (G VI 399). Vgl. Th. II § 192 = G VI230; II § 225 = G VI 252; III § 389 = G VI 346. 129 Auf den Einwand des Misosophen: At Deus et angeli non indigent Logica, antwortet der Theologe: Certe Deus Logica non utitur, angeli fortasse syllogismis non indigent, non tarnen ideo eos rejicient; ego non utor arithmetica per calculos (jettons), quia scio omnia melius calamo absolvi, non ideo tarnen calculos rejicio, aut pro erroneis habe o (Grua I 20f.). 130 Vgl. dazu GB 50; GM VI 133; Grua I 4. 9. 16. 238f. 252. 362. 365. 375. 432f. 448. II 471f. 474. 476f. 496f. 499f. 502f.; A II l, 118. 306. 473. 501. 506f.; A VI 3, 122; Mollat 41. 45-^7; S 95; G II 314; G III 527. 529. 532; G IV 314. 344. 356. 391; Th. I § 77 = G VI 144; G VII 365.506f. u.ö. 131 Leibniz spricht in diesem Zusammenhang auch von der „Gerichtsbarkeit" der Vernunft (la jurisdiction de la raison), die an den Glaubensgeheimnissen ihre Grenze hat (G II125). 132 Ygj_ DUPROIX, der in diesem Zusammenhang richtig urteilt: „La philosophic a done un röle legitime ä jouer en theologie, puisqu'elle est capable de legitimer la foi au mystere en demasquant la faiblesse des objections formulees contre lui. II est vrai que ce role est plutot negatif" (36). Diese Richterfunktion der Vernunft in bezug auf die Offenbarung geht sogar so weit, daß, wenn eine Schriftauslegung der Vernunft widerstreitet, davon auszugehen ist, daß die wahre Bedeutung der Schriftstelle nicht angemessen erfaßt wurde (vgl. Grua I 380). 133 Natürlich werden durch Offenbarung den Menschen nicht nur Mysterien bekannt, sondern auch Wahrheiten, die die Vernunft auch auf natürlichem Wege erreichen kann, so z.B. daß es einen Gott gibt oder daß dieser Gott das absolut gute Prinzip darstellt und es nicht — wie die Manichäer meinen — in Gott ein gutes und ein böses Prinzip geben kann (vgl. DC § 43 = G VI 74; § 44 = G VI 75; § 71 = G VI 91; dazu , 121), oder auch: daß die Seele unsterblich ist (vgl. NE II 21, § 37 = A VI6, 190). Auf die Frage, weshalb Gott den Menschen auch solche Wahrheiten geoffenbart hat, die die Vernunft selbst erreichen kann, antwortet Leibniz mit Ar-
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Diese Funktion der Vernunft in bezug auf den Glauben verdeutlicht Leibniz sehr schön durch eine Klärung der Begriffe erklären (expliquer) — begreifen (comprendre) — beweisen (prouver) — behaupten (soutenir). „Es ist möglich, die Mysterien zu erklären [expliquer]134, soweit das für den Glauben an sie nötig ist", so schreibt Leibniz, und er denkt dabei an die Trinität, die Inkarnation, die Eucharistie, die Auferstehung der Toten u.a.135, „aber man kann sie weder begreifen [comprendre]136, noch verständlich machen, wie sie sich ereignen ... Es ist uns auch nicht möglich, die Mysterien durch die Vernunft zu beweisen, denn alles, was sich a priori oder durch die reine Vernunft beweisen läßt, läßt sich begreifen. Alles, was uns also bleibt, nachdem wir den Mysterien aufgrund der Beweise für die Wahrheit der Religion Glauben geschenkt haben .„, besteht darin, sie den Einwänden gegenüber behaupten zu können; anderenfalls hätten wir gar keinen Grund, sie zu glauben. Alles, was auf eine sichere und demonstrative Art widerlegt werden kann, muß falsch sein."137
gumenten, die vor ihm auch schon Thomas von Aquin ins Feld geführt hat, wie: weil die Menschen die Vernunft zu selten genügend gebrauchen (Grua II 585) oder: weil nicht jeder zu einem solchen Gebrauch der Vernunft in der Lage ist (Haas 14). 134 Was Leibniz hierunter versteht, erhellt aus § 54 des Discours preliminaire, wo er deutlich macht, was eine Erlärung (explication) zu leisten hat bzw. leisten kann: „D suffit que nous ayons quelque intelligence analogique d'un mystere, tel que la Trinite et que l'Incamation, afin qu'en les recevant nous ne prononcions pas des paroles entierement destituees de sens: mais il n'est point necessaire que l'explication aille aussi loin qu'il seroit ä souhaiter, c'est ä dire, qu'elle aille jusqu'ä la comprehension et au comment" (G VI 80). 135 Vgl. DC § 16 = G VI 59; vgl. A II l, 163. 488; Haas, 16. 136 „Pour comprendre quelque chose, il ne suffit pas qu'on en ait quelques idees; il faut les avoir toutes de tout ce qui y entre, et il faut que toutes ces idees soyent claires, distinctes, adequates" PC § 73 = G VI 92). Unbegreiflichkeit einer Wahrheit heißt aber nie, daß man gar nichts davon versteht (DC § 76 = G VI 95). — In den Nouveaux Essais unterscheidet Leibniz zwischen aprendre und comprendre: Was über die Vernunft geht, kann zwar ergriffen (peut bien estre apris), aber nicht begriffen (pas estre compris) werden (NE IV 17, § 23 = A VI6,493). 137 DC § 5 = G VI 52 („Les Mysteres se peuvent expliquer autant qu'il faut pour les croire; mais on ne les sauroit comprendre, ny faire entendre comment ils arrivent... II ne nous est pas possible non plus de prouver les Mysteres par la raison: car tout ce qui se peut prouver a priori, ou par la raison pure, se peut comprendre. Tout ce qui nous reste done, apres avoir ajoute foy aux Mysteres sur les preuves de la verite de la Religion ... c'est de les pouvoir soutenir contre les objections; sans quoy nous ne serions point fondes a les croire; tout ce qui peut etre refute d'une moniere solide et demonstrative, ne pouvant manquer d'etre faux."). Vgl. G III 144; G VI 468f.
Vernunft und Glaube
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Menschliche, d.h. geschaffene Vernunft kann zwar etwas über das Was der Mysterien aussagen, das Wie aber überschreitet unsere Vernunft.138 Auch kann menschliche Vernunft das Warum der Mysterien nicht kennen. Denn das bedeutete nach Leibniz, sie durch die Wirkursache zu begründen. Wer aber dazu in der Lage wäre, könnte sie auch begreifen.139 Das Wie und Warum ist allein Gott vorbehalten.140 Was aber nicht begreifbar ist und wofür kein Grund angegeben werden kann, das ist über der Vernunft (au dessus de la raison). Gegen die Vernunft (contre la raison) wäre es erst dann gerichtet, wenn es durch unwiderlegliche Gründe bestritten oder sein Gegenteil auf exakte und zuverlässige Weise bewiesen werden könnte.141 Über der Vernunft heißt also nicht gegen die Vernunft, sondern nur: menschlicher Vernunft unbegreiflich, göttlicher Vernunft oder Vernunft überhaupt dagegen gemäß.142 Sind die Mysterien aber göttlicher Vernunft gemäß, so können sie dem Teil der Vernunft nicht widersprechen, dessen sich der Mensch zur Beurteilung bedient.143 Leibniz führt dazu aus: „Da aber dieser Teil der Vernunft, den wir be138 Die Unbegreiflichkeit verschiedener Gegenstände des Glaubens darf uns nicht am Glauben hindern. Sie hindert uns ja sogar nicht einmal, natürliche Wahrheiten zu glauben. Leibniz verweist in diesem Zusammenhang auf die Natur der Gerüche und des Geschmacks (DC § 41 = G VI 73f.), der Hitze und des Lichts (DC § 54 = G VI 80; § 73 = G VI 92). — Das Wie der Mysterien begreiflich machen, hieße, ihre innere Möglichkeit zu beweisen (DC § 86 = G VI 99). An die Beweisbarkeit der Möglichkeit scheint der junge Leibniz gegenüber dem Leibniz des Discours preliminaire aber noch geglaubt zu haben. In einem Schreiben an den Herzog Johann Friedrich aus der zweiten Oktober-Hälfte des Jahres 1671 heißt es noch optimistisch: ,Jn Theologia Revelatä uebemehme ich zu demonstrinn, nicht zwar veritatem (denn die fleuest a revelatione) sondern possibilitatem mysteriorum" (A II l, 163). 139 DC § 59 = G VI 83; vgl. DC § 56 = G VI 81. 140 Vgl. DC § 56 = G VI 81; § 60 = G VI 84; NE IV 17, § 23 = A VI 6, 493. Vgl. PICHLER, I 218; HILDEBRANDT, 298. Vgl. dagegen ENGE, 92, der meint, menschliche Vernunft könne nach Leibniz auch das ,jSo-sein" der Mysterien kennen. 141 DC § 60 = G VI 83. Vgl. VE 1831f. = Faszikel 8, N. 387 (Nulla in divinis contra, multa super rationem). 142 DC § 61 = G VI 84; vgl. DC § 23 = G VI 64. — Diesen Unterschied zwischen Begreifen und Verstehen spricht Leibniz auch in der Vorrede der Nouveaux Essais an, wenn es hier heißt: Je reconnois, qu'il n'est pas permis de nier ce qu'on n'entend pas, mais j'adjoute qu'on a droit de nier (au moins dans l'ordre naturel) ce qui absolument n'est point intelligible ni explicable" (NE, Preface = A VI 6, 65). Die Wendung „ce qui absolumenl n'est point intelligible ni explicable" meint Eigenschaften, die der größte Geist, selbst wenn ihm Gott alle mögliche Erleuchtung gäbe, nicht zu begreifen (comprendre) veimöchte (vgl. NE, Preface = A VI 6, 66). 143 Vgl. DUPRODC, 29.
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sitzen, eine Gabe Gottes ist und in dem natürlichen Licht besteht, das uns inmitten der Verderbtheit geblieben ist, stimmt dieser Teil mit dem Ganzen überein und unterscheidet sich von demjenigen, der in Gott ist, nur wie ein WasserHopfen sich vom Ozean unterscheidet oder vielmehr wie das Endliche vom Unendlichen. Daher können die Mysterien ihn übersteigen, aber sie können ihm nicht entgegengesetzt sein. Man kann nicht einem Teil entgegengesetzt sein, ohne dies dem Ganzen gegenüber zu sein ... Was in uns den Mysterien entgegengesetzt ist, ist weder die Vernunft noch das natürliche Licht noch die Verkettung der Wahrheiten; es ist die Verderbtheit, es ist der Irrtum oder das Vorurteil, es ist die Finsternis."144 Wenn wir das Wie und Warum der Mysterien nicht einsehen, so heißt das für Leibniz nicht Unvernünftigkeit oder Irrationalität; denn Gott, der die Vernünftigkeit im höchsten Maße besitzt, ja ist, durchschaut dieses Wie und Warum, garantiert damit die Rationalität der Mysterien, die allein für die endliche und das heißt beschränkte menschliche Vernunft nicht durchsichtig ist. Wir können zwar nicht die Übereinstimmung der Mysterien mit unserer Vernunft kennen, wir können aber erkennen, daß zwischen den Mysterien und der Vernunft kein Gegensatz oder keine Nicht-Übereinstimmung besteht. Versteht man unter Übereinstimmung die vernunftgemäße Erklärung des Wie, so können wir diese nicht erkennen. Versteht man dagegen darunter-die Behebung eines vermeintlichen Gegensatzes, so kann man sagen, daß wir die Übereinstimmung erkennen können.145
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DC § 61 = G VI 84 („Mais comme cette portion de Raison que nous possedons est un don de Dieu, et consiste dans la lumiere naturelle qui nous est restee au milieu de la corruption; cette portion est confonme avec le tout, et eile ne differe de celle qui est en Dieu, que comme une goute d'eau differe de l'Ocean, ou plustost comme le fmi de l'infini. Ainsi les mysteres la peuvent passer, mais ils ne sauroient y etre contraires. L'on ne sauroit etre contraire ä une partie, sans l'etre en cela au tout... Ce qui en nous est contraire aux mysteres, n'est pas la raison, ny la lumiere naturelle, ny l'enchainement des Verites; c'est corruption, c'est erreur ou prejuge, c'est tenebres."). Vgl. DUPROK, 34; BRUNNER, 252. — Es scheint uns in diesem Zusammenhang überflüssig, ja sogar verfehlt, wenn ALVAREZ TURIENZO für die Erklärung der Versöhnung von Glaube und Vernunft bei Leibniz auch noch den Begriff der Prästabilierten Harmonie strapaziert (346). Die Erläuterungen zum Verhältnis von Vernunft und Glaube sind ja ganz auf der Ebene des «Systeme commun» gehalten, setzen also die Substanz-Metaphysik in keiner Weise voraus. DC §63 = G VI 86.
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Sind die Mysterien aber mit der Vernunft unvereinbar, d.h. gibt es unlösbare Einwände dagegen, so sehen wir ihre Unwahrheit ein.146 Unvereinbar aber sind sie mit der Vernunft, wenn sie ihr widersprechen. An dieser Stelle aber ist es notwendig, genauer zu klären, worin dieser Widerspruch besteht. Gesetzt den Fall, die Offenbarung würde gegen Sätze verstoßen, die auf den Gesetzen beruhen, die der Wille Gottes der Natur vorgeschrieben hat, wie das bei einem Wunder der Fall ist — würde dies schon der Vernunft widersprechen? Leibniz würde hierauf mit einem klaren Nein antworten. Das Gegenteil der physischen Notwendigkeit schließt noch keinen Widerspruch ein, sondern erst das Gegenteil der logischen, geometrischen oder metaphysischen Notwendigkeit.147 Die physische Notwendigkeit, die die Ordnung in der Natur bewirkt und die in den Gesetzen der Bewegung und einigen anderen allgemeinen Gesetzen besteht, die Gott den Dingen bei ihrer Erschaffung verliehen hat, beruht nicht auf der logischen, geometrischen oder metaphysischen Notwendigkeit, sondern auf der moralischen, das heißt auf der seiner Weisheit würdigen Wahl des Weisen. Gott hat Gründe, er wählt nicht willkürlich. Aber diese allgemeinen Gründe können nach Leibniz durch stärkere Gründe einer höheren Ordnung übertroffen werden.148 Die Naturgesetze unterliegen also der Dispensation durch den 146 147
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Th. III § 294 = G VI 291. Vgl. dagegen ENGE, 89f. DC § 20f. = G VI 62f.; vgl. DC § 21f. = G VI 63. Leibniz bezeichnet die logische, geometrische oder metaphysische Notwendigkeit auch zuweilen als „necessite absolue" (G VI 37. 321. 390; Gma I 270), „necessite aveugle" (G III 419; G VI 321. 390) oder „necessite brüte" (G VI 218; G VII 365). DC § 2 = G VI 50; vgl. NE IV 17, § 23 = A VI 6, 495; G VI 218. 321. — Die „necessite Hypothetique" „ou de Consequence" hat ihren Ort, wo es um die moralische Notwendigkeit geht. In einem Brief an Coste vom 19. Dez. 1707 erklärt Leibniz hierzu: „Une verite est necessaire, lorsque l'oppose implique contradiction; et quand eile n'est point necessaire, on Tappele contingente. C'est une verite necessaire, que Dieu existe, que tous les angles droits sont egaux entre eux etc., mais c'est une verite contingente, que j'existe moy, et qu'il y a des corps dans la nature qui font voir un angle effectivement droit. Car tout 1'univers pouvoit estre fait autrement; le temps, l'espace et la matiere estant absolument indifferens aux mouvemens et aux figures, et Dieu a choisi parmy une infinite de possibles ce qu'il jugeoit le plus convenable. Mais des qu'il a choisi, il faut avouer que tout est compris dans son choix et que rien ne sauroit estre change puisqu'il a tout preveu et regle une fois pour toutes, luy qui ne sauroit regier les choses par lambeaux et ä baston rompu ... C'est cette necessite qu'on peut attribuer maintenant aux choses ä venir, qu'on appele Hypothetique ou de Consequence (c'est ä dire fondee sur la consequence de rHypothese du choix fait) qui ne detruit point la contingence des choses et ne produit point cette necessite absolue que la contingence ne souffre point" (G III 400). Vgl. G VI 178. Siehe dazu unten S. 125f.
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Abgrenzung gegenüber dem Begriff der Vernunft (ratio)
Gesetzgeber, die ewigen Wahrheiten dagegen, die auf der logischen, geometrischen oder metaphysischen Notwendigkeit beruhen, sind unaufhebbar.14? So stimmt die Unterscheidung, die man zwischen dem, was die Vernunft übersteigt, und dem, was gegen die Vernunft ist, zu machen pflegt, auch hinreichend mit dem Unterschied überein, den man zwischen den beiden Arten der Notwendigkeit macht. „Denn das, was gegen die Vernunft ist, ist gegen die absolut gewissen und unerläßlichen Wahrheiten; und das, was die Vernunft übersteigt, ist nur dem entgegengesetzt, was man zu erfahren oder zu begreifen gewohnt ist."150 Leibniz steht somit eindeutig in der Linie derer, die den Glauben denkerisch zu durchdringen suchen im Sinne des Anseimischen Wortes Fides quaerens intellectwn.151 Der Glaube muß in der Vernunft begründet sein, anderenfalls gibt es keine befriedigende Antwort auf die Frage, weshalb wir die Bibel dem Koran oder den Büchern der Brahmanen vorziehen sollten. Der Glaube darf nicht ein bloßes Aussagen, Wiederholen oder Geltenlassen bedeuten.152 Leibniz ist somit weit entfernt von Tertullians Credo quia absurdum est.153 Auf der anderen Seite bewegt er sich aber auch nicht auf der Linie derer, die den Glauben zu intellektualisieren suchen. Der Glaube ist bei Leibniz nicht nur eine Sache der Vernunft, denn sonst müßte der Gelehrteste der Gläubigste sein.154 Diese Ausführungen machen deutlich, was wir bereits im vorigen Paragraphen festgestellt haben, daß nämlich das Vermögen der Vernunft wesentlich im diskursiven Denken besteht. Darüber hinaus aber wurde deutlich, daß es nicht 149 DC § 3 = G VI 50f. DUPROIX beobachtet richtig, wenn er meint, daß es sich hier nur um zwei Gebiete handelt, die es zu versöhnen gilt: das des Glaubens und das der Vernunft, daß es aber näherhin betrachtet um drei Bereiche geht: den Bereich der Tatsachenwahrheiten, den der ewigen Wahrheiten und den der geoffenbarten Wahrheiten (28). Zu den ewigen Wahrheiten siehe unten S. 96. 150 § 23 = G VI 64 („Car ce qui est contre la raison, est centre les verites absolument certaines et indispensables; et ce qui est au dessus de la raison, est contraire seulement a ce qu'on a coutume d'experimenter ou de comprendre."). — Herring übersetzt hier inkorrekt: „was man erfahrungsgemäß zu kennen oder zu begreifen gewohnt ist" (Ph. Sehr. II/l 109). 151 Vgl. ANSELM VON CANTERBURY, Proslogion, Prooemium (Opera omnia, I 94). — Vgl. dazu Guhrauer I 413. Die wahre natürliche Theologie widerstreitet ja nicht bloß nicht der geoffenbarten Wahrheit, sondern unterstützt sie sogar (vgl. G VII 531). 152 NE IV 17, § 23 = A VI 6,494. 15 3 Wobei wir uns bewußt sind, daß dieses bekannte Schlagwort in dieser Form unhistorisch ist. Der Sache nach vgl. TERTULLIAN, De carne Christi, V 4. 154 Haas 34.
Vernunft und Glaube
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der Verstand ist, sondern die Vernunft, die sich in eine Auseinandersetzung mit einem falschen oder in Übereinstimmung mit dem wahren Glauben begibt.
§ 10 Vernunft und Freiheit Der Begriff der Vernunft spielt nicht nur in der Beziehung zum Glauben eine Rolle, sondern auch in der Beziehung zur Freiheit, wobei Leibniz hier in der Terminologie wiederum nicht eindeutig ist, er dem Begriff der Freiheit auch zuweilen den Verstand zuordnet. Doch wird sich zeigen, daß im eigentlichen Sinne die Vernunft dem Freiheitsbegriff zuzuordnen ist, die Zuordnung des Verstandes im uneigentlichen Sinne aber auch möglich ist. Leibniz unterscheidet in den Nouveaux Essais155 zwischen einer rechtlichen (liberto de droit) und einer faktischen Freiheit (liberte de fait). Unfrei im Sinne der rechtlichen Freiheit ist z.B. ein Sklave. Ein Untertan ist in diesem Sinne nicht ganz frei. Ein Armer ist aber rechtlich ebenso frei wie ein Reicher. Die faktische Freiheit besteht nach Leibniz demgegenüber entweder in der Möglichkeit, zu tun, was man will (la puissance de faire ce qu'on veut), oder in der Möglichkeit, zu wollen, was man soll (la puissance de vouloir comme il faut). Erstere nennt Leibniz auch die Freiheit des Tuns (la libertu de faire), letztere die Freiheit des Wollens (la libertt de vouloir). Die Freiheit des Tuns ist um so größer, je mehr Mittel man hat, diese zu verwirklichen; doch kann man diese Freiheit auch in einem engeren Sinne verstehen, und dann ist derjenige freier, der diejenigen Dinge gebrauchen kann, die in seiner Gewalt sind, wobei hier vornehmlich an den eigenen Körper zu denken ist. Gefangenschaft und Krankheit stehen dieser Freiheit entgegen. Die Freiheit des Wollens kann einmal den Gegensatz zur Unvollkommenheit oder Sklaverei des Geistes meinen, der unter einem inneren Zwang oder einer inneren Hemmung steht, welche von den Leidenschaften herrührt. In diesem Sinne ist nach den Stoikern allein der Weise frei — und allein Gott vollkommen frei.156 Die übrigen endlichen Geister sind es nur in dem Maße, als es ihnen gelingt, die Leidenschaften zu beherrschen. „Und diese Freiheit betrifft eigentlich unseren Verstand."157 Zum 155
NEU21, §8 = A VI6,175. 156 Vgj G III 401: „Dieu ou le sage parfait choisiront tousjours le meilleur conn u ..." Vgl. G III59. 157 NE II21, § 8 = A VI 6,175 („Et cette liberte regarde proprement nostre entendement.").
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Abgrenzung gegenüber dem Begriff der Vernunft (ratio)
anderen kann die Freiheit des Wollens auch den Gegensatz zur absoluten oder metaphysischen Notwendigkeit bedeuten. Diese Freiheit betrifft den bloßen Willen, sofern er sich vom Verstande unterscheidet. Der freie Wille besteht darin, daß die stärksten Gründe und Eindrücke, die der Verstand dem Willen darbietet, den Willensakt nicht daran hindern, kontingent zu sein, und ihm keine absolute und sozusagen metaphysische Notwendigkeit auferlegen. „Und in diesem Sinne pflege ich zu sagen, daß der Verstand den Willen gemäß der Prävalenz der Perzeptionen und Vemunftgründe auf eine Weise bestimmen kann, die, selbst wenn sie sicher und unfehlbar ist, geneigt macht ohne zu nötigen."158 Zur Verdeutlichung des Gesagten diene folgendes Schema: Freiheit l
l
rechtliche Freiheit
faktische Freiheit
l Freiheit des Tuns
Freiheit des Wollens l l l Verstand Willen
Während Leibniz aber noch soeben vom Verstand gesprochen hat, bringt er nur einige Abschnitte weiter die Freiheit in Beziehung zur Vernunft, wenn er fordert, daß man auf die Schlüsse der gesunden Vernunft achten und ihnen auch folgen solle, nachdem man sie einmal begriffen habe.159 Leibniz läßt den Theophilus der Meinung Philalethes' zustimmen, der meint: „Durch die Vernunft zum Besten bestimmt werden, heißt, am freiesten zu sein", und er ergänzt: „Gegen die Vernunft zu sprechen, heißt, gegen die Wahrheit zu sprechen, denn die Vernunft ist eine Verkettung der Wahrheiten. Es heißt, gegen sich selbst und gegen sein Wohl sprechen, denn das Entscheidende der Vernunft besteht darin, dies zu erkennen und ihm zu folgen."160 Der Hauptzweck
15
" EBD. („Et c'est dans ce sens que j'ay coutume de dire, que l'entendement peut determiner la volonte suivant la prevalence des perceptions et raisons d'une maniere qui lors meine qu'elle est certaine et infallible, incline sans necessiter."). 159 N E U 21, §35 = A VI 6,188. 160 NE II 21, § 50 = A VI 6, 199 („Estre determine par la raison au meilleur, c'est estre le plus libre ... Parier contre la raison, c'est parier centre la verite, car la raison est un enchainement des
Vernunft und Freiheil
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der Vernunft als das Vermögen des diskursiven Denkens besteht also nach Leibniz darin, den Geist aus der Sklaverei in die Freiheit zu führen. Die Vernunft ist somit wesentlich praktisch ausgerichtet.161 Daß es im eigentlichen Sinne hier um die Vernunft geht und nicht um den Verstand, das erhellt auch daraus, daß Leibniz die Moral als eine demonstrative Wissenschaft versteht.162 Doch darf natürlich nicht übersehen werden, daß die Vernunft auf praktischem Gebiet — nicht anders als auf theoretischem — aufgrund der ihr vom Verstand dargebotenen praktischen angeborenen Prinzipien zu neuen Einsichten weiterschreitet. Aus diesem Grunde wiederum ist es nicht mehr als verständlich, daß Leibniz in bezug auf die Freiheit zuweilen auch von Verstand sprechen kann. Diese grundsätzliche Erörterung des Wesens der Vernunft war an dieser Stelle notwendig, um den Blick frei zu machen für das eigentliche Thema unserer Untersuchung: den Begriff des Verstandes. Im folgenden werden wir diesen Begriff unter Rücksicht der zu Beginn der Untersuchung genannten methodischen Prinzipien analysieren, wobei das „Kopernikanische Prinzip" das Grundmuster der Vorgehensweise bestimmen wird. So werden wir in dem nun folgenden zweiten Teil der Untersuchung Leibniz' Auffassung des menschlichen Verstandes im «Systeme commun» untersuchen, in einem dritten Teil diejenige im «Systeme nouveau». Hier wird dann auch der Ort sein, wo die Erkenntnistheorie Leibniz' nur auf dem Hintergrund seiner Substanz-Metaphysik nachvollziehbar sein wird. Ein vierter und letzter Teil wird sich schließlich mit der Frage beschäftigen, ob diese beiden Ebenen bei Leibniz unvermittelt nebeneinanderstehen oder ob Leibniz hier selbst den Versuch einer Vermittlung zwischen der Auffassung des menschlichen Verstandes im «Systeme commun» und derjenigen im «Systeme nouveau» macht, und wie er diese gegebenenfalls rechtfertigt.
verites. C'est parier centre soy meme, et centre son bien, puisque le point principal de la raison consiste a le connoistre et ä le suivre."). Vgl. NE II 21, § 66 = A VI 6, 205. 161
Vgl. Th. II § 120 = G VI 173; A II l, 117. Vgl. AXELOS, 372.
162
NE I 2, § l = A VI 6, 88. Vgl. NE III 11, § 21 = A VI 6, 352, wo es ausdrücklich heißt: „Pour ce qui est de la morale, une partie en est toute fondee en raisons, mais il y a une autre qui depend des experiences, et se rapporte aux temperaments."
42
Abgrenzung gegenüber dem Begriff der Vernunft (ratio)
Eine solche Einteilung unserer Untersuchung geht natürlich von der Voraussetzung aus, daß es die Leibnizsche Auffassung des menschlichen Verstandes nicht gibt, mithin auch nicht die Leibnizsche Erkenntnistheorie, sondern immer nur die Auffassung des menschlichen Verstandes im «Systeme commun» bzw. diejenige im «Systeme nouveau», oder ganz allgemein gesprochen: die Leibnizsche Erkenntnistheorie „in metaphysico rigore" bzw. diejenige „dans 1'usage ordinaire de la vie". In diesem Nachweis sehen wir — neben der speziellen Erörterung der Verstandesproblematik — das Hauptziel der vorliegenden Untersuchung, und vielleicht könnte dies einen neuen Zugang zu manchen bisher unerledigten Problemen der Leibniz-Forschung eröffnen.
Zweiter Teil Die Auffassung des menschlichen Verstandes im «Systeme commun»
Vorbemerkung
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Als Hauptquelle für Leibniz1 Auffassung des menschlichen Verstandes innerhalb des «Systeme commun» stützen wir uns auf die Nouveaux Essais1 und die in ihrem Umfeld entstandenen Schriften.2 Schon in der Einführung haben wir die besondere Stellung der Nouveaux Essais innerhalb Leibniz' Schrifttum angedeutet, insofern Lockes Essay Leibniz den erkenntnistheoretischen Ansatz geradezu aufzwingt, und es Leibniz hier weniger darum geht, seine eigene Philosophie darzulegen,3 als vielmehr, einen weit verbreiteten Irrtum aus der Welt zu schaffen, der darin bestand, daß man die Begriffe „Idee" und „Prinzip" mißbrauchte und in einer Weise verwendete, die den Widerspruch geradezu heraufbeschwören mußte.4 Vgi. . BARTH, 158. Vgl. besonders die in A VI6 abgedruckten Schriften. Vgl. das Postskript vom 28. April 1704 zu einem Brief an Isac Jaquelot, wo Leibniz in bezug auf seine Nouveaux Essais folgendes schreibt: „J'espere que ce que j'en diray ne vous deplaira pas, car ITiartnonie preetablie n'y entre point" (G III 473). (Erklärend muß hier angeführt werden, daß der Briefwechsel zwischen Leibniz und Jaquelot vornehmlich um das Problem der Prästabilierten Harmonie kreist.) Schaut man sich die Nouveaux Essais aber genauer an, so wird man feststellen, daß die Prästabilierte Harmonie sowohl dem Begriff als auch der Sache nach an verschiedenen Stellen Eingang findet (vgl. z.B. A VI 6, 220 u.ö.). Diese Diskrepanz könnte man dahingehend auflösen, daß man die genannte Bemerkung Leibniz' an Jaquelot nur auf Buch II, Kapitel 21 (De la puissance et de la liberte) der Nouveaux Essais bezieht (A VI 6, 168-212), in welchem Kapitel der Begriff der Prästabilierten Harmonie in der Tat keinen Eingang findet. — Die Nouveaux Essais, deren Beginn in den Sommer 1703 fällt und deren erster Entwurf wohl schon im Mai 1704 fertiggestellt war (vgl. A VI 6, XXIII), sind nicht das Ergebnis eines konzentrierten systematischen Arbeitens. In dem soeben erwähnten Postskript schreibt Leibniz hierzu: „J'ay fait ces Remarques aux heures perdues quand j'estois en voyage, ou ä Herenhausen, lorsque la Cour y estoit logee, ou je ne pouvois pas vaquer ä des recherches qui demandent plus d'application. Cependant l'ouvrage n'a pas laisse de croistre sous mes mains, parce que je trouvois presque dans tous les chapitres de quoy faire des animadversions, et bien plus que je n'avois crii. Vous seres peutestre etonne, Monsieur, que de me voir ecrire que j'y ay travaille comme ä un ouvrage qui ne demande gueres d'application. Mais c'est parce que j'ay tout regle il y a long temps sur ces matieres philosophiques generates, d'une maniere que je crois demonstrative ou peu s'en faut, de sorte que je n'ay presque point besoin de nouvelles Meditations lä dessus" (G III 474; vgl. NE, Preface = A VI 6, 43f.; A VI 6, 4). Leibniz konnte also aufgrund seiner schon seit Mitte der achtziger Jahre gewonnenen eigenen metaphysischen Position heraus auf diesen Versuch von Locke antworten, ohne sich aber in jedem Falle der eigenen Position in dieser Frage zu bedienen. Vgl. dagegen F. Schmidt, der meint, daß Leibniz in den Nouveaux Essais seine eigene Erkenntnislehre und Metaphysik ausführlich, wenn auch nicht in systematischem Aufbau darstellt (Seh. 519f. A. 33. 1). In diesem Sinne hatte Locke nach Leibniz ohne Zweifel gewichtige Gründe, sich diesen falschen Auffassungen zu widersetzen (vgl. A VI 6, 4).
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Die Auffassung des menschlichen Verstandes im «Systeme commun»
Leibniz geht es also hier primär nicht um die Darlegung seiner eigenen Philosophie, seines «Systeme nouveau», das mit seiner Substanz-Metaphysik auch eine eigene Auffassung des menschlichen Erkennens verbindet, sondern darum, den Rationalismus gegenüber der in der Person Lockes neuaufflammenden empiristischen Position zu verteidigen. Dies war um so dringlicher gefordert, als Lockes Essay innerhalb kurzer Zeit eine ungeahnte Verbreitung und auch ein ungeheures Aufsehen erregte.5 Diese empiristische Position auf der Grundlage des «Systeme nouveau» zu bekämpfen, wäre fruchtlos geblieben, da Leibniz' Substanz-Metaphysik auf manches Unverständnis stieß.6 Aus diesem Grunde können wir K.Fischer7, dessen Meinung sich Cassirer8 anschließt, nicht zustimmen, wenn dieser die Nouveaux Essais den esoterischen Schriften zuzählt.9 Zwar läßt Leibniz die Gmndanschauungen seines „neuen Systems" zu Beginn der Nouveaux Essais durch Theophilus andeuten,10 deren Konsequenzen selbst für die Theorie des Erkennens von weitreichender Be5
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1690 kam die erste Ausgabe in London heraus, 1694 erschien die zweite, 1695 die dritte und 1700 die vierte Auflage, und noch im selben Jahr wie diese letztere erschien die erste französische Übersetzung durch Pierre Coste in Amsterdam: Essais philosophiques concemant l'entendement humain. 1701 erschien schließlich in London eine lateinische Übersetzung von R. Burridge: De intellectu humano in quatuor libris (vgl. A VI 6, XVII A. 1). So lautet das Urteil Amaulds nach einer ersten Lektüre der Inhaltsangabe des Discours de mataphysique gegenüber dem Landgrafen Ernst von Hessen-Rheinfels folgendermaßen: „Et je suis presentement si enrhume, que tout ce que je puis faire, est de dire en deux mots ä V. ., que je trouve dans ces pensees tant de choses qui m'effrayent, et que presque tous les hommes, si je ne me trompe, trouveront si choquantes, que je ne vois pas de quelle utilite pourroit estre un escrit qui apparemment sera rejettl de tout le monde" (G II 15). K. RSCHER, 608. CASSIRER3, IX. Demgegenüber zählen K. FISCHER (608) wie auch CASSIRER3 (K) die Thaodicee den exoterischen Schriften zu. Wirteilen auch nicht die Auffassung JACOBIs, der Thema und Aufgabe der Nouveaux Essais darin sieht, die „vermittelnde Überbrückung der Kluft zwischen den Ansichten des gesunden Menschenverstandes ('systeme commun1) und der philosophischen Spekulation ('systeme nouveaux')" zu bewirken (215; vgl. 215 A. 39 u. 216). Wir stimmen mit JACOBI überein, wenn er meint, daß Leibniz die Redeweise des gesunden Menschenverstandes nicht wählt, um seine Gedanken zu popularisieren, auch nicht, weil er sich anpassen oder verteidigen will (215); aber Leibniz will den Irrtum Lockes widerlegen und darum paßt er sich an, um nämlich Inkonsequenzen in dessen Denken aufweisen und mit Argumenten operieren zu können, die nicht deswegen vordergründig abgelehnt werden können, weil sie aus dem nur schwer verständlichen „neuen System" Leibniz' stammen, mit dem sie stehen oder fallen würden (vgl. dazu LEROUX, 41-43). V g L N E I l = A VI 6, 71-74.
Vorbemerkung
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deutung sind und auf die Theophilus auch ausdrücklich aufmerksam macht,11 doch will er hier diese beiseite lassen und sich den einmal angenommenen Ausdrücken anpassen,12 um zu prüfen, wie man seiner Meinung nach selbst im «Systeme commun» sagen darf, es gebe Ideen und Prinzipien, die nicht von den Sinnen stammen, die wir vielmehr in uns selbst vorfinden.13 Leibniz macht in diesem Zusammenhang auch selbst auf das Kopernikanische Prinzip aufmerksam.14 Es wird nun noch innerhalb des Fortgangs der Untersuchung selbst zu klären sein, auf welchen Umfang sich diese methodische Epocha Leibniz' bezieht, ob auf den gesamten weiteren Verlauf der Nouveaux Essais oder vornehmlich nur auf Buch I, also auf die Frage nach den eingeborenen Ideen, eine Frage, die ja in die nach Funktion und Stellenwert des menschlichen Verstandes einmündet. Die Worte: „Jetzt gehe ich in Übereinstimmung mit dem neuen System noch sehr viel weiter; und ich glaube sogar, daß alle Gedanken und Tätigkeiten unserer Seele aus ihrem eigenen Grunde herkommen, wie Sie in der Folge sehen werden. Aber gegenwärtig werde ich diese Forschung beiseite legen ,.."15 sind nicht eindeutig interpretierbar. Bezieht sich der Ausdruck „aber jetzt" (mais ä present) auf die Nouveaux Essais als Ganzes oder nur auf die Frage nach den eingeborenen Ideen? Die Wendung „wie Sie in der Folge sehen wer-
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„Theoph. Vous saves, Philalethe, que je suis d'un autre sentiment depuis longtems: que j'ai toujours et£ comme je suis encore pour l'idee innee de Dieu, que M. des Cartes a soutenue, et par consequent pour d'autres idees innees, et qui ne nous sauroient venir des sens. Maintenant je vay encore plus loin en conformite du nouveau Systeme; et je crois meme que toutes les pensles et actions de notre ame viennent de son propre fonds, sans lui pouvoir etre donnees par les sens" (NE 11, § 1 = A VI6,74). — Hervorhebungen von mir! 12 „Mais ä present je metrai cette recherche ä part, et m'accommodant aux expressions receues, puis qu'en effet elles sont bonnes et soutenables, et qu'on peut dire dans un certain sens, que les sens externes sont causes en partie de nos pensees" (EBD.). 13 EBD. Ähnlich gelagert ist in dieser Beziehung auch die Diskussion mit De Voider, wenn Leibniz hier schreibt: Te credebam admittere aliquid saltern in mente ab intrinseco esse seu non ab alia substantia finita, atque hinc fortasse inferre volui intelligibilem esse sententiam meam; Tu ita accipis quasi postulaverim omnia in mente talia esse. Hoc statuo fateor, sed non postulo (G II 265). — GmSON, 281, scheint diese Antwort von Leibniz übersehen zu haben. 14 EBD. 15 EBD. („Maintenant je vay encore plus loin en conformite du nouveau Systeme; et je crois meme que toutes les pensees et actions de notre ame viennent de son propre fonds, sans lui pouvoir etre donnees paries sens, comme vous alles voirdans la suite. Mais ä present je metrai cette recherche apart...").
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Die Auffassung des menschlichen Verstandes im «Systeme commun»
den" legt letztere Interpretation nahe.16 Für ein solches Verständnis spricht auch, daß Begriffe wie „substance", „monade", „harmonie pre^tablie" und „petites perceptions" in Buch I so gut wie nicht auftauchen, in den drei weiteren Büchern der Nouveaux Essais aber immer wieder zur Sprache kommen.17 Das Interesse der vorliegenden Untersuchung gilt Leibniz' Auffassung des menschlichen Verstandes. Das bedeutet für die Auswertung der Nouveaux Essais in bezug auf unser Thema, daß Lockes Gegenposition als solche nicht interessiert,18 sondern nur insofern, als sie helfen kann, Leibniz1 Auffassung des Verstandes zu klären.19 16 17
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Vgl. GREENLEE, 255. Vgl. dagegen PAPE, 97, nach der die Nouveaux Essais sich nur auf der Ebene des «Systeme commun» bewegen. Diese Problematik müßte einmal eigens aufgearbeitet werden. Zu Lockes Kritik an der Lehre vorf den eingeborenen Ideen vgl. BRANDS, 50-57. BRANDS faßt Lockes Kritik prägnant so zusammen: „Lockes Kritik bestand ... im wesentlichen darin, daß er zum einen die Stichhaltigkeit der Argumente für die Existenz angeborener Ideen in Frage stellte, wobei er das Kriterium des 'consensus universalis' bzw. der Evidenz als quaestio facti der Erkenntispsychologie auffaßte, und daß er zum ändern die Nichtexistenz angeborener Ideen nachweisen wollte, wozu er die Voraussetzung machte, daß angeborene Ideen auch bewußt bzw. bekannt sein müssen. Femer wollte er die Überflüssigkeit der Lehre von den angeborenen Ideen dadurch aufzeigen, daß er eine eigene Theorie über den Ursprung der Ideen entwickelte, welche zur Erklärung ihrer Ausbildung ohne die Annahme angeborener Ideen auskommen wollte" (58). Es sei aber an dieser Stelle einer weit verbreiteten Meinung entgegengetreten, die auch heute immer noch Lord Herbert of Cherbury als Zielpunkt der Lockeschen Kritik ansieht. Diese Meinung wird nicht zuletzt durch Locke selber forciert, da er in seinem Essay diesen als einzigen Gegner namentlich nennt (LOCKE, Essay, I 2, § 15). Neuere Forschungen konnten aber ganz verschiedene Vertreter der Theorie der eingeborenen Ideen im 17. Jahrhundert geltend machen, die Locke auch bekannt gewesen sein mußten. BARNES nennt in diesem Zusammenhang, aufbauend auf den Arbeiten von YOLTON, GIBSON, AARON, ASPELIN, WELLS, ARMSTRONG, ASHCRAFT und BONNO, vier Gruppen: 1. die Cartesianer, 2. die Platoniker von Cambridge, die sich vornehmlich um Männer wie Henry More und Ralph Cudworth sammelten, 3. die Anhänger von Shaftesbury, sowie 4. zahlreiche englische Geistliche, unter ihnen Lockes bekannter Gegner Edward Stillingfleet, Bischof von Worcester (194f.). Zusammenfassend sagt BARNES wohl mit Recht: „In short, the innate hypothesis was a comer-stone of the major philosophical and theological systems of Locke's day, English and foreign, orthodox and heterodox. Reason suggests that it was against this widespread opinion, and not against any particular sect of opinion-mongers, that Locke took the lists" (195; vgl. BRANDS, 50f.). Die Frage, wer und ob überhaupt einer dieser Vertreter der Theorie der eingeborenen Ideen behauptet hat, daß Eingeborensein identisch sei mit Bewußt-Sein, ist sekundär, da Locke dies ja keinem unterstellt, er vielmehr dahingehend argumentiert, daß der Theorie des Eingeborenseins nur dann ein Sinn abzugewinnen sei, wenn Eingeborensein identisch sei mit Bewußt-Sein; an-
Vorbemerkung
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Zeitlich und auch sachlich nahe liegt den Nouveaux Essais Leibniz1 Brief an die Königin Sophie Charlotte von Preußen aus dem Jahre 1702: Sur ce qui passe les sens et la matiere.20 Während die Nouveaux Essais besonders innerhalb der Vorrede sowie zu Beginn der Auseinandersetzungen zwischen Theophilus und Philalethes, aber auch ab Buch II Gedanken des «Systeme nouveau» aufgreifen, nimmt Leibniz in diesem Schreiben an die Königin Sophie Charlotte gar nicht auf seine Substanz-Metaphysik Bezug. Auch kommt Leibniz hier nirgends auf die Auseinandersetzung mit Locke zu sprechen. Aus diesem Grunde werden wir unsere Darlegungen zu Leibniz' Auffassung des menschlichen Verstandes im «Systeme commun» in einem ersten Kapitel mit einer Interpretation dieses Schreibens beginnen. Zudem eignet sich diese Schrift besonders gut als Einführung in unsere Thematik, da Leibniz hier die verschiedenen Stufen der menschlichen Erkenntnis erörtert: die äußeren Sinne, den Gemeinsinn und die Einbildungskraft sowie schließlich den Verstand. Die nähere Bestimmung des Verstandes im «Systeme commun» werden wir sodann in einem zweiten Kapitel vornehmlich anhand der Nouveaux Essais erarbeiten. Hirschberger21 entwickelt Leibniz' Auffassung der menschlichen Erkenntnis unter dem Titel „Monadologie als Geistlehre" vornehmlich von diesem Schreiben an die Königin Sophie Charlotte und den Nouveaux Essais her. Ein solches Vorgehen ist mehr als typisch und bringt uns die Problematik und das Dilemma der bisherigen Leibniz-Interpretation noch einmal plastisch vor Augen. Eine Interpretation, die den Leibnizschen Standpunktwechsel zwischen «Systeme commun» und «Systeme nouveau» nicht realisiert und interpretierend mitvollzieht, muß entweder bestimmte Fragestellungen ausklammern, weil sie nicht stimmig sind, oder aber notwendig zu widersprüchlichen Ergebnissen kommen.
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derenfalls könnte man nach Locke hinsichtlich des Ursprungs von Wahrheiten keinen Unterschied sehen (vgl. LOCKE, Essay, 11, § 5). G VI 488-508. Diese Schrift ist uns in drei verschiedenen Versionen überliefert: 1. in Form einer Abhandlung (G VI 488^91), 2. in Form eines ersten Briefentwurfs (G VI 491-499) und 3. in Form der Schlußredaktion dieses Briefes (G VI 499-508). Wir können uns bei unseren Darlegungen auf die Schlußredaktion beschränken, da die beiden vorangegangenen Versionen ihr gegenüber nichts Neues bringen. HIRSCHBERGER, II 171ff.
1. Kapitel Die verschiedenen Stufen der menschlichen Erkenntnis Das Schreiben Sur ce qui passe les sens ist zwei Fragekomplexen gewidmet: Erstens: Gibt es in unseren Gedanken irgendetwas, das nicht aus den Sinnen stammt? Zweitens: Gibt es irgendetwas in der Natur, das überhaupt nicht materiell ist? Von diesen beiden Fragen wird uns für unseren Zusammenhang nur die erste interessieren, in der es um die verschiedenen Stufen der menschlichen Erkenntnis geht. Leibniz unterscheidet hier drei Stufen: a) die äußeren Sinne, b) den Gemeinsinn und die Einbildungskraft und c) den Verstand. Wenden wir uns nun diesen verschiedenen Stufen im einzelnen zu.
§11 Die äußeren Sinne Die äußeren Sinne (les sens externes) machen uns mit ihren besonderen Objekten bekannt, wie den Farben, Tönen, Gerüchen, Geschmacks- und Tastqualitäten. Sie lassen uns aber nach Leibniz nicht erkennen, was diese sinnlichen Qualitäten sind und worin sie bestehen. Leibniz gibt hierzu folgende Erklärung: „Wenn z.B. das Rote das Sichdrehen gewisser kleiner Kugeln ist, von denen man behauptet, daß sie das Licht bewirken; wenn die Wärme ein Wirbel eines äußerst feinen S taubes ist; wenn der Ton in der Luft zustande kommt wie die Kreise im Wasser, wenn man irgendeinen Stein hineinwirft, wie das einige Philosophen behaupten: So ist dies etwas, was wir nicht sehen, und wir könnten sogar nicht begreifen, wie dieses Sichdrehen, diese Wirbel und diese Kreise, wenn es sie wirklich gäbe, gerade diese Perzeptionen22 bewirken würden, die wir vom Roten, vom Warmen, vom Geräusch haben. Folglich kann man sagen, daß die sinnlichen Qualitäten in der Tat verborgene Qualitäten sind und daß es davon andere offenbarere geben muß, die diese erklärlich machen können. Und weit davon entfernt, daß wir nur die sinnlichen Dinge verständen, sind sie es gerade, die wir am wenigsten verstehen. Und obwohl sie uns vertraut sind, so Der Begriff der Perzeption wird hier in dieser Schrift nicht in der Bedeutung verwendet, den er in der monadologi sehen Konzeption annimmt, sondern in der traditionellen Bedeutung von „Wahrnehmung". Siehe oben S. 19 A. 69.
Die äußeren Sinne
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begreifen wir sie darum doch nicht besser, so wie ein Steuermann nicht besser als ein anderer die Natur der Magnetnadel versteht, die sich nach Norden dreht, obgleich er sie immer im Kompaß vor Augen hat, weshalb er sie kaum noch bewundert."23 Von den sinnlichen Qualitäten besitzen wir keine Nominaldefinitionen, um die Ausdrücke (les termes) zu erklären. Der Sinn der Nominaldefinition ist es ja, durch die Angabe genügender Merkmale das Definierte von anderem abzugrenzen und dadurch zu gewährleisten, daß man es wiedererkennt. Eine solche Nominaldefinition haben z.B. die Münzprüfer vom Gold; sie erlaubt ihnen, das Gold von jedem anderen Metall zu unterscheiden. Ja selbst dann, wenn ein Mensch niemals Gold gesehen hätte, so würde er das Gold aufgrund einer solchen Nominaldefinition erkennen, wenn er eines Tages darauf treffen würde. Dies ist bei den sinnlichen Qualitäten nicht der Fall. Es läßt sich z.B. kein Merkmal angeben, vermittels dessen man das Blaue wiedererkennen könnte, wenn man es zuvor noch nicht gesehen hätte. „Das Blaue ist sich selbst sein Kennzeichen, und damit ein Mensch weiß, was das Blaue ist, muß man es ihm notwendigerweise zeigen."24 Aus diesem Grunde kann man die Ideen (notions25) der sinnlichen Qualitäten zwar klar, nicht aber deutlich nennen, d.h. man kann sie wiedererkennen, 23
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G VI 499f. („Par exemple, si le rouge est un toumoyement de certains petits globes qu'on pretend faire la lumiere; si la chaleur est un tourbillon d'une poussiere tres subtile; si le son se fait dans l'air comme les cercles dans l'eau, quand on y jette quelque pierre, comme pretendent quelques philosophies: c'est ce que nous ne voyons pas, et meme nous ne saurions pas comprendre, comment ce toumoyement, ces tourbillons, et ces cercles, quand ils seroient veritables, feroient justement ces perceptions que nous avon s du rouge, du chaud, du bruit. Ainsi on peut dire que les qualitas sensibles sont en effect des qualries occultes, et qu'il faut bien qu'il y en ait d'autres plus manifestes, qui les pourroient rendre explicables. Et bien loin que nous entendions les seules choses sensibles, c'est justement ce que nous entendons le moins. Et quoyqu'elles nous soyent familieres, nous ne les comprenons pas mieux pour cela, comme un pilote n'entend pas mieux qu'un autre la nature de l'aiguille aimantee qui se tourne vers le Nord, quoyqu'il l'ait tousjours devant les yeux dans le compas, et que pour cela il ne l'admire plus gueres."). Vgl. die äußerst defiziente Übersetzung dieses Abschnitts von W. Wiater in Ph. Sehr. V/2 195f. Überhaupt ist Ph. Sehr. V/2, sowohl was die Form als auch was die Übersetzung angeht, im ganzen so mangelhaft, daß sich eine weitere Auseinandersetzung hiermit nicht lohnt. Vgl. hierzu SCHÜßLER. G VI 500 („Le bleu est sä marque ä soy meme, et pour qu'un homme sache ce que c'est que le bleu, il faut necessairement le luy monstrer."). Vgl. A VI 6, 8; GB 18. Leibniz gebraucht an vielen Stellen die Begriffe „idee" und „notion" synonym (vgl. G III 248; NE, Preface = A VI 6, 73; II 22, § 2 = A VI 6, 213; III 5, § 12 = A VI 6, 304). Vgl. LOEM-
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nicht aber das, was sie in sich schließen, unterscheiden oder entwickeln.26 Leibniz sagt so zu Recht: „Dies ist ein Ich weiß nicht was, das man apperzipiert, worüber man aber keine Rechenschaft ablegen kann."27 Hier greift Leibniz Gedanken auf, die er erstmals in seiner bekannten kleinen Schrift Meditationen de cognitione, veritate et ideis von 1684 öffentlich vorgetragen hat,28 welche Holz als die erste gedruckte Schrift der Reifejahre bezeichnet.29 Thema dieser bedeutsamen Schrift sind die Unterschiede und Kriterien der Ideen und Erkenntnisse. Leibniz unterscheidet hier zwischen dunklen und klaren Ideen/Erkenntnissen. Die klaren können wieder eingeteilt werden in verworrene und deutliche, die deutlichen wiederum in inadäquate und adäquate, die adäquaten wiederum in symbolische und intuitive.30 Als dunkel bezeichnet Leibniz eine Idee, die nicht genügt, um die dargestellte Sache wiederzuerkennen. So kann ich mich, sagt Leibniz, eines früher einmal gesehenen Tieres erinnern, ohne daß es mir möglich ist, dieses Tier wiederzuerkennen und von einem ihm ähnlichen Tier unterscheiden zu können. In diesem Fall habe ich also nur eine dunkle Idee dieses Tieres. Geht eine solche Idee in ein Urteil ein, so ist auch dieses dunkel.31 Klar ist nach Leibniz demgegenüber eine Idee, die es mir ermöglicht, die dargestellte Sache wiederzuerkennen. KER1, 237 A. 23; STIELER, 18; ROS, 138f. In diesem Sinne meint Idee .jeden Bewußtseinsinhalt, der in sich abgrenzbar ist als ein in den Vollzug aktueller Erkenntnis eingehendes Element, nämlich jede auf einen 'Gegenstand' hin deutbare und damit den Charakter eines bloß immanenten 'Inhalts' überschreitende, somit eben auf den Gegenstand hin transzendierende 'Vorstellung"* (ZOCHER, 5). 26 Vgl. Guhrauer, II 36f. 27 G VI 500 („C'est un je ne say quay, dont on s'apper9oit, mais dont on ne sauroit rendre compte."). — Zur Herkunft der Formel Je ne say quay vgl. E. KÖHLER, bes. 642f. 2 « G IV 422-426. Vgl. C 219f. 512; G III 247. 256; NE II 29, §§ 2 u. 3 = A VI 6, 254ff. — Obwohl diese Schrift ganz im Denken des «systfcme commun» abgefaßt ist, finden die hier genannten Unterschiede und Kriterien der Ideen und Erkenntnisse auch Eingang in das «Systeme nouveau» (vgl. DM § 24 = G IV 449f.; siehe dazu unten S. 161ff.). 29 Ph. Sehr. I 27. — LOEMKER4, 42, hat sicherlich Recht, wenn er meint, daß diese Schrift angeregt wurde durch die diesbzgl. Kontroverse zwischen Amauld und Malebranche. Doch weist Holz darauf hin, daß Leibniz seine Meditationen nicht als Beitrag zu der zwischen Malebranche und Amauld im Gang befindlichen Diskussion verfaßt hat (vgl. Ph. Sehr. 128f.). 30 „Est ergo cognitio vel obscura vel clara, et clara rursus vel confusa vel distincta, et distincta vel inadaequata vel adaequata, item vel symbolica vel intuitiva: et quidem si simul adaequata et intuitiva sit, perfectissima est" (G IV 422). 31 G IV 422.
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Das klar Erkannte ist verworren, wenn es nicht möglich ist, die Merkmale (notae) einzeln aufzuzählen, die zur Unterscheidung einer Sache von einer anderen ausreichen. Diese Merkmale sind natürlich in der Sache vorhanden, in die ihre Idee aufgelöst werden könnte. Von dieser Art sind die Ideen der sinnlichen Qualitäten wie die der Farben, Gerüche, Geschmäcke und anderer besonderer Sinnesobjekte.32 Wir erkennen diese zwar klar, d.h. wir können sie voneinander unterscheiden. Dies geschieht allerdings durch ein einfaches Zeugnis der Sinne und nicht durch angebbare Merkmale.33 „Daher können wir weder einem Blinden erklären, was das Rote ist, noch anderen etwas Derartiges klarmachen, wenn wir sie nicht vor die gegenwärtige Sache führen und bewirken, daß sie dasselbe sehen, riechen oder schmecken, oder wenn wir sie nicht wenigstens an eine frühere ähnliche Perzeption erinnern."34 Leibniz spricht in diesem Zusammenhang von einem „Ich weiß nicht was": „nescio quid".35 Demgegenüber ist das klar Erkannte deutlich, wenn es mir möglich ist, die Merkmale einzeln aufzuzählen, die zur Unterscheidung einer Sache von einer anderen ausreichen. Auch hier bringt Leibniz das schon angeführte Beispiel der Münzprüfer, die genügend Merkmale angeben können, das Gold von einem ähnlichen Körper zu unterscheiden. Eine deutliche Idee haben wir also von all dem, wovon wir eine Nominaldefinition36 besitzen,37 welche nichts anderes ist als die Aufzählung der zureichenden Merkmale.38 32
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Wenn Leibniz diese Ideen an anderer Stelle auch als „phantomes des sens" bezeichnet, die er den „idees pures" gegenüberstellt (vgl. NE I l, § 5 = A VI 6, 77), so erhellt daraus, daß es sich hierbei nur in einem weiteren Sinn, nicht im strengen Begriffssinn um „Ideen" handelt. Sinnliche Ideen wie Wärme, Weichheit und Kälte sind nach Leibniz nur dem Anschein nach einfach. Denn infolge ihrer Verworrenheit bieten sie dem Geist kein Mittel, ihre einzelnen inhaltlichen Merkmale zu unterscheiden. Leibniz verdeutlicht das am Beispiel der Farbe Grün: Weil das Grüne aus der Mischung des Blauen und Gelben entsteht, so kann man nach Leibniz auch annehmen, daß die Idee des Grünen aus diesen beiden Ideen zusammengesetzt ist. Und dennoch erscheint uns die Idee des Grünen als ebenso einfach wie die des Blauen oder des Warmen (vgl. NE II 2, § l = A VI 6, 120; IV 6, § 7 = A VI 6, 403; R 200. 238; VE 639 = Faszikel 3, N. 1412).
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G IV 422 (Ideo nee caeco explicare possumus, quid sit rubrum, nee aliis declarare talia possumus, nisi eos in rem praesentem ducendo, atque ut idem videant, olfaciant aut gustent efficiendo, aut saltern praeteritae alicujus perceptionis similis eos admonendo.). Vgl. G VII 293; VE 644 = Faszikel 3, N. 142. G IV 423. Wobei natürlich zu beachten ist, daß die Definitionen der uns nur empirisch bekannten Materien vorläufig sind (vgl. NE III 4, § 16 = A VI 6, 300; III 6, § 17 = A VI 6, 312; III 6, § 34 = A VI 6, 324; III 6, § 36 = A VI 6, 325; III 9, § 9 = A VI 6, 337; IV 6, § 4 = A VI 6, 400-402).
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Das deutlich Erkannte ist inadäquat, wenn die einzelnen Merkmale, die in eine Idee eingehen, zwar klar, aber doch nur verworren erkannt werden.39 Solcherart ist die Idee des Goldes, dessen einzelne Merkmale — die Schwere, die Farbe, das Scheidewasser und anderes — nur in verworrener Weise erkannt werden. Demgegenüber ist das deutlich Erkannte adäquat, wenn all das, was in eine deutliche Idee eingeht, wiederum deutlich erkannt ist40 Leibniz ist sich nicht im klaren darüber, ob die Menschen hierfür ein vollkommenes Beispiel geben
Daß Gold beständig ist, wissen wir nach Leibniz fast ebenso sicher, als daß es morgen Tag werden wird. Weil man es sehr oft erprobt hat, ist dies eine erfahrungsmäßige oder faktische Gewißheit (une certitude experimentale et de fait), obwohl wir die Verknüpfung der Beständigkeit mit den anderen Qualitäten dieses Körpers nicht kennen (NE IV 6, § 8 = A VI 6,404f.). Zum Begriff der Gewißheit siehe unten S. 95 A. 195. 37 Vgl. G III 248: „Qu'on dise idees distinctes ou qu'on disc definitions (au moins lorsque l'idee n'est point absolument primitive), c'est bien la meme chose." VgL G III256. 38 G IV 423. — Leibniz unterscheidet die Nominaldefinition von der Realdefinition. Während die Nominaldefinition die Merkmale enthält, um eine Sache — unabhängig davon, ob sie real möglich ist — von anderen unterscheiden zu können, ergibt sich aus der Realdefinition die Möglichkeit einer Sache, welche für Leibniz das Kriterium für die Wahrheit einer Idee ist. Die Möglichkeit einer Sache können wir entweder a priori oder a posteriori erkennen. Wir erkennen die Möglichkeit einer Sache a priori, wenn wir den Begriff in seine Merkmale (requisita) oder andere Begriffe auflösen können, deren Möglichkeit bekannt ist. A posteriori erkennen wir die Möglichkeit einer Sache, wenn wir erfahren, daß die Sache wirklich existiert (vgl. G VII 293f.). Mit dieser Unterscheiung zwischen Nominal- und Realdefinition versucht Leibniz — wie er selbst sagt — der Ansicht von Hobbes zu begegnen, nach der alle Wahrheiten willkürlich sein sollen, weil sie von Nominaldefinitionen abhängen (vgl. HOBBES, Opera omnia, I 31f. [De corpore, I 3, §§ 7-9]). Hobbes hat aber nach Leibniz nicht erwogen, daß die Realität der Definition selbst nicht in unserer Wahl steht und daß sich auch nicht alle beliebigen Begriffe miteinander verbinden lassen (G IV 424f.; vgl. DM § 24 = G IV 450; G VII 191. 294. 310; NE III 3, § 15 = A VI 6, 293f.; III 3, § 18 = A VI6,295; III 10, § 19 = A VI 6, 346; A VI 6, 5; G I 384; G II 183. 186; G III 443. 449; G IV 359; dazu BUROELTN, 241). Es ist eine andere Frage, ob Leibniz mit dieser Sicht Hobbes wirklich gerecht wird, was BOLTON (vgl. bes. 257) bezweifelt , 33, bemerkt hier zu Recht gegenüber CASSIRER1, 113f., daß die Unterscheidung zwischen Nominal- und Realdefinition den logischen Charakter der Definition eigentlich nicht berühre und vielmehr ein Stück Metaphysik sei. 39 BURGELIN macht hier darauf aufmerksam, daß Leibniz das Klare und das Verworrene einander annähert (235), denn auch bei der deutlichen Idee stellt sich das Problem von neuem: Denn von den einzelnen Merkmalen kann ich eine verworrene Erkenntnis haben, welche einer erneuten Analyse bedarf. „L'idee n'est done jamais que relativement distincte" (EBD., 237). Siehe dazu unten S. 67. 40 GIV 423.
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können. Sehr nahe kommt dem aber der Zahlbegriff (notitia numerorum).41 An anderen Stellen nennt Leibniz als Beispiel für ursprüngliche deutliche Ideen (notiones distinctae primitivae)42 die Ideen von Gott und vom Nichts.43 Dies macht nun auch verständlich, weshalb der Discours de molaphysique mit einer Betrachtung Gottes beginnt,44 da nach Leibniz alle abgeleiteten Ideen (notiones derivativae) aus der Verknüpfung der ursprünglichen und die weiter zusammengesetzten aus der Verknüpfung der zusammengesetzten entspringen.45 Das adäquat Erkannte ist blind oder symbolisch, wenn wir nicht das ganze Wesen einer Sache zugleich einsehen, sondern uns anstelle der Dinge der Zeichen bedienen. Leibniz gibt hierzu folgendes Beispiel: „Wenn ich so an ein Chiliogon, d.h. ein Vieleck mit tausend gleichen Seiten denke, so betrachte ich nicht immer das Wesen der Seite, der Gleichheit und der Zahl tausend (d.h. der dritten Potenz der Zehn), sondern ich verwende jene Worte (deren Sinn wenigstens dunkel und unvollkommen dem Geist vorschwebt) im Geist an Stelle der Ideen, die ich von diesen Dingen habe, da ich mich daran erinnere, daß ich die Bedeutung dieser Worte kenne, die Erklärung halte ich aber jetzt nicht für nötig."46 Das adäquat Erkannte ist demgegenüber intuitiv, wenn wir alle in die Idee eingehenden Merkmale zugleich denken.47 41 42
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EBD.; vgl. A VI 6, 8. GIV 423. Vgl. C 429f.: Quicquid cog i t at ur a nobis aut per se concipitur, aut alterius conceptum involvit. Quicquid in alterius conceptu involvitur id rursus vel per se concipitur vel alterius conceptum involvit. Et ita porro. Itaque vel eundum est in infinitum, vel cogitationes omnes resolvuntur in eas quae per se concipiuntur. Si nihil per se concipitur, nihil omnino concipietur. Nam quod non nisi per alia concipitur, in tantum concipietur in quantum alia ilia concipiuntur et hoc rursum ita: ac proinde turn demum actu ipso aliquid concipere dicemur, cum in ea quae per se concipiuntur incidemus. Im weiteren Verlauf dieser Überlegungen nennt Leibniz zwei Dinge, die durch sich begriffen werden: Gott und das Nichts oder die Privation (C 430). Vgl. C 513, wo Leibniz betont, daß es nur von Gott einen conceptus primitivus geben könne. Vgl. BURGELIN, 239. Vgl. G VII 293. G IV 423 (Ita cum Chiliogonum seu Polygonum mille aequalium laterum cogito, non semper naturam lateris et aequalilatis et millenarii [seu cubi a denario] considero, sed vocabulis istis [quorum sensus obscure saltern atque imperfecle menti obversatur] in animo utor loco idearum quas de iis habeo, quoniam memini me significationem istorum vocabulorum habere, explicationem autem nunc judico necessariam non esse.). Vgl. G VII555. G IV 423; vgl. G VII 295. — BURGELIN meint hierzu: „Leibniz ne nie pas formellement que nous puissons en avoir, mais il semble qu'il n'y ait guere que Dieu qui en ait veritablement de telles" (240). Vgl. dagegen D. B. HART, 124.
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Mit diesen Unterschieden und Kriterien der Ideen und Erkenntnisse wendet sich Leibniz gegen das Cartesische Prinzip: „Was auch immer ich klar und deutlich von irgendeiner Sache erfasse, das ist wahr oder von ihr aussagbar"** Leibniz führt dazu aus: „Oft nämlich erscheinen den unbesonnen urteilenden Menschen Dinge klar und deutlich, die dunkel und verworren sind. Daher ist das Axiom nutzlos, wenn nicht Kriterien des Klaren und Deutlichen herangezogen werden, die wir mitgeteilt haben, und wenn nicht die Wahrheit der Ideen feststeht."49 Es genügt nach Leibniz nicht, das Klare und Deutliche als Prinzipien des Wahren aufzustellen, ohne aber hierfür nähere Kennzeichen anzugebend Ist dieser Vorwurf Leibniz1 Descartes gegenüber gerechtfertigt? Oder stehen hier andere unausgesprochene Gründe im Hintergrund? Das Cogito ist ja bekanntlich für Descartes nicht nur erstes Prinzip, sondern es liefert ihm zugleich auch das Wahrheitskriterium. Wenn auch die Bestimmung der Wahrheit mit Hilfe des Klaren und Deutlichen schon vor der Formulierung des Cogito feststand, so erhält sie doch erst hierdurch ihren systematischen Ort. Nachdem im Discours de la mathode der Satz Jch denke, also bin ich" (ie pense, done ie suis) als eine unbezweifelbare Wahrheit feststeht,51 heißt es: „Darauf erwog ich im allgemeinen, was für einen Satz erforderlich ist, um wahr und gewiß zu sein; denn, da ich gerade einen gefunden hatte, von dem ich wußte, daß er ein solcher ist, dachte ich, daß ich auch wissen könnte, worin diese Gewißheit besteht. Und nachdem ich bemerkt habe, daß es überhaupt nichts in dem Satz: Ich denke, also bin ich, gibt, was mich davon überzeugt, daß ich die Wahrheit sage, außer daß ich sehr klar sehe, daß man, um zu denken, sein muß: So habe ich geglaubt, daß ich als allgemeine Regel annehmen könnte, daß die Dinge, die wir sehr klar und sehr deutlich verstehen, alle wahr sind."52 Während Descartes die Ausdrücke „klar" und „deutlich" im Discours 48 G IV 425 (Quicquid clare et distincte de re allqua percipio, id est verum seu de ea enuntiabile.). 49 EBD. (Saepe enim clara et distincta videntur hominibus temere judicantibus, quae obscura et confusa sunt. Inutile ergo axioma est, nisi clari et distinct! criteria adhibeantur, quae tradidimus, et nisi con sie t de veritate idearum.)· 50 Vgl. A II l, 443f. 529.544; G l 384; G II 62; G IV 328. 331. 347. 363 u.ö. 51 DESCARTES, Oeuvres, VI 32 (Discours, IV 1). 52 EBD., VI 33 (Discours, IV 3) („Apres cela, ie consideray en general ce qui est requis a vne proposition pour estre vraye & certaine; car, puisque ie venois d'en trouuer vne que ie scauois estre teile, ie pensay que ie deuois aussy scauoir en quoy consiste cete [!] certitude. Et ayant
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und in den Meditationes noch Undefiniert verwendet, führt er in den Principia philosophiae die entsprechenden Definitionen ein: „Klar nenne ich jene [Perzeption], die dem aufmerkenden Geist gegenwärtig und offenkundig ist: wie wir zum Beispiel sagen, daß dasjenige von uns klar gesehen wird, was dem aufmerksam betrachtenden Auge gegenwärtig ist und es genügend stark und offenkundig erregt Deutlich aber nenne ich jene, die, nachdem sie klar ist, von allen anderen so getrennt und entfernt ist, daß sie gar nichts anderes in sich enthält als das, was klar ist."53 Descartes verdeutlicht dies folgendermaßen: „Während jemand irgendeinen großen Schmerz empfindet, so ist die Perzeption des Schmerzes in ihm sicherlich sehr klar, aber nicht immer deutlich; denn allgemein vermengen die Menschen diese [Perzeption] mit ihrem dunklen Urteil über seine [sc. des Schmerzes] Natur, weil sie meinen, daß in dem schmerzenden Teil etwas der Empfindung des Schmerzes, den sie allein perzipieren, Ähnliches sei. Und so kann eine Perzeption klar sein, die nicht deutlich ist; nicht aber kann irgendeine deutlich sein, wenn sie nicht klar ist."54 Klarheit und Deutlichkeit sind somit nicht als voneinander unabhängige Bestimmungen zu denken; die Deutlichkeit ist vielmehr eine vollkommenere Art der Klarheit. Descartes' Bestimmung der Deutlichkeit enthält im Grunde genommen zwei Aspekte: einmal die Unterscheidbarkeit einer ErkenntnisAdee von allen anderen, zum anderen die Zerlegtheit des Inhaltes einer Erkenntnis/Idee. Gabriel bezeichnet den ersten Aspekt auch als „äußere Deutlichkeit", den zweiten als Innere Deutlichkeit".55 Bei Leibniz entspricht der „äußeren Deutlichkeit" die „Verworrenheit", der „inneren Deutlichkeit" die „Deutlichkeit". Leibniz'
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remarque qu'il n'y a rien du tout en cecy: ie pense, done ie suis, qui m'assure que ie dis la verite, sinon que ie voy tres clairement que, pour penser, il faut estre: ie iugay que ie pouuois prendre pour reigle generale, que les choses que nous conceuons fort clairement & fort distinctement sont toutes vrayes."). Vgl. EBD., VII 35 (Meditationes, III 4). EBD., VIII/l 22 (Principia, I 45) (Ciaram voco illam, quae menti attendenti praesens & aperta est: sicut ea clare ä nobis videri dicimus, quae, oculo intuenti praesentia, satis fortiter & aperte, illum movent. Distinctam autem illam, quae, cüm clara sit, ab omnibus alii s ita sejuncta est & praecisa, ut nihil plane aliud, quäm quod darum est, in se con tinea t.). EBD., VIII/l 22 (Principia, I 46) (Ita, dum quis magnum aliquem sentit dolorem, clarissima quidem in eo est ista perceptio doloris, sed non semper est distincta; vulgö enim homines illam confundunt cum obscuro suo judicio de natura ejus, quod putant esse in parte dolente simile sensui doloris, quem sol um clare percipiunt. Atque ita polest esse clara perceptio, quae non sit distincta; non autem ulla distincta, nisi sit clara.).
GABRIEL, 846.
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grundsätzliches Urteil über Descartes scheint also in diesem Punkt etwas zu hart zu sein.56 Hier stehen wohl letztlich grundsätzlichere Erwägungen im Hintergrund, auf die wir bereits in der Einführung57 hingewiesen haben: Leibniz stellt Descartes' „Methode der Ideen" — wie Heimsoeth es formuliert58 — seine „Methode der logischen Form" gegenüber. Während Descartes die Definition der bekannten Termini verachtet, die alle Welt seiner Meinung nach versteht, geht es Leibniz darum, die Ideen durch Analyse, d.h. durch Definition, aufzulösen. Letztlich steht hier das Prinzip des zureichenden Grundes dahinter, welches fordert, die „Requisite" der Ideen und wieder deren Requisite usw. aufzufinden. Das veranlaßt Leibniz, das deutlich Erkannte weiter zu unterteilen, wie wir es oben gesehen haben. Es ist somit letztlich nicht so sehr die Ungenauigkeit der Cartesischen Bestimmung als vielmehr die je verschiedene Methode, die Leibniz dazu veranlaßt, die Unterteilung der Erkenntnisse/Ideen weiter voranzutreiben, als dies bei Descartes der Fall ist. Für unseren Zusammenhang ist Leibniz' Unterscheidung des klar Erkannten in das Verworrene einerseits und das Deutliche andererseits von besonderem Interesse, da dieser Unterschied konsumtiv ist für denjenigen zwischen der sinnlichen und der intelligiblen Erkenntnis, ein Unterschied, um den es Leibniz vornehmlich in der Schrift Sur ce qui passe les sens geht. Das verworren und das deutlich Erkannte zählen also beide zum klar Erkannten. Sowohl das verworren als auch das deutlich Erkannte kann ich wiedererkennen. Aber allein beim deutlich Erkannten ist es mir möglich, die Merkmale einzeln aufzuzählen, die zur Unterscheidung einer Sache von einer anderen ausreichen. „Solche [sc. deutliche Ideen] pflegen wir in bezug auf Ideen zu haben, die mehreren Sinnen gemeinsam sind, wie die der Zahl, der Größe, der Gestalt, ebenso in bezug auf viele Affekte des Gemütes, wie die Hoffnung, die Furcht."59 Das führt uns auch schon weiter zu der zweiten Erkenntnisstufe, die Leibniz in dem Schreiben Sur ce qui passe les sens anführt: dem Gemeinsinn und der Einbildungskraft.60 56 57 58 59
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Vgl. dagegen JANKE1,48. 51f. Siehe oben S. 27. HEIMSOETH1, 220; vgl. BELAVAL1, 159. G IV 423 (Tales [sc. notiones distinctae] habere solemus circa notiones pluribus sensibus communes, ut numeri, magnitudinis, figurae, item circa multos affee tu s animi, ut spem, metum.). Leibniz schließt sich hier an die von Thomas von Aquin her geläufige Einteilung an, die letztlich auf Aristoteles zurückgeht: Neben den äußeren Sinnen gibt es die vier inneren Sinne: den
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§ 12 Der Gemeinsinn und die Einbildungskraft Die Sinne liefern uns also nicht nur verborgene Qualitäten, sondern lassen uns darüber hinaus auch offenkundigere Qualitäten erkennen, die uns deutlichere Ideen liefern. Es handelt sich hierbei um die Ideen des Gemeinsinns, die keinem äußeren Sinn in besonderer Weise zugehören.61 Leibniz nennt als Beispiel die Idee der Zahlen und die der Figuren.62 Die Idee der Zahl ist in gleicher Weise in den Tönen, Farben und Tastqualitäten enthalten, die der Figuren ist den Farben und den Tastqualitäten gemeinsam, jedoch ist diese nicht in den Tönen enthalten. Von diesen Ideen kann man — im Unterschied zu den verborgenen oder verworrenen Qualitäten — Definitionen geben.63 Mit dem Ausdruck „des notions plus distinctes" (deutlichere Ideen) sind aber noch nicht deutliche Ideen als solche gemeint, sondern nur solche, die deutlicher sind als die verworrenen Ideen, die die einzelnen Sinne liefern. Das geht aus folgender Einschränkung hervor, die Leibniz sofort anschließt: „Obwohl es richtig ist, daß man, um die Zahlen und Figuren selbst deutlich begreifen und daraus Wissenschaften gestalten zu können, zu etwas greifen muß, was die Sinne nicht liefern können und was der Verstand den Sinnen hinzufügt,"64 Allerdings wird es etwas unverständlich, wenn Leibniz dann in dem Schreiben Sur ce qui passe les sens so fortfährt: „Da also unsere Seele z.B. die Zahlen und die Figuren, die in den Farben sind, mit den Zahlen und Figuren, Gemeinsinn, die Phantasie, das Gedächtnis und die sinnliche Urteilskraft (vgl. dazu BRENNAN, 25-32 u. 106-119); wobei Leibniz allerdings hier in diesem Schreiben Sur ce qui passe les sens die beiden letztgenannten inneren Sinne nicht eigens behandelt. 6 ' G VI 500: „Cependant il faul rendre cette justice aux sens qu'outre ces qualites occultes, ils nous font connoistre d'autres qualites plus manifestes, et qui foumissent des notions plus distinctes. Et ce sont celles qu'on attribue au sens commun, parce qu'il n'y a point de sens externe auquel elles soyent particulierement attachees et propres." In der ersten Version dieses Schreibens spricht Leibniz von Qualitäten, die intelligibler sind (plus intelligibles) (G VI 488). — Leibniz scheint hier den Begriff „occulte" (verborgen) synonym zu gebrauchen für „confuse" (verworren). 62 Dieses „Gemeinempfindbare" weist auch schon ARISTOTELES dem Gemeinsinn zu: In De anima II 6, 418 a 17-18 nennt er Bewegung, Ruhe, Zahl, Gestalt und Größe (vgl. dazu BRENNAN, 26; Cass.1,123 A. 6). 63 GVISOOf. 64 G VI 501 („Quoyqu'il soit vray que, pour concevoir distinctement les nombres et les figures memes, et pour en former des sciences, il faut venir ä quelque chose que les sens ne sauroient foumir, et que l'entendement adjoute aux sens.").
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die sich durch den Tastsinn finden, vergleicht, so muß es wohl einen inneren Sinn geben, wo sich die Perzeptionen dieser verschiedenen äußeren Sinne vereinigt finden. Das ist es, was man Einbildungskraft nennt, welche gleichzeitig die Ideen der partikulären Sinne, die klar, aber verworren sind, und die Ideen des Gemeinsinns, die klar und deutlich sind, umfaßt."65 Hirschberger scheint mit diesem Satz auch seine Schwierigkeiten zu haben, wenn er diese Stelle wie folgt kommentiert: „Dieser Gemeinsinn bildet zusammen mit den äußeren Sinnen die sogenannte Einbildungskraft."66 Die Einbildungskraft ist doch wohl als etwas vom Gemeinsinn und den äußeren Sinnen Verschiedenes zu denken! Noch in der ersten Fassung dieses Schreibens hat Leibniz denn auch den „sens commun" als den Ort bezeichnet, wo sich die Perzeptionen der verschiedenen äußeren Sinne vereinigt finden.67 Die Formulierung „Das ist es, was man Einbildungskraft nennt" (C'est ce qu'on appelle l'imaginatiori) ist zwar rein sprachlich rückbezüglich aufzufassen; sachlich dagegen kann dies von Leibniz nicht so gemeint sein, was ja auch durch den Nachsatz unterstrichen wird. Was Leibniz hier sagen will, ist einfach dies: Die Einbildungskraft bezieht sich sowohl auf die Ideen der besonderen Sinne als auch auf diejenigen des Gemeinsinns. Die Ideen des Gemeinsinns sind die Gegenstände der mathematischen Wissenschaften. Dies leuchtet ein, wenn wir uns in Erinnerung rufen, daß Leibniz die Idee der Zahlen und der Figuren als dem Gemeinsinn zugehörig nennt.68 Daß aber die Ideen des Gemeinsinns noch nicht ganz und gar deutlich sind, geht eindeutig aus der folgenden Stelle hervor: „Allerdings wären die mathematischen Wissenschaften überhaupt nicht beweisend, und sie beständen nur in einer einfachen Induktion oder Beobachtung, die uns niemals von der vollkommenen Allgemeinheit der Wahrheiten, die damit gefunden werden, über-
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EBD. („Comme done nostre ame compare [par exemple] les nombres et les figures qui sont dans les couleurs, avec les nombres et les figures qui se trouvent par l'attouchement, il faut bien qu'il y ait un sens interne, öu les perceptions de ces differens sens externes se trouvent reunies. C'est ce qu'on appelle ['imagination, laquelle comprend ä la fois les notions des sens particuliers, qui sont claires mais confuses, et les notions du sens commun, qui sont claires et distinctes."). HIRSCHBERGER, II 172f. G VI 488. Vgl. G VI 501. — Aus den Zahlen entwickelt sich die Arithmetik, aus den Gestalten die Geometrie.
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zeugen würde, wenn nicht irgend etwas Höheres, was allein die 'intelligence1 liefern kann, der Einbildungskraft und den Sinnen zu Hilfe käme."69 Diese Argumentation Leibniz', wie wir sie aus den äußerst dürftigen Angaben nachzuzeichnen suchten, erinnert sehr stark an die diesbzgl. von Augustinus in seiner Schrift De libero arbitrio, wo dieser auch hervorhebt, daß das Wesen und die Wahrheit der Zahlen (rationem ueritatemque numeromm) keinerlei Beziehung zu den Sinnen des Körpers (ad sensus corporis) haben,70 sondern nur durch das Licht des Geistes (luce mentis) zu begreifen sind.71 Denn was immer ein Körpersinn erfaßt, ist keine Eins, sondern Vielheit, da kein Körper eine wahre und reine Eins darstellt (nullum corpus uere pureque unum esse).72 Die Ideen des Gemeinsinns sind zwar somit deutlicher als diejenigen der einzelnen Sinne; diese Ideen haben aber noch nicht die Klarheit und Deutlichkeit, die erfordert ist, um eine beweiskräftige Mathematik errichten zu können, eine Klarheit und Deutlichkeit, die erst mit Hilfe des Verstandes erreicht werden kann. Die Ideen des Gemeinsinns als solche reichen demgegenüber nur aus, eine „experimentelle Geometrie" (une teile Geometrie experimentelle) zu liefern, wie Leibniz an anderer Stelle sagt.73 Das leitet auch schon über zu der dritten und letzten Erkenntnisstufe, die Leibniz in dem Schreiben Sur ce qui passe les sens nennt, dem Verstand.
§ 13 Der Verstand Neben den Objekten der einzelnen Sinne und denen des Gemeinsinns, welche beide der Einbildungskraft zugänglich sind, gibt es nach Leibniz noch eine dritte Gruppe von Objekten, die in dem Schreiben Sur ce qui passe les sens dem Bereich des Intelligiblen zugeschrieben werden. Das Intelligible ist &* EBD. („II est vray que les sciences mathematiques ne seroient point demonstratives, et cons is teroient dans une simple induction ou observation, qui ne nous asseureroit jamais d'une parfaite generalite des verites qui s'y trouvent, si quelque chose de plus haut, et que l'intelligence seule peut foumir, ne venoit au secours de imagination et des sens."). Der Begriff „intelligence" ist hier mit „Geist" oder „Verstand" wiederzugeben. 70 AUGUSTTNUS, De libero arbitrio, II, viii, 24, 93. 71 EBD., II, vii, 21. 82. 72 EBD., II, viii, 22, 86. 73 A VI 6,13.
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Gegenstand des bloßen Verstandes. Von solcher Art ist nach Leibniz der Gedanke des Ich. Er führt dazu aus: „Dieser Gedanke vom ich, der ich sinnliche Gegenstände apperzipiere, und dieser Gedanke von meiner eigenen Tätigkeit, die daraus resultiert, fügt etwas zu den Gegenständen der Sinne hinzu. An irgendeine Farbe zu denken und zu betrachten, daß man daran denkt, sind zwei sehr verschiedene Gedanken, ebenso wie die Farbe selbst verschieden ist von mir, der ich daran denke. Und da ich verstehe, daß andere Wesen auch das Recht haben können, Ich zu sagen, oder daß man es für sie sagen könnte, so verstehe ich dadurch das, was man gewöhnlich als Substanz bezeichnet, und es ist auch die Betrachtung von mir selbst, die mir andere Ideen der Metaphysik liefert, wie die der Ursache, der Wirkung, der Tätigkeit, der Ähnlichkeit etc., und selbst diejenigen der Logik und der Moral. So kann man sagen, daß es nichts im Verstande gibt, das nicht von den Sinnen hergekommen wäre, ausgenommen der Verstand selbst oder derjenige, der versteht."74 Mit diesem Text befinden wir uns auch schon mitten in unserem Thema. Leibniz wird die hier angeschnittenen Punkte innerhalb der Nouveaux Essais ausführlicher behandeln. Aus diesem Grunde wollen wir die Interpretation hier zunächst zurückstellen und nur auf die Probleme aufmerksam machen, die sich hieraus ergeben. Das Problem, das sich hier stellt, ist folgendes: Leibniz stellt in diesem Text das Sinnlich-Materielle dem rein Intelligiblen gegenüber. Doch das rein Intelligible enthält Inhalte verschiedener Qualität. Da ist einmal das „Ich" zu nennen mit der Bewußtseinsproblematik: Sich seiner selbst bewußt werden, das bedeutet immer auch gleichzeitig, sich seiner Tätigkeiten bewußt werden. Diese von Descartes herkommenden Bestimmungen, welche Erfahrungsinhalte einer psychologischen Selbstwahrnehmung meinen, werden Daten 74
G VI 502 („Cette pensee de moy, qui m'appercois des objets sensibles, et de ma propre action qui en resulte, adjoute quelque chose aux objets des sens. Penser ä quelque couleur et considerer qu'on y pense, ce sont deux pensees tres differentes, autant que la couleur meme differe de moy qui y pense. Et comme je 0009015 que d'autres Estres peuvent aussi avoir le droit de dire moy, ou qu'on pourroit le dire pour eux, c'est par lä que je concois ce qu'on appelle la substance en general, et c'est aussi la consideration de moy meme, qui me foumit d'autres notions de metaphysique, comme de cause, effect, action, similitude etc., et meme celles de la Logique et de la Morale. Ainsi on peut dire qu'il n'y a rien dans 1'entendement, qui ne soil venu des sens, excepte 1'entendement meme, ou celuy qui entend."). — Cass.1, II 413, bezieht hier falsch: „Dieser Gedanke meiner selbst, der ich mir der Sinnesobjekte und meiner eignen, hieran anknüpfenden Tätigkeit bewußt werde ..." Ebenso Ph. Sehr., V/2 201. — Zu der Formel nisi ipse intellectus (hier: „excepte 1'entendement meme") siehe unten S. 76ff.
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ideeller Natur, Leibniz nennt die Begriffe der Metaphysik und Moral, und Inhalten der Logik zur Seite gestellt. Heimsoeth bringt das Problematische dieser Verquickung so zum Ausdruck: „Der intellectus ipse — das ist jenes in der Selbstwahrnehmung als existierend vorgefundene Ich ... und zugleich die Gesamtheit apriorischer Vemunftinhalte. Der gemeinsame Gegensatz gegen das 'Materielle', das Sinnliche und Imaginable schließt die heterogenen Inhalte und Probleme zu einer scheinbaren Einheit aneinander".75 Leibniz scheint also hier das alte Problem der eingeborenen Ideen mit bewußtseinstheoretischen Fragestellungen der Cartesischen Philosophie zu verquicken. Diese Verquickung wird noch einmal deutlich, wenn Leibniz nachzuweisen sucht, daß auch die Begriffe des Seins und der Wahrheit nicht aus den Sinnen herkommen können, und er in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf das Cartesische Cogito aufmerksam macht.76 Es heißt hier zusammenfassend: „Diese Vorstellung vom Sein und von der Wahrheit findet sich also eher im Ich und im Verstand als in den äußeren Sinnen und in der Perzeption der äußeren Gegenstände."77 Wenn Leibniz allerdings das „denkende Ich" dem Geist oder der Seele gleichsetzt,78 so scheint hier doch wiederum eine Akzentuierung in Richtung „apriorischer Inhalte" gegeben. Doch soll das nicht hinwegtäuschen über das angedeutete Problem. Daß Leibniz den Unterschied zwischen dem Eingeborenen im Sinne des Apriorischen und dem Eingeborenen im Sinne der Inhalte des Bewußtseins nicht gesehen habe, scheint uns unwahrscheinlich. Dafür kannte er sowohl die Platonische als auch die Cartesische Philosophie und deren Unterschied zu gut Es muß also noch geklärt werden, wieso er diese heterogenen Elemente zusammenbringt und auch, ob er sie immer zusammenbringt. Interessant ist nämlich in diesem Zusammenhang, daß die Nouveaux Essais die Ich-Problematik nicht mit ins Spiel bringen — im Gegensatz zu den monadologischen Schriften,
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HEIMSOETH1, 285. Vgl. ebenso MAHNKE, 407; OTTO, 8. " „Car comme dliabiles philosophies anciens et modernes ont deja bien remarque: quand tout ce que je croirois voir, ne seroit qu'un songe, il seroit tousjours vray que moy qui pense en songeant, seroit quelque chose, et penserois effectivement en bien des fa9ons, dont il faudra tousjours qu'il y ait quelque raison" (G VI502). 77 G VI 503 („Cette conception de l'Estre et de ta Verite se trouve done dans ce Moy, et dans l'Entendement plustost que dans les sens externes et dans la perception des objets exterieurs."). 78 „Que l'Existence des choses intelligibles et particulierement de ce Moy qui pense et qu'on appelle l'esprit ou l'ame" (G VI 502). 7i
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die die Bewußtseinsproblematik wieder ausdrücklich thematisieren. Wir werden dies an gegebener Stelle näher zu untersuchen haben.79 Abgesehen von dieser Problematik, die hier noch nicht geklärt werden kann, geht es Leibniz in dem Schreiben Sur ce qui passe les sens vornehmlich um den grundsätzlichen Nachweis, daß es verschiedene Klassen von Ideen gibt: erstens die bloß sinnlichen, die die Gegenstände der einzelnen Sinne bilden; zweitens diejenigen, die zugleich sinnlich und intelligibel sind, die dem Gemeinsinn zugehören; drittens die bloß intelligiblen, die dem Verstand eigentümlich sind. Die ersten und zweiten sind der Einbildungskraft zugänglich, während die dritten über diese erhaben sind. Demgegenüber sind die zweiten und dritten intelligibel und deutlich (intelligibles et distinctes), während die ersten verworren (confuses) sind.80 Die weiter in diesem Schreiben von Leibniz angesprochenen Themen wie: notwendige Wahrheiten81 und Induktion,82 sollen hier nicht behandelt werden, da wir diese innerhalb des nächsten Kapitels ausführlich zur Sprache bringen werden.83 Doch bevor wir uns in dem nun folgenden zweiten Kapitel dieses zweiten Teils der Untersuchung der näheren Bestimmung des Verstandes innerhalb des «Systeme commun» zuwenden, sei hier noch auf folgendes Problem aufmerksam gemacht: Nach Leibniz sind alle die dem Gemeinsinn und dem Verstand angehörenden Ideen intelligibel und deutlich, wobei wir ja gesehen haben, daß 79
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Die ebenfalls 1702 für die Königin Sophie Charlotte verfaßte Schrift Considerations sur la doctrine d'un Esprit Universel Unique (G VI 529-538) enthält ein ähnliches Problem wie die Schrift Sur ce qui passe les sens et la matiere: Leibniz macht hier auch darauf aufmerksam, daß es in der Seele bestimmte Gegenstände des Verstandes gibt, die die äußeren Sinne nicht liefern können, nämlich die Seele selbst mitsamt ihren Funktionen (Tame meme et ses fonctions). Er bringt dann auch den entscheidenden Satz: Nihil est in intellectu quod nonfuerit in sensu, nisi ipse intellectus (G VI 532). Aber in demselben Abschnitt kommt er noch auf seine Prästabilierte Harmonie zu sprechen, wenn es hier heißt: „J'ay etabli un parallelisme parfait entre ce qui passe dans Tarne et entre ce qui arrive dans la matiere" (G VI 533). Macht man mit diesem Parallelismus ernst, so erwächst der Seele ja alles aus ihrem eigenen Grund — nicht nur die Gegenstände des Verstandes. Also auch hier finden sich zwei sehr heterogene Gedanken zusammen. Im Verlauf der Untersuchung müssen diese hier aufgezeigten Probleme geklärt werden. G VI 502; vgl. GM VI241 f. G VI 504. GVI504f. Siehe unten S. 94ff. und S. lOOff.
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der Verstand auch bei den Ideen des Gemeinsinns mitspielt. Heißt dies nun aber auch umgekehrt, daß alle deutlichen Ideen, also alle Ideen, die einer Nominaldefinition fähig sind, etwas mit dem Verstand zu tun haben? Oder heißt dies nur, daß alle Ideen, die etwas mit dem Verstand zu tun haben, immer auch deutlich sind? Wir neigen zu der letzten Alternative, da ja die Idee des Goldes, die Leibniz als Beispiel für eine deutliche Idee eingeführt hat, weder zu den Gegenständen der mathematischen Wissenschaften noch zu denjenigen gehört, die mit dem Ich gegeben sind. Diese Sicht wird auch bestätigt durch einen Brief Leibniz' an Th. Burnett aus dem Jahre 1699, wo es heißt: „Sooft man eine gute Definition hat, hat man eine deutliche Idee, z.B. wenn ich sage, daß das Grüne eine Mischung des Blauen und Gelben ist. Aber diese Erkenntnis ist weder vollkommen noch adäquat, denn hierfür müßte man die Analyse bis zum Ende vorantreiben und auch die Definition des Blauen und Gelben haben, die wir nur von Herrn Newton erwarten. Sie können durch dieses Beispiel auch den Unterschied sehen, der zwischen dem Klaren und dem Deutlichen besteht."84 Man muß somit bei Leibniz zwischen zweierlei Arten der Deutlichkeit unterscheiden: Leibniz kennt einmal das Deutliche in bezug auf die Verstandeserkenntnis, sodann aber auch in bezug auf die Sinnlichkeit. Das wurde u.E. bisher in der Literatur zu wenig berücksichtigt Diese Sicht wird auch durch einen Text aus den Cogitationes de physica nova instauranda^ bestätigt, welche aus den Jahren 1678 bis 1682 datieren, wo es heißt: „Hieraus aber geht hervor, daß die sinnlichen Attribute mit Hilfe des Verstandes in verworrene und deutliche eingeteilt werden können. Verworren sind solche Attribute, die in sich oder wenigstens mit Hilfe des Verstandes zusammengesetzt sind, die aber für den Sinn einfach sind und deren Definition nicht erklärt werden kann, oder die nicht durch eine Beschreibung, sondern nur durch ein Aufzeigen den Sinnen bekannter gemacht werden können ... Deutliche Attribute sind solche, die entweder selbst für den Verstand einfach sind oder die durch sich verstanden werden, wie Sein, Dauer, oder solche, die durch eine Definition erklärt werden können, d.h. die durch gewisse Anzeichen von uns wiedererkannt werden kön84
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G III 256 („Toutes les fois qu'on a une bonne definition, on a une Idee distincte, par exemple lorsque je dis que le verd est un melange du bleu et du jaune. Mais cette connoissance n'est pas parfaite ny adequate, car pour cela il faudroit pousser 1'analyse au bout et avoir encor la definition du bleu et du jaune, que nous n'attendons que de Mons. Newton. Vous pouves voir aussi par cet exemple la difference, qu'il y a entre clair et entre distinct."). VE 626-643 = Faszikel 3, N. 1412.
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nen, wie die Rundheit oder die Äquidistanz aller Punkte von einem [Punkt], wie die Schwere oder das Streben zum Erdmittelpunkt. Die ersteren werden auch ohne Auflösung deutlich genug erkannt, weil sie nicht auflösbar sind, die letzteren müssen aber in diejenigen Attribute aufgelöst werden, durch die sie verstanden und unterschieden werden. Obwohl manche Attribute in andere, aber verworrene Attribute aufgelöst werden, wie die Schmelzbarkeit, in deren Definition, wie wir sagten, die Wärme eingeht, so kann man sie dennoch wenigstens insoweit für deutlich ansehen, als sie aufgelöst werden. Jedoch sind solche im höheren Maße deutlich, die wieder in deutliche aufgelöst werden, wie z.B. die Kreisgestalt, die geradlinige Bewegung."86 Wichtig scheint uns hier folgendes zu sein: Grundsätzlich haben wir bei den deutlichen Ideen — in dem eben zitierten Text spricht Leibniz von Attributen — zu unterscheiden zwischen solchen, die für den Verstand einfach sind und solchen, die durch eine Definition erklärt werden können. Letztere können nach Leibniz wiederum in zwei Klassen eingeteilt werden: einmal in solche, deren Auflösung uns auf verworrene Ideen führt, sodann in solche, deren Auflösung uns auf deutliche Ideen führt. Während die einfachen deutlichen Ideen, wie wir schon gesehen haben und was sich später näherhin zeigen wird, zum Wesensbestand des intellectus ipse zählen, ist die Sachlage bei den zusammengesetzen deutlichen Ideen schwieriger. Hier kann man im eigentlichen Sinne nur diejenigen zusammengesetzten Ideen als deutlich bezeichnen, die letztlich in einfache deutliche Ideen aufgelöst werden können, welche etwas mit dem Verstand zu tun haben.87 86
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VE 636 = Faszikel 3, N. 1412 (Ex his autem patet Attribute sensibilia ratione intellectus dividi posse in confusa et distincta. Confusa sunt quae in se sive ratione intellectus composite sunt quidem, sed quae sensu simplicia sunt, et quorum adeo definitio explicari non polest, sive quae non descriptione sed ostensione notiora sensibus reddi possunt... Attribute distincta sunt quae vel ipsi intellectui simplicia sunt sive per se intelliguntur, ut esse, du rare vel quae definitione possunt explicari, id est quae per signa quaedam a nobis possunt agnosci, ut rotunditas seu aequidistantia omnium punctorum ab uno, gravites seu conatus ad centrum telluris. Priora etiam sine resolutione satis distincte concipiuntur, quia resolutionis incapacia sunt, posteriora vero in ea debent resolvi per quae intelliguntur atque dignoscuntur. Quanquam autem attribute quaedam resolvantur in alia sed confusa ut fusibilites cuius definitionem ingredi calorem supra diximus, possunt temen eatenus saltern haberi pro distinctis quatenus resolvuntur. Magis tarnen distincte sunt, quae rursus resolvuntur in distincta, exempli gratia figura circularis, motus rectilineus.). Vgl. VE 637 = Faszikel 3, 1412.
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Trotzdem bleibt hier folgendes Problem offen: Bei den deutlichen Ideen, die wiederum in andere deutliche Ideen auflösbar sind, die nicht einfach sind, stellt sich ja das Problem erneut — ausgenommen, man gelangt zu verworrenen oder zu einfachen deutlichen Ideen. Leibniz kennt im Grunde genommen also unendlich viele Grade der Deutlichkeit. Die Unterscheidung des Deutlichen in Inadäquates und Adäquates ist eine Vereinfachung, die dieses Problem in gewisser Weise sogar verschleiert. So ist es auch verständlich, daß Leibniz eben im strengen Sinne nur einfache deutliche Ideen als deutlich ansehen kann, und darüber hinaus nur solche zusammengesetzten deutlichen Ideen, die wiederum in solche einfachen deutlichen Ideen auflösbar sind. Zur Verdeutlichung des Gesagten diene folgendes Schema: verworren
deutlich l
l
l
verworren
deutlich l
verworren
l
deutlich usw.
Setzen sich die deutlichen Ideen aus verworrenen oder einfachen deutlichen Ideen zusammen, so ist die Analyse an ein Ende gekommen. Setzen sich die deutlichen Ideen dagegen aus deutlichen Ideen zusammen, die nicht einfach sind, dann kann die Analyse weitergetrieben werden. In einem gewissen Sinne könnte man in bezug auf den Grad der Deutlichkeit also mit Recht von einer Kontinuität der Erkenntnis sprechen, die aber trotzdem nicht über die prinzipielle Diskontinuität zwischen Sinnlichkeit und Verstand hinwegtäuschen darf. Denn entweder liegen den zusammengesetzten deutlichen Ideen eben letztlich einfache deutliche Ideen zugrunde oder einfache verworrene Ideen. Die Unterscheidung zwischen der Sinnlichkeit und dem Verstand bleibt also doch bestehen — allein die Problematik verschiebt sich.88
Zur Kontinuität der Erkenntnis innerhalb des «Systeme nouveau» siehe unten S. 167ff. Auch hier bleibt letztlich eine unüberwindliche Diskontinuität zwischen dem, was der Sinnlichkeit entspricht, und der Verstandeserkenntnis bestehen (siehe dazu unten bes. S. 169).
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Fassen wir zusammen: Die Unterscheidung zwischen dem Deutlichen und dem Verworren nimmt bei Leibniz eine zweifache Bedeutung an. Einmal kann sie einen bloßen Unterschied im Grade der Auflösung, zum anderen kann sie eine Gebietsverschiedenheit meinen, in welchem Sinne dieser Unterschied verwandt ist demjenigen zwischen dem Intelligiblen und dem Sensiblen.89
89
Vgl.HHMSOETH'^SOA. 3.
2. Kapitel Die nähere Bestimmung des menschlichen Verstandes Was ist das Wesen des Verstandes? Daß er etwas ist und nicht nichts, darüber dürfte wohl kaum ein Dissenz unter den verschiedenen Richtungen, die innerhalb der Geschichte der Philosophie aufgetreten sind, bestehen. Was er ist, darüber gehen die Meinungen allerdings auseinander. Daß er eine Fähigkeit oder „faculto", wie Leibniz sagen würde, ist, das dürfte wohl auch kaum strittig sein. Was man sich aber unter dieser Fähigkeit vorzustellen hat oder besser: wie diese Fähigkeit aufzufassen ist, das ist schon wieder eine Frage, an der sich die Geister scheiden. Handelt es sich hierbei um eine bloße Fähigkeit, um eine bloße Möglichkeit, oder um eine Fähigkeit, der gleichzeitig auch eine Disposition zu einer Tätigkeit inhaliert? Mit diesen Fragen befinden wir uns schon mitten in der Diskussion der Nouveaus Essais, die Leibniz zwischen den beiden Kontrahenten Theophilus und Philalethes vor den Augen des Lesers austragen läßt.
§ 14 Der Verstand als aktive Anlage In der Vorrede zu seinen Nouveaux Essais formuliert Leibniz schon recht früh den entscheidenden Punkt, der ihn von Lockes Position trennt, wenn er schreibt: „Wir unterscheiden uns in Gegenständen von einiger Bedeutung. Es geht um die Entscheidung der Frage, ob die Seele gemäß Aristoteles und dem Verfasser der Abhandlung an sich völlig leer ist wie Wachstäfelchen, auf die man noch nichts geschrieben hat (tabula rasa), und ob alles das, was dort dargestellt ist, einzig von den Sinnen und der Erfahrung herkommt, oder ob die Seele von Hause aus die Prinzipien verschiedener Ideen und Doktrinen in sich enthält, welche die äußeren Gegenstände nur bei Gelegenheiten wachrufen, wie ich es mit Platon und auch mit der Schule und mit all denen annehme, die die Stelle des Hl. Paulus (Rom 2, 15) — wo er sagt, daß das Gesetz Gottes in die Herzen geschrieben sei — in diesem Sinn auffassen."90 Die Frage, ob Leibniz A VI 6, 48f. („Nos differens sont sur des sujets de quelque importance. II s'agit de savoir, si l'arne en eile meme est vuide entierement comme des tablettes, öu n'a encore rien ecrit
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hier Aristoteles gerecht wird, soll uns an dieser Stelle noch nicht weiter beschäftigen;91 wir wollen uns vielmehr dem Sachproblem selbst zuwenden, das Leibniz an den Personen des Aristoteles und Platon festmacht. Ist die Seele leeren Wachstäfelchen vergleichbar, die ihre Beschriftung einzig und allein durch die Sinne und die Erfahrung erhalten, oder enthält sie schon von allem Anfang an Prinzipien verschiedener Ideen und Doktrinen in sich? Man beachte hier, daß Leibniz nicht davon spricht, daß die Seele Ideen und Doktrinen in sich enthält, sondern nur die Prinzipien hiervon. Wir wollen das Wort „principes" bewußt unübersetzt lassen und nicht etwa mit „Anfangsgründen" wiedergeben,92 da in dem französischen Wort „principe" — ebenso wie beim lateinischen principium — verschiedene Begriffsbedeutungen mitschwingen, die in der Übersetzung durch das deutsche „Anfangsgrund" nicht deutlich genug zum Tragen kommen. Principium kann sowohl Anfang/Ausgangspunkt als auch Ursprung/Grund meinen. Was Leibniz hier im Auge hat, wenn er von Prinzipien verschiedener Ideen und Doktrinen spricht, muß im Verlauf der Untersuchung geklärt werden. An dieser Stelle erschien es uns aber schon erwähnenswert, eigens hierauf aufmerksam zu machen. 1. Gegen die Lehre von der tabula rasa Die Lehre von der tabula rasa, die Locke und dessen Vertreter, Philalethes, vertreten, eine Lehre, die die Seele als leer von allen Zeichen und ohne irgendeine Idee begreift,93 bekämpft Leibniz in der Figur des Theophilus energisch.
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(tabula rasa) suivant Aristote et l'auteur de l'essay, et si tout ce qui y est trace vient uniquement des sens et de l'experience; ou si l'ame contient originairement les principes de plusieurs notions et doctrines que les objects externes reveülent seulement dans les occasions, comme je le crois avec Platon et meme avec l'dcole, et avec tous ceux qui prennent dans cette signification le passage de S1 Paul (Rom. 2. 15.) ou il marque que la loy de Dieu est ecrite dans les coeurs."). Siehe dazu unten S. 79f. A. 128. — Schon Cass.2, 3 A. 3, macht diesbzgl. zu Recht darauf aufmerksam, daß Aristoteles „der Leibniz'schen Auffassung näher steht, als der Ansicht Lockes". Vgl. ebenso LACHELffiR, 92 A. 1; HILDEBRANDT, 139f. So Cass.2,3. Vgl. NE II l, § 2 = A VI 6,109. — Leibniz unterscheidet die „Idee" vom aktuellen Gedanken und versteht unter jener den unmittelbaren inneren Gegenstand des Denkens, nicht dessen Form: „l'objet immediat interne" (vgl. A VI 3, 315f.; A VI6,12; NE II l, § l = A VI6,109; III 4, § 17 = A VI 6, 300; R 215; G I 383. 423; G III 162. 561. 659; G IV 426; G VI 590f. 576f.; GM II 249. 289. 294. 298. 322; Bodemann 106). Vgl. dazu die kleine Schrift Quid sit Idea, wo
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Seiner Meinung nach ist die tabula rasa nur eine Fiktion, d.h. sie kommt in der Natur nicht vor, sondern beruht nur auf den unvollständigen Begriffen (les notions incompletes) der Philosophen. Ähnliche Fiktionen sind nach Leibniz Begriffe wie die vom leeren Raum, den Atomen, der Ruhe und der ersten Materie. Solche gleichförmigen Dinge, die keine Vielfalt in sich schließen, sind immer nur Abstraktionen,94 welche die Natur aber nicht kennt. Zieht man von der menschlichen Seele die Ideen ab, so wird man nach Leibniz kaum mehr sagen können, was davon noch übrig bleibt.95 Zudem spräche gegen die Lehre von der tabula rasa auch das Indiszernibilienprinzip, nach welchem es nicht zwei Dinge geben kann, die nicht irgendeine Ungleichheit aufweisen.96 Aber könnte man die Lehre von der tabula rasa nicht doch noch dahingehend retten, daß man sagte, die Seele enthalte von Natur und ursprünglich nur nackte Vermögen (des facultos nues)? Dieses Argument entkräftet Leibniz mit dem Hinweis darauf, daß Vermögen ohne irgendwelche Tätigkeit (sans quelque acte) nichts weiter als reine Möglichkeiten (pures puissances) seien, welche die Natur aber nicht kenne. „Denn wo wird man jemals in der Welt ein Vermögen finden, das sich auf die reine Möglichkeit beschränkt, ohne irgendeine Tätigkeit auszuüben? Es gibt immer eine besondere Disposition zur Tätigkeit, und zwar mehr zur einen als zur anderen. Und außer dieser Disposition gibt es eine Tendenz zur Tätigkeit, deren es sogar immer unendlich viele zu gleicher Zeit in jedem Subjekt gibt: Und diese Tendenzen sind niemals ohne irgendeine Wirkung."97
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es heißt: Idea enim nobis non in quodam cogitandi actu, sed facilitate consistit, et ideam rei habere dicimur, etsi de ea non cogitemus, modo data occasione de ea cogilare possimus (G VII 263; vgl. A VI 3, 588). Dadurch, daß der Gegenstand (objet) als ein unmittelbarer (immediat) charakterisiert wird, ist er schon dem materiellen Gegenstand „außerhalb" der Seele gegenübergestellt. Durch die Bestimmung der Idee als Objekt und nicht als Form des Denkens vermeidet Leibniz nach BURGEIJN „cet heracliteisme, ruineux de toute verite" (245). Vgl. HEIMSOETH1, 287. — Zum Begriff der tabula rasa vgl. BAEUMKER. NEII l, § 2 = A VI 6,110; vgl. NEII l, § 12 = A VI 6,114; Preface = A VI6, 57. N E U l, §2 = A VI 6.110. NE, Preface = A VI6, 53. NE II l, § 3 = A VI 6, 110 („Car öu trouverat-on jamais dans le monde une faculte qui se renferme dans la seule puissance sans exercer aucun acte? il y a tousjours une disposition particuliere ä faction, et ä une action plustost qu'ä l'autre. Et outre la disposition U y a une tendence a l'action, dont meme U y en a tousjours une infinite la fois dans chaque sujet: et ces tendences ne son t jamais sans quelque effect.").
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Den menschlichen Verstand nur im Sinne einer Fähigkeit oder eines Vermögens (capacito ou facult£) zu begreifen, wie dies Philalethes vorbringt,98 kann nach Leibniz nicht erklären, weshalb sich diese „faculto" auf den Gegenstand richtet. Zusätzlich zu dieser „faculto" auf der einen und dem „objet" auf der anderen Seite muß man darum immer auch eine „disposition" annehmen, welche in der „faculte"", im „objet" oder sogar in beiden ist." Die Annahme einer Disposition im Verstand selbst aber wird dann zur notwendigen Voraussetzung, wenn es darum geht, die Natur der notwendigen Wahrheiten zu erklären, welche Natur sich nicht mehr allein durch die Sinnesdaten begreifen läßt.100 Hätte der Geist nur das bloße Vermögen (la simple capacito) oder nur die passive Möglichkeit (la puissance passive), die Erkenntnisse aufzunehmen — welche Fähigkeit Leibniz mit der Fähigkeit des Wachses, Formen, oder der leeren Tafel, Buchstaben aufzunehmen, vergleicht —, so könnte der Verstand nicht die Quelle der notwendigen Wahrheiten sein. Da aber auf der anderen Seite die Sinne nicht ausreichen, um deren Notwendigkeit einzusehen, so müsssen die notwendigen Wahrheiten aus dem Verstand stammen. Das aber bedeutet, daß dieser eine Disposition haben muß, die sowohl aktiv als auch passiv ist, um die notwendigen Wahrheiten selbst aus seinem Innersten (son fonds) entnehmen zu können.101 Wir haben es also hier nicht mit einer nackten Fähigkeit (une faculto nue) zu tun, die in der bloßen Möglichkeit besteht (qui consiste dans la seule possibilito), die notwendigen Wahrheiten zu vernehmen (entendre);102 es handelt sich hier vielmehr um eine Disposition, eine Eignung (une aptitude), eine Präformation, die unsere Seele bestimmt und die bewirkt, 98 99 100 101
102
N E I 1 , § 5 = AVI6,78. N E I 1 , § 5 = AVI6,79. Vgl. G III 291. Siehe dazu unten S. 92ff. NE I l, § 5 = A VI 6, 80f. — Die Auffassung des Verstandes als einer Disposition, die sowohl aktiv als auch passiv sein muß, hat schon vor Leibniz PLATON in seinem Dialog Theaitetos dahingehend formuliert, daß die Seele immer schon Erkenntnis im Sinne des bloßen Besitzens, nicht aber des verfügenden Habens besitze (197a-199c). Die Anamnesis ist in diesem Sinne als „Übergang vom passiven Besitzen zum aktiven Haben" zu verstehen (BRANDS, 19). Leibniz kannte Platons Theaitetos und auch den Phaidon sehr gut, Dialoge, die er im Frühjahr 1676 selbst bearbeitet hat (vgl. A VI 3, 284-297: Platonis Phaedo vet de Animi immortalitate: salvis sententiis contractus; A VI 3, 298-311: Platonis Theaetetus sive de scientia, contractus). Die Wiedergabe von „entendre" mit „begreifen" (Cass.2, 47) oder „verstehen" (Ph. Sehr. III 31) scheint mir in diesem Zusammenhang nicht angemessen. Es geht hier ja weniger um das „Wie" der notwendigen Wahrheiten, sondern vielmehr um die Frage nach ihrem Ursprung.
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daß die notwendigen Wahrheiten aus ihrem eigenen Grund herausgeholt werden können.103 Der Geist besitzt also nicht nur die Fähigkeit (la faculto), die angeborenen Ideen zu verstehen (connoitre),104 sondern darüber hinaus hat er auch die Fähigkeit, sie in sich zu finden, und die Disposition, sie anzuerkennen (approuver), wenn er in der richtigen Weise daran denkt.105 Wahrhafte Vermögen (puissances veritables) sind also niemals bloße Möglichkeiten (des simples possibilites). Sie sind vielmehr immer auch mit einer Tendenz (tendence) und Tätigkeit (action) verbunden.106 Bloße Vermögen (facultes nues) sind nach Leibniz Chimären.107 Den Unterschied zwischen der Auffassung des menschlichen Verstandes als einer bloßen „faculto" auf der einen und einer „disposition" auf der anderen Seite verdeutlicht Leibniz gerne mit Hilfe des bekannten Marmorbeispiels. Nach der Lehre von der tabula rasa ist der Marmorblock ganz einheitlich (toute unie), nach der Auffassung des menschlichen Verstandes als einer Disposition dagegen hat er immer schon Adern in sich, er ist also immer schon für die Aufnahme bestimmter Gestalten disponiert: „Denn wenn die Seele diesen leeren Wachstäfelchen gliche, wären die Wahrheiten in uns, wie es die Gestalt des Herkules in einem Marmor ist, wenn der Marmor sich ganz und gar gleich103
NE I l, § 11 = A VI 6, 80; vgl. NE I 3, § 20 = A VI 6, 106, wo Leibniz von natürlichen Gewohnheiten (des habitudes naturelles) und Verhaltensweisen (attitudes) spricht, wobei Leibniz hier wohl den Begriff „attitudes" mit „aptitudes" verwechselt hat, worauf Alphonse des Vignoles in seinen Korrekturvorschlägen aufmerksam macht (A VI 6, 540). — Diese Präformation unserer Seele verdeutlich Leibniz auch dadurch, daß er den von Locke angeführten Vergleich des Verstandes mit einem dunklen Zimmer (dark room), das nur zwei Fenster hat (Windows), durch die das Licht hineingelassen wird: die äußere und die innere Sensation (external and internal Sensation) (LOCKE, Essay, II 11, § 17), in folgender Weise für seine Zwecke modifiziert: Als Bildfläche muß man nach Leibniz in diesem dunklen Zimmer eine Leinwand annehmen, die die Spezies (les especes) aufnimmt. Diese Leinwand nun ist aber nicht ganz glatt (unie), sondern vielmehr durch Falten vielseitig gestaltet (diversifiee). Diese Falten sollen die eingeborenen Kenntnisse (les connoissances innees) darstellen (NE II 12, § 17 = A VI6,145). 10 ^ Das Verb „connoitre" darf hier nicht mit „erkennen" wiedergegeben werden, wie dies Cass.^, 53, und Ph. Sehr., III 41, tun, denn darin wäre ja schon ein aktivisches Moment impliziert Zudem heißt es in dem Text von Lockes Essay, auf den Leibniz sich hier bezieht: „Unless it be this. That the Mind is capable of understanding and assenting firmly to such Propositions" (LOCKE, Essay, I 1,§22). 105 N E U , §21= A VI 6, 84. 106 NE I I I , §10 = A VI 6,112; vgl. NE II 22, § 11= A VI6,216. 107 NE II21, § 47 = A VI 6,196; vgl. NE, Preface = A VI6,68; IV 3, § 6 = A VI 6,379.
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gültig demgegenüber verhält, diese oder irgendeine andere Gestalt zu erhalten. Gäbe es aber in dem Stein Adern, die eher auf die Gestalt des Herkules hindeuteten als auf andere Gestalten, so wäre dieser Stein mehr dazu bestimmt, und Herkules wäre ihm gewissermaßen wie eingeboren, wenn auch Arbeit nötig wäre, diese Adern aufzudecken und sie durch Politur zu säubern, indem man all das entfernt, was sie daran hindert, zum Vorschein zu kommen. Auf diese Weise sind uns die Ideen und die Wahrheiten eingeboren als Neigungen, Anlagen, natürliche Gewohnheiten oder natürliche Kräfte, und nicht als Tätigkeiten."108 Wichtig ist an dieser Stelle der Hinweis, daß es Arbeit kostet, daß Mühe aufgewendet werden muß, diese Adern zu entdecken.109 Die eingeborenen Ideen und Wahrheiten liegen uns nicht offen zutage. Es bedarf schon einiger Mühe, sie in uns zu entdecken.110 Das will der Begriff „Anlage" zum Ausdruck bringen.111 2. Eingeborensein als „im Verstande sein" Die Seele gleicht nicht leeren Wachstäfelchen oder einer leeren Tafel, sondern enthält in sich Ideen, die ihr nicht von außen zukommen, sondern die immer 108 NE, Preface = A VI 6, 52 („Car si l'ame ressembloit ä ces tablettes vuides, les verites seroient en nous comme la figure d'Hercule est dans un marbre, quand le marbre est tout a fait indifferent ä recevoir ou cette figure ou quelque autre. Mais s'il y avoit des veines dans la pierre, qui marquassent la figure d'Hercule preferablement ä d'autres figures, cette pierre y seroit plus determinee, et Hercule y seroit comme inne en quelque fa;on, quoyqu'ü fallut du travail pour decouvrir ces veines, et pour les nettoyer par la politure, en retranchant ce qui les empeche de paroitre. C'est ainsi que les idees et les verites nous sont innees, comme des inclinations, des dispositions, des habitudes ou des virtualites naturelles, et non pas comme des actions."). Vgl. N E U , §11= A VI6, 80. 109 Vgl. NE, Preface = A VI 6, 53, wo es heißt: „Pourquoi done ne pourrions nous pas foumir aussi ä nous memes quelque objet de pensee de nostre propre foods, lorsque nous y voudrons creuser?" Das Verb „creuser" hat Leibniz hier sicherlich bewußt gewählt, um die Arbeit und Mühe, die mit dem Auffinden der eingeborenen Ideen und Wahrheiten verbunden ist, zu betonen. Im übertragenen Sinne meint „creuser" soviel wie „ergründen", „erforschen", im wörtlichen Sinne aber klingt noch deutlich das Mühevolle dieser Tätigkeit an, welche ,,(aus-)graben", „ausheben" meint. 110 Siehe unten S. l lOf. 1 '' Vgl. dagegen JANSEN, 65, der hier eine falsche Alternative aufstellt zwischen fertigen Begriffen auf der einen und einer bloßen Anlage im Sinne des aristotelischen Habitus auf der anderen Seite.
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schon in ihr sind, wenn auch nicht als Tätigkeiten, so doch als Neigungen, Anlagen, natürliche Gewohnheiten oder Kräfte. Das wollte uns das Beispiel des Marmorblocks verdeutlichen. „Eingeboren", französisch „ ", lateinisch „innatus", meint also bei Leibniz nichts anderes als „im Verstande sein" (etre dans l'entendement). „Im Verstande sein" ist aber keineswegs gleichzusetzen mit einem aktuellen Besitz dieser Ideen oder Wahrheiten, welche Auffassung Leibniz strikt abwehrt: „Es genügt, daß das, was im Verstande ist, dort aufgefunden werden kann, und daß die Quellen oder ursprünglichen Beweise der Wahrheiten, um die es sich handelt, nur im Verstande sind: Die Sinne können diese Wahrheiten zutragen, rechtfertigen und bestätigen, aber sie können ihre unfehlbare und ewige Gewißheit nicht beweisen."112 Eingeboren nennt man nach Leibniz gewisse Wahrheiten, weil der menschliche Geist in einem besonderen Verhältnis zu diesen Wahrheiten steht, welches die Ausübung dieses Vermögens im Hinblick auf sie leicht und natürlich macht.113 Dieses besondere Verhältnis ist dadurch gegeben, daß der menschliche Geist nicht außerhalb seiner selbst zu suchen braucht, um die eingeborenen Wahrheiten zu finden, sondern es genügt hier, daß er seine eigene Natur erkennt, in welcher Erkenntnis die der eingeborenen Ideen und Wahrheiten mitgegeben ist.114 Für Leibniz ist also nicht die allgemeine Übereinstimmung (le consentement universel) Kriterium für das Eingeborensein,115 worin er der Kritik Lockes Recht gibt. Diese allgemeine Übereinstimmung könnte nämlich nach Leibniz auch aus einer über das ganze Menschengeschlecht verbreiteten Überlieferung stammen.116 Die allgemeine Übereinstimmung ist für Leibniz nie mehr als ein Zeichen (un indice)117 oder eine Bestätigung (une confirmation),118 nicht aber ein Beweis für einen eingeborenen Inhalt. 112
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NE I l, § 5 = A VI 6, 80 („C'est assez que ce qui est dans l'entendement y puisse etre trouve, et que les sources ou preuves originales des veritez dont U s'agit, ne soyent que dans l'entendement: les sens peuvent insinuer, justifier, et confirmer ces veritez, mais non pas en demontrer la certitude immanquable et perpetuelle."). „Mais c'est ce rapport particulier de l'esprit humain ä ces veritez, qui rend l'exercise de la facultd aise et naturel ä leur egard, et qui fait qu'on les appelle innees" (NE I l, § 11 = A VI 6, 80). N E U , § 2 1 = A VI6,84. Vgl. N E U , §4 = A VI6,75. Vgl. EBD. N E I 1 , § 4 = AVI6,76. NE 12, §20 = A VI 6, 98.
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Es wurde im Vorhergehenden immer wieder von Eingeborenem gesprochen. Als eingeboren wurden sowohl Ideen als auch Wahrheiten bezeichnet Es ist nun an der Zeit, genauer zu betrachten, was Leibniz als eingeboren ansieht. Sind alle unsere Ideen eingeboren? Sind darüber hinaus auch Satzwahrheiten eingeboren? Und wenn ja, in welcher Weise kann man solche als eingeboren begreifen? Diese Fragen drängen sich jetzt geradezu auf. Es ist die alte Frage nach dem Umfang des Eingeborenen, welche ja schon innerhalb der Platonischen Philosophie eine nicht unwichtige Rolle gespielt hat. Welche Antwort gibt uns Leibniz hierauf innerhalb des «Systeme commun»?
§ 15 Der Verstand als Sitz der reinen oder intellektuellen Ideen: eingeborene Ideen Wir haben schon in der Einführung119 darauf aufmerksam gemacht, daß so gut wie alle Philosophiegeschichten und erkenntnistheoretischen Lehrbücher Leibniz' Ergänzung des sensualistischen Grundsatzes: Nifül est in intellectu quod non fuerit in sensu durch den Zusatz: excipe: nisi ipse intellectus zitieren und diese Wendung als das Originelle an Leibniz' erkennmistheoretischer Position charakterisieren. Dabei wird aber nur allzu leicht übersehen, daß diese schon fast zum Bonmot avancierte Wendung weder von Leibniz selbst stammt noch auf dem Boden seiner Substanz-Metaphysik erwachsen ist, sondern zunächst einmal innerhalb des «Systeme commun» zu verstehen ist. Ein erstes Mal taucht dieser Gedanke des intellectus ipse in den Nouveaux Essais innerhalb der Vorrede auf, wo es Leibniz darum geht, Lockes Begriff der „reflection" seinem eigenen Begriff der „reflexion" anzunähern. Der Wichtigkeit halber bringen wir den entscheidenden Abschnitt in ganzer Länge: „Vielleicht möchte sich unser gelehrter Verfasser nicht gänzlich von meiner Meinung entfernen. Denn nachdem er sein ganzes erstes Buch darauf verwendet hat, die in einem bestimmten Sinne aufgefaßten eingeborenen Einsichten zurückzuweisen, gesteht er dann allerdings zu Beginn des zweiten und in der Folge zu, daß die Ideen, die ihren Ursprung überhaupt nicht in der Sensation haben, aus der Reflexion herrühren. Nun ist aber die Reflexion nichts anderes als eine Aufmerksamkeit auf das, was in uns ist, und die Sinne liefern uns das, 119
Siehe oben S. 5f.
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was wir schon in uns haben, überhaupt nicht. Wenn dem so ist, kann man dann bestreiten, daß es viel Eingeborenes in unserem Geiste gibt, weil wir uns sozusagen selbst eingeboren sind, und daß es Sein, Einheit, Substanz, Dauer, Veränderung, Tätigkeit, Perception, Lust und viele andere Gegenstände unserer intellektuellen Ideen in uns gibt? Und da diese Gegenstände sich zu unserem Geiste unmittelbar und immer gegenwärtig verhalten (obgleich sie wegen unserer Zerstreutheiten und Bedürfnisse nicht immer apperzipiert werden können), was ist daran verwunderlich, wenn wir sagen, daß diese Ideen mit all demjenigen, was von ihnen abhängt, uns eingeboren sind?"120 Halten wir einmal fest: 1. Leibniz sucht eine gewisse Nähe zwischen seiner Konzeption des intellectus ipse und Lockes Begriff der „reflection" herzustellen. Die Frage, ob diese Nähe de facto gegeben ist oder ob Leibniz hier nur im Sinne seiner mäeutischen Methodik eine scheinbare Nähe herzustellen sucht, um seiner eigenen Position eine bessere Resonanz zu verschaffen, soll jetzt einmal zurückgestellt werden.121 2. Nicht nur die intellektuellen Ideen sind eingeboren, sondern darüber hinaus auch alles, was von diesen abhängt. Nur soviel sei hierzu gesagt, daß damit die notwendigen Wahrheiten gemeint sind, welchen wir einen eigenen Abschnitt widmen werden.122 Auf diesen Gedanken, daß wir uns sozusagen selbst eingeboren sind, kommt Leibniz in den Nouveaux Essais noch verschiedene Male zu sprechen. 120
121 122
NE, Preface = A VI 6, 51f. („Peut-etre que nötre habile auteur ne s'eloignera pas entierement de mon sentiment. Car apres avoir employe tout son premier livre ä rejetter les lumieres innees, prises dans un certain sens, il avoue pourtant au commencement du second et dans la suite, que les idees, qui n'ont point leur origine dans la sensation, viennent de la reflexion. Or la reflexion n'est autre chose qu'une attention ä ce qui est en nous, et les sens ne nous donnent point ce que nous portons dejä avec nous. Cela etant, peut-on nier, qu'il y ait beaucoup d'inne en nostre esprit, puisque nous sommes innes ä nous memes pour ainsi dire, et qu'il y a en nous: Estre, Unite, Substance, Duree, Changement, Action, Perception, Plaisir, et mille autres objects de nos idees intellectuelles? Et ces objects etant immediate et toujours presents a nostre entendement (quoyqu'ils ne sauroient estre toujours appends ä cause de nos distractions et de nos besoins), pourquoy s'etonner que nous disions, que ces idees nous sont innees avec tout ce qui en depend?"). Vgl. G III 479: „Je suis ... centre M. Locke ä l'egard des idees que je crois estre dans 1'ame essentiellement, car 1'ame est innee a eile meme, pour ainsi dire, et par consequent existence, substance, unite, meme divers etc. et les verites enveloppees dans ces idees le sont aussi, quoyque les sens fournissent ä 1'ame l'occasion de s'appercevoir et des idees et des verites." Zu Leibniz' Begriff der Reflexion und Lockes Begriff der „reflection" siehe unten S. 84ff. Siehe unten S. 92ff.
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Auf die Frage des Philalethes, ob nicht die Ideen uns von außen zukommen können, antwortet Theophilus: „Demnach müßten wir selbst außer uns sein, denn die intellektuellen Ideen oder die Ideen der Reflexion sind aus unserem Geiste hergenommen: Und ich möchte gerne wissen, wie wir die Idee des Seins haben könnten, wenn wir nicht selbst Seiende wären und auf diese Art das Sein nicht in uns finden würden."123 Ähnlich erklärt sich Theophilus an anderer Stelle, wenn es hier heißt: „Die Ideen des Seins, des Möglichen, des Gleichen sind so sehr eingeboren, daß sie in alle unsere Gedanken und Räsonnements eingehen, und ich betrachte sie als unserem Geiste wesentliche Dinge. Aber ich habe femer gesagt, daß man ihnen nicht immer eine besondere Aufmerksamkeit zuteilt und daß man sie erst mit der Zeit unterscheidet. Ich habe schon gesagt, daß wir uns sozusagen selbst eingeboren sind, und, weil wir Seiende sind, das Sein uns eingeboren ist, und daß die Erkenntnis des Seins eingehüllt ist in diejenige, die wir von uns selbst haben. In anderen allgemeinen Ideen findet sich etwas, was dem nahe kommt."i24 Die entscheidende Stelle, auf die man sich immer wieder beruft, findet sich schließlich im zweiten Buch der Nouveaux Essais. Auf die von Theophilus selbst aufgeworfene Frage: „Hat die Seele Fenster, gleicht sie Wachstäfelchen, ist sie wie aus Wachs?" wird folgende Antwort gegeben: „Es ist augenscheinlich, daß alle diejenigen, die auf diese Art von der Seele denken, sie im Grunde zu etwas Körperlichem machen. Man wird mir dieses unter den Philosophen als wahr anerkannte Axiom entgegenhalten, daß nichts in der Seele sei, was nicht von den Sinnen komme. Aber man muß die Seele selbst und ihre Affektionen hiervon ausnehmen. Nihil est in intellectu, quod nonfuerit in sensu, excipe: nisi ipse intellectus. Folglich schließt die Seele das Sein, die Substanz, das Eine, 123 NE I l, § 23 = A VI 6, 85f. („Q faudroit done que nous fussions nous memes hors de nous, car les idees intellectuelles ou de reflexion sont tirees de notre esprit: Et je voudrois bien savoir, comment nous pourrions avoir l'idee de l'etre, si nous n'etions des litres nous memes, et ne trouvions ainsi l'etre en nous."). 124 NE I 3, § 3 = A VI 6, lOlf. („L'idee de l'etre, du possible, du Meme, sont si bien innees, qu'elles entrent dans toutes nos pensees et raisonnemens, et je les regarde comme des choses essentielles ä notre esprit; mais j'ai deja dit, qu'on n'y fait pas toujours une attention particuliere et qu'on ne les demele qu'avec le terns. J'ai dit encore que nous sommes, pour ainsi dire, innes ä nous memes, et puis que nous sommes des etres, l'etre nous est inne; et la connoissance de l'etre est enveloppee dans celle que nous avons de nous memes. II y a quelque chose d'approchant en d'autres notions generales.").
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das Gleiche, die Ursache, die Perception, das Räsonnement und eine Menge anderer Ideen ein, die die Sinne nicht liefern können."125 Auch in diesem Zusammenhang macht Leibniz auf die Nähe zu Lockes Begriff der „reflection" aufmerksam.126 Ehe wir jetzt aber zu einer Interpretation dieses oft mißdeuteten Philosophoumenon übergehen, wird es nützlich sein, seine Herkunft im Denken Leibniz' zu untersuchen. Durch eine solche Untersuchung hoffen wir allein schon einen Hinweis darauf zu erhalten, in welchem Kontext diese Formel verstanden werden will. 1. Zur Herkunft der Formel nisi ipse intellectus Die Formel: Nihil est in intellectu, quod non priusfuerit in sensu war Leibniz schon in seinen Studienzeiten geläufig; denn sie ist als eigenhändige Eintragung in seinem Handexemplar des Compendium Metaphysicum von Daniel Stahl127 nachweisbar, welche aus den Jahren 1663/64 datiert.128 125
NE II l, § 2 = A VI 6, HOf. („L'ame at-elle des fenetres, ressemblet-eUe a des tablettes, est eile comme de la cire? II est visible que tous ceux qui pensent ainsi de l'ame la rendent corporelle dans le fond. On m'opposera cet axiome receu parmy les philosophes, que rien n'est dans l'ame qui ne vienne des sens. Mais il faut excepter l'ame meme et ses affections. Nihil est in intellectu quod non fuerit in sensu, excipe: nisi ipse intellectus. Or l'ame renferme l'estre, la substance. Tun, le meme, la cause, la perception, le raisonnement, et quantite d'autres notions que les sens ne sauroient donner."). Vgl. auch das Wort aus den Remarques sur l'ecrit de Locke: Examination of Malebranche's Opinion of Seeing All Things in God: „C'est par la connoissance que nous avons de l'Ame, que nous connoissons I'Estre, la substance, Dieu meme"
126
(A VI 6,557). Vgl. auch G VI 403. „Cela s'accorde assez avec vostre Auteur de YEssay, qui cherche la source d'une bonne partie
des idees dans la reflexion de l'esprit sur sä propre nature" (NE II l, § 2 = A VI 6, 111). Vgl. NE, Preface = A VI 6, 53. 127 D. STAHL, Compendium Metaphysicae in XXIV Tabellas redactum, Jena 1655. 128 Vgl. A VI l, 34. Leibniz scheint diese Formel Aristoteles zuzuschreiben, wenn es hier heißt: Unde illud III. de animä: Nihil est in intellectu, quod non prius fuerit in sensu. (Selbst noch in § 27 des Discours de melaphysique verweist Leibniz diesbzgl. auf Aristoteles: siehe dazu unten S. 176 A. 255. Vgl. auch den Brief an Mansch vom 25, 7. 1707 [E 446 a], wo Leibniz Aristoteles in einem Atemzug mit Locke nennt: Tabulae rasae Aristotelis et Lockii aliorumque recentiorum.) Hierzu ist zu sagen: Erstens ist diese Formel bei Aristoteles nicht belegbar. Zweitens vertritt Aristoteles auch der Sache nach keineswegs diesen Grundsatz des Sensualismus. Die Formel Nihil est in intellectu quod non priusfuerit in sensu findet sich unseres Wissens ein erstes Mal bei THOMAS VON AQUIN, De veritate q. 2, a. 3, arg. 19: Praeterea, nihil est in intellectu quod non sit prius in sensu. Sed in Deo non est ponere sensitivam cognitionem, quia
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Nur wenige Jahre später, 1669, macht sich Leibniz Auszüge aus der Appendix practica von J. J. Becher,129 denen er Randbemerkungen hinzufügt. Zu dem Auszug: Axioma incertum est: nihil in intellectu (pag. 49), quod non prius in sensu, vermerkt er am Rande: limitandum hoc modo: nihil est in intellectu quod non prius fuerit in sensu. Nisi ipse intellectus.130 Erich Hochmaterialis est. Ergo ipse non intelligit res creatas, cum non sint prius in eius sensu. Vgl. die entsprechende rat. 19: Ad decimumnonum dicendum, quod verbum illud est intelligendum de intellectu nostro, qui a rebus scientiam accipit; gradatim enim res a sua materialitate ad immaterialitatem intellectus deducitur, scilicet mediante immaterialitate sensus; et ideo oportet ut quod est in intellectu nostro, prius in sensu fuerit; quod in intellectu divino locum non habet. Später findet sich diese Formel wieder bei BOVTLLUS, De intellectu c. IX, § 3: Nichil est in sensu: quin prius fuerit in intellectu. Et nichil est in intellectu: quin prius fuerit in sensu. Prima vera est propter angelicu intellectu: secunda propter humanu. Ein Vorläufer dieser Formel läßt sich schon bei QCERO, De finibus I 19, § 64, belegen: Quicquid porro animo cemimus, id omne oritur a sensibus, der diesen Satz Epikur zuschreibt. NIKOLAUS VON CXIES bezieht diesen Grundsatz in De mente, cap. 2, ausschließlich auf die ratio: Nihil sit in ratione, quod prius non fuit in sensu (N. 64, Z. 10f.). Vgl. dazu KREMER2,37. Aber er nennt ihn auch in bezug auf den intellectus (vgl. Excitalio III: Nihil sit in intellectu quod prius non fuerit in sensu [p II/l, fol. 60r, Z. 2f. ]; vgl. auch De visione Dei 24: Unde nihil tale polest esse in intellectu: quod prius non fuit in sensu [N. 129]; vgl. dazu KREMER2, 29 u. A. 30). DESCARTES, Oeuvres, VI 37 (Discours, IV) überliefert diesen Grundsatz so: „Les Philosophies tienent pour maxime, dans les Escholes, qu'il n'y a rien dans l'entendement qui n'ait premierement este dans le sens". — Die folgenden Sätze LOCKES (Essay, II l, § 5) kommen dieser Formel wohl am nächsten: „And that we have nothing in our Minds, which did not come in, one of these two ways [sc. sensation or reflection] ... He will, upon taking a strict view, see, that he has not any Idea in his Mind, but what one of these two have imprinted." — Aristoteles vergleicht zwar in der Schrift De anima III 4, 429 b 30-430 a 2, den noch nicht aktuell denkenden Geist mit einer Schreibtafel (grammateion). Doch ist dieser Vergleich nicht sensualistisch gemeint. Die in De anima III 5 vorgenommene Aufspaltung der Denktätigkeit in einen nous pathotikos und einen nous poietikos macht eine solche Interpretation zunichte. Denn im aristotelischen nous poietikos kommt der platonische Apriorismus wieder zum Tragen. Vgl. dazu DURING, 578-583; SEIDL, 113-136. Doch stand Leibniz mit seinem Aristoteles-Verständnis keineswegs allein. Noch in der 4. Auflage seines Philosophischen Lexicons von 1775 können wir bei WALCH, II 1327, nachlesen: Aristoteles traf die Sache besser, wenn er die angebohme Ideen verwarf und dafür hielt, daß alles durch die Sinne in den Verstand käme; was er aber von dem intellectu agente lehrte, war nichts nütze." 129 J. J. BECHER, Appendix practica, Über Seinen Methodum Didacticam, Darinnen Was in besagtem Methode dunckel... ist, erklärt wird, München 1669. 130 A vi 2, 393. Vgl. VE 164 = Faszikel l, N. 51, wobei hier allerdings die Datierung nicht feststeht und zwischen 1677-1716 angesetzt wird. Vgl. Grua II 657, wo es in Leibniz' Theses paradoxae adjectae Chr. Thomasü Dialogo de substantia zu dem Satz: Nihil est in intellectu quod non prius fuerit in sensu, ähnlich heißt: Ergone et ipse intellectus? Die Schrift von Thomasius erschien 1694.
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stetter schreibt in seinem Vorwort zu dem zweiten Band der sechsten Reihe der Akademieausgabe, wo diese Randbemerkung belegt ist: „Aber ganz nebenbei steht in dieser letzten Gruppe auch ein wohl im Sommer 1669 geschriebener Satz, in dem einst Jahrzehnte das Rosume seines [sc. Leibniz'] 'erkenntnistheoretischen' Nachdenkens sehen zu können geglaubt haben: Am Rande seines Auszugs aus J. J. Bechers 'Appendix practica' hat er u.a. mit ruhiger Feder, glatt, ohne ein Zögern, ohne Bedenken verratende Streichungen oder Korrekturen geschrieben: "Nihil est in intellectu, quod non prius fuerit in sensu. Nisi ipse intellectus'... Ein gut gelernter Satz, den er wohl dem Unterricht seines Lehrers Jacob Thomasius verdankte, aber auch bei Sperling hätte lesen können: Ein Ergebnis des Tabula-rasa-Streites der damaligen Aristoteliker."131 Die Beantwortung der Fragen, wer diese Formel vom nisi ipse intellectus letztlich als erster geprägt und von wem Leibniz diese Formel übernommen hat, steht bis zur Stunde noch aus.132 Sie können auch im Rahmen dieser Arbeit nicht beantwortet werden. Wenn auch die Beantwortung dieser Fragen für den Entwicklungsgang von Leibniz' Denken sicherlich hilfreich wäre, so ist sie doch für unsere Untersuchung nur von sekundärem Interesse. Entscheidend ist für unsere Belange allein die Tatsache, daß diese Formel, die der 23-jährige Leibniz als Randbemerkung zu einem Exzerpt vermerkt hat, nicht von ihm selbst stammen kann. Dagegen sprechen nicht nur die von Hochstetter genannten formalen Kriterien, sondern auch die einfache Überlegung, daß Leibniz in diesen frühen Jahren weder sonderüch an erkenntnistheoretischen Fragestellungen interessiert war, noch seine Substanz-Metaphysik entworfen hatte. Die Formel vom nisi ipse intellectus muß also ein Philosophoumenon der Schulen gewesen sein, das Leibniz bereitstand.133 Eine gewisse Antizipation der Formel vom nisi intellectus ipse könnte man vielleicht schon bei Descartes sehen, wenn er im vierten Teil seines Discours de la mfthode innerhalb der Gottesbeweisproblematik auf jene zu sprechen kommt, die überzeugt sind, daß es schwierig sei, Gott und seine eigene Seele zu erkennen. Descartes führt diese Meinung darauf zurück, daß ihre Vertreter sich niemals über die sinnlich wahr131
A VI 2, XXIV. Vgl. auch HOCHSTETTER2, 95.
132
STACK1, 81, verweist diesbzgl. auf die Schrift In librum Boethii de Trinitate des THOMAS VON AQUIN, aber ohne nähere Stellenangabe, was wir nicht bestätigen konnten.
133
Vgl. SCHNEIDERS1, 175; TONELLJ, 441. Vgl. dagegen FEUERBACH, 145, der diesbzgl von „dem großen Gedanken Leibnizens" spricht. WUST spricht hier ähnlich von dem „so ganz tiefen Aprioribegriff des Leibniz" (II 160; vgl. 103. 112). Vgl. ebenso STACK1, 81; WUNDT, 263.
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nehmbaren Dinge erheben und sich so daran gewöhnt haben, nichts zu durchdenken, ohne sich ein Bild davon zu machen. Und alles das, wovon man sich kein Bild machen kann, erscheint ihnen als etwas, wovon sich auch kein Begriff gewinnen läßt. Und Descartes fährt fort: „Was darin genügend offenkundig ist, daß sogar die Philosophen es in den Schulen als Maxime annehmen, daß es nichts im Verstande gebe, was nicht zuerst im Sinn gewesen sei, wo jedoch die Ideen von Gott und von der Seele sicherlich niemals gewesen sind."134 Was bedeuten diese Überlegungen für unsere Frage? Sie bedeuten erstens, daß die Formel vom nisi ipse intellectus nun in einem ganz anderen Licht erscheint. Sie bringt, wie Hochstetter treffend feststellt, nicht Leibniz' Resümee seines erkenntnistheoretischen Nachdenkens zum Ausdruck. Sie bedeuten zweitens, daß die Formel vom nisi ipse intellectus wohl eher auf der Folie des «Systeme commun» als auf derjenigen des »Systeme nouveau», also der monadologischen Ebene, zu lesen ist. Damit aber gewinnt die Leibnizsche Auffassung der menschlichen Erkenntnis einen ganz neuen Stellenwert, den wir auch schon in unserer Einführung anzudeuten suchten. Das, was in der bisherigen Leibniz-Forschung als der Standpunkt der Substanz-Metaphysik gegolten hat, scheint jetzt in das Gebiet des «Systeme commun» verwiesen, welches auch ohne die Substanz-Metaphysik auszukommen scheint. 2. Der Umfang des intellectus ipse Auf die Frage nach dem Umfang des intellectus ipse gibt Leibniz leider nirgends eine systematische Antwort.135 In den bisher aufgeführten Stellen, wo Leibniz auf den intellectus ipse zu sprechen kommt, sind uns die Ideen des Seins, der Einheit, der Substanz, der Dauer, der Veränderung, der Tätigkeit, der Perzeption, der Lust, des Möglichen, des Gleichen, der Ursache und des Räsonnements begegnet,136 wobei allein die Idee des Seins in allen Aufzählun134
DESCARTES, Oeuvres, VI 37 („Ce qui est assez manifeste de ce que mesme les Philosophes tienent pour maxime, dans les Escholes, qu'il n'y a rien dans l'entendement qui n'ait premierement este dans le sens, ou toutefois il est certain que les idees de Dieu & de l'ame n'ont iamais este.").
135
Vgl. SCHNEIDERS1, 175.
136
m
,jer Schrift De primae philosophiae emendatione, et de notione substantiae von 1694 zählt Leibniz folgende metaphysische Ideen auf: Substanz, Ursache (causa), Tätigkeit (actio), Relation, Ähnlichkeit (similitudo). Diese Ideen bezeichnet er auch als allgemeine Ideen (notiones generales) (G IV 468). In den Elementa Rationis heißt es ähnlich: Jam verö communes illae
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gen zu finden ist. Die Ideen der Einheit, der Substanz und des Gleichen tauchen jeweils in mehreren Aufzählungen auf. Was ist allen diesen genannten Ideen gemeinsam, deren Anzahl, wenn man hier Leibniz' Andeutungen folgen darf, sich noch weiter vermehren ließe? Das Entscheidende dieser Ideen, die Leibniz auch als reine Ideen (idees pures),137 intelligible Ideen (idoes intelligibles)138 oder auch als intellektuelle Ideen (idoes intellectuelles)139 bezeichnet, liegt darin, daß sie nicht von den Sinnen stammen.140 Leibniz stellt sie den Phantomen der Sinne (les phantomes des sens) gegenüber.141 Was aber nicht von den Sinnen kommt, ist eingeboren. Und das, was eingeboren ist, macht den intellectus ipse aus.142 In diesem Sinne kann
137 138 139 140
141 142
notiones Entis, substantiae, et Unius ejusdemque, turn possibilis, Necessarii, causae, ordinis, durationis, intelligi mente possunt, oculis cemi non possunt. Quemadmodum nee veri et falsi, boni et mali, voluptatis et doloris, justi et injusti, utilis et damnosi. His tarnen constat omnis ferö ratiocinatio nostra (C 343). In der Epistola ad Hanschium nennt Leibniz folgende Ideen: ens, unum, substantiam, actionem et similia, welche wir in uns entdecken können (E 446 a). V g l . N E I l , § 5 = AVI6,77. Vgl. NEIV 4, § 5 = A VI6, 392. Vgl. N E U , §11= A VI 6, 81. Vgl. EBD.; IV 4, § 5 = A VI 6, 392. N E I 1 , § 5 = AVI6,77. BELAVAL3, 128, meint, hier unbedingt auf den göttlichen Verstand rekurrieren zu müssen und deutet den nisi-Satz wie folgt um: Nihil est in intellectu meo, quod non fuerit in sensu, nisi intellectus Dei. Der Bezug zum intellectus divinus ist natürlich im Zusammenhang des Eingeborenen bei Leibniz immer gegeben, doch ist dieser für das Verständnis des „nisi"-Satzes nur von untergeordneter Bedeutung. Leibniz bringt den intellectus divinus in diesem Zusammenhang zwar an einer Stelle selbst mit ins Spiel, aber in einer anderen Bedeutung, wenn er schreibt: Verissimum est multa esse in intellectu quae non fuere in sensu, et nihil esse in sensu quod non fuerit in intellectu, nempe divino, seu ideis ... (Grua I 397). Gemeint ist hier allerdings nur der göttliche Verstand als Ort der Möglichkeiten auch für die Existenzen. — Ebensowenig gehört das Denken der Mannigfaltigkeit — varia a me cogitantur, worauf Leibniz im Gegensatz zu Descartes das Gewicht legt (vgl. A II l, 246f.; Grua II 511; G IV 357) — wesentlich dem intellectus ipse an, wie MARSCHALLEK, 137, meint. Denn hierbei geht es gerade nicht um das, was den Verstand auszeichnet, also das Eingeborene, sondern um Tatsachenwahrheiten, die einen ersten Hinweis darauf geben, daß ich nicht alleine auf dieser Welt existiere. Leibniz bezeichnet an keiner Stelle die aus der ursprünglichen Tatsachenwahrheit: varia a me cogitantur resultierenden Ideen als eingeboren. Vgl. SCHNEIDERS1, 176. Zum Eingeborensein der ursprünglichen Tatsachenwahrheit: „Ich bin", siehe unten S. 102f. — ARROYABE, 4 A. 28, verkennt die Bedeutung des intellectus ipse völlig, wenn er diesbzgl. an Leibniz die Frage stellt: „intellectus wovon?"
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Leibniz zu Recht sagen: „Es ist sehr wahr, daß vieles im Verstand ist, was nicht im Sinn gewesen ist."143 3. Reflexion bei Leibniz und „reflection" bei Locke Die intellektuellen Ideen stammen nicht von den Sinnen, sie stammen vielmehr aus dem Geist selbst.144 Leibniz bezeichnet diese Ideen auch als Ideen der Reflexion (idees intellektuelles ou de reflexion).145 Was aber ist mit diesem Begriff der Reflexion bei Leibniz gemeint, die für den Erwerb dieser Ideen notwendig ist? Ist mit diesem Begriff der Reflexion bei Leibniz das gemeint, was Locke „reflection" nennt? Leibniz selbst macht ja immer wieder auf die Nähe zu Locke in diesem Punkt aufmerksam.146 Die gesamte Erkenntnis gründet sich ja bekanntlich nach Locke auf die Erfahrung (Experience). „Es ist unsere Beobachtung", schreibt Locke,147 „angewandt entweder auf die äußeren, sinnlich wahrnehmbaren Gegenstände oder auf die inneren Tätigkeiten unseres Geistes, die wir wahrnehmen und über die wir nachdenken, die unseren Verstand mit allen Inhalten des Denkens versorgen. Diese beiden sind die Quellen der Erkenntnis, aus denen alle Ideen entspringen, die wir haben oder naturgemäß haben können." Die erstere Grundlage nennt Locke auch „sensation", die letztere „reflection". Unter der „reflection" versteht Locke „die Wahrnehmung der Tätigkeiten unseres eigenen Geistes in uns".148 Hierdurch werden uns die Ideen des Wahrnehmens (Perception), Denkens (Thinking), Zweifeins (Doubting), Glaubens (Believing), Schließens (Reasoning), Erkennens (Knowing), Wollens (Willing) und all der anderen ver-
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Grua I 397 (Verissimum est multa esse in intellectu quae non fuere in sensu.). — Dem Verweis CASSIRERs^, XVf., auf den Platonischen Theaitetos in diesem Zusammenhang müßte einmal eigens nachgegangen werden. N E I 1 , § 11= A VI6,81. N E U , § 2 3 = A VI6,85. V g L N E I 1,§ 11 = A VI 6, 81. LOCKE, Essay, II l, § 2 („Our Observation employ'd either about external, sensible Objects; or about the internal Operations of our Minds, perceived and reflected on by our selves, is that, which supplies our Understandings with all the materials of thinking. These two are the Fountains of Knowledge, from whence all the Ideas we have, or can naturally have, do spring."). Vgl.EBD.,IIl,§4. EBD., II 1, § 4 („the Perception of the Operations of our own Minds within us"). Vgl. EBD., II 1,§5.§24.
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schiedenen Tätigkeiten unseres eigenen Geistes gegeben, die uns die Dinge der Außenwelt nicht liefern können.149 Leibniz dagegen spricht in bezug auf die Reflexion weder von Wahrnehmung noch von den Tätigkeiten des Geistes. In seinem Echantillon des ruflexions sur les livres I et II de l'Essay de Locke, eine Schrift, die aus dem Jahre 1698 stammt und dem direkten Umfeld der Nouveaux Essais zugehört, macht Leibniz den Unterschied in der Frage nach der Reflexion gegenüber Locke deutlich, wenn es hier heißt: „Es ist sehr richtig, daß unsere Perzeptionen der Ideen entweder von den äußeren Sinnen herkommen oder vom inneren Sinn, welchen man Reflexion nennen kann; aber diese Reflexion beschränkt sich nicht allein auf die Tätigkeiten des Geistes, wie in Kapitel I, § 4 [des zweiten Buches] gesagt wird. Sie dringt bis zum Geist selbst vor, und indem wir diesen apperzipieren, apperzipieren wir die Substanz."150 Diese Stelle könnte noch so verstanden werden, daß Leibniz1 Begriff der Reflexion Lockes Begriff der „reflection" mitumfaßt, aber gleichzeitig doch weiter geht, indem die Reflexion sich nicht nur auf die Tätigkeiten des Geistes bezieht, sondern auch auf den Geist selbst.151 Ein solches Verständnis, das den Reflexionsbegriffs von Leibniz in nächster Verwandtschaft zu dem Begriff der „reflection" von Locke beläßt, wird aber durch andere Textstellen erschüttert. In der Vorrede zu den Nouveaux Essais spricht Leibniz an verschiedenen Stellen davon, daß die Prinzipien verschiedener Ideen (notions) und Lehrsätze (doctrines), die die Seele ursprünglich in sich enthält, nur bei Gelegenheit durch die äußeren Objekte wachgerufen werden.152 Diese Stellen weisen nun doch eindeutig in eine andere Richtung. Sie befreien den Reflexionsbegriff Leibniz' von jedem Verdacht einer Reduzierung auf den Begriff einer inneren
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EBD., II l, §4. 150 A VI 6, 14 („II est tres vray que nos perceptions des idees, viennent ou des sens exterieurs, ou du sens interne, qu'on peut appeller reflexion; mais cette reflexion ne se borne pas aux seules operations de l'esprit, comme il est dit chap. I. §. 4. eile va jusqu'ä l'esprit luy meme, et c'est en s'appercevant de luy, que nous nous appercevons de la substance."). 151 SoJOLLEY8, 181f. 152 NE, Preface = A VI 6,48: „que les objects externes reveillent seulement dans les occasions"; A VI 6, 49: „Les sens quoyque necessaires pour toutes nos connoissances actuelles ne sont point suffisans pour nous les donner toutes"; A VI 6, 50: „quoyque sans les sens on ne se seroit jamais avise d'y penser"; „a quoy les occasions sont foumies par les sens". Siehe dazu unten S. 107ff.
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Wahrnehmung im Sinne Lockes153 und bringen ihn vielmehr in die Nähe Platons, der anhand der Idee der Gleichheit im Phaidon154 die Frage nach apriorischen Inhalten in einer bis heute unüberholten Weise aufgeworfen und auch beantwortet hat.155 In diesem Sinne bestimmt Leibniz die Reflexion als die Aufmerksamkeit (attention) auf das, was in uns ist, auf das, was die Sinne uns nicht geben können.156 Neben der Erfahrung als conditio sine qua non ist diese Aufmerksamkeit die zweite Bedingung zur Aktualisierung der Verstandeserkenntnis.157 Lockes Begriff der „reflection" kommt für die Aktualisierung der Verstandeserkenntnis nach Leibniz dagegen nicht mehr und nicht weniger Bedeutung zu als dem der „sensation": Die „reflection" im Sinne Lockes kann uns die intellektuellen Ideen nicht liefern; sie kann — ebenso wie die „sensation" — nur Gelegenheitsursache sein. Die Erwartung Philalethes1: „Ich hoffe doch, daß Sie diesem gelehrten Verfasser zugeben werden, daß alle Ideen aus der Sensation oder Reflexion herkommen. D.h. aus Beobachtungen, die wir entweder an den äußeren und sinnlich wahrnehmbaren Gegenständen oder an den inneren Tätigkeiten unserer Seele machen", wird eindeutig durch folgende Antwort Theophilus' frustriert: „Um eine Streitigkeit zu vermeiden, bei der wir uns nur zu sehr aufgehalten haben, erkläre ich Ihnen im voraus, mein Herr, daß, wenn Sie sagen, daß die Ideen uns aus der einen oder anderen dieser Ursachen herkommen, ich das von ihrer aktuellen Perzeption verstehe, denn ich glaube gezeigt zu haben, daß sie in uns sind, bevor man sie als etwas Deutliches apperzipiert".158 Mit dieser klaren Absage ist jede Annäherung an Lockes Begriff der „reflection" abgewiesen. 153 vgl. dagegen AARSLEFF2,406; H. BARTH, 397. 154 Leibniz hat ja bekanntlich die beiden Platonischen Dialoge Phaidon und Theaitetos bearbeitet (vgl. A VI 3, 283-311). Zur Platonischen Aprioritätsproblematik im Phaidon vgl. bes. A VI 3, 288 A. 4. 155 Siehe dazu oben S. 74ff. und unten S. 107ff. 156 NE, Preface = A VI 6, 51. — Reflexion meint hier somit auch nicht die Tätigkeit des diskursiven Denkens, also der Vernunft, von der Leibniz z.B. in NE II 9, § 14 = A VI 6, 139 (Ja puissance de reflechir") und NE II 21, § 5 = A VI 6, 173 (Je pouvoir" bzw. Ja faculte de reflechir") spricht. Vgl. NE II l, § 19 = A VI6,118. 157 Siehe unten S. l lOff. 158 NE II l, § 2 = A VI 6, 111 („PhilaL J'espere done que vous accorderes ä cet habile auteur que touies les idles viennent par sensation ou par reflexion. C'est a dire des observations que nous faisons ou sur les objets exterieurs et sensibles ou sur les operations interieures de nostre ame.
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§ 16 Der Verstand als Sitz der ersten Prinzipien oder Axiome: eingeborene Prinzipien Der Verstand erweist sich nicht nur als Sitz der intellektuellen Ideen, welche mit ihm selbst gegeben sind und darum zu Recht als eingeboren gelten können, wenn man das als eingeboren bezeichnet, was im Verstande ist und nicht von den Sinnen herkommen kann, sondern er erweist sich in diesem Sinne auch als Sitz der ersten Prinzipien oder Axiome, ohne die der Mensch nicht über die Erkenntnis der Ideen, seien sie verworren oder deutlich, hinausgelangen könnte. Auch diese ersten Prinzipien oder Axiome sind unabhängig von den Sinnen und haben darum als eingeboren zu gelten. In diesem Sinne gehören sie auch zum Umfang des intellectus ipse.
1. Identische Axiome Als erstes sind hier die beiden großen Prinzipien der Spekulation zu nennen: das Prinzip der Identität und das des Widerspruchs.159 Selbst wenn man diese Prinzipien nicht kennte, würde man sie anerkennen, wenn man sie vernähme. Aber im Grunde genommen kennt sie jedermann. So bedient man sich z.B. des Prinzips des Widerspruchs in jedem Augenblick, auch wenn man dieses Prinzip nicht deutlich betrachtet.160 „Ich gebe zu, daß es unendlich viele Personen gibt,
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Theoph. Pour eviter une contestation sur la quelle nous ne nous sommes arrestes que trop, je vous declare par avance, Monsieur, que lorsque vous dires que les idees nous viennent de l'une ou l'autre de ces causes, je l'entends de leur perception actuelle, car je crois d'avoir monstres, qu'eUes sont en nous avant qu'on s'en apper(oit, en tant qu'elles ont quelque chose de distinct."). Siehe oben S. 29ff. NE I l, § 4 = A VI 6, 76. „Sans le regarder distinctement" wird von Cass.2, 41, und Ph. Sehr., I 21, ungenau übersetzt mit: „ohne besonders darauf zu achten". Vgl. NE I l, § 18 = A VI 6, 83f.: ,41 est vrai que nous commencons plustot de nous appercevoir des verites paticulieres, comme nous commen9ons par les idees plus composees et plus grossieres. Mais cela n'empeche point que l'ordre de la nature ne commence par le plus simple, et que la raison des verites plus particulieres ne depende des plus generates, dont elles ne sont que les exemples. Et quand on veut considerer ce qui est en nous virtuellement et avant toute apperception, on a raison de commencer par le plus simple. Car les principes generaux entrent dans nos pensees dont ils fönt l'ame et la liaison. Ils y sont necessaires, comme les muscles et les tendons le sont pour marcher, quoiqu'on n'y pense point. Lesprit s'appuie sur ces principes a tous momens, mais il ne vient pas si aisement a les demeler et ä se les representer distinctement et separement, parce que cela demande une grande attention ä ce qu'il fait, et la pluspart des gens peu accoutumes a
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die dies [sc. das Widerspruchsprinzip] niemals ausdrücklich formuliert haben. Ich habe sogar Verfasser gesehen, die es widerlegen wollten, da sie es zweifellos falsch aufgefaßt haben. Aber wo wird man jemanden finden, der sich dessen nicht in der Praxis bedient und der nicht an einem Lügner Anstoß nehmen würde, der sich widerspricht?"161 Leibniz vergleicht die Anwendung dieser Prinzipien mit dem virtuellen Besitz der ausgelassenen Vordersätze im Geiste bei den Enthymemen, wobei unter einem Enthymem ein unvollkommener Syllogismus verstanden wird, bei dem eine Prämisse fehlt, die in Gedanken zu ergänzen ist.162 Leibniz bezeichnet diese Prinzipien der Spekulation auch als „identische Axiome", welche ursprünglich oder unmittelbar und unbeweisbar sind.163 Als Grundlagen des Denkens sind sie selbst unbezweifelbar.164 2. Sekundäre Axiome An sich genügten diese identischen Axiome zur Gewinnung neuer Wahrheiten aus den Ideen selbst. Doch würde es zu lange dauern, immer wieder ab ovo beginnen zu müssen.165 Aus diesem Grunde bedient man sich „sekundärer Axiome", wobei diese dadurch zu beweisen sind, daß sie auf die identischen Axiome zurückgeführt werden.166 Ja die Zurückführung der sekundären mediter n'en ont gueres." Leibniz spricht in diesem Zusammenhang auch von einer „natürlichen Logik", die man aber nicht apperzipiert (une Logique naturelle sans s'en appercevoir) (NE I 2, § 3 = A VI 6, 91). 161 A VI 6, 13 („J'avoue qu'il y a une infinite de personnes qui n'en [sc. le principe de contradiction] ont jamais fait une enontiation expresse. J'ay vu meme des auteurs qui l'ont voulu refuter, le prenant sans doute de travers. Mais oü en trouverat-on qui ne s'en serve en practique, et qui ne soit choque d'un menteur qui se contredit?"). Vgl. NE I l, § 4 = A VI 6, 76: ,41 n'y a point de barbare qui dans une affaire qu'il trouve serieuse, ne soit choque de la concuite d'un menteur, qui se contredit." 162 NE, I 1. § 4 = A VI 6, 76; vgl. NE I l, § 18 = A VI 6. 83; IV 7, § 19 = A VI 6, 424. 163 Vgl. NE IV 7, § l = A VI 6, 408; I l, § 18 = A VI 6, 82; G VII 295. Wobei das Prinzip des Widerspruchs mit dem der Identität sachlich übereinstimmt (siehe oben S. 29 A. 113). — Ich kann hier SIGALL, T. 2, 31, nicht folgen, nach dem das Identitätsprinzip auf den eingeborenen Ideen ruht. 164 N E I 2 , § 1 3 = AVI6,96f. 165 Vgl. NE IV 7, § 11 = A VI 6,415. 166 Vgl. NE IV 7, § l = A VI 6, 408. — Leibniz hat zeitlebens an dieser Forderung festgehalten, die nicht ursprünglichen Axiome (les axiomes qui ne sont point primitifs) zu beweisen (NE I l, § 2 = A VI 6,75; vgl. NE I 3, § 24 = A VI 6, 107; II 21, § 3 = A VI 6,170; G IV 354f.), wobei
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Axiome auf identische und unmittelbare mit Hilfe von Definitionen, die nichts anderes als eine deutliche Darlegung der Ideen sind, ist für Leibniz geradezu ein Beweis für ihr Eingeborensein.167 Leibniz ist hier in der Terminologie nicht immer konsistent. Er nennt neben Axiomen168 auch Theoreme, Kanones169 und Maximen170, wobei er an anderer Stelle unter Maximen sowohl Axiome als auch Theoreme versteht.171 Diese terminologische Unklarheit verhindert aber nicht den Blick auf das, worum es Leibniz hier geht. Die sekundären Axiome, die prinzipiell auf die identischen zurückführbar sind, dienen dazu, den Beweisgang abzukürzen, da man mit Hilfe dieser einmal bewiesenen sekundären Axiome nun nicht immer wieder bis zu den identischen zurückgehen muß.172 Die Frage, wie viele eingeborene Prinzipien es insgesamt gibt, vermag Leibniz nicht zu beantworten. Denn es gibt nach Leibniz von den eingeborenen Prinzipien ebensowenig ein genaues Verzeichnis wie von den Axiomen der Geometrie.173 Was aber hier entscheidend ist und was Leibniz immer wieder gegen Locke ins Felde führt, ist die Einsicht, daß diese Axiome nicht durch Induktion aus Beispielen gewonnen werden können, sondern daß es sich gerade umgekehrt verhält: Das Beispiel ist immer schon eine Anwendung des Axioms. Leibniz gibt hierzu folgende Erläuterung: „Derjenige, der erkennt, daß zehn mehr als neun, daß der Körper größer als der Finger ist und daß das Haus zu groß ist, um durch die Tür entfliehen zu können, erkennt jeden dieser partikularen Sätze durch denselben allgemeinen Grund, der hierin gleichsam verkörpert und aus-
er sich auch klar darüber war, daß dies im einzelnen Fall nicht immer leicht ist (vgl. NE IV 2, § 7 = A VI 6, 369f.). 167 NE 12, §21. 22 = A VI6,101. 168 Als Beispiel bringt Leibniz des öfteren: „Das Ganze ist größer als sein Teil" (NE I 3, § 6 = A VI 6, 102; IV 7, § 10 = A VI 6, 413). Man kann dieses Axiom durch ein Beispiel aus dem Bereich des Intelligiblen in den des Sensiblen überführen, indem man z.B. sagt: Der Körper ist größer als der Rumpf (N E IV 7, § 10 = A VI 6,413). 169 Vgl. NE IV 7, § 11 = A VI 6, 415. 170 v"gi_ NE IV 7, § 19 = A VI 6,424. Maximen sind „evidente Prinzipien" (des principes evidens) (NE IV 12, § 4 = A VI 6, 449). 171 Vgl. NE IV 7, § 19 = A VI 6,425. 172 Vgl. VE 646f. = Faszikel 3, N. 143, wo Leibniz die Axiomata oder Theoremata auch als veritates intellectuales bezeichnet. 173 NE 12, § 13 = A VI6,97.
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gemalt ist, ganz wie man Federstriche sieht, die mit Farben bedeckt sind, wo die Proportion und die Gestalt eigentlich in den Federstrichen besteht, die Farbe sei, welche sie wolle. Dieser gemeinsame Grund ist nun das Axiom selbst, das sozusagen impüzit bekannt ist, obwohl es dies nicht zuerst auf eine abstrakte und abgesonderte Weise ist. Die Beispiele leiten ihre Wahrheit aus dem in ihnen verkörperten Axiom ab, und das Axiom hat nicht die Grundlage in den Beispielen. Und da dieser gemeinsame Grund dieser partikularen Wahrheiten im Geist aller Menschen ist, sehen sie wohl, daß er es überhaupt nicht nötig hat, daß die Worte Ganzes und Teil sich in der Sprache desjenigen finden, der von ihm durchdrungen ist."174 Die Axiome sind also das der Natur nach Frühere — um eine bekannte Ausdrucksweise des Aristoteles aufzugreifen. 3. Das Prinzip des zureichenden Grundes Aber nicht nur das Prinzip der Identität und dasjenige des Widerspruchs, welches das Prinzip der Wahrheit bei notwendigen Sätzen ist,175 und die sekundären Axiome, die sich auf diese identischen Axiome zurückführen lassen, haben nach Leibniz als eingeboren zu gelten. In einer kleinen Schrift mit dem Titel De contingentia, die Gma auf das Jahr 1686 datiert,176 bezeichnet Leibniz auch ausdrücklich das Prinzip der Wahrheit bei kontingenten oder zufälligen Sätzen,177 das Prinzip des zureichenden Grundes, als von Gott her dem 174 NE IV 12, § l = A VI 6, 448f. („Celui qui connoit que dix est plus que neuf, que le corps est plus grand que le doigt, et que la maison est trop grande pour pouvoir s'enfu'ir par la porte, connoit chacune de ces propositions particulieres par une meme raison generate qui y est comme incorporee et enluminee, tout comme
voit des traits charges de couleurs, oü la proportion et
la configuration consiste proprement dans les traits, quelle que soil la couleur. Or cette raison commune est l'axiome meme qui est connu, pour ainsi dire, implicitement, quoiqu'il ne le soit pas d'abord d'une maniere abstrafte et separee. Les exemples tirent leur verite de l'axiome incorpore et l'axiome n'a pas le fondement dans les exemples. Et comme cette raison commune de ces verites particulieres est dans l'esprit de tous les hommes, vous voyez bien, qu'elle n'a point besoin que les mots tout et partie se trouvent dans le langage de celui qui en est pene175
176 177
tre."). Veritates necessariae sunt, quae possunt demonstrari per Analysin Terminomm, ita ut tandem evadant in identicas, quemadmodum in Algebra substitutis valoribus aequatio tandem identica prodit. Seu veritates necessariae pendent ex principio contradictionis (Grua I 303; siehe dazu unten S. 95 und S. 129). Grua 1302-306. Veritates contingentes non possunt reduci ad principium contradictionis, alioqui omnia forent necessaria, nee alia essent possibilia, quam quae actu ad existentiam perveniunt (Grua 303).
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Während man also bei den notwendigen Sätzen durch eine endliche Analyse zu einer identischen Gleichung gelangt, ist dies bei den konlingenten Sätzen nicht möglich, da der Fortschritt der Analyse hier ins unendliche geht, so daß man niemals einen vollen Beweis besitzt, wenn auch immer ein Grund für die Wahrheit besteht, der aber hier allein von Gott vollkommen eingesehen wird, der diese unendliche Reihe mit einem Geistesblitz (uno mentis ictu) durchlaufen kann (Grua I 303; vgl. E 446 a; vgl. dazu HEIMSOETH1, 246; MAHNKE, 37f.; SCHNEIDERS1, 175 A. 6). Wobei hier zu beachten ist, daß die vollständige Begründung einer Tatsachenwahrheit sowohl die Kenntnis der unendlichen Möglichkeiten als auch diejenige der unendlichen Existenzen verlangt, d. h. die zureichende Begründung für das Wirkliche verlangt die Erkenntnis der unendlichen Möglichkeiten, des Verhältnisses ihrer Kompossibilität und des Realitätsgehaltes aller möglichen Kombinationssysteme; und diese Unendlichkeit der Analyse wird noch einmal potenziert durch die Betrachtung des Einzeldinges in dieser Welt, welches die ganze Folge des Universums einschließt (vgl. HEIMSOETH1, 244f.). Zur Verdeutlichung hierfür gibt Leibniz gerne folgendes Beispiel aus der Mathematik: Uli in propositionibus necessariis per continuam analysin praedicati et subjecti res eo tandem reduci polest ut appareat notionem praedicati inesse subjecto, ita in numeris per continuam analysin (altemarum divisionum) tandem perveniri polest ad communem mensuram, sed quemadmodum in ipsis incommensurabilibus quoque datur proportio sive comparatio; etsi resolutio procedat in infmitum, nee unquam terminetur, uti ab Euclide est demonstratum; ita in contingenlibus datur connexio terminorum sive veritas, etsi ea ad principium contradictionis sive necessilatis per analysin in identicas reduci nequeat (Grua I 304). Vgl. F 181-185; Bodemann 121; C If. 17f. 18f. 272. 372. 374. 429f.; Grua l 287f. 366f.; G II 300; G III 259f. 400. 550. 582; G VI 413; Mon. § 33 = G VI 612; G VII 200. 296. 309; VE 403f. = Faszikel 2, N. 103,. — Es darf hier natürlich nicht übersehen werden, daß die Zuordnung des Widerspruchsprinzip zu den notwendigen und des Prinzip des zureichenden Grundes zu den zufälligen Wahrheiten im strikten Sinne nur für das menschliche Erkennen gilt Denn grundsätzlich, d. h. für das göttliche Erkennen, sind ja auch die zufälligen Wahrheiten auflösbar in identische. Das hat Leibniz auch nie anders gesehen. Vgl. G VI 414, wo es heißt: „L'un et l'autre Principe doit avoir lieu non seulement dans les verites necessaires, mais encor dans les contingentes, et il est necessaire meme que ce qui n'a aucune raison süffisante n'existe point. Car peut dire en quelque facon, que ces deux principes sont renfermes dans la definition du Vray et du Faux." Vgl. COUTURAT1, 216f.; DASCAL2, 31; SCHNEIDERS1, 175 A. 6; PAPE, 46. 58; J. JALABERT2, 35; HEIMSOETH1, 207f. 213. Zu Recht hat man darum immer wieder geltend gemacht, daß bei Leibniz alle Wahrheiten analytischer Natur seien (vgl. COUTURAT1, 210; , 131; KUNTZE, 60). Trotzdem bedeutet dies nicht, daß für Gott alle Wahrheiten auch notwendig sind (vgl. dagegen BROD, 169; COUTURAT1, 213f.; SCHRADER, 310). WISDOM, 101, bringt es auf den Punkt, wenn er schreibt: „It should be clear that this is not the case, and that even God must 'refer' to two aspects of his nature to 'see' the truth of necessary and contingent truths ... As long as there is a difference between God's understanding and his will, there will be some distinction between truths deriving from each domain." Der Unterschied ist also letztendlich ontologischer, nicht so sehr erkenntnistheoretischer oder methodologischer Natur (vgl. DASCAL1, 86; DASCAL2, 31; GIBSON, 303; PAPE, 30. 46). Die Identität als Kriterium der Satzwahrheit kompliziert sich somit bei der quaesuo facti sowohl nach der inhaltlich-objektiven (notwendige bzw. kontingente Wahrheiten) als auch nach der subjektiven Seite hin (unendliches bzw. endliches erken-
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menschlichen Geist eingeprägt, also als eingeboren (insitum divinitus menti nostrae principium).178 Leibniz begründet dies nicht weiter. Man wird aber wohl hier den gleichen Grund annehmen können, wie wir ihn schon von den identischen Axiomen her kennen: Selbst wenn man das Prinzip des zureichenden Grundes nicht kennte, würde man es anerkennen, wenn man es vernähme. Denn im Grunde genommen kennt es jedermann, da sich jeder dieses Prinzips bedient, auch wenn man es nicht deutlich betrachtet.
§ 17 Der Verstand als Quelle der notwendigen Wahrheiten: eingeborene Wahrheiten Eingeboren sind uns die intellektuellen Ideen und die ersten Prinzipien oder Axiome. Soweit hat uns die bisherige Analyse geführt. Die intellektuellen Ideen und ersten Prinzipien kann man als eingeboren im engeren Sinne bezeichnen. In einem weiteren Sinne sind nach Leibniz auch alle diejenigen Wahrheiten als eingeboren zu bezeichnen, die man aus ursprünglichen eingeborenen Kenntnissen ableiten kann.179 Unter „connoissances innres primitives" sind hier sowohl die eingeborenen Ideen180 als auch die eingeborenen Prinzipien gemeint.181 Also auch das, was wir durch Vernunfterwägung (par des raisonnemens), durch Überlegung (par des discours) oder durch geistige Bemühung (par quelque application d'esprit) aus diesen „connoissances innoes nendes Subjekt), wobei dieses Kriterium alles in allem für unsere menschliche Erkenntnis von recht begrenzter Natur ist. Nach T. BARTH, 153, ist es daher weniger ein Kriterium für einen endlichen als vielmehr für einen unendlichen Verstand (vgl. EBD., 156f.; PAPE, 59f.). In diesem Sinne kann man hier mit Recht davon sprechen, daß die Leibnizsche Philosophie ihren Ausgangspunkt vom Standpunkt Gottes aus nimmt (vgl. GURWITSCHH1, 45; PAPE, 61. 67). 178 Grua I 304f. McRAE2, 125, scheint diese Stelle nicht zu kennen. 17 ^ „Enfin dans un sens plus ample, qu'il est bon d'employer pour avoir des notions plus comprehensives et plus determines, toutes les verites qu'on peut tirer des connoissances innees primitives, se peuvent encore appeller innees, parce que l'esprit les peut tirer de son propre fonds, quoyque souvent ce ne soil pas une chose aisee" (NE I l, § 5 = A VI 6, 78; vgl. NE I 2, § 13 = A VI 6, 97). Vgl. HEIMSOETH1, 295 A. 1. ROBINET1, 23f., spricht in diesem Zusammenhang von einer typisch augustinischen Begriffsausdehnung des lumen naturale. 180 Nach Lejbnjz fm(Jen sich — im Gegensatz zu Locke — Erkenntnisse (connoissances) im weiteren Sinne nicht nur in Sätzen (propositions) oder Wahrheiten, sondern auch schon in den einzelnen Ideen oder Begriffen (termes) (vgl. NE IV l, § 2 = A VI 6, 355). 181 Vgl. A VI 6, 12f.
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primitives" erkennen, ist darum nicht weniger eingeboren.182 Da diese Wahrheiten aus den ursprünglichen eingeborenen Kenntnissen gewonnen werden, kann Leibniz hier auch von abgeleiteten Wahrheiten (verites derivatives) sprechen.183 Abgeleitete Wahrheiten gelten dann als eingeboren, wenn wir sie aus dem Verstand schöpfen können.184 Da die intellektuellen Ideen und auch die ersten Prinzipien dem Verstand entstammen, so sind auch die daraus abgeleiteten Wahrheiten eingeboren. Die eingeborenen Wahrheiten haben also Prinzipien, deren Beweise überhaupt nicht von Beispielen abhängen, noch vom Zeugnis der Sinne,185 wenn man auch ohne die Sinne niemals hieran denken würde. Ihr Beweis stammt vielmehr nur aus inneren Prinzipien, die man eingeboren nennt.186 Den eingeborenen Ideen und den eingeborenen Prinzipien galt der Verstand als Sitz. In bezug auf die eingeborenen Wahrheiten spricht Leibniz vom Verstand als deren Quelle (source).187 Das bringt schon die entscheidende Differenz zwischen den eingeborenen Ideen und Prinzipien einerseits und den eingeborenen Wahrheiten andererseits zum Ausdruck: Letztere sind nur durch Anwendung logischer Regeln, d.h. mit Hilfe des Vermögens der Vernunft (ratio), zu erwerben,188 während die ersteren als solche dem Verstand inhalieren.189 Doch kann man — ebenso wie Leibniz die notwendigen Wahr182 NJ: i 2, § l = A VI 6, 89. — Nach Leibniz finden wir notwendige Wahrheiten in der reinen Mathematik, besonders in der Arithmetik und Geometrie, der Logik, der natürlichen Theologie und der natürlichen Rechtslehre (NE, Preface = A VI 6, 50; vgl. NE I l, § 5 = A VI 6, 77; VE 263 = Faszikel 2, N. 72; Mollat 21f. [bes. zur Rechtslehre]) 183 NE I 2, § 2 = A VI 6, 89; vgl. NE I 2, § 3 = A VI 6,90; I 2, § 4 = A VI 6, 91. Für den Bereich des «Systeme commun» trifft daher sehr wohl das Urteil GÄBEs zu: „Alle Erkenntnis a priori hat ihren Grund in den verbundenen Begriffen selber, sie ist — wenn man so will — 'analytisch'. Apriorität und Analytizität einer Erkenntnis treten bei Leibniz in eine zwangsläufige Verbindung" (94f.). 184
Vgl. NE I 2, § 4 = A VI 6,91; I l, § 5 = A VI 6,80.
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Vgl. G III 36. 291. 473; G VII 553; Causa Dei § 100 = G VI 454. Vgl. Grua I 392: Nam veritates aetemae seu necessariae, quäle s sunt Metaphysicae et Geometricae, non ostenduntur ex observatione rerum seu experimentis, alioqui inductione non demon strati one probarentur, sed pendent ex solis ideis, nempe ex definition!bus et axiomatibus identicis. 186 NE, Preface = A VI 6, 50. 187 NE I l, § l = A VI 6, 75. Vgl. A I 13, 13, wo Leibniz von den „Wahrheiten des Verstandes" spricht. 188 Vgj_ jj 44£ a: §unt tarnen in nobis semina eorum, quae discimus, ideae nempe, et quae inde 189
nascuntur, aeternae veritates. Vgl. G III 307f.; Grua 1434. Neben den eingeborenen Wahrheiten, die wir aus unseren Ideen beweisen und welche das natürliche oder innere Licht (la lumiere naturelle bzw. interne) ausmachen (vgl. G III 36; G IV
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heilen als eingeboren in einem weiteren Sinne bezeichnet — entsprechend auch diese Wahrheiten in einem weiteren Sinne zum Umfang des intellectus ipse zählen. Die intellektuellen Ideen sind die Quelle der eingeborenen Wahrheiten.190 Das aber bedeutet, daß die ausdrückliche Erkenntnis (la connoissance expresse) der eingeborenen Wahrheiten sowohl der Natur als auch der Zeit nach später ist als die ausdrückliche Erkenntnis der eingeborenen Ideen. Der Natur nach, weil die Natur der Wahrheiten von der Natur der Ideen abhängt; der Zeit nach, weil der Verstand zuerst die Ideen apperzipieren muß, erst danach kann er mit Hilfe der ersten Prinzipien daraus Wahrheiten ableiten.191 Die Schwierigkeit bei der ausdrücklichen Bildung der Wahrheiten (la formation expresse des veritez) hängt also letztlich ab von derjenigen bei der ausdrücklichen Bildung der Ideen (la formation expresse des idoes).192 1. Notwendige Wahrheiten — ewige Wahrheiten — Vernunftwahrheiten Leibniz bezeichnet diese eingeborenen Wahrheiten gerne auch als notwendige Wahrheiten, ewige Wahrheiten oder Vernunftwahrheiten. Ja Notwendigkeit und Eingeborensein scheinen fast zu austauschbaren Begriffen zu werden, wenn Leibniz ausdrücklich sagt, daß man auf dem Gebiet der notwendigen
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518; G VII 553), kennt Leibniz auch solche sowohl praktischer wie auch theoretischer Art, die nicht durch Vernunft, sondern durch Instinkt bekannt sind. Instinkt — hier als erkenntnistheoretische Kategorie verstanden — bedeutet im Gegensatz zum natürlichen Licht keine deutliche, sondern eine verworrene Erkenntnis der eingeborenen Wahrheiten (vgl. NE I l, § 21 = A VI 6, 84; I 2, § l = A VI 6, 89; I 2, § 3 = A VI 6. 90, I 2, § 4 = A VI 6, 91; I 2, § 9 = A VI 6, 92 u. 94; I 2, § 20 = A VI 6, 98; dazu RIPALDA2, 19f.). Neben diesem Instinktbegriff in erkenntnistheoretischer Bedeutung kennt Leibniz auch seine gewöhnliche Bedeutung, worunter man die Neigung eines Tieres zu dem, was ihm verträglich ist, versteht, ohne daß es den Grund davon begreift (vgl. NE III11, § 8 = A VI 6, 351). Vgl. G III 368. „Les idees intellectuelles qui sont la source des veritez necessaires, ne viennent point des sens ... Au reste il est vrai que la connoissance expresse des veritez est posterieure (tempore vel natura) ä la connoissance expresse des idees; comme la nature des veritez depend de la nature des idees, avant qu'on forme expressement les unes et les autres" (NE I l, § 11 = A VI 6, 81). NE I l, § 11 = A VI 6, 81. — Auch stehen die Wahrheiten im Verstand nicht unabhängig nebeneinander wie die Edikte des Prätors auf seinem Anschlag oder seiner Holztafel. So können z.B. gewisse Regeln der Gerechtigkeit nach Leibniz nur unter der Voraussetzung des Daseins Gottes und der Unsterblichkeit der Seele bewiesen werden (vgl. NE I 2, § 2 = A VI 6, 89).
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Wahrheiten nur Sätze findet, deren Ideen eingeboren sind.193 Daß die Begriffe „notwendig" und „eingeboren" letztlich doch nicht konvertibel sind, sondern allein das Notwendige auch eingeboren, nicht aber alles Eingeborene notwendig ist, folgt aus der Einsicht in das Eingeborensein von praktischen Wahrheiten, welche nicht von logischer Notwendigkeit sind.194 Als notwendig kann Leibniz diese eingeborenen Wahrheiten bezeichnen, weil die Analyse und Verknüpfung der eingeborenen Ideen über die physische und moralische Gewißheit (la certitude [morale s'entend ou physique]) hinausgeht und zu einer metaphysischen Gewißheit führt, welche mit der Notwendigkeit identisch ist (la necessity [ou certitude metaphysique]).195 Als Beispiel einer notwendigen, also eingeborenen Wahrheit führt Leibniz den Satz an: „Gott muß verehrt werden." Die Gottesverehrung ist eine notwendige Folge aus der Idee und dem Dasein Gottes, mithin eine eingeborene Wahrheit.196 Notwendig und damit eingeboren sind auch alle reinen Schlüsse. So ist ein Satz wie dieser: „Das Viereck ist kein Kreis" nach Leibniz eingeboren, da hier eine Anwendung des Prinzips des Widerspruchs auf das, was der Verstand selbst be193
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„Philal. Mais que dites vous, Monsieur, ä ce defi d'un de mes amis? Si quelqu'un, dit-il, peut trouver une proposition dont les idees soient innees, qu'il me la nomme, U ne sauroit me faire un plus grand plaisir. Theoph. Je lui nommerois les propositions d'Arithmetique et de Geometrie, qui sont toutes de cette nature, et en matiere des verites necessaires, on n'en sauroit trouver d'autres" (NE I l, § 23 = A VI 6, 86; vgl. NE I 2, § 13 = A VI 6, 97). Vgl. STUHLMANN-LAEISZ, 738. BRANDS, 61, meint sogar, daß Leibniz die Notwendigkeit wesentlicher erscheint als das Eingeborensein. Vgl. G III 386: obligatio necessitas moralis. Vgl. McRAE2,120. Vgl. NE IV 6, § 13 = A VI 6, 406. — Entsprechend der uns schon bekannten dreifachen Verwendung des Begriffs der Notwendigkeit (siehe oben S. 37f.) kennt Leibniz auch einen dreifachen Gebrauch des Begriffs der Gewißheit. Die physische Gewißheit ist identisch mit der schon oben S. 54 A. 36 angesprochenen „certitude experimentale et de fait" (NE IV 6, § 8 = A VI 6, 404). Die „certitude morale" kommt nach Leibniz einer „hohen glaubwürdigkeit" gleich (G VI 469). In einem Brief an Th. Bumett vom 1. /l 1. Febr. 1697 bringt Leibniz hierzu folgendes Beispiel: „Comme nous scavons qu'il y a une Chine et un Perou, quoyque nous ne les ayions jamais vüs, et n'en ayons point de demonstration absolue" (G III 193). Ähnlich setzt Leibniz in den Nouveaux Essais (Preface = A VI 6, 68) die moralische Gewißheit mit dem höchsten Grad der Wahrscheinlichkeit gleich (vgl. G III 194). Demgegenüber beruht die „certitude metaphysique" (G III 193), die Leibniz auch gerne als „certitude absolue" (G VI 52; vgl. G VI 210. 490. 495. 505) oder „parfaite" (G VI 490; vgl. G VI 495) bezeichnet, auf einem unwiderleglichen Beweisgang: „Les unes [sc. les propositions] se peuvent demonstrer absolument par une necessite metaphysique et d'une maniere incontestable" (G III 193). NE 13, § 7 = A VI6,103.
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reitstellt, vorgenommen wird. Voraussetzung einer solchen Anwendung ist natürlich die Einsicht, daß diese beiden eingeborenen Ideen unverträgliche Begriffe sind.197 Leibniz kann diese eingeborenen Wahrheiten auch als ewige Wahrheiten bezeichnen,198 da sie letztlich ihren Ort im göttlichen Verstand selbst haben, unabhängig von seinem Willen,199 sie also „in allen Weltkugeln, ja in allen zeiten, und mit einem worth bey Gott selbst gelten müßen, von dem sie auch beständig hehrfließen".200 Denn auch wenn es keinen geschaffenen Geist gäbe, der diese Wahrheiten in sich enthielte und dächte, so wären sie deswegen doch nicht weniger wahr und gültig.201 In Gott finden sich die Urbilder der Ideen und Wahrheiten, die in unsere Seelen eingegraben sind.202 Zudem ist nach Leibniz nichts so ewig wie das Notwendige.203 Schließlich kann Leibniz diese eingeborenen Wahrheiten auch als Vernunftwahrheiten bezeichnen, weil es die Vernunft ist, welche mit Hilfe der ersten Prinzipien und Axiome aufgrund der eingeborenen Ideen diese Wahrheiten ableitet.204 Es sei allerdings darauf hingewiesen, daß nicht alle Ver197
N E U , §18 = A VI 6,83. 198 Ygj_ z g Q jjj 473^ wo Lejbniz von den „verites eternelles ou necessaires" spricht. Vgl. Grua
199
200 201
II 581: „Les merveilles des raisons et des verites eternelles que nostre esprit trouue en luy-tneme ..." Vgl. A I 13, 13: „Diese ewige unveränderliche Wahrheiten..." Vgl. A II l, 507; A VI l, 199; Causa Dei § 69 = G VI 449; Th. I § 20 = G VI 115; § 42 = G VI 126; G VI 592f.; Th. II § 121 = G VI 175; G VII 305. 564. G VII 115; vgl. Graa 1379. Vgl. G VII 111. Vgl. VE 65 = Faszikel l, N. 19: Propositionum necessariarum Veritas est aetema. Veritas est quaedam realitas independens a nostra cogitatione. Realitas quaedam aetema utique semper existit. Seu Veritas propositionum necessariarum semper existit. — Hier selbst über Gott hinauszugehen, hält Leibniz nicht für ratsam: „Car c'est ä mon avis l'entendement Divin qui fait la realite des Verites eternelles: quoyque sä volonte n'y ait point de part. Toute realite doit etre fondee dans quelque chose d'existant. II est vray qu'un Athee peut etre Geometre. Mais s'il n'y avoit point de Dieu, il n'y auroit point d'objet de la Geometrie. Et sans Dieu, non seulement il n'y auroit rien d'existant, mais il n'y auroit rien de possible" (Th. II
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§ 184 = G VI 226f.; vgl. Th. II § 189 = G VI229; G VII 311; E 445 b). Vgl. N E I V 11, § 13 = A VI 6, 447; II 13, § 17 = A VI 6,149. — Das Problem der Wahrheit ist also nicht von der Gottesfrage zu trennen (vgl. REITER1, 211). Vgl. dagegen ZOCKER, 22, der meint, die Wahrheit sei bei Leibniz nicht auf Geist (sei es nun der menschliche, sei es der göttliche), sondern lediglich auf die Wahrheit selbst begründet. Vgl. A II l, 246. Vgl. ZOCKER, 20. Siehe dazu auch oben S. 87ff. — Unter ursprünglichen Vemunftwahrheiten versteht Leibniz bejahende oder verneinende identische Wahrheiten, welche nur dasselbe wiederholen, ohne uns etwas zu lehren (vgl. NE IV 2, § l = A VI 6, 361 f.).
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nunftwahrheiten ewige oder notwendige Wahrheiten sind. Leibniz teilt nämlich die Vernunftwahrheiten in zwei Klassen ein: Die eine Klasse umfaßt die sogenannten ewigen Wahrheiten, die absolut notwendig sind, so daß das Gegenteil einen Widerspruch einschließt, wozu die Wahrheiten gehören, deren Notwendigkeit eine logische, metaphysische oder geometrische ist. Die andere Klasse enthält die sogenannten positiven Wahrheiten (qu'on peut appeller Positives), d.h. die Gesetze, die Gott nach seinem Gutdünken der Natur vorgeschrieben hat, oder diejenigen, die hiervon abhängen.205 Die Gesetze der Natur, welche die sogenannte physische oder natürliche Notwendigkeit ausmachen, hängen also von der moralischen oder sittlichen Notwendigkeit ab, welche von der geometrischen wohl zu unterscheiden ist,206 da diese Regeln der Güte und der Ordnung in der Natur sehr wohl in besonderen Fällen durch wichtige Gründe einer höheren Ordnung der Gnade überwogen werden. Hier hat der Begriff des Wunders bei Leibniz seinen thematischen Ort.207 Es sind also letztlich zwei Gründe, die Leibniz dazu veranlassen, den Begriff des Eingeborenseins auch auf die notwendigen Wahrheiten auszudehnen: Erstens ihre Ableitung aus den eingeborenen Ideen mit Hilfe der ersten Prinzipien, die auch als eingeboren gelten, und zweitens der Charakter der Notwendigkeit, den Tatsachenwahrheiten niemals verbürgen können. Es ist an dieser Stelle festzuhalten, und dies wird innerhalb der Diskussion der notwendigen Wahrheiten im «Systeme nouveau» noch einmal von Bedeutung sein, daß Leibniz hier innerhalb des «Systeme commun» die notwendigen Wahrheiten weniger von ihrem Charakter der Notwendigkeit her zu bestimmen sucht, sondern vielmehr von dem ihres Eingeborenseins.208 Im «Systeme nouveau» tritt diese Bestimmung der notwendigen Wahrheiten zurück zugunsten der Bestimmung der Notwendigkeit,209 und das aus dem einfachen Grund, weil im «Systeme nouveau» der Unterschied zwischen „eingeboren" und „nicht eingeboren" nicht mehr relevant ist, ja gar nicht mehr besteht, da der Seele alles aus ihrem eigenen Grund erwächst. Also auch an der Bedeutung der notwendigen Wahrheiten scheidet sich die Auffassung des «Systeme commun» von derjenigen des «Systeme nouveau». Doch darf das natürlich nicht darüber hin205 206 207 208 209
Vgl. DC § 2 = G VI50; G VI466. Vgl. G VI 466. Siehe dazu oben S. 37f. Vgl. G VI467. Vgl.McRAE2,123. Siehe unten S. 129f.
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wegtäuschen, daß der Notwendigkeitscharakler der notwendigen Wahrheiten auch innerhalb des «Systeme commun» letztlich im Prinzip des Widerspruchs (Unmöglichkeit des Gegenteils) begründet ist — und nicht in ihrem Eingeborensein.
2. Der Unterschied zu den zufälligen oder Tatsachenwahrheiten Neben den notwendigen Wahrheiten, die sich allein auf die Verknüpfung der reinen Ideen gründen, finden sich auch Wahrheiten, die sich nicht nur oder überhaupt nicht auf diese reinen Ideen gründen: die sogenannten zufälligen oder Tatsachenwahrheiten.210 Während die notwendigen Wahrheiten aus dem stammen, was der Verstand uns darbietet, stammen die Wahrheiten der Tatsachen aus Erfahrungen (experiences) oder Beobachtungen der Sinne (observations des sens),211 welche uns nur Beispiele, d.h. partikulare und individuelle Wahrheiten liefern.212 Gemischte Schlüsse (hybridae conclusiones), die aus Vordersätzen abgeleitet werden, von denen einige aus Tatsachen und Beobachtungen, andere dagegen aus notwendigen Sätzen stammen — Leibniz denkt hierbei an astronomische und geographische Schlußfolgerungen, wo Beobachtungen von Reisenden und Astronomen mit den Theoremen der Geometrie und Arithmetik verbunden werden —, besitzen nur soviel Gewißheit und Allgemeinheit, wie den Beobachtungen zukommen.213 Das gleiche gilt für Sätze wie: „Das Süße ist nicht das Bittere." Ein solcher Satz ist eine Anwendung des Prinzips des Widerspruchs auf eine sinnliche Wahrheit,214 da die Empfindungen des Süßen und Bitteren ja von den äußeren Sinnen herkommen. Solche Sätze können keine eingeborenen Wahrheiten sein, da sie zum Teil von den Sinnen abhängen. Die Ideen, die aus den Sinnen stammen, sind ja bekanntlich verworren. Folglich
210
Vgl. DC § l = G VI 49: „La Raison consistant dans l'enchainement des verites, a droit de lier encor celles que l'experience lui a foumies, pour en tirer des conclusions mixtes: mais la Raison pure et nue, distinguee de l'Experience, n'a a faire qu'ä des Verites independantes des Sens." 2 H N E I 1 , § 5 = AVI6,80. 212 NE, Preface = A VI 6, 49. —Zu den ursprünglichen Tatsachen Wahrheiten siehe unten S. 102f. 213 NE IV 11, § 13 = A VI 6,446; vgl. VE 646f. = Faszikel 3, N. 143. 214 V g L N E I 1,§ 18 = A VI 6, 82.
Der Verstand als Quelle der notwendigen Wahrheiten
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sind auch die Wahrheiten, die hiervon abhängen, teilweise verworren.215 Es darf allerdings hier auch nicht übersehen werden, daß die Tatsachensätze oder die Erfahrungen uns weiter führen als die Wahrheiten der reinen Vernunft (les veritez de la pure raison). Denn bei letzteren gelangen wir über das Gebiet unserer deutlichen Ideen oder den Bereich der Möglichkeiten nicht hinaus.216 Die Abgrenzung der zufälligen von den notwendigen Wahrheiten ist aber nicht immer so leicht, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Ein Satz wie der: „Jeder Mensch hat eine Idee (notion) von Gott", kann sowohl als ein notwendiger als auch als ein Tatsachensatz aufgefaßt werden. Es handelt sich hierbei um einen notwendigen Satz, wenn unter „notion" „Idee" verstanden wird. Denn die Idee Gottes ist nach Leibniz allen Menschen eingeboren. Versteht man aber unter „notion" eine Idee, an die man aktuell denkt, so ist dieser Satz ein Tatsachensatz, der von der Geschichte des Menschengeschlechts abhängt.217 Leibniz widmet der Erörterung der zufälligen oder Tatsachenwahrheiten innerhalb der Nouveaux Essais einen verhältnismäßig geringen Raum. Das ist auch nicht mehr als verständlich, weil die Frage der Tatsachen Wahrheiten als solche ja kein Punkt der Kontroverse mit Locke ist, sondern es umgekehrt hier ja gerade darum geht, nachzuweisen, daß nicht alle unsere Erkenntnisse von den Sinnen ihren Ausgang nehmen.218 Eine genauere Analyse der Tatsachenwahrheiten kann folglich auch nicht erwartet werden. Wenn Leibniz hier dieses Thema aufgreift, so tut er dies nur in der Absicht, die Defizienz dieser Wahrheiten aufzuweisen, welche darin besteht, daß die Tatsachen Wahrheiten nie Notwendigkeit verbürgen können. Die Tatsachenwahrheiten und mithin auch die notwendigen Wahrheiten werden also hier weniger unter ihrem logischen Aspekt betrachtet (Möglichkeit bzw. Unmöglichkeit des Gegenteils) als vielmehr unter dem Gesichtspunkt, in welchem Verhältnis sie zum menschlichen Verstand stehen: Gewinnt der Verstand diese Wahrheiten aus seinem eigenen Grunde ohne Zuhilfenahme der Sinne, oder kommen diese Wahrheiten dem Verstand von außen zu mit Hilfe der Sinne? Oder anders formuliert: Sind diese 215
NE 11, § 11 = A VI6, 81; vgl. N E I 2, § 9 = A VI6, 94; IV 4, § 5 = A VI 6, 392. NE IV 8, §4 = A VI 6, 430. 217 Vgl. EBD. 218 Vgj_ NE, Preface = A VI 6, 49: „D'oü il nait une autre question, savoir si toutes les verites dependent de l'experience, c'est-a-dire de l'induction et des exemples, ou s'il y en a qui ont encore un autre fondement." Vgl. NE II 17, § 3 = A VI 6,158. 216
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Wahrheiten eingeboren oder erworben? Es ist verständlich, daß in diesem Zusammenhang dem Problem der Induktion eine zentrale Rolle zukommt, da diese ja mit Hilfe der Tatsachensätze allgemeine Wahrheiten zu begründen sucht. Ob Allgemeinheit aber schon gleichzusetzen ist mit Notwendigkeit, das ist eine Frage von nicht unerheblicher Bedeutung. Denn Notwendigkeit, so wurde deutlich, bedeutet innerhalb des «Systeme commun» Eingeboren-Sein. 3. Induktion Die Tatsachensätze brauchen sich nicht allein auf die Existenz zu beziehen, sondern können auch in gewisser Weise allgemein sein, wenn auch die Verallgemeinerung hier nur durch Induktion erfolgt.219 Leibniz nennt als Beispiel den Satz: „Alles Quecksilber verdunstet durch die Kraft des Feuers." Jedoch handelt es sich hierbei nicht um eine vollkommene Allgemeinheit, weil man die Notwendigkeit hierfür nicht einsieht.220 Denn alle Beispiele, die eine allgemeine Wahrheit bestätigen, und seien sie noch so zahlreich, genügen nicht, um die universelle Notwendigkeit dieser Wahrheit darzutun.221 Denn aus alledem folgt nicht, daß das, was geschehen ist, immer ebenso geschehen wird.222 Der Geist darf sich nach Leibniz in seinem Drange nach strenger Einsicht nicht mit
219 Vgl. VE 646f. = Faszikel 3, N. 143, wo Leibniz die veritates physicae sensuales in zwei Klassen einteilt: historiae und inductiones. Historiae sind veritates sensuales singulares. Inductiones sind veritates sensuales universales, welche mit Hilfe von observationes oder experimenta gewonnen werden. 220 Vgl. NEIV 11, § 13 = A VI6. 446. 221 Vgl. Causa Dei § 100 = G VI 454. 222 Vgl. NE, Prdface = A VI 6, 49; A VI 2, 431f.; Mollat 23. — Diese Annahme, die leicht zu einem Irrtum führen kann, ist nach Leibniz der Standpunkt der reinen Empiriker, welche nämlich behaupten, daß das, was einige Male geschehen ist, auch in einem anderen ähnlich scheinenden Falle geschehen werde, ohne daß sie dabei beurteilen können, ob wieder dieselben Ursachen (raisons) vorliegen. Rein empirisch gehen nach Leibniz auch die Tiere vor, welche sich nur nach Beispielen richten und so niemals zu notwendigen Sätzen gelangen können (NE, Preface = A VI 6,50; vgl. NE II11, § 11 = A VI 6,143; III 33, § 17 = A VI6,271; IV 17, § 4 = A VI 6, 476; G VII 331f.). Die gewöhnlichen empirischen Schlußfolgerungen sind also für Leibniz lediglich auf Gewohnheit und subjektive Erwartung gegründet. Der naive Kausalbegriff wird hier von Leibniz nicht minder scharf wie später von Hume kritisiert (vgl. Cass.1, I 47; GURWITSCH1, 128), wobei natürlich nicht übersehen werden darf, daß Leibniz — im Gegensatz zu Hume — das empiristische Wissen nur als eine, und zwar die unterste Stufe des Wissens auffaßt.
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Induktionen zufriedengeben.223 Leibniz weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß sowohl die Griechen als auch die Römer und auch alle übrigen Völker von jeher bemerkt haben, daß vor Ablauf von 24 Stunden der Tag sich in die Nacht und die Nacht sich in den Tag wandle. Dies allerdings als eine universelle Wahrheit anzusehen, das wäre ein Irrtum. Denn schon zu Leibniz' Zeiten war bekannt, daß sich dies auf der russischen Doppelinsel Nowaja Semlja nicht bestätigen läßt. Dieser Satz ist aber selbst in unseren Bereichen keine notwendige und ewige Wahrheit, da sowohl die Sonne als auch die Erde nicht notwendig existieren, und beide Gestirne vielleicht einmal nicht mehr sein werden.224 Man kann sich also einer allgemeinen Wahrheit durch Induktion nicht versichern, wenn man nicht die Notwendigkeit durch Vernunft einsieht. Die Sinne können eine notwendige Wahrheit immer nur rechtfertigen (justifier) und bestätigen (confirmer), nicht aber begründen.225 Denn das Resultat kann ausbleiben, wo man es am wenigsten erwartet, wenn nämlich die Ursachen, welche es hervorgebracht haben, wechseln. Bei den notwendigen Wahrheiten, die durch Vernunft eingesehen werden, ist dies anders. Hier ist es sogar häufig möglich, ein Ereignis vorherzusehen, ohne daß man über die sinnlichen Zusammenhänge der Bilder Versuche anstellen müßte.226 Demgegenüber ist die Induktion immer unvollkommen, was man sogar durch Erfahrungsbeispiele beweisen kann; denn es gibt Progressionen, bei denen man sehr weit gehen kann, bevor man die Veränderungen und Gesetze bemerkt, die sich in ihnen finden.227 Diesen grundsätzlichen Unterschied zwischen den notwendigen Wahrheiten und denen, die uns allein durch Induktion bekannt werden, darf man nicht übersehen. In einem Brief an Bierling von 1709/10 macht Leibniz hierauf noch einmal eigens aufmerksam: Die notwendigen Wahrheiten werden mit Hilfe der dem Geist eingepflanzten Prinzipien (ex principiis menti insitis) und den intel223 224
225 226 227
Vgl.GMVI121. NE, Preface = A VI 6, 49f. Leibniz bringt auch folgendes Beispiel: Fällen wir in den Ländern, wo das Wasser nicht friert, das Urteil: „Wasser ist immer in flüssigem Zustand", so drückt dieses Urteil nicht das Wesen aus, denn man erkennt dies, wenn man in kältere Gegenden kommt (NE IV 9, § l = A VI 6,433). N E I 1 , § 5 = AVI6, 80. Vgl. NE, Preface = A VI 6,51. Vgl. NE I l, § 23 = A VI 6, 85. HKSCHBERGER, II 177, erkennt richtig, daß der Streit um eingeboren oder erworben letztlich ein Streit um den Wissenschaftsbegriff ist: „Das ist der tiefere Sinn der Problematik um den Empirismus und den sogenannten Rationalismus." Vgl. ebenso
HILDEBRANDT, I42f.
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lektuellen Ideen — Leibniz nennt hier die Ideen des Seins, der Substanz, des Wahren, des Guten —, die dem Geist eingeboren sind, bewiesen. In diesem Zusammenhang fällt auch wieder das berühmte Wort: Nempe nihil est in intellectu, quod non fuerit in sensu, nisi ipse intellectus.228
§ 18 Weitere eingeborene Ideen und Wahrheiten: die Idee Gottes und die ursprüngliche Tatsachenwahrheit „Ich bin" Im engeren Sinne haben die reinen oder intellektuellen Ideen und die ersten Prinzipien oder Axiomen, in einem weiteren Sinne auch die notwendigen Wahrheiten als eingeboren, also als dem Verstand inhärent zu gelten. Bis hierhin hat uns die bisherige Analyse geführt. Es kann hier nicht unsere Aufgabe sein, einen vollständigen Katalog dessen darzubieten, was Leibniz im «Systeme commun» dem Eingeborenen zurechnet, zumal sich Leibniz in dieser Richtung selbst nie mit letzter Klarheit geäußert hat.229 Trotzdem sei neben den aufgeführten drei Klassen des Eingeborenen: den intellektuellen Ideen, den ersten Prinzipien und den notwendigen Wahrheiten, doch noch auf zwei besondere Ideen bzw. Sätze aufmerksam gemacht, die Leibniz auch als eingeboren gelten lassen möchte: die Gottesidee sowie die ursprüngliche Tatsachenwahrheit „Ich bin". Schon ganz zu Beginn des ersten Buches der Nouveaux Essais läßt Leibniz den Theophilus bekennen, daß er — im Gegensatz zu Philalethes — stets für die eingeborene Idee Gottes, die Descartes behauptet hat, gewesen sei, eine Idee, die nicht von den Sinnen stammen könne.230 Und auch der Cartesische Satz „Ich existiere", der von höchster Evidenz und eine unmittelbare Wahrheit ist und durch keinen anderen Satz bewiesen werden kann, ist nach Leibniz eingeboren.231 „Wenn man sagt: Ich denke, also bin ich, so heißt dies nicht, daß die Existenz wirklich durch das Denken bewiesen wird, denn denken und denkend sein ist dasselbe; und wenn man sagt: ich bin denkend, so sagt man damit
228
G VII 488. 229 Vgl. das oben S. 82ff. zum Umfang des intellectus ipse Gesagte. 230 NE I l, § l = A VI 6, 74; vgl. NE I 2, § 12 = A VI 6, 96; IV 10, § l = A VI 6,435; G III249. 231 „... cette proposition qui lui est pourtant innee" (NE IV 7, § 7 = A VI 6, 411).
Weitere eingeborene Ideen und Wahrheiten: die Idee Gottes und das „Ich bin"
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schon: Ich bin"232 Dieser Satz ist im engeren Sinne kein Axiom, sondern ein faktischer Satz, der sich auf eine unmittelbare Erfahrung begründet. Es handelt sich hier also nicht um einen notwendigen Satz, dessen Notwendigkeit in der unmittelbaren Übereinstimmung der Ideen eingesehen würde. Denn nur Gott allein sieht, wie die beiden Bestimmungen des „Ich" und der „Existenz" miteinander verbunden sind, d.h. warum ich existiere.233 Daß die Gottesidee zu den eingeborenen Ideen gehört, ist ohne weiteres nachvollziehbar.234 Schwerer tut man sich dagegen mit dem Satz „Ich bin", den Leibniz ja selbst als einen faktischen Satz bezeichnet, dem mithin das Merkmal der Notwendigkeit fehlt. Wie aber kann Leibniz einen solchen Satz als eingeboren bezeichnen? Eine Interpretationsmöglichkeit könnte sich vielleicht aus Leibniz' Einteilung der Arten der Gewißheit (especes de la certitude) oder der gewissen Erkenntnis (la connoissance certaine) ergeben. Leibniz nennt in den Nouveaux Essais vier Arten der Gewißheit: die intuitive, die demonstrative, die Erkenntnis des Wahrscheinlichen und die sinnliche Erkenntnis. Aber nur die beiden ersten führen zur Gewißheit, während die beiden letzten nur bis zur Wahrscheinlichkeit reichen.235 Der Satz „Ich bin" ist in diesem Sinne eine intuitive Gewißheit. Den Vernunftwahrheiten kommt eine demonstrative Gewißheit zu.236 Die Skepsis vermag aber weder die intuitive noch die demonstrative Gewißheit zu erschüttern.237 232
EBD. („Et de dire, Je pense, done je suis, ce n'est pas prouver proprement l'existence par la pensee, puisque penser et etre pensant, est la meme chose; et dire. Je suis pensant, est deja dire, Je suis"). — Aus Leibniz' kurzen Ausführungen wird deutlich, daß die Cartesische Formulierung nicht im Sinne einer Schlußfolgerung aufzufassen ist, in welchem Sinne sie Descartes nie verstanden wissen wollte. 233 EBD. 234 Vgl. G VI 403. — Zu Descartes' Begründung des Eingeborenseins der Gottesidee vgl. RÖD, 103. 235 Vgl. NE IV 2, § 14 = A VI 6, 373. 236 Vgl. NE IV 3, § 21 = A VI 6,387. 237 Vgl. NE IV 2, § 14 = A VI 6, 374. Wenn hier MARSCHALLEK, 137f., folgende Begründung gibt: „Weil die Weltbeziehung dem 'intellectus ipse' inhärent ist, können auch die unmittelbaren Tatsachenwahrheiten als 'eingeboren1 gelten", so verkennt er hier das eigentliche Problem. Im «Systeme nouveau» folgt selbstverständlich aus der Substanzdefinition, daß die Seele alles aus ihrem eigenen Grunde herausholt. Man kann also hier sehr wohl von einem absoluten Apriorismus sprechen. Natürlich sind dann nicht nur die ursprünglichen oder unmittelbaren, sondern alle Tatsachenwahrheiten der Seele inhärent. Das ist aber nicht der Kontext, in dem
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§19 Die Virtualität, nicht Aktualität der Verstandeserkenntnis Ist uns die Verstandeserkenntnis, seien es nun die intellektuellen Ideen, die ersten Prinzipien oder die notwendigen Wahrheiten, immer aktuell gegeben, so daß man sie in der Seele wie in einem offenen Buch lesen kann — so wie das Edikt des Prätors sich ohne Mühe und Nachforschung auf der Holztafel lesen läßt?238 Das jedenfalls ist Lockes Auffassung des Eingeborenen. Oder genauer: Locke meint, die Rede vom Eingeborenen habe nur Sinn, wenn man dieses als aktuell Gegebenes verstehe. „Es erscheint mir geradezu als ein Widerspruch", schreibt Locke,239 „zu sagen, daß es Wahrheiten gibt, die der Seele eingeprägt sind, die sie nicht wahrnimmt oder versteht; wobei Einprägen, falls es irgendetwas bedeutet, nichts anderes ist als die Vergewisserung, daß Wahrheiten wahrgenommen werden. Denn es erscheint mir kaum verständlich, dem Geist irgendetwas einzuprägen, ohne daß der Geist dies wahrnimmt... Zu behaupten, ein Begriff sei dem Geist eingeprägt und dennoch zur gleichen Zeit zu behaupten, daß der Geist dessen unkundig sei und bis jetzt niemals davon Notiz nahm, bedeutet, diese Einprägung zunichte zu machen." Locke insistiert auf diesem Verständnis des Eingeborenen, weil es ihm anderenfalls unmöglich erscheint zu behaupten, daß ein Begriff im Geist vorhanden ist. Denn, so argumentiert Locke, kann man von einem Satz behaupten, daß er im Geist vorhanden ist, ohne ihm bekannt zu sein, so kann man das auch von allen anderen wahren Sätzen behaupten: „Wenn dem Verstand Wahrheiten eingeprägt sein können, ohne wahrgenommen zu werden, so kann ich zwischen irgenwelchen Wahrheiten, die der Geist zu erkennen imstande ist, keinen Unterschied feststellen in Anbetracht ihres Ursprungs: Sie müssen alle eingeboren oder alle er-
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die Behauptung von Leibniz steht, der Satz „Ich bin" sei eingeboren! Stände dieser Satz dagegen im Kontext des absoluten Apriorismus, so wäre diese Behauptung von Leibniz nicht nur trivial, sondern auch überflüssig. Vgl. NE, Preface = A VI 6,50. LOCKE, Essay, I 2, § 5 („It seeming to me near a Contradiction, to say, that there are Truths imprinted on the Soul, which it perceives or understands not; imprinting, if it signify any thing, being nothing else, but the making certain Truths to be perceived. For to imprint any thing on the Mind without the Mind's perceiving it, seems to me hardly intelligible ... To say a Notion is imprinted on the Mind, and yet at the same time to say, that the mind is ignorant of it, and never yet took notice of it, is to make this Impression nothing.").
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werben sein. Man wird vergebens versuchen, sie zu unterscheiden."240 Unter der Voraussetzung aber, daß das Eingeborene uns aktuell gegeben sein muß, gilt Locke der consensus universally als Hauptargument für das Eingeborene; und es genügt so der Nachweis, daß es keine Prinzipien gibt, denen die gesamte Menschheit eine allgemeine Zustimmung erteilt, um die Lehre vom Eingeborenen zu widerlegen.241 Leibniz bezeichnet aber gerade diese Meinung Lockes als ein Vorurteil. Halt man dieses Vorurteil aufrecht, so ist es für Leibniz nicht verwunderlich, daß man die eingeborenen Erkenntnisse verwirft.242 Das Eingeborene ist aber nicht aktuell, sondern virtuell in uns.243 An anderer Stelle spricht Leibniz auch davon, daß die eingeborenen Erkenntnisse latent in uns sind, nicht sogleich sichtbar.244 Leibniz wird nicht müde, diesen entscheidenden Unterschied in der Sicht des Eingeborenen immer wieder gegen Locke zu betonen.245 Man darf nach Leibniz hier Nicht-Sein (n'etre point) und Nicht-Erscheinen (ne point paroitre) nicht miteinander verwechseln.246 Das, was natürlich ist, braucht uns darum doch nicht von der Wiege an als solches bekannt zu sein.247 Zur Unterstützung dieser Ansicht führt Leibniz an, daß wir unendlich viele Erkenntnisse haben, die wir trotzdem nicht immer apperzipieren, ja noch nicht einmal immer dann, wenn wir sie benötigen. Es ist die Aufgabe des Gedächtnisses (la memoire), sie aufzubewahren, und es ist die Aufgabe der Wiedererinnerung (la reminiscence), sie uns zu repräsentieren. Wir apperzipieren also niemals alle Wahrheiten, die in unserer Seele sind, auf einmal deutlich. Es ist 240
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EBD. („If Truths can be imprinted on the Understanding without being perceived, I can see no difference there can be, between any Truths the Mind is capable of knowing in respect of their Original: They must all be innate, or all adventitious: In vain shall a Man go about to distinguish them"). Vgl.EBD.,§4. Vgl. N E U , §5 = A VI 6,76f.; I 2, § 11 = A VI6. 95; II1, § 19 = A VI6,118. Vgl. A VI 6, 11: „La connoissance ou bien l'envisagement actuel des idees et des verites n'est point ne avec nous." — KREMER2, 38 u. A. 88, verweist diesbzgl. auf die Ausdrücke virtualiter bzw. in virtute bei NIKOLAUS VON CUES (vgl. De ludo globi II [p I, fol. 166r, Z. 29f. ]; De venatione sapientiae 29 [N. 86, Z. 5]). Vgl. G III 36: Licet enim ideae veritatesque in nobis latentes non slatim sint in promlu. Vgl. NE I 1, § 5 = A VI 6,77; I 1, § 25 = A VI 6, 86; I 3, § 4 = A VI 6,102 u.ö. NE I 2, § 20 = A VI 6, 100. Leibniz bringt auch den sehr schönen Vergleich mit der Fähigkeit des Lachens: Sie Risivitas in homine (vulgo Risibilitas) non significat risurum hominem si nemo impediat, sed risurum si occasio ridendi offeratur (G II 300). NE I 3, § 4 = A VI 6,102.
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Die nähere Bestimmung des menschlichen Verstandes
vielmehr so, daß bestimmte Dinge uns veranlassen, eine bestimmte Erkenntnis gegenüber einer anderen aufzufrischen.248 Also selbst Gewohnheiten (habitudes), die wir erworben haben, und auch Vorräte, die wir unserem Gedächtnis einverleibt haben, werden von uns darum trotzdem nicht immer apperzipiert, d.h. sind nicht immer aktueller Besitz.249 Das eingeborene Wissen ist der Seele nicht sogleich aktuell bekannt. Die Seele hat diese Dinge in sich, ohne sie jedoch zu apperzipieren. Zudem bekommt die Seele diese Erkenntnisse nicht zugleich alle in den Blick.250 Also nicht die aktuelle, sondern die virtuelle Erkenntnis (la connoissance virtuelle) von bestimmten Ideen und Wahrheiten ist eingeboren. Zum Vergleich bringt Leibniz hier auch das schon angeführte Marmorbeispiel.251 Ja, selbst ein Zustand der Lethargie vermag die eingeborenen Vermögen und Dispositionen (les facultes et les dispositions innees) nicht zu vernichten.252 Ist das Eingeborene oder die Verstandeserkenntnis aber immer erst einmal nur virtuell vorhanden, so stellt sich spätestens hier die Frage nach den Bedingungen ihrer Aktualisierung.
§ 20 Die Apperzeption oder Aktualisierung der Verstandeserkenntnis Das Eingeborene ist virtuell in uns, nicht aktuell. Aber wir können das Eingeborene nach Leibniz mittels aufmerksamer Betrachtung in uns entdecken, wozu uns die Sinne die Gelegenheit darbieten.253 Diese beiden Momente sind notwendig, um das uns virtuell Eingeborene zu aktualisieren, oder wie Leibniz gerne sagt: um das Eingeborene zu apperzipieren. Schon in den vorangegangenen Abschnitten ist uns der Begriff „apperzipieren" begegnet. Es wurde gesagt, daß wir unendlich viele Erkenntnisse perzipieren, die wir aber trotzdem nicht alle apperzipieren. Apperzipieren wurde hier ganz allgemein in der Bedeutung von „bemerken" oder „gewahr werden" ge-
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NE I l, § 5 = A VI6, 77. Vgl. NE, Preface = A VI 6,52. NE 11, § 5 = A VI 6,78. NE 11, § 25 = A VI 6.86; vgl. NE I l, § 26 = A VI 6,87. — Siehe oben S. 73f. Vgl. NE II 9. § 14 = A VI 6,139; A VI 3, 588. Vgl. NE, Preface = A VI 6,50.
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braucht.254 In diesem Sinne kann Leibniz sogar den Tieren die Apperzeption zusprechen.255 Im Anschluß an Lockes Terminologie nennt Leibniz diese Apperzeption eines äußeren Objektes auch Sensation.256 Wenn aber jetzt im Zusammenhang mit der Aktualisierung der Verstandeserkenntnis von Apperzeption die Rede ist, so bekommt dieser Begriff eine engere, spezifischere Bedeutung. Es ist ja ein Unterschied, ob ich irgendeine in meinem Gedächtnis aufbewahrte Kenntnis bzw. irgendeine sinnliche Gestalt „apperzipiere" oder ob ich das mir virtuell Eingeborene „apperzipiere".257 Nur der Mensch besitzt diese letztere Art der Apperzeption, da nur ihm das Vermögen des Verstandes zukommt, mithin das virtuell Eingeborene, was den Tieren gänzlich ermangelt. Diese doppelte Anwendung des Apperzeptionsbegriffs wird uns im «Systeme nouveau» noch einmal begegnen.258 Wenden wir uns nun den verschiedenen Momenten der Apperzeption im einzelnen zu. 1. Erfahrung als conditio sine qua non Die Prinzipien verschiedener Ideen und Doktrinen, die die Seele nach Leibniz von Anfang an in sich enthält, werden durch die äußeren Sinne erweckt (reveiller).259 Beim Berühren mit den Sinnen springen diese semina aetemitatis,260 wie Leibniz in Anlehung an Descartes sagt,261 gleichsam aus unserem 254
Vgl. NE II 9, § 4 = A VI 6,134. Vgl. GRAU, 161. 177f.; HERBERTZ, 67 A. 1. Vgl. NE II 21, § 5 = A VI 6, 173. Vgl. KULSTAD7, 19f. Vgl. dagegen RESCHER3,116, der die Apperzeption nur dem Menschen zugesteht. Ebenso McRAE2,30; GURWITSCH1,123. 256 NEII19,§1=AVI6,161. 257 Auf Leibniz' doppelte Anwendung des Apperzeptionsbegriffs macht schon FRENZEL aufmerksam (33 A. 2 u. 34 A. 2); vgl. NIEDEN, 11; PARKINSON4, 11. 258 Siehe unten S. 174f. 259 NE, Preface = A VI 6, 48. ^O Diese semina aetemitatis sind sozusagen die „strahlen der göttlichen Weisheit und des ewigen worthes". Und es heißt in diesem Zusammenhang dann weiter: „Und in seinem liecht sehen wir das liecht" (G VII 111; vgl. R 361f.). Gemeint ist hiermit, daß das lumen innatum intellectus von Gott kommt (vgl. Causa Dei § 98f. =G VI 453). Vgl. G III 353: „Nostre Entendement vient de Dieu, et doit estre considere comme un rayon de ce soleil". Vgl. E 446 a. 261 Auch Descartes spricht in bezug auf das dem menschlichen Geiste Eingeborene gerne von „Samen": vgl. DESCARTES, Oeuvres, VI 64 (Discours, IV), wo er von gewissen Samenkörnern der Wahrheit spricht, die unseren Seelen von Natur mnewohnen („de certaines semences de Veritez qui sont naturellement en nous ames"); EBD., X 217 (Cogitationes pnvalae), wo von Samen des Wissens, die in uns sind, die Rede ist (sunt in nobis semina scientiae). EBD. X 376 (Ad directionem ingerui. Reg. IV) nimmt Descartes gewisse ursprüngliche, von der Natur in 255
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Die nähere Bestimmung des menschlichen Verstandes
Inneren heraus wie die Funken, die aus dem Gewehr beim Losdrücken heraussprühen.262 Was die Gottesidee z.B. anbelangt, so ist es nach Leibniz die äußere Lehre von Gott, die das erweckt, was bereits in uns ist.263 Damit also der Geist das Eingeborene aus seinem Innersten entnehmen kann, sind die Sinne notwendig: Sie geben ihm Gelegenheit (occasion) und Aufmerksamkeit (attention) hierzu, und sie lassen ihn eher zu den einen als zu den anderen Ideen gelangen.264 Die Sinne sind es also, die die Ideen und Wahrheiten, die im Verstande sind, anregen (insinuer).265 Ohne die Sinne würden wir niemals an die intellektuellen Ideen und die notwendigen Wahrheiten denken, die aber ihren Ursprung darum doch nicht in den Sinnen haben.266 Der Wichtigkeit halber wollen wir an dieser Stelle den entscheidenden Satz von Leibniz noch einmal wiedergeben: „... während die intellektuellen Ideen und die Wahrheiten, die von diesen abhängen, deutlich sind, und weder die einen noch die anderen ihren Ursprung in den Sinnen haben; obgleich wir zwar ohne die Sinne niemals an sie denken würden."261 Diese Stelle ist auch noch einmal ein eindeutiger Beleg da-
262 263
264
den menschlichen Geist eingesäte Samenkörner der Wahrheit an, die wir durch unser tägliches Lesen und Hören so vieler abweichender Irrtümer in uns ersticken (prima quaedam veritatum semina humanis ingenijs ä naturä insita, quae nos, quotidie tot errores diverses legende & audiendo, in nobis extinguimus); vgl. auch EBD., X 373 (Ad directionem ingenü. Reg. IV): Habet enim humana mens nescio quid divini, in quo prima cogitationum vtilium semina ita jacta sunt, vt saepe, quantumvis neglecta & transversis studijs suffocata, spontaneam frugem producant. NE, Preface = A VI6,49. NE I l, § 2 = A VI 6, 76: „La doctrine externe ne fait qu'exciter icy ce qui est en nous." Vgl. die diesbzgl. Nähe zu dem Begriff excilare bei NIKOLAUS VON CUES (vgl. dazu KREMER2, 27f. u. A. 20 mit entsprechenden Stellenangaben). NE I l, § 5 = A VI 6, 80; vgl. G I I I 291.
265
N E I 1 , § 5 = AVI6,80.
266
Vgl. A VI 6, 10: „Pour prouver qu'il n'y a point d'idees nees avec Nous, l'excellent auteur de l'Essay sur l'entendement de l'homme allegue l'experience qui fait voir que nous avon s besoin d'occasions exterieures, pour penser ä ces idees. J'en demeure d'accord, mais il ne me semble point qu'il s'ensuit que les occasions qui les fönt envisager, les fönt naistre." NE I l, § 11 = A VI 6, 81 ( au lieu que les idees intellectuelles et les veritez qui en dependent sont distinctes, et ni les unes ni les autres n'ont point leur origine des sens; quoiqu'il soil vrai que nous n'y penserions jamais sans les sens"). — Hervorhebungen von mir! Vgl. auch G III 308: „II ne faut point s'etonner si ces idees et les verites qui en dependent se trouvent en nous, quoyqu'on ait besoin de reflexions pour s'en appercevoir, et qu'il soil quelquesfois besoin que des experiences excitent nostre reflexion ou attention, pour nous faire prendre garde ä ce que nostre propre nature nous foumit."
267
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für, daß der Begriff der Reflexion bei Leibniz eine andere Bedeutung hat als der Begriff der „reflection" bei Locke.268 Die Erfahrung ist also notwendig, damit die Seele zu diesen oder jenen Gedanken bestimmt wird, und auch, damit sie auf die Ideen, die immer schon in uns sind, achtet.269 Daß dies aber in keiner Weise bedeutet, daß die eingeborenen Ideen oder Wahrheiten aus den Sinnen stammen, kann man nach Leibniz am Beispiel der Wissenschaft der Arithmetik oder Geometrie verdeutlichen: Denn man kann diese beiden Wissenschaften ohne irgendeinen Kontakt mit der Außenwelt bilden, ja sogar mit geschlossenen Augen, ohne die Wahrheiten, die man hierzu braucht, durch Sehen oder Tasten lernen zu müssen, wenngleich man allerdings niemals zur Betrachtung der Ideen, um die es sich hier handelt, gelangen würde, wenn man niemals etwas gesehen oder getastet hätte.270 Auffallend ist aber nun, daß Leibniz in diesem Zusammenhang, also innerhalb der Argumentation auf der Ebene des «Systeme commun», diese — auch schon von Platon vertretene — Bedeutung der Erfahrung als conditio sine qua non mit Hilfe der Lehre von der Prästabilierten Harmonie begründet, also einem Hauptgedanken seiner Substanz-Metaphysik, wenn es heißt: „Denn durch eine bewundernswerte Ökonomie der Natur können wir keine abstrakten Gedanken haben, die nicht etwas Sinnliches brauchten, selbst wenn dies nur Zeichen wie die Buchstaben und die Töne wären; obgleich es keinen notwendigen Zusammenhang zwischen solchen willkürlichen Zeichen und solchen Gedanken gibt. Und wenn die sinnlichen Spuren gar nicht erforderlich wären, so fände die Prästabilierte Harmonie zwischen der Seele und dem Körper überhaupt nicht statt, über die ich mit ihnen ausführlicher zu sprechen Gelegenheit haben werde."271 Aber der Hinweis darauf, daß er mit seinem Gesprächspartner Philalethes erst später näher über die Prästabilierte Harmonie sprechen wolle, zeigt doch auch wieder, daß Leibniz hier die Argumentation ohne die Einführung seiner mona268 269
270 271
Siehe oben S. 84ff. NE II l, § 2 = A VI 6, 110. SIGALL, T. l, 33f., möchte daher gerne den Leibnizschen Apriorismus richtiger als „Nativismus" kennzeichnen. Vgl. KOENIG, 194. N E I 1 , § 5 = AVI6,77. EBD. („Car c'est par une admirable Oeconomie de la nature, que nous ne saurions avoir des pensees abslraites, qui n'ayent point besoin de quelque chose de sensible, quand ce ne seroit que des caracteres tels que sont les figures des lettres et les sons; quoiqu'il n'y ait aucune connexion necessaire entre tels caracteres arbitraires, et telles pensees. Et si les traces sensibles n'etoient point requises, ITiarmonie preetablie entre l'ame et le corps, dont j'aurai occasion de vous entretenir plus amplement, n'auroit point de lieu.").
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dologischen Konzeption zu führen sucht, sich also grundsätzlich auf der Ebene des «Systeme commun» bewegt.272 Das grundsätzliche Anliegen von Leibniz darf darüber aber nicht vergessen werden: Es geht ihm hier darum, gegen Locke, nach dessen Auffassung alle Ideen aus der „sensation" oder „reflection" stammen, d. h. aus Beobachtungen, die wir entweder von den äußeren sinnlichen Objekten oder von den inneren Operationen unserer Seele machen, die Unabhängigkeit der eingeborenen Erkenntnisse von der Sinnlichkeit zu betonen. Letztere können nicht durch die „sensation" oder die „reflection" erworben werden, sondern sind immer schon in uns, bevor man sie apperzipiert, wenn auch die Aktualisierung des Eingeborenen nicht ohne die „sensation" oder die „reflection" zustande kommt.273 Die „reflection" Lockes kann also nach Leibniz in bezug auf das Zustandekommen der eingeborenen Erkenntnisse nicht mehr und nicht weniger sein als die „sensation": conditio sine qua non. Nicht aber ist sie der Ursprung der eingeborenen Ideen. Die Reflexion bei Leibniz ist also grundverschieden von der „reflection" Lockes. Während die „reflection" nach Locke bestimmte Ideen bewirkt, kann sie nach Leibniz nur die Aktualisierung der eingeborenen Ideen anregen, die aber immer schon in uns sind. 2. Aufmerksamkeit Die Sinne als Gelegenheitsursache reichen aber alleine zur Entdeckung der uns eingeborenen Ideen und Wahrheiten nicht aus. Hinzukommen muß ein zweites Moment, welches Leibniz als Aufmerksamkeit (attention) bezeichnet.274 Zuweilen nennt Leibniz neben der Aufmerksamkeit auch noch die Ordnung (ordre).275 Was ist mit diesen beiden weiteren Voraussetzungen zur Entdeckung der eingeborenen Erkenntnisse gemeint? Die eingeborenen Erkenntnisse liegen ja nicht offen zutage; sie sind uns nur virtuell eingeboren, nicht aktuell. Die Aktualisierung dieser Erkenntnisse, die 272
273
274 275
Wenn LEROUX, 38, meint, die Prästabilierte Harmonie gebe Antwort auf die Frage, warum die Sinne als Gelegenheitsursache notwendig seien, so ist das sachlich falsch. Denn die Funktion der Sinne als Gelegenheitsursache ist so alt wie die Apriorismusproblematik selbst. Vgl. NE II l, § 2 = A VI 6, 111. Näheres zum Begriff der „reflection" bei Locke siehe oben S. 84ff. Vgl. NE I l, § 27 = A VI 6, 87; l 3, § 3 = A VI 6, 102; II l, § 10 = A VI 6,112. Vgl. NE I l, § 5 = A VI 6,77; I l, § 25 = A VI 6, 86; I 2, § 12 = A VI 6,96.
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notwendig die Sinne als Gelegenheitsursache voraussetzt, ist aber darum trotzdem keine einfache Angelegenheit. Das deuten schon die Worte an, mit denen Leibniz diesen Vorgang der Aktualisierung beschreibt. In der Vorrede zu den Nouveaux Essais stellt Leibniz die Frage: „Warum sollten wir also nicht auch uns selbst irgendeinen Gegenstand des Denkens aus unserem eigenen Grund liefern können, sobald wir darin nachgraben werden?"276 Das französische Verb „creuser" meint soviel wie „graben", „aushöhlen", im übertragenen Sinne auch „ergründen", „erforschen", wobei Leibniz hier aber zweifellos die wörtliche Bedeutung meint: Und diese ist eben mit Arbeit und Mühe verbunden.277 Diese Sicht wird auch unterstrichen durch das von Leibniz in diesem Zusammenhang angeführte Marmorbeispiel.278 Das Aufdecken der in unserem Geist „vergrabenen" eingeborenen Erkenntnisse ist also nur durch harte Arbeit möglich. Diese hier geforderte harte Arbeit ist eben das aufmerksame Betrachten (en considerant attentivement) und Ordnen (en rangeant), mit dessen Hilfe das in uns virtuell Enthaltene aufgefunden werden kann.279 Man braucht sich hierbei somit keiner anderen Wahrheit zu bedienen, die durch Erfahrung oder Überlieferung gewonnen würde. Der Verweis Leibniz' auf den Platonischen Menon280 in diesem Zusammenhang unterstreicht nur das schon bisher von uns Herausgearbeitete.281 Hierdurch wird nun auch deutlich, was Leibniz mit dem Begriff des Ordnens meint. Nach Leibniz gibt es Grade in der Schwierigkeit dessen, das, was in uns ist, aufzudecken. Manche eingeborenen Erkenntnisse — Leibniz denkt hierbei an die ersten Grundsätze und Lehrsätze, die man sozusagen auf den ersten Blick entdecken kann — sind leicht faßlich; andere dagegen, die aus solchen eingeborenen ursprünglichen Wahrheiten abgeleitet werden können, sind oft nur sehr schwer zu entdecken.282 Und um zu solchen abgeleiteten Wahrheiten vordringen zu können, bedarf es einer gewissen Ordnung. 276
NE, Preface = A VI 6, 53 („Pourquoi done ne pourrions nous pas foumir aus s i a nous mem es quelque objet de pensee de nostre propre fonds, lorsque nous y voudrons creuser?"). 277 Vg| aucn G III 36, wo Leibniz vom lumen intellectus spricht, welches die ideae innatae enthält, und er hierzu weiter ausführt: Licet enim ideae veritatesque in nobis latentes non statim sint in promtu, meditando tarnen ex mentis nostrae penetralibus erui possent. Das Verb eruere meint in seiner ursprünglichen Bedeutung ja auch soviel wie „ausgraben". Vgl. GÄBE, 95. 278 NE, Preface = A VI 6, 52. —Siehe oben S. 73f. 279 N E I 1 , § 5 = AVI6,77. 280
Vgl. PLATON, Menon 82 cff.
281
N E I 1 , § 5 = AVI6,77.
282
NE 11, § 5 = A VI 6,78; vgl. NE 11, § 23 = A VI 6, 85.
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Leibniz spricht in diesem Zusammenhang auch vom Unterscheidungsvermögen (discernement), welches die eingeborenen Wahrheiten ordnet (domeler).283 Mit einer von uns entdeckten eingeborenen Idee oder Wahrheit ist uns ja sogleich nicht alles das bekannt, was hiermit verknüpft ist. Man fordert ja auch nicht von einem Kind, das erkennt, was ein Quadrat und seine Seiten sind, daß es zugleich auch erkennen muß, daß die Diagonale mit der Seite des Quadrats inkommensurabel ist.284 Denn die Beweise springen ja nicht sofort in die Augen.285 Aufmerksamkeit wenden wir den Gegenständen zu, die wir von anderen unterscheiden und diesen vorziehen.286 Diese Aufmerksamkeit aber wird vom Bedürfnis geleitet.287 Die eingeborenen Ideen und Wahrheiten würden nach Leibniz im Verstande immer zur Geltung kommen, wenn die verworrenen Perzeptionen der Sinne sich nicht unserer Aufmerksamkeit bemächtigten. Letztere können zwar das Eingeborene niemals vertilgen (effacer), wohl aber verdunkeln (obscurir).288 So sind es nach Leibniz vornehmlich die körperlichen Bedürfnisse und die schlechten Gewohnheiten, die uns von dem Eingeborenen wegführen zu den Phantomen der Sinne.289 Das ist auch der Grund dafür, daß Kinder, Idioten und Wilde — welche Personengruppen Locke in diesem Zusammenhang immer wieder anführt — so gut wie nie zu eingeborenen Erkenntnissen gelangen können.290 Nicht aber kann diese Beobachtung Lockes ein begründetes Argument gegen die Annahme des Eingeborenen als solchen abgeben.
283 284 285 286 287
288 289
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Vgl. N E I I 11, § l = A VI 6,141. NE I 3, § 4 = A VI6,102. Vgl. NE I 2, § 9 = A VI6,92. NEII19,§1=AV16,161. N E U , §25 = A VI6, 86. NE 12, § 20 = A VI6,100. Vgl. NE I l, § 25 = A VI 6, 86; I l, § 27 = A VI 6, 87. — „Si la Geometrie s'opposoit autant ä nos passions et a nos interests presens que la morale, nous ne la contesterions et ne la violerions gueres moins, malgre toutes les demonstrations d'Euclide et d'Archimede, qu'on traiteroit de reveries, et croiroit pleines de paralogismes" (NE I 2, § 12 = A VI 6, 95). N E U , § 2 7 = A VI6,87.
Die Apperzeption oder Aktualisierung der Verstandeserkenntnis
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3. Wiedererinnerung? Leibniz1 Lehre des Eingeborenen erinnert in vielen Punkten an Platon. Die Bedeutung der Sinne als conditio sine qua non, die geforderte Aufmerksamkeit, alles das sind Momente, die wir auch bei Platon vorfinden. Nicht aber kann Leibniz Platon in der Lehre von der Wiedererinnerung folgen, wonach alle unsere Ideen Wiedererinnerungen sind und die Wahrheiten, die die Seele mit der Geburt des Menschen auf die Welt gebracht hat und die man eingeborene nennt, Spuren einer ausdrücklichen vorhergegangenen Erkenntnis sein müssen.2^ Zur Widerlegung der Platonischen Lehre von der Wiedererinnerung genügt es nach Leibniz jedoch nicht zu sagen, daß wir uns an das, was wir schon früher einmal gedacht haben müssen, nicht erinnern. Denn auch die Erfahrung lehrt uns immer wieder, daß viele Gedanken in unser Bewußtsein zurückkehren, von denen wir völlig vergessen haben, daß wir sie jemals gedacht haben.292 Leibniz begründet seine Ablehnung der Platonischen Lehre von der Wiedererinnerung vielmehr wie folgt: „Es ist leicht, sich vorzustellen, daß die Seele (wenn die Präexistenz stattfand) schon in dem vorhergehenden Zustand, wie entfernt er auch sein möge, ganz wie hier eingeborene Erkenntnisse besitzen mußte: Sie müßten also auch von einem anderen vorhergehenden Zustand herkommen, oder sie wären schließlich eingeboren293 oder wenigstens mit-erschaffen, oder man müßte ins unendliche gehen und die Seelen ewig machen."294 Leibniz entwirft hier folgende Alternativen der Begründung dieser Lehre. Entweder müßten diese Erkenntnisse der Seele im Zustand der Präexistenz ihrerseits wiederum irgendwie erworben worden sein, was aber zu einem unendlichen Regreß führte, da sich dieses Problem auf jeder Ebene von neuem stellte. Oder aber diese Erkenntnisse wären wirklich eingeboren, was bedeutete, daß sie zugleich mit der Seele erschaffen worden wären. Leibniz will hiermit 291 Ygj_ g 446 a: Longe ergo praeferendae sunt Platonis Notitiae innatae, quos reminiscentiae nomine velavit. Vgl. A VI6,11 f. 292 N E I 3 , § 2 0 = A VI 6,106. 293 Cass.2, 45, und Ph. Sehr. III l, 27, übersetzen hier falsch: „dem" bzw. „wo sie schließlich eingeboren ..." 294 NE I l, § 5 = A VI 6, 78f. (,J1 est aise de juger que Tarne devoit deja avoir des connoissances innees dans l'etat precedent [si la preexistence avoit lieu], quelque recule qu'il put etre, tout comme icy: elles devroient done aussi venir d'un autre etat precedent, ou elles seroient enfm innees, ou au moins con-creees, ou bien il faudroit aller ä l'infini, et faire les ames etemelles.").
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Die nähere Bestimmung des menschlichen Verstandes
folgendes sagen: Die Behauptung eingeborener Erkenntnisse bedarf nicht der Lehre von der Wiedererinnerung. Die eingeborenen Erkenntnisse können der Seele ja auch durch Gott mit-erschaffen worden sein. Es bleibt hier allerdings die Frage offen, ob Leibniz auf diese Weise nicht ein Bild Platons zum Zwecke der Pointierung der eigenen Position überinterpretiert. Die Substanzlehre des «Systeme nouveau» fügt sich problemlos in diese Platon-Kritik ein, was die diesbzgl. Argumentation in § 26 des Discours de mttaphysique ja auch zeigt, wo Leibniz der Platonischen Lehre von der Wiedererinnerung allerdings insgesamt positiver gegenübersteht, wenn er hier meint, daß diese Lehre sehr gut begründet sei, vorausgesetzt, daß man sie richtig verstehe, d.h. daß man sie vom Irrtum der Präexistenz reinige.295 In diesem Sinne hat Brands Recht, wenn er meint, daß die Auffassung der Seele als Monade bei Leibniz als Ersatz für den Mythos der Präexistenz der Seele angesehen werden könne.296
295
296
Vgl. DM § 26 = G IV 45If.; A VI 6,6.
BRANDS, 59.
Dritter Teil Die Auffassung des menschlichen Verstandes im «Systeme nouveau»
Vorbemerkung
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Zu Beginn der Nouveaux Essais läßt Leibniz Theophilus den Standpunkt des «Systeme nouveau» andeuten, wenn es hier heißt: „Sie wissen, Philalethes, daß ich seit langem anderer Meinung bin: daß ich stets für die eingeborene Idee Gottes, die Herr Descartes behauptet hat, gewesen bin, wie ich es noch immer bin, und folglich für andere eingeborene Ideen, die uns nicht von den Sinnen zukommen können. Jetzt gehe ich in Übereinstimmung mit dem neuen System noch weiter und glaube sogar, daß alle Gedanken und Tätigkeiten unserer Seele aus ihrem eigenen Grund stammen, ohne ihr durch die Sinne gegeben werden zu können."1 Vom Standpunkt der Substanz-Metaphysik aus, also im «Systeme nouveau», stellt sich das Erkenntnisproblem und mithin die Auffassung des menschlichen Verstandes somit anders dar als vom Standpunkt des «Systeme commun» aus. Hier sind nicht nur die intellektuellen Ideen, die ersten Prinzipien und die notwendigen Wahrheiten eingeboren, d.h. dem Verstand inhärent, sondern selbst die Gedanken und Tätigkeiten, ja alle Gedanken und Tätigkeiten unserer Seele kommen aus ihrem eigenen Grunde.2 Das Problem der Frage nach dem, was dem menschlichen Geist einerseits eingeboren ist, ihm andererseits von den Sinnen zukommt, stellt sich also hier im eigentlichen Sinne nicht mehr. Heimsoeth faßt diese Sichtweise des «Systeme nouveau» darum treffend so zusammen: „Leibnizens Metaphysik hat über das 'Außen' und 'Innen1 und ihren wechselseitigen Zusammenhang schon in den Prinzipien entschieden. Aus der allgemeinen Substanzenlehre folgt unmittelbar, daß, 'metaphysisch gesprochen', 'der Geist alles aus seinem eigenen Grunde zieht', die Sinnesvorstellungen so gut wie die intelligiblen Ideen, die Vorstellungen von Körper und Ausdehnung so gut wie die vom Ich, von Gott und von den ewigen Wahrheiten. Alle 'Gedanken und Aktionen' kommen spontan aus dem Innern. Nicht nur die NE I l, § l = A VI 6, 74 („Vous saves, Philalethe, que je suis d'un autre sentiment depuis longtems: que j'ai toujours ete comme je suis encore pour l'idee innee de Dieu, que M. des Cartes a soutenue, et par consequent pour d'autres idees innees, et qui ne nous sauroient venir des sens. Maintenant je vay encore plus loin en conformite du nouveau Systeme; et je crois meme que toutes les pen sees et actions de notre arne viennent de son propre fonds, sans lui pouvoir etre donnees par les sens."). Vgl. E 446 a: Sed cogitationes posteriores ex prioribus insita vi deducere, ordineque a Deo praescripto ... Quod ego etiam ad perceptiones sensibilium extendo. Vgl. SCHNEIDERS1, 177. — Dies als ,jnetaphysischen Aphorismus" zu bezeichnen — im Gegensatz zum „frkenntnistheoretischen" des «Systeme commun» (PAPE, 119), halten wir nicht für besonders glücklich, da es sich ja beide Male um ein Problem des Erkennens handelt.
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Die Auffassung des menschlichen Verstandes im «Systeme nouveau»
Fähigkeit ist eingeboren, sondern auch die Tendenz zum aktuellen Bewußtwerden des in der Seele Liegenden, und mit ihr der Akt der schließlich dazu führt. Auch dieses, daß diese und jene Idee in diesem und jenem Augenblicke aktuell gedacht wird, also auch die 'Veranlassung1 zum Erfassen der eigeborenen Idee im engeren Sinne, jedes Auftauchen von Sinnesvorstellungen in bestimmtem Augenblick ist in seiner Art 'eingeboren'. 'Nichts tritt in den Geist von außen ein', nicht einmal ein veranlassendes Moment. Die Seele hat alle ihre zukünftigen Gedanken in sich, ohne sie doch zu bemerken, und mit ihnen die Tendenzen und die Ordnungsbestimmungen, die sie zu ihrer Zeit ins 'deutliche' Bewußtsein heben werden. Alle unsere Vorstellungen sind einzig und allein Folge unseres eigenen Wesens."3 Man muß sich die ganze Radikalität dieser metaphysischen Konzeption klar machen, um zu ermessen, was das für das menschliche Erkennen und somit auch für die Auffassung des menschlichen Verstandes bedeutet. Um diese auf den ersten Blick sicherlich befremdlich erscheinende Konzeption4 besser verstehen zu können, muß man — wie Leibniz selbst rät — zuvor zweierlei betrachten: einmal die Natur und den Verkehr zwischen den Substanzen, zum anderen das, was man die Verbindung der Seele mit dem Körper nennt. Erst wenn man diese Dinge im rechten Sinne versteht, ist man in der Lage, die Frage nach dem Ursprung unserer Ideen zu entscheiden, die selbst darum nicht an den Anfang des Philosophierens gehört, sondern im Gegenteil schon einen beachtlichen Fortschritt hierin voraussetzt.5 HEIMSOETH1,296. Vgl. das schon oben S. 46 A. 6 zitierte Urteil Arnaulds nach einer ersten Lektüre der Inhaltsangabe des Discours de n^taphysique. Ja Arnauld rät Leibniz in diesem Zusammenhang sogar, diese metaphysischen Spekulationen zu lassen, da sie niemandem nützlich sein könnten, nicht einmal ihm selbst (G II 15). Es wäre also ein verfrühtes Urteil, zu meinen, die Philosophie von Leibniz sei nur heute nicht mehr so ohne weiteres verständlich, für ihre Zeit dagegen durchaus einsichtig gewesen. Ja Leibniz selbst gibt gegenüber Arnauld zu, daß es sehr schwer sei, sich in diesen neuen Gedankenkreis hineinzuversetzen, da es sich hier um abstrakte Fragen handele, bei denen uns weder Figuren noch Modelle, noch die sinnliche Anschauung zu Hilfe kommen könnten (G II 111; vgl. dazu G. KRÜGER, VII). Vgl. A VI 6, 6: „Pour ce qui est de la question, s'il y a des idees et des verites nees avec nous; je ne trouve point que la decision en soil absolument necessaire pour les commencemens ni pour la practique de l'art de penser: Soil qu'elles nous viennent toutes de dehors, ou qu'elles viennent de nous, on raisonnera juste, pourveu qu'on garde ce que j'ay dit cy dessus, et qu'on precede avec ordre et sans prevention. La question de l'origine de nos idees et de nos maximes n'est pas preliminaire en philosophic, et il faut avoir fait des grands progres pour la bien resou-
Vorbemerkung
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Da hier der Ort ist, wo man mit Recht davon sprechen kann, daß Leibniz' Auffassung des menschlichen Erkennens und mithin auch seine Auffassung des menschlichen Verstandes die Substanz-Metaphysik voraussetzt,6 ja geradezu aus dieser resultiert, so ist es unbedingt erforderlich, sich über die Grundlagen dieser neuen Konzeption Klarheit zu verschaffen. Das wollen wir unter drei Hauptgesichtspunkten tun, indem wir erstens die Bestimmung der individuellen Substanz, zweitens die Voraussetzungen und drittens die Konsequenzen dieser Substanzdefinition erörtern. Wir sehen es hier nicht als unsere Aufgabe an, den Weg nachzuzeichnen, auf dem Leibniz zu seiner Substanzdefinition gelangt ist — seien es nun mechanisch-dynamische, biologische, logisch-mathematische oder rein spekulative Gründe gewesen.7 Für unsere Zwecke genügt es, die Substanzlehre in ihren Hauptzügen nachzuzeichnen,8 um die hieraus resultierenden Konsequenzen für den Bereich der Erkenntnis herausarbeiten zu können. Dabei werden wir uns vornehmlich auf die erste systematische Zusammenfassung der Substanz-Metaphysik stützen, den Discours de motaphysique9 von 1686 und dre. Je crois cependant de pouvoir dire, que nos idees (memes celles des choses sensibles) viennent de nostre propre fonds, dont on pourra mieux juger par ce que j'ay public touchant la nature et communication des substances, et touchant ce qu'on appelle l'union de l'ame avec le corps. Car j'ay trouve que ces choses n'avoient pas este bien prises." Vgl. H. BARTH, 336; HEIMSOETH1, 266; HERBERTZ, 30; HlRSCHBERGER, II 171; JANSEN, 24; LATTA, 133f.; McRAE2, 145; WATSON, 193f. Vgl. dagegen BOUTROUX, der meint: „L'inn6ite etait la condition de la Monadologie" (100). Während DILLMANN sich bemüht, die Dynamik und Körperlehre als ausschließliche Quelle des metaphysischen Systems aufzuweisen, versuchen CASSIRER1, RUSSELL2 und COUTURAT', die Monadenlehre als strenge Ableitung aus der enger oder weiter gefaßten Logik zu konstruieren. Ein solches Verfahren erscheint aber schon an sich fragwürdig, denn es gibt hier, wie PAPE, 13, richtig sieht, „nur ein Nebeneinander von Gesichtspunkten und Problemen, die man herausheben und in ihrer wechselseitigen Beziehung und zeitlichen Entwicklung verfolgen kann" (vgl. JASPERS, 225). Gegen die logische Prävalenz haben zudem , HEIMSOETHl und MAHNKE überzeugend die spekulativen bzw. metaphysischen Ursprünge des Leibnizschen Denkens geltend gemacht. Auf die Bedeutung der biologischen Erkenntnisse für Leibniz' Denken macht z.B. P. KÖHLER, 61f., aufmerksam. Vgl. HEIMSOETH1, 266. G IV 427-463. Im Discours de metaphysique haben wir die recht unverhohlene, umfassende Offenlegung seiner Metaphysik. Die Antwort auf die Frage, weshalb Leibniz diese Schrift verfaßt und doch nicht veröffentlicht hat, ist nach HOCHSTETTER2 „nur außerhalb der Philosophiegeschichte zu finden": „Leibniz* Gönner und Freund, der Konvertit Landgraf Ernst von Hessen-Rheinfels, suchte ihn nämlich seit dem Anfang der achtziger Jahre zur Konversion zu bewegen. Diese Bemühungen hatten zunächst den Erfolg, daß Leibniz sich selbst die schwere Frage stellte, ob ein Mensch seiner Zeit die einst von den Reformatoren vollzogene Trennung
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Die Auffassung des menschlichen Verstandes im «Systeme nouveau»
den sich hieran anschließenden Briefwechsel mit Arnauld10, der in die Jahre 1686 bis 1690 fällt. Ergänzend werden wir sodann besonders die weiteren sogenannten philosophischen Hauptschriften heranziehen: das Systeme nouveau de la nature et de la communication des substances, aussi bien que de l'union qu'il y a entre l'ame et le corps11 von 1695, mit dem Leibniz es zum ersten Male wagt, seine metaphysische Lehre der Öffentlichkeit vorzulegen, und die sich hieran anschließenden Erläuterungen12, die Nouveaux Essaisn von 1704, die Th odic el4 von 1710 sowie die beiden sogenannten Vermächtnisschriften: die Monadologie15 und die Principes de ia nature et de la grace, fondus en raison16 von 1714.
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von der 'Mutterkirche' noch aufrecht erhalten dürfe. Mit dem Bedenken dieser echten Sorge hat Leibniz nach seiner Art mehrere Foliobogen nur für sich selbst gefüllt ... Andererseits war er sich keineswegs sicher, ob bei einer Konversion nicht gewisse philosophische Ansichten ... Anstoß erregen würden. Schließlich wäre es doch besser, nicht um Aufnahme zu bitten, als hinterher wieder ausgestoßen zu werden. Um hierüber ein sachverständiges Urteil zu erhalten, hat Leibniz im Discours, nicht ohne eine gewisse Vorsicht, seine festen Überzeugungen dargelegt, in der Absicht, sie ... Antoine A maul d vorlegen zu lassen und seine Entscheidung über ihre Verträglichkeit mit den katholischen Dogmen zu erbitten. Hier wollte er also nicht belehren, sondern selbst in seinen eigenen Überzeugungen beurteilt werden. Erst von dieser, aus ganz anderen als philosophischen Bezirken her gewonnenen Einsicht können wir die einzigartige Bedeutung ermessen, die dieser Discours für Leibniz und damit auch für unsere Kenntnis seiner eigentlichen Philosophie hat. Keine andere seiner Schriften und Aufzeichnungen besitzt dieses Gewicht. Daß er diese letzte Offenlegung seiner Gedanken dann doch gescheut und an Arnauld nur einen kurzen 'Sommaire' daraus übersandt hat, weil ihm selbst nämlich schon Bedenken über ihre Duldung durch die katholische Kirche gekommen waren, ist ein weiterer Beleg für die Wahrhaftigkeit seiner Ausführungen" (lOlf.). Vgl. C. WILSON, 79f. GII 25-138. G IV 477-487; vgl. G IV 471-477. G IV 490-503. 517-594. A VI 6, 39-527. G VI 21-471. G VI 607-623. G VI 598-606.
1. Kapitel Die Lehre von der Substanz
§ 21 Die Bestimmung der individuellen Substanz Von welcher Beschaffenheit ist eine individuelle Substanz?17 „Es ist ganz richtig", heißt es in § 8 des Discours de mutaphysique, „daß, wenn mehrere Prädikate sich auf ein und dasselbe Subjekt zurückführen lassen und wenn dieses Subjekt sich auf kein anderes mehr zurückführen läßt, man das eine individuelle Substanz nennt; aber dies genügt nicht, und eine solche Erklärung ist nur nominal."18 Diese auf Aristoteles zurückgehende Substanzdefinition,19 der 17
Wenn hier von Substanz die Rede ist, so ist damit die einfache Substanz gemeint (vgl. G II 439; G VII 501 f.), also die metaphysische Einheit, zu der Leibniz auch wirkliche Einheit (unite reelle), wirklicher oder beseelter Punkt (point reel et anime), metaphysischer Punkt (point metaphysique) oder substantielles Atom (Atome de substance) sagt (G IV 478f. 482), wobei sich Leibniz sehr wohl bewußt ist, daß die Rede vom „Punkt" hier nur im übertragenen Sinne zu verstehen ist (vgl. G VI 627). Bei den lebenden Dingen nennt Leibniz das substantielle Prinzip Seele (ame), bei den übrigen substantielle Form (forme substantielle). Die vernünftigen Seelen (ames raisonnables) nennt er Geister (esprits) (G IV 479. 511). Nimmt man diese wirklichen Einheiten weg, so bleibt nichts wahrhaft Seiendes in den Körpern übrig (G IV 511), d. h. fur Leibniz gibt es keine rein körperliche Substanz im Sinne der Cartesischen res extenso. Der Begriff der Monade (griech. monäs) taucht in diesem Zusammenhang nicht erst in einem Brief an Fardella vom 3. /13. September 16% auf, wo es heißt: Quae de fecunditate animae habentur in transmissä schedä, minus intelligo. Mihi omnis substantia operationum mire fertilis vide tu r. Sed substantia (praeterquam infinita) substantiam, id est monada, product non arbitral-, in quo puto nos non dissensuros, si mutuö intelligamur (F 328; vgl. F 326), wie MAHNKE (25If. A. 84 u. 288 A. 237) im Anschluß an STEIN (209) meint, sondern schon ein Jahr zuvor in einem Brief an den Marquis de l'Hospital vom 12.122. Juli 1695, worauf als erster SAAME (61) aufmerksam gemacht hat (vgl. dagegen POSER'*, 118): „La clef de ma doctrine sur ce sujet consiste dans cette consideration que ce qui est proprement une unite reeUe, Monas" (GM II 295). — Zum Begriff der zusammengesetzten Substanz siehe unten S. 145. !8 DM § 8 = G IV 432f. („D est bien vray, que lorsque plusieurs predicats s'attribuent un meine sujet, et que ce sujet ne s'attribue plus ä aucun autre, on l'appelle substance individuelle; mais cela n'est pas assez, et une teile explication n'est que nominale."). 19
Vgl. z.B. ARISTOTELES, Met. V 8, 1017 b 10-26; VII 3, 1028 b 33-1029 a 2. Vgl. dazu BARREAU, 241-246; RUDOLPH, 101-, SCHUTT, 33; BURGELIN, 140; STEGMAEER, 152; MJTTELSTRAß1, 180.
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Die Lehre von der Substanz
Leibniz zwar grundsätzlich zustimmt, scheint ihm aber nicht zu genügen. Leibniz will über die bloße Nominaldefinition hinauskommen. Dies wird mit Hilfe der Satzstruktur versucht. 1. Praedicatum inest subjecto Der Subjektsbegriff muß immer den Prädikatsbegriff einschließen.20 Dies kann — wie im Falle der identischen Sätze — ausdrücklich der Fall sein; in allen anderen Fällen muß das Prädikat doch virtuell im Subjekt enthalten sein. In jedem Fall also enthält der Subjektsbegriff den Prädikatsbegriff in sich. Und derjenige, der den Begriff des Subjekts vollkommen versteht, kann urteilen, daß ihm dieses Prädikat zukommt. Hieraus folgt für das Wesen einer individuellen Substanz oder eines vollständigen Seienden21 (la nature d'une substance individuelle ou d'un estre complet), daß ihm ein derart vollkommener Begriff eigen ist, daß er ausreicht, alle Prädikate des Subjekts, dem dieser Begriff zukommt, zu verstehen und aus ihm herzuleiten. Ein Akzidens enthält demgegenüber nicht alles das, was man dem Subjekt, dem dieser Begriff beigelegt wird, zuschreiben kann. Leibniz bringt als Beispiel hierfür die Eigenschaft „König", die Alexander dem Großen zukommt. Dieses Akzidens reicht nicht aus, das Individuum ausreichend zu bestimmen. Es enthält die anderen Eigenschaften desselben Subjekts nicht. Dagegen enthält der individuelle Begriff oder die Diesheit (la notion individuelle ou hecceito)22 Alexanders alle Prädikate, die 20
Diese Formulierung des Discours de metaphysique legt natürlich den Interpretationsversuch COUTURATS1 nahe, Leibniz' Metaphysik als auf den Prinzipien seiner Logik beruhend zu begreifen. Aber schon HEIMSOETH1, 197, macht mit Recht darauf aufmerksam, daß Leibniz hier diese Argumentation in der Absicht verfolgt, den Logiker Amauld für seine Sache zu gewinnen. Vgl. J. JALABERT1, 5 u. 94; BUROELIN, 140f. 2 ' Während die Materie ein unvollständiges Seiendes (un etre incomplet) ist, dem die Quelle seiner Tätigkeiten fehlt, ist die Seele oder der Geist eine wahrhafte Substanz oder ein vollständiges Seiendes (une veritable substance, ou un Etre complet), das die Quelle seiner Tätigkeiten ist (G IV 543f.). Jedoch gibt es ja nach Leibniz — Gott ausgenommen — keine Seele, die nicht an einen Körper gebunden ist, woraus folgt, daß die Lebewesen immer auch leidend sind (vgl. NE II 23, § 28 = A VI 6, 225; IV 10, § 9 = A VI 6,440; siehe dazu unten S. 145). Folgerichtig gesteht Leibniz auch den Engeln „feine" Körper (des corps subtils) zu (vgl. NE, Preface = A VI 6, 58f.; III6, §19 = A VI6, 313). 22 Der Ausdruck der haecceitas bzw. „hecceite" taucht schon in Leibniz1 Dissertation De Principio Individui von 1663 auf (A VI 6, 8. 11. 15-18), später auch wieder in seiner Vorrede zur Nizoliusausgabe von 1670 (A VI 2, 411) und in der Confessio philosophi von 1673 (Sa. 124).
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sich von diesem Subjekt aussagen lassen.23 „Wenn Gott dagegen den individuellen Begriff oder die Diesheit Alexanders betrachtet, sieht er darin zugleich die Grundlage und den Grund aller Prädikate, die sich von ihm wirklich aussagen lassen, wie z.B., daß er Darius und Porus besiegen würde, bis zu dem Punkt, a priori (und nicht aus Erfahrung) zu wissen, ob er eines natürlichen Todes oder durch Gift gestorben ist, was wir nur aus der Geschichte wissen können. Wenn man so den Zusammenhang der Dinge recht betrachtet, kann man sagen, daß es in der Seele Alexanders jederzeit Überbleibsel alles dessen gibt, was ihm widerfahren ist, und Zeichen alles dessen, was ihm widerfahren wird, und sogar Spuren von allem, was im Universum geschieht, wenngleich es nur Gott zukommt, dies alles zu erkennen."24 Mein individueller oder vollständiger Begriff ist also der Begriff, den Gott von mir hat und den er hatte, noch bevor er sich dazu entschloß, mich zu erschaffen. Leibniz leitet diesen Begriff aus der göttlichen Erkenntnis als aus seiner wahren Quelle her.25 Der Begriff einer individuellen Substanz schließt also ein für allemal alles das ein, was ihr jemals widerfahren kann.26 Jede Substanz enthält in ihrem Wesen das Gesetz der Fortsetzung der Reihe ihrer Tätigkeiten: legem continuationis seriei suarum operationum.21 Die natürlichen Veränderungen der einDieser auf Duns Scotus zurückgehende Begriff meint den Inbegriff der individuellen Natur eines Dinges (vgl. Engeln. 414 A. 4). Aus Raumgründen kann hier nicht weiter auf diesen Begriff eingegangen werden. Vgl. dazu BECKMANN. 23 DM § 8 = G IV 432f. 24 DM § 8 = G IV 433 („Au lieu que Dieu voyant la notion individuelle ou hecce'ite d'Alexandre, y voit en meme temps le fondement et la raison de tous les predicats qui se peuvent dire de luy veritablement, comme par exemple qu'il vaincroit Darius et Porus, jusqu'ä y connoistre a priori (et non par experience) s'il est mort d'une mort naturelle ou par poison, ce que nous ne pouvons s(avoir que par lliistoire. Aussi quand on considere bien la connexion des choses, on peut dire qu'il y a de tout temps dans Fame d'Alexandre des restes de tout ce qui luy est arrive, et les marques de tout ce qui luy arrivera, et meme des traces de tout ce qui se passe dans 1'univers, quoyqu'il n'appartienne qu'ä Dieu de les reconnoistre Unites."). Vgl. G II 68f.; Grua II 554; F 179. 25 Vgl. G II 53; C 520. 26 Vgl. DM § 16 = G IV 441; § 32 = G IV 457. Für Begriff (notion) sagt Leibniz hier auch Idee (idee), Wesen (essence) oder Natur (nature) (G II 68). 2 ^ G II 136. In G IV 518 spricht Leibniz ähnlich vom „Ordnungsgesetz" (loy de l'ordre), das die Individualität jeder besonderen Substanz bewirkt (vgl. G IV 522). Dies macht nun auch deutlich, was Leibniz sagen will, wenn er die Seele als einen genauen immateriellen, geistigen (spirituel) oder auch unkörperlichen Automaten bezeichnet (vgl. G IV 522; Th. I § 52 = G VI 131; III § 403 = G VI 356; G IV 485; Mon. § 18 = G VI 610). Vgl. G IV 548: Je ne co^ois
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fachen Substanzen oder Monaden gehen also aus einem inneren Prinzip (principe interne) hervor, weil ja ein äußerer Grund in ihr Inneres nicht einströmen kann.28 So wie der Körper gemäß den Bewegungsgesetzen nach Veränderung strebt, so strebt die Seele auch gemäß den Gesetzen des „appetit" nach Veränderung.29 Der „appetit" oder die „appetition" ist die Tätigkeit des inneren Prinzips, die die Veränderung oder den Übergang von einer Perzeption zur anderen bewirkt,30 wobei Leibniz unter „appetitions" Strebungen (efforts) versteht, die aus sinnlich nicht wahrnehmbaren Perzeptionen herrühren, welche wir nicht apperzipieren.31 Wir brauchen also hier nicht auf den Einfluß einer anderen besonderen Substanz zurückzugreifen.32 Betrachtet man diesen Begriff, so kann man alles aus ihm ersehen, was von der Substanz wirklich ausgesagt werden kann — so wie wir aus dem Wesen des Kreises alle Eigen-
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pas la loy de la suite des modifications d'une Ame comme un simple decret de Dieu, mais comme un effect du decret consistant dans la nature de Fame, comme une loy inscrite dans sa substance. Lors que Dieu met une ceitaine loy ou regle d'actions a faire dans un automate, il ne se contente pas de luy donner im ordre par son decret, mais il luy donne en meme temps le moyen de l'executer, c'est une loy inscrite dans sa nature ou conformation." Leibniz übernimmt ja bekanntlich den Ausdruck Automate spirituer von SPINOZA (vgl. Tractatus de intellectus emendatione = Opera, II 32: „automa spirituale"), was aber nicht heißt, daß er hier auch sachlich von Spinoza beeinflußt ist. Vgl. dazu FRIEDMANN, 227: „Leibniz use ä diverses reprises de cette expression, mais on ne la rencontre pas avant le Systeme nouveau de 1695, c'est-ä-dire ä une periode ou sa philosophic, dans sa forme definitive, est pleinement constituee depuis longtemps, et ou, par consequent, il ne peut s'agir que d'une expression qui lui a plu et qu'il a faite sienne pour couler en eile sa propre pensee." Vgl. Mon. §11= G VI 608. „Les pensees presentes renferment une tendance ä d'autres pensees. Car l'ame n'a pas settlement de la perception, mais encore de l'appetit" (G IV 544). Vgl. G IV 562: „L'estat de l'ame, comme de l'atome, est un estat de changement, une tendance: l'atome tend ä changer de lieu, l'ame a changer de pensee; Tun et l'autre de soy change de la maniere la plus simple et la plus uniforme, que son estat permet." Vgl. G IV 551: „Ce sont les perceptions precedentes memes dont naissent les suivantes par les loix des appetits." Vgl. PNG § 3 = G VI 599; Bodemann 106. Vgl. Mon. § 15 = G VI 609; PNG § 2 =G VI 598; G III 347. 574f. 622; G VII 330. Vgl. GRAU, 149. NE II 21, § 5 = A VI 6, 173. Nach McRAE2, 60, sind Perzeption und Appetit nicht als zwei verschiedene Modifikationen der Seele zu verstehen, sondern als ein und dieselbe Modifikation unter einem je verschiedenen Gesichtspunkt: „From one point of view every passing state is an expression of the many in the one and as such it is a perception. From the other point of view every passing state is a tendency to a succeeding state and as such is an appetition." Vgl. G II69.
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Schäften ersehen können, die man daraus herleiten kann. Alles, was einer Person widerfahren wird, ist also bereits virtuell in ihrer Natur oder in ihrem Begriff enthalten33 — wie die Eigenschaften des Kreises in seiner Definition.34 2. Aufhebung des Unterschieds zwischen zufälligen und notwendigen Wahrheiten? Schließt aber der Begriff einer individuellen Substanz ein für allemal alles das ein, was ihr jemals widerfahren kann, so scheint dadurch der Unterschied zwischen zufälligen und notwendigen Wahrheiten aufgehoben zu sein — und das bedeutete letztlich die Aufhebung der menschlichen Freiheit und die Annahme eines absoluten Fatums. Leibniz glaubt, diese Schwierigkeit durch seine Unterscheidung zwischen dem, was sicher, und dem, was notwendig ist, lösen zu können, wenn es heißt: »Jedermann gibt zu, daß die zukünftigen zufälligen Ereignisse sicher sind, weil Gott sie vorhersieht, aber man gibt damit nicht zu, daß sie notwendig sind. Wenn sich aber (wird man sagen) irgendeine Schlußfolgerung unfehlbar aus einer Definition oder einem Begriff ableiten läßt, wird sie notwendig sein. Nun behaupten wir, daß alles das, was irgendeiner Person widerfahren kann, bereits virtuell in ihrer Natur oder in ihrem Begriff eingeschlossen ist wie die Eigenschaften des Kreises in seiner Definition. So besteht die Schwierigkeit noch weiter. Um ihr wirklich gerecht zu werden, unterscheide ich zwischen zwei Arten der Verknüpfung oder Verkettung: Die eine, deren Gegenteil einen Widerspruch einschließt, ist absolut notwendig, und eine solche Deduktion findet sich bei den ewigen Wahrheiten wie denjenigen der Geometrie; die andere ist nur ex hypothesi und sozusagen per accidens notwendig, und sie ist an sich kontingent, da das Gegenteil keinen Widerspruch einschließt. Und diese Verknüpfung gründet sich nicht auf die ganz reinen Ideen und allein auf den göttlichen Verstand, sondern auch auf seine freien Ratschlüsse und auf die Folge
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Der Begriff der individuellen Substanz garantiert so auch, wie Leibniz selbst sagt, a priori die Identität des Ich, welche natürlich auch a posteriori durch eine innere Erfahrung (experience interieur) gegeben ist, denn der Begriff der individuellen Substanz verknüpft die verschiedenen Zustände und begreift sie in sich (vgl. G II 43. 53; vgl. dazu Cass.1, II196 A. 359). DM §13 = G IV 436.
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des Universums."35 Die Wahrheit, daß Caesar über den Rubikon ging, ist nach Leibniz nicht absolut notwendig, da ja das Gegenteil hiervon keinen Widerspruch impliziert. Sie ist aber ex hypothesi notwendig, d.h. unter Voraussetzung des „Fundamentalbegriffs"36 des Universums, dem diese individuelle Substanz angehört. Dieser „Fundamentalbegriff' des Universums ist selbst nicht absolut notwendig, da jede mögliche, also auch die wirkliche Welt nur eine unter anderen ist.37 Gurwitsch kommentiert hierzu: „Die Kontingenz überträgt sich von der in Rede stehenden möglichen Welt als ganzer auf alle ihr angehörigen individuellen Substanzen."38 Die Notwendigkeit der Tatsachenwahrheiten ist mithin für Leibniz keine absolute, sondern eine bloß hypothetische, deren Gegenteil keinen Widerspruch bedeutet, sondern nur eine Unvollkommenheit oder moralische Absurdität.39 Aber fällt Leibniz hier nicht hinter Boethius zurück, wenn er in diesem Zusammenhang immer wieder von praevidere bzw. prevoir I prevision oder praescientia bzw. prescience spricht? Die Texte scheinen jedenfalls dafür zu sprechen, daß Leibniz die providentia wirklich im Sinne der praevidentia auffaßt. Allerdings bezeichnet er ja das von Gott Vorhergesehene als nur hypothe35
DM § 13 = G IV 437 („Tout le monde demeure d'accord que les futurs contingens sont asseures, puisque Dieu les prevoit, mais on n'avoue pas pour cela, qu'ils soyent necessaires. Mais (dirat-on) si quelque conclusion se peut deduire infalliblement d'une definition ou notion, eile sera necessaire. Or est il, que nous soutenons que tout ce qui doit arriver a quelque personne est deja compris virtuellement dans sä nature ou notion, comme les proprietes le sont dans la definition du cercle. Ainsi la difficulte subsiste encor, pour y satisfaire solidement, je dis que la connexion ou consecution est de deux sortes, l'une est absolument necessaire, dont le contraire implique contradiction, et cette deduction a lieu dans les verit6s etemelles, comme sont celles de Geometrie; l'autre n'est necessaire qu'«r hypothesi, et pour ainsi dire par accident, et eile est
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contingente en eile meme, lors que le contraire n'implique point. Et cette connexion est fondee non pas sur les idees toutes pures et sur le simple entendement de Dieu, mais encor sur ses decrets libres, et surla suite de l'univers."). Vgl. G II 25ff.; Grua I 271. II 478f.; G VII 389f.; G III 400f. 419; NE II 21, § 9 = A VI 6, 176. Vgl. GURWITSCH1, 220. Vgl. G VII 303: Mundus enim praesens physice seu hypothetice, non vero absolute seu Metaphysice est necessarius. GURWITSCH1,286. Vgl. G VII 304: Etsi enim Mundus non sit metaphysice necessarius, ita ut contrarium implicet contradictionem seu absurditatem logicam, est tarnen necessarius physice vel determinatus ita ut contrarium implicet imperfectionem seu absurditatem moralem. Et ut possibilitas est principium Essentiae, ita perfectio seu Essentiae gradus (per quem plurima sunt compossibilia) principium existentiae. Vgl. A VI 3,128; Grua II 478; G III 400f. u.ö.
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tisch, nicht aber als absolut notwendig.40 Und das hypothetisch Notwendige ist nach Leibniz mit der Freiheit kompatibel.41 Demgegenüber macht ja bekanntlich Boethius geltend, daß das von Gott im Sinne der praevidentia Vorhergesehene untrüglich ist und darum der Kontingenz widerstreitet.42 Erst der Rekurs auf die Bestimmung der Ewigkeit als interminabilis uitae Iota simul et perfecta possessio (gleichzeitig ganzer und vollkommener Besitz eines unbegrenzbaren Lebens)43 und mithin des Wissens Gottes als Gegenwärtigkeit,44 welchem er darum lieber den Namen providentia gibt,45 kann nach Boethius dieses Problem auflösen. Denn ein gegenwärtiges Sehen macht die Dinge nicht absolut notwendig.46 Leibniz verwendet zwar auch den Begriff der providentia, welche nach ihm das Prinzip der praescientia ist: In der Region der Möglichkeiten 40
Vgl. Th. § 37 = G VI 123f.; G III 36; Causa Dei § 43 = G VI 445; G VI 390; G III 419; G VII 389f.; Grua II 478f. 41 Vgl. Grua I 270f. 274. 313f. 382. 420f. 42 Vgl. BOETHIUS, De cons, philos., V 5, 8-10: Simile est quod humana ratio diuinam intellegentiam futura nisi ut ipsa cognoscit non putat intueri. Nam ita disseris: Si qua certos ac necessarios habere non uideantur euentus ea certo euentura praesciri nequeunt. Harum igitur rerum nulla est praescientia; quam si etiam in his esse credamus, nihil erit quod non ex necessitate proueniat. 43 EBD., V 6, 4. — Leibniz hat diese Definition des Boethius gekannt. In seinen Randbemerkungen zu Exzerpten aus Spinoza (ex literis D. Schult.) von 1676 (?) findet sich folgender Satz: Satis congruit cum defmitione aetemitatis Boetiana (A VI 3, 278 A. 5). Vgl. auch § 3 (De definitione aetemitatis) der Epistola II an Loefler (Dutens I 22f.), wo es heißt: Optime notasti, defmitionem aetemitatis nostram esse caussalem & magis a priori. Et sequitur ex ea non tantum vulgaris descriptio, quod sit permanentia inlerminabilis, sed etiam Boetiana, quod sit tola & perfecta simul, quae ex sola interminabilitate permanentiae non ita sequitur. In ipsa autem Boetiana descriptione incommoda est mentio vitae & posessionis. Nam vita non magis apte ingredietur defmitionem ejus, quam spiritualitas defmitionem Dei nostram (Dutens I 22). Vgl. A VI l, 495. 44 Vgl. BOETHIUS, De cons, philos., V 6, 15: Quoniam igitur omne iudicium, secundum sui naturam quae sibi subiecta sunt comprehendit, est autem deo semper aetemus ac praesentarius status, scientia quoque eius omnem temporis supergressa motionem in suae manet simplicitate praesentiae infinitaque praeteriti ac futuri spatia complectens omnia quasi jam gerantur in sua sünplici cognitione considerat. 45 Vgl. EBD., V 6, 17: Vnde non praeuidentia sed prouidentia potius dicitur, quod porro a rebus infimis constituta quasi ab excelso rerum cacumine cuncta prospiciat. ^ Vgl. EBD., V 6, 18f. 21: Quid igitur postulas ut necessaria fiant quae diuino lumine lustrentur, cum ne homines quidem necessaria faciant esse quae uideant? Num enim quae praesentia cernis aliquam eis necessitatem tuus addit intuitus? Minime ... Quare haec diuina praenotio naturam rerum proprietatemque non mutat taliaque apud se praesentia spectat qualia in tempore olim futura prouenient. Vgl. dazu CHADWICK, 244-247; KREMER3, bes. 245f.
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werden alle möglichen Welten vorgestellt, also auch diejenige, die — als die beste aller möglichen — zur Existenz zugelassen wird,47 wobei Leibniz dieses Vorstellen auch nicht in einem zeitlichen Sinne aufzufassen scheint;48 doch dient ihm das überraschenderweise gerade nicht zur Lösung des Problems, wie das Vorherwissen Gottes mit der Freiheit vereinbar ist. Vielmehr glaubt Leibniz, durch seine Unterscheidung zwischen dem hypothetisch Notwendigen und dem absolut Notwendigen die Lösung schon eine Ebene früher gefunden zu haben als Boethius, so daß sich der Rekurs auf den Begriff der Ewigkeit nach Leibniz somit erübrigt. Das erhellt auch aus Leibniz' Urteil zu folgendem von Hobbes in seiner Vorrede (To the reader) zu dem Buch The questions concerning liberty, necessity, and chance genannten Argument: „Die anderen behaupteten im Gegenteil, daß ... obwohl Gott vorherweiß, daß sich eine Sache ereignen wird, es dennoch nicht notwendig ist, daß sich jene Sache ereignen wird, da Gott die Zukunft nicht wie in ihren Ursachen sieht, sondern wie gegenwärtig."49 Leibniz bemerkt nämlich hierzu: „Hier beginnt man gut, und endet man schlecht. Man hat recht, die Notwendigkeit der Folge zuzulassen, aber man hat hier überhaupt keine Veranlassung, auf die Frage zu rekurrieren, wie die Zukunft Gott gegenwärtig ist: Denn die Notwendigkeit der Folge verhindert überhaupt nicht, daß das Ereignis oder die Folge in sich kontingent ist."50 Nach Leibniz ist es hier in dieser Frage also gar nicht notwendig, auf die Ewigkeit Gottes zu rekurrieren. Vielmehr ist für ihn schon die Unterscheidung zwischen dem hypothetisch Notwendigen und dem absolut Notwendigen die Lösung des Problems: Das, was Gott vorhersieht, ist sicher im Sinne der hypothetischen Notwendigkeit, aber darum doch nicht absolut notwendig. Aber nur das absolut Notwendige widerstreitet nach Leibniz der Kontingenz und somit der Freiheit. 47 48 49
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Vgl.Th.§42 = GVI126. Vgl. G II 23; Grua I 271. 362. II 482; DM § 30 = G IV 454; Th. § 360 = G VI 328f. HOBBES, The English Works V, VIII („The other on the contrary maintaineth, that ... though God foreknow a thing shall be, yet it is not necessary that that thing shall be, inasmuch as God seeth not the future as in its causes, but as present".). Leibniz gibt dieses Argument in der folgenden Weise wieder: „Que nonobstant que Dieu prevoye qu'un evenement arrivera, U n'est pas necessaire qu'il arrive, Dieu prevoyant les chases, non pas comme futures et comme dans leur causes, mais comme presentes" (G VI 393). G VI 393 („Icy on commence bien, et finit mal. On a raison d'admettre la necessite de la consequence, mais on n'a point sujet icy de recourir ä la question, comment 1'avenir est present ä Dieu: car la necessite de la consequence n'empeche point que l'evenement ou le consequent ne soit contingent en soy".).
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Denn dasjenige, was den Vorbedingungen gemäß eintritt, ist zwar sicher (asseurä), aber doch nicht notwendig im Sinne der absoluten Notwendigkeit. „Wenn jemand das Gegenteil tun würde", betont Leibniz ausdrücklich,51 „so würde er nichts an sich Unmögliches tun, wenn es auch unmöglich ist (ex hypothesi), daß dies geschieht." Die hypothetische Notwendigkeit ist also nicht gleichzusetzen mit der absoluten oder geometrischen Notwendigkeit, sondern sie ist sozusagen präsumptiv (presomtive), d.h. letztlich auf die Weisheit Gottes gegründet (fondee sur la sagesse de Dieu).52 Zu Recht setzt Saame darum die hypothetische Notwendigkeit mit der moralischen gleich.53 Boethius dagegen meint, auf das göttliche Wissen rekurrieren zu müssen, um dieses Problem zu lösen.54 Leibniz scheint in diesem Problem Laurentius Valla zu folgen, der in seiner Schrift Dialogus de libero arbitrio gegen Boethius argumentiert.55 Was für unser Interesse hier wichtig ist, ist die Beobachtung, daß die Unterscheidung zwischen zufälligen und notwendigen Wahrheiten innerhalb des «Systeme nouveau» einen anderen Stellenwert bekommt als im «Systeme commun». Ging es Leibniz innerhalb des «Systeme commun» hierbei vornehmlich um die Frage nach „eingeboren" oder „erworben", also um ein erkenntnistheoretisches Problem, so verschiebt sich innerhalb des «Systeme nouveau» diese Frage in den logisch-metaphysischen Bereich: Das Charakteristische der notwendigen Wahrheiten ist nun nicht mehr ihr Eingeborensein, diese Eigenschaft wird überhaupt nicht mehr angeführt; das Charakteristische ist nunmehr allein die Unmöglichkeit ihres Gegenteils. Diese Verschiebung von der erkenntnistheoretischen auf die logisch-metaphysische Ebene ist aber 5
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DM § 13 = G IV 437 („Si quelcun faisoit le contraire, il ne feroit rien d'impossible en soy meme, quoyqu'U soil impossible [ex hypothesi} que cela arrive."). Vgl. auch schon Confessio philosophi (Sa. 64). NE II21, § 9 = A VI 6,176. Sa., 166 A. 102. Allein PARKINSON3, 11 A. 7, merkt hierzu an, daß die Begriffe „/»rtvision" und „prescience" Probleme bereiten; allerdings verweist er nicht auf die Lösung des Boethius. KAULBACH, 61 u. 66, AXELOS, 255f. u. 371, und KAPHAGAWANI, 404-407, dagegen scheinen hierin kein Problem zu sehen. Vgl. Th. § 405f. = G VI 357f.; Th., Preface = G VI43; § 405 = G VI 357; § 413 = G VI 361; G III 143. 481; Grua II 497. Vgl. auch schon den Demonstrationum catholicarum conspectus von 1668-1669 (?), wo es in cap. l der Pars III (Demonslratio Possibiütatis Mysteriorum Fidei Christianae) heißt: Modus aetemitatis Dei, contra Boetium et Scholasticos de aelemitate, aevo, tempore(AVI 1,495).
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nicht mehr als konsequent. Denn im «Systeme nouveau» kann dem Eingeborenen im eigentlichen Sinne ja auch kein Platz mehr zukommen, wenn wir mit Leibniz1 Substanzdefinition Ernst machen.
3. Begriff der individuellen Substanz und Artbegriff Auch wenn Leibniz selbst in § 13 des Discours de mttaphysique den Vergleich des Begriffs der individuellen Substanz mit dem Wesen des Kreises nahelegt,56 so besteht zwischen diesen beiden Größen doch ein nicht unerheblicher Unterschied, auf den Leibniz in der Auseinandersetzung mit Arnauld auch nachdrücklich aufmerksam macht. Dieser Unterschied ist letztlich in demjenigen zwischen den zufälligen und den notwendigen Wahrheiten begründet. Der Begriff dieses meines besonderen Ich — oder auch jeder andere einer individuellen Substanz — ist nach Leibniz unendlich viel inhaltsreicher und sehr viel schwieriger zu begreifen als irgendein allgemeiner Artbegriff (notion specifique) wie derjenige des Kreises oder der Kugel. Denn der allgemeine Artbegriff der Kugel z.B. ist unvollständig (incomplete) und abstrakt, da er nicht alle die Umstände einschließt, die praktisch notwendig sind, um zu einer bestimmten Kugel zu gelangen (pour venir ä une certaine sphere).57 „Um zu 56 57
Siehe oben S. 125. G II 52; vgl. G II 41. Am Beispiel des Kreises verdeutlicht Leibniz dies noch einmal sehr schön: „Aussi la notion de la sphere en general est incomplete ou abstreite, c'est ä dire on n'y considere que l'essence de la sphere en general ou en theorie sans avoir egard aux circonstances singulieres, et par consequent eile n'enferme nullement ce qui est requis ä l'existence d'une certaine sphere; mais la notion de la sphere qu'Archimede a fait mettre sur son tombeau est accomplie et doit enfermer tout ce qui appartient au sujet de cette forme. C'est pourquoy dans les considerations individuelles ou de practique, quae versantur circa singularia, outre la forme de la sphere, il y entre la matiere dont eile est faite, le lieu, le temps, et les autres circonstances, qui par un enchainement continuel envelopperoient enfin toute la suite de l'univers, si on pouvoit poursuivre tout ce que ces notions enferment. Car la notion de cette particelle de matiere dont cette sphere est faite, enveloppe tous les changemens qu'elle a subis et subira un jour. Et selon moy chaque substance individuelle contient tousjours des traces de ce qui luy est jamais arrive et des marques de ce qui luy arrivera a tout jamais" (G II 39; vgl. G II 47; G VII 316f.). Was unter „traces" genauer zu verstehen ist, erklärt Leibniz so: „On entend ... par les traces des marques qui peuvent etre immaterielles comme sont les rapports, les expressions, les representations, les effects par lesquels on peut connoitre quelque cause pas see, ou les causes par lesquelles on peut connoitre quelque effect futur. Et puisqu'il y a une grandissime quantite de Varietes dans le present etat de l'ame qui connoit beaucoup de choses ä la fois et en sent encore infmiment d'avantage, et que ces presentes Varietes sont un effect de celles d'un etat precedent
Die Bestimmung der individuellen Substanz
131
verstehen, was das Ich ist, genügt es nicht, daß ich mich wahrnehme als eine Substanz, die denkt; man müßte deutlich begreifen, was mich von allen anderen möglichen Geistern unterscheidet. Hiervon aber besitze ich nur eine verworrene Erfahrung. Daher kann man zwar leicht ermessen, daß die Länge des Durchmessers nicht im allgemeinen Begriff der Kugel eingeschlossen ist, es ist aber nicht so leicht, mit Gewißheit zu ermessen (wenn man es auch ziemlich wahrscheinlich ermessen kann), ob die von mir beabsichtigte Reise in meinem Begriff eingeschlosssen ist. Anderenfalls wäre es ebenso leicht, Prophet zu sein wie Geometer."58 Allgemeine Artbegriffe enthalten also keine zufälligen oder Tatsachenwahrheiten und die individuellen Umstände der Zeit und des Ortes usw., sondern lediglich notwendige oder ewige Wahrheiten. Während letztere als solche vom Willen Gottes unabhängig sind, schließen die Begriffe der individuellen Substanzen, welche vollkommen und bestimmt sind, freie Verfügungen Gottes ein, welche als die Hauptquellen der Existenzen oder Tatsachen zu gelten haben.59 „Denn die Möglichkeiten der Einzelwesen oder der zufälligen Wahrheiten schließen in ihrem Begriff die Möglichkeit ihrer Ursachen ein, nämlich die freien Verfügungen Gottes; hierin unterscheiden sie sich von den Möglichkeiten der Arten oder ewigen Wahrheiten, die allein vom Verstande Gottes abhängen, ohne dazu den Willen vorauszusetzen."60 et une cause de celles d'un etat futur, on a crü les pouvoir appeller des traces du passe et du futur, dans lesquelles un esprit assez penetrant pourroit reconnoitre Tun et l'autre; mais notre penetration ne sauroit aller si loin" (G IV 551f.). 5 ^ G II 52f. („Ce n'est pas assez pour entendre ce que c'est que moy, que je me sente une substance qui pense, il faudroit concevoir distinctement ce qui me disceme de tous les autres esprits possibles; mais je n'en ay qu'une experience confuse. Cela fait que quoyqu'il soit aise de juger, que le nombre des pieds du diametre n'est pas enferme dans la notion de la sphere en general, il n'est pas si aise de juger certainement (quoyqu'on le puisse juger assez probablement), si le voyage que j'ay dessein de faire est dans ma notion, autrement il seroit aussi ais6 d'estre prophete que d'estre geometre."). Vgl. G II 45. 277; G VII 118. 59
Vgl. G II49. 52.
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G II 51 („Car les possibilites des individuels ou des verites contingentes enferment dans leur notion la possibilite de leur causes, scavoir des decrets libres de Dieu; en quoy elles sont differentes des possibilites des especes ou verites etemeUes, qui dependent du seid entendement de Dieu, sans en supposer la volonte."). Cass.1, II 194 A. 358, bemerkt hierzu mit Recht, daß man bei Leibniz zu unterscheiden hat zwischen „Möglichkeiten" im engeren Sinne, das sind die ewigen Wahrheiten, die allein vom Verstande Gottes abhängen, und „Möglichkeiten" im weiteren Sinne, welche die vollständigen Begriffe der Einzelsubjekte meinen. GURWITSCH1, 446, spricht darum hier von einem „erweiterten Ynundus intelligibilis'".
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Die Lehre von der Substanz
Eine solche Substanzdefinition, die im Gegensatz zu derjenigen Lockes steht,61 hat natürlich bestimmte metaphysische Voraussetzungen und Konsequenzen,62 welchen wir in den folgenden Abschnitten nachgehen wollen.
§ 22 Die metaphysischen Voraussetzungen dieser Substanzdefinition 1. Die Substanz als Spiegel Gottes und des Universums Ist alles, was der Substanz geschieht, eine Folge ihrer Idee oder ihres Wesens, kommt ihr also eine vollkommene Spontaneität zu,63 so hat das zur Voraussetzung, daß jede Substanz ein Spiegel des Universums ist, welches jede in der ihr eigentümlichen Weise ausdrückt.64 Leibniz vergleicht dies mit dem je verschiedenen Standort des Beobachters einer Stadt.65 Das Universum wird also gewissermaßen so viele Male vervielfältigt, wie es Substanzen gibt. „Man kann sogar sagen, daß jede Substanz in irgendeiner Weise den Charakter der unend61
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Während für Leibniz die Substanz gerade die konkrete Einheit und Totalität aller ihrer Bestimmungen ist, ist sie für Locke die abstrakte Grundlage, die von allen Bestimmtheiten losgelöst und als ein Unbestimmtes zu denken ist. Vgl. LOCKE, Essay, II 23, § 1—4. Vgl. dazu Cass.2,128 A 32; JOLLEY6, 81-91; JANKE1, 62. JANKE1, 76, spricht hier von der „a priorischen Herleitung metaphysischer Thesen" bzw. von „Deduktionen aus dem Wesensbegriff der individuellen Substanz". Vgl. DM § 32 = G IV 458; Th. I § 59 = G VI 135; III § 290 = G VI 289; C 14; G VII 312. — Leibniz betont immer wieder, daß „spontan" (spontane) nicht gleichzusetzen sei mit „willentlich" (volontaire): „Tout volontaire est spontane; mais il y a des actions spontanees qui sont sans election, et par consequent qui ne sont point volontaires. II ne depend pas de Tarne de se donner tousjours les sentimens qui luy plaisent, puisque les sentimens qu'elle aura, ont une dependance de ceux qu'elle a eus" (G IV 519). Die Seele hat eben nicht nur deutliche Perzeptionen, sondern immer auch eine Aufeinanderfolge von verworrenen, worüber man sich nicht wundern darf, denn die Seele würde eine Gottheit sein, wenn sie nur deutliche Perzeptionen hätte (vgl. Th. I § 64 = G VI 137; siehe dazu unten S. 133f.). Vgl. G II 40f. Vgl. G IV 542: „De dire, que la force que l'ame a receue de Dieu est l'unique principe de ses actions particulieres, n'est pas asses ä exprimer la raison de ses actions. II vaut mieux de dire, que Dieu a mis dans chaque Ame une concentration du Monde, ou la force de representer l'univers suivant un point de veue propre ä cette Ame." Vgl. Mon. § 56 = G VI 616. In § 83 der Monadologie nennt Leibniz die Seelen auch Abbilder (images) des Universums (G VI 621); in G III 348 wird die Seele als „univers concentre" bezeichnet. In G VI 626f. macht Leibniz ausdrücklich auf den metaphorischen bzw. analogen Charakter von Begriffen wie „mirroir" und „concentration" aufmerksam. Vgl. Mon. § 57 = G VI 616. Dieser Vergleich will die Einseitigkeit der Darstellungsweise des Universums zum Ausdruck bringen.
Die metaphysischen Voraussetzungen dieser Substanzdefinition
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liehen Weisheit und der Allmacht Gottes besitzt und ihn nachahmt, soweit sie dafür geeignet ist. Denn sie drückt, wenn auch verworren, alles das aus, was sich im Universum ereignet, Vergangenes, Gegenwärtiges oder Zukünftiges, was eine gewisse Ähnlichkeit mit einer unendlichen Perzeption oder einem unendlichen Wissen hat."66 Es ist also diese Eigenschaft der Substanz, nämlich das ganze Universum auszudrücken, die sie Gott ähnlich macht — mit dem Unterschied allerdings, daß Gott alles deutlich erkennt,67 seine Weisheit keine Beschränkung hat.68 In gewisser Weise also ist jede Substanz allwissend.69 Jedoch erkennt der Geist nicht alles deutlich,70 und das macht gerade seine Begrenztheit aus.71 Während also ontologisch-repräsentativ alles vorgegeben ist, 66
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DM § 9 = G IV 434 („On peut meme dire que toute substance porte en quelque facpn le caractere de la sagesse infinie et de la toute—puissance de Dieu, et l'imite autant qu'elle en est susceptible. Car eile exprime quoyque confinement tout ce qui arrive dans l'univers, passe, present ou avenir, ce qui a quelque ressemblance ä une perception ou connoissance infinie."). Vgl. G III 72, wo Leibniz von der Seele als einer „imitation de Dieu" spricht (vgl. G VII 569; G VI 559; G IV 562). Leibniz spricht in bezug auf die Geister in diesem Sinne sogar von kleinen Göttern (petits Dieux), die sich nur dem Grade nach (de plus ä moins) von Gott unterscheiden. Wenn er allerdings hinzufügt: „du fini ä l'infini", so scheint diese zuvor konstatierte rein quantitative Differenz doch eher wieder eine qualitative zu sein (G II 125; vgl. G VII 541; E 445 b; A I 13, 50; vgl. dazu J. JALABERT2, 222). Vgl. Grua II 555, wo Leibniz den Geist als eine „divinite diminutive", und G VII 556, wo er ihn als „echantillon de la divinite" bezeichnet; in G III 465 bezeichnet er die einfachen Substanzen als „petites divinites respectives". „Car la divinite represente l'univers de source, en sorte que l'univers est tel qu'elle le fait, et s'accommode ä eile qui en est le germe ou l'origine. Et par consequent Dieu represente l'univers distinctement et parfaitement" (G VII 556). Vgl. NAERT 1 , 66f. Vgl. z.B. Th. II § 124 = G VI 179; III § 403 = G VI 356. Vgl. G IV 564: „Toute Entelechie seroit Dieu, si eile connoissoit distinctement tout cet infini qu'elle enveloppe. Car Dieu exprime tout parfaitement ä la fois, possible et existant, passe, present et futur. H est la source universelle de tout, et les Monades creees l'imitent autant qu'il est possible que des creatures le fassent." Weil Gott die Quelle von allem ist, darum erkennt er auch alles deutlich. „On a fort bien dit, qu'il est comme centre partout; mais sä circomference n'est nulle part, tout luy etant present immediatement, sans aucun eloignement de ce Centre" (PNG § 13 = G VI 604). Vgl. Mon. § 60 = G VI 616f.; E 445 b-446 a; Grua II 555. Die verworrene Erkenntnis ist also in gewisser Weise das sicherste Zeichen unserer Geschöpflichkeit (vgl. BURGELIN, 156). Diesen Gedanken formuliert Leibniz schon in einem Brief an Erhard Weigel vom September 1679, wenn es hier heißt: In omni mente esse quandam omniscientiam sed confusam (A II l, 487; vgl. A VI 3, 524). Vgl. G VII 311: Unaquaeque substantia habet aliquid infiniti, quatenus causam suam, Deum, involvit, nempe aliquod omniscientiae et omnipotentiae vestigium. Vgl. C 535. Vgl. G III 72. SCHNEIDERS1, 182, kommentiert darum hier zu Recht: „Ihr [sc. der Seele] Allwissen, dessen Verwirklichung die Aufhebung der Endlichkeit wäre, bleibt abstrakt potentiell.
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Die Lehre von der Substanz
trifft das für den Bereich der Erkenntnis noch lange nicht zu.72 Gerade in seiner Defizienz verweist so menschliches Erkennen auf göttliche Erkenntnis,73 die so wiederum Maßstab und Richtpunkt für den Menschen ist.74 Leibniz bezeichnet die Einsicht, daß jede Monade eine Konzentration des Universums ist und jeder Geist die Gottheit nachahmt, als die Summe seines Systems (la somme de mon Systeme).75 Jede Substanz ist eine kleine Welt, welche die große zum Ausdruck bringt.76 Also nicht im Gegenstand, sondern in der Modifikation der Erkenntnis des Gegenstandes sind die Monaden beschränkt. Alle Monaden erstrecken sich in verworrener Weise auf das Ganze,77 begrenzt und unterschieden sind sie durch den Grad der deutlichen Perzeptionen.78 Leibniz spricht in diesem Zusammenhang vom darstellenden Wesen (la nature representative) der Substanz, welches ihr bei ihrer Erschaffung mitgegeben wurde und ihren individuellen Charakter ausmacht.79 Bedenkt man nun, daß die Welt selbst schon eine unendliche Mannigfaltigkeit aufweist — Leibniz geht ja von einer aktuellen Unterteilung ins unendliche aus80 —, so entsteht da-
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eine eigentlich unmögliche Möglichkeit, weil es als unklares Wissen gerade kein Allwissen, sondern Nicht-Wissen ist." Vgl. PffiPMEffiR, 603, der hier davon spricht, „daß der Kontinuität der Perzeptionen eine Diskontinuität ihrer Wahrnehmung korrespondiert".
Vgl. PIEPMEER, 603.
Vgl. GURWrrSCH1, 26. 3l; REININGER, 126. Vgl. dagegen G. KRÜGER, XXIX, der bei Leibniz gerade umgekehrt das göttliche Denken als unendliche Steigerung des menschlichen begreift. 74 Vgl. PAPE. 66; STRAHM, 7; ZOCHER, 21. 29; STACK1, 87. REININGER versteht die Gottesidee zunächst nur als ,4en metaphysischen Ausdruck für die Zielstrebigkeit menschlichen Erkennens" (128). Vgl. PlEPMEIER, 603. KAULBACH2, 473, nennt dies den „theorationalistischen Ansatz", welcher es auch letztlich verhindere, daß sich bei Leibniz terminologisch endgültig der Name „Subjekt" durchsetze. 75 Vgl. G IV 553. 76 DM § 16 = G IV 441: „Toute personne ou substance est comme un petit monde qui exprime le grand". Vgl. G IV 562, wo Leibniz die Substanzen als Welten im kleinen (des mondes en raccourci) bezeichnet. 77 Vgl. VE 651 = Faszikel 3, N. 144: Tot sunt specula universi quot mentes; omnis enim mens totum Universum percipit, sed confuse. 78 Vgl. Mon. § 60 = G VI 617. 79 G IV 484. — Die repräsentative Natur der Substanzen verbindet so wieder zu einem Einen, was die Auffassung der individuellen Substanzen in eine bunte Mannigfaltigkeit aufgelöst hatte (vgl. P. KÖHLER, 82; HEIMSOETH1, 278). 80 Vgl. z.B. Mon. § 65 = G VI 618: „Et l'auteur de la Nature a pu practiquer cet artifice Divin et infinement merveilleux, parce que chaque portion de la mauere n'est pas seulement divisible a l'infini, comme les anciens ont reconnu, mais encor sous-divisee actuellement sans fin, chaque
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durch, daß diese selbe Welt wiederum auf unendlich verschiedene Weise von den Substanzen repräsentiert wird, „eine Unendlichkeit von Unendlichkeiten" (une infinito d'infinitos), wie Leibniz sagt.81 Während jede einfache Substanz ein Abbild des Universums ist, ist jeder Geist mehr als das, nämlich gleichzeitig auch ein Abbild Gottes,82 da die Erkenntnis des Geistes sich nicht auf die bloßen Tatsachen und ihre erfahrbaren Verknüpfungen beschränkt, wie dies bei den vemunftlosen Seelen, die sich nur empirisch verhalten, der Fall ist, sondern darüber hinaus auch die Notwendigkeit der ewigen Wahrheiten begreift.83 In dieser Beziehung repräsentieren die Geister nicht das Universum, sondern Gott, dessen Verstand uns ja als der Ort der ewigen Wahrheiten zu gelten hat. Was heißt in diesem Zusammenhang: Eine Sache drückt eine andere aus? Bedeutet dies eine genaue Abbildung? Für die Theorie der Wahrheit ist die Entscheidung dieser Frage von nicht unerheblicher Bedeutung. In dem Briefwechsel mit Arnauld gibt Leibniz uns auf diese Frage folgende Antwort: „Eine Sache drückt — nach meinem Sprachgebrauch — eine andere aus, wenn ein beständiges und geordnetes Verhältnis besteht zwischen dem, was sich von der einen und der anderen aussagen läßt. So drückt eine perspektivische Projektion ihr geometrisches Gebilde aus. Die Expression ist allen Formen gemeinsam, und dies ist ein Gattungsbegriff, zu dem sich die natürliche Perzeption, das tierische Empfinden und die intellektuelle Erkenntnis wie Artbegriffe verhalten. Bei der natürlichen Perzeption und der Empfindung genügt es, daß das, was teilbar und materiell ist und sich in verschiedenen Wesen zerstreut findet, in einem einzigen unteilbaren Wesen84 oder in der Substanz, die begabt ist mit
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partie en parties, dont chacune a quelque mouvement propre: autrement il seroit impossible, que chaque portion de la matiere put exprimer tout l'univers." Vgl. Dutens 11/1 243; G VII 501. G IV 554; vgl. G III 465; G VI 538. Vgl. G VII 316. 553f. In der Epistola ad Hanschium spricht Leibniz von den mentes als simulacra divinitatis (E 445 b; vgl. E 447 b). Vgl. G VII 291, wo Leibniz die Geister als proxima simulacra entis primi bezeichnet. Vgl. G III 623. Vgl. Mon. § 13 = G VI 608, wo Leibniz von der Vielheit in der Einheit oder in dem Einfachen spricht (une multitude dans l'unite ou dans le simple). Vgl. Mon. § 14 = G VI 608; PNG § 2 = G VI 598; G II 311. 317; G III 69. — Leibniz vergleicht dies mit einem Punkt, in dem sich, so gänzlich einfach er auch ist, eine Unendlichkeit von Winkeln findet, die von den Linien gebildet wird, die darin zusammenlaufen (PNG § 2 = G VI 598; A VI6,557; G VII 554f. 566). Dieser Vergleich findet sich der Sache nach schon in einem Brief an Herzog Johann Friedrich
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Die Lehre von der Substanz
einer wahren Einheit, ausgedrückt oder repräsentiert wird. Man kann an der Möglichkeit einer so wohlgestalteten Repräsentation von mehreren Dingen in einem einzigen überhaupt nicht zweifeln, da uns unsere Seele hiervon ein Beispiel liefert. In der vernünftigen Seele aber ist diese Repräsentation begleitet von Bewußtsein85, und in diesem Fall bezeichnet man sie als Gedanke."86 Die
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vom Oktober 1671, wo es heißt: „Gleichwie in Centre alle strahlen concurriren, so lauften auch in mente alle impressiones sensibilium per nervös zusammen, und also ist mens eine kleine in einem Punct begriffene Welt, so aus denen Ideis, wie centrum ex Angulis bestehet, denn angulus ist pars centri, ob gleich centrum indivisibel" (A II l, 163). Leibniz führt noch einen weiteren Vergleich an: „C'est ainsi que, jettant en meme temps plusieurs pierres dans une eau dormante, nous voyons que chacune fait des cercles sur la surface de l'eau, qui se coupent et ne se confondent point, chaque rangee de cercles avan^ant comme si eile estoit toute seule. Nous voyons aussi que les rayons de la lumiere se penetrent sans se mesler" (G VII 566). Doch ist damit natürlich nicht die Frage gelöst, wie die Varietät der Ideen mit der Einfachheit der Substanz kompatibel ist, eine Frage, die für Leibniz aber letztlich ebensowenig beantwortbar ist wie die Frage, wie die Varietät der Ideen mit der Einfachheit Gottes kompatibel ist: „II n'y a point de Systeme qui puisse faire comprendre une teile chose. Mais aussi nous ne pouvons pas comprendre l'incomrnensurable, et mille autres choses dont la veriti ne laisse pas de nous etre connue; et que nous avons droit d'employer pour rendre raison d'autres qui en sont dependantes. Quelque chose d'approchant a lieu dans toutes les substances simple, ou il y a une variete des affections dans l'unite de la substance" (A VI 6, 556). In G VII 542 sagt Leibniz in diesem Zusammenhang ausdrücklich: „Mes meditations fundamentales roulent sur dein choses, s;avoir sur l'unite et sur l'infini." Die Perzeption ist also nicht notwendig mit Bewußtsein (conscience) begleitet. Der Begriff der Perzeption ist in diesem Sinne allgemeiner als der des Denkens. Vgl. dazu auch Mon. § 14 = G VI 608: „L'etat passager qui enveloppe et represente une multitude dans l'unite ou dans la substance simple n'est autre chose que ce qu'on appelle la Perception, qu'on doit bien distinguer de l'apperception ou de la conscience". Siehe dazu unten S. 171ff. G II 112 („Une chose exprime une autre [dans mon langage] lorsqu'il y a un rapport constant et regle entre ce qui se peut dire de l'une et de l'autre. C'est ainsi qu'une projection de perspective exprime son geometral. L'expression est commune ä toutes les formes, et c'est un genre dont la perception naturelle, le sentiment animal, et la connoissance intellectuelle sont des especes. Dans la perception naturelle et dans le sentiment il suffit que ce qui est divisible et materiel, et se trouve disperse en plusieurs estres, soit exprime ou represente dans un seul estre indivisible, ou dans la substance qui est douee d'une veritable unite. On ne peut point douter de la possibilite d'une belle representation de plusieurs choses dans une seule, puisque notre ame nous en foumit un exemple. Mais cette representation est accompagnee de conscience dans l'ame raisonnable, et c'est alors qu'on l'appelle pensee."). Cass.1, II 233, übersetzt hier „conscience" mit Selbstbewußtsein, was u.E. an dieser Stelle nicht erforderlich ist. — Vgl. G IV 562; G VII 317. 329f. — P. KÖHLER konnte nachweisen, daß die Begriffe exprimere/exprimer bzw. repraesentare/representer — welche Leibniz synonym verwendet (vgl. 231) — erst seit 1686 in einer bestimmten philosophischen Bedeutung auftreten, während sie zuvor bald in jenem, bald in diesem Sinne, niemals aber als philosophische Termini gebraucht werden (vgl. 5. 62).
Die metaphysischen Voraussetzungen dieser Substanzdefinition
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Expression ist also zu allererst einmal etwas Metaphysisches!87 In diesem Sinne meint sie nichts anderes als das Bestehen einer exakten Zuordnung nach einem bestimmten Beziehungsgesetz.88 Erst an zweiter Stelle kommt ihr natürlich auch eine große Bedeutung für die Theorie des Erkennens zu.89 Diese ist aber nicht das Begründende, sondern nur Folge der Substanzauffassung. Die Erkenntnis ist ein spezieller Fall der Expression oder Repräsentation.90 Wir können darum Heimsoeth nicht folgen, der das Erkennen nicht als ein Repräsentieren auffaßt, sondern die Repräsentation lediglich als Voraussetzung für die Erkenntnis versteht.91 Die Expression liefert also kein genaues Abbild der Sache, um die es geht. Leibniz spricht lediglich von einem beständigen und geordneten Verhältnis zwischen Ausdruck und Ausgedrücktem. In der Thiodicte wird dies noch einmal verdeutlich, wenn es heißt: „Die Repräsentation hat ein natürliches Verhältnis zu dem, was repräsentiert werden soll. Wenn Gott die runde Figur eines Körpers durch die Idee eines Vierecks repräsentieren ließe, so wäre das eine wenig angemessene Repräsentation; denn es würden sich Winkel oder Höker in der Repräsentation finden, während am Original alles gleich und eben wäre. Die Repräsentation unterdrückt oft etwas an den Gegenständen, wenn sie unvollkommen ist, aber sie kann nichts hinzufügen: Das würde sie nicht vollkommener, sondern falsch machen."92 Daß es sich hierbei nicht um ein Abbilden handelt, unterstreicht noch einmal der nachfolgende Paragraph der -
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MAHNKE, 221, sieht darum im Anschluß an Köhlers Forschungsergebnisse das Leibnizsche System mit dem Jahr 1686 als wesentlich vollendet an. Vgl. ANDERSON, 84; MARSCHALLEK, 115; McRAE2, 24; SALOMON, 16. Vgl. HEIMSOETH1,279. 3
Vgl. s ALAS ORTUETA, 116; DELEUZE, 300; KULSTAD ,55.
Vgl. BURGELIN, 155. HEIMSOETH1, 292. — Während in dem soeben genannten Zitat die „natürliche Perception" als eine An der Expression bezeichnet wird, setzt Leibniz ansonsten die Perzeption der Expression oder Repräsentation gleich (vgl. G II 113. 121. 311. 317; G III 69. 581). Perzeption kann also einmal Gattungsbegriff sein, dann ist sie identisch mit der Expression, zum anderen Altbegriff, dann meint sie eine bestimmte Art der Expression. Th. III § 356 = G VI 326 („La representation a un rapport naturel ä ce qui doit etre represente. Si Dieu faisoit representer la figure ronde d'un corps par l'idee d'un quarre, ce seroit une representation peu convenable; car il y auroit des angles ou eminences dans la representation, pendant que tout seroit egal et uni dans 1'original. La representation supprime souvent quelque chose dans les objects, quand eile est imparfaite; mais eile ne sauroit rien adjouter: cela la rendroit, non pas plus que parfaite, mais fausse.").
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Die Lehre von der Substanz
c4e\ „Zwar kann dieselbe Sache verschieden repräsentiert werden, aber es muß hier immer ein genaues Verhältnis zwischen der Repräsentation und der Sache und folglich zwischen den verschiedenen Repräsentationen ein und derselben Sache bestehen. Die perspektivischen Projektionen, die beim Kreis auf Kegelschnitte hinauslaufen, zeigen, daß ein und derselbe Kreis durch eine Ellipse, eine Parabel und eine Hyperbel und sogar durch einen anderen Kreis, eine gerade Linie und einen Punkt repräsentiert werden kann. Nichts erscheint so verschieden und unähnlich wie diese Figuren; und doch besteht ein genaues Verhältnis jedes Punktes zu jedem Punkt. Überdies muß man einräumen, daß jede Seele sich das Universum gemäß ihrem Gesichtspunkt93 und aufgrund eines ihr eigentümlichen Verhältnisses repräsentiert; immer besteht dabei aber eine vollkommene Harmonie."94 Also nicht nur der Ausdruck ist nicht ein genaues Abbild des Ausgedrückten,95 sondern nicht einmal derselbe Gegenstand muß nach Leibniz von allen Seelen auf die gleiche Weise repräsentiert werden. Die Kategorie der Perspektivität potenziert hier das Problem noch einmal, indem selbst die verschiedenen Repräsentationen ein und desselben
93 Dieser „Gesichtspunkt" (point de vue) ist der Seele mit ihrem jeweiligen Körper gegeben (vgl. G III 357; siehe dazu unten S. 145ff.). 94 Th. III § 357 = G VI 327 („II est vray que la meme chose peut etre representee differemment; mais il doit tousjours y avoir un rapport exact entre la representation et la chose, et par consequent entre les differentes representations d'une meme chose. Les projections de perspective, qui reviennent dans le cercle aux sections coniques, font voir qu'un meme cercle peut etre represente par une ellipse, par une parabole, et par une hyperbole, et meme par un autre cercle et par une ligne droite, et par un point. Rien ne paroit si different, ny si dissemblable, que ses figures; et cependant il y a un rapport exact de chaque point a chaque point. Aussi faut il avouer que chaque ame se represente 1'univers suivant son point de vue, et par un rapport qui luy est propre; mais une parfaite harmonic y subsiste tousjours."). Vgl. NE II 8, § 13 = A VI 6,131. 95 Vgl. den Aufsatz Quid sit idea (G VII 263f.), den Gerhardt auf das Jahr 1678 datiert (vgl. G VII 252), was jedoch zweifelhaft erscheint; Schmidt gibt das Jahr 1700 an (vgl. Seh. 418): Leibniz unterscheidet hier zwischen expressiones, die eine Grundlage in der Natur haben, und solchen, die zum Teil willkürlich begründet sind, wie es diejenigen expressiones sind, die durch Sprachzeichen oder Charaktere entstehen. Und Leibniz fährt dann fort: Quae in natura fundantur, eae vel similitudinem aliquam postulant, qualis est inter circulum magnum et parvum, vel inter regionem et regionis tabulam geographicam; vel certe connexio qualis est inter circulum et ellipsin quae eum optice repraesentat, quodlibet enim punctum eUipseos secundum certam quandam legem alicui puncto circuli respondet (G VII 264).
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Gegenstandes nicht deckungsgleich sein müssen. Für die Wahrheitsfrage bedeutet diese doppelte Brechung eine völlige Absage an jede Abbildtheorie.96 2. Gott und die Seele allein? Jede Substanz ist wie eine Welt für sich, unabhängig von allen anderen Dingen. Abhängig ist die geschaffene Substanz nur von Gott, ihrem Schöpfer.97 Das Bild des Beobachters einer Stadt taucht hier nun noch einmal in einer etwas veränderten Form auf, nämlich wenn es um das Individuationsprinzip geht: Gott schaut das Universum in einer gewissen Hinsicht an, und gefällt es ihm, seinen Gedanken in die Tat umzusetzen, so entsteht diese bestimmte Substanz, die das Universum dieser Hinsicht entsprechend ausdrückt.98 Ist aber alles, was einer Substanz geschieht, nichts als eine Folge ihrer Idee bzw. ihres vollständigen Begriffs, weil diese Idee schon sämtliche Prädikate oder Ereignisse enthält und das Universum insgesamt ausdrückt,99 so ist es verständlich, wenn Leibniz die Radikalität dieses Standpunktes dadurch zu verdeutlichen sucht, daß er davon spricht, daß diese Folge der Gedanken und Perzeptionen auch dann nicht ungeschehen bliebe, vielmehr genauso eintreten würde, wenn alles außer mir Seiende vernichtet wäre, sofern nichts verbliebe als Gott und ich selbst.100 Hieraus die Leugnung einer Außenwelt ablesen zu 96 97
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Siehe dazu unten S. 182. Vgl. C 14: Atque adeo an im am non nisi a causa universal] seu a Deo pendere, per quem, ut omnia, perpetuo est et conservatur; caetera vero ex sua natura nähere. Vgl. R 421; G II 264; G 1383. DM § 14 = G IV 439. Vgl. G I 151: Mens igitur fit non per ideam corporis, sed quia variis modis Deus mundum intuetur, ut ego urbem. — Zwar ist das Bild vom Betrachter einer Stadt (vgl. DM § 9 = G IV 434) in sich stimmig. Allerdings stellt sich hier folgendes Problem: Auf der einen Seite scheint das Universum bereits vorausgesetzt zu sein; auf der anderen Seite besteht das Universum doch gerade aus den Substanzen. BURGELIN sieht die Lösung dieses Problems darin, daß man hier das Universum als mögliches, noch nicht wirkliches begreifen muß: „Ces points de vue divins sont anterieurs a la creation" (190f.). Wir dagegen meinen, daß es sich bei diesem Widerspruch um eine unumgängliche und wesentliche Form jedes transiendierenden Denkens handelt. Solche formallogischen Fehler müssen auftreten, wenn gedacht werden soll, was nicht fähig ist, in angemessener Weise in endliche Formen aufgefangen zu werden. GURWITSCH1,226f., scheint sich dieser Paradoxie nicht bewußt zu sein. Vgl. GM VII18; G 1382. DM § 14 = G IV 440; vgl. G II 57; G I 382.
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wollen, verkennt den Zusammenhang, in dem dieses Wort „Dieu et moy" steht. Es will nur die Weite und Unabhängigkeit der Substanz verdeutlichen, nicht die Existenz anderer Dinge außerhalb der Substanz leugnen.101 Leibniz selbst unterstreicht diese Interpretation an anderer Stelle, wenn er in diesem Zusammenhang ausdrücklich von einer Fiktion spricht, die etwas annimmt, was auf natürliche Weise nie geschehen kann.102 Mit dieser Fiktion will er aber deutlich machen, daß die Empfindungen der Seele nur eine Folge dessen sind, was schon in ihr ist.103 Denn aus den gegenwärtigen Gedanken werden die nachfolgenden geboren. Dies ist es auch, was Leibniz veranlaßt, davon zu sprechen, daß die Gegenwart schwanger geht mit der Zukunft.104
§ 23 Die metaphysischen Konsequenzen dieser Substanzdefinition Drückt jede Substanz das ganze Universum aus, und ist sie unabhängig von allen Dingen, Gott ausgenommen, so stellt sich spätestens hier die Frage nach der Wechselwirkung mit der Außenwelt.105 Soll Leibniz' Konzeption nicht in einen metaphysischen Solipsismus einmünden,106 der einen erkenntnistheoretischen Subjektivismus nach sich zieht, so muß sowohl irgendeine Art der Verknüpfung der Dinge untereinander als auch eine Vereinigung von Körper und Seele gegeben sein.107 Diese Verknüpfung der Dinge kann aber nach Leibniz weder durch eine physische Wechselwirkung noch durch eine Übertragung von Spezies, noch durch die Lehre von den Gelegenheitsursachen zureichend er-
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Vgl. DM § 32 = G IV 458. Siehe dazu unten S. 184ff. Die Prästabilierte Harmonie macht natürlich eine solche Vorstellung zur reinen Fiktion, welche zwar metaphysisch möglich wäre, den Tatsachen und ihren Gründen aber widerspräche (vgl. G IV 530). „Lorsque j'ay dit que l'ame, quand il n'y auroit que Dieu et Elle au monde, sentiroit tout ce
quelle sent maintenant, je n'ay fait qu'employer une fiction, en supposant ce qui ne scauroit arriver naturellement, pour marquer que les sentimens de l'ame ne sont qu'une suite de ce qui est deja en eile" (G IV 517; vgl. G VI 589). ,le present est gros de l'avenir" (G IV 563). Vgl. PNG § 13 = G VI 604. KNÜFER, 7, will hier lieber von einer „Wechselbeziehung" sprechen. Vgl. LOEMKER4,41. Vgl. dagegen WlüMANN, 200. Vgl. HILDEBRANDT, 153f. Nach SCHNEIDERS1, 170f., enthebt schon allein die Gewißheit Gottes der Gefahr des Solipsismus.
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klärt werden. Leibniz entwickelt hier seine eigene „Hypothese"108, die notwendig aus der Substanzdefinition folgt:109 die „Hypothese de la concomitance"110 (Hypothesin concomitantiaein) oder die Hypothese des accords" uz, welcher er später den Namen „Prästabilierte Harmonie"113 gibt.
1. Gegen eine physische Wechselwirkung und eine Übertragung von Spezies Ist jede Substanz unabhängig von allen anderen Dingen, und ist ihr gegenwärtiger Zustand eine natürliche Folge des vergangenen, so scheidet eine physische Wechselwirkung zwischen den Substanzen untereinander und auch zwischen 108 Wenn auch Leibniz immer wieder von seiner „Hypothese" spricht, so will ihm seine Metaphysik doch gleichzeitig immer auch mehr sein als nur eine erklärende Hypothese. Auf den Einwand von Lady Masham: „But it appears not yet to me that this is more than a Hypothesis" (G III 350), antwortet Leibniz: „Ainsi ... il semble que mon Hypothese est quelque chose de plus qu'une Hypothese, estant non seuelment possible tout simplement, mais encorla plus conforme ä la sagesse de Dieu et ä l'ordre des choses" (G III 354; vgl. G IV 477. 486. 590). Vgl. dazu HEIMSOETH',270. 109 Vgl. ROY, 9. 12. Vgl. dagegen REININGER, 116, der hier von einer „rein äußerlichen" Überwindung der inneren Schwierigkeiten der Substanzdefinition spricht. Vgl. ebenso SCHMALENBACH, 9, der hier sogar von einer „höchst unglaubwürdig geltenden — Phantastik" spricht. — Die Kritik hat aber nicht an der Prästabilierten Harmonie als solcher anzusetzen, sondern an deren Voraussetzung: der Substanzdefinition. 110 G II 68; vgl. G II 47. 70. 111 C521. 112 G IV 485. 113 Dieser Name taucht das erste Mal in einem undatierten Briefentwurf an Basnage de Beauval auf, wo es heißt: „Mais c'est avec une Harmonie si exacte et si bien etablie d'abord entre les substances differentes par la sagesse infinie de l'auteur des choses, que les changemens qui naissent ainsi ä chacune de son propre fonds, s'entre repondent tout comme s'il y avoit une transmission des especes et qualites ou quelque influence reelle, que le vulgaire des philosophes s'imagine, mais qui ne sgauroit avoir lieu" (G III 122). Ebenso in dem dazugehörigen Postkript, welches vom 3. /13. Januar 1696 datiert, wo Leibniz von dem „voye de l'harmonie pra-etablie" spricht (G IV 499). Im Eclairissement du nouveau Systeme de la communication des substances, pour servir de reponse a ce qui en est dit dans le Journal du 12 Septembre 1695 von 1696 erscheint schließlich die endgültige Bezeichnung Harmonie preetablie" (G IV 496; vgl. dazu MAHNKE, 287f. A. 236). Eine Frühform dieses Begriffs liegt aber schon in einem Brief an Amauld vom 30 April 1687 vor, wo es heißt: „... suivant les principes deja establis" (G II 91). — Wie der Begriff der Expression, so ist auch der Begriff der Prästabilierten Harmonie also zuerst einmal etwas Metaphysisches, erst an zweiter Stelle kommt diesem Prinzip natürlich auch eine große Bedeutung zu für den Bereich des Erkennens. Vgl. dagegen
SALAS ORTUETA, 117.
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der Seele und ihrem zugehörigen Körper aus, da jeder gegenwärtige Zustand einer Substanz ihr spontan aus dem vorhergehenden erwächst,114 ein physischer Einfluß also letztlich überflüssig wäre.115 Zudem wäre ein solcher Einfluß nach Leibniz auch unerklärlich. Wie sollte man auch begreifen, daß ein Gedanke eine Bewegung im Körper oder eine Bewegung einen Gedanken im Geist erzeuge?116 Denn die Seele könnte nicht ohne eine völlige Störung der Naturgesetze physisch auf den Körper einwirken.117 Hier hat nun auch das berühmte Wort Leibniz' von der Fensterlosigkeit der Monade seinen thematischen Ort,118 ein Wort, das nicht gleich speziell nur in dem Sinn verstanden werden darf, der für die Erkenntnis in Frage kommt.119 Leibniz wendet sich aber nicht nur gegen eine physische Wechselwirkung, sondern auch gegen eine Übertragung von Spezies oder Eigenschaften (une transmission des especes, ou des qualitos), die für Leibniz ebenso unbegreiflich wäre wie eine physische Wechselwirkung.120 In § 7 der Monadologie, wo das bekannte Wort von der Fensterlosigkeit der Monaden zu finden ist, schreibt Leibniz hierzu: „Die Akzidentien können sich weder von den Substanzen trennen noch außerhalb der Substanzen Spazierengehen, wie das einst die species sensibiles der Scholastiker taten."121 Die Fensterlosigkeit der Monade macht eine solche Transmission zunichte.122
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Vgl. G II47. 70. 419; G IV 483; Mon. § 22 = G VI 610. Vgl. G II503: Cur enim del monas monadi quod jam habet? Vgl. G VI591. Vgl. N E I V 3, § 28 = A VI 6, 390; GIII 340. Vgl. Th. I § 61 = G VI 136. Siehe dazu unten S. 156. Vgl. HEIMSOETH1,273 A. 4. Vgl. G IV 484. 4%; G VII 410. Wobei hier anzumerken ist, daß die Specieslehre natürlich auch eine Wechselwirkungstheorie ist; wir übernehmen die hier vorgenommene Unterscheidung zwischen einer physischen Wechselwirkung und einer Übertragung von Species von Leibniz selbst (vgl. G III 122.658). Mon. § 7 = G VI 607f. („Les accidens ne sauroient se detacher, ny se promener hors des substances, comme faisoient autres fois les especes sensibles des Scholastiques."). Vgl. G III 341. Zu den species sensibiles der Scholastiker vgl. SIEWERTH, 55-82; BRENNAN, 95-123; BUSCHE, 133; Cass.1,1 198 A. 143. Vgl. BUSCHE, 134.
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2. Gegen die Lehre von den Gelegenheitsursachen Wenn auch die sogenannten Neucartesianer eine erste Konsequenz aus den Aporien des Cartesischen Substanzdualismus ziehen, so kann die Hypothese der Gelegenheitsursachen Leibniz doch auch nicht befriedigen. „Denn sie führt eine Art von immerwährendem Wunder ein, als wenn Gott in jedem Augenblick die Gesetze des Körpers bei Gelegenheit der Gedanken des Geistes änderte, oder als wenn er den geregelten Lauf der Gedanken der Seele änderte, indem er in ihr andere Gedanken anregt bei Gelegenheit der Bewegungen der Körper; und allgemein als wenn Gott sich gewöhnlich darin anders einmischte als dadurch, daß er jede Substanz in ihrem Gang und in den für sie eingerichteten Gesetzen erhält."123 Darüber hinaus beseitigt das System der Gelegenheitsursachen nicht die Störung der in jeder dieser verschiedenen Substanzen bestehenden Naturgesetze, eine Störung, die der gegenseitige Einfluß jener Substanzen aufeinander verursachen würde.124 Zudem verstößt das System der Gelegenheitsursachen nach Leibniz gegen das Prinzip der Gleichförmigkeit (principe de l'uniformito). Es ist nämlich nicht einzusehen, wieso gewöhnlich die Körper ihre Wirkungen untereinander aufgrund der mechanischen und intelligiblen Gesetze bewerkstelligen, aber plötzlich, wenn die Seele etwas will, die Gottheit diese Ordnung stören und ihren Gang beiseite schaffen soll.125 Gott handelt nach Leibniz nicht mirakulös, sondern in einer Art und Weise, die mit der Natur der Dinge übereinstimmt.126 3. Die Prästabilierte Harmonie Jede Substanz ist wie eine Welt für sich, unabhängig von allen anderen Dingen — Gott ausgenommen. Daher ist alles, was uns je widerfahren kann, nichts als eine Folge unseres eigenen Seins. Leibniz ist aber weit davon entfernt, Dinge 123
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G II 57f. („Car eile introduit une maniere de miracle continue!, comme si Dieu ä tout moment changeoit les lobt des corps ä l'occasion des pensees des esprits, ou changeoit le cours regulier des pens6es de Tarne en y excitant d'autrcs pensees ä l'occasion des mouvemens des corps; et generalement comme si Dieu s'en meloit autrement pour l'ordinaire qu'en conservant chaque substance dans son train et dans les loix etablies pour eile.")· Vgl. G II 47. 92; G IV 483; Th. I § 61 = G VI 136. Vgl.Th.I§61=GV1136. Vgl. G III 346.
G III 462.
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außerhalb der Substanz zu leugnen. Unsere Perzeptionen beziehen sich also sehr wohl auf eine Außenwelt,127 welche auch durch andere Substanzen entsprechend ihren je eigenen Blickwinkeln ausgedrückt wird.128 Damit aber die Substanzen nicht jede für sich eine eigene Welt aufbauen, sondern alle vielmehr die eine Welt konstituieren, ist es notwendig, daß die Perzeptionen und Ausdrücke aller Substanzen einander entsprechen. Anderenfalls würde es ebensoviele Systeme wie Substanzen geben, oder es wäre ein bloßer Zufall, wenn sie zuweilen miteinander übereinstimmten.129 Alle drücken dieselbe Welt aus, was aber nicht heißt, daß ihre Ausdrücke untereinander vollkommen ähnlich sind. Wir erinnern uns an den Vergleich des Beobachters einer Stadt von einem je verschiedenen Gesichtspunkt aus! Ursache dieser wechselseitigen Entsprechung kann nach Leibniz nur Gott sein, der bewirkt, daß das, was einem einzelnen für sich gehört, allen gemeinsam ist. Das allein bewirkt Verknüpfung.130 „Man könnte so in gewisser Weise und in einem richtigen Sinn, obwohl vom Gebrauch entfernt, sagen, daß eine einzelne Substanz niemals auf eine andere einzelne Substanz wirkt und auch nicht durch sie leidet, wenn man bedenkt, daß das, was einer jeden geschieht, nur eine Folge ihrer Idee oder ganz allein ihres vollständigen Begriffs ist, weil diese Idee schon alle Prädikate oder Ereignisse einschließt und das ganze Universum ausdrückt. In der Tat kann uns nichts außer Gedanken und Perzeptionen zustoßen, und alle unsere zukünftigen Gedanken und Perzeptionen sind nur Folgen, wenn auch kontingente, unserer vorhergehenden Gedanken und Perzeptionen, derart daß, wenn ich imstande wäre, alles das, was mir in dieser Stunde widerfährt oder erscheint, deutlich zu betrachten, ich daraus alles das ersehen könnte, was mir jemals widerfahren oder erscheinen wird."131 Die Lehre von der Prästabilierten Harmonie garan127
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Der Begriff der Perzeption umfaßt aber nicht nur das, was mit der Außenwelt zu tun hat (vgl. KULSTAD1, 44; vgl. dagegen ANDERSON, 88), wenn auch die bekannte Definition aus § 13 der Monadologie in diese Richtung weist (vgl. KULSTAD1, 67f.; siehe dazu oben S. 135f. A. 84). Siehe dazu unten S. 146. G II 115. Vgl, G IV 519: „Dieu pouvoit donner a chaque substance ses phenomenes independans de ceux des autres, mais de cette maniere il auroit fait, pour ainsi dire, autant de mondes sans connexion, qu'il y a de substances." DM § 14 = G IV 439f.; vgl. DM § 32 = G IV 458. DM § 14 = G IV 440 („On pourroit done dire en quelque facon, et dans un bon sens, quoyque eloigne de l'usage, qu'une substance particuliere n'agit jamais sur une autre substance particuliere et n'en patit non plus, si on considere que ce qui arrive ä chacune n'est qu'une suite de son
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tiert so trotz der Unabhängigkeit der einzelnen Substanzen voneinander ihren Verkehr untereinander.132 Diese Hypothese der Zusammenwirkung oder der Übereinstimmung der Substanzen untereinander133 liefert nach Leibniz die einzig verständliche und auch Gottes würdige Erklärung. Nach Leibniz aber ist — abgesehen von Gott — keine Substanz von aller Körperlichkeit abgelöst.134 Vielmehr bildet jede einfache Substanz mit ihrem zugehörigen Körper das, was Leibniz eine zusammengesetzte Substanz (substantia composita) nennt.135 Aber ebensowenig wie eine geschaffene einfache Substanz auf eine andere geschaffene einfache Substanz einwirken oder etwas von ihr erleiden kann, ebensowenig kann die Seele auf ihren Körper, mit dem sie untrennbar verbunden ist, einwirken oder etwas von ihm erleiden. Zwischen einem Geist und einem Körper besteht kein Verhältnis.136 Denn es gibt nach Leibniz kein Mittel, um erklären zu können, durch welche Vermittlungen die Tätigkeit einer ausgedehnten Masse auf ein unteilbares Wesen übergehen sollte.137 Körper und Geist sind Dinge, die sich nach Leibniz low genere voneinander unterscheiden.138 Wie aber kommt es, daß das Wirken und Erleiden des einen von Wirken und Erleiden des anderen begleitet wird, da es nach Leibniz kein Mittel gibt zu begreifen, daß das eine einen Einfluß auf das andere ausübt? Das einfache Miteinander von Seele und Körper ist noch kein Erklärungsgrund für die wechsel-
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idee ou notion complete toute seule, puisque cette idee enferme deja tous les predicate ou evenemens, et exprime tout l'univers. En effect rien ne nous peut arriver que des pen sees et des perceptions, et toutes nos pensees et perceptions futures ne sont que des suites quoyque contingentes de nos pensees et perceptions precedentes, tellement que si j'estois capable de considerer distinctement tout ce qui m'arrive ou paroist ä cette heure, j'y pourrois voir tout ce qui m'arrivera, ou qui me paroistra a tout jamais."). Vgl. G II 57. 115; Mon. § 78 = G VI 620. ^'Hypothese de la concomitance ou de l'accorddes substances entre elles" (G II 58). Vgl. NE. Preface = A VI 6, 58; 111, § 12 = A VI 6, 114; § 19 = A VI 6, 117; II 23. § 19 = A VI 6, 221; G III 529; G VI 545; G VII 535. Allein Gott ist hiervon gänzlich befreit, da er actus purus ist (vgl. NE II l, § 12 = A VI 6, 114). Vgl. G II 439; G VII 501f.; PNG § l = G VI 598; C 13. „II y a nulle proportion entre un esprit et un corps" (G II 93). G II 113. Vgl. Th. I § 59 = G VI 135.
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seitige Übereinstimmung.139 Und bei einem ganz gewöhnlichen Einzelfalle einfach zu einer außergewöhnlichen Einwirkung der universalen Ursache seine Zuflucht zu nehmen, ist für Leibniz, wie wir gesehen haben, nicht vernünftig. Der wahre Grund dafür ist dieser: „Wir haben gesagt, daß alles, was der Seele und jeder Substanz widerfährt, eine Folge ihres Begriffs ist. Demnach zieht die Idee selbst oder das Wesen der Seele nach sich, daß ihr alle ihre Erscheinungen oder Perzeptionen (spontan) aus ihrer eigenen Natur entspringen müssen, und gerade so, daß sie von sich aus dem entsprechen, was im ganzen Universum geschieht, in besonderm Maße und vollkommener aber dem, was sich im Körper ereignet, der ihr zugewiesen ist, weil die Seele in gewisser Weise und für eine Zeit den Zustand des Univerums ausdrückt gemäß der Beziehung der anderen Körper zu dem ihrigen. Dies läßt ferner erkennen, wie unser Körper uns zugehört, ohne dennoch mit unserem Wesen verknüpft zu sein."140 Leibniz erklärt somit die Vereinigung von Seele und Körper auf natürliche Weise aus dem Begriff der Substanz oder eines vollständigen Wesens heraus.141 Die Seele drückt also zuerst einmal ihren eigenen Körper aus. Da dieser aber auf Grund der Kontinuität142 und der aktuellen Unterteilung der gesamten
'39 „La simple presence d'une substance, meme animee, ne suffit pas pour la perception: un aveugle, et meme un distrait ne voit point. faut expliquer comment Tarne s'appe^oit de ce qui est hors d'elle" (G VII 365; vgl. G VII 366. 376). 140 DM § 33 = G IV 458f. („Nous avons dit, que tout ce qui arrive ä l'ame et a chaque substance, est une suite de sa notion, done 1'idee meme ou essence de l'ame porte que toutes ses apparences ou perceptions luy doivent naistre (sponte) de sa propre nature, et justement en sorte qu'elles repondent d'elles memes a ce qui arrive, dans tout 1'univers, mais plus particulierement et plus parfaitement ä ce qui arrive dans le corps qui luy est affecte, parce que c'est en quelque fa^on et pour un temps, suivant le rapport des autres corps au sien, que Fame exprime l'estat de 1'univers. Ce qui fait connoistre encor, comment nostre corps nous appartient sans estre neantmoins attache ä nostre essence."). Vgl. G II 58. 90. 11 If. 126. 141 Vgl. G II 113. 14 2 Das von Leibniz immer wieder in Anspruch genommene Kontinuitätsprinzip folgt letztlich aus dem Prinzip des zureichenden Grundes. Denn bestritte man, daß alles im Universum miteinander verknüpft ist, so gäbe es in der Welt Lücken, die aber dem Prinzip des zureichenden Grundes widersprächen (vgl. Cass.1, II 556f.)· Ebenso wie dem Prinzip des zureichenden Grundes kommt dem Kontinuitätsprinzip auch universale Geltung zu: Continuitas autem in tempore, extensione, qualitatibus, motibus, omnique naturae transitu reperitur, qui nunquam fit per saltum (GM VII 25; vgl. GM VI 129f.; GM IV 106; G II 168; G III 529. 534. 635; G VI 537; NE IV 16, § 12 = A VI 6, 473). — Es ist letztlich auch dieses Prinzip der Kontinuität, das Leibniz zur Ablehnung der Atome geführt hat (vgl. GM VI 248; GM II 156).
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Materie ins unendliche143 mit allen anderen Körpern in Verbindung steht,144 drückt die Seele dadurch, daß sie ihren eigenen Körper ausdrückt, auch gleichzeitig alle anderen und damit das gesamte Universum aus.145 Man sieht hier, daß es die Verbindung zwischen Körper und Seele ist, die letztlich die Expression des gesamten Universums mit sich bringt.146 Leibniz bringt als Beispiel hierfür unsere Kenntnis der Satelliten des Saturn und des Jupiter: Wir wissen von diesen doch nur auf Grund einer Bewegung, die in unseren Augen vor sich geht. Diese Himmelskörper haben also eine Beziehung zu unserem eigenen Körper. Und da die Seele die Bewegungen unseres Körpers ausdrückt, drückt sie so auch diejenigen aus, die diese Himmelskörper in unserem Körper bewirken.147 Hieraus wird natürlich auch deutlich, daß die Seele die Vorgänge des eigenen Körpers deutlicher darstellt als diejenigen, die weiter entfernt sind. Zwar erstreckt die geringste Bewegung ihre Wirkung auf die benachbarten Körper und infolgedessen von einem zum anderen ins unendliche, jedoch mit stetiger Abschwächung. Unser Körper erleidet demnach notwendig in gewisser Weise durch die Veränderungen aller anderen eine Beeinflussung.148 Da allen Bewegungen unseres Körpers bestimmte mehr oder weniger verworrene Perzeptionen oder Gedanken unserer Seele entsprechen, so besitzt diese — wie jede andere Substanz auch — ein gewisses Bewußtsein von allen Bewegungen im Universum; sie perzipiert sie und drückt sie aus.149 Letztlich ist es also 143
Vgl. GM III 516; GM IV 93f.; G VII 561f. 563; Mon. § 65 = G VI 618. Vgl. , 133. Siehe dazu oben S. 134. 144 Ygi_ G vil 317f.: Omnem mutationem corporis cujuscunque effectum suum ad corpora utcunque distantia propagare sive omnia corpora in omnia agere et ab omnibus pati. Vgl. G VII 544, wo Leibniz von der „conspiration et Sympathie de toutes choses" spricht. Vgl. G VI 627, wo Leibniz den nexus universales mit dem Hippokratischen, im Hinblick auf den menschlichen Körper gesprochenen sympnoia panta („alles korrespondiert") belegt (HlPPOKRATES, Peri trophes, § 23). Vgl. NE, Preface = A VI 6, 55; C 19. 145 Vgl. NE II l, § 17 = A VI 6,117; G VII 567. 146 „Or puisque nous ne nous appercevons des autres corps, que par le rapport qu'ils ont au nostre" (G II 113; vgl. G IV 518; Mon. § 62 = G VI 617). 147 Vgl. G II113. 14 * Die Beziehungen der Körper untereinander erklären sich nach Leibniz also rein mechanisch. D. h. alle körperlichen Phänomene werden auf Druck und Stoß, damit auf unmittelbare Berührung zurückgeführt, und es wird nichts anderes zugelassen, als was sich aus dem direkten Kontakt ergibt. Vgl. DM § 10 = G IV 434f.; § 18 = G IV 444; Mon. § 79 = G VI 620; G I 196f. 383; G II 58. 250; G IV 390f. 397f.; G VI 541 f.; G VII 272f. 344. 451. Vgl. dazu GURWITSCH1, 353. 356.409f.; DILLMANN, 195f. 149 Vgl.GII112f.
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Leibniz' Auffassung, daß es keinen leeren Raum gibt, die diese Sicht begründet. Alles ist erfüllt, und dies läßt eben alle Materie miteinander verknüpft sein.150 Leibniz führt dazu weiter aus: „Da im ausgefüllten Raum jede Bewegung im Verhältnis zur Entfernung irgendeine Wirkung auf die entfernten Körper ausübt, so daß jeder Körper nicht nur durch diejenigen beeinflußt wird, die ihn berühren, und in gewissem Grade die Folgen von allem spürt, was ihnen geschieht, sondern auch durch ihre Vermittlung die Folgen von denjenigen spürt, die die ersten berühren, von denen er unmittelbar berührt wird — so folgt daraus, daß sich diese Verbindung auf jede beliebige Entfernung erstreckt. Und daher spürt jeder Körper die Folgen von allem, was sich im Universum ereignet, derart, daß derjenige, der alles wahrnimmt, in jedem das lesen könnte, was sich überall ereignet und sogar das, was sich ereignet hat oder ereignen wird, indem er im Gegenwärtigen das wahrnimmt, was sowohl der Zeit als auch dem Ort nach entfernt ist... Aber eine Seele kann in sich nur das lesen, was deutlich in ihr repräsentiert wird, sie kann nicht auf einmal ihre Windungen auseinanderwickeln, denn sie gehen ins unendliche."151 Was heißt das z.B. in bezug auf meine Willensentscheidung, die Hand zu bewegen? Bewegt sich meine Hand, weil ich es will? Leibniz muß diese Frage aufgrund seiner Prinzipien eindeutig verneinen, da ich die Bewegung der Hand gar nicht mit Erfolg wollen könnte, außer in dem Augenblick, in dem ihre Muskeln sich in der Weise spannen, wie es zu dieser Wirkung erforderlich ist. Dieses Zusammentreffen ist aber nur deshalb möglich, weil meine seelischen Zustände mit den Bewegungen meines Körpers in Einklang stehen. Beide begleiten einander aufgrund der Entsprechung, jedes hat aber seine unmittelbare Ursache in sich.152 150 151
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Vgl. Th. I § 9 = G VI 107: „L'Univers ... est tout d'une piece, comme im Ocean." Mon. § 61 = G VI 617 („Comme dans le plein tout mouvement fait quelque effect sur les corps distans ä mesure de la distance, de sorte que chaque corps est affecte non settlement par ceux qui le touchent, et se ressent en quelque fajon de tout ce qui leur arrive, mais aussi par leur moyen se ressent de ceux qui touchent les premiers dont il est louche immediatement: il s'ensuit, que cette communication va a quelque distance que ce soil. Et par consequent tout corps se ressent de tout ce qui se fait dans 1'univers, tellement que celuy, qui voit tout, pourroit lire dans chacun ce qui se fait partout et meme ce qui s'est fait ou se fera, en remarquant dans le present ce qui est eloigne tant selon les temps que selon les lieux ... Mais une Ame ne peut lire en eile meme que ce qui y est represente distinctement, eile ne sauroit developper tout d'un coup ses replis, car us vont ä l'infini."). Vgl. PNG § 3 = G VI 599. Vgl. G II 116; vgl. G II 71. 74f.
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Bringen wir zur Verdeutlichung noch das Beispiel eines Nadelstiches. In dem Moment, in dem der Körper den Stich erhält, repräsentiert die Seele diesen Stich. „Wie also der Zustand der Körper im Zeitpunkt B aus dem Zustand der Körper im Zeitpunkt A folgt, so ist ebenso der Zustand B der Seele eine Folge von A, dem vorhergehenden Zustand derselben Seele — gemäß dem Begriff der Substanz im allgemeinen. Nun sind aber die Zustände der Seele ihrer Natur und ihrem Wesen nach Ausdrücke der entsprechenden Zustände der Welt und im besonderen der Körper, die ihr jetzt zugehören; da demnach der Stich einen Teil des Zustandes des Körpers im Zeitpunkt B ausmacht, wird auch die Repräsentation oder der Ausdruck des Stiches, d.h. der Schmerz, einen Teil des ZuStandes der Seele im Zeitpunkt B sein; denn wie eine Bewegung aus einer anderen Bewegung folgt, so folgt ebenso in einer Substanz, deren Wesen in der Repräsentation besteht, eine Repräsentation aus einer anderen Repräsentation. So muß die Seele den Stich apperzipieren, weil die Gesetze der Beziehung verlangen, daß sie eine auffallendere Bewegung der Teile ihres Körpers deutlicher ausdrückt."153 Demgegenüber kann die Seele die Ursachen des Stiches und des zukünftigen Schmerzes nicht immer deutlich apperzipieren, wenn diese nämlich in der Repräsentation des Zustandes A verborgen liegen,154 auch wenn die Seele diese natürlich gemäß ihrem Wesen repräsentiert oder ausdrückt. Erst wenn diese zu beachtlicher Stärke anwachsen, ist es uns möglich, sie aus der 153
G II 114 („Comme done Testat des corps au moment B suit de Testat des corps au moment A, de meine B estat de Tame est une suite d'/4, estat precedent de la meme ame, suivant la notion de la substance en general. Or les estats de Tame sont naturellement et essentiellement des expressions des estats repondans du monde, et particulierement des corps qui leur sont alors propres; done puisque la piqueure fait une partie de Testat du corps au moment B, la representation ou expression de la piqueure, qui est la douleur, fera aussi une partie de Testat de Tame au moment B\ car comme un mouvement suit d'un autre mouvement, de meme une representation suit d'une autre representation dans une substance dont la nature est d'estre representative. Ainsi il faut bien que Tame s'apper5oive de la piqueure, lorsque les loix du rapport demandent qu'elle exprime plus distinctement un changement plus notable des parties de son corps."). 154 \yas verborgen liegt, ist aber immer nur verworren und dunkel erkennbar: ,Je ne dis pas que iame connoisse la piqueure avant qu'elle a le sentiment de douleur, si ce n'est comme eile connoist ou exprime confusement toutes choses suivant les principes deja establis; mais cette expression, bien qu'obscure et confuse, que Tame a de Tavenir par avance, est la cause veritable de ce qui luy arrivera et de la perception plus claire qu'elle aura par apres, quand Tobscurite sera developpee, Testat futur estant une suite du precedent" (G II 91). Vgl. G IV 547: „Ce sont les pressentimens confus, ou pour mieux dire les dispositions insensibles de Tarne qui representoient les dispositions a la piqure dans les corps."
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Fülle anderer Gedanken und Bewegungen auszusondern. „Unsere Seele denkt nur an besonders außerordentliche Phänomene, die sich von anderen unterscheiden, sie denkt an keine deutlich, wenn sie auf gleiche Art und Weise an alle denkt."155 Leibniz vergleicht diese Übereinstimmung zwischen Seele und Körper mit mehreren Musikorchestern oder Chören, die voneinander getrennt ihre Stimmen spielen oder singen und die so aufgestellt sind, daß sie einander weder hören noch sehen können. Trotzdem können sie vollkommen zusammenstimmen, wenn nur jedes seinen Noten folgt. Und hört jemand sie zugleich, so wird er in ihnen eine wunderbare Harmonie finden, die mindestens ebenso vollkommen ist, als wenn sie miteinander in Verbindung ständen.156 Ebenso ist das sogenannte „Uhrengleichnis" zu verstehen, das den Verkehr und die Harmonie zwischen Körper und Seele zu verdeutlichen sucht: Man stelle sich zwei Wand- oder Taschenuhren vor, die vollkommen miteinander übereinstimmen. Diese vollkommene Übereinstimmung kann nun nach Leibniz auf eine dreifache Weise geschehen: ,J)ie erste besteht in einem natürlichen Einfluß. Dies erfuhr Herr Hugens zu seinem großen Erstauen. Er hatte zwei Pendeluhren an demselben Stück Holz aufgehängt; die dauernden Schläge der Pendel hatten auf die Holzteilchen ähnliche Erschütterungen übertragen, da aber diese Erschütterungen nicht in ihrer Ordnung und ohne sich gegenseitig zu behindern bestehen konnten, ohne daß die Pendel übereinstimmten, geschah es durch eine Art Wunder, daß sie, selbst wenn man ihre Schläge ganz absichtlich störte, dazu zurückkehrten, zugleich zu schlagen, beinahe wie zwei Saiten, die miteinander harmonieren. Die zweite Weise, zwei — wenn auch schlechte — Uhren immer übereinstimmen zu lassen, bestünde darin, sie immer von einem geschickten Handwerker überwachen zu lassen, der sie gleichrichtet und sie in jedem Augenblick in Übereinstimmung bringt. Die dritte Weise besteht darin, diese zwei Pendeluhren von vornherein mit soviel Kunst und Genauigkeit anzufertigen, daß man sich in der Folge ihrer Übereinstimmung sicher sein kann."157 Setzt man nun die Seele und den Körper an die Stelle dieser zwei 155
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G II 114 („Nostre ame ne fait reflexion que sur les phenomenes plus singuliers, qui se distinguent des autres, ne pensant distinctement ä aucuns, lorsqu'elle pense egalement ä tous."). G II 94f. G IV 498 („La premiere consiste dans une influence naturelle. C'est ce qu'experimenta Monsieur Hugens ä son grand etonnement. II avoit suspendu deux pendules ä une rneme piece de bois; les battemens continuels des pendules avoient communique des tremblemens semblables
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Uhren, so kann deren Übereinstimmung ebenfalls auf drei Weisen geschehen: J)er Weg des Einflusses ist derjenige der Vulgärphilosophie; aber da man sich weder materielle Teilchen noch immaterielle Spezies oder Qualitäten vorstellen kann, die von der einen dieser Substanzen auf die andere übergehen könnten, ist man gezwungen, diese Meinung preiszugeben. Der Weg des Beistandes ist derjenige des Systems der Gelegenheitsursachen. Aber ich meine, daß man damit einen Deus ex machina in eine natürliche und gewöhnliche Sache eingreifen läßt, wo er sich gemäß der Vernunft nur in einer Weise einmischen dürfte, die mit allen anderen naürlichen Dingen zusammentrifft. So bleibt nur meine Hypothese, d.h. der Weg der prästabilierten Harmonie, aufgrund eines zuvorkommenden göttlichen Kunstgriffes, welcher von Anfang an jede dieser Substanzen so hervorgebracht hat, daß sie, indem sie nur ihren eigenen Gesetzen folgt, die sie mit ihrem Sein empfangen hat, dennoch mit der anderen übereinstimmt, ganz so als gäbe es einen gegenseitigen Einfluß oder als ob Gott über seine allgemeine Mitwirkung hinaus darin immer seine Hand im Spiel Man kann sich natürlich die Frage stellen, wieso Gott sich nicht damit zufrieden gab, alle Gedanken und Modifikationen der Seele hervorzubringen ohne die Körper, welche die Seele ja geradezu daran hindern, bloß aktiv zu
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aux particules du bois, mais ces tremblemens ne pouvant subsister dans leur ordre, et sans s'entr'empecher, ä moins que les pendules ne s'accordassent, U arrivoit par une espece de merveille que lorsqu'on avoit meme trouble leur battemens tout expres, elles retoumoient ä battre ensemble, ä peu pres comme deux cordes qui sont ä l'unisson. La seconde maniere de faire tousjours accorder deux horloges, bienque mauvaises, seroit d'y faire tousjours prendre garde par un habile ouvrier, qui les redresse et les mette d'accord ä tous momens. La troisieme maniere est de faire d'abord ces deux pendules avec tant d'art et de justesse, qu'on se puisse asseurer de leur accord dans la suite."). G IV 498f. (,La voye de ['influence est celle de la Philosophie vulgaire; mais comme on ne scauroit concevoir ny des particules materielles, ny des especes ou qualites immaterielles, qui puissent passer d'une de ces substances dans 1'autre, on est oblige d'abandonner ce sentiment. La voye de l'assistance est celle du Systeme des causes occasionelles. Mais je tiens que c'est faire venir Deum ex machina dans une chose naturelle et ordinaire, oü selon la raison il ne doit entrevenir que de la maniere qu'il concourt ä toutes les autres choses naturelles. Ainsi il ne rest que mon hypothese, c'est ä dire que la voye de ['Harmonie pra-atablie, par un artifice divin prevenant, lequel a forme des le commencement chacune de ces substances, qu'en ne suivant que ses propres loix qu'elle a receues avec son estre, eile s'accorde pourtant avec 1'autre, tout comme s'il y avoit une influence mutuelle, ou comme si Dieu y mettoit tousjours la main, au delä de son concours general."). Vgl. G IV 500f. 520. 522; G VI 540f.; R 380.
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Die Lehre von der Substanz
sein,159 welche ja letztlich die verworrenen Perzeptionen verursachen.160 Leibniz antwortet auf diese Frage verblüffend einfach, aber entsprechend seinen Prinzipien: Weil es nun einmal so ist, daß jeder Seele ein Körper zugehört, der aufgrund der Kontinuität mit allen anderen Körpern des Universums in Verbindung steht, so muß Gott es für gut befunden haben, daß diese Modifikationen der Seele in einer äußeren Sache ihre Entsprechung haben.161 Leibniz faßt zusammen: „Weder ändern die Seelen etwas an der Ordnung der Körper noch die Körper an derjenigen der Seelen ... Und eine Seele ändert nichts an der Gedankenfolge einer anderen. Und überhaupt hat eine Einzelsubstanz keinerlei physischen Einfluß auf eine andere; auch wäre er fruchtlos, weil jede Substanz ein vollständiges Seiendes ist, das sich selbst genügt, um vermöge ihrer eigenen Natur alles das, was ihr zustoßen kann, zu veranlassen."162 Und trotzdem steht die Seele aufgrund der Prästabilierten Harmonie sehr wohl in Beziehung zur Außenwelt. Auch wenn sie eine Welt für sich bildet, so schließt dies nicht eine gewisse Transzendenz aus. Ja im strengen Sinne ist ihr das Transzendente ja selbst immanent.163 Leibniz läßt so — gegenüber dem System der Gelegenheitsursachen — das Übernatürliche nur für den Anfang der Dinge zu hinsichtlich der ursprünglichen Einrichtung der Prästabilierten Harmonie. In bezug auf das Nachfolgende aber ist für Leibniz alles ebenso natürlich wie die übrigen alltäglichen Vorgänge der Natur.164 Ja man wird nach Leibniz vom System der Gelegenheitsursachen notwendig zu diesem System der Prästabilierten Harmonie hingeführt, wenn man bedenkt, daß die Wege Gottes sowohl die einfachsten als auch die fruchtbarsten sind. Einfachheit und 159
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Vgl. G IV 572. Th. II § 124 = G VI179.
G IV 495. Diese Überlegung ist — ähnlich derjenigen zum Problem der besten aller möglichen Welten — apriorischer Natur: Weil es nun einmal so ist, und Gott notwendig nach dem Prinzip des Besten handelt, so muß dies auch besser sein als alles andere — unabhängig davon, ob wir das „Wie" hiervon einsehen können oder nicht. 16 ^ G II 71 („Les ames ne changent rien dans lOrdre des corps ny les corps dans celuy des ames ... Et une ame ne change rien dans le cours des pensees d'une autre ame. Et en general une substance particuliere n'a point d'influence physique sur l'autre; aussi seroit-eUe inutile, puisque chaque substance est un estre accompli, qui se suffit luy meme a determiner en vertu de sä propre nature tout ce qui luy doit arriver."). Vgl. GIV 484. 495; G III 658. 163 Vgl. G IV 582. 164 Vgl. Th., Preface = G VI 42.
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Fruchtbarkeit sind geradezu die Kennzeichen göttlichen Schöpfertums.165 Leibniz spricht in diesem Zusammenhang gerne von der göttlichen Ökonomie (l'Oeconomie de Dieu).166 Jaquelot hat nicht ganz Unrecht, wenn er zwischen Leibniz und Malebranche nur einen kleinen Unterschied glaubt feststellen zu können.167 Denn Leibniz selbst gesteht hier zu: „Wir kommen darin überein, daß der Körper und die Seele einander entsprechen, obwohl sie [sc. die Vertreter der Gelegenheitsursachen] dies vielleicht nicht so allgemein annehmen wie ich. Aber ein Unterschied besteht darin, daß die Dinge bei ihnen durch ein Wunder geschehen, insofern Gott die Seele immer dem Körper und den Körper der Seele anpaßt. Während bei mir alles das, was gewöhnlich im Universum vor sich geht, natürlich ist und sich als eine Folge der Natur der Dinge ereignet, so daß sich die eine dieser Substanzen168 der anderen aufgrund ihrer eigenen Natur anpaßt."169 Leibniz glaubt, so die Annahme der Prästabilierten Harmonie begründen zu können. Denn die beiden grundsätzlich anderen Möglichkeiten: der Weg des Einflusses, wobei sich dieser durch eine Übertragung von Spezies oder durch einen physischen Einfluß denken läßt, und der Weg der Gelegenheitsursachen scheiden wegen der genannten Schwierigkeiten als Lösungen aus. Eine weitere Möglichkeit aber findet sich nach Leibniz nicht.170
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Vgl. Th. II § 208 = G VI 241; DM §§ 5 u. 6 = G IV 430f.; G VII 303; NE III 6, § 32 = A VI 6, 324; PNG § 10 = G VI 603; G III 462. 625; G VI 555; GB 50; R 379f. — Nach KAULBACH3, 143, spricht dieses Axiom gegen die nicht selten vertretene Auffassung, Leibniz habe die Welt mit mathematischer Vernunft aufgeschlüsselt. Denn die mathematische Vernunft nimmt von diesem Axiom keine Notiz. G III 341. G III 466. Wenn hier der Körper als eine Substanz bezeichnet wird, so ist diese ungenaue Ausdrucksweise Leibniz' erklärlich als Anpassung an den Sprachgebrauch der sogenannten Neucartesianer (vgl. dazu WEBER, bes. 1006f.). Siehe dazu oben S. 15 A. 55. G III 467f. („Nous convenons que le corps et l'ame se repondent, quoyqu'ils [sc. les auteurs des causes occasionelles] ne le croyent peutestre pas si generalement que moy. Mais la difference est que les choses chez eux se font par miracle en tant que Dieu accommode tousjours l'ame au corps, et le corps a l'ame. Au lieu que chez moy tout ce qui se fait ordinal rement dans l'univers est naturel et arrive comme une suite de la nature des choses, de sorte que l'une de ces substances s'accommode ä l'autre par sa propre nature.")· G III 355; vgl. G III 144.
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Die Lehre von der Substanz
Vollkommene Spontaneität in Anbetracht ihrer selbst auf der einen und vollkommene Übereinstimmung mit den Dingen außer ihr auf der anderen Seite, das sind die beiden grundlegenden Bestimmungen der Substanz. Die erstere als Voraussetzung, die letztere als Konsequenz einer Auffassung der Substanz, die diese als von allem unabhängig begreift, Gott ausgenommen. Was das im einzelnen für den Bereich des Erkennens und mithin für die Auffassung des menschlichen Verstandes bedeutet, soll in dem nun folgenden zweiten Kapitel dieses dritten Teils der Untersuchung geklärt werden.
2. Kapitel Die aus der Substanzlehre resultierende Auffassung des menschlichen Verstandes Leibniz selbst hat in keiner seiner Schriften eine vollständige Darstellung der aus der Substanzauffassung resultierenden Lehre vom menschlichen Erkennen im allgemeinen und vom menschlichen Verstand im besonderen vorgelegt.171 Innerhalb des Discours de mltaphysique sind es vornehmlich die Paragraphen 23 bis 29, wo Leibniz auf das Erkenntnisproblem zu sprechen kommt. Doch genügt diese Darstellung bei weitem nicht, die aus der Substanzlehre resultierende Auffassung darzulegen. Wir müssen daher versuchen, diese Auffassung aus den verschiedensten Schriften heraus zu rekonstruieren. Leibniz' Auffassung des menschlichen Erkennens und mithin auch diejenige des menschlichen Verstandes im «Systeme nouveau» sind eine notwendige Konsequenz der Substanzbestimmung, ihrer Voraussetzungen und Konsequenzen.172 Leibniz selbst hat dies auch nie anders verstanden wissen wollen.173 An der Substanzdefinition entscheidet sich für ihn die gesamte weitere Ausarbeitung seiner Philosophie174 — ja vielleicht sogar jeder Philosophie, wenn man z.B. an Descartes, Spinoza oder Locke denkt.
171
Vgl. McRAE2,3. 172 Vgl. REITER1, 209. Leibniz steht hier der Cartesisehen Philosophie diametral gegenüber: „Nicht der Erkenntnislehre bedarf es, um zu den wahren Substanzen zu gelangen, sondern die Substanzenlehre muß klar sein, will man auf gesichertem Boden den rechten Erkenntnisbegriff gewinnen" (HEIMSOETH1, 196). In diesem Sinne ist Leibniz' „erste Philosophie" reine Ontologie, die mit der Definition der Substanz beginnt, nicht mit einem Cogito (vgl. HEIMSOETH1, 195). 173 Vgl. G II 127, wo er dies gegenüber Amauld klar ausspricht: „Si vous pouvies avoir le loisir de revoir un jour ce que nous avions enfin establi touchant la Notion d'une substance individuelle, vous trouveries peutestre qu'en me donnant ces commencemens, on est oblige dans la suite de m'accorder tout le reste." 174 „Car je considere effectivement la notion de la substance comme une des clefs de la veritable philosophic" (G III 245; vgl. G III 567; G IV 469; N E I I 1 3 , § 19 = A VI 6,150).
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Die aus der Substanzlehre resultierende Auffassung des Verstandes
§ 24 Absoluter Apriorismus In § 26 des Discours de molaphysique faßt Leibniz die erkenntnistheoretischen Konsequenzen, die aus seiner Substanzdefinition notwendig folgen, so zusammen: „Denn unsere Seele drückt Gott und das Universum aus und alle Wesenheiten ebensogut wie alle Existenzen. Dies stimmt mit meinen Prinzipien überein, denn auf natürliche Weise kommt uns nichts von außen in den Geist hinein, und es ist eine schlechte Angewohnheit von uns, zu denken, unsere Seele empfinge irgendwelche Spezies, die Botschaften überbringen,175 und hätte Türen und Fenster. Wir haben alle diese Formen im Geist, und sogar von jeder Zeit, weil der Geist immer alle seine zukünftigen Gedanken ausdrückt und schon verworren an alles das denkt, was er jemals deutlich denken wird. Und nichts kann uns gelehrt werden, dessen Idee wir nicht schon im Geist hätten, die gleichsam die Materie176 ist, aus der sich dieser Gedanke bildet."177 Hier fällt schon das bekannte Wort von der Fensterlosigkeit der Monade, wie wir es von § 7 der Monadologie her kennen, wo es heißt: „Die Monaden haben keine Fenster, durch welche irgend etwas hinein- oder heraustreten könnte."178 In 175 176
177
Zur Spezies—Lehre der Scholastiker siehe oben S. 141f. Wenn Leibniz hier seltsamerweise die Idee als die Materie bezeichnet, aus der sich der Gedanke bildet, so ist dies dadurch zu verstehen, daß Leibniz hier vermeiden will, den Begriff der Form ins Spiel zu bringen, den er ja ausdrücklich in bezug auf die Idee ablehnt (vgl. DM § 26 = G IV 451; vgl. dazu BURGELIN, 247). DM § 26 = G IV 451 („Car nostre ame exprime Dieu et l'univers, et toutes les essences aussi bien que toutes les existences. Cela s'accorde avec mes principes, car naturellement rien ne nous entre dans l'esprit par dehors, et c'est une mauvaise habitude que nous avons de penser comme si nostre ame recevoit quelques especes messageres et comme si eile avoit des portes et des fenestres. Nous avons dans l'esprit toutes ces formes, et meme de tout temps, parce que l'esprit exprime tousjours toutes ses pensees futures, et pense deja confusement ä tout ce qu'il pensera jamais distinctement. Et rien ne nous sjauroit estre appris, dont nous n'ayons deja dans l'esprit l'idee qui est comme la matiere dont cette pensee se forme."). Vgl. G III458.
178 £ yj go? („Les Monades n'ont point de fenetres, par lesquelles quelque chose y puisse entrer ou sortir."). Vgl. NE II l, §2 = A VI 6, 110; G III 341. — Auch Locke greift die Fenster-Metapher auf: Er vergleicht die äußere und innere Wahrnehmung mit zwei Fenstern, durch die das Licht in den dunklen Raum, sprich den Verstand, eingelassen wird. Vgl. LOCKE, Essay, II11, § 17, wo es heißt: „I pretend not to teach, but to enquire; and therefore cannot but confess here again. That external and internal Sensation, are the only passages that I can find, of Knowledge, to the Understanding. These alone, as far as I can discover, are the Windows by which light is let into this dark Room. For, methinks, the Understanding is not much unlike a Closet wholly shut from light, with only some little openings left, to let in external visible
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diesem Sinne kann Leibniz die Seele auch als eine ideenbildende Substanz bezeichnen.179 Aus dem Begriff der individuellen Substanz, die wesentlich durch die Expression charakterisiert ist, welche sich nicht nur auf die Essenzen oder notwendigen Wahrheiten bezieht, wie das bei den allgemeinen Artbegriffen der Fall ist, sondern auch auf die Existenzen oder Tatsachenwahrheiten,180 folgt für das menschliche Erkennen eine ebensolche Weite und Unabhängigkeit von allen äußeren Dingen. Nicht nur die Essenzen sind dem Geist inhärent, sondern auch die Existenzen. Die Außenwelt wird in die Innenwelt der Substanz hineingenommen.181 Der Begriff des Eingeborenen wird so bedeutungslos, weil es nichts mehr gibt, was nicht eingeboren wäre. Alles ist dem Geist eingeboren, nichts ist erworben!182 Damit aber fällt die Notwendigkeit weg, das Eingeborene besonders hervorzuheben, wie das im «Systeme commun» noch der Fall war, wo es dem Erworbenen gegenübergestellt wurde. Im «Systeme commun» wurde der Verstand bestimmt als Sitz der intellektuellen Ideen und ersten Prinzipien und als Quelle der notwendigen Wahrheiten, welche sämtliche als eingeboren galten. Der Verstand war so regelrecht identisch mit seinen eingeborenen Inhalten. Fällt nun aber im «Systeme nouveau» der Unterschied zwischen dem Eingeborenen und dem Erworbenen weg, weil der Seele ja alles spontan aus ihrem eigenen Grund erwächst, so verliert die Rede vom Verstand ihre eigentliche Bedeutung.183 Dies kann man bei Leibniz auch daran ersehen, daß innerhalb des «Systeme nouveau» der Begriff Resemblances, or Ideas of things without." Aber der erkenntnistheoretischen Bedeutung des Wortes von der Fensterlosigkeit der Monade bei Leibniz liegt eine grundsätzlichere, metaphysische zugrunde: Es handelt sich hierbei um die allgemeine Frage der wechselseitigen Einwirkung. Siehe dazu oben S. 141f. 179 Vgl. G II184 f: Anirnam ... esse substantiam ideantem. 180 Vgl. G VII 311; Grua I 354: Notio completa individui complectitur tarn essentialia quam exi181
stentialia.
Vgl. T. BARTH, 158.
182
Vgl. REININGER, 123. PIAT, 226, schreibt so zu Recht: „L'inneisme est integral". RESCHER2, 129, scheint dies nicht zu realisieren, wenn er die Frage stellt: „Why did Leibniz not hold all ideas and all truths to be innate, as ... he ought to have done?"
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Natürlich kann man dies mit HARTMANN2, 4, auch von der anderen Seile her sehen als Aufhebung der aposteriorischen Erkenntnis, was unserer Interpretation ja überhaupt nicht widerspricht. Nur nehmen wir, unserer Themenstellung entsprechend, eine andere Akzentuierung vor. — RIPALDA2, 28f., spricht in diesem Zusammenhang mit Recht von einer „Nivellierung" bzw. einem „'einebnenden' Stil".
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Die aus der Substanzlehre resultierende Auffassung des Verstandes
des Verstandes so gut wie keine Rolle mehr spielt. Entsprechend gewinnt der Begriff der Vernunft an Bedeutung. Hartmann spricht in diesem Zusammenhang zu Recht von einem „absoluten Apriorismus", der, so gewagt er auch erscheinen mag, doch in der Konsequenz der einmal angenommenen Voraussetzungen liegt.184 Daß aber auch im «Systeme nouveau» der Verstandeserkenntnis des «Systeme commun» noch etwas entspricht, wird sich im Fortgang der Untersuchung erweisen. Hier an dieser Stelle genügt es, wenn wir uns mit diesem Hinweis begnügen.
§ 25 Die Funktion der Sinne? Im «Systeme commun» kam der sinnlichen Erkenntnis eine zweifache Funktion zu: Einmal lieferten die Sinne verworrene Ideen, sodann waren sie auch eine notwendige Bedingung für die Aktualisierung des Eingeborenen. Welche Funktion kommt ihnen jetzt hier innerhalb des «Systeme nouveau» zu? Bedenkt man das, was wir zur Bestimmung der Substanz und den hieraus resultierenden erkenntnistheoretischen Konsequenzen festgestellt haben, so muß unsere Antwort negativ ausfallen. Die Sinne können innerhalb des «Systeme nouveau» im strengen Sinne nichts zur Erkenntnis beitragen, da es hier überhaupt keine Wahrnehmung dem eigentlichen Wortsinn nach mehr gibt, sondern nur bewußtseinsimmanente und insofern eingeborene Perzeptionsfolgen.185 Daß Leibniz dies auch so gesehen hat, erhellt aus einem schönen Vergleich, den er in diesem Zusammenhang anführt: Man stelle sich einen Sänger vor, der zu bestimmten Zeiten in der Kirche oder in der Oper aus einem Notenbuch vorsingt, in dem er die jeweiligen Musikstücke, die er an bestimmten Tagen und zu bestimmten Stunden zu singen hat, angestrichen hat. Was ereignet sich nun beim Singen? „Dieser Sänger singt mit geöffnetem Buch, seine Augen werden
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HARTMANN2, 4. Vgl. HOCHSTETTER2, 103.
185
E 446 a. Vgl. SCHNEIDERS1, 174; GRAU, 162f. Dieses „Apriori der Perception des Universums durch die Seele" aber mit BAUMGARTEN, 359, „genetisch-psychologisch" zu verstehen, verkennt den Sachverhalt. HEIDEGGER, 438, sieht hier richtig, wenn er das Wesen der Perzeption demgegenüber „einzig im Hinblick auf das Wesen der Seiendheit des Seienden, und zwar als ein Grundzug dieser", bestimmt. Die Perzeption ist „zur metaphysische Wesensbestimmung der substanzialen Elemente des Wirklichen erhoben" (KNÜFER, 5). Vgl. HOLZ, 33.
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durch das Buch geleitet, und seine Zunge und seine Kehle werden durch die Augen geleitet, aber seine Seele singt sozusagen mit Hilfe des Gedächtnisses oder mit Hilfe von etwas, was dem Gedächtnis gleichwertig ist; denn da das Musikbuch, die Augen und die Ohren keinen Einfluß auf die Seele haben können, muß sie durch sich selbst und sogar ohne Mühe und Reiß und ohne es zu suchen das finden, was ihr Gehirn und ihre Organe mit Hilfe des Buches finden. Das ist möglich, weil die ganze Tabulatur dieses Buches oder der Bücher, denen man beim Singen nacheinander folgen wird, in virtueller Weise in der Seele eingraviert ist gleich von Anfang an, da die Seele existierte; so wie diese Tabulatur in gewisser Weise in die Materialursachen eingraviert worden war, bevor man diese Stücke zufällig komponierte und hieraus ein Buch machte. Aber die Seele kann dies nicht apperzipieren, da es eingefaltet ist in den verworrenen Perzeptionen der Seele, die jedes Detail des Universums ausdrücken. Und sie apperzipiert dies nur zu der Zeit deutlich, wenn ihre Organe merklich durch die Noten dieser Tabulatur beeindruckt werden."186 Übertragen wir dieses Bild auf den Bereich der menschlichen Erkenntnis, so steht das Notenbuch für die Außenwelt, auf die sich die Augen, die Ohren und die übrigen Sinne beziehen. Doch haben diese keinerlei Einfluß auf die Seele. Diese holt vielmehr die Dinge aus sich selbst heraus, welche das Gehirn und die Organe mit Hilfe der Außenwelt finden.187 Der Seele ist dies dadurch möglich, weil sie aufgrund der Prästabilierten Harmonie immer schon alles das ausdrückt, was im Universum vor sich geht. In einer gewissen Weise könnte
186 Q iv 549^ ( ( £ e chantre chante ä livre ouvcrt, ses yeux sont diriges par le livre et sä langue et son gosier sont dirigos par les yeux, mais son ame chante pour ainsi dire par memoire, ou par quelque chose equivalente ä la memoire; car puisque le livre de Musique, les yeux et les aureilles ne sauroient influer sur l'ame, il faut qu'elle trouve par eile meme et meme sans peine et sans application, et sans le chercher ce que son cerveau et ses organes trouvent par l'aide du livre. C'est parce que toute la tablature de ce livre ou des livres qu'on suivra successivement en chantant, est gravee dans son ame virtuellement des le commencement de l'existence de l'ame; comme cette Tablature a ete gravee en quelque fafon dans les causes materielles avant qu'on est venu ä composer ces pieces et ä en faire un livre. Mais l'ame ne sauroit s'en appercevoir, car cela est enveloppe dans les perceptions confuses de l'ame, qui expriment tout le detail de l'univers. Et eile ne s'en apper^oit distinctement que dans le temps, que ses organes sont frapp£s notablement par les notes de cette Tablature."). 187 Vgl. G vn 554; t>Il est vray que le materiel qui nous vient par les sens, entre dans nos organes Interieurs, tels que sont le cerveaux, et les esprits, ou fluides subtils qui y sont enfermes; mais le materiel ne scauroit entrer dans une veritable Unite qui n'a point de trous ny portes."
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Die aus der Substanzlehre resultierende Auffassung des Verstandes
man hier die Sinne als Gelegenheitsursache188 bezeichnen — aber nun für dasjenige, was im «Systeme commun» der sinnlichen Erkenntnis entsprach! Denn bei Gelegenheit des Eindrucks, den das Buch auf die Augen macht, aktualisiert die Seele das immer schon virtuell in ihr liegende Wissen um diese Dinge. Während also im «Systeme commun» die sinnliche Erkenntnis die Rolle einer conditio sine qua non für die Aktualisierung der Verstandeserkenntnis einnahm, nimmt sie nun im «Systeme nouveau» diese Rolle für die Aktualisierung dessen ein, was im «Systeme commun» der sinnlichen Erkenntnis entspricht, wobei hier im «Systeme nouveau» das Beeindrucktwerden der Sinne natürlich als solche überhaupt nichts Erkenntnismäßiges darstellt.189 Doch ist diese Sicht nur bedingt richtig, denn die Seele würde die Abfolge ihrer Zustände auch dann allein aus sich heraus entwickeln, wenn die Außenwelt vernichtet würde — was zwar nur eine Fiktion ist, um die Weite und Unabhängigkeit der Seele darzulegen,190 doch will dieses Bild ganz klar sagen, daß den Sinnen im strengen Sinne noch nicht einmal dieser Status der Gelegenheitsursache zukommt. Leibniz sagt nämlich ausdrücklich: „Die Seele wird zu den folgenden Gedanken durch ihr inneres Objekt angeregt, d.h. durch die vorangegangenen Gedanken."191 Also nicht einmal das excitare kommt den Sinnen im eigentlichen Sinn zu.192 Clarke hat diese nicht unproblematischen Folgerungen, die sich aus Leibniz' Substanzdefinition und der damit notwendig verbundenen Prästabilierten Harmonie ergeben, richtig erkannt, wenn er Leibniz antwortet: „Denn wenn die Prästabilierte Harmonie wahr ist, so sieht ein Mensch in der Tat nichts, hört nichts, fühlt nichts, bewegt seinen Körper nicht."193 Und auch die Gefahren, die Clarke aus einem solchen Verständnis der Verbindung zwischen Seele und 188
Vgi. BURGELIN, 245.
189
Diese Sicht teilt Leibniz mit Malebranche, für den auch die Objekte, d. h. die eventuell existierenden materiellen Korrelate der Ideen, ihren bedingten Beitrag als Gelegenheitsursache der vorgängigen Notwendigkeit der von Gott gesetzten allgemeinen Gesetze verdanken und somit zur Erkenntnis als solcher nichts beitragen (vgl. REITER2,56 u. 193). Siehe oben S. 139f. G III 464 („L'ame est excitee aux pensees suivantes par son object interne, c'est ä dire par les pensees precedentes.")·
190 191
192
Vgl. HARTENSTEIN, 401. Vgl. dagegen SILBERSTEIN, 40. 47; SALAS ORTUETA, 48. 60; JACOBI, 216; HAUSMAN, 225.
193 Q vil 437 („For, if the Harmonia praestabilita be true, a Man does not indeed see, nor hear, nor feel any thing, nor moves his Body").
Die Unterscheidung der Ideen
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Körper herankommen sieht, scheinen — so zeigt die geschichtliche Entwicklung — in keiner Weise unbegründet zu sein: „Und wenn die Welt einmal davon überzeugt werden kann, daß der Körper des Menschen bloß eine Maschine ist, und daß alle seine anscheinend freiwilligen Bewegungen durch das bloße Gesetz körperlicher Mechanismen ausgeführt werden ohne irgendeinen Einfluß oder Wirksamkeit oder Tätigkeit der Seele in bezug auf den Körper, so wird man bald folgern, daß diese Maschine den ganzen Menschen ausmacht und daß die harmonische Seele in der Hypothese von der Prästabilierten Harmonie nur eine Fiktion und ein Traum ist."194
§ 26 Die Unterscheidung der Ideen Daß im «Systeme nouveau» dem Geist alles eingeboren ist, das hat nun auch Konsequenzen für die Unterscheidung der Ideen. In § 24 des Discours de mataphysique nimmt Leibniz zwar noch die Unterscheidung der Ideen in deutlicher Anlehnung an die Meditationes de cognitione, veritate et ideis von 1684 vor,195 wobei er hier allerdings die symbolische oder blinde Erkenntnis als „suppositive" bezeichnet,196 doch muß hier natürlich gesehen werden, daß es nicht mehr die Sinne sind, die die verworrenen Ideen liefern, sondern die Seele auch diese selbst spontan erzeugt.197 Darum ist es nun auch nicht mehr so sehr diese vom «Systeme commun» her bekannte Unterscheidung der Ideen in verworrene und deutliche, welche im «Systeme nouveau» von Bedeutung ist, son194 G vil 437f. („And if the World can once be perswaded, that a Man's Body is a mere Machine; and that all his seemingly voluntary Motions are performed by the mere necessary Laws of corporal Mechanism, without any Influence, or Operation, or Action at all of the Soul upon the Body; they will soon conclude, that this Machine is the whole Man; and that the harmonical Soul, in the Hypothesis of an harmonia praestabilita, is merely a Fiction, and a Dream."4). 195 Siehe oben S. 52ff. 196 DM § 24 = G IV 450. Während diese Stelle nicht ganz eindeutig ist und auch eine Gleichselzung von verworrener und „suppositiver" Erkenntnis nahelegt, geht aus DM § 25 = G IV 450 und vor allem aus G II 62f. eindeutig hervor, daß die „suppositive" Erkenntnis gleichzusetzen ist mit der symbolischen oder blinden Erkenntnis, wenn es hier heißt: „Comme nous pensons souvent sans idees en employant des caracteres (ä la place des idees en question) dont nous supposons faussement de s^avoir la signification". Vgl. BURGELJN, 240. 243. 197 Dadurch, daß Leibniz die Unterscheidung der Ideen im «Systeme commun» weniger von ihrer Herkunft her als vielmehr aufgrund ihrer eigenen Natur vorgenommen hat, ist es ihm möglich, diese grundsätzlich auch in das «Systeme nouveau» zu transferieren.
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dem hier tritt nun diejenige zwischen dem Unbemerkten und Bemerkten in den Vordergrund.198 Es trägt nun aber nicht unbedingt zur Klarheit bei, wenn Leibniz im «Systeme nouveau» das Unbemerkte zuweilen auch als das Verworrene und entsprechend das Bemerkte als das Deutliche bezeichnet,199 da diesen beiden Bezeichnungen ja ursprünglich ein anderer Sinn zukommt. Diese Komplizierung können wir auch schon in dem zuletzt zitierten Leibniz-Text feststellen,200 wenn es hier heißt, daß die ganze Tabulatur des Buches, dem man beim Singen folgen wird, in virtueller Weise in der Seele eingegraben ist, und die Seele dies aber nicht apperzipieren kann, da es eingefaltet ist in den verworrenen Perzeptionen der Seele; und sie dies erst zu der Zeit deutlich apperzipieren wird, wenn ihre Organe merklich durch die Noten dieser Tabulatur beeindruckt werden. Dieser Unterscheidung des Unbemerkten und Bemerkten wollen wir nun näher nachgehen.
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Ich ziehe hier das Gegensatzpaar „Unbemerktes-Bemerktes" dem Begriffspaar „Unbewußtes-Bewußtes" vor, um möglichen Mißverständnissen vorzubeugen. Der Begriff des Unbewußten ist zu sehr psychoanalytisch ausgedeutet worden, als daß er im Rahmen erkenntnismetaphysischer Überlegungen, um die es Leibniz hier geht, unvoreingenommen Verwendung finden könnte. Das Unbewußte kann ja — um mit BLOCH zu sprechen — einmal das ,flicht-Mehr-Bewußte" meinen, d. h. das Vergessene oder Verdrängte, welches Thema der Psychoanalyse ist (I 130f.; vgl. I 61); zum anderen kann das Unbewußte aber auch das ,floch-Nichl-Bewußte" meinen (l 61; vgl. I 131). Diesen Hinweis zu Bloch verdanke ich meinem Lehrer Professor Klaus Kremer (vgl. dazu auch KREMER1, 325-329). Leibniz geht es um das Unbewußte im letzeren Sinne. STRAHM stellt hierzu richtig fest: „Das 'Unbewusste1 aber, in der Bedeutung in der wir es heute allgemein verstehen, war nie eigentlicher Gegenstand der Leibniz'schen Ueberlegungen. Noch weniger sind die petites perceptions die Hilfsbegriffe zur Erfassung eines 'Unbewussten' im psychologischen Sinn der heutigen Auffassung" (48). Vgl. LÜDTKE, 43. Vgl. dagegen RÜLF, 7f. 15, und HERBERTZ, 30, die Leibniz hier eindeutig psychologisch mißverstehen. In dieselbe Richtung gehen KULSTAD1, 222; RESCHER2, 133; WILLMANN, 194. Nicht aber ist Leibniz der Entdecker des Unbewußten, wie allgemein angenommen wird, sondern (vgl. z.B. IV 8, 8, 3-11; V l, 12, 1-12; vgl. dazu SCHWYZER; KREMER'*, XII). — Der vom «Systeme commun» her bekannten Unterscheidung im «Systeme nouveau» allerdings jegliche Bedeutung abzusprechen, finden wir verfehlt (vgl. dagegen PAPE, 119; siehe dazu unten S. 163f.). Vgl. z.B. G IV 565. Siehe oben S. 158f.
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1. Das Unbemerkte und das Bemerkte Die Seele drückt das ganze Universum aus. Das Verworrene ist in diesem Sinne dasjenige, was nicht bemerkt wird.'1·01 Zum anderen erwachsen der Seele die zukünftigen Gedanken aus den gegenwärtigen. In diesem Sinne kann man sagen, daß die Gegenwart mit der Zukunft schwanger geht. Das Verworrene ist hier das noch nicht Ausgefaltete, welches die Seele hervorbringen wird, was sie aber noch nicht deutlich erkennt, sondern lediglich verworren empfindet,202 wobei hier „deutlich" — im Unterschied zum «Systeme commun» — im Sinne von: das, was bemerkt wird, zu verstehen ist.203 In derselben Weise erinnert sich die Seele sozusagen in verworrener Weise an alle ihre vorherigen Zustände und wird von diesen bestimmt.204 Wenn Leibniz selbst im «Systeme nouveau» als Beispiel für das Verworrene die Farben, Gerüche usw. anführt205 — ganz so wie im «Systeme commun», so ist hiermit aber nicht das Unbemerkte gemeint, sondern dasjenige, was die Seele bei Gelegenheit durch die Beeindruckung der Sinne spontan aus ihrem eigenen Grunde hervorbringt. In diesem Sinne kann Leibniz von verworrenen Sensationen sprechen (sensations confuses), welche er aber sehr wohl von den sinnlichen Qualitäten unterscheidet: „Denn die sinnlichen Qualitäten sind Weisen oder Modifikationen der Körper und nicht unseres Geistes; und unsere Sensationen sind in Wahrheit Seinsweisen der Seele, aber die diejenigen des Körpers repräsentieren."206 Die verworrenen Sensationen hüllen alles das ein, was außerhalb von uns ist.207 Sie bezeichnen unsere Abhängigkeit von den äußeren Dingen.208 Doch hier soll uns diese Bestimmung des Verworrenen — wie sie ja auch grundsätzlich im «Systeme commun» vorgenommen wurde — nicht weiter beschäftigen.
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Vgl. G VI 628; GB 32; G VI522; vgl. dazu HEIMSOETH1,296 A. 2. Vgl. G IV 521. Vgl. G VI 628; PNG § 13 = G VI 604; G II 91.114; dazu HEIMSOETH1,2% A. 2. Vgl. G IV 544. Vgl. G IV 563. G IV 576 („Car ces qualites sensibles sont des manieres ou modifications des corps et non pas de nostre esprit; et nos sensations sont ä la verite des f3900s d'estre de Tarne, mais qui representent celles du corps."). G IV 565: „Les perceptions confuses enveloppent tout ce qui est au dehors". G IV 574.
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Auch wenn es sich hier um zwei auf den ersten Blick sehr heterogen erscheinende Phänomene handelt, denen Leibniz die Bezeichnung des Verworrenen beilegt, einmal diejenigen Ideen, die sich auf die äußeren Dinge beziehen, sodann das Unbemerkte, so hat dies doch eine gewisse Berechtigung.2°9 Erstere Ideen kann Leibniz hier als verworren bezeichnen, weil ihnen entsprechend der Substanzdefinition etwas Unendliches anhaftet, auf das die Seele nicht im einzelnen achten kann.210 Im Discours de m taphysique vergleicht Leibniz dies mit dem verworrenen Gemurmel, welches man vernimmt, wenn man sich dem Meer nähert, ein Gemurmel, das von der Häufung unzähliger zurückprallender Wogen kommt.211 Das Unbemerkte kann er als verworren bezeichnen, weil es noch zu schwach und ununterscheidbar ist, als daß es bemerkt, also apperzipiert werden könnte. 2. „Petites perceptions" Zur Erklärung des Unbemerkten führt Leibniz den Begriff der „petites perceptions" ein, den es nun näher zu entfalten gilt. Die „petites perceptions" sind aber bei Leibniz kein methodischer Hilfsbegriff,212 um bestimmte Erscheinungen besser erklären zu können, sondern ihre Annahme folgt notwendig aus der Substanzbestimmung: Jede Substanz, so wurde deutlich,213 ist ein Spiegel des Universums, welches jede in der ihr eigentümlichen Weise ausdrückt. Aber die Annahme der „petites perceptions" folgt nach Leibniz nicht nur aus der Substanzbestimmung als solcher, sondern ebenso aus dem Kontinuitätsgesetz und der Verbundenheit einer jeden endlichen Substanz mit einem Körper.214 Hiernach kann eine Substanz nach Leibniz nicht ohne Tätigkeit sein,215 da ein Kör-
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Vgl. STRAMM, 52. HERBERTZ, 64, unterstellt hier, da er diese Differenz nicht sieht, Leibniz die Verwechslung zwischen dem Verworrenen im Sinne der sinnlichen Erkenntnis des «systeme commun» und dem Verworrenen im Sinne des Unbemerkten. Ebenso RUSSELL2,157. Vgl. NE, Preface = A VI 6,54f. DM § 33 = G IV 459; vgl. NE, Preface = A VI 6,54. Vgl. dagegen STRAHM, 47. Siehe oben S. 132ff. Siehe oben S. 145. Vgl. G IV 509: Quantum ego mihi notionem actionis perspexisse videor, consequi ex illa et stabiliri arbitror receptissimum philosophiae dogma, actiones esse suppositorum; idque adeo esse verum deprehendo, ut etiam sit reciprocum, ita ut non tantum omne quod agit sit substan-
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per nicht in völliger Ruhe verharren kann. Denn letzteres würde dem Gesetz der Kontinuität widersprechen,216 welchem bei Leibniz eine gewisse Schlüsselposition zukommt.217 Der Übergang von der Ruhe zur Bewegung beim Körper wäre anderenfalls unerklärlich. Was aber hat die dauernde Bewegung des Körpers218 mit der dauernden Tätigkeit der Substanz zu tun? Bedenkt man das, was wir zur Prästabilierten Harmonie gesagt haben, so leuchtet der Zusammenhang sofort ein: Die Seele drückt ja zuerst einmal die Zustände ihres eigenen Körpers aus. Ist dieser aber in permanenter Veränderung begriffen, so muß dieser Veränderung — entsprechend der Prästabilierten Harmonie — in der Seele auch fortwährend eine Veränderung entsprechen.219 Bedenkt man weiter, daß dieser Körper mit allen übrigen Körpern des Univerums in Zusammenhang steht, so folgt hieraus, daß die Seele in jedem Moment eine Unendlichkeit von Perzeptionen in sich hat,220 aber solche, die darum doch nicht immer alle bemerkt werden, weil sie zu schwach, zu zahlreich oder zu gleichförmig sind, d.h. nicht genügend unterschieden voneinander, als daß sie bemerkt werden könnten.221 Diese nicht bemerkten, d.h. nicht apperzipierten222 Perzeptionen nennt
tia singularis, sed etiam ut omnis singularis substantia agat sine intermissione. Vgl. A VI 6, 6. 14f. Vgl. dazu , 53; JANKE1,36f. 216 Vgl. GM VII 25. Vgl. DÖHL, 15. 217 Siehe oben S. 146. 218 Leibniz begreift ja bekanntlich die Ruhe als eine unendlich kleine Bewegung (vgl. G III 458). 219 Vgl. N E U 1,§ 10 = A V I 6 , l l l f . ; I I l, § 15 = AVI6, 116. 220 Die Unendlichkeit der Perzeptionen hat ihren Grund also letztlich in der Unendlichkeit der Welt im Sinne einer aktuellen Unterteilung ins unendliche. Ein menschlicher Geist aber kann immer nur — im Gegensatz zum göttlichen — eine endliche Reihe durchlaufen (vgl. G IV 536). Daraus folgt, daß er weder die Welt noch die Seele vollkommen erkennen kann (vgl. G II 409). 221 Vgl. NE, Preface = A VI 6, 53. Vgl. A VI 6, 15: „Ainsi il y a des perceptions trop foibles pour estre remarquees, quoyqu'elles soyent tousjours retenues, mais parmy un tas d'une infinite d'autres petites perceptions que nous avons continuellement. Car ny mouvemens ny perceptions ne se perdent jamais. Tun et lautre continue tousjours, devenant seulement indistinguables par la composition avec beaucoup d'autres. On pourroit repondre a ce raisonnement qu'effectivement chaque voix ä part louche le corps mais qu'il en faut une certaine quantite, pour que le mouvement du corps aille ä Tarne. Je reponds que la moindre impression va ä tout corps, et par consequent ä celuy dont les mouvemens repondent aux actions de l'ame." Vgl. E 445b-446a: In nobis paucissima distincte noscuntur, caetera confusa velut in chao perceptionum nostrarum latent. Vgl. G VI 534. , 53, sieht hier nicht ganz zu Unrecht die Gefahr, daß durch die „petites perceptions" das Denken seines subjektiven Charakters beraubt und zu einem objektiven Prozeß verselbständigt wird. — Es sind auch gerade die „petites perceptions", die die
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Leibniz „petites perceptions". Daß die Substanz also nie ohne Tätigkeit ist, hängt so letztlich auch damit zusammen, daß sie niemals von aller Körperlichkeit abgelöst ist.223 Das Losgelöstsein der Substanzen von ihrem Körper würde zugleich auch das Herausfallen aus der universellen Verknüpfung bedeuten,224 was einer gewissen Funktionslosigkeit gleichkäme, da sie ja dann nichts mehr repräsentieren würden.225 Die „petites perceptions", „perceptions insensibles" oder „indistinguables", wie Leibniz auch gerne dazu sagt,226 sind also in der „Pneumatik" von ebenso großer Bedeutung wie in der Physik. Und es ist gleich unvernünftig, die einen wie die anderen unter dem Vorwand, daß sie sich außerhalb der Reichweite unserer Sinne befinden, zu verwerfen.227 „Nichts kommt plötzlich zustande; und es ist eine meiner großen und bewährtesten Maximen, daß die Natur niemals Sprünge macht: Ich nannte dies das Gesetz der Kontinuität ... Es besagt, daß man stets durch das Mittlere hindurch vom Kleinen zum Großen gelangt und umgekehrt, bei den Graden wie bei den Teilen; und daß niemals eine Bewegung unmittelbar aus der Ruhe entspringt und sich hierauf nur durch eine kleinere Bewegung zurückführen läßt."228 Nicht die Kennzeichnung der Philosophie Leibniz' als Rationalismus fragwürdig erscheinen lassen (vgl. KAULBACH3, 133f.). 222 Vgl. N E I I l, § 10 = A VI6. 112; II 21, § 42 = A VI6,194; GIII 307. Vgl. NE II 9, § l = A VI 6, 134: „Aussi avons nous des petites perceptions nous memes, dont nous ne nous appercevons point dans nostre present etat. U est vray que nous pourrions fort bien nous en appercevoir et y faire reflexion si nous n'estions detoumes par leur multitude qui partage nostre esprit, ou si elles n'estoient effacees ou plustost obscurcies par de plus grandes." 223 Siehe dazu oben S. 145. 24 Vgl. G VI 546. — In diesem Sinne verbürgen die „petites perceptions" geradezu „die Einbettung unserer Existenz in eine Welt" (KAULBACH3,134). 225 Vgl. G VII 556. 226 Vgl. z.B. NE, Preface = A VI 6, 55. 56; G IV 523. Diesen stehen gegenüber die „perceptions sensibles" (NE, Preface = A VI 6, 56), die Leibniz zuweilen auch als „perceptions remarquables" (NE, Preface = A VI 6, 56), „notables" oder „distinguees" (NE II l, § 11 = A VI 6, 113) bezeichnet. 22 ' Das wäre nach Leibniz ein ebenso vulgäres Vorurteil, als wenn man dort, wo man keine Materie bemerkt, die Existenz eines Leeren oder eines Nichts annehmen oder als ob man der Erde die Bewegung absprechen wollte, weil ihre Bewegung, da sie gleichförmig und ohne Stoß vor sich geht, nicht der Betrachtung zugänglich ist (vgl. G VI 534). 228 NE, Preface = A VI 6,56 („Rien ne se fait tout d'un coup, et c'est une de mes grandes maximes et des plus verifiees, que la nature nefaitjamais des sauts: ce que j'appellois la loi de la continuite ... Elle porte qu'on passe toujours du petit au grand, et ä rebours par le mediocre, dans les degres comme dans les parties; et que jamais un mouvement ne naist immediatement du repos, ni ne s'y reduit que par un mouvement plus petit."). Vgl. Mon. § 23 = G VI 610; NE II 9, § 4
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Perception als solche, sondern immer nur die deutliche Perception im Sinne der bemerkten Perception kann beginnen und aufhören.229 Die Unterscheidung zwischen dem Unbemerkten und dem Bemerkten innerhalb des «Systeme nouveau» ist also nicht identisch mit derjenigen zwischen dem Verworrenen und Deutlichen innerhalb des «Systeme commun», wenn auch letztere Unterscheidung im «Systeme nouveau» beibehalten wird, wobei sie hier allerdings eine untergeordnete Rolle spielt.230 Daß Leibniz im «Systeme nouveau» das Unbemerkte aber auch zuweilen als das Verworrene und das Bemerkte als das Deutliche bezeichnet, führt zu möglichen Mißverständnissen. Die „petites perception", so hat sich gezeigt, hat Leibniz im «Systeme nouveau» im Zusammenhang mit dem Unbemerkten eingeführt. Nun kompliziert Leibniz diese Sachlage aber noch einmal dadurch, daß er diesen Begriff der „petites perceptions" auch zur Erklärung des Verworrenen heranzieht, wie es uns vom «Systeme commun» her bekannt ist: „Diese kleinen Perzeptionen ... bringen dieses 'Ich weiß nicht was1 hervor, diese Geschmäcke, diese Bilder der sinnlichen Qualitäten, klar in der Anhäufung, aber verworren in den Bestandteilen."231 Diese Komplizierung aber wurde von der Literatur zu wenig beachtet, so daß hierzu die widersprüchlichsten Interpretationen vorliegen, besonders auch in bezug auf die Kontinuität der Erkenntnis, der wir uns jetzt zuwenden wollen. 3. Kontinuität der Erkenntnis? Diese schwerfällig wirkende Auseinandersetzung mit der Terminologie Leibniz', die noch einmal durch die Unterscheidung der Ebenen kompliziert wurde, war an dieser Stelle notwendig, um sich Klarheit zu verschaffen über die hier anstehende Frage. Leibniz spricht immer wieder von der Kontinuität der Erkenntnis. Aber welche Erkenntnis ist hiermit gemeint? Bezieht sich diese Kon-
= A VI 6, 134. — Die Annahme der „petites perceptions" folgt nach Leibniz ebenso aus dem „grand principe des choses naturelles", das Leibniz auch gerne als das Prinzip des „Harlequin Empereur de la Lune" bezeichnet: „que c'est tousjours et partout en toutes choses tout comme icyu (vgl. dazu G III 343-345). 22 9 Vgl. G III 529. 230 Siehe oben S. 161f. 231 NE, Preface = A VI 6, 54f. („Ces petites perceptions ... formen! ce je ne say quoy, ces gouts, ces images des qualites des sens, claires dans l'assemblage, mais confuses dans les parties".).
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tinuität der Erkenntnis auf die Unterscheidung zwischen dem Verworrenen und Deutlichen, wie wir es vom «systfcme commun» her kennen, oder bezieht sich diese Kontinuität auf die Unterscheidung zwischen dem Unbemerkten und Bemerkten? Die Beantwortung dieser Frage ist von entscheidender Bedeutung, denn einmal geht es um die Kontinuität zwischen Sinnlichkeit und Verstand, zum anderen geht es um die Kontinuität im Bereich der Sinnlichkeit selbst, wenn es uns hier erlaubt ist, einmal die Sprache des «Systeme commun» zu gebrauchen. Schauen wir uns also die entscheidenden Textstellen näher an, wo Leibniz von einer Kontinuität im Bereich des Erkennens spricht. So heißt es in der Vorrede zu den Nouveaux Essais: „Die merklichen Perzeptionen entstehen allmählich [i. S. von „stufenweise"] aus solchen, die zu schwach sind, um bemerkt zu werden. Urteilt man anders, so kennt man kaum die unermeßliche Subtilität der Dinge, welche immer und überall eine aktuelle Unendlichkeit einschließt."232 An anderer Stelle sagt Leibniz ausdrücklich, daß man zwischen dem Apperzeptiblen (l'apperceptible) und der Wahrheit, die sich in den unmerklichen Perzeptionen (qui se conserve par les perceptions insensibles) erhält, keine Scheidewand (un divorce) aufrichten dürfe, da die gegenwärtig unmerklichen Perzeptionen sich eines Tages entwickeln können.233 Nur einige Seiten weiter wendet sich Leibniz wiederum energisch gegen eine Trennung der Bereiche des Merklichen und Unmerklichen, wenn es hier heißt: „Jedoch muß man mir auch zugeben, daß die Trennung zwischen der Welt des Unmerklichen und derjenigen des Merklichen, d.h. zwischen den unmerklichen Perzeptionen ... und den Apperzeptionen ... ein Wunder wäre, wie wenn man annimmt, daß Gott den leeren Raum hervorbringt. Denn ich habe weiter oben gesagt, warum dies der natürlichen Ordnung nicht gemäß ist."234 (Dies würde nach Leibniz der natürlichen Ordnung nicht gemäß sein, weil es dem Gesetz 232
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NE, Preface = A VI 6, 56f. („Les perceptions remarquables viennent par degres de celles, qui sont trop petites pour estre remarquees. En juger autrement c'est peu connoitre l'immense subtilite des choses, qui enveloppe toujours et partout un infini actuel."). Vgl. NE II l, § 18 = A VI 6, 117: „Ce qui est remarquable doit estre compose de parties qui ne le sont pas, rien ne sauroit naistre tout d'un coup, la pensee non plus que le mouvement." Vgl. NE II 20, § 6 = A VI 6, 165. NE II 27, § 18 = A VI 6,242; vgl. G IV 523. NE II 27, § 23 = A VI 6, 245 („Cependant il faut qu'on m'avoue aussi que le divorce entre le monde insensible et le sensible, c'est ä dire entre les perceptions insensibles... et les apperceptions ... seroit un miracle, comme lors qu'on suppose que Dieu fait du vuide. Car j'ay dit cy dessus pourquoy cela n'est point conforme ä Vordre naturel.").
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der Kontinuität widersprechen würde.) Und in seinem Extrait du Dictionnaire de M. Boyle article Rorarius sagt Leibniz noch einmal ausdrücklich: »Jedoch
geht das Unmerkliche allmählich in das Bemerkte über in der Seele wie im Körper."235 Aus diesen von uns angeführten Textbelegen geht eindeutig hervor, daß Leibniz die Kontinuität der Erkenntnis in bezug auf die Unterscheidung zwischen dem Bemerkten und dem Unbemerkten verstanden wissen will, nicht in bezug auf diejenige zwischen dem Verworrenen und Deutlichen, wie wir sie vom «Systeme commun» her kennen.236 Die Kontinuität der Erkenntnis findet also nur statt im Bereich dessen, was in der Substanz den äußeren Dingen entspricht, nicht zwischen demjenigen, was der Sinnlichkeit entspricht, und dem Verstand.237 235 G IV 546f. („Cependant peu ä peu l'insensible passe au sensible dans Tarne comme dans le corps".). 236 Ygi_ dagegen KNÜFER, 10, der meint, daß bei Leibniz „Empfinden und Denken ... nur graduell verschieden" seien. Ebenso LEROUX, 41, der meint: „La sensation et le concept ne different des lore plus que par le degre de 'distinction'." Vgl. ebenso LATTA, 125; LACHELIER, 89; BJELKE, 556; ALLES, 179; CASSIRER2, 139; CRAMER, 32; PARKINSON4, 4; WILLMANN, 210; McRAE2, 127. Man kann dieser Meinung immerhin noch dann einen Sinn abgewinnen, wenn man sie dahingehend auffaßt, daß eben alle Erkenntnis der Seele aus ihrem eigenen Grund erwächst, mithin zwischen dem, was der Sinneswahmehmung entspricht und der intellektuellen Erkenntnis kein Unterschied bzgl. ihrer Genesis besteht (vgl. BOHN, 13f.). Wenn ERDMANN, 106, schreibt, daß sich die „deutlichen" Vorstellungen aus den „unbewussten" entwickeln, so ist hieraus überhaupt nicht ersichtlich, wo er eine Kontinuität ansetzen möchte. K. FISCHER sieht die Kontinuität der Erkenntnis aber eindeutig an der falschen Stelle, wenn er schreibt: „In den angeborenen Ideen, welche zuerst kleine (unbewußte) Vorstellungen sind ..." (488; vgl. 478). Ebenso GANZ, 65; GIBSON, 282; REININGER, 124; RUSSELL2, 159; H. BAR- , 402; MAHNKE, 15. 192; VOLZ, 22. 52. 69; WATSON, 194. 202. Wenn man sich hier auch gerne auf folgende zwei Stellen bezieht: G IV 563 und 574f., so spricht u.E. Leibniz hier von dem Unterschied zwischen dem Bemerkten und dem Unbemerkten, wenn er auch einige Zeilen weiter — ohne dies ausdrücklich zu sagen — zu dem Unterschied zwischen dem Deutlichen und dem Verworrenen, wie wir ihn vom «Systeme commun» her kennen, übergeht. Diese beiden Stellen könnten aber auch noch anders interpretiert werden, nämlich mit Hilfe der Unterscheidung, die wir oben S. 66f. in bezug auf den Gegensatz zwischen dem Deutlichen und dem Verworrenen herausgearbeitet haben. In diesem Sinne wäre dann die Kontinuität in bezug auf den Grad der Auflösung zu verstehen, nicht aber in bezug auf eine Gebietsverschiedenheit. Wie man es auch nimmt, so betreffen selbst diese beiden immer wieder ins Felde geführten Stellen (vgl. PARKINSON4, 4; McRAE2, 127) nicht die Kontinuität zwischen demjenigen, was der Sinnlichkeit entspricht, und dem Verstand. 237 Ygj o in 392; „Nos idees sont en nous, mais elles se developpent peu ä peu d'une maniere qui repond au mouvement des organes, en vertu de l'Harmonie preetablie."
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§ 27 Das Innere des Innen: Das Ich und seine Ideen Bisher haben wir uns hier im zweiten Kapitel des dritten Teils unserer Untersuchung vornehmlich mit dem beschäftigt, was in der Seele den äußeren Dingen entspricht. Wenn wir die Sprache des «Systeme commun» gebrauchen, müßten wir sagen: Wir haben uns bisher vornehmlich mit dem Bereich der sinnlichen Erkenntnis beschäftigt. Leibniz spricht aber im «Systeme nouveau» auch immer wieder von notwendigen Wahrheiten, die er — wie wir das schon vom «Systeme commun» her kennen — den faktischen oder Tatsachenwahrheiten entgegensetzt. Die notwendigen Wahrheiten hatten im «Systeme commun» den Verstand als Quelle, d.h. sie wurden mit Hilfe der ersten Prinzipien und der intellektuellen Ideen gebildet, die als eingeboren galten. Wir haben auch schon festgestellt, daß im «Systeme nouveau» alles eingeboren ist, da nach Leibniz' Substanzbestimmung nichts von außen in die Monade gelangen kann. Das drängt nun zu der Frage hin: Nimmt Leibniz im «Systeme nouveau» nicht so etwas an, was den intellektuellen oder reinen Ideen des «Systeme commun» entspricht? Und wenn ja, wo haben sie ihren Ort? Während im «Systeme commun» die intellektuellen Ideen als eingeborene dem Verstand zugewiesen wurden, erhalten sie im «Systeme nouveau» einen anderen Stellenwert. Das liegt daran, daß der Begriff des Eingeborenen seine eigentliche Bedeutung verliert. Denn innerhalb des «Systeme nouveau» ist ja alles eingeboren. Doch ändert das nichts an der Tatsache, daß den intellektuellen Ideen gegenüber den übrigen ein besonderer Stellenwert zukommt. Da hier innerhalb des «Systeme nouveau» diese Unterscheidung aber nun nicht mehr mit Hilfe der Qualifizierung „eingeboren" vorgenommen werden kann, muß unser Philosoph diese Ideen gegenüber den übrigen auf eine andere Art und Weise abheben. Innerhalb der Monadologie kommt Leibniz in § 30 auf dieses Problem zu sprechen. Hier heißt es: „Durch die Erkenntnis der notwendigen Wahrheiten und durch ihre Abstraktionen werden wir auch zu den reflexiven Akten erhoben, die uns an das denken lassen, was sich Ich nennt, und uns aufmerksam betrachten lassen, daß dieses oder jenes in uns ist: Indem wir so an uns denken, denken wir an das Sein, an die Substanz, an das Einfache oder Zusammengesetzte, an das Immaterielle und an Gott selbst, insofern wir das, was in uns beschränkt ist, in ihm als unbeschränkt begreifen. Und diese reflexiven Akte lie-
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fern die Hauptgegenstände unserer Räsonnements."238 Interessant ist hier erstens einmal, daß es nun so aussieht, als ob die notwendigen Wahrheiten uns zu den intellektuellen Ideen führen, während im «Systeme commun» es ja gerade umgekehrt der Fall war: Die intellektuellen Ideen galten uns als Quelle der notwendigen Wahrheiten. Doch geht der Schlußsatz unseres Zitates wieder in diese letztere Richtung. Bevor wir aber näher auf dieses Problem eingehen können, eine zweite Beobachtung: Im Mittelpunkt steht jetzt nicht mehr der Verstand, wie das im «Systeme commun» der Fall war, sondern das „Ich". Die Frage des Eingeborenen wird hier innerhalb des «Systeme nouveau» eindeutig in die Bewußtseinsproblematik verschoben. Insofern hat Heimsoeth Recht, wenn er Leibniz diese Vermischung von „apriorischen Vemunftinhalten" — es müßte hier natürlich genauer „Verstandesinhalten" heißen! — mit der Ichproblematik zum Vorwurf macht.239 Doch kann man Heimsoeth hier ebenso den Vorwurf machen, daß er Leibniz1 Auffassung zu undifferenziert betrachtet. Denn die Verlagerung in das Gebiet des Bewußtseins spielt eigentlich nur eine Rolle innerhalb des «Systeme nouveau» — und zudem hat diese Verlagerung ihre Gründe! Diese gilt es nun näher herauszustellen. 1. Perzeption, Apperzeption und Selbstbewußtsein Die Seele, so haben wir gesehen, drückt in besonderem Maße den ihr zugehörigen Körper aus. Dieser aber steht aufgrund der Kontinuität und der aktuellen Unterteilung der gesamten Materie ins unendliche mit allen anderen Dingen des Universums in Beziehung. Er erleidet also durch die Veränderungen aller anderen Dinge eine Beeinflussung. Nun aber entsprechen aufgrund der Prästabilierten Harmonie allen Bewegungen unseres Körpers bestimmte mehr oder weniger verworrene Perzeptionen oder Gedanken der Seele. Unsere Seele hat somit — wie jede andere Substanz — ein gewisses Bewußtsein von allen Bewegungen im Universum: Sie perzipiert sie oder drückt sie aus. Jedoch können 238
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G VI 612 („C'est aussi par la connoissance des verites necessaires et par leur abstractions, que nous sommes eleves aux Actes reflexifs, qui nous font penser ä ce qui s'appelle Moy, et ä considerer que cecy ou cela est en Nous: et c'est ainsi, qu'en pensant ä nous, nous pen son s ä l'Etre, ä la substance, au simple ou au compose, ä l'immateriel et a Dieu meme, en concevant que ce qui est borne en nous, est en luy sans homes. Et ces Actes Reflexifs foumissent les objects principaux de nos raisonnemens."). HEIMSOETH1,285. Siehe dazu auch oben S. 63.
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wir nicht alle Bewegungen unseres Körpers deutlich apperzipieren.240 Leibniz bringt hierfür als Beispiel die Bewegungen der Lymphe. Wir apperzipieren diese zwar nicht deutlich, perzipieren oder drücken sie aber trotzdem aus. Um zu verdeutlichen, daß es Dinge gibt, die die Seele zwar perzipiert, nicht aber deutlich apperzipiert, bedient sich Leibniz gerne eines immer wieder von ihm angeführten Beispiels: des Meeresgeräusches. Hier haben wir eine gewisse Perzeption von der Bewegung jeder einzelnen Welle, anderenfalls könnten wir das Gesamtergebnis nicht apperzipieren. Ähnlich ist es, wenn man den großen verworrenen Lärm einer Volksmasse hört und eine Stimme von der anderen nicht unterscheiden kann.241 „So empfinden wir auch irgendein verworrenes Ergebnis aller Bewegungen, die in uns vorgehen; da wir aber an diese innerliche Bewegung gewöhnt sind, apperzipieren wir diese nur dann deutlich und mit Bewußtsein, wenn eine erhebliche Veränderung vor sich geht, wie das in den Anfängen der Krankheiten der Fall ist."242 Die Apperzeption meint also hier wie auch schon im «Systeme commun» eine aufmerksame Wahrnehmung.243 Diese hatten wir als das Bemerkte im Gegensatz zum Unbemerkten herausgearbeitet. Bringen wir hierzu noch ein anderes Beispiel. In seinen Bemerkungen zu Auszügen aus Bayles bekanntem Lexikon bringt Leibniz das Beispiel eines Hundes, der mit einem Stock geschlagen wird, und er führt dazu aus: „So sind zwar auch die Ursachen, die den Stock in Tätigkeit setzen (d.h. der Mann, der sich hinter dem Hund aufgestellt hat und sich darauf vorbereitet, ihn zu schlagen, während er frißt, und alles das, was in der Abfolge der Körper dazu beiträgt, diesen Mann hierzu geneigt zu machen), zuerst genau in der Seele des Hundes repräsentiert, aber schwach durch kleine und verworrene Perzeptionen und ohne Apperzeption, d.h. ohne daß der Hund es bemerkt, weil auch der Körper des Hundes davon nur unmerklich berührt wird. Und wie diese Dispo-
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„II est vray que nous ne nous appercevons pas distinctement de tous les mouvemens de nostre corps" (G II113). Vgl.GIV521. G II 113 („Ainsi nous sentons aussi quelque resultat confus de tous les mouvemens qui se passent en nous, mais estant accoustumes ä ce mouvement interne, nous ne nous en appercevons distinctement et avec reflexion, que lorsqu'il y a une alteration considerable, comme dans les commencemens des maladies."). Diese Bedeutung der Apperzeption unterscheidet den Menschen noch nicht grundsätzlich vom Tier (vgl. dagegen HOLENSTEIN, 134; GURWTTSCH1, 126).
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sitionen in der Abfolge der Körper schließlich den sehr heftigen Schlag auf den Körper des Hundes hervorbringen, ebenso bringen die Repräsentationen dieser Dispositionen in der Seele des Hundes schließlich die Repräsentation des Stockschlages hervor, welche der Hund, da sie sich von anderen abhebt und stark ist (was die Repräsentationen dieser Prädispositionen nicht sind, weil auch diese Prädispositionen den Körper des Hundes nur schwach berühren), sehr deutlich apperzipiert, und dies bewirkt den Schmerz."244 Der Begriff der Apperzeption meint auch hier eine bemerkte Perzeption, welche nicht nur dem Menschen, sondern auch den Tieren zukommt — im Unterschied zu den „petites perception", die die Seele nicht apperzipiert, also nicht bemerkt, weil sie sie nicht unterscheiden kann.245 Es sei daran erinnert, daß diese bemerkte Perception aufgrund der Prästabilierten Harmonie von der Seele selbst hervorgerufen wird. In § 4 der Principes dagegen tritt uns der Begriff der Apperception in einer neuen Bedeutung entgegen: Die Apperception wird hier mit dem Selbstbewußtsein in Verbindung gebracht, was die Interpreten immer wieder vor große Schwierigkeiten gestellt hat.246 Der entscheidende Text lautet folgendermaßen: 244
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G IV 532 („Ainsi les causes qui fönt agir le baton [c'est ä dire lliomme poste derriere le chien, qui se prepare ä le frapper pendant qu'il mange, et tout ce qui dans le cours des corps contribue ä y disposer cet homme] sont aussi representes d'abord dans Tarne du chien exactement ä la verite, mais foiblement par des perceptions petites et confuses et sans apperception, c'est ä dire sans que le chien le remarque, parce qu'aussi le corps du chien n'en est affecte qu'imperceptiblement. Et comme dans le cours des corps ces dispositions produisent enfin le coup bien serre sur le corps du chien, de meme les representations de ces dispositions dans l'ame du chien produisent enfin la representation du coup de baton, laquelle estant distinguee et forte [ce que les representations de ces predispositions n'estoient pas, puisqu'aussi ces predispositions n'affectoient que foiblement le corps du chien] le chien s'en appercoit bien distinctement, et c'est ce qui fait sa douleur."). Vgl. G IV 550. Vgl. SALOMON, 24f. Vgl. dagegen HOLENSTEIN, 134; LATTA, 121; HÖRN, 71, die diese Bedeutung bei Leibniz nicht realisieren und meinen, die Apperzeption unterscheide die menschliche Seele von der tierischen. Das betrifft aber nur die zweite Bedeutung von Apperzeption. Siehe dazu oben S. 106ff. und unten S. 174f. Vgl. GRAU, 157f.; STICKER, 60. Wenn STAUDE, 151. den Begriff der Apperzeption, wie er uns in den Principes entgegentritt, als einen „wesentlichen Fortschritt gegenüber der unsichem Bedeutung" in den Nouveaux Essais bezeichnet, so zeugt das nur von Unverständnis für den Wechsel der Ebenen zwischen «Systeme commun» und «Systeme nouveau». Gerade beim Begriff der Apperzeption wird einem sehr schnell klar, daß eine einfache systematische Interpretation auf unüberwindliche Schwierigkeilen und Widersprüche treffen muß. Ohne die Unterscheidung der Ebenen von «Systeme commun» und «Systeme nouveau» ist hier keine be-
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„So ist es gut, zwischen der Perzeption, die der innere Zustand der die äußeren Dinge repräsentierenden Monade ist, und der Apperzeption, die das Selbstbewußtsein oder die reflexive Erkenntnis dieses inneren Zustandes ist, zu unterscheiden, welche weder allen Seelen noch derselben Seele immer gegeben ist."247 Der Begriff „conscience" muß zwar nicht mit „Selbstbewußtsein" wiedergegeben werden,248 man kann ihn, und das haben wir auch an verschiedenen anderen Stellen getan, auch mit „Bewußtsein" wiedergeben, doch deuten die nachfolgenden Worte: „oder die reflexive Erkenntnis dieses inneren Zustandes" (ou la connoissance reflexive de cet otat interieur), in die Richtung von „Selbstbewußtsein".249 Cassirer übersetzt diese Stelle mit „Selbstbewußtsein",250 während Holz sie mit „Bewußtsein" wiedergibt.251 Doch allein die Bemerkung: „welche weder allen Seelen noch derselben Seele immer gegeben ist" (laquelle n'est point donnoe ä toutes les Ames, ny tousjours ä la meme Ame), weist darauf hin, daß hier mit Apperzeption nicht mehr nur der Übergang vom Unbemerkten zum Bemerkten gemeint ist, den wir ja auch bei dem Beispiel mit dem Hund beobachten konnten. Der Begriff der Apperzeption scheint also hier im «systöme nouveau» ähnlich wie auch schon im «Systeme commun» eine zweifache Bedeutung zu haben.252 Im «Systeme commun» meinte ja Apperzeption nicht nur die bemerkte Wahrnehmung, sondern in einer zweiten Bedeutung auch die Aktualisierung der Verstandeserkenntnis. Dieser zweiten Bedeutung des «Systeme commun» scheint nun im «Systeme nouveau» auch etwas zu ent-
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friedigende Lösung herbeizuführen. Das zeigt auch die jüngst erschienene Monographie von KULSTAD7, der dem Apperzeptionsbegriff der Principes sogar einen eigenen Abschnitt widmet (156-172); er bietet hier folgende Lösung an: „What we find in the Principes of Nature and of Grace is not so much a fully-developed solution to the problem that had exercised him ... for decades, as it is a quick and guarded resolution suitable for a short and necessarily sketchy summary of his philosophy" (172). Das ist eine etwas zu einfache Antwort auf ein schwieriges Problem! G VI 600 („Ainsi il est bon de faire distinction entre la Perception qui est l'etat interieur de la Monade representant les choses externes, et YApperceplion qui est la Conscience, ou la connoissance reflexive de cet etat interieur, laquelle n'est point donnee ä toutes les Ames, ny tousjours ä la meme Ame."). Vgl. dagegen GURWTTSCH1, 125.
^9 Vgl. McRAE2, 33; RESCHER2, 126; SALOMON, 27.40; HYLLA, 660; GURWITSCH1,123. 153; STEGMAIER, 185. Vgl. dagegen STICKER, 6l; CAPESIUS, 10.18. 250 251 252
Cass.1,II425. Ph. Sehr., 1421. LÜDTKE, 49, will hier sogar einfach mit „Wissen" übersetzen. Siehe oben S. 106f.
Das Innere des Innen: Das Ich und seine Ideen
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sprechen. Da diese zweite Bedeutung der Apperzeption innerhalb des «Systeme commun» etwas mit dem Vermögen des Verstandes zu tun hat, dürfen wir vermuten, daß auch hier innerhalb des «Systeme nouveau» diese zweite Bedeutung in die Richtung dessen geht, was wir im «Systeme commun» Verstand genannt haben. 2. Intellectus ipse? Auf den Verstand kommt Leibniz innerhalb des Discours de mttaphysique eigens in § 27 zu sprechen. Der Wichtigkeit halber sei hier der gesamte Text wiedergegeben: „Aristoteles hat unsere Seele lieber mit noch leeren Wachstäfelchen verglichen, auf denen Platz zum Schreiben ist, und er hat behauptet, daß nichts in unserem Verstande sei, was nicht von den Sinnen komme.253 Das stimmt mehr mit den populären Begriffen überein, wie es die Art des Aristoteles ist, während Platon mehr in die Tiefe geht.254 Jedoch können diese Arten theoretischer oder praktischer Redeweise im gewöhnlichen Gebrauch durchgehen, etwa so, wie wir sehen, daß diejenigen, die Kopernikus folgen, nicht aufhören davon zu sprechen, daß die Sonne auf- und untergeht. Ich finde sogar, daß man ihnen einen guten Sinn geben kann, nach dem sie nichts Falsches enthalten, wie ich schon bemerkt habe, auf welche Weise man wahrhaft sagen kann, daß die einzelnen Substanzen aufeinander wirken, und in dem gleichen Sinne kann man auch sagen, daß wir Erkenntnisse von außen empfangen durch die Beihilfe der Sinne, weil einige äußere Dinge in besonderem Maße die Gründe enthalten oder ausdrücken, die unsere Seele zu gewissen Gedanken veranlassen. Aber wenn es sich um die Genauigkeit metaphysischer Wahrheiten handelt, so ist es wichtig, die Weite und Unabhängigkeit unserer Seele anzuerkennen, die unendlich viel weiter geht, als die breite Masse denkt, wenn man ihr auch im gewöhnlichen Gebrauch des Lebens nur das zuteilt, was man ganz offenkundig apperzipiert und was uns auf eine besondere Weise angehört, denn es nützt hierbei nichts, weiter zu gehen. Es wäre jedoch gut, für den einen und den anderen Sinn eigene Ausdrücke zu wählen, um Äquivokationen zu 253 254
Siehe hiereu das schon oben S. 79 A. 128 Ausgeführte. Vgl. BURGEUN, 249. Vgl. G III 204: „Ma Metaphysique est un peu plus Platonicienne que la sienne [sc. Locke]; mais c'est aussi pour cela qu'elle n'est pas si conforme au goust general." G III 300: „En matiere de Philosophie je n'ecris pas pour la multitude, mais pourles gens qui veulent meditef". Vgl. G III 291f. 322.
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Die aus der Substanzlehre resultierende Auffassung des Verstandes
vermeiden. So können die Ausdrücke, die in unserer Seele sind, mag man an sie denken oder nicht, Ideen genannt werden, diejenigen aber, an die man denkt oder die man bildet, können Begriffe, conceptus heißen. Aber auf welche Weise man es auch nimmt, es ist immer falsch, zu sagen, daß alle unsere Begriffe von den Sinnen herkommen, die man äußere nennt, denn diejenigen, die ich von mir selbst und meinen Gedanken habe, und folglich vom Sein, der Substanz, der Tätigkeit, der Identität und von noch vielen anderen Dingen, kommen aus einer inneren Erfahrung."255 Wir wollen an dieser Stelle die Frage zurückstellen, in welcher Weise man der Sprache des «Systeme commun» einen guten Sinn abgewinnen kann. Diese Frage wird uns im vierten Teil unserer Untersuchung eigens beschäftigen, wo es darum gehen wird, zwischen der Auffassung des «Systeme commun» und derjenigen des «Systeme nouveau» zu vermitteln.256 Hier soll es uns darum gehen zu sehen, welche Konsequenzen die Substanzbestimmung für die Auffassung des menschlichen Verstandes mit sich bringt. Auffallend ist in diesem Text, daß Leibniz nun nicht einfach die Konsequenzen seiner Substanzbestim-
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DM § 27 = G IV 452f. („Aristote a mieux aime de comparer nostre ame ä des tablettes encor vuides, ou il y a place pour £crire, et il a soutenu que rien n'est dans nostre entendement, qui ne vienne des sens. Cela s'accorde d'avantage avec les notions populaires, comme c'est la moniere d'Aristote, au lieu que Platon va plus au fond. Cependant ces sortes de Doxologies ou practicologies peuvent passer dans l'usage ordinaire ä peu pres comme nous voyons que ceux qui suivent Copernic ne laissent pas de dire que le soleil se leve et se couche. Je trouve meme souvent qu'on leur peut donner un bon sens, suivant le quel elles n'ont rien de faux, comme j'ay remarque deja de quelle fa^on on peut dire veritablement que les substances particulieres agissent l'une sur l'autre, et dans ce meme sens on peut dire aussi que nous recevons de dehors des connoissances par le ministere des sens, parce que quelques choses exterieures contiennent ou expriment plus particulierement les raisons qui determinent nostre ame ä certaines pensees. Mais quand il s'agit de l'exactitude des verites metaphysiques, il est important de reconnoistre l'etendue et l'independance de nostre ame, qui va infiniment plus loin que le vulgaire ne pense, quoyque dans l'usage ordinaire de la vie on ne luy attribue que ce dont on s'apper(oit plus manifestement, et ce qui nous appartient d'une maniere particuliere, car il n'y seit de rien, d'aller plus avant. II seroit bon cependant de choisir des termes propres ä Tun et ä l'autre sens pour eviter l'equivocation. Ainsi ces expressions qui sont dans nostre ame, soit qu'on les conou non, peuvent estre appellees tdees, mais celles qu'on « ou forme, se peuvent dire notions, conceptus. Mais de quelque maniere qu'on le prenne, il est tousjours faux de dire que toutes nos notions viennent des sens qu'on appelle exterieurs, car celle que j'ay de moy et de mes pensees, et par consequent de l'estre, de la substance, de l'action, de l'identite, et de bien d'autres, viennent d'une experience interne."). Siehe unten S. 189ff.
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mung für das menschliche Erkennen herausarbeitet, sondern diesem Verständnis gleichzeitig wieder die Ebene des «Systeme commun» gegenüberstellt. Auch schon hier macht er darauf aufmerksam, daß man selbst im «Systeme commun» Begriffe annehmen muß, die nicht von den äußeren Sinnen herkommen. Während Leibniz aber diese Begriffe — er nennt hier Sein, Substanz, Tätigkeit, Identität — in den Nouveaux Essais ausdrücklich als „eingeboren" bezeichnet, werden sie hier der inneren Erfahrung257 zugesprochen, so wie sie Leibniz auch in der Monadologie deutet. Also schon im Discours de mttaphysique wechselt das, was im «Systeme commun» als das eigentlich Eingeborene galt, in den Bereich einer inneren Erfahrung über, wo das Moment des Eingeborenen nicht mehr von Bedeutung ist. Damit aber gerade gelingt es Leibniz, auch innerhalb des «Systeme nouveau», wo es ja im eigentlichen Sinne keinen Unterschied mehr gibt zwischen dem Eingeborenen und dem Erworbenen, welcher Unterschied aber konsumtiv ist für die Auffassung des Verstandes innerhalb des «Systeme commun», einen Bereich zu schaffen, der sich von dem übrigen absetzt: ein Inneres des Innen, so wollen wir es hier einmal vorläufig nennen.258 Wenn auch Leibniz diesen Bereich im «Systeme nouveau» nicht mehr eigens dem Verstand zuschreibt, da dieser hier durch die Aufhebung des Unterschieds zwischen dem Eingeborenen und dem Erworbenen seine eigentliche Bedeutung einbüßt, was ja auch dadurch zum Ausdruck kommt, daß Leibniz im «Systeme nouveau» so gut wie gar nicht mehr vom Verstand, sondern nur noch von der Seele oder vom Geist spricht, so entspricht dieser Bereich doch dem, was im «Systeme commun» den Verstand ausmachte.259 Es ist denn 257
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Diese innere Erfahrung (experience interne) ist also sehr wohl zu unterscheiden von Leibniz' Begriff der Reflexion, wie wir ihn von den Nouveaux Essais her kennen (siehe dazu oben S. 84ff.). JOLLEY8, 181-185, realisiert diesen Unterschied nicht, weil er nicht zwischen den beiden Ebenen von «Systeme commun» und «Systeme nouveau» trennt. Das hat zur Folge, daß er Leibniz hier zu Unrecht Unstimmigkeiten vorwirft: „Leibniz does not achieve a coherent view of the relation between the reflection [i. e. die Position des Discours de metaphysique] and the dispositional accounts of innateness [i. e. diejenige der Nouveaux Essais]" (185). ROBINET^, 27, spricht hier von „einem Inneren, das vom Inneren kommt", „einem wirklichen intimius intimo meo des Augustinus" — im Gegensatz zu „einem Äußeren, jedoch einem Äußeren im Innern". GRAU, 164, unterscheidet diesbzgl. zwischen einem logisch oder intellektuell Eingeborenen und einem perzeptionell oder besser sensuell Eingeborenen. SCHIMOLER, 154, versucht diesen Bereich des Inneren des Innen durch den Ausdruck intentional innateness" abzugrenzen. Vgl. ZOCKER, 24. SCHNEIDERS1, 177, nennt in diesem Zusammenhang die Verstandeserkenntnis als „in einem engeren Sinne apriorisch". TONELLJ, 442, sieht hier allerdings ver-
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auch nicht mehr als konsequent, daß es innerhalb des «Systeme nouveau» die Vernunft ist, die nunmehr als entscheidendes Vermögen hervortritt, um sich von dem abzusetzen, was in der Substanz der Außenwelt entspricht. Die Verstandesproblematik verschiebt sich so in die Bewußtseinsproblematik, was zwar schon im «Systeme commun» andeutungsweise durchschien,260 in dieser Radikalität aber nun doch nicht behauptet wurde. Dann aber ist es nur noch konsequent, wenn Leibniz in den Principes die Apperzeption mit dem Selbstbewußtsein in Verbindung bringt, was bisher in der Literatur immer als inkompatibel zu anderen Stellen gedeutet wurde. Berücksichtigt man aber die verschiedenen Ebenen von «Systeme commun» und «Systeme nouveau», so wird deutlich, daß diese Verknüpfung der Apperzeption mit der Bewußtseinsproblematik keine leichtfertige Ausdrucksweise von Leibniz ist, sondern eine gewollte.261 Denn ebenso wie Leibniz innerhalb des «Systeme commun» zwischen zwei Arten der Apperzeption unterscheidet, nämlich einmal Apperzeption im Sinne der Wahrnehmung, wie sie auch schon den Tieren zukommt, sodann aber Apperzeption im Sinne der Aktualisierung des Eingeborenen, also der Verstandeserkenntnis, wie sie nur dem Menschen zukommt, ebenso unterscheidet er jetzt auch im «Systeme nouveau» zwischen zwei Arten von Apperzeption: Apperzeption meint hier einmal das Bewußtwerden des bisher Unbemerkten, sodann aber auch das Bewußtwerden der mit dem Ich in innerer Erfahrung gegebenen Begriffe wie Sein, Substanz usw. Nicht nur die Begrifflichkeit des «Systeme commun», sondern auch die zweifache Art ihrer Verwendung taucht im «Systeme nouveau» wieder auf, wenn auch in einer modifizierten Bedeutung, die dadurch bedingt ist, daß innerhalb des «Systeme nouveau» jeder Unterschied zwischen dem Eingeborenen und dem Erworbenen notwendigerweise wegfällt. Eine Frage ist hier allerdings noch offengeblieben. Im «Systeme commun» kam der Sinnlichkeit die Rolle einer Gelegenheitsursache bei der Aktualisiefrüht die Auflösung des Widerspruchs zwischen der „metaphysical doctrine that all ideas derive from the soul" und der „psychological doctrine of their double origin", i. e. der Standpunkt des «Systeme commun». Überhaupt erscheint es mir in diesem Zusammenhang verfehlt, den Standpunkt des «Systeme commun» als „psychological" zu kennzeichnen (vgl. 438. 445. 260 261
445 A. 50. 453). Siehe dazu oben S. 61ff. Damit ist aber das von HEIMSOETH1, 285f., aufgeworfene Problem gelöst (siehe dazu oben S. 62).
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rung der Verstandeserkenntnis zu. Im «Systeme nouveau» konnten wir diese Rolle der Sinnlichkeit in gewisser Weise wiederentdecken — aber nun für die Aktualisierung dessen, was in der Seele den äußeren Dingen entspricht. Was aber bewirkt die Aktualisierung dieser mit dem Ich gegebenen Ideen? Oder brauchen wir in diesem Falle nun keine Gelegenheitsursache mehr? Genügt hier nach Leibniz vielleicht allein die Reflexion auf das Ich262 in dem Sinne, daß die Betrachtung der Natur des Ich uns zu diesen Ideen führt, weil das Ich ja selbst Sein und Substanz ist, mit Einheit, Identität, Tätigkeit, Leiden, Dauer etc. begabt ist? Genügt hier die Aufmerksamkeit schon allein, von der Naert sagt, sie sei in bezug auf die Apperzeption das, was der „appetit" in bezug auf die Perception sei?263 Eine solche Interpretation scheint uns am angemessensten.264 In diesem Sinne sind die mit dem Ich gegebenen Ideen die allgemeinsten Bestimmungen des Wirklichen, geradezu die metaphysischen Grundbegriffe, die mit dem Entstehen von Bewußtsein zugleich gegeben sind als Momente seiner selbst.265 Das Ich ist, ist identisch u.s.w. Und diese Grundbestimmungen erfahren wir am Ich in direktem, unmittelbarem Kontakt mit dem Sein. Der Übergang vom Gedanken des Ich zu den genannten Begriffen ist also durchaus begreiflich, auch wenn Leibniz dies nicht eigens expliziert.266
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265
266
Vgl. G VI 542, wo Leibniz ausdrücklich sagt, daß die Reflexion bewirtet, daß wir an uns selbst denken (cette reflexion, qui nous fait penser a nous-mernes). Ebenso G VII 569: „Et comme l'Ame raisonnable a de la reflexion, c'est ä dire q u'eile pense ä eile meme ..." — Man beachte, daß auch der Begriff der Reflexion hier innerhalb des «Systeme nouveau» eine andere Bedeutung annimmt als innerhalb des «Systeme comrnun». Während die Reflexion im Sinne der Aufmerksamkeit im «Systeme commun» zusammen mit der Erfahrung Bedingung für die Aktualisierung der Verstandeserkenntnis war (siehe oben S. 107ff.), wird sie jetzt zur alleinigen Grundlage der Erkenntnis der Ideen des Ich. Damit gerät die Reflexion im Sinne einer inneren Erfahrung innerhalb des «Systeme nouveau» in eine große Nähe zu Lockes Begriff der „reflection" (siehe oben S. 84ff.). NAERT1,86. Vgl. dagegen , 54. GURWTTSCH1 vermischt in diesem Zusammenhang die Ebenen von «Systeme commun» und «Systeme nouveau», wenn er auf der einen Seite die „Erschließung der eingeborenen Ideen" allein als durch das reflexive Selbstbewußtsein gegeben auffaßt, auf der anderen Seite dieses Eingeborene aber im Sinne des «Systeme commun» versteht (130-133). Vgl. STRAHM, 54; LEINSLE2, 247. GURWITSCH1, 134, macht hier auf DESCARTES aufmerksam, der in den Meditationes de prima philosophia, III (Oeuvres, VII 38) schreibt: Nam quod intelligam quid sit res, quid sit veritas, quid sit cogitatio, haec non aliunde habere videor quam ab ipsamet meä naturä. Vgl. HEIMSOETH1, 285. Vgl. dagegen KAHLER2,56; GÖRLAND, 126.
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Eine solche Interpretation ist nicht nur kompatibel mit unseren Ausführungen zur Kontinuität der Erkenntnis,267 sondern bestätigt diese auch. Denn der auch im «Systeme nouveau» wiederentdeckte intellectus ipse mit seinen — wenn auch jetzt auf eine andere Art und Weise gewonnenen — Begriffen hat mit den Perzeptionen, die der Außenwelt entsprechen, und auch mit den „petites perceptions" nichts gemein. Hier haben wir es also mit einer wahren Diskontinuität im Leibnizschen Denken zu tun.268 Eines darf natürlich in diesem Zusammenhang auch nicht vergessen werden: Aufgrund der Prästabilierten Harmonie muß auch diesen Ideen etwas im Bereich des Körperlichen entsprechen.269 Dieser Forderung aber wird dadurch Genüge getan, daß sogar die abstraktesten Gedanken nach Leibniz irgendwelche Spuren im Gehirn hinterlassen.270 Würde man also „reine" Ideen annehmen, so würde man der allgemeinen These von der Prästabilierten Harmonie dadurch Beschränkungen auferlegen.271 3. Der Unterschied zum Tier Während innerhalb des «Systeme commun» noch das Eingeborene und damit natürlich das Vermögen des Verstandes als das den Menschen gegenüber dem Tier Auszeichnende gelten konnte,272 muß innerhalb des «Systeme nouveau» diese Abgrenzung anders vorgenommen werden, da ja hier jegliche Seelen — also auch die Tierseelen — all ihr Erkennen aus sich selbst entwickeln, weil ja gemäß der Substanzbestimmung der Seele alle ihre Zustände spontan aus ihrem eigenen Grunde erwachsen. Zwar wurde auch schon innerhalb des «Systeme commun» darauf aufmerksam gemacht, daß der Mensch — im Gegensatz zum Tier — zu demonstrativen Schlüssen fähig ist, demgegenüber die Folgerungen der Tiere, die nur in einer Verknüpfung in der Imagination bestehen, wobei es sich um einen Übergang von einem Bild zum anderen handelt, nur ein Schatten
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269 270 271 272
Siehe oben S. 167ff. Vgl. ebenso das Problem der Diskontinuität zwischen den „monades brutes" und den „monades spirituelles" bei Leibniz (BELAVAL3, 133). Vgl. GURWTTSCH1, 269. Vgl. G II251; GIII465. Vgl. G VI514. 533; G IV 541. Vgl. ROBINET1, 26. NEU,§25 = A VI6, 86.
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des Räsonierens (une ombre du raisonnement) sind,273 doch gewinnt diese Bestimmung hier einen anderen Stellenwert: Sie wird zum eigentlichen Proprium des Menschen. Geist ist nun wesentlich bestimmt als vernunftbegabte Seele,274 nicht mehr so sehr als verstandesbegabt, da ja die Bestimmung des Verstandes als Vermögen des Eingeborenen innerhalb des «Systeme nouveau» ihren eigentlichen Stellenwert einbüßt.275 In diesem Zusammenhang sind es also die notwendigen Wahrheiten, die wir mit Hilfe der Vernunft (d.h. der ersten Prinzipien und Axiome) aus den dem Ich innewohnenden Begriffen gewinnen, welche wir schon vom «Systeme commun» her kennen, die nun den eigentlichen Unterschied zum Tier ausmachen.276 Damit wird nun aber auch deutlich, daß sich der Gegensatz von zufälligen und notwendigen Wahrheiten nicht in einem Gegensatz der Erkenntnisart erschöpft. Diese Unterscheidung ist nicht rein erkenntnistheoretisch aufzufassen, sondern es handelt sich hierbei letztlich um eine prinzipielle seinsmäßige Verschiedenheit der Gegenstände, auf die sich Satzwahrheiten erstrecken können. Was auf der erkenntnistheoretischen Ebene an unterscheidenden Momenten für beide Satzarten sichtbar wird, ist darum immer nur die Widerspiegelung und Folgeerscheinung eines ontischen Sachverhaltes, der darin besteht, daß sich im göttlichen Verstand zweierlei Möglichkeiten oder Wahrheiten vorfinden: einmal die ewig notwendigen, sodann die zufällig individuellen. Erstere sind allein im göttlichen Verstand verankert, unabhängig vom göttlichen Willen, wohingegen letztere der göttlichen Auswahl unterstellt sind.277 Hier sieht Pape darum zu Recht eine echte Dualität des Systems, die nicht durch kontinuierlichen Übergang relativiert wird.278
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Vgl. NE, Preface = A VI 6, 51; I l, § 25 = A VI 6, 86; IV 17, § 4 = A VI 6, 476. Leibniz hat nach FRENZEL die assoziative Vorstellungsverbindung als das Wesen des tierischen Seelenlebens ausmachend richtig erkannt (56). GURWITSCH1, 127, spricht hier davon, daß Leibniz eine „empiristische Theorie der Erkenntnis" vorweggenommen habe. GIV 527; vgl. Mon. § 29 = G VI 611. Vgl. Mon. §§ 26-29 = G VI 611; PNG §§ 4 u. 5 = G VI 599ff. Vgl. Mon. §§ 29 u. 30 = G VI 61 If. Vgl. PAPE, 30. 46. Siehe dazu oben S. 131. PAPE, 31.
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§ 28 Wahrheit als Entsprechung Wenn auch die Prästabilierte Harmonie, d.h. also letztlich Gott, die Objektivität der Wahrheit garantiert,279 obwohl die Seele alle Erkenntnis aus sich selbst herausholt,280 sie also von der Außenwelt völlig unabhängig ist, so vertritt Leibniz doch keine Abbildtheorie der Wahrheit.281 Die metaphysische Kategorie der Expression, wie wir sie im vorangegangenen Kapitel herausgearbeitet haben,282 schließt notwendig eine Abbildtheorie der Wahrheit aus. Denn nicht nur der Ausdruck ist kein genaues Abbild des Ausgedrückten, sondern darüber hinaus wird nicht einmal derselbe Gegenstand von allen Seelen auf die gleiche Weise repräsentiert.283 Diese doppelte Brechung bedeutet so eine völlige Absage an jede Abbildtheorie der Wahrheit.284 Auf der anderen Seite aber gilt das hier Gesagte nicht nur für die primären, sondern auch für die sekundären Sin279
Vgl. EBD., 118f.; HÖRN, 68; REININGER, 116. 126; LABATHONNIERE, 204. Diese Objektivität ist letztlich dadurch gegeben, daß die Prästabilierte Harmonie „in einer Identität der Prinzipien der Erkenntnis und der Prinzipien des Gegenstandes" besteht (HARTMANN2,3). MITTELSTRAß2, 282, spricht hier nicht zu Unrecht von einer „Theologie des Wissens". 280 Daß ein Erkennen seinem Ursprung nach rein subjektiv ist, d. h. ohne Einwirkung äußerer Gegenstände zustande kommt, heißt ja noch lange nicht, daß es auch erkenntnistheoretisch subjektiv sein muß (vgl. JANSEN, 59). 281 Vgl. CASSIRER2,168. 189; GURWITSCH1,24; MAHNKE, 55. Vgl. dagegen HÖRN, 66; JANDL, 21. 37. 41; , 57. 79. 282 Siehe oben S. 135ff. 283 Vgl. VE 1364 = Faszikel 6, N. 305: Repraesentare autem dicitur quod ita respondet, ut ex uno aliud cognosci possit, etsi similia non sint, dummodo certa quadam regula sive relatione omnia quae fiunt in uno referantur ad quaedam respondenlia illis in alio. Nam ad repraesentandum non esse opus similitudine. Vgl. G I 383: „II n'est pas necessaire que ce que nous concevons des choses hors de nous, leur soit parfaitement semblable, mais qu'il les exprime, comme une Ellipse exprime un cercle vu de travers, en sorte qu'ä chaque point du cercle il en reponde un de l'Ellipse et vice versa, suivant une certaine loy de rapport. [Et] ... chaque substance individuelle exprime l'univers a sä maniere, ä peu pres comme une meme ville est exprimee diversement selon les differens points de veue." 284 T. BARTH, 157f., urteilt hier zu Recht, daß dies für einen Rationalisten wie Leibniz freilich ein großer Verzicht bedeutet. Vgl. CASSIRER2, 166f. Es scheint mir fraglich, ob man diese Wahrheitstheorie noch als adaequaüo rei et intellectus bezeichnen kann (vgl. RESCHER3, 131f.; RESCHER4, 96; T. BARTH, 157; PAPE, 108; vgl. dagegen LOEMKER5, 161; MAHNKE, 61; STRAHM, 15f.; HOLZ, 82). Wahrheit ist hier doch wohl eher im Sinne einer Kohärenz zu verstehen (vgl. RESCHER3, 130f.; RESCHER4, 97; SEIDEL, 143; STACK2, 536). KANTHACK, 104, spricht hier von einem Zuordnungs- oder Repräsentationsrealismus. Doch solche Einordnungen unter Klassenbegriffe der Systeme bringen meist nicht sehr viel. Vgl. dazu PAPE, 9f., die eine ganze Reihe solcher vorgenommener Einordnungen aufführt.
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nesqualitäten, welche dadurch aufgewertet werden.285 Nach Leibniz sind also sogar Ideen wie die der Farbe oder des Schmerzes nicht willkürlich und ohne Beziehung oder natürliche Verbindung mit ihren Ursachen, sondern auch hier besteht eine Art von Ähnlichkeit, die zwar nicht vollständig ist, wohl aber dem Ausdruck nach oder gemäß den Beziehungen innerhalb der Ordnung.286 Die Ideen der sinnlichen Qualitäten sind von den objektiven Vorgängen nicht gänzlich verschieden, d.h. willkürlich. Gott hat der Seele nicht nach bloßem Gutdünken Empfindungen gegeben, sondern nach dem, was im Körper vorgeht. So entsprechen der Empfindung der Wärme oder des Lichtes, die das Ergebnis einer Menge kleiner Bewegungen ist, Bewegungen in den Objekten, und die Empfindungen unterscheiden sich von den Bewegungen in den Objekten nur scheinbar und allein darum, weil uns diese Analyse nicht zu deutlichem Bewußtsein kommt.287 Leibniz teilt somit nicht die Ansicht Lockes und Descartes', die meinen, daß die mechanischen Einflüsse, die von den Körpern ausgehen, keinerlei Verbindung mit den Ideen der Farben, der Töne, der Gerüche und Geschmäcke, der Lust und des Schmerzes hätten; daß also die Verknüpfung zwischen beiden allein vom Belieben und der Willkür Gottes abhänge.288 Vielmehr ist Leibniz der Auffassung, daß hier eine vollkommene Korrespondenz stattfindet, auch wenn diese nicht eine vollständige Ähnlichkeit bedeutet.289 Die sinnlichen Qualitäten oder vielmehr die Ideen, die wir hiervon haben, hängen von den Besonderheiten der Gestalt und der Bewegungen ab und drücken sie genau aus (et les expriment exactement), wobei wir diese Besonderheiten in der Verworrenheit einer zu großen Zahl und Kleinheit der mechanischen Einwirkungen, die unsere Sinne treffen, aber nicht entwirren kön-
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Vgi. PAPE, 108.
286
NE II 8, § 15 = A VI6, 131; II 8, § 21 = A VI 6,132f. NE II20, § 6 = A VI6,165f. Vgl. LOCKE, Essay, II 8, § 15: „The Ideas, produced in us by these Secondary Qualities, have no resemblance of them at all. There is nothing like our Ideas, existing in the Bodies themselves." EBD., II 8, § 13: „It being no more impossible, to conceive, that God should annex such Ideas to such Motions, with which they have no similitude; than that he should annex the Idea of Pain to the motion of a piece of Steel dividing our Flesh, with which that Idea hath no resemblance." Vgl. DESCARTES, Oeuvres, VII 76 (Meditationes, VI 6): Neque enim ulla plane est affmitas... inter sensum rei dolorem inferentis, & cogitationem trisiitiae ab isto sensu exortae. Vgl. dazu GURWTTSCH1, 425f.; HILDEBRANDT, 349f. Vgl. NE IV 3, § 28 = A VI 6, 389f.
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nen.290 Eine solche Neubewertung der Wahrnehmung bzw. dessen, was dieser in der Seele entspricht, war natürlich nur möglich dank „der Neufassung der Wahrheitsrelation als solcher im Begriff der Repräsentation."291 Trotzdem bleibt hier eine Frage unbeantwortet: Was ist es, was die Repräsentation vom Gegenstand erkennen läßt, wenn sie weder Abbild noch ähnliches Bild von ihm ist? Pape glaubt an dieser Stelle „einen Einbruch des Irrationalen" im sonst so rationalistischen System von Leibniz feststellen zu müssen.292
§ 29 Die Realität der Außenwelt Während innerhalb des «Systeme commun» die Frage nach der Realität der Außenwelt nicht gestellt wurde, da sie hier immer schon in einer gewissen naiven Weise vorausgesetzt wird, so wird sie notwendigerweise innerhalb des «Systeme nouveau» zum Problem. Natürlich setzt auch die Prästabilierte Harmonie schon eine solche immer voraus,293 wobei allerdings hier die Sicht des naiven Realismus gebrochen ist allein durch die Substanzauffassung, nach welcher wir ja nicht mehr zu den Dingen selbst, sondern immer nur zu den Ideen der Dinge gelangen.294 Doch sei unsere Frage hier so verstanden: Gibt es nach Leibniz Kriterien, die die realen Dinge der Außenwelt von unseren Träumen unterscheiden lassen? Und: Wie gewiß ist die Existenz einer Außenwelt für uns? Wenden wir uns der ersten Frage zu. In meinem Geist findet sich ja neben dem Gedanken meiner selbst eine Mannigfaltigkeit anderer Gedanken. Es ist nach Leibniz gleich gewiß, daß in meinem Geist die Spezies eines goldenen 290 291 292
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Vgl. NEIV 6, § 7 = A VI 6,403. PAPE, 109. EBD., 111. Vgl. SCHNEIDERS1, 168; HEIMSOETH1, 297. 307; BOHN, 54; PIAT, 243; BAUMGARTEN, 357; HOLZ, 80; PARKINSON4, 5; JANSEN, 70. Man kann mit SALAS ORTUETA, 157, darum mit Recht davon sprechen, daß Gott Leibniz letztlich vor dem Phänomenalismus bewahrt. Vgl. dagegen STACK1, der von Leibniz' agnostischer Position bzgl. der Außenwelt spricht (89; vgl. 92). Vgl. auch CASSIRER1, 371, der die raum-zeitliche Welt lediglich als Vorstellungsinhalt des Bewußtseins auffaßt. Ebenso ERDMANN, 171. HOCHSTETTER2, 102f., scheint in eine ähnliche Richtung zu gehen. Vgl. dazu MAHNKE, 59. Vgl. NIERAAD, 16f.
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Berges oder eines Kentauren existiert, wenn ich dies träume, wie es gewiß ist, daß ich existiere, der träumt: „Beides nämlich ist in diesem einen enthalten, daß es sicher ist, daß der Kentaur mir erscheint."295 Daß ein Ding der Außenwelt real ist und nicht ein Phantasieprodukt meines Geistes, kann man nach Leibniz einmal aus dem Ding selbst beurteilen, zum anderen aus dem Zusammenhang, in dem es steht. Aus dem Ding selbst: Hier nennt Leibniz verschiedene Eigenschaften, die erkennbar sein müssen: Das Ding muß sich uns lebhaft (vividum), vielfältig (multiplex) und in sich selbst harmonisch (congruum) darstellen.296 Lebhaftigkeit und Vielfältigkeit hat etwas mit den Sinnesqualitäten zu tun: Lebhaft ist ein Ding, wenn die Qualitäten des Lichts, der Farbe, der Wärme in ihm genügend intensiv sind — oder genauer: das, was diesen Qualitäten in der Seele entspricht. Vielfältig ist ein Ding, wenn diese Qualitäten mannigfaltig sind, d.h. wenn nicht nur Farben, sondern auch Töne, Gerüche, Geschmacks- und Tastqualitäten vorhanden sind. Alles das läßt sich nach Leibniz in Träumen nicht finden.297 Das Merkmal des In-sich-selbst-harmonisch-Seins führt schon hinüber zu dem anderen und wichtigeren Kriterium, das wir aus der Betrachtung der vorhergehenden Phänomene gewinnen, mit denen die gegenwärtigen übereinstimmen müssen.298 Aber nicht nur müssen die Dinge der Außenwelt unter sich übereinkommen, sondern sie müssen auch — und das macht nach Leibniz das überzeugendste Zeichen für ihre Realität aus — mit den unzweifelhaften Vernunftgründen (rationibus) übereinkommen.299 D.h. die Dinge der Außenwelt müssen eine Ordnung bewahren und eine Verknüpfung aufweisen, die den ewigen Wahrheiten entspricht.300 Dadurch ist es möglich, daß die Zukunft aus der Vergangenheit bis zu einem gewissen Grade vorausgesehen werden kann
295 G vil 319 (Utrumque enim continetur in hoc uno, quod certum est centaurum mini apparerc.). 296 297
GVII319f. G VII 320; vgl. G VII 296; NE IV 2, § 14 = A VI 6, 374; Grua I 322; VE 2% = Faszikel 2, N. 83. „In der konnexialen Rationalität des Miteinander- und Nacheinanderseienden liegt die grösstmögliche Bekundung der Realität" (WlLDERMUTH, 186). 299 o IV 356; vgl. G VII 320. Vgl. MARTIN3, 188. Aus diesem Grande können wir GURWITSCHS1 These vom „phänomenalst i sehen Immanentismus" nicht ganz nachvollziehen (41 If.). 300 Neque aliam in phaenomenis habemus aut optare debemus notam realitatis, quam quod inter se pariteret veritalibus aetemis respondent (G II 283). Vgl. dazu Cass.1, II 109. 298
186
Die aus der Substanzlehre resultierende Auffassung des Verstandes
(praevideri ... possint).301 Was Leibniz hierunter genauer versteht, erhellt aus dem Echantillon des reflexions sur le I. livre de l'Essay de l'entendement, wo Leibniz die wahre Geometrie der experimentellen gegenüberstellt: „Sie [sc. die Geometer] konnten ihre Lehrsätze — wenigstens die wichtigsten — mit Hilfe der Erfahrung einigermaßen beweisen, und ich zweifle überhaupt nicht daran, daß die alten Ägypter und Chinesen eine solche experimentelle Geometrie besaßen. Aber die wahren Geometriker, vor allem die Griechen, wollten dadurch die Kraft der Vernunft und die Vortrefflichkeit der Wissenschaft beweisen, daß sie aufzeigten, daß man auf diesem Gebiet vor der Erfahrung alles durch die innere Einsicht voraussehen kann."302 Heimsoeth spricht in diesem Zusammenhang davon, daß die „Maße" der Phänomene in den ewigen Wahrheiten liegen, welche zwar nicht schlechthin in der Existenz verwirklicht sind, sich aber doch in dieser finden, aus welchem Grund sie uns zur Beglaubigung ihrer Realität dienen können.303 Aber alle diese Kriterien verbürgen natürlich keine metaphysische Gewißheit. Denn die Kriterien der Lebhaftigkeit und Vielfältigkeit haben verworrene Perzeptionen zur Grundlage; und das Kriterium des Zusammenhangs der Dinge setzt ja gerade das voraus, dessen Realität erst erwiesen werden soll: die Außenwelt. Und auch das Kriterium der Vernunftgründe kann letztlich die Möglichkeit eines so zusammenhängenden und langandauernden Traumes wie das Leben eines Menschen nicht mit metaphysischer Gewißheit widerlegen.304 Der Realitätsbegriff bleibt letztlich relativ. Leibniz ist sich dieser Beweisnot auch bewußt, wenn er resümiert: „Allerdings muß man bekennen, daß die bis jetzt für die Realität der Phänomene vorgebrachten Merkmale, selbst alle zusammengenommen, nicht demonstrativ sind; wenn sie auch sicherlich die 301
302
303 304
G IV 356. A VI 6, 13 (,Jls [sc. les Geometres] pouvoient prouver passablement leur propositions [au tnoins les plus importantes], par l'experience, et je ne doute point que les anciens Egyptiens, et les Chinois n'ayent eu une teile Geometrie experimentale. Mais les Geometres veritables, sur tout les Grecs, ont voulu monstrer la force de la raison, et l'excellence de la science, en faisant voir qu'on peut tout prevoir en ces matieres par les lumieres internes avant l'experience."). Vgl. NE, Preface = A VI 6, 49; IV 12, § 4 = A VI 6, 451f. Dieser Beitrag der notwendigen Wahrheiten zur Objektivität, Rationali tat und Realität der Phänomene und der phänomenalen Welt als ganzer veranlaßt GURWITSCH1 letztlich zu seiner These von Leibniz' Panlogismus (vgl. 417). HEIMSOETH',252f. Vgl. NE IV 2, § 14 = A VI 6, 375; dazu Cass.1,1287.
Die Realität der Außenwelt
187
größte Wahrscheinlichkeit haben oder, wie man allgemein sagt, eine moralische Gewißheit erzeugen mögen, so erzeugen sie dennoch keine metaphysische Gewißheit, so daß, wenn das Gegenteil gesetzt wird, dies einen Widerspruch einschlösse. Daher kann durch kein Argument schlechthin bewiesen werden, daß es Körper gibt, und nichts verhindert, daß gewisse wohlgeordnete Träume die Gegenstände unseres Geistes bilden, die von uns für wirklich gehalten werden und die wegen der Übereinstimmung untereinander hinsichtlich der Praxis mit dem Wirklichen gleichwertig sind."305
305
G VII 320f. (Venam fatendum est, quae hactenus allata sunt phaenomenorum realium indicia utcunque in unum collecta, non esse demonstrative, licet enim maximam habeant probabilitatem, sive, ut vulgo loquuntur, certitudinem pari an t moralem, non tarnen faciunt Metaphysicam, ita ut contrarium poni implicet contradictionem. Itaque nullo argumento absolute demonstrari polest, dari corpora, nee quicquam prohibet somnia quaedam bene ordinata menti nostrae objecta esse, quae a nobis vera judicentur et ob consensum inter se quoad usum veris aequivaleant.). Vgl. A II l, 249; G II 378. 502; Grua II 511; dazu GURWTTSCH1, bes. 414. — Zum Unterschied zwischen metaphysischer und moralischer Gewißheit siehe oben S. 95 A. 195.
Vierter Teil Versuch einer Vermittlung zwischen der Auffassung des menschlichen Verstandes im «Systeme commun» und derjenigen im «Systeme nouveau»
Vorbemerkung
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Stehen die beiden Auffassungen des menschlichen Verstandes, diejenige des «Systeme commun» und diejenige des «Systeme nouveau», mit ihren in der Sache — nicht immer in der Bezeichnung — je verschiedenen Begrifflichkeiten bei Leibniz unvermittelt nebeneinander? Ist die Auffassung des «Systeme nouveau» die einzig richtige, und kommt der Auffassung des «Systeme commun» kein Wahrheitsgehalt zu? Besteht hier eine exklusive Disjunktion, oder ist doch eine Vermittlung möglich? Das System der Prästabilierten Harmonie geht ja in den Einzelfällen auf die universale Ursache zurück, während man in der Praxis das Handeln besonderen Gründen zuschreibt.1 Wenn überhaupt keine Vermittlung möglich wäre, so würden die Ausführungen der Nouveaux Essais, wo Leibniz in bezug auf die Rehabilitierung des Eingeborenen innerhalb des «Systeme commun» argumentiert, ein Kapitel weiter aber schon die Ebene des «Systeme nouveau» vertritt, als nicht konsistent erscheinen. Der Übergang von dem einen zum anderen System käme geradezu einem Bruch gleich. Aber kann das Leibniz' letztes Wort in dieser Sache sein? Oder besteht die Möglichkeit einer Vermittlung? Wenn ja, so ist diese es, die Leibniz ungezwungen zwischen der Ebene des «Systeme commun» und derjenigen des «Systeme nouveau» wechseln läßt. Und gibt es eine Vermittlung, so stellt sich die Frage: Von welcher Seite aus wird vermittelt? Erinnern wir uns an unsere Ausführungen zum „Kopemikanischen Prinzip" innerhalb der Einführung, so weist das schon in die Richtung einer möglichen Vermittlung: „Denn eben darin, daß die bewußt gesprochene Sprache nach Kopernikus wie vor ihm noch immer mit Ptolemäus vom Auf- und Untergang der Sonne redet", schreibt Nieraad zu Recht, „beweist sich, daß sie die kopernikanische Wende richtig verstanden hat: nicht als Aufhebung, sondern als Begründung dieser Erscheinung des Auf- und Niedersteigens der Sonne für uns, die Sprechenden. In der reflektierten und doch vorkopemikanisch sich ausdrückenden Sprache äußert sich ein Bewußtsein, das sein Weltbild als ein notwendiges Bild seiner Welt versteht und annimmt. Man denkt gegen den Schein, indem man mit dem Schein spricht".2 Derjenige, der durchschaut hat, daß die Substanz eine kleine Welt für sich ist, unabhängig von allen Dingen außerhalb von ihr, Gott ausgenommen, kann nun aber aufgrund dieser Reflexion wieder so sprechen, als ob die Dinge doch 1
2
Vgl. DM § 32 = G IV 458. NIERAAD, 80.
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Versuch einer Vermittlung zwischen «Systeme commun» und «Systeme nouveau»
aufeinander einwirkten. Die Vermittlung kann und muß also von der höheren Ebene her erfolgen, die allein die Relativität des untergeordneten Systems durchschaut, die aber immer auch gleichzeitig einsieht, daß diese Relativität nicht gänzlich von der Wahrheit getrennt sein kann. Das hat auch Leibniz immer so gesehen. Denn er selbst drängt an verschiedenen Stellen auf diese Vermittlung hin. Während die Nouveaux Essais die beiden Ebenen des «Systeme commun» und des «Systeme nouveau» noch mehr oder weniger unvermittelt nebeneinander stehen lassen — der Hinweis auf Kopernikus deutet die Möglichkeit einer Vermittlung zwar an, kann aber noch in keiner Weise als Nachweis ihrer Berechtigung gelten —, versucht Leibniz vornehmlich in der Thoodicoe, die Berechtigung dieser Vermittlung auch aufzuweisen.3 Diesem Aufweis will dieser vierte und letzte Teil unserer Untersuchung nachgehen. Auch schon in § 15 des Discours de mttaphysique untersucht Leibniz die Grundlage des Urteils, nach dem wir anderen Dingen als wirkenden Ursachen das zuschreiben, was wir uns auf bestimmte Weise selbst zu Bewußtsein bringen. Aufgrund dessen, wie Leibniz die Substanz bestimmt hat, entspricht ja ein solches Urteil nicht der Ausdrucksweise der Metaphysik, sondern vielmehr der gewöhnlichen Sprache. Trotzdem versucht er auch schon hier, diesem Urteil dennoch auch innerhalb des «Systeme nouveau» einen positiven Sinn abzugewinnen, was einer Vermittlung zwischen diesen beiden Ebenen gleichkommt. Leibniz sagt hier ausdrücklich, daß er hiermit die Ausdrucks weise der Metaphysik mit der Praxis in Einklang bringen wolle, wobei mit Praxis die Ebene des «systöme commun» gemeint ist. Der Wichtigkeit halber bringen wir den entscheidenden Text in voller Länge: „Ohne aber in eine lange Diskussion einzutreten, genügt es im Augenblick, um die metaphysische Sprache mit der Praxis zu versöhnen, zu bemerken, daß wir uns mehr und mit Grund die Phänomene zuschreiben, die wir vollkommener ausdrücken, und daß wir den anderen Substanzen das zuschreiben, was jede am besten ausdrückt. So wird eine Substanz, die, insofern als sie alles ausdrückt, von einer unendlichen Weite ist, durch die mehr oder weniger vollkommene Weise ihres Ausdrucks begrenzt. So kann man also verstehen, daß die Substanzen sich untereinander behindern oder begrenzen, und folglich kann man in diesem Sinne sagen, daß sie aufein· Vgl. dagegen JACOBI, 215, der meint, daß es gerade die Aufgabe der Nouveaux Essais sei, die Vermittlung zwischen «Systeme commun» und «Systeme nouveau» zu bewerkstelligen.
Vorbemerkung
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ander einwirken und sozusagen gezwungen sind, sich untereinander anzupassen. Denn es kann vorkommen, daß eine Veränderung, die den Ausdruck der einen vermehrt, denjenigen der anderen vermindert. Nun gehört es zur Kraft einer einzelnen Substanz, die Herrlichkeit Gottes gut auszudrücken, und dadurch ist sie weniger begrenzt. Jedes Ding wandelt sich zum Besseren, wenn es seine Kraft oder Macht ausübt, d.h. wenn es handelt, und es breitet sich aus, insofern es handelt: Wenn sich daher eine Veränderung ereignet, von der mehrere Substanzen betroffen sind (wie in der Tat jede Veränderung sie alle berührt), glaube ich, daß man sagen kann, daß diejenige, die dadurch unmittelbar zu einem erhabeneren Grad von Vollkommenheit oder einem vollkommeneren Ausdruck gelangt, ihre Macht ausübt und handelt, und diejenige, die zu einem minderen Grad gelangt, ihre Ohnmacht erkennen läßt und leidet. Auch bin ich der Meinung, daß jede Tätigkeit einer Substanz, die Perzeption hat, irgendeine Lust mit sich bringt, und jedes Leiden irgendeinen Schmerz und umgekehrt."4 Doch bevor wir uns die Rechtfertigung dieser Vermittlung zwischen «Systeme commun» und «Systeme nouveau», die Leibniz sachlich und
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DM § 15 = G IV 440f. („Mais sans entrer dans une longue discussion, il suffit ä present pour concilier le langage metaphysique avec la practique, de remarquer que nous nous attribuons d'avantage et avec raison les phenomenes que nous exprimons plus parfaitement, et que nous attribuons aux autres substances ce que chacune exprime le mieux. Ainsi une substance qui est d'une etendue infinie, en tant qu'elle exprime tout, devient limitee par la maniere de son expression plus ou moins parfaite. C'est done ainsi qu'on peut concevoir que les substances s'entrempechent ou se limitent, et par consequent on peut dire dans ce sens qu'elles agissent l'une sur l'autre, et sont obligees pour ainsi dire de s'accommoder entre eUes. Car il peut arriver qu'un changement qui augmente l'expression de l'une, diminue celle de l'autre. Or la vertu d'une substance particuliere est de bien exprirner la gloire de Dieu, et c'est par la qu'elle est moins limitee. Et chaque chose quand eile exerce sä vertu ou puissance, c'est a dire quand eile agit, change en mieux et s'etend, en tant qu'elle agit: lors done qu'd arrive un changement dont plusieurs substances sont affectees [comme en effect tout changement les louche toutes], je croy qu'on peut dire que celle qui immediatement par la passe ä un plus grand degre de perfection ou ä une expression plus parfaite, exerce sa puissance, et agit, et celle qui passe ä un moindre degre fait connoistre sa foiblesse, et patit. Aussi tiens je que toute action d'une substance qui a de la perception importe quelque voluptl, et toute passion quelque douleur, et vice versa"). Vgl. G II 47. II 57. 69. Vgl. auch G IV 495: Je ne fuiray pas meme de dire que 1'ame remue le corps, et comme un Copemicien parle veritablement du lever du soleil, un Platonicien de la realite de la matiere, un Cartesien de celle des qualites sensibles, pourveu qu'on 1'entende sainement, je crois de meme qu'il est tres vray de dire que les substances agissent les unes sur les autres, pourveu qu'on entende que l'une est cause des changemens dans l'autre en consequence des loix de l'Harmonie."
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Versuch einer Vermittlung zwischen «Systeme commun» und «Systeme nouveau»
formal vornimmt, näher anschauen, wollen wir uns noch einmal dem Standpunktwechsel zwischen diesen beiden Ebenen als solchem zuwenden.
1. Kapitel Der Standpunktwechsel zwischen «Systeme commun» und «Systeme nouveau»
§ 30 Der explizite Standpunktwechsel In den Nouveaux Essais, so haben wir schon zu Beginn des zweiten Teils dieser Untersuchung angedeutet,5 macht Leibniz ausdrücklich auf den Standpunktwechsel zwischen «Systeme nouveau» und «Systeme commun» aufmerksam. Nachdem er die Grundanschauungen seines „neuen Systems" zu Beginn der Nouveaux Essais durch Theophilus hat andeuten lassen,6 wird der Standpunktwechsel auf die Ebene des «Systeme commun» hin explizit mit folgenden Worten eingeführt: „Gegenwärtig aber werde ich diese Untersuchung beiseite setzen und mich den angenommenen Ausdrücken anpassen, da sie in der Tat gut und vertretbar sind und man in einem gewissen Sinne sagen kann, daß die äußeren Sinne zum Teil Ursachen unserer Gedanken sind."7 Dieser explizit vorgenommene Wechsel auf die Ebene des «Systeme commun» bezieht sich vornehmlich auf Buch I der Nouveaux Essais, wo es um die Frage der eingeborenen Ideen geht, eine Frage, die ja in die nach Funktion und Stellenwert des menschlichen Verstandes einmündet. Im Gegensatz hierzu kann man in der Vorrede zu den Nouveaux Essais, in der die Hauptthemen des Werkes schon angesprochen werden, diesen Wechsel der Ebenen beobachten, ohne daß hierauf ausdrücklich aufmerksam gemacht wird. Einen solchen implizit vorgenommenen Wechsel können wir auch anhand der beobachten. Dies soll in dem nun folgenden Paragraphen aufgezeigt werden.
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Siehe oben S. 46f. Vgl. NE I = A VI 6, 71-74. NE I, § l = A VI 6,74 („Mais ä present je metrai cette recherche a part, et m'accommodant aux expressions receues, puis qu'en effet elles sont bonnes et soutenables, et qu'on peut dire dans un certain sens, que les sens externes sont causes en partie de nos pensees".).
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Der Standpunktwechsel zwischen «Systeme commun» und «Systeme nouveau»
§ 31 Der implizite Standpunktwechsel Schon sehr früh innerhalb der Vorrede zur Theodicte macht Leibniz auf sein neues System aufmerksam, wenn er es hier mit den folgenden Worten einfuhrt: „Ich hatte ein neues System veröffentlicht, das geeignet schien, die Verbindung zwischen Seele und Körper zu erklären."8 Auch die Prästabilierte Harmonie wird bald mit ihren offenbaren Vorzügen gegenüber dem System der Gelegenheitsursachen angepriesen,9 der physische Einfluß der Seele auf den Körper oder des Körpers auf die Seele geleugnet, was aber nicht heißt, daß Körper und Seele keine Einheit bildeten, eine Einheit, die etwas Metaphysisches sei, was nichts an den Erscheinungen ändere.10 In dem der Vorrede folgenden Discours prtlimnaire de la conformte de la foy avec la raison11, der der vorangestellt ist, geht es Leibniz um die Übereinstimmung des Glaubens mit der Vernunft und den Gebrauch der Philosophie in der Theologie.12 Hier innerhalb des Discours prfliminaire bewegt sich Leibniz wiederum ganz auf der Ebene des «Systeme commun». Er spricht ohne jeden Vorbehalt von der Erfahrung und den Sinnen, die der Vernunft das Material für ihre Schlußfolgerungen liefern.13 Und er kann auch ungeschützt von sinnlichen Qualitäten wie der Hitze, dem Licht und der Süßigkeit sprechen, die uns keine adäquaten Ideen zu geben imstande sind,14 ja sogar von der 8
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Th.„ Preface = G VI 39 („J'avois public un Systeme nouveau, qui paroissoit propre ä expliquer l'Union de l'Ame et du Corps.") Th., Preface = G VI 41 f. Th., Preface = G VI 45. Wobei Leibniz an anderer Stelle selbst zugibt, daß die Prästabilierte Harmonie zur Erklärung der wahrhaften Einheit zwischen Seele und Körper nicht vollständig ausreicht: „II faut avouer que j'aurois eu grand tort d'objecter aux Cartesians, que 1'accord que Dieu entretient immediatement, selon eux, entre l'Ame et le Corps, ne fait pas une veritable Union, puisqu'asseurement mon Harmonie preetablie ne sauroit en faire d'avantage" (G VI 595; vgl. G VI 596f.). G VI 49-101. Siehe oben S. 32ff. Vgl. z.B. die folgende Bestimmung der Vernunft: (TLa Raison consistent dans I'enchainement des verites, a droit de lier encor celles que l'experience lui a foumies, pour en tirer des conclusions mixtes: mais la Raison pure et nue, distinguee de l'Experience, n'a a faire qu'ä des Verites independantes des Sens" (DC § l = G VI 49; vgl. § 2 = G VI 50; § 38 = G VI72). „Mais il ne faut pas demander tousjours ce que j'appelle des notions adequates, et qui n'enveloppent rien qui ne soit explique, puisque meme les qualites sensibles, comme la chaleur, la lumiere, la douceur, ne nous sauroient donner de telles notions" (DC § 54 = G VI 80).
Der implizite Standpunktwechsel
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Wahrnehmung der Sinne, die oft der Wahrheit widerstreitet: Leibniz denkt hier an das Beispiel eines viereckigen Turmes, der uns aus der Ferne als rund erscheint.15 Und wenn Leibniz in diesem Zusammenhang auch noch auf den inneren Sinn zu sprechen kommt,16 so ist dies alles ganz die Sprache des «Systeme commun», wie sie uns von den Meditationes de cognitione, veritate et ideis und der Schrift Sur ce qui passe les sens her bekannt ist. Nur ein einziges Mal — und das auch nur am Rande — kommt Leibniz in dem Discours prtliminaire auf die Prästabilierte Harmonie zu sprechen, wobei es ihm hierbei aber nicht darum geht, in die Sprache des «Systeme nouveau» überzuwechseln, sondern allein darum, zu verdeutlichen, was man sich bei der Fleischwerdung des Logos unter der Verbindung (union) des göttlichen Wortes mit der menschlichen Natur vorzustellen habe. Die Prästabilierte Harmonie bietet nämlich nach Leibniz das Beispiel einer metaphysischen Verbindung zwischen Seele und Körper, während die Verbindung durch Einwirkung physisch sei. Die Verbindung zwischen Seele und Körper dient Leibniz hier also lediglich zum Vergleich, um mit Hilfe dieser Analogie eine gewisse Einsicht in das Geheimnis der Fleischwerdung zu bekommen.17 Daß Leibniz hier im Discours preliminaire wieder ganz die Sprache des «Systeme commun» spricht, nachdem er schon in der Vorrede zur Theodicie sein neues System eingeführt hat, ist begründet in der Themenstellung des Discours prlliminaire. Leibniz geht es hier um die Übereinstimmung des Glaubens mit der Vernunft; der Glaube darf einerseits der Vernunft nicht widersprechen, kann aber andererseits sehr wohl über die Vernunft hinausgehen. Diese grund15 16
17
DC §64 = G VI 86. DC §65 = G VI 87. „Nous entendons quelque chose par l'union, quand on nous parle de celle d'un corps avec un autre corps, ou d'une substance avec son accident, d'un sujet avec son adjoint, du lieu avec le mobile, de l'acte avec la puissance; nous en entendons aussi quelque chose, quand nous parlons de l'union de l'ame avec le corps, pour en faire une seule personne. Car quoyque je ne tienne point, que l'ame change les loix du corps, ny que le corps change les loix de l'ame, et que j'aye introduit l'Harmonie preetablie pour eviter ce derangement, je ne laisse pas d'admettre une vraye union entrc l'ame et le corps, qui en fait un suppöt. Cette union va au metaphysique, au lieu qu'une union d'influence iroit au physique. Mais quand nous parlons de l'union du Verbe de Dieu avec la nature humaine, nous devons nous contenter d'une connoissance analogique, teile que la comparaison de l'union de l'Ame avec le corps est capable de nous dormer, et nous devons au rcste nous contenter de dire que l'incamation est l'union la plus etroite qui puisse exister entre le Createur et la creature, sans qu'il soil besoin d'aller plus avant" (DC § 55 = G VI 81).
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Der Standpunktwechsel zwischen «Systeme common» und «Systeme nouveau»
sätzliche Diskussion auf der Grundlage der monadologischen Konzeption zu führen, würde bedeuten, die Dinge in unnötiger Weise zu komplizieren. Da die Substanzlehre und ihre Folgerungen hier keine Rolle spielen, braucht Leibniz hierauf auch weiter nicht einzugehen. Die TModicie selbst entfaltet an verschiedenen Stellen die Substanzlehre und auch die aus ihr folgende Prästabilierte Harmonie. Die Seele wird als ihr eigenes natürliches Prinzip in bezug auf ihre Handlungen bezeichnet18 und die menschliche Seele sogar mit einer Art geistigen Automaten verglichen.19 Es ist von der Spontaneität der Seele die Rede, die sie unabhängig macht bei ihren Entschlüssen vom physischen Einfluß aller anderen Geschöpfe.20 Diese Spontaneität ist die Folge des Systems der Prästabilierten Harmonie, die Leibniz hier der Schulphilosophie und dem System der Gelegenheitsursachen entgegensetzt.21 „Die Schulphilosophen glaubten, daß es einen wechselseitigen Einfluß zwischen Körper und Seele gebe: Aber seitdem man richtig bedacht hat, daß das Denken und die ausgedehnte Masse keine Verbindung miteinander haben und daß dies geschaffene Dinge sind, die sich toto genere voneinander unterscheiden, haben mehrere Neuere erkannt, daß es überhaupt keinen physischen Verkehr zwischen der Seele und dem Körper gibt, obwohl der metaphysische Verkehr immer Bestand hat, der bewirkt, daß die Seele und der Körper ein Suppositum bilden oder das, was man eine Person nennt. Dieser physische Verkehr würde bewirken, wenn er bestände, daß die Seele den Grad der Schnelligkeit und die Richtung einiger Bewegungen, die im Körper vor sich gehen, änderte, und daß vice versa der Körper die Folge der Gedanken, die in der Seele sind, änderte. Man kann diese Wirkung, die man sich im Körper oder in der Seele vorstellt, aber aus keinem Begriff herleiten, obwohl uns nichts besser bekannt ist als die Seele, weil sie uns vertraut ist, d.h. sich selbst vertraut ist"22 Dieser physische Einfluß einer dieser beiden Substanzen auf die andere 18
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Vgl. z.B. Th. I § 50 = G VI 130; III § 291 = G VI 289f.; III 300 = G VI 295; III § 355 = G VI 326; III § 400 = G VI 354; III § 403 = G VI 356f. „Tout est done certain et determine par avance dans ITiomme, comme par tout ailleurs, et l'ame humaine est une espece d'automate spirituel" (Th. I § 52 = G VI 131; vgl. Th. III § 403 = G VI356). Th. I § 59 = G VI 135; vgl. Th. III § 291 = G VI 289f. Th. I § 59 = G VI 135. EBD. („Les Philosophies de l'Ecole croyoient qu'il y avoit une influence physique reciproque entre le corps et l'ame: mais depuis qu'on a bien considere que la pensee et la masse etendue n'ont aucune liaison ensemble, et que ce sont des creatures qui different toto genere, plusieurs
Der implizite Standpunktwechsel
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ist für Leibniz unerklärlich. Zudem könnte die Seele ohne eine völlige Störung der Naturgesetze nicht physisch auf den Körper einwirken. Diese Störung der Naturgesetze wird auch durch das System der Gelegenheitsursachen nicht beseitigt, das Gott wie bei einer Theater-Maschinerie eingreifen läßt, um die Lösung des Stückes zu bewirken.23 Allein das System der Prästabilierten Harmonie bringt hier die entscheidende Lösung.24 Leibniz vergleicht das tiefere Eindringen in diese Sache mit dem Ausspruch Bacons25, nach dem die nur mittelmäßig betriebene Philosophie von Gott entferne, die eingehend betriebene dagegen zu ihm hinführe: „Das gleiche gilt für diejenigen, die über ihre Handlungen nachdenken: Es scheint ihnen zu Anfang, daß alles, was wir tun, nur durch einen Anstoß von anderem geschieht, und daß alles, was wir denken, von außen durch die Sinne kommt und sich in der Leere unseres Geistes darstellt tanquam in tabula rasa. Aber ein tieferes Nachdenken lehrt uns, daß alles (selbst die Perzeptionen und die Leidenschaften) uns mit vollständiger Spontaneität aus unserem eigenen Grund zukommt."26 Diesen Ausführungen zur Substanz-Metaphysik treten im dritten Buch der plötzlich wieder Texte zur Seite, die ganz vorbehaltlos von den Sinnen sprechen, die uns nur verworrene Gedanken liefern — im Unterschied zur
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26
modernes ont rcconnu qu'il n'y a aucune communication physique entre l'ame et le corps, quoyque la communication metaphysique subs i s te tousjours, qui fait, que l'ame et le corps composent un meme suppol, ou ce qu'on appelle une personne. Cette communication physique, s'ü y en avoit, feroit que l'ame changeroit le degre de la vitesse et la ligne de direction de quelques mouvemens qui sont dans le corps, et que vice versa le corps changeroit la suite des pensees qui sont dans l'ame. Mais on ne sauroit tirer cet effect d'aucune notion qu'on concoive dans le corps et dans l'ame: quoyque rien ne nous soit mieux connu que l'ame, puisqu'elle nous est intime, c'est ä dire intime ä eile meme."). Th. I § 61 = G VI 136. Th. I § 64 = G VI 137f.; vgl. Th. II § 208 = G VI 241; III § 247 = G VI 264. Vgl. BACON, The works, I 436 (De dignitate et augmentis scientiarum, lib. I): Quin potius certissimum est, atque experientia comprobatum, leves gustus in philosophia movere fortasse ad atheismum, sed pleniores haustus ad religionem reducere. Vgl. Th. III § 296 = G VI 292; A VI l, 489; A VI 3,157. Th. III § 296 = G VI 292 („II en est de meme de ceux qui reflechissent sur leur actions: U leur paroit d'abord, que tout ce que nous faisons n'est qu'impulsion d'autruy; et que tout ce que nous concevons vient de dehors par les sens, et se trace dans le vuide de nostre esprit, tanquam in tabula rasa. Mais une meditation plus profonde nous apprend, que tout [meme les perceptions et les passions] nous vient de nostre propre fonds, avec une pleine spontaneite.").
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Der Standpunktwechsel zwischen «Systeme commun» und «Systeme nouveau»
Vernunft.27 Doch im Unterschied zu den Nouveaux Essais geschieht dieser Übergang nicht ohne den Versuch einer vorhergehenden Vermittlung zwischen dem «Systeme commun» und dem «Systeme nouveau», welche Leibniz ja schon im Discours de mltaphysique angedeutet hat. Diesem Versuch einer Vermittlung wollen wir nun näher nachgehen.
„Nostrc connoissance est de deux sortes, distincte, cxi confuse. La connoissance distincte ou l'intelligence a lieu dans le veritable usage de la Raison; mais les sens nous forunissent des pensees confuses" (Th. III § 289 = G VI 288). Oder: „Quant ä nous, outre le jugement de l'entendement, dont nous avons une connoissance expresse, il s'y mele des perceptions confuses des sens, qui font naitre des passions et meine des inclinations insensibles, dont nous ne nous appercevons pas tousjours" (Th. III § 310 = G VI 300; vgl. Th. III § 356 = G VI 327).
2. Kapitel Die ausdrückliche Rechtfertigung dieses Standpunktwechsels
§ 32 Die sachliche Rechtfertigung Die Vermittlung zwischen dem «Systeme commun» und dem «Systeme nouveau» wird von Leibniz ausdrücklich in den Paragraphen 64 bis 66 des ersten Buches der TModicie versucht. Nach dem System der Prästabilierten Harmonie hängt ja alles, was in der Seele vorgeht, nur von ihr allein ab, und ihr nächstfolgender Zustand rührt nur von ihr und ihrem gegenwärtigen Zustand her. Der Seele kommt also eine völlige Unabhängigkeit zu. Wenn alles, was der Seele geschieht, von ihr abhängt, heißt dies dann auch, daß alles von ihrem Willen abhängt und auch vom Verstand erkannt oder deutlich apperzipiert wird? Das wäre nach Leibniz zuviel verlangt! „Denn es findet sich in ihr nicht nur eine Ordnung von deutlichen Perzeptionen, die ihre Herrschaft begründet, sondern auch eine Folge von verworrenen Perzeptionen oder von Leidenschaften, die ihre Sklaverei ausmacht: Und darüber darf man sich nicht wundern; die Seele wäre eine Gottheit, wenn sie nur deutliche Perzeptionen hätte."28 Dieser Unterschied erinnert uns an denjenigen zwischen Sinnlichkeit und Verstand im «Systeme commun». Er ist es denn auch, der die vermittelnde Überbrückung der Kluft zwischen «Systeme nouveau» und «Systeme commun» zu bewirken vermag.29
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Th. I § 64 = G VI 137 („Car il y a en eile non seulement un ordre de perceptions distinctes, qui fait son empire; mais encor une suite de perceptions confuses ou de passions, qui fait son esclavage: et il ne faut pas s'en etonner, l'ame seroit une Divinite, si eile n'avoit que des perceptions distinctes."). Vgl. C 12: Anima quidem corpori imperat quatenus perception« distinctas habet, servil quatenus confusas. Vgl. G IV 565: „Mais on a raison dans un autre sens d'appeller perturbations avec les anciens, ou passions, ce qui consiste dans les pensees confuses, il y a de l'involontaire et de l'inconnu; et c'est ce que dans le langage commun, on n'attribue pas mal au combat du corps et de l'esprit, puisque nos pensees confuses reprcsentent le corps ou la chair, et font nostre imperfections." Vgl. GIV 558. 574f.
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Die ausdrückliche Rechtfertigung dieses Standpunktwechsels
In § 65 der Thtodicae macht Leibniz denn auch noch einmal die beiden Standpunkte deutlich, wenn er hier schreibt: „Um endlich die Frage der Spontaneität abzuschließen, muß man sagen, daß die Seele, wenn man die Dinge im strengen Sinne nimmt, das Prinzip aller ihrer Tätigkeiten und sogar aller ihrer Leiden in sich selbst trägt, und daß das gleiche für alle einfachen, in der ganzen Natur verbreiteten Substanzen gilt, obwohl es Freiheit nur bei denjenigen gibt, die denken können. Im gewöhnlichen Sinne jedoch und wenn wir den Erscheinungen gemäß sprechen, müssen wir sagen, daß die Seele in irgendeiner Weise vom Körper und den Eindrücken der Sinne abhängt."30 Auch in diesem Zusammenhang macht Leibniz wieder auf den analogen Unterschied aufmerksam, der zwischen dem ptolemäischen und dem kopernikanischen Weltbild besteht.31 Doch beläßt es Leibniz in der nicht mit dem einfachen Hinweis auf Kopernikus bewenden, wie dies in den Nouveaux Essais der Fall war,32 wo der Leser und Interpret gezwungen war, sich selbst einen Reim darauf zu machen, wie dieser Vergleich nun wirklich gemeint ist und welche sachliche Begründung ihm innerhalb der monadologische Konzeption selbst zukommt. Vielmehr bietet Leibniz hier selbst expressis verbis eine Begründung an, die den Übergang von der Ebene des «Systeme nouveau» zu derjenigen des «Systeme commun» sachlich rechtfertigt. Wir bringen den entscheidenden Text in voller Länge: „Man kann jedoch dieser gegenseitigen Abhängigkeit, die wir uns zwischen der Seele und dem Körper vorstellen, einen wirklichen und philosophischen Sinn beilegen. Danach hängt die eine dieser Substanzen ideal von der anderen ab, insofern der Grund von dem, was in der einen geschieht, ausgedrückt werden kann durch das, was in der anderen ist; was schon stattgefunden hat bei den Beschlüssen Gottes, als Gott im voraus die Harmonie eingerichtet hat, die zwischen ihnen bestehen sollte ... Denn insofern die Seele Voll30 Th. I § 65 = G VI 138 („Enfin poor conclure ce point de la spontaneity, il faut dire que prenant les choses a la rigueur, Tarne a en eile le principe de Unites ses actions, et meme de toutes ses passions; et que le meme est vray dans toutes les substances simples, repandues par toute la nature, quoyqu'il n'y ait de liberte que dans celles qui sont intelligentes. Cependant dans le sens populaire, en parlant suivant les apparences, nous devons dire que Tarne depend en quelque maniere du corps et des impressions des sens."). 31 „A peu pres comme nous parlons avec Ptolemee et Tycho dans Tusage ordinaire, et pensons avec Copemic, quand il s'agit du lever ou du coucher du soleil" (Th. I § 65 = G VI 138). 32 Siehe oben S. 47.
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kommenheit besitzt und deutliche Gedanken, hat Gott den Körper der Seele angepaßt und es im voraus so eingerichtet, daß der Körper angetrieben wird, ihre Anordnungen auszuführen: und insofern die Seele unvollkommen ist und ihre Perzeptionen verworren sind, hat Gott die Seele dem Körper angepaßt, so daß die Seele sich durch die Leidenschaften neigen läßt, die den körperlichen Repräsentationen entspringen: Das bewirkt die gleiche Wirkung und den gleichen Anschein, als ob das eine unmittelbar durch einen physischen Einfluß vom anderen abhinge. Und es sind genau genommen diese verworrenen Gedanken, durch die die Seele die sie umgebenden Körper repräsentiert. Und das gleiche gilt von allem, was man sich unter den Wirkungen der einfachen Substanzen aufeinander vorstellt. Jede wird als wirkend auf die andere angesehen im Verhältnis zu ihrer Vollkommenheit, obwohl das nur ideal ist und in den Gründen der Dinge, darin, daß Gott zuerst eine Substanz hinsichtlich einer anderen eingerichtet hat gemäß der Vollkommenheit oder Unvollkommenheit einer jeden. Obgleich die Tätigkeit und das Leiden bei den Geschöpfen stets wechselseitig ist, weil ein Teil der Gründe, die zur deuüichen Erklärung des Geschehens dienen und die dazu gedient haben, es bestehen zu lassen, sich in der einen dieser Substanzen, und ein anderer Teil dieser Gründe sich in der anderen findet, da die Vollkommenheiten und Unvollkommenheiten immer vermengt und verteilt werden. Das veranlaßt uns auch, die Tätigkeit auf die eine, das Leiden auf die andere zurückzuführen."33 Leibniz vergleicht dies mit 33
Th. I § 66 = G VI 138f. („On peut pourtant donner un sens veritable et philosophique ä cette dependence mutuelle, que nous concevons entre l'ame et le coips. Cest que l'une de ces substances depend de lautre idealement, en tant que la raison de ce qui se fait dans l'une, peut etre rendue par ce qui est dans l'autre; ce qui a deja eu lieu dans les decrets de Dieu dfcs-lors que Dieu a regle par avance Itiarmonie qu'il y auroit entre elles... Car en tant que l'ame a de la perfection, et des pensees distinctes, Dieu a accommode le corps ä Tarne, et a fait par avance que le corps est pousse a executer ses ordres: et en tant que l'ame est imparfaite, et que ses perceptions sont confuses, Dieu a accommode l'ame au corps, en sorte que l'ame se laisse incliner par les passions qui naissent des representations corporelles: ce qui fait le meme effect, et la meme apparence, que si l'un dependoit de l'autre irnmediatement, et par le moyen d'une influence physique. Et c'est proprement par ses pensees confuses, que l'ame represente les corps qui l'environnent Et la meme chose se doit entendre de tout ce que concoit des actions des substances simples les unes sur les autres. Cest que chacune est censee agir sur l'autrc ä mesure de sä perfection, quoyque ce ne soit qu'idealement et dans les raisons des choses, en ce que Dieu a regle d'abord une substance sur l'autre, selon la perfection ou l'imperfection qu'il y a dans chacune: bien que l'action et la passion soyent tousjours mutuelles dans les creatures, parce qu'une partie des raisons, qui servent ä expliquer distinctement ce qui se fait, et qui ont
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der Relativität der Bewegung: Soll man die Bewegung dem Schiff oder dem ganzen Meer zusprechen? Obgleich diese Frage rein mathematisch nicht entscheidbar ist, so ist es doch ganz richtig, sie eher dem Schiff als dem ganzen Meer zuzuschreiben. In dieser Weise muß man nach Leibniz auch die Gemeinschaft der geschaffenen Substanzen untereinander auffassen.34 Man kann also nach Leibniz sehr wohl dem gewöhnüchen Sprachgebrauch folgen und von einem Einfluß der äußeren Dinge auf uns sprechen, was in einem gewissen Sinne ohne Verletzung der Wahrheit geschehen kann, wenn man sich nur darüber im klaren ist, daß dieser Einfluß nicht physischer, sondern idealer Natur ist.35 Im Falle der Tätigkeit bietet die Substanz also selbst, im Falle des Leidens die äußeren Dinge den Grund dar, kraft dessen wir die
servi a le faire exister, est dans l'une de ces substances, et une autre partie de ces raisons est dans l'autre, les perfections et les imperfections etant tousjours melees et partagees. C'est ce qui
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nous fait attribuer VAction a l'une, et la Passion ä l'autre."). Vgl. G IV 486; Mon. §§ 49-52 = G VI 615; NE II21, § 72 = A VI 6.210. Vgl. G II 69: „H est vray qu'il nous arrive certaines pensees, quand il y a certains mouvemens corporels, et qu'il arrive certains mouvemens corporels, quand nous avons certaines pensees; mais c'est parceque chaque substance exprime l'univers tout entier ä sä maniere, et cette expression de l'univers, qui fait un mouvement dans le corps, est peutestre une douleur ä l'egard de Tarne. Mais on attribue Faction ä cette substance, dont l'expression est plus distincte, et on l'appelle cause. Comme lorsqu'un corps nage dans l'eau, il y a une infinite de mouvemens des parties de l'eau, tels qu'il faut afin que la place que ce corps quitte soit tousjours remplie par la voye la plus courte. C'est pourquoy nous disons que ce corps en est cause, parceque par son moyen nous pouvons expliquer distinctement ce qui arrive; mais si on examine ce qu'il y a de physique et de reel dans le mouvement, on peut aussi bien supposer que ce corps est en rcpos, et que tout le reste se meut conformement ä cette hypothese, puisque tout le mouvement en luy
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meme n'est qu'une chose respective, scavoir un changement de situation, qu'on ne s(ait ä qui attribuer dans la precision mathematique; mais on 1'attribue ä un corps par le moyen du quel tout s'explique distinctement." Vgl. G II 57; G IV 486; G I 383. Vgl. GB 140: Et una Monas non dependet ab alia per influxum physicum, sed per idealem, dum autor rerum initio unam alten accomodavit. In G VI 570 spricht Leibniz von einem „influence metaphysique". — In G II 95 billigt Leibniz es sogar, die Geister als Gelegenheitsoder Realursachen bestimmter körperlicher Bewegungen zu bezeichnen: „Cependant je ne desapprouve nullement qu'on disc les esprits causes occasionelles et meme reelles en quelque fa$on de quelques mouvemens des corps." Doch wird diese Anpassung an die Sprache der Okkasionalisten oder der Vertreter eines physischen Einflusses sofort wieder zurückgenommen, wenn Leibniz auf den Begriff der Substanz verweist und so die reale Verknüpfung (la connexion reelle) zwischen Seele und Körper doch letztlich auf den Zusammenhang zurückführt, den Gott bei der Schöpfung gestiftet hat.
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Veränderung auf verständliche Weise erklären können.36 „Aber wenn es darum geht, sich genau auszudrücken, behaupte ich, daß unsere Spontaneität überhaupt keine Ausnahme duldet und daß die Außendinge in philosophischer Strenge genommen überhaupt keinen physischen Einfluß auf uns ausüben."37 Diesen Unterschied zwischen physischem und idealem Einfluß verdeutlich Leibniz auch mit Hilfe der Begriffe „Zweck-" und „Wirkursache": „So kann man sagen, daß in der Absicht Gottes und in der Ordnung der Zweckursachen eine Substanz von der anderen abhängt, da Gott auf die eine Rücksicht genommen hat, als er die andere erschuf, obwohl gemäß dem physischen Einfluß oder in der Ordnung der Wirkursachen die eine so wenig Abhängigkeit von der anderen erfährt, als ob sie mit Gott allein auf der Welt wäre."38 Versteht man es also im rechten Sinne,39 so kann man sehr wohl von einem Einfluß der Substanzen aufeinander sprechen. Hier sich aber einen physischen Einfluß vorzustellen, wäre nach Leibniz ein Irrtum, der zu Lasten unserer falschen Urteilskraft ginge. Auf die Frage, wieso der Mensch in solch einer wichtigen Frage dem Irrtum verfallen kann, antwortet Leibniz lapidar: „Gott ist nicht verpflichtet, ein System zu verfertigen, wo wir nicht geneigt wären, uns zu täuschen; wie er nicht verpflichtet war, das System der Erdbewegung zu vermeiden, um uns vor dem Irrtum zu schützen, auf den beinahe alle Astronomen bis auf Kopernikus verfallen sind."40 Auch hier ist es wieder der Vergleich mit Kopernikus, den Leibniz ins Felde führt, um den Standpunktwechsel zu 36
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Vgl. NE II 21, § 72 = A VI 6, 211: „Dans la veritable action ou passion d'une veritable substance on peut p rend re pour son action qu'on lui attribuera ä eile meme, le changement par ou eile tend ä sa perfection; et de meme on peut prendre pour passion et attribuer ä une cause et range re, le changement par ou il lui arrive le contraire; quoyque cette cause ne soil point immediate: parce que dans le premier cas la substance meme et dans le second les choses etrangeres servent ä expliquer ce changement d'une maniere intelligible." Th. Ill § 290 = G VI 289 („Mais quand il s'agit de s'expliquer exactement, je maintiens que nostre spontaneite ne souffre point d'exception, et que les choses exterieures n'ont point d'influence physique sur nous, ä parier dans la rigueur philosophique."). G IV 578 („Ainsi on peut dire que dans l'intention de Dieu et dans l'ordre des causes finales une substance depend de 1'autre, Dieu ayant eu egard ä 1'une en produisant 1'autre, quoyque selon 1'influence physique, ou dans lOrdre das causes efficientes 1'une ait aussi peu de dependance de 1'autre, que si eile estoit seule au monde avec Dieu."). „Pourveu qu'on l'entende sainement" (G IV 492). G IV 493 („Dieu n'est pas oblige de faire un Systeme, ou nous ne soy on s pas sujets ä nous tromper, conune il n'a pas este oblige d'eviter le Systeme du mouvement de la terre, pour nous garantir de 1'erreur, ou presque tous les Astronomes sont tombes jusqu'ä Copemic.").
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verdeutlichen, der mit seinem «Systeme nouveau» nun eingeleitet ist. Der Begriff des Standpunkts wird so bei Leibniz geradezu zu einer „metaphysischen Kategorie".41
§ 33 Die formale Rechtfertigung Der Standpunktwechsel zwischen «Systeme commun» und «Systeme nouveau» wird aber von Leibniz nicht nur sachlich, sondern darüber hinaus auch formal begründet. Der Standpunktwechsel auf die Ebene des «Systeme commun» hin wird hier von Leibniz mit zwei Argumenten gerechtfertigt: Einmal, weil auch nach Einsicht in das «Systeme nouveau» der Schein für das «Systeme commun» spricht Denn es scheint ja immer noch so zu sein, „als ob" die Substanzen und auch Seele und Körper aufeinander einwirkten.42 Die vollkommene Übereinstimmung unter allen Substanzen ruft nämlich die gleiche Wirkung hervor, die man bemerken würde, wenn sie durch einen influxus physicus oder durch eine Übertragung von Spezies oder Eigenschaften miteinander verkehren würden, wie es sich nach Leibniz die Philosophen gewöhnlich vorstellen.43 Die Erscheinungen sprechen ja geradezu für einen solchen Einfluß.44 Zudem ist der Standpunktwechsel auch immer dadurch gerechtfertigt, daß der Sicht des «Systeme commun» ja auch ein relatives Recht zukommt, welches auch durch die Einsicht in den absoluten Standpunkt nicht gänzlich beseitigt werden kann.45 Kaulbach faßt prägnant zusammen: „Es gibt nach Leibniz einen Standpunkt des Redens, der sich am 'Schein1 orientiert. Er wird vom metaphysischen Denken über-gangen, das sich auf einen neuen überlegenen Standpunkt stellt, den alten Stand der Kritik unterwirft und ihn zugleich innerhalb seiner Grenzen rechtfertigt. Die Metaphysik leistet nicht nur eine Entlarvung des Scheines, sondern stellt auch den Grund der Scheinbildung und des Irrtums fest, den sie 41 42
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Vgl. KAULBACH5, 69. Vgl. G II 115: „Comme si l'une agissoit sur l'autre". Vgl. Mon. § 81 = G VI 621: „Ce Systeme fait, que les corps agissent comme si (par impossible) il n'y avoit point d'Ames, et que les Ames agissent comme s'il n'y avoit point de corps, et que tous deux agissent comme si Tun influoit sur l'autre." Vgl. G VII317. G IV 484. Vgl. Th., Preface = G VI 45. Siehe dazu oben S. 16 A. 58.
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von dem Standpunkt, der den Blick auf die Sache selbst eröffnet, zu erkennen vermag."46 Der Versuch der Vermittlung zwischen der Auffassung des menschlichen Verstandes im «Systeme commun» und derjenigen im «Systeme nouveau» hat die Berechtigung gezeigt, mit der man auch nach Einsicht in die Weite und Unabhängigkeit jeder Substanz noch davon sprechen kann, daß Körper und Seele und auch die Substanzen untereinander aufeinander einwirken, wobei diese Einwirkung aber eine andere Bedeutung annimmt als im «Systeme commun».47 Wenn Leibniz so die Sprache des «Systeme commun» wählt, so hat das also nicht nur „vordergründig-didaktische1 Motive",48 sondern ist sowohl sachlich als auch formal begründet. Diese sachliche und formale Begründung ist es denn auch, die es Leibniz ermöglicht, in der Diskussion mit Locke in der Frage nach dem Eingeborenen die Sprache des «Systeme commun» didaktisch einsetzen zu können. Hier wählt Leibniz die Redweise des «Systeme commun» bewußt, um eine gewisse Annäherung an Locke zu erreichen und so diese Philosophie mit ihren eigenen Mitteln zu schlagen, wobei eine gewisse Anpassung von Leibniz sehr wohl gewollt ist.49 Haben wir so die Literatur zu Unrecht kritisiert? Wir meinen nicht, denn — wenn auch Leibniz berechtigt ist, unvermittelt aus der Ebene des «Systeme commun» in diejenige des «Systeme nouveau» überzuwechseln, so darf dies „nachdenkende" Interpretation nicht in dieser einfachen Weise mitvollziehen. Sie muß vielmehr die vermittelnden Schritte einfügen, damit das Vorgehen Leibniz' verständlich wird. Das unvermittelte Überwechseln innerhalb der Literatur ist geradezu Indiz dafür, daß dieser Wechsel nicht realisiert worden ist.
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KAULBACH5, 85; vgl. 84. Vgl. G II 133: „Cependant je tiens qu'une substance creee n'agit pas sur une autre dans la rigueur metaphysique, c'est ä dire avec une influence reelle. Aussi ne $9auroit on expliquer distinctement, en quoy consiste cette influence, si ce n'est ä l'egard de Dieu, dont l'operation est une creation continuelle, et dont la source est la dependence essentielle des creatures. Mais a fin de parier comme les autres hommes, qui ont raison de dire qu'une substance agit sur lautre, U faul donner une autre notion a ce qu'on appelle Action". — Hervorhebungen von mir! JACOBI,215. Vgl. dagegen EBD. Wenn HAUSMAN, 226, meint, der Wechsel auf die Ebene des «Systeme commun» sei eine „smoke screen", so verkennt ein solches Urteil nicht nur die Berechtigung, sondern auch die tiefere Bedeutung eines solchen Vorgehens.
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Oder umgekehrt: Ist dieser Wechsel der Ebenen realisiert worden, so wurde nur allzu oft die Vermittlung übersehen, die Leibniz ja selbst anbietet. Auch nach Einsicht in diese Dialektik der Leibnizschen Sprache ändert sich an der grundsätzlichen Feststellung nichts, daß der Satz vom intellectus ipse zunächst einmal im «Systeme commun» seine Gültigkeit hat und ursprünglich auch für diese Ebene bestimmt war. Daß er natürlich auch innerhalb des «Systeme nouveau» eine gewisse Berechtigung behält, entbindet doch nicht von der Kritik, die wir an den meisten Darstellungen der Leibnizschen Erkenntnistheorie vorgenommen haben. Denn die Behauptung, der Satz vom intellectus ipse bringe programmatisch Leibniz' erkenntnistheoretische Position und mithin auch seine Auffassung des menschlichen Verstandes zum Ausdruck, übersieht einfach die Schwierigkeiten, mit der diese Formulierung belastet ist, übersieht die dialektische Struktur der Leibnizschen Philosophie und kann damit immer nur weiter dazu beitragen, diese Struktur zu verharmlosen oder sogar zu verschleiern, was aber bedeutet, daß die Leibnizsche Philosophie in ihrer eigentlichen Intention unverstanden bleiben muß. Denn nicht übersehen werden darf hierbei, daß die jeweilige Begrifflichkeit, die Leibniz ja zum Teil sowohl innerhalb des «Systeme commun» als auch innerhalb des «Systeme nouveau» gebraucht, eine je verschiedene Bedeutung annimmt.
§ 34 Standpunktwechsel, Konzilianz und philosophia perennis Die Rechtfertigung des Standpunktwechsels zwischen «Systeme commun» und «Systeme nouveau», die formal und sachlich begründet ist, ist es letztlich auch, die es Leibniz ermöglicht, sich dem jeweiligen Gesprächspartner anzupassen. Ja, die auf der einen Seite so gepriesene,50 auf der anderen Seite so angeprangerte Konzilianz unseres Philosophen51 erfährt hierdurch zugleich ihre letzte, philosophisch begründete Legitimation. Das Sich-Einlassen auf den Lockeschen Standpunkt, die Nähe zu seiner empiristischen Position, wird erst mög50 51
Vgl.MAHNKE,316. Vgl. SCHMALENBACH, der von einer „prinzipiellen Konziliatorik" bei Leibniz spricht (478ff.) und diese als Produkt aus dem allgemeinen Harmonierungsstreben versteht (484. 504f.). Er geht sogar so weit, diese Konziliatorik in die Nähe des Eklektizismus zu verweisen (484). Vgl. C. WILSON, die neuerdings ungeschützt von Leibniz' „well-known eclecticism" spricht (4; vgl. 330).
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lieh aufgrund dieses philosophisch begründeten Standpunktwechsels. Die Konzilianz Leibniz' ist also weder eine schlechte Anpassung noch ein didaktischer Kniff,52 sondern die aus dem philosophischen Denken Leibniz' selbst resultierende Methode, die ihre erkenntnistheoretische Rechtfertigung erfährt.53 Es ist also zu einfach und sachlich falsch, diesen Standpunktwechsel mit Burgelin Leibniz' „goneYosite" coutumiere" zuzuschreiben.54 Ein solches Verständnis ist getragen von Unverständnis in die tieferen Strukturen Leibnizscher Philosophie, die wesentlich geprägt ist durch Begriffe wie Standpunkt, «point de vue» u.a., also durch das, was Kaulbach die „metaphysischen Kategorien der Perspektivität" nennt,55 welche eine doppelte Rolle spielen: Diese Kategorien sind nämlich einerseits selbst Gegenstand der metaphysischen Reflexion, andererseits aber fungieren sie gleichzeitig auch als Erkenntnisbedingungen metaphysischen Denkens.56 In diesem Sinne ist Leibniz' Philosophie des Erkennens immer schon Erkenntnismetaphysik, um einmal den von Nicolai Hartmann geprägten Begriff aufzugreifen.57 Damit aber sind wir zum Anfang unserer Untersuchung zurückgekehrt, zur Frage: Ist Leibniz ein Erkenntnistheoretiker?58 Die von der Substanzlehre losgelöste Auffassung menschlichen Erkennens innerhalb des «Systeme commun» könnte man als Erkenntnistheorie qualifizieren; sie erscheint als solche in keiner Anbindung an metaphysische Fragestellungen der Leibnizschen Philosophie formuliert. Doch hat die Kategorie des Standpunktes die notwendige Verflechtung mit der Metaphysik offenbar werden lassen. Die Auffassung menschlichen Erkennens innerhalb des «Systeme commun» ist immer rückverwiesen an diejenige des «Systeme nouveau», welche notwendig aus der Substanzlehre resultiert. Der „Schein" wird vom metaphysischen Denken „übergangen", welches sich auf einen neuen, überlegenen 52 53
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JACOBI, 215; vgl. dagegen Cass.2, XII. JASPERS, 232, ist sich dieser Denkform nicht bewußt, wenn er die folgende Frage stellt, auf die er keine Antwort weiß: „Ob bei Leibniz ein gleichbleibendes, unerschütterliches, wahres Ganzes wirke, das fähig ist, in den Begriffen und Anschauungen der Gegner zu sprechen, sich ihnen anpassend, um sie zum Verständnis zu führen, ohne sich an sie zu verlieren, — oder ob es sich dabei auch um vielleicht tatsächliche Anpassungen und dabei Verschiebungen seiner Grundanschauungen handle*4?
BURGELIN, 249. KAUBACH5,79. EBD., 78.
Vgl. HARTMANN ', Ulf. 3ff. Siehe oben S. 3ff.
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Standpunkt erhebt. Der alte Standpunkt wird der Kritik unterworfen, gleichzeitig aber innerhalb seiner Grenzen gerechtfertigt.59 Die Konzilianz unseres Philosophen ist so immer eine Konsequenz dieser metaphysischen Kategorie der Perspektivität. In einer gewissen Weise geradezu paradox ist es, daß es aber nicht Leibniz' eigentliche Auffassung in der Frage nach dem menschlichen Verstand ist, die fortgewirkt hat, sondern vielmehr das Nicht-Leibnizsche,60 die Auffassung des menschlichen Verstandes, wie Leibniz sie in der Sprache des «Systeme commun» dargestellt hat. Aber dadurch, daß diese Ebene durch den begründeten Standpunktwechsel doch immer auch als bedingt wahr gelten kann,61 gelingt es Leibniz selbst, durch die Patina seiner eigenen historischen Begrenztheit hindurchzustoßen und philosophia perennis im Wesenssinn des Wortes zu betreiben. Damit aber ist die Sprache des «Systeme commun» auch wieder als das der Leibnizschen Philosophie niemals Fremde eingeführt. Und gerade diese „Unterbietung" seiner eigentlichen philosophischen Erkenntnisse ist es, die in der Geschichte der Philosophie einen nicht unerheblichen Einfluß bekommen hat. Wenn auch nicht alle Probleme der Leibnizschen Erkenntnistheorie angeschnitten oder gelöst werden konnten, so hat die vorliegende Untersuchung doch eins deutlich werden lassen: Es gibt nicht die Leibnizsche Auffassung des menschlichen Verstandes, mithin auch nicht die Auffassung vom menschlichen Erkennen oder die Leibnizsche Erkenntnistheorie,62 sondern wir können immer nur entweder von Leibniz' Auffassung des menschlichen Verstandes im «Systeme commun» oder von derjenigen im «Systeme nouveau» sprechen bzw. von Leibniz' Erkenntnistheorie in „metaphysico rigore" oder von derjenigen „dans 1'usage ordinaire de la vie". Die Vermengung dieser beiden Ebenen trägt 59
Vgl. KAULBACH5, 85. *"" Vgl. dazu die schon oben S. 9 A. 28 zitierte Bemerkung Natorps. 61 Vgl. KAULBACH3, 137: „Was so das natürliche Denken und Sprechen sagt und denkt, kann relativ zu den Voraussetzungen, unter denen es gesagt und gedacht wird, ruhig weiter gelten: es kann als gerechtfertigt angesehen werden, selbst wenn es sich vor dem Richterstuhle des höheren Denkens als Irrtum erweist." 62 Der jüngst erschienene Beitrag von BURKHARDT2 ist ein Negativbeispiel par excellence fur die unreflektierte Vermengung von «Systeme commun» und «Systeme nouveau» bei Leibniz, was auch schon der Titel andeutet: „Die Leibnizsche Erkenntnistheorie".
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in keiner Weise zur Erhellung, sondern immer nur zur Verdunklung von Leibniz1 an sich schon nicht leichtem Denken bei. Auch wenn Leibniz selbst diese beiden Ebenen nur selten ganz trennt, er oft unvermittelt von der einen in die andere Ebene überwechselt, ohne ausdrücklich darauf hinzuweisen, so ist das noch lange nicht auch „nachdenkender" Interpretation erlaubt. Sie sollte und muß diese Ebenen unbedingt berücksichtigen und immer auch sagen, welche Ebene jeweils gemeint ist. Geschieht dies nicht, so ist sich der jeweilige Interpret entweder der Problematik als solcher nicht bewußt, oder er sieht nicht die Probleme, die dahinterstehen, da mit dem Wechsel der Ebenen gleichzeitig auch eine Verschiebung der Bedeutung der Begrifflichkeit impliziert ist, die als solche oft dem Wortlaut nach die gleiche bleibt. In seiner Addition a l'Explication du Systeme nouveau touchant l'union de l'ame et du corps, envoyue a Paris a ['occasion d'un livre iniilide Connoissance de soy meme macht Leibniz hierauf eigens aufmerksam, begründet aber gleichzeitig sein Vorgehen und warnt auch sogleich vor Mißverständnissen, wenn es hier heißt: „Ich hebe die gewöhnlichen Unterscheidungen gar nicht auf..., und ich nehme die Worte nur deshalb in diesem außergewöhnlichen Sinne, weil ich keine geeigneteren Begriffe finde, um mich auszudrücken. Und wenn man darauf nicht achten will, wird man mir tausend scherzhafte und nichtige Einwände machen, die nur für einen Mann aus dem Volk gut wären, der über das Innere der Dinge wenig unterrichtet ist und der zum Beispiel die Ansichten des Kopemikus und Descartes als überspannt abtun wird."63 Mit diesem Ergebnis unserer Untersuchung wird das diesbzgl. Leibnizbild der üblichen Philosophiegeschichtsschreibung nicht unwesentlich korrigiert. Denn es ist deutlich geworden, daß das Urteil über Leibniz als absoluten Aprioristen nicht ungeschützt stehenbleiben kann neben dem vermeintlichen Resümee seines erkenntnistheoretischen Nachdenkens: dem „nisi"-Satz. Hier handelt es sich erst einmal um zwei ganz verschiedene Auffassungen in bezug auf die menschliche Erkenntnis. Die Einsicht, daß diese beiden Auffassungen sich letztlich nicht als gänzlich inkompatibel erweisen, wurde aber erst möglich
G IV 582f. („Je ne leve point les distinctions ordinal res ..., et je ne prends les mots dans ce sens extraordinaire que parceque je ne trouve point de termes plus propres pour m'exprimer. Et si on ne veut point prendre garde a cela, on me fera mille objections badines et de neant, qui ne sieront bien qu'ä quelque homme du peuple peu informe de l'interieur des choses et qui traitera par exemple les sentimens de Copemic et de des Cartes d'exlravagans.").
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aufgrund der Erkenntnis in die verschiedenen Ebenen Leibnizschen Denkens. Dieser Zusammenhang wurde aber bisher in der Literatur nicht aufgewiesen. Es war unser Bemühen, in der vorliegenden Untersuchung diesen Wechsel der Ebenen und die sich hieraus für das Verständnis der Leibnizschen Philosophie ergebenden Schwierigkeiten anhand seiner Auffassung des menschlichen Verstandes aufzuzeigen und einer Lösung zuzuführen. Wenn diese Untersuchung dazu anregen sollte, auch andere Themen der Leibnizschen Philosophie mit Hilfe des Kopemikanischen Prinzips aufzuarbeiten, so hat sie ihren Sinn — einmal abgesehen von der Einzelinterpretation — reichlich erfüllt.
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III. Hilfsmittel 7. Bibliographien A. Zur Primärliteratur RAVIER, ß., Bibliographie des oeuvres de Leibniz, Paris 1937 (Nachdruck Hildesheim 1966). SCHRECKER, P., Une bibliographic de Leibniz, in: Revue philosophique de la France et de l'etranger 126 (1938) 324-346. Über die Neuerscheinungen ab 1968 berichtet die Leibniz-Bibliographie, jeweils am Schluß des Jahrgangs der Zeitschrift „Studia Leibnitiana" (ab 1969).
B. Zur Sekundärliteratur Leibniz-Bibliographie. Die Literatur über Leibniz bis 1980, begr. von Kurt Müller, hrsg. von Albert Heinekamp, Frankfurt a. M. 2. Aufl. 1984. Fortgesetzt wird diese Bibliographie durch die Leibniz-Bibliographie, jeweils am Schluß des Jahrgangs der Zeitschrift „Studia Leibnitiana".
2. Lexikon Leibniz Lexicon: A dual concordance to Leibniz's Philosophische Schriften, compiled by R. Finster u.a., Hildesheim 1988. Teil l: Verzeichnis der philosophischen Begriffe mit ausgewählten Stellen und ausführlichem Kontext (Textband). Teil 2: Konkordanz des vollständigen Vokabulars vom Typ Key-Word-In-Context (auf Microfiches).
Personenregister
Aaron, R. 1.48 A. 19 Aarsleff, H. 7 A. 19,86 A. 153 Alexander der Große 122,123 Alles, A. 169 A. 236 Alvarez Turienzo, S. 36 A. 144 Anderson, St. M. 16 A. 60, 137 A. 87, 144 A. 127 Anselm von Canterbury 38,38 A. 151 Archimedes 122 A. 289 Aristoteles 15 A. 55, 58 A. 60, 59 A. 62, 69, 70, 70 A. 91, 74 A. Ill, 79 A. 128, 80 A. 128,90,121,121 A. 19, 175 Armstrong, R. L. 48 A. 19 Amauld, A. 46 A. 6, 52 A. 29, 118 A. 4, 120, 120 A. 9, 122 A. 20, 130, 135, 141 A. 113, 155 A. 173 Arroyabe, E. 83 A. 142 Ashcraft, R. 48 A. 19 Aspelin, G. 48 A. 19 Augustinus, A. 61,61 A. 70, 92 A. 179 Axelos, Ch. 21 A. 75,30 A. 118,129 A. 54 Bacon, F. 199,199 A. 25 Baeumker, C. 71 A. 93 Barnes, J. 48 A. 19 Barreau, H. 121 A. 19 Barth, H. 7 A. 19, 86 A. 153,119 A. 6,169 A. 236 Barth, T. 30 A. 118, 92 A. 177, 157 A. 181, 182 A. 284 Baumgarten, A. 158 A. 185,184 A. 293
Bayle, P. 172 Beauval.J. B. de 141 A. 113 Becher, J.J. 80, 80 A. 129,81 Beckmann, J. P. 123 A. 22 Beiaval, Y. 3 A. 1, 25 A. 89, 26 A. 95, 28 A. 107,58 A. 58, 83 A. 142,180 A. 268 Benoil, G. von 6 A. 17, 7 A. 18, 7 A. 20, 165 A. 215,165 A. 221,179 A. 264,182 A. 281 Bernoulli, J. 8 Bierling, F. W. 101 Billettes.G. F. des 17 A. 61 Bjelke, J. F. 169 A. 236 Bloch, E. 162 A. 198 Blumenberg, H. 16 A. 58 Boethius, A. M. 13, 81 A. 132, 126, 127, 127 A. 42, 127 A. 43, 127 A. 44, 128, 129, 129 A. 54,129 A. 55 Bonn, W. 6 A. 16, 10 A. 30, 169 A. 236, 184 A. 293 Bolton, M. B. 54 A. 38 Bonaventura 13 Bonno, G. 48 A. 19 Boutroux, E. 119 A. 6 Bovillus, C. 80 A. 128 Brands, H. 5 A. 12, 9 A. 68, 21 A. 81, 48 A. 18. 48 A. 19, 72 A. 101, 95 A. 193, 114, 114 A. 296 Brennan, R. E. 59 A. 60,59 A. 62,142 A. 121 Brod, M. 91 A. 177 Brunner, F. 36 A. 144
244
Personenregister
Burgelin, P. 19 A. 68, 54 A. 38, 54 A. 39, 55 A. 44, 55 A. 47, 71 A. 93, 121 A. 19, 122 A. 20,133 A. 68, 137 A. 90,139 A. 98, 156 A. 176, 160 A. 188, 161 A. 1%, 175 A. 253,209 A. 54 Burkhardt, H. 7 A. 20, 210 A. 62 Burnett, Th. 20 A. 71, 65, 95 A. 195 Burridge, R. 46 A. 5 Busche, H. 142 A. 121,142 A. 122 Capesius, J. 174 A. 249 Cassirer, E. 4 A. 7, 5 A. 9,20 A. 71,20 A. 73, 31, 46, 46 A. 8, 46 A. 9, 54 A. 38, 84 A. 143,119 A. 7,169 A. 236,174,182 A. 281, 182 A. 284, 184 A. 293 Chadwick, H. 127 A. 46 Cheibury, E. Lord H. von 48 A. 19 Chomsky, N. A. 21 Cicero, M. T. 80 A. 128 Clarke, S. 160 Coming, H. 24 A. 86 Cooper, D. E. 6 A. 17 Copleston, F. 19 A. 68 Coste, P. 37 A. 148,46 A. 5 Couturat, L. 91 A. 177,119 A. 7,122 A. 20 Cramer, W. 169 A. 236 Cudworth, R. 48 A. 19 Curley, E. 9 A. 26,19 A. 68 Dascal,M.91 A. 177 Del Boca, S. 12 A. 34 Deleuze, G. 137 A. 89 Descartes, R. 6 A. 17, 14 A. 51, 19 A. 69, 27, 27 A. 97, 27 A. 99, 47 A. 11, 56, 56 A. 51, 58, 62, 63, 80 A. 128, 81, 82 A. 134, 83 A. 142, 102, 103 A. 232, 103 A. 234, 107, 107 A. 261, 117, 121 A. 17, 143, 155, 155 A. 172,179 A. 265,183,183 A. 288,211 Dienst, K. 13 A. 44 Dillmann, E. 119 A. 7,147 A. 148 Döhl, I. 165 A. 216 Duns Scotus, J. 123
Duproix, J. 33 A. 132, 35 A. 143, 36 A. 144, 38 A. 149 During, I. 80 A. 128 Enge, T. O. 35 A. 140,37 A. 146 Engelhardt, W. von 21,21 A. 78,21 A. 79 Erdmann, J. E. 169 A. 236, 184 A. 293 Ernst, Ch. 16 A. 58 Ernst, Landgraf von Hessen—Rheinfels 46 A. 6,119 A. 9 Eugen, Prinz von Savoyen—Carignan 8 Euklid 112 A. 289 Fardella,M. A. 121 A. 17 Feuerbach, L 81 A. 133 Fichte, J. G. 13 Fischer, K. 4 A. 7,10 A. 29, 30 A. 118,46,46 A. 7, 46 A. 9,169 A. 236 Frenzel, B. 7 A. 20,107 A. 257,181 A. 273 Friedemann, G. 124 A. 27 Gabriel, G. 57,57 A. 55 Gäbe, L. 93 A. 183,111 A. 277 Gaiser.K. 11 A. 31 Ganz, H. 169 A. 236 Gerhardt, C. 1.138 A. 95 Gibson, J. 7 A. 19, 48 A. 19, 91 A. 177, 169 A. 236 Gilson,E\ 19 A. 68,47 A. 13 Görland, A. 9 A. 28 Görland, I. 179 A. 126 Grau, K. J. 20 A. 71, 24 A. 84, 107 A. 254, 124 A. 30, 158 A. 185, 173 A. 246, 177 A. 258 Greenlee, D. 48 A. 16 Guhrauer, G. E. 12 Gurwitsch, A. 20 A. 71, 92 A. 177, 100 A. 222, 107 A. 255, 126 A. 36, 126 A. 38, 131 A. 60, 134 A. 73, 139 A. 98, 147 A. 148, 172 A. 243,174 A. 248, 174 A. 249,179 A. 264, 179 A. 265, 180 A. 268, 181 A. 273,
Personenregister 182 A. 281,183 A. 288, 185 A. 299,186 A. 302,187 A. 305 Hacking, I. 3 A. 1 Hansch, M. G. 79 A. 128 Harris, J. 19 A. 68 Hart, D. B. 3 A. 2,55 A. 47
245
Horn, J. H. 173 A. 245, 182 A. 279, 182 A. 281 Hospital, Marquis de 121 A. 17 Huber, K. 17 A. 61 Hume, D. 100 A. 222 Huygens, Ch. 150 Hylla, E. 174 A. 249
Hartenstein, G. 7 A. 18,160 A. 192 Hartmann, N. 6 A. 16, 157 A. 183, 158 A. 184,182 A. 279, 209,209 A. 57 Hausman, A. 160 A. 192,207 A. 49 Hegel, G. W. F. 4 A. 7 Heidegger, M. 158 A. 185 Heimsoeth, H. 3 A. 1, 5 A. 9, 25 A. 89, 27 A. 105,29 A. 116,30 A. 118,58,58 A. 58,63, 63 A. 75, 68 A. 89, 71 A. 93, 91 A. 177,92 A. 179, 117, 118 A. 3, 119 A. 6, 119 A. 7, 119 A. 8, 122 A. 20, 134 A. 79, 137 A. 88, 137 A. 91, 141 A. 108, 142 A. 119, 155 A. 172, 163 A. 201, 163 A. 203, 171, 171 A. 239, 178 A. 261, 179 A. 265, 184 A. 293, 186,186 A. 303 Heinekamp, A. 8 A. 25,12 A. 35,17 A. 61 Heraldit71 A. 93 Herbertz, R. 107 A. 254, 119 A. 6, 162 A. 198,164 A. 209 Herring, H. 20 A. 72,21 A. 80, 38 A. 150 Hildebrandt, K. 5 A. 9, 6 A. 17, 19 A. 68, 29 A. 112, 35 A. 140, 70 A. 91, 101 A. 227, 140 A. 107,183 A. 288 Hippokrates 147 A. 144 Hirschberger, J. 20 A. 74,49, 49 A. 21, 60,60 A. 66,101 A. 227,119 A. 6 Hobbes, Th. 54 A. 38,128,128 A. 49 Hochstetter, E. 12 A. 34,17 A. 61, 80f., 81 A. 131, 82,119 A. 9,158 A. 184,184 A. 293 Holenstein, E. 172 A. 243,173 A. 245 Holz, H. H. 3 A. 2,5 A. 9,21 A. 77,22 A. 82, 52, 52 A. 29, 158 A. 185, 174, 182 A. 284, 184 A. 293 Holzhey.H. 10 A. 31 Holzner, B. 7 A. 20
Jacobi, K. 46 A. 9, 160 A. 192, 192 A. 3, 207 A. 48,209 A. 52 Jaenicke, K. 10 A. 30 Jalabert, J. 6 A. 17, 91 A. 177,122 A. 20, 133 A. 66 Jandl, E. 182 A. 281 Janke, W. 19 A. 69, 58 A. 56, 132 A. 61,132 A. 62.165 A. 215 Jansen, B. 3 A. 1, 5 A. 9, 7 A. 20, 20 A. 72, 74 A. Ill, 119 A. 6, 184 A. 293 Jaquelot, I. 45 A. 3.153 Jaspers, K. 17 A. 61, 21 A. 75, 21 A. 78, 21 A. 79,119 A. 7,209 A. 53 Jauch, U . P . I 1 A. 32 Johann Friedrich, Herzog von Hannover 35 A. 138,135 A. 84 Jolley, N. 7 A. 19, 7 A. 20. 19 A. 68, 85 A. 151,132 A. 61,177 A. 257 Kabitz, W. 20 A. 72, 20 A. 73, 33 A. 133, 54 A. 38,91 A. 177,119 A. 7,147 A. 143 Kaehler, K. E. 3 A. 2.24 A. 86,179 A. 266 Kant, I. 7 A. 20,13,13 A. 45 Kanthack, K. 182 A. 284 Kaphagawani, D. N. 129 A. 54 Kastil, A. 19 A. 69 Kaulbach, F. 12,12 A. 36,13,13 A. 46,13 A. 47, 15, 15 A. 56, 16 A. 58,16 A. 59, 30 A. 118, 129 A. 54, 134 A. 74, 153 A. 165, 166 A. 221, 166 A. 224, 206, 206 A. 41, 207 A. 46,209 A. 55,210 A. 59,210 A. 61 Klaus, G. 6 A. 15 Knüfer, C. 140 A. 105, 158 A. 185, 169 A. 236 Köhler, E. 52 A. 27
246
Personenregister
Köhler, P. 20 A. 72, 119 A. 7, 134 A. 79, 136 A. 86, 137 A. 86 Koenig,E.7A. 18,109 A. 269 Kopemikus, N. 13 A. 40, 14, 15 A. 55, 16 A. 58,175,191,192,202,202 A. 31, 205, 211 Kremer, K. 80 A. 128, 105 A. 243, 108 A. 263,127 A. 46,162 A. 198 Krüger, G. 118 A. 4,134 A. 73 Kulstad, M. A. 20 A. 71, 107 A. 255, 137 A. 89,144 A. 127,162 A. 198,174 A. 246 Kuntze.F. 91 A. 177 Laberthonniere, L. 182 A. 279 Lachelier, H. 6 A. 16, 24 A. 84, 70 A. 91, 169 A. 236 Latta, R. 6 A. 16, 119 A. 6, 169 A. 236, 173 A. 245 Leinsle, U. G. 179 A. 265 Leroux, G. 6 A. 16, 19 A. 68, 46 A. 9, 110 A. 272,169 A. 236 Lessing, G. E. 10, 10 A. 29, 11 A. 32, 12, 17 A. 65 Lichtenberg, G. Ch. 16 A. 58 Lindsay, J. 7 A. 18 Locke, J. 4, 4 A. 7, 6, 6 A. 17, 7,7 A. 18, 7 A. 19, 19, 19 A. 68, 21, 45, 45 A. 3, 45 A. 4, 46,46 A. 9,48,48 A. 18,48f. A. 19,49,69, 70, 70 A. 91, 73 A. 103, 73 A. 104, 75, 76, 77, 77 A. 120, 77 A. 121, 79, 79 A. 125, 79f. A. 128, 84, 84 A. 147, 85, 86, 89,92 A. 180, 99, 104, 104 A. 239, 105, 107, 109, 110, 110 A. 273, 112, 132, 132 A. 61, 155, 156 A. 178, 175 A. 254, 179 A. 262, 183, 183 A. 288,207, 208 Loefler, F. S. 127 A. 43 Loemker, L. E. 3 A. l, 51 A. 25, 52 A. 29, 140 A. 106,182 A. 284 Lorenz, K. 5 A. 9 Lüdtke, F. 162 A. 198, 174 A. 251 Mahnke, D. 8 A. 22, 63 A. 75, 91 A. 177, 119 A. 7, 121 A. 17,137 A. 86, 141 A. 113, 169
A. 236, 182 A. 281, 182 A. 284, 184 A. 293,208 A. 50
Malebranche, N. 52 A. 29, 79 A. 125, 153, 160 A. 189 Marschallek, F. 3 A. 2, 83 A. 142,103 A. 237, 137 A. 87 Martin, G. 29 A. 113, 30 A. 118,185 A. 299 Masham, D. 141 A. 108 Mates, B. 6 A. 15,20 A. 72 McRae, R. 4 A. 7, 9 A. 27, 30 A. 118, 92 A. 177, 95 A. 194, 97 A. 208, 107 A. 255, 119 A. 6,124 A. 31,137 A. 87,155 A. 171,169 A.236,174 A. 249 Meister Eckhart 13 Mettler, H. 10 A. 29 Mittelstraß, J. 121 A. 19, 182 A. 279 More, H. 48 A. 19 Naert, E. 133 A. 67,179 A. 263 Narskij, I. S. 3 A. 2,6 A. 16,11 A. 33 Natorp, P. 9 A. 28, 210 A. 60 Newton, I. 65 Mieden, F. J. 107 A. 257 Nieraad, J. 9 A. 27, 13 A. 46, 16 A. 58, 16 A. 60,184 A. 294,191,191 A. 2 Nikolaus von Cues 80 A. 128, 105 A. 243, 108 A. 263 O'Briant, W. H. 12 A. 35 Odegard, D. 6 A. 16 Otto, H. 19 A. 68,63 A. 75 Palägyi, M. 3 A. l Pape, I. 5 A. 9,6 A. 16,20 A. 71,48 A. 17, 91 A. 177, 92 A. 177, 117 A. 2, 119 A. 7, 134 A. 74, 162 A. 198, 181, 181 A. 277, 181 A. 278, 182 A. 284, 183 A. 285, 184, 184 A. 291 Parkinson, G. H. R. 11 A. 32,107 A. 257, 129 A. 54,169 A. 236,184 A. 293 Paulus, ffl. 69,70 A. 90
Personenregister Piat, C. llf. A. 34, 20 A. 72, 157 A. 182, 184 A. 293 Picco, 1.7 A. 18 Pichler, A. 35 A. 140 Piepmeier, R. 15 A. 57, 17 A. 62, 134 A. 71, 134 A. 72,134 A. 74 Placcius, V. 11 A. 34 Platon 15 A. 55, 63,69, 70, 72 A. 101, 76, 80 A. 128, 84 A. 143, 86, 86 A. 154, 109, 111, 111 A. 280,113, 113 A. 291, 114, 175, 175 A. 254 Plotin 162 A. 198 Poser, H. 121 A. 17 Ptolemäus, Cl. 16 A. 58,191,202,202 A. 31 Reininger, R. 6 A. 16, 7 A. 20, 134 A. 73, 134 A. 74, 141 A. 109, 157 A. 182, 169 A. 236, 182 A. 279 Reiter, J. 96 A. 202,155 A. 172,160 A. 189 Remond, N. 8 Rescher, N. 7 A. 18, 107 A. 255, 157 A. 182, 162 A. 198,174 A. 249,182 A. 284 Ripalda, J. M. 94 A. 189,157 A. 183 Robinet, A. 92 A. 179, 177 A. 258, 180 A. 271 Ros, A. 52 A. 25 Roth, P. 4 A. 7 Roy,W. 141 A. 108 Rudolph, E. 121 A. 19 Russell, B. 8 A. 21, 11, 11 A. 33, 19, 119 A. 7,164 A. 209,169 A. 236 Rülf, J. 162 A. 198 Saame.O. 121 A. 17 Salas Ortueta, J. de 3 A. l, 19 A. 68, 137 A. 89,141 A. 113,160 A. 192,184 A. 293 Salomon, L. 137 A. 87, 173 A. 245, 174 A. 249 Savile, A. 19 A. 68 Schimoler, R. L. 3 A. l, 6 A. 16,177 A. 258 Schmalenbach, H. 8 A. 21, 21 A. 75, 141 A. 109, 208 A. 51
247
Schmidt, F. 45 A. 3,138 A. 95 Schneiders, W. 6 A. 16, 81 A. 133, 82 A. 135, 83 A. 142, 91 A. 177, 117 A. 2,133 A. 71, 140 A. 107,158 A. 185,177 A. 259,184 A. 293 Schrader, W. 91 A. 177 Schüßler, W. 51 A. 23 Schutt, H.-P. 121 A. 19 Schwyzer, H.-R. 162 A. 198 Seidel, W. 6 A. 15,182 A. 284 Seidl, H. 80 A. 128 Shaftesbury, A. A. C. 48 A. 19 Siewerth.G. 142 A. 121 Sigall, E. 88 A. 163,109 A. 269 Silberstein, A. 4 A. 6, 6 A. 17, 7 A. 20, 160 A. 192 Sophie Charlotte von Hannover 49,64 A. 79 Sperling, J. 81 Spinoza, B. de 11 A. 33, llf. A. 34, 124 A. 27,127 A. 43, 155 Stack, G. J. 5 A. 9, 20 A. 70, 26 A. 95, 81 A. 132, 81 A. 133, 134 A. 74, 182 A. 284, 184 A. 293 Stahl, D. 79,79 A. 127 Staude, O. 173 A. 246 Stegmaier, W. 19 A. 69, 121 A. 19, 174 A. 249 Stein, L 121 A. 17 Sticker, A. 173 A. 246,174 A. 249 Stieler, G. 52 A. 25 Stillingfleet, E. 48 A. 19 Strahm, H. 5 A. 9, 8 A. 21, 17 A. 62, 17 A. 64, 134 A. 74, 162 A. 198, 164 A. 209, 164 A. 212,179 A. 265,182 A. 284 Stuhlmann-Laeisz, R. 95 A. 193 Talmage, R. R. 19 A. 68, 28 A. 107 Tertullian 38,38 A. 153 ThUly, F. 7 A. 18 Thomas von Aquin 33, 34 A. 133, 58 A. 60, 79 A. 128,81 A. 132 Thomasius, J. 80 A. 130, 81
248
Personenregister
Tinner, W. 10 A. 29,16,17 A. 61 Tonelli, G. 17 A. 61,19 A. 68, 81 A. 133, 177 A. 259 Turck, D. 8 A. 23 Valla, L. 129 Vignoles, A. de 73 A. 103 Vois6,W. 12 A. 39 Voider, B. de 47 A. 13 Vollbrecht, R. 20 A. 72 Volz, L. 169 A. 236 Walch, J. G. 80 A. 128 Waldenfels, B. 11 A. 31 Watson, J. 119 A. 6,169 A. 236 Weber, C. 9 A. 28,153 A. 168 Weigel, E. 133 A. 69 Weizsäcker, C. F. von 3 A. 1 Wells, R. 48 A. 19
Wiater.W.51 A. 23 Wildermuth, A. 6 A. 16, 28 A. 107, 185 A. 298 Willmann, . 140 A. 106, 162 A. 198, 169 A. 236 WUson, C. 11 A. 33,120 A. 9,208 A. 51 Wisdom, W. A. 29 A. 113, 29 A. 116, 30 A. 118,91 A. 177 Wittgenstein 13 Wöhrmann, K.-R. 10, 10 A. 30,10 A. 31, 11 A. 32 Wundt, M. 3 A. 1,81 Wust,P.6A. 17,81 A. 133 Yolton, J. W. 48 A. 19 Zocher, R. 3 A. 2, 8 A. 22,20 A. 73,52 A. 25, 96 A. 202, 96 A. 204, 134 A. 74, 177 A. 259
Sachregister
Ad-hominem-Argument 19 A. 68 Abstraktionen 71 Akroamatisch lOf. A. 31,17 A. 65 Als-ob 203, 206,206 A. 42 Analyse 54 A. 39, 58,65,67,91 A. 177,95
Außenwelt 139, 140, 144, 144 A. 127, 152, 157, 159, 160, 178, 179 A. 262, 180, 182, 205; Realität der 184-187 Axiom(e) 87-92, 96, 103, 181; identische 87f., 89, 90, 93 A. 185; sekundäre 88-90; ursprüngliche 88 A. 166. Vgl. Geometrie
Analytizität 93 A. 183 Anamnesis s. Wiedercrinnening Apperzeption 87 A. 160,106-114,136 A. 85, 168,171-175,172 A. 240,173, 173 A. 245, 173 A. 246, 178, 179; Apperzeptible, das 168; apperzipieren 52, 62, 77, 85, 94, 105, 106, 124, 147 A. 146, 149, 159, 162, 164, 165,166 A. 222,172,172 A. 240, 173, 175, 200 A. 27,201 Appetit 124,124 A. 31,179 Aphorismus 5, 80 A. 128; absoluter 6f., 7 A. 20, 19 A. 68, 103f. A. 237, 156-158, 211; metaphysischer 117 A. 2; Apriorische, das 63; a priori 123; Apriorität(sproblematik) 86,93 A. 183
Begreifen 28, 34, 34 A. 134, 34 A. 136,35 A. 142,72 A. 102 Begriff 123 A. 26,176 Behaupten 34 Bemerkte, das 162, 162 A. 198, 163f., 168, 169, 169 A. 236, 172, 174. Vgl. Wahrnehmung Beweis(en) 26, 26 A. 92, 34; logischer 26; a priori 28, 31 A. 120, 34; Beweismaterie 26 A. 92 Bewußte, das s. Unbewußte, das Bewußtsein 136, 136 A. 85, 171, 174; natürliches 13f.; Bewußtseinsproblematik 62, 63, 171,178
Aristoteliker 81 Arithmetik 30 A. 118, 33 A. 129, 60 A. 68, 93 A. 182, 95 A. 193,98,109 Artbegriffe 130-132 Atom(e) 146 A. 142; substantielles 121 A. 17
Cartesianer 8, 8 A. 23, 9 A. 28, 48 A. 19, 193 A. 4, 196 A. 10 Cogito 56,63,102-103 Consensus universalis 75,105
Attribute 66; deutliche 65; sinnliche 65; verworrene 65,66
Creatio continua 207 A. 47
Auferstehung 34
Deduktion 27 A. 99,125 Definition 53 A. 36, 54 A. 37, 57, 59, 65, 66, 89,93 A. 185; Nominaldefinition 51,53, 54 A. 38,65,121,122; Realdefinition 54 A. 38
Aufmerksamkeit 76, 78, 86, 106, 108, 108 A. 267,110-112,179
250
Sachregister
Denken 169 A. 236; diskursives / schlußfolgerndes 26,27,28,38,41, 86 A. 156 Deutlichkeit s. Ideen Diesheit 122,122 A. 22,123 Diskontinuität s. Kontinuität Doktrinen 69,70,85,107 Dualität des Systems 181 Dynamik 119 A. 7 Einbildungskraft 49,50, 58,59-61,64 Einfluß s. Influxus Eingeborensein 6 A. 17, 48 A. 19, 63, 74-76, 97, 98, 119 A. 6, 129, 157, 170, 171, 178, 180, 191, 207; eingeboren 75, 77, 177. Vgl. Gottesidee, Idee(n), Prinzip(ien), Wahrheißen) Einheit, metaphysische 121 A. 17; wirkliche 121 A. 17,159 A. 187,196 A. 10 Eklektizismus 208 A. 51 Empfinden 135,169 A. 236 Empirismus 6f., 15, 46, 101 A. 227, 208; Empiristen 7 A. 18; Empiriker 100 A. 222 Entelechie 8,25 A. 86,133 A. 68 Enthymem 88 Epoche, methodische 9,47 Erfahrung 27, 69, 84, 98, 98 A. 210, 99 A. 218, 196 A. 13; als conditio sine qua non 86, 107-110, 113; innere 125 A. 33, 176, 177, 177 A. 257, 179 A. 262; unmittelbare 103 Erinnerungsbegriff 17 A. 62 Erkenntnis (Erkennen) 3 A. l, 4 A. 2; a priori 93 A. 183,157 A. 183; göttliche 91 A. 177, 123, 134; intellektuelle 169 A. 236; intelligible 58; menschliche 91 A. 177, 134, 159; reflexive 174; sinnliche 58, 103, 158, 160, 170. Vgl. Ideen, Kontinuität(sprinzip) Erkenntnismetaphysik 209 Erkenntnistheorie 3 A. l, 5 A. 9, 7 A. 20, 41, 42, 209, 210; erkenntnistheoretisch 3, 4, 5, 6, 7, 9,12,20 Erklären 34, 34 A. 134 Erotematisch 11 A. 31
Esoterik 9-12; esoterisch lOf. A. 31, 12, 17, 17 A. 65,19,46 Essenzen 157,157 A. 180 Eucharistie 34 Evidenz 48 A. 18; Evidenzkriterium 27 Ewigkeit 127, 128; Samen der 107, 107 A. 260,107 A. 261 Existenzen 131,157,157 A. 180 Exoterik 9-12; exoterisch 10, lOf. A. 31, 11, 17, 17 A. 65, 19, 46 A. 9; Exoterikprinzip 10,17 Experimental-Philosophic 31 Expression 130 A. 57, 135, 135 A. 80, 136 A. 86, 137, 137 A. 91,138 A. 95, 141 A. 113, 149 A. 154,157,182 Fatum, absolutes 125 Fensterlosigkeit s. Monade(n) Figur 59, 60 Fiktion 140,140 A. 102, 140 A. 103,160,161 Form, substantielle 8, 25 A. 86, 121 A. 17, 128 Freiheit 202; faktische 39, 40; menschliche 30 A. 118, 125, 127; rechtliche 39, 40; des Tuns 39, 40; des Wollens 39, 40. Vgl. Vernunft Gedächtnis 59 A. 60,105, 106,107 Gedanke 136; aktueller 70 A. 93; verworrener 199,201 A. 29, 203 Geist 24 A. 86, 61 A. 69, 63, 73, 121 A. 17, 122 A. 20, 133,133 A. 66,134,135,135 A. 81, 156, 177, 181, 184; als Gelegenheitsursache 204 A. 35; göttlicher 165 A. 220; menschlicher 165 A. 220; Licht des 61. Vgl. Seele Gemeinsam 49,50,58,59-61,64,65 Geometrie 30 A. 118,60 A. 68, 93 A. 182, 93 A. 185, 95 A. 193, 96 A. 201, 98, 109, 112 A. 289, 125; experimentelle 61, 186; wahre 186; Axiome der 89 Gesichtspunkt 12, 13,14,138,138 A. 93,209
Sachregister Gewißheit 54 A. 36; demonstrative 103; absolute 95 A. 195; ewige 75; experimentelle 54 A. 36; intuitive 103; metaphysische 95, 95 A. 195, 186, 187; moralische 95, 95 A. 195; physische 95, 95 A. 195; vollkommene 95 A. 195 Glaube 23 A. 84; falscher 39; wahrer 39. Vgl. Vernunft Gnade 97 Gott 24 A. 85, 30 A. 118, 32, 32 A. 124, 32 A. 128, 33 A. 129, 33 A. 133, 35, 36, 37, 39, 55, 55 A. 43,55 A. 47, 91 A. 177, 96, 96 A. 201, 107 A. 260, 123, 128, 133, 133 A. 67, 133 A. 68,133 A. 69,134 A. 74,139f., 144, 144 A. 129,182,184 A. 293,202,203,205; Dasein 94 A. 192; Denken 134 A. 73; Einfachheit 136 A. 84; Erkenntnis 4 A. 2; Verfügungen 131; Verstand 4 A. 2, 83 A. 142, 96, 96 A. 201, 125, 131, 135, 181; Vorherwissen 125; Wege 152; Weisheit 129; Wille 37, 131, 181; Willkür 183; als actus purus 145 A. 134; Gotteserkenntnis 25 A. 88; Gottesfrage 96 A. 202; Deus ex machine 151; göttliche Ökonomie 153. Vgl. Erkenntnis, Geist, Praevidentia, Providentia, Substanz(en), Vernunft Gottesbeweis, ontologischer 9 A. 26 Gottesidee, eingeborene 82,99,108, 117 Harmonie 141 A. 113,202; vollkommene 138 Hypothese 141,141 A. 108 Ich 62, 63, 130, 131, 170-182; Identität des 125 A. 33 Ich-weiß-nicht-was 52, 52 A. 27,53,167 Idee(n) 4 A. 2, 14, 45, 47, 51,51 A. 25, 52 A. 25,53 A. 32, 69,70,70 A. 93, 85, 107, 123 A. 26, 156 A. 176, 157 A. 178, 169 A. 237, 176, 183, 183 A. 288; abgeleitete 55; adäquate 34 A. 136, 52, 52 A. 30, 54, 55, 67, 196, 1% A. 14; blinde 55, 161, 161 A. 196; deutliche 34 A. 136, 51. 52, 52 A. 30, 53,54,54 A. 37,54 A. 39,56, 57,58, 59 A. 61, 60, 61, 64, 65, 66, 67, 68, 87, 99, 161,
251
169 A. 236,200 A. 27; dunkle 52,52 A. 30, 56; einfache deutliche 66, 67; eingeborene 4,6 A. 17,14,14 A. 51,19 A. 68,47, 47 A. 11, 48 A. 18, 48 A. 19, 63, 73, 74, 76-86, 92, 93, 95, 96, 97, 102-103, 11 A. 277, 118 A. 5, 169 A. 236; inadäquate 52, 52 A. 30, 54, 67; intellektuelle 24 A. 85, 77, 78, 83, 84, 86, 92, 93,94, 94 A. 191,102, 104,108, 117, 170, 171; intelligible 24 A. 86, 64, 83; intuitive 52, 52 A. 30, 55; klare 34 A. 136, 51, 52, 52 A. 30, 53, 54 A. 39, 56, 57, 58, 61, 65; reine 83, 102, 125, 170, 180; sinnliche 53 A. 33, 64; suppositive 161, 161 A.196; symbolische 52, 52 A. 30, 55, 161, 161 A. 196; verworrene 52,52 A. 30,53, 53 A. 33, 54, 54 A. 39, 56, 57, 58, 64, 66, 67, 68, 87,94 A. 189,98,158,161,161 A. 1%, 200 A. 27; vollkommene 52 A. 30; zusammengesetzte deutliche 66, 67; aktueller Besitz der 75,99; Klassen der 64; Kriterien der 52, 52 A. 28, 54 A. 38, 56; Unterscheidung der 161-169; Ursprung der 3 A. 1. Vgl. Gedanke, Gottesidee, Perzeption(en), Reflexion, Verstand Immanentismus, phänomenalistischer 185 A. 299 Indifference d'equilibre 30 A. 118 Indiszemibilienprinzip 71 Individualität 123 A. 27 Individuationsprinzip 139 Induktion 31,60,64,89,99 A. 218,100-102 Influxus physicus 140, 141f., 150, 152, 153, 1%, 198, 203, 204, 204 A. 35, 206; idealer Einfluß 204, 204 A. 35, 205; metaphysischer Einfluß 204 A. 35; physischer Einfluß 204,205 Inkarnation 34,34 A. 134,197,197 A. 17 Instinkt 94 A. 189 Intellection 24,24 A. 85 Intellects ipse 63, 66, 76, 77, 80 A. 130, 82-84, 87, 94, 102, 103 A. 237, 175-180, 208; nisi-Satz 5,7,7 A. 20, 62 A. 74,64 A. 79,76, 78,79-82,83 A. 142, 102,211. Vgl. Verstand
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Sachregister
Intelligible, das 61, 62,68 Intuition 27,27 A. 99 Irrationalität 36; Irrationale, das 184 Irrtum 26 A. 95 Isomorphismus 6 A. 15
Lumen naturale 36, 92 A. 179, 93 A. 189; (innatum) intellectus 107 A. 260, 111 A. 277. Vgl. Geist
Kanones 89 Kausalbegriff, naiver 100 A. 222 Kausalität, Satz der 30 A. 118 Körper 14, 15, 121 A. 17, 122 A. 20,146, 147 A. 144, 147 A. 148, 165, 183, 197 A. 17, 202; als Maschine 161; Substantialität der 15 A. 55, 153 A. 168; und Seele 18 A. 66, 118, 152, 153, 171, 202, 203, 207; und Seele, Einheit / Verbindung / Übereinstimmung von 140, 146, 147, 150, 160f., 196, 196 A. 10,197,198; Körperlehre 119 A. 7 Kompossibilität91 A. 177 Kontingenz 126,127,128. Vgl. Wahmeit(en) Kontinuität(sprinzip) 146, 146 A. 142, 152, 164, 165, 166, 168f., 171; der Erkenntnis 67, 67 A. 88, 167-169, 180; der Perzeptionen 134 A. 71; im Bereich der Sinnlichkeit 168; zwischen Sinnlichkeit und Verstand 168; Diskontinuität 67, 67 A. 88, 134 A. 71, 180,180 A. 268 Konzilianz 208-212 Kopemikanisches Prinzip 12-17, 41, 47, 191, 212; Kopemikanische Reflexionsfigur 14; Kopemikanische Reform 16 A. 58; Kopernikanische Sprache 16 A. 58; Kopemikanische Wende 13,191 Kopemikanerl93 A. 4 Kreis 124,125,130,130 A. 57
Mäeutik 11 A. 31,77; mäeutisch 10,12 Manichäer 33 A. 133 Marmorbeispiel 73,106,111 Masse, passive 8 Materie 122 A. 20,148; erste 8 Mathematik 30 A. 118, 60, 61, 65 91 A. 177, 93 A. 182. Vgl. Vernunft Maximen 89, 89 A. 170 Meeresgeräusch 172 Metaphysik 29 A. 114, 54 A. 38, 93 A. 185, 122 A. 20, 192, 206; Ideen der 62; metaphysische Grundbegriffe 179 Methodik 7-9,17-22 Moderne 3 A. l Möglichkeit(en) 4 A. 2, 99, 131 A. 60; reine 71; Region der 127; a priori / a posteriori 54 A. 38. Vgl. Verstand Monade(n) 4, 19, 19 A. 68, 23 A. 84, 24 A. 86,48,121 A. 17,124,133 A. 68,170,134, 174, 204 A. 35; geistige 180 A. 268; rohe 180 A. 268; Fensterlosigkeit 142,156,156f. A. 178 Monadologie 6, 9 A. 28, 17 A. 66, 18, 19 A. 68,19 A. 69,49,119 A. 6,119 A. 7,202 Moral 41,41 A. 162,62 Mundus intelligibilis 131 A. 60 Mysterien 29,33, 33 A. 131,33 A. 132, 33 A. 133, 34, 34 A. 134, 35, 35 A. 138, 35 A. 140,36, 37; Warum der 35, 36; Was der 35; Wie der 34 A. 134,35, 35 A. 138,36
Latent 105,105 A. 244 Lebensprinzip 8 Leidenschaften 39,199,201,201 A. 29,203 Leiter-Motiv 13 Licht s. Lumen Logik 23 A. 84, 32, 33, 33 A. 129, 62, 93 A. 182, 119 A. 7, 122 A. 20; natürliche 88, 94 A. 189
Nativismus 109 A. 269 Naturgesetze 37,97,199 Nexus universalis 147 A. 144 Nichts 55.55 A. 43 Nisi-Satz s. Intellectus ipse Notwendigkeit, absolute 37 A. 147, 37 A. 148, 40, 125, 126 A. 37, 127, 128, 129; geometrische 37, 37 A. 147, 38, 97, 129;
Sachregister hypothetische 37 A. 148, 125, 126, 126 A. 37, 127, 128, 129; logische 37, 37 A. 147, 38, 95, 97; metaphysische 37, 37 A. 147, 38,40,95 A. 195,97,126 A. 37,126 A. 38; moralische 37, 37 A. 148, 95 A. 194, 97; physische 37, 97, 126 A. 37, 126 A. 38; sittliche 97; der Folge 128. Vgl. Wahrheißen) Noumena20A.70 Offenbarung 23 A. 84,28f., 31,32, 32 A. 124, 33, 33 A. 132, 33 A. 133, 35 A. 138, 37. Vgl. Wahrheit(en) Okkasionalismus 18 A. 66, 140, 143, 151, 152,153,196,198, 199,204 A. 35 Ontologie 155 A. 172; ontologisch 3,4 Ordinary language 15 Ordnung26,110, 111 Panlogismus 186 A. 302 Peccatum, philosophicum 25 A. 88; theolog icum 25 A. 88 Person 198 Perspektive 12 A. 38, 13, 14, 16; Perspektivität 138, 209,210 Perzeption(en) 19 A. 69, 50, 50 A. 22, 53, 57, 60, 63, 84 A. 148, 85, 124, 124 A. 31, 136 A. 85, 139, 144, 144 A. 127, 146, 146 A. 139, 158 A. 185, 165, 171-175. 179, 180, 193, 199; aktuelle 86; deutliche 24, 132 A. 63, 134, 167, 201; einfache 25 A. 86; bemerkte/merkliche 167,168,173; natürliche 135, 137 A. 91; unmerkliche 168; verworrene 112, 132 A. 63, 147, 152, 159, 162, 163 A. 207, 171, 172, 186, 200 A. 27, 202, 203; Apriori der 158 A. 185; Unendlichkeit der 165 A. 220; Perzeptionsfolgen 158. Vgl. Idee(n), Kontinuität(sprinzip) Petites perceptions 19,48,164-167,173,180 Phänomenalismus 184 A. 293 Phänomene 20 A. 70, 144 A. 129, 186 A. 302, 192 Phantasie 59 A. 60
253
Philosophia perennis 20 A. 72, 208-212 Physik 166 Platoniker48A. 19,193A.4 Pneumatik 166 Populär lOf. A. 31.11,17 A. 65 Praedicatum inest subjecto 27, 30 A. 118, 31 A. 120,122-125 Prästabilierte Harmonie 17 A. 66, 19, 19 A. 68, 36 A. 144, 45 A. 3, 48, 64 A. 79, 109, 110 A. 272, 140 A. 102, 141, 141 A. 109, 141 A. 113,143-154,159,160,160 A. 193, 161,165,165 A. 221,169 A. 237,171,173, 180, 182, 182 A. 279, 184, 191. 193 A. 4, 1%, 196 A. 10, 197, 197 A. 17, 198, 199, 201 Praevidentia 126,127,128,129 A. 54 Prinzip(ien) 14, 26 A. 92, 32, 45, 47, 69, 70, 85, 107; eingepflanzte 101; eingeborene 87-92. 93; erste 24 A. 84, 92, 93, 96, 97, 102, 104, 117, 170, 181; evidente 89 A. 170; logische 32, 32 A. 127; metaphysische 32, 32 A. 127; physische 32, 32 A. 127; praktische 41. Vgl. Verstand Prinzip der Gleichförmigkeit 143 Prinzip der Identität 29, 29 A. 113, 30 A. 118, 87, 88 A. 163, 90 Prinzip des „Harlequin Empereur de la Lune" 167 A. 228 Prinzip des Besten 30 A. 118,152 A. 161 Prinzip des Widerspruchs 28 A. 106, 29, 29 A. 113, 29 A. 114, 29 A. 116, 30 A. 118, 87, 88,88 A. 163,90,90f. A. 177,95,98 Prinzip des zureichenden Grundes 29, 29 A. 114, 30, 30 A. 118, 31 A. 120, 57, 90-92, 146 A. 142 Prinzip vom ausgeschlossenen Dritten 29 A. 113 Privation 55 A. 43 Providentia 126,127 Psychoanalyse 162 A. 198 Punkt 135 A. 84; beseelter 121 A. 17; metaphysischer 121 A. 17
254
Sachregister
Qualitäten, okkulte 31; sinnliche 50, 51, 53, 163, 183, 193 A. 4, 196, 196 A. 14; verborgene 50,59, 59 A. 61 Räsonieren 3 A. l, 25 A. 89; Schatten des 180f.; Räsonnement 171 Rationalismus 46,101 A. 227,166 A. 221 Raum, ausgefüllter 148; leerer 148,168 Realismus, naiver 184 Rechtslehre, natürliche 93 A. 182 Reflexion 7 A. 18, 24, 76, 77 A. 121, 79, 84-86, 108 A. 267, 109, 110, 110 A. 273, 177 A. 257, 179 A. 262; Ideen der 78, 84; innere 7; reflexive Akte 170. Vgl. Erkenntnis, Selbstbewußtsein Relativität 192; der Bewegung 204 Religion 29, 33; Wahrheit der 34 Repräsentation 5, 130 A. 57, 134 A. 79, 136, 136 A. 86, 137, 137 A. 91, 138, 149, 173, 184,203 Repräsentationsrealismus 182 A. 284 Schluß, gemischter 27, 28 A. 106, 98, 98 A. 210, 196 A. 13; reiner 95; Schlußfolgerung 28. Vgl. Syllogismus Schmerz 57,149,173,193 Scholastiker) 3 A. l, 142 A. 121 Schulphilosophie 198 Seele 8, 14, 15, 24f. A. 86, 63, 64 A. 79, 69, 70,72 A. 101, 73, 73 A. 103, 74, 121 A. 17, 122 A. 20,139f., 156,157,157 A. 179,159, 163, 170, 174, 175, 177, 197 A. 17, 198, 199, 201, 202; vernunftbegabte 121 A. 17; als geistiger Automat 123f. A. 27, 198, 198 A. 19; als Abbild des Universums 132 A. 64; Fenster der 78; Präexistenz der 113, 114; Unsterblichkeit der 33 A. 133, 94 A. 192. Vgl. Körper Seiendes 3 A. 1; vollständiges 122, 122 A. 20. Vgl. Substanz(en) Selbstbewußtsein 25 A. 86, 136 A. 86, 171-175,178; reflexives 179 A. 264
Sensation 76, 84, 86,107,110; innere / äußere 73,156 A. 178; verworrene 163 Sensible, das 68 Sensualismus 5,79 A. 128 Sinne 7 A. 18, 14, 27, 28, 47, 50-58, 59, 69, 72, 75, 93, 98, 99, 101, 175, 200 A. 27; als Gelegenheit(sursache) 69, 85, 85 A. 152, 86, 106, 108, 110, 110 A. 272, 111, 160, 160 A. 189, 178; äußere 49, 50, 58 A. 60, 59,60,64 A. 79,85,98,176,177; innere 58 A. 60, 60, 61, 85, 197; Funktion der 158-161; Phantome der 53 A. 32,83,112 Sinnesqualitäten, sekundäre 30 A. 118, 182f„ 183 A. 288 Sinnlichkeit 65, 169, 169 A. 236, 178, 201. Vgl. Erkenntnis, Kontinuität(sprinzip), Qualitäten, Wahrheit(en), Sinne, Solipsismus 140 A. 107; metaphysischer 140 Spezies, Übertragung von 140, 141f., 153, 206; Spezies-Lehre 151,156,156 A. 175 Sprachspiel 15 Stadt, Beobachter einer 132, 139, 139 A. 98, 144 Standpunkt 13, 16, 206; neuer 14; Standpunktwechsel 49, 194,195-212 Stoiker 39 Subjekt 134 A. 74 Subjekt-Objekt-Relation 5; Subjekt-ObjektSpaltung 5 A. 9 Subjektivismus, erkenntnistheoretischer 140 Substanz(en) 19, 48, 62, 85,155 A. 174, 166, 175, 178, 191, 192, 193, 193 A. 4, 197 A. 17, 202, 204, 204 A. 34, 205, 207, 207 A. 47; als Spiegel Gottes und des Universums 132-139, 164; als vollkommenes Seiendes 152; einfache 24f. A. 86, 121, 124, 133 A. 66, 145, 203; individuelle 121-132, 155 A. 173, 157; körperliche 121 A. 17, 145, 166; zusammengesetzte 121 A. 17, 145; Spontaneität der 132, 132 A. 63, 154; Verkehr der 118; vollkommene Übereinstimmung der 154, 206; Substanz-Definition 103 A. 237, 119, 155, 160, 164, 170, 176, 180; Substanz-Lehre 114, 119, 121-154, 155 A.
Sachregister 172, 198, 209; Substanz-Metaphysik 6, 20, 36 A. 144,41,46,49,76,81,82, 109, 117, 119, 199. Vgl. Körper Syllogismus 26 A. 92, 27, 27 A. 100; syllogistische Fesseln 27. Vgl. Schluß Systeme commun 10 A. 31, 17, 18 A. 66, 19, 20, 23, 41, 42, 43-114, 117, 117 A. 2, 129, 157, 158, 160, 161, 162 A. 198, 167, 168, 169, 169 A. 236,170, 171,172, 173 A. 246, 174,175,176,177, 177 A. 257, 178,178 A. 259,179 A. 262,179 A. 264, 180,181,184, 189-212. Vgl. Verstand Systeme nouveau 10 A. 31, 14 A. 49, 14 A. 51,17,17f. A. 66,19,20,23,41,42,46,97, 103 A. 237, 107, 114, 155-187, 189-212. Vgl. Verstand Tabula rasa 69.70-74, 81,199 Tatsachenwahrheiten 38 A. 149, 83 A. 142,91 A. 177,97, 98-100,102f., 131,157, 170 Theologie 33 A. 132; natürliche 38 A. 151; 93 A. 182; des Wissens 182 A. 279 Theoreme 89,89 A. 172 Tier(e) 24,94 A. 189, 100, 107,172, 173,173 A. 245, 178,180f. Traum 161,184,185,186, 187 Trinität34,34A. 134 Uhrengleichnis 150 Unbemerkte, das 162, 162 A. 198, 163f., 168, 169,169 A. 236,172,174 Unbewußte, das 162 A. 198,169 A. 236 Unendlichkeit, aktuelle 134, 134 A. 80, 146, 165 A. 220,168,171 Universum 132, 132 A. 65, 139 A. 98, 140, 144, 146, 147, 148, 148 A. 150, 153, 163; Fundamentalbegriff des 126. Vgl. Seele, Substanz(en) Unmerkliche, das s. Unbemerkte, das Unterscheidungsvermögen 112 Urteilskraft, sinnliche 59 A. 60
255
Vernunft 5, 23-^12, 86 A. 156, 93, 158, 178. 196 A. 13, 199, 200 A. 27; als Verkettung der Wahrheiten 25-31, 32, 40, 98 A. 210, 1% A. 13; endliche 32; gefallene 25 A. 88; gegen die 35, 35 A. 141, 38, 40; geschaffene 35; göttliche 35; mathematische 153 A. 165; menschliche 35, 36; praktische 41; rechte 25, 32; reine 28, 34, 99; reine und nackte 98 A. 210, 196 A. 13; unendliche 32; über der 34 A. 136, 35, 35 A. 141, 38, 197; verderbte 25, 25 A. 88, 32; Richterfunktion der 33 A. 131, 33 A. 132; Wesen der 25; und Freiheit 39-41; und Glaube 28, 31, 32-39, 1%, 197; Vernunftgrund 23 A. 83, 185, 186; Vemunftkunst 23 A. 84. Vgl. Seele Vemunftreligion 33 Vemunftwahrheiten 29,31,94-98,103 Verstand 4 A. 2,5,6,12,17 A. 63,23,23f. A. 84, 24 A. 86, 39, 41, 49, 50, 59, 61-68, 69-114, 169,169 A. 236; als (bloße) Fähigkeit 69, 72, 73; als (bloße) Möglichkeit 69, 72, 73; als (bloßes) Vermögen 72, 73, 106; als Disposition (Anlage) 69-76, 106; als Quelle der notwendigen Wahrheiten 92-102; als Sitz der ersten Prinzipien 87-92; als Sitz der reinen Ideen 76-86; nous pathetikos / poietikos 80 A. 128; „im Verstande sein" 74-76; im Systeme commun 43-114, 157,189-212; im Systeme nouveau 155-187, 189-212. Vgl. Gott, Intellectus ipse, Kontinuität(sprinzip) Verstandeserkenntnis, Aktualisiening der 86, 106-114, 160, 174, 178; Virtualität der 104-106 Verstehen 24,35 A. 142,72 A. 102 Virtuell 105 A. 243, 111, 122, 125, 159, 160, 162. Vgl. Verstandeserkenntnis Voluntarismus 30 A. 118, 33 Wahrheit(en) 4 A. 2, 27, 32, 33, 40, % A. 202; als Entsprechung 182-184; als adaequatio 182 A. 284; abgeleitete 93, 111; allgemeine 101; analytische 91 A. 177; dop-
256
Sachregister
pelte 32 A. 124; eingeborene 74, 75, 92-103, 118 A. 5; ewige 38, 93 A. 185, 93 A. 188, 94-98, 101, 131, 131 A. 60, 135, 185,186 A. 302; geoffenbarte 38 A. 149, 38 A. 151; identische 27, 91 A. 177, 96 A. 204; kontingente (zufällige) 37 A. 148, 90 A. 175,91 A. 177,98-100,125-130,131,181; notwendige 24 A. 84, 37 A. 148, 64, 72, 72 A. 102, 73, 77, 90 A. 175,91 A. 177,93,93 A. 182, 93 A. 185, 94-98, 99, 101, 102, 104,108,117,125-130,131,157,170,171, 181, 186; partikulare (individuelle) 98; positive 97; praktische 95; sinnliche 28 A. 106, 98, 100 A. 219; universelle 101; ursprüngliche 27, 28; Abbildtheorie der 139, 182; Kohärenztheorie der 182 A. 284; Objektivität der 182; Wahrheitskriterium 4 A. 2, 27, 56. Vgl. Tatsachenwahrheiten, Vernunft, Vernunftwahrheiten, Verstand
Wahrnehmung 50 A. 22, 158, 197; aufmerksame 172; bemerkte 174 Wahrscheinlichkeit 95 A. 195; größte 187; Erkenntnis des 103; Welten, bester aller 152 A. 161; mögliche 128 Wiedererinnerung 72 A. 101,105,113-114 Willensentscheidung 148 Wirkursache 28, 35,205 Wissenschaftsbegriff 101 A. 227 Wunder 37,97,143,150, 153,168 Zahlbegriff 55,59,60,60 A. 68,61 Zeichen 55,70 Zweckursache 205
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