Lebensdauerberechnungen mit FEM: Von der Last zur Betriebsfestigkeit [1 ed.] 9783658322434, 9783658322441

Dieses Lehrbuch zeigt, wie die in einem Bauteil auftretenden Spannungen mit Hilfe der FEM-Methode bestimmt werden können

234 44 10MB

German Pages 335 [332] Year 2021

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
1: Einleitung
2: Spannungen und Dehnungen
2.1 Verformungen und Dehnungen
2.1.1 Verzerrungstensor im gedrehten Koordinatensystem
2.1.2 Volumenänderung des verformten Quaders
2.1.3 Flächeninhalt der verformten Quaderseiten, Nansonsche Formel
2.2 Spannungen
2.2.1 Piola-Kirchhoffsche-Spannungstensoren
2.2.2 Spannungstransformation und Hauptspannungen
2.3 Verformungsenergie und innere Energie
2.4 Vergleichsspannung
2.5 Materialgesetze
2.5.1 Isotropes elastisches Material
2.5.1.1 Linear-elastisches Material
2.5.1.2 Hyperelastisches Material
2.5.2 Plastisches Materialverhalten
2.5.2.1 Isotrope Verfestigung
2.5.2.2 Kinematische Verfestigung
2.5.3 Orthotropes linear-elastisches Material
3: Spannungsberechnung mit der Finite-Element-Methode (FEM)
3.1 FEM für ebene Fachwerke
3.1.1 Statisches Fachwerk mit linear-elastischem Materialverhalten
3.1.1.1 Alternative Herleitung der Steifigkeitsmatrix und des Kraftvektors
3.1.2 Dynamisches Fachwerk mit linear-elastischem Materialverhalten
3.1.2.1 Numerische Integration der Bewegungsgleichung
3.1.2.2 Modaltransformation
3.1.2.3 Integration der Bewegungsgleichung im Modalraum
3.1.2.4 Rayleigh-Dämpfung
3.1.2.5 Einfluss eines sich bewegenden Untergrunds
3.1.2.6 Autokorrelation und Spektraldichte
3.1.2.7 Stochastische Anregung des Fachwerks
3.1.3 Temperaturverformung des Fachwerks
3.1.4 Steifigkeitsmatrix mit nichtlinearem Materialverhalten
3.1.4.1 Nichtlineare Dehnung
3.1.4.2 Plastisches Materialverhalten
3.1.5 Lineare Zwangsbedingungen
3.1.5.1 Lagerungen
3.1.5.2 Verbindung inkompatibler Netze, Multi-Point-Constraints
3.1.5.3 Inertia Relief
3.1.5.4 Kontaktberechnung
3.1.6 Knotenspannungen beim Fachwerk
3.2 Steifigkeits- und Massenmatrix des räumlichen Zugstabes
3.3 Dreidimensionaler Balken mit linear- elastischem Materialverhalten
3.4 Dreidimensionales Volumenelement
3.4.1 Steifigkeits- und Massenmatrix des Volumenelements mit linear-elastischem Materialverhalten
3.4.2 Temperaturverformung beim Volumenelement
3.4.3 Steifigkeitsmatrix des Volumenelements bei plastischem Materialverhalten
3.4.4 Spannungsergebnisse beim Volumenelement
3.5 Schalenelement
3.5.1 Steifigkeits- und Massenmatrix eines Schalenelements mit linear-elastischem Materialverhalten
3.5.2 Temperaturverformung des Schalenelements
3.5.3 Steifigkeitsmatrix des Schalenelements bei plastischem Materialverhalten
3.5.4 Spannungsergebnisse beim Schalenelement
3.6 Massenelement
3.7 Rigid-Body-Element
3.7.1 RBE2-Element
3.7.2 RBE3-Element
3.8 FEM-Berechnung eines Planetenträgers
4: Betriebsfestigkeits- bzw. Lebensdauerberechnung
4.1 Bestimmung des Vergleichsspannungsverlaufes
4.1.1 An Schweißnaht angepasste Vergleichsspannung
4.1.2 Vergleichsspektrum bei stochastischer Bauteilbelastung
4.2 Wöhlerkurve und Haigh-Diagramm
4.2.1 Statische Kennwerte der FKM-Richtlinie
4.2.2 Bestimmung der Wöhlerkurve mit der FKM-Richtlinie für nicht geschweißte Bauteile
4.2.3 Bestimmung der Kennwerte der Wöhlerkurve für geschweißte Bauteile mittels FKM-Richtlinie
4.3 Klassifizierung der Vergleichsspannung
4.3.1 Klassifizierung mit dem Findley-Verfahren
4.4 Berechnung der Lebensdauer bzw. der Schädigung
4.4.1 Auslastungsgrad gemäß FKM-Richtlinie
4.5 Erwartungswert der Schädigung bei stochastischer Bauteilbelastung
4.5.1 Dichtefunktion und Schädigung beim Schmalband
4.5.2 Dichtefunktion und Schädigung beim Breitband
4.6 Betriebsfestigkeit eines Planetenträgers
4.6.1 Betriebsfestigkeit des Planetenträgers infolge eines Lastkollektives
4.6.2 Betriebsfestigkeit des Planetenträgers infolge einer Spektraldichte
Anhang
Literatur
Stichwortverzeichnis
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Lebensdauerberechnungen mit FEM: Von der Last zur Betriebsfestigkeit [1 ed.]
 9783658322434, 9783658322441

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Philipp Steibler

Lebensdauerberechnungen mit FEM Von der Last zur Betriebsfestigkeit

Lebensdauerberechnungen mit FEM

Philipp Steibler

Lebensdauerberechnungen mit FEM Von der Last zur Betriebsfestigkeit

Philipp Steibler Hochschule Konstanz Konstanz, Deutschland

ISBN 978-3-658-32243-4    ISBN 978-3-658-32244-1 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-32244-1 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Vieweg © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung der Verlage. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Vieweg ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Vorwort

Zu Beginn sollte eine Schnittstelle für den Austausch einer Geometrie zwischen verschiedenen FEM-Programmen implementiert werden. Dann mussten die bei der Berechnung resultierenden Spannungen individuell ausgewertet werden. Als dies möglich war, kam der Wunsch auf, die Spannungen auch selbst zu bestimmen. Mit der Zeit entstand das Berechnungsprogramm NUFUSS.  Als eine Vorlesung zur Betriebsfestigkeit angeboten werden sollte, wurden die dazugehörenden Berechnungsschritte in das Programm integriert. Vieles wurde programmiert, oft ohne genau zu wissen, welcher theoretische Hintergrund dahinterstand. Wichtiger war das Ergebnis. Irgendwann kam jedoch der Wunsch auf, die Berechnungsmöglichkeiten zu protokollieren und alle angewandten Verfahren zu begreifen. Aus der Erfahrung, wie schwierig es ist, abstrakte Formeln zu verstehen, soll in diesem Buch der Leser im Vordergrund stehen, der Schritt für Schritt nachvollziehen möchte, welche Berechnungsschritte bei den einzelnen Verfahren angewandt werden. Die Formeln sollen nicht elegant, sondern direkt umsetzbar vorgestellt werden. Um die Übersichtlichkeit zu bewahren, werden nur die wesentlichen Rechenschritte, diese aber möglichst ausführlich, präsentiert. Zahlenbasierte Beispiele sollen dies unterstützen. Sie sind an die Umsetzung mit dem Computer angelehnt. Entsprechend den Möglichkeiten eines Computers sind die Beispiele weitgehend auf die Grundrechenarten reduziert. Mit den Beispielen wird der vollständige Prozess aufgezeigt, der von einer gegebenen Geometrie bis zum Erhalt einer Lebensdaueraussage zu durchlaufen ist. Dabei sollen selten dokumentierte, aber praxisrelevante Fragen, wie zum Beispiel die Anzahl der zu berücksichtigenden Eigenwerten, die Anwendung von Zwangsbedingungen oder stochastischen Anregungen, die Klassifizierung von Spannungen oder die Bestimmung der notwendigen Parameter zur Lebensdauerberechnung mit und ohne FKM-Richtlinie, beantwortet werden. Das Buch richtet sich an Studierende, die sich die Grundlagen der FEM-Berechnung und der Betriebsfestigkeit aneignen möchten. Wissenschaftliche Mitarbeiter, die einzelne Berechnungsverfahren implementieren müssen, sollen unterstützt werden. Im Wesentlichen soll dem Berechnungsingenieur, der sein Berechnungsmodell erstellen und b­ eurteilen V

VI

Vorwort

muss, aufgezeigt werden, welche Möglichkeiten, Einflüsse und Einschränkungen die verschiedenen Vorgehensweisen besitzen. Ein besonderer Dank gilt den Herren Thomas Zipsner und Eric Blaschke vom Lektorat Maschinenbau des Springer-Verlags. Ohne ihr Vertrauen und ihre Hilfe wäre die Umsetzung nicht möglich gewesen. Gleiches gilt für Barbara, die durch ihre akribische Fehlersuche auch in der Berechnung einen kleinen Fußabdruck hinterlässt. Konstanz, Deutschland Januar 2021

Philipp Steibler

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung��������������������������������������������������������������������������������������������������������������   1 2 Spannungen und Dehnungen������������������������������������������������������������������������������   5 2.1 Verformungen und Dehnungen ��������������������������������������������������������������������   5 2.1.1 Verzerrungstensor im gedrehten Koordinatensystem ����������������������  12 2.1.2 Volumenänderung des verformten Quaders��������������������������������������  15 2.1.3 Flächeninhalt der verformten Quaderseiten, Nansonsche Formel������  16 2.2 Spannungen��������������������������������������������������������������������������������������������������  17 2.2.1 Piola-Kirchhoffsche-Spannungstensoren������������������������������������������  21 2.2.2 Spannungstransformation und Hauptspannungen����������������������������  25 2.3 Verformungsenergie und innere Energie������������������������������������������������������  33 2.4 Vergleichsspannung��������������������������������������������������������������������������������������  36 2.5 Materialgesetze ��������������������������������������������������������������������������������������������  39 2.5.1 Isotropes elastisches Material ����������������������������������������������������������  40 2.5.2 Plastisches Materialverhalten������������������������������������������������������������  57 2.5.3 Orthotropes linear-elastisches Material��������������������������������������������  72 3 Spannungsberechnung mit der Finite-­Element-­Methode (FEM) ������������������  75 3.1 FEM für ebene Fachwerke����������������������������������������������������������������������������  76 3.1.1 Statisches Fachwerk mit linear-elastischem Materialverhalten��������  76 3.1.2 Dynamisches Fachwerk mit linear-elastischem Materialverhalten������ 100 3.1.3 Temperaturverformung des Fachwerks�������������������������������������������� 143 3.1.4 Steifigkeitsmatrix mit nichtlinearem Materialverhalten ������������������ 146 3.1.5 Lineare Zwangsbedingungen������������������������������������������������������������ 153 3.1.6 Knotenspannungen beim Fachwerk�������������������������������������������������� 174 3.2 Steifigkeits- und Massenmatrix des räumlichen Zugstabes�������������������������� 175 3.3 Dreidimensionaler Balken mit linear-elastischem Materialverhalten���������� 176 3.4 Dreidimensionales Volumenelement������������������������������������������������������������ 186 3.4.1 Steifigkeits- und Massenmatrix des Volumenelements mit linear-elastischem Materialverhalten������������������������������������������������ 186 3.4.2 Temperaturverformung beim Volumenelement�������������������������������� 192

VII

VIII

Inhaltsverzeichnis

3.4.3 Steifigkeitsmatrix des Volumenelements bei plastischem Materialverhalten������������������������������������������������������������������������������ 193 3.4.4 Spannungsergebnisse beim Volumenelement ���������������������������������� 196 3.5 Schalenelement �������������������������������������������������������������������������������������������� 197 3.5.1 Steifigkeits- und Massenmatrix eines Schalenelements mit linear-elastischem Materialverhalten������������������������������������������������ 198 3.5.2 Temperaturverformung des Schalenelements ���������������������������������� 212 3.5.3 Steifigkeitsmatrix des Schalenelements bei plastischem Materialverhalten������������������������������������������������������������������������������ 213 3.5.4 Spannungsergebnisse beim Schalenelement������������������������������������ 215 3.6 Massenelement���������������������������������������������������������������������������������������������� 216 3.7 Rigid-Body-Element ������������������������������������������������������������������������������������ 216 3.7.1 RBE2-Element���������������������������������������������������������������������������������� 217 3.7.2 RBE3-Element���������������������������������������������������������������������������������� 218 3.8 FEM-Berechnung eines Planetenträgers������������������������������������������������������ 221 4 Betriebsfestigkeits- bzw. Lebensdauerberechnung������������������������������������������ 227 4.1 Bestimmung des Vergleichsspannungsverlaufes������������������������������������������ 228 4.1.1 An Schweißnaht angepasste Vergleichsspannung���������������������������� 238 4.1.2 Vergleichsspektrum bei stochastischer Bauteilbelastung������������������ 243 4.2 Wöhlerkurve und Haigh-Diagramm������������������������������������������������������������� 243 4.2.1 Statische Kennwerte der FKM-Richtlinie���������������������������������������� 247 4.2.2 Bestimmung der Wöhlerkurve mit der FKM-Richtlinie für nicht geschweißte Bauteile �������������������������������������������������������������� 250 4.2.3 Bestimmung der Kennwerte der Wöhlerkurve für geschweißte Bauteile mittels FKM-Richtlinie������������������������������������������������������ 259 4.3 Klassifizierung der Vergleichsspannung ������������������������������������������������������ 261 4.3.1 Klassifizierung mit dem Findley-Verfahren�������������������������������������� 271 4.4 Berechnung der Lebensdauer bzw. der Schädigung ������������������������������������ 278 4.4.1 Auslastungsgrad gemäß FKM-Richtlinie ���������������������������������������� 285 4.5 Erwartungswert der Schädigung bei stochastischer Bauteilbelastung���������� 292 4.5.1 Dichtefunktion und Schädigung beim Schmalband�������������������������� 297 4.5.2 Dichtefunktion und Schädigung beim Breitband������������������������������ 299 4.6 Betriebsfestigkeit eines Planetenträgers ������������������������������������������������������ 304 4.6.1 Betriebsfestigkeit des Planetenträgers infolge eines Lastkollektives���������������������������������������������������������������������������������� 307 4.6.2 Betriebsfestigkeit des Planetenträgers infolge einer Spektraldichte ���������������������������������������������������������������������������������� 310 Anhang�������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 313 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 323 Stichwortverzeichnis���������������������������������������������������������������������������������������������������� 325

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Einleitung

Die Finite-Element-Berechnung (FEM) und die Auswertung ihrer Ergebnisse durch die Betriebsfestigkeitsuntersuchung gewinnt im Entwicklungsprozess von Bauteilen, die Kräften unterliegen, immer mehr an Bedeutung. Im Normalfall agiert der Anwender über eine grafische Schnittstelle mit einem Computerprogramm. Ein durch CAD erstelltes Bauteil wird zuerst bei der sogenannten Vernetzung in kleine Teilelemente zerlegt. Dies sind zum Beispiel Zugstäbe, Vierecke oder Hexaeder. Ihre Eckpunkte werden als Knoten bezeichnet. Die Elemente sind Basis für die eigentliche Berechnung. Dazu wird das Bauteil mit Randbedingungen wie Lagerungen, Kräften und Materialeigenschaften ergänzt. Anschließend können die im Bauteil auftretenden Verformungen und Spannungen berechnet werden. Bei der Betriebsfestigkeit wird abschließend aus den Spannungen ermittelt, über welche Zeiträume das Bauteil die vorgegebenen Belastungen ohne Versagen erträgt. Die Lebensdauer des Bauteils wird bestimmt. Während die FEM im Wesentlichen die Newtonschen Gleichungen auswertet, verwendet die Betriebsfestigkeit auch zahlreiche empirische Formeln. Ausführlich werden diese in Haibach [HAI] und in Radaj und Vormwald [RAV] vorgestellt. Dabei unterscheidet die Betriebsfestigkeit im Wesentlichen zwischen nicht geschweißten und geschweißten Bauteilen. Die FKM-Richtlinie [FKM] gibt Hinweise, wie die Lebensdauerberechnung bei den beiden Bauteilgruppen standardisiert durchgeführt werden kann. Bei der Verwendung eines Computerprogramms bleiben die eigentlichen Rechenschritte dem Anwender verborgen. Solange die Berechnung fehlerfrei verläuft, ist dies ausreichend. Treten allerdings Schwierigkeiten auf, müssen an geeigneter Stelle Modifikationen durchgeführt werden. Dazu ist es sinnvoll, die programminternen Abläufe zu kennen. Das Buch möchte dem interessierten Ingenieur und Studierenden diesen Prozess möglichst vollständig vorstellen. Lediglich der erste Teilschritt, die Vernetzung, bleibt ausgeblendet. Ausgehend von einem in Teilelementen zerlegten Bauteil wird dem Leser

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 P. Steibler, Lebensdauerberechnungen mit FEM, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32244-1_1

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1 Einleitung

jeder Schritt aufgezeigt, der notwendig ist, um letztendlich die Kennzahlen Schädigung und Auslastungsgrad zu erhalten, die die Lebensdauer des Bauteils beschreiben. Stellvertretend werden die Berechnungsschritte an einem kleinen ebenen Fachwerk, welches aus drei Zugstäben aufgebaut ist, vorgestellt. Mit der gewählten Geometrie können die Berechnungen händisch und daher nachvollziehbar durchgeführt werden. Ein praxisrelevantes Bauteil wird im Wesentlichen in Dreiecke, Vierecke, Tetraeder und Hexaeder zerlegt. Deren prinzipielle Anwendung unterscheidet sich kaum zur Vorgehensweise beim Fachwerk. Die vorhandenen Unterschiede werden aufgezeigt. Stellvertretend für ein derartiges Bauteil wird ein Planetenträger [WME] untersucht. Die meisten Beispielrechnungen können mit dem Programm NUFUSS durchgeführt werden. Dieses steht unter dem Link www.nufuss.de zum Download zur Verfügung. Das Buch möchte niemanden motivieren, ein eigenes FEM-Programm zu erstellen. Trotzdem ist die Sichtweise eines Programmierers dargestellt, der einen Algorithmus fehlerfrei und lückenlos umsetzen muss, damit zahlenbasiert das angestrebte Ergebnis resultiert. Eher kann die Lebensdauerberechnung eigenständig ermittelt werden, da der Hauptaufwand mehr in der Bereitstellung der Ausgangsgrößen als in der eigentlichen Berechnung liegt. Um die Theorie umzusetzen, benötigt man Lineare Algebra. Deren geeignete Anwendung beeinflusst im Wesentlichen den zeitlichen Berechnungsaufwand. Schwarz [SCH] folgend wird diese als zumindest gleichwertig betrachtet. Die angewendeten Rechenschritte werden vorgestellt und begründet, aber nicht bewiesen. Es wird angestrebt, die notwendigen mathematischen Kenntnisse auf ein Minimum zu reduzieren. Dabei wird aber die Integral- und Differenzialrechnung und das Arbeiten mit Matrizen und komplexen Zahlen vorausgesetzt. In Kap. 2 werden Begriffe wie Spannungen, Dehnungen und Materialgesetz eingeführt. Für die meisten Anwender, vor allem für den Anfänger, ist ein Verständnis unter der Voraussetzung kleiner Verformungsänderungen ausreichend. Dies bedeutet, dass ein linear-­ elastisches Materialverhalten vorausgesetzt wird. Zusätzlich werden Begriffe wie Spannungstransformation, Hauptspannungen und Vergleichsspannungen vorgestellt. Diese Größen werden nicht isoliert betrachtet. Sie werden in ihrem Gesamtumfeld betrachtet. Das elastische Materialverhalten wird durch plastisches ergänzt. Mit der Annahme eines linear-elastischen Materialverhaltens wird zuerst in Kap. 3 die Antwort des Fachwerks auf eine statisch aufgebrachte Kraft untersucht. Für jeden Zugstab müssen Teilmatrizen erstellt werden, die zu einer Gesamtmatrix zusammengesetzt werden. Aus dem resultierenden Gleichungssystem, welches auch die auf das Bauteil wirkenden Kräfte beinhaltet, werden die Verschiebungen an den Knoten ermittelt. Mit deren Hilfe können die Spannungen angegeben werden. Die dabei notwendige Berücksichtigung von Lagern wird dargestellt. Um das Bauteil bei dynamischer Belastung zu untersuchen, werden anschließend die zeitliche numerische Integration und die Modaltransformation eingeführt. Ergänzend wird ein bewegter Untergrund, der zum Beispiel bei der Erdbebensimulation auftritt, betrachtet. Häufig sind die Belastungen nicht eindeutig vorgegeben. Man kennt nur stochastische Kennwerte. Diese können ausreichend sein, um

1 Einleitung

3

einen Erwartungswert der Lebensdauer zu bestimmen. Die Berechnung der dazu notwendigen Spektraldichten der Spannungen wird gezeigt. Isotrope und kinematische Plastizität ergänzen die Fachwerksuntersuchung. Zwangsbedingungen werden bei der FEM vielfach verwendet. Im Normalfall werden sie durch lineare Gleichungen umgesetzt. Der Abschluss der Fachwerksbetrachtung zeigt auf, wie mit Zwangsbedingungen Lagerungen, die nicht parallel zu den Koordinatenachsen wirken, umgesetzt werden. Zylindrische Lagerungen stellen dafür ein Beispiel dar. Auch zur Berücksichtigung von inkompatiblen Netzen, Inertia Relief und Kontakten können die Zwangsbedingungen verwendet werden. Bei inkompatiblen Netzen sind Teilbereiche des Bauteils ohne die Zwangsbedingungen nicht miteinander verbunden. Die Inertia Relief ermöglicht die Untersuchung von statisch unterbestimmt gelagerten Bauteilen. Ein in der Luft befindliches Flugzeug stellt ein entsprechendes Beispiel dar. Alternativ kann die Methode angewandt werden, wenn an einem Teilbauteil nur die Schnittkräfte bekannt sind. Als Kontakte bezeichnet man Wirkungen zwischen einzelnen Oberflächen, die durch die Bauteilverformung und somit erst im Laufe der Berechnung auftreten. Verwendet man statt Zugstäben andere Elemente, unterscheidet sich die Vorgehensweise im Wesentlichen nur bei der Erzeugung der Teilmatrizen. Deren Berechnung für Balken, Vierecke und Hexaeder wird vorgestellt. Beim Balken wird linear-elastisches Materialverhalten vorausgesetzt. Bei den Vierecken und Hexaedern wird auch plastisches Materialverhalten berücksichtigt. Die Übertragung der Vorgehensweise auf Dreiecke, Tetraedern und Prismen wird angedeutet. Die Einbindung von Punktmassen wird ergänzend erwähnt. Als weitere Elementgruppe werden die Rigid-Body-Elemente (RBE) vorgestellt. Sie fassen eine häufig angewandte Kombination von Zwangsbedingungen zusammen. Am Ende von Kap. 3 wird ein Planetenträger mit linear-elastischem Materialverhalten untersucht. Um eine bei der Lebensdauerberechnung notwendige Kenngröße zu erhalten, wird ergänzend eine plastische Analyse durchgeführt. Die Berechnung der Eigenfrequenzen und der Spektraldichte der Spannungen infolge stochastischer Belastungen ergänzt die Untersuchung des Planetenträgers. Kap. 4 beginnt mit der Berechnung einer Vergleichsspannung aus den Spannungsergebnissen der FEM-Berechnung. Die Wöhlerlinie und das Haigh–Diagramm werden vorgestellt. Sie beinhalten die Materialkennwerte für die dynamische Bauteilbeurteilung. Die Bestimmung dieser Kennwerte mit der FKM-Richtlinie folgt. Im nächsten Schritt wird die sich zeitlich ändernde Vergleichsspannung klassifiziert. Es wird gezeigt, wie mit dem Rainflow-Verfahren das gegebene Spannungsprofil in einzelne Klassen gleicher Spannungsamplituden aufgeteilt wird. Aufbauend auf der Palmgren-Miner-Regel wird aus den Materialkennwerten und den Spannungsklassen eine Schädigung oder ein Auslastungsgrad gemäß FKM-Richtlinie bestimmt. Mit den Schädigungen können Aussagen über die zu erwartende Lebensdauer gemacht werden. Von den Bauteilbelastungen sind unter Umständen nur Mittelwerte und Varianzen bekannt. Viele weitere Eingangsgrößen oder Kennwerte der Lebensdauerberechnung beru-

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1 Einleitung

hen auf Erfahrungswerten und können häufig als stochastisch betrachtet werden. Daher kann es sinnvoll sein, auch für die Schädigung lediglich einen Erwartungswert anzugeben. Der theoretische Teil von Kap. 4 endet mit der Auswertung von Spannungsdichten infolge stochastischer Bauteilbelastungen, um diesen Erwartungswert der Schädigung zu bestimmen. Abschließend wird am zuvor eingeführten Planetenträger die praktische Lebensdauerberechnung aufgezeigt. Im Text ist zu beachten, dass Knoten und Elemente mit Ki und Ei, ohne tiefgestellte Indizes, bezeichnet werden. Mit dieser Darstellung soll eine Verwechslung mit anderen Größen wie zum Beispiel Matrizen oder Materialeigenschaften vermieden werden. Während die Standarddarstellung der Vektoren in den präsentierten Formeln umgesetzt ist, sind im Fließtext die Vektoren ohne explizite Kennzeichnung eingebunden. Die Formeln sind mit großer Sorgfalt dargestellt. Die Anwendung erfolgt trotzdem auf eigene Verantwortung. Vor allem die Angaben der FKM-Richtlinie können teilweise schwierig umgesetzt werden. Im Zweifelsfall sind die originale Richtlinie oder konservative Standardwerte zu verwenden. Zusätzlich existieren Unterschiede zwischen den einzelnen Auflagen der Richtlinie.

2

Spannungen und Dehnungen

Die Lebensdauer eines Bauteils ist von den Kräften, die auf das Bauteil wirken, abhängig. Dabei ist nicht die absolute Größe der Kraft entscheidend, sondern die Spannung, die das Verhältnis der Kraft zu der Fläche beschreibt, an der die Kraft wirkt. Zusätzlich verformt sich das Bauteil infolge der Kräfte. Bezieht man diese Verformungen auf die Ausgangsabmessungen, resultieren Dehnungen. Für sie kann ein Zusammenhang mit den Spannungen, das Materialgesetz, angegeben werden.

2.1

Verformungen und Dehnungen

Ein Bauteil verformt sich, wenn Kräfte auf dieses wirken oder es eine Temperaturänderung erfährt. Um diese Verformungen zu untersuchen, wird stellvertretend das in Abb. 2.1 dargestellte Bauteil betrachtet. Ein unendlich kleiner Quader mit den Kantenlängen dx, dy und dz wird am nicht verformten Bauteil markiert. Seine Kanten verlaufen parallel zu den Koordinatenachsen. Hat der untere linke Eckpunkt A die Koordinaten xA = (x y z)T, folgt entsprechend für die Koordinaten des Punktes E:



 x + dx     xE =  y + dy   z + dz   

Im verformten Zustand haben die beiden Eckpunkte des Quaders die Koordinaten xA′ und xE′. Die jeweiligen Differenzen der Koordinaten ergeben die Verschiebungen uA und uE der beiden Punkte.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 P. Steibler, Lebensdauerberechnungen mit FEM, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32244-1_2

5

6

2  Spannungen und Dehnungen

D

uE

A D‘ uA B A‘ z

dz A

E‘ B‘

F

z

E

D

E

dy

y

C

x

uE

dx B uA

D‘ E‘

y x

A‘

C‘ B‘

Abb. 2.1  Kleiner verformter Ausschnitt aus einem Gesamtbauteil





 u ( x,y,z )        uA = u ( x,y,z ) =  v ( x,y,z )  = x A′ − x A  w ( x,y,z )     u ( x + dx,y + dy,z + dz )        uE = u ( x + dx,y + dy,z + dz ) =  v ( x + dx,y + dy,z + dz )  = xE ′ − xE  w ( x + dx,y + dy,z + dz )   

Die Verschiebung u ist eine stetige Funktion. Somit können ihre Komponenten u, v, w am Punkt A in eine Taylorreihe entwickelt werden. Die Terme höherer Ordnung (O′) werden vernachlässigt bzw. die Reihe wird nach dem linearen Term abgebrochen. ∂u ∂u ∂u ( x,y,z ) hx + ( x,y,z ) hy + ( x,y,z ) hz + O′ ∂x ∂y ∂z = u ( x,y,z ) + ux ( x,y,z ) hx + uy ( x,y,z ) hy + uz ( x,y,z ) hz + O ′

u ( x + hx ,y + hy ,z + hz ) = u ( x,y,z ) +

∂v ∂v ∂v ( x,y,z ) hx + ( x,y,z ) hy + ( x,y,z ) hz + O′ ∂x ∂y ∂z = v ( x,y,z ) + vx ( x,y,z ) hx + vy ( x,y,z ) hy + vz ( x,y,z ) hz + O′

v ( x + hx ,y + hy ,z + hz ) = v ( x,y,z ) +

∂w ∂w ∂w ( x,y,z ) hx + ( x,y,z ) hy + ( x,y,z ) hz + O′ ∂x ∂y ∂z = w ( x,y,z ) + wx ( x,y,z ) hx + wy ( x,y,z ) hy + wz ( x,y,z ) hz + O ′

w ( x + hx ,y + hy ,z + hz ) = w ( x,y,z ) +

Die Verformungen des Quaders sind dadurch lineare Funktionen. Daher wird der Quader bei der Verformung zu einem Parallelepiped. Dies bedeutet, die gegenüberliegenden Seiten sind identische Parallelogramme. Am Punkt E gilt hx = dx, hy = dy und hz = dz. Vernachlässigt man die Darstellung der veränderlichen Größen (x, y, z), nehmen die Verschiebungen uA und uE folgende Werte an:

2.1 Verformungen und Dehnungen

u    uA =  v  w  



7

 uy   uz   u   ux           uE =  v  +  vx  dx +  vy  dy +  vz  dz   w w  w     x  z  wy 

Um ein geeignetes Maß für die Verformung angeben zu können, wird der Differenzenvektor der Punkte A und E im nicht verformten (dx) und im verformten (dX) Zustand untersucht.  dx     dx =  dy   dz     uy   uz   dx   ux                   dX = xE + uE − ( x A + uA ) = xE − x A + uE − uA =  dy  +  vx  dx +  vy  dy +  vz  dz    dz   w  w     x  z  wy   1 0 0   dx   ux     =  0 1 0   dy  +  vx  0 0 1   dz        wx



uy vy wy

uz   dx    dx     ∂u     vz   dy  =  I +    dy  = Fdx x ∂      dz  wz   dz   



Die Matrix F wird als Deformationsgradient bezeichnet.  F11  F =  F21 F  31



F12 F22 F32

uy uz  F13   1 + ux    F23  =  vx 1 + vy vz   F33   wx wy 1+ wz  

Ihre Determinante ist die Jacobideterminante J. J = (1 + ux ) (1 + vy ) (1 + wz ) + uy vz wx + uz vx wy

− (1 + ux ) vz wy − uy vx (1 + wz ) − uz (1+ vy ) wx



Diese muss bei der inversen Matrix F−1 berücksichtigt werden.

F −1

 (1 + v ) (1 + w ) − v w y z z y 1  vz wx − vx (1 + wz ) = J  vx wy − (1 + vy ) wx 

uz wy − uy (1 + wz )

(1 + ux ) (1 + wz ) − uz wx uy wx − (1 + ux ) wy

uy vz − uz (1 + vy )

  uz vx − (1 + ux ) vz   (1 + ux ) (1 + vy ) − uy vx 

8

2  Spannungen und Dehnungen

Mit den beiden Abstandsvektoren wird die Änderung ds2 der Quaderdiagonalen beschrieben.           ds 2 = dX T ⋅ dX − dx T ⋅ dx = dx T F T Fdx − dx T Idx = dx T F T F − I dx     = dx T ( C − I ) dx = dx T 2 Edx

(

)

Die Matrix C wird rechter Cauchy-Green-Tensor genannt. C = FT F  F112 + F212 + F312  =  F12 F11 + F22 F21 + F32 F31 F F +F F +F F 23 21 33 31  13 11 2  (1 + ux ) + vx2 + wx2  =  uy + vx + uxuy + vx vy + wx wy   uz + wx + ux uz + vx vz + wx wz 

F11F13 + F21F23 + F31F33   F12 F13 + F22 F23 + F32 F33   F132 + F232 + F332 

F11F12 + F21F22 + F31F32 F122 + F222 + F322 F13 F12 + F23 F22 + F33 F32

uy + v x + ux uy + v x v y + wx wy uy2 + (1 + vy ) + wy2 2

vz + wy + uyuz + vy vz + wy wz

uz + w x + u x u z + v x v z + w x w z   vz + wy + uyuz + vy vz + wy wz  2   uz2 + vz2 + (1 + wz ) 

Wie C ist der ebenso eingeführte Green-Lagrange-Verzerrungstensor E dimensionslos. Den Vorfaktor 1/2 wählt man, um im weiteren Verlauf geeignetere Formeln zu erhalten. Der Tensor kann in einen linearen Elinear und in einen nicht linearen Enichtlinear Anteil zerlegt werden.  E x E xy E xz    1 T 1 E = F F − I = ( C − I ) =  E xy E y E yz  = Elinear + Enichtlinear 2 2    E xz E yz Ez  1  ux ( uy + vx ) 12 ( uz + wx )   2   1 1  =  ( uy + v x ) vy ( vz + wy )  2 2    1 (u + w ) 1 ( v + w )  wz x z y 2 z  2  

(



)

 ux2 + vx2 + wx2 1 +  ux uy + v x v y + wx wy 2  u x uz + v x v z + w x w z 

ux uy + v x v y + wx w y u +v +w 2 y

2 y

2 y

u y uz + v y v z + w y w z

u x uz + v x v z + w x w z   uy uz + vy vz + wy wz   uz2 + vz2 + wz2 

Im Gegensatz zu F sind C und E symmetrische Matrizen. Analog zum rechten kann auch ein symmetrischer linker Cauchy-Green-Tensor B angegeben werden.

2.1 Verformungen und Dehnungen

9

B = FF T 2  (1 + ux ) + uy2 + uz2  =  uy + vx + ux vv + uy vy + uz vz   uz + wx + ux wx + uy wy + uz wz 

uy + vx + ux vv + uy vy + uz vz vx2 + (1 + vy ) + vz2 2

v z + w y + v x w x + v y w y + v z wz

uz + wx + ux wx + uy wy + uz wz   vz + wy + vx wx + vy wy + vz wz  2   wx2 + wy2 + (1 + wz ) 

Für den in Abb. 2.2 dargestellten Quader wird der Green-Lagrange-Verzerrungstensor E bestimmt. Der nichtverformte Quader hat die Eckpunkte A, B, C, D und E. Die Koordinaten können aus der Abbildung abgelesen werden. Entsprechend sind die Koordinaten des verformten Quaders A′, B′, C′, D′ und E′ zu bestimmen. Es wird vorausgesetzt, dass sich bei der Verformung die Höhe gleichmäßig auf 0.39048 reduziert. Daraus folgt ein konstantes wz  =  −0.60952, welches der Höhenreduzierung entspricht. Außerdem erhält man uz = vz = wx = wy = 0. Die Koordinatendifferenzen ergeben die Verschiebungen der einzelnen Punkte in x- und y-Richtung.



2 0 2        uA =  1  −  0  =  1  0 0 0      

3 0 3        uC =  2  −  1  =  1  0 0 0      

 4 1 3        uB =  0  −  0  =  0  0 0 0      

Mit diesen drei Verschiebungen kann die lineare Verschiebungsfunktion u(x,y) bestimmt werden. Dafür wird für u(x,y) der Ansatz u(x,y) = ax + by + c eingeführt.



u ( x = 0,y = 0 ) = uA = a ⋅ 0 + b ⋅ 0 + c = 2 u ( x = 1,y = 0 ) = uB = a ⋅ 1 + b ⋅ 0 + c = 3 u ( x = 0,y = 1) = uC = a ⋅ 0 + b ⋅ 1 + c = 3

Es folgt a = 1, b = 1 und c = 2 bzw. u(x,y) = x + y + 2. Analog findet man v(x,y) = x + 1. Aus den Verschiebungsfunktionen können die Verschiebungsänderungen ux = 1, uy = 1, vx = −1 und vy = 0 ermittelt werden, die für die gesuchten Tensoren ausgewertet werden.

Abb. 2.2 Verschiebung der Eckknoten eines markierten Quaders

z 1

A

y

C

E D

D‘

1

C‘ 1

B

uA 2

E‘

A‘ 3

B‘ 4

5

x

10

2  Spannungen und Dehnungen

 1 + ux uy uz   2 1 0      F =  vx vz  =  −1 1 1 + vy 0      wy 1 + wz   0 0 0.39048   wx 0  0   5 −1 5 1     T T 0  B = FF =  −1 2 0  C = F F = 1 2  0 0 0.15247   0 0 0.15247      E=

0  2 0.5  1   0 5 0 5 0 C I = . . − ( )   2  0 0 −0.42377  

0 1 0    Elinear =  0 0 0   0 0 −0.60952   

Sind die Änderungen der Verschiebungen klein, kann der Matrixanteil Enichtlinear vernachlässigt werden. Die Einträge im linearen Matrixanteil können durch die Dehnungen ε und die Winkelverzerrungen γ ersetzt werden.

Elinear



1 1    ux uy + v x ) uz + w x )   ε x ( (  2 2     γ xy 1 1  =  ( uy + v x ) vy vz + wy )  =  ( 2 2 2     1 (u + w ) 1 ( v + w )   γ xz wz x z y 2 z   2    2

γ xy 2

εy

γ xz 2 γ yz

γ yz 2

     2   εz  

In diesem Fall wird häufig eine modifizierte Dehnungsmatrix ε mit γxy  =  uy  +  vx, γxz = uz + wx und γyz = vz + wy verwendet.  εx  ε =  γ xy   γ xz



γ xy εy γ yz

γ xz   γ yz   ε z 

Betrachtet man eine ebene Aufgabenstellung bzw. ein flächiges Bauteil, bei dem das Verhalten nur in der Ebene von Interesse ist bzw. bei dem wz unberücksichtigt bleibt, werden uz  =  vz  =  wx  =  wy  =  0. Es resultiert eine ebene Formulierung des linearen Green-­ Lagrange-­Verzerrungstensors. Da nur noch eine Winkelverzerrung auftritt, wird diese, wie in Abb. 2.3 umgesetzt, als γ = γxy bezeichnet.

Elinear

1  ux ( uy + vx )   ε x  2 = =  γ 1 u +v v    ( y x) y  2 2

γ  2  ε =  ε x  γ ε y  

γ   εy 



2.1 Verformungen und Dehnungen

11 γ2dy = uydy

y C‘

dly = εydy = vydy x

γ2

C dy

B‘

π/2 - γ

dy

γ1dx = vxdx

γ1 A‘

uA dx

A

dx

dlx = εxdx = uxdx

B

Abb. 2.3  Lineare ebene Dehnungen und Winkelverzerrung an einem Rechteck

Die Längenänderung dlx in x-Richtung ist die Differenz zwischen dem Abstand xB′–xA′ in x-Richtung im verformten Zustand und dem ursprünglichen Abstand xB–xA. dl x

xB

xA

xB

xA

x dx u ux dx

x u

xB

xA



x dx x xB

xA

ux dx

Betrachtet man die y-Koordinaten der Punkte A und B, so erhält man den Verzerrungswinkel γ1 = vx. yB

yA



yB

yA

y v v dx 1424x3 yB

y v yA

y{

yB

y

v x dx

1

dx

yA

Das rechtwinklige Dreieck, welches die Verbindungslinie A′B′ als Hypotenuse und den Winkel γ1 beinhaltet, hat die Katheten dx  +  dlx und vxdx. Da nur der lineare Green-­ Lagrange-­Verzerrungstensor betrachtet wird, ist ux klein und somit dlx = uxdx σ 3 sonst

Entsprechend wählt die Schubspannungshypothese das Zweifache der maximal auftretenden Schubspannung τmax als Vergleichsspannung σV.

σ V = 2 τ max



2.5

Materialgesetze

Gesucht ist der Zusammenhang zwischen den Spannungen und Dehnungen bzw. Verformungen. Man betrachtet einen Stab mit der Querschnittsfläche A und der Länge L. Bei einem Zugversuch wird die Kraft F aufgezeichnet, die eine Stabverlängerung ΔL hervorruft. Nur eine Spannung σ = σx = F/A ist ungleich null. Diese wird erfasst. Ebenso die Dehnung ε = εx in Stabrichtung. Die Einschnürung quer zum Stab bzw. die Querschnittsänderung bleibt unberücksichtigt. Das in Abb.  2.18 dargestellte ­Spannungs-­Dehnungs-­Diagramm

σ Rm Gültigkeitsbereich des Hookeschen Gesetz

Rp

wahre Spannung

Maximalspannung

Bruchgrenze, Zugfestigkeit Fließgrenze, Streckgrenze Steigung E

elastisches Materialverhalten

ε plastisches Materialverhalten

Abb. 2.18  Spannungs-Dehnungs-Diagramm infolge eines Zugversuches

40

2  Spannungen und Dehnungen

wird aufgezeichnet. Das Diagramm ist charakteristisch für viele Metalle, wobei der tatsächliche Kurvenverlauf materialabhängig ist. Man stellt fest, dass im Bereich kleiner Dehnung ein linearer Zusammenhang, der als Hookesches Gesetz bezeichnet wird, zwischen Spannung und Dehnung existiert.

σ = Eε

Der Proportionalitätsfaktor E ist der Elastizitätsmodul bzw. E-Modul. Er hat die Dimension einer Spannung [N/mm2]. In diesem Bereich verformt sich der Stab elastisch. Dies bedeutet, entfernt man die Belastung, geht der Stab in seine ursprüngliche Form zurück. Wird bei der Belastung die sogenannte Streck- oder Fließgrenze Rp überschritten, existiert ein nicht linearer Zusammenhang zwischen Spannung und Dehnung und der Stab verformt sich plastisch. Wird die Belastung entfernt, bleibt eine Restverformung erhalten. Erreicht die Spannung die Bruchgrenze oder Zugfestigkeit Rm, versagt der Stab. Da bei der Bestimmung der Normalspannung σ die Einschnürung des Querschnittes A vernachlässigt wird, kann die Zugfestigkeit kleiner als die Maximalspannung sein. Wird die Kraft immer auf die momentane Querschnittsfläche bezogen, spricht man von der wahren Spannung, die eine stetig wachsende Funktion darstellt. Da ein mehrdimensionaler Zusammenhang zwischen Spannungen und Dehnungen messtechnisch schwer zu bestimmen ist, versucht man die eindimensionalen Ergebnisse rechnerisch zu übertragen.

2.5.1 Isotropes elastisches Material Bei einer plastischen Verformung treten Restverformungen auf. Unterschiedliche Deformationsgradienten können den gleichen Spannungszustand hervorrufen. Um ein isotropes lineares Material zu beschreiben, wird eine Spannungsfunktion σ gesucht, die jedem Deformationsgradient F einen eindeutigen Spannungswert zuweist.

σ = σ (F ) Es wird vorausgesetzt, dass die Spannungsfunktion koordinatenunabhängig ist.



(

)

(

)

Qσ ( F ) QT = σ QFQT = σ Fx∗ y∗ z∗

Die Koordinatenunabhängigkeit [BRA] besagt, dass es gleichwertig ist, zuerst den im xyz-Koordinatensystem gebildeten Deformationsgradient F in die Spannungsfunktion einzusetzen und die resultierende Spannung ins x*y*z*-Koordinatensystem zu transformieren, oder zuerst den Deformationsgradienten ins x*y*z*-Koordinatensystem zu transformieren bzw. den Gradienten Fx*y*z* zu bilden und diesen anschließend in die Spannungsfunktion einzusetzen. Zusätzlich muss die Spannungsfunktion die Isotropiebedingung [CIA] erfüllen.

2.5 Materialgesetze

41

σ ( F ) = σ ( FQ )



Um nachzuvollziehen, dass diese Bedingung isotropes Material beschreibt, führt man eine Funktion φ(x) mit dem Deformationsgradient F ein, die das Rechteck ABCD aus Abb. 2.19 auf das verformte Viereck A′B′C′D′ abbildet (vergleiche Abb. 2.2). 0  2 1 2         ϕ ( x ) =  −1 1 0  x +  1  = Fx + c  0 0 0.39048  0    



Leitet man die Funktion φ(x) ab, folgt der Deformationsgradient F. Somit können die Spannungen auch in Abhängigkeit vom Gradient einer Verschiebungsfunktion φ(x) angegeben werden.    ∂ϕ ( x )  σ ( F ) = σ    ∂x   Betrachtet man ein zweites Rechteck A*B*C*D*, welches aus ABCD folgt, indem dieses um den Winkel α um den Punkt P0 (x0,y0,0) gedreht wird, kann diese Drehung mit der Transformationsmatrix Q beschrieben werden.



 cosα  ψ ( x ) =  sinα  0 

−sinα cosα 0

0        0  ( x − x0 ) + x0 = Q T ( x − x0 ) + x0 1 

Um die Abbildung φ*(x) von A*B*C*D* auf A′B′C′D′ anzugeben, muss die Umkehrfunktion ψ(x)−1 in φ(x) eingesetzt werden.

(

)

   −1        ϕ ∗ ( x ) = ϕ ψ ( x ) = F ( Q ( x − x0 ) + x0 ) + c = FQx + F ( I − Q ) x0 + c

Hat das Material in jeder Raumrichtung die identischen Eigenschaften bzw. ist isotrop, resultieren die gleichen Spannungen, unabhängig, ob das Rechteck ABCD betrachtet Abb. 2.19 Abbildung eines ursprünglichen und eines gedrehten Rechtecks auf ihr Verformungsbild

y

C C* A

C‘ D* P0

D

a

A‘

D‘

P0‘

B* A*

B

B‘

x

42

2  Spannungen und Dehnungen

wird, oder das Rechteck A*B*C*D* ohne Verformung gedreht und dann auf das verformte Viereck abgebildet wird.      ∂ϕ ∗ ( x )   ∂ϕ ( x )  σ ( F ) = σ  σ =      = σ ( FQ )  ∂x   ∂x 



Mit der Annahme der Isotropie kann gezeigt werden, dass die Spannungsfunktion vom linken Cauchy-Green-Tensor B = FFT abhängig ist. Dazu wird eine nichtsinguläre Matrix G eingeführt, die die folgende Bedingung erfüllt: G −1 FF T G −T = I

FF T = GG T



Setzt man Q = FTG−T wodurch QT = G−1F folgt, erfüllt Q die Bedingung QTQ = I und ist eine orthonormale Matrix und kann in die Bedingung der Isotropie eingesetzt werden.

(

)

σ ( F ) = σ ( FQ ) = σ ( FF T G −T ) = σ ϑ ( FF T ) = σˆ ( FF T )

Mit der Koordinatenunabhängigkeit gilt, dass wenn B = FFT = diag(λ1,λ2,λ3) eine Diagonalmatrix ist, ist σ(F) auch eine Diagonalmatrix. Um dies nachzuweisen, wählt man zuerst Q = diag(1,−1,−1) und zeigt QFQT = F.  1 0 0   λ1   QFQT =  0 −1 0   0  0 0 −1     0

0

λ2 0

0   1 0 0   λ1    0   0 −1 0  =  0    λ3   0 0 −1   0

0

λ2 0

0   0 =F  λ3 

Die Spannungsfunktion σ(F) wird durch die symmetrische 3x3-Matrix T repräsentiert.

σ ( F ) = σˆ ( FF

T

)

 T11  =  T12 T  13

T12 T22 T23

T13   T23  T33 

Mit der Bedingung QFQT = F und der Koordinatenunabhängigkeit stellt man Qσ(F)QT = σ(F) dar.  T11  Qσ ( F ) Q =  −T12  −T  13 T



−T12 T22 T23

−T13   T11   T T23  = σ QFQ = σ ( F ) =  T12 T T33   13

(

)

T12 T22 T23

T13   T23  T33 

Es folgt, dass T12 = T13 = 0 sein muss, da zum Beispiel T12 = −T12 nur für T12 = 0 erfüllt ist. Analog bestimmt man mit der Matrix Q = diag(−1,−1,1), dass T23 = 0 sein muss. Somit gilt σ(F) = diag(T11,T22,T33). Mit der Matrix

2.5 Materialgesetze

43

0 1 0    Q = 1 0 0   0 0 −1   



kann nachgewiesen werden, dass, wenn λ1 = λ2 gilt, ebenso T11 = T22 sein muss. 0 0   0 1 0   λ1 0  0 1 0   λ1      0 1 0 0  =  0 QFQ =  1 0 0   0 λ1 λ1    0 0 −1    0 0 − 1 0 0 λ3     0   0 0   T22 0  T11 0    Qσ ( F ) QT =  0 T11 0  = σ QFQT = σ ( F ) =  0 T22  0  0 0 T33  0   T

(

)

0   0 =F  λ3  0   0  T33 

Die erste und zweite Zeile bestätigt die Aussage. Analog folgt mit den Matrizen,



0 0 1   Q =  0 −1 0  1 0 0  

 −1 0 0    Q =  0 0 1  0 1 0  

dass T33 = T11 für λ3 = λ1 und T33 = T22 für λ3 = λ2 gilt. Zusammen bedeutet dies, dass, wenn B = FFT eine Diagonalmatrix ist, besteht σ(F) aus drei Komponenten T11, T22 und T33 und ist als Linearkombination dreier linear unabhängiger Diagonalmatrizen darstellbar. Man wählt I, B und B2.

σ ( F ) = σˆ ( FF

T

)

 T11 0  = σˆ ( B ) =  0 T22  0 0 

0   0  = α1 I + α 2 B + α 3 B 2 T33 

Bei bekannten Spannungen sind die Konstanten α1, α2 und α3 eindeutig gegeben.



 T11   1 B11     T22  =  1 B22  T  1 B 33  33  

B112   α1   1 λ1   2  B22   α 2  =  1 λ2 B332   α 3   1 λ3

λ12   α1    λ22   α 2  λ32   α 3 

Stimmen zwei Spannungswerte überein, kann α3 gleich null gesetzt werden. Ist die Verschiebungsänderung gleich null, ist F = 1 wodurch B2 = B = I folgt. Da dann auch keine Spannungen auftreten dürfen, muss die Summe der drei α-Werte gleich null sein.

α1 + α 2 + α 3 = 0

44

2  Spannungen und Dehnungen

Auch wenn B keine Diagonalmatrix ist, ist B nicht singulär. Somit gibt es eine orthonormale Matrix Q, die mit D = QBQT eine Diagonalmatrix erzeugt. Die Spannungsfunktion kann analog zur bisherigen Betrachtung in Abhängigkeit von der Diagonalmatrix D dargestellt werden.

σˆ ( D ) = α1 I + α 2 D + α 3 D 2



Die Spannungen im transformierten Koordinatensystem werden ins ursprüngliche Koordinatensystem rücktransformiert.

(

(

QT σˆ ( D ) Q = QT σˆ QFQT QFQT



)

T

)Q = Q σ (QFQ )Q = Q Qσ ( F )Q Q = σ ( F ) = σˆ ( FF ) T

T

T

T

T

Es folgt das Rivlin-Ericksen-Theorem, welches besagt, dass die Spannungsfunktion eine Funktion vom linken Cauchy-Green-Tensor B ist [CIA]. Dieser muss keine Diagonalmatrix sein.

σ ( F ) = σˆ ( FF T ) = QT σˆ ( D ) Q = QT (α1 I + α 2 D + α 3 D 2 ) Q = α1 I + α 2 B + α 3 B2



Da die Parameter α1 bis α3 im Allgemeinen auch von B abhängig sind, kann ohne weitere Informationen keine allgemeine Spannungsfunktion formuliert werden. Exemplarisch sind F und σ gegeben. 0  2 1   F =  −1 1 0   0 0 0.3905   



 σ x τ xy τ xz   7.4476 −1.5364 0      σ = τ xy σ y τ yz  =  −1.5364 2.8385 0     τ 0 0 0   xz τ yz σ z  

Die Angaben passen zur Geometrie aus Abb. 2.20, die auch in Abb. 2.2 und 2.9 betrachtet wird. Mit det(B-λBiI) = 0 und det(σ-λσiI) = 0 können die Eigenwerte von B = FFT und σ bestimmt werden. Sie bilden zwei Diagonalmatrizen DB und Dσ, die durch die Transformation mit Q resultieren. y

y

C‘

2

σy = 2.84 |τxy|

1

C

D

σx = 7.45

D‘

σx

A‘ uA A

1

B

|τxy| = |-1.54| 3

4

B‘

5

x

Abb. 2.20  Teilflächen mit Verformungsbild und wirkenden Spannungen

σy

x

2.5 Materialgesetze



45

 λ1   0.1525      DB = diag  λ2  = diag  1.6972  λ   5.3028   3  

 T11   0      Dσ = diag  T22  = diag  2.3734  T   7.9128   33   

Über das zuvor definierte Gleichungssystem können die Parameter α1, α2 und α3 angegeben werden.  α1   1 λ1     α 2  =  1 λ2  α  1 λ 3  3 



λ12   λ22  λ32 

−1

 T11   −0.2343       T22  =  1.5364   T   −0.1668 ⋅ 10 −5    33  

Zur Kontrolle können die Spannungen mit B = FFT und den α-Werten berechnet werden.  7.4476 −1.5364 0    σ = α1 I + α 2 B + α 3 B =  −1.5364 2.8385 0   0 0 0   2



Aus den Cauchy-Spannungen können die Spannungen des zweiten Piola-Kirch­ hoffschen-­Spannungstensor S bestimmt werden.

(

)

(

)

S = JF −1σ ( F ) F −T = JF −1 α1 I + α 2 B + α 3 B2 F −T = J α1C −1 + α 2 I + α 3C

Dabei ist C der rechte Cauchy-Green-Tensor. Es werden die drei Invarianten iC1, iC2 und iC3 von C eingeführt.



iC1 = spur ( C ) = C11 + C22 + C33

iC 2 =

( ))

(

2 1 spur ( C ) ) − spur C 2 ( 2

iC 3 = det ( C ) = J 2

Diese berücksichtigt man im Satz von Cayley-Hamilton und stellt C−1 in Abhängigkeit von C dar. C −1 =



1 C 2 − iC1C + iC 2 I J2

(

)

Es resultiert der zweite Piola-Kirchhoffschen-Spannungstensor S als Funktion von C und den drei Invarianten iC1, iC2 und iC3.   1  α i α    αi  S = J  α1  2 C 2 − iC1C + iC 2 I  + α 2 I + α 3C  =  1 C 2 + Jα 2  I +  − 1 C1 + Jα 3  C + 1 C 2 J J      J   J

(

)

C kann wiederum durch den Green-Lagrange-Verzerrungstensor E ersetzt werden. Dazu wird zuerst C = 2E + I und C2 = 4E2 + 4E + I berücksichtigt.

46



2  Spannungen und Dehnungen

α α i   αi  S =  1 C 2 + Jα 2  I +  − 1 C 1 + Jα 3  ( 2 E + I ) + 1 4 E 2 + 4 E + I J J J    

(

)

Die Summanden werden so zusammengefasst, dass I, E und E2 jeweils mit einem Vorfaktor aufgeführt sind.



4α α α  α   2α i S =  1 ( iC 2 − iC1 ) + 1 + Jα 2 + Jα 3  I +  − 1 C1 + 1 + 2 Jα 3  E + 4 1 E 2 J J J J  J   

spur(C) und spur(C2) gibt man entsprechend in Abhängigkeit von E an.

spur ( C ) = 3 + 2 spur ( E )

( )

( )

spur C 2 = 3 + 4 spur ( E ) + 4 spur E 2

Dadurch können die Invarianten iC1 und iC2 bzw. ihre Differenz auch in Abhängigkeit von E dargestellt werden. iC1 = 3 + 2 spur ( E )

( ) = 2 spur ( E ) + 2 spur ( E ) − 2 spur ( E )

iC 2 = 3 + 4 spur ( E ) + 2 spur ( E ) − 2 spur E 2 2

iC 2 − iC1



2

2

Somit benötigt man zur Bestimmung des zweiten Piola-Kirchhoffschen-­ Span­ nungstensors S neben dem Green-Lagrange-Verzerrungstensor E nur die drei Parameter β1, β2 und β3. S = β1 I + β 2 E + β 3 E 2

Für die drei Parameter gilt:

β1 =



(

)

α1 α 2 2 spur ( E ) + 2 spur ( E ) − 2 spur ( E 2 ) + 1 + Jα 2 + Jα 3 J J 2α1 4α1 β2 = − ( 3 + 2spur ( E ) ) + J + 2 Jα 3 J α β3 = 4 1 J

2.5.1.1 Linear-elastisches Material Bei der Betrachtung des Spannungs-Dehnungs-Diagramms erkennt man, dass bei kleinen Dehnungen ein linearer Zusammenhang zwischen Spannung und Dehnung existiert. Um dies auf den mehrdimensionalen Spannungszustand zu übertragen, setzt man kleine Verschiebungsänderungen bzw. Dehnungen auch im mehrdimensionalen Fall voraus. Unter dieser Voraussetzung kann J gleich eins gesetzt werden und der Cauchy-Spannungstensor

2.5 Materialgesetze

47

σ stimmt mit dem zweiten Piola-Kirchhoffschen-Tensor S überein. Nur der lineare Anteil Elinear des Green-Lagrange-Verzerrungstensors ist zu berücksichtigen und die quadratischen Terme spur(E)2 und E2 können vernachlässigt werden. Das im vorigen Abschnitt eingeführte β1 vereinfacht sich stark.

β1 = α1 ( 2 spur ( Elinear ) ) + α1 + α 2 + α 3 = 2α1 spur ( Elinear )

Dabei wird berücksichtigt, dass die Summe α1 + α2 + α3 gleich null ist. Bei der Berechnung von β2 ist spur(E) viel kleiner als der Faktor 3, sodass spur(E) vernachlässigt werden kann.

β 2 = −2α1 ⋅ 3 + 4α1 + 2α 3 = −2α1 + 2α 3

Da die quadratischen Terme vernachlässigbar klein sind, muss β3 nicht berücksichtigt werden. Der resultierende Spannungstenor ist nur eine Funktion von Elinear, α1 und α3.

σ = S = 2α1 spur ( Elinear ) I + ( −2α1 + 2α 3 ) Elinear

Im verbleibenden Ausdruck werden die beiden Lamé-Konstanten λ  =  2α1 und μ = α3−α1 eingeführt.

σ = λ spur ( Elinear ) I + 2 µ Elinear



Da bei kleinen Verformungsänderungen spur (Elinear) = ux + vy + wz = εV die Änderungen des Volumens beschreibt, wird mit λ der Einfluss der Volumenänderung berücksichtigt. Um den bei der eindimensionalen Betrachtung eingeführten Elastizitätsmodul E verwenden zu können, wird die erste Lamé-Konstante durch diesen und die dimensionslose Querkontraktionszahl ν ersetzt. Die Querkontraktionszahl beschreibt bei einem Zugstab das Verhältnis zwischen Stabverlängerung und auftretender Querschnittseinschnürung. Statt der zweiten Lamé-Konstanten μ wird häufig der Schubmodul G verwendet. Er hat die Dimension [N/mm2].

λ=

Eν (1 +ν ) (1 − 2ν )

µ=

E =G 2 (1 + ν )

Da eine Vergrößerung des Volumens positive Zugspannungen voraussetzen soll, muss λ > 0 gelten. Deshalb muss die Querkontraktionszahl die Bedingung 0 < ν < 1/2 erfüllen. Für gegen 1/2 strebendes ν strebt λ gegen unendlich. Dies bedeutet, eine Volumenänderung würde unendliche Spannungen hervorrufen. Ein Material mit annähernd ν = 1/2 ändert nicht sein Volumen und wird als inkompressibel bezeichnet.

48

2  Spannungen und Dehnungen

 σ x τ xy τ xz   u x + v y + wz    Eν σ = τ xy σ y τ yz  = 0    (1 + ν ) (1 − 2ν )  0  τ xz τ yz σ z   1  ux ( uy + v x )  2  E 1 vy + ( uy + v x ) 1 +ν  2   1 (u + w ) 1 ( v + w ) x z y 2 z 2 

0 u x + v y + wz 0

  0   ux + vy + wz  0

1  uz + w x )  ( 2  1  v w + ( z y ) 2   wz  



In der Voigtschen Schreibweise verwendet man die Dehnungen εx  =  ux, εy  =  vy und εz = wz und die Winkelverzerrungen γxy = uy + vx, γxz = uz + wx und γyz = vz + wy. σ x      σ y   σ    z σ = = τ xy       τ xz   τ    yz  

(1 − ν ) E ∗ ∗

νE νE ∗

νE ∗ (1 − ν ) E ∗ νE ∗

0 0 0

0 0 0

0 0 0

E∗ =

νE ∗ νE ∗ (1 − ν ) E ∗

0 0 0  εx    0 0 0  εy  0 0 0  εz      = D0ε   γ G 0 0  xy   0 G 0   γ xz  0 0 G   γ yz 

E 1 ν + ( ) (1 − 2ν )



D0 wird als Materialmatrix bezeichnet. Mit D0−1 können auch die Dehnungen in Abhängigkeit von den Spannungen angegeben werden.



 ε x   1 / E −ν / E     ε y   −ν / E 1 / E  ε   −ν / E −ν / E  z ε = =  γ xy   0 0    0 0  γ xz    γ   0 0  yz 

0 0 0 σ x  −ν / E   0 0 0 σ y  −ν / E 1/ E 0 0 0 σz  −1     = D0 σ 0 1/ G 0 0   τ xy    0 0 1/ G 0   τ xz   0 0 0 1 / G   τ yz   

Die Summe der Dehnungen εx, εy und εz ist die Volumendehnung εV. Betrachtet man einen Würfel, bei dem auf allen Seiten der Druck p = σx = σy = σz wirkt, kann der Kompressionsmodul K eingeführt werden, der die Volumenänderung in Abhängigkeit vom Druck beschreibt.



p 1 p = ε V = ε x + ε y + ε z = (σ x + σ y + σ z − 2 ν σ x − 2 ν σ y − 2 ν σ z ) = ( 3 − 6 ν ) K E E

2.5 Materialgesetze

49

Die nach K aufgelöste Gleichung zeigt, dass der Kompressionsmodul eine Funktion von Elastizitätsmodul und Querkontraktionszahl ist. K=

E ( 3 − 6ν )

Die Bestimmungsgleichung für die Spannung kann als Taylorreihen-Entwicklung der Spannung mit σ0 = 0 und ε = Δε betrachtet werden. Die Materialmatrix D0 wird als Tangentenmatrix bezeichnet.    ∂σ   σ = D0ε = σ 0 +  ∆ε ∂ε 0 Bei ebenen Problemstellungen gilt σz = τxz = τyz = 0. Die letzten beiden Zeilen der Gleichung σ = D0ε können vernachlässigt werden. Die dritte Zeile wird nach εz aufgelöst und in die ersten beiden Zeilen eingesetzt. Für die einzig verbleibende Schubspannung und Winkelverzerrung wird τ = τxy und γ = γxy verwendet.



σ x    1  σ y  = −ν 2 τ  1  

 E νE  ν E E   0 0 

0 0

(1 −ν ) 2

ε   x  εy   G   γ 

Sind auch σy und τ zu vernachlässigen bzw. sind sie gleich null, kann die zweite Zeile nach εy aufgelöst und in die erste Zeile eingesetzt werden. Man setzt σ = σx und ε = εx und erhält das Hookesche Gesetz.

σ = Eε

Somit kann das zwei- bzw. dreidimensionale Materialgesetz als Erweiterung des Hookeschen Gesetzes betrachtet werden. Erfährt das zu untersuchende Bauteil zusätzlich eine Temperaturänderung, versucht es sein Volumen anzupassen. Die daraus resultierende Gestaltänderung kann durch eine thermische Dehnung εth beschrieben werden. Es lässt sich beobachten, dass nur die Dehnungen εx,th, εy,th und εz,th ungleich null und proportional zur Temperaturänderung ΔT sind. Die Proportionalität wird mit den Wärmeausdehnungskoeffizienten αx, αy, und αz beschrieben.



 ε x ,th   α x       ε y ,th  =  α y  ∆T      ε z ,th   α z 

Bei isotropem Material gilt α = αx = αy = αz. Die thermischen Dehnungen überlagern die aus der Kräftebelastung resultierenden Dehnungen.

50

2  Spannungen und Dehnungen

 ε ges



 ε x , ges   ε x   ε   ε x  α     x ,th       ε  y , ges   ε y   ε y ,th   ε y   α        ε   ε z  α  εz ε   z , ges   z th ,  =  + =  + = ∆T = ε + ε th   γ xy   0   γ xy   0  γ    xy , ges         γ xz , ges   γ xz   0   γ xz   0           γ yz   0   γ yz   0  γ yz ges ,  

Mit der Gesamtdehnung εges folgt eine modifizierte Bestimmungsgleichung für σ.



 ε x , ges − α∆T   εx  σ x         ε y , ges − α∆T  σ y   εy  ε  σ  ε     z z z , ges − α∆T  σ =   = D0   = D0  = D0 ( ε ges − ε th )   τ xy   γ xy  γ xy         γ xz  τ xz   γ xz    τ  γ  γ yz  yz   yz    Bei ebenen Aufgaben ist entsprechend nur εx,ges, εy,ges zu berücksichtigen.



σ x    1  σ y  = −ν 2 τ  1  

 E νE  ν E E   0 0 

0 0

(1 −ν ) 2

  ε x , ges − α∆T      ε y , ges − α∆T    γ G   

2.5.1.2 Hyperelastisches Material Bei hyperelastischen Materialien ist der Zusammenhang zwischen Dehnung und Spannung nicht linear. Es gibt keine Fließgrenze Rp. Um die Parameter β1, β2 und β3 in der isotropen Spannungsfunktion für den zweiten Piola-Kirchhoffschen S zu bestimmen, wird ein skalares Energiefunktional W vorausgesetzt, dessen Ableitung nach dem Deformationsgradient F den ersten Piola-Kirchhoffschen Spannungstensor P ergibt.



P=

∂W ∂F

Formal kann der Ansatz in der Bestimmungsgleichung für S berücksichtigt werden.



S = β1 I + β 2 E + β 3 E 2 = F −1 P = F −1

∂W ∂F

2.5 Materialgesetze

51

Allerdings werden die drei Parameter nur indirekt bestimmt. Mit dem rechten Cauchy-­ Green-­Tensor C wird zuerst ∂W/∂F durch ∂W/∂C ersetzt. Mit der Kettenregel werden die neun Komponenten von ∂W/∂F ermittelt. ∂W ∂W ∂C11 ∂W ∂C12 ∂W ∂C33 ∂W ∂W ∂W 2 F11 + 2 F12 + 2 F13 = + + + = ∂F11 ∂C11 ∂F11 ∂C12 ∂F11 ∂C33 ∂F11 ∂C11 ∂C12 ∂C13



 ∂W ∂W ∂C33 ∂W ∂W ∂C11 ∂W ∂C12 ∂W ∂W 2 F31 + 2 F32 + 2 F33 + + = = + ∂F33 ∂C11 ∂F33 ∂C12 ∂F33 ∂C33 ∂F33 ∂C13 ∂C23 ∂C33

Bildet man gleichzeitig das Matrixprodukt 2F∂W/∂C, erkennt man durch Vergleich der Koeffizienten die Gleichwertigkeit beider Ausdrücke. Wegen der Symmetrie von C gilt ∂W/∂Cij = ∂W/∂Cji.

 F11 ∂W ∂W  = 2F = 2  F21 ∂F ∂C F  31

F12 F22 F32

 ∂W  ∂C F13   11   ∂W F23    ∂C F33   21 ∂W   ∂C  13

∂W ∂C12 ∂W ∂C22 ∂W ∂C32

∂W   ∂C13  ∂W   ∂C23  ∂W   ∂C33 

Mit dieser Formulierung kann der Dehnungsgradient F aus der Gleichung für S eliminiert werden. S = F −1



∂W ∂W ∂W = F −1 2 F =2 ∂F ∂C ∂C

Aus Abschn.  2.5.1 ist bekannt, dass S als Funktion der drei Invarianten iC1, iC2 und iC3 = J2 und dem rechten Cauchy-Green-Tensor C dargestellt werden kann. Daher muss auch das Energiefunktional W von den drei Invarianten abhängig sein. S=2

∂W ( iC1 ,iC 2 ,J ) ∂C

 ∂W ∂iC1 ∂W ∂iC 2 ∂W ∂J  = 2 + +  ∂J ∂C   ∂iC1 ∂C ∂iC 2 ∂C

Da iC1 die Spur von C ist, ist ihre Ableitung nach C die Einheitsmatrix I.



1 0 0 ∂iC1 ∂ ( C11 + C22 + C33 )   = = 0 1 0 = I ∂C ∂C 0 0 1  

Für die Ableitung von iC2 benötigt man spur(C2) bzw. deren Ableitung nach C. Dabei wird wieder die Symmetrie von C berücksichtigt.

52

2  Spannungen und Dehnungen

( )

2 spur C 2 = C112 + C22 + C332 + 2C12C21 + 2C13C31 + 2C23C32

(

( ))

∂ spur C 2 ∂C

 2C11  =  2C12  2C  13

2C21 2C22 2C23

2C31   2C32  = 2C T = 2C 2C33 



Ist die Ableitung von spur(C) und spur(C2) bekannt, kann die Ableitung der Invarianten iC2 angegeben werden. ∂iC 2 1 ∂ 2 = iC1 − spur C 2 ∂C 2 ∂C

(

( ))

=

(

( )) 

 ∂ spur C 2 ∂i 1 2iC1 C1 − ∂C 2 ∂C 

 

=

1 ( 2iC1 I − 2C ) = iC1 I − C 2



Um ∂J/∂C zu bestimmen, wird zuerst die Determinante von C ermittelt.  C11 C12  J = det ( C ) = det  C21 C22 C  31 C32 = C11C22C33 + C12 C23C31 + C13C21C32 − C11C23C32 2



C13   C23  C33  − C12 C21C33 − C13C22 C31

Anschließend berechnet man die Ableitung der Determinante nach C. Die resultierende Matrix wird als C* bezeichnet. ∂ ( det ( C ) ) ∂C

 C22C33 − C23C32  =  C13C32 − C12 C33 C C −C C 13 22  12 23

C23C31 − C21C33 C21C32 − C22C31   C11C33 − C13C31 C12 C31 − C11C32  = C ∗ = det ( C ) C −1 C13C21 − C11C23 C11C22 − C12C21 

Mit diesen Angaben kann die Ableitung der Jacobideterminante Jα = detα/2(C) nach C ermittelt werden.

( )

∂ Jα

∂C

α   ∂  det ( C ) 2    = α det C α2 −1 ∂ ( det ( C ) ) = α J α − 2C ∗ = α J α C −1 = ( ) ∂C 2 ∂C 2 2

Die Ableitungen der Invarianten iC1, iC2 und J, wobei der Exponent α = 1 verwendet wird, werden in den Ansatz für S eingesetzt.



 ∂W  1 ∂W ∂W S = 2 I+ JC −1  ( iC1 I − C ) + 2 ∂J ∂iC 2  ∂iC1  Mit dem Satz von Cayley-Hamilton kann wie in Abschn. 2.5.1 C−1 eliminiert werden.

2.5 Materialgesetze



53

  ∂W 1 ∂W 2  ∂W iC 2 ∂W   ∂W iC1 ∂W  C  S = 2 + iC1 + + C + I −   ∂i 2 J ∂J ∂iC 2 2 J ∂J   ∂iC 2 2 J ∂J     C1

Für die Berechnung der Spannung gibt es eine Vielzahl von Ansätzen für das Energiefunktional W.  Der am häufigsten angewandte Ansatz ist das kompressible Neo-Hooke-­ Material. Es ist mit den beiden Materialparametern C1 und D1 nur von der ersten Invariante iC1 und von der Jacobideterminante J abhängig. 2 −   2 W ( iC1 ,J ) = C1  iC1 J 3 − 3  + D1 ( J − 1)  



Um mit diesem Ansatz die Spannungen bestimmen zu können, muss dieser nach iC1 und J abgeleitet werden. ∂W ( iC1 ,J )

∂iC1

= C1 J



2 3

∂W ( iC1 ,J ) ∂J

5 − 2 = − C1iC1 J 3 + 2 D1 ( J − 1) 3

Setzt man die beiden Terme in die Spannungsfunktion für S ein, erhält man die Spannungen unter der Voraussetzung, dass ein kompressibles Neo-Hooke-Material verwendet wird. 2 2 5   − − −   i 1 2  S = 2  C1J 3 I +  − C1iC1J 3 + 2 D1 ( J − 1)  JC −1  = 2C1J 3  I − C1 C −1  + 2 D1 J 2 − J C −1   3 2 3      

(

)

Mit dieser Spannungsmatrix können die Cauchy-Spannungen σ und der erste Piola-­ Kirchhoffsche Spannungstensor P angegeben werden. 5 −  i 1  FSF T = 2C1 J 3  B − C1 I  + 2 D1 ( J − 1) I 3  J  2 −  i  P = FS = 2C1 J 3  F − C1 F −T  + 2 D1 J 2 − J F −T 3  

σ=



(

)

Mit den Materialparametern C1 = 1 N/mm2 und D1 = 10 N/mm2 werden die auftretenden Spannungen bestimmt, wenn sich ein Rechteck des unbelasteten Bauteils wie in Abb. 2.20 verformt. Die Verformungen entsprechen den Werten aus den Beispielen aus Abschn. 2.1 und 2.5.1. Daher sind auch der gleiche Deformationsgradient F und der gleiche linke Cauchy-Green-Tensor B vorhanden.



0  2 1   F =  −1 1 0   0 0 0.3905   

0   5 −1   B = FF T =  −1 2 0   0 0 0.1525   

54

2  Spannungen und Dehnungen

Die beiden Tensoren C und B haben die identischen Spuren. Somit gilt iC1 = iB1 = 7.1525. Für die Determinante von F gilt J  =  1.1714. Mit diesen Angaben kann der Cauchy-­ Spannungstensor σ bestimmt werden.

σ = 2C1 J



5 3



iC1  B− 3 

 7.44762 −1.53637 0     I  + 2 D1 ( J − 1) I =  −1.53637 2.83850 0    0 0 0  

Diese Spannungswerte sind identisch mit denen aus den vorausgegangen Beispielen aus Abschn. 2.2.1. Man erkennt, dass dort ein hyperelastisches Material, bei welchem das Neo-Hookesche-Modell angewandt wird, vorausgesetzt ist. Um die Materialmatrix D für das Neo-Hooke-Material angeben zu können, wird der Green-Lagrange-Verzerrungstensor E durch C = 2E + I ausgedrückt. Die Ableitung des Spannungstensors S nach C wird angegeben. Dabei ist I* der Einheitstensor 4. Stufe. ∂S ∂S ∂C ∂S ∗ ∂S 2I = 2 = = ∂E ∂C ∂E ∂C ∂C



Um die Übersichtlichkeit zu bewahren, wird die Spannung S in Abhängigkeit von C* dargestellt (C* = J2C−1) und jede Spannungskomponente Sij einzeln betrachtet.



2 8 − − 2  1 Sij = 2C1 J 3 I ij − C1iC1 J 3 Cij∗ + 2 D1  1 −  Cij∗ 3  J

Jede Spannungskomponente Sij wird nach E, bzw. ergänzt mit dem Faktor 2, nach C abgeleitet. ∗ 8 8 14 8   2 − − − − ∂Cij 2 8 2 ∗ ∗ ∗ ∗ + D1J −3C ∗Cij∗   − C1J 3C I ij − C1IJ 3Cij + C1iC1J 3 C Cij − C1iC1J 3 ∂Sij ∂S ∂C 3 3 9 3  = 2 ij = 2  ∗   ∂ C ∂E ∂C 1   ij   + D1  1 −   J  ∂C  

Dabei sind die Ableitungen der Komponenten von C* wie folgt zu bestimmen: 0 0 ∂C11∗  = 0 C33 ∂C   0 −C23  0 −C33 ∗ ∂C21  0 = 0 ∂C  0 C 13 



 0 C23 ∗ ∂C31  =  0 −C13 ∂C  0 0

0   −C32  C22  C32   0  −C12  −C22   C12  0 

 0 ∂C12∗  = −C33 ∂C   C23  C33 ∗ ∂C22  = 0 ∂C   −C13  −C23 ∗ ∂C32  =  C13 ∂C   0

0 0   0 C31  0 −C21  0 −C31   0 0  0 C11  0 C21   0 −C11  0 0 

 0 ∂C13∗  = C32 ∂C   −C22  −C32 ∗ ∂C23  = 0 ∂C   C12  C22 ∗ ∂C33  =  −C12 ∂C   0

0 −C31 C21

0  0 0 

C31

0  0 0  0  0 0 

0 −C11 −C21 C11 0

2.5 Materialgesetze

55

Analog zum linear-elastischen Material kann für die Spannungsberechnung der zweite Piola-Kirchhoffsche-Spannungstensor S in einen sechsdimensionalen Vektor umgeformt werden. Ebenso wird der Verzerrungstensor E als Vektor dargestellt.  S = ( Sx



 E = ( Ex

Sy Ey

Sz Ez

S xy

S xz

S yz ) = ( S11

S22

E xy

E xz

E yz ) = ( E11

E22

T

T

S33 E33

S12

S23 )

T

S13

E12

E13

E23 ) T

Der Spannungsvektor wird in eine Taylorreihe entwickelt, die nach dem linearen Term abgebrochen wird. Dabei ist zu beachten, dass ∂S/∂E im Allgemeinen von den Verformungen abhängig ist, wodurch S0 ungleich null ist. Dies bedeutet auch, dass die Spannungsberechnung ein iterativer Prozess ist. Konvergiert dieser, strebt die Änderung ΔE gegen null, wodurch bei der Iteration nur der lineare Anteil ΔElinear berücksichtigt werden muss. Gleichzeitig gilt bei Konvergenz S = S0.        S = S0 + D∗ ∆E = S0 + D∗ ∆Elinear = S0 + D∆ε Die Komponenten der Tangentenmatrix D* sind durch ∂Sij/∂E gegeben. Bei der Darstellung wird die Abkürzung ∂Sij/∂Elk* = ∂Sij/∂Elk + ∂Sij/∂Ekl verwendet.



D11∗ =

∂S11 ∂E11

D12∗ =

∂S11 ∂E22

D13∗ =

∂S11 ∂E33

D14∗ =

∂S11 ∂E12∗

∗ = D21

∂S22 ∂E11

∗ = D22

∂S22 ∂E22

∗ = D23

∂S222 ∂E33

∗ D24 =

∂S22 ∂E12∗

∗ D25 =

∂S22 ∂E13∗

∗ D26 =

∂S22 ∗ ∂E23

∗ D31 =

∂S33 ∂E11

∗ = D32

∂S33 ∂E22

∗ = D33

∂S33 ∂E33

∗ = D34

∂S33 ∂E12∗

∗ = D35

∂S33 ∂E13∗

∗ D36 =

∂S33 ∗ ∂E23

∗ D41 =

∂S12 ∂E11

∗ D42 =

∂S12 ∂E22

∗ D43 =

∂S12 ∂E33

∗ D44 =

∂S12 ∂E12∗

∗ = D45

∂S12 ∂E13∗

∗ = D46

∂S12 ∗ ∂E23

∗ = D51

∂S13 ∂E11

∗ = D52

∂S13 ∂E22

∗ D53 =

∂S13 ∂E33

∗ D54 =

∂S13 ∂E12∗

∗ D55 =

∂S13 ∂E13∗

∗ D56 =

∂S13 ∗ ∂E23

∗ D61 =

∂S23 ∂E11

∗ D62 =

∂S23 ∂E22

∗ D63 =

∂S23 ∂E33

∗ D64 =

∂S23 ∂E12∗

∗ D65 =

∂S23 ∂E13∗

∗ D66 =

∂S23 ∗ ∂E23

D15∗ =

∂S11 ∂E13∗

D16∗ =

∂S11 ∗ ∂E23

Die Tangentenmatrix D* ist nicht symmetrisch. Man erhält eine symmetrische Tangentenmatrix D, wenn ΔElinear durch Δε ersetzt wird. Dazu muss Δε mit der Matrix K, die zwei dreidimensionale Einheitsmatrizen beinhaltet, multipliziert werden.



 0   I ∆Elinear = K ∆ε =   ( ∆ε x 0 I / 2

∆ε y

∆ε z

∆γ xy

∆γ xz

∆γ yz )

T



D ist das Produkt von D* mit K. Die Multiplikation bedeutet, dass die vierte, fünfte und sechste Spalte von D* mit 1/2 multipliziert wird.

56

2  Spannungen und Dehnungen

D = D∗ K



Bei kleinen Verschiebungsänderungen streben die Matrizen F, C und C* gegen Einheitsmatrizen, J gegen eins und iC1 gegen drei. Betrachtet man ∂S12/∂E, ist nur ein Summand ungleich null. Die Matrix ∂C12*/∂C besitzt in der zweiten Zeile in der ersten Spalte den Eintrag minus eins, alle anderen Einträge sind gleich null.



 0 0 0 8 ∗ − ∂C   2 ∂S12   12 3 = 2  − C1iC1 J  = −4C1  −1 0 0  ∂E ∂C   3  0 0 0  

Um den Eintrag D44 der Tangentenmatrix zu erhalten, muss die Summe der Einträge in der zweiten Zeile/Spalte und ersten Spalte/Zeile von ∂S12/∂E mit 1/2 multipliziert werden. ∗ D44 = D44



1  ∂S12 ∂S12  1 1 = +  = 4C1 = 2C1 2  ∂E12 ∂E21  2 2

Beim linear-elastischen Material ist D44  =  G.  Dies bedeutet, die Konstante 2C1 entspricht dem Schubmodul G.  Analog kann ∂S11/∂E für kleine Verschiebungsänderungen betrachtet werden.



  0 0 0 ∂S11 2 8 2  2    = 2  − C1 I − C1 I + C1 3I − C1 3  0 1 0  + D1 I  ∂E 3 3 9 3 0 0 1       Der Eintrag D11 der Tangentenmatrix entspricht ∂S11/∂E11.



2 8  2  8 D11 = 2  − C1 − C1 + C1 3 + D1  = C1 + 2 D1 3 9  3  3

Setzt man 2C1 = G und 2D1 = K, wobei K wieder den Kompressionsmodul darstellt, kann D11 auch in Abhängigkeit von Elastizitätsmodul und Querkontraktionszahl ν angegeben werden. Man erhält die gleiche Bestimmungsvorschrift wie bei einem linear-­ elastischen Material.



E (1 −ν ) 8 E E 4 4 D11 = C1 + 2 D1 = G + K = + = 3 3 3 2 (1 + ν ) ( 3 − 6ν ) (1 + ν ) (1 − 2ν )

Betrachtet man alle Einträge der Tangentenmatrix D, folgt aus dem Neo-­Hookeschen-­ Materialmodell für kleine Verschiebungsänderungen die dreidimensionale Erweiterung des Hookeschen Gesetzes. Die Lebensdauerberechnung verwendet Parameter, die für hyperelastische Materialien häufig unbekannt sind. Daher werden im weiteren Verlauf keine hyperelastischen Materia-

2.5 Materialgesetze

57

lien betrachtet. Ihre Untersuchung stellt somit nur eine zweite Herleitung des linear-­ elastischen Materialverhaltens dar.

2.5.2 Plastisches Materialverhalten Überschreitet im Spannungs-Dehnungs-Diagramm die Spannung die Streckgrenze Rp, beobachtet man plastisches Materialverhalten. Es besteht ein nicht linearer Zusammenhang zwischen Spannung und Dehnung. Nach Rücknahme der Belastung geht das Bauteil nicht in seine ursprüngliche Form zurück.

2.5.2.1 Isotrope Verfestigung Zur Untersuchung des plastischen Materialverhaltens mit isotroper Verfestigung betrachtet man den Zugversuch aus Abb.  2.21 mit dem dazugehörigen Spannungs-Dehnungs-­ Verlauf σ(ε). Der Zugstab mit der Querschnittsfläche A hat den Elastizitätsmodul E.  Infolge der Kraft F resultiert die Nennspannung σN = F/A, die oberhalb der Fließgrenze Rp liegt. Daher verformt sich der Stab plastisch. Für kleine Verschiebungsänderungen zeigt die Beobachtung, dass es zulässig ist, die Gesamtdehnung εges in einen elastischen εel und in einen plastischen Anteil εpl zu zerlegen. Für den elastischen Anteil gilt das Hookesche Gesetz σ = Eεel. ε ges = ε el + ε pl =



σ + ε pl E

Um die Gesamtdehnung und ihre Anteile zu bestimmen, wird ausgehend vom Ausgangszustand (σ0, ε0) = (0,0) ein iterativer Prozess durchlaufen. Für i = 0 entspricht die Tangente y0 = D0ε + C0 mit C0 = 0 der Spannungs-Dehnungs-Funktion aus Abb. 2.21 dem Hookeschen Gesetz σ = Eε. Mit i = 1 beginnend, wird innerhalb jedes Iterationsschrittes mit der Tangentengleichung yi−1 die Dehnung εi berechnet. σ

D1 =

∂σ(ε = 0) D0 = =E ∂ε

∂σ(ε1) ∂ε σ2

x

A

F

D2 =

Nennspannung σN = F/A

σ1

Rp C1

σ(ε)

E ε1 εpl

ε3 = εges

ε2

∂σ(ε2) ∂ε

εel

Abb. 2.21  Zugversuch mit dazugehörendem Spannungs-Dehnungs-Diagramm

ε

58

2  Spannungen und Dehnungen

solange σ i −1 − σ N > Grenzwert yi −1 ( ε ) = Di −1ε + Ci −1 =

εi =

yi −1 ( ε i ) − Ci −1 Di −1

σ i = σ (ε i ) i = i +1



∂σ ( ε i −1 )

∂ε σ N − Ci −1 = Di −1

ε + Ci −1



Die Iteration ist konvergiert, wenn σi = σN gilt. Die Dehnung εi entspricht der Gesamtdehnung εges, die wiederum in einen elastischen und einen plastischen Anteil aufgeteilt werden kann. Um diese Vorgehensweise zu verallgemeinern und auf mehrdimensionale Spannungen und Dehnungen anwenden zu können, wird das Spannungs-Dehnungs-Diagramm, wie in Abb. 2.22 dargestellt, durch einen Polygonzug approximiert. Die mit * gekennzeichneten Größen kennzeichnen im Vergleich zu den zu bestimmenden mehrdimensionalen Größen skalare Vergleichsgrößen, die den Messwerten des Spannungs-Dehnungs-Diagramms entsprechen. Die plastische Dehnung εpl,l* wird aus der Gesamtdehnung und der dazugehörenden Spannung bestimmt. ∗ ∗ ∗ ε pl∗ ,l = ε ges ,l − ε el ,l = ε ges ,l −



σ l∗ E

Die einzelnen Abschnitte des Polygonzuges yl = σ*(εpl*) können durch die Steigungen Kl und den Konstanten Cl beschrieben werden. yl = K l ε ∗pl + Cl =

σ l∗+1 − σ l∗ (ε pl∗ − ε pl∗ ,l ) + σ l∗ ε pl∗ ,l +1 − ε pl∗ ,l

Sind die Steigungen Kl gleich null, wird nur die Fließgrenze Rp = C1 benötigt. Man spricht von ideal-plastischem Materialverhalten. Da dann kein eindeutiger Spannungs-­ Dehnungs-­Zusammenhang existiert, was zu numerischen Schwierigkeiten führt, werden häufig für K1 sehr kleine Steigungen verwendet. Abb. 2.22 Spannungs-­ Dehnungs-­Diagramm mit σ*(εges*) und σ*(εpl*)

2.5 Materialgesetze

59

Auch die mehrdimensionalen Gesamtdehnungen sollen sich aus einem elastischen und einem plastischen Anteil zusammensetzen, wobei der elastische der mehrdimensionalen Verallgemeinerung des Hookeschen Gesetzes folgt. Zur Darstellung wird die Voigtsche Schreibweise verwendet.

   ε ges = ε el + ε pl

    σ = D0ε el = D0 ( ε ges − ε pl )

Setzt man die Gesamtdehnungen εges als bekannt voraus, sind die dazugehörenden Spannungen σ und die plastischen Dehnungen εpl gesucht. Da mit dem Spannungs-­ Dehnungs-­Diagramm nur der eindimensionale Zusammenhang zwischen Spannung und Dehnung bekannt ist, bildet man aus dem mehrdimensionalen Spannungszustand eine eindimensionale Fließfunktion f(σ). Bei isotroper Verfestigung lautet die Fließfunktion nach Mises [SIH]:

  f (σ ) = σ V (σ ) − K l ε ∗pl + Cl

(

)

σV ist hierbei die Vergleichsspannung nach Mises.

 σ V (σ ) = σ x2 + σ y2 + σ z2 − σ xσ y − σ xσ z − σ yσ z + 3τ xy2 + 3τ xz2 + 3τ yz2

εpl* ist eine aus dem plastischen Dehnungsvektor resultierende eindimensionale Vergleichsdehnung. Nimmt f(σ) einen Wert kleiner null an, befindet man sich in Abb. 2.22 unterhalb des gestrichelten Graphen. Es liegt elastisches Materialverhalten vor. Ist die Funktion gleich null, bewegt man sich auf dem Graphen und das Material verformt sich plastisch. Einen Wert größer null darf die Funktion nicht annehmen. Ist dies mit den vorhandenen mehrdimensionalen Werten σ und εpl der Fall, müssen diese Größen so angepasst werden, dass f(σ) den Wert null besitzt.     0 = D0−1σ − ( ε ges − ε pl )   0 = f (σ ) = σ V (σ ) − K l ε pl∗ + Cl

(

)

Dabei muss vorgegeben werden, wie sich εpl ändert. Man spricht von einer assoziierten Fließregel, wenn die Änderung proportional zur Ableitung von f(σ) nach σ ist.



 σ x −σ y / 2 −σz / 2     −σ x / 2 + σ y − σ z / 2     ∂f (σ )  1  −σ x / 2 − σ y / 2 + σ z  ∆ε pl = λ  =λ   ∂σ σ V (σ )  3τ xy     3τ xz   3τ yz  

60

2  Spannungen und Dehnungen

Diese Fließregel erfasst die häufig beobachtete inkompressible plastische Deformation, bei der die plastische Volumendehnung ΔεVpl gleich null sein muss. ∆ε Vpl = ∆ε xpl + ∆ε ypl + ∆ε zpl = λ



σy σz σx  σ σ σ 1  − − +σy − z − x − y +σz  = 0  σ x − σ V (σ )  2 2 2 2 2 2 

Die eindimensionale Änderung der plastischen Vergleichsdehnung Δεpl* wird aus den räumlichen plastischen Dehnungen bestimmt, wodurch sie auch ein Vielfaches des Proportionalitätsfaktors λ ist.



∆ε ∗pl =

2  2 2 2 2 2 2 ∆ε xpl + ∆ε ypl + ∆ε zpl + 2 ∆ε xypl + 2 ∆ε xzpl + 2 ∆ε yzpl = λ h (σ ) 3

(

)

mit  2  2  2  2  2  2  ∂f (σ )    ∂f (σ )   ∂f (σ )  2   ∂f (σ )   ∂f (σ )   ∂f (σ )   h (σ ) =    +  + 2   + 2   + 2    + ∂σ xy  ∂σ xz  ∂σ yz   3   ∂σ x   ∂σ y   ∂σ z      

Durch den Faktor 2/3 wird gewährleistet, dass bei eindimensionaler Belastung, wenn nur σx ungleich null ist, Δεpl* = λ bzw. h(σ) = 1 folgt. Bei der praktischen Anwendung ist durch die gegebenen Belastungen eine Nennspannung σN bekannt. Gesucht sind die resultierenden Dehnungen. Infolge des nicht linearen Verlaufs des Spannungs-Dehnungs-Diagramms müssen die gesuchten Dehnungen iterativ bestimmt werden. Dazu werden die folgenden Anfangsbedingungen gewählt:      σ 0 = 0 ε ges ,0 = ε pl ,0 = 0 ε ∗pl ,0 = 0 Die Tangentenmatrix D0 entspricht zu Beginn der linear-elastischen Materialmatrix bzw. der mehrdimensionalen Erweiterung des Hookeschen Gesetzes. Beginnend mit i = 1 wird innerhalb eines Iterationsschrittes zuerst die Gesamtdehnung ermittelt.       σ N = σ i −1 + Di −1 ∆ε ges ε ges ,i = ε ges ,i −1 + ∆ε ges Mit εges,i werden die Spannungen σi und f(σi) berechnet. Mit εpl,i−1* ≥ εpl,l* und εpl,i−1* < εpl,l + 1* können die zu verwendenden Konstanten Kl und Cl ausgewählt werden.

   σ i = D0 ( ε ges ,i − ε pl ,i −1 )

  f (σ i ) = σ V (σ i ) − K l ε pl∗ ,i −1 + Cl

(

)

Ist f(σi) ≤ 0 müssen die Spannungen und die plastischen Dehnungen nicht angepasst werden. Andernfalls müssen σi und λ so verändert werden, dass die folgenden Gleichungen erfüllt sind:

2.5 Materialgesetze



61

   ∂f (σ i )        0 = D0−1σ i − ( ε ges ,i − ε pl ,i ) = D0−1σ i −  ε ges ,i −  ε pl ,i −1 + λ    ∂σ        0 = f (σ ) = σ V (σ i ) − K l ε pl∗ ,i −1 + λ h (σ i ) + Cl

( (

)

)

Dies erfolgt iterativ mit dem Newtonverfahren, wobei σi und λ = 0 als Startwerte verwendet werden.  solange ∆σ i > Grenzwert und ∆λ > Grenzwert   ∂f (σ i )  −1  D     −1   ∂f (σ i )  0   σ ∂    ∆σ i     D0 σ i − ε ges ,i + ε pl ,i −1 + λ ∂σ    = −   ∂f (σ ) T   ∆ λ    i    f (σ ) − Kh (σ i )     ∂σ         σ i = σ i + ∆σ i λ = λ + ∆λ Nach erfolgter Konvergenz werden die plastischen Dehnungen angepasst.



 ∂f (σ i )   ε pl ,i = ε pl ,i −1 + λ  ∂σ

 ε pl∗ ,i = ε pl∗ ,i −1 + λ h (σ i )



Der Abschluss des i. Iterationsschrittes stellt die Bestimmung der Tangentenmatrix Di dar. Dazu werden zuerst die Ableitungen der Spannung nach den Dehnungen εges und εpl gebildet.     ∂σ ∂σ  σ = D0 ( ε ges − ε pl ) D =   = − D0 0 ∂ε ges ∂ε pl Dies wird verwendet, um die infinitesimalen Änderungen der Spannungen anzugeben. Die plastischen Dehnungen werden wie zuvor durch die Ableitung von f(σ) und einem Vorfaktor dλ ersetzt.



   ∂f (σ )  ∂σ  ∂σ   dσ =  dε ges +  dε pl = D0 dε ges − D0 d λ  ∂σ ∂ε ges ∂ε pl

Es liegt eine plastische Verformung vor, wenn man sich auf dem Graphen der Funktion f(σ) aus Abb.  2.21 bzw. 2.22 bewegt. Dies bedeutet, dass die absolute Änderung df(σ) gleich null sein muss. Die Änderung dεpl* entspricht dλh(σ).

62

2  Spannungen und Dehnungen

 T   T  ∂f (σ )     ∂f (σ )   ∂f (σ ) ∗  ∂f (σ )    − 0 = df (σ ) =  d ε D d ε D d λ =    − K l dλ h (σ )    dσ +   pl 0 0 ges ∗ ∂ε pl ∂σ   ∂σ   ∂σ  

Die Gleichung wird nach dλ aufgelöst.



 T  ∂f (σ )    D0  ∂σ    dλ = dε ges  T   ∂f (σ )  ∂f (σ )    D0  + K l h (σ )  σ σ ∂ ∂  

Setzt man dλ in die absolute Änderung dσ ein, kann die allgemeine Tangentenmatrix angegeben werden, die den Zusammenhang zwischen dσ und dεges beschreibt.



  T   ∂f (σ )  ∂f (σ )    D0     D0 ∂σ  ∂σ      dσ =  D0 −  dε ges  T   ∂f (σ )  ∂f (σ )      D0  + K l h (σ )    ∂σ  ∂σ   

Verwendet man die Spannungswerte des i. Iterationsschrittes, erhält man die Tangentenmatrix Di.



  T ∂f (σ i )  ∂f (σ i )  D0     D0 ∂σ  ∂σ  Di = D0 −  T   ∂f (σ i )  ∂f (σ i )  D   0  + K l h (σ i )  σ σ ∂ ∂  

Um die Vorgehensweise zu verdeutlichen, wird der Zugstab mit der Querschnittsfläche A  =  1  mm2, dem Elastizitätsmodul E  =  200 N/mm2 und der Belastung F  =  45  N aus Abb. 2.23 betrachtet. Für die beiden Abschnitte des Polygonzuges der Spannung σ in Abhängigkeit von εpl* müssen die Geradengleichungen angegeben werden.

y1 = K1ε ∗pl + C1 = 66. 6ε ∗pl + 20

y2 = K 2ε pl∗ + C2 = 22. 2ε pl∗ + 33. 3

Die Spannungsangaben im Diagramm sind auf den Nennquerschnitt A bezogen. Die Querverformungen in y- und z-Richtung werden vernachlässigt. Es werden nur die Spannung σx und die Dehnungen εxges und εxpl in x-Richtung betrachtet. Dadurch ist σV gleich dem Betrag von σx, die Ableitung von f(σ) ist identisch mit dem Vorzeigen von σx. Die

2.5 Materialgesetze

63 K2, C2

σ∗ [N/mm²]

(0.75,50)

50 K1, C1

E = 200 x

F = 45

A=1

(0.3,40)

(1.0,50) σN = F/A = 45

(0.5,40)

30

σ∗(εges) (0.1,20)

(0.0,20)

σ∗(εpl*)

10 0.1

0.3

1.0 εges* [−], εpl ∗ [−]

0.5

Abb. 2.23 Zugstab mit isotroper Verfestigung und sein spezifisches Spannungs-­ Deh­ nungs-­Diagramm

Funktion h(σ) nimmt den Wert eins an, wodurch Δεpl* = λ folgt. Die Tangentenmatrix D0 entspricht dem Elastizitätsmodul E.  ∂f (σ )

σV = σ x

∂σ x



= sign (σ x ) = ± 1

D0 = E



Als Startbedingungen für die äußere Iteration verwendet man σx,0 = 0, εxges,0 = εxpl,0 = 0 und εpl,0* = 0. Mit der Nennspannung σN = F/A = 45 N/mm2 kann εxges,1 angegeben werden. ∆ε xges =

σ N − σ x ,0 D0

ε xges ,1 = ε xges ,0 + ∆ε xges = 0.225

= 0.225



Daraus folgt die Abschätzung für die Spannung σx,1.

σ x ,1 = E ( ε xges ,1 − ε xpl ,0 ) = 45

Da εxpl,0 im ersten Bereich des Polygonzuges für σ*(εpl*) liegt, folgt l = 1. Man verwendet K1 und C1. Als Startwert wird λ = 0 berücksichtigt. Mit diesen Angaben wertet man die Fließfunktion aus.

( (

)

)

f (σ x ,1 ) = σ V (σ x ,1 ) − K1 ε ∗pl ,o + λ + C1 = 45 − ( 66. 6 ⋅ ( 0 + 0 ) + 20 ) = 25

Solange f(σx,1) größer null ist, muss die Spannung σx,1 mit dem Newtonverfahren angepasst werden.



 E −1σ x ,1 − ε xges ,1 + ε xpl ,0 + λ sign (σ x ,1 )   E −1 sign (σ x ,1 )   ∆σ x ,1      = −     sign (σ x ,1 ) f (σ x ,1 ) − K1   ∆λ    

Mit Δσx,1 = −18.75 N/mm2 und Δλ = 0.09375 erhält man nach der ersten Iteration modifizierte Werte für σx,1 und λ.

64

2  Spannungen und Dehnungen

σ x ,1 = σ x ,1 + ∆σ x ,1 = 26.25



λ = λ + ∆λ = 0.09375

Da f(σx,1) mit den modifizierten Größen den Wert null annimmt, konvergiert das Newtonverfahren bereits nach einer Iteration. Die angepassten plastischen Dehnungen können bestimmt werden.

ε xpl ,1 = ε xpl ,0 + sign (σ x ,1 ) λ = 0.09375



ε pl∗ ,1 = ε pl∗ ,1 + λ = 0.09375

Die äußere Iteration wird mit der Berechnung der Tangentenmatrix D1 mit ∂f(σx)/∂σx = sign(σx,1) = 1 abgeschlossen.  EK1 E ⋅1 ⋅1 ⋅ E  D1 =  E − = 50 = 1 ⋅ E ⋅ 1 + K1  E + K1 



Im eindimensionalen Spannungszustand kann alternativ die Tangentenmatrix auch mit Hilfe der Angaben aus den Abb. 2.22 und 2.23 bestimmt werden. D1 =

σ 2∗ − σ 1∗ = ∗ ∗ ε ges , 2 − ε ges ,1



EK1 σ 2∗ − σ 1∗ σ 2∗ − σ 1∗ = = ∗ ∗ ∗ ∗ + K1 E σ σ σ − σ 1 2 1 ε pl∗ ,2 + 2 − ε pl∗ ,1 − 1 + (σ 2∗ − σ 1∗ ) K1 E E E

Wiederholt man die Berechnungen für die äußeren Iterationsschritte i = 2 und 3, erhält man die in Tab.  2.1 aufgeführten Werte. Bei der Anwendung des Newtonverfahrens im zweiten Iterationsschritt wechselt man dabei vom ersten zum zweiten Intervall des Polygonzugs von σ*(εpl*). Nach drei Iterationen konvergiert die Iteration, da σx,3 = σN entspricht. Durch die Belastung von 45 N dehnt sich der Stab um εxges = 0.75. Die Gesamtdehnung ist die Summe eines elastischen Anteils εel = σN/E = 0.225 und einem plastischen Anteil εxpl = 0.525. Wird nicht eine Nennspannung σN vorgegeben, sondern vorausgesetzt, dass die Gesamtdehnung εxges zum Beispiel zwischen 0.75 und −0.75 variiert, resultiert der in Abb. 2.24 dargestellte Spannungs-Dehnungs-Verlauf. Die Beträge der notwendigen Spannungen zum Erreichen der vorgeschriebenen Dehnungen wachsen beständig und streben gegen eine rein elastische Verformung. Dies wird als Kaltverfestigung bezeichnet. Tab. 2.1  Spannungen und Dehnungen der drei Iterationsschritte der Geometrie aus Abb. 2.23 i Intervall l im Polygonzug εxges,i [-] σx,i [N/mm2]

ε xpl ,i = ε ∗pl ,i [ ] Di [N/mm2]

1 1 0.225 26.25 0.09375

2 Wechsel von 1 nach 2 0.6 42 0.39

3 2 0.75 45 0.525

50

20

20

2.5 Materialgesetze

65 σx [N/mm²]

σmax

150

107

90 εxges = -0.75

-0.5

83 45

30 0.1

-0.2

0.3

0.5

-45

-66

Hookesches Gesetz

εxges [-] εxges = 0.75

σx(εxges)

-96 -116 -150

Abb. 2.24  Zugstabbelastung mit dazugehörendem Spannungs-Dehnungs-Diagramm

Die Kaltverfestigung lässt sich auch in der Realität beobachten. Die vorgestellte Vorgehensweise überzeichnet aber teilweise die Realität. Verformt man zuerst in eine Richtung, beobachtet man häufig, dass anschließend die Elastizitätsgrenze in der entgegengesetzten Richtung reduziert ist. Dies wird als Bauschingereffekt bezeichnet. Für den Verlauf in Abb. 2.24 bedeutet dies, dass nach einer ersten Belastung von 45 N/mm2 und anschließender Umkehr der Belastung plastisches Fließen nicht erst bei −45 N/mm2, sondern bei einem betragsmäßig kleinerem Wert auftritt (vergleiche Abb. 2.26 a.)).

2.5.2.2 Kinematische Verfestigung Um den Bauschingereffekt zu erfassen, geht man, alternativ zur isotropen Verfestigung, bei der kinematischen Verfestigung davon aus, dass die Spannung σ*(εpl*) infolge der ­plastischen Dehnung nur durch eine Gerade mit der Steigung K1 und der Konstanten C1 darstellbar ist.

y1 = K1ε ∗pl + C1 Zusätzlich werden die Spannungsgrößen um einen Verfestigungsfaktor q reduziert.



 σ x   σ x   qx   σ x − qx           σ y   σ y   qy   σ y − qy    σ z   σ z   qz   σ z − qz     =σ −q σ =   =  −  =  τ xy  τ xy   q xy  τ xy − q xy           τ xz   τ xz   q xz   τ xz − q xz  τ  τ   q   τ − q  yz   yz   yz   yz   yz

66

2  Spannungen und Dehnungen

Mit den modifizierten Spannungen wird eine Vergleichsspannung berechnet.

 σ V (σ ,q ) = σ x2 + σ y2 + σ x2 − σ xσ y − σ xσ z − σ yσ z + 3τ xy2 + 3τ xz2 + 3τ yz2

Die mit q angepasste Fließfunktion kennzeichnet die kinematische Verfestigung. Im plastischen Bereich wird der Zusammenhang zwischen Spannung und Dehnung nicht durch die Steigung K1, sondern durch q berücksichtigt   f (σ ,q ) = σ V (σ ,q ) − C1 Zur Bestimmung der Spannungen und Dehnungen müssen zur isotropen Verfestigung analoge Zwangsbedingungen erfüllt werden.     0 = D0−1σ − ( ε ges − ε pl )   0 = f (σ ,q ) = σ V (σ ,q ) − C1 Zur Ermittlung des Verfestigungsparameters q ist eine zusätzliche Bedingung notwendig. Häufig wird das Zieglersche Gesetz verwendet. εpl* ist unverändert eine dem plastischen Dehnungsvektor entsprechende eindimensionale Vergleichsdehnung.



 1   ∆q = (σ − q ) K1 ∆ε ∗pl C1 Auch bei der kinematischen Verfestigung muss vorgegeben werden, wie sich εpl ändert.



 ( σ x − q x ) − (σ y − q y ) / 2 − (σ z − q z ) / 2     − (σ x − q x ) / 2 + (σ y − q y ) − (σ z − q z ) / 2       − − / − − / + − σ q 2 σ q 2 σ q f , q σ ∂ ( ) ( ) ( ) ( )  1 x x y y z z   ∆ε pl = λ = λ   ∂σ σ V ( σ ,q )   3 (τ xy − q xy )     3 (τ xz − q xz )     τ q 3 − ( ) yz yz   Zusätzlich wird die Ableitung der Fließfunktion nach q benötigt.



  ∂f (σ ,q ) ∂f (σ ,q ) =−   ∂q ∂σ

Die Bestimmung der Änderung der plastischen Vergleichsdehnung Δεpl* erfolgt analog zur isotropen Verfestigung.

2.5 Materialgesetze



∆ε ∗pl =

67

2  2 2 2 2 2 2 ∆ε xpl + ∆ε ypl + ∆ε zpl + 2 ∆ε xypl + 2 ∆ε xzpl + 2 ∆ε yzpl = λ h ( σ ,q ) 3

(

)

Die Spannungen, Dehnungen und Verfestigungen werden iterativ berechnet. Die Anfangsbedingungen der isotropen Verfestigung werden durch eine Anfangsbedingung für die Verfestigung q ergänzt.        σ 0 = 0 ε ges ,0 = ε pl ,0 = 0 ε ∗pl ,0 = 0 q0 = 0 Analog zur isotropen Verfestigung ist zu Beginn jedes Iterationsschrittes die Gesamtdehnung εges,i bekannt, womit die Startwerte für σi bestimmt werden können. Zeigt die Fließfunktion durch einen Wert größer null, dass die Spannungen und die plastischen Dehnungen angepasst werden müssen, erfolgt die Anpassung, indem drei Zwangsbedingungen ausgewertet werden.



    ∂f (σ i ,qi )        0 = D0−1σ i − ( ε ges ,i − ε pl ,i ) = D0−1σ i −  ε ges ,i −  ε pl ,i −1 + λ      ∂σ        0 = f (σ i ,qi ) = σ V (σ i ,qi ) − C1    1   1       0 = qi − qi −1 − (σ i − qi ) K1 ∆ε pl∗ = qi − qi −1 − (σ i − qi ) K1λ h (σ i ,qi ) C1 C1

Dies erfolgt iterativ mit dem Newtonverfahren, wobei σi, λ = 0 und qi = qi−1 als Startwerte verwendet werden. I stellt eine 6-dimensionale Einheitsmatrix dar.  solange ∆σ i > Grenzwert , ∆λ > Grenzwert und ∆qi > Grenzwert     ∂f (σ i ,qi ) −1   0 D0  ∂σ       ∆σ i    T   T  ∂f (σ i ,qi )     ∂f (σ i ,qi )   0 ∆λ         ∂σ  ∂q        ∆qi         K λ h ( σ ,q )   σ λ σ K h , q , K h q ( i i)   ( i i )  i i − 1 σ i − qi )  1 + 1 I − 1 (  I   C1 C1 C1        −1   ∂f (σ i ,qi )    D0 σ i − ε ges ,i + ε pl ,i −1 + λ   ∂σ      σ V (σ i ,qi ) − C1 = −    q − q − 1 (σ − q ) K λ h (σ ,q )  i −1 i i 1 i i   i C1      σ i = σ i + ∆σ i λ = λ + ∆λ    qi = qi + ∆qi

68

2  Spannungen und Dehnungen

Nach erfolgter Konvergenz werden die plastischen Dehnungen angepasst.



  ∂f (σ i ,qi )   ε pl ,i = ε pl ,i −1 + λ  ∂σ

  ε pl∗ ,i = ε pl∗ ,i −1 + λ h (σ i ,qi )



Bei der Berechnung der Tangentenmatrix Di muss neben der Spannungsänderung die Änderung des Verfestigungsparameters q berücksichtigt werden.    ∂f (σ ,q )  ∂σ  ∂σ   dσ =  dε ges +  dε pl = D0 dε ges − D0 d λ  ∂σ ∂ε ges ∂ε pl 1     1   dq = (σ − q ) K1 dε ∗pl = (σ − q ) K1 d λ h (σ ,q ) C1 C1





Liegt eine plastische Verformung vor, muss wie bei der isotropen Verfestigung, die Änderung der Fließfunktion gleich null sein.

 T  ∂f (σ ,q )  =  ∂σ   

 T  T    ∂f (σ ,q )    ∂f (σ ,q )   dσ +  0 = df (σ ,q ) =  dq  ∂σ   ∂q        T  ∂f (σ ,q )   ∂f (σ ,q )  1     (σ − q ) K1d λ h (σ ,q )  D0 dε ges − D0 d λ   −    ∂σ   ∂σ  C1 

Die Gleichung nach dλ aufgelöst und in die absolute Änderung dσ eingesetzt, ergibt die allgemeine Tangentenmatrix.   T   ∂f (σ ,q )  ∂f (σ ,q )    D0     D0 ∂σ  ∂σ      dσ =  D0 −  dε ges  T   T  ∂f (σ ,q )  ∂f (σ ,q )  ∂f (σ ,q )  1      (σ − q ) K1h (σ ,q )     D  +     ∂σ  0 ∂σ ∂σ  C1     Mit den Spannungswerten des i. Iterationsschrittes folgt die Tangentenmatrix Di.



    T ∂f (σ i ,qi )  ∂f (σ i ,qi )  D0   D0   ∂σ ∂σ   Di = D0 −   T     T  ∂f (σ i ,qi )  ∂f (σ i ,qi )  ∂f (σ i ,qi )  1     + (σ i − qi ) K1h (σ i ,qi )   D0     ∂σ C ∂ σ ∂ σ     1

Der Zugstab aus Abb. 2.25 ist identisch mit dem Stab aus Abb. 2.23. Lediglich eine kinematische Verfestigung mit modifiziertem Spannungs-Dehnungs-Diagramm wird vo­ rausgesetzt.

2.5 Materialgesetze

69 (0.6,60)

σ* [N/mm²]

(0.9,60)

50 E = 200 x

σN = F/A = 45

K1, C1 30

F = 45

A=1

(0.0,20)

σ*(εges*) (0.1,20)

σ*(εpl*)

10

q 0.1

0.3

0.5

1.0 εges* [−], ε pl * [−]

Abb. 2.25  Zugstab mit kinematischer Verfestigung mit spezifischem Spannungs-­ Dehnungs-­ Diagramm

Der Polygonzug für die Spannung σ* in Abhängigkeit vom plastischen εpl* besteht nur aus einem Geradenabschnitt y1. y1 = K1ε ∗pl + C1 = 66. 6ε ∗pl + 20



Die Randbedingungen bleiben im Vergleich zur isotropen Verfestigung unverändert.  ∂f (σ ,q )

σ V = σ x − qx

∂σ x



= sign (σ x − q x ) = ±1

D0 = E



Auch die Startbedingungen bleiben mit σx,0 = 0, εxges,0 = εxpl,0 = 0 und εpl,0* = 0 unverändert. Lediglich qx,1 = 0 wird zusätzlich benötigt. Mit der Nennspannung σN = 45 N/mm2 kann εxges,1 angegeben werden. ∆ε xges =

σ N − σ x ,0 D0

= 0.225

ε xges ,1 = ε xges ,0 + ∆ε xges = 0.225



Daraus folgt die Abschätzung für die Spannung σx,1 = 45 N/mm2.

σ x ,1 = E ( ε xges ,1 − ε xpl ,0 ) = 45 Mit dem Startwert qx,1 = qx,0 = 0 und εpl,0* = 0 bestimmt man den Wert der Fließfunktion.



f (σ x ,1 ,q x ,1 ) = σ V (σ x ,1 − q x ,1 ) − C1 = 25

Da f(σx,1, qx,1) größer null ist, muss die Spannung σx,1 und der Verfestigungsparameter qx,1 mit dem Newtonverfahren angepasst werden. Für den Parameter λ verwendet man den Startwerte λ = 0. Die Ableitung der Fließfunktion nach qx wird durch die negative Ableitung nach σx ersetzt.

70

2  Spannungen und Dehnungen

    −1 E sign σ − q 0 ( x,1 x,1 )    ∆σ x ,1   sign (σ − q ) 0 − sign σ − q ( x,1 x,1 )   ∆λ  x ,1 x ,1     ∆q x ,1  Kλ K Kλ − 1 − 1 (σ x ,1 − q x ,1 ) 1+ 1   C1 C1 C1       E −1σ − ε + + − ε λ sign σ q ( ) x ,1 xges ,1 xpl , 0 x ,1 x ,1    = − σ V (σ x ,1 − q x ,1 ) − C1     1 q x ,1 − q x ,0 − (σ x ,1 − q x ,1 ) K1λ   C 1  





Mit Δσx,1 = −14.2857 N/mm2, Δλ = 0.0714 und Δqx,1 = 10.7143 N/mm2 erhält man mit der ersten inneren Iteration modifizierte Werte für σx,1, λ und qx,1.

σ x ,1 = σ x ,1 + ∆σ x ,1 = 30.7143 λ = λ + ∆λ = 0.0714 q x ,1 = q x ,1 + ∆q x ,1 = 10.7143



Die zweite Iteration des Newtonverfahrens ergibt Δσx,1 = −4.4629 N/mm2, Δλ = 0.0223 und Δqx,1 = −4.4629 N/mm2. Ohne Rundungsfehler erhält man die im Folgenden angegebenen Werte, mit denen das Newtonverfahren konvergiert.

σ x ,1 = σ x ,1 + ∆σ x ,1 = 26.25 λ = λ + ∆λ = 0.09375 q x ,1 = q x ,1 + ∆q x ,1 = 6.25



Mit diesen Größen werden die plastischen Dehnungen angepasst.

ε xpl ,1 = ε xpl ,0 + λ = 0.09375



ε pl∗ ,1 = ε pl∗ ,0 + λ = 0.09375

Die Spannung σx,1 entspricht nicht der Nennspannung σN = 45 N/mm2. Daher ist ein weiterer äußerer Iterationsschritt notwendig. Für diesen muss die angepasste Tangentenmatrix D1 bestimmt werden. D1 = E −

EK1 E ⋅1 ⋅1 ⋅ E E2 =E− = = 50 1 σ x ,1 − q x ,1 E + K1 1 ⋅ E ⋅ 1 + 1 ⋅ (σ x ,1 − q x ,1 ) K1 ⋅ 1 E+ K1 C1 C1

Zu Beginn der zweiten äußeren Iteration werden εxges,2 und die Startwerte qx,2 und σx,2 bestimmt.

2.5 Materialgesetze

∆ε xges =

71

σ N − σ x ,1 D1

= 0.375

q x ,2 = q x ,1 = 6.25



ε xges ,2 = ε xges ,1 + ∆ε xges = 0.6

σ x ,2 = E ( ε xges ,2 − ε xpl ,1 ) = 101.25



Der Wert der Fließfunktion wird zusätzlich bereitgestellt. f (σ x ,2 ,q x ,2 ) = σ V (σ x ,2 − q x ,2 ) − C1 = 75



Da dieser Wert größer null ist, müssen σx,2 und qx,2 mit dem Newtonverfahren angepasst werden. Die Veränderungen und die Werte von σx,2, qx.2 und λ während der beiden notwendigen Iterationsschritte sind in der Tab. 2.2 angegeben. Da σx,2 = σN resultiert und die Fließfunktion den Wert null annimmt, ist die äußere Iteration konvergent. Abschließend werden die plastischen Dehnungen angepasst.

ε xpl ,2 = ε xpl ,1 + λ = 0.375



ε ∗pl ,2 = ε ∗pl ,1 + λ = 0.375

Bei einer Belastung von 45 N dehnt sich der Stab um εxges = 0.6. Die Gesamtdehnung setzt sich aus einem elastischen Anteil εel = 0.225 und einem plastischen Anteil εxpl = 0.375 zusammen. Wird analog zur isotropen Verfestigung keine Nennspannung σN vorgegeben, sondern vorausgesetzt, dass sich die Gesamtdehnung εxges zwischen 0.6 und −0.6 ändert, resultiert der in Abb. 2.26 a.) dargestellte Spannungs-Dehnungs-Verlauf. Die Spannungen variieren konstant zwischen 45 N/mm2 und −45 N/mm2. Der Bauschingereffekt lässt sich beobachten. Die angestrebte Kaltverfestigung (vergleiche Abb. 2.24) tritt allerdings nicht auf. Die Verfestigung kann erreicht werden, wenn C1 nicht als konstant, sondern als Funktion der plastischen Vergleichsdehnung εpl* gewählt wird.

(

C1 = C10 + ∆C1 1 − e



− aε ∗pl

)

Im Gegensatz zu den Dehnungen εges und εpl wächst die plastische Vergleichsdehnung εpl* kontinuierlich. Dadurch strebt C1 gegen C10 + ΔC1, wobei C10 dem ursprünglich kon­ stanten C1 entspricht. Mit dem Parameter a kann reguliert werden, nach welcher Anzahl an Schleifen die maximale Spannung σmax bzw. die maximale Verfestigung erreicht wird. Wählt man für den zuvor betrachteten Zugstab C10 = 20 N/mm2, ΔC = 35 N/mm2 und a = 1, erhält man den in Abb. 2.26 b.) dargestellten Spannungs-Dehnungs-Verlauf. Durch die Verfestigung strebt σmax gegen 71.25 N/mm2. Tab. 2.2  Spannungen und Dehnungen zweier innerer Iterationsschritte der Geometrie aus Abb. 2.25 Iteration 1 2

Δσx,2 [N/mm2] −29.0327 −27.2177

σx,2 [N/mm2] 72.218 45.0

Δλ [-] 0.1452 0.1361

λ [-] 0.1452 0.28125

Δqx,2 [N/mm2] 45.9677 −27.2177

qx,2 [N/mm2] 52.218 25.0

72

2  Spannungen und Dehnungen

Abb. 2.26  Spannungs- Dehnungs-Diagramm eines Zugstabes mit einer Variation der Dehnung zwischen −0.6 und 0.6, a.) C1 = konstant, b.) Verfestigung durch veränderliches C1

2.5.3 Orthotropes linear-elastisches Material Betrachtet man ein Material, welches in den einzelnen Raumrichtungen unterschiedliche Eigenschaften besitzt, wird dies als anisotrop bezeichnet. Als Möglichkeit, den Zusammenhang zwischen Dehnungen ε und Spannungen σ für kleine Verformungsänderungen zu beschreiben, wählt man das orthotrope Materialmodell.  ε x   1 / E1     ε y   −ν12 / E1  ε   −ν / E  z ε =   =  13 1  γ xy   0    0  γ xz    γ   0  yz 

−ν 21 / E2 1 / E2 −ν 23 / E2 0 0 0

−ν 31 / E3

0 0 0

0 0 0 0

−ν 32 / E3 1 / E3 0 1 / G12 0 0 1 / G13 0 0 0

σ x  σ   y  σz  −1     = D0 σ  τ xy    0   τ xz   1 / G23   τ yz    0 0 0 0

Die zwölf Materialparameter sind experimentell zu bestimmen. Um eine symmetrische Materialmatrix D0 zu erhalten, dürfen die einzelnen Parameter nicht unabhängig vonei­ nander gewählt werden.

ν12 / E1 = ν 21 / E2

ν13 / E1 = ν 31 / E3

ν 23 / E2 = ν 32 / E3

2.5 Materialgesetze

73

Bei ebenen Problemstellungen gilt wie beim isotropen Material σz = τxz = τyz = 0. Mit G = G12, τ = τxy und γ = γxy erhält man das ebene orthotrope Materialmodell.



 ε x   1 / E1     ε y  =  −ν12 / E1 γ   0   

−ν 21 / E2 0  σ x    1 / E2 0  σ y  0 1 / G   τ 

Entsprechend können auch die Spannungen als Funktion der Dehnungen formuliert werden.



σ x   E1   1   σ y  = 1 − ν ν  ν12 E1 12 21  τ   0  

ν 21 E2 E2 0

εx  εx        ε y  = D0  ε y   γ  (1 − ν12 ν 21 ) G   γ    0 0

Betrachtet man zum Beispiel einen faserverstärkten Kunststoff, bei dem der Elastizitätsmodul E1 mit E1 > E2, E3 die Materialeigenschaften in Faserrichtung beschreibt, sind die Materialwerte häufig in einem lokalen x*y*z*-Koordinatensystem gegeben, bei dem die x*-Achse in Faserrichtung zeigt.   σ x∗ y∗ z∗ = D0 x∗ y∗ z∗ ε x∗ y∗ z∗ Die lokale Materialmatrix muss bezüglich dem globalen xyz-Koordinatensystem angegeben werden. Dazu werden die Koordinatentransformation für die Spannungsmatrix und den Green-Lagrange-Verzerrungstensor E benötigt.

σ = Q T σ x ∗ y∗ z ∗ Q

E = Q T E x ∗ y∗ z ∗ Q

Da die Verformungsänderungen klein sind, kann der lineare Green-Lagrange-Verzerrungstensor Elinear verwendet werden. Dieser wird durch die Matrix K und die Dehnungen ε ersetzt.



 0   I Elinear = K ε =   (ε x 0 I / 2

εy

εz

γ xy

γ xz

γ yz )

T



Die berücksichtigte Einheitsmatrix I hat dabei die Dimension drei. Mit K und der einzuführenden Transformationsmatrix T können die Koordinatentransformationen ebenso in der Voigtschen Darstellung angegeben werden.      σ = T σ x ∗ y∗ z ∗ Elinear = TE x∗ y∗ z∗linear = TK ε x∗ y∗ z∗ Sind qij (i,j = 1,2,3) die Komponenten der Matrix Q, können die Einträge von T angegeben werden.

74



2  Spannungen und Dehnungen

 q112  2  q12  q2 T =  13  q11q12 q q  11 13 q q  12 13

2 q21

2 q31

2 22 2 23

2 32 2 33

q q

q q

q21q22 q21q23 q22 q23

q31q32 q31q33 q32 q33

2q11q21 2q12 q22 2q13 q23 q11q22 + q21q12 q11q23 + q21q13 q12 q23 + q22 q13

2q11q31 2q12 q32 2q13 q33 q11q32 + q31q12 q11q33 + q31q13 q12 q33 + q32 q13

 2q21q31  2q22 q32   2q23 q33  q21q32 + q31q22  q21q33 + q31q23   q22 q33 + q32 q23 

Mit T kann die Materialmatrix D0x*y*z* in die Materialmatrix D0 bezüglich des globalen xyz-Koordinatensystems umgewandelt werden. D0 = TD0 x∗ y∗ z∗ T T



Dazu wird ausgenutzt, dass K−1T−1K = TT gilt.     σ = T σ x∗ y∗ z∗ = TD0 x∗ y∗ z∗ ε x∗ y∗ z∗ = TD0 x∗ y∗ z∗ K −1T −1 Elinear    = TD0 x∗ y∗ z∗ K −1T −1 K ε = TD0 x∗ y∗ z∗ T T ε = D0 ε Betrachtet man eine ebene Aufgabe, bei der das x*y*-Koordinatensystem aus einer Drehung mit dem Winkel α um die z-Achse aus dem xy-Koordinatensystem folgt, kann Q und T in Abhängigkeit von α angegeben werden. Dabei reduziert sich Q zu einer 2x2 und T zu einer 3x3 Matrix, bei der die ursprünglichen 3, 5 und 6 Zeilen und Spalten unberücksichtigt bleiben. q Q =  11  q21



q12   cos (α ) sin (α )   = q22   − sin (α ) cos (α ) 

 cos 2 (α ) sin 2 (α ) −2 cos (α ) sin (α )    2 T =  sin (α ) cos 2 (α ) 2 sin (α ) cos (α )   cos (α ) sin (α ) − cos (α ) sin (α ) cos 2 (α ) − sin 2 (α )   

Möchte man analog zum isotropen Material den Einfluss einer Temperaturänderung ΔT berücksichtigen, verwendet man bei orthotropen Materialien in jeder Raumrichtung einen individuellen Wärmeausdehnungskoeffizienten αx, αy und αz.



 ε x , ges − α x ∆T  σ x       ε y , ges − α y ∆T  σ y  ε  σ     z z , ges − α z ∆T  σ =   = D0  = D0 ( ε ges − ε th )   τ xy  γ xy       γ xz  τ xz    τ  γ yz  yz   

3

Spannungsberechnung mit der Finite-­ Element-­Methode (FEM)

Mit den analytischen Methoden der Technischen Mechanik können die im vorigen Kapitel eingeführten und bei der Lebensdauerberechnung benötigten Spannungen im Wesentlichen nur für ruhende stabförmige Bauteile bestimmt werden. Die Finite-Element-­Methode (FEM) bietet eine Möglichkeit, die in Abschn.  2.4 eingeführte Definition der inneren Energie auszuwerten, um die Spannungen auch in nicht stabförmigen Bauteilen näherungsweise zu bestimmen. Dabei müssen im Vergleich zur analytischen Berechnung weniger Einschränkungen berücksichtigt werden. Dadurch können mit der FEM auch komplexere Bauteile untersucht werden. Berücksichtigt man zusätzlich die kinetische Energie, können auch dynamische Bauteilbelastungen betrachtet werden. Bei der FEM werden die Bauteile in eine endliche Anzahl von Teilelementen unterteilt. Dies sind im Normalfall Zugstäbe, Balken, Dreiecke, Vierecke, Tetraeder, Prismen oder Hexaeder. Deren End- oder Eckpunkte werden als Knoten bezeichnet. Die Verschiebungen innerhalb der einzelnen Elemente werden durch Polynome näherungsweise beschrieben. Deren Koeffizienten werden durch die Verschiebungen an den Knoten bestimmt. Um diese Knotenverschiebungen zu erhalten, setzt man die Polynome in die Bestimmungsgleichungen für die Energien ein und integriert über alle Elemente. Dadurch überführt man die Integralgleichungen in algebraische Gleichungen. Als Lösung dieser algebraischen Gleichungen, die man zum Beispiel durch das Lösen eines linearen Gleichungssystems erhält, resultieren die Verschiebungen an den Knoten. Mit diesen können die Verschiebungen im Inneren der Elemente und daraus die Spannungen im Bauteil berechnet werden. Mit Zugstäben und Balken werden stabförmige Bauteile beschrieben. Für flächige Bauteile verwendet man Dreiecke und Vierecke. Entsprechend sind Tetraeder, Prismen und Hexaeder für allgemeine Volumen geeignet. Als Zwischenergebnis erhält man für jedes Element Teilmatrizen und Teilvektoren. Aus diesen Elementmatrizen und -vektoren ­werden Gesamtmatrizen und -vektoren gebildet, die das mechanische Verhalten des Bau-

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 P. Steibler, Lebensdauerberechnungen mit FEM, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32244-1_3

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76

3  Spannungsberechnung mit der Finite-Element-Methode (FEM)

teils erfassen. Die Vorgehensweise bei den unterschiedlichen Elementtypen unterscheidet sich im Wesentlichen nur bei der Erstellung der Elementmatrizen und -vektoren. Daher soll im Folgenden die prinzipielle Vorgehensweise an einem kleinen ebenen Fachwerk, das aus wenigen Zugstäben aufgebaut ist, vorgestellt werden. Die dabei angewandten Methoden sind überschaubar, lassen sich aber auf komplexere Bauteile, die aus anderen Elementtypen aufgebaut sind, übertragen. Es müssen nur die entsprechenden Matrizen und Vektoren der anderen Elementtypen verwendet werden. Wie diese Matrizen und Vektoren erstellt werden, wird nach der Betrachtung des ebenen Fachwerks vorgestellt.

3.1

FEM für ebene Fachwerke

Zu Beginn werden statisch belastete Bauteile mit linear elastischem Material betrachtet. Anschließend werden Fachwerke bei dynamischer Belastung und mit nicht linearem Materialverhalten untersucht. Als begleitende Beispielgeometrie wird mit verschiedenen Belastungen und Materialeigenschaften das Fachwerk aus Abb. 3.1 analysiert. Das Fachwerk ist aus drei Elementen E1, E2 und E3 aufgebaut. Die Anfangs- bzw. Endpunkte der Elemente sind die Knoten K1, K2 und K3. Alle Stäbe haben die Querschnittsfläche A = 10 mm2. Für die Längen wird L = 100 mm vorausgesetzt. Alle Elemente haben den Elastizitätsmodul E = 3000 N/mm2. Die Dichte beträgt ρ = 0.06 t/mm3. Die weiteren Größen variieren.

3.1.1 Statisches Fachwerk mit linear-elastischem Materialverhalten Für die Berechnung der Verschiebungen der Knoten eines Bauteils mit n Elementen wird die im Bauteil gespeicherte innere Energie WI betrachtet. WI = ∑ i =1 WIi n



0.8L K1

K3

E3 F3

0.6L

E2

E1 L

K2

y

x

Abb. 3.1  Begleitende Beispielgeometrie zur Fachwerksberechnung mit FEM

3.1 FEM für ebene Fachwerke

77

Da in einem Zugstab nur Kräfte in Stabrichtung wirken, muss bei der Bestimmung der inneren Energie WIi eines Elements nur die Normalspannung σi und die Dehnung εi in Stabrichtung bzw. gemäß Abb.  3.2 in r-Richtung berücksichtigt werden. Die Spannung kann mit dem Hookeschen Gesetz durch die Dehnung ersetzt werden. In einem Zugstab ist die Dehnung entlang der Stablänge konstant. Daher kann sie gemeinsam mit dem Elastizitätsmodul Ei vor das Integral gebracht werden. Das verbleibende Integral beschreibt mit der Stablänge Li das Stabvolumen Vi = AiLi. WIi = ∫ dWI = Vi



1 1 1 σ i ε i dV = ∫ Ei ε i2 dV = Ei ε i2 Ai Li 2 V∫i 2 Vi 2

Statt in Stabrichtung eine lokale x*-Achse zu betrachten, wird die Koordinate r eingeführt. Mit ihr kann jeder Punkt des Stabes durch zwei lineare Formfunktionen NA und NB und den Knotenkoordinaten des Elements beschrieben werden. r    r       xi ( r ) = x Ai  1 −  + x Bi   = x Ai N A + x Bi N B  Li   Li 



Für r = 0 erhält man die Lage des Anfangsknoten KAi. r = Li ergibt entsprechend die Position des Endknotens KBi. Außerhalb des Elements haben die Formfunktionen den Wert null.



 r   1 −  N A =  Li    0

 r    N B =  Li    0

ur 0 ≤ r ≤ Li f sonst

ur 0 ≤ r ≤ Li f sonst



vBi

uBi*

uBi*

uBi KBi

KBi

Li

yBi-yAi uAi*

r

y vAi x

KAi

r

uAi*

y

αi KAi

x

uAi xBi-xAi

Abb. 3.2  Verschiebungen am Anfangs- und Endknoten eines Elements

78

3  Spannungsberechnung mit der Finite-Element-Methode (FEM)

Um die Dehnung εi mit Hilfe der Knotenverschiebungen in Stabrichtung ausdrücken zu können, setzt man voraus, dass die Verschiebung u*i in Stabrichtung ebenso durch die linearen Formfunktionen beschrieben werden kann.  r  ∗  r  ∗ ∗ ui∗ ( r ) = u∗Ai  1 −  + uBi   = uAi N A + uBi N B L L i    i



Gemäß Abb.  3.2 sind u*Ai und u*Bi die Verschiebungen des Anfangsknotens und des Endknotens des Elements in Stabrichtung. Die Dehnung εi entspricht der Änderung bzw. der Ableitung der Verschiebung u*i in Stabrichtung.

εi =

dui∗ ( r ) dr

= u∗Ai

 1 dN A ∗ dN B + uBi = u∗Ai  − dr dr  Li

 ∗ 1  + uBi    Li

∗  uBi − u∗Ai =  Li 

Somit ist die Dehnung εi nur von den Knotenverschiebungen abhängig und kann in der Bestimmungsgleichung für WIi von diesen ersetzt werden. 2

 u∗Ai   u∗ − u∗Ai  1 1 1 ∗ ∗ Ei Ai  −1  WIi = Ei ε i2 Ai Li = Ei Ai Li  Bi  = uAi uBi   ( −1 1)  ∗  2 2 2 Li  1   Li   uBi 

(

)

Mit dem Vorfaktor EiAi/Li werden die beiden inneren Vektoren zu einer Matrix K*i zusammengefasst, die als Elementsteifigkeitsmatrix im lokalen r-Koordinatensystem bezeichnet wird. K i∗ =

Ei Ai  1 −1    Li  −1 1 

Dadurch ist die innere Energie WIi eine Funktion von den Knotenverschiebungen und der Elementsteifigkeitsmatrix. WIi =

1 ∗ uAi 2

(

 u∗  1  ∗T  ∗ ∗ uBi K i∗  ∗Ai  = u i K i∗ u i  uBi  2

)

Um die Summe der inneren Energien aller Elemente bilden zu können, ist es notwendig, die Verschiebungen nicht bezüglich der lokalen r-Koordinatensysteme, sondern im globalen xy-Koordinatensystem anzugeben. Zwischen der Elementachse und der x-Achse ist der Winkel αi eingeschlossen. Er kann über die Knotenabstände in x- und y-Richtung bestimmt werden. cxi = cos α i =

x Bi − x Ai Li

cyi = sin α i =

yBi − y Ai Li

3.1 FEM für ebene Fachwerke

79

Mit αi kann der Zusammenhang zwischen den Knotenverschiebungen u*Ai und u*Bi in Stabrichtung und den Verschiebungen uAi, vAi, uBi und vBi im globalen xy-­Koordinatensystem angegeben werden. Die Verschiebungen im globalen Koordinatensystem werden zum Elementverschiebungsvektor ui zusammengefasst.  u   cxi uAi + cyi v Ai   cxi  =    =   u   cxi uBi + cyi vBi   0 ∗ Ai ∗ Bi

cyi 0

 uAi    0   v Ai      = Ci ui cyi  uBi    vBi 

0 cxi



Die Matrix Ci wird als Matrix der Richtungskosinus bezeichnet. Mit ihr kann die innere Energie WIi in Abhängigkeit vom Elementverschiebungsvektor ui angegeben werden. WIi =

1 ∗ uAi 2

(

 u∗  1   1  ∗ uBi K i∗  ∗Ai  = uiT CiT K i∗Ci ui = uiT K i ui 2  uBi  2

)

Die Matrix Ki wird als Elementsteifigkeitsmatrix im globalen xy-Koordinatensystem bezeichnet.



 cxi2  Ei Ai  cxi cyi Ki =  Li  −cxi2  −c c  xi yi

cxi cyi c

2 yi

−cxi2 −cxi cyi

−cxi cyi

cxi2

−cyi2

cxi cyi

−cxi cyi   −cyi2   cxi cyi  cyi2 

Um die innere Energie aller Elemente angeben zu können, wird ein Gesamtverschiebungsvektor u eingeführt, der die Freiheitsgrade aller Knoten beinhaltet. Besteht das Bauteil aus m Knoten, hat der Gesamtverschiebungsvektor u die Dimension 2 m. Der Elementverschiebungsvektor ui und der Gesamtverschiebungsvektor u sind über die Matrix Ti verknüpft. Sind die Anfangs- und Endknoten des Elementes der k. bzw. der p. Knoten des Gesamtbauteils, besitzen die Spalten 2k−1, 2k, 2p−1 und 2p jeweils einen Eintrag ungleich null. Alle anderen Spalten von Ti besitzen nur die Einträge null.

 uAi      v Ai  ui =   =   uBi       vBi  

1 0 0 0

0 0 0 1 0 0  0 1 0 0 0 1

      uk      vk        = Ti u     up    v  p     

80

3  Spannungsberechnung mit der Finite-Element-Methode (FEM)

Mit der Matrix K**i = TiTKiTi kann die innere Energie WIi des Elements in Abhängigkeit vom Gesamtverschiebungsvektor dargestellt werden.



WIi =

1 T  1 T T  1  ui K i ui = u Ti K i Ti u = u T K i∗∗u 2 2 2

Addiert man alle inneren Energien der einzelnen Elemente, resultiert die im Bauteil gespeicherte innere Gesamtenergie in Abhängigkeit vom Gesamtverschiebungsvektor u. Die dabei entstehende Matrix K wird als Gesamtsteifigkeitsmatrix bezeichnet. Sie hat die Dimension 2m.



n n  1   1  1  n WI = ∑WIi = ∑ u T K i∗∗u = u T  ∑K i∗∗  u = u T Ku 2 2 2 i =1 i =1  i =1 

In der Praxis werden die Matrizen K**i nicht erzeugt, sondern die entsprechenden Einträge der Matrizen Ki direkt in die Matrix K übertragen. Ist der Anfangsknoten des i. Elements der k. Knoten und der Endknoten der p. Knoten des Gesamtbauteils, so ist zum Beispiel Ki,11 ein Teilwert von K2k−1,2k−1 und Ki,23 ein Teilwert von K2k,2p−1. Die Vorgehensweise wird im Folgenden im Rahmen der Untersuchung der Beispielgeometrie ausführlicher vorgestellt. Da meistens der Großteil der Matrixeinträge von K gleich null ist, ist es sinnvoll, nur die q Einträge ungleich null zu speichern. Die Dimension der Matrix sei n. Ihre Einträge ungleich null werden Zeile für Zeile in ein Wertefeld K mit der Dimension q eingetragen. Um die Position in der ursprünglichen Matrix zu kennen, sind zwei zusätzliche Zeigerfelder gzK und gfK notwendig. Das erste hat die Dimension n + 1 und speichert den Index des ersten Eintrags jeder Zeile. Der letzte Eintrag n + 1 speichert die Anzahl q + 1. Das zweite Feld hat die Dimension q und speichert für jeden Eintrag des Wertevektors die ursprüngliche Spaltennummer in der Matrix K. Ist die ursprüngliche Matrix K symmetrisch, so muss wie in der folgenden Beispielmatrix mit n = 4 nur eine untere Dreiecksmatrix gespeichert werden.



 K11  0 K =  K13   0

0 K 22 K 23 K 24

K13 K 23 K 33 0

0   K 24  0   K 44 

Das Wertefeld K beinhaltet q = 7 Matrixeinträge ungleich null. Auf Grund der Symmetrie werden dabei auch die drei Einträge oberhalb der Diagonalen berücksichtigt. K = ( K11

K 22 K13 K 23 K 33 K 24 gzK = (1 2 3 6 8 ) gfK = (1 2 1 2 3 2 4 )

K 44 )

3.1 FEM für ebene Fachwerke

81

Der Zeiger gzK gibt an, dass die erste Zeile der ursprünglichen Matrix mit dem ersten Eintrag des Wertefelds beginnt. Die zweite Zeile fängt mit dem zweiten Eintrag des Wertefelds an. Da nur die untere Dreiecksmatrix gespeichert wird und zwei minus eins den Wert eins ergibt, resultiert, dass nur der erste Eintrag des Zeigers gfK einen Wert der ersten Matrixzeile beschreibt. Der Wert steht in der ersten Spalte der ursprünglichen Matrix. Bei der betrachteten kleinen Matrix kann mit dieser Speichermethode kein Speicherplatz gespart werden. Allgemein benötigt man bei der vollständigen Speicherung der Matrix n2 Speicherplätze. Die durchschnittliche Anzahl der Zeileneinträge ungleich null kann mit c erfasst werden. Somit benötigt man bei der kompakten Speicherung 2q + n + 1 = 2cn + n + 1 Speicherplätze. f ur n > 2c + 1

n 2 > 2cn + n + 1



Die kompakte Speicherung ist für eine Freiheitsgradanzahl n > 2c + 1 platzsparend. Bei realen größeren Bauteilen bewegt sich c in der Größenordnung hundert. Zusätzlich zur inneren Energie WI benötigt man die äußere Energie WA, die aus den auf das Gesamtbauteil wirkenden Kräften resultiert. Dazu wird ein Gesamtkraftvektor F gebildet, der alle auf das Bauteil wirkende Kräfte beinhaltet. Die Kräfte dürfen nur an den Knoten angreifen. Daher hat der Gesamtkraftvektor F die gleiche Dimension wie der Gesamtverschiebungsvektor u. Neben den gegebenen Bauteilbelastungen beinhaltet er die Lagerkräfte. Es wird angenommen, dass die Kräfte quasi-statisch aufgebracht werden. Dies wird mit dem Vorfaktor 1/2 berücksichtigt. WA =



1 T  1 2m u F = ∑ uk Fk 2 2 k =1

Sollen Streckenlasten berücksichtigt werden, die innerhalb eines Elementes konstant sind, wird der Betrag der Streckenlast mit der Elementlänge Li multipliziert. Die resultierende Kraft kann jeweils zur Hälfte den Anfangs- und Endknoten der Elemente zugewiesen werden. Diese Vorgehensweise lässt sich bei anderen Elementtypen auf Flächen- und Volumenlasten übertragen. Mit den Größen aus Abb. 3.3 kann auch für jedes Element die äußere Energie WAi angegeben werden. WAi =

1 1 ∗ −u∗Ai FEi + uBi FEi = u∗Ai 2 2

(

)

(

∗  −1  uBi   FEi 1

)

Wie bei der Bestimmung der Elementsteifigkeitsmatrix kann die Verschiebung in Stabrichtung durch den Gesamtverschiebungsvektor u ersetzt werden. WAi =

1 ∗ uAi 2

(

1  T T T  −1  1  T  ∗  −1  uBi   FEi = u Ti Ci   FEi = u TC i FEi 2 2 1 1

)

82

3  Spannungsberechnung mit der Finite-Element-Methode (FEM) uBi*

FEi KBi

Fyk Fxk FEi

uAi* FEi

FEj

Ei x

KAi

FEj

Ej

FEj

y

FEi

y

r

Kk

x

FEi

Abb. 3.3  Stabkräfte FEi und FEj an zwei Elementen Ei und Ej und Knotenkräfte am Knoten Kk

Der Vektor TCi hat die Dimension 2m. Sind wieder der k. und der p. Knoten des Gesamtbauteils die Anfangs- und Endknoten des Elementes, hat der 2k−1. Eintrag des Vektors den Wert −cxi, der 2k. Eintrag den Wert −cyi. Entsprechend haben die Einträge 2p−1 und 2p die Werte cxi und cyi. Addiert man die äußeren Energien aller Elemente, folgt die gesamte äußere Energie WA. n



WA = ∑ WAi = i =1

1  T n  1  u ∑ TC i FEi = u T F 2 i =1 2

Bildet man die Kräftebilanz an den Knoten (vergleiche Abb. 3.3), folgt, dass die Summe aller Vektoren TCiFEi dem Gesamtkraftvektor entspricht. Somit kann dieser auch direkt aus den einzelnen Knotenkräften erstellt werden. Bei linear elastischer Materialbelastung ist die innere Energie WI gleich der äußeren WA.



= WI

1 T  1 T  = u Ku u F = WA 2 2

Es folgt ein zu lösendes lineares Gleichungssystem.

  Ku = F

Ohne Berücksichtigung der Lagerungen ist die Matrix K singulär und das Gleichungssystem hat unendlich viele Lösungen. Das Bauteil muss statisch bestimmt oder überbestimmt gelagert sein, um eine eindeutige Lösung zu erhalten. Die Lagerungen können durch zusätzliche Zwangsbedingungen, die der Verschiebungsvektor u zu erfüllen hat, berücksichtigt werden.

  BT u = g

Mit jeder Zeile von BT ist für einen Freiheitsgrad eine Zwangsbedingung formuliert. Im Allgemeinen können B und g beliebige Werte annehmen. Werden Lager berücksichtigt,

3.1 FEM für ebene Fachwerke

83

die eine Verschiebung null vorschreiben, besitzt BT im Wesentlichen Einträge gleich null. Soll mit der i. Zeile uj = 0 vorgeschrieben werden, steht in dieser nur in der j. Spalte eine Eins. Entsprechend ist gi = 0. Soll eine Verschiebung ungleich null berücksichtigt werden, muss für gi der Wert der vorgegebenen Verschiebung verwendet werden. Um die Zwangsbedingungen einzubinden, wird das zu lösende Gleichungssystem zuerst als Minimierungsaufgabe mit Nebenbedingung formuliert. Diese wird mit einer Schur-Zerlegung gelöst. Anschließend wird gezeigt, wie die Randbedingungen direkt, ohne zusätzliche Rechenschritte, im ursprünglichen Gleichungssystem berücksichtigt wer­ den können. Das Produkt Verschiebung mal Kraft stellt die von außen aufgebrachte Arbeit dar. Es wird der Kraftvektor FR berücksichtigt, der nur die auf das Gesamtbauteil wirkenden Kräfte beinhaltet, die eine äußere Arbeit erbringen. Da am Lager keine Verschiebung auftritt, bleiben die Lagerkräfte unberücksichtigt. Für die Berücksichtigung der Zwangsbedingungen muss ein Lagrange-Vektor λ eingeführt werden. Seine Dimension entspricht der Anzahl der Zwangsbedingungen.



   1      W u, λ = u T K u − u T FR + λ T BT u − g 2

(

)

(

)

Bei den gesuchten Werten u und λ wird W minimal. Um diese Werte zu bestimmen, wird W nach u und λ abgeleitet und die Ableitungen gleich null gesetzt.



 ∂W  =0 u ∂  λ 

K  T B

  B   u   FR   =      0 λ   g 

Die Diagonale der Matrix des resultierenden Gleichungssystems enthält Einträge gleich null. Um eine Pivot-Strategie beim Lösen des linearen Gleichungssystems zu vermeiden und mit der ursprünglichen Struktur von K arbeiten zu können, werden die Freiheitsgrade, für die Zwangsbedingungen formuliert sind, entkoppelt bzw. die Dimension des Gleichungssystems wird vorab reduziert. Dies erfolgt durch eine Schur-Zerlegung. Um diese anschaulich durchführen zu können, wird das Gleichungssystem mit Hilfe einer Permutationsmatrix P umgestellt. Die Gesamtpermutationsmatrix P ist das Produkt von q Permutationsmatrizen Pl. q



P = ∏ Pl l =1



Bei der Multiplikation einer Matrix A mit einer einzelnen Permutationsmatrix Pl von links und PlT von rechts, werden die i. und j. Zeile bzw. Spalte von A vertauscht. Pl ist im Wesentlichen eine Einheitsmatrix. Das i. und j. Diagonalelement besitzt jedoch den Wert null. Dafür haben die Einträge Pl,ij und Pl,ji den Wert eins. Hat die Matrix A die Dimension

84

3  Spannungsberechnung mit der Finite-Element-Methode (FEM)

drei und sollen zweite und dritte Zeile und Spalte vertauscht werden, muss die folgende Permutationsmatrix Pl verwendet werden: 1 0 0   Pl =  0 0 1  0 1 0  



Pl und somit auch P sind symmetrisch und identisch mit ihrer inversen Matrix. P = P T = P −1



Das zu lösende Gleichungssystem wird von links mit der Gesamtpermutationsmatrix P multipliziert. Der resultierende Teilverschiebungsvektor u2 enthält alle Freiheitsgrade, die entkoppelt werden sollen, bzw. für die eine Zwangsbedingung formuliert ist. K P T B

   FR  B T  u  P P  = P   0 λ   g

 K11  T  K12  BT  1



K12 D22 B2T

  B1   u1   F1        B2   u2  =  F2    0   λ   g 

Für die Anwendung der Schur-Zerlegung werden die Teilmatrizen und -vektoren neu zusammengefasst. Die Matrix B ist derart skaliert, dass B2 eine Einheitsmatrix darstellt. A = K11

C = ( K12



B1 )

D D =  22 T  B2   u  y2 =  2  λ 

B2   D22 I  =  0  I 0   F  G2 =  2  g

I  0 D −1 =    I − D22 



Mit der Neugliederung folgt die Ausgangssituation für die Anwendung der Schur-Zerlegung.  A  T C



  C   u1   F1   =      D   y2   G2 

Aus den neu eingeführten Teilmatrizen wird die Schurmatrix Q gebildet.



 I −CD −1  Q=  I  0

I  QT =  −1 T  −D C

0  I

 I Q −T =  −1 T D C

0  I

Mit der Matrix Q wird das modifizierte Gleichungssystem ergänzt.



 I −CD −1   A   T I C 0

C  I  −1 T D   −D C

0 I  I   D −1C T

  0   u1   I −CD −1   F1        =  I   y2   0 I   G2 

3.1 FEM für ebene Fachwerke

85

Die ersten drei Matrizen werden zusammengefasst, ebenso die beiden Vektoren mit den davorstehenden Matrizen.



   u1   F1 − CD −1G2  0      −1 T    =  G2 D   D C u1 + y2   

 A − CD −1C T  0 

Es ergeben sich zwei entkoppelte Gleichungssysteme. Die Gleichungen der ersten Zeile werden zur Bestimmung von u1 verwendet.

( A − CD



   C T u1 = F1 − CD −1G2

)

−1

Mit den Zwangsbedingungen können noch die fehlenden Verschiebungen u2 berechnet werden. Dabei wird wieder ausgenutzt, dass B2 eine Einheitsmatrix ist.  BT u = B1T

(



 u  B2T  1  = B1T  u2 

)

(

 u   I  1  = g  u2 

)

Den Kraftvektor F ermittelt man aus dem ursprünglichen Gleichungssystem.   F = Ku



Abschließend kann der Lagrange-Vektor λ aus der ersten Gleichung des Minimierungsproblems bestimmt werden.

   K u + Bλ = FR

  −1  λ = ( BT B ) BT ( FR − Ku )

Berücksichtigt man nur Lagerungen bzw. vorgegebene Verschiebungen gleich null, gilt g = 0 und B1 = 0. I  0 0)  = ( 0 K12 )  I − D11   KT  CD −1C T = ( 0 K12 )  12  = 0  0 

CD −1 = ( K12



Somit kann zur Berechnung der Verschiebung u1 die unveränderte Matrix A = K11 und der Kraftvektor F1 verwendet werden.      F2    −1 T  −1 K11u1 = A − CD C u1 = F1 − CD G2 = F1 − ( 0 K12 )    = F1 0

(



)

Daher können die Zwangsbedingungen für die Lagerungen einfacher, ohne explizite Anwendung der Schur-Zerlegung, berücksichtigt werden, indem zuerst in K und F alle

86

3  Spannungsberechnung mit der Finite-Element-Methode (FEM)

Zeilen- und Spalteneinträge der entsprechenden Freiheitsgrade gleich null gesetzt werden. Anschließend werden die dazugehörenden Diagonaleinträge von K gleich eins gewählt. Hat zum Beispiel der k. Freiheitsgrad infolge einer Lagerung die vorgeschriebene Verschiebung null, so wird dies im resultierenden Gleichungssystem entsprechend berücksichtigt. K kp = K pk = δ kp



Fk = 0

Somit hat die k. Matrixzeile nur auf der Diagonalen einen Wert ungleich null und beschreibt die Zwangsbedingung uk = 0. K kk uk = 1 ⋅ uk = 0



Das dabei resultierende Gleichungssystem hat die gleiche Dimension wie das ursprüngliche. Es besitzt eine eindeutige Lösung.  K K R u =  11  0



  0   u1   F1       =    = FR I   u2   0 

Diese Vorgehensweise ist auch ohne vorausgegangene Permutation anwendbar. Auch die Schur-Zerlegung kann so modifiziert werden, sodass keine Permutation notwendig ist. Soll eine Zwangsverschiebung ungleich null vorgegeben werden, fasst man diese in einem Startvektor us zusammen. Multipliziert mit der Steifigkeitsmatrix K ergänzt man das ursprüngliche Gleichungssystem mit us.

        Fs = F − Kus = Ku − Kus = K ( u − us ) = K ∆u

Die Komponenten von Δu, an denen eine Verschiebung vorgeschrieben ist, müssen den Wert null annehmen und können im modifizierten Gleichungssystem als Lager betrachtet werden. Die gesuchte Gesamtverschiebung u setzt sich aus der Startverschiebung us und der Verschiebungsänderung Δu zusammen.    u = us + ∆u



Sind die Knotenverschiebungen bekannt, kann die Stabdehnung εi, die Stabkraft Fi und die Normalspannung σi in den Elementen bestimmt werden. ∗  u∗  1 uBi − u∗Ai 1  = ( −1 1)  ∗Ai  = ( −1 1) Ci ui Li Li  uBi  Li EA  Fi = σ i Ai = Ei ε i Ai = i i ( −1 1) Ci ui Li F E     E σ i = i = i ( −1 1) Ci ui = i ( −1 1) Ci Ti u = BiT u Ai Li Li

εi =



3.1 FEM für ebene Fachwerke

87

Ci ist die Matrix der Richtungskosinus und ui der Vektor der Elementverschiebungen. Teilt man die Stabkraft durch die Querschnittsfläche Ai, erhält man die Spannung in Stabrichtung. Die Spannung im Element i kann über den Vektor BiT in Abhängigkeit vom Gesamtverschiebungsvektor u dargestellt werden. Fasst man alle Elementspannungen in einem Vektor σ zusammen, kann auch dieser aus dem Gesamtverschiebungsvektor bestimmt werden. Dazu bildet man aus allen Vektoren Bi die Matrix B.             σ =  σ i  =  BiT  u = Bu          



Die vorgestellte Vorgehensweise wird auf die in Abb. 3.4 dargestellte Beispielgeome­ trie angewandt. Sie entspricht der Geometrie aus Abb. 3.1. Die Kraft F3 hat den Betrag 100 N. Da die Geometrie drei Knoten besitzt, erhält man einen 6-dimensionalen Gesamtverschiebungsvektor u.  u = ( u1



v1

u2

v2

u3

v3 ) T

Für die drei Elemente ist jeweils eine Elementsteifigkeitsmatrix zu erstellen. • Element E1 (Anfangsknoten K2, Endknoten K3, L1 = L): c x1 =

xK 3 − xK 2 0.8 L = = 0.8 L1 L

 cx21  EA  cx1cy1 K1 =  L  −cx21  −c c  x 1 y1

c x 1 c y1 c

2 y1

−cx21 − c x 1 c y1

− c x 1 c y1

cx21

−cy21

c x 1 c y1

Abb. 3.4  Geometrie des untersuchten Fachwerks mit 6 Knotenverschiebungen

c y1 =

yK 3 − yK 2 0.6 L = = 0.6 L1 L

− c x 1 c y1  0.48 −0.64 −0.48   0.64  −cy21  EA  0.48 0.36 −0.48 −0.36    = 0.48  cx1cy1  L  −0.64 −0.48 0.64    −0.48 −0.36 0.48 0.36  cy21 

v1

u1 K1

v3

0.8L

u3

E3

K3 F3

0.6L

E1

E2

L v2

K2

u2

y

x

88

3  Spannungsberechnung mit der Finite-Element-Methode (FEM)

• Element E2 (Anfangsknoten K2, Endknoten K1, L2 = 0.6L): cx 2 =



xK 1 − xK 2 0 = =0 L2 0.6 L

0 0  EA  0 1 K2 = 0.6 L  0 0   0 −1

cy 2 =

yK 1 − yK 2 0.6 L = =1 L2 0.6 L

0 0 0 0   0 −1  EA  0 1. 6 = 0 0  L 0 0   0 1  0 −1. 6

0 0   0 −1. 6  0 0   0 1. 6 

• Element E3 (Anfangsknoten K1, Endknoten K3, L3 = 0.8L): cx 3 =



xK 3 − xK 1 0.8 L = =1 L3 0.8 L

1  EA  0 K3 = 0.8L  −1  0

0 −1 0 0 0 1 0 0

cy 3 =

yK 3 − yK 1 0 = =0 L3 0.8 L

0  1.25   0  EA  0 = 0  L  −1.25   0  0

0 −1.25 0 0 0 1.25 0 0

0  0 0  0



Das Element E1 besitzt die Knoten K2 und K3. Daher ist seine Elementsteifigkeitsmatrix K1 in den Zeilen und Spalten drei bis sechs Teil der Gesamtsteifigkeitsmatrix K. Entsprechend beeinflusst die Elementsteifigkeitsmatrix K2 die Zeilen und Spalten 3,4,1,2 und die Elementsteifigkeitsmatrix K3 die Zeilen und Spalten 1,2,5,6.



 K 3,11   0  0 K =  0 K  3,31  0 

0 K 2, 44 0

0 0 K1,11

0 K 2, 42 K1,12

K 3,13 0 K1,13

K 2,24 0

K1,21 K1,31

K1,22 + K 2,22 K1,32

K1,23 K1,33 + K 3,33

0

K1, 41

K1, 42

K1, 43

0   0  K1,14   K1,24  K1,34   K1, 44 

Mit dem Vorfaktor EA/L = 300 N/mm erhält man die numerische Gesamtsteifigkeitsmatrix K.



0 0 0 0  −375  375   0 500 0 500 − 0 0    0 0 192 144 −192 −144  K =  −500 144 608 −144 −1088   0  −375 0 −192 −144 567 144    0 −144 −108 144 108   0

3.1 FEM für ebene Fachwerke

89

Die Gesamtsteifigkeitsmatrix K wird auch als eindimensionales Zahlenfeld abgespeichert. Es werden nur die Einträge ungleich null, die auf der Diagonalen oder unterhalb der Diagonalen stehen, berücksichtigt.

K = ( 375 500 192 −500 144 608 −375 −192 −144 567 −144 −108 144 108 )

Die Felder gzK und gfK kennzeichnen die Positionen der Einträge in der ursprünglichen Matrix.



gzK = (1 2 3 4 7 11 15 ) gfK = (1 2 3 2 3 4 1 3 4 5 3 4 5 6 )

Abb. 3.4 und 3.5 folgend kann mit Fy3 = −F3 = −100 N und den drei Lagerkräften Fx1, Fy1 und Fx2 der Gesamtkraftvektor F angegeben werden.

 F = ( Fx1

Fy1

Fx 2

0 0 −100 ) T

Es resultiert das zu lösende Gleichungssystem. Es hat eine singuläre Matrix bzw. unendlich viele Lösungen.

  Ku = F

Die Verschiebungen u1, v1 und u2 haben infolge der Lagerungen die vorgeschriebenen Verschiebungen null. Um dies im Gleichungssystem zu berücksichtigen, werden die ersten drei Zeilen von K und F und die ersten drei Spalten von K gleich null gesetzt. Abschließend erhalten die ersten drei Diagonalelemente von K den Wert eins. Es ist auch zulässig, die Werte der Diagonalen unverändert zu belassen. Mit dieser Vorgehensweise beschreiben die ersten drei Zeilen des Gleichungssystems die Randbedingungen u1 = v1 = u2 = 0. Abb. 3.5 Lagerkräfte der Beispielgeometrie aus Abb. 3.4

Fy1

Fx1 K1

K3

E3

F3 = |Fy3| E2

E1 y

K2

Fx2

x

90



3  Spannungsberechnung mit der Finite-Element-Methode (FEM)

1  0  0 KRu =  0 0  0

0 1 0 0 0 0

0 0 0 0   u1   0      0 0 0 0   v1   0  1 0 0 0   u2   0     =   = FR 0 608 −144 −108   v2   0  0 −144 567 1444   u3   0      0 −108 144 108   v3   −100 

Auf die mögliche aber aufwendigere Anwendung der Schur-Zerlegung wird verzichtet. Das lineare Gleichungssystem kann mit dem LDLT-Verfahren, welches auf dem Gaußschen Dreiecksverfahren aufbaut, gelöst werden. Dabei wird die Matrix KR mit der Dimension n in eine Dreiecksmatrix L, deren Diagonale die Werte eins besitzt, und in eine Diagonalmatrix D zerlegt. Ln1  0   D11 0 1  1     K R = LDL =        L  0 0  D 1 1 nn    n1   T



Die Dreiecksmatrix L kann Einträge ungleich null besitzen, die an der entsprechenden Position der ursprünglichen Matrix KR gleich null sind. Dieses Auffüllen wird als fill-in bezeichnet. Die Anzahl der Einträge ungleich null in der Dreiecksmatrix ist häufig ein Vielfaches größer als in der Matrix KR. Anschließend wird mit dem sogenannten Vorwärtseinsetzen, einer Multiplikation mit der inversen Diagonalmatrix und dem Rückwärtseinsetzen der Lösungsvektor u bestimmt.    T = = K R u LDL u Lz = FR    = z DLT= u Dy   LT u = y



Die Zerlegung erfolgt gemäß dem folgenden Algorithmus: f ur i = 1,.., n f ur j = 1,.., i − 1 Lij =

j −1  1   K R ,ij − ∑ Lil Dll L jl  D jj  l =1 

j −1



Dii = K R ,ii − ∑ L2il Dll l =1



Anschließend wird mit dem Vorwärtseinsetzen der Hilfsvektor z bestimmt.

3.1 FEM für ebene Fachwerke

91

 i = 1,.., n fur i −1

zi = FR ,i − ∑ Lil zl



l =1



Die Multiplikation mit der inversen Diagonalmatrix ergibt den zweiten Hilfsvektor y.  i = 1,.., n fur yi =

zi Dii

Abschließend wird der gesuchte Lösungsvektor u mit dem Rückwärtseinsetzen berechnet.  i = n,..,1 fur ui = yi −



n

∑Lu

li l

l = i +1



Bei der gegebenen Beispielgeometrie resultieren zwei 6-dimensionale Zerlegungsma­ trizen L und D. 1  0 0 L = 0 0  0

0 1 0 0 0 0

0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 1 0 0 −0.2368 1 0 −0.1776 0.2222

0  0 0  0 0  1 

1  0 0 D= 0 0  0

0 1 0 0 0 0

0 0 0 0   0 0 0 0  1 0 0 0   0 608.0 0 0  0 0 532.9 0   0 0 0 62.5 

Entsprechend erhält man durch das Vorwärtseinsetzen und der Multiplikation mit der inversen Diagonalmatrix die beiden Hilfsvektoren z und y. Das Rückwärtseinsetzen ergibt den gesuchten Verschiebungsvektor u.



 0     0    0  z =   0   0     −100 

 0     0    0  y=   0   0     −1.6 

 0     0    0  u =   −0.2   0.35     −1.6 

In Abb. 3.6 ist die verformte Beispielgeometrie dargestellt.

92

3  Spannungsberechnung mit der Finite-Element-Methode (FEM) u3 = 0.35

K1

|Fy3| = |-100|

y E2

E3

x

|v2| = |-0.2|

|v3| = |-1.6|

K3 K2

E1

Abb. 3.6  Verformte Beispielgeometrie aus Abb. 3.4

Da beim 6-dimensionalen Gleichungssystem die ersten drei Gleichungen lediglich u1 = v1 = u2 = 0 ergeben und unabhängig von den Gleichungen 4 bis 6 sind, kann das Gleichungssystem zur Bestimmung des Verschiebungsvektors auf ein 3-dimensionales reduziert werden, sodass nur noch die aus der Schur-Zerlegung resultierenden Matrizen K11 und F1 berücksichtigt werden müssen.



 608 −144 −108   v2   0         K11u =  −144 567 144   u3  =  0  = F1  −108 144 108   v   −100    3   

 v2   −0.2       u3  =  0.35   v   −1.6    3 

Aus den Knotenverschiebungen u kann der Vektor F mit den Lagerkräften bestimmt werden.



0 0 0 −375 0   0   −133. 3   375      500 0 −500 0 0   0   100   0  0 192 144 −192 −144   0   133. 3    0 F = Ku =   =  −500 144 608 −144 −108   −0.2   0   0  −375 0 −192 −1444 567 144   0.35   0       0 −144 −108 144 108   −1.6   −100   0

Die einzelnen Lagerkräfte sind in Abb. 3.7 aufgeführt. Für die drei Elemente ergeben sich die Stabkräfte F1 = −166.67 N, F2 = 100 N und F3 = 133.3 N.

3.1 FEM für ebene Fachwerke

93

Fy1 = 100 |Fx1| = |-133.3|

E3 K3

K1

|Fy3| = |-100|

y E2 E1

x

Fx2 = 133.3

K2

Abb. 3.7  Lagerkräfte der Beispielgeometrie aus Abb. 3.4

 0    . . 0 8 0 6 0 0    −0.22  EA  3000 ⋅ 10 F1 = = −166. 6 ( −1 1) C1u1 = ( −1 1)   0 0.8 0.6   0.35  L 100  0    −1.6 



 0     0 1 0 0   −0.2  EA  3000 ⋅ 10 F2 = = 100 ( −1 1) C2u2 = ( −1 1)   0.6 ⋅ 100 0.6 L 0 0 0 1 0     0   0     1 0 0 0  0  EA  3000 ⋅ 10 = 133. 3 F3 = ( −1 1) C1u1 = ( −1 1)   0.8 ⋅ 100 0.8L  0 0 1 0  0.35     −1.6 



Da die Querschnittsfläche Ai = 10 mm2 beträgt, sind die Spannungen ein Zehntel der Stabkräfte.

σ1 =

F1 = −16. 6 A1

σ2 =

F2 = 10 A2

σ3 =

F3 = 13. 3 A3

Fasst man die drei Stabspannungen zu einem Vektor σ zusammen, kann dieser aus dem Verschiebungsvektor bestimmt werden, indem der Verschiebungsvektor mit der eingeführten Matrix B multipliziert wird.



 0    0  0 −24 −18 24 18    σ1   0       0  σ = σ 2  =  0 50 0 −50 0 0   = Bu − 0 . 2   σ   −37.5 0 0 0 37.5 0    3  0.35     −1.6 

94

3  Spannungsberechnung mit der Finite-Element-Methode (FEM)

Bei der zuvor vorgestellten Standardversion des LDLT-Verfahrens muss die gesamte Matrix KR, auch die Einträge gleich null, berücksichtigt werden. Bei großen Geometrien mit vielen Knoten ist dadurch der Speicherbedarf und der Rechenaufwand sehr groß und häufig nicht zu bewältigen. Möchte man nur die Einträge ungleich null berücksichtigen, ist die Modifikation von Davis [DAV] geeignet. Bei ihr kann vorab bestimmt werden, an welchen Positionen ein fill-in auftritt. Dadurch kann vor der Zerlegung die Dimension der notwendigen Zahlenfelder definiert werden. Bei der Anwendung geht man davon aus, dass die Matrix mit der Dimension n in einem Zahlenfeld KR gespeichert ist. Ebenso sind die beiden Zusatzfelder gzK und gfK bekannt. Der Kraftvektor FR kann in seiner ursprünglichen Form verwendet werden. In einem ersten Schritt wird die Größe der notwendigen Felder bestimmt. Dann wird die eigentliche Zerlegung durchgeführt. Abschließend erfolgen das Vorwärtseinsetzen, die Multiplikation mit der inversen Diagonalmatrix und das Rückwärtseinsetzen. Für die Bestimmung der Feldgrößen werden drei weitere Felder pr, fl und gzL mit der Dimension n bzw. n + 1 benötigt. Bei der Zerlegung wird die Dreiecksmatrix L nicht wie die Ausgangsmatrix KR zeilenweise, sondern spaltenweise gespeichert. In pri wird der Index des ersten Eintrags ungleich null außerhalb der Diagonalen der i. Spalte vermerkt. Während der Berechnung steht in fli der Index des aktuell letzten Eintrags ungleich null in der i. Spalte. f ur i = 1,.., n pri = gzLi = 0 fli = i f ur j = gzK i ,.., gzK i +1 − 1 l = gf K j  wahrend fll ≠ i wenn prl = 0 dann prl = i gzLl = gzLl + 1 fll = i l = prl j =1  i = 1,.., n fur l = gzLi + 1 gzLi = j j = j +l

gzLn +1 = j



Nach der Bestimmung der Feldgröße ist der Eintrag gzLn+1 um eins größer als die Anzahl der Einträge ungleich null im zu bestimmenden Wertefeld der Dreiecksmatrix L. Dieses hat somit die Dimension gzLn+1−1. gzLi (i ≤ n) definiert den Eintrag der Matrix L, mit dem ihre i. Spalte beginnt. Parallel zu gfK wird auch das Zeigerfeld gfL benötigt. Es hat die gleiche Dimension wie L. Für die Diagonalmatrix wird ein Feld D mit der Dimension n eingeführt.

3.1 FEM für ebene Fachwerke

95

Bei der Berechnung der Zahlenwerte von L und D wird wie bei der Bestimmung der Feldgrößen pr und fl benötigt. Zusätzlich werden die gleichgroßen Felder pa und az eingeführt. Bei der Zerlegung innerhalb einer Zeile werden in pa die Indizes der Einträge ungleich null in dieser Zeile gespeichert. Im n-dimensionalen Feld Z werden die entsprechenden Zahlenwerte dieser Einträge gesichert. In azi steht während der Zerlegung die Anzahl der bereits bestimmten Einträge der i. Spalte. f ur i = 1,.., n azi = m = 0 fli = i f ur j = gzK i ,.., gzK i +1 − 1 l = gfK j Zl = K R, j ahrend fll ≠ i w m = m +1 pam = l fll = i l = prl m = m +1 pam = i age von pa werden der Gr oße nach aufsteigend sortiert die Eintr Di = Z i f ur j = 1,.., m − 1 l = pa j c = Z l / Dl Z l = 0.0 f ur k = gzLl + 1,.., gzLl + azl Z gfLk = Z gfLk − cLk Dl Di = Di − c 2 Dl azl = azl + 1 gfLgzLl + azl = i LgzLl + azl = c Z i = 0.0 gfLgzLi = i

LgzLi = 1.0 Im letzten Schritt wird der Verschiebungsvektor u berechnet.



96

3  Spannungsberechnung mit der Finite-Element-Methode (FEM)

f ur i = 1,.., n ui = FR ,i f ur j = gzLi + 1,.., gzLi +1 − 1 ugfL j = ugfL j − L j ui ur i = 1,.., n f ui =

ui Di

f ur i = n,..,1 f ur j = gzLi + 1,.., gzLi +1 − 1

ui = ui − L j ugfL j



Bei der Beispielgeometrie muss das Feld KR berücksichtigt werden. Um die Struktur des Feldes nicht zu verändern, werden die Einträge gleich null, die sich durch das Berücksichtigen der Randbedingungen ergeben, nicht eliminiert. gzK und gfK bleiben unverändert.



K R = (1 1 1 0 0 608 0 0 −144 567 0 −108 144 108 ) gzK = (1 2 3 4 7 11 15 ) gfK = (1 2 3 2 3 4 1 3 4 5 3 4 5 6 )

Nach der Ermittlung der Dimension ist das Feld gzL bekannt. Da der siebte Eintrag von gzL dem siebten von gzK entspricht, resultiert bei diesem Beispiel kein fill-in.

gzL = (1 3 5 9 12 14 15 ) Die Zerlegung ergibt die Dreiecksmatrix L und die Diagonalmatrix D.



L = (1 0 1 0 1 0 0 0 1 −0.2368 −0.1776 1 0.2222 1) D = (1 1 1 608.0 532.9 62.5 )

Es ist zu beachten, dass die Dreiecksmatrix L spaltenweise gespeichert wird. Das dazugehörende Feld gfL gibt an, in welcher Zeile die jeweiligen Einträge stehen.

gfL = (1 5 2 4 3 4 5 6 4 5 6 5 6 6 )

Der abschließend berechnete Verschiebungsvektor u ist unverändert zum Standard LDLT-Verfahren. Indem nur die Matrixeinträge ungleich null berücksichtigt werden, kann der Speicherbedarf und die Anzahl der Rechenoperationen reduziert werden. Obwohl bei der Beispielgeometrie kein fill-in auftritt, ist es im Allgemeinen sehr einflussreich. Es ist im Wesentlichen von der Knotennummerierung abhängig. Daher ist eine Nummerierung zu wählen,

3.1 FEM für ebene Fachwerke

97

die eine Dreiecksmatrix L ergibt, die möglichst wenige Einträge ungleich null besitzt. Dies kann durch zwei verschiedene Nummerierungen bei der Geometrie aus Abb. 3.8 verdeutlicht werden. Das Bauteil besteht aus vier identischen Elementen mit der Länge L = 1 mm und der Zugsteifigkeit EA = 1 N. Wählt man die Knotennummerierung 1, werden die vier Elemente durch die Knoten E1: K2K4, E2: K4K3, E3: K3K1 und E4: K1K5 definiert. Ermittelt man die Gesamtsteifigkeitsmatrix und lässt alle senkrechten Freiheitsgrade unberücksichtigt, da ihre Verschiebungen infolge der Lager konstant gleich null sind, resultiert die Matrix KR1. Die mit * gekennzeichneten Einträge resultieren aus der Berücksichtigung des waagerechten Lagers am Anfangsknoten K2.

K R1

2 0  ∗ 0 1 =  −1 0  ∗ 0 0  −1 0 

−1 0 −1   0 0∗ 0  2 −1 0   −1 2 0  0 0 1 

 1   0 L1 =  −1 / 2   0  −1 / 2 

0 0 0 1 0 0 0 1 0 0 −2 / 3 1 0 −1 / 3 −1 / 4

0  0 0  0 1 

Bei der Ausgangsmatrix sind die Einträge KR1,53 und KR1,54 gleich null. In der Dreiecksmatrix L1 sind die entsprechenden Einträge L1,53 = −1/3 und L1,54 = −1/4 ungleich null. Dies bedeutet, bei dieser Knotennummerierung entsteht ein fill-in von 2. Wählt man die Knotennummerierung 2 mit E1: K1K2, E2: K2K5, E3: K5K4 und E4: K4K3, resultieren die Matrizen KR2 und L2. Bei der Dreiecksmatrix L2 tritt kein fill-in auf.

K R2

 1∗  ∗ 0 = 0  0 0 

0∗ 0 0 0   2 0 0 −1  0 1 −1 0   0 −1 2 −1  −1 0 −1 2 

0 0 0 1  1 0 0 0 L2 =  0 0 1 0  0 −1 1 0  0 −1 / 2 0 −1 

0  0 0  0 1 

Um das fill-in zu reduzieren, kann, wie in der Geometrie aus Abb. 3.9 dargestellt, das Bauteil zuerst in zwei Teile (rot umrandet) zerlegt werden. Die Knoten der ersten Hälfte

y

L=1

L=1

L=1

E1

E2

E3

x Knotennummerierung 1: Knotennummerierung 2:

L=1 E4

F=1

EA = 1 K2 K1

K4 K2

K3 K5

K1 K4

K5 K3

Abb. 3.8  Geometrie zur Verdeutlichung des Einflusses der Knotennummerierung auf das fill-in

98

3  Spannungsberechnung mit der Finite-Element-Methode (FEM) K2

K1

K6

K4

K14

K8

K12

K5

K3

K13

K7

K11

K10

K9

Abb. 3.9  Fachwerk mit geeigneter Knotennummerierung zur Reduzierung des fill-in K1

K3

K5

K7

K9

K1

K11 K13 K2

K3

K4

K5

K6

K7

Matrixeinträge ungleich null in der Steifigkeitsmatrix

K8

K9

K10

K11

K12

K13 K2

K4

K6

K8

Zusätzliche Matrixeinträge ungleich null nach der Dreieckszerlegung

K14 K10 K12 K14

Abb. 3.10  Matrixgraph vor und nach der Dreieckszerlegung der Geometrie aus Abb. 3.9

erhalten die kleinen Knotennummern. Die zweite Hälfte wird fortlaufend nummeriert. Die Knoten auf der Trennlinie der beiden Hälften (rot gestrichelt umrandet) werden mit den größten Knotennummern versehen. Diese Vorgehensweise wird sukzessiv auf die jeweiligen beiden Hälften übertragen. Werden wie in Abb. 3.10 auf und unterhalb der Matrixdiagonalen die Positionen mit den Einträgen ungleich null markiert, sieht man, dass eine Blockstruktur entsteht. Dabei steht ein Teilquadrat für alle Werte der Freiheitsgrade eines Knotens. Nicht nur das fill-in wird reduziert, durch die Blockstruktur kann die Matrixzerlegung, das Vorwärts- und Rückwärtseinsetzen auf Teilaufgaben aufgeteilt werden. Werden die Berechnungen mit dem Computer durchgeführt, kann dadurch dessen Rechenstruktur verbessert ausgenutzt werden, wodurch sich die Rechenzeit verkürzt. Für diese sukzessive Zerlegung und Neunummerierung der Knoten kann die leistungsstarke Bibliothek METIS [MET] verwendet werden.

3.1.1.1  A  lternative Herleitung der Steifigkeitsmatrix und des Kraftvektors Die in Abschn. 3.1.1 angewandte Methode zur Herleitung der Steifigkeitsmatrix und des Kraftvektors entspricht der Methode des Minimums der potenziellen Energie eines Systems. Dazu wird die potenzielle Energie π für das Gesamtbauteil bestimmt.

3.1 FEM für ebene Fachwerke

π=

99

2m 1 1    σε dV − ∑ ui Fi = u T Ku − u T F ∫ 2V 2 i =1

Dabei beschreibt m die Anzahl der Knoten. Bei einem ebenen Fachwerk hat jeder Knoten zwei Freiheitsgrade. Für den gesuchten Verschiebungsvektor u wird das Potenzial minimal. Dazu muss das Potenzial nach u abgeleitet werden und die Ableitung gleich null gesetzt werden. ∂π ∂  1 T  T       =   u Ku − u F  = Ku − F = 0 ∂u ∂u  2 



Alternativ kann die virtuelle Arbeit δW ausgewertet werden. Es wird vorausgesetzt, dass diese gleich null ist. n     0 = δ W = ∫ (δε ) σ dV − δ u T F = ∑ ∫ (δε i ) σ i dV − δ u T F i =1 Vi

V





Die virtuelle Arbeit ist abhängig von den virtuellen Dehnungen δε und den virtuellen Verschiebungen δu. Die virtuellen Dehnungen sind wiederum von den virtuellen Verschiebungen abhängig.

δε i =

du∗ d d ∗ ∗ δ ui∗ = δ i = δ uAi N A + uBi N B = δ u∗Ai dr dr dr

(

) (

 dN / dr  δ uBi∗ )  A   dN B / dr 

Die virtuellen Verschiebungen im lokalen Koordinatensystem ersetzt man durch den virtuellen Gesamtverschiebungsvektor.  dN / dr   δε i = δ u T TiT CiT  A   dN B / dr 



Nach dem Einsetzen der virtuellen Dehnung δεi in die Gleichung für δW resultiert die Gesamtsteifigkeitsmatrix K.



n    n        0 = δ W = ∑ ∫ δε iσ i dV − δ u T F = δ u T ∑ TiT CiT K i∗Ci Ti u − δ u T F = δ u T Ku − δ u T F i =1 Vi

i =1



Die virtuellen Verschiebungen sind zwar „klein“, aber ungleich null. Daher muss Ku = F gelten. Während die Auswertung der potenziellen Energie kleine Verformungen im Gültigkeitsbereich des Hookeschen Gesetzes voraussetzt, muss diese Einschränkung bei der Anwendung der virtuellen Arbeit nicht berücksichtigt werden. Eine weitere Möglichkeit stellt die Methode von Galerkin oder allgemeiner die Methode der gewichteten Residuen dar [SCH].

100

3  Spannungsberechnung mit der Finite-Element-Methode (FEM)

3.1.2 D  ynamisches Fachwerk mit linear-elastischem Materialverhalten Bei der dynamischen Untersuchung muss zusätzlich die kinetische Energie WK berücksichtigt werden. Die Gesamtenergie WK setzt sich aus den Teilenergien WKi aller n Elemente zusammen. n

WK = ∑ WKi



i =1



Im Gegensatz zur inneren Energie, bei der nur die Verformung in Stabrichtung zu beachten ist, muss bei der kinetischen Energie sowohl die Geschwindigkeit in Stabrichtung als auch die Geschwindigkeit quer zum Stab berücksichtigt werden. Neben der Geschwindigkeit beeinflussen die Dichte ρi, die als konstant vorausgesetzt wird, und das Stabvolumen Vi = AiLi die kinetische Energie. Zusammen stellen sie die Elementmasse dar, die mit dem Quadrat der Geschwindigkeit multipliziert werden muss.



WKi = ∫ dWK = Vi

1 ρi ui∗2 + vi∗2 dV 2 V∫i

(

)

Analog zu den Verschiebungen bei der statischen Betrachtung werden die Geschwindigkeiten mit Hilfe der Geschwindigkeiten am Anfangsknoten KAi und am Endknoten KBi beschrieben (Abb. 3.11).   r  r  ∗ ui∗ ( r ) = u ∗Ai  1 −  + u ∗Ai   = u ∗Ai N A + u Bi NB  Li   Li 

 r  ∗  r  ∗ ∗ vi∗ ( r ) = v∗Ai  1 −  + vBi   = v Ai N A + vBi N B  Li   Li 

Abb. 3.11 Geschwindigkeiten an Anfangs- und Endknoten eines Elements

vBi*

vBi uBi* KBi

y*

va *

r

vAi

y

uAi* KAi

uAi

x

uBi

3.1 FEM für ebene Fachwerke

101

Die beiden Ansatzfunktionen für die Geschwindigkeiten werden in die Bestimmungsgleichung für die kinetische Energie eingesetzt. Da der Querschnitt des Elementes als konstant angenommen wird, kann dV = Aidr gesetzt werden.

(



  r  ∗  r ∗ ∫L   u Ai  1 − Li  + uBi  Li i 

ρA 1 ρi ui∗2 + vi∗2 dV = i i ∫ 2 Vi 2

)

2

  ∗  r  ∗  r   +  v Ai  1 −  + vBi   Li     Li 

   

2

  dr  

Die Knotengeschwindigkeiten können zu zwei Vektoren zusammengefasst werden, die vor bzw. hinter das Integral gestellt werden.

WKi =

1 ρi Ai u ∗Ai 2

(

1 + ρi Ai v∗Ai 2

(

=

1 ρi Ai Li 2 6

∗ u Bi

∗ vBi

 ∗  u Ai 

(

)

)

2    r  r  r  1 −  1 −   L L   i  i   Li  ∫L  2   r  r  r  i 1 −       Li    Li   Li 

2    r  r  r  1 −  1 −     Li   Li   Li ∫L  2   r  r  r  i − 1         Li    Li   Li 

1   u ∗Ai  ∗ 2 ∗ u Bi    ∗  + v Ai  1 2   u Bi 

)

(

  ∗    u Ai   dr  ∗    u Bi   

  ∗    v Ai   dr  ∗    vBi   

1   v ∗Ai   ∗ 2 vBi   ∗   1 2   vBi  

)

Die im Elementkoordinatensystem definierten Geschwindigkeiten können mit den Matrizen der Richtungskosinus Ci und Ci* auf globale Geschwindigkeiten umgerechnet werden.

 u   cxi  =  u   0

cyi

 v∗Ai   −cyi  ∗ =  vBi   0

cxi

∗ Ai ∗ Bi



0

0

 u Ai     0 0   v Ai     = Ci u i cxi cyi  u Bi    vBi   u Ai     0 0   v Ai  ∗    = Ci u i −cyi cxi  u Bi    vBi 

Berücksichtigt man cxi2 + cyi2 = 1, kann die kinetische Energie WKi in Abhängigkeit vom globalen Elementgeschwindigkeitsvektor dargestellt werden.

102

3  Spannungsberechnung mit der Finite-Element-Methode (FEM)

1 ρi Ai Li   T T WKi =  u i Ci 2 6 

 2 1    T ∗T   Ci u i + u i Ci 1 2 =



 2 1  ∗   1  T ρi Ai Li   Ci u i  = u i 6 1 2  2

1 T  u i Mi u i 2

2  0 1  0

0 2 0 1

1 0 2 0

0  1  u i 0  2

Die Matrix Mi wird als konsistente Elementmassenmatrix bezeichnet.



2  ρ AL 0 Mi = i i i  6 1  0

0 2 0 1

1 0 2 0

0  1 0  2

Aus ihr kann die lumped Elementmassenmatrix Mi gebildet werden, indem alle Nebendiagonaleinträge „in die Diagonale“ verschoben werden. Physikalisch bedeutet dies, dass die Stabmasse auf den Anfangsknoten KAi und den Endknoten KBi konzentriert wird. Mi =



ρi Ai Li I 2

Führt man zusätzlich einen Gesamtgeschwindigkeitsvektor ein, der alle Knotengeschwindigkeiten beinhaltet, kann die kinetische Energie WK des Gesamtbauteils in Abhängigkeit von der Gesamtmassenmatrix M und dem Gesamtgeschwindigkeitsvektor angegeben werden. Dazu werden analog zur Gesamtsteifigkeitsmatrix aus den Elementmassenmatrizen Mi die Gesamtmassenmatrix gebildet. n



WK = ∑ WKi = i =1

1 n T  1 T  ∑ u i Mi u i = 2 u Mu 2 i =1

Für die drei Elemente der Beispielgeometrie aus Abb. 3.1 bzw. 3.4 erhält man analog zur Bestimmung der Steifigkeitsmatrizen mit ρiAiL = ρAL = 60 t die folgenden Elementmassenmatrizen. • Element E1 (Anfangsknoten K2, Endknoten K3, L1 = L):



2  ρ AL  0 M1 = 6 1  0

0 2 0 1

1 0 2 0

0   20 0 10 0     1   0 20 0 10  = 0   10 0 20 0     2   0 10 0 20 

3.1 FEM für ebene Fachwerke

103

• Element E2 (Anfangsknoten K2, Endknoten K1, L2 = 0.6L):



2  ρ A0.6 L  0 M2 = 1 6  0

0 2 0 1

1 0 2 0

0   12 0 6 0     1   0 12 0 6  = 0   6 0 12 0     2   0 6 0 12 

• Element E3 (Anfangsknoten K1, Endknoten K3, L3 = 0.8L):



2  ρ A0.8 L  0 M3 = 1 6  0

0 2 0 1

1 0 2 0

0   16 0 8 0     1   0 16 0 8  = 0   8 0 16 0     2   0 8 0 16 

Der Gesamtgeschwindigkeitsvektor beinhaltet von allen drei Knoten die Geschwindigkeiten in x- und y-Richtung.  u = ( u1



v1

u2

v2

u3

v3 ) T

Um die kinetische Energie des Gesamtbauteils in Abhängigkeit vom Geschwindigkeitsvektor darzustellen, muss die Gesamtmassenmatrix M gebildet werden.  M 2,33 + M3,11  0   M 2,13 M = 0   M3,31   0 



0 M 2, 44 + M3,22 0 M 2,24 0 M3, 42

M 2,31 0 M1,11 + M 2,11 0 M1,31 0

0 M 2, 42 0 M1,22 + M 2,22 0 M1, 42

M3,13 0 M1,13 0 M1,33 + M3,33 0

0   M3,24   0  M1,24   0  M1, 44 + M3, 44 

Setzt man die Zahlenwerte der drei Elementmassenmatrizen ein, erhält man die folgenden konsistenten oder lumped Gesamtmassenmatrizen.



 28 0 6 0 8 0     0 28 0 6 0 8   6 0 32 0 10 0  M =   0 6 0 32 0 10   8 0 10 0 36 0     0 8 0 10 0 36 

 42 0 0 0 0 0     0 42 0 0 0 0   0 0 48 0 0 0  M =   0 0 0 48 0 0   0 0 0 0 54 0     0 0 0 0 0 54 

Da infolge der Lager für die Verschiebungen u1 = v1 = u2 = 0 resultiert, gilt dies auch für die entsprechenden Geschwindigkeiten und Beschleunigungen. Um die Verschiebungen

104

3  Spannungsberechnung mit der Finite-Element-Methode (FEM)

ungleich null zu bestimmen, ist es daher ausreichend, eine auf drei Dimensionen reduzierte Massenmatrix M11 zu berücksichtigen. Für die lumped Massenmatrix folgt:



 48 0 0    M11 =  0 54 0   0 0 54   

Vernachlässigt man anfänglich die zusätzlich vorhandene Dämpfung, kann die Lagrange-Funktion L, die die kinetische WK, die innere WI und die äußere Energie WA beinhaltet, gebildet werden [SCH].

L = WK − WI + WA

Die innere und die äußere Energie werden analog zur statischen Berechnung betrachtet. Lediglich der Vorfaktor 1/2 bei der äußeren Energie bleibt unberücksichtigt, da im dynamischen Zustand der aktuelle Wert betrachtet wird und nicht wie beim statischen der Vorgang aus der Ruhelage zum verformten Zustand. Die Lagrange-Funktion muss die Lagrange-Bedingung erfüllen.



  d  dL  dL d      0 =   −  = Mu + Ku − F = Mu + Ku − F dt  du  du dt

( )

Ohne Dämpfung ist die folgende Bewegungsgleichung zu lösen:

   Mu + Ku = F

Darin ist der Beschleunigungsvektor ü beinhaltet. Die Dämpfung kann nachträglich durch das Produkt einer Dämpfungsmatrix D mit dem Geschwindigkeitsvektor berücksichtigt werden.     Mu + Du + Ku = F Im Unterschied zur Massenmatrix M und Steifigkeitsmatrix K kann die Dämpfungsmatrix D nicht direkt abgeleitet werden. Bei der Rayleigh-Dämpfung wird D anteilig aus M und K aufgebaut.

D = α1 M + α 2 K

Die beiden Konstanten α1 und α2 sind geeignet zu wählen. Eine weitere Möglichkeit ist die modale Dämpfung. Auf beide Dämpfungsarten wird in den folgenden Abschnitten eingegangen. Bei der Beispielgeometrie aus Abb. 3.1 muss im Folgenden die belastende Kraft F nicht konstant, sondern kann eine Funktion der Zeit sein. Berücksichtigt man nur die nicht vorgeschriebenen Freiheitsgrade v2, u3 und v3, ergibt sich die zu lösende Bewegungsgleichung:

3.1 FEM für ebene Fachwerke



105

v2   48 0 0     v2   608 −144 −108   v2   0             0 54 0   u3  + D  u3  +  −144 567 144   u3  =  0   0 0 54      v   −108 144 108   v   − F ( t )     v3   3   3   3 

Da die Steifigkeitsmatrix K keine Diagonalmatrix ist, folgen drei gekoppelte Differenzialgleichungen. Berücksichtigt man zusätzlich nicht die lumped, sondern die konsistente Massenmatrix, sind die Gleichungen auch über die Massenmatrix gekoppelt. Im Allgemeinen ist ein gekoppeltes Differenzialgleichungssystem zu lösen. Dies kann zum Beispiel durch eine numerische Integration oder analytisch durch eine Modaltransformation erfolgen.

3.1.2.1  Numerische Integration der Bewegungsgleichung Bei der numerischen Integration sucht man die Lösung der Bewegungsgleichung an diskreten Zeitpunkten. Für die Bestimmung des Verschiebungs-, des Geschwindigkeits- und des Beschleunigungsvektors zum Zeitpunkt ti wird vorausgesetzt, dass diese an den vorausgegangenen Zeitpunkten ti−1, ti−2, … bekannt sind. Die Zeitdifferenz Δt  =  ti−ti−1 sei konstant. In diesem Abschnitt werden eine konstante Steifigkeitsmatrix K und eine kon­ stante Massenmatrix M berücksichtigt. Dies ist im Allgemeinen nicht notwendig, wobei die Massenmatrix meist unveränderlich ist. Allgemein werden bei der numerischen Integration die Beschleunigungen und Geschwindigkeiten durch die Verschiebungen diskretisiert. Vernachlässigt man zuerst die Dämpfung, kann die verbleibende Beschleunigung zum Beispiel durch das Verfahren der zentralen Differenzen beschrieben werden.    ui − ui −1  u i −1/ 2 =  ∆t     u −u u i − 3 / 2 = i −1 i − 2   ∆t

 ui −1

    ui − ui −1 ui −1 − ui − 2      − u − 2ui −1 + ui − 2 u i −1/ 2 − u i −3 / 2 ∆t = ∆t = i = ∆t ∆t ∆t 2

Verwendet man im Steifigkeitsanteil Ku den Verschiebungsvektor zum Zeitpunkt ti−1, wodurch dieser als bekannt vorausgesetzt wird, resultiert ein explizites Integrationsverfahren. Ist die Massenmatrix M eine Diagonalmatrix und somit einfach zu invertieren, ist bei dieser Vorgehensweise kein Gleichungssystem zu lösen. Berücksichtigt man in Ku die Verschiebungen zum Zeitpunkt ti ergibt sich ein implizites Integrationsverfahren. Bei diesem muss ein Gleichungssystem gelöst werden. Dies bedeutet, dass der Rechenaufwand innerhalb eines Zeitschrittes beim impliziten Verfahren größer als beim expliziten mit diagonaler Massenmatrix ist. Mit     i −1 u = u − ∆ tu i − 2 i − 1

106

3  Spannungsberechnung mit der Finite-Element-Methode (FEM)

gelten für beide Verfahren die folgenden Vorgehensweisen: • Explizites zentrales Differenzen-Verfahren:



 ui = ∆t 2 M −1

(

     u − 2ui −1 + ui − 2   Mui −1 + Kui −1 = M i + Kui −1 = F 2 ∆t         F − Kui −1 + 2ui −1 − ui − 2 = ∆t 2 M −1 F − Kui −1 + ui −1 + ∆tu i −1

)

(

)

• Implizites zentrales Differenzen-Verfahren:      u − 2ui −1 + ui − 2   Mui −1 + Kui = M i + Kui = F 2 ∆t   M  M M    M   2 + K  ui = F + 2 ( 2ui −1 − ui − 2 ) = F + 2 ui −1 + ∆t u i −1 ∆t ∆t  ∆t 



Um die Vor- und Nachteile beider Verfahren vorzustellen, wird eine eindimensionale Bewegungsgleichung mit M = m = 1 t, K = k = 0.25 N/mm und F = 0 betrachtet. Die Anfangsverschiebung null und Anfangsgeschwindigkeit eins sind ebenso gegeben. u + 0.25u = 0



u ( t = 0 ) = u0 = 0

u ( t = 0 ) = u0 = 1

Für die Differenzialgleichung kann die exakte Lösung u(t) = 2sin(0.5t) mm angegeben werden. Dieser Funktionsverlauf soll mit den Verläufen der beiden Differenzen-­Verfahren für verschiedene Schrittweiten Δt verglichen werden. • Explizit:

(

)

(

)

ui = 1 − 0.25∆t 2 ui −1 + ∆tui −1 = 2 − 0.25∆t 2 ui −1 − ui − 2

• Implizit:

−1



1  1   1  ui =  2 + 0.25   2 ui −1 + ui −1  = 1 + 0.25∆t 2 ∆t  ∆t   ∆t 

(

) ( 2u −1

i −1

− ui − 2 )



Bei beiden Vorgehensweisen wird die Geschwindigkeit identisch bestimmt.



ui =

ui − ui −1 ∆t

3.1 FEM für ebene Fachwerke

107

analytisch, explizit (∆t = 0.2)

u [mm] 2

implizit (∆t = 0.1) implizit (∆t = 0.2)

1

explizit (∆t ≈ 2) 2π





t [s]

-1 -2

Abb. 3.12 Analytisch, explizit und implizit bestimmte Lösungsverläufe bei verschiedenen Schrittweiten

Bei großem Zeitschritt Δt besitzt der explizit bestimmte Funktionsverlauf in Abb. 3.12 wachsende Amplituden, die schnell gegen unendlich divergieren. Ebenso ist zu erkennen, dass beim impliziten Verfahren mit zunehmendem Zeitschritt Δt eine wachsende Dämpfung der Schwingung auftritt. Da in der Bewegungsgleichung keine Dämpfung definiert ist, handelt es sich um eine künstliche oder numerische Dämpfung, die aus der Diskretisierung folgt. Um diese Phänomene zu begründen, werden die Bestimmungsgleichungen in Matrixgleichungen umgewandelt. • Explizit:



1  ui −1   0   ui − 2   =  2  u − − t 1 2 0 . 25 ∆   ui −1   i  

  ui = Aui −1



Dies bedeutet, dass der Vektor ui zum Zeitpunkt i, aus dem Vektor ui−1 des davorliegenden Zeitpunkts bestimmt werden kann. Somit kann zu jedem Zeitpunkt der Zustand in Abhängigkeit vom Anfangsvektor u0 angegeben werden.   ui = Ai u0



ui strebt gegen unendlich, wenn Ai gegen unendlich strebt. Setzt man ui = Uyi, wobei U die Matrix der auf den Betrag eins normierten Eigenvektoren von A ist, erkennt man, dass dies eintritt, wenn λji gegen unendlich strebt. λj sind die Eigenwerte von A. λ 0      yi = U T AUyi −1 = Dyi −1 =  1  yi −1  0 λ2   λ1i 0  T  0    y u = Uy = U U u0   0 i i i  λ2i   0 λ2 

    ui = Uyi = AUyi −1 = Aui −1   λ yi = D i y0 =  1 0

i



108

3  Spannungsberechnung mit der Finite-Element-Methode (FEM)

Um Divergenz zu vermeiden, ist ein Zeitschritt Δt zu wählen, der einen Eigenwert kleiner oder gleich eins ergibt.  0 − λj det ( A − λ j I ) = det   −1 

 2 2  = λ j − 2 − 0.25∆t λ j + 1 = 0 2 − 0.25∆t − λ j  1

λ1,2 = 1 − 0.125∆t 2 ±



(

2

(1 − 0.125∆t ) 2

)

2

−1



In Abb. 3.13 sind die Beträge der Eigenwerte λj in Abhängigkeit von Δt dargestellt. Diese haben für Δt ≤ 4 s den Betrag eins. Vergrößert man den Zeitschritt, ist |λ2| größer eins. Somit muss Δt ≤ 4 s gewählt werden, um eine nicht aufschwingende Amplitude zu erhalten. In Abb. 3.12 ist dieses Aufschwingen schon bei einem kleineren Zeitschritt zu erkennen. Dies kann mit Rundungsfehlern begründet werden. Der maximale Zeitschritt kann mit der Eigenfrequenz ω02 = k/m = 0.25 s−2 bzw. ω0 = 0.5 s−1 angegeben werden. ∆t ≤

2 2 = =4 ω0 0.5

Mit dieser Bedingung kann eine allgemeine Obergrenze für den Zeitschritt bei der Untersuchung von Fachwerken angegeben werden. Für die Masse gilt m = ρV = ρAL. Die Steifigkeit k ist proportional zum Quotient (EA)/L. ∆t ≤

m 2 2 = =2 ~ k ω0 k m

L2 L L ρ AL = = = EA E/ρ E / ρ vSchall L

Der Zeitschritt wird durch die Stablänge L und die Schallgeschwindigkeit vSchall beschränkt. Verallgemeinert kann die Courant-Friedrich-Levy Bedingung (CFL-Zahl) formuliert werden. CFL − Zahl = |λ1|, |λ2| [s-2]

∆t ⋅ vSchall ≤1 Lchar

explizit:

|λ1| |λ2|

implizit:

|λ1|, |λ2|

2 1

2

4

6

∆t [s]

Abb. 3.13  Betrag der Eigenwerte der Übertragungsmatrix A beim zentralen Differenzen-Verfahren

3.1 FEM für ebene Fachwerke

109

Darin stellt Lchar eine charakteristische Länge dar. Sie ist meistens die kleinste im Bauteil auftretende Elementkantenlänge, die bei einem Fachwerk der kleinsten Stablänge entspricht. Da für Δt ≤ 4 s die Beträge der Eigenwerte identisch gleich eins sind, und daher λji nicht gegen null strebt, tritt beim expliziten Verfahren für diese Zeitschritte keine numerische Dämpfung auf. • Implizit:



0   ui −1   1  =  ui   −  1 + 0.25∆t 2

1 2 1 + 0.25∆t 2

   ui − 2    ui −1  

  ui = Aui −1

Entsprechend dem expliziten Verfahren werden beim impliziten Verfahren auch die Eigenwerte λj der Übertragungsmatrix A bestimmt.



λ1,2 =

(

)

1 1 ± 0.5∆t −1 1 + 0.25∆t 2

Die Beträge beider Eigenwerte sind identisch. In Abb. 3.13 erkennt man, dass sie für einen wachsenden Zeitschritt gegen null streben. Daher nimmt auch die numerische Dämpfung mit zunehmendem Zeitschritt zu. Das explizite zentrale Differenzen-Verfahren ist durch einen maximalen Zeitschritt, der häufig sehr klein gewählt werden muss, beschränkt. Daher werden explizite Verfahren meistens nur für Berechnungen verwendet, die in kurzen Zeiträumen erfolgen. Möchte man größere Zeitabschnitte untersuchen, sind implizite Verfahren geeigneter. Um die numerische Dämpfung zu vermeiden, wird statt des zentralen Differenzen-Verfahrens häufig das Verfahren nach Newmark verwendet.      ui = ui −1 + ∆tu i −1 + ∆t 2 ( 0.5 − β ) ui −1 + β ui     u i = u i −1 + ∆t (1 − γ ) ui −1 + γ ui    Mui + Kui = F

(



(

)

)

Die beiden Parameter β und γ sind geeignet zu wählen. Um das numerische Dämpfungsverhalten zu untersuchen, wird wieder die eindimensionale Bewegungsgleichung betrachtet. ui = ui −1 + ∆tui −1 + ∆t 2 ( ( 0.5 − β ) ui −1 + β ui ) ui = ui −1 + ∆t ( (1 − γ ) ui −1 + γ ui )



ui + 0.25ui = 0



110

3  Spannungsberechnung mit der Finite-Element-Methode (FEM)

Um eine Übertragungsmatrix A formulieren zu können, werden Verschiebung, Geschwindigkeit und Beschleunigung zum Zeitpunkt i in Abhängigkeit von den Werten zum Zeitpunkt i−1 dargestellt. ui = ui =

 1  γ  −0.25γ C1ui −1 +  C3 − 0.25 C3  β  ui =



1 (C2 ui −1 + C1ui −1 + C4 ui −1 ) C3

C1 =

1 β∆t

   ui −1 + ( ∆t (1 − γ ) C3 − 0.25∆tγ C4 ) ui −1   

1 ( −0.25C2 ui −1 − 0.25C1ui −1 − 0.25C4 ui −1 ) C3 C2 =

1 β∆t 2

C3 = C2 + 0.25

C4 =

0.5 − β β



Die Terme fasst man zu einer Matrixgleichung zusammen.  C2 C1  ui   γ   1   ui  = C  −0.25γ C1 C3 − 0.25 β 3  u    i −0.25C1  −0.25C2

  ui −1    ui −1      ∆t (1 − γ ) C3 − 0.25∆tγ C4   ui −1  = A  ui −1    u    ui −1   i −1  −0.25C4  C4

Der dritte Eigenwert der Matrix A ist konstant null. λ1 und λ2 sind identisch und ungleich null. Wählt man γ = 0.5 und β = γ/2, erkennt man aus Abb. 3.14, dass der Betrag der Eigenwerte λ1 und λ2 für beliebige Zeitschritte eins beträgt. Es tritt keine numerische Dämpfung auf und die Amplituden streben nicht gegen unendlich. Das Newmark-Verfahren entspricht mit diesen Parametern dem Trapezverfahren. 1 ui = ui −1 + ∆t ( ui + ui −1 ) 2



|λ1|, |λ2| [s-2]

γ = 0.5, β = γ/2 γ = 0.25, β = γ/2 γ = 1, β = γ/2

1

2

4

6

∆t [s]

Abb. 3.14  Betrag der Eigenwerte der Übertragungsmatrix A beim Newmark-Verfahren

3.1 FEM für ebene Fachwerke

111

Dies wird sichtbar, wenn die Bestimmungsgleichung für die Geschwindigkeit zum Zeitpunkt i nach der Beschleunigung zum gleichen Zeitpunkt aufgelöst und in die Gleichung für die Verschiebung eingesetzt wird. Für γ  =  0.5 und β  =  γ/2 verschwindet der Beschleunigungsterm.



β  β ui = ui −1 + ∆t  ui +  1 − γ  γ 

   β 2   ui −1  + ∆t  0.5 − β − (1 − γ )  ui −1 γ    

Für ein kleineres γ nehmen die Beträge der Eigenwerte zu. Man erhält eine sich aufschwingende Lösung. Wählt man ein größeres γ als 0.5, tritt eine numerische Dämpfung auf. Somit hat man beim Newmark–Verfahren Möglichkeiten, das Lösungsverhalten zu beeinflussen. Beim Newmark-Verfahren hat die Schrittweite Δt einen Einfluss auf die Qualität der Berechnungsergebnisse. Ui sei der exakte Funktionswert zum Zeitpunkt i. Die Funktion U wird in eine Taylorreihe entwickelt. Mit dieser definiert man die Differenz Γ zwischen dem exakten und dem mit dem Newmark-Verfahren bestimmten Wert. U Γ = Ui − ui = Ui −1 + U i −1 ∆t + i −1 ∆t 2 + O ∆t 3 − ui −1 − ∆tui −1 − ∆t 2 ( ( 0.5 − β ) ui −1 + β ui ) 2

( )

Setzt man voraus, dass das Newmark-Verfahren zum Zeitpunkt i−1 auf fehlerfreie Werte aufbaut, können Verschiebung und Geschwindigkeit aus der Differenz eliminiert werden.

( )

Γ = β∆t 2 ( ui −1 − ui ) + O ∆t 3



Ein zunehmendes Δt vergrößert die Differenz bzw. den Fehler des Newmark-Verfahrens. Für die dämpfungsfreie Bewegungsgleichung aus Abschn. 3.1.2 für das Beispielfachwerk aus Abb.  3.1 wird mit einem linearen Gleichungssystem die Verschiebung ui bestimmt. Dazu werden die Hilfsmatrizen A1, A2 und A3 eingeführt.   −1    ui = ( A1 + K ) F + A1ui −1 + A2 u i −1 + A3ui −1

(



A1 =

1 M β∆t 2

A2 =

1 M β∆tt

A3 =

)

0.5 − β M β

Anschließend können die Beschleunigungen und die Geschwindigkeiten bestimmt werden.  ui =

1   1  0.5 − β  u − ui −1 ) − u i −1 − ui −1 2 ( i β∆t β β∆t     u i = u i −1 + ∆t (1 − γ ) ui −1 + γ ui

(

)

Wählt man β = 0.25 und γ = 0.5 und die Anfangsbedingungen

112

3  Spannungsberechnung mit der Finite-Element-Methode (FEM)

   u ( t = 0 ) = u ( t = 0 ) = 0



erhält man für F = 100 N bzw. Fy3 = −100cos(0.8t) N die in Abb. 3.15 dargestellten senkrechten Verschiebungen v3 des Knotens K3. Die gestrichelte Linie beschreibt die Einhüllende der sich bei der periodischen Anregung einstellenden Schwebung [MAM]. Berücksichtigt man die Rayleigh-Dämpfung D = α1M + α2K, müssen nur die Hilfsmatrizen A1, A2 und A3 erweitert werden. 1 γ A1 = M+ D 2 β∆t β∆t

A2 =

γ  1 M +  − 1 D β∆t β 

A3 =

 0.5γ  0.5 − β M + ∆t  − 1 D β  β 

Mit den identischen Parametern für β, γ und F wie bei der nicht gedämpften Bewegung sowie den Parameter α1 = 0.1645 s−1 und α2 = 0.0403 s folgt der in Abb. 3.16 dargestellte Verlauf von v3. In Abschn. 3.1.2.4 wird aufgezeigt, wie die beiden Parameter α1 und α2 geeignet festgelegt werden.

F = 100

v3 [mm]

F = 100cos(0.8t)

5.0 0.0 10.0

20.0

30.0

40.0

50.0

t [s]

-5.0

Abb. 3.15  Verschiebungen v3 der Geometrie aus Abb. 3.1 bei nicht gedämpfter Bewegung F = 100 F = 100cos(0.8t)

v3 [mm] 5.0 0.0 10.0

20.0

30.0

40.0

-5.0

Abb. 3.16  Verschiebungen v3 der Beispielgeometrie bei gedämpfter Bewegung

50.0

t [s]

3.1 FEM für ebene Fachwerke

113

3.1.2.2  Modaltransformation Bei der modalen Integration muss vorausgesetzt werden, dass die Steifigkeitsmatrix K und die Massenmatrix M konstant sind. Beide haben die Dimension n. Um die Transformation in den sogenannten Modalraum durchführen zu können, wird angenommen, dass sich die gesuchte Verschiebungsfunktion u aus n Summanden zusammensetzt. Jeder Summand j besteht aus einem Anteil φj = eiωjt, der nur von der Zeit abhängig ist, und einem Vektor evj, der den räumlichen Einfluss berücksichtigt. Die Parameter ωj werden als Eigenfrequenz und die Vektoren evj als Eigenvektoren bezeichnet.



n           n iω t  u = ∑ e j ev j = ∑ ϕ j ev j = ev1  ev n  ϕ = Uϕ j j =1

=1

Fasst man alle Modalverschiebungen φj zu einem Vektor φ und die Eigenvektoren evj zu einer Matrix der Eigenvektoren U zusammen, ist die gesuchte Verschiebung u ein Produkt von U und φ. Dieser Verschiebungsansatz wird in die homogene (F = 0) Bewegungsgleichung ohne Dämpfung eingesetzt.



n          n iω t iω t Mu + Ku = ∑ − ω 2j Me j ev j + Ke j ev j = ∑ −ω 2j M + K ϕ j ev j = 0 j =1

j =1

(

)



Diese Bedingung muss für jeden einzelnen Summanden j erfüllt werden. Da φj ungleich null ist, kann φj aus der Gleichung eliminiert werden. Zusätzlich wird ωj2 durch den Eigenwert λj ersetzt.      −ω 2j M + K ev j = ( −λ j M + K ) ev j = 0

(

)

Es resultiert eine allgemeine Eigenwertaufgabe.     Kev j = λ j Mev j Setzt man voraus, dass die Massenmatrix M als Produkt zweier Dreiecksmatrizen LLT dargestellt werden kann, kann die allgemeine Aufgabe in eine spezielle Eigenwertaufgabe überführt werden. Dazu wird die Gleichung des allgemeinen Problems von links mit L−1 multipliziert. Gleichzeitig wird ein modifizierter Eigenvektor evj* = LTevj eingeführt.



 ∗  ∗  ∗  ∗ Aev j = L−1 KL−T ev j = λ j L−1 ML−T ev j = λ j I ev j  ∗  ( A − I λ j ) ev j = 0

Da die Eigenvektoren evj* nicht konstant gleich null sind, muss die Matrix A-λjI singulär bzw. den Rang  2 müssen im Allgemeinen iterative Verfahren wie das Jacobi-Verfahren angewandt werden. Bei diesem Verfahren wird zu Beginn der Iterationszähler l = 0 und A0 = A gesetzt. In jedem Berechnungsschritt wird die Ausgangsmatrix Al mit einer geeigneten Matrix Tl von links und rechts multipliziert. Dabei werden die Nebendiagonaleinträge Al,ij bzw. Al,ji zu null modifiziert. Zuvor geänderte Einträge nehmen wieder Werte ungleich null an. Diese sind aber kleiner als die Werte, die sie ursprünglich hatten. Somit streben die Nebendiagonaleinträge gegen null, und nur die Diagonaleinträge Al,ii behalten Werte ungleich null. solangeeps > Grenzwert f ur i = 2,.., n f ur j = 1,.., i − 1

θ=

Al ,ii − Al , jj 2 Al ,ij

1   t = θ + sign (θ ) θ 2 + 1  1  1 s = tc = t 2 t +1 l = l +1 Tl = I Tl ,ii = Tl , jj = c

f ur θ ≠ 0 f ur θ = 0

( n × n Einheitsmatrix ) Tl ,ij = − s

Tl , ji = s

Al = Tl Al −1Tl T

eps = 0 ur i = 2,.., n f ur j = 1,.., i − 1 f



eps = eps + Al ,ij

Die Diagonale der Matrix Al beinhaltet somit die Eigenwerte λj.



0  λ1      = Al 0  λ n  



3.1 FEM für ebene Fachwerke

115

Das Produkt aller Tl-Matrizen ergibt die Matrix U* der Eigenvektoren evj*. Wird diese mit L−T multipliziert, erhält man die gesuchte Matrix U der Eigenvektoren evj.



l     U = ev1  ev n = L−T U ∗ = L−T ∏ Ti = L−T T1 ⋅ T2 ⋅ ⋅ Tl −1 ⋅ Tl

(

)

i =1



Die Eigenwerte bzw. die Spalten der Matrix U werden so nummeriert und angeordnet, dass λ1 der kleinste und λn der größte Eigenwert ist. Gleichzeitig werden die Eigenvektoren derart normiert, dass die maximalen Spaltenwerte den Betrag eins besitzen. Sind die n Eigenwerte λj bekannt, können die dazugehörenden Eigenvektoren evj alternativ auch durch das Lösen linearer Gleichungssysteme bestimmt werden.    K − λ j M ) ev j = 0 ( Die Matrizen K–λjM sind singulär. Daher haben die Gleichungssysteme unendlich viele Lösungen, die alle linear abhängig sind. Durch die beliebige Wahl einer Vektorkomponente wird eine Lösung ausgewählt. Abschließend werden die Eigenvektoren wiederum normiert und zur Matrix der Eigenvektoren U zusammengefasst. Sind die Eigenwerte λj und die Eigenvektoren evj bzw. die Matrix U der Eigenvektoren bekannt, kann die Transformation erfolgen. Dazu wird die nicht gedämpfte Bewegungsgleichung von links mit UT multipliziert. Gleichzeitig verwendet man den zuvor eingeführten Ansatz für die Verschiebung u.

      U T MUϕ + U T KUϕ = M ∗ϕ + K ∗ϕ = U T F = F ∗ Die resultierenden modalen Matrizen M* und K* sind Diagonalmatrizen.



 f1∗  0  0   m11  k11     ∗       M ∗ϕ + K ∗ϕ =     ϕ +  ϕ =    = F  0  0  f∗ mnn  knn     n

Es resultieren n unabhängige Differenzialgleichungen für die Modalverschiebungen φj, die durch die jeweilige Masse mjj geteilt werden. Die Quotienten kjj/mjj entsprechen den Eigenwerten λj.

ϕ1 +

k11 f∗ ϕ1 = ϕ1 + λ1ϕ1 = ϕ1 + ω12ϕ1 = 1 = f1 m11 m11 

ϕn +

knn f∗ ϕn = ϕn + λnϕ n = ϕn + ωn2ϕ n = n = fn mnn mnn

Die Anfangsbedingungen müssen ebenso in den Modalraum transformiert werden.

116

3  Spannungsberechnung mit der Finite-Element-Methode (FEM)

  u ( t = 0 ) = Uϕ ( t = 0 )    U T u ( t = 0 ) = U T Uϕ ( t = 0 ) = Sϕ ( t = 0 )   ϕ ( t = 0 ) = S −1U T u ( t = 0 )



Die Eigenvektoren evj* der Matrix A sind normal zueinander, nicht aber die Eigenvektoren evj, aus denen U aufgebaut ist. Daher ist S keine Diagonalmatrix. Wie im Folgenden gezeigt wird, werden in der Praxis nicht alle, sondern nur m  0

α1 < 0, α2 > 0 α1 > 0, α2 < 0

a1a2

ω j [1/s]

ω j [1/s]

a1 a2

Abb. 3.18  Lehrsches Dämpfungsmaß Dj in Abhängigkeit von ωj bei verschiedenen α1 und α2 Abb. 3.19 Lehrsches Dämpfungsmaß Dj in Abhängigkeit von ωj bei α1 = 0.1645 und α2 = 0.0403

Dj [-]

α1 = 0.1645, α2 = 0.0403

0.1

D2

0.0814

1.0404 2.0204

α1 = 2



ωj [1/s]

3.9259

D1ω1ω32 − D3ω3ω12 0.1 ⋅ 1.0404 ⋅ 3.92592 − 0.1 ⋅ 3.9259 ⋅ 1.0404 2 = 0.1645 =2 2 2 3.92592 − 1.0404 2 ω3 − ω1

α2 = 2

D3ω3 − D1ω1 0.1 ⋅ 3.9259 − 0.1 ⋅ 1.0404 =2 = 0.0403 2 2 3.92592 − 1.0404 2 ω3 − ω1



Das nicht vorgegebene D2 nimmt den Wert 0.0873 an. D2 =

α1 α 2 0.1645 0.0403 + + ω2 = 2.9448 = 0.0873 2ω2 2 2 ⋅ 2.9448 2

Der Funktionsverlauf von Dj ist in Abb. 3.19 dargestellt.

3.1.2.5  Einfluss eines sich bewegenden Untergrunds Die Modaltransformation bietet eine Möglichkeit, die Reaktion eines Bauteils auf die Bewegung des Untergrunds zu untersuchen. Dazu wird angenommen, dass sich die Gesamtverschiebung ut aus einer Relativverschiebung u des Bauteils und einer Verschiebung ug des Untergrunds zusammensetzt.

   ut = u + ug

3.1 FEM für ebene Fachwerke

131

Wirken keine Kräfte auf das Bauteil und betrachtet man die Bewegung des Untergrunds als Starrkörperbewegung, wird nur der Beschleunigungsterm der Bewegungsgleichung durch die Untergrundbewegung beeinflusst.      M u + ug + Du + Ku = 0

(

)

Der Einfluss der Untergrundbewegung wird als Trägheitskraft auf die rechte Gleichungsseite gebracht. Gleichzeitig wird die Dämpfung vorübergehend vernachlässigt, da diese später wieder als modale Dämpfung hinzugefügt wird.    Mu + Ku = − Mug



Der Verschiebungsvektor ug kann als Produkt einer Matrix T mit dem Vektor ub, der die Starrkörperbewegung beschreibt, dargestellt werden. Entsprechendes gilt für die Beschleunigungen. Die Matrix T besitzt für jeden Knoten eine Untermatrix Ti.



 ub    vb       w     ug = Tub =  Ti   b      αb    β   b γ   b

 ub     vb        w  b  ug = Tub =  Ti        αb     β   b    γb 

ux, vb und wb sind die Bewegungen des Untergrunds in x-, y- und z-Richtung. αb, βb und γb sind die Drehungen um die Parallelen zu diesen drei Achsen durch den Bezugspunkt (x0,y0,z0). Hat ein Knoten 6 Freiheitsgrade, ist Ti eine 6×6 Matrix. Bei 3 Knotenfreiheitsgraden entfallen die drei letzten Zeilen.



1  0 0 Ti =  0 0  0 

0 1 0 0 0 0

0 0 ( zi − z0 ) − ( yi − y0 )   0 − ( zi − z0 ) 0 ( xi − x 0 )   0 1 ( yi − y0 ) − ( xi − x0 )  0 1 0 0   0 0 1 0   0 0 0 1 

ug wird durch Tub ersetzt. Anschließend wird eine Modaltransformation durchgeführt.

     U T MUϕ + U T KUϕ = M ∗ϕ + K ∗ϕ = −U T MTub

Die resultierende Gleichung wird mit M*−1 multipliziert. Außerdem wird nachträglich die modale Dämpfung hinzugefügt. Man erhält für jede Modalverschiebung j eine unabhängige Differentialgleichung. Dabei ist Uj die j-Spalte der Matrix der Eigenvektoren.

132

3  Spannungsberechnung mit der Finite-Element-Methode (FEM)

ϕj + 2 D j ω jϕ j + ω 2j ϕ j = −

  1 T U j MTub = f jT ub ∗ M jj

Ist nur die Verschiebung bzw. die Geschwindigkeit des Untergrunds gegeben, muss dessen Beschleunigung durch Differentiation bestimmt werden. Für die Beispielgeometrie wählt man Abb. 3.20 folgend den Bezugspunkt B. Liegt im Punkt K1 der Koordinatenursprung, hat B die Koordinaten x0 = 0 und y0 = −0.3L. Entsprechend hat der Knoten K2 die Koordinaten x2 = 0 und y2 = −0.6L und der Knoten K3 x3 = 0.8L und y3 = 0. Als Anregung des Untergrunds wird eine schwingende Drehung um den Bezugspunkt B gewählt.



 0  ub        ub =  vb  =  0   γ   0.01cos ( 2t ) − 0.01   b  

 0  u     b   ub =   vb  =  0   γ   −0.04cos ( 2t )   b  

Beim ebenen Bauteil sind die weiteren Komponenten von ub gleich null. Der ebene Fachwerksknoten besitzt zwei Freiheitsgrade. Somit ist Ti eine 2×3 Matrix.



1  0 T  1  1   T =  T2  =  T  0  3  1  0 

0 − ( y1 − y0 )   1   1 ( x1 − x0 )   0 0 − ( y2 − y0 )   1 = 1 ( x2 − x0 )   0  0 − ( y3 − y0 )   1  1 ( x3 − x0 )   0

0 −0.3L   1 0  0 0.3L   0  1 0 −0.3L   1 0.8L 

Es wird L = 100 mm berücksichtigt. Da die Freiheitsgrade u1, v1 und u2 an die Bewegung des Untergrunds gebunden sind und somit deren Relativbewegung gleich null ist, kann die Matrix auf die unteren drei Zeilen reduziert werden.

Abb. 3.20 Beispielgeometrie aus Abb. 3.1 mit bewegtem Untergrund

K3

K1 vb ub

B γb

y

K2

x

3.1 FEM für ebene Fachwerke

133

0 1 0    T =  1 0 −30   0 1 80   



Die rechten Seiten der drei modalen Bewegungsgleichungen beinhalten die Vektoren fjT. f1T = −

1 T U1 MT = ( 0.2289 −1.0374 −81.23 ) M11∗

f2T = −

1 U 2T MT = ( −0.6090 −0.5430 10.99 ) ∗ M 22

f3T = −

1 T U3 MT = ( 0.4787 −0.4112 1.420 ) ∗ M33

Da im Anregungsvektor ub nur die Komponente γb ungleich null ist, haben jeweils nur die dritten Komponenten fj3 einen Einfluss auf den Verschiebungsverlauf. Setzt man voraus, dass die Lehrschen Dämpfungsmaße Dj gleich null sind und das Bauteil zu Beginn in Ruhe ist, erhält man mit der Anregungsfrequenz ωA = 2 die drei modalen Verschiebungen φj.

ϕj =

−0.04 f j 3



ω 2j − ω A2

( −cos (ω t ) + cos (ω t )) j

A

Multipliziert man den modalen Verschiebungsvektor φ mit der Matrix der Eigenvektoren, resultiert die relative Bauteilverschiebung u. Die Verschiebung v3 ist in Abb. 3.21 dargestellt.   u = Uϕ



Für die absolute Bauteilverschiebung ut muss der Verschiebungsvektor u mit der Starrkörperbewegung ug ergänzt werden. In Abb. 3.21 ist der Verlauf von v3t dargestellt.      ut = u + ug = Uϕ + Tub



v3 v3t

v3, v3t [mm] 2.0 0.0 10.0

20.0

30.0

40.0

-2.0

Abb. 3.21  Relativverschiebung v3 und Absolutverschiebung v3t der Beispielgeometrie

50.0

t [s]

134

3  Spannungsberechnung mit der Finite-Element-Methode (FEM)

3.1.2.6  Autokorrelation und Spektraldichte Um Bauteile untersuchen zu können, die keine deterministische, sondern eine stochastische Belastung erfahren, ist es sinnvoll, die Belastung mit Hilfe der Spektraldichte S(Ω) zu beschreiben. Bevor diese im nächsten Abschnitt am Fachwerk angewandt wird, soll sie in diesem Abschnitt gemeinsam mit der Autokorrelation R(τ) vorgestellt und ihre rechnerische Anwendung aufgezeigt werden. Dabei wird vorausgesetzt, dass die betrachtete vektorielle Größe x ergodisch [ERG] und ihr Erwartungswert E(x) gleich null ist.



T /2  1   E ( x ) = lim x ( t ) dt = 0 T →∞ T ∫ −T / 2

Mit der Vereinfachung eines Erwartungswertes null kann die dazugehörende Varianzmatrix σ2(x) angegeben werden.



T /2 T /2 T 1 1       x ( t ) − E ( x ) ) ( x ( t ) − E ( x ) ) dt = lim σ 2 ( x ) = lim x ( t ) x T ( t ) dt ( ∫ T →∞ T ∫ T →∞ T −T / 2 −T / 2

Verwendet man einmal die Größe x nicht am Zeitpunkt t, sondern bei t + τ, erhält man die Autokorrelationsmatrix R. T /2

1   x ( t ) x T ( t + τ ) dt T →∞ T ∫ −T / 2

Rx (τ ) = lim

Für τ = 0 sind die Varianzmatrix und die Autokorrelationsmatrix identisch.

 Rx ( 0 ) = σ 2 ( x )

Die Fourier-Transformation der Autokorrelationsmatrix berechnet die Spektraldichtematrix bzw. die Power-Spectral-Density (PSD). ∞



S x ( Ω ) = ∫ Rx (τ ) e − iΩτ dτ −∞



Entsprechend ergibt die Rücktransformation der Spektraldichtematrix die Autokorrelationsmatrix. Rx (τ ) =

1 2π



∫ S (Ω) e  x

iΩτ

dΩ

−∞



Daraus folgt, dass die Varianzmatrix auch als Funktion der Spektraldichtematrix dargestellt werden kann.



1  σ 2 ( x ) = Rx ( 0 ) = 2π



iΩ ⋅0 ∫ Sx ( Ω ) e dΩ =

−∞

1 2π



∫ S ( Ω ) dΩ  x

−∞

3.1 FEM für ebene Fachwerke

135

Abhängig von der Eingangsgröße x erhält man verschiedene Funktionsverläufe für R und S. Als Extrembeispiele sind in Abb. 3.22 die beiden für einen periodischen Funktionsverlauf x = A.sin(ωt) und für weißes Rauschen angegeben. Vereinfacht ausgedrückt beschreibt weißes Rauschen einen völlig unregelmäßigen Funktionsverlauf. Während A.sin(ωt) periodisch ist und aus den Funktionswerten zum Zeitpunkt t immer eine Aussage über die Werte zum Zeitpunkt t + τ gemacht werden kann, sind die Funktionswerte beim weißen Rauschen völlig unabhängig bzw. nicht korreliert. Die Autokorrelation kann als Funktion des zeitlichen Signals x(t) und der Spektraldichte Sx(Ω) dargestellt werden. Leitet man beide Zusammenhänge zweimal nach τ ab, kann die Abhängigkeit der Autokorrelationen der zeitlichen Ableitung von x von der Spektraldichte Sx(Ω) angegeben werden. ∂Rx (τ ) ∂τ



T T /2 T /2 1 1  ∂x ( t + τ )  T lim x ( t ) x ( t + τ ) dt = lim = x t dt ( ) ∫ →∞ T →∞ T ∫ T ∂τ T −T / 2 −T / 2

Für die zweite Ableitung ist es sinnvoll, t + τ durch t* und somit auch dt durch dt* zu ersetzen. ∂ 2 Rx (τ )

∂τ

2

 T / 2 ∂x t ∗ − τ  T 1 1 x t ∗ dt ∗ = lim = lim ∫ T →∞ T T →∞ T ∂ τ −T / 2

(

)

( )

T /2



−T / 2

 T − x t ∗ − τ x t ∗ dt ∗ = − Rx (τ )

(

) ( )

Entsprechend wird die zweite Bestimmungsformel für R ausgewertet.

R(τ)

x(t) x(t) = A.sin(ωt)

π/ω

x(t)

t

x(t): weißes Rauschen

t

R(τ) =

π/ω

R(ω)

A2/2.cos(ωτ)

τ

Dirac-Funktion

ω

S(ω)

−ω

S(ω)

Dirac-Funktion

ω

ω

S(ω) = konstant

ω

Abb. 3.22  Autokorrelation- und Spektraldichtematrix bei periodischem Funktionsverlauf und weißem Rauschen

136

3  Spannungsberechnung mit der Finite-Element-Methode (FEM)

∂Rx (τ )

=

∂τ ∂ 2 Rx (τ )

=

∂τ 2





1 2π

1 2π

∫ Sx ( Ω )

−∞



∫ iΩSx ( Ω )

−∞



∂eiΩτ 1 dΩ = ∂τ 2π

∫ iΩS ( Ω ) e  x

iΩτ

dΩ

−∞

∂eiΩτ 1 dΩ = − ∂τ 2π



∫ Ω S (Ω) e 2

 x

iΩτ

dΩ

−∞



Setzt man beide Ableitungen gleich, kann die Autokorrelation der Geschwindigkeit in Abhängigkeit von der Spektraldichte von x(t) angegeben werden. Entsprechend kann durch nochmaliges Ableiten die Autokorrelation der Beschleunigung berechnet werden.



Rx (τ ) =

1 2π



iΩτ 2 ∫ Ω Sx ( Ω ) e dΩ

Rx (τ ) =

−∞

1 2π



∫ Ω S (Ω) e 4

 x

iΩτ

dΩ

−∞



Für τ = 0 folgen die Varianzen der Geschwindigkeiten und Beschleunigungen.



 1 σ 2 x = Rx ( 0 ) = 2π

()

 1 x ) = Rx ( 0 ) = σ 2 (  2π



2 ∫ Ω Sx ( Ω ) dΩ

−∞



∫ Ω S ( Ω ) dΩ 4

 x

−∞

Entsprechend des Exponenten von Ωj bezeichnet man die Integrale mj als Momente j. Ordnung. mj =

1 2π



∫ Ω S ( Ω ) dΩ j

 x

−∞

Die zweifache Ableitung der Autokorrelation nach τ verwendet man auch, um den Zusammenhang der Spektraldichten der Geschwindigkeit und der Verschiebung darzustellen.



S x ( Ω ) =

1 2π



− iΩτ ∫ Rx (τ ) e dτ =

−∞

1 2π







∂ 2 Rx (τ )

−∞

∂τ 2

e − iΩτ dτ



Führt man zweimal eine partielle Integration durch, folgt die gesuchte Abhängigkeit.



S x ( Ω ) = −

iΩ ∂Rx (τ ) − iΩτ Ω2 e d τ = ∫ ∂τ 2π −∞ 2π ∞



∫ R (τ ) e  x

− iΩτ

dτ = Ω2 S x ( Ω )

−∞



Entsprechend erhält man den Zusammenhang für die Beschleunigung. SXPP = ( Ω ) = Ω 4 S x ( Ω )



Für die Korrelation von Geschwindigkeit und Verschiebung kann ebenso mit Hilfe der partiellen Integration ein Zusammenhang angegeben werden.



T /2  T /2  1 1 T   x t x t + τ dt = − lim x T ( t ) x ( t + τ ) dt = − Rx x (τ ) ( ) ( ) T →∞ T ∫ T →∞ T ∫ −T / 2 −T / 2

Rxx  (τ ) = lim

3.1 FEM für ebene Fachwerke

137

Analog gilt Gleiches für die Korrelation zwischen Beschleunigung und Geschwindigkeit. Entsprechend können die Korrelationen zwischen Verschiebung und Beschleunigung durch die Korrelation der Geschwindigkeit ersetzt werden.

Rx x (τ ) = − Rxx (τ )

Rxx (τ ) = Rxx (τ ) = − Rx x (τ )

Wählt man n Zeitschritte Δt und für die Spektraldichte S(Ω) m Abtastpunkte mit dem Abstand ΔΩ, kann nach Dirlik [DID] die skalare Dichte in ein Zeitsignal x(t) zurücktransformiert werden. ur j = 1,.., n f x ( j ∆t ) = 0 ur k = − f

m m ,.., − 1 2 2

x ( j ∆t ) = x ( j ∆t ) +



∆Ω i k ∆Ω j ∆t S ( k ∆Ω )eiα k e 2π

Dabei wird vorausgesetzt, dass die Spektraldichte symmetrisch ist S(-Ω) = S(Ω). Um den Mittelwert null zu erhalten, muss S(0) = 0 sein. Zusätzlich muss für jeden Abtastpunkt vorab ein zufälliger Winkel αk bestimmt werden, der zwischen −2π und 2π liegt. Außerdem sollten Δt und ΔΩ nicht unabhängig voneinander gewählt werden.

∆ t∆Ω m = 2π



3.1.2.7  Stochastische Anregung des Fachwerks Ist nicht der tatsächliche Funktionsverlauf der Anregung, sondern nur Größen wie Mittelwert/Erwartungswert, Standardabweichung oder Spektraldichte bekannt, können die entsprechenden Verschiebungs- und Spannungswerte bestimmt werden. Es wird vorausgesetzt, dass die betrachteten Größen ergodisch [ERG] und ihre Erwartungswerte gleich null sind. Mit diesen Annahmen kann die Anwendung von Autokorrelation und Spektraldichte auf die modalen Bewegungsgleichungen des Fachwerks übertragen werden. Dazu betrachtet man die eindimensionalen Spektraldichten der modalen Verschiebung φj und der modalen Kraft fj. Diese sind über die Übertragungsfunktion Hj(Ω) miteinander verknüpft. Sϕ j ( Ω ) = H j ( Ω ) S f j ( Ω ) = H j ( Ω ) S f j ( Ω ) H j ( Ω ) 2



Für den Betrag der Übertragungsfunktion gilt: H j (Ω) =

1



2 j

− Ω2

)

2

= + 4δ j2 Ω2

1



2 j

− Ω2

)

2

+ 4 D 2j ω 2j Ω2

138

3  Spannungsberechnung mit der Finite-Element-Methode (FEM)

Den Zusammenhang findet man, indem in der Autokorrelation der modalen Kraft diese durch die linke Seite der Bewegungsgleichung ersetzt wird. T /2

1 f j ( t ) f j ( t + τ ) dt T →∞ T ∫ −T / 2

R f j (τ ) = lim T /2

1 ϕj ( t ) + 2δ jϕ j ( t ) + ω 2ϕ j ( t ) ϕj ( t + τ ) + 2δ jϕ j ( t + τ ) + ω 2ϕ j ( t + τ ) dt T →∞ T ∫ −T / 2

= lim

(

)(

)

Löst man die Klammern auf, folgen unter dem Integral neun Summanden. Vier neutralisieren sich durch die Korrelation zwischen Geschwindigkeit und Verschiebung bzw. Beschleunigung und Geschwindigkeit. Die beiden Autokorrelationen von Beschleunigung und Verschiebung können durch die Korrelation der Geschwindigkeit ersetzt werden. Die restlichen werden durch die Autokorrelationen von Verschiebung, Geschwindigkeit und Beschleunigung dargestellt. R f j (τ ) = Rϕj (τ ) − 2ω 2 Rϕ j (τ ) + ω 4 Rϕ j (τ ) + 4δ j2 Rϕ j (τ )



Aus der Autokorrelation der Kraft fj wird die dazugehörende Spektraldichte bestimmt. S fj (Ω) =



1 2π



∫ R (τ ) e

−∞

fj

− iΩτ

dτ = Sϕj ( Ω ) − 2ω 2 Sϕ j ( Ω ) + ω 4 Sϕ j ( Ω ) + 4δ j2 Sϕ j ( Ω )



Die Spektraldichten der Beschleunigung und der Geschwindigkeit können durch die Dichte der Verschiebung ersetzt werden. S f j ( Ω ) = Ω 4 Sϕ j ( Ω ) − 2ω 2 Ω2 Sϕ j ( Ω ) + ω 4 Sϕ j ( Ω ) + 4δ j2 Ω2 Sϕ j ( Ω )

((

= ω 2 − Ω2



)

2

)

+ 4δ j2 Ω2 Sϕ j ( Ω )



Im abschließenden Schritt wird die Gleichung nach Sφj aufgelöst und der Klammerausdruck aus Gründen der Symmetrie auf zwei Faktoren aufgeteilt. Fasst man diese Gleichungen für alle modalen Freiheitsgrade zusammen, erhält man die n-dimensionalen Spektraldichtematrizen für die modalen Verschiebungen und die modalen Kräfte. Beides sind Diagonalmatrizen.

 Sϕ1 ( Ω )  S f1 ( Ω ) 0  0      S (Ω) =     = H (Ω)   H ( Ω ) = H ( Ω ) S f ( Ω ) H ( Ω )  0    0 Sϕn ( Ω )  S fn ( Ω )       ϕ

Gleiches gilt mit δj = Djωj für die Matrix der Beträge der Übertragungsfunktionen.

3.1 FEM für ebene Fachwerke



    H (Ω) =      

139

1



2 1

−Ω

2

)

2

      1  2 2 2 2 2 2  ωn − Ω + 4 Dn ωn Ω   0

+ 4D ω Ω 2 1

2 1

2

 0

(

)

Bei der Modaltransformation werden der Verschiebungsvektor u und der Kraftvektor F in die modalen Vektoren φ und f überführt.   u = Uϕ



  f = M ∗−1U T F

Entsprechend kann die ursprünglich gegebene Spektraldichte des Kraftvektors in die modale umgewandelt werden. Da M* eine Diagonalmatrix ist, muss zwischen M*−1 und M*−T nicht unterschieden werden. S f ( Ω ) = M ∗−1U T SF ( Ω ) UM ∗−1



Analog kann der Zusammenhang zwischen den beiden Spektraldichten der Verschiebungsvektoren formuliert werden. Su ( Ω ) = USϕ ( Ω ) U T



Fügt man die eingeführten Gleichungen zu einer zusammen, kann der Zusammenhang zwischen den Spektraldichten SF der Kraft und der Verschiebung Su angegeben werden. Im Normalfall betrachtet man nur die Diagonale von Su.

(

)

Su , diag ( Ω ) = diag U H ( Ω ) M ∗−1U T SF ( Ω ) UM ∗−1 H ( Ω ) U T Häufig wird die Spektraldichte SF über ein Vektorprodukt definiert.   SF ( Ω ) = F ( Ω ) F T ( Ω )



Dieser Ansatz wird in die Berechnungsformel für Su,diag eingesetzt.

   Su , diag ( Ω ) = diag U H ( Ω ) M ∗−1U T F ( Ω ) F T ( Ω )UM ∗−1 H ( Ω ) U T = U H ( Ω ) M ∗−1U T F ( Ω )

(

) (

)

.2

Die Hochzahl .2 bedeutet, dass jede Vektorkomponente einzeln quadriert wird. Bei der statischen Betrachtung wird allgemein angegeben, dass die Spannungen durch eine lineare Funktion aus den Verschiebungen berechnet werden können.

  σ = Bu



140

3  Spannungsberechnung mit der Finite-Element-Methode (FEM)

Überträgt man diese Vorgehensweise auf die Berechnung der Spektraldichte der Spannungen Sσ, muss die komponentenweise Wurzel von Su,diag in den Operator B eingesetzt werden. Der Operator wird analog zur statischen Betrachtung ausgewertet. Die resultierenden Werte müssen dann wieder einzeln bzw. komponentenweise quadriert werden.



(

) = ( B (U H ( Ω ) M

.1/ 2 .2

Sσ = B ( Su , diag ( Ω ) )

 U T F (Ω)

∗−1

))

.2



Aus den Spektraldichten der Verschiebungen Su,diag und der Spannungen Sσ können die Varianzen der Verschiebungen und der Spannungen bestimmt werden. Diese werden auch als Root-Mean-Square (RMS) bezeichnet. Als untere Integrationsgrenze wird null gewählt. Da statt des negativen der positive Frequenzbereich doppelt verwendet wird, bleibt der Vorfaktor zwei bei π unberücksichtigt. ∞

1   2 RMS ( u ) = σ diag ( u ) = ∫ Su ,diag ( Ω ) d Ω π 0 ∞

1   2 RMS (σ ) = σ diag (σ ) = ∫ Sσ ( Ω ) dΩ π 0



Der Kraftvektor FT = (0 0 −10)T Ns0.5 wird bei der Beispielgeometrie aus Abb. 3.1 für die Bestimmung der Spektraldichte der Kraft verwendet.



 0  0 0 0   T     SF ( Ω ) = F ( Ω ) F ( Ω ) =  0  ( 0 0 −10 ) =  0 0 0   −10   0 0 100      Die Matrix der Übertragungsfunktion beinhaltet die drei Diagonaleinträge H11, H22 und H33.  H11  H (Ω) =  0  0 



0 H 22 0

0   0  H33 

Die einzelnen Matrixeinträge sind Funktionen von Ω. Es werden die drei Lehrschen Dämpfungsmaße D1 = 0.1, D2 = 0.01 und D3 = 0.001 und die in Abschn. 3.1.2.2 berechneten Eigenfrequenzen bzw. Eigenwerte verwendet. H11 = H 22 = H33 =

1

(1.0825 − Ω ) 2

2

+ 4 ⋅ 0.12 ⋅ 1.0825Ω2 1

(8.6716 − Ω ) 2

2

+ 4 ⋅ 0.012 ⋅ 8.6716Ω2 1

(15.4126 − Ω ) 2

2

+ 4 ⋅ 0.0012 ⋅ 15.4126Ω2

3.1 FEM für ebene Fachwerke

141

Mit der Matrix der Eigenvektoren U und der modalen Massenmatrix M* kann die Diagonale der Spektraldichtematrix der Verschiebungen v2, u3 und v3 angegeben werden.  Sv ( Ω )   2   Su , diag ( Ω ) =  Su3 ( Ω )  = U H ( Ω ) M ∗−1U T F    Sv ( Ω )   3 

(



)

.2



In Abb. 3.23 ist für den Knoten K3 der Verlauf Sv3 in y-Richtung in Abhängigkeit von Ω angegeben. Im Bereich der drei Eigenfrequenzen treten die lokalen Maxima auf. Der RMS-Wert = 0.067 mm2 entspricht dem durch π geteilten Inhalt der Fläche unter dem Funktionsverlauf. Für die Spektraldichte der Spannungen in Stabrichtung benötigt man den Operator B. Da nur die Spektraldichten der drei beweglichen Freiheitsgrade berücksichtigt werden, besitzt der aus Abschn.  3.1.1 übernommene Operator nur drei Spalten.  −18 24 18    B =  −50 0 0  0 37.5 0   



Mit B können die Spektraldichten der Spannungen berechnet werden.  Sσ ( Ω )   1   Sσ ( Ω ) =  Sσ 2 ( Ω )  = B U H ( Ω ) M ∗−1U T F    Sσ ( Ω )   3 

( (

.2

))

.2

.1/ 2   Sv ( Ω )   − 18 24 18   2      =   −50 0 0   Su3 ( Ω )         0 37.5 0   Sv3 ( Ω )    

Der Verlauf im Diagonalelement E1 ist in Abb. 3.23 dargestellt. Der RMS-Wert für die Elementspannung beträgt 15.82 N2/mm4. Für die Berechnung der Spektraldichten der Beispielgeometrie ist im Bereich 0  0

σα σ2 < 0 σ1 < 0

Abb. 4.9  Faktor V1 zur Modifikation der Normalspannung σx** bei duktilen Werkstoffen

σ V ( t ) = τ ∗∗ ( t ,α )



Zusätzlich zur alleinigen Betrachtung der Schubspannung wird allerdings angenommen, dass in der Schnittfläche die maximal erträgliche Schubspannungsamplitude größer ist, wenn gleichzeitig eine drückende Normalspannung wirksam ist. Entsprechend reduziert eine Zugspannung die ertragbare Schubspannung. Um dies bei der Klassifizierung zu berücksichtigen, muss zusätzlich die Normalspannung σN aufgezeichnet werden.

σ N ( t ) = σ x∗∗ ( t ,α )



Im Abschn. 4.3.1 wird näher betrachtet, wie der Einfluss von σN auf σV bei der Klassifizierung berücksichtigt wird. Betrachtung des dreidimensionalen Spannungszustandes Betrachtet man einen Punkt im Bauteilinneren oder wirkt an der Bauteiloberfläche eine Flächenlast, existiert ein dreidimensionaler Spannungszustand. Die Untersuchung der Schnittflächen kann ebenso angewandt werden. Allerdings müssen sehr viele Schnittflächen betrachtet werden, wodurch der Berechnungsaufwand sehr groß ist. Da zwei Schubspannungen resultieren, die geeignet zu verknüpfen sind, ist es zugänglicher, die Normalspannung auszuwerten. Das Verfahren nach Gaier und Dannbauer kann direkt auf drei Dimensionen erweitert werden, indem die zweite Hauptspannung durch die dritte ersetzt wird. Vereinfachend wird in der FKM-Richtlinie [FKM] vorgeschlagen, grundsätzlich mit den Hauptspannungen zu rechnen. Verfahren nach der FKM-Richtlinie [FKM] Bei der Vorgehensweise nach der FKM-Richtlinie werden drei Vergleichsspannungen bestimmt. Für jede wird ein Lebensdauerparameter berechnet. Alle drei werden abschließend zu einem die Lebensdauer kennzeichnenden Auslastungsgrad zusammengefasst. Bei der Ermittlung der Vergleichsspannungen wird zwischen einer ebenen und einer räumlichen Betrachtung unterschieden. Liegt ein ebener Spannungszustand vor, werden die drei Komponenten als Vergleichsspannungen σVi berücksichtigt.

σ V 1 ( t ) = σ x∗∗ ( t ,α )

σ V 2 ( t ) = σ y∗∗ ( t ,α )

σ V 3 ( t ) = τ ∗∗ ( t ,α )

238

4  Betriebsfestigkeits- bzw. Lebensdauerberechnung

Andernfalls werden die Vergleichsspannungen aus den drei Hauptspannungen be­stimmt.

σ V1 (t ) = σ1 (t )



σV 2 (t ) = σ 2 (t )

σV 3 (t ) = σ 3 (t )

Auch wenn ein ebener Spannungszustand vorliegt, können die Hauptspannungen ausgewertet werden. Dann bildet man nach der FKM-Richtlinie die ersten beiden Vergleichsspannungen aus den ebenen Spannungswerten. Die dritte Vergleichsspannung ist kon­ stant null.

4.1.1 An Schweißnaht angepasste Vergleichsspannung Um den Berechnungsaufwand zu begrenzen, werden Schweißnähte im Normalfall nur näherungsweise beschrieben. Bei der in Abb. 4.10 a.) dargestellten Variante wird die Naht durch eine Schräge mit den Fußknoten K1 bis K3 angedeutet. Bei der stärkeren Vereinfachung b.) setzt man lediglich voraus, dass in der Verbindungslinie K1 bis K3 eine Schweißnaht existiert. Bei beiden Varianten lässt sich beobachten, dass die Spannungswerte für die Knoten des Schweißnahtfußes (K1 bis K3), die bei der FEM-Berechnung resultieren, sich deutlich von den realen Werten unterscheiden. Die Differenz verkleinert sich, wenn man die ­Spannungen an weiteren Knoten (zum Beispiel K4 bis K6) durch Extrapolation berücksichtigt. Möchte man in Abb. 4.10 die Spannungen am Knoten K2 extrapolieren, führt man ein lokales x*y*z*-Koordinatensystem ein. Dessen y*-Achse verläuft parallel zur Schweißnaht und kann durch den normierten Abstandsvektor zwischen den beiden Knoten K1 und K3 dargestellt werden.  y∗ =

1

( x K 3 − x K 1 ) + ( yK 3 − yK 1 ) + ( z K 3 − z K 1 ) 2

2

a.)

2

 xK 3 − xK 1     yK 3 − yK 1   z − z   K 3 K1 

b.)

Schweißnaht

Schweißnaht z* = n

z

z* = n K3

y*

K3

K6

x

K2

y

K6

K2

x*

x* K5

K1

y*

K4

Abb. 4.10  Oberflächen mit modellierten Schweißnähten

K5

K1 K4

4.1 Bestimmung des Vergleichsspannungsverlaufes

239

Analog zur Berechnung der Oberflächennormalen in Abb. 4.5 werden mit den Knoten K2, K1 und K5 bzw. K2, K5 und K3 zwei Flächennormalen bestimmt, aus denen eine Oberflächennormale n am Knoten K2 ermittelt wird. Aus der lokalen y*-Achse und der Knotennormalen kann die lokale x*-Achse bestimmt werden.    x ∗ = y ∗ × n Im Allgemeinen ist die lokale y*-Achse nicht senkrecht zur Normalen n. Dann muss die lokale x*-Achse nachträglich normiert werden. Um ein rechtwinkliges Koordinatensystem zu erhalten, kann es sinnvoll sein, durch ein weiteres Kreuzprodukt die lokale y*-Achse nachträglich zu orthogonalisieren. Die Extrapolation der Spannungen erfolgt mit Polynomen. Häufig werden lineare oder quadratische Funktionen ausgewertet. Entsprechend sind gemäß Abb. 4.11 zwei (P1, P2) oder drei Punkte auf der lokalen x*-Achse zu wählen. Ihr Abstand vom Schweißnahtknoten K2 orientiert sich an einer vorgegebenen Wandstärke t. An diesen Punkten sind die Spannungen zu bestimmen. Betrachtet man exemplarisch den Punkt P1, liegt dieser nur in der Bauteiloberfläche, wenn diese eine Ebene ist. Daher wird P1 im Allgemeinen durch den Punkt der Ebene ersetzt, der den geringsten Abstand zu P1 besitzt. P1 wird auf die Ebene projiziert. In der Abb. 4.11 liegt dieser Projektionspunkt im Dreieck K5, K4 und K8. Seine Lage lässt sich mit Formfunktionen bzw. durch eine Linearkombination der Knotenkoordinaten und der Koordinaten r und s darstellen.  xK 5 (1 − r − s ) + xK 4 r + xK 8 s     xP1, projiziert =  yK 5 (1 − r − s ) + yK 4 r + yK 8 s   z (1− r − s ) + z r + z s  K4 K8   K5



extrapolierte Schweißnahtspannung

realer Spannungsverlauf σi σK2* berechnete Spannungswerte

z K3

K6

σP1*

K9

K2 x

y

P1 K8

K1

P2

K4 K7

K12

σP2*

K5

K10

Abb. 4.11  Vergleich der extrapolierten und realen Schweißnahtspannungen

x* K11

240

4  Betriebsfestigkeits- bzw. Lebensdauerberechnung

Mit den Ortsvektoren von P1 und seiner Projektion lässt sich ein Abstandsvektor d definieren. Dieser beschreibt den Abstand von P1 zu seinem Projektionspunkt.  d x ( r ,s )   xP1 − xK 5 (1 − r − s ) − xK 4 r − xK 8 s         d ( r ,s ) =  d y ( r ,s )  = xP1 − xP1, projiziert =  yP1 − yK 5 (1 − r − s ) − yK 4 r − yK 8 s     z − z (1− r − s ) − z r − z s  K4 K8   P1 K 5  d z ( r ,s ) 



Um die benötigten r- und s-Koordinaten zu erhalten, sucht man das Minimum des Quadrates des Abstandsvektors. Dazu muss das Quadrat nach r und s abgeleitet und die Ableitung gleich null gesetzt werden.    ∂ d T ( r ,s ) d ( r ,s ) / ∂r     = 0  ∂ d T ( r ,s ) d ( r ,s ) / ∂s   0   

( (

) )

Das resultierende lineare Gleichungssystem ist zu lösen. Die Spannungskomponenten σP1 im globalen xyz-Koordinatensystem des projizierten Punktes P1 setzen sich aus den Linearkombinationen der Spannungen der Knoten K5, K4 und K8 mit den Gewichtsfunktionen w1, w2 und w3 zusammen.

σ P1 = σ K 5 (1 − r − s ) + σ K 4 r + σ K 8 s = σ K 5 w1 + σ K 4 w2 + σ K 8 w3



Da die berechneten Spannungswerte an den Schweißnahtknoten nicht berücksichtigt werden sollten, ist es ratsam, dass der Punkt P1 in einem Dreieck bzw. Viereck liegt, welches keine Knoten der Schweißnaht beinhaltet. Zur Bestimmung der Spannungen an P1 können auch die Spannungen an den vier Knoten K5, K4, K7 und K8 ausgewertet werden. Dann müssen die am Dreieck bestimmten Koordinaten r und s auf entsprechende Koordinaten im Viereck umgerechnet werden. Dabei resultieren vier Gewichtsfunktionen w1 bis w4. Sind die Spannungskomponenten von σ an den Punkten P1 und P2 oder zusätzlich auch an P3 bekannt, können am Knoten K2 aus Abb. 4.11 die gesuchten Spannungswerte angegeben werden. Wendet man wie in Abb. 4.12 a.) eine lineare Extrapolation an, bestimmt man die Geradengleichung mit Hilfe der Werte für die beiden Punkte P1 und P2. Die a.)

b.) σ

σ

σ K2

σ K2 σ P1

P1

K2 0.4t

P2 0.6t

σ P3

σ P1

σ P2

x*

σ P2

P1

K2 0.4t

P3

P2 0.5t

0.5t

Abb. 4.12  Extrapolation der Spannungskomponenten am Knoten K2 aus Abb. 4.11

x*

4.1 Bestimmung des Vergleichsspannungsverlaufes

241

beiden verwendeten Abstände 0.4t und t, wobei t der vorgegebenen Wandstärke entspricht, sind Standardwerte, können aber grundsätzlich frei gewählt werden.

σ ( x ∗ ) = ax ∗ + b



σ ( x ∗ = 0.4t ) = σ P1

σ ( x∗ = t ) = σ P 2

Die Spannungskomponente am Knoten K2 mit x* = 0 entspricht der Konstanten b. 5 2 σ K 2 = σ ( x ∗ = 0 ) = b = σ P1 − σ P 2 3 3



Wählt man wie in Abb. 4.12 b.) eine quadratische Extrapolationsfunktion mit

σ ( x ∗ = 0.4t ) = σ P1

σ ( x ∗ = 0.9t ) = σ P 2

σ ( x ∗ = 1.4t ) = σ P 3

kann die Spannungskomponente am Schweißknoten analog angegeben werden.

σ K 2 = σ ( x ∗ = 0 ) = 2.52σ P1 − 2.24σ P 2 + 0.72σ P 3



Wie in Abb. 4.13 angedeutet, werden die Spannungen ins lokale x*y*z*-Koordinatensystem transformiert. Dazu muss der im xyz-Koordinatensystem ermittelte Spannungstensor, wie bei nicht geschweißten Bauteilen vorgestellt, behandelt werden. Aus den ebenen Spannungskomponenten σx*, σy* und τ* wird wie bei den nicht geschweißten Bauteilen eine Vergleichsspannung σV berechnet. Der Spannungstensor σ am Knoten K1 wird durch die Spannungen an den Punkten P1 und P2 linear extrapoliert. Im xyz-Koordinatensystem haben die sechs Knoten die Koordinaten K1(0,0,0), K2(1,0,0), K3(0,1,0), K4(−1,0,0), K5(1,1,0) und K6(0,2,0). Die Wandstärke ist t = 1.5 mm (Abb. 4.14). Der Differenzvektor der beiden Knoten K2 und K4 ergibt die lokale y*-Achse.  y∗ =

1

( x K 4 − x K 2 ) + ( yK 4 − yK 2 ) + ( z K 4 − z K 2 ) 2

2

2

 xK 4 − xK 2   −1       yK 4 − yK 2  =  0   z − z   0   K4 K2   

Schweißnaht z

y*

K3 σy* τ∗

K2 x

y K1

σy*

σx*

τ∗

K4

Abb. 4.13  Lokale Spannungen bei der Schweißnahtbetrachtung

K6 K5

x*

242

4  Betriebsfestigkeits- bzw. Lebensdauerberechnung y* z

K4 Schweißnaht K1 P1 y

x

K3

P2

K2 K5

x* K6

Abb. 4.14  Beispielgeometrie zur linearen Extrapolation bei Schweißnähten

Mit den beiden Dreiecken K1, K2 und K5 bzw. K1, K5 und K4 kann analog zur Geometrie aus Abb. 4.6 die Knotennormale n bestimmt werden. 0    n = 0  1   



Aus y* und n folgt die lokale x*-Achse, die ohne nachträgliche Normierung verwendet werden kann. 0 ∗ ∗    x = y ×n = 1  0   



Die Punkte P1 und P2 liegen auf der lokalen x*-Achse und haben den Abstand 0.4t bzw. t vom Knoten K1.



0 0  0    ∗       xP1 = xK 1 + 0.4tx =  0  + 0.4 ⋅ 1.5  1  =  0.6  0 0  0       

 0     xP 2 =  1.5   0   

Der Projektionspunkt von P1 auf die Bauteilfläche liegt im Dreieck K4, K5 und K3.  d x ( r ,s )   xP1 − ( xK 4 (1 − r − s ) + xK 5r + xK 3 s )   0 + (1 − r − s ) − r         d ( r ,s ) =  d y ( r ,s )  =  yP1 − ( yK 4 (1 − r − s ) + yK 5r + yK 3 s )  =  0.6 − r − s       0 dz ( r ,s )   zP1 − ( zK 4 (1 − r − s ) + zK 5r + zK 3 s )     Das Quadrat des Abstandes d muss minimal werden.



( (

) )

  2 2  ∂ d T ( r ,s ) d ( r ,s ) / ∂r   ∂ (1 − 2r − s ) + ( 0.6 − r − s ) / ∂r    0   =  = 0 2 2  ∂ d T ( r ,s ) d ( r ,s ) / ∂s        ∂ (1 − 2r − s ) + ( 0.6 − r − s ) / ∂s 

( (

) )

Es folgt das zu lösende lineare Gleichungssystem.

4.2 Wöhlerkurve und Haigh-Diagramm

243

 10 6   r   5.2     =    6 4   s   3.2 



Dessen Lösung ergibt für den Punkt P1 die beiden Koordinaten r = 0.4 und s = 0.2. Setzt man die Koordinaten in die Ansatzformel für den Abstand ein, erkennt man, dass dieser gleich null ist. Somit liegt P1 direkt auf der Bauteiloberfläche. Aus den Spannungen an den Knoten K4, K5 und K3 können die Spannungen am Punkt P1 angegeben werden.

σ P1 = σ K 4 (1 − r − s ) + σ K 5r + σ K 3 s = 0.4σ K 4 + 0.4σ K 5 + 0.2σ K 3



Der Punkt P2 liegt im Dreieck K3, K5 und K6. Wertet man wieder den Abstandsvektor aus, erhält man für diesen Punkt die Koordinaten r = 0 uns s = 0.5. Somit können die Spannungen am Punkt P2 durch die Werte an den Knoten K3 und K6 beschrieben werden.

σ P 2 = σ K 3 (1 − r − s ) + σ K 5r + σ K 6 s = 0.5σ K 3 + 0.5σ K 6



Abschließend berechnet man aus σP1 und σP2 die Spannungen am Knoten K1.

5 2 σ K 1 = σ P1 − σ P 2 3 3

Die Spannungen werden ins lokale x*y*z*-Koordinatensystem transformiert. Aus diesen Werten wird die Vergleichsspannung bestimmt.

4.1.2 Vergleichsspektrum bei stochastischer Bauteilbelastung Bei einer FEM-Berechnung mit stochastischer Anregung erhält man für alle Spannungskomponenten einen Verlauf der Spektraldichte. Für die Lebensdauerberechnung ist es notwendig, eine Vergleichsdichte zu bilden. Rechnerisch sind alle zuvor vorgestellten ­Verfahren möglich. Da eine Spektraldichte keine richtungsorientierte Größe ist, sollte bevorzugt der größte Eigenwert (Hauptwert) der Spektraldichten analog zu den Hauptspannungen oder die Vergleichsdichte, die parallel zur Mises-Vergleichsspannung berechnet wird, verwendet werden. Da eine Spektraldichte positiv ist, ist es sinnvoll, wie bei der Berechnung der Spannungsdichten aus den Dichten der Verschiebungen vorzugehen (vergleiche Abschn. 3.1.2.7). Man berechnet die Wurzel der Spannungsdichten der einzelnen Komponenten. Aus diesen Werten wird der Hauptwert bzw. der Vergleichswert nach Mises berechnet. Abschließend werden diese Werte quadriert. Der dabei resultierende positive Verlauf der Vergleichsdichte ist die Eingangsgröße der Lebensdauerberechnung.

4.2

Wöhlerkurve und Haigh-Diagramm

Mit dem Wöhlerversuch bestimmt man die Anzahl N der Schwingspiele, die ein Bauteil bei vorgegebener Mittelspannung σm und Spannungsamplitude σa erträgt, bis es zum Versagen kommt. Bei gleichbleibender Mittelspannung kann man, wie in Abb. 4.15 a.) dar-

244

4  Betriebsfestigkeits- bzw. Lebensdauerberechnung

a.)

b.) Wöhlerversuch

σ σa1

σa2

Wöhlerkurven

Bruch bei N3 σa3

σm

log(σa) Kurzzeitfestigkeit

σa

tanα = 1/k

Bruch bei N1

σa1

Bruch bei N2 t

σa2 σ a3

σD

N1 N2 N3 N

σ

Zeitfestigkeit Dauerfestigkeit ND log(N)

Abb. 4.15  Wöhlerversuch und Wöhlerkurve bei konstanter Mittelspannung σm

gestellt, beobachten, dass die Anzahl der möglichen Schwingspiele umso größer ist, je kleiner die Amplitude gewählt wird. Zeichnet man die Amplituden in Abhängigkeit von der ertragbaren Schwingspielzahl auf, resultiert die erste in Abb. 4.15 b.) dargestellte Wöhlerkurve. Da die Messergebnisse des Wöhlerversuchs immer eine Streuung besitzen, müssen für jeden Messpunkt mehrere Prüfungen durchgeführt werden. Je nach Überlebenswahrscheinlichkeit wird der Funktionswert festgelegt. Dieser ist für die vorgegebene Mittelspannung σm oder das konstante Spannungsverhältnis R gültig. Werden beide Achsen des Schaubildes logarithmisch dargestellt, folgt im Normalfall der zweite in Abb. 4.15 b.) eingezeichnete charakteristische Verlauf der Wöhlerkurve. Die Funktion verläuft in den Bereichen Kurzzeitfestigkeit und Dauerfestigkeit waagrecht. Im mittleren Zeitfestigkeitsbereich kann der Verlauf durch eine fallende Gerade dargestellt werden. Sie hat die Steigung −1/k. Der Punkt (ND, σD) liegt auf ihr. Diese drei die Gerade kennzeichnenden Größen sind Materialparameter und werden durch Messungen bestimmt. Die Geradengleichung mit der Steigung −1/k und der Konstanten c wird formuliert.

1 log (σ a ) = − log ( N ) + c k Setzt man die Punktkoordinaten (ND, σD) ein, kann die Konstante c angegeben werden.



1 c = log (σ D ) + log ( N D ) k

c wird in die Ausgangsgleichung eingesetzt. 1 1 log (σ a ) = − log ( N ) + log (σ D ) + log ( N D ) k k



σ log  a σD

1/ k

  ND   = log    N  



Eliminiert man den Logarithmus, resultiert der charakteristische Zusammenhang zwischen Spannungsamplitude σa und Schwingspielzahl N.

4.2 Wöhlerkurve und Haigh-Diagramm

245 1/ k

N  σa = σD  D   N 



Hat die Wöhlerkurve den beschriebenen Verlauf, ist sie durch die drei Parameter σD, ND und k eindeutig beschrieben. Die darauf beruhenden Lebensdauerberechnungen werden als Berechnungen nach der Palmgren-Miner-Regel bezeichnet. Es gibt auch Materialien, die keine Dauerfestigkeit aufweisen. Dort wird, wie in Abb. 4.16 dargestellt, der Verlauf für N  >  ND durch eine Gerade mit der Steigung −1/kII beschrieben. Im Normalfall ist kII > k zu wählen. Dadurch hat die Gerade im ursprünglichen Dauerfestigkeitsbereich eine betragsmäßig kleinere Steigung als die Gerade im Zeitfestigkeitsbereich. Die dazu anzuwendenden Rechenschritte werden als modifizierte Miner-Regel bezeichnet. Im Extremfall ist kII = k, wodurch die Gerade des Zeitfestigkeitsbereiches einfach verlängert wird. Dies ist als elementare Miner-Regel bekannt und stellt das konservativste Verfahren dar. Die Dauerfestigkeit σD kann mit Hilfe von Normalspannungen oder Schubspannungen angegeben werden. Die Art der Vergleichsspannung entscheidet, wie die Dauerfestigkeit zu verwenden ist. Bildet zum Beispiel die Schubspannung die Vergleichsspannung oder wendet man das Findley-Verfahren an, bezieht sich auch die Dauerfestigkeit auf die Schubspannungen. Die Wöhlerkurve hat allerdings immer den angegebenen charakteristischen Verlauf. Die die Wöhlerkurve kennzeichnenden Parameter müssen durch Messungen ermittelt werden. Wenn lediglich die Zugfestigkeit Rm bekannt ist, bietet alternativ die FKM-­ Richtlinie die Möglichkeit, die benötigten Kennwerte zu bestimmen. Die Richtlinie ermöglicht zusätzlich auf Erfahrungswerten basierende Einflüsse von Temperatur und Geometrie zu berücksichtigen. Die Wöhlerkurve ist immer nur für eine Mittelspannung σm gültig. Im Normalfall wird sie für das Spannungsverhältnis R = −1, bei dem keine Mittelspannung wirksam ist, aufgezeichnet. Ist verlangt, die Kennwerte für beliebige Mittelspannungen darzustellen, ist das in Abb. 4.17 angegebene Haigh-Diagramm hilfreich. Das Diagramm ist im Wesentlichen in vier Belastungsbereiche eingeteilt, die bei der Lebensdauerbestimmung ein charakteristisches Verhalten zeigen:

log(σa)

Palmgren-Miner-Regel (originale Regel) modifizierte Miner-Regel elementare Miner-Regel

Steigung -1/k σD

Steigung -1/kII ND

log(N)

Abb. 4.16  Erweiterungen der originalen Wöhlerkurve

246

4  Betriebsfestigkeits- bzw. Lebensdauerberechnung σa

σa(σm) bei N = konstant < ND

Rm R=0

R = -1

R = ±∞

II

II

III

I -M R = 2.5

σD(σm = 0)

R = 0.5

III -M/3

IV

Dauerfestigkeit σD(σm) bei ND Rm

σm

Abb. 4.17 Haigh-Diagramm

• • • •

Bereich I (Druckschwellbeanspruchung): 1  0.577) gilt c = 0.4. ε0 variiert für große Bruchdehnungen (A > 6 %) zwischen 2 % und 5 % oder ist der Quotient aus Fließgrenze und Elastizitätsmodul (Rp/E) (Anhang A4). Der Parameter h beschreibt die Mehrachsigkeit. Er bestimmt sich aus der mittleren oder hydrostatischen Spannung σHwk und der Vergleichsspannung nach Mises σvwK = σV. σHwk ergibt sich aus den Hauptspannungen.



σ h = Hwk = σ vwk

σ1 + σ 2 + σ 3 3 σV

Beim ebenen Spannungszustand ist σ3 gleich null. Ist zusätzlich σ1 oder σ2 gleich null, nimmt h den Wert 1/3 an. Dies stellt den einachsigen Spannungszustand dar. Die plastische Formzahl ist der Quotient der vollplastischen Traglast, geteilt durch die elastische Grenzlast.

KP =

vollplastische Grenzlast elastische Grenzlast

Ist die elastische Grenzlast wirksam, entspricht die Vergleichsspannung am Nachweispunkt der Fließgrenze Rp. Erhöht man die Bauteilbelastung, erreicht man die vollplastische Grenzlast, wenn sich ein durchgehender Bauteilquerschnitt vollständig plastisch verformt hat. Dabei setzt man ideal-plastisches Materialverhalten voraus. Dies bedeutet, im gesamten Querschnitt wirkt die Fließgrenze. In Abschn.  3.8 wird eine Möglichkeit beschrieben, die vollplastische Grenzlast zu bestimmen. Betrachtet man geschweißte Bauteilen mit durchgeschweißten oder beidseitig querschnittsdeckenden Nähten, kann die plastische Stützzahl berücksichtigt bzw. ein Wert ungleich eins gewählt werden. Dazu verwendet man die Berechnungsformel für nicht geschweißte Bauteile. Der Elastizitätsmodul E und die ertragbare Gesamtdehnung εertr sind tabellarisch vorgegeben (Anhang A4). Gleiches gilt für die zu verwendende Fließgrenze Rp (Anhang A1). Bei entfestigenden Aluminiumwerkstoffen ist Rp durch ρWEZRp zu ersetzen. Der Entfestigungsfaktor ρWEZ liegt zwischen 0.36 und 1.0 (Anhang A1). Sind die angegebenen Nahtbedingungen nicht erfüllt, ist npl = 1 zu wählen. Dies gilt unabhängig von der Nahtausführung auch für nichtduktile Werkstoffe mit niedriger Bruchdehnung (A  630 N/mm2 Aluminiumknetwerkstoff sonstige, insbesondere Guss

εpl, W = 2 ⋅ 10−4   R  ε pl ,W = 2 ⋅ 10 −4  1 − 0.375  m − 1   630    εpl, W = 1.6 ⋅ 10−5 εpl, W = 0

258

4  Betriebsfestigkeits- bzw. Lebensdauerberechnung

Der Kerbradius r muss bekannt sein. Näherungsweise kann er mit dem bezogenen Spannungsgradienten abgeschätzt werden.

K f ,σ :

r=

2 Gσ

K f ,τ :

r=

1 Gτ

Auch die Wanddicke b muss gegeben sein. Alternativ kann sie aus einem Referenzdurchmesser deff (vergleiche Abschn. 4.2.1) bestimmt werden. Für Materialien des Fall 1 gilt b = deff/2. Trifft der Fall 2 zu, ist b = deff zu wählen. Ersatzweise kann der Schätzwert laut Richtlinie direkt materialabhängig festgelegt werden. Er besitzt dann Werte zwischen eins und zwei (Anhang A10). Rauheitsfaktoren KR,σ und KR,τ Für polierte Bauteile sind die Rauheitsfaktoren gleich eins.

K R ,σ = K R ,τ = 1 Alternativ müssen sie individuell berechnet werden.

 2 Rm K R ,σ = 1 − aR ,σ log ( Rz ) log  R  m , N ,min

  

 2 Rm K R ,τ = 1 − fW ,τ aR ,σ log ( Rz ) log  R  m , N ,min

  

Die mittlere Rauheit Rz ist in μm einzusetzen. Ist eine Walz-, Schmiede- oder Gusshaut vorhanden, hat sie den Wert 200 μm. Die Konstante aR,σ ist materialabhängig und nimmt einen Wert zwischen 0.06 und 0.22 an. Entsprechend variiert die Konstante Rm,N,min je nach Material zwischen 100 N/mm2 und 400 N/mm2 (Anhang A11). Randschichtfaktor KV Ohne Randschichtverfestigung ist der Faktor gleich eins.

KV = 1

Alternativ variiert er nach Materialart und Verfestigungsverfahren. Vorhandene Kerben beeinflussen den Faktor zusätzlich, der dadurch Werte zwischen eins und 2.8 annehmen kann (Anhang A12). Schutzschichtfaktor KS Nur für Aluminiumwerkstoffe mit Schutzschicht ist KS kleiner eins. Nach der Dicke der Schutzschicht variiert der Faktor zwischen eins und 0.5. Bei allen anderen Materialien hat er den Wert eins. Faktor KNL,E Der Faktor KNL,E hat bei allen Materialien bis auf GJL den Wert eins. Für GJL liegen seine Werte zwischen 1.025 und 1.075 (Anhang A13).

4.2 Wöhlerkurve und Haigh-Diagramm

259

Mittelspannungsempfindlichkeit Mσ und Mτ Die Mittelspannungsempfindlichkeit Mσ ist von der Zugfestigkeit Rm abhängig. Mσ = aM 10 −3 Rm + bM



Die Konstanten aM und bM sind materialabhängig (Anhang A14). In der FKM-­Richtlinie wird die Mittelspannungsempfindlichkeit bei der Berechnung der Dauerfestigkeit verwendet. Alternativ können mit ihr die Lastspiele verschiedener Mittelspannungen derart angepasst werden, dass sich alle auf eine Mittelspannung beziehen. Die Mittelspannungsempfindlichkeit Mτ berechnet sich aus Mσ und fW,τ. Mτ = fW ,τ Mσ



4.2.3 B  estimmung der Kennwerte der Wöhlerkurve für geschweißte Bauteile mittels FKM-Richtlinie Bei geschweißten Bauteilen unterscheidet man gemäß Abb. 4.20 zwischen einer Normalspannung σ┴ senkrecht zur Schweißnaht, einer Normalspannung σ|| parallel und einer Schubspannung τ*. Im Unterschied zu nicht geschweißten Bauteilen ist nicht die Zugfestigkeit, sondern die sogenannte FAT-Klasse die Ausgangsgröße. Für die Normalspannungen ist im ­Wesentlichen bei den hier betrachteten Strukturspannungen nur eine Klasse zu berücksichtigen. Sie unterscheidet zwischen den Materialien Stahl und Aluminium.

FAT⊥ = FAT = 100

Stahl :

Aluminium :

FAT⊥ = FAT = 40

Prinzipiell wird die Klasse durch die Art der Schweißnaht bestimmt. Bei einzelnen Schweißnähten (zum Beispiel Kreuzstoß und Überlappstoß mit belasteten Kehlnähten im Schweißzustand) reduzieren sich die Kennwerte auf 90 N/mm2 bzw. 36 N/mm2. Für die

Schweißnaht z

y* σ|| = σy* τ*

x

y

τ* σ┴ = σx* σ|| = σy*

x*

Abb. 4.20  Senkrechte und parallele Normalspannung und Schubspannung bei Schweißnahtuntersuchung

260

4  Betriebsfestigkeits- bzw. Lebensdauerberechnung

Bestimmung der FAT-Klasse der Schubspannung wird nicht zwischen Struktur- und Nennspannungen unterschieden. Es gibt nur zwei Klassen, die je nach Material zwischen voll durchgeschweißten Stumpfnähten Stahl :



FATτ = 100

FATτ = 36

Aluminium :

und Kehlnähten und teilweise durchgeschweißten Stumpfnähten unterscheiden. Stahl :



FATτ = 80

FATτ = 28

Aluminium :

Die FAT-Klassen werden mit dem Temperaturfaktor KT,D und den Kennwerten KWK,σ und KWK,τ multipliziert. Man erhält die notwendigen Bauteilwechselfestigkeiten σWK und τWK. Der Temperaturfaktor wird wie bei nicht geschweißten Bauteilen ermittelt. σ WK , ⊥ = KT , D KWK ,σ FAT⊥

σ WK , = KT , D KWK ,σ FAT

τ WK = KT , D KWK ,τ FATτ

Die Kennwerte KWK fassen den Eigenspannungsfaktor KE, den Umrechnungsfaktor fFAT und den Dickenfaktor ft zusammen. Sie werden in der Richtlinie nur einzeln aufgeführt. Ihre Bestimmung wird im Folgenden vorgestellt.

KWK ,σ = K E ,σ fFAT ,σ ft KV K NL , E

KWK ,τ = K E ,τ fFAT ,τ ft KV

Zusätzlich sind der Randschichtfaktor KV und der Kennwert KNL,E wie bei nicht geschweißten Bauteilen zu berücksichtigen. Wie bei den nicht geschweißten Bauteilen kann der Einfluss der Mittelspannungen bei der Klassifizierung berücksichtigt werden. Dies bedeutet, die Mittelspannungsfaktoren KAK werden gleich eins gewählt. Die Bauteildauerfestigkeiten σAK und τAK sind mit den Bauteilwechselfestigkeiten identisch.

σ D = σ AK ,⊥ = σ WK ,⊥

σ D = σ AK , = σ WK ,

σ D = τ AK = τ WK

Des Weiteren werden wie bei nicht geschweißten Bauteilen die Knickpunktzyklenzahlen (ND,σ, ND,τ) oder Ecklastspielanzahlen und die Steigungen (kσ, kτ) benötigt. Die FKM-Richtlinie gibt für alle Materialien die gleichen Kennwerte an (Anhang A6).

N D ,σ = 5 ⋅ 106

N D ,τ = 108

kσ = 3

kτ = 5

Die Steigungen kII werden nicht berücksichtigt, wodurch alle Wöhlerkurven vom Typ I sind. Umrechnungsfaktoren der Bauteilklasse auf Bauteilwechselfestigkeit fFAT,σ und fFAT,τ Die Umrechnungsfaktoren beinhalten die Knickpunktzyklenzahlen ND,σ und ND,τ, die Bezugszyklenzahl der Bauteilklasse NC = 2 · 106 und die Steigungen der Wöhlerkurve kσ und kτ. fFAT ,σ

 N = 0.5  C N  D ,σ

1/ kσ

  

= 0.37

fFAT ,τ

 N = 0.5  C N  D ,τ

1// kτ

  

= 0.23

Dickenfaktor ft Bei der Bestimmung des Dickenfaktors ft ist zwischen den beiden Fällen A und B zu unterscheiden. Wenn Erfahrungen vorliegen, die den Fall B begründen, schreibt die Richtlinie,

4.3 Klassifizierung der Vergleichsspannung

261

dass dieser angewandt werden kann. Dann ergibt sich der Dickenfaktor aus der Blechdicke t und dem Exponenten n.  1.1  0.1 ft = ( 25 / t )  n  ( 25 / t )



f ur

t ≤ 10 10 < t ≤ 25 t > 25

Der Exponent n hängt von der Art der Schweißnaht ab und nimmt Werte zwischen 0.1 und 0.3 an (Anhang A15). Wenn keine Informationen vorliegen, die den Fall B rechtfertigen, ist der Fall A anzuwenden, der die gleichen Ausgangsgrößen wie der Fall B voraussetzt.  1 ft =  n ( 25 / t )



f ur

t ≤ 25 t > 25

Eigenspannungsfaktor KE Der Eigenspannungsfaktor unterscheidet zwischen hohen, mäßigen und geringen Eigenspannungen. hoch : K E ,σ = K E ,τ = 1.0 m aßig : K E ,σ = 1.26, K E ,τ = 1.15 gering : K E ,σ = 1.54, K E ,τ = 1.3 Welche Eigenspannungen vorliegen, hat der Anwender zu entscheiden. Die Richtlinie führt Beispielsituationen auf. Mittelspannungsempfindlichkeit Mσ und Mτ Die Bestimmung der Mittelspannungsempfindlichkeit folgt der Ermittlung des Eigenspannungsfaktors und berücksichtigt auch die Einschätzung der Eigenspannungen. hoch : Mσ = 0.0



m aßig : Mσ = 0.15

gering : Mσ = 0.3

Die Empfindlichkeit Mτ für die Schubspannung folgt aus der für die Normalspannung.

Mτ = fW ,τ Mσ

Der Mittelspannungseinfluss wird analog zu den nicht geschweißten Bauteilen bei der Klassifizierung berücksichtigt.

4.3

Klassifizierung der Vergleichsspannung

Aus der Vergleichsspannung σV(t) kann die Lebensdauer eines Bauteils nicht direkt bestimmt werden. Die Spannung muss in einzelne Schwingspiele mit gleicher Mittelspannung und Spannungsamplitude zerlegt werden. Für deren Bestimmung werden nur die lokalen Extremstellen des Spannungsverlaufes betrachtet. Das globale Minimum und das globale Maximum definieren den zu betrachtenden Wertebereich. Um eine begrenzte

262

4  Betriebsfestigkeits- bzw. Lebensdauerberechnung

Anzahl an Klassen zu erhalten, wird der Wertebereich in m Teilbereiche zerlegt. Jeder Extremwert j liegt innerhalb eines Teilbereiches. Betrachtet man den Spannungsverlauf aus Abb. 4.21, der σK4 = σK4,statisch h(t) aus Abb. 4.4 gleicht, so beträgt das globale Maximum max = 49 N/mm2 und das globale Minimum min = −29 N/mm2. Für die Klasseneinteilung wird das Maximum zu max = 50 N/mm2 aufgerundet, entsprechend das Minimum zu min = −30 N/mm2 abgerundet. Es werden m = 8 Teilbereiche gewählt, die jeweils die Breite 10 N/mm2 besitzen. Berechnet int(x) den ganzzahligen Anteil der reellen Zahl x, kann mit  σ V ( t j ) − min  B j = int  m  +1  max − min   



für jeden Extremwert der dazugehörige Teilbereich Bj bestimmt werden. Für den gegebenen Spannungsverlauf kann die Zugehörigkeit aus Abb. 4.21 entnommen werden. Das häufig für die Klassifizierung angewandte Rainflow-Verfahren unterscheidet nach Mittelspannung und Spannungsamplitude. Schwingspiele mit gleicher Mittelspannung und gleicher Amplitude werden in einer Klasse gebündelt. Um die Klassen einzuteilen, folgt das Rainflow-Verfahren „Regenflüssen“, die an den Extremstellen ihre Quellen besitzen und von links nach rechts fließen. Treffen die Flüsse auf weitere Extremstellen, stürzen sie wie Wasserfälle über die Extremstellen und treffen anschließend auf weiter rechtsliegende Funktionsflanken, an denen sie weiter nach rechts fließen. Ein Endpunkt eines „Regenflusses“ kann anhand der drei folgenden Regeln ermittelt werden: • Der Regenwasserfluss entlang einer Flanke trifft auf einen Wasserfall, der von einer weiter links liegenden Flanke stürzt • Der Regenwasserfluss fällt auf einen Wasserfluss, dessen Quelle in einer kleineren oder höheren Klasse liegt, als die eigene • Der Regenfluss fällt auf keine weitere Flanke σ V [N/mm²] 50

49

40 30

0 -10 -20 -30

Bereich B8 Bereich B7

25

20 10

48 37

16

14 -4

14

18 7

5

Bereich B6 8

4

Bereich B3 t [s]

-4

-7

Bereich B2

-14

-16 -29

-26

Bereich B5

5 Bereich B4

-27

Bereich B1

Abb. 4.21 Spannungsverlauf σV(t) mit Klassenzugehörigkeit der Extremstellen

4.3 Klassifizierung der Vergleichsspannung

263

Wendet man das Rainflow-Verfahren auf den in Abb. 4.21 dargestellten Spannungsverlauf an, erhält man 10 geschlossene Schwingspiele, die in einem Bereich beginnen, in einen anderen wechseln und wieder zum ursprünglichen zurückkehren. Drei Schwingspiele treten doppelt auf, sodass nur sieben verschiedene mit unterschiedlicher Häufigkeit zu berücksichtigen sind (Abb. 4.22). Für die weitere Untersuchung wird die Anzahl der verschiedenen Schwingspiele gemäß Tab.  4.3 als Klassenanzahl n bezeichnet. Für die Anzahl der Schwingspiele einer Klasse wird die Häufigkeit hi eingeführt. Die Summe aller Häufigkeiten ergibt die Gesamtanzahl H aller Schwingspiele. n

H = ∑hi



i =1

Jede Klasse ist durch eine Mittelspannung σmi und eine Spannungsamplitude σai gekennzeichnet, die aus den Nummern der Teilbereiche (1, …, m) bestimmt werden können, in denen die Schwingspiele beginnen (NAi) und in denen sie ihre Umkehrpunkte (NEi) haben. max − min + min 2m max − min σ ai = ( NAi − NEi + 1) 2m

σ mi = ( NAi + NEi − 1)

2 x Bereich 1-8-1

Bereich B8

Bereich 5-7-5

Bereich B7

Bereich 6-2-6

Bereich B6

2 x Bereich 4-5-4

t

2 x Bereich 3-4-3

Bereich B2 Bereich B1

Bereich 5-1-5

Bereich 2-3-2

Abb. 4.22  Klassifizierte Schwingspiele des Spannungsverlaufes σV(t) aus Abb. 4.21 Tab. 4.3  Klasseneinteilung des Spannungsverlaufes σV(t) aus Abb. 4.21 Klasse i Anfangsbereich NAi Endbereich NEi Häufigkeit hi [-] Mittelspannung σmi [N/mm2] Spannungsamplitude σai [N/mm2]

1 1 8 2 10 40

2 2 6 1 5 25

3 1 5 1 −5 25

4 5 7 1 25 15

5 4 5 2 10 10

6 3 4 2 0 10

7 2 3 1 −10 10

264

4  Betriebsfestigkeits- bzw. Lebensdauerberechnung

Bei der Klassifizierung wird nicht unterschieden, ob ein Schwingspiel mit kleiner Spannung beginnt und seinen Umkehrpunkt bei größerer Spannung erreicht oder umgekehrt. Außerdem wird die Reihenfolge der Schwingspiele vernachlässigt. Bei der Klassierung des Spannungsverlaufes aus Abb. 4.21 resultiert mit min = −30 N/ mm2 und max = 50 N/mm2 und m = 8 die in Tab. 4.3 aufgeführte Klasseneinteilung. Die Klassierung kann mit Hilfe einer Rainflow-Matrix visualisiert werden. Jedem Matrixeintrag sind ein Anfangs- (B1 bis B8 senkrecht) und ein Endbereich (B1 bis B8 waagrecht) zugeordnet. Der Matrixeintrag beschreibt die Häufigkeit hi. Leere Einträge haben die Häufigkeit null. In der in Abb.  4.23 dargestellten ebenen Rainflow-Matrix für den Spannungsverlauf aus Abb. 4.21 erkennt man, dass die Matrix Diagonalen mit konstanter Mittelspannung und konstanter Amplitude besitzt. Bauteiltypische Belastungen können durch die räumliche Darstellung, bei der die Säulenhöhe der Häufigkeit entspricht, charakterisiert werden. Die in Abb. 4.22 dargestellte Bestimmung der Klasseneinteilung mit Hilfe der Regenflüsse ist anschaulich, lässt sich aber schwer durch einen computergerechten Algorithmus umsetzen. Eine erweiterte Vierpunktregel ist geeigneter. Ausgangspunkt ist eine Tabelle mit allen Bereichszugehörigkeiten der Extremwerte. Die Variable „anzahl“ beschreibt die Anzahl der Extremstellen. Der Spannungsverlauf aus Abb. 4.21 besitzt anzahl = 21 Ex­ tremwerte. Die erste Zeile der resultierenden Tabelle nummeriert die einzelnen Extremstellen, die zweite gibt die Position in der Ausgangstabelle an. Diese Zeile wird für die Klassifizierung nach dem Findley-Verfahren benötigt. In der dritten Zeile ist angegeben, in welchem Bereich die Extremstelle liegt. j j0 Bj

1 1 4

2 2 5

3 3 2

4 4 3

5 5 1

6 6 8

7 7 5

8 8 7

9 9 3

10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 4 1 5 4 6 2 8 3 4 1 5 4

Beginnend mit j = 1 und j + 3 ≤ anzahl sucht man vier aufeinanderfolgende Extremstellen, die eines der beiden folgenden Kriterien, die in Abb. 4.24 verdeutlicht werden, erfüllen: nach von B1 B2 B3 B4 B5 B6 B7 B8 1

B2 B3

B7 B8 2

2

2

B5 1 B6

1 2

1

B4

Häufigkeit hi

2

1

B1

σm = 10

1

2 1

σa = 25

von

B6

B6

B4

B4

1 σa = 10

B2

Abb. 4.23  Rainflow-Matrix des Spannungsverlaufes σV(t) von Abb. 4.21

B2

nach

4.3 Klassifizierung der Vergleichsspannung

Bedingung 1

265

Bedingung 2

Erweiterung

j+3 j+1

Bj+1

j

Bj+2

j+1

j+1 j+2

j+2 j

Bj+1

Bj+2 Bj+1

j

j+2

Bj+2

j+3

Abb. 4.24  Bedingungen und Erweiterung der Vierpunktregel



Bedingung 1 :

B j < B j +1 und B j + 2 < B j + 3 und B j < B j + 2 und B j +1 < B j + 3

Bedingung 2 :

B j > B j +1 und B j + 2 > B j + 3 und B j > B j + 2 und B j +1 > B j + 3

Ist eine der beiden Bedingungen erfüllt, werden die Einträge j + 1 und j + 2 aus der Tabelle eliminiert und die beiden Bereichswerte Bj+1 und Bj+2 als Anfangs- NAi und Endbereich NEi einer neuen Klasse i verwendet. Die Variable anzahl reduziert sich um den Betrag zwei. Ist keine Bedingung erfüllt, kann bei j + 2 ≤ anzahl überprüft werden, ob die Erweiterungsbedingung B j = B j +2



erfüllt ist. Trifft dies zu, wird wie bei der Erfüllung der ersten beiden Bedingungen vorgegangen. Ist eine Bedingung erfüllt, wird mit modifizierter Tabelle, aber unverändertem j, fortgesetzt. Andernfalls muss j um eins erhöht werden. Erreicht j den Wert anzahl-2 und beinhaltet die Tabelle noch Einträge, wird j = 1 gesetzt. Dies wird wiederholt, bis die Tabelle keine Einträge mehr besitzt oder keine weitere Reduzierung erreicht werden kann. Die verbleibenden Tabelleneinträge können als Residuum bezeichnet werden. Ein solches tritt auf, wenn der erste und der letzte Extremwert nicht in einem Teilbereich liegen. Dies bedeutet, der Spannungsverlauf ist nicht periodisch. Für die Vermeidung eines Residuums kann es auch hilfreich sein, die Tabelle so zu modifizieren, dass die erste und letzte Extremstelle im größten Wertebereich liegen. Dies bedeutet, dass man den Anfangsbereich des Spannungsverlaufes bis zur maximalen Ex­ tremstelle abschneidet und am Ende des Verlaufes anfügt. Dies ist zulässig, da beim Rainflow-Verfahren die Reihenfolge der Schwingspiele nicht berücksichtigt werden kann. Wendet man die Vorgehensweise auf die Tabelle des Spannungsverlaufes aus Abb. 4.21 an, folgen für j = 1 die vier zu betrachtenden Werte B1 = 4, B2 = 5, B3 = 2 und B4 = 3. Beide Bedingungen und die Erweiterung werden nicht erfüllt. Daher muss j = 2 gesetzt werden. Es muss überprüft werden, ob B2 = 5, B3 = 2, B4 = 3 und B5 = 1 eines der Kriterien erfüllt. Für Bedingung 2 trifft dies zu. Somit können die Einträge B3 und B4 aus der Tabelle eliminiert und die verbleibenden Einträge neu nummeriert werden. j j0 Bj

1 1 4

2 2 5

3 5 1

4 6 8

5 7 5

6 8 7

7 9 3

8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 4 1 5 4 6 2 8 3 4 1 5 4

266

4  Betriebsfestigkeits- bzw. Lebensdauerberechnung

Die erste Klasse besitzt den Anfangswert NA1 = 2 und den Endwert NE1 = 3. Die Häufigkeit der ersten Klasse beginnt mit h1 = 1. In Abschn. 4.3.1 wird die Klassifizierung nach Findley vorgestellt. Bei ihr darf anfänglich die Häufigkeit nicht beachtet werden. Deshalb werden die Anfangs- und Endwerte FA1 = NA1 = 2 und FE1 = NE1 = 3 zusätzlich vermerkt. Beim Findley-Verfahren ist die Art (Bedingung, Erweiterung) des Kriteriums von Bedeutung. Weil eine der beiden Bedingungen erfüllt wird, registriert man die Bedingung FK1  =  B und auch die Anfangsindizes FIA1 = j0(j + 1 = 3) = 3 und FIE1 = j0(j + 2 = 4) = 4. Mit unverändertem j werden die vier Werte B2 = 5, B3 = 1, B4 = 8 und B5 = 5 überprüft. Da sie kein Kriterium erfüllen, wird j = 3 gewählt und B3 = 1, B4 = 8, B5 = 5 und B6 = 7 betrachtet. Auch diese Werte erfüllen kein Kriterium. Mit j = 4 und B4 = 8, B5 = 5, B6 = 7 und B7 = 3 wird die zweite Bedingung erfüllt. Für die zweite Klasse folgt NA2 = 5, NE2 = 7 und h2  =  1. Für das Findley-Verfahren notiert man FA2  =  5, FE2  =  7, FK2  =  B, FIA2 = j0(j + 1) = 7 und FIE2 = j0(j + 2) = 8. Der nächste Schritt basiert auf einer modifizierten Tabelle: j j0 Bj

1 1 4

2 2 5

3 5 1

4 6 8

5 9 3

6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 4 1 5 4 6 2 8 3 4 1 5 4

Mit unverändertem j = 4 erfüllen B4 = 8, B5 = 3, B6 = 4 und B7 = 1 die zweite Bedingung. Es folgt NA3 = 3, NE3 = 4 und h3 = 1. Die Parameter für das Findley-Verfahren ergeben sich zu FA3 = 3, FE3 = 4, FK3 = B, FIA3 = j0(j + 1) = 9 und FIE3 = j0(j + 2) = 10. Die folgende verkleinerte Tabelle ist im nächsten Schritt zu verwenden: j j0 Bj

1 1 4

2 2 5

3 5 1

4 6 8

5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 1 5 4 6 2 8 3 4 1 5 4

Mit j = 5 und B5 = 1, B6 = 5, B7 = 4 und B8 = 6 kann die nächste Klasse mit NA4 = 4, NE4  =  5 und h4  =  1 gebildet werden. Für das Findley-Verfahren sichert man FA4  =  4, FE4 = 5, FK4 = B, FIA4 = j0(j + 1) = 12 und FIE4 = j0(j + 2) = 13. Für die Bestimmung des nächsten Schwingspiels ist eine um weitere zwei Einträge reduzierte Tabelle zu verwenden: j j0 Bj

1 1 4

2 2 5

3 5 1

4 6 8

5 6 7 8 9 10 11 12 13 11 14 15 16 17 18 19 20 21 1 6 2 8 3 4 1 5 4

j = 5 bleibt unverändert und B5 = 1, B6 = 6, B7 = 2 und B8 = 8 ergibt eine weitere Klasse mit NA5  =  6, NE5  =  2 und h5  =  1. Zusätzlich erhält man FA5  =  6, FE5  =  2, FK5  =  B, FIA5 = j0(j + 1) = 14 und FIE5 = j0(j + 2) = 15.

4.3 Klassifizierung der Vergleichsspannung j j0 Bj

1 1 4

2 2 5

3 5 1

4 6 8

267

5 6 7 8 9 10 11 11 16 17 18 19 20 21 1 8 3 4 1 5 4

Mit j = 6 und B6 = 8, B7 = 3, B8 = 4 und B9 = 1 erhöht man die Häufigkeit der Klasse drei auf h3 = 2. Bei den Kennwerten für das Findley-Verfahren wird jedes Schwingspiel einzeln und keine Häufigkeit berücksichtigt. Es folgt FA6 = 3, FE6 = 4, FK6 = B, FIA6 = j0(j + 1) = 17 und FIE6 = j0(j + 2) = 18. j j0 Bj

1 1 4

2 2 5

3 5 1

4 6 8

5 6 7 8 9 11 16 19 20 21 1 8 1 5 4

Da mit zunehmendem j die Tabelle nicht mehr reduziert werden kann, wird j auf eins zurückgesetzt. Nach der Erhöhung auf j = 3 erfüllt B3 = 1, B4 = 8 und B5 = 1 die Erweiterung. Es folgt NA6 = 8 und NE6 = 1. Da keine Bedingung, sondern die Erweiterung erfüllt wird, ist FIAi = j0(j) zu speichern. Man erhält FA7 = 8, FE7 = 1, FIA7 = j0(j = 3) = 5 und FIE7 = j0(j + 2 = 5) = 11. Die Erfüllung der Erweiterung wird mit FK7 = E registriert. j j0 Bj

1 1 4

2 2 5

3 5 1

4 5 6 7 16 19 20 21 8 1 5 4

Mit unverändertem j = 3 und B3 = 1, B4 = 8 und B5 = 1 wird nochmals die Erweiterung erfüllt. Man erhält die Häufigkeit h6 = 2. Die Kennwerte für das Findley-Verfahren sind FA8 = 8, FE8 = 1, FK8 = E, FIA8 = j0(j) = 5 und FIE8 = j0(j + 2) = 19. j j0 Bj

1 1 4

2 2 5

3 5 1

4 5 20 21 5 4

Anschließend muss wieder mit j = 1 fortgesetzt werden. Erhöht man auf j = 2, wird mit B2 = 5, B3 = 1 und B4 = 5 die Erweiterung erfüllt und man erhält NA7 = 1 und NE7 = 5. Für das Findley-Verfahren folgen die Kennwerte FA9 = 1, FE9 = 5, FK9 = E, FIA9 = j0(j) = 2 und FIE9 = j0(j + 2) = 20. j j0 Bj

1 1 4

2 2 5

5 21 4

Die letzten drei verbleibenden Tabellenspalten ergeben für j = 1 die Häufigkeit h4 = 2. Zusätzlich wird auch FA10 = 4, FE10 = 5, FK10 = E, FIA10 = j0(j) = 1 und FIE10 = j0(j + 2) = 21 gespeichert.

268

4  Betriebsfestigkeits- bzw. Lebensdauerberechnung

Zusammenfassend erhält man 10 Schwingspiele, die zu n = 7 Klassen mit unterschiedlicher Häufigkeit gebündelt werden können. Passt man die Nummerierung der Klassen an, erhält man die gleichen Zuordnungen wie bei der Klassenbestimmung mit den „Regenflüssen“ und kann ebenso die Rainflow-Matrix aus Abb. 4.23 erstellen. Bei der Klassifizierung resultieren n Klassen, die jeweils durch eine Mittelspannung σmi und eine Spannungsamplitude σai gekennzeichnet sind. Da die Wöhlerkurve in der Regel nur für die Belastungssituation ohne Mittelspannung (R = −1) zur Verfügung steht, ist es sinnvoll, für jede Klasse eine modifizierte Spannungsamplitude σai,m zu ermitteln, die bei nicht vorhandener Mittelspannung als gleichwertig zur ursprünglichen zu betrachten ist. Verwendet man dazu das Haigh-Diagramm, wird die Umrechnung als ­Amplitudenverfahren bezeichnet. Ausgangspunkt ist das bekannte Wertepaar (σmi, σai). Liegt das Wertepaar, wie in Abb. 4.25 a.) dargestellt, im Bereich II auf einer Parallelen zum Polygonzug der Dauerfestigkeit mit der Steigung –M, kann die Geradengleichung der Parallelen, die bei σai,m die senkrechte Achse schneidet, formuliert werden.



σ ai (σ mi ) = − Mσ mi + σ ai , m = − M

σ mi σ ai (σ mi ) + σ ai ,m = − Mxσ ai (σ mi ) + σ ai ,m σ ai (σ mi )

x beschreibt das Spannungsverhältnis σm/σa. Umgeformt folgt die modifizierte Amplitude σai,m, wenn das Wertepaar im Bereich II mit −∞  0.

σ ai ,m =

(1 + M ) ( 3 + Mx ) σ ai (σ mi ) (3 + M )

Für den Bereich IV mit 0.5  grenz w 1 σ ai , m u= 1 + M Rm a=x

σ ai ,m Rm

=

1 + R σ ai , m 1 − R Rm

1 − 1 + u2 1 M + p= u2 − u FR =

σ ai (σ mi )

σ ai , m =

σ ai , m

1 + pa =− 2 ± 2 a (1 − p )

 1 + pa  1 + 2  2 (1 − p ) a  2a (1 − p ) 

2

σ ai (σ mi ) FR

eps = FR − FRalt , FRalt = FR



4.3 Klassifizierung der Vergleichsspannung

271

In jedem Iterationsschritt muss überprüft werden, ob bei der Berechnung von FR das positive oder negative Vorzeichen zu verwenden ist. Für R  =  0 stimmen die mit der ­Wöhlerkurventransformation berechneten Werte mit denen der Amplitudentransformation überein. Ändert man die Spannungsamplituden des Spannungsverlaufes aus Abb. 4.21, folgen die in Tab. 4.4 angegebenen modifizierten Spannungsamplituden. Die Mittelspannungsempfindlichkeit beträgt jeweils M = 0.3. Bei der Wöhlerkurventransformation ist die Zugfestigkeit Rm = 100 N/mm2 berücksichtigt. Die Klasseneinteilung kann zu einem in Abb. 4.26 dargestellten Klassenkollektiv zusammengefügt werden. Häufig ist dieses Kollektiv charakteristisch für eine bestimmte Belastungssituation des Bauteils.

4.3.1 Klassifizierung mit dem Findley-Verfahren Gemäß Abb. 4.27 werden beim Findley-Verfahren [FIN] in der Schnittfläche, die durch den Winkel α gekennzeichnet ist, die Schubspannung τ**, die als Vergleichsspannung σV gespeichert ist, und die Normalspannung σN = σx** ausgewertet. Tab. 4.4  Modifizierte Spannungsamplituden σai,m des Spannungsverlaufes σV(t) aus Abb. 4.21 Klasse i NAi/NEi Häufigkeit hi [-] Mittelspannung σmi [N/mm2] Spannungsamplitude σai [N/mm2] R = (σmi − σai)/(σmi + σai) x = σmi/σai = (1 + R)/(1 − R) modifizierte Amplitude σai,m [N/mm2] (Haigh-­ Diagramm/Amplitudentransformation) modifizierte Amplitude σai,m [N/mm2] (Hückh, Thrainer, Schütz/Wöhlerkurventransformation)

σa [N/mm²]

1 1/8 2 10 40 −0.6 0.25 43.0

2 2/6 1 5 25 −0.67 0.2 26.5

3 1/5 1 −5 25 −1.5 −0.2 23.5

4 5/7 1 25 15 0.25 1.67 20.7

5 4/5 2 10 10 0.0 1.0 13.0

6 3/4 2 0 10 −1.0 0.0 10.0

42.6

26.5

23.4

22.3 13.0 10.0

7 2/3 1 −10 10 −∞ −1 7.0 6.6

43

40 30

26.5

23.5

20

20.7 12

10 2

3

4

5

10

7

7 9 10

N [-]

Abb. 4.26  Spannungskollektiv des Spannungsverlaufes aus Abb.  4.21 mit Amplitudentransformation

272

4  Betriebsfestigkeits- bzw. Lebensdauerberechnung

Abb. 4.27 Schnittfläche mit Vergleichsspannung σV und Normalspannung σN beim Findley-­ Verfahren

Schnittfläche

y* σV(t,α) = τ**(t,α) α

σN = σx**(t,α) x*

Der Vergleichsspannungsverlauf wird klassifiziert. Dabei wird zuerst jedes Schwingspiel σai einzeln berücksichtigt. Jedem Schwingspiel wird die maximale Normalspannung σmax,i zugewiesen, die innerhalb des Schwingspiels auftritt. Der Spannungsverlauf aus Abb.  4.21 soll nicht auf der Fachwerksberechnung aus Abb. 4.4 beruhen, sondern den Vergleichsspannungsverlauf, der aus einer Schubspannung resultiert, darstellen. Auf die Kennwerte FAi, FEi, FKi, FIAi und FIEi, die bei der im vorigen Abschnitt durchgeführten Klassifizierung registriert wurden, wird zurückgegriffen. Sie werden verwendet, um die Extremwerte von σN zu bestimmen, die ein Schwingspiel beinhaltet. Werden die Bedingungen 1 und 2 erfüllt, kennzeichnen die anfänglichen Positionen j0 der beiden aus der Tabelle entfernten Extremstellen j0(j + 1) und j0(j + 2) das Schwingspiel. Da die Flanke zwischen den Extremstellen j + 2 und j + 3 das Ende des Schwingspiels darstellt, kann die Extremstelle j + 3 ebenfalls berücksichtigt werden. Wird die Erweiterung erfüllt, werden alle anfänglichen Positionen der Extremstellen zwischen j0(j) und j0(j + 2) einschließlich der Intervallgrenzen dem Schwingspiel zugeordnet. Dies kann dazu führen, dass die Flanke zwischen zwei Extremwerten mehreren Schwingspielen zugeordnet ist, was nicht zulässig ist. Daher werden nachträglich die Flanken bei den Schwingspielen mit kleinerer Amplitude entfernt. Für die Schwingspiele des Spannungsverlaufes aus Abb. 4.21 sind die Kennwerte in Tab. 4.5 zusammengestellt. Die Extremstellen 5–11 waren ursprünglich auch dem 8. Schwingspiel zugeordnet. Da sie aber auch im 7. Schwingspiel beinhaltet sind und beide die gleiche Amplitude besitzen, werden sie im Schwingspiel 8 eliminiert. Entsprechend werden beim neunten S ­ chwingspiel die Extremstellen 5–19 eliminiert, da sie bereits in anderen mit größerer Amplitude beinhaltet sind. Im Schwingspiel 10 führt dies dazu, dass die Extremstellen 2–20 gestrichen werden. Zusätzlich muss der Verlauf der Normalspannung bekannt sein. Es wird der Verlauf aus Abb. 4.28 vorausgesetzt. Auch er wird in acht Wertebereiche eingeteilt. In Tab.  4.6 sind die einzelnen Extremstellen Cj des Normalspannungsverlaufes aus Abb. 4.28 aufgeführt. Ergänzend sind die Maximalwerte der Bereiche (max) angegeben, in denen sich die Extremstellen befinden. Mit diesen Werten soll σmax,i ermittelt werden. Das Schwingspiel eins beinhaltet die Extremstellen drei (FIA1) und vier (FIE1). Die Flanke 4/5 soll unberücksichtigt bleiben. Die maximale Normalspannung dieser beiden Extremstellen beträgt σmax,1 = 30 N/mm2.

σ max ,1 = maximum ( max. ( j = 3 ) ; max. ( j = 4 ) ) = 30

4.3 Klassifizierung der Vergleichsspannung

273

Tab. 4.5  Bereiche jedes Schwingspiels des Spannungsverlaufes σV(t) aus Abb. 4.21 zur Bestimmung der maximalen Normalspannung FAi 2 5 3 5 6 3 8 8 1 5

Schwingspielnummer 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

FEi 3 7 4 4 2 4 1 1 5 4

Amplitude

Kriterium B B B B B B E E E E

7 7 4 1

FIAi und FIEi 3 und 4, Flanke 4/5 7 und 8, Flanke 8/9 9 und 10, Flanke 10/11 12 und 13, Flanke 13/14 14 und 15, Flanke 15/16 17 und 18, Flanke 18/19 (5–11) korrigiert: 5–11 (5–19) korrigiert: 11–19 (2–20) korrigiert: 2–5 und 19–20 (1–21) korrigiert: 1–2 und 20–21

σN [N/mm²] 50

49

40 24

20 0

Bereich B8 34 Bereich B7

30 10

44

16 5

26

23 14

6

6

Bereich B6

26

Bereich B5

17

14

5 Bereich B4 -6

-10

-6

Bereich B3 t [s]

-4

Bereich B2

-15

-20

-28

-30

Bereich B1

-25

Abb. 4.28 Normalspannungsverlauf σN(t) zum Vergleichsspannungsverlauf σV(t) aus Abb. 4.21 zur Anwendung des Findley-Verfahrens Tab. 4.6  Maximale Normalspannungen innerhalb jedes Schwingspiels des Spannungsverlaufes aus Abb. 4.28 j Cj [N/mm2] max [N/mm2]

1 5 10

j Cj [N/mm2] max [N/mm2]

12 −6 0

2 16 20 13 −15 −10

3 6 10

4 24 30 14 −6 0

5 6 10 15 −25 −20

6 23 30 16 17 20

7 14 20

8 49 50

9 14 20

10 26 30

11 −28 −20

17 −4 0

18 44 50

19 26 30

20 34 40

21 5 10

Die restlichen Werte σmax,i sind der folgenden Tab. 4.7 zu entnehmen. Sie sind geeignet mit der Amplitude σai zu verknüpfen. Um bei der späteren Lebensdauerberechnung abschätzen zu können, wie groß die Schädigung durch σai und σmax,i ist, geht das Findley-Verfahren davon aus, dass in der kritischen Schnittebene, die durch den Winkel α0 gekennzeichnet ist, die maximal ertragbare

274

4  Betriebsfestigkeits- bzw. Lebensdauerberechnung

Schubspannungsamplitude τa,zul(α0) von zwei Materialparametern f und k und der maximal auftretenden Normalspannung σmax(α0) abhängig ist.

τ a , zul (α 0 ) = f − kσ max (α 0 )



Für das einzelne Schwingspiel kann entsprechend eine modifizierte Amplitude σai,m* eingeführt werden, bei der die Amplitude σai um den Faktor kσmax,i angepasst wird.

σ ai∗ , m = σ ai + kσ max ,i



Da vorab nicht bekannt ist, welches die kritische Schnittebene ist, sind mehrere Schnittebenen zu betrachten. Die Dauerfestigkeit ist durch f zu ersetzen. f wiederum kann aus der ursprünglichen Werkstoffwechselfestigkeit für Schub τW ermittelt werden.

σ D = f = τW 1 + k2



Der Parameter k ist geeignet zu wählen. Verwendet man k = 0.2, erhält man für die Werte aus Tab. 4.7 die in Tab. 4.8 angepassten Amplituden. Die Schwingspiele können zu 7 Klassen zusammengefasst werden, die in Tab. 4.9 aufgeführt sind. Ohne explizit eine Amplitudentransformation durchzuführen, berücksichtigt das Verfahren den Einfluss unterschiedlicher Mittelspannungen. Positive Normalmittelspannungen reduzieren die zulässige Schubspannungsamplitude. Negative Werte erhöhen die zulässige Spannungsamplitude. Treten Schubmittelspannungen auf, reduzieren diese unabhängig vom Vorzeichen die zulässige Spannungsamplitude. Entsprechend ändern sich die auszuwertenden Schubspannungsamplituden. Um dieses Verhalten aufzuzeigen, werden die maximalen modifizierten Spannungsamplituden σa,m* in den kritischen ­Schnittebenen unter dem Einfluss von verschiedenen Mittelspannungen σxm* und τm* und verschiedenen Spannungsamplituden σxa* und τa* bestimmt. Die Normalspannung σy* sei konstant null. Man transformiert die aus den Ausgangsgrößen gebildeten Spannungsmatrizen σmin* und σmax* in Tab. 4.7  Maximale Normalspannungen innerhalb jedes Schwingspiels des Spannungsverlaufes σV(t) aus Abb. 4.21 infolge des Normalspannungsverlaufes aus Abb. 4.28 Schwingspielnummer 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

FAi 2 5 3 5 6 3 8 8 1 5

FEi 3 7 4 4 2 4 1 1 5 4

σai [N/mm2] 10 15 10 10 25 10 40 40 25 10

σmi [N/mm2] −10 25 0 10 5 0 10 10 −5 10

FIAi und FEIi 3 und 4 7 und 8 9 und 10 12 und 13 14 und 15 17 und 18 5–11 11–19 2–5 und 19–20 1–2 und 20–21

σmax,i [N/mm2] 30 50 30 0 0 50 50 50 40 40

4.3 Klassifizierung der Vergleichsspannung

275

Tab. 4.8  Modifizierte Amplituden σai,m* der Schubspannungsamplituden aus Tab. 4.7 Schwingspielnummer σai,m* [N/mm2]

1 16.0

2 25.0

3 16.0

4 10.0

5 25.0

6 20.0

7 50.0

8 50.0

9 33.0

10 18.0

Tab. 4.9  Resultierende Klasseneinteilung bei Anwendung des Findley-Verfahrens auf die Spannungsverläufe aus Abb. 4.21 und 4.28 1 7, 8 2 50.0

Klasse i Schwingspiele Häufigkeit hi [-] modifizierte Amplitude σai,m* [N/mm2]

2 9 1 33.0

3 2, 5 2 25.0

4 6 1 20.0

5 10 1 18.0

6 1, 3 2 16.0

7 4 1 10.0

** ** die einzelnen Schnittebenen. Mit den Einträgen der Spannungsmatrizen σmin und σmax kann die Schubspannungsamplitude σa und die maximale Normalspannung σmax angegeben werden. Sie werden zur modifizierten Amplitude σa,m* verknüpft. ∗  σ ∗ − σ xa τ m∗ − τ a∗  ∗ σ min =  xm∗  ∗ 0   τ m −τ a f ur i = 0,…, n

∗  σ ∗ + σ xa τ m∗ + τ a∗  ∗ σ max =  xm∗  ∗ 0   τm +τa

σ a∗,m = 0

 cosα sinα   cos ( iπ / n ) sin ( iπ / n )  Q=   =   −sinα cosα   −sin ( iπ / n ) cos ( iπ / n )  ∗∗ = Qσ minQT σ min ∗∗ σ max = Qσ max QT

τa =

∗∗ ∗∗ σ max ,12 − σ min ,12

2 ∗∗ max ,11



σ max = σ wenn τ a + kσ max > σ a∗, m σ a∗,m = τ a + kσ max



Betrachtet man einen Zugstab (τm* = τa* = 0) mit variierender Mittelspannung und der Normalspannungsamplitude σxa* = 10 N/mm2, erhält man bei einem gewählten k-Wert 0.2 die in Tab.  4.10 angegebenen modifizierten Schubspannungsamplituden σa,m*. Man erkennt, dass die zunehmende mittlere Normalspannung σxm* die auszuwertende modifizierte Schubspannung σa,m* und somit die Bauteilbelastung vergrößert. Ein analog untersuchter Torsionsstab (σxm* = σxa* = 0) ergibt mit τa* = 10 N/mm2 die entsprechenden modifizierten Spannungsamplituden, die in Tab. 4.11 aufgeführt sind. Um die Bestimmung von f und die Wahl von k zu begründen, werden im x*y*z*-Koordinatensystem die Spannungen σx*, σy* und τ* betrachtet. Mit dem Mohrschen Spannungskreis können aus diesen die Hauptspannungen ermittelt werden, mit denen wiederum die Spannungen σ(α) und τ(α) in den um den Winkel α aus der Hauptachsenrichtung gedrehten Schnittflächen angegeben werden können. Dabei wird σx* + σy* zu σ zusammengefasst und τ* durch τ ersetzt.

276

4  Betriebsfestigkeits- bzw. Lebensdauerberechnung

Tab. 4.10  Modifizierte Schubspannung σa,m* im Zugstab in Abhängigkeit von der Mittelspannung σxm* −30 −20 −10 0 10 20 30 Mittelspannung σxm* [N/mm2] modifizierte Schub-spannungsamplitude σa,m* [N/mm2] 3.39 4.10 5.0 6.10 7.39 8.83 10.40 Tab. 4.11  Modifizierte Schubspannung σa,m* im Torsionsstab in Abhängigkeit von der Mittelspannung τm* −30 −20 −10 0 10 20 30 10.77 10.20 10.0 10.20 10.77 11.66 12.81

Mittelspannung τm* [N/mm2] modifizierte Schub-spannungsamplitude σa,m* [N/mm2]

σ 1,2 =

σ x∗ + σ y∗ 2

2

2  σ x∗ + σ y∗  σ σ  ∗ ±   +τ 2 = ±   +τ 2  2  2 2   2

σ + σ 2 σ1 − σ 2 σ σ  σ (α ) = 1 + cos ( 2α ) = +   + τ 2 cos ( 2α ) 2 2 2 2 τ (α ) =

2

σ1 − σ 2 σ  sin ( 2α ) =   + τ 2 sin ( 2α ) 2 2



(σ1 + σ2)/2 kennzeichnet den Mittelpunkt und (σ1-σ2)/2 den Radius des Mohrschen Spannungskreises. Diese Umrechnungsformeln gelten nicht nur für die Gesamtspannungen, sondern auch für die maximale Normalspannung σmax(α) und die Amplitude τa(α) der Schubspannung. 2

2

σ σ  2 σ max (α ) = max +  max  + τ max cos ( 2α ) 2  2 

σ  τ a (α ) =  a  + τ a2 sin ( 2α )  2 

Um die kritische Schnittebene bzw. α0 zu bestimmen, wird die Differenz Δf eingeführt. ∆f = τ a , zul (α 0 ) − τ a (α )



Mit der anfänglichen Definition für τa,zul(α0) kann dieses aus dem Ansatz für Δf eliminiert werden. ∆f = f − kσ max (α ) − τ a (α ) = f − k



2

2

σ max σ  σ  2 − k  max  + τ max cos ( 2α ) −  a  + τ a2 sin ( 2α ) 2  2   2 

σmax ist der Maximalwert der Summe der Normalspannungen σx + σy, σa die Amplitude der Spannungssumme. Entsprechend sind τmax der Maximalwert und τa die Amplitude der Schubspannung τ. Um α0 zu bestimmen, wird ausgewertet, dass Δf für α0 minimal werden muss. ∂∆f (α 0 )

∂α

2

2

σ  σ  2 sin ( 2α 0 ) − 2  a  + τ a2 cos ( 2α 0 ) = 0 = 2k  max  + τ max  2   2 

4.3 Klassifizierung der Vergleichsspannung

277

Mit dieser Gleichung kann tan(2α0) angegeben werden. Da zusätzlich sin2(2α0) + cos2(2α0) = 1 erfüllt sein muss, kann auch sin(2α0) und cos(2α0) berechnet werden. tan ( 2α 0 ) =

sin ( 2α 0 ) =

cos ( 2α 0 ) =

(σ a / 2 ) k

2

(σ max / 2 ) (σ a / 2 )

+ τ a2

2

2

2 + τ max

+ τ a2

2 + (σ a / 2 ) + τ a2 k 2 (σ max / 2 ) + k 2τ max 2

k

2

(σ max / 2 )

2

2 + τ max

2 + (σ a / 2 ) + τ a2 k 2 (σ max / 2 ) + k 2τ max 2

2

Man wählt die Grenzbelastung, bei der τa,zul(α0) = τa(α0) erfüllt ist. Setzt man mit dieser Annahme die Zwischenergebnisse in den ursprünglichen Ansatz für τa,zul(α0) ein und löst diesen nach f auf, erhält man die notwendige Bestimmungsgleichung für f. 2 f = τ a (α 0 ) + kσ max (α 0 ) = k 2 (σ max / 2 ) + k 2τ max + (σ a / 2 ) + τ a2 + k 2



2

σ max 2

Sind im x*y*z*-Koordinatensystem bei einer Grenzbelastung die Normalspannungen gleich null und ist nur die Schubspannung τ* mit einem Mittelwert null wirksam, untersucht man einen Torsionsstab mit σmax = σa = 0 und τmax = τa. Ermittelt man die Werkstoffwechselfestigkeit τW, kann diese der Amplitude τa gleichgesetzt werden. f = τ a k2 + 1 = τW 1 + k2



Der Materialparameter f kann auch durch die Werkstoffwechselfestigkeit σW dargestellt werden. Diese wird mit einem pulsierenden Zugversuch bestimmt, für den σmax = σa und τmax = τa = 0 gilt.

f =

σa 2

k2 + 1 + k

σ a σW = 2 2

(

)

1 + k2 + k

Setzt man beide eingeführten Bestimmungsgleichungen für f gleich, kann k ermittelt werden.

k=

(

σW 1 + k2 + k 2 2τ W / σ W − 1

τW 1 + k2 =

1 − ( 2τ W / σ W − 1)

2

)

Als Standardwert gilt τW/σW = 0.577. Mit diesem Wert erhält man k = 0.156. Häufig werden unabhängig von der Berechnungsformel für k Werte zwischen 0.2 und 0.3 vorgeschlagen. Bei einem Torsionsstab mit σa = σmax = 0 kann die allgemeine Formel für f nach τa umgeformt werden.

278

4  Betriebsfestigkeits- bzw. Lebensdauerberechnung

2

τ  τ a = f 1 − k  max   f  2



Bei der zuvor durchgeführten numerischen Berechnung wurde die modifizierte Schubspannungsamplitude σa,m* für τm* + τa* = τmax = 0 minimal. Entsprechend wird bei der analytischen Betrachtung die zulässige Schubspannungsamplitude τa für τmax = 0 maximal. Bei einem Zugstab mit Ta = Tmax = 0 kann die Formel für f entsprechend nach σa aufgelöst werden.

σa = 2 f 1− k

σ max f

Die zulässige Spannungsamplitude σa verringert sich für zunehmendes σmax. Dies bestätigt die Beobachtung bei der numerischen Berechnung der modifizierten Schubspannungsamplitude σa,m*.

4.4

Berechnung der Lebensdauer bzw. der Schädigung

Als Ergebnis der Klassifizierung erhält man n Klassen mit den jeweiligen modifizierten Spannungsamplituden σai,m, die im Folgenden nur als σai bezeichnet werden, und der Häufigkeit hi. Mit Hilfe der Wöhlerkurve kann jeder Klasse eine maximal mögliche Anzahl Ni der Lastspiele zugeordnet werden. Werden die Ni Lastspiele aufgebracht, versagt das Bauteil. Dies wird durch eine Schädigung Di  =  1 gekennzeichnet. Dadurch kann auch der Häufigkeit hi eine Schädigung Di ≤ 1 zugewiesen werden.

Di =

hi Ni

Alle Schädigungen Di werden zu einer Gesamtschädigung D zusammengefasst.

n

n

i =1

i =1

D = ∑Di = ∑

hi Ni

Das Produkt aus Spannungsamplitude σai und zulässiger Schwingspielzahl Ni kann als Schädigungsarbeit πi definiert werden. Die Palmgren-Miner-Regel setzt voraus, dass diese Arbeit für jede Amplitude gleich groß ist.

σ ai N i = π i = π = π j = σ aj N j

In Abb. 4.29 haben die beiden Rechteckflächen πi und πj den identischen Inhalt. Werden auf das Bauteil nicht Ni, sondern hi Schwingspiele aufgebracht, resultiert die Schädigungsarbeit πi*.

π i∗ = σ ai hi

4.4 Berechnung der Lebensdauer bzw. der Schädigung

279

σa σai

Schädigungsarbeit

σi

σaj σD

σj Nj ND

Ni

N

Abb. 4.29 Schädigungsarbeiten πi und πj

Geht man davon aus, dass die Schwingspiele aller Klassen ein Bauteilversagen hervorrufen, muss die Summe aller Teilarbeiten πi* identisch mit der Schädigungsarbeit π sein.

n

n

n

i =1

i =1

i =1

π = ∑π i∗ = ∑σ ai hi = ∑

n n n πi h h hi = ∑π i i = ∑π i = π ∑Di = π D Ni N i i =1 N i i =1 i =1

Dies bedeutet, dass bei D = 1 das Bauteil versagt. Alternativ muss beim Bauteilversagen die Summe aller Verhältnisse zwischen aufgebrachten Lastspielen hi und möglichen Ni gleich eins sein. Wird das Bauteil mit den n Klassen mit den Häufigkeiten hi belastet, ohne dass es versagt, resultiert eine Schädigung D  σD werden alle Schwingspiele berücksichtigt. Bei allen anderen werden nur (1−Di)hi Schwingspiele betrachtet. q

 σ ai  k  h m n n  m σ D  i  σ ai  (1 − Di ) hi  σ ai  hi  σ ai  hi  σ ai   k V =∑   + ∑   =∑   + ∑   H H i =1 H  σ a1  i = m +1 i =1 H  σ a1  i = m +1  σ a1   σ a1  k

k

k

Die zweite Summe wird mit σa1q erweitert.



k

h σ  σ  V = ∑ i  ai  +  a1  i =1 H  σ a1   σD  m

k

q

hi  σ ai    ∑ i = m +1 H  σ a 1  n

k +q



Die Steigung k + q wird häufig durch kII ersetzt. Die Schädigung D und die Teilschädigungen Di können auch wieder direkt bestimmt werden.



k

n h σ  h σ  D = ∑Di = ∑ i  ai  + ∑ i  ai  i =1 N D  σ D  i =1 i = m +1 N D  σ D  n

m

k +q



4.4 Berechnung der Lebensdauer bzw. der Schädigung

283

Für q gegen unendlich strebt die zweite Summe gegen null. Das Völligkeitsmaß entspricht dem der Palmgren-Miner-Regel. Für gegen null strebendes q wird der Vorfaktor der zweiten Summe des Völligkeitsmaßes zu eins und beide Summen können zu einer zusammengefasst werden. Das resultierende Völligkeitsmaß und die Berechnungsformel für D entsprechen denen der elementaren Miner-Regel. Würde die Spannungsamplitude σai m

f ur

i grenz und oben − unten > grenz unten + oben 2 m = −1, f ur i = 1,.., n wenn m = −1 und σ ai < σ aqu , dann m = i

σ aqu =

k −1 k −1 k −1 k −1  σ  σ a (i +1)     σ     σ  a i a qu    −  am    −  n   σ a1  σ a1    σ a1 σ a1   σ a1    A= +∑  k k h j  σ aj     σ aqu i =m m −1 hi  σ ai  i  ∑ i =1      ∑ j =1   H  σ a1  H  σ a1   

  

k −1

 2    Dm = min  max  Dm , min ; 4  ;1  A    k

 σ aqu  N = AN D Dm    σ a1  wenn N ∗ > H , dann oben = σ aqu , sonst unten = σ aqu ∗





Die Spannungsamplitude σa(n+1) ist gleich null zu setzen. konsequente Miner-Regel vom Typ II zur Bestimmung des Abstandes A Die konsequente Miner-Regel vom Typ II wählt man bei Aluminiumwerkstoffen und austenitischen Stählen (vergleiche Anhang A6). Die Berechnung des Abstandes A unterscheidet sich von der Berechnung des Typ I nur in der expliziten Bestimmungsformel für A während der Iteration. Dafür müssen zwei zusätzliche Indizes p und ri beachtet werden. p kennzeichnet die erste Klasse mit einer Amplitude σap  σ a1 ≥ fII σ aqu

k k k −k ri  h j  σ aj   fII σ a1  II p −1 h j  σ aj  II  +     ∑ ∑    j =1 H  σ a1  j = ri +1 H  σ a1   σ ai  N 4i =  k k k −k kII − k r i i h j  σ aj   fII σ aqu  II h j  σ aj  II  σ aqu   +          ∑ ∑ j = ri +1 H  σ a1  j =1 H  σ a1   σ ai   σ a1 

4.5

σ a1 ≥ σ aqu

σ aqu > σ a1 ≥ fII σ aqu

 rwartungswert der Schädigung bei E stochastischer Bauteilbelastung

Bei der stochastischen Bauteiluntersuchung wird die Bauteilbelastung durch eine Spek­ traldichte Sf beschrieben. Als Ergebnis der FEM-Berechnung resultiert eine Spektraldichte Sσ der Spannung. Diese muss ausgewertet werden, um die Lebensdauer des Bauteils abschätzen zu können. Dazu sollen exemplarisch die beiden von [DID] übernommenen Dichten, die in Abb. 4.33 dargestellt sind, betrachtet werden. Der erste Funktionsverlauf mit A1 = 4 N/mm2s0.5 für ΩΑ1 = 2.0 s−1 ≤ Ω ≤ 17.0 s−1 = ΩΕ1 und A2 = 30.8 N/mm2s0.5 für ΩΑ2 = 101.0 s−1 ≤ Ω ≤ 117.0 s−1 = ΩΕ2 stellt die Dichte eines Schmalbandes dar. Entsprechend beschreibt der zweite Funktionsverlauf die Dichte eines Breitbandes. Beide Verläufe sind durch ein identisches Moment m0 = 4908 N2/mm4 gekennzeichnet. Dies bedeutet, beide Spannungsverläufe haben die gleiche Spannungsvarianz σσ2 = m0. m0 =



1 2π



1 ∫ S ( Ω ) dΩ = 2π 2 ( A ( Ω 2 1

σ

E1

− ΩA1 ) + A22 ( ΩE 2 − ΩA 2 )

−∞

)

30 Sσ(Ω) [N/mm²s0.5]

A1 = 31

A2 = 30.801

20

Schmalband-Dichte Breitband-Dichte

A2 = 5.02

10

A1 = 4

2.0

17.0

93.0 101.0

117.0

132.0

Ω [1/s]

Abb. 4.33  Schmalband- und Breitband-Spektraldichten einer Spannungsbelastung

4.5 Erwartungswert der Schädigung bei stochastischer Bauteilbelastung

293

Wendet man die in Abschn. 3.1.2.6 vorgestellte Rücktransformation an und wählt die beiden Abtastraten n = m = 8000 mit ΔΩ = 1 s−1, resultieren zufällige zeitliche Spannungsverläufe innerhalb einer Zeitdauer von 20π s. Die ersten 400 Zeitpunkte sind in Abb. 4.34 dargestellt. Man erkennt den gleichmäßigen Verlauf des Schmalbandes, bei dem im Gegensatz zum Breitband jedem Peak ein Nulldurchgang folgt. Diese Spannungsverläufe können wie deterministische Verläufe ausgewertet werden. Da aber die Rücktransformation sehr rechenintensiv und durch die Wahl der Zufallswinkel nicht eindeutig ist, ist es sinnvoll, die Lebensdauer direkt aus den Spektraldichten zu bestimmen. Dafür wird aus den Spektraldichten die Dichtefunktion p(σa) der Span­ nungsamplituden der im Allgemeinen unbekannten Schwingspiele bestimmt. Um deren qualitative Verläufe abzuschätzen, wird auf die Spannungsverläufe aus Abb.  4.34 das Rainflow-Verfahren angewandt. Die relativen Häufigkeiten hi/H der Spannungsamplituden σa = σai werden aufgetragen. Es resultieren die in Abb. 4.35 dargestellten gepunkteten Verläufe der Dichtefunktionen. Die durchgezogenen Linien sind händische Glättungen. Die Dichtefunktion des Schmalbandes deutet auf eine Rayleigh-Verteilung hin. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass für σa ≤ 0 die Dichtefunktion den Wert null besitzt. Der Verlauf des Breitbandes strebt gegen eine Normalverteilung. Da eine Amplitude immer positiv ist, wird auch bei der Normalverteilung nur die Hälfte σa ≥ 0 betrachtet. Durch die unterschiedlichen Dichtefunktionen ist es notwendig, Schmalband und Breitband unterschiedlich zu betrachten.

σ [N/mm²]

Schmalband Breitband

100

t [s]

-100

2.0

1.0

3.0

Abb. 4.34  Zeitliche Spannungsverläufe der Spektraldichten aus Abb. 4.33 Abb. 4.35 Dichtefunktionen der Spannungsamplituden der Verläufe aus Abb. 4.34

p(σa) [-]

Schmalband Schmalband geglättet

0.10

Breitband Breitband geglättet

0.05

100

200

σa [N/mm²]

294

4  Betriebsfestigkeits- bzw. Lebensdauerberechnung

Ergänzend zu den Dichtefunktionen kann aus der Wöhlerkurve die Schädigung D1 = 1/ Na eines Schwingspieles mit der Spannungsamplitude σa bestimmt werden. 1/ k



N  σa = σD  D   Na 

σ ak N a = σ Dk N D

D1 =

1 1 = σ ak N a σ Dk N D

Daraus kann der Erwartungswert E(D1) berechnet werden, der die durchschnittliche Schädigung eines Schwingspieles angibt. ∞



E ( D1 ) = ∫D1 p (σ a ) dσ a = 0



1 σ ak p (σ a ) dσ a σ N D ∫0 k D

Ist zusätzlich bekannt, wie groß die Anzahl NS der Schwingspiele pro Sekunde und wie lang der Beobachtungszeitraum TS sind, kann der Erwartungswert der Gesamtschädigung angegeben werden.



E ( D ) = N S TS E ( D1 ) =

N S TS ∞ k σ a p (σ a ) dσ a σ Dk N D ∫0

Die Anzahl NS kann ebenso wie die Dichtefunktion aus den Spektraldichten ermittelt werden. Dazu wird angenommen, dass x(t) eine Zufallsgröße ist, deren Mittelwert gleich null ist. Ihre zeitliche Ableitung sei v(t). Mit der dazu passenden Dichtefunktion q(α,β) kann die Wahrscheinlichkeit dQ(α,β) angegeben werden, dass sich x(t) in einem Intervall [α, α + dα] befindet und die Geschwindigkeit v(t) im Intervall [β, β + dβ] liegt [BEN]. dQ (α ,β ) = q (α ,β ) dα d β = Wahrscheinlichkeit (α < x ( t ) ≤ α + dα und β < v ( t ) ≤ β + d β ) In der Abb.  4.36 entspricht dQ(α,β) dem Volumen des schraffierten Quaders. Die Summe aller vorhandener Quader ergibt eins. Bei einer gegebenen Geschwindigkeit ß sei τ die Zeit, die benötigt wird, um das Intervall [α, α + dα] zu durchqueren.

τ= Abb. 4.36 Wahrscheinlichkeit dQ(α,β) eines Zustandspunktes (α