Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen: Konzeptualisierung, empirische Bestandsaufnahme und Erfolgsbetrachtung (Betriebswirtschaftslehre für Technologie und Innovation, 57) (German Edition) 3835006401, 9783835006409

Innovationen eines vergleichsweise hohen Neuigkeitsgrades, sog. hochgradige Innovationen, sind notwendig für den langfri

130 106 21MB

English Pages 350 [340] Year 2006

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Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen: Konzeptualisierung, empirische Bestandsaufnahme und Erfolgsbetrachtung (Betriebswirtschaftslehre für Technologie und Innovation, 57) (German Edition)
 3835006401, 9783835006409

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Fee Steinhoff Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen

Betriebswirtschaftslehre fiir Technologie und Innovation, Band 57 Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. h.c. Sonke Albers, Prof. Dr. Dr. h.c. Klaus Brockhoff (em.), Prof. Dr. Holger Ernst, Prof. Dr. Hans Georg Gemiinden, Prof. Dr. Dr. h.c. Jurgen Hauschildt, Prof. Dr. Thorsten Teichert Geschaftsfuhrender Herausgeber: Professor Dr. Dr. h.c. Sonke Albers, Institutfur betriebswirtschaftliche Innovationsforschung, Christian-Albrechts-Universitat zu Kiel

In der Schriftenreihe werden Ergebnisse von Forschungsarbeiten veroffentlicht, die sich in herausragender Weise mit Fragen des Managements neuer Technologien, der industriellen Forschung und Entwicklung und von Innovationen aus betrieblicher Perspektive beschaftigen. Die Reihe richtet sich an Leser in Wissenschaft und Praxis, die Anregungen fur die eigene Arbeit und Problemlosungen suchen. Sie ist nicht auf Veroffentlichungen aus den Instituten der Herausgeber beschrankt.

Fee Steinhoff

Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen Konzeptualisierung, empirische Bestandsaufnahme und Erfolgsbetrachtung

Mit einem Geleitwortvon Prof. Dr. Volker Trommsdorff

Deutscher Universitats-Verlag

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnetdiese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet iJber abrufbar.

Dissertation Technische Universitat Berlin, 2006 D83

1.AuflageDezember2006 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel / Sabine Scholler Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschlieBlich aller seiner Telle ist urheberrechtlich geschiitzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fiir Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden diJrften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, ScheBlitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0640-9

Geleitwort

Geleitwort Marktorientierung und Kundenorientiemng als Teil der Marktorientierung sind erst in den letzten Jahren, und das vor allem in der angloamerikanischen Marketingliteratur, grundlich untersucht worden. Viele Erkenntnisse iiber Erscheinungsformen, Determinanten, Messmethoden und Wirkungen von Marktorientierung auf - relativ abstrakter - Untemehmensebene liegen vor, weniger jedoch in Bezug auf Innovationen und so gut wie nichts iiber die Erfolgswirkung verschiedener Arten der Kundenorientiemng auf konkreter Projektebene, insbesondere bei hochgradigen Innovationen. So fallt es schwer, greifbare Handlungshinweise daraus abzuleiten. Durch situationsspezifische Konzeptualisierung der Kundenorientiemng fur hochgradige Innovationsprojekte setzt die vorliegende Arbeit genau hier an. Diese Dissertation ist eine von vielen wissenschaftlichen Arbeiten, die bisher aus dem Forschungsprogramm „InnovationsKompass" der TU Berlin hervorgegangen sind. Der InnovationsKompass ist eine groBzahlig empirisch angelegte, auf Theorien des Innovationsmanagement fundierte, iiber die Zeit in mehreren Wellen erhobene und vielfaltig analysierte Studie der Erfolgsfaktoren hochgradiger Produktinnovationen in mehreren Schliisselbranchen der deutschen Industrie. Als Mitglied meines Wissenschaftsteams hat Frau Steinhoff die bei hochgradigen Innovationen besonders erfolgskritischen Erscheinungsformen der Kundenorientiemng untersucht, also herausgearbeitet, wie sich konkrete Praktiken des am Kunden ausgerichteten Innovationsmarketing auf den Innovationserfolg auswirken. Die Aufgabe ist originell, theoretisch und empirisch anspmchsvoll und ins Gmndsatzliche und Verallgemeinerbare zielend. Basierend auf dem aktuellen Erkenntnisstand der Literatur sowie eigenen, konzeptionellkreativen Uberlegungen entwickelt Frau Steinhoff ein sorgfaltig ausdifferenziertes Konzept der Kundenorientiemng bei hochgradigen Innovationen. Im Rahmen einer darauf aufbauenden empirischen Bestandsaufnahme geht die Autorin der Frage nach, wie kundenorientiert die deutsche Wirtschaft in hochgradigen Innovationsprojekten gegenwartig agiert. Die Ergebnisse beinhalten interessante Verteilungen iiber die Auspragungen erfragter Aktivitaten der Kundenorientiemng und iiberzeugen durch eine qualitativ hochwertige und gleichzeitig quantitativ angemessene, ergiebige Datenbasis. Der Erfolgseinfluss der Kundenorientiemng bei hochgradigen Innovationen wird theoretisch und empirisch beleuchtet. Theoretisch werden gemaB den wissenschaftlichen Anfordemngen an die Erfolgsfaktorenforschung allgemeine Theorieansatze (ressourcenbasierter Ansatz und Ressourcenabhangigkeitsperspektive) herangezogen und publizierte konzeptionelle und empirische Beftinde umfassend und systematisch aufgearbeitet und diskutiert. Empirisch werden die resultierenden Hypothesen anhand der Daten des InnovationsKompass gepruft. Die Ergebnisse zeigen, dass intensive Kundenorientiemng ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist und dass die Erfolgsbedeutung mit zunehmendem Innovationsgrad steigt. Dariiber hinaus wird die in

VI

Geleitwort

der Literatur oft angefiihrte ,Gefahr des Inkrementalismus' widerlegt. Unterschiedliche Erfolgsbeitrage spezifischer Merkmale integrierter Kunden werden festgestellt. Konsequenzen fiir die Praxis des Innovationsmarketing und fiir die weitere Forschung werden abgeleitet. Fee Steinhoff hat erschopfend interessante theoretische Erkenntnisse und dariiber hinaus einen deskriptiven und einen multivariat-statistisch gestutzten umfassenden Theoriebeitrag zum differenzierten Erfolgsfaktor Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen erarbeitet und exzellent dokumentiert. Neben dem beachtlichen wissenschaftlichen Beitrag zur Innovationsforschung wird auch fiir die praktische Ausgestaltung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen eine Fiille an Anregungen gegeben. Ich erwarte eine weite Verbreitung der hier dokumentierten Erkenntnisse in Wissenschaft und Praxis. Volker Trommsdorff

Vorwort

VII

Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen der Forschungskooperation InnovationsKompass und wahrend meiner Tatigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Marketing I der Technischen Universitat Berlin. Ich mochte an dieser Stelle all den Menschen danken, die meine Zeit des Promovierens besonders intensiv gepragt haben. Mein Dank gebiihrt zunachst Professor Dr. Volker Trommsdorff fiir die Betreuung meiner Arbeit, sein motivierendes Vertrauen in das Gelingen sowie die vielfaltigen wissenschaftlichen und praktischen Erfahrungen, die ich an seinem Lehrstuhl sammeln durfte. Meinem Zweitgutachter Professor Dr. Hans Georg Gemiinden bin ich sehr dankbar fur die Initialziindung meiner Mitwirkung am InnovationsKompass und seine wertvollen Anregungen im Verlauf der Arbeit. Wesentliche Unterstiitzung habe ich auch durch seinen ehemaligen Habilitanden Professor Dr. Soren Salomo erfahren, von dem ich nicht nur fachlich, sondem vor allem auch menschlich viel gelemt habe. Professor Dr. Jiirgen Kromphardt danke ich fiir die Ubemahme des Vorsitzes des Promotionsausschusses. Allen Mitarbeitem und Kollegen am Lehrstuhl mochte ich ausdriicklich Dank sagen, nicht nur fiir die konstruktive und gute Zusammenarbeit, sondem vor allem auch fiir die schone Zeit, die wir miteinander verbracht haben. Besonderen Dank schulde ich meinem fachlichen Counterpart, Mr. Wettbewerbsorientierung Robert Knack. Er hatte immer ein Ohr fiir mich, nicht nur fur meine zum Teil sicher verworrenen Gedanken und Ideen, sondem auch meine Sorgen und Note. Die sehr intensiv gemeinsam durchlebte Zeit verschiedener Innovationswerkstatten und vor allem unseres „Endspurtes" habe ich als sehr bereichemd empfiinden. Nicht zu vergessen ist mein personlicher Formatiemngs-Held Justin Becker, der nicht nur mit beeindmckender Akribie das Lektorat iibemommen hat, sondem an dessen ansteckendem Optimismus ich immer wieder Teil haben durfte. Schliefilich gebiihrt mein besonderer Dank meiner ehemaligen Kollegin und mittlerweile engen Freundin Katja Zboralski. Unsere gemeinsam durchlebten Wochen im „Dissertationscamp Wustrow" waren wunderschon! WertvoUe Korrekturanregungen und viele wissenschaftliche, aber auch nicht-wissenschaftliche Diskussionen wahrend Pausenspaziergangen & vor dem Kamin haben maBgeblich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Herzlichen Dank an dieser Stelle auch an Erika und Martin Heidenhain, in deren beeindmckend schonem Haus wir immer wieder verweilen durften! Mein herzlichster Dank gilt meiner Familie. Meinen Eltem Eva und Jiirgen sowie meiner Schwester Lisa danke ich fiir ihre unersetzliche, liebevoUe Unterstiitzung und ihren unerschiitterlichen Optimismus in das Gelingen der Arbeit. Meinem Partner Christoph Heidenhain danke ich fiir seine Liebe, fiir seine unzahligen positiven Impulse und nicht zuletzt fiir seinen unglaublich befreienden Humor, der mich sicher durch das ein oder andere Tal geleitet hat. Fee Steinhoff

Inhaltsverzeichnis

IX

Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis Abkurzungsverzeichnis

XIII XV XVII

I Einfuhrung

1

1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit 2 Forschungsmethodik und Aufbau der Arbeit

1 9

II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen

15

3 Innovationen

15

3.1 Grundlagen zur Innovation 3.1.1 Innovation und Innovationsmanagement 3.1.2 Erfolg von Innovationen 3.1.2.1 Erfolgsmessung 3.1.2.2 Erfolgsfaktorenforschung 3.1.3 Adoptions-und Diffiisionsforschung

15 15 19 19 21 24

3.2 Der Neuigkeitsgrad von Innovationen und seine Auswirkungen 3.2.1 Der Neuigkeitsgrad von Innovationen 3.2.1.1 LFberblick zu Innovationstypologien und generische Begriffsabgrenzung.. 3.2.1.2 Multidimensionale Betrachtung des Innovationsgrades 3.2.2 Besonderheiten hochgradiger Innovationen 3.2.2.1 Besonderheiten hochgradiger Innovationen aus Herstellersicht 3.2.2.2 Besonderheiten hochgradiger Innovationen aus Kundensicht 3.2.2.3 Einfluss des Innovationsgrades auf den Innovationserfolg 3.2.3 Der Innovationsgrad als Kontingenzfaktor in der Erfolgsfaktorenforschung....

27 27 27 32 36 37 40 45 47

3.3 Ausgewahlte Ansatze zur Interaktion zwischen Herstellern und Kunden im Innovationsprozess

49

4 Das Konstrukt der Marktorientierung auf der Unternehmensebene

53

4.1 Einordnung des Konstruktes der Marktorientierung und Begriffsabgrenzung 4.1.1 Einordnung des Konstruktes der Marktorientierung 4.1.2 Abgrenzung der Begriffe Marketing-, Markt- und Kundenorientierung

53 53 56

4.2 Perspektiven der Marktorientierung auf der Unternehmensebene 58 4.2.1 Traditionelle Perspektiven der Marktorientierung 59 4.2.1.1 Kulturorientierte Ansatze 59 4.2.1.2 Verhaltensorientierte Ansatze 61 4.2.1.3 Zusammenfassung und kritische Wiirdigung traditioneller Perspektiven.... 64 4.2.2 Neuere Perspektiven der Marktorientierung 68 4.2.2.1 Marktorientierung und Organisationales Lemen 68 4.2.2.2 Reaktive/marktgeleitete versus proaktive/marktgestaltende Formen der Marktorientierung 70 4.3 Einfluss der Marktorientierung auf der Unternehmensebene auf den Erfolg. 74 4.3.1 Uberblick zum Forschungsfeld 74 4.3.2 Differenzierte Synopse empirischer Befunde 78 4.3.2.1 Direkte Effekte 78 4.3.2.2 Moderierende und mediierende Effekte 83

X

Inhaltsverzeichnis 4.3.3 Kritische Wurdigung vorliegender empirischer Befunde

87

4.4 Zusammenfassung und Ableitung von Forschungspotenzialen

89

IIIKonzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen und empirische Bestandsaufnahme

93

5 Konzeptualisierung des 3-Saulenmodells der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen 5.1 Untersuchungsfolius und Stand der Forschung 5.1.1 Prazisierung des Untersuchungsfokus 5.1.2 Darstellung des Forschungsstandes

93 93 93 96

5.2 Basisverstandnis der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen.... 98 5.2.1 Auswahl des Ansatzes von KOHLl/JAWORSKi (1990) als Referenzbasis 98 5.2.2 Generatives Lemen und Marktgestaltung als wesentliche Merkmale der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen 100 5.3 Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen 103 5.3.1 Erste Saule: Intelligence Generation 103 5.3.1.1 Intelligence Generation verstanden als Generierung kundenbezogener Informationen durch Innovationsmarktforschung 103 5.3.1.2 Inhaltliche Beschreibung der Intelligence Generation 106 5.3.2 Zweite Saule: Intelligence Dissemination 110 5.3.2.1 Intelligence Dissemination verstanden als Integration ausgewahlter Kunden in den Innovationsprozess 110 5.3.2.2 Abgrenzung der ersten beiden Saulen der Kundenorientierung 114 5.3.2.3 Inhaltliche Beschreibung der Intelligence Dissemination 116 5.3.3 Dritte Saule: Responsiveness 121 5.3.3.1 Responsiveness verstanden als Wissenstransfer durch Marktvorbereitungl21 5.3.3.2 Inhaltliche Beschreibung der Responsiveness 122 5.4 Zusammenfassung 6 Empirische Bestandsaufnahme

127 131

6.1 Design der empirischen Untersuchung 6.1.1 Zielsetzung des Innovationskompass 6.1.2 Beriicksichtigung von Qualitatskriterien der empirischen Forschung 6.1.2.1 Generierung der Stichprobe und Respondentenauswahl 6.1.2.2 Vorbereitung und Durchfuhrung der Datenerhebung 6.1.3 Operationalisierung der Basiskonzepte 6.1.3.1 Unterscheidung von drei Prozessphasen hochgradiger Innovationsprojekte 6.1.3.2 Messung der Gestaltungsmerkmale der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen 6.1.4Methodische Analysegrundlagen

131 131 132 132 135 138

6.2 Deskriptive Ergebnisse der empirischen Untersuchung 6.2.1 Beschreibung der Stichprobe 6.2.2 Merkmale der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen 6.2.2.1 Merkmale der Innovationsmarktforschung (Intelligence Generation) 6.2.2.2 Merkmale der Kundenintegration (Intelligence Dissemination) 6.2.2.3 Merkmale der Marktvorbereitung (Responsiveness)

144 144 145 146 156 162

138 139 143

Inhaltsverzeichnis 6.3 Zusammenfassung

IV Theoretische und literaturgestiitzte Erfolgsableitung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen 7 Theoriebasierte Erfolgsableitung

XI 165

169 169

7.1 Auswahl geeigneter theoretischer Perspektiven

169

7.2 Ressourcenbasierter Ansatz 7.2.1 Uberblick zum ressourcenbasierten Ansatz 7.2.2 Ressourcenbasierte Erfolgsableitung 7.2.2.1 Kundenorientierung auf der Untemehmensebene als Determinante des Untemehmenserfolges 7.2.2.2 Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen als Determinante des Innovationserfolges 7.3 Ressourcenabhangigkeitsperspektive 7.3.1 Uberblick zur Ressourcenabhangigkeitsperspektive 7.3.2 Obertragung der Ressourcenabhangigkeitsperspektive auf den Kontext der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen

171 171 176 176 178 183 184 186

7.4 Zusammenfassung und theoriebasierte Hypothesenableitung

189

8 Ableitung eines Erfolgszusammenhanges aus der konzeptionellen und empirischen Literatur

193

8.1 Uberblick zu relevanten Befunden aus der allgemeinen Erfolgsfaktorenforschung 8.1.1 Metasynopse zu Erfolgsfaktoren im Kontext der Kundenorientierung 8.1.2 Differenzierte Befunde zur Kundenintegration

193 193 196

8.2 Befunde im Kontext hochgradiger Innovationen 198 8.2.1 Konzeptionelle Beitrage zur Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen 198 8.2.1.1 Probleme der Informationsermittlung 198 8.2.1.2 Konzeptionelle Empfehlungen 200 8.2.1.3 Innovative Methoden der Kundenorientierung 205 8.2.2 Empirische Befunde zur Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen209 8.2.2.1 Befunde zur Kundenorientierung auf der Untemehmensebene 210 8.2.2.1.1 Einfluss der Kundenorientierung auf den Innovationsgrad 210 8.2.2.1.2 Einfluss der Kundenorientierung auf denErfolg 213 8.2.2.1.3 Zusammenfassung und kritische Wiirdigung vorliegender Befunde... 214 8.2.2.2 Befunde zur Kundenorientierung auf der Projektebene 217 8.2.2.2.1 Befunde zur Innovationsmarktforschung (Intelligence Generation).... 218 8.2.2.2.2 Befunde zur Kundenintegration (Intelligence Dissemination) 221 8.2.2.2.3 Befunde zur Marktvorbereitung (Responsiveness) 225 8.3 Zusammenfassung und Hypothesenableitung

V Empirische tjberpriifung des Erfolgseinflusses der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen 9 Konzeption der empirischen Erfolgsbetrachtung

226

231 231

9.1 Hypothesen im Untersuchungsmodell und erganzende Fragestellungen

231

9.2 Operationalisierung der zentralen Konstrukte

232

XII

Inhaltsverzeichnis 9.2.1 Operationalisierung der Kundenorientierung 9.2.1.1 Intelligence Generation 9.2.1.2 Intelligence Dissemination 9.2.1.3 Responsiveness 9.2.2 Operationalisierung des Innovationsgrades 9.2.3 Operationalisierung des Erfolges 9.3Methodik 9.3.1 Validierung der Konstruktmessungen 9.3.2 Analyse der Konstruktbeziehungen 9.3.2.1 Regressionsanalyse 9.3.2.2 Diskriminanzanalyse 10 Empirische Ergebnisse

232 233 235 238 239 241 243 243 245 246 249 251

10.1 Einfluss der Kundenorientierung auf den Erfolg

251

10.2 Erganzende Fragestellungen zum Untersuchungsmodell 10.2.1 Einfluss der Kundenorientierung auf den Innovationsgrad 10.2.2 Erfolgswirkung der Eigenschaflen integrierter Kunden 10.3 Zusammenfassung und Icritische Wiirdigung der Ergebnisse

256 256 258 263

VI Zusammenfassung und Implikationen 11 Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse der Arbeit 12 Implikationen der Arbeit

269 269 279

12.1 Implikationen fiir die Forschung

279

12.2 Implikationen fiir die Praxis

284

Literaturverzeichnis Stichwortverzeichnis

287 333

Abbildungsverzeichnis

XIII

Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Verfolgter Forschungsansatz: Realitatsorientierte Forschung

10

Abb. 2: Aufbau der Arbeit

13

Abb. 3: Uberblick zu Innovationstypologien in der Literatur

28

Abb. 4: Zweidimensionales Grundverstandnis des Innovationsgrades

31

Abb. 5: Konzeptualisierung des Innovationsgrades als vierdimensionales Konstrukt

36

Abb. 6: Marktorientierung als aggregiertes Konstrukt der Kunden-, Wettbewerber- und Umfeldorientierung Abb. 7: Zusammenfassende Gegeniiberstellung traditioneller Perspektiven der Marktorientierung

65

Abb. 8: Empirische Forschung zum Einfluss der Marktorientierung auf den Erfolg

75

58

Abb. 9: Untersuchungsfokus: Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen

95

Abb. 10: Basisverstandnis der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen

102

Abb. 11: Fehlentscheidung erster und zweiter Art

104

Abb. 12: Konzeption und Gestaltungsoptionen der Intelligence Generation

109

Abb. 13: Abgrenzung der Intelligence Generation und Dissemination

115

Abb. 14: Konzeption und Gestaltungsoptionen der Intelligence Dissemination

120

Abb. 15: Konzeption und Gestaltungsoptionen der Responsiveness

127

Abb. 16: Konzeption und Gestaltungsoptionen der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen Abb. 17: Untemehmensbezogene Merkmale der Stichprobe

128 145

Abb. 18: Einsatz von Innovationsmarktforschungsaktivitaten

146

Abb.19: Aktivitaten der Innovationsmarktforschung in den drei Phasen

147

Abb. 20: Verteilung der wichtigsten eingesetzten Marktforschungsaktivitaten

150

Abb. 21: Verfolgte Ziele der wichtigsten Marktforschungsaktivitaten

152

Abb. 22: Bewertung der wichtigsten Marktforschungsaktivitaten

154

Abb. 23: Einsatz von Kundenintegration und Grtinde dagegen

156

Abb. 24: Arten der Kundenintegration in den drei Phasen

157

Abb. 25: Funktionen der wichtigsten integrierten Kunden

159

Abb. 26: Eigenschaften der wichtigsten integrierten Kunden

159

Abb. 27: Zusammenhang zwischen den Funktionen der Kunden und der Bewertung der Kundenintegration Abb. 28: Zusammenhang zwischen den Eigenschaften der Kunden und der Bewertung der Kundenintegration

161 161

Abb. 29: Ausgestaltung der Marktvorbereitung

163

Abb. 30: Produktvorankiindigung

164

XIV

Abbildungsverzeichnis

Abb. 31: Ressourcenbasierte Wirkungskette zum Erfolgseinfluss der Kundenorientierung (Untemehmensebene)

177

Abb. 32: Ressourcenbasierte Wirkungskette zum Erfolgseinfluss der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen (Proj ektebene)

181

Abb. 33: Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen aus Sicht der Ressourcenabhangigkeitsperspektive

188

Abb. 34: Die optimale Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen

190

Abb. 35: Ziele und Gefahren der Integration von Kunden in den Innovationsprozess

197

Abb. 36: Hypothesen im Untersuchungsmodell

231

Abb. 37: Intensitatsskala der Innovationsmarktforschung

233

Abb. 38: Intensitatsskala der Kundenintegration

236

Abb. 39: Zusammenfassende Darstellung zum Erfolgseinfluss der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen

256

Tabellenverzeichnis

XV

Tabellenverzeichnis Tab. 1: Charakteristika hochgradiger Innovationen aus Herstellersicht

37

Tab. 2: Charakteristika hochgradiger Innovationen aus Kundensicht

41

Tab. 3: Befunde zum Erfolgseinfluss der Markt-, Kundenund Wettbewerberorientierung Tab. 4: Befunde zu Moderatoreffekten von Branchenmerkmalen

80 84

Tab. 5: Befunde zum mediierenden Einfluss der Innovationsneigung des Untemehmens... 87 Tab. 6: Messung der Gestaltungsmerkmale der Intelligence Generation

140

Tab. 7: Messung der Gestaltungsmerkmale der Intelligence Dissemination

142

Tab. 8: Messung der Gestaltungsmerkmale der Responsiveness

143

Tab. 9: Metasynopse zur Kundenorientierung im Kontext der allgemeinen Erfolgsfaktorenforschung Tab. 10: Schwierigkeiten der Informationsermittlung im Kontext hochgradiger Innovationsprojekte

194 199

Tab. 11: Innovative Methoden der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen .... 207 Tab.12: Einfluss der Markt-/Kundenorientierung auf den Innovationsgrad

212

Tab. 13: Erfolgsfaktorenstudien im Kontext der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen

218

Tab. 14: Operationalisierung des Innovationsgrades

240

Tab. 15: Ergebnisbezogene Erfolgsoperationalisierung

242

Tab. 16: Prozessbezogene Erfolgsoperationalisierung

243

Tab. 17: Ergebnisse der Regressionsanalysen (Erfolg)

252

Tab. 18: Ergebnisse der Regressionsanalysen (Innovationsgrad)

257

Tab. 19: Einfluss der Eigenschaften der Kunden auf den phasenspezifischen Erfolg

260

Tab. 20: Zusammenfassende Hypothesenpriifung

264

Tab. 21: Zusammenfassende Darstellung zum Erfolgseinfluss der Eigenschaften der integrierten Kunden

265

Abkiirzungsverzeichnis

Abkiirzungsverzeichnis BtoB

Business to Business

BtoC

Business to Consumer

bzgl.

beziiglich

bzw.

beziehungsweise

ca.

circa

CAP

Customer-Active-Paradigm

CAP 2

Weiterentwicklung des CAP

d.h.

das heiBt

etal.

et altera (und andere)

F

F-Wert

F&E

Forschung und Entwicklung

f.

folgend

ff.

fortfolgend

ggf. H.d.V.

Hervorhebung der Verfasserin

H.i.O.

Hervorhebung im Original

gegebenenfalls

i.d.R.

in der Regel

ID

Intelligence Dissemination

IG

Intelligence Generation

IN

Innovationsgrad

MAP

Manufacturer-Active-Paradigm

n

Fallzahl

P r

Signifikanzniveau Korrelationskoeffizient nach Pearson

R

Responsiveness

R'

BestimmtheitsmaB

R korr

korrigiertes BestimmtheitsmaB

s.

Seite

sog.

sogenannte

u.a.

unter anderem

VIF

Variance Inflation Factor

vs.

versus

z.B.

zum Beispiel

z.T.

zum Teil

XVII

I Einfiihrung

I Einfuhrung 1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit Das Erfordemis einer konsequenten Ausrichtung neuer Produkte an den Bediirfnissen potenzieller Kunden ist sowohl in der Untemehmenspraxis als auch in der wissenschaftlichen Forschung unbestritten (LETTL/GEMUNDEN 2005, S. 339; MASON/HARRIS 2005, S. 373; TROMMSDORFF/BINSACK 1999, S. 113 f.). Es zeigt sich jedoch eine erhebliche Diskrepanz zwischen der Bedeutung und der konkreten Umsetzung in der Praxis (EKSTROM/KARLSSON 2001, S. 24) sowie der wissenschaftlichen Durchdringung des Themas (DANNEELS 2003, S. 575). Die vorliegende Arbeit widmet sich dem Phanomen der Kundenorientierung im Innovationsprojekt. Dabei wird eine situationsspezifische Vorgehensweise gewahlt: Betrachtet wird das Konstrukt im Kontext von Innovationen eines vergleichsweise hohen Neuigkeitsgrades, sog. hochgradigen Innovationen. Dazu zahlen technologisch relativ neuartige Produkte (z.B. auf Brennstoffzellenantrieb basierende Automobile), Innovationen, die auf der Seite des Marktes einen vergleichsweise hohen neuen Kundennutzen adressieren (z.B. 3M Post-it Notes), sowie Innovationen, die in beiden Bereichen als relativ neuartig einzustufen sind (z.B. die ersten Mobilftinktelefone; BERGSTEIN/ESTELAMI 2002, S. 303; TSCHIRKY 1998, S.4). Im Folgenden wird der Forschungsbedarf fur die Praxis und Wissenschaft herausgearbeitet. Forschungsbedarffur die Praxis Der Wohlstand einer Volkswirtschaft hangt heutzutage entscheidend von der Innovativitdt im internationalen Vergleich ab (JOHANNESSEN etal. 2001, S. 27). Im Bereich hochgradiger Innovationen wird Deutschland vielfach eine schlechte Wettbewerbsposition zugeschrieben (BERTH 2003, S. 19; LEHRER 2000, S. 95). Betrachtet man zunachst undifferenziert die sog. Innovatorenquote, so weist Deutschland eine positive Bilanz auf: Im Zeitraum 1998 bis 2000 haben ca. 60 % der Untemehmen im produzierenden Gewerbe und ca. 50 % im Dienstleistungssektor eine Innovation in den Markt bzw. ins Untemehmen eingefiihrt. Innovationen haben damit in Deutschland weltweit betrachtet eine tiberdurchschnittlich groBe Verbreitung (BMBF 2005, S. 4). Die Innovationskraft spiegelt sich auch in den Exportzahlen wider: Die Exportwettbewerbsfahigkeit der deutschen Wirtschaft ist nach wie vor sehr hoch (BMBF 2005, S. 65). Eine nach Industriesektoren differenzierte Betrachtung macht jedoch auf ein Defizit aufmerksam: Die starken Exporterfolge Deutschlands beruhen weitgehend auf Gtitem der sog. hochwertigen Technologic (z.B. Chemieindustrie). Besonders wachstumstrachtige Spitzentechnologien (z.B. Informations- und Kommunikationstechnologie, Biotechnologie) zahlen hingegen weder in der Export- und Wirtschaftsstruktur noch bei den F&E-Ausgaben und Erfindungen zu

I Einfiihrung

Deutschlands Schwerpunkten. So nimmt Deutschland z.B. bezogen auf die relativen Welthandelsanteile im Bereich der hochwertigen Technologic nach Japan Rang 2 ein, kann sich im Bcreich dcr Spitzcntcchnologic jedoch nur auf Rang 5 platzieren (BMBF 2005, S. IV und 58). Es lasst sich cine Gefahrdung der zukiinftigen Wcltmarktposition Deutschlands durch die in diesem Bereich fuhrenden Lander (USA und GroBbritannien) ableiten. Es gilt, entsprechende Handlungsoptionen zu identifizieren, die cine Trendwende ermoglichen (CROOKER/FEIGE 2001, S. 17). Handlungsbedarf zeigt sich nicht nur im intemationalen Vergleich. Die aktuelle Studie zum Innovationsverhalten der deutschen Wirtschaft macht darauf aufmerksam, dass im Jahr 2004 nur ca. 22 % der Industrieuntemehmen in Deutschland Marktneuheiten, also Produkte, die zuvor noch nicht im Markt angeboten wurden, platzieren konnten. Im Vergleich zum Jahr 2002 lasst sich ein deutlicher Riickgang um ca. 6 % erkennen (ASCHHOFF et al. 2006, S. 6). Griinde fiir diese Entwicklung lassen sich nur vermuten. Hochgradige Innovationen beinhalten zwar die Chance auf iiberdurchschnittlich hohe Wachstums- und Profitraten (REID/DE BRENTANI 2004, S. 172), sind allerdings auch mit uberdurchschnittlich hohen Investitionen und Risiken verbunden (DANNEELS 2002, S. 1106). Es scheint, dass derzeit ein zunehmender Anteil deutscher Untemehmen versucht, durch eine Konzentration auf Imitationen Marktrisiken zu minimieren (ASCHHOFF et al. 2006, S. 6). Was bedeutet das aus einer handlungsorientierten Perspektivel Zielsetzung muss es sein, das seitens der deutschen Wirtschaft hohe wahrgenommene Risiko der Entwicklung hochgradig innovativer Produkte zu senken. Eine grundsatzliche Moglichkeit besteht darin, Wissen zu vermitteln, wie die Erfolgschancen neuer Produkte gesteigert werden konnen. Trotz einer Vielzahl bekannter und immer wieder bestatigter Faktoren aus der sog. Erfolgsfaktorenforschung sind die Erfolgsraten der Neuproduktentwicklung jedoch in den letzten Jahren relativ konstant geblieben (BEVERLAND et al. 2006, S. 383; COOPER 1999, S. 115). Nach wie vor scheitert die tiberwiegende Anzahl eingeftihrter Innovationen im Markt (AVLONITIS/ PAPASTATHOPOULOU 2001, S. 706; POOLTON/BARCLAY 1998, S. 203). Aktuelle Studien

identifizieren bei den von ihnen untersuchten Innovationsprojekten ahnliche Managementdefizite wie vor 30 Jahren (ERNST 2002, S. 32; JENSEN/HARMSEN 2001, S. 37). Es lasst sich ableiten, dass die bestehenden Erkenntnisse der Erfolgsfaktorenforschung bis heute nur unzureichend in der Praxis implementiert wurden (JENSEN/HARMSEN 2001, S. 38). Ein wesentlicher Grund manifestiert sich im Bereich der Wissenschaft: Bei vielen Befiinden der Erfolgsfaktorenforschung handelt es sich um grundsatzliche Handlungsorientierungen, jedoch keine konkreten Handlungsempfehlungen (HAENECKE 2002, S. 176; MELHERITZ 1999, S. 258). Entsprechend schwer tun sich Untemehmen, die Erkenntnisse nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondem auch praktisch umzusetzen.

I Einfuhrung

Das gilt im Besonderen fiir den haufig identifizierten Erfolgsfaktor Kundenorientierung (BIEMANS/HARMSEN 1995, S. 18). Kaum ein Managementcredo hat in der Vergangenheit einen ahnlich hohen Verbreitungsgrad erlangt wie die Relevanz der Ausrichtung der Unternehmenstatigkeit an den Bediirfnissen der Kunden (KLEINALTENKAMP 1996, S. 14; AAKER 1989, S. 95). Gleichzeitig verweisen aktuelle empirische Studien auf erhebliche Mangel bei der Implementierung der Kundenorientierung allgemein (MASON/HARRIS 2005, S. 373; HARRIS/PIERCY 1997, S. 33) und insbesondere im Kontext der Entwicklung neuer Produkte (EKSTROM/KARLSSON 2001, S. 24; COOPER 1999,

S. 117; BIEMANS/HARMSEN 1995, S. 16).

Es zeigt sich, dass in der Praxis ein uneinheitliches und haufig falsches Verstandnis dariiber besteht, was Kundenorientierung konkret bedeutet und wie sich das Konzept umsetzen lasst (MASON/HARRIS 2005, S. 385; EKSTROM/KARLSSON 2001, S. 18 f.).

Insgesamt betrachtet wird aus der Perspektive der Praxis ein hoher Handlungsbedarfdeutlich. Zum einen gilt es, die Internationale Wettbewerbsfahigkeit Deutschlands durch die Starkung wachstumstrachtiger Spitzentechnologien zu bewahren bzw. auszubauen. Zum anderen besteht Bedarf in der Vermittlung konkreter Handlungsempfehlungen zur Implementierung des Erfolgsfaktors Kundenorientierung. Gelingt es, Innovationen an den Bedurfnissen potenzieller Kunden auszurichten, so lassen sich die Erfolgschancen neuer Produkte erheblich steigem (HENARD/SZYMANSKI 2001, S. 368). Damit kann die Hoffnung verbunden werden, dass das wahrgenommene Risiko der Einfuhrung hochgradiger Innovationen mittelfristig sinkt und die deutsche Industrie zukunftig verstarkt auf wachstums- und profitrachtige Innovationen eines hohen Neuigkeitsgrades setzt. Forschungs bedarf fur die Wissenschaft Betrachtet man den wissenschaftlichen Stand zur Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen, so zeigt sich ebenfalls ein erhebliches Forschungspotenzial. Renommierte Forschungsinstitutionen, wie z.B. das Marketing Science Institute und das Institute for Study of Business Markets, haben seit Mitte der 90er Jahre unabhangig voneinander sowohl dem Themengebiet der Markt- bzw. Kundenorientierung (PULENDRAN et al. 2000, S. 120), als auch dem Themengebiet des Management hochgradiger Innovationen (DE BRENTANI 2001, S. 170; CHANDY/TELLIS 1998, S. 474) hochste Forschungsprioritat eingeraumt. Bezogen auf das Konstrukt der Kundenorientierung im Innovationsprojekt lasst sich ein direkter Zusammenhang zwischen der in der Praxis festgestellten mangelnden Implementierung und dem Stand der Forschung erkennen. Die Marketingwissenschafl hat sich bis dato intensiv mit dem Konstrukt der Marktorientierung auf der Untemehmensebene beschaftigt, wobei Kundenorientierung i.d.R. als eine Teilkomponente verstanden wird (z.B. KOHLI/JAWORSKI 1990, S. 3). Als kritisch erweist sich allerdings ein sehr hohes Abstraktions-

I Einfiihrung

niveau vorliegender Konzeptionen, was die dargestellten Implementierungsprobleme in der Praxis erklart (MASON/HARRIS 2005, S. 385; DANNEELS 2003, S. 575). Von dem Konstrukt der Kundenorientierung auf der Untemehmensebene abzugrenzen ist das Konstrukt der Kundenorientierung im Innovationsprojekt (AxuAHENE-GlMA 1995, S. 276). Kundenorientierung im Innovationsprojekt wurde bis dato wissenschaftlich stark vemachlassigt (REICHART 2002, S. 86). Die Marketing- und Innovationsliteratur erkennt zwar klar die Relevanz der Erfiillung von Kundenbediirfnissen, es bleibt jedoch verhaltnismaBig unklar, wie Kundenorientierung im Innovationsprojekt konkret umgesetzt werden kann (LANGERAK 2003, S. 460; BlEMANS 2003, S. 517). Forschungsbedarf besteht damit vor allem im Bereich der verhaltensorientierten Konzeptualisierung des Konstruktes (MATSUO 2006, S. 242; KOK et al. 2003, S. 155; KARLE-KOMES 1997, S. 26).

Auch das zweite, dem Thema dieser Arbeit immanente Grundkonzept, das Konzept hochgradiger Innovationen, stand bis dato nur selten im Fokus der Wissenschaft (VERYZER 2005, S. 24). Die meisten Beitrage zur Innovationsforschung konzentrieren sich auf die Untersuchung inkrementaler Innovationen bzw. differenzieren nicht zwischen Innovationen verschiedener Neuigkeitsgrade (KUMAR/SCHEER 1998, S. 2). Erste Beitrage machen jedoch darauf aufmerksam, dass sich das Management hochgradiger Innovationen vom Management inkrementaler Innovationen unterscheidet (z.B. SALOMO etal. 2004, S. 1123; SALOMO etal. 2003, S. 184; SONG/MONTOYA-WEISS 1998, S. 132). Daraus lasst sich ableiten, dass Kundenorientierung an den Kontext hochgradiger Innovationen angepasst werden muss (BIEMANS/HARMSEN 1995, S. 23; AAKER 1989, S. 95).

Betrachtet man spezifisch das Konstrukt der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen, so ist der Stand der Forschung als rudimentar einstufen (SANDBERG 2005, S. 255; CALLAHAN/LASRY 2004, S. 107; LETTL 2004, S. 94; HILLS/SARIN 2003, S. 21). Einige Fallstudienansatze (SANDBERG 2005; LETTL 2004) beschaftigen sich zwar mit Teilaspekten des Themas (z.B. Rolle von Anwendem im Innovationsprozess), eine ganzheitliche Betrachtung des Konstruktes bleibt jedoch aus. Bis auf Ausnahmen (SANDBERG 2005) konzentrieren sich vorliegende Ansatze auf den Aspekt der Hervorbringung hochgradiger Innovationen, ohne jedoch die Durchsetzung der Innovation im Markt in angemessener Weise zu berucksichtigen (BAIER 1999, S. 5).

Neben der Frage, was Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen tiberhaupt bedeutet, besteht ein erheblicher Forschungsbedarf in der Betrachtung der Erfolgswirkung kundenorientierter Managementaktivitaten (ATUAHENE-GIMA et al. 2005, S. 476; HILLS/SARIN 2003, S. 21; FRAMBACH et al. 2003, S. 394). Der Erfolgseinfluss einer Orientierung am Kunden wird im Kontext hochgradiger Innovationen kontrovers diskutiert (MATSUO 2006, S. 243; ALAM 2006, S. 471; VERYZER 2005, S. 24). Ein Aspekt betrifft die sog. ,Gefahr des Inkrementa-

I Einfuhrung

lismus', auf die insbesondere in der fruhen Marketingliteratur (z.B. TAUBER 1974) verwiesen wird. Es wird befiirchtet, dass hochgradige Innovationskonzepte von potenziellen Kunden zunachst abgelehnt warden, woraus lediglich Weiterentwicklungen bestehender Produkte resultieren. BENNETT/COOPER (1979, S. 78) verdeutlichen die Problematik der ,Gefahr des Inkrementalismus' sehr anschaulich: „Picture the would-be market researcher eighty years ago attempting to gauge market reaction to a proposed new product, the automobile. Respondents to any questionnaire would have assured the marketoriented innovator that cars would frighten horses, make too much noise, run too fast, and be generally unreliable. The competition of that time, the horse, would be judged just too strong for a successful market entry."

Insbesondere in praxisorientierten Beitragen wird teilweise sogar gefordert, potenzielle Kunden in hochgradigen Innovationsprojekten ,zu ignorieren' (MARTIN 1995, S. 83). Andere Autoren machen im Gegenzug deutlich, dass eine Befolgung dieses Ratschlages schwerwiegende negative Konsequenzen ftir die Akzeptanz hochgradiger Innovationen im Markt haben kann (z.B. DANNEELS 2003, S. 572). Wissenschaftlich betrachtet mangelt es bis heute an einer fundierten, theoriegeleiteten Untersuchung dieser Fragestellung (SRIVASTAVA etal. 2001, S. 796). Daruber hinaus sind erste empirische Befunde, die Aussagen zum Einfluss der Kundenorientierung auf den Erfolg hochgradiger Innovationen zulassen, z.T. widerspriichlich (MATSUO 2006, S. 243; VERYZER 2005, S. 24). Ein wesentlicher Grund ist darin zu vermuten, dass bis dato kein einheitliches Verstdndnis des Konstruktes vorliegt. Vorhandene Befunde stammen haufig aus qualitativen Studien bzw. beschaftigen sich nur mit Teilaspekten der Kundenorientierung. Daruber hinaus wird i.d.R. nicht die komplexe, mehrdimensionale Struktur des Innovationsgrades (SALOMO 2003) benicksichtigt, was die Validitat vorhandener Beftinde grundsatzlich in Frage stellt (ZHOU et al. 2005, S. 55).

Aus wissenschaftlicher Perspektive lasst sich insgesamt festhalten, dass eine ganzheitliche Betrachtung der inhaltlichen Komponenten einer Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen und darauf aufbauend eine fundierte Analyse der Erfolgswirkung des Konstruktes bis dato nicht vorliegt. Aus dem dargestellten Forschungsbedarf fur die Praxis und Wissenschafl lassen sich die Zielsetzungen dieser Arbeit ableiten. Zielsetzungen der Arbeit Ein wesentliches Ziel der Arbeit besteht in der Konzeptualisierung des Konstruktes der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen. Untersuchungsobjekt ist - in Abgrenzung zur Untemehmensebene - das Innovationsvorhaben (Projektebene). Eine situationsspezifische Konzeptualisierung verlangt zunachst eine Auseinandersetzung mit den Besonderheiten hochgradiger Innovationen. Obwohl das Konstrukt der Kundenorientierung auf der Projektebene sich konzeptionell von der Markt- bzw. Kundenorientierung auf der Untemeh-

I Einfiihrung

mensebene unterscheidet (ATUAHENE-GIMA 1995, S. 276), bestehen deutliche inhaltliche Parallelen. Entsprechend soil auf den Stand der Forschung zur Marktorientierung auf der Untemehmensebene zuriickgegriffen werden. Mangels eines einheitlichen Verstandnisses des Phanomens (MATSUNO etal. 2005, S. 1) sollen bestehende Perspektiven und Erkenntnisse kritisch diskutiert werden. Dabei soil der aktuellen Forderung (BEVERLAND et al. 2006, S. 384; ATUAHENE-GIMA et al. 2005, S. 465) nachgekommen werden, nicht nur traditionelle, sondem dariiber hinaus auch neuere Perspektiven der Marktorientierung zu beriicksichtigen (z.B. marktgeleitete versus marktgestaltende Formen des Konstruktes). Eine weitere Zielsetzung dieser Arbeit besteht in einer empirischen Bestandsaufnahme. Es soil der Frage nachgegangen werden, wie kundenorientiert die deutsche Wirtschaft in hochgradigen Innovationsprojekten gegenwartig agiert. Basis der Datenerhebung ist der sog. Innovationskompass, eine interdisziplinare Forschungskooperation der Technischen Universitat Berlin, McKinsey & Company und dem Verein Deutscher Ingenieure (VDI und VDI Nachrichten). Aufgrund konzeptioneller Unterschiede zwischen Produkten und Dienstleistungen (ALAM 2006, S. 469; KiRCA etal. 2005, S. 35; ATUAHENE-GIMA 1995, S. 288) konzentriert sich der Innovationskompass auf die Untersuchung von Produktinnovationen. Brancheniibergreifend werden sowohl Business-to-Business- (BtoB-) als auch Business-to-Consumer(BtoC-) Innovationen untersucht. Diese Vorgehensweise ist insofem gerechtfertigt, als dass empirische Studien in der Vergangenheit sowohl bezogen auf die Orientierung am Markt (HoMBURG etal. 1999, S. 11; DESHPANDE/FARLEY 1998a, S. 222; AVLONITIS/GOUNARIS 1997, S. 398 f) als auch bezogen auf das Management von Innovationen (HULTINK/ROBBEN 1999, S. 552; HANNA et al. 1995, S. 53 f.) keine bzw. nur geringfiigige Unterschiede zwischen BtoB- und BtoC-Untemehmen feststellen konnten. Grundsatzlich gilt es, zwischen einer deskriptiven Betrachtung des Status Quo und dem Erfolgseinfluss der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen zu unterscheiden. Die vorliegende Arbeit adressiert das identifizierte Forschungsdefizit in zweifacher Hinsicht. Zum einen soil eine theoretische und literaturgestiitzte Erfolgsableitung vorgenommen werden. Entsprechend bestehender Anforderungen an die Erfolgsfaktorenforschung (ERNST 2002, S. 33) sollen geeignete theoretische Erklarungsansatze herangezogen sowie vorhandene konzeptionelle und empirische Befunde umfassend und systematisch diskutiert werden. Zum anderen soil auf Basis der Innovationskompass-Daten eine empirische Uberprilfung des Erfolgseinflusses der Kundenorientierung erfolgen. Zur Berucksichtigung von Kontingenzen soil zusatzlich die moderierende Wirkung des Innovationsgrades in das Untersuchungsmodell integriert werden.

I Einfuhmng

Es lassen sich folgende sechs Forschungsfragen ableiten, die im Rahmen dieser Arbeit beantwortet werden: (1) Was sind die Besonderheiten hochgradiger Innovationen aus Hersteller- und Kundensicht? (2) Wie wird Marktorientierung auf der Untemehmensebene konzeptualisiert und welche Erkenntnisse bestehen zum Erfolgseinfluss? (3) Was sind die zentralen Elemente des Konstruktes Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen? (4) Durch welche Merkmale ist die Kundenorientierung deutscher Untemehmen in hochgradigen Innovationsprojekten gepragt? (5) Inwieweit lasst sich ein Erfolgseinfluss der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen theoretisch sowie auf Basis der konzeptionellen und empirischen Literatur ableiten? (6) Inwieweit lasst sich ein Erfolgseinfluss der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen im Rahmen einer integrierten Betrachtung empirisch bestatigen?

I Einfuhrung

2 Forschungsmethodik und Aufbau der Arbeit In der wissenschaftlichen Forschung konnen zwei prototypische Forschungsansatze unterschieden werden. Die im Rahmen des kritischen Rationalismus (POPPER 1934) geforderte deduktiv-nomologische Erkldrungsmethode ist dadurch gepragt, dass theoretisch abgeleitete Hypothesen mit der Realitat konfrontiert werden, was zu einer Bewahrung bzw. Verwerfung der Hypothesen fiihrt. Im Mittelpunkt des empirischen Induktivismus steht hingegen die Interpretation von Einzelbeobachtungen (z.B. aus Fallbeispielen, Expertengesprachen), um so zu einem Nachweis einer GesetzmaBigkeit zu kommen (Induktionsprinzip). Deduktion und quantitative Forschung sowie Induktion und qualitative Forschung werden dem Anspruch der Forschungspraxis entsprechend i.d.R. jeweils als eine zusammengehorige Einheit betrachtet (TOMCZAK1992, S. 77ff.). Die Kritik an der in der Marketingforschung dominierenden deduktiv-nomologischen Erklarungsmethode nimmt zu. Haufig besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen theoretischem Anspruch und Forschungspraxis. Im Marketing konnen z.B. mangels ausreichender theoretischer Durchdringung in vielen Themenfeldem nur ad hoc-Hypothesen gebildet werden. Dariiber hinaus konnen die anspruchsvollen Anforderungen an den quantitativen Forschungsprozess nur selten vollstandig realisiert werden (HAENECKE 2002, S. 177). So sind Theorien z.B. nicht immer falsifizierbar, da nicht alle relevanten Einflussfaktoren im Rahmen der Empiric kontrolliert werden konnen (KUBICEK 1997, S. 49). Provokative Kritiker behaupten, dass der Unterschied der beiden Ansatze haufig lediglich darin bestehe, „dass es sich einmal um einen expliziten und das andere Mai um einen verkappten Induktivismus handelt" (TOMCZAK 1992, S. 82). Es stellt sich die Frage, inwieweit eine strikte Abgrenzung der beiden Forschungskonzeptionen zielfiihrend ist. Insbesondere in relativ jungen Forschungsfeldem, wie z.B. der Innovationsforschung, wird zunehmend eine starkere Integration der deduktiven/quantitativen und induktiven/qualitativen Forschung gefordert: „Much NPD [new product development] research would lead to richer results if it would combine quantitative and qualitative approaches in innovative research designs," (BIEMANS 2003, S. 522; ahnlich MAHAJANAVIND 1999, S. 10)

Einen interessanten Ansatzpunkt bietet die sog. realitdtsorientierte Forschung (TOMCZAK 1992, S. 83 f.), ein Ansatz, der in den Bereich des wissenschaftlichen Realismus (scientific realism; HUNT 1990, S. 8 f.) einzuordnen ist. Ausgangspunkt der realitatsorientierten Forschung ist ein praxisrelevantes Problem bzw. ein Phanomen, das bis dato nur unzureichend theoretisch durchdrungen wurde. Ziel ist es, durch einen theoriegeleiteten Empirismus das Phanomen zu beschreiben, zu erklaren und zu losen. Der Forschungsprozess stellt eine kontinuierliche und iterative Interaktion zwischen einer Konfrontation mit der Realitat und einer

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lEinftihrung

theoretischen Verarbeitung dar und kann nach KUBICEK (1977) als explorativer Lernprozess verstanden werden. Sobald der Bezugsrahmen soweit entwickelt wurde, dass er genugend Verstandnis fiir das untersuchte Problem liefert, kann eine Hypothesenableitung und -priifung im herkommlichen Sinne erfolgen. Die Ergebnisse stellen dann wiederum den Ausgangspunkt weiterfuhrender Forschung dar (TOMCZAK 1992, S. 83 f.). Wie im vorangegangenen Abschnitt ausfiihrlich dargestellt wurde, zeichnet sich das Phanomen der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen durch eine hohe Praxisrelevanz und gleichzeitig einen sehr begrenzten Forschungsstand aus. Beides spricht fur einen realitatsorientierten Forschungsansatz, der fiir den Kontext dieser Arbeit in der folgenden Abbildung schematisch dargestellt ist (TOMCZAK 1992, S. 84; KUBICEK 1977, S. 13 ff.).

) Stand der Forschung ^ Konzeptualisierung zur Marktorientierung \ \ Kundenorientierung auf der yv bei hochgradigen Unternehmensebene// Innovationen

>\ Empirische y, Ableitung von \ \ Bestandsaufnahme \ \ Hypothesen zum ^y (quantitativ / / Erfolg der Kunden// & qualitativ) ^y orientierung

Abb. 1: Verfolgter Forschungsansatz: Realitatsorientierte Forschung Quelle: Eigene Darstellung

Basierend auf einer geeigneten theoretischen Perspektive nimmt der Forscher zunachst eine gedankliche und sprachliche Strukturierung der Themenstellung vor. Ergebnis eines solchen Lemprozesses ist ein heuristischer Bezugsrahmen bzw. provisorisches Erklarungsmodell, das als Orientierungshilfe den weiteren Forschungsprozess steuert. Aufgrund der inhaltlichen Nahe dient in der vorliegenden Arbeit der Stand der Forschung zur Marktorientierung auf der Untemehmensebene als theoretische Basis. Darauf aufbauend erfolgt im zweiten Schritt die Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen, was den heuristischen Bezugsrahmen der Arbeit darstellt. Ziel der sich anschlieBenden Datenerhebung ist es, den heuristischen Bezugsrahmen mit der Realitat zu konfrontieren und ihn so zu prazisieren. Auf der Basis der empirischen Bestandsaufnahme erfolgt zunachst eine Beschreibung des Status Quo der Kundenorientierung in hochgradigen Innovationsprojekten. Die Datenerhebung basiert dabei nicht klassisch induktiv auf einer begrenzten Anzahl an Einzelbeobachtungen/Fallstudien, sondem auf einer vergleichsweise breiten Datenbasis. Qualitative Studien haben in der Vergangenheit gezeigt, dass mit Kundenorientierung assoziierte Managementaktivitaten in den einzelnen Projekten sehr unterschiedlich ausgepragt sein konnen (z.B. SANDBERG 2005, S. 246; LETTL 2004, S. 296 f). Das limitiert den Erkenntnisgewinn von Fallstudien und verdeutlicht den Bedarf einer moglichst groBzahligen Untersuchung des Phanomens in seiner gesamten Breite (SANDBERG 2005, S. 261). Mit einer Stichprobe von iiber 100 hochgradigen Innovations-

I Einfiihrung

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projekten widmet sich die vorliegende Arbeit diesem Forschungsbedarf. Neben der quantitativen Erhebung von Daten mittels eines standardisierten Interviewleitfadens werden im personlichen Gesprach auch qualitative Informationen gewonnen. Im Anschluss an die empirische Bestandsaufnahme wird im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem Erfolgseinfluss der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen zunachst emeut eine theoretische Perspektive eingenommen. Dazu werden neben bestehenden konzeptionellen und empirischen Erkenntnissen zwei verschiedene, sich erganzende Theorien berucksichtigt. Damit folgt die Arbeit der Forderung nach theoretischer Pluralitat (SETH/ THOMAS 1994, S. 185). Der Bezugsrahmen wird auf diese Weise soweit prazisiert, dass eine Hypothesenableitung moglich ist. Die aufgestellten Hypothesen werden im letzten Forschungsschritt empirisch iiberpruft. Betrachtet man das Spektrum vorhandener Studien zu Erfolgsfaktoren von Innovationen, so lassen sich diese bezogen auf ihre Reichweite/Spezifitat auf ein Kontinuum einordnen. An dem einen Ende befinden sich Studien zu auBerst generellen, allgemein giiltigen Erfolgsfaktoren (i.d.R. basierend auf quantitativen Studien); an dem anderen Ende zu auBerst spezifischen Erfolgsfaktoren (i.d.R. basierend auf Fallstudien; TROMMSDORFF/BINSACK 1999, S.lll). Die vorliegende Arbeit lasst sich in der Mitte des Kontinuums positionieren: Durch die Fokussierung auf das Phanomen der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen erfolgt eine Spezifizierung, die Analyse von iiber 100 Fallen ermoglicht jedoch gleichzeitig auch eine Betrachtung in der Breite. Der Untersuchungsanspruch ist als quantitativ-explorativ einzustufen (HAENECKE 2002, S. 167 f). Die Ergebnisse sind dementsprechend als Basis fur weiterfuhrende Forschungsbemiihungen zu interpretieren. Der verfolgte Forschungsansatz fiihrt zu dem in der Abbildung 2 visualisierten Aufbau der Arbeit. Die Arbeit gliedert sich in sechs Telle. Im Anschluss an die Einfiihrung (Kapitel 1 & 2) werden im zweiten Teil die theoretisch-konzeptionellen Grundlagen der Arbeit behandelt. Zunachst wird das Konstrukt der Innovation herangezogen (Kapitel 3). Nach der Darstellung von Grundlagen (3.1) wird der Neuigkeitsgrad von Innovationen mit seinen Auswirkungen fokussiert (3.2). Das Kapitel endet mit einer Darstellung ausgewahlter Ansatze zur Interaktion zwischen Herstellem und Kunden im Innovationsprozess (3.3). Kapitel 4 beschaftigt sich mit dem Konstrukt der Marktorientierung auf der Unternehmensebene. Ziel ist es, Erkenntnisse zur Konzeptualisierung des Teilkonstruktes der Kundenorientierung auf der Projektebene abzuleiten. Nach einer Konstrukteinordnung und Begriffsabgrenzung (4.1) werden vorhandene Perspektiven der Marktorientierung vorgestellt und diskutiert (4.2). AnschlieBend wird der Erfolgseinfluss der Marktorientierung fokussiert (4.3). Das Kapitel endet mit einer Zusammenfassung und der Ableitung von Forschungspotenzialen (4.4).

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I Einfiihrung

Der dritte Teil der Arbeit widmet sich der Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen (Kapitel 5) und der empirischen Bestandsaufnahme (Kapitel 6). Zu Beginn des funften Kapitels wird zunachst der Untersuchungsfokus festgelegt und der Stand der Forschung dargestellt (5.1). Aufbauend auf einem Basisverstandnis des Konstruktes (5.2) erfolgt die Entwicklung der Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen (5.3), bestehend aus den drei Saulen Intelligence Generation, Intelligence Dissemination und Responsiveness. Das Kapitel endet mit einer zusammenfassenden Darstellung (5.4). Im Kapitel 6 erfolgt anschlieBend basierend auf den Daten des Forschungsprojektes Innovationskompasss die empirische Bestandsaufnahme, wobei zwischen dem Design der empirischen Untersuchung (6.1), den deskriptiven Ergebnissen (6.2) und einer Zusammenfassung (6.3) unterschieden wird. Der vierte Teil der Arbeit beschaftigt sich mit der Frage, inwieweit Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen einen positiven Einfluss auf den Erfolg hat. Zunachst wird die theoriebasierte Ableitung des Erfolgszusammenhanges vorgenommen (Kapitel 7). Nach einer Auswahl geeigneter theoretischer Ansatze (7.1) werden der ressourcenbasierte Ansatz (7.2) und die Ressourcenabhangigkeitsperspektive (7.3) herangezogen. Das Kapitel endet mit einer Zusammenfassung und einer theoriebasierten Hypothesenableitung (7.4). Kapitel 8 betrachtet den Zusammenhang zwischen Kundenorientierung und dem Erfolg hochgradiger Innovationen basierend auf konzeptionellen und empirischen Beitrdgen aus der Literatur. Nach einem kurzen Uberblick zu Befunden aus der allgemeinen Erfolgsfaktorenforschung (8.1) werden Beflinde im Kontext hochgradiger Innovationen fokussiert (8.2). AbschlieBend werden die Ergebnisse zusammengefasst und die Hypothesen abgeleitet (8.3). Im funften Teil der Arbeit wird der Erfolgseinfluss der Kundenorientierung empirisch iiberpruft. Kapitel 9 widmet sich der Konzeption der Erfolgsuberpriifung. Dazu werden die Hypothesen im Untersuchungsmodell und erganzende Fragestellungen (9.1), die Operationalisierung der zentralen Konstrukte (9.2) und die Methodik (9.3) erlautert. Kapitel 10 beinhaltet die Ergebnisse der empirischen Untersuchung. Der sechste und letzte Teil beinhaltet eine Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse der Arbeit (Kapitel 11) und die Ableitung von Implikationen (Kapitel 12) fiir die Forschung (12.1) und Praxis (12.2).

I Einfiihrung

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I Einfuhrung (Kap. 1 & 2) II Theoretlschkonzeptionelie Grundlagen

III Konzeptualisierung & Emplrische Bestandsaufnahme

Innovationen (Kap. 3) Marktorientierung auf der Untemehmensebene (Kap. 4) Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei iiocligradigen Innovationen (Kap. 5) Empirische Bestandsaufnahme (Kap. 6)

IV Theoretische & literaturgestutzte Erfolgsableitung der Kundenorientierung

Theoriebasierte Erfolgsableitung (Kap. 7)

V Empirische Uberprijfung des Erfolgseinflusses

Konzeption der Erfolgsuberprufung (Kap. 9)

Erfolgsableitung aus der konzeptionellen und empirischen Literatur (Kap. 8)

Ergebnisse (Kap. 10)

VI Zusammenfassung & Impllkationen (Kap. 11 & 12) Abb. 2: Aufbau der Arbeit

II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen

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II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen Die folgende Betrachtung theoretisch-konzeptioneller Grundlagen dient einer Einflihrung in far diese Arbeit relevante, grundlegende Forschungsrichtungen. Ein wesentliches Ziel der Arbeit ist die Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen. Dazu bedarf es einer Auseinandersetzung mit den beiden immanenten Grundkonzepten: (Hochgradige) Innovationen und Kundenorientierung. Zunachst beschaftigt sich Kapitel 3 mit Innovationen, wobei der Neuigkeitsgrad von Innovationen und seine Auswirkungen im Vordergrund stehen. AnschlieBend wird das zweite Grundkonzept dieser Arbeit, Kundenorientierung, fokussiert. Kundenorientierung wird in der Literatur i.d.R. als eine Teilkomponente der Marktorientierung verstanden (z.B. KOHLI/JAWORSKI 1990, S. 3). Als Schlusselkonstrukt im Marketing hat die Marktorientierung auf der Untemehmensebene enorme Beachtung in der wissenschaftlichen Forschung erlangt. Davon abzugrenzen ist die Projektebene (ATUAHENE-GIMA 1995, S. 276), die in der Forschung bis dato vemachlassigt wurde. Aufgrund der inhaltlichen Parallelen orientiert sich die zu entwickelnde Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen (Projektebene) am Stand der Forschung zur Marktorientierung auf der Untemehmensebene (Kapitel 4).

3 Innovationen Eine Auseinandersetzung mit dem Konzept der Innovation verlangt zunachst die Beriicksichtigung von Grundlagen (3.1). Neben den Begriffen Innovation und Innovationsmanagement (3.1.1) werden die Themenaspekte Erfolg von Innovationen (3.1.2) sowie Adoptions- und Diffusionsforschung (3.1.3) im Uberblick vorgestellt. AnschlieBend wird der Neuigkeitsgrad von Innovationen fokussiert (3.2). Aufbauend auf einer Auseinandersetzung mit dem Konstrukt des Neuigkeitsgrades von Innovationen in der wissenschaftlichen Literatur (3.2.1) werden Besonderheiten hochgradiger Innovationen herausgearbeitet (3.2.2) und anschlieBend das Konzept als Kontingenzfaktor in der Erfolgsfaktorenforschung thematisiert (3.2.3). Das Kapitel endet mit einer Darstellung ausgewahlter Ansatze zur Interaktion zwischen Herstellem und Kunden im Innovationsprozess (3.3). 3.1 Grundlagen zur Innovation 3.1.1 Innovation und Innovationsmanagement Der Begriff der Innovation lasst sich auf den Heiligen Augustin (um 400 nach Christus) zuriickverfolgen. Er verwendete den kirchenlateinischen Begriff wenn er von Erneuerung Oder Verdnderung sprach. In Deutschland verbreitete sich der Begriff durch die deutsche

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Ubersetzung des Buches ,Business Cycles' von Joseph SCHUMPETER (1939), in dem sich ein Kapitel ausfiihrlich mit der ,Theorie der Innovation' beschaftigt (QUADBECK-SEEGER 1998, S. 101). Das Innovationsphanomen wird in zahlreichen wissenschaftlichen Disziplinen thematisiert, wobei bis dato kein einheitlicher, allgemein akzeptierter Innovationsbegriff vorliegt (DETHLOFF 2004, S. 16 f.; REICHART 2002, S. 16). HAUSCHILDT (2004, S. 7) kommt auf der

Basis einer Klassifikation vorhandener Definitionen zu folgender Schlussfolgerung: „Innovationen sind im Ergebnis qualitativ neuartige Produkte oder Verfahren, die sich gegenuber dem vorangehenden Zustand merklich - wie immer das zu bestimmen ist - unterscheiden. Diese Neuartigkeit muss wahrgenommen, muss bewusst werden. Die Neuartigkeit besteht darin, dass Zwecke und Mittel in einer bisher nicht bekannten Form verkniipft werden."

Der Autor bedient sich dem wirtschaftswissenschaftlichen Theorem der Zweck-Mittel-Beziehung: Neue Mittel werden durch neue Technologien offeriert, die Erfiillung neuer Zwecke wird durch die Nachfrage gewiinscht bzw. gefordert. Innovation liegt bei einer neuartigen Zweck-Mittel-Kombination vor. Die reine Idee fiir eine neue Zweck-Mittel-Kombination reicht jedoch nicht aus; Innovation beinhaltet neben einer Idee/Erfmdung (invention) auch deren Umsetzung (exploitation, ROBERTS 1988, S. 12 f.). Betriebswirtschaftlich betrachtet unterscheiden sich Innovationen von Inventionen durch einen marktwirtschaftlichen Verwertungs- bzw. einen innerbetrieblichen Nutzungsaspekt (HAUSCHILDT 2004, S. 8 ff.), Zu einem tieferen Verstandnis des Innovationsbegriffes werden im Folgenden die objekt-, subjekt- und prozessbezogene Dimension der Innovation vorgestellt (vgl. HAUSCHILDT 2004, S. 8 ff.; WElBERetal. 1999, S. 85 f.). Objektbezogene Dimension der Innovation Die objektbezogene Dimension der Innovation (z.T. auch inhaltliche Dimension genannt; vgl. HAUSCHILDT 2004, S. 8) beschaftigt sich mit der Frage: ,Was ist neu?'. In diesem Zusammenhang wird in der Literatur zunachst zwischen Produkt- und Prozessinnovationen (UTTERBACK/ABERNATHY 1975) unterschieden. Produktinnovationen sind ausgerichtet auf neue Losungen von Kundenproblemen. Sie offerieren eine Leistung, die neue Zwecke erfiillt oder vorhandene Zwecke auf eine neuartige Art und Weise lost. Subsumiert werden unter dem Begriff Produkt haufig nicht nur materielle Wirtschaftgiiter, sondem auch immaterielle, produktbezogene Dienstleistungen (HOMBURG/KROHMER 2003, S. 459). Prozessinnovationen bezeichnen neue Faktorkombinationen im innerbetrieblichen Leistungserstellungsprozess. Ziel ist eine Steigerung der Effizienz, indem die Produktion eines Gutes zu geringeren Kosten, einer verbesserten Qualitat, schneller oder sicherer erfolgt (HAUSCHILDT 2004, S. 11; TROMMSDORFF 1991, S. 179). Strukturelle, soziale, rechtliche, meist innerbetriebliche Anderungen mit langfristigem Zeithorizont (sog. organisationale Innovationen) konnen als eine spezielle Form der Prozessinnovation verstanden werden (BROCKHOFF 2002, S. 25 f).

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Ein weiterer Aspekt der objektbezogenen Dimension ist die Frage nach der Induzierung der Innovation. Bei sog. Marktsoginnovationen (market pull) bilden Nachfragerbediirfnisse den Ausgangspunkt der Innovationstatigkeit des Anbieters, wahrend Technologiedruckinnovationen (technology push) von Inventionen initiiert werden, ftir die anschlieBend Anwendungspotenziale gesucht werden (HAUSCHILDT 2004, S. 7 ff.; WEIBER etal. 1999, S. 104). Die Innovationsforschung hat sich in den 1970er Jahren ausfuhrlich mit der Frage der relativen Vorteilhaftigkeit dieser beiden Innovationsarten beschaftigt, wobei vorliegende Beflinde widersprtichlich sind (siehe im Uberblick ORIHATA/WATANABE 2000, S. 14 f.; CHIDAMBER/ KON 1994, S. 96 ff.; ROBERTS 1988, S. 18). Mittlerweile ist sich die Literatur weitestgehend dariiber einig, dass die Diskussion u.a. aufgrund erheblicher Schwierigkeiten der Einordnung einer Innovation als Marktsog- bzw. Technologiedruckinnovation nicht zielfiihrend ist (HERSTATT/LETTL 2004, S. 158; BROCKHOFF 2002, S. 31). (Erfolgs-) Relevant ist aus heutiger Sicht weniger die Frage der Induzierung der Innovation als die Frage, wie Technologic- und Marktpotenziale synergetisch in Einklang gebracht werden konnen (DETHLOFF 2004, S. 9; CHIDAMBER/KON 1994, S. 107).

SchlieBlich kann der Neuigkeitsgrad einer Innovation (auch Innovationsgrad genannt) als ein Aspekt der objektbezogenen Dimension der Innovation verstanden werden. Das Konstrukt bezieht sich auf den graduellen Unterschied der Innovation im Vergleich zum Status Quo (HAUSCHILDT 2004, S. 14). Aufgrund seiner zentralen Bedeutung fiir diese Arbeit wird der Neuigkeitsgrad von Innovationen im Abschnitt 3.2 ausfuhrlich behandelt. Subjektbezogene Dimension der Innovation Eine weitere Dimension der Innovation ist die Frage, fur wen die Innovation neu ist (HAUSCHILDT 2004, S. 22 ff). Neuartigkeit ist subjektiv: Je nach Perspektive kann eine Innovation als mehr oder weniger neuartig wahrgenommen werden. Eine Objektivierung des Neuigkeitsbegriffs kann durch die Frage nach der objektiven Erstmaligkeit der Innovation erfolgen: Handelt es sich um eine Welt-Neuartigkeit? Aus einem Managementblickwinkel ist eine Objektivierung jedoch nicht zweckmaBig (HAUSCHILDT 2004, S. 24). Aus der Sicht des innovierenden Untemehmens ist es unerheblich, ob die Innovation auch von anderen innovierenden Untemehmen als neuartig empfunden wird. Die subjektiv wahrgenommene Neuartigkeit ftihrt zu untemehmensindividuellen Herausforderungen (HAUSCHILDT 2004, S. 69; TROMMSDORFF 1991, S. 179).

Neben der Marktangebotsseite betrifft die Frage der Subjektivitat auch die Nachfrageseite (TROMMSDORFF 2000, S. 38; WEIBER etal. 1999, S. 86): Die wahrgenommene Neuartigkeit einer Innovation hat einen entscheidenden Einfluss auf Informationsverarbeitungs- und tJbernahmeprozesse potenzieller Kunden im Markt (BINSACK 2003, S. 271 ff). In der Innovationsforschung dominiert die subjektive Auffassung des Innovationsbegriffs (HAUSCHILDT 2004, S. 24; HELM 2001, S. 49 f; SCHLAAK 1999, S. 30). Das heiBt, der MaBstab fur die Ein-

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schatzung der Neuartigkeit liegt nicht innerhalb der Innovation selbst, sondem bei dem die Innovation subjektiv wahmehmenden Individuum. Dieses Verstandnis spiegelt sich auch in der weit verbreiteten Innovationsdefinition von ROGERS (2003, S. 12) wider: „An innovation is an idea, practice, or object that is perceived as new by an individual or other unit of adoption:' (H.d.V.)

Prozessbezogene Dimension der Innovation Die prozessbezogene Dimension der Innovation zielt auf spezifische Charakteristika im Verlauf der Entstehung einer Innovation. Der Innovationsprozess lasst sich durch zeitliche Phasen charakterisieren und umfasst die Gesamtheit der Aktivitaten, die im Zusammenhang mit der Erschaffling und Einfiihrung einer Innovation stehen (VERWORN/HERSTATT 2002, S. 2; TROMMSDORFF 1991, S. 179). In der Literatur existiert eine Vielzahl an Modellen zum Innovationsprozess, die sich terminologisch, durch die Anzahl der Prozessphasen, die Differenziertheit der Strukturierung und Annahmen tiber Sukzessivitat oder Parallelitat unterscheiden (COOPER 1994, S. 3 ff; siehe zu Prozessmodellen im Uberblick VERWORN/HERSTATT 2002, S. 3 ff.). Phasenmodelle sind idealisierte Abbildungen der Realitat, die zur Komplexitatsreduktion beitragen. Ein sehr hoher Differenzierungsgrad steht einem branchen- und situationsunabhangigen, allgemein gtiltigen Modell entgegen (VERWORN/HERSTATT 2002, S. 10). Einige Phasenmodelle widmen sich dieser Problematik, indem sie eine generische Phasenabfolge definieren. GERPOTT (1999, S. 52 ff.) unterscheidet beispielsweise die drei Phasen Ideengenerierung, Ideenkonkretisierung und Ideenkommerzialisierung. Die Ideengenerierung bezieht sich auf eine zweck- und/oder mittelinduzierte Ideensuche und -vorauswahl. Die Phase endet mit einer positiven bzw. negativen Entscheidung zur weiteren Verfolgung der Innovationsidee. In der zweiten Phase, der Ideenkonkretisierung^ steht die technologische Realisierung und die Untersuchung der Marktchancen der Innovation im Vordergrund. Die Ideenkommerzialisierung umfasst die Vorbereitung der Produktion und die Einfiihrung der Innovation in den Markt (vgl. ahnlich GERYBADZE 2004, S. 11 f; ALBERS/EGGERS 1991, S. 48)

Innovationsmanagement bezieht sich auf die bewusste Gestaltung von Innovationsprozessen sowie des Systems innerhalb dessen sich die Prozesse vollziehen (HAUSCHILDT 2004, S. 29 f). Dabei kann zwischen der Portfolio- und der Projektebene unterschieden werden (BILLING 2003, S. 16; TROMMSDORFF et al. 1991, S. 567). Auf der Portfolioebene zielt Innovationsmanagement vor allem auf die strategische Effektivitat (,doing the right projects'); auf der Ebene des Innovationsprojektes auf die operative Effizienz der Entwicklung und Vermarktung der Innovation (,doing projects right'; COOPER 1999, S. 115f). Innovationsmarketing umfasst alle marktorientierten Aufgaben des Innovationsmanagement, d.h. alle strategischen und operativen Marketingaktivitaten in Verbindung mit der Erschaffung und

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Einfiihrung einer Innovation (SATTLER/SCHRADER 1995, Sp. 996; TROMMSDORFF 1991, S. 178). Insgesamt betrachtet kann folgende Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes vorgenommen werden: Die vorliegende Arbeit betrachtet Produktinnovationen, die sowohl marktals auch technologieinduziert sein konnen, schlieBt jedoch Dienstleistungen aufgrund ihrer konzeptionellen Besonderheiten (KiRCA et al. 2005, S. 35) aus. Dariiber hinaus erfolgt eine Fokussierung auf Innovationen eines verhaltnismaBig hohen Neuigkeitsgrades, sog. hochgradige Innovationen (vgl. ausftihrlich 3.2.1). Die Arbeit schlieBt sich dabei der subjektiven Auffassung des Innovationsbegriffes an und differenziert zwischen der Wahmehmung des Neuigkeitsgrades von Innovationen aus Hersteller- und Kundensicht (vgl. ausftihrlich 3.2.2). Die Arbeit konzentriert sich auf die Betrachtung von Innovationsvorhaben und damit auf die Untersuchung von Aktivitaten auf der Projektebene. Im Rahmen einer Phasenbetrachtung findet die prozessbezogene Dimension der Innovation an geeigneten Stellen Beriicksichtigung. Durch die Betrachtung des Konstruktes der Kundenorientierung lasst sich die Arbeit thematisch in den Bereich des Innovationsmarketing einordnen. 3.1.2 Erfolg von Innovationen Innovationsmanagement zielt auf Erfolg (HAUSCHILDT 1991, S. 452). Durch geeignete Managementaktivitaten kann der Erfolg einer Innovation zwar nicht garantiert, jedoch konnen die Chancen auf einen Erfolg erheblich gesteigert werden (LYNN et al. 1996a, S. 81). Sowohl die Praxis als auch die Wissenschaft hat daher ein groBes Interesse an der Frage, was den Erfolg von Innovationen ausmacht. Um eine Bewertung von Managementaktivitaten vomehmen zu konnen, stellt sich zunachst die Frage, was unter Innovations erfolg zu verstehen ist (HAUSCHILDT 1991, S. 452). Der folgende Abschnitt (3.1.2.1) gibt einen Uberblick zum Stand der Forschung zur Erfolgsmessung im Kontext von Innovationen. AnschlieBend wird die Erfolgsfaktorenforschung im Uberblick dargestellt und einer kritischen Wiirdigung unterzogen (3.1.2.2). 3.1.2.1 Erfolgsmessung Die Innovationsforschung hat sich zwar intensiv mit dem Thema Erfolgsmessung beschaftigt (siehe im Uberblick ERNST 2001, S. 165 ff; HULTINK/ROBBEN 1995, S. 393 ff), jedoch hat sich bis dato kein einheitlicher, kontextunabhangiger Messansatz durchsetzen konnen (WALL et al. 2004, S. 115; GRIFFIN/PAGE 1996, S. 483). Vorhandene Ansatze zur Messung des Innovationserfolges lassen sich nach (1) der Betrachtungsebene, (2) den verwendeten Erfolgsdimensionen und (3) der zugrunde liegenden Datenerhebungsmethode unterscheiden (HART 1993, S. 23; HAUSCHILDT 1991, S. 464

ff).

Unter (1) der Betrachtungsebene versteht man das Objekt/den Bereich, auf den sich die Erfolgsmessung bezieht. In diesem Zusammenhang wird zwischen dem Erfolg auf der Unter-

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nehmensebene und dem Erfolg auf der Projektebene unterschieden. Die Betrachtung des Untemehmenserfolges (z.B. Umsatzwachstum, Profitabilitat; vgl. im Uberblick VENKATRAMAN/RAMANUJAM 1986, S. 802 ff.) ist aus zwei Griinden problematisch. Zum einen wird der Untemehmenserfolg nicht nur durch Innovationen, sondem durch eine Vielzahl weiterer, intemer und extemer Faktoren determiniert. Das heiBt, eine eindeutige Kausalitat zwischen einem erfolgreichen Innovationsmanagement und dem Erfolg auf der Unternehmensebene ist nicht gegeben (COOPER/KLEINSCHMIDT 1996, S. 19; HART 1993, S. 26). Zum anderen stellt die Erfolgsmessung auf der Untemehmensebene einen vergangenheitsorientierten Messansatz dar: Gegenwartige Umsatz- und Renditezahlen eines Untemehmens spiegeln nicht den Erfolg der gegenwartigen, sondem der vergangenen Innovationstatigkeit wider (BILLING 2003, S. 155). In der Konsequenz dominiert in der wissenschaftlichen Forschung die Messung des Innovationserfolges auf der Projektebene (HART 1993, S. 26). Bezogen auf (2) die Erfolgsdimensionen wird auf der Projektebene zwischen ergebnis- und prozessbezogenen ErfolgsgroBen differenziert (KRIEGER 2005, S. 30 f.; GRIFFIN/PAGE 1996, S. 486). Ergebnisbezogene Kriterien sind output-orientiert: Es handelt sich um die Abbildung der Resultate von Innovationsvorhaben bzw. deren Beitrag zur Veranderung der wirtschaftlichen Position eines Untemehmens (GERPOTT 1999, S. 81). Wesentliche Kriterien des okonomisch-orientierten Markterfolges sind der finanzielle Erfolg, der Marktanteil und der Imagegewinn einer Innovation (GRIFFIN/PAGE 1996, S. 485; CORDERO 1990, S. 188 f.; RUBENSTEIN et al. 1976, S. 17). Der technische Erfolg einer Innovation und der Kompetenzgewinn des Untemehmens stellen hingegen wesentliche inteme Erfolgskriterien dar (BILLE^G 2003, S. 157; CORDERO 1990, S. 187 f.; RUBENSTEIN etal. 1976, S. 17). Wahrend sich der technische Erfolg auf das gegenwartige, physikalische Resultat des F&E-Prozesses bezieht (OLSCHOWY 1990, S. 52), kann der strategische Aufbau von intemen Kompetenzen als eine wichtige zukunftsorientierte ErfolgsgroBe verstanden werden (MALTZ etal. 2003, S. 189; HART 1993, S. 25).

Da ein erfolgreiches Ergebnis einen erfolgreichen Prozess voraus setzt, werden haufig (insbesondere bei lang andauemden Innovationsprozessen und in friihen Phasen) flankierend prozess bezogene Erfolgskriterien eingesetzt. Dahinter steht der Gedanke, dass Innovationserfolg auf der Erfullung von Teilleistungen basiert, die prozessbegleitend entlang vorgegebener Projekt-Meilensteine phasenspezifisch beurteilt werden konnen (BILLING 2003, S. 158; HAUSCHILDT 1991, S. 471). Prozessbezogene Erfolgskriterien konnen durch folgendes Zieltrio abgebildet werden: Die Qualitdt/Leistung der Innovation, der damit verbundene Kostenaufwand und die benotigte Zeit (KRIEGER 2005, S. 30 f.; SCIGLIANO 2003, S. 51; PLESCHAK/SABISCH 1996, S. 9).

SchlieBlich unterscheidet die Literatur im Bereich (3) der Methode der Datenerhebung zwischen objektiver und subjektiver Erfolgsmessung (HELM 1998, S. 225; WERNER/SOUDER

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1997, S. 34 f.). Objektive Erfolgsmessung basiert auf wertmaBigen, absoluten GroBen ergebnis- bzw. prozessbezogener Erfolgskriterien (z.B. Marktanteil in %, Kostenaufwand in EUR). Subjektive Erfolgsmessung fiiBt hingegen auf der Erhebung des subjektiv wahrgenommenen Zielerreichungsgrades der zu Grunde gelegten Erfolgskriterien. Intuitive Einschatzungen werden dabei i.d.R. in numerische GroBen umgewandelt (z.B. Einstufung des Zielerreichungsgrades auf einer Rating-Skala von 1-7; WERNER/SOUDER 1997, S. 34 f). Obwohl der geringere Interpretationsspielraum und die damit verbundene bessere intersubjektive Vergleichbarkeit wesentliche Vorteile objektiver ErfolgsgrSBen darstellen (VENKATRAMAN/RAMANUJAM 1987, S. 117 £), dominiert in der Wissenschaft aus folgenden Gninden eine subjektive Erfolgsmessung (WALL etal. 2004, S. 96; WERNER/SOUDER 1997, S. 35; HAUSCHILDT 1991, S. 464

f):

• Verfugbare Datenlage: Die Informationspolitik vieler Untemehmen lasst die Angabe sensibler objektiver MaBe (z.B. Gewinn) nicht zu (SINGH/RANCHHOD 2004, S. 139; ERNST 2001, S. 168; OTTUM/MOORE 1997, S. 263). Dariiber hinaus liegen objektive MaBe haufig nur auf aggregierter (Untemehmens-) Ebene vor und eine Zuordnung auf der Projektebene ist mit erheblichen Problemen verbunden (WALL et al. 2004, S. 96; HOMBURG et al. 2004, S. 1336). • Brancheniibergreifende Betrachtung: Die Vergleichbarkeit objektiver Daten kann durch die Verwendung unterschiedlicher Ansatze der Bilanzierung eingeschrankt sein (OTTUM/ MOORE 1997, S. 263). Die Selbsteinschatzung der Zielerreichung ermoglicht im Gegensatz zur Erhebung absoluter GroBen die Ermittlung untemehmens- und branchenubergreifender Erfolgsfaktoren ohne die Notwendigkeit einer Normierung (HOMBURG et al. 2004, S. 1336; HELM 1998, S. 227).

• Moglichkeit der Schdtzung von Erfolgserwartungen: Wahrend objektive GroBen nur vergangenheitsorientiert gemessen werden konnen, konnen subjektive GroBen auch zur Schatzung zukunftiger Erfolgserwartungen eingesetzt werden. Das ist besonders relevant fur die Bewertung von Vorhaben, in denen die Innovation noch nicht bzw. erst ktirzlich am Markt eingefiihrt worden ist. Hier liegen verlassliche objektive Daten i.d.R. noch nicht vor (WERNER/SOUDER 1997, S. 34 ff; WEISS/NEYER 1990, S. 61 f).

• Validitdt subjektiver Kriterien: Hohe Korrelationen zwischen subjektiven und objektiven Erfolgskriterien in empirischen Studien (z.B. WALL etal. 2004, S. 112; Voss/Voss 2000, S. 76; DAWES 1999,

S. 68; VENKATRAMAN/RAMANUJAM 1987,

S. 118; DESS/ROBINSON

1984, S. 269 f) unterstutzen den Einsatz subjektiver Erfolgsmessungen. 3.1.2.2 Erfolgsfaktorenforschung Die sog. Erfolgsfaktorenforschung zielt darauf ab, Faktoren zu identifizieren, die einen signifikanten Einfluss auf den Innovationserfolg haben. Dieser Forschungsbereich wurde in den

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11 Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen

1960er Jahren begrundet und ist bis heute kontinuierlich fortgesetzt worden. (HAENECKE 2002, S. 166; ERNST 2002, S. 1). Die Erfolgsfaktorenforschung ist methodisch nicht normiert und umfasst eine Bandbreite empirischer Methoden von qualitativen Interviews bis hin zu standardisierten Umfragen. In der Kegel wird jeweils eine Stichprobe von Fallen auf Faktoren hin untersucht, die zwischen Erfolg und Misserfolg diskriminieren. Haufig wird Erfolg durch eine oder mehrere abhangige Variablen operationalisiert und unabhangige Variablen werden multivariat-statistisch als potenzielle Erfolgsfaktoren analysiert (BALACHANDRA/FRIAR 1997, S. 276; TROMMSDORFF 1991, S. 182).

Der heutige Stand der Erfolgsfaktorenforschung basiert auf den Arbeiten vieler Forscher. Als fruhe, bedeutsame Studien gelten die , SAPPHO'-Studie (ROTHWELL etal. 1974), das ,Stanford Innovation Project' (MAIDIQUE/ZIRGER 1984) und das kontinuierlich weiterentwickelte ,NewProd-Project' von COOPER und seinem Forscherteam (z.B. COOPER/ KLEINSCHMIDT 1993; siehe zu einer detaillierten Zusammenfassung RUDIGER 1997). Mittlerweile liegt eine kaum iiberschaubare Anzahl an Befunden zu Innovations-Erfolgsfaktoren vor. Neben Studien, die eine Bandbreite potenzieller Erfolgsfaktoren betrachten, existieren auch einige, die eine tiefere Analyse einer begrenzten Anzahl von Erfolgsfaktoren vomehmen (z.B. GRUNER/HOMBURG 2000). Die Erfolgsfaktorenforschung stiftet einen hohen Nutzen, ist in der Vergangenheit jedoch auch kritisch diskutiert worden. Ausgangspunkt der Kritik ist die Tatsache, dass Befunde fur gleiche bzw. ahnliche unabhangige Variablen hinsichtlich ihrer Einflussstarke, statistischen Signifikanz bis hin zur Einflussrichtung teilweise erheblich voneinander abweichen (VAN DER PANNE

etal.

2003,

S. 325;

BALACHANDRA/FRIAR

1997,

S. 282;

MONTOYA-WEISS/

CALANTONE 1994, S. 409). So zeigt z.B. die Metaanalyse von HENARD/SZYMANSKI (2001, S. 368), dass sich von 24 Erfolgskriterien aus Einzelstudien bei der Betrachtung korrigierter Zusammenhange lediglich zehn als hoch signifikant und damit als dominante, allgemeine Erfolgsfaktoren herausstellen. Dazu gehort der relative Produktvorteil, Erfiillung von Kundenbedtirfnissen, technologische Uberlegenheit, eingesetzte Human- sowie F&ERessourcen, Professionalitat der Marketing-, Vorentwicklungs- und Markteinftihrungsaktivitaten sowie technologische Professionalitat und das Marktpotenzial. In der deutschen Forschungsgemeinschaft hat der Artikel ,Trotz eklatanter Erfolglosigkeit: Die Erfolgsfaktorenforschung weiter auf Erfolgskurs' (NICOLAI/KIESER 2002) einen emotional intensiven Schlagabtausch zwischen Befiirwortem und Kritikem der Erfolgsfaktorenforschung ausgelost (vgl. HOMBURG/KROHMER 2004; BAUER/SAUER 2004; FRITZ 2004; NICOLAI/KIESER 2004). Der provokativen Aussage von NICOLAI/KIESER (2002, S. 582), dass bis dato „kein einziges Ergebnis aus der PaaV [Performance als abhangige Variable]-Forschung (...) als gesichert gilt" kann nicht zugestimmt werden. Dennoch muss sich die Erfolgsfaktorenforschung folgenden vier wesentlichen Kritikpunkten stellen:

II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen

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(1) Mangelnde theoretische Untermauerung: Ein GroBteil der Studien, die eine Bandbreite potenzieller Erfolgsdeterminanten betrachten, bedient sich keiner ausreichenden theoretischen Untermauerung (ERNST 2002, S. 33; HAENECKE 2002, S. 166; LUTHJE 2000, S. 17). In der Regel wird auf bereits vorliegende, empirische Untersuchungen (haufig den Forschungsansatz von COOPER; vgl. ERNST 2001, S. 28) zuriickgegriffen bzw. allenfalls Adhoc-Hypothesen formuliert (RUDIGER 1997, S. 3). Da die Sinnhaftigkeit der dadurch abgeleiteten Theorien implizit mit den statistischen GiitemaBen der vorliegenden, empirischen Untersuchungen begrtindet wird, ergeben sich Validitatsprobleme (KOTZBAUER 1992b, S. 123). Dariiber hinaus werden nicht-signifikante Befunde haufig nicht berichtet (MONTOYA-WEISS/CALANTONE 1994, S. 407) bzw. haben geringere Veroffentlichungschancen (NICOLAI/KIESER 2002, S. 584). Insgesamt betrachtet ist der Erkenntnisgewinn der Studien ftir die Entwicklung einer uberpriifbaren Theorie der Innovation damit eingeschrankt (BROWN/EISENHARDT 1995, S. 353; KOTZBAUER 1992b, S. 123).

(2) Verwendung uneinheitlicher und haufig schwacher Messmethoden: Ein wesentlicher Grund ftir variierende bis hin zu konfliktare Ergebnisse ist unterschiedlichen Messmethoden zuzuschreiben. Kritisiert wird vor allem die Verwendung uneinheitlicher ErfolgsmaBe, Operationalisierungen und z.T. methodisch schwacher Analysemethoden (ERNST 2002, S. 33; HAENECKE 2002, S. 166; HENARD/SZYMANSKI 2001, S. 370). Im Zentrum der methodischen Kritik (NICOLAI/KIESER 2002, S. 584; HAENECKE 2002, S. 174; BROWN/

EiSENHARDT 1995, S. 353) steht der sog. Single Informant-Bias, ein systematischer Messfehler, der bei der Verwendung eines einzigen Informanten zur Messung der abhangigen und unabhangigen Variablen entsteht. ERNST (2001, S. 315) kann nachweisen, dass der Informant-Bias durchschnittlich ca. 30 % der Gesamtvarianz eines Konstruktes ausmacht. Wenn dieser Effekt in empirischen Studien nicht kontroUiert wird (was bis dato i.d.R. nicht der Fall ist), ist die Validitat der Ergebnisse fragwurdig (ERNST 2002, S. 34). (3) Mangelnde Ableitung konkreter Handlungsempfehlungen: Bei vielen Befunden der allgemeinen Erfolgsfaktorenforschung handelt es sich um Tendenzaussagen. Es lassen sich haufig grundsatzliche Handlungsorientierungen, jedoch keine konkreten Handlungsempfehlungen ableiten (NicoLAi/KiEFER 2002, S. 588; JENSEN/HARMSEN 2001, S. 37; RUDIGER 1997, S. 17). So verweist KOTZBAUER (1992b, S. 125) darauf, dass „wohl kaum ein Praktiker bestreiten wird, dass das ,Vorhandensein eines Produktvorteils' einen wichtigen Erfolgsfaktor darstellt." Die eigentliche Frage sei, auf welchen konkreten Produkteigenschaften dieser basiert bzw. wie ein Produktvorteil konkret generiert werden kann. Inhaltlich gehaltvollere Aussagen verlangen nicht einen Rundumschlag, sondem eine starkere Konzentration auf spezifische Fragestellungen (HAENECKE 2002, S. 178; RUDIGER 1997, S. 17; BROWN/EISENHARDT 1995, S. 353). Das ist eine Forderung, der

neuere Studien der Erfolgsfaktorenforschung (z.B. GRUNER/HOMBURG 2000) teilweise nachkommen.

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II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen

(4) Vernachldssigung von Kontextfaktoren: Ein weiterer wesentlicher Kritikpunkt betrifft die Vemachlassigung situativer Faktoren (HAENECKE 2002, S. 176; ERNST 2002, S. 33; BALACHANDRA/FRIAR 1997, S. 282). So zeigen die metaanalytischen Erkenntnisse von HENARD/SZYMANSKI (2001, S. 370), dass neben den Messmethoden vor allem der Forschungskontext fiir die Unterschiedlichkeit der Ergebnisse verantwortlich ist. Das verweist auf die methodologischen Grenzen eines Forschungsansatzes, der einen hohen Grad an Allgemeingtiltigkeit und zugleich eine im Einzelfall praktische Relevanz beansprucht. Eine starkere Beachtung von Kontextfaktoren gilt heute als eine der wichtigsten Konsequenzen der Kritik an der Erfolgsfaktorenforschung (MELHERITZ 1999, S. 150; RUDIGER 1997, S. 17; MONTOYA-WEISS/CALANTONE 1994, S. 413). Der Neuigkeitsgrad von Innovationen nimmt dabei einen besonders groBen Stellenwert ein (ERNST 2002, S. 33; TiDD/BoDLEY 2002, S. 129; MELHERITZ 1999, S. 157; vgl. auch Abschnitt 3.2.3): „(...) many studies have tended to overlook an important reality: that projects can differ substantially in their degree of innovativeness and that this may have an impact on what it takes to achieve success." (DEBRENTANI2001, S. 170)

Durch eine Adressierung dieser berechtigten Kritikpunkte konnen mit Hilfe von Erfolgsfaktorenstudien valide und zielfuhrende Aussagen generiert werden. 3.1.3 Adoptions- und Diffusionsforschung Der okonomische Erfolg einer Innovation basiert auf ihrer Verbreitung im Markt. Ziel der Adoptions- und Diffusionsforschung ist es, GesetzmaBigkeiten der Innovationsverbreitung zu analysieren und in Erklarungsmodellen abzubilden. Wahrend sich der Begriff der Adoption auf Individuen und deren individuelle Entscheidungsprozesse zur Ubemahme einer Innovation bezieht, steht der Begriff der Diffusion fur aggregierte, individuelle Adoptionsprozesse innerhalb eines sozialen Systems im Zeitablauf (LITFIN 2000, S. 21). Die Adoptions- und Diffusionsforschung kann zur Entwicklung spezifischer Markteinfuhrungsstrategien und -operationen beitragen, die darauf abzielen, aktiv auf den Beginn, die Dauer und das Ergebnis von Adoptionsprozessen potenzieller Kunden einzuwirken (GIERL 2000, S. 815 f). Die im Rahmen der Diffusionsforschung betrachtete, sog. Difflisionskurve stellt die zeitliche Entwicklung aller Adoptionen dar. Nach ROGERS (2003, S. 270) konnen basierend auf der Normalverteilung idealtypisch fiinf Adopterkategorien unterschieden werden: Innovatoren (2,5 % aller tjbemehmer), fruhe Adoptoren (13,5 %), fruhe Mehrheit (34 %), spate Mehrheit (34%) und Nachziigler (16%). Die formalwissenschaftlich-modellorientierte Diffusionsforschung beschaftigt sich mit der Prognose von Diffiisionsverlaufen. Eines der bekanntesten Diffusionsmodelle ist das Modell von BASS (1969). Es erlaubt die Abschatzung der maximalen Marktpenetration und der Geschwindigkeit der Diffusion von langlebigen Gebrauchgiitem auf der Basis von Zeitreihen. Das Modell wurde kontinuierlich weiterentwickelt und verbes-

II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen

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sert (einen Uberblick zur modelltheoretischen Diffusionsforschung geben ALBERS 2001, S. 94 ff. und SCHMALEN/XANDER 2000, S. 417 ff.).

Die Adoptionsforschung beschaftigt sich mit individuellen Ubemahmeprozessen. Der Adoptionsprozess kann als eine spezielle Form des Kaufentscheidungsprozesses bei innovativen Kaufobjekten angesehen werden (MEFFERT 1976, S. 93). ROGERS (2003, S. 20 f.) unterscheidet fiinf Phasen des Adoptionsprozesses, die sich in der Literatur weitgehend durchgesetzt haben (LITFIN 2000, S. 23; POHL 1996, S. 48). In der Phase der (1) Kenntnisnahme nimmt das Individuum die Innovation zum ersten Mai wahr. Der potenzielle Kunde muss in dieser Phase Interesse an der Innovation gewinnen, damit ein Entscheidungsprozess ausgelost wird. Im Falle eines Desinteresses bricht der Adoptionsprozess ab. Im Rahmen der (2) Meinungsbildung QntwickQlt das Individuum eine positive bzw. negative Einstellung gegeniiber der Innovation. Hierzu werden vor allem die wahrgenommenen Innovationseigenschaften herangezogen. Es folgt eine (3) Entscheidung fiir oder gegen die Ubemahme der Innovation. Die (4) Implementierung entspricht der AnwendungA^erwendung der Innovation. Bei Zufriedenheit mit der Innovation im Rahmen der (5) Bewertung kommt es zum Wiederholungskauf bzw. zu einer umfassenderen Ubemahme/Anwendung der Innovation. Bei Unzufriedenheit wird die Innovation wieder abgeschafft bzw. nicht noch einmal gekauft. Die Akzeptanz einer Innovation ist eine Vorstufe der Adoption. Akzeptanz kann defmiert werden als Ausdruck einer subjektiven Einstellung eines Individuums gegeniiber einem Sachverhalt, die eine positive Bereitschaft bzw. ein Verhalten impliziert (HECKER 1997, S. 124; siehe zur Akzeptanzforschung KOLLMANN 1998, S. 37 ff.). Neben der Akzeptanz ist auch die Ablehnung von Innovationen Gegenstand wissenschafllicher Forschung (siehe im Uberblick DETHLOFF 2004, S. 153 ff.). RAM/SHETH (1989; RAM 1987) beschaftigen sich beispielsweise mit dem Konstrukt des Innovationswiderstandes (innovation resistance). Innovationswiderstand ist eine spezielle Form des Menschen immanenten Widerstandes gegen Veranderung und basiert auf funktionalen bzw. psychologischen Barrieren (RAM/SHETH 1989, S. 7 ff.). Insbesondere negative Emotionen wie Angst, Frustration und Enttauschung konnen zu vorubergehenden oder dauerhaften Innovationswiderstanden fuhren (BAGOZZI/LEE 1999, S. 221), wobei die Wahrscheinlichkeit mit zunehmendem Neuigkeitsgrad einer Innovation steigt (RAM/SHETH 1989, S. 6).

Unter der Adoptionsrate versteht man die relative Geschwindigkeit mit der eine Innovation von den Mitgliedem eines sozialen Systems adoptiert wird (ROGERS 2003, S. 265). Ein Schwerpunkt der Adoptionsforschung ist die Frage, durch welche Faktoren die individuelle Adoption bzw. die Adoptionsrate einer Innovation maBgeblich beeinflusst wird. Vielfach wird zwischen adopter-, umwelt- und produktspezifischen Einflussfaktoren unterschieden (z.B. LITFIN 2000, S. 25; BAHR-SEPPELFRICKE 1999, S. 11). Adopterspeziflsche Determinanten beziehen sich auf die Eigenschaften der Ubemehmer einer Innovation. Sie basieren auf einem

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n Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen

Vergleich verschiedener Adopterkategorien: Was unterscheidet Adopter von Nicht-Adoptem bzw. Innovatoren von spateren Adoptertypen? Im Konsumgiiterbereich verweisen empirische Studien auf soziodemografische Variablen (z.B. sozialer Status) und Merkmale der Personlichkeit (z.B. Intelligenz) bzw. des sozialen Verhaltens (z.B. Meinungsfuhrerschaft). Im Industrieguterbereich existieren Hinweise auf organisationsspezifische Variablen (z.B. Organisationsstruktur), Struktur des Buying-Center (z.B. GroBe) und Charakteristika der Entscheidungstrager (z.B. Zugang zu personlichen Informationsquellen; siehe zu adoptorspezifischen Determinanten im Uberblick ROGERS 2003, S. 287 ff. und S. 407 ff.; FRAMBACH/ SCHILLEWAERT 2002, S. 165 ff.; GATIGNON/ROBERTSON 1985, S. 861 f). Umweltbezogene Determinanten der Adoption basieren primar auf den Eigenschaften des Marktes. Dazu zahlen makro-okonomische (z.B. Konjunktursituation, Marktstruktur), technologische (z.B. Normen und Standards, technischer Entwicklungsstand), politisch/rechtliche (z.B. gesetzliche Marktzugangsbeschrankungen, Wettbewerbsrecht) und sozio-kulturelle (z.B. offentliche Meinung, Kommunikationsverhalten) EinflussgroBen (LiTFiN 2000, S. 44 f). GATIGNON/ROBERTSON (1989, S. 43) zeigen beispielsweise, dass die Konzentrationsrate innerhalb einer Branche einen positiven Einfluss auf die Adoption von Innovationen ausiibt. Umweltbezogene Faktoren haben lediglich einen mittelbaren Einfluss auf den Adoptionsprozess und konnen von adopter- bzw. produktspezifischen EinflussgroBen der Adoption iiberlagert werden. Sie nehmen daher starker die Rolle von Rahmenbedingungen als die von Einflussfaktoren ein (HECKER 1997, S. 59 f.).

Wahrend adopter- und umweltbezogene Determinanten nur indirekt (z.B. durch die Marktsegmentierung bzw. Marktwahl) der Kontrolle innovierender Untemehmen unterliegen, bieten produktbezogene Einflussfaktoren einen direkten Ansatzpunkt zur Beeinflussung der Adoptionsprozesse potenzieller Kunden. Ihnen wird ein besonders hoher Erklarungsgehalt far den Diffusionsprozess zugeschrieben (BAHR-SEPPELFRICKE 1999, S. 12 f; HECKER 1997,

S. 35). Produktbezogene Einflussfaktoren basieren primar auf der Innovation selbst, wobei die Adoption maBgeblich von der Wahmehmung dieser Eigenschaften durch das Individuum abhangt. ROGERS (2003, S. 229 ff.) unterscheidet folgende flinf produktbezogenen Einflussfaktoren, die sich in der Literatur weitgehend durchgesetzt haben (LiTFiN 2000, S. 26; BAHRSEPPELFRICKE 1999, S. 20):

• Relativer Vorteil: Der relative Vorteil ergibt sich aus dem Grad der Cberlegenheit einer Innovation im Vergleich zu altemativen Losungen im Hinblick auf die individuelle Bedtirfnisbefriedigung. Neben den Eigenschaften und Funktionen beeinflussen okonomische (z.B. Preis-Leistungs-Verhaltnis, Rentabilitat) und soziale (z.B. soziale Anerkennung) Aspekte der Innovation den individuell wahrgenommenen relativen Vorteil. • Kompatibilitdt: Die Kompatibilitat entspricht dem Grad der Ubereinstimmung einer Innovation mit existierenden soziokulturellen Werten, Erfahmngen (z.B. mit bereits einge-

II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen

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fuhrten Produkten) und Bediirfnissen potenzieller Adopter. Je kompatibler eine Innovation ist, desto weniger Einstellungs- und Verhaltensanderungen verlangt sie. • Komplexitdt'. Unter Komplexitat versteht man den Grad der Schwierigkeit, eine Innovation zu verstehen und in Gebrauch zu nehmen. Eine hohe Komplexitat fiihrt dazu, dass die Vorteile einer Innovation schwieriger zu erkennen sind und die tJbemahme mit einem erhohten Lemaufwand fiir die potenziellen Kunden verbunden ist. • Erprobbarkeit: Die Erprobbarkeit bezieht sich auf den Grad der Moglichkeit, auf limitierter Basis zu priifen, ob die Innovation bestimmte Anfordemngen erfullt. Durch das Testen einer Innovation kann ein potenzieller Kunde die Innovation unter individuellen Rahmenbedingungen bewerten. Dieses Kriterium ist besonders fur Innovatoren wichtig, da sie im Gegensatz zu spateren Adoptem nicht auf Erfahrungen Anderer zuriickgreifen konnen. • Kommunizierbarkeit: Die Kommunizierbarkeit einer Innovation zeigt sich in dem Grad der Leichtigkeit mit der die Innovation bzw. positive Eigenschaften der Innovation potenziellen Adoptem vermittelbar sind. So sind abhangig von der Produktkategorie Innovationen innerhalb eines sozialen Systems z.B. unterschiedlich stark sichtbar. Eine hohe Kommunizierbarkeit senkt die Informationskosten fiir den potenziellen Adopter. Die sog. ROGERS-Kriterien (2003) gelten als generische, branchen- und situationsiibergreifende Erfolgsfaktoren einer Innovation (BROCKHOFF 2002, S. 43; BRINKMANN 1997, S. 41). Mit Ausnahme der Komplexitat wird davon ausgegangen, dass die produktbezogenen Kriterien einen positiven Einfluss auf die Adoption durch potenzielle Kunden haben (ROGERS 2003, S. 265 f.). Die empirische Forschung hat sich intensiv mit dem Einfluss produktbezogener Faktoren auf die Adoption beschaftigt. Einen besonders hohen Einfluss auf die Adoptionsentscheidung konnte fiir den relativen Vorteil und die Kompatibilitat einer Innovation festgestellt werden (KOLLMANN 2000, S. 73; SCHMALEN/PECHTL 1996, S. 829; HOLAK/ LEHMANN 1990, S. 66).

3.2 Der Neuigkeitsgrad von Innovationen und seine Auswirkungen 3.2.1 Der Neuigkeitsgrad von Innovationen 3.2.1.1 Uberblick zu Innovationstypologien und generische Begriffsabgrenzung Neuartigkeit ist ein wesentliches Defmitionselement von Innovation (HAUSCHILDT 2004, S. 3; vgl. auch Abschnitt 3.1.1). Die Neuartigkeit einer Innovation lasst sich nicht nur der Tatsache nach, sondem auch dem Grade nach bestimmen: Der Neuigkeitsgrad einer Innovation bzw. Innovationsgrad (product innovativeness) driickt den graduellen Unterschied einer Innovation gegeniiber dem bisherigen Zustand aus (HAUSCHILDT 2004, S. 14). Davon abzugrenzen ist das Konstrukt der Unternehmensinnovativitdt (firm bzw. organizational innovativeness). Hier ist das Untersuchungsobjekt nicht das Produkt/die Innovation, sondem die Organisation. Abhangig von dem zugrunde liegenden Konzeptionsansatz wird unter dem Konstrukt der Unter-

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nehmensinnovativitat die Neigung einer Organisation zur Ubemahme bzw. zur Entwicklung von Innovationen verstanden (GARCIA/CALANTONE 2002, S. 113; vgl. zur Untemehmensinnovativitat im Uberblick SUBRAMANIAN 1996). Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Neuigkeitsgrad von Innovationen spiegelte sich zunachst in der Bildung von Innovations typo logien wider (HAUSCHILDT 2004, S. 14). Uneinheitliche Definitionen und Konzeptualisiemngen fuhrten zu einer Vielzahl von Begriffen. Eine Innovation, die von einem Wissenschaftler als ,wirklich neu' (really new, z.B. SoNG/MoNTOYA-WEISS 1998) bezeichnet wird, wird von anderen als ,radikar (radical, z.B. CHANDY/TELLIS 1998), ,diskontinuierlich' (discontinuous, z.B. TUSHMAN/NADLER 1986) bzw. als ,Durchbruchsinnovation' (breakthrough innovation, z.B. WHEELWRIGHT/CLARK 1992) eingestuft. Die folgende Abbildung gibt einen exemplarischen Uberblick zu Innovationstypologien in der (stark amerikanisch gepragten) Literatur.

Henderson/Clark 1990

Incremental

Abernathy/Clark 1985

Regular

Lynn/Akgiin 1998 Chandy/Tellis 1998

Incremental Incremental

Ziamou 1999

Incremental

Veryzer 1998a

Continuous

Becker 2001

Verbessemngsinnovation

Tushman/Nadler 1986 Kleinschmidt/Cooper 1991 Robertson 1971 Berth 2003

Low Innovative Continuous Verbesserung

Modular

Architectural Revolutionary Niche Evolutionary _ Evolutionary Technology Market Technological _ Market Breakthrough Breakthrough Functionality- ^g Technology- _ driven driven Comercially Technologlcally_ Discontinuous Discontinuous AnwendungsAblOsungs_ innovation innovation

Radical

Architetural & Component knowledge

Architectural

Market & Technical Capabilities

Radical

Market & Technology Uncertainty

Radical

Customer Need Fulfillment per $ & Newness Technology

Really new Discontinuous

Innovation Functionality & User Input Product & Technological Capability

Durchbruchinnovation

Neuigkelt Anwendungen & Techniken

Synthetic Moderately Innovative Dynamically Continuous Erneuerung

Discontinuous Highly Innovative Discontinuous

Market & Technological Newness

Durchbruch

Originalitat

Platfonn

Internal Learning Requirements

Effect on Consumption Patterns

Breakthrough

Product & Process Change

Nermann 1971

Variation

Reorientation

Change of Product Dimensions

Anderson/Tushman 1990

Continuous

Discontinuous

Technological Change

Maidique/Zirger1984

Adoption

True

Degree of Technical Content

Atuahene-Gima 1995

Incremental

Radical

Product Newness to Customer & Firm

Utterback 1994

Minor

Major

Product Change

All 1994 Song/Montoya-Weiss 1998 Lilien/Yoon 1989

Incremental

Pioneering

Technological Newness

Incremental Reformulated

Really New Original

Technological Change

Wheelwright/Clark 1992

Derivative

Market & Technological Newness

Abb. 3: Uberblick zu Innovationstypologien in der Literatur Quelle: Eigene Darstellung (Literaturanalyse)

GARCIA/CALANTONE (2002, S. 110) kommen basierend auf einer umfangreichen Literaturanalyse zu folgendem Ergebnis: „...there is no consistent delineation on what is considered 'high', 'moderate' and 'low' degree of innovativeness and if that correlates to the categorizations of 'radical', 'really new', and 'incremental' innovations or some other typology."

II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen

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Uneinigkeit besteht darin, ob der Innovationsgrad ein tetra-kategorisches (4 Kategorien auf Basis einer 2x2-Matrix), triadisches (3 Kategorien) bzw. dichotomes (2 Kategorien) Konstrukt darstellt (BILLING 2003, S. 19; GARCIA/CALANTONE 2002, S. 117). Die Typologien unterscheiden sich dariiber hinaus hinsichtlich der verwendeten Begrifflichkeiten und des inhaltlichen Verstandnisses des Innovationsgrades. Uneinigkeit besteht dariiber, was genau neu ist, was sich in unterschiedlichen Dimensionen des Innovationsgrades widerspiegelt (GARCIA/CALANTONE 2002, S. 112; vgl. Abb. 3). Wahrend ein Teil der Autoren den Innovationsgrad eindimensional konzeptualisiert (z.B. TUSHMAN/NADLER 1986; ROBERTSON 1967), stiitzen sich andere Typologien auf zwei Dimensionen (z.B. LYNN/AKGUN 1998; ATUAHENE-GIMA 1995).

Von der Frage ,was ist neu?' zu unterscheiden ist die Perspektive, nach der der Innovationsgrad betrachtet wird (,neu fiir wen?'; GARCIA/CALANTONE 2002, S. 112). Wahrend die meisten Typologien die Perspektive des innovierenden Untemehmens einnehmen (z.B. TUSHMAN/NADLER 1986), betrachten einige Autoren den Innovationsgrad aus der Perspektive der Kunden/des Marktes (z.B. ZiAMOU 1999) bzw. berucksichtigen beide Perspektiven (z.B. ATUAHENE-GIMA 1995). Exemplarisch werden im Folgenden einige Typologien kurz vorgestellt, auf denen viele der Ansatze aufbauen. Aus der Perspektive des innovierenden Untemehmens differenzieren TUSHMAN/NADLER (1986, S. 76) zwischen drei Innovationsarten in Abhangigkeit von den Lernanforderungen, die an das Unternehmen gestellt werden. Inkrementale Innovationen beinhalten hochstens neue zusatzliche Produktfunktionen bzw. neue Versionen und sind nur mit geringen Lernanforderungen verbunden. Synthetische Innovationen basieren hingegen auf einer kreativen Neukombination bestehender Ideen und Technologien. In Verbindung mit Marketing- und Produktionskompetenzen haben synthetische Innovationen das Potenzial, sich zu einem temporaren Produktstandard zu entwickeln. Diskontinuierliche Innovationen implizieren die Entwicklung bzw. Anwendung von signifikant neuen Technologien bzw. Ideen. Das verlangt in Abgrenzung zu den beiden vorherigen Innovationsarten den Aufbau vollig neuer Fahigkeiten, Prozesse und Systeme innerhalb der Organisation. Eine Kundenperspektive nimmt ROBERTSON (1967, S.15 f.) ein, indem er drei Typen von Innovationen basierend auf ihren Auswirkungen auf bestehende Konsum- und Gebrauchsmuster unterscheidet. Kontinuierliche Innovationen basieren auf geringfagigen Produktverbesserungen bzw. Weiterentwicklungen und haben den geringsten Einfluss auf bestehende Gewohnheiten. Dynamisch kontinuierliche Innovationen durchbrechen Gewohnheiten in spiirbarem Mafie, wohingegen diskontinuierliche Innovationen vollig neue Konsum- bzw. Gebrauchsgewohnheiten erfordem. Booz, ALLEN & HAMILTON (1982) entwickeln Anfang der 80er Jahre ein in der Literatur vielfach zitiertes, zweidimensionales Klassifikationsschema fiir den Neuigkeitsgrad von Inno-

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n Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen

vationen. Entlang der Dimensionen Neuigkeitsgrad fur das Unternehmen und Neuigkeitsgrad fur den Markt identifizieren die Autoren empirisch (n=13.000 neue Produkte von iiber 700 amerikanischen Industrie- und Konsumguteruntemehmen) sechs Innovationstypen: New-tothe-world products (10 % aller Neueinfiihrungen), New product lines (20 %), Additions to existing product lines (26 %), Improvements to existing products (26 %), Repositionings (7 %) und Cost reductions (11 %; Booz, ALLEN & HAMILTON 1982, S. 8). Das Klassifikationsschema ist Anfang der 90er Jahre von KLEINSCHMIDT/COOPER (1991) aufgegriffen worden. Es gelingt den Autoren, drei verdichtete Innovationstypen entlang der Dimensionen marktbezogene und technologiebezogene Neuheit statistisch von einander abzugrenzen: Sehr innovative, mdfiig innovative und geringfugig innovative Produkte. Viele der neueren Ansatze bauen auf den dargestellten Konzepten auf. VERYZER (1998a, S. 307) unterscheidet z.B. vier Innovationstypen entlang den Dimensionen technologiebezogene und produktbezogene Fahigkeiten. Die erste Dimension bezieht sich auf die Notwendigkeit der Entwicklung neuer technologischer Fahigkeiten seitens des innovierenden Untemehmens; die zweite Dimension steht flir den wahrgenommenen Nutzen der Innovation seitens potenzieller Kunden. Wahrend KLEINSCHMIDT/COOPER (1991) die markt- und technologiebezogene Neuheit der Innovation betrachten, stellt VERYZER (1998a) etwas spezifischer, jedoch inhaltlich vergleichbar, die Veranderung technologischer und produktbezogener Fahigkeiten in den Vordergrund. Zusammenfassung und generische Begriffsabgrenzung In der Literatur existiert eine Vielzahl von Innovationstypologien. Trotz unterschiedlicher Dimensionen lasst sich eine wesentliche Gemeinsamkeit erkennen: Die Konzeption des Innovationsgrades basiert i.d.R. auf dem Grad der Veranderung bestimmter Markt- und/oder Technologiefaktoren (GARCIA/CALANTONE 2002, S. 112f.; CHANDY/TELLIS 1998, S. 476). Wahrend eindimensionale Ansatze sich auf einen Aspekt der Neuartigkeit konzentrieren, betrachten zweidimensionale Ansatze i.d.R. beide Aspekte und werden damit dem komplexen Konstrukt des Innovationsgrades gerechter. Die vorliegende Arbeit folgt diesem Basisverstandnis des Konstruktes. Dabei wird der vergleichsweise neutrale Begriff der Diskontinuitat (Veranderung) gewahlt: Marktbezogene Diskontinuitaten zeichnen sich z.B. durch die Schaffung eines neuen Kundennutzens bzw. die Ansprache neuer Kundengruppen aus, technologiebezogene Diskontinuitaten resultieren aus dem Einsatz neuer Technologien. Das Begriffspaar inkremental/radikal zeigt in der Literatur einen vergleichsweise hohen Verbreitungsgrad (DAMANPOUR/GOPALAKRISHNAN 1999, S. 65). Empirische Studien weisen jedoch darauf hin, dass in der Praxis nur ein geringer Anteil aller Innovationen (ca. 10 % bis 20 %) in die Kategorie radikaler Innovation fallt (GRIFFIN 1997a, S. 447; Booz, ALLEN & HAMILTON 1982, S. 8). Zur Steigerung der Relevanz ftir Wissenschaft und Praxis beschaftigt

II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen

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sich die vorliegende Arbeit daher mit sog. hochgradigen Innovationen, die folgendermaBen von inkrementalen Innovationen abgegrenzt werden (vgl. auch Abb. 4): • Inkrementale Innovationen weisen vergleichsweise technologiebezogene Diskontinuitaten auf.

geringe

marktbezogene

und

• Hochgradige Innovation beinhalten mittlere bis hohe marktbezogene und/oder mittlere bis hohe technologiebezogene Diskontinuitaten. Besonders hoch innovative Produkte, die in beiden Dimensionen eine hohe Auspragung aufweisen, werden im Folgenden als radikale Innovationen bezeichnet. Das heiBt, der Begriff der hochgradigen Innovation umfasst sowohl moderat innovative als auch radikale Innovationen.

Hochgradige Innovationen

Inkrementale Innovationen

\

Abb. 4: Zweidimensionales Grundverstiindnis des Innovationsgrades Quelle: Eigene Darstellung

Diese Unterscheidung lasst sich durch Ansatze in der Literatur stiitzen. Neben der dargestellten, empirisch ermittelten Typologie von KLEINSCHMIDT/COOPER (1991), nach der zwischen geringfiigig innovativen (analog zu inkrementalen) sowie maBig innovativen und sehr innovativen (analog zu hochgradigen) Innovationen unterschieden werden kann, bezeichnen z.B. GARCIA/CALANTONE (2002, S. 123) Innovationen dann als diskontinuierlich, wenn sie entweder als radikal oder als moderat innovativ einzustufen sind. Es handelt sich um einen generischen Beschreibungsansatz des Innovationsgrades, der einem Basisverstandnis des Untersuchungsgegenstandes der Arbeit dient. Im nachsten Abschnitt (3.2.1.2) wird das Konstrukt des Innovationsgrades mittels einer mehrdimensionalen Operationalisierung konkretisiert.

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n Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen

3.2.1.2 Multidimensionale Betrachtung des Innovationsgrades Bis dato existiert in der Literatur kein einheitlicher Ansatz zur Messung des Innovationsgrades (LEE/O'CONNOR 2003, S. 5; SALOMO 2003, S. 402; GARCIA/CALANTONE 2002,

S. 110). Wie im vorangegangenen Abschnitt dargestellt wurde, liegen unterschiedliche Innovationstypologien vor. Neben der Tatsache, dass generische (ein- bis zweidimensionale) Ansatze der Komplexitat des Innovationsgrades nicht gerecht werden, erweist es sich als problematisch, dass die verwendeten Begriffe i.d.R. nicht klar definiert, abgegrenzt bzw. operationalisiert werden. Die Vergleichbarkeit wissenschaftlicher Forschungsergebnisse und die Anwendbarkeit der Ergebnisse in der Praxis ist dadurch stark eingeschrankt (GARCIA/ CALANTONE 2002, S. 110 f.; DANNEELS/KLEINSCHMIDT 2001, S. 358).

Neuere Ansatze zum Innovationsgrad widmen sich diesem Forschungsdefizit, indem sie den Innovationsgrad basierend auf der Analyse bestehender Forschungsansatze als multidimensionales Konstrukt konzeptualisieren und operationalisieren. Im Folgenden werden sieben zentrale Synopsen zum Innovationsgrad vorgestellt, die dem Ziel unterliegen, einer Vereinheitlichung naher zu kommen. Eine wichtige Stellung nehmen die Arbeiten von SALOMO (2003) und BILLING (2003) ein, die mit Hilfe einer ,Metasynopse' eine moglichst vollstandige und iiberschneidungsfreie Konzeptualisierung des Innovationsgrades anstreben. Zentrale Synopsen zum Innovationsgrad Eine der ersten Autoren, die sich Mitte der 1990er Jahre umfassend mit dem Konstrukt des Innovationsgrades beschaftigt haben, sind GREEN et al. (1995). Basierend auf einer Literaturanalyse (25 Studien) defmieren die Autoren vier Dimensionen des Innovationsgrades (GREEN etal. 1995, S. 204 f.): (1) Technologische Unsicherheit bezieht sich auf das vorhandene AusmaB und die Dynamik des technologischen Wissens in der wissenschaftlichen Gemeinschafl. (2) Technische Unerfahrenheit beinhaltet die Vertrautheit und Erfahrung der F&E-Abteilung des innovierenden Untemehmens mit der Technologic. Das AusmaB der mit der Technologieentwicklung verbundenen Kosten schlagt sich in der Dimension (3) Technologie-Kosten nieder. (4) Geschdftliche Unerfahrenheit basiert auf dem AusmaB der Erfahrung des Untemehmens in der Vermarktung technologiespezifischer Produkte und Produktlinien. Es gelingt den Autoren, einen 16 Indikatoren umfassenden Ansatz zur Messung des Innovationsgrades empirisch zu bestatigen (GREEN et al. 1995, S. 207). AVLONITIS etal. (2001) entwickeln eine empirisch-basierte Typologie des Innovationsgrades ftir den Bereich Finanzdienstleistungen. Basierend auf einer Analyse von zehn Studien konzeptualisieren sie den Innovationsgrad von Service-Innovationen mittels vier Dimensionen. Wahrend die Dimension Neuartigkeit der Dienstleistung fur den Markt die marktbezogene Perspektive des Innovationsgrades reprasentiert, wird die untemehmensbezogene Perspektive durch die Dimensionen Neuartigkeit der Dienstleistung fur das Unternehmen, Modifikation

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der Dienstleistung und Neuartigkeit der Betriebs- und Vertriebsprozesse abgebildet. Mittels einer empirischen Studie gelingt es den Autoren, eine 15-Item-Skala zur Messung der vier Dimensionen des Innovationsgrades von Service-Innovationen zu bestatigen (AVLONITIS et al. 2001, S. 330). DANNEELS/KLEINSCHMIDT (2001) stiitzen ihren Konzeptualisieningsansatz auf eine Analyse von 24 empirischen Studien sowie auf eine eigene empirische Studie. Die Autoren stellen den Empfanger der Neuartigkeit (,neu fiir wen?') in den Vordergrund und gehen anschlieBend der Frage nach ,in welcher Hinsicht neu?'. Der Innovationsgrad setzt sich aus zwei Dimensionen, der Unternehmens- und der Kundenperspektive, zusammen. Die Neuartigkeit einer Innovation aus Kundensicht basiert dabei auf den Eigenschaften der Innovation, dem Ausmafi der mit der Innovationsubernahme verbundenen Risiken und der Notwendigkeit von Verhaltensdnderungen. Aus der Untemehmensperspektive ergibt sich die Neuartigkeit einer Innovation aus der Familiaritdt/Vertrautheit mit der eingesetzten Technologie bzw. dem anvisierten Markt und der Synergie der Innovation mit vorhandenen technologischen und marketingbezogenen Ressourcen (DANNEELS/KLEE^JSCHMIDT 2001, S. 361). Die Autoren entwickeln einen Operationalisierungsansatz, konzentrieren sich dabei jedoch auf die Dimension der Neuartigkeit aus Untemehmenssicht. HAUSCHILDT/SCHLAAK (2001, S. 164) defmieren den Innovationsgrad als AusmaB aller Veranderungen, die in einem Untemehmen durch die Entwicklung und Vermarktung einer Produktinnovation hervorgerufen werden. Diese Definition macht auf ihren Betrachtungsfokus, die Perspektive des innovierenden Unternehmens, aufmerksam. Auf der Basis einer Analyse von 47 empirischen Studien entwickelt SCHLAAK (1999) einen Messansatz fiir den Innovationsgrad. Gestutzt durch eine empirische Uberpriifung lasst sich der Innovationsgrad anhand von 24 Indikatoren messen, die sich drei Dimensionen und sieben Faktoren zuordnen lassen. Die Dimension ,Technik/Produktion' bezieht sich auf Veranderungen in den Bereichen Produkttechnologie, Produktionsprozess und Beschaffiingsbereich. ,Absatz/Ressourcen' beinhaltet Veranderungen des Absatzmarktes (z.B. neue Vertriebskanale) und des Kapitalbedarfes (z.B. erhohte Marketing-Kosten). Die dritte Dimension ,Struktur' beschaftigt sich mit Umgestaltungen der formalen und informalen Organisation (z.B. Bildung einer neuen OrganisationseinheitA^eranderung der Kultur; SCHLAAK 1999, S. 190 ff). GARCIA/CALANTONE (2002, S. 118 ff.) basieren ihre Konzeption des Innovationsgrades auf die Analyse von 21 empirischen Studien aus der Literatur. Die Autoren leiten zwei Klassifikationskriterien zur Festlegung des Innovationsgrades ab: (1) Mikro-/Makroperspektive und (2) Art der Diskontinuitaten. Die Mikroperspektive beleuchtet den Grad der Neuartigkeit fiir das innovierende Untemehmen bzw. fiir die mit der Innovation angesprochenen Kunden. Die Makroperspektive betrachtet hingegen den Grad der Neuartigkeit einer Innovation bezogen auf die relevante Branche bzw. weltweit. Das zweite Klassifikationskriterium bezieht sich auf

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11 Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen

die Art des neuen Wissens, das sich in einer Innovation manifestiert. Eine Innovation mit einer hohen Marketingdiskontinuitdt benotigt neues Marketingwissen, z.B. in Form von Informationen iiber neue Markte bis hin zu der Notwendigkeit der Schaffung neuer Markte. Eine Technologiediskontinuitdt zeichnet sich durch die Notwendigkeit der Generierung von neuem technologischem Wissen aus. Wahrend sich die Mikro /Makroperspektive also mit der Frage ,neu fur wen?' beschaftigt, bezieht sich das Kriterium Marketing-ZTechnologiediskontinuitat auf die Frage ,in welcher Hinsicht neu?'. Die Autoren entwickeln einen Operationalisierungsansatz, nehmen jedoch keine empirische Uberpriifung vor. ,Metasynopsen' vorliegender Synopsen sind von SALOMO (2003) und BILLING (2003) durchgefuhrt worden. Trotz Unterschiede der von ihnen gegeniibergestellten Konzeptualisierungen lassen sich wesentliche Gemeinsamkeiten erkennen (SALOMO 2003, S. 403 f.; BILLING 2003, S. 28). Zum einen werden i.d.R. verschiedene Perspektiven der Neuartigkeit beriicksichtigt. So differenzieren GARCIA/CALANTONE (2002, S. 118f.) und DANNEELS/KLEINSCHMIDT (2001, S. 361) auf einer ersten Betrachtungsebene zwischen der innerbetrieblichen Perspektive der Neuartigkeit fiir das Untemehmen (Mikroperspektive) und der uberbetriebliche Perspektive der Neuartigkeit fur die Branche/den Markt (Makroperspektive). AVLONITIS et al. (2001, S. 330) und GREEN et al. (1995, S. 204 f.) unterscheiden zwar nicht explizit zwischen den beiden Ebenen, die von ihnen definierten Dimensionen nehmen jedoch implizit beide Perspektiven des Innovationsgrades ein. Auf einer zweiten Ebene unterscheiden sowohl GARCIA/CALANTONE (2002, S. 119) als auch DANNEELS/KLEINSCHMIDT (2001, S. 361) markt- und technologiebezogene Verdnderungen, die mit Innovationen unterschiedlichen Neuigkeitsgrades verbunden sind. In anderen Konzeptionen nehmen dariiber hinaus interne prozessuale und organisatorische Verdnderungsaspekte einen wichtigen Stellenwert ein. AVLONITIS et al. (2001, S. 330) defmieren beispielsweise Verandemngen der Betriebs- und Vertriebsprozesse des innovierenden Untemehmens als eine Dimension des Innovationsgrades. SCHLAAK (1999, S. 185 f.) integriert dariiber hinaus Umgestaltungen der formalen und informalen Organisation in seine Konzeption des Konstruktes. SALOMO (2003, S. 419) identifiziert einen weiteren Aspekt des Innovationsgrades, der von anderen Innovationsgrad-Konzeptionen vemachlassigt wird: Verdnderungen im Umfeld der Innovation. Innovationen tangieren nicht nur interne Ressourcenbedingungen und Bedingungen potenzieller Kunden, sondem auch Faktoren, die das weiter gefasste Umfeld der Innovation betreffen. So verlangen besonders hochgradige Innovationen z.B. haufig den Aufbau neuer infrastruktureller und staatlicher Rahmenbedingungen. Zusammenfassung und multidimensionale Konzeptualisierung des Innovationsgrades Die vorgestellten Synopsen zeigen, dass die Neuartigkeit einer Innovation kein eindimensionales Konstrukt ist, sondem (1) nach mehreren Perspektiven (,neu ftir wen?': Mikro- vs.

II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen

35

Makroperspektive) und (2) nach mehreren Determinanten und Konsequenzen (,in welcher Hinsicht neu?': Markt, Technologic, Organisation und Umfcld) bcschricbcn und opcrationalisicrt wcrdcn solltc. Basicrcnd auf dcr intcgricrten Bctrachtung des Forschungsstandcs durch SALOMO (2003, S. 412 ff.) und BILLING (2003, S. 30 ff.) kann der Innovationsgrad mit Hilfc dcr folgendcn vicr Dimcnsioncn konzcptualisiert wcrdcn (vgl. auch KRIEGER 2005, S. 12 ff.): (1) Marktinnovationsgrad: Der Marktinnovationsgrad gibt Auskunft dariiber, wic stark die Innovation von existierenden Angeboten im Markt abweicht. Aus der Mikro-Perspektive des innovierenden Untemehmens ist ein hoher Marktinnovationsgrad mit der Ansprache eines neuen Marktes und neuer Kundengruppen verbunden. Daraus rcsultieren vcrglcichswcise hohc Unsicherhciten, jedoch auch die Moglichkcit, die Marktposition des Untemehmens grundlegend zu verbesscm. Aus der Makroperspektive bicten Innovationen mit cinem hohen Marktinnovationsgrad cinen hochgradig neuen Nutzen, sind i.d.R. aber auch mit umfangrcichen Lem- und Vcrhaltensandcrungcn sowie cinem crhohten Adoptionsrisiko fur potcnzicllc Kundcn verbunden. (2) Technologieinnovationsgrad: Der Technologieinnovationsgrad Icitct sich aus dem Umfang der technischen Neuerung ab, mit der die Innovation verbunden ist. Der Einsatz neuer technologischer Prinzipien ermoglicht sprunghafte Leistungssteigcrungen und damit verbunden haufig die Verdrangung existierender Technologien. In der Konsequenz sind Innovationen mit einem hohen Technologieinnovationsgrad sowohl auf der Mikro- als auch auf der Makroebene mit vcrglcichswcise groBcn technologischen Unsicherhciten verbunden. (3) Organisations innovationsgrad: Der Organisationsinnovationsgrad fokussiert die innerbetriebliche Mikropcrspektive. Hochgradige Innovationen sind haufig mit neuen formalcn organisatorischen Strukturen und Prozessen verbunden. Sic tangicren dariiber hinaus aber auch informale Charaktcristika dcr Organisation, indem sic z.B. die Untcmchmcnskultur verandem. Das spiegelt sich z.B. in ciner verstarkten und offeneren Zusammenarbeit mit extcmcn Partnem wider. Auch stratcgische Neuorientierungcn sind ein Merkmal von Innovationen mit einem hohen Organisationsinnovationsgrad (SALOMO 2003, S. 414 nennt diese Dimension ,intcmcr Ressourccn-Fit'). (4) Umfeldinnovationsgrad: Dcr Umfcldinnovationsgrad ist ein bisher haufig vemachlassigtcr Aspekt der tiberbetrieblichen Makroperspektive. Innovationen bccinflussen nicht nur die dirckten Marktakteure (insb. Anbicter und Nachfrager), sondem auch das weiter gefasste Umfcld. Besonders hochgradige (radikale) Innovationen vcrlangen haufig den Aufbau neuer Infrastrukturen sowie groBcre Anpassungen regulatorischcr und gcsellschaftlicher Rahmenbedingungen (SALOMO 2003, S. 413 spricht von ,cxtemcm Ressourcen-Fit').

II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen

36

Die Konzeptualisiemng des Innovationsgrades als vierdimensionales Konstrukt wird in der folgenden Abbildung zusammenfassend dargestellt. Innovationsgrad Makroperspektive

Mikroperspektive Markt

f^tnio^lt

[^^m^

Markt

tme^mk^l

^m

Neuer Markt

1 Neuestech- lOrganisations[nisches Prinzip 1 struktur

Neuer 1 1 NeuestechKundennutzen |InischesPnnzid Infrastruktur

Neue Kunden

1 Leistungs1 sprung

Prozesse

Lernaufwand

Informale Organisation

Verhaltensanderung

Strategie

Adoptionsrisiko

Neue Marktposition IVIarktinnovationsgrad I

1 Leistungs- 1 sprung

Regulation Gesellschaftl. Bedingungen

{ Technologieinnovationsgrad

m

Organisationsinnovationsgrad

m

Umfeldinnovationsgrad

Abb. 5: Konzeptualisierung des Innovationsgrades als vierdimensionales Konstrukt Quelle: in Anlehnung an KMEGER (2005, S. 16) und SALOMO (2003, S. 406)

Der (Gesamt-) Innovationsgrad einer Innovation lasst sich tiber die beschriebenen vier Dimensionen bestimmen. Dem Ansatz von GARCIA/CALANTONE (2002, S. 121) folgend lassen sich aus der Kombination der vier Dimensionen des Innovationsgrades unterschiedliche Innovationstypen definieren (SALOMO 2003, S. 406 f.): Radikale Innovationen sollten in alien vier Dimensionen vergleichsweise hohe Diskontinuitaten aufweisen. Es ist davon auszugehen, dass insbesondere das Vorliegen eines hohen Umfeldinnovationsgrades radikale Innovationen von weniger hochgradigen Innovationen unterscheidet. Die davon abzugrenzende Extremposition der inkrementalen Innovation wird auf Diskontinuitaten auf der Mikro-Ebene beschrankt sein und i.d.R. auch nur in einer Dimension Verandemngen zeigen. Als moderat innovativ konnen alle Kombinationen an Diskontinuitaten in den Bereichen Markt, Technologie. Organisation und Umfeld eingestuft werden, die zwischen den beiden Extremen liegen. Wie bereits dargestellt wurde, werden moderat innovative und radikale Innovationen in der vorliegenden Arbeit als hochgradige Innovationen bezeichnet. 3.2.2 Besonderheiten hochgradiger Innovationen Hochgradige Innovationen unterscheiden sich von inkrementalen Innovationen. Ziel des folgenden Abschnitts ist es, konzeptionelle und empirische Befunde zu hochgradigen Innovationen systematisch darzustellen, um auf die Besonderheiten hochgradiger Innovationen aufmerksam zu machen. Dabei wird zwischen Besonderheiten aus Herstellersicht (3.2.2.1) und aus Kundensicht (3.2.2.2) unterschieden. Im Anschluss (3.2.2.3) wird der Einfluss des Innovationsgrades auf den Innovationserfolg diskutiert, der u.a. durch die spezifischen Besonderheiten hochgradiger Innovationen determiniert wird.

II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen

37

3.2.2.1 Besonderheiten hochgradiger Innovationen aus Herstellersicht Sowohl konzeptionelle Beitrage als auch empirische Studien haben sich in der Vergangenheit mit den Besonderheiten hochgradiger Innovationen aus der Sicht des innovierenden Unternehmens beschaftigt. Eine Literaturanalyse zeigt, dass haufig gleiche bzw. ahnliche Charakteristika angefiihrt werden. Die folgende Tabelle fasst vorliegende Beflinde systematisch zusammen und differenziert zwischen konzeptionellen Aussagen und empirischen, qualitativen bzw. quantitativen Befunden. Chancen hochgradiger Innovationsprojekte Gute Differenzierungsmoglichkeit im Wettbewerb

= SONG/PARRY 1999, S. 665; ZIAMOU 1999, S. 370; S O N G / M O N T O Y A -

Im Erfolgsfall iiberdurchschnittlich hohe Erfolge

^ BAKER/SINKULA 2005, S. 491; REID/DEBRENTANI 2004, S. 172; HAMEL

WEISS 1998, S. 125; LYNN et al. 1996a, S. 80; F u s c o 1994, S. 29

2001, S. 150; SAMLI/WEBER 2000, S. 39; SHELTON 1999, S. 28; SCHMIDT/CALANTONE 1998, S. 113

Herausforderungen hochgradiger Innovationsprojekte Niedriges bereits vorhandenes Informations- und Kompetenzniveau

* HAMEL 2001, S. 152; SONG/PARRY 1999, S. 666; SCHMIDT/CALANTONE 1998, S. 113; LEHMANN 1994, S. 1; GALES/MANSOUR-COLE 1995, S. 84 * * DANNEELS 2002, S. 1106; M C D E R M O T T / O ' C O N N O R 2002, S. 429

Schwierige Abschatzung des Marktpotenzials/der Marktentwicklung

^ MDJ et al. 2006, S. 16; BAKER/SINKULA 2005, S. 491; LINTON 2002, S. 371; BROCKHOFF 2002, S. 42; LEHMANN/WINER 1997, S. 269; BALACHANDRA/FRIAR 1997, S. 283; MORIARTY/KOSNIK 1990, S. 26; OLSCHOWY 1990, S. 64; HAYES/ABERNATHY 1980, S.73

^ LiCHTENTHALERet al. 2004, S. 104; DANNEELS 2002, S. 1106; M C D E R M O T T / O ' C O N N O R 2002, S. 428

Schwierige Abschatzung der technischen Leistungsfahigkeit und des Leistungssteigerungspotenzial

* MiNet al. 2006, S. 16; BAKER/SINKULA 2005, S. 491; MELDRUM/MILLMAN 1991, S. 44 f.; OLSCHOWY 1990, S. 61 f.; MORIARTY/KOSNIK 1990, S. 26 * * DANNEELS 2002, S. 1106; O ' C O N N O R 1998, S. 157

Haufig Erfordemis der Zusammenarbeit mit extemen Partnem (z.B. Entwicklungspartnem)

' MiNet al. 2006, S. 16; AoGARWALet al. 1998, S. 361; LEHMANN 1994,

Hohe Entwicklungs- und Vermarktungskosten

* CiiANDY/TELLis 2000, S. 13; WIND/MAHAJAN 1997, S. 3;

S. 1; MOORE 1994, S. 5 ^ PETERS 1999, S. 181; M C D E R M O T T 1999, S. 636

MELDRUM/MILLMAN 1991, S . 49 * * RICE et al. 2002, S. 334; LYNN et al. 1996b, S. 10 *** SAMLI/WEBER2000,S.44

Wenig formalisierter, strukturierter und linerarer Innovationsprozess

* * PETERS 2006, S. 118; LICHTENTHALER et al. 2004, S. 106; LEIFER et al. 2000, S. 1 8 ; M C D E R M O T T 1999, S. 638; VERYZER 1998a, S. 317; LYNN

etal. 1996a, S. 82 * * * SONG/MONTOYA-WEISS 1998, S. 129 f.

Uberdurchschnittliche lange Dauer des Innovationsprozesses

* REID/DE BRENTANI 2004, S. 175; SAMLI/WEBER 2000, S. 39; LEHMANN/WINER 1997, S. 266; OLSON et al. 1995, S. 52; MELDRUM/MILLMAN 1991, S . 49 * * DANNEELS 2002, S. 1106; M C D E R M O T T 1999, S. 638 * * GRIFFIN 1997b, S. 3 1 ; MEYER/UTTERBACK 1995, S. 300; SCHOONHOVEN

etal. 1990, S. 198 Relativ langsame Diffusion im Markt

* MiNet al. 2006, S. 16; SANDBERG 2002, S. 188; WEIBER/POHL 1995, S. 417; LEHMANN 1994, S. 1; MELDRUM/MILLMAN 1991, S . 47; OLLEROS 1986, S. 11; HAYES/ABERNATHY 1980, S. 73; TAUBER 1994, S. 23 * * SAMLI/WEBER 2000, S. 44; GOLDER/TELLIS 1997, S. 266

*konzeptionelle Aussage; **empirischer qualitativer Befund; ***empirischer quantitativer Befund Tab. 1: Charakteristika hochgradiger Innovationen aus Herstellersicht Quelle: Eigene Darstellung (Literaturanalyse)

38

n Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen

Es wird deutlich, dass zwischen Chancen und Herausforderungen hochgradiger Innovationsprojekte differenziert werden kann. Als Chancen werden z.B. die Moglichkeit der Differenzierung vom Wettbewerb (z.B. SONG/PARRY 1999, S. 665) und potenziell iiberdurchschnittlich hohe Erfolge (z.B. BAKER/SINKULA 2005, S. 491) genannt (vgl. zum Erfolgseinfluss des Innovationsgrades ausfuhrlich Abschnitt 3.2.2.3). Uberwiegend werden in der Literatur jedoch spezifische Herausforderungen angeftihrt, wie z.B. ein vergleichsweise niedriges Informations- und Kompetenzniveau (z.B. DANNEELS 2002, S. 1106), die Erfordemis der Zusammenarbeit mit extemen Partnem (z.B. PETERS 1999, S. 181), relativ hohe Entwicklungsund Vermarktungskosten (z.B. RICE et al. 2002, S. 334) sowie vergleichsweise langsame Difflisionsprozesse im Markt (z.B. SANDBERG 2002, S. 188; vgl. Tab. 1). Diese Herausforderungen lassen sich auf Unsicherheiten zuriickfiihren (PETERS 2006, S. 117; HAUSCHILDT 2004, S. 47; MCDERMOTT/O'CONNOR 2002, S. 430). Im allgemeinen Sprachgebrauch steht Unsicherheit fur die mangelnde Vorhersagbarkeit zuktinftiger Entwicklungen (GALES/MANSOUR-COLE 1995, S. 83). Empirische Studien weisen darauf hin, dass hochgradige Innovationsprojekte mit einem komplexen Muster verschiedener Dimensionen der Unsicherheit konfrontiert sind. Vier Unsicherheitsdimensionen stehen im Vordergrund, jedoch mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Entwicklungsverlaufen (RICE etal. 2002, S. 331; LEiFERet al. 2001, S. 103; LYNN/AKGUN 1998, S. 12 f):

• Marktunsicherheiten entstehen aus mangelnden Kenntnissen iiber den Markt und die Anforderungen des Marktes. Die Beantwortung folgender Fragen stellt eine groBe Herausforderung dar: Was ist der Zielmarkt? Wie groB ist der Zielmarkt? Wie wird sich der Zielmarkt entwickeln? Was sind konkrete Bediirfnisse der Zielkunden? Wie viele Anwendungsmoglichkeiten gibt es? Welchen Preis sind potenzielle Kunden bereit zu zahlen? Was sind die Vorteile der Innovation gegeniiber Konkurrenzprodukten? Wie werden sich andere Marktteilnehmer (z.B. Wettbewerber, Handel) verhalten? Welche regulatorischen Entwicklungen sind zu erwarten? Welche Verkaufs- und Vertriebsmethoden sind angemessen? • Technologieunsicherheiten basieren auf dem Grad des vorhandenen Informations- und Wissensstandes zu relevanten naturwissenschaftlichen Phanomenen, technischen Spezifikationen, Leistungsparametem und Produktionsprozessen. Hohe Technologieunsicherheiten auBem sich in Fragestellungen wie z.B.: Wie lasst sich die technische Machbarkeit einstufen? Was sind relevante Leistungskriterien? Welche Dynamik technischer Leistungsparameter ist zu erwarten? Was sind relevante Spezifikationen des Produktionsprozesses? Von welchen Entwicklungszeiten und -kosten kann ausgegangen werden? • Ressourcenunsicherheiten konzentrieren sich vor allem auf Aspekte der Finanzierung und der Kompetenzausstattung eines Innovationsvorhabens. In Projekten mit hohen Ressourcenunsicherheiten stellen folgende Fragestellungen eine Herausforderung dar: Welche

II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen

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Budget- und KompetenzanfoTdemngen stellt das Projekt? Sind finanzielle Ressourcen auBerhalb der regularen Budgetierung notwendig? Wie konnen fehlende Ressourcen generiert werden? Welche Ressourcen lassen sich nur extern beziehen? Wer sind potenzielle exteme Partner des Vorhabens? • Organisatorische Unsicherheiten beziehen sich auf die interne Umsetzung des Innovationsvorhabens. Dazu gehoren Fragestellungen wie z.B.: Welche Fahigkeiten sollte das Projektteam haben? Wie konnen die richtigen Teammitglieder rekrutiert werden? Wie soil die Leitung des Projektes aussehen? Wie kann das Projekt optimal in der Organisation verankert werden? Wie konnen projektexteme Ressourcen innerhalb der Organisation generiert werden? Wie konnen divergierende Interessen beriicksichtigt werden? Wie kann eine ausreichende Untersttitzung durch das Top-Management gewahrleistet werden? Ein aktiver Umgang mit diesen vier Unsicherheiten stellt die wesentliche Herausforderung des Management hochgradiger Innovationsprojekte dar (LEIFER etal. 2001, S. 103; MCDERMOTT 1999, S. 636). Als kritisch erweist sich, dass die Unsicherheiten haufig in einer wechselseitigen Beziehung zueinander stehen (DESZCA et al. 1999, S. 616; LYNN et al. 1996b, S. 10). So orientiert sich die Weiterentwicklung einer Technologic i.d.R. an der Akzeptanz des sich parallel entwickelnden Marktes und umgekehrt hangt die Marktakzeptanz von dem Entwicklungsstand der sich erst entwickelnden Technologic ab (MOENAERT/SOUDER 1990, S. 92). Insbesondere zu Beginn des Innovationsprozesses sind die Unsicherheiten besonders hoch (VERWORN/HERSTATT 2003, S. 196; REID/DE BRENTANI 2004, S. 172; in diesem Zu-

sammenhang wird auch von ,fuzzy front end' gesprochen). Unsicherheit stellt eine Schlusselrolle fur den Informationsbedarf dax (WRIGHT/ASHILL 1998, S. 129). Der auf GALBRAITH (1977, S. 36 f) zuruckgehende Informationsverarbeitungsansatz versteht Unsicherheit als Differenz zwischen dem Bedarf an Information zur Losung einer Aufgabe und den in einer Organisation bereits vorhandenen Informationen. Der Erfolg einer Organisation basiert danach auf dem Fit, der zwischen der vorhandenen Unsicherheit und den Aktivitaten der Informationsverarbeitung realisiert wird: Situationen, die durch eine hohe Unsicherheit gepragt sind, verlangen - verglichen mit Situationen geringerer Unsicherheit eine intensivere Informationsgenerierung und -verarbeitung (MENONA^ARADARAJAN 1992, S. 63 f; MOENAERT/SOUDER 1990, S. 94; DAFT/LENGEL 1986, S. 556).

Es lasst sich ableiten, dass hochgradige Innovationen aufgrund ihrer komplexen Unsicherheitsstruktur ein vergleichsweise hohes MaB an Informationen erfordem (LEIFER 1998, S. 133; OLSON etal. 1995, S. 52; GALES/MANSOUR-COLE 1995, S. 84). Empirische Untersuchungen zeigen jedoch gleichzeitig, dass die Informationsverarbeitung in hochgradigen Projekten mit besonders grofien Schwierigkeiten verbunden ist (SONG/MONTOYA-WEISS 1998, S. 127; MOENAERT 1995, S. 253). Ein Grund dafur ist darin zu vermuten, dass der Prozess hochgradiger Innovationen durch viele, variierende unerwartete Ereignisse (hohe Varia-

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n Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen

bilitat) und intern wenig vorhandene Routinen zur Problemlosung (geringe Analysierbarkeit) gepragt ist (SICOTTE/LANGLEY 2000, S. 3; DAFT/LENGEL 1986, S. 563). In der Konsequenz sind die Informationsbedtirfnisse selten strukturiert und haufig sogar unbekannt (GALES/ MANSOUR-COLE 1995, S. 84 sprechen in diesem Zusammenhang auch von ,unknown uncertainty'). Entsprechend hoch sind bei hochgradigen Innovationen die Anforderungen an die organisationalen Informationsverarbeitungsfahigkeiten (LEIFER 1998, S. 133). Das Projektteam kann nicht auf vorhandene Informationen zuriickgreifen und muss einen intensiven Lemprozess durchlaufen (SOUDER/MOENAERT 1992, S. 498). In der Konsequenz stoBt das Innovationsteam schnell an die Grenzen der eigenen Informations has is (SALOMO etal. 2003, S. 175; MOENAERT et al. 1995, S. 245; GALES/MANSOUR-COLE 1995, S. 84). So zeigt eine empirische Studie im Bereich hoch technologischer Branchen, dass mit zunehmender wahrgenommener Unsicherheit die Nutzung extemer Informationsquellen (Quellen auBerhalb des Untemehmens z.B. Kunden) deutlich steigt (MCGEE/SAWYERR 2003, S. 392). Zusammenfassend: Hochgradige Innovationen sind aus Herstellersicht mit Chancen (gute Differenzierungsmoglichkeit, iiberdurchschnittliche Erfolge im Erfolgsfall), jedoch auch mit Herausforderungen verbunden. Die Herausforderungen lassen sich auf spezifische Unsicherheiten (Markt-, Technologic-, Ressourcenunsicherheiten sowie organisatorische Unsicherheiten) zuriickfuhren. Unsicherheiten determinieren den Bedarf an Informationen: Hochgradige Innovationsprojekte verlangen nach dem Informationsverarbeitungsansatz ein besonders hohes MaB an Informationen. Gleichzeitig erweist sich jedoch die Informationsverarbeitung aufgrund einer hohen Variabilitat und geringen Analysierbarkeit der Prozesse als besonders schwierig. Die wesentliche Herausforderung hochgradiger Innovationsprojekte besteht daher in der Identifikation geeigneter, insbesondere extemer Informationsquellen und der kontinuierlichen Generierung relevanter Informationen. 3.2.2.2 Besonderheiten hochgradiger Innovationen aus Kundensicht Der Neuigkeitsgrad einer Innovation hat einen groBen Einfluss auf ihre Evaluation und Ubernahme (VERYZER 1998b, S. 138). Eine Auseinandersetzung mit den Besonderheiten hochgradiger Innovationen verlangt daher nicht nur die Betrachtung der Herstellerperspektive, sondem auch die Betrachtung der Perspektive potenzieller Kunden. Erklarungsansatze bieten die Schematheorie, die Adoptions- und Dijfusionsforschung und die Theorie des wahrgenommenen Risikos. Die folgende Tabelle fasst Befunde aus der Literatur zusammen.

II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen

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B e f u n d e zur Schematheorie Erfordemis des Aufbaus neuer Wissensstrukturen (hoher Lembedarf)

^ DAHL/HOEFFLER 2004, S. 261; SAAKSJARVI 2003, S. 92; GREGAN-

PAXTONet al. 2002, S. 534; MOREAUET AL. 2001, S. 489; ZIAMOU/GREGAN-PAXTON 1999, S. 365; AGGARWAL et al. 1998, S. 362; LEHMANN/WINER 1997, S. 263; URBAN et al. 1996, S. 47; OLLEROS

1986,8.12 ^BiNSACK 2003,8.219 Erfordemis von Einstellungs- und Verhaltensanderungen

* ZiAMOU 1999, S. 369; AGGARWAL et al. 1998, 8. 362; URBAN et al. 1996, 8. 47; ADAMJEE 1994, S. 46; ROBERTSON 1971, 8. 15 f.

** BINSACK2003,8. 219 f.; VERYZER 1998b, 8. 146 B e f u n d e zur A d o p t i o n s - u n d Diffusionsforschung Vergleichsweise hoher relativer Vorteil

' 8 A M L I / W E B E R 2 0 0 0 , 8. 38; ZIAMOU 1999, 8.370; GUILTINAN 1999,

8.515; MCDERMOTT 1999,8.633; VERYZER 1998b, 8. 138; SCHMIDT/CALANTONE 1998, S. 113; POHL 1 9 9 6 , 8 . 6 3 ; SCHMALEN/ PECHTL 1996, 8. 822; KOTZBAUER 1992, 8.47 = BAIER 1999, 8.232; GATIGNON/XUEREB 1997,8. 86

Relativ hohe Komplexitat

= K I M / W I L E M O N 2 0 0 3 , 8.19; POHL 1996, 8 . 6 3 ; 8CHMALEN/PECHTL 1996, 8. 822; WEIBER/POHL 1995,8.416; KOTZBAUER 1992, 8.47 ' VERYZER 1998b, 8. 143

Relativ geringe Kompatibilitat

* GUILTINAN 1999, S. 515; AGGARWAL ET AL. 1998,8.359; POHL 1996,

8.63; 8CHMALEN/PECHTL 1996, S. 822; WEIBER/POHL 1995,8.416; KOTZBAUER 1 9 9 2 , 8 . 4 7 ; OLLEROS 1986,8.12

Erschwerte Kommunizierbarkeit

* POHL 1 9 9 6 , 8 . 2 9 ; WEIBER/POHL 1995,8.416; BACKHAUS/VOETH 1995,

8.399 * * VERYZER 1998b, 8.145

Eingeschrankte Erprobbarkeit

* POHL 1 9 9 6 , 8 . 2 9 ; WEIBER/POHL 1995, 8.416; KOTZBAUER 1992, S. 47 * * VERYZER 1998b, 8. 145

Befunde zur T h e o r i e des w a h r g e n o m m e n e n Risikos Relativ hohe negative Kauffolgen

* POHL 1 9 9 6 , 8 . 7 3 ; WEIBER/POHL 1 9 9 5 , 8 . 4 2 0

Relativ hohe Unsicherheit bzgl. des Eintrittes negativer Kauffolgen

' SCHMALEN/PECHTL 1996,8. 822; BACKHAUS/VOETH 1 9 9 5 , 8 . 4 0 0 ; WEIBER/POHL 1995, 8.420 ' VERYZER 1998b, 8. 145

Insgesamt betrachtet: Relativ hohes wahrgenommenes Risiko

•• H E L M 2001, S. 170 f.; AGGARWAL et al. 1998, 8. 359 f.; 8CHMIDT/CALANTONE 1 9 9 8 , 8 . 1 1 3 ; LEHMANN/WINER 1 9 9 7 , 8 . 2 6 = BAIER 1 9 9 9 , 8 . 2 3 2

*konzeptionelle Aussage; **empirischer qualitativer Befund; ***empirischer quantitativer Befiind Tab. 2: Charakteristika hochgradiger Innovationen aus Kundensicht Quelle: Eigene Darstellung (Literaturanalyse)

Im Folgenden werden die Besonderheiten hochgradiger Innovationen aus Kundensicht mit Hilfe der drei Theorieansatze genauer analysiert. Merkmale hochgradiger Innovationen aus einer schematheoretischen Perspektive Aus Kundensicht fuhren hochgradige Innovationen zu Diskontinuitaten in den Bereichen Produktnutzen, Produktfunktionen und Nutzungsverhalten (VERYZER 1998b, S. 138). Hochgradige Innovationen weichen von den mit einer Produktkategorie verbundenen sog. kognitiven Schemata ab (BINSACK 2003, S. 28). Unter einem kognitiven Schema versteht man eine Organisationseinheit des Wissens im Gedachtnis, in der auf Erfahrungen basierende, typische Zusammenhange eines Realitatsbereiches reprasentiert sind (TROMMSDORFF 2004, S. 91; BLESS/SCHWARZ 2002, S. 259). Schemata umfassen Wissenseinheiten zu Objekten, Situatio-

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11 Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen

nen, Ereignissen und Aktionen (RUMELHART/ORTONY 1977, S. 101). Da Schemata sich aus Erfahrungen heraus konstituieren, sind sie individuell verschieden (RUMELHART 1980, S. 37). Schemata werden als fundamentale Elemente der menschlichen Informationsverarbeitung verstanden (BLESS/SCHWARZ 2002, S. 259; RUMELHART 1980, S. 33). Im Rahmen der Informationsverarbeitung kommt es zu Riickkoppelungseffekten zwischen neuen und schematisch gespeicherten Informationen. Der wahrgenommene Grad der Neuartigkeit einer Information ergibt sich aus dem Grad der Ubereinstimmung der Information mit gespeicherten Wissenseinheiten. In diesem Zusammenhang spricht man auch von dem Grad der Schemakongruenz (HECKLER/CHILDERS 1992, S. 477 f). Forschungsbeitrage aus dem Bereich der sozialen Kognitionswissenschaft zeigen, dass der Grad der Schemakongruenz sich auf die Informationsverarbeitungsstrategie (z.B. FISKE/NEUBERG 1990), die Stimulusevaluation (z.B. MANDLER 1982), die Erinnerung (z.B. GRAESSER 1981) und die Entwicklung und Veranderung kognitiver Schemata (z.B. RUMELHART/NORMAN 1978) auswirkt. Der Grad der Schemakongruenz beeinflusst also in erheblichem MaBe die menschliche Informationsverarbeitung. Erkenntnisse der sozialen Kognitionswissenschaft sind seit Ende der 1980er Jahre zunehmend auf den Bereich der Neuproduktbeurteilung tibertragen worden. Empirische Studien zeigen, dass Produktwissen in Ubereinstimmung zur Schematheorie hierarchisch gegliedert ist (MEYERS-LEVY/TYBOUT 1989, S. 41; SUJAN/DEKLEVA 1987, S. 372 ff): Die oberste Hierar-

chieebene entspricht i.d.R. der Produktkategorie (z.B. ,Auto'), die mittlere Ebene den Produkttypen (z.B. ,Sportautos') und die unterste Ebene den Produktmarken (z.B. ,Porsche 911') bzw. Produktattributen (,fahrt schnell'). Ausgehend von gespeicherten kognitiven Schemata entwickeln Kunden Erwartungen an die Eigenschaften von Produktkategorien, -typen und -marken. Innovationen treffen auf diese Erwartungen. Das AusmaB der Abweichung der Innovationseigenschaften von den gespeicherten Wissens- und Verhaltensstrukturen spiegelt sich im Grad der Schemakongruenz wider (BINSACK 2003, S. 28; LEE 1995, S. 210). Das heiBt, der Neuigkeitsgrad einer Innovation kann als Grad der Inkongruenz zu vorhandenen Schemata interpretiert werden. BINSACK (2003) untersucht den Einfluss des Innovationsgrades auf die Neuproduktbeurteilung und -akzeptanz aus einer schematheoretischen Perspektive. Die Autorin kann empirisch nachweisen, dass hochgradige Innovationen den Erwerb neuer Wissensstrukturen erfordern, und inkongruent zu bestehenden Einstellungs- und Verhaltensschemata sind (BiNSACK 2003, S. 271 ff; vgl. zu analogen Befunden in der Literatur Tab. 2). Es resultiert eine erschwerte Neuproduktbeurteilung. Mit zunehmendem Innovationsgrad (und damit verbundener Schemainkongruenz) konnen vorhandene, schematypische Eigenschaften und Bewertungen nicht einfach assimiliert werden. Es miissen neue ftinktionale, produkt- und verhaltensbezogene sowie beurteilungsrelevante kognitive Strukturen aufgebaut werden. Die dazu erforderlichen Lemprozesse sind mit einem hohen kognitiven, zeitlichen und finanziellen Aufwand

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verbunden und konnen eine Adoptionsbarriere fiir potenzielle Kunden darstellen. Grundsatzlich mit Atypizitat verbundene positive Gefuhle wie Interesse und Neugier konnen leicht in negative Gefuhle wie Unsicherheit und Misstrauen umschlagen (siehe auch BAGOZZI/LEE 1999, S. 221; VERYZER 1998b, S. 143 ff.). Das kann zu einem Aufschub der Adoptionsentscheidung bzw. zu einem dauerhaften Widerstand fiihren (RAM/SHETH 1989, S. 6). Merkmale hochgradiger Innovationen aus der Perspektive der Adoptions- und Diffusionsforschung Aus der Perspektive der Adoptions- und Diffiisionsforschung lassen sich Merkmale hochgradiger Innovationen aus Kundensicht auf spezifische Auspragungen der ROGERS-Kriterien (vgl. ausfiihrlich 3.1.3) zuriickfuhren. So wird in der Literatur haufig davon ausgegangen, dass hochgradige Innovationen objektiv betrachtet einen vergleichsweise hohen relativen Vorteil aufweisen, der sich z.B. in einem hohen technischen Fortschritt (SCHMALEN/PECHTL 1996, S. 822), neuen Funktionalitaten (ZiAMOU 1999, S. 370) bzw. in einem hohen Produktnutzen (SAMLIAVEBER 2000, S. 38) manifestiert (vgl. Tab. 2). Problematisch ist, dass aufgrund von Unsicherheiten bzgl. der Erfiillung von Leistungskriterien der vergleichsweise hohe relative Vorteil vor dem Kauf fiir potenzielle Kunden haufig nicht eindeutig erkennbar ist (POHL 1996, S. 63). Die qualitativen Ergebnisse von VERYZER (1998b, S. 145) zeigen beispielsweise, dass potenzielle Kunden in einer ersten Konfrontation mit hochgradigen Innovationen haufig Schwierigkeiten haben, den Nutzen zu erkennen. Diese Schwierigkeiten lassen sich auf die spezifischen Auspragungen der anderen vier ROGERSKriterien zuruckfahren (WEIBER/POHL 1995, S. 420; vgl. auch Tab. 2). So weisen hochgradige Innovationen aufgrund ihrer Neuartigkeit i.d.R. eine vergleichsweise hohe Komplexitdt (Z.B. KIM/WILEMON 2003, S. 19) und eine niedrige Kompatibilitdt zu bestehenden Werten/Erfahrungen und Produkten/Systemen (z.B. GUILTINAN 1999, S. 515) auf Daruber hinaus sind die Vorteilspotenziale haufig nicht direkt und nicht ohne beurteilungsrelevantes Wissen erkennbar, was die Kommunizierbarkeit erschwert (z.B. VERYZER 1998b, S. 145). Verstarkt wird dieser Effekt durch eine eingeschrdnkte Erprobbarkeit (z.B. POHL 1996, S. 29 f): Eine Testphase kann nur einen begrenzten Zeitraum in Anspruch nehmen, gleichzeitig wird die Vorteilhaftigkeit hochgradiger Innovationen jedoch haufig erst mittel- bis langfristig evident. STRUTTON etal. (1994, S. 127) konnen die Adaquatheit der ROGERS-Kriterien far hochgradige Innovationen empirisch nachweisen. Die Wahmehmung der Eigenschaften unterscheidet sich signifikant zwischen Ubemehmem und Nicht-Ubemehmem einer hochgradigen Innovation. Das heiBt, es kann davon ausgegangen werden, dass die dargestellten, spezifischen Auspragungen der ROGERS-Kriterien die Ubemahmewahrscheinlichkeit einer hochgradigen Innovation beeinflussen. Der positive Einfluss des hohen relativen Vorteils wird tendenziell tiberlagert durch die adoptions-hinderliche Auspragung der restlichen Kriterien (ROGERS 2003, S. 266).

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Merkmale hochgradiger Innovationen aus der Perspektive der Theorie des wahrgenommenen Risikos Die Theorie des wahrgenommenen Risikos betrachtet das auf BAUER (1960) zuruckgehende Konstrukt des wahrgenommenen Risikos als zentrale Einflussgrofie des KaufVerhaltens (BAIER 1999, S. 59). Das wahrgenommene Risiko ist eine Funktion der negativen Kauffolgen (mit der Adoption subjektiv verbundene Gefahren) und der empfundenen Unsicherheit bzgl. des Eintritts dieser Kauffolgen (Eintrittswahrscheinlichkeit; CUNNINGHAM 1967, S. 83). Zu den negativen Kauffolgen zahlen z.B. nicht erwiinschte funktionale, okonomische, soziale und psychologische Konsequenzen der Kaufentscheidung (Cox 1967, S. 37). Hochgradige Innovationen sind i.d.R. sowohl mit der Erwartung steigender Vorteile (Leistungsvermutung) als auch steigender Obemahmerisiken verbunden (KOTZBAUER 1992C, S. 121). So kann bei hochgradigen Innovationen von relativ hohen negativen Kauffolgen (z.B. POHL 1996, S. 73) und gleichzeitig von einer hohen Unsicherheit bzgl. des Eintrittes dieser negativen Kauffolgen (z.B. VERYZER 1998b, S. 145) ausgegangen werden. Daraus lasst sich ableiten, dass mit zunehmendem Innovationsgrad das wahrgenommene Risiko der Ubernahme steigt (z.B. HELM 2001, S. 170 f; vgl. auch Tab. 2). Das hat erhebliche Auswirkungen auf die Adoption der Innovation: Je hoher das wahrgenommene Risiko ist, desto geringer ist die Adoptionsgeschwindigkeit (POHL 1996, S. 73; WEIBER/POHL 1995, S. 417) und desto

haufiger wird die Adoptionsentscheidung verschoben (GIERL 1997, S. 1087). Das wahrgenommene Risiko hat also eine aufschiebende und blockierende Wirkung auf die Nachfrage. Nach der Theorie des wahrgenommenen Risikos wird eine Kaufentscheidung erst getroffen, wenn das wahrgenommene Risiko unter einem individuell akzeptierbaren Niveau liegt (HELM 2001, S. 123; POHL 1996, S. 134). In der Konsequenz begegnen potenzielle Kunden einem hohen wahrgenommenen Risiko mit Risikoreduktionsstrategien. Als eine zentrale Risikoreduktionsstrategie gilt insbesondere bei komplexen Kaufentscheidungen (GEMUNDEN 1985, S. 34) die Informationssuche (HELM 2001, S. 118; GlERL 1997, S. 1077; WEIBER/POHL 1995, S. 421; siehe fiir eine systematische Bestandsaufnahme zum Zusammenhang zwischen Risiko und Informationsnachfrage GEMUNDEN 1985). Ziel innovierender Untemehmen muss es sein, potenziellen Kunden innerhalb des Informationssuchprozesses die Vorteilhaftigkeit der Innovation darzulegen, um eine Ubemahme zu fordem (WEIBER/POHL 1995, S. 430). Dariiber hinaus kann eine geeignete Qualifikation der Nachfrager (z.B. Wissenstransfer zur Komplexitatsreduktion) die Informationsverarbeitung verbessem (BACKHAUS/VOETH 1995, S. 399). Zusammenfassend: Aus der Perspektive der Schematheorie, der Adoptions- und Diffusionsforschung sowie der Theorie des wahrgenommenen Risikos konnten Merkmale hochgradiger Innovationen aus Kundensicht abgeleitet werden. Ubemahmefordemde Faktoren (z.B. ein

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hoher relativer Vorteil) werden haufig durch ubemahmehemmende Faktoren (z.B. die Notwendigkeit des Aufbaus neuer Wissensstrukturen) iiberlagert. Aus Sicht des innovierenden Untemehmens kann die Notwendigkeit der Bereitstellung von Informationen abgeleitet werden. Kommunikation hat einen hohen Einfluss auf die erfolgreiche Verbreitung einer Innovation im Markt (SCHMALEN/XANDER 2000, S. 415; MEFFERT 1976, S. 96). Auf diese Weise kann der Aufbau neuer Wissensstrukturen unterstiitzt (BINSACK 2003, S. 277 f.), die Wahrnehmung der Innovationseigenschaften beeinflusst (GlERL 2000, S. 815 f.) und das wahrgenommene Risiko gesenkt (WEIBER/POHL 1995, S. 430) werden. 3.2.2.3 Einfluss des Innovationsgrades auf den Innovationserfolg In der allgemeinen Managementliteratur wird davon ausgegangen, dass hochgradige Innovationen ein von inkrementalen Innovationen abweichendes Chancen-Risiken-Verhaltnis aufweisen (ZIRGER 1997, S. 295). Danach bieten hochgradige Innovationen die Moglichkeit einer nachhaltigen Differenzierung vom Wettbewerb (z.B. SONG/PARRY 1999, S. 665) und die Chance auf einen iiberproportional hohen Erfolg (z.B. BAKER/SINKULA 2005, S. 491; vgl. auch Tab. 1, Abschnitt 3.2.2.1). Gleichzeitig fiihren die mit hochgradigen Innovationen verbundenen Unsicherheiten (vgl. Abschnitt 3.2.2.1) jedoch dazu, dass sowohl die Wahrscheinlichkeit, als auch das AusmaB des Erfolges ungewiss sind (SORESCU et al. 2003, S. 82; DANNEELS 2002, S. 1106). Wissenschaftliche Studien zum Zusammenhang zwischen dem Innovationsgrad und dem Innovationserfolg zeigen widerspruchliche Befunde. In der Literatur fmden sich Hinweise fur: .

QinQnpositiven Zusammenhang (ZHOU 2006, S. 399; ZHOU et al. 2005, S. 52; BERTH 2003, S. 18; SONG/MONTOYA-WEISS 1998, S. 131; ZIRGER 1997, S. 295; GATIGNON/XUEREB 1997, S. 85; BRINKMANN 1997, S. 163; Booz, ALLEN & HAMILTON 1982, S. 8),

.

einen negativen Zusammenhang (MiN et al. 2006, S. 25 f.; DANNEELS/KLEINSCHMIDT 2001, S. 369; ALI 2000, S. 158; ATUAHENE-GIMA 1996, S. 99; ZIRGER/MAIDIQUE 1990, S. 878; MEYER/ROBERTS 1986, S. 815),

• einen U-formigen Zusammenhang (AVLONiTis etal. 2001, S. 338; KOTZBAUER 1992C, S. 224; KLEINSCHMIDT/COOPER 1991, S. 244 ff),

.

bzw. keinen eindeutigen Zusammenhang (KRIEGER 2005, S. 162; HENARD/SZYMANSKI 2001, S. 367; ScHLAAK 1999, S. 256 ff.; CALANTONE etal. 1994, S. 146; COOPER/ KLEINSCHMIDT 1993, S. 109).

Die empirischen Ergebnisse von SONG/MONTOYA-WEISS (1998, S. 131) zeigen beispielsweise, dass die durchschnittliche Rentabilitat hochgradiger Innovationen verglichen mit inkrementalen Innovationen signifikant hoher ist. ZHOU et al. (2005, S. 52) konnen empirisch nachweisen, dass Innovationen mit einem hohen Technologieinnovationsgrad bzw. einem hohen Marktinnovationsgrad den Untemehmens- und Produkterfolg positiv beeinflussen. Eine praxisorientierten Langzeitstudie (BERTH 2003, S. 18) liefert konkrete Vergleichszahlen:

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Danach erzielen radikale Innovationsprojekte eine durchschnittliche Rentabilitat von 14,7 %, wahrend inkrementale Innovationen nur 6,9 % aufweisen konnen. Hinweise zu einem negativen Erfolgseinfluss des Innovationsgrades geben hingegen empirische Studien, die sich mit der Synergic neuer Projekte zu vorhandenen Untemehmensressourcen beschaftigen. Danach sind Innovationsprojekte, die auf interne Ressourcen (z.B. F&Eund Marketing Know How) zuriickgreifen konnen (i.d.R. inkrementale Innovationsprojekte), crfolgreicher als hochgradige Projekte, die mangels Synergien den Aufbau neuer Ressourcen verlangen (DANNEELS/KLEINSCHMIDT 2001, S. 369; ZIRGER/MAIDIQUE 1990, S. 878).

KLEINSCHMIDT/COOPER (1991, S. 241) beschaftigen sich mit den gegensatzlichen Befunden in der Literatur und erklaren diese durch zwei gegenlSufige Effekte. Hochgradige Innovationen bieten auf der einen Seite die Chance einer nachhaltigen Differenzierung vom Wettbewerb (positiver Erfolgseinfluss), auf der anderen Seite bestehen jedoch wenige Synergien zu vorhandenen intemen Ressourcen (negativer Erfolgseinfluss). Die Autoren konnen empirisch einen U-formigen Verlauf des Zusammenhanges des Innovationsgrad und Erfolg feststellen. Danach zeigen sowohl inkrementale als auch radikale Innovationen vergleichsweise hohe Erfolgsraten und -maBe (u.a. ROI, Marktanteil), wahrend sich moderat innovative Innovationen als deutlich weniger erfolgreich herausstellen. Ein mittlerer Innovationsgrad birgt die Gefahr einer ,stuck in the middle'-Position: MaBig innovative Produkte verftigen weder tiber einen ausreichenden relativen Vorteil im Markt noch iiber die Vorteile intemer Synergieeffekte (KLEINSCHMIDT/COOPER 1991, S. 244 ff).

KoTZBAUER (1992c, S. 186) vermutet ebenfalls eine U-formige Beziehung zwischen dem Innovationsgrad und dem Innovationserfolg, in Abgrenzung zu KLEINSCHMIDT/COOPER (1991) jedoch einen umgekehrt U-formigen Zusammenhang. Aus einer abnehmerorientierten Perspektive entwickelt KOTZBAUER (1992c, S. 119ff) ein Erklarungsmodell der optimalen Innovationshohe. Danach ist mit zunehmendem wahrgenommenem Innovationsgrad sowohl die Erwartung steigender Vorteile (Leistungsvermutung) als auch tiberproportional steigender Ubemahmerisiken (Bedeutung und Wahrscheinlichkeit negativer Kauffolgen) verbunden. Bei gegebener Risikoaversion potenzieller Kunden leitet KOTZBAUER (1992c, S. 125 f) das Vorhandensein einer optimalen Innovationshohe ab: Danach steigen die Erfolgschancen eines Produktes mit ansteigender Innovationshohe zunachst bis zu dem Punkt des maximal wahrgenommenen Nutzens an. Uberschreitet die Innovationshohe diesen Punkt, so ist mit sinkenden Erfolgsaussichten der Innovation zu rechnen. Es gelingt KOTZBAUER (1992c, S. 224) erste empirische Hinweise zu der postulierten umgekehrt U-formigen Beziehung zwischen dem Innovationsgrad und dem finanziellen Neuprodukterfolg zu generieren (zu einem analogen Ergebnis fur Service-Innovationen kommen AVLONITIS et al. 2001, S. 338).

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Zusammenfassend lasst sich feststellen, dass in der Literatur widerspriichliche Befunde zum Einfluss des Innovationsgrades aufden Erfolg vorliegen. Bestatigt wird diese Schlussfolgerung durch die Metaanalyse von HENARD/SZYMANSKI (2001, S. 367), in der kein signifikanter Erfolgseinfluss des Innovationsgrades festgestellt werden kann. Ein wesentlicher Grund fiir die Befundlage ist in der uneinheitlichen Konzeptualisierung und Operationalisiemng des Innovationsgrades zu sehen (SALOMO 2003, S. 401 f). So ist davon auszugehen, dass die Perspektive der Neuartigkeit (,neu ftir wen?') Einfluss aufden Zusammenhang hat (SCHLAAK 1999, S. 107). Studien, die die Perspektive des innovierenden Untemehmens einnehmen (z.B. DANNEELS/KLEINSCHMIDT 2001), stellen tendenziell eher einen negativen Einfluss des Innovationsgrades fest, wahrend ein hoher Innovationsgrad aus der Perspektive des Marktes tendenziell eher positiv mit dem Erfolg assoziiert ist (z.B. SONG/MONTOYA-WEISS 1998). Gleichzeitig weist das Modell von KOTZBAUER (1992C) jedoch darauf hin, dass auch aus der Perspektive des Marktes hochgradige Innovationen mit erhohten Risiken verbunden sind. Relativ einig ist sich die Forschung daruber, dass auf der Untemehmensebene ein langfristiger strategischer Wettbewerbsvorteil die Kombination verschiedener Innovationsarten verlangt (HAN et al. 2001, S. 11; TUSHMAN et al. 1997, S. 7; WIND/MAHAJAN 1997, S. 2; ABERNATHY/

CLARK 1985, S. 20). Auf der Projektebene stellt sich die Frage, ob der Innovationsgrad weniger als unabhangige Variable, sondem eher als moderierende Variable betrachtet werden sollte. Die bis dato eher widerspriichlichen Befunde weisen darauf hin, dass ein hoher Innovationsgrad keinen Erfolg garantiert. Vielmehr scheint die Entwicklung und Einflihrung einer hochgradigen Innovation ein besonderes Innovationsmanagement zu verlangen. Das heiBt, der Innovationsgrad ist vielmehr als eine moderierende Variable zu betrachten (LEE/O'CONNOR 2003, S. 5). Der folgende Abschnitt widmet sich dieser Fragestellung. 3.2.3 Der Innovationsgrad als Kontingenzfaktor in der Erfolgsfaktorenforschung Seit Mitte der 1990er Jahre raumen das Marketing Science Institute, das Institute for Study of Business Markets und das Journal of Marketing unabhangig voneinander der Erforschung von Innovationen hoher Neuigkeitsgrade hochste Prioritat ein (DE BRENTANI 2001, S. 170; CHANDY/TELLIS 1998, S. 474; WIND/MAHAJAN 1997, S. 3). Hochgradige Innovationen standen bis dato vergleichsweise selten im Zentrum der wissenschaftlichen Innovationsforschung (VERYZER 2005, S. 24). Die meisten Beitrage konzentrieren sich auf die Untersuchung inkrementaler Innovationen bzw. differenzieren nicht zwischen Innovationen verschiedener Neuigkeitsgrade (LiCHTENTHALER et al. 2004, S. 102; HAUSCHILDT 2004, S. 36). In der Praxis werden haufig dieselben Ansatze und Methoden zum Management inkrementaler und radikaler Innovationen eingesetzt (MCDERMOTT/0'CONNOR 2002, S. 434). Wie bereits dargestellt wurde, bezieht sich ein wesentlicher Kritikpunkt an der Erfolgsfaktorenforschung auf die Vemachlassigung von Kontextfaktoren (HAENECKE 2002, S. 176; ERNST 2002, S. 33; vgl. Abschnitt 3.1.2.2). Die in der Organisationstheorie verankerte Kontingenz-

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theorie (vgl. im Uberblick ZEITHAML et al. 1988; DRAZIN/VAN DE VEN 1985) bietet Potenzial fiir ein besseres Verstandnis dariiber, wie sich Kontextfaktoren auf das Innovationsmanagement auswirken. Die Kontingenztheorie vemeint das Vorhandensein einer unter alien Rahmenbedingungen effektiven Organisationsstruktur. Es wird vielmehr davon ausgegangen, dass die optimale Organisationsstruktur in Abhangigkeit gegebener Kontingenzfaktoren, wie z.B. UntemehmensgroBe, Strategie und Unsicherheit, variiert (ZEITHAML etal. 1988, S. 39; DRAZIN/VAN DE VEN 1985, S. 514).

Im Kontext von Innovationsprojekten wird relativ haufig ein Brancheneinfluss vermutet. Zum Ausschluss dieses Einflusses und damit aus Gninden der Vergleichbarkeit erfolgt haufig eine Fokussierung empirischer Studien auf spezifische Industriesegmente (HAUSCHILDT 2004, S. 49; ERNST 2001, S. 180; in Deutschland iiblicherweise auf den Maschinenbau: z.B. GRUNER 1997; KIRCHMANN 1994). Branchenubergreifende Beitrage der Erfolgsfaktorenforschung konnen jedoch haufig keinen Einfluss der Branchenzugehorigkeit auf Erfolgsfaktoren von Innovationsprojekten feststellen (ERNST 2001, S. 180; vgl. z.B. KARKKAINEN et al. 2001, S. 398; COOPER/KLEINSCHMIDT 1995, S. 379). Eine Vermutung fur diesen Nichtbefund ist, dass die Verwendung einer Brancheneinteilung nur ungenugend Sachverhalte operationalisiert, die vermutlich einen Einfluss auf den Nachweis von Erfolgsfaktoren haben. Entsprechend wird in der wissenschaftlichen Forschung zunehmend von der Verwendung der Klassifikation Branche zu Gunsten anderer Kontingenzfaktoren abgesehen (ERNST 2001, S. 180; MELHERITZ 1999, S. 157; BALACHANDRA/FRIAR 1997, S. 283).

TiDD (2001, S. 175) kommt auf der Basis einer Literaturanalyse zu dem Ergebnis, dass insbesondere zwei Kontingenzfaktoren einen wesentlichen Einfluss auf das Management von Innovationen haben: Unsicherheit und Komplexitdt. Wie im Abschnitt 3.2.2.1 dargestellt wurde, stellt Unsicherheit ein konstituierendes Merkmal hochgradiger Innovationsprojekte dar (LYNN/AKGUN 1998, S. 13). Dariiber hinaus sind hochgradige Innovationen haufig sehr komplex (KIM/WILEMON 2003, S. 19). Damit im Einklang stehend wird der Innovationsgrad in der Literatur weitgehend einheitlich als Kontingenzvariable des Innovationsmanagement verstanden (SCIGLIANO 2003, S. 60). Empirische Studien beschaftigen sich zunehmend mit der moderierenden Wirkung des Innovationsgrades auf den Erfolgseinfluss von Managementaktivitaten (z.B. TALKE 2005; KRIEGER 2005; LEE/O'CONNOR 2003; BONNER etal. 2002; SONG/XIE 2000; LEE/NA 1994).

LEE/NA (1994, S. 65 f) konnen z.B. empirisch zeigen, dass die Untersttitzung eines Innovationsprojektes durch einen Promotor wichtiger fur den Erfolg radikaler als fur den Erfolg inkrementaler Innovationen ist. Trotz erster empirischer Hinweise in spezifischen Bereichen des Innovationsmanagement gilt die Betrachtung des Innovationsgrades als Moderatorvariable nach wie vor als ein Forschungsdefizit:

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„An important contingent factor may be the 'degree of newness' of the new product, especially for studies conducted at the project level, because it can be assumed that it affects the new product development process and the relevance of a specific success factor." (ERNST 2002, S. 33; H.d.V.)

Die vorliegende Arbeit folgt dem Verstandnis des Innovationsgrades als Kontingenzvariable. Dabei wird das Konstrukt in zweifacher Weise als Kontingenzfaktor berucksichtigt. Zum einen erfolgt die Konzeptualisierung der Kundenorientierung fiir den Kontext hochgradiger Innovationen (vgl. Kapitel 5). Diese Vorgehensweise folgt dem sog. Selektionsansatz, nach dem in der Kontingenztheorie davon ausgegangen wird, dass Organisationen ihr Verhalten am Kontext ausrichten (DRAZIN/VAN DE VEN 1985, S. 516 f.). Die kontextspezifische Konzeptualisierung der Kundenorientierung unterliegt der Grundannahme, dass hochgradige Innovationen aufgrund ihrer hohen Unsicherheiten besondere Herausforderungen an das Innovationsmanagement stellen: „Is it reasonable to expect that an innovation strategy used on an incremental innovation can be equally effective for a radical innovation? Most likely not. Innovation strategies must be tailored to the nature of the innovation and the degree of uncertainties present." (LYNN/AKGUN 1998, S. 12)

Daruber hinaus wird der Innovationsgrad als Moderatorvariable berucksichtigt. Der Einfluss des Innovationsgrades auf die Beziehung von Kundenorientierung und Erfolg wird sowohl theoretisch und literaturgestiitzt (Kapitel 7 und 8) als auch empirisch (Kapitel 10) analysiert. Dieser in der Kontingenztheorie sog. Interaktionsansatz unterliegt der Annahme, dass Erfolg mit zunehmendem Fit zwischen Kontext und Managementverhalten steigt (DRAZIN/VAN DE VEN 1985, S. 517 f). 3.3 Ausgewahlte Ansatze zur Interaktion zwischen Herstellern und Kunden im Innovationsprozess Die sog. Interaktionsforschung beschaftigt sich mit Interaktionsprozessen, die zwischen Herstellern und Kunden stattfinden. Unter Interaktionen konnen alle formalen und informalen Kontakte mit spezifisch problembezogenen, das Leistungsprogramm betreffenden Inhalten verstanden werden (HERSTATT 1991, S. 57). Klassischer Untersuchungsfokus der Interaktionsforschung ist die Vermarktung von Produkten und Prozessen im Investitionsgiiterbereich (KERN 1990, S. 16). Wenige Ansatze iibertragen den Interaktionsgedanken auf den Kontext der Entwicklung von Innovationen. Als wesentliche Betrage gelten das sog. MAP-CAP-CAP 2-Paradigma (u.a. FoxALL/TlERNEY 1984, S. 13; VON HiPPEL 1978a) und das Zusammenarbeitsmodell von GEMtJNDEN (1981; 1980), die im Folgenden im tJberblick vorgestellt werden. MAP-CAP-CAP 2-Paradigma VON HIPPEL (1978a;b) reagiert mit seinen Arbeiten Ende der 1970er Jahre auf die in der Literatur bis dahin iiberwiegend eingenommene Sichtweise herstellerdominierter Innovationsprozesse (sog. Manufacturer-Active-Paradigm; MAP). Darunter versteht VON HiPPEL (1978a,

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S. 40) eine Dominanz des Herstellers bzgl. der Aktivitaten entlang des Innovationsprozesses. Danach ist es Aufgabe des Herstellers, Zielgruppen zu identifizieren, Kundenbediirfnisse aufzudecken und darauf aufbauend Erfolg versprechende Innovationsideen zu entwickeln und umzusetzen. Die Rolle des Kunden beschreibt VON HIPPEL (1978b, S. 243) im Rahmen dieses Paradigmas als passiv im Sinne von ,speaking only when spoken to.' Auf der Basis empirischer Beflinde zur Initiierung von Innovationsprojekten durch Kunden entwickelt vON HIPPEL (1978a, S. 40; 1978b, S. 243) das Paradigma des kundendominierten Innovationsprozesses (sog. Customer-Active-Paradigm; CAP). Nach diesem Ansatz werden die wesentlichen Aktivitaten zu Beginn des Innovationsprozesses durch den Kunden getragen. Der Kunde generiert eine Idee ftir ein neues Produkt, formuliert ein Konzept bzw. setzt die Innovationsidee in Form eines Prototyps um. AnschlieBend iibertragt er seine Entwicklung und sein Wissen an einen Hersteller. Dieser iiberpriift das Marktpotenzial der Idee und entwickelt daraus eine marktfahige Innovation, die er produziert und vermarktet. Das MAP-CAP-Paradigma wurde von einigen Forschem, insbesondere von der Forschergruppe um FOXALL (u.a. FOXALL/JOHNSTON 1987; FOXALL/TIERNEY 1984; siehe aber auch

Voss 1985), erweitert bzw. modifiziert. So schlagen FOXALL/TIERNEY (1984, S. 13) z.B. eine Erweiterung des CAP-Paradigmas durch ein weiteres Interaktionsmuster (genannt CAP 2) vor. Wahrend CAP von einer Entwicklungsiibergabe spatestens nach der Prototypphase an den Hersteller ausgeht, sieht CAP 2 eine aktive, untemehmerische Rolle des Kunden auch in der Kommerzialisierungsphase der Innovation (z.B. durch Patentierung) vor. Zusammenarbeitsmodell von Gemiinden Das Zusammenarbeitsmodell von GEMUNDEN (1981; 1980) stellt neben dem MAP-CAPCAP 2-Paradigma ein weiteres Interaktionsmodell dar, das im Innovationskontext angewandt wird (z.B. bei LUTHJE 2000, S. 82 ff.; SCHRADER 1995, S. 465; HERSTATT 1991, S. 43 f.). Der Autor untersucht am Beispiel der Beschaffung von EDV-Anlagen Interaktionsstrategien, die im Rahmen komplexer Entscheidungsprozesse eingesetzt werden. Auf der Basis der Uberprufung zahlreicher Effizienzhypothesen leitet GEMUNDEN (1980, S. 30) als eine zentrale Erkenntnis ab, dass ein Fit zwischen angestrebtem Anspruchsniveau der Problemlosung und dem Interaktionsgrad erreicht werden muss (Korrespondenztheorem). Der Autor kommt im Fall eines angestrebten groBen Innovationsschrittes zu dem Schluss, dass eine intensive Interaktion zwischen Hersteller und Kunde empfehlenswert ist. Diese Interaktion ist dann am erfolgreichsten, wenn eine ausgewogene Technologic- und Nutzenorientierung, sowie eine ausgewogene Arbeitsteilung vorliegen. Ein Vergleich des MAP-CAP-CAP 2-Paradigmas (FOXALL/JOHNSTON 1987; VON HIPPEL 1978a; 1978b) mit dem Zusammenarbeitsmodell von GEMUNDEN (1981; 1980) zeigt wesentliche konzeptionelle Unterschiede. Im MAP-CAP-Paradigma wird explizit bzw. implizit eine

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arbeitsteilige Interaktion postuliert. Das heiBt, dass innerhalb einer Innovationsphase entweder der Hersteller oder der Kunde dominiert, wahrend die jeweils andere Partei keine bzw. lediglich eine untergeordnete Rolle einnimmt. Die Interaktion bezieht sich im Wesentlichen auf den Transfer der erarbeiteten Ergebnisse auf die andere Partei am Ende einer Innovationsphase (LOTHJE 2000, S. 81 f.). GEMUNDEN (1981, S. 31) geht in seinem Modell hingegen von einer kooperativen Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Kunden aus. Eine ausgewogene Technologie- und Nutzenorientierung sowie eine ausgewogene Arbeitsteilung sind danach nicht durch getrennt durchgefuhrte Aktivitaten, sondem vielmehr nur durch einen beiderseitigen Lemprozess moglich. Dieser Lemprozess ist bei einem geplanten groBen Innovationsschritt nicht nur in der Phase der Entwicklung, sondem auch in fruheren und spateren Phasen des Innovationsprozesses moglich und sinnvoU (HERSTATT 1991, S. 45). Konzeptionelle Ahnlichkeiten zeigen sich zwischen dem Zusammenarbeitsmodell von GEMUNDEN (1980) und dem sog. Lead-User-Ansatz (VON HIPPEL 1986). Der Lead User Ansatz basiert zwar auf dem Grundgedanken des CAP-Paradigmas, geht jedoch auch von einer kooperativen Interaktion zwischen Hersteller und ausgewahlten, besonders innovativen Kunden aus (GRUNER/HOMBURG 2000, S. 4; vgl. zum Lead User Ansatz auch Abschnitt 5.3.2.3 und 8.2.1.3). Eine Vielzahl empirischer Studien stiitzt sowohl das CAP-CAP 2-Paradigma als auch das Zusammenarbeitsmodell von GEMUNDEN. Zum einen konnen viele Studien Anteile von Innovationsprojekten identifizieren, in denen der Kunde eine aktive Rolle im Innovationsprozess einnimmt (z.B. BiEMANS 1991, S. 168; MANTEL/MEREDITH 1986, S. 34; PARKINSON 1985,

S. 53; VOSS 1984, S. 149; SPITAL 1979, S. 291; einen ausfiihrUchen LFberbHck gibt LUTHJE 2000, S. 245 ff). Zum anderen hat sich gezeigt, dass groBe Innovationsschritte haufig durch Formen der kooperativen Interaktion zwischen Herstellem und Kunden erzielt werden (z.B. LIN/GERMAIN 2004, S. 249; TETHER 2000, S. 24; BIEGEL 1987, S. 133 f; SHAW 1985, S. 288;

SPITAL 1979, S. 291 f). Insgesamt betrachtet wird in der Literatur auch von einem ,Paradigmenwechsel in der Innovationsforschung' im Sinne einer Abkehr vom rein herstellerdominierten Innovationsprozess gesprochen (KARLE-KOMES 1997, S. 76; HERSTATT 1991, S. 24).

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4 Das Konstrukt der Marktorientierung auf der Unternehmensebene Die vorliegende Arbeit fokussiert das Thema Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen. Das Konstrukt wurde bis dato wissenschaftlich vemachlassigt (SANDBERG 2005, S. 255; BiEMANS 2003, S. 517). Da Kundenorientierung i.d.R. als eine Teilkomponente der Marktorientierung verstanden wird (z.B. KOHLi/jAWORSKi 1990, S. 3) sowie aufgrund inhaltlicher Parallelen, soil auf den Stand der Forschung zur Marktorientierung auf der Unternehmensebene zuriickgegriffen werden. Aufbauend auf einer Darstellung und Diskussion des Forschungsstandes im vorliegenden Kapitel wird unter Beriicksichtigung der Besonderheiten hochgradiger Innovationen im Kapitel 5 das Konstrukt der Kundenorientierung auf der Projektebene konzeptualisiert. Im folgenden Abschnitt 4.1 werden zunachst eine Einordnung des Konstruktes der Marktorientierung sowie eine Begriffsabgrenzung vorgenommen. Im Abschnitt 4.2 werden unterschiedliche Perspektiven der Marktorientierung vorgestellt und diskutiert. Dabei wird zwischen traditionellen (kultur- und verhaltensorientierte Ansatze, 4.2.1) und neueren Perspektiven (Marktorientierung und Organisationales Lemen sowie reaktive/marktgeleitete vs. proaktive/marktgestaltende Formen der Marktorientierung; 4.2.2) unterschieden. Neben der Konzeptualisierung hat sich die wissenschaftliche Forschung intensiv mit dem Einfluss der Marktorientierung auf den Erfolg auseinandergesetzt (4.3). Nach einem Uberblick zum Forschungsfeld (4.3.1) wird eine differenzierte Synopse empirischer Befunde vorgenommen (4.3.2). Dabei wird unterschieden nach direkten (4.3.2.1) sowie moderierenden und mediierenden Effekten (4.3.2.2). Der Abschnitt endet mit einer kritischen Wiirdigung vorliegender empirischer Befunde (4.3.3). Abschnitt 4.4 fasst die gewonnenen Erkenntnisse zur Marktorientierung auf der Unternehmensebene zusammen und leitet bestehende Forschungspotenziale ab. 4.1 Einordnung des Konstruktes der Marktorientierung und Begriffsabgrenzung 4.1.1 Einordnung des Konstruktes der Marktorientierung Trotz umfangreicher Forschungsbemiihungen existiert bis dato kein einheitliches Verstandnis daruber, was unter dem Konstrukt der Marktorientierung zu verstehen ist (MATSUNO et al. 2005, S. 1; DESHPANDE/FARLEY 2004, S. 6). Marktorientierung kann zu den strategischen Orientierungen einer Organisation gezahlt werden (TUOMINEN et al. 2004, S. 209; NOBLE et al. 2002, S. 25). Darunter versteht man leitende Prinzipien, die sich auf die Art und Weise beziehen, wie eine Organisation Strategien anwendet, um sich ihrer Umwelt anzupassen bzw. spezifische Aspekte ihrer Umwelt aktiv zu verandem (NOBLE et al. 2002, S. 26 f.; MANU/ SRIRAM 1996, S. 79; eine ausfuhrliche Diskussion des Orientierungsbegriffes liefert BOTSCHEN 1999, S. 10 ff.).

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11 Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen

Die Literatur ist sich weitestgehend darin einig, dass das Konstrukt der Marktorientierung seinen Ursprung im Marketingkonzept findet (ZHAO/CAVUSGIL 2006, S. 405). Das Marketingkonzept, das den Kunden und seine Bedtirfnisse in den Mittelpunkt der Untemehmenstatigkeit stellt, fiihrte ab Mitte der 1950er Jahre zu der Entwicklung des Marketing von einer reinen Verkaufsorientierung hin zu einer Fiihrungsphilosophie (WEBSTER 1988, S. 31). Einer der ersten Verfechter, der Managementberater Peter Drucker, formuliert den Grundgedanken des Marketingkonzeptes folgendermaBen: „There is only one valid definition of business purpose: to create a satisfied customer. It is the customer who determines what the business is." (DRUCKER 1954, S. 37)

Marktorientierung wird haufig als Implementierung des Marketingkonzeptes verstanden (HARRIS/OGBONNA 1999, S. 179; vgl. z.B. bei KOHLI/JAWORSKI 1990, S. 1) bzw. vorhandene

Ansatze zur Marktorientierung bauen auf dem Grundgedanken des Marketingkonzeptes auf (NARVER et al. 1998, S. 241). Perspektiveniibergreifend kann Marktorientierung als Ausrichtung der Unternehmenstdtigkeit am Markt verstanden werden, wobei Uneinigkeit dariiber besteht, wie sich diese Ausrichtung konkret manifestiert und was unter dem Begriff Markt zu verstehen ist (vgl. ausfuhrlich Abschnitt 4.2). Inhaltliche Nahe zum Konstrukt der Marktorientierung zeigt das Konstrukt der Kundenndhe. Kundennahe erlangte durch das Buch ,In Search of Excellence' von PETERS/WATERMAN (1982) hohe Aufmerksamkeit in Forschung und Praxis. Das Konstrukt wurde im Laufe der Jahre immer wieder aufgegriffen und kontinuierlich weiterentwickelt (u.a. HOMBURG 1995; SIMON 1991; GEMUNDEN 1989; ALBERS/EGGERT 1988). HOMBURG (1995, S. 114) konzeptua-

lisiert das Konstrukt z.B. mit Hilfe der zwei Dimensionen Kundennahe des Leistungsangebotes (u.a. Produkt- und Dienstleistungsqualitat, Flexibilitat im Kundenumgang) und Kundennahe des Interaktionsverhaltens (u.a. Qualitat der Beratung, Offenheit im Informationsverhalten). Kundennahe zeigt Parallelen zur Marktorientierung (und wird z.T. auch als Synonym betrachtet; z.B. RUEKERT 1992, S. 225; SiMON 1991, S. 255), weist jedoch konzeptionelle Unterschiede auf. Wahrend Marktorientierung starker Prozesse der Orientierung am Markt innerhalb des Untemehmens fokussiert, beschafligt sich Kundenahe mehr mit dem Verhalten eines Untemehmens im direkten Kontakt zu seinen Kunden (TUOMINEN et al. 2004, S. 207). Dariiber hinaus betrachtet Kundennahe mehr den Umgang mit individuellen Kunden, wahrend Marktorientierung starker die Ausrichtung auf die Gesamtheit der Kunden impliziert (KLEINALTENKAMP/DAHLKE 1998, S. 33). Empirische Studien zeigen, dass die Konstrukte voneinander abgegrenzt werden konnen und dass Marktorientierung als eine Antezedenz der Kundennahe verstanden werden kann. Danach gelingt es vor allem marktorientierten Unter-

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nehmen, eine intensive, kundennahe Beziehung zu ihren Kunden aufzubauen (TUOMINEN et al. 2004, S. 211 f.; MARTIN/GRBAC 2003, S. 34). Fiir den Kontext der vorliegenden Arbeit, Kundenorientierung im Innovationsprojekt, eignet sich das Konstrukt der Marktorientierung als Konzeptionsbasis besser als das Konstrukt der Kundennahe. Wesentliche Komponenten der Kundenahe sind Eigenschaften des Produktes bzw. des Leistungsangebotes (z.B. Qualitat und Flexibilitat). Das Produkt entsteht erst im Rahmen des Innovationsprozesses und stellt somit ein Ergebnis desselben dar. Das Konstrukt der Marktorientierung ist hingegen dem Ergebnis des Innovationsprozesses vorgelagert und eignet sich damit vergleichsweise besser zur Ableitung kundenorientierter Aktivitaten im Innovationsprojekt. Im Forschungsbereich der Marktorientierung lassen sich unterschiedliche Betrachtungsebenen unterscheiden (UTZIG 1997, S. 11; RUEKERT 1992, S. 228). Im Schwerpunkt hat sich die Forschung mit der Marktorientierung auf der Untemehmensebene sowie der individuellen Mitarbeiterebene beschaftigt. Bei der Marktorientierung auf der Untemehmensebene stellt das Analyseobjekt das Untemehmen dar. Entsprechende Forschungsbeitrage beschaftigen sich mit der Frage, was unter einem marktorientierten Untemehmen zu verstehen ist. Der Grad der Marktorientierung kann zwischen verschiedenen strategischen Geschaftseinheiten eines Untemehmens erheblich schwanken (LAMMERTS etal. 2001, S. 11; RUEKERT 1992, S. 237). In der Konsequenz wahlen Ansatze auf der Untemehmensebene bis auf wenige Ausnahmen (z.B. LADO etal. 1998, S. 29 f.) nicht das Untemehmen als Ganzes, sondem strategische Geschaftseinheiten als Analyseobjekt (z.B. DESHPANDE etal. 1993, S. 29; JAWORSKI/ KOHLI 1993; S. 58; NARVER/SLATER 1990, S. 23).

Neben Ansatzen der Marktorientiemng auf der Untemehmensebene existieren Ansatze der Markt-ZKundenorientierung auf der individuellen Ebene, die den Fokus auf die Verhaltensweisen einzelner Mitarbeiter im Kundenkontakt legen (UTZIG 1997, S. 11). Als wesentliche Forschungsbeitrage gelten die Selling-Orientation-Customer-Orientation (SOCO)-Skala (SAXE/WEITZ 1982), das Modell des kundenorientierten, prosozialen Verhaltens (FELLED et al. 2000), das Einstellungs-Verhaltens-Modell (STOCK 2002) und das Konzept der Kundenorientiemng als Perspektivenubemahme (TROMMSDORFF 1997). So definiert TROMMSDORFF (1997, S. 289) beispielsweise Kundenorientiemng verhaltenswissenschaftlich als virtuelles Hineinversetzen in den Kunden zur Antizipation seiner Perspektive und seines Handelns und zur Ableitung von Konsequenzen fiir das eigene Handeln. Von der Marktorientiemng auf der Untemehmensebene sowie der individuellen Mitarbeiterebene zu unterscheiden ist die Projektebene (ATUAHENE-GIMA 1995, S. 276). Auf der Ebene des einzelnen, konkreten Projektes eines Untemehmens steht ein spezifisches Produkt/eine Innovation bzw. ein spezifischer Markt im Vordergmnd der Betrachtung (RUEKERT 1992,

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S. 228). Marktorientierung auf der Projektebene wurde in der Forschung bis auf wenige Ausnahmen (KOK etal. 2003) nicht betrachtet (BIEMANS 2003, S. 517). Die vorliegende Arbeit widmet sich diesem Forschungsdefizit und konzeptualisiert das Konstrukt der Kundenorientierung im Kontext hochgradiger Innovationsprojekte. Dabei steht weniger das Verhalten einzelner Mitarbeiter als die Ausrichtung des tibergeordneten Innovationsprozesses an den Kundenbediirfnissen im Vordergmnd. Aufgrund der deutlichen, inhaltlichen Parallelen wird das Forschungsgebiet der Marktorientierung auf der Untemehmensebene im Folgenden als konzeptionelle Basis der Arbeit ausfiihrlich thematisiert. 4.1.2 Abgrenzung der Begriffe Marketing-, Markt- und Kundenorientierung Bevor verschiedene Perspektiven der Marktorientierung auf der Untemehmensebene genauer vorgestellt werden, soil ein tJberblick zu der Verwendung der Begriffe Marketing-, Marktund Kundenorientierung in der Literatur gegeben werden. SHAPIRO (1988, S. 119) verdeutlicht in seinem Artikel ,What the Hell Is ,Market Oriented'?' die Problematik der Begriffsabgrenzung mittels der Aussage des Geschaftsfuhrers eines Industrieuntemehmens: „'(...) We're in deep trouble, with both domestic and foreign competition preempting us at every turn. The only way to get out of this mess is for us to become customer driven or market oriented. I'm not even sure what that means, but I'm damn sure that we want to be there. I don't even know whether there's a difference between market driven and customer oriented or customer driven and market oriented or whatever. We've just got to do a hell of a lot better.'."

Die Abgrenzungsproblematik besteht nicht nur in der Praxis, sondem auch in der Forschung. Mangels einer einheitlichen Definition werden die Begriffe ,customer oriented', ,market driven' und ,market oriented' fur ahnliche Phanomene z.T. synonym verwendet und z.T. voneinander abgegrenzt (WEBB et al. 2000, S. 102). Ein verhaltnismaBig hohes MaB an Einigkeit besteht bzgl. der Verwendung von , market oriented' und ,marketing oriented': Bis auf Ausnahmen (z.B. AVLONITIS/GOUNARIS 1999, S. 1003) werden die Begriffe inhaltlich voneinander abgegrenzt. Marktorientierung (market orientation) nimmt im Vergleich zur Marketingorientierung (marketing orientation) einen breiteren Fokus ein. So wird die Orientierung am Markt nicht nur als eine Funktion der Marketingabteilung, sondem als eine untemehmensweite Aufgabe verstanden (BoTSCHEN 1999, S. 46; SLATER/NARVER 1998, S. 1003; HUNT/MORGAN 1995, S. 11). Zu diesem Zweck ist der

Begriff Marktorientierung adaquater, weil er die Bedeutung des Marktes unterstreicht und eine hohere Akzeptanz bei Mitarbeitem anderer Funktionen erwarten lasst (KOHLI/JAWORSKI 1990, S. 3 f.). Bis zur Jahrtausendwende bestand in der Literatur auch bzgl. der Begriffsverwendung von marktorientiert (market oriented) und marktgeleitet (market driven, zurtickzufuhren auf DAY 1990) weitestgehend Einigkeit: Die Begriffe wurden i.d.R. synonym verwendet (WRENN

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1997, S. 34; SLATER/NARVER 1995, S. 63; SHAPIRO 1988, S. 120). Neuere Ansatze der

Marktorientierung unterscheiden jedoch marktgeleitete (market driven) und marktgestaltende (market driving) Formen der Marktorientierung und nehmen auf diese Weise eine Begriffsprazisierung vor (JAWORSKI et al. 2000; KUMAR et al. 2000; siehe dazu ausfiihrlich Abschnitt 4.2.2.2). Eine relativ groBe Diskrepanz zeigt die Verwendung der Begriffe Kundenorientierung (customer orientation) und Marktorientierung (market orientation). Wahrend eine Forschungsfraktion die Begriffe als gleichbedeutend versteht (u.a. DESHPANDE etal. 1993, S. 27 f; RUEKERT 1992, S. 225; SHAPIRO 1988, S. 120), grenzen andere Autoren die Begriffe explizit voneinander ab (u.a. KOHLI/JAWORSKI 1990, S. 3; DAY 1990, S. 126). Die Diskussion manifestiert sich darin, was unter dem Begriff Markt verstanden wird. So definieren DESHPANDE et al. (1993, S. 27) den Marktbegriff „in the conventional manner as the set of all potential customers of a firm". In der Konsequenz verstehen sie die Begriffe Markt- und Kundenorientierung synonym. Inhaltlich grenzen sie Markt- und Kundenorientierung explizit von der Wettbewerberorientierung eines Untemehmens ab. Eine Orientierung am Wettbewerb kann in ihrem Verstandnis dann sogar als ein Gegenpol zur Kundenorientierung betrachtet werden, wenn die Untemehmenstatigkeit nicht im Schwerpunkt auf unerflillte Kundenbediirfnisse, sondem auf die Erzielung von Wettbewerbvorteilen ausgerichtet ist (DESHPANDE et al. 1993, S. 27). Andere Autoren subsumieren unter den Marktbegriff nicht nur Kunden, sondem auch andere Marktteilnehmer. So integrieren NARVER/SLATER (1990, S. 21) neben der Kundenorientierung die Wettbewerberorientierung als Teilkomponente in ihre Konzeption der Marktorientierung. DAY (1990, S. 126) defmiert ein marktgeleitetes Untemehmen als ein Untemehmen, das eine hohe Betonung sowohl der Kunden- als auch der Wettbewerberperspektive aufzeigt. KOHLI/JAWORSKI (1990, S. 3) defmieren den Marktbegriff aus Sicht der Kunden als alle Faktoren, die Kundenbediirfnisse beeinflussen. Darauf basierend verstehen sie Marktorientierung als eine Ausrichtung der Untemehmenstatigkeit nicht nur an den Kunden und Wettbewerbem, sondem auch an Umfeldfaktoren des Untemehmens (z.B. soziokulturelle Trends). Neuere Ansatze der Marktorientiemng berucksichtigen die Umfeldorientierung nicht nur inhaltlich, sondem als eigenstandige Komponenten des Konstmktes neben der Kunden- und Wettbewerberorientiemng (z.B. MATSUNO et al. 2005, S. 3; LADO et al. 1998, S. 27).

Zusammenfassend: Die Begriffe Markt- und Marketingorientiemng werden in der Literatur i.d.R. voneinander abgegrenzt. Marktorientiemng beinhaltet iiber die Marketingfiinktion hinaus eine Orientierung des gesamten Untemehmens am Markt. Hinsichtlich der Begriffe Markt- und Kundenorientiemng ist sich die Literatur weniger einig. Wahrend einige Autoren durch die Betrachtung von Wettbewerbem bzw. Umfeldfaktoren ein breiteres Verstandnis der

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11 Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen

Marktorientierung aufzeigen, beschranken sich andere auf die Orientierung am Kunden und verwenden in der Konsequenz die Begriffe Markt- und Kundenorientierung synonym. Die vorliegende Arbeit folgt dem dominierenden, breiteren Verstandnis (JAWORSKI/KOHLI 1996, S. 121 f.) und defmiert Marktorientierung als Ausrichtung der Untemehmenstatigkeiten am Markt, konstituiert durch Kunden, Wettbewerber und das Umfeld eines Untemehmens. Das in dieser Arbeit im Fokus stehende Konstrukt der Kundenorientierung wird neben der Wettbewerber- und Umfeldorientierung als ein eigenstandiges Teilkonstrukt der Marktorientierung (vgl. auch DESHPANDE/FARLEY 1998a, S. 225 f.) verstanden (vgl. Abb. 6).

Marktorientierung Kundenorientierung

Wettbewerberorientierung

Umfeldorientierung

Abb. 6: Marktorientierung als aggregiertes Konstrukt der Kunden-, Wettbewerber- und Umfeldorientierung Quelle: Eigene Darstellung

4.2 Perspektiven der Marktorientierung auf der Unternehmensebene Seit Beginn der 1990er Jahre hat sich die Forschung intensiv mit dem Konstrukt der Marktorientierung auf der Unternehmensebene beschaftigt. Dennoch existiert bis dato kein eindeutiges und einheitliches Konstruktverstandnis (ZHAO/CAVUSGIL 2006, S. 406; MASON/HARRIS 2005, S. 375; MATSUNO etal. 2005, S. 1; HULT etal. 2005, S. 1173). Zu unterscheiden sind Beitrage, die sich im Schwerpunkt mit folgenden Aspekten des Konstruktes beschaftigen: .

Konzeptualisierung (u.a. MATSUNO et al. 2005; NARVER et al. 2004; JAWORSKI et al. 2000; UTZIG 1997; DAY 1994a; RUEKERT 1992; KOHLI/JAWORSKI 1990; NARVER/SLATER

1990; DESHPANDE/WEBSTER 1989);

.

Operationalisierung (u.a. HOMBURG/PFLESSER 2000; DESHPANDE/FARLEY 1998a,b; KoHLi et al. 1993; DESHPANDE et al. 1993; NARVER/SLATER 1990);

.

Einflussfaktoren/Voraussetzungen (u.a. NARVER et al. 1998; BECKER/HOMBURG 1999; ScHLtJTER 1997; DAY 1994a^; JAWORSKI/KOHLI 1993; FRITZ 1992) bzw.

.

Erfolgswirkungen (u.a. KiRCA et al. 2005; CANO et al. 2004; LANGERAK 2003; KOHLI et al. 1993; NARVER/SLATER 1990).

Der Fokus des vorliegenden Abschnittes liegt auf Forschungsvorhaben, die sich mit (1) der Konzeptualisierung und/oder (2) der Operationalisierung der Marktorientierung auf der Unternehmensebene auseinandersetzen. Ausgeschlossen werden Ansatze, die inhaltlich keine eigenstandige Definition aufweisen bzw. ausschlieBlich spezifische Teilaspekte der Marktorientierung behandeln (z.B. Kundenorientierung in der Auftragsabwicklung: FRESE/NOETEL 1992). Zugunsten von Ubersichtlichkeit und Pragnanz wird auf die Darstellung von rein pra-

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xisorientierten Beitragen (z.B. Excellence-Modelle der European Foundation for Quality Management) und der allgemeinen betriebswirtschaftlichen Literatur verzichtet (siehe im Uberblick BAUERLE 2000, S. 15 ff.). Ansatze bzw. Erkenntnisse zu (3) Einflussfaktoren/ Voraussetzungen der Marktorientierung werden nicht im Detail behandelt, da sie keinen Erkenntnisgewinn zur Konzeptualisierung der Kundenorientierung bei hochgradigen Innovationen erwarten lassen. Beitrage zu (4) den Erfolgswirkungen der Marktorientierung werden im Abschnitt 4.3 fokussiert. Die Literatur ist sich nicht nur bzgl. des Verstandnisses, sondem auch bzgl. der Systematisierung der Ansatze zur Marktorientierung uneinig (LAFFERTY/HULT 2001, S. 94 f.; UxziG 1997, S. 12). Der dominanteste Systematisiemngsansatz differenziert zwischen kultur- und verhaltensorientierten Ansdtzen (KiRCA et al. 2005, S. 24; GRIFFITHS/GROVER 1998, S. 311). Neben diesen traditionellen Perspektiven lassen sich neuere Perspektiven der Marktorientierung identifizieren. Neuere Ansatze lassen sich iiber den Publikationszeitpunkt hinaus inhaltlich abgrenzen: Sie kniipfen an den traditionellen Konzepten an und setzen diese in Beziehung zu anderen Konstrukten (z.B. Organisationales Lemen) bzw. unterscheiden zwischen verschiedenen Auspragungsformen der Marktorientierung. Im Folgenden werden zunachst traditionelle Perspektiven (4.2.1) und anschlieBend neuere Perspektiven der Marktorientierung (4.2.2) vorgestellt und diskutiert. 4.2.1 Traditionelle Perspektiven der Marktorientierung Im Rahmen traditioneller Perspektiven wird im Folgenden zwischen kultur- und verhaltensorientierten Ansatzen der Marktorientierung unterschieden. Die Systematisierung ist nicht vollstandig trennscharf, da einige Autoren Aspekte verschiedener Sichtweisen ansprechen. Beispielsweise integrieren einige kulturorientierte Ansatze (z.B. HOMBURG/PFLESSER 2000) auch Aspekte der Umsetzung der Marktorientierung in ihre Konzeption. Umgekehrt weisen im Schwerpunkt verhaltensorientierte Ansatze (z.B. NARVER/SLATER 1990) z.T. auch kulturelle Defmitionsmerkmale bzw. Indikatoren auf. Die Konzeptionen werden im Folgenden jeweils dem inhaltlich pragnantesten Bereich zugeordnet. Aufgrund des Umfangs des Forschungsgebietes kann das Ziel nicht eine abschlieBende Darstellung, sondem nur ein Uberblick zu dominanten Ansatzen ein. 4.2.1.1 Kulturorientierte Ansatze Kulturorientierte Ansatze der Marktorientierung verstehen das Konstrukt als eine fiindamentale Eigenschaft der Untemehmenskultur. Der anerkannte Kulturforscher SCHEIN (1983, S. 14) defmiert den Begriff der Untemehmenskultur als Muster von Basisannahmen, die ein Untemehmen zur intemen und extemen Problembewaltigung entdeckt, entwickelt oder entfaltet hat. HOOLEY etal. (1990) gelten als eine der ersten Autoren, die in den Bereich des

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kulturorientierten Verstandnisses der Marktorientierung eingeordnet werden konnen (GouNARis/AvLONiTis 2001, S. 356; auch wenn die Autoren generischer von Marketing sprechen). HOOLEY etal. (1990, S. 11 ff.) identifizieren empirisch vier Cluster des MarketingVerstandnisses in der Praxis: Die (1) Marketing-Philosophen verstehen Marketing sowohl als Funktion, als auch als eine lenkende Philosophie/Kultur der gesamten Organisation. Die (2) Verkaufsunterstiitzer und (3) Abteilungs-Marketer betrachten Marketing als rein funktionale Aufgabe im Untemehmen mit dem Schwerpunkt Verkauf und Werbung bzw. Identifikation und Befriedigung von Kundenbediirfnissen. Die (4) Unsicheren zeigen kein klares MarketingVerstandnis. Aufgrund signifikant besserer Ergebnisse der Marketing-Philosophen (u.a. Return on Investment) kommen die Autoren zu dem Schluss, dass Marketing nicht ausschlieBlich als eine Funktion im Untemehmen betrachtet werden darf, sondem eine breitere Interpretation im Sinne einer leitenden UntemehmensphilosophieZ-kultur verlangt (HOOLEY etal. 1990, S. 21 f.). Der dominanteste Ansatz des kulturorientierten Verstandnisses der Marktorientierung wurde von DESHPANDE und seinem Forscherteam entwickelt (HOMBURG/PFLESSER 2000, S. 450; UTZIG 1997, S. 18). Aufbauend auf einem Grundverstandnis der Kundenorientierung als eine Auspragung der Untemehmenskultur (DESHPANDE/WEBSTER 1989, S. 8; die Autoren verwenden die Begriffe Markt- und Kundenorientierung synonym) konkretisieren DESHPANDE et al. (1993, S. 27) ihre Definition des Konstruktes als: „(...) the set of beliefs that puts the customer's interest first, while not excluding those of all stakeholders such as owners, managers, and employees, in order to develop a long-term profitable enterprise. We see customer orientation as being a part of an overall, but much fundamental, corporate culture."

Von der Integration kultureller Ansatze in die Marketingforschung erhoffen sich die Autoren ein erhebliches Potenzial fiir die Wissenschaft und Praxis. Sie vermuten eine Uberwindung deskriptiver Darstellungen im Sinne eines „what happens around here" hin zu einem tieferen Verstandnis von „why things happen the way they do" (DESHPANDE/WEBSTER 1989, S. 13). Die Autoren entwickeln auf der Basis von qualitativen Interviews eine Skala zur Messung der Kundenorientierung. Hervorzuheben ist, dass das Konstrukt sowohl aus Lieferanten- als auch aus Kundenperspektive erfasst wird (DESHPANDE et al. 1993, S. 33 f.). Der Forschungsansatz von DESHPANDE etal. (1993) wurde weltweit in zehn verschiedenen Landem repliziert (einen Uberblick geben DESHPANDE/FARLEY 2004). Die Messung der Kundenorientierung erweist sich als reliabel und valide und bestatigt eine Beziehung zwischen Kundenorientierung und vier unterschiedlichen Kulturtypen. Danach ist Kundenorientierung starker ausgepragt bei extern orientierten (market und adhocracy) als bei intern orientierten (hierarchical und clan) Kulturtypen (DESHPANDE/FARLEY 2004, S. 18). Die Metaanalyse zeigt dariiber hinaus, dass Selbsteinstufungen der Lieferanten im Vergleich zu Kundeneinstufungen zwar i.d.R. hohere Werte der Kundenorientierung aufzeigen, die Messungen

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jedoch positiv korrelieren und keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Erfolgserklarung aufzeigen. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass (z.B. aus forschungsokonomischen Griinden) Selbsteinstufungen zur Messung der Kundenorientierung sinnvoll eingesetzt werden konnen (DESHPANDE/FARLEY 2004, S. 16). Der Ansatz von DESHPANDE et al. (1993) ist zum Ausgangspunkt der Arbeit anderer Forscher geworden. So entwickeln und operationalisieren HOMBURG/PFLESSER (2000) ein Multi-Ebenen-Modell der marktorientierten Organisationskultur, das zwischen Werten, Normen, Verhaltensaspekten und Artefakten (z.B. Geschichten und Rituale) differenziert. Es gelingt HOMBURG/PFLESSER (2000, S. 454 ff.), das Messinstrument empirisch zu validieren und postulierte Beziehungen zwischen den Kulturebenen und dem Untemehmenserfolg nachzuweisen. Danach beeinflusst marktorientiertes Verhalten den Markterfolg eines Untemehmens positiv. Marktorientierte Werte, Normen und Artefakte haben hingegen keinen direkten Erfolgseinfluss, indirekt beeinflussen Werte und Normen das marktorientierte Verhalten aber uber positive und negative Artefakte. Kulturorientierte Ansatze der Marktorientierung werden in der Literatur verhaltensorientierten Konzeptionen gegeniibergestellt, die im folgenden Abschnitt thematisiert werden. 4.2.1.2 Verhaltensorientierte Ansatze Die iiberwiegende Anzahl an Autoren betrachtet das Konstrukt der Marktorientierung aus einer verhaltensorientierten Perspektive (GRIFFITHS/GROVER 1998, S. 311). Im Gegensatz zu den kulturorientierten Ansatzen fokussieren diese nicht fundamental Eigenschaften der Untemehmenskultur, sondem daraus resultierende, spezifische Konsequenzen/Aktivitaten. Einer der ersten Autoren, der ein verhaltensorientiertes Konstruktverstandnis zum Ausdruck bringt, ist SHAPIRO (1988): „After years of research, I'm convinced that the term ,market oriented' represents a set of processes touching on all aspects of the company." (SHAPIRO 1988, S. 120; H.d.V.)

Im Bereich der verhaltensorientierten Konzeptionen haben sich zwei Ansatze durchgesetzt (ZHAO/CAVUSGIL 2006, S. 406 f; MATSUNO etal. 2005, S. 1 f; MORGAN 2004, S. 76): die

Ansatze von KOHLI/JAWORSKI (1990) sowie NARVER/SLATER (1990), die im Folgenden genauer vorgestellt werden. Die Forschergruppe um KOHLI/JAWORSKI (1990) grenzt sich mit ihrer Konzeptualisierung explizit vom dem Verstandnis der Marktorientierung als Philosophie bzw. Untemehmenskultur ab. Die Autoren machen deutlich, dass zwar das Marketingkonzept eine Untemehmensphilosophie darstellt, Marktorientierung als Implementierung des Konzeptes jedoch in spezifischen Aktivitdten und Verhaltensweisen eines Untemehmens zum Ausdruck kommt (KOHLI etal. 1993, S. 475). Basierend auf qualitativen Interviews mit Managem aus der

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Praxis sowie Marketingwissenschaftlem kommen KOHLI/JAWORSKI (1990, S. 4 ff.) zu dem Schluss, dass sich Untemehmen in ihrem Auspragungsgrad der Marktorientierung bezogen auf drei Komponenten unterscheiden. Ausgangspunkt der Marktorientierung eines Untemehmens ist die erste Komponente, die (1) Generierung von Marktinformationen (Intelligence Generation). Die Autoren sprechen von einer sog. Marktintelligenz, die uber artikulierte Kundenbedurfnisse insofem hinausgeht, als dass sowohl aktuelle und zukiinftige Kundenbedurfnisse als auch Faktoren, die diese Bediirfnisse beeinflussen, Beriicksichtigung finden. Zu diesen Faktoren gehoren z.B. das Wettbewerberverhalten sowie spezifische Umfeldbedingungen (u.a. politische, demographische und technologische Entwicklungen). Die Informationsgenerierung beschrankt sich dabei nicht auf formale, primaranalytische Marktforschungsmethoden, sondem stiitzt sich auch auf informale Ansatze (z.B. Kundengesprache) und sekundaranalytische Quellen (KOHLI et al. 1993, S. 468; KOHLI/JAWORSKI 1990, S. 4).

Marktorientierung verlangt neben der Generierung auch (2) die Verbreitung von Marktinformationen (Intelligence Dissemination). Dahinter steckt die Annahme, dass die Orientierung am Markt auf der Partizipation aller Abteilungen innerhalb einer Organisation basiert. Die Verbreitung kann dabei nicht nur mittels formaler und vertikaler Verteilungsprozesse (z.B. Weiterleitung von Marktforschungsberichten innerhalb der Hierarchic), sondem insbesondere auch durch informale Gesprache und horizontale Kommunikation erfolgen (KOHLI/JAWORSKI 1990, S. 5 sprechen in diesem Zusammenhang von ,informal ,hall talk"). Die Generierung und Verbreitung von Marktinformationen ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung der Marktorientierung. Notig ist dariiber hinaus (3) eine Reaktion auf die generierten und verbreiteten Marktinformationen (Responsiveness). Neben der Auswahl von Zielmarkten gehort dazu der Einsatz eines zielgruppenspezifischen Marketing-Instrumentariums (z.B. bedtirfhisorientierte Produktentwicklung und -vermarktung; KoHLi/ JAWORSKI 1990, S. 6). Es lasst sich festhalten, dass KOHLI/JAWORSKI (1990) Informationen in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung stellen. Die Forschergruppe entwickelt iiber die Konzeptualisierung hinaus einen Messansatz der verhaltensorientierten Perspektive der Marktorientierung (sog. MARKOR-Skala; KOHLI et al. 1993; JAWORSKI/KOHLI 1993). Der zweite dominante verhaltensorientierte Ansatz ist von NARVER/SLATER (1990) entwickelt worden. Die Autoren greifen zusatzlich zu dem Verstandnis der Marktorientierung als Implementierung des Marketingkonzeptes auf Ansatze des strategischen Marketing-Management (AAKER 1989; PORTER 1985) zuriick. Die Orientierung an den Bediirfnissen der Kunden wird erganzt um die Erkenntnis, dass Untemehmenserfolg langfristig auf der Etablierung eines dauerhaften Wettbewerbsvorteils basiert. Die Schaffung eines Mehrwertes far den Kunden verlangt danach die Gegentiberstellung von (vom Kunden wahrgenommenen) Kosten und

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Nutzen des eigenen Angebotes im Vergleich zum Konkurrenzangebot. Damit riickt eine Orientierung am Wettbewerb expliziter in den Fokus der Betrachtung (NARVER/SLATER 1990, S. 21 f.). Die Autoren defmieren Marktorientierung zwar als Untemehmenskultur (z.T. wird der Ansatz daher auch als kulturorientierter Ansatz eingestuft; z.B. bei HOMBURG/PFLESSER 2000, S. 449), konzeptualisieren und operationalisieren das Konstrukt jedoch ebenfalls durch drei verhaltensorientierte Komponenten (NARVER/SLATER 1990, S. 21 f). Ziel der ersten Komponente, der (1) Kundenorientierung (customer orientation), ist ein ganzheitliches Verstandnis der Kunden und ihrer Bedtirfnisse, um darauf aufbauend kontinuierlich Kundennutzen zu schaffen. Analog zu KOHLI/JAWORSKI (1990) beziehen NARVER/SLATER (1990, S. 21) explizit nicht nur aktuelle, sondem auch zukiinftige Kundenbedtirfnisse in ihre ijberlegungen mit ein. Die (2) Wettbewerberorientierung (competitor orientation) verlangt die Analyse kurzfristiger Starken und Schwachen sowie langfristiger Fahigkeiten und Strategien aktueller und potenzieller Wettbewerber. Die ersten beiden Komponenten der Marktorientierung beinhalten alle Aktivitaten der Informationsgenerierung (iber Kunden bzw. Wettbewerber und Verteilung dieser Informationen innerhalb des Untemehmens. Die dritte Komponente, (3) Koordination der Funktionsbereiche (interfunctional coordination), bezieht sich auf den koordinierten Einsatz der Untemehmensressourcen zur Schaffung eines iiberlegenen Kundennutzens (NARVER/SLATER 1990, S. 22). In ihre urspriingliche Konzeption integrieren die Autoren zusatzlich zwei Entscheidungskriterien (Langfristigkeit der Aktivitaten und Gewinnorientierung), empirische Befunde ftihren jedoch zu deren Elimination (NARVER/SLATER 1990, S. 24). Die Autoren erarbeiten die sog. MKTOR-Skala zur Messung der Marktorientierung. Obwohl KOHLI/JAWORSKI (1990) und NARVER/SLATER (1990) unabhangig voneinander geforscht haben, zeigen die beiden Konzeptionen und Messansatze eine hohe Ahnlichkeit auf (MAVONDO/FARRELL 2000, S. 224; CADOGAN/DIAMANTOPOULOS 1995, S. 45). Der Kunde

nimmt bei beiden Ansatzen eine zentrale Rolle ein und es werden explizit nicht nur aktuelle, sondem auch zukiinftige Kundenbedtirfnisse berucksichtigt. Dariiber hinaus betonen beide Ansatze die Notwendigkeit der organisationsweiten Reaktion, wobei durch die Informationsverbreitung bzw. die Koordination unterschiedlicher Funktionsbereiche die Verantwortung dafiir nicht ausschliefilich der Marketing-Abteilung unterliegt. Konzeptionelle Unterschiede spiegeln sich vor allem darin wider, dass NARVER/SLATER (1990) der Wettbewerberorientierung als eigenstandige Komponente der Marktorientierung eine explizitere Bedeutung beimessen. KOHLI etal. (1993, S. 474) sehen in der damit verbundenen Vemachlassigung von Umfeldentwicklungen wiederum einen zu engen Fokus der Marktorientierung. Insgesamt betrachtet liegt eine hohe Ahnlichkeit vor, was sich auch empirisch in einer hohen Korrelation der Messskalen widerspiegelt (CONRAD 1999, S. 235; DESHPANDE/FARLEY 1998a, S. 218).

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11 Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen

Beide Konzeptionen finden in der Marketingliteratur rasche Akzeptanz und sind vielfach erfolgreich repliziert worden (z.B. HOMBURG et al. 2004, S. 1338; KAYNAK/KARA 2004, S. 751; DESHPANDE/FARLEY 1998a, S. 216ff.; siehe auch Abschnitt 4.3). In einigen empirischen Vergleichsstudien erweist sich die Operationalisierung von NARVER/SLATER (1990) als tendenziell iiberlegen (MATSUNO etal. 2005, S. 7; MAVONDO/FARRELL 2000, S. 241). Dafur zeigt der Ansatz von KOHLI/JAWORSKI (1990) eine hohere Konsistenz zwischen Konzeptualisierung und Operationalisierung (MATSUNO et al. 2005, S. 6), eine systematischere empirische Vorgehensweise (LADO et al. 1998, S. 23) und eine hohere Anwendungsorientierung (HARRIS 2000, S. 603; HENDERSON 1998, S. 601; VAN BRUGGEN/SMIDTS 1995, S. 17). Neben den beiden vorgestellten Ansatzen existieren weitere verhaltensorientierte Konzeptionen, die sich jedoch in der Literatur nicht durchgesetzt haben (FARRELL 2002, S. 4 ff.; OCKOWSKI/FARRELL 1998, S. 355). Entsprechende Ansatze weisen starke Parallelen zu den dominanten Ansatzen auf, nehmen z.T. jedoch einen anderen Betrachtungsschwerpunkt ein. Zwei Ansatze betonen z.B. Aspekte der strategischen Planung (UTZIG 1997; RUEKERT 1992). So auBert sich z.B. nach RUEKERT (1992. S. 228 f.) Marktorientierung (hier synonym zu Kundenorientierung) dadurch, dass Informationen iiber Kundenbediirfnisse bei der Festlegung von Zielen, Ressourcen und Verantwortlichkeiten und bei der Umsetzung dieser Planungen im Vordergrund stehen. DAY (1994a; 1990) fokussiert Voraussetzungen der Informationsgenerierung. Danach besitzen sog. marktgeleitete (market driven) Untemehmen die Fahigkeit, zum einen kontinuierlich Informationen von und iiber Kunden, Wettbewerber und andere Marktpartner zu erhalten und umzusetzen (market sensing) und zum anderen enge Vemetzungen mit ihren Kunden zu etablieren und zu managen (customer linking; DAY 1994a, S. 43 ff.). Andere Autoren (MATSUNO etal. 2005; LADO etal. 1998; VAN BRUGGEN/SMIDTS 1995) zeigen ein erweitertes Konstruktverstdndnis, indem sie die Ausrichtung an Umfeldfaktoren als eigenstandige Teilkomponente der Marktorientierung konzeptualisieren. 4.2.1.3 Zusammenfassung und kritische Wiirdigung traditioneller Perspektiven Auf eine einheitliche, allgemeingiiltige Definition und Konzeption der Marktorientierung kann sich die Forschung bis heute nicht einigen (ZHAO/CAVUSGIL 2006, S. 406; MASON/ HARRIS 2005, S. 375). Ein dominanter Systematisierungsansatz unterscheidet zwischen kultur- und verhaltensorientierten Ansatzen der Marktorientierung (GRIFFITHS/GROVER 1998, S. 311). Die folgende Abbildung zeigt zusammenfassend das inhalthche Verstandnis, wesentliche Vertreter sowie Vor- und Nachteile beider Perspektiven im Uberblick.

II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen

Kulturorientierte Ansatze Inhaltliohes VerstHitdnis der Marktori0nti#run8

W9Mi»iche V«rtr0tftr des AtisaUes

KHtlscHe WOrdigufig

WlM^i^^m^i^M&MS^^UKl iVIarktorientierung als spezifische Aktivitaten und Verhaltensweisen eines Unterneiimens

Marktorientierung als fundamentale Eigenschaft der Untemehmenskultur Hooleyetal. 1990; Deshpande/Webster 1989; Deshpandeetal. 1993; Homburg/Pflesser 2000 + bessere theoretische Fundierung + hoher Erklarungsbeitrag durch die Betrachtung von Entstehungsbedingungen

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11

Siiapiro 1988; Kohli/Jaworski 1990; Narver/Slater 1990; Ruekert 1992; Day 1994a + Vorteile in der IViessbarkeit und Anwendungsorientierung/ implementierbarkeit

- Kulturmessung ist problematisch

+ direktere Erfolgswirkung zu erwarten

- Annahme einer (vollstandigen) Steuerung von Kultur ist fraglicii

- schwachere theoretisciie Fundierung

- kein direkter Erfolgseinfluss zu erwarten

- kulturunabhangiger, einfaciier Einsatz marktorientierter Verhaltensweisen fraglich

Abb. 7: Zusammenfassende Gegeniiberstellung traditioneller Perspektiven der Marktorientierung Quelle: Eigene Darstellung

Trotz konzeptioneller Unterschiede lassen sich perspektiveniibergreifend fiinf explizite bzw. implizite Gemeinsamkeiten im Verstandnis der Marktorientierung erkennen (LAFFERTY/HULT 2001, S. 104; JAWORSKI/KOHLI 1996, S.

121):

(1) Hauptfokus ist die Schaffung von Kundennutzen. (2) Zusatzlich wird ein dariiber hinausgehender Fokus (z.B. Wettbewerber, Umfeld) eingenommen. (3) Die Generierung von Informationen spielt eine wesentliche Rolle. (4) Generierte Informationen werden interfunktional verteilt bzw. koordiniert. (5) Die Umsetzung der Marktorientierung verlangt eine Reaktion aufdie generierten und verteilten Informationen. Beide Forschungsperspektiven waren in der Vergangenheit Gegenstand kritischer Diskussionen (vgl. auch Abb. 7). Den kulturorientierten Konzeptionen wird eine vergleichsweise bessere theoretische Fundierung zugeschrieben (KOK et al. 2003, S. 140). Da die Ansatze Entstehungsbedingungen des Konstruktes fokussieren, beinhalten sie einen hohen Erklarungsbeitrag fiir das Marketing (DREHER 1995, S. 44 f.). Ein wesentlicher Kritikpunkt betrifft die anspruchsvoUe bis problematische Messung der Untemehmenskultur (MATSUNO et al. 2005, S. 2; KOK etal. 2003, S. 139). Daruber hinaus wird die explizite oder implizite Annahme, dass Organisationskulturen aktiv manipuliert bzw. erschaffen werden konnen, kritisiert.

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11 Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen

Kulturelle Werte und Normen konnen sich im Zeitablauf zwar evolutionar verandem, diese Prozesse entziehen sich jedoch einer vermeintlich einfachen, voUstandigen ManagementKontrolle (HARRIS/OGBONNA 1999, S. 186 ff.; SCHEIN 1983, S. 21). SchlieBlich kann innerhalb eines Untemehmens (z.B. aufgrund von Ressourcenbeschrankungen) eine Diskrepanz zwischen marktorientierten Werten und Normen und deren Umsetzung vorliegen (VAzQUEZ etal. 2001, S. 71; LAMMERTS etal. 2001, S. 10). Eine direkte Verbindung zwischen einer marktorientierten Kultur und dem Erfolg eines Untemehmens ist unwahrscheinlich: Latente Phanomene wie die Untemehmenskultur zeigen nur dann einen Erfolgsbeitrag, wenn sie sich in konkreten Handlungen/Aktivitaten manifestieren (HULT etal. 2005, S. 1174; DREHER 1995, S. 44; vgl. auch die empirischen Befunde von HOMBURG/PFLESSER 2000, S. 457). Verhaltensorientierte Ansdtze zeigen durch die Betrachtung von mehr oder weniger sichtbaren Verhaltensweisen deutliche Vorteile in der Messbarkeit sowie in der Anwendungsorientierung/Implementierbarkeit (HARMSEN/JENSEN 2004, S. 534; HURLEY/HULT 1998, S. 43; KLEINALTENKAMP/DAHLKE 1998, S. 33; DREHER 1995, S. 48). Im Vergleich zu den kultur-

orientierten Ansatzen ist von marktorientierten Handlungen eines Untemehmens eine direktere Erfolgswirkung zu erwarten (HULT etal. 2005, S. 1178; HOMBURG/PFLESSER 2000, S. 457). Kritisiert wird eine vergleichsweise schwachere theoretische Fundiemng (KOK et al. 2003, S. 140; MCNAUGHTON etal. 2001, S. 522; HUNT/LAMBE 2000, S. 28). Gegen ein rein verhaltensorientiertes Verstandnis spricht dariiber hinaus, dass marktorientierte Aktivitaten vermeintlich einfach von jedem Untemehmen (losgelost von der Untemehmenskultur) erfolgreich eingesetzt werden konnten, was sich in der Realitat jedoch so nicht beobachten lasst (NARVER/SLATER 1998, S. 235; GRIFFITHS/GROVER 1998, S. 318).

Inhaltlich betrachtet soUte die Frage nach der Angemessenheit einer kulturellen vs. verhaltensorientierten Konzeption der Marktorientiemng keine ,Entweder-oder-Frage' sein. Die Literatur geht weitestgehend davon aus, dass marktorientiertes Verhalten die Konsequenz einer marktorientierten Kultur darstellt (MATSUNO etal. 2005, S. 3; HOMBURG/PFLESSER 2000, S. 457). Dennoch lasst sich in der empirischen Forschung ein Trend zur verhaltensorientierten Messung der Marktorientierung beobachten (UTZIG 1997, S. 51). Insbesondere aus einer anwendungsorientierten Perspektive erscheint es angebrachter, Marktorientiemng auf der Basis konkreter Aktivitaten verhaltensorientiert zu analysieren (HARMSEN/JENSEN 2004, S. 534; KLEINALTENKAMP/DAHLKE 1998, S. 33). So distanzieren sich z.B. DESHPANDE/ FARLEY (1998a;b) mittlerweile von ihrem urspriinglichen, kulturorientierten Konstmktverstandnis. Die Autoren entwickeln basierend auf den drei Skalen von NARVER/SLATER (1990), KOHLI et al. (1993) und DESHPANDE et al. (1993) eine neue Skala, die sog. MORTNSkala. Auf der Basis der empirischen Synthese kommen die Autoren zu folgendem Schluss:

II Theoretisch-konzeptionelle Gmndlagen

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„Market Orientation is not a "culture" (as Deshpande and Webster originally suggested in 1989) but rather a set of "activities" (i.e., a set of behaviours and processes related to continuous assessment and serving of customer needs). This implies that Market Orientation is more consistent with earlier descriptions by Kohli andJaworski (1990) (...)." (DESHPANDE/FARLEY 1998, S. 226a; H.d.V.)

Die Synthese der Skalen zeigt dariiber hinaus ausschlieBlich einen Kundenfokus: Die Integration wettbewerbsorientierter Indikatoren in das Konstrukt der Marktorientierung lasst sich empirisch nicht bestatigen. Die Autoren empfehlen daher eine isolierte Betrachtung der beiden Konstrukte Kunden- und Wettbewerberorientierung (DESHPANDE/FARLEY 1998a, S. 225 f.; vgl. auch LI/CALANTONE 1998, S. 14; VAN BRUGGEN/SMIDTS 1995, S. 17).

Unabhangig von der eingenommenen Perspektive beinhaltet das Konstrukt der Marktorientierung trotz umfangreicher Forschungsbemiihungen in den letzten 15 Jahren nach wie vor ein erhebliches Forschungspotenzial (CANO etal. 2004, S. 179). Ein haufig formulierter Kritikpunkt bezieht sich auf den hohen Abstraktionsgrad vorhandQnQr Ansatze (LIN/GERMAIN 2004, S. 244; BOTSCHEN 1999, S. 39; HAN etal. 1998, S. 31). Eine empirische Studie weist darauf hin, dass das Konstrukt der Marktorientierung von Praktikem haufig missinterpretiert wird. So wird beispielsweise aus der Durchfuhrung oberflachlicher Kundenzufriedenheitsbefragungen abgeleitet, dass eine hohe Kundenorientierung im Untemehmen vorliegt (MASON/HARRIS 2005, S. 377 ff.). Die Problematik eines zu hohen Abstraktionsgrades ist bei den verhaltensorientierten Ansatzen (insbesondere bei KOHLI/JAWORSKI 1990; KOHLI etal. 1993) vergleichsweise geringer ausgepragt (HENDERSON 1998, S. 601), jedoch nicht abschlieBend gelost. Es dominiert eine relativ grobe, weit gefasste Beschreibung untemehmerischen Verhaltens (GOUNARIS/ AvLONiTis 2001, S. 356). So handelt es sich auch bei den drei Komponenten von KOHLI/ JAWORSKI (1990) letztlich um Grobkategorien von Verhaltensweisen (BOTSCHEN 1999, S. 8). Sie reflektieren zwar die Quantitat der Verarbeitung von Marktinformationen und den Einfluss auf den strategischen Planungsprozess, nicht jedoch die Qualitat der Marktorientierung (BAKER/SINKULA 2002, S. 8). So merken KOHLI/JAWORSKI (1990, S. 16) selbst an, dass es eine Frage der ,Qualitat' der Ausfuhrung der Aktivitaten ist, inwieweit und in welchem MaBe diese zum Erfolg flihren. Eine dariiber hinaus gehende Auseinandersetzung mit der Frage, wie und wodurch diese Qualitat der Ausfuhrung gekennzeichnet ist, erfolgt nicht. Ein wesentlicher Grund dafiir ist in der situationsunspezifischen Konzeptualisierung des Konstruktes zu vermuten. Traditionelle Ansatze konzeptualisieren das Konstrukt der Marktorientierung weitgehend unabhangig von situativen Faktoren (z.B. Untemehmens-/Marktsituation; LIN/GERMAIN 2004, S. 244; UTZIG 1997, S. 51). Damit einhergehend erscheint es schwer moglich, konkrete Aktivitaten festzulegen, die in alien denkbaren Untemehmens- und Marktsituationen Erfolg versprechen (BOTSCHEN 1999, S. 8; KUHN 1991, S. 98 f.). Angelehnt an den Forschungsbedarf zur Senkung des Abstraktionsgrades (MASON/HARRIS 2005, S. 385;

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11 Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen

LANGERAK et al. 2004a, S. 80) lasst sich daher auch ein Forschungsbedarf fiir eine situationsspezifische Konzeptualisierung des Konstruktes ableiten: „So far, however there is Httle in the literature on market orientation to suggest precisely how companies should adapt to the market and what this requires. (...) the behavioural approach to market orientation is less general than the cultural approach, but it still does not answer the question as to how a company can create value in the market in a particular contexts (HARMSEN/JENSEN 2004, S. 534; H.d.V.)

Ansatzpunkte fur eine situationsspezifische Konzeptualisierung bieten neuere Perspektiven der Marktorientierung (vgl. BEVERLAND et al. 2006, S. 384), die im Folgenden dargestellt werden. 4.2.2 Neuere Perspektiven der Marktorientierung Neuere Perspektiven der Marktorientierung kniipfen an den dargestellten traditionellen Konzeptionen der Marktorientierung an. Es lassen sich zwei Forschungsrichtungen erkennen: Eine Forschungsrichtung betrachtet Marktorientierung im Zusammenhang mit Konstrukten des Organisationalen Lemens (4.2.2.1), eine andere differenziert zwischen reaktiven/marktgeleiteten und proaktiven/marktgestaltenden Formen der Marktorientierung (4.2.2.2). 4.2.2.1 Marktorientierung und Organisationales Lernen Organisationales Lernen kann beschrieben werden als ein Prozess, bei dem Organisationen durch Interaktion mit ihrer Umwelt koUektiv lernen (SINKULA 1994, S. 36; siehe zum Forschungsbereich im Uberblick WANG/AHMED 2003; BELL et al. 2002). In der Literatur lassen sich zunehmend Beitrage identifizieren, die die Konzepte ,Marktorientierung' und ,Organisationales Lernen' miteinander in Verbindung bringen. Dieser jungen Forschungsrichtung wird ein hohes Potenzial zugeschrieben, was sich auch in der Einstufung als ,priority research topic' des Marketing Science Institute widerspiegelt (BELL etal. 2002, S. 71). Grundsatzlich lassen sich zwei unterschiedliche Herangehensweisen erkennen. Wahrend eine Forschungsrichtung Konstrukte des Organisationalen Lemens spezifisch far den Kontext extemer Lemprozesse (Lernen von Marktinformationen) entwickelt und gegeniiber Konzepten der Marktorientierung abgrenzt (z.B. SINKULA 1994), fordem andere Autoren eine starkere Verkniipfling traditioneller Perspektiven der Marktorientierung mit Basiskonzepten des Organisationalen Lemens (z.B. adaptives vs. generatives Lemen; SLATER/NARVER 1995). Zu der zuerst genannten Forschungsfraktion gehoren die Beitrage von SINKULA (1994), DAY (2002; 1994b) und SiNKULA et al. (1997). SINKULA (1994, S. 36 ff.) konzeptualisiert das Konstmkt der Verarbeitung von Marktinformationen (market information processing) bestehend aus den vier Lemprozessen Informationserwerb, Informationsverbreitung, geteilte Interpretation und Informationsspeichemng. Das Konstmkt des marktgeleiteten Lernprozesses (market leaming process) von DAY (2002, S. 240 f) besteht aus vier analogen Lemphasen. SINKULA

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etal. (1997) entwickeln einen Bezugsrahmen ftir marktbasiertes Organisationales Lernen (market based organizational learning). Ihre empirische Studie weist darauf hin, dass marktbasiertes Organisationales Lernen durch lemorientierte Werte (Commitment zum Lernen, Aufgeschlossenheit und gemeinsame Visionen), Verarbeitung von Marktinformationen und darauf aufbauende organisational Verandemngen gefordert wird (SINKULA etal. 1997, S. 314). Wie aber lassen sich die Konstrukte Marktorientierung und marktgeleitetes/marktbasiertes Organisationales Lernen voneinander abgrenzen? Die Konstrukte zeigen konzeptionelle Gemeinsamkeiten, sind jedoch nicht identisch (BELL et al. 2002, S. 79; HUNT/LAMBE 2000, S. 26). Zum einen wird die langfristige Informationsspeicherung (als eine wesentliche Komponente des Organisationalen Lemens) von den Ansatzen der Marktorientierung nicht gefordert. Umgekehrt ist Organisationales Lernen nicht mit einer expliziten Handlungskomponente verbunden, wahrend eine Reaktion auf die generierten und verteilten Informationen wesentliches Charakteristikum der Marktorientierung darstellt (UTZIG 1997; S. 113; JAWORSKI/KOHLI 1996, S. 122 f; SiNKULA 1994, S. 43). Wenn auch voneinander abgrenzbar, so stehen die Konstrukte Marktorientierung und Organisationales Lernen dennoch in Beziehung zueinander (FARRELL/OCZKOWSKI 2002, S. 199), wobei sich die Literatur nicht iiber die Richtung der Kausalitat einig ist (SANTOS-VlJANDE etal. 2005, S. 189; BELL etal. 2002, S. 81). Wahrend einige Autoren Marktorientierung als kulturelle Basis des Organisationalen Lemens verstehen (FARRELL 2000, S. 216; BAKER/ SINKULA 1999a, S. 413; SLATER/NARVER 1995, S. 67), betrachten andere wiederum Organisationales Lernen als Ausgangspunkt der Marktorientierung (MORGAN etal. 1998, S. 373; JAWORSKI/KOHLI 1996, S. 125; DAY 1994b, S. 9 f.). Es kann vermutet werden, dass das zugrunde liegende Verstandnis der Marktorientierung (als Kultur bzw. Verhalten) einen Einfluss auf die postulierte Kausalitat hat. SLATER/NARVER (1995; 1994a) fordem mit ihrem Beitrag Market Oriented Isn't Enough: Build a Learning Organization' eine Verkniipfiing zwischen lemorientierten Konzepten und traditionellen Perspektiven der Marktorientierung. Die Autoren unterscheiden zwischen zwei verschiedenen Arten des Lemens: Adaptives und generatives Lemen (SENGE 1990; ARGYRIS 1977 spricht analog auch von single-loop bzw. double-loop leaming). Adaptives Lernen entspricht der Basis-Form des Lemens. Entsprechende Lemprozesse vollziehen sich innerhalb der bestehenden Annahmen einer Organisation uber sich selbst und ihre Umwelt. Lemen auf einer hoheren Ebene, generatives Lernen, tritt erst ein, wenn bestehende Annahmen (z.B. iiber Kunden, Fahigkeiten und Strategien) hinterfragt werden (SLATER/NARVER 1995, S. 64). Im Fall der Substitution bestehender Annahmen und Routinen wird z.T. in der Literatur von ,Verlemen' (unleaming) gesprochen (SiNKULA 2002, S. 257).

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Ein Schlusselmerkmal der sog. Lemenden Organisation (Untemehmen, die sich durch eine hohe Lemkompetenz auszeichnen; vgl. SINKULA etal. 1997, S. 305) ist das Vorhandensein sowohi adaptiver als auch generativer Lemprozesse. Lemen kann dabei auf intemen (exploitation) und/oder extemen (exploration) Erfahrungen basieren (MARCH 1991, S. 71). Ein zu starker Fokus auf interne Erfahrungen steht i.d.R. einem generativen Lemen entgegen. Enge Beziehungen zu Kunden, Lieferanten und anderen extemen Partnem ermoglichen hingegen „a new way of looking at the world" (SLATER/NARVER 1995, S. 64). Das daraus resultierende, starkere Hinterfragen bestehender Annahmen fiihrt zu neuen Herangehensweisen und Losungen. MORGAN etal. (1998, S. 357) sprechen in diesem Zusammenhang auch von ,creating' im Gegensatz zu ,coping'. Besonders interessant erscheint die Integration lemorientierter Konzepte in die verhaltensorientierte Perspektive der Marktorientiemng. So kommen JAWORSKI/KOHLI (1996, S. 125), als zwei Vater der traditionellen Perspektive der Marktorientiemng, zu folgendem Schluss: „(...) work on learning organizations can inform work on market orientation. A key component of a learning organization, as discussed by Slater and Narver (1995) is an organization's ability to engage in adaptive as well as generative learning. These notions appear to have direct implications for how organizations acquire, process, and subsequently use market intelligence, i.e., their market orientation. (...) Future research along these lines is likely to provide useful insights." (JAWORSKI/KQHLI 1996, S. 125)

Haufig wird in der Literatur die Meinung vertreten, dass Marktorientiemng im Sinne des traditionellen Verstandnisses (z.B. KOHLI/JAWORSKI 1990) zwar i.d.R. adaptive, jedoch nicht notwendigerweise generative Lemprozesse ermoglicht (SANTOS-VuANDE etal. 2005, S. 189; FARRELL/OCZKOWSKI 2002, S. 210; BAKER/SINKULA 2002, S. 12 f.). Es wird davon ausgegangen, dass generative Lemprozesse eine intensive Zusammenarbeit mit extemen Partnem (insb. Kunden) verlangen, die iiber das klassische Verstandnis der Informationsgeneriemng hinausgeht (TUOMINEN etal. 2004, S. 214; BERTHON etal. 1999, S. 42; CONNOR 1999, S. 1159 U SLATER/NARVER 1994a, S. 5 und 12).

Entsprechende gemeinsame Lemprozesse mit extemen Partnem werden bis dato in den Ansatzen der Marktorientiemng nicht beriicksichtigt. Eine entsprechende Erweitemng traditioneller Perspektiven stellt ein interessantes Themenfeld fiir die zuktinftige Forschung dar (WILKINSON 2001, S. 75; HUNT/LAMBE 2000, S. 28). Als schwierig erweist sich dabei jedoch, dass wesentliche Konstmkte (u.a. generatives Lemen) erst am Anfang ihrer Konzeptualisiemng stehen (BAKER/SINKULA 2005, S. 498; MORGAN 2004, S. 79). 4.2.2.2 Reaktive/marktgeleitete versus proaktive/marktgestaltende Formen der Marktorientierung Einige neuere Ansatze im Forschungsfeld der Marktorientiemng unterscheiden zwischen reaktiven vs. proaktiven (NARVER et al. 2004; 2000) bzw. marktgeleiteten vs. marktgestaltenden

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(JAWORSKI et al. 2000; KUMAR et al. 2000) Formen der Marktorientierung. Die Konzepte zeigen inhaltliche Uberschneidungen, lassen sich jedoch voneinander abgrenzen (NARVER et al. 2000, S. 8 f). Im Kontext von Innovationen wird unter dem Ausdruck proaktiv i.d.R. das Bestreben verstanden, nicht nur existierende Markte zu bedienen, sondem daruber hinaus neue Markte zu antizipieren und zu kreieren (SANDBERG 2005, S. 24 f.; HAMEL/PRAHALAD 1991, S. 82). NARVER et al. (2004; 2000) defmieren zwei Auspragungsformen der Marktorientierung anhand von verschiedenen Arten von Kundenbediirfnissen, an denen sich Untemehmen ausrichten. Reaktive (responsive) Marktorientierung konzentriert sich auf die Identifikation und Befriedigung artikulierter Kundenbedurfnisse; proaktive (proactive) Marktorientierung orientiert sich im Gegensatz dazu an sog. latenten Kundenbediirfnissen (NARVER et al. 2004, S. 336; 2000, S. 8). ,Wirklich' marktorientierte Untemehmen (total market oriented) beriicksichtigen sowohl artikulierte als auch latente Kundenbedurfnisse (NARVER et al. 2000, S. 5; SLATEP^ARVER 1998, S. 1002). Latente Bedurfhisse sind keineswegs weniger real als artikulierte Bediirfnisse. Sie stellen ein hohes Potenzial fur eine Bediirfiiisbefriedigung dar, iiber das sich der Kunde jedoch (noch) nicht bewusst ist (KARKKAINEN et al. 2001, S. 393). Zur Identifikation dieser unbewussten Bediirfnisse verlangt proaktive Marktorientierung daher ein besonders tiefes Kundenverstandnis, z.B. auf der Basis einer intensiven Beobachtung des Kundenverhaltens (NARVER et al. 2000 S. 10 f). NARVER et al. (2004, S. 340 f) entwickeln einen ersten Ansatz zur Messung proaktiver Marktorientierung (MOPRO-Skala; die Autoren verwenden die Begriffe Markt- und Kundenorientierung synonym). Konzepte der marktgeleiteten (market driven) versus marktgestaltenden (market driving bzw. driving markets) Marktorientierung zeigen einen vergleichsweise breiteren Fokus. Sie betrachten nicht nur die Identifikation von Kundenbediirfnissen, sondem auch deren aktive Beeinflussung. HARRIS/CAI (2002, S. 173 f) umschreiben den Begriff market driving als „proactive approach to reshape, educate and lead the customer, or more generally, the market." Ansatze der Marktgestaltung beziehen sich i.d.R. nicht nur auf die Gmppe der Kunden, sondem auch auf weitere Marktteilnehmer. Was konkret mit dem Begriff der Marktgestaltung gemeint ist, dariiber ist sich die Literatur jedoch nicht einig (HILLS/SARIN 2003, S. 14). Obwohl die gedanklichen Urspriinge dieses Ansatzes bereits auf die 1980er Jahre (z.B. auf DiCKSON/GiNTER 1987; ZEITHAML/ZEITHAML 1984) zuriickzuftihren sind, beschaftigt sich die Literatur zur Marktorientiemng erst seit ein paar Jahren mit dem Thema. Als wesentlich (vgl. CARRILLAT et al. 2004, S. 2 f; HARRIS/CAI 2002, S. 174) gelten die Ansatze von JAWORSKI

et al. (2000) und KUMAR et al. (2000). Erstere entwickeln mit ihrem Beitrag ,Market-Driven versus Driving Markets' eine Systematisiemng verschiedener Moglichkeiten der aktiven

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11 Theoretisch-konzeptionelle Gmndlagen

Gestaltung von Markten. Die Autoren betrachten Marktorientierung aus dem Blickwinkel zwei verschiedener Dimensionen. Die Marktstruktur bezieht sich auf die Teilnehmer im Markt und ihre Rollen (u.a. Kunden, Wettbewerber, Zulieferer, Handel), wahrend sich das Marktverhalten im Verhalten der Marktteilnehmer (z.B. Praferenzverhalten von Kunden, Wettbewerbsstrategien der Hersteller) widerspiegelt. Marktgeleitete Marktorientierung liegt vor, wenn beide Dimensionen als gegeben (given) betrachtet werden. Werden die Marktstruktur und/oder das Marktverhalten hingegen aktiv beeinflusst (shape), so handelt es sich um eine marktgestaltende Form der Marktorientierung (JAWORSKI et al. 2000, S. 47). KUMAR etal. (2000) betrachten weniger exteme Prozesse der Marktgestaltung als interne Prozesse als Voraussetzungen der Marktgestaltung. Die Autoren postulieren, dass der Erfolg eines market driving-Ansatzes auf der Einzigartigkeit des Geschaftsmodells bzw. der Geschaftsprozesse sowie der Revolution der Wertschopfung fur die Kunden (Kosten-NutzenVerhaltnis) basiert. Mittels einer qualitativen Analyse erfolgreicher Pioniere der Marktgestaltung (u.a. IKEA, Dell und Amazon.com) leiten die Autoren differenzierende Charakteristika der Untemehmen ab wie z.B. Visionen als Ausgangspunkt der Geschaflstatigkeit, Wissenstransfer an die Kunden und Ubererfiillung von Kundenerwartungen (KUMAR et al. 2000, S. 132 ff.). HARRIS/CAI (2002, S. 190 ff.) gelingt es, wesentliche Inhalte der Ansatze von JAWORSKI et al. (2000) und KUMAR et al. (2000) basierend auf einer qualitativen Fallstudie empirisch zu bestatigen. Sie kommen jedoch zu dem Schluss, dass es vermutlich nicht die marktgestaltende Marktorientierung gibt, sondem verschiedene Auspragungsformen (HARRIS/CAI 2002, S. 192).

Wie bereits dargestellt wurde, beziehen sich Ansatze der Marktgestaltung nicht nur auf Kunden, sondem auch auf andere Marktteilnehmer wie z.B. Wettbewerber und Zulieferer. Fokussiert man jedoch die Perspektive der Kunden, so kristallisieren sich zwei wesentliche Merkmale der Marktgestaltung heraus. Marktgestaltung basiert zum einen auf einem besonders tiefen Kundenverstandnis (HARias/CAi 2002, S. 185 ff; CARPENTER/NAKAMOTO 1994, S. 572). Die Informationsgeneriemng verlangt im Vergleich zu marktgeleiteten Formen der Marktorientierung einen weitlaufigeren Fokus, der iiber bestehende Kundenstrukturen und -praferenzen hinausgeht (BEVERLAND et al. 2006, S. 389; JOHNSON et al. 2003, S. 81). Neben aktuellen spielen latente und zukiinftige Kundenbediirfnisse eine wesentliche Rolle, well sie Moglichkeiten bieten, vor der Konkurrenz das Marktverhalten der Kunden zu beeinflussen. KUMAR et al. (2000, S. 132) sprechen in diesem Zusammenhang auch von „forward sensing (how can the marketplace evolve?)". Die Identifikation von noch nicht artikulierten Kundenbediirfnissen verlangt ein besonders tiefes Verstandnis der Kunden und der Rahmenbedingungen ihres Handelns (JAWORSKI et al. 2000, S. 51; SHETH/SISODIA 1999, S. 81). An dieser Stelle zeigen sich deutliche Parallelen zum Verstandnis der proaktiven Marktorientierung von NARVER et al. (2004; 2000).

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Neben einem tiefen Kundenverstandnis ist ein weiteres wesentliches Charakteristikum der Marktgestaltung die aktive Beeinflussung (Schaffung bzw. Verdnderung) von Kundenprdferenzen (HARRIS/CAI 2002, S. 187; CARPENTER/NAKAMOTO 1994, S. 572). Durch die Schaf-

fung neuer Kundenbedtirfnisse (z.B. durch die Einfuhrung einer radikalen Innovation) bzw. die Veranderung bestehender Kundenbedtirfnisse (z.B. durch die Kommunikation eines neuen Kundennutzens fur etablierte Produkte) kann das Marktverhalten der Kunden beeinflusst werden (JAWORSKI et al. 2000, S. 53). Ein wesentlicher Ansatz stellt dabei ein Wissenstransfer in den Markt dar (KuMAR et al. 2000, S. 134 sprechen in diesem Zusammenhang von ,customer education'; vgl. auch HARRIS/CAI 2002, S. 187; JAWORSKI et al. 2000, S. 52 f.).

Marktgestaltende Ansatze weichen in diesem Zusammenhang von einigen klassischen Annahmen der Marktorientierung ab (CARPENTER etal. 1997, S. 532). Marktgeleitete Ansatze gehen implizit davon aus, dass die Praferenzen der Kunden auf exogen gegebenen, stabilen Bediirfnissen basieren. Marktgestaltende Ansatze der Marktorientierung betrachten hingegen Kundenpraferenzen als variabel und beeinflussbar. Ziel ist es, die Wahmehmungen, Praferenzen und Entscheidungen der Kunden zu Gunsten des eigenen Leistungsangebotes zu beeinflussen. Dieser Gedanke spiegelt sich bereits in friiheren wegweisenden Marketingbeitragen wider (u.a. HOCH/DEIGHTON 1989; CARPENTEP^/NAKAMOTO 1989), wonach auf Informationen

basierende, produktbezogene Lemprozesse wesentlich sind fur die Praferenzbildung potenzieller Kunden. Produktbezogene Lemprozesse konnen auf eigenen Erfahrungen bzw. auf einem Wissenstransfer durch andere basieren (HOCH/DEIGHTON 1989, S. 2 f.). Es lasst sich festhalten, dass marktgestaltende Formen der Kundenorientierung darauf abzielen, basierend auf einem tiefen Kundenverstandnis die Praferenzbildung der Kunden aktiv zu beeinflussen. Die z.T. in der Literatur vorgenommene Einstufung traditioneller Perspektiven der Marktorientierung als rein reaktiv/marktgeleitet (z.B. NARVER et al. 2004, S. 336 f.; ATUAHENE-GIMA/KO 2001, S. 63) ist inhaltlich nicht haltbar (vgl. auch SANTOS-VIJANDE

et al. 2005, S. 190). Der Konzeptualisiemngsansatz von KOHLI/JAWORSKI (1990, S. 4) bezieht sich z.B. explizit nicht nur auf aktuelle, sondem auch auf zukiinftige Kundenbedtirfnisse und die Initiierung von Schritten zur Erfiillung dieser Bedurfnisse. Markt-Voraussicht (market foresight) und darauf aufbauendes Verhalten sind wesentliche Komponenten der Marktorientierung (JAWORSKI/KOHLI 1996, S. 126). Dieses Verstandnis spiegelt sich auch in der Erweiterung der Definition der Marktorientierung durch JAWORSKI/KOHLI (1996, S. 131) wider: „(...) it is useful to define market orientation as the organizationwide generation of market intelligence pertaining to customers, competitors, and forces affecting them, internal dissemination of the intelligence, and reactive as well as proactive responsiveness to the intelligence."(H.d.V,)

Innerhalb des traditionellen Verstandnisses der Marktorientierung ist also potenziell sowohl reaktives/marktgeleitetes als auch proaktives/marktgestaltendes Verhalten vorgesehen. Dennoch sind die neueren Ansatze der Marktorientierung (NARVER et al. 2004; JAWORSKI et al.

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2000; KUMAR et al. 2000) nicht als , alter Wein in neuen Schlauchen' zu betrachten. Sie gehen einen Schritt weiter, indem sie sich starker inhaltlich mit den spezifischen Charakteristika verschiedener Ausprdgungsformen der Marktorientierung auseinander setzen. Wichtig dabei ist das Verstandnis, dass proaktive bzw. marktgestaltende Formen der Marktorientierung keineswegs mit einer Produktorientierung (Produktentwicklung ohne Berucksichtigung der Bediirfnisse im Markt) gleichzusetzen sind (BEVERLAND et al. 2006, S. 386; NARVER et al. 2000, S. 9). Im Gegensatz zur Produktorientierung steht eine fundierte Kundenanalyse am Anfang des Prozesses, denn: „the future develops from the present" (CONNOR 1999, S. 1158). Die Literatur geht davon aus, dass ein langfristiger Erfolg im Markt auf der Fahigkeit basiert, sowohl marktgeleitet als auch marktgestaltend agieren zu konnen (BEVERLAND et al. 2006, S. 389; HILLS/SARIN 2003, S. 21; JAWORSKI et al. 2000, S. 53; SHETH/SISODIA 1999, S. 81).

Insgesamt betrachtet handelt es sich bei der Unterscheidung verschiedener Auspragungsformen der Marktorientierung um einen interessanten Forschungsansatz. Potenzial bietet vor allem die Frage, unter welchen situativen Bedingungen welche Auspragungsform besonders Erfolg versprechend ist (BEVERLAND etal. 2006, S. 384; BERTHON etal. 2004, S. 1071; JOHNSON et al. 2003, S. 80 f). Im Schwerpunkt wurde das Phanomen bis dato nur konzeptionell betrachtet. Erste empirische Arbeiten zeigen interessante Ergebnisse, jedoch bleiben viele Fragen offen. Insbesondere bzgl. der Konstruktmessung steht die Forschung bis dato noch am Anfang (ATUAHENE-GIMA etal. 2005, S. 465; CARRILLAT etal. 2004, S. 10; HILLS/SARIN 2003, S. 21). 4.3 Einfluss der Marktorientierung auf der Unternehmensebene auf den Erfolg 4.3.1 Uberblick zum Forschungsfeld Das Konstrukt der Marktorientierung auf der Unternehmensebene gehort zu den am haufigsten untersuchten Konstrukten der Marketingforschung (CANO et al. 2004, S. 179). Neben der im vorangegangenen Abschnitt (4.2) fokussierten Konzeptualisierung steht folgende Frage im Mittelpunkt des Forschungsinteresses: Welchen Einfluss hat die Marktorientierung auf den Erfolg eines Untemehmens? KOHLI/JAWORSKI (1990, S. 13) kommen auf der Basis qualitativer Interviews zu folgendem Schluss: „Virtually all of the executives interviewed noted that a market orientation enhances the performance of an organization. The typical response to our question about positive consequences was a "laundry list" of favorable business performance indicators such as ROI, profits, sales volume, market share, and sales growth."

Diese Annahme wurde seit Beginn der 1990er Jahre von einer Vielzahl von Autoren empirisch iiberpruft. Zusammenfassend fmdet sich in der Marketing-Literatur haufig die Aussage, dass Marktorientierung und Erfolg eindeutig positiv assoziiert sind (HUNT/LAMBE 2000, S. 26 f; WRENN 1997, S. 39). Es gibt jedoch auch kritische Stimmen, die Marktorientierung

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als eindeutigen, allgemein giiltigen Erfolgsfaktor in Frage stellen (KAYNAK/KARA 2004, S. 747; JOHNSON etal. 2003, S. 79; MATSUNO/MENTZER 2000, S. 1). MEEHAN (1996, S. 47)

stellt sogar provozierend die Frage: "Is the value of market orientation more than legend?" Die Beantwortung dieser Frage verlangt QmQfundierte Analyse vorliegender empirischer Befunde. Die folgende Abbildung beinhaltet eine Synthese untersuchter Zusammenhange auf der Basis von 42 wesentlichen empirischen Studien zur Marktorientierung.

Marktorientierung als Gesamtkonstrukt • MKTOR (Narver/Slater 1990)15.7.8.9, • MARKOR (Kohli et al. 1993)34,11.12,1

Teilkonstrukte der Marktorientierung

Branchenmerkmale

Unternehmenserfolg

Marktturbulenz3.4,7,9.i4,23,25,26,33 Technologieturbulenz3.7.9.i3,23,25 Wettbewerbsintensitat bzw. -agresslvitat3.4.7.i3,i4,23,25,26,33 Marktwachstum^'9 Lieferantenmachti'^26

Subjektive Messung (wahrg. Erfolg)

Kundenorientierung

• MKTOR (Narver/Slater 1990)^7.21,28,32 • Sonstiges33.34,35

Markterfolg2''.3o,33 Finanzieller Erfolg24.3o,33 Marktanteip5.i9.42 Umsatz-/Absatzentwicklung7.9,io,i4.i8,25,26,3 Profitabilitati79.io.i4,i5,i7,i8,25,26.36,42 Objektive Messung Gesamterfolg^ Umsatz-/Absatzentwicklung5.17,24,25,36 Profitabllitat2.5i7.24,25,32,36. Marktantei|3.ii36

• MKTOR (Narver/Slater 1990)1721.28.32 • Deshpand6 et al. 1993^ •'6.18.22 •Ruekert 19922.31 • MORTN (Desphande/Farley 1998a)i6.39 • MOPRO (Narver et al. 2004)39 • Sonstlges24.35,38,34,33

Wettbewerberorientierung

Gesamterfolg38.11.12,13,15,16,19,20.22,23,29.35,4(

Konseguenzen fiir Innovationen Innovation als mediierende Variable Innovationsneigung des Unternehmensi72o,29,3o,32,4o,42

Legende: ^Narver/Slater 1990; ^Ruekert 1992, 3jaworski/Kohli 1993; ^Diamantopoulos/Hart 1993; SNarver et al. 1993; ^Deshpande et al. 1993 ^Slater/Narver 1994b; ^Siguaw et al. 1994; ^Greenley 1995; loPelham/Wilson 1996; i^Selnesetal. 1996; i2pittetal. 1996; i3Bhuian 1998; ^^Kumar et al. 1998, i5Appiah-Adu/Ranchhod 1998, i^Deshpand^/Farley 1998a; ^^Han etal. 1998; iSAppiahAdu/Singh 1998, i^Baker/Sinkula 1999a, 20Baker/Sinkula 1999b; 2iWebb et al. 2000, 22Deshpande et al. 2000; 23pulendran et al. 2000, 24VossA/oss 2000; 25Harris 2001,26Subramanian/ Gopalakrishna 2001,27Atuahene-Gima/Ko 2001; 28Kahn 2001, 29 Vazquez et al. 2001; 30Matear et al. 2002; 3iRamaseshan et al. 2002 32Noble et al. 2002;33Muller 2003; 34Frambach et al. 2003; 35Singh/Ranchhod 2004; 36Kaynak/Kara 2004; 37Langerak et al. 2004a; 38Verhees/Meulenberg 2004; 39Narver et al. 2004; ^OHult et al. 2004; "iSantos-Vijande et al. 2005; «Baker/Sinkula 2005

Innovationserfolg auf der Unternehmensebene79ioi''i5.i8.i9,26,28,36,39,42 Innovationserfolg auf der Projektebene27.3i.37 Innovationsneigung des Unternehmens34.38

Konseguenzen fiir Kunden Qualitat10.21. 27,36

Kundenloyalitat26.36 Kundenzufriedenheit2i

Konseguenzen fiir Mitarbeiter OrganisationalesCommitnnent2.3.8,ii Kundenorientierung des Verkaufspersonals8 Rollenambiguitat/-konflikt8 Arbeitszufriedenheit2.8

Abb. 8: Empirische Forschung zum Einfluss der Marktorientierung auf den Erfolg Quelle: Eigene Darstellung (Literaturanalyse)

Wie aus der Abbildung 8 ersichtlich ist, kann unterschieden werden zwischen Studien, die Marktorientierung als aggregiertes Gesamtkonstrukt untersuchen, und Studien, die den Einfluss der Teilkonstrukte der Marktorientierung (Kunden- und Wettbewerberorientierung) getrennt voneinander betrachten. Als problematisch erweist sich, dass in der Literatur die Begriffe Markt- und Kundenorientierung z.T. synonym verwendet werden (vgl. auch Abschnitt 4.1.2). In der vorliegenden Arbeit werden die Studien nicht entsprechend ihrer Begriffsverwendung, sondem entsprechend ihrer inhaltlichen Fokussierung/Operationalisierung eingeordnet. Aufgrund der ausgepragten Konzentration auf die Interessensgruppe der Kunden werden daher z.B. die Studien von DESHPANDE et al. (1993) und RuEKERT (1992) und entsprechende Replikationsstudien (z.B. RAMASESHAN et al. 2002) dem Teilkonstmkt der Kundenorientierung zugeordnet. Operationalisierungen, die zu der Kategorie ,Sonstiges' gehoren, basieren i.d.R. auf einer Kombination verschiedener Ansatze.

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II Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen

Ziel der empirischen Forschung ist die Untersuchung des Zusammenhanges zwischen Marktorientierung und Erfolg. Dabei stellt sich zunachst die Frage, was unter ,Erfolg' zu verstehen ist. Es lassen sich vier wesentliche Erfolgskategorien identifizieren (KiRCA etal. 2005, S. 25 f.; JAWORSKI/KOHLI 1996, S. 128; vgl. Abb. 8). Es dominiert die Betrachtung des (1) Unternehmenserfolges, wobei zwischen einer subjektiven und einer objektiven Erfolgsmessung sowie dem Heranziehen verschiedener Erfolgskriterien (z.B. Marktanteil, Profitabilitat bzw. aggregierte GroBen wie z.B. Markterfolg) unterschieden werden kann. Im Bereich der (2) Konsequenzen der Marktorientierung fur Innovationen kann zwischen dem Innovationserfolg auf der Untemehmensebene (z.B. Zielerreichung der Neuproduktentwicklung), dem Innovationserfolg auf der Projektebene (z.B. Neuprodukterfolg einer Innovation der letzten funf Jahre) und der Innovationsneigung des Untemehmens (z.B. Innovationsrate) differenziert werden. Dabei handelt es sich bis auf Ausnahmen (ATUAHENE-GIMA/KO 2001, S. 63) i.d.R. um subjektive ErfolgsgroBen, da die Erhebung objektiver GroBen im Innovationskontext mit besonderen Problemen verbunden ist (vgl. auch Abschnitt 3.1.2.1). VerhaltnismaBig wenige Studien setzen sich mit den (3) Konsequenzen der Marktorientierung fur Kunden (z.B. Qualitat der Produkte) bzw. (4) Konsequenzen filr Mitarbeiter (z.B. Kundenorientierung des Verkaufspersonals) auseinander. Grundsatzlich kann zwischen direkten, moderierten und mediierten Erfolgseinfliissen unterschieden werden. Vorhandene Studien inkl. Moderatorvariablen konzentrieren sich i.d.R. auf Branchenmerkmale wie z.B. Marktturbulenz, Technologieturbulenz und WettbewerbsintensitatZ-aggressivitat. Dariiber hinaus betrachten neuere Studien den mediierenden Einfluss der Innovationsneigung des Unternehmens. Dahinter verbirgt sich die Annahme, dass Marktorientierung nur dann einen positiven Einfluss auf den Erfolg austiben kann, wenn sie sich in Innovationen niederschlagt (HULT et al. 2004, S. 430; vgl. Abb. 8). Aufbauend auf der dargestellten Synthese untersuchter Zusammenhange stellt sich die Frage, welche empirischen Ergebnisse zum Einfluss der Marktorientierung bis dato vorliegen. Einige Autoren diskutieren den Stand der Forschung mittels einer Synopse bzw. Metaanalyse. Wahrend bei einer Synopse Ergebnisse vorhandener Studien qualitativ verglichen werden, basiert eine Metaanalyse auf einer quantitativen Analyse von Effektstarken und Signifikanzen (MONTOYA-WEISS/CALANTONE 1994, S. 404 f). Mittels einer qualitativen Analyse kommen JAWORSKI/KOHLI (1996, S. 128 f) zu dem Schluss, dass Marktorientierung alle vier vorgestellten Erfolgskategorien positiv beeinflusst. LANGERAK (2003) zeigt, dass in 50 untersuchten Studien insgesamt 68 % positive Effekte, 30 % nicht-signifikante Effekte und 2 % negative Erfolgseinfliisse der Marktorientierung berichtet werden. Der Autor schlussfolgert: "the evidence on the direct business performance impact of market orientation is, at least, equivocal." (LANGERAK 2003, S. 447).

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CANO et al. (2004) und KiRCA et al. (2005) fuhren je eine Metaanalyse zum Erfolgseinfluss der Marktorientierung durch. CANO et al. (2004, S. 188) kommen basierend auf der Analyse von 53 empirischen Studien zu dem Ergebnis, dass Marktorientierung eindeutig einen Erfolgsfaktor darstellt: Uber alle untersuchten Studien betrachtet erklart der Grad der Marktorientierung ca. 12 % der Varianz des Untemehmenserfolges. Einen verfeinerten Forschungsansatz wahlen KIRCA et al. (2005). Mit Hilfe einer Datenbasis von 72 Studien betrachten sie den Erfolgseinfluss der Marktorientierung differenziert fiir die vier Erfolgskategorien. Die Autoren kommen zu folgenden Ergebnissen (KIRCA et al. 2005, S. 27 f.): (1) Unternehmenserfolg: Marktorientierung hat mit einem korrigierten mittleren Korrelationskoeffizienten von r = .32 (p