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German Pages 1178 Year 2016
Friedrich Schleiermacher Kritische Gesamtausgabe IV. Abt. Band 3
Friedrich Daniel Ernst
Schleiermacher Kritische Gesamtausgabe Herausgegeben von Günter Meckenstock und Andreas Arndt, Jörg Dierken, Lutz Käppel, Notger Slenczka
Vierte Abteilung Übersetzungen Band 3
De Gruyter
Friedrich Daniel Ernst
Schleiermacher Platons Werke Erster Teil, erster Band Einleitung · Phaidros · Lysis · Protagoras · Laches Erste und zweite Auflage (1804. 1817) samt handschriftlicher Vorstufen und griechischer Vorlagen
Herausgegeben von Lutz Käppel und Johanna Loehr unter Mitwirkung von Male Günther
De Gruyter
Gefördert mit Mitteln der Fritz Thyssen Stiftung
ISBN 978-3-11-044943-3 e-ISBN (PDF) 978-3-11-045452-9 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Umschlaggestaltung: Rudolf Hübler, Berlin Druck und buchbinderische Verarbeitung: Strauss GmbH, Mörlenbach ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Inhaltsverzeichnis Einleitung der Herausgeber ...............................................
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I. Die Kritische Schleiermacher-Gesamtausgabe ............. II. Die IV. Abteilung (Übersetzungen) .............................. III. Editorische Grundsätze für die IV. Abteilung (Übersetzungen) ..........................................................
VII VII VIII
Einleitung der Bandherausgeber .......................................
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I. Historische Einführung ............................................... 1. Das mit Friedrich Schlegel gemeinschaftliche Übersetzungsprojekt beim Verleger Fr. Frommann von seinen Anfängen bis zum Abbruch im Juni 1803 2. Die Entstehung des bei G. A. Reimer publizierten Bandes „Platons Werke I/1“ (1. Auflage, Mai 1804) 3. Rezensionen und frühe Rezeption ........................... 4. Die Entstehung der 2. Auflage (1817) .....................
XV XV XXVII XXXVI XL
II. Die Handschriften zu den vier Dialogen des Bandes I/1 und ihre Entstehung .................................................... XLIII 1. Phaidros ................................................................. XLIII 1.1. Handschriften zur Vorbereitung des Druckes bei Fr. Frommann ............................................ XLIII 1.2. Handschriften zur Vorbereitung des Druckes bei G. A. Reimer ............................................. LVII 2. Lysis ....................................................................... LXIII Handschriften zur Vorbereitung des Druckes bei G. A. Reimer ............................................. LXIII 3. Protagoras .............................................................. LXVIII 3.1. Handschriften zur Vorbereitung des Druckes bei Fr. Frommann ............................................ LXVIII 3.2. Handschriften zur Vorbereitung des Druckes bei G. A. Reimer ............................................. LXXIV 4. Laches .................................................................... LXXVIII Handschriften zur Vorbereitung des Druckes bei G. A. Reimer ............................................. LXXVIII III. Editorischer Bericht .................................................... LXXXVI IV. Danksagung ................................................................
XCVII
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Inhaltsverzeichnis
Platons Werke Erster Teil, erster Band Schmutztitel ...................................................................... Titel .................................................................................. Vorerinnerung ................................................................... Vorrede zur 2. Auflage .......................................................
2 4 7 10
Einleitung .........................................................................
13
Phaidros ............................................................................ Einleitung .................................................................... Dialog .........................................................................
61 63 88
Lysis .................................................................................. Einleitung .................................................................... Dialog .........................................................................
415 416 430
Protagoras ........................................................................ Einleitung .................................................................... Dialog .........................................................................
567 569 588
Laches ............................................................................... Einleitung .................................................................... Dialog .........................................................................
871 874 886
Verzeichnisse Zeichen und Abkürzungen ................................................ Literatur ........................................................................... Personen (mit Werken) und Orte ...................................... Sachen ............................................................................... Griechische Wörter ............................................................ Schleiermachers eigene Konjekturen zum griechischen Platon-Text ................................................................. Abbildungen .....................................................................
1041 1044 1061 1071 1077 1079 1080
Einleitung der Herausgeber I. Die Kritische Schleiermacher-Gesamtausgabe Die Kritische Gesamtausgabe (KGA) der Schriften, des Nachlasses und des Briefwechsels Friedrich Schleiermachers, die seit 1980 erscheint, ist in die folgenden Abteilungen gegliedert: I. Schriften und Entwürfe, II. Vorlesungen, III. Predigten, IV. Übersetzungen, V. Briefwechsel und biographische Dokumente. Die Gliederung richtet sich nach den literarischen Gattungen in Schleiermachers Werk, wobei den einzelnen Abteilungen jeweils auch der handschriftliche Nachlass zugewiesen wird. Der Aufbau der Abteilungen orientiert sich am chronologischen Prinzip.
II. Die IV. Abteilung (Übersetzungen) Die IV. Abteilung, die seit 2011 an der Kieler Universität erarbeitet wird, dokumentiert Schleiermachers veröffentlichte Übersetzungstätigkeit von 1795 bis 1828. Dabei werden die in den Druck gegebenen Übersetzungen, die ihnen zugehörigen Manuskripte sowie die der Übersetzung zugrunde liegende Textvorlage in Originalsprache mitgeteilt. Die Übersetzungen werden chronologisch nach ihrem Publikationstermin angeordnet, wobei bei mehrbändigen Ausgaben deren Zusammenhang gewahrt bleibt. Demnach ergibt sich für die Abteilung „Übersetzungen“ folgende Gliederung: 1. Hugo (Hugh) Blair, Predigten, Bd. 4–5, Leipzig 1795–1802 2. Joseph Fawcett, Predigten, Bd. 1–2, Berlin 1798 3. Platons Werke I,1, Berlin 1804. 1817 4. Platons Werke I,2, Berlin 1805. 1818 5. Platons Werke II,1, Berlin 1805. 1818 6. Platons Werke II,2, Berlin 1807. 1824 7. Platons Werke II,3, Berlin 1809. 1826 8. Platons Werke III,1, Berlin 1828
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Einleitung der Herausgeber
III. Editorische Grundsätze für die IV. Abteilung (Übersetzungen) Die folgenden Grundsätze, die an die Grundsätze für die I., II., III. und V. Abteilung anschließen1, berücksichtigen die eigentümlichen Sachlagen der Textzeugen.
1. Textgestaltung und zugehörige editorische Informationen Die allgemeinen Regeln der Textgestaltung werden für die Edition der Manuskripte spezifiziert. A. Allgemeine Regeln Für die Edition aller Gattungen von Textzeugen (Drucke und Manuskripte) gelten folgende Regeln: a. Alle Textzeugen werden grundsätzlich in ihrer letztgültigen Gestalt wiedergegeben. b. Wortlaut, Schreibweise und Zeichensetzung des zu edierenden Textzeugen werden grundsätzlich beibehalten. Dies gilt auch für Schwankungen in der Schreibweise und Zeichensetzung, wo häufig nicht entschieden werden kann, ob eine Eigentümlichkeit oder ein Irrtum vorliegt. Hingegen werden Verschiedenheiten in der Verwendung und Abfolge von Zeichen (z.B. für Abkürzungen oder Ordnungsangaben), soweit sie willkürlich und sachlich ohne Bedeutung sind, in der Regel stillschweigend vereinheitlicht. Verweiszeichen für Anmerkungen (Ziffern, Sterne, Kreuze etc.) werden einheitlich durch Ziffern wiedergegeben. Nach Ziffern und Buchstaben, die in einer Aufzählung die Reihenfolge markieren, wird immer ein Punkt gesetzt. Editorische Notizen und Anweisungen an den Setzer werden stillschweigend übergangen. Dasselbe gilt für Kustoden, es sei denn, dass sie für die Textkonstitution unverzichtbar sind. c. Offenkundige Druck- oder Schreibfehler und Versehen werden im Text korrigiert. Im textkritischen Apparat wird der Textbestand des Originals angeführt. Die Anweisungen von Druckfehler-
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Vgl. KGA I/1, S. IX–XVI; KGA II/8, S. IX–XVI; KGA III/1, S. IX–XX; KGA V/1, S. XVIII–XXIII
Einleitung der Herausgeber
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verzeichnissen werden bei der Textkonstitution berücksichtigt und im textkritischen Apparat mitgeteilt. d. Wo der Zustand des Textes eine Konjektur nahelegt, wird diese mit der Angabe „Kj ...“ im textkritischen Apparat vorgeschlagen. Liegt in anderen Texteditionen bereits eine Konjektur vor, so werden deren Urheber und die Seitenzahl seiner Ausgabe genannt. e. Sofern beim Leittext ein Überlieferungsverlust vorliegt, wird nach Möglichkeit ein sekundärer Textzeuge (Edition, Wiederabdruck) oder zusätzlich ein weiterer Zeuge unter Mitteilung der Verfahrensweise herangezogen. f. Für die Platonübersetzungen (Bd. IV/3–8) werden spezielle Prinzipien angewandt, die zu den jeweiligen Dialogen erläutert werden (z.T. Varianten im textkritischen Apparat, z.T. spaltenweise Parallelpräsentation von griechischen Vorlagen, handschriftlichen Vorstufen und zwei Druckauflagen). B. Besondere Regeln für Schleiermachers Manuskripte Für die Edition der eigenhändigen Manuskripte Schleiermachers gelten folgende Regeln: a. Abbreviaturen (Kontraktionen, Kürzel, Chiffren, Ziffern für Silben), deren Sinn eindeutig ist, werden unter Weglassung eines evtl. vorhandenen Abkürzungszeichens (Punkt, Abkürzungsschleife usw.) in der üblichen Schreibweise ausgeschrieben. Die Abbreviaturen mit ihren Auflösungen werden im textkritischen Apparat oder im Editorischen Bericht mitgeteilt. Die durch Überstreichung bezeichnete Verdoppelung von m und n, auch wenn diese Überstreichung mit einem U-Bogen zusammenfällt, wird stillschweigend vorgenommen. Abbreviaturen, deren Auflösung unsicher ist, werden im Text belassen; für sie wird ggf. im textkritischen Apparat ein Vorschlag mit der Formel „Abk. wohl für ...“ gemacht. In allen Fällen, wo (z.B. bei nicht ausgeformten Buchstaben, auch bei verkürzten Endsilben) aufgrund von Flüchtigkeit der Schrift nicht eindeutig ein Schreibversehen oder eine gewollte Abbreviatur zu erkennen ist, wird das betreffende Wort ohne weitere Kennzeichnung in der üblichen Schreibweise vollständig wiedergegeben.
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Einleitung der Herausgeber
b. Geläufige Abkürzungen werden im Text belassen und im Abkürzungsverzeichnis aufgelöst. Der oftmals fehlende Punkt nach Abkürzungen wird einheitlich immer gesetzt. c. Unsichere Lesarten werden in unvollständige eckige Klammern (Beispiel: ⌈noch⌋) eingeschlossen. Gegebenenfalls wird eine mögliche andere Lesart mit der Formel „oder“ (Beispiel: ⌈auch⌋] oder ⌈noch⌋) vorgeschlagen. d. Ein nicht entziffertes Wort wird durch ein in unvollständige eckige Klammern gesetztes Spatium gekennzeichnet; bei zwei oder mehr unleserlichen Wörtern wird dieses Zeichen doppelt gesetzt und eine genauere Beschreibung im textkritischen Apparat gegeben. e. Überlieferungslücken. Weist ein Manuskript Lücken im Text oder im Überlieferungsbestand auf und kann die Überlieferungslücke nicht durch einen sekundären Textzeugen gefüllt werden (vgl. oben A.e.), so wird die Lücke innerhalb eines Absatzes durch ein in kursive eckige Klammern eingeschlossenes Spatium gekennzeichnet. Eine größere Lücke wird durch ein in kursive eckige Klammern gesetztes Spatium gekennzeichnet, das auf einer gesonderten Zeile wie ein Absatz eingerückt wird. Eine Beschreibung erfolgt im textkritischen Apparat. f. Auffällige Textgestaltung wird im Editorischen Bericht oder bei Bedarf im textkritischen Apparat beschrieben (beispielsweise Lücken in einem fortlaufenden Satz oder Absatz). g. Belege für den Entstehungsprozess (wie Zusätze, Umstellungen, Streichungen, Wortkorrekturen, Entstehungsstufen) werden im textkritischen Apparat – nach Möglichkeit gebündelt – mitgeteilt. Wortkorrekturen, Streichungen und Hinzufügungen werden, wenn sie zusammen eine komplexe Textänderung ausmachen, durch die Formel „korr. aus“ zusammengefasst. h. Zusätze, die Schleiermacher eindeutig in den ursprünglichen Text eingewiesen hat, werden im Text platziert und im textkritischen Apparat unter Angabe des ursprünglichen Ortes und der Formel „mit Einfügungszeichen“ nachgewiesen. Ist ein Zusatz von Schleiermacher nicht eingewiesen, aber seine eindeutige Einordnung in den Grundtext durch Sinn oder Position möglich, so wird im textkritischen Apparat nur der ursprüngliche Ort angegeben.
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Zusätze, die sich nicht eindeutig in den Grundtext einfügen lassen, werden auf den jeweiligen Seiten – vom übrigen Text deutlich abgesetzt – unter Angabe des Ortes im Manuskript wiedergegeben. i. Sind im Manuskript Umstel lungen von benachbarten Wörtern oder Satzteilen vorgenommen worden, so wird im Apparat mit der Formel „umgestellt aus“ die Vorstufe angegeben. Bei Umstellungen von Sätzen und Satzteilen über einen größeren Zwischenraum wird der ursprüngliche Ort unter Verwendung der Formel „mit Umstellungszeichen“ angegeben. j. Streichungen. Sind im Manuskript Wörter, Buchstaben oder Zeichen gestrichen worden, so wird das Gestrichene im Apparat in Winkelklammern mitgeteilt und dabei der Ort im Manuskript relativ zum Bezugswort angegeben (z.B. durch die Formel „folgt“). Wurden Streichungen vorgenommen, aber nicht vollständig durchgeführt, so werden die versehentlich nicht gestrichenen Partien in doppelte Winkelklammern eingeschlossen. k. Korrekturen Schleiermachers an Wörtern, Wortteilen oder Zeichen werden durch die Formel „korr. aus“ angezeigt (Beispiel: klein] korr. aus mein). l. Liegen bei einer Handschriftenstelle mehrere deutlich unterscheidbare Entstehungsstufen vor, so werden sie in der Regel jeweils vollständig aufgeführt. m. Fehlende Wörter und Zeichen werden in der Regel im Text nicht ergänzt. Fehlende Wörter, die für das Textverständnis unentbehrlich sind, werden im textkritischen Apparat mit der Formel „zu ergänzen wohl“ vorgeschlagen. Sofern das besonders gestaltete Wortende, das Zeilenende, das Absatzende oder ein Spatium innerhalb der Wortfolge offensichtlich ein bestimmtes Interpunktionszeichen (Punkt, Komma, Semikolon, Gedankenstrich, Doppelpunkt) vertritt, werden solche Zeichen stillschweigend ergänzt. Genauso ergänzt werden fehlende Umlautzeichen sowie bei vorhandener Anfangsklammer die fehlende Schlussklammer. C. Sachapparat Der Sachapparat gibt die für das Textverständnis notwendigen Erläuterungen.
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Einleitung der Herausgeber
a. Zitate und Verweise werden im Sachapparat nachgewiesen. Für die von Schleiermacher benutzten Ausgaben werden vorrangig die seiner Bibliothek zugehörigen Titel berücksichtigt.2 b. Zu Anspielungen Schleiermachers werden Nachweise oder Erläuterungen nur dann gegeben, wenn die Anspielung als solche deutlich, der fragliche Sachverhalt eng umgrenzt und eine Erläuterung zum Verständnis des Textes nötig ist.
2. Druckgestaltung Die Druckgestaltung soll die editorische Sachlage möglichst augenfällig machen. A. Seitenaufbau a. Satzspi egel . Es werden untereinander angeordnet: Text des Originals ggf. mit Fußnoten, textkritischer Apparat, Sachapparat. Text und Fußnoten erhalten eine Zeilenzählung auf dem Rand. b. Die Beziehung der Apparate auf den Text erfolgt beim textkritischen Apparat dadurch, dass unter Angabe der Seitenzeile die Bezugswörter aufgeführt und durch eine eckige Klammer (Lemmazeichen) von der folgenden Mitteilung abgegrenzt werden. Beim Sachapparat wird die Bezugsstelle durch Zeilenangabe (ggf. auch mit Lemmata) bezeichnet. c. Bei mehrspaltiger Präsentation erhält jede Spalte die entsprechenden Apparate. B. Gestaltungsregeln a. Schrift. Der Text des Originals wird einheitlich recte wiedergegeben. Bei der Wiedergabe von Manuskripten wird deutsche und lateinische Schrift nicht unterschieden. Graphische Varianten von Zeichen (wie doppelte Bindestriche, verschiedene Formen von Abkürzungszeichen oder Klammern) werden stillschweigend vereinheitlicht. Ordinalzahlen, die durch Ziffern und zumeist hochgestellten Schnörkel oder Endung „ter“ (samt Flexionen) geschrieben sind, werden ein2
Vgl. Günter Meckenstock: Schleiermachers Bibliothek nach den Angaben des Rauchschen Auktionskatalogs und der Hauptbücher des Verlages G. Reimer, in: Schleiermacher, KGA I/15, S. 637–912
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heitlich durch Ziffern und folgenden Punkt wiedergegeben. Sämtliche Zutaten des Herausgebers werden kursiv gesetzt. b. Die Seitenzählung des Originals wird auf dem Außenrand angegeben. Stammt die Zählung nicht vom Autor, so wird sie bei den Übersetzungen der englischen Predigten kursiv gesetzt und bei der Platonübersetzung im Editorischen Bericht beschrieben. Der Seitenwechsel des zugrundeliegenden Textzeugen wird im Text durch einen senkrechten Strich | wiedergegeben; im Lemma des textkritischen Apparats wird diese Markierung nicht ausgewiesen. Wenn bei poetischen Texten die Angabe des Zeilenbruchs sinnvoll erscheint, erfolgt sie durch einen Schrägstrich / im fortlaufenden Zitat. c. Unterschiedliche Kennzeichnung von Absätzen (Leerzeile, Einrücken, großer Abstand in der Zeile) wird einheitlich durch Einrücken der ersten Zeile eines neuen Absatzes wiedergegeben. d. Hervorhebungen Schleiermachers (in Manuskripten zumeist durch Unterstreichung, in Drucktexten zumeist durch Sperrung, Kursivierung oder Fettdruck) werden einheitlich durch Sperrung kenntlich gemacht. Bietet Schleiermacher im Drucktext seiner Platonübersetzung in den Fußnoten auf engstem Raum Sperrung und Kursivierung nebeneinander, so werden die beiden Hervorhebungsarten beibehalten.
3. Einleitung und Verzeichnisse Jeder Band wird durch Einleitung und Verzeichnisse erschlossen. A. Einleitung (Historische Einführung und Editorischer Bericht) Die Einleitung jedes Bandes ist in eine Historische Einführung und einen Editorischen Bericht gegliedert. Die Historische Einführung gibt Auskunft über die Entstehung und Überlieferung der edierten Übersetzungen und gegebenenfalls über die Rezeption durch die Zeitgenossen. Der Editorische Bericht erläutert und begründet die Gestaltung der Ausgabe unter Berücksichtigung der allgemeinen editorischen Grundsätze; er beschreibt die Quellenlage und erläutert das editorische Verfahren.
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Einleitung der Herausgeber
B. Verzeichnisse Jeder Band enthält ein Verzeichnis der Abkürzungen und editorischen Zeichen, der Literatur, der Namen und gegebenenfalls der Orte, der Stellen antiker Literatur sowie der Bibelstellen. In einzelnen Bänden können weitere Verzeichnisse hinzutreten. a. Das Abkürzungsverzeichnis gibt sämtliche Abkürzungen und editorischen Zeichen an, die von den Autoren oder vom Bandherausgeber benutzt worden sind, soweit die Auflösung nicht in den Apparaten oder im Literaturverzeichnis erfolgt. b. Im Literaturverzeichnis werden die Schriften aufgeführt, die in Schleiermachers Texten sowie in den Apparaten und in der Einleitung des Bandherausgebers genannt sind. Bei denjenigen Werken, die für Schleiermachers Bibliothek nachgewiesen sind, wird nach dem Titel in eckigen Klammern das Sigel „SB“ mit der jeweiligen Titelnummer hinzugefügt. c. Das Namensverzeichnis führt alle Personen und bei den Platonübersetzungen auch die Orte, die in diesem Band genannt sind, in der heute gebräuchlichen Schreibweise an. Gegebenenfalls wird das Namensverzeichnis ergänzt um die Stellenangaben antiker Literatur. Nicht aufgeführt werden die Namen von Herausgebern, Übersetzern und Orten, soweit sie nur in bibliographischen oder archivalischen Angaben vorkommen, sowie die Namen der an der vorliegenden Ausgabe beteiligten Personen und der Name Friedrich Daniel Ernst Schleiermachers. d. Das Bibelstellenverzeichnis und das Verzeichnis anderer antiker Literatur listen die im Text und im Sachapparat vorkommenden Textangaben auf. Der in einer Predigt ausgelegte Bibeltext wird nur als Ganzes nachgewiesen. Im Namen der Herausgeber Günter Meckenstock
Einleitung der Bandherausgeber I. Historische Einführung1 1. Das mit Friedrich Schlegel gemeinschaftliche Übersetzungsprojekt beim Verleger Friedrich Frommann von seinen Anfängen bis zum Abbruch im Juni 1803 Das Projekt einer Übersetzung der Dialoge Platons hat seinen Ursprung in der Bekanntschaft Friedrich Schleiermachers mit Friedrich Schlegel, den Schleiermacher während seiner Zeit als Prediger an der Charité (1797–1802) kennen gelernt hatte. Die Initiative geht von F. Schlegel aus: Wohl schon im April 1799 schlägt er seinem Freund Schleiermacher vor, gemeinsam eine Platonübersetzung auszuarbeiten.2 Knapp ein Jahr später führt er erste Gespräche mit dem Verleger 1
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Die folgende Einführung erschließt die äußeren Eckdaten der Entstehung der Platonübersetzungen Schleiermachers, insbesondere der des vorliegenden Bandes I/1. Inhaltliche und konzeptuelle Fragen der Platondeutung oder Diskussionen über philologische Details bleiben hier unberücksichtigt. Für eine Behandlung ersterer ist eine Edition wie diese nicht der Ort, auf letztere ist im Sachapparat zu den jeweiligen Stellen verwiesen. Insgesamt zu vergleichen ist insbesondere der Briefwechsel Schleiermachers der Jahre 1799 bis 1804, erschlossen in den Bänden KGA V/3 bis V/7 mit exzellenten Indices, sowie der Briefwechsel F. Schlegels in KFSA 25 und der ‚Briefwechsel Schleiermachers mit Boeckh und Bekker‘, hrsg. von Heinrich Meisner, Mitteilungen aus dem Litteraturarchive in Berlin, Neue Folge 11, Berlin 1916. KGA V/3, Nr. 640 an H. Herz, 29.4.1799: „Schlegel schrieb mir kurz vor meinem letzten Berlin von einem großen Coup den er noch vorhätte mit mir und das ist denn nichts geringeres als den Plato übersetzen. Ach! es ist eine göttliche Idee, und ich glaube wol daß es wenige so gut können werden als wir, aber ehe als in einigen Jahren wage ich doch nicht es zu unternehmen, und dann muß es so frei von jeder äußern Abhängigkeit unternommen werden als je ein Werk ward und Jahre die darüber hingehen müssen nichts geachtet werden. Doch das ist ein Geheimniß und liegt noch sehr weit.“ (Z. 9–17). Vgl. auch die verdeckte Andeutung eines Planes eines gemeinsamen Projektes in einem Brief von F. Schlegel, wohl zwischen Ende März und Anfang April 1799, in KGA V/3, Nr. 631, Z. 28–31 (= KFSA 24, Nr. 162, S. 269). Rückblickend dazu Schleiermacher in einem Brief vom 18.6.1808 an August Boeckh, KGA V/10, Nr. 2701: „Es muß schon Anno 1798 gewesen sein als Friedrich Schlegel in unsern philosophirenden Unterhaltungen, in denen Plato nicht selten vorkam zuerst ganz flüchtig den Gedanken äußerte daß es nothwendig wäre in dem dermaligen Zustande der Philosophie den Platon recht geltend zu machen, und ihn deshalb vollständig zu übersezen. Schon mit der ersten Aeußerung war auch die verbunden daß dies unser gemeinsames Werk sein müsse. Ich sagte nicht Nein sondern faßte den Entwurf mit großer Liebe auf“ (Z. 24–31).
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Einleitung der Bandherausgeber
K. F. E. Frommann über die Publikation einer Platonübersetzung.3 Schon Anfang März liegt – ohne Beteiligung Schleiermachers – ein Vertrag zwischen ihm und Frommann über zwei Bände vor, ebenfalls der Entwurf einer Ankündigung für das Athenaeum. F. Schlegel fragt lediglich kurz an, ob Schleiermacher in der Ankündigung und im Titel mitgenannt werden möchte oder nicht.4 Doch noch bevor Schleiermacher antworten kann, hat Schlegel die Ankündigung eigenmächtig zum Druck gegeben, ohne dessen Namen zu nennen.5 Eine Beschwerde Schleiermachers darüber6 versucht Schlegel zu beschwichtigen,7 3
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Vgl. den Bericht F. Schlegels in seinem Brief vom 3.2.1800, KGA V/3, Nr. 791, Z. 37–55 (= KFSA 25, Nr. 38, S. 58), mit KGA V/3, Nr. 794, Z. 26 (= KFSA 25, Nr. 40, S. 66). F. Schlegel an Schleiermacher, 10.3.1800, KGA V/3, Nr. 808: „Nächsten Posttag schicke ich dir eine Ankündigung der Übersetzung des Plato für das Athenaeum und wenn es irgend noch Zeit und Raum ist, so laß sie ja noch in dieses rücken, denn das nächste wird doch leicht nicht ganz so schnell nachfolgen, als es könnte. Ich habe mit Frommann auf zwey Bände den Vertrag geschlossen zu 10 rth für die Übersetzung nebst den Anmerkungen und 15 rth für die Einleitung; deren erster Ostern 1801 erscheinen soll. Die erste Anfrage, die ich nun an Dich ergehen lasse ist, ob Du in der Ankündigung und auf dem Titel genannt seyn willst?“ (Z. 15–23 = KFSA 25, Nr. 42, S. 67). Brief von F. Schlegel vom 21.3.1800, KGA V/3, Nr. 816: „Bey der jetzigen Ankündigung will ich mich lieber allein nennen; zwey Namen, das ist den Leuten schon viel zu bunt und macht sie kopfscheu, wenn es nicht ein Journal oder ein Almanach ist: aber auf dem Titel des Werks selbst müssen unsre Namen vereinigt stehn. [...] Die Ankündigung des Plato wirst Du nächstens in der Allgemeinen Literatur Zeitung und andern common places finden, dergleichen das Athenäum doch nicht ist.“ (Z. 17–20. 30–32 = KFSA 25, Nr. 47, S. 78). KGA V/3, Nr. *828. Brief von F. Schlegel vom 4.4.1800, KGA V/3, Nr. 830: „Es thut mir sehr leid, daß die Ankündigung des Plato nun schon gedruckt ist, da Du es für nothwendig hältst wenn Du einmal genannt werden sollst, daß es gleich geschehe. Das erste scheint mir nun auch nothwendig parce que je m’en glorifie; das letzte nun nicht so, und es thut mir auch nicht leid, weil ich glaubte daß etwas unrechtes geschehen sey, sondern weil nun gleich am Anfange des geliebten Unternehmens etwas nicht nach Deinem Sinne geschieht, und dieses ist wichtiger als die ganze Veranlaßung. Mit Erstaunen aber habe ich gesehen daß Du diese Maaßregel so misverstanden hast, als dürfte nun Heindorf nichts davon wissen. Ich habe vorausgesetzt dieser würde der erste seyn, dem Du es gleich ohne Verzug mittheilen würdest, da sich gewiß wenige dafür so lebhaft interessiren werden. Erfahren es Spalding, Wolf p durch ihn; desto besser. Sie werden desto mehr Zutrauen zu dem Werke haben, weil sie Dich kennen. Aber das findet freylich nur bey diesen Statt, den andern hätte ich nur ein Räthsel hingeworfen, und würde der Ankündigung des Werks geschadet haben. Wie können zwey den Plato zusammen übersetzen? Das ist nun wieder so ein Friedrich Schlegelscher Streich, würde es geheißen haben, andrer Fragen nicht zu gedenken. Meine Meynung ist nun, daß Du auf dem Titel genannt werdest, und
I. Historische Einführung
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was ihm auch durchaus gelingt. Denn Schlegels Ankündigung erscheint im März 1800 tatsächlich ohne Schleiermachers Namen,8 doch Schleiermacher springt nicht ab, sondern gibt nun auch selbst seine Mitwirkung an der Platonübersetzung privatim bekannt.9 Er hat zwar Bedenken bezüglich der eigenen Kompetenz,10 doch die Arbeit beginnt. Die vorrangige Aufmerksamkeit gilt zunächst der Ordnung der Dialoge. In dieser Angelegenheit, wie auch später im Philologischen, wird der Philologe und Platonexperte L. F. Heindorf zum engen
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daß in einer besondren Vorrede (natürlich außer der Einleitung über das Studium) von den kritischen Grundsätzen der Uebersetzung, von der Anordnung, besonders aber von der Gemeinschaftlichkeit des Unternehmens, der Art und den Grundsätzen derselben, den Gelehrten besonders den philologischen Rechenschaft gegeben wird. Da diese Vorrede nun mit zu den Proömischen Umgebungen gehört, so wirst Du sie vielleicht auch zu meinem Antheil rechnen wenn ich auch Deine Hülfe dabey sehr nöthig haben sollte. Da denke ich unsre Gemeinschaft des Werks würdiger anzukündigen als es in der Zeitungsannonce geschehen konnte, wo es nur geschadet hätte“ (Z. 31–59 = KFSA 25, Nr. 50, S. 83 f.). Intelligenzblatt der Allgemeinen Literatur-Zeitung vom Jahre 1800, Nr. 43 (29.3.1800), Sp. 349 f.: „Ich habe mich entschlossen, eine genaue und vollständige Übersetzung der sämtlichen Werke des Plato herauszugeben, von welcher der erste Band zur Oster-Messe 1801 im Verlage des Hn. Frommann erscheinen wird. Warum ich es überhaupt und besonders jetzt, nach der Erfindung und Aufstellung der Wissenschaftslehre, für nützlich ja für nothwendig halte, das Studium dieses großen Autors, mit welchem das der Philosophie am schicklichsten angefangen und am würdigsten beschlossen wird, allgemeiner zu verbreiten, werde ich in einer besondern Abhandlung, welche das ganze Werk eröffnen soll, zu entwickeln suchen. Daß es auf dem Puncte der Ausbildung, welchem die deutsche Sprache sich jetzt zu nähern anfängt, möglich sey, diese schwere Aufgabe der Übersetzungskunst aufzulösen, wird am besten durch die That selbst gezeigt werden. Ich darf also nichts mehr sagen, als daß ich durch die Erklärung des Gedankenganges und Zusammenhanges nicht nur den Foderungen des Philologen und den Erwartungen des Philosophen Genüge zu leisten | hoffe, sondern auch durch begleitende Anmerkungen für das Bedürfniß der Layen sorgen werde. [...] Jena, d. 21 März 1800. Friedrich Schlegel“. Ebenfalls erschienen in: Poetisches Journal, hrsg. von Ludwig Tieck, Erster Jahrgang zweites Stück, Jena 1800, S. 493 f. unpag.; Staats- und gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten, Nr. 77, 14.5.1800, S. 7 unpag. (mit leichten Abweichungen); ingesamt vgl. Friedrich Schlegel, KFSA 25, Beilage I, S. 689 mit S. XLVI–XLVIII. Brief an C. G. v. Brinckmann vom 22.4.1800, KGA V/3, Nr. 847, Z. 103–111. Brief an C. G. v. Brinckmann vom 9.6.1800, KGA V/3, Nr. 883, Z. 98–107; vgl. auch die Ermutigung im Brief von C. G. v. Brinckmann vom 4.7.1800, KGA V/3, Nr. 905, Z. 45–48.
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Einleitung der Bandherausgeber
Berater.11 Ein lebhafter Briefwechsel zwischen Schlegel und Schleiermacher entspinnt sich an Fragen der Echtheit und der Prinzipien der Anordnung und Reihenfolge der Dialoge,12 der in die Zusendung eines ersten Entwurfes durch F. Schlegel mündet.13 Schlegel drängt Schleiermacher im folgenden zur Rücksendung des Entwurfs,14 doch Schleiermacher hält ihn zunächst zurück, um sich eine eigene Kopie zu machen.15 Nachdem er diese angefertigt hat,16 sendet er offenbar das Original zurück.17 Doch schon während dieser Zeit macht sich bei Schleiermacher zusehends Enttäuschung über den geringen
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Brief von F. Schlegel vom 5.5.1800, KGA V/4, Nr. 861: „Heindorf hat ganz meine Ansicht von der Art und Ordnung wie wir mit dem Plato anfangen müssen. (Ich gebe zwar die Hoffnung nicht auf, die historische Ordnung und die Bildungsgeschichte seiner Werke zu entdecken, aber freylich werde ich wohl am Ende der Arbeit mehr darüber wissen als jetzt, wo ich natürlich nichts darüber haben kann, als einige gute Conjecturen und Ahndungen.)“ (Z. 67–72 = KFSA 25, Nr. 63, S. 105). Zum Vorsatz des Austausches darüber s. den Brief von F. Schlegel vom 7.7.1800, KGA V/4, Nr. 907, Z. 17–36 (= KFSA 25, Nr. 79, S. 136 f.); erste Vorschläge von Schleiermacher im Brief vom 8.8.1800, KGA V/4, Nr. 928, Z. 2–44 (= KFSA 25, Nr. 91, S. 153 f.); darauf der Brief von F. Schlegel von Anfang September 1800, KGA V/4, Nr. 942, Z. 13–21 (= KFSA 25, Nr. 101, S. 173); skeptische Antwort Schleiermachers im Brief vom 13.9.1800, KGA V/4, Nr. 949, Z. 1–37 (= KFSA 25, Nr. 106, S. 180); Nachdrängen Schleiermachers im Brief vom 20.9.1800, KGA V/4, Nr. 953, Z. 33–40 (= KFSA 25, Nr. 108, S. 184), vgl. auch den Brief vom 20.10.1800, KGA V/4, Nr. 968, Z. 12–47 (= KFSA 25, Nr. 112, S. 190 f.). Im Weiteren enthält der Briefwechsel ständig kurze Bemerkungen zur relativen Chronologie sowie Gedanken zur Echtheit einzelner Dialoge: KGA V/4 und V/5 passim. Vgl. die Beilage zum Brief von F. Schlegel vom 8.12.1800, KGA V/4, Nr. 993, S. 353–359 (mit dem umfangreichen Apparat ebenda). Vgl. auch KFSA 18, S. 526–530 mit KFSA 19, S. 535–538. Vgl. die Briefe von F. Schlegel vom 17.4.1801, KGA V/5, Nr. 1045, Z. 26 f. (= KFSA 25, Nr. 162, S. 258), und vom 1.5.1801, KGA V/5, Nr. 1052, Z. 17 f. (= KFSA 25, Nr. 169, S. 271). Brief an F. Schlegel vom 27.4.1801, KGA V/5, Nr. 1051, Z. 54–56 (= KFSA 25, Nr. 167, S. 268). Die Abschrift Schleiermachers, die bislang nicht nachgewiesen werden konnte (KGA V/4, S. 354 App.), ist erhalten: BBAW, SN 182/1, o. D., 2 Bl.-4°: Sign.: Kasten 9, Nr. 34, [A. S.: Ka [ohne Zählung], Nr. 15 Mappe „Platon Fünfter Band“] (mit nur ganz wenigen leichten Abweichungen gegenüber der Schlegelschen Vorlage). Vgl. den Brief an A. W. Schlegel vom 17.9.1801, KGA V/5, Nr. 1097, Z. 35 f., wo vorausgesetzt ist, dass Friedrich Schlegel wieder im Besitz seines Entwurfsblattes ist.
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XIX
Arbeitseifer18, die mangelhafte Zusammenarbeit19 und nicht zuletzt über die wenig überzeugenden Ergebnisse der Bemühungen20 Friedrich Schlegels breit. Die Übersetzungsarbeiten Schleiermachers beginnen gleichwohl Anfang 1801 in Berlin, und zwar mit der Übersetzung des Phaidros.21 Als griechische Textgrundlage dient ihm der handschriftliche Entwurf der kommentierten Ausgabe seines Freundes Ludwig Friedrich Heindorf (1774–1816)22, der seit 1797 Gymnasialprofessor am Grauen Kloster in Berlin war und eine große kommentierte Platon-Ausgabe vorbereitete.23 Parallel dazu entfaltet F. Schlegel in Jena ganz unabhängig eine eigene Aktivität zum Thema ‚Platon‘: das Betreiben seiner Habilitation an der Philosophischen Fakultät der Universität Jena. Schon direkt nach seiner Promotion am 23.8.180024 hatte Schlegel schnell die Habilitation und damit die venia legendi angestrebt.25 Dekan war inzwischen der Philosoph Johann August Ulrich, der das Amt seit dem 7.2.1801 innehatte.26 Die Verhandlungen über die Modalitäten gestalteten sich schwierig. Als Beginn der Vorlesungen wurde einvernehmlich Michaeli, also das Wintersemester 1801 ins Auge gefasst. Doch Bedingung dafür war ein ordentlich durchgeführtes Verfahren, das bis dahin abgeschlossen sein musste. Auf Drängen und Mahnungen 18 19 20 21
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Vgl. z. B. Schleiermachers Brief an F. Schlegel vom 27.4.1801, KGA V/5, Nr. 1051, Z. 1 ff. (= KFSA 25, Nr. 167, S. 267). Vgl. z. B. Schleiermachers Brief an F. Schlegel vom 27.4.1801, KGA V/5, Nr. 1051, Z. 29 f. (= KFSA 25, Nr. 167, S. 267). Vgl. z. B. Schleiermachers Brief an A.W. Schlegel vom 17.9.1801, KGA V/5, Nr. 1097, Z. 29–59. Vgl. Schleiermachers Brief an F. Schlegel vom 10.1.1801, KGA V/5, Nr. 1008: „Ich überseze am Phädrus [...]“ (Z. 8 f. = KFSA 25, Nr. 131, S. 215); noch Ende Oktober 1800 hatte er sich geweigert, mit der Übersetzung des Phaidros zu beginnen, bevor die grundsätzlichen Fragen der Anordnung geklärt seien, vgl. den Brief an F. Schlegel vom 20.10.1800, KGA V/4, Nr. 968, Z. 12–18 (= KFSA 25, Nr. 112, S. 190). Zur Person siehe KGA V/6, S. XXXV f.; vgl. auch KGA V/7, S. XXXIII. Siehe den Brief an F. Schlegel vom 13.9.1800, KGA V/4, Nr. 949, Z. 23–25 (= KFSA 25, Nr. 106, S. 180) mit KGA V/4, Nr. 901, Z. 40–42; Nr. 910, Z. 104 (= KFSA 25, Nr. 80, S. 140). Erschienen ist die Ausgabe dann 1802: vgl. Schleiermachers eigene Anmerkung zum Phaidros: in dieser Edition S. 89, Anm. 1. Siehe KFSA 25, Nr. 93, S. 159 mit dem Kommentar S. 498 f. Zum gesamten Problemkomplex der Habilitation Friedrich Schlegels siehe KFSA 25, Beilage IV, S. 694–708 mit S. LVII–LX. Johann August Heinrich Ulrich (1746–1813) war Professor für Philosophie an der Universität Jena und seit dem 7.2.1801 Dekan der dortigen philosophischen Fakultät.
XX
Einleitung der Bandherausgeber
seitens des Dekans reagierte Schlegel mit der Bitte, entweder „über Theses zu disputieren“ oder „mit der Disputation überhaupt noch längere Nachsicht (zu) geben“27 – offenbar weil letztere (noch) nicht existierte. Daraufhin gestattete der Dekan die erste Möglichkeit, „jedoch unter der ausdrücklichen Bedingung, die ausführliche Disputation, noch vor Abdruck des kommenden Herbstkataloges nachzuliefern, auch den Titel derselben mit den Thesibus abzudrucken und anschlagen zu lassen“.28 Der Termin für die mündliche Disputation wurde auf Wunsch F. Schlegels auf den 14.3.1801 festgesetzt.29 Der Verleger Karl Friedrich Ernst Frommann (Jena) übernimmt den Druck für den Titel der ‚ausführlichen‘ Dissertation (und für die Thesen der mündlichen Disputation).30 Titeldruck und Thesenblatt sind zwar nicht erhalten, doch scheint mit einiger Sicherheit die Überlieferung der Thesen durch einen Brief Caroline Schellings und die des Dissertationstitels durch den Herausgeber ihrer Briefe, Erich Schmidt, verlässlich zu sein.31 Danach dreht sich die gesamte Habilitation um Platon. Insbesondere stellte Schlegel im von Erich Schmidt zitierten Titeldruck eine Abhandlung über Platon als Habilitationsschrift in Aussicht: „De Platone. Dissertatio critica cui adiectas theses [...] pro venia legendi publice defendet A. D. 14 Martii Auctor Car. Guil. Frid. Schlegel Philosophiae doctor respondente Astio Gothano. Jenae ex officina Frommanni et Wesselhöftii.“32 Die mündliche Disputation war schon im Vorfeld von einem Streit mit dem Dekan um die statutengemäße Auswahl der Opponenten begleitet33 und endete in einem Eklat mit wüsten Beleidigungen 27 28
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J. A. H. Ulrich, Entwurf eines Briefes an den Senat der Universität Jena vom 18.3.1801, KFSA 25, S. 702. J. A. H. Ulrich, Bericht vom 10.3.1801 an die Philosophische Fakultät, KFSA 25, S. 697, sowie Entwurf eines Briefes an den Senat der Universität Jena vom 18.3.1801, KFSA 25, S. 702 f. Vgl. das Fakultätsprotokoll zwischen dem 21.2. und 26.4.1801, KFSA Bd. 25, S. 694 f. Dies zeigt ein Rechnungs-Brouillon des Verlegers Frommann, das allerdings nur vom Druck der „Theses“ spricht, nicht vom Titelblatt der Dissertation: KFSA 25, Beilage VII, S. 710 f., hier S. 711, Z. 2. Caroline. Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt herausgegeben von Erich Schmidt, Bd. 1–2, Leipzig 1913; hier der Brief von Caroline Schelling an A. W. Schlegel vom 26.–27.3.1801, Bd. 2, Nr. 303, S. 82–90, bes. 85 f. mit dem Anhang 6, S. 584 f.; zur Habilitation aus Friedrich Schlegels Sicht vgl. auch den Brief von Caroline Schelling an A. W. Schlegel vom 22.6.1801, Bd. 2, Nr. 322, S. 173–179, bes. 177 f. So mitgeteilt vom Herausgeber der Briefe Carolines, E. Schmidt, ebenda Bd. 2, S. 608; zustimmend KFSA 25, S. LVIII. Vgl. KFSA 25, Beilage IV, S. 694–708 mit S. LVII–LX passim.
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XXI
und Beschimpfungen der Teilnehmer während der Disputation am 14.3.1801, dem noch ein vielfältiges Nachspiel mit ausführlichen Berichten und Rechtfertigungen des Dekans Ulrich folgte.34 Von der noch abzuliefernden Dissertation ist in diesen Berichten und in den Fakultätsakten dann allerdings nicht mehr die Rede, obwohl doch der Dekan Ulrich deren Ablieferung eingangs zur Bedingung für die Erteilung der venia legendi gemacht hatte. Ungeachtet dessen erscheint im Intelligenzblatt der Allgemeinen Literatur-Zeitung vom 21.3.1801: „Jena. [...] den 14. März vertheidigte Hr. Doct. Philos. K a r l W i l h . F r i e d r. S c h l e g e l mit seinem Respondenten, H n . F r i e d r. A s t die seiner Dissertation: d e P l a t o n e , angehängten Theses p r o v e n i a l e g e n d i . “35 Der Streit um die venia legendi im Anschluss an den Skandal bei der mündlichen Disputation verlief im Sande.36 Von einer ‚Dissertatio critica de Platone‘ findet sich keinerlei Spur. Gleichwohl steht die Frage im Raum, weshalb der ansonsten so korrekte Dekan Ulrich, der so sehr auf einer noch im Laufe seiner Amtszeit nachzureichenden schriftlichen Abhandlung bestanden hatte, im Folgenden stets ausschließlich auf den Skandal im Rahmen der mündlichen Disputation eingegangen ist, aber nie auf die noch fehlende Schrift hingewiesen hat. Irgendwie scheint er in dieser Hinsicht zumindest formal befriedigt worden zu sein. Parallel zu den Ereignissen um die Habilitation verläuft die Arbeit am Phaidros mit Schleiermacher. Dieser schickt nämlich genau am 14.3.1801, dem Tag der mündlichen Disputation, den fertigen Phaidros samt Anmerkungen,37 nachdem ihn Schlegel seit Februar 1801 immer wieder sehnsüchtig, ja fast verzweifelt um die Zusendung gebeten hat38. Mindestens bis zum 27.3.1801 befindet sich das Manuskript Schleiermachers bei Schlegel, der es zu diesem Zeitpunkt zum Satz an Frommann gibt, vielleicht auch wieder nach dessen Abschluss beim Beginn des Druckes 27.4.1801.39
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KFSA 25, Beilage IV, S. 694–708 mit S. LVII–LX passim; vgl. auch den Brief von Caroline Schelling an A. W. Schlegel vom 22.6.1801, Caroline. Briefe, hrsg. von E. Schmidt, Bd. 2, Nr. 322, S. 173–179, bes. 177 f. Intelligenzblatt der Allgemeinen Literatur-Zeitung vom Jahre 1801, Nr. 55 (21.3.1801), Sp. 441; auch in KFSA 25, Beilage IV, 5), S. 708. Vgl. KFSA 25, S. LX. KGA V/5, Nr. 1030 an F. Schlegel, 14.3.1801 (= KFSA 25, Nr. 153, S. 245 f.); Text s. u. Anm. 177. Siehe unten Anm. 175–176 zu Februar/März 1801. KGA V/5, Nr. 1032 von F. Schlegel, 27.3.1801 (= KFSA 25, Nr. 157, S. 252); vielleicht auch erst einen Monat später beim Beginn des Druckes: F. Schlegel an A. W. Schlegel, 27.4.1801, KFSA 25, Nr. 166 (s. u. Anm. 182).
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Einleitung der Bandherausgeber
In dem umfangreichen Briefwechsel dieser Zeit verschweigt F. Schlegel die Ereignisse um seine Habilitation vollständig. Der einzige Reflex, den es gibt, ist der, dass sich Schleiermacher darüber beschwert, dass Schlegel ihm seine ‚Dissertatio‘ (sc. de Platone?) – von der er offenbar Kenntnis hat – vorenthalte.40 Auch dass die ersten beiden Lagen der Phaidros-Übersetzung von Schleiermachers Hand, die er Schlegel zugeschickt hatte, dem Dekan Ulrich zur Abzeichnung vorgelegen haben, ist im Briefwechsel nirgends erwähnt. Das erhaltene Manuskript aber enthält zweimal – f. 1r und f. 5r – den handschriftlichen Vermerk: „Vidi JAHUlrich h[oc] t[empore] dec[anus]“41 (siehe das Faksimile von SN 154/1, f. 5r, S. LXXXII). Unklar bleibt, wer das Manuskript wann und aus welchem Grund dem Dekan Ulrich vorgelegt hat. Ab Mitte März war das Manuskript in Jena in Schlegels Hand, ab Ende März bei Frommann zum Satz. Denkbar ist die Vorlage beim Dekan im Rahmen der Zensur. Oder geschah die Vorlage vielleicht im Kontext der Habilitation? Denn immerhin stand der Dekan Ulrich zu dieser Zeit gerade in diesem Verfahren mit Schlegel in engster Verbindung. Vielleicht, so könnte man vermuten, hat Schlegel das Manuskript vorgelegt, um nachzuweisen, dass überhaupt etwas Schriftliches zu Platon existierte. Schließlich war er bis zu diesem Zeitpunkt offiziell der (alleinige) Übersetzer des Platon in der Frommannschen Ausgabe.42 Da könnte ihm die Vorlage des Anfangs der angekündigten Übersetzungsausgabe – sozusagen als specimen des zu Erwartenden43 – über die Verlegenheit mit der fehlenden und von Ulrich so unerbittlich geforderten Dissertatio hinweg geholfen haben. Das würde dann auch Ulrichs Schweigen über die fehlende Dissertatio erklären: Er hatte etwas „gesehen“ („vidi“), was ihm offenbar formell genügte, sei es als Beauftragter der Zensur, sei es als Vorsit40 41 42 43
Vgl. Schleiermachers Brief an F. Schlegel vom 27.4.1801, KGA V/5, Nr. 1051, Z. 29 f. (= KFSA 25, Nr. 167, S. 267). Siehe unten S. XLIII. Siehe oben Anm. 8. Ähnlich war auch seine Promotion am 23.8.1800 ermöglicht worden. Vgl. das Intelligenzblatt der Allgemeinen Literatur-Zeitung vom Jahre 1800, Nr. 154 (20.9.1800), Sp. 1297: „Den 13. [sic! richtig: 23.] August 1800 erhielt der durch seine angefangenen Werke ‚die Griechen und Römer‘ und ‚Geschichte der Griechischen Poesie‘ rühmlich bekannte Hr. Carl Wilhelm Friedrich Schlegel aus dem Hannöverschen die Philosophische Doctorwürde.“ (KFSA 25, S. 499). Die Ablieferung einer förmlichen Dissertation wurde offenbar erlassen und durch den Nachweis von „angefangenen“ Werken ersetzt. Im Falle der Habilitation hätte es sich allerdings um den Anfang der Arbeit Schleiermachers gehandelt, die durch Schlegels Mitwirkung dann zu dem von Schlegel angekündigten Werk hätte werden sollen.
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zender des Habilitationsverfahrens. All dies geschieht in dem zeitlich eng begrenzten Korridor zwischen dem 13.3. und Ende April 1801.44 Definitiv wird sich die Frage jedoch wohl nicht klären lassen, weshalb genau Ulrich in seiner Eigenschaft als Dekan das Schleiermachersche Manuskript zum Phaidros abgezeichnet hat.45 Friedrich Schlegel selbst arbeitet nach dem Erhalt des PhaidrosManuskriptes jedenfalls nicht substantiell an Schleiermachers Übersetzungsentwurf. Außer einer Durchnummerierung der Stellen, zu denen Schleiermacher Anmerkungen vorgesehen hatte, sowie einigen Änderungen wie z. B. der Änderung von „Grieche“ in „Hellene“, kommen von ihm keine wesentlichen Beiträge (siehe z. B. das Faksimile von SN 154/1, f. 5v, S. LXXXIII).46 Stattdessen treibt er den Satz und den Druck voran.47 Schleiermacher arbeitet den Sommer 1801 unverdrossen am Platon weiter.48 Auch scheint er von jetzt an hypomnematische Notate zu Problemen anzulegen, die mit dem platonischen Werk insgesamt oder einzelnen Stellen zu tun haben.49 Begleitet wird die Arbeit, insbe44
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Bereits am 1.5.1801 avisiert F. Schlegel die Rückgabe des Manuskriptes über seinen Bruder August: siehe den Brief von F. Schlegel, 1.5.1801, KGA V/5, Nr. 1052 (= KFSA 25, Nr. 169, S. 270 f.). Ein Indiz, daß die Vorlage des Phaidros bei Ulrich möglicherweise tatsächlich die Erfüllung der Pflicht zur Einreichung einer schriftlichen Arbeit (oder einer Probe davon) im Rahmen der Habilitation war (oder zumindest als solche gewertet werden konnte), ist auch die Tatsache, daß die später häufiger so genannte (jedoch nie verfaßte) ‚Kritik des Plato‘ (Brief von F. Schlegel, 5.5.1803, KGA V/6, Nr. 1490, Z. 44; Brief an F. Schlegel, 26.5.1804, KGA V/7, Nr. 1752, Z. 49 f.) nur eine deutsche Übersetzung des lateinischen Titels ‚Dissertatio critica de Platone‘ darstellt; insofern war diese Abhandlung – ob nun lateinisch oder deutsch – im Grunde als Teil des Gemeinschaftsprojektes gedacht, und deshalb wäre es auch in gewissem Sinne plausibel, den ‚Phaidros‘ als specimen eben dieses Projektes vorzulegen. Siehe unten zur Handschrift des Phaidros, S. XLIII f.; vgl. auch die Briefe von F. Schlegel, 1.5.1801, KGA V/5, Nr. 1052, Z. 2 (= KFSA 25, Nr. 169, S. 270); 16.11.1801, KGA V/5, Nr. 1122, Z. 31 f. (= KFSA 25, Nr. 203, S. 307) mit der Klage Schleiermachers über Friedrich Schlegels Oberflächlichkeit in dem Brief an A. W. Schlegel, 17.9.1801, KGA V/5, Nr. 1097, Z. 29–59, bes. 46–50: „Die große Genauigkeit mit der er ihn gelesen haben will, wird nur darin bestehn, daß er keinen Griechen hat stehn lassen ohne ihn in einen Hellenen zu verwandeln. Auch habe ich ihm schon erklärt daß ich schlechterdings auf dem Umdruck aller dieser Stellen bestehe.“ Siehe unten zur Handschrift des Phaidros, S. L f. Vgl. z. B. den Brief an F. H. C. Schwarz, 10.10.1801, KGA V/5, Nr. 1114, Z. 83–86. „Zum Platon“ (Vermutlich 1801–1803), erhalten im Archiv der BBAW, SN 184, jetzt in: KGA I/3, S. 341–375 mit S. XCVI–CVI.
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Einleitung der Bandherausgeber
sondere am Phaidros und am Protagoras, von der Anfertigung von Exzerpten verschiedener Werke, u. a. von Cornarius lateinischer Übersetzung samt Eklogen, Heynes Rekonstruktion des Simonides, Tennemanns System der Philosophie, aber auch der Vitae Sophistarum des Philostrat (mit Zeittafeln), der Deipnosophistai des Athenaios, sowie der alten, von Siebenkees herausgegebenen und der frisch von Ruhnken publizierten Platonscholien.50 Doch abermals gibt es Debatten mit Schlegel um die Frage, ob Schleiermacher mit auf dem Titel steht oder nicht.51 Schlegel beginnt, ihn zur Abgabe des Protagoras zu drängen,52 im Frühjahr 1802 wird der Verleger Frommann der Verzögerungen langsam überdrüssig.53 Schleiermacher stellt ihm bis zum Herbst Übersetzungen des Theaitet, des Sophistes und des Politikos in Aussicht.54 Der Frühsommer 1802 bedeutet dann eine Zeit des Umbruchs. In diese Zeit fällt zum einen der Wechsel Schleiermachers von Berlin 50
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Alle erhaltenen Exzerpte sind undatiert. Anscheinend aus der frühen Phase: Exzerpt aus Cornarius (BBAW, SN 156/1, s. u. S. LXVIII–LXIX) und aus Heyne (BBAW, SN 156/2, s. u. S. LXIX); wohl eher aus der späteren Phase: W. G. Tennemann: System der Platonischen Philosophie, Bd. 1–4, Leipzig 1792–1795 [SB 2715] (BBAW, SN 185, f. 2r, mitgeteilt unten S. 87 App. S); Philostratos: Vitae sophistarum, rec. G. Olearius, Leipzig 1709 [SB 1468], S. 494–497 und 630–631 (BBAW, SN 185, f. 2–6; vgl. unten S. 586 f.); Athenaios: Deipnosophistarum libri quindecim [...] animadversionibus cum Is. Casauboni aliorumque tum suis illustr. [...] Io. Schweighaeuser, Bd. 1–5, Straßburg 1801–1807 [SB 102] (BBAW, SN 185, f. 9–14 u. a. aus Buch V und XI zu den chronologischen Problemen im Protagoras; vgl. unten S. 570 ff.); J. Ph. Siebenkees: Anecdota Graeca [...]. Edidit et praefatus est Ioann. Adam. Goez, Nürnberg 1798 [SB 1838] (BBAW, SN 182, f. 5–6 zu Phaidros und Protagoras); D. Ruhnken: Scholia in Platonem. [...], Leiden 1800 [SB 2202; laut Hauptbuch erst am 10.5.1802 bezogen, vgl. KGA V/6, Nr. 1421, Z. 39 f. mit App.] (BBAW, SN 182, f. 6 zu Phaidros und Protagoras). Vgl. unten S. LVIII–LIX und S. LXXV–LXXVI. Vgl. die Briefe von F. Schlegel, 21.9.1801, KGA V/5, Nr. 1100, Z. 60–64 (= KFSA 25, Nr. 191, S. 294); 26.10.1801, KGA V/5, Nr. 1115, Z. 21–25 (= KFSA 25, Nr. 198, S. 300); 16.11.1801, KGA V/5, Nr. 1122, Z. 28 f. (= KFSA 25, Nr. 203, S. 307). Vgl. die Briefe von F. Schlegel, 16.11.1801, KGA V/5, Nr. 1122, Z. 33 f. (= KFSA 25, Nr. 203, S. 307); 8.2.1802, KGA V/5, Nr. 1157, Z. 36–40 (= KFSA 25, Nr. 232, S. 329); 15.2.1802, KGA V/5, Nr. 1158, Z. 2 f. (= KFSA 25, Nr. 234, S. 330); 18.3.1802, KGA V/5, Nr. 1185, Z. 5 f. (= KFSA 25, Nr. 241, S. 339); 25.3.1802, KGA V/5, Nr. 1190, Z. 33 f. (= KFSA 25, Nr. 243, S. 341). Vgl. den Brief von F. Schlegel, 25.3.1802, KGA V/5, Nr. 1190, Z. 33–36 (= KFSA 25, Nr. 243, S. 341); sowie den Brief von F. Frommann an Schleiermacher, 12.4.1802, KGA V/5, Nr. 1207 (vgl. auch den Brief von J. B. Vermehren an Schleiermacher, 1.4.1802, KGA V/5, Nr. 1199, Z. 102). Vgl. den Brief an F. Frommann, 18.4.1802, KGA V/5, Nr. *1215.
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auf die Stelle des Hofpredigers im Pommerschen Stolp im Juni 1802, zum anderen entsteht die Freundschaft mit dem Verleger Georg Andreas Reimer, mit dem er sich – gerade noch in Berlin – bei einem Abendbesuch am 26.5.1802 anfreundet.55 Die Säumigkeit Schlegels entnervt nun zusehends alle Beteiligten. Zwar zahlt Frommann auf Anregung Schlegels 100 Thaler Vorschuss für den Phaidros und den Protagoras, der inzwischen offenbar auch beim Verlag eingetroffen ist,56 doch in Schleiermacher reift allmählich der Gedanke, das begonnene Projekt ohne Schlegel durchzuführen, da Schlegel nach wie vor trotz ständiger Versprechungen nichts liefert. Offen ist nur, ob die Übersetzung vielleicht auch von Schleiermacher allein bei Frommann erscheinen könnte.57 Trotz der zunehmenden Unsicherheit über die Zukunft des Projektes arbeitet Schleiermacher selbst intensiv weiter am Platon.58 Als F. Schlegel die Einleitungen zum Parmenides und zum Phaidon tatsächlich vorlegt,59 keimt sogar noch einmal ein wenig Hoffnung auf.60 Doch als abermals Irritationen über vermeintliche Schleiermachersche Alleingänge entstehen,61 verliert Schleiermacher die Geduld. Er bittet den inzwischen befreundeten Berliner Verleger Reimer darum, Frommann förmlich um die Herausgabe des Materials, d. h. vor allem des Phaidros-Manuskriptes und des Protagoras-Manuskriptes, zu ersuchen, bietet sogar die Rückzahlung des Vorabhonorars von 100 Thalern (s. o.) sowie die Erstattung
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Vgl. den Brief an Ch. Schleiermacher, 27.5.1802, KGA V/5, Nr. 1244, Z. 1–19. Siehe den Brief von F. Frommann, 12.4.1802, KGA V/5, Nr. 1207, Z. 6–13. Vgl. die Briefe vom August 1802 bis zum Frühjahr 1803 an verschiedene Adressaten, KGA V/6, z. B. Nr. 1294; Nr. 1314, Z. 27–32; Nr. *1315; Nr. 1317, Z. 107–109; Nr. 1336, Z. 158–161; Nr. 1338, Z. 20–25. Vgl. den Brief an J. E. Th. von Willich, 15.9.1802, KGA V/6, Nr. 1342, Z. 77. Vgl. den Brief von F. Schlegel, 15.9.1802, KGA V/6, Nr. 1343, Z. 17–20, in Abschriften erhalten in SN 161/4 und in SN 173/3, ediert in KFSA 18, Beilage V, S. 531–537. Brief von F. Frommann an Schleiermacher, 22.10.1802, KGA V/6, Nr. 1366 und von Schleiermacher an Reimer, 12.1.1803, KGA V/6, Nr. 1420, Z. 31 f. Vgl. den Brief an F. Schlegel, 15.3.1803, KGA V/6, Nr. 1457, Z. 57–68.
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Einleitung der Bandherausgeber
der bislang entstandenen Druckkosten an.62 Damit erklärt er das gemeinsame Projekt de facto für beendet.63 Schlegel setzt wenig dagegen. Seine Hauptsorge gilt zunächst den möglichen finanziellen Ansprüchen Frommanns. Die entstandenen Unkosten, die Frommann nun zurückfordert und für die Schlegel als alleiniger Vertragspartner juristisch verantwortlich ist, möchte er auf keinen Fall bezahlen.64 Außerdem überlässt er Schleiermacher die Übersetzung ganz und stellt nur seine ‚Kritik des Plato‘ mit einigen Dialogen als seinen Teil am Gemeinschaftswerk in Aussicht.65 Die Frage, ob Frommann nun überhaupt noch an dem Werk mit Schleiermacher als alleinigem Übersetzer interessiert ist, ist schnell beantwortet: Er lehnt es ab,66 er kündigt sogar das gesamte Vorhaben auf und 62
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Siehe den Brief von F. Frommann, 8.9.1803, KGA V/7, Nr. 1550, Z. 21–27: „Indes finden sich bey der Abrechnung mit Schlegel vom 16./III., anni currentis auf Ihren Antheil: / 1802. 4/IV. Baare Zahlung ... Rth 100. / Saz, Druk, Papier von 5. Bogen und 1/2 [sic!] Bogen Saz, nach Abzug des Maculatur Preises 53. / sehr geringe Zinsen bis April. 1802 8 / Rth 161.“ Vgl. auch das Abrechnungsbrouillon von Friedrich Frommann über Friedrich Schlegel 1800–1802 (1803), in: KFSA 25, Beilage VII, S. 711, wo ebenfalls von 53 Reichsthalern die Rede ist für „S[a]z, Dr[u]k u. P[a]p[ie]r von 5. Bogen Platos Werke die ausgedruckt u. 1/2 Bogen der nur gesezt. Abzug des MaculaturPreises ----“. Vgl. KFSA 25, Nr. 239 von F. Schlegel an K. F. E. Frommann, 1.3.1802: „[...] daß Sie uns die ganzen Kosten des Druckes, die Sie mir wo ich nicht irre zu 53 Thalern angaben, abziehen.“ (S. 337). Siehe Schleiermachers Brief an Reimer, 20.4.1803, KGA V/6, Nr. 1476, Z. 68–79: „Ich wünschte, Du könntest mir in Leipzig den Gefallen thun, mit Frommann ein vernünftiges Wort über den Plato zu reden. Hat er noch keine Uebersetzung von Friedrich, so ersuche ihn in meinem Namen auf das förmlichste und officiellste mein Manuscript und das corrigirte Exemplar des Phädrus an Dich zu überschicken, wogegen ich ihm verspreche, sobald von dieser Uebersezung irgend etwas erscheint, ihm die 100 Thaler, die ich von ihm erhalten habe, zu erstatten, und wenn er es billig findet, ihn auch für die Druckkosten des Phädrus zu entschädigen. Wenn Friedrich nichts gearbeitet hat, halte ich mich meines Wortes erledigt, und möchte gern freie Hand haben, das Werk, so groß es auch ist, allein zu unternehmen. Es ist fast das Einzige, was mir Freude machen kann, und wozu ich besser zu sein glaube als ein Andrer.“ Siehe den Brief von F. Schlegel vom 5.5.1803, KGA V/6, Nr. 1490, Z. 26–36: „Ich lege Dir die Entscheidung des ganzen Handels jezt anheim [...] und bitte nur daß Du dabei auch auf den Nebenumstand meiner Geldbedrängniß insoweit dieß der Sache nicht schaden kann, Rücksicht [nimmst]. [...] sorge doch ja daß der Buchhändler mit dem Du etwa alsdann Dich vereinigst, die 100 Rth recht bald übernimmt, da ich ohnehin sehr in Noth kommen werde, das andre (sc. 50 Rth für den vergeblichen Druck) wiederzuzahlen.“ Siehe denselben Brief von F. Schlegel vom 5.5.1803, KGA V/6, Nr. 1490, Z. 41–53. Vgl. den Brief an G. A. Reimer, Mitte Juni 1803, KGA V/6, Nr. 1502, Z. 14–24.
I. Historische Einführung
XXVII
will sein Geld zurück.67 Da bittet Schleiermacher Reimer, das Projekt mit ihm als alleinigem Autor verlegerisch zu übernehmen68 und im Zuge dessen auch zur Auslösung insbesondere des Phaidros-Materials die finanziellen Forderungen Frommanns zu erfüllen.69 Reimer ist dazu bereit.70 Mit Frommann gibt es allerdings noch einige Schwierigkeiten.71 Kühl weist er darauf hin, dass er die Materialien erst zurückgebe, wenn F. Schlegel die Schulden bezahlt habe.72 Nach langen Verhandlungen bis Mitte Dezember 180373 gelingt schließlich die Auslösung des Materials.74 Damit ist der erste Anlauf zu einer Übersetzung der Werke Platons endgültig gescheitert. Das materielle Relikt dieser Phase ist – neben Schlegels Einleitungen zum Parmenides und zum Phaidon75 – das in Schleiermachers Nachlass befindliche Manuskript SN 154 (Phaidros), das in dieser Edition als „Spalte 2“ erstmals transkribiert und ediert ist (S. 88–412).
2. Die Entstehung des bei G. A. Reimer publizierten Bandes „Platons Werke I/1“ (1. Auflage, Mai 1804) Der zweite und schließlich erfolgreiche Anlauf zur Entstehung der Platonübersetzung hat seine Wurzeln bereits in der Schlussphase der ersten Etappe. Mit der Bitte an G. A. Reimer, das Vorhaben als Verleger zu betreuen, geht sogleich der Plan einer öffentlichen Ankündigung einher.76 Enger Kooperationspartner bei der Erarbeitung der 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76
Vgl. den Brief von G. A. Reimer, 20.6.1803, KGA V/6, Nr. 1503, Z. 7–37. Vgl. die kalkulatorischen Details im Brief an G. A. Reimer, 23.6.1803, KGA V/6, Nr. 1507, Z. 16–74. 91–100. 120–130. Ebenda Z. 37–46. Vgl. den Brief von G. A. Reimer, 6.7.1803, KGA V/6, Nr. 1511, Z. 7–55. Vgl. den Brief von G. A. Reimer, 7.8.1803, KGA V/6, Nr. 1523, Z. 12–17. Vgl. den Brief von F. Frommann, 21.7.1803, KGA V/6, Nr. 1517. Vgl. die Briefe an und von F. Frommann von September bis Dezember 1803, KGA V/7, Nr. 1550; Nr. 1588; Nr. 1589; Nr. 1590; Nr. 1591; Nr. 1607. Vgl. den Brief an F. Frommann, 17.12.1803, KGA V/7, Nr. *1616 nach Nr. 1617, Z. 1 ff. KFSA 18, S. 531–537. Siehe den Brief an G. A. Reimer, 23.6.1803, KGA V/6, Nr. 1507, Z. 128–130; vgl. den Brief von G. A. Reimer, 6.7.1803, KGA V/6, Nr. 1511, Z. 50–55; Brief an H. Herz, 30.7.1803, KGA V/6, Nr. 1520, Z. 21–23; Brief an G. A. Reimer, 12.8.1803, KGA V/6, Nr. 1531, Z. 12–21; Brief von G. L. Spalding, 26.8.1803, KGA V/6, Nr. 1537, Z. 18 f.; Brief von G. A. Reimer, 10.10.1803, KGA V/7, Nr. 1572, Z. 73; vgl. auch den Brief an Graf zu Dohna, 10.10.1803, KGA V/7, Nr. 1571, Z. 19 f.
XXVIII
Einleitung der Bandherausgeber
Übersetzung wird nun prominent der Philologe Georg Ludwig Spalding (1762–1811)77, der seit 1787 Gymnasialprofessor der griechischen und hebräischen Sprache am Gymnasium zum Grauen Kloster in Berlin war, dann von August 1803 an außerordentliches, von 1806 an ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Mit ihm stimmt sich Schleiermacher sogar über seine Ankündigung besonders eng ab.78 Schließlich erscheint sie Ende des Jahres 1803, sogar an vier verschiedenen Orten.79 Ihr Wortlaut ist mit nur wenigen Varianten wie folgt:
Anzeige die Uebersetzung des Platon betreffend.80 Vor nunmehr drey Jahren verhieß F r. S c h l e g e l den Freunden der Philosophie eine vollständig und reichlich ausgestattete Übersetzung der Schriften des Platon. Wiewohl damals nicht öffentlich genannt und von seiner durch Umstände beschleunigten Ankündigung in der Ferne nicht wissend, sollte dennoch und wollte, einer alten Verabredung gemäß, ich sein Gehülfe seyn an diesem Werke. Welche Ursachen die Erscheinung desselben immer hingehalten, gehört nicht hierher; sondern nur dieses, daß jetzt fast zu gleicher Zeit auf der einen Seite, der Verleger durch immer erneute Verzögerung, nicht mit Unrecht, ermüdet, sich zurückgezogen, auf der andern auch F r. S c h l e g e l sich überzeugt hat, er werde in den nächsten Jahren das Geschäft des Uebersetzens nicht so eifrig und ausdauernd betreiben können, als dem Fortgange des Unternehmens nothwendig wäre. 77 78 79
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Zu Spalding als Brief- und Gesprächspartner Schleiermachers vgl. KGA V/6, S. XLIV–XLVI. Zur Abstimmung über die Ankündigung siehe die in Anm. 76 zitierten Briefe. Die erste definitive Erwähnung der Publikation der Ankündigung erfolgt in einem Brief von G. A. Reimer, 3.12.1803, KGA V/7, Nr. 1608, Z. 67–75, bes. Z. 67–69: „sie hat vor geraumer Zeit in der Leipziger Literatur Zeitung gestanden, steht auch schon in No 212 (vom 12ten November) in der Jenaischen Literatur Zeitung.“ Text nach: Intelligenzblatt der Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung vom Jahre 1804, Erster Jahrgang, Nr. 2, Sp. 13 f.; davor erschienen in: Neue Leipziger Literaturzeitung, Zweyter Band, Oktober. November. December. 1803, 23. Stück (12.11.1803), Sp. 366–368 (verdruckt 344); Intelligenzblatt der Allgemeinen Literatur-Zeitung vom Jahre 1803, Nr. 212 (12.11.1803), Sp. 1732 f.; Kaiserlich und Kurpfalzbairisch priviligirte Allgemeine Zeitung 1804, Nr. 22 (22.1.1804), Beilage Nr. 1, S. 3 f.; eine wörtlich identische Abschrift (des Schleiermacherschen Entwurfs?) von der Hand von G. A. Reimer liegt in Schleiermachers Nachlass BBAW, SN 188/2, vor.
I. Historische Einführung
XXIX
Solchergestalt von dem Verbündeten verlassen, vermag ich dennoch nicht das Werk zu verlassen, sondern finde mich auf alle Weise gedrungen, es auch allein zu wagen. Denn zu lebhaft ist meine Ueberzeugung, daß gerade jetzt nähere Bekanntschaft mit dem Sinn und Geist jenes großen Weisen zu den ersten Bedürfnissen gehört, und daß, um nicht mehr zu sagen, die Liebhaber wenigstens der Philosophie zum größten Theile nicht ausgerüstet sind, ihn in seiner eigenen Sprache zu vernehmen. Dabey will nicht verlauten, daß von denen, welche in jeder Hinsicht besser versehen wären, als ich, einer diesem Geschäft sich widmen wollte, so daß das Gefühl der Nothwendigkeit den Sieg davon trägt über das der Schwierigkeiten in der Sache und der Mängel in dem Unternehmer. Vorzüglich darauf ist der Wunsch gerichtet, die Worte des Platon mehr als bisher geschehen in ihrem Zusammenhange verständlich zu machen, dann auch die Verbindung möglichst zu erhalten und ins Licht zu setzen zwischen dem Zweck und Geist eines jeden und der Ausführung. Welche Bemühung von der Art ist, daß wenn auch manches darin verfehlt seyn sollte, sie doch Jedem, dazu fähigem, zu eigenen und verbessernden Untersuchungen aufregen muß. Eine allgemeine Einleitung soll vorangehend die Leser mit dem Standpunkte des Uebersetzers und den Grundsätzen seiner Arbeit bekannt machen, und wenn das günstige Geschick Vollendung gewährt, soll das Ganze beschlossen werden durch einige erläuternde Aufsätze über den Charakter des Platon und der Stelle, welche ihm zukommt unter den Beförderern der Philosophie. Auf gleiche Weise wird jedem Gespräch eine Einleitung vorangehn und nachfolgende Anmerkungen werden theils die nöthigsten Erläuterungen des Einzelnen enthalten, theils auch für den Sprachkenner die rechtfertigende Anzeige jeder gewagten Aenderung. Denn daß dieser der Uebersetzer nicht entrathen kann, wird jeder zugestehn, welcher den Text der Platonischen Werke kennt. Ist meine Befugniß zu diesem Geschäfte den mehrsten, welche dessen gute Ausführung wünschen, noch unbewährt: so möge ihnen die Versicherung zu einiger Bürgschaft dienen, daß zwey bewährte und mir befreundete Männer G . B . [richtig: L.] S p a l d i n g und L . H . H e i n d o r f mir Rath und Unterstützung verheißen. Und da auch diejenigen, welche einiges Vertrauen haben könnten zu meinen übrigen Bemühungen, sich ungern von der Hoffnung trennen werden, F r. S c h l e g e l ’s so eigenthümliches und tiefgreifendes kritisches Talent auf die Werke des Platon angewendet zu sehen: so wird es diese erfreuen, zu erfahren, daß er die Resultate seiner Studien in einer eigenen Kritik des Platon den Freunden solcher Untersuchungen, und zwar bald, vorzulegen gedenkt. Desto besser wird dann, sowohl was uns gemeinschaftlich ist, als worin wir abweichen, diejenigen, welchen beides vor Augen liegt, anleiten können,
XXX
Einleitung der Bandherausgeber
zum richtigen Verständniß und zur Bildung eines eigenen Urtheils. Versprechungen von schnellen Fortschritten würden übler Vorbedeutung seyn; indeß ist Manches schon wirklich ausgeführt, vieles vorgearbeitet, vor allen aber Lust und Liebe zum Werke nicht gering; und so wird, wenn den Anfang einige Ermunterung begünstigt, auch diese dem Fortgange beförderlich seyn. Stolpe den 29sten Julius 1803.
F. Schleiermacher.
Der erste Band dieser Uebersetzung des Plato erscheint unfehlbar zur Ostermesse 1804 in angemessenem Druck und Format in der Realschulbuchhandlung zu Berlin. Damit war der Schritt in die Öffentlichkeit getan und die Arbeit musste beginnen.81 Als griechische Textgrundlage dient die inzwischen (1802) erschienene kommentierte Ausgabe von Heindorf zum Phaidros und zum Lysis82 sowie die alte Bipontina zum Protagoras und zum Laches83. Spalding und Heindorf sind von Anfang an brieflich in die Arbeit einbezogen.84 Von jetzt an entstehen in dichter Folge eine Fülle von Manuskripten in verschiedenen Fassungen mit vielfältigen Korrekturen.85 Zunächst arbeitet Schleiermacher an der (Gesamt-)Einleitung86 und an der Übersetzung des Lysis87. Denn solange Frommann die Materialien zum Phaidros und zum Protagoras nicht zurückgegeben hat, möchte Schleiermacher sich nicht so recht an die Überarbeitung des Phaidros
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Siehe den Brief an H. Herz, 7.12.1803, KGA V/7, Nr. 1611, Z. 14–17: Der Gedanke an den Tod, veranlaßt durch die Nachricht vom schlechten Gesundheitszustand Heindorfs, bestärkt Schleiermacher „in der Idee [...], daß ich nehmlich sterben will wenn der Plato vollendet ist: denn dies ist eine übernommene Schuld, die ich erst abtragen muß.“ Platonis Dialogi quatuor. Lysis, Charmides, Hippias Maior, Phaedrus. Annotatione perpetua illustravit Lud. Frid. Heindorf [...], Berlin 1802. Platonis philosophi quae exstant graece ad editionem Henrici Stephani accurate expressa, cum Marsilii Ficini interpretatione. Studiis Societatis Bipontinae. Zweibrücken, 1781–1787, 11 Bde. (Laches: Bd. 5, 1784; Protagoras: Bd. 3, 1782). Siehe den Brief an C. G. von Brinckmann, 26.11.1803, KGA V/7, Nr. 1605, Z. 109 f.; vgl. den Briefwechsel mit Spalding und Heindorf schon von September 1803 an. Vgl. unten die Übersichten zur Entstehung der Handschriften der einzelnen Dialoge, S. XLIII–LXXXI. Siehe den Brief an G. A. Reimer, 11.11.1803, KGA V/7, Nr. 1590, Z. 5. Siehe den Brief an C. G. von Brinckmann, 26.11.1803, KGA V/7, Nr. 1605, Z. 108 f.
I. Historische Einführung
XXXI
(und des Protagoras) machen.88 Der Lysis scheint bis Ende November, der Laches bis Ende Dezember des Jahres 1803 fertig zu werden.89 Nach der Rückgabe der alten Materialien durch Frommann Mitte Dezember 1803 kann sich Schleiermacher auch an die Revision des Phaidros und des Protagoras machen.90 Der Phaidros, den er inzwischen offenbar doch neu übersetzt hat,91 ist jetzt gegenüber der alten Fassung stark verändert.92 Die neue Fassung geht in den Druck. Der Protagoras hingegen wird am alten Manuskript überarbeitet und dann im Wesentlichen aus der alten (überarbeiteten) Frommannschen Vorlage abgeschrieben.93 Das alte Manuskript des Entwurfs des Protagoras ist nach Überarbeitung und Abschrift möglicherweise von Schleiermacher vernichtet worden, da es – wie er selbst schreibt – nach der Überarbeitung kaum noch lesbar war, und weil es im Grunde ja auch der Druckvorlage entsprach.94 Die (Gesamt-)Einleitung ist bereits Anfang Januar 1804 bei Spalding zur Korrektur, sodass Reimer sie schnell zur Zensur geben kann.95 Neben Spalding und Heindorf beteiligt sich schließlich von Mitte März 1804 an auch A. W. Schlegel96 an den Diskussionen und 88 89 90 91 92 93
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Siehe den Brief an G. A. Reimer, 17.12.1803, KGA V/7, Nr. 1617, Z. 8 f. Siehe den Brief an C. G. von Brinckmann, 26.11.1803, KGA V/7, Nr. 1605, Z. 108 f., und an G. A. Reimer, 17.12.1803, KGA V/7, Nr. 1617, Z. 9–11. Siehe den Brief an G. A. Reimer, 17.12.1803, KGA V/7, Nr. 1617, Z. 8 f. Siehe den Brief von G. A. Reimer, 3.12.1803, KGA V/7, Nr. 1608, Z. 23–29. Siehe den Brief an J. E. Th. von Willich, 28.1.1804, KGA V/7, Nr. 1646, Z. 60–63. Siehe die Briefe an G. A. Reimer, 1.2.1804, KGA V/7, Nr. 1648, Z. 6 f., und 15.2.1804, KGA V/7, Nr. 1660, Z. 42–47. Gegenüber J. E. Th. von Willich spricht er allerdings von starker Umarbeitung des gesamten Materials aus dem ersten Anlauf mit F. Schlegel: 28.1.1804, KGA V/7, Nr. 1646, Z. 60–63. Siehe den Brief an G. A. Reimer, 15.2.1804, KGA V/7, Nr. 1660, Z. 42–47. Dies mag auch der Grund sein, weshalb der Nachlass Schleiermachers keine Handschrift einer Übersetzung des Protagoras enthält. In der vorliegenden Edition kann daher keine Handschrift zum Protagoras ediert werden. Siehe den Brief an G. A. Reimer, 7.1.1804, KGA V/7, Nr. 1629, Z. 5–7: „Die Einleitung wird wol Spalding nicht lange aufhalten, und ich habe gleich den Titel beigefügt, damit Du sie dann sofort zur Censur besorgen kannst.“ Vgl. auch den Brief an G. A. Reimer, 1.2.1804, KGA V/7, Nr. 1648, Z. 12. Zu Heindorfs und Spaldings Beiträgen vgl. unten die detaillierte Chronologie der Briefwechsel S. XLIII–LXXXI mit Anmerkungen, zu A. W. Schlegel insbesondere den Briefwechsel von Mitte März 1804 an: KGA V/7, Nr. 1687, Z. 14–28; Nr. 1688, Z. 7–16; Nr. 1729, Z. 16 ff. 54 ff. 69 ff. (Kritik an Orthographie und Interpunktion); Nr. 1747, Z. 24 ff. (Antwort Schleiermachers); A. W. Schlegel hat offenbar sogar in die Aushängebögen hineinkorrigiert: siehe den Brief von G. A. Reimer, 19.3.1804, KGA V/7, Nr. 1688, Z. 1–16; vgl. auch den Brief an G. A. Reimer, 12.5.1804, KGA V/7, Nr. 1740, Z. 17–20. Vgl. besonders auch
XXXII
Einleitung der Bandherausgeber
Korrekturen, die schließlich alle bei Reimer zusammenlaufen.97 Die Formulierung des Titels erfolgt im Einvernehmen von Schleiermacher und Reimer nach dem Modell der Homerausgabe von Johann Heinrich Voß.98 Ende März 1804 ist der erste Band fast fertig: Am 28.3.1804 schickt Reimer die Aushängebögen und diskutiert Fehler beim Druck des Schmutztitels (siehe den Fehldruck und den Neudruck im Faksimile auf S. 2),99 nur die Anmerkungen fehlen noch, weil Spalding sie noch nicht zurückgeschickt hat, was sogar zu einem kurzzeitigen Aussetzen des Druckes führt.100 Die Eile und der Hochdruck, unter dem jetzt am Ende gearbeitet wird, führt zu manchen Fehlern, bis hin zu dem Eindringen mancher Bemerkungen, die nur für den Verlag bestimmt sind.101 Im kurzen Hin und Her zwischen Schleiermacher, Reimer, Spalding und sogar Heindorf werden nicht nur inhaltliche Probleme, sondern auch viele technische Details abgesprochen.102 Als Letzter scheint Spalding die Korrekturen der Aushängebögen an Reimer geschickt zu haben, sodass er es war, der das letzte Wort über manche Formulierung hatte, auch in der Gesamteinleitung, die Mitte
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Schleiermachers Rechtfertigungen gegenüber A. W. Schlegel in seinem Brief an ihn, 19.5.1804, KGA V/7, Nr. 1747, Z. 24–75, zu verschiedenen Fragen der Interpunktion und Orthographie. Zu den Schritten des Zustandekommens der einzelnen Endfassungen der Dialoge siehe unten S. XLIII–LXXXI. Siehe den Brief an G. A. Reimer, 7.1.1804, KGA V/7, Nr. 1629, Z. 11–14: „In Hinsicht des Titels denke ich ist möglichste Kürze das Beste, und deßhalb habe ich auch nach dem Beispiel Voß des Aelteren sogar das Verdeutscht weggelassen.“ Die Antwort von G. A. Reimer, 13.2.1804, KGA V/7, Nr. 1658, Z. 44–47: „In Betreff des Titels bin ich Deiner Meinung, daß er so einfach als möglich sei, so auch wegen der bei den Ueberschriften und den Personen-Namen zu wählenden Uncialtypen.“ Vgl. in dieser Edition S. 4 f. – Zur sich offenbar im Zuge der Platonübersetzung entwickelnden Übersetzungstechnik Schleiermachers und ihrem Bezug zu Voß vgl. z. B. den Brief von G. L. Spalding, 18.12.1803, KGA V/7, Nr. 1619, Z. 6–10: „Im Allgemeinen bin ich mit dem Ton Ihrer Übersezung sehr zufrieden [...]. Ihre Grundsäze wegen Anschmiegung ans Original, mit Vermeidung des Prunkhaften scheinen mir die wahren wobei ich jedoch keine Konsequenz zum Nachtheil des Voßischen Homer kann gelten lassen.“ Siehe die Briefe von G. A. Reimer, 28.3.1804, KGA V/7, Nr. 1696, Z. 1–23 (zum Schmutztitel siehe in dieser Edition S. 3), und 22.4.1804, KGA V/7, Nr. 1719, Z. 2–4. Siehe unten Anm. 228 ff. Siehe den Brief an G. A. Reimer, 10.3.1804, KGA V/7, Nr. 1682, Z. 15–17. Vgl. zuletzt den Brief von G. A. Reimer, 12.5.1804, KGA V/7, Nr. 1740, Z. 30–35.
I. Historische Einführung
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Januar über ihn direkt zum Druck an Reimer geht.103 Schleiermacher lässt ihm freie Hand und gibt ihm uneingeschränkte Vollmacht gegenüber Reimer.104 Beim Lysis wirkt auch der Philologe Philipp Karl Buttmann (1764–1829) mit.105 Heindorfs Beantwortung von Schleiermachers letzten Fragen zum Phaidros laufen ebenfalls nicht über Schleiermacher, sondern über Spalding, sodass manche Änderung Spaldings auf Anregung Heindorfs in den gedruckten Text gerät, in einem Fall sogar gegen die explizite Auffassung Schleiermachers, sodass dieser sie dann in den später gelieferten Anmerkungen wieder rückgängig macht, ohne dass der Übersetzungstext noch geändert werden kann.106 Eine besonders heikle Frage ist die der Schreibung der griechischen Eigennamen. So kritisiert Spalding Schleiermachers gräzisierte Schreibungen der griechischen Eigennamen scharf.107 Entsprechend ändert er z. B. Schleiermachers ursprüngliche Schreibung des Namens „Phaidros“108, der in der ersten Auflage dann tatsächlich in Spaldings Sinne als „Phädros“ erscheint109, in der zweiten Auflage dann aber wieder von Schleiermacher in „Phaidros“ rückverwandelt ist.110 Analog ist bei der Schreibung einer Reihe von
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Siehe z. B. die Briefe an G. A. Reimer, 13.2.1804, KGA V/7, Nr. 1658, Z. 31 ff., und besonders 23.2.1804, KGA V/7, Nr. 1663, Z. 19 ff.: Sie beziehen sich auf die Stellen der Gesamteinleitung: in dieser Edition S. 16, Z. 3 mit App. und Z. 10, sowie S. 42, Z. 11 mit App. – Siehe besonders den Brief von G. L. Spalding, 16.1.1804, KGA V/7, Nr. 1640, Z. 54–55: „Ihre Einleitung habe ich schon, nach Durchlesung, an Reimer zum Druk gegeben. Ich habe, nach Ihrer Vollmacht, ein Paar Wörtchen geändert.“ Siehe den Brief von G. L. Spalding, 16.1.1804, KGA V/7, Nr. 1640, Z. 54 f.: „Ich habe, nach Ihrer Vollmacht, ein Paar Wörtchen gändert“; vgl. auch den Brief an G. A. Reimer, 23.2.1804, KGA V/7, Nr. 1663, Z. 19–34. Zur Person siehe KGA V/8, S. XXXVII f. – Seine Bemerkungen finden sich in SN 155/3 (s. u. S. LXV), in dieser Edition z. B. auf S. 430. 450. 456, mündlich auch 546; vgl. den Brief von G. L. Spalding, 10.2.1804, KGA V/7, Nr. 1654, Z. 5. 14. Siehe den Brief von G. L. Spalding, 9.3.1804, KGA V/7, Nr. 1679, Z. 1–15, bes. Z. 4 f.: „[...] es sind Ihre Fragen über den Fädrus, beantwortet von Heindorf und dann wieder etwas dazu Sie sehen von mir.“ Die entsprechenden Blätter Heindorfs mit Zusätzen Spaldings befinden sich im Archiv der BBAW, SN 183. – Zu den signifikantesten Beispielen im Phaidros siehe die Apparate zu S. 155 (mit Vor- und Rückänderung), und zu S. 235. 251. 257. 347. 407 sowie vierzehn weitere Noten zu verschiedenen Stellen. Siehe Spaldings Note zum Lysis, in dieser Edition S. 416 mit App. T und S. 417 mit App. T. Siehe die Schreibung „Phaidros“ in Schleiermachers Entwurf in SN 154, in dieser Edition S. 88 ff. (Spalte 2). Die Schreibung „Phädros“ dagegen in der ersten Auflage: s. u. S. 89 ff. (Spalte 3). Die Schreibung „Phaidros“ wieder in der zweiten Auflage: s. u. S. 89 ff. (Spalte 4).
XXXIV
Einleitung der Bandherausgeber
anderen griechischen Namen verfahren.111 Der Setzer gestattet sich Eigenmächtigkeiten bei der Interpunktion,112 und auch August Schlegel meldet sich bezüglich der Interpunktion kritisch zu Wort.113 Im letzten Moment wird schließlich der ursprünglich für den ersten Band eingeplante Charmides ausgeschieden und in den nächsten Band geschoben.114 111
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So z. B. in der Einleitung „Timäos“, im Protagoras „Musäos“, „Hephästos“, im Laches „Lakedämon“, „Platää“ (erste Auflage) gegen „Timaios“, „Musaios“, „Hephaistos“, „Lakedaimon“ „Plataiai“ (zweite Auflage). – Die Schreibung der griechischen Eigennamen wird von Spalding zum Lysis besprochen (in dieser Edition S. 416), aber auch von Schleiermacher selbst in einem Brief an August Schlegel explizit als Problem aufgegriffen; s. den Brief an A. W. Schlegel, 19.5.1804, KGA V/7, Nr. 1747, Z. 40–49: „In Schreibung der griechischen Namen bin ich was die Vokalen betrifft Voß gefolgt, wiewol nicht mit rechter Ueberzeugung. Denn ich sehe nicht ein, warum man ä und ö schreibt wenn man sich doch zu ei und eu bequemt hat. In Absicht der Consonanten habe ich aber dem Ph was ja jeder Deutsche zu lesen versteht seine alten Rechte gelassen. Ich begreife nicht, wie Voß, der Föbos schreibt, sich nicht gedrungen fühlt, wenn er aus dem lateinischen übersetzt Wabius zu schreiben. Die ai die einigemal in meiner Handschrift müssen gestanden haben sind leider Schreibfehler; ob aber in Voss Homer das trotz des Äneias immer wiederkehrende Achaier einer ist möchte ich wissen.“ Siehe den Brief an G. A. Reimer, 23.2.1804, KGA V/7, Nr. 1663, Z. 38–44; vgl. z. B. auch die nachträgliche Korrektur Schleiermachers im Druckfehlerverzeichnis: s. u. S. 141 App. T mit den dort zitierten Briefen. Siehe den Brief von G. A. Reimer, 19.3.1804, KGA V/7, Nr. 1688, Z. 7–16 (im Apparat ebenda S. 269 f.: Brief A. W. Schlegels an Reimer vom 6.3.1804, in: Briefe von und an A. W. Schlegel, Bd. 1, S. 183 f., Nr. 140). A. Schlegel vermeidet allerdings eigenmächtige Änderungen in den Übersetzungen: siehe den Brief von A. W. Schlegel, April 1804, KGA V/7, Nr. 1729, Z. 15 ff. sowie Schleiermachers Antwort vom 19.5.1804, KGA V/7, Nr. 1747, Z. 24–75. Ursprünglich ging Reimer von fünf Dialogen für den ersten Band aus; siehe den Brief von G. A. Reimer, 10.3.1804, KGA V/7, Nr. 1682, Z. 10–13: „So viel ich es jetzt überrechnen kann wird das bis jetzt zum 1ten Band bestimmte Manuscript, nemlich Phädrus, Lysis, Protagoras, Laches und Charmides zwischen 24–30 Bogen betragen, und so viel sollte ja wohl, unserer Verabredung gemäß jeder Band nur ungefähr halten?“ Vgl. auch den Brief an ihn, 15.2.1804, KGA V/7, Nr. 1660, Z. 11, sowie den Brief von ihm, 19.3.1804, KGA V/7, Nr. 1688, Z. 72, wo von „fünf Dialogen“ für den ersten Band die Rede ist. Vgl. auch die Briefe von G. L. Spalding, 13.4.1804, KGA V/7, Nr. 1710, Z. 17 f., und 19.4.1804, KGA V/7, Nr. 1717, Z. 25 ff. – Erstmals ist vom definitiven Ende des Bandes nach dem Laches die Rede im Brief von G. A. Reimer, 12.5.1804, KGA V/7, Nr. 1719, Z. 1–13; vgl. den Brief an G. A. Reimer, 12.5.1804, KGA V/7, Nr. 1740, Z. 21: „Daß der Charmides weggeblieben ist, ist mir im Grunde nicht unlieb.“ – Ein Relikt der ursprünglichen Planung findet sich noch im gedruckten Text im Phaidros, Anm. 1 (in dieser Edition S. 89), wo der Charmides noch als Dialog des ersten Bandes erscheint.
I. Historische Einführung
XXXV
Parallel zu den letzten inhaltlichen Veränderungen im Zuge des Hin- und Hersendens der Korrekturbögen werden vom Beginn des Druckes an (nach dem 13.2.1804)115 auch unausgesetzt technische Einzelheiten wie z. B. die Druckgestaltung, die äußere Ausstattung, der Umfang, die Auflage (insgesamt 1110 Exemplare geplant) oder die Versendung der Exemplare an ausgewählte Adressaten verhandelt.116 Noch kurz vor Schluss werden Details der Titelei geklärt.117 Schließlich meldet Reimer am 17.5.1804, dass der Band nunmehr
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Siehe den Brief von G. A. Reimer, 13.2.1804, KGA V/7, Nr. 1658, Z. 27–30: „Der Druck soll nun binnen kurzem anfangen; theils hat es an dem nöthigen Papier gefehlt, theils wollte ich auch erst eine gehörige Quantität Manuscript beisammen haben, damit kein Aufenthalt in der Druckerey statt haben möchte.“ Siehe z. B. folgende Briefe von Reimer: 5.12.1803, KGA V/7, Nr. 1609, Z. 93–108 (Schriftgrößen und -typen; Behandlung der Anmerkungen: am Ende ohne Hinweise im Text); 13.2.1804, KGA V/7, Nr. 1658, Z. 46 f. (Uncialtypen bei Überschriften und Personennamen); an Reimer 15.2.1804, KGA V/7, Nr. 1660, Z. 46 f. (Lemmata der Anmerkungen werden im Druck durch den Drucker Schwabacher ausgezeichnet oder gesperrt); von Reimer 28.3.1804, KGA V/7, Nr. 1696, Z. 1–10 (Schätzung des Bandes auf „wenigstens dreißig Bogen“), Z. 22 f. (Stephanuszahlen am Rand; vgl. die Vorerinnerung: in dieser Edition S. 9, und zu Lysis SN 155/2, S. 430, Spalte 2); von Reimer 19.3.1804, KGA V/7, Nr. 1688, Z. 65–67 („Vom Plato drucke ich tausend Exemplare auf dem Papier, wovon Du die Aushängebogen hast, hundert auf geleimten Papier und zehen auf Schweizer Papier.“), vgl. auch 15.2.1804, KGA V/7, Nr. 1660, Z. 37; an Reimer, 12.5.1804, KGA V/7, Nr. 1740, Z. 30–33 („Schweizer Exemplare wünsche ich für 1. Spalding, 2. Heindorf, 3. A. W. Schlegel, 4. F. Schlegel, 5. Brinkmann, 6. Herz, 7. mich. Geleimte für 1. Stubenrauch in Landsberg, 2. Wedeke in Hermsdorf bei Mühlhausen in Ostpreußen, 3. Buttmann in Berlin.“). Siehe den Brief von G. A. Reimer, 28.3.1804, KGA V/7, Nr. 1696, Z. 11–22: „Zu der Einleitung will ich gerne einen Schmutztitel noch besorgen, und er scheint mir auch um der Symmetrie willen des Ganzen wohl erforderlich: allein etwas wunderlich wird es doch immer erscheinen, wenn hinter dem allgemeinen Titel sich noch zwei Schmutztitel befinden, und mithin drei halb bedruckte Blätter hintereinanderfolgen werden. Meinst Du nicht auch? Der Apostroph auf dem Schmutztitel rührt wohl vom Setzer her und ich bin so wenig Schuld daran wie Schlegel, wie ich mit Gewißheit aus den Correcturbogen ersehen habe; das Manuscript habe ich nicht deshalb zu Rathe ziehen können; doch glaube ich schwerlich, daß Spalding ihn sollte hinzugefügt haben. Dies Blatt aber soll zuverlässig umgedruckt werden.“ Zu den Spuren dieses Versehens (doppelte Einbindung des Schmutztitels mit und ohne Apostroph bei PLATON’S) siehe in dieser Edition den Apparat zu S. 3 sowie die Faksimiles S. 2.
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Einleitung der Bandherausgeber
pünktlich wie angekündigt fertig geworden sei.118 Der Erfolg des Bandes auf der Ostermesse 1804 scheint vielversprechend.119 Das erste große Etappenziel, das pünktliche Erscheinen des ersten Bandes, ist damit erreicht.
3. Rezensionen und frühe Rezeption Die öffentlichen Reaktionen auf die Publikation des ersten Bandes sind spärlich. Noch 1816, also 12 Jahre nach Erscheinen des ersten Bandes der ersten Auflage, schreibt Schleiermacher in der Vorrede zur zweiten Auflage des Bandes I 1: „[…] theils hätte ich auch gern erst mehrere Beurtheilungen zur Hand gehabt, die mir bisher sehr sparsam vorgekommen sind; sei es daß sie diesen Arbeiten überhaupt nicht vergönnt werden, oder daß man sie gegen sonstige Sitte bei Werken von diesem Umfang bis zur Beendigung aufsparen will.“120 Den Anfang machen zwei schnell verfasste, wenig ergiebige Besprechungen, eine von dem philologisch unbedeutenden Theologen Friedrich August Ludewig und eine kaum nennenswerte anonyme Besprechung in der Neuen Leipziger Literaturzeitung (vgl. die Auflistung unten). Doch die Suche nach gewichtigeren Rezensenten gestaltet sich offenbar kompliziert und schwierig. Heinrich Karl Abraham Eichstädt (1772–1848), der Herausgeber der Jenaischen Allgemeinen Zeitung,121 bemüht sich intensiv um Rezensenten und bezieht 118
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Siehe den Brief von G. A. Reimer, 17.5.1804, KGA V/7, Nr. 1744, Z. 7 ff.: „Der Plato ist wirklich zur rechten Zeit fertig geworden, allein es hat mir auch Mühe und Noth genug gekostet um es dahin zu bringen, auch habe ich bis auf den letzten Augenblick fast noch an der zeitigen Vollendung des Drucks gezweifelt, obgleich ich wohl erkannte, wie nöthig es war, daß die Leute nach so vielen vorhergegangenen Täuschungen sich nun nicht von neuem durch leere Versprechungen hintergangen glauben durften.“ Es folgen letzte Details zum Druck der Vorerinnerung und der Titelei auf die verschiedenen Bögen. Siehe den Brief von G. A. Reimer, 27.5.1804, KGA V/7, Nr. 1755, Z. 19–27: „Die Aussichten für den Plato, so wenig sie ein sichererer Maaßstab sind, waren auf der Messe die besten und ich kann ihn auch merkantilisch fast für meinen besten Artikel ansehen. Die Bücher, welche Du bestellt hast werde ich Dir am Donnerstage mit Deinem Exemplar vom Plato übersenden, aber alles roh, weil die Zeit zu kurz ist. Hätte ich vom Plato 25 Exemplare auf VelinPapier gedruckt gehabt ich wäre sie alle in der Messe los geworden; aber leider hatte ich nur 12 Exemplare überhaupt gedruckt und folglich nur 4. wegzugeben.“ In dieser Edition S. 10. Zur Person siehe KGA V/7, S. 31; vgl. auch insgesamt Hermann Patsch: Schleiermachers Briefwechsel mit Eichstädt, in: Zeitschrift für neuere Theologiegeschichte 2, 1995, S. 255–302.
I. Historische Einführung
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– nach einer Absage von Heindorf – anfangs sogar Schleiermacher selbst in die Suche nach einem Rezensenten mit ein.122 Der erste, den Eichstädt gewinnen kann und der auch eine Rezension abliefert, ist offenbar Friedrich Ast (1778–1841), ein Jenenser Schüler Eichstädts und auch Friedrich Schlegels, der seit 1802 in Jena lehrte und später dann, 1805, an die Universität Landshut berufen und 1825 mit dem Umzug der Universität nach München versetzt wurde.123 Friedrich Ast war für Schleiermacher kein Unbekannter. Bereits 1802 hatte Schleiermacher Asts eigenes Werk „De Platonis Phaedro“ in großer Schärfe, bis hin zu persönlichen Herabsetzungen des Autors, vernichtend rezensiert.124 Asts Kritik der Schleiermacherschen Übersetzung fällt ebenso vernichtend aus, so vernichtend, dass Eichstädt nicht bereit ist, sie zu drucken, weil sie – wie er Schleiermacher schreibt – „nicht Genüge leistete“.125 Ast weicht daraufhin auf die von ihm selbst begründete Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst aus und publiziert sie dort. Als nächsten Rezensenten für die Jenaische Allgemeine Zeitung gewinnt Eichstädt den 1807 nach Heidelberg berufenen Philologen August Boeckh (1785–1867), der jedoch kurz vor Abschluss des Manuskriptes abspringt und seine Rezension in der Zeitschrift seiner alma mater, den Heidelbergischen Jahrbüchern, publiziert.126 Schließlich übernimmt Ferdinand Gotthelf Hand 122
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So ließe sich eine entsprechende Bemerkung deuten, wenn man sie auf den frisch erschienen Platon-Band bezieht; siehe den Brief von H. K. A. Eichstädt, 28.12.1804, KGA V/8, Nr. 1888, Z. 14 f.: „Wissen Sie sonst keinen Platoniker vorzuschlagen, da Heindorf nicht zu bewegen ist?“ Zur Person Friedrich Asts und seinem Verhältnis zu Schleiermacher s. Lutz Käppel: Die frühe Rezeption der Platon-Übersetzung Friedrich Schleiermachers am Beispiel der Arbeiten Friedrich Asts, in: Geist und Buchstabe. Interpretationsprozesse innerhalb des Christentums. Festschrift für Günter Meckenstock zum 65. Geburtstag, herausgegeben von Michael Pietsch und Dirk Schmid (Theologische Bibliothek Töpelmann Bd. 164), Berlin/New York 2013, S. 45–62. Friedrich Ast: De Platonis Phaedro, Jena 1801; dazu Schleiermachers Rezension in der Erlanger Litteratur-Zeitung, Bd. 7, Nr. 30, Erlangen 1802, S. 233–240, jetzt in: KGA I/3, S. 469–481 mit S. CXVIII–CXX. S. u. Anm. 126. Siehe den Brief von H. K. A. Eichstädt, 8.4.1808, KGA V/10, Nr. 2680, Z. 7–21: „Bey dieser Gelegenheit kann ich nicht umhin zu bemerken, daß, obgleich unser Institut noch keine Recension Ihres Platon geliefert hat, dennoch unmittelbar d u r c h d a s s e l b e zwey Recensionen in anderen Journalen bewirkt worden sind. Möge Sie dieser Zufall mit uns Zögernden wieder aussöhnen! – Anfangs nämlich erhielten wir eine lange Kritik von Herrn Ast in Landshut, deren Abdruck, weil sie nicht Genüge leistete, zuerst verschoben, nachher, als Herr Boeckh in Heidelberg eine Beurtheilung des Werks auf unsre Bitte übernommen hatte, ganz aufgegeben wurde. Boeckh hatte die Arbeit für uns ziemlich vollendet, als mit Einemmal die
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Einleitung der Bandherausgeber
(1786–1851), kurz zuvor als Schüler Gottfried Hermanns 1807 in Leipzig promoviert, später dann, ab 1817, Professor für Klassische Philologie in Jena, die Abfassung der Rezension. Sie erscheint mit einiger Verspätung 1813. Von diesen drei Hauptrezensenten bleibt Friedrich Ast der einzige, der sich auch in der Folgezeit fortlaufend mit Schleiermachers Arbeit am Platon auseinandersetzt. Dies geschieht nicht nur in den Rezensionen, die er ab 1808 fast kontinuierlich veröffentlicht, sondern auch und gerade in seinen weiteren Schriften, allen voran seiner kommentierten Phaidrosedition von 1810, die eine fortwährende im- und explizite Auseinandersetzung mit dem Schleiermacherschen Platonverständnis darstellt. Es sind damit im Wesentlichen folgende Publikationen, die eine direkte oder indirekte Auseinandersetzung mit Schleiermachers Platonübersetzung (Band I/1, zu den anderen Bänden ergänzt in [[ ]]) darstellen: 1804: Rezension von [Friedrich August Ludewig] zu Band I/1 [und zu einer anderen Übersetzung], in: Neue allgemeine deutsche Bibliothek, Band 93, 2. Stück, Heft 8, Stettin 1804, S. 482–484 1806: Anonyme Rezension zu Band I/1–2 und II/1, in: Neue Leipziger Literaturzeitung, 90. Stück, 1806, Sp. 1425–1439 1808: Rezension von Friedrich Ast zu Band I/1, in: Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst, hrsg. von Friedrich Ast, Erster Band, Erstes Heft, Landshut 1808, S. 102–141 [[1808: Rezension von Friedrich Ast zu Band I/2, in: Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst, hrsg. von Friedrich Ast, Erster Band, Zweites Heft, Landshut 1808, S. 90–113]] [[1808: Rezension von Friedrich Ast zu Band II/1–2, in: Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst, hrsg. von Friedrich Ast, Erster Band, Viertes Heft, Landshut 1808, S. 61–83]]
eifersüchtigen Heidelberger, welche davon erfuhren, beschlag darauf legten: er mußte den Verhältnissen nachgeben. Seine für uns bestimmte Arbeit ist nun in den H e i d e l b e r g e r J a h r b ü c h e r n erschienen, und Herr Ast hat die seinige in seiner Z e i t s c h r i f t f ü r W i s s e n s c h a f t u n d K u n s t abdrucken lassen. Wir haben nun unlängst einen d r i t t e n Versuch gemacht. Möge dieser besser gelingen!“ – Vgl. auch den Brief an A. Boeckh, Ende April bis 18.6.1808, KGA V/10, Nr. 2701, Z. 212–219 (s. u. Anm. 128).
I. Historische Einführung
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1808: Rezension von Friedrich Ast zu Platonis dialogi quattuor, edidit Heindorf, Leipzig 1802, in: Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst, hrsg. von Friedrich Ast, Erster Band, Drittes Heft, Landshut 1808, S. 41–75 (eine Auseinandersetzung mit den Heindorf-Schleiermacherschen Lesarten) 1808: Rezension von August Boeckh zu Band I/1–2, in: Heidelbergische Jahrbücher der Literatur für Philologie, Historie, Literatur und Kunst, 1. Jahrgang, 1. Heft, Heidelberg 1808, S. 81–121 [[1808: Anonyme Rezension zu Band II/2, in: Neue Leipziger Literaturzeitung, 94. Stück, vom 5.8.1808, Sp. 1489–1492]] 1810: Platonis Phaedrus: Recensuit [...] Fridericus Ast, Leipzig 1810 1813: Rezension von Ferdinand Gotthelf Hand zu Band I/1–2. II/1–3, in: Jenaische Allgemeine Literaturzeitung, Januar 1813, Sp. 137–158 1816: Friedrich Ast: Platon’s Leben und Schriften. Ein Versuch, im Leben wie in den Schriften des Platon das Wahre und Aechte vom Erdichteten und Untergeschobenen zu scheiden, und die Zeitfolge der ächten Gespräche zu bestimmen. Als Einleitung in das Studium des Platon, Leipzig 1816 1817: Platon’s Phädros und Gastmahl, übersetzt, erläutert und verbessert von Friedrich Ast, Jena 1817 Nur zwei von diesen Kritikern berücksichtigt Schleiermacher in substantieller Weise. Die Detailkritik des befreundeten August Boeckh, der Schleiermachers grundsätzliche Interpretationsansätze teilt, nimmt er stets sehr ernst und berücksichtigt sie bei der Überarbeitung zur zweiten Auflage minutiös.127 Der Widersacher Friedrich Ast dagegen wird kaum je explizit genannt, selbst wenn Schleiermachers Fassungen
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Siehe das Verzeichnis Personen und Orte s. v. Boeckh, August; vgl. auch den positiven Ton im Brief an A. Boeckh, 8.3.1808, KGA V/10, Nr. 2655, Z. 1 f., sowie den Brief an I. Bekker, 17.9.1815, in: Briefwechsel Friedrich Schleiermachers mit August Boeckh und Immanuel Bekker. 1806–1820, hrsg. von Heinrich Meisner, Berlin 1916, S. 45: „Boeckhs Kritik hat mich hie und da in Versuchung gesezt, die Anmerkungen über meinen Plan hinaus zu erweitern, aber ich habe doch ziemlich widerstanden.“
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Einleitung der Bandherausgeber
von seinen Vorschlägen beeinflusst sind.128 Alle übrigen haben keine nennenswerten Spuren hinterlassen.
4. Die Entstehung der 2. Auflage (1817) Von der Entstehung der zweiten Auflage sind nur noch wenige Spuren greifbar. Schleiermacher ist inzwischen aus Stolp über Halle (Professur für Theologie 1804–1807) nach Berlin zurückgekehrt, wo er 1809 Prediger an der Dreifaltigkeitskirche, 1810 Professor der Theologie an der neu gegründeten Friedrich-Wilhelms-Universität und erster Dekan der Theologischen Fakultät, schließlich 1811 Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften geworden war. Die erste Auflage des Schleiermacherschen Platon war philologisch noch maßgeblich von den Arbeiten Ludwig Friedrich Heindorfs beeinflusst gewesen. Dieser war nach seiner Berufung auf die Berliner Professur 1809/10 einem Ruf nach Breslau (1811) und bald darauf einem Ruf nach Halle (1815) gefolgt.129 Doch sein ohnehin seit langem prekärer Gesundheitszustand verschlechterte sich so sehr, dass er bereits bei Antritt der Professur in Halle im Juni 1816 verstarb. Georg Ludwig Spalding war bereits 1811 plötzlich und überraschend im Alter von 49 Jahren verstorben.130 Damit standen die alten Mitstreiter für die zweite Auflage nicht mehr zur Verfügung. Die zweite Auflage ist nun außerdem von der vollkommen neuen Forschungssituation bestimmt, die durch die Arbeiten Immanuel
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Siehe z. B. den Brief an A. Boeckh, 18.6.1808, KGA V/10, Nr. 2701, Z. 212–219: „Eine solche Akrisie aber wie die Astische ist mir lange nicht vorgekommen; dabei steht dem Mann das Vornehmthun ganz köstlich. Ich denke nicht sobald wieder etwas von ihm anzusehn. Eichstaedt klagt [...] die Astische (sc. Recension) hätte er früher nicht gemocht. An lezterem hat er dann sehr recht gethan.“ Vgl. gleichwohl die intensive, in der Regel implizite Beachtung der Astischen Positionen: Verzeichnis der Personen und Orte s. v. Ast, Friedrich. Vgl. den Brief an I. Bekker, 17.9.1815, in: Briefwechsel Schleiermachers mit Boeckh und Bekker, hrsg. von H. Meisner (wie Anm. 127), S. 46: „Heindorf ist hier; nach seiner Art hat er sich ziemlich erholt. Weil ihm Breslau so gar nicht zusagt, wird er nach Halle versezt, seine Freunde wollen ihn bereden, den Winter nun lieber gleich hier zu bleiben auf dem halben Wege. Er denkt auch zu der andern platonischen Unternehmung wieder zuzutreten, und also kann ich mich, Gott sei Dank, auf jeden Fall davon zurückziehn.“ Siehe Philipp Buttmann: Denkschrift auf Georg Ludwig Spalding, in: Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften in Berlin. Aus den Jahren 1814–1815, Berlin 1818, S. 24–41, bes. S. 31 f.
I. Historische Einführung
XLI
Bekkers (1785–1871) entstanden war.131 Bekker, ein Schüler Spaldings am Grauen Kloster in Berlin (Abitur 1803) sowie (Schleiermachers und) Friedrich August Wolfs an der Universität Halle (Promotion 1806), arbeitete zunächst auf Vermittlung Schleiermachers als Hauslehrer in der Nähe von Berlin (ab 1807), war dann aber 1809/1810 ebenfalls an die neu gegründete Berliner Universität auf eine Professur (Klassische Philologie) berufen und 1815 zum Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften ernannt worden. Von Mai 1810 bis Dezember 1812 unternahm er auf Kosten der Akademie mit Unterstützung Schleiermachers Forschungsreisen nach Paris zur Sammlung, Erforschung und Kollationierung von Handschriften für eine (zunächst gemeinsam mit F. A. Wolf geplante) Platonausgabe. In Paris konnte er im Laufe des Jahres 1811 allein 34 der insgesamt 54 für die Neuausgabe kollationierten Handschriften aufnehmen.132 Die epochemachende und bis heute grundlegende Edition der platonischen Werke erfolgte dann ab 1816 durch Bekker allein.133 Diese Ausgabe enthielt nur den von Bekker auf der Grundlage der kollationierten Handschriften konstituierten Text und die lateinische Übersetzung des Ficino. Die wertvollen Handschriftenkollationen bzw. einen Apparat, der über die Lesungen Auskunft gibt, enthielt die Ausgabe nicht. Sie wurden erst 1823 separat publiziert.134 Schleiermacher liegen diese Kollationen allerdings bereits bei der Vorbereitung der 2. Auflage 1815 handschriftlich vor. Ständig verweist er nicht nur auf die Edition, sondern auch auf die Lesungen Bekkers in den Anmerkungen der 2. Auflage.135 Die enge Verbindung Bekkers mit Schleiermacher und die hohe Wertschätzung Schleiermachers als Platonübersetzers durch Bekker wird zudem dadurch 131
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Dazu und zum Folgenden siehe Wilt Aden Schröder: Immanuel Bekker – der unermüdliche Herausgeber vornehmlich griechischer Texte, in: Die modernen Väter der Antike. Die Entwicklung der Altertumswissenschaften an Akademie und Universität im Berlin des 19. Jahrhunderts, Berlin 2009 (Transformationen der Antike 3), S. 329–368. Platonis Dialogi graece et latine ex recensione Immanuelis Bekkeri, I/1, Berlin 1816, S. VII Anm.*. Platonis Dialogi graece et latine ex recensione Immanuelis Bekkeri, 8 Bde., Berlin 1816–1818. Immanuel Bekker: In Platonem a se editum commentaria critica. Accedunt scholia, 2 Bde., Berlin 1823. Siehe Schleiermachers Anm. 1 zum Phaidros: in dieser Editon S. 91, Spalte 4 Z. 14–19; vgl. auch die Briefe an und von I. Bekker, in: Briefwechsel Schleiermachers mit Boeckh und Bekker, hrsg. von H. Meisner (wie Anm. 127), S. 47. 50. 58. 65. 67. 72. 74. 76. 77. 80. 88. 90. 93, wo Bekker ab Mai 1817 von seiner Italienreise über seine Platon-Kollationen allgemein, insbesondere aber auch über die der italienischen Codices spricht.
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Einleitung der Bandherausgeber
deutlich, dass Bekker Schleiermacher seine Edition widmet: „Friderico Schleiermachero Platonis restitutori d. Editor“ (p. V), aber auch dadurch, dass Bekker in der Anordnung der Dialoge im ersten und zweiten Band exakt der von Schleiermacher mit philosophischem Bedacht gewählten (und keineswegs überlieferungstechnisch begründeten) Anordnung in I/1 und I/2 folgt. Neben der Bekkerschen Neuausgabe sind es vor allem die Rezensionen zur ersten Auflage, die Schleiermacher bei seiner Überarbeitung der Platonübersetzung für die 2. Auflage eingehend zu Rate zieht. Besonders intensiv geht er auf die Hinweise August Boeckhs ein und folgt ihnen in der Regel, aber auch die weiteren Rezensionen, allen voran diejenigen Friedrich Asts samt dessen weiteren Platonica, finden Beachtung, wenngleich eher – besonders im Falle von Ast – in kritischer Ablehnung.136 Wann Schleiermacher die Neubearbeitung in Angriff nimmt, ist nicht mehr eindeutig festzustellen. Erste Arbeiten scheinen im September 1815 zu beginnen.137 Im Oktober 1815 stehen die Arbeiten am ersten Band jedenfalls kurz vor dem Ende.138 In der ersten Jahreshälfte 1817139 erscheint dann der Band I/1 in zweiter Auflage.140 136 137
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Siehe oben zu 3. Rezensionen. Zu den Stellen im Einzelnen vgl. das Personenverzeichnis s. vv. Boeckh, August, und Ast, Friedrich. Siehe den Brief an I. Bekker, 17.9.1815, in: Briefwechsel Schleiermachers mit Boeckh und Bekker, hrsg. von H. Meisner (wie Anm. 127), S. 45: „Am Platon bin ich, aber viel wird es bis jezt auch noch nicht, und manches Bedenken bleibt zurück. Boeckhs Kritik hat mich hie und da in Versuchung gesezt, die Anmerkungen über meinen Plan hinaus zu erweitern, aber ich habe doch ziemlich widerstanden.“ Siehe den Brief an I. Bekker, 20.10.1815, in: Briefwechsel Schleiermachers mit Boeckh und Bekker, hrsg. von H. Meisner (wie Anm. 127), S. 47: „Draußen (sc. außerhalb des neu bezogenen Hauses) habe ich nichts gethan, als die Revision meines ersten Plato Bandes für den neuen Abdruk fast vollendet. So eine zweite Ausgabe ist immer ein wunderliches Flikwerk. In der Uebersezung ist vieles – ich hoffe verbessert und nicht verballhornt, und Ihre Collationen haben mir manchen Dienst geleistet; indes es giebt leider doch auch noch so schlimme Kreuze, wo sie nichts leisten. In den Anmerkungen aber läuft erschrecklich bunt altes und neues durcheinander, und ich habe das nicht vermeiden können.“ Ungebrochen ist Bekkers Unterstützung und Wertschätzung des Schleiermacherschen Unternehmens; vgl. auch den Brief von I. Bekker, 22.5.1817, in: Briefwechsel Schleiermachers mit Boeckh und Bekker, hrsg. von H. Meisner (wie Anm. 127), S. 50: „Was Sie von Varianten zum Plato brauchen, fordern Sie vom Dr. [Karl Otfried] Müller. Dürfte ich Ihnen doch eine Revision, nicht der Correktur, sondern der Textesconstitution aufbürden!“ Der Brief an I. Bekker, 22.6.1817, in: Briefwechsel Schleiermachers mit Boeckh und Bekker, hrsg. von H. Meisner (wie Anm. 127), S. 52, bezieht sich bereits auf den zweiten Band.
I. Historische Einführung
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Wiederum bleiben die von Schleiermacher erhofften Rezensionen aus. Allein der alte Widersacher Schleiermachers, der inzwischen arrivierte Platoniker Friedrich Ast, publiziert abermals eine vernichtende Rezension, diesmal zu den beiden Bänden des ersten Teiles zusammen: Ast, Friedrich: [Rezension zu] Platon’s Werke von F. Schleiermacher. Ersten Theiles, erster und zweyter Band, und zweyten Theiles erster Band. Zweyte verbesserte Auflage. Berlin 1817, 1818. [...], in: Jahrbücher der Literatur, Bd. 7, herausgegeben von Matthäus v. Collin, Wien 1819, S. 55–80.
II. Die Handschriften zu den vier Dialogen des Bandes I/1 und ihre Entstehung 1. Phaidros 1.1. Handschriften zur Vorbereitung des Druckes bei Friedrich Frommann SN 154 Berlin BBAW, Nachlass F. Schleiermacher NS: 154 4o (154/1: f. 1–30; 154/2: f. 31–32) (Eigenhändiger Entwurf der Übersetzung des Phaidros, o. D., 32 Bl., davon f. 1–30 mit eigenhändiger Blattzählung, f. 1–9 mit einer zweiten Zählung durch eine andere Hand, anscheinend durch Görmer [s. u.], f. 31–32 gezählt nur durch die andere Hand). Aufschrift auf f. 1r durch Schleiermacher: „Phaidros.“, oben rechts neben der Blattzahl „1“ – und wiederholt f. 5r neben der Blattzahl „5“ – durch Johann August Heinrich Ulrich (1746–1813): „Vidi JAHUlrich h[oc] t[empore] dec[anus]“.141 Außerdem Archivvermerke oben links: „A. 7.25“, darunter: „Schleiermacher, Fr.“. Die Handschrift ist sorgfältig geschrieben mit wenigen Streichungen und Korrekturen und kaum Abbreviaturen.
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Johann August Heinrich Ulrich (1746–1813) war Professor für Philosophie an der Universität Jena und seit dem 7.2.1801 Dekan der dortigen philosophischen Fakultät. – Vermutlich hat F. Schlegel ihm als Dekan SN 154 (oder zumindest die ersten beiden Lagen, d. h. f. 1–8) vorgelegt, entweder vor dem Beginn des Satzes (27. März 1801) oder (eher) vor Beginn des Drucks (27. April 1801). Darauf deutet die Tatsache hin, dass Ulrich die beiden Lagen handschriftlich abgezeichnet hat und dass F. Schlegel im Gegensatz zu Schleiermacher zu dieser Zeit in Jena weilte.
XLIV
Einleitung der Bandherausgeber
Auf der Rückseite f. 1v durch Friedrich Schlegel, jedoch durchgestrichen: „NB Statt der Zeichen für die Noten durchgängig Zahlen“.142 Die mit der Übersetzung beschriebenen Blätter sind durch Knick in der Mitte in Spalten geteilt, die recto links, verso rechts beschrieben sind, sodass ein breiter Rand für Bemerkungen gelassen ist.143 SN 154 ist Schleiermachers erste Fassung der Phaidros-Übersetzung. Die Handschrift entstand Januar bis Mitte März 1801.144 Dazu gehörten ursprünglich noch Anmerkungen (nach dem ersten Übersetzungsdurchgang erstellt)145 und eine Einleitung (jeweils verloren).146 Von F. Schlegel wurde SN 154 bereits am 27. März 1801 bei Friedrich Frommann zum Setzen gegeben.147 Anscheinend hat F. Schlegel dann die Fahnen durchgesehen und korrigiert, bevor er am 27. April 1801 den Anfang der Übersetzung in den Druck gegeben hat.148 Über einzelne Corrigenda berichtet F. Schlegel Schleiermacher in seinem Brief vom 1. Mai 1801. Von diesen Corrigenda ist in SN 154 nur die Ersetzung von Grieche/Griechenland durch Hellene/Hellas durch Schlegels Hand vorgenommen.149 Am 1. Juni 1801 schreibt F. Schlegel, dass er in der Übersetzung nichts geändert habe.150 Schleiermacher hat (offenbar) die ersten zwei Aushängebogen des Phaidros Anfang Juni 1801 von F. Schlegel erhalten.151 Enttäuscht von der mangelnden Qualität der Korrektur F. Schlegels fordert Schleiermacher einen Umdruck. Außerdem bittet er A. W. Schlegel am 17. September 1801 um Zusendung des Phaidros und Protagoras, also offenbar u. a. um SN 154.152 SN 154 wurde dann entweder am 21. September oder am 26. Oktober 1801 von F. Schlegel an Schleiermacher zurückgeschickt. 142 143 144 145 146
147 148 149 150 151 152
Vgl. unten Anm. 183 zum 1.5.1801. Vgl. unten Anm. 165 zum 5.5.1800. Vgl. unten Anm. 171–177 zum 10. Januar bis 14. März 1801. Vgl. unten Anm. 173 zum 24. Januar 1801. Die Einleitung zum Phaidros ist nach der Übersetzung und den Anmerkungen entstanden (vgl. unten Anm. 177 zum 14. März 1801). Zwischen dem 27. März 1801 und dem 27. April 1801 hat F. Schlegel die Einleitung erhalten (vgl. unten Anm. 179–182). Vgl. unten Anm. 179 zum 27. März 1801. Vgl. unten Anm. 181 zum 27. April und Anm. 183 zum 1. Mai 1801, vgl. dazu Anm. 187 zum 17. September 1801. Vgl. S. 128, Spalte 2 App. T zu Z. 9 (f. 5v: Faksimile S. LXXXIII). Vgl. unten Anm. 184 zum 1. Juni 1801. Vgl. unten Anm. 185 zu Anfang Juni/ etwa 5. Juni 1801. Vgl. unten Anm. 187 zum 17. September 1801.
II. Die Handschriften des Bandes I/1 und ihre Entstehung
XLV
Die in dem Brief vom 26. Oktober 1801 von F. Schlegel genannten Kritikpunkte sind in SN 154 nicht vermerkt.153 Verbleib und Schicksal von SN 154 in der Folgezeit sind unsicher. Den Teil des Phaidros, der bereits gedruckt bzw. gesetzt war (nämlich 5 Druckbogen und 1/2 Bogen gesetzt: f. 1–30)154, hat Schleiermacher vermutlich in den Druckbogen (Aushängebogen) bzw. Fahnen überarbeitet und (vermutlich zusammen mit dem hsl. Schluss des Phaidros: f. 31–32) an F. Schlegel übersandt (eingegangen am 15. Februar 1802).155 F. Schlegel hat den Phaidros dann am 25. Februar 1802 mit kleinen Anmerkungen zur Übersetzung an Schleiermacher zurückgeschickt.156 Schleiermacher schickt das Phaidros-Material schließlich noch einmal an F. Schlegel, der den Eingang am 18. März 1802 bestätigt157 und es anscheinend am 2. April 1802 an Frommann weiterschickt, der am 12. April 1802 den Eingang des korrigierten Phaidros bestätigt.158 Am 1. Dezember 1803 übersendet Frommann auf mehrfache Bitten von Schleiermacher und dem Verleger Reimer schon seit April 1803 (neben dem Protagoras) das korrigierte Druck-Exemplar vom Phaidros und das Ende der Übersetzung in SN 154 (also f. 31–32 = SN 154/2) mit den hsl. Anmerkungen und der hsl. Einleitung an Schleiermacher.159 Den Eingang bestätigt Schleiermacher am 17. Dezember 1803.160 SN 154/1 (f. 1–30) befand sich vermutlich bei Schleiermacher spätestens seit der Übergabe des korrigierten Phaidros an F. Schlegel und dann an Frommann im März/April 1802. Auf jeden Fall hatte Schleiermacher noch ein Manuskript der Übersetzung von Anfang an.161 In SN 154 finden sich am Rand neben Bemerkungen durch Schleiermacher Korrekturen durch F. Schlegel sowie Notizen und Auszeichnungen durch verschiedene andere Hände, anscheinend der Setzer: Schleiermacher hat bereits in der ersten, am 14. März F. Schlegel zugeschickten Fassung Hervorhebungen und Markierungen vorgenommen, die er selbst in seinem Begleitbrief beschreibt: 1. Mit dem 153 154 155 156 157 158 159 160 161
Vgl. unten Anm. 188 zum 21. September und Anm. 189 zum 26. Oktober 1801. Vgl. die Abrechnung von Frommann über F. Schlegel 1800–1802 (1803): KFSA 25, Beilage VII, S. 710 f., bes. S. 711; s. o. Anm. 62. Vgl. unten Anm. 195 zum 15. Februar 1802. Vgl. unten Anm. 196 zum 25. Februar 1802. Vgl. unten Anm. 198 zum 18. März 1802. Vgl. unten Anm. 200 zum 2. April 1802 und Anm. 202 zum 12. April 1802. Vgl. unten Anm. 208 zum 1. Dezember 1803. Vgl. unten Anm. 209 zum 17. Dezember 1803. Vgl. unten Anm. 206 zum 11. November 1803 und Anm. 177 zum 14. März 1801.
XLVI
Einleitung der Bandherausgeber
Zeichen E bzw. Ǝ hat er Stellen markiert, auf die er F. Schlegel zur näheren Prüfung hinweisen wollte (f. 3v, f. 14r, f. 23v, f. 24r, f. 27r, vgl. jeweils in der Edition App. T). 2. Stellen, für die eine Anmerkung vorgesehen war, sind von Schleiermacher mit einem Anmerkungszeichen x oder x) versehen. Diese Zeichen sind in der Regel von F. Schlegel durch Zahlen ersetzt (vgl. oben zu f. 1v). Beides ist in der Edition im App. T dokumentiert. 3. Zahlreiche „Crayonstriche“ bedeuten nach Schleiermachers Aussage nichts und sind daher auch nicht in der Edition verzeichnet.162 F. Schlegel hat einige Stellen handschriftlich korrigiert. Diese Korrekturen sind in der Edition von SN 154 (Spalte 2) in den Text übernommen, da Schleiermacher ihnen fast in allen Fällen sogar später in der ersten gedruckten Auflage gefolgt ist (z. B. 234e. 244b.274d). Die ursprüngliche Übersetzung Schleiermachers ist jeweils im App. T verzeichnet. Schleiermacher hat auch einige eigene Korrekturen gemacht, die offenbar durch andere Korrekturen F. Schlegels angeregt waren (z. B. 229c.230b). Auf die Herstellung des Satzes und der Fahnen deuten folgende Hinweise: 1. Am Rand mit Markierungen im Text: Namen (vermutlich der Setzer)163: „Démart“ (f. 2r, f. 6r, f. 10r, f. 16r); „Görmer“ (f. 4r, f. 7v unten, f. 12r, f. 24r), von dem anscheinend auch die zweite Foliierung (f. 1–9 und f. 31–32) stammt. 2. Neben einigen Auszeichnungen des Textes die Angaben „P. 2“ bis „P. 11“ auf f. 4v, f. 6v, f. 9r, f. 12r, f. 15r, f. 18r, f. 20v, f. 23r, f. 26r, f. 29r. Auf den Druck selbst deuten die Notierungen der Primen: „Pr. 2. pag. 17.“ (f. 6r), „3.33.“ (f. 11v), „Pr. 4. pag. 49.“ (f. 17v), „Pr. 5. pag. 65.“ (f. 23r), „Pr. 6. pag. 81.“ (f. 28v). Diese Randbemerkungen aus der Phase des Satzes und Druckes sind im Apparat nicht verzeichnet. Zum Phaidros sind also folgende Handschriften aus dieser Druckphase vorhanden bzw. zu erschließen: 1. Entwurf (= Druckvorlage) der Einleitung (verloren) 2. Entwurf (= Druckvorlage) der Übersetzung (SN 154) 3. Entwurf (= Druckvorlage) der Anmerkungen (verloren) 4. Manuskript der Übersetzung (verloren)
162 163
Vgl. unten Anm. 177 zum 14. März 1801. Vgl. unten Anm. 179 zum 27. März 1801 (drei Setzer erwähnt).
II. Die Handschriften des Bandes I/1 und ihre Entstehung
XLVII
5. Druckfahnen der Übersetzung (im Umfang von 5 1/2 Bogen) mit hsl. Korrekturen durch F. Schlegel und z. T. auch Schleiermacher (verloren) 6. Aushängebogen der Übersetzung (im Umfang von 5 Bogen) mit hsl. Korrekturen durch Schleiermacher und F. Schlegel (?) (verloren) Die Entstehung der oben beschriebenen Handschriften lässt sich aus dem Briefwechsel Schleiermachers rekonstruieren:164 1800 — Mai 5. F. Schlegel schlägt vor, einen Dialog zu übersetzen und mit breitem Rand dem jeweils anderen zur Korrektur zuzusenden165 — August Anfang F. Schlegel versucht, Schleiermacher für die Übersetzung des Phaidros zu gewinnen166 — September 13. Schleiermacher übernimmt die Übersetzung des Phaidros, da er Heindorfs Arbeiten nutzen kann167 — vor Oktober 20. F. Schlegel fordert Schleiermacher auf, den Phaidros bei der geplanten Reise mit nach Jena zu bringen168
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Vgl. auch KGA V/4, S. XVII–XXVIII; KGA V/5, S. XV–XXXII; KGA V/6, S. XXV–XXVII; KGA V/7, S. XVII–XIX. KGA V/4, Nr. 861 von F. Schlegel, 5.5.1800: „Laß uns nun zunächst einen Dialog wählen und übersetzen, und mit dem breitesten möglichen Rand dem andern zusenden, der dann verpflichtet seyn muß, (besonders bey den ersten Versuchen) überall nachzuarbeiten, nachzuforschen und zu kritisiren.“ (Z. 80–84 = KFSA 25, Nr. 63, S. 105). KGA V/4, Nr. 922 von F. Schlegel und D. Veit, wohl Anfang August 1800: „Zum Phaedrus hättest Du wohl eigentlich mehr Beruf als ich? Oder fühlst Du einen solchen auch zum Parmenides oder Protagoras, die ich mir gewählt hatte?“ (Z. 46–48 = KFSA 25, Nr. 87, S. 149). KGA V/4, Nr. 949 an F. Schlegel, 13.9.1800: „[...] und also bleibt mir natürlich von diesen dreien [sc. Phaidros, Parmenides, Protagoras] der Phädrus, für den ich wiederum hier den Vortheil habe [...] Heindorfs Arbeiten handschriftlich benuzen zu können.“ (Z. 23–25 = KFSA 25, Nr. 106, S. 180). Heindorfs Arbeit an der Edition des Phaidros war im Juli 1800 fertig geworden (KGA V/4, Nr. 901, Z. 40–42; vgl. Nr. 910, Z. 104). KGA V/4, Nr. *967 von F. Schlegel, vor dem 20.10.1800.
XLVIII
Einleitung der Bandherausgeber
— Oktober 20. bevor Schleiermacher mit der Übersetzung des Phaidros beginnt, will er erst Allgemeines mit F. Schlegel besprechen; außerdem wartet er noch auf die hsl. Edition Heindorfs169 — Dezember 8. F. Schlegel drängt, mit der Übersetzung des Phaidros anzufangen bzw. sie voranzutreiben170 1801 — Januar 10. Schleiermacher arbeitet jetzt am Phaidros und hofft, im Januar mit dem ersten Entwurf fertig zu werden; im Zuge der Arbeit an der Übersetzung beschäftigt er sich mit der chronologischen Einordnung und erwägt, wo diese mit den Argumenten behandelt werden soll171
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KGA V/4, Nr. 968 an F. Schlegel, 20.10.1800: „Zuerst über den Plato. Das ist mir einmal eine wunderliche Idee daß ich den Phädrus nur gleich übersezen und [...] gleich mitbringen soll. Wenn ich auch Zeit hätte so wäre das doch gar nicht in meinem Stil. Erst mußt Du mir Dein System ordentlich mittheilen, [...] dann haben wir noch viel über die Uebersezungstheorie mit einander abzumachen, und dann erst könnte ich anfangen zu übersezen. [...] Heindorf [...] hat grade den Phädrus jezt völlig so zu sagen zum Druke fertig bearbeitet; er wird zwar jetzt noch nicht gedrukt; aber ich werde die Handschrift benuzen können und warte deshalb auf ihre Zurükkunft von Wolf aus Halle. Anfangen könnte ich zwar auch ohne sie zu haben, aber doch nicht vollenden und mitbringen.“ (Z. 12–24 = KFSA 25, Nr. 112, S. 190 f.). Dazu vgl. Nr. 977 von F. Schlegel, wohl 17. November 1800: „Ueber die Art der Uebersetzung etc können wir wohl vor der Arbeit selbst nicht viel abreden; das beste müssen die Randglossen thun und das Mündliche wenn die Hoffnung dazu nicht schwindet.“ (Z. 7–9 = KFSA 25, Nr. 117, S. 198). KGA V/4, Nr. 993 von F. Schlegel, 8.12.1800: „[...] fange an zu machen und mache fertig den Phaedrus.“ (Z. 20 f. = KFSA 25, Nr. 127, S. 210). KGA V/5, Nr. 1008 an F. Schlegel, 10.1.1801: „Ich überseze am Phädrus [...] hoffe ich Dir noch diesen Monat die erste Ausgabe schiken zu können“ (Z. 8–10 = KFSA 25, Nr. 131, S. 215); „Ueber den Phädrus bin ich auch noch zweifelhaft ob ich ihn für den frühesten halten soll. [Erörterung verschiedener Argumente] Ich wollte Du sagtest mir bald Deine Meinung darüber was man zu jedem Dialog dazu machen soll. Etwas über das Ganze muß man doch sagen noch außer den nöthigen Anmerkungen übers Einzelne, ich wäre aber dafür es nicht vorne als Argument oder Einleitung, sondern hinten zu thun, so macht man den Leuten recht deutlich daß sie nicht zu lesen verstehen und zwingt sie gleich zum zweiten Lesen.“ (Z. 44–58 = KFSA 25, S. 216).
II. Die Handschriften des Bandes I/1 und ihre Entstehung
XLIX
— Januar 23. F. Schlegel will alle chronologischen Argumente in der Gesamteinleitung abhandeln; er weist die Zweifel an der Erstheit des Phaidros zurück172 — Januar 24. Schleiermacher macht Fortschritte im Phaidros, wird ihn aber nicht bis Ende des Monats schicken, da er ihn noch überarbeiten und Anmerkungen anlegen will173 — Februar 7. Schleiermacher erwägt die Argumente für die chronologische Einordnung u. a. des Phaidros; die Übersetzung des Phaidros überarbeitet er und wird bis Ende des Monats fertig174 — Februar 16. F. Schlegel wartet auf den Phaidros, damit der Druck beginnen kann175 — März 6. F. Schlegel wartet immer noch sehnsüchtig auf den Phaidros176 — März 14. Schleiermacher übersendet den Phaidros mit den Anmerkungen an F. Schlegel, er arbeitet noch an der Einleitung zum Phaidros177 172
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KGA V/5, Nr. 1016 von F. Schlegel, 23.1.1801: „Mehr ans Leben gehn mir Deine Zweifel gegen die Erstheit des Phaedrus [es folgt die Diskussion der Argumente] Ueberlege nun ernstlich ob es nach Deinem Gewissen für den 1ten Band bey Phaedrus, Parmenides Protagoras bleiben darf. In der Einleitung will ich mir dann schon zu helfen wissen [...]“ (Z. 24–42 = KFSA 25, Nr. 136, S. 222 f.). KGA V/5, Nr. 1017 an F. Schlegel, 24.1.1801: „Im Phädrus mache ich zwar ganz gute Progresse, aber diesen Monat bekommst Du ihn doch nicht; ich will ihn noch einmal durcharbeiten und auch die Anmerkungen wenigstens anlegen damit Du gleich über das Ganze urtheilen kannst. Willst Du aber aus irgend einer Ursach so bald als möglich etwas so schreibe mirs und ich will Dir wenigstens den ersten rohen Entwurf sogleich schiken.“ (Z. 25–30 = KFSA 25, Nr. 137, S. 224). KGA V/5, Nr. 1019 an F. Schlegel, 7.2.1801, Z. 24–41 = KFSA 25, Nr. 140, S. 228 f. (zur Chronologie des Phaidros) und später: „Bei mir wird bestimt der Phädrus im Laufe dieses Monates so fertig als ich ihn machen kann; ich arbeite ihn jezt zum zweiten Mal durch und kann also dies sehr gewiß sagen.“ (Z. 53–56 = KFSA 25, S. 229). KGA V/5, Nr. 1022 von D. Veit, 16.2.1801: „Erstlich wartet er [sc. F. Schlegel] sehnlichst auf den Phädrus, er muß bald kommen, sonst kann er zu Ostern gar nicht mehr gedruckt werden.“ (Z. 4–6 = KFSA 25, Nr. 142, S. 233). KFSA 25, Nr. 150 von F. Schlegel und D. Veit an A. W. Schlegel, 6.3.1801: „Von Schleiermacher erwarte ich mit heißer Sehnsucht den Phaedrus und verzweifle nun fast. Entschuldige mich bei ihm daß ich ihm nicht schreibe.“ (S. 243). KGA V/5, Nr. 1030 an F. Schlegel, 14.3.1801: „Hier hast Du nun endlich [...] den Phaidros, nebst den Anmerkungen. Daß nicht der größte Theil vorigen Posttag abgegangen ist – denn das Ende und die Anmerkungen waren noch nicht fertig – ist nur durch einen Zufall geschehen mit deßen Erzählung ich uns nicht aufhalten will. Lies nun, und laß mich bald etwas von Deiner Meinung hören. Die Crayonstriche die Du finden wirst, so dik sie auch sind bedeuten gar nichts; wo Du aber auf das Zeichen Ǝ komst da glaube ich daß noch nicht Alles so ist wie es sein soll.
L
Einleitung der Bandherausgeber
— März 24. F. Schlegel bestätigt dankend den Eingang des Phaidros178 — März 27. F. Schlegel hat die Durchsicht des Phaidros noch nicht fertig, wartet auf die Einleitung zum Phaidros; Frommann will die Publikation des ersten Bandes zur Ostermesse schaffen und beginnt den Druck des Phaidros179
178 179
Wahrscheinlich wirst Du dieses noch bei vielen Stellen finden, die kein Zeichen haben, und da gebrauche Dich nun Deiner ganzen Vollmacht. Bist Du über den Charakter der Uebersezung im Ganzen in meinen Grundsäzen so ändere wo es Dir nöthig scheint im Ausdruk ohne erst zu fragen. Sollte Dir aber eine andere Idee vorschweben, so wäre es wol zum Besten des gemeinschaftlichen heiligen Werkes nöthig daß wir uns ohne Rüksicht auf diese oder eine andere Masse [Messe KFSA] erst hierüber verständigten. Und sage mir dann Deine Meinung. Eben so muß ich Dich bitten wo Du mich in Verdacht hast den Sinn verfehlt zu haben mir Deine Vorschläge zuvor mitzutheilen denn ich glaube überall reiflich nachgedacht zu haben und daß mir nicht leicht ein möglicher anderer Sinn entgangen sein wird. Citire aber wenn Du mir über einzelne Stellen schreibst nach der Bipontina weil ich die Seitenzahl von meinem Manuscript in meiner Abschrift nicht bemerkt habe. Ich habe wo die Anmerkungen hingehören im Text noch keine Zahlen gemacht damit Du nach Belieben von dem Deinigen einschalten und auslassen kannst sondern nur ein Zeichen. Wo Du eine Anmerkung findest der kein Zeichen im Text entspricht, und die neben der Seitenzahl der Bipontina einen Asteriskus hat, die ist bloß zu Deiner Notiz beigeschrieben. Findest Du übrigens die Anmerkungen ganz anders als Du sie Dir gedacht hast, so denke daran daß Du mir nichts von Allem was Du mir schreiben wolltest geschrieben hast oder tröste Dich auch damit daß Du vielleicht in der Einleitung oder vielmehr dem Excursus manches finden wirst, was Du in den Anmerkungen vergeblich suchst. Beim Excursus bin ich schon und nebenbei auch beim Protagoras so daß was mich betrift nichts was Menschen möglich ist fehlen soll. Heindorf ist seit einigen Wochen so kränklich daß nichts ernsthaftes mit ihm geredet werden kann. Meine mehresten Abweichungen von ihm sind ihm daher unbekannt so auch die Art wie ich seiner erwähne. Nur diesen Augenblik fällt mir ein, ob es nicht beßer wäre die Quellen seiner Aenderungen zu verschweigen um ihm auch das nicht zu nehmen. Mögen die Leute so lange glauben bis sie sehen, und manches für Conjektur nehmen was durch Autoritäten wol begründet ist. Was ich über Lesart oder Interpretation ausführlich abgehandelt habe, ist Alles Abweichung von ihm, und indirekte Polemik“ (Z. 2–44 = KFSA 25, Nr. 153, S. 245 f.). KFSA 25, Nr. 155 von F. Schlegel an A. W. Schlegel, 24.3.1801: „[...] danke [...] dafür. Desgleichen auch Schleiermacher auch für den Phaedrus.“ (S. 249). KGA V/5, Nr. 1032 von F. Schlegel, 27.3.1801: „Denke Dir, so groß waren diese Störungen daß ich Dir noch kein Resultat über den Phaedrus melden kann, doch geschieht nun nichts als dieses Studium und Parmenides. Nichts hält mich nun weiter ab. Frommann bietet alles auf um noch fertig zu werden, [...] Gott gebe nur daß Deine Einleitung oder Excurs morgen kömmt, [...] Jetzt fängt der Druck an mit 3 Setzern, so daß Dein ganzer Phaedrus etwa 18 Tage ausreichen wird.“ (Z. 6–15 = KFSA 25, Nr. 157, S. 252).
II. Die Handschriften des Bandes I/1 und ihre Entstehung
LI
— April 6. F. Schlegel bittet seinen Bruder August, ihn bei Schleiermacher wegen der noch nicht erfolgten Durchsicht des Phaidros zu entschuldigen180 — April 27. Schleiermacher beschwert sich über das Ausbleiben einer Reaktion auf den Phaidros und protestiert gegen den Gebrauch der Anmerkungen zum Phaidros181; am gleichen Tag lässt F. Schlegel Schleiermacher über seinen Bruder ausrichten, dass er den Anfang der Übersetzung des Phaidros in die Druckerei geschickt habe182 — Mai 1. F. Schlegel über seine Korrektur des Phaidros: Hellene, Hellas statt Grieche, Griechenland; Wortspiele (bes. Wahn-/Wahrsagekunst) und Umsetzung von Typhon kritisiert; Nummerierung der Anmerkungen, jedoch Bemerkungen zu den Anmerkungen und zur Einleitung, die offenbar noch als letzte Anmerkung steht, erst bei Rücksendung der Handschrift; A. W. Schlegel wird die Handschrift zurückbringen183 180
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KFSA 25, Nr. 160 von F. Schlegel an A. W. Schlegel, 6.4.1801: „Auch Schleiermacher muß es entschuldigen so gut wie er kann, daß ich ihm noch immer kein Resultat meines Studiums seines Phaedrus schicken kann. Es ist unglaublich wie ich gestört worden bin, und dann hätte ich freilich nicht geglaubt, daß jenes Studium mich noch so lange beschäftigen würde. [...].“ (S. 254). KGA V/5, Nr. 1051 an F. Schlegel, 27.4.1801: „Auf meine Thätigkeit nimmst Du keine Rüksicht: keine Zeile Erwiederung auf Alles was ich schon gegen Dich geäußert habe, kein Schatten eines Urtheils über Alles was Du nun schon seit länger als einem Monat von mir in Händen hast so daß ich nicht einmal weiß, ob Du es schon gelesen hast oder nicht. Dies liegt über alle Entschuldigung hinaus denn wie kann ich weiter arbeiten ehe ich nicht weiß ob ich nicht vielleicht Deiner Meinung nach auf einem ganz falschen Wege bin?“ (Z. 16–23 = KFSA 25, Nr. 167, S. 267); „Uebrigens protestire ich noch einmal gegen jeden Gebrauch der Anmerkungen zum Phaidros wie sie jezt sind. Heindorfs Bearbeitung wird so bald noch nicht erscheinen also muß alles was sich auf denselben bezieht anders eingerichtet werden, und da er jezt wieder so gesund ist, daß man von ernsthaften Dingen mit ihm reden kann, so ist es billig eine Art von Rüksprache mit ihm darüber zu nehmen“ (Z. 43–48 = KFSA 25, S. 268). KFSA 25, Nr. 166 von F. Schlegel an A. W. Schlegel, 27.4.1801: „Schleiermacher sage doch recht bald, daß ich heute den Anfang seines Phaidros nach gehöriger Lesung unbedenklich in die Druckerei geschickt habe. Mit nächsten erhält er nun die Anmerkungen und Excurse mit einigen επικριsen zurück.“ (S. 266). KGA V/5, Nr. 1052 von F. Schlegel, 1.5.1801: „Der Text des Phaedrus wird in unserm Format grade 6 Bogen geben. Statt Grieche, Griechenland hab ich durchgängig Hellene, Hellas gesagt. Ich vergleiche Schritt für Schritt. Ich finde Sprache und Nachbildung gut und vortreflich, bin ganz in Deinen Grundsätzen, und bin fast nur bei den Wortspielen angestoßen. Das mit Wahn- und Wahrsagekunst ist freilich sehr sehr hart. [sc. 244c] Mit Τυφων das hätte ich allenfalls versuchen mögen noch anders nachzubilden, aber der Sinn hätte eine etwas verschiedene Nüançe bekommen als er bei Dir hat. [sc. 230a] Ich numerire die Noten, aber ich
LII
Einleitung der Bandherausgeber
— Juni 1. F. Schlegel schickt die Anmerkungen noch nicht zurück, da er noch einige Stellen erwägen muss; er hat in der Übersetzung jedoch nichts geändert184 — Juni Anfang/etwa 5. F. Schlegel schickt Aushängebogen und kündigt die Anmerkungen an185 — Juli 31. F. Schlegel trägt seinem Bruder auf, ihn bei Schleiermacher zu entschuldigen für das Ausbleiben einer Antwort auf seinen Brief186 — September 17. Schleiermacher äußert gegenüber A. W. Schlegel seinen Unmut über F. Schlegels schlampige Korrektur der ersten zwei (Aushänge-)Bogen (mit Ausnahme der Ersetzung von Grieche durch Hellene) und hat bereits erklärt, dass er auf dem Umdruck besteht; er bittet A. W. Schlegel, für die Zusendung des Phaidros und Protagoras samt Anmerkungen zu sorgen, da er diese Dialoge mit Heindorf lesen und dann überarbeiten will187
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habe manche geglaubt numeriren zu müssen die Du nicht mit (*) im Text signirt hast. Die Vergleichung interessirt mich sehr und macht mir große Freude. Zu den Noten und Exkursen schreibe ich meine Bemerkungen bei der Rücksendung. Das über Platos Phädrus soll doch die letzte Note sein? [...] Wilhelm wird Dir bei seiner Rückkunft die Handschrift wiedergeben.“ (Z. 1–21 = KFSA 25, Nr. 169, S. 270 f.). – Vgl. KGA V/5, Nr. 1056 an Henriette Herz, 17.5.1801, bes. Z. 20–24. KGA V/5, Nr. 1064 von F. Schlegel, 1.6.1801: „Daher [sc. weil seine Frau krank ist] erhälst Du auch heute die Anmerkungen zum Phädrus noch nicht zurück, weil ich 2 bis 3 Stellen noch ernstlich erwägen muß. Daß ich mit Recht nichts in Deiner Uebersetzung geändert, und sie dennoch so genau als Du nur imaginiren kannst, gelesen habe, magst Du nur glauben und wirst das lezte sehn wenn ich Dir das erste bewiesen haben werde.“ (Z. 19–24 = KFSA 25, Nr. 174, S. 276). KGA V/5, Nr. 1066 = KFSA 25, Nr. 175 von F. Schlegel, Anfang Juni/etwa 5.6.1801. Vgl. KGA V/5, Nr. 1070, Z. 42 f. = KFSA 25, Nr. 176, S. 278. KFSA 25, Nr. 178 von F. Schlegel an A. W. Schlegel, 31.7.1801. KGA V/5, Nr. 1097 an A. W. Schlegel, 17.9.1801: „Mit dem Phädrus ist er sehr schlecht umgegangen und ich kann ihm schon aus den 2 Bogen die ich gelesen habe die unverantwortlichsten Nachläßigkeiten nachweisen, nicht nur Drukfehler und handgreifliche Schreibfehler sondern mehrere Stellen wo er mich offenbar hätte verbessern und andere wo er wenigstens große Bedenklichkeiten erst hätte äußern sollen. Die große Genauigkeit mit der er ihn gelesen haben will, wird nur darin bestehn, daß er keinen Griechen hat stehn lassen ohne ihn in einen Hellenen zu verwandeln. Auch habe ich ihm schon erklärt daß ich schlechterdings auf dem Umdruk aller dieser Stellen bestehe. Und nun da er doch nichts daran thut ersuche ich Sie Sich aufs baldigste den Phaidros und den Protagoras und die dazu gehörigen Anmerkungen von ihm ausliefern zu lassen und mir zuzuschiken. Ich werde diese beiden Dialogen jezt mit Heindorf lesen und vielleicht noch einige Hülfsmittel in die Hände bekommen die mir bisher gefehlt haben und werde also viel zur Vervollkommnung der Arbeit thun können [...]“ (Z. 41–55).
II. Die Handschriften des Bandes I/1 und ihre Entstehung
LIII
— September 21. F. Schlegel schickt die verlangten „Platonica“ (u. a. Phaidros?)188 — Oktober 26. F. Schlegel schickt den Phaidros und Protagoras samt Anmerkungen und Einleitung zurück mit Randglossen zur Einleitung und einigen expliziten Kritikpunkten zur Übersetzung; er klagt über die unleserliche Schrift189 — vor November 16. Schleiermacher besteht auf einer Rücknahme eigenmächtiger Korrekturen F. Schlegels durch teilweisen Neudruck der bereits ausgedruckten Bogen der Übersetzung des Phaidros190 — November 16. F. Schlegel kann den Neudruck des Phaidros nicht versprechen und nimmt Stellung zu den Konjekturen191 — Dezember 1801/Januar 1802 F. Schlegel zu Besuch bei Schleiermacher in Berlin, wo sie gemeinsam am Platon arbeiten192
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KGA V/5, Nr. 1100 von F. Schlegel, 21.9.1801: „Mit schwerem Herzen schicke ich Dir die Platonica, die Du verlangt. Aber ich rechne sicher darauf, daß ich sie gleich wieder erhalte.“ (Z. 43 f. = KFSA 25, Nr. 191, S. 293). KGA V/5, Nr. 1115 von F. Schlegel, 26.10.1801: „[...] also schicke ich hier was Du foderst, nebst meinen unmaßgeblichen Randglossen zur Einleitung. An der Uebersetzung selbst habe ich nur zwei kleine Aussetzungen für die Zukunft 1) finde ich einige Ausdrücke zu familiär, z. B. T a u s e n d ! [sc. 273c] – oder v e r s t e h t n i c h t d a s b i t t e r s t e für ουδε σμικρον [sc. 268e] – liebes Herz für φιλη κεφαλη [sc. 264a] – 2) finde ich in Rücksicht des Costums keine völlige Sicherheit in einigen Kleinigkeiten z. B. B e i m H u n d [sc. 228b] ist mir bis zur größten Härte buchstäblich, und warum Du denn F e d e r [sc. 242c?] gesezt hast, läßt sich nicht wohl begreifen.“ (Z. 4–12 = KFSA 25, Nr. 198, S. 300). KGA V/5, Nr. *1121 an F. Schlegel, vor dem 16.11.1801. KGA V/5, Nr. 1122 von F. Schlegel, 16.11.1801: „Der Conjekturen sind mir im Phaedros gar nicht zu viel, auch haben mir fast alle gefallen; nur glaube ich werden die strengern Philologen mit Recht einige Enthaltsamkeit in diesem Punkte von uns fodern. Was den Phaedrus betrifft, so kann ich Dir noch nicht versprechen ob das möglich sein wird. Die Kosten sollten mich nicht abschrecken [...] Aber ich muß besorgen, daß Frommann bei diesem Vorschlage ganz und gar rückgängig werden möchte, und um diesen Preiß wirst Du es doch nicht wollen.“ (Z. 45–53 = KFSA 25, Nr. 203, S. 307). KGA V/5, Nr. 1162 an F. H. C. Schwarz, um den 22.2.1802: „Ich habe [...] den Dezember und Januar hindurch Friedrich Schlegel bei mir gehabt. [...] machten teils unsere inneren Fortschritte, teils unsere gemeinschaftliche Arbeit am Platon eine Zusammenkunft notwendig [...].“ (Z. 10–14). Vgl. KFSA 25, Nr. 239 F. Schlegel an K. F. E. Frommann, 1.3.1802: „Glauben Sie ja nicht, der Aufenthalt in Berlin sei nicht für den Plato genutzt worden. Die mündliche Rücksprache mit Schleiermacher war nothwendig, und auch die mit unserm Freunde Heindorf war sehr fruchtbar“ (S. 336).
LIV
Einleitung der Bandherausgeber
1802 — Februar 4. F. Schlegel erwartet den überarbeiteten Phaidros und Protagoras zurück193 — Februar 8. F. Schlegel erwartet den überarbeiteten Phaidros und Protagoras zurück194 — Februar 15. F. Schlegel bestätigt den Eingang des Phaidros, den er gleich zurücksenden will195 — Februar 25. F. Schlegel sendet den Phaidros mit einigen Anmerkungen zur Übersetzung zurück. Die Einleitung zum Phaidros hat er vermisst und fragt, ob Schleiermacher den Phaidros jetzt gleich an Frommann sendet oder erst samt Einleitung an ihn.196 — März 1. F. Schlegel kündigt Frommann den Phaidros und Protagoras an (als Sendung Schleiermachers) und teilt mit, dass Schleiermacher auf dem Umdruck des Phaidros besteht197
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KGA V/5, Nr. 1154 von F. Schlegel, 4.2.1802: „Frommann hat mir dringend geschrieben. Ich sehe mit der größten Sehnsucht dem Phaedrus und auch dem Protagoras entgegen; ich bitte Dich, alles was noch zurück ist, unverzüglich zu beendigen [...]“ (Z. 6–9 = KFSA 25, Nr. 230, S. 327). KGA V/5, Nr. 1157 von F. Schlegel, 8.2.1802: „Ich sehe mit Ungeduld dem Phaedrus und Protagoras entgegen.“ (Z. 39 f. = KFSA 25, Nr. 232, S. 329). KGA V/5, Nr. 1158 von F. Schlegel, 15.2.1802: „Damit Du nur nicht in Sorge bist, eile ich den richtigen Empfang des Manuscripts zu melden und beschwöre Dich nun, sogleich den Protagoras nachfolgen zu lassen. Den Phaedrus erhältst Du den nächsten oder spätestens den übernächsten Posttag.“ (Z. 2–5 = KFSA 25, Nr. 234, S. 330). KGA V/5, Nr. 1170 von F. Schlegel, 25.2.1802: „Ich hatte vor einigen Tagen einen rechten Schrecken da ich mir Deine Einleitung zum Phaedrus nehmen wollte, sie noch einmal zu lesen [...] und sie zu meinem Erstaunen nicht bei dem übrigen, was Du mir gesandt hast, fand. Ich hoffe nur, Du hast sie bloß vergessen; bei mir kann sie nicht verlohren gegangen sein. Alles hat sorgfältig eingewickelt und zugeschlossen gelegen, bis ich das Gesuchte vermißte. Du wirst noch einige Kleinigkeiten angemerkt finden, von derselben Art meistens wie die auf welche Du schon Rücksicht genommen hast. – Sollte ich noch eine allgemeine Bemerkung für die Zukunft machen, so ist es, daß Du aus Furcht vor Hellenismen oft weniger concis bist, als Du sonst gewiß sein würdest. [...] Den Phaedrus schickst Du wohl gleich an Frommann, oder mir mit der Einleitung zurück?“ (Z. 2–13.66 f. = KFSA 25, Nr. 237, S. 333 f.). KFSA 25, Nr. 239 F. Schlegel an K. F. E. Frommann, 1.3.1802: „Den Phaedrus und Protagoras müssen Sie jezt schon von Berlin aus erhalten haben, oder es wird in sehr kurzer Zeit geschehen. [...] Schleiermacher besteht darauf, daß der Phaedrus umgedruckt werde, und das verbesserte Exemplar ist eben das, was Sie wie ich eben erwähnte, in diesen Tagen erhalten haben werden.“ (S. 336 f.).
II. Die Handschriften des Bandes I/1 und ihre Entstehung
LV
— vor März 18. Schleiermacher schickt den korrigierten Phaidros (Übersetzung, Einleitung) an F. Schlegel198 — März 18. F. Schlegel bestätigt den Eingang des Phaidros und ist mit den Änderungen zufrieden. Nur die Stelle 252b ist unbefriedigend.199 — April 2. F. Schlegel schickt (anscheinend) den Phaidros an Frommann weiter200 — April 3. F. Schlegel bittet Schleiermacher, die allgemeine philologische Anmerkung (vgl. W1 Anm.) zu formulieren und zu entscheiden, ob sie als erste Anmerkung erscheinen soll oder in der Vorrede201 — April 12. Frommann bestätigt den Eingang der Manuskripte des Phaidros und des Protagoras, die F. Schlegel geschickt hat, und versteht nun nach Durchsicht der Korrekturen Schleiermachers Wunsch eines Neudrucks202
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KGA V/5, Nr. *1183 und Nr. *1184 an F. Schlegel, vor dem 18.3.1802. KGA V/5, Nr. 1185 von F. Schlegel, 18.3.1802: „Ich freue mich nun wenigstens den Phaedrus vollendet vor mir zu haben. [...] Die Aenderungen im Phaedrus sind alle gut. Was Du über die streitige Stelle der beiden επη sagst, ist freilich äusserst unbefriedigend; es schadet aber nicht, da es einmal Deine Ueberzeugung ist.“ (Z. 4 f.12–14 = KFSA 25, Nr. 241, S. 339). KFSA 25, Nr. 248 F. Schlegel an K. F. E. Frommann, 2.4.1802: „Werden Sie böse sein, daß der Parmenides noch nicht dabei ist? Er folgt nächstens, so wie alles übrige. – Erfreuen Sie mich recht bald durch einige Zeilen und womöglich durch einige Aushängebogen von dem Phaedrus in seiner neuen Gestalt. Die Einleitung wird, wie sich versteht dem Gespräch selbst vorangedruckt.“ (S. 346 f.). KGA V/5, Nr. 1201 von F. Schlegel, 3.4.1802: „Die allgemeine Anmerkung in Betreff der Philologie und Heindorfs bitte ich Dich mit eignen Worten aufzusetzen, und selbst zu wählen, ob sie den übrigen Anmerkungen vorgesetzt werden, oder von mir an der Stelle der Vorrede wo es sich schickt, eingeschaltet werden soll.“ (Z. 19–22 = KFSA 25, Nr. 249, S. 348). KGA V/5, Nr. 1207 von K. F. E. Frommann, 12.4.1802: „Endlich hat mir auch Friedrich das Manuscript zu Ihren beyden Gesprächen eingesandt [...] Friedrich wird Ihnen gesagt haben, daß wir beyde glaubten Sie wären zu ängstlich indem Sie den Umdruck des Phaidros auf Ihre Kosten wünschten! Izt aber nachdem ich gesehen was und mit welcher Strenge, Sie geändert, habe freilich auch ich mich darüber gefreut.“ (Z. 11 f. 25–28).
LVI
Einleitung der Bandherausgeber
1803 — April 20. Schleiermacher bittet Reimer, bei der Messe in Leipzig von Frommann sein Manuskript und das korrigierte Druck-Exemplar des Phaidros zurückzufordern203 — Juni 23. wenn Reimer sich entschließen sollte, die Platon-Übersetzung zu übernehmen, dann soll er von Frommann u. a. vom Phaidros das von Schleiermacher korrigierte Exemplar des kassierten Abdrucks sowie das Ende des Dialogs im Manuskript mit Einleitung und Anmerkungen für einen bestimmten Betrag auslösen204 — Juli 21. Frommann tritt von der Platon-Übersetzung zurück und teilt mit, dass er das gesamte Platon-Material an Schleiermacher zurücksenden wird, wenn F. Schlegel seine Schulden bezahlt hat205 — November 11. Schleiermacher erwartet ungeduldig das PlatonMaterial von Frommann, da er zur Neubearbeitung des Phaidros neben dem bei ihm vorhandenen Entwurf (wohl SN 154/1 = f. 1–30)
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KGA V/6, Nr. 1476 an G. A. Reimer, 20.4.1803: „Ich wünschte, Du könntest mir in Leipzig den Gefallen thun, mit Frommann ein vernünftiges Wort über den Plato zu reden. Hat er noch keine Uebersezung von Friedrich, so ersuche ihn in meinem Namen auf das förmlichste und officiellste mein Manuscript und das corrigirte Exemplar des Phädrus an Dich zu überschicken, wogegen ich ihm verspreche, sobald von dieser Uebersezung irgend etwas erscheint, ihm die 100 Thaler, die ich von ihm erhalten habe, zu erstatten, und wenn er es billig findet, ihn auch für die Druckkosten des Phädrus zu entschädigen. Wenn Friedrich nichts gearbeitet hat, halte ich mich meines Wortes erledigt, und möchte gern freie Hand haben, das Werk, so groß es auch ist, allein zu unternehmen. Es ist fast das Einzige, was mir Freude machen kann, und wozu ich besser zu sein glaube als ein Andrer.“ (Z. 68–79). KGA V/6, Nr. 1507 an G. A. Reimer, 23.6.1803: „[...] erstlich muß ich an Fromman 150 rth zahlen um meine Manuscripte auszulösen. 100 rth nemlich habe ich von ihm erhalten und 50 rth muß ich ihm erstatten für den von Friedrich ohne mein Wissen übereilt gestatteten Abdruk eines Dialogs. Diese Zahlung würde ich Dich bitten, wenn Du Dich entschlossen hast, sobald als möglich an ihn zu überweisen. Dafür muß er Dir aushändigen 1) das Manuscript des Protagoras mit Einleitung und Anmerkungen 2) vom Phaedrus ein von mir corrigirtes Exemplar des cassirten Abdruks und das Ende des Dialogs im Manuscript nebst Einleitung und Anmerkungen.“ (Z. 37–46). KGA V/6, Nr. 1517 von K. F. E. Frommann, 21.7.1803.
II. Die Handschriften des Bandes I/1 und ihre Entstehung
LVII
auch die weiteren damaligen Korrekturen und Überarbeitungen (in den Druckbogen und Fahnen) nutzen will206 — November 15. Schleiermacher fordert die Rückgabe des PlatonMaterials (Phaidros und Protagoras)207 — Dezember 1. Frommann übersendet an Schleiermacher den Phaidros mit Einleitung und Anmerkungen sowie den Protagoras mit Einleitung und Anmerkungen208 — Dezember 17. Schleiermacher bestätigt den Eingang des von Frommann geschickten Platon-Materials und kann nun die letzte Revision der Neubearbeitung des Phaidros beginnen209 1.2. Handschriften zur Vorbereitung des Druckes bei Georg Andreas Reimer SN 158/3 Berlin BBAW, Nachlass F. Schleiermacher NS: 158/3 4o (Noten von der Hand G. L. Spaldings zur Übersetzung des Phaidros und zur Übersetzung und den Anmerkungen zum Laches in der verlorenen Abschrift [vgl. zu SN 158/2], o. D., 4 Bl.), Üss. auf f. 1r: „Zum Fädrus.“ (es folgen die Noten zum Phaidros) sowie „Zum Laches.“ (es folgen die Noten zum Laches). Entstanden sind die Noten zum Phaidros im Februar/März 1804 (s. u.). Die Noten sind durch Angabe der Stephanus-Seitenzahl (teils mit, teils ohne Zusatz von p.) und der teils griechischen, teils deutschen 206
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KGA V/7, Nr. 1590 an G. A. Reimer, 11.11.1803: „Nun aber bin ich auch sehr ungeduldig auf die Rückkunft der Manuscripte von Frommann und bitte Dich sie möglichst zu beschleunigen. Ich habe zwar auch ohne sie zu arbeiten vollauf; allein der Phädrus ist das erste was gedruckt werden muß nach der Einleitung, und es wäre doch gewiß sehr wünschenswerth, wenn der Druck mit Neujahr anfangen könnte ohne gleich wieder aufzuhören. Wobei noch zu bedenken, daß die sehr nüzlichen Durchsichten von Spalding und Schlegel auch Zeit wegnehmen und nothwendig machen daß ich sehr voraus sein muß mit dem Manuscript; und da wäre es kläglich wenn ich jener Frommann’schen Papiere entbehren müßte, zumal ich kein so gutes Brouillon habe und von Einleitungen und Anmerkungen so gut als gar keins.“ (Z. 9–20). KGA V/7, Nr. *1591 an K. F. E. Frommann, 15.11.1803. KGA V/7, Nr. 1607 von K. F. E. Frommann, 1.12.1803: „[...] und so erhalten Sie hierbey: 1. den Phaidros mit Einleitung und Anmerkungen 2. den Protagoras mit denselben [...] Vom richtigen Eingang der Manuscripte werden Sie mich gefälligst benachrichtigen.“ (Z. 49–62). KGA V/7, Nr. *1616 an K. F. E. Frommann, wohl 17.12.1803; Nr. 1617 an G. A. Reimer, 17.12.1803: „[...] ich schikke Dir also ein Briefchen [Nr. *1616] an ihn [...] und daß ich nun bald an die lezte Revision des Phaidros gehen kann.“ (Z. 5–9).
LVIII
Einleitung der Bandherausgeber
Lemmata auf die Druckvorlage zu W1 (die verlorene hsl. Neubearbeitung der Übersetzung oder die Fahnen) bezogen. Sie sind in Spalte 3 App. S in Bezug auf den Text von W1 mitgeteilt. Zum Teil haben die Noten noch Eingang in die Anmerkungen zu W1 gefunden. SN 183/5 Berlin BBAW, Nachlass F. Schleiermacher NS: 183/5 4o (Antworten auf – verlorene – Fragen Schleiermachers zur Übersetzung des Phaidros von der Hand L. F. Heindorfs mit Ergänzungen Spaldings, o. D., 2 Bl.), Beginn oben links auf f. 1r: „P. 231 Ich bleibe bei meiner Erklärung [...]“. Entstanden vor dem 9.3.1804.210 Die Noten Heindorfs sind durch Angabe der Stephanus-Seitenzahl (mit Zusatz von P.) auf die Druckvorlage zu W1 bezogen, und zwar offenbar anhand von konkreten Fragen Schleiermachers. Zur jeweiligen Stelle sind dann direkt Bezug nehmende Einlassungen von der Hand Spaldings – zum Teil interlinear, zum Teil am Rand – eingefügt. Sie sind in Spalte 3 App. S in Bezug auf den Text oder die Anmerkungen von W1 mitgeteilt. Zum Teil haben die Noten Eingang in W1 gefunden.211 SN 185 Berlin BBAW, Nachlass Schleiermacher NS: 185 4o (Eigenhändige Notizen zu Platon-Studien, o. D.), Text auf f. 2r. Üs.: „Zum Phädros“, Untertitel: „Aus dem Tennemann.“ Exzerpt (mit Bemerkungen Schleiermachers) von Stellen aus Wilhelm Gottlieb Tennemann: System der Platonischen Philosophie, Bd. 1–4, Leipzig 1792–1795. Noten in der Reihenfolge des Tennemannschen Werkes mit Seitenzahlen der besprochenen Phaidrosstellen der Ed.Zweibrücken, Bd. 10, dann (Band und) Seitenzahl bei Tennemann. Der Text ist mitgeteilt in dieser Edition S. 87, App. S. SN 182/2 Berlin BBAW, Nachlass Schleiermacher NS: 182/2 4o (Eigenhändige Notizen zu Grundsätzen und Anordnung einer Herausgabe der Werke Platons, o. D.): 1. f. 5r-v: links oben mit Unterstreichung: „ad Phaedrum“, Üs. (mittig): „Siebenkees“. Exzerpt aus Johann Philipp Siebenkees: Anecdota Graeca [...]. Edidit et praefatus est Ioann. Adam. Goez, Nürnberg 1798, S. 55–70 passim [SB 1838]. 210
211
Vgl. den Brief von G. L. Spalding, 9.3.1804, KGA V/7, Nr. 1679, Z. 2–5: „Da ich mich als einen argen Sünder fühle, gegen Sie, so bin ich noch froh, eine kleine Buße dadurch zu thun, daß ich Ihnen die Inlage mit der reitenden Post schikke, es sind Ihre Fragen über den Fädrus, beantwortet von Heindorf und dann wieder etwas dazu Sie sehen von mir.“ Eine Textänderung aufgrund einer Note wurde, da sie offenbar im gedruckten Text nicht mehr korrigierbar war, von Schleiermacher in den Anmerkungen widerrufen, vgl. Anm. 106.
II. Die Handschriften des Bandes I/1 und ihre Entstehung
LIX
Reine Abschrift des griechischen Textes folgender Platonscholien, leicht gekürzt, ohne Stellenangaben (Stephanusnummerierung hier ergänzt): εις τας ὁμοιας (236b), οστρακου μεταπεσοντος (241b), ὁν ῾Ομηρος μεν ουκ ἡδετο (243a), εν Δωδωνῃ ἱερειαι (244b), Αδραστεια (248c), Γοργιαν (267a), Τισιαντε (267a), Προδικος (267b), Λικυμνιων (267c), ορθοεπεια (267c). Der Text ist nicht ediert, da er eine bloße Abschrift der Scholien zu den genannten Lemmata aus Siebenkees ist. 2. f. 6r-v: Nach einer kurzen Notiz zum Protagoras (s. u. zu Protagoras SN 182/2, f. 6r) links: „ad Phaedrum“, Üs. (mittig): „Ruhnken Schol“. Exzerpt aus: David Ruhnken: Scholia in Platonem. [...], Leiden 1800 [SB 2202], S. 53–69. Reine Abschrift des griechischen Textes folgender Platonscholien, leicht gekürzt, ohne Stellenangaben (Stephanusnummerierung hier ergänzt): Μορυχιᾳ (227b), ῾Ηροδικον (227d), Αργαιας (229c), Τυφωνος (230a), Ωσπερ οι εννεα αρχοντες (237d), Κυψηλιδων αναθημα (236b), σφυρηλατος (236b), εις τας οιμοιας (236b), Λιγυων (237a), Οστρακου μεταπεσοντος (241b), Δωδωνη (244b), Γλυκυς αγκων (257d), Γοργιαν (261c), Ελεατ. Παλαμ. (261d), Μουσεια λογων (267d), Διπλασιολογιαν (267c), το του λυκου (272c). Der Text ist nicht ediert, da er eine bloße Abschrift der Scholien zu den genannten Lemmata aus Ruhnken ist. Zum Phaidros sind also folgende Handschriften aus dieser Druckphase vorhanden bzw. zu erschließen: 1. Einleitung (verloren) 2. Neubearbeitung der Übersetzung (verloren) 3. Anmerkungen (verloren) 4. Noten Spaldings in SN 158/3, bezogen auf die (verlorene) Neubearbeitung der Übersetzung 5. Noten Heindorfs mit Zusätzen Spaldings in SN 183/5, bezogen auf die (verlorene) Neubearbeitung der Übersetzung anhand von Fragen Schleiermachers Die verlorenen Handschriften sind vermutlich nach Einarbeitung der Korrekturen als Druckvorlagen an den Verlag geschickt worden. Die Entstehung der oben beschriebenen Handschriften lässt sich aus dem Briefwechsel Schleiermachers rekonstruieren:212
212
Vgl. auch KGA V/7, S. XIX–XXII.
LX
Einleitung der Bandherausgeber
1803 — Dezember 3. Reimer erhält eine Handschrift – vielleicht mit einer Neubearbeitung – des Phaidros von Henriette Herz zurück und schickt sie weiter an Schleiermacher213 — Dezember 14. da die Rücksendung des alten Platon-Materials (s. o.) durch Frommann noch nicht eingetroffen ist, klagt Schleiermacher darüber, dass er doppelte Arbeit machen muss (u. a. die Neubearbeitung des Phaidros)214 — Dezember 17. nach Eingang des alten Platon-Materials, das Frommann zurückgeschickt hat, kann Schleiermacher (nun bald) die letzte Revision des Phaidros beginnen215 1804 — Januar 7. Schleiermacher beginnt die letzte Revision des Phaidros216 — Januar 11. Reimer wartet auf Manuskripte, wohl des revidierten Phaidros217 — Januar 28. Schleiermacher hält fest, dass er in der Neubearbeitung des Phaidros gegenüber der ersten Fassung sehr viel verändert hat218
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KGA V/7, Nr. 1608 von G. A. Reimer, 3.12.1803: „Die Manuscripte vom Phädrus habe ich heute von ihr fodern lassen [...] Auf meine schriftliche Anforderung hat mir die Herz nun, ausser dem versiegelten Packet (ich denke den Phädrus) etwas Gestricktes zum Beipacken gesandt [...]“ (Z. 23–29). KGA V/7, Nr. 1612 an C. G. von Brinckmann, 14.12.1803: „Ich muß nun Alles was ich schon gemacht hatte noch einmal machen weil Frommann mit der eigensinnigsten Unrechtlichkeit meine Manuscripte nicht herausgeben will [...]“ (Z. 286–288). KGA V/7, Nr. 1617 an G. A. Reimer, 17.12.1803: „Die Nachricht daß Frommann sich besonnen und mir alle platonischen Manuscripte zurückgeschickt hat, wird Dir [...] interessant [...] sein [...] Gut ist es [...] daß ich nun bald an die lezte Revision des Phaidros gehen kann.“ (Z. 2–9). KGA V/7, Nr. 1629 an G. A. Reimer, 7.1.1804: „Ich [...] gehe nun sogleich an den Phädrus, und ich denke Du sollst ihn haben ehe der Druck der Einleitung anfängt, und so wird er hoffentlich ohne Unterbrechung fortgehn können.“ (Z. 7–10). KGA V/7, Nr. 1635 von G. A. Reimer, 11.1.1804: „Vom Plato kann ich also nun wohl bald Manuscript erwarten?“ (Z. 42). KGA V/7, Nr. 1646 an J. E. Th. von Willich, 28.1.1804: „Was ich zur Schlegelischen Zeit fertig hatte war meine Portion zum ersten Bande die ohngefähr die Hälfte desselben ausmacht indeß habe ich auch diese gröstentheils umgearbeitet, wenigstens soviel geändert daß ich alles umschreiben muß.“ (Z. 60–63).
II. Die Handschriften des Bandes I/1 und ihre Entstehung
LXI
— Februar 1. Schleiermacher schickt an Spalding u. a. das Ende des revidierten Phaidros219 — Februar 10. Spalding ist mit der Revision des Phaidros noch nicht fertig, lobt die Phaidros-Einleitung und die Übersetzung des Phaidros (bes. das Wortspiel 244b–d) und schlägt eine kleine Korrektur vor (hochstämmige Platane 229a)220 — Februar 11. da Spalding die Durchsicht des Platon noch nicht abgeschlossen hat, hat Heindorf bisher nichts gesehen, aber von einzelnen Stellen gehört; er lobt u. a. das Wortspiel im Phaidros (244b–d) und bittet Schleiermacher, seine Konjektur zu 234c mit Parallelstellen (?) in den Anmerkungen mitzuteilen221 — Februar 13. Reimer will am folgenden Tag den Phaidros von Spalding abholen222
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KGA V/7, Nr. *1647 an G. L. Spalding, 1.2.1804; Nr. 1648 an G. A. Reimer, 1.2.1804: „Mit der heutigen Post schicke ich an Spalding das Ende des Phädros [...]“ (Z. 2). KGA V/7, Nr. 1654 von G. L. Spalding, 10.2.1804: „Ich will Ihren Plato gewis ehrlich fördern; obgleich ich dieser Tage etwas in Rükstand gekommen bin, indeßen bin ich noch gut voraus vor dem Reimer mit seinem Drukker. Innige Freude hat mir der Fädros gemacht, und eine wahrhaft kindische die Umsezung des Wortspiels von μαντικὴ, vor allem der b r e i t e D o p p e l l a u t . Ihre h ö c h s t e Platane [...] werde ich vielleicht auf eigene Rechnung verwandeln in eine hohe, oder h o c h s t ä m m i g e . Denn so kommen an die Stelle mehr Platanen hin, und ich denke mir’s schöner, und von Plato so gemeint, daß nur Eine dort stand. Die Einleitung zum Protagoras gefällt mir schön, und die zum Fädros überzeugt mich vollkommen.“ (Z. 17–27). Vgl. Nr. 1660 an G. A. Reimer, 15.2.1804: „indeß schreibt mir Spalding der doch den Phaidros noch nicht ganz durchgegangen zu sein scheint, er wäre noch weit voraus vor dem Druker, zwischen beiden steht nur noch der Autor, also werde ich wol noch Geduld haben müssen.“ (Z. 16–20). KGA V/7, Nr. 1656 von L. F. Heindorf, 11.2.1804: „Von Deinem Plato habe ich noch nichts gesehen, Spalding erinnert sich immer mit Schrecken daran, wenn er mit mir davon spricht, daß Du mich in den Noten angeredet hast, ich sie also durchaus lesen muß, und doch hat er noch immer nicht Zeit gehabt, die Revision zu beendigen. [zu einer Stelle im Lysis: 219d] und die mündlich mitgetheilte Übersetzung der Stelle von der Oionistik im Phädrus ist so wunderschön, daß ich Dir gern dafür zwölf der besten Emendationen hingäbe. Mein ει δε τι συ ποθεις statt ει δε τι συ ὑποθῃς Phädrus p. 210. [p. 210 in Heindorfs Edition = 234c] weißt Du wohl schon (Cf. Timaeus p. 19. A. und de republica IX. initio). Ich bitte Dich, es in den Noten mitzutheilen, damit wir es an den Mann bringen.“ (Z. 48–58). Vgl. dazu W1 Anm. z. St. KGA V/7, Nr. 1658 von G. A. Reimer, 13.2.1804: „Morgen werde ich mir von Spalding das nach der Einleitung folgende (den Phädrus) abholen.“ (Z. 30 f.).
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Einleitung der Bandherausgeber
— Februar 24. Spalding kommentiert eine Stelle der Phaidros-Einleitung und lobt Schleiermachers Konjektur in 276c, nach der er korrigiert hat223 — März 9. Spalding schickt u. a. Heindorfs Antwort auf Fragen Schleiermachers zum Phaidros (SN 183/5) und auch eigene Noten (SN 158/3) und bittet Schleiermacher, Änderungswünsche zum Phaidros schnell mitzuteilen224 — März 28. Reimer teilt den Umfang des ersten Bandes und der einzelnen Teile mit: Phaidros mit 6 Bogen und zusammen mit der Phaidros-Einleitung fast 8 Bogen, und erbittet die Anmerkungen zum Phaidros und Lysis, die sehr bald in den Druck gehen sollen225 — April 7. Reimer mahnt immer noch die Anmerkungen zum Phaidros und Lysis an226 — April 19. Spalding mahnt die Anmerkungen zum Phaidros an227
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KGA V/7, Nr. 1664 von G. L. Spalding, 24.2.1804: „Für die Stelle von der Mittheilbarkeit der Filosofie durch die Schrift, in der Einleitung zum Fädros, danke ich ganz besonders. Ich werde dabei, in meinem Exemplar, zitiren das Stük der Berlinischen Zeitung, worin das Räzel des Lebens zu lösen versprochen wird. Eigentlich solten Sie dis selbst zitiren. [...] ἀδυνάτων, ist vortreflich. Ich habe danach korrigirt. Das λόγῳ, neben dem λόγων, will Heindorf nicht gefallen. Mir wol.“ (Z. 107–114). KGA V/7, Nr. 1679 von G. L. Spalding, 9.3.1804: „[...] so bin ich [...] froh [...] daß ich Ihnen die Inlage mit der reitenden Post schikke, es sind Ihre Fragen über den Fädrus, beantwortet von Heindorf und dann wieder etwas dazu Sie sehen von mir. [...] Was Sie im Fädrus noch etwa geändert haben wollen, darüber können Sie mich nur schnell benachrichtigen, und dann wird er noch zur rechten Zeit kommen für den Drukker.“ (Z. 2–10). KGA V/7, Nr. 1696 von G. A. Reimer, 28.3.1804: „[...] der Phädrus wird ohngefehr mit dem 11ten Bogen schließen er hat folglich 6 Bogen gegeben ohne die Einleitung und mit derselben beinahe 8 Bogen; [...]“ (Z. 4–6); „Vergiß nicht die Anmerkungen zum Phädrus und Lysis; die Aushängebogen davon hoffe ich Dir über 8 Tagen zu schicken, da der Druck jetzt sehr rasch vorwärts schreiten wird.“ (Z. 96–99). KGA V/7, Nr. 1704 von G. A. Reimer, 7.4.1804: „[...] damit Du so schnell wie thunlich die Anmerkungen zum Phädrus und Lysis, die nöthig bedürftig sind, einsenden könnest.“ (Z. 6 f.). KGA V/7, Nr. 1717 von G. L. Spalding, 19.4.1804: „Sorgen Sie nur, daß die Noten, erst vom Fädrus, und so fort die andern, schnell herüberkommen.“ (Z. 28 f.).
II. Die Handschriften des Bandes I/1 und ihre Entstehung
LXIII
— April 22. Reimer mahnt die Anmerkungen an; der Druck musste ausgesetzt werden228 — Mai 2. Aushängebogen Nr. 21–27, also inklusive der Anmerkungen, von der Realschulbuchhandlung an Schleiermacher übersandt229 — Mai 12. Schleiermacher bestätigt den Eingang der Sendungen vom 22.4. und 2.5.1804 und weist den Vorwurf der Verzögerung der Anmerkungen zurück, da er sie umgehend zurückgesandt hatte (das Datum ist jedoch unklar)230
2. Lysis Handschriften zur Vorbereitung des Druckes bei Georg Andreas Reimer SN 155/1 Berlin BBAW, Nachlass F. Schleiermacher NS: 155/1 4o (Eigenhändiger Entwurf der Übersetzung des Lysis mit Einleitung und Anmerkungen, o. D., 13 Bl.), Aufschrift auf f. 1r: „Lysis. Erster Entwurf.“ Anmerkungen zur Einleitung (f. 1v), Übersetzung des Dialogs (f. 2r–11r), Anmerkungen (abgekürzt: Anm.E) (f. 11r–12r), Einleitung (f. 12r–13r). Teilweise flüchtig und mit zahlreichen Abbreviaturen, Streichungen und Korrekturen. Die Blattzählung ist sekundär. Die mit der Übersetzung beschriebenen Blätter sind durch Knick, aber nicht ganz mittig in Spalten geteilt, die recto links, verso rechts beschrieben sind. Zur Übersetzung des Dialogs am Rand verschiedene Bemerkungen:
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KGA V/7, Nr. 1719 von G. A. Reimer, 22.4.1804: „Hier [...] noch eine Anzahl Aushängebogen [...] den Schluß des Laches und damit den Schluß des Textes vom ganzen Bande. Da also nun die Anmerkungen hätten anfangen sollen, und die von Spalding an Dich zurückgesandten noch nicht von Dir wieder eingegangen sind, so hat nun der Druck ausgesetzt werden müssen. Ich hoffe indeß daß sie heute oder morgen eingehen werden [...]“ (Z. 2–8). KGA V/7, Nr. 1730 von der Realschulbuchhandlung, 2.5.1804: „Wir übersenden hiebey die AushängeBogen von Plato No 21.–27. [...]“ (Z. 2). KGA V/7, Nr. 1740 an G. A. Reimer, 12.5.1804: „Bei meiner Rükkunft aus Westpreußen habe ich Deine Sendung vom 22 April, und zugleich zu meinem Trost die lezte mit den übrigen Bogen vom 2 Mai vorgefunden. Hoffentlich wird nun noch alles zur Messe fertig geworden sein; ich war an der Verzögerung der Anmerkungen unschuldig, denn ich habe sie mit umgehender Post zurükkgesendet.“ (Z. 2–6).
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Einleitung der Bandherausgeber
1. am äußeren Rand: f. 2r–3v Stephanus-Paginierung (nur Zahl), f. 4r zusätzlich Bipontina-Paginierung („221 B“; „222 B“), f. 4v–11r Stephanus- und Bipontina-Paginierung nebeneinander (nur Zahlen, wobei die Stephanus-Zahlen größer sind). Ab f. 4r (davor vereinzelt) auch Heindorf-Paginierung (nur Zahl: „15“, „16“ ff.). Alle diese Paginierungen sind in der Edition nicht wiedergegeben. 2. ebenfalls am äußeren Rand: Hinweise auf Anmerkungen, z. T. bereits mit dem Kleinbuchstaben als Anmerkungszeichen. Die einzelnen Anmerkungen (Anm.E) sind durch Kleinbuchstaben (a–z; aa) gekennzeichnet. Diese Buchstaben verweisen auf die im Text interlinear eingefügten sowie z. T. am Rand wiederholten entsprechenden Buchstaben, die die Stelle der Anmerkung markieren. Die Buchstaben-Verweise sind in der Edition weder im Text noch in den Anmerkungen dokumentiert, da der Bezug der Anmerkungen als nummerierter Fußnoten in der Edition eindeutig ist. Manchmal sind zusätzlich zu den Verweisbuchstaben HeindorfSeitenzahlen angegeben, zum Text bisweilen auch unterschiedlich ausführliche Stichworte z. T. in Bezug auf Heindorf, anscheinend als Vorarbeit zu der dann danach formulierten Anmerkung. Diese Notizen sind in Spalte 2 App. T dokumentiert. Die Heindorf-Seitenzahlen sind nicht wiedergegeben. Hervorhebungen am Rand durch senkrechte Striche u. a. sind nicht dokumentiert. SN 155/2 Berlin BBAW, Nachlass F. Schleiermacher NS: 155/2 4o (Eigenhändige Abschrift der Anmerkungen zum Lysis, o. D., 2 Bl.), Üs.: „Zum Lysis.“, unter der Üs.: „Die Zahl nach der Steph[anus-] Ausgabe“, daneben am Rand: „NB Sollen die nicht auch im Druk am Rand stehen bleiben? Es ist doch sehr bequem für Jeden der angegebene Stellen vergleichen will“, dazu von Spaldings Hand: „ja“.231 f. 2v anscheinend durch Schleiermacher weit unten am Rand ohne jeden Bezug zu den Anmerkungen: „brachte ich“. Die Blattzählung ist sekundär. Die Anmerkungen sind durch Angabe der Stephanus-Seitenzahl und das entsprechende – mit Ausnahme der ersten Anmerkung – griechische Lemma auf den Text bezogen. Die Stephanus-Seitenzahl ist in der Edition nicht dokumentiert.
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In den gedruckten Übersetzungen W1 (und auch W2) ist die Stephanus-Paginierung am Rand der Übersetzung mitgeführt; die Verweise der Anmerkungen geben die Stephanus-Paginierung nicht, sondern beziehen sich auf Seite und Zeile der gedruckten Übersetzung.
II. Die Handschriften des Bandes I/1 und ihre Entstehung
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Zu diesen Anmerkungen (abgekürzt: Anm.A) gehörte offenbar eine (verlorene) Abschrift der Übersetzung des Dialogs (abgekürzt: Übers.A) sowie der Einleitung (abgekürzt: Einl.A). SN 155/3 Berlin BBAW, Nachlass F. Schleiermacher NS: 155/3 (Noten von der Hand G. L. Spaldings mit Zusätzen von der Hand Ph. K. Buttmanns zur Einleitung, Übersetzung und den Anmerkungen zum Lysis in der verlorenen Abschrift [vgl. zu SN 155/2], o. D., 4 Bl. verschiedenen Formats), Üs.: „Über den Lysis“. Die Blätter sind von Spalding durchgezählt mit „a.–d.“. In der sekundären Blattzählung ist versehentlich die Seite f. 4v mit der Blattzahl 4 gezählt. Die Noten sind durch Angabe der Seitenzahlen der (verlorenen) Abschrift (Einl.A; Übers.A) (teils mit, teils ohne Zusatz von p.) und in der Regel unterstrichene Lemmata auf den Text und mit „ad not. p.“ und der Stephanus-Seitenzahl auf die Anmerkungen (Anm.A = SN 155/2) bezogen. Die Seitenzahlen der (verlorenen) Abschrift und die Verweise auf die Anmerkungen sind in der Edition nicht dokumentiert. Die von Buttmanns Hand teils am Rand, teils interlinear hinzugefügten Noten sind in der Edition gekennzeichnet. In Schleiermachers Anmerkungen (Anm.E und Anm.A) ist teilweise Heindorf direkt angesprochen, in den Noten Spaldings (Spld. u. a.) Schleiermacher. Zum Lysis sind also folgende Handschriften vorhanden bzw. zu erschließen: 1. Entwurf der Einleitung (SN 155/1) 2. Anmerkungen zum Entwurf der Einleitung (SN 155/1) (Anm.E) 3. Entwurf der Übersetzung (SN 155/1) 4. Anmerkungen zum Entwurf der Übersetzung (SN 155/1) (Anm.E) 5. Abschrift der Einleitung (verloren) (Einl.A), zu erschließen aus den Noten Spaldings u. a. in SN 155/3 6. Abschrift der Übersetzung (verloren) (Übers.A), zu erschließen aus den Anmerkungen in SN 155/2 (Anm.A) und den Noten Spaldings und Buttmanns in SN 155/3 (Spld. u. a.). Die Varianten sind im App. T dokumentiert. 7. Anmerkungen zur Abschrift der Übersetzung (Anm.A) 8. Noten Spaldings mit Zusätzen von Buttmann (Spld. u. a.) in SN 155/3, bezogen auf die (verlorene) Abschrift der Einlei-
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Einleitung der Bandherausgeber
tung, der Übersetzung (Einl.A und Übers.A) sowie auf die Anmerkungen zur Abschrift (Anm.A) Die verlorenen Teile der Abschrift, nämlich die Einleitung und die Übersetzung, sind vermutlich nach Einarbeitung von Korrekturen nach den Noten Spaldings und Buttmanns (Spld. u. a.) als Druckvorlagen an den Verlag geschickt worden. Für die Anmerkungen gab es vermutlich eine zweite Abschrift als Druckvorlage, sodass die in SN 155/2 vorhandenen Anmerkungen zur Abschrift der Übersetzung (Anm.A) im Nachlass Schleiermachers verblieben sind. Die Entstehung der oben beschriebenen Handschriften lässt sich aus dem Briefwechsel Schleiermachers rekonstruieren:232 1803 — November 26. Lysis vollendet und vermutlich als Abschrift (Einl.A und Übers.A [verl.]; Anm.A [SN 155/2]) an Spalding und Heindorf geschickt (Nr. 1605), offenbar über Reimer (Nr. 1609); es wurde nur diese eine Abschrift für beide geschickt (vgl. Nr. 1656, 48 ff.)233 — Dezember 17. Schleiermacher erwartet den Lysis zurück234 — Dezember 18. vermutlich Noten Spaldings u. a. zum Lysis (Spld. u. a. [SN 155/3]) mit der Abschrift der Einleitung und der
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Vgl. auch KGA V/7, S. XIX–XXII. KGA V/7, Nr. 1605 an C. G. Brinckmann, 26.11.1803: „Eben heute habe ich einen kleinen Dialog den Lysis vorläufig vollendet und schike ihn zur Kritik an Spalding und Heindorf.“ (Z. 108–110); vgl. Nr. 1606, 467–469 (Brinckmann will sich das Manuskript von Spalding zur Vorablektüre holen). KGA V/7, Nr. 1609 von G. A. Reimer, 5.12.1803: „Den Lysis habe ich bald nach Empfang an Spalding abgegeben, der ihn mir diese Woche noch zurück zu geben versprochen hat; Heindorf aber wird wohl nichts dafür thun können, meint Spalding, da er jetzt ganz ausserordentlich krank seyn soll, [...]“ (Z. 80–83; vgl. Nr. 1603, 4 f.); Nr. 1656 von L. F. Heindorf, 11.2.1804: „Von Deinem Platon habe ich noch nichts gesehen, Spalding erinnert sich immer mit Schrecken daran, wenn er mit mir davon spricht, daß Du mich in den Noten angeredet hast, ich sie also durchaus lesen muß, und doch hat er noch immer nicht Zeit gehabt, die Revision zu beendigen. [Es folgen Kommentare zu einzelnen Stellen.]“ (Z. 48–58). KGA V/7, Nr. 1617 an G. A. Reimer, 17.12.1803: „[...] den Lysis erwarte ich bald zurück“ (Z. 52).
II. Die Handschriften des Bandes I/1 und ihre Entstehung
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Übersetzung (Einl.A und Übers.A [verl.]) und der Anmerkungen (Anm.A [SN 155/2]) zurück an Schleiermacher235 1804 — Februar 1. offenbar die Abschrift der Einleitung und der Übersetzung (Einl.A und Übers.A [verl.]) nach Einarbeitung der Noten Spaldings u. a. (revidierter Lysis) (Nr. *1647; vgl. Nr. 1648, 1 f.) samt einer (?) Frage, die Spalding am 10.2.1804 (Nr. 1654) und noch einmal am 24.2.1804 (Nr. 1664) zu beantworten scheint, wieder an Spalding236 — Februar 11. Heindorf hat das Manuskript und besonders die Anmerkungen noch nicht gesehen, aber von Spalding mündliche Mitteilungen über einzelne Stellen, u. a. zu Lysis 219d237 — März 9. der von Schleiermacher revidierte Lysis (Revision von Einl.A und Übers.A [verl.]) ohne weitere Korrektur von Spalding bereits zum Druck an Reimer gegeben (Nr. 1679)238 — März 28. Reimer mahnt die Anmerkungen u. a. zum Lysis an239 — April 7. Reimer mahnt immer noch die Anmerkungen u. a. zum Lysis an240 235
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KGA V/7, Nr. 1619 von G. L. Spalding, 18.12.1803: „Im Allgemeinen bin ich mit dem Ton Ihrer Übersezung sehr zufrieden [...]“ (Z. 6), anbei schickt er ein Paket. KGA V/7, Nr. 1623 von G. A. Reimer, 24.12.1803: „Da Dir nun Spalding auch wohl den Lysis zurückgeschickt hat, [...]“ (Z. 21). KGA V/7, Nr. *1647 an G. L. Spalding, 1.2.1804 (mit Manuskripten zur Platon-Übersetzung), vgl. Nr. 1648 an G. A. Reimer, 1.2.1804: „Mit der heutigen Post schicke ich an Spalding das Ende des Phädros, den revidirten Lysis und die Einleitung zum Protagoras [...]“ (Z. 2 f.). Zu Schleiermachers Frage s. Nr. 1654 von G. L. Spalding, 10.2.1804: „Nur in Eil und also unvollständig werde ich jetzt Ihren lezten Brief vom 1. Februar, und im Grunde noch einen früheren, beantworten. [...] Die Stelle im Lysis P. 214. e. habe ich gestern mit Buttmann dahin abgefertigt, daß [...][s. z. St.]“ (Z. 2–12); Nr. 1664, Z. 8–14, von G. L. Spalding, 24.2.1804 (s. z. St.). KGA V/7, Nr. 1656 von L. F. Heindorf, 11.2.1804, bes. Z. 48–58. KGA V/7, Nr. 1679 von G. L. Spalding, 9.3.1804: „Diesen [d. i. den Lysis] habe ich nicht wieder durchgelesen, wie Sie ihn mir jezt gesendet haben. Habe ich daran Unrecht gethan? Reimer hat ihn nun schon für den Druk.“ (Z. 13–15). KGA V/7, Nr. 1696 von G. A. Reimer, 28.3.1804: „Vergiß nicht die Anmerkungen zum Phädrus und Lysis; die Aushängebogen davon hoffe ich Dir über 8 Tagen zu schicken, da der Druck jetzt sehr rasch vorwärts schreiten wird.“ (Z. 96–99). KGA V/7, Nr. 1704 von G. A. Reimer, 7.4.1804: „[...] damit Du so schnell wie thunlich die Anmerkungen zum Phädrus und Lysis, die nöthig bedürftig sind, einsenden könnest.“ (Z. 6 f.).
LXVIII
Einleitung der Bandherausgeber
— April 19. Spalding mahnt die Anmerkungen u. a. zum Lysis an241 — April 22. Reimer mahnt die Anmerkungen an242 — Mai 2. Aushängebogen Nr. 21–27, also inklusive der Anmerkungen, von der Realschulbuchhandlung an Schleiermacher übersandt243 — Mai 12. Schleiermacher bestätigt den Eingang der Sendungen vom 22.4. und 2.5.1804 und weist den Vorwurf der Verzögerung der Anmerkungen zurück, da er sie umgehend zurückgesandt hatte (das Datum ist jedoch unklar)244
3. Protagoras 3.1. Handschriften zur Vorbereitung des Druckes bei Friedrich Frommann SN 156/1 Berlin BBAW, Nachlass F. Schleiermacher NS: 156/1 4o (Eigenhändige Notizen, o. D., 2 Bl.). Überschrift auf f. 1r durch Schleiermacher: „Protagoras“ und „Ex Cornarii versione et Eclogis“. Schleiermachers Exzerpt aus Cornarius’ lateinischer Übersetzung und seiner Ekloge zum Protagoras. Die Handschrift entstand nach dem 241
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KGA V/7, Nr. 1717 von G. L. Spalding, 19.4.1804: „Sorgen Sie nur, daß die Noten, erst vom Fädrus, und so fort die andern, schnell herüberkommen.“ (Z. 28 f.). KGA V/7, Nr. 1719 von G. A. Reimer, 22.4.1804: „Hier [...] noch eine Anzahl Aushängebogen [...] den Schluß des Laches und damit den Schluß des Textes vom ganzen Bande. Da also nun die Anmerkungen hätten anfangen sollen, und die von Spalding an Dich zurückgesandten noch nicht von Dir wieder eingegangen sind, so hat nun der Druck ausgesetzt werden müssen. Ich hoffe indeß daß sie heute oder morgen eingehen werden [...]“ (Z. 2–8). KGA V/7, Nr. 1730 von der Realschulbuchhandlung, 2.5.1804: „Wir übersenden hiebey die AushängeBogen von Plato No 21.–27. [...]“ (Z. 2). KGA V/7, Nr. 1740 an G. A. Reimer, 12.5.1804: „Bei meiner Rükkunft aus Westpreußen habe ich Deine Sendung vom 22 April, und zugleich zu meinem Trost die lezte mit den übrigen Bogen vom 2 Mai vorgefunden. Hoffentlich wird nun noch alles zur Messe fertig geworden sein; ich war an der Verzögerung der Anmerkungen unschuldig, denn ich habe sie mit umgehender Post zurükkgesendet.“ (Z. 2–6). – Schleiermacher hat offenbar nicht die Anmerkungen (Anm.A = SN 155/2), die er von Spalding zurückbekommen hatte, revidiert (wie im Falle der [verlorenen] Abschrift der Einleitung und Übersetzung [Einl.A und Übers.A]), sondern eine neue (nun ebenfalls verlorene) Druckvorlage der Anmerkungen angefertigt, sodass SN 155/2 in seinem Nachlass blieb. Wann Schleiermacher die für den Druck vorgesehenen Anmerkungen, die seit dem 28.3.1804 angemahnt wurden (s. o.), an Spalding oder Reimer geschickt hat, ist unklar.
II. Die Handschriften des Bandes I/1 und ihre Entstehung
LXIX
14. März 1801.245 Die Blattzählung ist sekundär. Die Notizen haben z. T. Eingang gefunden in die Anmerkungen (vgl. W1 Anm.). Die einzelnen Exzerpte sind mit den Seitenzahlen der Ed.Zweibrücken (Bipontina) auf die Stellen des griechischen Textes bezogen. Diese Seitenangaben sind in der Edition weggelassen und durch die Stephanusseitenzahlen mit dem Zusatz der Seitenzeile in dieser Edition ersetzt. SN 156/2 Berlin BBAW, Nachlass F. Schleiermacher NS: 156/2 (Eigenhändige Notizen, o. D., 5 Bl. verschiedenen Formats). Überschrift auf f. 1r durch Schleiermacher: „Citationen des Simonideischen Gedichts“, es folgen f. 1r–2r Simonides-Zitate, f. 2v leer; f. 3r–4r Odyssee-Stellen, f. 4v leer; f. 5r–v Exzerpt aus Chr. Gottl. Heyne: Ad Simonidis versus, in quibus, virum bonum constanter esse, difficile esse asseritur ad commendandum novum prorectorem Rud. Aug. Vogel. d. 2. Jan. 1764. Cum censura, in: Opuscula academica, Bd. 1, Göttingen 1785, S. 154–165. Die Blattzählung ist sekundär. Die Notizen haben z. T. Eingang gefunden in die Anmerkungen (vgl. W1 Anm.). Zum Protagoras sind also folgende Handschriften aus dieser Druckphase vorhanden bzw. zu erschließen: 1. 2. 3. 4. 5.
Entwurf der Einleitung (verloren) Entwurf der Übersetzung (verloren) Entwurf der Anmerkungen (verloren) Vergleich mit Cornarius (SN 156/1) Verschiedene Stellen, bes. Simonides-Zitate (SN 156/2)
6. Korrektur/Überarbeitung als Druckvorlage (verloren) Die Entstehung der oben beschriebenen Handschriften lässt sich aus dem Briefwechsel Schleiermachers rekonstruieren:246
245 246
Vgl. unten Anm. 250 zum 14. März 1801. Vgl. auch KGA V/4, S. XXI ff.; KGA V/5, S. XV–XXXII; KGA V/6, S. XXV– XXVII; KGA V/7, S. XVII–XIX.
LXX
Einleitung der Bandherausgeber
1800 — Juli 7. F. Schlegel will die Übersetzung des Parmenides und des Protagoras übernehmen247 1801 — Februar 7. Schleiermacher bietet F. Schlegel an, die Übersetzung des Protagoras zu übernehmen248 — Februar 16. F. Schlegel nimmt Schleiermachers Angebot, den Protagoras zu übersetzen, an249 — März 14. Schleiermacher arbeitet am Protagoras, für den er u. a. Cornarius vergleichen will250 — März 27. F. Schlegel mahnt, dass der Protagoras in drei Wochen fertig sein muss251
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KGA V/4, Nr. 907 von F. Schlegel und D. Veit, 7.7.1800: „Ich bin jetzt so ziemlich entschlossen zunächst das erste der eleatischen und das erste der antisophistischen Gespräche, also den Protagoras zu übersetzen.“ (Z. 26–28 = KFSA 25, Nr. 79, S. 136). Vgl. Nr. 922 von F. Schlegel und D. Veit, wohl Anfang August 1800 (Z. 46–48 = KFSA 25, Nr. 87, S. 149); Nr. 949 von F. Schlegel, 13.9.1800 (Z. 22 f. = KFSA 25, Nr. 106, S. 180); vgl. allerdings Nr. 942 von F. Schlegel, Anfang September 1800 (Z. 17–21 = KFSA 25, Nr. 101, S. 173). KGA V/5, Nr. 1019 an F. Schlegel, 7.2.1801: „Sehr schön wäre es doch wenn zur Ostermesse ein Band erscheinen könnte, und wenn dies dadurch entschieden werden kann, wiederhole ich gern mein Anerbieten den Protagoras noch zu übernehmen. Den könnte ich noch fertigen aber den Parmenides nicht.“ (Z. 56–59 = KFSA 25, Nr. 140, S. 229). KGA V/5, Nr. 1022 von D. Veit, 16.2.1801: „Das Anerbieten vom Protagoras nimmt er an.“ (Z. 6 f. = KFSA 25, Nr. 142, S. 233). KGA V/5, Nr. 1030 an F. Schlegel, 14.3.1801: „Beim Excursus bin ich schon und nebenbei auch beim Protagoras so daß was mich betrift nichts was Menschen möglich ist fehlen soll. [...] Der Protagoras ist bis auf eine einzige fatale Stelle eigentlich sehr leicht, und da ich nun schon, was die Zeitsparendste Einrichtung der Arbeit betrift, durch den ersten Versuch viel klüger geworden bin so hoffe ich soll es bei weitem schneller gehen, ohnerachtet mir hier ein Paar Arbeiten bevorstehen die ich beim Phaidros nicht nöthig hatte, nemlich den Timaeus überall zur Hand zu haben, und den Cornar zu vergleichen. Die Kleukersche Uebersezung habe ich nicht gelesen, und werde sie auch nicht lesen, es ist gewiß nichts aus ihr zu nehmen.“ (Z. 34 f. 47–54 = KFSA 25, Nr. 153, S. 246). KGA V/5, Nr. 1032 von F. Schlegel, 27.3.1801 (Z. 11–13 = KFSA 25, Nr. 157, S. 252).
II. Die Handschriften des Bandes I/1 und ihre Entstehung
LXXI
— April 6. F. Schlegel bittet A. W. Schlegel, Schleiermacher zu ermahnen, die Arbeit am Protagoras zügig fortzusetzen252 — April 27. Schleiermacher ist mit dem Protagoras fast fertig253 — Mai, zweite Hälfte Schleiermacher schickt die Übersetzung des Protagoras an F. Schlegel254 — Juni 1. F. Schlegel erwartet den Schluss der Übersetzung des Protagoras255 — Juni Anfang F. Schlegel bestätigt den Eingang des fertigen Protagoras256 — September 17. Schleiermacher bittet A. W. Schlegel, für die Zusendung des Phaidros und Protagoras samt Anmerkungen zu sorgen, da er diese Dialoge mit Heindorf lesen und dann überarbeiten will257 — September 21. F. Schlegel schickt die verlangten „Platonica“ mit der Bitte um baldige Rücksendung258 — Oktober 26. F. Schlegel schickt den Phaidros und Protagoras samt Anmerkungen und Einleitung; Schleiermacher soll Schlegels
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KFSA 25, Nr. 160 F. Schlegel an A. W. Schlegel, 6.4.1801: „Ich wünsche so sehr daß Schleiermacher in Rücksicht des Protagoras so handelt, als ob es noch möglich wäre, denn wenn es nun auch zur Messe nicht fertig gedruckt sein kann, so muß es doch gleich nachher gedruckt sein.“ (S. 254). KGA V/5, Nr. 1051 an F. Schlegel, 27.4.1801 (Z. 52 = KFSA 25, Nr. 167, S. 268). KGA V/5, Nr. *1062 an F. Schlegel, zweite Maihälfte 1801. KGA V/5, Nr. 1064 von F. Schlegel, 1.6.1801: „Schicktest Du doch bald den Beschluß von der Uebersetzung des Protagoras wenigstens.“ (Z. 24–26 = KFSA 25, Nr. 174, S. 276). KGA V/5, Nr. 1066 von F. Schlegel, Anfang Juni 1801: „Wie theuer es mir war, in meinem Elende den fertigen Protagoras zu erhalten, kann ich Dir gar nicht sagen.“ (Z. 15 f. = KFSA 25, Nr. 175, S. 277). KGA V/5, Nr. 1097 an A. W. Schlegel, 17.9.1801: „Und nun da er doch nichts daran thut ersuche ich Sie Sich aufs baldigste den Phaidros und den Protagoras und die dazu gehörigen Anmerkungen von ihm ausliefern zu lassen und mir zuzuschiken. Ich werde diese beiden Dialogen jezt mit Heindorf lesen und vielleicht noch einige Hülfsmittel in die Hände bekommen die mir bisher gefehlt haben und werde also viel zur Vervollkomnung der Arbeit thun können [...]“ (Z. 50–55). KGA V/5, Nr. 1100 von F. Schlegel, 21.9.1801: „Mit schwerem Herzen schicke ich Dir die Platonica, die Du verlangt. Aber ich rechne sicher darauf, daß ich sie gleich wieder erhalte.“ (Z. 43 f. = KFSA 25, Nr. 191, S. 293).
LXXII
Einleitung der Bandherausgeber
Kritikpunkte zur Übersetzung des Phaidros bei der Durchsicht des Protagoras berücksichtigen259 — November 16. F. Schlegel hofft auf Fertigstellung des Protagoras260 1802 — Februar 4. F. Schlegel erwartet den überarbeiteten Phaidros und Protagoras zurück261 — Februar 8. F. Schlegel erwartet den überarbeiteten Phaidros und Protagoras zurück262 — Februar 15. F. Schlegel bestätigt den Eingang des Phaidros, den er gleich zurücksenden will, und drängt Schleiermacher, den Protagoras zuzusenden263 — Februar 25. F. Schlegel hofft auf den Protagoras264 — März 1. F. Schlegel kündigt Frommann den Phaidros und Protagoras an (als Sendung Schleiermachers)265
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KGA V/5, Nr. 1115 von F. Schlegel, 26.10.1801: „[...] also schicke ich hier was Du foderst, nebst meinen unmaßgeblichen Randglossen zur Einleitung. An der Uebersetzung selbst habe ich nur zwei kleine Aussetzungen für die Zukunft [Es folgen Kritikpunkte zum Phaidros] – Vielleicht wirst Du bei der Durchsicht des Protagoras Rücksicht darauf nehmen.“ (Z. 4–13 = KFSA 25, Nr. 198, S. 300). KGA V/5, Nr. 1122 von F. Schlegel, 16.11.1801: „Möchtest Du nun doch mit dem Protagoras fertig sein und gleich rüstig an den Theätet gehn!“ (Z. 33 f. = KFSA 25, Nr. 203, S. 307). KGA V/5, Nr. 1154 von F. Schlegel, 4.2.1802: „Frommann hat mir dringend geschrieben. Ich sehe mit der größten Sehnsucht dem Phaedrus und auch dem Protagoras entgegen; ich bitte Dich, alles was noch zurück ist, unverzüglich zu beendigen [...]“ (Z. 6–9 = KFSA 25, Nr. 230, S. 327). KGA V/5, Nr. 1157 von F. Schlegel, 8.2.1802: „Ich sehe mit Ungeduld dem Phaedrus und Protagoras entgegen.“ (Z. 39 f. = KFSA 25, Nr. 232, S. 329). KGA V/5, Nr. 1158 von F. Schlegel, 15.2.1802: „Damit Du nur nicht in Sorge bist, eile ich den richtigen Empfang des Manuscripts zu melden und beschwöre Dich nun, sogleich den Protagoras nachfolgen zu lassen. Den Phaedrus erhältst Du den nächsten oder spätestens den übernächsten Posttag.“ (Z. 2–5 = KFSA 25, Nr. 234, S. 330). KGA V/5, Nr. 1170 von F. Schlegel, 25.2.1802: „Heute hoffe ich nun endlich gewiß auf den Protagoras.“ (Z. 65 = KFSA 25, Nr. 237, S. 334. KFSA 25, Nr. 239 F. Schlegel an K. F. E. Frommann, 1.3.1802: „Den Phaedrus und Protagoras müssen Sie jezt schon von Berlin aus erhalten haben, oder es wird in sehr kurzer Zeit geschehen.“ (S. 336 f.).
II. Die Handschriften des Bandes I/1 und ihre Entstehung
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— März 18. F. Schlegel fordert erneut die Zusendung des Protagoras266 — März 25. F. Schlegel fordert die Zusendung des Protagoras, damit die Sendung der Manuskripte (offenbar mit dem von Schlegel bearbeiteten Parmenides) bis Ende März an Frommann gehen kann267 — März/April Schleiermacher sendet an F. Schlegel die Übersetzung des Protagoras mit Anmerkungen und Einleitung268 — April 3. F. Schlegel bestätigt den Eingang des Protagoras und schickt ihn an Frommann weiter269 — April 12. Frommann bestätigt gegenüber Schleiermacher den Eingang u. a. des Protagoras270 1803 — April 20. Schleiermacher bittet Reimer, bei der Messe in Leipzig von Frommann u. a. sein Manuskript des Protagoras zurückzufordern271 — Juni 23. wenn Reimer sich entschließen sollte, die Platon-Übersetzung zu übernehmen, dann soll er von Frommann u. a. das Manuskript des Protagoras samt Einleitung und Anmerkungen für einen bestimmten Betrag auslösen272
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KGA V/5, Nr. 1185 von F. Schlegel, 18.3.1802: „Aber ich beschwöre Dich, mir ja den Protagoras auch gleich zu schicken. Am besten wär’ es wohl Du schicktest ihn mir gleich so wie Du ihn zu lassen wünschest, da Du das Wenige was meine Kritiken Dir nutzen könnten doch gewiß schon aus denen zum Phaedrus abstrahirt hast [...]“ (Z. 5–9, vgl. Z. 28–30 = KFSA 25, Nr. 241, S. 339). KGA V/5, Nr. 1190 von F. Schlegel und D. Veit, 25.3.1802: „Den Protagoras schicke ja gleich, wenn er noch nicht abgegangen ist. Ich habe Frommann das Manuscript Ende März versprochen [...] Ich freue mich sehr auf Deinen Protagoras.“ (Z. 33–36 = KFSA 25, Nr. 243, S. 341). KGA V/5, Nr. *1200 an F. Schlegel, Ende März/Anfang April 1802. KGA V/5, Nr. 1201 von F. Schlegel, 3.4.1802: „Der Protagoras war sehr willkommen. Er ist schon bei Frommann, und alles was Du erinnert hast, habe ich möglichst eingeschärft. Uebrigens fand ich auch gar nichts daran weder auszusetzen, noch zuzusetzen als etwa eine halbe Million Punkte über die i, was ich auch redlich gethan habe. Die Einleitung hat meinen ganzen Beifall.“ (Z. 14–18 = KFSA 25, Nr. 249, S. 348). KGA V/5, Nr. 1207 von K. F. E. Frommann, 12.4.1802: „Endlich hat mir auch Friedrich das Manuscript zu Ihren beyden Gesprächen eingesandt [...]“ (Z. 11 f.). KGA V/6, Nr. 1476 an G. A. Reimer, 20.4.1803 (s. o. Anm. 203). KGA V/6, Nr. 1507 an G. A. Reimer, 23.6.1803 (s. o. Anm. 204).
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Einleitung der Bandherausgeber
— Juli 21. Frommann tritt von der Platon-Übersetzung zurück und teilt mit, dass er das gesamte Platon-Material an Schleiermacher zurücksenden wird, wenn F. Schlegel seine Schulden bezahlt hat273 — November 11. Schleiermacher bittet Reimer, die Rücksendung des Manuskripts (inklusive Protagoras) von Frommann zu beschleunigen274 — November 15. Schleiermacher fordert die Rückgabe des Platon-Materials (Phaidros und Protagoras)275 — Dezember 1. Frommann übersendet an Schleiermacher den Protagoras mit Einleitung und Anmerkungen sowie den Phaidros276 — Dezember 17. Schleiermacher bestätigt den Eingang des von Frommann geschickten Platon-Materials277 3.2. Handschriften zur Vorbereitung des Druckes bei Georg Andreas Reimer SN 157 Berlin BBAW, Nachlass F. Schleiermacher NS: 157 (Noten von der Hand G. L. Spaldings zur Einleitung, Übersetzung und den Anmerkungen zum Protagoras in einer verlorenen Abschrift, o. D., 11 Bl., davon 9 Bl. 4o und 2 Bl. gr. 8o). Keine Üs., jedoch sind die Bögen von Spalding durchgezählt mit „Protagoras.1.“ (f. 1r), „Protagoras.2.“ (f. 2r), „Protagoras.3.“ (f. 4r), „Protagoras.4.“ (f. 6r), „Protagoras.5.“ (f. 8r), „Protagoras.6.“ (f. 10r). Die Blattzählung ist sekundär. Entstanden sind die Noten Februar bis Mitte April 1804 (s. u.). Die Noten sind durch Angabe der Stephanus-Seitenzahl (teils mit, teils ohne Zusatz von p.) und der teils griechischen, teils deutschen Lemmata, teils ganz ohne Lemma auf die Druckvorlage zu W1 (die verlorene hsl. Neubearbeitung der Übersetzung) bezogen. Sie sind in Spalte 2 in Bezug auf die Stephanus-Seitenzahl des griechischen Textes mitgeteilt, wobei der hsl. Bezug weggelassen wurde. Bisweilen ist die
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KGA V/6, Nr. 1517 von K. F. E. Frommann, 21.7.1803. KGA V/7, Nr. 1590 an G. A. Reimer, 11.11.1803: „Nun aber bin ich auch sehr ungeduldig auf die Rückkunft der Manuscripte von Frommann und bitte Dich sie möglichst zu beschleunigen.“ (Z. 9–11). KGA V/7, Nr. *1591 an K. F. E. Frommann, 15.11.1803. KGA V/7, Nr. 1607 von K. F. E. Frommann, 1.12.1803: „[...] und so erhalten Sie hierbey: 1. den Phaidros mit Einleitung und Anmerkungen 2. den Protagoras mit denselben [...] Vom richtigen Eingang der Manuscripte werden Sie mich gefälligst benachrichtigen.“ (Z. 49–62). KGA V/7, Nr. *1616 an K. F. E. Frommann, wohl 17.12.1803.
II. Die Handschriften des Bandes I/1 und ihre Entstehung
LXXV
exakte Zuordnung unsicher. Einige Tintenkleckse machen einzelne Buchstaben unlesbar; diese sind in eckigen Klammern ergänzt. Die Noten sind z. T. Antworten auf Fragen, die Schleiermacher auf einem Notizenblatt für Spalding zu besonders gekennzeichneten Textstellen in der hsl. Übersetzung zusammengestellt hat (s. u. zum 15.2.1804). Nur am Ende des Dialogs haben seine Änderungsvorschläge noch Eingang in die Übersetzung gefunden oder sogar auch erst in die Anmkerkungen.278 SN 182/2 Berlin BBAW, Nachlass Schleiermacher NS: 182/2 4o (Eigenhändige Notizen zu Grundsätzen und Anordnung einer Herausgabe der Werke Platons, o. D.): 1. f. 6r: links oben mit Unterstreichung: „ad Protagoram“, Üs. (mittig): „Siebenkees“; es folgt: „Nur eine Note zu δολιχοδρομων, welche nicht im Ruhnkenischen steht.“, darunter ein langer Strich. Der Bezug verweist auf Johann Philipp Siebenkees: Anecdota Graeca [...]. Edidit et praefatus est Ioann. Adam. Goez, Nürnberg 1798, S. 55–70 passim [SB 1838], hier S. 26 (zu 335e). 2. f. 6v: Im Anschluss an das Ende von Noten zum Phaidros (s. o. zu Phaidros SN 182/2, f. 6r-v): links: „ad Protagoram“, Üs. (mittig): „Ruhnken“. Exzerpt aus: Ruhnken, David: Scholia in Platonem. [...], Leiden 1800 [SB 2202], S. 99 f. Reine Abschrift des griechischen Textes folgender Platonscholien, leicht gekürzt, ohne Stellenangaben (Stephanusnummerierung hier ergänzt): Μοριων αλλων επιστημη (330b), Δολιχοδρομων (355e), Ραβδουχον (338a). Der Text ist nicht ediert, da er eine bloße Abschrift aus Ruhnken ist. SN 185 Berlin BBAW, Nachlass Schleiermacher NS: 185 4o (Eigenhändige Notizen zu Platon-Studien, o. D.): 1. f. 3: Üs.: „De Hipponico“. Lateinisches Memorandum oder Exzerpt (mit Bemerkungen Schleiermachers) zur Datierung einzelner Figuren aus dem Protagoras. Text nicht ediert. 2. f. 4–8: Üs.: „Philostrati Vitae Sophistarum“, Untertitel: „Ed. Olear.“ Exzerpt von Stellen aus Philostratos: ΤΑ ΤΩΝ ΦΙΛΟΣΤΡΑΤΩΝ ΛΕΙΠΟΜΕΝΑ ΑΠΑΝΤΑ. Philostratorum quae supersunt omnia. Vita Apollonii libris VIII, Vitae Sophistarum libris II, heroica, imagines priores atque posteriores et epistolae, [...] omnia ex mss. codd. recensuit notis perpetuis illustravit versionem totam fere novam fecit Gottfridus Olearius, Leipzig 1709 [SB 1468], S. 494–497 und 278
Der Druck war offenbar schon zu weit fortgeschritten für die Übernahme von Korrekturen, vgl. z. B. unten S. 791 App. S zu W1 Anm. 38. Vgl. dazu auch unten Anm. 286.
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Einleitung der Bandherausgeber
630–631 mit chronologischer Zusammenfassung. Reines Exzerpt mit Auslassungen, daher nicht ediert. 3. f. 9–14: Exzerpt von Stellen aus Athenaios: Deipnosophistarum libri quindecim ex optimis codicibus nunc primum collatis emendavit ac supplevit nova latina versione et animadversionibus cum Is. Casauboni aliorumque tum suis illustravit commodisque indicibus instruxit Iohannes Schweighaeuser, Bd. 1–5, Straßburg 1801–1807 [SB 102], u. a. zur Problematik der Chronologie im Protagoras, also zu Buch V, 218b–e. 219e–f und XI, 505f–506a (siehe in dieser Edition S. 570). Reines Exzerpt mit Auslassungen, daher nicht ediert. Zum Protagoras sind also folgende Handschriften aus dieser Druckphase vorhanden bzw. zu erschließen: 1. Einleitung (verloren) 2. Überarbeitung der Übersetzung (wohl größtenteils neue Abschrift) (verloren) 3. Anmerkungen (verloren) 4. Noten Spaldings in SN 157, bezogen auf die (verlorene) Überarbeitung der Übersetzung Die verlorenen Handschriften sind vermutlich nach Einarbeitung der Korrekturen als Druckvorlagen an den Verlag geschickt worden. Die Entstehung der oben beschriebenen Handschriften lässt sich aus dem Briefwechsel Schleiermachers rekonstruieren:279 1803 — Dezember 14. da die Rücksendung des alten Platon-Materials (s. o.) durch Frommann noch nicht eingetroffen ist, klagt Schleiermacher darüber, dass er doppelte Arbeit machen muss280
279 280
Vgl. auch KGA V/7, S. XIX–XXII. KGA V/7, Nr. 1612 an C. G. von Brinckmann, 14.12.1803 (s. o. Anm. 214).
II. Die Handschriften des Bandes I/1 und ihre Entstehung LXXVII
1804 — Februar 1. Schleiermacher schickt an Spalding u. a. die Einleitung zum Protagoras281 und geht an die Überarbeitung des Dialogs in der Hoffnung, das alte Manuskript nutzen zu können282 — Februar 10. Spalding liest Korrektur, antwortet u. a. auf eine Frage zu Protagoras 344d und lobt die Einleitung zum Protagoras283 — Februar 15. Schleiermacher schickt an Reimer das Manuskript der Übersetzung des Protagoras samt Anmerkungen, deren Kennzeichnung im Manuskript erläutert ist. Die Handschrift besteht aus einzelnen Blättern, die eine Abschrift der alten Handschrift enthalten284 — März 28. Reimer teilt den Umfang des ersten Bandes und der einzelnen Teile mit: Protagoras ca. 8 Bogen285 — April 13. Spalding schickt Schleiermacher „publike“ und „private“ Noten zum Protagoras (zurück) und dazu 6 Blätter von Spalding (anscheinend SN 157), darin einerseits Änderungsvorschläge 281
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KGA V/7, Nr. *1647 an G. L. Spalding, 1.2.1804; Nr. 1648 an G. A. Reimer, 1.2.1804: „Mit der heutigen Post schicke ich an Spalding [...] die Einleitung zum Protagoras“ (Z. 2 f.). KGA V/7, Nr. 1648 an G. A. Reimer, 1.2.1804: „Da ich mich nun unverzüglich über den Protagoras selbst mache, den ich vielleicht nicht einmal ganz abzuschreiben brauche [...]“ (Z. 6 f.). KGA V/7, Nr. 1654 von G. L. Spalding, 10.2.1804: „Ich will Ihren Plato gewis ehrlich fördern; obgleich ich dieser Tage etwas in Rükstand gekommen bin, indeßen bin ich noch gut voraus vor dem Reimer mit seinem Drukker. [...] Die Einleitung zum Protagoras gefällt mir schön, und die zum Fädros überzeugt mich vollkommen.“ (Z. 17–27); vgl. auch zu Protagoras 344d. KGA V/7, Nr. 1660 an G. A. Reimer, 15.2.1804: „Hier, lieber Freund, kommt der Protagoras zu dem ich die Anmerkungen gleich ausgearbeitet habe. Die voranstehenden Textworte, worauf sie sich zunächst beziehen müssen wol auch wie sie hier unterstrichen sind im Druk ausgezeichnet werden durch Schwabacher oder breit gesperrt. Am inneren Rande der Anmerkungen habe ich die Seitenzahl des Manuscripts beigefügt und in diesem jede Stelle zu der eine Anmerkung gehört mit einem x bezeichnet, (das Zeichen † geht nur auf das Notizenblatt für Spalding) so daß es nun leicht sein wird die leergelassene Seitenzahl auszufüllen [...] Der Protagoras erscheint so in einzelnen Blättern weil ich immer hoffte dies und jenes von der alten Handschrift nuzen zu können; am Ende aber wurde doch alles zu kraus um andere als Setzer Augen damit zu quälen. Ich wundere mich nun fast über mich selbst daß ich ohnerachtet alles Abschreibens noch so zur beschlossenen Zeit fertig geworden bin.“ (Z. 2–10. 42–47). KGA V/7, Nr. 1696 von G. A. Reimer, 28.3.1804: „[...] der Phädrus wird ohngefehr mit dem 11ten Bogen schließen er hat folglich 6 Bogen gegeben ohne die Einleitung und mit derselben beinahe 8 Bogen; den Protagoras rechne ich etwa auf ebensoviel (8)“ (Z. 4–7).
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Einleitung der Bandherausgeber
zur Übersetzung, die wohl nicht mehr aufgenommen werden können, da er bis Pagina 41 des Protagoras-Manuskriptes bereits an den Drucker gegeben hat, andererseits Noten zu den Anmerkungen, bis zu deren Druck Schleiermacher sie noch einarbeiten und an Spalding zurückschicken kann.286 — April das Platon-Manuskript (wohl inklusive Protagoras) war vor dem Druck – allerdings bis auf die Einleitung zu kurzfristig – noch zur Korrektur bei A. W. Schlegel287
4. Laches Handschriften zur Vorbereitung des Druckes bei Georg Andreas Reimer SN 158/1 Berlin BBAW, Nachlass F. Schleiermacher NS: 158/1 4o (Eigenhändiger Entwurf der Übersetzung des Laches mit Einleitung und Anmerkungen, 12 Bl.), Aufschrift auf f. 1r: „Laches erster Entwurf angef. d. 28t. Novemb 3.“. Anmerkungen (abgekürzt: Anm.E) (f. 1v), Übersetzung des Dialogs (f. 2r–11v), Einleitung (f. 11v–12v). Teilweise flüchtig und mit zahlreichen Abbreviaturen, Streichungen und Korrekturen. Die Blattzählung ist sekundär. Zur Übersetzung des Dialogs am äußeren Rand: Stephanus- und Bipontina-Paginierung (nur Zahlen, wobei die Stephanus-Zahlen größer und z. T. unterstrichen sind). Alle diese Paginierungen sind in der Edition nicht wiedergegeben. Die einzelnen Anmerkungen (Anm.E) sind durchnummeriert von 1 bis 29. Diese Zahlen sind keine Verweiszahlen, sie finden sich im Text nicht. Der Bezug auf die jeweilige Textstelle wird durch Angabe der Stephanus-Seitenzahl und ein griechisches Lemma gewährleistet. 286
287
KGA V/7, Nr. 1710 von G. L. Spalding, 13.4.1804: „In großer Eil und ziemlicher Zerknirschung sende ich alle die beigehenden Papiere auf die reitende Post, um sie Ihnen so bald als möglich zu Handen zu bringen. Was ich von Veränderungen in der Übersezung vorgeschlagen, wird wol nicht mehr zu brauchen sein; denn heute noch habe ich an den Drukker schon schikken müßen soviel ManuSkript daß Ihre pagina 41 im Protagoras zu Ende geht. Auch sind das wahre Kleinigkeiten. Das meiste betrift die Anmerkungen, die doch erst zu Ende des ganzen Bandes erscheinen, und gegen die Zeit kann ich alles von Ihnen zurük erhalten. Auch hier werden Sie mich meistens als Jaherren erfinden; doch als einen nicht unfleißigen. Und wahren Dank bin ich Ihnen schuldig, daß Sie mich genöthigt haben, den Protagoras, daß Sie mich nöthigen, den ganzen Plato zu lesen. Wie göttlich schön ist dieser Protagoras!“ (Z. 2–14). KGA V/7, Nr. 1729 von A. W. Schlegel, April 1804.
II. Die Handschriften des Bandes I/1 und ihre Entstehung LXXIX
Nummerierung und Stephanus-Seitenzahl sind in der Edition nicht dokumentiert, da der Bezug der Anmerkungen als nummerierter Fußnoten in der Edition eindeutig ist. Hervorhebungen am Rand durch senkrechte Striche u. a. sind nicht dokumentiert. SN 158/2 Berlin BBAW, Nachlass F. Schleiermacher NS: 158/2 4o (Eigenhändige Abschrift der Anmerkungen zum Laches mit beigeschriebenen Noten von Spaldings Hand, o. D., 2 Bl.), Üs.: „Zum Laches“. Die Anmerkungen sind durch Angabe der Stephanus-Seitenzahl und das entsprechende griechische Lemma auf den Text bezogen. Die Stephanus-Seitenzahl ist in der Edition nicht dokumentiert. Zu diesen Anmerkungen (abgekürzt: Anm.A) gehörte offenbar eine (verlorene) Abschrift der Übersetzung des Dialogs (abgekürzt: Übers.A) sowie der Einleitung (abgekürzt: Einl.A). Die beigeschriebenen Noten Spaldings (abgekürzt: Spld.) sind in der Edition mit den Noten Spaldings in SN 158/3 zusammengefasst. In SN 158/2 sind die Noten teils interlinear, teils am Rand, teils auf einem separaten Blatt mit und ohne Zeichen den Anmerkungen Schleiermachers hinzugefügt. Diese Zeichen sind in der Edition nicht dokumentiert. SN 158/3 Berlin BBAW, Nachlass F. Schleiermacher NS: 158/3 4o (Noten von der Hand G. L. Spaldings zur Übersetzung des Phaidros und zur Übersetzung und – ergänzend zu SN 158/2 – zu einigen Anmerkungen zum Laches in der verlorenen Abschrift [vgl. zu SN 158/2], o. D., 4 Bl.), Üss. auf f. 1r: „Zum Fädrus.“ (es folgen die Noten zum Phaidros) sowie „Zum Laches.“ (es folgen die Noten zum Laches). Die Blattzählung ist sekundär. Die Noten sind durch Angabe der Stephanus-Seitenzahl (teils mit, teils ohne Zusatz von p.) und häufig der teils griechischen, teils deutschen Lemmata auf den Text (Übers.A [verl.] bzw. Anm.A) bezogen. Die Stephanus-Seitenzahlen sind in der Edition nicht dokumentiert. Zum Laches sind also folgende Handschriften vorhanden bzw. zu erschließen: 1. Entwurf der Einleitung (SN 158/1) 2. Entwurf der Übersetzung (SN 158/1) 3. Anmerkungen zum Entwurf der Übersetzung (SN 158/1) (Anm.E)
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Einleitung der Bandherausgeber
4. Abschrift der Einleitung (verloren) 5. Abschrift der Übersetzung (verloren) (Übers.A), zu erschließen aus den Anmerkungen in SN 158/2 (Anm.A) und den Noten Spaldings in SN 158/3 (Spld.). Die Varianten sind im App. T dokumentiert. 6. Anmerkungen zur Abschrift der Übersetzung (Anm.A) 7. Noten Spaldings (Spld.) in SN 158/2 und SN 158/3, bezogen auf die (verlorene) Abschrift der Übersetzung (Übers.A) sowie auf die Anmerkungen zur Abschrift (Anm.A) Die verlorenen Teile der Abschrift, nämlich die Einleitung und die Übersetzung, sind vermutlich nach Einarbeitung von Korrekturen nach den Noten Spaldings (Spld.) als Druckvorlagen an den Verlag geschickt worden. Für die Anmerkungen gab es vermutlich eine zweite Abschrift als Druckvorlage, sodass die in SN 158/2 vorhandenen Anmerkungen zur Abschrift der Übersetzung (Anm.A) im Nachlass Schleiermachers verblieben sind. Die Entstehung der oben beschriebenen Handschriften lässt sich aus dem Briefwechsel Schleiermachers rekonstruieren:288 1803 — November 28. Beginn der Laches-Übersetzung (Erster Entwurf [SN 158/1])289 — Dezember 17. letzte Durchsicht des Laches290 1804 — Januar 7. Übersendung des Laches (vermutlich Abschrift: Einl.A [verl.], Übers.A [verl.] und Anm.A [SN 158/2]) an Reimer291
288 289 290
291
Vgl. auch KGA V/7, S. XIX–XXII. Vgl. die Datumsangabe SN 158/1, f. 1r. KGA V/7, Nr. 1617 an G. A. Reimer, 17.12.1803: „Die Manuscripte [sc. die Frommann geschickt hat] fanden mich eben bei der lezten Durchsicht des Laches, den ich in wenigen Tagen ins Reine zu bringen hoffe.“ (Z. 9–11). KGA V/7, Nr. 1629 an G. A. Reimer, 7.1.1804: „Hier [...] empfängst Du [...] die Einleitung nebst dem Laches. Die unvermeidlichen Plackereien und Zerstreuungen beim Jahreswechsel machten es mir unmöglich sie einen Posttag eher abzusenden.“ (Z. 2–5).
II. Die Handschriften des Bandes I/1 und ihre Entstehung LXXXI
— Februar 24. Spalding kündigt die Rücksendung des Laches an292 — März 9. Spalding schickt (neben Noten zum Phaidros) sein erstes Blatt zum Laches (offenbar SN 158/3, f. 1) und kündigt die Rücksendung von Schleiermachers Abschrift mit seinen Noten an (Einl.A [verl.] [?], Übers.A [verl.], Anm.A [SN 158/2] und SN 158/3, f. 2–4)293 — März 10. Reimer schickt den durch Spalding revidierten Laches (Einl.A [verl.] [?], Übers.A [verl.], Anm.A [SN 158/2] und SN 158/3, f. 2–4)294 — April 7. Reimer bestätigt den Eingang des Laches (Druckvorlage [verloren]), den er gleich an Spalding weitergegeben hat295 — April 13. Spalding bestätigt den Eingang des Laches samt Anmerkungen (Druckvorlage [verloren])296 — April 19. Druck des Laches (sc. der Übersetzung) bald fertig297 — April 22. Druck des Laches (sc. der Übersetzung) fertig; Reimer schickt Aushängebogen vom Laches298
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KGA V/7, Nr. 1664 von G. L. Spalding, 24.2.1804: „Ihren Laches sollen Sie baldigst haben. [Es folgen Bemerkungen zu Phaidros 276c.]“ (Z. 112–114). KGA V/7, Nr. 1679 von G. L. Spalding, 9.3.1804: „Da ich mich als einen argen Sünder fühle, gegen Sie, so bin ich noch froh, eine kleine Buße dadurch zu thun, daß ich Ihnen die Inlage mit der reitenden Post schikke, es sind Ihre Fragen über den Fädrus, beantwortet von Heindorf und dann wieder etwas dazu Sie sehen von mir. Daneben noch mein erstes Blatt über Laches. Mit nächster fahrender Post bekommen Sie nun Ihr Manuscript des Laches, mit meinen Anmerkungen.“ (Z. 2–7). KGA V/7, Nr. 1682 von G. A. Reimer, 10.3.1804: „Spalding trägt diesmal die Schuld, daß Du diese Sendung um einen Posttag später erhältst: er versprach nemlich am vorigen Posttage den revidirten Laches abzuliefern, und hat ihn erst heute gesandt.“ (Z. 2–4). KGA V/7, Nr. 1704 von G. A. Reimer, 7.4.1804: „Der Laches und Charmides sind gestern richtig eingegangen, und ich habe sie gleich Spalding übergeben“ (Z. 8 f.). KGA V/7, Nr. 1710 von G. L. Spalding, 13.4.2804: „Laches und Charmides, nebst publiken Noten zu beiden, sind wohl verwahrt bei mir.“ (Z. 17 f.). KGA V/7, Nr. 1717 von G. L. Spalding, 19.4.1804: „Hier haben wir nun ausgemacht: Nur bis zum Laches inclusive geht Ihr erster Band vom Platon. [...] Sorgen Sie nur, daß die Noten, erst vom Fädrus, und so fort die andern, schnell herüberkommen. Bald ist der Laches abgedruckt.“ (Z. 25–30). KGA V/7, Nr. 1719 von G. A. Reimer, 22.4.1804: „Hier [...] noch eine Anzahl Aushängebogen; den 23ten habe ich gestern zur Correctur gehabt: er enthält gerade den Schluß des Laches [...]“ (Z. 2 f.).
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Einleitung der Bandherausgeber
Abb. 1: Archiv der Berlin Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (ABBAW): Phaidros: SN 154/1, f. 5r
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Abb. 2: Archiv der Berlin Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (ABBAW): Phaidros: SN 154/1, f. 5v
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Einleitung der Bandherausgeber
Abb. 3: Archiv der Berlin Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (ABBAW): Lysis: SN 155/1, f. 6v
Abb. 4a–c: Archiv der Berlin Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (ABBAW): Notizen zum Simonides im Protagoras: SN 156/2, f. 1r .1v. 2r
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Einleitung der Bandherausgeber
III. Editorischer Bericht Die Bände IV/3–8, die die Platon-Übersetzung Schleiermachers enthalten, sind nach den Editorischen Grundsätzen für die IV. Abteilung gestaltet.299 Die besonderen Gegebenheiten der hier veröffentlichten Texte machen jedoch zusätzliche Regelungen erforderlich.
1. Textgestaltung und zugehörige editorische Informationen A. Allgemeine Regeln Die für die eigenständigen Texte Schleiermachers und die einzelnen Platon-Dialoge jeweils unterschiedliche Überlieferungslage sowie die jeweilige Relevanz der Überlieferung machen in der Edition differenzierte Präsentationsformen nötig. Die eigenständigen Texte Schleiermachers (Vorerinnerung, Vorrede, Einleitungen sowie die Titelblätter) sind, sofern keine handschriftliche Überlieferung vorliegt, in der Fassung der zweiten Auflage als der Auflage letzter Hand ediert, wobei Varianten der ersten Auflage im textkritischen Apparat (T) dokumentiert sind. Sofern eine handschriftliche Fassung vorhanden ist (Lysis-Einleitung, Laches-Einleitung), werden die handschriftliche Fassung mit ihren Anmerkungen auf der linken Seite und parallel die gedruckte Fassung in der zweiten Auflage mit ihren Anmerkungen auf der rechten Seite ediert, wobei beiden Fassungen je ein auf den Text bezogener Apparat (T) mit Entstehungsvarianten und textkritischen Einträgen bzw. Varianten der ersten Auflage sowie je ein Sachapparat (S) beigegeben ist. Die Übersetzung der Platon-Dialoge selbst ist grundsätzlich in vier parallelen Spalten ediert: Spalte 1: griechischer Text der der Übersetzung zugrundeliegenden Vorlage; Spalte 2: handschriftliche Übersetzung samt Anmerkungen bzw. handschriftliche Vorarbeiten Schleiermachers (zum Protagoras) und zusätzlich ggf. im Zusammenhang mit der Genese der Übersetzung entstandene Noten Spaldings u. a.; Spalte 3: erste Auflage der gedruckten Übersetzung samt Anmerkungen; Spalte 4: zweite Auflage der gedruckten Übersetzung samt Anmerkungen. Spätere Auflagen oder Ausgaben werden nicht verzeichnet, da sie nach Schleiermachers Tod nicht von ihm autorisiert sind.
299
S. o. S. VIII–XIV.
III. Editorischer Bericht
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Die Anmerkungen, die in den gedruckten Texten der 1. und 2. Auflage in einem eigenen Anmerkungsteil am Ende des Bandes stehen und lediglich durch Angabe der Seite und Zeile mit gesperrtem Kurzzitat auf den erläuterten Übersetzungstext verweisen, ohne dass dort auf die Existenz der Anmerkung verwiesen ist, sind in der Edition als Fußnoten an den Text gebunden, den sie erläutern, und unter den Text gestellt. Für die Anmerkungen der handschriftlichen Fassungen gilt Entsprechendes. Der ersten Spalte ist nur ein Apparat beigegeben, der alle für die Übersetzung in ihren verschiedenen Bearbeitungsstufen relevanten Varianten, Konjekturen etc. bietet. Der zweiten, dritten und vierten Spalte ist je ein auf den Text oder Schleiermachers Anmerkungen bezogener Apparat (T) sowie ein Sachapparat (S) beigegeben. Sachinformationen (Apparat S), die im Prinzip zu jeder der drei Spalten in identischer Weise gegeben werden müssten, werden in der Regel nur an einem Ort gegeben, auf den dann von den beiden anderen verwiesen wird. Die G r u n d l a g e d e s e d i e r t e n Te x t e s ist jeweils am Anfang im (textkritischen) Apparat dokumentiert und ggf. beschrieben. Daneben sind die Quellen der angeführten Varianten genannt. Z e i c h e n s e t z u n g . Hinsichtlich der Zeichensetzung ist die Sparsamkeit, mit der Schleiermacher auch ausgedehnte Satzperioden nur durch wenige Interpunktionszeichen gliedert, durchaus programmatisch gewollt.300 Entsprechend werden im gedruckten Text keine Kommata ergänzt. S c h r e i b w e i s e . In die besonders in den Handschriften teilweise sehr schwankend gebrauchte Groß- und Kleinschreibung von Pronomina, Zahlwörtern, substantivierten Adjektiven und Anreden wird in der Regel nicht eingegriffen. Zweifelsfälle werden nach Kontext entschieden. Die in den Handschriften bisweilen schwer von ß unterscheidbare Kombination von langem und kurzem s ist – wie die Kombination von langem und kurzem s in den Druckausgaben – als ß ediert. Griechische Wörter sind in der Regel in der Schreibweise der jeweiligen Vorlage übernommen. Fehlende Akzente und diakritische Zeichen sind grundsätzlich nicht ergänzt. Hingegen ist -ῤῥ- immer ohne Spiritus wiedergegeben.
300
Vgl. oben Anm. 112+113.
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Einleitung der Bandherausgeber
In der zweiten Auflage (1817) ist eine (allerdings inkonsequente) Veränderung der Wortschreibung von „k“/„ck“ zu „kk“ sowie von „ß“ zu „ss“ zu beobachten. Bei den eigenständigen Texten Schleiermachers, die nach der zweiten Auflage ediert sind und bei denen die Varianten der ersten Auflage im textkritischen Apparat mitgeteilt werden, werden die Veränderungen der Schreibweise jeweils einzeln an der Belegstelle nachgewiesen oder bei gehäuftem Vorkommen in einem Abschnitt beim ersten Vorkommen zusammengefasst. Die Veränderung der Schreibweise der griechischen Eigennamen von -ä- in der ersten Auflage zu -ai- in der zweiten Auflage ist (fast) konsequent durchgeführt z. B. bei Phädros bzw. Phaedros/Phaidros, Phädon/Phaidon, Timäos/Timaios.301 Bei den eigenständigen Texten Schleiermachers, die nach der zweiten Auflage ediert sind und bei denen die Varianten der ersten Auflage im textkritischen Apparat mitgeteilt werden, werden die Veränderungen der Schreibweise jeweils einzeln an der Belegstelle nachgewiesen oder bei gehäuftem Vorkommen in einem Abschnitt beim ersten Vorkommen zusammengefasst. B. Besondere Regeln für Schleiermachers Manuskripte A b b r e v i a t u r e n . In Schleiermachers Manuskripten sind Wörter und Wortbestandteile häufig durch Kurzformen geschrieben, die auch kombiniert vorliegen können. Folgende Kurzformen und Abkürzungen werden stillschweigend ohne textkritischen Einzelnachweis am Ort aufgelöst:
ȧ̑ , ȃ ab 6`, -6`, 6`-, -6`B, Be b(-) Behptg, Bhptung bes. Bsple d dadh ds, dn 301
auch aber aus, -aus, aus-, -ausBegriff, Begriffe bei, beBehauptung besonders Beispiele der, die, das, den, dem dadurch deines, deinen
Vgl. oben Anm. 109–111.
dm, dn dergl, Dergl df -dg dh ds dselbige dse dsm dsn dsr dss dß
deinem, deinen dergleichen, Dergleichen darauf -dung durch das, dies dieselbige diese diesem diesen dieser dieses daß
III. Editorischer Bericht
₎ f, -f, fFrsch, Frschft, Frschaft -g
-en, -em, -er auf, -auf, aufFreundschaft -ung (mit Endungen) Heyne
H. Hnd(s), Hndf(s), Heind Heindorf(s) hher-ht -heit (mit Endungen) k, ke, kn,kr kein, keine, keinen, keiner -kt -keit -ɭ -lich (mit Endungen) -le, -ln -liche, -lichen -lkt -lichkeit m | man ȯ̑ , o nicht ȯ̑ s nichts od oder p. perge
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s, se, sm, sn,sr, ss sein, seine, seinem, seinen, seiner, seines s sich ſ̶ selbst -schft -schaft sd sind Tgd, Tgden Tugend, Tugenden Tpferkt, Tpfkt Tapferkeit u, u. und üb, -üb, übüber, -über, überübhpt überhaupt uebgs, Uebgs uebrigens, Uebrigens v von, vom V-, vVer-, vervr vor Vstd Verstand z zu, zur, zum Zt Zeit zw, zwn zwischen
Vereinzeltes kan/Kan neben kann/Kann oder kan/Kan mit Überstreichung von -n ist ebenfalls stillschweigend zu kann/Kann vereinheitlicht. Analog ist vereinzeltes komt zu kommt vereinheitlicht. C. Sachapparat Die Sachapparate machen Angaben zu den von Schleiermacher in den Einleitungen und Anmerkungen erwähnten, nicht aus sich heraus verständlichen Personen und Sachverhalten. Sie erläutern nicht die übersetzten Platontexte. Des Weiteren werden Schleiermachers Verweise auf antike Textstellen und Sekundärliteratur bibliographisch aufgelöst und nach Möglichkeit die von Schleiermacher verwendeten Ausgaben ermittelt. Schließlich wird die unmittelbare Auseinandersetzung der Zeitgenossen mit den Übersetzungen Schleiermachers, mitunter auch mit seinen textkritischen und interpretatorischen Vorschlägen, in Rezensionen und anderen zeitnahen Publikationen
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Einleitung der Bandherausgeber
dokumentiert, vorrangig wo dann Reaktionen Schleiermachers darauf aus Veränderungen zur zweiten Auflage hin deutlich sind.
2. Druckgestaltung A. Seitenaufbau Entsprechend den allgemeinen Regeln (s.o. 1.A.) werden die verschiedenen Texte geboten. Dabei sind drei verschiedene Formen verwendet: fortlaufende Folge von Einzelseiten oder auf Doppelseiten Synopsen von zwei oder vier parallelen Texten. a . S a t z s p i e g e l . Es werden untereinander angeordnet: Text des Originals, als nummerierte Fußnoten die Anmerkungen Schleiermachers, die in den Originalen mit der in der Edition weggelassenen Angabe der jeweiligen Bezugsstelle in einem eigenen Anmerkungsteil hinten bzw. in einzelnen Handschriften auch vorne hinzugefügt sind, ggf. Noten Spaldings u. a., textkritischer Apparat (T), Sachapparat (S). Einen Sonderfall bildet die zweite Spalte in der Edition der Protagoras-Übersetzung, für die keine handschriftliche Fassung erhalten ist, sondern nur Vorarbeiten. In diesem Fall sind untereinander angeordnet: verschiedene Vorarbeiten, Noten Spaldings u. a., textkritischer Apparat (T), Sachapparat (S). Zur besseren Orientierung ist auf jeder Seite der textkritische Apparat mit T bzw. T Anm. und der Sachapparat mit S bzw. S Anm. gekennzeichnet. b. Die Beziehung der Noten Spaldings (u. a.) sowie d e r A p p a r a t e a u f d e n Te x t erfolgt durch Angabe der Seitenzeile (s. o. S. XII). Die Beziehung der Noten Spaldings (u. a.) und der Apparate auf die Anmerkungen erfolgt durch den Verweis auf die Anmerkungszahl, ggf. mit Angabe der Seitenzeile und Bezugswort. Die handschriftlichen Vorarbeiten und Noten Spaldings im Protagoras sind durch Angabe der Stephanusseiten und der Seitenzeile des griechischen Textes (Spalte 1) zugeordnet. B. Gestaltungsregeln b . D i e S e i t e n z ä h l u n g wird jeweils auf dem Außenrand angegeben (s. o. S. XIII), und zwar zum griechischen Text generell die Stephanusseitenzählung mit Untergliederung, nicht die Seitenzählung der
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jeweils benutzten Ausgabe, zu den Handschriften die Blattzählung z. T. von Schleiermacher selbst, z. T. von anderer Hand (s. o. die Beschreibungen der einzelnen Handschriften), zu den Druckfassungen die Seitenzählung beider Auflagen, wobei auch für unpaginierte Seiten des Druckes stillschweigend Seitenzahlen am Rand der Edition angegeben sind. c. Horizontale Striche, z. B. Zierstriche und Abgrenzungsstriche, sind in der Edition nicht nachgeahmt, sondern in der Regel in Absätze, größere Abstände oder gar den Beginn einer neuen Seite umgesetzt.
3. Einleitung und Verzeichnisse Verzeichnisse Der Band enthält zusätzlich zu den Verzeichnissen der Zeichen und Abkürzungen, der Literatur, der Personen (mit Werken) und Orte ein Verzeichnis der Sachen, ein Verzeichnis griechischer Wörter und ein Verzeichnis von Schleiermachers eigenen Konjekturen zum griechischen Text. Ein Verzeichnis der Abbildungen schließt den Band ab. Das Ve r z e i c h n i s d e r S a c h e n führt Gegenstände und Begriffe an, die in der wissenschaftlichen Diskussion über Platon und die Platon-Übersetzung von einiger Wichtigkeit waren oder immer noch sind. Das Ve r z e i c h n i s g r i e c h i s c h e r Wö r t e r Wörter an, die als solche besprochen werden.
führt diejenigen
Das Ve r z e i c h n i s v o n S c h l e i e r m a c h e r s e i g e n e n K o n j e k t u r e n z u m g r i e c h i s c h e n P l a t o n - Te x t bietet eine Liste der Platon-Stellen, zu denen es originäre, d. h. eigene Konjekturen Schleiermachers zum griechischen Platon-Text gibt. Das Ve r z e i c h n i s d e r A b b i l d u n g e n weist die Provenienz der exemplarisch zur Illustration gegebenen Abbildungen nach.
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4. Spezifische Verfahrensweisen bei den einzelnen Dialogen Die Übersetzungen der Dialoge Platons sind nach dem oben beschriebenen Vier-Spalten-Prinzip ediert. Da zu den einzelnen Dialogen einerseits verschiedene griechische Ausgaben als Vorlage benutzt worden sind, andererseits Handschriften von unterschiedlicher Art und aus verschiedenen Entstehungszusammenhängen sowie verschiedene handschriftliche Materialkomplexe vorhanden sind, wird bei jedem Dialog im Rahmen der editorischen Regeln und Grundsätze in einzelnen Punkten in spezifischer Weise verfahren. A. Phaidros Der g r i e c h i s c h e Te x t (Spalte 1) ist aus der von Schleiermacher benutzten Ausgabe von Heindorf (1802)302 gegeben. Die dort am Rand mitgeführte Stephanusseitenzählung wird auf dem Außenrand angegeben. Nicht angegeben ist Heindorfs Seiten- und Kapitelzählung. Da Heindorf gegenüber den Vorgängereditionen Orthographica, Akzentsetzung und Interpunktion weitgehend normalisiert und modernisiert hat, sind Fehler, singuläre Interpunktionseigenheiten sowie orthographische Besonderheiten (z. B. Endsigma im Wortinneren, Gravis vor Interpunktion) in der Regel stillschweigend korrigiert bzw. normalisiert. Zu dem Text aus Heindorfs Ausgabe sind im Apparat die für die verschiedenen Stufen der Übersetzung einschlägigen Varianten aus den Vorgängereditionen sowie besonders die aus der Edition von Bekker (1816) mitgeteilt, die die Vorlage für die Überarbeitung der Übersetzung für die zweite Auflage ist. Außerdem sind Konjekturen Schleiermachers vermerkt, auch wenn sie bereits in Heindorfs Ausgabe gedruckt sind, da Schleiermacher bei der Erarbeitung der (handschriftlichen) Übersetzung noch nicht die gedruckte Ausgabe, sondern Heindorfs Handschrift bzw. Material und Vorarbeiten benutzt hat. Auf Auslassungen in den Übersetzungen gegenüber dem griechischen Text wird nur in besonderen Fällen im Apparat zum griechischen Text hingewiesen. Im Übrigen sind sie aus dem synoptischen Nebeneinander der Texte zu ersehen. Die H a n d s c h r i f t (Spalte 2) ist die Druckvorlage für die gemeinsam mit F. Schlegel geplante, aber gescheiterte Publikation im Verlag 302
Zu dem anfangs benutzten handschriftlichen Entwurf dieser Edition s. o. S. XIX sowie S. XLVII mit Anm. 167.
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Friedrich Frommann.303 Daher ist diese Handschrift relativ sorgfältig geschrieben und enthält vergleichsweise wenige Streichungen und Korrekturen und kaum Abbreviaturen. Zur Kennzeichnung der Sprecherwechsel sind die in der Handschrift verwendeten Abkürzungen wiedergegeben (z. B.: S. neben So. für Sokrates). Da die Handschrift vor dem Druck F. Schlegel zur Korrektur zugegangen ist, sind Schleiermachers Hervorhebungen und Markierungen, mit denen er F. Schlegel auf bestimmte Stellen hinweisen wollte, im textkritischen Apparat dokumentiert. Nicht verzeichnet dagegen sind unbedeutende Striche.304 Die wenigen Wortkorrekturen durch F. Schlegel sind in den edierten Text übernommen, da Schleiermacher diesen Korrekturen fast in allen Fällen sogar später in der ersten gedruckten Auflage gefolgt ist. Die Korrekturen F. Schlegels sind im textkritischen Apparat als solche gekennzeichnet und Schleiermachers ursprüngliche Übersetzung verzeichnet. Ebenso sind F. Schlegels kritische Bemerkungen in den Briefen zu einzelnen Stellen der Übersetzung im Apparat mitgeteilt. F. Schlegels Durchnummerierungen der von Schleiermacher eingetragenen Anmerkungszeichen sind vollständig im Apparat verzeichnet. Die übrigen Fremdeinträge in der Handschrift sind nicht wiedergegeben. Sie sind oben zur Phaidros-Handschrift beschrieben.305 Die g e d r u c k t e n Te x t e der 1. und 2. Auflage (Spalte 3 und 4) sind jeweils nach dem Wortlaut ihrer Vorlage wiedergegeben. Die Stephanusseitenzahlen auf dem äußeren Rand sind in der Edition nicht mitgeführt, da sie parallel zum griechischen Text am Rand erscheinen. Die zweite Auflage hat im Gegensatz zur ersten durchgehend Kolumnentitel, die in der Edition weggelassen sind. Die Varianten zwischen beiden Auflagen sind nicht eigens in den Apparaten angegeben, da sie aus der synoptischen Präsentation ersichtlich sind. Allerdings ist immer da, wo die Ursache einer Veränderung greifbar ist, diese im Sachapparat nachgewiesen. Heindorfs z. T. von Spalding annotierte Noten (SN 183/5) sowie Spaldings Noten und Korrekturen (SN 158/3) zur (verlorenen handschriftlichen) Druckvorlage der 1. Auflage, werden im Sachapparat von Spalte 3 im Wortlaut (in Anführungszeichen und recte) mitgeteilt, da diese Korrekturen an mehreren Stellen ohne Schleiermachers Autorisierung Eingang in die gedruckte 1. Auflage gefunden haben. 303 304 305
S. o. S. XV–XXVII und S. XLIII–XLVI. S. o. S. XLVI. S. o. S. XLIII–XLVI.
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B. Lysis Der g r i e c h i s c h e Te x t (Spalte 1) ist aus der von Schleiermacher benutzten Ausgabe von Heindorf (1802) gegeben. Anders als bei der Übersetzung des Phaidros hat Schleiermacher bei der Erarbeitung der Übersetzung des Lysis schon die gedruckte Ausgabe benutzt. Im Übrigen gilt das oben zu A. Phaidros Gesagte. Die Edition der H a n d s c h r i f t e n (Spalte 2) dokumentiert einen komplizierten Befund:306 a) Die Übersetzung des Lysis ist der erste Entwurf.307 Am äußeren Rand notierte Hinweise auf oder Notizen für Anmerkungen sind im textkritischen Apparat (T) wiedergegeben. Die verschiedenen am Rand angegebenen Paginierungen sowie Hervorhebungen am Rand sind in der Edition nicht dokumentiert. b) Die Anmerkungen zur Übersetzung sind in der Edition als nummerierte Fußnoten auf den Text der Übersetzung bezogen, auch wenn in der jeweiligen Handschrift andere Verweissysteme verwendet sind.308 Da es zwei Fassungen der Anmerkungen gibt, sind diese durch Kürzel gekennzeichnet: E bzw. in den Apparaten Anm.E für die Anmerkungen zu dem ersten Entwurf der Übersetzung (SN 155/1; s. o.), A bzw. in den Apparaten Anm.A für die Anmerkungen (SN 155/2) zu einer verlorenen Abschrift der Übersetzung, die in den Apparaten mit Übers.A (verl.) zitiert wird. Letztere sind technisch ebenso wie die zum ersten Entwurf gehörigen Anmerkungen in Ermangelung eines eigenen Bezugstextes auf den edierten Übersetzungstext bezogen. Die bisweilen erkennbaren Varianten der verlorenen Abschrift der Übersetzung (Übers.A) aus den auf sie bezogenen Anmerkungen (Anm.A) sind in den textkritischen Apparat (T) aufgenommen. Um das Material optisch nah zu präsentieren, sind beide Anmerkungsfassungen gleichwertig in den Fußnoten zusammengestellt, die für beide gemeinsam durchgezählt sind, auch wenn es zu einigen Stellen nur in der einen Fassung eine Anmerkung gibt. c) Gleichsam als sekundärer Apparat von Text und Anmerkungen Schleiermachers abgesetzt, werden die Noten Spaldings und anderer (SN 155/3) ediert, die sich z. T. auf die verlorene Abschrift der Übersetzung (Übers.A), z. T. auf die Anmerkungen zu dieser Abschrift (Anm.A SN 155/2) beziehen. Der Bezug ist jeweils angegeben über die Seitenzeile und das Kürzel Übers.A (verl.) als Hinweis auf die bisweilen vom edierten Text abweichende verlorene Abschrift 306 307 308
S. o. S. LXIII–LXVI. S. o. S. LXIII. S. o. S. LXIV.
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oder über den Hinweis auf die Fußnotenzahl der Anmerkung und den Buchstaben A zur Kennzeichnung der Anmerkungen der Abschrift. Die Handschrift der Noten Spaldings und anderer ist nach denselben Regeln ediert wie Schleiermachers Handschriften, allerdings ohne die Dokumentation der wenigen und in der Regel unbedeutenden Streichungen, Korrekturen und Versehen und weitgehend unter Beibehaltung der verwendeten Abkürzungen. Wo aus den Noten Spaldings u. a. Varianten der verlorenen Abschrift der Übersetzung (Übers.A) erkennbar sind, sind diese in den textkritischen Apparat (T) aufgenommen. Die Noten Spaldings u. a. erhalten keine eigenen Apparate, sondern erscheinen nur im Hinblick auf Schleiermachers Text und Anmerkungen der Handschrift(en) bzw. der gedruckten 1. Auflage in den Apparaten T und S, daher erhalten sie auch keine Zeilenzählung am Rand. Zitierte Literatur wird als Material, das Schleiermacher zumindest auf diesem Wege bekannt war, im Apparat S nachgewiesen. Die g e d r u c k t e n Te x t e der 1. und 2. Auflage (Spalte 3 und 4) sind jeweils nach dem Wortlaut ihrer Vorlage wiedergegeben. Die Stephanusseitenzahlen auf dem äußeren Rand sind in der Edition nicht mitgeführt, da sie parallel zum griechischen Text am Rand erscheinen. Die zweite Auflage hat im Gegensatz zur ersten durchgehend Kolumnentitel, die in der Edition weggelassen sind. Die Varianten zwischen beiden Auflagen sind nicht eigens in den Apparaten angegeben, da sie aus der synoptischen Präsentation ersichtlich sind. Allerdings ist immer da, wo die Ursache einer Veränderung greifbar ist, diese im Sachapparat nachgewiesen. C. Protagoras Der g r i e c h i s c h e Te x t (Spalte 1) ist aus der von Schleiermacher benutzten Zweibrücker Ausgabe (Bipontina) von 1782 gegeben. Die dort am Rand mitgeführte Stephanusseitenzählung wird auf dem Außenrand angegeben. Nicht angegeben ist die Seitenzählung der Zweibrücker Ausgabe. Die Besonderheiten in der Orthographie, Akzentsetzung und Interpunktion sind in der Regel beibehalten. In der Zweibrücker Ausgabe ist der Sprecherwechsel im griechischen Text nicht gekennzeichnet. Die Sprecherwechsel-Striche sind in der Edition der Orientierung halber analog zu Schleiermachers gedruckten Ausgaben hinzugefügt. In Zweifelsfällen ist der Befund im Apparat dokumentiert.
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Einleitung der Bandherausgeber
Zu dem Text aus der Zweibrücker Ausgabe sind im Apparat die für die verschiedenen Stufen der Übersetzung einschlägigen Varianten aus den Vorgängereditionen sowie die aus den Editionen von Heindorf (1810) und Bekker (1816) mitgeteilt, die für die Überarbeitung der Übersetzung für die zweite Auflage besonders relevant sind. Auf Auslassungen in den Übersetzungen gegenüber dem griechischen Text wird nur in besonderen Fällen im Apparat zum griechischen Text hingewiesen. Im Übrigen sind sie aus dem synoptischen Nebeneinander der Texte zu ersehen. Die H a n d s c h r i f t e n (Spalte 2) stellen einen Sonderfall dar. Es existieren nur handschriftliche Vorarbeiten und Exzerpte, keine handschriftliche Übersetzung. Ediert sind die Vorarbeiten zur Übersetzung für den ersten geplanten Druck (1801): a) ein Exzerpt aus Cornarius’ lateinischer Übersetzung und seiner Ekloge zum Protagoras. Die einzelnen Notizen sind mit den Seitenzahlen der Ed.Zweibrücken (Bipontina) auf die Stellen des griechischen Textes bezogen. Diese Seitenangaben sind in der Edition weggelassen und durch die Stephanusseitenzahlen mit dem Zusatz der Seitenzeile in dieser Edition ersetzt. b) eine Sammlung von Homer-Stellen und Material zur Rekonstruktion des Simonideischen Gedichtes. Die Stellenbezüge sind in der Edition durch die Stephanusseitenzahlen mit dem Zusatz der Seitenzeile in dieser Edition hergestellt, unabhängig davon, ob oder in welcher Weise in der Handschrift ein Bezug hergestellt ist. c) Gleichsam als sekundärer Apparat zu der verlorenen Übersetzung und den verlorenen Anmerkungen Schleiermachers, abgesetzt von den edierten Vorarbeiten, werden die Noten Spaldings (SN 157) ediert. Der Bezug ist jeweils angegeben mit Übers. oder Anm. (verl.) und der Stephanusseitenzahl mit dem Zusatz der Seitenzeile in dieser Edition, wobei die handschriftliche Bezugsangabe weggelassen ist. Wo aus den Noten Spaldings Lesarten der verlorenen Handschrift der Übersetzung (Übers.) erkennbar sind, sind diese in den textkritischen Apparat (T) aufgenommen. Im Übrigen gilt das oben zu B. Lysis Gesagte. Nicht ediert sind Exzerpte Schleiermachers, die den cursorischen Durchgang durch einzelne Werke dokumentieren (SN 182/2, SN 185)309, ohne der Klärung bestimmter Stellen zu dienen.
309
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Zu den g e d r u c k t e n Te x t e n der 1. und 2. Auflage (Spalte 3 und Spalte 4) gilt das oben zu B. Lysis Gesagte. D. Laches Der g r i e c h i s c h e Te x t (Spalte 1) ist aus der von Schleiermacher benutzten Zweibrücker Ausgabe (Bipontina) von 1784 gegeben. Im Übrigen gilt das oben zu C. Protagoras Gesagte. Allerdings gibt es für den Laches keine Ausgabe von Heindorf. Die Edition der H a n d s c h r i f t e n (Spalte 2) dokumentiert einen komplizierten Befund, der im Wesentlichen dem des Lysis entspricht (s. o. B. Lysis): a) Die Übersetzung des Laches ist der erste Entwurf.310 Die verschiedenen am Rand angegebenen Paginierungen sowie Hervorhebungen am Rand sind in der Edition nicht dokumentiert. b) Die Anmerkungen E bzw. in den Apparaten Anm.E für die Anmerkungen zu dem ersten Entwurf der Übersetzung (SN 158/1; s. o.) und A bzw. in den Apparaten Anm.A für die Anmerkungen (SN 158/2) zu einer verlorenen Abschrift der Übersetzung sind analog zum Lysis (s. o. B. Lysis) ediert. c) Die Noten Spaldings (SN 158/2+3) sind analog zum Lysis (s. o. B. Lysis) ediert. Da sie für den Laches auf zwei Handschriften verteilt sind, ist jeweils auf den Ort verwiesen, implizit auf SN 158/2 zu Anm.A, explizit auf SN 158/3. Zu den g e d r u c k t e n Te x t e n der 1. und 2. Auflage (Spalte 3 und Spalte 4) gilt das oben zu B. Lysis Gesagte.
IV. Danksagung Der vorliegende Pilot-Band ist das Produkt der Arbeit Vieler, ohne deren geduldige Kooperation er nicht hätte zustande kommen können. Neben den beiden im Titel genannten Bandherausgebern, die von der Entwicklung der Gesamtkonzeption im Jahr 2011 bis hin zum Abschluss des Bandes die editorische Arbeit geleistet haben, haben eine große Zahl von Personen mitgearbeitet oder die Arbeit unterstützt. Male Günther hat zunächst als studentische Hilfskraft an den Vorarbeiten, insbesondere an den ersten Transkriptionen der Handschriften, später als wissenschaftliche Mitarbeiterin (2011 bis 2013) 310
S. o. S. LXXVIII.
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an Kollationen und der ersten Rohfassung der Apparate mitgewirkt. Als studentische oder wissenschaftliche Hilfskräfte haben Sibylle Dose, Evgeniya Titova, Kleoniki Rizou, Luisa Leesemann, Jana Schwertfeger, Lukas Schellhorn, Laura Schmidt, Mareike Angres und Marvin Harms in unterschiedlichen Phasen des Projektes die Arbeit der Editoren in vielfältiger Weise unterstützt. Das Archiv der BerlinBrandenburgischen Akademie der Wissenschaften hat bereitwillig Zugang zu den handschriftlichen Archivalien im SchleiermacherNachlass gewährt, wichtige Handschriften als Digitalisate zur Verfügung gestellt und die Publikationserlaubnisse für Text und Abbildungen erteilt. Die Eutiner Landesbibliothek hat uns großzügig Zugang zu der seltenen Platonübersetzung von Johann Friedrich Kleuker gewährt, und die Universitätsbibliothek Kiel hat uns stets mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Die technische Realisierung der Edition erfolgte mit dem Computerprogramm „Classical Text Editor“ (CTE). Sein Entwickler Stefan Hagel (Wien) löste hilfsbereit manch ein projektspezifisches Problem. Sachliche oder bibliographische Unterstützung leisteten mehrfach die Schleiermacher-Forschungsstellen in Kiel und Berlin, namentlich Günter Meckenstock und Simon Gerber. Finanziell wurde das Projekt großzügig aus Mitteln der Fritz Thyssen Stiftung gefördert. Eine Anschubfinanzierung hat das Präsidium der Christian Albrechts Universität zu Kiel gewährt, die Philosophische Fakultät hat die Computer-Grundausstattung finanziert und das Institut für Klassische Altertumskunde hat dem Projekt Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt. Die administrative Seite des Projektes betreute stets umsichtig und zuverlässig Gabriela Wulff-Döbber, Claas Lattmann half vor Ort IT-technisch bei der Einrichtung von Hard- und Software. Der Verlag de Gruyter, namentlich Florian Ruppenstein und Albrecht Döhnert, hat uns bei der schwierigen Gestaltung des Bandes stets hilfsbereit beraten und unterstützt und – besonders am Ende – große Geduld bewiesen. Allen genannten Personen und Institutionen danken wir für ihre Mitwirkung, Hilfe und Unterstützung auf das Herzlichste. Ohne sie wäre ein Mammutprojekt wie dieses nicht möglich. Lutz Käppel Johanna Loehr
Kiel, den 30. April 2016
Platons Werke Erster Teil, erster Band
Erste und zweite Auflage (1804.1817) samt handschriftlicher Vorstufen und griechischer Vorlagen
Abb. 5a–b: Schmutztitel der 1. Auflage: Fehldruck und Neudruck
Schmutztitel
3
P L AT O N S
WERKE. ________________
ERSTEN THEILES ERSTER BAND.
Text nach: W2 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 21817, ungezähltes erstes Blatt mit Schmutztitel; verso: vacat). Die Exemplare von W1 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 11804) weisen eine andere, zwischen verschiedenen Exemplaren sogar variierende Blattfolge auf: (1) Ex. UB Kiel, Institut für Klass. Altertumskunde Sign. C 73.532A-1,1: Schmutztitel (ungez.): recto: PLATONS / WERKE. / Waagerechter Strich / ERSTEN THEILES ERSTER BAND.; verso: vacat [in dieser Edition S. 3 f.]. Titelblatt (= S. I unpaginiert): PLATONS / WERKE / VON / F. SCHLEIERMACHER / ERSTEN THEILES ERSTER BAND / Waagerechter Strich / BERLIN 1804 / IN DER REALSCHULBUCHHANDLUNG.; verso: vacat [in dieser Edition S. 5 f.]. S. III-VI: Text der Vorerinnerung [in dieser Edition S. 7-9]. Zwischentitel (= S. 1 unpaginiert): EINLEITUNG., verso: vacat [in dieser Edition S. 13 f.]. S. 3 ff.: Text der Einleitung usw. [in dieser Edition S. 15 ff.]. (2) Ex. UB Kiel, Theologische Institute Sign. Lc 7.1804.2-1,1: wie (1), jedoch in der Reihenfolge: Titelblatt (= S. I unpag.); Schmutztitel (ungez.); Zwischentitel (= S. 1 unpaginiert): EINLEITUNG.; S. III-VI: Text der Vorerinnerung; S. 3 ff.: Text der Einleitung usw. (3) Ex. UB Kiel, Theologische Institute Sign. Lc 7.1804.1-1,1, sowie UB Kiel, C 4040-1,1: wie (1), jedoch in der Reihenfolge: Titelblatt (= S. I unpag.); S. III-VI: Text der Vorerinnerung; Schmutztitel (ungez.): recto: PLATONS / WERKE. / Waagerechter Strich / ERSTEN THEILES ERSTER BAND., verso: vacat; Zwischentitel (= S. 1 unpaginiert): EINLEITUNG., verso: vacat; Schmutztitel (ungez.): recto: PLATON’S / WERKE. / Waagerechter Strich / ERSTEN THEILES ERSTER BAND., verso: vacat; S. 3 ff.: Text der Einleitung usw. (Diese Blattfolge auch in Ex. Harvard College Library KE30543 [= Hathi Trust Digital Library]). Der Typus (1) scheint der letztendlich gewollte zu sein (vgl. W2). Der Typus (3) scheint eine anfängliche Verwirrung zu sein. Sie resultiert wohl a) aus der Hinzufügung des Zwischentitels für die Einleitung (S. 1, also Hinzufügung vor dem Druck des ersten Bogens mit dem Text der Einleitung, S. 3 ff.), b) aus der Korrektur des ungezählten allgemeinen Schmutztitels (aus PLATON’S in PLATONS), wobei dann versehentlich beide Schmutztitel - der mit Apostroph und der ohne - eingebunden wurden und am Ende auch noch c) die richtige Reihenfolge vertauscht wurde. Vgl. G. A. Reimer an Schleiermacher, 28.3.1804: KGA V/7, Nr. 1696, 11-16 und 17-22.
Abb. 6a–b: Titelblätter der 1. Auflage und der 2. Auflage
Titelblatt
5
PLATONS
WERKE VON
F. SCHLEIERMACHER
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ERSTEN THEILES ERSTER BAND EINLEITUNG.................. S. 1. PHAIDROS ................... S. 53. LYSIS ........................... S. 171. PROTAGORAS ........... S. 215. LACHES ...................... S. 319. ANMERKUNGEN ...... S. 369. ______________________________________ ZWEITE VERBESSERTE AUFLAGE. _____________________________________________
BERLIN 1817, IN DER REALSCHULBUCHHANDLUNG.
Text nach: W2 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 21817, S. I unpaginiert). Varianten aus: W1 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 11804, S. I unpaginiert). 6–12 noch nicht in W1 13 BERLIN 1817,] BERLIN 1804 W1 S 1–4 PLATONS WERKE VON F. SCHLEIERMACHER] Formulierung des Titels nach dem Beispiel von Johann Heinrich Voß’ Homer-Übersetzung: Homers Werke von Iohann Heinrich Voss [...] (Bd. 1-4, Altona 1793; 2. Aufl. 1802). Vgl. Schleiermacher an G. A. Reimer, 7.1.1804: KGA V/7, Nr. 1629, 9-14: „In Hinsicht des Titels denke ich ist möglichste Kürze das Beste, und deßhalb habe ich auch nach dem Beispiel Voß des Aelteren sogar das Verdeutscht weggelassen.“; Reimer an Schleiermacher, 13.2.1804: KGA V/7, Nr. 1658, 44-47: „In Betreff des Titels bin ich Deiner Meinung, daß er so einfach als möglich sei, so auch wegen der bei den Ueberschriften und den Personen-Namen zu wählenden Uncialtypen.“
I W1+2
VORERINNNERUNG.
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III W1+2
Die Grundsäze, nach denen diese Uebersezung gearbeitet ist, wird Jeder leicht erkennen; sie zu vertheidigen, würde theils überflüssig sein, theils vergeblich. In Absicht aber auf die Art, wie ihnen überhaupt oder im Einzelnen genügt worden ist, erwartet der Uebersezer mit Freuden die Belehrungen sachverständiger Kunstrichter, und wird, was ihn überzeugt, nach Möglichkeit benuzen. Andere Uebersezungen in neuere Sprachen hat er währender Arbeit nicht zur Hand gehabt. Von der einzigen deutschen, welche sich über den ganzen Platon erstrekt, konnte er nach alter Kenntniß derselben wenig nuzbares für seinen Zwekk und seine Ansicht erwarten. Was aber die vorhandenen Uebertragungen einzelner Gespräche betrifft, so dünkte ihn theils, der Uebersezer des ganzen Platon habe Verpflichtungen auf | sich, welche IV W1 jene | nicht anerkennen dürfen oder wollen, und um derentwillen IV W2 Manches, was sonst ein glüklicher Fund wäre, muß zur Seite gelegt werden, theils scheute er die Gefahr, durch Herübernahme bald dieses bald jenes Einzelnen sich unvermerkt die Einheit und gleiche Haltung zu zerstören, die einem solchen Ganzen nothwendig sind. Sollte er in Zukunft in Beziehung auf einige wenige ausgezeichnete Versuche eine Ausnahme machen, so wird es nicht ohne Anzeige geschehen.
Text nach: W2 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 21817, S. III-VI). Varianten aus: W1 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 11804, S. III-VI). 3 überflüssig] überflüßig W1 10f derselben wenig nuzbares für seinen Zwekk und seine Ansicht erwarten] von ihr wenig nuzbares erwarten W1 S 6 Zu Kritik und Rezensionen vgl. unten die Vorrede zur zweiten Auflage: S. 10. 7f Eine Liste von Übersetzungen gibt es in der Ed.Zweibrücken (Bipontina) Bd. 1 (1781), p. XCIII-XCIV; vgl. auch Johann Friedrich Degen: Litteratur der deutschen Uebersetzungen der Griechen, Bd. 2, Altenburg 1798, S. 225-276; Nachtrag zu der Litteratur der deutschen Uebersetzungen der Griechen, Erlangen 1801, S. 242-261. 9f [Johann Friedrich Kleuker, Übers.]: Werke des Plato, 6 Bde., Lemgo 1778-1797. Diese Übersetzung ist schon erwähnt in den Briefen von Schleiermacher an F. Schlegel, 10.-11.7.1800: KGA V/4, Nr. 910.109; 14.3.1801: KGA V/5, Nr. 1030.53. 20 So erwähnt Schleiermacher z. B. in den Anmerkungen zum Phaidros die Übersetzung von Graf Friedrich Leopold zu Stolberg: Auserlesene Gespräche des Platon, 1. Theil, Königsberg 1796, in den Anmerkungen zum Protagoras z. B. die Übersetzung von Jean-Nicolas Grou: Dialogues de Platon. Par le Traducteur de la République. Tome premier. ... Amsterdam 1770.
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V W1 V W2
Vorerinnerung
In Absicht auf die Leseart wird er da, wo er nur aus dem bekannten Vorrath, den Varianten der alten Ausgaben, den Muthmaßungen des Stephanus, der Uebersezung des Ficin, und den Eklogen des Cornar wählen durfte, nur in dem Falle besondere Anzeige machen, wenn er nöthig findet, die Gründe seiner Wahl auseinanderzusezen, bei denen Gesprächen aber, die sich einer wirklich kritischen Bearbeitung er|freuen, wird er sich auf diese beziehen. Von seinen eigenen Versuchen zur Verbesserung des Textes endlich wird er nur diejenigen anzeigen, welche einen wirklichen Einfluß auf die | Uebersezung haben. Er bittet daher zu bemerken, daß grammatische Kleinigkeiten, bei denen dies nicht der Fall ist, hier gänzlich übergangen sind, so daß in lezter Hinsicht die Uebersezung gar keinen kritischen Werth haben wird. Auf der andern Seite aber werde ich als Uebersezer, der schlechthin für sein Bedürfniß Rath schaffen muß, mancher Vermuthung folgen, die ich als Herausgeber nicht nur nicht in den Text aufneh-
T 6f denen Gesprächen aber, die sich einer wirklich kritischen Bearbeitung er|freuen, wird er] wirklich kritischen Bearbeitungen aber, deren sich einzelne Gespräche er|freuen W1 7–9 Von seinen eigenen Versuchen zur Verbesserung des Textes endlich wird er nur diejenigen anzeigen] Ueber seine eigenen Versuche zur Verbesserung des Textes bittet er zu bemerken, daß er nur diejenigen anzeigen wird W1 10f haben. Er bittet daher zu bemerken, daß grammatische Kleinigkeiten, bei] haben, grammatische Kleinigkeiten aber, bei W1 11 übergangen sind] übergehen W1 13 werde ich] wird er W1 15 ich] er W1 S 2 In den Variae Lectiones, die die Ed.Zweibrücken (Bipontina) zu jedem Dialog mitteilt, finden sich z. B. Varianten aus folgenden alten Ausgaben: Ed.Venedig 1513 (Aldina), Ed.Basel 1534 (Oporinus) und Ed.Basel 1556 sowie aus Ed.Genf 1578 (Stephanus). Ferner gibt Heindorf in seiner Edition (1802-1810) zahlreiche Varianten an. 3 Stephanus’ Emendationen und Konjekturen in Ed.Genf 1578 (Stephanus) am Rand zum griechischen Text, vgl. T. 1, Bl. *.iiii.a-b. | Die lateinische Übersetzung des Marsilius Ficinus (erstmals im Druck erschienen Florenz 1484) ist in der Ed.Zweibrücken 1781-1787 (Bipontina) sowie dann in der Ed.Berlin 1816-1818 (Bekker) abgedruckt. 4 Platonis ... opera, quae ad nos extant omnia, per Ianum Cornarium ... Latina lingua conscripta. Eiusdem Iani Cornarii Eclogae decem, breviter et sententiarum, et genuinae verborum lectionis, locos selectos complectentes. ..., Basel 1561; separat gedruckt in: Iani Cornarii Eclogae in Dialogos Platonis omnes nunc separatim editae cura Ioh. Frider. Fischeri ..., Leipzig 1771. 6f Im Falle von Bd. I/1 liegt für die Dialoge Phaidros und Lysis die kritische Bearbeitung von Ludwig Friedrich Heindorf vor: Platonis Dialogi quatuor. Lysis, Charmides, Hippias Maior, Phaedrus. Annotatione perpetua illustravit Lud. Frid. Heindorf ..., Berlin 1802, welche Schleiermacher seiner Übersetzung auch zugrunde legt, während die Übersetzung der Dialoge Protagoras und Laches grundsätzlich dem textus receptus der Ed.Zweibrücken (Bipontina) folgt.
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Vorerinnerung
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men, sondern gar nicht oder nur mit großer Schüchternheit erwähnen würde. Viel Verdienste haben um die Uebersezung meine Freunde G. L. Spalding und L. F. Heindorf durch Auffindung des Richtigen und durch Warnung vor Mißgriffen. Die Einleitungen und Anmerkungen machen keinesweges Anspruch | darauf, einen Commentar zu bilden, sondern jene sollen nur VI W1 vornemlich die innern und äußeren Verhältnisse der platonischen Gespräche so viel nöthig auseinandersezen, diese sollen theils jene Ansichten im Einzelnen unterstüzen, theils dasjenige erläutern, was unkundigeren Lesern minder verständlich sein möchte. Wenn die er|sten unter den größeren Gesprächen sich in jener Hinsicht einer VI W2 vielleicht zu ausführlichen Behandlung erfreuen; so wird wohl in der Folge mehr Kürze können gewonnen werden, wenn die Leser erst als vertraut mit der Ansicht des Uebersezers und als ihr beipflichtend vorauszusezen sind. Die Zahlen am Rande bezeichnen die Seiten in Stephanus Ausgabe des Platon, die auf gleiche Weise von den Zweibrükker Herausgebern sind beigefügt worden. Stolpe im April 1804. F. SCHLEIERMACHER.
T 2 die Uebersezung meine] den Uebersezer seine W1 S 3 Georg Ludwig Spalding (1762-1811), Professor für griechische und hebräische Sprache am Gymnasium zum Grauen Kloster in Berlin. Vgl. Spaldings Noten zu den hier edierten Dialogen sowie den Briefwechsel bes. zwischen Schleiermacher und Spalding in den Jahren 1802-1804: KGA V/6 und V/7. | Ludwig Friedrich Heindorf (1774-1816), Klassischer Philologe, Subrektor am Köllnischen Gymnasium in Berlin, ab 1810 Professor der Universität in Berlin, später in Breslau und Halle. Vgl. Schleiermachers Briefwechsel in den Jahren 1800-1804: KGA V/3-7, sowie die Verweise auf mündliche Gespräche im Briefwechsel und im Einzelnen in den hsl. und auch gedruckten Anmerkungen zu den Dialogen. 16 Schleiermacher greift auf die gängige Zitierweise nach der Paginierung der Ed.Genf 1578 (Stephanus) zurück. Die erwähnten Zahlen am Rande der Schleiermacherschen Übersetzung erscheinen hier in der Edition nur als Numerierung am Rand der griechischen Vorlage; vgl. oben S. XXXV mit Anm. 116 und den Editorischen Bericht, S. XCIII. Vgl. auch S. 430, Spalte 2 App. T zu SN 155/2. 16f Ed. Zweibrücken 1781-1787 (Bipontina). Die Herausgeber dieser Ausgabe sind Friedrich Christian Exter (1746-1817) und Johann Valentin Embser (1749-1783).
10 VI W2
Vorrede zur zweiten Auflage
VORREDE zur zweiten Auflage des ersten Bandes.
VII W2
Wiewohl nach 12 Jahren kam mir die Aufforderung, diesen ersten Band meiner Uebersezung zum Behuf eines neuen Abdruks durchzusehen, dennoch fast zu früh. | Theils würde ich nach Vollendung des Ganzen mit mehr Lust und Geschikk an die Ueberarbeitung gegangen sein; theils hätte ich auch gern erst mehrere Beurtheilungen zur Hand gehabt, die mir bisher sehr sparsam vorgekommen sind; sei es daß sie diesen Arbeiten überhaupt nicht gegönnt werden, oder daß man sie gegen sonstige Sitte bei Werken von diesem Umfang bis zur Beendigung aufsparen will. Ich habe die wenigen nach Ueberzeugung benuzt, und mich übrigens begnügt zu bessern, was bei wiederholter Durchsicht sich mir selbst darbot, und was freundliche Erinnerung besonders Bekkers mich lehrte.
Text nach: W2 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 21817, S. VI-VIII). Unter einem Strich direkt im Anschluß an die Vorerinnerung. S 3 Ein Brief von G. A. Reimer an Schleiermacher ist aus den Jahren 1816-1817 nicht erhalten. 11 [Friedrich August Ludewig]: Rezension zu 1) Platons Werke v. Friedr. Schleiermacher. Berlin ... 1804. Ersten Theiles Erster Band. ... 2) Platons Phaidon, oder über die Unsterblichkeit der Seele, übersetzt von A. F. Lindau. Berlin ... 1804 ..., in: Neue allgemeine deutsche Bibliothek Bd. 93, 2. Stück, 8. Heft, Stettin 1804, S. 482-484 (vgl. jedoch zu Phaidros 245a-b Spalte 3 zu W1); [Anon.]: [Rezension zu] Platons Werke, von Friedrich Schleiermacher ..., ersten Theils erster Band, 1804 .... Zweyter Band, 1805. ... Zweyten Theils erster Band, 1805. ... Berlin ..., in: Neue Leipziger Literaturzeitung 90. Stück, 1806, Sp. 1425-1439; Friedrich Ast: [Rezension zu] Platons Werke von Fr. Schleiermacher. Berlin 1804, 1 Th. 1 B. ..., in: Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst, Bd. 1, 1.-4 Heft, Landshut 1808, S. 102-141; August Boeckh: Platons Werke von F. Schleiermacher. Ersten Theiles erster Band. Berlin 1804. Ersten Theiles zweyter Band, 1805., in: Heidelbergische Jahrbücher der Literatur für Philologie, Historie, Literatur und Kunst, Jg. 1., Heft 1 (1808), S. 81–121; auch in: Gesammelte kleine Schriften, Bd. 7, Leipzig 1872, S. 1-38; [Ferdinand Gotthelf Hand]: [Sammelrezension zu vier Platon-Publikationen, darunter] ... 3) ... Platons Werke, von F. Schleiermacher. Ersten Theiles erster Band. 1804. ... Ersten Theiles zweyter Band. 1805. ... Zweyten Theiles erster Band. 1805. ... Zweyten Theiles zweyter Band. ... Zweyten Theiles dritter Band. 1809. ..., in: Jenaische Allgemeine Literatur-Zeitung 10, Bd. 1, Januar 1813, Sp. 137-158. 14 Immanuel Bekker (1785-1871), dessen Platon-Ausgabe von 1816-1818 erschienen ist. Vgl. auch Johann Wilhelm Süvern an Schleiermacher, 11.7.1805: KGA V/8, Nr. 1992.14-112, bes. die in Z. 78-85 erwähnte Beilage mit Notizen zum Phaidros; vgl. dazu G. A. Reimer an Schleiermacher, 30.10.1804: KGA V/8, Nr. 1840.33-49.
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Vorrede zur zweiten Auflage
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Eine recht ins große gehende Belehrung über dasjenige, was ich nicht für das unbedeutendste halte an meiner Arbeit, hatte ich gehofft durch die von der Münchner Akademie gestellte Preisaufgabe, und eine um so unbefangenere, als die Akademie selbst das Beispiel gegeben hatte meiner Bemühungen gar nicht zu erwähnen. Leider nur scheint diese Aufgabe keinen Erfolg gehabt zu haben. Dagegen hat neuerlich Herr Ast – ich weiß | nicht ob verschmähend um jenen Preis VIII W2 zu werben – seine Ansichten von den Werken des Platon in einer eignen Schrift bekannt gemacht, die mir aber erst zugekommen ist, als
S 3–6 Denkschriften der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu München für das Jahr 1813, München 1814, S. XXXII-XXXIII: „g) Preisaufgabe. Das Programm, wodurch die in der funfzehnten öffentlichen Sitzung ... diesmal durch die philologisch-philosophische Classe aufgestellte Preisfrage zur öffentlichen Kenntniß gebracht wurde, lautet wie folgt: Da in den neuesten Zeiten die Schriften und Lehren des Plato ein Hauptgegenstand sowohl der philologischen als der philosophischen Untersuchungen geworden sind, der Erfolg dieser Untersuchungen aber zum Theil davon abhängt, was sich über Aechtheit und Zeitfolge der platonischen Schriften ausmitteln läßt, so glaubt die philologischphilosophische Classe der Akademie es dem Bedürfnisse der Wissenschaften, zu deren Förderung sie bestimmt ist, gemäß, die Aufmerksamkeit zuförderst auf die bezeichneten Gegenstände zu lenken, und ladet deshalb die Kenner des Plato zur Lösung folgender Aufgabe ein: ‚In wiefern läßt sich nach innern und äußern Gründen bestimmen, welche unter den Schriften, die dem Plato beygelegt werden, in Ansehung ihrer Aechtheit mit Recht als verdächtig anzusehen, oder geradezu als unächt zu verwerfen, und in welcher Zeitfolge die als ächt anerkannten nach einander abgefaßt worden sind.‘ Es ist der Classe nicht unbekannt, was über diesen Gegenstand bereits mit Scharfsinn und Gelehrsamkeit ist gesagt worden; aber da sich dieses zum Theil nur auf einzelne Punkte desselben bezieht, zum Theil nicht erschöpfend scheint, glaubt sie, daß das bisher Geleistete mehr als Vorarbeit zur Lösung jener Aufgabe zu betrachten sey, und daß, darauf weiter bauend, eine neue umfassendere Untersuchung des Ganzen um so eher zu einem gewünschten Resultate werde gelangen können. ... München, 28. März, 1813.“ Vgl. Denkschriften der Königlichen Academie der Wissenschaften zu München für die Jahre 1814 und 1815. Band V, München 1817, S. XXIV-XXV, wo eine auf diese Preisaufgabe hin eingegangene, jedoch nicht für preiswürdig erachtete Schrift besprochen ist. Diese Schrift ist vermutlich die im folgenden genannte Schrift von Friedrich Ast: Platon’s Leben und Schriften. Ein Versuch, im Leben wie in den Schriften des Platon das Wahre und Aechte vom Erdichteten und Untergeschobenen zu scheiden, und die Zeitfolge der ächten Gespräche zu bestimmen. Als Einleitung in das Studium des Platon ..., Leipzig 1816; vgl. L. Käppel: Die frühe Rezeption der Platon-Übersetzung Friedrich Schleiermachers am Beispiel der Arbeiten Friedrich Asts, in: Geist und Buchstabe ... Hrsg. von M. Pietsch und D. Schmid, Berlin/Boston 2013, S. 45-62, bes. 46 f. mit Anm. 3. 7 Fr. Ast: Platon’s Leben und Schriften, Leipzig 1816. Vgl. dazu Rez.Ast (1819), S. 69.
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Vorrede zur zweiten Auflage
bereits der größte Theil dieses Bandes zur Drukkerei gesandt war. Schon deshalb konnte ich nur weniges berüksichtigen; doch nehme ich auch keinen Anstand vorläufig zu erklären, daß, was die Astische Eintheilung von der meinigen abweichendes zu haben scheint, mir nicht so bedeutend vorkommt, daß ich um mich darauf einzulassen meine Einleitung würde geändert haben, und daß ich, was die Stellung und Aechtheit der hier vorkommenden Gespräche betrifft, durch die Astische Kritik keines andern bin überzeugt worden. Vielleicht findet sich in Zukunft Gelegenheit dieselbe näher zu beleuchten.
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Berlin im Oktober 1816.
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Zwischentitel Einleitung
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EINLEITUNG.
Text nach: W2 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 21817, S. 1 unpaginiert); identisch in: W1 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 11804, S. 1 unpaginiert).
1 W1+2
EINLEITUNG. Die griechischen Ausgaben der Werke des Platon pflegen denselben seine Lebensbeschreibung aus der bekannten Sammlung des Diogenes
Text nach: W2 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 21817, S. 3-52). Varianten aus: W1 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 11804, S. 3-52). S 1 Diese Einleitung zum Gesamtwerk wie auch die Einleitungen zu den Einzeldialogen sollten ursprüglich wie die Anmerkungen nach den Texten erscheinen; vgl. den Brief an Friedrich Schlegel, 10.1.1801: KGA V/5, Nr. 1008, 54-59: „[...] so macht man den Leuten recht deutlich daß sie nicht zu lesen verstehen und zwingt sie gleich zum zweiten Lesen.“ Zur Disposition der Einleitung vgl. Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 354, Notat 31: „Einleitung[:] 1.) Historischer Zustand der Philosophie[.] 2.) Kritisch. a. über die Aechtheit und ihre Kennzeichen[.] b. Ueber die Anordnung. Zu a. Wieweit geht die Autorität der Citationen. Skeptisch auch vom Aristoteles. Ueber das Gewicht früher Bezweiflungen über die Sammlung. Zu b. erstlich äußere Merkmale Zeugnisse. Anekdoten, die darüber erzählt werden schlechte Autoritäten. b. innere erstlich Facta die im Dialog vorkommen. Hiebei sind erstlich die doppelten Zeiten zu unterscheiden. Zweitens die Grundsätze zu erwägen. Zweitens philosophisch.“ Tatsächlich geschrieben ist der vorliegende Text November 1803 bis Anfang Januar 1804 (Briefe an G. A. Reimer, 11.11.1803: KGA V/7, Nr. 1590, 5 f.; 7.1.1804: KGA V/7, Nr. 1629, 1 f.). Erste Reaktionen zur Einleitung noch vor dem Druck von G. L. Spalding (Brief vom 16.1.1804: KGA V/7, Nr. 1640, 53-55; vgl. auch den Brief von L. F. Heindorf, 11.2.1804: KGA V/7, Nr. 1656, 40 ff.; zu Spaldings Korrekturen siehe zu S. 16,3), A. W. Schlegel (Brief vom 6.2.1804: KGA V/7, Nr. 1649, 28 f.) und G. A. Reimer (Brief vom 28.3.1804: KGA V/7, Nr. 1696, 60-93). Unter den Rezensionen (siehe auch Historische Einleitung, S. XXXVI-XL) nehmen zur Einleitung besonders ausführlich Stellung: Rez.Boeckh (1808), S. 81-95 = (1872), S. 1-14 (zustimmend, vgl. dazu MarieDominique Richard: La critique d’A. Boeckh de l’introduction générale de F. Schleiermacher aux Dialogues de Platon, Les Études philosophiques N. 1 [1998], S. 11-30); Rez.Ast (1808), S. 104-112 und Rez.Ast (1819), S. 55-65 (ablehnend). Schleiermachers umfassendste Stellungnahme zum Gesamtunternehmen und zu Rez.Boeckh (1808) und Rez.Ast (1808) findet sich in seinem Brief an August Boeckh vom 18.6.1808: KGA V/10, Nr. 2701. – Neuerdings zusammenfassend siehe J. A. Lamm: The art of interpreting Plato. The Cambridge Companion to Schleiermacher. Ed. J. Mariña. Cambridge 2005, S. 91-108; zuvor schon Lamm: Schleiermacher as Plato Scholar, The Journal of Religion 80 (2000) S. 206-239; zu den Vorläufern und Voraussetzungen ferner H. J. Krämer: Plato and the Foundations of Metaphysics, New York 1990, S. 15-28, 223-230; A. Arndt: Schleiermacher und Platon, in: Friedrich Schleiermacher, Über die Philosophie Platons, Hamburg 1996, S. VII-XXII. 3 Diogenes] Diogenes Laertius, Vitae Philosophorum III: z. B. in Ed.Basel 1534 (Oporinus), Bl. 1,5b-2,3b; Ed.Zweibrücken 1 (Bipontina), 1781, S. I-LX; dagegen explizit nicht aufgenommen in Ed.Genf 1578 (Stephanus), vgl. T. 1, Bl. ***.iii.b
3 W1+2
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4 W2 | 4 W1
Einleitung
voranzusezen. Allein nur die unverständigste Anhänglichkeit an einen alten Gebrauch könnte ein so rohes, ohne alles Urtheil zusammengeschriebenes Machwerk der Uebertragung würdigen. Eine Sichtung aber dieser und der andern alten Lebensbeschreibungen des Platon, verglichen mit dem, was sich sparsam und zerstreut in andern Quellen findet, hat bereits Tennemann in dem Leben des Platon vor seinem System der platonischen Philosophie angestellt. Da nun seitdem weder bedeutend tiefere Untersuchungen bekannt gemacht worden sind, noch neue Thatsachen entdekt, welche gegründete Hoffnung gäben, durch ihre Benuzung die angeführte Arbeit weit hinter sich zu lassen: so ist wol am besten, solche Leser, welche hierüber unterrichtet zu seyn wünschen, dorthin zu verweisen. Ein mehreres ist auch um so weniger nöthig, da niemand, der ein würdiger Leser der Schriften des Platon wäre, den Gedanken fassen kann, aus vielfach nacherzählten und entstellten Kleinigkeiten oder epigrammatischen Antworten, wären sie auch zuverlässig, über die Gesinnungen des Mannes ein Licht an|zün|den zu wollen, das seine Werke bestrahlen könnte; da vielmehr bei einem solchen Schriftsteller der verständige Leser aus den Werken selbst die Gesinnungen zu erkennen unternimmt. Was aber
T 3 Machwerk] Produkt W1. – Die Variante Produkt in W1 ist eine – von Schleiermacher gebilligte – Korrektur Spaldings statt Machwerk in Schleiermachers Manuskript (vgl. den Brief von Reimer vom 13.2.1804: KGA V/7, Nr. 1658, bes. Z. 36-38: „So hast Du zweimal den Ausdruck ‚Machwerk‘ gebraucht, und wie ich glaube mit gutem Vorbedachte und im rechten Sinn; dafür hat Spalding einmal Produkt ein andermal Arbeit gesetzt.“; dazu s. den Brief an Reimer vom 23.2.1804: KGA V/7, Nr. 1663, bes. Z. 31-34); Spaldings Korrektur wurde dann anscheinend in W2 rückgängig gemacht. Das Wort Machwerk kommt in Schleiermachers Einleitung nur an dieser Stelle vor, ebenso das Wort Produkt. Dagegen kommt das Wort Arbeit zweimal vor: S. 16,10 und S. 42,11. Da die erste Stelle positive Bedeutung hat, handelt es sich vermutlich an der zweiten Stelle um die erwähnte Korrektur Spaldings (vgl. den App. zur Stelle). 7 angestellt. Da nun] angestellt; und da W1 10f lassen: so] lassen, so W1 16 zuverlässig] wahr W1 17 könnte; da] könnte, da W1 19 selbst] fehlt W1 S 6 Tennemann] Wilhelm Gottlieb Tennemann: System der Platonischen Philosophie, Bd. 1, Leipzig 1792, S. 1-80 (Leben des Plato) 12 verweisen] Das Fehlen einer Biographie Platons in Schleiermachers Einleitung wird vorsichtig kritisiert von Rez.Boeckh (1808), S. 84 f. = (1872), S. 4 f. 15 entstellten Kleinigkeiten oder epigrammatischen Antworten] verstreut überlieferte Äußerungen Platons jenseits des Tetralogien-Korpus, wie z. B. Aussprüche (jetzt gesammelt in: Karl-Heinz Stanzel: Dicta Platonica, Diss. Tübingen 1987), Anekdoten (vgl. jetzt Alice Swift Riginos: Platonica, Leiden 1976), auch Epigramme, größtenteils in der Anthologia Palatina überliefert (jetzt in: Denys L. Page: Epigrammata Graeca, Oxford 1975, S. 47-55).
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Einleitung
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die größeren Begebenheiten seines Lebens betrifft, so scheinen gerade diejenigen genaueren Verhältnisse, aus deren Kenntniß sich noch vielleicht ein gründlicheres Verstehen manches Einzelnen in seinen Schriften entwickeln ließe, der späten Nachforschung für immer so weit entrükt zu sein, daß jede Vermuthung, die jemand darüber beibringen wollte, ein Wagestück wäre, und daß man sehr oft in seinen Schriften auf das bestimmteste nachweisen kann, es befinde sich da eine Anspielung auf irgend ein persönliches Verhältniß, ohne daß man jedoch dieses selbst zu errathen vermöchte. Ja sogar über die bekannteren Vorfälle seines Lebens, seine merkwürdigen Reisen nämlich, läßt sich so wenig genaues mit Gewißheit ausmitteln, daß nicht sonderlicher Gewinn daraus zu machen ist für die Zeitbestimmung und Anordnung seiner Schriften, und daß man höchstens hie und da den Ort wahrscheinlich machen kann, wo jene die Reihe von diesen unterbrechen. Solche einzelne Vermuthungen also werden besser dort unmittelbar vorgetragen, wo sie vielleicht einiges Licht verbreiten können. Näher zum Zwekke gehörig, wenn es nur innerhalb der vorgestekten Grenzen möglich wäre, würde es allerdings sein, einiges beizubringen über den wissenschaftlichen Zustand der Hellenen zu der Zeit, als Platon seine Laufbahn betrat, über die Fortschritte der Sprache in Absicht auf die Bezeichnung philosophischer Gedanken, über die damals vorhandenen Schriften dieser Art und den muthmaßlichen Grad ihrer Verbreitung. | Denn hier ist unstrei|tig nicht nur noch vieles genauer 5 W2 | 5 W1 als bisher geschehen auseinander zu sezen, und einiges ganz aufs neue zu untersuchen, sondern es giebt vielleicht noch Fragen aufzuwerfen,
T 1 größeren] fehlt W1 4 der späten Nachforschung] unserer Nachforschung W1 1 7 nachweisen] anzeigen W 7–9 es befinde sich da eine Anspielung auf irgend ein persönliches Verhältniß, ohne daß man jedoch dieses selbst zu errathen vermöchte] wo sich eine Anspielung auf irgend ein persönliches Verhältniß befindet, ohne dieses selbst errathen zu können W1 11f nicht sonderlicher Gewinn] wenig Gewinn W1 18 Zwekke] auch in den Formen Zwekk, Zwekken Endzwekk grundsätzlich statt Zwek, -zwek, -zweck W1, vgl. dazu den Editorischen Bericht, S. LXXXVII f. 22 Gedanken] Ideen W1 24 unstreitig nicht nur] -tig nicht nur fehlt nach Seitenwechsel W1 24f genauer als] genauer, als W1 25 geschehen auseinander] geschehen, auseinander W1 | einiges] fehlt W1 26 sondern es giebt vielleicht noch Fragen aufzuwerfen] ja vielleicht Fragen aufzuwerfen W1 S 10 Reisen] drei sizilische Reisen: 387 (389-388?); 367-366 (366-365?); 361-360 v. Chr.; vgl. auch Tennemann: System der Platonischen Philosophie, Bd. 1 (1792), S. 30 f. 25 bisher] Ansätze hierzu z. B. bei Tennemann: System der Platonischen Philosophie, Bd. 1 (1792), S. 267-288
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6 W1 | 6 W2
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die dem Kenner dieser Gegenstände nichts weniger als gleichgültig sein können, und an welche man doch bisher so gut als gar nicht gedacht hat. Allein das Neue und Zweifelhafte solcher Untersuchungen im Zusammenhange zu verfolgen, würde diesem Orte nicht angemessen sein; und Einzeles auch aus diesem Gebiete bleibt allenfalls, es sei nun als Erläuterung oder als widerlegende Bedenklichkeit gegen das bisher angenommene, besser dem bestimmten Orte vorbehalten, auf welchen es sich bezieht. Das Allgemeine aber und Bekannte ist auch in den deutschen Berichterstattern über die Geschichte jenes Zeitraumes der Philosophie zwekmäßig dargestellt, soweit es zur Vorbereitung auf das Lesen der Platonischen Schriften überhaupt höchst nothwendig ist, um nicht im Finstern zu tappen, und den richtigen Gesichtspunkt zu ihrem Verständniß und ihrer Schäzung gleich von vorn herein gänzlich zu verfehlen. Denn diese Schriften sind überall voll von offenbaren und verstekten Beziehungen auf fast alles frühere und gleichzeitige. Und eben so auch, wer nicht von dem dürftigen Zustande der Sprache in philosophischer Hinsicht soviel Kenntniß hat, daß er fühlt, wo und wie Platon durch sie beschränkt wird, und wo er sie selbst mühsam weiter bildet, der wird ihn, und zwar an den merkwürdigsten Orten am meisten, nothwendig mißverstehen. Von der Philosophie des Platon selbst soll aber absichtlich, wäre es auch noch so leicht und mit wenigem abgethan, hier vorläufig nichts gesagt werden, indem der ganze End|zwekk dieser | neuen Darlegung
T 14f diese Schriften sind] sie sind W1 S 9f deutschen Berichterstattern über die Geschichte jenes Zeitraumes der Philosophie] Vgl. Jacob Brucker: Historia critica philosophiae a mundi incunabulis ad nostram usque aetatem deducta, Bd. 1, Leipzig 1742, S. 627-728 (De Platone eiusque Philosophia) [SB 361]; Christoph Meiners: Geschichte des Ursprungs, Fortgangs und Verfalls der Wissenschaften in Griechenland und Rom, Bd. 2, Lemgo 1782, S. 683-808 (Geschichte des Plato und seiner Philosophie) [SB 1251]; Johann August Eberhard: Allgemeine Geschichte der Philosophie zum Gebrauch academischer Vorlesungen, Halle, 1. Aufl. 1788, S. 133-144; 2. verb. Aufl. 1796, S. 137-146 [SB 574]; Dieterich Tiedemann: Geist der spekulativen Philosophie, Bd. 2 (Sokrates bis Carneades), Marburg 1791, S. 63-198 [SB 1998]; vgl. auch Dieterich Tiedemann: Dialogorum Platonis argumenta exposita et illustrata, Zweibrücken 1786 (= Ed.Zweibrücken 12 [Bipontina]) [SB 1490]; Johann Gottlieb Buhle: Lehrbuch der Geschichte der Philosophie und einer kritischen Literatur derselben, 2. Theil, Göttingen 1797, S. 3-275 (Geschichte der Platonischen Philosophie) [SB 375]; Wilhelm Gottlieb Tennemann: Geschichte der Philosophie, Bd. 2, Leipzig 1799, S. 188-525 [SB 1968].
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seiner Werke dahin geht, durch die unmittelbare genauere Kenntniß derselben allein jedem eine eigne, sei es nun ganz neue oder wenigstens vollständigere, Ansicht von des Mannes Geist und Lehre möglich zu machen. Welchem Endzwekk ja nichts so sehr entgegenarbeiten würde, als ein Bestreben, dem Leser schon im Voraus irgend eine Vorstellung einzuflößen. Wer also mit diesen Werken bisher noch nicht unmittelbar bekannt gewesen, der lasse, was ihn fremde Berichte über ihren Inhalt und die daraus zu ziehenden Folgerungen gelehrt haben, unterdessen auf seinem Werthe beruhen, und suche es zu vergessen; wer aber aus eigner Kenntniß derselben sich bereits ein Urtheil gebildet hat, wird bald inne werden, in wiefern durch den Zusammenhang, in welchem er diese Schriften hier dargelegt findet, auch seine Ansichten eine Abänderung erleiden, oder wenigstens sich besser verknüpfen und mehr Umfang und Einheit gewinnen, dadurch, daß er den Platon auch als philosophischen Künstler genauer, als wohl bisher geschehen ist, kennen lernt. Denn in vielfacher Hinsicht hat wohl unter allen, die es von jeher gegeben, kein Philosoph ein solches Recht gehabt jene nur zu allgemeine Klage anzustimmen über das falsch oder gar nicht verstanden werden, als eben der unsrige. Die gröbsten zwar unter diesen Mißverständnissen sind besonders durch neuere alles Dankes werthe Bemühungen größtentheils gehoben; indessen wer Achtung giebt, wie obenhin oder mit vergeblich verstektem Gefühle der Unsicherheit auch die besten Erklärer über die Absichten einzelner Platonischer Werke reden, oder wie leicht und lose sie den Zusammenhang des Inhaltes mit der | Form im Einzelnen 7 W1 sowol als im Ganzen behandeln, der wird Spuren | genug finden, daß 7 W2 auch bei allen besseren Ansichten ein vollständiges Verstehen noch nicht überall zum Grunde gelegen hat, und daß dieses auch auf den Punkt noch nicht gebracht ist, auf den wir es doch selbst mit unsern unzureichenden Hülfsmitteln bringen könnten. So daß jene Zufriedenheit etwas unreif zu sein scheint, welche behauptet, wir könnten den Platon jezt schon besser verstehen, als er sich selbst verstanden habe,
T 3 vollständigere, Ansicht] vollständigere Ansicht W1 18 gehabt jene] gehabt, jene W1 21 neuere alles] neuere, alles W1 29 doch selbst] fehlt W1 S 21 neuere…Bemühungen] neben Tennemann: System der Platonischen Philosophie, Bd. 1-4 (1792-1795) [SB 2715], vor allem Ludwig Heindorf: Platonis Dialogi Selecti, Bd. 1, Berlin 1802; gerade im Entstehen Bd. 2-4 (vgl. Briefwechsel KGA V/4-7 passim, siehe Index s. v. ‚Heindorf‘), erschienen Berlin 1805-1806 [SB 1491] 32 besser verstehen, als er sich selbst verstanden habe] Vgl. Schleiermacher KGA I/11, S. 618,15 f.
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und daß man belächeln kann, wie sie den Platon, welcher auf das Bewußtsein des Nichtwissens einen solchen Werth legt, so unplatonisch suchen will. Mindestens um eine Hälfte betrügt sie sich, um alles dasjenige nämlich, was in der Philosophie des Platon nur dadurch verstanden werden kann, daß man die große Absichtlichkeit in der Zusammensezung seiner Schriften gehörig zu würdigen, und soviel möglich zu ahnden weiß. Und in dieser Hinsicht besonders ist zu dem, was Andere auf andere Weise gethan haben, ein Versuch, wie der gegenwärtige, ein nicht leicht entbehrliches Ergänzungsstück, und muß, in dem Maße als er gelingt, auch beitragen das Verständniß des Platon weiter zu fördern. Dies leuchtet gewiß einem jeden von selbst ein; denn niemand wird in Abrede sein, daß außer den allgemeinen Schwierigkeiten, die es hat, irgend einen Andern als den Gleichgesinnten auf dem Gebiete der Philosophie gründlich zu verstehen, in Beziehung auf den Platon noch als eigenthümliche Ursach hinzukommt seine gänzliche Abweichung von den üblichen Formen der philosophischen Mittheilung. Es giebt nemlich deren besonders zweie, in welchen die größte Masse dessen, was gemeinhin Philosophie heißt, | sich mit dem meisten Wohlgefallen bewegt. Zuerst diejenige, welche man die systematische nennt, | weil sie nemlich das ganze Gebiet in mehrere besondere Wissenschaften eintheilt, und jedem von diesen bestimmten Theilen des Ganzen sein besonderes Werk oder Abschnitt widmet, worin er aus Zimmern und Stockwerken grundrißmäßig aufgebaut wird, so daß, wem nur das Gedächtniß und die Finger nicht versagen, alles, ohne Fehler wenigstens, wenn auch nicht ohne Mühe, nachmessen und nachzeichnen kann, woraus denn leicht die Meinung entsteht, als sei es etwas, und als habe auch der Betrachtende es nachgebildet und verstanden. Denn so schlecht begründet und auf Gerathewohl eingetheilt auch öfters diese Gebäude sind, so haben sie
T 1 daß man] sie W1 | wie] daß W1 10 muß, in] muß in W1 | Maße als] Maaße, als W1 | beitragen das] beitragen, das W1 11f fördern. Dies leuchtet gewiß einem jeden von selbst ein; denn] fördern, welches gewiß einem jeden von selbst einleuchtet. Denn W1 17 Es giebt nemlich deren] Von diesen giebt es W1 18 welchen] denen sich W1 19 sich mit dem meisten Wohlgefallen bewegt] wohlgefällt W1 20 man die systematische nennt, weil sie nemlich das] dies W1 22 oder Abschnitt] fehlt W1 29 eingetheilt] angelegt W1 | auch öfters diese Gebäude] auch diese Gebäude öfters W1 S 20 systematische] unter den Platoninterpreten vor allem Tennemann: System der Platonischen Philosophie, Bd. 1-4 (1792-1795); Dieterich Tiedemann: Geist der spekulativen Philosophie, Bd. 2, Marburg 1791, S. 63-198; auch Eberhard: Allgemeine Geschichte, S. 133-144
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doch ein einnehmendes Ansehn von Festigkeit und Ordnung, und man hält es für leicht, nicht nur das Einzelne für sich, sondern auch im Zusammenhange mit den andern Theilen des Gebäudes zu verstehen, wozu der Urheber selbst durch unvermeidliche Rükweisungen deutliche Anleitung geben muß. Die zweite nicht seltener gebrauchte und nicht minder beliebte Form ist die fragmentarische, welche es nur mit einzelnen Untersuchungen zu thun hat, und aus solchen abgerissenen Stücken, von denen man schwerlich sicher sein kann, ob sie auch wirkliche Glieder sind, oder nur willkührlich und widernatürlich abgesondert, dennoch die Philosophie begreiflich machen will. Wiewol nun hier, der Natur der Sache nach, Ungründlichkeit und Unverständlichkeit recht einheimisch sind, weil man sich ja über den Mittelpunkt und den Ort, wo man steht, nicht verständiget hat: so gewinnt doch auch diese Art einen Anschein von Leichtigkeit und Sicherheit dadurch, daß sie ihr Ziel im Voraus bestimmt, benennt, und in gerader Richtung darauf zu geht. In diesem Sinn ist auch | die | dialogische Be- 9 W1 | 9 W2 handlung nicht selten angewendet worden, und mancher hat sich den Ruhm erschlichen, ein glücklicher Nachahmer des Platon, vielleicht noch sokratischer und klarer zu sein, der doch aus Platons Kunstform nichts zu machen gewußt als eine lose Einkleidung dieser losen Behandlungsweise. Wer nun durch die Hülfsmittel, welche diese Methoden darzubieten scheinen, verwöhnt ist, der muß im Platon alles wunderlich, und entweder leer oder geheimnißvoll finden. Denn wiewol die Eintheilung der Philosophie in verschiedene Disciplinen ihm so wenig fremde war, daß man ihn vielmehr gewissermaßen als den ersten Urheber derselben ansehen kann: so ist doch fast keine seiner Schriften auf eine dieser Disciplinen besonders beschränkt. Sondern weil er ihre wesentliche Einheit und ihr gemeinschaftliches Gesez für das größere hielt und dem vorzüglich nachstrebte: so sind
T 2 man hält es für] es scheint W1 6 Form] fehlt W1 13 hat: so] hat, so W1 16 In diesem Sinn] So W1 16f Behandlung] Form W1 18 Platon] Platon zu seyn W1 19 zu sein] fehlt W1 19–21 der doch aus Platons Kunstform nichts zu machen gewußt als eine lose Einkleidung dieser losen Behandlungsweise] der nichts aus der Erfindung zu machen gewußt als dieses W1 26 kann: so] kann; so W1 27 dieser Disciplinen] derselben W1 27f beschränkt. Sondern] beschränkt, sondern W1 29 nachstrebte: so] nachstrebte, so W1 S 6 fragmentarische] z. B. Buhle: Lehrbuch, Bd. 2, S. 1-275, bes. 44 f.; unter den zeitgenössischen Platoninterpreten z. B. Friedrich Ast: De Platonis Phaedro, Jena 1801; vgl. dazu die Rezension von Schleiermacher von 1802 (KGA I/3, S. 469-481) 16 dialogische] vielleicht Friedrich Schlegel; vgl. Schlegel, KA 13, S. 205; 11, S. 119; 12, S. 209-211 u. a.
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die verschiedenen Aufgaben überall mannigfaltig unter einander verschlungen. Wer aber deshalb auf der andern Seite diese Werke zu den fragmentarischen herabsezen will, der muß sich doch immer verlegen finden über den eigentlichen Inhalt, welcher sich selten buchstäblich ausspricht, und er wird sich insgeheim gestehen müssen, der Mann scheine nicht die bescheidene Absicht gehabt zu haben, nur einzelne Gegenstände abzuhandeln, sondern entweder habe er auch diese nicht einmal gehabt, oder eine weit größere. Daher nun über den Platon und seine Schriften die zwiefachen unrichtigen Urtheile, welche fast von je her sind gefällt worden. Das eine nämlich, daß es vergeblich sei, in seinen Schriften irgend etwas Ganzes, ja auch nur die ersten Grundzüge einer sich selbst gleichen und durch | alles hindurchgehenden philosophischen Denkart und Lehre aufzusuchen, vielmehr | schwanke alles darin, und kaum irgend etwas stehe in fester Beziehung mit dem übrigen; ja häufig widerstreite eines dem andern, weil er nämlich mehr ein übermüthiger Dialektiker sei als ein folgerechter Philosoph, mehr begierig Andre zu widerlegen als fähig oder gesonnen ein eignes wohlgegründetes Lehrgebäude aufzuführen; und wo es ihm um den Schein eigner Behauptungen zu thun sei, da suche er die Bestandtheile bald aus dieser bald aus jener sonst bestrittenen Lehre für den jedesmaligen Zwekk erst zusammen. Ein solches Urtheil nun ist nichts anderes, als ein verkleidetes Geständniß des gänzlichen Nichtverstehens der platonischen Werke, und zwar vorzüglich um ihrer Form willen, wobei nur der Grund des Gefühles verkannt, und anstatt ihn in dem Beurtheilenden zu suchen, in das Beurtheilte gesezt wird. Es ist aber nicht nöthig diese geringschäzige Ansicht ausführlich zu würdigen, da sie selbst hinreichendes Zeugniß gegen sich ablegt. Denn indem sie über Widerspruch und Unzusammenhang klagt, beweiset sie doch nicht, daß sie das Einzelne
T 2 diese] seine W1 5 er wird sich insgeheim] wird insgeheim W1 6 gehabt] W1 gebabt W2 7f entweder habe er auch diese nicht einmal gehabt] entweder auch diese nicht einmal W1 9 Daher] ohne Absatz W1 12f gleichen und] gleichen, und W1 14 und] fehlt W1 15 übrigen; ja häufig widerstreite] übrigen, vielmehr widerstreite häufig eines W1 17 sei als] sei, als W1 | begierig Andre] begierig, Andre W1 17f widerlegen als] widerlegen, als W1 18 gesonnen ein] gesonnen, ein W1 19 aufzuführen; und] aufzuführen, und W1 21 für den jedesmaligen Zwekk erst] fehlt W1 22 Ein solches Urtheil] Dieses W1 23 der platonischen Werke] seiner Werke W1 26 nöthig diese] nöthig, diese W1 S 10f Das eine] so z. B. Buhle: Lehrbuch, Bd. 2, S. 44 f.
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richtig aufgefaßt habe; oder woher sonst jene wunderlichen Untersuchungen, unter welchen Personen Platon wenigstens über dies und jenes seine eigne Meinung vorgetragen? eine Frage, welche weil sie voraussezt, seine dialogische Form sei nur eine ziemlich unnüze mehr verwirrende als aufklärende Umgebung der ganz gemeinen Art seine Gedanken darzulegen, nur von einem, der den Platon gar nicht versteht, kann aufgeworfen werden. Diese Ansicht also gründet sich auf nichts und erklärt nichts, sondern läßt die ganze Aufgabe übrig, und kann ohne weiteres durch die That widerlegt werden, | in sofern 11 W2 es gelingt, unsere platonischen Werke in einen Zusammenhang zu bringen, durch welchen | auch jedes einzelne mit den darin enthalte- 11 W1 nen Lehren verständlich wird. Zu einem solchen Versuch wird aber die Aufforderung auch von dieser Seite um so dringender, da die Meisten von denen, welche ein so schlechtes Urtheil über die Schriften des Platon fällen, sich doch einer gewissen Bewunderung des Mannes nicht erwehren können. Da wir nun von seiner Größe und Treflichkeit keinen andern zeiglichen Beweis haben, als diese Schriften: so wollen beide nicht zusammen stimmen, jenes Urtheil und diese Bewunderung; und die lezte würde kaum einen anderen Gegenstand haben, als die an einen nichtigen Inhalt verschwendeten Schönheiten der Sprache und Dichtung, oder einzelne sogenannte schöne Stellen oder sittliche Sprüche und Grundsäze, welches alles auf einen sehr untergeordneten wo nicht gar zweifelhaften Werth hindeutet, so daß, wenn sie ungestört fortfahren wollen zu bewundern, sie selbst wünschen müssen etwas mehreres an ihm zu finden, als sie bisher gefunden haben. Daher haben nun Andere größtentheils mit eben so wenig richtiger
T 1 oder] denn W1 3 weil sie] fehlt W1 6 nur] und welche also nur W1 10 unsere platonischen] diese W1 12 aber] fehlt W1 13 die Aufforderung] die Aufmunterung W1 16 nun] aber W1 17 Schriften: so] Schriften, so W1 18f Bewunderung; und] Bewunderung, und W1 22 auf] fehlt W1 22f untergeordneten wo] untergeordneten, wo W1 23 hindeutet] andeutet W1 24f müssen etwas] müssen, etwas W1 S 1f Untersuchungen] Eine kurze Bemerkung dazu bei Buhle: Lehrbuch, Bd. 2, S. 46. 26 Andere] Zur folgenden Unterscheidung ‚esoterisch vs. exoterisch‘ vgl. u. a. Brucker: Historia critica, Bd. 1, S. 659-663; Geddes: An Essay, Section IX, S. 148-180 = dt. Geddes: Versuch, Abschn. IX, Sammlung III/2, S. 319-334 und IV/1, S. 1-17 (s. zu S. 36,5); Eberhard: Von dem Zwecke, S. 397-402; Tiedemann: Geist der spekulativen Philosophie, Bd. 2, S. 192-198; Buhle: Lehrbuch, Bd. 2, S. 45-50. 54. 86; Tennemann: System der Platonischen Philosophie, Bd. 1, S. 114. 128-141; Bd. 2, S. 295-298; Tennemann: Geschichte der Philosophie, Bd. 2, S. 205-222; vgl. auch die Position von Friedrich Schlegel: Die Entwicklung der Philosophie in zwölf Büchern [1804-1805], KA 12, S. 211 f.
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Einsicht aber mit mehr gutem Willen, theils aus einzelnen Aeußerungen des Platon selbst, theils auch aus einer weit verbreiteten Ueberlieferung, die sich aus dem Alterthum erhalten hat von einem Esoterischen und Exoterischen in der Philosophie, sich die Meinung gebildet, als sei in den Schriften des Platon seine eigentliche Weisheit gar nicht oder nur in geheimen schwer aufzufindenden Andeutungen enthalten. Dieser an sich ganz unbestimmte Gedanke hat sich in die mannigfaltigsten Gestalten ausgebildet, und bald mehr bald weniger hat man den Schriften des Platon von | ihrem Inhalt entzogen, und dagegen seine wahre | Weisheit in geheimen Lehren gesucht, welche er diesen Schriften so gut als gar nicht anvertraut habe; ja große Erörterungen wurden angestellt, um zu bestimmen, welche Schriften des Platon exoterisch wären, und welche esoterisch, um zu wissen, wo noch am meisten eine Spur aufzusuchen wäre von seiner wahren geheimen Weisheit. Abgerechnet also diejenige Wahrheit, welche in dieser Behauptung liegt, in so fern das geheime und schwer zu findende nur beziehungsweise so ist, und es überall für irgend einen etwas geheimes und schwer zu findendes geben kann, ist das Ganze nur ein Gewebe von Mißverständnissen und verwirrten Vorstellungen, welche erst müssen auseinander gewickelt werden. Denn jene Vorstellungen von einem esoterischen und exoterischen bedürfen einer kritischen Sichtung, indem sie zu verschiedenen Zeiten auch in ganz verschiedenen Bedeutungen vorkommen. Nämlich bei
T 1 Einsicht aber] Einsicht, aber W1 3 hat von] hat, von W1 6 nicht oder] nicht, oder W1 8 mannigfaltigsten] mannichfaltigsten W1 17 überall für irgend einen] für irgendeinen überall W1 21 Denn] ohne Absatz W1 | Vorstellungen] Ideen W1 | einem] dem W1 S 11f Erörterungen] Wahrscheinlich William Warburton (1698-1779): The Divine Legation of Moses. Demonstrated, on the Principles of a Religious Deist, 3 Bde., London 1738 (dort siehe bes. Bd. 1, S. 349 ff.), erweitert erschienen in mehreren Auflagen bis hin zur 4. Auflage, 5 Bde., London 1765 (dort siehe bes. Bd. 2, S. 158 ff.) = dt. Willhelm Warburton: Göttliche Sendung Mosis, Aus den Grundsätzen der Deisten bewiesen, übers. von Johann Christian Schmidt, 3 Bde., Frankfurt und Leipzig 1751, dort siehe besonders Bd. 1, S. 546ff; kritisiert von Geddes: An Essay, Section IX, S. 148-180 = dt. Geddes: Versuch, Abschn. IX, Sammlung III/2, S. 319-334 und IV/1, S. 1-17 (s. zu S. 36,5). 13 esoterisch] Vgl. Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 358, Notat 49: „Etwas muß doch in der Einleitung gesagt werden über die esoterische Philosophie; in sofern sie auf die Schätzung der Schriften Einfluß hat.“
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den ersten Pythagoreern ging dieser Unterschied so unmittelbar auf den Inhalt, daß Gegenstände als esoterische bezeichnet wurden, über welche sie sich außerhalb der Grenzen ihrer innigsten Verbindung nicht mittheilen wollten; und es ist zu vermuthen, daß weit mehr ihr politisches System die Stelle des esoterischen ausfüllte, als ihre eben so unvollkommenen als unverdächtigen metaphysischen Spekulationen. Damals aber war auch die Philosophie mit politischen Absichten und die Schule mit einer praktischen Verbrüderung auf eine Art verbunden, die hernach unter den Hellenen gar nicht wieder Statt gefunden hat. Später hingegen nannte man vornemlich das esoterisch, was in dem populären Vortrage, zu dem sich nach der Vermischung der Sophisten | mit den sokratischen Philosophen Einige herabließen, 13 W2 nicht konnte mitgetheilt | werden, und der Unterschied ging also 13 W1 unmittelbar auf den Vortrag, und nur mittelbar und um jenes willen erst auf den Inhalt. Zwischen diesen beiden Zeiten nun steht Platon mitten inne; aber in welchem Sinne von beiden man auch diese Begriffe auf Platonische Schriften und Philosophie anwenden wollte, um beide dadurch in zwei Theile zu theilen, so wird man überall hängen bleiben. Denn die leztere Bedeutung können diejenigen, welche eine solche Anwendung machen wollen, selbst nicht wählen, indem sie ja davon ausgehen, daß die Schriften sämmtlich schwer verständlich
T 2 Gegenstände als esoterische bezeichnet wurden] er Gegenstände bezeichnete W1 4 wollten; und] wollten, und W1 10 nannte man vornemlich das esoterisch] bezeichnete er nur dasjenige W1 13 der Unterschied] fehlt W1 17–19 Philosophie anwenden wollte, um beide dadurch in zwei Theile zu theilen, so wird man überall hängen bleiben] Philosophie, um jede dadurch in zwei Theile zu theilen, anwenden wollte, so entsteht nur Unsinn daraus W1 21 davon ausgehen] gestehen W1 | daß] daß auch W1 S 1 Pythagoreern] Vgl. Porphyrius, Vita Pyth. §§ 13, 20, 37, 42, 57; Clemens Alexandrinus, Stromata 5, 9; Hippolytus, Refutatio omnium Heresium 1, 2, 4; Iamblich, De communi mathematica scientia 18 (= S. 63, 3 Festa); vgl. Tiedemann: Geist, Bd. 1, S. 67 ff., bes. 81 f.; vgl. Rez.Boeckh (1808), S. 111 f. = (1872), S. 29 f., dazu Rez.Ast (1819), S. 56-59. 10 Später] ‚exoterisch‘ für die populären Vorträge bei Aristoteles, Ethica Nicomachea I 13, 1102 a 26 Bekker; VI 4, 1140 a 3; Ethica Eudemica II 1, 1218 b 34; Politica III 6, 1278 b 31; VII 1, 1323 a 22; vgl. auch Ethica Eudemica I 8, 1217 b 22; Metaphysica XIII 1, 1076 a 28; Physica IV 10, 217 b 30; bei Cicero, De finibus 5, 12 ‚exoterisch‘ für die veröffentlichten Schriften im Gegensatz zu den Schulvorträgen; ‚esoterisch‘ für streng schulmäßige Philosophie erst spät bei Lukian, Vitarum Auctio (Nr. 27), Kap. 26, vgl. Galen 5, 313. Zur Unterscheidung ‚exoterisch‘ vs. ‚esoterisch‘ allgemein bzw. im Zusammenhang mit Aristoteles vgl. Buhle: Lehrbuch, Bd. 2, S. 342-351.
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sind, und also auch gestehen müssen, daß Platon ihnen das schwerste und geheimnißvollste seiner Weisheit eben so gut hätte anvertrauen gekonnt, als das übrige. Was aber die erste Bedeutung betrifft, von Lehren seiner Philosophie, über welche er absichtlich außer dem inneren Kreise vertrauter Freunde gar nicht oder nur in dunkeln Winken geredet habe; so müßte sie entweder ordentlich behauptet werden und durchgeführt durch eine zusammenhängende Darlegung solcher Lehren und der darauf zielenden, wenn auch noch so leisen, Andeutungen, oder wenigstens in einem geringeren Grade bewiesen durch irgend einige geschichtliche Spuren. Darum sind unter allen Vertheidigern dieser Meinung die sogenannten Neu-Platoniker noch immer am meisten zu loben, als welche doch das erste wirklich versucht haben. Die Uebrigen aber möchten nichts aufzuzeigen wissen. Denn wenn sie vom theosophischen Inhalt absehen, und dem Platon nicht etwa naturwissenschaftliche Kenntnisse zuschreiben wollen, die er nicht haben konnte, und denen seine | Schriften noch überdies sogar widersprechen würden: so dürften sie wohl nichts im Gebiete der Philosophie auffinden, | worüber nicht ein Urtheil entweder geradezu und deutlich, oder wenigstens den Gründen nach in diesen Schriften anzutreffen wäre. Und diejenigen gar, welche den Unterschied des Esoterischen bloß auf den Streit gegen den Polytheismus und die Volksreligion zurükführen, heben ihn in der That gänzlich auf, und machen ihn entweder zu einer rechtlichen Verwahrung, welche höchst unzureichend wäre, da Platons Grundsäze hierüber in seinen Schriften deutlich genug zu lesen sind, so daß man kaum glauben kann, seine Schüler hätten darüber noch anderer Belehrungen bedurft, deren Bekanntmachung er gescheut habe, oder zu einer kindischen Veranstaltung, welche sich daran vergnügt, bei verschlossenen Thüren laut zu reden, was öffentlich zwar auch, aber nur leiser durfte gesagt werden. Eben so wenig aber möchten wohl ächt geschichtliche
T 1 gestehen müssen] fehlt W1 3 übrige] Uebrige W1 | betrifft, von] betrifft von W1 6 habe; so] habe, so W1 13 Uebrigen] Anderen W1 27 habe, oder] habe; oder W1 29 leiser] ins Ohr W1 S 11 Neu-Platoniker] Ammonios Sakkas, Plotin, Porphyrios, Proklos, Iamblich, Simplikios, die ein geschlossenes System Platons voraussetzen, vor dessen Hintergrund die speziellen philosophischen Fragen behandelt werden: vgl. z. B. Buhle: Lehrbuch, Bd. 4, S. 313 ff. 13 Uebrigen] z. B. Tiedemann: Geist, Bd. 2, S. 63-198, zur Prinzipientheorie bes. S. 192-198 20 diejenigen] z. B. Christoph Meiners: Revision der Philosophie, 2 Bde., Göttingen und Gotha 1772, bes. Bd. 1, S. 91-135
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Spuren zu finden sein, welche die Meinung von einem Unterschied des esoterischen und exoterischen bei Platon unterstüzten. Denn wenn er bloß auf den Inhalt geht, und die geheimen Lehren in den esoterischen Schriften auf eben die Art sollen enthalten gewesen sein, wie die gemeineren in den exoterischen: so müßte doch das erste und unnachlaßlichte sein, auf irgend eine Art wahrscheinlich zu machen, daß jene Schriften auf eine andere Weise wären bekannt gemacht worden, als diese, weil sonst die ganze Bemühung zweklos gewesen wäre; hieran aber scheint niemand ernstlich gedacht zu haben. Ferner aber, wie sollte es wohl zugehen, daß Aristoteles, dem es doch unstreitig um eine wahre Beurtheilung der wahren Philosophie des Pla|ton zu thun 15 W2 war, und dem als einem vieljährigen inneren Schüler desselben wohl nichts konnte verborgen bleiben, sich dennoch niemals weder auf andere Quellen | beruft, noch ein geheimes Verständniß dieser Schrif- 15 W1 ten zum Grunde zu legen scheint. Vielmehr beruft er sich überall ganz unbefangen und einfach auf die uns vorliegenden Schriften, und wo auch hie und da andere verlorene oder vielleicht mündliche Belehrungen angeführt werden, da enthalten diese Anführungen keinesweges etwas in unseren Schriften unerhörtes oder gänzlich von ihnen abweichendes. Wenn also diese gar nicht oder nur zufolge einer geheimen Auslegung die wahre Lehre des Platon enthielten; wie hätte wohl Aristoteles, zumal bei der Art, wie er seinen Lehrer bestreitet, den bittersten Vorwürfen von Seiten der ächten Nachfolger desselben entgehen können, wenn er so wider besseres Wissen nur gegen einen Schatten gefochten hätte. Um nun diese Mißverständnisse und ihre Ursache recht anschaulich zu machen, und diejenigen, welche darin verstrikt sind, selbst zum Bewußtsein und Eingeständniß zu bringen, ist es allerdings ein lobenswerthes Unternehmen, den philosophischen Inhalt aus den Platonischen Werken zerlegend herauszuarbeiten, und ihn so zerstükkelt und einzeln, seiner Umgebungen und Verbindungen entkleidet,
T 1f die Meinung von einem Unterschied des esoterischen und exoterischen bei Platon] diese Meinung W1 2 er] der Unterschied W1 4 gewesen] fehlt W1 16 die uns vorliegenden Schriften] diese Schriften W1 17 hie und da] fehlt W1 | verlorene oder] fehlt W1 19 unseren] den anderen W1 S 18 diese Anführungen] z. B. Aristoteles, Metaphysica I 6, 987a-988a; I 9, 989a993a; Buch XIII und XIV insges.; zu Platon in den Schriften des Aristoteles vgl. Tennemann: System der Platonischen Philosophie, Bd. 1, S. 114 f.; Tiedemann: Geist, Bd. 2, S. 193-198; Buhle: Lehrbuch, Bd. 2, S. 5 f. 29–28,1 Unternehmen…legen] Tennemann: System der Platonischen Philosophie (insgesamt)
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möglichst formlos vor Augen zu legen. Denn wenn sie so die baare Ausbeute übersehen können, und sich urkundlich überzeugen, sie sei wirklich dorther genommen: so werden sie wohl bekennen müssen, es habe nur an ihnen gelegen, sie nicht auch zu entdekken, und es sei vergeblich, über einen andern verlorenen Schaz platonischer Weisheit zu klagen oder zu träumen. Soviel | also kann auf diesem Wege erreicht werden, daß der falsche Verdacht gegen die Werke des Platon verschwindet, und das Nichtverstehen desselben mehr an den Tag kommt. Ja es ist | auch gewiß, daß derjenige selbst, der dieses gründlich und vollständig ausführen will, auch eben so den Platon selbst muß verstanden haben: eben so gewiß aber ist auch, daß das Verstehen des Platon für andere dadurch weder erleichtert noch gefördert wird; sondern daß vielmehr wer sich auch an die beste Darstellung dieser Art ausschließend halten wollte, leicht nur eine eingebildete Kenntniß erlangen, von der wahren aber sich eben deshalb nur weiter entfernen könnte. Denn derjenige freilich muß die ganze Natur eines Körpers genau kennen, der die einzelnen Gefäße oder Knochen desselben zum Behuf der Vergleichung mit ähnlichen eines andern eben so zerstükkelten aussondern will, welches eben doch der gründlichste Nuzen wäre, den jenes philosophische Geschäft gewähren könnte: diejenigen aber, welche sich diese Theile vorzeigen lassen, und die Vergleichung anstellen, werden dadurch allein zur Kenntniß der eigenthümlichen Natur des Ganzen doch nicht gelangen. So auch werden jene keinesweges die Philosophie des Platon kennen lernen; denn wenn irgendwo, so ist in ihr Form und Inhalt unzertrennlich, und jeder Saz nur an seinem Orte und in den Verbindungen und Begränzungen, wie ihn Platon aufgestellt hat, recht zu verstehen. Noch weniger aber werden sie den Mann selbst begreifen, und am wenigsten wird seine Absicht an ihnen erreicht werden, welche darauf ging, nicht nur seinen eignen Sinn Andern lebendig darzulegen, sondern eben dadurch auch den ihrigen lebendig aufzuregen und zu erheben. Daher ist zu | jener zerlegenden Darstellung, welche wir seit kurzem in einer die vorigen Versuche weit übertreffenden Vollkommenheit besitzen, dieses ein noth|wendiges Ergänzungsstük, daß man die auch ohne Zerstükelung, schon so wie sie gewöhnlich erscheinen, sehr
T 4 entdekken] entdeken W1 9 kommt. Ja] kommt; ja W1 13 wird; sondern] wird, sondern W1 | wer] derjenige, der W1 22 allein] fehlt W1 35 Zerstükelung, schon so wie] Zerstükelung schon so, wie W1 S 32–34 zerlegenden…besitzen] Tennemann: System der Platonischen Philosophie (insgesamt)
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kläglich durcheinander geworfenen Glieder, nämlich nicht die einzelnen Meinungen etwa sondern die einzelnen Werke, in ihren natürlichen Zusammenhang herstelle, wie sie als immer vollständigere Darstellungen seine Ideen nach und nach entwikelt haben, damit, indem jedes Gespräch nicht nur als ein Ganzes für sich, sondern auch in seinem Zusammenhange mit den übrigen begriffen wird, auch er selbst endlich als Philosoph und Künstler verstanden werde. Ob es aber einen solchen Zusammenhang giebt, und nicht vielleicht ein solches Unternehmen der Sache unangemessen und viel zu groß ist, um irgend gelingen zu können, das wird am besten aus der ersten Vorstellung erhellen, die uns Platon selbst von seinen Schriften und ihren Absichten erregt, und die wir ihn bald im Phaidros werden vortragen hören. Ziemlich geringfügig nämlich die Sache behandelnd klagt er, wie ungewiß es immer bleibe bei der schriftlichen Mittheilung der Gedanken, ob auch die Seele des Lesers sie selbstthätig nachgebildet und sich also in Wahrheit angeeignet habe, oder ob ihr nur mit dem scheinbaren Verständniß der Worte und Buchstaben eine leere Einbildung gekommen sei, als wisse sie, was sie doch nicht weiß. Darum sei es Thorheit, viel hierauf zu bauen, und rechter Verlaß sei nur auf den mündlichen lebendigen Unterricht. Das Schreiben aber müsse gewagt werden aufs Ungewisse, und mehr um deswillen, was es für den Schreibenden und | die schon mit ihm Wissenden sei, als um 18 W2 deswillen, was es werden könne für die noch nicht Wissenden. Wer nun überlegen will, | welches denn jener so hoch herausgehobene 18 W1 Vorzug des mündlichen Unterrichts sei, und worauf er beruhe, der wird keinen andern finden als diesen, daß hier der Lehrende in einer gegenwärtigen und lebendigen Wechselwirkung mit dem Lernenden stehend, jeden Augenblik wissen könne, was dieser begriffen und was nicht, und so der Thätigkeit seines Verstandes nachhelfen, wo es fehlt; daß aber dieser Vortheil wirklich erreicht werde, beruht, wie Jeder einsieht, auf der Form des Gesprächs, welche der recht lebendige Unterricht sonach nothwendig haben muß. Darauf auch bezieht sich,
T 2 etwa sondern] etwa, sondern W1 | Werke, in] Werke in W1 12 Phaidros] hier und im Folgenden Phädros W1, vgl. dazu den Editorischen Bericht, S. LXXXVIII 15 Gedanken] Ideen W1 27f Wechselwirkung mit dem Lernenden stehend, jeden] Wechselwirkung stehe mit dem Lernenden, und jeden W1 28f und was nicht] fehlt W1 31 der recht lebendige] ein lebendiger W1 32 sonach] fehlt W1 S 14–23 klagt…Wissenden] Platon, Phaidros 273d-279b; vgl. auch Brief VII 341a-344d; hier weniger im Blick wohl die Stellen Protagoras 341d, Phaidon 88e, Nomoi 10, 891a
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was Platon sagt, daß der gesprochenen Rede ihr Vater immer helfen könne und sie vertheidigen, nemlich nicht nur gegen die Einwürfe des anders meinenden, sondern auch gegen die Hartsinnigkeit des noch nicht wissenden, die geschriebene aber habe keine Antwort auf irgend eine weitere Frage. Woraus beiläufig schon erhellt, wie sehr derjenige jedes Recht verwirkt habe, auch nur ein Wort über den Platon zu reden, der den Gedanken fassen kann, dieser könne sich wohl bei seinem inneren mündlichen Unterricht der sophistischen Methode bedient haben in langen Vorträgen, welche doch ihm, seiner eigenen Aussage nach, von jenem Vorzuge sich am meisten zu entfernen scheint. Sondern auf alle Weise, nicht nur zufällig oder durch Angewöhnung und Ueberlieferung, sondern nothwendig und seiner Natur nach ist seine Methode eine sokratische gewesen, und zwar, was die ununterbrochen fortschreitende Wechselwirkung und das tiefere Eindringen in die Seele des Hörenden betrift, | gewiß der des Meisters so weit vorzuziehen, als der Schüler es ihm zuvorthat in der bildenden Dialektik sowohl, als im Reichthum und Um|fang der eignen Anschauung. Da nun ungeachtet dieser Klagen Platon von der ersten Männlichkeit an bis in das späteste Alter so vieles geschrieben hat: so ist offenbar, er muß gesucht haben, auch die schriftliche Belehrung jener besseren so ähnlich zu machen als möglich, und es muß ihm damit auch gelungen sein. Denn wenn wir auch nur an jene unmittelbare Absicht denken, daß die Schrift für ihn und die Seinigen eine Erinnerung sein solle an die ihnen schon geläufigen Gedanken: so betrachtet Platon alles Denken so sehr als Selbstthätigkeit, daß bei ihm eine Erinnerung an das Erworbene von dieser Art auch nothwendig eine sein muß an die erste und ursprüngliche Art des Erwerbes. Daher schon um deswillen die dialogische Form, als nothwendig zur Nachahmung jenes ursprünglichen gegenseitigen Mittheilens, auch seinen Schriften eben so unentbehrlich und natürlich wurde, als seinem mündlichen Unterrichte. Indessen erschöpft diese Form keines-
T 24 Gedanken: so] Ideen, so W1 30 wurde] ist W1 S 1–5 Platon…Frage] Platon, Phaidros 274b-279c, bes. 275de 5 derjenige] Christoph Meiners: Geschichte des Ursprungs, Fortgangs und Verfalls der Wissenschaften in Griechenland und Rom, 2 Bde., Lemgo 1781-1782, bes. Bd. 2, S. 691, dazu vgl. Tennemann: System der Platonischen Philosophie, Bd. 1, S. 48 24 Erinnerung] Vgl. Platon, Phaidros 276d, 277d-278b.
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weges das Ganze seiner Methode, wie sie denn gar oft gleichzeitig und später zu philosophischen Zwekken ist angewendet worden ohne eine Spur von dem Geiste des Platon und von seinem großen Verstande in der Art sie zu gebrauchen. Sondern schon in seinem wirklichen Unterricht, noch mehr aber in der schriftlichen Nachahmung, wenn man hinzunimmt, daß Platon doch auch den noch nicht wissenden Leser wollte zum Wissen bringen, oder wenigstens in Beziehung auf ihn besonders sich hüten mußte, daß er nicht eine leere Einbildung des Wissens veranlasse, aus beider Hinsicht muß dieses ihm die Haupt-| sache gewesen sein, jede Untersuchung von Anfang an so zu führen 20 W2 und darauf zu berechnen, daß der Leser entweder zur eignen inneren Er|zeugung des beabsichtigten Gedankens, oder dazu gezwungen 20 W1 werde, daß er sich dem Gefühle, nichts gefunden und nichts verstanden zu haben, auf das allerbestimmteste übergeben muß. Hiezu nun wird erfordert, daß das Ende der Untersuchung nicht geradezu ausgesprochen und wörtlich niedergelegt werde, welches Vielen, die sich gern beruhigen, wenn sie nur das Ende haben, gar leicht zum Fallstrik gereichen könnte, daß die Seele aber in die Nothwendigkeit gesezt werde, es zu suchen, und auf den Weg geleitet, wo sie es finden kann. Das erste geschieht, indem sie über ihren Zustand des Nichtwissens zu so klarem Bewußtsein gebracht wird, daß sie unmöglich gutwillig darin bleiben kann. Das andere, indem entweder aus Widersprüchen ein Räthsel geflochten wird, zu welchem der beabsichtigte Gedanke die einzig mögliche Lösung ist, und oft auf ganz fremdscheinende zufällige Art manche Andeutung hingeworfen, die nur derjenige findet und versteht, der wirklich und selbstthätig sucht. Oder die eigentliche Untersuchung wird mit einer andern, nicht wie mit einem Schleier, sondern wie mit einer angewachsenen Haut überkleidet, welche dem Unaufmerksamen, aber auch nur diesem, dasjenige verdekt, was eigentlich soll beobachtet oder gefunden werden, dem Aufmerksamen aber nur noch den Sinn für den innern Zusammenhang schärft und läutert. Oder wo es auf die Darstellung eines Ganzen ankommt, da wird dieses nur durch unzusammenhängende Striche angedeutet, die aber derjenige, dem die Gestalt schon im eigenen Sinne vorschwebt,
T 9 veranlasse, aus] veranlasse; aus W1 12 des beabsichtigten Gedankens] der beabsichtigten Idee W1 16 werde] wird W1 19 werde] wird W1 23 der beabsichtigte Gedanke] die beabsichtigte Idee W1 S 1f oft…angewendet] ‚sokratische Dialoge‘ auch von ‚Sokratikern‘ Aischines von Sphettos, Eukleides von Megara, Antisthenes (alle nur fragmentarisch erhalten), Xenophon, später auch Aristoteles, Herakleides Pontikos bis hin zu Cicero
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leicht ergänzen | und verbinden kann. Dieses ungefähr sind die Künste, durch welche es dem Platon fast mit Jedem gelingt, entweder das zu erreichen, was | er wünscht, oder wenigstens das zu vermeiden, was er fürchtet. Und so wäre dieses die einzige Bedeutung, in welcher man hier von einem Esoterischen und Exoterischen reden könnte, so nämlich, daß dieses nur eine Beschaffenheit des Lesers anzeigte, je nachdem er sich zu einem wahren Hörer des Inneren erhebt oder nicht; oder soll es doch auf den Platon selbst bezogen werden, so kann man nur sagen, das unmittelbare Lehren sei allein sein esoterisches Handeln gewesen, das Schreiben aber nur sein exoterisches. Denn bei jenem konnte er allerdings, wenn er erst hinlänglich gewiß war, die Hörer seien ihm nach Wunsch gefolgt, auch seine Gedanken rein und vollständig aussprechen, und vielleicht auch die besonderen philosophischen Wissenschaften, wenn sie erst ihren höheren Grund und Zusammenhang in seinem Geiste gefaßt hatten, auch gemeinschaftlich mit ihnen, nach einem gemeinschaftlich erzeugten Grundriß regelmäßig ausführen. Da indessen auch in seinen Werken die Darstellung der Philosophie in demselben Sinne fortschreitend ist von der ersten Aufregung der ursprünglichen und leitenden Ideen bis zu einer wenn auch nicht vollendeten Darstellung der besonderen Wissenschaften: so folgt, das obige vorausgesezt, daß es eine natürliche Folge und eine nothwendige Beziehung dieser Gespräche auf einander geben muß. Denn weiter fortschreiten kann er doch nicht in einem andern Gespräch, wenn er nicht die in einem früheren beabsichtigte Wirkung als erreicht voraussezt, so daß dasselbe, was als Ende des einen ergänzt wird, auch muß als An|fang und Grund eines andern vorausgesezt werden. Endete nun Platon in abgesonderte Darstellungen der einzelnen philosophischen Wis|senschaften, so wäre vorauszusezen, daß er auch jede für sich nach und nach weiter gebracht habe, und man müßte zwei verschiedene Reihen von Gesprächen aufsuchen, eine ethische und eine physische. Da er sie aber als ein verbundenes Ganzes darstellt, und es eben sein Eigenthümliches ist, sie überall als wesentlich verbunden und unzertrennlich zu denken, so sind auch die Zurüstungen zu ihnen eben so vereint und durch Betrachtung ihrer
T 21 folgt, das obige vorausgesezt] folgt das obige, vorausgesezt W1 S 21 natürliche Folge] Vgl. das Ringen zwischen Schleiermacher und Friedrich Schlegel um die ‚natürliche Folge‘ der Dialoge: Brief von F. Schlegel an Schleiermacher, 8.12.1800: KGA V/4, Nr. 993 mit S. 353-359; vgl. F. Schlegel: KA 12, S. 207-226, bes. S. 212 f.; KA 18, S. 526-530; Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 373, Notat 118.
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gemeinschaftlichen Gründe und Geseze gemacht, und es giebt daher nicht mehrere unabhängig neben einander fortlaufende Reihen platonischer Gespräche, sondern nur eine einzige alles in sich befassende. Diese natürliche Folge nun wieder herzustellen, dies ist, wie Jeder sieht, eine Absicht, welche sich sehr weit entfernt von allen bisherigen Versuchen zur Anordnung der Platonischen Werke, als welche theils nur auf leere Spielereien hinauslaufen, theils ausgehn auf eine systematische Sonderung und Zusammenstellung nach den hergebrachten Eintheilungen der Philosophie, theils auch nur hie und da einen Ansaz nehmen, und nichts Ganzes im Auge haben. Die Zusammenstellung in Tetralogien, welche uns Diogenes nach dem Thrasyllos aufbehalten hat, beruht offenbar bloß auf der beinahe dramatischen Form dieser Gespräche, welche Veranlassung gab, sie eben so zu ordnen, wie die Werke der tragischen Dichter sich nach der Einrichtung der Athenischen Feste von selbst ordneten; und auch in dieser reinen Zufälligkeit ist sie so schlecht gehalten und so unverständig ausgeführt, daß sich meistentheils gar kein | Grund einsehen läßt, warum sie im Einzelen 23 W2 gerade so ausgefallen ist. Nicht einmal so weit ist die Aehnlichkeit durchgeführt, daß, wie | jede dramatische Tetralogie mit einem Saty- 23 W1 rikon endigte, so auch hier die Dialogen, in denen die Ironie und die epideiktische Polemik am stärksten hervortritt, an die Schlußstellen vertheilt wären, vielmehr sind sie alle in zwei Tetralogien zusammengehäuft. Eben so wenig ist auf die alte und schon an sich höchst wahrscheinliche Ueberlieferung Rüksicht genommen, daß Platon schon als Schüler des Sokrates einige seiner Dialogen bekannt gemacht; denn wie könnten sonst die, welche sich auf die Verurtheilung und den Tod des Sokrates beziehen, die ersten, der Lysis aber und Phaidros, welche die Alten als solche frühern Werke ansehn, weit in
T 28 welche die Alten als solche frühern Werke ansehn] fehlt W1 S 11 Diogenes…Thrasyllos] Diogenes Laertius, Vitae Philosophorum III, 56-61: Einteilung in Tetralogien durch Thrasyllos (Hofastronom des Kaisers Tiberius, letztes Drittel 1. Jh. v. Chr., erstes Drittel 1. Jh. n. Chr.); vgl. jetzt Erler: Platon, S. 13. 14f Werke…ordneten] Bei den Dionysien führte jeder Tragödiendichter eine Tetralogie (drei Tragödien und ein Satyrspiel) auf. 19f Satyrikon] Satyrspiel 22 zwei Tetralogien] wohl die Tetralogien III (Parmenides, Philebos, Symposion, Phaidros) und IV (Alkibiades I und II, Hipparchos, Erastai) 24 Ueberlieferung] Diogenes Laertius, Vitae Philosophorum III, 35 und 38, vgl. Tennemann: System der Platonischen Philosophie, Bd. 1, S. 116-118. 27 Lysis] Vgl. Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 343, Notat 1, und S. 356, Notat 43. 28 Alten] Vgl. Diogenes Laertius, Vitae Philosophorum III, 38 (Phaidros), 35 (Lysis).
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die Mitte verwiesen sein? Die einzige Spur eines verständigen Gedankens möchte vielleicht die sein, daß der Kleitophon vor den Staat gestellt ist, als rechtfertigender Uebergang von den sogenannten untersuchenden und dem Anscheine nach skeptischen Dialogen zu den unmittelbar unterrichtenden und darstellenden, wobei es fast lächerlich ist, daß ein so zweifelhaftes Gespräch sich rühmen kann, diesen einzigen Gedanken veranlaßt zu haben. Verständiger sind, wiewol sie von derselben Vergleichung ausgehen, die Trilogien des Aristophanes, wenigstens in sofern, daß er nicht die ganze Masse diesem Gedankenspiel unterwerfen wollte, sondern nur da, wo Platon selbst eine Verbindung deutlich genug angegeben hat, oder wo sie in einem äußeren Umstande liegt, eine Trilogie construirt, alles übrige aber ungeordnet läßt. Indeß können beide Versuche nur beweisen, wie bald die wahre Ordnung der Pla|tonischen Werke bis auf wenige Spuren verloren gegangen ist, und wie schlecht diejenige Art von Kritik, welche die Alexandrinischen Sprachforscher anzuwenden verstanden, sich | eignete, zu einer richtigen Anordnung philosophischer Werke die Principien zu finden. Weniger äußerlich zwar, sonst aber um nichts besser, sind die bekannten dialektischen Eintheilungen, der Dialogen, die uns ebenfalls Diogenes ohne Anzeige ihres Urhebers aufbehalten, und nach denen auch die Ausgaben jedes Gespräch in der Ueberschrift zu bezeichnen pflegen. Auf den ersten Anblik zwar scheint dieser Versuch gar nicht hieher zu gehören, da er mehr auf Sonderung
T 6 zweifelhaftes Gespräch] zweifelhafter Gegenstand W1 21f und nach denen auch die Ausgaben jedes Gespräch in der Ueberschrift zu bezeichnen pflegen] und deren Ausspruch über einen jeden die Ausgaben der Ueberschrift beizusezen pflegen W1 S 1 Mitte] Phaidros als Werk der mittleren Phase z. B. bei Buhle: Lehrbuch, Bd. 2, S. 41. 8 Trilogien des Aristophanes] Diogenes Laertius, Vitae Philosophorum III, 61-62: Einteilung in Trilogien durch Aristophanes von Byzanz (Philologe an der Bibliothek des Mouseion in Alexandria, um 200 v. Chr.); vgl. jetzt Erler: Platon S. 13 f. 16 Alexandrinischen Sprachforscher] Aristophanes von Byzanz und die Philologen Alexandrias 19f dialektischen…aufbehalten] Diogenes Laertius, Vitae Philosophorum III, 49-52, 58-62, vgl. auch Albinus, Εἰσαγωγὴ εἰς τοὺς Πλάτωνος διαλόγους (Eisagoge), Kap. 3-4; vgl. jetzt Erler: Platon S. 19-21. 21 Ausgaben] Vgl. z. B. Ed.Zweibrücken 1781-1787 (Bipontina), wo nach dem (Haupt-)Titel und dem inhaltlichen Nebentitel in der Regel auch die Kategorie des ‚Charakters‘ des Dialogs nach der ‚dialektischen Einteilung‘ bei Diogenes Laertius und Albinus (s. o. und s. u.) angegeben ist; dort z. B. die hier in diesem Band (I/1) übersetzten Dialoge Φαῖδρος ἢ περὶ καλοῦ (ἠθικός fehlt) (Bd. 10, S.279), Λύσις ἢ περὶ φιλίας. Μαιευτικός (Bd. 5, S. 211), Πρωταγόρας ἢ Σοφισταί. Ἐνδεικτικός (Bd. 3, S. 85), Λάχης ἢ περὶ ἀνδρίας. Μαιευτικός (Bd. 5, S. 159), eine vollständige Liste aller Dialoge jetzt bei Erler: Platon, S. 21.
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ausgeht als auf Zusammenstellung, und auf solche Beschaffenheiten sich bezieht, welche keinen Anspruch darauf machen, den Exponenten jener natürlichen Reihe anzudeuten. Allein die Haupteintheilung in untersuchende und unterrichtende könnte, recht verstanden, allerdings eine Anleitung geben, um das Fortschreiten der Platonischen Gespräche wenigstens im Großen zu bezeichnen, da doch jene nur vorbereitend sein können auf diese, als die darstellenden. Wenn nur nicht die weitere Eintheilung ganz undialektisch, bei der einen nur nach der Form der Untersuchung, bei der andern nur nach dem Gegenstande gemacht wäre, und die lezte wiederum ganz unplatonisch die Werke nach den verschiedenen philosophischen Wissenschaften ordnete, so daß selbst dasjenige zerrissen wird, was Platon ausdrüklich zusammengefügt hat, wie den Sophist und den Politikos, den Timäos und Kritias, anderer ganz wunderlicher Beurtheilungen im Einzelen nicht zu gedenken. Demselben unplatonischen Grundsaz folgen auch die Syzygien des Serranus, welche | also für die Anord- 25 W2 nung des Platon völlig unbrauchbar sind, und höchstens demjenigen, der sich über einzele Gegenstände von der Meinung des Platon unter-
T 1f und auf solche Beschaffenheiten sich bezieht] und solche inneren Merkmale bezeichnet W1 S 4 untersuchende…unterrichtende] Siehe Diogenes Laertius, Vitae Philosophorum III, 49-62 (abgedruckt z. B. in Ed.Zweibrücken (Bipontina), Bd. 1 (1781), S. XXVIIIXXXVI), ähnlich auch bei Albinus, Εἰσαγωγὴ εἰς τοὺς Πλάτωνος διαλόγους (Eisagoge), Kap. 3-4: ὑφηγητικός (unterrichtender Dialog) vs. ζητητικός (untersuchender Dialog). 9f Form…Gegenstande] (1) ζητητικός (untersuchender Dialog) nach der Form: (a) γυμναστικός (Übungsdialog): ἐνδεικτικός (ἐλεγκτικός Albinus), πειραστικός (beweisend, prüfend); oder (b) ἀγωνιστικός (Wettstreitdialog): μαιευτικός, ἀνατρεπτικός (maieutisch, widerlegend) - (2) ὑφηγητικός (unterrichtender Dialog) nach dem Gegenstand: (a) θεωρητικός (theoretisch): φυσικός, ἠθικός (naturphilosophisch, ethisch); oder (b) πρακτικός (praxisbezogen): λογικός, πολιτικός (logisch, politisch) nach Diogenes Laertius, Vitae Philosophorum III, 49-62; vgl. Ed.Zweibrücken (Bipontina), Bd. 1 (1781), S. LXXIX-LXXXI. 13 Sophist…Politikos] Beide Dialoge sind zwar, aufeinander folgend, in der zweiten Tetralogie überliefert und durchaus jeweils als λογικός, stehen aber in der Aufzählung der Dialoge der Gruppe der λογικοί getrennt voneinander: Politikos als erster, Sophistes als letzter Dialog (vgl. Diogenes Laertius, Vitae Philosophorum III, 50). 14 Timäos…Kritias] Beide Dialoge sind zwar, aufeinander folgend, in der achten Tetralogie überliefert, jedoch dieser als φυσικός, jener als πολιτικός, sstehen also nach dieser Einteilung in ganz verschiedenen Gruppen (vgl. Diogenes Laertius, Vitae Philosophorum III, 50). 16 Syzygien…Serranus] Johannes Serranus’ Einteilung der Dialoge in Syzygien in der Ed.Genf 1578 (Stephanus), vgl. T. 1, Bl. ***.vi.b-***.vii.a (Katalog der Dialoge in der Einteilung in Syzygien), dazu s. auch Bl. ungez. **.v.b, ***.i.b-***.ii.a
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richten will, als ein Register | dienen können, um ihm nachzuweisen, wo er die entscheidenden Stellen zu suchen hat, wiewol auch dieses bei der Einrichtung der Platonischen Schriften sehr mißlich bleibt und nur sehr mangelhaft ausfallen kann. Außer diesen nun ist kaum noch etwas zu erwähnen, es müßte sein was der Schotte Jakob Geddes versucht hat, und unser Eberhard in seiner Abhandlung von den Mythen des Platon und dem Zwekk seiner Philosophie. Der erste würde gar nicht verdienen, daß seiner Meldung geschähe, wenn man ihm nicht hie und da große Verdienste zugeschrieben, und gar gefordert hätte, ein künftiger Uebersezer solle nach seinem Entwurf die Werke des Platon ordnen. Dieses dürfte jedoch auch bei dem besten Willen unmöglich fallen. Denn die ganze Entdekung des Mannes besteht darin, daß gewisse Dialogen des Platon sich wechselseitig erläutern, und aus dieser Veranlassung sagt er fast über jeden einige höchst dürftige Zeilen, welche nichts so deutlich zeigen, als daß er fast nirgends der Absicht des Platon mit Verstande nachgespürt hat. Doch wenn auch alles dieses besser wäre, und die gröbsten Beweise von Unwissenheit wie auch Mißverständnisse einzelner Stellen gar nicht vorhanden: wie kann wohl nach einer wechselseitigen Erläuterung
T 3f sehr mißlich bleibt und nur sehr mangelhaft ausfallen kann] nur sehr mißlich und mangelhaft sein kann W1 6 unser] fehlt W1 8 geschähe] geshähe W1 19 vorhanden: wie] vorhanden, wie W1 S 5 Jakob Geddes] Jakob Geddes: An Essay on the Composition and Manner of Writing of the Antients, Particularly Plato, Glasgow 1748; dt. Übers.: ders.: Versuch über die Schreibart der Alten, sonderlich des Plato, in: Sammlung Vermischter Schriften ..., Berlin 1761, Bd. 3/2, S. 177-334; Bd. 4/1, S. 1-141; Bd. 4/2, S. 157-222. Schleiermacher war offenbar schon früh auf der Suche nach dem Buch (vgl. den Brief von S. E. T. Stubenrauch, 28.12.1800: KGA V/4, Nr. 1003, 1-5) und wurde schließlich auch fündig (vgl. den Brief von G. L. Spalding, 21.10.1803: KGA V/7, Nr. 1577, 163 f.). 6 unser Eberhard] Johann August Eberhard: Neue vermischte Schriften, Halle 1788, S. 354-402 (Von dem Zwecke der Philosophie des Sokrates und den Platonischen Mythen). Johann August Eberhard (1739-1809) war Schleiermachers Philosphieprofessor in seiner Studienzeit in Halle in den Jahren 1787-1789, nach der Berufung Schleiermachers ebendorthin (1804) dann auch Kollege. 8–11 wenn… ordnen] Vgl. Ed.Zweibrücken (Bipontina), Bd. 1 (1781), S. LXXXI: „Nemo autem ex recentioribus melius de serie dialogorum instruenda ad intelligentiorem Platonis lectionem disputavit quam doctus eques Scotus, Iac. Geddesius [...], ita ut ostendatur, quomodo dialogi, alius ex alio, next sint. Optandum fuit, ut novissimus interpres Germanicus, Io. Frideric. Kleukerus, qui in vertendis dialogis omnem ordinem neglexit, consilium Geddesii sequeretur, ex quo lectores proficerent in lectione Platonis.“ 12 Entdekung des Mannes] Geddes: An Essay, Section VIII, S. 114-147; dt. Übers.: ders.: Versuch, Abschnitt VIII, Bd. 3/2, S. 286-319 (s. zu Z. 5)
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eine Anordnung vorgenommen werden? denn welches unter den wechselseitigen, und nach welchem Gesez soll das erste sein? Was aber den Versuch von Eberhard betrifft, so geht er darauf hin, alle Werke des Platon auf einen gemeinschaftlichen Endzwekk seiner Philosophie | zurükzuführen, der aber außer der Philosophie selbst 26 W2 liegt in der Bildung der vornehmen athenischen Jugend zu tugendhaften Bürgern. Hiebei nun ist ohnerachtet des sehr klaren Vortrages | schwer zu entscheiden, ob dieser Zwekk zugleich der Grund gewesen 26 W1 sein soll zur Erfindung aller höheren Speculationen des Platon, welches doch gar zu abentheuerlich wäre zu behaupten, und abgerechnet auch den Kreis, in dem es sich dreht, da ja die Philosophie erst bestimmen muß, was die Tugend des Bürgers sei, auch ein viel zu untergeordneter Standpunkt für die Philosophie selbst. Soll aber die Meinung dahin gehen, daß Platon seine Philosophie unabhängig von jenem besonderen Zwekk erfunden habe, und diese schon müsse vorausgesezt werden, die Schriften aber sich auf jenen Endzwekk beziehen sollten, und so wären ausgearbeitet worden, wie dieser es unter den jedesmaligen Umständen erfordert hätte: so wäre dieses das stärkste, was jemals von ihrer exoterischen Beschaffenheit gesagt worden. Indeß könnten dem zufolge die philosophischen Schriften des Platon nur eine pädagogische Reihe ausmachen, oder vielmehr eine polemische, in welcher wegen ihrer Beziehung auf äußere Umstände und Ereignisse auch alles nur zufällig sein könnte, und so wäre sie, ähnlich genug einer Perlenschnur, nur eine willkührliche Zusammenreihung von Productionen, die aus ihrer organischen Stelle herausgerissen, auch bei dem gänzlichen Mißlingen jener Absicht nur als ein
T 1 werden? denn] werden, oder W1 | den] dem W1 10f und abgerechnet auch den Kreis] und den Kreis abgerechnet W1 15 jenem] jedem W1 S 3–7 Eberhard…Bürgern] Eberhard: Von dem Zwecke, S. 358-377; vgl. bes. S. 377: „[...] wir sehen, daß sein praktischer Zweck alle seine Dialogen, bis zu den spitzfindigsten, sehr fest zusammen hält; wir sehen, daß dieser praktische Zweck eine herrliche Schnur ist, worauf sich alle diese schönen Perlen aufreihen lassen [...]“; kritisch dazu Tennemann: System der Platonischen Philosophie, Bd. 1, S. 222: „Herr Eberhard glaubt, der Zweck der Platonischen Philosophie sei [...], dem gemeinen Wesen tugendhafte, wohlthätige und weise Staatsbürger, Obrigkeiten und Rathgeber zu bilden [...]. Ich zweifle im geringsten nicht, daß dieses wirklich ein Zweck der Platonischen Philosophie war; [...] aber sie sollte nicht weniger die obersten und allgemeinsten Gründe des Denkens, und die allgemeinsten Prädikate der denkbaren Gegenstände entwickeln; sie befaßte das Gebiet der theoretischen und praktischen Vernunft.“ 24 Perlenschnur] Vgl. oben Eberhard: Von dem Zwecke, S. 377: „[...] Schnur [...] Perlen [...]“. Dazu der Brief von G. L. Spalding, 16.1.1804: KGA V/7, Nr. 1640, 55.
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zwekkloser Schmukk anzusehen wären; nicht besser, als wenn Andere behaupten, Platon habe nur aus Eitelkeit bald dieses bald jenes von seinem Wissen oder gegen das anderer Philosophen bekannt gemacht. Bei allen diesen Bemühungen also ist an die Herstel|lung der natürlichen auf die fortschreitende Entwiklung der Philosophie sich beziehenden Reihe dieser Schriften noch gar nicht gedacht worden. Einen ganz anderen Charakter aber | als alles bisherige hat der in Tennemanns System der platonischen Philosophie, wenigstens dort zuerst mit einiger Vollständigkeit angestellte Versuch, die chronologische Folge der platonischen Gespräche aus mancherlei ihnen eingedrükten historischen Spuren zu entdekken; denn dieses ist allerdings ein kritisches und eines Geschichtsforschers, wie der Urheber jenes Werkes, ganz würdiges Bestreben. Zwar ist seine Absicht dabei weniger darauf gerichtet gewesen, auf diesem Wege die wahre und wesentliche Beziehung der Werke des Platon zu entdekken, sondern nur im Allgemeinen die Zeiten zu unterscheiden, um nicht in eine Darstellung der Philosophie des reifen und vollendeten Platon auch frühere Unvollkommenheiten mit aufzunehmen. Allein so wie zu jenem Unternehmen überhaupt das gegenwärtige ein nothwendiges Gegenstük ist: so wäre wiederum jene Methode, da sie ganz auf äußeren Merkmalen beruht, wenn sie nur allgemein angewendet werden könnte, und jedem platonischen Gespräche seine Stelle zwischen zwei anderen bestimmt anwiese, die natürliche Probe zu der unsrigen ganz inneren. Vollkommen freilich müßten deshalb die Resultate von beiden vielleicht doch nicht übereinstimmen, weil nämlich die äußere Entstehung eines Werkes noch andern äußeren und zufälligen Bedingungen unterworfen ist, als seine innere Entwiklung, welche nur inneren und nothwendigen folgt; woraus leicht kleine Abweichungen entstehen können, so daß, was innerlich eher vorhanden war, als ein anderes, |
T 1 zwekkloser Schmukk] zwekloser Schmuk W1 5 Entwiklung] Entwikelung W1 11 entdekken] entdeken W1 15 entdekken] entdeken W1 19 ist: so] ist, so W1 1 27 Entwiklung] Entwikelung W S 1–3 Andere…gemacht] Repräsentativ für eine solche Position am ehesten Meiners: Geschichte des Ursprungs, Bd. 2, S. 683-808, bes. etwa S. 788. 7f Tennemanns… Philosophie] Tennemann: System der Platonischen Philosophie, Bd. 1, S. 115-125 (Ueber die Zeitfolge der Platonischen Schriften) 19 nothwendiges Gegenstük] Zum Verhältnis der Ansätze Tennemanns (und Tiedemanns) zu Schleiermacher vgl. jetzt Thomas Alexander Szlezák: Schleiermachers „Einleitung“ zur Platonübersetzung von 1804. Ein Vergleich mit Tiedemann und Tennemann, Antike und Abendland 43 (1997), S. 46-62.
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doch äußerlich später erscheint. Mit gehöriger Hinsicht aber auf diese Einwirkungen des Zufälligen, welche sich doch einem aufmerksamen Auge schwerlich entziehen würden, wenn beide | Reihen vollständig vorhanden wären, und genau verglichen werden könnten, müßten doch beide durch herrschende Uebereinstimmung ihre Wahrheit gegenseitig am besten bestätigen. Allein man entdekt auf jenem Wege wenig bestimmte Punkte, sondern für die meisten Gespräche nur ziemlich unbestimmte Grenzpunkte, zwischen welche sie fallen müssen, ja oft ist nur nach Einer Seite hin ein Aeußerstes gegeben. Nämlich der Strenge nach dürften sich die historischen Spuren nicht über das Leben des Sokrates hinaus erstreken, in welches ja alle Gespräche fallen, mit Ausnahme der Geseze und der wenigen, die Platon durch Andere wieder erzählen läßt, und bei denen ihm also auch eine spätere Zeit zu Gebote stand, welchen Vortheil er aber auch nicht immer benuzt hat um uns eine genauere Spur zu hinterlassen. Nun geben zwar die Anachronismen, die er sich hie und da erlaubt, Hoffnung zu einigen mehreren geschichtlichen Angaben, so daß man wünschen möchte, Platon hätte sich dieses Fehlers öfter schuldig gemacht; aber auch diese geringe Ausbeute wird sehr zweifelhaft durch die Betrachtung, daß manche von diesen Thatsachen vielleicht erst bei einer späteren Ueberarbeitung ihren Plaz gefunden, bei welcher sich Platon natürlich nicht mehr so lebhaft in die wahre Zeit des Gesprächs versezte, und sich eher verleiten lassen konnte, sie regellos zu überspringen. Es gäbe vielleicht noch mehr bis jezt unbenuzte Hülfsmittel für diese Methode. So könnte man das herrschende Ansehen des Sokrates, wel|ches, wenn man die Gespräche in eine gewisse Reihe stellt, allmählich verschwindet, als einen Maaßstab ansehn für die Entfernung der Gespräche von der Zeit seines Lebens; oder auch die | Wahl der übrigen Personen für ein Zeichen von der Lebhaftigkeit des Antheils, den Platon an Athen und dem öffentlichen Leben daselbst nahm, und der ebenfalls sich mit der Zeit abgestumpft hat. Allein alles dieses ist so vielen Einschränkungen unterworfen, daß jeder zuversichtliche Gebrauch davon verfänglicher sein möchte als ersprießlich, und daß keine daraus gezogene Folgerung etwas entscheiden sondern nur einen geringen Zuwachs von Wahrscheinlichkeit
T 24f unbenuzte] noch unbenuzte W1 34 daß] fehlt W1 S 12 der wenigen] Phaidon, Symposion, Parmenides, Theaitetos 16 Anachronismen] in diesem Band z. B. im Protagoras (s. u. die Einleitung zum Protagoras, S. 569-576), aber auch im Phaidros: siehe Ed.Zweibrücken (Bipontina), Bd. 5, 1787, S. VII mit Athenaeus, Deipnosophistae XI, 505f-506a
28 W2 28 W1
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abgeben kann. So daß durch diese Methode schwerlich mehr möchte zu erreichen sein, als wozu sie in jenem Werke mit lobenswerther Mäßigung, wenn auch vielleicht nicht immer nach richtigen Voraussezungen, ist angewendet worden. Gewiß wenigstens kann dasjenige, was sich aus der inneren Betrachtung der platonischen Werke für ihren Zusammenhang ergiebt, aus jenen historischen Andeutungen nicht beurtheilt oder widerlegt werden, da jenes Bestreben nur eine Folge und keinen Zeitpunkt bestimmt. Zu Hülfe aber müssen sie allerdings so viel möglich genommen werden, um doch einige Punkte zu gewinnen, durch welche jene Folge auch mit den äußeren Begebenheiten kann in Verbindung gebracht werden. Will man nun aber die natürliche Folge der platonischen Werke aus der Unordnung, in welcher sie sich jezt befinden, wieder herstellen, so muß, wie es scheint, nothwendig vorher entschieden sein, welche Schriften wirklich des Platon sind, und welche nicht. Denn wie könnte sonst ein solcher Versuch mit einiger Si|cherheit angestellt werden, und wie müßte nicht vielmehr, falls etwas fremdes unter die Werke des Platon gemischt wäre, auch das ächte in einem ganz falschen Lichte erscheinen, wenn | man erzwingen wollte, das unächte damit in Verbindung zu sezen? Oder sollte es erlaubt sein, die aufgestellte Forderung selbst zum Maaßstabe zu machen, und scharf und schneidend genug festzusezen, daß, was sich in jenen Zusammenhang nicht hineinfüge, auch dem Platon nicht angehören könnte? Wohl schwerlich möchte sich jemand finden, der dieses billigte, und nicht einsähe, daß dies eine höchst einseitige Entscheidung wäre über eine nach ganz anderen Gründen zu beantwortende Frage, und daß eine aus Betrachtung der als platonisch vorausgesezten Werke entstandene Idee unmöglich zugleich über die Richtigkeit der Voraussezung selbst absprechen könne. Vielmehr werden die Meisten die ganze Frage nicht erwarten über die Aechtheit der platonischen Schriften, sondern sie für längst entschieden ansehen, bis auf unbedeutende Zweifel, welche nur ein Paar Kleinigkeiten betreffen, von denen sehr gleichgültig sein kann, ob sie jemand annimmt oder verwirft. So nämlich werden alle diejenigen urtheilen, die sich bei der längst verjährten Autorität der Ausgaben beruhigen. Diese stimmt freilich genau
T 1 kann] könnte W1 18 ganz] W1 gsnz W2 21f scharf und schneidend genug] etwas scharf und schneidend W1 25 daß] W1 das W2 | dies] es W1 35 der Ausgaben] unserer Sammlungen W1 S 2 jenem Werke] Tennemann: System der Platonischen Philosophie (insgesamt)
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zusammen mit dem Verzeichniß des Thrasyllos im Diogenes, nur daß eine spätere Kritik noch den Kleitophon unserer Sammlung entrissen hat, und dagegen jenem Verzeichniß die Worterklärungen fehlen, welches also die einzigen zweifelhaften Gegenstände sein würden. Ja, wir haben ein noch besseres Zeugniß für diese Sammlung, nämlich den schon genannten Grammatiker Aristophanes, dessen | anordnen- 31 W2 des Verzeichniß Diogenes auch vor Augen gehabt hat, und uns gewiß nicht würde verschwiegen haben, wenn er es irgendwo von jenem abweichend gefunden hätte. Aber wie kann sich wohl eine | gründli- 31 W1 che Kritik, wenn sie auch auf die Zweifel, welche das eigne Gefühl eingiebt, keine Rüksicht nehmen wollte, bei jenen Autoritäten beruhigen? Denn nicht nur haben sich, mit Ausnahme vielleicht weniger Dichter, in alle beträchtlichen aus dem Alterthum erhaltene Sammlungen von Werken einzeler Schriftsteller auch unächte Hervorbringungen eingeschlichen, so daß es ein Wunder wäre, wenn die des Platon eine Ausnahme machen sollten, da zumal die philosophische Litteratur den Fleiß der Kritiker weniger beschäftiget hat. Sondern es tritt beim Platon noch der besondere Umstand hinzu, dessen Wichtigkeit in dieser Hinsicht man nicht recht erwogen zu haben scheint, daß nämlich schon jene Kunstrichter eine beträchtliche Menge kleiner Gespräche, als dem Platon nicht zugehörig, aus der Sammlung, welche
T 2 noch den Kleitophon unserer Sammlung] unserer Sammlung noch den Kleitophon W1 8f wenn er es irgendwo von jenem abweichend gefunden hätte] daß es irgendwo von jenem abweiche W1 S 1 Verzeichniß…Diogenes] s. o. S. 33,11 2 Kritik…Kleitophon] Unter die unechten Dialoge stellt ihn Ed.Venedig 1513 (Aldina), Tom. 2, S. 405-407; Serranus in Ed.Genf 1578 (Stephanus), Tom. 3, S. 406 ff.: „Dialogus hic est imperfectus: immeritò autem inter nothos collocari existimatur, quum etiam à Diogene Laertio pro Platonico agnoscatur.“ (S. 406). Letzteres zitiert Ed.Zweibrücken (Bipontina), Tom. 11, S. 276, stellt ihn aber ebenfalls ans Ende unter die unechten Dialoge (S. 276-286). Unrichtig daher Tennemann: System der Platonischen Philosophie, Bd. 1, S. 111: „Serranus hat ihn [...] dieser Stelle für unwürdig erkläret“. Auch Schleiermacher selbst hält den Dialog für unecht: siehe die Einleitung zum Kleitophon: Platons Werke II/3 (KGA IV/7), S. 453-455 W1, S. 459-461 W2. 3 die Worterklärungen] Die sogenannten ‚Worterklärungen‘ (‚Definitiones‘ bzw. ῞Οροι) sind in der Tat nicht in die Tetralogienordnung des Thrasyllos bei Diogenes Laertius (s. o. S. 33,11) aufgenommen. 6 Aristophanes] Aristophanes von Byzanz (s. o. S. 34,8) 20 jene Kunstrichter] Thrasyllos und Aristophanes von Byzanz. Nicht in deren Tetra-/Trilogienordnung aufgenommen sind die Dialoge De Iusto/Περὶ δικαίου, De Virtute/Περὶ ἀρετῆς, Demodokos, Sisyphos, Eryxias, Halkyon. Die S. 41,3 genannten ‚Worterklärungen‘ (‚Definitiones‘ bzw. ῞Οροι) sowie die Epigramme sind ebenfalls nicht aufgenommen.
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sie vorfanden, herausgeworfen haben. Denn hieraus geht doch offenbar hervor, daß jene Dialogen ihren Plaz unter den anderen Werken des Platon damals schon eine geraume Zeit lang mußten behauptet haben, weil ja sonst keine besondere Operation der Kritik nöthig gewesen wäre, um ihn ihnen wieder zu entreißen. Und diese Usurpation wiederum hätte nicht erfolgen können, wenn man von der Unächtheit jener Gespräche Zeugnisse gehabt hätte, die sich noch aus den Zeiten der ächten Akademiker herschrieben; wie denn überhaupt, so lange Solche vorhanden waren, welche die ächte platonische Ueberlieferung mit Eifer für die Sache verwahrten, sich nicht denken läßt, daß dem Platon | fremde Arbeit allgemein hätte können untergeschoben werden. Wonach also haben jene Kritiker geurtheilt, als sie einige Dialogen annahmen und andere verwarfen? Wollte man sagen, | sie hätten über alle nicht verworfenen sichere hinreichend alte Zeugnisse ihrer Anerkennung von den nächsten Zeitaltern gehabt: so ist ja das Stillschweigen der Zeitgenossen, die für den Fall einer künftigen Verwechselung nicht zu sorgen pflegen, und zu jeder Anführung einer Veranlassung bedürfen, weder einzeln noch zusammengenommen eine Ursache zur Verwerfung, und sie könnten also leicht unrecht verurtheilt haben. Eben so könnten auch gegen die Zulänglichkeit der angewendeten Zeugnisse mancherlei Bedenklichkeiten erhoben werden, da schon mehrere Beispiele und noch neuerlich gelehrt haben, wie zeitig im Alterthum untergeschobene Schriften selbst von Sprachkennern und Gelehrten in die Reihe der ächten aufgenommen wurden. Haben sie aber mehr nach inneren Gründen geurtheilt, so giebt es für diese wenigstens keine Verjährung, sondern sie bleiben erneuerter Prüfung jedes auch späteren Zeitalters billig unterworfen. Daher entsteht nun, zumal jedem fleißigen Leser des Platon manche Bedenklichkeiten gegen manches aufstoßen werden, die Frage, ob Jene nicht von einem zu beschränkten Gesichtspunkt bei ihrer Kritik ausgegangen sind, oder ob sie vielleicht richtige Grundsäze doch nicht in ihrer ganzen Schärfe angewendet, und also manches beibehalten haben, das zum Verwerfen nicht minder geeignet war. Zweierlei giebt diesem Zweifel noch besondere Nahrung. Zuerst, daß die damals verworfenen Ge-
T 8 herschrieben; wie] herschrieben, wie W1 11 Arbeit] vermutlich eine Korrektur Spaldings (statt Machwerk in Schleiermachers Manuskript: s. o. zu S. 16,3), die dann allerdings auch in W2 beibehalten ist S 8 ächten Akademiker] Vertreter der sog. Alten Akademie: Speusippos, Xenokrates, Polemon, Krates, Krantor, Herakleides Pontikos, Eudoxos von Knidos (Diogenes Laertius, Vitae Philosophorum IV, 1-27; V, 86-94; VIII, 86-91).
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spräche sich nicht alle von allen damals anerkannten ganz schneidend der Art nach | unterscheiden, sondern, man sehe nun auf den Inhalt 33 W2 oder die Zusammensezung und Behandlungsart, einige sich einigen ziemlich nähern. Dann auch, daß aus derselben Zeit, in welcher | jene 33 W1 Autoritäten allgemein anerkannt wurden, dennoch in den bekannten Bedenklichkeiten gegen die Erastä und den Hipparchos sich noch eine Wurzel von Zweifeln erhalten hat, welche vielleicht nur in besseren kritischen Boden verpflanzt werden dürfte, um noch merklich weiter sich zu verbreiten, und an vielen andern Orten auszuschlagen. Ist aber das Ansehen der Sammlung auf diese Art erschüttert, so wird jeder, der nur mit einigem Sinn für solche Nachforschungen begabt ist, eingestehen müssen, daß nun der Strenge nach jedes einzelne Werk für sich aus eignen Gründen sich als platonisch bewähren muß. Dieses nun kann doch zunächst auf keine andere Art geschehen, als wiederum durch Zeugnisse; und mit Rüksicht auf das Obige möchte sich zweifeln lassen, ob es für uns jezt noch andere gültige Zeugnisse gebe, als die des Aristoteles. Indessen treten auch bei diesem mancherlei Bedenken ein, theils wegen der Zweifelhaftigkeit mancher seinen Namen tragenden Schriften, da auch dieser Sammlung fremde Arbeiten beige-
T 15 Zeugnisse; und] Zeugnisse, und W1 Schrift W1
17 diesem] diesen W1
19 Schriften]
S 6 Bedenklichkeiten gegen die Erastä und den Hipparchos] Schon Thrasyllos scheint in Bezug auf die Echtheit der Erastai unsicher gewesen zu sein (vgl. Diogenes Laertius, Vitae Philosophorum IX, 37); Schleiermacher selbst hielt ihn für unecht: siehe die Einleitung zu Die Nebenbuhler: Platons Werke II/3 (KGA IV/7), S. 273-276 W1, S. 279-282 W2. Zweifel an der Echtheit des Hipparchos erstmals bei Aelian, Variae Historiae 8, 2: zitiert in Ed. Zweibrücken (Bipontina), Tom. 5, 1784, S. V, und Tennemann: System der Platonischen Philosophie, Bd. 1, S. 90; für die Unechtheit plädiert auch Schleiermacher in seiner Einleitung zum Hipparchos (im ‚Anhang zur Ersten Abtheilung‘): Platons Werke I/2 (KGA IV/4), S. 323-326 W1, S. 323-327 W2, vgl. auch schon Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 366, Notat 86: „Es ist gewiß ein Grundsaz daß kein Dialog Platonisch ist wo die Unterredner nicht genannt und bezeichnet sind. Dies trifft den Hipparch und Minos. Der Eresten wegen könnte man sagen da wäre Charakteristik allein die andern Einwände sind stark genug; und zwei würde auch Plato gewiß nicht ungenant gelassen haben.“ Für die Unechtheit aller drei (und des Kleitophon) wenig später auch August Boeckh: In Platonis qui vulgo fertur Minoem eiusdem libros priores de legibus, Halle 1806, S. 33-39 und S. 200. 17 Aristoteles] Eine Liste der von Aristoteles zitierten Platondialoge (als platonisch mit Titel, als platonisch ohne Titel, nur mit Titel ohne Autornennung, als anonymer Verweis ohne Titel) jetzt bei Hermann Bonitz: Index Aristotelicus, Berlin 1870 (Ndr. 1955), S. 598 f. Vorarbeiten Schleiermachers oder Listen anderer sind nicht nachgewiesen.
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mischt sind, theils wegen der schlechten Beschaffenheit des Textes, der weit mehr mit Glossemen angefüllt zu sein scheint, als man bisher bemerkt hat, theils endlich wegen seiner Art anzuführen, indem er oft nur die Ueberschriften platonischer Dialogen nennt ohne den Verfasser, oder auch den Sokrates, wo man den Platon erwartet. Das philologische Gefühl aber, welches hier zuversichtlich entscheiden wollte, ob Aristoteles den Platon im Sinn gehabt oder nicht, und ob er ihm die genannten | Gespräche zugeschrieben oder nicht, dieses müßte sich zwar als in hohem Grade geübt bewährt haben, nicht nur im Allgemeinen, son|dern auch besonders daß es hier keinen Kreis beschreibe, und etwa das Urtheil über die Anführungen des Aristoteles auf ein früher gefälltes über die platonischen Schriften selbst gründe. Daher darf auch nicht jede nur beiläufig, und wie es nicht selten der Fall ist, fast überflüssig und zum Schmuk hingestellte Anführung in den Werken des Aristoteles als Beweis der Aechtheit eines platonischen Dialogen gelten. Das einzige nun was aus dieser Rathlosigkeit rettet, ist ein durch den größten Theil der ächten Schriften des Aristoteles sich hindurchziehendes System der Beurtheilung des Platon, dessen einzele Theile jeder bei einiger Uebung leicht unterscheiden lernt. Wo wir also dieses mit Stellen aus unsern platonischen Schriften oder auch nur mit Ideen beschäftiget finden, die in denselben deutlich enthalten sind, da können wir mit Sicherheit schließen, daß Aristoteles diese Schriften als platonische vor Augen gehabt habe, sollte er auch, wie bisweilen geschieht, die Schrift selbst nicht namhaft machen, sondern nur im Allgemeinen des Platon oder des Sokrates erwähnen. Dieses genauer auseinander zu sezen, würde weit über die Grenzen gegenwärtiger Einleitung hinausführen, und um so unnöthiger sein, da unter den
T 7 Aristoteles] er W1 23 Augen] Angen W1 S 17 den größten Theil der ächten Schriften des Aristoteles] Die Echtheitskritik der Schriften des Aristoteles nimmt ihren Ausgang vom Schriftenverzeichnis in der Aristotelesvita bei Diogenes Laertius, Vitae Philosophorum V, 21-27 (vgl. 34). In der Ausgabe des Isaak Casaubonus: Operum Aristotelis Stagiritae Philosophorum omnium longe principis nova editio, Bd. 1-2, Lyon 1590 [SB 74] ist die Vita zu Beginn von Band 1 mit einer lateinschen Übersetzung abgedruckt [ohne Seitenzahlen] und mit kritischen Randbemerkungen des Casaubonus zur Echtheit einzelner Schriften versehen. In der Folgezeit wurde die Echtheit der einzelnen Schriften anhaltend intensiv diskutiert, bis sich am Ende des 18. Jhs. ein gewisser Konsens über ein echtes Kernkorpus herausgebildet hatte; vgl. z. B. die den damaligen Forschungsstand mit umfangreichem Quellenmaterial zusammenfassende Darstellung im ersten Band der Bipontina von Johann Gottlieb Buhle: Aristotelis opera omnia, rec. Io. Theophilus Buhle, Bd. 1, Zweibrücken 1791, S. 1-428 [SB 75].
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Nichtkennern beider Werke die Zweifel wohl nicht stark genug sind um es zu fodern, die Kenner aber schwerlich Einwendungen machen werden gegen das Resultat, daß es uns auf diese Art an sicheren Beweisen für die Aechtheit der größten und für den Sinn seiner Philosophie wichtigsten Werke des Platon nicht fehlen kann. Diese nun sind der | kritische Grund, auf welchen jede weitere Untersuchung bauen 35 W2 muß, und in der That bedarf | sie eines besseren nicht. Denn die so be- 35 W1 urkundeten Gespräche bilden einen Stamm, von welchem alle übrige nur Schößlinge zu sein scheinen, so daß die Verwandtschaft mit jenen das beste Merkmal abgiebt, um über ihren Ursprung zu entscheiden. Zugleich auch müssen für das zweite Geschäft des Anordnens der Natur der Sache nach ebenfalls in jenem Stamme schon alle wesentlichen Momente des allgemeinen Zusammenhanges gegeben sein. Denn natürlich mußte der erste Beurtheiler des platonischen Systems auch die wichtigsten Entwiklungen desselben ohne Ausnahme vorzüglich ins Auge fassen, und so finden wir diese auch wirklich in den durch ihn am meisten beglaubigten Werken. Als solche, welche in beider Hinsicht der Aechtheit sowohl als der Wichtigkeit die erste Rangordnung platonischer Werke ausmachen, zählen wir den Phaidros, den Protagoras, den Parmenides, den Theätetos, den Sophist und Politikos, den Phaidon, den Philebos, und den Staat, nebst dem damit in Verbindung gesezten Timaios und Kritias. An diesen also haben wir einen festen Punkt, von welchem aus beide Bemühungen, die Aechtheit der übrigen zu entscheiden, und die Stelle welche jedem gebührt auszumitteln, weiter fortgehn können; auch die zweite gleichzeitig mit der ersten, und ohne daß sich beide durch ihre Beziehungen auf einander als leer aufhöben, sondern vielmehr so, daß sie auf mancherlei Art einander sehr natürlich unterstüzen, wie die folgende Erörterung hoffentlich zeigen wird. Das erste Geschäft nämlich, die übrigen Gespräche unserer Sammlung zu prüfen, ob sie dem Platon angehören können oder nicht, ist |
T 11f der Natur der Sache nach ebenfalls] ebenfalls der Natur der Sache nach W1 12 in jenem Stamme] in jenen W1 15 Entwiklungen] Entwikelungen W1 21 Phaidon] hier und S. 58,8 Phädon W1, vgl. dazu den Editorischen Bericht, S. LXXXVIII 22 Timaios] hier und im Folgenden Timäos W1, vgl. dazu den Editorischen Bericht, S. LXXXVIII; dagegen unverändert Timäos S. 35,14 30 nämlich] nemlich W1 S 7f die so beurkundeten Gespräche bilden einen Stamm] s. o. S. 45,19–22 19–22 Phaidros ... Kritias] Diese Liste deckt sich in bemerkenswerter Weise mit den Angaben bei Bonitz zu den aristotelischen Platonverweisen (siehe App. S zu S. 43,17); allein die Nomoi fehlen.
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deshalb nicht ohne Schwierigkeit, weil der Charakter der Verwandtschaft, den man aus jenen erwiesenen abziehen kann, aus mehreren Zügen und Merkmalen zusammengesezt ist, und es unbillig scheint zu verlangen, daß alle in allen Hervorbringungen des Platon auf gleiche Art sollen verknüpft sein, und schwierig zu bestimmen, auf welche dieser Merkmale man vorzüglich sehen, und welchen Rang jedem anweisen soll. Dreierlei aber ist es, was hiebei vornemlich in Betrachtung kommt: die Eigenthümlichkeit der Sprache, ein gewisses gemeinschaftliches Gebiet des Inhalts, und die besondere Gestalt, in welche Platon ihn auszubilden pflegt. Was nun die Sprache betrifft, so wäre es glücklich um die vorliegende Sache bestellt, wenn aus derselben irgend ein Beweis über den Ursprung jener Schriften könnte geführt werden. Allein sehen wir auf den philosophischen Theil derselben, so giebt es unter den Gesprächen, von welchen noch untersucht werden müßte ob sie dem Platon angehören oder nicht, einige, die überall keine wissenschaftlichen Gegenstände, noch im Geist der Speculation, behandeln; die übrigen aber nehmen ihren Inhalt so unmittelbar aus dem Gebiet der unbezweifelt ächten Gespräche her, und sind so offenbar von gleicher Denkungsart eingegeben, daß es unmöglich ist hieran eine spätere oder fremde Hand zu erkennen, und dennoch könnten sie, was diesen Punkt angeht, nur von einem Schüler oder Nachahmer herrühren, welcher den Fußtapfen des Meisters treulich gefolgt wäre. Was aber den eigentlich dialogischen Theil der Sprache betrifft, so dürfte sich schwerlich jemand herausnehmen, zuerst von dem gemeinschaftlichen Besiz des Zeitalters dasjenige, was besonderes | Werk der sokratischen Schule war, | und von diesem wiederum die Eigenthümlichkeiten des Platon mit Sicherheit zu unterscheiden. Oder sollte bei dem großen Umfang, den die Sprache eines Mannes gewinnen mußte, der so lange Zeit den Griffel geführt hat, dann bei dem großen Verlust gleichzeitiger und gleichartiger Werke, und endlich wenn man doch die kleinen schon längst verworfenen Gespräche mit in das zu beurtheilende Ganze einrechnen muß, bei der großen Verschiedenheit des Werthes und Gehaltes, sollte irgend jemand jezt schon sich rühmen hellenisch genug zu wissen, um über irgend einen Ausdruk selbst in jenen kleinen Gesprächen das Urtheil, daß er unplatonisch sei, mit
T 6 dieser Merkmale] fehlt W1 10 betrifft] betrift W1 11 glücklich] glüklich W1 14f von welchen noch untersucht werden müßte ob sie dem Platon angehören oder nicht] welche in diese Untersuchung fallen W1 18 unbezweifelt] fehlt W1 | Gespräche] fehlt W1 23 betrifft] betrift W1 35–47,2 das Urtheil, daß er unplatonisch sei, mit solcher Sicherheit zu fällen, daß er deshalb allein die Schrift sich getraute zu verwerfen?] das sichere Urtheil zu fällen, daß er unplatonisch sei? W1
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solcher Sicherheit zu fällen, daß er deshalb allein die Schrift sich getraute zu verwerfen? Vielmehr ist es gewiß nicht so wohl etwas aufzuzeigendes fremdes, sondern mehr das abwesende einheimische, die fehlenden auserlesenen und zierlichen dialogischen Formeln, diese sind es, was jenen längst schon geächteten Schriften von Seiten der Sprache das Verwerfungsurtheil zuziehen kann. Unter denen also, welche jenes Mangels nicht zu zeihen sind, könnte gar wohl manches dem Platon nicht angehören, ohne daß es sich in der Sprache offenbarte; so daß diese einseitig fast nichts entscheiden kann. Denn wenn uns Bedenken aufsteigen, die mehr auf einen allgemeinen Eindruk beruhen, als daß wir bestimmte Beläge dafür beibringen könnten: so ist anzunehmen, daß diese schon mehr von der Composition abhängen, als von der Sprache allein. Dasselbige dürfte zweitens auch gelten, wenn man die Aechtheit der übrigen Werke nach dem Inhalt jener der ersten Klasse beurtheilen wollte. | Denn dieses könnte auf 38 W2 zweierlei Art geschehen. Entweder man behauptete, nichts Platonisches dürfe dem Inhalt jener anerkannten | Werke widersprechen. 38 W1 Hiedurch aber würde man den Platon eines Rechtes berauben, dessen sich jeder andere erfreut, nemlich seine Gedanken zu berichtigen oder zu vertauschen, auch nachdem er sie schon öffentlich geäußert; und man gestände ihm ohne weiteres zu, was nach Beobachtung unserer heutigen Philosophen so wunderlich scheinen muß, daß es nicht ohne den strengsten Beweis geglaubt werden dürfte, daß er nemlich vom Antritt seiner lehrenden Laufbahn, und noch früher, immer so gedacht habe wie hernach. Oder wenn man weniger auf genaue Uebereinstimmung aller einzelen Gedanken sehn wollte, als nur auf die Beschaffenheit und Größe des Inhaltes überhaupt, und zur Regel aufstellen, jede platonische Schrift müsse dieselbe Bedeutsamkeit haben und sich eben so auf die ganze Idee der Philosophie beziehen wie jene; dann würde man aber vergessen, daß gar leicht einem Schriftsteller äußere Veran-
T 3 mehr] nur W1 8f offenbarte; so] offenbarte. So W1 9–13 kann. Denn wenn uns Bedenken aufsteigen, die mehr auf einen allgemeinen Eindruk beruhen, als daß wir bestimmte Beläge dafür beibringen könnten: so ist anzunehmen, daß diese schon mehr von der Composition abhängen] kann: denn manches Gefühl, welches keine bestimmten Beläge beibringt, sondern sich mehr auf einen allgemeinen Eindruk beruft, zeigt eben dadurch, daß es schon mehr von der Composition abhängt W1 14 gelten] von dem Inhalt jener Werke der ersten Klasse gelten W1 | man] man nach ihm W1 14f Werke nach dem Inhalt jener der ersten Klasse] fehlt W1 17f widersprechen. Hiedurch] widersprechen; hiedurch W1 20 geäußert; und] geäußert, und W1 23 dürfte, daß] dürfte: daß W1 | nemlich] fehlt W1 25 wenn man] man wollte W1 26 wollte] fehlt W1 29f jene; dann würde man aber] jene. Dann aber würde man W1
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lassungen kommen zu fremdartigen und beschränkteren Werken, die ohne äußeres Zuthun aus der ganz freien Thätigkeit desselben nicht würden hervorgegangen sein. In solchen, eigentlich zu reden, Gelegenheitsschriften kann mit Recht nicht gefodert werden, daß seine einer höheren Sphäre angehörigen Ideen sich entwikeln sollen, und wo sich Spuren derselben zeigen, ist dies etwas zufälliges und überverdienstliches, welches auch nicht immer untrüglich den Ursprung von ihm beweisen möchte. Eben so ist ja offenbar, daß jeder große Künstler jeder Art außer seinen eigentlichen Werken auch Studien zu ar|beiten pflegt, in denen freilich der Kenner mehr oder minder von seinem Styl und Geist entdekken wird, die aber dennoch in die Reihe der ihn eigentlich | charakterisirenden Werke nicht gehören und seine großen Kunstabsichten nicht fördern, ja in denen er sich vielleicht absichtlich irgend einer Vorübung wegen von dem gewohnten Kreise seiner Gegenstände oder auch von der ihm natürlichen Behandlungsweise entfernt. Offenbar giebt es in unserer platonischen Sammlung mehrere Stükke, welche nur unter diesem Gesichtspunkt dem Platon können zugeschrieben werden; und von solchen aus der Geringfügigkeit des Inhalts oder aus einzelnen Abweichungen in der Behandlung desselben entscheiden zu wollen, ob sie ihm angehören oder nicht, möchte nach dieser Analogie sehr mißlich sein. Diese Schwierigkeiten nun deuten offenbar darauf, daß wir weder vom Inhalt allein noch von der Sprache allein urtheilen dürfen, sondern auf ein drittes und sicherers sehen müssen, in welchem sich auch jene beide vereinigen, nemlich auf die Form und Composition im Ganzen. Denn auch was in der Sprache am meisten beweiset, sind nicht Einzelheiten, sondern der ganze Ton und die eigenthümliche Farbe derselben, welche schon mit der Composition in dem genauesten Verhältniß steht. Eben so wird diese sich ihren Hauptzügen nach auch in solchen Studien verrathen, in denen uns der große Inhalt jener Werke einer höheren Klasse verläßt. Ja was das meiste ist, um uns von dieser ächt platonischen Form
T 11 entdekken] entdeken W1 17 Stükke] Stüke W1 18 werden; und] werden, und W1 21–24 Diese Schwierigkeiten nun deuten offenbar darauf, daß wir weder vom Inhalt allein noch von der Sprache allein urtheilen dürfen, sondern auf ein drittes und sicherers sehen müssen, in welchem sich auch jene beide vereinigen] Daher führen uns die schwierigen Fälle von diesem Kennzeichen sowohl als von jenem der Sprache auf ein drittes und sicherers, in welchem sie sich auch beide vereinigen W1 26 beweiset, sind] bewies, waren W1 S 16f mehrere Stükke] Im vorliegenden Bd. I/1 etwa der Lysis und der Laches (siehe unten die Einleitungen zu diesen).
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einen richtigen Begriff zu machen, dürfen wir sie nicht erst, wie jene beiden andern Kennzeichen, aus den größeren Werken abstrahiren als eine Analogie, von deren Anwendbar|keit die Grenzen doch nicht mit 40 W2 Sicherheit könnten gezogen werden; sondern sie ist in allem Wesentlichen eine natürliche Folge von Platons Gedanken über die philosophische Mittheilung, | und muß also auch überall anzutreffen sein, 40 W1 so weit sich diese nur erstrekt. Denn sie ist nichts anderes als die unmittelbare Ausübung jener methodischen Ideen, die wir aus Platons erstem Grundsaz über die Wirkungsart der Schrift entwikelt haben. So daß dieselbe Eigenthümlichkeit des Mannes, welche berechtiget durchgängigen Zusammenhang in seinen Werken zu suchen, uns auch dasjenige offenbart, was den sichersten Kanon zur Beurtheilung ihrer Aechtheit abgiebt, und auch so die Lösung beider Aufgaben aus einer gemeinschaftlichen Wurzel hervorwächst. Als das Aeußere dieser platonischen Form und ihr fast unentbehrliches Schema ist schon oben die dialogische Einkleidung angegeben, nur so aber, wie sie durch lebendige Auffassung jener Absicht den mündlichen Unterricht, der es immer mit einem bestimmten Subjekt zu thun hat, nachzuahmen, noch eine besondere Eigenthümlichkeit annimmt, welche erst den platonischen Dialogen bildet; nemlich jene mimische und dramatische Beschaffenheit, vermöge deren Personen und Umstände individualisirt werden, und welche nach dem allgemeinen Geständniß so viel Schönheit und Anmuth über die Dialogen des Platon verbreitet. Seine großen unbestrittenen Werke zeigen uns deutlich, daß er diese Beimischung selbst da nicht vernachlässigt, wo er am meisten in den Gegenstand vertieft ist, so wie auf der andern Seite fast durchgehends, daß er sie da am reichlichsten zuläßt, wo der Inhalt weniger in den dunkelsten Ernst der Speculation hinein|führt. Woraus denn allerdings 41 W2 zu schließen ist, daß diese eigenthümliche Form nirgends ganz fehlen
T 4 könnten] können W1 21–23 Beschaffenheit, vermöge deren Personen und Umstände individualisirt werden, und welche nach dem allgemeinen Geständniß so viel Schönheit und Anmuth über die Dialogen des Platon verbreitet] Zuthat, welche Personen und Umstände individualisirt und nach allgemeinem Geständniß als eine reiche Quelle so viel Schönheit und Anmuth in die Dialogen des Platon ausströmt W1 24f diese Beimischung] sie W1 25 vernachlässigt] vernachläßigt W1 29 eigenthümliche] äußere W1 S 5f Platons Gedanken über die philosophische Mittheilung ] Platon, Phaidros 274b-279c 8f methodischen Ideen, die wir aus Platons erstem Grundsaz über die Wirkungsart der Schrift entwikelt haben] s. o. S. 29,13–30,5 15 schon oben] s. o. S. 30,28–31
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41 W1
42 W2 42 W1
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darf, und daß Platon auch an das unbedeutendste, was er als Studium oder auf Veranlassung | abfaßte, etwas von dieser Kunst wird gewendet haben. Auch ist dies unstreitig das erste, was die schon von Alters her verworfenen Dialogen dem Gefühl eines Jeden als unplatonisch bezeichnen muß; so wie es ebenfalls die richtige Grundlage ist von jenem alten kritischen Urtheile, daß alle Gespräche ohne Eingang dem Platon abzusprechen seien, nur daß freilich diese Formel die Sache nur sehr unvollsändig und einseitig ausdrükt. Zum inneren und wesentlichen der platonischen Form aber gehört alles, was für die Composition aus der Absicht die Seele des Lesers zur eignen Ideenerzeugung zu nöthigen folgt, jenes öftere Wiederanfangen der Untersuchung von einem andern Punkte aus, ohne daß jedoch alle diese Fäden in dem gemeinschaftlichen Mittelpunkt wirklich zusammengeführt würden, jene dem Anschein nach oft willkührliche und nur aus der losen Haltung, die ein Gespräch haben darf, zu entschuldigende Fortschreitung, welche aber doch immer absichtsvoll und künstlich ist, ferner das Verbergen des größeren Zieles unter einem kleineren, das indirecte Anfangen mit etwas Einzelem, das dialektische Verkehr mit Begriffen, worunter jedoch die Hinweisung auf das Ganze und auf die ursprünglichen Ideen immer fortgeht: dies ist es, wovon sich etwas in allen wirklich platonischen Arbeiten von irgend philosophischem Gehalt nothwendig finden muß. Indessen ist freilich offenbar, daß dieser Charakter nur im Verhältniß mit der Größe des Inhaltes sich in seinem vollen Lichte zeigen | kann, und hier sehen wir zuerst, wie beide Bemühungen um den Platon, die Prüfung der Aechtheit und die Aufsuchung des rechten Ortes für ein jedes Gespräch | einander gegenseitig unterstüzen und bewähren. Denn je vollkommener in einem Gespräche, welches sich schon durch seine Sprache empfiehlt, und welches offenbar platonische Gegenstände behandelt, diese Form sich ausgeprägt findet, um desto sicherer nicht nur ist es ächt, sondern weil alle jene Künste auf das frühere zurük und auf das weitere hindeuten, muß es auch um desto leichter werden zu bestimmen, welchem Hauptgespräch es angehört, oder zwischen welchen es liegt, und in welcher Gegend der Entwiklung platonischer Philosophie es
T 9 alles, was] alles was W1 10 Absicht die] Absicht, die W1 11 nöthigen folgt] nöthigen, folgt W1 33 angehört, oder] angehört oder W1 | welchen] welchem W1 34 Entwiklung] Entwikelung W1 S 6 alle Gespräche ohne Eingang] Im Anschluß an Diogenes Laertius, Vitae Philosophorum III, 50 f., vgl. die Echtheitskritik in diesem Sinne bei Boeckh: In ... Minoem (1806), S. 33ff.
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einen aufhellenden Punkt abgeben kann. Und eben so umgekehrt, je leichter es wird einem Gespräch seinen Ort in der Reihe der übrigen anzuweisen, um desto kenntlicher müssen ja eben durch jene Hülfsmittel diese Beziehungen gemacht sein, und um desto sicherer eignet es ja dem Platon. Diejenigen Gespräche also, bei denen platonischer Inhalt mit platonischer Form in dem rechten Verhältniß vereinigt und beide deutlich genug sind, bilden eine zweite Klasse platonischer Werke, welche auch ohne Hinsicht auf die ziemlich vollgültigen Zeugnisse, die einigen von ihnen ebenfalls zu Statten kommen, sich durch ihre Verwandtschaft und Verbindung mit der ersten hinlänglich beurkundet. Je schlechter aber ein Gespräch in Absicht auf diese Form ist bei einem sich ihr verhältnißmäßig leicht genug darbietenden Inhalt, um desto zweifelhafter wird auch gewiß seine Aechtheit, da zumal auch in demselben Maaß die andern Bestandtheile des platonischen Charakters undeutlicher müssen | wahrzunehmen sein. Denn auch die 43 W2 Gedanken selbst werden dann weniger vom Geiste des Platon verrathen, und auch die Sprache wird weniger Gelegenheit | haben sich in 43 W1 ihrer ganzen Kraft und Schönheit zu entfalten, da so vieles von beiden mit jenen Eigenheiten der Composition zusammenhängt. So nimmt mit der Klarheit der Form auch von allen Seiten die Ueberzeugung von der Aechtheit ab, bis um so mehr Bedenklichkeiten und Zweifel an ihre Stelle treten, je weniger zu glauben ist, daß Platon, dem es so leicht und natürlich war von allen einzelen Begriffen und besonderen Meinungen auf seine großen Grundideen zurükzukommen, irgend einen Gegenstand aus dem Gebiete der Philosophie, wo sich jeder so behandeln läßt, sollte anders ausgeführt haben, weil er sich ja hiebei, ohne einen von seinen bekannten Zwekken zu erreichen, für nichts in einen gewaltsamen Zustand müßte versezt haben. Für solche Gespräche wird es daher eine dringende Aufgabe einen besonderen Beweis zu führen, auf welche Art sie wohl platonisch sein können, und eine überwiegende Wahrscheinlichkeit wenigstens muß beigebracht werden, um sie nicht mit vollem Rechte zu verwerfen. Gesezt aber auch, die Wage schwankte und die Sache könnte gar nicht entschieden werden, so wird auch diese bleibende Ungewißheit den Anordner der platonischen Werke in keine Verlegenheit sezen. Denn Gespräche dieser Art gehören auf keine Weise in die Reihe welche er aufstellen will, in-
T 2 übrigen] ubrigen W1 9 die] die auch W1 | ebenfalls] fehlt W1 14 Maaß] Maaß sich W1 15 müssen wahrzunehmen sein] offenbaren müssen W1 16 Gedanken] Ideen W1 21f bis um so mehr Bedenklichkeiten und Zweifel an ihre Stelle treten] bis sie um so mehr in Bedenklichkeiten und Zweifel übergeht W1 26 sollte anders] anders sollte W1 27 für] um W1
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44 W2 44 W1
45 W2 45 W1
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dem, auch wenn ihre Aechtheit zu erweisen wäre, dies nur dadurch geschehen könnte, daß ein besonderer Zwekk oder eine eigne Veranlassung zum Dasein so ungleichartiger Hervorbringungen aufgezeigt würde, so daß sie auf jeden | Fall nur Gelegenheitsschriften sein können, die ihrer Natur nach für diese Untersuchung gleichgültig sind. Alles also | was in den Zusammenhang, den der Anordner sucht, hinein gehören kann, über dessen Aechtheit ist auch leichter zu entscheiden; und alles worüber die Untersuchung der Aechtheit gar nicht oder nur aus anderen Momenten abgeschlossen werden kann, gehört schon an sich in eine dritte für ihn gleichgültige Klasse, nemlich nicht nur jene um eines Mißverständnisses willen zweifelhaften Schriften, sondern auch diejenigen Stükke der platonischen Sammlung, die gar nicht in das Gebiet der Philosophie fallen, und deren Aechtheit also auch nicht nach einerlei Regeln mit den übrigen kann beurtheilt werden. So ist demnach die Befugniß gerettet, gleich von Anfang an den Zusammenhang der platonischen Schriften aufzusuchen, und sie in einer solchen Reihe aufzustellen, welche die Wahrscheinlichkeit für sich hat, daß sie von der Ordnung, in welcher Platon sie schrieb, am wenigsten abweiche; und dieses Unternehmen wird nicht gefährdet, gesezt auch es müßte ein bestimmtes Urtheil über die Aechtheit manches Gespräches erst künftigen Zeiten oder einer schärfer nachspähenden und besser ausgerüsteten Kennerschaft aufbehalten bleiben. Dieses also ist nur noch übrig, daß, wie die Kennzeichen der Aechtheit und die daraus entstehenden verschiedenen Verhältnisse der platonischen Schriften kürzlich angegeben worden sind, so auch nun die ersten Grundzüge ihres Zusammenhanges und der darauf beruhenden Anordnung zu vorläufiger Uebersicht des Ganzen im Allgemeinen vorgelegt werden. Denn im Einzelnen zu zeigen, wie jedes Gespräch in die | andern eingreift, dies muß den besonderen Einleitungen vorbehalten bleiben; hier aber kann nur | von den Hauptgedanken Rechenschaft gegeben werden, welche dem ganzen Verfahren zum Grunde liegen. Bleiben wir nun zunächst bei der engeren Auswahl der größeren platonischen Werke stehen, in denen der Hauptfaden dieses Zusammenhanges vollständig, wie schon erinnert, muß zu finden sein: so zeichnen sich einige unter ihnen vor allen andern dadurch aus, daß sie
T 5f für diese Untersuchung gleichgültig sind] außerhalb seines Gebietes liegen W1 6 der Anordner] er W1 7 hinein] fehlt W1 7f entscheiden; und] entscheiden, und W1 11 Mißverständnisses] Mißverhältnisses W1 12 Stükke] Stüke W1 13 fallen] gehören W1 32 dem] seinem W1 34 Bleiben] ohne Absatz W1
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allein eine objective wissenschaftliche Darstellung enthalten, der Staat nemlich, der Timaios und Kritias. Alles stimmt zusammen um diesen die lezte Stelle anzuweisen, Ueberlieferung sowohl als auch, wenn gleich in verschiedenem Grade, innerer Charakter der höchsten Reife und des ernsten Alters; und selbst der unvollendete Zustand, in welchem sie sich im Zusammenhange betrachtet befinden. Mehr aber als alles dieses entscheidet die Natur der Sache, indem diese wissenschaftlichen Darstellungen auf den früher geführten Untersuchungen beruhen, in welche alle Gespräche mehr oder weniger verwikkelt sind, nemlich über das Wesen der Erkenntnis überhaupt und der philosophischen besonders, und über die Anwendbarkeit der Idee der Wissenschaft auf die in jenen Werken behandelten Gegenstände, den Menschen selbst und die Natur. Es kann freilich sein, daß der Zeit nach ein großer Zwischenraum ist zwischen dem Staat und dem Timaios; aber es ist nicht zu glauben, daß Platon in diesem Zwischenraum irgend eines von den uns übrigen Werken, ja überhaupt irgend ein in ihren Zusammenhang gehöriges abgefaßt habe, außer den Gesezen, wenn man diese mit | hineinrechnen will, denn von ihnen 46 W2 haben wir, was die Zeit betrift, ein ausdrükliches Zeugniß, | daß sie 46 W1 nach den Büchern vom Staate geschrieben sind. Diese aber nebst dem Timaios und Kritias sind ein nicht zu vereinzelndes Ganze, und wenn jemand sagen wollte, der Staat, als welcher eigentlich die Ethik und Politik in ihrem ganzen Umfang darstelle, sei freilich später als diejenigen Gespräche geschrieben, in denen von dem Wesen der Tugend, von ihrer Lehrbarkeit und von der Idee des Guten gehandelt wird, er könne aber dem ohnerachtet sehr gut früher geschrieben sein, als die zunächst auf den Timaios vorbereitenden Gespräche, welche nemlich das Problem von der Einwohnung der Ideen in den Dingen und von der Art unseres Wissens über die Natur zu lösen suchen; so wäre dieses nicht nur nach allem obigen so unplatonisch als nur etwas gesagt werden kann, und sezte die gröbste Unbekanntschaft mit jenen vorbereitenden Werken voraus, in denen eine solche Trennung der Materien gar nicht zu finden ist, sondern es würde daraus namentlich folgen, daß der Politikos, welcher gerade in demselben Verhältniß den Staat vorbereitet, wie der Sophist den Timaios, früher, und zwar bei
T 3 sowohl] sowol W1 5 Alters; und] Alters, und W1 17 ein] eines W1 22 wollte, der] wollte: der W1
9 verwikkelt] verwikelt W1
S 3 Ueberlieferung] Tetralogie VIII des Thrasyllos: Kleitophon, Staat, Timaios, Kritias; vgl. Diogenes Laertius, Vitae Philosophorum III, 60 19 ein ausdrükliches Zeugniß] Aristoteles, Politica II, 1264b26-1265a10
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47 W2 47 W1
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weitem, geschrieben wäre, als eben dieser Sophistes, der doch mit ihm nur Ein Gespräch ausmacht und gar dessen erster Theil ist. Sondern der Staat, als offenbar das früheste unter den eigentlich darstellenden Werken, sezt schon alle, die nicht in diese Klasse gehören, voraus, und dies prächtige Gebäude enthält gleichsam in seinem Fußboden die Schlußsteine aller jener auch herrlichen Gewölbe eingemauert, auf denen es ruht, und die man vor dem Eintritt in jenes, wenn man sie nur für sich betrachtet | und sich in ihnen selbst umschaut, ohne Ahndung | ihrer Bestimmung zweklos und unvollendet nennen möchte. Wenn also der Staat sich von dem später hinzugearbeiteten Timaios und Kritias durch nichts trennen läßt: so müßte, wer gegen ihre gemeinschaftliche Stelle etwas einwenden wollte, annehmen, Platon habe überhaupt die vollendeten Darstellungen vorangeschikt, und die Elementar-Untersuchungen über die Principien erst nachgebracht. Allein alles, sowol die Art wie in den darstellenden Werken selbst diese Principien gesezt und wie sie in den vorbereitenden gesucht werden, als auch überhaupt jede mögliche Vorstellung von der Denkart und dem Geiste des Platon sträubt sich so sehr gegen die Annahme einer solchen umgekehrten Ordnung, daß fast nichts darüber zu sagen nöthig ist, sondern man nur Jeden auffordern darf, welche Gespräche er wolle nach dieser Ordnung zu lesen, und ihn dann seinen eigenen Empfindungen überlassen über das verkehrte Verfahren und über das elende Hülfsmittel, daß die zu den Principien zurükführenden Untersuchungen nun mit solchen müssen angestellt werden, welche von den vorhergegangenen Darstellungen nichts wissen, um so alle sonst natürlichen Beziehungen auf diese abzuschneiden. Auch würden sich selbst dem so lesenden überall anstatt jener Rükweisungen, welche er vergeblich sucht, andere Beziehungen aufdringen, die offenbar auf die entgegengesezte Ordnung hindeuten. Hoffentlich wird niemand einwenden, es wäre im Ganzen mit der hier vorgeschlagenen Folge derselbe Fall, indem nach dieser nicht selten
T 5 gleichsam] fehlt W1 | Fußboden] Fußboden und seinen Wänden W1 6 aller] gleichsam aller W1 10 hinzugearbeiteten] herangearbeiteten W1 11 läßt: so] läßt, so W1 12 annehmen] behaupten W1 20 darüber] dagegen W1 | nöthig] fehlt W1 24f müssen 23 Hülfsmittel, daß die] Hülfsmittel die W1 24 nun] fehlt W1 angestellt werden] anzustellen W1 26f alle sonst natürlichen Beziehungen auf diese abzuschneiden] allen natürlichen Beziehungen auf diese zu entgehen W1
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mythisch anticipirt wird, was erst später in seiner wissenschaftlichen Gestalt erscheint. Denn eben daß es nur mythisch ge|schieht, stimmt 48 W2 nicht nur genau zusammen mit jener | Hauptabsicht des Platon zur 48 W1 eigenen Ideenerzeugung aufzuregen, auf deren Anerkennung unsere ganze Anordnung beruht, sondern es ist auch schon für sich selbst ein deutlicher Beweis, wie fest Platon überzeugt war, daß man bei dem eigentlichen Philosophiren nicht von einer zusammengesezten Darstellung, sondern von den einfachen Principien ausgehn müsse. Ja wer erst tiefer in das Studium des Platon eindringt, dem wird die allmähliche Entwikklung und Ausbildung der platonischen Mythen aus Einem Grundmythos, eben wie jenes Uebergehen manches Mythischen in Wissenschaftliches, ein neuer Beweis werden für die Richtigkeit der Folge, in welcher dies alles sich am deutlichsten wahrnehmen läßt. Die Nothwendigkeit also, den darstellenden Gesprächen die lezte Stelle anzuweisen, ist von allen Seiten so groß, daß wenn sich von einer früheren Abfassung des Staates vor irgend einem jener vorbereitenden Werke gegründete historische Spuren fänden, die aber noch niemand gefunden hat, auch wohl nicht finden wird, wir in den ärgsten Widerstreit gerathen müßten mit unserm Urtheil über den Platon, und in große Rathlosigkeit diese Unvernunft zu reimen mit seinem großen Verstande. So wie nun diese darstellenden Gespräche unstreitig die lezten sind, so zeichnen sich auf der andern Seite einige unter den übrigen eben so offenbar als die frühesten aus, nemlich um wieder nur bei denen der ersten Ordnung stehen zu bleiben, der Phaidros, Protagoras und Parmenides. Diese nemlich stehen jenen gegenüber, zuerst durch einen ganz eigenthümlichen Charakter der Jugendlichkeit, der zwar in den ersten beiden am leichtesten zu er|kennen ist, einem aufmerksamen Auge aber auch in dem lezteren 49 W1+2 nicht entgehen wird. Ferner dadurch, daß so wie von jenen alle
T 10 Entwikklung] Entwikelung W1 S 1f mythisch anticipirt wird, was erst später in seiner wissenschaftlichen Gestalt erscheint] Vgl. zum methodischen Grundkonzept Eberhard: Von dem Zwecke, S. 377-402, bes. S. 400: „Neben diesen mythischen Vorstellungsarten, die popular und exoterisch waren, hatte die Philosophie auch ihren wissenschaftlichen und esoterischen Vortrag der nehmlichen Materie, welcher bey dem Plato [...] die Lehre von den Ideen und den höchsten Wesen enthielt.“ 14 den darstellenden Gesprächen] Vgl. oben S. 35,3f: „die Haupteintheilung in untersuchende und unterrichtende“. 27 Jugendlichkeit] Vgl. Diogenes Laertius, Vitae Philosophorum III, 38 (‚Jugendlichkeit‘ des Phaidros); danach auch Friedrich Schlegel an Schleiermacher, 8.12.1800: KGA V/4, Nr. 993, 85: „Charakter der Jugendlichkeit, leicht zu fassen“ (von der gesamten ‚Ersten Periode‘).
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50 W2 | 50 W1
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andern vorausgesezt wurden, so umgekehrt überall mancherlei Beziehungen auf diese als frühere anzutreffen sind; und auch wenn man nur auf die einzelen Gedanken sieht, so erscheinen sie in diesen Gesprächen alle gleichsam noch im ersten Glanz und der ersten Unbeholfenheit der Jugend. Weiter sind zwar diese drei Gespräche nicht absichtlich und künstlich wie jene drei lezten in Ein Ganzes verarbeitet, aber sich dennoch aufs genaueste verwandt durch eine fast nie so wieder zu findende Aehnlichkeit der ganzen Construction, durch viele gleiche Gedanken und eine Menge einzeler Beziehungen. Das wichtigste ist aber auch bei ihnen ihr innerer Gehalt, denn in ihnen entwikeln sich die ersten Ahndungen von dem, was allem folgenden zum Grunde liegt, von der Dialektik als der Technik der Philosophie, von den Ideen als ihrem eigentlichen Gegenstande, also von der Möglichkeit und den Bedingungen des Wissens. Diese also bilden mit einigen sich an sie anschließenden Gesprächen der geringeren Art den ersten gleichsam elementarischen Theil der platonischen Werke. Die andern füllen den Zwischenraum zwischen diesem und dem constructiven, indem sie von der Anwendbarkeit jener Principien, von dem Unterschied zwischen der philosophischen Erkenntniß und der gemeinen in vereinter Anwendung auf beide aufgegebene reale Wissenschaften, die Ethik nemlich und die Physik, fortschreitend reden. Auch in dieser Hinsicht stehen sie in der Mitte zwischen den darstellenden, in denen praktisches und theoretisches durchaus eins, und den elementarischen, in denen beides | mehr als irgendwo sonst im Platon geschieden | ist.
T 2 sind; und] sind, und W1 3–5 so erscheinen sie in diesen Gesprächen alle gleichsam noch im ersten Glanz und der ersten Unbeholfenheit der Jugend] diese alle in ihnen am jüngsten erscheinen W1 5 zwar diese drei Gespräche] sie zwar W1 6 drei lezten] fehlt W1 15 geringeren Art] zweiten Ordnung W1 S 14–16 Diese also bilden mit einigen sich an sie anschließenden Gesprächen der geringeren Art den ersten gleichsam elementarischen Theil der platonischen Werke.] Platons Werke I/1 und I/2; vgl. schon die (etwas andere) Planung des Gesamtwerkes in Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 357, Notat 46: „Die großen Massen müssen in Theile zusammengefaßt werden, und diese in Bände abgeteilt. Der erste Theil also bis auf den Theaitetos exclusive; in zwei Bänden. Erster Band[:] Einleitung Phaidros Parmenides Protagoras Charmides Laches[.] Zweiter Band[:] Euthyphron Apologie Criton und als Anhang[:] Alcibiades II. I. Ion, Menexenos, Hipparchos, Theages, Hippias minor.“; KGA I/3, S. 357, Notat 48: „Eintheilung der Schriften in drei Perioden. Erstlich die elementarische. Zweitens die welche die Form der Wissenschaft betrifft. Drittens die constructive. Letztere besteht nur aus 3 (4) Werken[:] Philebos. Politeia. (Nomoi) Timaeus.“
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Diese nun bilden den zweiten Theil, welcher sich durch eine besondere fast schwere Künstlichkeit sowohl in der Bildung der einzelen Gespräche als auch in ihrem fortschreitenden Zusammenhang auszeichnet, und welchen man auch vorzugsweise den indirecten nennen könnte, weil er fast überall mit dem Zusammenstellen von Gegensäzen anhebt. In diesen drei Abtheilungen also sollen hier die Werke des Platon vorgelegt werden, so daß auch jeder Theil für sich eben so nach den vorhandenen Kennzeichen geordnet wird, und auch die Gespräche der zweiten Klasse gleich den Ort einnehmen, der ihnen, alles wohl erwogen, zu gebühren scheint. Nur daß freilich in Absicht auf diese nähere Anordnung nicht alles gleiche Gewißheit hat, indem noch auf zweierlei dabei zu sehen ist, auf die natürliche Fortschreitung der Ideenentwiklung, und auf mancherlei einzele Andeutungen und Beziehungen. Für die Werke der ersten Klasse ist die erste überall bestimmt entscheidend, und wird auch nirgends von einem Merkmale der zweiten Art widersprochen. So ist im ersten Theil die Entwiklung
T 2 Bildung] Construction W1 10f Nur daß freilich in Absicht auf diese nähere Anordnung] In Absicht auf welche nähere Anordnung freilich W1 12 noch] auch W1 13 Ideenentwiklung] Ideenentwikelung W1 16 Entwiklung] Entwikelung W1 S 1 Diese nun bilden den zweiten Theil] Platons Werke II/1, II/2, II/3 (KGA IV/5-7) 6 In diesen drei Abtheilungen] ‚Dritter Theil‘ also: Platons Werke III/1 (KGA IV/8) (Politeia); dieser war der letzte erschienene Band, Timaios und Kritias blieben unübersetzt, ebenso die Gesetze/Nomoi als ‚Werk zweiter Klasse‘. 8f die Gespräche der zweiten Klasse] Im ‚ersten Theil‘: Lysis, Laches, Charmides, Euthyphron; im ‚zweiten Theil‘: Gorgias, Menon, Euthydemos, Kratylos, Symposion, Phaidon. 14 Werke der ersten Klasse] Im ‚ersten Theil‘: Phaidros, Protagoras, Parmenides; im ‚zweiten Theil‘: Theaitetos, Sophistes, Politikos; im ‚dritten Theil‘: Staat/Politeia, Timaios, Kritias; zu den Kerndialogen des ‚ersten Theils‘ vgl. schon den Brief von Friedrich Schlegel vom 23.1.1801: KGA V/5, Nr. 1016, 41, sowie Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 373, Notat 118: „Man kann am Ende alles im Plato auf drei Trilogien bringen[:] [...] Das Uebrige sind Ausflüsse.“ Der (von Schleiermachers endgültigem Konzept in vielen Details abweichende, aber im Grundschema stark übereinstimmende) Entwurf Friedrich Schlegels lag schon früh vor: Briefe von F. Schlegel an Schleiermacher vom 8.12.1800: KGA V/4, Nr. 993 mit S. 353-359, und vom 25.2.1802: KGA V/5, Nr. 1170, 49-51; vgl. auch F. Schlegel: KA 12, S. 207-226, bes. S. 212 f.; KA 18, S. 526-530; Schleiermacher KGA I/3, S. 373; sowie Friedrich Schlegel: Die Entwicklung der Philosophie in zwölf Büchern [1804-1805], KA 12, S. 207-229, bes. S. 213; ders.: Charakteristik des Plato [1803/1804], KA 11, 118-125. Offenbar beansprucht Friedrich Schlegel in einem Brief an den Verleger Reimer vor dem 10.10.1804 (nicht nachgewiesen, ggf. zu erwarten in: KA/26), die geistige Urheberschaft für Schleiermachers Gesamtentwurf, wogegen sich Schleiermacher verwahrt: Brief an F. Schlegel vom 10.10.1804: KGA V/7, Nr. 1829.
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51 W2 | 51 W1
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der dialektischen Methode das herrschende, und hier offenbar Phaidros der erste, Parmenides aber der lezte, theils als vollendetste Darstellung derselben, theils als Uebergang zum zweiten Theil, weil er schon vom Verhältniß der Ideen zu den wirklichen Dingen philosophirt. Im zweiten Theil ist die Erklärung des Wissens und des wissenden Handelns das herrschende, und ganz unfehlbar steht Theaetetos an der Spize, der diese Frage bei ihrer ersten Wurzel auffaßt, der Sophistes mit dem ihm zugehörigen Politikos in der Mitte, Phaidon aber und Philebos beschlie|ßen ihn als Uebergänge zum dritten | Theil: der erste schon wegen der vorgebildeten Anlage der Physik, der andere weil er sich in Behandlung der Idee des Guten schon ganz einer constructiven Darstellung nähert, und in das directe übergeht. Nicht ganz so entschieden ist überall die Anordnung der Nebenwerke aus der zweiten Klasse, indem theils mehrere nur Erweiterungen und Anhänge zu demselben Hauptwerk sind, wie es im ersten Theil der Fall ist mit dem Laches und Charmides in Beziehung auf den Protagoras, wo man also nur einzelen nicht immer ganz bestimmten Andeutungen folgen kann, theils können auch mehrere von ihnen Uebergänge sein zwischen denselben größeren Gesprächen, wo im zweiten Theile der Gorgias, der Menon und der Euthydemos sämmtlich vom Theaetetos aus Vorspiele sind auf den Politikos: so daß man sich mit einer so genau als möglich von allen Seiten zusammengeforschten Wahrscheinlichkeit beruhigen muß. Der dritte Theil aber enthält kein anderes Nebenwerk als die Geseze, welchen man allerdings im Verhältniß gegen das große dreifache Werk nicht nur, sondern auch an sich diesen Namen geben und sagen muß, sie seien, wenn gleich mit philosophischem Gehalt reichlich durchzogen, doch nur eine Nebenschrift, obgleich sie, nach ihrem Umfang und ächt platonischem Ursprung, ganz zu den Werken der ersten Klasse gehören. Was endlich diejenigen Gespräche betrift, denen wir gemeinschaftlich in Beziehung auf den Gesichtspunkt des Anordnens eine dritte Stelle angewiesen haben, wiewol sie in Absicht ihrer Aechtheit einen sehr verschiedenen Werth
T 8 mit dem ihm zugehörigen Politikos] fehlt W1 10 Anlage] Construction W1 12 Nicht] Nich W1 26 muß] kann W1 27 Nebenschrift] Gelegenheitsschrift W1 28 nach ihrem Umfang und ächt platonischem Ursprung] was ihren ächt platonischen Ursprung betrift W1 S 16 Laches] Vgl. Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 347 f., Notat 18.
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haben, so werden diese unter alle drei Abtheilungen in Anhängen vertheilt werden, je nach|dem entweder historische oder innere An- 52 W1+2 deutungen ihnen, so fern sie platonisch sind, einen ohngefähren Ort anweisen, oder nachdem ihre Beurtheilung vorzüglich durch Vergleichung mit diesem oder jenem Gespräche erleichtert wird. Denn auch ihnen soll ihr Recht widerfahren, mit allem ausgestattet zu werden, was in der Kürze gesagt werden kann, um sie aufzuklären, und ihre Sache der Entscheidung näher zu bringen.
T 3 ohngefähren] ungefähren W1 S 1 Anhängen] Im ‚ersten Theil‘: Platons Werke I/2 (KGA IV/4), S. 179-390 W1 W2: „Vertheidigung, Kriton, Ion, Hippias d. Kl., Hipparchos, Minos, Alkibiades d. Zw.“; im ‚zweiten Theil‘: Platons Werke II/3 (KGA IV/7), S. 245-464 W1, S. 251-470 W2: „Theages, Die Nebenbuhler/Erastai, Der erste Alkibiades, Menexenos, Hippias, Kleitophon“.
Zwischentitel Phaidros
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PHAIDROS.
Text nach: W2 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 21817, S. 53 unpaginiert); Variante in: W1 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 11804, S. 53 unpaginiert). PHAIDROS] PHÄDROS. W1; S. 72,17 und S. 79,19 Phädros W1, im übrigen Phaedros W1 (im textkritischen Apparat im Folgenden nicht dokumentiert) vgl. dazu den Editorischen Bericht, S. LXXXVIII
53 W1+2
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Gewöhnlich führt dieses Gespräch noch die zweite Ueberschrift: Oder vom Schönen; ist auch wohl sonst bisweilen Von der Liebe und Von der Seele genannt worden. Ohnstreitig sind alle solche zweite Ueberschriften, die sich bei mehreren platonischen Gesprächen finden, von später Hand vielleicht zufällig entstanden, und fast überall haben sie die nachtheilige Wirkung hervorgebracht, die Leser auf eine unrechte Spur zu führen, und so von der Absicht des Philosophen und der Bedeutung des Werkes theils viel zu beschränkte theils ganz falsche Ansichten zu begünstigen. Vorzüglich gilt dies von den beigefügten Ueberschriften dieses Gespräches, welche fast überall als den wahren Inhalt desselben bezeichnend sind angenommen, übersezt und bei Anführungen gebraucht worden; da doch Liebe und Schönheit nur in dem einen Theile des Werkes erscheinen, und einem Unbefangenen schon deshalb nicht für den eigentlichen Inhalt desselben gelten könnten. Indessen ist das Hinweglassen dieser verführerischen Aufschrift wohl schwerlich hinreichend, um den Leser in jene ursprüngliche Unbefangenheit zurükzusezen, und sowol aus dieser Ursach als auch um gleich bei dem ersten Gespräch die platonische Bildungsweise so klar als möglich vor Augen zu legen, muß diese Einleitung sich | eine 56 W1+2 vielleicht mehr als verhältnißmäßige Ausführlichkeit herausnehmen.
Text nach: W2 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 21817, S. 55-82 und S. 372). Varianten aus: W1 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 11804, S. 55-82). 10–12 Vorzüglich gilt dies von den beigefügten Ueberschriften dieses Gespräches, welche fast überall als den wahren Inhalt desselben bezeichnend sind] Von keiner gilt dies wohl mehr als von der gegenwärtigen, welche fast überall, als den wahren Inhalt des Gesprächs bezeichnend, ist W1 19 Bildungsweise] Composition W1 S 1 Zur Einleitung zum Phaidros speziell Rez.Boeckh (1808), S. 95 f. = (1872), S. 14 f.; Rez.Ast (1808), S. 112-115. 2f Oder vom Schönen] Nach den Handschriften: Ed.Venedig 1513 (Aldina), Bd. 1, S. 166; Ed.Basel 1534 (Oporinus), S. 195; Ed.Paris 1578 (Stephanus) Bd. 3, S. 224; Ed.Zweibrücken (Bipontina), Bd. 10 (1787), S. 279, vgl. Erler, Platon, S. 215 3 Von der Liebe] Diogenes Laertius, Vitae Philosophorum III, 58, vgl. Erler, Platon, S. 215 3f Von der Seele] Als Untertitel in der antiken Literatur nicht nachgewiesen, als solcher offenbar eine Neuschöpfung von Friedrich Ast: De Platonis Phaedro, Jena 1801, S. 39. Als Thema des Dialogs (neben anderen möglichen Themen) genannt bei Hermeias, In Platonis Phaedrum I, 8 f., p. 9, 25 ff. Lucarini-Moreschini, gedruckt greifbar allerdings erst bei Ast (1810), S. 62, zuvor nur als Ms.: siehe Ed.Zweibrücken (Bipontina), Bd. 10 (1787), S. VIII. 13f nur in dem einen Theile des Werkes] Platon, Phaidros 227a-257b
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Das Ganze besteht außer dem reichgeschmükten Eingang aus zwei dem Umfange nach ziemlich gleichen, sonst aber auf den ersten Anblik schon ganz verschiedenen Theilen. Der erste von ihnen nämlich enthält drei Liebesreden, eine des Lysias für die Forderung, daß ein Knabe dem kälteren nicht leidenschaftlichen eher als dem entzükten und leidenschaftlichen Liebhaber seine Gunst schenken solle, und zweie des Sokrates, die erste eine ergänzende Rede, in ähnlichem Sinne wie sie auch vor Gericht gewöhnlich waren zu Vertheidigung derselben Sache, die andere hingegen eine Gegenrede für den in dem vorigen so hart beschuldigten leidenschaftlichen Bewerber. Der zweite Theil aber enthält, um es vorläufig nur so unbestimmt als möglich zu lassen, aus Gelegenheit jener Reden mancherlei Bemerkungen über den damaligen Zustand der Redekunst, und Andeutungen über ihre eigentlichen Grundsäze, von welchen ganz technischen Untersuchungen zu dem Gegenstande, welchen die Reden abhandelten, gar nicht mehr zurükgekehrt wird. Schon aus diesem kurz angedeuteten Entwurf muß Jeder sehen, daß nicht nur jene besondere erotische Frage dem Platon nicht kann die Hauptsache gewesen sein, sondern auch nicht die Liebe überhaupt. Denn in beiden Fällen erschiene ja das schöne und offenbar mit großem Fleiß gearbeitete Werk auf eine höchst verwerfliche Weise verunstaltet, ganz der Anweisung widersprechend, daß es wie ein lebendiges Wesen gebildet sein und einen dem Geiste angemessenen Körper mit verhältnißmäßigen Theilen haben müsse. Denn die ganze | zweite Hälfte wäre nun nichts als eine wunder|liche nicht einmal leidlich geschikt angeheftete Zugabe, welche schon an sich, besonders aber ihrer Stellung wegen, nichts sicherer bewirken müßte, als die Aufmerksamkeit so weit als möglich von der Hauptsache hinwegzuziehen. In dem lezten Falle aber wäre noch überdies der Zwekk selbst sehr schlecht durchgeführt. Ohnerachtet nemlich in den ersten beiden Reden das Verhältniß der Lieben-
T 5 leidenschaftlichen eher] leidenschaftlichen, eher W1 7f in ähnlichem Sinne] fehlt W1 9 hingegen] aber W1 | für] eben für W1 17 besondere] fehlt W1 29 Zwekk] auch in den Formen Zwekkes, Hauptzwekk, Nebenzwekke, zwekkmäßig grundsätzlich statt Zwek, Zwekes, -zwek, -zweke, zwek- W1, vgl. dazu den Editorischen Bericht, S. LXXXVII f. S 1 Eingang] Platon, Phaidros 227a-230e (Einleitung) 1–3 zwei…Theilen] Platon, Phaidros 230e-257b (erster Hauptteil), 257b-279c (zweiter Hauptteil) 4 Lysias] Platon, Phaidros 230e-234c 7 Sokrates] Platon, Phaidros 237b-241d (erste SokratesRede), 243e-257b (zweite Sokrates-Rede) 21 Anweisung] Vgl. z. B. Horaz, De arte poetica, V. 1 ff.
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den bloß von Seiten der Annehmlichkeit und des Gewinnes, in der lezten dagegen ethisch und mystisch behandelt wird, und diese verschiedene Behandlung so leicht auf den wahren Siz des Streites über die Natur der Liebe und auf ihr höheres Wesen hätte hinführen gekonnt, so wird doch hievon in der folgenden Beurtheilung der Reden ganz keine Kenntniß genommen, und es geschieht nichts, um die widersprechenden Ansichten auszugleichen. Sonach könnte ein so fahrlässig behandelter Gegenstand auch nicht der eigentliche Inhalt des Werkes sein, und es bliebe nichts übrig, als daß man auf den in der dritten Rede, welche allein über die Liebe gewissermaßen hinausgeht, enthaltenen, und freilich unter allem, was dieses Gespräch darbietet, am meisten gefeierten und berühmten Mythos von der Natur der Seele und ihrem vorzeitigen Dasein, nebst dem, was in Verbindung hiemit von der höheren Bedeutung und dem großen Einfluß der Schönheit gesagt wird, den ganzen Werth lege, dann aber auch alles übrige für wunderbar verwirrte und ohne Verstand zusammengeraffte Abschweifungen erkläre, wenn man nemlich nur von dem Inhalt jener Reden ausgehen will, um das Ganze zu begreifen. | Vergleicht man dagegen den zweiten Theil, anstatt sich so gar 58 W2 nichts um ihn zu bekümmern | mit dem ersten: so scheint hervorzu- 58 W1 gehn, daß da in dem zweiten Theile von der Kunst gehandelt wird, man auch die Reden des ersten mehr auf die Behandlung und den künstlerischen Werth anzusehen habe, als auf den ausgeführten Gegenstand; woraus ein dem vorigen entgegengesezter Versuch entsteht, den Hauptzwekk des Ganzen in dasjenige zu sezen, was den Inhalt des zweiten Theiles ausmacht, nemlich in die dort vorgetragenen richtigeren Begriffe von dem wahren Wesen der Redekunst. Diese Ansicht, welche auch schon von Mehreren ist aufgefaßt worden, wird begünstiget durch eine wenigstens zur Hälfte ernsthaft gemeinte Erklärung des Sokrates selbst, daß er jene Reden nur als Beispiele aufführe, und daß, wenn man von der darin beobachteten richtigen Methode absehe, alles übrige darin nur als Scherz zu nehmen sei. Dem zufolge nun wäre von vorn herein vorzüglich auf das paradigmatische in diesen Reden zu achten, und man müßte alle Beziehungen vollständig zu verstehen suchen zwischen ihnen und der im zweiten Theile vorge-
T 4 ihr höheres Wesen] ihre ersten Grundsäze W1 fahrläßig W1 15 dann aber auch] und also W1
7 die] diese W1
8 fahrlässig]
S 28 Mehreren] So z. B. von Hermeias, In Platonis Phaedrum I, 8-13, p. 9-14 Lucarini-Moreschini, gedruckt erst bei Ast (1810), S. 62-65 (s. o. App. S zu S. 63,3f). 30 Reden nur als Beispiele] Platon, Phaidros 262c-d
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tragenen Theorie, welche im Wesentlichen aus folgenden drei Punkten besteht. Zuerst nemlich will Platon das eigentliche Geschäft der Redekunst recht klar machen. Denn wie man aus den im zweiten Theile angeführten Regeln und Erfindungen der berühmtesten Redekünstler aus jener ältesten Schule deutlich sieht, so wurde diese Kunst von den damaligen Künstlern und Kunstlehrern ganz empirisch behandelt. Den Verstand der Hörer durch sophistische Hülfsmittel zu blenden, und dann in einzelen Stellen auf leidenschaftliche Weise ihre Gemüther auf|zuregen, dieses war die ganze Absicht, so wie eine sehr dürftige einförmige Anweisung zur Composition | mit unnüz angehäuften Unterabtheilungen und Kunstworten, und einige fast nur auf den Wohllaut und die Wortfülle oder auf das Auffallende und Glänzende hinführende Vorschriften über die Behandlung der Sprache das ganze Geheimniß ausmachten; auf welche Art es freilich der Kunst an aller Haltung fehlte. Dieses alles nun, was bisher für die Kunst selbst gegolten, sezt Platon zurük auf den Rang technischer Handgriffe, und indem er den Grundsaz der sophistischen Redekünstler, daß derjenige, welcher überreden wolle, das Wahre und Richtige selbst nicht zu wissen brauche, in seiner Blöße darstellt: so zeigt er, daß um wirklich Ueberredung hervorzubringen, das heißt Andere zu gewissen Gedanken und Urtheilen gleichsam zu nöthigen, wenn dies anders wenn gleich ohne Hinsicht auf die Wahrheit doch mit derjenigen Sicherheit geschehen solle, die allein auf den Namen Kunst Anspruch machen kann, eine Fertigkeit der Täuschung und Enttäuschung erfordert werde, eine Kunst des logischen Scheines, welche selbst wiederum nur auf einer wissenschaftlichen Methode des Zusammenfassens gleicher Begriffe unter höhere, und auf einer eben solchen Kenntniß von der Verschiedenheit der Begriffe beruhen könne, daß also die Dialektik das wahre Fundament der Rhetorik sei, und nur was mit ihren Principien zusammenhängt, eigentlich zur Kunst gehöre. Hiemit nun steht
T 4 Redekünstler] Rhetoren W1 8 auf leidenschaftliche Weise] durch ein gewisses Pathos W1 17 Redekünstler] Rhetoren W1 19 darstellt: so] darstellt, so W1 | daß um] daß, um W1 20 heißt Andere] heißt, Andere W1 21f wenn dies anders wenn gleich] wenigstens wenn dies auch W1 22 doch] fehlt W1 28 beruhen könne] beruhe W1 30 eigentlich] fehlt W1 | gehöre] gehören könne W1 S 4f Regeln und Erfindungen der berühmtesten Redekünstler aus jener ältesten Schule] Platon, Phaidros 266d-268a 16 Platon] Platon, Phaidros 268a-269e 19f um wirklich Ueberredung hervorzubringen] Platon, Phaidros 269e-273d 26–29 Methode ... Rhetorik] Platon, Phaidros 265c-266d
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der zweite Saz in genauerer Verbindung. Alle jene Künsteleien nemlich, welche für die Kunst ausgegeben wurden, waren nur aus der gerichtlichen Ausübung und aus der in Volksversammlungen entlehnt, und auf | sie berechnet, so daß ihr geringerer Werth schon dadurch ins 60 W2 Auge fallen mußte, wenn jene nur als einzelne Arten dargestellt und | nicht mehr für das ganze Gebiet der Kunst gehalten wurden. Daher 60 W1 also behauptet Platon, die Kunst zu reden sei überall dieselbe nicht nur an jenen Orten, sondern auch in schriftlichen Aufsäzen und mündlichen Verhandlungen aller Art, sowol wissenschaftlichen als bürgerlichen, ja selbst im gemeinen Gebrauche des geselligen Lebens. Durch diese über die bisherigen zu eng gestekten Grenzen hinaus erweiterte Festsezung ihres Gebietes, welches nun jede logische Mittheilung umfaßt, wird die Rhetorik theils von manchen Vorwürfen gereiniget und genöthiget, ihre Principien für alle diese verschiedenen Zweige in einer weit größeren Tiefe zu suchen, theils auch offenbart sich darin der angehende Künstler, dem für die Gattung, welche er fast neu erschuf, ein großes Urbild vorschwebt, und der sich selbst strengen Forderungen unterwirft, welche er nach der gemeinen Ansicht hätte zurükweisen können. Da aber durch eben diese Erweiterung die Rhetorik in dem bisherigen Sinne gewissermaßen zerstört wird, so reinigt sich Platon gleichsam weissagend von der Beschuldigung sie aufzulösen und ins Unbestimmte zerfließen zu lassen, welche ihm von den Heutigen wenigstens derjenige leicht aufbürden könnte, der die gewöhnliche unrichtige Vorstellung von Platons Haß gegen die Kunst überhaupt zu dieser Untersuchung mitbringt, am besten dadurch, daß er die Absicht offenbart, auch die Rhetorik, ohnerachtet ihrer behaupteten Abhängigkeit von der Dialektik, und sogar eben durch diese, als Kunst in einem höheren Sinne aufzustellen.
T 17 vorschwebt] vorschwebte W1 S 1 der zweite Saz] Platon, Phaidros 266d-273d passim 24f die gewöhnliche unrichtige Vorstellung von Platons Haß gegen die Kunst] Im zweiten/dritten und im zehnten Buch der Politeia (376e-398b. 595a-608b) (in: Platons Werke Bd. III/1 = KGA IV/8) erscheint die (Dicht-)Kunst als minderwertig gegenüber dem wahren Wissen der Philosophie und damit als gefährlich für die Bürger; sie wird dementsprechend aus dem Idealstaat verbannt. Im Ion (in: Platons Werke Bd. I/2 = KGA IV/4) erscheint der Rhapsode als ein lächerlicher Repräsentant von Scheinwissen. Aus diesen Passagen speist sich das von Schleiermacher wiedergegebene Urteil, das sich in vielen Darstellungen der Zeit (in moderaterer Form) findet, so z. B. Tennemann: System der Platonischen Philosophie, Bd. 3, S. 185-189, Buhle: Lehrbuch, Bd. 2, S. 248-250.
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Wahre | Kunst nemlich ist ihm nur diejenige Ausübung, von welcher es wiederum eine wahre Wissenschaft, oder wie die unsrigen es zu nennen pflegen, eine | Theorie geben kann: denn so unterscheidet Platon Kunst und kunstloses Verfertigen. Eine solche Wissenschaft aber entsteht ihm nur dadurch, wenn das geordnete Mannigfaltige, welches aus dem Zwekbegriff der Kunst dialektisch dargestellt wird, mit jenem, welches sich aus dem Umfange der Mittel und der Gegenstände ergiebt, auf eine systematische und vollständig erschöpfende Weise verbunden wird. Demnach nun fordert er von der Redekunst, sie solle alle verschiedenen Arten von Reden aufzählen, und jede gegen alle verschiedenen Arten von Seelen halten, um so zu bestimmen, wie jede Rede unter gegebenen Umständen kunstmäßig könne und müsse gebildet werden. Von diesem so gefaßten Gesichtspunkte aus läßt sich nun freilich sehr vieles in diesem Werke richtiger verstehen. Zuerst erhellt daraus, wenigstens für eine der platonischen ähnliche lebendige Composition, die Nothwendigkeit der Beispiele, welche nur ganze oder so gut als ganz ausgearbeitete Reden sein konnten, woraus denn ihre Stellung vor dem theoretischen Theile und die Nothwendigkeit einer Fiction, um sie herbeizuführen, von selbst erfolgt. Um aber die Vergleichung zu erleichtern, bedurfte Platon nicht minder ein Beispiel von der gemeinen undialektischen Methode, als eines von seiner eigenen, und nach der lezten wiederum mußte er entgegengesezte Absichten ausführen, wenn er den Einfluß des jedesmaligen besonderen Zwekkes auf die ganze Behandlung zeigen, und zugleich jenen logischen Schein wollte entstehen lassen, welcher unmerklich von einem | Gegensaze zum andern hinführt. Deshalb wolle ja nicht etwa jemand die erste der beiden sokratischen Reden übersehen aus Vorliebe für die | zweite, da nur durch die genaueste Vergleichung beide recht können verstanden werden. So wird der ganz verschiedene Ton in beiden seiner Absicht nach deutlich werden, in der einen nämlich die durchgängige Richtung der Rede an den Verstand und die nüchterne Lebensklugheit, ferner der bei aller rhythmischen Häufung dennoch durchsichtig und kalt gehaltene Ausdruk; so unstreitig muß eine Seele angefaßt werden, welche man zur Verachtung der Leidenschaft durch den Blik auf eine späte Zukunft hinführen will; in der andern dagegen das
T 22 eines] fehlt W1 S 1 Wahre Kunst] Platon, Phaidros 270a-272d 27f die erste der beiden sokratischen Reden] Platon, Phaidros 237b-241d 28 die zweite] Platon, Phaidros 243d-257b
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Begeisterte, die Erhebung der Schönheit zu gleichem Range mit den höchsten sittlichen Ideen und ihre genaue Verbindung mit dem Ewigen und Unendlichen; dann die Art, wie für die Sinnlichkeit Nachsicht gefordert wird, ohne doch zu verhehlen, daß es nur Nachsicht ist; so muß zu Gunsten der Fantasie eine junge und edle Seele bearbeitet werden, welche wie die eines heranwachsenden hellenischen Knaben frisch aus der Schule der Dichtkunst hervorgeht. Gewiß es dürfte nicht leicht besser als durch diese Zusammenstellung sich beweisen lassen, wie nothwendig es ist, jedesmal vorher zu berechnen, auf welchem Wege wohl man eine gegebene Seele zu etwas gegebenem bewegen könne. Eben so wird es von diesem Gesichtspunkt aus natürlich erscheinen, daß diese Beispiele von einem der Philosophie angehörigen Gegenstande hergenommen wurden, weil Platon bei einem solchen sich am meisten auf seinem eigenthümlichen Felde befand, und weil dies zugleich nothwendig war, um sowol die Erweiterung der Redekunst über den Kreis | der bürgerlichen Geschäfte hinaus gleich 63 W2 durch die That zu beurkunden, als auch einen schiklichen Maaßstab zur Vergleichung zwischen je|nem engeren Gebiet an die Hand zu ge- 63 W1 ben, und diesem weiteren, in welchem sich der schöne Vortrag philosophischer Werke bewegt. Wollte nun Platon von einem wirklich gegebenen Beispiele ausgehen, und einem solchen zwar, welches sich schon selbst den Gesezen der Redekunst unterworfen hatte: so dürfen wir nicht etwas voreiliges von dem Umfang seiner damaligen Kenntnisse und Belesenheit sagen, um zu finden, daß seine Wahl gar sehr beschränkt gewesen sei. Denn außer den Prunkreden der Sophisten, welche wohl zu lose Arbeiten waren, als daß es hätte Ehre bringen können, sich mit solchen Ansichten und Grundsäzen neben sie zu stellen, und welche überdies, sobald Rhetorik und Sophistik sich zu scheiden anfingen, von jener Seite ihr Ansehn je länger je mehr verloren, mochte ihm wenig Anderes übrig sein als diese erotisch rhetorischen Aufsäze des Lysias, der überdies einer gewissen Gründlichkeit wegen ein würdigerer Gegner war, als irgend ein Redner aus der poetisirenden Schule des Gorgias. Allein eben hier ist es, wo zuerst die Unzulänglichkeit auch dieser Ansicht wohl Jedem auffallen muß. Denn warum sollte sich Platon
T 20 wirklich] wirklichen W1 S 31 Lysias] Athenischer Redner (ca. 455-380 v. Chr.), von dessen Rede der Dialog ausgeht: Platon, Phaidros 230e-234c 33 Gorgias] Gorgias von Leontinoi (ca. 480380 v. Chr.), Wanderredner aus Süditalien, Inbegriff sophistisch-artifizieller Redekunst
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durch ein solches selbst aufgelegtes Gesez und zwar ganz gegen seine Weise haben beschränken wollen? Oder ist es nicht gewöhnlich bei ihm, seinen Unterrednern, was sie nie gesagt haben, in den Mund zu legen, unter der einzigen Bedingung, daß es ihnen ähnlich und angemessen sei? und was hätte ihn also hindern sollen, auch eine Rede in irgend Jemandes Namen zu dichten, | wofern er nicht eine vorfand mit einem Gegenstande, für den er nicht nur überhaupt ein eigenthümliches Interesse hatte, sondern der auch | mit dem unmittelbaren Zwekk gerade dieses Gespräches in der genauesten Verbindung stand. Denn daß die Liebe doch auch ein sittlicher Gegenstand ist, und daß hier bei ihrer Behandlung noch etwas apologetisches für den Sokrates, der ihrer in einem unwürdigen Sinne beschuldiget wurde, zum Grunde liegt, dieses wäre etwa hinreichend für einen jener Nebenzwekke der zweiten Ordnung, die wir auch hier überall im Eingange, in den Uebergängen und in mancherlei Anspielungen nicht sparsam antreffen; was aber zu dem Ganzen in einem solchen Verhältniß steht wie diese Reden, davon muß auch eine nothwendige Verbindung mit der Hauptidee des Ganzen aufgesucht werden. Wäre nun diese nur die Berichtigung des Begriffes der Rhetorik, so wären doch Liebe und Schönheit, der Inhalt jener Reden, für diesen Zwekk nur etwas rein zufälliges. Das ist aber eben die Weise des Platon und der Triumph seines künstlerischen Verstandes, daß in seinen großen und reichhaltigen Formen doch nichts leer ist, und daß er nichts dem Zufall oder einer blinden Willkühr zu bestimmen anheimstellt, sondern bei ihm alles nach Maaßgabe seines Umfanges auch zwekkmäßig und mitwirkend sein muß. Und wie sollten wir diesen Verstand gerade hier vermissen, wo die Grundsäze, die er angiebt, am deutlichsten ausgesprochen werden? Schon hieraus also erhellet, daß auch diese Ansicht noch nicht die richtige ist, und nicht aus dem Punkt genommen, von welchem allein sich das Ganze übersehen läßt, und alles Einzele in seiner rechten Gestalt und Beleuchtung er|scheint, sondern daß wir eine andere aufsuchen müssen, die Alles noch genauer verknüpft. Aber auch andere Gründe sind noch vorhanden, die nicht zulassen wollen hiebei stehen zu bleiben. | Denn sollte es wohl eine Hauptabsicht des Platon gewesen sein können, eine Abhandlung über das technische der Rhetorik abzufassen? und hinge dieses wohl irgendwie mit seinen
T 9 Zwekk] Zweke W1 16 zu dem Ganzen] fehlt W1 19 wären] wäre W1 26 sein muß] ist W1 34f andere Gründe sind noch vorhanden, die nicht zulassen wollen hiebei stehen zu bleiben] anderwärts her giebt es hiezu Bewegungsgründe für den, welchem jener nicht hinreicht W1
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andern schriftstellerischen Absichten zusammen? oder kommt nicht vielmehr nirgends etwas ähnliches vor, und der Phaidros stände dann so isolirt da, wie bei diesem philosophischen Künstler kaum ein weit geringeres Werk stehen dürfte? Ja was noch mehr ist, selbst innerhalb des zweiten Theiles, in welchem doch der Standpunkt für diese Ansicht genommen ist, bleibt so noch vieles unerklärbar und wunderlich. Dieser zweite Theil nemlich geht nicht nur weit hinaus über Liebe und Schönheit als den Inhalt des ersten, sondern auch über dessen Form und über die Rhetorik überhaupt. Denn alles, was von ihr gesagt ist, wird plözlich auch auf die Dichtkunst und die Staatskunst, da ja auch dieses Künste sind, ausgedehnt, und es kann Niemanden entgehen, daß eigentlich auch die Rhetorik selbst nur als Beispiel aufgestellt und behandelt, und fast eben so wie von den gehaltenen Reden auch von ihr selbst gesagt wird, daß, die höheren Geseze ausgenommen, welche sich darin äußern müssen, ihr ganzes Thun und Treiben auch nur Spiel sei. Auf solche Art also werden wir von einem Aeußeren zu einem Inneren, und da dieses auch selbst bald wieder ein Aeußeres wird, immer weiter getrieben bis zur innersten Seele des ganzen Werkes, welche nichts andres ist, als der Inbegriff jener höheren Geseze, nemlich die Kunst des freien Denkens | und des 66 W2 bildenden Mittheilens oder die Dialektik. Für welche hier alles übrige nur Zurüstung ist, um sie auf sokratische Weise entdekken zu lassen durch Aufzeigung ihres Geistes in einem | bekannten Einzelen, und 66 W1 zwar dem, worin fast ausschließend wissenschaftliche Form theils allgemein anerkannt war, theils leicht aufzuzeigen. Nicht nur aber als die Wurzel jeder anderen abgeleiteten Technik will Platon uns diese Kunst rühmen; sondern in allen andern Künsten zwar sollen wir sie erkennen, sie selbst aber soll dann Jedem als etwas viel höheres und ganz göttliches erscheinen, welches keinesweges etwa um jener willen, sondern nur um sein selbst und um des göttlichen Lebens willen soll gelernt und geübt werden. Der ursprüngliche Gegenstand der Dialektik aber sind die Ideen, welche er daher auch hier mit aller Wärme der ersten Liebe darstellt, und so ist die Philosophie selbst und ganz dasjenige, was Platon hier als das Höchste und als Grundlage alles Würdigen und Schönen anpreiset, für die er allgemeine Anerkennung in diesem Besiz siegreich zu fordern weiß. Und eben weil die Philosophie
T 9 dessen] seine W1 | über] fehlt W1 22 entdekken] entdeken W1 27 allen andern Künsten] jenen W1 35 für die] und wofür W1 36 siegreich] so siegreich W1 S 17 Aeußeren…Inneren] Vgl. Platon, Phaidros 275a. 279b.
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hier ganz erscheint, nicht nur als innerer Zustand, sondern als ihrer Natur nach sich äußernd und mittheilend, so mußte auch der Trieb zum Bewußtsein gebracht und dargestellt werden, welcher sie von innen herausdrängt, und welcher eben nichts anders ist, als jene ächte und göttliche Liebe, die sich über jede andere auf irgend einen Nuzen ausgehende eben so weit erhebt, als die Philosophie ihrer Natur nach jene untergeordneten Künste übertrifft, die sich auch mit einer Lust oder einem Gewinn spielend begnügen. Denn so sehr auch die gelungene Befriedigung jenes Triebes das Werk der Kunst sein | muß und der anordnenden Besonnenheit: so erscheint doch der Trieb selbst als ein ursprüngliches, immer reges in der Seele des Gebildeten und Vollkommenen, seinen Gegenstand außerhalb suchendes, | also als Leidenschaft und göttliche Eingeistung. Hiedurch also lösen sich alle Aufgaben, und dieses bewährt sich als die wahre alles hervorbringende belebende und verknüpfende Einheit des Werkes. Dieser Zwekk nun, in Verbindung mit der Art betrachtet wie er ausgeführt ist, sichert dem Phaidros unwiderruflich die früheste Stelle unter allen Werken des Platon. Hierauf führt zunächst schon die Bemerkung, daß in dieser Darstellung der Philosophie das Bewußtsein des philosophischen Triebes und der Methode weit inniger und kräftiger ist als das des philosophischen Stoffes, welcher daher auch nur mythisch erscheint, einestheils gleichsam noch unreif zur dialektischen Darstellung, anderntheils gewissermaßen zurükgedrükt durch jenes allzumächtige Bewußtsein. Dieses nun war sehr natürlich der erste Zustand, in welchen ein würdiger nachsinnender und selbst schon von der Kunst ergriffener Schüler des Sokrates durch dessen Lehrweise mußte versezt werden. Denn dieses beides, Trieb und Methode, war in allen seinen Unterhaltungen das bleibende, sich immer selbst gleiche, wovon auch das Gemüth am meisten ergriffen wurde, den Stoff aber pflegte er nur einzeln im Einzelen ohne Wahl und absichtlichen Zusammenhang gelegentlich aufzuregen. Späterhin aber würde Platon, je deutlicher sich ihm die Gegenstände der Philosophie offenbarten, und je mehr er durch alle seine Hervorbringungen auch die Methode
T 4 jene] die W1 10 Besonnenheit: so] Besonnenheit, so W1 16 nun, in] nun in W1 23f jenes allzumächtige Bewußtsein] den allzumächtigen Einfluß von jener W1 27 mußte] müßte W1 29 den Stoff] die Ideen W1 33 je mehr] jemehr W1 S 17 die früheste Stelle] So schon Diogenes Laertius, Vitae Philosophorum III, 38; vgl. oben die Gesamteinleitung S. 55,27 sowie die vergleichenden Bemerkungen in der Einleitung zum Phaidon, in: Platons Werke Bd. II/3 (= KGA IV/7), S. 19-21 W1, S. 17-20 W2.
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ausübte und zu Ehren brachte, um so weniger sie selbst auf | die Art wie hier zum Kern einer Composition von solchem Umfange gemacht haben. Ueberdies bezieht sich die große fast vorlaute und prahlerische Freude an der Sache, welche schon | an sich offenbar genug auf ein neu erworbenes Gut hindeutet, nur auf das Auffinden der ersten Grundsäze, und der Phaidros beweiset weniger als irgend ein anderer Dialog eine große schon erworbene Fertigkeit in der Ausübung dieser Methode. Dagegen weiset er mannigfaltig auf die dem Philosophiren vorangegangenen dichterischen Versuche des Platon zurük. Denn wer ihn gebührend achtet, wird nicht glauben wollen, er habe nur in jugendlicher Gedankenlosigkeit gedichtet, sondern vielmehr, er habe es ernstlich genommen, und schon früh alle Wirkungen, welche auf menschliche Seelen hervorgebracht werden, von Seiten der Kunst betrachtet. So mußte die Stärke, welche Sokrates im Ueberzeugen und Bewegen des Gemüthes besaß, ihm bei aller scheinbaren Kunstlosigkeit seiner Reden selbst dennoch als eine große noch nirgends übertroffene Kunstgewalt erscheinen, und ihn ganz mit Bewunderung und Liebe erfüllen. Diese nun äußerte sich unter solchen Umständen und in einem solchen auf die Einheit beider von Natur gerichteten Gemüth sehr natürlich durch eine Beziehung der Philosophie auf die Kunst, welche zugleich die Erklärung und Vertheidigung enthielt für seinen Uebergang von dieser zu jener. Daß er aber unmittelbar die Rhetorik, welche nicht seine Kunst gewesen war, zum Beispiel wählte, ist zunächst daraus zu begreifen, weil diese mehr als die Dichtkunst dem Ueberzeugen nachtrachtet, und weil er das, was Sokrates hierin durch die Wissenschaft der Dialektik leistete, mit nichts näherem vergleichen | konnte, als mit dem, was Sophisten und Rhetoren durch leere Empirie leisten wollten. Wem jedoch, um dem Werke seine Zeit zu bestimmen, solche Gründe, wie genau sie | auch mit dem einzig wahren Mittelpunkt des Ganzen zusammenhängen, nicht hinreichend scheinen sollten, der merke außerdem noch auf die unzähligen Beweise von der Jugendlichkeit des Werkes überhaupt. Zunächst nun liegen diese in der ganzen Art und Farbe desselben. Daß es eine große Neigung zum epideikti-
T 12 genommen, und] genommen und W1 15f scheinbaren Kunstlosigkeit seiner Reden selbst] Kunstlosigkeit W1 32 außerdem noch] lieber W1 S 9 dichterischen Versuche des Platon] Die Viten berichten von Dithyramben, Hymnen und Tragödien; vgl. z. B. Diogenes Laertius, Vitae Philosophorum III, 5. 32f Beweise von der Jugendlichkeit des Werkes] So schon Diogenes Laertius, Vitae Philosophorum III, 38; vgl. oben die Gesamteinleitung S. 55,27.
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schen hat, zur Schaustellung der Ueberlegenheit und Meisterschaft, indem nicht nur zuerst der vorgestellte Gegner mit leichter Mühe besiegt, und auch hernach jedesmal im folgenden das vorige überboten, sondern auch die Philosophie selbst, um ihr Glanz und Bewunderung zu verschaffen, am meisten um deswillen gelobt wird, weil sie alles, was die Menschen sonst am meisten loben und bewundern, weit hinter sich läßt; dieses freilich liegt zum Theil im Inhalt; aber auf solche Art ist überall im Platon Inhalt und Ausführung eins durch das andere nothwendig, und durchaus jugendlich ist doch der Sinn, mit welchem jene Anlage benuzt und immer steigend bis zum Uebermuthe durchgeführt wird. Man sehe nur zuerst die zweite Rede, welche den Lysias vernichtet, dann die Gegenrede, welche noch kräftiger jene beiden zu Boden wirft, wie sich durch sie Platon den großen Triumph der Sophisten, entgegenstehende Behauptungen nach einander zu vertheidigen, auf eine glänzende Art aneignet, und hiebei noch theils das geflissentliche Großthun mit dem Ueberfluß des Stoffs, indem alles unmittelbar widerlegende Einzele für die Rede selbst verschmäht, und nur als Vorläufer im Gespräch vorangeschikt wird, | theils der apologetische Troz, der sich für den Sokrates nicht einmal den Namen Eros verbittet, und einen gelinderen dafür aufnimmt, sondern gar in ein Gebet um noch mehr Heil und Glükk in der Liebe | endiget. Hierauf die Erörterung, welche auch das schönste in dieser lezten Rede nur für Spiel erklärt, und sie wegwirft mit der ersten, als wäre sie nichts gewesen; die nekkende Herausforderung des Lysias; die lustige alles zusammenfassende und fast durcheinanderwerfende Polemik gegen die früheren Rhetoren, welche auch das Gute in ihren Bemühungen, weil es nicht aus dem rechten Grunde hervorging, ohne Schonung verspottet, und zwar in einer Ausführlichkeit, deren er sie später schwerlich gewürdiget hätte, und welche selbst wieder mit der Belesenheit etwas Prunk treibt; endlich als Gipfel dieser Epideixis die ächt sokratische erhabene Verachtung alles Schreibens und alles rednerischen Redens. Auch in der äußeren Form verräth sich dieser jugendliche Geist durch die bei jedem Ruhepunkt erneuerte Ueppigkeit der Beiwerke, durch
T 6 alles] das W1 | sonst] fehlt W1 | weit] so weit W1 8 solche] diese W1 21 Glükk] Glük W1 24 nekkende] nekende W1 S 11 die zweite Rede] Platon, Phaidros 237b-241d 12 die Gegenrede] Platon, Phaidros 243e-257b 21 Gebet] Platon, Phaidros 257ab 22 Erörterung] Platon, Phaidros 265c 24 die nekkende Herausforderung des Lysias] Platon, Phaidros 262c-264e 25f Polemik gegen die früheren Rhetoren] Platon, Phaidros 266d-268a 31 Verachtung alles Schreibens] Platon, Phaidros 264b ff., bes. 275c-277a
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eine gegen alle Vorwürfe des Gesuchten nicht zu beschüzende Lebhaftigkeit des Dialogs, endlich auch durch einen etwas unmäßigen Gebrauch des Feierlichen, und hie und da selbst durch eine gewisse Unbeholfenheit in den Uebergängen, nicht in den Reden, wohl aber in der dialogischen Hälfte. Hiemit stimmen ferner die historischen Andeutungen in dem Werke selbst genau überein, welche über die Zeit, in welcher das Gespräch, daß ich so sage, spielt, keinen Zweifel übrig lassen. Zwar wäre es vergeblich, hieraus irgend einen Beweis führen zu wollen, und überhaupt bis auf wenige Fälle, wo die Unmöglichkeit der Abfassung vor irgend einem Zeitpunkt | einleuchtet, würde es Thorheit sein, aus 71 W2 geschichtlichen Angaben einen Schluß zu machen auf die Zeit, in welcher ein Werk des Platon geschrieben worden, wenn man zugeben müßte, | was im Athenaios behauptet wird, daß Phaidros überall kein 71 W1 Zeitgenosse des Sokrates könne gewesen sein. Denn welcher Schriftsteller sich so etwas erlaubte, bei dem gäbe es nichts Unwahrscheinliches, und keine Unschiklichkeit wäre für ihn zu groß. Nicht zwar als ob Platon zu einer genauen historischen Treue sollte verpflichtet werden, oder als ob sonst gar kein Verstoß gegen die Ordnung der Zeiten bei ihm vorkäme. Vielmehr mag es ihm wohl begegnet sein in Gesprächen, welche in eine von der Abfassung ziemlich entfernte Zeit verlegt werden, im Einzelen aus der Voraussezung herauszugehen, es sei nun Irrthum des Gedächtnisses und Vernachlässigung oder wissentliche Aufopferung des historischen um einer bestimmten Wirkung willen. Ein anderes aber ist dieses, und ein anderes, wie es hier der Fall sein müßte, zwei Menschen als einzige handelnde Personen zusammenzuführen, welche, wie Jedermann wußte, zu gleicher Zeit gar nicht vorhanden gewesen sind. Und was hätte wol den Platon hiezu bewegen sollen? Denn irgend eine Eigenthümlichkeit des Phaidros ist für das Gespräch von gar keinem Werthe, da es an einem gleichzeitigen Vertrauten und Bewunderer des Lysias unter den jungen Athenern nicht fehlen, und jeder, dem er hier die Rolle des Phaidros übertrug, auch die von diesem im Gastmahle gesprochene Rede halten konnte. Ja was für eine Ursach wäre gewesen, diesen nämlichen unmöglichen Unterredner auch im Protagoras auftreten zu lassen, wo
T 14 Athenaios] Athenaeos W1 23 Vernachlässigung] Vernachläßigung W1 S 6 die historischen Andeutungen] Gesammelt in Ed.Zweibrücken (Bipontina), Bd. 10 (1787), S. VII. 14 Athenaios] Athenaios, Deipnosophistai XI, 505f-506a; vgl. oben die Gesamteinleitung S. 39,16 33 Gastmahle] Platon, Symposion 178a-180b 35 Protagoras] Platon, Protagoras 315c
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er nur als stummer Zeuge den Haufen vergrö|ßert? Dieses also wollen wir auch nicht vom Athenaios aufs Wort annehmen, ohne daß er uns von seinen näheren Nachrichten über diesen Phaidros etwas mittheilt, und soll eine so | unerwiesene Beschuldigung uns nicht hindern, das vorhandene Gespräch auch im übrigen so zu behandeln, als ob es möglich wäre aus historischen Verhältnissen desselben Schlüsse zu ziehen. Dieses vorausgesezt, so ist darin auf eine sehr bestimmte Art von zwei sehr bekannten Personen die Rede, vom Lysias nämlich und vom Isokrates. Lysias war Ol. 84, 1 in einem Alter von funfzehn Jahren zu den Thuriern gewandert, und kam, wie Dionysios erzählt, Sieben und vierzig Jahr alt im ersten der Zwei und neunzigsten Olympiade zurük, von welcher Zeit sein großer Ruhm als Redner erst anhebt. Lassen wir nun noch einige Jahre hingehen, ehe Phaidros als etwas zugestandenes von ihm sagen kann, daß er unter allen Zeitgenossen am vortreflichsten schreibe: so kann dieses Gespräch nicht früher als in der Drei und neunzigsten Olympiade sollen gehalten worden sein. Gewiß aber auch nicht später, denn Lysias durfte wohl nicht viel über Funfzig sein, um ohne Schande Liebessachen zu schreiben und auszustellen, so wie der Zwei und zwanzig Jahr jüngere Isokrates nicht viel über dreißig, um als ein junger Mann aufgeführt zu werden. Hiezu kommt noch die Erwähnung des Polemarchos als eines Lebenden, welcher nach dem Plutarchos und dem Verfasser des Lebens der zehn Redner in der Anarchie umgekommen ist. Dieses alles deutet freilich unmittelbar nur auf die Zeit, wo der Dialog sich
T 2 Athenaios] Athenaeos W1 10 zu den Thuriern] nach Thurium W1 13 hingehen] hingehn W1 15 schreibe: so] schreibe, so W1 S 9 Isokrates] Athenischer Redner (ca. 480-380 v. Chr. (s. u.); vgl. Platon, Phaidros 278e-279a | Ol. 84, 1] Das erste Jahr der 84. Olympiade entspricht dem Jahr 444/3 v. Chr. 10 Dionysios] Dionysios von Halikarnaß, Lysias 1 (= Dionysii Halicarnassei Scripta quae extant omnia, ed. F. Sylburg, Bd. 1-2, Leipzig 1691 [SB 546]; hier Bd. 2,82,11 f.); vgl. Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 368, Notat 94. Vgl. auch Platons Werke I/2 (KGA IV/4), S. 401-403 W1, S. 402-404 W2 (in den Anmerkungen zum Parmenides). 16 in der Drei und neunzigsten Olympiade] 408/7-405/4 v. Chr. 21–23 Vgl. Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 365, Notat 82. 21 Polemarchos] Bruder des Lysias, vgl. Platon, Phaidros 257b 22f nach dem Plutarchos und dem Verfasser des Lebens der zehn Redner] Plutarch, De esu carnium 4, 998b; [Ps.-]Plutarch, Vitae decem oratorum 835c-e; vgl. insbesondere die von Schleiermacher nicht erwähnte Rede des Lysias: Gegen Eratosthenes (Nr. XII). 23 in der Anarchie] 404 v. Chr.
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soll zugetragen haben: näher betrachtet aber ergiebt sich daraus weiter, daß er auch nicht viel später kann geschrieben sein, in | welchem Falle dann von selbst einleuchtet, daß Platon, der damals noch nicht lange ein Schüler des Sokrates war, noch nichts in dieser Gattung konnte geschrieben haben, sondern der | Phaidros der erste Ausbruch seiner Begeisterung vom Sokrates gewesen ist. Denn zuerst wird Jedem sein Gefühl sagen, die Art, wie Platon die Rede des Lysias einführt, könne ihre rechte Wirkung nur gethan haben, wenn dieser Aufsaz auch den Lesern des Phaidros noch in frischem Andenken war, und sei im entgegengesezten Falle nicht nur etwas linkisch, sondern auch schwer zu denken, wie Platon gerade auf ihn sollte gekommen sein. Ja wenn man hinzunimmt, wie hart er den Lysias behandelt, so würde er den größten Vorwurf der Ungerechtigkeit auf sich geladen haben, hätte er späterhin bei seinem Urtheile über ihn eine alte fast vergessene, und durch viele weit vollkommnere längst übertroffene Schrift zum Grunde gelegt. Ferner wozu die Erwähnung von des Polemarchos Uebergang zur Philosophie? Denn da er sobald nach demselben gestorben, so konnte an ihm für eine spätere Zeit schwerlich ein glänzendes Beispiel gegeben werden. Am meisten aber spricht für eine jenen Angaben gleichzeitige Abfassung die gegen das Ende des Gespräches vorkommende Weissagung über den Isokrates, welche unmöglich hinten nach kann gemacht sein, daß er nemlich alle bisherigen Redekünstler weit übertreffen, und sich zu einer höheren Gattung erheben würde. Denn erschöpft was dieser Redner in der Folge geleistet hat die Hoffnung des Platon, so war es mindestens lächerlich, dies aus einer weit früheren Zeit wahrsagen zu lassen: ist aber Isokrates hernach hinter jener Hoffnung zurükgeblieben, so hätte ja Platon | wissend und absichtlich dem Sokrates eine falsche Weissagung entweder nacherzählt oder untergeschoben. Es scheint aber jene Weissagung sich auf einen Gedanken zu beziehen, der sich in diesem Gespräch bei | mehreren Stellen fast aufdringt, daß nemlich Platon gern auf den Grund der Dialektik eine athenische Schule der Rede-
T 1 haben: näher] haben, näher W1 6 gewesen ist] war W1 9 in frischem Andenken] etwas neues W1 11 denken] glauben W1 | ihn] diese W1 23 Redekünstler] Rhetoren W1 S 16f Erwähnung von des Polemarchos Uebergang zur Philosophie] Platon, Phaidros 257b 17 er] Polemarchos († 404 v. Chr.) 17f nach demselben] nach der oben genannten Quelle, nämlich Plutarch bzw. [Ps.-]Plutarch 21 Weissagung über den Isokrates] Platon, Phaidros 278e-279b 32 Vgl. Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 367, Notat 93.
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kunst weissagend hervorgerufen hätte, im Gegensaz jener verderbten und verderblichen sikelischen, und daß er zu dieser wo möglich auch noch den Lysias herüberwinken wollte, der als in der Mitte zwischen beiden stehend betrachtet wird. Wenn man aus diesem Gesichtspunkt die Art ansieht, wie hier Anaxagoras, Perikles und Hippokrates angeführt werden: so dürfte diese Vermuthung wohl Beifall finden, und auch ein solcher Gedanke kann, was wenigstens das Vaterländische darin betrift, nur der Jugend des Platon beigelegt werden. Gegen alle diese Gründe nun, die von so ganz verschiedenen Punkten aus alle an demselben Orte zusammentreffen, dürfte wohl dasjenige wenig Gewicht haben, was Tennemann für eine weit spätere Abfassung des Phaidros fast in dem lezten schriftstellerischen Zeitraum des Platon beibringt. Denn was die egyptische Erzählung betrifft: so ist zwar keine Veranlassung hier mit Ast eine sprichwörtliche Redensart zu vermuthen, dafür aber giebt uns Platon selbst einen ziemlich deutlichen Wink davon, daß diese Erzählung von ihm selbst gedichtet worden, und um sie zu dichten, durfte er wohl nicht nothwendiger in jenem Lande gewesen sein, als er das im Charmides erwähnte Thrakische Blatt mit der darin gewikkelten Philosophie wirklich von dorther geholt hat. Was aber den zweiten Grund anlangt, nemlich die Aehnlichkeit des in diesem | Gespräch über die Wirkung des Schreibens gesagten mit dem, was darüber in dem
T 2 und daß er zu dieser] zu welcher er W1 6 werden: so] werden, so W1 14 betrifft: so] betrifft, so W1 19 gewikkelten] gewikelten W1 S 2 sikelischen] Schule des oben genannten Gorgias von Leontinoi (Sizilien) 5 Anaxagoras, Perikles und Hippokrates] Vorsokratischer Philosoph aus Klazomenai (499-428 v. Chr.), Athenischer Politiker aus Athen (ca. 490-429 v. Chr.), Arzt aus Kos (ca. 460-370 v. Chr.), siehe Platon, Phaidros 270a-c; vgl. Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 367, Notat 93. 11 Tennemann] Tennemann: System der Platonischen Philosophie, Bd. 1, S. 117-119. Vgl. Schleiermacher an Friedrich Schlegel, 10.1.1801: KGA V/5, Nr. 1008, 44-53; Friedrich Schlegel an Schleiermacher, 23.1.1801: KGA V/5, Nr. 1016, 24-39; Schleiermacher an Friedrich Schlegel, 7.2.1801: KGA V/5, Nr. 1019, 24-41. Ferner vgl. Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 368, Notat 97 und S. 369, Notat 99. 13 egyptische Erzählung] Platon, Phaidros 274c-275b 14 Ast] Friedrich Ast: De Platonis Phaedro, Jena 1801, S. 144 f.;Ast legt seine Deutung als Sprichwort später noch einmal ausführlich (Phaedr. 1810, S. 384 f.) mit explizitem Bezug auf Schleiermachers Zweifel (in W1) dar. 18 Charmides] Platon, Charmides 155e. 156d-157c 20 Vgl. Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 372, Notat 115. 21 diesem Gespräch] Platon, Phaidros 274b ff. 22–79,1 in dem siebenten der platonischen Briefe] Platon, Briefe VII, 342a-344d
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siebenten der platonischen Briefe vorkommt: so scheint es, als habe Tennemann selbst die Aeußerungen im Phaidros nicht auf denselben be|sonderen Fall deuten gewollt, der den Erörterungen jenes Briefes 75 W1 zum Grunde liegt, also nicht behauptet, der Phaidros sei erst nach dem Aufenthalte des Platon bei dem jüngeren Dionysios geschrieben. Sondern nur im Allgemeinen meint er, es müßten auch hier solchen Aeußerungen Unannehmlichkeiten des Schreibens wegen vorangegangen sein. Davon aber ist wohl keine Spur aufzufinden; und es sei mit jenem Briefe wie es wolle, so ist hier die Herabsezung des Schreibens im Vergleich mit der wahren lebendigen philosophischen Mittheilung vollkommen durch sich selbst zu verstehen, als Rechtfertigung des Sokrates über sein Nichtschreiben, und als Begeisterung von seiner Lehrart, welcher in Schriften ähnlich zu werden Platon damals noch verzweifelte, es aber hernach doch lernte, und nicht damit endigte, an eine so weitgehende Unmittheilbarkeit der Philosophie zu glauben, wenn gleich er, wie wir sehen, von Anfang an wohl wußte, daß sie historisch nicht könne erlernt werden. Vielleicht aber hält sich jener Schriftsteller hinter den angeführten Gründen eigentlich noch an einen andern, nemlich den, daß im Phaidros so viel Platonisches vorkommt, da er nur solche Schriften für frühere halten will, welche sich dem Sokrates zunächst anschließen, und denen das Eigenthümliche des Platon noch fehlt, ein so großes Werk aber und von solchem Inhalt nur späteren Zeiten angemessen glaubt. Allein gewiß wird jeder Sachkundige und Selbsterfahrene gestehen, | daß das wahre Philoso- 76 W2 phiren nicht mit irgend etwas Einzelem anhebe, sondern mit einer Ahndung wenigstens des Ganzen, und daß so wie der persönliche Charakter des Menschen, so auch das Eigenthümliche seiner Denkart und Weltansicht | schon im ersten Anfang seiner wahrhaft freien und 76 W1 selbstthätigen Aeußerungen müsse zu finden sein. Warum also soll nicht auch die Mittheilung eben so anfangen? Oder wollte man glauben, auch Platon wäre eine Zeitlang ein bloß leidentlich Lernen-
T 2 Tennemann] jener Schriftsteller W1 7 Unannehmlichkeiten des Schreibens wegen] Unannehmlichkeiten, des Schreibens wegen, W1 8 aufzufinden; und] aufzufinden, und W1 16 sie] hie W2 17 hält sich] hat W1 18 an] fehlt W1 S 2 Tennemann] Tennemann: System der Platonischen Philosophie, Bd. 1, S. 128-138. Vgl. Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 369, Notat 100. 8–17 Davon…werden] Vgl. G. L. Spalding an Schleiermacher, 24.2.1804: KGA V/7, Nr. 1664, bes. S. 240 f., 107-111. 17f jener Schriftsteller] Tennemann: System der Platonischen Philosophie, Bd. 1, S. 117 ff.
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der nicht nur gewesen, sondern habe auch als ein solcher geschrieben: so müßte man einen bestimmten Abschnitt zwischen diesen entgegengesezten Arten seiner Werke aufzeigen können, welches aber niemand wird vermögend sein. Denn die Keime seiner ganzen Philosophie fast sind im Phaidros freilich nicht zu läugnen, aber auch ihr unentwikkelter Zustand ist eben so deutlich, und zugleich verräth sich die Unvollkommenheit in jener indirecten Führung des Gespräches, welche die eigentliche Meisterschaft des Platon ausmacht, durch den geraden ungestörten Gang der lezten Hälfte so deutlich, daß hoffentlich nach genauer Erwägung die Kenner über den Ort, welcher diesem Gespräch anzuweisen ist, übereinstimmen werden. Unter den hier angeführten Gründen für diese Anordnung hat mit Recht bei der Wichtigkeit der Sache jene alte Ueberlieferung keinen Raum gefunden, welche den Phaidros als erstes Werk des Platon auszeichnete. Denn auf ein tüchtiges Zeugniß führen Diogenes und Olympiodoros sie nicht zurük; vielmehr bringt das, was sie sagen, auf die Vermuthung, man habe dies schon vor Alters nur vorausgesezt, um manche diesem Gespräch gemachte Vorwürfe abzu|wälzen, als ob nemlich die Sprache sich nicht in den Grenzen der reinen Prosa hielte, oder wohl gar die ganze Untersuchung nur dem Jünglinge zu verzeihen wäre. Was mit dem lezten gemeint ist, leuchtet ein, nämlich die erotische | Frage; in die erste Beschuldigung aber stimmt einer der vorzüglichsten Kunstkenner des Alterthums, Dionysios, auf eine eben nicht gelinde Art mit ein. Welche Bewandtniß nun es damit habe, das wird auch am besten erhellen aus dem was uns nun noch übrig ist, nämlich einige vorläufige Erläuterungen hinzuzufügen über die einzelen Theile des Werkes.
T 1f geschrieben: so] geschrieben, so W1 5 auch] fehlt W1 1 1 unentwikelter W 6 eben] auch W | zugleich] besonders W1 W1
5f unentwikkelter] 25 übrig ist] obliegt
S 13 jene alte Ueberlieferung] Diogenes Laertius, Vitae Philosophorum III, 38; Olympiodor, Vita Platonica § 3; Anonymus, Prolegomena in Platonis philosophiam 3, 3 f. Westerink; Scholion in Plat. Phaedrum 227a (mit Verweis auf den Kommentar des Olympiodor zu Platon Alkibiades I) 20f die ganze Untersuchung nur dem Jünglinge zu verzeihen] Diogenes Laertius, Vitae Philosophorum III, 38 23 Dionysios] Dionysios von Halikarnaß, Demosthenes 7 (= Dionysii Halicarnassei Scripta quae extant omnia, ed. F. Sylburg, Bd. 1-2, Leipzig 1691 [SB 546]; hier Bd. 2, S. 166, 40-167, 28); vgl. auch Dionysios von Halikarnaß, Epistula ad Cn. Pompeium 2 (= ed. Sylburg, Bd. 2, S. 127,46-128,35).
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Den Eingang lobt Dionysios, und ohne an der Beschaffenheit der Naturbeschreibung darin einigen Anstoß zu nehmen, rechnet er ihn zu der vertraulichen und nüchternen Schreibart, welche als das eigentliche Gebiet der sokratischen Schule, wie er meint, auch dem Platon vorzüglich gelinge. Die erste Rede, welche Phaidros dem Sokrates vorliest, erkennt er offenbar für eine Arbeit des berühmten Redners, woran auch wohl Niemand zweifeln wird, obgleich ein engländischer Sprachgelehrter eine Strafe darauf gesezt hat, wer es glauben würde. Wären uns nur aus der Sammlung der erotischen Aufsäze des Lysias mehrere übrig geblieben: so würden wir über die Verhältnisse der Kunst und des Charakters darin zu den anderen Reden des Mannes besser urtheilen können. Dieser hier aber ist für sich nicht sehr zu loben. Denn die Eintönigkeit in der Bildung der einzelnen Säze, so wie in ihrer Verknüpfungsart, konnte kaum so arg als sie ist mit übergetragen werden, und der schwebende Ausdrukk, der fast immer mehrere Deutungen zuläßt, ist ein Kreuz für den Ausleger. Sind nun die anderen diesem ähnlich | gewesen, so war das Ganze ein zwar nicht 78 W2 gedankenlos angestellter, aber doch gänzlich mißlungener Versuch zur Erweiterung der Redekunst. Die erste sokratische Rede ferner führt den Saz des Lysias genauer durchdacht und | anschaulicher durch. 78 W1 Hier nun tadelt Dionysios schon die ihr vorangehende Anrufung der Musen, meinend, es käme plözlich wie Sturm und Ungewitter aus dem klaren Himmel, die reine Prosa zerstörend, ein geschmakloses Dichteln; und fügt hinzu, daß dieses hochtönende Reden und Dithyramben wären, die viel Pracht der Worte, aber wenig Sinn enthielten, werde Platon bald selbst bekennen, wenn er dem Phaidros sage, er
T 10 geblieben: so] geblieben, so W1 15 Ausdrukk] Ausdruk W1 19 führt] führt nun W1 23 Himmel, die reine Prosa zerstörend, ein] Himmel die reine Prosa zerstörend ein W1 26 sage] sagt W1 S 7f ein engländischer Sprachgelehrter] Der englische Lysias-Interpret John Taylor (1704-1766) tritt vehement gegen die Echtheit der Lysiasrede im platonischen Phaidros ein: Oratorum Graecorum [...] quae supersunt monumenta [...] commentariis [...] Io. Taylori [...] instructa, Volumen sextum (Lysiae secundum), ed. Johann Jacob Reiske, Leipzig 1772, S. 154 f. Vgl. Heindorf zu Phaidros 227a (S. 187). Die von Schleiermacher erwähnte ‚Strafe‘ findet sich dort allerdings nicht. Auch die englische Übersetzung von Thomas Taylor (1758-1835): The Phaedrus of Plato. A Dialogue Concerning Beauty and Love, London 1792, enthält keine entsprechende Bemerkung. 19 Die erste sokratische Rede] Platon, Phaidros 237c-241d 21 Dionysios] Dionysios von Halikarnaß, Demosthenes 7 (= Dionysii Halicarnassei Scripta quae extant omnia, ed. F. Sylburg, 2 Bde., Leipzig 1691 [SB 546]; hier Bd. 2, S. 166,46-48. 166,49-167,1)
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solle sich über nichts wundern im Verfolg, denn was er jezt rede, wären schon beinahe Dithyramben. Was nun jene Anrufung der Musen betrift, so könnte man wohl die spielende Wortableitung darin vielleicht geziert finden, aber das Prosaische sollte ihr, wenn man auf die ganze Struktur sieht, schwerlich Jemand abstreiten. Durch die Verwunderung hingegen über das Dithyrambische seiner Rede wollte Platon gewiß kein Zeugniß gegen sich selbst ablegen. Denn wer auf die Stelle Acht hat, wo dies vorkommt, der wird leicht finden, daß es sich auf keine Art von dichterischer Begeisterung beziehe, sondern daß Platon nur, und gewiß nicht zu seinem Nachtheil, den Unterschied wollte bemerklich machen zwischen seinem Rhythmos und dem des Lysias. Bei dem lezteren nemlich sind alle Perioden gleichförmig gedreht, eine wie die andere in Gegensäze zerschnitten, und durch die ganze Rede geht eine und dieselbe höchst nüchterne Melodie. In der des Platon hingegen ist der Rhythmos in beständigem Steigen, so daß er, wo von weitem aus|geholt wird, in kurzen Säzen mit raschem Gange beginnt, und wie die Rede vom Allgemeinen zum Besonderen fortschreitet, auch die Säze sich mehr entwikkeln und gliedern, bis endlich der Redner, wo er an einem Hauptpunkt angekommen ist, in einer sich langsam im Kreise | herumwälzenden Periode über demselben schwebt und gleichsam still steht. Dennoch aber erscheinen diese Perioden, uns wenigstens, ganz prosaisch gebaut, wie auch die Beiwörter im Ganzen nur aus dem philosophischen nicht aus dem dichterischen Gebiete des Gegenstandes genommen sind. So daß einzusehen, wiefern der Tadel des Dionysios, der sich streng nur auf die Wortfüße beziehen kann, gegründet sein mag, nur ein Vorrecht hellenischer Ohren sein dürfte, da offenbar bei Platon eine andere Theorie hierüber zum Grunde liegt als die des Dionysios. Uns aber, die wir hiernach nicht ganz so viel fragen, scheint eigentlich nur die Fülle des Ausdrukks bis an die äußersten Grenzen der ungebundenen Rede zu reichen, in welcher Hinsicht Platon gewiß auch epideiktisch sein
T 4f wenn man auf die ganze Struktur sieht] fehlt W1 18 entwikkeln] entwikeln W1 24–26 einzusehen, wiefern der Tadel des Dionysios, der sich streng nur auf die Wortfüße beziehen kann, gegründet sein mag] wiefern der Tadel des Dionysios gegründet sein mag, ihn einzusehen W1 27f da offenbar bei Platon eine andere Theorie hierüber zum Grunde liegt als die des Dionysios] fehlt W1 28f die wir hiernach nicht ganz so viel fragen] fehlt W1 30 Ausdrukks] Ausdruks W1 S 1f was er jezt rede, wären schon beinahe Dithyramben] Platon, Phaidros 238e-241e 2f Anrufung der Musen] Platon, Phaidros 237a
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wollte. In der zweiten Rede des Sokrates endlich ist allerdings jener vielgepriesene Mythos das wichtigste, um deswillen oft mit Unrecht alles Uebrige in diesem Gespräch ist hintangesezt worden, ohne daß man ihn selbst deshalb durchaus richtig verstanden hätte. Denn viel zu abstract und viel zu beschränkt hat man größtentheils die Liebe genommen, und vieles ganz übersehen oder kindisch bedeutelt. Am wenigsten ist wohl dieses bemerkt worden, daß er der Grundmythos ist, aus welchem alle folgende in das Ganze der platonischen Philosophie eingreifende sich entwikkeln, so daß je länger je mehr von seinem Gehalt aus dem mythischen in das wis|senschaftliche übergeht, das 80 W2 übrige aber immer anspruchsloser und lebendiger mythisch ausgebildet wird. Wie denn Platon hier recht ausdrüklich das Vorrecht Mythen in seine Darstellungen einzuflechten in Besiz zu nehmen scheint. Welches alles hier nicht eigentlich kann bewiesen werden, sondern sich durch die Folge selbst bewähren muß. Was aber den eigentlichen Inhalt des Mythos anbelangt, so ist zur Erläuterung des Bildlichen darin noch we|nig bestimmtes beizubringen, und besonders 80 W1 die kosmographischen Vorstellungen, welche dabei zum Grunde liegen, um so schwerer zu enthüllen, da der Mythos sich ganz an der Grenze des Natürlichen und Uebernatürlichen aufhält. Nähere Aufschlüsse hierüber würden willkommener sein, als jene Entdekkung, welche Heyne schon vorlängst mitgetheilt hat, daß nemlich die Pferde in diesem Mythos aus dem Parmenides entlehnt wären, was man bei Nachlesung des bezogenen Fragmentes schwerlich finden wird. Denn die Einerleiheit eines Gleichnisses beruht nicht sowohl auf dem Bilde, als vielmehr auf dessen gleicher Anwendung auf den Gegenstand. Auch würde in der Behauptung mehr liegen als jener Gelehrte wahr-
T 4 viel] wie viel W1 5 man] man nicht W1 6 vieles] wie vieles W1 8f folgende in das Ganze der platonischen Philosophie eingreifende] folgende, die in das Ganze der platonischen Philosophie eingreifen, W1 9 entwikkeln] entwikeln W1 15 den] 1 1 seinen W 16 des Mythos] fehlt W 20f Aufschlüsse] Aufschlusse W1 21 Entdekkung] Entdekung W1 S 1 In der zweiten Rede des Sokrates] Platon, Phaidros 243e-257b 18 kosmographischen Vorstellungen] Siehe unten Schleiermachers Anmerkung zum ‚überhimmlischen Ort‘ im Phaidros: W1 Anm. 26 und W2 Anm. 36. 22 Heyne] Vgl. Schleiermachers Notizen „Gedanken V.“ (1800-1803): KGA I/3, S. 286, Notat 19. Eine Belegstelle bei Heyne konnte nicht nachgewiesen werden. 22f Pferde in diesem Mythos] Platon, Phaidros 246a. 253c-256e 23 Parmenides] Parmenides, Peri physeos V. 1 ff., in: Fragmente des Parmenides. Gesammelt, übersetzt und erläutert von Georg Gustav Fülleborn, Züllichau 1795 [SB 1429], S. 34 ff.; vgl. Friedrich Ast: De Platonis Phaedro, Jena 1801, S. 61 Anm. 1; Ast: Phaedr. 1810, S. 291
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scheinlich gewollt hat, nemlich daß Platon seine Eintheilung der Seele dem Parmenides entlehnt habe. Bei der eingestandenen Unwissenheit über das Einzele läßt sich indeß im Allgemeinen sagen, daß vielerlei Vorstellungsarten1 in diesem Mythos durch einander gearbeitet zu sein scheinen, und daß, da mehrere Ausdrükke aus den Mysterien herstammen, eine vollständigere Kenntniß von diesen uns vielleicht am meisten aufklären würde. Deshalb möchte auch genauere Bekanntschaft mit den pythagorischen Philoso|phemen hier nicht als der wahre Schlüssel vorauszusezen sein, nicht einmal für die Götterlehre, noch weniger für die von der menschlichen Seele, da auch die platonische Lehre von der Wiedererinnerung schwerlich möchte aus dem Pythagoras zu erklären sein. Ueberdies ist das Meiste offenbar als Beiwerk 1
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v i e l e r l e i V o r s t e l l u n g s a r t e n . Ich muß dem hier gesagten treu bleiben, auch nach dem was Boeckh (Heid. Jahrb. I, 1.) beigebracht. Weder kann ich die Uebereinstimmung mit dem Philolaos so anerkennen, noch an die Aechtheit der philo- 15 laischen Fragmente so fest glauben. Doch dieses kann nur an einem andern Orte ausgeführt werden.
T 5 Ausdrükke] Ausdrüke W1 T Anm. 1 noch nicht in W1 S 5 Ausdrükke aus den Mysterien] Z. B. neben den expliziten Termini der Mysterien (z. B. 250b ἐτελοῦντο τῶν τελετῶν, ἣν θέμις λέγειν θεῶν μακαριωτάτην, ἣν ὠργιάζομεν ... 250c μυούμενοι καὶ ἐποπτεύοντες etc.): die Lichtmetaphorik (φέγγος, λαμπρόν 250b, ἐν αὐγῇ καθαρά 250c, ἔλαμπεν 250d; vgl. Hom. Hymn. II, V. 278-280), die Metapher der Pompē zu den Mysterien (248a. 249c. 250b: der Weg der Seele zur ‚Schau‘ mit dem jeweiligen Gott als Mystagogen), sowie der Schauder und Schrecken bei der ‚Schau‘ (251a δειμάτων ... τῆς φρίκης). 8 pythagorischen Philosophemen] Kritik an Schleiermacher vor allem bei Rez.Boeckh (1808), S. 112-118 = (1872), S. 30-35 und Rez.Ast (1819), S. 67-69 mit explzitem Bezug auf W2. Vgl. die ebenfalls zurückhaltende Position von Tennemann: System der Platonischen Philosophie, Bd. 1, S. 269-273. 11 Lehre von der Wiedererinnerung] Platon, Phaidros 249c S Anm. 1 Rez.Boeckh (1808), S. 112-118 = (1872), S. 30-35. – Philolaos, ein pythagoreischer Philosoph des 5. Jhs. v. Chr., war der erste, der ein Buch über die pythagoreische Kosmologie verfaßte. Platon soll es in Italien kennen gelernt haben. Nur Fragmente sind erhalten. August Boeckh (1785-1865) war ein Philolaos-Kenner: vgl. Boeckh: Commentatio academica altera, de Platonico systemate coelestium globorum et de vera indole astronomiae Philolaicae, Heidelberg 1810; Boeckh: Philolaos des Pythagoreers Lehren nebst den Bruchstücken seines Werkes, Berlin 1819. Vgl. Phaidros 246a und 247c mit Schleiermachers Anmerkungen.
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behandelt um die Pracht des Ganzen zu vermehren und das streng Allegorische zusammenzuhalten. Weshalb auch man sich hüten muß, mit der Ausle|gung zu sehr ins Einzele zu gehen, und sich lieber be- 81 W1 gnügen nur die philosophischen Andeutungen richtig aufzufassen, welche Platon selbst durch den Vortrag als solche bezeichnet. Als eine ziemlich unmittelbare, aber wenig beachtete Folge möchte die anzuführen sein, daß jedem Menschen sein Charakter nicht erst im Laufe des Lebens entsteht, sondern ihm ursprünglich beiwohnt. Darin aber, daß das Wirklichseiende nicht im Himmel, sondern im außerhimmlischen Orte geschaut wird, möchte wohl das nicht liegen, was Tiedemann gesehen hat. Am schwierigsten aber möchte zu deuten sein, was von dem verschiedenen Beruf der Menschen auf Erden, je nachdem sie mehr oder minder vom Ewigen durchdrungen sind, sehr ins Einzele gesagt wird. Wenn daher nicht hinter den beträchtlichen Verschiedenheiten der Leseart noch größere Fehler verborgen liegen, so dürfte vielleicht die ganze Stelle zu denen Verzierungen gehören, in denen
T 1 behandelt um] behandelt, um W1 | vermehren und] vermehren, und W1 11 aber möchte] möchte wohl W1 15 dürfte] möchte W1 S 7f daß jedem Menschen sein Charakter ... ihm ursprünglich beiwohnt] Platon, Phaidros 248de. 252c-253c 9f außerhimmlischen Orte] Platon, Phaidros 247c; siehe Schleiermachers Anmerkung zum ‚überhimmlischen Ort‘ im Phaidros: W1 Anm. 26 und W2 Anm. 36. 10f Tiedemann] Dieterich Tiedemann: Geist der spekulativen Philosophie, Bd. 2, Leipzig 1791, S. 186: „... daß dieser Ort über der Erde seyn muß, wie auch im Phaedrus ausdrücklich gesagt wird; außer des Himmels Umkreise sey jener glückliche Ort zu finden. Hier erklärt Plato die Erkenntniß der Wahrheit durch ein Hinaufsteigen der Seele zu diesem Orte; scheint also Anschauen der Gottheit, enge Vereinigung mit Gott in allem Vernunfterkenntnisse, anzunehmen. Fußnote 2: Phaedrus p. 322 u. ff. T. X.“ [also Platon, Phaidros 247b ff. in der Ed. Zweibrücken (Bipontina), Bd. 10 (1787), S. 322 ff.] 12 Beruf der Menschen auf Erden] Platon, Phaidros 248d-e
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man nicht zu viel suchen darf.2 Ueberhaupt aber kann man nicht genug aufmerksam darauf machen, wie sehr auch in dieser Rede alles rhetorisch gemeint und gewendet ist, so daß gerade hier, wo man so oft die ungezähmte Fantasie gefunden hat, wie sie gleichsam als das wildere Roß der plato|nischen Kunst das weisere mit sich fortreißt, Platon vielmehr in aller Besonnenheit des Künstlers erscheint. Und sollte auch diese Dichtung ihn im Einzelen nahe an ein fremdes Gebiet geführt haben, wie Dionysios eine Stelle sogar mit einer Pindarischen zusammenstellt, so ist doch im Ganzen die Behandlung durchaus prosaisch. Denn ein Bild, wie hier geschieht, erst mit wenigen Strichen im Umriß zu entwerfen, und dann nach Erforderniß stükweise weiter auszu|führen, dürfte in einem Gedicht nicht geduldet werden. Ueber den zweiten Theil des Gespräches ist nach allem schon gesagten im Allgemeinen nichts mehr zu erinnern, als daß er, wenn auch nicht vollkommen benuzt, dennoch der Ursprung jener besseren
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2 n i c h t z u v i e l s u c h e n d a r f . Herr Ast freilich in seinem Commentar hat dies sehr genau construirt. Doch mir ist das zu tiefsinnig, wie das poetische Leben oben zwar von aller realen Darstellung des wahren und schönen entfernt ist, unten aber die vierte Art des realen Lebens bildet, und so dem politischen und gymnastischen coordinirt erscheint. Dann weiß ich auch nicht was für eine höhere Bildung des wahren und 20 schönen dem χρηματιστικός zukommt als dem γεωργικός. Und so mögen sich dann Andere dieser Weisheit erfreuen.
T 13 des Gespräches] fehlt W1 T Anm. 2 noch nicht in W1 S 8 Dionysios] Dionysios von Halikarnaß, Demosthenes 7 (Dionysii Halicarnassei Scripta quae extant omnia, ed. F. Sylburg, Bd. 1-2, Leipzig 1691 [SB 546]; hier Bd. 2, S. 167, 18-27), darin zitiert Pindar, Paian IX, 1-10. 13-21. S Anm. 2 Platon, Phaidros 248d-e; dazu Ast: Phaedr. 1810, S. 308f., vgl. auch Rez.Ast (1819), S. 69f.
Phaidros Einleitung
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Rhetorik geworden ist, die vom Aristoteles, der diesem Werke viel verdankt, ihren Anfang nimmt. Einzeles werden die Anmerkungen erläutern, und so werde der Leser auch nicht länger in dem Vorhofe des schönen und geistvollen Werkes aufgehalten.
S 1 Aristoteles] Die Rhetorik (I, 1354a Bekker) schließt mit dem Verweis auf den Zusammenheng zwischen Rhetorik und Dialektik (= Philosophie) an Phaidros 265c-266d an. Diese Tradition einer Rhetorik als Seelenführung (Platon, Phaidros 261a mit Aristoteles, Rhetorik II, 1377b ff.) orientiert die Rhetorik am Rational-Argumentativen, und nicht – wie Gorgias – am Klanglich-Sprachlichen. Vgl. z. B. Cicero, De inventione I,1 und De Oratore III, 74 ff., Quintilian, Institutiones Oratoriae I,9 ff. 4 Als Vorarbeit hat Schleiermacher Tennemann: System der Platonischen Philosophie, Bd. 1-4, exzerpiert und annotiert. Zitiert sind die Seitenzahlen der Ed.Zweibrücken, Bd. 10 (1787) (Bipontina), dann (Band und) Seite bei Tennemann. In der folgenden Transskription sind die Stephanusseiten in eckigen Klammern ergänzt. BBAW, SN 185/1, f. 2r: Zum Phaidros / Aus dem Tennemann. P. 379. [274b-278e] I,129 sqq Eine lange Stelle übersezt, welche zu vergleichen ist. 384. [276d-e] 141. Will er aus dieser Stelle schließen, daß in den esoterischen Schriften er keine mythologoumena zugelaßen haben würde. Allein von esoterischen Schriften steht wohl in dieser Stelle nichts sondern nur von esoterischem Unterricht als Gegensaz von Schriften. 320. [246b] 142. Soll der Mythos bedeuten, daß die Handlungen der Menschen aus einer gedoppelten Quelle, aus einem vernünftigen und einem sinnlichen Triebe entspringen. 322. [247c] 144. Die Stelle αχρωματος αsσχηματιστος και αναφης ουσια scheint T. ασωματος statt αχρω. gelesen zu haben; übersezt: d a s U n k ö r p e r l i c h e , U n s i c h t b a r e , a l l e r G e s t a l t b e r a u b t e D i n g . [am Rand:] II.121 hat er αχρωματος citirt übersezend auch wieder unkörperlich welches aber aus dem davor zusammengesezt scheint. 326. [249b] II.40 Die Handlung des Verstandes besteht bei dem Denken überhaupt in dem Verbinden des Mannigfaltigen. Dies sind die Worte, wozu er die Stelle citirt δει γαρ ανθρωπον ξυνιεναι κατ᾽ ειδος λεγομενον εκ πολλων ιον αισθησεων εις ἑν λογισμῳ ξυναιρουμενον. Er scheint also κατ᾽ ειδος λεγομενον auf ξυνιεναι zu ziehn aber nicht als dasjenige was verstanden werden soll sondern als die Art wie: Denken überhaupt. 322. [247c] II.165. Die Vernunft, das selbstbestimmende Vermögen [über Wesen ] der Seele denkt allein das unkörperliche und unsinnliche Wesen. Hierzu citirt er ἡ γαρ αχρωματος – ουσια ψυχης κυβερνητῃ μονῳ θεατῃ νῳ χρηται. 318. [245d] 310. Die Stelle von der αρχη ohne Verdacht eines Fehlers citirt. 371.72 [270d. 271a] III 84. πολυειδες. Das lezte Wort bedeutet nach Platos eigner Erklärung wohl nichts anders als Zusammensezung aus Materie, deren Merkmal Vielheit ist. – Dies mochte wohl an dieser Stelle nicht der Fall sein, wie man aus den ψυχης γενη sieht; es ist nur logisch, wie oben von der ὑβρις. πολυειδες και πολυμερες. Noch deutlicher sieht man es p. 371 [270d] selbst wo die Procedur mit einem απλουν und einem πολυειδες beschrieben wird. III 212. Den Trieb der Seele sich von dem Sinnlichen zum Übersinnlichen zu erheben nennt Platon durch eine Metapher die Flügel der Seele.
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Phaidros Ed. Heindorf
ΠΛΑΤΩΝΟΣ ΦΑΙΔΡΟΣ. ΣΩΚΡΑΤΗΣ, ΦΑΙΔΡΟΣ. 227
Ὦ φίλε Φαῖδρε, ποῖ δὴ καὶ πόθεν;
Text aus: Heindorf (Platonis Dialogi Quatuor Lysis Charmides Hippias maior Phaedrus. Annotatione perpetua illustravit Lud. Frid. Heindorf, Berlin 1802, S. 185-356 mit Appendix corrigendorum et addendorum S. 361 f.). Varianten u. a. aus: Ed.Berlin 1816 (Platonis Dialogi graece et latine ex recensione Immanuelis Bekkeri, Bd. 1.1, Berlin 1816); Comm. 1 1823 (Immanuelis Bekkeri in Platonem a se editum commentaria critica. Accedunt scholia, Bd. 1, Berlin 1823).
Erste Fassung (handschriftlich)
Phaidros.
1r
Sokrates Phaidros
2r
S. Wohin woher?
lieber
Phaidros
und
Text aus: BBAW, SN 154 (Schleiermachers Übersetzung, angefertigt Januar bis März 1801, als Druckvorlage für die gemeinsam mit F. Schlegel geplante, aber gescheiterte Publikation im Verlag Friedrich Frommann [vgl. zur Phaidros-Hs., S. XLIII-LVII], mit den wenigen Korrekturen F. Schlegels, die im App. als solche gekennzeichnet sind). F. Schlegels kritische Bemerkungen in den Briefen zu einzelnen Stellen der Übersetzung sind im Apparat mitgeteilt. 2 Sokrates Phaidros] darüber Phaidros
Phaidros 2. Auflage
PHÄDROS.1
PHAIDROS.1
SOKRATES. PHÄDROS.
SOKRATES. PHAIDROS.
SOK. O lieber Phädros, woher und wohin?
SOK. O lieber Phaidros, woher denn und wohin?
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Phaidros 1. Auflage
Wegen alles dessen, was die Leseart und die grammatische Interpretation betrifft, verweise ich den sprachkundigen Leser im Allgemeinen für diesen Dialog, so wie für den Lysis und Charmides, auf Platonis Dialogi quatuor, Lysis, Charmides, Hippias Major, Phaedrus. Annotatione perpetua illustravit Lud. Fr. Heindorf, Berol., e libr. Nauck, MDCCCII., welche vor Augen zu haben von Jedem gefordert werden kann, der von der Uebersetzung des Platon über solche Gegenstände Auskunft verlangte. Daher auch dem Kenner nicht erst gerühmt werden darf, wieviel vorstehende Uebersezung jenem Werke verdanke, und wie oft sie ohne dasselbe im
Text nach: W1 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 11804, S. 83-170 und S. 371-387 mit Druckfehler-Verzeichnis S. 413). T Anm. Zwischentitel auf S. 369: ANMERKUNGEN. | Üs. über den Anm. auf S. 371: ZUM PHÄDROS. S Anm. 1 Für die Dialoge Phaidros, Lysis und Charmides wird auf die kommentierte Edition von Heindorf verwiesen, in der bereits Emendationen und Konjekturen Schleiermachers mitgeteilt sind (s. Spalte 1 App.). Der Charmides sollte ursprünglich auch im ersten Teil des ersten Bandes erscheinen (vgl. KGA V/7, Nr. 1660, 11; Nr. 1682, 10-13; Nr. 1688, 70-72; Nr. 1704, 8 f.; Nr. 1710, 15-18) und ist erst kurz vor Ende des Drucks in den zweiten Teil gezogen worden (vgl. KGA V/7, Nr. 1719, 12 f.). Der Verweis auf diesen Dialog blieb hier jedoch stehen. – Zur Vorschaltung dieser allgemeinen Anmerkung vgl. bereits im Zuge des ersten Drucks F. Schlegel an Schleiermacher, 3.4.1802: KGA V/5, Nr. 1201, 19-22.
Wegen alles dessen, was theils die Leseart, vorzüglich aber die grammatische Interpretation betrifft, verweise ich den sprachkundigen Leser im Allgemeinen für diesen Dialog, so wie für den Lysis und Charmides, auf Platonis Dialogi quatuor, Lysis, Charmides, Hippias Major, Phaedrus. Annotatione perpetua illustravit Lud. Fr. Heindorf, Berol., e libr. Nauck, MDCCCII., welche vor Augen zu haben von Jedem gefordert werden kann, der von der Uebersezung des Platon über solche Gegenstände Auskunft verlangte. Daher auch dem Kenner nicht erst gerühmt werden darf, wieviel vorstehende Uebersezung jenem Werke des leider zu früh entrükten Freundes verdanke, und wie oft sie ohne dasselbe im Finstern würde getappt haben. Auch in den wenigen Fällen, wo ich einer andern von ihm gekannten Leseart den Vorzug gegeben, werden die Leser größtentheils die Gründe, die
Text nach: W2 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 21817, S. 83-170 und S. 371-397). T Anm. Zwischentitel auf S. 369: ANMERKUNGEN. | Üs. über den Anm. auf S. 371: ZUM PHAIDROS. S Anm. 1 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 1. Ludwig Friedrich Heindorf ist 1816 gestorben. Für die 2. Aufl. wird neben der Edition von Heindorf auf die Edition von Immanuel Bekker verwiesen, deren 1. Band mit den Dialogen Phaedrus, Lysis, Protagoras, Laches, Charmides und Euthyphron 1816 in Berlin erschienen ist. Der Apparat zu dieser Edition ist erst 1823 separat erschienen: Immanuelis Bekkeri in Platonem a se editum commentaria critica. Accedunt Scholia, Bd. 1-2, Berlin 1823.
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Erste Fassung (handschriftlich)
ΦΑΙ. Παρὰ Λυσίου, ὦ Σώκρατες, τοῦ Κεφάλου. Πορεύομαι δὲ πρὸς περίπατον ἔξω τείχους. Συχνὸν γὰρ ἐκεῖ διέτριψα χρόνον καθήμενος ἐξ ἑωθινοῦ. Τῷ δὲ σῷ καὶ ἐμῷ ἑταίρῳ πειθόμενος Ἀκουμενῷ κατὰ τὰς ὁδοὺς ποιοῦμαι τοὺς περιπάτους. Φησὶ γὰρ ἀκοπωτέρους τῶν ἐν τοῖς δρόμοις εἶναι.
Ph. Ich komme von Lysias, dem Sohn des Kephalos und will ein wenig draußen vor der Stadt spazieren gehn; denn ich war von frühe an dort, und habe die ganze Zeit über geseßen. Ich folge darin unserem Freunde Akumenos und mache mir gern Bewegung an der Landstraße, das sagt er soll weniger ermüden als das Umhergehn auf den öffentlichen Spaziergängen.
3 τείχους. Συχνὸν] τείχους· συχνὸν Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W2
T 7 mache mir] mit Einfügungszeichen über gehe 8 Bewegung] über der Zeile mit Einfügungszeichen | Landstraße] danach spazieren
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Phaidros 1. Auflage
Phaidros 2. Auflage
PH. Vom Lysias, dem Sohne des Kephalos, und ich gehe lustwandeln hinaus vor die Stadt. Denn ich habe dort lange Zeit sizend zugebracht von frühe an, und unserm Freunde Akumenos folgend pflege ich draußen auf den Wegen umherzugehen; dieses nämlich, sagt er, ermüde nicht so wie das in den Laufbahnen.2
PH. Vom Lysias, o Sokrates, dem Sohne des Kephalos, und ich gehe lustwandeln hinaus vor die Stadt; denn ich habe dort lange Zeit sizend zugebracht von frühe an. Und deinem und meinem Freunde Akumenos folgend pflege ich draußen auf den Straßen umherzugehen; dieses nämlich, sagt er, sei weniger ermüdend als das in den Spaziergängen.2
Finstern würde getappt haben. Auch in den wenigen Fällen, wo ich einer andern Leseart den Vorzug gegeben, werden die Leser größtentheils die Gründe, die mir, wenn auch nicht ihm, überwiegend schienen, in seinem Commentar antreffen. Sollte aber an einigen Stellen erst jezt etwas beifallswürdiges von dem meinigen hinzugekommen sein: so darf es mir wohl bei der vielfachen Beschäftigung mit diesem Gespräch zum Vorwurf gereichen, es nicht eher gefunden zu haben. 2 i n d e n L a u f b a h n e n . Diese waren jedoch nicht nur zum eigentlichen gymnastischen Rennen für Knaben und Jünglinge eingerichtet, sondern auch zum Lustwandeln für Bejahrtere. Akumenos, ein berühmter Arzt. Lysias wohnte im Peiräeus, | dem Hafen, der von der Stadt unterschieden war. Im folgenden ist die M o r y c h i a ein einzelnes Haus von einem Morychos benannt, demselben wahrscheinlich, den die alte Komödie als bekannten Schlemmer durchzieht. O l y m p i o n sollte geschrieben sein, nicht Olympeion.
S 1 Lysias] danach Auslassung von ὦ Σώκρατες kritisiert von Rez.Boeckh (1808), S. 104 = (1872), S. 23; ergänzt in W2 5 unserm] kritisiert von Rez.Boeckh (1808), S. 104 = (1872), S. 23; verändert in W2 S Anm. 2 Vgl. Heindorf z. St. (S. 188). Morychos in der alten Komödie: z. B. Aristophanes, Acharner 887; Frieden 1008; Wespen 506.1142.
mir, wenn auch nicht ihm, überwiegend schienen, in seinem Commentar antreffen, und es war mir daher erlaubt möglichst kurz zu sein. Nächstdem muß ich für manche Aenderungen in der zweiten Auflage auf den Bekkerschen Text und den mir freundschaftlich mitgetheilten Apparat im voraus verweisen, und auch diesem gründlichen Freunde für viel freundliche Belehrung dankbar sein. 2 i n d e n S p a z i e r g ä n g e n . So durfte ich hier wohl übersezen, da die δρόμοι nicht nur zum eigentlichen gymnastischen Rennen für Knaben und Jünglinge eingerichtet waren, sondern auch zum Lustwandeln für Bejahrtere. Akumenos, ein berühmter Arzt. Lysias wohnte im Peiräeus, dem Hafen, der von der Stadt unterschieden war. Im folgenden ist die M o r y c h i a ein einzelnes Haus von einem Morychos benannt, demselben wahrscheinlich, den die alte Komödie als bekannten Schlemmer durchzieht.
T Anm. 2 21 δρόμοι] verdruckt δρὁμοι W2 S 1 o Sokrates] ergänzt ggb. W1 nach Rez.Boeckh (1808) (wie zu W1) 3f Stadt; denn] nach Bekker wie Spalte 1 App. 5f deinem und meinem] verändert ggb. W1 nach Rez.Boeckh (1808) (wie zu W1) S Anm. 2 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 2.
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Phaidros Ed. Heindorf
Erste Fassung (handschriftlich)
ΣΩ. Καλῶς γάρ, ὦ ἑταῖρε, λέγει. ᾿Ατὰρ Λυσίας ἦν, ὡς ἔοικεν, ἐν ἄστει.
S. Darin, mein Lieber, hat er sehr recht. Also Lysias war in der Stadt wie es scheint? Ph. Ja, beim Epikrates hier ohnweit des Olympeion in der Morychia.
ΦΑΙ. Ναί, παρ᾽ Ἐπικράτει, ἐν τῇδε τῇ πλησίον τοῦ Ὀλυμπίου οἰκίᾳ τῇ Μορυχίᾳ. ΣΩ. Τίς οὖν δὴ ἦν διατριβή; ἢ δῆλον ὅτι τῶν λόγων ὑμᾶς Λυσίας εἱστία; ΦΑΙ. Πεύσῃ, εἴ σοι σχολὴ προϊόντι ἀκούειν.
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ΣΩ. Τί δέ; οὐκ ἂν οἴει με κατὰ Πίνδαρον καὶ ἀσχολίας ὑπέρτερον πρᾶγμα ποιήσασθαι τὸ τεήν τε καὶ Λυσίου διατριβὴν ἀκοῦσαι; ΦΑΙ. Πρόαγε δή. ΣΩ. Λέγοις ἄν. ΦΑΙ. Καὶ μήν, ὦ Σώκρατες, προσήκουσά γέ σοι ἡ ἀκοή. Ὁ γάρ τοι λόγος ἦν, περὶ ὃν διετρίβομεν, οὐκ οἶδ᾽ ὅντινα τρόπον ἐρωτικός. Γέγραφε γὰρ δὴ ὁ Λυσίας πειρώμενον τινὰ τῶν καλῶν, οὐχ ὑπὸ ἐραστοῦ δέ· ἀλλ᾽ αὐτὸ δὴ τοῦτο καὶ κεκόμ-
S. Was habt ihr denn dort getrieben? Oder versteht sichs von selbst, daß Euch Lysias mit einer Rede bewirthet hat? Ph. Das sollst du erfahren, wenn du Zeit hast mit mir zu gehen. So. Wie? Glaubst du denn nicht, daß es mit dem Pindaros zu reden auch voran mir gehen soll jedem Geschäft zu hören wie Ihr Euch unterhalten habt du und Lysias? Ph. So gehe dann vorwärts. So. Und du sage an. Ph. Noch dazu, Sokrates, ist es eben recht etwas für dich, was du hören wirst. Denn die Rede mit der wir es zu thun hatten handelte, ich weiß nicht recht wie, gewißermaßen von der Liebe. Lysias nemlich hat sie geschrieben, als ob ein schöner Knabe gewonnen werden sollte; aber nicht von einem Liebhaber. Und das ist eben die Feinheit darin. Er beweist
T 5 Morychia] danach hochgestellt Anm.Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 1 ersetzt von F. Schlegel (vgl. zur Phaidros-Hs., S. XLVI) 22f ich weiß nicht recht wie, gewißermaßen] mit Einfügungszeichen über wenn ich so sagen darf 28 darin. Er] korr. aus darin, daß er ihm
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SOK. Und sehr gut ist dieser Rath. Also Lysias war, wie es scheint, in der Stadt. PH. Ja, bei dem Epikrates, hier ohnweit des Olympeion in der Morychia. SOK. Was habt ihr denn dort getrieben? Oder versteht es sich, daß euch Lysias mit einer Rede bewirthet hat?
SOK. Und ganz Recht hat er darin, lieber Freund. Also Lysias war, wie es scheint, in der Stadt. PH. Ja, bei dem Epikrates, in dem Hause hier ohnweit des Olympion, der Morychia. SOK. Was habt ihr denn dort getrieben? Oder versteht es sich, daß euch Lysias aus seinen Reden bewirthet hat? PH. Du sollst es erfahren, wenn du Muße hast mitzugehn und zu hören.
PH. Du sollst es erfahren, wenn du Muße hast mit zu gehn und zu hören. SOK. Wie denn? Glaubst du nicht, daß es, nach dem Pindaros, auch dringendem Geschäft voran mir gehn soll, deine und des Lysias Unterhaltung anzuhören? PH. So gehe denn vorwärts. SOK. Und du rede. PH. Gewiß Sokrates, recht für dich geeignet ist, was du hören wirst. Denn die Rede, | welche uns unterhielt, war, ich weiß nicht recht wie, eine Liebesrede. Nämlich Lysias hat sie geschrieben, als ob ein schöner Knabe gewonnen werden sollte, jedoch nicht von einem Liebhaber. Und dies ist eben die Feinheit darin,
SOK. Wie denn? Glaubst du nicht, daß es, nach dem Pindaros, auch dringendem Geschäft voran mir gehn soll, deine und des Lysias Unterhaltung anzuhören? PH. So gehe denn weiter. SOK. Und du rede. | PH. Gewiß Sokrates, recht geziemt dir dies zu hören. Denn die Rede, mit der wir uns unterhielten, war, ich weiß nicht recht wie, eine Liebesrede. Nämlich Lysias hat sie geschrieben, als ob ein schöner Knabe gewonnen werden sollte, aber nicht von einem Liebhaber. Sondern dies ist eben die Feinheit
S 1 Auslassung von ὦ ἑταῖρε kritisiert von Rez.Boeckh (1808), S. 104 = (1872), S. 23; ergänzt in W2 2 wie es scheint] kritisiert von Ast: Phaedr. 1810, S. 222 („potius affirmationem indicant; […] commodissime […] gewiß […]“), vgl. auch schon Rez.Ast (1808), S. 121 f.; ignoriert in W2 9 mit einer Rede] kritisiert von Rez.Ast (1808), S. 122, vgl. Ast: Phaedr. 1810, S. 221; verändert in W2 21 was du hören wirst] kritisiert von Rez.Anon., in: Neue Leipziger Literaturzeitung 90. Stück, 1806, Sp. 1431; Ast: Phaedr. 1810, S. 222 („ἀκοή non est id, quod auditur vel audiendum est, ut Schleiermacherus cepit, sed significatione, quam dicimus, subiectiva auditio (das Hören)“); verändert in W2
S 2 lieber Freund] ergänzt ggb. W1 nach Rez.Boeckh (1808) (wie zu W1) 9 aus seinen Reden] verändert ggb. W1 nach 21 dies zu Rez.Ast (1808) (wie zu W1) hören] verändert ggb. W1 nach Rez.Anon. (1806) und Ast: Phaedr. 1810 (wie zu W1)
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Phaidros Ed. Heindorf
Erste Fassung (handschriftlich)
ψευται. Λέγει γάρ, ὡς χαριστέον μὴ ἐρῶντι μᾶλλον ἢ ἐρῶντι.
ihm nemlich, daß er eher einem nicht eigentlich Liebenden günstig sein müße, als einem Liebenden. So. O der trefliche Mann! Hätte er doch geschrieben eher einem Armen als einem Reichen, einem Alten als einem Jungen, und was sonst mir und meines Gleichen zu Nutzen gekommen wäre. Das wäre auch eine liebliche und gemeinnüzige Rede! Nun bin ich aber | so begierig geworden sie zu hören! Daß wenn du auch bis nach Megara gingest, und wie Herodikos dort hart an der Mauer wieder umkehrtest, ich dich doch nicht loslassen würde. Ph. Wie meinst du das aber, mein guter Sokrates? Glaubst du, woran Lysias der gewandteste unter allen Schriftstellern bei voller Muße lange Zeit gearbeitet hat, das würde ich Laie dir wie es seiner würdig wäre, so aus dem Gedächtniß wieder erzählen können? Daran fehlt viel. Aber viel Geld sollte mir nicht so lieb sein als wenn ich das könnte. So. Ei Phaidros! Wenn ich den Phaidros nicht besser kennte, so müßte ich ja von mir selbst nichts
ΣΩ. Ὦ γενναῖος, εἴθε γράψειεν, ὡς χρὴ πένητι μᾶλλον ἢ πλουσίῳ, καὶ πρεσβυτέρῳ ἢ νεωτέρῳ, καὶ ὅσα ἄλλα ἐμοί τε πρόσεστι καὶ τοῖς πολλοῖς ἡμῶν! Ἦ γὰρ ἂν ἀστεῖοι καὶ δημωφελεῖς εἶεν οἱ λόγοι. Ἔγωγ᾽ οὖν οὕτως ἐπιτεθύμηκα ἀκοῦσαι, ὥστε, ἂν βαδίζων ποιῇ τὸν περίπατον Μεγάραδε, καὶ κατὰ Ἡρόδικον προσβὰς τῷ τείχει πάλιν ἀπίῃς, οὐ μή σου ἀπολειφθῶ. ΦΑΙ. Πῶς λέγεις, ὦ βέλτιστε Σώκρατες; Οἴει με, ἃ Λυσίας ἐν πολλῷ χρόνῳ κατὰ σχολὴν συνέθηκε, δεινότατος ὢν τῶν νῦν γράφειν, ταῦτα ἰδιώτην ὄντα ἀπομνημονεύσειν ἀξίως ἐκείνου; Πολλοῦ γε δέω. Καίτοι ἐβουλόμην γ᾽ ἂν μᾶλλον ἤ μοι πολὺ χρυσίον γενέσθαι. ΣΩ. Ὦ Φαῖδρε, εἰ ἐγὼ Φαῖδρον ἀγνοῶ, καὶ ἐμαυτοῦ ἐπιλέλησμαι.
T 5 eher] über lieber 14 Herodikos] danach hochgestellt Anm.-Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 2 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5)
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denn sie behauptet, er müsse eher einem nicht Liebenden günstig sein als einem Liebenden. SOK. O treflicher Mann! hätte er doch geschrieben eher einem Armen als Reichen, einem Alten als Jungen, und was sonst mir wäre zu gut gekommen, und den meisten von uns. Warlich das wären artige und gemeinnüzige Reden. Ich meines Theils bin nun so begierig geworden zu hören, daß wenn du auch bis Megara lustwandeln gingst, und wie Herodikos3 hart an der Mauer wieder umkehrtest, würde ich doch nicht zurükbleiben. PH. Wie meinst du, bester Sokrates? Glaubst du, was Lysias in langer Zeit nach Muße ausgearbeitet hat, der größte Meister unter Allen jezt im Schreiben, das sollte ich Ungelehrter, wie es seiner würdig wäre, so aus dem Gedächtniß wiederholen können? Daran fehlt viel. Wiewohl viel Geld mir nicht so lieb sein sollte als dieses. SOK. O Phädros, wenn ich den Phädros nicht kennte, müßte ich auch mich selbst vergessen haben.
darin, er behauptet, man müsse eher einem nicht verliebten günstig sein als einem Veliebten. SOK. O treflicher Mann! hätte er doch geschrieben eher einem Armen als Reichen, einem Alten als Jungen, und was sonst mir wäre zu gut gekommen, und den meisten von uns. Warlich das wären artige und gemeinnüzige Reden. Ich meines Theils bin nun so begierig geworden zu hören, daß wenn du auch bis Megara lustwandeln gingst, und wie Herodikos3 hart an der Mauer wieder umkehrtest, würde ich doch nicht von dir weichen. PH. Wie meinst du, bester Sokrates? Glaubst du, was Lysias in langer Zeit nach Muße ausgearbeitet hat, der größte Meister unter Allen jezt im Schreiben, das sollte ich Ungelehrter seiner würdig so aus dem Gedächtniß wiederholen können? Daran fehlt viel. Wiewohl viel Geld mir nicht so lieb sein sollte als dieses. SOK. O Phaidros, wenn ich den Phaidros nicht kenne, muß ich ja mich selbst vergessen haben. Aber
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w i e H e r o d i k o s . Von diesem Herodikos, dem Selymbrier, wird in dem Protagoras des Platon gesagt, er stamme ursprünglich aus Megara ab, mit welchem Umstande vielleicht diese Gewohnheit zusammenhängt.
S 1 denn sie behauptet] kritisiert von Rez.Boeckh (1808), S. 104 f. = (1872), S. 23; verändert in W2 | er müsse eher] kritisiert von Rez.Ast (1808), S. 123; verändert in W2 15f würde ich doch nicht zurükbleiben] kritisiert von Rez.Ast (1808), S. 123; verändert in W2 S Anm. 3 Platon, Protagoras 316e bei Heindorf z. St. (S. 190).
w i e H e r o d i k o s . Von diesem Herodikos, dem Selymbrier, wird in dem Protagoras des Platon gesagt, er stamme ursprünglich aus Megara ab, mit welchem Umstande vielleicht diese Gewohnheit zusammenhängt und fast auf ein troziges Exil deutet.
S 1 er behauptet] verändert ggb. W1 nach Rez.Boeckh (1808) (wie zu W1) | man müsse eher] verändert ggb. W1 nach Rez.Ast (1808) (wie zu W1) 15f würde ich doch nicht von dir weichen] verändert ggb. W1 nach Rez.Ast (1808) (wie zu W1) S Anm. 3 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 3.
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Ἀλλὰ γὰρ οὐδέτερά ἐστι τούτων. Εὖ οἶδα, ὅτι Λυσίου λόγον ἀκούων ἐκεῖνος οὐ μόνον ἅπαξ ἤκουσεν, ἀλλὰ καὶ πολλάκις ἐπαναλαμβάνων ἐκέλευσέν οἱ λέγειν· ὁ δὲ ἐπείθετο προθύμως. Τῷ δὲ οὐδὲ ταῦτα ἦν ἱκανά, ἀλλὰ τελευτῶν παραλαβὼν τὸ βιβλίον, ἃ μάλιστα ἐπεθύμει, ἐπεσκόπει, καὶ τοῦτο δρῶν, ἐξ ἑωθινοῦ καθήμενος, ἀπειπὼν εἰς περίπατον ᾔει· ὡς μὲν ἐγὼ οἶμαι, νὴ τὸν κύνα, ἐξεπιστάμενος τὸν λόγον, εἰ μὴ πάνυ τὶς ἦν μακρός· ἐπορεύετο δ᾽ ἐκτὸς τείχους, ἵνα μελετῴη. Ἀπαντήσας δὲ τῷ νοσοῦντι περὶ λόγων ἀκοήν, ἰδὼν μὲν ἰόντα ἥσθη, ὅτι ἕξοι τὸν συγκορυβαντιῶντα, καὶ προάγειν ἐκέλευε. Δεομένου δὲ λέγειν τοῦ τῶν
wißen. Und das soll mir so wenig wahr sein als das andere. Das weiß ich ja gar zu gut wie der eine Rede des Lysias hörte, hat er sie nicht etwa nur einmal angehört, sondern hat den Lysias immer wieder von vorn anfangen laßen zu lesen und das hat Lysias auch gern gethan. Aber auch das ist ihm nicht genug gewesen, sondern am Ende hat er das Buch selbst genommen und sich aufgeschlagen was ihm am besten gefallen hatte. So hat er von des Morgens an geseßen bis er endlich müde geworden und spazieren gegangen ist, jedoch beim Hunde, nicht eher, wie ich glaube als bis er die Rede schon auswendig wußte, wenn sie nicht etwa gar zu lang ist, und zur Stadt wollte er hinaus gehen um noch recht darüber nachsinnen zu können. Als er dann einem begegnete der ordentlich krank liegt an der Sucht Reden anzuhören freute er sich schon indem er ihn kommen sah, daß er einen haben würde der seine Entzükung mit ihm theilte. Und nun ihn dieser bittet herzu-
T 2 Das] über Ich 3 ich ja gar zu gut] mit Einfügungszeichen über wol 9f ist ihm nicht genug gewesen] über genügte ihm nicht 10 hat] über nahm 11 genommen] über der Zeile mit Einfügungszeichen | und] danach schlug 12 aufgeschlagen] geschlagen über der Zeile 16 beim Hunde] kritisert von F. Schlegel in dem Brief vom 26.10.1801: KGA V/5, Nr. 1115, 10 f. 17 ich] korr. aus gla 21f nachsinnen] korr. aus nach zu sinnen 22 zu können] über der Zeile mit Einfügungszeichen
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Aber keines von beiden soll geschehen.4 Sondern wohl weiß ich, hörte jener eine Rede des Lysias, so hat er sie nicht nur einmal angehört, sondern den Lysias immer wieder aufs neue oftmals reden lassen, der auch willig gehorchte. Ihm aber ist auch das nicht genug gewesen, sondern zulezt hat er das Buch genommen, und selbst, was er am liebsten mochte, nachgesehen. Und darüber von frühe | an sizend ist er endlich ermüdet und lustwandeln gegangen, jedoch beim Hunde! wie ich wenigstens glaube, schon vollkommen wissend die Rede, wenn sie nicht allzulang war. Und zur Stadt hinaus ging er, um sie noch einzulernen. Als er dann einem begegnete, der krank ist an der Sucht Reden anzuhören, freute er sich schon, da er ihn kommen sah, daß er einen Genossen haben würde an seiner Entzükung, und hieß ihn mitgehn. Wie nun dieser Liebhaber der Reden ihn bat,
eines so wenig als das andere. Ich weiß gar wohl, hörte der eine Rede des Lysias, so hat er sie nicht nur einmal angehört, sondern den Lysias immer wieder aufs neue oftmals reden lassen, und der gehorchte ihm auch gern. Ihm aber ist auch das nicht genug gewesen, sondern zulezt hat er das Buch genommen, und selbst, was ihm am besten gefiel, | nachgesehen. Und darüber von frühe an sizend ist er endlich ermüdet und lustwandeln gegangen, jedoch beim Hunde! wie ich wenigstens glaube, schon vollkommen wissend die Rede, wenn sie nicht allzulang war. Und zur Stadt hinaus ging er, um sie recht einzulernen. Als er dann einem begegnete, der krank ist an der Sucht Reden anzuhören, freute er sich schon, da er ihn kommen sah, daß er einen Genossen haben würde an seiner Entzükung, und hieß ihn mitgehn. Wie nun der Liebhaber von Reden ihn bat,
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Ebendas. [...] lese man, anstatt A b e r keines von beiden soll ges c h e h e n , Aber eines ist so wenig der Fall als das andere.
T Anm. 4 mit Gedankenstrich an Anm. 3 angeschlossen mit der oben ausgelassenen Zeilenangabe W1 S 14 beim Hunde] ebenso die Übersetzung in SN 154, die F. Schlegel kritisiert hat (vgl. Spalte 2 App.) S Anm. 4 Diese für den Druck des Dialogs zu späte Korrektur ist anscheinend eine Reaktion auf Spaldings hsl. Kritik an der Druckvorlage: SN 158/3, f. 1r: „p. 228. ‚Aber keines – s o l l geschehen.‘ Hier scheints man habe gelesen ἔσται statt ἐστι; und das gefällt mir nicht übel. Ist es aber nothwendig?“
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Erste Fassung (handschriftlich)
λόγων ἐραστοῦ, ἐθρύπτετο ὡς δὴ οὐκ ἐπιθυμῶν λέγειν· τελευτῶν δὲ ἔμελλε καὶ εἰ μή τις ἑκὼν ἀκούοι, βίᾳ ἐρεῖν. Σὺ οὖν, ὦ Φαῖδρε, αὐτοῦ δεήθητι, ὅπερ τάχα πάντως ποιήσει, νῦν ἤδη ποιεῖν.
sagen macht er freilich den Spröden als wollte er nicht; aber am Ende würde er für Gewalt reden wenn auch kein Mensch hören wollte. Bitte du ihn also lieber Phaidros mir lieber jetzt gleich zu thun, was er doch bald von selbst und auf alle Weise thun würde. Ph. Auf diese Art wird es wohl am besten gethan sein. Ich gebe dir die Rede eben so gut ich kann: denn ich glaube du wirst auch nicht loslaßen bis ich es thue. So. Ja da glaubst du ganz recht. |
ΦΑΙ. Ἐμοὶ ὡς ἀληθῶς πολὺ κράτιστόν ἐστιν, οὕτως ὅπως δύναμαι λέγειν· ὥς μοι δοκεῖς σὺ οὐδαμῶς με ἀφήσειν, πρὶν ἂν εἴπω ἀμωσγέπως. ΣΩ. Πάνυ γάρ σοι ἀληθῆ δοκῶ.
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ΦΑΙ. Οὑτωσὶ τοίνυν ποιήσω· τῷ ὄντι γάρ, ὦ Σώκρατες, παντὸς μᾶλλον τάγε ῥήματα οὐκ ἐξέμαθον· τὴν μέντοι διάνοιαν σχεδὸν ἁπάντων, οἷς ἔφη διαφέρειν τὰ τοῦ ἐρῶντος ἢ τὰ τοῦ μή, ἐν κεφαλαίοις ἕκαστον ἐφεξῆς δίειμι, ἀρξάμενος ἀπὸ τοῦ πρώτου. ΣΩ. Δείξας γε πρῶτον, ὦ φιλότης, τί ἄρα ὃ ἐν τῇ ἀριστερᾷ ἔχεις ὑπὸ τῷ ἱματίῳ. Τοπάζω γάρ σε ἔχειν τὸν λόγον αὐτόν. Εἰ δὲ τοῦτό ἐστιν, οὑτωσὶ διανοοῦ περὶ ἐμοῦ, ὡς ἐγώ σε πάνυ μὲν φιλῶ, παρόντος δὲ Λυσίου ἐμαυτόν σοι ἐμμελετᾷν παρέχειν οὐ πάνυ δέδοκται. Ἀλλ᾽ ἴθι, δείκνυε.
ΦΑΙ. Παῦε. Ἐκκέκρουκάς με ἐλπίδος, ὦ Σώκρατες, ἣν εἶχον ἐν σοὶ ὡς ἐγγυμνασόμενος. Ἀλλὰ ποῦ δὴ βούλει καθιζόμενοι ἀναγνῶμεν;
25f Λυσίου] καὶ Λυσίου Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 4 [6,6], übersetzt W2
Ph. So will ichs also machen. Nur die Worte selbst habe ich wahrhaftig nicht behalten; aber den ganzen Inhalt, in was für Mühen er den Unterschied zwischen dem Liebenden und Nichtliebenden auseinandergesetzt hat, will ich dir der Hauptsache nach von vorne an in der gehörigen Ordnung wiederholen. So. Erst, lieber Mensch, zeige mir doch, was du da in der linken Hand unter dem Mantel hast. Denn ich wette, daß du die Rede selbst bei dir hast, und wenn das ist, so sei mir versichert, daß ich dir zwar von Herzen gut bin, aber, daß ich mich, wenn ich den Lysias selbst haben kann, dazu hergeben sollte, daß du dich an mir überhören kannst, das steht mir gar nicht an. Komm, zeige her. Ph. Sachte, sachte! Da hast du mir eine rechte Freude zu Nichten gemacht. Ich dachte wie ich mich an dir üben wollte. Aber wohin willst du nun, daß wir uns hinsezen um zu lesen?
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herzusagen, machte er den Spröden, als hätte er nicht Lust; am Ende aber würde er, sogar wenn Niemand zuhören wollte, mit Gewalt die Rede halten. Du also Phädros bitte ihn, was er doch bald auf alle Weise thun würde, mir lieber jezt gleich zu thun. PH. Warlich für mich wird bei weitem das beste sein, dir so wie ich eben kann, die Rede zu geben. Denn du, glaube ich, wirst keinesweges ablassen, bis ich irgendwie rede. SOK. Ganz recht glaubst du das von mir. PH. So demnach will ich es machen. Denn in der That Sokrates, die Worte habe ich unmöglich behalten, den Inhalt aber wohl von Allem, worin er den Unterschied zwischen des Liebenden Sache und des Nichtliebenden auseinandergesezt, will ich dir kürzlich nach der Ordnung vom ersten anhebend wiederholen. SOK. Nachdem du jedoch wirst gezeigt haben, lieber Mensch, was du da hast in der linken Hand unter dem Mantel. Denn ich vermuthe, du hast die Rede selbst, und wenn das ist, so denke so von mir, daß ich dich zwar gar sehr liebe, wenn aber Lysias selbst da ist, mich dir herzugeben, damit du dich an mir einlernst, keinesweges gesonnen bin. Komm also und zeige. |
herzusagen, machte er den Spröden, als hätte er nicht Lust; am Ende aber würde er, auch wenn Niemand mit Gutem zuhören wollte, mit Gewalt die Rede sagen. Du also Phaidros bitte ihn, was er doch bald auf alle Weise thun würde, lieber gleich zu thun. PH. Warlich bei weitem das beste wird sein, dir so wie ich eben kann, die Rede zu geben. Denn du scheinst mir keinesweges ablassen zu wollen, bis ich irgendwie rede. SOK. Ganz recht glaubst du das von mir. PH. So demnach will ich es machen. Denn in der That, Sokrates, die Worte habe ich unmöglich behalten, den Inhalt aber wohl von Allem, worin er den Unterschied zwischen des Liebenden Sache und des Nichtliebenden auseinandergesezt, will ich dir kürzlich nach der Ordnung vom ersten anhebend wiederholen. SOK. Nachdem du jedoch wirst gezeigt haben, lieber Mensch, was du da hast in der linken Hand unter dem Mantel. Denn ich vermuthe, du hast die Rede selbst, und wenn das ist, so denke so von mir, daß ich dich zwar gar sehr liebe, wenn aber auch Lysias da ist, mich dir herzugeben, damit du dich an mir einlernst, keinesweges gesonnen bin. Komm also und zeige. |
PH. Ruhig nur! Die Hofnung hast du mir vereitelt, wie ich mich an dir zu üben gedachte. Aber wo willst du nun, daß wir uns sezen, um zu lesen?
PH. Ruhig nur! Du hast mir die Hoffnung vereitelt, die ich hatte mich an dir zu üben. Aber wo willst du nun, daß wir uns sezen, um zu lesen?
S 32 auch Lysias] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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ΣΩ. Δεῦρ᾽ ἐκτραπόμενοι κατὰ τὸν Ἰλισσὸν ἴωμεν, εἶτα, ὅπου ἂν δόξῃ, ἐν ἡσυχίᾳ καθιζώμεθα.
So. Laß uns hier seitwärts ablenken und an den Ilyssos hinabgehen; dann können wir uns, wo es uns gefällt in Ruhe niederlaßen. Ph. Da bin ich einmal zu rechter Zeit unbeschuht: denn du bist es freilich immer. Wir können uns im Bach die Füße nezen, das muß in dieser Jahreszeit und um die jezige Stunde gar nicht übel sein.
ΦΑΙ. Εἰς καιρόν, ὡς ἔοικεν, ἀνυπόδητος ὢν ἔτυχον· σὺ μὲν γὰρ δὴ ἀεί. Ῥᾷστον οὖν ἡμῖν κατὰ τὸ ὑδάτιον βρέχουσι τοὺς πόδας ἰέναι καὶ οὐκ ἀηδές, ἄλλως τε καὶ τήνδε τὴν ὥραν τοῦ ἔτους τε καὶ τῆς ἡμέρας. ΣΩ. Πρόαγε δὴ καὶ σκόπει ἅμα, ὅπου καθιζησόμεθα. ΦΑΙ. Ὁρᾷς οὖν ἐκείνην τὴν ὑψηλοτάτην πλάτανον; ΣΩ. Τί μήν; ΦΑΙ. Ἐκεῖ σκιά τ᾽ ἐστὶ καὶ πνεῦμα μέτριον, καὶ πόα καθίζεσθαι, ἤ, ἐὰν βουλώμεθα, κατακλιθῆναι. ΣΩ. Προάγοις ἄν. ΦΑΙ. Εἰπέ μοι, ὦ Σώκρατες, οὐκ ἐνθένδε μέντοι ποθὲν ἀπὸ τοῦ Ἰλισσοῦ λέγεται ὁ Βορέας τὴν Ὠρείθυιαν ἁρπάσαι; ΣΩ. Λέγεται γάρ. ΦΑΙ. Ἆρ᾽ οὖν ἐνθένδε; Χαρίεντα γοῦν καὶ καθαρὰ καὶ διαφανῆ τὰ ὑδάτια φαίνεται καὶ ἐπιτήδεια κόραις παίζειν παρ᾽ αὐτά. ΣΩ. Οὔκ, ἀλλὰ κάτωθεν, ὅσον δύ᾽ ἢ
So. So gehe denn voran und sieh dich nach einem Pläzchen um wo wir uns sezen können. Ph. Siehst du jene gewaltig hohe Platane dort? So. O Ja. Ph. Dort ist es luftig; auch haben wir Schatten und Gras um darauf zu sizen oder auch wenn wir wollen uns hinzulegen. So. So gehe nur. Ph. Sage mir, Sokrates, soll nicht hier irgendwo vom Ilyssos Boreas die Oreithyia entführt haben? So. So sagt man. Ph. Sollte es nicht eben hier gewesen sein? Das Wasser ist hier so lieblich hell und durchsichtig, und recht für Mädchen gemacht um daran zu spielen. So. Nein nicht hier, sondern zwei
T 4 Ruhe] danach hinsezen 24 entführt] unterstrichen, am Rand ohne Einfügungszeichen geraubt
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SOK. Hier laß uns ablenkend an den Ilissos hinuntergehn, und dann, wo es uns gefallen wird, uns einsam niedersezen. PH. Zur rechten Zeit, wie es scheint, bin ich unbeschuhet: denn du freilich bist es immer. So ist es am bequemsten im Bächlein selbst zu gehn; auch ist die Füße zu nezen nicht unangenehm in dieser Jahreszeit um izige Stunden. SOK. So gehe voran, und sieh dich um, wo wir uns wohl sezen können.
SOK. Hier laß uns ablenkend am Ilissos hinuntergehn, und dann, wo es uns gefallen wird, uns einsam niedersezen. PH. Zur rechten Zeit, wie es scheint, bin ich unbeschuhet: denn du freilich bist es immer. So ist es am bequemsten im Wässerchen selbst die Füße nezend zu gehn, und gar nicht unangenehm zumal in dieser Jahreszeit um izige Stunde. SOK. So gehe voran, und sieh dich um, wo wir uns wohl sezen können.
PH. Siehst du jene höchste Platane dort? SOK. Wie sollte ich nicht? PH. Dort ist Schatten, und mäßige Luft, auch Rasen, drauf zu sizen, oder wenn wir wollen uns niederzulegen. SOK. Gehe also. PH. Sage mir, Sokrates, soll nicht hier irgendwo am Ilissos Boreas die Oreithyia geraubt haben?
PH. Siehst du jene höchste Platane dort? SOK. Wie sollte ich nicht? PH. Dort ist Schatten, und mäßige Luft, auch Rasen, drauf zu sizen, oder wenn wir wollen uns niederzulegen. SOK. Gehe also. PH. Sage mir, Sokrates, soll nicht hier irgendwo am Ilissos Boreas die Oreithyia geraubt haben?
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SOK. So soll er. PH. Etwa eben hier? Angenehm wenigstens, rein und durchsichtig ist hier das Bächlein, recht gemacht für Mädchen, daran zu spielen.
SOK. So soll er. PH. Etwa eben hier? Angenehm wenigstens, rein und durchsichtig ist hier das Wässerchen, recht gemacht für Mägdlein, daran zu spielen.
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SOK. Nein, sondern unterhalb etwa
SOK. Nein, sondern unterhalb etwa
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S 9f auch ist die Füße zu nezen nicht unangenehm] kritisiert von Rez.Anon., in: Neue Leipziger Literaturzeitung 90. Stück, 1806, Sp. 1430; verändert in W2 14 jene höchste Platane] Nicht übernommen hat Schleiermacher den Vorschlag Spaldings bei der Korrektur der Druckvorlage „hohe, oder hochstämmige“ (KGA V/7, Nr. 1654, 21-23; vgl. auch Spaldings hsl. Note in Bezug auf die Druckvorlage: SN 158/3, f. 1r: „229 ‚h ö c h s t e Platane‘. Sollte hier ein wirklicher Superlatif sein? Ich habe mir immer gedacht: ‚sehr hohe, hochstämmige‘“).
S 9f selbst die Füße nezend zu gehn, und gar nicht unangenehm] verändert ggb. W1 nach Rez.Anon. (1806) (wie zu W1) 14 jene höchste Platane] Vgl. Spalte 3 zu W1.
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τρία στάδια, ᾗ πρὸς τὸ τῆς Ἀγραίας διαβαίνομεν, καί που τὶς ἐστὶ βωμὸς αὐτόθι Βορέου.
oder drei Stadien weiter unterhalb wo man zu dem Tempel der Artemis Agraia geht; es steht auch da irgendwo ein Altar des Boreas. Ph. Den habe ich noch niemals bemerkt. Aber sage mir | um Zeus’ willen, Sokrates, glaubst du auch an dieses Geschichtchen? So. Es wäre wol nichts ungereimtes, wenn ich, wie unsere vernünftigen Leute nicht daran glaubte. Ich würde dann deuteln und sagen der Wind Boreas habe sie als sie mit der Pharmakeia spielte von den Felsen in der Nähe herabgeworfen; so sei sie gestorben, und man habe gesagt, sie sei vom Gott Boreas geraubt worden. Indeßen ich finde dergleichen zwar recht artig, Phaidros, aber es ist sehr schwierig und mühsam und wenig Freude dabei nicht etwa aus anderen Ursachen: aber dann soll man auch die Kentauren wieder ins Grade bringen und die Chimaira, und dann kommen die Gorgonen und Pegasen und tausenderlei andere wunderbare Wesen in unendlicher Menge und wer alle diese ungläubig mit tölpischer Vernunft auf etwas Wahrscheinliches bringen wollte, der müßte viel Zeit übrig haben. Ich habe dazu ganz
ΦΑΙ. Οὐ πάνυ νενόηκα. Ἀλλ᾽ εἰπὲ πρὸς Διός, ὦ Σώκρατες, καὶ σὺ τοῦτο τὸ μυθολόγημα πείθῃ ἀληθὲς εἶναι; ΣΩ. Ἀλλ᾽ εἰ ἀπιστοίην, ὥσπερ οἱ σοφοί, οὐκ ἂν ἄτοπος εἴην· εἶτα σοφιζόμενος φαίην αὐτὴν πνεῦμα Βορέου κατὰ τῶν πλησίον πετρῶν σὺν Φαρμακείᾳ παίζουσαν ὦσαι, καὶ οὕτω δὴ τελευτήσασαν λεχθῆναι ὑπὸ τοῦ Βορέου ἀνάρπαστον γεγονέναι· ἢ ἐξ Ἀρείου πάγου· λέγεται γὰρ αὖ καὶ οὗτος ὁ λόγος, ὡς ἐκεῖθεν ἀλλ᾽ οὐκ ἐνθένδε ἡρπάσθη. Ἐγὼ δέ, ὦ Φαῖδρε, ἄλλως μὲν τὰ τοιαῦτα χαρίεντα ἡγοῦμαι, λίαν δὲ δεινοῦ καὶ ἐπιπόνου καὶ οὐ πάνυ εὐτυχοῦς ἀνδρός, κατ᾽ ἄλλο μὲν οὐδέν, ὅτι δ᾽ αὐτῷ ἀνάγκη μετὰ τοῦτο τὸ τῶν Ἱπποκενταύρων εἶδος ἐπανορθοῦσθαι καὶ αὖθις τὸ τῆς Χιμαίρας, καὶ ἐπιρρεῖ δὲ ὄχλος τοιούτων Γοργόνων καὶ Πηγάσων καὶ ἄλλων ἀμηχάνων πλήθει τε καὶ ἀτοπίᾳ τερατολόγων τινῶν φύσεων, αἷς εἴτις ἀπιστῶν προσβιβᾷ κατὰ τὸ εἰκὸς ἕκαστον, ἅτε ἀγροίκῳ τινὶ σοφίᾳ χρώμενος, πολλῆς αὐτῷ σχολῆς δεήσει. Ἐμοὶ δὲ πρὸς
15–17 ἢ…ἡρπάσθη] Athetese erwogen von Heindorf z. St. (S. 195 f.), nicht übersetzt SN 154 26 τοιούτων] Umstellung nach ἄλλων erwogen von Heindorf z. St. (S. 196), übersetzt SN 154 32–104,1 πρὸς ταῦτα] πρὸς αὐτὰ Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 5 [8,7], übersetzt W2
T 2 Artemis] über Diana , vielleicht in Analogie zu F. Schlegels Änderung von Grieche/Griechenland in Hellene/Hellas (234e. 244b.274d); vgl. ebenso die Änderung von Juno in Here (230b) und von Theben in Thebä (242b) 3 Agraia] korr. aus Agraja, vgl. oben zu Artemis 10f vernünftigen Leute] am Rand mit Einfügungszeichen statt weisen 18 worden] Zur anschließenden Übersetzungslücke vgl. Spalte 1 App.; nach worden hochgestellt Anm.-Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) | Indeßen] über Allein 21 dabei] korr. aus daran 26f tausenderlei] Vgl. Spalte 1 App.
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um zwei oder drei Stadien, wo man durchgeht nach dem Tempel der Artemis. Auch ist dort irgendwo ein Altar des Boreas. PH. Ich wußte es nicht recht. Aber sage, um Zeus willen, Sokrates, glaubst auch du, daß dieses Geschichtchen wahr ist? SOK. Wenn ich es nun nicht glaubte, wie | die Klugen, so wäre ich noch nicht ungereimt. Ich würde dann klügeln und sagen, der Wind Boreas habe sie, als sie mit der Pharmakeia spielte, von den Felsen dort in der Nähe herabgeworfen, und dieser Todesart wegen habe man gesagt, sie sei durch den Gott Boreas geraubt worden, oder auch vom Areopagos, denn auch so wird es erzählt, daß sie von da geraubt worden. Ich aber, o Phaedros, finde dergleichen übrigens ganz artig, nur daß ein gar kunstreicher und mühsamer Mann dazu gehört, und der eben nicht zu beneiden ist. Nicht etwa wegen sonst einer Ursach, sondern weil er dann nothwendig auch die Kentauren ins Gerade bringen muß, und hernach die Chimära, und dann strömt ihm herzu ein ganzes Volk von dergleichen Gorgonen und Pegasen, und andern unendlich vielen sowol als unbegreiflichen Naturen, welche einzeln mit wahrlich unzierlicher Kunst auf etwas Wahrscheinliches zu bringen der Ungläubige viel Zeit brauchen wird. Ich aber habe zu dergleichen
um zwei oder drei Stadien, wo man durchgeht nach dem Tempel der Artemis. Auch ist dort irgendwo ein Altar des Boreas. PH. Ich wußte es nicht recht. Aber sage, um Zeus willen, Sokrates, glaubst auch du, daß diese Geschichte wahr ist? SOK. Wenn ich es nun nicht glaubte, wie | die Klugen, so wäre ich eben nicht rathlos. Ich würde dann weiter klügelnd sagen, der Wind Boreas habe sie, als sie mit der Pharmakeia spielte, von den Felsen dort in der Nähe herabgeworfen, und dieser Todesart wegen habe man gesagt, sie sei durch den Gott Boreas geraubt worden, oder auch vom Areopagos, denn auch so wird es erzählt, daß sie von da geraubt worden. Ich aber, o Phaidros, finde dergleichen übrigens ganz artig, nur daß ein gar kunstreicher und mühsamer Mann dazu gehört, und der eben nicht zu beneiden ist, nicht etwa wegen sonst einer Ursach, sondern weil er dann nothwendig auch die Kentauren ins Gerade bringen muß, und hernach die Chimära, und dann strömt ihm herzu ein ganzes Volk von dergleichen Gorgonen, Pegasen, und andern unendlich vielen und unbegreiflichen wunderbaren Wesen, und wer die ungläubig einzeln auf etwas Wahrscheinliches bringen will, der wird mit einer warlich unzierlichen Weisheit viel Zeit verderben. Ich aber ha-
S 3 Artemis] Vgl. Spalte 2 App. 33f unbegreiflichen Naturen] Auslassung von τερατολόγων kritisiert von Rez.Anon., in: Neue Leipziger Literaturzeitung 90. Stück, 1806, Sp. 1432; ergänzt in W2
S 33f unbegreiflichen wunderbaren Wesen] verändert ggb. W1 nach Rez.Anon. (1806) (wie zu W1)
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ταῦτα οὐδαμῶς ἐστι σχολή. Τὸ δὲ αἴτιον, ὦ φίλε, τούτου τόδε· οὐ δύναμαί πω κατὰ τὸ Δελφικὸν γράμμα γνῶναι ἐμαυτόν. Γελοῖον δή μοι φαίνεται, τοῦτο ἔτι ἀγνοοῦντα τὰ ἀλλότρια σκοπεῖν. Ὅθεν δὴ χαίρειν ἐάσας ταῦτα, πειθόμενος δὲ τῷ νομιζομένῳ περὶ αὐτῶν, ὃ νῦν δὴ ἔλεγον, σκοπῶ οὐ ταῦτα, ἀλλὰ ἐμαυτόν, εἴτέ τι θηρίον ὢν τυγχάνω Τυφῶνος πολυπλοκώτερον καὶ μᾶλλον ἐπιτεθυμμένον, εἴτε ἡμερώτερόν τε καὶ ἁπλούστερον ζῶον, θείας τινὸς καὶ ἀτύφου μοίρας φύσει μετέχον. Ἀτάρ, ὦ ἑταῖρε, μεταξὺ τῶν λόγων, ἆρ᾽ οὐ τόδε ἦν τὸ δένδρον, ἐφ᾽ ὅπερ ἦγες ἡμᾶς;
und gar keine, und die Ursache davon lieber Freund ist die daß ich noch immer nicht nach dem delphischen Spruch mich selbst erkennen kann, und es mir lächerlich scheint, so lange ich hierin noch unwißend bin mich um andere Dinge zu bekümmern. Darum laße ich das alles gut sein, folge dem, was darüber allgemein geglaubt wird, und suche gar nicht diese Dinge zu erforschen, sondern wie gesagt mich selbst ob ich etwa auch so ein Ungeheuer bin noch wunderlicher gestaltet und schimärischer als die Chimaira oder ein zahmeres und regelmäßigeres Wesen, welches dann seiner Natur nach auch von einem so ungeheuren und ungöttlichen Verhängniß befreit ist. – Aber lieber Freund, nicht zu vergeßen, war der nicht der Baum, zu dem du uns führen wolltest? Ph. Ja, das ist er. So. Bei der Here das ist ein schönes Pläzchen! Hoch und wohlbelaubt ist der Baum selbst, und das hohe schattige schöne Gesträuch, das eben in voller Blüte steht erfüllt den
ΦΑΙ. Τοῦτο μὲν οὖν αὐτό. ΣΩ. Νὴ τὴν Ἥραν, καλή γε ἡ καταγωγή. Ἥ τε γὰρ πλάτανος αὕτη μάλα ἀμφιλαφής τε καὶ ὑψηλή, τοῦ τε ἄγνου τὸ ὕψος καὶ τὸ σύσκιον πάγκαλον, καὶ ὡς ἀκμὴν ἔχει τῆς ἄνθης, ὡς ἂν εὐωδέστατον παρέχοι
4 δή] δὲ konj. Heindorf z. St. (S. 197), anscheinend übersetzt SN 154
T 5 und] Vgl. Spalte 1 App. 15–20 schimärischer als die Chimaira ... befreit ist] am linken Rand das Zeichen E für F. Schlegel zur Prüfung der Stelle (KGA V/5, Nr. 1030, 8 f.; vgl. zur Phaidros-Hs., S. XLV f.); vgl. F. Schlegels kritische Stellungnahme: KGA V/5, Nr. 1052, 6-8. 17 Wesen] danach hochgestellt Anm.-Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) | dann] über der Zeile ohne Einfügungszeichen 18 so] über der Zeile mit Einfügungszeichen 25 Here] über Juno , vielleicht in Analogie zu F. Schlegels Änderung von Grieche/Griechenland in Hellene/Hellas (234e.244b.274d); vgl. ebenso die Änderung von Diana Agraja in Artemis Agraia (229c) und von Theben in Thebä (242b)
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ganz und gar keine, und die Ursach hievon, mein Lieber, ist diese, ich kann noch immer nicht nach dem delphischen Spruch mich selbst erkennen. Lächerlich also kommt es mir vor, so lange ich hierin noch unwissend bin, an andere Dinge zu denken. Daher also lasse ich das alles gut sein; und annehmend, was darüber allgemein geglaubt wird, wie ich eben sagte, denke ich nicht an diese Dinge, sondern an mich selbst, ob ich etwa ein Ungeheuer bin, noch verschlungener gebildet und ungethümer als Typhon, oder ein milderes einfacheres Wesen, das sich eines göttlichen und edeln Theiles von Natur erfreut. – Doch, Freund, nicht zu vergessen, war dies nicht der Baum, zu dem du uns führen wolltest? |
be dazu ganz und gar keine, und die Ursach hievon, mein Lieber, ist diese, ich kann noch immer nicht nach dem delphischen Spruch mich selbst erkennen. Lächerlich also kommt es mir vor, so lange ich hierin noch unwissend bin, an andere Dinge zu denken. Daher also lasse ich das alles gut sein; und annehmend, was darüber allgemein geglaubt wird, wie ich eben sagte, denke ich nicht an diese Dinge, sondern an mich selbst, ob ich etwa ein Ungeheuer bin, noch verschlungener gebildet und ungethümer als Typhon, oder ein milderes einfacheres Wesen, das sich eines göttlichen und edeln Theiles von Natur erfreut. – Doch, Freund, nicht zu vergessen, war dies nicht der Baum, zu dem du uns führen wolltest? |
PH. Ja eben dieser. SOK. Bei der Here! dies ist ein schöner Aufenthalt. Denn die Platane selbst ist prächtig belaubt und hoch, und des Gesträuches Höhe und Umschattung gar schön, und so steht es in voller Blüte, daß es den
PH. Ja eben dieser. SOK. Bei der Here! dies ist ein schöner Aufenthalt. Denn die Platane selbst ist prächtig belaubt und hoch, und des Gesträuches Höhe und Umschattung gar schön, und so steht es in voller Blüte, daß es den
S 15–18 ungethümer…erfreut] anders als die Übersetzung in SN 154, mit der Schleiermacher und F. Schlegel unzufrieden waren (vgl. Spalte 2 App.) 23 Here] Vgl. Spalte 2 App.
S 1 dazu] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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τὸν τόπον. Ἥτε αὖ πηγὴ χαριεστάτη ὑπὸ τῆς πλατάνου ῥεῖ μάλα ψυχροῦ ὕδατος, ὥσγε τῷ ποδὶ τεκμῄρασθαι. Νυμφῶν τέ τινων καὶ Ἀχελώου ἱερὸν ἀπὸ τῶν κορῶν τε καὶ ἀγαλμάτων ἔοικεν εἶναι. Εἰ δ᾽ αὖ βούλει, τὸ εὔπνουν τοῦ τόπου ὡς ἀγαπητόν τε καὶ σφόδρα ἡδύ, θερινόν τε καὶ λιγυρὸν ὑπηχεῖ τῷ τῶν τεττίγων χορῷ. Πάντων δὲ κομψότατον τὸ τῆς πόας, ὅτι ἐν ἠρέμα προσάντει ἱκανὴ πέφυκε κατακλινέντι τὴν κεφαλὴν παγκάλως ἔχειν. Ὥστε ἄριστά σοι ἐξενάγηται, ὦ φίλε Φαῖδρε.
Ort mit Wolgerüchen! und unter der Platane fließt die lieblichste Quelle des kühlsten Wassers, wenn man seinen Füßen trauen darf. Auch scheint hier nach den Statuen und Figuren zu urtheilen, ein Heiligthum der Nymphen und des Acheloos zu sein. Auch die Luft, wenn du das suchst weht lieblich und süß, und ihr sommerliches Säuseln begleitet das Chor der Cikaden. Am prächtigsten aber ist das Gras worauf man sich am sanften Abhang gemach hinstreken, und das Haupt darauf ruhenlaßen kann. Kurz du hast vortreflich den Führer gemacht, lieber Phaidros.
ΦΑΙ. Σὺ δέ γε, ὦ θαυμάσιε, ἀτοπώτατός τις φαίνῃ. Ἀτεχνῶς γάρ, ὃ λέγεις, ξεναγουμένῳ τινὶ καὶ οὐκ ἐπιχωρίῳ ἔοικας. Οὕτως ἐκ τοῦ ἄστεος οὔτ᾽ εἰς τὴν ὑπερορίαν ἀποδημεῖς, οὔτ᾽ ἔξω τείχους ἔμοιγε δοκεῖς τοπαράπαν ἐξιέναι.
Ph. Du aber, du wunderbarer Mann kommst mir ganz seltsam vor! Du scheinst in der That wie ein Fremder, der sich herumführen | läßt, nicht wie einer der hier zu Hause gehört. So gar nicht versteigst du dich über die Grenzen der Stadt; ja ich glaube du kommst nicht einmal zum Thor heraus. So. Das halte mir schon zu gute mein Bester. Ich bin eben lehrbegierig und die Felder und Bäume wollen mich nichts lehren, wohl aber die Menschen in der Stadt. Indeßen du scheinst das rechte Mittel gefunden zu haben um mich herauszuloken: denn wie man hungrigem Vieh Laub oder Körner vorhält, damit es nachläuft, so zeigst du mir die Rolle mit der Rede vor, und könntest mich glaube ich um ganz Attika herumführen, und wohin du sonst wolltest. Nun wir aber an Ort und
ΣΩ. Συγγίνωσκε δή μοι, ὦ ἄριστε. Φιλομαθὴς γάρ εἰμι. Τὰ μὲν οὖν χωρία καὶ τὰ δένδρα οὐδέν με θέλει διδάσκειν, οἱ δ᾽ ἐν τῷ ἄστει ἄνθρωποι. Σὺ μέντοι δοκεῖς μοι τῆς ἐμῆς ἐξόδου τὸ φάρμακον εὑρηκέναι. Ὥσπερ γὰρ οἱ τὰ πεινῶντα θρέμματα θαλλὸν ἤ τινα καρπὸν προσείοντες ἄγουσι, σὺ ἐμοὶ λόγους οὕτω προτείνων ἐν βιβλίοις τήν τε Ἀττικὴν φαίνῃ περιάξειν ἅπασαν καὶ ὅποι ἂν ἄλλοσε βούλῃ. Νῦν δ᾽
T8 Auch] davor Luftig ist es auch 35 vorhält] danach hochgestellt Anm.-Ziffer 5 von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5)
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Ort mit Wohlgeruch ganz erfüllt. Und unter der Platane fließt die lieblichste Quelle des kühlsten Wassers, wenn man seinen Füßen trauen darf. Auch scheint hier nach den Statuen und Figuren ein Heiligthum einiger Nymphen und des Acheloos zu sein. Und wenn du das suchst, auch die Luft weht hier willkommen und süß, und säuselt sommerlich in das Chor der Cicaden. Unter allem am herrlichsten aber ist das Gras am sanften Abhang in solcher Fülle, daß man hingestrekt das Haupt gemächlich kann ruhen lassen. Kurz, du hast vortreflich den Führer gemacht, lieber Phaedros.
Ort mit Wohlgeruch ganz erfüllt. Und unter der Platane fließt die lieblichste Quelle des kühlsten Wassers, wenn man seinen Füßen trauen darf. Auch scheint hier nach den Statuen und Figuren ein Heiligthum einiger Nymphen und des Acheloos zu sein. Und wenn du das suchst, auch die Luft weht hier willkommen und süß, und säuselt sommerlich und lieblich in den Chor der Cicaden. Unter allem am herrlichsten aber ist das Gras am sanften Abhang in solcher Fülle, daß man hingestrekt das Haupt gemächlich kann ruhen lassen. Kurz, du hast vortreflich den Führer gemacht, lieber Phaidros. PH. Du aber, wunderbarer Mann, zeigest dich ganz seltsam. Denn in der That, wie du auch sagst, einem Fremden gleichst du, der sich umherführen läßt, und nicht einem Einheimischen. So wenig wanderst du aus der Stadt über die Grenze, noch auch selbst zum Thore scheinst du mir herauszugehen. SOK. Dies verzeihe mir schon, o Bester. Ich bin eben lernbegierig, und Felder und Bäume wollen mich nichts lehren, wohl aber die Menschen in der Stadt. Du indeß, dünkt mich, hast um mich herauszulokken das rechte Mittel gefunden. Denn wie sie mittelst vorgehaltenen Laubes oder Körner hungriges Vieh führen, so könntest du gewiß, wenn du mir solche Rollen mit Reden vorzeigtest, mich durch ganz Attika herumführen, und wohin du sonst wolltest. Nun wir aber an Ort und
PH. Du aber, wunderbarer Mann, zeigest dich ganz seltsam. Denn in der That, wie du auch sagst, einem Fremden gleichst du, der sich umherführen läßt, und nicht einem Einheimischen. So wenig wanderst du aus der Stadt über die Grenze, noch auch selbst zum Thore scheinst du mir herauszugehen. SOK. Dies verzeihe mir schon, o Bester. Ich bin eben lernbegierig, und Felder und Bäume wollen mich nichts lehren, wohl aber die Menschen in der Stadt. Du indeß, dünkt mich, hast um mich herauszuloken das rechte Mittel gefunden. Denn wie sie mittelst vorgehaltenen Laubes oder Körner hungriges Vieh führen, so könntest du gewiß, wenn du mir die Rolle mit der Rede vorzeigtest, mich durch ganz Attika herumführen, und wohin du sonst wolltest. Nun wir aber an Ort und
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οὖν ἐν τῷ παρόντι δεῦρ᾽ ἀφικόμενος ἐγὼ μέν μοι δοκῶ κατακείσεσθαι, σὺ δ᾽, ἐν ὁποίῳ σχήματι οἴει ῥᾷστα ἀναγνώσεσθαι, τοῦτο ἑλόμενος ἀναγίνωσκε. ΦΑΙ. Ἄκουε δή. Περὶ μὲν τῶν ἐμῶν πραγμάτων ἐπίστασαι, καὶ ὡς νομίζω συμφέρειν ἡμῖν τούτων γενομένων, ἀκήκοας· ἀξιῶ δὲ μὴ διὰ τοῦτο ἀτυχῆσαι ὧν δέομαι, ὅτι οὐκ ἐραστὴς ὢν σοῦ τυγχάνω. Ὡς ἐκείνοις μὲν τότε μεταμέλει ὧν ἂν εὖ ποιήσωσιν, ἐπειδὰν τῆς ἐπιθυμίας παύσωνται· τοῖς δὲ οὐκ ἔστι χρόνος, ἐν ᾧ μεταγνῶναι προσήκει. Οὐ γὰρ ὑπ᾽ ἀνάγκης ἀλλ᾽ ἑκόντες, ὡς ἂν ἄριστα περὶ τῶν οἰκείων βουλεύσαιντο, πρὸς τὴν δύναμιν τὴν αὑτῶν εὖ ποιοῦσιν. Ἔτι δὲ οἱ μὲν ἐρῶντες σκοποῦσιν, ἅ τε κακῶς διέθεντο τῶν αὑτῶν διὰ τὸν ἔρωτα, καὶ ἃ πεποιήκασιν εὖ, καὶ ὃν εἶχον πόνον προστιθέντες ἡγοῦνται πάλαι τὴν ἀξίαν ἀποδεδωκέναι χάριν τοῖς ἐρωμένοις. Τοῖς δὲ μὴ ἐρῶσιν οὔτε τὴν τῶν οἰκείων ἀμέλειαν διὰ τοῦτο ἐστὶ προφασίζεσθαι, οὔτε τοὺς παρεληλυθότας πόνους ὑπολογίζεσθαι, οὔτε τὰς πρὸς τοὺς προσήκοντας διαφορὰς αἰτιάσασθαι, ὥστε, περιῃρημένων τοσούτων κακῶν, οὐδὲν ὑπολεί-
Stelle angekommen sind, werde ich mich wahrscheinlich hier hinlegen. Du aber mache dir bequem wie du am besten lesen zu können glaubst und lies. Ph. So höre denn. „Was mich anbetrift, so weißt du bereits das nöthige, und hast gehört, wie sehr ich glaube, daß es uns zuträglich sein würde, wenn dieses zu Stande käme. Ich begehre nur, daß du mich nicht etwa deshalb mit meiner Bitte abweisen mögest, weil ich mich erkläre nicht dein Liebhaber zu sein. Denn diese pflegt das gute, welches sie erwiesen haben, zu gereuen, sobald ihre Begierde erloschen ist, für die aber, welche nicht eigentlich lieben, gibt es keine Zeit, wo es ihnen ziemen könnte, anderes Sinnes zu werden. Denn nicht gezwungen sondern freiwillig, und nachdem sie alles wohl erwogen, erweisen sie nach Vermögen Gutes. Auch bedenken die Liebenden, wie sie ihre eigenen Angelegenheiten um der Liebe willen vernachläßiget haben, und allzu freigebig geworden sind; und wenn sie dann den Dienst dazu rechnen, den sie abgelegen, so glauben sie ihrem Geliebten schon längst den gebührenden Dank entrichtet zu haben. Die aber in keiner Leidenschaft begriffen sind, können auch weder die Vernachläßigung ihrer Angelegenheiten um ihrentwillen zum Vorwande nehmen, noch die vorher übernommenen Beschwerden in Rechnung bringen, noch aus der Zwietracht mit ihren Angehörigen einen Vorwurf machen. Da sie also nun so vieler Uebel überhoben sind, bleibt ihnen nichts übrig, als
T 17f erloschen ist] über ihnen Ruhe läßt
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Stelle angekommen sind, werde | ich mich wahrscheinlich hier niederlegen. Du aber, in welcher Stellung du am besten lesen zu können glaubst, die wähle und lies. PH. So höre denn. Von dem was mich anbetrift bist du unterrichtet, und wie ich glaube, es werde uns zuträglich sein, daß dieses zu Stande komme, hast du gehört. Ich fordere aber nur, nicht etwa deshalb zu verfehlen was ich bitte, weil ich mich erkläre, nicht dein Liebhaber zu sein. Da eben jene zu gereuen pflegt, was sie Gutes erwiesen haben, sobald ihre Begierde gestillt ist; für Andere aber giebt es keine Zeit, in der ihnen anderes Sinnes zu werden geziemte. Denn nicht nothgedrungen, sondern freiwillig, wie Jeder am besten über das seinige sich berathen kann, erweisen sie nach ihrem Vermögen Gutes. Ferner erwägen die Liebenden, was sie schlecht verwaltet haben von dem ihrigen der Liebe wegen, und was Gutes erwiesen, und wenn sie dann die gehabte Beschwerde hinzurechnen, glauben sie schon längst den gebührenden Dank ihren Geliebten entrichtet zu haben. Die aber in keiner Leidenschaft begriffenen können auch weder die Vernachlässigung ihrer Angelegenheiten um jener willen zum Vorwande nehmen, noch die überstandenen Beschwerden in Rechnung bringen, noch aus der Zwietracht mit ihren Angehörigen einen Vorwurf machen, so, daß so vieler Uebel überhoben, sie nicht an-
Stelle angekommen sind, | werde ich mich wahrscheinlich hier niederlegen; du aber, in welcher Stellung du am besten lesen zu können glaubst, die wähle und lies. PH. So höre denn. Von dem was mich anbetrift bist du unterrichtet, und wie ich glaube, es werde uns zuträglich sein, daß dieses zu Stande komme, hast du gehört. Ich wünsche aber, nicht etwa deshalb zu verfehlen was ich bitte, weil ich nicht zu deinen Liebhabern gehöre. Da eben jene dann zu gereuen pflegt, was sie Gutes erwiesen haben, sobald ihre Begierde gestillt ist; für Andere aber es keine Zeit giebt, in der ihnen anderes Sinnes zu werden geziemte. Denn nicht nothgedrungen, sondern freiwillig, wie Jeder am besten über das seinige sich berathen mag, erweisen sie nach ihrem Vermögen Gutes. Ferner erwägen die Verliebten, was sie schlecht verwaltet haben von dem ihrigen der Liebe wegen, und was Gutes erwiesen; und wenn sie dann die gehabte Beschwerde hinzurechnen, so glauben sie schon längst den gebührenden Dank ihren Geliebten entrichtet zu haben. Die aber in keiner Leidenschaft begriffenen können auch weder die Vernachlässigung ihrer Angelegenheiten um jener willen zum Vorwande nehmen, noch die überstandenen Beschwerden in Rechnung bringen, noch aus der Zwietracht mit ihren Angehörigen einen Vorwurf machen, so, daß so vieler Uebel überhoben, sie nicht an-
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πεται ἀλλ᾽ ἢ ποιεῖν προθύμως ὅτι ἂν αὐτοῖς οἴωνται πράξαντες χαριεῖσθαι. Ἔτι δὲ εἰ διὰ τοῦτο ἄξιον τοὺς ἐρῶντας περὶ πολλοῦ ποιεῖσθαι, ὅτι τούτους μάλιστά φασι φιλεῖν ὧν ἂν ἐρῶσι, καὶ ἕτοιμοί εἰσι καὶ ἐκ τῶν λόγων καὶ ἐκ τῶν ἔργων τοῖς ἄλλοις ἀπεχθανόμενοι τοῖς ἐρωμένοις χαρίζεσθαι, ῥᾴδιον γνῶναι, εἰ ἀληθῆ λέγουσιν, ὅτι, ὅσων ἂν ὕστερον ἐρασθῶσιν, ἐκείνους αὐτῶν περὶ πλείονος ποιήσονται, καὶ δῆλον, ὅτι, ἐὰν ἐκείνοις δοκῇ, καὶ τούτους κακῶς ποιήσουσι. Καίτοι πῶς εἰκός ἐστι τοιοῦτον πρᾶγμα προέσθαι τοιαύτην ἔχοντι συμφοράν, ἣν οὐδ᾽ ἂν ἐπιχειρήσειεν οὐδεὶς ἔμπειρος ὢν ἀποτρέπειν; Καὶ γὰρ αὐτοὶ ὁμολογοῦσι νοσεῖν μᾶλλον ἢ σωφρονεῖν καὶ εἰδέναι, ὅτι κακῶς φρονοῦσιν, ἀλλ᾽ οὐ δύνασθαι αὑτῶν κρατεῖν. Ὥστε πῶς ἂν εὖ φρονήσαντες ταῦτα καλῶς ἔχειν ἡγήσωνται, περὶ ὧν οὕτω διακείμενοι βεβούλευνται;
desto williger alles zu thun, wodurch sie ihren Lieblingen gefällig zu werden glauben können. Ferner, wenn es um deswillen billig sein soll, die Liebhaber vorzüglich zu schäzen, weil sie behaupten ihren Geliebten am meisten ergeben, und immer bereit zu sein, ihnen auf Unkosten der Freundschaft anderer in Wort und That den Willen zu thun: so ist es ja leicht einzusehen, daß sie, wenn sie wahr reden, diejenigen, welche sie späterhin lieben werden, alsdann ebenfalls höher schäzen müßen, als denjenigen, welchen sie jezt lieben, und es ist offenbar, daß sie, wenn | es jenen beliebt, auch den früher Geliebten übel behandeln werden. Wie sollte es also billig sein denjenigen soviel einzuräumen, welche eine Krankheit haben, die zu heilen keiner, der Kenntniß davon hat unternehmen wird? Denn sie bekennen ja selbst, daß sie mehr krank als bei völliger Besinnung sind, und daß sie zwar um ihren bedenklichen Gemüthszustand wißen, aber nicht im Stand sind über sich selbst Herr zu werden. Wie könnten sie also wohl, wenn sie wieder zu sich selbst kommen, dasjenige billigen, was sie in einer solchen Gemüthsverfassung beschlossen hatten?
25 βεβούλευνται] aus überliefertem βούλονται s(statt βουλεύονταιs Ed.Genf 1578 [Stephanus], Annot. S. 60; Ast: Phaedr. 1810, S. 7 mit S. 235 f.) hergestellt von Heindorf (vgl. z. St. S. 202 f.), übersetzt SN 154 W1 | βούλονται (mit zuvor ἡγήσαιντο) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 6 [11,16], übersetzt W2
T 15 denjenigen] korr. aus diejenigen 20 einzuräumen] danach hochgestellt Anm.Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 6 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5)
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ders können, als frohmüthig alles thun, wodurch sie glauben ihnen gefällig zu werden. Ferner wenn um deswillen die Liebhaber den Vorzug verdienen sollen, weil sie behaupten ihren Geliebten über alles ergeben zu sein, und immer bereit sind, sollten sie auch durch Wort und That sich Andern verhaßt machen, ihnen gefällig zu wer|den: so ist leicht einzusehen, wiefern sie wahr reden, da sie eben so den, für welchen sie späterhin Leidenschaft haben werden, höher achten müssen als die vorigen, und offenbar, wenn es jener wünscht, auch dem früher Geliebten Uebles zufügen werden. Indessen, wie sollte es wohl billig sein, so großes dem einem solchen Unfall unterworfenen einzuräumen, welchem kein der Sache kundiger abzuhelfen unternehmen würde. Denn auch selbst bekennen sie, daß sie mehr krank sind, als bei voller Besinnung, und daß sie zwar wissen, wie schlecht sie bei Verstande sind, aber nicht vermögen, sich selbst zu überwinden. Wie also könnten sie wohl, wenn sie wieder gut bei Verstande sind, dasjenige für wohl gethan halten, was sie in einem solchen Gemüthszustande beschlossen hatten?
ders können, als bereitwillig alles thun, wodurch sie glauben ihnen gefällig zu werden. Ferner wenn um deswillen die Liebhaber werth geachtet zu werden verdienen sollen, weil sie behaupten ihren Geliebten am meisten ergeben zu sein, und weil sie immer bereit sind, sollten sie auch durch Wort und That sich Andern verhaßt ma|chen, ihnen gefällig zu werden: so ist leicht einzusehen, wiefern sie wahr reden, weil sie eben so den, für welchen sie späterhin Leidenschaft haben werden, höher achten müssen als die vorigen, und offenbar, wenn es jener wünscht, auch dem früher Geliebten Uebles zufügen werden. Indessen, wie sollte es wohl billig sein, so großes dem einzuräumen, der einem solchen Unfall unterworfen ist, welchem kein kundiger nicht einmal abzuhelfen unternehmen würde. Denn auch selbst bekennen sie, daß sie mehr krank sind, als bei voller Besinnung, und daß sie zwar wissen, wie schlecht sie bei Verstande sind, aber nicht vermögen, sich selbst zu überwinden. Wie also könnten sie wohl, wenn sie wieder gut bei Verstande sind, dasjenige für wohl gethan halten, was sie in solcher Verfassung wollen?
S 5–7 Heindorfs hsl. Note zur Druckvorlage: SN 183/5, f. 1r: „P. 231. Ich bleibe bei meiner Erklärung wegen des αν in ὡν αν, und weil, wenn die Worte και ἑτοιμοι εισι etc. nicht folgten, jeder das φασι vom vulgus nehmen würde und müßte. Vergleiche Gorg. p. 155 ed. Bip. init. und meine Note dazu, wo das Subject sich eben so ändert oder noch härter.“ Dazu Spalding: „Hier habe ich die Übersezung unverändert gelassen. Mich gewinnt Heind. nicht. Im Gorg. steht φασὶ – αὐτούς. Also mus verschiedenes Subjekt sein.“ – Vgl. Heindorf z. St. (S. 201 f.) und zu Gorgias 518e (Ed.Zweibrücken, Bd. 4, 1783, S. 155): Ed.Berlin 1805, S. 248.
S 33 wollen] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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Καὶ μὲν δὴ εἰ μὲν ἐκ τῶν ἐρώντων τὸν βέλτιστον αἱροῖο, ἐξ ὀλίγων ἄν σοι ἡ ἔκλεξις εἴη· εἰ δ᾽ ἐκ τῶν ἄλλων τὸν σαυτῷ ἐπιτηδειότατον, ἐκ πολλῶν. Ὥστε πολὺ πλείων ἐλπὶς ἐν τοῖς πολλοῖς ὄντα τυχεῖν τὸν ἄξιον τῆς σῆς φιλίας. Εἰ τοίνυν τὸν νόμον τὸν καθεστηκότα δέδοικας, μὴ πυθομένων τῶν ἀνθρώπων ὄνειδός σοι γένηται, εἰκός ἐστι, τοὺς μὲν ἐρῶντας, οὕτως ἂν οἰομένους καὶ ὑπὸ τῶν ἄλλων ζηλοῦσθαι, ὥσπερ αὐτοὺς ὑφ᾽ αὑτῶν, ἐπαρθῆναι τῷ λέγειν, καὶ φιλοτιμουμένους ἐπιδείκνυσθαι πρὸς ἅπαντας, ὅτι οὐκ ἄλλως αὐτοῖς πεπόνηται· τοὺς δὲ μὴ ἐρῶντας, κρείττους αὑτῶν ὄντας, τὸ βέλτιστον ἀντὶ τῆς δόξης
Ueberdies wenn du unter denen die dich eigentlich lieben, dir den besten auswählen willst, wirst du immer nur unter einer kleinen Anzahl die Wahl haben, unter einer großen aber, wenn du auch unter den Anderen den heraussuchen willst der dir am besten gefällt: so daß du also weit mehr Hofnung hast, unter so vielen doch einen zu finden, der deiner Freundschaft werth ist. Fürchtest du aber etwa die herrschende Meinung, und daß es dir, wenn es bekannt wird, Schande bringen könnte: so ist allerdings zu erwarten, daß Liebhaber, welche von anderen eben so glüklich gepriesen zu werden glauben, als sie sich selbst dafür halten, sich ihres Glükes berühmen und eine Ehre darin sezen werden Jedermann zu zeigen, wie sie es sich nicht umsonst haben Mühe kosten laßen, eben so ist aber auch zu erwarten, daß die Nichtliebenden, welche sich selbst beherrschen können, das Beßere dem
13f ἐπαρθῆναι τῷ λέγειν] übersetzt W2, vgl. W2 Anm. 4 | ἐπαρθῆναι καὶ λέγειν als mögliche Variante einer Hs. genannt W2 Anm. 4 (s. Bekker: Comm. 1 1823, S. 6 [12,4]) | ἐπαρθῆναι τῳ λέγειν konj. Schleiermacher W1 Anm. 5, übersetzt W1 (vgl. Heindorf z. St. S. 203 f.)
T 8 gefällt] über behagt 23 eben so ist] über der Zeile mit Einfügungszeichen 24 zu erwarten] über der Zeile mit Einfügungszeichen
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Ueberdies wenn du aus den Liebhabern dir den besten wähltest, hättest du immer nur unter Wenigen die Wahl; wenn aber auch aus den Uebrigen den dir angemessensten, dann unter Vielen. So daß weit mehr Hoffnung ist unter den Vielen wirklich den zu finden, der deine Freundschaft verdient. Fürchtest du aber etwa die herrschende Meinung, und daß dir, wenn es bekannt wird, Schande daraus entstehen könnte: so ist freilich wahrscheinlich, daß Liebhaber, welche von den Uebrigen eben so glauben beneidet zu werden, wie sie es unter einander thun, einen Reiz haben werden, Jemanden zu erzählen5 und selbstgefällig sich gegen Jedermann zu rühmen, daß sie nicht vergeblich sich angestrengt; eben so aber, daß die nicht leidenschaftlichen, da sie über sich selbst Gewalt haben, das Bessere dem
Ueberdies wenn du aus den Liebhabern dir den besten wähltest, hättest du immer nur unter Wenigen die Wahl; wenn aber aus den Uebrigen den dir selbst angemessensten, dann unter Vielen. So daß weit mehr Hoffnung ist unter den Vielen wirklich den anzutreffen, der deine Freundschaft verdient. Fürchtest du aber etwa die herrschende Meinung, und daß dir, wenn die Leute es erfahren, Schande daraus entstehen könnte: so ist wahrscheinlich, daß Liebhaber freilich, welche auch von den Uebrigen eben so glauben beneidet zu werden, wie sie es unter einander thun, sich brüsten werden4 mit erzählen, und selbstgefällig sich gegen Jedermann rühmen, daß sie nicht vergeblich sind bemüht gewesen, daß die nicht leidenschaftlichen aber, da sie über sich selbst Gewalt haben, das Bessere dem
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J e m a n d e n z u e r z ä h l e n . ἐπαρθῆναι τῷ λέγειν. Ich möchte hier lesen τῳ für τινὶ, vornämlich um dem ἐπαρθῆναι die Bedeutung, s i c h g e r e i z t f ü h l e n , zu erhalten, in der es bloß den Infinitiv bei sich hat. Das Stolzsein auf die Erzählung oder Stolzwerden durch die Erzählung scheint weniger hieher zu gehören.
S Anm. 5 Schleiermachers Konjektur τῳ Z. 25 (vgl. Spalte 1 App.) kritisiert von Rez.Ast (1808), S. 134, vgl. Ast: Phaedr. 1810, S. 238 f.; verändert in W2. Dazu schon Heindorfs hsl. Note zur Druckvorlage: SN 183/5, f. 1r: „P. 232. Das τῳ befriedigt mich nicht. Dann erwartete ich ἁπασι λεγειν, denn das folgende προς απαντας paßte doch schlecht zu dem τῳ. ca. 16 Wörter Daß επαρθηναι hier den Sinn hat von superbire, elatum esse ist mir aus den vorhergehenden Worten, und noch mehr aus den folgenden wahrscheinlich και φ ι λ ο τ ι μ ο υ μ ε ν ο υ ς ε π ι δ ε ι κ ν υ σ θ . Ge-
s i c h b r ü s t e n w e r d e n . Unnöthig scheint mir meine früher vorgeschlagene Verbesserung ἐπαρθῆναι τῳ λέγειν. Doch wen zu hart dünkt, was die Uebersezung jezt wörtlicher wiedergiebt, der lese mit einer Handschrift bei Bekker ἐπαρθῆναι καὶ λέγειν.
S Anm. 4 verändert ggb. W1 nach Rez.Ast (1808) und Ast: Phaedr. 1810 (wie zu W1 Anm. 5); zu der Handschrift bei Bekker s. Spalte 1 App.
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Erste Fassung (handschriftlich)
τῆς παρὰ τῶν ἀνθρώπων αἱρεῖσθαι. Ἔτι δὲ τοὺς μὲν ἐρῶντας πολλοὺς ἀνάγκη πυθέσθαι καὶ ἰδεῖν ἀκολουθοῦντας τοῖς ἐρωμένοις καὶ ἔργον τοῦτο ποιουμένους, ὥστε, ὅταν ὀφθῶσι διαλεγόμενοι ἀλλήλοις, τότε αὐτοὺς οἴονται ἢ γεγενημένης ἢ μελλούσης ἔσεσθαι τῆς ἐπιθυμίας συνεῖναι· τοὺς δὲ μὴ ἐρῶντας οὐδ᾽ αἰτιᾶσθαι διὰ τὴν συνουσίαν ἐπιχειροῦσιν, εἰδότες, ὅτι ἀναγκαῖόν ἐστιν ἢ διὰ φιλίαν τῳ διαλέγεσθαι ἢ δι᾽ ἄλλην τινὰ ἡδονήν. Καὶ μὲν δὴ εἴ σοι δέος παρέστηκεν ἡγουμένῳ, χαλεπὸν εἶναι φιλίαν συμμένειν, καὶ ἄλλῳ μὲν τρόπῳ διαφορᾶς γενομένης κοινὴν ἀμφοτέροις καταστῆναι τὴν συμφοράν, προεμένου δὲ σοῦ ἃ περὶ πλείστου ποιῇ, μεγάλην ἄν σοι
Ruhme bei Menschen vorziehen werden. Ferner kann es wohl nicht fehlen, daß nicht Jedermann in Erfahrung bringen und sehn sollte, wie Liebhaber ihren Geliebten nachgehen, und sich ein eignes Geschäft daraus machen, und so glaubt man dann, so oft sie beieinander gesehn werden, daß die Befriedigung ihrer Begierden so eben vorangegangen sei, oder bald erfolgen werde. Dagegen es niemandem in den Sinn kommt, Nichtliebenden ihres Umganges wegen auch nur den mindesten Vorwurf zu machen, indem Jeder es ganz in der Ordnung findet, daß man sich zu Anderen geselle es geschehe nun aus Zuneigung oder anderer Vergnügungen halber. Wofern aber dich Furcht ankommen sollte, wenn du bedenkst, daß Freundschaft nicht leicht beständig ist, und daß in andern Fällen zwar wo Uneinigkeit entsteht, den Schaden beide gemeinschaftlich erleiden, hier aber, wenn du das Höchste gewährt hättest, dir allein großer
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Ruhme bei den Menschen vorziehen werden. Ferner ist wohl unvermeidlich, daß sehr Viele erfahren und se-| hen müssen, wie Liebhaber ihren Geliebten nachgehen, da sie ein eignes Geschäft daraus machen, so daß, wo sie sie nur im Gespräch mit einander sehen, sie auch glauben die Befriedigung der Begierde wäre schon vorangegangen oder werde so eben erfolgen, nicht leidenschaftlichen aber habe Niemand auch nur den Gedanken ihres Umgangs wegen etwas vorzuwerfen, indem jeder es natürlich findet, daß man sich mit Andern unterrede, es geschehe nun aus Zuneigung oder irgend eines Vergnügens wegen. Ja wenn etwa dich Furcht anwandeln sollte, indem du bedenkst, wie schwer es halte, daß eine Freundschaft beständig bleibe, und wie in andern Fällen zwar, wo Uneinigkeit entsteht, beide gemeinschaftlich den Schaden erleiden, hier aber, wenn du das Höchste gewährt hättest, dir allein großer
Ruhme bei den Menschen vorziehen werden. Ueberdies müssen wohl sehr Viele die Liebhaber erfahren und se|hen ihren Geliebten nachgehen, und sich hieraus ein Geschäft machen, so daß, wo sie nur im Gespräch mit einander gesehen werden, man auch glaubt sie kämen eben von der Befriedigung der Begierde oder gingen ihr entgegen; nicht verliebten aber hat Niemand auch nur den Gedanken ihres Umgangs wegen etwas vorzuwerfen, indem jeder es in der Ordnung findet, daß man sich unterrede, es geschehe nun aus Zuneigung oder eines andern Vergnügens wegen. Ja wenn etwa dich Furcht anwandeln sollte, indem du bedenkst, wie schwer es halte, daß eine Freundschaft beständig bleibe, und wie, wenn in andern Fällen Uneinigkeit entsteht, beide gemeinschaftlich das Unglück trifft, hier aber, wenn du das Höchste gewährt hättest, dir großer
S Forts. Anm. 5 fällt dir das: Sie lassen sich verweiten, j e m a n d e n z u e r z ä h l e n und sich g e g e n a l l e damit zu brüsten, daß etc? Mir nicht. Ich bleibe bei τουτῳ, wiewohl mirs jetzt erträglicher ist, hinter dem λεγειν ein dickes Comma zu sezen und es absolute zu nehmen, wie das πυθομενων vorhergeht, wo man doch auch τουτο oder so ehnliches suppliren muß. Dann bleibt alles in der Ordnung. M a n m u ß e r warten, daß Liebende — stolz darauf sind, von der Sache zu s p r e c h e n , und d a ß s i e etc. Das folgende αναγκαιον — τῳ διαλεγεσθαι hat doch nur im Gebrauch des τῳ allein Ähnlichkeit.“ Dazu Spalding: „Hier habe ich nichts ändern mögen, bin aber doch Hndfs Meinung weil τινὶ und ἅπαντας gar zu schlecht stallt.“ – Vgl. auch Heindorf z. St. (S. 203 f.).
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Erste Fassung (handschriftlich)
βλάβην γενέσθαι, εἰκότως ἂν τοὺς ἐρῶντας μᾶλλον φοβοῖο. Πολλὰ γὰρ αὐτοὺς ἐστὶ τὰ λυποῦντα, καὶ πάντ᾽ ἐπὶ τῇ αὑτῶν βλάβῃ νομίζουσι γίγνεσθαι. Διόπερ καὶ τῆς πρὸς τοὺς ἄλλους τὸν ἐρώμενον συνουσίας ἀποτρέπουσι, φοβούμενοι τοὺς μὲν οὐσίαν κεκτημένους, μὴ χρήμασιν αὐτοὺς ὑπερβάλωνται, τοὺς δὲ πεπαιδευμένους, μὴ συνέσει κρείττους γένωνται, τῶν δ᾽ ἄλλο τι κεκτημένων ἀγαθὸν τὴν δύναμιν ἑκάστου φυλάττονται. Πείσαντες μὲν οὖν ἀπέχθεσθαί σε τούτοις, εἰς ἐρημίαν φίλων καθιστᾶσιν· ἂν δὲ τὸ σαυτοῦ σκοπῶν ἄμεινον ἐκείνων φρονῇς, ἥξεις αὐτοῖς εἰς διαφοράν. Ὅσοι δὲ μὴ ἐρῶντες ἔτυχον, ἀλλὰ δι᾽ ἀρετὴν ἔπραξαν ὧν ἐδέοντο, οὐκ ἂν τοῖς συνοῦσι φθονοῖεν, ἀλλὰ τοὺς
Nachtheil daraus entstehen könnte: so mußt du auch in dieser Hinsicht weit mehr die Liebenden fürchten; denn vieles ist was sie beleidiget, und von allem glauben sie, daß es ihnen zum Nachtheil gereiche. Darum halten sie auch den Geliebten ab vom Umgange mit Andern, indem sie von einem Vermögenden Manne fürchten, daß sein Reichthum den ihrigen übertreffen, von einem gebildeten, daß er ihnen an Geist überlegen sein möchte, und was sonst Jemand Gutes an sich hat, dessen Einfluß suchen sie abzuwehren. Ueberreden sie dich also es mit Solchen zu verder|ben; so entblößen sie dich von Freunden, siehest du aber beßer zu, was du thust, und beschließest es anders: so wirst du dich mit ihnen entzweien. Die aber nicht als Liebhaber erlangt, sondern durch ihre Tugenden sich verdient haben, was sie wünschten, werden gewiß Andere, welche mit dir umgehen wollen, nicht eifersüchtig
5–7 Διόπερ καὶ τῆς πρὸς τοὺς ἄλλους τὸν ἐρώμενον συνουσίας ἀποτρέπουσι] διό περ καὶ τὰς πρὸς τοὺς ἄλλους τῶν ἐρωμένων συνουσίας ἀποτρέπουσι Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 6 [12,2313,1], übersetzt W2 14 ἀπέχθεσθαί σε τούτοις] Ed.Basel 1534 (Oporinus) Schleiermacher (anscheinend unabhängig konj.) Heindorf (mit Heindorf z. St., S. 205) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 6 [13,5] | ἀπέχεσθαί σε τούτοις Ed.Venedig 1513 (Aldina) Ed.Genf 1578 (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1787 (Bipontina)
T 9 Vermögenden] nach der folgenden Einfügung zu korr. in vermögenden | Manne] am Rand ohne Einfügungszeichen 17 so] danach hochgestellt Anm.-Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.Ziffer 7 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5)
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Nachtheil entstehen könne: so hast du billig auch darin weit mehr die Leidenschaftlichen zu fürchten. Denn vieles ist was sie betrübt, und von allem glauben sie, daß es ihnen zum Nachtheil geschehe. Daher sie auch vom Umgange mit Andern den Geliebten zurükhalten, aus Furcht, daß Vermögende sie an Reichthum übertreffen, Gebildete aber ihnen an Einsicht überlegen sind, und was sonst Jemand Gutes besizt, dessen Wirkung suchen sie abzuwehren. Ueberreden sie dich nun, solchen verhaßt zu werden, so entblößen sie dich von Freunden; wenn du aber, dein Bestes erwägend, verständiger als jene urtheilst, so kommst du in Zwistigkeit mit ihnen. Die aber nicht als Liebhaber erlangt, sondern durch ihre Tugend sich erworben haben was sie wünschten, werden nicht deine Gesellschafter eifersüch-
Nachtheil entstehen könne: so hast du billig weit mehr die Verliebten zu fürchten. Denn vieles ist was sie betrübt, und von allem glauben sie, daß es ihnen zum Nachtheil geschehe. Daher sie auch den Umgang ihrer Geliebten mit Andern verhindern, aus Furcht Vermögende möchten sie an Reichthum übertreffen, Gebildete aber ihnen an Einsicht überlegen sein, und was sonst Jemand Gutes besizt, vor dessen Wirkung hüten sie sich. Ueberreden sie dich nun, dich mit solchen zu verfeinden, so entblößen sie dich von Freunden; wenn du aber dein Bestes erwägend verständiger als sie urtheilst, so kommst du in Zwistigkeit mit ihnen. Die aber nicht als Liebhaber erlangt, sondern durch ihre Tugend sich erworben haben, was sie wünschten, werden nicht deine Gesellschafter eifersüch-
S 14f Schleiermachers Konjektur ἀπέχθεσθαι (vgl. Spalte 1 App.) angezweifelt von Ast: Phaedr. 1810, S. 237; ignoriert in W2
S 6–8 Daher…verhindern] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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Erste Fassung (handschriftlich)
μὴ ἐθέλοντας μισοῖεν, ἡγούμενοι ὑπ᾽ ἐκείνων μὲν ὑπερορᾶσθαι, ὑπὸ τῶν συνόντων δὲ ὠφελεῖσθαι. Ὥστε πολὺ πλείων ἐλπίς, φιλίαν αὐτοῖς ἐκ τοῦ πράγματος ἢ ἔχθραν γενήσεσθαι. Καὶ μὲν δὴ τῶν ἐρώντων πολλοὶ πρότερον τοῦ σώματος ἐπεθύμησαν, ἢ τὸν τρόπον ἔγνωσαν, καὶ τῶν ἄλλων οἰκείων ἔμπειροι ἐγένοντο, ὥστε ἄδηλον, εἰ ἔτι αὐτοῖς τότε βουλήσονται φίλοι εἶναι, ἐπειδὰν τῆς ἐπιθυμίας παύσωνται· τοῖς δὲ μὴ ἐρῶσιν, οἳ καὶ πρότερον ἀλλήλοις φίλοι ὄντες ταῦτα ἔπραξαν, οὐκ, ἐξ ὧν ἂν εὖ πάθωσι, ταῦτα εἰκὸς ἐλάττω τὴν φιλίαν αὐτοῖς ποιῆσαι, ἀλλὰ ταῦτα μνημεῖα καταλειφθῆναι τῶν μελλόντων ἔσεσθαι. Καὶ μὲν δὴ βελτίονί
ausschließen, sondern eher diejenigen haßen, die kein Verlangen danach bezeigen, weil sie nemlich von diesen glauben, daß sie dich geringschäzen, von jenen aber, daß sie dir nüzlich sein können, so daß weit eher zu hoffen ist, daß noch neue Freundschaften, als daß Feindschaften aus dieser Verbindung entstehen werden. Auch geht ja bei vielen Liebenden das Verlangen nach dem Genuß voran, ehe sie die Gemüthsart des Geliebten kennen, oder seine andern Eigenschaften untersucht haben, so daß es sehr zweifelhaft ist, ob sie auch dann noch seine Freunde werden sein wollen, wenn ihre Begierde erloschen ist: dagegen sehr unwahrscheinlich ist daß denen welche dieses erst gethan, nachdem sie lange vorher einander Freunde gewesen sind, eben das, was ihnen Genuß gewährt hat, die Freundschaft verringern sollte, sondern es wird vielmehr dieses ein Unterpfand bleiben für das, was in Zukunft geschehen wird. Auch wird es sich finden, daß du mehr im Guten zunehmen
5 ἔχθραν] falsch ἐχθρὰν Heindorf
T 18 erloschen ist] über sie in Ruhe läßt 19 denen] korr. aus denjenigen 26 was] danach nun 27 wird1] danach hochgestellt Anm.-Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 8 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5)
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tig beneiden, sondern eher die es nicht sein wollen hassen, in der Meinung, daß du | von diesen geringschäzig übersehen werdest, von Jenen aber Nuzen haben könnest; so daß weit mehr Hoffnung ist, es werde Freundschaft aus dieser Verbindung entstehen, als Feindschaft. Auch haben ja unter den Leidenschaftlichen viele weit eher das Verlangen nach dem körperlichen Genuß, als sie die Gemüthsart kennen gelernt und die übrigen Eigenschaften in Erfahrung gebracht haben, so daß ungewiß ist, ob sie auch dann noch werden Freunde sein wollen, wenn ihre Begierde gestillt ist; dagegen keinesweges zu vermuthen ist, daß den nicht leidenschaftlichen, welche dieses, erst nachdem sie schon lange Freunde waren, gethan, eben das, was ihnen Genuß gewährte, die Freundschaft verringern sollte, sondern es wird vielmehr dieses ein Zeichen bleiben dessen, was in Zukunft geschehen wird. Ja es steht dir auch bevor, mehr im Guten zu-
tig beneiden, sondern eher hassen die es nicht sein wollen, in der Meinung von diesen geringschäzig übersehen zu werden5, von den Gesellschaftern aber unterstüzt; so daß | weit mehr zu erwarten ist, ihnen werde Freundschaft aus dieser Verbindung entstehen als Feindschaft. Auch pflegen ja unter den Verliebten viele weit eher nach dem körperlichen Genuß zu verlangen, als sie die Gemüthsart kennen gelernt und die übrigen Eigenheiten erkundet haben, so daß ungewiß ist, ob sie auch dann noch werden Freunde sein wollen, wenn ihr Verlangen gestillt ist; dagegen von den nicht Verliebten, welche dieses, erst nachdem sie schon lange Freunde waren, gethan, gar nicht zu vermuthen ist, daß eben das, was ihnen Gutes widerfahren ist, die Freundschaft verringern sollte, sondern es wird vielmehr dieses als Denkzeichen zurükbleiben für das, was in Zukunft geschehen wird. Ja es steht dir auch bevor, mehr im Guten zu5
ü b e r s e h e n z u w e r d e n . Ich will die Heindorfische Vermuthung nicht mehr verbürgen, daß hier σε zu verstehen sei. Zu unbeschränkt scheint dann das zweite gesagt; denn der Liebling hat nicht gewiß von allen seinen Gesellschaftern Nuzen, der ältere begünstigte Freund wird aber gewiß von allen unterstüzt die nur durch ihn sind zugelassen worden. Wunderlicher scheint mir fast das bald folgende αὐτοῖς, welches auch die Uebersezung vorher überging.
T Anm. 5 37 αὐτοῖς] verdruckt αῦτοῖς W2 S Anm. 5 Zu σε vgl. Heindorf z. St. (S. 206), so noch übersetzt SN 154 W1; ihnen (Z. 6 f.) (für αὐτοῖς) fehlt SN 154 W1
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σοι προσήκει γενέσθαι ἐμοὶ πειθομένῳ, ἢ ἐραστῇ. Ἐκεῖνοι μὲν γὰρ καὶ παρὰ τὸ βέλτιστον τά τε λεγόμενα καὶ τὰ πραττόμενα ἐπαινοῦσιν, τὰ μὲν δεδιότες μὴ ἀπέχθωνται, τὰ δὲ καὶ αὐτοὶ χεῖρον διὰ τὴν ἐπιθυμίαν γιγνώσκοντες. Τοιαῦτα γὰρ ὁ ἔρως ἐπιδείκνυται· δυστυχοῦντας μέν, ἃ μὴ λύπην τοῖς ἄλλοις παρέχει, ἀνιαρὰ ποιεῖ νομίζειν, εὐτυχοῦντας δέ, καὶ τὰ μὴ ἡδονῆς ἄξια παρ᾽ ἐκείνων ἐπαίνου ἀναγκάζει τυγχάνειν. Ὥστε πολὺ μᾶλλον ἐλεεῖν τοὺς ἐρωμένους ἢ ζηλοῦν αὐτοὺς προσήκει. Ἐὰν δ᾽ ἐμοὶ πείθῃ, πρῶτον μὲν οὐ τὴν παροῦσαν ἡδονὴν θεραπεύων συνέσομαί σοι, ἀλλὰ τὴν μέλλουσαν ὠφέλειαν ἔσεσθαι, οὐχ ὑπ᾽ ἔρωτος ἡττώμενος, ἀλλ᾽ ἐμαυτοῦ κρατῶν, οὐδὲ διὰ σμικρὰ ἰσχυρὰν ἔχθραν ἀναιρούμενος, ἀλλὰ διὰ μεγάλα βραδέως ὀλίγην ὀργὴν ποιούμενος, τῶν μὲν ἀκουσίων συγγνώμην ἔχων, τὰ δὲ ἑκούσια πειρώμενος ἀποτρέπειν. Ταῦτα γάρ ἐστι φιλίας πολὺν χρόνον ἐσομένης τεκμήρια. Εἰ δ᾽ ἄρα σοι τοῦτο παρέστηκεν, ὡς οὐχ οἷόντε ἰσχυρὰν φιλίαν γενέσθαι, ἐὰν μή τις ἐρῶν τυγχάνῃ, ἐνθυμεῖσθαι χρή, ὅτι οὔτ᾽ ἂν τοὺς υἱεῖς περὶ πολλοῦ ἐποιούμεθα οὔτ᾽ ἂν
mußt, wenn du mir, als wenn du einem Liebhaber Gehör giebst. Denn diese loben auch da, wo es nicht recht ist, was du sagst und thust, theils aus Furcht unangenehm zu werden, theils weil sie der Begierde wegen es selbst nicht beßer wünschen. Denn in dergleichen zeigt sich die Liebe: den Unglüklichen bringt sie dazu, auch das für ein Uebel zu halten, was andern gar keine Unlust verursacht, und den Glüklichen auch das zu loben, was nicht werth ist, daß man sich darüber erfreue, so daß man Geliebte weit mehr bedauern als glüklich preisen sollte. Folgest du aber mir, so werde ich zuerst so mit dir umgehen, daß ich nicht nur dem augenbliklichen Vergnügen diene sondern auch den künftigen Nuzen sehe, indem ich ja nicht von der Liebe beherrscht werde, sondern mich selbst beherrsche. Auch werde ich nicht um geringer Ursachen willen einen großen Zwiespalt erregen, sondern erst wichtiger Dinge halber langsam einem gelinden Unwillen Raum geben, was unvorsezlich geschehen ist verzeihend, was du mit Wissen und Willen gefehlt, zu verbessern mich bestrebend. Denn das sind die Merkmale einer Freundschaft, welche lange Zeit bestehen kann. Wofern dir aber etwa einfällt daß keine Freundschaft wahrhaft sein kann ohne Liebe: so bedenke doch, daß wir auf diese Art weder gegen unsere Kinder noch auf unse-
18 ἀλλὰ] ἀλλὰ καὶ Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 7 [14,12], übersetzt W2
T 5 Furcht] danach sich 19 dem] über deinem 21 den] korr. aus deinen 36 wahrhaft] am Rand mit Einfügungszeichen statt beständig 39 gegen] über auf
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zunehmen, wenn du mir, als wenn du einem Liebhaber Gehör giebst. Denn jene loben auch gegen das Bessere alles, was du redest und thust, einiges aus Furcht sich unangenehm zu machen, anderes, weil die Begierde sie hindert, es richtiger einzusehen. Denn in dergleichen zeigt sich die Gewalt der Liebe: die Unglüklichen bewegt sie, auch das, was Andern gar keine Unlust verursacht, für quälend zu halten, die Glüklichen aber nöthiget sie, auch an dem, was keiner Lust werth ist, ihr Lob zu verschwenden. So daß man Geliebte weit mehr bedauern als sie beneiden sollte. Wenn du aber mir Gehör giebst, so werde ich zuerst nicht nur des augenbliklichen Vergnügens pflegend mit dir umgehen, sondern des künftig zu erwartenden Nuzens, nicht von der Leidenschaft besiegt, sondern mich selbst besiegend, noch auch über Kleinigkeiten hefti|gen Zwiespalt erregend, sondern erst über wichtige Dinge langsam gelindem Unwillen Raum gebend, das Unvorsäzliche verzeihend, das Vorsäzliche abzurathen bestrebt. Denn dies sind die Kennzeichen einer für lange Dauer geeigneten Freundschaft. Wofern dir aber dieses einfällt, daß unmöglich eine Freundschaft stark sein könne, wenn nicht einer leidenschaftlich liebt: so mußt du bedenken, daß wir dann auch weder unsern Kindern sehr anhänglich sein könnten, noch
zunehmen, wenn du mir, als wenn du einem Liebhaber Gehör giebst. Denn jene loben auch gegen das Bessere was du redest und thust, einiges aus Furcht sich unangenehm zu machen, anderes, weil sie es selbst ihrer Begierde wegen mit dem schlechteren halten. Denn dergleichen hat die Liebe aufzuzeigen, sie macht daß die Unglüklichen, auch das, was Andern gar keine Unlust verursacht, für quälend halten, die Glüklichen aber nöthiget sie, auch an dem, was keiner Lust werth ist, ihr Lob zu verschwenden. So daß man die Geliebten weit mehr bedauern sollte als beneiden. Wenn du aber mir Gehör giebst, so werde ich zuerst nicht nur für das augenblikliche Vergnügen sorgen, sondern auch für den künftig zu erwartenden Nuzen in meinem Umgange, nicht von der Leidenschaft besiegt, sondern mich selbst besiegend, noch auch über Kleinigkeiten heftigen Zwiespalt erregend, sondern erst über wichtige Dinge langsam gelin|dem Unwillen Raum gebend, das Unvorsäzliche verzeihend, das Vorsäzliche versuchend abzuwenden. Denn dies sind die Kennzeichen einer für lange Dauer geeigneten Freundschaft. Wofern dir aber dieses einfällt, daß unmöglich eine Freundschaft stark sein könne, wenn nicht einer leidenschaftlich liebt: so mußt du bedenken, daß wir dann auch weder unsere Kinder sehr werth halten würden, noch unsere
S 20f sondern auch] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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Erste Fassung (handschriftlich)
τοὺς πατέρας καὶ τὰς μητέρας, οὔτ᾽ ἂν πιστοὺς φίλους ἐκεκτήμεθα, οἳ οὐκ ἐξ ἐπιθυμίας τοιαύτης γεγόνασιν, ἀλλ᾽ ἐξ ἑτέρων ἐπιτηδευμάτων. Ἔτι δὲ εἰ χρὴ τοῖς δεομένοις μάλιστα χαρίζεσθαι, προσήκει καὶ τῶν ἄλλων μὴ τοὺς βελτίστους, ἀλλὰ τοὺς ἀπορωτάτους εὖ ποιεῖν. Μεγίστων γὰρ ἀπαλλαγέντες κακῶν πλείστην χάριν αὐτοῖς εἴσονται. Καὶ μὲν δὴ καὶ ἐν ταῖς ἰδίαις δαπάναις οὐ τοὺς φίλους ἄξιον παρακαλεῖν, ἀλλὰ τοὺς προσαιτοῦντας καὶ τοὺς δεομένους πλησμονῆς. Ἐκεῖνοι γὰρ καὶ ἀγαπήσουσι καὶ ἀκολουθήσουσι καὶ ἐπὶ τὰς θύρας ἥξουσι καὶ μάλιστα ἡσθήσονται καὶ οὐκ ἐλαχίστην χάριν εἴσονται καὶ πολλὰ ἀγαθὰ αὐτοῖς εὔξονται. Ἀλλ᾽ ἴσως προσήκει οὐ τοῖς σφόδρα δεομένοις χαρίζεσθαι, ἀλλὰ τοῖς μά-
re Eltern eine rechte Anhänglichkeit haben könnten, und daß auch keiner ein treuer Freund sein könnte, den nicht eine solche Begierde, sondern irgend ein anderer Antrieb dazu gemacht hat. Ferner wenn Jeder nun denen gefällig sein sollte, die etwas am heftigsten begehren, so müßte man auch in andern Dingen nicht die Vortreflichsten sondern die Hülflosesten sich verbinden. Denn für die Befreiung von dem größten Uebel werden sie auch den meisten Dank wißen. Ja es müßte dann auch zu seinen Festen Jeder nicht die Freunde einladen sondern die Bettler, und die welche Sättigung bedürfen: denn diese werden den Geber verehren und ihm aufwarten zu Hause und draußen, und gewiß am meisten darüber erfreut sein, und sich in | Danksagungen ergießen und ihm alles mögliche Gute anwünschen. Vielleicht aber ist es rathsamer, nicht denen die am bedürftigsten sind seine Dienste zu widmen, sondern denen, welche
7 τῶν ἄλλων] τοῖς ἄλλοις Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 7 [15,4], übersetzt W2, vgl. W2 Anm. 6 8f εὖ ποιεῖν. Μεγίστων] εὖ ποιεῖν· μεγίστων Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W2 10 αὐτοῖς] οὗτοι erwogen und wieder verworfen von Heindorf z. St. (S. 208), übersetzt SN 154 W1 20 ἴσως] ἴσον Bekker: Comm. 1 1823 S. 7 [15,12 mit einer Hs.], übersetzt W2, vgl. W2 Anm. 7
T 1f eine rechte Anhänglichkeit haben könnten] über recht viel halten würden 8 etwas am heftigsten begehren] über deßen am meisten bedürfen 15 Festen] über Gastmalen
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unsern Eltern, noch auch treue Freunde haben, die es nicht aus einer solchen Begierde geworden sind, sondern aus irgend einem andern Antriebe. Ferner wenn man den bedürftigsten am meisten gefällig sein soll: so müßte man dann auch in andern Dingen nicht den Vortreflichsten sondern den Hülflosesten Gutes erweisen. Denn von den größten Uebeln befreit, werden diese auch den meisten Dank wissen. Ja auch zu seinen besonderen Festen müßte dann Jeder nicht die Freunde einladen, sondern die Allmosen suchenden und die der Sättigung bedürfen. Denn diese werden dem Geber anhänglich sein, und ihm aufwarten zu Hause und draußen, und am meisten erfreut sein, und nicht die wenigste Erkenntlichkeit empfinden, und ihm vieles Gute anwünschen. Vielleicht aber ist es rathsam, nicht den sehr bedürftigen sich gefällig zu erzeigen, sondern denen, welche am
Eltern, noch auch Freunde treu sein könnten, die es nicht aus einer solchen Begierde geworden sind, sondern aus irgend einem andern Antriebe. Ferner wenn man den bedürftigsten am meisten gefällig sein soll: so müßten ja auch Andere6 nicht den Vortreflichsten sondern den Hülflosesten Gutes erweisen; denn von den größten Uebeln befreit, werden sie ihnen auch den meisten Dank wissen. Ja auch zu seinen besonderen Festen müßte dann Jeder nicht die Freunde einladen, sondern die um Allmosen bitten und die der Sättigung bedürfen. Denn diese werden dem Geber anhänglich sein, und ihm aufwarten zu Hause und draußen, und am meisten erfreut sein, und nicht die wenigste Erkenntlichkeit empfinden, und ihm vieles Gute anwünschen. Sondern es ist gleicherweise7 rathsam, nicht den sehr bedürftigen sich gefällig zu erzeigen, sondern denen, 6
A n d e r e . Die vielen Handschriften bei Bekker welche τοῖς ἄλλοις lesen erzwingen wohl diese Uebersezung, wiewohl etwas unbequem vor dem einzelnen Beispiel das καὶ μὲν δὴ καὶ eintritt, wenn dasselbe hier schon im allgemeinen gesagt war. 7 Sondern es ist gleicherweise. Der einen Handschrift, welche bei Bekker ἴσον liest, habe ich nicht widerstanden das an dieser Stelle besonders schwache ἴσως aufzuopfern, vielleicht mehr dem Lysias zu Liebe als dem Platon.
S 7 Andere] nach Bekker wie Spalte 1 App.; zu den in W2 Anm. 6 genannten Handschriften bei Bekker s. Spalte 1 App. 9f erweisen; denn] nach Bekker wie Spalte 1 App. 23 Sondern es ist gleicherweise] nach einer in W2 Anm. 7 genannten Handschrift bei Bekker (vgl. Spalte 1 App.)
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Erste Fassung (handschriftlich)
λιστα ἀποδοῦναι χάριν δυναμένοις, οὐδὲ τοῖς ἐρῶσι μόνον, ἀλλὰ τοῖς τοῦ πράγματος ἀξίοις, οὐδὲ ὅσοι τῆς σῆς ὥρας ἀπολαύσονται, ἀλλὰ οἵτινες πρεσβυτέρῳ γενομένῳ τῶν σφετέρων ἀγαθῶν μεταδώσουσιν, οὐδὲ οἳ διαπραξάμενοι πρὸς τοὺς ἄλλους φιλοτιμήσονται, ἀλλ᾽ οἵτινες αἰσχυνόμενοι πρὸς ἅπαντας σιωπήσονται, οὐδὲ τοῖς ὀλίγον χρόνον σπουδάζουσιν, ἀλλὰ τοῖς ὁμοίως διὰ παντὸς τοῦ βίου φίλοις ἐσομένοις, οὐδὲ οἵτινες παυόμενοι τῆς ἐπιθυμίας ἔχθρας πρόφασιν ζητήσουσιν, ἀλλ᾽ οἵ, παυσάμενοι τῆς ὥρας, τότε τὴν αὑτῶν ἀρετὴν ἐπιδείξονται. Σὺ οὖν τῶν τε εἰρημένων μέμνησο καὶ ἐκεῖνο ἐνθυμοῦ, ὅτι τοὺς μὲν ἐρῶντας οἱ φίλοι νουθετοῦσιν, ὡς ὄντος κακοῦ τοῦ ἐπιτηδεύματος, τοῖς δὲ μὴ ἐρῶσιν οὐδεὶς πώποτε τῶν οἰκείων ἐμέμψατο, ὡς διὰ τοῦτο κακῶς βουλευομένοις περὶ ἑαυτῶν. Ἴσως ἂν οὖν ἔροιό με, εἰ ἅπασί σοι παραινῶ τοῖς μὴ ἐρῶσι χαρίζεσθαι· ἐγὼ δὲ οἶμαι, οὐδ᾽ ἂν τὸν ἐρῶντα πρὸς ἅπαντάς σε κελεύειν τοὺς ἐρῶντας ταύτην ἔχειν τὴν διάνοιαν. Οὔτε γὰρ τῷ λαμβά-
sich am erkenntlichsten dafür beweisen können, nicht also den Liebenden allein, sondern denen, welche der Gunst würdig sind, nicht jedem, der nur deiner Jugend genießen möchte, sondern denen, welche auch wenn du älter geworden Alles, was sie Gutes haben, mit dir theilen werden; nicht denen, welche wenn sie ihres Wunsches gewährt worden, sich vor andern damit rühmen, sondern denen, welche verschämt gegen Jedermann schweigen werden; nicht denen, die nur eine kurze Zeit lang sich um dich beeifern, sondern denen, welche das ganze Leben hindurch auf gleiche Weise deine Freunde sein werden; nicht denen, welche, wenn die Begierde sie verlaßen nur einen Vorwand zur Zwietracht suchen, sondern denen, welche auch wenn deine Blüthe vergangen ist, ihre Tugenden an dir beweisen werden. Du also gedenke deßen, was ich dir gesagt, und erwäge auch dieses daß Liebende von ihren Freunden gescholten werden, als wären sie in einem bösen Bestreben begriffen, daß aber noch nie die Angehörigen Jemand deshalb getadelt, weil er nicht liebte, als ob er dadurch schlechter für sich sorgte. Vielleicht wirst du mich auch fragen, ob ich dir denn zumuthe, allen, welche dich nicht eigentlich lieben, gefällig zu sein: ich meine aber, auch ein Liebender wird dich nicht bewegen wollen, dich gegen alle Liebenden so zu beweisen. Denn so würde
29–126,1 τῷ λαμβάνοντι] τῷ λόγῳ λαμβάνοντι Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 8 [16,9], übersetzt W2, vgl. W2 Anm. 8
T 23 ist] danach hochgestellt Anm.-Ziffer 9 von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 27 gescholten] über zurecht gewiesen , danach werden zunächst auch gestr., dann durch Punkte unter dem Wort Streichung rückgängig gemacht
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meisten ihre Erkenntlichkeit beweisen können, nicht also den Leidenschaftlichen allein, sondern denen, welche der Sache würdig sind, noch allen, die wohl deiner Jugend genießen möchten, sondern welche auch dem älter gewordenen, was sie Gutes besizen, mittheilen werden; nicht denen, die ihres Wunsches gewährt, gegen die Uebrigen prahlen, son|dern denen, die verschämt gegen Jedermann schweigen werden; nicht denen, welche nur kurze Zeit sich um dich beeifern, sondern denen, welche das ganze Leben hindurch auf gleiche Weise deine Freunde sein werden; noch auch denen, welche nach gestillter Lust nur Vorwand zur Zwietracht suchen, sondern welche, nachdem sie deine Jugend genossen, dann auch ihre Tugend an dir beweisen werden. Du also gedenke des Gesagten, und erwäge auch noch dieses, daß Liebhaber von ihren Freunden getadelt werden, als wäre es ein böses Bestreben, daß aber den nicht leidenschaftlichen noch nie einer von den Angehörigen getadelt hat, als berathe er sich deshalb schlechter. Vielleicht aber möchtest du mich fragen, ob ich dir anmuthe, Allen, welche dich nicht leidenschaftlich lieben, gefällig zu sein; ich aber denke auch, ein Liebender wird dich nicht heißen gegen alle Liebenden diese Gesinnung zu haben. Denn weder würde es den Empfan-
welche am meisten ihre Erkenntlichkeit beweisen können, und nicht den Leidenschaftlichen allein, sondern denen, welche der Sache würdig sind, noch allen, die wohl deiner Jugend genießen möchten, sondern welche auch dem älter gewordenen vom eigenen Guten mittheilen werden; nicht denen, die ihres Wunsches gewährt, gegen die Uebrigen prahlen, sondern denen, die verschämt gegen Jedermann schweigen werden; nicht denen, welche nur | kurze Zeit sich um dich beeifern, sondern denen, welche das ganze Leben hindurch auf gleiche Weise deine Freunde sein werden; noch auch denen, welche nach gestillter Lust nur Vorwand zur Zwietracht suchen, sondern welche, wenn die Jugend vergangen ist, dann ihre Tugend beweisen werden. Du also gedenke des Gesagten, und erwäge auch noch dieses, daß Liebhaber von ihren Freunden gescholten werden, als über ein böses Unternehmen, daß aber den nicht leidenschaftlichen noch nie einer von den Angehörigen getadelt hat, als berathe er sich deshalb schlechter. Vielleicht aber möchtest du mich fragen, ob ich dir anmuthe, allen nicht Verliebten gefällig zu sein; ich aber denke, auch ein Verliebter wird dich nicht heißen gegen alle Verliebten diese Gesinnung zu haben. Denn weder würde es dem
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Erste Fassung (handschriftlich)
νοντι χάριτος ἴσης ἄξιον, οὔτέ σοι βουλομένῳ τοὺς ἄλλους λανθάνειν ὁμοίως δυνατόν. Δεῖ δὲ βλάβην μὲν ἀπ᾽ αὐτοῦ μηδεμίαν, ὠφέλειαν δὲ ἀμφοῖν γίγνεσθαι. Ἐγὼ μὲν οὖν ἱκανά μοι νομίζω τὰ εἰρημένα· εἰ δέ τι σὺ ὑποθῇς ἡγούμενος παραλελεῖφθαι, ἐρώτα.
es weder den Empfangenden zu gleichem Danke verpflichten noch würde es dir so nicht möglich sein, wenn du es auch wolltest, es vor anderen verborgen zu halten; und doch soll beiden Theilen kein Schaden, sondern nur Vortheil daraus entstehen. Was mich nun betrift, so scheint mir das Gesagte hinreichend; meinst du aber, daß noch etwas übergangen worden, so frage.“ Nun Sokrates, was meinst du zu der Rede? Ist sie nicht ganz vortreflich gearbeitet, sowol was das Uebrige als auch besonders was den Ausdruk betrift? So. Ganz göttlich, allerdings, Freund! So daß ich auch ganz außer mir bin. Mir aber hast du das angethan, Phaidros, indem ich auf dich sah und es mir schien, als hättest du unter dem Lesen so recht im Herzen deine Freude von der Rede. Denn da ich glaube, daß du mehr von diesen Dingen verstehst als ich, so bin ich dir gefolgt, und so dir folgend bin ich immer mit dir entzükt gewesen, du herrliche Seele!
Τί σοι φαίνεται, ὦ Σώκρατες, ὁ λόγος; οὐχ ὑπερφυῶς τά τε ἄλλα καὶ τοῖς ὀνόμασιν εἰρῆσθαι; ΣΩ. Δαιμονίως μὲν οὖν, ὦ ἑταῖρε, ὥστέ με ἐκπλαγῆναι. Καὶ τοῦτο ἐγὼ ἔπαθον διὰ σέ, ὦ Φαῖδρε, πρὸς σὲ ἀποβλέπων, ὅτι ἐμοὶ ἐδόκεις γάννυσθαι ὑπὸ τοῦ λόγου μεταξὺ ἀναγινώσκων. Ἡγούμενος γὰρ σὲ μᾶλλον ἢ ἐμὲ ἐπαΐειν περὶ τῶν τοιούτων σοὶ εἱπόμην, καὶ ἑπόμενος συνεβάκχευσα μετὰ σοῦ τῆς θείας κεφαλῆς.
6f εἰ δέ τι σὺ ὑποθῇς] εἰ δέ τι σὺ ποθεῖς konj. Heindorf (vgl. W1 Anm. 6), übersetzt W1 W2 (noch nicht SN 154)
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genden zu gleicher Dankbarkeit verpflichten, noch wäre es dir, da du Andern verborgen bleiben willst, eben so leicht möglich. Es soll aber daraus gar kein Schaden, sondern Vortheil für beide entstehen. Ich nun halte das Gesagte für hinreichend, wenn aber du noch etwas als übergangen vermissest6, so frage.
der es sich recht überlegt8 gleichen Dankes werth sein, noch wäre es dir, da du Andern verborgen bleiben willst, eben so leicht möglich. Schaden soll aber daraus gar nicht, sondern Vortheil für beide entstehen. Ich nun halte das Gesagte für hinreichend, wenn aber du noch etwas vermissest, was übergangen wäre, so frage.
Nun, Sokrates, was dünkt dich von der Rede? Nicht daß sie wunderschön sowohl im Uebrigen als auch besonders im Ausdruk gearbeitet ist? SOK. Ganz göttlich allerdings, Freund, so daß ich außer mir bin. Und dieses hast du mir angethan, o Phaedros, indem ich auf dich sah, und du mir schienst vor Freude zu glänzen über die Rede während des Lesens. Denn in dem | Gedanken, daß du mehr verstehest als ich von diesen Dingen, folgte ich dir, und so nachfolgend bin ich immer entzükt gewesen mit dir, herrlichen Seele.
Nun, Sokrates, was dünkt dich von der Rede? Nicht daß sie wunderschön sowohl im Uebrigen als auch besonders im Ausdruk gearbeitet ist? SOK. Ganz göttlich allerdings, Freund, so daß ich außer mir bin. Und dieses hast du mir angethan, o Phaidros, indem ich auf dich sah, und du mir schienst vor Freude zu glänzen über die Rede während des Lesens. Denn mit dem Gedanken, daß du mehr verstehest als ich von diesen Dingen, folgte ich dir, und so nachfolgend bin ich immer entzükt gewesen mit dir, herrlichen Seele. |
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w e n n a b e r d u n o c h e t w a s etc. So habe ich übersezt nach einer unbezweifelten späteren Verbesserung von Heindorf εἰ δέ τι σὺ ποθεῖς. Aehnliche Stellen, Protag. 329. d. de Rep. IX. 571. a. und anderwärts. Wie das nicht zu erklärende und grammatisch unrichtige ὑποθῇς entstanden ist, sieht jeder.
S Anm. 6 Heindorf hatte Schleiermacher die Emendation am 2.3.1803 mitgeteilt (KGA V/6, Nr. 1444, 109-115) und am 11.2.1804 gebeten, sie in den Anm. mitzuteilen (KGA V/7, Nr. 1656, 55-58). Im zweiten Brief gibt Heindorf als Parallelen Platon, Timaios 19a; Politeia IX 571a an. – Die geringfügige Verschreibung ist aus den identischen Lautfolgen συυποθηις und συποθεις entstanden.
r e c h t ü b e r l e g t . Die Autoritäten auf welche der Bekkersche Text λόγῳ λαμβάνοντι sich gründet sind so stark, daß die Uebersezung sich ihnen nicht entziehen durfte.
S 1 recht überlegt] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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ΦΑΙ. Μηδαμῶς, ὦ Σώκρατες, ἀλλ᾽ ὡς ἀληθῶς εἰπὲ πρὸς Διὸς Φιλίου, οἴει ἄν τινα ἔχειν εἰπεῖν ἄλλον τῶν Ἑλλήνων ἕτερα μείζω τούτων καὶ πλείω περὶ τοῦ αὐτοῦ πράγματος; ΣΩ. Τί δέ; καὶ ταύτῃ δεῖ ὑπ᾽ ἐμοῦ τε καὶ σοῦ τὸν λόγον ἐπαινεθῆναι, ὡς τὰ δέοντα εἰρηκότος τοῦ ποιητοῦ, ἀλλ᾽ οὐκ ἐκείνῃ μόνον, ὅτι σαφῆ καὶ στρογγύλα καὶ ἀκριβῶς ἕκαστα τῶν ὀνομάτων ἀποτετόρνευται; Εἰ γὰρ δεῖ, συγχωρητέον χάριν σήν. Ἐπεὶ ἐμέ γε ἔλαθεν ὑπὸ τῆς ἐμῆς οὐδενείας. Τῷ γὰρ ῥητορικῷ αὐτοῦ μόνῳ τὸν νοῦν προσεῖχον. Τοῦτο δὲ οὐδὲ αὐτὸν ᾤμην Λυσίαν οἴεσθαι ἱκανὸν εἶναι. Καὶ δὴ οὖν μοι ἔδοξεν, ὦ Φαῖδρε, εἰ μή τι σὺ ἄλλο λέγεις, δὶς καὶ τρὶς τὰ αὐτὰ εἰρηκέναι, ὡς οὐ πάνυ εὐπορῶν τοῦ πολλὰ λέγειν περὶ τοῦ αὐτοῦ· ἴσως οὐδὲν αὐτῷ μέλον τοῦ τοιούτου· καὶ ἐφαίνετο
24 τοῦ αὐτοῦ· ἴσως] τοῦ αὐτοῦ, ἢ ἴσως Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 8 [17,17], übersetzt W2
Erste Fassung (handschriftlich)
Ph. Meinetwegen! So willst du also nur deinen Scherz treiben? So. Glaubst du also, daß ich scherze und daß ich nicht vielmehr ganz ernsthaft bin? Ph. Was weniger als scherzhaft, Sokrates! Aber sage mir in Wahrheit beim freundlichen Zeus, glaubst du denn, daß irgend ein Hellene etwas Beßeres und Mehreres über diese Sache hätte sagen können? So. Wie denn? Wollen wir, du und ich, denn auch in so fern die Rede loben, als ob der Verfasser gesagt hätte, was zur Sache gehört? oder nur darin weil er alle Worte so rund und genau mit fester Hand abgedrechselt hat? Wenn es sein muß werde ich auch jedes zugeben dir zu Liebe: denn mir ist | es meiner Beschränktheit wegen entgangen. Ich habe eben nur auf das Rhetorische darin Acht gegeben, und das, glaube ich, wird Lysias selbst nicht für recht viel halten. Ja es schien mir – wenn du nicht etwa anderer Meinung bist Phaidros – als habe er ein und dieselbe Sache zwei auch dreimal gesagt, wie einer der an Gedanken über seinen Gegenstand eben keinen Ueberfluß hat, oder aber es überhaupt vielleicht darum gar nicht zu thun ist. Und so ist er
T 6 Was weniger als scherzhaft] über Ganz und gar nicht 9 Hellene] am Rand statt Grieche durch F. Schlegel (vgl. KGA V/5, Nr. 1052, 2; Nr. 1097, 47 f.; vgl. zur Phaidros-Hs., S. XLIV), vgl. zu Phaidros 244b.274d. – danach hochgestellt Anm.Ziffer 10 von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 13 die Rede] am Rand mit Einfügungszeichen 16 rund] über fest 18 Wenn] nach denn 19 jedes] über das
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PH. Wohl! auf diese Art also denkst du zu scherzen? SOK. Denkst du, ich scherze und meine es nicht ganz ernsthaft?
PH. Wohl! auf diese Art meinst du also zu scherzen? SOK. Denkst du ich scherze, und meine es nicht ganz ernsthaft?
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PH. Keinesweges, o Sokrates. Aber in Wahrheit sage mir beim Zeus der Freundschaft, glaubst du, daß irgend ein anderer Hellene etwas anderes größeres als dieses und mehreres sagen könnte über dieselbe Sache? SOK. Wie denn? Auch hierüber soll von mir und dir die Rede gelobt werden, daß der Verfasser das Richtige gesagt habe, und nicht darüber nur, weil er alle Worte so rund und genau mit fester Hand abgedreht hat? Wenn es sein soll, muß ich es zugeben, dir zu gefallen. Denn mir ist es entgangen wegen meiner Unfähigkeit, weil ich nämlich nur auf das Rednerische darin Achtung gab, und dieses dachte ich würde Lysias selbst nicht für hinreichend halten. Ja er schien mir gar, wenn du es nicht etwa anders meinst, Phaedros, zwei oder dreimal dasselbe zu sagen, als wäre es ihm eben nicht gar leicht vieles zu reden über dieselbe Sache, indem ihm vielleicht auch gar nichts gelegen war hieran. Und da-
PH. Freilich nicht, o Sokrates. Aber in Wahrheit sage mir beim Zeus der Freundschaft, glaubst du, daß irgend ein anderer Hellene etwas anderes größeres als dieses und mehreres sagen könnte über dieselbe Sache? SOK. Wie denn? Auch hierüber soll von mir und dir die Rede gelobt werden, daß der Verfasser das Richtige gesagt habe, und nicht darüber nur, weil er alle Worte so rund und genau mit fester Hand abgedreht hat? Wenn es sein soll, muß ich es zugeben, dir zu gefallen. Denn mir ist es entgangen wegen meiner Unfähigkeit, weil ich nämlich nur auf das Rednerische9 darin Achtung gab, und dieses dachte ich würde Lysias selbst nicht für hinreichend halten. Ja er schien mir gar, wenn du es nicht etwa anders meinst, Phaidros, zwei oder dreimal dasselbe zu sagen, als wäre es ihm eben nicht gar leicht vieles zu reden über dieselbe Sache, oder ihm vielleicht auch gar nichts gelegen hieran. Und daher ist
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a u f d a s R e d n e r i s c h e . Dies nemlich ist weder das Richtige, noch der grammatische und musikalische Theil, sondern das scheinbare und überredende in den Gedanken und ihrer Zusammenstellung, wovon unten hauptsächlich die Rede | ist. Es ist eine steigernde Geringschäzung. Das Richtige hatte er schon gar nicht erwartet; das rednerische suchte er, fand es aber nicht, und es blieben nur die wohlgedrehten Worte übrig. S 8 Hellene] als Korrektur F. Schlegels in SN 154 übernommen in W1 (vgl. Spalte 2 App.)
S 30 oder] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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Erste Fassung (handschriftlich)
δή μοι νεανιεύεσθαι ἐπιδεικνύμενος ὡς οἷόστε ὢν ταὐτὰ ἑτέρως τε καὶ ἑτέρως λέγων ἀμφοτέρως εἰπεῖν ἄριστα.
mir vorgekommen, wie ein junger Mensch, welcher zeigen will, daß er dieselbe Sache so oder auch so und immer vortreflich auszudrüken weiß.
ΦΑΙ. Οὐδὲν λέγεις, ὦ Σώκρατες. Αὐτὸ μὲν γὰρ τοῦτο καὶ μάλιστα ὁ λόγος ἔχει. Τῶν γὰρ ἐνόντων ἀξίως ῥηθῆναι ἐν τῷ πράγματι οὐδὲν παραλέλοιπεν. Ὥστε παρὰ τὰ ἐκείνῳ εἰρημένα μηδέν᾽ ἄν ποτε δύνασθαι εἰπεῖν ἄλλα πλείω καὶ πλείονος ἄξια. ΣΩ. Τοῦτο ἐγώ σοι οὐκέτι οἷόστε ἔσομαι πείθεσθαι. Παλαιοὶ γὰρ καὶ σοφοὶ ἄνδρες τε καὶ γυναῖκες περὶ αὐτῶν εἰρηκότες καὶ γεγραφότες ἐξελέγξουσί με, ἐάν σοι χαριζόμενος συγχωρῶ. ΦΑΙ. Τίνες οὗτοι, καὶ ποῦ σὺ βελτίω τούτων ἀκήκοας; ΣΩ. Νῦν μὲν οὕτως οὐκ ἔχω εἰπεῖν· δῆλον δέ, ὅτι τινῶν ἀκήκοα, ἤ που Σαπφοῦς τῆς καλῆς ἢ Ἀνακρέοντος τοῦ σοφοῦ, ἢ καὶ συγγραφέων τινῶν. Πόθεν δὲ τεκμαιρόμενος λέγω; Πλῆρές περ, ὦ δαιμόνιε, τὸ στῆθος ἔχων αἰσθάνομαι παρὰ ταῦτα ἂν ἔχειν εἰπεῖν ἕτερα μὴ χείρω. Ὅτι μὲν οὖν παρά γε ἐμαυτοῦ οὐδὲν αὐτῶν
2 ταὐτὰ ἑτέρως] korr. Heindorf z. St. (S. 212) aus ταυτὰ ἑτέρως ed. Heindorf, übersetzt SN 154 W1 | ταῦτα ἑτέρως Ed.Berlin 1816 (Bekker) (aus einigen Hss.), schon von Heindorf z. St. als textus receptus mitgeteilts, übersetzt W2
Ph. Das ist wirklich nichts gesagt, Sokrates, aber gerade darin ist die Rede am stärksten, daß sie nicht übergangen hat, was über die Sache gesagt zu werden verdiente, so daß gewiß niemand etwas anderes Vollständigeres und Beßeres darüber sagen könnte, als was er gesagt hat. So. Nein, das kann ich mir nun nicht von dir einreden laßen. Denn weise Männer und Frauen aus alter Zeit, welche über diese Sache geredet und geschrieben haben, würden mich der Unwahrheit zeihen, wenn ich dir zu gefallen dieses einräumen wollte. Ph. Wer sind sie denn? Und wo hast du etwas Beßeres als dieses gehört? So. So jetzt gleich weiß ich dir das nicht zu sagen; aber soviel ist gewiß, daß ich von irgend Jemand so etwas gehört habe, es sei nun von der schönen Sappho, oder von dem weisen Anakreon, oder von einem Schriftsteller in ungebundener Rede. Woher ich das so gewiß behaupte? Weil mir die Brust ganz voll davon ist, du theurer, und ich wol fühle, daß ich ganz andre Dinge zu sagen hätte als diese, und nicht schlechtere. Daß ich mir nun das nicht selbst ausgedacht habe bin ich mir vollkommen bewußt, weil ich ja
T 20 zu gefallen] über der Zeile mit Einfügungszeichen 22 sie] über der Zeile mit Einfügungszeichen | denn] danach diese 26 ich] danach es | so etwas] über der Zeile mit Einfügungszeichen 32 Weil] danach ich
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her ist er mir vorgekommen wie ein junger Mensch, der seine Freude daran hat, zu zeigen, daß er im Stande ist, indem er dieselbe Sache jezt so, dann anders ausdrükt, beidemal vortreflich zu reden. PH. Nichts ist dies gesagt, Sokrates. Denn eben dies findet sich ganz vorzüglich in der Rede. Denn was schikliches zu sagen in der Sache lag, davon hat sie nichts übergangen, so daß | etwas anderes größeres und besseres, als das von ihm angeführte, Niemand jemals sagen kann. SOK. Dieses werde ich dir nicht mehr im Stande sein zu glauben. Denn weise Männer und Frauen aus alter Zeit, die eben hierüber geredet und geschrieben haben, werden mich der Unwahrheit zeihen, wenn ich dir dieses aus Gefälligkeit einräume. PH. Wer sind diese? und wo hast du besseres als dies gehört? SOK. Jezt gleich zwar kann ich es so nicht sagen; offenbar aber habe ich dergleichen von irgend jemand gehört, entweder von der schönen Sappho oder von dem weisen Anakreon, oder auch von Schrifstellern in ungebundener Rede. Woher ich dieses schließe? Voll ja, du Theurer, tragend die Brust fühle ich, daß ich ganz andere Dinge als jener zu sagen hätte, und nicht schlechtere. Daß ich nun aus mir selbst nichts davon ersonnen habe, weiß ich ge-
er mir vorgekommen wie ein junger Mensch, der seine Freude daran hat, zu zeigen, daß er im Stande ist, indem er diese Sache jezt so dann anders ausdrükt, beidemal vortreflich zu reden. PH. Nichts ist dies gesagt, Sokrates. Denn eben dies findet sich ganz vorzüglich in der Rede. Denn was schikliches zu sagen in der Sache lag, davon hat sie nichts übergangen, so daß etwas anderes größeres und besseres, als das von ihm angeführte, Niemand jemals sagen kann. SOK. Dieses werde ich nun nicht mehr im Stande sein dir zu glauben. Denn weise Män|ner und Frauen aus alter Zeit, die eben hierüber geredet und geschrieben haben, werden mich der Unwahrheit zeihen, wenn ich es dir zu gefallen einräume. PH. Wer sind diese? und wo hast du besseres als dies gehört? SOK. So jezt gleich kann ich es nicht sagen; offenbar aber habe ich dergleichen von irgend jemand gehört, entweder von der schönen Sappho oder von dem weisen Anakreon, oder auch von Schrifstellern in ungebundener Rede. Woher ich dieses schließe? Voll ja, du Theurer, tragend die Brust fühle ich, daß ich ganz andere Dinge als jener zu sagen hätte, und nicht schlechtere. Daß ich nun aus mir selbst nichts davon ersonnen habe, weiß ich ge-
S 1f wie ein junger Mensch] Zur Bedeutung dieser Stelle in der Argumentation für die Abfassungszeit des Dialogs vgl. Schleiermacher an F. Schlegel, 10.1.1801: KGA V/5, Nr. 1008, 44-53; F. Schlegel an Schleiermacher, 23.1.1801: KGA V/5, Nr. 1016, 24-39; Schleiermacher an F. Schlegel, 7.2.1801: KGA V/5, Nr. 1019, 24-41.
S 4 diese] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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Phaidros Ed. Heindorf
Erste Fassung (handschriftlich)
ἐννενόηκα, εὖ οἶδα, συνειδὼς ἐμαυτῷ ἀμαθίαν. Λείπεται δή, οἶμαι, ἐξ ἀλλοτρίων ποθὲν ναμάτων διὰ τῆς ἀκοῆς πεπληρῶσθαί με δίκην ἀγγείου· ὑπὸ δὲ νωθείας αὖ καὶ αὐτὸ τοῦτο ἐπιλέλησμαι, ὅπως τε καὶ ὧντινων ἤκουσα.
weiß, wie gar nichts ich verstehe; also denke ich bleibt nichts übrig als daß ich nur wie ein Gefäß aus andern Quellen angefüllt worden bin, nemlich durchs Gehör, und daß ich nur in meiner Träumerei auch das schon wieder vergeßen, wie und von wem ich es gehört habe. Ph. Da hast du dich wieder vortreflich heraus geredet, du schönster! Indeß sollst du mir gar nicht sagen, wie und woher du es gehört hast; richte nur ins Werk was du behauptest. Versprich du mir etwas anderes und Beßeres und nicht weniger über die Sache zu sagen, als was in meiner Rolle steht, diese aber dabei ganz aus dem Spiele zu laßen: so verspreche ich dir, wie die Neun Archonten, nicht nur deine, sondern auch meine Statue in Lebensgröße von reinem Gold nach Delphi zu schenken. So. Ei du bist mir ein allerliebster und ganz goldener Mensch, Phaidros, wenn du glaubst, ich hätte behaupten wollen, Lysias habe | die Sache ganz und gar verfehlt, so daß man lauter andere Dinge vorbringen könnte. Das, glaube ich begegnet auch dem schlechtesten Schriftsteller nicht. Zum Beispiel, wovon hier die
ΦΑΙ. Ἀλλ᾽, ὦ γενναιότατε, κάλλιστα εἴρηκας. Σὺ γὰρ ἐμοί, ὧντινων μὲν καὶ ὅπως ἤκουσας, μηδ᾽, ἂν κελεύω, εἴπῃς. Τοῦτο δὲ αὐτό, ὃ λέγεις, ποίησον· τῶν ἐν τῷ βιβλίῳ βελτίω τε καὶ μὴ ἐλάττω ἕτερα ὑποσχέθητι εἰπεῖν, τούτων ἀπεχόμενος. Καί σοι ἐγώ, ὥσπερ οἱ ἐννέα ἄρχοντες, ὑπισχνοῦμαι χρυσῆν εἰκόνα ἰσομέτρητον εἰς Δελφοὺς ἀναθήσειν, οὐ μόνον ἐμαυτοῦ ἀλλὰ καὶ σήν.
ΣΩ. Φίλτατος εἶ καὶ ὡς ἀληθῶς χρυσοῦς, ὦ Φαῖδρε, εἴ με οἴει λέγειν, ὡς Λυσίας τοῦ παντὸς ἡμάρτηκε καὶ οἷόντε δὴ παρὰ ταῦτα πάντα ἄλλα εἰπεῖν. Τοῦτο δὲ οἶμαι οὐδ᾽ ἂν τὸν φαυλότατον παθεῖν συγγραφέα. Αὐτίκα, περὶ οὗ ὁ λόγος, τί οἴει
25 τί οἴει] τίνα οἴει Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 9 [19,8], übersetzt W2
T 14 Versprich] davor Versprich du mir 17 diese] davor und | aber] über der Zeile mit Einfügungszeichen 23 schenken] danach hochgestellt Anm.-Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 11 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 26 hätte] über der Zeile mit Einfügungszeichen 26f behaupten] korr. aus behauptet 27 wollen] über der Zeile mit Einfügungszeichen 32 nicht] über der Zeile mit Einfügungszeichen
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Phaidros 1. Auflage
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wiß, da ich meines Unverstandes mir bewußt bin. Also denke ich bleibt nur übrig, daß ich aus fremden Strömen durch das Gehör angefüllt worden bin, wie ein Gefäß; aus Träumerei aber habe ich auch das schon wieder vergessen, wie und von wem ich es gehört. PH. Wohl, du prächtiger Mann, dies war vortreflich gesprochen. Du also sollst mir, von wem und wie du es gehört, gar nicht sagen, auch nicht wenn ich es verlange. Nur eben das was du sagst, thue mir. Versprich du mir, desselbigen, was in meinem Buche steht, dich enthaltend anderes besseres und nicht weniger zu sagen. Dagegen verspreche ich Dir, wie die Neun Archonten7 eine goldne Statue von gleichem Maaß nach Delphi zu verehren, nicht von mir allein, sondern auch deine. |
wiß, da ich meines Unverstandes mir bewußt bin. Also denke ich bleibt nur übrig, daß ich aus fremden Strömen durch Zuhören angefüllt worden bin, wie ein Gefäß; aus Albernheit aber habe ich auch das schon wieder vergessen, wie und von wem ich es gehört. PH. Wohl, du prächtiger Mann, dies war vortreflich gesprochen. Du also sollst mir, von wem und wie du es gehört, gar auch wenn ich es verlange nicht sagen. Nur eben das was du sagst, thue mir. Versprich du mir, dessen, was in meinem Buche steht, dich enthaltend anderes besseres und nicht weniger zu sagen. Dagegen verspreche ich dir, wie die Neun Archonten10 eine goldne Statue in Lebensgröße nach Delphi zu verehren, und zwar nicht meine nur, sondern auch deine.
SOK. Ein gar lieber und wirklich goldner Mensch bist du mir, Phaedros, wenn du meinst, ich behaupte, daß Lysias die Sache ganz und gar verfehlt habe, und daß es möglich sei lauter andere Dinge als er zu sagen. Dieses aber, denke ich, kann auch dem schlechtesten Schriftsteller nicht begegnen. Gleich hier, wovon
SOK. Ein gar lieber und wirklich goldner Mensch bist du mir, Phaidros, wenn du meinst, ich behaupte, daß Lysias die Sache ganz und gar verfehlt habe, und daß es möglich sei lau|ter andere Dinge als er zu sagen. Dieses aber, denke ich, kann auch dem schlechtesten Schriftsteller nicht begegnen. Gleich hier, wovon
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w i e d i e n e u n A r c h o n t e n . Sie verpflichteten sich eidlich, nichts gesez- und verfassungswidriges während ihrer Verwaltung zu unternehmen; wofern sie aber dessen überführt würden, dem Apollon ihre Statue von Gold in dem delphischen Tempel zu weihen, sich zur Strafe und den Athenern zum Heil, um ihnen den Gott günstig zu machen.
S Anm. 7 Aus Heindorf z. St. (S. 214) nach Suda χ 560 Adler.
w i e d i e n e u n A r c h o n t e n . Sie verpflichteten sich eidlich, nichts gesez- und verfassungswidriges während ihrer Verwaltung zu unternehmen; wofern sie aber dessen überführt würden, dem Apollon ihre Statue von Gold in dem delphischen Tempel zu weihen, sich zur Strafe und den Athenern zum Heil, um ihnen den Gott günstig zu machen.
S Anm. 10 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 7.
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Phaidros Ed. Heindorf
Erste Fassung (handschriftlich)
λέγοντα, ὡς χρὴ μὴ ἐρῶντι μᾶλλον ἢ ἐρῶντι χαρίζεσθαι, παρέντα τοῦ μὲν τὸ φρόνιμον ἐγκωμιάζειν, τοῦ δὲ τὸ ἄφρον ψέγειν, ἀναγκαῖα γοῦν ὄντα, εἶτ᾽ ἄλλ᾽ ἄττα ἕξειν λέγειν; Ἀλλ᾽ οἶμαι, τὰ μέντοι τοιαῦτα ἐατέα καὶ συγγνωστέα λέγοντι, καὶ τῶν μὲν τοιούτων οὐ τὴν εὕρεσιν ἀλλὰ τὴν διάθεσιν ἐπαινετέον, τῶν δὲ μὴ ἀναγκαίων τε καὶ χαλεπῶν εὑρεῖν πρὸς τῇ διαθέσει καὶ τὴν εὕρεσιν.
Rede ist, was glaubst du, wenn Jemand beweisen wollte, man solle dem Nichtliebenden eher zu Willen sein als dem Liebenden, wollte aber übergehen das Beisichsein des Einen zu loben, und das Außersichsein des Andern zu tadeln, welches ganz nothwendig ist, würde er dann noch irgend etwas zu sagen im Stande sein? Dergleichen denke ich muß man einem Jeden laßen und zugestehen, auch ist daran nicht die Erfindung zu loben, sondern nur die Anordnung, bei dem aber, was nicht so nothwendig und schwerer zu finden ist, außer der Anordnung auch die Erfindung.
ΦΑΙ. Συγχωρῶ ὃ λέγεις. Μετρίως γάρ μοι δοκεῖς εἰρηκέναι. Ποιήσω οὖν καὶ ἐγὼ οὕτω· τὸ μὲν τὸν ἐρῶντα τοῦ μὴ ἐρῶντος μᾶλλον νοσεῖν, δώσω σοι ὑποτίθεσθαι· τῶν δὲ λοιπῶν ἕτερα πλείω καὶ πλείονος ἄξια εἰπὼν τῶν Λυσίου παρὰ τὸ Κυψελιδῶν ἀνάθημα σφυρήλατος ἐν Ὀλυμπίᾳ στάθητι.
12 λέγεις. Μετρίως] λέγεις· μετρίως Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W2
Ph. Das gebe ich dir zu, denn es scheint mir ganz billig, und ich will es also auch so machen. Daß der Liebende sich in einem kränkern Zustande befindet als der Nichtliebende, das will ich dir auszuführen erlauben, und wenn du mir übrigens mehr andere und beßere Sachen vorbringst sollst du noch immer neben dem Geschenk der Kypseliden aus gehämmerter Arbeit in Olympia stehen.
T 12 daran] über an ihnen 25 mehr andere und beßere] mehr über der Zeile mit Einfügungszeichen sowie unter der Zeile Linie von andere zu beßere 29 stehen] danach hochgestellt Anm.-Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 12 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5)
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die Rede ist, was glaubst du, wenn einer beweisen wollte, man müsse dem Nichtverliebten eher gefällig sein als dem Verliebten, überginge aber die Verständigkeit des Einen zu loben und die Unverständigkeit des Andern zu tadeln, welches ganz nothwendig ist, würde er dann irgend etwas anderes zu sagen im Stande sein? Sondern dergleichen, glaube ich, ist jedem Redenden zu lassen und zuzugestehen; und in dergleichen auch nicht die Erfindung, sondern nur die Anordnung zu loben, an dem nicht nothwendigen und schwerer zu findenden aber außer der Anordnung auch die Erfindung. PH. Ich räume ein, was du sagst, denn du dünkst mich ganz billig gesprochen zu haben. Daher will ich mich auch so beweisen. Daß der Liebende mehr als der nicht leidenschaftliche krank sei, davon will ich dir verstatten auszugehen, und wenn du nur im übrigen mehr andere und bessere Sachen vorträgst, als Lysias, sollst du immer noch neben der Kypseliden Weihgeschenk aus gehämmerter Arbeit in Olympia stehen8.
die Rede ist, wer meinst du wohl, wenn er beweisen wollte, man müsse dem Nichtverliebten eher willfahren als dem Verliebten, überginge aber die Verständigkeit des Einen zu loben und die Unverständigkeit des Andern zu tadeln, welches ganz nothwendig ist, würde dann irgend etwas anderes zu sagen im Stande sein? Sondern dergleichen, glaube ich, muß man lassen und dem Redenden zugestehen; und in dergleichen ist auch nicht die Erfindung, sondern nur die Anordnung zu loben, an dem nicht nothwendigen und schwerer zu findenden aber außer der Anordnung auch die Erfindung. PH. Ich räume ein, was du sagst; denn du dünkst mich ganz billig gesprochen zu haben. Also will ich es eben so machen. Daß der Verliebte mehr als der Nichtverliebte krank sei, davon will ich dir verstatten auszugehen, und wenn du nur im übrigen anderes, mehr und besseres, vorträgst als Lysias, sollst du immer noch neben der Kypseliden Weihgeschenk aus gehämmerter Arbeit in Olympia stehen11.
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i n O l y m p i a s t e h e n . Dort gab es eine solche Statue des Zeus als Weihgeschenk der Söhne des Kypselos, welches sie, aus Korinth vertrie|ben, gelobt hatten, falls sie zurükkehren und das vorige Ansehn wieder erlangen würden.
i n O l y m p i a s t e h e n . Dort gab es eine solche Statue des Zeus als Weihgeschenk der Söhne des Kypselos, welches sie, aus Korinth vertrieben, gelobt hatten, falls sie zurükkehren und das vorige Ansehn wieder erlangen würden. σφυρήλατος κολοσσός nennt sie ein Epigramm Anal. III. p. 189.
T 26 nur] mir W1 S. 97, korr. im Druckfehler-Verzeichnis W1 S. 413 S Anm. 8 Aus Heindorf z. St. (S. 215) nach Scholion z. St. S. 57 f. Ruhnken (= S. 75 Greene; S. 127 Cufalo). – Als Anspielung auf ein altes Gedicht vermutet von
S 1 wer meinst du wohl] nach Bekker wie Spalte 1 App. 19f sagst; denn] nach Bekker wie Spalte 1 App. S Anm. 11 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 8.
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ΣΩ. Ἐσπούδακας, ὦ Φαῖδρε, ὅτι σοῦ τῶν παιδικῶν ἐπελαβόμην ἐρεσχελῶν σε, καὶ οἴει δή με ὡς ἀληθῶς ἐπιχειρήσειν εἰπεῖν παρὰ τὴν ἐκείνου σοφίαν ἕτερόν τι ποικιλώτερον.
So. Du nimmst es ja ganz ernsthaft, daß ich deinen Liebling angegriffen habe, da ich dich doch nur ein wenig neken wollte, und du bildest dir wol ein, ich werde es wirklich versuchen, über seine Weisheit hinaus noch etwas Schöneres zu sagen. Ph. Was das betrifft lieber Freund, da giebst du mir grade dieselbe Blöße, und nun mußt auch du auf jeden Fall reden so gut du eben kannst. Damit wir aber nicht erst die ganze gewöhnliche Scene durchmachen,
ΦΑΙ. Περὶ μὲν τούτου, ὦ φίλε, εἰς τὰς ὁμοίας λαβὰς ἐλήλυθας. Ῥητέον μὲν γάρ σοι παντὸς μᾶλλον οὕτως ὅπως οἷός τε εἶ· ἵνα δὲ μὴ τὸ τῶν κωμῳδῶν φορτικὸν πρᾶγμα ἀναγκαζώμεθα ποιεῖν, ἀνταποδιδόντες
7 ἐλήλυθας] ἐλήλυθα Bekker: Comm. 1 1823, S. 9 [20,8 mit mehreren Hss.], vgl. W2 Anm. 12
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SOK. Du nimmst es ganz ernsthaft, Phaedros, daß ich deinen Liebling angegriffen, um dich aufzuziehen nämlich, und meinst wohl, ich werde wirklich versuchen, über seine Kunst hinaus etwas anderes schöneres zu sagen. PH. Was dies nun betrift, Freund, so giebst du mir jezt dieselbe Blöße9. Reden also mußt | du jezt auch auf jeden Fall, so wie du eben kannst. Damit wir aber nicht den ganzen lästigen Spaß der Komödie durchzumachen nöthig haben, und Einer
SOK. Du machst Ernst daraus, Phaidros, daß ich deinen Liebling angegriffen, um dich aufzuziehen, und meinst wohl, ich werde wirklich versuchen, über seine Kunst hinaus etwas anderes schmukkeres zu sagen. PH. Was dies nun betrift, Freund, so giebst du mir jezt dieselbe Blöße12. Denn reden mußt du jezt auf jeden Fall, so wie du eben kannst. Damit wir aber nicht den ganzen lästigen Spaß der Komödie durchzumachen nöthig haben, Einer dem Andern
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Ebend. [...] hat der Scholiast des Ruhnkenius wohl recht, daß das hellenische Sprüchwort nur die Wiederkehr derselben Stellung bedeutet, die nicht immer eine Blöße sein darf. Man sehe nur de rep. 544. b. Hier aber war der für den besondern Fall sehr annähernde deutsche Ausdruck zu verführerisch.
T Anm. 9 mit Gedankenstrich an Anm. 8 angeschlossen mit der oben ausgelassenen Zeilenangabe W1
Ebend. [...] hat der Scholiast des Ruhnkenius wohl recht, daß das hellenische Sprüchwort nur die Wiederkehr derselben Stellung bedeutet, die nicht immer eine Blöße sein darf. Man sehe nur de rep. 544. b. Hier aber war der für den besondern Fall sehr annähernde deutsche Ausdruck zu verführerisch. Bei der gewöhnlichen Leseart muß man das Ganze passiv nehmen: du kommst mir so, daß du von mir gefaßt werden kannst; liest man ἐλήλυθα, wie mehrere Handschriften bei Bekker, so ist es activ, ich komme so, daß ich dich eben so fassen kann.
S 5–7 über seine Kunst hinaus etwas anderes schöneres zu sagen] kritisiert von Rez.Anon., in: Neue Leipziger Literaturzeitung 90. Stück, 1806, Sp. 1431, dagegen im Sinne von W1 verstärkend verändert in W2 S Forts. Anm. 8 Rez.Boeckh (1808), 103 = (1872), S. 21, mit Verweis auf Analecta veterum poetarum Graecorum, ed. R. F. P. Brunck, Bd. 3, Straßburg 1776, S. 189 Nr. CXCIII. (Photios, Lexicon ε 1280 Theodoridis: Apellas, der Pontiker, FGrHist 266 F 5 Jacoby = Johannes Geffcken: Griechische Epigramme, Heidelberg 1916, S. 12 f. Nr. 36). Vgl. W2 Anm. 11. Anm. 9 Scholion z. St. S. 58 Ruhnken (= S. 76 Greene; S. 127 Cufalo). Es handelt sich nicht um ein Sprichwort im engeren Sinne, sondern um eine metaphorische Redewendung aus dem Bereich des Ringens. – Die Übersetzung gelobt von Rez.Anon., in: Neue Leipziger Literaturzeitung 90. Stück, 1806, Sp. 1428.
T Anm. 12 mit Gedankenstrich an Anm. 11 angeschlossen mit der oben ausgelassenen Zeilenangabe W1 | 25 ἐλήλυθα] verdruckt ἐλήλυθυ W2 S Anm. 12 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 9. Zu den Handschriften bei Bekker s. Spalte 1 App.
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Erste Fassung (handschriftlich)
ἀλλήλοις, εὐλαβήθητι καὶ μὴ βούλου με ἀναγκάσαι λέγειν ἐκεῖνο, τὸ εἰ ἐγώ, ὦ Σώκρατες, Σωκράτην ἀγνοῶ, καὶ ἐμαυτοῦ ἐπιλέλησμαι, καὶ ὅτι ἐπεθύμει μὲν λέγειν, ἐθρύπτετο δέ· ἀλλὰ διανοήθητι, ὅτι ἐντεῦθεν οὐκ ἄπιμεν, πρὶν ἂν σὺ εἴπῃς, ἃ ἔφῃσθα ἐν τῷ στήθει ἔχειν. Ἐσμὲν δὲ μόνω ἐν ἐρημίᾳ, ἰσχυρότερος δὲ ἐγὼ καὶ νεώτερος. Ἐκ δ᾽ ἁπάντων τούτων ξύνες ὅ σοι λέγω, καὶ μηδαμῶς πρὸς βίαν βουληθῇς μᾶλλον ἢ ἑκὼν λέγειν.
und Jeder dem Andern das Gleiche zurükgiebt so sieh dich vor, und zwinge mich nicht erst dir zu sagen „Ei Sokrates wenn ich den Sokrates nicht beßer kennte, so müßte ich ja auch von mir selbst nichts wißen“, oder „er hatte wol große Lust zu reden, aber er machte doch den Spröden“, sondern wiße, daß wir nicht eher von hinnen gehn, bis du das ganze heraus gesprochen hast, wovon dir wie du sagst die Brust voll ist. Wir sind hier allein, kein Mensch ist in der Nähe, und ich bin der jüngste und stärkste. Du verstehst was ich meine, und du wirst ja nicht lieber gezwungen als von freien Stüken reden wollen. So. Aber mein guter Phaidros, ich werde mich ja lächerlich machen, wenn ich Laie nach einem guten Künstler über dieselbe Sache aus dem Stegreif rede. Ph. Weißt du was? Ziere dich nicht länger gegen mich, sonst will ich dir etwas sagen, was dich gleich soll zum Reden bringen.
ΣΩ. Ἀλλ᾽, ὦ μακάριε Φαῖδρε, γελοῖος ἔσομαι παρ᾽ ἀγαθὸν ποιητὴν ἰδιώτης αὐτοσχεδιάζων περὶ τῶν αὐτῶν. ΦΑΙ. Οἶσθ᾽ ὡς ἔχει; παῦσαι πρὸς ἐμὲ καλλωπιζόμενος· σχεδὸν γὰρ ἔχω, ὃ εἰπὼν ἀναγκάσω σε λέγειν. ΣΩ. Μηδαμῶς τοίνυν εἴπῃς. ΦΑΙ. Οὔκ, ἀλλὰ καὶ δὴ λέγω. Ὁ δέ μοι λόγος ὅρκος ἔσται. Ὄμνυμι γάρ σοι τίνα μέντοι, τίνα θεῶν; ἢ βούλει
11 ὅ σοι λέγω] ὅ,τι λέγω konj. Heindorf z. St. (S. 217) nach Carminum Pindaricorum Fragmenta curavit J. Gottlob Schneider, Straßburg 1776, S. 7 f. (ὅ τι λέγω) (fr. 105, 1 Snell-Maehler, dort allerdings ὅ τοι λέγω), übersetzt SN 154 W1 W2 22 Οὔκ, ἀλλὰ] konj. Heindorf, übersetzt W1 W2 | οὐκ; ἀλλὰ textus receptus (z. B. Ed.Zweibrücken 1787 [Bipontina], vgl. Heindorf z. St. S. 217), übersetzt SN 154 24 ἢ βούλει] ἢ εἰ βούλει Ed.Genf 1578 (Stephanus), Annot. S. 60, bei Heindorf z. St. (S. 217 f.), übersetzt SN 154; vgl. Ficinus (in Ed.Zweibrücken 1787): vel, si vis
So. Ei so sage es ja nicht. Ph. Nicht? Ja, ich will es doch sagen, und es soll so gut sein als ein Schwur. Ich schwöre also bei irgend einem Gotte, oder wenn du willst
T 12 wie] danach ges
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dem Andern dasselbe zurükzugeben: so sieh dich vor, und nöthige mich nicht erst dir Jenes zu sagen: Wenn ich, o Sokrates, den Sokrates nicht kennte, müßte ich auch mich selbst vergessen haben, und daß er wohl Lust hatte zu reden, doch aber den Spröden machte; sondern überlege, daß wir von hinnen nicht gehen, ehe du das gesagt hast, was du behauptetest in der Brust zu tragen. Wir sind hier allein ganz einsam, und ich bin der stärkere und jüngere. Aus dem allen nun vernimm was ich meine, und wolle doch ja nicht gezwungen lieber als freiwillig reden.
dasselbe zurükgebend: so sieh dich vor, und nöthige mich nicht erst dir Je|nes zu sagen: Wenn ich, o Sokrates, den Sokrates nicht kenne, muß ich auch mich selbst vergessen haben, und er hatte wohl Lust zu reden, machte aber den Spröden; sondern bedenke, daß wir von hinnen nicht gehen, ehe du das gesprochen hast, was du behauptetest in der Brust zu tragen. Wir sind hier allein ganz einsam, und ich bin der stärkere und jüngere. Aus dem allen nun vernimm was ich meine, und wolle doch ja nicht gezwungen lieber als freiwillig reden.
SOK. Aber du launiger Phädros, lächerlich werde ich mich machen, wenn nach einem treflichen Künstler ich Ungelehrter unvorbereitet rede über dieselbe Sache. PH. Weißt du wie es steht? Höre auf dich gegen mich zu zieren; sonst weiß ich etwas, was ich nur sagen darf, um dich gleich zum Reden zu zwingen. SOK. So sage es also ja nicht. PH. Mit nichten, sondern ich sage es allerdings, und die Rede soll mir ein Schwur sein. Ich schwöre dir also, ja bei welchem Gotte doch? oder
SOK. Aber du himmlischer Phaidros, lächerlich werde ich mich machen, wenn nach einem treflichen Künstler ich Ungelehrter unvorbereitet rede über dieselbe Sache. PH. Weißt du wie es steht? Höre auf dich gegen mich zu zieren; sonst weiß ich etwas zu sagen, womit ich dich gleich zwingen kann zu reden. SOK. So sage es also ja nicht. PH. Mit nichten, sondern ich sage es grade, und die Rede soll mir ein Schwur sein. Ich schwöre dir also, ja bei welchem Gotte doch? oder willst
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τὴν πλάτανον ταυτηνί; ἦ μήν, ἐάν μοι μὴ εἴπῃς τὸν λόγον ἐναντίον αὐτῆς ταύτης, μηδέποτέ σοι ἕτερον λόγον μηδένα μηδενὸς μήτε ἐπιδείξειν μήτ᾽ ἐξαγγελεῖν.
bei dieser Platane, daß wenn du nicht hier, an|gesichts ihrer mir diese Rede hältst, ich dir nie wieder irgend eine Rede von irgend Jemand zeigen oder vorlesen will.
ΣΩ. Βαβαῖ, ὦ μιαρέ, ὡς εὖ ἀνεῦρες τὴν ἀνάγκην ἀνδρὶ φιλολόγῳ ποιεῖν ὃ ἂν κελεύῃς!
So. O weh! Du böser Mensch! Wie gut hast du das Mittel gefunden einen solchen Redefreund als ich zu Allem zu zwingen, was du haben willst. Ph. Was sträubst du dich also noch lange? So. O gar nicht mehr, seitdem du dieses geschworen hast, denn wie sollte ich mich einer solchen Speise enthalten können. Ph. Nun so rede dann! So. Weißt du wie ichs machen will?
ΦΑΙ. Τί δῆτα ἔχων στρέφῃ; 10
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ΣΩ. Οὐδὲν ἔτι, ἐπειδὴ σύ γε ταῦτα ὀμώμοκας. Πῶς γὰρ ἂν οἷόστ᾽ εἴην τοιαύτης θοίνης ἀπέχεσθαι; ΦΑΙ. Λέγε δή. ΣΩ. Οἶσθ᾽ οὖν ὡς ποιήσω; ΦΑΙ. Τοῦ πέρι; ΣΩ. Ἐγκαλυψάμνος ἐρῶ, ἵνα ὅτι τάχιστα διαδράμω τὸν λόγον, καὶ μὴ βλέπων πρὸς σὲ ὑπ᾽ αἰσχύνης διαπορῶμαι. ΦΑΙ. Λέγε μόνον, τὰ δ᾽ ἄλλα ὅπως βούλει ποίει. ΣΩ. Ἄγετε δή, ὦ Μοῦσαι, εἴτε δι᾽ ᾠδῆς εἶδος λίγειαι, εἴτε διὰ γένος
Ph. Womit? So. Verhüllt will ich sprechen um meine Rede so schnell als möglich durchzujagen und nicht etwa wenn ich dich ansähe aus Scham in Verwirrung zu gerathen. Ph. Rede nur und mache übrigens was du willst. So. Wolan Ihr hochgestellten Musen, es sei nun daß Ihr von der obersten Stimme des Gesanges so heißt
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willst du bei dieser Platane? daß wahrlich, wenn du mir nicht die Rede hältst hier Angesichts ihrer selbst, ich dir nie keine andere Rede von Niemand weder zeigen noch verrathen werde. SOK. Weh! Du Böser! Wie gut hast du verstanden, einen redeliebenden Mann zu zwingen, daß er thue, was du nur begehrst. |
du bei dieser Platane? daß wahrlich, wenn du mir nicht die Rede hältst hier Angesichts ihrer selbst ich dir nie keine andere Rede von Niemand weder hersagen noch anzeigen werde. SOK. Weh! Du Böser! Wie gut hast du den Zwang ausgefunden für einen redeliebenden Mann, daß er thue, was du nur begehrst.
PH. Was hast du also, daß du dich noch sträubst? SOK. O gar nichts mehr, seit du dieses geschworen hast. Denn wie könnte ich mich wohl einer solchen Lokspeise enthalten? PH. Rede also. SOK. Weißt du wohl, wie ich es machen will? PH. Womit denn? SOK. Verhüllt will ich sprechen, damit ich aufs schnellste die Rede durchjage, und nicht etwa, wenn ich dich ansehe, aus Scham in Verwirrung gerathe. PH. Rede nur, und übrigens halte es wie du willst. SOK. Wohlan denn, o Musen! ihr heißet nun wegen der Art des Gesanges die hochgekehlten, oder es
PH. Was hast du also, daß du dich noch sträubst? SOK. O gar nichts mehr, seit du dieses geschworen hast. Denn wie könnte ich wohl einer solchen Lokspeise widerstehen? PH. Rede also. | SOK. Weißt du wohl, wie ich es machen will? PH. Womit denn? SOK. Verhüllt will ich sprechen, damit ich aufs schnellste die Rede durchjage, und nicht etwa, wenn ich dich ansehe, aus Scham in Verwirrung gerathe. PH. Rede nur, und übrigens halte es wie du willst. SOK. Wohlan denn, o Musen! mögt ihr nun wegen einer Art des Gesanges die hochgekehlten heißen,
T 2–4 wenn du mir nicht die Rede hältst hier Angesichts ihrer selbst, ich] wenn du mir nicht die Rede hältst, hier Angesichts ihrer selbst ich W1 S. 98; Interpunktion korr. im Druckfehler-Verzeichnis W1 S. 413 mit dem Zusatz in Klammern: „Das Komma an der falschen Stelle gesezt und an der rechten ausgelassen verderbt den ganzen Sinn.“, vgl. dazu Schleiermacher an G. A. Reimer, 12.5.1804: KGA V/7, Nr. 1740, 15-20 und die Antwort von Reimer, 17.5.1804: KGA V/7, Nr. 1744, 18-26
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Erste Fassung (handschriftlich)
μουσικὸν τὸ Λιγύων ταύτην ἔσχετ᾽ ἐπωνυμίαν, ξύμ μοι λάβεσθε τοῦ μύθου, ὅν με ἀναγκάζει ὁ βέλτιστος
oder nach dem hochgehalsten Geschlecht der musikalischen Schwäne! Verleiht mir Beistand zu der Rede, welche dieser Herr mich zu
T 2f Schwäne] danach hochgestellt Anm.Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 13 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 3 Verleiht mir Beistand zu] am Rand mit Einfügungszeichen statt Helft mir in
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sei, daß ihr nach dem langhalsigen10 Geschlecht der tonreichen Schwäne diesen Namen führt. Verleihet mir Beistand hier zu der Rede, welche
oder nach dem langhalsigen13 Geschlecht der tonreichen Schwäne diesen Namen führen, greift mit mir an das Werk der Rede, welche
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nach dem langhalsigen Ges c h l e c h t . Bei dieser schwierigen Stelle, deren eigentlicher Sinn vielleicht nicht mehr mit Gewißheit zu bestimmen ist, hat weniger eine feste Ueberzeugung als der Reiz der leichteren Uebertragbarkeit für die Auslegung entschieden, der ich gefolgt bin. Der Scholiast nämlich erklärt, das γένος μουσικὸν τὸ Λιγύων von einem ligurischen Volke, welches so gesangliebend gewesen, daß selbst in der Schlacht nicht das ganze Heer gefochten, sondern ein Theil desselben nur gesungen habe, eine Sage, in der vielleicht eine Nachricht von dem ersten Gebrauch der Tonkunst im Kriege verborgen liegt. Auch darüber, welche besondere Art, wie doch die Worte εἶδος ὠδῆς anzuzeigen scheinen, des Gesanges λίγεια genannt wird, bekenne ich meine Unwissenheit.
S 3f Verleihet mir Beistand hier zu der Rede] kritisiert wegen mangelnden metrischen Ausdrucks von Rez.Boeckh (1808), S. 103 = (1872), S. 22; verändert in W2 S Anm. 10 Zur Übersetzung „nach dem langhalsigen Geschlecht der tonreichen Schwäne“ vgl. Pausanias 1,30,3 bei Heindorf z. St. (S. 219 f.), wo Kyknos („Schwan“) als Herrscher der musischen Ligyer erscheint; dagegen Scholion z. St. S. 58 Ruhnken (= S. 76 Greene; S. 127 Cufalo) bei Heindorf z. St. (S. 219).
nach dem langhalsigen Ges c h l e c h t . Bei dieser schwierigen Stelle, deren eigentlicher Sinn vielleicht nicht mehr mit Gewißheit zu bestimmen ist, hat weniger eine feste Ueberzeugung als der Reiz der leichteren Uebertragbarkeit für die an sich nicht sehr wahrscheinliche Auslegung entschieden, der ich gefolgt bin und bei der freilich an die | Stelle des Praedicates λίγειαι das auch Theokritos den Musen beilegt etwas anderes mußte gesezt werden, aber doch etwas für beide Hypothesen die Sokrates vorträgt gleich brauchbares zu finden war. Der Scholiast nämlich erklärt, das γένος μουσικὸν τὸ Λιγύων von einem ligurischen Volke, welches so gesangliebend gewesen, daß selbst in der Schlacht nicht das ganze Heer gefochten, sondern ein Theil desselben nur gesungen habe, eine Sage, in der vielleicht eine Nachricht von dem ersten Gebrauch der Tonkunst im Kriege verborgen liegt. Uebrigens muß ich hier wie öfter den Leser der gelehrtere Belehrung sucht auf Heindorfs Anmerkung verweisen, welche auszuschreiben ich in solchen Fällen für überflüssig halte. Auch darüber, welche besondere Art, wie doch die Worte εἶδος ὠδῆς anzuzeigen scheinen, des Gesanges λίγεια genannt wird, bekenne ich meine Unwissenheit.
S 3f greift mit mir an das Werk der Rede] verändert ggb. W1 nach Rez.Boeckh (1808) (wie zu W1), womit dem griechischen Text entsprechend iambischer Duktus hergestellt ist S Anm. 13 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 10. Die Übersetzung „die hochgekehlten“ für λίγειαι, das auch bei Theokrit Idyll. 22,221 Beiwort der Musen ist, soll den beiden von Sokrates entfalteten Alternativen Rechnung tragen.
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Erste Fassung (handschriftlich)
οὑτοσὶ λέγειν, ἵνα ὁ ἑταῖρος αὐτοῦ, καὶ πρότερον δοκῶν τούτῳ σοφὸς εἶναι, νῦν ἔτι μᾶλλον δόξῃ. Ἦν οὕτω δὴ παῖς, μᾶλλον δὲ μειρακίσκος ἁπαλός, μάλα καλός· τούτῳ δὲ ἦσαν ἐρασταὶ πάνυ πολλοί· εἷς δέ τις αὐτῶν αἱμύλος ἦν, ὃς οὐδενὸς ἧττον ἐρῶν ἐπεπείκει τὸν παῖδα, ὡς οὐκ ἐρῴη, καί ποτε αὐτὸν αἰτῶν ἔπειθε τοῦτ᾽ αὐτό, ὡς μὴ ἐρῶντι πρὸ τοῦ ἐρῶντος δέοι χαρίζεσθαι, ἔλεγέ τε ὧδε· Περὶ παντός, ὦ παῖ, μία ἀρχὴ τοῖς μέλλουσι καλῶς βουλεύεσθαι· εἰδέναι δεῖ, περὶ οὗ ἂν ᾖ ἡ βουλή, ἢ ἅπαντος ἁμαρτάνειν ἀνάγκη. Τοὺς δὲ πολλοὺς λέληθεν, ὅτι οὐκ ἴσασι τὴν οὐσίαν ἑκάστου. Ὡς οὖν εἰδότες οὐ διομολογοῦνται ἐν ἀρχῇ τῆς σκέψεως, προελθόντες δὲ τὸ εἰκὸς ἀποδιδόασιν· οὔτε γὰρ ἑαυτοῖς οὔτε ἀλλήλοις ὁμολογοῦσιν. Ἐγὼ οὖν καὶ σὺ μὴ πάθωμεν ὃ ἄλλοις ἐπιτιμῶμεν, ἀλλ᾽ ἐπειδὴ σοὶ καὶ ἐμοὶ ὁ λόγος πρόκειται, πότερα ἐρῶντι ἢ μὴ μᾶλλον εἰς φιλίαν ἰτέον,
sprechen zwingt, damit sein Freund, den er schon immer für sehr weise hielt ihm nun noch weiser erscheine.
5 ἁπαλός] fehlt Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 10 [22,4], fehlt in der Übersetzung W2
Es war also ein Knabe, oder vielmehr ein heranwachsender Jüngling zart und schön, welcher der Liebhaber sehr viele hatte. Unter diesen war einer sehr listig, welcher den Knaben, obgleich er ihn nicht minder liebte als irgend ein Anderer, dennoch überredet hatte, er liebe ihn nicht. Und als er einst bittend in ihn drang, überredete er ihn auch eben dieses, daß er den Nichtliebenden vor dem Liebenden begünstigen müße. Er sprach aber also. Bei allen Berathschlagungen, mein Kind, giebt es nur einen Anfang für die, welche sie mit Erfolg ausstatten wollen. Sie müßen nemlich wißen, was das ist, worüber sie Rath pflegen oder sie werden unvermeidlich ihres Endzwekes gänzlich verfehlen. Den meisten aber ist es verborgen, daß sie das Wesen der Dinge nicht kennen, als ob sie es kennten verständigen sie sich daher nicht darüber im Anfange der Untersuchung, und im Fortgange begegnet ihnen dann, was ihnen gebührt, daß sie nemlich weder mit sich selbst noch mit den Andern einig sind. Mir und dir nun möge nicht begegnen weshalb wir andere tadeln; sondern weil uns die Frage vorliegt, ob es beßer sei, mit dem Liebenden oder mit dem Nichtliebenden eine Ver-
T 1 sprechen] über sagen 8 welcher] danach ob er gleich 9 obgleich er ihn] am Rand mit Einfügungszeichen 26 ob sie es] über der Zeile mit Einfügungszeichen | kennten] danach sie es also 27 daher] über der Zeile mit Einfügungszeichen
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dieser Trefliche mich nöthiget zu sprechen, damit nur sein Freund, der ihm schon immer kunstreich zu sein schien, ihm nun noch mehr so erscheine. Es war also ein Knabe oder vielmehr ein halberwachsener Jüngling zart und gar schön, der hatte der Liebhaber sehr viele. Unter diesen war einer sehr listig, welcher den Knaben, gegen den er nicht minder als Einer, Leidenschaft hegte, dennoch überredet hatte, er hege keine; und einst als er ihn mit Bitten bedrängte, ihn auch eben dieses überredete, daß er den Nichtliebenden vor dem Liebenden begünstigen müsse. Er redete aber also. In allen Dingen, mein Kind, giebt es nur einen Anfang für die, welche mit Erfolg wollen Berathschlagungen anstellen: sie müssen dasje|nige kennen, worüber sie Rath pflegen, oder unvermeidlich ihres Endzwekes gänzlich verfehlen. Die Meisten nun merken nicht, daß sie das Wesen der Dinge nicht kennen. Als kennten sie es also, verständigen sie sich nicht darüber im Anfange der Untersuchung, und im Fortgange begegnet dann was ihnen gebührt, daß sie weder mit sich selbst noch unter einander einig sind. Mich also und dich möge nicht treffen, was wir Andern vorwerfen, sondern da dir und mir die Frage vorliegt, ob mit dem welcher leidenschaftlich liebt oder nicht, besser sei Freundschaft
dieser Trefliche mich nöthiget zu sprechen, damit nur sein Freund, der ihm schon immer kunstreich zu sein schien, ihm nun noch mehr so erscheine. Es war also ein Knabe oder vielmehr ein halberwachsener Jüngling, der war gar schön, und hatte der Liebhaber sehr viele. Unter diesen war einer sehr listig, welcher den Knaben, in den er nicht minder als Einer verliebt war, dennoch überredet hatte, er sei es nicht; und einmal als er auch in ihn drang, überredete er ihn eben dieses, daß er den Nichtverliebten vor dem Verliebten begünstigen müsse. Er redete aber also. In allen Dingen, mein Kind, giebt es nur einen Anfang für die, welche richtig rathschlagen wollen: sie müssen wissen, worüber sie Rath pflegen, oder werden nothwendig das Ganze verfehlen. Die Meisten nun merken nicht, daß sie das Wesen der Dinge nicht kennen. Als kennten sie es also, verständigen sie sich nicht darüber im Anfange der Untersuchung, und im Fortgange bezahlen sie dann die Ge|bühr, sie sind nemlich weder jeder mit sich selbst noch unter einander einig. Mich also und dich möge nicht treffen, was wir Andern vorwerfen, sondern da dir und mir die Frage vorliegt, ob mit dem Verliebten oder Nichtverliebten
T 8 zart und gar schön] fehlt W1 S. 99, korr. im Druckfehler-Verzeichnis W1 S. 413; als Auslassung kritisiert von Rez.Anon., in: Neue Leipziger Literaturzeitung 90. Stück, 1806, Sp. 1432
S 7f Jüngling, der war gar schön] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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Erste Fassung (handschriftlich)
περὶ ἔρωτος, οἷόν τέ ἐστι καὶ ἣν ἔχει δύναμιν, ὁμολογίᾳ θέμενοι ὅρον, εἰς τοῦτο ἀποβλέποντες καὶ ἀναφέροντες τὴν σκέψιν ποιώμεθα, εἴτε ὠφέλειαν εἴτε βλάβην παρέχει. Ὅτι μὲν οὖν δὴ ἐπιθυμία τις ὁ ἔρως, ἅπαντι δῆλον· ὅτι δ᾽ αὖ καὶ μὴ ἐρῶντες ἐπιθυμοῦσι τῶν καλῶν, ἴσμεν. Τῷ δὴ τὸν ἐρῶντά τε καὶ μὴ κρινοῦμεν; Δεῖ αὖ νοῆσαι, ὅτι ἡμῶν ἐν ἑκάστῳ δύο τινὲ ἐστὸν ἰδέα ἄρχοντε καὶ ἄγοντε, οἷν ἑπόμεθα, ᾗ
bindung einzugehen, so laß uns über die Liebe, was sie ist und welche Eigenschaften sie besizt, eine Erklärung gemeinschaftlich festlegen, und dann in Hinsicht und Beziehung auf diese die Untersuchung anstellen, ob sie Vortheil oder Schaden bringt. Daß nun die Liebe eine gewiße Begierde ist, ist Jedem klar, auf der andern Seite aber wißen wir, daß auch solche welche nicht eigentlich lieben ebenfalls die Schönen begehren. Wie sollen wir also den Liebenden und den Nichtliebenden unterscheiden? Wir müßen | demnach bemerken, daß es in einem Jeden von uns zwei Triebe giebt, welche uns beherrschen und führen, und denen wir
T 4 festlegen] danach hochgestellt Anm.Ziffer 14 von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 11 solche] über diejenigen 12 ebenfalls] über der Zeile mit Einfügungszeichen
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zu stiften: so laß uns über die Liebe, was sie ist und welche Kraft ihr zukommt, eine Erklärung einstimmig festsezend, in Hinsicht und Beziehung auf diese dann die Untersuchung anstellen, ob sie Vortheile oder Schaden hervorbringt. Daß nun diese Liebe eine Begierde ist, gestehet Jeder; wiederum aber wissen wir, daß auch nicht so Liebende ebenfalls der Schönen begehren. Woran also wollen wir den so Liebenden und den andern unterscheiden? Wir müssen demnach bemerken, daß es in einem Jeden von uns zwei herrschende und führende Triebe11 giebt, welchen wir folgen,
besser sei Freundschaft zu stiften: so laß uns über die Liebe, was sie ist und welche Kraft ihr zukommt, eine Erklärung einstimmig festsezend, in Hinsicht und Beziehung auf diese dann die Untersuchung anstellen, ob sie Vortheile oder Schaden hervorbringt. Daß nun die Liebe eine Begierde ist, gestehet Jeder; wiederum aber wissen wir, daß auch nicht Liebende ebenfalls der Schönen begehren. Woran also wollen wir den Liebenden und den andern unterscheiden? Wir müssen demnach bemerken, daß es in einem Jeden von uns zwei herrschende und führende Triebe14 giebt, welchen wir folgen,
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zwei herrschende und führ e n d e T r i e b e . Die Freiheit, welche ich mir hier mit den Worten ἰδέα und δόξα genommen, indem ich sie Trieb und Gesinnung übersezt, bedarf vielleicht einer Vertheidigung. Nicht sowohl der, daß es unsere Ohren zu sehr verlezt hätte, wenn die Begierde eine Idee und das vernünftige Wollen eine Meinung wäre genannt worden; sondern der, daß ich durch eine solche Uebertragung den Sinn des Platon ungleich mehr verfälscht hätte, und auf die Verschmelzung des theoretischen und praktischen in seinem Sprachgebrauch einen Nachdruk gelegt, den sie in der Ursprache gar nicht hat. In ἰδέα liegt hier nichts als die Allge|meinheit, und so ist eine ἰδέα ἄρχουσα
S Anm. 11 Anspielung auf Stolbergs Übersetzung: „Ideen“ – „Meinung“ (Auserlesene Gespräche, 1. Theil, 1796, S. 26 f.); vgl. Kleuker: Werke des Plato, Bd. 3, 1783, S. 171. Verweis auf Plutarchos: Opera omnia, Frankfurt 1599 [SB 1520], Bd. 2, S. 746d (Quaestiones convivaliae 9; von Schleiermacher aufgrund des falschen Kolumnentitels auf S. 747 der oben genannten Ausgabe irrtümlich zitiert als Amatorius).
zwei herrschende und führ e n d e T r i e b e . Die Freiheit, welche ich mir hier mit den Worten ἰδέα und δόξα genommen, indem ich jenes Trieb und dieses Gesinnung übersezt, bedarf vielleicht einer Vertheidigung. Nicht sowohl der, daß es unsere Ohren zu sehr verlezt hätte, wenn die Begierde eine Idee und das vernünftige Wollen eine Meinung wäre genannt worden; sondern der, daß ich durch eine solche dem Anschein nach wörtlichere Uebertragung den Sinn des Platon ungleich mehr verfälscht hätte, und auf die Verschmelzung des theoretischen und praktischen in seinem Sprachgebrauch einen Nachdruk gelegt, den sie in der Ursprache gar nicht hat. In ἰδέα liegt hier nichts als die Allgemeinheit, und so ist eine ἰδέα ἄρχουσα καὶ ἄγουσα, durch welche Worte eben jenes Allgemeine in das Begehrungsvermögen gesezt wird, allerdings ein Trieb. Eben so wird durch δόξα vornämlich das zum Grunde | liegen eines Urtheils ausgedrückt. Uebereinstimmend hiemit erklärt diese Stelle Plutarchos Amat. II, 746. d. folgendermaßen τοῦ Πλάτωνος ἐν ἑκάστῳ δύο
S Anm. 14 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 11.
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ἂν ἄγητον· ἡ μὲν ἔμφυτος οὖσα ἐπιθυμία ἡδονῶν, ἄλλη δὲ ἐπίκτητος δόξα, ἐφιεμένη τοῦ ἀρίστου. Τούτω δὲ ἐν ἡμῖν τοτὲ μὲν ὁμονοεῖτον, ἔστι δὲ ὅτε στασιάζετον, καὶ τοτὲ μὲν ἡ ἑτέρα, ἄλλοτε δὲ ἡ ἑτέρα κρατεῖ. Δόξης μὲν οὖν ἐπὶ τὸ ἄριστον λόγῳ ἀγούσης καὶ κρατούσης, τῷ κράτει σωφροσύνη ὄνομα· ἐπιθυμίας δὲ ἀλόγως ἑλκούσης ἐπὶ ἡδονὰς καὶ ἀρξάσης ἐν ἡμῖν, τῇ ἀρχῇ ὕβρις ἐπωνομάσθη. Ὕβρις δὲ δὴ πολυώνυμον, πολυμερὲς γὰρ καὶ πολυειδές. Καὶ τούτων τῶν ἰδεῶν ἐκπρεπὴς ἣ ἂν τύχῃ γενομένη, τὴν αὑτῆς ἐπωνυμίαν ἐπονομαζόμενον τὸν ἔχοντα παρέχεται, οὔτε τινὰ καλὴν οὔτε ἐπαξίαν κεκτῆσθαι. Περὶ μὲν γὰρ ἐδωδὴν κρατοῦσα τοῦ λόγου τε τοῦ ἀρίστου καὶ τῶν ἄλλων ἐπιθυμιῶν ἐπιθυμία γαστριμαργία τε καὶ τὸν ἔχοντα ταυτὸν τοῦτο κεκλημένον παρέξεται. Περὶ δὲ αὖ μέ-
folgen, wie sie uns führen; der eine ist die angebohrene Begierde nach dem Angenehmen, und der andere die erworbene Gesinnung, welche nach dem Besten strebt. Diese nun sind in uns bald einig, bald im Streite, und dann siegt bald diese, bald jene. Wenn nun jene Gesinnung die uns durch Vernunft zum Besten führt, uns regiert so heißt diese Regierung Sittlichkeit: wenn aber die Begierde, welche uns ohne Vernunft zum Angenehmen hinzieht in uns herrscht, so heißt diese Herrschaft Sinnlichkeit. Die Sinnlichkeit aber ist vielnamig, weil sie auch vieltheilig und vielgestaltet ist. Welche nun von diesen Unterarten zufällig die Oberhand gewinnt, die theilt dem, welchen sie so besitzt, ihren eigenen Namen mit, welcher weder schön noch wünschenswerth ist. So heißt zum Beispiel eine die Vernunft und andere Begierden besiegende Begierde nach dem Wolgeschmak der Speisen Schlemmerei, und wer sie an sich hat, wird mit demselben Namen genannt werden. Welchen Beinamen die Begierde nach dem
T 4 Gesinnung] danach hochgestellt Anm.Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 15 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5). Vgl. dazu Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 345, Notat 12 (Verweis auf Aristoteles, Rhetorik I 10); vgl. auch Spalte 3 zu W1 Anm. 11 10f Regierung] am Rand mit Einfügungszeichen statt Herrschaft 22 ist] danach hochgestellt Anm.-Ziffer 16 von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 22–26 So heißt zum Beispiel eine die Vernunft und andere Begierden besiegende Begierde nach dem Wolgeschmak der Speisen Schlemmerei] korr. aus Wenn zum Beispiel Vernunft und andere Begierden die Begierde nach dem Wolgeschmak der Speisen besiegt, so heißt diese Schlemmerei
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wie sie eben führen, eine eingebohrne Begierde nach dem Angenehmen und eine erworbene Gesinnung, welche nach dem Besten strebt. Diese beiden nun sind in uns bald übereinstimmend, zuweilen auch wieder veruneiniget, da denn jezt diese, dann wieder die andere siegt. Wenn nun die Gesinnung uns zum Besseren durch Vernunft führet und regieret, so heißt diese Regierung Besonnenheit; wenn aber die Begierde vernunftlos hinziehet zur Lust, und in uns herrscht, wird diese Herrschaft Wildheit genannt. Die Wildheit aber | ist vielnamig: denn sie ist vieltheilig und vielartig. Und die von diesen Arten zufällig den Vorzug gewinnende trägt ihren eignen Namen zur Benennung auf den der sie besizt hinüber, einen weder schönen noch wünschenswerthen. Denn eine auf den Wohlschmak der Speisen gerichtete Vernunft und andere Begierden besiegende Begierde heißt Schlemmerei, und wird auch dem sie hegenden dieselbe Bezeichnung zuziehen. Von der aber im Trunke gewaltigen und den
wie sie eben führen, eine eingebohrne Begierde nach dem Angenehmen und eine erworbene Gesinnung, welche nach dem Besten strebt. Diese beiden nun sind in uns bald übereinstimmend, zuweilen auch wieder veruneiniget, da denn jezt diese, dann wieder die andere siegt. Wenn nun die Gesinnung uns zum Besseren durch Vernunft führet und regieret, so heißt diese Regierung Besonnenheit; wenn aber die Begierde vernunftlos hinziehet zur Lust und in uns herrscht, wird diese Herrschaft Frevel genannt. Der Frevel aber ist vielnamig: denn er ist vieltheilig und vielartig. Und die von diesen Arten zufällig den Vorzug gewonnen trägt ihren eignen Namen zur Benennung auf den der sie besizt hinüber, einen weder schönen noch wünschenswerthen. Denn eine auf den Wohlschmak der Speisen gerichtete, die Vernunft und die anderen Begierden | besiegende Begierde heißt Schlemmerei, und wird auch dem sie hegenden dieselbe Bezeichnung zuziehen. Die aber auf den Trunk, wenn sie beherrscht
καὶ ἄγουσα, durch welche Worte eben jenes Allgemeine in das Begehrungsvermögen gesezt wird, allerdings ein Trieb. Eben so wird durch δόξα vornämlich das zum Grunde liegen eines Urtheils ausgedrückt. Uebereinstimmend hiemit erklärt diese Stelle Plutarchos Amat. II, 746. d. folgendermaßen τοῦ Πλάτωνος ἐν ἑκάστῳ δύο ἀπολείποντος πράξεων ἀρχάς. Vielleicht ist indeß die Wahl dieser Ausdrükke, so wie des ἐπίκτητος – Plutarchos citirt ἐπείσακτος – nach dem Standpunkte des Lysias zu erklären, aus welchem Sokrates diese Rede hält.
ἀπολείποντος πράξεων ἀρχάς; wonach man sagen konnte δύο ἰδέα ἄρχοντε καὶ ἄγοντε wäre soviel als δύο εἴδη τοῦ ἄρχοντος καὶ ἄγοντος. Vielleicht ist indeß die Wahl dieser Ausdrükke, so wie des ἐπίκτητος – Plutarchos citirt ἐπείσακτος – nach dem Standpunkte des Lysias zu erklären, aus welchem Sokrates diese Rede hält.
T Anm. 14 30 ἀπολείποντος] verdruckt ἀπολειποντος W2
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θας τυραννεύσασα, τὸν κεκτημένον ταύτῃ ἄγουσα, δῆλον οὗ τεύξεται προσρήματος· καὶ τἄλλα δὴ τὰ τούτων ἀδελφὰ καὶ ἀδελφῶν ἐπιθυμιῶν ὀνόματα, τῆς ἀεὶ δυναστευούσης, ᾗ προσήκει καλεῖσθαι, πρόδηλον. Ἧς δ᾽ ἕνεκα πάντα τὰ πρόσθεν εἴρηται, σχεδὸν μὲν ἤδη φανερόν, λεχθὲν δὲ ἢ μὴ λεχθὲν πάντως σαφέστερον. Ἡ γὰρ ἄνευ λόγου δόξης ἐπὶ τὸ ὀρθὸν ὁρμώσης κρατήσασα ἐπιθυμία, πρὸς ἡδονὴν ἀχθεῖσα κάλλους καὶ ὑπὸ αὖ τῶν ἑαυτῆς συγγενῶν ἐπιθυμιῶν ἐπὶ σωμάτων κάλλος, ἐρρωμένως ῥωσθεῖ-
Trunk, wenn sie die Gewalt an sich gerißen hat und den Besizer so führt, erlangen wird ist klar, und eben so ist in Ansehung der diesen verwandten Gegenstände und ihrer Begierden klar, mit welchem Namen eine jede, wenn sie die Oberhand hat, genannt werden wird. Um welcher willen aber dies alles gesagt ist, wird dir vielleicht auch schon einleuchten, jedoch ist es sicherer, wenn auch dies noch ausdrüklich gesagt wird, als wenn es nicht gesagt würde. Wenn nemlich die vernunftlose, jene nach dem Beßeren strebende Gesinnung beherrschende Begierde, auf die Lust an der Schönheit gerichtet wird und wiederum durch alle ihr verwandten Begierden nach der körperlichen Schönheit, und als sich mächtig verstärkt habend der herrschende Trieb gewor-
12–15 πρὸς ἡδονὴν ἀχθεῖσα κάλλους καὶ ὑπὸ αὖ τῶν ἑαυτῆς συγγενῶν ἐπιθυμιῶν ἐπὶ σωμάτων κάλλος] Heindorf Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt SN 154 W2 | πρὸς ἡδονὴν ἄγουσα κάλλους, καὶ ὑπὸ αὖ τῶν ἑαυτῆς συγγενῶν ἐπιθυμιῶν ἐπὶ σωμάτων κάλλος ἀχθεῖσα konj. Schleiermacher nach Dionysios von Halikarnass, Demosthenes Cap. 7 (bei Heindorf z. St., S. 224), übersetzt W1. Schleiermachers Konjektur datiert also zwischen dem eingesehenen Entwurf zur Heindorf-Edition und deren Druckfassung nach Schleiermachers hsl. Übersetzungsentwurf (SN 154). Sie ist in W1 übersetzt, in W2 im Lichte von Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 11 [24,7-9 ohne einschlägige Varianten], wieder verworfen (vgl. W2 Anm. 15 mit App. S); vgl. auch schon Ast: Phaedr. 1810, S. 256.
T 15 jene] davor und 17 an] über aus 21 und als] über der Zeile mit Einfügungszeichen 22–152,1 geworden ist] über wird
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Besizer dahin führenden ist klar, welchen Beinamen sie erhalten wird; und so auch die übrigen diesen verwandten, und verwandten Begierden zugehörigen Namen, wie jede, wenn sie die Herrschaft führt, zu bezeichnen ist, sind bekannt. Und um welcher willen das bisherige gesagt worden, ist wohl auch schon einleuchtend, auch dieses aber wird, ausdrüklich gesagt, deutlicher werden, als wenn es nicht gesagt würde. Nämlich die vernunftlose jene auf das Bessere bestrebte Gesinnung beherrschende zur Lust an der Schönheit hinführende, und wiederum von den ihr verwandten Begierden auf die Schönheit des Leibes hingeführte Begierde, wenn sie sich kräftig verstärkt hat, und der herrschende Trieb geworden ist,
den der sie hegt und ihn dahin führt, ist klar, welchen Beinamen sie erhalten wird; und so auch die übrigen diesen verwandten Begierden zugehörigen Namen, wie jeder, wenn sie die Herrschaft führt, zu heißen zukommt, sind bekannt. Und um welcher willen das bisherige gesagt worden, ist wohl auch schon einleuchtend, auch dieses aber wird, ausdrüklich gesagt, deutlicher werden, als wenn es nicht gesagt würde. Nämlich die vernunftlose jene auf das Bessere bestrebte Gesinnung beherrschende Begierde, zur Lust an der Schönheit geführt, und wiederum von den ihr verwandten Begierden auf die Schönheit der Leiber hingeführt, wenn sie sich kräftig verstärkt und den Sieg errungen hat in der Leitung15, erhält 15
Ich habe mich übrigens auf die eine Stelle bei Dionysius die Veränderung zu gründen, die man bei Heindorf in der Anmerkung findet, und welche vorher in die Uebersezung aufgenommen war, jezt um so mehr gescheut als auch die von Bekker verglichenen Handschriften keine Spur davon zeigen. Dagegen habe ich aus diesen die Leseart ἀγωγῇ aufgenommen, welche uns von dem lästigen doppelten Nominativ befreit.
T Anm. 15 ohne Lemma unmittelbar an Anm. 16 angeschlossen W2 | 29 ἀγωγῇ] verdruckt ἄγωγῇ W2 S Anm. 15 Schleiermacher rückt von seiner im Anschluß an Dionysios von Halikarnass, Demosthenes Cap. 7, gemachten Konjektur (vgl. Spalte 1 App.) im Lichte von Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 11 [24,7-9], wieder ab. Auch im Folgenden übersetzt er nach Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 11 [24,10], den von den meisten Hss. überlieferten Dativ ἀγωγῇ (vgl. Spalte 1 App. z. St.).
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σα, νικήσασα ἀγωγή, ἀπ᾽ αὐτῆς τῆς ῥώμης ἐπωνυμίαν λαβοῦσα, ἔρως ἐκλήθη. Ἀτάρ, ὦ φίλε Φαῖδρε, δοκῶ τι σοί, ὥσπερ ἐμαυτῷ, θεῖον πάθος πεπονθέναι;
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ΦΑΙ. Πάνυ μὲν οὖν, ὦ Σώκρατες, παρὰ τὸ εἰωθὸς εὔροιά τίς σε εἴληφε. ΣΩ. Σιγῇ τοίνυν μου ἄκουε. Τῷ ὄντι γὰρ θεῖος ἔοικεν ὁ τόπος εἶναι,
den ist: so bekommt sie von ihrem Gegenstande dem Leibe den Namen, und wird Liebe genannt. – Aber lieber Phaidros scheint es dir nicht auch wie mir, als ob etwas Göttliches über mich gekommen wäre? Ph. In der That, Sokrates, hat dich ein dir ganz ungewöhnlicher Fluß der Rede ergriffen. So. So höre mir nun ganz stille zu. Der Ort scheint in der That göttlich
1 ἀγωγή] Heindorf nach Dionysios von Halikarnass, Demosthenes Cap. 7 (vgl. Heindorf z. St., S. 223 f.), übersetzt SN 154 W1 | ἀγωγῇ Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 11 [24,10], übersetzt W2, vgl. W2 Anm. 15
T 3 genannt] danach hochgestellt Anm.Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 17 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) – Zum Inhalt der Anmerkung vgl. Spalte 3 W1 Anm. 12 mit App. S.
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erhält von ihrem Gegenstande, dem Leibe12, den Namen, und wird Liebe genannt. – Doch, lieber Phaedros, scheint auch dir, so wie mir, daß etwas Göttliches mich angewandelt?
von ihrem Gegenstande, dem Leibe16, den Namen, und wird Liebe genannt. – Jedoch lieber Phaidros, scheint auch dir, wie mir selbst, daß etwas Göttliches mich angewandelt?
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PH. Allerdings, o Sokrates, hat ein ganz ungewöhnlicher Fluß der Rede dich ergriffen. SOK. Still also, höre mich weiter. Denn in Wahrheit göttlich scheint
PH. Allerdings, o Sokrates, hat ein ganz ungewöhnlicher Fluß der Rede dich ergriffen. SOK. Still also höre mich weiter. Denn in Wahrheit göttlich scheint
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von ihrem Gegenstande dem L e i b e . In der Ursprache machen ἔρως und ῥώμη, Liebe und Stärke, das Wortspiel, um deswillen das vorige von der mächtigen Verstärkung allein da steht. Da es in demselben Sinne nicht wiedergegeben, unmöglich aber die Stelle leer gelassen werden konnte, so war wohl das Beste, einen Dichter der Unsrigen nachzuahmen. S. Gedichte von A. W. Schlegel, S. 205.
S Anm. 12 August Wilhelm Schlegel: Gedichte, Tübingen 1800 (am 11.4.1800 an Schleiermacher geschickt: KGA V/3, Nr. 841, 1-10; vgl. KGA V/4, Nr. 854, 76; Nr. 858, 26; Nr. 868, 42 ff. u. ö., lag also schon SN 154 zugrunde: vgl. Spalte 2), S. 205: „Deutung. Was ist die Liebe? Les’t es, zart geschrieben, / Im Laut des Worts: es ist ein innig Leben; / Und Leben ein im Leib gefesselt Streben, / Ein sinnlich Bild von ewig geist’gen Trieben. // Der Mensch nur liebt: doch ist sein erstes Lieben / Der Lieblichkeit des Leibes hingegeben. / Will sich, als Leibes Gast, der Geist erheben, / So wird von Willkühr die Begier vertrieben. // Doch unauflöslich Leib und Geist verweben / Ist das Geheimniß aller Lust und Liebe; / Leiblich und geistig wird sie Quell des Lebens. // Im Manne waltet die Gewalt des Strebens; / Des Weibes Füll’ umhüllet stille Triebe: / Wo Liebe lebt und labt, ist lieb das Leben.“ Wieder abgedruckt: Sämmtliche Werke. Hrsg. von Eduard Böcking, Bd. 1, Poetische Werke, 1. Theil, 3. Buch, Leipzig 1846, S. 355. – Die „treffliche Verwechselung des Wortspieles“ wird gelobt von Rez.Boeckh (1808), S. 103 = (1872), S. 22.
von ihrem Gegenstande dem L e i b e . In der Ursprache machen ἔρως und ῥώμη, Liebe und Stärke, das Wortspiel, um deswillen das vorige von der mächtigen Verstärkung allein da steht. Da es in demselben Sinne nicht wiedergegeben, unmöglich aber die Stelle leer gelassen werden konnte, so war wohl das Beste, einen Dichter der Unsrigen nachzuahmen. S. Gedichte von A. W. Schlegel, S. 205.
S Anm. 16 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 12.
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ὥστε, ἐὰν ἄρα πολλάκις νυμφόληπτος προϊόντος τοῦ λόγου γένωμαι, μὴ θαυμάσῃς. Τὰ νῦν γὰρ οὐκέτι πόρρω διθυράμβων φθέγγομαι.
zu sein, so daß du dich nur nicht wundern mußt, wenn ich mich im Verfolg der Rede, diesen Nymphen, welche mich begeistern ganz hingebe: ist doch was ich jezt rede beinah schon dithyrambisch.
ΦΑΙ. Ἀληθέστατα λέγεις. ΣΩ. Τούτων μέντοι σὺ αἴτιος. Ἀλλὰ τὰ λοιπὰ ἄκουε. Ἴσως γὰρ ἂν ἀποτράποιτο τὸ ἐπιόν. Ταῦτα μὲν οὖν θεῷ μελήσει· ἡμῖν δὲ πρὸς τὸν παῖδα πάλιν τῷ λόγῳ ἰτέον. Εἶεν, ὦ φέριστε. Ὃ μὲν δὴ τυγχάνει ὄν, περὶ οὗ βουλευτέον, εἴρηταί τε καὶ ὥρισται. Βλέποντες δὲ δὴ πρὸς αὐτὸ τὰ λοιπὰ λέγωμεν, τίς ὠφέλεια ἢ βλάβη ἀπό τε ἐρῶντος καὶ μὴ τῷ χαριζομένῳ ἐξ εἰκότος συμβήσεται. Τῷ μὲν
10f Εἶεν, ὦ φέριστε.] als Einwurf des Phaidros übersetzt SN 154
Ph. Ja wohl. So. Daran bist du mir Schuld. Aber höre das Uebrige, es möchte sonst mich wieder verlaßen, was über mich gekommen ist, doch dafür mag Gott sorgen, wir aber müßen mit unserer Rede wieder zu den Knaben zurükkehren. Ph. So thue, mein Bester. So. Was dasjenige ist, worüber wir berathschlagen, das ist | also festgesezt und bestimmt. In Beziehung hierauf laß uns nun das Uebrige erörtern, was für Vortheil oder Nachtheil nemlich von einem Liebenden oder Nichtliebenden derjenige, der ihnen willfährt wahrscheinlich ha-
T 5 ist doch] über denn 6 dithyrambisch] korr. aus Dithyramben , zuvor dithyrambisch 15 Bester] danach hochgestellt Anm.-Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 18 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 17 also] danach nun
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dieser Ort zu sein, so daß, wenn ich vielleicht mehr als einmal im Verfolg der Rede von den Nymphen ergriffen13 werde, du dich nur nicht wundern mögest. | Ist ja schon jezt was ich rede nicht fern von Dithyramben. PH. Sehr richtig bemerkt. SOK. Davon nun bist du Ursach. Doch höre das Uebrige, sonst möchte vielleicht verscheucht werden, was über mich kommt. Dafür nun mag Gott sorgen, wir aber müssen mit unserer Rede zu dem Knaben uns wenden. Gut denn, mein Theurer, was dasjenige ist, worüber wir berathschlagen, ist nun gesagt und bestimmt. In Beziehung hierauf also laß uns das übrige erörtern, welcher Vortheil oder Schaden von dem Liebenden oder Nichtliebenden dem, der ihnen willfahret, wahrscheinlich bevorstehe.
dieser Ort zu sein, so daß, wenn ich etwa gar im Verfolg der Rede von den Nymphen ergriffen17 werde, du dich nur nicht wundern mögest. Denn schon jezt bin ich nicht mehr gar fern von Dithyramben. PH. Sehr richtig bemerkt. SOK. Davon nun bist du Ursach. Doch höre das Uebrige, sonst möchte vielleicht verscheucht werden, was über mich gekommen. Dafür nun mag Gott sorgen, wir aber müssen mit unserer Rede uns wieder zu dem Knaben wenden. | Gut denn, mein Theurer, was dasjenige ist, worüber wir berathschlagen, ist nun gesagt und bestimmt. In Beziehung hierauf also laß uns das übrige erörtern, welcher Vortheil oder Schaden von dem Liebenden oder Nichtliebenden dem willfährigen wahrscheinlich bevorstehe.
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von den Nymphen ergriffen. Das Wort νυμφόληπτος bezeichnete einen gelinden Wahnsinn. Aber anstatt „vielleicht mehr als einmal“ lese man „vielleicht gar“: denn πολλάκις hat hier unstreitig dieselbe Bedeutung, wie z. B. Laches 179. b., 194. a., die auch bei andern Schriftstellern vorkommt. Sokrates weissagt nicht eine öftere Wiederholung dessen, was ihm jezt geschehen ist, sondern etwas noch stärkeres.
S 1f wenn ich vielleicht mehr als einmal] hergestellt von Spalding nach Heindorfs hsl. Note zur Druckvorlage: SN 183/5, f. 1r: „P. 238. ‚Wenn ich vielleicht gar‘ Warum denn nicht: m e h r a l s e i n m a l ? πολλακις für g a r ist mir unerhört.“ Dazu Spalding: „Hiernach habe ich geändert. [vermutlich nachträglich hinzugefügt:] [Freilich im Laches p. 179.b. εἰ δ᾽ ἄρα πολλάκις.“ Spaldings Änderung während des Druckes des Dialogs macht Schleiermacher in dem Zusatz zu Anm. 13 rückgängig.
von den Nymphen ergriffen. Das Wort νυμφόληπτος bezeichnete einen gelinden Wahnsinn.
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Erste Fassung (handschriftlich)
δὴ ὑπὸ ἐπιθυμίας ἀρχομένῳ δουλεύοντί τε ἡδονῇ ἀνάγκη που τὸν ἐρώμενον ὡς ἥδιστον ἑαυτῷ παρασκευάζειν. Νοσοῦντι δὲ πᾶν ἡδὺ τὸ μὴ ἀντιτεῖνον, κρεῖττον δὲ καὶ ἴσον ἐχθρόν. Οὔτε δὴ κρείττω οὔτε ἰσούμενον ἑκὼν ἐραστὴς παιδικὰ ἀνέξεται, ἥττω δὲ καὶ ὑποδεέστερον ἀεὶ ἀπεργάσεται. Ἥττων δὲ ἀμαθὴς σοφοῦ, δειλὸς ἀνδρείου, ἀδύνατος εἰπεῖν ῥητορικοῦ, βραδὺς ἀγχίνου. Τοσούτων κακῶν καὶ ἔτι πλειόνων κατὰ τὴν διάνοιαν ἐραστὴν ἐρωμένῳ ἀνάγκη γιγνομένων τε καὶ φύσει ἐνόντων τοῖς μὲν ἥδεσθαι, τὰ δὲ παρασκευάζειν, ἢ στέρεσθαι τοῦ παραυτίκα ἡδέος. Φθονερὸν δὴ ἀνάγκη εἶναι, καὶ πολλῶν μὲν ἄλλων συνουσιῶν ἀπείργοντα καὶ ὠφελίμων, ὅθεν ἂν μάλιστα ἀνὴρ γίγνοιτο, μεγάλης αἴτιον εἶναι βλάβης, μεγίστης δὲ τῆς, ὅθεν ἂν φρονιμώτατος εἴη. Τοῦτο δὲ ἡ θεία φιλοσοφία τυγχάνει ὄν, ἧς ἐραστὴν
ben wird. Nothwendig wird der, welcher von der Begierde beherrscht wird oder der Lust dient, seinen Geliebten in den Zustand zu bringen suchen müßen, worin er ihm selbst am meisten Lust gewährt. Einen Kranken aber erfreut alles, was ihm nicht entgegensteht was aber ihm gleich oder stärker ist, ist ihm zuwider. Weder beßer also noch sich selbst gleich wird ein Liebender seinen Geliebten haben mögen, sondern wird nur ihn schwächer und unvollkommen zu machen suchen. Schwächer aber ist der Unwissende als der Weise, der Feige als der Tapfere, der unberedte als der beredte, der von schwerfälligem als der von schnellem Verstande. So viele also und noch mehrere Uebel in der Seele des Geliebten muß der Liebhaber theils mit Freude wahrnehmen wenn sie schon von Natur in derselben vorhanden sind, theils zu bewirken suchen daß sie hineinkommen oder er wird sich folglich alles deßen, was ihm angenehm ist, beraubt sehn. Er muß also auch neidisch sein, und ihm, indem er ihn von vielen nüzlichen Verbindungen, durch welche etwas tüchtiges aus ihm werden könnte abhält, großen Schaden verursachen, den größten aber, indem er ihn von denjenigen abhält, durch die er am weisesten werden würde, dies nun ist die göttliche Philosophie, von welcher also ein
2f τὸν ἐρώμενον] τὸ ἐρώμενον Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 11 [25,10], übersetzt W2
T 3f seinen Geliebten] über denjenigen den er liebt 6 am] danach angenehmsten ist 6f Einen] über Den 7 erfreut] davor ist 12 Geliebten] danach hochgestellt Anm.Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 19 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 17 der unberedte als der beredte] am Rand mit Einfügungszeichen 19 So] davor Uebe
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Nothwendig nun wird der von der Begierde beherrschte und der Lust dienende den Geliebten aufs angenehmste für sich bearbeiten. Einem Kranken aber ist das nicht widerstrebende angenehm, das gleiche und stärkere aber verhaßt. Weder besser also noch ihm selbst gleich wird ein Liebhaber gern seinen Liebling haben mögen, sondern schwächer und unvollkommner als er wird er ihn zu machen suchen. Schwächer aber ist der Unverständige als der Weise, der Feige als der Tapfere, der Unberedte als der Rednerische, der Langsame als der Schnelldenkende. Solche also und noch andere dem Geistesvermögen des Geliebten erst entstehende oder von Natur schon einwohnende Uebel muß der Liebhaber im lezten Falle mit Freuden wahrnehmen, im ersteren selbst befördern oder sich des augenbliklich Angenehmen beraubt sehen. Neidisch muß er also sein, und schon durch Abhaltung von andern auch nüzlichen Verbindungen, durch welche am meisten ein Mann aus ihm werden könnte, ihm großen Schaden verursachen, den größten aber in Hin|sicht derjenigen, welche ihn im eigentlichen Sinn weise machen würde. Dies nun ist die göttliche Philosophie, von der
Nothwendig nun wird der von der Begierde beherrschte und der Lust dienende das Geliebte aufs angenehmste für sich zuzurichten suchen. Dem Kranken aber ist alles nicht widerstrebende angenehm, gleiches und stärkeres aber verhaßt. Weder besser also noch ihm selbst gleich wird ein Liebhaber gern seinen Liebling leiden mögen, sondern schwächer und unvollkommner wird er ihn immer machen. Schwächer aber ist der Unverständige als der Weise, der Feige als der Tapfere, der Unberedte als der Rednerische, der Langsame als der Schnelldenkende. Solche also und noch andere Uebel, wenn sie dem Gemüth des Geliebten entstehen oder von Natur einwohnen, müssen den Liebhaber erfreuen, theils auch muß er sie selbst befördern oder sich des augenbliklich Angenehmen beraubt sehen. Neidisch muß er also sein, und schon indem er ihn abhält von andern auch nüzlichen Verbindungen, durch welche am meisten ein Mann aus ihm werden könnte, ihm großen Schaden verursachen, den größten aber in Hinsicht derjenigen, welche ihn im eigentlichen Sinn weise machen würde. Dies nun ist die göttliche Weisheitsliebe, von
S 3 das Geliebte] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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παιδικὰ ἀνάγκη πόρρωθεν εἴργειν, περίφοβον ὄντα τοῦ καταφρονηθῆναι, τά τε ἄλλα μηχανᾶσθαι, ὅπως ἂν ᾖ πάντα ἀγνοῶν καὶ πάντα ἀποβλέπων εἰς τὸν ἐραστήν, οἷος ὢν τῷ μὲν ἥδιστος, ἑαυτῷ δὲ βλαβερώτατος εἴη. Τὰ μὲν οὖν κατὰ διάνοιαν ἐπίτροπός τε καὶ κοινωνὸς οὐδαμῆ λυσιτελὴς ἀνὴρ ἔχων ἔρωτα. Τὴν δὲ τοῦ σώματος ἕξιν τε καὶ θεραπείαν οἵαν τε καὶ ὡς θεραπεύσει οὗ ἂν γένηται κύριος, ὃς ἡδὺ πρὸ ἀγαθοῦ ἠνάγκασται διώκειν, δεῖ μετὰ ταῦτα ἰδεῖν. Ὀφθήσεται δέ τινα μαλθακὸν καὶ οὐ στερεὸν διώκων οὐδ᾽ ἐν ἡλίῳ καθαρῷ τεθραμμένον, ἀλλὰ ὑπὸ συμμιγεῖ σκιᾷ, πόνων μὲν ἀνδρείων καὶ ἱδρώτων ξηρῶν ἄπειρον, ἔμπειρον δὲ ἁπαλῆς καὶ ἀνάνδρου διαίτης, ἀλλοτρίοις τε χρώμασι καὶ κόσμοις χήτει οἰκείων
Liebender seinen Liebling nothwendig, so weit als möglich entfernt halten muß, aus Furcht sonst von ihm verachtet zu werden. So muß er auch übrigens alles anwenden, damit er in allen Dingen unwissend bleibe und überall nur auf den Liebling aber sehn müße, und ist er dann ein solcher geworden, so ist er zwar diesem sehr angenehm für sich selbst aber gänzlich verdorben. Was also die Seele betrift so ist für sie ein von der Liebe ergriffener niemals ein guter Aufseher oder Gesellschafter. Wie aber derjenige, welcher gezwungen ist das Angenehme statt des Guten zu verfolgen, den Körper dessen, über den er Gewalt hat, bilden und pflegen wird, das müßen wir jetzt noch sehen. Schon wirst du immer wahrnehmen, daß er sich einen weichlichen aufsucht und nicht einen starken, nicht einen in reinem Sonnenschein, sondern einen in dumpfg⌈em⌋ Schatten aufgewachsenen, unbekannt mit männlichen Arbeiten und mühvollem Schmerz, dagegen gewöhnt an eine üppige und unmännliche Lebensart, geschmükt aus Mangel an eigenen mit fremden Farben und Verzierun-
T 6 er] danach dann 7 bleibe] über sei 23 starken] korr. aus Starken
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also der Liebhaber den Liebling gewiß, aus Furcht ihm verächtlich zu werden, weit entfernt halten, und auch übrigens alles anwenden wird, damit er in allen Dingen unwissend und in allem auf den Liebhaber zu sehen genöthiget bleibe, in welchem Zustande er dann diesem zwar am meisten zur Lust, sich selbst aber eben so sehr zum Schaden gereichen wird. Für die Seele also ist in keiner Hinsicht ein heilsamer Aufseher oder Gefährte der Mann, den Liebe ergriffen.14 Wie aber des Körpers, dessen er Herr geworden ist, Bildung und Pflege, und was für eine derjenige besorgen wird, welcher dem Angenehmen statt des Guten genöthigt ist nachzustreben, das müssen wir hiernächst sehen. Es wird sich aber zeigen, daß er einen weichlichen und nicht einen harten aufsucht, nicht der im reinen Sonnenschein aufgewachsen ist, sondern im dumpfigen Schatten, an männliche Arbeiten und anstrengende Leibesübungen nicht gewöhnt, gewöhnt aber an eine zärtliche und unmännliche Lebensart, mit fremden Farben und Verzierungen aus Mangel an eigenen geziert,
der also der Liebhaber den Liebling gewiß, aus Furcht ihm verächtlich zu werden, weit entfernt halten, und auch übrigens alles anwenden wird, damit er unwissend in allen Dingen und in allem auf den Liebhaber zu sehen genöthiget, ein solcher sei, wie er ihm zwar am meisten zur Lust, sich | selbst aber eben so sehr zum Schaden gereicht. Für die Seele also ist in keiner Hinsicht ein heilsamer Aufseher oder Gefährte der Mann, der Liebe hegt. Wie aber des Körpers, dessen er Herr geworden ist, Bildung und Pflege und was für eine derjenige besorgen wird, welcher dem Angenehmen statt des Guten gezwungen ist nachzustreben, das müssen wir hiernächst sehen. Es wird sich aber zeigen, daß er einen weichlichen und nicht einen harten aufsucht, nicht der im reinen Sonnenschein aufgewachsen ist, sondern im dumpfigen Schatten, männlicher Arbeiten und anstrengender Leibesübungen ungewohnt, gewöhnt aber an eine zärtliche und unmännl i che Lebensart , mi t fremden Farben und Verzierungen aus Mangel an eigenen geziert,
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Der Mann, den Liebe ergriff e n . ἀνὴρ ἔχων ἔρωτα mag wohl aus einem Dichter hergenommen sein.
S 25–29 an männliche ... Lebensart] Übersetzung gelobt von Rez.Anon., in: Neue Leipziger Literaturzeitung 90. Stück, 1806, Sp. 1428 f. S Anm. 14 Trotz des iambischen Metrums als Zitat nicht nachweisbar; bereits von Rez.Boeckh (1808), S. 102 = (1872), S. 21, als prosaisch erkannt, vgl. Rez.Ast (1808), S. 134; Ast: Phaedr. 1810, S. 262.
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κοσμούμενον, ὅσα τε ἄλλα τούτοις ἕπεται, πάντα ἐπιτηδεύοντα. Ἃ δῆλα, καὶ οὐκ ἄξιον περαιτέρω προβαίνειν, ἀλλὰ ἓν κεφάλαιον ὁρισαμένους ἐπ᾽ ἄλλο ἰέναι· τὸ γὰρ τοιοῦτον σῶμα ἐν πολέμῳ τε καὶ ἄλλαις χρείαις, ὅσαι μεγάλαι, οἱ μὲν ἐχθροὶ θαρροῦσιν, οἱ δὲ φίλοι καὶ αὐτοὶ οἱ ἐρασταὶ φοβοῦνται. Τοῦτο μὲν οὖν, ὡς δῆλον, ἐατέον· τὸ δὲ ἐφεξῆς ῥητέον, τίνα ἡμῖν ὠφέλειαν ἢ τίνα βλάβην περὶ τὴν κτῆσιν ἡ τοῦ ἐρῶντος ὁμιλία τε καὶ ἐπιτροπία παρέξεται. Σαφὲς δὴ τοῦτό γε παντὶ μέν, μάλιστα δὲ τῷ ἐραστῇ, ὅτι τῶν φιλτάτων τε καὶ εὐνουστάτων καὶ θειοτάτων κτημάτων ὀρφανὸν πρὸ παντὸς εὔξαιτ᾽ ἂν εἶναι τὸν ἐρώμενον. Πατρὸς γὰρ καὶ μητρὸς καὶ ξυγγενῶν καὶ φίλων στέρεσθαι ἂν αὐτὸν δέξαιτο, διακωλυτὰς καὶ ἐπιτιμητὰς ἡγούμενος τῆς ἡδίστης πρὸς αὐτὸν ὁμιλίας. Ἀλλὰ μὴν οὐσίαν γε ἔχοντα χρυσοῦ ἤ τινος ἄλλης κτήσεως οὔτε εὐάλωτον ὁμοίως, οὔτε ἁλόντα εὐμεταχείριστον ἡγήσεται. Ἐξ ὧν πᾶσα ἀνάγκη ἐραστὴν παιδικοῖς φθονεῖν μὲν οὐσίαν κεκτημένοις, ἀπολλυμένης δὲ χαίρειν. Ἔτι τοίνυν ἄγαμον, ἄπαιδα,
gen, und zu allen Stüken so labend, wie es hieraus folgt, welches bekannt genug ist, und nicht weiter ausgeführt sondern nur in Kürzung nahmhaft gemacht werden darf, damit wir weiter gehen können. Im Krieg zum Beispiel und in jeder andern dringenden Noth würde einer der seinem Körper nach so beschaffen ist die Feinde mit Muth die Freunde hingegen und die Liebhaber mit Be|sorgniß erfüllen. Dieses werden wir als bekannt übergehen und nur das Folgende betrachten, welchen Nuzen nemlich oder Schaden der äußern Güter der Umgang mit dem Liebenden und seiner Aufsicht bringen wird. Hier ist nun einem Jeden und gewiß am meisten dem Liebhaber selbst dieses klar, daß er seinen Geliebten grade der theuersten wohlthuendsten und göttlichsten unter allen menschlichen Gütern am liebsten beraubt sehn möchte. Denn Vater und Mutter, Verwandte und Freunde, möchte er ihm entreißen, weil er sie ansieht als solche, welche denjenigen Umgang mit ihm verhindern und tadeln, der ihm selbst der süßeste ist. Aber auch einen solchen der Geld oder Besizungen im Ueberfluß hat, hält er nicht für so leicht zu fangen, noch nachdem er gefangen ist für so leicht zu handhaben, woraus dann nothwendig folgt, daß der Liebhaber es seinem Lieblinge mißgönnt wenn er reich, und sich freut, wenn er arm wird. Ueberdies aber wünscht er ihn
T 2 wie] korr. aus so 4 nur] danach sondern | in] korr. aus ⌈nur⌋ 6 können] über mögen 10 Feinde] über Freunde | Muth] danach erfüllen 11 hingegen] davor aber 28 denjenigen] über den 31f Besizungen] davor andere
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und was sonst hiemit zusammenhängt, des alles sich befleißigend. Welches bekannt ist, und nicht nöthig weiter hineinzugehen, sondern wenn wir ein Hauptstük nur herausgehoben, wollen wir uns zu etwas anderem wenden. Mit einem solchen Körper nämlich wird einer im Kriege wie in andern dringenden Nöthen den Feinden wohl Muth, den Freunden aber und den Liebhabern selbst Besorgniß einflößen. Dieses also wollen wir als bekannt vorbeigehen, und das folgende darthun, welchen Vortheil oder Scha-| den für das Besizthum uns des Liebenden Umgang und Vormundschaft anrichten wird. Einleuchtend nun ist hier dies wohl Jedem, und am meisten dem Liebhaber, daß er eben von den liebsten, wohlthuendsten und göttlichsten unter allen Besizthümern vor allen den Geliebten verwaiset zu sehen wünscht. Denn Vater und Mutter, Verwandte und Freunde sähe er ihm gern entrissen, da er sie für Störer und Tadler eben des angenehmsten Umganges mit ihm ansieht. Aber auch den Vermögenden an Gold oder anderem Eigenthum kann er nicht für eben so leicht zu erobern achten, noch wenn dies geschehen, für leicht zu handhaben. Weshalb denn nothwendig der Liebhaber dem Liebling es mißgönnt, wenn er Reichthum besizt, wenn er ihn aber verliert, sich erfreut. Ferner auch ehelos, kinderlos,
und was sonst hiemit zusammenhängt, des alles sich befleißigend. Welches bekannt ist, und nicht nöthig weiter hineinzugehen, sondern eins im allgemeinen aufgestellt, wollen wir uns zu anderem wenden. Mit einem solchen Körper nämlich wird einer im Kriege wie in andern dringenden Nöthen den Feinden wohl Muth, den Freunden aber und den Liebhabern selbst Besorgniß einflößen. Dieses also wollen wir als bekannt vorbeigehen, und das folgende darthun, welchen Vortheil oder Schaden für das Besizthum uns des Liebenden Umgang und Vormundschaft anrichten wird. Einleuchtend nun ist hier dies wohl Jedem, und am meisten dem Liebhaber, daß er eben von den liebsten, wohlthuendsten und göttlichsten unter allen Besizthümern den Geliebten verwaiset zu sehen vor allen wünscht. Denn Vater und Mutter, Verwandte und Freunde sähe er ihm gern entrissen, da er sie für Störer und Tadler eben des angenehmsten Umganges mit ihm ansieht. Aber | auch den Vermögenden an Gold oder anderem Eigenthum kann er nicht für eben so leicht zu erobern achten, noch wenn dies geschehen, für leicht zu handhaben. Weshalb denn nothwendig der Liebhaber dem Liebling es mißgönnt, wenn er Vermögen besizt, geht es aber verloren sich erfreut. Ferner auch ehelos, kinderlos,
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Phaidros Ed. Heindorf
Erste Fassung (handschriftlich)
ἄοικον ὅτι πλεῖστον χρόνον παιδικὰ ἐραστὴς εὔξαιτο ἂν γενέσθαι, τὸ αὑτοῦ γλυκὺ ὡς πλεῖστον χρόνον καρποῦσθαι ἐπιθυμῶν. Ἔστι μὲν δὴ καὶ ἄλλα κακά, ἀλλά τις ἔμιξε δαίμων τοῖς πλείστοις ἐν τῷ παραυτίκα ἡδονήν· οἷον κόλακι, δεινῷ θηρίῳ καὶ βλάβῃ μεγάλῃ, ὅμως ἐπέμιξεν ἡ φύσις ἡδονήν τινα οὐκ ἄμουσον. Καί τις ἑταίραν ὡς βλαβερὸν ψέξειεν ἄν καὶ ἄλλα πολλὰ τῶν τοιουτοτρόπων θρεμμάτων τε καὶ ἐπιτηδευμάτων, οἷς τόγε καθ᾽ ἡμέραν ἡδίστοισιν εἶναι ὑπάρχει· παιδικοῖς δὲ ἐραστὴς πρὸς τῷ βλαβερῷ καὶ εἰς τὸ συνημερεύειν πάντων ἀηδέστατον. Ἥλικα γὰρ καὶ ὁ παλαιὸς λόγος τέρπειν τὸν ἥλικα. Ἡ γάρ, οἶμαι, χρόνων ἰσότης, ἐπὶ ἴσας ἡδονὰς ἄγουσα, δι᾽ ὁμοιότητα φιλίαν παρέχεται. Ἀλλ᾽ ὅμως κόρον γε καὶ ἡ τούτων συνουσία ἔχει. Καὶ μὴν τόγε ἀναγκαῖον αὖ βαρὺ παντὶ
recht lange unverehelicht, kinderlos und ohne eigenen Herd zu bleiben, damit er selbst, was ihm angenehm ist, desto länger genießen möge. Freilich wol giebt es noch andere verderbliche Verbindungen aber den meisten hat doch das Geschik wenigstens eine gewiße unmittelbare und augenblikliche Annehmlichkeit beigegeben. So gewährt ein Schmeichler, allerdings ein furchtbares Thier und großes Uebel dennoch ein gewißes nicht augenblikliches Vergnügen, auch eine käufliche Freundin könnte man als ein großes Verderben tadeln, und mehr solcher Umgebungen und Liebhabereien, aber diese pflegen doch alle von einem Tage zum andern gar angenehm zu sein: ein Liebhaber aber ist dem Liebling außer dem, daß er ihm zum Verderben gereicht, auch noch als täglicher Gesellschafter höchst unangenehm. Denn gleich und gleich, so sagt schon der alte Spruch, vergnügt einander, indem nemlich, so denke ich mirs, die Gleichheit der Jahre zu denselben Vergnügungen hinführt, erzeugt sich aus dieser Geselligkeit eine Freundschaft; und dennoch kann auch unter solchen Menschen das Beieinandersein bis zum Ueberdruß getrieben werden. Aber das Erzwungene ist Jedem in allen Dingen lästig, und
T 8 wenigstens] danach für den Augenblik 8f unmittelbare und augenblikliche] über der Zeile mit Einfügungszeichen 14 Vergnügen] danach Komma ergänzt durch Bearb. | am ZE und ohne Interpunktion SN 154 19 von einem Tage zum andern gar] korr. aus einen Tag und den andern gar über auf eine Zeitlang wenigstens
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heerdlos muß so lange als möglich den Liebling der Liebhaber zu sehen wünschen, die ihm süße Frucht aufs längste zu genießen sich sehnend. Es giebt freilich noch anderes verderbliche, aber es hat doch ein Dämon dem meisten eine unmittelbare Lust beigemischt; wie dem Schmeichler, einem furchtbaren Thiere und großem Uebel, hat doch die Natur dies beigegeben, daß er ein nicht ungebildetes Vergnügen gewährt. Auch eine Hetäre könnte einer als verderblich tadeln, und was man sich sonst dergleichen hegt und pflegt, wobei aber doch immer sich findet, daß es für den Augenblik sehr angenehm ist; dem Liebling aber ist der Liebhaber nächst dem verderblichen auch noch im täglichen Umgang höchst unerfreulich. Denn gleich und gleich an Jahren, sagt schon der alte Spruch, erfreut einander, weil, glaube ich, die Gleichheit des Alters zu gleichen Vergnügungen hinführend durch diese Aehnlichkeit Freund|schaft erzeugt. Und dennoch giebt es einen Ueberdruß auch in dem Umgange von solchen. Aber Gezwungenes, sagt man, ist gewiß allen lästig in
heerdlos muß so lange als möglich den Liebling der Liebhaber zu sehen wünschen, die ihm süße Frucht aufs längste zu genießen sich sehnend. Es giebt freilich noch anderes verderbliche, aber doch hat ein Dämon mit dem meisten eine unmittelbare Lust gemischt; wie dem Schmeichler, einem furchtbaren Thiere und großem Uebel, hat doch die Natur ein nicht ungebildetes Vergnügen beigemischt. Auch eine Hetäre könnte einer als verderblich tadeln, und was man sich sonst dergleichen hegt und pflegt, wobei aber doch immer sich findet, daß es für den Augenblik sehr angenehm ist; dem Liebling aber ist der Liebhaber nächst dem verderblichen auch noch im täglichen Umgang höchst unerfreulich. Denn gleich und gleich an Jahren, sagt schon der alte Spruch, erfreut einander, weil, glaube ich, die Gleichheit des Alters zu gleichen Vergnügungen hinführend durch diese Aehnlichkeit Freundschaft hervorbringt. Und dennoch giebt es Ueberdruß auch in dem Umgange von solchen. Aber das Gezwungene, sagt man, ist gewiß allen lästig, in
S 22f Heindorfs hsl. Note zur Druckvorlage: SN 183/5, f. 1r: „P. 240. Den Vers vom Euenus habe ich auch ehedem aus dem Aristot. beigeschrieben. Aber solche Citationen müßten uns Philologen heutigestages nicht in den Sinn kommen. Kurz vorher hätte ich noch ῾Ηλικα γαρ και δη in den Text schreiben sollen. Das fodert die Sprache und vid. not.“ Dazu Spalding: „Gewaltig vornehm, mag aber wol recht sein.“ Als Zitate des archaischen Elegikers Euenos kommen fr. 8 und 9 West aus Aristoteles, Metaphysica 4,5 p. 1015a28 und Ethica Nicomachea 7,10 p. 1152a30 in Frage (zum Sinn des Gesamtabschnittes). Zum Weiteren vgl. Heindorf z. St. (S. 230).
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περὶ πᾶν λέγεται, ὃ δὴ πρὸς τῇ ἀνομοιότητι μάλιστα ἐραστὴς πρὸς παιδικὰ ἔχει. Νεωτέρῳ γὰρ πρεσβύτερος συνὼν οὔθ᾽ ἡμέρας οὔτε νυκτὸς ἀπολείπεται ἑκών, ἀλλ᾽ ὑπ᾽ ἀνάγκης τε καὶ οἴστρου ἐλαύνεται, ὃς ἐκείνῳ μὲν ἡδονὰς ἀεὶ διδοὺς ἄγει, ὁρῶντι, ἀκούοντι, ἁπτομένῳ, καὶ πᾶσαν αἴσθησιν αἰσθανομένῳ τοῦ ἐρωμένου, ὥστε μεθ᾽ ἡδονῆς ἀραρότως αὐτῷ ὑπηρετεῖν· τῷ δὲ δὴ ἐρωμένῳ ποῖον παραμύθιον ἢ τίνας ἡδονὰς διδοὺς ποιήσει τὸν ἴσον χρόνον συνόντι μὴ οὐχὶ ἐπ᾽ ἔσχατον ἐλθεῖν ἀηδίας, ὁρῶντι μὲν ὄψιν πρεσβυτέραν καὶ οὐκ ἐν ὥρᾳ, ἑπομένων δὲ τῶν ἄλλων ταύτῃ, ἃ καὶ λόγῳ ἔστιν ἀκούειν οὐκ ἐπιτερπές, μὴ ὅτι δὴ ἔργῳ, ἀνάγκης ἀεὶ προσκειμένης μεταχειρίζεσθαι, φυλακάς τε δὴ καχυπόπτους φυ-
dies findet sich noch neben der Unähnlichkeit in dem Umgange des Liebhabers mit seinem Lieblinge. Denn, obgleich um so vieles älter, möchte er doch den Jüngeren mit seinem guten Willen weder bei Tage noch bei Nacht verlaßen, sondern wird von seinem innern Drang und leidenschaftlicher Wuth getrieben, welche zwar ihm selbst immer Vergnügen verschafft indem er den Geliebten sieht, hört, berührt, oder mit allen Sinnen genießt, so daß er freilich mit Lust immer und überall an ihm hängt, und ihm zu Diensten ist, aber was für Annehmlichkeiten oder | Entschädigungen werden dann dem Liebling dafür, daß er jenen eben so immer um sich dulden muß? Wie sollte es auf diese Art anders möglich sein, als daß er den unüberwindlichsten Widerwillen faßen muß gegen denjenigen, der ihm auf der einen Seite nur den Anblik einer alternden nicht mehr blühenden Gestalt gewährt, und was alles hieraus von selbst folgt, wovon schon die Beschreibung dem Ohr unangenehm ist geschweige denn die Gegenwart selbst und die Nothwendigkeit sich immer damit zu befassen, der ihn ferner gegen alle auf die argwöh-
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allen Dingen, und dieses noch außer der Unähnlichkeit findet sich ganz besonders in dem Umgange des Liebhabers mit dem Liebling. Denn den so viel jüngeren will der Aeltere weder Tag noch Nacht gutwillig verlassen, so wird er von innerem Drang und Verlangen getrieben, welches jenem zwar immer Vergnügen gewährt, indem er den Geliebten sieht, hört und mit allen Sinnen genießt, so daß er ihm mit Lust unaufhörlich anklebend dienet: welchen Trost aber oder welche Lust gewährt es dem Geliebten, um zu verhindern, daß dieser nicht, wenn er ihn so lange Zeit um sich hat, den äußersten Widerwillen fasse, indem er eine alternde nicht mehr blühende Gestalt vor Augen hat und was hiemit sonst zusammenhängt, wovon schon die Beschreibung zu hören dem Ohre nicht erfreulich ist, vielweniger sich unaufhörlich gezwungen damit selbst zu befassen; indem er ferner
allen Dingen, und dieses noch außer der Unähnlichkeit findet sich ganz besonders in dem Umgange des Liebhabers mit dem Liebling. Denn den so viel jüngeren will der Aeltere weder Tag noch Nacht gern verlassen, so wird er vom inneren Ungestüm und Stachel getrieben, welches ihm zwar immer Vergnügen gewährt, indem er den | Geliebten sieht, hört und mit allen Sinnen genießt, so daß er ihm mit Lust unaufhörlich anklebend dienet: welchen Trost aber oder welche Lust gewährt es dem Geliebten, um zu verhindern, daß er nicht, wenn er jenen so lange Zeit um sich hat, den äußersten Widerwillen fasse, indem er eine alternde nicht mehr blühende Gestalt vor Augen hat, und was hiemit sonst zusammenhängt, was schon in der Erzählung zu hören dem Ohre nicht erfreulich ist, vielweniger in der Wirklichkeit, wenn man unaufhörlich gezwungen ist sich damit selbst zu befassen; indem er ferner mit argwöhnischer
S 12f mit Lust unaufhörlich anklebend] kritisiert von Rez.Ast (1808), S. 130 f.; nicht verändert in W2
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λαττομένῳ διὰ παντὸς καὶ πρὸς ἅπαντας, ἀκαίρους τε ἐπαίνους καὶ ὑπερβάλλοντας ἀκούοντι, ὡς δ᾽ αὕτως ψόγους, νήφοντος μὲν οὐκ ἀνεκτούς, εἰς δὲ μέθην ἰόντος πρὸς τῷ μὴ ἀνεκτῷ ἐπ᾽ αἴσχει, παρρησίᾳ κατακορεῖ καὶ ἀναπεπταμένῃ χρωμένου. Καὶ ἐρῶν μὲν βλαβερός τε καὶ ἀηδής· λήξας δὲ τοῦ ἔρωτος εἰς τὸν ἔπειτα χρόνον ἄπιστος, εἰς ὃν πολλὰ καὶ μετὰ πολλῶν ὅρκων τε καὶ δεήσεων ὑπισχνούμενος μόγις κατεῖχε τήν γ᾽ ἐν τῷ τότε ξυνουσίαν ἐπίπονον οὖσαν φέρειν δι᾽ ἐλπίδα ἀγαθῶν. Τότε δὴ δέον ἐκτίνειν, μεταβαλὼν ἄλλον ἄρχοντα καὶ προστάτην ἐν ἑαυτῷ, νοῦν καὶ σωφροσύνην ἀντ᾽ ἔρωτος καὶ μανίας,
nischste Weise hütet, der ihm Lob und Tadel unzeitig und übertrieben zu hören giebt, beides unerträglich auch wenn er nüchtern ist, hat er aber erst des Trunks gepflegt außer dem unerträglichen auch noch niederträchtig wenn er mit ekelhafter Dreistigkeit grade heraus redet. So lang er liebt ist er also schädlich und unangenehm, hört er aber auf zu lieben so ist er für die übrige Zeit demjenigen wortbrüchig den er kaum durch viele Versprechungen und Schwüre halten konnte daß er um der Vortheile willen, wozu er ihm Hofnung machte, seinen lästigen Umgang ertrug. Dann, wenn er sein Wort lösen soll, ist er, ohne daß sein Liebling es gemerkt hat, ein Anderer geworden, indem er statt des Wahnsinns und der Liebe die Ver-
T 1–3 Lob und Tadel unzeitig und übertrieben zu hören giebt] korr. aus zu hören giebt unzeitig es und übertrieben es Lob und Tadel 6f niederträchtig] nachträglich am Rand, zuvor schändlich und darüber ungesittet 12 wortbrüchig] davor untreu 13 kaum] über nur 14 Schwüre halten] davor Bitten überreden 14–17 daß er … ertrug] daß er über der Zeile mit Einfügungszeichen und ertrug korr. aus zu ertrag en
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mit argwöhnischer Wachsamkeit bewacht wird überall und gegen alle, und unzeitiges überschwengliches Lob anhören muß, und eben so auch Tadel, schon von dem Nüchternen unerträglichen, ganz unanständigen aber noch überdies von dem Berauschten, mit übersatter unverhüllter Dreistigkeit redenden. Indem er liebt also, ist er ihm verderblich sowohl als widerlich; hat aber die Liebe aufgehört, so ist er ihm für die künftige Zeit treulos, für welche er eben so vieles mit vielen Schwüren und Bitten verheißend ihn vormals kaum hielt, daß er den unangenehmen Umgang ertrug in Hoffnung des Vortheils. Dann also, wann er erfüllen soll, hat er schon einen andern Herrn und | Führer in sich aufgenommen, Verstand und Besonnenheit anstatt der Liebe und des Wahnsinns, und
Wachsamkeit bewacht wird überall und gegen alle, und unzeitiges überschwengliches Lob anhören muß, und eben so auch Tadel, schon von dem Nüchternen unerträglichen, ganz unanständigen aber noch überdies von dem Berauschten, mit übersatter unverhüllter Dreistigkeit redenden. Indem er liebt also, ist er ihm verderblich sowohl als widerlich; hat aber die Liebe aufgehört, so ist er ihm für die künftige Zeit treulos, für welche er eben so vieles mit vielen Schwüren und Bitten verheißend ihn vormals kaum festhielt, daß er den unangenehmen Umgang ertrug in Hoffnung des Vortheils. Dann also, wann er erfüllen soll, hat er schon einen andern Herrn und Führer in sich aufgenommen, Verstand und Besonnenheit anstatt der Liebe und des Wahn-
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ἄλλος γεγονὼς λέληθε τὰ παιδικά. Καὶ ὁ μὲν αὐτὸν χάριν ἀπαιτεῖ τῶν τότε, ὑπομιμνῄσκων τὰ πραχθέντα καὶ λεχθέντα, ὡς τῷ αὐτῷ διαλεγόμενος· ὁ δὲ ὑπὸ αἰσχύνης οὔτε εἰπεῖν τολμᾷ, ὅτι ἄλλος γέγονεν, οὔθ᾽, ὅπως τὰ τῆς προτέρας ἀνοήτου ἀρχῆς ὁρκωμόσιά τε καὶ ὑποσχέσεις ἐμπεδώσει, ἔχει, νοῦν ἤδη ἐσχηκὼς καὶ σεσωφρονηκώς, ἵνα μὴ πράττων ταυτὰ τῷ πρόσθεν ὅμοιός τε ἐκείνῳ καὶ ὁ αὐτὸς πάλιν γένηται. Φυγὰς δὴ γίγνεται ἐκ τούτων καὶ ἀπεστερηκὼς ὑπ᾽ ἀνάγκης ὁ πρὶν ἐραστής, ὀστράκου μεταπεσόντος, ἴεται φυγῇ μεταβαλών· Ὁ δὲ ἀναγκάζεται διώκειν ἀγανακτῶν καὶ ἐπιθεάζων, ἠγνοηκὼς τὸ ἅπαν ἐξ ἀρχῆς, ὅτι οὐκ ἄρα
nunft und die Nüchternheit zu seinem Führer angenommen hat. Jener fordert dann den Dank für das damals Genoßene indem er alles was zwischen ihnen vorgegangen und abgeredet worden, als ob er noch mit demselben Menschen zu thun hätte ihm in Erinnerung bringt. Er aber wagt weder, denn er schämt sich dessen, zu sagen daß er ein Anderer geworden ist, noch auch weiß er, wie er jene Schwüre und Versprechungen aus der Zeit der Herrschaft des Unverstandes nun, da er Verstand und Besonnenheit gefunden hat, erfüllen soll, ohne, wenn er wieder wie ehedem handelte auch seinem vorigen Ich ähnlich und wieder der Alte zu werden. Ein Ausreißer wird daher der ehemalige Liebhaber und nachdem er seine Liebe wie man eine Hand umdreht abgelegt hat, begiebt er sich so verwandelt auf die Flucht. Der Liebling aber kann nicht anders als ihm nachlaufen zornig und in Verwünschungen ausbrechend weil er nemlich von Anfang an die Sache nicht |
3 ὑπομιμνῄσκων] verdruckt ὑπομιμνήσκων Heindorf
T 10 dessen] über der Zeile mit Einfügungszeichen 13 der Herrschaft] am Rand mit Einfügungszeichen 18 seinem vorigen Ich] über der damaligen Zeit 23 hat] danach hochgestellt Anm.-Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 20 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5)
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ist ein Anderer geworden seinem Liebling unbemerkt. Dieser also fordert den Dank für das damalige, indem er das vorgegangene und verabredete ihm in Erinnerung bringt, als ob er noch mit demselben Menschen redete. Jener aber will aus Scham nicht wagen zu gestehen, daß er ein anderer geworden, noch auch weiß er, wie er die Schwüre und Versprechungen aus der damaligen unverständigen Zeit, nun er Verstand und Besonnenheit gefunden hat, erfüllen kann, ohne, wenn er eben wie der ehemalige handelt, ihm auch ähnlich und wieder derselbe zu werden. Ein Ausreißer wird also nun der ehemalige Liebhaber, und begiebt sich, nun die Scherbe anders gefallen ist,15 seiner Seits auf die Flucht. Der andere aber muß ihm nachsezen, unwillig und in Verwünschungen ausbrechend, weil er die ganze Sache von Anbeginn nicht
sinns, und ist ein Anderer geworden seinem Liebling unbemerkt. Dieser also fordert den Dank für das damalige, indem er ihm Wort und That in Erinnerung bringt, als ob er noch mit demselben Menschen redete. Jener aber will aus Scham nicht wagen zu gestehen, daß er ein anderer geworden, noch auch weiß er, wie er die Schwüre und Verspre|chungen aus der damaligen unverständigen Zeit, nun er zu Verstande gekommen ist und sich besonnen hat, erfüllen kann, ohne, wenn er eben wie der ehemalige handelt, ihm auch ähnlich und wieder derselbe zu werden. Ein Ausreißer wird er also nun, und nothgedrungen entsagend begiebt sich der ehemalige Liebhaber, nun die Scherbe anders gefallen ist,18 seiner Seits auf die Flucht. Der andere aber muß ihm nachsezen, unwillig und in Verwünschungen ausbrechend, weil er die ganze Sache von Anbeginn nicht
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Nun die Scherbe anders gef a l l e n i s t . Eine von einem Kinderspiel hergenommene Redensart. Die Knaben theilten sich in zwei gleiche Haufen einander gegenüber, und zwischen beiden saß einer mit einer oben weiß und unten schwarz gefärbten Scherbe. Diese warf er, und je nachdem | die weiße Seite oben lag oder die schwarze, mußte der Haufe gegen Morgen oder der gegen Abend auf den anderen Jagd machen. Daher nach Suidas und dem Scholiasten die Redensart von plözlichem Entschluß, aber wohl nicht bloß zur Flucht, gebraucht wird. Auch läßt sich denken, sie gehe mehr auf schnelle und zufällig scheinende Veränderung des Entschlusses.
S Anm. 15 Suda ο 719 Adler; Scholion z. St. S. 59 Ruhnken (= S. 77 Greene; S. 129 Cufalo) bei Heindorf z. St. (S. 232 f.).
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Nun die Scherbe anders gef a l l e n i s t . Eine von einem Kinderspiel hergenommene Redensart. Die Knaben theilten sich in zwei gleiche Haufen einander gegenüber, und zwischen beiden saß einer mit einer oben weiß und unten schwarz gefärbten Scherbe. Diese warf er, und je | nachdem die weiße Seite oben lag oder die schwarze, mußte der Haufe gegen Morgen oder der gegen Abend auf den anderen Jagd machen. Daher nach Suidas und dem Scholiasten die Redensart von plözlichem Entschluß, aber wohl nicht bloß zur Flucht, gebraucht wird. Auch läßt sich denken, sie gehe mehr auf schnelle und zufällig scheinende Veränderung des Entschlusses.
S Anm. 18 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 15.
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ἔδει ποτὲ ἐρῶντι καὶ ὑπ᾽ ἀνάγκης ἀνοήτῳ χαρίζεσθαι, ἀλλὰ πολὺ μᾶλλον μὴ ἐρῶντι καὶ νοῦν ἔχοντι· εἰ δὲ μή, ἀναγκαῖον εἴη ἐνδοῦναι ἑαυτὸν ἀπίστῳ, δυσκόλῳ, φθονερῷ, ἀηδεῖ, βλαβερῷ μὲν πρὸς οὐσίαν, βλαβερῷ δὲ πρὸς τὴν τοῦ σώματος ἕξιν, πολὺ δὲ βλαβερωτάτῳ πρὸς τὴν τῆς ψυχῆς παίδευσιν, ἧς οὔτε ἀνθρώποις οὔτε θεοῖς τῇ ἀληθείᾳ τιμιώτερον οὔτε ἔστιν οὔτε ποτὲ ἔσται. Ταῦτά τε οὖν χρή, ὦ παῖ, ξυννοεῖν καὶ εἰδέναι τὴν ἐραστοῦ φιλίαν, ὅτι οὐ μετ᾽ εὐνοίας γίγνεται, ἀλλὰ σιτίου τρόπον χάριν πλησμονῆς·
verstanden, und nicht gewußt hat, daß er sich nicht dem eigentlich Liebenden, der unmöglich anders als unvernünftig sein kann hätte hingeben sollen, sondern vielmehr dem Nichtliebenden und Verständigen; wo aber nicht, er sich allemal einem treulosen beschwerlichen neidischen widrigen Gesellen überlaßen müßte, der zum Schaden gereichen würde seinem Wolstand, zum Schaden der Ausbildung seines Körpers zu Stärke und Geschiklichkeit, am allermeisten aber zum Schaden der Ausbildung seiner Seele, über welche es doch weder für Menschen noch Götter etwas größeres giebt oder jemals geben wird. Dies mein Kind sollst du bedenken, und wünschen, daß die Zuneigung eines Liebhabers nicht wohlwollend ist, sondern daß nur als eine Speise zur Sättigung gleichwie das Lämmchen der Wolf, so liebt der Verliebte den Knaben. Da hast du es ja Phaidros, was ich vorher sagte, und nun sollst du mich auch nicht länger reden hören, sondern die Rede soll hier ihr Ende haben.
Ὡς λύκοι ἄρνα φιλοῦσ᾽, ὣς παῖδα φιλοῦσιν ἐρασταί. Τοῦτ᾽ ἐκεῖνο, ὦ Φαῖδρε· οὐκέτ᾽ ἂν τὸ πέρα ἀκούσαις ἐμοῦ λέγοντος, ἀλλὰ δή σοι πέρας ἐχέτω ὁ λόγος.
T 4 hätte] nachträglich am Rand 9 überlaßen müßte] korr. aus über ließe 23f gleichwie das Lämmchen der Wolf, so liebt der Verliebte den Knaben.] als Hexameter abgesetzt und eingerückt 24 liebt] danach den Knaben der 25f was ich vorher sagte] am Rand mit Einfügungszeichen 28 hier] über der Zeile mit Einfügungszeichen
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verstanden hat, daß er nemlich nie hätte sollen dem Liebenden und also nothwendig Unverständigen gefällig sein, sondern weit eher dem nicht liebenden und verständigen; wo aber nicht, er sich dann allemal einem treulosen hingäbe, einem neidischen, beschwerlichen, widerlichen, verderblichen für sein Vermögen, verderblichen auch für die Tüchtigkeit seines Körpers, am verderblichsten aber für die Ausbildung seiner Seele, über welche es doch weder für Menschen noch Götter in Wahrheit etwas köstlicheres giebt oder jemals geben kann. Dieses also mußt du bedenken, o Knabe, und die Freundschaft des Liebhabers kennen lernen, daß sie nicht wohlwollender Natur ist, sondern daß nur nach Art der Speise um der Sättigung | willen Gleichwie Wölfe das Lamm,16 so lieben den Knaben Verliebte. Da hast du es ja, Phädros! Nicht weiter sollst du mich auch nun reden hören, sondern hier soll die Rede ihr Ende haben.
verstanden hat, daß er nemlich nie hätte gesollt dem Verliebten und also nothwendig Unverständigen willfahren, sondern weit eher dem Nichtverliebten und Verständigen; wo aber nicht, er sich dann allemal einem treulosen hingäbe, einem neidischen, beschwerlichen, widerlichen, verderblichen für sein Vermögen, verderblichen auch für die Tüchtigkeit seines Körpers, am verderblichsten aber für die Ausbildung seiner Seele, über welche es doch weder für Menschen noch Götter in Wahrheit etwas köstlicheres weder giebt noch jemals geben kann. Dieses also mußt du bedenken, o Knabe, und die Freundschaft des Liebhabers kennen lernen, daß sie nicht wohlwollender Natur ist, sondern daß nur nach Art der Speise um der Sättigung willen, gleichwie Wölfe das Lamm19 so lieben den Knaben Verliebte. Da hast du es ja, Phaidros! Nicht weiter sollst du mich auch nun reden hören, sondern hier soll die Rede ihr Ende haben.
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G l e i c h w i e Wö l f e d a s L a m m . Nicht unwahrscheinlich ist, daß dieser Vers vom Platon selbst herrührt. Denn theils pflegt er, wenn er einen Dichter anführt, dies auf irgend eine Art anzudeuten; theils könnte uns Sokrates, mit einem fremden Verse endigend, nicht füglich an seine Weissagung nach dem Eingang der Rede erinnern.
g l e i c h w i e Wö l f e d a s L a m m . Nicht unwahrscheinlich ist, daß dieser Vers vom Platon selbst herrührt. Denn theils pflegt er, wenn er einen Dichter anführt, dies auf irgend eine Art anzudeuten; theils könnte uns Sokrates, mit einem fremden Verse endigend, nicht füglich an seine Weissagung nach dem Eingang der Rede erinnern.
T 22 Gleichwie] gleichwie W1 S. 107, korr. im Druckfehler-Verzeichnis W1 S. 413 S Anm. 16 35f Weissagung nach dem Eingang der Rede] vgl. Schleiermachers Interpretation von Phaidros 238d in Anm. 13.
S Anm. 19 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 16.
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ΦΑΙ. Καίτοιγε ᾤμην γε μεσοῦν αὐτόν, καὶ ἐρεῖν τὰ ἴσα περὶ τοῦ μὴ ἐρῶντος, ὡς δεῖ ἐκείνῳ χαρίζεσθαι μᾶλλον, λέγων αὖ, ὅσα ἔχει ἀγαθά. Νῦν δὲ δή, ὦ Σώκρατες, τί ἀποπαύῃ;
Ph. Dächte ich doch sie wäre erst zur Hälfte, und würde nun noch auf dieselbe Art von dem Nichtliebenden, daß man lieber diesem willfahren sollte, reden, und das Gute, was er im Gegentheil an sich hat aufzählen. Warum willst du also schon aufhören Sokrates? So. Hast du denn nicht gemerkt, bester Mensch, daß ich schon nicht mehr nur Dithyramben rede, sondern ganz ordentliche Verse, und das noch indem ich tadle? Was meinst du würde es erst werden, wie ich nun anfinge den Andern zu loben? Merkst du nicht, daß ich von den Nymphen, denen du mich so böslicher Weise hingeworfen hast, recht ordentlich mitgenommen werde? Ich sage also nur mit einem Worte, daß so wie wir den ersten getadelt haben, so komme dem andern das entgegengesezte Gute zu. Was brauchts noch einer langen Rede? es ist über beide genug gesagt. Und so mag es der Rede ergehen, wie sie es verdient, ich gehe wieder über den Fluß und fort, ehe du mich zu etwas Anderem noch ärgerem zwingst. Ph. Nicht doch, Sokrates, noch nicht, bis die Hize vorüber ist. Siehst du nicht, daß die Sonne beinahe im Mittage steht? Laß uns noch hier bleiben und über das Gesprochene reden, sobald es sich ein
ΣΩ. Οὐκ ᾔσθου, ὦ μακάριε, ὅτι ἤδη ἔπη φθέγγομαι, ἀλλ᾽ οὐκέτι διθυράμβους, καὶ ταῦτα ψέγων; Ἐὰν δ᾽ ἐπαινεῖν τὸν ἕτερον ἄρξωμαι, τί με οἴει ποιήσειν; Ἆρ᾽ οἶσθ᾽, ὅτι ὑπὸ τῶν Νυμφῶν, αἷς με σὺ προὔβαλες ἐκ προνοίας, σαφῶς ἐνθουσιάσω; Λέγω οὖν ἑνὶ λόγῳ, ὅτι, ὅσα τὸν ἕτερον λελοιδορήκαμεν, τῷ ἑτέρῳ τἀναντία τούτων ἀγαθὰ πρόσεστι. Καὶ τί δεῖ μακροῦ λόγου; Περὶ γὰρ ἀμφοῖν ἱκανῶς εἴρηται, καὶ οὕτω δὴ ὁ μῦθος, ὅτι πάσχειν προσήκει αὐτῷ, τοῦτο πείσεται, καὶ ἐγὼ τὸν ποταμὸν τοῦτον διαβὰς ἀπέρχομαι, πρὶν ὑπὸ σοῦ τὶ μεῖζον ἀναγκασθῆναι.
ΦΑΙ. Μήπω γε, ὦ Σώκρατες, πρὶν ἂν τὸ καῦμα παρέλθῃ. Ἢ οὐχ ὁρᾷς, ὡς σχεδὸν ἤδη μεσημβρία ἵσταται; Ἀλλὰ περιμείναντες καὶ ἅμα περὶ
T 3f Nichtliebenden] danach reden 5 reden] über der Zeile mit Einfügungszeichen 6 er] über dieser 11 nur] über der Zeile mit Einfügungszeichen 16 Merkst du nicht, daß ich] über Werde ich nicht 34 steht] danach hochgestellt Anm.-Zeichen Schleiermachers: x), durch Anm.-Ziffer 21 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5)
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Phaidros 1. Auflage
Phaidros 2. Auflage
PH. Aber ich dachte ja, sie wäre erst in der Hälfte, und würde nun noch gleiches von dem Nichtliebenden sagen, daß man dem lieber gefällig werden müsse, indem sie darstellte, was er Gutes an sich hat. Warum also, o Sokrates, hörst du schon jezt auf? SOK. Hast du denn nicht gemerkt, du Seliger, daß ich schon Verse spreche, nicht mehr nur Dithyramben, und das noch indem ich tadle? Wenn ich nun erst anfinge, den Andern zu loben, was meinst du werde es dann werden? Weißt du wohl, daß ich von den Nymphen, denen du mich vorsezlicher Weise vorgeworfen, ganz vollkommen werde begeistert werden? Ich sage also nur mit einem Worte, daß weshalb wir den einen geschmäht haben, davon dem Andern das entgegenstehende Gute beiwohne. Was bedarf es einer langen Rede? Denn über beide ist genug gesagt, und so mag nun der Fabel begegnen, was ihr gebührt, ich aber gehe über diesen Fluß zurük, ehe ich von Dir zu etwas noch ärgerem gezwungen werde. PH. Nur jezt noch nicht, Sokrates, bis die Hize vorübergeht. Oder siehst du nicht, daß die Sonne eben recht im Mittage steht? Sondern laß uns hier bleiben, und über das Ge-
PH. Aber ich dachte ja, sie wäre erst in der Hälfte, und würde nun noch gleiches von dem Nichtverliebten sagen, daß man dem lieber willfahren müsse, indem sie darstellte, was er Gutes an sich hat. Warum also, o Sokrates, hörst du schon jezt auf? | SOK. Hast du denn nicht gemerkt, du Seliger, daß ich schon Verse spreche, nicht mehr nur Dithyramben, und das noch indem ich tadle? Wenn ich nun erst anfinge, den Andern zu loben, was meinst du werde es dann werden? Weißt du wohl, daß ich von den Nymphen, denen du mich recht absichtlich vorgeworfen, ganz vollkommen werde begeistert werden? Ich sage also nur mit einem Worte, daß weshalb wir den einen geschmäht haben, davon dem Andern das entgegenstehende Gute beiwohne. Was bedarf es einer langen Rede? Denn über beide ist genug gesagt, und so mag nun über das Mährchen ergehen was recht ist, ich aber gehe über diesen Fluß zurük, ehe ich von dir zu etwas noch ärgerem gezwungen werde. PH. Nur jezt noch nicht, Sokrates, bis die Hize vorübergeht. Oder siehst du nicht, daß die Sonne eben recht im Mittage steht? Sondern laß uns hier bleiben, und über das Ge-
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Erste Fassung (handschriftlich)
τῶν εἰρημένων διαλεχθέντες, τάχα ἐπειδὰν ἀποψύξῃ ἴωμεν. ΣΩ. Θεῖός γ᾽ εἶ περὶ τοὺς λόγους, ὦ Φαῖδρε, καὶ ἀτεχνῶς θαυμάσιος. Οἶμαι γὰρ ἐγὼ τῶν ἐπὶ τοῦ σοῦ βίου γεγονότων λόγων μηδένα πλείους ἢ σὲ πεποιηκέναι γεγενῆσθαι, ἤτοι αὐτὸν λέγοντα ἢ ἄλλους ἑνί γέ τῳ τρόπῳ προσαναγκάζοντα. Σιμμίαν Θηβαῖον ἐξαίρω λόγου, τῶν δὲ ἄλλων πάμπολυ κρατεῖς. Καὶ νῦν αὖ δοκεῖς αἴτιός μοι γεγενῆσθαι λόγῳ τινὶ ῥηθῆναι.
wenig abkühlt, wollen wir dann gehn. | So. Ein göttlicher Mensch bist du was Reden betrift, Phaidros, und ordentlich bewunderungswürdig. Ich glaube von Allen, die seit du lebst gesprochen worden sind, hat niemand so viele ans Licht gebracht als du, theils hast du sie selbst gehalten theils hast du andere auf irgend eine Art dazu gezwungen. Den Simmias aus Thebä nehme ich aus; allen Andern thust du es gewiß bei weitem zuvor. Auch jezt bist du mir wieder Schuld, wo ich nicht irre, daß eine Rede gehalten werden muß. Ph. Das ist keine schlimme Nachricht für mich. Aber wie so und was für eine? So. Als ich schon im Begrif war wieder über den Fluß zu gehn, hat sich mir der Geist und das gewohnte Zeichen gemeldet – du weißt, daß er
ΦΑΙ. Οὐ πόλεμόν γε ἀγγέλλεις. Ἀλλὰ πῶς δὴ καὶ τίνι τούτῳ; ΣΩ. Ἡνίκ᾽ ἔμελλον, ὦ ᾽γαθέ, τὸν ποταμὸν διαβαίνειν, τὸ δαιμόνιόν τε καὶ τὸ εἰωθὸς σημεῖόν μοι γίγνεσθαι
T 9 hast] über andere 12 Thebä] korr. aus Theben vielleicht in Analogie zu F. Schlegels Änderung von Grieche/Griechenland in Hellene/Hellas (234e.244b.274d); vgl. ebenso die Änderung von Diana Agraja in Artemis Agraia (229c) und von Juno in Here (230b)
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sprochene reden, bis wir, sobald es sich abgekühlt hat, gehen können. SOK. Göttlich bist du, was Reden betrifft,17 Phädros, und recht zu bewundern. Denn ich glaube, von allen während deines Lebens gesprochenen Reden hat Niemand mehrere als du | ans Licht gebracht, theils indem du sie selbst gehalten, theils Andere auf irgend eine Art dazu genöthiget. Den Simmias von Thebä nehme ich aus, die Uebrigen besiegst du bei weitem. Auch jezt wieder dünkst du mich Ursach geworden zu sein, daß eine Rede muß gesprochen werden. PH. Keinen Krieg verkündigest du mir hiemit. Aber wie doch und was für eine? SOK. Als ich im Begriff war, durch den Fluß zu gehen, hat sich mir der Geist und das gewohnte Zeichen
sprochene reden, bis wir, sobald es sich abgekühlt hat, gehen können. SOK. Göttlich bist du, was Reden betrifft,20 Phaidros, und recht zu bewundern. Denn ich glaube, von allen während deines Lebens gesprochenen Reden hat Niemand mehrere als du ans Licht gebracht, theils selbst redend, theils Andere auf irgend eine Art dazu nöthigend. Simmias den Thebaner nehme ich aus, die Uebrigen übertriffst du bei weitem. Auch jezt wieder scheinst du mir Ursach geworden zu sein, daß eine Rede muß gesprochen werden. PH. Keinen Krieg verkündigst du mir hiemit. Aber wie doch und was für eine Rede? SOK. Als ich im Begriff war, du Guter, durch den Fluß zu gehen, hat sich mir das göttliche und das gewohnte Zeichen gemeldet, das |
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Göttlich bist du, was Reden b e t r i ff t . Diese Stelle hätten diejenigen nicht übersehen sollen, welche den Phädros für ein späteres Werk halten. Denn sie könnte gar wohl als eine Anspielung was den Phädros betrifft auf das Gastmahl, und was den Simmias auf den Phädon gedeutet werden. Man sieht aber doch aus diesem sehr scheinbaren Beispiel, wie nöthig Vorsichtigkeit ist bei solchen Auslegungen.
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Göttlich bist du, was Reden b e t r i ff t . Diese Stelle sollten diejenigen nicht übersehen haben, welche den Phaidros für ein späteres Werk halten. Denn sie könnte gar wohl als eine Anspielung was den Phaidros betrifft auf das Gastmahl, und was den Simmias auf den Phaidon gedeutet werden. Man sieht aber doch aus diesem sehr scheinbaren Beispiel, wie nöthig Vorsichtigkeit ist bei solchen Auslegungen. Offenbar genug ist es wohl nur ein ironisches Lob welches der selbstdenkende und erfindende Schüler den mehr aufnehmenden Mitschülern ertheilt als großen Fragern und Hörern.
S 12 Thebä] Vgl. Spalte 2 App. S Anm. 17 Vgl. Tennemann: System der Platonischen Philosophie, Bd. 1 (1792), S. 117119; vgl. die Einleitung zum Phaidros, S. 78.
S Anm. 20 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 17.
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Phaidros Ed. Heindorf
Erste Fassung (handschriftlich)
ἐγένετο, ἀεὶ δέ με ἐπίσχει, ὃ ἂν μέλλω πράττειν, καί τινα φωνὴν ἔδοξα αὐτόθεν ἀκοῦσαι, ἥ με οὐκ ἐᾷ ἀπιέναι πρὶν ἂν ἀφοσιώσωμαι, ὡς τι ἡμαρτηκότα εἰς τὸ θεῖον. Εἰμὶ δὴ οὖν μάντις μέν, οὐ πάνυ δὲ σπουδαῖος, ἀλλ᾽ ὥσπερ οἱ τὰ γράμματα φαῦλοι, ὅσον ἐμαυτῷ μόνον ἱκανός. Σαφῶς οὖν ἤδη μανθάνω τὸ ἁμάρτημα. Ὡς δή τι, ὦ ἑταῖρε, μαντικόν γέ τι καὶ ἡ ψυχή. Ἐμὲ γὰρ ἔθραξε μέν τι καὶ πάλαι λέγοντα τὸν λόγον, καί πως ἐδυσωπούμην κατ᾽ Ἴβυκον, μή τι παρὰ θεοῖς ἀμπλακὼν τιμὰν πρὸς ἀνθρώπων ἀμείψω· νῦν δ᾽ ᾔσθημαι τὸ ἁμάρτημα.
ΣΩ. Τί οὖν; τὸν Ἔρωτα οὐκ Ἀφρο-
mich immer nur von irgend etwas abhält – und ich glaubte eine Stimme von dorther zu hören, die mir wehrte von dannen zu gehen ehe ich mich gereinigt hätte wie einer der sich gegen die Gottheit versündiget hat. Da ich nun ein Prophet bin wiewol kein rechter, sondern nur, wie die welche schlecht mit der Feder umzugehn wißen, so fürs Haus – so bin ich schon darauf gekommen was ich gesündiget habe. Die Seele lieber Freund ist doch auch ein prophetisches Wesen, denn schon während ich redete hat mich innerlich etwas angestoßen, und es wandelte mich Furcht an, ob ich nicht eher wie Ibykos sagt mich gegen Götter hart versündigend eitelen Ruhm bei den Menschen suchte. Nun aber weiß ich wo der Fehler liegt. Ph. Aber was meinst du doch? So. Eine verwerfliche Rede, Phaidros, eine sehr verwerfliche hast du selbst mitgebracht und auch mich zu sagen gezwungen. Ph. Wie so? So. Eine einfältige, und gewißermaßen gottlose. Kann es etwas verwerflicheres geben? Ph. Gewiß nicht, wenn du recht hast. So. Nun? Glaubst du etwa nicht daß
1f ἀεὶ…πράττειν] als in den Text eingedrungene Glosse verdächtigt von Heindorf z. St. (S. 237), nicht übersetzt W1
T2 abhält] danach hochgestellt Anm.Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 22 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 7 bin] danach , 9 Feder] kritisiert von F. Schlegel in dem Brief vom 26.10.1801: KGA V/5, Nr. 1115, 11 f. (dort im App. statt auf Phaidros 255d auf 242c [oder 276c ?] zu verweisen) 12 was] davor wo der Fehler liegt 20 suchte] danach hochgestellt Anm.Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 23 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5)
ΦΑΙ. Λέγεις δὲ δὴ τί; ΣΩ. Δεινόν, ὦ Φαῖδρε, δεινὸν λόγον αὐτός τε ἐκόμισας, ἐμέ τε ἠνάγκασας εἰπεῖν. ΦΑΙ. Πῶς δή; ΣΩ. Εὐήθη καὶ ὑπό τι ἀσεβῆ, οὗ τίς ἂν εἴη δεινότερος; ΦΑΙ. Οὐδείς, εἴ γε σὺ ἀληθῆ λέγεις.
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gemeldet, und eine Stimme glaubte ich von dorther zu hören, die mir wehrte, von dannen zu gehen, bevor ich mich gereiniget, also als hätte ich etwas gesündiget gegen die Gottheit. Nun bin ich auch ein Wahrsager, kein großer zwar, sondern nur wie die, welche schlecht schreiben, soviel ich für mich selbst brauche. Daher also kenne ich schon genau die Versündigung. Wie ein weissagendes Wesen, Freund, ist doch die Seele. Denn mich beunruhigte etwas schon lange als ich noch die Rede sprach, und ich ängstete mich nach dem Ibykos, ob ich nicht gegen Götter frevelnd eitelen Ruhm von den Menschen tauschte. Nun aber weiß ich die Versündigung. PH. Welche meinst du denn? SOK. Eine arge Rede, Phädros, eine sehr arge hast du selbst hergebracht, und auch mich zu reden gezwungen.
mich immer abhält21 wenn ich etwas thun will und eine Stimme glaubte ich von dorther zu hören, die mir wehrte, von dannen zu gehen, bevor ich mich gereiniget, als habe ich etwas gesündiget gegen die Gottheit. Nun bin ich auch ein Wahrsager, kein großer zwar, sondern nur wie die, welche schlecht schreiben, soviel ich für mich selbst brauche. Daher also kenne ich schon genau die Versündigung. Wie ein weissagendes Wesen, Freund, ist doch auch die Seele. Denn mich beunruhigte etwas schon lange als ich noch die Rede sprach, und ich ängstete mich nach dem Ibykos, ob ich nicht gegen Götter frevelnd eitelen Ruhm von den Menschen tauschte. Nun aber weiß ich die Versündigung. PH. Welche meinst du denn? SOK. Eine arge Rede, Phaidros, eine sehr arge hast du selbst hergebracht, und auch mich zu reden gezwungen.
PH. Wie so doch? SOK. Eine einfältige und auch etwas ruchlose; und welche ärgere könnte es wohl geben? PH. Keine gewiß, wenn du recht hast. SOK. Wie denn? Hältst du den Eros
PH. Wie so doch? SOK. Eine einfältige und auch etwas ruchlose; und welche ärgere könnte es wohl geben? PH. Keine gewiß, wenn du recht hast. SOK. Wie denn? Hältst du den Eros 21 d a s m i c h i m m e r a b h ä l t . Noch immer nicht mit recht großem Vertrauen habe ich diese vorher verworfenen Worte jezt aufgenommen, denen man auch im deutschen das überflüssige und schiefe anfühlen möge.
S 9 schreiben] anders als die Übersetzung in SN 154, die F. Schlegel vielleicht kritisiert hat (vgl. Spalte 2 App.)
S Anm. 21 Vgl. Spalte 1 App. Da Ed.Berlin 1816 (Bekker) den vollständigen Text bietet, hat ihn Schleiermacher hier zögernd, entgegen W1, übersetzt.
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δίτης καὶ θεόν τινα ἡγῇ;
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ΦΑΙ. Λέγεταί γε δή. ΣΩ. Οὔτι ὑπό γε Λυσίου οὐδὲ ὑπὸ τοῦ σοῦ λόγου, ὡς διὰ τοῦ ἐμοῦ στόματος κα ταφ αρμακε υθέντος ὑπὸ σοῦ ἐλέχθη. Εἰ δ᾽ ἔστιν, ὥσπερ οὖν ἔστι, θεὸς ἤ τι θεῖον ὁ Ἔρως, οὐδὲν ἂν κακὸν εἴη· τὼ δὲ λόγω τὼ νυν δὴ περὶ αὐτοῦ εἰπέτην ὡς τοιούτου ὄντος. Ταύτῃ τε οὖν ἡμαρτανέτην περὶ τὸν Ἔρωτα, ἔτι τε ἡ εὐήθεια αὐτοῖν πάνυ ἀστεία, τὸ μηδὲν ὑγιὲς λέγοντε μηδὲ ἀληθὲς σεμνύνεσθαι ὡς τὶ ὄντε, εἰ ἄρα ἀνθρωπίσκους τινὰς ἐξαπατήσαντε εὐδοκιμήσετον ἐν αὐτοῖς. Ἐμοὶ μὲν οὖν, ὦ φίλε, καθῄρασθαι ἀνάγκη. Ἔστι δὲ τοῖς ἁμαρτάνουσι περὶ μυθολογίαν καθαρμὸς ἀρχαῖος, ὃν Ὅμηρος μὲν οὐκ ᾔσθετο, Στη-
4 τοῦ1] τοὐ Heindorf, korr. Appendix S. 361 | ὡς] Heindorf, übersetzt SN 154 W1 | ὃς Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. Comm. 1 1823, S. 14 [33,6], erwogen schon von Heindorf z. St. (S. 238) nach Ficinus, übersetzt W2
Erste Fassung (handschriftlich)
Eros der Sohn der Aphrodite ist, und ein Gott? Ph. So sagt man. So. Lysias nicht, und so auch diese Rede nicht, wie sie durch meinen von dir bezauberten Mund ausgesprochen worden ist. Denn wenn wie es doch ist, Eros ein Gott und also die Liebe etwas Göttliches ist, so kann sie ja nicht etwas böses sein, unsere Reden aber haben beide von ihr | gesprochen als wäre sie dieses. Insofern also haben sie sich an dem Eros versündiget. Außerdem aber ist auch ihre Einfalt etwas sehr spaßhaftes, daß sie ohne irgend etwas gesundes und wahres gesagt zu haben sich doch brüsten als wären sie wunder was, weil sie vielleicht einige unbedeutende Menschen hinters Licht zu führen, und sich bei ihnen etwas geltend zu machen wißen. Ich also mein lieber, ich muß mich reinigen. Es giebt aber für die, welche in Reden und Dichtungen über die Götter sündigen, eine alte Reinigung, von welcher Homeros nichts
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nicht für der Aphrodite Sohn und einen Gott? PH. Das sagt man von ihm. SOK. Nicht aber Lysias, noch auch deine | Rede, wie sie durch meinen von dir bezauberten Mund ist gesprochen worden. Wenn also, wie es doch ist, Eros ein Gott und die Liebe etwas göttliches ist, so kann sie ja nicht etwas böses sein. Die vorigen Reden aber sprachen beide von ihr, als wäre sie dieses. Hiedurch also sündigten sie gegen den Eros; nächstdem aber ist auch ihre Einfalt sehr artig, daß sie ohne irgend etwas gesundes oder wahres gesagt zu haben sich ein Ansehn geben, als wären sie etwas, wenn sie vielleicht einige Leutlein hintergehen, und sich wissen geltend zu machen bei ihnen. Ich also, Freund, muß mich reinigen. Es giebt aber für die in Dichtungen über die Götter sündigenden eine alte Reinigung, von welcher Homeros nichts wußte,
nicht für der Aphrodite Sohn und einen Gott? PH. Das sagt man von ihm. SOK. Nicht aber Lysias sagt es, noch auch deine Rede, welche durch meinen von dir bezauberten Mund ist gesprochen worden. Wenn also, wie es doch ist, Eros ein Gott und die Liebe etwas göttliches22 ist, so kann sie ja nicht etwas übles sein. Die vorigen Reden aber sprachen beide von ihr, als wäre sie dieses. Hiedurch also sündigten sie gegen den Eros; nächstdem aber ist auch ihre Einfalt sehr artig, daß sie ohne irgend etwas gesundes oder wahres gesagt zu haben sich ein Ansehn geben, als wären | sie etwas, wenn sie vielleicht einige Leutlein hintergehend sich geltend machen bei ihnen. Ich also, Freund, muß mich reinigen. Es giebt aber für die in Dichtungen über die Götter sündigenden eine alte Reinigung, von welcher Homeros nichts wußte,
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und die Liebe etwas göttl i c h e s . Leichter möchte es vielleicht manchem scheinen, wenn ich ohne Einschiebung übersezt hätte: | wenn also Eros ein Gott oder etwas göttliches ist: so kann ja die Liebe nichts böses sein; allein jenes schließt sich näher an, was die Bildung des Gedankens betrifft.
S 5 welche] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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Erste Fassung (handschriftlich)
σίχορος δέ. Τῶν γὰρ ὀμμάτων στερηθεὶς διὰ τὴν Ἑλένης κακηγορίαν, οὐκ ἠγνόησεν, ὥσπερ Ὅμηρος, ἀλλ᾽ ἅτε μουσικὸς ὤν, ἔγνω τὴν αἰτίαν, καὶ ποιεῖ εὐθύς· Οὐκ ἔστ᾽ ἔτυμος ὁ λόγος οὗτος, οὐδ᾽ ἔβας ἐν νηυσὶν ἐϋσέλμοις, οὐδ᾽ ἵκεο Πέργαμα Τροίας. Ποιήσας δὴ πᾶσαν τὴν καλουμένην παλινῳδίαν παραχρῆμα ἀνέβλεψεν. Ἐγὼ οὖν σοφώτερος ἐκείνων γενήσομαι κατ᾽ αὐτό γε τοῦτο. Πρὶν γάρ τι παθεῖν διὰ τὴν τοῦ Ἔρωτος κακηγορίαν, πειράσομαι αὐτῷ ἀποδοῦναι τὴν παλινῳδίαν γυμνῇ τῇ κεφαλῇ, καὶ οὐχ
gewußt hat, wol aber Stesichoros. Denn als dieser wegen seiner Schmähung gegen die Helena des Gesichts beraubt wurde, blieb ihm nicht wie jenem, die Ursach verborgen, sondern er als ein Günstling der Musen erkannte sie wol und dichtete sogleich sein: „Unwahr ist diese Rede, denn nie bestiegst du die wohlrudernden Schiffe noch kamst du je zur Feste von Troja.“ und nachdem er die bekannte Palinodie fertig gedichtet hatte, ward er alsbald wieder sehend. Hierin nun will ich weiser sein als jene, und will versuchen, noch ehe mir etwas Uebles wegen meiner Lästerung gegen den Eros begegnet, meinen Widerruf auszusprechen, und zwar mit unbe-
11 ἐκείνων] ἐκείνου Bekker: Comm. 1 1823, S. 15 [34,1 mit einer Hs.], übersetzt W2, vgl. W2 Anm. 24
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Stesichoros aber.18 Denn als er der Augen beraubt ward wegen Schmähung der Helena, blieb ihm nicht wie dem Homeros die Ursach unbekannt, sondern als ein den Musen Vertrauter erkannte er sie wohl und dichtete sogleich sein „Unwahr ist diese Rede, denn nie bestiegst du die zierlichen Schiffe, noch kamst du je zur Feste von Troja“, und nachdem er den ganzen sogenannten Widerruf gedichtet, ward er alsbald wieder sehend. Ich nun will eben hierin weiser sein als jene. Denn ehe mir noch etwas übles begegnet wegen Schmähung des Eros, will ich versuchen, ihm den Widerruf zu entrichten mit entblößtem Haupt, und
Stesichoros aber.23 Denn als er der Augen beraubt ward wegen Schmähung der Helena, blieb ihm nicht wie dem Homeros die Ursach unbekannt, sondern als ein den Musen Vertrauter erkannte er sie, und dichtete sogleich sein „Unwahr ist diese Rede, denn nie bestiegst du die zierlichen Schiffe, noch kamst du je zur Feste von Troja“, und nachdem er den ganzen sogenannten Widerruf gedichtet, ward er alsbald wieder sehend. Ich nun will eben hierin weiser sein als er.24 Denn ehe mir noch etwas übles begegnet wegen Schmähung des Eros, will ich versuchen, ihm den Widerruf zu entrichten mit entblößtem Haupt, und
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23 S t e s i c h o r o s a b e r . Offenbar soll hier ein Vorzug des Stesichoros vor dem Homeros angedeutet werden; eben so auch vielleicht in dem μουσικὸς doppelsinnig etwas liegen, was Platon dem Homeros abspricht. Vielleicht also hier schon die erste Spur des Vorzuges, den er der lyrischen Dichtkunst einräumte vor der epischen. Stesichoros soll übrigens in dieser verlorenen Palinodie gedichtet haben, es sei nur ein Schattenbild der Helene nach Troja gekommen, ein Mythos, den hernach Euripides in seiner Tragödie benuzt hat. 24 a l s e r . Mir gefällt zu sehr die Leseart, wiewohl nur einer Handschrift ἐκείνου. Homeros ist schon so weit unter den Stesichoros gestellt, daß nun wohl nicht wieder beide können zusammengefaßt werden.
S t e s i c h o r o s a b e r . Offenbar soll hier ein Vorzug des Stesichoros vor dem Homeros angedeutet werden; eben so auch vielleicht in dem μουσικὸς doppelsinnig etwas liegen, was Platon dem Homeros abspricht. Vielleicht also hier schon die erste Spur des Vorzuges, den er der lyrischen Dichtkunst einräumte vor der epischen. Stesichoros soll übrigens in dieser verlorenen Palinodie gedichtet haben, es sei nur ein Schattenbild der Helene nach Troja gekommen, ein Mythos, den hernach Euripides in seiner Tragödie benuzt hat.
S Anm. 18 Zum Vorzug der lyrischen vor der epischen Dichtkunst, insbesondere zur Ablehnung Homers, vgl. Platon, Politeia 3, bes. 386a-395b, und 10, bes. 595a-608b, zur Lyrik speziell 607a; Nomoi 3, 700b; 7, 801d. – Stesichoros (griechischer Chorlyriker des 6. Jh.s v. Chr.) hat nach einer tadelnden Rede über Helena einen lobenden Widerruf verfaßt, die sog. Palinodie: Poetarum Melicorum Graecorum Fragmenta, Vol. 1, ed. M. Davies, Oxford 1991, fr. 192 f.; vgl. auch Heindorf z. St. (S. 238 f.). Schleiermacher erwähnt über die von Heindorf zitierten Stellen hinaus: Euripides, Helena 1-36.
S 14 als er] nach Bekker wie Spalte 1 App. S Anm. 23 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 18.
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ὥσπερ τότε, ὑπ᾽ αἰσχύνης ἐγκεκαλυμμένος. ΦΑΙ. Τουτωνί, ὦ Σώκρατες, οὐκ ἔστιν ἅττ᾽ ἂν ἐμοὶ εἴπῃς ἡδίω.
dektem Haupt und nicht wie vorher aus Scham verhüllt. Ph. Etwas Angenehmeres als dieses, o Sokrates hättest du mir gar nicht sagen können. So. Du siehst doch wol ein, mein guter Phaidros, wie unverschämt unsere beiden Reden waren, die lezte sowol als die welche du aus dem Buche gelesen hast? Denn wenn ein edeldenkender Mann von feinen Sitten, der einen eben solchen liebt, oder ehedem geliebt hat, uns zugehört hätte, als wir sagten Liebhaber erregten großen Zwist über Kleinigkeiten, und wären abgünstig gegen ihre Lieblinge, und ihnen zum Schaden, meinst du nicht, er würde geglaubt haben Menschen zu hören, die unter den Matrosen aufgewachsen wären, und nie eine edle und anständige Liebe gesehen hätten? und daß er weit entfernt sein würde uns beizustimmen in dem, worin wir die Liebe tadelten? Ph. Das kann wol sein, bei Gott, Sokrates. So. Aus Scham also vor diesem und aus Furcht vor dem Eros möchte ich gern den übelschmekenden Ton des vorhergehörten mit einer trinkbareren Rede hinunterspülen. Ich rathe aber auch dem Lysias baldmöglichst darüber zu schreiben, daß man wenn sonst Alles gleich ist dem Lie-
ΣΩ. Καὶ γάρ, ὦ ᾽γαθὲ Φαῖδρε, ἐννοεῖς ὡς ἀναιδῶς εἴρησθον τὼ λόγω, οὗτός τε καὶ ὁ ἐκ τοῦ βιβλίου ῥηθείς. Εἰ γὰρ ἀκούων τὶς τύχοι ἡμῶν γεννάδας καὶ πρᾷος τὸ ἦθος, ἑτέρου δὲ τοιούτου ἐρῶν ἢ καὶ πρότερόν ποτε ἐρασθείς, λεγόντων, ὡς διὰ σμικρὰ μεγάλας ἔχθρας οἱ ἐρασταὶ ἀναιροῦνται, καὶ ἔχουσι πρὸς τὰ παιδικὰ φθονερῶς τε καὶ βλαβερῶς, πῶς οὐκ ἂν οἴει αὐτὸν ἡγεῖσθαι ἀκούειν ἐν ναύταις που τεθραμμένων καὶ οὐδένα ἐλεύθερον ἔρωτα ἑωρακότων; πολλοῦ δ᾽ ἂν δεῖν ἡμῖν ὁμολογεῖν ἃ ψέγομεν τὸν Ἔρωτα;
ΦΑΙ. Ἴσως νὴ Δί᾽, ὦ Σώκρατες.
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ΣΩ. Τοῦτόν γε τοίνυν ἔγωγε αἰσχυνόμενος καὶ αὐτὸν τὸν Ἔρωτα δεδιώς ἐπιθυμῶ ποτίμῳ λόγῳ οἷον ἁλμυρὰν ἀκοὴν ἀποκλύσασθαι. Συμβουλεύω δὲ καὶ Λυσίᾳ ὅτι τάχιστα γράψαι, ὡς χρὴ ἐραστῇ
T 3 Etwas] über der Zeile mit Einfügungszeichen 4 nicht] danach noch sonst etwas 13f uns zugehört] uns zu- über der Zeile mit Einfügungszeichen 32 hinunterspülen] danach hochgestellt Anm.-Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 24 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5)
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nicht wie vorher mit verhülletem aus Scham. PH. Angenehmeres als dieses, Sokrates, konntest du mir gar nicht sagen. SOK. Du siehst es doch ein, mein guter Phädros, wie schamlos die beiden Reden gesprochen haben, die lezte sowohl als die aus dem Buche gelesene? Denn hätte ein edler | Mann von sanftem Gemüth und der einen eben solchen liebt oder je zuvor geliebt hat, uns zugehört, als wir sagten, daß Liebhaber über Kleinigkeiten großen Zwist erregten, und den Lieblingen abgünstig wären und verderblich, wie meinst du nicht, er würde glauben solche zu hören, die unter Bootsknechten aufgewachsen nie eine anständige Liebe gesehen? und daß viel fehlen würde, daß er uns beistimmen sollte in dem, worin wir die Liebe tadelten?
nicht wie vorher mit verhülletem aus Scham. PH. Angenehmeres als dieses, Sokrates, konntest du mir gar nicht sagen. SOK. Und du siehst es doch ein, mein guter Phaidros, wie schamlos die beiden Reden gesprochen haben, die lezte sowohl als die aus dem Buche gelesene? Denn hätte ein edler Mann von sanftem Gemüth und der einen eben solchen liebt oder je zuvor geliebt hat, uns zugehört, als wir sagten, daß Liebhaber über Kleinigkeiten großen Zwist erregten, und den Lieblingen abgünstig wären und verderblich: meinst du nicht, er würde glauben solche zu hören, die unter Bootsknechten aufgewachsen nie eine anständige Liebe gesehen? und daß viel fehlen würde, daß er uns beistimmen sollte in dem, worin wir die Liebe tadelten? |
PH. Vielleicht wohl beim Zeus, o Sokrates. SOK. Aus Scham also vor diesem, und aus Furcht vor dem Eros selbst will ich mit einer trinkbaren Rede glei chsam den unschmakhaften Ton19 des zuvorgehörten hinunterspülen. Ich rathe aber auch dem Lysias aufs baldigste dafür zu schreiben, daß man dem Liebenden eher
PH. Vielleicht wohl beim Zeus, o Sokrates. SOK. Aus Scham also vor diesem, und aus Furcht vor dem Eros selbst will ich mit einer trinkbaren Rede gleichsam den Seegeschmack25 des zuvorgehörten hinunterspülen. Ich rathe aber auch dem Lysias aufs baldigste dafür zu schreiben, daß man dem Liebenden eher als dem
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d e n u n s c h m a k h a f t e n To n . Stärker ist der Gegensaz in der Urschrift. Denn ἁλμυρὸν ist der Seewasser-Geschmak, dem also das | Trinkbare in einem vorzüglichen Sinne entgegengesezt ist.
25 d e n S e e g e s c h m a c k . Nur indem ich mich zu dieser Uebersezung entschloß, konnte im Deutschen erinnert werden an die Verbindung zwischen ἁλμυρὸς und ἐν ναύταις τεθραμμένοι.
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T 23f tadelten?] tadelten. W1 S. 110, korr. im Druckfehler-Verzeichnis W1 S. 413
T Anm. 25 40 τεδραμμένοι W2
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Erste Fassung (handschriftlich)
μᾶλλον ἢ μὴ ἐρῶντι ἐκ τῶν ὁμοίων χαρίζεσθαι. ΦΑΙ. Ἀλλ᾽ εὖ ἴσθι, ὅτι ἕξει τοῦθ᾽ οὕτως· σοῦ γὰρ εἰπόντος τὸν τοῦ ἐραστοῦ ἔπαινον, πᾶσα ἀνάγκη Λυσίαν ὑπ᾽ ἐμοῦ ἀναγκασθῆναι γράψαι αὖ περὶ τοῦ αὐτοῦ λόγον.
benden den Vorzug geben | müßte vor dem Nichtliebenden. Ph. Sei versichert, daß das gewiß geschehen soll. Wenn du das Lob des Liebenden wirst gemacht haben, so ist es ganz nothwendig, daß ich den Lysias nöthigen muß, eben darüber auch eine Rede zu machen. So. Das glaube ich wol, solange du bleibst wer du bist. Ph. So rede denn frisch heraus. So. Wo ist aber der Knabe zu dem ich redete? Damit er auch dieses höre, und nicht etwa ohne es gehört zu haben allzu eilfertig einem Nichtliebenden willfahre. Ph. Diesen hast du immer bei dir, wenn du ihn verlangst.
ΣΩ. Τοῦτο μὲν πιστεύω, ἕωσπερ ἂν ᾖς ὃς εἶ. ΦΑΙ. Λέγε τοίνυν θαρρῶν. ΣΩ. Ποῦ δή μοι ὁ παῖς, πρὸς ὃν ἔλεγον, ἵνα καὶ τοῦτου ἀκούσῃ, καὶ μὴ ἀνήκοος ὢν φθάσῃ χαρισάμενος τῷ μὴ ἐρῶντι; ΦΑΙ. Οὗτος παρὰ σοὶ μάλα πλησίον ἀεὶ πάρεστιν, ὅταν καὶ σὺ βούλῃ. ΣΩ. Οὑτωσὶ τοίνυν, ὦ παῖ καλέ, ἐννόησον, ὡς ὁ μὲν πρότερος ἦν λόγος Φαίδρου, τοῦ Πυθοκλέους, Μυρρινουσίου ἀνδρός· ὃν δὲ μέλλω λέγειν, Στησιχόρου, τοῦ Εὐφήμου, Ἱμεραίου. Λεκτέος δὲ ὧδε, ὅτι οὐκ ἔστ᾽ ἔτυμος ὁ λόγος, ὃς ἂν παρόντος ἐραστοῦ τῷ μὴ ἐρῶντι μᾶλλον φῇ δεῖν χαρίζεσθαι, διότι δὴ ὁ μὲν μαίνεται, ὁ δὲ σωφρονεῖ. Εἰ μὲν γὰρ ἦν ἁπλοῦν τὸ μανίαν κακὸν εἶναι, καλῶς ἂν ἐλέγετο· νῦν δὲ τὰ μέγιστα τῶν ἀγαθῶν ἡμῖν γίγνεται διὰ μανίας, θείᾳ μέντοι δόσει διδομένης. Ἥ τε γὰρ δὴ ἐν Δελφοῖς προφῆτις αἵ τ᾽ ἐν Δωδώνῃ ἱέρειαι
So. So höre denn schöner Knabe, daß die vorige Rede herrührte von dem Myrrhinusier Phaidros dem Sohne des Pythokles, die aber, welche ich jetzt halten werde, ist vom Stesichoros aus Himera dem Sohn des Euphemos und lautet so: Nicht wahr ist jene Rede, welche sagt, daß auch wenn ein Liebender da wäre es dennoch beßer sei dem Nichtliebenden zu willfahren, weil nemlich jener wahnsinnig dieser aber vernünftig ist. Denn freilich wenn es ohne Einschränkung gölte, daß der Wahnsinn ein Uebel wäre, so wäre hingegen nichts einzuwenden, nun aber werden uns ja die größten Güter durch einen Wahnsinn zu Theil, der uns als eine milde Gabe von den Göttern verliehen wird. Denn die Prophetinnen zu Delphi und die Priesterinnen zu Dodona haben im
T 26 daß] über der Zeile mit Einfügungszeichen 31 freilich] über der Zeile mit Einfügungszeichen 34 hingegen] danach freilich
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als dem Nichtliebenden, wenn sonst alles gleich ist, müsse gefällig sein. PH. Sei nur versichert, daß es gewiß so geschehen soll. Denn hast du des Liebhabers Lob gesprochen, so muß nothwendig Lysias von mir genöthiget werden, auch hierüber eine Rede zu schreiben. SOK. Das glaube ich gern, so lange du bleibst wer du bist. PH. Rede also dreist heraus. SOK. Wo ist mir aber der Knabe, zu dem ich sprach? damit er auch dieses höre, und nicht etwa unbelehrt eilfertig dem Nichtliebenden willfahre. PH. Dieser ist dir immer ganz nahe zugegen, wenn nur du willst.
Nichtliebenden, wenn sonst alles gleich ist, willfahren müsse. PH. Sei nur versichert, daß es gewiß so geschehen soll. Denn hast du des Liebhabers Lob gesprochen, so muß nothwendig Lysias von mir genöthiget werden, auch hierüber eine Rede zu schreiben. SOK. Das glaube ich gern, so lange du bleibst wer du bist. PH. Fasse dir also Muth und rede. SOK. Wo ist mir aber der Knabe, zu dem ich sprach? damit er auch dieses höre, und nicht etwa unbelehrt voreilig dem Nichtliebenden willfahre. PH. Dieser ist dir immer ganz nahe zugegen, so oft du willst.
SOK. So wisse denn, schöner Knabe, daß die vorige Rede von dem Myrrhinusier Phädros herrührte, dem Sohne des Pythokles; die ich aber jezt sprechen will, ist von dem Stesichoros | aus Himera, dem Sohne des Euphemos. So aber muß sie gesprochen werden, daß unwahr ist jene Rede, welche behauptet, auch wenn ein Liebhaber da sei, müsse man vielmehr dem Nichtliebenden willfahren, weil nemlich jener wahnsinnig ist, dieser aber vernünftig. Denn wenn freilich ohne Einschränkung gölte, daß der Wahnsinn ein Uebel ist, dann wäre dieses wohl gesprochen: nun aber entstehen uns die größten Güter aus einem Wahnsinn, der durch göttliche Gunst verliehen wird. Denn die Prophetin zu Delphi und die Priesterinnen zu Dodone haben im
SOK. So wisse denn, schöner Knabe, daß die vorige Rede von dem Myrrhinusier Phaidros herrührte, dem Sohne des Pythokles; die ich aber jezt sprechen will, ist von dem Stesichoros aus Himera, dem Sohne des Euphemos. So aber muß sie gesprochen werden: Unwahr ist jene Rede, welche behauptet, daß wenn ein Liebhaber da sei, man vielmehr dem Nichtliebenden willfahren müsse, weil nemlich jener wahnsinnig sei, dieser aber bei Sinnen. Denn wenn freilich ohne Einschränkung gölte, daß der Wahnsinn ein Uebel ist, dann wäre dieses wohl gesprochen: nun aber entstehen uns die größten Güter aus einem Wahnsinn, der jedoch durch | göttliche Gunst verliehen wird. Denn die Prophetin zu Delphi und die Priesterinnen zu Dodone haben im
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Erste Fassung (handschriftlich)
μανεῖσαι μὲν πολλὰ δὴ καὶ καλὰ ἰδίᾳ τε καὶ δημοσίᾳ τὴν Ἑλλάδα εἰργάσαντο, σωφρονοῦσαι δὲ βραχέα ἢ οὐδέν. Καὶ ἐὰν δὴ λέγωμεν Σιβύλλαν τε καὶ ἄλλους, ὅσοι μαντικῇ χρώμενοι ἐνθέῳ πολλὰ δὴ πολλοῖς προὔλεγον εἰς τὸ μέλλον ὀρθῶς, μηκύνοιμεν ἄν, δῆλα παντὶ λέγοντες. Τόδε μὴν ἄξιον ἐπιμαρτύρασθαι, ὅτι καὶ τῶν παλαιῶν οἱ τὰ ὀνόματα τιθέμενοι οὐκ αἰσχρὸν ἡγοῦντο οὐδὲ ὄνειδος μανίαν. Οὐ γὰρ ἂν τῇ καλλίστῃ τέχνῃ, ᾗ τὸ μέλλον κρίνεται, αὐτὸ τοῦτο τοὔνομα ἐμπλέκοντες μανικὴν ἐκάλεσαν,
Wahnsinn Hellas viele und große Vortheile verschafft in besonderen und allgemeinen Angelegenheiten, bei besonnenem Muthe aber wenig oder gar nichts. Wollten wir die Sibyllen anführen und was für Andere sonst noch die göttliche Gabe des Wahrsagens besizend vielen Vielerlei auf die Zukunft richtig vorausgesagt haben, so würden wir weitläuftig werden ohne etwas Anderes als ganz bekannte Dinge zu sagen. Das aber ist doch bemerkenswerth, daß auch die Alten, welche die Sprache gebildet haben den Wahnsinn nicht für etwas schändliches oder schmähliches hielten: sonst hätten sie wol nicht seinen Namen in den Namen der schönsten Kunst durch welche die Zukunft erkannt wird mit eingeflochten und diese die Wahnsagerkunst genannt, sondern
T 1 Hellas] am Rand statt Griechenland durch F. Schlegel (vgl. KGA V/5, Nr. 1052, 2; Nr. 1097, 47 f.; vgl. zur Phaidros-Hs., S. XLIV), vgl. zu Phaidros 234e.274d. 17 sonst] davor denn 22 Wahnsagerkunst] kritisiert von F. Schlegel in dem Brief vom 1.5.1801: KGA V/5, Nr. 1052, 3-6
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Wahnsinn vieles Gute in besonderen und öffentlichen Angelegenheiten unserer Hellas zugewendet, in der Besonnenheit aber weniges oder gar nichts. Wollten wir auch noch die Sibylla anführen, und was für andere sonst noch durch begeistertes Wahrsagen Vielen vieles für die Zukunft vorhersagend geholfen, so würden wir uns ausdehnen, und doch nur Jedem bekanntes sagen. Dies aber ist werth es anzuführen, daß auch unter den Alten die, welche die Namen festgesezt, den Wahnsinn nicht für etwas schändliches oder für einen Schimpf hielten, weil sie sonst nicht die edelste Kunst, durch welche die Zukunft beurtheilt wird, eben jenen Namen ihr einflechtend, Wahnsagekunst20
Wahnsinn vieles Gute in besonderen und öffentlichen Angelegenheiten unserer Hellas zugewendet, bei Verstande aber kümmerliches oder gar nichts. Wollten wir auch noch die Sibylla anführen, und was für andere sonst noch durch begeistertes Wahrsagen Vielen vieles für die Zukunft vorhersagend geholfen, so würden wir langweilen mit Erzählung allgemein bekannter Dinge. Dies aber ist werth es anzuführen, daß auch unter den Alten die, welche die Namen festgesezt, den Wahnsinn nicht für etwas schändliches oder für einen Schimpf hielten, weil sie sonst nicht der edelsten Kunst, durch welche die Zukunft beurtheilt wird, eben diesen Namen einflechtend die Wahnsagekunst26
20 W a h n s a g e k u n s t . Dem Sinne nach ist dieses erste Buchstabenspiel dem in der Ursprache getreu nachgebildet. Nur ist in der Sprache des Platon die Ableitung wirklich ächt, so daß selbst der Vorwurf, das τ habe durch Neuerung erst μανικὴ in μαντικὴ verwandelt, ungegründet ist, und nur den allgemeinen Mangel an Sprachkunde zu den Zeiten des Platon beurkunden hilft. Vielleicht
26 W a h n s a g e k u n s t . Dem Sinne nach ist dieses erste Buchstabenspiel dem in der Ursprache getreu nachgebildet. Nur ist in der Sprache des Platon die Ableitung wirklich ächt, so daß selbst der Vorwurf, das τ habe durch Neuerung erst μανικὴ in μαντικὴ verwandelt, ungegründet ist, und nur den allgemeinen Mangel an Sprachkunde zu den Zeiten des Platon beurkunden hilft. Vielleicht aber hielt er selbst seine Ableitung für eben so falsch als die deutsche wirklich ist. Wenigstens könnte man dies daraus schließen, daß er so unbefangen die zweite Ab|leitung der οἰωνιστικὴ aus οἴησις, νοῦς und ἱστορία, die auch nicht den mindesten Schein für sich hat, neben jene stellt. Dieses zweite Spiel konnte nicht treu wiedergegeben werden, und es blieb nichts übrig, als sich an das einzige recht übliche Synonym vom Wahrsagen zu halten. Wenn nur dabei der scheinbare Uebelstand hätte vermieden werden können, daß nämlich bei den Hellenen wirklich die
S 3 Hellas] als Korrektur F. Schlegels in SN 154 übernommen in W1 (vgl. Spalte 2 App.) S Anm. 20 Die Umsetzung der beiden Wortspiele, bes. des zweiten mit dem breiten Doppellaut S. 189,17, loben Spalding (am 10.2.1804: KGA V/7, Nr. 1654, 20 f.) und Heindorf (am 11.2.1804: KGA V/7, Nr. 1656, 53-55) im Zuge der Korrektur der Druckvorlage. Später auch gelobt: z. B. von Rez.Boeckh (1808), S. 103 = (1872), S. 22; Rez.Anon., in: Neue Leipziger Literaturzeitung 90. Stück, 1806, Sp. 1428. Dagegen kritisiert von F. Schlegel (vgl. Spalte 2 App.); Rez.Ast (1808), S. 134; Ast: Phaedr. 1810, S. 277.279.
S Anm. 26 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 20.
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ἀλλ᾽ ὡς καλοῦ ὄντος, ὅταν θείᾳ μοίρᾳ γίγνηται, οὕτω νομίσαντες ἔθεντο. Οἱ δὲ νῦν ἀπειροκάλως τὸ ταυ ἐπεμβαλόντες μαντικὴν ἐκάλεσαν. Επεὶ καὶ τήν γε τῶν ἐμφρόνων ζήτησιν τοῦ μέλλοντος διά τε ὀρνίθων ποιουμένην καὶ τῶν ἄλλων σημείων, ἅτ᾽ ἐκ διανοίας ποριζόμενον ἀνθρωπίνῃ οἰήσει νοῦν τε καὶ ἱστορίαν, οἰονοηστικὴν ἐπωνόμασαν, ἣν νῦν οἰωνιστικὴν τὸ ω σεμνύνοντες οἱ νέοι καλοῦσιν. Ὅσῳ δὴ οὖν τελεώτερον καὶ ἐντιμότερον μαντικὴ οἰωνιστικῆς, τό τε ὄνομα τοῦ ὀνόματος ἔργον τε ἔργου, τόσῳ κάλλιον μαρτυροῦσιν οἱ παλαιοὶ μανίαν σωφροσύνης τὴν ἐκ θεοῦ τῆς παρ᾽ ἀνθρώπων γιγνομένης. Ἀλλὰ
weil sie ihn für etwas Gutes halten, wenn er durch eine göttliche Schikung über den Menschen kommt haben sie ihr diesen Namen gegeben. Denn nur erst die Neueren haben unwißender Weise das r statt des n hineingesezt und sie Wahrsage|kunst genannt. So haben sie jener andern Nachforschung über die Zukunft, welche Menschen die ihres Verstands mächtig sind vermittelst der Vögel und anderer Zeichen anstellen, weil sie mit Bewußtsein nach menschlichen Muthmaßungen und Gründen jene Einsicht und Wißenschaft hervorbringen will den Namen des Wißsagens gegeben welchen erst die Neueren durch den breiten Doppellaut verlängernd in Weißsagen verwandelt haben. Soviel nun jene erste Art, das ächte Wahrsagen sowol was die Sache selbst als den Namen betrift heiliger und ehrenvoller ist als das Wahnsagen um soviel ist auch nach dem Zeugniß der Alten der göttliche Wahnsinn vortreflicher als die menschliche Vernünftigkeit.
T 2f Schikung] davor Schikung zu dem Bew 17 den Namen] über der Zeile mit Einfügungszeichen 17f Wißsagens] zunächst Wahrsagens [Wißsagens] in eckigen Klammern, dann Wahrsagens [ Wißsagens ] 19f durch den breiten Doppellaut verlängernd] zunächst durch den harten Mitlauter schärfend [durch den breiten Doppellaut verlängernd] in eckigen Klammern, dann durch den harten Mitlauter schärfend [ durch den breiten Doppellaut verlängernd ] 20 Weißsagen] zunächst Wahrsagen [Weißsagen] in eckigen Klammern, dann Wahrsagen [ Weißsagen ] 21 haben] danach hochgestellt Anm.Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 25 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 25 Wahnsagen] oder Wahrsagen, zu erwarten Weißsagen (vgl. W1 W2)
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genannt hätten; sondern dafür haltend, er sei etwas Gutes, wenn er durch göttliche Schikung entsteht, haben sie jene Kunst so benannt. Denn nur erst die Neueren haben ungeschikter Weise das R hineingesezt statt des N, und sie Wahrsagekunst geheißen. Eben so haben sie jene andere von Besonnenen vermittelst der Vögel und anderer Zeichen angestellte Erforschung der Zukunft als eine mit Bewußtsein menschlichem Dafürhalten verschaffte Einsicht und Wis|senschaft das Wißsagen genannt, welches jezt die Neueren durch den breiten Doppellaut in Weissagen verwandelt haben. So viel heiliger und ehrenvoller nun, man vergleiche die Namen oder die Sache, jenes Wahrsagen ist als dieses Weissagen, um soviel vortreflicher ist auch nach dem Zeugniß der Alten ein göttlicher Wahnsinn als eine bloß menschliche Besonnenheit.
benannt hätten; sondern dafür haltend, er sei etwas Schönes, wenn er durch göttliche Schikung entsteht, in dieser Meinung haben sie den Namen eingeführt. Und denn die Neueren erst haben ungeschikter Weise das R hineingesezt statt des N, und sie Wahrsagekunst geheißen. Eben so haben sie jene andere von Besonnenen vermittelst der Vögel und anderer Zeichen angestellte Erforschung der Zukunft, da diese mit Bewußtsein menschlichem Dafürhalten Einsicht und Wissenschaft verschaffen, das Wißsagen genannt, welches jezt die Neueren mit dem breiten Doppellaut prunkend in Weissagen verwandelt haben. So viel heiliger und ehrenvoller nun jenes Wahrsagen ist als dieses Weissagen, dem Namen nach und der Sache nach, um soviel vortreflicher ist auch nach dem Zeugniß der Alten ein göttlicher Wahnsinn als eine bloß menschliche Verständigkeit.
aber hielt er selbst seine Ableitung für eben so falsch als die deutsche wirklich ist. Wenigstens könnte man dies daraus schließen, daß er so unbefangen die zweite Ableitung der οἰωνιστικὴ aus οἴησις, νοῦς und ἱστορία, die auch nicht den mindesten Schein für sich hat, neben jene stellt. Dieses zweite Spiel konnte nicht treu wiedergegeben werden, und es blieb nichts übrig, als sich an das einzige recht übliche Synonym vom Wahrsagen zu halten. Wenn nur dabei der scheinbare Uebelstand hätte vermieden werden können, daß nämlich bei den Hellenen wirklich die μαντικὴ etwas höheres war als die οἰωνιστικὴ, wir hingegen mit Weißsagen einen edleren Nebenbegriff verbinden als mit Wahrsagen. Scheinbar indeß ist er nur, weil doch wohl Weiß in Weißsagen nichts anderes ist, als der Gegensaz der weißen Kunst von der schwarzen.
μαντικὴ etwas höheres war als die οἰωνιστικὴ, wir hingegen mit Weißsagen einen edleren Nebenbegriff verbinden als mit Wahrsagen. Scheinbar indeß ist es nur, weil doch wohl Weiß in Weißsagen nicht weise ist, sondern nur gewiß, wenn nicht gar vielleicht nur der Gegensaz der weißen Kunst von der schwarzen.
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Erste Fassung (handschriftlich)
μὴν νόσων γε καὶ πόνων τῶν μεγίστων δι᾽ ἁμαρτήματα ἐκ μηνιμάτων που θεῶν ἔν τισι γενομένων ἡ μανία ἐγγενομένη καὶ προφητεύσασα, οἷς ἔδει ἀπαλλαγὴν εὕρετο, καταφυγοῦσα πρὸς θεῶν εὐχάς τε καὶ λατρείας, ὅθεν δὴ καθαρμῶν τε καὶ τελετῶν τυχοῦσα ἐξάντη ἐποίησε τὸν αὐτὴν ἔχοντα πρός τε τὸν παρόντα καὶ τὸν ἔπειτα χρόνον, λύσιν τῷ ὀρθῶς μανέντι τε καὶ κατασχομένῳ τῶν παρόντων κακῶν εὑρομένη. Τρίτη δὲ ἀπὸ Μουσῶν κατοχή τε καὶ μανία, λαβοῦσα ἁπαλὴν καὶ ἄβατον ψυχήν, ἐγείρουσα καὶ ἐκβακχεύουσα κατά τε ᾠδὰς καὶ κατὰ τὴν ἄλλην ποίησιν, μυρία τῶν παλαιῶν ἔργα κοσμοῦσα τοὺς ἐπιγιγνομένους παιδεύει. Ὃς δ᾽ ἂν ἄνευ μανίας Μουσῶν ἐπὶ ποιητικὰς θύρας ἀφίκηται πεισθείς, ὡς ἄρα ἐκ τέχνης ἱκανὸς ποιητὴς ἐσόμενος, ἀτελὴς αὐτός τε καὶ ἡ ποίησις
Eine andere Art des Wahnsinns wird angegeben um, wenn Krankheiten und schwere Plagen aus altem Zorn der Götter verhängt werden den Zusammenhang zu erklären und die Haltung derer es bedarf zu finden, indem er zu Gelübden und Verehrungen der Götter hinflieht, von wannen er sühnende Gebräuche und heilige Mysterien mitbringt und so der welcher ihn hat für die gegenwärtige und künftige Zeit sicher stellt, indem er für jeden, der auf die rechte Art vom Wahnsinn ergrifen und beseßen ist, eine Befreiung von dem vorhandenen Uebel erfindet. Die dritte Begeisterung und Wahnsinnigkeit, welche von den Musen herrührt, ergreift nur zarte und jungfräuliche Seelen, erwekt und befeuert sie zu festlichen Gesängen und andern Werken der Dichtkunst, und bildet die Nachkommen durch die schöne Darstellung unzählbarer von den Alten vollbrachter Thaten. Wer aber ohne diesen Wahnsinn der Musen vor den Thüren der Dichtkunst sich einfindet, meinend er könne wol durch Kunst allein ein ächter Dichter werden, der ist unge-
2f δι᾽ ἁμαρτήματα ἐκ μηνιμάτων που θεῶν ἔν τισι γενομένων] Heindorf, übersetzt SN 154 W1 | ἅτε δὴ παλαιῶν ἐκ μηνιμάτων ποθὲν ἔν τισι τῶν γενῶν γενομένων konj. Heindorf z. St. (S. 243), vgl. W2 mit W2 Anm. 27 | ἃ δὴ παλαιῶν ἐκ μηνιμάτων ποθὲν ἔν τισι τῶν γενῶν Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 16 [37,4], vgl. W2 9 τὸν αὐτὴν ἔχοντα] τὸν ἑαυτῆς ἔχοντα Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 16 [37,8], übersetzt W2
T 4 werden] danach hochgestellt Anm.Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 26 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 4f den Zusammenhang zu erklären und] zum Teil über der Zeile korr. aus zunächst ihnen auslegend den Zusammenhang, dann den Zusammenhang [über der Zeile mit Einfügungszeichen:] erklären d 10 mitbringt] korr. aus mit bringend 10f und so] über der Zeile mit Einfügungszeichen 15 von] korr. aus vom 27 vor den Thüren] über an den Pforten 28 sich einfindet] über anklopft | einfindet] danach hochgestellt Anm.-Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.Ziffer 27 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5)
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Eben so hat auch, wenn Krankheiten und schwere Plagen aus altem Zorn der Gottheit irgendwo verhängt wurden, ein eingegebener und prophetisch wirkender Wahnsinn denen, die es bedurften, Errettung gefunden, welcher zu Gebeten und Verehrungen der Götter sich hinwendend, und dadurch reinigende Gebräuche und Geheimnisse erlangend, jeden Theilhaber für die gegenwärtige und künftige Zeit sicherte, und dem auf rechte Art Wahnsinnigen und Besessenen die Lösung der obwaltenden Drangsale erfand. Die dritte Eingeistung und Wahnsinnigkeit, nemlich die von den Musen, ergreift nur eine zarte und heilig geschonte Seele, und diese zu festlichen Gesängen und den andern Werken der Dichtkunst aufregend und befeuernd und tausend Thaten der Urväter ausschmükend bildet sie die Nachkommen. Wer aber ohne diesen Wahnsinn der Musen in den Vorhallen der Dichtkunst sich einfindet, meinend, er könne durch Kunst allein genug ein Dichter werden, ein solcher ist selbst
Eben so hat auch von Krankheiten27 und den schwersten Plagen wie | sie ja aus altem Zorn einigen Geschlechtern verhängt waren, ein Wahnsinn eingegeben und ausgesprochen denen er Noth war, Errettung gefunden, welcher zu Gebeten und Verehrungen der Götter fliehend und dadurch reinigende Gebräuche und Geheimnisse erlangend, jeden seiner Theilhaber für die gegenwärtige und künftige Zeit sicherte, dem auf rechte Art Wahnsinnigen und Besessenen die Lösung der obwaltenden Drangsale erfindend. Die dritte Eingeistung und Wahnsinnigkeit von den Musen ergreift eine zarte und heilig geschonte Seele aufregend und befeuernd, und in festlichen Gesängen und andern Werken der Dichtkunst tausend Thaten der Urväter ausschmükend bildet sie die Nachkommen. Wer aber ohne diesen Wahnsinn der Musen in den Vorhallen der Dichtkunst sich einfindet, meinend, er könne durch Kunst allein genug ein Dichter werden, ein sol27
v o n K r a n k h e i t e n . Entscheiden mag ich hier nicht über die Leseart, aber nahe genug für die Uebersezung kommt gewiß der Wahrheit Heindorfs Vermuthung in seiner Anmerkung zu dieser Stelle. S 16–193,18 kritisiert von Rez.Ludewig (1804), S. 482 f., als Beispiel für die „verunglückten Stellen“; die Kritikpunkte (z. B. Eingeistung, einängstigen, gehäufte Partizipien, Einschiebsel) sind in W2 nicht berücksichtigt. – Die Wortbildung Eingeistung dagegen gelobt von Rez.Boeckh (1808), S. 105 = (1872), S. 24. 26f in den Vorhallen der Dichtkunst sich einfindet] Heindorfs hsl. Note zur Druckvorlage: SN 183/5, f. 1r: „P. 245. επι θυρας ἡκειν – Assentior. Die Note hat mir eben oft bittre Reue gemacht.“ Dazu Spalding: „Recht so, ἀγαθὴ δὲ ‚λύπη‘ ἥδε βροτοῖσι.“ – Vgl. Heindorf z. St. (S. 244).
S 1–4 von Krankheiten und den schwersten Plagen wie sie ja aus altem Zorn einigen Geschlechtern verhängt waren] nach Bekker bzw. Heindorfs Konjektur wie Spalte 1 App. und W2 Anm. 27 11 seiner] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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ὑπὸ τῆς τῶν μαινομένων ἡ τοῦ σωφρονοῦντος ἠφανίσθη. Τοσαῦτα μέν σοι καὶ ἔτι πλείω ἔχω μανίας γιγνομένης ἀπὸ θεῶν λέγειν καλὰ ἔργα. Ὥστε τοῦτό γε αὐτὸ μὴ φοβώμεθα, μηδέ τις ἡμᾶς λόγος θορυβείτω δεδιττόμενος, ὡς πρὸ τοῦ κεκινημένου τὸν σώφρονα δεῖ προαιρεῖσθαι φίλον, ἀλλὰ τόδε πρὸς ἐκείνῳ δείξας φερέσθω τὰ νικητήρια, ὡς οὐκ ἐπ᾽ ὠφελείᾳ ὁ ἔρως τῷ ἐρῶντι καὶ τῷ ἐρωμένῳ ἐκ θεῶν ἐπιπέμπεται. Ἡμῖν δὲ ἀποδεικτέον αὖ τοὐναντίον, ὡς ἐπ᾽ εὐτυχίᾳ τῇ μεγίστῃ παρὰ θεῶν ἡ τοιαύτη μανία δίδοται. Ἡ δὲ δὴ ἀπόδειξις ἔσται δεινοῖς μὲν ἄπιστος, σοφοῖς δὲ
weiht, und seine, des Verständigen, Dichtung wird von der des Wahnsinnigen verdunkelt. Soviel und noch mehr kann ich rühmen von den treflichen Werken des Wahnsinns der von den Göttern kommt. Diesen also wollen wir nicht scheuen noch solle uns irgend eine Rede irr machen, welche zeigen will, daß wir den Besonnenen vor dem Verzükten zu unserm Freunde machen sollten, sondern erst dann wollen wir ihr den Sieg zugestehen, wenn sie neben jenem auch noch dieses zeigen kann, daß die Liebe von den Göttern den Liebenden | und Geliebten nicht zu ihrem Heil eingegeben wird. Wir aber haben das Gegentheil zu erweisen, daß zur höchsten Seligkeit dieser Wahnsinn uns von den Göttern verliehen wird. Hievon nun wird der Beweis den Vernünftlern unglaublich, den wahrhaft Weisen aber sehr einleuchtend
T 4–6 von den treflichen Werken des Wahnsinns der von den Göttern kommt] umgestellt und ergänzt anscheinend durch eine andere Hand aus von des Wahnsinns der von den Göttern kommt treflichen Werken 9 will] danach hochgestellt Anm.Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 28 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 22 Hievon nun] über Dieser Beweis
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ungeweiht, und auch seine, des Besonnenen Dichtung, wird von der des Wahnsinnigen verdunkelt. Soviel und noch mehreres kann ich rühmen von des Wahnsinnes, der von den Göttern kommt, herrlichen Thaten. So daß wir eben dieses ja nicht scheuen wollen, noch uns irgend eine Rede irren lassen, die uns das einängstiget, daß wir vor dem | Verzükten den Besonnenen vorziehen sollen als Freund; sondern erst dieses noch zu jenem erweisend soll sie den Preis davon tragen, daß nemlich nicht zum Heil die Liebe dem Liebenden wie dem Geliebten von den Göttern gesendet wird. Wir aber haben das Gegentheil zu erweisen, daß zur größten Glükseligkeit die Götter diesen Wahnsinn verleihen. Und dieser Beweis wird den Vernünftlern unglaublich sein, den Weisen aber
cher ist selbst ungeweiht, und auch seine, des Verständigen Dichtung, wird von der des Wahnsinnigen verdunkelt. Soviel und noch mehreres kann ich rühmen von des Wahnsinnes, der von den Göttern kommt, herrlichen Thaten. So daß wir eben dieses ja nicht scheuen wollen, noch uns irgend eine Rede irren lassen, die uns das einängstiget, daß wir vor dem Verzükten den Besonnenen vorziehen sollen als Freund; sondern erst wenn sie dieses noch zu jenem erwiesen soll sie den Preis davon tragen, daß nemlich nicht zum Heil die Liebe dem Liebenden wie dem Geliebten von den Göttern gesendet wird. Wir aber haben das Gegentheil zu erweisen, daß zur größten Glükseligkeit die Götter diesen Wahnsinn verleihen. Und dieser Beweis wird den Vernünftlern unglaublich sein, den Weisen aber
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πιστή. Δεῖ οὖν πρῶτον ψυχῆς φύ-
sein. Zuerst also müßen wir in Absicht auf die Natur des Geistes, des
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glaubhaft. Zuerst nun muß21 über
glaubhaft. Zuerst nun muß28 über
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Z u e r s t n u n m u ß etc. Seele wird zwar bei uns in Beziehung auf die Gottheit nicht gesagt; indeß erlaubte die Natur der Sache nicht, das Wort Geist zu gebrauchen, und noch weniger wollte ich mit den Worten wechseln, woraus immer etwas Spielendes entsteht. Im Allgemeinen von dem Werthe dieses Beweises, und wie ihn Platon betrachtet, zu reden, wird vielleicht an einem andern Orte Gelegenheit sein. Hier nur soviel, daß man Unrecht thun würde, in dieser ganzen Theorie von der Seele schon die dem Platon erst späterhin eigene Verbindung anaxagorischer | und pythagorischer Gedanken zu suchen. Daß zunächst die Vorstellung des Platon von der Seele als der selbstbewegenden Kraft nicht rein anaxagorisch ist, kann jeder aus dem Aristoteles Phys. VIII., 5. fg., und de Anima I, 2. u. 3. hinlänglich abnehmen, wiewohl Aristoteles auch hier vom Platon meistens nur verdekt redet, und wo er ausführlich wird, sich nur auf den Timäos einläßt, ohne des Phädros oder der Geseze besonders zu erwähnen. Und eben so wenig dürfte das folgende pythagorisch sein; sondern auf die Dichtung von dem überhimmlischen Orte möchte den Platon zunächst das System des Parmenides gebracht haben; wenigstens bemerkt man eine auffallende Ana-
Z u e r s t n u n m u ß etc. Seele wird zwar bei uns in Beziehung auf die Gottheit nicht gesagt; indeß erlaubte die Natur der Sache nicht, das Wort Geist zu gebrauchen, und noch weniger wollte ich mit den Worten wechseln, woraus immer etwas Spielendes entsteht. Im Allgemeinen von dem Werthe dieses Beweises, und wie ihn Platon betrachtet, zu reden, wird vielleicht an einem andern Orte Gelegenheit sein. Hier nur soviel, daß man Unrecht thun würde, in dieser ganzen Theorie von der Seele schon die dem Platon erst späterhin eigene Verbindung anaxagorischer und pythagorischer Gedanken zu suchen. Daß zunächst die Vorstellung des Platon von der Seele als der selbstbewegenden Kraft nicht rein anaxagorisch ist, kann jeder aus dem Aristoteles Phys. VIII., 5. fg., und de Anima I, 2 u. 3, hinlänglich | abnehmen, wiewohl Aristoteles auch hier vom Platon meistens nur verdekt redet, und wo er ausführlich wird, sich nur auf den Timaios einläßt, ohne des Phaidros oder der Geseze besonders zu erwähnen. Und eben so wenig dürfte das folgende pythagorisch sein; sondern auf die Dichtung von dem überhimmlischen Orte möchte den Platon zunächst das System des Parmenides gebracht haben; wenigstens bemerkt man eine auffallende Ana-
S Anm. 21 Zur Verwendung des Wortes ‚Seele‘ in Bezug auf die Gottheit vgl. Tennemann: System der Platonischen Philosophie, Bd. 3 (1794), S. 49. Die Übersetzung ‚Geist‘ im Wechsel mit ‚Seele‘ für ψυχή im Unsterblichkeitsbeweis findet sich in SN 154. Im weiteren verweist Schleiermacher auf seinen (nie verwirklichten) Plan einer Darstellung des Platon und seiner Philosophie (vgl. W2 Anm. 32 mit App. S). Die Verbindung der Seelen-/Geist-Lehren des Anaxagoras (griechischer Philosoph des 5. Jh.s v. Chr. aus Klazomenai) und des Pythagoras (griechischer Philosoph des 5. Jh.s v. Chr. aus Samos) hatte Schleiermacher anfangs noch auch für den Phaidros vorausgesetzt
S Anm. 28 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 21. – Die Fußnote zur Anm. 28 nimmt einerseits explizit Bezug auf: Rez.Boeckh (1808), bes. S. 111-118; (1872), bes. S. 29-35. Andererseits wendet sie sich implizit gegen die Kritik Asts (Platon’s Leben und Schriften, Leipzig 1816, S. 108 f. mit Anm. **). Ast vertritt in diesem Kontext die These: „Schon die Ausdrücke κοσμεῖν und διακοσμεῖν deuten auf den Anaxagoras hin; denn diesem waren sie eigenthümlich“ (ebd. S. 109). Zu dieser These verweist er u. a. auf: Lodewijk Kasper Valckenaer: Diatribe in Euripidis perditorum dramatum reliquias, Leiden 1767, S. 40 B. Schleiermacher möchte dies nicht wie Ast dem Valckenaer ‚nachplappern‘.
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Erste Fassung (handschriftlich)
σεως πέρι θείας τε καὶ ἀνθρωπίνης ἰδόντα πάθη τε καὶ ἔργα τἀληθὲς
göttlichen sowol als des menschlichen, zur richtigen Einsicht gelangen durch Anschauung seiner Eigen-
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die göttliche sowohl als menschliche Natur der Seele durch Betrachtung ihres Thuns und Leidens richtige
der Seele Na|tur, der göttlichen sowohl als menschlichen, durch Betrachtung ihres Thuns und Leidens
logie mit dem, was wir von seinem νοητὸν und δοξαστὸν mehr ahnden können als wissen. Das übrige möchte wohl nur aus den Mysterien zu erklären sein, wenn gleich Aristoteles den Gedanken, daß jedwede Seele in jedweden Körper wandern könne, pythagorische Fabeln nennt. Denn bei dem auffallenden Bestreben des Platon in diesem Gespräch, seine Belesenheit zu zeigen, ist der Gedanke fast unvermeidlich, daß er um diese Zeit pythagorische Schriften noch gar nicht kannte, und vielleicht auch die des Anaxagoras nur oberflächlich. Wie denn überhaupt dieser erste Versuch in der TranscendentalPhilosophie, wiewohl er den Keim der meisten platonischen Ideen enthält, weder ausgebreitete Kenntnisse voraussezt, noch die Hand des Meisters verräth.
logie mit dem, was wir von seinem νοητὸν und δοξαστὸν mehr ahnden können als wissen. Das übrige möchte wohl nur aus den Mysterien zu erklären sein, wenn gleich Aristoteles den Gedanken, daß jedwede Seele in jedweden Körper wandern könne, pythagorische Fabeln nennt. Denn bei dem auffallenden Bestreben des Platon in diesem Gespräch, seine Belesenheit zu zeigen, ist der Gedanke fast unvermeidlich, daß er um diese Zeit pythagorische Schriften noch gar nicht kannte, und wahrscheinlich, weil er sich sonst hier tiefer müßte eingelassen haben, auch die des Anaxagoras nur oberflächlich*). Wie denn überhaupt dieser erste Versuch in der Transcendental-Philosophie, wiewohl er den Keim der meisten platonischen Ideen enthält, weder ausgebreitete Kenntnisse voraussezt, noch die Hand des Meisters verräth.
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S Forts. Anm. 21 (KGA I/3, S. 355, Notat 34-36). Hier dagegen verweist er auf Aristoteles, Physik VIII, 5-6 (= 256a-260a) und De Anima I, 2-3 (= 403b-407b), wo Platons Timaios erwähnt ist (404b). Im Blick auf die Seelenlehre denkt Schleiermacher an folgende Stellen: Platon, Timaios 34b ff.; Nomoi X, 887c-899d. Zu Parmenides (vorsokratischer Philosoph aus Elea, spätes 6./1. Hälfte 5. Jh. v. Chr.) und zu Platons Bild vom überhimmlischen Aufenthalt der Seele (s. u. Anm. 26) vgl. die Einleitung zum Phaidros, S. 83-85. Zu den Begriffen νοητόν und δοξαστόν vgl. die entsprechenden Kapitel in der Edition von Fülleborn (1795), S. 54-79.80-97 [SB 1429]; vgl. zusätzlich A 34, I S. 223, 25 ff. DielsKranz. Die Seelenwanderungslehre wird von Aristoteles in De anima I,3, 407b als pythagorische Fabeln bezeichnet. Zur Kritik an der These Schleiermachers, Platon gehe hier nicht auf Pythagoras zurück, vgl. schon Rez.Ast (1808), S. 135 f. und Rez.Boeckh (1808), S. 111-118; (1872), S. 29-35.
[Fußnote zur Anm. 28:] Pythagoristen, von exoterischen Schülern abstammend, vermuthe ich, sind früher nach Athen gekommen als eigentlich pythagoreische Bücher; eine fast nothwendige Vermuthung, welche Boeckh in seiner Kritik meiner Ansicht scheint übersehen zu haben. Daß aber κοσμεῖν und διακοσμεῖν dem Anaxagoras eigenthümlich gewesen möchte ich auch Valkenaern, dessen Stärke grade hier nicht liegt, nicht nachsagen.
T Anm. 28 31 κοσμεῖν] κοςμεῖν W2 | 31 διακοσμεῖν] διακοςμεῖν W2
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νοῆσαι. Ἀρχὴ δὲ ἀποδείξεως ἥδε. Πᾶσα ψυχὴ ἀθάνατος. Τὸ γὰρ ἀεικίνητον ἀθάνατον, τὸ δ᾽ ἄλλο κινοῦν καὶ ὑπ᾽ ἄλλου κινούμενον, παῦλαν ἔχον κινήσεως, παῦλαν ἔχει ζωῆς. Μόνον δὴ τὸ αὑτὸ κινοῦν, ἅτε οὐκ ἀπολεῖπον ἑαυτό, οὔποτε λήγει κινούμενον, ἀλλὰ καὶ τοῖς ἄλλοις, ὅσα κινεῖται, τοῦτο πηγὴ καὶ ἀρχὴ κινήσεως. Ἀρχὴ δὲ ἀγένητον. Ἐξ ἀρχῆς γὰρ ἀνάγκη πᾶν τὸ γιγνόμενον γίγνεσθαι, αὐτὴν δὲ μηδ᾽ ἐξ ἑνός.
schaften und seines Handelns. Der Anfang des Beweises ist daher dieser. Jeder Geist ist unsterblich. Denn was immer in Bewegung ist ist unsterblich. Was nun ein Anderes bewegt, und selbst von einem Andern bewegt wird, hat so wie ein Ende der Bewegung, so auch ein Ende des Lebens. Nur das sich selbst bewegende wird, weil es nie sich selbst verlassen kann, auch nie aufhören in Bewegung zu sein, sondern vielmehr für Alles Andere, was sonst noch bewegt wird der Urgrund und die Quelle der Bewegung sein. Denn aus dem Urgrund muß Alles entstandene entstehen, er selbst aber kann aus nichts Anderem entstehn;
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Einsicht vorangehn. Daher ist dies der Anfang des Beweises.22 Jede Seele ist unsterblich. Denn das stets Bewegte ist unsterblich, was aber anderes nur bewegt, indem es selbst von anderem bewegt wird, und also ein Ende der Bewegung hat, hat auch ein Ende des Lebens. Nur also das sich selbst Bewegende, weil es nie sich selbst verläßt, wird auch nie aufhören bewegt zu sein, sondern auch allem übrigen was bewegt wird, ist dieses Quelle und Anfang der Bewegung. Der Anfang aber ist unentstanden. Denn aus dem Anfang muß alles Entstehende entstehen, er selbst aber aus nichts.
richtige Einsicht vorangehn. Der Anfang des Erweises ist dieser.29 Jede Seele ist unsterblich. Denn das stets Bewegte ist unsterblich, was aber anderes bewegt, und selbst von anderem bewegt wird, und also einen Abschnitt der Bewegung hat, hat auch einen Abschnitt des Lebens. Nur also das sich selbst Bewegende, weil es nie sich selbst verläßt, wird auch nie aufhören bewegt zu sein, sondern auch allem was sonst bewegt wird, ist dieses Quelle und Anfang der Bewegung. Der Anfang aber ist unentstanden. Denn aus dem Anfang muß alles Entstehende entstehen, er selbst aber aus nichts.
22 In dem Beweise der Unsterblichkeit ist unser Text an mehreren Stellen verdächtig, und die zwiefache Uebersezung des Cicero de rep. VI. und Tusc. I. 23. hilft eben nicht sehr heraus.
29 In dem Beweise der Unsterblichkeit ist unser Text an mehreren Stellen verdächtig, und die zwiefache Uebersezung des Cicero de | rep. VI. und Tusc. I. 23. hilft eben nicht sehr heraus.
T Anm. 22 mit Gedankenstrich an Anm. 21 angeschlossen W1 S 4–6 was aber anderes nur bewegt, indem es selbst von anderem bewegt wird] kritisiert von Rez.Ast (1808), S. 125; verändert in W2 S Anm. 22 Cicero, De republica 6,27 f.; Tusculanes disputationes 1,53 f. (Kapitel 23).
T Anm. 29 mit Gedankenstrich an Anm. 28 angeschlossen W2 S 4–6 was aber anderes bewegt, und selbst von anderem bewegt wird] verändert ggb. W1 nach Rez.Ast (1808) (wie zu W1) S Anm. 29 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 22.
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Εἰ γὰρ ἔκ του ἀρχὴ γίγνοιτο, οὐκ ἂν ἐξ ἀρχῆς γίγνοιτο. Ἐπειδὴ δὲ
denn wenn der Urgrund aus etwas entstände, so wäre doch dies nicht aus dem Urgrund entstanden. Da er
1f Εἰ γὰρ ἔκ του ἀρχὴ γίγνοιτο, οὐκ ἂν ἐξ ἀρχῆς γίγνοιτο.] Εἰ γὰρ ἔκ του ἀρχὴ γίγνοιτο, οὐκ ἂν πᾶν ἐξ ἀρχῆς γίγνοιτο. konj. Heindorf z. St. (S. 246) | Εἰ γὰρ ἔκ του ἀρχὴ γίγνοιτο, οὐκ ἂν ἔτι ἀρχὴ γένοιτο. konj. Buttmann (bei Heindorf z. St., S. 246) | Εἰ γὰρ ἔκ του ἀρχὴ γίγνοιτο τοῦτο οὐκ ἂν ἐξ ἀρχῆς γίγνοιτο. oder Εἰ γὰρ ἔκ του ἀρχὴ γίγνοιτο, οὐκ ἂν ἐξ ἀρχῆς γίγνοιτο τοῦτο. konj. Schleiermacher W1 Anm. 23 W2 Anm. 30, übersetzt SN 154
T 2 wäre doch dies] über entstände es 3 entstanden] über der Zeile mit Einfügungszeichen; danach hochgestellt Anm.Zeichen Schleiermachers: x), durch Anm.Ziffer 29 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5)
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Denn wenn der Anfang aus etwas entstände,23 so entstände nichts mehr aus dem Anfang. Da er aber
Denn wenn der Anfang aus etwas entstände,30 so entstände nichts mehr aus dem Anfang. Da er aber
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Bei der Stelle […] d e n n w e n n d e r Anfang aus etwas entstände. könnte man den Vermuthungen, welche Heindorf anführt, vielleicht noch die beifügen, daß hinter dem ersten oder zweiten γίγνοιτο sehr leicht könnte τοῦτο ausgefallen sein, da man denn übersetzen müßte: „denn wenn der Anfang aus etwas entstände, so ent|stände doch dies nicht aus dem Anfange.“ Mit der Uebersezung des Wortes ἀρχὴ zu künsteln, wäre übrigens für einen Leser, dem das Hellenische nicht immer im Sinne schwebte, gefährlich gewesen. So war auch im folgenden, troz der unsterblichen Thiere, ζῶον nicht anders zu übersezen als Thier, denn dies ist für das Vereinigte aus Seele und Leib unser eigentliches und einziges Wort.
Bei der Stelle […] D e n n w e n n d e r Anfang aus etwas entstände hilft Hermeias auch nicht aus. Er vervollständigt den Platon, wie denn das der Commentator immer leicht hat, und faßt den Beweis so: Wenn der Anfang entstände: so müßte er als Entstehendes aus dem Anfang entstehen, als Anfang aber aus etwas das nicht Anfang wäre – weil alles aus anderem entsteht als es selbst ist. Da also entgegengeseztes aus dem Saz folge, so sei er falsch. Dieses liegt aber nicht in den Worten des Platon, sondern muß erst hineingelegt werden. In dieser Rathlosigkeit der Sache könnte man den Vermuthungen, welche Heindorf anführt, vielleicht noch die beifügen, daß hinter dem ersten oder zweiten γίγνοιτο sehr leicht könnte τοῦτο ausgefallen sein, da man denn übersezen müßte: „denn wenn der Anfang aus etwas entstände, so entstände dies nicht aus dem Anfange.“ – Mit der Uebersezung des Wortes ἀρχὴ zu künsteln, wäre übrigens für einen Leser, dem das Hellenische nicht immer im Sinne schwebte, gefährlich gewesen. So war auch im folgenden, troz der unsterblichen Thiere, ζῶον nicht anders zu übersezen als Thier, denn dies ist für das Vereinigte aus Seele und Leib unser eigentliches und einziges Wort.
T Anm. 30 unmittelbar an Anm. 29 angeschlossen mit der oben ausgelassenen Stellenangabe W2 T Anm. 23 an Anm. 22 angeschlossen mit der oben ausgelassenen Stellenangabe W1 | 9f ausgefallen] verdruckt ausgefallan W1 S Anm. 23 Zur Konjektur τοῦτο Z. 9 vgl. Spalte 1 App. und W2 Anm. 30 – Die Übersetzung Urgrund für ἀρχή in SN 154 wird hier offenbar implizit verworfen; ebenso die Übersetzung lebendes Wesen für ζῶον in SN 154 (246b ff. passim).
S Anm. 30 Scholion des Hermeias: Platonis Phaedrus recensuit Hermiae scholiis e cod. Monac. XI. suisque commentariis illustravit D. Fridericus Astius …, Leipzig 1810 (abgek.: Ast: Phaedr.), S. 122 mit S. 283.286 (Asts Kommentar) (= S. 121 Lucarini/Moreschini); vgl. Rez.Ast (1808), S. 134. Zu den weiteren Ausführungen Schleiermachers in dieser Anmerkung vgl. Spalte 3 zu Anm. 23.
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ἀγένητόν ἐστι, καὶ ἀδιάφθορον αὐτὸ ἀνάγκη εἶναι. Ἀρχῆς γὰρ δὴ ἀπολομένης, οὔτε αὐτή ποτε ἔκ του οὔτε ἄλλο ἐξ ἐκείνης γενήσεται, εἴπερ ἐξ ἀρχῆς δεῖ τὰ πάντα γίγνεσθαι. Οὕτω δὴ κινήσεως μὲν ἀρχὴ τὸ αὑτὸ κινοῦν, τοῦτο δὲ οὔτ᾽ ἀπόλλυσθαι οὔτε γίγνεσθαι δυνατόν, ἢ πάντα τε οὐρανὸν πᾶσάν τε γῆν συμπεσοῦσαν στῆναι καὶ μήποτε αὖθις ἔχειν, ὅθεν κινηθέντα γενήσεται. Ἀθανάτου δὲ πεφασμένου τοῦ ὑφ᾽ ἑαυτοῦ κινουμένου, ψυχῆς οὐσίαν τε καὶ λόγον τοῦτο αὐτό τις λέγων οὐκ αἰσχυνεῖται. Πᾶν γὰρ σῶμα, ᾧ μὲν ἔξωθεν τὸ κινεῖσθαι, ἄψυχον, ᾧ δὲ ἔνδοθεν αὐτὸ ἐξ αὑτοῦ, ἔμψυχον, ὡς ταύτης οὔσης φύσεως ψυχῆς. Εἰ δ᾽ ἔστι τοῦτο οὕτως ἔχον, μὴ ἄλλο τι εἶναι τὸ αὐτὸ ἁυτὸ κινοῦν, ἢ ψυχὴν, ἐξ ἀνάγκης ἀγένητόν τε καὶ ἀθάνατον ψυχὴ ἂν εἴη. Περὶ μὲν οὖν ἀθα-
aber unentstanden ist muß er auch unvergänglich sein. Denn wenn der Urgrund unterginge, könnte er selbst aus nichts Anderm aufs neue entstehen, und also auch nichts anderes, da ja alles aus dem Urgrund entstehen soll. So ist also der Urgrund der Bewegung das sich selbst bewegende, dieses aber kann nie weder untergehen noch erzeugt werden, oder Himmel und Erde müßten zusammen fallen, und still stehn, und es würde keine Kraft geben, wodurch sie wieder könnten in Bewegung gesezt werden. Ist aber gezeigt, daß das sich von selbst bewegende unsterblich ist so darf sich auch niemand schämen dieses für das Wesen und den Begrif der Seele zu erklären. Denn jeder Körper, dem das Bewegtwerden nur von außen herkommt ist unbeseelt, der es aber in sich hat aus sich selbst ist beseelt, so daß also darin die Natur der Seele bestehen muß. Wenn also dieses sich so verhält, daß das sich selbst bewegende nichts anders ist als die Seele so muß nothwendig auch die Seele unentstanden und unsterblich sein. Von ihrer Unsterblichkeit nun sei dieses genug; von
10 γῆν] γένεσιν Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 17 [39,4], übersetzt W2, vgl. W2 Anm. 31
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unentstanden ist, muß er nothwendig auch unvergänglich sein. Denn wenn der Anfang unterginge könnte weder er jemals aus etwas anderem, noch etwas anderes aus ihm entstehen, da ja alles aus dem Anfange entstehen soll. Demnach also ist der Bewegung Anfang das sich selbst Bewegende; und daß dieses untergehe oder erzeugt werde ist nicht möglich, oder der ganze Himmel und die ganze Erde müßten zusammenfallend still stehen, und niemals wieder können | in Bewegung gesezt werden. Nachdem sich nun das sich von selbst Bewegende als unsterblich gezeigt hat, so darf auch wer es für das Wesen und den Begriff der Seele erklärt sich nicht schämen. Denn jeder Körper, dem nur von außen das Bewegtwerden kommt, heißt unbeseelt, der es aber in sich hat aus sich selbst, beseelt, als wäre dieses die Natur der Seele. Verhält sich aber dieses so, daß nichts anders das sich selbst Bewegende ist als die Seele, so ist nothwendig auch die Seele unentstanden und unsterblich. Von ihrer Unsterblichkeit nun
unentstanden ist, muß er nothwendig auch unvergänglich sein. Denn wenn der Anfang unterginge könnte weder er jemals aus etwas anderem, noch etwas anderes aus ihm entstehen, da ja alles aus dem Anfange entstehen soll. Demnach also ist der Bewegung Anfang das sich selbst Bewegende; dies aber kann weder untergehen noch entstehen, oder der ganze Himmel und die gesammte Erzeugung31 müßten zusammenfallend still stehen, und hätten nichts, woher bewegt sie wiederum könnten entstehen. Nachdem sich nun das sich von selbst Bewegende als unsterblich gezeigt hat, so darf man sich auch nicht schämen eben dieses für das Wesen und den Begriff der Seele zu erklären. Denn jeder Körper, dem nur von außen das Bewegtwerden kommt, heißt unbeseelt, der es aber in sich hat aus sich selbst, beseelt, als sei dieses die Natur der Seele. Verhält sich aber dieses so, daß nichts anders das sich selbst Bewegende ist | als die Seele, so ist nothwendig auch die Seele unentstanden und unsterblich. Von ihrer Unsterblichkeit nun sei dieses ge31
Zwischen γῆν und γένεσιν war schwer zu entscheiden, doch habe ich mich für das lezte entschieden weil der Gegensaz zwischen Erzeugung und Stillstand hier wichtiger ist als das Zusammenfassen von Himmel und Erde.
T Anm. 31 mit Gedankenstrich an Anm. 30 angeschlossen W2 | 31 γένεσιν] verdruckt γένισιν W2
S 23f als wäre dieses die Natur der Seele] kritisiert von Rez.Ast (1808), S. 126; verändert in W2
S 12 Erzeugung] nach Bekker wie Spalte 1 App. und W2 Anm. 31 24f als sei dieses die Natur der Seele] verändert ggb. W1 nach Rez.Ast (1808) (wie zu W1)
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νασίας αὐτῆς ἱκανῶς. Περὶ δὲ τῆς ἰδέας αὐτῆς ὧδε λεκτέον· οἷον μέν ἐστι, πάντη πάντως θείας εἶναι καὶ μακρᾶς διηγήσεως, ᾧ δὲ ἔοικεν, ἀνθρωπίνης τε καὶ ἐλάττονος. Ταύτῃ οὖν λέγωμεν. Ἐοικε δὴ τῇ ξυμ-
ihrem Wesen aber ist folgendes zu sagen. Wie es an sich beschaffen ist, das ist nun mehr als irgend etwas Anderes gottliche und unendliche Untersuchung, womit es aber zu | vergleichen ist, dies wäre menschlicher und leichter durchzuführen und auf diese Art müßen wir demnach davon reden. Es gleicht aber
T 5 womit es] über wem sie
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sei dieses genug, von ihrem Wesen aber müssen wir dieses sagen, daß wie es an sich beschaffen sei eine überall auf alle Weise göttliche und unbegrenzte Untersuchung ist, womit es aber zu vergleichen sei, dies eine menschliche und leichtere. Auf diese Art also müssen wir davon reden. Es gleiche daher der zusam-
nug; von ihrem Wesen aber müssen wir dieses sagen, daß wie es an sich beschaffen sei überall auf alle Weise eine göttliche und weitschichtige Untersuchung ist, womit es sich aber vergleichen läßt, dies eine menschliche und leichtere. Auf diese Art also müssen wir davon reden. Es gleiche daher32 der zusam-
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E s g l e i c h e d a h e r . Daß dieses der erste noch bildlich gehaltene Ausdruk ist der späterhin strenger dargestellten und mehr entwikkelten platonischen Eintheilung der Seele, soviel ist unläugbar. Daß aber Platon diese Eintheilung ander|wärts her genommen haben sollte als aus dem Sokrates und sich selbst, dieses kann ich noch nicht glauben. Der Leser verarge mir aber hier nicht die Kürze oder auch das gänzliche Schweigen über diese Gegenstände, sondern gedulde sich auf die Darstellung des Platon und seiner Philosophie welche, wenn es vergönnt ist, versprochenermaßen dies ganze Werk beschließen soll.
S 9 der] Heindorfs hsl. Note zur Druckvorlage: SN 183/5, f. 1r (Bezug unklar): „P. 246. τῃ für τινι ist unerhört, wie τῳ f. τινι. Wohl aber wird jeder Artikel für τις gebraucht. S. ad Charmid. §. 7. p. 62, [nachträglich hinzugefügt:] wo diese Stelle ein neues Beispiel ist.“ – Vgl. Heindorf (Ed.Berlin 1802), S. 62 zu Charmides 155d.
S Anm. 32 Die platonische Einteilung der Seele auch in: Platon, Politeia 4, 438d-441c. Schleiermacher bezweifelt die Herkunft dieser Einteilung aus anderen Quellen, bes. den Pythagoreern (so Heindorf z. St., S. 248, wieder aufgegriffen von Ast: Phaedr. 1810, S. 289 f.); vgl. auch die Einleitung zum Phaidros S. 83-85. – Schleiermachers Plan einer Darstellung des Platon und seiner Philosophie ist ebenso wie die von F. Schlegel in Aussicht gestellte Kritik des Platon nicht verwirklicht worden; zu den Plänen s. Schleiermacher: Anzeige die Uebersetzung des Platon betreffend, u. a. in: Intelligenzblatt der Allgemeinen Literatur-Zeitung 1803, Nr. 212, Sp. 1732 f.; Neue Leipziger Literaturzeitung 1803, Neues Allgemeines Intelligenzblatt für Literatur und Kunst, 23. Stück (12. November 1803), Sp. 366-368; Intelligenzblatt der Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung vom Jahre 1804, Nr. 2, Sp. 13 f.; vgl. KGA V/7, Nr. 1752.49-52.
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φύτῳ δυνάμει ὑποπτέρου ζεύγους τε καὶ ἡνιόχου. Θεῶν μὲν οὖν ἵπποι τε καὶ ἡνίοχοι πάντες αὐτοί τε ἀγαθοὶ καὶ ἐξ ἀγαθῶν, τὸ δὲ τῶν ἄλλων μέμικται. Καὶ πρῶτον μὲν ἡμῶν ὁ ἄρχων συνωρίδος ἡνιοχεῖ, εἶτα τῶν ἵππων ὁ μὲν αὐτῷ καλός τε καὶ ἀγαθὸς καὶ ἐκ τοιούτων, ὁ δὲ ἐξ ἐναντίων τε καὶ ἐναντίος. Χαλεπὴ δὴ καὶ δύσκολος ἐξ ἀνάγκης ἡ περὶ ἡμᾶς ἡνιόχησις. Πῆ δὴ οὖν θνητόν τε καὶ ἀθάνατον ζῶον ἐκλήθη, πειρατέον εἰπεῖν. Ἡ ψυχὴ πᾶσα παντὸς ἐπιμελεῖται τοῦ ἀψύχου, πάντα δὲ οὐρανὸν περιπολεῖ, ἄλλοτε ἐν ἄλλοις εἴδεσι γιγνομένη.
der vereinten Kraft eines geflügelten Gespanns und seines Führers. Der Götter Rosse und Führer sind sämmtlich selbst gut und von guter Abstammung; bei den Andern ist Alles gemischter Art. Bei uns ist das erste der Führer der das Gespann zügelt; demnächst ist von den Rossen das eine schön und edel und solchen Ursprunges, das andere aber das Gegentheil der Abstammung und der Beschaffenheit nach; daher natürlich das Regieren bei uns schwer und gefährlich ist. Woher nun ein lebendes Wesen sterblich und unsterblich genannt wird müßen wir auch versuchen zu erklären. Alle Seelen walten über Alles Unbeseelte, und durchlaufen den ganzen Himmel bald in dieser bald in jener
7 αὐτῷ] αὐτῶν konj. Heindorf z. St. (S. 248), fehlt in der Übersetzung SN 154 W1 W2
T 1 der vereinten Kraft] am Rand mit Einfügungszeichen 2 Führers] danach hochgestellt Anm.-Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 30 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 6f ist das erste] über zügelt erstlich 7 der2] über der Zeile mit Einfügungszeichen 8 zügelt] über der Zeile mit Einfügungszeichen 12 daher] danach es 19 durchlaufen] durch laufen SN 154
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Phaidros 1. Auflage
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mengewachsenen Kraft eines beflügelten Gespannes und seines Führers. Der Götter Rosse und Führer nun sind alle selbst gut und guter Abkunft, die andern aber vermischt. Zuerst nun zügelt bei uns der Führer das Gespann, demnächst ist von den Rossen das eine gut und edel und solchen Ursprungs, das andere aber entgegengesezter Abstammung und Beschaffenheit. Schwierig und mühsam ist daher natürlich bei uns das Wagenlenken. Woher ferner die Benennungen sterblicher und unsterblicher Thiere müssen wir auch versuchen zu erklären. Alles was Seele ist24 waltet über alles unbeseelte, und durchzieht den ganzen Himmel verschiedentlich in verschiedenen Gestalten sich zeigend.
mengewachsenen Kraft eines befiederten Gespannes und seines Führers. Der Götter Rosse und Führer nun sind alle selbst gut und guter Abkunft, die andern aber vermischt. Zuerst nun zügelt bei uns der Führer das Gespann, demnächst ist von den Rossen das eine gut und edel und solchen Ursprungs, das andere aber entgegengesezter Abstammung und Beschaffenheit. Schwierig und mühsam ist daher natürlich bei uns die Lenkung. Woher ferner die Benennungen sterblicher und unsterblicher Thiere müssen wir auch versuchen zu erklären. Alles was Seele ist33 waltet über alles unbeseelte, und durchzieht den ganzen Himmel verschiedentlich in verschiedenen Gestalten sich zeigend.
24 A l l e s w a s S e e l e i s t . Ἡ ψυχὴ πᾶσα. Alles Geistige wird hier offenbar als Eins betrachtet ohne Unterschied des Ranges und der Persönlichkeit. Auch dies konnte jedoch nicht genauer ausgedrükt werden, ohne von der Regel abzuweichen.
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S Anm. 24 Schleiermacher ringt hier mit der Konstruktion Ἡ ψυχὴ πᾶσα (wörtlich: die Seele als ganze vs. ψυχὴ πᾶσα jede Seele, wie oben 245c). In SN 154 (Spalte 2) übersetzt er noch freier Alle Seelen, folgt jedoch offenbar in der gedruckten Fassung (Alles was Seele ist) der Schulregel zur Übersetzung des prädikativen πᾶς.
A l l e s w a s S e e l e i s t . Ἡ ψυχὴ πᾶσα. Alles Geistige wird hier offenbar als Eins betrachtet ohne Unterschied des Ranges und der Persönlichkeit. Auch dies konnte jedoch nicht genauer ausgedrükt werden, ohne von der Regel abzuweichen.
S Anm. 33 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 24.
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Phaidros Ed. Heindorf
Erste Fassung (handschriftlich)
Τελέα μὲν οὖν οὖσα καὶ ἐπτερωμένη μετεωροπολεῖ τε καὶ ἅπαντα τὸν κόσμον διοικεῖ, ἡ δὲ πτερορρυήσασα φέρεται, ἕως ἂν στερεοῦ τινος ἀντιλάβηται, οὗ κατοικισθεῖσα, σῶμα γήϊνον λαβοῦσα, αὐτὸ αὑτὸ δοκοῦν κινεῖν διὰ τὴν ἐκείνης δύναμιν, ζῶον τὸ ξύμπαν ἐκλήθη, ψυχὴ καὶ σῶμα παγέν, θνητόν τ᾽ ἔσχεν ἐπωνυμίαν· ἀθάνατον δὲ οὐδ᾽ ἐξ ἑνὸς λόγου λελογισμένου ἀλλὰ πλαττομένου, οὔτε ἰδόντες οὔτε ἱκανῶς νοήσαντες θεόν, ἀθάνατόν τι ζῶον, ἔχον μὲν ψυχήν, ἔχον δὲ σῶμα, τὸν ἀεὶ δὲ χρόνον ταῦτα ξυμπεφυκότα. Ἀλλὰ ταῦτα μὲν δή, ὅπη τῷ θεῷ φίλον, ταύτῃ ἐχέτω τε καὶ λεγέσθω. Τὴν δ᾽ αἰτίαν τῆς τῶν πτερῶν ἀποβολῆς, δι᾽ ἣν ψυχῆς
Gestalt. Die nun vollkommen und geflügelt ist bewegt sich in den oberen Gegenden und bewohnt die ganze Welt; die aber die Flügel fallen läßt schwebt niederwärts bis sie auf etwas Festes trift. Dort erhält sie ihren Wohnsiz, und nimmt einen irdischen Körper an, welcher nun vermöge ihrer Kraft den Anschein hat sich selbst zu bewegen, und dieses Ganze, die Seele und der ihr anhängende Körper wird nun ein lebendes Wesen genannt, und bekommt den Beinamen sterblich; ein unsterbliches aber heißt, nicht aus irgend erwiesenen Gründen, sondern nur vermöge einer willkührlichen Voraussezung da wir ihn ja nie gesehen haben noch sonst hinlänglich kennen, Gott, ein unsterbliches lebendes Wesen, welches zwar auch eine Seele hat und einen Körper, die aber beide für immer ineinander verwachsen sind. Damit verhalte es sich nun wie Gott will und so sei genug davon gesagt. Nun aber laßt uns die Ursach von dem Verlust der Flügel, warum sie der Seele abfallen,
12 πλαττομένου] πλάττομεν Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 17 [40,14], übersetzt W2
T 6 Dort] danach läßt sie sich nieder 18 ja] über der Zeile mit Einfügungszeichen 21 eine] danach solche 25 so] über es | sei] danach nach
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Die vollkommene nun und befiederte25 schwebt in den höheren Gegenden, und waltet durch die ganze Welt; die entfiederte aber schwebt umher bis sie auf ein | starres trifft, wo sie nun wohnhaft wird, einen erdigen Leib annimmt, der nun durch ihre Kraft sich selbst zu bewegen scheint, und dieses Ganze, Seele und Leib zusammengefügt, wird dann ein Thier genannt, und bekommt den Beinamen sterblich; das Unsterbliche aber heißt nicht aus irgend erwiesenen Gründen, sondern nur nach selbsterdachter Annahme, da wir Gott weder gesehen haben noch hinlänglich erkennen, ein unsterbliches Thier, als hätte es auch eine Seele und einen Leib, aber auf ewige Zeit beide zusammen vereiniget. Doch dieses verhalte sich wie es Gott gefällt, und auch nur so sei hiemit davon geredet. Nun laßt uns die Ursach von dem Verlust des Gefieders, warum es der Seele aus-
Die vollkommene nun und befiederte34 schwebt in den höheren Gegenden, und waltet durch die ganze Welt; die entfiederte aber schwebt umher bis sie auf ein starres trifft, wo sie nun wohnhaft wird, einen erdigen Leib annimmt, der nun durch ihre Kraft sich selbst zu bewegen scheint, und dieses Ganze, Seele und Leib zusammengefügt, wird dann ein Thier genannt, und bekommt den Beinamen sterblich; unsterblich aber nicht aus irgend erwiesenen Gründen, sondern wir bilden uns ohne Gott weder gesehen zu haben noch hinlänglich zu erkennen ein unsterbliches Thier, als auch eine | Seele habend und einen Leib habend, aber auf ewige Zeit beide zusammen vereiniget. Doch dieses verhalte sich wie es Gott gefällt, und auch nur so sei hiemit davon geredet. Nun laßt uns die Ursach von dem Verlust des Gefieders, warum es der Seele ausfällt,
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G e fi e d e r habe ich überall übersezt, damit sich nicht Jemand vielleicht auch durch Stolberg verführt die Seele mit zwei Flügeln denke, sonst aber kahl, als wogegen in der Folge die ausdrüklichen Worte des Platon streiten.
G e fi e d e r habe ich überall übersezt, damit sich nicht Jemand vielleicht auch durch Stolberg verführt die Seele mit zwei Flügeln denke, sonst aber kahl, als wogegen in der Folge die ausdrüklichen Worte des Platon streiten.
T Anm. 25 mit Gedankenstrich an Anm. 24 angeschlossen W1 S Anm. 25 Schleiermacher hatte in SN 154 (Spalte 2) fast durchgängig Flügel, beflügelt etc. übersetzt. Im Gegensatz dazu entscheidet er sich an dieser Stelle bewußt für Gefieder, befiedert etc. und hält dies im Folgenden durch. Eine einzige Stelle scheint er übersehen zu haben: s. o. S. 207,1; doch auch diese gleicht er in W2 an. Stolberg (Auserlesene Gespräche, 1. Theil, 1796, S. 45 ff.) hatte die Wortfelder „Gefieder“ und „Flügel“ gemischt.
T Anm. 34 mit Gedankenstrich an Anm. 33 angeschlossen W2 S 14f wir bilden uns] nach Bekker wie Spalte 1 App. S Anm. 34 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 25.
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Phaidros Ed. Heindorf
Erste Fassung (handschriftlich)
ἀπορρεῖ, λάβωμεν. Ἔστι δέ τις τοιάδε. Πέφυκεν ἡ πτεροῦ δύναμις τὸ ἐμβριθὲς ἄγειν ἄνω μετεωρίζουσα, ᾗ τὸ τῶν θεῶν γένος οἰκεῖ. Κεκοινώνηκε δέ πη μάλιστα τῶν περὶ τὸ σῶμα τοῦ θείου. Τὸ δὲ θεῖον καλόν, σοφόν, ἀγαθόν, καὶ πᾶν ὅτι τοιοῦτο. Τούτοις δὴ τρέφεταί τε καὶ αὔξεται μάλιστα τὸ τῆς ψυχῆς πτέρωμα, αἰσχρῷ δὲ καὶ κακῷ καὶ τοῖς ἐναντίοις φθίνει τε καὶ διόλλυται. Ὁ μὲν δὴ μέγας ἡγεμὼν ἐν οὐρανῷ Ζεύς, πτηνὸν ἅρμα ἐλαύνων, πρῶτος πορεύεται, διακοσμῶν πάντα καὶ ἐπιμελούμενος· τῷ δ᾽ ἕπεται στρατιὰ θεῶν τε καὶ δαιμόνων, κατὰ ἕνδεκα μέρη κεκοσμημένη. Μένει γὰρ Ἑστία ἐν θεῶν οἴκῳ μόνη. Τῶν δὲ ἄλλων ὅσοι
betrachten. Es ist aber folgende. Der Flügel hat die Kraft das Schwere mit sich in die Höhe zu ziehen, dahin wo das Geschlecht der Götter wohnt. Auch hat er von allem, was dem Leibe angehört, den meisten Antheil an dem Göttlichen. Das Göttliche nemlich ist das Schöne, Weise, Gute, und was dahin gehört. Hievon nährt sich und wächst der Flügel der Seele; durch das Schändliche aber, das Böse und was sonst jenem entgegengesezt ist zehrt es ab und vergeht. Im Himmel nun zieht der große Herrscher Zeus seinen geflügelten Wagen lenkend | voran Alles anzuordnen und zu versorgen. Ihm folgt die Schaar der andern Götter und Geister in eilf Ordnungen getheilt. Die Hestia allein bleibt zumeist in der Wohnung der Götter,
6 τοῦ θείου] konj. Heindorf (vgl. z. St., S. 250) nach Plutarch, Platonicae quaestiones 1004c, übersetzt SN 154 W1 | τοῦ θείου ψυχή Edd. vulg., z. B. Ed.Zweibrücken 1787 (Bipontina) Ed.Berlin 1816 (Bekker) (ψυχή im Text, jedoch durch eckige Klammern athetiert) | τοῦ θείου ψυχῇ konj. Schleiermacher W2 Anm. 35, übersetzt W2
T 7 Göttlichen] danach hochgestellt Anm.Zeichen Schleiermachers: x), durch Anm.Ziffer 31 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 11 das] danach Häß
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fällt, betrachten. Es ist aber diese: Die Kraft des Gefieders besteht darin, das schwere emporhebend hinaufzuführen, wo das Geschlecht der Götter wohnt. Auch hat es vorzüglich unter dem, was dem Leibe angehört, Antheil am göttlichen. Das Göttliche nämlich ist das Schöne, Weise, Gute und was dem ähnlich ist. Hievon also nährt sich und wächst vornemlich das Gefieder der Seele, durch das mißgestalte aber, das böse und was sonst jenem entgegengesezt ist, zehrt es ab und vergeht. Der große Herrscher im Himmel, Zeus nun, seinen geflügelten Wagen lenkend, ziehet der erste aus, alles anzuordnen und zu versorgen, und ihm folget die Schaar der Götter und Geister in eilf Zügen geordnet. Denn Hestia bleibet in der Götter Hause allein. Alle andern
betrachten. Es ist aber diese: Die Kraft des Gefieders besteht darin, das schwere emporhebend hinaufzuführen, wo das Geschlecht der Götter wohnt. Auch theilt es35 vorzüglich der Seele mit von dem was des göttlichen Leibes ist. Das Göttliche nämlich ist das Schöne, Weise, Gute und was dem ähnlich ist. Hievon also nährt sich und wächst vornemlich das Gefieder der Seele, durch das mißgestalte aber, das böse und was sonst jenem entgegengesezt ist, zehrt es ab und vergeht. Der große Herrscher im Himmel Zeus nun seinen geflügelten Wagen lenkend ziehet der erste aus, alles anordnend und versorgend, und ihm folget die Schaar der Götter und Geister in eilf Zügen geordnet. Denn Hestia bleibet in der Götter Hause allein. Alle andern 35
A u c h t h e i l t e s . Das Gefieder gehört nicht dem Leibe an sondern der Seele, also darf man, wenn man der Vulg. folgt τῶν περὶ τὸ σῶμα τοῦ θείου nicht von einander trennen. Plutarchs Autorität reicht nicht hin das ψυχὴ zu verdammen, da er sehr leicht den Saz etwas anders wenden konnte. Dagegen kann ψυχὴ nie der Nominativ sein, da hier nicht von der ganzen Seele selbst sondern nur von ihrem Gefieder die Rede sein darf. Daher lese ich ψυχῇ, und so entsteht die jezige Uebersezung, in der τὸ σῶμα τοῦ θείου immer noch etwas hartes ist, so daß besseres noch zu wünschen bleibt.
T Anm. 35 35 τοῦ] το῀υ verdruckt W2 S 18 alles anzuordnen und zu versorgen] kritisiert von Rez.Boeckh (1808), S. 104 = (1872), S. 22 (dort vorgeschlagen: „anordnend alles und besorgend“), aufgenommen in W2
S 18 alles anordnend und versorgend] verändert ggb. W1 nach Rez.Boeckh (1808) (wie zu W1) S Anm. 35 Vgl. Spalte 1 App.
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Erste Fassung (handschriftlich)
ἐν τῷ τῶν δώδεκα ἀριθμῷ τεταγμένοι θεοὶ ἄρχοντες, ἡγοῦνται κατὰ τάξιν, ἣν ἕκαστος ἐτάχθη. Πολλαὶ μὲν οὖν καὶ μακάριαι θέαι τε καὶ διέξοδοι ἐντὸς οὐρανοῦ, ἃς θεῶν γένος εὐδαιμόνων ἐπιστρέφεται, πράττων ἕκαστος αὐτῶν τὸ αὑτοῦ. Ἕπεται δὲ ὁ ἀεὶ θέλων τε καὶ δυνάμενος. Φθόνος γὰρ ἔξω χοροῦ θείου ἵσταται. Ὅταν δὲ δὴ πρὸς δαῖτά τε καὶ ἐπὶ θοίνην ἴωσιν, ἄκραν ἐπὶ τὴν οὐράνιον ἀψῖδα πορεύονται πρὸς ἄναντες ἤδη. Τὰ μὲν θεῶν ὀχήματα ἰσορρόπως εὐήνια ὄντα ῥᾳδίως πορεύεται, τὰ δὲ ἄλλα μόγις. Βρίθει γὰρ ὁ τῆς κάκης ἵππος μετέχων, ἐπὶ γῆν ῥέπων τε καὶ βαρύνων, ᾧ ἂν μὴ καλῶς ᾖ τεθραμμένος τῶν ἡνιόχων. Ἔνθα δὴ πόνος τε καὶ ἀγὼν ἔσχατος ψυχῇ πρόκειται. Αἱ μὲν γὰρ ἀθάνατοι καλούμεναι ἡνίκα ἂν πρὸς ἄκρῳ γένωνται, ἔξω πορευθεῖσαι ἔστησαν ἐπὶ τῷ τοῦ οὐρανοῦ νώτῳ, στάσας δὲ αὐτὰς περιάγει ἡ περιφορά, αἱ δὲ θεωροῦσι τὰ ἔξω τοῦ οὐρανοῦ. Τὸν
alle andern herrschenden Götter aber, die zu der Anzahl der zwölf Obersten gehören, führen jeder die Ordnung an, über welche er gesezt ist. Viel herrliche Dinge giebt es innerhalb des Himmels zu schauen und vielerlei Bahnen in denen sich wendet das Geschlecht der seligen Götter, jeder das seinige verrichtend. Der Ordnung nach folgt aber wer jedes Mal will und kann, denn Rangstreit giebt es nicht in dem göttlichen Chor. Wenn sie aber zum Fest und Mahle gehn, müßen sie den unteren Rand des Himmels steil hinauffahren. Auch dort nun fahren zwar die Wagen der Götter, die auf beiden Seiten gleich stark bespannt und wohlgezügelt sind ganz leicht, die andern aber kommen kaum vorwärts. Denn jedes schlecht geartete Pferd, wenn es nicht von seinem Führer schon außerordentlich gut eingelernt ist bükt sich herunter, daß es fast auf dem Boden kriecht und die Last nun noch vermehrt, woraus dann der Seele viel Beschwerde und ein gefährlicher Kampf entsteht. Denn diejenigen Seelen, welche wir die Unsterblichen genannt haben wenden sich, wenn sie an den äußersten Rand gekommen sind, hinauswärts, und stehen so auf dem Rüken des Himmels, und indem sie da stehen bleiben reißt der Umschwung sie mit fort und sie sehen was außerhalb des Himmels ist.
11f ἄκραν ἐπὶ τὴν οὐράνιον ἀψῖδα] ἄκραν ὑπὸ τὴν ὑπουράνιον ἀψῖδα Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 18 [41,18], übersetzt W2
T 16 hinauffahren] danach hochgestellt Anm.-Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 32 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 35 reißt] über treibt
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Götter aber, welche zu der Zahl der zwölfe gehören, gehen als Anführer voran in der Ordnung, die Jedem angewiesen ist. Viel herrliches giebt es zu schauen und zu begehen innerhalb des Himmels, wozu der seligen Götter Geschlecht sich hinwen|dend jeder das seinige verrichtet. Es folgt aber wer jedesmal will und kann: denn Mißgunst ist verbannt aus dem göttlichen Chor. Wenn sie aber zum Feste und zum Mahle gehen, und in der höchsten Bahn innerhalb des Himmels ganz steil hinauf fahren, dann gehen zwar der Götter Wagen mit gleichem wohlgezügeltem Gespann immer leicht, die andern aber nur mit Mühe. Denn das von schlechter Abstammung etwas an sich habende Roß, wenn es nicht sehr gut erzogen ist von seinem Führer, beugt sich zum Boden hinunter und drükt mit seiner ganzen Schwere, woraus viel Beschwerde und der äußerste Kampf der Seele entsteht. Denn die Unsterblichen zwar, wenn sie an den äußersten Rand gekommen sind, wenden sich hinauswärts, und stehen so auf dem Rüken des Himmels, und hier stehend reißt sie der Umschwung mit fort, und sie sehen, was außerhalb des Himmels ist.
aber, welche zu der Zahl der zwölfe als herrschende Götter geordnet sind, führen an in der Ordnung, die Jedem angewiesen ist. Viel herrliches nun giebt es zu schauen und zu begehen innerhalb des Himmels, wozu der seligen Götter Geschlecht sich hinwendet jeder das seinige verrichtend. Es folgt aber wer jedesmal will und kann: denn Mißgunst ist verbannt aus dem göttlichen Chor. Wenn sie aber zum Fest und zum Mahle gehen, und gegen die äußerste unterhimmlische Wölbung schon ganz steil aufsteigen: dann gehen zwar der Götter Wagen mit gleichem wohlgezügeltem Gespann immer leicht, die andern aber nur mit Mühe. Denn das vom schlechten etwas an sich habende Roß, wenn | es nicht sehr gut erzogen ist von seinem Führer, beugt sich zum Boden hinunter und drükt mit seiner ganzen Schwere, woraus viel Beschwerde und der äußerste Kampf der Seele entsteht. Denn die unsterblich genannten zwar, wenn sie an den äußersten Rand gekommen sind, wenden sich hinauswärts, und stehen so auf dem Rüken des Himmels, und hier stehend reißt sie der Umschwung mit fort, und sie schauen, was außerhalb des Himmels ist.
S 6–8 wozu der seligen Götter Geschlecht sich hinwendend jeder das seinige verrichtet] kritisiert von Rez.Boeckh (1808), S. 104 = (1872), S. 22 (eher „[…] sich hinwendet, jeder derselben das Seinige verrichtend“), verändert in W2 12 zum Feste und zum Mahle] kritisiert von Rez.Boeckh (1808), S. 103 = (1872), S. 22 als zu prosaisch; verändert in W2
S 7–9 wozu der seligen Götter Geschlecht sich hinwendet jeder das seinige verrichtend] verändert ggb. W1 nach Rez.Boeckh (1808) (wie zu W1) 12f zum Fest und zum Mahle] verändert ggb. W1 nach Rez.Boeckh (1808) (wie zu W1), womit dem griechischen Text entsprechend daktylischer (d. h. epischer) Duktus hergestellt ist 13f gegen die äußerste unterhimmlische Wölbung] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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Den überhimmlischen Ort26 aber
Den überhimmlischen Ort36 aber
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Den überhimmlischen Ort a b e r etc. Auch dem Platon scheint mit ihm dasselbe begegnet zu sein wie den Dichtern; und nicht nur mit ihm, sondern auch schon mit dem Himmel selbst. Ich wenigstens habe es zu einer anschaulichen und für alle einzelnen Züge anwendbaren Vorstellung nicht bringen können von der Art, wie der Himmel hier gedacht wird und wie das Hinaussehn in den überhimmlischen Ort bewerkstelliget werden soll. Proklos thut dabei auch eben keine wesentlichen Dienste.
Den überhimmlischen Ort a b e r etc. Auch dem Platon scheint mit ihm dasselbe begegnet zu sein wie den Dichtern; und nicht nur mit ihm, sondern auch schon mit dem Himmel selbst. Ich wenigstens habe es zu einer anschaulichen und | für alle einzelnen Züge anwendbaren Vorstellung nicht bringen können von der Art, wie der Himmel hier gedacht wird und wie das Hinaussehn in den überhimmlischen Ort bewerkstelliget werden soll. Proklos thut dabei auch eben keine wesentlichen Dienste und auch Boeckhs Erläuterung (Heidelb. Jahrb. I. Jahrg. I. St.) genügt in dieser Hinsicht nicht, bestätiget vielmehr das in der Einleitung gesagte, daß hier vielerlei Vorstellungen scheinen durch einander gearbeitet zu sein, weshalb eben alles einzelne nicht klar herauskommt. – Daß übrigens unter diesen Dichtern vornemlich Parmenides gemeint ist, läßt sich kaum bezweifeln. – Wegen des Philolaischen Fragments Stob. Ecl. phys. Ed. Heer. I, 488 u. 489. hätte mich Herr Ast nicht beschuldigen sollen diese Stelle unrichtig gefaßt zu haben. Denn jenes ist kein Bruchstück des Philolaos, sondern eine wer weiß von wem herrührende und durch wieviel Hände gegangene Zusammenstellung philolaischer Säze, und namentlich kommt οὐρανὸς darin in zwei ganz verschiedenen Stellungen vor, einmal über der Sonne, das andere mal unter ihr. Auch scheint es lächerlich, daß die Seelen hier nicht höher fahren sollen als etwa eines mäßigen Berges Gipfel.
T Anm. 36 31 οὐρανὸς] οὑρανὸς verdruckt W2 S Anm. 26 Vgl. Proklos, Theologia Platonica, Buch 4 passim, bes. Kap. 5-18, vgl. Heindorf z. St. (S. 254 f.). Vgl. zum Ganzen die Einleitung zum Phaidros, S. 83-85, sowie Rez.Ast (1808) und Rez.Boeckh (1808) (wie zu W2).
S Anm. 36 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 26. Zusätzlich s. Rez.Boeckh (1808), S. 110-118 = (1872), S. 28-35; vgl. die Einleitung zum Phaidros S. 83-85, dort auch J. G. Heynes These, daß Parmenides die Vorlage für den
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ὕμνησέ πω τῶν τῇδε ποιητής, οὔτε ποθ᾽ ὑμνήσει κατ᾽ ἀξίαν. Ἔχει δὲ ὧδε. Τολμητέον γὰρ οὖν τόγε ἀληθὲς εἰπεῖν, ἄλλως τε καὶ περὶ ἀληθείας λέγοντα. Ἡ γὰρ ἀχρώματός τε καὶ ἀσχημάτιστος καὶ ἀναφὴς οὐσία ὄντως οὖσα ψυχῆς κυβερνήτῃ μόνῳ θεατῇ νῷ χρῆται, περὶ ἣν τὸ τῆς ἀληθοῦς ἐπιστήμης γένος τοῦτον ἔχει τὸν τόπον. Ἅτ᾽ οὖν θεοῦ διάνοια νῷ τε καὶ ἐπιστήμῃ ἀκηράτῳ τρεφομένη καὶ ἁπάσης ψυχῆς, ὅσην ἂν μέλλῃ τὸ προσῆκον δέξεσθαι, ἰδοῦσα διὰ χρόνου τὸ ὂν ἀγαπᾷ τε καὶ θεωροῦσα τἀληθῆ τρέφεται καὶ εὐπαθεῖ, ἕως ἂν κύκλῳ ἡ περιφορὰ εἰς ταὐτὸν περιενέγκῃ. Ἐν δὲ τῇ περιόδῳ καθορᾷ μὲν αὐτὴν δικαιοσύνην, καθορᾷ δὲ σωφροσύνην, καθορᾷ δὲ ἐπιστήμην, οὐχ ᾗ γένεσις
noch nie einer von unsern Dichtern hier besungen, wird ihn auch nie einer würdig besingen. Er ist aber so beschaffen – denn ich muß es wagen ihn nach der Wahrheit zu beschreiben besonders da ich über die Wahrheit rede. Das farblose gestaltlose stofflose wahrhaft seiende Wesen hat nur der Führer der Seele, die Vernunft zum Beschauer, und um dieses Wesen her nimt das Geschlecht der wahrhaften Wissenschaft seinen Ort ein. Da nun der Sinn der Götter sowol als jeder Seele, welcher es bestimmt ist das was ihr gebührt in sich aufzunehmen sich an der reinen Vernunft und der reinen Wissenschaft nährt, so freuen sie sich, wenn sie nach langer Zeit wiederum das wahrhaft seiende erbliken, und sind selig, und nähren sich an der Beschauung des Wahren, bis der Umschwung im Kreise sie wieder an die vorige Stelle zurükbringt. Während dieser Bewegung nun erbliken sie die Gerechtigkeit selbst und die Weisheit und die Wissenschaft, nicht die welche eine
T 15f es bestimmt ist das was ihr gebührt in sich aufzunehmen] über bevorsteht in den ihr angemessenen Zustand überzugehen 26 erbliken] korr. aus erblikt
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hat noch nie einer von den Dichtern hier besungen, noch wird ihn je einer nach Würden besingen. Er ist aber so beschaffen, denn ich muß es wagen ihn nach der Wahrheit zu beschreiben, besonders auch da ich von der Wahrheit zu reden habe. Das farblose, gestaltlose, stofflose, wahrhaft seiende Wesen hat nur der Seele Führer, die Vernunft, zum Beschauer, um welches her das Geschlecht der wahrhaften Wissenschaft jenen Ort einnimmt. Da nun Gottes Verstand sich von unvermischter Vernunft und Wissenschaft nährt, wie auch jeder Seele, welche was ihr gebührt bestimmt ist aufzunehmen, so freuen sie sich, das wahrhaft seiende wieder einmal zu erbliken, und nähren sich an Beschauung des Wahren, und lassen sich wohlsein bis der Umschwung sie wieder an die vo|rige Stelle zurükbringt. In diesem Umlauf nun erbliken sie wiederum die Gerechtigkeit, die Besonnenheit und die Wissenschaft, nicht die, welche
hat noch nie einer von den Dichtern hier besungen, noch wird ihn je einer nach Würden besingen. Er ist aber so beschaffen, denn ich muß es wagen ihn nach der Wahrheit zu beschreiben, besonders auch da ich von der Wahrheit zu reden habe. Das farblose, gestaltlose, stofflose, wahrhaft seiende Wesen hat nur der Seele Führer, die Vernunft, zum Beschauer, um welches her das Geschlecht der wahrhaften Wissenschaft jenen Ort einnimmt. Da nun Gottes Verstand sich von unvermischter Vernunft und Wissenschaft nährt, wie auch jeder Seele, welche soll was ihr gebührt aufnehmen: so freuen sie sich das wahrhaft Seiende wieder einmal zu erbliken, und nähren sich an Beschauung des Wahren, und lassen sich wohlsein bis der Umschwung sie wieder an die vorige Stelle zurükgebracht. In diesem Umlauf nun erbliken sie die Gerechtigkeit selbst, die Besonnenheit und die Wissenschaft, nicht die, welche
S Forts. Anm. 36 Mythos bilde. Das Fragment des Philolaos (Testimonium A 16 ed. Diels-Kranz; Testimonium A 16b ed. Huffman, S. 395 f.) zitiert Schleiermacher aus Johannes Stobaios, Eclogarum physicarum et ethicarum libri II, ed. A. H. L. Heeren, Bd. 1 (1792), S. 488 f. (= Stobaeus, Eclogae 22,1d, Bd. 1, S. 196 f. Wachsmuth-Hense). Es gibt eine Einteilung des Kosmos in eine untere und obere Sphäre wieder, die der Beschreibung im Phaidros vage zu ähneln scheint. Darauf stützt sich Asts Kritik an Schleiermachers Unverständnis in W1 Anm. 26: Rez.Ast (1808), S. 136 f.; Ast: Phaedr. 1810, S. 302 f.; Platon’s Leben und Schriften (1816), S. 108 Anm. **. Dagegen wiederum Schleiermacher hier in W2 Anm. 36, der besonders die Vorstellung des Philolaos lächerlich macht, „Olympos“ (eines mäßigen Berges Gipfel) sei der höchste Punkt überhaupt. Auf seiner Position beharrend dann Rez.Ast (1819), S. 68 f.
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Phaidros Ed. Heindorf
Erste Fassung (handschriftlich)
πρόσεστιν, οὐδ᾽ ἥ ἐστί που ἑτέρα ἐν ἑτέρῳ οὖσα, ὧν ἡμεῖς νῦν ὄντων καλοῦμεν, ἀλλὰ τὴν ἐν τῷ, ὅ ἐστιν ὂν ὄντως, ἐπιστήμην οὖσαν· καὶ τἄλλα ὡσαύτως τὰ ὄντως ὄντα θεασαμένη καὶ ἑστιαθεῖσα, δῦσα πάλιν εἰς τὸ εἴσω τοῦ οὐρανοῦ, οἴκαδε ἦλθεν. Ἐλθούσης δὲ αὐτῆς ὁ ἡνίοχος πρὸς τὴν φάτνην τοὺς ἵππους στήσας παρέβαλεν ἀμβροσίαν τε καὶ ἐπ᾽ αὐτῇ νέκταρ ἐπότισε. Καὶ οὗτος μὲν θεῶν βίος· αἱ δὲ ἄλλαι ψυχαί, ἡ μὲν ἄριστα θεῷ ἑπομένη καὶ εἰκασμένη ὑπερῇρεν εἰς τὸν ἔξω τόπον τὴν τοῦ ἡνιόχου κεφαλὴν καὶ συμπεριηνέχθη τὴν περιφοράν, θορυβουμένη ὑπὸ τῶν ἵππων καὶ μόγις καθορῶσα τὰ ὄντα· ἡ δὲ τοτὲ μὲν ᾖρε, τοτὲ δὲ καὶ ἔδυ, βιαζομένων δὲ τῶν ἵππων τὰ μὲν εἶδε, τὰ δ᾽ οὔ. Αἱ δὲ δὴ ἄλλαι γλιχόμεναι μὲν ἅπασαι τοῦ ἄνω ἕπονται, ἀδυνατοῦσαι δὲ ὑποβρύχιαι συμπεριφέρονται, πατοῦσαι ἀλλήλας καὶ ἐπιβάλλουσαι, ἑτέρα πρὸ τῆς ἑτέρας πειρωμένη γενέσθαι.
Entstehung hat, noch die welche in jedem andern wie|der anders ist, die Wissenschaft des ganzen was wir das wirkliche nennen, sondern die wahre Wissenschaft aus wahrhaft seiendem, so auch von dem andern das wahre und eigentliche erblikt die Seele, wird damit bewirthet lenkt dann wieder um in das Innere des Himmels, und kehrt wieder nach Hause zurük. Wenn sie dort angekommen ist stellt der Führer die Pferde an die Krippen, wirft ihnen Lebensbrodt vor und tränkt sie mit dem wahren Nektar. Dies ist die Lebensweise der Götter. Von den andern Seelen aber kann auch die, welche am besten ihrem Gott gefolgt ist, und es ihm nachgethan hat, nur eben das Haupt ihres Führers in den außerhimmlischen Ort hinausstreken, und so von dem Umschwunge mit fortgerißen werden, sehr viel Noth habend mit ihren Pferden und kaum das Seiende erblikend. Andere erheben sich nur bisweilen so weit, und gleiten dann wieder herab und wegen des gewaltigen Sträubens der Pferde sehen sie einiges nur und anderes sehen sie nicht. Die übrigen streben zwar auch alle hinaufwärts und folgen, aber sie gelangen nicht hin, sondern unterhalb jenes Randes bleibend werden sie mit herumgetrieben, und treten und schleudern einander hin und her indem jede der andern zuvorzukommen sucht. Da giebt es
T3 Wissenschaft] danach welche wir 10 kehrt] über geht 11 zurük] über der Zeile mit Einfügungszeichen 26 nur] über der Zeile mit Einfügungszeichen 27f und gleiten dann wieder] umgestellt aus und dann gleiten sie wieder 35 herumgetrieben] über fortgerißen
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eine Entstehung hat, noch welche wieder eine andere ist, für jedes andere von den Dingen, die wir wirkliche nennen, sondern die in dem was wahrhaft ist befindliche Wissenschaft, und so auch von dem andern das wahrhaft seiende erblikt die Seele, und wenn sie sich daran erquikt hat, taucht sie wieder in das Innere des Himmels, und kehrt nach Hause zurük. Ist sie dort angekommen, so stellt der Führer die Rosse zur Krippe, wirft ihnen Ambrosia vor und tränkt sie dazu mit Nektar. Dieses nun ist der Götter Lebensweise. Von den andern Seelen aber konnten einige, welche am besten dem Gott folgten und nachahmten, das Haupt des Führers hinausstreken in den äußeren Ort, und so den Umschwung mit vollenden, geängstet jedoch von den Rossen und kaum das Seiende erblikend; andere erhoben sich bisweilen und tauchten dann wieder unter, so daß sie im gewaltigen Sträuben der Rosse einiges sahen, anderes aber nicht. Die übrigen allesammt folgen zwar auch dem droben nachstrebend, unvermögend aber werden sie drunten zurükbleibend mit herumgetrieben, nur einander tretend und stoßend, indem jede sucht der andern zuvorzukom-
eine Entstehung hat, noch welche wieder eine andere ist, für jedes andere von den Dingen, die wir wirkliche nennen, sondern die in dem was wahrhaft ist befindliche wahrhafte Wissenschaft, und so auch von dem andern das wahrhaft seiende erblikt die Seele, und wenn sie sich daran erquikt hat, taucht sie wieder in | das Innere des Himmels, und kehrt nach Hause zurük. Ist sie dort angekommen: so stellt der Führer die Rosse zur Krippe, wirft ihnen Ambrosia vor, und tränkt sie dazu mit Nektar. Dieses nun ist der Götter Lebensweise. Von den andern Seelen aber konnten einige, welche am besten dem Gotte folgten und nachahmten, das Haupt des Führers hinausstrekken in den äußeren Ort, und so den Umschwung mit vollenden, geängstet jedoch von den Rossen und kaum das Seiende erblikkend; andere erhoben sich bisweilen und tauchten dann wieder unter, so daß sie im gewaltigen Sträuben der Rosse einiges sahen, anderes aber nicht. Die übrigen allesammt folgen zwar auch dem droben nachstrebend, unvermögend aber werden sie im unteren Raume mit herumgetrieben, nur einander tretend und stoßend, indem jede sucht der andern zuvorzukommen.
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Erste Fassung (handschriftlich)
Θόρυβος οὖν καὶ ἅμιλλα καὶ ἱδρὼς ἔσχατος γίγνεται, οὗ δὴ κακίᾳ ἡνιόχων πολλαὶ μὲν χωλεύονται, πολλαὶ δὲ πολλὰ πτερὰ θραύονται, πᾶσαι δὲ πολὺν ἔχουσαι πόνον ἀτελεῖς τῆς τοῦ ὄντος θέας ἀπέρχονται, καὶ ἀπελθοῦσαι τροφῇ δοξαστῇ χρῶνται· οὗ δὴ ἕνεχ᾽ ἡ πολλὴ σπουδή, τὸ ἀληθείας ἰδεῖν πεδίον οὗ ἐστιν, ἥ τε δὴ προσήκουσα ψυχῆς τῷ ἀρίστῳ νομὴ ἐκ τοῦ ἐκεῖσε λειμῶνος τυγχάνει οὖσα, ἥ τε τοῦ πτεροῦ φύσις, ᾧ ψυχὴ κουφίζεται, τούτῳ τρέφεται, θεσμός τε Ἀδραστείας ὅδε, ἥτις ἂν ψυχὴ θεῷ ξυνοπαδὸς γενομένη κατίδῃ τι τῶν ἀληθῶν, μέχρι τε τῆς ἑτέρας περιόδου εἶναι ἀπήμονα, κᾂν ἀεὶ τοῦτο δύνηται ποιεῖν, ἀεὶ ἀβλαβῆ εἶναι· ὅταν δὲ ἀδυνατήσασα ἐπισπέσθαι μὴ ἴδῃ, καί τινι συντυχίᾳ χρησαμένη λήθης τε καὶ κακίας πλησθεῖσα βαρυνθῇ, βαρυνθεῖσα δὲ πτερορρυήσῃ τε καὶ ἐπὶ τὴν γῆν πέσῃ, τότε νόμος ταύτην μὴ φυτεῦσαι εἰς μηδεμίαν θήρειον φύσιν ἐν τῇ πρώτῃ
nun Getümmel und Streit und Angstschweiß, wobei dann viele aus Ungeschiklichkeit der Führer lahm werden und manche sich viele Federn zerbrechen. Alle aber müßen nachdem sie sich vielfach gequält haben fort ohne zur Anschauung des Seienden gelangt zu sein, und erhalten dann auch wenn sie zurükkommen nur den Schein zur Nahrung. Daher aber der große Eifer das Feld der Wahrheit zu erspähen wo es sei. Denn nur einem Weisen frommt das dem edelsten Theile der Seele angemessene Futter, und von welchem der Flügel der sich erhebt sich nährt. Das ewige Gesez der Adrasteia aber ist dieses, daß keiner Seele, welche im Gefolge eines Gottes etwas von dem Wahren erschaut hat, bis zum nächsten Zuge irgend etwas übles widerfährt, so daß, wenn sie es jedes Mal dahin bringen kann, sie immer unverlezt bleibt. Wenn sie aber einmal nicht folgen kann, und nichts erblikt, und von irgend einem Unfall betroffen, von Vergeßenheit und Trägheit überwältigt niedergedrükt wird, und so heruntergedrükt die Flügel verliert und zur Erde fällt; so ist ihr gesezt, in der ersten Zeugung noch keine thie-
T 8 Seienden] über Wesen 13 einem] über zum 20 dem Wahren] korr. aus der Wahrheit
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men. Getümmel entsteht nun, Streit und Angstschweiß, wobei durch Schuld schlechter Führer viele verstümmelt werden, vielen vieles Gefieder beschädiget; alle aber kehren nach viel erlittenen Beschwerden untheilhaft der Anschauung des Seienden zurük, und so zurükgekommen muß ihnen der Schein zur Nahrung genügen. Daher eben so großer Eifer der Wahrheit Feld zu schauen wo es ist. Nämlich | die dem edelsten der Seele angemessene Weide stammt her aus jenen Wiesen, und des Gefieders Kraft, durch welches die Seele gehoben wird, nährt sich hievon, und dieses ist das Gesez der Adrasteia27, daß, welche Seele als des Gottes Begleiterin etwas erblikt hat von dem Wahrhaften, diese bis zum nächsten Auszuge keinen Schaden erleide, und wenn sie dies immer bewirken kann, auch immer unverlezt bleibe. Wenn sie aber unvermögend es zu erreichen nichts sieht, sondern einen Unfall erfahrend, dabei von Vergessenheit und Trägheit übernommen niedergedrükt wird, und so das Gefieder verliert und zur Erde fällt, dann ist ihr gesezt, in der ersten Zeugung noch in keine thierische
Getümmel entsteht nun, Streit und Angstschweiß, wobei durch Schuld schlechter Führer viele verstümmelt werden, vielen vieles Gefieder beschädiget; alle aber gehen nach viel erlittenen Beschwerden untheilhaft der Anschauung des Seienden davon, und so davon gegangen halten sie sich an scheinbare Nahrung. Weshalb aber so großer Eifer der Wahrheit Feld zu schauen wo es ist; nemlich die dem edelsten der Seele angemessene Weide stammt her aus jenen Wiesen, und des Gefieders Kraft, durch welches die Seele gehoben wird, nährt sich hievon, und dieses ist das Gesez der Adrasteia37, daß, welche Seele als des Gottes Begleiterin etwas erblikt hat von dem Wahrhaften, diese bis zum nächsten Auszuge keinen Schaden erleide, und wenn sie dies immer bewirken kann, auch immer unverlezt bleibe. Wenn sie aber unvermögend es zu er|reichen nichts sieht, sondern ihr ein Unfall begegnet, und sie dabei von Vergessenheit und Trägheit übernommen niedergedrükt wird, und so das Gefieder verliert und zur Erde fällt; dann ist ihr gesezt, in der ersten Zeugung noch in keine thierische
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Das Gesez der Adrasteia. Adrasteia wörtlich die Unentfliehbare, ein Symbol der Naturgeseze. Der Scholiast allegorisirt ihre Abkunft noch ausführlicher.
S Anm. 27 Scholion in Phaedrum in Siebenkees: Anecdota Graeca (1798), S. 63 f. [SB 1838] (= S. LVII f. Lucarini/Moreschini).
Das Gesez der Adrasteia. Adrasteia wörtlich die Unentfliehbare, ein Symbol der Naturgeseze. Der Scholiast allegorisirt ihre Abkunft noch ausführlicher.
S Anm. 37 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 27. Das Scholion ist inzwischen auch ediert worden in den Scholien des Hermeias: Platonis Phaedrus recensuit Hermiae scholiis e cod. Monac. XI. suisque commentariis illustravit D. Fridericus Astius …, Leipzig 1810 (abgek. Ast: Phaedr.), S. 148 f. mit S. 306 (Asts Kommentar) (= S. 168 Lucarini/Moreschini).
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γενέσει, ἀλλὰ τὴν μὲν πλεῖστα ἰδοῦσαν εἰς γονὴν ἀνδρὸς γενησομένου φιλοσόφου ἢ φιλοκάλου ἢ μουσικοῦ τινος καὶ ἐρωτικοῦ· τὴν δὲ δευτέραν εἰς βασιλέως ἐννόμου ἢ πολεμικοῦ καὶ ἀρχικοῦ· τρίτην εἰς πολιτικοῦ ἤ τινος οἰκονομικοῦ ἢ χρηματιστικοῦ· τετάρτην εἰς φιλοπόνου γυμναστικοῦ ἢ περὶ σώματος ἴασίν τινα ἐσομένου· πέμπτην μαντικὸν βίον ἤ τινα τελεστικὸν ἕξουσαν· ἕκτην ποιητικόν· ἑβδόμη γεωμετρικὸς ἢ δημιουργικὸς· ὀγδόη σοφιστικὸς ἢ δημοκοπικός· ἐνάτη τυραννικός. Ἐν δὲ τούτοις ἅπασιν ὃς μὲν ἂν δικαίως διάγῃ, ἀμείνονος μοίρας μεταλαμβάνει, ὃς δ᾽ ἂν ἀδίκως, χείρονος. Εἰς μὲν γὰρ τὸ αὐτό, ὅθεν ἥκει ἡ ψυχὴ ἑκάστη, οὐκ ἀφικνεῖται ἐτῶν μυρίων, οὐ γὰρ πτεροῦται πρὸ τοσούτου χρόνου, πλὴν ἡ τοῦ φιλο-
rische Natur anzunehmen; sondern, diejenige welche | zwar am meisten geschaut hat wird versezt in den Keim eines Mannes der ein Freund der Weisheit oder der Schönheit sein wird, oder sich den Musen oder der Liebe ergiebt; die zweite in einen verfassungsmäßigen König oder einen Helden und Anführer, die dritte in einen Staatsmann oder Hauswirth, oder der sonst ein erwerbendes Leben führt, die vierte in einen solchen der durch anständige Uebungen den Körper auszubilden oder seine Krankheiten zu heilen versteht, die fünfte erhält das Leben eines Wahrsagers oder Mystagogen, die sechste wird ein Dichter, oder sonst einer von denen, die sich mit der Nachahmung beschäftigen, die siebente ein Handarbeiter oder Landmann, die achte ein Sophist oder einer der das Volk bearbeitet, die neunte ein Tyrann. Jede nun die sich in ihrem Stande rechtlich beträgt, bekommt ein beßeres Loos die aber unrechtlich ein schlechteres. Daher aber, woher sie alle gekommen sind, kehrt keine Seele zurük unter zehntausend Jahren. Denn eher befiedert sie sich nicht wieder, ausgenommen die Seele eines Mannes, der ohne Falsch
11f ἕκτην ποιητικόν] Ed.Basel 1534 (Oporinus) Ed.Genf 1578 (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1787 (Bipontina) Heindorf | ἕκτῃ ποιητικὸς ἢ τῶν περὶ μίμησιν τὶς ἄλλος ἁρμόσει Ed.Basel (1556) (bei Heindorf z. St., S. 257) Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) Ast: Phaedr. (1810), S. 25 Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 (1823), S. 19 [44,18 f.], übersetzt SN 154 W1 W2 12–14 ἑβδόμη … ὀγδόη … ἐνάτη] Ed.Basel 1534 (Oporinus) Ed.Genf 1578 (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1787 (Bipontina) Heindorf | ἑβδόμῃ … ὀγδόῃ … ἐνάτῃ Ed.Basel (1556) (bei Heindorf z. St., S. 257) Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) Ast: Phaedr. (1810), S. 25 Ed.Berlin 1816 (Bekker) (allerdings ἐννάτῃ) mit Comm. 1 (1823), S. 19 [44,19-45,1], übersetzt W1 W2 12f γεωμετρικὸς ἢ δημιουργικὸς] Ed.Basel 1534 (Oporinus) Ed.Genf 1578 (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1787 (Bipontina) Heindorf | δημιουργικὸς ἢ γεωργικὸς Ed.Basel (1556) Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) Ast: Phaedr. (1810), S. 25 (in umgekehrter Reihenfolge) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 (1823), S. 19 [44,19 f.], übersetzt SN154, in umgekehrter Reihenfolge übersetzt W1 W2; vgl. Rez.Boeckh (1808), S. 107 = (1872), S. 25
T 3 wird versezt] über der Zeile mit Einfügungszeichen 31 sich] über der Zeile mit Einfügungszeichen
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Natur eingepflanzt zu werden, sondern die am meisten geschaut habende in den Keim eines Mannes, der ein Freund der Weisheit und Schöne werden wird, oder ein den Musen und der Liebe dienender; die zweite in den eines verfassungsmäßigen Königes oder eines kriegerischen und herrschenden; die dritte eines Staatsmannes oder der ein Hauswesen regiert und ein gewerbetreibendes Leben führt; die vierte in einen Freund ausbildender Leibesübungen oder der sich mit der Heilung des Körpers beschäftigen wird, die fünfte wird ein wahrsagendes und den Geheimnissen gewidmetes Leben führen; der sechsten wird ein dichterisches oder sonst mit der Nachahmung sich beschäftigendes zu Theil werden; der siebenten ein ländliches oder handarbeitendes; der achten ein sophistisches oder volkschmeichlendes; der neunten ein tyrannisches. Unter allen diesen nun erhält wer gerecht lebt ein besseres Theil, wer ungerecht ein schlechteres. Denn dorthin, woher jede Seele kommt, kehrt sie | nicht zurük unter zehntausend Jahren, denn sie wird nicht befiedert eher als in solcher Zeit, ausgenommen die Seele dessen, der ohne Falsch
Natur eingepflanzt zu werden, sondern die am meisten geschaut habende in den Keim eines Mannes, der ein Freund der Weisheit und der Schönen werden wird, oder ein den Musen und der Liebe dienender; die zweite in den eines verfassungsmäßigen Königes oder eines kriegerischen und herrschenden; die dritte eines Staatsmannes oder der ein Hauswesen regiert und ein gewerbetreibendes Leben führt; die vierte in einen Freund ausbildender Leibesübungen oder der sich mit der Heilung des Körpers beschäftigen wird, die fünfte wird ein wahrsagendes und den Geheimnissen gewidmetes Leben führen; der sechsten wird ein dichterisches oder sonst mit der Nachahmung sich beschäftigendes gemäß sein; der siebenten ein ländliches oder handarbeitendes; der achten ein sophistisches oder volkschmeichlendes; der neunten ein tyrannisches. Unter allen diesen nun erhält wer gerecht gelebt ein besseres Theil, wer ungerecht ein schlechteres. Denn dorthin, woher jede Seele kommt, kehrt sie nicht zurük unter zehntausend Jahren, denn sie wird nicht befiedert eher als in solcher Zeit, ausgenommen die Seele dessen, der ohne Falsch
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σοφήσαντος ἀδόλως ἢ παιδεραστήσαντος μετὰ φιλοσοφίας. Αὗται δὲ τρίτῃ περιόδῳ τῇ χιλιετεῖ, ἐὰν ἕλωνται τρὶς ἐφεξῆς τὸν βίον τοῦτον, οὕτω πτερωθεῖσαι τρισχιλιοστῷ ἔτει ἀπέρχονται. Αἱ δὲ ἄλλαι ὅταν τὸν πρῶτον βίον τελευτήσωσι, κρίσεως ἔτυχον. Κριθεῖσαι δὲ αἱ μὲν εἰς τὰ ὑπὸ γῆς δικαιωτήρια ἐλθοῦσαι δίκην ἐκτίνουσιν, αἱ δ᾽ εἰς τοῦ οὐρανοῦ τινα τόπον ὑπὸ τῆς δίκης κουφισθεῖσαι διάγουσιν ἀξίως οὗ ἐν ἀνθρώπου εἴδει ἐβίωσαν βίου. Τῷ δὲ χιλιοστῷ ἀμφότεραι ἀφικνούμεναι ἐπὶ κλήρωσίν τε καὶ αἵρεσιν τοῦ δευτέρου βίου αἱροῦνται, ὃν ἂν ἐθέλῃ ἑκάστη. Ἔνθα καὶ εἰς θηρίου βίον ἀνθρωπίνη ψυχὴ ἀφικνεῖται, καὶ ἐκ θηρίου, ὅς ποτε ἄνθρωπος ἦν, πάλιν εἰς ἄνθρωπον. Οὐ γὰρ ἥγε μήποτε ἰδοῦσα τὴν ἀλήθειαν εἰς τόδε ἥξει τὸ
philosophiert, oder der nicht unphilosophisch die Jünglinge geliebt hat. Diese bekommt in dem dritten Zeitraum von tausend Jahren, wenn sie nemlich dreimal hintereinander dasselbe Leben erwählt hat die Flügel wieder und kehret heim. Den Andern aber steht wenn sie ihr erstes Leben geendiget haben ein Gericht bevor, und nachdem sie gerichtet worden kommen Einige in die Straförter unter der Erde um dort ihre Strafe zu erdulden. Andere aber durch das Gericht in einen gewißen Ort des Himmels erhoben, befinden sich dort so, wie sie es durch ihr Leben in menschlicher Gestalt verdient haben. Im tausendsten Jahre aber kommen sie sämmtlich zur Erlangung und Erwählung eines neuen Lebens zurük, und jede erwählt was für eines sie will. Daher kann auch eine unsterbliche Seele in ein thierisches Leben übergehen, und ein Thier, nemlich ein solches welches vorher Mensch war, wieder ein Mensch werden. Denn eine solche, die nie etwas von der Wahrheit erblikt hat, kann niemals diese
T 18 Im] korr. aus vielleicht Zu m 29 niemals] danach in
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philosophirt oder nicht unphilosophisch die Knaben geliebt hat. Diese können im dritten tausendjährigen Zeitraum, wenn sie dreimal nach einander dasselbe Leben gewählt, also nach dreitausend Jahren befiedert heimkehren. Die übrigen aber, wenn sie ihr erstes Leben vollbracht, kommen vor Gericht. Und nach diesem Gericht gehen einige in die unterirdischen Zuchtörter, wo sie ihre Strafe erdulden; andere aber in einen gewissen Ort des Himmels der Strafe enthoben, wo es ihnen ergeht dem Leben gemäß, welches sie in menschlicher Gestalt geführt. Im tausendsten Jahre aber gelangen beiderlei Seelen zur Ertheilung und Wahl des zweiten Lebens, welches jede wählt wie sie will. Dann kann auch eine menschliche Seele in ein thierisches Leben übergehen, und ein Thier, das ehedem Mensch war, wieder zum Menschen. Denn eine, die niemals die Wahrheit erblikt hat, kann auch niemals diese Gestalt
philosophirt oder nicht unphilosophisch die Knaben geliebt hat. Diese können im dritten tausendjährigen Zeitraum, wenn sie dreimal nach einander dasselbe Leben gewählt, also nach dreitausend Jahren befiedert heimkehren. Die übrigen aber, wenn sie ihr erstes Leben vollbracht, kommen vor Gericht. Und nach | diesem Gericht gehen einige in die unterirdischen Zuchtörter, wo sie ihr Recht büßen; andere aber in einen Ort des Himmels enthoben durch das Recht leben dort dem Leben gemäß, welches sie in menschlicher Gestalt geführt. Im tausendsten Jahre aber gelangen beiderlei Seelen zur Verloosung und Wahl des zweiten Lebens, welches jede wählt wie sie will. Dann kann auch eine menschliche Seele in ein thierisches Leben übergehen, und ein Thier, das ehedem Mensch war, wieder zum Menschen. Denn eine, die niemals die Wahrheit erblikt hat, kann auch niemals diese Gestalt
S 13f der Strafe enthoben] kritisiert von Ast: Phaedr. 1810, S. 309; verändert in W2
S 13f enthoben durch das Recht] verändert ggb. W1 nach Ast: Phaedr. 1810 (wie zu W1)
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σχῆμα. Δεῖ γὰρ ἄνθρωπον ξυνιέναι κατ᾽ εἶδος λεγόμενον ἐκ πολλῶν ἰὸν
Form annehmen. Denn der Mensch muß das im Allgemeinen gedachte verstehen, welches aus vielen sinnli-
T 1–228,3 annehmen. Denn der Mensch muß das im Allgemeinen gedachte verstehen, welches aus vielen sinnlichen Wahrnehmungen als Eins zusammengefaßt wird durch den Verstand.] korr. aus zunächst annehmen, welche wenn man den Menschen ganz im allgemeinen nimmt darin besteht in vielen sinnlichen Wahrnehmungen die in eins verbunden werden durch die Vernunft ., dann annehmen. Denn der Mensch muß das im Allgemeinen gedachte verstehen, welches hervorgeht aus genommen wird aus vielen sinnlichen Wahrnehmungen als Eins zusammengefaßt wird durch den Verstand. – Am rechten Rand das Zeichen Ǝ für F. Schlegel zur Prüfung der Stelle (KGA V/5, Nr. 1030, 8 f.; vgl. zur Phaidros-Hs., S. XLV f.). Das Zeichen Ǝ ist durchgestrichen, offenbar nach der Korrektur der Stelle.
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annehmen, denn der Mensch muß28 das auf die Gattungen sich beziehende begreifen, welches als Eines
annehmen, denn der Mensch muß38 Gattungen ausgedrüktes nach begreifen, welches als Eines
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Denn der Mensch muß das etc. In B e g r e i f e n und Z u s a m m e n f a s s e n liegt das versinnlichende Wortspiel wohl eben so deutlich als in ξυνιέναι und εἰς ἕν ξυναιρεῖσθαι. Diese von allen alten Uebersezern mißverstandene Stelle hat übrigens schon | Tennemann richtig erklärt, wiewohl ohne dem Text die nöthige Hülfe zu geben. Dies war Heindorf und mir ehedem entgangen.
D e n n d e r M e n s c h m u ß etc. In B e g r e i f e n und Z u s a m m e n f a s s e n liegt das versinnlichende Wortspiel wohl eben so deutlich als in ξυνιέναι und εἰς ἕν ξυναιρεῖσθαι. Diese von allen alten Uebersezern mißverstandene Stelle hat übrigens schon Tennemann richtig erklärt, wiewohl ohne dem | Text die nöthige Hülfe zu geben. Dies war Heindorf und mir ehedem entgangen.
S Anm. 28 Die Stelle war mißverstanden z. B. von: Ficinus (lat.) (nach Ed.Zweibrücken 1787 [Bipontina], S. 326): „oportet vero hominem intelligere secundum speciem, ex multis procedentem sensibus in unum ratiocinatione conceptum.“; Cornarius 1561, S. 318, bei Heindorf z. St. (S. 259): „oportet enim hominem intelligere, qui secundum speciem dicitur, quae ex multis velut sensibus in unam ratiocinatione contrahitur.“; Serranus (Ed.Genf 1578 [Stephanus, übers. Serranus], S. 249b-c): „oportet autem hominem intelligere secundum speciem, quae ex multis rebus singularibus sub sensum cadentibus in unum quiddam ratiocinatione conceptum uno quodam ambitu concluditur.“; Kleuker: Werke des Plato, Bd. 3, 1783, S. 205: „Denn die Natur des Menschen bringt es mit sich, daß er nach allgemeinen Grundideen der Wahrheit denkt, das sind solche, die sich aus vielen einzelnen sinnlichen Bemerkungen in allgemeine Verstandesbegriffe ausbilden.“; Stolberg: Auserlesene Gespräche, 1. Theil, 1796, S. 52: „Denn man muß unter dem Namen Mensch, den durch Vernunft zu einem Ganzen vereinigten Inbegriff vieler sinnlichen Wahrnehmungen verstehen“. Tennemann (System der Platonischen Philosophie, Bd. 2 [1794], S. 204 mit Anm. 42) zitiert die Stelle für Platons Theorie des Erkennens in dem Sinne, in dem Schleiermacher die Stelle verstanden und – bereits in SN 154 (Spalte 2 mit App.) – übersetzt hat. Bei Heindorf z. St. (S. 259) ist Schleiermachers Verständnis dieser Stelle erstmals zustimmend mitgeteilt.
S Anm. 38 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 28.
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αἰσθήσεων εἰς ἓν λογισμῷ ξυναιρούμενον. Τοῦτο δέ ἐστιν ἀνάμνησις ἐκείνων, ἅ ποτ᾽ εἶδεν ἡμῶν ἡ ψυχὴ συμπορευθεῖσα θεῷ καὶ ὑπεριδοῦσα ἃ νῦν εἶναί φαμεν, καὶ ἀνακύψασα εἰς τὸ ὄντως ὄν. Διὸ δὴ δικαίως μόνη πτεροῦται ἡ τοῦ φιλοσόφου διάνοια. Πρὸς γὰρ ἐκείνοις ἀεί ἐστι μνήμη κατὰ δύναμιν, πρὸς οἷσπερ ὁ θεὸς ὢν θεῖός ἐστι. Τοῖς δὲ δὴ τοιούτοις ἀνὴρ ὑπομνήμασιν ὀρθῶς χρώμενος, τελέους ἀεὶ τελετὰς τελούμενος, τέλεος ὄντως μόνος γίγνεται. Ἐξιστάμενος δὲ τῶν ἀνθρωπίνων σπουδασμάτων καὶ πρὸς τῷ θείῳ γιγνόμενος νουθετεῖται μὲν ὑπὸ τῶν πολλῶν, ὡς παρακινῶν, ἐνθουσιάζων δὲ λέληθε τοὺς πολλούς. Ἔστι δὴ οὖν δεῦρο ὁ πᾶς ἥκων λόγος περὶ τῆς τετάρτης μανίας, ἵν᾽ ὅταν τὸ τῇδε τὶς ὁρῶν κάλλος, τοῦ ἀληθοῦς ἀναμιμνησκόμενος, ἀναπτερῶταί τε καὶ ἀναπτερούμενος προθυμῆται ἀναπτέσθαι, ἀδυνατῶν δέ, ὄρνιθος δίκην βλέπων ἄνω, τῶν κάτω δὲ ἀμελῶν, αἰτίαν ἔχει ὡς μανικῶς διακείμενος· ὡς ἄρα
chen Wahrnehmungen als Eins zusammengefaßt wird durch den Verstand. Dieses aber ist eine Erinnerung deßen, was unsere Seele gesehen hat, als sie im Ge|folge eines Gottes umherwandelnd das was wir jezt für das wirkliche halten übersah, und sich zu dem an sich seienden erhob. Darum wird auch mit Recht nur des Philosophen Seele wiederum beflügelt: denn seine Erinnerung ist immer so viel möglich bei jenen Dingen bei denen Gott sich befindet, und eben deshalb Gott ist. Wer diese Erinnerungen recht benuzt, der gelangt zur Vollendung in den vollkommenen Mysterien und wird allein wahrhaft vollkommen. Und weil er abläßt von den gewöhnlichen menschlichen Bestrebungen um sich mit dem Göttlichen zu beschäftigen, wollen ihn die Leute zurecht bringen als einen Verrükten; aber sie wißen nur nicht, daß er einen Gott in sich hat. Und hieher kommt nun auch unsere ganze Rede von der vierten Art des Wahnsinns, woran derjenige der die Schönheit, welche hier anzutreffen ist erblikt, sich dabei der wahren Schönheit erinnert und dadurch seine Flügel wiederbekommt, wenn er indem sie ihm wachsen auch schon aufzufliegen versucht, und da er dies noch nicht kann, wie ein Vogel immer hinaufwärts sieht und was unten ist verachtet, krank zu liegen beschuldiget wird, daß nemlich unter allen
1f ξυναιρούμενον] ξυναιρουμένων Heindorf z. St. (S. 259), übersetzt W1 W2 9 μνήμη] μνήμῃ konj. Schleiermacher (bei Heindorf z. St., S. 260), übersetzt W1 W2 21 ἵν᾽] ἣν Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 20 [46,14], vgl. W2 Anm. 39; schon Heindorf z. St. (S. 260) interpretiert „ἵνα h. l. est ubi, in qua μανίᾳ“, danach anscheinend übersetzt SN 154 W1 W2
T 2f Verstand] danach hochgestellt Anm.Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 33 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 14 sich befindet] mit Einfügungszeichen über ist 22 wollen] über weisen 23 bringen] über der Zeile mit Einfügungszeichen 34 dies] über es
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hervorgeht aus vielen durch den Verstand zusammengefaßten Wahrnehmungen. Und dieses ist Erinnerung von jenem, was einst unsere Seele gesehen, Gott nachwandelnd und das übersehend, was wir jezt für das wirkliche halten, und zu dem wahrhaft Seienden das Haupt emporgerichtet. Daher auch wird mit Recht nur des Philosophen Seele befiedert: denn sie ist immer mit der Erinnerung soviel möglich bei jenen Dingen, bei denen Gott sich befindend eben deshalb göttlich ist. Solcher Erinnerungen also sich recht gebrauchend, mit vollkommener | Weihung immer geweiht, kann ein Mann allein wahrhaft vollkommen werden, Indem er nun menschlicher Bestrebungen sich enthält, und mit dem göttlichen umgeht, wird er zurechtgewiesen von den Leuten als ein verwirrter, daß er aber begeistert ist, merken die Leute nicht. Und hier ist nun die ganze Rede angekommen von jener vierten Art des Wahnsinns, an welcher derjenige, der bei dem Anblik der hiesigen Schönheit jener wahren sich erinnernd neubefiedert wird, und mit dem wachsenden Gefieder aufzufliegen zwar versucht, unvermögend aber und nur wie ein Vogel hinaufwärts schauend, und was drunten ist gering achtend, beschuldiget wird seelenkrank zu sein, daß näm-
hervorgeht aus vielen durch den Verstand zusammengefaßten Wahrnehmungen. Und dieses ist Erinnerung von jenem, was einst unsere Seele gesehen, Gott nachwandelnd und das übersehend, was wir jezt für das wirkliche halten, und zu dem wahrhaft Seienden das Haupt emporgerichtet. Daher auch wird mit Recht nur des Philosophen Seele befiedert: denn sie ist immer mit der Erinnerung soviel möglich bei jenen Dingen, bei denen Gott sich befindend eben deshalb göttlich ist. Solcher Erinnerungen also sich recht gebrauchend, mit vollkommener Weihung immer geweiht, kann ein Mann allein wahrhaft vollkommen werden. Indem er nun menschlicher Bestrebungen sich enthält, und mit dem göttlichen umgeht, wird er von den Leuten wohl gescholten als ein verwirrter, daß er aber begeistert ist, merken die Leute nicht. Und hier ist nun die ganze Rede angekommen von jener vierten Art des Wahnsinns, an welchem39 derjenige, der bei dem Anblik der hiesigen Schönheit jener wahren sich | erinnernd neubefiedert wird, und mit dem wachsenden Gefieder aufzufliegen zwar versucht, unvermögend aber und nur wie ein Vogel hinaufwärts schauend, und was drunten ist gering achtend, beschuldiget wird seelenkrank zu sein, daß nämlich 39
a n w e l c h e m . Diese schon in der ersten Auflage ich weiß nicht wie sich findende Uebersezung beruht doch lediglich auf die von Bekker ans Licht gezogene Leseart ἣν für ἵνα.
S Anm. 39 Vgl. Spalte 1 App.
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Erste Fassung (handschriftlich)
αὕτη πασῶν τῶν ἐνθουσιάσεων ἀρίστη τε καὶ ἐξ ἀρίστων τῷ τε ἔχοντι καὶ τῷ κοινωνοῦντι αὐτῆς γίγνεται, καὶ ὅτι ταύτης μετέχων τῆς μανίας ὁ ἐρῶν τῶν καλῶν ἐραστὴς καλεῖται. Καθάπερ γὰρ εἴρηται, πᾶσα μὲν ἀνθρώπου ψυχὴ φύσει τεθέαται τὰ ὄντα, ἢ οὐκ ἂν ἦλθεν εἰς τόδε τὸ ζῶον, ἀναμιμνήσκεσθαι δ᾽ ἐκ τῶνδε ἐκεῖνα οὐ ῥᾴδιον ἁπάσῃ, οὔτε ὅσαι βραχέως εἶδον τότε τἀκεῖ, οὔθ᾽ αἳ δεῦρο πεσοῦσαι ἐδυστύχησαν, οὔτε ὑπό τινῶν ὁμιλιῶν ἐπὶ τὸ ἄδικον τραπόμεναι λήθην ὧν τότε εἶδον ἱερῶν ἔσχον. Ὀλίγαι δὴ λείπονται, αἷς τὸ τῆς μνήμης ἱκανῶς πάρεστιν. Αὗται δὲ ὁπόταν τὶ τῶν ἐκεῖ ὁμοίωμα ἴδωσιν, ἐκπλήττονται καὶ οὐκέθ᾽ αὑτῶν γίγνονται, ὃ δ᾽ ἐστὶ τὸ πάθος, ἀγνοοῦσι, διὰ τὸ μὴ ἱκανῶς διαισθάνεσθαι. Δικαιοσύνης μὲν οὖν καὶ σωφροσύνης καὶ ὅσα ἄλλα τίμια ψυχαῖς, οὐκ ἔνεστι φέγγος οὐδὲν ἐν τοῖς τῇδε ὁμοιώμασιν, ἀλλὰ δι᾽ ἀμυδρῶν ὀργάνων μόγις αὐτῶν καὶ ὀλίγοι ἐπὶ τὰς εἰκόνας ἰόντες θεῶνται τὸ τοῦ εἰκασθέντος γένος. Κάλλος δὲ τότε ἦν ἰδεῖν λαμπρόν, ὅτε σὺν εὐδαίμονι χορῷ μακαρίαν
Begeisterungen diese, sowol für den in welchem sie entsteht als für den, dem sie sich mittheilt, die beste ist, und aus den besten Ursachen herrührt, und daß wer die Schönen liebt, und diesen Wahnsinn an sich hat, ein Liebender genannt wird. Denn jede menschliche Seele muß zwar wie bereits gesagt worden, das Wahre gesehen haben, weil sie sonst diese Natur gar nicht hätte annehmen können; aber sich bei dem, was hier ist, des dortigen zu erinnern, das ist nicht einem jeden leicht, weder denen, die nur eine kurze Zeit lang was dort war gesehen haben, noch denen welchen als sie hieher stürzten ein Unfall begegnet ist, noch denen, welche durch Umgang zum Unrechten verleitet, das Heilige, welches sie dort gesehen hatten, vergeßen haben. Und so bleiben nur wenige übrig, denen auch Erinnerungen genug beiwohnen. Diese aber, wenn sie etwas dem dortigen Aehnliches erbliken, werden sie entzükt und sind nicht mehr ihrer selbst mächtig. Was ihnen aber eigentlich begegnet wißen sie nicht, weil sie sich deßen nicht deutlich genug bewußt sind. In den hiesigen Bildern der Gerechtigkeit, der | Weisheit und was sonst den Seelen köstlich ist, ist kein Glanz sondern mit trüben Werkzeugen nähern sich ihnen nur wenige mit Mühe und erkennen, was darin abgebildet ist. Die Schönheit aber war damals glänzend zu sehn als mit dem Chor der Seligen wir dem Jupiter, Andere
13 οὔτε] ὥστε konj. Heindorf z. St. (S. 261) aus Ficinus (in Ed.Zweibrücken 1787: neque quot huc descendentes infortunatae fuerunt, ita ut [...] depravatae [...] oblivionem susceperint), übersetzt W1 W2
T 7 Liebender] korr. aus Lieb haber , anscheinend durch F. Schlegel 15 denen] über denjenigen 20 verleitet] danach hochgestellt Anm.-Ziffer 34 von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5)
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lich diese unter allen Begeisterungen als die edelste und des edelsten Ursprungs sich erweiset, an dem sowohl der sie hat, als auch dem sie sich mittheilt, und daß, wer dieses Wahnsinns theilhaftig die Schönen liebt, ein Liebhaber genannt wird. Nämlich, wie bereits gesagt, jede Seele eines Menschen muß zwar ihrer Natur nach das Seiende geschaut haben, oder sie hätte in eine solche Bildung nicht eingehen können, sich aber bei dem hiesigen an jenes zu erinnern, ist nicht jeder leicht, weder denen, die das dortige nur kurze Zeit sahen, noch denen, welche nachdem sie hieher gefallen ein Unglük betroffen, daß sie irgendwie durch Umgang zum Unrecht verleitet, das ehedem geschaute Heilige in Vergessenheit gestellt; ja wenige bleiben übrig, denen die Erinnerung stark genug beiwohnt. Diese nun, wenn sie ein Ebenbild des dortigen sehen, werden sie entzükt, und sind nicht mehr ihrer selbst mächtig, was ihnen aber eigentlich begegnet, wissen sie nicht, weil sie es nicht genug durchschauen. Denn der Gerechtigkeit, | Besonnenheit, und was sonst den Seelen köstlich ist, hiesige Abbilder haben keinen Glanz, sondern mit trüben Werkzeugen können Wenige und diese nur mit Mühe jenen Bildern sich nahend des Abgebildeten Geschlecht erkennen. Die Schönheit aber war damals glänzend zu schauen, als mit dem seligen Chore wir dem Jupiter, An-
diese unter allen Begeisterungen als die edelste und des edelsten Ursprungs sich erweiset, an dem sowohl der sie hat, als auch dem sie sich mittheilt, und daß, wer dieses Wahnsinns theilhaftig die Schönen liebt, ein Liebhaber genannt wird. Nämlich, wie bereits gesagt, jede Seele eines Menschen muß zwar ihrer Natur nach das Seiende geschaut haben, oder sie wäre in dieses Gebilde nicht gekommen; sich aber bei dem hiesigen an jenes zu erinnern, ist nicht jeder leicht, weder denen, die das dortige nur kümmerlich sahen, noch denen, welche nachdem sie hieher gefallen ein Unglük betroffen, daß sie irgendwie durch Umgang zum Unrecht verleitet, das ehedem geschaute Heilige in Vergessenheit gestellt; ja wenige bleiben übrig, denen die Erinnerung stark genug beiwohnt. Diese nun, wenn sie ein Ebenbild des dortigen sehen, werden sie entzükt, und sind nicht mehr ihrer selbst mächtig, was ihnen aber eigentlich begegnet, wissen sie nicht, weil sie es nicht genug durchschauen. Denn der Gerechtigkeit, Besonnenheit, und was sonst den Seelen köstlich ist, hiesige Abbilder haben keinen Glanz, sondern mit trüben Werkzeugen können auch nur Wenige von ihnen mit Mühe jenen Bildern sich nahend des Abgebildeten Geschlecht erkennen. Die Schönheit aber war damals glänzend zu schauen, als mit dem seligen Chore wir dem Jupiter, An-
S 7 Liebhaber] Die Korrektur F. Schlegels in SN 154 ist nicht in W1 übernommen (vgl. Spalte 2 App.).
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Phaidros Ed. Heindorf
Erste Fassung (handschriftlich)
ὄψιν τε καὶ θέαν ἑπόμενοι μετὰ μὲν Διὸς ἡμεῖς, ἄλλοι δὲ μετ᾽ ἄλλου θεῶν, εἶδόν τε καὶ ἐτελοῦντο τελετῶν, ἣν θέμις λέγειν μακαριωτάτην, ἣν ὀργιάζομεν ὁλόκληροι μὲν αὐτοὶ ὄντες καὶ ἀπαθεῖς κακῶν, ὅσα ἡμᾶς ἐν ὑστέρῳ χρόνῳ ὑπέμενεν, ὁλόκληρα δὲ καὶ ἁπλᾶ καὶ ἀτρεμῆ καὶ εὐδαίμονα φάσματα μυούμενοί τε καὶ ἐποπτεύοντες ἐν αὐγῇ καθαρᾷ, καθαροὶ ὄντες καὶ ἀσήμαντοι τούτου, ὃ νῦν δὴ σῶμα περιφέροντες ὀνομάζομεν ὀστρέου τρόπον δεδεσμευμένοι. Ταῦτα μὲν οὖν μνήμῃ κεχαρίσθω, δι᾽ ἣν πόθῳ τῶν τότε νῦν μακρότερα εἴρηται. Περὶ δὲ κάλλους, ὥσπερ εἴπομεν, μετ᾽ ἐκείνων τε ἔλαμπεν ἰόν, δεῦρό τε ἐλθόντες κατειλήφαμεν αὐτὸ διὰ τῆς ἐναργεστάτης αἰσθήσεως τῶν ἡμετέρων στίλβον ἐναργέστατα. Ὄψις γὰρ ἡμῖν ὀξυτάτη τῶν διὰ τοῦ σώματος ἔρχεται αἰσθήσεων, ᾗ
einem andern Gotte folgend, des herrlichsten Anbliks und Schauspiels genoßen und in ein Geheimniß eingeweiht wurden, welches man wol das heiligste unter allen nennen kann, und welches wir feierten untadelig und unberührt von den Uebeln die unserer in der späteren Zeit erwarteten, und untadelige unverfälschte unwandelbare Erscheinungen schauend mit der höchsten Weihe begabt, rein in reinem Lichte und noch nicht versiegelt in diesem unserm Leibe, wie wir es nennen, den wir eingekerkert in ihn wie ein Schaalthier mit uns herumtragen. Dies möge der Erinnerung verziehen sein um derentwillen ich jezt von dem was dort ist aus Sehnsucht darnach ausführlicher geredet habe. Was nun die Schönheit betrift, so glänzte sie wie gesagt damals jene Andern begleitend; und auch hier ist sie dasjenige, was uns am stärksten entgegenschimmert durch den schärfsten unserer jezigen Sinne. Denn das Gesicht ist die schärfste unter unsern körperlichen Wahrnehmungen, vermittelst der daher auch die Weisheit nicht ge-
T 6f feierten] davor noch gef oder auch gef | danach die wir um seinetwillen unversehrt [über -sehrt: anscheinend stü ] geblieben sind 7 untadelig] am Rand mit Einfügungszeichen vor unversehrt (s. vorangehenden App.) 17 Dies] über Soviel 18 verziehen] korr. aus vergönnt 19 was dort ist] über damaligen 29 der] über dessen
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dere einem andern Gotte folgend des herrlichsten Anbliks und Schauspiels genossen und in ein Geheimniß geweiht waren, welches man wohl das allerseligste nennen kann, und welches wir feierten, untadelig selbst und unbetroffen von den Uebeln, die unserer für die künftige Zeit warteten, und so auch zu untadeligen, unverfälschten, unwandelbaren, seligen Gesichten vorbereitet und geweihet in reinem Glanze, rein und unbezeichnet mit diesem unserm Leibe, wie wir ihn nennen, den wir jezt eingekerkert wie ein Schaalthier mit uns herumtragen. Dieses möge der Erinnerung verziehen werden, kraft welcher es aus Sehnsucht nach dem ehemaligen ausführlicher ist geredet worden. Was nun die Schönheit betrift, so glänzte sie wie gesagt schon unter jenen, und auch hieher versezt fassen wir sie auf durch den hellsten unserer Sinne, und aufs hellste uns entgegenschimmernd. Denn das Gesicht ist die schärfste aller körperlichen Wahrnehmungen, vermittelst deren aber die Weisheit
dere einem andern Gotte folgend des herrlichsten Anbliks und Schauspiels genossen und in ein Geheim|niß geweiht waren, welches man wohl das allerseligste nennen kann, und welches wir feierten, untadelig selbst und unbetroffen von den Uebeln, die unserer für die künftige Zeit warteten, und so auch zu untadeligen, unverfälschten, unwandelbaren, seligen Gesichten vorbereitet und geweihet in reinem Glanze, rein und unbelastet40 von diesem unserm Leibe, wie wir ihn nennen, den wir jezt eingekerkert wie ein Schaalthier mit uns herumtragen. Dieses möge der Erinnerung geschenkt sein, um derentwillen es aus Sehnsucht nach dem damaligen jezt ausführlicher ist geredet worden. Was nun die Schönheit betrift, so glänzte sie wie gesagt schon unter jenen wandelnd, und auch nun wir hieher gekommen haben wir sie aufgefaßt durch den hellsten unserer Sinne aufs hellste uns entgegenschimmernd. Denn das Gesicht ist der schärfste aller körperlichen Sinne, vermittelst dessen aber die Weis40
u n d u n b e l a s t e t . Da das Wortspiel zwischen ἀσήμαντοι und σῶμα doch im Deutschen nicht herauszubringen war, so habe ich mir eine kleine Abweichung erlaubt um ein unverständlicheres mit einem leichteren zu vertauschen.
T Anm. 40 33 Abweichung erlaubt] Abweichung, erlaubt W2 S 28f Sinne] verändert ggb. W1 nach Rez.Anon. (1806) (wie zu W1) S 28 Wahrnehmungen] kritisiert von Rez.Anon., in: Neue Leipziger Literaturzeitung 90. Stück, 1806, Sp. 1432 („lieber […] Sinne“); verändert in W2
S Anm. 40 Zu dem Wortspiel vgl. Platon, Gorgias 493a: τὸ μὲν σῶμά ἐστιν ἡμῖν σῆμα. (Der Körper ist für uns ein Grab[stein].)
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Erste Fassung (handschriftlich)
φρόνησις οὐχ ὁρᾶται· δεινοὺς γὰρ ἂν παρεῖχεν ἔρωτας, εἴτι τοιοῦτον ἑαυτῆς ἐναργὲς εἴδωλον παρείχετο εἰς ὄψιν ἰόν, καὶ τἄλλα ὅσα ἐραστά. Νῦν δὲ κάλλος μόνον ταύτην ἔσχε
schaut wird – denn das würde eine allzuheftige Liebe geben, wenn von ihr ein so lebhaftes Bild uns ins Gesicht fiele – noch was sonst liebenswürdig ist; sondern nur die Schön-
4 καὶ τἄλλα ὅσα ἐραστά] Heindorf, übersetzt SN 154 W1 Anm. 29 W2, vgl. W1 Anm. 29 W2 Anm. 41 | οἷον καὶ τἄλλα ὅσα ἐραστά konj. Buttmann (bei Heindorf z. St., S. 264), übersetzt W1 (s. jedoch W1 Anm. 29 und App. S)
T 4 noch] danach auch
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nicht geschaut wird. Denn zu heftige Liebe29 würde entstehen, wenn uns von ihr ein so helles Ebenbild dargeboten würde durch das Gesicht, wie von dem andern liebenswürdigen. Nun aber ist nur
heit nicht geschaut wird, denn zu heftige Liebe41 würde entstehen, wenn uns von ihr ein so helles Ebenbild dargeboten würde durch das Gesicht, noch auch das andere liebenswürdige; nur der Schönheit
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D e n n z u h e f t i g e L i e b e etc. Man lese diesen Saz so: „Denn furchtbare Liebe würde entstehen, wenn sie uns ein so helles Ebenbild von sich darböte durch das Gesicht, so auch das übrige Liebenswürdige.“ – Meiner Meinung nach nämlich ändert man am besten nichts im Text. Das übrige Liebenswürdige ist ja dem ganzen Zusammenhange nach nicht mit der Schönheit in gleichem Falle, sondern mit der Weisheit, das angesezte οἷον könnte aber kaum anders als auf τοιοῦτον bezogen, woraus leicht ein entgegengesezter Sinn könnte gedeutet werden. Daran wie das καὶ τἄλλα ὅσα ἐραστὰ hier nachgebracht wird, kann Niemand Anstoß nehmen; leichter, aber weniger platonisch, hieße es εἴτι αὕτη καὶ τἄλλα ἐραστὰ τοιοῦτον ἑαυτῶν etc.
S 1–6 ...wie von dem andern liebenswürdigen] hergestellt von Spalding nach Heindorfs hsl. Note zur Druckvorlage: SN 183/5, f. 1r: „P. 65. N o c h a u c h d a s a n d e r e l i e b e n s w ü r d i g e . Nein, tausend, και ταλλα statt ουδ᾽ αλλα! Nach ου müßte ουδε folgen. Das ist ausgemacht, wie du im Lat. nach non, nemo, mußt aut folgen lassen oder neque, aber nicht et. οἱον geht ja auf τοιουτον. Hier ist Buttmann seine laus wohl gesichert.“ Dazu Spalding: „Hiernach habe ich geändert, und zwar so: ‚von ihr — wie von dem andern liebenswürdigen“. Wenn Ihnen dis zu sehr misfällt, so schreiben Sie‘s nur noch. Auch empfele ich die Überlegung, ob denn recht ist ‚z u heftige‘ statt δεινοὺς? Warum nicht Zizero’s ‚quam ardentes’. [nachträglich hinzugefügt:] Heindorfs Haß gegen οὐ – καὶ statt οὐ – οὐδὲ wird wol nicht gemildert durch eine Stelle, wie ich eben finde: Luc. Bip. 7 p. 182 ο ὐ κ έ τ ι ἁπαλὰ κ α ὶ τέλεον ἀσυμπ[αγῆ]“ (Cicero,
D e n n z u h e f t i g e L i e b e etc. Meiner Meinung nach ändert man am besten nichts im Text. Das übrige Liebenswürdige ist ja dem ganzen Zusammenhange nach nicht mit der Schönheit in gleichem Falle, sondern mit der Weisheit, das angesezte οἷον könnte aber kaum anders als auf τοιοῦτον bezogen, woraus leicht ein entgegengesezter Sinn könnte gedeutet werden. Daran wie das καὶ τἄλλα ὅσα ἐραστὰ hier nachgebracht wird, kann Niemand Anstoß nehmen.
S Anm. 41 Vgl. Spalte 3 App. S z. St. und W1 Anm. 29.
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μοῖραν, ὥστ᾽ ἐκφανέστατον εἶναι καὶ ἐρασμιώτατον. Ὁ μὲν οὖν μὴ νεοτελὴς ἢ διεφθαρμένος οὐκ ὀξέως ἐνθένδε ἐκεῖσε φέρεται πρὸς αὐτὸ τὸ κάλλος, θεώμενος αὐτοῦ τὴν τῇδε ἐπωνυμίαν, ὥστε οὐ σέβεται προσορῶν, ἀλλ᾽ ἡδονῇ παραδοὺς τετρά-
heit hat dieses Loos getroffen das anschaulichste für uns zu sein und das liebreizendste. Wer nun nicht erst kürzlich mit frischem Eindruk von diesen Mysterien herkommt, oder wer schon verderbt ist, der wird nicht stark von hier dorthin zur Schönheit selbst gezogen, wenn er das was ihr hier gleichnamig ist vor Augen hat. Er verehrt es also noch nicht wenn er es anschaut, sondern der Lust allein ergeben, will
T 4f mit frischem Eindruk von] über der Zeile mit Einfügungszeichen 5 diesen] davor zu | herkommt] über gelangt
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der Schönheit dieses zu Theil geworden, so daß sie uns das hervorleuchtendste ist und das liebreizendste. Wer nun nicht noch frisches Andenkens ist, oder schon verderbt, der wird auch | nicht stark von hier dorthin gezogen zu der Schönheit selbst, indem er was hier ihren Namen trägt erblikt; so daß er es auch nicht anschauend verehrt, sondern der Lust ergeben gedenkt er sich auf
aber ist dieses zu Theil geworden, daß sie uns das hervorleuchtendste ist und das liebreizendste. Wer nun nicht noch frisches Andenkens ist, oder schon verderbt, der wird auch nicht heftig von hier dorthin gezogen zu der Schönheit selbst, indem er was hier ihren Namen trägt erblikt; so daß er es auch nicht anschauend verehrt, sondern der Lust ergeben gedenkt er sich auf
S Forts. De finibus 2,16,52; Lukian, Anacharsis (37) 24: Luciani Samosatensis opera graece et latine, Bd. 7, Zweibrücken 1790, S. 182). Heindorf gibt hier nicht wie sonst die Stephanus-Seite als Bezug an, sondern § 65 seiner Edition (Heindorf, S. 263 f., vgl. z. St.), dort auch Buttmanns Konjektur (vgl. Spalte 1 App.). Spaldings Änderung während des Druckes des Dialogs macht Schleiermacher in Anm. 29 rückgängig. Auf die Formulierung „zu heftige Liebe“ zielt kritisch auch Spaldings andere hsl. Note bei der Korrektur der Druckvorlage: SN 158/3, f. 1r: „229.d. Ist man wol berechtigt δεινοὺς – ἔρωτας zu geben: ‚z u h e f t i g e L i e b e ‘ ?“ (statt 229.d lies 250d). Diese Kritik nimmt Schleiermacher in seiner Übersetzung in Anm. 29 auf und revidiert seine ursprüngliche Übersetzung „zu heftige Liebe“ (oben im Text) in „furchtbare Liebe“.
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ποδος νόμῳ βαίνειν ἐπιχειρεῖ καὶ παιδοσπορεῖν, καὶ ὕβρει προσομιλῶν οὐ δέδοικεν οὐδ᾽ αἰσχύνεται παρὰ φύσιν ἡδονὴν διώκων. Ὁ δὲ ἀρτιτελής, ὁ τῶν τότε πολυθεάμων, ὅταν θεοειδὲς πρόσωπον ἴδῃ κάλλος εὖ μεμιμημένον ἤ τινα σώματος ἰδέαν, πρῶτον μὲν ἔφριξε καί τι τῶν τότε ὑπῆλθεν αὐτὸν δειμάτων· εἶτα προσορῶν ὡς θεὸν σέβεται, καὶ εἰ μὴ δεδίει τὴν τῆς σφόδρα μανίας δόξαν, θύοι ἂν ὡς ἀγάλματι καὶ θεῷ τοῖς παιδικοῖς. Ἰδόντα δὲ αὐτὸν οἷον ἐκ τῆς φρίκης μεταβολή τε καὶ ἱδρὼς καὶ θερμότης ἀήθης λαμβάνει. Δεξάμενος γὰρ τοῦ κάλλους τὴν ἀπορροὴν διὰ τῶν ὀμμάτων ἐθερμάνθη, ᾗ ἡ τοῦ πτεροῦ φύσις ἄρδεται. Θερμανθέντος δὲ ἐτάκη τὰ
er sich auf thierische Art damit vermischen, und fürchtet sich nicht sie zur Ueppigkeit zu mißbrauchen, und schämt sich nicht der widernatürlichen Lust nachzugehn. Wer aber eben erst von jenen Mysterien zurükkommt, und vielfältig das dortige geschaut hat, wenn der ein gottähnliches Angesicht oder eine Gestalt des Körpers sieht, welche die Schönheit vollkommen nachahmen: so erschrikt er zuerst und es wandelt ihn ein Schauder an wie damals; hernach wenn er sich näher heranwagt, verehrt er es als einen Gott, und wenn er nicht den | Ruf eines ganz rasenden Wahnsinnes fürchtete würde er dem Lieblinge auch opfern als einem heiligen Bilde oder Gotte, und so oft er ihn sieht, überfällt ihn, wie es nach dem Fieberschauer zu geschehen pflegt ungewohnte Hize und Schweiß. Aber indem er den Ausfluß der Schönheit durch die Augen in sich aufnimmt, wird er erwärmt, wodurch sein Flügel gleichsam begossen wird, und indem er warm wird, schmilzt von den Kei-
2 παιδοσπορεῖν] nicht übersetzt SN 154 W1 W2, vgl. W1 Anm. 30 W2 Anm. 42
T 11 nachahmen] danach hochgestellt Anm.-Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 34 35 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 12 erschrikt] vgl. Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 344, Notat 9
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thierische Art zu vermischen30, und scheut sich nicht, sich ihr mit Wildheit zu nähern, noch schämt er sich widernatürlich der Lust nachzugehn. Wer aber noch frische Weihung an sich hat, und das damalige vielfältig geschaut, wenn der ein gottähnliches Angesicht erblikt oder eine Gestalt des Körpers, welche die Schönheit vollkommen darstellen: so schaudert er zuerst, und es wandelt ihn eine Furcht an von damals, hernach aber betet er sie anschauend an wie einen Gott, und fürchtete er nicht den Ruf eines allzuheftigen Wahnsinnes, so opferte er auch, wie einem heiligen Bilde oder einem Gotte, dem Liebling. Und hat er ihn gesehen, so überfällt ihn wie nach dem Schauder plözliche Umwandlung und Schweiß und ungewohnte Hize. Durchwärmt nämlich wird er, indem er durch die Augen den Ausfluß der Schönheit aufnimmt, durch welchen sein Gefieder gleichsam begossen wird. Ist er nun durchwärmt,
thierische Art zu vermischen42 und roher Weise sich ihm nahend fürchtet er sich nicht noch scheut sich widernatürlich der Lust nachzugehen. Wer aber noch frische Weihung an sich hat, und das damalige vielfältig geschaut, | wenn der ein gottähnliches Angesicht erblikt oder eine Gestalt des Körpers, welche die Schönheit vollkommen darstellen: so schaudert er zuerst, und es wandelt ihn etwas an von den damaligen Aengsten, hernach aber betet er sie anschauend an wie einen Gott und fürchtete er nicht den Ruf eines übertriebenen Wahnsinnes, so opferte er auch, wie einem heiligen Bilde oder einem Gotte, dem Liebling. Und hat er ihn gesehen, so überfällt ihn wie nach dem Schauder des Fiebers Umwandlung und Schweiß und ungewohnte Hize. Durchwärmt nämlich wird er, indem er durch die Augen den Ausfluß der Schönheit aufnimmt, durch welchen sein Gefieder gleichsam begossen wird. Ist er nun durchwärmt,
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auf thierische Art zu vermis c h e n . Das in seinem eigentlichen Sinn auf die Knabenliebe nicht anwendbare und doch für uns höchst widerwärtig auf sie übertragene Wort παιδοσπορεῖν ist ohne Furcht vor Tadel übergangen worden.
auf thierische Art zu vermis c h e n . Das in seinem eigentlichen Sinn auf die Knabenliebe nicht anwendbare und doch für uns höchst widerwärtig auf sie übertragene Wort παιδοσπορεῖν ist ohne Furcht vor Tadel übergangen worden.
S 1 Spaldings hsl. Note in Bezug auf die Druckvorlage: SN 158/3, f. 1r: „249.e. ἀλλ᾽ ἡδονῇ παραδοὺς – παιδοσπορεῖν. Ich glaube hier eine ausdrükliche Anspielung wahrzunehmen auf Eurip. Phoen. 21.22. Hat davon etwas der zitirte Valken. bei Rell. p. 233? [später hinzugefügt:] Nein.“ Spalding hat offenbar geprüft, ob diese Anspielung schon von Valckenaer (Diatribe in Euripidis perditorum dramatum reliquias, Leiden 1767) an der von Heindorf z. St. (S. 264) zitierten Stelle erwähnt ist.
S Anm. 42 Vgl. Spalte 3 zu Z. 1.
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περὶ τὴν ἔκφυσιν, ἃ πάλαι ὑπὸ σκληρότητος συμμεμυκότα εἶργε μὴ βλαστάνειν. Ἐπιρρυείσης δὲ τῆς τροφῆς ᾤδησέ τε καὶ ὥρμησε φύεσθαι ἀπὸ τῆς ῥίζης ὁ τοῦ πτεροῦ καυλὸς ὑπὸ πᾶν τὸ τῆς ψυχῆς εἶδος. Πᾶσα γὰρ ἦν τοπάλαι πτερωτή. Ζεῖ οὖν ἐν τούτῳ ὅλη καὶ ἀνακηκίει, καί, ὅπερ τὸ τῶν ὀδοντοφυούντων πάθος περὶ τοὺς ὀδόντας γίγνεται, ὅταν ἄρτι φύωσι, κνῆσίς τε καὶ ἀγανάκτησις περὶ τὰ οὖλα, ταὐτὸν δὴ πέπονθεν ἡ τοῦ πτεροφυεῖν ἀρχομένου ψυχή· ζεῖ τε καὶ ἀγανακτεῖ καὶ γαργαλίζεται φύουσα τὰ πτερά. Ὅταν μὲν οὖν βλέπουσα πρὸς τὸ τοῦ παιδὸς κάλλος, ἐκεῖθεν μέρη ἐπιόντα δή που καὶ ῥέοντα, ἃ δὴ διὰ ταῦτα ἵμερος καλεῖται, δεχομένη, τῷ ἱμέρῳ ἄρδηταί τε καὶ θερμαίνηται, λωφᾷ τε τῆς ὀδύνης καὶ γέγηθεν· ὅταν δὲ χωρὶς γένηται καὶ αὐχμήσῃ τὰ τῶν διεξόδων στόματα, ᾗ τὸ πτερὸν ὁρ-
men desselben hinweg, was sie durch seine Härte verschloßen hielt, daß sie nicht hervorkommen konnten. Nun ihm aber Nahrung zufließt, schwillt das Harz des Flügels an, und strebt herauszutreten aus der Wurzel überall unter der Oberfläche der Seele, denn sie war ehedem ganz und gar befiedert. So ist sie also ganz in Gährung und Alles in ihr sprudelt auf. Und wie es zahnenden Kindern geht, daß sie wenn die Zähne ausbrechen wollen ein Juken und eine Unruhe im Zahnfleisch empfinden, eben so geht es auch der Seele dessen, welcher anfängt seine Flügel zu bekommen: es gährt in ihr und quält sie und kizelt sie wenn der Flügel sich bildet. Wenn sie nun auf die Schönheit der Knaben hinsieht und die davon ausfließenden und sich losreißenden Theile welche daher Reize heissen, in sich aufnimmt, und von ihnen befruchtet und durchwärmt wird, so läßt der Schmerz nach und ihr ist wohl. Wenn sie aber allein ist und die Ränder jener Oefnungen wo der Flügel durchbricht wieder
20 τῷ ἱμέρῳ] konj. Heindorf, übersetzt W1 | τὸν ἵμερον Edd. vulg., z. B. Ed.Zweibrücken 1787 (Bipontina) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 21 [50,2 f. ohne hsl. Varianten], übersetzt W2, vgl. W2 Anm. 43 | fehlt in der Übersetzung SN 154, erst von Stallbaum 1832 (sic!) athetiert
T 5 das Harz] über der Stengel 7 überall] über der Zeile mit Einfügungszeichen | der2] 24 heissen] danach danach ganzen Seele hochgestellt Anm.-Ziffer 36 von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 28 Ränder jener Oefnungen] über Windungen der Ausgänge 29 durchbricht] über treibt
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so schmilzt um die Keime des Gefieders hinweg, was schon seit lange verhärtet sie verschloß und hinderte hervorzutreiben. Fließt aber Nahrung zu, so schwillt der Kiel des Gefieders, und treibt hervorzutreten aus der Wurzel überall an der Seele, denn sie war ehedem ganz befiedert. Hiebei also gährt alles an ihr und sprudelt auf, und was die Zahnenden an ihren Zähnen empfinden, wenn sie eben ausbrechen, Juken und Reiz im Zahnfleisch, eben das empfindet auch die Seele dessen, dem das Gefieder hervorzubrechen anfängt, es gährt in ihr, und jukt sie, und kizelt sie, wenn sie das Gefieder | heraustreibt. Wenn sie also auch die Schönheit des Knaben sehend und die davon ausströmenden und sich losreißenden Theile, die deshalb Reize heißen,31 in sich aufnehmend, durch den Reiz befruchtet und erwärmt wird: so hat sie Linderung des Schmerzens und ist froh. Ist sie aber getrennt von ihm, so daß die Mündungen jener Auswege, wo das Gefieder durch-
so schmilzt um die Keime des Gefieders hinweg, was schon seit lange verhärtet sie verschloß und hinderte hervorzutreiben. Fliesst aber Nahrung zu, so schwillt der Kiel des Gefieders, und treibt hervorzutreten aus der Wurzel überall an der Seele, denn sie war ehedem ganz befiedert. Hiebei also gährt alles an ihr und sprudelt auf, und was die Zahnenden an ihren Zähnen empfinden, wenn sie eben ausbrechen, Juken und Reiz im Zahnfleisch, eben das empfindet auch die Seele dessen, dem das Gefieder hervorzubrechen anfängt, es gährt in ihr, und jukt sie, und kizelt sie, wenn sie das Gefieder heraustreibt. Wenn sie also auch die Schönheit des Knaben sehend und die davon ausströmenden und sich losreißenden Theile, die deshalb Reize heißen,43 in sich aufnehmend den Reiz befruchtet und erwärmt wird: so hat sie Linderung der Schmerzen und ist froh. Ist sie aber getrennt von ihm und wird trokken: so hemmen wieder die Mündungen jener Auswege, wo
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die deshalb Reize heißen. Platon scheint mit seiner etymologischen Erklärung von ἵμερος auf dreierlei anzuspielen, auf ἰέναι, μέρος und ῥεῖν; die Uebersezung hat sich einfacher begnügen müssen.
die deshalb Reize heißen. Platon scheint mit seiner etymologischen Erklärung von ἵμερος auf dreierlei anzuspielen, auf ἰέναι, μέρος und ῥεῖν; die Uebersezung hat sich einfacher begnügen müssen. – In den unmittelbar folgenden Worten bin ich, wie stillschweigend an mancher andern Stelle, von einer erleichternden Vermuthung Heindorfs wieder abgegangen, weil unter allen von Bek|ker verglichenen Handschriften keine ihr beistimmen wollte.
T Anm. 31 32 ἰέναι, μέρος] ἰναι, ἰμέρος verdruckt W1 S Anm. 31 ἰέναι, μέρος und ῥεῖν werden von Schleiermacher aufgenommen in (los)reißen(den), Theile und (aus)strömen(den).
S 23 den Reiz befruchtet] nach Bekker wie Spalte 1 App. S Anm. 43 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 31.
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μᾷ, συναυαινόμενα, μύσαντα ἀποκλείει τὴν βλάστην τοῦ πτεροῦ. Ἡ δ᾽ ἐντὸς μετὰ τοῦ ἱμέρου ἀποκεκλεισμένη, πηδῶσα οἷον τὰ σφύζοντα, τῇ διεξόδῳ ἐγχρίει ἑκάστῃ τῇ καθ᾽ αὑτήν, ὥστε πᾶσα κεντουμένη κύκλῳ ἡ ψυχὴ οἰστρᾷ καὶ ὀδυνᾶται, μνήμην δ᾽ αὖ ἔχουσα τοῦ καλοῦ γέγηθεν. Ἐκ δ᾽ ἀμφοτέρων μεμιγμένων ἀδημονεῖ τε τῇ ἀτοπίᾳ τοῦ πάθους καὶ ἀποροῦσα λυττᾷ, καὶ ἐμμανὴς οὖσα οὔτε νυκτὸς δύναται καθεύδειν, οὔτε μεθ᾽ ἡμέραν, οὗ ἂν ᾖ, μένειν, θεῖ δὲ ποθοῦσα, ὅπου ἂν οἴηται ὄψεσθαι τὸν ἔχοντα τὸ κάλλος. Ἰδοῦσα δὲ καὶ ἐποχετευσαμένη ἵμερον ἔλυσε μὲν τὰ τότε συμπεφραγμένα, ἀναπνοὴν δὲ λαβοῦσα κέντρων τε καὶ ὠδίνων ἔληξεν, ἡδονὴν δ᾽ αὖ ταύτην γλυκυτάτην ἐν τῷ παρόντι καρποῦται. Ὅθεν δὴ ἑκοῦσα εἶναι οὐκ ἀπολείπεται οὐδέ τινα τοῦ καλοῦ περὶ πλείονος ποιεῖται, ἀλλὰ μητέρων τε καὶ ἀδελφῶν καὶ ἑταίρων πάντων λέλησται, καὶ οὐσίας δι᾽ ἀμέλειαν ἀπολλυμένης, παρ᾽ οὐδὲν τίθεται· νομίμων δὲ καὶ εὐσχημόνων, οἷς προτοῦ ἐκαλλωπίζετο, πάντων καταφρονήσασα,
troken werden und zusammenschrumpfen so verstopfen sie, indem sie sich zuschließen, auch wieder dem Keim des Flügels den Weg, und dieser sammt den Reizen inwendig eingesperrt hüpft nun wie die Adern, und schlägt und stößt überall da an, wo er herauskommen sollte, so daß die Seele von allen Seiten gestochen herumraset, und von Schmerzen gequält wird. Sobald sie aber wieder eine Erinnerung an das Schöne bekommt ist ihr wieder wohl. Indem dies nun so miteinander abwechselt ängstiget sie sich über diesen widersinnigen Zustand, und aus der Verwirrung geräth sie in Wahnsinn, und bei diesem Wahnsinn kann sie weder des Nachts schlafen, noch am Tage ausdauern wo sie ist, sondern aus Sehnsucht läuft sie immer dahin, wo sie den, der die Schönheit besizt, zu sehen glaubt. Wenn sie ihn nun erblikt, und sich einen Reiz zuführt, so werden jene Verstopfungen wieder aufgelöst, sie bekommt Ruhe die Stiche und Schmerzen hören auf, und sie genießt wiederum jenes süßesten Vergnügens. Daher sie sich auch gutwillig nicht entfernt, noch einen Andern höher achtet als | den Schönen, sondern Mutter Bruder und alle Freunde vergißt, es gleichgültig ansieht wenn durch Vernachläßigung der Wolstand zerrüttet wird, und Anstand und Sitte worin sie sonst viel sezte verachtend, bereit ist
T 6 hüpft] über schlägt 7 stößt] danach nun 27 Ruhe] danach und 38 bereit] davor ist sie | ist] über der Zeile mit Einfügungszeichen
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bricht, wieder vertroknend zusammenschrumpfen, so hemmen sie wieder, indem sie sich verschließen, den Trieb des Gefieders. Dieser also mit dem Reiz eingeschlossen hüpft wie die schlagenden Adern, und sticht überall gegen die ihm bestimmten Oefnungen, so daß die ganze Seele von allen Seiten gereizt umherraset und Angst leidet, bekommt sie aber wieder Erinnerung des Schönen, so frohlokt sie. Da nun beides so mit einander vermischt ist, bangt sie sich über einen so widersinnigen Zustand, und aus dieser Unruhe geräth sie in Geistesverwirrung, und bei diesem Wahnsinn kann sie weder des Nachts schlafen, noch bei Tage irgendwo ausdauern, sondern sehnsüchtig eilt sie immer dahin, wo sie den, der die Schönheit besizt, zu erbliken hofft. Hat sie ihn nun gesehen, und sich neuen Reiz zugeführt, so löst sich wieder auf, was vorher verstopft war, sie erholt sich, indem Stiche und Schmerzen aufhören, und kostet wieder für den Augenblik jene süßeste Lust. Daher sie auch gutwillig den Schönen nicht verläßt, noch irgend Jemand werther achtet als ihn, sondern Mutter, Brüder und Freunde sämmtlich vergißt, den fahrläßiger Weise zerrütteten Wohlstand für nichts achtet, und selbst das Anständige und Sittliche, dessen sie sich sonst sorgfältig befleißigte, gänzlich hintansezend ist sie bereit,
das Gefieder durch|bricht, indem sie sich zusammenschrumpfend schließen, den Trieb des Gefieders. Dieser also mit dem Reiz eingeschlossen hüpft wie die schlagenden Adern, und sticht überall gegen die ihm bestimmten Oefnungen, so daß die ganze Seele von allen Seiten gestachelt umherwüthet und sich abängstet; hat sie aber wieder Erinnerung des Schönen, so frohlokt sie. Da nun beides so mit einander vermischt ist, bangt sie sich über einen so widersinnigen Zustand, und aus dieser Unruhe geräth sie in Geistesverwirrung, und bei diesem Wahnsinn kann sie weder des Nachts schlafen, noch bei Tage irgendwo ausdauern, sondern sehnsüchtig eilt sie immer dahin, wo sie den, der die Schönheit besizt, zu erbliken hofft. Hat sie ihn nun gesehen, und sich neuen Reiz zugeführt: so löst sich wieder auf, was vorher verstopft war; sie erholt sich, indem Stiche und Schmerzen aufhören, und kostet wieder für den Augenblik jene süßeste Lust. Daher sie auch gutwillig den Schönen nicht verläßt, noch irgend Jemand werther achtet als ihn, sondern Mutter, Brüder und Freunde sämmtlich vergißt, den fahrlässiger Weise zerrütteten Wohlstand für nichts achtet, und selbst das Anständige und Sittliche, womit sie es sonst am genauesten nahm, gänzlich hintansezend ist sie bereit,
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δουλεύειν ἑτοίμη καὶ κοιμᾶσθαι, ὅπου ἂν ἐᾷ τις ἐγγυτάτω τοῦ πόθου. Πρὸς γὰρ τῷ σέβεσθαι τὸν τὸ κάλλος ἔχοντα ἰατρὸν εὕρηκε μόνον τῶν μεγίστων πόνων. Τοῦτο δὴ τὸ πάθος, ὦ παῖ καλέ, πρὸς ὃν δή μοι ὁ λόγος, ἄνθρωποι μὲν Ἔρωτα ὀνομάζουσι· θεοὶ δὲ ὃ καλοῦσιν, ἀκούσας εἰκότως διὰ νεότητα γελάσειας. Λέγουσι δέ, οἶμαι, τινὲς Ὁμηρίδαι ἐκ τῶν ἀποθέτων ἐπῶν δύο ἔπη εἰς τὸν Ἔρωτα, ὧν τὸ ἕτερον πάνυ ὑβριστικὸν καὶ οὐ σφόδρα τι ἔμ-
zu dienen um nur dem Gegenstand der Sehnsucht so nahe zu liegen als möglich. Denn außerdem daß sie den Besizer der Schönheit verehrt, hat sie auch in ihm den einzigen Arzt für die unerträglichsten Schmerzen gefunden. Diesen Zustand nun, o schöner Knabe, an den meine Rede gerichtet ist nennen die Menschen das Lieben; wenn du aber hören wirst wie die Götter ihn nennen, wirst du vielleicht der Neuheit wegen lächeln. Es haben nemlich einige Homeriden, glaube ich, unter ihren kleinen Gedichten zwei Verse auf die Liebe von denen der eine gar leichtfertig und nicht ein-
T 9 nennen] davor nennen die 17 gar leichtfertig] Vgl. F. Schlegel in dem Brief vom 18.3.1802: KGA V/5, Nr. 1185, 12-14: „Was Du über die streitige Stelle der beiden επη sagst, ist freilich äusserst unbefriedigend; es schadet aber nicht, da es einmal Deine Ueberzeugung ist.“ Gemeint ist wohl die verlorene Anmerkung zu dieser Stelle (Schlegels Nr. 37: s. u. zu S. 248,4).
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wie nahe es nur sein kann, dem Ge-| genstande ihres Verlangens zu dienen und bei ihm zu ruhen. Denn nächst ihrer Verehrung hat sie auch in dem Besizer der Schönheit den einzigen Arzt gefunden für die unerträglichsten Schmerzen. Dieser Zustand nun, o schöner Knabe, zu dem ich rede, wird von den Menschen die Liebe genannt, wie er aber bei den Göttern heißt, dieses hörend wirst du vielleicht der Neuheit wegen lächeln. Es haben nämlich einige Homeriden, wie ich glaube, unter ihren kleinen Gedichten zwei Verse auf die Liebe, von denen der eine sehr leichtfertig32 ist, und gar nicht
wie nahe es nur sein kann, dem Gegenstande ihres Verlangens zu dienen und bei ihm zu ruhen. Denn nächst ihrer Verehrung hat sie auch in dem Besizer der Schönheit den einzigen Arzt gefunden für die unerträglichsten Schmerzen. Diesen Zustand nun, o schöner Knabe zu dem ich rede, nennen die Menschen Liebe, wie er aber bei den Göttern heißt, dieses hörend wirst du vielleicht der Neuheit wegen lächeln. Es haben nämlich | einige Homeriden, wie ich glaube, unter ihren unbekannten Gedichten zwei Verse auf die Liebe, von denen der eine sehr leichtfertig44 ist, und gar nicht
32 s e h r l e i c h t f e r t i g . Dies ist allerdings in dem ersten Verse zu suchen, und ich weiß es nicht anders als mit Heindorf in dem Worte g e fl ü g e l t zu finden. Die bekanntlich damals noch nicht herrschende Weise den Eros mit Flügeln zu bilden mußte Platon besonders in diesem Zusammenhange als ruchlos darstellen; und eben so, wenn man glaubt, es sollte durch dieses Wort nur die
44 s e h r l e i c h t f e r t i g . Wenn man das ἔμμετρον von dem Sylbenmaaß verstehen will, so muß man den Tadel auf den zweiten Vers beziehen, in welchem in der That ein Fehler vorkommt. Aber in diesem Verse weiß ich das ὑβριστικὸν nicht zu finden. Also suche ich lieber beides im ersten Verse, und dann kann ich doch das leichtfertige nicht anders als mit Heindorf in das Wort g e fl ü g e l t sezen. Die bekanntlich damals noch nicht herrschende Weise den Eros mit Flügeln zu bilden mußte Platon besonders in dem Zusammenhange als ruchlos darstellen, wenn man glaubt, es sollte durch dieses Wort nur die Flüchtigkeit der Liebe dargestellt werden. Woher übrigens diese Verse genommen sind, oder woher Platon vorgeben
S 2f dienen] Heindorfs hsl. Note zur Druckvorlage: SN 183/5, f. 1v: „P. 252. δουλευειν zu matt von einem f r e i e n G r i e c h e n ? Aber bist du denn kurz vorher über die Worte αλλα μητερων τε auch so gut, wie ich selbst, weggekommen? Die Auslassung der Väter, die sonst doch immer, wie billig, in solchem Falle vorangehn, ist mir höchst sonderbar. Und der Plural μητερων von dem Einen? Da ist ein alius.“ Dazu Spalding: „Mag wol sehr wahr sein, doch habe ich nichts geändert.“ S Anm. 32 Auch Heindorf z. St. (S. 268 f.) bezieht sehr leichtfertig auf den ersten der beiden Verse. Er brandmarkt das Bild vom geflügelten Eros als nicht antik und damit als töricht und unwürdig bzw. leichtfertig und ruchlos. (Eros wird jedoch seit frühester Zeit in Kunst und Literatur als geflügelter Gott
S Anm. 44 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 32. Die ggb. W1 hinzugefügte Diskussion des zweiten Verses nach Ast: Phaedr. 1810, S. 324. Der metrische Fehler im zweiten Vers: πτ wirkt einmal nicht positionsbildend (correptio Attica: δὲ vor Πτέρωτα wird nicht gelängt), einmal sehr wohl (διὰ vor πτερ- wird gelängt). Allerdings ist auch im ersten Vers eine metrische Regel (Hermannsche Brücke) nicht beachtet.
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μετρον. Ὑμνοῦσι δὲ ὧδε·
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mal recht wohlklingend ist. Sie singen nemlich so:
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eben wohllautend. Sie singen näm-
eben wohllautend. Sie singen näm-
Flüchtigkeit der Liebe dargestellt werden. Woher übrigens diese Verse genommen sind, oder woher Platon vorgeben wollte sie genommen | zu haben, darüber sind wir so in der Unwissenheit, daß jede Uebersezung von ἔπη ἀπόθετα eigentlich nur ein Rathen ist. Stark aber dringt sich die Vermuthung auf, daß sie schwerlich von einem Andern sein mögen als von ihm selbst, und daß er sie nur einem Homeriden zuschreibt, um, wie er immer gern thut, seinen Mythos durch eine Autorität zu heben. Hierauf führt das ächt platonische in der Uebersezung untergegangene Spiel mit ἔρως und πτέρως, theils das Wort πτεροφύτωρ – denn dem πτερόφοιτος ist doch weder Sinn noch sprachgemäße Bildung abzugewinnen – welches sich schwerlich anders als aus dieser Idee verstehen läßt, von der doch Niemand eine ältere Spur wird auffinden wollen. Auch die schalkhafte Artigkeit, mit welcher er erlaubt zu glauben oder nicht zu glauben, scheint hierauf zu deuten.
wollte sie genommen zu haben, darüber sind wir so in der Unwissenheit, daß jede Uebersezung von ἔπη ἀπόθετα eigentlich nur ein Rathen ist. Stark aber dringt sich die Vermuthung auf, daß sie schwerlich von einem Andern sein mögen als von ihm selbst, und daß er sie nur einem Homeriden zuschreibt, um, wie er immer gern thut, seinen Mythos durch eine Autorität zu heben. Hierauf führt das ächt platonische in der Uebersezung untergegangene Spiel mit ἔρως und πτέρως, theils das Wort πτεροφύτωρ, welches sich schwerlich anders als aus dieser Idee verstehen läßt, von der doch Niemand eine ältere Spur wird auffinden wollen. Auch die schalkhafte Artigkeit, mit welcher er erlaubt zu glauben oder nicht zu glauben, scheint hierauf zu deuten. Wie Herr Ast durch seine Erklärung von πτερόφοιτος ἀνάγκη die Sache ganz auf den Kopf stellt, mögen die Leser bei ihm nachsehen und es annehmen, wenn es ihnen besser gefällt daß die Göt|ter entweder den Eros der hier hoch gepriesen werden soll herabsezen, oder daß sie einen andern Ἔρως haben, von dem weiter gar nicht die Rede wäre, den Eros der Menschen aber Πτέρως nennen.
S Forts. Anm. 32 dargestellt; vgl. Harvey Yunis: Plato Phaedrus, Cambridge 2011, S. 155). Zur Übersetzung von ἔπη ἀπόθετα kleine Gedichte vgl. Heindorf z. St. (S. 268): „carmina haec […] interpretor de brevibus, recisis, separatis poematiis dicta, quae maioribus Homeri poematis opponantur.“ Zur Alternative πτεροφύτωρ – πτερόφοιτος s. Spalte 1 App. (s. nächste Seite). Diese Anmerkung Schleiermachers wird pauschal kritisiert von Rez.Ast (1808), S. 134; vgl. Ast: Phaedr. 1810 (wie W2 Anm. 44); vgl. auch schon F. Schlegels Kritik (s. o. Spalte 2 App. z. St.).
S Forts. Anm. 44 Die Übersetzung von ἔπη ἀπόθετα unbekannte Gedichte gegen Heindorf nach Ast: Phaedr. 1810, S. 324, korrigiert ohne Anpassung der Anmerkung. Zu πτερόφοιτος ἀνάγκη Ast: Phaedr. 1810, S. 324-327: „quomodo Schleiermacherus [...] nimis fidenter contendere potuerit, vocem πτερόφοιτος et sensu et linguae analogia destitutam esse, assequi non possum. – Sensus igitur horum versuum hic est: Falso mortales Amorem allatum vocant, recte contra Dii lingua sua Πτέρωτα, h. e., alis incitantem et inflammantem propter libidinem vagam illam et furiosam, quam excitat.“ (S. 326). Vgl. erneut Rez.Ast (1819), S. 70.
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Τὸν δ᾽ ἤτοι θνητοὶ μὲν Ἔρωτα καλοῦσι ποτηνόν, / ἀθάνατοι δὲ Πτέρωτα, διὰ πτερόφοιτον ἀνάγκην. Τούτοις δὴ ἔξεστι μὲν πείθεσθαι, ἔξεστι δὲ μή· ὅμως δὲ ἥγε αἰτία καὶ τὸ πάθος τῶν ἐρώντων τοῦτο ἐκεῖνο τυγχάνει ὄν. Τῶν μὲν οὖν Διὸς ὀπαδῶν ὁ ληφθεὶς ἐμβριθέστερον δύναται φέρειν τὸ τοῦ πτερωνύμου ἄχθος· ὅσοι δὲ Ἄρεός τε θεραπευταὶ καὶ μετ᾽ ἐκείνου περιεπόλουν, ὅταν ὑπ᾽ Ἔρωτος ἁλῶσι καί τι οἰηθῶσιν ἀδικεῖσθαι ὑπὸ τοῦ ἐρωμένου, φονικοὶ καὶ ἕτοιμοι καθιερεύειν αὑτούς τε καὶ τὰ παιδικά. Καὶ οὕτω καθ᾽ ἕκαστον θεόν, οὗ ἕκαστος ἦν χορευτής, ἐκεῖνον τιμῶν τε καὶ μιμούμενος εἰς τὸ δυνατὸν ζῇ, ἕως ἂν ᾖ ἀδιάφθορος καὶ τὴν τῇδε πρώτην γένεσιν βιοτεύῃ, καὶ τούτῳ τῷ τρόπῳ πρός τε τοὺς ἐρωμένους καὶ πρὸς τοὺς ἄλλους ὁμιλεῖ τε καὶ προσφέρεται. Τόν τε οὖν ἔρωτα τῶν καλῶν πρὸς τρόπου ἐκλέγεται ἕκαστος,
Ihn nun nennen die Menschen den Gott der flüchtigen Liebe / Aber die Götter den Flügler dieweil er den Flügel heraustreibt. Dies nun magst du glauben oder nicht wie du willst, so bleibt es doch wahr, daß dies der eigentliche Zustand der Liebenden ist, und daß es so damit zusammenhängt. Welche nun von den Begleitern des Zeus in diesen flügelbenannten Zustand gerathen, können das Lästige desselben standhaft ertragen. Wenn aber, die den Ares verehrten und mit ihm wandelten, von der Liebe ergriffen werden, diese sind sobald sie glauben daß der Geliebte sie beleidiget, blutdürstig, und bereit sich selbst und ihn aufzuopfern. Und so ein Jeder nach Art des Gottes zu deßen Gefolge er gehört; denn Jeder sucht diesen so sehr er kann zu verehren und ihn nachzuahmen, so lange er nemlich noch unverdorben ist und noch das erste Leben in dieser Welt lebt, und geht auf diese Art um mit seinem Geliebten und den Andern. Ebenso erwählt sich auch Jeder eine
3f πτερόφοιτον] Heindorf | πτεροφύτορ᾽ Heindorf z. St. (S. 269) aus Johannes Stobaios, Eclogarum physicarum et ethicarum libri II, ed. A. H. L. Heeren, Bd. 1 (1792), S. 276 (= Stobaeus, Eclogae 9,11, Bd. 1, S. 114,23 Wachsmuth-Hense), übersetzt SN 154 W1 W2, vgl. W1 Anm. 32 W2 Anm. 44
T 1–4 Ihn…heraustreibt] am Rand mit Einfügungszeichen (abgesetzt als zwei Hexameter) statt Das nun nennen die Menschen bei sich das flüchtige Lieben, / Aber die Götter das Flügelnde weil es den Flügel heraustreibt. (abgesetzt als zwei Hexameter) 4 heraustreibt] danach hochgestellt Anm.Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 37 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 28 Jeder] danach einen Schwarm für s eine Liebe
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lich so „Sterblichen nun heißt dieser der Gott der geflügelten Liebe: doch den Unsterblichen Flügler, dieweil er den Flügel heraustreibt.“ Dies nun steht dir frei zu glauben oder auch nicht; dennoch aber ist eben jenes in Wahrheit der Zustand der Liebenden und seine Ursache. Wer nun aus des Zeus Begleitern davon ergriffen wird, kann stärker die Schmerzen des Flügelbenannten ertragen. Wenn aber die des Ares Diener waren und mit diesem wandelten, von der Liebe gefangen werden, und in etwas glauben beleidigt zu sein von dem Geliebten, diese sind blutdurstig und bereit sich selbst und den Liebling hinzuopfern. Und eben so nach Art jedes andern Gottes, zu dessen Zuge Jemand gehörte, diesen nämlich nach Vermögen ehrend und nachahmend lebt jeder, der noch unverdorben zum erstenmale hier lebt, und verhält sich auch auf gleiche Weise gegen seine Geliebten und die übrigen. So erwählt auch jeder sich nach seiner Gemüthsart eine Liebe
lich so „Sterblichen nun heißt dieser der Gott der geflügelten Liebe: Göttern der Flügler, dieweil er mit Macht das Gefieder heraustreibt.“ Dies nun steht dir frei zu glauben oder auch nicht; dennoch aber ist eben jenes in Wahrheit der Zustand der Liebenden und seine Ursache. Wer nun aus des Zeus Begleitern davon ergriffen wird, kann stärker die Schmerzen des Flügelbenannten ertragen. Wenn aber die des Ares Diener waren und mit diesem wandelten, von der Liebe gefangen werden, und in etwas glauben beleidigt zu sein von dem Geliebten, diese sind blutdürstig und bereit sich selbst und den Liebling hinzuopfern. Und eben so nach Art jedes andern Gottes, zu dessen Zuge Jemand gehörte, diesen nämlich nach Vermögen ehrend und nachahmend lebt jeder, so lange er noch unverdorben ist, und lebt das hiesige erste Dasein durch, und in diesem Sinne geht er auch um mit seinen Geliebten und den übrigen, und verhält sich gegen sie. So erwählt auch jeder sich nach seiner Gemüthsart eine Liebe zu
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καὶ ὡς θεὸν αὐτὸν ἐκεῖνον ὄντα ἑαυτῷ, οἷον ἄγαλμα τεκταίνεται καὶ κατακοσμεῖ, ὡς τιμήσων τε καὶ ὀργιάσων. Οἱ μὲν δὴ Διὸς Δίϊόν τινα ζητοῦσι τὴν ψυχὴν τὸν ὑφ᾽ αὑτῶν
Liebe nach seinem Sinn und als sollte jener sein Gott sein schmükt und bildet er ihn aus um ihn zu verehren und ihm begeisterte Feste zu feiern. Die dem Zeus angehören suchen sich einen dem Zeus der Seele nach ähnlichen zu ihrem Geliebten. Sie sehen also darauf, ob
5 ζητοῦσι] εἶναι ζητοῦσι Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 23 [52,10], übersetzt W2
T 1 Liebe] danach hochgestellt Anm.-Ziffer 38 von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 2 jener] über er ihm
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zu einem Schönen, und als wäre nun jener sein Gott selbst, bildet er ihn aus, und schmükt ihn wie ein heiliges Bild, um ihn zu verehren, und ihm begeisterte | Feste zu feiern. Die also dem Zeus angehören, suchen sich einen dem Zeus der Seele nach ähnlichen zu ihrem Geliebten.
einem Schönen, und als wäre nun jener sein Gott selbst, bildet er ihn aus, und schmükt ihn wie ein heiliges Bild, um ihn zu verehren, und ihm begeisterte Feste zu feiern. Die also dem Zeus angehören, suchen daß ihr Geliebter ein der Seele nach dem Zeus ähnlicher sei.
S 1f und als wäre nun jener sein Gott selbst] Heindorfs hsl. Note zur Druckvorlage: SN 183/5, f. 1v: „Ibid. και ως θεον αυτον – Ich fasse es so: und als wäre nun dieser Geliebte (αυτος) jener Gott selbst, (das θεος εκεινος hat offenbar Beziehung auf das vorhergehende καθ᾽ ἑκαστον θεον) bildet er ihn wie ein αγαλμα aus. Das Comma streiche ich jetzt nach ἑαυτῳ aus, um αυτον von τεκταινεται und κατακοσμει abhängig zu machen. Das Bild des Gottes, des Zeus, Ares und sim. stellt sich ihm in seinem Geliebten dar, dieser wird ihm also gleichsam ein αγαλμα, welches er wie ein Künstler ausbildet. – Ich bin freilich jetzt nicht im Zusammenhange, und fürchte, du wirst die Erklärung diesem nicht gemäß finden. Dunkel habe ich die Schwierigkeit hier schon, als ich die gedruckte Note schrieb, gefühlt, daher habe ich mich so kurz expedirt. Für meine Erklärung sind wohl auch die folgenden Worte – ενθουσιωντες εξ εκεινου (του σφετερου θεου) λαμβανουσι τα εθη και επιτηδευματα – και τ ο υ τ ω ν δ η τ ο ν ε ρ ω μ ε ν ο ν α ι τ ι ω μ ε ν ο ι etc. Was also jeder von seinem Gotte erflehet, davon findet er die Quelle in dem ερωμενος, der ihm als die Stelle jenes Gottes vertritt. Du willst doch nicht böse corrigiren: και ως θεον τον αυτον εκεινῳ οντα και ἑαυτῳ? Da sähe ich auch den Zusammenhang mit dem αγαλμα nicht.“ Dazu Spalding: „Alles scheint mir in Ordnung. Der Folger des Zeus wählt einen Zeus-artigen Geliebten, und, als wäre es nun Zeus selber, so zimmert er die Statue des Gottes aus ihm. Statue und Gott sind doch eins. Fidias Iupiter ist wirklich der Gott; demungeachtet hat ihn (mitten in der Andacht) Fidias tektainirt. Wäre (was ich keineswegs glaube) Ihre Supposizion wahr, so hätte Hndf schon korrigirt.“ Vgl. Heindorf z. St. (S. 270). Zur ZeusStatue des Phidias in Olympia s. auch W1 Anm. 8.
S 7f suchen…sei] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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Erste Fassung (handschriftlich)
ἐρώμενον. Σκοποῦσιν οὖν, εἰ φιλόσοφός τε καὶ ἡγεμονικὸς τὴν φύσιν, καὶ ὅταν αὐτὸν εὑρόντες ἐρασθῶσι, πᾶν ποιοῦσιν, ὅπως τοιοῦτος ἔσται. Ἐὰν οὖν μὴ πρότερον ἐμβεβῶσι τῷ ἐπιτηδεύματι, τότε ἐπιχειρήσαντες μανθάνουσί τε ὅθεν ἄν τι δύνωνται καὶ αὐτοὶ μετέρχονται. Ἰχνεύοντες δὲ παρ᾽ ἑαυτῶν ἀνευρίσκειν τὴν τοῦ σφετέρου θεοῦ φύσιν εὐποροῦσι, διὰ τὸ συντόνως ἠναγκάσθαι πρὸς τὸν θεὸν βλέπειν, καί, ἐφαπτόμενοι αὐτοῦ τῇ μνήμῃ, ἐνθουσιῶντες ἐξ ἐκείνου λαμβάνουσι τὰ ἔθη καὶ τὰ ἐπιτηδεύματα, καθόσον δυνατὸν θεοῦ ἀνθρώπῳ μετασχεῖν, καὶ τούτων δὴ τὸν ἐρώμενον αἰτιώμενοι ἔτι τε μᾶλλον ἀγαπῶσι, κᾂν ἐκ Διὸς ἀρύτωσιν, ὥσπερ αἱ Βάκχαι, ἐπὶ τὴν τοῦ ἐρωμένου ψυχὴν ἐπαντλοῦντες ποιοῦσιν ὡς δυνατὸν ὁμοιότατον τῷ σφετέρῳ θεῷ. Ὅσοι δ᾽ αὖ μεθ᾽ Ἥρας εἵποντο, βασιλικὸν ζητοῦσι, καὶ εὑρόντες περὶ τοῦτον πάντα δρῶσι τὰ αὐτά. Οἱ δὲ Ἀπόλλωνός τε καὶ ἑκάστου τῶν θεῶν οὕτω
er eine natürliche Anlage habe zum Philosophen und zum Regieren, und wenn sie ihn gefunden und liebgewonnen haben, so thun sie Alles mögliche, daß er nun ein solcher auch wirklich werde. Haben sie sich vorher noch nie selbst dieser Sache befleißiget, so legen sie sich nun darauf, lernen woher sie nur etwas können, und suchen es selbst auf. Wenn sie aber bei sich selbst nachspüren, um die Natur ihres Gottes aufzufinden, geht es ihnen gut von Statten, weil sie gezwungen sind an|gestrengt auf den Gott hinzuschauen, und indem sie ihn auffaßen durch Erinnerung, werden sie begeistert und nehmen von ihm Gemüthsart und Bestrebungen an, soweit es einem Menschen möglich ist etwas von einem Gott anzunehmen. Und indem sie ihren Geliebten für den Urheber von dem Allen halten lieben sie ihn noch mehr. Und was sie von Zeus schöpfen wie die Bakchantinnen, gießen sie aus auf die Seele des Geliebten und machen ihn ihrem Gotte so ähnlich als möglich. Welche aber der Here gefolgt sind, die suchen einen königlichen und wenn sie ihn gefunden haben, thun sie ihm eben so. So auch die Verehrer des Apollon und Jedes von den übrigen Göttern,
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Daher sehen sie zu, wer etwas philosophisches und zum Gebieten sich eignendes in seiner Natur hat, und wenn sie einen gefunden und liebgewonnen, so thun sie alles, damit er ein solcher auch wirklich werde. Wenn sie also sich nie zuvor dieser Sache befleißiget: so werden sie nun kräftig daran arbeitend lernen, woher sie nur können, und auch selbst nachforschen. Und indem sie nachspüren, um aus sich selbst die Natur ihres Gottes aufzufinden, gedeihen sie, weil sie genöthiget sind angestrengt auf den Gott zu schauen, und indem sie ihn in der Erinnerung auffassen, nehmen sie begeistert von ihm seine Sitten und Bestrebungen an, soweit einem Menschen von einem Gotte etwas zu überkommen möglich ist, und dieses dem Geliebten zuschreibend hängen sie ihm noch mehr an. Schöpfen sie nun vom Zeus wie die Bacchantinnen33, so gießen sie es auf des Geliebten Seele, und machen ihn, wie sehr es nur möglich ist, ähnlich ihrem Gotte. Welche aber der Here folgten, die suchen einen königlichen, und wenn sie ihn gefunden, thun sie mit ihm in allen Stüken eben so. So auch die Verehrer des Apollon und
Daher sehen sie zu, wo einer philosophisch und anführend ist von Natur; und wenn sie einen gefunden und liebgewonnen, so thun sie alles, damit er ein solcher auch wirklich werde. Wenn sie also sich nie zuvor dieser | Sache befleißiget: so werden sie nun kräftig daran arbeitend lernen, woher sie nur können, und auch selbst nachforschen. Und indem sie bei sich selbst nachspüren, gelingt es ihnen die Natur ihres Gottes aufzufinden, weil sie genöthiget sind angestrengt auf den Gott zu schauen, und indem sie ihn in der Erinnerung auffassen, nehmen sie begeistert von ihm Sitten und Bestrebungen an, soweit einem Menschen von einem Gotte etwas zu überkommen möglich ist, und dieses dem Geliebten zuschreibend hängen sie ihm noch mehr an; und wenn sie vom Zeus schöpfen wie die Bacchantinnen45, so gießen sie es auf des Geliebten Seele, und machen ihn, wie sehr es nur möglich ist, ähnlich ihrem Gotte. Welche aber der Here folgten, die suchen einen königlichen, und wenn sie ihn gefunden, thun sie mit ihm in allen Stüken eben so. So auch die Verehrer des Apollon und jedes Gottes
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w i e d i e B a k c h a n t i n n e n . Man vergleiche eine Stelle im Ion: So wie die Bakchantinnen aus den Flüssen, wenn sie begeistert sind, Milch und Honig schöpfen, wenn sie aber ihres Bewußtseins mächtig sind, nicht.
T 9 daran] darin W1 S. 125, korr. im Druckfehler-Verzeichnis W1 S. 413 S Anm. 33 Platon, Ion 534a bei Heindorf z. St. (S. 271).
w i e d i e B a k c h a n t i n n e n . Man vergleiche eine Stelle im Ion: So wie die Bakchantinnen aus den Flüssen, wenn sie begeistert sind, Milch und Honig schöpfen, wenn sie aber ihres Bewußtseins mächtig sind, nicht.
T 8 daran] darin W2 S. 125, jedoch schon korr. im Druckfehler-Verzeichnis W1 S. 413 S Anm. 45 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 33.
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κατὰ τὸν θεὸν ἰόντες ζητοῦσι τὸν σφέτερον παῖδα πεφυκέναι, καὶ ὅταν κτήσωνται, μιμούμενοι αὐτοί τε καὶ τὰ παιδικὰ πείθοντες καὶ ῥυθμίζοντες εἰς τὸ ἐκείνου ἐπιτήδευμα καὶ ἰδέαν ἄγουσιν, ὅση ἑκάστῳ δύναμις, οὐ φθόνῳ οὐδ᾽ ἀνελευθέρῳ δυσμενείᾳ χρώμενοι πρὸς τὰ παιδικά· ἀλλ᾽ εἰς ὁμοιότητα αὑτοῖς καὶ τῷ θεῷ, ὃν ἂν τιμῶσι, πᾶσαν πάντως ὅτι μάλιστα πειρώμενοι ἄγειν, οὕτω ποιοῦσι. Προθυμία μὲν οὖν τῶν ὡς ἀληθῶς ἐρώντων καὶ τελετή, ἐάν γ᾽ ἐνδιαπράξωνται ὃ προθυμοῦνται, ἣν λέγω. Οὕτω καλή τε καὶ εὐδαιμονικὴ ὑπὸ τοῦ δι᾽ ἔρωτα μανέντος
suchen einen Liebling, der ihrem Gotte ähnlich geartet ist, und wenn sie einen bekommen haben, führen sie ihn dadurch, daß sie selbst den Gott nachahmen, und auch ihn dazu überreden und stimmen, so weit aber eines Jeden Kraft reicht zu dem Wesen und den Beschäftigungen dieses ihres Gottes hin; keinesweges dem Neide oder einer schmuzigen Mißgunst gegen den Liebling Raum gebend, sondern sie thun alles mögliche um ihn zur größtmöglichsten Aehnlichkeit mit ihm selbst und dem Gott den sie verehren hinzuleiten. Dies, wie ich es beschrieben, ist das Bestreben der wahrhaft Liebenden, und ihre Vollendung ist es, wenn sie ins Werk richten wonach sie streben, und so wol vortrefliches und beglükendes wird durch den in Liebe wahnsinni-
9 παιδικά· ἀλλ᾽] παιδικά, ἀλλ᾽ Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W2 14f ἐάν γ᾽ ἐνδιαπράξωνται ὃ προθυμοῦνται] nicht übersetzt W1 15f ἣν λέγω. Οὕτω] ἣν λέγω, οὕτω Ast: Phaedr. 1810, S. 30 Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W1 W2
T 19 ist es] über der Zeile mit Einfügungszeichen
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jedes Gottes suchen sich ihren Knaben, dem Gotte ähnlich geartet, und wenn sie ihn gefunden haben, dann leiten sie ihn zu desselben Gottes Lebensweise und Gemüthsart, indem sie selbst ihn nachahmen und auch den Liebling überreden und in das Maaß fügen, jeder wie sehr er vermag, ohne dem Neide oder unedler Mißgunst Raum zu geben gegen den Geliebten; sondern aufs beste und auf alle Weise zu jeder Aehnlichkeit mit ihnen selbst und dem Gott ihn hinzuleiten versuchend, so | handeln sie. Sorgfalt also der wahrhaft Liebenden, und Weihung wie ich sie beschrieben, so schön und beglükend, wird durch den aus Liebe wahnsinnigen Freund dem Gelieb-
suchen sich ihren Knaben dem Gotte ähnlich geartet, und wenn sie ihn gefunden haben, dann leiten sie ihn zu desselben Gottes Lebensweise und Gemüthsart, indem sie selbst ihn nachahmen und auch den Liebling überreden und in das Maaß fügen, jeder wie sehr er vermag, ohne dem Neide oder unedler Mißgunst Raum zu geben gegen den Geliebten, sondern aufs beste und auf alle Weise zu jeder Aehnlichkeit mit ihnen selbst und dem Gott ihn hinzuleiten versuchend, thun sie es. Eifer also der wahrhaft Liebenden, und Weihung wenn sie erlangt haben46 wonach sie sich beeifern, wird wie ich sie beschrieben, so schön und beglükend, durch den aus Liebe wahnsinnigen Freund dem Gelieb46 w e n n s i e e r l a n g t h a b e n . Dies geht offenbar auf den Genuß der Liebe, von dem gleich hernach beschrieben wird wie sie dazu gelangen.
S 10f Geliebten, sondern] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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φίλου τῷ φιληθέντι γίγνεται, ἐὰν αἱρεθῇ. Ἁλίσκεται δὲ δὴ ὁ αἱρεθεὶς τοιῷδε τρόπῳ· καθάπερ ἐν ἀρχῇ τοῦδε τοῦ μύθου τριχῆ διείλομεν ψυχὴν ἑκάστην, ἱππομόρφω μὲν δύο τινὲ εἴδη, ἡνιοχικὸν δὲ εἶδος τρίτον· καὶ νῦν ἔτι ἡμῖν ταυτὰ μενέτω. Τῶν δὲ δὴ ἵππων ὁ μέν, φαμέν, ἀγαθός, ὁ δ᾽ οὔ. Ἀρετὴ δὲ τίς τοῦ ἀγαθοῦ ἢ κακοῦ κακία, οὐ διείπομεν, νῦν δὲ λεκτέον. Ὁ μὲν τοίνυν αὐτοῖν ἐν τῇ καλλίονι στάσει ὤν, τό τε εἶδος ὀρθὸς καὶ διηρθρωμένος, ὑψαύχην, ἐπίγρυπος, λευκὸς ἰδεῖν, μελανόμματος, τιμῆς ἐραστὴς μετὰ σωφροσύνης τε καὶ αἰδοῦς, καὶ ἀληθινῆς δόξης ἑταῖρος, ἄπληκτος, κελεύσματι μόνον καὶ λόγῳ ἡνιο-
gen Freund dem Geliebten zu Theil wenn er von ihm erobert wurde. Jeder aber, der erobert wird, wird auf folgende Art gefangen. So wie wir die Seele am Anfang dieser Darstellung angenommen haben als aus drei Theilen bestehend, wovon wir Zweien die Gestalt der Rosse, dem dritten aber die des Führers gaben, so soll dasselbe auch noch jezt angenommen bleiben. Von den Rossen hatten wir gesagt sei das eine gut das andere schlecht; worin aber die Vortreflichkeit des Guten, und die Schlechtigkeit des Schlechten bestehe hatten wir nicht erörtert und das muß jezt bestimmt werden. Dasjenige unter ihnen dem wir den Vorrang eingeräumt haben, ist von gradem Wuchs und schönem Gliederbau, hat einen majestätischen Hals, und eine königlich gebogene Nase, ist weiß am Körper und schwarzäugig, ehrliebend mit Besonnenheit liebt Scham und richtige Einsicht, läßt sich ohne Schläge bloß durch
2 αἱρεθῇ] Heindorf, übersetzt SN 154 W1 W2, vgl. W1 Anm. 34 W2 Anm. 47 | εὑρεθῇ konj. Heindorf z. St. (Appendix S. 362 zu S. 272) | αἱρεθεὶς] Heindorf Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt SN 154 | εὑρεθεὶς konj. Heindorf z. St. (Appendix S. 362 zu S. 272), übersetzt W1 W2, vgl. W1 Anm. 34 W2 Anm. 47
T 4 gefangen] davor erf 10 soll] danach es auch bleiben 24 Besonnenheit] danach und 25 liebt] über der Zeile mit Einfügungszeichen | richtige] korr. aus richtige n
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ten, wenn er ihn erobert hat,34 zu Theil. Erobert aber wird er, wenn er gefunden ist, auf diese Art. Wie wir im Anfang dieser Erzählung dreifach jede Seele zertheilt haben, in zwei roßgestaltige Theile und drittens in den dem Führer ähnlichen, so soll es auch jezt noch angenommen bleiben. Von den beiden Rossen, sagten wir weiter, sei eines gut, eines aber nicht. Welches aber die Vortreflichkeit des Guten und des schlechten Schlechtigkeit ist, haben wir nicht erklärt, jezt aber müssen wir es sagen. Das nun von beiden, welches die bessere Stelle einnimmt, von geradem Wuchs, schön gegliedert, hochhalsig, mit gebogener Nase, weiß von Haar, schwarzäugig, ehrliebend, mit Besonnenheit und Scham, wahrhafter Meinung Freund, wird ohne Schläge, nur durch Befehl
ten zu Theil, wenn er ihn erobert hat.47 Erobert aber wird er, wenn er gefunden ist, auf diese Art. Wie ich im Anfang dieser | Erzählung dreifach jede Seele zertheilt habe, in zwei roßgestaltige Theile und drittens in den dem Führer ähnlichen, so bleibe es uns auch jezt noch angenommen. Von den beiden Rossen, sagten wir weiter, sei eines gut, eines aber nicht. Welches aber die Vortreflichkeit des guten und des schlechten Schlechtigkeit ist, haben wir nicht erklärt, jezt aber müssen wir es sagen. Das nun von beiden, welches die bessere Stelle einnimmt, von geradem Wuchse, leicht gegliedert, hochhalsig, mit gebogener Nase, weiß von Haar, schwarzäugig, ehrliebend mit Besonnenheit und Scham, wahrhafter Meinung freund, wird ohne Schläge nur durch Befehl
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W e n n e r i h n e r o b e r t h a t . So unbedenklich ich im folgenden die Aenderung des αἱρεθεὶς in εὑρεθεὶς als die Hand des Platon anerkenne, eben so sicher möchte ich hier das αἱρεθῇ stehen lassen. Es ist ächt platonisch die erste Ankündigung der nun folgenden Erzählung von der Eroberung nach dem Finden.
S 2f wenn er gefunden ist] offenbar hergestellt von Spalding (mit Zustimmung Schleiermachers ?) nach Heindorfs hsl. Note zur Druckvorlage: SN 183/5, f. 1v: „P. 253. Ist dir das εὑρεθεις so gewiß (mir ists gewiß) so mußt du auch danach übersetzen. Ich finde im Übergange keine Schwierigkeit, nur daß Plato weit ausholt.“ Dazu Spalding: „Ich erwarte und wünsche Befehl schreiben zu dürfen ‚wann e r g e f u n d e n ist‘. Das von ‚ K o n s t r u k z i o n ‘ verstehe ich nicht.“ – Vgl. Heindorf z. St. (wie Spalte 1 App.). S Anm. 34 Vgl. Spalte 1 App.
W e n n e r i h n e r o b e r t h a t . So wenig ich im folgenden das εὑρεθεὶς wenn gleich es selbst noch nirgend gefunden ist kann fahren lassen: eben so sicher möchte ich hier das αἱρεθῇ stehen lassen. Es ist ächt platonisch die erste Ankündigung der folgenden Erzählung von der Eroberung nach dem Finden, und von diesen beiden Acten als verschieden gesezt sind auch im vorigen schon Spuren nicht zu verkennen.
S Anm. 47 Schleiermacher bleibt bei seiner Version, obwohl die Bekkerschen Handschriftenkollationen (Comm. 1 1823, S. 23 [53,18]) Heindorfs Konjektur von εὑρεθεὶς (s. Spalte 1 App.) nicht bestätigt haben. Außerdem verteidigt er seinen Text in dem über W1 Anm. 34 hinausgehenden letzten Halbsatz implizit gegen die Kritik von Ast (Phaedr. 1810, S. 331) an der Konjektur.
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χεῖται· ὁ δ᾽ αὖ σκολιός, πολύς, εἰκῆ συμπεφ ορημένος , κρατεραύχην, βραχυτράχηλος, σ ιμοπρόσ ωπος , μελάγχρως, γλαυκόμματος, ὕφαιμος, ὕβρεως καὶ ἀλαζονείας ἑταῖρος, περὶ ὦτα λάσιος, κωφός, μάστιγι μετὰ κέντρων μόγις ὑπείκων. Ὅταν δ᾽ οὖν ὁ ἡνίοχος, ἰδὼν τὸ ἐρωτικὸν ὄμμα, πᾶσαν αἰσθήσει διαθερμῄνας τὴν ψυχήν, γαργαλισμοῦ τε καὶ πόθου κέντρων ὑποπλησθῇ, ὁ μὲν εὐπειθὴς τῷ ἡνιόχῳ τῶν ἵππων ἀεί τε καὶ τότε αἰδοῖ βιαζόμενος ἑαυτὸν κατέχει, μὴ ἐπιπηδᾷν τῷ ἐρωμένῳ· ὁ δὲ οὔτε κέντρων ἡνιοχικῶν οὔτε μάστιγος ἔτι ἐντρέπεται, σκιρτῶν δὲ βίᾳ φέρεται, καὶ πάντα πράγματα παρέχων τῷ σύζυγί τε καὶ ἡνιόχῳ ἀναγκάζει ἰέναι τε πρὸς τὰ παιδικὰ καὶ μνείαν ποιεῖσθαι τῆς τῶν ἀφροδισίων χάριτος. Τὼ δὲ κατ᾽ ἀρχὰς μὲν ἀντιτείνετον ἀγανακτοῦντε, ὡς δεινὰ καὶ παράνομα ἀναγκαζομένω· τελευτῶντε δέ, ὅταν μηδὲν ᾖ πέρας κακοῦ, πορεύεσθον ἀγομένω, εἴξαντε καὶ ὁμολογήσαντε ποιήσειν τὸ κελευόμενον, καὶ πρὸς αὐτῷ τ᾽ ἐγένοντο καὶ εἶδον τὴν ὄψιν τὴν τῶν παιδικῶν ἀστράπτουσαν. Ἰδόντος δὲ τοῦ ἡνιόχου ἡ μνήμη πρὸς τὴν τοῦ κάλλους φύσιν ἠνέχθη, καὶ πάλιν εἶδεν αὐτὴν μετὰ σωφροσύνης ἐν
Befehl und Vernunft regieren. Das andere ist senkrükig, plump, schlecht gebaut, hartmäulig | hat einen kurzen Hals einen Schweinskopf und roth unterlaufene Glasaugen, es ist schwarz, voll Eigensinn und Stolz, zottig um die Ohren, taub, und gehorcht kaum der Peitsche und dem Stachel. Wenn nun der Führer das geliebte Antliz erblikt, und die ganze Seele von Empfindung durchwärmt ist, und er bald überall den Kizel und den Stachel des Verlangens spürt: so hält sich das gehorsame Pferd auch dann noch von Scham überwältigt zurük den Geliebten nicht anzuspringen. Das andere aber kehrt sich nicht mehr weder an Stachel noch Peitsche des Führers, sondern es schlägt aus und will mit Gewalt weiter, macht seinem Spanngenoßen und dem Führer auf alle Weise zu schaffen, und nöthigt sie zu dem Liebling hinzugehn, und der Gaben der Liebe gegen ihn zu gedenken. Die beiden widersagen sich anfänglich aus allen Kräften, aufgebracht daß sie zu gesezwidrigen und schreklichen Dingen gezwungen werden sollen, endlich aber wenn das Unwesen kein Ende nimmt, laßen sie sich fortschleppen, geben nach und versprechen das Begehrte zu thun. So kommen sie hin, und sehen des Lieblings Angesicht glänzen. Wenn der Führer es erblikt trägt ihn seine Erinnerung fort zum Wesen der Schönheit, und er sieht sie wieder
T 4 Hals] danach und 6f voll…Stolz] voll über der Zeile, zuvor liebt den Eigensinn und den Stolz 7 zottig] davor ist 12 ist] über der Zeile mit Einfügungszeichen 26 gegen ihn] über dafür
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und Worte gelenkt; das andere aber ist senkrükig, plump, schlecht gebaut, hartmäulig, kurzhalsig, mit aufgeworfener Nase, schwarz von Haut, glasäugig und roth unterlaufen, aller Wildheit und Starrsinnigkeit Freund, rauh um die Ohren, taub, der Peitsche und dem Stachel kaum gehorchend. Wenn nun der Führer beim Anblik der liebreizenden Gestalt, die ganze Seele von Empfindung durchglüht, bald überall den Stachel des Kizels und Verlangens spürt: so hält das dem Führer leicht gehorchende Roß, der Scham wie immer so auch dann nachgebend, sich selbst zurük, den Geliebten nicht anzuspringen; das andere aber scheut nun nicht länger Stachel noch Peitsche des Führers, sondern springend strebt es mit Gewalt vorwärts, und auf alle Weise | dem Spanngenossen und dem Führer zusezend nöthiget es sie, hinzugehen zu dem Liebling und der Gaben der Lust gegen ihn zu gedenken. Jene beiden widerstreben zwar anfangs unwillig der argen und gesezwidrigen Zunöthigung, zulezt aber wenn des Ungemachs kein Ende ist gehen sie dann von jenem fortgerissen, nachgebend und versprechend das gebotene zu thun, und so nahen sie sich ihm und sehen des Lieblings glänzende Gestalt. Indem nun der Führer sie erblikt, wird seine Erinnerung hingetragen zum Wesen der Schönheit, und wieder-
und Worte gelenkt; das andere aber ist senkrükig, plump, schlecht gebaut, hartmäulig, kurzhalsig, mit aufgeworfener Nase, schwarz von Haut, glasäugig und roth unterlaufen, aller Wildheit und Starrsinnigkeit freund, rauh um die Ohren, taub, der Peitsche und dem Stachel kaum gehorchend. Wenn nun der Führer beim Anblik der liebreizenden Gestalt, die ganze Seele von Empfindung durchglüht, bald überall den Stachel des Kizels und Verlangens spürt: so hält das dem Führer leicht gehorchende Roß, der Scham wie immer so auch dann nachgebend, sich selbst zurük, den Geliebten nicht anzuspringen; das andere aber scheut nun nicht länger Stachel noch Peitsche des Führers, sondern springend strebt es mit Gewalt vorwärts, und auf alle Weise dem Spanngenossen und dem Führer zusezend nöthiget es sie, hinzugehen zu dem Liebling und der Gaben der Lust gegen ihn zu gedenken. Jene beiden widerstreben zwar anfangs unwillig als einer argen und ruchlosen Zunöthigung, zulezt aber, wenn des Ungemachs kein Ende ist, gehen sie dann von je|nem fortgerissen, nachgebend und versprechend das gebotene zu thun, und so kommen sie hin und schauen des Lieblings glänzende Gestalt. Indem nun der Führer sie erblikt, wird seine Erinnerung hingetragen zum Wesen der Schönheit, und wieder-
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Erste Fassung (handschriftlich)
ἁγνῷ βάθρῳ βεβῶσαν. Ἰδοῦσα δὲ ἔδεισέ τε καὶ σεφθεῖσα ἀνέπεσεν ὑπτία, καὶ ἅμα ἠναγκάσθη εἰς τοὐπίσω ἀνελκύσαι τὰς ἡνίας οὕτω σφόδρα, ὥστε ἐπὶ τὰ ἰσχία ἄμφω καθίσαι τὼ ἵππω, τὸν μὲν ἑκόντα διὰ τὸ μὴ ἀντιτείνειν, τὸν δὲ ὑβριστὴν μάλα ἄκοντα. Ἀπελθόντε δὲ ἀπωτέρω, ὁ μὲν ὑπ᾽ αἰσχύνης τε καὶ θάμβους ἱδρῶτι πᾶσαν ἔβρεξε τὴν ψυχήν· ὁ δὲ λήξας τῆς ὀδύνης, ἣν ὑπὸ τοῦ χαλινοῦ τε ἔσχε καὶ τοῦ πτώματος, μόγις ἐξαναπνεύσας ἐλοιδόρησεν ὀργῇ πολλὰ κακίζων τόν τε ἡνίοχον καὶ τὸν ὁμόζυγα, ὡς δειλίᾳ τε καὶ ἀνανδρίᾳ λιπόντε τὴν τάξιν καὶ ὁμολογίαν, καὶ πάλιν οὐκ ἐθέλοντας προσιέναι ἀναγκάζων μόγις συνεχώρησε, δεομένων εἰσαῦθις ὑπερβαλέσθαι. Ἐλθόντος δὲ τοῦ συντεθέντος χρόνου, οὗ ἀμνημονεῖν προσποιουμένω ἀναμιμνήσκων, βιαζόμενος, χρεμετίζων, ἕλκων ἠνάγκασεν αὖ προσελθεῖν τοῖς παιδικοῖς ἐπὶ τοὺς αὐτοὺς λόγους. Καὶ ἐπειδὴ ἐγγὺς ἦσαν, ἐγκύψας καὶ ἐκτείνας τὴν κέρκον, ἐνδακὼν τὸν
mit der Sittlichkeit auf heiligem Boden wandeln. Und wenn er dies sieht wandelt ihn Furcht an und von Ehrfurcht übermannt, bringt er sich plözlich hinterwärts, und kann nicht umhin die Zügel so stark anzuziehn, daß beide Pferde sich auf die Hüften sezen, das eine gutwillig weil es nie widerstrebt, das wilde aber höchst ungern. Und indem sie immer weiter rükwärts gehn, benezt das eine aus Schaam und Bewunderung die ganze Seele mit Schweiß, das andere aber ist nachdem der Schmerz den ihm das Gebiß und der Fall verursacht haben aufgehört hat, kaum wieder zu Athem gekommen als es schon höchst zornig in Schmähungen ausbricht, und beide den Führer und den Spanngenoßen schilt, daß sie aus Feigheit und Unmännlichkeit ihre Schuldigkeit nicht gethan und ihr Versprechen gebrochen haben, und will sie aufs neue zwingen wider ihren Willen vorwärts zu gehn und giebt ihnen kaum nach wenn sie sich einen Aufschub ausbitten. Kommt nun die festgesezte Zeit, so erinnert es sie, wenn sie sich stellen als dächten sie nicht daran, es bäumt sich, wiehert, zieht sie mit sich fort und will sie | wiederum zwingen sich auf dieselbe Art dem Liebling zu nähern. Und wenn sie nicht mehr fern sind wirft es den Kopf herunter, strekt den Schweif in die Höhe, beißt in den
26 ἦσαν] εἰσίν konj. Buttmann (bei Heindorf z. St., S. 276), übersetzt SN 154 W1 W2
T1 Sittlichkeit] über Mäßigung 4–6 bringt…umhin] über fällt er rükwärts nieder und ist genöthiget 14 ist] danach kaum wieder zu Athem gekommen 17 kaum…gekommen] über der Zeile mit Einfügungszeichen 29 so] davor und stellen sie sich als dächten sie nicht daran 36 es] korr. aus e r | den Kopf herunter] über sich nach unten, beißt
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um sieht er sie mit der Besonnenheit auf heiligem Boden stehen. Dieses erblikend fürchtet er sich, und von Ehrfurcht durchdrungen beugt er sich zurük, und kann sogleich nicht anders als so gewaltig die Zügel rükwärts ziehen, daß beide Rosse sich auf die Hüften sezen, das eine gutwillig, weil es nie widerstrebt, das andere aber höchst ungern. Indem sie nun weiter zurükgehn, benezt das eine vor Scham und Bewunderung die ganze Seele mit Schweiß, das andere aber, ist nur erst der Schmerz vom Gebiß und dem Falle vorübergegangen, hat sich kaum erholt, so bricht es zornig in Schmähungen aus, vielfach beide Führer und Spanngenos sen beschimpfend, daß sie aus Feigheit und Unmännlichkeit Stellung und Versprechen verlassen hätten; und aufs neue sie wider ihren Willen vorwärts zu gehen zwingend, giebt es kaum nach, wenn sie bitten es bis weiterhin aufzuschieben. Kommt nun die festgesezte Zeit, so erinnert es jene, die daran nicht zu gedenken sich anstellen, braucht Gewalt, wiehert, zieht sie mit sich fort, und zwingt sie wieder in derselben Absicht dem Geliebten zu nahen. Und wenn sie nicht mehr fern sind, beugt es sich vorn über, strekt | den Schweif
um sieht er sie mit der Besonnenheit auf heiligem Boden stehen. Dieses erblikend fürchtet er sich, und von Ehrfurcht durchdrungen beugt er sich zurük, und kann sogleich nicht anders als so gewaltig die Zügel rükwärts ziehen, daß beide Rosse sich auf die Hüften sezen, das eine gutwillig, weil es nie widerstrebt, das wilde aber höchst ungern. Indem sie nun weiter zurükgehn, benezt das eine vor Scham und Bewunderung die ganze Seele mit Schweiß, das andere aber, ist nur erst der Schmerz vom Gebiß und dem Falle vorüber, hat sich kaum erholt, so bricht es zornig in Schmähungen aus, vielfach beide den Führer und den Spanngenossen beschimpfend, daß sie aus Feigheit und Unmännlichkeit Pflicht und Versprechen verlassen hätten; und aufs neue sie wider ihren Willen vorwärts zu gehen zwingend, giebt es kaum nach, wenn sie bitten es bis weiterhin aufzuschieben. Kommt nun die festgesezte Zeit, so erinnert es jene, die daran nicht zu gedenken sich anstellen, braucht Gewalt, wiehert, zieht sie mit sich fort, und zwingt sie wieder in derselben Absicht dem Geliebten zu nahen. Und wenn sie nicht mehr fern sind, beugt es sich vorn über, strekt den Schweif
S 4f beugt er sich zurük] Heindorfs hsl. Note zur Druckvorlage: SN 183/5, f. 1v: „P. 254. ανεπεσεν ὑπτια – So habe ichs auch immer genommen, doch wäre eine kleine Note nöthig.“ 10 das andere] Auslassung von ὑβριστήν kritisiert von Rez.Anon., in: Neue Leipziger Literaturzeitung 90. Stück, 1806, Sp. 1432; ergänzt in W2
S 10 das wilde] verändert ggb. W1 nach Rez.Anon. (1806) (wie zu W1)
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χαλινὸν μετ᾽ ἀναιδείας ἕλκει. Ὁ δ᾽ ἡνίοχος ἔτι μᾶλλον ταὐτὸ πάθος παθών, ὥσπερ ἀπὸ ὕσπληγος ἀναπεσών, ἔτι μᾶλλον τοῦ ὑβριστοῦ ἵππου ἐκ τῶν ὀδόντων βίᾳ ὀπίσω σπάσας τὸν χαλινὸν τήν τε κακήγορον γλῶτταν καὶ τὰς γνάθους καθῄμαξε, καὶ τὰ σκέλη τε καὶ τὰ ἰσχία πρὸς τὴν γῆν ἐρείσας ὀδύναις ἔδωκεν. Ὅταν δὲ ταὐτὸν πολλάκις πάσχων ὁ πονηρὸς τῆς ὕβρεως λήξῃ, ταπεινωθεὶς ἕπεται ἤδη τῇ τοῦ ἡνιόχου προνοίᾳ, καὶ ὅταν ἴδῃ τὸν καλόν, φόβῳ διόλλυται. Ὥστε ξυμβαίνει ποτ᾽ ἤδη τὴν τοῦ ἐραστοῦ ψυχὴν τοῖς παιδικοῖς αἰδουμένην τε καὶ δεδοικυῖαν ἕπεσθαι. Ἅτε οὖν πᾶσαν θεραπείαν, ὡς ἰσόθεος, θεραπευόμενος, οὐχ ὑπὸ σχηματιζομένου τοῦ ἐρῶντος, ἀλλὰ ἀληθῶς τοῦτο πεπονθότος, καὶ αὐτὸς ὢν φύσει φίλος, εἰς ταὐτὸν ἄγει τὴν φιλίαν τῷ θεραπεύοντι. Ἐὰν ἄρα καὶ ἐν τῷ πρόσθεν ὑπὸ ξυμφοιτητῶν ἤ τινων ἄλλων διαβεβλημένος
Zügel, und will unverschämt mit ihnen durchgehn. Dem Führer aber begegnet in einem noch höhern Grade dasselbe wie vorher; wie sie vor den Schranken zu thun pflegen, beugt er sich hinten über, zieht noch gewaltsamer als vorher dem wilden Pferde das Gebiß aus den Zähnen, reißt ihm die Lästerzunge und die Baken blutig, zwingt es mit dem Hintertheil zur Erde hernieder, und läßt es büßen. Hat nun das böse Thier mehrmals das nemliche erlitten und ist seine Wildheit gedämpft, so folgt es endlich gedemüthigt der Lenkung des Führers, und wenn es den Schönen erblikt ist es vor Furcht außer sich, so daß endlich die Seele des Liebenden dem Lieblinge schamhaft und schüchtern folgen kann. Da nun dieser jede Art von Verehrung genießt von einem nicht etwa nur sich so anstellenden Liebenden, sondern der sich wirklich in diesem Zustande befindet, und da er selbst von Natur zur Freundschaft geneigt ist so fließt seine Zuneigung mit der seines Verehrers zusammen, und wenn er auch ehedem von einigen Bekannten oder Andern beredet worden wäre,
15 ποτ᾽] τοτ᾽ Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 24 [56,15], übersetzt W2 23 θεραπεύοντι. Ἐὰν] θεραπεύοντι, ἐὰν Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W2
T 6 beugt er sich hinten über] über der Zeile korr. aus wirft er sich hinterwärts ; danach hochgestellt Anm.-Zeichen Schleiermachers: x), durch Anm.-Ziffer 39 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5), Anm.-Ziffer 39 zusätzlich am Rand 10 Baken] danach ihm 10f zwingt es mit dem Hintertheil zur Erde] über wirft ihn auf die Schenkel 12 es] über ihn 18 sich] Schrägstrich durch das Wort | daß] danach es | endlich] danach dahin kommt, daß 21 folgen kann] über folgt 27 fließt] über kommt 28 der] über der Zeile ohne Einfügungszeichen 29 zusammen] danach hochgestellt Anm.-Zeichen Schleiermachers: x) (s. o. zu S. 92,5)
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in die Höhe, beißt in den Zügel, und zieht sie schamlos weiter. Dem Führer aber begegnet nur noch mehr dasselbe wie zuvor, und wie sie an den Schranken zu thun pflegen, beugt er sich hinterwärts, zieht noch gewaltsamer dem wilden Rosse das Gebiß aus den Zähnen, daß ihm die schmähsüchtige Zunge und die Baken bluten, und Schenkel und Hüften am Boden festhaltend, kränket er es mit Schmerzen. Hat nun das böse Roß mehrmals dasselbe erlitten, und die Wildheit abgelegt, so folgt es gedemüthigt des Führers Ueberlegung, und ist beim Anblik des Schönen von Furcht übermannt. Daher es endlich wohl dahin kommt, daß des Liebhabers Seele dem Liebling verschämt und schüchtern nachgeht. Da nun dieser einem Gotte gleich mit jeder Art der Verehrung geehrt wird von einem nicht etwa nur sich so anstellenden Liebenden, sondern der sich wahrhaft in diesem Zustande befindet, und er auch selbst von Natur zur Freundschaft geneigt ist, so leitet er seine Zuneigung zusammen mit der seines Verehrers. Und wenn er auch ehedem von einigen Spielgefährten oder andern fälschlich wäre über-
in die Höhe, beißt in den Zügel, und zieht sie schamlos weiter. Dem Führer aber begegnet nur noch mehr dasselbe wie zuvor, und wie sie an den Schranken zu thun pflegen, beugt er sich hinterwärts, zieht noch gewaltsamer dem wilden Rosse das Gebiß aus den | Zähnen, daß ihm die schmähsüchtige Zunge und die Baken bluten, und Schenkel und Hüften am Boden festhaltend, läßt er es büßen. Hat nun das böse Roß mehrmals dasselbe erlitten, und die Wildheit abgelegt, so folgt es gedemüthigt des Führers Ueberlegung, und ist beim Anblik des Schönen von Furcht übermannt. Daher es dann endlich dahin kommt, daß des Liebhabers Seele dem Liebling verschämt und schüchtern nachgeht. Da nun dieser einem Gotte gleich mit jeder Art der Verehrung geehrt wird von einem nicht etwa nur sich so anstellenden Verliebten, sondern der sich wahrhaft in diesem Zustande befindet, und er auch selbst von Natur zur Freundschaft geneigt ist, so leitet er seine Zuneigung zusammen mit der seines Verehrers, wenn er auch ehedem von einigen Spielgefährten oder andern fälschlich wäre über-
S 21–23 Da…wird] Heindorfs hsl. Note zur Druckvorlage: SN 183/5, f. 1v: „P. 255.a. ῾Ατε ουν πασαν – Die Stelle ist ganz heil. Die Worte εις ταυτον αγει την φιλιαν τῳ ερωμεν. sind nothwendig. Bloß vor oder nach εαν fehlt ein Bindewörtchen. Er ist von Natur mit φιλια begabt, nur hat diese noch kein bestimmtes Object. Diese φιλια verknüpft er εις ταυτον τῳ θεραπ., er vereinigt sie mit der φιλια des εραστης. Du hast hoffentlich meine Note schon durch die Übersetzung widerlegt.“
S 18 dann] nach Bekker wie Spalte 1 App. 30 Verehrers, wenn] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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ᾖ, λεγόντων, ὡς αἰσχρὸν ἐρῶντι πλησιάζειν, καὶ διὰ τοῦτο ἀπωθῇ τὸν ἐρῶντα· προϊόντος δὲ ἤδη τοῦ χρόνου ἥ τε ἡλικία καὶ τὸ χρεὼν ἤγαγεν εἰς τὸ προσέσθαι αὐτὸν εἰς ὁμιλίαν. Οὐ γὰρ δή ποτε εἵμαρται κακὸν κακῷ φίλον οὐδ᾽ ἀγαθὸν μὴ φίλον ἀγαθῷ εἶναι. Προσεμένου δὲ καὶ λόγον τε καὶ ὁμιλίαν δεξαμένου ἐγγύθεν, ἡ εὔνοια γιγνομένη τοῦ ἐρῶντος ἐκπλήττει τὸν ἐρώμενον, διαισθανόμενον, ὅτι οὐδ᾽ οἱ ξύμπαντες ἄλλοι φίλοι τε καὶ οἰκεῖοι μοῖραν φιλίας οὐδεμίαν παρέχονται πρὸς τὸν ἔνθεον φίλον. Ὅταν δὲ χρονίζῃ τοῦτο δρῶν καὶ πλησιάζῃ μετὰ τοῦ ἅπτεσθαι ἔν τε γυμνασίοις καὶ ἐν ταῖς ἄλλαις ὁμιλίαις, τότ᾽ ἤδη ἡ τοῦ ῥεύματος ἐκείνου πηγή, ὃν ἵμερον Ζεὺς Γανυμήδους ἐρῶν ὠνόμασε, πολλὴ φερομένη πρὸς τὸν ἐραστήν, ἡ μὲν εἰς αὐτὸν ἔδυ, ἡ δ᾽ ἀπομεστουμένου ἔξω ἀπορρεῖ, καί, οἷον πνεῦμα ἤ τις ἠχὼ ἀπὸ λείων τε καὶ στερεῶν ἁλλομένη πάλιν ὅθεν ὡρμήθη φέρεται, οὕτω τὸ τοῦ
welche sagten es sei schändlich einem Liebenden sich zu nähern, und er ihn deswegen von sich gewiesen hätte, so muß doch mit der Zeit seine Jugend und der Lauf der Natur ihn dahin bringen jenen zuzulaßen zu seinem Umgang. Denn es liegt nicht in der Ordnung der Dinge, daß ein Böser einem Bösen Freund sei, und eben so wenig, daß ein Guter einem Guten nicht Freund werde. Läßt er ihn aber zu, und nimmt seinen näheren Umgang an, so muß das sich in der Nähe äußernde Wolwollen des Liebenden den Geliebten entzüken, indem er bald inne wird, daß die Freundschaft aller andern Freunde und Verwandten für nichts zu nehmen ist gegen die des begeisterten Freundes. Läßt er es so eine Zeitlang gewähren, daß er ihm oft nahe ist, dann ergießt sich indem er ihn berührt in den Gymnasien und wo sie sonst zusammenkommen die Quelle jenes Stromes, welchen Zeus, als er den Ganymedes liebte Liebreiz nannte, reichlich gegen den Liebhaber, und strömt theils in diesen selbst ein theils wenn er angefüllt ist, nach außen fort, und wie ein Wind oder ein Schall von glatten und dichten Körpern abprallend wieder dahin zurükgetrieben wird von woher er
T 3 er] über der Zeile mit Einfügungszeichen 11f werde] über sei 14 in der Nähe] über der Zeile mit Einfügungszeichen 27 nannte] danach hochgestellt Anm.Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 41 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 29 diesen] über ihn
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redet worden, welche sagten, es wäre schändlich sich einem Liebenden zu nahen, und er deshalb den Liebenden abwiese: so müßte doch mit der Zeit die Jugend und das Unvermeidliche ihn dahin bringen, jenen zuzulassen zu seinem Umgange. Denn dies ist niemals bestimmt, daß ein Böser einem Bösen Freund, oder ein Guter einem Guten nicht Freund werde. Läßt er ihn aber zu, und verstattet ihm Gespräch und Umgang, so wird das nahe erscheinende Wohlwollen des Liebenden den Geliebten entzüken, der bald inne wird, daß seine andern Freunde und Angehörigen auch | allzumal ihm so gut als nichts von Freundschaft erweisen im Vergleich des begeisterten Freundes. Läßt er ihn nun so eine Zeitlang gewähren, und ist ihm nahe, dann ergießt sich bei den Berührungen in den Uebungspläzen, und wo sie sonst zusammenkommen, die Quelle jenes Stromes, den Zeus, als er den Ganymedes liebte,35 Liebreiz nannte, reichlich gegen den Liebhaber, und theils strömt sie in ihn ein, theils wenn er angefüllt ist, wieder aus ihm heraus: und wie ein Wind oder ein Schall von glatten und starren Körpern abprallend wieder dahin, woher er kam, zurükgetrieben wird,
redet worden, welche sagten, es wäre schändlich sich einem Liebenden zu nahen, und er deshalb den Liebenden abgewiesen, so hat doch nun im Verlauf der Zeit die Jugend und das Unvermeidliche herbeigeführt ihn zuzulassen zu seinem Umgange. Denn niemals ist dies bestimmt, daß ein Böser einem Bösen freund, oder ein Guter einem Guten nicht freund werde. Läßt er ihn aber zu, und verstattet ihm Gespräch und Umgang, so wird das nahe erscheinende Wohlwollen des Liebenden den Geliebten entzüken, der bald inne wird, daß seine andern Freunde und Angehörigen auch allzumal ihm so gut als nichts von Freundschaft erweisen im Vergleich des begeisterten Freundes. Läßt er ihn nun so eine Zeitlang gewähren, und ist ihm nahe, dann ergießt sich bei den Berührungen in den Uebungspläzen, und wo sie sonst zusammenkommen, die Quelle jenes | Stromes, den Zeus, als er den Ganymedes liebte,48 Liebreiz nannte, reichlich gegen den Liebhaber, und theils strömt sie in ihn ein, theils von ihm dem angefüllten wieder heraus: und wie ein Wind oder ein Schall von glatten und starren Körpern abprallend wieder dahin, woher er kam, zurükgetrieben wird,
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48 d e n Zeus als er den Ganym e d e s l i e b t e etc. Ohne Zweifel liegt in diesen Worten eine bestimmte Anspielung, die aber wohl nicht mehr nachzuweisen sein möchte.
den Zeus als er den Ganym e d e s l i e b t e etc. Ohne Zweifel enthalten diese Worte eine Anspielung auf einen Dichter oder sind selbst aus ihm entlehnt.
S Anm. 35 Als Anspielung nicht nachweisbar; bereits von Rez.Boeckh (1808), S. 102 f. = (1872), S. 21, als literarisches Allgemeingut erkannt, jedoch nicht akzeptiert in W2 Anm. 48. – Zum Mythos vgl. Homer, Hymn. 5, 202-217.
S Anm. 48 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 35.
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κάλλους ῥεῦμα πάλιν εἰς τὸν καλὸν διὰ τῶν ὀμμάτων ἰόν, ᾗ πέφυκεν ἐπὶ τὴν ψυχὴν ἰέναι, ἀφικόμενον καὶ ἀναπτερῶσαν τὰς διόδους τῶν πτερῶν ἄρδει τε καὶ ὥρμησε πτεροφυεῖν τε καὶ τὴν τοῦ ἐρωμένου αὖ ψυχὴν ἔρωτος ἐνέπλησεν. Ἐρᾷ μὲν οὖν, ὅτου δέ, ἀπορεῖ, καὶ οὔθ᾽, ὅτι πέπονθεν, οἶδεν οὐδ᾽ ἔχει φράσαι, ἀλλ᾽ οἷον ἀπ᾽ ἄλλου ὀφθαλμίας ἀπολελαυκὼς πρόφασιν εἰπεῖν οὐκ ἔχει, ὥσπερ δὲ ἐν κατόπτρῳ ἐν τῷ ἐρῶντι ἑαυτὸν ὁρῶν λέληθε. Καὶ ὅταν μὲν ἐκεῖνος παρῇ, λήγει κατὰ ταυτὰ ἐκείνῳ τῆς ὀδύνης· ὅταν δὲ ἀπῇ, κατὰ ταυτὰ αὖ ποθεῖ καὶ ποθεῖται, εἴδωλον ἔρωτος ἀντ᾽ ἔρωτος ἔχων. Καλεῖ δὲ αὐτὸν καὶ οἴεται οὐκ ἔρωτα ἀλλὰ φιλίαν εἶναι, ἐπιθυμεῖ δὲ ἐκείνῳ παραπλησίως μέν, ἀσθενεστέρως δέ, ὁρᾷν, ἅπτεσθαι, φιλεῖν, συγκατακεῖσθαι, καὶ δή, οἷον εἰκός,
gekommen war, so gehn auch die Ausströmungen der Schönheit wiederum in den Schönen zurük durch die Augen, welches der natürliche Weg in die Seele | ist, und wenn sie dort angekommen sind verflüchtigen sie sich wieder und befeuchten die für den Flügel bestimmten Oefnungen, befordern also seinen Wachsthum und erfüllen auch die Seele des Geliebten mit Liebe. Er liebt also, aber er weiß nicht wen, noch weiß er überhaupt oder kann sagen was ihm begegnet ist, sondern wie wenn Jemand von einem Andern die Augenkrankheit bekommen hat, kann er keine Ursach angeben. Er weiß aber nicht, daß er in dem Liebenden als in einem Spiegel sich selbst beschaut hat. Ist nun der Liebhaber gegenwärtig, so läßt auch bei dem Geliebten, wie bei ihm selbst der Schmerz nach; ist er abwesend so begehrt der Geliebte eben wie er begehrt wird, indem er statt der Liebe nur noch ein Schattenbild der Liebe besizt. Er bittet ihn also zu sich, und glaubt, daß es nicht Liebe sondern Freundschaft ist, und verlangt eben wie jener nur nicht ganz so heftig danach ihn zu berühren, ihn zu küßen, neben ihm zu liegen, und so thut er wie zu
T 17f kann er keine Ursach angeben] über der Zeile korr. aus weiß … an zu geben 18 angeben] danach hochgestellt Anm.Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 42 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 25–27 indem…besizt] am Rand mit Einfügungszeichen 33–268,2 so thut er wie zu erwarten ist, dieses alles hernach bald] davor wie natürlich thut er bald alles dieses
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so geht auch die Ausströmung der Schönheit wieder in den Schönen durch die Augen, wo der Weg in die Seele geht, zurük, und wenn sie dort angekommen, befruchtet sie reichlich die dem Gefieder bestimmten Ausgänge, treibt so dessen Wachsthum, und erfüllt auch des Geliebten Seele mit Liebe. Er liebt also, wen aber weiß er nicht, ja überhaupt nicht was ihm begegnet weiß er oder kann es sagen, sondern wie einer, der von einem Andern Augenschmerzen aufgefangen,36 hat er keine Ursach anzugeben; denn daß er wie in einem Spiegel in dem Liebenden sich selbst beschaut, weiß er nicht. Und wenn nun jener gegenwärtig ist, so hat auch er gleichwie jener Befreiung von den Schmerzen, ist er aber abwesend, so schmachtet auch er wie nach ihm geschmachtet wird, indem er statt der Liebe nur noch ein Schattenbild der Liebe besizt. Er nennt es aber und glaubt es auch nicht Liebe sondern Freundschaft, wünscht aber doch eben wie jener nur minder heftig ihn zu sehen, zu berühren, zu umarmen, neben ihm zu liegen, und also, wie zu
so geht auch die Ausströmung der Schönheit wieder in den Schönen durch die Augen, wo der Weg in die Seele geht, zurük, und wenn sie dort angekommen, befeuchtet sie reichlich die dem Gefieder bestimmten Ausgänge, treibt so dessen Wachsthum, und erfüllt auch des Geliebten Seele mit Liebe. Er liebt also, wen aber weiß er nicht, ja überhaupt nicht was ihm begegnet weiß er oder kann es sagen, sondern wie einer, der sich von einem Andern Augenschmerzen geholt,49 hat er keine Ursach anzugeben; denn daß er wie in einem Spiegel in dem Liebenden sich selbst beschaut, weiß er nicht. Und wenn nun jener gegenwärtig ist, so hat auch er gleichwie jener Befreiung von den Schmerzen, ist er aber abwesend, so schmachtet auch er wie nach ihm geschmachtet wird, mit der Liebe Schattenbilde, der Gegenliebe, behaftet. Er nennt es aber und glaubt es auch nicht Li ebe sondern Freundschaft, wünscht aber doch eben wie jener nur minder heftig ihn zu sehen, zu berühren, zu umarmen, neben ihm zu liegen, und also, wie zu erwarten,
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Das folgende, v o n e i n e m A n d e r n A u g e n s c h m e r z e n a u ff a n g e n , bezieht sich auf den Glauben, daß durch das Ansehen kranker Augen das Uebel sich mittheile. Etwas dergleichen wird jedes schwache und reizbare Gesicht leicht an sich wahrnehmen.
Das folgende, v o n e i n e m A n d e r n A u g e n s c h m e r z e n h o l e n , bezieht sich auf den Glauben, daß durch das Ansehen kranker Augen das Uebel sich mittheile. Etwas dergleichen wird jedes schwache und reizbare Gesicht leicht an sich wahrnehmen.
T Anm. 36 mit Gedankenstrich an Anm. 35 angeschlossen W1 S Anm. 36 Gemeint ist die Auffassung, daß sich die Augenkrankheit Ophthalmia (vgl. Plutarch, Moralia 681d) durch Blickkontakt überträgt; vgl. Heindorf z. St. (S. 280).
T Anm. 49 mit Gedankenstrich an Anm. 48 angeschlossen W2 S Anm. 49 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 36.
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ποιεῖ τὸ μετὰ τοῦτο ταχὺ ταῦτα. Ἐν οὖν τῇ συγκοιμήσει τοῦ μὲν ἐραστοῦ ὁ ἀκόλαστος ἵππος ἔχει ὅτι λέγοι πρὸς τὸν ἡνίοχον, καὶ ἀξιοῖ ἀντὶ πολλῶν πόνων σμικρὰ ἀπολαῦσαι· ὁ δὲ τῶν παιδικῶν ἔχει μὲν οὐδὲν εἰπεῖν, σπαργῶν δὲ καὶ ἀπορῶν περιβάλλει τὸν ἐραστὴν καὶ φιλεῖ, ὡς σφόδρα εὔνουν ἀσπαζόμενος, ὅτάν τε συγκατακέωνται, οἷός ἐστι μὴ ἂν ἀπαρνηθῆναι τὸ αὑτοῦ μέρος χαρίσασθαι τῷ ἐρῶντι, εἰ δεηθείη τυχεῖν. Ὁ δὲ ὁμόζυξ αὖ μετὰ τοῦ ἡνιόχου πρὸς ταῦτα μετ᾽ αἰδοῦς καὶ λόγου ἀντιτείνει. Ἐὰν μὲν δὴ οὖν εἰς τεταγμένην τε δίαιταν καὶ φιλοσοφίαν νικήσῃ τὰ βελτίω τῆς διανοίας ἀγαγόντα, μακάριον μὲν καὶ ὁμονοητικὸν τὸν ἐνθάδε βίον διάγουσιν, ἐγκρατεῖς αὑτῶν καὶ κόσμιοι ὄντες, δουλωσάμενοι μὲν ᾧ κακία ψυχῆς ἐνεγίνετο, ἐλευθερώσαντες δέ, ᾧ ἀρετή· τελευτήσαντες δὲ δὴ ὑπόπτεροι καὶ ἐλαφροὶ γεγονότες τῶν τριῶν παλαισμάτων τῶν ὡς ἀληθῶς Ὀλυμπιακῶν ἓν νενικήκασιν, οὗ μεῖζον ἀγαθὸν οὔτε σωφροσύνη ἀνθρωπίνη οὔτε θεία μανία δυνατὴ πορίσαι ἀνθρώπῳ. Ἐὰν δὲ διαίτῃ φορτικωτέρᾳ τε καὶ
erwarten ist, dieses alles hernach bald. Bei diesem Zusammensein hört das unbändige Pferd des Liebhabers nicht auf den Führer anzusprechen und fordert für die vielen Mühseligkeiten doch einen kleinen Genuß. Das Pferd des Geliebten sagt zwar nichts; aber heftig bewegt und unruhig umarmt es den Liebhaber, küßt ihn und begrüßt ihn als den besten Freund, und wenn sie beieinander liegen ist es so gestimmt daß es nicht versagen würde an seinem Theil dem Liebenden gefällig zu sein, wenn er es wünschte. Der Spanngenoß aber und der Führer widersezen sich dem mit Scham und Vernunft. Hat nun der beßere Theil der Seele in ihnen gesiegt und sie zu einem wolgeordneten Wandel und zur Philosophie geleitet, so führen sie hier ein seliges und einträchtiges Leben als sich selbst beherrschende und sittliche Menschen. Denn bezwungen haben sie den Theil der Seele in welchem Niedrigkeit wohnt, den aber worin Vortreflichkeit wohnt haben sie befreit. Sterben sie aber so sind sie schon ganz leicht und fast befiedert und haben von den drei wahrhaft olympischen Kämpfen schon in einem den Sieg davon getragen und ein größeres Gut als dieses kann weder menschliche Besonnenheit noch selbst göttlicher Wahnsinn einem Menschen verschaffen. Führen sie ein gewöhn-
T 3 hört] über hat 7 sagt] davor redet 18f Hat nun der beßere Theil der Seele in ihnen gesiegt] korr. aus Wenn … siegt mit Hat über Wenn und in ihnen ge- am Rand eingefügt 20 Wandel] über Leben 21–23 führen sie hier ein seliges und einträchtiges Leben] davor leben sie von der Zeit an selig und 36 einem] über dem
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Phaidros 1. Auflage
Phaidros 2. Auflage
erwarten, thut er hierauf bald alles dieses. Bei diesem Zusammenlie|gen nun hat das unbändige Roß des Liebhabers vieles dem Führer zu sagen, und für die vielen Mühseligkeiten einen kleinen Genuß zu fordern; das des Lieblings hat zwar nichts zu sagen, aber voll brünstigen unbekannten Verlangens umarmt es den Liebhaber, und küßt ihn, und liebkoset ihn als den besten Freund, und wenn sie zusammen liegen, wäre es wohl geneigt, sich nicht zu weigern, ihm an seinem Theile gefällig zu sein, wenn er es zu erlangen wünschte. Der Spanngenoß hingegen mit dem Führer sträuben sich hiergegen mit Scham und Vernunft. Wenn nun die besseren Theile der Seele, welche zu einem wohlgeordneten Leben und zur Liebe der Weisheit hinleiten, den Sieg erlangen, so führen sie hier schon ein seliges und einträchtiges Leben, sich selbst beherrschend und sittsam dasjenige besiegt habend in ihrer Seele, dem schlechtes, und befreit, dem vortrefliches einwohnt; sterben sie aber, so haben sie, fast schon befiedert und leicht geworden, von den drei wahrhaft olympischen Kampfgängen37 schon in einem gesiegt, über welches Gut ein noch größeres weder menschliche Besonnenheit dem Menschen verschaffen kann, noch göttlicher Wahnsinn. Wenn sie aber ein minder edles
thut er hierauf bald alles dieses. Bei diesem Zusammenliegen nun hat das unbändige Roß des Liebhabers vieles dem Führer zu sagen, und fordert für die vielen Mühseligkeiten einen kleinen Genuß; das des Lieblings hat zwar nichts zu sagen, aber voll brünstigen unbekannten Verlangens umarmt es den Liebhaber, und küßt ihn, und liebko|set ihn als den besten Freund, und wenn sie zusammen liegen, wäre es wohl geneigt, sich nicht zu weigern, ihm an seinem Theile gefällig zu sein, wenn er es zu erlangen wünschte. Der Spanngenoß hingegen mit dem Führer sträuben sich hiergegen mit Scham und Vernunft. Wenn nun die besseren Theile der Seele, welche zu einem wohlgeordneten Leben und zur Liebe der Weisheit hinleiten, den Sieg erlangen: so führen sie hier schon ein seliges und einträchtiges Leben, sich selbst beherrschend und sittsam dasjenige besiegt habend in ihrer Seele, dem schlechtes, und das befreit, dem vortrefliches einwohnt; sterben sie aber, so haben sie, fast schon befiedert und leicht geworden, von den drei wahrhaft olympischen Kampfgängen50 schon in einem gesiegt, über welches Gut ein noch größeres weder menschliche Besonnenheit dem Menschen verschaffen kann, noch göttlicher Wahnsinn. Wenn sie aber ein minder edles
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von den drei wahrhaft olympischen Kampfgängen. Man sehe oben S. 119. Z. 5 [in dieser Edition: S. 225,2–4].
50 von den drei wahrhaft olympischen Kampfgängen. Man sehe oben S. 118. Z. 32 [in dieser Edition: S. 225,2–4].
T 14 ihm] ihn W1 S. 130, korr. im Druckfehler-Verzeichnis W1 S. 413
T 14 ihm] ihn W2 S. 130, jedoch schon korr. im Druckfehler-Verzeichnis W1 S. 413
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Erste Fassung (handschriftlich)
ἀφιλοσόφῳ, φιλοτίμῳ δὲ χρήσωνται, τάχ᾽ ἄν που ἐν μέθαις ἤ τινι ἄλλῃ ἀμελείᾳ τὼ ἀκολάστω αὐτοῖν ὑποζυγίω λαβόντε τὰς ψυχὰς ἀφρούρους, συναγαγόντε εἰς ταὐτόν, τὴν ὑπὸ τῶν πολλῶν μακαριστὴν αἵρεσιν εἱλέσθην τε καὶ διεπράξαντο, καὶ διαπραξαμένω τολοιπὸν ἤδη χρῶνται μὲν αὐτῇ, σπανίᾳ δέ, ἅτε οὐ πάσῃ δεδογμένα τῇ διανοίᾳ πράττοντες. Φίλω μὲν οὖν καὶ τούτω, ἧττον δὲ ἐκείνων, ἀλλήλοιν διά τε τοῦ ἔρωτος καὶ ἔξω γενομένω διάγουσι, πίστεις τὰς μεγίστας ἡγουμένω ἀλλήλοιν δεδωκέναι τε καὶ δεδέχθαι, ἃς οὐ θεμιτὸν εἶναι λύσαντας εἰς ἔχθραν ποτὲ ἐλθεῖν. Ἐν δὲ τῇ τελευτῇ ἄπτεροι μέν, ὡρμηκότες δὲ πτεροῦσθαι ἐκβαίνουσι τοῦ σώματος, ὥστε οὐ σμικρὸν ἆθλον τῆς ἐρωτικῆς μανίας φέρονται. Εἰς γὰρ σκότον καὶ τὴν ὑπὸ γῆς πορείαν οὐ νόμος ἐστὶν ἔτι ἐλθεῖν τοῖς κατηργμένοις ἤδη τῆς ἐπουρανίου πορείας, ἀλλὰ φανὸν
licheres und unphilosophisches jedoch den Gesezen der Ehre gemäßes Leben: so werden leicht einmal beim frölichen Mahle oder in einem andern sorglosen Zustande ihre beiden unbändigen Pferde sich der unbewachten Seelen bemächtigen. Und so werden sie eins werden, und dasjenige auswählen und thun was von den meisten für das Seligste gehalten wird. Und wenn sie es einmal gethan | haben werden sie es freilich auch hernach wieder thun, aber selten nur, weil sie es nicht mit voller Zustimmung ihrer Seele thun. Als Freunde werden also auch diese – obwohl nicht ganz so wie jene – miteinander leben, nicht nur so lange ihre Liebe währt, sondern auch wenn sie schon über dieselbe hinaus sind weil sie fühlen, daß sie die stärksten Pfänder des Vertrauens gegeben und empfangen haben, welche jemals auszulösen und so in Feindschaft zu gerathen, frevelhaft wäre. Bei ihrem Tode aber gehen sie zwar noch unbefiedert aus dem Körper, aber doch haben sie schon angefangen Flügel zu bekommen so daß auch sie einen nicht geringen Preis ohne den Wahnsinn der Liebe davon tragen. Denn es ist verordnet daß diejenigen nicht in die Finsterniß gerathen und unter die Erde reisen dürfen, welche schon eingeweiht waren in die Geheimniße des himmlischen Wandels, sondern im Gebote
T1 unphilosophisches] danach Leben 6f unbewachten] davor einige unentzifferte Buchstaben gestrichen 9 thun] über vollbringen 17 wie] über als 24 so] nachträglich am Rand hinzugesetzt 27 unbefiedert] danach aber doch 30 einen] korr. aus eine 31 Preis ohne] über Belohnung für
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unphilosophisches doch aber ehrliebendes Leben führen: so werden leicht einmal beim Trunk oder in einem andern unbesorgten Augenblik die beiden unbändigen Rosse der unbewachten Seelen sich bemächtigen und sie zusammenführen, und so werden sie, was die meisten für das seligste halten, wählen und vollbringen, und haben sie es einmal vollbracht, so werden sie es nun auch in der Folge genießen, aber selten, weil nicht der ganzen Seele Zustimmung hat was sie thun. Als Freunde also wer|den auch diese, obgleich nicht ganz so wie jene, mit einander, während ihrer Liebe und auch wenn sie darüber hinaus sind, leben, überzeugt daß sie die größten Pfänder einander gegeben und angenommen haben, welche frevelhaft wäre jemals wieder ungültig zu machen, und in Feindschaft zu gerathen. Am Ende aber gehen sie unbefiedert zwar, doch schon mit dem Triebe sich zu befiedern, aus dem Körper, so daß auch sie nicht geringen Lohn für den Wahnsinn der Liebe davon tragen. Denn in die Finsterniß und den unterirdischen Pfad ist denen nicht bestimmt zu gerathen, welche schon eingeschritten waren in den himmlischen Pfad, sondern ein lichtes Leben führend
nicht philosophisches doch aber ehrliebendes Leben führen: so finden wol leicht einmal beim Trunk oder in einem andern unbesorgten Augenblik die beiden unbändigen Rosse die Seelen unbewacht und führen sie zusammen; daß sie das was die Menge für das seligste hält wählen und vollbringen, und haben sie es einmal vollbracht, so werden sie es nun auch in der Folge genießen, aber selten, weil nicht des ganzen Gemüthes Zustimmung hat was sie thun. Als Freunde also werden auch diese, obgleich nicht ganz so wie jene, mit einander, während ihrer Liebe und auch wenn sie darüber hinaus sind, leben, überzeugt daß sie die größten Pfänder einander gegeben und angenommen haben, welche frevelhaft wäre jemals wieder ungültig zu machen, und in Feindschaft zu gera|then. Am Ende aber gehen sie unbefiedert zwar, doch schon mit dem Triebe sich zu befiedern, aus dem Körper, so daß auch sie nicht geringen Lohn für den Wahnsinn der Liebe davon tragen. Denn in die Finsterniß und den unterirdischen Pfad ist denen nicht bestimmt zu gerathen, welche schon eingeschritten waren in den himmlischen Pfad, sondern ein lichtes Leben führend
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Erste Fassung (handschriftlich)
βίον διάγοντας εὐδαιμονεῖν μετ᾽ ἀλλήλων πορευομένους, καὶ ὁμοπτέρους ἔρωτος χάριν, ὅταν γένωνται, γενέσθαι. Ταῦτα τοσαῦτα, ὦ παῖ, καὶ οὕτω θεῖά σοι δωρήσεται ἡ παρ᾽ ἐραστοῦ φιλία. Ἡ δὲ ἀπὸ τοῦ μὴ ἐρῶντος οἰκειότης, σωφροσύνῃ θνητῇ κεκραμένη, θνητά τε καὶ φειδωλὰ οἰκονομοῦσα, ἀνελευθερίαν ὑπὸ πλήθους ἐπαινουμένην ὡς ἀρετὴν τῇ φίλῃ ψυχῇ ἐντεκοῦσα, ἐννέα χιλιάδας ἐτῶν περὶ γῆν κυλινδουμένην αὐτὴν καὶ ὑπὸ γῆς ἄνουν παρέξει. Αὕτη σοι, ὦ φίλε Ἔρως, εἰς ἡμετέραν δύναμιν ὅτι καλλίστη καὶ ἀρίστη δέδοταί τε καὶ ἐκτέτισται παλινῳδία, τά τε ἄλλα καὶ τοῖς ὀνόμασιν ἠναγκασμένη ποιητικοῖς τισι διὰ Φαῖδρον εἰρῆσθαι. Ἀλλὰ τῶν προτέρων τε συγγνώμην καὶ τῶνδε χάριν ἔχων εὐμενὴς καὶ ἵλεως τήν μοι ἐρωτικὴν τέχνην ἣν δέδωκας, μήτε ἀφέλῃ μήτε πηρώσῃς δι᾽ ὀργήν. Δίδου τ᾽ ἔτι μᾶλλον ἢ νῦν παρὰ τοῖς καλοῖς τίμιον εἶναι. Ἐν τῷ πρόσθεν δ᾽ εἴτι λόγῳ σοι ἀπηνὲς εἴπομεν Φαῖδρός τε καὶ ἐγώ, Λυσίαν τὸν τοῦ λόγου
des Lichtes lebend und miteinander wandelnd sollen sie glüklich sein, und wenn sie ihre Flügel wieder erlangen, soll es ihrer Liebe wegen zu gleicher Zeit geschehen. So viele und große und göttliche Vorzüge, mein Kind, wird dir die Freundschaft des Liebenden erwerben, die Vertraulichkeit aber mit einem Nichtliebenden, die noch durch sterbliche Weisheit verdünnt ist und auch nur irdisches und armseliges darbieten kann, diese pflanzt der geliebten Seele jene Gemeinheit ein, welche von vielen als Tugend gepriesen wird, und wird Ursach daß sie Neuntausend Jahr theils auf der Erde herumwandern, theils ohne Bewußtsein unter der Erde verweilen muß. Und so sei dir geliebter Eros, so gut und schön als es in unsern Kräften stand, diese Palinodie dargebracht und abgetragen, welche sowol übrigens, als auch besonders im Ausdruk um des Phaidros willen nothwendig etwas dichterisch hat vorgetragen werden müßen. Und möchtest du der vorigen Vergebung dieser aber Beifall schenken, mir immerdar günstig und gnädig sein und niemals aus Zorn die Kunst der Liebe mit welcher du mich begabt hast, mir weder nehmen als auch mir schmälern, sondern verleihe mir lieber noch mehr von den Schönen geehrt zu werden als ich es jezt bin. Haben wir aber in der ersten Rede etwas dir widerwärtiges gesagt, Phaidros und ich, so rechne es dem Lysias, dem Vater dieser Rede, zu,
T 13f geliebten] über der Zeile mit Einfügungszeichen 23 abgetragen] über bezahlt 29 schenken] korr. aus schenken d 30 sein und] über der Zeile mit Einfügungszeichen 31 niemals] danach nur
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mit einander wandelnd glüklich zu sein, und wenn sie wieder befiedert werden, es der Liebe wegen zu gleicher Zeit zu werden. Diese so großen und so göttlichen Vorzüge, o Knabe, wird dir des Liebhabers Freundschaft erwerben. Die Vertraulichkeit aber mit dem Nichtliebenden, welche durch sterbliche Besonnenheit verdünnt auch nur sterbliches und sparsames austheilt, erzeugt in der geliebten Seele jene von der Menge als Tugend gelobte Gemeinheit, und wird ihr Ursach, neuntausend Jahre theils auf der Erde sich umherzutreiben, theils vernunftlos unter der Erde.
mit einander wandelnd glüklich zu sein, und wenn sie wieder befiedert werden, es der Liebe wegen zu gleicher Zeit zu werden. Diese so großen und so göttlichen Vorzüge, o Knabe, wird dir des Liebhabers Freundschaft erwerben. Die Vertraulichkeit aber mit dem Nichtliebenden, welche durch sterbliche Besonnenheit verdünnt auch nur sterbliches und sparsames austheilt, erzeugt in der geliebten Seele jene von der Menge als Tugend gelobte Gemeinheit, und wird ihr Ursach, neuntausend Jahre auf der Erde sich umherzutreiben, und vernunftlos unter der Erde.
Dieses sei dir, geliebter Eros, nach unsern Kräften aufs beste und schönste als Widerruf dargebracht und entrichtet, der übrigens sowohl als auch im Ausdruk des Phädros wegen etwas dichterisch mußte gefaßt werden. Und möchtest du, dem vorigen Verzeihung diesem aber Beifall schenkend, günstig und gnädig mir die Kunst der Liebe, welche du mir verliehen, im Zorn weder nehmen noch schmälern. Verleihe | mir vielmehr noch mehr als jezt von den Schönen geehrt zu sein. Haben wir aber in der vorigen Rede etwas dir Widerwärtiges gesprochen, Phädros und ich, so rechne es dem Lysias als Vater dieser Rede zu,
Dieses sei dir, geliebter Eros, nach unsern Kräften aufs beste und schönste als Widerruf dargebracht und entrichtet, der übrigens sowohl als auch im Ausdruk des Phaidros wegen etwas dichterisch mußte gefaßt werden. Und möchtest du, dem vorigen Verzeihung diesem aber Beifall schenkend, günstig und gnädig mir die Kunst der Liebe, welche du mir verliehen, im Zorn weder nehmen noch schmälern. Verleihe mir vielmehr noch mehr als jezt von den Schönen geehrt zu sein. Haben wir aber in der vorigen Rede etwas dir Widerwärtiges gesprochen, Phaidros und ich: so rechne es dem Lysias als Vater dieser Rede zu,
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Erste Fassung (handschriftlich)
πατέρα αἰτιώμενος παῦε τῶν τοιούτων λόγων, ἐπὶ φιλοσοφίαν δέ, ὥσπερ ὁ ἀδελφὸς αὐτοῦ Πολέμαρχος τέτραπται, τρέψον, ἵνα καὶ ὁ ἐραστὴς ὅδε αὐτοῦ μηκέτι ἐπαμφοτερίζῃ, καθάπερ νῦν, ἀλλὰ ἁπλῶς πρὸς Ἔρωτα μετὰ φιλοσόφων λόγων τὸν βίον ποιῆται.
und verleihe ihm daß er mit solchem Reden aufhöre, und sich auch zur Philosophie wende, wie sein Bruder Polemarchos sich schon zu ihr gewendet hat, damit auch dieser sein Verehrer nicht länger, wie jezt, auf beiden Schultern trage | sondern ein für allemal und ohne Einschränkung der Liebe welche mit der Philosophie besteht sein Leben widme. Ph. Ich bete mit dir, Sokrates, daß es also geschehe, wofern, daß es so sei, das Beste ist. Diese Rede aber bewundere ich schon lange, um wieviel schöner du sie ausgearbeitet hast als die erste, so daß ich ungewiß bin, ob mir nicht Lysias niedrig vorkommen würde, wenn er es auch versuchen wollte dieser Rede eine andere entgegenzustellen. Aber erst neulich hat ihm einer von unsern Staatsmännern dies als einen Schimpf vorgeworfen, und ihn in der ganzen Schmährede immer einen Redenschreiber genannt, so daß er sich vielleicht schon ehrenthalber des Schreibens enthalten wird.
ΦΑΙ. Συνεύχομαί σοι, ὦ Σώκρατες, εἴπερ ἄμεινον ταῦθ᾽ ἡμῖν εἶναι, ταῦτα γίγνεσθαι. Τὸν λόγον δὲ σοῦ πάλαι θαυμάσας ἔχω, ὅσῳ καλλίω τοῦ προτέρου ἀπειργάσω. Ὥστε ὀκνῶ, μή μοι ὁ Λυσίας ταπεινὸς φανῇ, ἐὰν ἄρα καὶ ἐθελήσῃ πρὸς αὐτὸν ἄλλον ἀντιπαρατεῖναι. Καὶ γάρ τις αὐτῷ, ὦ θαυμάσιε, ἔναγχος τῶν πολιτικῶν τοῦτ᾽ αὐτὸ λοιδορῶν ὠνείδιζε, καὶ διὰ πάσης τῆς λοιδορίας ἐκάλει λογογράφον. Τάχα οὖν ἂν ὑπὸ φιλοτιμίας ἐπίσχοι ἡμῖν ἂν τοῦ γράφειν.
ΣΩ. Γελοῖόν γ᾽, ὦ νεανία, τὸ δόγμα λέγεις, καὶ τοῦ ἑταίρου συχνὸν διαμαρτάνεις, εἰ αὐτὸν οὕτω τινὰ ἡγῇ ψοφοδεᾶ· ἴσως δὲ καὶ τὸν λοιδορούμενον αὐτῷ οἴει νομίζοντα λέγειν ἃ ἔλεγεν.
So. Das ist ein lustiger Gedanke, den du da vorbringst junger Mann, und du verkennst diesen Freund gewaltig wenn du ihm zutraust daß er sich so leicht in Furcht jagen läßt. Vielleicht glaubst du aber gar, daß der welcher ihm dies als einen Schimpf vorwarf es auch wirklich für etwas Schimpfliches hält?
ΦΑΙ. Ἐφαίνετο γάρ, ὦ Σώκρατες, καὶ σύνοισθά που καὶ αὐτός, ὅτι οἱ
Ph. So schien es mir allerdings Sokrates. Auch weißt du ja selbst daß
5f ἐπαμφοτερίζῃ,] ἐπαμφοτερίζῃ (ohne Interpunktion) Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W2
T 12f daß es so sei, das Beste ist] daß es so, sei das Beste ist SN 154 31 ihm zutraust] über glaubst
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und laß ihn solcher Reden sich enthaltend zur Philosophie, zu welcher sich sein Bruder Polemarchos schon gewendet hat, sich hinwenden, damit auch dieser sein Verehrer nicht länger, wie jezt, auf beiden Schultern trage, sondern lediglich der Liebe mit philosophischen Reden sein Leben widme.
und laß ihn solcher Reden sich enthaltend zur Philosophie, zu welcher sich sein Bruder Polemarchos schon ge|wendet hat, sich hinwenden, damit auch dieser sein Verehrer nicht länger wie jezt auf beiden Schultern trage, sondern lediglich der Liebe mit philosophischen Reden sein Leben widme.
PH. Ich bete mit dir, Sokrates, wofern dies besser für uns ist, daß es so geschehe. Deine Rede aber habe ich schon lange bewundert, um wieviel schöner als die erste du sie ausgearbeitet. So daß ich zweifle, ob mir nicht Lysias immer nur gewöhnlich erscheinen würde, wenn er es auch unternehmen wollte, dieser eine andere gegenüberzustellen. Auch hat ihm erst neulich einer von unsern Staatsmännern dieses zum Schimpf vorgeworfen, und ihn die ganze Schmährede hindurch immer den Redenschreiber genannt. Vielleicht also, daß er sich schon aus Ehrliebe des Schreibens enthalten wird. SOK. Lustig ist dieser Gedanke, junger Mann, den du aussprichst, und sehr weit verfehlst du deinen Freund, wenn du glaubst, er sei so leicht durch ein Geräusch zu verschüchtern. Vielleicht aber glaubst du gar, der, welcher ihm dies als einen Schimpf vorwarf, habe, was er sagte, auch so gemeint wie er es sagte? PH. Er schien es auch ganz so zu meinen, Sokrates. Auch weißt du ja
PH. Ich bete mit dir, Sokrates, daß wofern dies besser für uns ist es so geschehen möge. Deine Rede aber habe ich schon lange bewundert, um wieviel schöner als die erste du sie ausgearbeitet. So daß ich zweifle, ob mir nicht Lysias immer nur gering erscheinen würde, wenn er es auch unternehmen wollte, dieser eine andere gegenüberzustellen. Auch hat ihm erst neulich einer von unsern Staatsmännern dieses zum Schimpf vorgeworfen, und ihn die ganze Schmährede hindurch immer den Redenschreiber genannt. Vielleicht also, daß er sich schon aus Empfindlichkeit des Schreibens enthalten wird. SOK. Gar lächerliche Meinungen, junger Mann, bringst du vor, und sehr weit verfehlst du deinen Freund, wenn du ihn für so schreckhaft hältst. Vielleicht aber glaubst du gar, der, welcher ihm dies als einen Schimpf vorwarf, habe, was er sagte, auch so gemeint wie er es sagte?
S 32f verschüchtern] kritisiert von Rez. Anon., in: Neue Leipziger Literaturzeitung 90. Stück, 1806, Sp. 1430, dagegen Rez.Boeckh (1808), S. 105 = (1872), S. 24; verändert in W2
PH. Das war wol offenbar genug, Sokrates. Auch weißt du ja selbst so
S 6 länger wie jezt] nach Bekker wie Spalte 1 App. 31f schreckhaft] verändert ggb. W1 nach Rez.Anon. (1806) gegen Rez. Boeckh (1808) (wie zu W1)
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μέγιστον δυνάμενοί τε καὶ σεμνότατοι ἐν ταῖς πόλεσιν αἰσχύνονται λόγους τε γράφειν καὶ καταλείπειν συγγράμματα ἑαυτῶν, δόξαν φοβούμενοι τοῦ ἔπειτα χρόνου, μὴ σοφισταὶ καλῶνται.
überall die vermögendsten und geachtetsten Männer im Staate sich schämen Reden zu schreiben oder überhaupt Schriften zu hinterlaßen, aus Furcht bei der Nachwelt den Namen zu bekommen als wären sie Sophisten gewesen.
ΣΩ. Γλυκὺς ἀγκών, ὦ Φαῖδρε, λέληθέ σε, ὅτι ἀπὸ τοῦ μακροῦ ἀγκῶνος τοῦ κατὰ τὸν Νεῖλον ἐκλήθη, καὶ πρὸς τῷ ἀγκῶνι λαν-
So. Du weißt noch nicht, Phaidros, wo die Gloken hängen, und außer-
8–10 ὅτι…ἐκλήθη] Heindorf Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 26 [62,6 f. ohne hsl. Varianten] | als in den Text eingedrungene Glosse verdächtigt von Heindorf z. St. (S. 288), nicht übersetzt SN 154 W1 W2, vgl. W1 Anm. 38 W2 Anm. 51
T 6 wären] davor seien 8f Du weißt noch nicht, Phaidros, wo die Gloken hängen] am Rand mit Einfügungszeichen (vielleicht als lautmalerische Imitation) statt Von den schlechten Trauben Phaidros weißt du nichts – Zu diesen beiden hier herangezogenen sprichwörtlichen Redensarten, die die Unkenntnis oder Abwertung des Unerreichbaren umschreiben, s. Lutz Röhrich: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, Bd. 1-3, Freiburg/Basel/Wien 1991, s. v. ‚Glocke‘ und ‚Traube‘. Vgl. auch 8 noch] W1 Anm. 38 und W2 Anm. 51. über der Zeile mit Einfügungszeichen 9 hängen] danach hochgestellt Anm.Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 43 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5)
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selbst so gut als ich, daß überall die im Staate vermögendsten und geachtetsten sich schämen Reden zu schreiben und Schriften von sich zu hinterlassen, aus | Furcht bei der Nachwelt den Namen zu bekommen, als wären sie Sophisten gewesen. SOK. Du weißt nur nicht, wie dies zusammenhängt,38 Phädros, und
gut als ich, daß überall die im Staate vermögendsten und geachtetsten sich schämen Reden zu schreiben und Schriften von sich zu hinterlassen, aus Furcht in der Folgezeit den Namen zu bekommen, als wären sie Sophisten gewesen.
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Du weißt nur nicht wie dies z u s a m m e n h ä n g t . Dies muß ich für den Sinn des Sprüchwortes γλυκὺς ἀγκὼν λέληθέ σε halten. Bei der Uneinigkeit der Ausleger über Ursprung und Bedeutung desselben, scheint es billig, unserer Stelle selbst einiges Gewicht einzuräumen. Offenbar aber beziehen sich diese Worte auf die Meinung des Phädros, Lysias werde sich abschrekken lassen und sein Gegner habe es ernstlich gemeint, und Sokrates will ihm also zu verstehen geben, er wisse nur nicht in welchen Verhältnissen solche Männer stehen, und wie sie mit einander umzugehen pflegen. Heindorfs Verbesserung vorausgesezt leidet auch die im Athenäos aufbewahrte Erzählung sehr gut die Anwendung auf einen der dasjenige nicht weiß, was zuvor nicht öffentlich zur
S Anm. 38 γλυκὺς ἀγκὼν λέληθέ σε: wörtlich übersetzt ‚süßer Ellenbogen, erfreuliche Krümmung‘ ist dir verborgen. Wie diese sprichwörtliche Wendung (s. Erasmus, Adagia 2,1,38: Leiden 1703, Bd. 2, 419 f.; Zenobius II, 92 = Corpus Paroemiographorum Graecorum, ediderunt E. L. a Leutsch, F. G. Schneidewin, Bd. 1, Göttingen 1839, S. 55) zu verstehen ist, wird seit der Antike diskutiert: vgl. Heindorf z. St. (S. 286-288). Der überlieferte Text (γλυκὺς bis Νεῖλον ἐκλήθη) ist von Stolberg (Auserlesene Gespräche, 1. Theil, 1796, S. 70) wörtlich übersetzt: „Du weißt wohl nicht, o Phädros! daß das Sprüchwort s ü s s e r E l l e b o g e n von jener grossen Krümmung des Nils seinen Ursprung habe“. Seine Erklärung lautet (S. 149 f. Anm. 59): „Vermuth-
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SOK. Du weißt nur nicht, wie dies zusammenhängt,51 Phaidros, und Du weißt nur nicht wie dies z u s a m m e n h ä n g t . Dies muß ich für den Sinn des Sprüchwortes γλυκὺς ἀγκὼν λέληθέ σε halten; denn daß dieses das eigentliche Sprüchwort muß gewesen sein, darüber bin ich mit Heindorf ganz einig. Bei der Uneinigkeit der Ausleger über Ursprung und Bedeutung desselben, scheint es billig, unserer Stelle selbst einiges Gewicht einzuräumen. Offenbar aber beziehen sich diese Worte auf die leztgeäußerte Meinung des Phaidros von der Abneigung der Staatsmänner gegen die Schriftstellerei; daß die eigentliche Anwendung desselben durch die Worte καὶ πρὸς τῷ ἀγκῶνι angeknüpft wird ist eine scherzhafte Wendung, wie überhaupt dieses, die Gesezgebung mit unter die Schriftstellerei zu rubriciren, was nur uns heut zu Tage sehr ernsthaft vorkommen kann. Auch die im Athenaios aufbewahrte Erzählung leidet sehr gut die Anwendung auf einen der dasjenige nicht weiß, was zwar nicht öffentlich zur Schau getragen wird, was aber doch die Mehresten wissen und dasselbe läßt sich von der Stelle im Suidas sagen. Diese Gedanken haben der Uebersezung zum Grunde gelegen, das Sprüchwort selbst aber mußte unübertra-
T Anm. 51 13 daß] das W2 S Anm. 51 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 38. Neben Athenaios ist hier noch der Verweis auf Suda γ 316 Adler (bei Heindorf S. 287) hinzugefügt. Vgl. auch Ast: Phaedr. 1810, S. 342 f.
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θάνει σε, ὅτι οἱ μέγιστον φρονοῦντες τῶν πολιτικῶν μάλιστα ἐρῶσι λογογραφίας τε καὶ καταλείψεως συγγραμμάτων· οἵγε καὶ ἐπειδάν τινα γράφωσι λόγον, οὕτως ἀγαπῶσι τοὺς ἐπαινέτας, ὥστε προσπαραγράφουσι πρώτους, οἳ ἂν ἑκασταχοῦ ἐπαινῶσιν αὐτούς.
dem weißt du auch nicht, daß die Staatsmänner die sich am meisten dünken, grade am liebsten Reden schreiben und Schriften hinterlaßen möchten, da sie ja wenn sie einmal etwas geschrieben haben sich soviel aus dem Lobe machen, daß sie immer gleich vorne diejenigen namentlich anführen, von denen sie gelobt werden.
T 9f gelobt werden] korr. aus jungst gelobt worden sind
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außerdem weißt du auch nicht, daß gerade die sich am meisten dünkenden Staatsmänner auch am meisten verliebt sind in das Redenschreiben und Schriftenhinterlassen, da sie ja, wenn sie eine Rede geschrieben, dermaßen ihren Lobern zugethan sind, daß sie gleich vorne namentlich hinschreiben, wer sie jedesmal gelobt.
außerdem weißt du auch nicht, daß gerade die sich am meisten dünkenden Staatsmänner auch am meisten verliebt sind in das Redenschreiben und Schriften|hinterlassen, da sie ja, wenn sie eine Rede geschrieben, dermaßen ihren Lobern zugethan sind, daß sie gleich vorne namentlich hinschreiben, wer sie jedesmal gelobt.
Schau getragen wird, was aber doch die Mehresten wissen. Diese Gedanken haben der Uebersezung zum Grunde gelegen, das Sprüchwort selbst aber mußte unübertragen bleiben, weil es wörtlich nicht konnte wiedergegeben werden, und was sich aus unserem Vorrath an die Stelle sezen ließ, nicht edel genug schien.
gen bleiben, weil es wörtlich nicht konnte wiedergegeben werden, und was sich aus unserem Vorrath an die Stelle sezen ließ, nicht edel genug schien. Durch diese Unmöglichkeit genauer Uebertragung kann ich mich nun auch einer bestimmten Entscheidung überheben über die Worte ὅτι ἀπὸ – ἐκλήθη. Platonisch wollen sie mir immer noch nicht vorkommen troz aller Handschriften.
S Forts. Anm. 38 lich war diese Krümmung des Nils den Schiffern gefährlich, und nach Art der Alten, welche die Benennung böser Dinge für ominös hielten, mögen wohl die Schiffer ihr einen günstigen Namen gegeben haben, den entgegengesezten Sinn in petto behaltend […] Sonach ward ohne Zweifel durch das Sprüchwort s ü s s e r E l l e b o g e n , auf jede unaufrichtige Bemäntelung der wahren Meinung und Aushängung der entgegengesezten gedeutet.“ Heindorf (S. 288) schlägt im Kommentar die Athetese von ὅτι ἀπὸ τοῦ μακροῦ ἀγκῶνος τοῦ κατὰ τὸν Νεῖλον ἐκλήθη als Glosse vor (vgl. Spalte 1 App.) und trennt damit den Begriff vom Bezug auf die Nilschleife. Dadurch läßt sich der Ausdruck wie bei Athenaios, Deipnosophistai XII, 516b erklären, wo eine Sitte der Lyder, Frauen der Vergewaltigung preiszugeben, euphemistisch so („süße Umarmung“) genannt wird. Beide Deutungen bietet schon Kleuker: Werke des Plato, Bd. 3, 1783, S. 227 f. – Das von Schleiermacher in seiner Anmerkung dargelegte Verständnis dieser Stelle wird kritisiert von Rez.Ast (1808), S. 134; vgl. Ast: Phaedr. 1810, S. 342 f. – Für die Übersetzung verwirft Schleiermacher die Übertragung durch ein entsprechendes Sprichwort, womit er in SN 154 noch gespielt hat (s. Spalte 2 App.).
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Phaidros Ed. Heindorf
Erste Fassung (handschriftlich)
ΦΑΙ. Πῶς τοῦτο λέγεις; Οὐ γὰρ μανθάνω. ΣΩ. Οὐ μανθάνεις, ὅτι ἐν ἀρχῇ ἀνδρὸς πολιτικοῦ συγγράμματος πρῶτος ὁ ἐπαινέτης γέγραπται;
Ph. Wie meinst du das? Das verstehe ich nicht. So. Besinnst du dich nicht, daß jeder Aufsaz eines Staatsmannes damit anfängt, den zu nennen der damit zufrieden gewesen ist? Ph. Wie so? So. „Es hat gefallen, nemlich dieser Aufsaz, dem Rathe oder dem Volk, oder beiden“, so sagen diese Schriftsteller allemal, und „der und der hat vorgeschlagen“ womit sie sich selbst sehr ehrenvoll erwähnen und beloben, und dann erst reden sie weiter und tragen ihre Weisheit vor und | verfassen bisweilen einen gar langen Aufsaz. Oder scheint dir dies etwas ganz anders zu sein, als jeder andere schriftliche Aufsaz? Ph. Nein, nicht eben. So. Bleibt nun der Aufsaz stehen, so geht der Dichter fröhlich aus dem Schauspiel; wird er aber gestrichen, so daß er keine Rede zu schreiben bekommt und nicht für einen guten Schriftsteller gilt, so trauert er mit seinen Freunden.
ΦΑΙ. Πῶς; ΣΩ. Ἔδοξέ που, φησίν, αὐτὸ τὸ σύγγραμμα τῇ βουλῇ ἢ τῷ δήμῳ ἢ ἀμφοτέροις καὶ ὃς εἶπεν, τὸν ἑαυτὸν δὴ λέγων μάλα σεμνῶς καὶ ἐγκωμιάζων ὁ συγγραφεύς. Ἔπειτα λέγει δὴ μετὰ τοῦτο ἐπιδεικνύμενος τοῖς ἐπαινέταις τὴν ἑαυτοῦ σοφίαν, ἐνίοτε πάνυ μακρὸν ποιησάμενος σύγγραμμα. Ἤ σοι ἄλλο τι φαίνεται τὸ τοιοῦτον ἢ λόγος συγγεγραμμένος; ΦΑΙ. Οὐκ ἔμοιγε. ΣΩ. Οὐκοῦν ἐὰν μὲν οὗτος ἐμμένῃ, γεγηθὼς ἀπέρχεται ἐκ τοῦ θεάτρου ὁ ποιητής· ἐὰν δὲ ἐξαλειφθῇ, καὶ ἄμοιρος γένηται λογογραφίας τε καὶ τοῦ ἄξιος εἶναι συγγράφειν, πενθεῖ αὐτός τε καὶ οἱ ἑταῖροι;
7f αὐτὸ τὸ σύγγραμμα] Heindorf, übersetzt SN 154 W1 | fehlt Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 27 [62,18], fehlt in der Übersetzung W2, vgl. W2 Anm. 52
T 12 sie] danach sie
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Phaidros 1. Auflage
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PH. Wie meinst du dieses? denn ich verstehe es nicht. SOK. Du verstehst nicht, daß anfangs in der Schrift eines Staatsmannes zuerst sein Lober aufgeführt wird? PH. Wie so? SOK. Es hat gefallen,39 sagt er, diese Schrift nämlich, dem Rathe oder dem Volke, oder beiden, und der und der hat vorgeschlagen, womit dann der Schriftsteller sein Ich sehr ehrenvoll erwähnt und belobt. Hierauf erst redet er weiter seine Weisheit den Lobern vortragend, und bisweilen eine gar lange Schrift verfassend. Oder scheint dir so etwas eine ganz andere Sache als eine schriftlich verfaßte Rede? PH. Mir eben nicht. SOK. Nicht wahr, wenn eine solche stehen bleibt, so geht der Dichter fröhlich aus dem Schauspiel, wenn sie aber ausgelöscht wird, und er also leer ausgeht beim Redenschreiben, und nicht würdig gehalten wird, eine Schrift zu hinterlassen, dann trauert er mit seinen Freunden?
PH. Wie meinst du dieses? denn ich verstehe es nicht. SOK. Du verstehst nicht, daß anfangs in der Schrift eines Staatsmannes zuerst sein Lober aufgeführt wird? PH. Wie so? SOK. Es hat gefallen,52 sagt er, dem Rathe oder dem Volke, oder beiden, und der und der hat vorgeschlagen, womit dann der Schriftsteller sein Ich sehr ehrenvoll erwähnt und belobt. Hierauf erst redet er weiter seine Weisheit den Lobern vortragend, und verfaßt bisweilen eine gar lange Schrift. Oder scheint dir so etwas eine ganz andere Sache als eine Rede in Schrift verfaßt?
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E s h a t g e f a l l e n etc. Der gewöhnliche Anfang Athenischer Geseze. Den Ausdruk, „es hat gefallen,“ auf den dem Gesez zum Grunde liegenden Vorschlag zu beziehen, dies ist auch eine von den wunderlichen Platonischen Auslegungen.
S Anm. 39 Die ein Gesetz einleitende Formel lautete: ἔδοξε τῇ βουλῇ καὶ τῷ δήμῳ es hat gefallen dem Rat und dem Volk (= beschlossen hat der Rat und das Volk, sc. der Stadt NN).
PH. Mir eben nicht. SOK. Nicht wahr, wenn eine solche stehen bleibt, so geht der Dichter fröhlich aus dem Schauspiel, wenn sie aber ausgelöscht wird, und er also leer ausgeht beim Redenschreiben, und nicht würdig gehalten wird, eine Schrift zu hinterlassen, dann trauert er mit seinen Freunden? E s h a t g e f a l l e n etc. Der gewöhnliche Anfang Athenischer Geseze. Den Ausdruk, „es hat gefallen,“ auf den dem Gesez zum Grunde liegenden Vorschlag zu beziehen, dies ist | auch eine von den wunderlichen Platonischen Auslegungen. – Die Worte αὐτὸ τὸ σύγγραμμα habe ich nach Bekkers Auctoritäten nicht umhin gekonnt auszulassen; wiewohl sie dem deutschen Leser vielleicht ein willkomner Zusaz wären. Denn der Sinn bleibt der nemliche wenn auch Platon diese Worte nicht geschrieben.
S Anm. 52 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 39. Zu Bekker s. Spalte 1 App.
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Phaidros Ed. Heindorf
Erste Fassung (handschriftlich)
ΦΑΙ. Καὶ μάλα. ΣΩ. Δῆλόν γε ὅτι οὐχ ὡς ὑπερφρονοῦντες τοῦ ἐπιτηδεύματος, ἀλλ᾽ ὡς τεθαυμακότες.
Ph. Und wie! So. Und das doch gewiß nicht, weil sie dies Studium verachten, sondern weil sie einen großen Werth darauf legen. Ph. Allerdings. So. Wie erst wenn ein Redner oder König es dahinbringt daß ihm die Macht des Lykurgos oder Solon oder Dareios übertragen wird, und er ein unsterblicher Redenschreiber für seinen Staat wird, hält der nicht schon bei Leibesleben sich selbst beinahe für einen Gott, und denken nicht die, welche nach ihm kommen eben so von ihm, wenn sie seine Werke vor Augen haben? Ph. Ja wohl. So. Glaubst du also daß irgend einer von diesen, wer es auch sei, und wie feind er ihm auch sei, dem Lysias das wirklich zum Schimpf anrechnet, daß er schreibt? Ph. Man sollte es nicht denken nach dem was du sagst. Denn er würde ja sein eigenes Stekenpferd beschimpfen. So. Das ist also wol Jedem klar, daß das Redenschreiben, an und für sich selbst nichts Schlechtes ist. Ph. Wie sollte es wol? So. Aber nicht gut sprechen und schreiben sondern niedrig und schlecht, das mag wohl schlecht sein. Ph. Offenbar. So. Was heißt nun aber gut und
ΦΑΙ. Πάνυ μὲν οὖν. ΣΩ. Τί δέ; ὅταν ἱκανὸς γένηται ῥήτωρ ἢ βασιλεύς, ὥστε λαβὼν τὴν Λυκούργου ἢ Σόλωνος ἢ Δαρείου δύναμιν ἀθάνατος γενέσθαι λογογράφος ἐν πόλει, ἆρ᾽ οὖν οὐκ ἰσόθεον ἡγεῖται αὐτός τε αὑτὸν ἔτι ζῶν, καὶ οἱ ἔπειτα γιγνόμενοι ταυτὰ ταῦτα περὶ αὐτοῦ νομίζουσι, θεώμενοι αὐτοῦ τὰ συγγράμματα; ΦΑΙ. Καὶ μάλα. ΣΩ. Οἴει οὖν τινα τῶν τοιούτων, ὅστις καὶ ὁπωστιοῦν δύσνους Λυσίᾳ ὀνειδίζειν αὐτὸ τοῦτο ὅτι συγγράφει; ΦΑΙ. Οὔκουν εἰκός γε, ἐξ ὧν σὺ λέγεις. Καὶ γὰρ ἂν τῇ αὑτοῦ ἐπιθυμίᾳ, ὡς ἔοικεν, ὀνειδίζοι. ΣΩ. Τοῦτο μὲν ἄρα παντὶ δῆλον, ὅτι οὐκ αἰσχρὸν αὐτό γε τὸ γράφειν λόγους. ΦΑΙ. Τί γάρ; ΣΩ. Ἀλλ᾽ ἐκεῖνο οἶμαί γε αἰσχρὸν ἤδη, τὸ μὴ καλῶς λέγειν τε καὶ γράφειν, ἀλλ᾽ αἰσχρῶς τε καὶ κακῶς. ΦΑΙ. Δῆλον δή. ΣΩ. Τίς οὖν ὁ τρόπος τοῦ καλῶς τε
T 18 Ph. Ja wohl] davor Ph. Glaubst du also daß irgend einer von diesen, wer es 29 an und für sich] vor selbst [ZA] nachträglich am Rand ergänzt, dabei und abgekürzt als u. 33 niedrig] über schändlich
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PH. Und gar sehr. SOK. Offenbar also doch nicht als Verächter des Geschäftes, sondern als große Bewunderer. |
PH. Und gar sehr. SOK. Offenbar also doch nicht als Verächter des Geschäftes, sondern als große Bewunderer.
PH. Ganz gewiß. SOK. Wie aber, wenn ein Redner oder König es dahin bringt, mit dem Ansehen des Lykurgos, oder Solon, oder Dareios ausgerüstet, ein unsterblicher Redner in seinem Staate zu werden, hält er selbst sich nicht noch lebend für göttergleich, und denken nicht die nach ihm kommenden eben so von ihm, wenn sie seine Schriften betrachten?
PH. Ganz gewiß. SOK. Wie aber, wenn ein Redner oder König es dahin bringt, mit dem Ansehen des Lykurgos, oder Solon, oder Dareios ausgerüstet, ein unsterblicher Redenschreiber in seinem Staate zu werden, hält er selbst sich nicht noch lebend | für göttergleich, und denken nicht die nach ihm kommenden eben so von ihm, wenn sie seine Schriften betrachten?
PH. Gar sehr. SOK. Glaubst du also, daß einer von diesen, wie sehr er auch dem Lysias abgeneigt sei, ihm dieses zum Schimpf rechne, daß er Reden verfasst? PH. Es ist wohl nicht zu glauben nach dem was du sagst, denn er müßte ja seine eigne Neigung beschimpfen. SOK. Das also ist wohl Jedem klar, daß das Redenschreiben selbst nichts unrühmliches ist. PH. Wie sollte es? SOK. Aber das, glaube ich, wird unrühmlich sein, wenn Jemand nicht schön redet und schreibt, sondern unrühmlich und schlecht. PH. Offenbar. SOK. Welches ist nun aber die Art
PH. Gar sehr. SOK. Glaubst du also, daß einer von diesen, wie sehr er auch dem Lysias abgeneigt sei, ihm dieses zum Schimpf rechne, daß er Reden verfaßt? PH. Es ist wohl nicht zu glauben nach dem was du sagst, denn er müßte ja seine eigne Neigung beschimpfen. SOK. Das also ist wohl Jedem klar, daß das Redenschreiben an sich nichts häßliches ist. PH. Wie sollte es? SOK. Aber das, glaube ich, wird schon schlecht sein, wenn Jemand nicht schön redet und schreibt, sondern häßlich und schlecht. PH. Offenbar. SOK. Welches ist nun aber die Art
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καὶ μὴ γράφειν; Δεόμεθά τοι, ὦ Φαῖδρε, Λυσίαν περὶ τούτων ἐξετάσαι καὶ ἄλλον ὅστις πώποτε τὶ γέγραφεν ἢ γράψει, εἴτε πολιτικὸν σύγγραμμα εἴτε ἰδιωτικόν, ἐν μέτρῳ ὡς ποιητής, ἢ ἄνευ μέτρου ὡς ἰδιώτης;
schlecht geschrieben? Sollen wir lieber Phaidros darüber den Lysias fragen oder sonst einen der etwas geschrieben hat oder noch schreiben wird, es sei nun eine Staatsschrift oder eine andere, und in Versen wie ein Dichter oder ohne Silbenmaaß als ein in die Dichtkunst Uneingeweihter? Ph. Ob wir sollen, fragst du? Wes-
ΦΑΙ. Ἐρωτᾷς εἰ δεόμεθα; Τίνος μὲν
T 1 geschrieben] danach hochgestellt Anm.Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 44 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5)
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und Weise gut zu schreiben oder nicht? Sollen wir hierauf, o Phädros, den Lysias prüfen, und wer sonst jemals etwas geschrieben hat oder schreiben wird, es sei nun eine Staatsschrift oder eine andere, und in Versen, wie ein Dichter, oder ohne Sylbenmaaß als ein Undichterischer. PH. Du fragst, ob wir sollen?40 Wes-
und Weise gut zu schreiben oder nicht? Sollen wir hierauf, o Phaidros, den Lysias prüfen, und wer sonst jemals etwas geschrieben hat oder schreiben wird, es sei nun eine Staatsschrift oder eine andere, und in Versen, wie ein Dichter, oder ohne Sylbenmaaß als ein Undichterischer. PH. Du fragst, ob wir sollen?53 Wes-
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D u f r a g s t o b w i r s o l l e n ? Diese ganze Stelle bis S. 136. [in dieser Edition: S. 291,25f] zu den Worten des Sokrates: M u ß n u n n i c h t etc. wird gewiß im Zusammenhange jedem unbefangenen Leser höchlich mißfallen. Nicht als ob das Einzelne des Platon eben unwürdig wäre, sondern weil nichts an seiner Stelle steht. Gleich die Bemerkung über die Vergnügungen ist schön, aber wie bringt Phädros einen so allgemeinen Grund vor, er der schon um der Redekunst selbst willen gern von ihr reden hört? und wie steht sie überhaupt, sowohl in seinem Munde aus dem wir noch nichts in solchem Lehr|tone gehört haben, als in dem Ganzen, dem solche Bemerkungen sehr fremd sind? Die folgende Dichtung von den Heimchen ist sehr lieblich; aber welche Veranlassung hat Sokrates den hör- und sprachgierigen Phädros, der ihn ohnlängst selbst zum Reden aufgefordert während der Hize, und der sich auch eben izt noch so verlangend zeigt, durch solche Erzählungen vom Schlafe zurükhalten zu wollen? Und wie kann eben dieser Phädros nun noch nach der schönen Dichtung halb unnöthig sagen: „Reden also wollen wir?“ Ferner da die Untersuchung bereits vorher eingeleitet und angekündiget ist, wie stellen sich nun Beide als hätten sie sich nur ganz im Allgemeinen erst zum Sprechen entschlossen, und als wäre es nun ganz willkührlich, ob sie bei dem Vorigen fortfahren oder etwas ganz fremdes anknüpfen wollten? Hat Platon nur Noth gehabt seine Dichtung anzubringen, und sich
D u f r a g s t o b w i r s o l l e n ? Diese ganze Stelle bis S. 136. [in dieser Edition: S. 291,25f] zu den Worten des Sokrates: M u ß n u n n i c h t etc. wird gewiß im Zusammenhange jedem unbefangenen Leser höchlich mißfallen. Nicht als ob das Einzelne des Platon eben unwürdig wäre, sondern weil nichts an seiner Stelle steht. Gleich die Bemerkung über die Vergnügungen ist schön, aber wie bringt Phaidros einen so allgemeinen Grund vor, er der schon um der Redekunst selbst willen gern von ihr reden hört? und wie steht sie überhaupt, sowohl in seinem Munde aus dem wir noch nichts in solchem Lehrtone gehört haben, als in dem Ganzen, dem solche Bemerkungen sehr fremd sind? Die folgende Dichtung von den Heimchen ist sehr lieblich; aber welche Veranlassung hat Sokrates den hör- und sprachgierigen Phaidros, der ihn ohnlängst selbst zum Reden aufgefordert während der Hize, und der sich auch eben jezt noch so verlangend zeigt, durch solche Erzählungen vom Schlafe zurükhalten zu wollen? Und wie kann eben dieser Phaidros nun noch nach der schönen Dichtung halb unnöthig sagen: „Reden also wollen wir?“ Ferner da die Untersuchung bereits vorher eingeleitet und angekündiget ist, wie stellen sich nun Beide als hätten sie sich nur ganz im Allgemeinen erst zum Sprechen entschlossen, und als wäre es nun ganz willkührlich, ob sie bei dem Vorigen fortfahren oder etwas ganz fremdes anknüpfen wollten? Hat Platon | nur Noth gehabt seine Dichtung anzubringen, und sich
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Phaidros Ed. Heindorf
Erste Fassung (handschriftlich)
οὖν ἕνεκ᾽ ἄν τις, ὡς εἰπεῖν, ζῴη, ἀλλ᾽ ἢ τῶν τοιούτων ἡδονῶν ἕνεκα; οὐ γάρ που ἐκείνων γε ὧν προλυπηθῆναι δεῖ ἢ μηδὲ ἡσθῆναι· ὃ δὴ ὀλίγου πᾶσαι αἱ περὶ τὸ σῶμα ἡδοναὶ ἔχουσι, διὸ καὶ δικαίως ἀνδραποδώδεις κέκληνται.
halb, daß ich so sage lebte man denn, wenn nicht für solche Vergnügungen. Um derer willen doch wol nicht, vor welchen man erst Schmerzen empfinden muß, oder auch hernach kein Vergnügen | daran hat, wie es fast bei allen körperlichen Vergnügungen der Fall ist, weshalb sie auch mit Recht sklavisch genannt werden. So. Zeit hätten wir wie es scheint. Auch mögen die Cicaden, die wie sie in der Hize pflegen, über uns singen und mit einander reden, auf uns Acht haben. Wenn sie nun sähen, daß auch wir wie die Andern in der Mittagsstunde uns nicht unterhielten sondern schlummerten, und uns aus Trägheit der Seele von
ΣΩ. Σχολὴ μὲν δή, ὡς ἔοικε, καὶ ἅμα μοι δοκοῦσιν ὡς ἐν τῷ πνίγει ὑπὲρ κεφαλῆς ἡμῖν οἱ τέττιγες ᾄδοντες καὶ ἀλλήλοις διαλεγόμενοι καθορᾷν καὶ ἡμᾶς. Εἰ οὖν ἴδοιεν καὶ νῴ, καθάπερ τοὺς πολλούς, ἐν μεσημβρίᾳ μὴ διαλεγομένους, ἀλλὰ νυστάζοντας καὶ κηλουμένους ὑφ᾽ αὑτῶν δι᾽
12 καὶ ἡμᾶς] fehlt Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 27 [64,20], fehlt in der Übersetzung W2, vgl. W2 Anm. 54
T 2 wenn] danach es 2f Vergnügungen] Vergnügungungen SN 154 12 mögen] über scheinen 15 Acht] danach zu
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halb, so zu sagen, lebte einer denn, wenn nicht für solche Vergnügungen? Doch wohl nicht um jener willen, vor welchen man erst Unlust empfinden muß, oder auch hernach keine Lust | empfindet, welches fast alle die körperlichen Vergnügungen an sich haben, und deshalb mit Recht niedrige genannt werden.
halb, so zu sagen, lebte einer denn, wenn nicht für solche Lust? Doch wohl nicht um jener willen, vor welchen man erst Unlust empfinden muß, oder auch hernach keine Lust empfindet, welches fast alle die körperlichen Vergnügungen an sich haben, und deshalb mit Recht niedrige genannt werden.
SOK. Muße haben wir ja wie es scheint. Auch dünken mich die Cicaden, wie sie in der Hize pflegen, über unsern Häuptern singend und sich unter einander besprechend, auch uns zu betrachten. Wenn sie nun auch uns nichts besser als Andere in der Mittagsstunde nicht uns unterredend sähen, sondern aus Trägheit der Seele von ihnen einge-
SOK. Muße haben wir ja wie es scheint. Auch dünken mich die Cicaden, wie sie in der Hize pflegen, über unsern Häuptern singend | und sich unter einander besprechend, herabzuschauen54. Wenn sie nun auch uns nichts besser als Andere in der Mittagsstunde nicht uns unterredend sähen, sondern aus Trägheit der Seele von ihnen eingesungen
unbeholfen verwikkelt? Das ist ihm auch in diesem Werke kaum zuzutrauen. Oder wollte er zu verstehen geben, auch die eifrigsten Freunde der Redekunst liebten vornämlich nur das Ohr mit schönen Reden gekizelt zu haben, und wollten kaum Stand halten, wenn sie sich in gründliche Betrachtungen über die Kunst einlassen sollten? Allein diese Absicht wäre schlecht herausgearbeitet, und Platon müßte dabei von seinem mimischen Talent und seiner Ironie zu sehr verlassen gewesen sein. Schwerlich möchte dies Räthsel zu lösen sein. – In dem Mythos sind mehrere Wortspiele mit den Namen der Musen verloren gegangen, Erato und Eros, Urania und Uranos, Kalliope und Ops.
unbeholfen verwikkelt? Das ist ihm auch in diesem Werke kaum zuzutrauen. Oder wollte er zu verstehen geben, auch die eifrigsten Freunde der Redekunst liebten vornämlich nur das Ohr mit schönen Reden gekizelt zu haben, und wollten kaum Stand halten, wenn sie sich in gründliche Betrachtungen über die Kunst einlassen sollten? Allein diese Absicht wäre schlecht herausgearbeitet, und Platon müßte dabei von seinem mimischen Talent und seiner Ironie zu sehr verlassen gewesen sein. Schwerlich möchte dies Räthsel zu lösen sein. – In dem Mythos sind mehrere Wortspiele mit den Namen der Musen verloren gegangen. 54 h e r a b z u s c h a u e n . Gern bin ich mehreren der besseren Handschriften gefolgt, welche das καὶ ἡμᾶς auslassen.
T Anm. 54 37 ῆμο῀ς W2
καὶ ἡμᾶς] verdruckt καὶ
S 15 herabzuschauen] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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ἀργίαν τῆς διανοίας, δικαίως ἂν καταγελῷεν, ἡγούμενοι ἀνδράποδα ἄττα σφίσιν ἐλθόντα εἰς τὸ καταγώγιον ὥσπερ προβάτια μεσημβριάζοντα περὶ τὴν κρήνην εὕδειν. Ἐὰν δὲ ὁρῶσι διαλεγομένους καὶ παραπλέοντας σφᾶς, ὥσπερ Σειρῆνας, ἀκηλήτους, ὃ γέρας ἔχουσι παρὰ θεῶν ἀνθρώποις διδόναι, τάχ᾽ ἂν δοῖεν ἀγασθέντες.
ihnen einsingen ließen, so möchten sie mit Recht über uns lachen, und glauben es wären ein Paar Sklaven hier bei ihnen eingekehrt, um wie die Schafe bei der Quelle den Mittag zu verschlafen. Sähen sie aber daß wir mit einander reden und glüklich bei ihnen, wie bei Sirenen, vorbeischiffen ohne uns bezaubern zu laßen, so werden sie uns vielleicht bewundern, und uns die Gabe darreichen, welche sie von den Göttern für die Menschen empfangen haben. Ph. Was für eine ist das? Ich muß nie davon gehört haben.
ΦΑΙ. Ἔχουσι δὲ δὴ τί τοῦτο; Ἀνήκοος γάρ, ὡς ἔοικε, τυγχάνω ὤν.
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ΣΩ. Οὐ μὲν δὴ πρέπει γε φιλόμουσον ἄνδρα τῶν τοιούτων ἀνήκοον εἶναι. Λέγεται δ᾽, ὥς ποτ᾽ ἦσαν οὗτοι ἄνθρωποι τῶν πρὶν Μούσας γεγονέναι. Γενομένων δὲ Μουσῶν καὶ φανείσης ᾠδῆς, οὕτως ἄρα τινὲς τῶν τότε ἐξεπλάγησαν ὑφ᾽ ἡδονῆς, ὥστε ᾄδοντες ἠμέλησαν σίτων τε καὶ ποτῶν καὶ ἔλαθον τελευτήσαντες αὑτούς. Ἐξ ὧν τὸ τεττίγων γένος μετ᾽ ἐκεῖνο φύεται, γέρας τοῦτο παρὰ Μουσῶν λαβόν, μηδὲν τροφῆς δεῖσθαι γενόμενον, ἀλλ᾽ ἄσιτόν τε καὶ ἄποτον εὐθὺς ᾄδειν, ἕως ἂν τελευτήσῃ, καὶ μετὰ ταῦτα ἐλθὸν παρὰ Μούσας ἀπαγγέλλειν, τίς
So. Es ist nicht fein für einen Freund der Musen davon nichts zu wißen. Man sagt nemlich, sie wären ehedem Menschen gewesen, aus der Zeit als es noch keine Musen gab. Als aber die Musen erzeugt worden und der Gesang entstanden wäre, wären einige von den damals Lebenden so vor Freude außer sich gewesen, daß sie singend Eßen und Trinken vergeßen hätten, und ohne es zu merken gestorben wären. Aus diesen soll nun seitdem das Geschlecht der Cicaden entstanden sein, denen die Musen die Gabe verliehen, daß sie sobald sie geboren sind, keiner Nahrung weiter bedürfen, sondern ohne zu eßen oder zu trinken, singen bis sie sterben. Dann aber kommen sie zu den Musen und verkündigen ihnen, wer hier jede
T 10f so werden sie uns vielleicht bewundern, und] nachträglich am Rand ergänzt statt zuvor und 20 Zeit] danach nemlich 22 wäre] davor sei 33f sondern ohne zu eßen oder zu trinken] am Rand ohne Einfügungszeichen statt und ohne sich durch Essen und Trinken aufhalten zu müßen
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sungen schlummernd: so möchten sie mit Recht über uns spotten und denken, ein paar Knechte wären in ihrem Aufenthalt eingekehrt, um wie die Schaafe bei der Quelle mittäglichen Schlafes zu pflegen. Wenn sie uns aber sähen im Gespräch begriffen, uneingesungen bei ihnen als Sirenen vorbeischiffen; dann dürften sie uns die Gabe, welche ihnen von den Göttern für die Menschen verliehen ist, mittheilen zum Beweis ihrer Zufriedenheit. PH. Was doch für eine haben sie? Denn nie muß ich davon gehört haben. SOK. Das steht nicht fein für einen Musenfreund, dergleichen nicht gehört zu haben. Man sagt nämlich, diese wären Menschen gewesen aus der Zeit ehe noch die Musen waren. Als aber diese erzeugt worden und der Gesang erschienen, wären Einige von den damaligen so entzükt worden von dieser Lust, daß sie singend Speise und Trank vergessen, und so ohne dessen wahrzunehmen gestorben wären. Aus welchen nun seitdem das Geschlecht der Cicaden entstanden wäre, mit dieser Gabe von den Musen ausgestattet, daß sie von der Geburt an keiner Nahrung bedürfen, sondern ohne Speise und Trank sogleich singen bis sie sterben, dann aber zu den Musen kommen und ihnen verkündi|gen, wer
schlummernd: so möchten sie mit Recht über uns spotten und denken, ein paar Knechte wären in ihrem Aufenthalt eingekehrt, um wie Schafe, die bei der Quelle Mittag machen, zu schlafen pflegen. Wenn sie uns aber sähen im Gespräch begriffen, uneingesungen bei ihnen als Sirenen vorbeischiffen; dann dürften sie uns die Gabe, welche ihnen von den Göttern für die Menschen verliehen ist, mittheilen zum Beweis ihrer Zufriedenheit. PH. Was doch für eine haben sie? Denn nie muß ich davon gehört haben. SOK. Nicht fein steht es für einen Musenfreund, dergleichen nicht gehört zu haben. Man sagt nämlich, diese wären Menschen gewesen von denen vor der Zeit der Musen. Als aber diese erzeugt worden und der Gesang erschienen, wären Einige von den damaligen so entzükt worden von dieser Lust, daß sie singend Speise und Trank vergessen, und so ohnvermerkt gestorben wären. Aus welchen nun seitdem das Geschlecht der Cicaden entsteht, mit dieser Gabe von den Musen ausgestattet, daß sie von der Geburt an keiner Nahrung bedürfen, sondern ohne Speise und Trank sogleich singen bis sie sterben, dann aber zu den Musen kommen und ihnen verkündigen, wer
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Erste Fassung (handschriftlich)
τίνα αὐτῶν τιμᾷ τῶν ἐνθάδε. Τερψιχόρῃ μὲν οὖν τοὺς ἐν τοῖς χοροῖς τετιμηκότας αὐτὴν ἀπαγγέλλοντες ποιοῦσι προσφιλεστέρους, τῇ δὲ Ἐρατοῖ τοὺς ἐν τοῖς ἐρωτικοῖς, καὶ ταῖς ἄλλαις οὕτω, κατὰ τὸ εἶδος τιμῆς ἑκάστης. Τῇ δὲ πρεσβυτάτῃ Καλλιόπῃ καὶ τῇ μετὰ ταύτην Οὐρανίᾳ τοὺς ἐν φιλοσοφίᾳ διάγοντάς τε καὶ τιμῶντας τὴν ἐκείνων μουσικὴν ἀγγέλλουσι, αἳ δὴ μάλιστα τῶν Μουσῶν περί τε οὐρανὸν καὶ λόγους οὖσαι θείους τε καὶ ἀνθρωπίνους ἱᾶσι καλλίστην φωνήν. Πολλῶν οὖν δὴ ἕνεκεν λεκτέον τι καὶ οὐ καθευδητέον ἐν τῇ μεσημβρίᾳ.
von ihnen verehrt. Der Terpsichore zeigen sie diejenigen an die sie in Chören feiern, und machen sie ihr also werth, der Erato die, welche sie durch Liebe verehren, und so den übrigen, nach der Art wie jeder Chor erwiesen wird. Der ältesten aber, der Kalliope, und ihrer nächstfolgenden Schwester Urania zeigen sie an, wer philosophisch lebt und ihre Art der Musik hochschätzt. Denn diese beiden sind besonders über den Himmel und über göttliche und menschliche Rede gesezt und geben die schönsten Töne von sich. Aus vielen Gründen also müßen wir jezt am Mittag reden und nicht schlafen. Ph. So laß uns denn reden. So. Wollen wir also den Gegenstand untersuchen den wir eben zur Untersuchung vorlegen wollten, was nemlich dazu gehört eine Rede gut zu sprechen oder abzufassen. | Ph. O ja. So. Muß nicht wenn über etwas gut und schön geredet werden soll der Verstand des Redenden die wahre Beschaffenheit deßen erkennen, worüber er reden soll? Ph. Ich habe immer so gehört lieber Sokrates, wer ein Redner werden wolle habe nicht nöthig zu wißen was in der That recht sei, sondern nur was der Volksmasse welche darüber entscheiden soll so scheinen wird. Eben so wenig das wahrhaft Gute und Schöne, sondern nur das was so scheint denn daraus, und
ΦΑΙ. Λεκτέον γὰρ οὖν. ΣΩ. Οὐκοῦν, ὅπερ νῦν προὐθέμεθα σκέψασθαι, τὸν λόγον ὅπη καλῶς ἔχει λέγειν τε καὶ γράφειν καὶ ὅπη μή, σκεπτέον. ΦΑΙ. Δῆλον. ΣΩ. Ἆρ᾽ οὖν οὐχ ὑπάρχειν δεῖ τοῖς εὖ τε καὶ καλῶς ῥηθησομένοις τὴν τοῦ λέγοντος διάνοιαν εἰδυῖαν τἀληθὲς ὧν ἂν ἐρεῖν πέρι μέλλῃ; ΦΑΙ. Οὑτωσὶ περὶ τούτων ἀκήκοα, ὦ φίλε Σώκρατες, οὐκ εἶναι ἀνάγκην τῷ μέλλοντι ῥήτορι ἔσεσθαι τὰ τῷ ὄντι δίκαια μανθάνειν, ἀλλὰ τὰ δόξαντα ἂν πλήθει, οἵπερ δικάσουσιν, οὐδὲ τὰ ὄντως ἀγαθὰ ἢ καλά, ἀλλ᾽ ὅσα δόξει· ἐκ γὰρ τούτων εἶναι
T 2 zeigen] über verkünden 8f nächstfolgenden] nachst- SN 154 15 sich] danach hochgestellt Anm.-Zeichen Schleiermachers: x), gestr. und durch Anm.-Ziffer 45 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 28 wahre] über richtige 29 deßen] danach was
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Phaidros 1. Auflage
Phaidros 2. Auflage
hier jede von ihnen verehrt. Der Terpsichore melden und empfehlen sie die, welche sie in Chören verehren, der Erato, die sie durch Liebesgesänge feiern, und so den übrigen, jeder nach der ihr eigenthümlichen Verehrung. Der ältesten aber, Kalliope, und ihrer nächstfolgenden Schwester Urania, als welche vornemlich unter den Musen über den Himmel und über göttliche und menschliche Reden gesezt, die schönsten Töne von sich geben, verkündigen sie die, welche philosophisch leben, und ihre Art der Musik ehren. Aus vielen Ursachen also müssen wir etwas reden, und nicht schlafen am Mittage. PH. Reden also wollen wir. SOK. Wollen wir nun, was wir uns eben vorgesezt hatten zu untersuchen, wie nämlich man gut und recht schreibe und wie nicht, dieses besprechen? PH. Gewiß. SOK. Muß nun nicht, wo gut und schön soll geredet werden, des Redenden Verstand die wahre Beschaffenheit dessen erkennen, worüber er reden will? PH. So vielmehr habe ich immer gehört, lieber Sokrates, es sei nicht nöthig dem, der ein Redner werden wolle, was wahrhaft gerecht sei zu lernen, sondern nur was der Volksmenge, welche zu entscheiden hat, so scheint, eben so auch nicht, was wahrhaft gut sei oder schön, sondern nur was so scheinen werde; denn hierauf gründe sich das Ueber-
hier jede von ihnen verehrt. Der Terpsichore melden und empfehlen sie die, welche sie in Chören verehren, der Erato, die sie durch Liebesgesänge feiern, und so den übrigen, jeder nach der ihr eigenthümlichen Verehrung. Der älte|sten aber, Kalliope, und ihrer nächstfolgenden Schwester Urania, als welche vornemlich unter den Musen über den Himmel und über göttliche und menschliche Reden gesezt, die schönsten Töne von sich geben, verkündigen sie die, welche philosophisch leben, und ihre Art der Musik ehren. Aus vielen Ursachen also müssen wir etwas reden, und nicht schlafen am Mittage. PH. Reden also wollen wir. SOK. Wollen wir nun, was wir uns eben vorgesezt hatten zu untersuchen, wie nämlich man gut und recht schreibe und wie nicht, dieses besprechen? PH. Gewiß. SOK. Muß nun nicht, wo gut und schön soll geredet werden, des Redenden Verstand die wahre Beschaffenheit dessen erkennen, worüber er reden will? PH. So vielmehr habe ich immer gehört, lieber Sokrates, wer ein Redner werden wolle habe nicht nöthig, was wahrhaft gerecht sei zu lernen, sondern nur was der Volksmenge, welche zu entscheiden hat, so scheint, eben so auch nicht, was wahrhaft gut sei oder schön, sondern nur was so scheinen werde; denn hierauf gründe sich das Ueber-
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Phaidros Ed. Heindorf
Erste Fassung (handschriftlich)
τὸ πείθειν, ἀλλ᾽ οὐκ ἐκ τῆς ἀληθείας.
nicht aus der Wahrheit gehe die Ueberredung hervor. So. Kein Wort muß jemals gradezu verworfen werden, was weise Männer gesagt haben, sondern man muß zusehn ob sie nicht doch etwas damit gemeint haben. So müßen wir also auch das nun gesagte nicht loslaßen. Ph. Du hast Recht. So. Laß es uns aber so in Betrachtung nehmen. Ph. Wie denn? So. Wenn ich dich überreden wollte du solltest gegen die Feinde ziehen und dir dazu ein Pferd schaffen, wir kennten aber beide kein Pferd, sondern ich wüßte nur soviel von dir, daß du, Phaidros, glaubtest, dasjenige unter den zahmen Thieren, welches die längsten Ohren hat, sei das Pferd. Ph. Das wäre ja lächerlich.
ΣΩ. Οὔτοι ἀπόβλητον ἔπος εἶναι δεῖ, ὦ Φαῖδρε, ὃ ἂν εἴπωσι σοφοί, ἀλλὰ σκοπεῖν, μή τι λέγωσι. Καὶ δὴ καὶ τὸ νῦν λεχθὲν οὐκ ἀφετέον.
ΦΑΙ. Ὀρθῶς λέγεις. ΣΩ. Ὧδε δὴ σκοπῶμεν αὐτό.
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ΦΑΙ. Πῶς; ΣΩ. Εἴ σε πείθοιμι ἐγὼ τοὺς πολεμίους ἀμύνειν κτησάμενον ἵππον, ἄμφω δὲ ἵππον ἀγνοοῖμεν, τοσόνδε μέντοι τυγχάνοιμι εἰδὼς περὶ σοῦ, ὅτι Φαῖδρος ἵππον ἡγεῖται τὸ τῶν ἡμέρων ζώων μέγιστα ἔχον ὦτα.
ΦΑΙ. Γελοῖόν γ᾽ ἄν, ὦ Σώκρατες, εἴη. ΣΩ. Οὔπω γε· ἀλλ᾽ ὅτε δὴ σπουδῇ σε πείθοιμι συντιθεὶς λόγον, ἔπαινον κατὰ τοῦ ὄνου, ἵππον ἐπονομάζων, καὶ λέγων, ὡς παντὸς ἄξιον τὸ θρέμμα οἴκοι τε κεκτῆσθαι καὶ ἐπὶ στρατείας, ἀποπολεμεῖν τε χρήσιμον καὶ προσενεγκεῖν δυνατὸν σκεύη, καὶ ἄλλα πολλὰ ὠφέλιμον.
So. Das noch nicht. Aber wenn ich nun rechten Fleiß anwendete um dich zu überreden, und eine Rede aufsagte, ein Lob des Esels, den ich Pferd nennte, und sagte es wäre ein sehr brauchbares Thier zu Hause und im Felde, nüzlich in der Schlacht, geschikt das Gepäk zu tragen, und viele andere Dinge.
T 1f Ueberredung] davor Untersuchung 4 werden] am Rand mit Einfügungszeichen durch eine andere Hand 11 Laß] davor Wir wollen 14 überreden] u- SN 154 15 gegen die Feinde ziehen] korr. aus deine Feinde züchtigen 16 ein] am Rand mit Einfügungszeichen durch eine andere Hand, zuvor in der Zeile vielleicht dein 24 Das] danach ist | nicht] danach das rechte 30 Felde] davor ein unentziffertes Wort gestrichen
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reden, nicht auf der Sache wahre Beschaffenheit. SOK. Nicht zu verwerfen ja41 soll ein Wort sein, o Phädros, was die Weisen geredet haben, sondern zu untersuchen, ob nicht etwas Wahres | damit gesagt ist. So wollen wir also auch das nun gesagte nicht loslassen. PH. Ganz recht. SOK. Betrachten wir es demnach so.
reden, nicht auf der Sache wahre Beschaffenheit. SOK. Nicht zu verwerfen ja55 soll ein Wort sein, o Phaidros, was die Weisen geredet haben, sondern zu untersuchen, ob nicht etwas Wahres damit gesagt ist. So wollen wir also auch das nun gesagte nicht loslassen. PH. Ganz recht. SOK. Betrachten wir es demnach so.
PH. Wie denn? SOK. Wenn ich dich überredete, du solltest, um gegen die Feinde zu ziehen, dir ein Pferd anschaffen, wir kennten aber beide kein Pferd, sondern nur soviel wüßte ich von dir, daß Phädros glaubt, das Pferd sei dasjenige unter den zahmen Thieren, welches die längsten Ohren hat.
PH. Wie denn? SOK. Wenn ich dich überredete, du solltest, um gegen die Feinde zu ziehen, dir ein | Pferd anschaffen, wir kennten aber beide kein Pferd, sondern nur soviel wüßte ich von dir, daß Phaidros glaubt, das Pferd sei dasjenige unter den zahmen Thieren, welches die längsten Ohren hat.
PH. Lächerlich, o Sokrates, wäre das. SOK. Das noch nicht, aber wenn ich rechten Fleiß auf die Ueberredung wendend eine Rede abfaßte, ein Lob auf den Esel, den ich Pferd nennte, und darin ausführte, wieviel werth das Thier wäre zu Hause und im Felde, brauchbar um von ihm herab zu fechten, geschikt das Gepäk zu tragen, und zu vielen andern Dingen nüzlich?
PH. Lächerlich, o Sokrates, wäre das. SOK. Das noch nicht, aber wenn ich rechten Fleiß auf die Ueberredung wendend eine Rede abfaßte, ein Lob auf den Esel, den ich Pferd nennte, und darin ausführte, wieviel werth das Thier wäre zu Hause und im Felde, brauchbar um von ihm herab zu fechten, geschikt das Gepäk zu tragen, und zu vielen andern Dingen nüzlich?
41 N i c h t z u v e r w e r f e n j a etc. Homerische Worte aus Ilias III, 65. nach Voß. Nicht zu verwerfen ja sind der Unsterblichen ehrende Gaben.
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N i c h t z u v e r w e r f e n j a etc. Homerische Worte aus Ilias III, 65. nach Voß. Nicht zu verwerfen ja sind der Unsterblichen ehrende Gaben.
S Anm. 41 Die von Heindorf z. St. (S. 295) angeführte Stelle aus Homers Ilias lautet in der Übersetzung von Johann Heinrich Voß (Homers Ilias, 1793): „Unverwerflich ja sind der unsterblichen ehrende gaben“.
S Anm. 55 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 41.
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ΦΑΙ. Παγγέλοιόν γ᾽ ἂν ἤδη εἴη. ΣΩ. Ἆρ᾽ οὖν οὐ κρεῖττον, γελοῖον ἢ δεινόν τε καὶ ἐχθρὸν εἶναι, ἢ φίλον;
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ΦΑΙ. Φαίνεται. ΣΩ. Ὅταν οὖν ὁ ῥητορικός, ἀγνοῶν ἀγαθὸν καὶ κακόν, λαβὼν πόλιν ὡσαύτως ἔχουσαν πείθῃ, μὴ περὶ ὄνου, ὡς ἵππου, τὸν ἔπαινον ποιούμενος, ἀλλὰ περὶ κακοῦ, ὡς ἀγαθοῦ, δόξας δὲ πλήθους μεμελετηκὼς πείσῃ κακὰ πράττειν ἀντ᾽ ἀγαθῶν· ποῖόν τινα οἴει μετὰ ταῦτα τὴν ῥητορικὴν καρπὸν ὃν ἔσπειρε θερίζειν;
ΦΑΙ. Οὐ πάνυ ἐπιεικῆ. ΣΩ. Ἆρ᾽ οὖν, ὦ ᾽γαθέ, ἀγροικότερον τοῦ δέοντος λελοιδορήκαμεν τὴν τῶν λόγων τέχνην; ἡ δ᾽ ἴσως ἂν εἴποι· τί ποτ᾽, ὦ θαυμάσιοι, ληρεῖτε; Ἐγὼ γὰρ οὐδένα ἀγνοοῦντα τἀλη-
3 ἢ] Heindorf | Athetese erwogen von Heindorf z. St. (S. 296) Ed.Berlin 1816 (Bekker) (im Text, jedoch mit dem folgenden φίλον durch eckige Klammern athetiert) mit Comm. 1 1823, S. 28 [67,22] | fehlt in der Übersetzung SN 154 W1 W2, vgl. W2 Anm. 56
Erste Fassung (handschriftlich)
Ph. Ja das wäre über die Maaßen lächerlich. So. Ist es aber nicht immer noch beßer, wenn ein Freund einmal etwas lächerliches macht als wenn er zu unserm Schaden und also feindselig gegen uns handelt? Ph. Das sollt ich meinen! So. Wenn nun ein Redner der das Gute und Böse nicht kennt mit einem eben solchen Staat zu thun hat und diesen zu überreden sucht, nicht etwa einen Esel als ein Pferd anpreisend, sondern ein Uebel als etwas Gutes und da er die Meinungen des großen Haufens studiert hat ihn nun wirklich überredet etwas schlechtes zu thun statt etwas Gutem, was für eine Frucht wird alsdann die Redekunst wol erndten von dem, was sie gesäet hat? Ph. Eben keine sonderliche. | So. Haben wir aber nicht etwa die Redekunst gröber als es sich ziemen will verläumdet? Würde sie nicht vielleicht zu uns sagen: „Ihr lieben Leute, was habt Ihr doch im Kopf? Ich zwinge ja keinen, der sich noch nicht richtige Einsichten verschafft
T 4–7 wenn ein Freund einmal etwas lächerliches macht als wenn er zu unserm Schaden und also feindselig gegen uns handelt?] durch Zusätze am Rand und über der Zeile korr. aus wenn ein Freund lächerliches macht als wenn er verderblich und feindselig ist gegen uns handelt 7 handelt] danach hochgestellt Anm.-Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 46 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 12 zu] über der Zeile ohne Einfügungszeichen | überreden] korr. aus überredet | sucht] über der Zeile mit Einfügungszeichen 13 Esel] danach hochgestellt Anm.-Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 47 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 15–19 und…Gutem] am Rand mit Einfügungszeichen
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PH. Ueber alle Maße lächerlich wäre dann dieses. SOK. Aber ist es nicht besser, ein lächerlicher als ein arger und feindseliger Freund zu sein?
PH. Ueber alle Maße lächerlich wäre dann dieses. SOK. Aber ist es nicht besser, ein lächerlicher als ein gewaltiger und feindseliger Freund56 zu sein?
PH. Offenbar. SOK. Wenn also der Rednerische unwissend über das Gute und Böse einen eben so beschaffenen Staat sich vornimmt und ihn zu überreden sucht, nicht etwa einen Esel als ein Pferd anpreisend, sondern ein Uebel als ein Gut, und da er nur die Meinungen des Volkes zu kennen sich hat angelegen sein lassen, ihn nun überredet, Uebles zu thun statt des Guten, was für eine Frucht, glaubst du, werde die Redekunst dann ärndten von dem was sie gesäet? | PH. Eben keine sonderliche. SOK. Haben wir aber auch nicht, mein Guter, gröber als sich ziemen will die Kunst der Reden gelästert? Sie aber würde vielleicht sagen, was plaudert ihr Wunderlichen doch durcheinander? Denn ich zwinge keinen mit der Wahrheit noch unbe-
PH. Offenbar. SOK. Wenn also der Redekünstler unwissend über das Gute und Böse einen eben so beschaffenen Staat sich vornimmt und ihn zu überreden sucht, nicht etwa einen Esel als ein Pferd anpreisend, sondern ein Uebel als ein Gut, und nachdem er die Meinungen des Volkes kennen gelernt, ihn nun überredet, Uebles zu thun statt des Guten, was für eine Frucht, glaubst du, werde die Redekunst dann ärndten von dem was sie gesäet? PH. Eben keine sonderliche. SOK. Haben wir aber auch nicht, mein Guter, gröber als sich ziemen will die Kunst der Reden gelästert? Sie aber würde vielleicht sagen, was schwazt ihr Wunderlichen doch durcheinander? Denn ich zwinge ja keinen der Wahrheit noch un56
f e i n d s e l i g e r F r e u n d . Am leichtesten scheint es mir mit einigen Handschriften bei Bekker nur das ἢ auszulassen.
S 7 der Rednerische] hergestellt von Spalding nach Heindorfs hsl. Note zur Druckvorlage: SN 183/5, f. 2r: „P. 260. ὁ ῥητορικος – Ich sehe die Nothwendigkeit nicht, φιλος zu suppliren. ῥητωρ wollte er nicht sagen. Was blieb ihm anderes übrig?“ Dazu Spalding: „Dem gemäß habe ich F r e u n d gelöscht und geschrieben: „Der Redn.“ – Vgl. Heindorf z. St. (S. 296).
T Anm. 56 30 ἢ] ῆ verdruckt W2
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θὲς ἀναγκάζω μανθάνειν λέγειν, ἀλλ᾽ εἴτις ἐμῇ ξυμβουλῇ κτησάμενος ἐκεῖνο, οὕτως ἐμὲ λαμβάνειν. Τὸ δ᾽ οὖν μέγα λέγω, ὡς ἄνευ ἐμοῦ τῷ τὰ ὄντα εἰδότι οὐδέν τι μᾶλλον ἔσται πείθειν τέχνῃ. Οὐκοῦν δίκαια ἐρεῖ λέγουσα ταῦτα;
hat, das Reden bei mir zu erlernen sondern wer mich um Rath fragt wird sich erst jene erwerben und dann sich mit mir einlaßen. Ich behaupte nun daß ohne mich, auch der welcher die richtigsten Einsichten hat, dennoch nicht im Stande sein wird durch Kunst zu überreden.“ Und hätte sie nicht ganz recht, wenn sie so spräche? Ph. Ich gebe es zu, wenn nur die Gründe, die ihr zu Hilfe kommen, den Beweis führen können, daß sie eine Kunst ist. Denn ich glaube andre zu hören, welche herbeikommen
ΦΑΙ. Φημί, ἐὰν οἵ γε ἐπιόντες αὐτῇ λόγοι μαρτυρῶσιν εἶναι τέχνῃ. Ὥσπερ γὰρ ἀκούειν δοκῶ τινων προσιόντων καὶ διαμαρτυρομένων
2f ἀλλ᾽ εἴτις ἐμῇ ξυμβουλῇ κτησάμενος ἐκεῖνο, οὕτως ἐμὲ λαμβάνειν] Heindorf Ed.Berlin 1816 (Bekker) | ἀλλ᾽ εἴτις ἐμῇ ξυμβουλῇ χρῆται, κτησάμενος ἐκεῖνο οὕτως ἐμὲ λαμβάνει Ed.Genf 1578 (Stephanus), Annot. S. 63 (bei Heindorf z. St., S. 297), übersetzt SN 154 W1 | ἀλλ᾽ εἴ τις ἐμὴ ξυμβουλή κτησάμενος ἐκεῖνο, οὕτως ἐμὲ λαμβάνει W2 Anm. 57 (darin λαμβάνει aus einigen Hss. nach Bekker: Comm. 1 1823, S. 28 [68,13]), übersetzt W2 8–298,2 ἐὰν… τριβή] dem Sokrates als Sprecher zugewiesen Heindorf z. St. (S. 298 f.), als Worte des Sokrates übersetzt W1 W2, vgl. W2 Anm. 58
T 7–9 nicht im Stande sein wird durch Kunst zu überreden] über die Geschiklichkeit zu überreden haben wird 9 überreden] danach hochgestellt Anm.-Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 48 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5)
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kannten das Reden zu lernen, sondern wer meinem Rathe folgt, der wird erst, nachdem er jene erworben, auch mich dazu nehmen. Das aber sage ich laut, daß ohne mich auch der, welcher das Wahre weiß, nicht verstehen wird kunstmäßig zu überreden. Hätte sie nun nicht ganz recht, wenn sie dieses spräche?
kundigen das Reden zu ler|nen, sondern gilt mein Rath,57 so nimmt, wer jene erworben, dann auch mich dazu. Das aber behaupte ich, daß ohne mich auch der das Wahre weiß, nicht verstehen wird kunstmäßig zu überreden. Hätte sie nun nicht ganz recht, wenn sie dieses spräche?
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PH. Ich gestehe es. SOK. Wenn nur die gegen sie auftretenden Reden ihr werden gelten lassen, daß sie eine Kunst ist. Denn ich glaube einige herbeikommen
PH. Ich gestehe es. SOK. Wenn nur58 die gegen sie auftretenden Reden ihr werden gelten lassen, daß sie eine Kunst ist. Denn ich glaube einige herbeikommen
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S 2 wer meinem Rathe folgt] hergestellt von Spalding nach Heindorfs hsl. Note zur Druckvorlage: SN 183/5, f. 2r: „ειτις εμη ξυμβουλη – Soll das sein Si qua mea est auctoritas? Das ist unerhört. Plato braucht immer so ξυμβουλῃ τινος od. ξυμβουλῳ τινι χρησθαι, wie auch Wyttenb. ad Plutarch. anmerkt. Und zu λαμβανειν müßte man doch sehr hart aus αναγκαζω ein ganz anders Wort, ξυμβουλευω, nehmen. [Dazu Spalding mit Einfügungszeichen: „Hiernach habe ich geändert.“] Bei dem μεγα λεγειν hat mich Hemsterh. Autorität verführt. Cf. Not. ad Hipp. Mai. § 34, wo ich klüger war.“ Wyttenbach zu Plutarch: nicht nachgewiesen. Zu μέγα λέγειν vgl. Heindorf z. St. (S. 297) (mit Hemsterhuys), dagegen Heindorf zu Hippias maior 295a (Ed.Berlin 1802), S. 160.
g i l t m e i n R a t h . Da das χρῆται was Stephanus vorschlägt sich noch nicht gefunden hat, sondern nur das λαμβάνει: so nimmt die Uebersezung bis auf weiteres an, es habe gestanden εἴ τις ἐμὴ ξυμβουλή. 58 W e n n n u r etc. Gegen alle Ausgaben und Handschriften, welche hier den Phaidros fortreden lassen, gebe ich diese Worte mit Heindorf dem Sokrates. – Nach den Worten ein ganz kunstloses Handw e r k folgen im griechischen noch diese: Eine ächte Kunst des Redens a b e r o h n e d i e Wa h r h e i t e r griffen zu ha|ben, sagt der S p a r t a n e r, giebt es nicht, noch wird es sie auch jemals g e b e n . Diese Worte kann ich noch immer nicht für platonische halten; die Gründe hat Heindorf ausgeführt.
T Anm. 57 19 εἴ] ἔι verdruckt W2 Anm. 58 33 ausgeführt.] danach Sie stehen indeß hier für den Liebhaber. getilgt Bearb., da offenbar versehentlich aus Anm. 63 hierher geraten S 2 gilt mein Rath] nach einer in W2 Anm. 57 genannten Variante in einigen Handschriften bei Bekker (vgl. Spalte 1 App.)
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λόγων, ὅτι ψεύδεται καὶ οὐκ ἔστι τέχνη, ἀλλ᾽ ἄτεχνος τριβή. Τοῦ δὲ λέγειν, φησὶν ὁ Λάκων, ἔτυμος τέχνη ἄνευ τοῦ ἀληθείας ἧφθαι οὔτ᾽ ἔστιν οὔτε μήποτε ὑστέρως γένηται. Τούτων δὴ τῶν λόγων, ὦ Σώκρατες, ἀλλὰ δεῦρο αὐτοὺς παράγων ἐξέταζε, τί καὶ πῶς λέγουσι. ΣΩ. Πάριτε δὴ θρέμματα γενναῖα, καλλίπαιδά τε Φαῖδρον πείθετε, ὡς, ἂν μὴ ἱκανῶς φιλοσοφήσῃ, οὐδὲ ἱκανός ποτε λέγειν ἔσται περὶ οὐδενός. Ἀποκρινέσθω δὴ ὁ Φαῖδρος, ἐρωτᾶτε· ἆρ᾽ οὐ τὸ μὲν ὅλον ἡ ῥητορικὴ ἂν εἴη τέχνη ψυχαγωγία τις διὰ λόγων, οὐ μόνον ἐν δικαστηρίοις καὶ ὅσοι ἄλλοι δημόσιοι σύλλογοι, ἀλλὰ καὶ ἐν ἰδίοις ἡ αὐτή,
und sagen, sie lüge, und sie sei keine Kunst, sondern nur eine sehr kunstlose Empirie. Diese Behauptungen Sokrates widerlege erst. — Bringe sie also zur Stelle und frage sie aus, was und wie sie es eigentlich meinen.
2–5 Τοῦ…γένηται] athetiert Schleiermacher (bei Heindorf z. St., S. 298), vgl. W2 Anm. 58, fehlt in der Übersetzung SN 154 W1 W2, übersetzt W2 Anm. 58 6f Τούτων δὴ τῶν λόγων, ὦ Σώκρατες,] Heindorf, übersetzt SN 154 | Τούτων δὴ τίνων λόγων, ὦ Σώκρατες; Heindorf z. St. (S. 298 f.), übersetzt W1 | Τούτων δεῖ τῶν λόγων, ὦ Σώκρατες. Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 29 [69,1], 9 θρέμübersetzt W2, vgl. W2 Anm. 59 ματα γενναῖα] fehlt in der Übersetzung W1, vgl. W1 Anm. 42 14 ἐρωτᾶτε] als Einwurf des Phaidros Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 29 [69,7], als solcher übersetzt W2, vgl. W2 Anm. 61 | ἆρ᾽ οὐ] ἆρ᾽ οὖν οὐ Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 29 [69,8], übersetzt W2
So. So kommt denn her ihr schönen Kinder, und überzeugt den schönen Phaidros, daß wofern er nicht tüchtig philosophiert, er auch über nichts tüchtig wird reden können. Phaidros soll antworten, fragt ihn nur. — Sollte nicht die Redekunst im Allgemeinen eine Kunst sein die Seele durch Worte zu leiten, nicht nur in den Gerichtshöfen oder wo sonst öffentlich gesprochen wird, sondern sollte es nicht völlig die-
T 3 Empirie] danach hochgestellt Anm.Zeichen Schleiermachers: x), durch Anm.Ziffer 49 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 4 Strich vor Bringe] waagerechter Strich auf Höhe der Zeile, offensichtlich kein Gedankenstrich, vielleicht Markierung eines möglichen Sprecherwechsels 14 Sollte] über Würde | Strich vor Würde ] waagerechter Strich auf Höhe der Zeile, offensichtlich kein Gedankenstrich, vielleicht Markierung eines möglichen Sprecherwechsels 14f die Redekunst im Allgemeinen] umgestellt aus im Allgemeinen die Redekunst 19 sollte] über würde
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und behaupten zu hören, daß sie lügt, und daß sie keine Kunst ist, sondern ein ganz kunstloses Handwerk. PH. Was doch für Reden, o Sokrates? Bringe sie nur zur Stelle und frage sie aus, was doch und wie sie es meinen. SOK. Kommt also her, und überredet den Vater schöner Kinder42, Phädros, daß wenn er nicht gründlich philosophirt, er auch niemals gründlich über irgend etwas reden wird. Phädros soll antworten, und ihr fragt: Ist nicht überhaupt die Redekunst die Seelenleitung durch Reden, nicht nur in Gerichtshöfen und was sonst für Volksversammlungen, sondern dieselbe auch
und behaupten zu hören, daß sie lügt, und daß sie keine Kunst ist, sondern ein ganz kunstloses Handwerk. PH. Diese Reden brauchen wir59 o Sokrates. Bringe sie denn zur Stelle und frage sie aus, was doch und wie sie es meinen. SOK. Kommt also her, ihr hübschen Kinderchen, und überredet den Vater schöner Kinder60, Phaidros, daß wenn er nicht gründlich philosophirt, er auch niemals gründlich über irgend etwas reden wird. Phaidros also soll antworten. PH. Fragt denn.61 SOK. Ist also nicht überhaupt die Redekunst eine Seelenleitung durch Reden, nicht nur in Gerichtshöfen und was sonst für öffentlichen Versammlungen, sondern dieselbe auch
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d e n Va t e r s c h ö n e r K i n d e r. So heißt Phädros wegen der Reden welche er veranlaßt, wie oben Lysias der Vater der Reden genannt wurde. – Wegen des kurz zuvor ausgelassenen θρέμματα γενναῖα schwöre ich mich in das Armenrecht, froh genug mich | das erstemal so leidlich mit dem bösen Worte abgefunden zu haben.
S Anm. 42 S. o. S. 273,35 (Lysias als Vater der Rede). Mit dem bösen Worte sind offenbar die θρέμματα (in der Regel auf Junge von Tieren bezogen) gemeint. Heindorfs hsl. Note zur Druckvorlage: SN 183/5, f. 2r: „P. 261. θρεμματα γενναια A r t i g e K i n d e r ?“ Dazu Spalding: „Ich habe nichts gesezt. Hndfs Vorschlag geht schon nicht wegen ‚Vater schöner Kinder‘.“
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D i e s e R e d e n b r a u c h e n w i r. Warum soll man nicht in schlimmer Sache die Hülfe auch weniger Handschriften annehmen, welche δεῖ lesen statt δὴ? 60 d e n Va t e r s c h ö n e r K i n d e r. So heißt Phaidros wegen der Reden welche er veranlaßt, wie oben Lysias der Vater der Reden genannt wurde. 61 F r a g t d e n n . Jedem muß wohl, zumal nach dem ἀποκρινέσθω δὴ gefallen, daß diese Worte abgeschnitten dem Phaidros gegeben werden.
T Anm. 59 25 δὴ] διί verdruckt W2 Anm. 61 31 ἀποκρινέσθω] ἀποκρινέςθω verdruckt W2 S 5 Diese Reden brauchen wir] nach Bekker wie Spalte 1 App. 16 Fragt denn.] nach Bekker wie Spalte 1 App. 17 also] nach Bekker wie Spalte 1 App. S Anm. 60 S. o. S. 273,35–275,1 (Lysias als Vater der Rede).
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Phaidros Ed. Heindorf
Erste Fassung (handschriftlich)
σμικρῶν τε καὶ μεγάλων πέρι, καὶ οὐδὲν ἐντιμότερον τόγε ὀρθὸν περὶ σπουδαῖα ἢ φαῦλα γιγνόμενον; ἢ πῶς σὺ ταῦτ᾽ ἀκήκοας;
selbe Kunst sein auch in häuslichen Angelegenheiten, und über kleine Gegenstände eben so wie über große? Und ist nicht das Richtige grade eben so achtungswerth in geringfügigen als in wichtigen Dingen? Oder was hast du hierüber gehört? Ph. Dieses keineswegs, beim Zeus. Sondern es wird eigentlich nach der Kunst nur geredet und geschrieben in Rechtssachen, geredet auch wol in Volksverhandlungen. Weiter habe ich nicht gehört, daß sie sich erstreke. So. Wie? Hast du denn nur von Nestors und Odysseus Anweisungen zur Redekunst etwas gehört, die sie vor Troja in müßigen Stunden ausgearbeitet haben, und von der des Palamedes gar nichts? Ph. Ich beim Zeus auch nicht von Nestors. Wenn du nicht etwa den Gorgias zum Nestor machen willst
ΦΑΙ. Οὐ μὰ τὸν Δία οὐ παντάπασιν οὕτως, ἀλλὰ μάλιστα μέν πως περὶ τὰς δίκας λέγεται καὶ γράφεται τέχνῃ, λέγεται δὲ καὶ περὶ δημηγορίας· ἐπὶ πλέον δὲ οὐκ ἀκήκοα. ΣΩ. Ἀλλ᾽ ἦ τὰς Νέστορός τε καὶ Ὀδυσσέως τέχνας μόνον περὶ λόγων ἀκήκοας, ἃς ἐν Ἰλίῳ σχολάζοντε συνεγραψάτην, τῶν δὲ Παλαμήδους ἀνήκοος γέγονας; ΦΑΙ. Καὶ ναὶ μὰ Δία ἔγωγε τῶν Νέστορος, εἰ μὴ Γοργίαν Νέστορά
8 τέχνῃ] konj. Schleiermacher Heindorf (mit Heindorf z. St., S. 300) Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt SN 154 W1 W2 | τέχνη textus receptus (z. B. Ed.Zweibrücken 1787 [Bipontina])
T 1 sein] über der Zeile mit Einfügungszeichen 2 kleine] danach vier unentzifferte Buchstaben gestrichen 9 es] über sie 9f nach der Kunst nur geredet] über nur erklärt 10 geschrieben] danach hochgestellt Anm.-Zeichen Schleiermachers: x), durch Anm.-Ziffer 50 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 11 in] davor als eine Kunst | geredet] über und 20 nichts] danach hochgestellt Anm.-Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 51 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) – Hierzu hat Schleiermacher in seinen Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 344, Notat 7 folgende Stelle notiert: Suidae Lexicon, ed. L. Kuster, 1705, Bd. 3, S. 5 = Suda π 43 Adler, wo von einem Grammatiker aus Elea die Rede ist; vgl. jedoch später W1 Anm. 43.
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im gemeinen Leben und in kleinen sowol als großen Dingen, und um nichts vortreflicher das Richtige, ob es sich in großen oder in geringfügigen Dingen findet? Oder was hast du hierüber gehört? |
im gemeinen Leben und in kleinen sowohl als großen Dingen, und um nichts vortreflicher das Richtige, ob es große oder geringfügige Dinge betrifft? Oder was hast du hierüber gehört?
PH. Dieses, beim Zeus, keinesweges; sondern eigentlich wird nur in Rechtsverhandlungen nach der Kunst gesprochen und geschrieben, dann spricht man auch so in Volksreden, weiteres aber habe ich nicht gehört. SOK. Hast du denn nur von des Nestor und Odysseus Anweisungen zur Redekunst gehört, die sie vor Ilion müßiger Weile ausgearbeitet, von der des Palamedes aber hast du nichts gehört? PH. Ja, beim Zeus, ich auch nicht von Nestors, wenn du uns nicht den Gorgias als einen Nestor43 zurichten
PH. Beim Zeus dieses gar nicht; sondern eigentlich wird nur in Rechtsverhandlungen nach der Kunst gesprochen und geschrieben, dann spricht man auch so in Volksreden, weiteres aber habe ich nicht gehört. SOK. Hast du denn nur von des Nestor und Odysseus Anweisungen zur Redekunst gehört, | die sie vor Ilion müßiger Weile ausgearbeitet, von der des Palamedes aber hast du nichts gehört? PH. Ja, beim Zeus, ich auch nicht von Nestors, wenn du uns nicht den Gorgias als einen Nestor62 zurichten
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Den Gorgias als einen Nes t o r . Der Scholiast meint, Gorgias werde als ein Ehrwürdiger und Bejahrter dem Nestor verglichen. Sollte es nicht nächst dem Alter nur auf die reine Geschwäzigkeit gehen? Im folgenden ist der eleatische Palamedes ohne Zweifel Zenon; man sehe nur den Anfang des Parmenides. Die Aehnlichkeit des Tones könnte gar leicht Jemanden verführen zunächst an diesen zu denken; sie darf aber nicht gehört werden.
Den Gorgias als einen Nes t o r . Der Scholiast meint, Gorgias werde als ein Ehrwürdiger und Bejahrter dem Nestor verglichen. Sollte es nicht nächst dem Alter nur auf die reine Geschwäzigkeit gehen? Im folgenden ist der eleatische Palamedes ohne Zweifel Zenon; man sehe nur den Anfang des Parmenides. Die Aehnlichkeit des Tones könnte gar leicht Jemanden verführen zunächst an Parmenides selbst zu denken; sie darf aber nicht gehört werden.
S Anm. 43 Zum Vergleich von Gorgias aus Leontinoi (Redner und Sophist, ca. 480-380 v. Chr.) mit dem mythischen Greis Nestor s. Scholion z. St. S. 66 Ruhnken (= S. 85 Greene; S. 140 Cufalo) aus Heindorf z. St. (S. 300). Zum Vergleich von Zenon aus Elea (vorsokratischer Philosoph, 1. Hälfte 5. Jh. v. Chr.) mit dem mythischen Erfinder Palamedes s. Scholion z. St. ebd. aus Heindorf z. St. (S. 301) (vgl. Spalte 2 App.). Zenon erscheint auch in Platons Parmenides als dia-
S Anm. 62 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 43.
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Phaidros Ed. Heindorf
Erste Fassung (handschriftlich)
τινα κατασκευάζεις, ἤ τινα Θρασύμαχόν τε καὶ Θεόδωρον Ὀδυσσέα. ΣΩ. Ἴσως, ἀλλὰ γὰρ τούτους ἐῶμεν· σὺ δ᾽ εἰπέ, ἐν δικαστηρίοις οἱ ἀντίδικοι τί δρῶσιν; οὐκ ἀντιλέγουσι μέντοι; ἢ τί φήσομεν;
und vielleicht den Thrasymachos oder Theodoros zum Odysseus. | So. Vielleicht. Aber laß diese sein, und sage mir nur was thun denn die Partheien vor Gericht? Reden sie nicht gegen einander, oder wie sollen wir es nennen?
ΦΑΙ. Τοῦτ᾽ αὐτό.
Ph. Freilich reden sie gegen einander. So. Ueber das was recht oder unrecht ist? Ph. Ja. So. Also wer dieses nach der Kunst thut, der muß bewirken, daß dieselbe Sache denselben Menschen jezt recht, und wenn er will auch wieder unrecht erscheine. Ph. Was sonst? So. Und so auch in den öffentlichen Verhandlungen, daß dem Staat dasselbe jezt gut, und dann wieder als das Gegentheil vorkomme. Ph. Ganz recht. So. Und wißen wir nicht, daß der Eleatische Palamedes so kunstreich zu reden wußte, daß seinen Zuhörern die nemlichen Dinge ähnlich und unähnlich, Eins und Vieles beharrlich und fließend zu sein dünkten. Ph. Ja das ist bekannt. So. Also erstrekt sich diese Kunst des Gegenredens nicht bloß auf die Gerichtsstäten und die Volksver-
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T 27 nemlichen] darüber vielleicht mit Einfügungszeichen ein unentziffertes Wort 28f beharrlich] am Rand durch F. Schlegel statt in Ruhe über bleibend 29 fließend] darüber in Bewegung
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willst, oder den Thrasymachos und Theodoros als Odysseus. SOK. Vielleicht; doch diese wollen wir lassen. Du aber sage mir, was thun denn in der Gerichtsstätte die Parteien? Reden sie nicht gegen einander? oder wie sollen wir es nennen? PH. Gerade so.
willst, oder einen Thrasymachos und Theodoros als Odysseus. SOK. Vielleicht; doch diese wollen wir lassen. Du aber sage mir, was thun denn in der Gerichtsstätte die Parteien? Reden sie nicht doch gegen einander? oder wie sollen wir es nennen? PH. Gerade so.
SOK. Ueber das, was recht ist oder unrecht? PH. Ja. SOK. Wer nun dieses durch Kunst thut, wird der nicht machen, daß dieselbe Sache denselben Menschen jezt als recht erscheine, und wenn er will auch wieder als unrecht? PH. Wie anders? SOK. Und so auch in den Volksversammlungen, daß dem Staat dasselbe jezt gut dünke, jezt wieder im Gegentheil? PH. Allerdings. SOK. Und wissen wir nicht, daß der Eleatische Palamedes durch Kunst so redet, daß den Hörenden dasselbe ähnlich und unähnlich, Eins und Vieles, ruhig und bewegt sich zu zeigen dünkte?
SOK. Ueber das, was recht ist und unrecht? PH. Ja. SOK. Wer nun dieses durch Kunst thut, wird der nicht machen, daß dieselbe Sache denselben Menschen jezt als recht erscheine, und wenn er will auch wieder als unrecht? PH. Wie anders? SOK. Und so auch in den Volksversammlungen, daß dem Staat dasselbe jezt gut dünke, jezt wieder das Gegentheil? PH. So freilich. SOK. Und wissen wir nicht vom Eleatischen Palamedes, daß er durch Kunst so redet, daß den Hörenden dasselbe ähnlich und unähnlich erscheint, Eins und Vieles, ruhig und bewegt?
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PH. Sehr wohl. SOK. Nicht also nur auf die Gerichtsstätten | erstrekt sich die Kunst des Gegenredens und auf die Volks-
PH. Allerdings. SOK. Nicht also nur auf die Gerichtsstätten erstrekt sich die Kunst des Gegenredens und auf die Volks-
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S 28 ruhig] Die Korrektur F. Schlegels in SN 154 ist nicht in W1 übernommen (vgl. Spalte 2 App.). S Forts. Anm. 43 lektisch versierter Philosoph. Den Vergleich von Parmenides aus Elea (vorsokratischer Philosoph, spätes 6./1. Hälfte 5. Jh. v. Chr.) mit Palamedes, der sich wegen des ähnlichen Wortklanges nahelegen könnte, weist Schleiermacher zurück.
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Erste Fassung (handschriftlich)
δημηγορίαν, ἀλλ᾽, ὡς ἔοικε, περὶ πάντα τὰ λεγόμενα μία τις τέχνη, εἴπερ ἔστιν, αὕτη ἂν εἴη, ἥτις οἵατ᾽ ἔσται πᾶν παντὶ ὁμοιοῦν τῶν δυνατῶν, καὶ οἷς δυνατόν, καὶ ἄλλου ὁμοιοῦντος καὶ ἀποκρυπτομένου εἰς φῶς ἄγειν.
handlungen sondern wie es scheint wird in dem ganzen Gebiet des Redens dieses die einzige Kunst sein – wenn es andres nun giebt – welche im Stande wäre Alles vor Allen möglichen Menschen Allen möglichen Dingen ähnlich vorzustellen, und wenn ein Andrer etwas auf diese Art verähnlicht und verbirgt den Unterschied wieder ans Licht zu bringen. Ph. Wie meinst du das eigentlich? So. Ich glaube wenn wir es folgendergestalt aufsuchen wird es uns offenbar werden. Findet Täuschung eher zwischen solchen Dingen statt welche viel, oder solchen welche wenig von einander unterschieden sind? Ph. In solchen welche wenig voneinander abweichen. So. Nemlich durch kleine Uebergänge kannst du eher unvermerkt zum Entgegengesezten geführt werden als durch große.
ΦΑΙ. Πῶς δὴ τὸ τοιοῦτον λέγεις; ΣΩ. Τῇδε δοκῶ ζητοῦσι φανεῖσθαι. Ἀπάτη πότερον ἐν πολὺ διαφέρουσι γίγνεται μᾶλλον ἢ ὀλίγον;
ΦΑΙ. Ἐν τοῖς ὀλίγον. ΣΩ. Ἀλλὰ δὴ κατὰ σμικρὸν μεταβαίνων μᾶλλον λήσεις ἐλθὼν ἐπὶ τὸ ἐναντίον, ἢ κατὰ μέγα. ΦΑΙ. Πῶς δ᾽ οὔ; ΣΩ. Δεῖ ἄρα τὸν μέλλοντα ἀπατήσειν μὲν ἄλλον, αὐτὸν δὲ μὴ ἀπατήσεσθαι, τὴν ὁμοιότητα τῶν ὄντων καὶ ἀνομοιότητα ἀκριβῶς διειδέναι. ΦΑΙ. Ἀνάγκη μὲν οὖν. ΣΩ. Ἦ οὖν οἷός τε ἔσται, ἀλήθειαν ἀγνοῶν ἑκάστου, τὴν τοῦ ἀγνοουμένου ὁμοιότητα μικράν τε καὶ μεγάλην ἐν τοῖς ἄλλοις διαγιγνώσκειν; ΦΑΙ. Ἀδύνατον. ΣΩ. Οὐκοῦν τοῖς παρὰ τὰ ὄντα
Ph. Natürlich. So. Wer also andre hintergehen, selbst aber nicht hintergangen werden will, der muß die Aehnlichkeiten und Unähnlichkeiten in den Dingen genau kennen. Ph. Nothwendig. | So. Wer nun die wahre Beschaffenheit eines Dinges nicht kennt, wird der wol unterscheiden können, was an andern Dingen diesem ihm unbekannten Dinge mehr oder weniger ähnlich ist? Ph. Unmöglich. So. Also nicht wahr, denen welche
T 2 wird] über ist dieses 3 dieses die einzige] über eine und dieselbe | sein] über der Zeile mit Einfügungszeichen 15 werden.] korr. aus werden ?
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versammlung, sondern für alles was geredet wird, wäre nur eine Kunst, wenn es eine giebt, diejenige nämlich, welche im Stande ist jedes Ding jedem, dem es nur möglich ist, allen möglichen ähnlich darzustellen, und was ein Anderer so verähnlichend verbirgt, ans Licht zu bringen.
versammlung, sondern wie es scheint für alles was geredet wird, gäbe es, wenn es eine giebt, nur diese eine Kunst, wenn jemand im Stande ist jedes Ding jedem, dem es nur möglich ist, allem möglichen ähnlich dar|zustellen, und was ein Anderer so verähnlichend verbirgt, ans Licht zu bringen.
PH. Wie eigentlich meinst du dieses? SOK. Also den Forschenden, glaub’ ich, erscheint es. Entsteht Täuschung eher zwischen dem, was viel von einander unterschieden ist oder wenig?
PH. Wie eigentlich meinst du dieses? SOK. Also den Forschenden, glaub’ ich, erscheint es. Entsteht Täuschung eher zwischen dem, was viel von einander unterschieden ist oder wenig?
PH. In dem was wenig.
PH. In dem was wenig.
SOK. Daher wenn du immer nur um ein weniges übergehst, du leichter Andern unvermerkt zum Gegentheil gelangen wirst, als wenn um ein vieles. PH. Wie sollte ich nicht! SOK. Es muß also, wer Andere zwar täuschen will, selbst aber nicht getäuscht werden, die Aehnlichkeit der Dinge und ihre Unähnlichkeit genau kennen. PH. Nothwendig. SOK. Wird er aber wohl im Stande sein, wenn er die wahre Beschaffenheit eines jeden Dinges nicht kennt, die größere oder geringere Aehnlichkeit mit diesem unbekannten in andern Dingen zu unterscheiden? PH. Unmöglich. SOK. Und nicht wahr? denen, wel-
SOK. Aber du wirst doch, wenn du immer nur um ein weniges übergehst, leichter Andern unvermerkt zum Gegentheil gelangen, als wenn um vieles. PH. Wie sollte ich nicht! SOK. Es muß also, wer Andere zwar täuschen will, selbst aber nicht getäuscht werden, die Aehnlichkeit der Dinge und ihre Unähnlichkeit genau kennen. PH. Nothwendig. SOK. Wird er aber wohl im Stande sein, wenn er die wahre Beschaffenheit eines jeden Dinges nicht kennt, die größere oder geringere Aehnlichkeit mit diesem unbekannten in andern Dingen zu unterscheiden? PH. Unmöglich. SOK. Und nicht wahr? denen, wel-
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Phaidros Ed. Heindorf
Erste Fassung (handschriftlich)
δοξάζουσι καὶ ἀπατωμένοις, δῆλον, ὡς τὸ πάθος τοῦτο δι᾽ ὁμοιοτήτων τινῶν εἰσερρύη.
mit der Wahrheit nicht übereinstimmende Meinungen haben und betrogen werden begegnet dieses vermöge irgend einer Aehnlichkeit? Ph. So muß es zugehn. So. Kann also wol diese Kunst Andere durch Aehnlichkeiten nach und nach vom Wahren hinweg und bis zum Gegentheil hinzuführen, oder auch sich selbst vor einer falschen Verführung zu hüten, demjenigen zu Gebote stehn, der die eigentliche Beschaffenheit seines Gegenstandes nicht kennt? Ph. Nimmermehr. So. Wer also die Wahrheit nicht erblikt, wer nur Meinungen aufgezeigt hat, der, lieber Freund, wird, wie es scheint eine lächerliche und gar unkünstliche Redekunst haben.
ΦΑΙ. Γίγνεται οὖν οὕτως. ΣΩ. Ἔστιν οὖν, ὅπως τεχνικὸς ἔσται μεταβιβάζειν κατὰ σμικρόν, δι᾽ ὁμοιοτήτων ἀπὸ τοῦ ὄντος ἑκάστοτε ἐπὶ τοὐναντίον ἀπάγων, ἢ αὐτὸς τοῦτο διαφεύγειν, ὁ μὴ ἐγνωρικὼς ὃ ἐστιν ἕκαστον τῶν ὄντων;
ΦΑΙ. Οὐ μήποτε. ΣΩ. Λόγων ἄρα τέχνην, ὦ ἑταῖρε, ὁ τὴν ἀλήθειαν μὴ εἰδώς, δόξας δὲ τεθηρευκώς, γελοίαν τινά, ὡς ἔοικε, καὶ ἄτεχνον παρέξεται. ΦΑΙ. Κινδυνεύει. ΣΩ. Βούλει οὖν ἐν τῷ Λυσίου λόγῳ, ὃν φέρεις, καὶ ἐν οἷς ἡμεῖς εἴπομεν, ἰδεῖν τι ὧν φαμεν ἀτέχνων τε καὶ ἐντέχνων εἶναι; ΦΑΙ. Πάντων γέ που μάλιστα, ὡς νῦν γε ψιλῶς πως λέγομεν, οὐκ ἔχοντες ἱκανὰ παραδείγματα. ΣΩ. Καὶ μὴν κατὰ τύχην γέ τινα, ὡς ἔοικεν, ἐρρηθήτην τὼ λόγω, ἔχοντε τὶ παράδειγμα, ὡς ἂν ὁ εἰδὼς τὸ ἀληθὲς προσπαίζων ἐν λόγοις παράγοι τοὺς ἀκούοντας. Καὶ ἔγωγε, ὦ Φαῖδρε, αἰτιῶμαι τοὺς ἐντοπίους θεούς· ἴσως δὲ καὶ οἱ τῶν Μουσῶν προφῆται οἱ ὑπὲρ κεφαλῆς ᾠδοὶ
4 οὖν] γοῦν Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 29 [71,19], übersetzt W2
Ph. So scheint es. So. Wollen wir nun etwa an der Rede des Lysias welche du bei dir hast, und an denen, welche wir selbst gehalten haben, sehen, was wir daran kunstgerecht und was rein kunstlos zu nennen haben? Ph. Sehr gern: Wir sprechen ohnedies jetzt so troken weg und es mangeln uns die nöthigen Beispiele. So. Recht glüklich trift es sich, daß diese beiden Reden gesprochen worden sind, die doch ein Beispiel enthalten wie der welcher das Rechte weiß, spielend mit seinen Reden die Zuhörer verleiten kann. Ich, lieber Phaidros schreibe das allen den hier wohnenden Göttern zu. Vielleicht haben auch die über unsern Häup-
T 2f und betrogen werden] am Rand mit Einfügungszeichen 9 hinzuführen] danach hochgestellt Anm.-Ziffer 52 von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5)
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che anders als etwas ist darüber urtheilen und sich täuschen, hat sich dies offenbar durch irgend eine Aehnlichkeit eingeschlichen? PH. So geht es zu damit. SOK. Kann also wohl diese Kunst, immer bei wenigem durch Aehnlichkeiten von dem, was | jedesmal wahr ist, abzuleiten, und so zum Gegentheil hinzuführen oder sich selbst davor zu hüten, derjenige besizen, der nicht erkannt hat, was jedes in Wahrheit ist?
che sich etwas anders vorstellen als es ist, und sich täuschen, hat sich dies offenbar durch irgend eine Aehnlichkeit eingeschlichen? PH. So geht es wohl zu damit. SOK. Kann also wohl diese Kunst, immer bei wenigem durch Aehnlichkeiten von dem, was jedesmal wahr ist, abzuleiten, und so zum Gegentheil hinzuführen oder sich selbst davor zu hüten, derjenige besizen, der nicht erkannt hat, was jedes in Wahrheit ist?
PH. Niemals. SOK. Wer also die Wahrheit nicht weiß, und nur Meinungen nachgejagt hat, der, lieber Freund, wird, wie es scheint, eine gar lächerliche und unkünstliche Redekunst zusammenbringen. PH. So wird es wohl sein. SOK. Willst du nun, daß wir an des Lysias Rede, die du bei dir hast, und an den von uns gesprochenen zusehen, was wir darin kunstlos und kunstmäßig nennen wollen?
PH. Niemals. SOK. Wer also die Wahrheit nicht weiß, | und nur Meinungen nachgejagt hat, der, lieber Freund, wird, wie es scheint, eine gar lächerliche und unkünstliche Redekunst zusammenbringen. PH. So wird es wohl sein. SOK. Willst du nun, daß wir in des Lysias Rede, die du bei dir hast, und in den von uns gesprochenen etwas sehen von dem was wir als kunstlos sezen, und was als kunstmäßig?
PH. Sehr gern, zumal wir izt so troken hin geredet haben ohne hinreichende Beispiele. SOK. Und recht durch gutes Glük, wie es scheint, sind diese zwei Reden gesprochen worden, welche ein Beispiel enthalten, wie der, welcher das Richtige weiß, spielend in Reden die Zuhörer verleiten kann. Und ich, o Phädros, schreibe dieses den hier wohnenden Göttern zu. Vielleicht auch, daß die Dienerinnen
PH. Sehr gern, zumal wir izt so trokken hin geredet haben ohne hinreichende Beispiele. SOK. Und recht durch gutes Glük, wie es scheint, sind diese zwei Reden gesprochen worden, welche ein Beispiel enthalten, wie der, welcher das Richtige weiß, spielend in Reden die Zuhörer verleiten kann. Und ich, o Phaidros, schreibe dieses den hier wohnenden Göttern zu. Vielleicht auch, daß die Dienerinnen
S 5 wohl] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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Phaidros Ed. Heindorf
Erste Fassung (handschriftlich)
ἐπιπεπνευκότες ἂν ἡμῖν εἶεν τοῦτο τὸ γέρας. Οὐ γάρ που ἔγωγε τέχνης τινὸς τοῦ λέγειν μέτοχος.
tern singenden Dienerinnen der Musen es uns so eingegeben. Denn ich selbst verstehe doch nichts von irgend einer Kunst zu reden.
ΦΑΙ. Ἔστω ὡς λέγεις, μόνον δήλωσον ὃ φῄς. ΣΩ. Ἴθι δή μοι ἀνάγνωθι τὴν τοῦ Λυσίου λόγου ἀρχήν. ΦΑΙ. Περὶ μὲν τῶν ἐμῶν πραγμάτων ἐπίστασαι, καὶ ὡς νομίζω συμφέρειν ἡμῖν τούτων γενομένων, ἀκήκοας. Ἀξιῶ δὲ μὴ διὰ τοῦτο ἀτυχῆσαι ὧν δέομαι, ὅτι οὐκ ἐραστὴς ὢν σοῦ τυγχάνω. Ὡς ἐκείνοις μὲν τότε μεταμέλει ὧν ἂν εὖ ποιήσωσιν, ἐπειδὰν τῆς ἐπιθυμίας παύσωνται.
ΣΩ. Παῦσαι. Τί δὴ οὖν οὗτος ἁμαρτάνει καὶ ἄτεχνον ποιεῖ, λεκτέον· ἦ γάρ; ΦΑΙ. Ναί. ΣΩ. Ἆρ᾽ οὖν οὐ παντὶ δῆλον τόγε τοιόνδε, ὡς περὶ μὲν ἔνια τῶν τοιούτων ὁμονοητικῶς ἔχομεν, περὶ δ᾽ ἔνια στασιαστικῶς;
Ph. Das mag sein wie du willst. Erkläre mir, was du meinst. So. So lies mir dann den Anfang von der Rede des Lysias. Ph. „Was mich anbetrift, so weißt du bereits das nöthige und hast gehört, wie sehr ich glaube, daß es uns zuträglich sein würde, wenn dieses zu Stande käme. Ich begehre nur, daß du mich nicht etwa deshalb mit meiner Bitte abweisen mögest, weil ich mich erkläre nicht dein Liebhaber zu sein denn diese pflegt das Gute, welches sie erwiesen haben zu gereuen sobald ihre Begierde erloschen ist.“ So. Halt ein. Wollen wir nun sehn, was er hier | verfehlt und ohne alle Kunst vorgebracht hat? Ph. Ja. So. Ist es nicht Jedem einleuchtend, daß wir über Einiges übereinstimmen, über Anderes von einander abweichen?
14–16 ὧν…παύσωνται] fehlt Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 30 [73,3], fehlt in der Übersetzung W2, vgl. W2 Anm. 63 17–19 Τί δὴ οὖν οὗτος ἁμαρτάνει καὶ ἄτεχνον ποιεῖ, λεκτέον· ἦ γάρ;] τί δὴ οὖν οὗτος ἁμαρτάνει καὶ ἄτεχνον ποιεῖ; λεκτέον. ἦ γάρ; Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W2
T 1 Dienerinnen] über Verkundigerinnen 22 er hier] über dieser 23 vorgebracht] über gemacht | hat?] korr. aus hat., danach Nicht wahr 27f abweichen] danach hochgestellt Anm.-Ziffer 53 von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5)
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der Musen, die Sänger über unsern Häuptern uns diese Gabe eingehaucht haben. Denn ich habe doch an keiner Kunst des Redens irgend Antheil. PH. Dies sei wie du sagst; nur mache deutlich was du meinst. SOK. So komm denn, und lies mir von des Lysias Rede den Anfang. PH. Von dem, was mich anbetrift, bist du unterrichtet, und wie ich glaube, es werde uns zuträglich sein, daß dieses zu Stande komme, hast du gehört. Ich fordere aber nur, nicht etwa deshalb zu verfehlen, was ich bitte, weil | ich mich erkläre, nicht dein Liebhaber zu sein. Da eben jene zu gereuen pflegt, was sie Gutes erwiesen haben, sobald ihre Begierde gestillt ist.
der Musen, die Sänger über unsern Häuptern uns diese Gabe eingehaucht haben. Denn ich habe doch an keiner Kunst des Redens irgend Antheil. PH. Dies sei wie du sagst; nur mache deutlich was du meinst. SOK. So komm denn, und lies mir von des Lysias Rede den Anfang. PH. Von dem, was mich anbetrift, bist du unterrichtet, und wie ich glaube, es werde uns zuträglich sein, daß dieses zu Stande komme, hast du gehört. Ich wünsche aber, nicht etwa deshalb zu verfehlen, was ich bitte, weil ich nicht zu deinen Liebhabern gehöre. Da eben jene zu gereuen pflegt.63
SOK. Still! Worin also dieser fehlt und kunstlos verfährt, sollen wir sagen, nicht wahr? PH. Ja. SOK. Ist nun nicht dieses Jedem einleuchtend, daß über einige solche Dinge wir ganz einstimmig sind, über andere abweichend?
SOK. Halt inne! Worin also fehlt dieser und verfährt kunstlos? das sollen wir sagen, nicht wahr? PH. Ja. | SOK. Ist nun nicht dieses Jedem einleuchtend, daß über einige solche Dinge wir einstimmig sind, über andere uneinig? 63
z u g e r e u e n p fl e g t . Die Worte die sonst hier noch folgten aus der Rede sind gestrichen auf das nicht zu verwerfende fast einstimmige Zeugniß der Bekkerschen Handschriften. Sie stehen indeß hier für den Liebhaber.
T Anm. 63 31f Sie stehen indeß hier für den Liebhaber.] hier ergänzt aus Anm. 58 Bearb., da offenbar versehentlich dorthin geraten; vielleicht auch nur eine gar nicht für den Druck bestimmte Randglosse S 17f zu gereuen pflegt] nach Bekker wie Spalte 1 App. 20f das sollen wir sagen] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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Phaidros Ed. Heindorf
Erste Fassung (handschriftlich)
ΦΑΙ. Δοκῶ μὲν ὃ λέγεις μανθάνειν, ἔτι δ᾽ εἰπὲ σαφέστερον.
Ph. Ich glaube wol zu verstehen was du meinst, mache mir es aber doch noch deutlicher. So. Wenn Jemand das Wort Eisen oder Silber ausspricht stellen wir uns dabei nicht Alle das Nemliche vor? Ph. Allerdings. So. Wie aber wenn Jemand sagt gerecht oder gut, schweift dann nicht der Eine hier der andere dorthin mit seinen Gedanken, und sind wir nicht unter einander, und auch wol mit uns selbst uneins? Ph. Ja wohl. So. Ueber Einiges also stimmen wir überein, über Anderes nicht. Ph. So ist es. So. Wo also werden wir am leichtesten zu täuschen sein und wo wird die Redekunst am Meisten ausrichten können? Ph. Offenbar da, wo wir nicht fest sind. So. Wer sich also auf die Redekunst legen will muß dies erst gehörig von einander absondern und sich eines unterscheidenden Merkmals beider Arten von Vorstellungen bemächtigen, der worin die Menschen ihrer Sache gewiß sind, und der, worin sie es nicht sind. Ph. Der hätte einen schönen Begrif aufgefaßt, der dies gefunden hätte.
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ΣΩ. Ὅταν τις ὄνομα εἴπῃ σιδήρου ἢ ἀργύρου, ἆρ᾽ οὐ τὸ αὐτὸ πάντες διενοήθημεν;
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ΦΑΙ. Καὶ μάλα. ΣΩ. Τί δ᾽, ὅταν δικαίου ἢ ἀγαθοῦ; οὐκ ἄλλος ἄλλῃ φέρεται, καὶ ἀμφισβητοῦμεν ἀλλήλοις τε καὶ ἡμῖν αὐτοῖς;
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ΦΑΙ. Πάνυ μὲν οὖν. ΣΩ. Ἐν μὲν ἄρα τοῖς συμφωνοῦμεν, ἐν δὲ τοῖς οὔ. ΦΑΙ. Οὕτω. ΣΩ. Ποτέρωθι οὖν εὐαπατητότεροί ἐσμεν, καὶ ἡ ῥητορικὴ ἐν ποτέροις μεῖζον δύναται; ΦΑΙ. Δῆλονότι ἐν οἷς πλανώμεθα.
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ΣΩ. Οὐκοῦν τὸν μέλλοντα τέχνην ῥητορικὴν μετιέναι πρῶτον μὲν δεῖ ταῦτα ὁδῷ διῃρῆσθαι, καὶ εἰληφέναι τινὰ χαρακτῆρα ἑκατέρου τοῦ εἴδους, ἐν ᾧ τε ἀνάγκη τὸ πλῆθος πλανᾶσθαι καὶ ἐν ᾧ μή. ΦΑΙ. Καλὸν γοῦν ἄν, ὦ Σώκρατες, εἶδος εἴη κατανενοηκὼς ὁ τοῦτο λαβών. ΣΩ. Ἔπειτά γε οἶμαι πρὸς ἑκάστῳ γιγνόμενον μὴ λανθάνειν ἀλλ᾽ ὀξέως αἰσθάνεσθαι, περὶ οὗ ἂν μέλλῃ ἐρεῖν, ποτέρου ὂν τυγχάνει τοῦ γένους.
So. Dann glaube ich muß er, wenn er es mit einem bestimmten Falle zu thun hat, sich nicht irren sondern genau unterscheiden zu welcher von beiden Arten dasjenige gehört worüber er zu reden hat.
T 35 muß] über wird Gegenstande
36 Falle] über
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Phaidros 1. Auflage
Phaidros 2. Auflage
PH. Ich dünke mich zwar zu verstehen, was du meinst, doch aber sage es noch deutlicher. SOK. Wenn Jemand das Wort Eisen oder Silber ausspricht, denken wir dabei nicht Alle dasselbige?
PH. Ich glaube zwar zu verstehen, was du meinst, doch aber sage es noch deutlicher. SOK. Wenn Jemand das Wort Eisen oder Silber ausspricht, denken wir dabei nicht Alle dasselbige?
PH. Gewiß. SOK. Wie aber wenn gerecht oder gut? Wendet sich da nicht der eine hier der andere dorthin, und sind wir nicht uneinig unter einander und mit uns selbst?
PH. Gewiß. SOK. Wie aber wenn gerecht oder gut? Wendet sich da nicht der eine hier der andere dorthin, und sind wir nicht uneinig unter einander und mit uns selbst?
PH. Allerdings. SOK. In einigem also stimmen wir überein, in anderem nicht. PH. So ist es. SOK. In welchen aber von beiden werden wir täuschbarer sein, und in welchen also die Redekunst am meisten vermögen? PH. Offenbar wo wir unstätt sind.
PH. Allerdings. SOK. In einigem also stimmen wir überein, in anderem nicht. PH. So ist es. SOK. In welchen aber von beiden werden wir täuschbarer sein, und in welchen also die Redekunst am meisten vermögen? PH. Offenbar wo wir unstätt sind.
SOK. Wer also der Redekunst nachgehen will, muß diese beiden zuerst rein und gehörig von einander getrennt haben, und sich eines Charakters beider Gattungen bemächtiget, der, worin die Menge unstätt sein muß, und der, worin nicht.
SOK. Wer uns also eine Redekunst bringen soll, muß diese beiden zuerst rein und gehörig von einander getrennt haben, und sich eines Kennzeichens beider Gattungen bemächtiget, der, worin die Menge unstätt sein muß, und der, worin nicht.
PH. Einen schönen Begriff, o Sokrates, hätte der aufgefaßt, der sich dieses bemächtiget hätte. | SOK. Dann, glaube ich, muß er sich, wenn ihm ein bestimmter Fall vorliegt, nicht irren, sondern das genau erkennen, worüber er reden will, zu welcher von beiden Gattungen es gehört.
PH. Einen schönen Begriff, o Sokrates, hätte der aufgefaßt, der sich dieses bemächtiget hätte. SOK. Dann, glaube ich, muß er sich, wenn ihm ein bestimmter Fall vorliegt, nicht irren, sondern das genau erkennen, worüber er reden will, zu welcher von beiden Gattungen es gehört.
S 26 Charakters] kritisiert von Rez.Anon., in: Neue Leipziger Literaturzeitung 90. Stück, 1806, Sp. 1430; verändert in W2
S 26 Kennzeichens] verändert ggb. W1 nach Rez.Anon. (1806) (wie zu W1)
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Phaidros Ed. Heindorf
Erste Fassung (handschriftlich)
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ΦΑΙ. Τί μήν; ΣΩ. Τί οὖν; τὸν Ἔρωτα πότερον φῶμεν εἶναι τῶν ἀμφισβητησίμων ἢ τῶν μή; ΦΑΙ. Τῶν ἀμφισβητησίμων δήπου. ΣΩ. Ἢ οἴει ἄν σοι ἐγχωρῆσαι εἰπεῖν, ἃ νῦν δὴ εἶπες περὶ αὐτοῦ, ὡς βλάβη τέ ἐστι τῷ ἐρωμένῳ καὶ ἐρῶντι καὶ αὖθις, ὡς μέγιστον τῶν ἀγαθῶν τυγχάνει;
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ΦΑΙ. Ἄριστα λέγεις. ΣΩ. Ἀλλ᾽ εἰπὲ καὶ τόδε, ἐγὼ γάρ τοι διὰ τὸ ἐνθουσιαστικὸν οὐ πάνυ μέμνημαι, εἰ ὡρισάμην ἔρωτα ἀρχόμενος τοῦ λόγου.
Ph. Was würde es ihm sonst helfen. So. Wie nun? Wollen wir die Liebe zu den zweifelhaften Begriffen nehmen oder zu den andern? Ph. Unbedenklich zu den zweifelhaften. So. Oder würde sie dir sonst wol zugelaßen haben so von ihr zu sprechen wie du wirklich von ihr gesprochen hast, einmal daß sie für den Geliebten sowol als den Liebenden ein Uebel, und dann wieder daß sie das Größte unter allen Gütern ist. Ph. Sehr richtig. So. Sage mir aber doch auch – denn ich kann mich der Begeisterung wegen, in der ich war, deßen nicht recht entsinnen – ob ich am Anfange der Rede die Liebe gehörig erklärt habe? | Ph. Ja wol, und beim Zeus gar vortreflich. So. Sieh da! wieviel kunstreicher im Reden sind also, nach dem was du sagst, die Nymphen des Acheloos und Pan der Sohn des Hermes als Lysias der Sohn des Kephalos. Oder habe ich Unrecht, und hat etwa auch Lysias im Anfang seiner Liebesrede uns genöthiget die Liebe für
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ΦΑΙ. Νὴ Δία, ἀμηχάνως γε ὡς σφόδρα. ΣΩ. Φεῦ, ὅσῳ λέγεις τεχνικωτέρας Νύμφας τὰς Ἀχελώου καὶ Πᾶνα τὸν Ἑρμοῦ Λυσίου τοῦ Κεφάλου πρὸς λόγους εἶναι! ἢ οὐδὲν λέγω, ἀλλὰ καὶ ὁ Λυσίας ἀρχόμενος τοῦ ἐρωτικοῦ ἠνάγκασεν ἡμᾶς ὑπολαβεῖν τὸν Ἔρωτα ἕν τι τῶν ὄντων, ὃ
6–10 Ἢ…τυγχάνει] dem Phaidros als Sprecher zugewiesen Heindorf z. St. (S. 305 f.) Ed.Berlin 1816 (Bekker), als Worte des Phaidros übersetzt W1, vgl. 11 Ἄριστα λέγεις] schon W2 Anm. 64 dem Sokrates als Sprecher zugewiesen Heindorf z. St. (S. 305 f.) Ed.Berlin 1816 (Bekker), schon als Worte des Sokrates übersetzt W1, vgl. W2 Anm. 64
T 2–4 die Liebe zu den zweifelhaften Begriffen nehmen] korr. aus sagen daß die Liebe zu den zweifelhaften Begriffen gehöre
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Phaidros 1. Auflage
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PH. Wie anders? SOK. Wie also die Liebe? wollen wir sagen, sie gehöre zu den zweifelhaften oder zu den andern? PH. Zu den zweifelhaften ohne weiteres. Oder meinst du, sie würde dir sonst zugelassen haben zu sagen, was du eben von ihr sagtest, erst daß sie ein Verderben wäre für den Geliebten und den Liebenden, und dann wieder, daß sie das größte wäre unter allen Gütern?
PH. Wie anders? SOK. Wie also die Liebe? wollen wir sagen, sie gehöre zu den zweifelhaften oder zu den andern? | PH. Zu den zweifelhaften ohne weiteres. SOK. Oder würde sie64 dir sonst wohl zugelassen haben zu sagen, was du eben von ihr sagtest, erst daß sie ein Verderben wäre für den Geliebten und den Liebenden, und dann wieder, daß sie das größte wäre unter allen Gütern?
SOK. Sehr richtig gesprochen. Aber sage mir auch dieses, denn ich kann mich der Begeisterung wegen dessen nicht mehr recht erinnern, ob ich die Liebe erklärt habe im Anfange der Rede?
PH. Sehr richtig gesprochen. SOK. Aber sage mir auch dieses, denn ich kann mich der Begeisterung wegen dessen nicht mehr recht erinnern, ob ich die Liebe erklärt habe im Anfange der Rede?
PH. Beim Zeus, und nicht zu sagen, wie gut. SOK. Sieh da! wieviel kunstreicher in Reden sind nach dem, was du sagst, die Nymphen des Acheloos und Pan, der Sohn des Hermes, als Lysias, der Sohn des Kephalos! Oder sage ich nichts, sondern hat auch Lysias im Anfange seiner Liebesrede uns genöthiget, die Liebe für Ein be-
PH. Beim Zeus, und nicht zu sagen, wie gut. SOK. Sieh da! wieviel kunstreicher in Reden sind nach dem, was du sagst, die Nymphen des Acheloos, und Pan der Sohn des Hermes, als Lysias der Sohn des Kephalos! Oder sage ich nichts, sondern hat auch Lysias im Anfange seiner Liebesrede uns genöthiget, die Liebe für Ein be64
O d e r w ü r d e s i e . Freilich sonderbar, daß hier Sokrates dem Phaidros die Rede zuschreibt, und zwar nicht die erste nur sondern auch die andere, zumal er gleich wieder wechselt, und dies giebt allerdings der Veränderung der Perso|nen welche Heindorf vorschlägt nicht wenig Gewicht; doch habe ich nicht gewagt sie gradehin aufzunehmen.
T 2 Wie also die Liebe?] Wie also die Liebe, W1 S. 143, Interpunktion korr. im Druckfehler-Verzeichnis W1 S. 413
T 2 Wie also die Liebe?] Wie also die Liebe, W2 S. 142, Interpunktion jedoch schon korr. im Druckfehler-Verzeichnis W1 S. 413
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Phaidros Ed. Heindorf
Erste Fassung (handschriftlich)
αὐτὸς ἐβουλήθη, καὶ πρὸς τοῦτο ἤδη συνταξάμενος πάντα τὸν ὕστερον λόγον διεπεράνατο; Βούλει πάλιν ἀναγνῶμεν αὐτοῦ τὴν ἀρχὴν;
etwas bestimmtes, und zwar wofür er wollte anzunehmen? und hat er seine ganze Rede hernach in Beziehung auf diese Erklärung durchgeführt? Sollen wir seinen Anfang noch einmal lesen? Ph. Wenn du meinst! aber was du suchst steht nicht drin. So. Lies nur lieber, damit ich ihn selbst höre. Ph. „Was mich anbetrift, so weißt du bereits das Nöthige, und hast gehört, wie sehr ich glaube, daß es uns zuträglich sein würde wenn dieses zu Stande käme. Ich begehre nur, daß du mich nicht etwa deshalb mit meiner Bitte abweisen mögest, weil ich mich erkläre nicht dein Liebhaber zu sein. Denn diese pflegt das Gute welches sie erwiesen haben zu gereuen, sobald ihre Begierde erloschen ist.“ So. Ja, da scheint freilich viel zu fehlen daß er das thun sollte was wir verlangen, da er überhaupt nicht einmal vom Anfange sondern vom Ende an rükwärts die Rede durchschwimmen will und da anfängt, womit der Liebhaber die Rede an seinen Liebling beschloßen haben
ΦΑΙ. Εἰ σοί γε δοκεῖ· ὃ μέντοι ζητεῖς, οὐκ ἔστ᾽ αὐτόθι. ΣΩ. Λέγε, ἵνα ἀκούσω αὐτοῦ ἐκείνου. ΦΑΙ. Περὶ μὲν τῶν ἐμῶν πραγμάτων ἐπίστασαι, καὶ ὡς νομίζω συμφέρειν ἡμῖν τούτων γενομένων, ἀκήκοας. Ἀξιῶ δὲ μὴ διὰ τοῦτο ἀτυχῆσαι ὧν δέομαι, ὅτι οὐκ ἐραστὴς ὢν σοῦ τυγχάνω. Ὡς ἐκείνοις μὲν τότε μεταμέλει ὧν ἂν εὖ ποιήσωσιν, ἐπειδὰν τῆς ἐπιθυμίας παύσωνται.
ΣΩ. Ἦ πολλοῦ δεῖν ἔοικε ποιεῖν ὅδε γε ὃ ζητοῦμεν, ὃς οὐδὲ ἀπ᾽ ἀρχῆς ἀλλ᾽ ἀπὸ τελευτῆς ἐξ ὑπτίας ἀνάπαλιν διανεῖν ἐπιχειρεῖ τὸν λόγον, καὶ ἄρχεται ἀφ᾽ ὧν πεπαυμένος ἂν ἤδη ὁ ἐραστὴς λέγοι πρὸς τὰ παι-
T 25 verlangen] korr. aus verlangen d
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Phaidros 1. Auflage
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stimmtes, welches er selbst wollte, anzunehmen, und hiernach den ganzen Verfolg seiner Rede angeordnet? Willst du, daß wir seinen Anfang noch einmal lesen?
stimmtes, welches er selbst wollte, anzunehmen, und hiernach den ganzen Verfolg seiner Rede angeordnet? Willst du, daß wir seinen Anfang noch einmal lesen?
PH. Wenn du es meinst. Was du jedoch suchst, steht nicht da. SOK. Lies nur, damit ich ihn selbst höre. PH. Von dem, was mich anbetrift, bist du unterrichtet, und wie ich glaube, es werde uns zuträglich sein, daß dieses zu Stande komme, | hast du gehört. Ich fordere aber nur, nicht etwa deshalb zu verfehlen, was ich bitte, weil ich mich erkläre, nicht dein Liebhaber zu sein. Da eben jene zu gereuen pflegt, was sie Gutes erwiesen haben, sobald ihre Begierde gestillt ist.
PH. Wenn du es meinst. Was du jedoch suchst, steht nicht da. SOK. Lies nur, damit ich ihn selbst höre. PH. Von dem, was mich anbetrift, bist du unterrichtet, und wie ich glaube, es werde uns zuträglich sein, daß dieses zu Stande komme, hast du gehört. Ich wünsche aber, nicht etwa deshalb zu verfehlen, was ich bitte, weil ich nicht zu deinen Liebhabern gehöre. Da eben jene dann zu gereuen pflegt, was sie Gutes erwiesen haben, sobald ihre Begierde gestillt ist.
SOK. Ja, viel scheint freilich zu fehlen, daß dieser das thun sollte, was wir verlangen, der nicht einmal vom Anfang,44 sondern vom Ende an rükwärts die Rede durchschwimmen will, und da anfängt, wo der Liebhaber schon könnte aufgehört haben zu seinem Liebling zu reden.
SOK. Ja, viel scheint freilich zu fehlen, daß dieser das thun sollte, was wir verlangen, der nicht einmal vom Anfang,65 sondern vom Ende an rükwärts die Rede durchschwimmen will, und | da anfängt, wo der Liebhaber schon könnte aufgehört haben zu seinem Liebling zu reden.
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der nicht einmal vom Anf a n g etc. Dieser Tadel möchte den Lysias wohl nur halb treffen, so nämlich daß er hier absichtlich gefehlt hat. Denn offenbar sezt er voraus, ein Theil der Rede sei schon gesprochen, worin wahrscheinlich der Bittende seine Person und persönlichen Verhältnisse dem Geliebten angepriesen. Dennoch bleibt immer der Gedanke wunderlich und dessen, der wirklich überzeugen will, unwürdig, daß dieses Besondere dem Allgemeinen habe vorangehen gesollt.
der nicht einmal vom Anf a n g etc. Dieser Tadel möchte den Lysias wohl nur halb treffen, so nämlich daß er hier absichtlich gefehlt hat. Denn offenbar sezt er voraus, ein Theil der Rede sei schon gesprochen, worin wahrscheinlich der Bittende seine Person und persönlichen Verhältnisse dem Geliebten angepriesen. Dennoch bleibt immer der Gedanke wunderlich und dessen, der wirklich überzeugen will, unwürdig, daß dieses Besondere dem Allgemeinen habe vorangehen gesollt.
S Anm. 44 Vgl. Heindorf z. St. (S. 307).
S Anm. 65 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 44.
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Phaidros Ed. Heindorf
Erste Fassung (handschriftlich)
δικά. Ἢ οὐδὲν εἶπον, Φαῖδρε, φίλη κεφαλή; ΦΑΙ. Ἔστι γέ τοι δή, Σώκρατες, τελευτή, περὶ οὗ τὸν λόγον ποιεῖται. ΣΩ. Τί δὲ; τἆλλα οὐ χύδην δοκεῖ βεβλῆσθαι τὰ τοῦ λόγου; ἢ φαίνεται τὸ δεύτερον εἰρημένον ἔκ τινος ἀνάγκης δεύτερον δεῖν τεθῆναι, ἤ τι ἄλλο τῶν ῥηθέντων; Ἐμοὶ μὲν γὰρ ἔδοξεν ὡς μηδὲν εἰδότι οὐκ ἀγεννῶς τὸ ἐπιὸν εἰρῆσθαι τῷ γράφοντι. Σὺ δ᾽ ἔχεις τινὰ ἀνάγκην λογογραφικήν, ᾗ ταῦτα ἐκεῖνος οὕτως ἐφεξῆς παράλληλα ἔθηκε;
würde? Oder ist dies wieder nichts gesagt du liebes Herz? Ph. Es ist freilich nur das Ende wovon er redet. So. Und wie? Scheint dir nicht auch alles übrige in der Rede unordentlich durcheinander geworfen zu sein? Oder hat das was bisher das Zweite ist aus irgend einem Grunde nothwendig das Zweite sein müßen? Oder irgend einer von den folgenden Punkten? Denn mir, wie ich denn nichts verstehe, schien es als ob der Schriftsteller recht vornehm sagte, was ihm eben einfiel. Weißt du aber irgend eine rednerische Nothwendigkeit aufzuzeigen, weshalb er die Sache grade so nacheinander gestellt hat? Ph. Du bist sehr gutmüthig, daß du mir zutraust ich könnte Lysias Arbeit so genau beurtheilen. So. Das aber mußt du doch auch sagen, glaube ich, daß jede Rede wie ein lebendiges Wesen, das einen eigenthümlichen Leib hat, zusammengesezt sein muß, so daß sie weder ohne Kopf noch ohne Fuß sein darf,
ΦΑΙ. Χρηστὸς εἶ, ὅτι με ἡγῇ ἱκανὸν εἶναι τὰ ἐκείνου οὕτως ἀκριβῶς διϊδεῖν. ΣΩ. Ἀλλὰ τόδε γε οἶμαί σε φάναι ἄν, δεῖν πάντα λόγον ὥσπερ ζῶον συνεστάναι, σῶμά τι ἔχοντα αὐτὸν αὑτοῦ, ὥστε μήτε ἀκέφαλον εἶναι
T 2 liebes Herz] kritisiert von F. Schlegel in dem Brief vom 26.10.1801: KGA V/5, Nr. 1115, 8 20 gutmüthig] über gut
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Phaidros 1. Auflage
Phaidros 2. Auflage
Oder war dies wieder nichts gesagt, Phädros, edelster Freund45? PH. Es ist freilich wohl nur das Ende, Sokrates, worüber er redet. SOK. Und wie? alles übrige in der Rede, scheint es nicht unordentlich durcheinander geworfen? oder ist deutlich, daß das Zweite aus irgend einem Grunde habe das zweite sein müssen? oder irgend eines von den folgenden Stükken? Denn mir schien er, als wüßte er eigentlich nichts, ganz vornehm gesagt zu haben, was ihm eben einfiel. Hast du aber vielleicht irgend eine rednerische Nothwendigkeit aufzuzeigen, warum der Mann dieses so in der Ordnung nach einander gestellt hat? PH. Du bist sehr gut, daß du mich dafür hältst, ich könne Jenes Arbeit so genau beurtheilen. SOK. Aber dieses, glaube ich, wirst du doch auch behaupten, daß eine Rede wie ein lebendes Wesen müsse gebaut sein und ihren eigenthümlichen Körper haben, so daß sie weder ohne Kopf ist, noch ohne Fuß,
Oder war dies wieder nichts gesagt, Phaidros, edelster Freund66? PH. Freilich wohl ist das nur das Ende, Sokrates, worüber er redet. SOK. Und wie? alles übrige in der Rede, scheint es nicht unordentlich durcheinander geworfen? oder ist deutlich, daß das Zweite aus irgend einem Grunde habe das zweite sein müssen? oder irgend eines von den folgenden Stükken? Mir wenigstens scheint der Schreiber, als wüßte er eigentlich nichts, ganz vornehm gesagt zu haben, was ihm eben einfiel. Hast du aber vielleicht irgend eine rednerische Nothwendigkeit aufzuzeigen, warum der Mann dieses so in der Ordnung nach einander gestellt hat? PH. Du bist sehr gut, daß du mir zutrauest, Jenes Arbeit so genau zu beurtheilen. SOK. Aber dieses, glaube ich, wirst du doch auch behaupten, daß eine Rede wie ein lebendes Wesen müsse gebaut sein und ihren eigenthümlichen Körper haben, so daß sie weder ohne Kopf ist, noch ohne Fuß,
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Phädros, edelster Freund nach des Homeros Ilias VIII, 281. Teukros edelster Freund.
Phaidros, edelster Freund nach des Homeros Ilias VIII, 281. Teukros edelster Freund.
T Anm. 45 mit Gedankenstrich an Anm. 44 angeschlossen W1 S 11–14 Denn…einfiel] kritisiert von Rez.Anon., in: Neue Leipziger Literaturzeitung 90. Stück, 1806, Sp. 1431, dagegen im Sinne von W1 verstärkend verändert in W2 S Anm. 45 In der Übersetzung von Johann Heinrich Voß (Homers Ilias, 1793) lautet die Stelle: „Teukros, edelster freund“. – Vgl. die Kritik F. Schlegels an der Übersetzung in SN 154 (Spalte 2 App.).
T Anm. 66 mit Gedankenstrich an Anm. 65 angeschlossen W2 S Anm. 66 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 45.
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Phaidros Ed. Heindorf
Erste Fassung (handschriftlich)
μήτε ἄπουν, ἀλλὰ μέσα τε ἔχειν καὶ ἄκρα, πρέποντα ἀλλήλοις καὶ τῷ ὅλῳ γεγραμμένα.
sondern mittlere und äußere Theile haben muß die gegen einander und gegen das Ganze in einem schiklichen Verhältniß gearbeitet sind. Ph. Wie sollte ich nicht? So. So betrachte nun deines Freundes Rede ob sie so oder anders beschaffen ist, und du wirst sie gewiß um nichts beßer | finden als jenes Epigramm das auf Midas den Phrygier gemacht worden sein soll. Ph. Was für ein Epigramm meinst du? Und was für eine besondere Eigenschaft hat es? So. Es lautet so Bei des Midas Gebein lieg ich hier die eherne Jungfrau. /
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ΦΑΙ. Πῶς γὰρ οὔ; ΣΩ. Σκέψαι τοίνυν τὸν τοῦ ἑταίρου σου λόγον, εἴτε οὕτως εἴτε ἄλλως ἔχει, καὶ εὑρήσεις τοῦ ἐπιγράμματος οὐδὲν διαφέροντα, ὃ Μίδᾳ τῷ Φρυγί φασί τινὲς ἐπιγεγράφθαι.
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ΦΑΙ. Ποῖον τοῦτο, καὶ τί πεπονθός;
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ΣΩ. Ἔστι μὲν τοῦτο τόδε· Χαλκῆ παρθένος εἰμί, Μίδα δ᾽ ἐπὶ σήματι κεῖμαι, /
T 16–320,6 Bei…begraben] als Verse abgesetzt und eingerückt
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sondern eine Mitte hat und Enden, die gegen einander und gegen das Ganze in einem schiklichen Verhältniß gearbeitet sind. | PH. Wie sollte ich nicht? SOK. Betrachte also deines Freundes Rede, ob sie sich so oder anders verhält, und du wirst sie gewiß nicht verschieden finden von jener Aufschrift, welche auf Midas den Phrygier soll gemacht worden sein. PH. Was für eine Aufschrift, und was hat sie besonderes an sich?
sondern eine Mitte hat und Enden, die gegen einander und gegen das Ganze in einem schiklichen Verhältniß gearbeitet sind. PH. Wie sollte ich nicht? SOK. Betrachte also deines Freundes Rede, ob sie sich so oder anders verhält, und du wirst sie gewiß nicht verschieden finden von jener Aufschrift, welche auf Midas den Phrygier soll gemacht worden sein. PH. Was für eine Aufschrift, und was hat sie besonderes an sich?
SOK. Es ist diese: „Hier an des Midas Grab46 erblikst du mich eherne
SOK. Es ist diese: „Eherne Jungfrau bin ich67 und lieg an dem Grabe des
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H i e r a n d e s M i d a s G r a b . Alle Unterscheidungszeichen sollten aus dieser Aufschrift verbannt sein. Was die beiden vor den zwei lezten vom Platon ausgelassenen Zeilen betrifft, so bedürfen sie wahrscheinlich einer kleinen Veränderung, um auch in das Gesez des Gedichtes zu passen. Denn es ist aus mehreren Gründen nicht zu vermuthen daß Platon an dem Gedicht diese Eigenschaft nur zufällig sollte aufgefunden, noch weniger daß er sie ihm sollte angedichtet haben. Ob er sie nicht gekannt, oder der Kürze wegen ausgelassen, will ich nicht entscheiden.
S 14–321,1 Hier an des Midas Grab erblikst du mich eherne Jungfrau] kritisiert von Rez.Ast (1808), S. 126; Ast: Phaedr. 1810, S. 359; verändert in W2 S Anm. 46 Der Hinweis auf die Unterscheidungszeichen ist anscheinend eine für den Druck des Dialogs sowie auch des Druckfehlerverzeichnisses zu späte Korrektur (vgl. Rez.Boeckh [1808], S. 120 = [1872], S. 37), die jedoch auch in W2 nicht ausgeführt worden ist. Das zitierte Epigramm (Anthologia Palatina 7, 153) wird auch von Diogenes Laertios 1, 89 (dort unter dem Namen des
Eherne Jungfrau bin ich. Was die beiden vom Platon ausgelassenen Zeilen vor den zwei lezten betrifft: Bis die Sonne nicht mehr uns scheint, und der scheinende Mond nicht. Bis auch die Ströme nicht fließen und nicht mehr brausen die Wogen, so bedürfen diese wahrscheinlich einer kleinen Veränderung, um auch in das Gesez des Gedichtes zu passen. Denn es ist aus mehreren Gründen nicht zu vermuthen, daß Platon an dem Gedicht diese Eigenschaft nur zufällig sollte aufgefunden, noch weniger daß er sie ihm sollte angedichtet haben. Ob er diese Zeilen nicht gekannt, oder der Kürze wegen sie ausgelassen, will ich nicht entscheiden.
S 14–321,1 Eherne Jungfrau bin ich und lieg an dem Grabe des Midas] verändert ggb. W1 fast wörtlich nach Rez.Ast (1808); Ast: Phaedr. 1810 (wie zu W1) S Anm. 67 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 46. Zusätzlich gibt Schleiermacher die Übersetzung der zwei ausgelassenen Verse: ᾿Ηέλιός τ᾽ ἀνιὼν λάμπῃ λαμπρά τε σελήνη, / Καὶ ποταμοί γε ῥέωσιν ἀνακλύζῃ δὲ θάλασσα· (zitiert bei Heindorf z. St., S. 308)
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Phaidros Ed. Heindorf
Erste Fassung (handschriftlich)
Ὄφρ᾽ ἂν ὕδωρ τε νάῃ καὶ δένδρεα μακρὰ τεθήλῃ, / Αὐτοῦ τῇδε μένουσα, πολυκλαύτου ἐπὶ τύμβου, / Ἀγγελέω παριοῦσι Μίδας ὅτι τῇδε τέθαπται. Ὅτι δὲ οὐδὲν διαφέρει, αὐτοῦ πρῶτον ἢ ὕστατόν τι λέγεσθαι, ἐννοεῖς που, ὡς ἐγᾦμαι.
Bis nicht Waßer mehr fließt, nicht hohe Bäume mehr blühen / Muß ich verweilen allhier auf dem vielbethräneten Denkmal / daß der Wanderer erfahr wo Midas liege begraben. Daß es hier gar keinen Unterschied macht ob du bei dem ersten oder bei dem lezten Verse anfängst wirst du wol schon gemerkt haben. Ph. Du machst dich ja über unsere Rede lustig, Sokrates? So. Damit du nicht böse wirst wollen wir sie ganz laßen. Zwar ist gewiß noch andres drin wovon man großen Nuzen haben könnte wenn man es betrachtet, aber sehr schlechten wenn man versuchen wollte es nachzuahmen. Indeß laß uns zu den andern übergehen. Denn es war wie ich glaube etwas in ihnen, was diejenigen sich wol mer-
ΦΑΙ. Σκώπτεις τὸν λόγον ἡμῶν, ὦ Σώκρατες. ΣΩ. Τοῦτον μὲν τοίνυν, ἵνα μὴ σὺ ἄχθῃ, ἐάσωμεν· καίτοι συχνά γε ἔχειν μοι δοκεῖ παραδείγματα, πρὸς ἅ τις βλέπων ὀνίναιτ᾽ ἄν, μιμεῖσθαι αὐτὰ ἐπιχειρῶν μὴ πάνυ τι· εἰς δὲ τοὺς ἑτέρους λόγους ἴωμεν. Ἦν γάρ τι ἐν αὐτοῖς, ὡς δοκῶ, προσῆκον
T 6 begraben] danach hochgestellt Anm.Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 54 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 14 Zwar ist] korr. aus obgleich 15 drin] danach ist 19 nachzuahmen] danach hochgestellt Anm.-Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 55 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 19f Indeß laß uns] über und willens
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Jungfrau. Bis nicht Wasser mehr fließt, noch erblühn hochstämmige Bäume, Muß ich verweilen allhier an dem vielbethräneten Denkmal, Daß auch der Wanderer wisse, wo Midas liege begraben.“ Daß es nun bei diesem keinen Unterschied macht, was zuerst gelesen wird oder zulezt, dies merkst du doch, glaub’ ich. PH. Du verspottest ja unsere Rede, Sokrates. SOK. So wollen wir, damit du nicht verdrießlich wirst, diese ganz lassen, wiewol sie noch vielerlei zu enthalten scheint, worauf jemand achtend den großen Nuzen haben kann, daß er es nachzuahmen ja nicht unternehmen wird, und wollen zu den andern Reden gehn. Denn es war etwas in ihnen, was denen wohl zu
Midas. Bis nicht | Wasser mehr fließt, noch erblühn hochstämmige Bäume, Immer verweilend allhier an dem vielbethräneten Denkmal, Daß auch der Wanderer wisse, wo Midas liege begraben.“ Daß es nun bei diesem keinen Unterschied macht, was zuerst gelesen wird oder zulezt, dies merkst du doch, glaub’ ich.
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PH. Du verspottest ja unsere Rede, Sokrates. SOK. So wollen wir, damit du nicht verdrießlich wirst, diese ganz lassen, wiewol sie noch vielerlei zu enthalten scheint, worauf jemand achtend den großen Nuzen haben kann, daß er es nachzuahmen ja nicht unternehmen wird, und wollen zu den andern Reden gehn. Denn es war etwas in ihnen, was denen wohl zu
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S 3f Muß ich verweilen allhier an dem vielbethräneten Denkmal] kritisiert von Rez.Boeckh (1808), S. 120 = (1872), S. 37 und Rez.Ast (1808), S. 126; Ast: Phaedr. 1810, S. 359; verändert in W2 16 worauf jemand achtend] Heindorfs hsl. Note zur Druckvorlage: SN 183/5, f. 2r: „P. 264. προς ἁ τις βλεπων – Zum Spaß soll die Negation so nachhinken! Vielleicht stellt ein Cod. das μη πανυ τι vor επιχειρων. Wie die Codd. in der Wortstellung variiren, habe ich beim Gorgias gesehn; jetzt würde ich in einer Note diese Umstellung gerade zu vorschlagen.“ Dazu Spalding: „Solcher Umstellungen habe ich auch viele gefunden Qu. 4,2,128.“ Vgl. Georg Ludwig Spalding: M. Fabii Quintiliani de Institutione Oratoria Libri Duodecim [...] recensuit et annotatione explanavit [...], Bd. 2 (continens libros IV-VI), Leipzig 1803, S. 135. S Forts. Anm. 46 Kleobulos) überliefert. Dort folgen auf V. 2 noch zwei weitere, den Gedanken von V. 2 fortführende Verse (s. W2 Anm. 67 mit App. S). Diese genügen jedoch nicht dem Prinzip der Austauschbarkeit aller Verse. Vgl. Heindorf z. St. (S. 308 f.).
S 3f Immer verweilend allhier an dem vielbethräneten Denkmal] verändert ggb. W1 wörtlich nach Rez.Boeckh (1808), ähnlich auch Rez.Ast (1808); Ast: Phaedr. 1810 (wie zu W1)
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Erste Fassung (handschriftlich)
ἰδεῖν τοῖς βουλομένοις περὶ λόγων σκοπεῖν. ΦΑΙ. Τὸ ποῖον δὴ λέγεις; ΣΩ. Ἐναντίω που ἤστην. Ὁ μὲν γάρ, ὡς τῷ ἐρῶντι, ὁ δ᾽, ὡς τῷ μὴ δεῖ χαρίζεσθαι, ἐλεγέτην.
ken mögen, die sich auf die Redekunst legen wollen. Ph. Was meinst du denn? So. Sie waren doch einander entgegen, denn die eine behauptete, man müße dem Liebenden, die andere man müße dem Nichtliebenden zu willen sein. Ph. Und recht tapfer standen sie einander entgegen. So. Ich glaubte du würdest, der Wahrheit gemäß, sagen recht toll. Wenigstens ist es das, was ich suchte. Denn wir hatten ja gesagt die Liebe sei ein Wahnsinn. Nicht wahr? Ph. Ja. So. Und vom Wahnsinn sagten wir gebe es zwei Arten, der eine entsteht aus menschlicher Krankheit der andere durch eine von Gott bewirkte Aufhebung des gewöhnlichen Zustandes. Ph. So war es. So. Diesen göttlichen Wahnsinn theilten wir wiederum nach Vier verschiedenen Göttern in Vier Unterarten: die profetische Eingebung schrieben wir dem Apollon zu, die mystische dem Bakchos, die poetische den Musen, die vierte Art aber, nemlich den Wahnsinn der Liebe der Afrodite und dem Eros, und diesen erklärten wir für den vorzüglichsten, und indem wir diesen Zustand der Liebe, ich weiß nicht mehr recht wie, abbildeten – wobei wir
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ΣΩ. Ὤμην σε τἀληθὲς ἐρεῖν, ὅτι μανικῶς· ὃ μέντοι ἐζήτουν, ἔστιν αὐτὸ τοῦτο. Μανίαν γάρ τινα ἐφήσαμεν εἶναι τὸν Ἔρωτα· ἦ γάρ; ΦΑΙ. Ναί. ΣΩ. Μανίας δέ γε εἴδη δύο, τὴν μὲν ὑπὸ νοσημάτων ἀνθρωπίνων, τὴν δὲ ὑπὸ θείας ἐξαλλαγῆς τῶν εἰωθότων νομίμων γιγνομένην. ΦΑΙ. Πάνυ γε. ΣΩ. Τῆς δὲ θείας τεττάρων θεῶν τέτταρα μέρη διελόμενοι, μαντικὴν μὲν ἐπίπνοιαν Ἀπόλλωνος θέντες, Διονύσου δὲ τελεστικήν, Μουσῶν δ᾽ αὖ ποιητικήν, τετάρτην δὲ Ἀφροδίτης καὶ Ἔρωτος, ἐρωτικὴν μανίαν ἐφήσαμέν τε ἀρίστην εἶναι, καὶ οὐκ οἶδ᾽ ὅπῃ τὸ ἐρωτικὸν πάθος ἀπεικάζοντες, ἴσως μὲν ἀληθοῦς τινος
T 11 der] korr. aus die 12 toll] am linken Rand das Zeichen E für F. Schlegel zur Prüfung der Stelle (KGA V/5, Nr. 1030, 8 f.; vgl. zur Phaidros-Hs., S. XLV f.) 13 ist] korr. aus war 34f vorzüglichsten] danach und bildeten ich weiß nicht mehr recht wie den Zustand der Liebe ab, vielleicht etwas wahres treffend vielleicht auch anderswohin ablenkend. So haben wir
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beachten ziemt, welche über die Redekunst nachdenken wollen. PH. Welches meinst du denn? SOK. Sie waren doch einander entgegen. Denn sie behaupteten, eine, man müsse dem Liebenden, die andere, man müsse dem Nichtliebenden gefällig sein. PH. Und ganz tapfer beide.
beachten ziemt, welche über die Redekunst nachdenken wollen. PH. Welches meinst du denn? SOK. Sie waren doch einander entgegen. Denn sie behaupteten, eine, man müsse dem Verliebten, die andere, man müsse dem Nichtverliebten willfahren. PH. Und ganz tapfer beide.
SOK. Ich glaubte du würdest der Wahrheit gemäß sagen, ganz rasend. Was sie suchten wenigstens war eben dieses. Denn wir be|haupteten, die Liebe wäre eine Art von Raserei, nicht wahr? PH. Ja. SOK. Und vom Wahnsinn gäbe es zwei Arten, einen menschlichen aus Krankheit und einen durch eine von Gott bewirkte Aufhebung des gewöhnlichen Zustandes.
SOK. Ich glaubte du würdest der Wahrheit gemäß sagen, ganz wahnsinnig. Was sie jedoch suchten, ist eben dieses. Wir behaupteten ja, die Liebe sei eine Art von Wahnsinn, nicht wahr? PH. Ja. SOK. Und vom Wahnsinn gäbe es zwei Arten, die eine aus menschlicher Krankheit, die andere aus göttlicher Aufhebung des gewöhnlichen ordentlichen Zustandes.
PH. So war es. SOK. Den göttlichen theilten wir wiederum in vier Theile nach vier Göttern, indem wir den weissagenden Wahnsinn dem Apollon zuschrieben, dem Dionysos den der Einweihungen, den Musen den dichterischen, den vierten aber der Aphrodite und dem Eros, den Wahnsinn der Liebe nämlich, welchen wir für den besten erklärten, und ich weiß nicht mehr wie den Zustand der Liebe abbildend, wobei
PH. So war es. SOK. Den göttlichen theilten wir wiederum in vier Theile nach vier Göttern, indem wir den | weissagenden Wahnsinn dem Apollon zuschrieben, dem Dionysos den der Einweihungen, den Musen den dichterischen, den vierten aber der Aphrodite und dem Eros, den Wahnsinn der Liebe nämlich, welchen wir für den besten erklärten, und ich weiß nicht mehr wie den Zustand der Liebe abbildend, wobei
T 17 gäbe] gebe W1 S. 146, korr. im Druckfehler-Verzeichnis W1 S. 413
T 17 gäbe] gebe W2 S. 145, jedoch schon korr. im Druckfehler-Verzeichnis W1 S. 413
S 20f des gewöhnlichen Zustandes] kritisiert Ast: Phaedr. 1810, S. 359; verändert in W2
S 20f des gewöhnlichen ordentlichen Zustandes] verändert ggb. W1 nach Ast: Phaedr. 1810 (wie zu W1)
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Erste Fassung (handschriftlich)
ἐφαπτόμενοι, τάχα δ᾽ ἂν καὶ ἄλλοσε παραφερόμενοι, κεράσαντες οὐ παντάπασιν ἀπίθανον λόγον, μυθικόν τινα ὕμνον, προσεπαίσαμεν μετρίως τε καὶ εὐφήμως τὸν ἐμόν τε καὶ σὸν δεσπότην Ἔρωτα, ὦ Φαῖδρε, καλῶν παίδων ἔφορον.
vielleicht etwas wahres getroffen, vielleicht auch anderwärts hin abgelenkt haben – haben wir eine nicht ganz unwirksame Rede zusammengearbeitet und mit einem mythischen Hymnus deinen und meinen Herrn den Schuzgott schöner Knaben den Eros gar anständig und fromm angesungen.
ΦΑΙ. Καὶ μάλα ἐμοὶ μὲν οὐκ ἀηδῶς ἀκοῦσαι. ΣΩ. Τόδε τοίνυν αὐτόθεν λάβωμεν, ὡς ἀπὸ τοῦ ψέγειν πρὸς τὸ ἐπαινεῖν ἔσχεν ὁ λόγος μεταβῆναι. ΦΑΙ. Πῶς δὴ οὖν αὐτὸ λέγεις;
Ph. Ja, und ob mir eine rechte Wonne war zu hören. | So. Laß uns nun das daraus nehmen, wie die Rede vom Tadel zum Lobe übergehn konnte. Ph. Und wie meinst du, daß das geschehen ist? So. Alles übrige ist doch wol nur Scherz gewesen. Wenn aber Jemand zweierlei, was daß nur von ohngefähr vorgekommen ist recht gründlich und mit Kunst sich aneignen könnte, das wäre eine herrliche Sache.
ΣΩ. Ἐμοὶ μὲν φαίνεται τὰ μὲν ἄλλα τῷ ὄντι παιδιᾷ πεπαῖσθαι· τούτων δὲ τινῶν ἐκ τύχης ῥηθέντων δυοῖν εἰδοῖν εἰ αὐτὴν τὴν δύναμιν τέχνῃ λαβεῖν δύναιτό τις, οὐκ ἄχαρι.
3 ἀπίθανον λόγον] ἀπιθάνῳ λόγῳ konj. Schleiermacher W1 Anm. 47 W2 Anm. 68, übersetzt W1 W2 16f δυοῖν εἰδοῖν εἰ αὐτὴν] δυοῖν εἰδοῖν, εἰ αὐτοῖν Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 31 [78,18], übersetzt W2
T 19 was daß] vielleicht Schreibfehler, lies: was 20 vorgekommen ist] über gesagt worden
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wir vielleicht etwas richtiges getroffen haben, vielleicht auch anderwärts hin abgeschweift sind, vermischten wir mit einer47 ganz und gar nicht unglaublichen Rede einen mythischen Hymnos, und besangen so gar anständig und fromm deinen und meinen Herrn, den Eros, den Beschüzer schöner Knaben. PH. Ja, wie es mir gar nicht unerfreulich war zu hören. SOK. Nur das laß uns jedoch daraus nehmen, wie von dem Tadel die Rede herüberkam zum Loben. PH. Wie meinst du denn dieses?
wir vielleicht etwas richtiges getroffen haben, vielleicht auch anderwärts hin abgeschweift sind, vermischten wir mit einer68 nicht gar unglaublichen Rede einen mythischen Hymnos, und besangen so gar züchtig und fromm deinen und meinen Herrn, den Eros, den Beschüzer schöner Knaben.
SOK. Mir erscheint alles übrige in der That nur im Scherze gesprochen; nur wenn Jemand zweierlei, was jene Reden durch einen glüklichen Zufall gehabt haben, sich gründlich durch Kunst aneignen könnte, das wäre eine schöne Sache.
SOK. Mir erscheint alles übrige in der That nur im Scherze gesprochen; nur dies beides, was jene Reden durch einen glüklichen Zufall gehabt haben, wenn sich dessen Kraft einer gründlich durch Kunst aneignen könnte, wäre es eine schöne Sache.
PH. Ja, wie es mir gar nicht unerfreulich war zu hören. SOK. Dies laß uns denn daraus nehmen, wie von dem Tadel die Rede herüberkam zum Loben. PH. Wie meinst du es also?
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vermischten wir mit einer etc. Ich lese nämlich ἀπιθάνῳ λόγῳ statt ἀπίθανον λόγον und ziehe zusammen κεράσαντες λόγῳ ὕμνον.
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vermischten wir mit einer etc. Ich lese nämlich ἀπιθάνῳ λόγῳ statt ἀπίθανον λόγον und ziehe zusammen κεράσαντες λόγῳ ὕμνον. Das Wesen der Rede wird hierdurch vollkommen ausgedrükt, wogegen schwer zu glauben ist, daß ὕμνος als Apposition zu λόγος stehen sollte.
T Anm. 68 24 vermischten] vermischen verdruckt W2 S 18 dies beides] nach Bekker wie Spalte 1 App.
S Anm. 47 kritisiert von Rez.Ast (1808), S. 134 f. und Ast: Phaedr. 1810, S. 359; mit einem Zusatz versehen in W2 Anm. 68. Dazu schon Heindorfs hsl. Note zur Druckvorlage: SN 183/5, f. 2r: „P. 265. απιθανῳ λογῳ. Schön!“
S Anm. 68 Vgl. Spalte 1 App. Zusätzlich zu der schon in W1 Anm. 47 mitgeteilten Lesung der Stelle wendet sich Schleiermacher mit der angefügten Begründung implizit gegen Heindorf z. St. (S. 311) und Rez.Ast (1808) und Ast: Phaedr. 1810 (wie zu W1 Anm. 47).
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ΦΑΙ. Τίνων δή;
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ΣΩ. Εἰς μίαν τε ἰδέαν συνορῶντα ἄγειν τὰ πολλαχῆ διεσπαρμένα, ἵνα ἕκαστον ὁριζόμενος δῆλον ποιῇ, περὶ οὗ ἂν αἰεὶ διδάσκειν ἐθέλῃ· ὥσπερ τανῦν δὴ περὶ ἔρωτος, ὃ ἔστιν, ὁρισθέν εἴτ᾽ εὖ εἴτε κακῶς ἐλέχθη· τὸ γοῦν σαφὲς καὶ τὸ αὐτὸ αὑτῷ ὁμολογούμενον διὰ ταῦτα ἔσχεν εἰπεῖν ὁ λόγος.
ΦΑΙ. Τὸ δ᾽ ἕτερον δὴ εἶδος τί λέγεις, ὦ Σώκρατες; ΣΩ. Τὸ πάλιν κατ᾽ εἴδη δύνασθαι διατέμνειν, κατ᾽ ἄρθρα, ᾗ πέφυκε, καὶ μὴ ἐπιχειρεῖν καταγνύναι μέρος μηδέν, κακοῦ μαγείρου τρόπῳ χρώμενον· ἀλλὰ ὥσπερ ἄρτι τὼ λόγω τὸ μὲν ἄφρον τῆς διανοίας ἕν τι κοινῇ εἶδος ἐλαβέτην, ὥσπερ δὲ σώματος ἐξ ἑνὸς διπλᾶ καὶ ὁμώνυμα πέφυκε, σκαιὰ τάδε ἢ δεξιὰ κληθέντα, οὕτω καὶ τὸ τῆς παρανοίας ὡς ἓν ἐν ἡμῖν πεφυκὸς εἶδος ἡγησαμένω τὼ λόγω, ὁ μὲν τὸ ἐπ᾽ ἀριστερὰ τεμνόμενος μέρος πάλιν τοῦτο τέμνων οὐκ ἐπανῆκε, πρὶν ἐν αὐτοῖς ἐφευρὼν ὀνομαζόμενον σκαιόν τινα ἔρωτα ἐλοιδόρησε μάλ᾽ ἐν δίκῃ· ὁ δ᾽ εἰς τὰ δεξιὰ τῆς μανίας ἀγαγὼν
Erste Fassung (handschriftlich)
Ph. Was für zwei Stüke sind das doch? So. Daß man das hie und dort gestreute in Einen Begrif zusammenfaßte um jedes erklären und deutlich machen zu können worüber man eben Belehrung ertheilen will. So wie wir vorher von der Liebe erst nachdem wir eine Erklärung gegeben was sie sei, geredet haben, vielleicht gut vielleicht auch schlecht; wenigstens aber konnte unsere Rede nun doch etwas Bestimmtes und mit sich selbst übereinstimmendes vorbringen. Ph. Und das zweite, Sokrates? So. Daß man auch wieder den Begrif in seine Unterarten zertheilen könne, nach den Gelenken wie er von Natur gewachsen ist, ohne eins zu zerbrechen wie ein schlechter Koch. So nehmen unsere beiden Reden das des Verstandes beraubt sein als einen allgemeinen Begrif an, und so wie an unserem Körper gleichnamige Theile sich doppelt befinden, die wir linke und rechte nennen, eben auf die Art glaubten die Reden sei auch der Wahnsinn in uns vorhanden und daher nahm sich die eine den linken vor, und theilte diesen wieder, und ließ nicht eher damit nach, bis sie, daß ich so sage, eine linke Liebe darin fand welche sie dann sehr mit Recht schmähen konnte; die andere führte uns zu dem rechten Wahnsinn, und fand
T 8 erst] über der Zeile mit Einfügungszeichen 17 man] danach es 19 nach den Gelenken] davor gliederweise 23 das des] korr. aus daß den
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PH. Was doch für welches? |
PH. Was doch für welches?
SOK. Das überall zerstreute anschauend zusammenzufassen in eine Gestalt, um jedes genau zu bestimmen und deutlich zu machen, worüber er jedesmal Belehrung ertheilen will, so wie wir jezt eben von der Liebe erst nach gegebener Erklärung, was sie sei, vielleicht gut, vielleicht auch schlecht geredet haben, wenigstens daß unsere Rede etwas bestimmtes und mit sich selbst übereinstimmendes hervorbrachte, hatte sie von daher. PH. Und welches zweite meinst du, Sokrates? SOK. Eben so auch wieder nach Begriffen zertheilen zu können, gliedermäßig wie jedes gewachsen ist, ohne, wie etwa ein schlechter Koch verfahrend, irgend einen Theil zu zerbrechen. Sondern so wie eben unsere beiden Reden das des Verstandes beraubt sein als einen gemeinschaftlichen Begriff annahmen: und so wie aus unserm Leibe, als Einem, zweifache und gleichnamige Theile herauswachsen, welche als rechte und linke bezeichnet werden, eben so glaubten die Reden sei auch der Unsinn in uns vorhanden, und die eine nun nahm sich die linke Seite desselben zu theilen vor, und ließ nicht nach, sie wieder zu theilen, bis sie, daß ich so sage, eine linke Liebe darin auffand, welche sie sehr mit Recht schmähen konnte; die andere führte uns zu dem Wahn-
SOK. Das überall zerstreute anschauend zusammenzufassen in eine Gestalt, um jedes genau zu bestimmen und deutlich zu machen, worüber er jedesmal Belehrung ertheilen will, so wie wir jezt eben von der Liebe erst nach gegebener Erklärung, was sie sei, vielleicht gut, vielleicht auch schlecht geredet haben, wenigstens das bestimmte und mit sich selbst übereinstimmende hatte unsere Rede von daher.
T 23f das des Verstandes] des Verstandes W1 S. 147, korr. im Druckfehler-Verzeichnis 25 annahmen] annehmen W1 W1 S. 413 S. 147, korr. im Druckfehler-Verzeichnis W1 S. 413
PH. Und welches zweite meinst du, Sokrates? | SOK. Eben so auch wieder nach Begriffen zertheilen zu können, gliedermäßig wie jedes gewachsen ist, ohne etwa wie ein schlechter Koch verfahrend, irgend einen Theil zu zerbrechen. Sondern so wie eben unsere beiden Reden das Unverständige der Seele als Einen Begriff insgesammt auffaßten: und so wie aus unserm Leibe, als Einem, zweifache und gleichnamige Theile herauswachsen, welche als rechte und linke bezeichnet werden, eben so den Aberwiz in uns gleichsam gewachsen glaubend nahmen die Reden, die eine sich den links abgeschnittenen Theil und ließ nicht nach ihn weiter zu zerschneiden, bis sie, daß ich so sage, eine linke Liebe darin auffand, welche sie sehr mit Recht schmähen konnte; die andere führte uns zu dem Wahnsinn rechts,
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ἡμᾶς, ὁμώνυμον μὲν ἐκείνῳ, θεῖον δ᾽ αὖ τινα ἔρωτα ἐφευρὼν καὶ προτεινάμενος ἐπῄνεσεν, ὡς μεγίστων ἡμῖν αἴτιον ἀγαθῶν.
darin auch eine Liebe, aber eine göttliche malte uns diese aus und verherrlichte sie als die Ursach der größten Glükseligkeit.
ΦΑΙ. Ἀληθέστατα λέγεις. ΣΩ. Τούτων δὴ ἔγωγε αὐτός τε ἐραστής, ὦ Φαῖδρε, τῶν διαιρέσεων καὶ συναγωγῶν, ἵν᾽ οἷόστε ὦ λέγειν τε καὶ φρονεῖν, ἐάν τε τινὰ ἄλλον ἡγήσωμαι δυνατὸν εἰς ἓν καὶ ἐπὶ πολλὰ πεφυκότα ὁρᾷν, τοῦτον διώκω κατόπισθε μετ᾽ ἴχνιον ὥστε θεοῖο. Καὶ μέντοι καὶ τοὺς δυναμένους αὐτὸ δρᾷν εἰ μὲν ὀρθῶς ἢ μὴ προσαγορεύω, θεὸς οἶδε, καλῶ δὲ οὖν μέχρι τοῦδε διαλεκτικούς. Τὰ
Ph. Vollkommen richtig. So. Von diesem Eintheilen und Zusammenfassen bin ich ein großer Freund Phaidros weil ich nun vermittelst desselben denken und reden kann, und wenn ich einen andern für fähig halte zu sehn was zusammen gehört und was voneinander zu sondern ist, dem folg ich wie eines Unsterblichen Fußtritt. Ob ich nun diejenigen welche sich hierauf verstehen recht oder unrecht benenne mag Gott wißen, ich nenne sie aber bis jezt Dialektiker. Nun
T 6f Zusammenfassen] danach hochgestellt Anm.-Ziffer 56 von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 8 weil ich nun] über um 10 kann] über zu können 13 ist] danach so gehe ich ihm nach 14f folg ich wie eines Unsterblichen Fußtritt] als Hexameter abgesetzt und eingerückt 15 Fußtritt] am Rand NB. Kommt auch Odyssee E 193. H 38. ich habe aber den Vers nicht bei der Hand. – Vgl. in SN 156/2, f. 4r zwischen Notizen und Exzerpten für die Anmerkungen zum Protagoras die Notiz: Zum Phaedr. P 162. Od V 193 Eilend voran, und er folgte sofort dem Schritte der Göttin. VII. 38 eben so (aus der Übersetzung von Johann Heinrich Voß: Homers Odyssee, 1793; noch anders in Homers Odüßee, 1781; davor Odyssee-Verse zu Protagoras 315b) – Auf welche Seitenzählung des Phaidros sich die Angabe P 162 bezieht, ist unklar: Vielleicht ist die Seitenzahl verschrieben und die Angabe bezieht sich auf Ed.Zweibrücken 1787 (Bipontina), S. 362; vielleicht bezieht sich die Angabe auch auf den Frommannschen Druck (vgl. oben S. XXVII-XXXVI).
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sinn rechts, und eine jener zwar gleichnamige aber göttliche Liebe darin auffindend und vorzeigend, lobte sie diese als Ursach unserer größten Güter. PH. Vollkommen richtig. SOK. Hievon also bin ich selbst ein großer Freund, Phädros, von diesen Eintheilungen und Zusammenfassungen, um doch auch reden und denken zu können, und wenn ich einen an|dern fähig halte zu sehen, wie etwas in eins gewachsen ist oder in vieles, dem folg’ ich wie eines Unsterblichen Fußtritt.48 Ob ich nun diejenigen, welche dieses im Stande sind zu thun, recht oder unrecht bename, mag Gott wissen, ich nenne sie aber bis jezt Dialektiker. Nun
und eine jener zwar gleichnamige aber göttliche Liebe darin auffindend und vorzeigend, lobte sie diese als Ursach unserer größten Güter.
48 f o l g ’ i c h w i e e i n e s U n s t e r b l i c h e n F u ß t r i t t . Homerische VersEndung Od. V, 193. VII, 38., die aber aus Voß nicht konnte genommen werden.
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PH. Vollkommen richtig. SOK. Hievon also bin ich selbst ein großer Freund, Phaidros, von diesen Eintheilungen und Zusammenfassungen, um doch auch reden und denken zu können, und wenn ich einen andern fähig halte zu sehen, was in eins gewachsen ist und in vieles, dem folg’ ich wie eines Unsterblichen Fußtritt.69 Ob ich jedoch diejenigen, welche dieses im Stande sind zu thun, recht oder unrecht bename, mag Gott wissen, ich nenne sie aber bis jezt Dialektiker. Nun folg’ ich wie eines Unsterbl i c h e n F u ß t r i t t . Homerische VersEndung Od. V, 193. VII, 38., die aber aus Voß nicht konnte genommen werden.
T Anm. 48 22 VII, 38] falsch VIII, 38 W1 S 13 wie etwas in eins gewachsen ist oder] kritisiert Ast: Phaedr. 1810, S. 363; verändert in W2 S Anm. 48 Die von Heindorf z. St. (S. 313) angeführten Stellen aus Homers Odyssee: „E. 193. H. 38“ (= 5, 193; 7, 38), deren zweite von Schleiermacher falsch als „VIII, 38“ wiedergegeben ist, lauten in der Übersetzung von Johann Heinrich Voß (Homers Odyssee, 1793): „folgte sofort dem schritte der göttin“; vgl. Spalte 2 App. – Schleiermacher wählt – wie schon in SN 154 (Spalte 2) – die Übersetzung von Stolberg: Auserlesene Gespräche, 1. Theil, 1796, S. 93 mit S. 154: „folgend wie eines Unsterblichen Fußtritt“.
T Anm. 69 21 VII, 38] falsch VIII, 38 W2 S 12 was…und] verändert ggb. W1 nach Ast: Phaedr. 1810 (wie zu W1) S Anm. 69 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 48.
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νῦν δὲ παρὰ σοῦ τε καὶ Λυσίου μαθόντας εἰπὲ τί χρὴ καλεῖν. Ἢ τοῦτο ἐκεῖνό ἐστιν ἡ λόγων τέχνη, ᾗ Θρασύμαχός τε καὶ οἱ ἄλλοι χρώμενοι σοφοὶ μὲν αὐτοὶ λέγειν γεγόνασιν, ἄλλους τε ποιοῦσιν, οἳ ἂν δωροφορεῖν αὐτοῖς, ὡς βασιλεῦσιν, ἐθέλωσι;
aber sage mir auch, wie man die nennen soll, die von dir und Lysias lernen. Oder ist eben jenes die Redekunst, welche Thrasymachos und die andern inne haben und durch welche sie nicht nur selbst Künstler im Reden sind | sondern auch Andere dazu machen die ihnen königliche Geschenke darbringen? Ph. Königliche Männer sind dies zwar, aber das wonach du fragst verstehen sie nicht. Daher glaube ich daß du ganz recht hast jenes die Dialektik zu nennen, und daß wir die Rhetorik noch nicht ertappt haben. So. Was sagst du? Ei das wird etwas schönes sein, was mit jener nichts zu schaffen hat und doch durch Kunst erlangt werden soll! Indeß wollen wir es doch nicht verwerfen du und ich. So sage denn was es ist, dieses noch Uebrige für die Rhetorik!
ΦΑΙ. Βασιλικοὶ μὲν ἄνδρες, οὐ μὲν δὴ ἐπιστήμονές γε ὧν ἐρωτᾷς. Ἀλλὰ τοῦτο μὲν τὸ εἶδος ὀρθῶς ἔμοιγε δοκεῖς καλεῖν, διαλεκτικὸν καλῶν· τὸ δὲ ῥητορικὸν δοκεῖ μοι διαφεύγειν ἔθ᾽ ἡμᾶς. ΣΩ. Πῶς φῄς; καλόν πού τι ἂν εἴη, ὃ τούτων ἀπολειφθὲν ὅμως τέχνῃ λαμβάνεται. Πάντως δ᾽ οὐκ ἀτιμαστέον αὐτὸ σοί τε καὶ ἐμοί. Λεκτέον δέ, τί μέντοι καὶ ἔστι τὸ λειπόμενον τῆς ῥητορικῆς. ΦΑΙ. Καὶ μάλα που συχνά, ὦ Σώκρατες, τάγ᾽ ἐν τοῖς βιβλίοις τοῖς περὶ λόγων τέχνης γεγραμμένοις.
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ΣΩ. Καὶ καλῶς γε ὑπέμνησας. Προοίμιον μὲν οἶμαι πρῶτον ὡς δεῖ τοῦ λόγου λέγεσθαι ἐν ἀρχῇ, ταῦτα λέ-
Ph. Tausenderlei Dinge lieber Sokrates die in den Büchern stehen, welche über die Redekunst geschrieben sind. So. Ach wie gut daß du mich daran erinnerst! Daß zuerst die Rede einen Eingang haben muß am Anfange.
T 1–3 wie man die nennen soll, die von dir und Lysias lernen.] alternativ z. T. über der Zeile und wieder gestrichen (mit Unterstreichung der ursprünglichen Lesarten) wie ich sie nennen soll, nun sie es von dir und Lysias gelernt haben . – Am rechten Rand das Zeichen Ǝ für F. Schlegel zur Prüfung der Stelle (KGA V/5, Nr. 1030, 8 f.; vgl. zur Phaidros-Hs., S. XLV f.). 3 lernen] danach hochgestellt Anm.-Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 57 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 8f ihnen königliche Geschenke darbringen] über sie wie Könige beschenken wollen 23 Rhetorik] danach Redekunst 25 Büchern] danach über die Redekunst
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aber sage mir auch, wie man die von dir und Lysias gelernt haben nennen soll? Oder ist eben jenes die Redekunst, deren Thrasymachos und die Andern sich bedienend selbst Künstler im Reden sind, und auch Andere dazu machen, die ihnen Geschenke wie Königen bringen können? PH. Königliche Männer zwar sind sie, nicht aber dessen kundig, wonach du fragst. Daher dünkst du mich jenes ganz recht zu benennen, indem du es Dialektik nennst, die Rhetorik aber dünkt mich uns bis jezt noch entgangen zu sein. SOK. Wie sagst du? Das muß etwas schönes sein, was von jener verlassen doch durch Kunst soll erlangt werden. Indeß wollen wir es auf keine Weise verschmähen, du und ich, sondern sagen, was denn dieses ist, was noch übrig bleibt für die Redekunst. PH. Mancherlei Dinge, Sokrates, die du ja findest in den über die Redekunst geschriebenen Büchern.
aber sage mir auch, wie man die von dir und Lysias gelernt haben nennen soll? Oder ist eben jenes die Redekunst, deren Thrasymachos und die Andern sich bedienend selbst Künstler im Reden sind, und auch Andere dazu machen, die ihnen Geschenke wie Königen bringen wollen? | PH. Königliche Männer zwar sind sie, nicht aber dessen kundig, wonach du fragst. Daher dünkst du mich jenes ganz recht zu benennen, indem du es Dialektik nennst, die Rhetorik aber dünkt mich uns bis jezt noch entgangen zu sein. SOK. Wie sagst du? Das muß etwas schönes sein, was von jener verlassen doch durch Kunst soll erlangt werden. Indeß wollen wir es auf keine Weise verschmähen, du und ich, sondern sagen, was doch nur ist das noch übrig bleibende an der Redekunst. PH. Mancherlei Dinge, Sokrates, die du ja findest in den über die Redekunst geschriebenen Büchern.
SOK. Gar gut, daß du mich erinnerst. Den Eingang zuerst, wie der am Anfang der Rede muß gespro-
SOK. Gar gut erinnerst du mich. Den Eingang zuerst, wie der am Anfang der Rede muß gesprochen
S 1–3 wie man die von dir und Lysias gelernt haben nennen soll] Vgl. Spalte 2 App.
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Erste Fassung (handschriftlich)
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γεις; ἦ γάρ; τὰ κομψὰ τῆς τέχνης;
Nicht wahr? Diese Herrlichkeiten meinst du?
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ΦΑΙ. Ναί. ΣΩ. Δεύτερον δὲ δὴ διήγησίν τινα, μαρτυρίας τε ἐπ᾽ αὐτῇ· τρίτον τεκμήρια· τέταρτον εἰκότα· καὶ πίστωσιν οἶμαι καὶ ἐπιπίστωσιν λέγειν τόνγε βέλτιστον λογοδαίδαλον Βυζάντιον ἄνδρα.
Ph. Ja, eben. So. Dann kommt zweitens die Erzählung, wie sie es nennen, und die Zeugniße dabei: drittens die Beweise, viertens die Wahrscheinlichkeiten, und der Byzantiner, der vortrefliche Daidalos im Reden hat glaube ich noch eine Beglaubigung und eine Nebenbeglaubigung. Ph. Ach du meinst den braven Theodoros?
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ΦΑΙ. Τὸν χρηστὸν λέγεις Θεόδωρον.
T 8 Byzantiner, der] über der Zeile mit Einfügungszeichen 9 Reden] danach aus Byzanz 11 Nebenbeglaubigung] danach hochgestellt Anm.-Ziffer 58 von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5)
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chen werden, dieses meinst du? nicht wahr, diese Herrlichkeiten der Kunst? PH. Ja. SOK. Dann kommt zweitens die Erzählung, wie sie es nennen, und die Zeugnisse dabei, drittens die Beweise, viertens die Wahrscheinlichkeiten und noch von einer Beglaubigung | und Nebenbeglaubigung49, denke ich, redet der vortrefliche Byzantinische Dädalos im Reden. PH. Den wakern Theodoros meinst du?
werden, dieses meinst du? nicht wahr, diese Herrlichkeiten der Kunst? PH. Ja. SOK. Dann kommt zweitens die Erzählung, wie sie es nennen, und die Zeugnisse dabei, drittens die Beweise, viertens die Wahrscheinlichkeiten und noch von einer Beglaubigung und Nebenbeglaubigung70, denke ich, redet der vortrefliche Byzantinische Daidalos im Reden. PH. Den wakkern Theodoros meinst du?
49 N e b e n b e g l a u b i g u n g . Ueber diese schlechten Erfindungen ist es hinreichend nachzusehen was Schneider in seinem Wörterbuch unter παράψογος sagt. Es ist von alle diesem hernach in der Rhetorik nicht wieder die Rede gewesen. Aristoteles sagt darüber Rhet. III, 13.: „Wenn man so eintheilt wie Theodoros, so ist die Erzählung etwas besonderes, und die Nacherzählung und Vorerzählung auch etwas besonderes; eben so die Widerlegung und die Nachwiderlegung. Man muß aber nur da, wo es einen wirklichen Unterschied und einen eignen Begriff zu bezeichnen giebt, ein eignes Kunstwort gebrauchen, sonst verfällt man in leeres Geschwäz.“
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N e b e n b e g l a u b i g u n g . Ueber diese schlechten Erfindungen ist es hinreichend nachzusehen was Schneider in seinem Wörterbuch unter παράψογος sagt. Es ist von alle diesem hernach in der Rhetorik nicht wieder die Rede gewesen. Aristoteles sagt darüber Rhet. III, 13.: „Wenn man so eintheilt wie Theodoros, so ist die Erzählung etwas besonderes, und die Nacherzählung und Vorerzählung auch etwas besonderes; eben so die Widerlegung und die Nachwiderlegung. Man muß aber nur da, wo es einen wirklichen Unterschied und einen eignen Begriff zu bezeichnen giebt, ein eignes Kunstwort gebrauchen, sonst verfällt man in leeres Geschwäz.“
S Anm. 49 Schneider: Griechisch-Deutsches Handwörterbuch, Bd. 2, Jena und Leipzig 1798, S. 288 s. v. παράψογος: „Frenus von Paros brauchte in seiner Rhetorik παράψογος, παρέπαινος und ὑποδήλωσις, welche Abtheilungen und Namen Plato Phaedr. p. 364 tadelt. So hat der von Gale herausgegebene Anonymus de Rhetorica πραδιήγησις [sic!], παραδιήγησις, ὑποδιήγησις der Fischerschen Ausgabe S. 194. Ebenso tadelt Plato den Theodorus, daß er πίστωσις, ἐπιπίστωσις, wie ἔλεγχος, ἐπεξέλεγχος brauchte; damit stimmt Aristot. Rhetor. 3, 13 welcher vom Theodor ἐπιδιήγησις und προδιήγησις anführt als läppische Unterabtheilungen des Hauptworts und Hauptgedanken.“
S Anm. 70 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 49.
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Erste Fassung (handschriftlich)
ΣΩ. Τί μήν; καὶ ἔλεγχόν γε καὶ ἐπεξέλεγχον ὡς ποιητέον ἐν κατηγορίᾳ τε καὶ ἀπολογίᾳ. Τὸν δὲ κάλλιστον Πάριον Εὐηνὸν εἰς μέσον οὐκ ἄγομεν, ὃς ὑποδήλωσίν τε πρῶτος εὗρε καὶ παρεπαίνους; οἱ δ᾽ αὐτὸν καὶ παραψόγους φασὶν ἐν μέτρῳ λέγειν, μνήμης χάριν. Σοφὸς γὰρ ὁ ἀνήρ. Τισίαν δὲ Γοργίαν τε ἐάσομεν εὕδειν, οἳ πρὸ τῶν ἀληθῶν τὰ εἰκότα εἶδον ὡς τιμητέα μᾶλλον, τάτε αὖ σμικρὰ μεγάλα καὶ τὰ μεγάλα σμικρὰ φαίνεσθαι ποιοῦσι διὰ ῥώμην λόγου, καινά τ᾽ ἀρχαίως τά τ᾽ ἐναντία καινῶς, συντομίαν τε λόγων καὶ ἄπειρα μήκη περὶ πάντων ἀνεῦρον; Ταῦτα δὲ ἀκούων ποτέ μου Πρόδικος ἐγέλασε καὶ μόνος αὐτὸς εὑρηκέναι ἔφη ὧν δεῖ λόγων τέχνῃ· δεῖν δὲ οὔτε μακρῶν οὔτε βραχέων, ἀλλὰ μετρίων.
So. Wen sonst? – Und daß man eine Widerlegung und eine Nebenwiderlegung führen müße in der Anklage sowol als in der Vertheidigung. Sollen wir nicht auch unsern schönsten Euenos von Paros herbeiholen, der die Nacherklärung zuerst erfunden hat und das Nebenlob? Ja Einige sagen, er habe sich auch allerlei Nebenschimpf in Verse gebracht um dem Gedächtniß zu Hilfe zu kommen. Der ist ein weiser Mann! Aber den Tisias und den Gorgias wollen wir ruhen laßen, die zuerst entdekt haben, daß das Wahrscheinliche beßer ist als das wahre, deren Rede die Kraft haben soll das Kleine groß und das Große klein scheinen zu machen, und das Neue alt, und das Alte neu, und die über jede Sache auf eine erstaunlich kurze und eine unendlich lange Art reden können. Als ich das einmal dem Prodikos sagte, lachte er und meinte, er allein hätte heraus gebracht was für Seze die Redekunst fordere; sie müßten nemlich weder lang noch kurz sein, sondern zwischen Beiden.
ΦΑΙ. Τί δ᾽ οὔ; ΣΩ. Τὰ δὲ Πώλου πῶς φράσωμεν
Ph. O Prodikos! wie übermenschlich klug! So. So wollen wir den Hippias nur auch nicht zu Rathe ziehen, der ist sein Freund und stimmt ihm gewiß bei. Ph. Wie sollte er nicht? So. Was sollen wir aber sagen von
17f ποτέ μου] ποτὲ μοῦ Heindorf, korr. Appendix S. 362
T 1 eine] korr. aus eine n 2 Widerlegung] über Beweis | eine] korr. aus eine n 2f Nebenwiderlegung] -widerlegung über der Zeile korr. aus Neben beweis 7 Nacherklärung] davor Nachandeut 11f kommen] danach hochgestellt Anm.-Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 58 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5)
ΦΑΙ. Σοφώτατά γε, ὦ Πρόδικε.
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ΣΩ. Ἱππίαν δὲ οὐ λέγομεν; Οἶμαι γὰρ ἂν σύμψηφον αὐτῷ καὶ τὸν Ἠλεῖον ξένον γενέσθαι.
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SOK. Wen sonst? Und daß man eine Widerlegung und Nebenwiderlegung führen müsse in der Anklage sowohl als Vertheidigung. Sollen wir nicht auch den schönsten Parier Euenos herbeiholen, der die Vorandeutung zuerst erfunden hat, und das Nebenlob. Ja einige sagen, er habe sich allerlei Nebenschimpf in Verse gebracht dem Gedächtniß zu Liebe. Das ist mir ein weiser Mann! Und wollen wir den Tisias und Gorgias ganz ruhen lassen, welche zuerst das Scheinbare entdekt haben, daß es über das Wahre gehe und mehr zu ehren sei, und welche machen, daß das Kleine groß und das Große klein erscheint durch die Kraft der Rede, und vom Neuen auf alte, vom Alten aber auf neue Art sprechen, und welche die Gedrängtheit der Rede, und auch die unendliche Länge über jeden Gegenstand erfunden haben. Als dieses einmal Prodikos von mir hörte, lachte er und sagte, er allein habe gefunden, was für Säze man brauche, nämlich weder lange noch kurze, sondern mäßige. PH. Sehr weise, o Prodikos!
SOK. Wen sonst? Und daß man eine Widerlegung und Nebenwiderlegung führen müsse in der Anklage sowohl als Vertheidigung. Und auch den schönsten Parier Euenos holen wir nicht herbei, der die Vorandeutung zuerst erfunden hat, und das Nebenlob? Ja einige sagen, er habe sich allerlei Nebenschimpf in Verse gebracht dem Gedächtniß zu Liebe. Denn er ist ein kluger Mann. Den Tisias aber und Gorgias wollen wir ganz ruhen lassen, welche zuerst | das Scheinbare entdekt haben, daß es über das Wahre gehe und mehr zu ehren sei, und welche machen, daß das Kleine groß und das Große klein erscheint durch die Kraft der Rede, und vom Neuen auf alte, vom Alten aber auf neue Art sprechen, und welche die Gedrängtheit der Rede, und auch die unendliche Länge über jeden Gegenstand erfunden haben. Als dieses einmal Prodikos von mir hörte, lachte er und sagte, er allein habe gefunden, was für Säze die Kunst brauche, nämlich weder lange noch kurze, sondern mäßige. PH. Sehr weise, o Prodikos!
SOK. Und vom Hippias wollen wir nicht reden? ich glaube, dieser Fremdling aus Elis stimmte ihm auch bei. PH. Warum auch nicht? SOK. Wie aber sollen wir vortragen
SOK. Und vom Hippias wollen wir nicht reden? ich glaube, dieser Fremdling aus Elis stimmte ihm auch bei. PH. Warum auch nicht? SOK. Wie aber sollen wir vortragen
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Erste Fassung (handschriftlich)
αὖ μουσεῖα λόγων; ὃς διπλασιολογίαν καὶ γνωμολογίαν καὶ εἰκο-
des Polos Reden-Museum, der noch das Reden in doppelten Worten, das Reden in Sprüchen, der das | Reden in Bildern dazu gebracht hat, und
1–340,2 ὃς…εὐεπείας;] ὡς διπλ[ασιολογίαν] καὶ γνωμ[ολογίαν] (oder eher γυμνολογίαν) καὶ εἰκ[ονολογίαν], ὀν[ομάτων] τε λικυμνείων ἃ ἐκ[είνῳ] ἐδ[ωρήσατο] προσποίησιν εὐεπείας. konj. Schleiermacher W2 Anm. 72 (aus verschiedenen Hss. bei Bekker: Comm. 1 1823, S. 33 [82,8]), übersetzt W2
T 1 Polos] danach Rede-Akademia [danach hochgestellt Anm.-Zeichen Schleiermachers: x)] der noch die Wortbildnerei die Spruchrednerei, die , über dem gestr. Text, ebenfalls gestr. das Reden in zusammengesezten Worten, das Reden in Sprüchen, | RedenMuseum] danach hochgestellt Anm.-Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 59 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 3 das] über der Zeile ohne Einfügungszeichen 3f Reden in Bildern] über Bildrednerei 4 dazu] danach ca. fünf unentzifferte Buchstaben gestrichen
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des Polos Sammlung von Worten50? der noch die Doppelrederei, die Spruchrederei, die Bildrederei und
des Polos Sammlung von Worten71, wie72 die Doppelrederei, die Spruchrederei, die Bildrederei und den Er-
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des Polos Sammlung von W o r t e n . Anders kann ich μουσεῖα λόγων nicht verstehen, und weder die musica concinnitas des Ficinus noch den musikalischen Polos des Stolberg noch die gleichtönenden Worte des Scholiasten darin finden. Polos wird freilich, wie überhaupt die Schule des Gorgias, zu denen gezählt, welche in der Diction die Grenzen der reinen Prose überschritten, und namentlich werden ihm die πάρισα besonders zugeschrieben; allein hier kann hievon des Zusammenhanges wegen nicht die Rede sein, sondern von den überhäuften Abtheilungen und den unnüzen Kunstwörtern, wodurch man alle kleinen Kunstgriffe als wichtige Hauptstükke der Rhetorik bezeichnete, und dann auch natürlich in der Ausübung sehr überhäufte.
S Anm. 50 Polos (Sophist des 5. Jh.s v. Chr. aus Akragas) hat eine technisch-theoretische rhetorische Abhandlung verfaßt. Schleiermacher sieht in μουσεῖα λόγων einen Verweis auf diese Schrift. Ficinus (lat.) dagegen übersetzt (Ed.Zweibrücken 1787 [Bipontina], S. 365): Quid porro de musica Poli concinnitate dicemus? ([…] die harmonische rhythmische Verbindung der Wörter bei Polos […]). Auch Stolberg bezieht die Worte auf den Redestil des Polos (Auserlesene Gespräche, 1. Theil, 1796, S. 95 mit S. 155 Anm. 73): Und wie zeigen wir den musikalischen Polos an, […]? Ebenso interpretiert das Scholion z. St. diese Worte als τὰ πάρισα gleichtönende Worte im Sinne des Redestils (S. 67 Ruhnken; S. 87 Greene; S. 141 Cufalo, bei Heindorf z. St., S. 318).
des Polos Sammlung von W o r t e n . Anders kann ich μουσεῖα λόγων nicht verstehen, und weder die musica concinnitas des Ficinus noch den musikalischen Polos des Stolberg noch die gleichtönenden Worte des Scholiasten darin finden, noch auch kann ich dies für die Ueberschrift seines Werkes selbst halten. Polos wird freilich, wie überhaupt die Schule des Gorgias, zu denen gezählt, welche in der Diction die Gränzen der reinen Prose überschritten, und namentlich werden ihm die πάρισα besonders zugeschrieben; allein hier kann hievon des Zusammenhanges wegen nicht die Rede sein, sondern von den überhäuften Abtheilungen und den unnüzen Kunstwörtern, wodurch man alle kleinen Kunstgriffe als wichtige Hauptstükke der Rhetorik bezeichnete, und dann auch natürlich in der Ausübung sehr überhäufte. 72 Im folgenden habe ich aus mehreren | Handschriften bei Bekker mir diesen Text zusammengelesen ὡς διπλ. καὶ γνωμ. wenn nicht γυμνολογίαν noch wünschenswerther ist καὶ εἰκ. ὀν. τε λικυμνείων ἃ ἐκ. ἐδ. προσποίησιν εὐεπείας.
T Anm. 72 mit Gedankenstrich an Anm. 71 angeschlossen W2 S Anm. 71 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 50. Die Erweiterung dieser Anmerkung gegenüber W1 Anm. 50 ist eine Reaktion auf Ast: Phaedr. 1810, S. 368, der μουσεῖα λόγων für den Werktitel hält. | Anm. 72 Zu den Handschriften bei Bekker s. Spalte 1 App.
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νολογίαν, ὀνομάτων τε Λικυμνίων ἃ
den schönen Ausdruk aller der Wor-
T 1 den schönen Ausdruk] über die Volltonigkeit
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den Wohlklang51 aller der Worte
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Eben so geht im folgenden εὐέπεια gewiß nur auf den vollen prächtigen Klang dieser theils sehr zusammengesezten theils bildlichen Kunstwörter. Unmittelbar nach der eben angeführten Stelle sagt Aristoteles, „wie es dem Lykimnios geht in seiner Redekunst, der die Ausdrükke Einbruch, Abschweifung und Aeste | erfunden hat,“ οἷον Λυκίμνιος ποιεῖ ἐν τῇ τέχνῃ ἐπούρωσιν ὀνομάζων καὶ ἀποπλάνησιν καὶ ὄζους Bip. IV. 369. Hieraus erhellt zur Genüge was Lykimnios dem Polos geschenkt habe. Auch der Scholiast sagt, er habe ihn Unterscheidungen der Worte gelehrt, welche nämlich eigentliche wären, und zusammengesezte, und gleichgeltende, und beigefügte und andere mehr. Die lezten Worte aber in dem Scholiast des Siebenkäs: καὶ ἄλλα πολλὰ πρὸς εὐέπειαν, sind nur aus Mißverstand dieser Stelle hinzugefügt. Ob διπλασιολογία, wie Ernesti Lex. Techn. P. 88. meint, sich auf die zusammengesezten Worte bezieht, die Aristoteles διπλᾶ ὀνόματα nennt, ist mir noch zweifelhaft. Der Scholiast erklärt es von der Wiederholung, und dies ist vielleicht richtiger, wenn man es nur nicht, wie er thut, bloß von einzelnen Ausrufungen versteht.
Die εὐέπεια aber geht wohl nur auf den vollen prächtigen Klang dieser theils sehr zusammengesezten theils bildlichen Kunstwörter. Unmittelbar nach der eben angeführten Stelle sagt Aristoteles, „wie es dem Likymnios geht in seiner Redekunst, der die Ausdrükke Einbruch, Abschweifung und Aeste erfunden hat,“ οἷον Λυκίμνιος ποιεῖ ἐν τῇ τέχνῃ ἐπούρωσιν ὀνομάζων καὶ ἀποπλάνησιν καὶ ὄζους Bip. IV, 369. Hieraus erhellt zur Genüge was Likymnios dem Polos geschenkt habe, und daß nicht alle seine Erfindungen lediglich den Wohlklang zum Gegenstand gehabt haben. Auch der Scholiast sagt, er habe ihn Unterscheidungen der Worte gelehrt, welche nämlich eigentliche wären, und zusammengesezte, und gleichgeltende, und beigefügte und andere mehr. Die lezten Worte aber in dem Scholiast des Siebenkäs: καὶ ἄλλα πολλὰ πρὸς εὐέπειαν, sind vielleicht nur aus Mißverstand dieser Stelle hinzugefügt. Ob διπλασιολογία wie Ernesti Lex. Techn. P. 88. meint, sich auf die zusammengesezten Wörter bezieht, die Aristoteles διπλᾶ ὀνόματα nennt, ist mir noch zweifelhaft. Der Scholiast erklärt es von der Wiederholung, und dies ist vielleicht richtiger, wenn man es nur nicht, wie er thut, bloß von einzelnen Ausrufungen versteht.
T Anm. 51 unmittelbar an Anm. 50 angeschlossen W1 S Anm. 51 Die hier zitierte Passage aus Aristoteles, Rhetorik 3,13 schließt unmittelbar an die Anm. 49 zitierte Passage an. Das griechische Zitat aus: Aristoteles: Opera omnia, ed. J. T. Buhle, Bd. 4, Zweibrücken 1793, S. 369 [SB 75]. Im Folgenden paraphrasiert Schleiermacher das Scholion z. St. S. 68 Ruhnken (= S. 87 Greene; S. 141 Cufalo): ὁ Λικύμνιος δὲ Πώλου διδάσκαλος, ὃς διῄρει τὰ ὀνόματα εἰς κύρια, σύνθετα, ἀδελφά, ἐπίθετα, καὶ εἰς ἄλλα τινά. Den Zusatz des sog. Scholiasten des Siebenkäs (und vieles andere zum Wohlklang) weist Schleiermacher als Indiz für ein Mißverständnis zurück (Siebenkees: Anecdota Graeca
T Anm. 73 unmittelbar an Anm. 72 angeschlossen W2 S Anm. 73 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 51. Zum Zitat aus dem Scholiasten des Siebenkäs vgl. auch Platonis Phaedrus recensuit Hermiae scholiis e cod. Monac. XI. suisque commentariis illustravit D. Fridericus Astius …, Leipzig 1810 (abgek.: Ast: Phaedr.), S. 192 (= S. 251 Lucarini/Moreschini).
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Phaidros Ed. Heindorf
Erste Fassung (handschriftlich)
ἐκείνῳ ἐδωρήσατο πρὸς ποίησιν εὐεπείας; ΦΑΙ. Πρωταγόρεια δέ, ὦ Σώκρατες, οὐκ ἦν μέντοι τοιαῦτ᾽ ἄττα;
te die ihm Likymnion geschenkt hat. Ph. Ist nicht vieles hievon im Protagoras?
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hinzugebracht hat, die ihm Lykimnios schenkte? PH. Hatte nicht vieles dergleichen auch Protagoras? |
nischen Wörter die er jenem geschenkt hat? PH. Hatte nicht vieles dergleichen auch Protagoras?
T 2 Lykimnios] Likymnios W1 S. 149, korr. im Druckfehler-Verzeichnis W1 S. 413 (Die Schreibweise dieses Namens schwankt in der Überlieferung wie auch bei Schleiermacher in W1 und W2.) S Forts. Anm. 51 [1798], S. 69 [SB 1838] [= S. LX Lucarini/Moreschini]; bei Heindorf z. St., S. 318). Für Schleiermacher ist die εὐέπεια offenbar nicht ein Erbe des Likymnios, sondern ein Spezifikum des Polos. Zu διπλασιολογία verweist Schleiermacher auf J. Chr. G. Ernesti: Lexicon technologiae Graecorum rhetoricae, Leipzig 1795, S. 88, der diese mit den von Aristoteles, Rhetorik 3,3 besprochenen (besonders poetisch konnotierten) διπλᾶ ὀνόματα gleichsetzt. Anders Scholion z. St. S. 67 Ruhnken (= S. 87 Greene; S. 141 Cufalo): διπλασιολογίαν. ὡς τὸ φεῦ φεῦ.
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Phaidros Ed. Heindorf
Erste Fassung (handschriftlich)
ΣΩ. Ὀρθοέπειά γέ τις, ὦ παῖ, καὶ ἄλλα πολλὰ καὶ καλά. Τῶν γε μὴν οἰκτρογόων ἐπὶ γῆρας καὶ πενίαν ἑλκομένων λόγων κεκρατηκέναι
So. Eine gewiße Angemeßenheit des Ausdruks, junger Mann, und noch manche andere bedeutende Vorzüge. Aber in der Kunst kläglich rührende Reden vom Alter und der Armuth hergenommen vorzubringen scheint
T 1 Eine] davor Protagoras, junger Mann, besizt 2 junger Mann] über der Zeile mit Einfügungszeichen 3 Vorzüge] danach hochgestellt Anm.-Zeichen Schleiermachers: x), durch Anm.-Ziffer 60 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 5 vom] über über das | der] über die 6 hergenommen] über der Zeile mit Einfügungszeichen | vorzubringen] danach hochgestellt Anm.Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 61 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5)
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SOK. Ein gewisses Richtigsprechen52, mein Sohn, und noch vieles und schönes anderes. Aber in kläglich rührender von Alter und Ar-
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Durch die ὀρθοέπεια […] soll Protagoras ohne Zweifel vortheilhaft ausgezeichnet werden. Die Erläuterung des Ernesti durch Quintilians emendata cum suavitate vocum explanatio möchte aber hier schwerlich anwendbar sein. Der Scholiast erklärt den Ausdruk für ein Synonym von κυριολεξία. Protagoras, sagt er, bediente sich immer des eigentlichen Ausdruks, nicht der bildlichen Art zu reden, noch der durch Beiwörter. Wenn dies auch bis auf die Beiwörter, die in dem seinem Stile nachgebildeten Mythos in dem gleichnamigen Gespräch sehr zahlreich sind, ganz wahr ist, so ist doch hier schwerlich die Rede davon, sondern ὀρθοέπεια gilt wohl nur im Gegensaz der obigen εὐέπεια von der Beschaffenheit der vom Protagoras erfundenen Kunstwörter. Man lese daher […]: Ein gewisser einfacher Ausdruk.
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gewisses GeradespreSohn, und noch vieles anderes. Aber in jamvon Alter und Armuth
Durch die ὀρθοέπεια […] soll Protagoras ohne Zweifel vortheilhaft ausgezeichnet werden. Die Erläuterung des Ernesti durch Quintilians emendata cum suavitate vocum explanatio möchte aber hier schwerlich anwendbar sein. Der Scholiast erklärt den Ausdruk für ein Synonym von κυριολεξία. Protagoras, sagt er, bediente sich immer des eigentlichen Ausdruks, nicht der bild|lichen Art zu reden, noch der durch Beiwörter. Wenn dies auch bis auf die Beiwörter, die in dem seinem Stile nachgebildeten Mythos in dem gleichnamigen Gespräch sehr zahlreich sind, ganz wahr ist, so ist doch hier vielleicht auch im Gegensaz der obigen εὐέπεια nur die Rede von der Beschaffenheit der vom Protagoras erfundenen Kunstwörter.
T Anm. 52 mit Gedankenstrich an Anm. 51 angeschlossen mit der oben ausgelassenen Stellenangabe W1 – Diese Stellenangabe ist am Ende der Anmerkung wiederholt und ebenfalls oben ausgelassen. S Anm. 52 Zur ὀρθοέπεια (das Richtigsprechen) des Protagoras (Sophist des 5. Jh.s v. Chr. aus Abdera) verweist Schleiermacher auf J. Chr. G. Ernesti: Lexicon technologiae Graecorum rhetoricae, Leipzig 1795, S. 234, der sie mit Quintilian, Institutio oratoria 1,5,33 erklärt. Auf die Erklärung κυριολεξία (Wörtlichkeit) in den Scholia in Phaedrum in Siebenkees: Anecdota Graeca (1798), S. 70 [SB 1838] (= S. LX Lucarini/Moreschini) (bei Heindorf z. St., S. 319 f.) baut Schleiermacher seine Interpretation. Verwiesen ist auf den Mythos bei Platon, Protagoras 320c-322d.
T Anm. 74 mit Gedankenstrich an Anm. 73 angeschlossen mit der oben ausgelassenen Stellenangabe W2 S Anm. 74 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 52. Zum Zitat aus dem Scholiasten (des Siebenkäs) vgl. oben zu Anm. 73.
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τέχνῃ μοι φαίνεται τὸ τοῦ Χαλκηδονίου σθένος, ὀργίσαι τε αὖ πολλοὺς ἅμα δεινὸς ἁνὴρ γέγονε, καὶ πάλιν ὠργισμένοις ἐπᾴδων κηλεῖν, ὡς ἔφη, διαβάλλειν τε καὶ ἀπολύσασθαι διαβολὰς ὁθεν δὴ κράτιστος. Τὸ δὲ δὴ τέλος τῶν λόγων κοινῇ πᾶσιν ἔοικε συνδεδογμένον εἶναι, ᾧ τινες μὲν ἐπάνοδον, ἄλλοι δ᾽ ἄλλο τίθενται ὄνομα.
mir der große Geist des Chalcedoniers bei weitem den Preis davon zu tragen. Stark ist der Mann auch darin die Menge in Wuth zu versezen, und wenn sie wüthend geworden sie wieder durch den Zauber seiner Rede zu besänftigen, wie er sagt. Im Verläumden aber, und in der Kunst Verläumdungen abzuwälzen, wie es irgend geht, darin ist er der erste. Ueber das Ende der Rede aber sind sie alle derselben Meinung, ich meine was Einige die Uebersicht Andere wieder anders nennen. Ph. Daß man nemlich am Ende die Zuhörer noch einmal summarisch an Alles erinnern soll?
ΦΑΙ. Τὸ ἐν κεφαλαίῳ ἕκαστα λέγεις ὑπομνῆσαι ἐπὶ τελευτῆς τοὺς ἀκούοντας περὶ τῶν εἰρημένων;
T 2 Preis] über Sieg 15 Daß] korr. aus daß, davor Du meinst | nemlich] über der Zeile mit Einfügungszeichen
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muth hergenommener Reden Kunst hat doch offenbar gesiegt des Chalkedoniers53 Kraft. Auch darin die Menge zu erzürnen ist dieser Mann gewaltig, und wiederum die erzürnten bezaubernd zu kirren, wie er sagt; und im Verläumden, und auch Verläumdungen abwälzen, woher es irgend gehe, ist er der erste. Ueber das Ende der Rede aber sind sie Alle nur einer Meinung, was nämlich einige die Uebersicht, andere wieder anders nennen.
hergenommener Reden Kunst hat doch offenbar gesiegt des Chalkedoniers75 Kraft. Auch im Erzürnen der Menge ist dieser Mann gewaltig, und wiederum die erzürnten bezaubernd zu kirren, wie er sagt; und im Verläumden, und auch Verläumdungen abwälzen, woher es irgend gehe, ist er der erste. Ueber das Ende der Rede aber sind sie Alle nur einer Meinung, was nämlich einige die Uebersicht, andere wieder anders nennen. |
PH. Daß man am Ende noch in kurzem die Zuhörer an alles erinnern soll, was gesagt worden, das meinst du?
PH. Daß man am Ende noch in kurzem die Zuhörer an alles erinnern soll, was gesagt worden, das meinst du?
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53 Der C h a l k e d o n i e r – woraus Jemand einen Eigennamen gemacht hat – ist Thrasymachos.
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Der C h a l k e d o n i e r – woraus Jemand einen Eigennamen gemacht hat – ist Thrasymachos.
T Anm. 53 mit Gedankenstrich an Anm. 52 angeschlossen W1 S Anm. 53 Thrasymachos (Sophist des 5. Jh.s v. Chr. aus Chalkedon), so richtig in den Scholia in Phaedrum in Siebenkees: Anecdota Graeca (1798), S. 70 [SB 1838] (= S. LX Lucarini/Moreschini) (bei Heindorf z. St., S. 320). Zu dieser Anm. s. Rez.Boeckh (1808), 106 = (1872), S. 24. Es bleibt unklar, wen Schleiermacher hier mit Jemand meint.
T Anm. 75 mit Gedankenstrich an Anm. 74 angeschlossen W2 S Anm. 75 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 53.
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ΣΩ. Ταῦτα λέγω, καὶ εἴτι σὺ ἄλλο ἔχεις εἰπεῖν λόγων τέχνης πέρι.
So. Dies meine ich, und Alles was du noch sonst aus der Redekunst zu sagen hast. Ph. Nur noch Kleinigkeiten nicht der Rede werth. So. Die Kleinigkeiten wollen wir laßen, und lieber alle diese Dinge noch einmal recht beim Lichte besehen was für Wirkungen einer Kunst sie denn äußern und wann. Ph. Doch eine sehr große, Sokrates in zahlreichen Versammlungen. So. Freilich haben sie die. Aber lieber Mensch ich bitte dich besieh sie dir doch recht, ob dir auch das ganze Gewebe so dünn zu sein scheint, wie mir. Ph. So laß mich denn sehn. So. Sage mir wenn Jemand zu deinem Freunde Eryximachos oder zu seinem Vater Akumenos käme und sagte, ich verstehe dem Körper allerlei Mittel beizubringen um ihn zu erhizen und abzukühlen wenn ich will ihn brechen und abführen zu machen wenn ich will und mehr dergleichen, und weil ich das verstehe, so behaupte ich daß ich ein Arzt bin, und daß ich Jeden dem ich meine Kenntniß mittheile ebenfalls dazu mache: was glaubst du wol würden sie darauf sagen?
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ΣΩ. Ἐῶμεν δὴ τά γε σμικρά· ταῦτα δὲ ὑπ᾽ αὐγὰς μᾶλλον ἴδωμεν τίνα καὶ πότ᾽ ἔχει τὴν τῆς τέχνης δύναμιν. ΦΑΙ. Καὶ μάλα ἐρρωμένην, ὦ Σώκρατες, ἔν γε δὴ πλήθους συνόδοις. ΣΩ. Ἔχει γάρ. Ἀλλ᾽, ὦ δαιμόνιε, ἴδε καὶ σύ, εἰ ἄρα καὶ σοὶ φαίνεται διεστηκὸς αὐτῶν τὸ ἠτρίον, ὥσπερ ἐμοί. ΦΑΙ. Δείκνυε μόνον. ΣΩ. Εἰπὲ δή μοι· εἴτις προσελθὼν τῷ ἑταίρῳ σου Ἐρυξιμάχῳ ἢ τῷ πατρὶ αὐτοῦ Ἀκουμενῷ εἴποι, ὅτι ἐγὼ ἐπίσταμαι τοιαῦτ᾽ ἄττα σώματι προσφέρειν, ὥστε θερμαίνειν τε ἐὰν βούλωμαι καὶ ψύχειν, καὶ ἐὰν μὲν δόξῃ μοι, ἐμεῖν ποιεῖν, ἐὰν δ᾽ αὖ, κάτω διαχωρεῖν, καὶ ἄλλα πάμπολλα τοιαῦτα, καὶ ἐπιστάμενος αὐτὰ ἀξιῶ ἰατρὸς εἶναι, καὶ ἄλλον ποιεῖν ᾧ ἂν τὴν τούτων ἐπιστήμην παραδῶ· τί ἂν οἴει ἀκούσαντας εἰπεῖν;
T 32 sie] danach wol
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SOK. Das meine ich, und was du noch sonst etwa zu sagen hast über die Kunst der Reden. PH. Kleinigkeiten, nicht der Rede werth. SOK. Lassen wir also die Kleinigkeiten; diese Dinge aber laß uns noch einmal besser beim Lichte besehen, was für Wirkungen einer Kunst sie hervorbringen, und wann? PH. Eine sehr starke doch, o Sokrates, in den Versammlungen des Volks. SOK. Die haben sie freilich. Aber du Wunderlicher, sieh doch auch du zu, ob dir das ganze Gewebe so lose erscheint als mir.
SOK. Das meine ich, und was du noch sonst etwa zu sagen hast über die Kunst der Reden. PH. Kleinigkeiten, nicht der Rede werth. SOK. Lassen wir also die Kleinigkeiten; diese Dinge aber laß uns noch einmal besser beim Lichte besehen, was für eine Kunstgewalt, und wann, sie eigentlich haben? PH. Eine sehr starke doch, o Sokrates, in den Versammlungen des Volks. SOK. Die haben sie freilich. Aber du Wunderlicher, sieh doch auch du zu, ob dir das ganze Gewebe so lose erscheint als mir.
PH. Zeige es nur. SOK. Wenn Jemand zu deinem Freunde Eryximachos oder dessen Vater Akumenos käme, sagend, ich verstehe solche Dinge dem Körper beizubringen, daß er warm sein muß wenn ich will, und auch frieren, und daß ich ihn, wenn es mir gut dünkt, brechen mache oder auch abführe, und noch vielerlei dergleichen, und weil | ich dieses verstehe, behaupte ich ein Arzt zu sein, auch jeden andern dazu zu machen, dem ich nur diese Kenntniß mittheile; was meinst du werden sie erwiedern, wenn sie dieses angehört?
PH. Zeige es nur. SOK. Wenn Jemand zu deinem Freunde Eryximachos oder dessen Vater Akumenos käme, sagend, ich verstehe solche Dinge dem Körper beizubringen, daß ich ihn erhize wenn ich will, und auch abkühle, und daß ich ihn, wenn es mir gut dünkt, speien mache oder auch abführe, und noch vielerlei dergleichen, und weil ich dieses verstehe, behaupte ich ein Arzt zu sein, auch jeden andern dazu zu machen, dem ich nur diese Kenntniß mittheile; was meinst du werden sie erwiedern, wenn sie dieses angehört?
S 1f und was du noch sonst etwa zu sagen hast] hergestellt von Spalding nach Heindorfs hsl. Note zur Druckvorlage: SN 183/5, f. 2r: „P. 267. και ειτι συ αλλο εχεις ειπειν – ειπε kann ich nicht billigen. Da hieße es gewiß nicht και ειτι, sondern, wie immer, ει δε τι συ – ferner wäre die Wortstellung schlecht. ειπε gehörte ganz ans Ende, oder man müßte ειπειν lassen, und noch ειπε anflicken. Die vulgata scriptura ist ja gut, ειτι, wie si quid, statt ὁ,τι, u n d w a s d u noch sonst etc.“ Dazu Spalding: „Darnach ist geändert.“
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ΦΑΙ. Τί δ᾽ ἄλλο γε ἢ ἔρεσθαι, εἰ προσεπίσταται καὶ οὕστινας δεῖ καὶ ὁπότε ἕκαστα τούτων ποιεῖν, καὶ μέχρις ὁπόσου;
Ph. Was anderes, als ihn fragen, ob er außerdem auch verstände, wem er das Alles verordnen müße und unter was für Umständen, und in welchem Grade. | So. Wenn er nun sagte, „Keineswegs, sondern wer bei mir lernt muß das wonach du fragst von selbst können“? Ph. So würden sie, glaube ich, sagen der Mensch ist toll; er hat irgendwo etwas gelesen, oder ist hinter einige Mittel gekommen, und glaubt ein Arzt geworden zu sein, da er doch nichts von der Kunst versteht. So. Wie wenn Jemand zum Sophokles und Euripides käme und sagte er verstände über eine geringfügige Sache sehr lange Reden zu machen und auch über eine große ganz kurze? Klägliche oder auch ganz das Gegentheil wenn er wollte und eben so furchtsame und drohende, und dergleichen mehr und sich nun einbildete indem er dies lehre lehre er die tragische Dichtkunst? Ph. Auch diese glaube ich würden Jeden auslachen, der sich einbilden könnte die Tragödie bestehe in etwas anderem als in einer solchen Verbindung dieser einzelnen Stüke wie sie sich für einander und zum Ganzen schiken. So. Nur würden sie ihn, glaube ich nicht auf eine grobe Art herunterreißen, sondern so wie ein Tonkünstler, wenn er mit einem zusam-
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ΣΩ. Εἰ οὖν εἴποι, ὅτι οὐδαμῶς, ἀλλ᾽ ἀξιῶ τὸν ταῦτα παρ᾽ ἐμοῦ μαθόντα αὐτὸν οἷόντ᾽ εἶναι ποιεῖν ἃ ἐρωτᾷς;
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ΦΑΙ. Εἴποι ἄν, οἶμαι, ὅτι μαίνεται ἄνθρωπος καὶ ἐκ βιβλίου ποθὲν ἀκούσας ἢ περιτυχὼν φαρμακείοις ἰατρὸς οἴεται γεγονέναι, οὐδὲν ἐπαΐων τῆς τέχνης.
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ΣΩ. Τί δ᾽, εἰ Σοφοκλεῖ αὖ προσελθὼν καὶ Εὐριπίδῃ τις λέγοι, ὡς ἐπίσταται περὶ σμικροῦ πράγματος ῥήσεις παμμήκεις εἰπεῖν καὶ περὶ μεγάλου πάνυ σμικράς, ὅταν τε βούληται, οἰκτράς, καὶ τοὐναντίον αὖ φοβερὰς καὶ ἀπειλητικάς, ὅσα τ᾽ ἄλλα τοιαῦτα, καὶ διδάσκων αὐτὰ τραγῳδίας ποίησιν οἴεται παραδιδόναι; ΦΑΙ. Καὶ οὗτοι ἄν, ὦ Σώκρατες, οἶμαι, καταγελῷεν, εἴτις οἴεται τραγῳδίαν ἄλλο τι εἶναι ἢ τὴν τούτων σύστασιν πρέπουσαν ἀλλήλοις τε καὶ τῷ ὅλῳ συνισταμένην. ΣΩ. Ἀλλ᾽ οὐκ ἂν ἀγροίκως γε, οἶμαι, λοιδορήσειαν, ἀλλ᾽ ὥσπερ ἂν μουσικὸς ἐντυχὼν ἀνδρὶ οἰομένῳ ἁρμο-
7 ποιεῖν] ἐπαΐειν Schleiermacher (bei Heindorf z. St., S. 321), übersetzt W1 W2 8 Εἴποι ἄν] Εἴποιεν ἄν konj. Ed.Genf 1578 (Stephanus), Annot. S. 64 (bei Heindorf z. St., S. 321 f.), übersetzt SN 154 10 φαρμακείοις] φαρμακίοις Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 33 [84,8], vgl. W2 16 εἰπεῖν] ποιεῖν Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 33 [84,12], übersetzt W2
T 8 von] über der Zeile mit Einfügungszeichen 10 sagen] danach hochgestellt Anm.Zeichen Schleiermachers: x), durch Anm.Ziffer 62 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 17 und1] über oder 29 bestehe] danach nicht 29f in etwas anderem] über der Zeile mit Einfügungszeichen 33 schiken] davor ein Wort unleserlich gestrichen, vielleicht angemessen
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PH. Was sonst, als ihn fragen, ob er auch noch verstände, wem und wann er dies alles anthun müsse, und in welchem Grade?
PH. Was sonst, als ihn fragen, ob er auch noch verstände, wem und wann er dies alles anthun müsse, und in welchem Grade?
SOK. Wenn er nun sagte, keinesweges, sondern ich verlange, wer jenes von mir lernt, müsse dieses schon selbst verstehen, wonach du fragst. PH. Dann, glaube ich, würde er sagen, der Mensch ist toll, und weil er in Büchern oder sonst wo einige Mittel gefunden hat, glaubt er ein Arzt geworden zu sein, da er doch nichts von der Kunst versteht. SOK. Und wie wenn Jemand zum Sophokles oder Euripides käme, sagend, er verstände über etwas geringes ganz lange Reden zu sprechen, und auch über etwas wichtiges ganz kurze, klägliche wenn er wollte, und im Gegentheil auch wieder furchtbare und drohende, und was mehr dergleichen, und sich nun einbildete, indem er dies lehre, die tragische Dichtkunst zu lehren? PH. Auch diese, o Sokrates, würden, glaube ich, Jeden auslachen, welcher glaubte die Tragödie wäre etwas anderes als eine solche Zusammenstellung dieser einzelen Stüke, wie sie einander und dem Ganzen angemessen sind. SOK. Aber nicht unartig, glaube ich, würden sie ihn herunterreißen, sondern wie ein Tonkünstler, wenn er mit einem zusammenträfe, der
SOK. Wenn er nun sagte, keinesweges, sondern ich verlange, wer jenes von mir lernt, müsse dieses schon selbst verstehen, wonach du fragst. PH. Dann, glaube ich, würde er sagen, | der Mensch ist toll, und glaubt weil er in Büchern oder sonst wo einige Mittelchen gefunden hat, ein Arzt geworden zu sein, da er doch nichts von der Kunst versteht. SOK. Und wie wenn Jemand zum Sophokles oder Euripides käme, sagend, er verstände über geringes ganz lange Reden zu dichten, und auch über wichtiges ganz kurze, auch klägliche wenn er wollte, und im Gegentheil wieder furchtbare und drohende, und was mehr dergleichen, und sich nun einbildete, indem er dies lehre, die tragische Dichtkunst zu lehren? PH. Auch diese, o Sokrates, würden, glaube ich, Jeden auslachen, welcher glaubte die Tragödie wäre etwas anderes als eine solche Zusammenstellung dieser einzelen Stüke, wie sie einander und dem Ganzen angemessen sind. SOK. Aber nicht unartig, glaube ich, würden sie ihn herunterreißen, sondern wie ein Tonkünstler, wenn er mit einem zusammenträfe, der
S 12 Mittelchen] nach Bekker wie Spalte 1 App. 18 dichten] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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νικῷ εἶναι, ὅτι δὴ τυγχάνει ἐπιστάμενος ὡς οἷόντε ὀξυτάτην καὶ βαρυτάτην χορδὴν ποιεῖν, οὐκ ἀγρίως εἴποι ἄν, ὦ μοχθηρέ, μελαγχολᾷς, ἀλλ᾽ ἅτε μουσικὸς ὢν πρᾳότερον, ὅτι ὦ ἄριστε, ἀνάγκη μὲν καὶ ταῦτ᾽ ἐπίστασθαι τὸν μέλλοντα ἁρμονικὸν ἔσεσθαι, οὐδὲν μὴν κωλύει οὐδὲ σμικρὸν ἁρμονίας ἐπαΐειν τὸν τὴν σὴν ἕξιν ἔχοντα· τὰ γὰρ πρὸ ἁρμονίας ἀναγκαῖα μαθήματα ἐπίστασαι, ἀλλ᾽ οὐ τὰ ἁρμονικά.
menträfe der sich einbildete ein Harmonieverständiger zu sein weil er eine Saite so hoch und so tief als möglich zu stimmen weiß, diesen nicht auf eine rauhe Art anfahren und sagen würde: du erbärmlicher Mensch, du bist verrükt, sondern so wie er sanfter, wie es einem Künstler geziemt, sagen würde, Bester Mann, freilich muß man auch das wißen, wenn man ein Tonkünstler werden will; aber das hindert doch nicht, daß man diese Fertigkeit haben kann ohne auch nur das geringste von der Kunst zu verstehen. Was du weißt das sind nur Vorkenntniße die zur Harmonie nöthig sind, aber nicht die Kunst der Harmonie selbst. Ph. Ganz recht. So. Eben so würde also auch Sophokles dem der sich gegen ihn rühmte sagen, daß er nur die Vorkenntniße für den tragischen Dichter hätte aber nicht seine Kunst, und Akumenos er hätte die Vorkenntniße für den Arzt aber nicht die Heilkunst. Ph. Allerdings.
ΦΑΙ. Ὀρθότατά γε. ΣΩ. Οὐκοῦν καὶ ὁ Σοφοκλῆς τόν σφίσιν ἐπιδεικνύμενον τὰ πρὸ τραγῳδίας ἂν φαίη ἀλλ᾽ οὐ τὰ τραγικά, καὶ ὁ Ἀκουμενὸς τὰ πρὸ ἰατρικῆς ἀλλ᾽ οὐ τὰ ἰατρικά. ΦΑΙ. Παντάπασι μὲν οὖν.
T 14 geringste] über bitterste , vgl. F. Schlegels Kritik an der falschen Übersetzung das bitterste in dem Brief vom 26.10.1801: KGA V/5, Nr. 1115, 7 f. 21 würde] würde durch Punkte darunter Streichung rückgängig gemacht 23 sagen] über der Zeile mit Einfügungszeichen 24 hätte] über der Zeile ohne Einfügungszeichen
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sich einbildet ein Harmonieverständiger zu sein, weil er verstände eine Saite so hoch und so tief als möglich anzuschlagen, nicht mit Heftigkeit sagen würde: Du erbärmlicher | Mensch du bist verrükt; sondern wie es einem Künstler geziemt, sanfter so: Bester Mann, freilich muß auch das wissen, wer ein Tonkünstler werden will, aber dies hindert nicht, daß dennoch einer, der deine Fertigkeit hat, auch nicht das mindeste von der Harmonie verstehen kann, denn du besizest nur die Vorkenntnisse, welche zur Harmonie nothwendig gehören, aber nicht die Harmonie selbst.
sich einbildet ein Harmonieverständiger zu sein, weil er verstände eine Saite so hoch und so tief als möglich anzuschlagen, nicht mit Heftigkeit sagen würde: Du erbärmlicher Wicht du bist verrükt; sondern wie es einem Künstler geziemt, sanfter so: Bester Mann, freilich muß auch das wissen, wer ein Tonkünstler werden will, aber dies hindert nicht, daß dennoch einer, der deine Fertigkeit hat, auch nicht das mindeste von der Harmonie verstehen kann, denn du besizest nur die Vorkenntnisse, welche zur Harmonie nothwendig gehören, aber nicht die Harmonie selbst.
PH. Sehr richtig. SOK. So auch würde Sophokles jenem, der sich gegen ihn rühmte, sagen, er habe die Vorkenntnisse zur tragischen Kunst, nicht diese Kunst selbst, und Akumenos die Vorkenntnisse der Heilkunde, nicht die Heilkunde selbst. PH. Allerdings freilich.
PH. Sehr richtig. SOK. So auch würde Sophokles jenem, der sich gegen ihn rühmte, sagen, er habe die Vorkenntnisse zur tragischen Kunst, nicht diese | Kunst selbst, und Akumenos die Vorkenntnisse der Heilkunde, nicht die Heilkunde selbst. PH. Allerdings freilich.
S 13 mindeste] Vgl. Spalte 2 App.
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ΣΩ. Τί δὲ τὸν μελίγηρυν Ἄδραστον οἰόμεθα, ἢ καὶ Περικλέα, εἰ ἀκούσειαν ὧν νῦν δὴ ἡμεῖς διῇμεν τῶν παγκάλων τεχνημάτων, βραχυλογιῶν τε καὶ εἰκονολογιῶν, καὶ ὅσα ἄλλα διελθόντες ὑπ᾽ αὐγὰς ἔφαμεν εἶναι σκεπτέα· πότερον χαλεπῶς ἂν αὐτούς, ὥσπερ ἐγώ τε καὶ σύ, ὑπ᾽ ἀγροικίας ῥῆμά τι εἰπεῖν ἀπαίδευτον εἰς τοὺς ταῦτα γεγραφότας τε
So. Wie nun wenn der süßredende Adrastos oder Perikles etwas hörten von den schönen Kunstgriffen die wir jezt durchgegangen sind von dem Reden in der Kürze und dem Reden in Bildern, und was wir sonst noch gegen das Licht besehen wollten; glaubst du wol daß auch sie im | Unwillen, wie du und ich vielleicht aus Ungeschliffenheit, ein ungebildetes und hartes Wort ausstoßen würden gegen die welche diese Dinge lehren und darüber schreiben
1 Τί δὲ τὸν] Τί δαί; τὸν Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 34 [85,14], übersetzt W2
T 2 Adrastos] danach hochgestellt Anm.Zeichen Schleiermachers: x), durch Anm.Ziffer 63 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5)
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SOK. Was aber sollen wir vom süßredenden Adrastos54 glauben, oder von Perikles, wenn sie etwas hörten von den schönen Kunststüken, die wir jezt durchgegangen sind, dem Kurzreden und Bilderreden, und was wir sonst noch näher gegen das Licht untersuchen wollten, ob sie wohl unwillig55 wie ich und du unfeiner Weise ein ungesittetes Wort ausstoßen würden gegen die, welche dieses geschrieben haben und leh-
SOK. Wie aber? sollen wir glauben der süßredende Adrastos76, oder Perikles, wenn sie etwas hörten von den schönen Kunststüken, die wir jezt durchgegangen sind, dem Kurzreden und Bilderreden, und was wir sonst noch näher gegen das Licht untersuchen wollten, würden etwa unwillig77 wie ich und du unfeiner Weise ein ungesittetes Wort ausstoßen gegen die, welche dieses geschrieben haben und lehren, als
54 Der süßredende Adrastos erwartet wohl noch seinen Erklärer. Der alte Heros selbst kann schwerlich neben Perikles als Redner genannt werden, und wahrscheinlicher ist wohl, daß ein Anderer darunter gemeint ist, wie eben unter Nestor und Odysseus. 55 o b s i e w o h l u n w i l l i g etc. Diese so nachdrüklich eingeschärfte, und so oft wiederholte Warnung hat gewiß Bezug auf irgend eine plumpe Polemik, entweder anderer Sokratiker gegen Sophisten und | Rhetoren oder umgekehrt.
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Der süßredende Adrastos erwartet wohl noch seinen Erklärer. Nemlich der alte Heros selbst kann schwerlich neben Perikles als Redner genannt werden, und wahrscheinlicher ist wohl, daß ein Anderer darunter gemeint ist, wie oben unter Nestor und Odysseus Gorgias und Theodoros. 77 w ü r d e n e t w a u n w i l l i g etc. Diese so nachdrüklich eingeschärfte, und so oft wiederholte Warnung hat gewiß Bezug auf irgend eine plumpe Polemik, entweder anderer Sokratiker gegen Sophisten und Rhetoren oder umgekehrt.
T Anm. 54 mit Gedankenstrich an Anm. 55 angeschlossen W1 S Anm. 54 Adrastos (mythologische Figur, einer der Sieben gegen Theben) und Perikles (historische Figur, athenischer Staatsmann des 5. Jh.s v. Chr.) erscheinen hier beide als exzellente Redner. Schleiermacher vermutet, daß Adrastos Chiffre für einen historischen Redner ist (vgl. Heindorf z. St., S. 323), wie oben Nestor (S. 301,21f) und Odysseus (S. 303,2), vgl. W2 Anm. 76. – der süßredende Adrastos als „Anspielung oder Entlehnung“ aus Tyrtaios, fr. 12,8 West, identifiziert von Rez.Boeckh (1808), S. 103 = (1872), S. 21. Asts Erklärung (Phaedr. [1810], S. 372) des Namens als Chiffre für den historischen Redner Antiphon von Rhamnus (5. Jh. v. Chr.) ist nicht aufgegriffen in W2 Anm. 76.
T Anm. 76 mit Gedankenstrich an Anm. 77 angeschlossen W2 S 1 Wie aber? sollen wir glauben] nach Bekker wie Spalte 1 App. S Anm. 76 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 54.
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καὶ διδάσκοντας ὡς ῥητορικὴν τέχνην, ἤ, ἅτε ἡμῶν ὄντας σοφωτέρους, κᾂν νῶϊν ἐπιπλῆξαι, εἰπόντας, ὦ Φαῖδρέ τε καὶ Σώκρατες, οὐ χρὴ χαλεπαίνειν, ἀλλὰ συγγιγνώσκειν, εἴ τινες μὴ ἐπιστάμενοι διαλέγεσθαι ἀδύνατοι ἐγένοντο ὁρίσασθαι, τί ποτέ ἐστιν ἡ ῥητορική· ἐκ δὲ τούτου τοῦ πάθους, τὰ πρὸ τῆς τέχνης ἀναγκαῖα μαθήματα ἔχοντες, ῥητορικὴν ᾠήθησαν εὑρηκέναι, καὶ ταῦτα δὴ διδάσκοντες ἄλλους ἡγοῦνται σφίσι τελέως ῥητορικὴν δεδιδάχθαι· τὸ δὲ ἕκαστα τούτων πιθανῶς λέγειν τε καὶ τὸ ὅλον συνίστασθαι, οὐδὲν ἔργον, αὐτοὺς δεῖν παρ᾽ ἑαυτῶν τοὺς μαθητὰς σφῶν πορίζεσθαι ἐν τοῖς λόγοις;
als machten sie die Redekunst aus? Oder würden sie nicht vielleicht da sie soviel weiser sind als wir auch nur einen Verweis geben und sagen: Ei Phaidros und Sokrates, ihr müßt nicht gleich so böse werden sondern Nachsicht haben, wenn solche die von der Dialektik nichts verstehen auch nicht im Stande sind deutlich zu machen was eigentlich die Redekunst ist, sondern eben deshalb, wiewol sie nur die unentbehrlichen Vorübungen der Kunst inne haben, die Kunst selbst gefunden zu haben und wenn sie jene Andern mittheilen sie vollkommen in der Redekunst zu unterrichten glauben. Daß dies Alles aber dem Endzwek der Ueberredung gemäß vorgetragen, und ein Ganzes daraus zusammengefügt werde, das überlaßen sie ihren Schülern, als wäre es nichts, selbst in ihre Reden hineinzubringen.
ΦΑΙ. Ἀλλὰ μήν, ὦ Σώκρατες, κινδυνεύει γε τοιοῦτόν τι εἶναι τὸ τῆς τέχνης, ἣν οὗτοι οἱ ἄνδρες ὡς ῥητορικὴν διδάσκουσί τε καὶ γράφουσι, καὶ ἔμοιγε δοκεῖς ἀληθῆ εἰρηκέναι. Ἀλλὰ δὴ τὴν τοῦ τῷ ὄντι ῥητορικοῦ τε καὶ πιθανοῦ τέχνην πῶς καὶ πόθεν ἄν τις δύναιτο πορίσασθαι;
Ph. Ja ja Sokrates, eine solche Bewandniß scheint es zu haben mit der Kunst, welche diese Männer als die Redekunst lehren und in Schriften vortragen, und ich glaube daß du ganz Recht hast. Wie und woher kann man sich dann aber die Kunst des wahren und überredenden Redners zu eigen machen?
T 5 ihr] über man | müßt] korr. aus muß 6 gleich] über der Zeile mit Einfügungszeichen | werden] über sein 13 inne] über gefunden 14 haben] danach glauben 15 wenn sie] über der Zeile mit Einfügungszeichen | jene] danach nun 15f mittheilen] korr. aus mittheilen d
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ren, als wäre es die Redekunst, oder ob sie, die soviel weiseren als wir, dies auch uns verweisen und sagen würden: O Phädros und Sokrates, nicht unwillig muß man werden, sondern Nachsicht haben, wenn solche, die überhaupt nicht verstehen mit Begriffen umzugehn, auch nicht vermögend gewesen sind zu bestimmen, was eigentlich die Redekunst ist, und dieses Umstandes wegen, wenn gleich sie nur die nothwendigen Vorkenntnisse dieser Kunst besizen, dennoch glaubten die Redekunst selbst erfunden, und so auch wenn sie jenes Andere | lehrten, sie vollkommen in der Redekunst unterrichtet zu haben; daß aber dieses alles auf überredende Art gebraucht und ein Ganzes daraus zusammengesezt werde, diese Vollkommenheit in die Reden hineinzubringen ihren Schülern, als wäre es eine Kleinigkeit, selbst überließen? PH. Allerdings, o Sokrates, scheint es so ohngefähr zu stehen mit der Kunst, welche diese Männer als die Redekunst lehren und in Schriften vortragen, und mir scheinst du ganz wahr gesprochen zu haben. Aber nun die Kunst des wahren und überzeugenden Redners, wie und woher kann sich diese jemand zu eigen machen?
wäre es die Redekunst, oder würden sie die so viel weiseren als wir, dies auch uns verweisen und sagen: O Phaidros und Sokrates, nicht unwillig muß man werden, sondern Nachsicht haben, wenn solche, die überhaupt nicht verstehen mit Begriffen umzugehn, auch nicht vermögend gewesen sind zu bestimmen, was eigentlich die Redekunst ist, und dieses Umstandes wegen, wenn gleich sie nur die nothwendigen Vorkenntnisse dieser Kunst besizen, dennoch glaubten die Redekunst selbst erfunden, und so auch wenn sie jenes Jemanden lehrten, ihn vollkommen in der Redekunst unterrichtet zu haben; und wenn sie hingegen daß dies alles auf überredende Art gebraucht und ein Ganzes daraus zusammengesezt werde, diese Vollkommenheit in die Reden hineinzubringen ihren Schülern, als wäre es eine Kleinigkeit, selbst überlassen? PH. Allerdings, o Sokrates, scheint es so ohngefähr zu stehen mit der Kunst, welche diese Männer als die Redekunst lehren und in Schriften vortragen, und mir scheinst du ganz wahr gesprochen zu haben. Aber nun die Kunst des | wahren und überzeugenden Redners, wie und woher kann sich diese jemand zu eigen machen?
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Erste Fassung (handschriftlich)
ΣΩ. Τὸ μὲν δύνασθαι, ὦ Φαῖδρε, ὥστε ἀγωνιστὴν τέλεον γενέσθαι, εἰκός, ἴσως δὲ καὶ ἀναγκαῖον, ἔχειν ὥσπερ τἄλλα· εἰ μέν σοι ὑπάρχει φύσει ῥητορικῷ εἶναι, ἔσῃ ῥήτωρ ἐλλόγιμος, προσλαβὼν ἐπιστήμην τε καὶ μελέτην· ὅτου δ᾽ ἂν ἐλλίπῃς τούτων, ταύτῃ ἀτελὴς ἔσῃ. Ὅσον δὲ αὐτοῦ τέχνη, οὐχ, ᾗ Λυσίας τε καὶ Θρασύμαχος πορεύεται, δοκεῖ μοι φαίνεσθαι ἡ μέθοδος.
So. Meinst du das Können so, daß man den Preis der Vollkommenheit davon trage, so wird es sich damit wahrscheinlich aber vielmehr unfehlbar hierin verhalten wie in andern Dingen. Hast du von Natur Talent dazu, so wirst du ein treflicher Redner werden wenn du Kenntniße und Fleiß mit dazu bringst; läßest du es aber an einem von diesen Stüken fehlen, so wirst du von dieser Seite unvollkommen sein. Was aber dazu durch Kunst erlangt wird, dazu scheint mir eine Machart nicht auf dem Wege ans Licht gebracht zu werden, den Lysias und Thrasymachos eingeschlagen haben. Ph. Aber auf welchem dann? So. Mir scheint Perikles bis jezt unter Allen der Eingeweihteste in die Redekunst gewesen zu sein, auch finde ich das ganz natürlich. Ph. Wie so? | So. Alle jene Anweisungen zur Kunst auch die vortreflichsten bedürften doch etwas von jenem spiz-
ΦΑΙ. Ἀλλὰ πῇ δή; ΣΩ. Κινδυνεύει, ὦ ἄριστε, εἰκότως ὁ Περικλῆς πάντων τελεώτατος εἰς τὴν ῥητορικὴν γενέσθαι. ΦΑΙ. Τί δή; ΣΩ. Πᾶσαι ὅσαι μεγάλαι τῶν τεχνῶν, προσδέονται ἀδολεσχίας
4 τἄλλα· εἰ] τ᾽ ἄλλα. εἰ Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W2 9 Λυσίας] Gorgias Ficinus (in Ed.Zweibrücken 1787) Ed.Genf 1578 (Stephanus), Annot. S. 64 (vgl. Heindorf z. St., S. 325 f.; Ast: Phaedr. 1810, S. 372) | Τισίας konj. G. H. Schaefer (Sophoclis Tragoediae … curavit G. H. Schaefer, Tomus II, Leipzig 1810, p. 325 zu Oedipus Coloneus V. 1350), vgl. W2 Anm. 78
T 3 so] über damit | damit] über der Zeile mit Einfügungszeichen 9 dazu] über der Zeile mit Einfügungszeichen 26 Kunst] danach hochgestellt Anm.-Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 64 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5)
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SOK. Mit dem Können, so daß einer ein vollkommener Kämpfer wird, wird es wahrscheinlich oder vielmehr unfehlbar hierin eben die Bewandtniß haben, wie in andern Dingen, nämlich wenn du von Natur rednerische Anlage hast, so wirst du ein berühmter Redner werden, sofern du noch Wissenschaft und Uebung hinzufügst, an welchem aber von diesen es dir fehlt, von der Seite wirst du unvollkommen sein. Was aber an der Sache Kunst ist, dazu scheint mir die Anleitung nicht auf dem Wege deutlich zu werden, den Lysias und Thrasymachos eingeschlagen sind.
SOK. Mit dem Können, so daß einer ein vollkommener Kämpfer wird, wird es wahrscheinlich, ja vielleicht nothwendig eben die Bewandtniß haben, wie in andern Dingen. Nemlich wenn du von Natur rednerische Anlage hast, so wirst du ein berühmter Redner werden, sofern du noch Wissenschaft und Uebung hinzufügst, an welchem aber von diesen es dir fehlt, von der Seite wirst du unvollkommen sein. Was aber an der Sache Kunst ist, dazu scheint mir die Anleitung nicht auf dem Wege herauszukommen, den Lysias78 und Thrasymachos gehen.
PH. Aber auf welchem dann? SOK. Perikles, o bester, mag doch wohl eigentlich unter Allen der Eingeweihteste gewesen sein in die Redekunst. PH. Wie so? SOK. Alle größeren Künste bedürfen doch etwas von jenem spizfin-
PH. Aber auf welchem dann? SOK. Perikles, o bester, mag doch wohl eigentlich unter Allen der Eingeweihteste gewesen sein in die Redekunst. PH. Wie so? SOK. Alle größeren Künste bedürfen doch etwas von spizfindigem
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d e n L y s i a s . Nicht Gorgias mochte ich hier statt Lysias sezen, sondern Tisias.
S 5f in andern Dingen. Nemlich wenn] nach Bekker wie Spalte 1 App. S Anm. 78 Vgl. Spalte 1 App.
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Erste Fassung (handschriftlich)
καὶ μετεωρολογίας φύσεως πέρι. Τὸ γὰρ ὑψηλόνουν τοῦτο καὶ πάντη τελεσιουργικὸν ἔοικεν ἐντεῦθέν ποθεν εἰσιέναι· ὃ καὶ Περικλῆς πρὸς τῷ εὐφυὴς εἶναι ἐκτήσατο. Προσπεσὼν γάρ, οἶμαι, τοιούτῳ ὄντι Ἀναξαγόρᾳ, μετεωρολογίας ἐμπλησθεὶς καὶ ἐπὶ φύσιν νοῦ τε καὶ ἀνοίας ἀφικόμενος, ὧν δὴ πέρι τὸν πολὺν λόγον ἐποιεῖτο Ἀναξαγόρας, ἐντεῦθεν εἵλκυσεν ἐπὶ τὴν τῶν λόγων
findigen in den Lüften schwebenden Geschwäz über die Natur. Denn darauf scheint vorzüglich das tiefgedachte und das Erfolgssichern in der Bearbeitung zu beruhen, welches wir bei Perikles neben seinen Naturgaben in einem so hohen Grade antreffen. Anaxagoras nemlich, den er auf seinem Wege antraf war ein solcher Forscher, mit ihm stellte er solche hochfahrende Untersuchungen die Fülle auf, kam bis auf das Wesen des Verstandes und des Verstandlosen – worauf Anaxagoras Alles zurük führte – und brachte von dort
3 τελεσιουργικὸν] Edd. vulg. Heindorf Ast: Phaedr. 1810, S. 47 W1 Anm. 56 W2 Anm. 80 | τελεσιουργόν Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 34 [87,7]
T 5 Bearbeitung] danach hochgestellt Anm.Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 65 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 10 mit ihm] über da 15 führte] danach Einfügungszeichen ohne Text
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digen und hochfliegenden Geschwäz über die Natur. Denn nur hieraus kann jene Würde und Zuversichtlichkeit im Erfolg56 entstehen, welche Perikles außer seinen | Naturgaben sich in so hohem Grade erworben hatte. So denke ich wenigstens, weil er mit dem Anaxagoras, der ja wohl ein solcher war, zusammentraf, und jener hohen Kenntnisse voll ward, und zur Natur des Verstandes und Unverstandes gelangte, wovon ja Anaxagoras soviel Reden machte, hat er von dort her,
und hochfliegendem Geschwäz79 über die Natur. Denn nur hieraus kann jene Würde und Zuversichtlichkeit im Erfolg80 entstehen, welche Perikles außer seinen Naturgaben sich in so hohem Grade erworben hatte. So denke ich wenigstens, weil er mit dem Anaxagoras, der ja wohl ein solcher war, zusammentraf, und jener hohen Kenntnisse voll ward, und zur Natur des Verstandes und Unverstandes gelangte, wovon ja Anaxagoras so viel Reden machte, hat er von dort her,
56 W ü r d e und Zuversichtlichk e i t d e s E r f o l g s . τὸ ὑψηλόνουν καὶ τελεσιουργικόν. Beide Worte stehen eben so im Suidas dem ἔπεσιν εὖ συνηρμοσμένον entgegengesezt neben einander, und gehen also unstreitig auf den ganzen Charakter der Rede, und auf die Vollkommenheit in Erfindung und Bearbeitung.
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spizfindigem und hochfl i e g e n d e m G e s c h w ä z . Als freie Ironie gedacht kommt dies ziemlich frostig heraus; aber es ist gewiß Wiederholung rhetorischen Schimpfes auf die Philosophie, der hier mehr wohlmeinend als gründlich abgewiesen wird. Denn die Philosophie des Anaxagoras war wohl nicht von der Art dem Perikles solchen Nuzen zu gewähren. Oder wollte Platon, der Leser sollte hier beim Anaxagoras an den Sokrates selbst denken? Im Kratylos kommen μετεωρολόγοι und ἀδολέσχαι eben so vor. 80 W ü r d e und Zuversichtlichk e i t d e s E r f o l g s . τὸ ὑψηλόνουν καὶ τελεσιουργικόν. Beide Worte stehen eben so | im Suidas den ἔπεσιν εὖ συνηρμοσμένοις entgegengesezt neben einander, und gehen also unstreitig auf den ganzen Charakter der Rede, und auf die Vollkommenheit in Erfindung und Bearbeitung.
T Anm. 79 27 ἀδολέσχαι] ἀδολέςχαι verdruckt W2 | Anm. 80 mit Gedankenstrich an Anm. 79 angeschlossen W2 S Anm. 56 τελεσιουργὸν ἔχοντα (εἶχον) … ἔπεσιν (εὖ) συνηρμοσμένα (mit Worten wohl gefügt) Suidae Lexicon, ed. L. Kuster, 1705, Bd. 1, S. 736; Bd. 3, S. 269; Bd. 3, S. 442 = Suda ε 1155 Adler; ρ 287 Adler; τ 262 Adler.
S Anm. 79 Anaxagoras (griechischer Philosoph des 5. Jh.s v. Chr. aus Klazomenai) als Repräsentant der Philosophie überhaupt genannt. Vgl. Platon, Kratylos 401b. Anm. 80 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 56.
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τέχνην τὸ πρόσφορον αὐτῇ. b
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ΦΑΙ. Πῶς τοῦτο λέγεις; ΣΩ. Ὁ αὐτός που τρόπος τέχνης ῥητορικῆς, ὅσπερ καὶ ἰατρικῆς. ΦΑΙ. Πῶς δή; ΣΩ. Ἐν ἀμφοτέραις δεῖ διελέσθαι φύσιν, σώματος μὲν ἐν τῇ ἑτέρᾳ, ψυχῆς δὲ ἐν τῇ ἑτέρᾳ, εἰ μέλλεις μὴ τριβῇ μόνον καὶ ἐμπειρίᾳ, ἀλλὰ τέχνῃ, τῷ μὲν φάρμακα καὶ τροφὴν προσφέρων ὑγίειαν καὶ ῥώμην ἐμποιήσειν, τῇ δὲ λόγους τε καὶ ἐπιτηδεύσεις νομίμους πειθὼ, ἣν ἂν βούλῃ, καὶ ἀρετὴν παραδώσειν.
ΦΑΙ. Τὸ γοῦν εἰκός, ὦ Σώκρατες, οὕτω. ΣΩ. Ψυχῆς οὖν φύσιν ἀξίως λόγου κατανοῆσαι οἴει δυνατὸν εἶναι ἄνευ τῆς τοῦ ὅλου φύσεως; ΦΑΙ. Εἰ μὲν Ἱπποκράτει τῷ τῶν Ἀσκληπιαδῶν δεῖ τι πείθεσθαι, οὐδὲ περὶ σώματος ἄνευ τῆς μεθόδου ταύτης. ΣΩ. Καλῶς γάρ, ὦ ἑταῖρε, λέγει. Χρὴ μέντοι πρὸς τῷ Ἱπποκράτει τὸν λόγον ἐξετάζοντα σκοπεῖν, εἰ συμφωνεῖ. ΦΑΙ. Φημί. ΣΩ. Τὸ τοίνυν περὶ φύσεως σκόπει τί ποτε λέγει Ἱπποκράτης τε καὶ ὁ ἀληθὴς λόγος. Ἆρ᾽ οὐχ ὧδε χρὴ δια-
9f ἐμπειρίᾳ, ἀλλὰ τέχνῃ, τῷ μὲν] ἐμπειρίᾳ ἀλλὰ τέχνῃ τῷ μὲν Heindorf, korr. Appendix S. 362
Erste Fassung (handschriftlich)
wieder zur Redekunst hinüber was ihr förderlich sein müßte. Ph. Wie meinst du das eigentlich? So. Es hat mit der Redekunst dieselbe Bewandniß wie mit der Heilkunst. Ph. In wie fern. So. In beiden mußt du die natürlichen Verschiedenheiten in dieser des Körpers in jener der Seele gehörig unterscheiden, wenn du nemlich nicht nur als ein Empiriker und wie es eben hergebracht ist sondern nach der Kunst den Körper durch Speise und Arznei stark und gesund machen und in der Seele durch angemeßene Reden und Anweisungen jede Ueberzeugung und jede Gesinnung worauf es dir ankommt erwirken willst. Ph. So scheint es allerdings Sokrates. So. Und glaubst du daß es möglich sei die Natur der Seele richtig zu begreifen ohne die Natur des Ganzen? Ph. Wenn man dem ersten unter den Asklepiaden Hippokrates glauben soll, so kann man ohne dieses Verfahren nicht einmal die Natur des Körpers richtig begreifen. So. Da hat er ganz recht. Wir müßen aber doch außer dem Hippokrates auch die gesunde Vernunft fragen und zusehen ob es so stimmt. Ph. Meinetwegen. So. So sieh also zu was Hippokrates und die gesunde Vernunft in Ansehung der Natur sagen. Muß man nicht die Natur eines jeden Dinges
T 16 in] über der Zeile mit Einfügungszeichen
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was ihr nüzlich war, in die Redekunst herübergebracht. PH. Wie meinst du dieses? SOK. Es hat dieselbe Bewandtniß mit der Redekunst wie mit der Heilkunst. PH. Wie so? SOK. In beiden mußt du, die Natur des Leibes in der einen, der Seele in der andern erklären, wenn du nicht nur hergebrachterweise und erfahrungsmäßig, sondern nach der Kunst jenem durch Anwendung von Arznei und Nahrung Gesundheit und Stärke verschaffen, dieser durch angeordnete Sitten und Belehrungen, welche Ueberzeugung und Tugend du willst, mitzutheilen begehrst.
was ihr nüzlich war, in die Redekunst herübergebracht. PH. Wie meinst du dieses? SOK. Es hat dieselbe Bewandtniß mit der Redekunst wie mit der Heilkunst. PH. Wie so? SOK. In beiden mußt du, die Natur des | Leibes in der einen, der Seele in der andern eintheilen, wenn du nicht nur hergebrachterweise und erfahrungsmäßig, sondern nach der Kunst jenem durch Anwendung von Arznei und Nahrung Gesundheit und Stärke verschaffen, dieser durch angeordnete Belehrungen und Sitten, welche Ueberzeugung und Tugend du willst, mitzutheilen begehrst.
PH. Allem Ansehn nach, o Sokrates, ist es so. SOK. Und glaubst du die Natur der Seele richtig begreifen zu können, ohne des Ganzen Natur? PH. Wenn man dem Asklepiaden Hippokrates glauben soll, auch nicht einmal die des Körpers ohne ein solches Verfahren.
PH. Allem Ansehn nach, o Sokrates, ist es so. SOK. Und glaubst du die Natur der Seele richtig begreifen zu können, ohne des Ganzen Natur? PH. Wenn man dem Asklepiaden Hippokrates glauben soll, auch nicht einmal die des Körpers ohne ein solches Verfahren.
SOK. Sehr schön, o Freund, daß er dieses sagt. Wir müssen aber doch außer dem Hippokrates auch noch die Vernunft fragend untersuchen, ob sie einstimmt. PH. Das gebe ich zu. SOK. So sieh nun zu, was über die Natur Hippokrates sagt und die richtige Vernunft. Muß man nicht so nachdenken über eines jeden
SOK. Sehr schön, o Freund, daß er dieses sagt. Wir müssen aber doch außer dem Hippokrates auch noch die Vernunft fragend untersuchen, ob sie einstimmt. PH. Das gebe ich zu. SOK. So sieh nun zu, was über die Natur Hippokrates sagt und die richtige Vernunft. Muß man nicht so nachdenken über eines jeden
S 15–17 durch angeordnete Sitten und Belehrungen] kritisiert Ast: Phaedr. 1810, S. 375; verändert in W2
S 15–17 durch angeordnete Belehrungen und Sitten] verändert ggb. W1 nach Ast: Phaedr. 1810 (wie zu W1)
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νοεῖσθαι περὶ ὁτουοῦν φύσεως, πρῶτον μέν, ἁπλοῦν ἢ πολυειδές ἐστιν, οὗ πέρι βουλησόμεθα εἶναι αὐτοὶ τεχνικοὶ καὶ ἄλλους δυνατοὶ ποιεῖν· ἔπειτα δέ, ἐὰν μὲν ἁπλοῦν ᾖ, σκοπεῖν τὴν δύναμιν αὐτοῦ, τίνα πρός τι πέφυκεν εἰς τὸ δρᾷν ἔχειν ἢ τίνα εἰς τὸ παθεῖν ὑπό του, ἐὰν δὲ πλείω εἴδη ἔχῃ, ταῦτα ἀριθμησάμενον, ὅπερ ἐφ᾽ ἑνός, τοῦτ᾽ ἰδεῖν ἐφ᾽ ἑκάστου, τὸ τί ποιεῖν αὐτὸ πέφυκεν ἢ τὸ τί παθεῖν ὑπό του;
ΦΑΙ. Κινδυνεύει, ὦ Σώκρατες.
so zu begreifen suchen: Erstlich sucht man ob dasjenige in Beziehung worauf wir eine Kunst besizen oder im Stande sein wollen sie Andern mitzutheilen etwas nur auf eine Weise gesagtes ist oder | in mehrere Arten zerfällt. Dann im ersten Falle seine Kraft untersuchen, was für eine es von Natur hat um auf was für Dinge zu wirken, und was für eine um Einwirkungen von ihnen aufzunehmen: hat es aber mehrere Arten so muß man diese aufzählen, und dann über jede einzelne dieselbe Untersuchung anstellen wie vorher über das Ganze, was nemlich jede ihrer Natur nach ausrichten und was sie von irgend etwas Anderm erleiden kann. Ph. So muß es angefangen werden.
6–8 τίνα πρός τι … ἢ τίνα … ὑπό του] τίνα πρὸς τί … ἢ τίνα … ὑπὸ τοῦ Ast: Phaedr. 1810, S. 48 Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt von Stolberg (Auserlesene Gespräche, 1. Theil, 1796, S. 103) (teilweise) SN 154 (teilweise) W1 W2, vgl. W1 Anm. 57 W2 Anm. 81
T 4 im Stande sein wollen sie] über der Zeile mit Einfügungszeichen 5 mitzutheilen] zu unter der Zeile eingefügt, danach wollen 7 zerfällt. Dann] korr. aus zerfällt, dann 13 aufzählen] auf über der Zeile mit Einfügungszeichen
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Dinges Natur, zuerst ob das einzeln oder vielartig | ist, was wir selbst als Künstler behandeln und auch Andere dazu wollen geschikt machen. Dann daß man, wenn es einzeln ist, seine Kraft untersuche, was für eine es hat57 von Natur, um auf was für Dinge zu wirken, und was für eine um Einwirkungen und von was für welchen aufzunehmen; wenn es aber mehrere Arten hat, diese erst aufzähle, und so von jeder wie vorher von der einzelen sehe, was sie ihrer Natur nach ausrichten, und was sie von was anderm erleiden kann.
Dinges Natur, zuerst ob das einerlei ist oder vielgestaltig, was wir selbst als Künstler behandeln und auch Andere dazu wollen geschikt machen. Dann daß man, wenn es einerlei ist, seine Kraft untersuche, was für eine es hat81 von Natur, um auf was für Dinge zu wirken, und was für eine um Einwirkungen und von was für welchen aufzunehmen; wenn es aber mehrere Gestalten hat, diese erst aufzähle, und so von jeder wie vorher von dem einen sehe, was sie ihrer Natur nach ausrichten, und was sie von welchem andern erleiden kann.
PH. So wird es geschehen müssen.
PH. So wird es geschehen müssen. |
57 w a s f ü r e i n e e s h a t etc. Ich lese hier überall die gehäufte Frage: τίνα πρὸς τί … ὑπὸ τοῦ; so auch 271. a. ὅτῳ τί ποιεῖν … ὑπὸ τοῦ. Man sehe nur οἵα οὖσα ὑφ᾽ οἵων λόγων und 271. d. οἱ μὲν οὖν τοιοῖδε κ. τ. λ.
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w a s f ü r e i n e e s h a t etc. Ich lese hier überall die gehäufte Frage: τίνα πρὸς τί … ὑπὸ τοῦ; so auch 271. a. ὅτῳ τί ποιεῖν … ὑπὸ τοῦ. Man sehe nur οἵα οὖσα ὑφ᾽ οἵων λόγων und 271. d. οἱ μὲν οὖν τοιοῖδε κ. τ. λ.
S 1 einzeln] kritisiert von Rez.Anon., in: Neue Leipziger Literaturzeitung 90. Stück, 1806, Sp. 1432, verändert in W2 S Anm. 57 21 οἵα οὖσα] davor zu ergänzen: 271b. – Periodisierung gelobt von Rez.Boeckh (1808), S. 102 = (1872), S. 20 f.; Rez.Ast (1808), S. 135; Ast: Phaedr. 1810, S. 375 f. Dazu schon Heindorfs hsl. Note zur Druckvorlage: SN 183/5, f. 2r: „P. 270. τίνα προς τί – Die Sache hat mir ehedem den Kopf sehr warm gemacht. Die doppelte Frage schmeichelte mir auch. Aber am Ende schien mir doch das Fragen zu gehäuft; wie wohl freilich statt τι (enclit.) es heißen müßte ἑκαστον und s. w. – Jetzt bin ich hier und nachher für τί, τῷ und s. w. Wieder die bittre Reue!“ Dazu Spalding: „Also stimmt doch Hndf. Ihnen bei? So auch ich.“
T Anm. 81 20 ὅτῳ] ὅτω W2 S 1 einerlei] verändert ggb. W1 nach Rez.Anon. (1806) (wie zu W1) S Anm. 81 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 57.
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ΣΩ. Ἡ γοῦν ἄνευ τούτων μέθοδος ἐοίκοι ἂν ὥσπερ τυφλοῦ πορείᾳ. Ἀλλ᾽ οὐ μὴν ἀπεικαστέον τόν γε τέχνῃ μετιόντα ὁτιοῦν τυφλῷ οὐδὲ κωφῷ, ἀλλὰ δῆλον ὡς, ἄν τῴ τις τέχνῃ λόγους διδῷ, τὴν οὐσίαν δείξει ἀκριβῶς τῆς φύσεως τούτου, πρὸς ὃ τοὺς λόγους προσοίσει· ἔσται δέ που ψυχὴ τοῦτο.
So. Jede Methode wobei dies übergangen wird ist nur wie das Gehen eines Blinden. Wer aber einer Sache mit Kunst nachstrebt, muß weder einem Blinden noch einem Tauben verglichen werden können, sondern wer an irgend etwas mit Kunst seine Rede richtet, der muß genau die Wesentlichkeit der Natur des Dinges darstellen können, dem er seine Rede anbringen will. Dieses wird aber hier für uns die Seele sein.
ΦΑΙ. Τί μήν; ΣΩ. Οὐκοῦν ἡ ἅμιλλα αὐτῷ τέταται πρὸς τοῦτο πᾶσα; πειθὼ γὰρ ἐν τούτῳ ποιεῖν ἐπιχειρεῖ: ἦ γάρ; ΦΑΙ. Ναί. ΣΩ. Δῆλον ἄρα, ὅτι ὁ Θρασύμαχός τε καὶ ὃς ἂν ἄλλος σπουδῇ τέχνην ῥητορικὴν διδῷ, πρῶτον πάσῃ ἀκριβείᾳ γράψει τε καὶ ποιήσει ψυχὴν ἰδεῖν πότερον ἓν καὶ ὅμοιον πέφυκεν ἢ κατὰ σώματος μορφὴν πολυειδές. τοῦτο γάρ φαμεν φύσιν εἶναι δεικνύναι. ΦΑΙ. Παντάπασι μὲν οὖν. ΣΩ. Δεύτερον δέ γε, ὅτῴ τι ποιεῖν ἢ παθεῖν ὑπό του πέφυκε. ΦΑΙ. Τί μήν; ΣΩ. Τρίτον δὲ δὴ διαταξάμενος τὰ λόγων τε καὶ ψυχῆς γένη καὶ τὰ τούτων παθήματα δίεισι πάσας αἰτίας, προσαρμόττων ἕκαστον ἑκάσ-
24f ὅτῴ τι … ἢ … ὑπό του] ὅτῳ τί … ἢ … ὑπὸ τοῦ Ast: Phaedr. 1810, S. 48 Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W1 W2, vgl. den vorangegangenen Apparat mit den dazugehörigen W1 Anm. 57 W2 Anm. 81
Ph. Was anders? So. Hier also ist ihm sein ganzer Kampfplaz abgestekt: denn in dieser will er eine Ueberzeugung hervorbringen. Nicht wahr? Ph. Allerdings. So. Offenbar also muß Thrasymachos oder wer sonst im Ernst eine Redekunst vortragen will zuerst genau beschreiben und anschaulich machen ob die Sache ein nur auf Eine Art bestimmtes und immer sich selbst ähnliches Ding ist, oder wie der Leib ein vielartiges, denn dies nennen wir die Natur eines Dinges zeigen. Ph. Allerdings. So. Zweitens was sie ihrer Natur nach auf dieses und jenes wirkt oder was für Wirkungen sie davon erfährt. Ph. Freilich. So. Drittens muß er die verschiedenen Arten der Rede und der Seele und deren Eigenschaften aufstellen und so die verschiedenen Wirkungsarten durchgehn, jede mit jeder zu-
T 6–10 sondern…können] am rechten Rand das Zeichen Ǝ für F. Schlegel zur Prüfung der Stelle (KGA V/5, Nr. 1030, 8 f.; vgl. zur Phaidros-Hs.. S. XLV f.). Zusätzlich rechts daneben ein x.
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SOK. Jedes Verfahren ohne dieses wäre nur wie eines Blinden Wanderung. Aber keinesweges muß, wer irgend einer Sache kunstmäßig nachstrebt, einem Blinden oder Tauben können verglichen werden, sondern offenbar ist, daß wenn Jemand an etwas mit Kunst seine Reden wendet, er auch das Wesen der Natur des Dinges genau muß zeigen können, welchem er seine Reden anbringen will; dieses aber wird doch die Seele sein. PH. Was sonst? SOK. Gegen diese also ist sein ganzer Kampf gerichtet; denn in ihr will er Ueberzeugung hervorbringen, nicht wahr? PH. Freilich. SOK. Offenbar also muß Thrasymachos und wer sonst mit Fleiß eine rhetorische Kunstlehre geben will, zuerst mit aller Genauigkeit lehren und anschaulich machen, ob die Seele eins ist und sich überall ähnlich oder auch im Verhältniß zur Gestalt des Körpers vielartig. Denn dieses behaupten wir, hieße die Natur eines Dinges zeigen. PH. Allerdings. SOK. Zum andern worauf sie ihrer Natur | nach wirkt, und was, und wovon sie und was für Wirkungen erfährt. PH. Dieses freilich auch. SOK. Drittens wird er die verschiedenen Arten der Reden, wie auch der Seele und dessen was in dieser gewirkt werden kann, in der Ordnung aufstellend alle verschiedenen Ursachen durchgehen, jede mit jeder
SOK. Jedes Verfahren ohne dieses wäre nur wie eines Blinden Wanderung. Aber keinesweges muß, wer irgend einer Sache kunstmäßig nachstrebt, einem Blinden oder Tauben können verglichen werden, sondern offenbar ist, daß wenn Jemand kunstmäßig Reden mittheilt, er auch das Wesen der Natur dessen genau muß zeigen können, dem er seine Reden anbringen will; dieses aber wird doch die Seele sein. PH. Was sonst? SOK. Gegen diese also ist sein ganzer Kampf gerichtet; denn in ihr will er Ueberzeugung hervorbringen, nicht wahr? PH. Freilich. SOK. Offenbar also muß Thrasymachos und wer sonst mit Fleiß eine rhetorische Kunstlehre geben will, zuerst mit aller Genauigkeit lehren und anschaulich machen, ob die Seele eins ist und sich überall ähnlich oder auch nach der Gestalt des Leibes vielartig. Denn dieses behaupten wir, hieße die Natur eines Dinges zeigen. PH. Allerdings. SOK. Zum andern worauf sie ihrer Natur nach wirkt, und was, und wovon sie und was für Wirkungen erfährt. PH. Dieses freilich auch. SOK. Drittens nachdem er der Reden wie auch der Seele Arten und ihr verschiedenes Verhalten ordentlich auseinander gesezt, wird er alle verschiedenen Ursachen durchgehen, jedes mit jedem zusammen-
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Erste Fassung (handschriftlich)
τῳ, καὶ διδάσκων, οἵα οὖσα ὑφ᾽ οἵων λόγων δι᾽ ἣν αἰτίαν ἐξ ἀνάγκης ἡ μὲν πείθεται, ἡ δὲ ἀπειθεῖ.
sammenstellen und zeigen, was für eine Seele von was für einer Rede aus was für einem Grunde nothwendig überzeugt werden und nicht überzeugt werden wird. Ph. So wäre es freilich am besten.
ΦΑΙ. Κάλλιστα γοῦν ἄν, ὡς ἔοικ᾽, ἔχοι οὕτως. ΣΩ. Οὔτοι μὲν οὖν, ὦ φίλε, ἄλλως ἐνδεικνύμενον ἢ λεγόμενον τέχνῃ ποτὲ γραφήσεται ἢ λεχθήσεται οὔτέ τι ἄλλο, οὔτε τοῦτο, ἀλλ᾽ οἱ νῦν γράφοντες, ὧν σὺ ἀκήκοας, τέχνας λόγων, πανοῦργοί εἰσι καὶ ἀποκρύπτονται εἰδότες ψυχῆς πέρι παγκάλως. Πρὶν ἂν οὖν τὸν τρόπον τοῦτον λέγωσί τε καὶ γράφωσι, μὴ πειθώμεθ᾽ αὐτοῖς τέχνῃ γράφειν.
ΦΑΙ. Τίνα τοῦτον; ΣΩ. Αὐτὰ μὲν τὰ ῥήματα εἰπεῖν οὐκ εὐπετές· ὡς δὲ δεῖ γράφειν, εἰ μέλλει τεχνικῶς ἔχειν, καθόσον ἐνδέχεται, λέγειν ἐθέλω. ΦΑΙ. Λέγε δή. ΣΩ. Ἐπειδὴ ἡ λόγου δύναμις τυγχάνει ψυχαγωγία οὖσα, τὸν μέλλοντα ῥητορικὸν ἔσεσθαι ἀνάγκη εἰδέναι, ψυχὴ ὅσα εἴδη ἔχει. Ἔστιν οὖν τόσα καὶ τόσα καὶ τοῖα καὶ τοῖα, ὅθεν οἱ μὲν τοιοῖδε, οἱ δὲ τοιοῖδε γίγνονται. τούτων δὲ οὕτω δι-
So. Nicht nur am besten Phaidros: sondern wenn über irgend einen Gegenstand anders gelehrt und gesprochen wird, es sei nun dieser oder ein Anderer, so wird gar | nicht auf eine kunstmäßige Art darüber geredet und geschrieben werden. Aber die jezt Anweisungen zur Beredtsamkeit schreiben, die du gehört hast, das sind schöne Leute die sich sehr gründlich auf die Seele verstehen aber sie verbergen es. Indeßen ehe sie nicht auf folgende Art reden und schreiben wollen wir ihnen doch nicht glauben daß sie künstlich schreiben. Ph. Auf welche Art denn? So. Ja das wirklich mit bestimmten Worten auszuführen das ist nicht sogleich gethan: aber ich will doch angeben wie man schreiben müßte wenn es möglichst kunstmäßig sein soll. Ph. So sage denn. So. Da die ganze Kraft der Beredtsamkeit darin besteht die Gemüther zu leiten, so muß derjenige welcher ein Redner werden will nothwendig wissen wievielerlei Arten von Gemüthern es giebt. Deren sind nun so und so viele und ihr Unterscheidendes besteht da und darin weshalb denn einige Menschen so sind und Andere wiederum so. Nachdem nun
T 11 wird] über ist 18 verbergen es] über halten damit hinter dem Berge 31f Beredtsamkeit] darüber Rede 35 Arten] davor Gemüther
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Seele zusammenhalten und lehren, was für eine Seele, durch was für Reden, aus welcher Ursach überredet werden, oder unüberredet bleiben wird. PH. Am vortreflichsten, wie es scheint, wäre es freilich so. SOK. Nie wenigstens, o Freund, wird, was auf andere Art gelehrt oder gesprochen wird, kunstmäßig geschrieben und gesprochen sein, weder über einen andern noch über diesen Gegenstand. Aber die du gehört hast und die jetzt rednerische Kunstlehren schreiben, sind listig und verbergen es nur, wie gründlich sie sich auf die Seele verstehen. Ehe sie indeß nicht auf diese Art reden und schreiben, wollen wir ihnen nicht glauben daß sie kunstmäßig schreiben.
haltend und lehrend, was für eine Seele, durch was für Reden, aus welcher Ursach überredet werden, oder unüberredet bleiben wird.
PH. Auf welche Art denn? SOK. Dieses mit bestimmten Worten wirklich auszuführen ist nicht leicht gethan; indeß will ich, wie man schreiben müsse, wenn es so gut als möglich kunstmäßig beschaffen sein soll, erklären. PH. So erkläre es denn. SOK. Da die Kraft der Rede eine Seelenleitung ist, so muß der, welcher ein Redner werden will, nothwendig wissen, wieviel Arten die Seele hat. Diese also sind so viele, und eine solche ist jede, wonach denn auch die Menschen Einige solche werden und Andere wieder solche. | Ist nun dieses eingetheilt, so
PH. Am vortreflichsten, wie es scheint, wäre es freilich so. | SOK. Nie wenigstens, o Freund, wird, was auf andere Art gelehrt oder gesprochen wird, kunstmäßig geschrieben und gesprochen sein, weder über einen andern noch über diesen Gegenstand. Aber die du gehört hast und die jezt rednerische Kunstlehren schreiben, sind listig und verheimlichen daß sie sich gar treflich auf die Seele verstehen. Ehe sie also nicht auf diese Art reden und schreiben, wollen wir ihnen nicht glauben daß sie kunstmäßig schreiben. PH. Auf welche Art denn? SOK. Dieses mit bestimmten Worten wirklich auszuführen ist nicht leicht gethan; indeß will ich, wie man schreiben müsse, wenn es kunstmäßig beschaffen sein soll, so weit es sich thun läßt erklären. PH. So erkläre es denn. SOK. Da die Kraft der Rede eine Seelenleitung ist, so muß wer ein Redner werden will, nothwendig wissen, wie viel Arten die Seele hat. Diese also sind so viele, und eine solche ist jede, wonach denn auch die Menschen Einige solche werden und Andere wieder solche. Ist nun
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Erste Fassung (handschriftlich)
ῃρημένων, λόγων αὖ τόσα καὶ τόσα ἐστὶν εἴδη, τοιόνδε δὲ ἕκαστον. Οἱ μὲν οὖν τοιοῖδε ὑπὸ τῶν τοιῶνδε λόγων διὰ τήνδε τὴν αἰτίαν εἰς τὰ τοιάδε εὐπειθεῖς· οἱ δὲ τοιοίδε διὰ τάδε δυσπειθεῖς. Δεῖ δή, ταῦτα ἱκανῶς νοήσαντα, μετὰ ταῦτα θεώμενον αὐτὰ ἐν ταῖς πράξεσιν ὄντα τε καὶ πραττόμενα, ὀξέως τῇ αἰσθήσει δύνασθαι ἐπακολουθεῖν, ἢ μηδὲ εἰδέναι πω πλέον αὐτῶν ὧν τότε ἤκουε λόγων ξυνών. Ὅταν δὲ εἰπεῖν τε ἱκανῶς ἔχῃ, οἷος ὑφ᾽ οἵων πείθεται, παραγιγνόμενόν τε δυνατὸς ᾖ διαισθανόμενος ἑαυτῷ ἐνδείκνυσθαι, ὅτι οὗτός ἐστι καὶ αὕτη ἡ φύσις, περὶ ἧς τότε ἦσαν οἱ λόγοι, νῦν ἔργῳ παροῦσα, ᾗ προσοιστέον τούσδε ὧδε τοὺς λόγους ἐπὶ τὴν τῶνδε πειθώ· ταῦτα δ᾽ ἤδη πάντα ἔχοντι, προσλαβόντι καιροὺς τοῦ πότε λεκτέον καὶ ἐπισχετέον βραχυλογίας τε αὖ καὶ ἐλεεινολογίας καὶ δεινώσεως ἑκάστων τε ὅσ᾽ ἂν εἴδη μάθῃ λόγων, τούτων τὴν εὐκαιρίαν τε καὶ ἀκαιρίαν διαγνόντι καλῶς τε καὶ τελέως ἐστὶν ἡ τέχνη ἀπειργασμένη, πρότερον δ᾽ οὔ· ἀλλ᾽ ὅτι ἄν τις αὐτῶν ἐλλείπῃ λέγων ἢ διδάσκων ἢ γράφων, φῇ δὲ τέχνῃ
diese Eintheilung durchgeführt ist, giebt es wieder so und so viel verschiedene Arten von Reden, deren jede diese und jene besondere Eigenschaft hat. Solche Menschen nun werden durch eine solche Rede zu diesen und jenen Dingen leicht zu bereden sein, solche Andern aber aus der und der Ursach schwer. Hat er nun dies recht durchgedacht, so muß er alsdann dem was im Leben vorkommt und erhandelt wird mit seiner Beobachtung genau zu folgen im Stande sein, oder er wird nichts von alle dem haben, was er während seines Unterrichts gehört hat. Wenn er aber gehörig anzugeben weiß auf welche Art ein so und so beschaffener Mensch zu überreden ist, und dann, wenn er ihn vor sich hat, ihn auch erkennt, und ihn sich selbst zeigt, das ist nun ein solcher, hier steht nun eine solche Natur als von welcher vorher die Rede war in der That vor dir, bei der du also die und die Art zu reden anwenden mußt um sie dies oder jenes zu überreden. Wenn er sich dies zu eigen gemacht hat, und dann noch zu beurtheilen versteht wann er zu reden und aufzuhören hat, und weiß wo die gedrängten Stellen und die ruhenden Stellen und die aufbewegenden Stellen, und was er sonst dergleichen gelernt hat an ihrer Stelle sind oder nicht: dann ist seine Kunst ganz und vollendet, eher aber nicht. Und wer es an Etwas von diesem Allen fehlen läßt, wenn er selbst redet oder lehrt oder schreibt, und doch sagt, daß er mit Kunst rede,
18 παροῦσα] παροῦσα σοι Galen (De placitis Hippocratis et Platonis 9,5,20) bei Heindorf z. St. (S. 332), übersetzt SN 154 W1 W2 | παροῦσά οἱ Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 35 [91,7]
T 16 hat] danach hochgestellt Anm.Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 66 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 18 weiß] davor welche
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giebt es wiederum so und so viele Arten von Reden, und so und so ist jede beschaffen. Solche Menschen nun sind durch solche Reden aus der und der Ursach zu solchen Dingen leicht zu überreden, solche andere aber aus jener Ursache schwer. Hat er nun dieses gehörig begriffen, so muß er ferner, wenn er nun die Sache selbst im Leben ansichtig wird und sie behandelt werden soll, sie richtig mit seinen Sinnen auffassen, oder er wird eben nichts weiter wissen, als die Regeln, die er während seines Unterrichtes gehört hat. Wenn er aber richtig anzugeben weiß, was für ein Mensch wodurch überredet wird, und auch im Stande ist, wenn er ihn antrift, ihn zu erkennen und sich selbst zu zeigen, dies ist nun ein solcher, und eine solche Natur, von der damals die Rede war, steht nun in der That vor dir, bei der du also hier diese Art von Reden anwenden mußt, um sie zu dieser Sache zu überreden, wenn er dies alles inne hat, und dann noch die Zeiten zu beurtheilen weiß, wann er reden und innehalten soll, und von den gedrängten Stellen, und den rührenden Stellen, und von was sonst für vorhandene Arten von Verstärkungen der Rede er gelernt hat, weiß wo sie an ihrer Stelle sind, und wo nicht; dann ist seine Kunst schön und ganz vollendet, eher aber nicht, sondern an welchem auch von diesen Stüken es Jemand ermangeln läßt, wenn er redet oder lehrt oder schreibt, doch aber behauptet nach der Kunst zu reden,
dieses eingetheilt, so giebt es wiederum so und so viele Arten von Reden, und so und so ist jede beschaffen. Solche Menschen nun sind durch solche Reden aus der und der Ursach zu solchen Dingen leicht zu überreden, solche andere aber aus jener Ursache schwer. Hat er nun dieses gehörig begriffen, so muß er ferner, wenn er nun die Sache selbst im Leben ansichtig wird und sie behandelt werden soll, ihr genau mit seiner Wahrnehmung nachgehn können, oder er wird eben nichts weiter wissen, als die Regeln, die er damals gehört hat. Wenn er aber richtig anzugeben weiß, was für ein Mensch wodurch überredet wird, und auch im Stande | ist, wenn er ihn antrift, ihn zu erkennen und sich selbst zu zeigen, dies ist nun ein solcher, und eine solche Natur, von der damals die Rede war, steht nun in der That vor dir, bei der du also hier diese Art von Reden anwenden mußt, um sie zu dieser Sache zu überreden, wenn er dies alles inne hat, und dann noch die Zeiten zu beurtheilen weiß, wann er reden und innehalten soll, und von den gedrängten Stellen, und den beweglichen Stellen, und was sonst für vorhandene Arten von Verstärkungen der Rede er gelernt hat, von denen er weiß wo sie an ihrer Stelle sind, und wo nicht; dann ist seine Kunst schön und ganz vollendet, eher aber nicht, sondern an welchem auch von diesen Stüken es Jemand ermangeln läßt, wenn er redet oder lehrt oder schreibt, doch aber behauptet nach der Kunst zu
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Erste Fassung (handschriftlich)
λέγειν, ὁ μὴ πειθόμενος κρατεῖ. Τί δὴ οὖν; φήσει ἴσως ὁ συγγραφεύς, ὦ Φαῖδρέ τε καὶ Σώκρατες, δοκεῖ οὕτως ἢ ἄλλως πως ἀποδεκτέον λεγομένης λόγων τέχνης;
ΦΑΙ. Τί μήν; ΣΩ. Λέγεται γοῦν, ὦ Φαῖδρε, δί-
dem glaube es wer Lust hat. – Was | meint Ihr nun, würde etwa unser Schriftsteller sagen, o Phaidros und Sokrates? Ist es Euch recht wenn die Redekunst so abgehandelt wird oder anders? Ph. Anders scheint es unmöglich zu sein Sokrates. Aber freilich auf diese Art ist es keine kleine Sache. So. Darin hast du sehr recht, und darum solltest du noch einmal Alles was darüber gesagt ist nach allen Seiten umwenden um zu sehen, ob es nicht etwa einen leichteren und kürzeren Weg zu unserer Kunst giebt damit du nicht unnüzerweise einen längeren und beschwerlicheren einschlägst wenn ein näherer und ebener dir offen steht. Hast du also etwas hieher dienliches von Lysias oder Jemand anders gehört, so besinne dich darauf und versuche es vorzutragen. Ph. Wenn es nun einen Versuch gelten soll hätte ich wol etwas; aber jezt ist es mir nicht so gegenwärtig. So. Soll ich dir also sagen was ich darüber von dem und jenem gehört habe? Ph. Warum nicht? So. Sagt man doch, daß man auch
22 ὃν περὶ ταῦτα τινῶν ἀκήκοα;] ὃν τῶν περὶ ταῦτά τινων ἀκήκοα; Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 36 [92,9], übersetzt W2
T3 sagen] danach hochgestellt Anm.Zeichen Schleiermachers: x), durch Anm.Ziffer 67 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5)
ΦΑΙ. Ἀδύνατόν που, ὦ Σώκρατες, ἄλλως· καίτοι οὐ σμικρόν γε φαίνεται ἔργον. ΣΩ. Ἀληθῆ λέγεις. Τούτου τοι ἕνεκα χρὴ πάντας τοὺς λόγους ἄνω καὶ κάτω μεταστρέφοντα ἐπισκοπεῖν, εἴτις πη ῥᾴων καὶ βραχυτέρα φαίνεται ἐπ᾽ αὐτὴν ὁδός, ἵνα μὴ μάτην πολλὴν ἀπίῃ καὶ τραχεῖαν, ἐξὸν ὀλίγην τε καὶ λείαν. Ἀλλ᾽ εἴ τινά πη βοήθειαν ἔχεις ἐπακηκοὼς Λυσίου ἤ τινος ἄλλου, πειρῶ λέγειν ἀναμιμνησκόμενος.
ΦΑΙ. Ἕνεκα μὲν πείρας ἔχοιμ᾽ ἄν, ἀλλ᾽ οὔτι νῦν γ᾽ οὕτως ἔχω. ΣΩ. Βούλει οὖν ἐγὼ τιν᾽ εἴπω λόγον, ὃν περὶ ταῦτα τινῶν ἀκήκοα;
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dem glaube nicht, wer gedeihen will. Wie nun, wird vielleicht unser Schriftsteller sagen,58 o Phädros und Sokrates, scheint euch nun eine so oder anders abgehandelte Redekunst annehmungswürdig? PH. Unmöglich, o Sokrates, eine andere, | wiewohl sie auf diese Art als keine geringe Arbeit erscheint. SOK. Wohl wahr. Eben deshalb nun solltest du alles gesagte noch einmal nach allen Seiten umwendend nachsehen, ob sich vielleicht wo ein leichterer und kürzerer Weg zu ihr zeigt, damit nicht vergeblich einen langen und beschwerlichen einschlage, wem doch ein kurzer und ebener offen steht. Hast du also etwas hiezu dienliches vom Lysias oder irgend Jemand anders gehört, so rufe es dir ins Gedächtniß und versuche es vorzutragen.
reden, wer es nicht glaubt ist klüger. Wie nun, wird vielleicht unser Schriftsteller sagen,82 o Phaidros und Sokrates, scheint euch nun eine so oder eine anders abgehandelte Redekunst annehmungswürdig? PH. Unmöglich, o Sokrates, eine andere, wiewohl sie auf diese Art als keine geringe Arbeit erscheint. SOK. Wohl wahr. Eben deshalb nun solltest du alles gesagte noch einmal nach allen Seiten umwendend nachsehen, ob sich vielleicht wo ein leichterer und kürzerer Weg zu ihr zeigt, damit nicht vergeblich einen langen und beschwerlichen einschlage, wem doch ein kurzer und ebener offen steht. Hast du also etwas hiezu dienliches vom Lysias oder irgend Jemand anderen abgehörtes, so rufe es dir ins Gedächtniß und versuche es vorzutragen.
PH. Zum Versuch hätte ich wohl etwas, aber jetzt habe ich es nicht so bei der Hand. SOK. Willst du also, daß ich dir sage, was ich hierüber von Einigen gehört? PH. Warum nicht? SOK. Sagt man doch, o Phädros, es
PH. Der Nachfrage wegen müßte ich wohl | etwas haben, aber jetzt habe ich es nicht so bei der Hand. SOK. Willst du also, daß ich dir sage, was ich von Einigen die sich hiemit abgeben gehört? PH. Warum nicht? SOK. Sagt man doch, o Phaidros, es
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Wie nun, wird vielleicht uns e r S c h r i f t s t e l l e r s a g e n . Diese Worte erklären sich dadurch, daß Sokrates bisher gleichsam im Namen des Thrasymachos oder anderer Rhetoren gesprochen hat. Man sehe S. 155. unten [in dieser Edition: S. 365,20f].
Wie nun, wird vielleicht uns e r S c h r i f t s t e l l e r s a g e n . Diese Worte erklären sich dadurch, daß Sokrates bisher gleichsam im Namen des Thrasymachos oder anderer Rhetoren gesprochen hat. Man sehe S. 155. Z. 15. [in dieser Edition: S. 365,19f].
T 1 wer] dem wer W2, vgl. W1 S 27f was ich von Einigen die sich hiemit abgeben gehört?] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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καιον εἶναι καὶ τὸ τοῦ λύκου εἰπεῖν.
des Wolfes Sache vertheidigen muß.
ΦΑΙ. Καὶ σύ γε οὕτω ποίει. ΣΩ. Φασὶ τοίνυν οὐδὲν οὕτω ταῦτα δεῖν σεμνύνειν οὐδ᾽ ἀνάγειν ἄνω μακρὰν περιβαλλομένους· παντάπασι γάρ, ὃ καὶ κατ᾽ ἀρχὰς εἴπομεν τοῦδε τοῦ λόγου, ὅτι οὐδὲν ἀληθείας μετέχειν δέοι δικαίων ἢ ἀγαθῶν πέρι πραγμάτων ἢ καὶ ἀνθρώπων γε τοιούτων φύσει ὄντων ἢ τροφῇ τὸν μέλλοντα ἱκανῶς ῥητορικὸν ἔσεσθαι· τοπαράπαν γὰρ οὐδὲν ἐν τοῖς δικαστηρίοις τούτων ἀληθείας μέλειν οὐδενί, ἀλλὰ τοῦ πιθανοῦ· τοῦτο δ᾽ εἶναι τὸ εἰκός, ᾧ δεῖν προσέχειν τὸν μέλλοντα τέχνῃ ἐρεῖν· οὐδὲ γὰρ αὐτὰ τὰ πραχθέντα δεῖν λέγειν ἐνίοτε, ἐὰν μὴ εἰκότως ᾖ πεπραγμένα, ἀλλὰ τὰ εἰκότα, ἔν τε κατηγορίᾳ καὶ ἀπολογίᾳ, καὶ πάντως λέγοντα τὸ δὴ εἰκὸς διωκτέον εἶναι, πολλὰ εἰπόντα χαίρειν τῷ ἀληθεῖ· τοῦτο γὰρ διὰ παντὸς τοῦ λόγου γιγνόμενον τὴν ἅπασαν τέχνην πορίζειν.
Ph. So thue du es denn auch. So. Sie sagen also, man müße die ganze Sache nicht so ernsthaft nehmen noch von so weitem herholen. Denn überall – wie wir das auch gleich anfänglich gesagt haben – brauche der welcher ein tüchtiger Redner werden wolle, sich um richtige Einsichten darüber, was gerecht und gut oder wer gerecht und gut ist von Natur oder durch Erziehung, gar nicht zu bemühen. Denn es komme vor Gericht auf Wahrheit in diesen Dingen gar nicht an, sondern nur auf das glaubliche, und das glaubliche sei das wahrscheinliche. Hierauf also habe der seinen Fleiß zu wenden der kunstgerecht reden will. Ja sogar dürfe man bisweilen das wirklich geschehene gar nicht sagen wenn es nemlich nicht auf eine wahrscheinliche Art geschehen ist, sondern immer nur dieses wahrscheinliche sowol in der Anklage als in der Vertheidigung; überall müße der Redner das wahrscheinliche aufsuchen, das Wahre aber in Gottes Namen gehn laßen, und das überall in der Rede zu beobachten, das sei die ganze Kunst.
ΦΑΙ. Αὐτά γε, ὦ Σώκρατες, διελήλυθας, ἃ λέγουσιν οἱ περὶ τοὺς λόγους τεχνικοὶ προσποιούμενοι εἶναι. Ἀνεμνήσθην γάρ, ὅτι ἐν τῷ πρόσθεν βραχέως τοῦ τοιούτου ἐφ-
17 αὐτὰ τὰ πραχθέντα] αὖ τὰ πραχθέντα Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W2
Ph. Dies ist, wie du es da gesagt hast, grade dasselbe, was diejenigen zu sagen pflegen, die sich für Kunstverständige im Reden ausgeben. Ich besinne mich, daß wir das vorher ganz in der Kürze berührt haben,
T1 muß] danach hochgestellt Anm.Zeichen Schleiermachers: x) (s. o. zu S. 92,5) 17 wahrscheinliche] über scheinbare 29 und] danach wenn man 30 das sei] über darin bestehe
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sei recht, auch des Wolfes Sache zu vertheidigen. PH. So thue du denn auch so. SOK. Sie behaupten also, man dürfe dieses gar nicht so ernsthaft behandeln, noch von so weitem ausholend ableiten, denn überall, welches wir auch gleich anfänglich gesagt haben, dürfe sich um richtige Einsichten davon was gerecht und gut sei in den Angelegenheiten, oder wer so sei unter den Menschen von Natur oder durch Erziehung, der künftige auch große Redner gar nicht bemühen. Denn ganz und gar kümmere sich vor den Gerichtsstätten Niemand das mindeste um die Wahrheit in diesen Dingen, sondern nur um das Glaubliche, und dieses sei das Scheinbare, worauf also derjenige seine Aufmerksamkeit zu wenden habe, der kunstgerecht reden wolle. Auch nicht einmal das wirklich geschehene dürfe er bisweilen sagen, wenn es nicht zugleich auch den Schein für sich hat, | sondern nur das Scheinbare in der Anklage sowohl als Vertheidigung, und auf alle Weise müsse wer redet nur dem Scheinbaren nachjagen, dem wahren aber ruhig den Abschied geben; denn jenes überall in der Rede für sich zu haben, das mache die ganze Kunst aus. PH. Grade dieses, o Sokrates, wie du es vorgetragen hast, sagen diejenigen, welche sich für Kunstverständige in Reden ausgeben. Ich erinnere mich wohl, daß wir im vorigen ganz kürzlich auch dieses
sei recht, auch des Wolfes Sache zu vertheidigen. PH. So thue du denn auch so. SOK. Sie behaupten also, man dürfe dieses gar nicht so ernsthaft behandeln, noch von so weitem ausholend ableiten, denn überall, welches wir auch gleich anfänglich gesagt haben, dürfe sich um richtige Einsichten davon was gerecht und gut sei in den Angelegenheiten, oder wer so sei unter den Menschen von Natur oder durch Erziehung, der künftige auch große Redner gar nicht bemühen. Denn ganz und gar kümmere sich vor den Gerichtsstätten Niemand das mindeste um die Wahrheit in diesen Dingen, sondern nur um das Glaubliche, und dieses sei das Scheinbare, worauf also derjenige seine Aufmerksamkeit zu wenden habe, der kunstgerecht reden wolle. Denn bisweilen dürfe er das Geschehene gar nicht einmal sagen, wenn es nicht zugleich auch den Schein für sich hat, sondern nur das Scheinbare in der Anklage sowohl als Vertheidigung, und auf alle Weise müsse wer redet nur dem Scheinbaren nachjagen, dem Wahren immerhin Lebewohl sagend; denn jenes überall in der Rede für sich zu haben, das mache die ganze Kunst aus. PH. Grade dieses, o Sokrates, wie du es vorgetragen hast, sagen diejenigen, welche sich für Kunstverständige in Reden ausgeben. Ich erinnere mich wohl, daß wir im vorigen ganz kürzlich auch dieses
S 23f das Geschehene] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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Erste Fassung (handschriftlich)
ηψάμεθα. Δοκεῖ δὲ τοῦτο πάμμεγα εἶναι τοῖς περὶ ταῦτα.
die sich aber mit der Sache abgeben halten es für etwas sehr wichtiges. |
ΣΩ. Ἀλλὰ μὴν τόνγε Τισίαν αὐτὸν πεπάτηκας ἀκριβῶς. Εἰπέτω τοίνυν καὶ τόδε ἡμῖν ὁ Τισίας, μήτι ἄλλο λέγει τὸ εἰκὸς ἢ τὸ τῷ πλήθει δοκοῦν.
ΦΑΙ. Τί μήν; ΣΩ. Φεῦ, δεινός γ᾽ ἔοικεν ἀποκεκρυμμένην τέχνην ἀνευρεῖν ὁ Τισίας
So. Du hast ja den Tisias so tüchtig durchgearbeitet, so laß uns nun doch auch den Tisias sagen ob er unter dem Wahrscheinlichen etwas Anderes versteht, als was der Menge wahr scheint. Ph. Was sollte es anderes sein? So. Und das ist also etwas recht verständiges und künstliches was er sich dazu ausgedacht hat. Wenn nemlich ein Schwacher aber muthiger Mensch einen starken aber feigherzigen unter sich bekommt, ihm das Kleid oder sonst etwas mitnimmt und dann vor Gericht geführt wird, so dürfe keiner von Beiden die Wahrheit sagen: sondern der Feige müße behaupten daß der Muthige nicht allein gewesen als er ihn bezwungen, dieser dagegen müße darauf freilich bestehen daß sie allein gewesen, aber eben das müße er sich zu Nuze machen und sagen, wie sollte ich mich also wol an einen solchen Menschen gemacht haben? Dann würde jener gewiß seine Feigheit nicht bekennen wollen, und indem er auf eine neue Lüge sönne würde er seinem Gegner vielleicht auch wieder einen neuen Beweis an die Hand geben. Und dergleichen soll nun auch in andern Dingen das Kunstreiche sein. Ist es nicht so Phaidros? Ph. Nun ja. So. Tausend, das ist ein Wundermann! was der für eine verborgene
28 δεινός] δεινῶς Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 36 [94,7], übersetzt W2
T 7 was] korr. aus wenn 10 also] über der Zeile ohne Einfügungszeichen 12 dazu] über der Zeile mit Einfügungszeichen 38 Tausend] kritisiert von F. Schlegel in dem Brief, 26.10.1801: KGA V/5, Nr. 1115, 7
ΦΑΙ. Τί γὰρ ἄλλο; ΣΩ. Τοῦτο δή, ὡς ἔοικε, σοφὸν εὑρὼν ἅμα καὶ τεχνικὸν ἔγραψεν, ὡς, ἐάν τις ἀσθενὴς καὶ ἀνδρικὸς ἰσχυρὸν καὶ δειλὸν συγκόψας, ἱμάτιον ἤ τι ἄλλο ἀφελόμενος, εἰς δικαστήριον ἄγηται, δεῖ δὴ τἀληθὲς μηδέτερον λέγειν, ἀλλὰ τὸν μὲν δειλὸν μὴ ὑπὸ μόνου φάναι τοῦ ἀνδρικοῦ συγκεκόφθαι, τὸν δὲ τοῦτο μὲν ἐλέγχειν, ὡς μόνω ἤστην, ἐκείνῳ δὲ καταχρήσασθαι, τῷ πῶς δ᾽ ἂν ἐγὼ τοιόσδε τοιῷδε ἐπεχείρησα; ὁ δ᾽ οὐκ ἐρεῖ δὴ τὴν ἑαυτοῦ κάκην, ἀλλά τι ἄλλο ψεύδεσθαι ἐπιχειρῶν τάχ᾽ ἂν ἔλεγχόν πη παραδῴη τῷ ἀντιδίκῳ. Καὶ περὶ τἆλλα δὴ τοιαῦτ᾽ ἄττα ἐστὶ τὰ τέχνῃ λεγόμενα. Οὐ γάρ, ὦ Φαῖδρε;
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berührt haben; es dünkt aber denen, die sich hiemit abgeben, etwas sehr großes zu sein. SOK. Du hast ja den Tisias selbst fleißig getrieben, so mag uns nun auch Tisias sagen, ob er etwas anders meint unter dem Scheinbaren, als das was die Menge leicht glaubt?
berührt haben; es dünkt | aber denen, die sich hiemit abgeben, etwas sehr großes zu sein. SOK. Du hast ja den Tisias selbst fleißig getrieben, so mag uns nun auch Tisias sagen, ob er etwas anders meint unter dem Scheinbaren, als das was die Menge leicht glaubt?
PH. Was könnte es anders seyn? SOK. Dieses also ist, wie es scheint, sehr weise und kunstreich ausgedacht, was er schreibt: daß nämlich wenn ein schwacher aber muthiger einen starken aber feigen niederwirft, ihm den Mantel oder sonst etwas wegnimmt, und dann vor Gericht geführt wird, keiner von Beiden die Wahrheit sagen müsse; sondern der Feige müsse sich hüten zu gestehen, daß er von jenem Muthigen allein bezwungen worden, dieser aber müsse dies freilich behaupten, daß sie allein waren, jenes aber vorzüglich gebrauchen: wie sollte also ich ein solcher mich wohl an einen solchen gewagt haben? Dann würde Jener doch seine Feigheit nicht bekennen, und indem er auf eine neue Lüge sönne, vielleicht auch seinem Gegner einen neuen Beweis an die Hand geben. Und eben so beschaffen ist auch in andern Fällen das nach der Kunst gesprochene. Nicht so Phädros? |
PH. Was könnte es anders seyn? SOK. Dieses also ist, wie es scheint, sehr weise und kunstreich ausgedacht, was er schreibt: daß nämlich wenn ein schwacher aber muthiger einen starken aber feigen niederwirft, ihm den Mantel oder sonst etwas wegnimmt, und dann vor Gericht geführt wird, keiner von Beiden die Wahrheit sagen müsse; sondern der Feige müsse sich hüten zu gestehen, daß er von jenem Muthigen allein bezwungen worden, dieser aber müsse dies freilich behaupten, daß sie allein waren, jenes aber vorzüglich gebrauchen: wie sollte also ich ein solcher mich wohl an einen solchen gewagt haben? Dann würde Jener doch seine Feigheit nicht bekennen, und indem er auf eine neue Lüge sönne, vielleicht auch seinem Gegner einen neuen Beweis an die Hand geben. Und eben so beschaffen ist auch in andern Fällen das nach der Kunst gesprochene. Nicht so Phaidros?
PH. Wie anders? SOK. Weh! gar stark in Erfindung verborgener Künste scheint dieser
PH. Wie anders? SOK. Weh! gar eine verborgene Kunst hat uns offenbar dieser Tisias
S 36 Weh] anders als die Übersetzung in SN 154, die F. Schlegel kritisiert hat (vgl. Spalte 2 App.)
S 36 App.
gar eine] nach Bekker wie Spalte 1
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Erste Fassung (handschriftlich)
ἢ ἄλλος, ὅστις δή ποτ᾽ ὢν τυγχάνει καὶ ὁπόθεν χαίρει ὀνομαζόμενος! Ἀτάρ, ὦ ἑταῖρε, τούτῳ ἡμεῖς πότερον λέγωμεν ἢ μή;
Kunst erfunden hat dieser Tisias, wer er ist und wie er am liebsten genannt sein will. Aber sage mir Freund, wollen wir so zu ihm sagen oder nicht? Ph. Wie denn? So. Etwa so. Lieber Tisias schon lange ehe du hergekommen bist haben wir das ausgemacht, daß dieser Schein des Wahren den Leuten aus einer gewißen Aehnlichkeit mit dem wahren entsteht, und haben eben gezeigt daß allemal der diese Aehnlichkeiten am besten zu finden wißen wird der das Wahre von der
ΦΑΙ. Τὸ ποῖον; ΣΩ. Ὅτι, ὦ Τισία, πάλαι ἡμεῖς, πρὶν καί σε παρελθεῖν, τυγχάνομεν λέγοντες, ὡς ἄρα τοῦτο τὸ εἰκὸς τοῖς πολλοῖς δι᾽ ὁμοιότητα τοῦ ἀληθοῦς τυγχάνει ἐγγιγνόμενον· τὰς δὲ ὁμοιότητας ἄρτι διήλθομεν ὅτι πανταχοῦ ὁ τὴν ἀλήθειαν εἰδὼς κάλλιστα ἐπίσταται εὑρίσκειν.
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Tisias zu sein, oder wer er sonst ist59 und woher er am liebsten mag benennt werden. Aber, Freund, wollen wir so zu ihm sprechen oder nicht?
aufgefunden, oder wer es sonst eigentlich ist83 und woher am liebsten benannt. Aber, Freund, wollen wir so zu ihm sprechen oder nicht?
PH. Wie denn? SOK. Etwa: O Tisias, schon lange ehe du noch hergekommen bist, haben wir gesagt, daß dieses Scheinbare den Leuten aus einer Aehnlichkeit mit dem Wahren entsteht; die Aehnlichkeiten aber, haben wir eben gezeigt, wird überall der, welcher die Wahrheit in der Sache erkannt hat, am besten zu finden wis-
PH. Wie denn? SOK. Etwa: O Tisias, schon lange ehe du noch hergekommen bist, haben wir gesagt, daß dieses Scheinbare den Leuten aus einer Aehnlichkeit mit dem Wahren entsteht; die Aehn|lichkeiten aber, haben wir eben gezeigt, wird überall der, welcher die Wahrheit in der Sache erkannt hat, am besten zu finden wis-
59 o d e r w e r e r s o n s t i s t . Sollte nicht diese freilich vom Platon häufig den Hymnen nachgesprochene Wendung hier eine besondere scherzhafte Beziehung darauf haben, daß Tisias vielleicht schon damals κακοῦ κόρακος κακὸν ὦον genannt wurde?
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oder wer er sonst eigentlich i s t . Sollte nicht diese freilich vom Platon häufig den Hymnen nachgesprochene Wendung hier eine besondere scherzhafte Beziehung darauf haben, daß Tisias vielleicht schon damals κακοῦ κόρακος κακὸν ὦον genannt wurde?
T Anm. 59 Bezug dieser Anmerkung falsch angegeben mit S. 164 statt S. 160 W1 | 20 κακοῦ] κακοῖ verdruckt W1 S Anm. 59 Als Parallele zu dieser Formel in der kulthymnischen Götteranrufung (bei Platon z. B. Kratylos 400e) vergleicht Heindorf z. St. (S. 337) u. a. Aischylos, Agamemnon 160. Die Formel soll gleichsam alle möglichen Namen der Gottheit einschließen. Hier ist sie nach Schleiermacher scherzhaft benutzt, um Tisias nicht nur mit seinem Namen, sondern auch mit der ihm beigelegten Bezeichnung („eines schlechten Raben [Korax] schlechtes Ei“) als Schüler des Korax zu bezeichnen. Neben Tisias aus Syrakus (5. Jh. v. Chr.), einem der beiden ‚Erfinder‘ der Rhetorik, war nämlich Korax (ebenfalls aus Syrakus) der andere ‚Erfinder‘ und Lehrer des Tisias. Die Anekdote, nach der Tisias κακοῦ κόρακος κακὸν ὦον genannt wurde, findet sich in den Prolegomena zu den griechischen Rhetoren: Rhetores Graeci, Vol. XIV: Prolegomenon Sylloge ed. Hugo Rabe, Leipzig 1931, S. 26 f., bes. S. 27, 8; S. 52 f., bes. S. 53, 11; S. 67, 8-26, bes. 19.
T Anm. 83 20 κακοῦ] κακοῖ verdruckt W2 S Anm. 83 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 59.
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Erste Fassung (handschriftlich)
Ὥστε εἰ μὲν ἄλλο τι περὶ τέχνης λόγων λέγεις, ἀκούοιμεν ἄν· εἰ δὲ μή, οἷς νῦν διήλθομεν πεισόμεθα, ὡς, ἐὰν μή τις τῶν τε ἀκουσομένων τὰς φύσεις διαριθμήσηται καὶ κατ᾽ εἴδη τε διαιρεῖσθαι τὰ ὄντα καὶ μιᾷ ἰδέᾳ δυνατὸς ᾖ καθ᾽ ἓν ἕκαστον περιλαμβάνειν, οὔποτ᾽ ἔσται τεχνικὸς λόγων πέρι, καθ᾽ ὅσον δυνατὸν ἀνθρώπῳ· ταῦτα δὲ οὐ μήποτε κτήσηται ἄνευ πολλῆς πραγματείας, ἣν οὐχ ἕνεκα τοῦ λέγειν καὶ πράττειν πρὸς ἀνθρώπους δεῖ διαπονεῖσθαι τὸν σώφρονα, ἀλλὰ τοῦ θεοῖς κεχαρισμένα μὲν λέγειν δύνασθαι, κεχαρισμένως δὲ πράττειν τὸ πᾶν εἰς δύναμιν. Οὐ γὰρ δὴ ἄρα, ὦ Τισία, φασὶν οἱ σοφώτεροι ἡμῶν, μὴ ὁμοδούλοις δεῖ χαρίζεσθαι μελετᾷν τὸν νοῦν ἔχοντα, ὅτι μὴ πάρεργον,
Sache weiß. Hast du also vielleicht etwas Anderes über die Redekunst zu sagen, so möchten wir wol anhören, wo nicht, so müßen wir schon das glauben, was wir uns eben deutlich gemacht haben daß nemlich ohne alle die verschiedenen Naturen der Zuhörer zu kennen, ohne die Gegenstände in ihre Arten theilen und wiederum viele einzelne unter einen Begrif zusammenfaßen zu können, nie Jemand in der Vollkommenheit, wie es wol möglich ist ein Künstler im Reden werden kann, und jenes wird wiederum Niemand ohne eine lange und so große Anstrengung erhalten, daß sich ihr kein vernünftiger Mensch um des bloßen Redens oder um irgend eines Verkehrs mit Menschen willen unterziehn | soll, sondern nur um den Göttern wohlgefällig reden und überhaupt auch Alles nach Vermögen auf diese Art verrichten zu können. Denn der Verständige – so sagen weisere Männer als wir Tisias – denkt nicht darauf wie er seinen Mitsklaven gefällig werde, als nur
3 νῦν] νῦν δὴ Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 37 [94,18], übersetzt W2 18 μὴ] getilgt Heindorf z. St. (S. 339) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 37 [95,6]
T 4 wo] davor so 18 ihr] nachträglich am Rand ergänzt 23f nach Vermögen] über soviel möglich 26 weisere] korr. aus die Weisesten unter | wir] danach T[..]
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sen. So daß, wenn du etwas anderes über die Kunst der Reden zu sagen hast, wir es gern anhören wollen; wo nicht, so müssen wir dem jezt abgehandelten glauben, daß wenn nicht Jemand sowohl der Zuhörer verschiedene Naturen aufzuzählen als auch die Gegenstände nach ihren Arten einzutheilen und die einzelen unter einen Begriff zusammenzufassen im Stande ist, er niemals in Reden so kunstreich sein wird, als es dem Menschen möglich ist; daß aber dieses niemals einer ohne vielfältige Anstrengung erlangen kann, welcher sich nicht um des Redens und Verkehrs mit den Menschen der Vernünftige unterziehen soll, sondern nur um den Göttern wohlgefälliges reden zu können und ihnen wohlgefällig alles nach Vermögen auszurichten. Denn nicht seinen Mitknechten, o Tisias, so sagen weisere als wir, muß gefällig zu werden wer Vernunft hat sich bestreben, es müßte nur nebenbei ge-
sen. So daß, wenn du etwas anderes über die Kunst der Reden zu sagen hast, wir es gern anhören wollen; wo nicht, so müssen wir dem jezt eben abgehandelten glauben, daß wenn nicht Jemand sowohl der Zuhörer verschiedene Naturen aufzuzählen als auch die Gegenstände nach ihren Arten einzutheilen und die einzelen unter einen Begriff zusammenzufassen im Stande ist, er niemals in Reden so kunstreich sein wird, als es dem Menschen möglich ist; daß aber dieses niemals einer erlangen kann ohne vielfältige Anstrengung, welcher sich der Vernünftige nicht um mit den Menschen zu reden und zu verhandeln unterziehen soll, sondern nur um den Göttern wohlgefälliges reden zu können und ihnen wohlgefällig alles nach Vermögen auszurichten. Denn nicht seinen Mitknechten, o Tisias, so sagen weisere als wir, muß gefällig zu werden wer Vernunft hat sich bestreben, als nur nebenbei, sondern
S 23 Mitknechten] kritisiert von Rez.Ast (1808), S. 130 f.; nicht verändert in W2
S 4f jezt eben] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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Erste Fassung (handschriftlich)
ἀλλὰ δεσπόταις ἀγαθοῖς τε καὶ ἐξ ἀγαθῶν. Ὥστ᾽ εἰ μακρὰ ἡ περίοδος, μὴ θαυμάσῃς. Μεγάλων γὰρ ἕνεκα περιϊτέον, οὐχ ὡς σὺ δοκεῖς. Ἔσται μήν, ὡς ὁ λόγος φησίν, ἐάν τις ἐθέλῃ, καὶ ταῦτα κάλλιστα ἐξ ἐκείνων γιγνόμενα.
ganz im Vorbeigehn sondern seinen angestammten guten Gebietern. Darum wundere dich nicht wenn der Weg etwas lang ist; es kommt daher auch nicht was du glaubtest, sondern etwas großes dabei heraus, wiewol auch dieses am besten durch dieses erlangt wird, wenn man will, wie es unser Gespräch gezeigt hat. Ph. Das ist vortreflich gesprochen Sokrates! wenn man es nur im Stande wäre. So. Strebt man nach etwas Schönem, so ist es auch schön zu ertragen, was es zu ertragen giebt. Ph. Ei freilich. So. Das wäre nun genug davon was Kunst ist im Reden und was nicht.
ΦΑΙ. Παγκάλως ἔμοιγε δοκεῖ λέγεσθαι, ὦ Σώκρατες, εἴπερ οἷός τέ τις εἴη. ΣΩ. Ἀλλὰ καὶ ἐπιχειροῦντί τοι τοῖς καλοῖς καλὸν καὶ πάσχειν ὅτι ἄν τῳ ξυμβῇ παθεῖν. ΦΑΙ. Καὶ μάλα. ΣΩ. Οὐκοῦν τὸ μὲν τέχνης τε καὶ ἀτεχνίας λόγων πέρι ἱκανῶς ἐχέτω. ΦΑΙ. Τί μήν; ΣΩ. Τὸ δ᾽ εὐπρεπείας δὴ γραφῆς πέρι καὶ ἀπρεπείας, πῆ γιγνόμενον καλῶς ἂν ἔχοι, καὶ ὅπη ἀπρεπῶς, λοιπόν· ἦ γάρ;
4 οὐχ ὡς] οὐχ ὧν konj. Heindorf (vgl. z. St., S. 339, allerdings dort schon wieder bezweifelt), übersetzt W1 W2
Ph. Vollkommen. So. Nun wäre noch übrig von der Schiklichkeit des Schreibens etwas zu sagen auf welche Art es anständig und auf welche Art es unschiklich sein wird. Nicht wahr?
T 7f wiewol auch dieses am besten durch dieses] über und dies kommt auf diesem Wege am besten 8f wenn man will, wie es unser Gespräch gezeigt hat] nachträglich angefügt
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schehen, sondern seinen guten und hohen Gebietern. Darum, wenn der Weg lang ist, so wundere dich nicht: denn großer Dinge wegen wird er uns angemuthet, nicht dessen | was du denkst. Es wird aber, wie die Rede zeigt, auch dieses, wenn es Jemand will, durch jenes am besten erlangt. PH. Ganz treflich dünkt mich dieses gesagt zu sein, o Sokrates, wenn es nur Jemand im Stande wäre. SOK. Auch im Bestreben nach dem Schönen ist es schön zu ertragen was daraus erfolgt. PH. Ja wohl. SOK. Darüber nun was Kunst ist und Kunstlosigkeit im Reden möchte dieses genug sein. PH. Vollkommen. SOK. Nun wäre noch von der Anständigkeit und Unanständigkeit des Schreibens, wo angewendet es gut ist, und wo ungeschikt, übrig zu reden. Nicht wahr?
seinen guten und hohen Gebietern84. Darum, wenn der Weg lang ist, so wundere dich nicht: denn großer Dinge wegen wird er uns angemuthet, nicht dessen was du denkst. Es wird aber, wie die Rede zeigt, auch dieses, wenn es Jemand will, durch jenes am besten erlangt. PH. Ganz treflich dünkt mich dieses gesagt zu sein, o Sokrates, wenn es nur Jemand im Stande wäre. SOK. Aber strebt man nach Schönem, so ist auch schön über sich ergehen lassen was eben erfolgt. PH. Ja wohl. | SOK. Darüber nun was Kunst ist und Kunstlosigkeit im Reden möchte dieses genug sein. PH. Vollkommen. SOK. Von der Anständigkeit und Unanständigkeit des Schreibens aber, wo angewendet es gut ist, und wo unschicklich, davon wäre noch übrig zu reden. Nicht wahr? 84
guten und hohen Gebietern. Einer kleinen Untreue wird man mich hier zeihen; wie könnten wir es aber wörtlich sagen, daß die Götter ἐξ ἀγαθῶν sind? Auch kommt dies wenig in Anschlag gegen die etwas wunderliche Art, wie hier überhaupt die Götter eingeflochten werden, die nur wunderlicher wird nach meinem Gefühl, wenn man einen Nachdruck darauf legt, daß es in pythagorischen Phrasen geschieht.
S Anm. 84 Die Menschen werden hier als Sklaven bezeichnet, die Götter als Herren. Letztere sind gut und ἐξ ἀγαθῶν, d. h. von guter Abstammung. Die Verwunderung Schleiermachers über eine solche Darstellung der Götter wird auch durch Heindorfs Behauptung (z. St., S. 338), daß die Passage pythagoreische Lehre wiedergibt, nicht ausgeräumt.
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ΦΑΙ. Ναί. ΣΩ. Οἶσθ᾽ οὖν, ὅπῃ μάλιστα θεῷ χαριῇ λόγων πέρι πράττων ἢ λέγων;
Ph. Ja. So. Weißt du wie du überhaupt über das Reden denken und dich ausdrüken mußt wenn es Gott wohlgefällig sein soll? Ph. Ich gar nicht, aber du? So. Ich habe darüber etwas gehört von den Alten, ob es wahr ist wißen sie selber. Wenn wir es aber selbst herausfinden können, sollten wir dann noch weiter nach menschlichen Meinungen darüber fragen?
ΦΑΙ. Οὐδαμῶς· σὺ δέ; ΣΩ. Ἀκοήν γ᾽ ἔχω λέγειν τῶν προτέρων, τὸ δ᾽ ἀληθὲς αὐτοὶ ἴσασιν. Εἰ δὲ τοῦτο εὕροιμεν αὐτοί, ἆρά γ᾽ ἂν ἔθ᾽ ἡμῖν μέλοι τι τῶν ἀνθρωπίνων δοξασμάτων; ΦΑΙ. Γελοῖον ἤρου, ἀλλ᾽ ἃ φῂς ἀκηκοέναι, λέγε.
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ΣΩ. Ἤκουσα τοίνυν, περὶ Ναύκρατιν τῆς Αἰγύπτου γενέσθαι τῶν ἐκεῖ παλαιῶν τινα θεῶν, οὗ καὶ τὸ ὄρνεον τὸ ἱερόν, ὃ δὴ καλοῦσιν Ἴβιν· αὐτῷ δὲ ὄνομα τῷ δαίμονι εἶναι Θεύθ. Τοῦτον δὴ πρῶτον ἀριθμόν τε καὶ λογισμὸν εὑρεῖν καὶ γεωμετρίαν καὶ ἀστρονομίαν, ἔτι δὲ πεττείας τε καὶ κυβείας καὶ δὴ καὶ γράμματα. Βασιλέως δ᾽ αὖ τότε ὄντος Αἰγύπτου ὅλης Θαμοῦ περὶ τὴν μεγάλην πόλιν τοῦ ἄνω τόπου, ὃν οἱ Ἕλληνες Αἰγυπτίας Θήβας καλοῦσι, καὶ τὸν θεὸν Ἄμμωνα, παρὰ τοῦτον ἐλθὼν ὁ Θεὺθ τὰς
15f τὸ ὄρνεον τὸ ἱερόν] τὸ ὄρνεον ἱερόν konj. Heindorf z. St., S. 340 (nach Ed.Genf 1578 [Stephanus], Annot. S. 64) Ast: Phaedr. 1810, S. 51 mit S. 383
Ph. Eine wunderliche Frage: Aber sage mir, was du gehört zu haben sagtest. So. Ich habe also gehört, daß zu Naukratis in Aegypten einer von den alten Göttern jenes Landes gelebt habe, derselbe dem auch der bekannte Vogel heilig ist den sie Ibis nennen, der Gott aber hieß Theuth. Dieser habe zuerst die Zahlen und das Rechnen, die Meß- und Sternkunde, dann das Brett- und Würfelspiel erfunden und zulezt auch die Buchstaben. König von ganz Aegypten soll damals Thamus gewesen sein in der größten Stadt in Oberaegypten welche die Hellenen das aegyptische Thebä nennen, den Gott aber nennen sie Ammon. Zu diesem
T 7 habe] über weiß 7f etwas gehört von] über eine Sage 8 den] korr. aus der 10 wir] danach uns 17 Aegypten] korr. aus E gypten durch F. Schlegel 28 sein] über der Zeile mit Einfügungszeichen 29 Hellenen] am Rand statt Griechen durch F. Schlegel (vgl. KGA V/5, Nr. 1052, 2; Nr. 1097, 47 f.; vgl. zur Phaidros-Hs., S. XLIV), vgl. zu Phaidros 234e.244b.
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PH. Ja. SOK. Weißt du wohl, wie du eigentlich Gott wohlgefällig das Reden behandeln und davon denken mußt? PH. Keinesweges, du aber? SOK. Eine Sage wenigstens habe ich darüber zu erzählen von den Alten, das Wahre aber wissen nur jene selbst. Könnten wir aber dieses finden, würden wir uns dann noch irgend um menschliche Urtheile kümmern? PH. Lächerliches fragst du! Aber erzähle, was du gehört zu haben behauptest. SOK. Ich habe also gehört: zu Naukratis in Aegypten sei einer von den dortigen alten Göttern gewesen, derselbe, dem auch der Vogel, welcher Ibis heißt, geheiliget war, des Gottes Name aber habe Theuth geheißen. Dieser habe zuerst die Zahlen und Verhältnisse erfunden, dann die Meßkunst und die Sternkunde, ferner das Bret- und Würfelspiel, und so auch die Buchstaben. Als König von ganz Aegypten habe | damals Thamus geherrscht in jener großen Stadt des oberen Landes, welche die Hellenen das ägyptische Thebe nennen, den Gott selbst aber Ammon. Zu diesem sei Theuth ge-
PH. Ja. SOK. Weißt du wohl, wie du eigentlich Gott wohlgefällig das Reden behandeln und davon sprechen mußt85? PH. Keinesweges, du aber? SOK. Eine Sage wenigstens habe ich darüber zu erzählen von den Alten, das Wahre aber wissen nur jene selbst. Könnten wir aber dieses finden, würden wir uns dann noch irgend um menschliche Urtheile kümmern? PH. Lächerliches fragst du! Aber erzähle, was du gehört zu haben behauptest. SOK. Ich habe also gehört, zu Naukratis in Aegypten sei einer von den dortigen alten Göttern gewesen, dem auch der Vogel, welcher Ibis heißt, geheiliget war, er selbst aber der Gott habe Theuth geheißen. Dieser habe zuerst Zahl und Rechnung erfunden, dann die Meßkunst und die Sternkunde, ferner das Bret- und Würfelspiel, und so auch die Buchstaben. Als König von ganz Aegypten habe damals Thamus geherrscht in der großen Stadt des oberen Landes, welche die Hellenen das ägyptische Thebe nennen, den Gott selbst aber Ammon. Zu dem sei Theuth ge-
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T 4 davon] daran W1 S. 161, korr. im Druckfehler-Verzeichnis W1 S. 413 S 31 Hellenen] als Korrektur F. Schlegels in SN 154 übernommen in W1 (vgl. Spalte 2 App.)
das Reden behandeln und sprechen mußt. Das davon Schreiben, sollte man denken, nicht das Reden, und sich wundern, daß keine Handschrift diesen Uebelstand hebt. Allein die Schrift wird hier aufs neue auf die Rede zu|rükgeführt und der Unterschied eingeleitet zwischen der lebendigen Rede und der todten.
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Erste Fassung (handschriftlich)
τέχνας ἐπέδειξε καὶ ἔφη δεῖν διαδοθῆναι τοῖς ἄλλοις Αἰγυπτίοις. Ὁ δὲ ἤρετο, ἥντινα ἑκάστη ἔχοι ὠφέλειαν. Διεξιόντος δέ, ὅτι καλῶς ἢ μὴ καλῶς δοκοίη λέγειν, τὸ μὲν ἔψεγε, τὸ δ᾽ ἐπῄνει. Πολλὰ μὲν δὴ περὶ ἑκάστης τῆς τέχνης ἐπ᾽ ἀμφότερα Θαμοῦν τῷ Θεὺθ λέγεται ἀποφῄνασθαι, ἃ λόγος πολὺς ἂν εἴη διελθεῖν· ἐπειδὴ δὲ ἐπὶ τοῖς γράμμασιν ἦν, τοῦτο δέ, ὦ βασιλεῦ, τὸ μάθημα, ἔφη ὁ Θεύθ, σοφωτέρους Αἰγυπτίους καὶ μνημονικωτέρους παρέξει· μνήμης τε γὰρ καὶ σοφίας φάρμακον εὑρέθη. Ὁ δ᾽ εἶπεν, ὦ τεχνικώτατε Θεύθ, ἄλλος μὲν τεκεῖν δυνατὸς τὰ τῆς τέχνης, ἄλλος δὲ κρῖναι, τίν᾽ ἔχει μοῖραν βλάβης τε καὶ ὠφελείας τοῖς μέλλουσι χρῆσθαι. Καὶ νῦν σύ, πατὴρ ὢν γραμμάτων, δι᾽ εὔνοιαν τοὐναντίον εἶπες ἢ δύναται. Τοῦτο γὰρ τῶν μαθόντων λήθην μὲν ἐν ψυχαῖς παρέξει μνήμης ἀμελετησίᾳ, ἅτε διὰ πίστιν γραφῆς ἔξωθεν ὑπ᾽ ἀλλοτρίων τύπων, οὐκ ἔνδοθεν αὐτοὺς ὑφ᾽ αὑτῶν ἀναμιμνησκομένους. Οὔκουν μνήμης ἀλλ᾽ ὑπομνήσεως φάρμακον εὗρες. Σοφίας δὲ τοῖς μαθηταῖς δόξαν, οὐκ
sei Theuth gekommen habe ihm seine Künste gezeigt und gesagt er solle sie auch den andern Aegyptern mittheilen. Dieser habe darauf gefragt, was für Nuzen denn eine jede gewähre, und je nachdem ihm | was Theuth sagte richtig oder unrichtig geschienen habe er gelobt und getadelt. So soll Thamus dem Theuth über alle Künste viel für und wider gesagt haben was weitläuftig wäre auszuführen. Als sie nun an die Buchstaben gekommen habe Theuth gesagt: Diese Erfindung o König wird die Aegypter weiser machen und ihr Gedächtniß stärken: denn sie ist ein Mittel um Vieles zu lernen und zu behalten. Darauf habe Thamus geantwortet: O kunstreicher Theuth der eine weiß Künste zu gebären, der Andere zu beurtheilen in welchem Verhältniß sie denen, welche sie anwenden Nuzen und Schaden bringen werden. Auch du hast jezt als Vater der Buchstaben aus natürlicher Liebe das Gegentheil von dem gesagt, was in der That ihre Wirkung sein wird. Denn diejenigen, welche sie lernen werden vielmehr dadurch vergeßlich werden aus Vernachläßigung des Gedächtnißes indem sie aus Vertrauen auf die Schrift sich immer nur von außen durch diese fremden Zeichen erinnern laßen, und nicht sich selbst von innen erinnern werden. Also nicht für das Gedächtniß hast du eine Hilfe erfunden, sondern nur für die Erinnerung. Eben so bringst du
1 ἐπέδειξε] ἀπέδειξε Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 37 [96,18], übersetzt W2
T 7 Theuth] Theut SN 154 nach sie werden vielmehr
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Phaidros 2. Auflage
gangen, habe ihm seine Künste ausgestellt, und begehrt sie möchten den andern Aegyptern mitgetheilt werden. Jener fragte, was doch eine jede für Nuzen gewähre, und je nachdem ihm, was Theuth darüber vorbrachte, richtig oder unrichtig dünkte, tadelte er oder lobte. Vieles nun soll Thamus dem Theuth über jede Kunst dafür und dawider gesagt haben, welches weitläufig wäre alles anzuführen. Als er aber an die Buchstaben gekommen, habe Theuth gesagt: Diese Kunst, o König, wird die Aegypter weiser machen und erinnerungsreicher, denn als ein Mittel für den Verstand und das Gedächtniß ist sie erfunden. Jener aber erwiederte: O kunstreichster Theuth, Einer weiß, was zu den Künsten gehört, ans Licht zu gebähren; ein Anderer zu beurtheilen, welches Verhältniß von Schaden und Vortheil es denen gewährt, die es gebrauchen werden. So hast auch du jezt als Vater der Buchstaben das Gegentheil dessen gesagt, was sie bewirken. Denn diese Erfindung wird der Lernenden Seelen vielmehr Vergessenheit einflößen aus Vernachläßigung des Gedächtnisses, weil sie im Vertrauen auf die Schrift sich nur von außen vermittelst fremder Zeichen, nicht aber innerlich sich selbst und unmittelbar erinnern werden. Nicht also für das Gedächtniß, sondern nur für die Erinnerung hast du ein Mittel erfunden. Auch von der Weisheit ver-
gangen, habe ihm seine Künste gewiesen, und begehrt sie möchten den andern Aegyptern mitgetheilt werden. Jener fragte, was doch eine jede für Nuzen gewähre, und je nachdem ihm, was Theuth darüber vorbrachte, richtig oder unrichtig dünkte, tadelte er oder lobte. | Vieles nun soll Thamus dem Theuth über jede Kunst dafür und dawider gesagt haben, welches weitläufig wäre alles anzuführen. Als er aber an die Buchstaben gekommen, habe Theuth gesagt: Diese Kunst, o König, wird die Aegypter weiser machen und gedächtnißreicher, denn als ein Mittel für den Verstand und das Gedächtniß ist sie erfunden. Jener aber habe erwiedert: O kunstreichster Theuth, Einer weiß, was zu den Künsten gehört, ans Licht zu gebähren; ein Anderer zu beurtheilen, wieviel Schaden und Vortheil sie denen bringen, die sie gebrauchen werden. So hast auch du jezt als Vater der Buchstaben aus Liebe das Gegentheil dessen gesagt, was sie bewirken. Denn diese Erfindung wird der Lernenden Seelen vielmehr Vergessenheit einflößen aus Vernachläßigung des Gedächtnisses, weil sie im Vertrauen auf die Schrift sich nur von außen vermittelst fremder Zeichen, nicht aber innerlich sich selbst und unmittelbar erinnern werden. Nicht also für das Gedächtniß, sondern nur für die Erinnerung hast du ein Mittel erfunden, und von der Weisheit bringst
T 36 werden.] Punkt fehlt W2 S 26f das Gegentheil] Auslassung von δι᾽ εὔνοιαν kritisiert von Rez.Anon., in: Neue Leipziger Literaturzeitung 90. Stück, 1806, Sp. 1432; ergänzt in W2
S 1f gewiesen] nach Bekker wie Spalte 1 App. 26f aus Liebe das Gegentheil] verändert ggb. W1 nach Rez.Anon. (1806) (wie zu W1)
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Erste Fassung (handschriftlich)
ἀλήθειαν, πορίζεις. Πολυήκοοι γάρ σοι γενόμενοι ἄνευ διδαχῆς πολυγνώμονες εἶναι δόξουσιν, ἀγνώμονες ὡς ἐπὶ τὸ πλῆθος ὄντες καὶ χαλεποὶ ξυνεῖναι, δοξόσοφοι γεγονότες ἀντὶ σοφῶν.
deinen Schülern eine falsche Meinung von ihrem Wissen bei: denn da sie nun Vieles gehört haben können ohne eigentliche Belehrung werden sie sich einbilden viel zu wißen ohnverachtet sie größtentheils unwissend sein werden, und beschwerlich im Umgange da sie dünkelweise sind anstelle weise zu sein. Ph. O Sokrates solche Aegyptische oder was sonst für ausländische Erzählungen du wolltest zu machen, das ist dir ein leichtes. So. Sagen doch, mein lieber, die Priester des Zeus in Dodona die ersten prophetischen Reden wären aus einer Eiche gekommen. Die Menschen jener Zeit, die eben nicht so weise waren als Ihr heut zu Tage mochten in ihrer Einfalt gern auch eine Eiche oder einen Stein reden hören, wenn sie nur die Wahrheit redeten. Dir aber macht das einen Unterschied wer etwas sagt, und woher er ist, du siehst schon nicht mehr darauf allein ob die Sache sich so oder anders verhält. Ph. Ganz recht hast du nur das zu verwerfen, und ich glaube daß es sich mit der Schrift so verhält wie der Thebaner es sagt.
ΦΑΙ. Ὦ Σώκρατες, ῥᾳδίως σὺ Αἰγυπτίους τε καὶ ὁποδαποὺς ἂν ἐθέλῃς λόγους ποιοίης. 10
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ΣΩ. Οἱ δέ γ᾽, ὦ φίλε, ἐν τῷ τοῦ Διὸς τοῦ Δωδωναίου ἱερῷ δρυὸς λόγους ἔφασαν μαντικοὺς πρώτους γενέσθαι. Τοῖς μὲν οὖν τότε ἅτε οὐκ οὖσι σοφοῖς, ὥσπερ ὑμεῖς οἱ νέοι, ἀπέχρη δρυὸς καὶ πέτρας ἀκούειν ὑπ᾽ εὐηθείας, εἰ μόνον ἀληθῆ λέγοιεν· σοὶ δ᾽ ἴσως διαφέρει, τίς ὁ λέγων καὶ ποδαπός. Οὐ γὰρ ἐκεῖνο μόνον σκοπεῖς, εἴτε οὕτως εἴτε ἄλλως ἔχει.
ΦΑΙ. Ὀρθῶς ἐπέπληξας, καί μοι δοκεῖ περὶ γραμμάτων ἔχειν, ᾗπερ ὁ Θηβαῖος λέγει.
9 ποιοίης] ποιεῖς Heindorf z. St., S. 342 (nach Stobaios) Ast: Phaedr. 1810, S. 52 Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 38 [97,20], übersetzt W2
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magst du deinen Lehrlingen nur den Schein, nicht die Sache selbst beizubringen. Denn indem sie nun vieles gehört haben ohne Unterricht, werden sie sich auch vielwissend zu sein dünken, da sie doch unwissend größten|theils sind, und schwer zu behandeln, nachdem sie dünkelweise geworden statt weise. PH. O Sokrates, leicht würdest du ägyptische und was sonst für ausländische Reden du wolltest dichten.
du deinen Lehrlingen nur den Schein bei, nicht die Sache selbst. Denn indem sie nun vieles gehört haben ohne Unterricht, werden sie sich auch vielwissend zu sein dünken, da sie doch unwissend größtentheils sind, und schwer zu behandeln, nachdem sie dünkelweise geworden statt weise. PH. O Sokrates, leicht erdichtest du uns ägyptische und was sonst für ausländische Reden du willst.
SOK. Sollen doch, o Freund, in des Zeus dodonäischem Tempel einer Eiche Reden die ersten prophetischen gewesen sein. Den damaligen nun, weil sie eben nicht so weise waren als ihr Jüngeren, genügte es in ihrer Einfalt auch der Eiche und dem Stein zuzuhören, wenn sie nur wahr redeten. Dir aber macht es vielleicht einen Unterschied, wer der Redende ist und von wannen. Denn nicht darauf allein siehst du, ob sich so oder anders die Sache verhält.
SOK. Sollen doch, o Freund, in des Zeus dodonäischem Tempel einer Eiche Reden die ersten prophetischen gewesen sein. Den damaligen nun, weil sie eben nicht so weise waren als | ihr Jüngeren, genügte es in ihrer Einfalt auch der Eiche und dem Stein zuzuhören, wenn sie nur wahr redeten. Dir aber macht es vielleicht einen Unterschied, wer der Redende ist und von wannen. Denn nicht darauf allein siehst du, ob sich so oder anders die Sache verhält.
PH. Mit Recht hast du mich gescholten. Auch dünkt mich mit den Buchstaben es sich so zu verhalten, wie der Thebäer sagt.
PH. Mit Recht hast du mich gescholten. Auch dünkt mich mit den Buchstaben es sich so zu verhalten, wie der Thebäer sagt.
S 26f Mit Recht hast du mich gescholten.] hergestellt von Spalding nach Heindorfs hsl. Note zur Druckvorlage: SN 183/5, f. 2r: „P. 275. Ορθως επεπληξας. Ich glaube nicht. So μνημονικως επεπληξας Politic. p. 5. Lucian. T. IV. p. 41. δικαιοτατα επιπληξαι δοκει μοι. So läge also das poetische bloß im numerus. Mir scheint der hexametrische Ausgang hier bloßer, oft vorkommender, Zufall.“ Dazu Spalding: „Ich habe so geschrieben: ‚Mit Recht hast du mich g e s c h o l t e n .‘“ – Zitiert: Platon, Politikos 257b (Ed.Zweibrücken, Bd. 6, 1784, S. 5); Lukian, Hermotimos (70) 31 (Luciani Samosatensis opera graece et latine, Bd. 4, Zweibrücken 1790, S. 41).
S 10–12 Zur Diskussion dieser Stelle zwischen Schleiermacher und Ast vgl. Einleitung zum Phaidros, S. 78 mit App. 12 willst] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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ΣΩ. Οὐκοῦν ὁ τέχνην οἰόμενος ἐν γράμμασι καταλιπεῖν καὶ αὖ ὁ παραδεχόμενος, ὥς τι σαφὲς καὶ βέβαιον ἐκ γραμμάτων ἐσόμενον, πολλῆς ἂν εὐηθείας γέμοι, καὶ τῷ ὄντι τὴν Ἄμμωνος μαντείαν ἀγνοεῖ, πλέον τι οἰόμενος εἶναι λόγους γεγραμμένους τοῦ τὸν εἰδότα ὑπομνῆσαι, περὶ ὧν ἂν ᾖ τὰ γεγραμμένα.
So. Wer also in dem Wahn eine Anweisung zur Kunst schriftlich hinterläßt, und wer sich in demselben Wahne an eine solche hält als ob nemlich etwas deutliches und zuverläßiges aus den todten Buchstaben hervorgehen könne, die sind Beide einfältig genug und verstehen gar nichts von dem Ausspruch des Ammons | indem sie glauben daß geschriebene Worte mehr vermögen als nur den der es schon weiß an das zu erinnern worauf sie sich beziehn. Ph. Sehr wahr. So. Dies ist also eine fatale Eigenschaft der Schrift und sie ist hierin der Malerei sehr ähnlich. Denn auch die Werke dieser Kunst stellen sich vor dich hin als wären sie lebend, fragst du sie aber um etwas, so schweigen sie ganz erhaben still. Eben so ist es auch mit den Büchern: Sie reden daß du glauben möchtest sie verständen etwas, fragst du sie aber etwas über das Gesagte und willst von ihnen lernen, so sagen sie dir immer wieder ein und dasselbige. Und wenn ein Buch einmal geschrieben ist so läuft es überall herum sowol unter denen welche es verstehen, als unter denen mit denen es sich gar nicht einlaßen sollte, und es versteht nicht mit wem es reden soll und mit wem nicht. Wird es aber etwa beleidigt oder unverdien-
ΦΑΙ. Ὀρθότατα. ΣΩ. Δεινὸν γάρ που, ὦ Φαῖδρε, τοῦτ᾽ ἔχει γραφή, καὶ ὡς ἀληθῶς ὅμοιον ζωγραφίᾳ· καὶ γὰρ τὰ ἐκείνης ἔκγονα ἕστηκεν μὲν ὡς ζῶντα, ἐὰν δ᾽ ἀνέρῃ τι, σεμνῶς πάνυ σιγᾷ. Ταυτὸν δὲ καὶ οἱ λόγοι· δόξαις μὲν ἂν ὥς τι φρονοῦντας αὐτοὺς λέγειν, ἐὰν δέ τι ἔρῃ τῶν λεγομένων βουλόμενος μαθεῖν, ἕν τι σημαίνει μόνον ταυτὸν ἀεί. Ὅταν δὲ ἅπαξ γραφῇ, κυλινδεῖται μὲν πανταχοῦ πᾶς λόγος ὁμοίως παρὰ τοῖς ἐπαΐουσιν, ὡς δ᾽ αὕτως παρ᾽ οἷς οὐδὲν προσήκει, καὶ οὐκ ἐπίσταται λέγειν, οἷς δεῖ γε καὶ μή. Πλημμελούμενος δὲ καὶ οὐκ
5 ἂν] ἂ Heindorf, korr. Appendix S. 362
T 1 in dem Wahn] über sich die Mühe giebt 2f schriftlich hinterläßt] korr. aus schriftlich zu hinterlaßen 3f in demselben Wahne] über der Zeile mit Einfügungszeichen 4f als ob nemlich] über in der Meinung daß 7 könne] über der Zeile mit Einfügungszeichen
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SOK. Wer also meint, eine Kunstlehre in Schriften so zu hinterlassen, und auch wer sie so aufnimmt, als ob etwas deutliches und sicheres durch die Buchstaben kommen könne, der ist einfältig genug, und weiß in Wahrheit nichts von der Weissagung des Ammon, wenn er glaubt, geschriebene Reden wären noch sonst zu etwas als nur demjenigen zur Erinnerung, der schon das weiß, worüber sie geschrieben sind.
SOK. Wer also eine Kunst in Schriften hinterläßt, und auch wer sie aufnimmt, in der Meinung daß etwas deutliches und sicheres durch die Buchstaben kommen könne, der ist einfältig genug, und weiß in Wahrheit nichts von der Weissagung des Ammon, wenn er glaubt, geschriebene Reden wären noch sonst etwas als nur demjenigen zur Erinnerung, der schon das weiß, worüber sie geschrieben sind.
PH. Sehr wahr. SOK. Schlimm ist hierin die Schrift, Phädros, und in der That ganz ähnlich der Mahlerei; denn auch diese stellt ihre Ausgeburten hin als lebend, wenn man sie aber etwas fragt, so schweigen sie gar ehrwürdig still. Eben so auch die Reden. Du könntest glauben sie sprächen als verständen sie etwas, fragst du sie aber lernbegierig über das Gesagte, so zeigen sie dir doch nur ein und dasselbe stets. Ist aber etwas ein|mal geschrieben, so schweift auch überall jede Rede gleichermaßen unter denen umher, die sie verstehen, und unter denen, die sie nichts angeht, und versteht nicht, zu wem sie reden soll, und zu wem nicht. Und wird sie beleidiget oder
PH. Sehr richtig. SOK. Denn dieses schlimme hat doch die Schrift, Phaidros, und ist darin ganz eigentlich der Malerei ähnlich; denn auch diese stellt ihre Ausgeburten hin als lebend, wenn man sie aber etwas fragt, so schweigen sie gar ehrwürdig still. Eben so auch die Schriften. Du könntest glauben sie sprächen als verständen sie etwas, fragst du sie aber lernbegierig über das Gesagte, so enthalten sie doch nur ein und dasselbe stets. Ist sie aber einmal geschrieben, so schweift auch überall jede Rede gleichermaßen unter denen umher, die sie verstehen, und unter denen, für die sie nicht gehört, und versteht nicht, zu wem sie reden soll, und zu wem nicht. Und wird sie beleidiget oder unverdienter Wei-
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Erste Fassung (handschriftlich)
ἐν δίκῃ λοιδορηθεὶς τοῦ πατρὸς ἀεὶ δεῖται βοηθοῦ. Αὐτὸς γὰρ οὔτ᾽ ἀμύνασθαι οὔτε βοηθῆσαι δυνατὸς αὑτῷ. ΦΑΙ. Καὶ ταῦτά σοι ὀρθότατα εἴρηται. ΣΩ. Τί δ᾽; ἄλλον ὁρῶμεν λόγον τούτου ἀδελφὸν γνήσιον, τῷ τρόπῳ γίγνεται, καὶ ὅσῳ ἀμείνων καὶ δυνατώτερος τούτου φύεται;
terweise beschimpft, so muß es seinen Vater zu Hilfe rufen, indem es sich selbst weder helfen noch sich Genugthuung verschaffen kann. Ph. Auch darin hast du ganz recht.
ΣΩ. Παντάπασι μὲν οὖν. Τόδε δή μοι εἰπέ· ὁ νοῦν ἔχων γεωργός, ὧν σπερμάτων κήδοιτο καὶ ἔγκαρπα βούλοιτο γενέσθαι, πότερα σπουδῇ
So. Wie nun? Kennen wir nicht eine andere Schrift den vollbürtigen Bruder von jener, und wißen wir nicht wie diese verfertiget wird, und wieviel beßerer und kräftigerer Natur sie ist? Ph. Was für eine, und wie wird sie verfertiget? So. Die welche mit Wißenschaft in der Seele des Lernenden eingeschrieben wird, und welche im Stande ist sich selbst zu helfen und wohl weiß mit wem sie reden und gegen wen sie schweigen soll. Ph. Du meinst die lebendige und beseelte Rede des Wißenden, deren bloßes Schattenbild man die geschriebene mit Recht nennen könnte. So. Allerdings diese. Sage mir aber, ob wol ein verständiger Landmann den Samen für den er am besten sorgen und von dem er Frucht haben
8 ἀδελφὸν γνήσιον, τῷ τρόπῳ] ἀδελφὸν γνήσιος τῷ τρόπῳ Bekker: Comm. 1 1823, S. 38 [99,8 f.], übersetzt W2, vgl. W2 Anm. 86
T 6 Kennen] davor Haben 7 Schrift] danach als 8 jener] über dieser
ΦΑΙ. Τίνα τοῦτον καὶ πῶς λέγεις γιγνόμενον; ΣΩ. Ὃς μετ᾽ ἐπιστήμης γράφεται ἐν τῇ τοῦ μανθάνοντος ψυχῇ, δυνατὸς μὲν ἀμῦναι ἑαυτῷ, ἐπιστήμων δὲ λέγειν τε καὶ σιγᾷν πρὸς οὓς δεῖ. ΦΑΙ. Τὸν τοῦ εἰδότος λόγον λέγεις ζῶντα καὶ ἔμψυχον, οὗ ὁ γεγραμμένος εἴδωλον ἄν τι λέγοιτο δικαίως.
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unverdienter Weise beschimpft, so bedarf sie immer ihres Vaters Hülfe; denn selbst ist sie weder sich zu schüzen noch zu helfen im Stande. PH. Auch hierin hast du ganz recht gesprochen. SOK. Wie aber? wollen wir nicht nach einer anderen Rede sehen, der vollbürtigen Schwester von dieser, wie es mit ihr zugeht, und wieviel besser und kräftiger als jene sie gedeiht? PH. Welche doch meinst du, und wie soll sie entstehen? SOK. Welche mit Einsicht geschrieben wird in des Lernenden Seele, wohl im Stande sich selbst zu helfen, und wohl wissend zu reden und zu schweigen, gegen wen sie beides soll. PH. Du meinst die lebende und beseelte Rede des wahrhaft Wissenden, deren Schattenbild man die geschriebene mit Recht nennen könnte. SOK. Allerdings eben sie. Sage mir aber dieses, ob ein verständiger Landmann den Samen, den er vor andern pflegen und Früchte von ihm haben möchte, recht eigens im
se beschimpft, so bedarf sie immer ihres Vaters Hülfe; denn selbst ist sie weder sich zu schüzen noch zu helfen im Stande. | PH. Auch hierin hast du ganz recht gesprochen. SOK. Wie aber? wollen wir nicht nach einer anderen Rede sehen, der Schwester von dieser, wie die ächte entsteht,86 und wieviel besser und kräftiger als jene sie gedeiht? PH. Welche doch meinst du, und wie soll sie entstehen? SOK. Welche mit Einsicht geschrieben wird in des Lernenden Seele, wohl im Stande sich selbst zu helfen, und wohl wissend zu reden und zu schweigen, gegen wen sie beides soll. PH. Du meinst die lebende und beseelte Rede des wahrhaft Wissenden, von der man die geschriebene mit Recht wie ein Schattenbild ansehn könnte. SOK. Allerdings eben sie. Sage mir aber dieses, ob ein verständiger Landmann den Samen, den er vor andern pflegen und Früchte von ihm haben möchte, recht eigens im 86
w i e d i e ä c h t e e n t s t e h t . Diese etwas härtere Wendung wird von zu vielen Handschriften gefordert, als daß ich sie nicht dem Bekkerschen Text nach übersezen sollte.
S Anm. 86 Vgl. Spalte 1 App. Schleiermacher übersetzt nicht den Text von Ed.Berlin 1816 (Bekker): γνήσιον, sondern nach den Hss.: γνήσιος. Das nicht ist also logisch verkehrt in die Formulierung der Anmerkungen geraten.
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ἂν θέρους εἰς Ἀδώνιδος κήπους ἀρῶν χαίροι θεωρῶν καλοὺς ἐν ἡμέραισιν ὀκτὼ γιγνομένους, ἢ ταῦτα μὲν δὴ παιδιᾶς τε καὶ ἑορτῆς χάριν δρῴη ἄν, ὅτε καὶ ποιοῖ· ἐφ᾽ οἷς δὲ ἐσπούδακε, τῇ γεωργικῇ ἂν χρώμενος ἂν τέχνῃ, σπείρας εἰς τὸ προσῆκον, ἀγαπῴη ἂν ἐν ὀγδόῳ μηνὶ ὅσα ἔσπειρε τέλος λαβόντα;
wird, im Sommer nicht eigens in ein Adonisgärtchen säen und seine Freude daran haben wird wenn er in acht Tagen schon recht in die Höhe geschoßen ist? Oder ob er nicht dies nur zum Scherz oder weil ein Fest es erfordert thun wird wenn er es thut, wenn es ihm aber Ernst ist nach den Vorschriften der Landbaukunst in gehörig bearbeiteten Boden säen und zufrieden sein wird, wenn was er gesäet in acht Monaten zur Vollkommenheit gedeihte. Ph. Allerdings wird es ihm nur mit
ΦΑΙ. Οὕτω που, ὦ Σώκρατες, τὰ
T 2 Adonisgärtchen] danach hochgestellt Anm.-Zeichen Schleiermachers: x (s. o. zu S. 92,5)
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heißen Sommer in ein Adonisgärtchen60 streuen und seine Freude daran haben wird ihn in acht Tagen schon in die Höhe geschossen zu sehen? oder ob er dieses nur als ein Spiel und bei festlichen Gelegenheiten thun wird, wenn er es ja thut; jenen aber, womit es ihm Ernst ist, nach den Vorschriften der Kunst des Landbaues in den gehörigen Boden säen, und zufrieden sein, wenn was er gesäet im achten Monat seine Vollkommenheit erlangt? | PH. Gewiß so, o Sokrates, würde er
heißen Sommer in einem Adonisgärtchen87 bauen und sich freuen wird ihn in acht Tagen schön in die Höhe geschossen zu sehen? oder ob er dieses nur als ein Spiel und bei festlichen Gelegenheiten thun wird, wenn er es ja thut; jenen aber, womit es ihm Ernst ist, nach den Vorschriften der Kunst des Landbaues in den gehörigen Boden säen, und zufrieden sein, wenn was er gesäet im achten Monat seine Vollkommenheit erlangt? PH. Gewiß so, o Sokrates, würde er
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i n e i n A d o n i s g ä r t c h e n . So nannte man, weil sie bei den Festen des Adonis eine nothwendige Zierde waren, Kästchen und Scherben, in denen Blumen und Kräuter schnell und zu ungewöhnlicher Zeit gezogen wurden. Man sehe Theocr. Adon. v. 113. πὰρ δ᾽ ἁπαλοὶ κᾶποι πεφυλαγμένοι ἐν ταλαρίσκοις. Nach Voß: Neben ihm liebliche Gärten in silbergeflochtenen Körben.
i n e i n e m A d o n i s g ä r t c h e n . So nannte man, weil sie bei den Festen des Adonis eine nothwendige Zierde waren, Kästchen und Scherben, in denen Blumen und Kräuter schnell und zu ungewöhnlicher Zeit gezogen wurden. Man sehe Theocr. Adon. v. 113. πὰρ δ᾽ ἁπαλοὶ κᾶποι πεφυλαγμένοι ἐν ταλαρίσκοις. Nach Voß: Neben ihm liebliche Gärten in silbergeflochtenen Körben.
S Anm. 60 Die Übersetzung von Johann Heinrich Voß unter der Überschrift „Das Adonisfest. Aus dem Theokrit.“: z. B. in: Musen Almanach für 1782, S. 83-99, hier S. 96; Vermischte Gedichte und prosaische Aufsäze, Frankfurt und Leipzig 1784, S. 277-293 Nr. 59, hier S. 290; Gedichte, Bd. 1, Hamburg 1785, S. 195-210 Nr. XVII, hier S. 207 (im Inhaltsverzeichnis angegeben mit der Jahreszahl 1780). Der zitierte Vers ist dagegen in der Übersetzung von Voß, die unter der Überschrift „Die Syrakuserinnen am Adonisfest in Alexandria. Theokrits funfzehnte Idylle.“ (o. ä.) publiziert ist, verändert: z. B. in: Der Genius der Zeit. Ein Journal herausgegeben von August Hennings. Achter Band: Mai bis August 1796, Altona [1796], Sechstes Stück. Juni 1796, S. 657682, hier S. 679; Theokritos. Bion und Moschos […] Tübingen 1808, S. 144: „Neben ihm auch Lustgärtchen, […]“. – Zum Ganzen vgl. Heindorf z. St. (S. 344), wo allerdings die Theokrit-Stelle falsch mit „Adoniaz. 124“ angegeben ist.
S Anm. 87 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 60.
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μὲν σπουδῇ, τὰ δὲ ὡς ἑτέρως ἄν, ᾗ λέγεις, ποιοῖ. ΣΩ. Τὸν δὲ δικαίων τε καὶ καλῶν καὶ ἀγαθῶν ἐπιστήμας ἔχοντα τοῦ γεωργοῦ φῶμεν ἥττω νοῦν ἔχειν εἰς τὰ ἑαυτοῦ σπέρματα;
ΣΩ. Οὐ γάρ, ἀλλὰ τοὺς μὲν ἐν γράμμασι κήπους, ὡς ἔοικε, παιδιᾶς χάριν σπερεῖ τε καὶ γράψει· ὅταν δὲ
dem lezten Ernst sein das erste aber wird er nur so thun wie du sagst. So. Und wollen wir etwa sagen daß der welcher die Erkenntniß des Gerechten des Schönen und des Guten besizt weniger verständig mit seinem Samen umgehn wird als der Landmann? Ph. Keinesweges. | So. Er wird sie also nicht recht eigens ins Wasser schreiben indem er sie vermittelst der Tinte durch die Feder mit Worten aussäet wo er nicht im Stande ist, ihnen mit seiner Rede zu Hilfe zu kommen und doch auch die Wahrheit nicht hinlänglich durch sie lehren kann? Ph. Man sollte es freilich nicht denken. So. Nein, sondern die Schriftscherben wird er nur zum Scherz besäen und beschreiben, und wenn er
10f ἀδυνατῶν μὲν … ἀδυνατῶν δὲ] Heindorf, übersetzt SN 154 | ἀδυνάτων μὲν … ἀδυνάτων δὲ konj. Schleiermacher (vgl. W1 Anm. 61 W2 Anm. 88), bestätigt von Ast: Phaedr. 1810, S. 53 f. mit S. 387, und Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 39 [100,12 f.], übersetzt W1 W2
T 5 Schönen] über Weisen 13 Feder] kritisiert von F. Schlegel in dem Brief vom 26.10.1801: KGA V/5, Nr. 1115, 11 f. (dort im App. statt auf Phaidros 255d auf 276c [oder 242c ?] zu verweisen) 15 und] danach eben so wenig
ΦΑΙ. Ἥκιστά γε. ΣΩ. Οὐκ ἄρα σπουδῇ αὐτὰ ἐν ὕδατι γράψει, μέλανι σπείρων διὰ καλάμου μετὰ λόγων ἀδυνατῶν μὲν αὑτοῖς λόγῳ βοηθεῖν, ἀδυνατῶν δὲ ἱκανῶς τἀληθὲς διδάξαι.
ΦΑΙ. Οὔκουν δὴ τό γ᾽ εἰκός. d
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dieses im Ernst, jenes, wie du sagtest, nur anders thun. SOK. Und sollen wir sagen, daß wer vom Gerechten, Schönen und Guten Erkenntniß besizt, weniger verständig als der Landmann verfahren werde mit seinem Samen?
dieses im Ernst, jenes, wie du sagtest, nur anders thun. SOK. Und sollen wir sagen, daß wer vom Gerechten, Schönen und Guten Erkenntniß besizt, weniger verständig als der Landmann verfahren werde mit seinem Samen?
PH. Keinesweges wohl. SOK. Nicht zum Ernst also wird er sie ins Wasser schreiben, indem er sie mit Dinte durch das Rohr in Worten aussäet, die doch unvermögend sind61 sich selbst durch Rede zu helfen, unvermögend aber auch die Wahrheit hinreichend zu lehren?
PH. Keinesweges wohl. | SOK. Nicht zum Ernst also wird er sie ins Wasser schreiben, mit Dinte sie durch das Rohr aussäend, mit Worten, die doch unvermögend sind88 sich selbst durch Rede zu helfen, unvermögend aber auch die Wahrheit hinreichend zu lehren?
PH. Wohl nicht, wie zu vermuthen.
PH. Wohl nicht, wie zu vermuthen.
SOK. Freilich nicht; sondern die Schriftgärtchen wird er nur Spieles wegen, wie es scheint, besäen und beschreiben. Wenn er aber schreibt,
SOK. Freilich nicht; sondern die Schriftgärtchen wird er nur Spieles wegen, wie es scheint, besäen und beschreiben. Wenn er aber schreibt,
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die doch unvermögend sind. Ich lese anstatt ἀδυνατῶν μὲν und ἀδυνατῶν δὲ beide|mahle ἀδυνάτων. Man vergleiche 276. e. λόγους, οἳ ἑαυτοῖς … βοηθεῖν ἱκανοί. Auch verschwinden alle Schwierigkeiten auf diese Art.
die doch unvermögend sind. Diese Uebersezung beruhte schon in der ersten Ausgabe auf dem hernach von Bekker in vielen Handschriften gefundenen zwiefachen ἀδυνάτων. Man vergleiche 276. e. λόγους, οἳ ἑαυτοῖς … βοηθεῖν ἱκανοί. Auch verschwinden alle Schwierigkeiten auf diese Art.
S 11 Rohr] anders als die Übersetzung in SN 154, die F. Schlegel vielleicht kritisiert hat (vgl. Spalte 2 App.) S Anm. 61 Dazu Spalding an Schleiermacher, 24.2.1804 (KGA V/7, Nr. 1664, 112-114): „ἀδυνάτων, ist vortreflich. Ich habe danach korrigirt. Das λόγῳ, neben λόγων, will Heindorf nicht gefallen. Mir wol.“ Vgl. dann aber Heindorfs hsl. Note zur Druckvorlage: SN 183/5, f. 2v: „P. 276. αδυνάτων μεν – herrlich! λογῳ, m ü n d l i c h , woran ich zuerst anstieß, finde ich nun auch gut und nöthig.“ – Die Konjektur gelobt von Rez.Ast (1808), S. 135; Ast: Phaedr. 1810, S. 387.
T Anm. 88 25 ἀδυνάτων] ἀδύνάτων verdruckt W2 S Anm. 88 Vgl. Spalte 1 App. und Spalte 3 zu Anm. 61.
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Phaidros Ed. Heindorf
Erste Fassung (handschriftlich)
γράφῃ ἑαυτῷ τε ὑπομνήματα θησαυριζόμενος, εἰς τὸ λήθης γῆρας ἐὰν ἵκηται, καὶ παντὶ τῷ ταυτὸν ἴχνος μετιόντι, ἡσθήσεταί τε αὐτοὺς θεωρῶν φυομένους ἁπαλούς· ὅταν δὲ ἄλλοι παιδιαῖς ἄλλαις χρῶνται, συμποσίοις τε ἄρδοντες αὑτοὺς ἑτέροις τε, ὅσα τούτων ἀδελφά, τότ᾽ ἐκεῖνος, ὡς ἔοικεν, ἀντὶ τούτων οἷς λέγων παίζων διάξει.
schreibt um Erinnerungen zu sammeln für sich selbst falls er das vergeßliche Alter erreichen sollte, und für Andre welche denselben Weg betreten, wird er sich freuen wenn sie zart und schön heranwachsen und anstatt daß Andre sich auf andre Art ergözen bei Gastmälern und was dem verwandt ist wird er wie gesagt auf diese Art sich erheben.
ΦΑΙ. Παγκάλην λέγεις παρὰ φαύλην παιδιάν, ὦ Σώκρατες, τοῦ ἐν λόγοις δυναμένου παίζειν δικαιοσύνης τε καὶ ἄλλων ὧν λέγεις πέρι μυθολογοῦντα.
Ph. Was für ein herrliches Spiel in Vergleich mit jenen gewöhnlichen verstehst du o Sokrates, der so mit Reden zu spielen und über die Gerechtigkeit und was du weiter erwähntest gleichsam zu dichten weißt. So. Das ist es allerdings lieber Phaidros. Aber etwas noch weit herrlicheres ist doch glaube ich die ernsthafte Beschäftigung mit diesen Dingen, wenn Jemand nach den Vorschriften der philosophischen Kunst mit Wissenschaft in eine gehörig bearbeitete Seele solche Reden pflanzt, welche sich selbst und dem der sie gepflanzt hat Beistand zu lei-
ΣΩ. Ἔστι γάρ, ὦ φίλε Φαῖδρε, οὕτω. Πολὺ δ᾽, οἶμαι, καλλίων σπουδὴ περὶ αὐτὰ γίγνεται, ὅταν τις τῇ διαλεκτικῇ τέχνῃ χρώμενος, λαβὼν ψυχὴν προσήκουσαν, φυτεύῃ τε καὶ σπείρῃ μετ᾽ ἐπιστήμης λόγους, οἳ ἑαυτοῖς τῷ τε φυτεύσαντι βοηθεῖν
9f οἷς λέγων παίζων διάξει] ἐν οἷς λέγω παίζων διάξει konj. Heindorf: Specimen (1798), S. 17, vgl. Heindorf z. St., S. 346, übersetzt SN 154 W1 | οἷς [οἳς W2 Anm. 89 mit App. T] λέγοι παίζων διέξεισι W2 Anm. 89 nach [Karl Gotthold Lenz]: Rez. zu F. Ast: De Platonis Phaedro … 1801, in: Neue allgemeine deutsche Bibliothek 72, 1. Stück, 4. Heft, Berlin/Stettin 1802, S. 218, übersetzt W2
T1 schreibt] danach geschieht es 1–3 Erinnerungen…vergeßliche] am linken Rand das Zeichen E für F. Schlegel zur Prüfung der Stelle (KGA V/5, Nr. 1030, 8 f.; vgl. zur Phaidros-Hs. S. XLV f.). 4f betreten, wird er] umgestellt aus betreten und er wird
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um für sich selbst einen Vorrath von Erinnerungen zu sammeln auf das vergeßliche Alter, wenn er es etwa erreicht, und für Jeden, welcher derselben Spur nachgeht: so wird er sich freuen, wenn er sie zart und schön gedeihen sieht; und wenn Andere sich mit andern Spielen ergözen, bei Gastmalen sich benezend und was dem verwandt ist, dann wird jener statt dessen mit dem, wovon ich sage, spielend sich erholen. PH. Ein gar herrliches, o Sokrates, nennst du neben den gewöhnlichen Spielen: das Spiel dessen, der von der Gerechtigkeit, und was du sonst erwähntest, dichtend mit Reden zu spielen weiß.
um für sich selbst einen Vorrath von Erinnerungen zu sammeln auf das vergeßliche Alter, wenn er es etwa erreicht, und für Jeden, welcher derselben Spur nachgeht: so wird er sich freuen, wenn er sie zart und schön gedeihen sieht; und wenn Andere sich mit andern Spielen ergözen, bei Gastmalen sich benezend und was dem verwandt ist, dann wird jener statt dessen seine Reden spielend89 durchnehmen. PH. Ein gar herrliches, o Sokrates, nennst du neben den geringeren Spielen: das Spiel dessen, der von der Gerechtigkeit, und was du sonst erwähntest, dichtend mit Reden zu spielen weiß.
SOK. So ist es allerdings, Phädros. Weit herrlicher aber denke ich ist noch der Ernst mit diesen Dingen, wenn Jemand nach den Vorschriften der dialektischen Kunst, eine gehörige Seele dazu wählend, mit Einsicht Reden säet und pflanzt, welche sich selbst und dem, der sie | gepflanzt,
SOK. So ist es allerdings, Phaidros. Weit herrlicher aber denke ich ist der Ernst mit diesen Dingen, wenn Jemand nach den Vorschriften der dialektischen Kunst, eine gehörige Seele dazu wählend, mit Einsicht Reden säet und pflanzt, welche sich selbst und dem, der sie gepflanzt, zu 89
s e i n e R e d e n s p i e l e n d etc. Nicht eben leicht, aber der hier herrschenden Weise ganz angemessen ist diese Leseart οἷς λέγοι παίζων διέξεισι, von Bekker aufgenommen, und vorher schon in der N. Allg. D. Bibl. LXXII, 1. aus der Gothanischen Handschrift mitgetheilt.
T Anm. 89 29 οἷς] οἳς verdruckt W2 S Anm. 89 In Ed.Berlin 1816 (Bekker) lautet der Text: οἷς λέγω παίζων διάξει. Dazu vgl. Comm. 1 1823, S. 39 [101,1 f.], mit diversen hsl. Varianten, darunter auch Übereinstimmungen mit der von Schleiermacher bevorzugten Lesart. Diese findet sich als ganze, aus einer Gothaer Hs. zitierte an dem angegebenen Ort (s. Spalte 1 App.).
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ἱκανοί τε καὶ οὐχὶ ἄκαρποι, ἀλλὰ ἔχοντες σπέρμα, ὅθεν ἄλλοι ἐν ἄλλοις ἤθεσι φυόμενοι τοῦτ᾽ ἀεὶ ἀθάνατον παρέχειν ἱκανοὶ καὶ τὸν ἔχοντα εὐδαιμονεῖν ποιοῦντες εἰς ὅσον ἀνθρώπῳ δυνατὸν μάλιστα.
sten fähig und nicht unfruchtbar sind sondern ihren Samen in sich haben. Daher sie auch in diese Seele so in jene anders, wie jede es erfordert, hineingesäet ihn unvergänglich zu erhalten und dem, der ihn besizt so glükselig zu machen im Stande sind als ein Mensch nur immer werden kann. Ph. Ja wohl ist dieses noch weit herrlicher. So. Und wie erst, Phaidros, nachdem wir hierin einig sind können wir auch Jenes entscheiden. Ph. Was denn? So. Das worüber die Berathschlagung uns hierher geführt hat daß wir nemlich untersuchen wollten in wie fern wol dem Lysias sein Redenschreiben zum Schimpf gereichen könnte, und auch die Reden selbst in wie fern sie mit Kunst oder ohne Kunst geschrieben wären. Den lezten Punkt, das Kunstmäßige haben wir uns glaube ich so ziemlich klar gemacht. Ph. Es schien mir auch. Erinnere mich aber doch noch einmal wie. So. Nemlich ehe nicht Jemand die wahre Beschaffenheit dessen worüber er reden oder schreiben will kennt, und es an und für sich zu erklären, und wenn er es erklärt hat wiederum bis ins Unendliche in seine Unterarten zu theilen versteht,
ΦΑΙ. Πολὺ γὰρ τοῦτ᾽ ἔτι κάλλιον λέγεις. ΣΩ. Νῦν δὴ ἐκεῖνα ἤδη, ὦ Φαῖδρε, δυνάμεθα κρίνειν, τούτων ὡμολογημένων. ΦΑΙ. Τὰ ποῖα; ΣΩ. Ὧν δὴ πέρι βουληθέντες ἰδεῖν ἀφικόμεθα εἰς τόδε, ὅπως τὸ Λυσίου τε ὄνειδος ἐξετάσαιμεν τῆς τῶν λόγων γραφῆς πέρι, καὶ αὐτοὺς τοὺς λόγους οἳ τέχνῃ καὶ ἄνευ τέχνης γράφοιντο. Τὸ μὲν οὖν ἔντεχνον καὶ μὴ δοκεῖ μοι δεδηλῶσθαι μετρίως.
ΦΑΙ. Ἔδοξέ γε δή. ΣΩ. Πάλιν δὲ ὑπόμνησόν με πῶς, πρὶν ἄν τις τό τε ἀληθὲς ἑκάστων εἰδῇ, περὶ ὧν λέγει ἢ γράφει, καὶ αὐτό γε πᾶν ὁρίζεσθαι δυνατὸς γένηται, ὁρισάμενός τε πάλιν κατ᾽ εἴδη μέχρι τοῦ ἀτμήτου τέμνειν ἐπιστη-
1 τε καὶ] καὶ Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 39 [101,10], übersetzt W2 21 Πάλιν…πῶς] dem Phaidros als Sprecher zugewiesen von Schleiermacher (bei Heindorf z. St., S. 349), vgl. W1 Anm. 62 W2 Anm. 90 (mit Hinweis auf Tennemann), bestätigt von Ast: Phaedr. 1810, S. 54 mit S. 391, und Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt SN 154 W1 W2 23f καὶ αὐτό γε πᾶν] καθ᾽ αὑτό τε πᾶν Heindorf z. St. (S. 349), übersetzt SN 154 | κατ᾽ αὐτό τε πᾶν Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 39 [102,3], übersetzt W2
T 6 zu] über der Zeile mit Einfügungszeichen 28 wie] danach hochgestellt Anm.Zeichen Schleiermachers: x), durch Anm.Ziffer 69 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 34 Unendliche] danach zu zertheilen 35 versteht,] nach versteht zwei kleine senkrechte Striche zur Markierung des Einschnittes
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zu helfen im Stande, auch nicht unfruchtbar sind, sondern einen Samen tragen, vermittelst dessen einige in diesen, andere in anderen Seelen gedeihend, eben dieses unsterblich zu erhalten vermögen, und den, der sie besizt, so glükselig machen, als einem Menschen nur möglich ist. PH. Allerdings ist etwas noch weit herrlicheres, was du hier sagst. SOK. Jezt erst, Phädros, können wir auch jenes entscheiden, nachdem wir uns hierüber vereiniget. PH. Was doch? SOK. Das was wir eigentlich ersehen wollten, und nur dabei hierauf gekommen sind, ob wir nämlich nicht finden könnten, wie wohl dem Lysias das Redenschreiben zur Schande gereiche, und auch wegen der Reden selbst, welche mit Kunst und welche ohne Kunst geschrieben wären. Dieses, was kunstmäßig ist oder nicht, dünkt mich schon ziemlich deutlich gemacht worden zu sein. PH. Es dünkte mich auch, erinnere mich aber doch noch einmal62. SOK. Nämlich ehe nicht Jemand die wahre Beschaffenheit eines jeden Dinges kennt, worüber er redet und schreibt, es vollständig zu erklären im Stande ist, und nachdem er es erklärt, es auch wieder in seine Unterarten bis zum Untheilbaren zu
helfen im Stande, und nicht unfruchtbar sind, sondern einen Samen tragen, vermittelst dessen einige in diesen, andere in anderen Seelen gedeihend, eben dieses unsterblich zu erhalten vermögen, und den, der sie besizt, so glükselig machen, als einem Menschen nur möglich ist. | PH. Allerdings ist etwas noch weit herrlicheres, was du hier sagst. SOK. Jezt erst, Phaidros, können wir auch jenes entscheiden, nachdem wir uns hierüber vereiniget. PH. Was doch? SOK. Das was wir eigentlich sehen wollten, und nur dabei hierauf gekommen sind, ob wir nemlich nicht finden könnten, wie wohl dem Lysias das Redenschreiben zur Schande gereiche, und auch wegen der Reden selbst, welche mit Kunst und welche ohne Kunst geschrieben wären. Was nun kunstmäßig ist oder nicht, dünkt mich schon ziemlich deutlich gemacht worden zu sein. PH. Es dünkte mich auch, erinnere mich aber doch noch einmal90. SOK. Nämlich ehe nicht Jemand die wahre Beschaffenheit eines jeden Dinges kennt, worüber er redet und schreibt, es an sich vollständig zu erklären im Stande ist, und nachdem er es erklärt, es auch wieder in seine Unterarten bis zum Untheilbaren zu
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erinnere mich aber doch n o c h e i n m a l . Die Verbesserung, diese Worte dem Phädros beizulegen, hat auch schon Tennemann vor mir gemacht.
S Anm. 62 Tennemann: System der Platonischen Philosophie, Bd. 1 (1792), S. 134 mit Anm. 4.
erinnere mich aber doch n o c h e i n m a l . Die Verbesserung, diese Worte dem Phaidros beizulegen, hat auch schon Tennemann vor mir gemacht.
S 1 und] nach Bekker wie Spalte 1 App. 32 an sich] nach Bekker wie Spalte 1 App. S Anm. 90 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 62.
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θῇ, περί τε ψυχῆς φύσεως διϊδὼν κατὰ ταυτὰ τὸ προσαρμόττον ἑκάστῃ φύσει εἶδος ἀνευρίσκων, οὕτω τιθῇ καὶ διακοσμῇ τὸν λόγον, ποικίλῃ μὲν ποικίλους ψυχῇ καὶ παναρμονίους διδοὺς λόγους, ἁπλοῦς δὲ ἁπλῇ· οὐ πρότερον δυνατὸν τέχνῃ ἔσεσθαι καθ᾽ ὅσον πέφυκε μεταχειρισθῆναι τὸ λόγων γένος, οὔτε τι πρὸς τὸ διδάξαι, οὔτε τι πρὸς τὸ πεῖσαι, ὡς ὁ ἔμπροσθεν πᾶς μεμήνυκεν ἡμῖν λόγος.
ehe er nicht ebenso über die Natur der Seele im Reinen ist daß er die Art der jede besondere Natur angehört herausfinden kann und dann nach Maaßgabe dessen jedes | Reden auch anordnet und austheilt indem er geschmükten Seelen auch geschmükte und vielfach harmonische einfachen aber einfache vorträgt, ehe werde er nicht im Stande sein, so wie es sein könnte, Reden mit Kunst zu behandeln, weder wenn er Andre lehren noch wenn er selbst überreden will, wie unser ganzes voriges Gespräch ausführlich gezeigt hat. Ph. So war es, so hatten wir es deutlich eingesehn. So. Aber ob es etwas ehrenvolles oder verächtliches sei Reden zu halten und zu schreiben, und auf welche Art betrieben es getadelt werden könne oder nicht, ist uns dies nicht durch das was wir eben vorher besprochen haben auch schon klar geworden? Ph. Durch was denn? So. Daß, wenn Lysias oder sonst Jemand jemals es sei nun in Privatsachen oder in öffentlichen Angele-
ΦΑΙ. Παντάπασι μὲν οὖν τοῦτό γε οὕτω πως ἐφάνη. ΣΩ. Τί δ᾽ αὖ περὶ τοῦ καλὸν ἢ αἰσχρὸν εἶναι τὸ λόγους λέγειν τε καὶ γράφειν, καὶ ὅπη γιγνόμενον ἐν δίκῃ λέγοιτ᾽ ἂν ὄνειδος ἢ μή, ἆρα οὐ δεδήλωκε τὰ λεχθέντα ὀλίγον ἔμπροσθεν. ΦΑΙ. Τὰ ποῖα; ΣΩ. Ὡς εἴτε Λυσίας ἤ τις ἄλλος πώποτε ἔγραψεν ἢ γράφει ἰδίᾳ ἢ δη-
23 γράφει] γράψει Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 39 [102,21], übersetzt SN 154 W2
T 2f die Art] über der Zeile mit Einfügungszeichen 3 jede] korr. aus jeden 3f angehört] über entsprechenden Begrif 4 herausfinden kann] korr. aus heraus zu finden hat mit kann über hat 6 austheilt] über aus schmükt 9 einfache] danach Reden 11 so wie es sein könnte] nachträglich am Rand ergänzt ohne Einfügungszeichen 25 auch schon] über der Zeile mit Einfügungszeichen
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theilen, und eben so auch mit der Seele Natur bekannt, die einer jeden angemessene Art der Rede herauszufinden versteht, und sie dann so ordnet und ausschmükt, daß er bunten Seelen auch bunte und wohllautreiche Reden giebt, einfachen aber einfache, eher werde er noch nicht vermögend sein, so weit es die Sache erlaubt, mit Kunst das Ge|schlecht der Reden zu behandeln, weder um sie einen Andern zu lehren, noch um selbst zu überreden, wie unsere ganze vorherige Rede ausführlich gezeigt hat.
theilen, und eben so auch mit der Seele Natur bekannt, die einer jeden angemessene Art der Rede herauszufinden versteht, und sie dann so ordnet und ausschmükt, daß er bunten Seelen auch bunte und wohllautreiche Reden giebt, einfachen aber einfache, eher werde er noch nicht vermögend sein, so weit es die Sache erlaubt, mit Kunst das Geschlecht der Reden zu behandeln, weder um zu lehren, noch um zu überreden, wie unsere ganze vorherige Rede gezeigt hat.
PH. Allerdings so ohngefähr hatte sich uns dieses gezeigt. SOK. Wie aber jenes, ob es etwas schönes ist oder verächtliches, Reden zu sprechen und zu schreiben, und wie betrieben es mit Recht könnte zum Schimpf gerechnet werden oder nicht, hat uns nicht auch dieses schon das eben zuvor besprochene deutlich gezeigt? PH. Welches denn? SOK. Daß wenn, es sei nun Lysias oder ein anderer, jemals etwas geschrieben hat oder schreibt, in besonderen Angelegenheiten oder in
PH. Allerdings so ohngefähr war uns dieses erschienen. SOK. Wie aber jenes, ob es etwas schönes ist oder verächtliches, Reden zu sprechen und | zu schreiben, und wie betrieben es mit Recht könnte zum Schimpf gerechnet werden oder nicht, hat uns nicht auch dieses schon das eben zuvor besprochene deutlich gemacht? PH. Welches denn? SOK. Daß wenn, es sei nun Lysias oder ein anderer, jemals etwas geschrieben hat oder schreiben wird, in besonderen Angelegenheiten oder
S 28 schreiben wird] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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μοσίᾳ, νόμους τιθείς, σύγγραμμα πολιτικὸν γράφων, καὶ μεγάλην τινὰ ἐν αὐτῷ βεβαιότητα ἡγούμενος καὶ σαφήνειαν, οὕτω μὲν ὄνειδος τῷ γράφοντι, εἴτε τίς φησιν εἴτε μή. Τὸ γὰρ ἀγνοεῖν ὕπαρ τε καὶ ὄναρ δικαίων τε καὶ ἀδίκων πέρι καὶ κακῶν καὶ ἀγαθῶν, οὐκ ἐκφεύγει τῇ ἀληθείᾳ μὴ οὐκ ἐπονείδιστον εἶναι, οὐδὲ ἂν ὁ πᾶς ὄχλος αὐτὸ ἐπαινέσῃ.
genheiten indem er Geseze giebt und also Staatsschriften verfasst, irgend etwas geschrieben hat oder noch schreiben wird, in der Einbildung es habe eine große Deutlichkeit in sich und eine Kraft sich lange zu erhalten. Dem gereicht sein Schreiben zum Schimpf, es mag es ihm nun Jemand aufrüken oder nicht: denn in Absicht des Gerechten und Ungerechten, des Guten und Bösen nicht Wahr und Träumen unterscheiden zu können, das kann unmöglich anders als schimpflich sein und wenn auch das ganze Volk es lobte. Ph. Freilich nicht. So. Wer aber glaubt, daß in Schriften über jeden Gegenstand nothwendig Vieles bloß Scherz sein müsse, daß unter Allem, was ohne tiefere Untersuchung, nicht um der Belehrung sondern nur um des Beifalls willen ausgearbeitet und gesprochen worden ist nie etwas weder in Versen noch in Prosa gesprochen und geschrieben worden, was man sehr
ΦΑΙ. Οὐ γὰρ οὖν. ΣΩ. Ὁ δέ γε ἐν μὲν τῷ γεγραμμένῳ λόγῳ περὶ ἑκάστου παιδιάν τε ἡγούμενος πολλὴν ἀναγκαῖον εἶναι, καὶ οὐδένα πώποτε λόγον ἐν μέτρῳ οὐδ᾽ ἄνευ μέτρου μεγάλης ἄξιον σπουδῆς γραφῆναι, οὐδὲ λεχθῆναι, ὡς οἱ ῥαψῳδούμενοι ἄνευ ἀνακρίσεως καὶ διδαχῆς πειθοῦς ἕνεκα
1 νόμους τιθείς] als Glosse getilgt von Schleiermacher (bei Heindorf z. St., S. 350 f.), nicht übersetzt W1, vgl. W2 Anm. 91 18 ὡς οἱ ῥαψῳδούμενοι] ὅσοι ῥαψῳδούμενοι konj. Schleiermacher (bei Heindorf z. St., S. 351, dort jedoch verworfen), übersetzt SN 154 W1 W2
T 7 erhalten] danach hochgestellt Anm.Ziffer 71 (sic) von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 16 lobte] danach hochgestellt Anm.-Ziffer 70 (sic) von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 21–25 unter Allem, was ohne tiefere Untersuchung, nicht um der Belehrung sondern nur um des Beifalls willen ausgearbeitet und gesprochen worden ist] am Rand mit Einfügungszeichen, zunächst nach müße (S. 404,1) statt der dort gestrichenen Passage (s. u.) eingefügt, dann dortiges Einfügungszeichen gestrichen und schon hier eingesetzt, dabei unter Allem, was ohne tiefere Untersuchung, nicht um der über soviel dessen nicht um der Untersuchung und 25 ist] danach hochgestellt Anm.-Zeichen Schleiermachers: x), gestrichen und durch Anm.-Ziffer 71 72 ersetzt von F. Schlegel (s. o. zu S. 92,5) 26 gesprochen und] über der Zeile mit Einfügungszeichen
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öffentlichen, indem er eine Staatsschrift verfaßt, in der Meinung, es sei große Gründlichkeit und Klarheit darin, das gereicht dem Schreibenden zum Schimpf, es mag es ihm nun einer vorrüken oder nicht. Denn so ganz und gar nichts zu wissen vom Gerechten und Ungerechten, Bösen und Guten, das ist in der That unabwendlich das allerschimpflichste, und wenn auch das ganze Volk es lobte.
in öffentlichen, indem er Geseze vorschlägt91, also eine Staatsschrift verfaßt, in der Meinung, es sei große Gründlichkeit und Klarheit darin, das gereicht dem Schreibenden zum Schimpf, es mag es ihm nun einer vorrüken oder nicht. Denn Tag und Nacht nicht unterscheiden zu können im Gerechten und Ungerechten, Bösen und Guten, das ist in der That unabwendlich das allerschimpflichste, und wenn auch das ganze Volk es lobte.
PH. Gewiß. SOK. Wer aber weiß, daß in einer geschriebenen Rede über jeden Gegenstand vieles nothwendig nur Spiel sein muß, und daß keine Rede, sei sie nun in gemessenen oder ungemessenen Sylben gesprochen oder geschrieben, sehr ernsthaft zu nehmen sei, unter allen welche ohne tiefere Untersuchung und Belehrung nur des Ueberredens wegen zusammengearbeitet und gesprochen
PH. Gewiß. SOK. Wer aber weiß, daß in einer geschriebenen Rede über jeden Gegenstand vieles nothwendig nur Spiel sein muß, und daß keine Rede, gemessen oder ungemessen, sonderlich der Mühe werth geschrieben sei noch auch gesprochen, soviele nemlich ohne tiefere Untersuchung und Belehrung nur des Ueberredens wegen zusammengearbeitet und ge91
G e s e z e v o r s c h l ä g t . Nachdem so viele Handschriften verglichen worden muß man zaghafter werden im Annehmen von Glossemen, und | so habe ich auch das νόμους τιθείς wieder aufgenommen, wiewohl nicht ohne Widerstreben.
T Anm. 91 29 τιθείς] ταθείς verdruckt W2 S Anm. 91 Die verglichenen Hss. bei Comm. 1 1823, S. 39 [102,21] haben alle diesen Text.
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ἐλέχθησαν, ἀλλὰ τῷ ὄντι αὐτῶν τοὺς βελτίστους εἰδότων ὑπόμνησιν γεγονέναι, ἐν δὲ τοῖς διδασκομένοις καὶ μαθήσεως χάριν λεγομένοις καὶ τῷ ὄντι γραφομένοις ἐν ψυχῇ περὶ δικαίων τε καὶ καλῶν καὶ ἀγαθῶν, ἐν μόνοις ἡγούμενος τό τε ἐναργὲς εἶναι καὶ τέλεον καὶ ἄξιον σπουδῆς, δεῖν δὲ τοὺς τοιούτους λόγους αὑτοῦ λέγεσθαι οἷον υἱεῖς γνησίους εἶναι, πρῶτον μὲν τὸν ἐν ἑαυτῷ, ἐὰν εὑρεθεὶς ἐνῇ, ἔπειτα εἴτινες τούτου ἔκγονοί τε καὶ ἀδελφοὶ ἅμα ἐν ἄλλαισιν ἄλλων ψυχαῖς κατ᾽ ἀξίαν ἐνέφυσαν, τοὺς δὲ ἄλλους χαίρειν ἐῶν, οὗτος δὲ ὁ τοιοῦτος ἀνὴρ κινδυνεύει, ὦ Φαῖδρε, εἶναι, οἷον ἐγώ τε καὶ σὺ εὐξαίμεθ᾽ ἂν σέ τε καὶ ἐμὲ γενέσθαι.
ernsthaft nehmen müße sondern daß auch das Beste darüber nichts sei als eine Erinnerung für den schon Unterrichteten, daß aber in dem was gelehrt und zum Behuf des Unterrichts gesprochen, und unmittelbar in die Seele des Lernenden hineingeschrieben wird vom Gerechten und Schönen und Guten allein Kraft und Vollkommenheit liegen und dies allem aller Anstrengung werth sei, daß daher solche Reden zuerst die welche er zu sich selbst spricht wenn sie selbsterfunden in ihm wohnt und dann was für Kinder und Brüder von dieser auch in andere Seelen wie sie eingewachsen sind, gleichsam seine aechten Kinder dürften genannt werden, alle anderen aber wenig von ihm geachtet zu werden verdienten der nur Phaidros wird ein solcher sein, wie du und ich zu werden wünschen.
ΦΑΙ. Παντάπασι μὲν οὖν ἔγωγε βούλομαί τε καὶ εὔχομαι ἃ λέγεις.
Ph. Wol will und wünsche ich das was du sagst auf alle Weise mit dir.
ΣΩ. Οὐκοῦν ἤδη πεπαίσθω μετρίως ἡμῖν τὰ περὶ λόγων, καὶ σύ τε ἐλθὼν φράζε Λυσίᾳ, ὅτι νῲ καταβάντες ἐς
So. Und so laß auch was wir genug mit Reden gespielt haben und gehe nun hin, und sage dem Lysias, daß wir Beide nachdem wir zur Quelle
7 ἐν] getilgt Heindorf z. St. (S. 352), fehlt in der Übersetzung SN 154
T 1 müße] danach wie auch das was immer wieder hergesagt wird ohne Beurtheilung und ohne Verstand nur des Beifalls wegen gesprochen zu werden pflegt 2 darüber] über der Zeile mit Einfügungszeichen 13 Reden] danach gleichsam seine ächten Kinder dürften genannt werden 17 sie] danach konnten Wurzeln gefaßt haben 17–19 eingewachsen sind, gleichsam seine aechten Kinder dürften genannt werden] über der Zeile mit Einfügungszeichen 21 zu] über der Zeile ohne Einfügungszeichen | verdienten] über der Zeile mit Einfügungszeichen 29 zur] davor in die
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worden, sondern in der That auch die besten unter ihnen nur zur Erinnerung gedient haben für den schon unterrichteten; in de|nen hingegen, welche gelehrt und des Lernens wegen gesprochen oder wirklich in die Seele hineingeschrieben worden, vom Gerechten, Schönen und Guten, in diesen allein etwas wirksames sei und vollkommenes, und der Anstrengung würdiges, und daher auch nur solche Reden verdienten, gleichsam seine ächten Kinder genannt zu werden, zuerst die ihm selbsterfunden einwohnt, hernach was etwa für Kinder und Brüder von dieser zugleich in andern Seelen Anderer nach Verhältniß eingewachsen sind, und wer deshalb alle andern gleichgültig gehen läßt, dieser mag dann wohl ein solcher sein, Phädros, als ich und du uns beiden zu werden wünschten. PH. Auf alle Weise will und wünsche auch ich mit dir was du sagst. SOK. Also mag auch dieses unter uns genug gescherzt sein über das Reden; und nun gehe du hin, und verkündige dem Lysias, daß wir bei-
sprochen worden, sondern in der That auch die besten unter ihnen nur zur Erinnerung gedient haben für den schon unterrichteten; in denen hingegen, welche gelehrt und des Lernens wegen gesprochen oder wirklich in die Seele hineingeschrieben worden, vom Gerechten, Schönen und Guten, in diesen allein weiß daß etwas wirksames sei und vollkommenes, und der Anstrengung würdiges, und daher auch nur solche Reden verdienten, gleichsam seine ächten Kinder genannt zu werden, | zuerst die ihm selbsterfunden einwohnt, hernach was etwa für Kinder und Brüder von dieser zugleich in andern Seelen Anderer nach Verhältniß eingewachsen sind, und deshalb alle andern gehen läßt, dieser mag dann wohl ein solcher sein, Phaidros, als ich und du wünschten daß ich und du sein möchten. PH. Auf alle Weise will und wünsche auch ich mit dir was du sagst. SOK. Also sei nun unter uns genug gescherzt über das Reden; und du gehe hin und verkündige dem Lysi-
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Erste Fassung (handschriftlich)
τὸ Νυμφῶν νᾶμά τε καὶ Μουσῶν ἠκούσαμεν λόγων, οἳ ἐπέστελλον λέγειν Λυσίᾳ τε καὶ εἴτις ἄλλος συντίθησι λόγους, καὶ Ὁμήρῳ καὶ εἴτις ἄλλος αὖ ποίησιν ψιλὴν ἢ ἐν ᾠδῇ συντέθεικε, τρίτον δὲ Σόλωνι καὶ ὅστις ἐν πολιτικοῖς λόγοις νόμους ὀνομάζων συγγράμματα ἔγραψεν· εἰ μὲν εἰδώς, ᾗ τἀληθὲς ἔχει, συντέθεικε ταῦτα, καὶ ἔχων βοηθεῖν, εἰς ἔλεγχον ἰὼν περὶ ὧν ἔγραψε, καὶ λέγων αὐτὸς δυνατὸς τὰ γεγραμμένα φαῦλα ἀποδεῖξαι, οὔτι τῶνδε ἐπωνυμίαν ἔχοντα δεῖ λέγεσθαι τὸν τοιοῦτον, ἀλλ᾽, ἐφ᾽ οἷς ἐσπούδακεν, ἐκείνων.
und zum Museion | der Nymphen herabgestiegen Reden gehört hätten die uns aufgetragen erstlich dem Lysias oder wer sonst Reden ausarbeitet, dann dem Homer und wer sonst Gedichte, für sich bestehende oder von Gesang begleitete geschrieben und drittens dem Solon oder wer sonst in Staatssachen Schriften abgefaßt hat die man Geseze nennt zu sagen, daß wenn sie, nicht unbekannt mit der eigentlichen Beschaffenheit der Sache, und im Stande durch Erörterungen über das Geschriebene demselben zur Hülfe zu kommen und es in ihren Gesprächen selbst als etwas unzulängliches und unbedeutendes darzustellen, etwas dergleichen verfertiget haben, dann müßten sie auch nicht mit einem Beinamen genannt werden, der hievon hergenommen ist, sondern vielmehr mit einem von jenen Dingen, womit es ihnen ein Ernst war.
1 Μουσῶν] Ed.Basel 1534 (Oporinus) Ed.Genf 1578 (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1787 (Bipontina) Heindorf | μουσεῖον Ed.Basel (1556) (bei Heindorf z. St., S. 352) Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) Ast: Phaedr. 1810, S. 55 mit S. 393, Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 40 [104,8], übersetzt SN 154 W1 W2, vgl. W2 Anm. 92 7 ἐν πολιτικοῖς λόγοις] ἐν πολιτικοῖς συλλόγοις konj. Schleiermacher W1 Anm. 63 W2 Anm. 92, übersetzt W1 W2
T 1 Museion] danach hochgestellt Anm.Zeichen Schleiermachers: x) (s. o. zu S. 92,5) 11 sie] danach dergleichen etwas 14 durch] mit Einfügungszeichen über in 18f etwas dergleichen] über der Zeile mit Einfügungszeichen 20 dann] über so 20f einem] danach solchen 21 werden] danach müßten , Komma nach werden zunächst gestr., dann bestätigt
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de zu der Nymphen Quelle und Ruhesiz hinabgestiegen dort Reden gehört, welche uns befahlen, zuerst dem Lysias und wer sonst Reden abfaßt, dann dem Homeros und wer sonst Gedichte, für sich bestehende oder von Gesang begleitete, verfertiget hat, drittens auch dem Solon und wer sonst in bürgerlichen Versammlungen63 auch Schriften, die er Geseze nennt, geschrieben hat, zu sagen, daß wenn er dergleichen abgefaßt, wohl wissend wie sich die Sache in Wahrheit verhält, und im Stande in Erörterung über das Geschriebene eingehend, demselben Hülfe zu leisten, und redend selbst sein Geschriebenes nur als etwas schlechtes darzustellen, er dann auch nicht mit dem Namen genannt werden müsse, der nur hiervon hergenommen ist, sondern mit einem auf jenes | sich beziehenden, woran er ernstlichen Fleiß gewendet.
as, daß wir beide zu der Nymphen Quelle und Ruhesiz hinabgestiegen dort Reden gehört, welche uns befahlen, zuerst dem Lysias und wer sonst Reden abfaßt, dann dem Homeros und wer sonst Gedichte, für sich bestehende oder von Gesang begleitete, verfertiget hat, drittens auch dem Solon und wer sonst in bürgerlichen Versammlungen92 Schriften, die er Geseze nennt, geschrieben hat, zu sagen, daß wenn er dergleichen abgefaßt, wohl wissend wie sich die Sache in Wahrheit verhält, und im Stande in Erörterung über das Geschriebene eingehend, demselben Hülfe zu leisten, und redend selbst sein Geschriebenes nur als etwas schlechtes darzustellen, er dann auch nicht mit dem Namen genannt werden müsse, der nur hiervon hergenommen ist, sondern mit einem auf jenes sich beziehenden, woran er ernstlichen Fleiß gewendet.
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i n b ü r g e r l i c h e n Ve r s a m m l u n g e n . Diese Uebersetzung beruht darauf, daß ich anstatt ἐν πολιτικοῖς λόγοις lese ἐν πολιτικοῖς συλλόγοις, eine Verwechselung, die nicht selten ist.
S 9f in bürgerlichen Versammlungen] hergestellt von Spalding nach Heindorfs hsl. Note zur Druckvorlage: SN 183/5, f. 2r: „P. 278. εν πολιτικοις συλλογοις. Ecce Gorg. p. 16. εν αλλῳ συλλογῳ παντι ὁστις αν πολιτικος συλλογος γιγνηται! συλλογος ist öfter mit λογος verwechselt. Ich unterschreibe die Emendation.“ Dazu Spalding: „Danach ist geändert ‚in bürgerlichen Versammlungen‘.“ Zur Konjektur ἐν πολιτικοῖς συλλόγοις vgl. als Parallele z. B. Platon, Gorgias 452e (Ed.Zweibrücken, Bd. 4, 1783, S. 16); vgl. dazu Rez.Boeckh (1808), S. 108 = (1872), S. 26.
i n b ü r g e r l i c h e n Ve r s a m m l u n g e n . Diese Uebersezung beruht darauf, daß ich anstatt ἐν πολιτικοῖς λόγοις lese ἐν πολιτικοῖς συλλόγοις, eine Verwechselung, die nicht selten ist. – Sicherer als dieses ist freilich das kurz vorhergehende Μουσεῖον jezt geworden durch Bekkers Handschriften.
S Anm. 92 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 63. – Zu Μουσεῖον s. Spalte 1 App.
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ΦΑΙ. Τίνας οὖν τὰς ἐπωνυμίας αὐτῷ νέμεις; ΣΩ. Τὸ μὲν σοφόν, ὦ Φαῖδρε, καλεῖν ἔμοιγε μέγα εἶναι δοκεῖ καὶ θεῷ μόνῳ πρέπειν· τὸ δὲ ἢ φιλόσοφον ἤ τι τοιοῦτον μᾶλλόν τε ἂν αὐτῷ καὶ ἁρμόττοι καὶ ἐμμελεστέρως ἔχοι.
Ph. Was für einen Namen wirst du also einem solchen ertheilen? So. Ihn weise zu nennen scheint mir zuviel zu sein und Gott allein zu gebühren; aber ihn einen die Weisheit Liebenden oder so ohngefähr zu nennen, das müßte angemeßen und richtiger sein.
ΦΑΙ. Καὶ οὐδέν γε ἀπὸ τρόπου. ΣΩ. Οὐκοῦν αὖ τὸν μὴ ἔχοντα τιμιώτερα ὧν συνέθηκεν ἢ ἔγραψεν, ἄνω καὶ κάτω στρέφων ἐν χρόνῳ, πρὸς ἄλληλα κολλῶν τε καὶ ἀφαιρῶν, ἐν δίκῃ ποιητὴν ἢ λόγων συγγραφέα ἢ νομογράφον προσερεῖς;
Ph. Und gar nicht uneben. So. Denjenigen im Gegentheil der nichts beßeres hat als was er nach langem hin und her wenden, so und wieder anders zusammenfügen, Hinzusezen und Abnehmen ausgearbeitet und niedergeschrieben hat, wirst du den mit Recht einen Versemacher oder Redenschreiber oder Gesezabfasser nennen? Ph. Warum nicht? So. Das sage du also deinem Freunde. Ph. Aber du, was wirst du thun? Denn wir sollen doch nicht deinen Freund ganz vorbeigehn? So. Wen meinst du? Ph. Nun den schönen Isokrates. Was wirst du dem verkündigen Sokrates? Was wollen wir von dem sagen? So. Lieber Phaidros, Isokrates ist noch jung; was ich aber von ihm wahrsage will ich dir wol sagen. Ph. Nun was denn? So. Er scheint mir was seine Talente betrift auf einer höheren Stufe zu stehen als die Reden des Lysias, auch hat er eine edlere Gemüthsart, so daß ich mich nicht wundern würde, wenn er bei weiterem Alter in der Gattung, der er sich jezt widmet alle die sich je damit abgegeben, so weit überträfe daß sie wie Kinder gegen ihn zu sein scheinen; noch weniger aber würde ich mich wundern wenn ihm diese Gattung alsdann nicht genug wäre und ein gött-
ΦΑΙ. Τί μήν; ΣΩ. Ταῦτα τοίνυν τῷ ἑταίρῳ φράζε. ΦΑΙ. Τί δὲ σύ; πῶς ποιήσεις; Οὐδὲ γὰρ οὐδὲ τὸν σὸν ἑταῖρον δεῖ παρελθεῖν. ΣΩ. Τίνα τοῦτον; ΦΑΙ. Ἰσοκράτην, τὸν καλόν, ᾧ τί ἀπαγγελεῖς, ὦ Σώκρατες; τίνα αὐτὸν φήσομεν εἶναι; ΣΩ. Νέος ἔτι, ὦ Φαῖδρε, Ἰσοκράτης· ὃ μέντοι μαντεύομαι κατ᾽ αὐτοῦ, λέγειν ἐθέλω. ΦΑΙ. Τὸ ποῖον δή; ΣΩ. Δοκεῖ μοι ἀμείνων ἢ κατὰ τοὺς περὶ Λυσίαν εἶναι λόγους, τὰ τῆς φύσεως· ἔτι δὲ ἤθει γεννικωτέρῳ κεκράσθαι, ὥστε οὐδὲν ἂν γένοιτο θαυμαστὸν προϊούσης τῆς ἡλικίας εἰ περὶ αὐτούς τε τοὺς λόγους, οἷς νῦν ἐπιχειρεῖ, πλέον ἢ παίδων διενέγκοι τῶν πώποτε ἁψαμένων λόγων, ἔτι τε εἰ αὐτῷ μὴ ἀποχρήσαι ταῦτα, ἐπὶ μείζω δέ τις αὐτὸν ἄγοι
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PH. Was für Namen also willst du ihm ertheilen? SOK. Jemand einen Weisen zu nennen, o Phädros, dünkt mich etwas Großes zu sein, und Gott allein zu gebühren; aber einen Freund der Weisheit oder dergleichen etwas möchte ihm selbst angemessener sein, und auch an sich schiklicher. PH. Und nicht fern von der Sache. SOK. Also wer nichts besseres hat als was er nach langem Hin- und Herwenden, Aneinanderfügen und Ausstreichen abgefaßt oder geschrieben hat, den wirst du mit Recht einen Dichter oder Redenschreiber oder Gesezverfasser nennen.
PH. Was für Namen also willst du ihm ertheilen? SOK. Jemand einen Weisen zu nennen, o Phaidros, dünkt mich etwas Großes zu sein, und Gott allein zu gebühren; aber einen Freund der Weisheit oder dergleichen etwas möchte ihm | selbst angemessener sein, und auch an sich schiklicher. PH. Und nicht aus der Weise. SOK. Also wer nichts besseres hat als was er nach langem Hin- und Herwenden, Aneinanderfügen und Ausstreichen abgefaßt oder geschrieben hat, den wirst du mit Recht einen Dichter oder Redenschreiber oder Gesezverfasser nennen.
PH. Wie anders? SOK. Dieses also verkündige deinem Freunde. PH. Wie aber du? was wirst du thun? denn wir dürfen doch auch deinen Freund nicht vorbeigehen. SOK. Welchen doch? PH. Isokrates den Schönen; was wirst du dem verkündigen, o Sokrates? Was sollen wir sagen daß er sei?
PH. Wie anders? SOK. Dieses also verkündige deinem Freunde. PH. Wie aber du? was wirst du thun? denn wir dürfen doch auch deinen Freund nicht vorbeigehen. SOK. Welchen doch? PH. Isokrates den Schönen; was wirst du dem verkündigen, o Sokrates? Was sollen wir sagen daß er sei?
SOK. Jung ist Isokrates noch; was ich aber von ihm wahrsage will ich sagen. PH. Was also? SOK. Er dünkt mich besser als was man aus des Lysias Reden sieht was seine Naturgabe betrift, auch edler die Mischung seines Gemüthes, so daß es nichts wunderbares wäre, wenn er bei reiferem Alter auch in den Reden, auf die er jezt seinen Fleiß wendet, Alle die sich je mit Reden abgegeben weiter als Kinder hinter sich | zurükließe, und dann wenn ihm dieses nicht mehr genügte ihn zu etwas größerem ein gött-
SOK. Jung ist Isokrates noch; was mir aber von ihm ahndet will ich sagen. PH. Was also? SOK. Er dünkt mich zu gut um ihn mit des Lysias Reden zu vergleichen was seine Naturgabe betrift, auch von edlerer Mischung des Gemüthes, so daß es nichts wunderbares wäre, wenn er bei reiferem Alter theils in den Reden, auf die er jezt seinen Fleiß wendet, Alle die sich je mit Reden abgegeben weiter als Kinder hinter sich zurükließe, theils auch wenn ihm dieses nicht mehr genügte ihn zu etwas größerem ein
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ὁρμὴ θειοτέρα. Φύσει γάρ, ὦ φίλε, ἔνεστί τις φιλοσοφία τῇ τοῦ ἀνδρὸς διανοίᾳ. Ταῦτα δὴ οὖν ἐγὼ μὲν παρὰ τῶνδε τῶν θεῶν ὡς ἐμοῖς παιδικοῖς Ἰσοκράτει ἐξαγγελλῶ· σὺ δ᾽ ἐκεῖνα, ὡς σοῖς, Λυσίᾳ.
licher Trieb ihn zu etwas höherem führte. Denn es ist von Natur etwas philosophisches in der Seele dieses Mannes. Dies also | will ich dem Isokrates als meinem Lieblinge von Seiten dieser Götter verkündigen, du aber Jenes dem Lysias als dem deinigen. Ph. So sei es. Aber nun laß uns gehen denn auch die Hize hat nachgelaßen. So. Sollten wir nicht erst zu diesen Göttern beten ehe wir gehen? Ph. Gern. So. O Pan und ihr andern Götter, die ihr hier zugegen seid verleihet mir die innere Schönheit, und was ich Aeußres habe sei dem Innren befreundet. Für reich laßt mich den Weisen halten, und Gold gebt mir nur soviel als der Weise und kein anderer nehmen und haben müßte! Sollen wir noch etwas anderes bitten Phaidros? Ich habe daran genug.
ΦΑΙ. Ταῦτα ἔσται. Ἀλλὰ ἴωμεν, ἐπειδὴ καὶ τὸ πνῖγος ἠπιώτερον γέγονεν. ΣΩ. Οὐκοῦν εὐξαμένῳ πρέπει τοῖσδε πορεύεσθαι; ΦΑΙ. Τί μήν; ΣΩ. Ὦ φίλε Πάν τε καὶ ἄλλοι ὅσοι τῇδε θεοί, δοίητέ μοι καλῷ γενέσθαι τἄνδοθεν· τἄξωθεν δὲ ὅσα ἔχω, τοῖς ἐντὸς εἶναί μοι φίλια. Πλούσιον δὲ νομίζοιμι τὸν σοφόν. Τὸ δὲ χρυσοῦ πλῆθος εἴη μοι, ὅσον μήτε φέρειν μήτε ἄγειν δύναιτο ἄλλος ἢ ὁ σώφρων. Ἔτι ἄλλου του δεόμεθα, ὦ Φαῖδρε; Ἐμοὶ μὲν γὰρ μετρίως ηὖκται.
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licherer Trieb hinführte. Denn von Natur schon, Phädros, ist etwas philosophisches in der Seele des Mannes. Dieses also will ich im Namen dieser Götter dem Isokrates als meinem Lieblinge verkündigen; du aber jenes als dem deinigen dem Lysias. PH. Es soll geschehen. Aber laß uns nun gehn, da auch die Hize gelinder geworden. SOK. Ziemt es sich nicht erst zu diesen zu beten und dann zu gehen? PH. Warum nicht? SOK. O lieber Pan, und ihr Götter die ihr sonst hier zugegen seid, verleihet mir schön zu sein im Innern, und daß was ich Aeußeres habe dem Inneren befreundet sei. Für reich möge ich den Weisen halten, und Goldes die Menge haben soviel ein anderer als der Mäßige gar nicht führen und haben möchte. Bedürfen wir noch etwas anderes, o Phädros? Ich für mich habe hinreichend gebetet.
göttlicher Trieb hinführte. Denn von Natur schon, Phaidros, ist etwas philosophisches in der Seele des Mannes. Dieses also will ich im Namen dieser Götter dem Isokrates als meinem Lieblinge verkündigen; du aber jenes als dem deinigen dem Lysias. | PH. Das soll geschehen. Aber laß uns nun gehn, da auch die Hize gelinder geworden. SOK. Ziemt es sich nicht erst zu diesen zu beten und dann zu gehen? PH. Warum nicht? SOK. O lieber Pan, und ihr Götter die ihr sonst hier zugegen seid, verleihet mir schön zu sein im Innern, und daß was ich Aeußeres habe dem Inneren befreundet sei. Für reich möge ich den Weisen halten, und solche Menge Goldes besizen, als ein anderer als der Mäßige gar nicht tragen und führen könnte. Bedürfen wir noch etwas anderes, o Phaidros? Ich für mich habe hinreichend gebetet.
S 20f und Goldes die Menge] Heindorfs hsl. Note zur Druckvorlage: SN 183/5, f. 2v: „P. 279. το δε χρυσου πληθος. Ich verstand es so: soviel als nun der σωφρων mit sich herumführen kann; der wird aber qua σωφρων gar keins haben also deponirt er alles Gold. Das acumen liegt wohl darin, daß man bis zu den Worten η ὁ σωφρων recht viel erwartet. ‚Gold gieb mir soviel, daß keiner die Last tragen kann, ausgenommen der σωφρων.’ Gefallen will mir freilich die geschraubte Wendung nicht. – συνευχου versteht sich: ein anderes Mal, künftig. I c h habe gebetet, wie sichs geb ü h r t , sagt Sokr., durch die Voranstellung des Εμοι μεν ihn zu einer ähnlichen Äußerung auffodernd. D a r u m b e t e a u c h f ü r m i c h , sagt Phädrus näml. daß ich eben soviel Gold bringe. Κοινα γαρ τα των φιλων. Ein artiger Scherz.“ Dazu Spalding: „Es bleibt also bei Ihrer Übersezung.“
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ΦΑΙ. Καὶ ἐμοὶ ταῦτα συνεύχου. Κοινὰ γὰρ τὰ τῶν φίλων.
Ph. Wünsche nur auch mir dieses mit denn Freunden ist ja alles gemein. So. So laß uns denn gehn.
ΣΩ. Ἴωμεν.
T 2 mit] direkt davor g
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PH. Auch für mich bete dieses mit: denn Freunden ist alles gemein.
PH. Auch für mich bete dieses mit: denn Freunden ist alles gemein.
SOK. So laß uns denn gehen.
SOK. Laß uns denn gehen.
Zwischentitel Lysis
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LY S I S .
Text nach: W2 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 21817, S. 171 unpaginiert); identisch: W1 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 11804, S. 171 unpaginiert); jeweils Rückseite leer.
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EINLEITUNG. Eine ziemlich unverbürgte Sage denn Diogenes nennt nicht einmal seinen Gewährsmann macht dieses Gespräch zu einem der ersten wenigstens noch bei Leben des Sokrates geschriebenen. Leicht möchte ihr jedoch mehr Glaubwürdigkeit zukommen als der ähnlichen beim Phaidros da diese nur innere Gründe anführt jene aber sich auf die Ueberlieferung einer Thatsache gründet. Indeß sind diese kaum so zu nennenden Zeugnisse hier eben so wenig der Grund warum dem Ge-
Noten Spaldings (SN 155/3) zu: 1r 6 Einl.A (verl.): Ich mus ernstliche Klage führen über P h a i d r o s u. dgl. In dem Ausgesprochenen etwas ändern ist ganz etwas wichtigeres als in dem Geschriebenen. Die Augen des Lesenden kommen (richtig betrachtet) gar nicht in Anschlag, wenn von den R e d e künsten geurtheilt wird. Was mit den gewohnten Klängen ans Ohr des Hörenden gelangt, das ist s e i n e Sprache, die er anerkennt, und wehe dem Schriftsteller, der sich irgend eins seiner Werke nicht denkt als mitgetheilt durch das Ohr; er sinkt sogleich herab zu dem Mathematiker und dessen Formeln. Nun müssen die Änderungen, die ins Ohr fallen, mit äusserster Bescheidenheit vorgenommen werden; so p a r c e d e t o r t a als möglich. Darüber geht weit hinaus a i in den Griechischen Namen. Das o s am Ende, als unakzentuirt, und also leicht verschwindend, will ich gerne gelten lassen. Derselbe Grund verdamt auch die griechisch-akzentuirten Eigennamen Z ē n ŏ f ĭ l ā . Es ist eine empörende Neuerung. L y k e i o n und andere Fälle, wo das K hergestellt wird, sind schon weit gewöhnlicher u. milder, auch das e i . Text aus: BBAW, SN 155/1, f. 12r-13r; Anmerkung(en) – offenbar zu Einl.A (verl.) – aus: BBAW, SN 155/1, f. 1v (Üs.: Anmerkungen zur Einleitung). Noten Spaldings aus: BBAW, SN 155/3, f. 1r-v (Üs.: Über den Lysis.); Varianten der verlorenen Abschrift der Einleitung (Einl.A) aus: Anm. (SN 155/1) und Spld. u. a. (SN 155/3). – Der Text ist mit sehr vielen Abkürzungen und Kürzeln geschrieben, die teils stillschweigend nach der Liste im Editorischen Bericht teils mit Nachweis im App. T aufgelöst sind. 5 Glaubwürdigkeit] Glbwürdigkt SN 155/1 | zukommen] zukom SN 155/1 6 Phaidros] kritisiert von Spld. (SN 155/3), entsprechend konsequent geändert in Phädros W1 (rechte Seite, App. T), jedoch restituiert zu Phaidros W2; vgl. auch entsprechende Änderungen und Restituierungen über den gesamten Dialog hin 7 Ueberlieferung] Ueberliefg SN 155/1 S 1 Stichpunkte zum Lysis vgl. Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 356 f., Notat 42-45; S. 370, Notat 106. 2 Diogenes Laertius, Vitae Philosophorum III, 35 (Lysis) 6 Diogenes Laertius, Vitae Philosophorum III, 38 (Phaidros), wo von der ‚Jugendlichkeit‘ des Dialogs die Rede ist; vgl. die Einleitung zum Phaidros S. 73 und die Gesamteinleitung S. 55). Insgesamt vgl. Tennemann: System der Platonischen Philosophie, Bd. 1, S. 119.
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Eine ziemlich unverbürgte Sage, indem Diogenes uns seinen Gewährsmann nicht nennt, macht dieses Gespräch zu einem der frühesten, das heißt wenigstens noch vor dem Tode des Sokrates geschriebenen. Leicht könnte ihr indeß mehr Beweiskraft zukommen als der ähnlichen über den Phaidros; da diese nur innere Gründe anführt, und also einen Ursprung aus kritischer Muthmaßung verräth, jene aber doch sich auf die Ueberlieferung einer Thatsache gründet, nämlich auf den verwundernden Ausruf des Sokrates wie er sich in der Darstellung des Platon erblikte. Indeß ist ein solches kaum den Namen verdienendes Zeugniß auch hier nicht der Grund, auf welchen dem Gespräch
Text nach: W2 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 21817, S. 173-180 und S. 397). Varianten aus: W1 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 11804, S. 173-180 und S. 387). 2f uns seinen Gewährsmann nicht] nicht einmal seinen Gewährsmann W1 6 Phaidros] hier und im Folgenden Phädros W1, vgl. Spld. (SN 155/3) mit App. T (linke Seite); vgl. dazu den Editorischen Bericht, S. LXXXVIII 9 wie] als W1 S 2–10 Vgl. App. S zur Hs. (linke Seite).
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spräch diese Stelle angewiesen wird. Sondern auch ohne geschichtliche Beziehungen wie wir sie im Phaidros fanden entscheidet der Zusamenhang hinlänglich. Seinem Inhalt nach ist nemlich Lysis verwandt mit dem Phaidros und dem Gastmahl. Die Frage über das Wesen und den Grund der Freundschaft und Liebe ist der ganze Inhalt des Lysis, und macht im Phaidros den der Form nach untergeordneten im Gastmahl den der Form nach herrschenden und ersten Gegenstand aus. Nicht leicht aber möchte es Jemandem einfallen den Lysis dem Symposion nachzustellen da in lezterem die Sache nicht nur gradezu und offenbar sondern auch in so großen und allgemeinen Beziehungen entschieden wird daß die dialektischen Züge aus denen der Lysis besteht kaum eine Verzierung an jener Darstellung bilden könnten. Sie aber nach derselben als ein eigenes Ganzes aufzustellen eben so unkünstlerisch als zweklos gewesen wäre weil Jeder zu jeder hier aufgeworfenen Frage die Lösung in seinem Werke blindlings finden konnte. Eine leere dialektische Uebung aber wie dann dies Gespräch sein müßte kann man dem vollendeten Meister der späteren Zeit nicht beilegen. Zunächst also konnte nur gefragt werden ob Lysis vor oder nach dem Phaidros zu sezen wäre. Der Phaidros entscheidet freilich auch über jene Hauptfrage indem er einen Grund der Freundschaft einerseits angiebt; und sonach könnte Jemand in Beziehung hierauf sagen, es würde eben so wie beim Gastmahl den aufgestellten Grundsäzen zuwider sein jenes Gespräch dem Lysis der denselben Gegenstand scheinbar nur skeptisch behandelt voranzustellen. Allein der große Unterschied kann denjenigen welche das Gastmahl des Platon kennen nicht entgehn,
Noten Spaldings (SN 155/3) zu: 1r 22–24 Einl.A (verl.): aufges t e l l t e n — voranzus t e l l e n . T 2f Zusamenhang] konsequent Zusamen- statt Zusammen- SN 155/1 (außer in der später hinzugefügten Anmerkung) 8 Jemandem] Jemand SN 155/1 | Symposion] Sympos SN 155/1 10 sondern auch] versehentlich zweimal in SN 155/1 14 aufgeworfenen] aufgeworfen SN 155/1 17 Zeit] danach dann 20 Hauptfrage] Htfrage SN 155/1 22–24 aufgestellten…voranzustellen] kritisiert von Spld. (SN 155/3), geändert W1 W2 23 jenes Gespräch dem Lysis] korr. aus jenem Gespräch den Lysis S 1 Zur Periodisierung des Gesamtwerkes s. die Gesamteinleitung, bes. S. 52 ff.; vgl. Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 343, Notat 1 sowie S. 356, Notat 43. 2 Vgl. die Einleitung zum Phaidros S. 75-78.. 7–11 Vgl. Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 357, Notat 44. 17–19 Zu dieser Frage vgl. Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 356, Notat 43.
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seine Stelle angewiesen wird, sondern der Zusammenhang entscheidet hinlänglich dafür, wenn auch nicht durch geschichtliche Beziehungen unterstüzt. Seinem Inhalt nach ist nämlich der Lysis unter allen Gesprächen des Platon nur mit dem Phaidros und dem Gastmahl verwandt, indem die Frage über das Wesen und den Grund der Freundschaft und Liebe, welche seinen ganzen Inhalt ausmacht, zugleich des Phaidros zweiter der Form nach untergeordneter Gegenstand ist, im Gastmahl aber der der Form nach herrschende und erste. Offenbar möchte | es in|deß nicht leicht Jemanden beigehen den Lysis hinter das 174 W1 Gastmahl zu stellen, da in lezterem die Sache nicht nur gradezu und | 174 W2 bis auf den lezten Strich entschieden, sondern auch in den größten und allgemeinsten Beziehungen betrachtet wird. So daß dialektische Züge, wie die aus welchen der Lysis besteht, kaum eine Verzierung an jener Darstellung bilden könnten. sie aber gar nach derselben als ein eignes Ganzes auszuarbeiten eben so unkünstlerisch als zweklos gewesen wäre, weil Jeder zu jeder hier aufgeworfenen Frage die Lösung schon in jenem Werke vor sich hatte. Und eine leere dialektische Uebung, zumal eine so leichte, wie dieses Gespräch dann sein würde, kann dem vollendeteren Meister der späteren Zeit nicht beigelegt werden. Zunächst also wäre nur zu untersuchen, ob Lysis vor oder nach dem Phaidros zu sezen sei. Dieser leztere freilich redet ebenfalls entscheidend über jene Hauptfrage, indem er einen Grund der Liebe und eine Erklärung derselben ausführlich entwikkelt; so daß leicht in Beziehung hierauf Jemand glauben könnte, es würde, eben so wie beim Gastmahl, den angenommenen Grundsäzen zuwider sein, auch jenes Gespräch dem Lysis voranzustellen, als welcher ja denselben Gegenstand nur skeptisch behandle. Allein der große Unterschied kann denen, welche das Gastmahl des Platon kennen, von selbst nicht
T 14 könnten. sie] könnten: sie W1, zu erwarten könnten, sie kelt W1
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und kann auch den übrigen ohne auf dieses spätere Gespräch Rüksicht zu nehmen gewiß einleuchtend gemacht werden. Denn im Phaidros wird die Frage über den Grund der Liebe nur mythisch ent|[...] und so einen Gegenstand abmachen zu wollen der einmal in das Gebiet der Dialektik gezogen worden, das ist nicht nur aller Analogie der Platonischen Schriften zuwider und der ersten Idee der Platonischen Philosophie sondern es ist auch an sich ein frevelhaftes Unternehmen weil jeder der das Mythische wieder auf den dialektischen Boden wo der Voraussezung nach die Untersuchung angefangen herabziehn wollte es ohne Zweifel wieder vieldeutig machen könnte. Ueberdies wird die Sache im Phaidros weit weniger allgemein behandelt als im Lysis indem hier von der Freundschaft überhaupt dort aber nur von einer einzelnen Art derselben die Rede ist ohne irgend eine Andeutung wie sich die Auflösung allgemeiner abfassen lasse. Eine Untersuchung aber die auf diese Art ganz allgemein angefangen und durchaus nur skeptisch geführt worden ist durch eine mythische Darstellung die nur einen Theil betrifft weiter führen oder gar beendigen wollen dieses ist soviel Ungereimtheit als man nur einem gedankenlos in den Tag hinein arbeitenden Schriftsteller, wie wir sie wohl zu sehen gewohnt sind zuschreiben kann. Keinesweges also ist der Phaidros anzusehn als aus dem Lysis hervorgewachsen sondern dieser steht vielmehr zwischen jenem und dem Gastmahl. Worauf nun weiter gefragt werden kann welchem von beiden er näher stehe ob er anzusehn sei als ein Nachtrag des Phaidros oder als eine Vorbereitung zum Gastmahl. Ohnerachtet er sich nun durch die allgemeinere Behandlung und vielfältiger dem Gastmahl nähert so sind doch anderer Gründe nicht zu gedenken die sich besser erst bei Betrachtung des Gastmahls werden beibringen lassen so ist keine Spur darin zu finden von allem was Platon zwischen dem Phaidros und dem Gastmahl
Noten Spaldings (SN 155/3) zu: 1r 2–10 Einl.A (verl.): D e n n d i e M e i n u n g — v i e l d e u t i g m a c h e n k ö n t e u n d u n g e w i s . Ist mir dunkel. Lysis — (der Strich statt ist die ) Dialektik, Fädros — Mythos. Daraus wird gefolgert 1r 19f Einl.A (verl.): w i e w i r s i e j e z t — s i n d . Bitterkeit ohne Noth. T 1 kann] über ist 2–10 Denn ... vieldeutig machen könnte.] Denn die Meinung ... vieldeutig machen könte und ungewis. Einl.A (verl.) aus Spld. (SN 155/3), vgl. W1 W2 4 ent- am Seitenende] Fortsetzung des Wortes auf der nächsten Seite fehlt; zu erwarten ent-wikkelt o. ä. 19f wie wir sie wohl ... sind] wie wir sie jezt ... sind Einl.A (verl.) aus Spld. (SN 155/3), von Spld. kritisiert, geändert W1 W2 25 allgemeinere] allgemre SN 155/1 28 so ist] korr. aus waren | Spur] korr. aus Spuren Bearb.
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entgehn; auch Andern aber ist er ohne voreilende Hinsicht auf jenes spätere Gespräch gewiß einleuchtend zu machen. Denn die Meinung über die Ursache der Liebe wird im Phaidros nur mythisch vorgetragen, und auf diese Art eine Frage entscheiden wollen, die schon früher in das Gebiet der Dialektik gezogen war, dies wäre nicht nur der anerkannte|sten Analogie aus den Platonischen Schriften zuwider 175 W1+2 und jeder Idee von der Philosophie ihres Urhebers, sondern auch an sich ein frevelhaftes und vergebliches Unternehmen; weil Jeder, der das Mythische wieder auf den dialektischen Boden, wo ja die Untersuchung angefangen, zurükziehen wollte, es auch wieder vieldeutig machen könnte und ungewiß. Wozu noch dieses kommt, welches vielleicht für Viele entscheidender ist. Im Phaidros nämlich wird die Sache weit weniger allgemein behandelt, indem es doch noch andere Freundschaften giebt als jene ganz philosophische, welche dort der Gegenstand der Darstellung ist, oder jene ganz sinnliche von welcher die Veranlassung genommen wird; wo aber diese andern abweichen oder wiefern die Auflösung sich auf sie übertragen läßt, nirgend angedeutet wird. Dagegen im Lysis ganz allgemein von der Freundschaft überhaupt die Rede ist; und eine so ganz allgemein angefangene und noch zu keiner entscheidenden Antwort gelangte Untersuchung durch eine mythische Darstellung, und zwar die nur einen Theil des Gegenstandes betrift, weiter führen und beendigen wollen, dieses ist soviel Ungereimtheit, als man nur einem gedankenlos in den Tag hinein arbeitenden Schriftsteller zuschreiben kann, wie Platon wohl am wenigsten gewesen ist. Keinesweges also ist der Phaidros anzusehen als aus dem Lysis hervorgewachsen, wie auch jener Jedem lächerlich scheinen müßte, der ihn so lesen wollte, mit dem zurükgebliebenen Verlangen, die dialektischen Zweifel des Lysis zu lösen; sondern offenbar steht dieser zwischen jenem und dem Gastmahl. Worauf nun weiter gefragt werden kann, welchem von beiden er näher stehe, ob | er anzusehen sei als ein Nachtrag zum Phaidros oder 176 W1+2 als eine anregende Vorbereitung zum Gastmahl. Dem lezteren zwar nähert er sich durch die allgemeinere und vielseitigere Behandlung: allein anderer Gründe nicht zu gedenken, die erst bei Betrachtung des Gastmahls völlig können verstanden werden: so fehlt im Lysis so ganz jede Spur von dem was Platon zwischen dem Phaidros und dem
T 1 Andern] den andern W1 4 entscheiden wollen] entscheiden zu wollen W1 1 15 ist, oder] ist oder W | sinnliche von] sinnliche, von W1
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geschrieben hat, und er ist so ganz aus sich und dem Phaidros allein zu verstehen daß er unstreitig nur anzusehn ist als ein Nachtrag zu diesem, oder eine erweiternde dialektische Erläuterung desselben. Was nemlich im Phaidros mythisch vorgetragen wird daß die Freundschaft sich gründe auf die Identität des Ideals verschiedener Menschen das wird hier dialektisch aber indirekt erwiesen, indem jede andere Behauptung auf Widerspruch zurükgeführt wird. Denn der lezten welche sich auf den Begriff des Angehörigen oder Verwandten bezieht geschieht doch dieses nur scheinbar: da vielmehr die Art wie die Zweifel gegen die frühere Behauptung Aehnlichkeit begründe die Freundschaft auch auf diese spätere angewendet werden der Schlüssel des Ganzen sein soll, welcher es auch Jedem dem die Idee des Phaidros im Sinn schwebt gewiß aufschließt. Nemlich das Aehnliche ist nur dann dem Aehnlichen unnüz wenn Jeder sich auf seine äußere Persönlichkeit und auf das Interesse der Sinnlichkeit beschränkt, nicht aber wenn er sich durch Bewußtsein eines in mehreren möglichen Ideals, wodurch es erst für Jeden ein Verwandtes giebt das nicht entgegengesezt wäre, über jene Schranken hinaus erweitert. Aehnliche Winke liegen auch in den aehnlichen skeptisch aufgestellten Säzen von der Unnüzlichkeit des Guten wenn es nicht nur als Gegentheil des Bösen sondern für sich gedacht wird. Schon Aristoteles scheint indeß, vielleicht weil er sich um den Zusamenhang der frühen platonischen Werke nicht sonderlich bekümmerte, ihre Winke nicht gehörig verstanden zu haben. Wiewohl Mißverstand platonischer Dialektik und Polemik der seinigen welche von gröberem Korn ist überall muß verziehen werden. |
Noten Spaldings (SN 155/3) zu: 1r 25 Einl.A (verl.): v e r z i e h e n w e r d e n s o l t e — M i s c h u n g . Vortreflich! T 1 und1] über daß 4 Phaidros] Phaidr. SN 155/1 5 verschiedener] vschder SN 155/1 | Menschen] Mn SN 155/1 12 welcher] korr. aus und 16 Bewußtsein] B⌈sts⌋ SN 155/1 20 Gegentheil] Ggnthl SN 155/1 | sondern] sn SN 155/1 21–25 Schon…werden ] zum ersten Satz (Schon Aristoteles ...) am Rand: 2, zum zweiten Satz (Wiewohl ...) am Rand: 1, anscheinend zur Kennzeichnung der Umstellung der Sätze, vgl. W1 W2 24 platonischer] über der Zeile unvollständig korr. zu in platonischen Schriften (syntaktisch nicht eingebunden), vgl. W1 W2 25 welche… werden ] verziehen werden solte — Mischung. Einl.A (verl.) aus Spld. (SN 155/3), vgl. W1 W2 S 4 Platon, Phaidros 252c-253c 7f Platon, Lysis 220b-222b 213d-214e 18–21 Platon, Lysis 217c-218a
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Gastmahle geschrieben hat, und er ist so ganz aus dem Phaidros und sich selbst zu verstehen, daß er unstreitig den nächsten Plaz nach diesem einnimmt, und fast nur als ein Nachtrag oder als eine erweiternde dialektische Erläuterung desselben anzusehen ist. Was nämlich im Phaidros mythisch vorgetragen wird, daß die Liebe sich gründe auf die Identität des Ideals zweier Menschen, dieses wird hier dialektisch aber indirekt und in einem weiteren Sinn erwiesen. Lezteres, indem doch der Begriff des Angehörigen und Verwandten mehr befaßt als die Identität des Ideals; und zwar ist er im Lysis so unbestimmt angedeutet, daß er nur durch Zurüksehn auf den Phaidros leicht kann verstanden werden. Ersteres, indem alle andern Behauptungen in Widersprüche ausgehn. Denn daß dieses auch der lezten und eigentlich vom Platon beschüzten ebenfalls begegne, ist nur scheinbar. Vielmehr ist die Art, wie die Zweifel gegen den früheren Saz, daß Aehnlichkeit die Freundschaft begründe, auch auf diese angewendet werden, als der Schlüssel des Ganzen anzusehn, welcher es auch Jedem, der die Andeutungen des Phaidros im Sinne hat, gewiß aufschließt. Nämlich das Aehnliche ist nur dann dem Aehnlichen unnüz, wenn Jeder sich auf seine äußere Persönlichkeit und auf das Interesse seiner Sinnlichkeit einschränkt, nicht | aber dem der an dem 177 W1+2 Bewußtsein eines in Mehreren und für Mehrere zugleich möglichen Geistigen ein Interesse nehmend sein Dasein über jene Schranken hinaus erweitert; wodurch überall erst einem Jeden ein Aehnliches und Verwandtes entsteht, das nicht im Streit ist mit seinen eignen Bestrebungen. Aehnliche Winke liegen auch in den ähnlichen skeptisch aufgestellten Säzen von der Unnüzlichkeit des Guten, sofern es nämlich nicht als Gegengift wider das Böse, sondern für sich selbst gedacht wird. Indeß scheint schon Aristoteles diese Andeutungen nicht verstanden zu haben. Welches Mißverstehen der in platonischen Schriften vorkommenden Dialektik und Polemik ihm überall zwar verziehen werden sollte, da seine gleichnamigen Künste von gröberem Korne sind, und von einer keinen Glanz annehmenden Mischung. Hier aber in einem so leichten Falle scheint es daher zu rühren, daß er um den Zusammenhang, zumal der früheren platonischen Schriften, wenig
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Es finden sich nemlich mehrere Stellen wo er sich auf den Lysis zu beziehen scheint1; die schriftlichen Stellen sind Eth Nicom P. 59 A. D und P. 63 B, in den Magn Moral. P. 111 E und 112 C welche im Zusamenhang gelesen wol schwerlich jemand zweifelhaft lassen werden jedoch ohne Gespräch oder den Plato zu nennen, auch man sich wundern könnte daß es nicht öfter und gründlicher geschehn. Fast in allen diesen Stellen scheint er die scheinbare Unentschiedenheit des Platon als eine wirkliche zu betrachten und zu meinen Platon könne sich nur deshalb nicht heraus finden weil er die drei Freundschaften verkenne 1
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Anm. (SN 155/1) zu Einl.A (verl.)? ad voc. V o r A u g e n g e h a b t z u 10 h a b e n s c h e i n t . Dieses wird dem welcher Eth Nicom P 59 A. D. 63. B. Magn Mor. P. 111 E und 112 C. Eudem VII 162. B. C. 165. B. Ed. Casaub. 1590 im Zusammenhang kaum zweifelhaft bleibend, wiewol Aristoteles weder das Gespräch noch den Platon nennt, und man sich wundern könnte warum wenn er es wirklich beachtet dieses nicht gründlicher und häufiger geschehen ist. 15 Nicom VIII 1.2.10. Magn. II, 11. Eudem VII, 2.5.
Noten Spaldings (SN 155/3) zu: 1r 2 Einl.A (verl.): E t h . N i c . — E u d e m . Ich habe die Stellen nicht nachgelesen, glaubend, es würde mich zu weit führen. Soll ich es aber künftig? T 1 Es finden sich] über In de den Stellen | mehrere Stellen] über der Zeile mit Einfügungszeichen 1f sich auf den Lysis zu beziehen scheint] den Lysis vor Augen gehabt zu haben scheint Einl.A (verl.) aus Anm. (SN 155/1) 1 Lysis] danach zunächst jedoch ohne ihn zu nennen, dann durch Klammern zur Umstellung nach unten gekennzeichnet (s. u.) 2 Stellen] St SN 155/1 4 schwerlich] schwlich SN 155/1 5 jedoch ohne Gespräch oder den Plato zu nennen] durch Umstellung der oben durch Klammern gekennzeichneten Passage (s. o.) durch Bearb. hergestellt aus Gespräch (—) oder den Plato 9 Freundschaften] Freundschn SN 155/1 S 1–3 Schleiermacher zitiert die im hsl. ersten Entwurf im Text und dann in einer separaten Anmerkung (vgl. auch W1+2 Anm.) angeführten Aristoteles-Stellen aus der Ausgabe Operum Aristotelis ... nova editio ... von Isaak Casaubonus, Bd. 2, Lyon 1590: Ethica Nicomachea VIII 1, p. 59 A (= 1155 a 27-31 Bekker); VIII 2, p. 59 D (= 1155 b 21 ff. Bekker); VIII 10, p. 63 B (= 1159 b 6-16 Bekker); Magna Moralia II 11, p. 111 E (= 1209 a 38 f. Bekker); p. 112 C (= 1210 a 16-19 Bekker); Ethica Eudemia VII 2, p. 162 B-C (= 1236 a 33-1236 b 10 Bekker); VII 5, p. 165 B (= 1239 b 13 ff. Bekker). – Vgl. die Exzerpte dieser Stellen aus der Ethica Nicomachea und den Magna Moralia in Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 370 f., Notat 107. Vgl. ferner Schleiermachers Anmerkungen zu Aristoteles: Nikomachische Ethik 8-9 (1788): KGA I/1, 1-43, und die Übersetzung von Aristoteles: Nikomachische Ethik 8-9 (1789): KGA I/1, 45-80.
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mag gewußt haben. Es finden sich nämlich in seinen ethischen Werken mehrere Stellen, in denen er den Lysis vor Augen gehabt zu haben scheint1, und Alle haben das Ansehn, als halte er die scheinbare Unentschiedenheit des Platon für eine wirkliche, und glaube jener habe sich nur deshalb nicht herauswikkeln können, weil er theils den Unterschied zwischen Freundschaft und Zuneigung übersehen, theils seine drei Arten der Freundschaft verkannt habe, und also natürlich 1
D e n L y s i s v o r A u g e n g e h a b t z u h a b e n s c h e i n t . Wer Eth. 397 W2 Nicom. VIII. c. 1. 2. 10. (P. 59. A. D. P. 63. B.) Magn. Mor. II. c. 11. (P. 111. E. u. | 387 W1 10 112. C.) und Eudem. VII. 2. 5. (P. 162. B. C. P. 165. B. Ed. Casaub. 1590.) vergleichend liest, wird kaum zweifelhaft bleiben, wiewohl Aristoteles weder das Gespräch noch den Platon nennt, und man sich wundern möchte, warum, wenn er es wirklich beachtet, dies nicht häufiger und gründlicher geschehen ist.
T 5 herauswikkeln] herauswikeln W1 7 seine] die W1 T Anm. 1 9 P. 59.] P. 59 (ohne Punkt) W1 S Anm. 1 Vgl. App. S zur Hs. (linke Seite).
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und also natürlich in Widerspruch gerathen müsse wenn was nur von der einen gilt auf die andere angewandt werden solle. Platon aber leugnet die Freundschaft des Nüzlichen gänzlich und zwar auch dialektisch betrachtet mit größtem Recht weil es ja nichts an sich selbst ist, sondern immer nur an einem Andern. Auch noch mehreres spricht für eine sehr frühe Abfassung des Lysis gewiß bald nach dem Phaidros. So zum Beispiel finden sich auch hier harte Uebergänge und eine lose Willkührlichkeit in der Verknüpfung welche stark noch die Unbeholfenheit eines Anfängers schreibt. Auch das gänzliche Uebersehen des physischen deutet auf eine frühe Zeit. So scheint auch was von dem Inhalt der erotischen Aufsäze und Gedichte des Lysis vorkommt eine Anspielung auf die Reden des Lysias zu sein, sehr wahrscheinlich erzeugt durch mißbilligende Urtheile über sein Verfahren mit dem berühmten Mann.
Den ganzen Gang des Gesprächs zu verzeichnen scheint nach der gegebenen allgemeinen Ansicht desselben überflüßig; indem nun Jeder im Stande sein wird zu sehen wohin die verschiedenen gezogenen Linien führen sollen und nach welcher Regel sie fortgeführt werden
Noten Spaldings (SN 155/3) zu: 1v 5 Einl.A (verl.): E i n z e l n e . Wollen wir nicht schreiben E i n z e l e ? Das ist ein parce detortum. T 2 andere] ande SN 155/1 5 sondern] sn SN 155/1 | mehreres] mehreres Einzelne Einl.A (verl.) aus Spld. (SN 155/3), vgl. W1 W2; die von Spalding bevorzugte Wortform Einzele nicht übernommen, vgl. dazu Einzele(n) neben Einzelne(n) u. ä. z. B. in der Gesamteinleitung und der Einleitung zum Phaidros 16 desselben] dn SN 155/1 S 2f Platon, Lysis 219b-223b 11 Schleiermacher sieht in den Reden und Gedichten des Hippothales (nicht des Lysis, vgl. W1+2) (Platon, Lysis 204e-206c) eine Anspielung auf die Rede des Lysias in Platon, Phaidros 230e-234c. Vgl. Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 368, Notat 95.
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habe in Widerspruch gerathen müssen, so oft er das, was nur von der einen gilt, auf die andere übertragen wollte. Jedem Leser des Lysis aber muß offenbar sein, mit welchem Nachdruck Platon auf jenen Unterschied, nur freilich in sei|ner | indirekten Weise, aufmerksam macht, da der dialektischen Darstellung desselben ein ziemlicher Theil des Gesprächs gewidmet ist, und wie entschieden er die sogenannte Freundschaft des Nüzlichen verwirft, gewiß auch dialektisch betrachtet mit dem größten Recht, da dieses Nüzliche ja nie und nirgend etwas ist für sich, sondern immer nur und zwar zufällig in einem andern. Noch mehreres Einzelne spricht ebenfalls für eine sehr frühe Abfassung des Lysis bald nach dem Phaidros. So zum Beispiel finden sich auch hier harte Uebergänge, eine lose Willkührlichkeit in der Verknüpfung, und eine nicht immer ganz sorgfältige Wahl der Beispiele, welches alles noch stark die Ungeübtheit eines Anfängers ahnden läßt. So scheint auch was von dem Inhalt der erotischen Reden und Gedichte des Hippothales vorkommt eine fortgesezte Anspielung auf die erotischen Reden des Lysias zu sein, sehr wahrscheinlich erzeugt durch mißbilligende Urtheile über sein Verfahren mit dem berühmten Manne. Den ganzen Gang des Gespräches aber nach der gegebenen allgemeinen Ansicht desselben noch besonders verzeichnen zu wollen, möchte überflüssig sein, indem nun Jeder im Stande sein muß zu beurtheilen, wohin die einzelnen Linien streben, und nach welcher Regel sie fortgezogen werden müssen um den Mittelpunkt des Ganzen zu erreichen. Daß manches polemische einzelne auch hier verborgen liegt, ahndet wol jeder; so wie man ziemlich bestimmt fühlt, daß Platon die naturwissenschaftliche Anwendung des Begriffs der Freundschaft wenn nicht ganz verwerfen wenigstens von der ethischen ganz sondern möchte. So auch kann | Niemandem entgehen, wie der Nebenzwek, welcher das Innere mit der Form verbindet, nämlich eine Anweisung zur sittlichen erotischen Behandlung des Lieblings zu geben, nicht nur durch die vorläufigen Gespräche erreicht wird, sondern sich durch das Ganze sehr künstlich | hindurchschlingt und auch sehr
T 1 das, was] das was W1 2 gilt, auf] gilt auf W1 3 sein, mit] sein mit W1 5f der...Gesprächs] ein ziemlicher Theil des Gesprächs der dialektischen Darstellung desselben W1 7 verwirft,] verwirft; W1 20 Manne] Mann W1 26–30 Daß ... möchte.] fehlt in W1 30 entgehen, wie] entgehen wie W1 34 hindurchschlingt und] hindurchschlingt, und W1 S 16f Vgl. App. S zur Hs. (linke Seite).
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müssen. Merkwürdig aber für die Grundsäze von denen das Verständniß Platonischer Schriften ausgehen muß ist dieses kleine Gespräch als ein auffallendes Beispiel und als das erste wie ungegründet die Meinung ist Plato wolle über dasjenige worüber er seine Meinung nicht bestimmt zu erkennen giebt gar nicht entscheiden und wie es überhaupt mit diesem nicht zu erkennen geben seiner Meinung bewandt wenigstens sein kann. Theils auch ist es davon ein Beispiel wie leicht dem Platon auch Gespräche von geringerem Gehalt entstehen konnten gleichsam Planeten die nur von den größten und selbstständigen ihr Licht borgen und sich um dieselben bewegen. Auch wie man die Erscheinungen von diesen nicht verstehen kann wenn man nicht ihren Zusamenhang mit jenen versteht und wie nothwendig es also ist wenn man den eigentlichen Gehalt derselben bestimmen oder gar darüber entscheiden will ob sie Platonisch sind oder nicht daß man erst alles versucht habe um ihre Entfernung von dem Hauptkörper und ihre Bahn zu bestimmen. Denn schwerlich möchte Jemand nun auch was den Lysis betrifft, den Zweifeln viel Gehör geben welche eine zu herbe und strenge Kritik gegen seine Aechtheit erheben könnte, ja kaum nöthig finden den Ankläger noch auf das mimische und dramatische zu verweisen, welches eine so schöne Haltung hat und soviel platonischen Charakter. Von den Personen selbst aber die Plato hiezu gemacht hat ist nichts zu erinnern auch ist keine Spur daß irgendeine Begebenheit der Erfindung zum Grunde läge.
Noten Spaldings (SN 155/3) zu: 1v 23 Einl.A (verl.): Die Einleitung überhaupt überzeugt mich. T 2 muß] durchstrichenes langes s SN 155/1 5 erkennen] erkn SN 155/1 | wie] über als 6 seiner] s: SN 155/1 12 jenen] jn SN 155/1 | nothwendig] nothwdg SN 155/1 14 entscheiden] entschn SN 155/1 15 Hauptkörper] Hkörper SN 155/1 S 3–5 So z. B. Buhle, Lehrbuch, Bd. 2, S. 49: „[...] in denen (sc. Dialogen), wo bloß debattiert wird, ohne daß ein Resultat herauskäme, ist die Person des Plato im Grunde gleichgültig; denn man kann doch mit Recht folgern, Plato habe über diese Materien nicht entscheiden wollen.“ 18 Schon Friedrich Schlegel scheidet im Zuge seiner Ordnung der platonischen Dialoge schließlich neben dem Laches auch den Lysis aus (an Schleiermacher, 25.2.1802): KGA V/5, Nr. 1170.46-48 (= KFSA 25, Nr. 237, S. 333-335). Mit dem Ankläger ist hier jedoch anscheinend Friedrich Ast (Schüler und enger Mitarbeiter Schlegels im Blick auf die Echtheit der platonischen Dialoge) gemeint, der den Lysis für unecht hält: vgl. Rez.Ast (1808), S. 127-130; Platon’s Leben und Schriften (1816), S. 432-434. Zur Anspielung auf das Mimische und Dramatische vgl. bes. Ast: De Platonis Phaedro (1801) und Schleiermachers Rezension: KGA I/3, 467-481.
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leicht, bis auf ein Paar einzelne Härten, die ebenfalls, weil sie leicht zu vermeiden waren, den Anfänger andeuten. Dasselbe kann man auch sagen von der Ueppigkeit des Beiwerkes und einer gewissen Pralerei mit dem Ueberfluß an Stoff nach allen Seiten hinaus. Merkwürdig aber ist dieses kleine Gespräch für die Grundsäze, von denen Verständniß und Beurtheilung Platonischer Schriften ausgehen muß, theils als ein auffallendes Beispiel und als das erste davon, wie ungegründet die Meinung ist, als wolle Platon überall nicht entscheiden über die Gegenstände, deren Untersuchung er einen skeptischen Anstrich giebt ohne das Wort des Räthsels mit deutlichen Buchstaben darunter zu schreiben, indem er hier bei einem Gegenstande, über den er in zwei andern Gesprächen entscheidet, das nämliche Verfahren beobachtet, und zwar so, daß der Aufmerksame auch in dem, was ganz skeptisch aussieht, die Entscheidung ohne Mühe findet. Theils auch ist es davon ein Beispiel, wie leicht dem Platon auch Gespräche von geringerem Gehalt entstehen konnten, für sich betrachtet bloß dialektisch, allein in nothwendiger Abhängigkeit von einem mystischen außer ihnen, Planeten gleichsam, die nur von den größeren selbstständigen Körpern ihr Licht leihen und um sie sich bewegen. Auch wie man die Erscheinungen von jenen nicht verstehen kann, wenn man nicht ihre | Verhältnisse zu diesen richtig auffaßt; und wie nothwendig also, 180 W2 wenn man den Gehalt solcher Schriften feststellen, oder entscheiden will ob sie Platonisch sind oder nicht, erst alles muß versucht worden sein, um ihre Entfernung von dem Hauptkörper und ihre Bahn zu bestimmen. | Denn schwerlich möchte, was den Lysis betrifft, nun je- 180 W1 mand den Zweifeln viel Gehör geben, welche eine zu herbe und strenge Kritik gegen seine Aechtheit erheben könnte; ja kaum möchte man nöthig finden den Ankläger noch auf das mimische und dramatische zu verweisen, welches eine so schöne Haltung hat und so viel Platonischen Charakter. Von den Personen selbst aber ist nichts zu erinnern, auch ist keine Spur vorhanden, daß irgend eine wirkliche Begebenheit dem Inhalt oder der Einkleidung zum Grunde läge.
T 2 andeuten. Dasselbe] andeuten, Dasselbe W1 3 Beiwerkes] Nebenzweks W1 S. 179, korr. in Nebenwerkes Druckfehler-Verzeichnis W1 S. 413 10 giebt ohne] giebt, ohne W1 19 um sie sich] sich um sie W1 22 solcher Schriften] derselben W1 32 vorhanden, daß] vorhanden daß W1 S 27 Vgl. App. S zur Hs. (linke Seite).
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ΠΛΑΤΩΝΟΣ ΛΥΣΙΣ.
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ΣΩΚΡΑΤΗΣ, ΙΠΠΟΘΑΛΗΣ, ΚΤΗΣΙΠΠΟΣ, ΜΕΝΕΞΕΝΟΣ, ΛΥΣΙΣ. Ἐπορευόμην μὲν ἐξ Ἀκαδημίας εὐθὺ Λυκείου τὴν ἔξω τείχους ὑπ᾽ αὐτὸ τὸ τεῖχος· ἐπεὶ δ᾽ ἐγενόμην κατὰ τὴν πυλίδα ᾗ ἡ Πάνοπος κρήνη, ἐνταῦθα συνέτυχον Ἱππο-
Sokrates erzählt1 Ich ging von der Akademia nach dem Lykeion den Weg außerhalb der Mauer dicht unter der Mauer. Als ich aber an dem Pförtchen war wo die Panopische Quelle2 ist traf 1
A (SN 155/2) S o k r a t e s e r z ä h l t . Ich möchte bei den indirekten Gesprächen keine Personen aufführen und auch nach dem Wechsel der Rede keine neue Zeile anfangen sondern nur durch einen Strich unterscheiden. 2 A (SN 155/2) Πανοπος κρηνη. Ich weiß vom Panops so wenig als hernach vom Mikkos; ist auch wol nicht wichtig
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu Anm. 2 A (im Anschluß an die Note zu Anm. 5 A): Von den Sachen, wo Sie die Unwißenheit beseufzen, mus ich ein gleiches. [dann von Buttmanns Hand] Ich habe schon einmal nach Panops u. Mikkos geforscht. Es sind bloß hieraus bekannte Namen. B.
Text aus: Heindorf (Platonis Dialogi Quatuor Lysis Charmides Hippias maior Phaedrus. Annotatione perpetua illustravit Lud. Frid. Heindorf, Berlin 1802, S. 1-52 mit Appendix corrigendorum et addendorum S. 357 f.). Varianten u. a. aus: Ed.Berlin 1816 (Platonis Dialogi graece et latine ex recensione Immanuelis Bekkeri, Bd. 1.1, Berlin 1816); Comm. 1 1823 (Immanuelis Bekkeri in Platonem a se editum commentaria critica. Accedunt scholia, Bd. 1, Berlin 1823).
Text und Anmerkungen Entwurf aus: BBAW, SN 155/1 (Üs. der Anmerkungen: Anmerkungen); Anmerkungen einer Abschrift aus: BBAW, SN 155/2 (Üs.: Zum Lysis [darunter] Die Zahl nach der Steph. Ausgabe [am Rand] NB. Sollen die nicht auch im Druk am Rand stehen bleiben? Es ist doch sehr bequem für Jeden der angegebene (verschrieben angebene) Stellen vergleichen will [dann von Spaldings Hand] ja); Noten Spaldings u. a. aus: BBAW, SN 155/3 (Üs.: Über den Lysis.); Varianten der verlorenen Abschrift des Textes (Übers.A) aus: Anm. A (SN 155/2) und Spld. u. a. (SN 155/3). 1 Lysis.] unterstrichen in SN 155/1 4 von] über aus 7 Panopische Quelle] am Rand Suidas weiß nur von Πανοπη nicht von Πανοψ SN 155/1 [s. App. S] S Anm. 2 A mit Spld. u. a. Panops (attischer Heros) literarisch hier, sonst nur bei Hesych und Photios belegt (RE 18,3, Sp. 653). Vgl. die von Schleiermacher im Entwurf am Rand zitierte (App. T), jedoch unergiebige Stelle Suda π 208 Adler. Zu Mikkos s. u. zu S. 434,2.
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SOKRATES erzählt.
SOKRATES erzählt.
Ich ging von der Akademia nach dem Lykeion den Weg außerhalb der Mauer dicht unter der Mauer hin. Als ich aber an dem Pförtchen war, wo die Quelle des Panops ist,
Ich ging von der Akademia grade nach dem Lykeion den Weg außerhalb der Mauer dicht unter der Mauer hin. Als ich aber an dem Pförtchen war, wo die Quelle des Panops ist, da traf ich den Hippo-
Text nach: W1 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 11804, S. 181-214 und S. 387-392 mit Druckfehler-Verzeichnis S. 413).
Text nach: W2 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 21817, S. 181-214 und S. 397-402).
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θάλει τε τῷ Ἱερωνύμου καὶ Κτησίππῳ τῷ Παιανιεῖ, καὶ ἄλλοις μετὰ τούτων νεανίσκοις ἀθρόοις συνεστῶσι. Καί με προσιόντα ὁ Ἱπποθάλης ἰδών, ὦ Σώκρατες, ἔφη, ποῖ δὴ πορεύῃ καὶ πόθεν; — Ἐξ Ἀκαδημίας, ἦν δ᾽ ἐγώ, πορεύομαι εὐθὺ Λυκείου. — Δεῦρο δή, ἦ δ᾽ ὅς, εὐθὺ ἡμῶν. Οὐ παραβάλλεις; Ἄξιον μέντοι. — Ποῖ, ἔφην ἐγώ, λέγεις, καὶ παρὰ τίνας τοὺς ὑμᾶς; — Δεῦρο, ἔφη, δείξας μοι ἐν τῷ καταντικρὺ τοῦ τείχους περίβολόν τέ τινα καὶ θύραν ἀνεῳγμένην· διατρίβομεν δέ, ἦ δ᾽ ὅς, αὐτόθι ἡμεῖς τε αὐτοὶ καὶ ἄλλοι πάνυ πολλοὶ καὶ καλοί. — Ἔστι δὲ δὴ τί τοῦτο, καὶ τίς ἡ διατριβή; — Παλαίστρα, ἔφη, νεωστὶ ᾠκοδομημένη, ἡ δὲ διατριβὴ τὰ πολλὰ ἐν λόγοις, ὧν ἡδέως ἄν σοι μεταδιδοῖμεν. — Καλῶς, ἦν δ᾽ ἐγώ, ποιοῦντες. Διδάσκει δὲ τίς αὐτόθι;
Erster Entwurf (handschriftlich)
ich auf den Hippothales des Hieronymus und auf den Ktesippos den Paianier und mehr andre Jünglinge um sie her stehend. Und als Hippothales mich herankommen sah, rief er mich an Wohin gehst du o Sokrates und woher? Aus der Akademia sprach ich gehe ich grade nach dem Lykeion. Hieher lieber zu uns sagte er. Kurvst du nicht (Lenkst du nicht ein?) Es ist wol der Mühe werth. Wohin eigentlich fragte ich meinst du? Und wer sind die Ihr? Hieher sprach er, und zeigte mir der Mauer gegen über eine Umzäunung3 und eine offene Thüre darin. Hier halten nicht nur wir uns auf sondern noch Viele andre schöne. — Was ist aber dieses, und was treibt ihr dort? Es ist eine Palaistra, sagte er, eine ganz neu gebaute, und meistentheils besteht die Beschäftigung in Gesprächen von welchen eben wir dir gern mittheilen möchten. — Sehr wohl, sprach ich, thut Ihr hieran. Aber wer lehrt 3
A (SN 155/2) π ε ρ ι β ο λ ο ν ist gewiß eine Mauer; aber kann man der Mauer gegen über eine Mauer zeigen?
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu 1 Übers.A (verl.): d e n H i p p o t h a l e s . Soll man nicht den Artikel vermeiden vor Eigennamen, so viel als möglich? 9f Übers.A (verl.): ἄξιον μέντοι. Ich übersezte: „Es lohnt wol.“ T 5 rief] über fragte | mich an] über der Zeile mit Einfügungszeichen 5f Sokrates] Sokr SN 155/1 8 lieber] korr. aus zu 9f Es ist wol der Mühe werth] es lohnt wol Spld., vgl. W1 10 eigentlich] über der Zeile mit Einfügungszeichen 11 du] danach denn eigentlich 13 Umzäunung] am Rand περιβολον. SN 155/1 14 halten] über haben | uns auf] über unser Wohnen 16 dieses] über dort eigentlich | dort] über der Zeile ohne Einfügungszeichen 18–20 besteht… mittheilen] über wird gesprochen, wobei wir eben dich gern haben 21 hieran] über daran 11 ἡμῶν. Οὐ] ἡμῶν οὐ Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W2
T Anm. 3 A Die Anmerkung ist in SN 155/2 mit Gedankenstrich an die vorangehende angeschlossen.
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traf ich den Hippothales, des Hieronymos Sohn, und den Päanier Ktesippos, und mehr andere Jünglinge um sie her stehend. Und als Hippothales mich herankommen sah, rief er mich an: Wohin gehst du, o Sokrates, und woher? — Aus der Akademia, sprach ich, gehe ich gerade nach dem Lykeion. — Hieher lieber, rief er, zu uns! Lenkst du nicht ein? es lohnt wohl. — Wohin eigentlich, fragte ich, meinst du? und wer sind die ihr? — Hieher, sprach er, und zeigte mir der Mauer gegenüber einen eingeschlossenen Plaz mit offener Thür; hier halten nicht nur wir uns auf, sondern noch viel andere Schöne. — Was ist aber dieses? und was treibt ihr dort? — Es ist, sagte er, eine ganz neugebaute Palästra, und meistentheils besteht die Beschäftigung in Gesprächen, von welchen eben wir dir gern mittheilen möchten. — Sehr wohl, sprach ich, werdet ihr hieran thun. Aber wer
thales, des Hieronymos Sohn, und den Paianier Ktesippos, und mehr andere Jünglinge um sie her gedrängt stehend. Und als Hippothales mich herankommen sah, rief er mich an: Wohin gehst du, o Sokrates, und woher? — Aus der Akademia, sprach ich, gehe ich gerade nach dem Lykeion. — Hieher also, sprach er, zu uns lenkst du nicht ein? es lohnt doch. — Wohin eigentlich, fragte ich, meinst du? und wer sind die ihr? — Hieher, sprach er, und zeigte mir der Mauer gegenüber einen eingeschlossenen Plaz mit offener Thür; hier halten nicht nur wir uns auf, sondern noch viel andere Schöne. — Was ist aber dieses? und was treibt ihr dort? — Es ist, sagte er, eine ganz neugebaute Palaistra, und meistentheils besteht die Beschäftigung in Gesprächen, von welchen eben wir dir gern mittheilten. — Sehr wohl, sprach ich, werdet ihr daran thun. Aber wer lehrt hier?
T 25 Aber] verdruckt Aher W1
S 10 zu uns lenkst du nicht] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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— Σὸς ἑταῖρός γε, ἦ δ᾽ ὅς, καὶ ἐπαινέτης, Μίκκος. — Μὰ Δία, ἦν δ᾽ ἐγώ, οὐ φαῦλός γε ἀνήρ, ἀλλ᾽ ἱκανὸς σοφιστής. — Βούλει οὖν ἕπεσθαι, ἔφη, ἵνα καὶ εἰδῇς
Erster Entwurf (handschriftlich)
hier? — Dein großer Freund wenigstens und Verehrer, Mikkos. — Beim Zeus, sprach ich, kein schlechter Mann sondern ein guter Sophist. — Willst du also mitkommen, um
T 1f Dein großer Freund wenigstens und Verehrer] über Der dir wenigstens sehr zugethan ist und dich lobt 2 Mikkos] am Rand Mikkos kommt nicht im Protag. vor SN 155/1
1 γε] τε Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 42 [110,1], übersetzt W2
S 2 Der Sophist Mikkos ist in der Tat nur hier belegt, nicht im Protagoras (s. App. T), wo fast alle wichtigen Sophisten erwähnt sind. Vgl. auch oben Anm. 2 A mit Spld. u. a. und App. S.
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lehrt hier? — Von dir gewiß ein großer Freund und | Verehrer, Mikkos. — Beim Zeus, sprach ich, kein schlechter Mann, sondern ein tüchtiger Sophist. — Willst du uns also folgen, sagte er, daß du auch die se-
— Von dir, sagte er, ein | großer Freund und Verehrer, Mikkos. — Beim Zeus, sprach ich, kein schlechter Mann, sondern ein tüchtiger Sophist. — Willst du uns also folgen, sagte er, daß du auch die se-
T 6–437,1 sehest] siehest W1 S. 182, korr. im Druckfehler-Verzeichnis W1 S. 413
S 1 Von dir, sagte er,] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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436 Lysis Ed. Heindorf
b
τοὺς ὄντας αὐτόθι; — Αὐτοῦ πρῶτον ἡδέως ἀκού-
Erster Entwurf (handschriftlich)
auch die zu sehn welche drin sind? — Ich möchte gern hier erst hören4, sprach ich, 4
E (SN 155/1) Ich möchte hier von deiner Erklärung des αυτου abgehn. Nur in einem Gegensaz oder bei einem besondern Nachdruk scheint es mir diese Bedeutung zu haben; an dieser Stelle aber viel natürlicher die gemeine Bedeutung anzunehmen. Ehe Sokrates hinein geht will er erst seine Bedingungen wissen. | A (SN 155/2) αυτου πρωτον. Hier möchte ich von deiner Erklerung des αυτου abgehn. Nur in einem Gegensaz oder bei einem besondern Nachdruk scheint es mir diese Bedeutung zu haben. In dieser Stelle aber ist es natürlicher die gewöhnliche anzunehmen. Ehe Sokrates hineingeht will er zuvor auf der Stelle seine Bedingungen wissen.
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu 2 Übers.A (verl.) (mit Anm. 4 A): e r s t h i e r v e r n e h m e n . Sie scheinen αὐτοῦ für a d v . l o c i zu nehmen. Heindorfs Parallelstellen zeigen freilich kein τὶς nach dem αὐτὸ, sondern stets ὃς so daß, wenn man nicht läse ἐφ᾽ ὅτω, wol Ihre Erklärung richtiger sein möchte. [dann von Buttmanns Hand] Heindorfs zweite Stelle hat nicht ὃς, sondern εἰ, und dieses o b ist wohl das hiesige w a s werth, das hier indirekte Frage ist. Ich bin für Hdf. [nachträgl. am Rand mit Einfügungszeichen: Jezt ist mir auch das ein großer Einwurf, daß eben αὐτόθι stand von einem andern Orte.] Buttm. T 1 auch die] über selbst | welche] über wer | sind] über ist 2 hier erst hören] Markierung und am Rand Hinweis auf Heindorf für die später ausgeführte Anm. (Anm. 4 E) | erst hier vernehmen Übers.A (verl.) aus Spld., vgl. W1 W2 T Anm. 4 E 3 Erklärung] Erkl SN 155/1 S Anm. 4 EA Schleiermacher wendet sich gegen Heindorf z. St. (S. 4 f.), der αὐτοῦ als vorausweisend auf die beiden indirekten Fragesätze versteht (davon hören, was …). Dagegen Schleiermacher, der αὐτοῦ als Ortsadverbium auffaßt (hier hören, was dort …). Spalding, der seine Note zunächst nur auf Übers.A (verl.) gründet, da er die Anm. A (SN 155/2) erst später entdeckt (vgl. zu Anm. 5 A), ohne seine Note zu revidieren, stimmt Schleiermacher zu, da in den von Heindorf angeführten Parallelstellen die Formen von αὐτός durch Relativsätze spezifiziert würden. Dieses Argument relativiert Buttmann und schließt sich Heindorf an.
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hest, welche drinnen sind? — Gern möchte ich erst hier vernehmen, was
hest, welche drinnen sind? — Gern möchte ich hier erst vernehmen, was
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σαιμ᾽ ἄν, ἐπὶ τῷ καὶ εἴσειμι, καὶ τίς ὁ καλός. — Ἄλλος, ἔφη, ἄλλῳ ἡμῶν δοκεῖ, ὦ Σώκρατες. — Σοὶ δὲ δὴ τίς, ὦ Ἱππόθαλες; Τοῦτό μοι εἰπέ. Καὶ ὃς ἐρωτηθεὶς ἠρυθρίασε, καὶ ἐγὼ εἶπον, ὦ παῖ Ἱερωνύμου Ἱππόθαλες, τοῦτο μὲν μηκέτι εἴπῃς, εἴτε ἐρᾷς του εἴτε μή. Οἶδα γάρ, ὅτι οὐ μόνον ἐρᾷς, ἀλλὰ καὶ πόρρω ἤδη εἶ πορευόμενος τοῦ ἔρωτος. Εἰμὶ δ᾽ ἐγὼ τὰ μὲν ἄλλα φαῦλος καὶ ἄχρηστος, τοῦτο δέ μοί πως ἐκ θεοῦ δέδοται, ταχὺ οἵῳ τ᾽ εἶναι γνῶναι ἐρῶντά τε καὶ ἐρώμενον. — Καὶ ὃς ἀκούσας πολὺ ἔτι μᾶλλον ἠρυθρίασεν. Ὁ οὖν Κτήσιππος, ἀστεῖόν γε, ἦ δ᾽ ὅς, ὅτι ἐρυθριᾷς, ὦ Ἱππόθαλες, καὶ ὀκνεῖς εἰπεῖν Σωκράτει τοὔνομα· ἐὰν δ᾽ οὗτος καὶ σμικρὸν
Erster Entwurf (handschriftlich)
was mir werden soll für das Hineingehn, und wer eigentlich der Schöne ist. Einer, sprach er, hält diesen dafür, der Andre jenen. — Welchen denn aber du, o Hippothales, das sage mir. Auf diese Frage erröthete er und ich sagte weiter O Hippothales das sollst du mir nicht mehr sagen ob du einen liebst oder nicht. Denn ich (sehe) weiß daß du nicht nur liebst sondern daß es schon weit mit dir gekommen ist in der Liebe. Denn sonst wol mag ich schlecht sein und wenig Nuz sein, aber dieses ist mir so von Gott verliehen gleich erkennen zu können Liebende sowol als Geliebte. Dieses hörend erröthete er noch weit mehr. Ktesippos aber sagte, Das ist artig Hippothales daß du roth wirst und dich weigerst dem Sokrates den Namen zu sagen. Wenn er eine kurze Zeit
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu 4 Übers.A (verl.): o H i p p o t h a l e s . Sonderbar, daß, beim Vorlesen, mein Bruder eiferte gegen das o beim Vokatif, als altpedantisch und undeutsch, und Sie nun auch Gewißensbiße darüber äußern. Ganz verbannen würde ich’s nicht, aber freilich oft es c o m p e n d i f a c e r e . So haben Sie auch mir zu Dank das ὦ Σώκρατες hier weggelaßen. T 1 mir] danach hineing | für das Hineingehn] über der Zeile mit Einfügungszeichen 2 Einer] danach als Alternative dieser, beides über Der eine 5 erröthete] davor wurde 9 es] über du 11 Denn] über der Zeile mit Einfügungszeichen | wol] über der Zeile mit Einfügungszeichen | schlecht sein und] über wol 12 dieses] über das 14 Liebende sowol als Geliebte] über wer liebt und geliebt wird | Dieses hörend] über Hierauf 15 aber] über also
7 εἶπον, ὦ] εἶπον ῏Ω Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W2 16 οἵῳ τ᾽] verdruckt οἵῳτ᾽ Heindorf
S Spld. u. a. Vgl. G. L. Spalding an Schleiermacher, 18.12.1803, in Bezug auf den Lysis: „Im Allgemeinen bin ich mit dem Ton Ihrer Übersezung sehr zufrieden, und meine Frau und mein Bruder [Karl August Wilhelm Spalding, 1760-1830] waren es bei einigem Vorlesen auch. Ihre Grundsäze wegen Anschmiegung ans Original, mit Vermeidung des Prunkhaften scheinen mir die wahren [...]“ (KGA V/7, Nr. 1619.6-9). Offenbar bezieht Spalding sich auf brieflich (oder mündlich) mitgeteilte Übersetzungsgrundsätze Schleiermachers, in denen dieser sich vielleicht auch zu der Übertragung des Vokativs geäußert hatte.
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mir dann werden soll für das Hineingehn, und wer eigentlich der Schöne ist. — Einer von uns, sagte er, hält diesen dafür, der andere jenen. — Welchen denn aber du, o Hippothales, das sage mir? Auf diese Frage erröthete er, und ich sprach weiter. Dieses, o Hippothales, sollst du mir nicht mehr sagen, ob du einen liebst oder nicht; denn ich sehe nicht allein daß du liebst, sondern auch daß es schon weit mit dir gekommen ist in dieser Liebe. Uebrigens wohl mag ich schlecht sein und wenig nuz; dieses aber ist mir so von Gott verliehen, gleich erkennen zu können Liebende sowohl als Geliebte. — Als er dieses hörte, erröthete er noch mehr. Ktesippos aber sagte: Wie fein ist das, Hippothales, daß du roth wirst, und dich weigerst dem Sokrates den Namen zu sagen, da er doch, wenn er
mir dann werden soll für das Hineingehn, und wer eigentlich der Schöne ist. — Einer von uns, sagte er, hält diesen dafür, der andere jenen. — Welchen denn aber du, o Hippothales? das sage mir. Auf diese Frage erröthete er, und ich sprach weiter, O Sohn des Hieronymos, das darfst du mir nun nicht mehr sagen, ob du einen liebst oder nicht; denn ich sehe nicht allein, daß du liebst, sondern auch daß es schon weit mit dir gekommen ist in dieser Liebe. Uebrigens wohl mag ich schlecht sein und wenig nuz; dieses aber ist mir so von Gott verliehen, daß ich gleich erkennen kann Liebende sowohl als Geliebte. — Als er dieses hörte, erröthete er noch mehr. Ktesippos aber sagte: Das ist fein, Hippothales, daß du roth wirst, und dich weigerst dem Sokrates den Namen zu sagen, da er doch, wenn er
S 7f sprach weiter, O] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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χρόνον συνδιατρίψῃ σοι, παραταθήσεται ὑπὸ σοῦ ἀκούων θαμὰ λέγοντος. Ἡμῶν γοῦν, ὦ Σώκρατες, ἐκκεκώφωκε τὰ ὦτα καὶ ἐμπέπληκε Λύσιδος· ἂν μὲν δὴ καὶ ὑποπίῃ, εὐμάρεια ἡμῖν ἐστι καὶ ἐξ ὕπνου ἐγρομένοις Λύσιδος οἴεσθαι τοὔνομα ἀκούειν. Καὶ ἃ μὲν καταλογάδην διηγεῖται, δεινὰ ὄντα, οὐ πάνυ τοι δεινά ἐστιν· ἀλλ᾽ ἐπειδὰν τὰ ποιήματα ἡμῶν ἐπιχειρήσῃ καταντλεῖν καὶ συγγράμματα, καὶ ὅ ἐστι τούτων δεινότερον, ὅτι καὶ ᾄδει εἰς τὰ παιδικὰ φωνῇ θαυμασίᾳ, ἣν ἡμᾶς δεῖ ἀκούοντας ἀνέχεσθαι· νῦν δὲ ἐρωτώμενος ὑπὸ σοῦ ἐρυθριᾷ. — Ἔστι δέ, ἦν δ᾽ ἐγώ, ὁ Λύσις νέος τίς, ὡς ἔοικε· τεκμαίρομαι δέ, ὅτι ἀκούσας τοὔνομα οὐκ ἔγνων. — Οὐ γὰρ πάνυ, ἔφη, τὶ αὐτοῦ τοὔνομα λέγουσιν, ἀλλ᾽ ἔτι πατρόθεν ἐπονομάζεται, διὰ τὸ σφόδρα τὸν πατέρα γιγνώσκεσθαι αὐτοῦ. Ἐπεὶ εὖ οἶδ᾽ ὅτι πολλοῦ δεῖ σε τὸ εἶδος ἀγνοεῖν τοῦ παιδός· ἱκανὸς γὰρ καὶ ἀπὸ μόνου τούτου γιγνώσκεσθαι. — Λεγέσθω, ἦν δ᾽ ἐγώ, οὗ τινός ἐστι. — Δημοκράτους, ἔφη, τοῦ Αἰξωνέως ὁ πρεσβύτατος υἱός. — Εἶεν, ἦν δ᾽ ἐγώ, ὦ Ἱππόθαλες, ὡς γενναῖον καὶ
38–442,2 Εἶεν … Ἱππόθαλες, … ἀνεῦρες! Καί] Εἶεν … Ἱππόθαλες· … ἀνεῦρες· καί Heindorf, Appendix S. 357, nicht berücksichtigt SN 155/1 W1 W2
Erster Entwurf (handschriftlich)
mit dir ist wird er sich fast todt dran hören müssen, wie oft du ihn nennst. | Uns wenigstens o Sokrates hat er die Ohren schon ganz betäubt und angefüllt mit dem Lysis. Hat er aber ein wenig getrunken so ist es ganz in der Ordnung daß wir, noch wenn wir aus dem Schlaf aufwachen, glauben den Namen des Lysis zu hören. Und was er so gesprächsweise vorbringt ist freilich arg, indeß noch nicht gar arg, aber wenn er erst anfängt uns die Gedichte auszuschöpfen und die Reden. Ja was noch arger ist als alles so singt er auch auf seinen Geliebten mit wunderschöner Stimme die wir geduldig anhören müssen. Jezt aber da du ihn fragst erröthet er. — Dieser Lysis sprach ich, ist einer von den Heranwachsenden wie ich glauben muß. Ich vermuthe es aber nur denn der Name fiel mir nicht auf als bekannt da ich ihn hörte. Sie nennen ihn eben nicht oft bei seinem Namen, antwortete er, sondern er wird nach dem Vater genannt weil sein Vater ein sehr bekannter Mann ist. Ich bin auch sehr gewiß daß der Knabe dir keinesweges von Gestalt unbekannt ist, und die allein ist genug um ihn gleich daran wieder zu erkennen. — So sage denn sprach ich, wem er angehört. — Es ist des Demokrates von Aixone ältester Sohn. — Schön, sprach ich, Hippothales, welche vornehme und in jeder Art
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu 6 Übers.A (verl.): g e w o h n t . Das mag wol εὐμάρεια heißen, wenigstens gewis was ähnliches. Nur eine solche Redensart kenne ich sonst nicht. T 2 wie oft du ihn nennst] korr. aus so oft wirst du ihn nennen 6 in der Ordnung] gewohnt Übers.A (verl.) aus Spld., vgl. W1 W2 | noch] über auch 7 glauben] davor noch 10 gar arg] über der Zeile mit Einfügungszeichen 12f so singt er] korr. aus er singt 16–18 einer von den Heranwachsenden wie ich glauben muß] über wie es scheint noch ein ganz junger Mensch 19 fiel mir nicht auf als] korr. aus ist mir nicht 20 eben] über der Zeile mit Einfügungszeichen 25–27 die allein ist genug um ihn gleich daran wieder zu erkennen] über daran merkt man sich ihn genugsam 29 Schön] über Ei
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nur kurze Zeit mit dir ist, sich fast todt wird daran hören müssen, wie oft du ihn nennst! Uns wenigstens, o Sokrates, hat er die Ohren schon ganz betäubt und angefüllt mit dem Lysis. Hat er aber etwas getrunken, so ist es uns ganz gewohnt, daß wir auch beim Erwachen aus dem Schlafe noch glauben den Namen des Lysis zu hören. Doch was er so gesprächsweise vorbringt ist arg zwar, indeß doch nicht gar arg: aber wenn er erst anfängt uns mit den Gedichten zu überschwemmen und mit den Reden! Ja was noch ärger ist als alles, so singt er auch auf seinen Geliebten mit wunderschöner Stimme, die wir geduldig anhören müssen. Nun aber von dir befragt erröthet er nur. — Dieser | Lysis, sprach ich, ist also einer von den Heranwachsenden, wie es scheint. Ich schließe es nämlich nur, denn der Name fiel mir nicht auf als ein bekannter, da ich ihn hörte. — Sie nennen ihn eben nicht oft bei seinem Namen, antwortete er, sondern er wird noch nach dem Vater genannt, weil sein Vater ein sehr bekannter Mann ist. Auch bin ich sehr gewiß, daß der Knabe dir keinesweges unbekannt ist von Gestalt, und das ist genug um ihn sogleich wieder zu erkennen. — So sage denn, sprach ich, wem er angehört. — Es ist des Demokrates von Aixone ältester Sohn. — Schön, sprach ich, o Hippothales! welche vornehme und
nur kurze Zeit mit dir ist, sich fast todt wird daran hören müssen, wie oft du ihn nennst! Uns wenigstens, o Sokrates, hat er die Ohren schon ganz betäubt und angefüllt mit dem Lysis. Und hat er gar ein wenig getrunken, so ist es uns ganz gewohnt, daß wir auch beim Erwachen aus dem Schlafe noch glauben den Namen des Lysis zu hören. Doch was er so gesprächsweise arges vorbringt, ist noch nicht gar arg: aber wenn er erst anfängt uns mit den Gedichten zu überschwemmen und mit den Reden! Ja was noch ärger ist als alles, so singt er auch auf seinen Geliebten mit wundervoller Stimme, die wir geduldig anhören müssen. Nun | aber von dir befragt erröthet er nur. — Dieser Lysis, sprach ich, ist also einer von den Heranwachsenden, wie es scheint. Ich schließe es nämlich nur, denn der Name fiel mir nicht auf als ein bekannter, da ich ihn hörte. — Sie nennen ihn eben nicht oft bei seinem Namen, antwortete er, sondern er wird noch nach dem Vater genannt, weil sein Vater sehr bekannt ist. Auch bin ich gewiß, daß der Knabe dir keinesweges unbekannt ist von Gestalt, und an der allein kann man ihn genug wieder erkennen. — So sage denn, sprach ich, wem er angehört. — Es ist des Demokrates von Aixone ältester Sohn. — Schön, sprach ich, o Hippothales! welche edle und in
T 16f seinen] verdruckt seinem W1
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νεανικὸν τοῦτον τὸν ἔρωτα πανταχῇ ἀνεῦρες! Καί μοι ἴθι ἐπίδειξαι ἃ καὶ τοῖσδε ἐπιδείκνυσαι, ἵνα εἰδῶ εἰ ἐπίστασαι ἃ χρὴ ἐραστὴν περὶ παιδικῶν πρὸς αὐτὸν ἢ πρὸς ἄλλους λέγειν. — Τούτων δέ τι, ἔφη, σταθμᾷ, ὦ Σώκρατες, ὧν ὅδε λέγει; — Πότερον, ἦν δ᾽ ἐγώ, καὶ τὸ ἐρᾷν ἔξαρνος εἶ οὗ λέγει ὅδε; — Οὐκ ἔγωγε, ἔφη, ἀλλὰ μὴ ποιεῖν εἰς τὰ παιδικὰ μηδὲ συγγράφειν. — Οὐχ ὑγιαίνει, ἔφη ὁ Κτήσιππος, ἀλλὰ ληρεῖ τε καὶ μαίνεται. — Καὶ ἐγὼ εἶπον, ὦ Ἱππόθαλες, οὔτι τῶν μέτρων δέομαι ἀκοῦσαι, οὐδὲ μέλος εἴτι πεποίηκας εἰς τὸν νεανίσκον, ἀλλὰ τῆς διανοίας, ἵνα εἰδῶ, τίνα τρόπον προσφέρῃ πρὸς τὰ παιδικά. — Ὅδε δήπου σοι, ἔφη, ἐρεῖ, ἀκριβῶς γὰρ ἐπίσταται καὶ μέμνηται, εἴπερ, ὡς λέγει, ὑπ᾽ ἐμοῦ ἀεὶ ἀκούων διατεθρύλληται. — Νὴ τοὺς θεούς, ἔφη ὁ Κτήσιππος, πάνυ γε, καὶ γάρ ἐστι καταγέλαστα, ὦ Σώκρατες· τὸ γὰρ ἐραστὴν ὄντα καὶ διαφερόντως τῶν ἄλλων τὸν νοῦν προσέχοντα τῷ παιδί, ἴδιον μὲν μηδὲν ἔχειν λέγειν, ὃ οὐχὶ κᾂν παῖς εἴποι, πῶς οὐχὶ καταγέλαστον, ἃ δὲ ἡ πόλις ὅλη ᾄδει περὶ Δημοκράτους καὶ Λύσιδος, τοῦ πάππου τοῦ παιδός, καὶ πάντων πέρι
35 παιδί, ἴδιον] παιδί ἴδιον Heindorf, korr. Appendix S. 357
Erster Entwurf (handschriftlich)
prächtige Liebe hast du dir da ausgespürt! So komm denn laß mich alles hören, was du diese hören läßt damit ich sehe ob du auch weißt was dem Liebenden gezieme über seinen Liebling zu ihm selbst und zu Andern zu reden. — Aber Sokrates, sagte er, glaubst du denn etwas von Allem was dieser da sagt? — Willst du etwa, sprach ich, auch läugnen, daß du auch den liebst den dieser sagt! — Das nicht, aber daß ich Gedichte auf meinen Liebling mache, oder Reden. — Es ist nicht richtig mit ihm, sagte Ktesippos, sondern er faselt und redet irre. — Darauf sprach ich, ich begehre ja, o Hippothales weder die Verse zu hören noch die Melodie wenn du dergleichen gemacht hast auf den Knaben sondern nur den Sinn, damit ich sehe auf welche Art du umgehst mit deinem Liebling. — Der da wird dir wol alles sagen sprach er, denn er muß es ja genau wissen und behalten haben, wenn er mich, wie er sagt, bis zum Ueberdruß hat hören müssen. — Ja bei den Göttern sagte Ktesippos, sehr gut o Sokrates, es ist auch gar zu lächerlich. Denn daß ein Liebender, und der mehr als jeder andere auf seinen Knaben hält gar nichts eigenes zu sagen weiß, was nicht jedes | Kind sagen könnte, wie sollte das nicht lächerlich sein? sondern, was die ganze Stadt erzählt von des Demokrates, und Lysis des Knaben Großvater und von allen seinen
T 1 ausgespürt!] über zugeeignet! 8f Willst du etwa, sprach ich, auch läugnen, daß du auch den liebst] korr. aus Nun , sprach ich, läugnest du etwa auch den zu lieben 11f Es ist nicht richtig mit ihm] korr. aus Er ist nicht gescheidt 13 sondern] über der Zeile mit Einfügungszeichen | und redet irre] über Komma und er ist verrükt 14 ich begehre ja] über der Zeile ohne Einfügungszeichen 15 weder] davor ich begehre 16f den Knaben] davor deinen Liebling 19 wird] danach es | alles] nachträglich eingefügt 20 ja] über wol 31–444,1 des Knaben Großvater und von allen seinen Voreltern, ihrem Reichthum] korr. aus des Knaben Großvaters Reichthum und aller seiner Voreltern
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in jeder Art prächtige Liebe hast du dir da ausgespürt! So komm denn und laß mich alles hören, was du diesen zu hören giebst, damit ich sehe ob du auch weißt wie dem Liebenden gezieme über seinen Liebling zu diesem selbst und auch zu Andern zu reden. — Aber, Sokrates, sagte er, giebst du denn etwas auf alles was der da sagt? — Willst du etwa, sprach ich, auch läugnen, daß du den nicht liebst, den dieser nennt? — Das nicht, aber daß ich weder Gedichte mache auf meinen Liebling noch Reden. — Es ist eben nicht richtig mit ihm, sagte Ktesippos, sondern er faselt und redet irre. — Darauf sagte ich: ich begehre ja, o Hippothales, weder die Verse zu hören noch die Melodie, wenn du dergleichen gemacht hast auf den Knaben, sondern nur den Sinn davon, damit ich erfahre auf welche Art du deinen Liebling behandelst. — Der da wird dir wohl alles sagen, sprach er, denn er weiß es ja genau, und hat es im Gedächtniß, wenn er mich doch, wie er sagt, bis zum Ueberdruß angehört hat. — Bei den Göttern, sagte Ktesippos, sehr gut weiß | ich es, o Sokrates! es ist ja auch lächerlich genug. Denn daß ein Liebender, und der mehr als jeder andre immer nur auf seinen Knaben denkt, auch gar nichts eignes zu sagen weiß, was nicht jedes Kind ebenfalls sagen könnte, wie sollte das nicht lächerlich sein? Was aber die ganze Stadt erzählt von Demokrates und Lysis des Knaben Großvater und von allen seinen
jeder Art herrliche Liebe hast du dir da ausgespürt! So komm denn und laß mich alles hören, was du diesen zu hören giebst, damit ich sehe, ob du auch weißt, wie dem Verliebten gezieme über seinen Liebling zu diesem selbst und auch zu Andern zu reden. — Und darauf, sagte er, giebst du etwas, o Sokrates, was der da sagt? — Willst du etwa, sprach ich, auch läugnen, daß du den nicht liebst, den dieser nennt? — Das nicht, sprach er, aber daß ich weder Gedichte mache auf meinen Liebling noch Reden. — Es ist eben nicht richtig mit ihm, sagte Ktesippos, sondern er faselt und redet irre. — Darauf sagte ich: ich begehre ja, o Hippothales, weder die Verse zu hören noch die Weise, wenn du dergleichen gemacht hast auf den Knaben, sondern nur den Sinn davon, damit ich erfahre, auf welche Art du deinen Liebling behandelst. — Der da wird dir wohl alles sagen, sprach er, denn er weiß es ja genau, und hat es im Gedächtniß, wenn er mich doch, wie er sagt, bis zum Ueberdruß angehört hat. — Bei den Göt|tern, sagte Ktesippos, sehr gut weiß ich es, o Sokrates! es ist ja auch lächerlich genug. Denn daß ein Liebender, und der mehr als jeder andre immer nur auf seinen Knaben denkt, auch gar nichts eignes zu sagen weiß, was nicht jedes Kind ebenfalls sagen könnte, wie sollte das nicht lächerlich sein? Was aber die ganze Stadt erzählt von Demokrates und Lysis des Knaben Großvater und von allen seinen
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τῶν προγόνων, πλούτους τε καὶ ἱπποτροφίας καὶ νίκας Πυθοῖ καὶ Ἰσθμοῖ καὶ Νεμέᾳ τεθρίπποις τε καὶ κέλησι, ταῦτα ποιεῖ τε καὶ λέγει· πρὸς δὲ τούτοις ἔτι τούτων κρονικώτερα. Τὸν γὰρ τοῦ Ἡρακλέους ξενισμὸν πρῴην ἡμῖν ἐν ποιήματί τινι διῄει, ὡς διὰ τὴν τοῦ Ἡρακλέους ξυγγένειαν ὁ πρόγονος αὐτῶν ὑποδέξαιτο τὸν Ἡρακλέα, γεγονὼς αὐτὸς ἐκ Διός τε καὶ τῆς τοῦ
Erster Entwurf (handschriftlich)
Voreltern, ihrem Reichthum, Pferdezucht und Siegen in den Pythischen, Isthmischen und Nemeischen Spielen im Vierergespann und mit dem Rennpferde, das bringt er in Verse und Reden. Und noch altväterischeres5 als dieses. Denn neulich schilderte er uns die Bewirthung des Sokrates in einem Gedicht wie nemlich wegen der Verwandschaft mit dem Herkules ihr Ahnherr den Herkules aufgenommen, weil er selbst auch ein Sohn des Zeus war, und der Tochter des 5
A (SN 155/2) Κρονικωτερα. Da das folgende vom Herkules so offenbar älter ist glaube ich daß auch hier die gemeinere die Hauptbedeutung ist. Das stultiora klingt gewiß mit besonders im Munde des Ktesippos der eine Art von Freigeist ist; dieses glaube ich aber im Deutschen auch erreicht zu haben.
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu Anm. 5 A: Eben jezt erst entdekke ich die Anmerkungen. Mit dem Κρονικώτερα stimme ich ziemlich zu Ihrer Meinung. T 1–5 am Rand Pyth. Z. Megacles Tethrippo SN 155/1 – Pindar, Pythie 7 (= griech. Zeta) auf Megakles zu seinem Viergespannsieg bei den pythischen Spielen 486 v. Chr.: offenbar ein Beispiel für ein Gedicht der genannten Art. 3 Spielen] über der Zeile mit Einfügungszeichen 5f altväterischeres] am Rand – offenbar als Markierung einer der Abschrift hinzuzufügenden Anmerkung (vgl. Anm. 5 A) – x) Κρονι[κώτερ]α SN 155/1 7 Sokrates] offenbar versehentlich statt Herkules S Anm. 5 A mit Spld. u. a. Schleiermacher präzisiert Heindorfs Vorschlag (z. St. S. 9): stultiora, ineptiora (ziemlich albern) im Sinne von ‚noch aus der Zeit des alten Kronos‘. – Spalding hatte bisher nur Noten zu Übers.A (verl.) gemacht und die Anm. A (SN 155/2) nicht berücksichtigt. Im Anschluß an diese Note nimmt er nachträglich Stellung zu Anm. 2 A (mit der dort folgenden Notiz Buttmanns) oder zu Anm. 6 A (vgl. das Zitat des Ausdrucks „Unwissenheit“).
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Vorältern, ihrem Reichthum, ihrer Pferdezucht und ihren Siegen in den Pythischen, Isthmischen und Nemeischen Spielen mit dem Viergespann und dem Rennpferde, das bringt er in Gedichte und Reden. Und noch altväterischeres als dieses. Denn neulich schilderte er uns in ich weiß nicht was für einem Gedichte die Bewirthung des Herakles, wie nämlich den Herakles wegen Verwandschaft mit dem Herakles ihr Ahnherr aufgenommen, der selbst auch vom Zeus erzeugt war mit der
Vorältern, ihren Reichthum, ihre Pferdezucht und ihre Siege in den Pythischen, Isthmischen und Nemeischen Spielen mit dem Viergespann und dem Rennpferde, das bringt er in Gedichte und Reden. Und noch altväterischeres als dieses. Denn die Bewirthung des Herakles schilderte er uns neulich in ich weiß nicht was für einem Gedichte, wie nämlich wegen Verwandtschaft mit dem Herakles ihr Ahnherr den Herakles aufgenommen, selbst auch vom Zeus erzeugt mit der Tochter von
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δήμου ἀρχηγέτου θυγατρός, ἅπερ αἱ γραῖαι ᾄδουσι, καὶ ἄλλα πολλὰ τοιαῦτα, ὦ Σώκρατες. Ταῦτ᾽ ἐστίν, ἃ οὗτος λέγων τε καὶ ᾄδων ἀναγκάζει καὶ ἡμᾶς ἀκροᾶσθαι. — Καὶ ἐγὼ ἀκούσας εἶπον, ὦ καταγέλαστε Ἱππόθαλες, πρὶν νενικηκέναι ποιεῖς τε καὶ ᾄδεις εἰς σαυτὸν ἐγκώμιον; — Ἀλλ᾽ οὐκ εἰς ἐμαυτόν, ἔφη, ὦ Σώκρατες, οὔτε ποιῶ, οὔτε ᾄδω. — Οὐκ οἴει γε, ἦν δ᾽ ἐγώ. — Τὸ δὲ πῶς ἔχει; ἔφη. — Πάντων μάλιστα, εἶπον, εἰς σὲ τείνουσιν αὗται αἱ ᾠδαί. Ἐὰν μὲν γὰρ ἕλῃς τὰ παιδικὰ τοιαῦτα ὄντα, κόσμος σοι ἔσται τὰ λεχθέν-
Erster Entwurf (handschriftlich)
der den Plebs gestiftet hatte6 was alle alten Weiber singen, und viel andre solche Dinge o Sokrates. Dergleichen ist es was er uns geredet und gesungen anzuhören zwingt. — Als ich dieses hörte sagte ich O belachenswürdiger Hippothales ehe du noch gesiegt hast dichtest und singst du Loblieder auf dich selbst? — Auf mich selbst, o Sokrates, sprach er habe ich doch noch weder gedichtet noch gesungen. — Du meinst es wenigstens nicht, sprach ich. — Aber wie wäre denn dieses, fragte er? — Allerdings, sagte ich zielen doch diese Gesänge auf dich. Denn eroberst du dir einen Liebling von solcher Art so wird dir selbst zur Zierde gereichen was du besprochen und besungen hast 6
A (SN 155/2) αρχηγετου του δημου. Ich fürchte da dies als eine ganz bekannte Geschichte erzählt wird ist es in anderem Sinne zu nehmen. Sollte jeder Demos sich auf einen Göttersohn reducirt haben? Aber die Unwissenheit!
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu 1 Übers.A (verl.) (mit Anm. 6 A): [von Buttmanns Hand] Stifter des D e m o s ist glaub’ ich recht. Den Stifter des athen. Staats sei es Kekrops oder wer es wolle, hätte er genannt. Diese Art der Bezeichnung deutet auf einen weniger bekanten Heros, der also nur der eines Demos sein kan. Buttm. 1f Übers.A (verl.): d i e a l t e n W e i b e r die Mütterchen. T 1 der den Plebs gestiftet hatte] Stifter des Demos Übers.A (verl.) aus Spld. | in SN 155/1 zur Übers. am Rand – offenbar als Markierung einer der Abschrift hinzuzufügenden Anmerkung zur Übersetzung des Wortes ‚Archegetes‘ (vgl. Anm. 6 A) – xx) Ueb d Archegetes | den Plebs] zu erwarten die Plebs 1f alle alten Weiber] die alten Weiber Übers.A (verl.) aus Spld. | die Mütterchen Spld. | die alten Mütterchen W1 W2 2 solche] über dergleichen 3 o Sokrates] nachträglich am Zeilenende hinzugefügt 10 Du] über der Zeile mit Einfügungszeichen | meinst] M- als ursprünglicher Satzanfang (s. o.) SN 155/1 12 Allerdings] danach doch , beides über Am allermeisten
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Tochter von dem ersten Stifter jener Zunft, kurz was die alten Mütterchen singen, und viel anderes dergleichen. Solcherlei ist es, was er in Reden und Gedichten vortragend auch uns anzuhören zwingt. — Als ich dies gehört, sagte ich, du lächerlicher Hippothales! ehe du noch gesiegt hast, dichtest du schon und singst auf dich selbst das Lobgedicht? — Aber auf mich selbst, o Sokrates, sagte er, habe ich doch nie weder gedichtet noch gesungen. — Du meinst es wenigstens nicht. — Aber wie wäre denn das, fragte er? — Auf alle Weise, sagte ich, zielen doch diese Gesänge auf dich. Denn gewinnst du dir einen Liebling solcher Art, so wird dir selbst zur Zierde gereichen was du gesprochen
dem ersten Stifter jener Zunft, kurz was die alten Mütterchen singen, und viel anderes dergleichen. Solcherlei ist es, was er in Reden und Gedichten vortragend auch uns anzuhören zwingt. — Als ich dies gehört, sagte ich, du lächerlicher Hippothales! ehe du noch gesiegt hast, dichtest du schon und singst auf dich selbst das Lobgedicht? — Auf mich selbst, o Sokrates, sagte er, habe ich doch nie weder gedichtet noch gesungen. — Du meinst es wenigstens nicht. — Aber wie wäre denn das, fragte er? — Auf alle Weise, sagte ich, zielen doch diese Gesänge auf dich. Denn gewinnst du dir einen Liebling solcher Art, so wird dir selbst zur Zierde gereichen, was du gespro-
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τα καὶ ᾀσθέντα, καὶ τῷ ὄντι ἐγκώμια ὥσπερ νενικηκότι, ὅτι τοιούτων παιδικῶν ἔτυχες· ἐὰν δέ σε διαφύγῃ, ὅσῳ ἂν μείζω σοι εἰρημένα ᾖ ἐγκώμια περὶ τῶν παιδικῶν, τοσούτῳ μειζόνων δόξεις καλῶν τε καὶ ἀγαθῶν ἐστερημένος καταγέλαστος εἶναι. Ὅστις οὖν τὰ ἐρωτικά, ὦ φίλε, σοφός, οὐκ ἐπαινεῖ τὸν ἐρώμενον, πρὶν ἂν ἕλῃ, δεδιὼς τὸ μέλλον ὅπῃ ἀποβήσεται· καὶ ἅμα οἱ καλοί, ἐπειδάν τις αὐτοὺς ἐπαινῇ καὶ αὔξῃ, φρονήματος ἐμπίπλανται καὶ μεγαλαυχίας. Ἢ οὐκ οἴει; — Ἔγωγε, ἔφη. — Οὐκοῦν ὅσῳ ἂν μεγαλαυχότεροι ὦσι, δυσαλω-
Erster Entwurf (handschriftlich)
und ein wahres Loblied sein auf dich der den Preis davon getragen7 und einen solchen Liebling erworben hat. Entflieht er dir aber so wirst du, je größeres du von deinem Liebling lobend gesagt hast nach Maaßgabe des Schönen und Guten so du verfehlst noch um so mehr verspottet werden. Wer daher o Freund in der Kunst zu lieben ein Meister ist der lobt nicht eher den Geliebten bis er ihn erobert hat aus Furcht dessen was noch bevorsteht wie es ablaufen werde. Ueberdies auch wenn jemand die Schönen lobt und verherrlicht werden sie voll Dünkels und Hochmuth. Oder meinst du nicht? — Ich wohl, sprach er. — Nicht auch daß je hochmüthiger sie sind desto schwerer sie werden 7 A (SN 155/2) νενικηκοτι Ich habe es ohnerachtet des ἑλῃς hoffentlich richtig vom Wettstreit verstanden und nicht vom Kriege.
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu 2f Übers.A (verl.): u n d e i n e n s o l c h e n — e r l a n g t h a t . Weil du einen — hast. Dis gehört nämlich nicht mit ins Bild von der νίκῃ. (Vor dieser Anm.: ib. Liebling erlangt hat. cf. Ihre Anm. ἕλῃ ) 6f Übers.A (verl.): u m s o m e h r . Desto mehr. Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu Anm. 7 A: Nicht u n e r a c h t e t des ἕλῃς sondern w e g e n , mus man es vom Wettstreit verstehen. Da ist ja das ewige διώκειν, φεύγειν; ἑλεῖν, αἱλῶναι: hernach verpflanzt auf den Prozeß. T 1–7 der…werden] die ganze Passage am Rand markiert mit Fragezeichen 1f der den Preis davon getragen und] über als den Sieger der 2f und einen solchen Liebling erworben hat] und einen solchen Liebling erlangt hat Übers.A (verl.) aus Spld. | weil du einen solchen Liebling erlangt hast Spld., vgl. W1 W2 3 erworben hat] über besizt 5 nach Maaßgabe des] über (auch um so mehr) in Klammern 6 Schönen] korr. aus Schönes Bearb. | Guten] korr. aus Gutes SN 155/1 6f so du verfehlst noch um so mehr] korr. aus ver[ZE] loren habend 6f um so mehr] desto mehr Spld., vgl. W1 W2 10 was] danach er 10f bevorsteht] über vor sich hat 11 ablaufen] korr. aus ablaufen den 14f Ich wohl] über Wol glaube ichs ; am Rand ohne Zuordnung ich
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und gesungen hast, und ein wahres Lobgedicht sein auf dich, als der den Preis davon getragen, weil du einen solchen Liebling erlangt hast: | entgeht er dir aber, so wirst du je größeres du lobend gesagt hattest von diesem Liebling, auch nach Verhältniß des Schönen und Guten, so du verfehlst, um desto mehr verspottet werden. Daher auch, o Freund, wer in der Kunst zu lieben ein Meister ist, den Geliebten nicht eher lobt bis er ihn gewonnen hat, aus Furcht vor dem was bevorsteht, wie es ablaufen werde. Ueberdies auch werden die Schönen, wenn man sie lobt und verherrlicht voll Dünkels und Hochmuth: oder meinst du nicht? — Ja wohl, sagte er. — Nicht auch daß, je hochmütiger sie sind, desto schwerer sie zu
chen und gesungen hast, und ein wahres Lobgedicht sein auf dich, als der den Preis davon getragen, | weil du einen solchen Liebling erlangt hast: entgeht er dir aber, so wirst du je größeres du lobend gesagt hattest von diesem Liebling, auch nach Verhältniß des Schönen und Guten, so du verfehlst, um desto mehr verspottet werden. Wer also, o Freund, in der Kunst zu lieben ein Meister ist, der lobt den Geliebten nicht eher bis er ihn hat, aus Furcht, wie die Sache ablaufen werde. Ueberdies auch werden die Schönen, wenn man sie lobt und verherrlicht, voll Einbildung und Hochmuth; oder meinst du nicht? — Das wohl, sagte er. — Nicht auch daß, je hochmüthiger sie sind, desto schwerer sie zu
T 20 daß] das W1 S. 185, korr. im Druckfehler-Verzeichnis W1 S. 413
T 19 daß] das W2 S. 185, jedoch schon korr. im Druckfehler-Verzeichnis W1 S. 413
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τότεροι γίγνονται; — Εἰκός γε. — Ποῖός τις οὖν ἄν σοι δοκεῖ θηρευτὴς εἶναι, εἰ ἀνασοβοῖ θηρεύων καὶ δυσαλωτοτέραν τὴν ἄγραν ποιοῖ; — Δηλονότι φαῦλος. — Καὶ μὲν δὴ λόγοις τε καὶ ᾠδαῖς μὴ κηλεῖν ἀλλ᾽ ἐξαγριαίνειν, πολλὴ ἀμουσία. Ἦ γάρ; — Δοκεῖ μοι. — Σκόπει δή, ὦ Ἱππόθαλες, ὅπως μὴ πᾶσι τούτοις ἔνοχον σαυτὸν ποιήσεις διὰ τὴν ποίησιν. Καίτοι οἶμαι ἐγώ, ἄνδρα ποιήσει βλάπτοντα ἑαυτὸν οὐκ ἄν σε ἐθέ-
Erster Entwurf (handschriftlich)
zu besiegen? — Wahrscheinlich wenigstens. — Was für ein Jäger aber scheint dir der zu sein der jagend das Wild so aufscheucht daß er es schwerer bekommt? Ein schlechter doch gewiß.8 So auch durch Reden und Gesänge nicht ankirren sondern wild machen ist großer Unverstand. Nicht wahr? — Mir scheint es. — Sieh also zu o Hippothales, daß du dich nicht dieses alles schuldig machst durch deine Dichtungen. Denn ich glaube doch einem Mann der durch seine Dichtung sich selbst schadet würdest du 8
E (SN 155/1) Ich bin ungewiß diese Worte dem Hippothales zu geben. Es ist so sehr die gewöhnliche Formel wie Sokrates sich selbst antwortet, wenn gleich das η fehlt welches auch sehr leicht kann ausgefallen sein. Ja da er dieselbe doch im folgenden immer verwendet so scheint mir sogar der Fortschritt leichter wenn Sokrates im Reden bleibt. | A (SN 155/2) Δηλονοτι φαυλος. Ich bin ungewiß diese Worte dem Hippothales zu geben. Es ist so sehr die gewöhnliche Formel wie Sokrates sich selbst antwortet wenn gleich das ἢ fehlt, welches überdies sehr leicht kann ausgefallen sein. Mir scheint sogar der Fortschritt leichter wenn Sokrates im Reden bleibt.
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu Anm. 8 A: Ich bin sehr für Ihre Meinung daß δηλ. φ. noch Sokrates Worte sind. [hier von Buttmanns Hand eingefügt] Dies empfinde ich nicht mit. B.
6 Δηλονότι φαῦλος] aals Worte des Hippothales Heindorf (vgl. z. St., S. 11) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 43 [113,20], als solche übersetzt W2 | als Worte des Sokrates Ed.Basel 1534 (Oporinus) Ed.Genf 1578 (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1784 (Bipontina), als solche übersetzt SN 155/1 W1, vgl. Anm. 8 EA mit Spld. u. a. (Spalte 2) und W1 Anm. 1
T 3 so] über der Zeile mit Einfügungszeichen 4 es schwerer bekommt] über sich so die Jagd erschwert 4f Ein schlechter doch gewiß] Markierung und am Rand Notiz für die später ausgeführte Anm. (Anm. 8 E): NB Abweichung cf. Heindorf 7 Unverstand] darüber αμουσια Lustlosigkeit T Anm. 8 E 19 Sokrates] Sokr. SN 155/1 S Anm. 8 EA Die Formel in der Selbstantwort: z. B. Lysis 222e, Protagoras 344c (ohne ἤ). 345a (ohne ἤ), Hippias major 283b. 290e, Politeia 8,565d; als Fremdantwort: z. B. Nomoi 7, 820a. Vgl. Spalte 1 App.
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besiegen werden? — Wahrscheinlich ist es. — Was für ein Jäger also dünkt dir der, welcher jagend das Wild so aufscheucht, daß er es ungleich schwerer bekommen kann? Ein schlechter doch gewiß.1 So auch durch Reden und Gesänge nicht ankirren sondern wild machen, ist große Unkunde. Nicht so? — Mich dünkt es. — Sieh also zu Hippothales, daß du dich nicht alles dessen schuldig machst durch dein Dichten. Denn ich glaube doch, demjenigen der durch seine Dichtungen sich selbst schadet, wirst du nicht zuge-
besiegen werden? — Wahrscheinlich. — Was für ein Jäger also dünkt dich der, welcher jagend das Wild so aufscheucht, daß er es ungleich schwerer bekommt? — Ein schlechter offenbar. — So auch durch Reden und Gesänge nicht ankirren sondern wild machen, ist große Unkunde; nicht so? — Mich dünkt es. — Sieh also zu Hippothales, daß du dich nicht alles dessen schuldig machst durch dein Dichten. Denn ich glaube doch, demjenigen der durch seine Dichtungen sich selbst schadet, wirst du nicht zugestehn
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Ein schlechter doch gewiß. Ich habe diese Worte mit den Ausgaben dem Sokrates gelassen, der sich nicht selten in dieser Formel selbst antwortet; sogar das in solchem Falle gewöhnlichere ἢ kann leicht nach dem ποιοῖ ausgefallen sein. Auch die Fortschreitung scheint mir leichter, wenn Sokrates im Reden bleibt.
T Anm. 1 21 Auch] verdruckt Anch W1 S Anm. 1 Vgl. Spalte 1 App. und Spalte 2 App. S.
S 5f Ein schlechter offenbar.] als Worte des Hippothales übersetzt nach Bekker wie Spalte 1 App.
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λειν ὁμολογῆσαι ὡς ἀγαθός ποτ᾽ ἐστὶ ποιητής, βλαβερὸς ὢν ἑαυτῷ. — Οὐ μὰ τὸν Δία, ἔφη, πολλὴ γὰρ ἂν ἀλογία εἴη, ἀλλὰ διὰ ταῦτα δή σοι, ὦ Σώκρατες, ἀνακοινοῦμαι, καὶ εἴτι ἄλλο ἔχεις, συμβούλευε, τίνα ἄν τις λόγον διαλεγόμενος ἢ τί πράττων προσφιλὴς παιδικοῖς γένοιτο. — Οὐ ῥᾴδιον, ἦν δ᾽ ἐγώ, εἰπεῖν· ἀλλ᾽ εἴ μοι ἐθελήσαις αὐτὸν ποιῆσαι εἰς λόγους ἐλθεῖν, ἴσως ἂν δυναίμην σοι ἐπιδεῖξαι, ἃ χρὴ αὐτῷ διαλέγεσθαι ἀντὶ τούτων, ὧν λέγειν οὗτοι καὶ ᾄδειν φασί σε. — Ἀλλ᾽ οὐδέν, ἔφη, χαλεπόν. Ἂν γὰρ εἰσέλθῃς μετὰ Κτησίππου τοῦδε, καὶ καθεζόμενος διαλέγῃ, οἶμαι μὲν καὶ αὐτὸς πρόσεισι· φιλήκοος γάρ, ὦ Σώκρατες, δ ιαφ ερόντως
Erster Entwurf (handschriftlich)
nicht wollen zugestehen, daß er ein guter Dichter sei, da er sich selbst schadet. — Nein beim Zeus sagte er, | denn das wäre große Unvernunft. Aber eben deshalb o Sokrates vertraue ich mich dir; und hast du etwas anderes so rathe mir was für Reden man durchführen und was thun und meiden muß um dem Geliebten angenehm werden zu können. — Nicht leicht, sprach ich, ist das zu sagen; wolltest du aber bewirken daß er selbst mir zum Gespräch käme dann vielleicht könnte ich dir zeigen was du mit ihm reden mußt anstatt dessen was wie diese sagen du redest und singst. — Das antwortete er ist nicht schwer; denn wenn du nur mit dem Ktesippos hier hineingehst dich niedersezend im Gespräch so glaube ich wird er von selbst herzukommen denn hörbegierig o Sokrates ist er vorzüglich.
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Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu 2 Übers.A (verl.): D i c h t e r i s t — S c h a d e n i s t . sei — ist.
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T 2 Dichter sei, da er sich selbst schadet] Dichter ist ... Schaden ist Übers.A (verl.) aus Spld. | Dichter sei ... Schaden ist Spld., vgl. W1 W2 5 vertraue…dir] über möchte ich mich mit dir einlassen 6 Reden] über Dinge 7 durchführen] über sagen | und1] über oder | was] danach man | und meiden] über der Zeile ohne Einfügungszeichen 8 um] über der Zeile mit Einfügungszeichen 8f werden zu können] können über zu werden 14f antwortete] über sagte 19 hörbegierig] über hören mag er | ist er vorzüglich] über lieber als Jeder
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stehn wollen, daß er ein guter Dichter sei, da er sich selbst zum Schaden ist. — Nein, beim Zeus, sagte er, das wäre ja große Unvernunft. Aber deshalb eben, o Sokrates, vertraue ich mich dir, und hast du etwas anderes, so rathe mir worüber man reden und was man thun muß um dem Geliebten angenehm zu werden. — Nicht leicht, sprach ich, ist das zu sagen: wolltest du aber bewirken, daß er mir selbst zum Gespräch käme, so könnte ich dir vielleicht einen Versuch zeigen, was mit ihm zu reden ist anstatt dessen, was, wie diese sagen, du redest und singst. — Das, sagte er, | hat keine Schwierigkeit. Denn wenn du nur mit dem Ktesippos hier hineingehst und dich niedersezest im Gespräch, so glaube ich wird er schon von selbst herzukommen; denn hörbegierig, o Sokrates, ist er vor Allen.
wollen, daß er ein guter Dichter sei, da er sich selbst zum Schaden ist. — Nein, beim Zeus, sagte er, das wäre ja große Unvernunft. Aber deshalb eben, o Sokrates, vertraue ich mich dir, und hast du etwas anderes, so rathe mir, worüber man denn reden und was man thun muß um dem Geliebten angenehm zu werden. — Nicht leicht, sprach ich, ist das zu sagen: wolltest du aber bewirken, daß er mir selbst zum Gespräch käme, so könnte ich dir vielleicht einen Versuch zeigen, was mit ihm zu reden ist anstatt dessen, was, wie diese sagen, du redest und singst. — Das, sagte er, | ist nichts schweres. Denn wenn du nur hier mit dem Ktesippos hineingehst und dich niedersezest im Gespräch, so glaube ich wird er schon von selbst herzukommen; denn hörbegierig, o Sokrates, ist er vor Allen.
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ἐστί· καὶ ἅμα, ὡς Ἑρμαῖα ἄγουσιν, ἀναμεμιγμένοι ἐν ταυτῷ εἰσιν οἵ τε νεανίσκοι καὶ οἱ παῖδες. Πρόσεισιν
Erster Entwurf (handschriftlich)
Zumal da die Hermäen gefeiert werden sind Jünglinge und Knaben ohne Unterschied zusammen.9 Er kommt dir also gewiß. Wo 9
E (SN 155/1) Die Stellung kommt mir nicht mehr so schlecht vor als ehedem. Es ist hier gleichsam schon voraus gedacht was in der Folge an der Verschamtheit des Lysis gesagt wird. Diese wird durch die allgemeine Vermischung eher gehoben. Allein wie ist es mit dem aus dem Aeschines angeführten Gesez. Bestand dieses damals schon, wie konnte Sokrates mit dem Ktesippos und den andern in die Palaistra gehen? | A (SN 155/2) κ α ι α μ α ὡ ς Ε ρ μ α ι α p. Die Stellung kommt mir nicht so schlecht mehr vor. Ich beziehe es auf die hernach erwähnte Verschämtheit des Lysis, die er bei der größeren Freiheit der Hermäen leichter überwinden würde. – Rambach zum Potter bezweifelt daß die Hermäen ein Knabenfest gewesen, weil es sonst widersprechend wäre keinen των εν ηλικια zuzulassen. Allein dies sind die εφηβοι und νεοι und es konnte ein Fest der παιδων allein sein. Wie aber wenn kein νεος in die Palaistra durfte an den Hermäen kann Hippothales dieses sagen und Sokrates mit dem Ktesippos hineingehn? Ich kann es mir nicht anders erklären als daß das Verbot nur auf die Opfer geht und auf den Ort wo sie vorgenommen wurden. Deshalb auch vielleicht die νεοι vorher alle draußen standen. Wer nun die Stelle im Aeschines nachsehn könnte!
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu Anm. 9 A (Forts. der Note zu Anm. 8 A): Die Worte des Aeschines stehn hier zu Dienste: ὁ νομοθέτης — προστάττει — περὶ ἑρμαίων ἐν ταῖς παλαίστραις· — (aus dem Geseze selbst) μὴ ἐξέστω τοῖς ὑπὲρ τὴν τῶν T 3 zusammen] Markierung und am Rand Notiz für die später ausgeführte Anm. (Anm. 9 E): NB Das Gesez im Aeschines. Geht es nicht auf die νεους? oder ist es später? T Anm. 9 A 21 Hippothales] Hipp. SN 155/2 S Anm. 9 EA mit Spld. u. a. Das Problem der Stellung der Worte denn hörbegierig […] ohne Unterschied zusammen hat Heindorf z. St. (S. 11 f.) behandelt. Sie unterbrechen den Gedankengang (denn wenn du nur mit dem Ktesippos […] wenn er ja nicht von selbst kommt)
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Zumal nun die Hermäen gefeiert werden sind Knaben und Jünglinge ohne Unterschied zusammen,2 er
Zumal sie nun die Hermaien feiern, si nd Knaben und J üngli nge ohne Unterschied zusammen;1 er
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Zumal nun die Hermäen gef e i e r t w e r d e n . Rambach zum Potter I, 868. bezweifelt die Hermäen seien ein Knabenfest gewesen, weil es | widersprechend gewesen wäre, alsdann keinen erwachsenen Jüngling μηδένα τῶν ἐν ἡλικίᾳ zuzulassen. Dies ist nichts gesagt; denn die Knaben παῖδες waren eine ganz andere Ordnung, als die ἐν ἡλικίᾳ, welches die ἔφηβοι und νέοι waren. Zum Ueberfluß wird in demselben Gesez, welches Aeschines in Timarch. leider nur fragmentarisch citirt, das ἐν ἡλικίᾳ durch τοῖς ὑπὲρ τὴν τῶν παίδων ἡλικίαν οὖσιν ausdrücklich erklärt. Das Knabenfest bleibt also. Aber wenn, wie jenes Gesez besagt, kein Erwachsener bei jenem Fest in die Palästra eingelassen wurde, wie kann Hippothales einen solchen Vorschlag thun? wie kann Sokrates mit dem Ktesippos und allen Uebrigen hineingehen? wie kann der ganze Dialog bestehen? Daß Platon den Umgebungen eines Dialogs zu Liebe eine heilige Athenische Gewohnheit mit Füßen treten sollte, ist ganz undenkbar; vielmehr hätte er bei so bewandter Sache gar nicht auf den Gedanken kommen können, einen Dialog an diesem Fest in die Palästra zu verlegen. Das Verbot redet aber wohl nicht von der Palästra überhaupt, sondern nur von dem Opfer und dem Ort wo es vollbracht wurde, es sei nun nur in Beziehung auf die Hermäen oder ganz allgemein. Ἑρμαῖα sind die Altäre des Hermes in den Palästren; ob grade am äußeren Eingang, wäre noch zu bezweifeln. Unter dieser sehr leichten Voraussezung ist Platon ganz in der Ordnung. Denn vorher standen
T 1 Hermäen] Hermeien W1 S. 186, korr. im Druckfehler-Verzeichnis W1 S. 413; zu Hermeien für einen speziellen Ort und Hermäen für das Fest s. Spalte 2 App. S. 3 er] verdruckt Er W1
Zumal sie nun die Hermaien f e i e r n . Rambach zum Potter I, 868. bezweifelt die Hermaien seien ein Knabenfest gewesen, weil es widersprechend gewesen wäre, alsdann keinen erwachsenen Jüngling μηδένα τῶν ἐν ἡλικίᾳ zuzulassen. Dies ist nichts gesagt; denn die Knaben παῖδες waren eine ganz andere Ordnung, als die ἐν ἡλικίᾳ, welches die ἔφηβοι und νέοι waren. Zum Ueberfluß wird in demselben Gesez, welches Aeschines in Timarch. leider | nur fragmentarisch citirt, das ἐν ἡλικίᾳ durch τοῖς ὑπὲρ τὴν τῶν παίδων ἡλικίαν οὖσιν ausdrücklich erklärt. Das Knabenfest bleibt also. Aber wenn, wie jenes Gesez besagt, kein Erwachsener bei jenem Fest in die Palaistra eingelassen wurde, wie kann Hippothales einen solchen Vorschlag thun? wie kann Sokrates mit dem Ktesippos und allen Uebrigen hineingehen? wie kann der ganze Dialog bestehen? Daß Platon den Umgebungen eines Dialogs zu Liebe eine heilige Athenische Gewohnheit mit Füßen treten sollte, ist ganz undenkbar; vielmehr hätte er bei so bewandter Sache gar nicht auf den Gedanken kommen können, einen Dialog an diesem Fest in die Palaistra zu verlegen. Das Verbot redet aber wohl nicht von der Palaistra überhaupt, sondern nur von dem Opfer und dem Ort wo es vollbracht wurde, es sei nun nur in Beziehung auf die Hermaien oder ganz allgemein. Ἑρμαῖα sind die Altäre des Hermes in den Palaistren; ob grade am äußeren Eingang, wäre noch zu bezweifeln. Unter dieser sehr leichten Voraussezung ist Platon ganz in der Ordnung. Denn vorher standen
T Anm. 1 16 παίδων] verdruckt τ- W2 S Anm. 1 Vgl. Spalte 3 App. T und Spalte 2 App. S zu Anm. 9.
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οὖν σοι· εἰ δὲ μή, Κτησίππῳ συνήθης ἐστί, διὰ τὸν τού-
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nicht so ist er doch sehr bekannt mit dem
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) Forts. der Note zu Anm. 9 A παίδων ἡλικίαν οὖσιν εἰσιέναι τῶν παίδων ἔνδον ὄντων, ἐὰν μὴ υἱὸς διδασκάλου ἢ ἀδελφὸς ἢ θυγατρὸς ἀνήρ. ἐὰν δέ τις παρὰ ταῦτ' εἰσίῃ, θανάτῳ ζημιούσθω. καὶ οἱ γυμνασιάρχαι τοῖς ἑρμαίοις μὴ ἐάτωσαν συγκαθιέναι μηδένα τῶν ἐν ἡλικίᾳ τρόπῳ μηδενί. Dazu kein erklärendes Wort von Taylor oder Reiske (welchem ich wol mit Unrecht nachgeschrieben συγκαθιέναι für συγκατιέναι) außer daß R. sagt: H e r m a e a s u n t p a l a e s t r a e . Dazu noch im Index (mit Zitazion dieser Stelle) ἑρμεῖα (non ἑρμαῖα) arae et aediculae Mercurio consecratae, in ostiis palaestrarum, apud quas religione fungi necesse erat intrantes et exeuntes. Daraus machen Sie nun einmal was. Freilich wird aus dem Aeschines keinesweges klar, daß von einem Fest ἑρμαῖα die Rede sei. Aber das ganze Gesez beweiset so viel, daß die meisten Platonischen Dialogen darüber zu Grunde gehen. Denn wie komt denn Sokrates hinein in die Palästren? | Expectandus est Böttigerus. Oder werden Sie böse, bei dieser Vertröstung? Aber die Heindorfsche Umstellung halte ich gar nicht für so nöthig. [dann von Buttmanns Hand] Hdf. will ja nicht emendiren; er spricht von einer σύγχυσις im Stil. – Wenn übrigens im Gesetz bloß von ῾Ερμ ε ί οις die Rede wäre, im Plato aber von einer an den Ἑρμ α ί οις (Saturnalien) geltenden Freiheit? B. S Forts. Anm. 9 und gehören eigentlich logisch als Begründung ans Ende der Gesamtpassage. Es handelt sich hierbei nicht um eine Emendation Heindorfs, sondern um eine paraphrasierende Deutung der Logik des Textes, die im griechischen Original stilistisch bewußt verdreht wurde. Heindorf z. St. (S. 12) weist auf das von Aischines, Gegen Timarchos 12 (1,12) zitierte Gesetz hin, daß Ältere und Jüngere nicht gemeinsam ins Gymnasium durften. Dies wirft in der Tat das Problem auf, wie sie sich dann überhaupt dort treffen konnten. Die heutige Forschung hält es tatsächlich für einen späten Zusatz bei Aischines, der die klassischen Verhältnisse nicht abbildet (vgl. Fisher, Nick: Aeschines. Against Timarchos, Oxford 2001, S. 135). Schleiermachers Anmerkungen (Anm. 9 A sowie W1 Anm. 2 und W2 Anm. 1) und die Noten Spaldings und Buttmanns geben das Ringen der frühen Forschung um das Problem wieder; zitiert sind: Oratorum Graecorum volumen tertium Aeschinis omnia complectens. Editionem curavit Io. Iacobus Reiske, Leipzig 1771, 36-39, bes. 38; Oratorum Graecorum volumen quartum Aeschinis secundum. Curavit Io. Iacobus Reiske, Leipzig 1771, Index Graecitatis Aeschineae, 945-1218, hier 1060. ΔΗΜΟΣΘΕΝΟΥΣ ΚΑΙ ΑΙΣΧΙΝΟΥ ΕΝΙΟΙ ΛΟΓΟΙ ΕΚ-
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kommt dir also gewiß. Wo nicht, so ist er doch sehr bekannt mit dem
kommt dir also gewiß. Wo nicht, so ist er doch sehr bekannt mit dem
die jungen Männer alle draußen während nämlich die heiligen Gebräuche vollbracht wurden, welche vielleicht an dem festlichen Tage mehreren Raum erforderten. Auch hernach wird Menexenos noch zum Behuf einer Opferhandlung in einen innern Theil der Palästra wie es scheint, abgerufen. So ist auch die hier behauptete größere Freiheit am Fest in keinem Widerspruch mit dem Gesez. Vielmehr ergiebt sie sich von selbst daraus, daß die Knaben an diesem Tage keine Uebungen verrichteten und sich also ohne besondere Erlaubniß zerstreuen durften, um ihre Bekannten aufzusuchen.
die jungen Männer alle draußen, während nämlich die heiligen Gebräuche vollbracht wurden, welche vielleicht an dem festlichen Tage mehreren Raum erforderten. Auch hernach wird Menexenos noch zum Behuf einer Opferhandlung, in einen innern Theil der Palaistra, wie es scheint, abgerufen. So ist auch die hier behauptete größere Freiheit am Fest in keinem Widerspruch mit dem Gesez. Vielmehr ergiebt sie sich von selbst daraus, daß die Knaben an diesem Tage keine Uebungen verrichteten, und sich also ohne besondere Erlaubniß zerstreuen durften, um ihre Bekannten aufzusuchen.
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του ἀνεψιὸν Μενέξενον· Μενεξένῳ γὰρ δὴ πάντων μάλιστα ἑταῖρος ὢν τυγχάνει· καλεσάτω οὖν οὗτος αὐτόν, ἐὰν ἄρα μὴ προσίῃ αὐτός. — Ταῦτα, ἦν δ᾽ ἐγώ, χρὴ ποιεῖν, καὶ ἅμα λαβὼν τὸν Κτήσιππον προσῇειν εἰς τὴν παλαίστραν· οἱ δ᾽ ἄλλοι
Erster Entwurf (handschriftlich)
Ktesippos durch dessen Vetter Menexenos denn der ist sein erster Freund vor allen. Dieser hier also kann ihn rufen wenn er ja nicht von selbst kommt. — So sagte ich müssen wir thun. Und somit nahm ich den Ktesippos und ging in die Palaistra, die
T 1 dessen] über dss (d. i. dieses)
7 ποιεῖν, καὶ] ποιεῖν. Καὶ Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W2
S Forts. Anm. 9 ΛΕΚΤΟΙ. Graece et Latine in duobus tomis. Tomus Primus. Ed. Ioannes Taylor, Cambridge 1774, bes. S. 15 (Gesetz mit συγκατιέναι) mit Noten S. 87 f. (u. a. zu συγκαθιέναι/συγκατιέναι); John Potter: Griechische Archäologie, oder Alterthümer Griechenlandes, aus dem Engl. übers. u. mit Anm. und Zusätzen vermehrt v. Johann Jacob Rambach, Bd. 1, Halle 1775 [SB 1533], S. 868 f. Buttmann (Spld. u. a. [SN 155/3]) spielt schließlich auch mit dem Gedanken, ob in dem o. g. Gesetz gar nicht vom Verbot des Zusammenkommens beim Fest der Hermaia die Rede ist, sondern am Hermes-Tempel (Hermeion) am Eingang des Gymnasiums, so daß gar kein Bezug zu der Stelle im Lysis bestünde. Spalding erhofft sich nähere Auskunft von dem Altphilologen und Archäologen Karl August Böttiger (1760-1835), der in Berlin erwartet wurde (G. L. Spalding an Schleiermacher, 21. November 1803: KGA V/7, Nr. 1599.102-115.155-157; vgl. auch Nr. 1577.159; Nr. 1640.47-51).
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Ktesippos durch dessen Vetter Menexenos, der sein vertrautester Freund ist unter allen. Ktesippos also kann ihn rufen, wenn er ja nicht von selbst kommt. — So sprach ich müssen wir es machen, und somit nahm ich mir den Ktesippos und ging in die Palästra; die Andern aber gingen hinter uns.
Ktesippos durch dessen Vetter Menexenos, der sein vertrautester Freund ist unter allen. Ktesippos also kann ihn rufen, wenn er ja nicht von selbst kommt. — So sprach ich müssen wir es machen; und somit nahm ich den Ktesippos und ging in die Palaistra, die Andern aber gingen hinter uns.
S 6 machen; und] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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ὕστεροι ἡμῶν ᾖεσαν. Εἰσελθόντες δὲ κατελάβομεν αὐτόθι τεθυκότας τε τοὺς παῖδας καὶ τὰ περὶ τὰ ἱερεῖα σχεδόν τι ἤδη πεποιημένα, ἀστραγαλίζοντάς τε δὴ καὶ κεκοσμημένους ἅπαντας. Οἱ μὲν οὖν πολλοὶ ἐν τῇ αὐλῇ ἔπαιζον ἔξω, οἱ δέ τινες τοῦ ἀποδυτηρίου ἐν γωνίᾳ ἠρτίαζον, ἀστραγάλους παμπόλλους ἐκ φορμίσκων τινῶν προαιρούμενοι. Τούτους δὲ περιέστασαν ἄλλοι θεωροῦντες, ὧν δὴ καὶ ὁ Λύσις ἦν, καὶ εἱστήκει ἐν τοῖς παισί τε καὶ νεανίσκοις ἐστεφανωμένος, καὶ τὴν ὄψιν διαφέρων· οὐ τῷ καλὸς εἶναι μόνον ἄξιος ἀκοῦσαι, ἀλλ᾽ ὅτι καλός τε κἀγαθός. Καὶ ἡμεῖς εἰς τὸ καταντικρὺ ἀποχωρήσαντες ἐκαθεζόμεθα, ἦν γὰρ αὐτόθι ἡσυχία, καί τι ἀλλήλοις διελεγόμεθα. Περιστρεφόμενος οὖν ὁ Λύσις θαμὰ ἐπεσκο-
11f ἀστραγάλους παμπόλλους] ἀστραγάλοις παμπόλλοις Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 43 [115,7], übersetzt W2 19–21 οὐ τῷ καλὸς εἶναι μόνον ἄξιος ἀκοῦσαι] οὔτοι καλὸς εἶναι μόνον ἄξιος ἀκοῦσαι konj. Heindorf z. St. (S. 13), übersetzt SN 155/1 W1 W2
Erster Entwurf (handschriftlich)
Andern aber gingen hinter uns. Als wir nun hineintraten fanden wir dort die Knaben, nach vollbrachtem Opfer und fast aller heiligen Dinge Vollendung, alle schön geschmükt mit Astragalen spielend. Die meisten nun spielten im Vorhofe draußen einige aber in einer Eke des Auskleidegemachs spielten grade und ungrade in großer Menge immer die Astragalen10 aus den Körbchen ausschüttend. Um diese standen Andere her und sahen zu; deren einer dann auch Lysis war, welcher bekränzt unter den Knaben und Jünglingen stand ausgezeichnet vor Allen durch seine Gestalt nicht nur schön genannt zu werden würdig sondern auch edel. Wir nun gingen abwärts und sezten uns gegenüber denn dort war es ruhig und redeten etwas untereinander. Lysis aber wendete sich häufig um und sah nach uns,
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A (SN 155/2) α σ τ ρ α γ α λ ο ι . Kann und soll man sie übersezen?
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu 2–5 Übers.A (verl.): f a n d e n w i r — s p i e l e n . — spielend. 16 Übers.A (verl.): a u c h e d e l . schön und edel. [dann von Buttmanns Hand] Spald. scheint den Gräcismus ins Deutsche aufnehmen zu wollen. B. T 2–5 fanden…spielend] fanden wir ... spielen Übers.A (verl.) aus Spld. | ... spielend korr. Spld., vgl. W1 W2 3f nach vollbrachtem Opfer und fast aller heiligen Dinge Vollendung] korr. aus das Opfer schon vollbracht und alle heiligen Dinge fast vollendet 5 mit Astragalen spielend] über bei den Wurfeln | Astragalen] am Rand – offenbar als Markierung einer der Abschrift hinzuzufügenden Anmerkung (vgl. Anm. 10 A) – x) Astragalen SN 155/1 7 einer] korr. aus einem 7f Auskleidegemachs] -gemachs über -zimmers; das ganze Wort unterstrichen 9 Astragalen] unterstrichen 11 deren einer] über unter welchen 12 welcher] über der Zeile mit Einfügungszeichen 13 stand] -and über stehend 15 schön genannt zu werden würdig] über der Schönheit wegen ⌈zu achten⌋ 16 auch edel] schön und edel Spld., vgl. W1 W2 | edel] über für gut u. edel mußte man ihn halten | abwärts] über beiseite
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Als wir nun hineintraten, fanden wir dort die Knaben nach vollbrachtem Opfer und fast aller heiligen Dinge Vollendung, Alle schön geschmükt mit den Astragalen spielend. Die meisten nun spielten im Vorhofe draußen; einige aber spielten gerade und ungerade in einem Winkel des Auskleidegemachs, in großer Menge immer die Astragalen aus den Körbchen ausschüttend. Um diese her standen Andere zusehend, deren einer dann auch Lysis war, welcher bekränzt unter den Knaben und Jünglingen stand, ausgezeichnet vor Allen durch seine Gestalt, nicht etwa nur daß er schön genannt zu werden verdiente, sondern schön und edel. Wir nun gingen abwärts, und sezten uns gegenüber, denn dort war es ruhig, und redeten etwas mit einander. Lysis aber wendete sich häufig um, und
Als wir nun hineintraten, fanden wir dort die Knaben nach vollbrachtem Opfer und fast aller heiligen Dinge Vollendung, Alle schön geschmükt mit Knöcheln spielend. Die meisten nun spielten im Vorhofe draußen; einige aber auch in einem Winkel des Auskleidegemachs, spielten grade und ungrade mit gar vielen Knöcheln, die sie aus den Körbchen vorholten. Um diese her standen Andere zusehend, deren einer dann auch Lysis war, welcher dastand unter den Knaben und Jünglingen bekränzt und durch sein Ansehn sich auszeichnend vor Allen, nicht etwa nur schön zu heißen verdienend, sondern schön und edel. Wir nun bogen um und sezten uns gegenüber, denn dort war es ruhig, und redeten etwas mit einander. Lysis aber sah sich häufig um nach
T 5f mit den Astragalen spielend] in Klammern W1 S. 186, korr. im DruckfehlerVerzeichnis W1 S. 413
S 9f mit gar vielen Knöcheln] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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πεῖτο ἡμᾶς, καὶ δῆλος ἦν ἐπιθυμῶν προσελθεῖν. Τέως μὲν οὖν ἠπόρει τε καὶ ὤκνει μόνος προσιέναι· ἔπειτα ὁ Μενέξενος ἐκ τῆς αὐλῆς μεταξὺ παίζων εἰσέρχεται, καὶ ὡς εἶδεν ἐμέ τε καὶ τὸν Κτήσιππον, ᾔει παρακαθιζησόμενος. Ἰδὼν οὖν αὐτὸν ὁ Λύσις ἕσπετο καὶ συμπαρεκαθέζετο μετὰ τοῦ Μενεξένου. Προσῆλθον δὴ καὶ οἱ ἄλλοι, καὶ δὴ καὶ ὁ Ἱπποθάλης ἐπειδὴ πλείους ἑώρα ἐφισταμένους, τούτους ἐπηλυγασάμενος προσέστη, ᾗ μὴ ᾤετο κατόψεσθαι τὸν Λύσιν, δεδιὼς μὴ αὐτῷ ἀπεχθάνοιτο, καὶ οὕτω προσεστὼς ἠκροᾶτο. Καὶ ἐγὼ πρὸς τὸν Μενέξενον ἀποβλέψας, ὦ παῖ Δημοφῶντος, ἦν δ᾽ ἐγώ, πότερος ὑμῶν πρεσβύτερος; — Ἀμφισβητοῦμεν, ἔφη. — Οὐκοῦν καὶ ὁπότερος γενναιότερος, ἐρίζοιτ᾽ ἄν, ἦν δ᾽ ἐγώ. — Πάνυ γε, ἔφη. — Καὶ μὴν ὁπότερός γε καλλίων, ὡσαύτως. Ἐγελασάτην οὖν ἄμφω. Οὐ μὴν ὁπότερός γε, ἔφην, πλουσιώτερος ὑμῶν, οὐκ ἐρήσομαι, φίλω γάρ ἐστόν. Ἦ γάρ; — Πάνυ γ᾽, ἐφάτην. — Οὐκοῦν κοινὰ τά γε φίλων λέγεται, ὥστε τούτῳ γε οὐδὲν διοίσετον, εἴπερ ἀληθῆ περὶ τῆς φιλίας λέγε-
Erster Entwurf (handschriftlich)
und offenbar hatte er großes Verlangen heranzukommen. Anfangs nun zweifelte er und war bedenklich allein heranzugehn hernach aber kam Menexenos während des Spiels aus dem Vorhofe herein und da er mich und den Ktesippos gewahr ward kam er um sich zu uns zu sezen. Diesem also folgte Lysis sobald er ihn sah und sezte sich ebenfalls zu uns nächst dem Menexenos. Darauf traten auch die andern hinzu, und auch Hippothales da er mehrere herumstehen sah verstekte sich hinter diesen und stellte sich wo er glaubte nicht von Lysis gesehen zu werden aus Furcht ihm zuwider zu sein und so ganz nahe stehend hörte er zu. Ich also wandte mich zu dem Menexenos und sagte O Sohn des Demophon welcher von Euch | ist der ältere? — Wir sind uneins darüber antwortete er. — Auch wol darüber sagte ich könntet ihr streiten, welcher der vornehmere wäre. — Allerdings. — Gewiß auch welcher der schönere, nicht minder, da lachten sie beide. Keinesweges aber sagte ich werde ich fragen welcher der reichere ist von Euch. Denn ihr seid ja Freunde nicht wahr? — Gar sehr, sagten sie. — Und Freunden ist ja alles gemein sagt man: so daß ihr hierin nicht könnt verschieden sein11 wenn Ihr anders die Wahrheit sagt von den 11
E (SN 155/1) Es fragt sich heißt διαφερειν hier: ob ihr Euch hierüber streiten könnt. Oder: Ihr könnt also nicht einer reicher sein als der andere. Zweideutig weiß ich es im deutschen nicht zu geben. | A (SN 155/2) ουδεν διοισετον. Welche Bedeutung von διαφερειν hat hier die Oberhand? Sie klingen gewiß beide.
T 1 großes] korr. aus große | Verlangen] über Lust 7 um sich zu uns zu sezen] über und sezte sich zu uns 7f Diesem also folgte Lysis sobald er ihn sah] korr. aus Da nun diesen Lysis sah folgte er sogleich 15 ganz nahe] über der Zeile mit Einfügungszeichen 18 Euch] hochgestellt (–) 28 verschieden sein] über der Zeile Markierung für Anm. 11 E T Anm. 11 E 30 heißt] hßt SN 155/1
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sah nach uns hin, und hatte offenbar großes Verlangen sich zu uns zu gesellen. Nur daß er damals bedenklich war und verlegen, so allein heranzukommen; bis hernach Menexenos währendes Spiels aus dem Vorhofe | hereinkam, und als er mich und den Ktesippos gewahr ward, herbeikam, um sich zu uns zu sezen. Diesem also folgte Lysis, sobald er ihn sah, und sezte sich ebenfalls zu uns neben dem Menexenos. Darauf nun traten auch die Andern herzu, und auch Hippothales, da er mehrere herumstehen sah, verstekte sich hinter diesen, und stellte sich wo er glaubte vom Lysis nicht gesehen zu werden, aus Furcht ihm zuwider zu sein, und so ganz nahe bei hörte er zu. Ich also wendete mich zum Menexenos, und sagte: Welcher von euch, o Sohn des Demophon, ist wohl der Aeltere? — Wir sind ungewiß darüber, antwortete er. — Auch wohl darüber, sprach ich, könntet ihr streiten, welcher der Vornehmere wäre? — Allerdings. — Gewiß auch welcher der Schönere, eben so? Da lachten sie beide. Keinesweges aber, sprach ich weiter, will ich fragen, welcher der Reichere ist von euch beiden, denn ihr seid ja Freunde, nicht wahr? — Gar sehr, sagten sie. — Und Freunden ist ja alles gemein, wie man sagt. So daß hierin keine Verschiedenheit statt finden kann, wenn ihr anders die Wahrheit sagt
uns, und hatte offenbar große Lust sich zu uns zu gesellen. So lange nun war er bedenklich und verlegen, allein heranzukommen; hernach kam Menexenos währendes Spiels aus dem Vorhofe herein, und als er mich und den Ktesippos gewahr ward, | kam er um sich zu uns zu sezen. Als das Lysis sah, folgte er ihm und sezte sich ebenfalls zu uns neben den Menexenos. Darauf nun traten auch die Andern herzu, und auch Hippothales, da er mehrere herumstehen sah, verstekte sich hinter diesen, und stellte sich, wo er glaubte vom Lysis nicht gesehen zu werden, aus Furcht es möchte ihm zuwider sein, und so ganz nahe bei hörte er zu. Ich also wendete mich zum Menexenos, und sagte: Welcher von euch, o Sohn des Demophon, ist wohl der Aeltere? — Wir streiten darüber, antwortete er. — Auch wohl darüber, sprach ich, könntet ihr streiten, welcher der Vornehmere wäre? — Allerdings. — Gewiß auch welcher der Schönere, eben so? Da lachten sie beide. Keinesweges aber, sprach ich weiter, will ich fragen, welcher der Reichere ist von euch beiden, denn ihr seid ja Freunde, nicht wahr? — Gar sehr, sagten sie. — Und Freunden ist ja alles gemein, wie man sagt. So daß hierin keine Verschiedenheit statt finden kann, wenn ihr anders die Wahrheit sagt
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τον. — Συνεφάτην. — Ἐπεχείρουν δὴ μετὰ τοῦτο ἐρωτᾶν, ὁπότερος δικαιότερος καὶ σοφώτερος αὐτῶν εἴη. Μεταξὺ οὖν τις προσελθὼν ἀνέστησε τὸν Μενέξενον, φάσκων καλεῖν τὸν παιδοτρίβην. Ἐδόκει γάρ μοι ἱεροποιῶν τυγχάνειν. Ἐκεῖνος μὲν οὖν ᾤχετο· ἐγὼ δὲ τὸν Λύσιν ἠρόμην, ἦπου, ἦν δ᾽ ἐγώ, ὦ Λύσι, σφόδρα φιλεῖ σε ὁ πατὴρ καὶ ἡ μήτηρ; — Πάνυ γε, ἦ δ᾽ ὅς. — Οὐκοῦν βούλοιντο ἄν σε ὡς εὐδαιμονέστατον εἶναι; — Πῶς γὰρ οὔ; — Δοκεῖ δέ σοι εὐδαίμων εἶναι ἄνθρωπος δουλεύων τε καὶ ᾧ μηδὲν ἐξείη ποιεῖν ὧν ἐπιθυμεῖ; — Μὰ Δί᾽ οὐκ ἔμοιγε, ἔφη. — Οὐκοῦν εἴ σε φιλεῖ ὁ πατὴρ καὶ ἡ μήτηρ καὶ εὐδαίμονά σε ἐπιθυμοῦσι γενέσθαι, τοῦτο παντὶ τρόπῳ δηλονότι προθυμοῦνται, ὅπως ἂν εὐδαιμονοίης. — Πῶς γὰρ οὐχί; ἔφη. — Ἐῶσιν ἄρα σε ἃ βούλει ποιεῖν, καὶ οὐδὲν ἐπιπλήττουσιν, οὐδὲ κωλύουσι ποιεῖν ὧν ἂν ἐπιθυμῇς; — Ναὶ μὰ Δία, ἐμέ γε, ὦ Σώκρατες, καὶ μάλα γε πολλὰ κωλύουσι. — Πῶς λέγεις; ἦν δ᾽ ἐγώ,
Erster Entwurf (handschriftlich)
Freundschaften. Das gaben sie zu. Und hierauf war ich eben im Begriff zu fragen, welcher wol gerechter und weiser wäre von ihnen. Indem aber kam einer und sagte dem Menexenos der Aufseher12 riefe nach ihm, ich glaube er hatte die Opferschau. Dieser also ging weg, ich aber fragte den Lysis Gewiß sagte ich o Lysis lieben dich dein Vater und deine Mutter sehr? — Allerdings. — Also wollen sie auch wol dich so glüklich als möglich wissen? — Wie sollten sie nicht? — Scheint dir aber der Mensch glüklich zu sein, welcher dient und welchem nichts zu thun erlaubt ist, wozu er Lust hat? — Beim Zeus, mir nicht, sagte er! — Also wenn dich Vater und Mutter lieben, und begehren daß du glüklich werdest, so sorgen sie offenbar auf jede Weise dafür daß du auch wirklich glüklich seist? — Wie sollten sie nicht? sagte er. — Sie lassen dich also thun was du willst und schelten dich um nichts, oder wehren dir zu thun wenn dich irgend etwas gelüstet? — Ja wol, beim Zeus wehren sie mir o Sokrates, und das gar vieles. — Wie sagst du, 12
A (SN 155/2) παιδοτριβην Aufseher schlecht übersezt. Die unkundigen werden glauben es sei der παιδαγωγος.
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu 5 Übers.A (verl.) (mit Anm. 12 A): A u f s e h e r . „ Meister, oder Meister der Palästra“, mit Rüksicht auf Ihre Note. 6 Übers.A (verl.): m i c h d ü n k t . es schien. 10f Übers.A (verl.): d i c h s o — m a c h e n . Dich so glüklich machen als möglich. T 2 war ich eben im Begriff] über hatte ich im Sinn 5 Aufseher] Meister der Palästra Spld., vgl. W1 W2 6 ich glaube] mich dünkt Übers.A (verl.) aus Spld. | es schien Spld. | es schien mir W1 W2 | die Opferschau] 10 wollen] über wünüber Opferverrichtungen schen 10f dich so glüklich als möglich wissen] korr. aus daß du so glüklich als möglich seist SN 155/1 | dich so ... machen Übers.A (verl.) aus Spld. | dich so glüklich machen als möglich Spld., vgl. W1 13 welchem] über dem 22 wenn] über was | etwas] über der Zeile mit Einfügungszeichen
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von der Freundschaft. — Das gaben sie zu. — Und hierauf war ich eben im Begriff zu fragen, welcher wohl der gerechtere und weisere wäre von ihnen. Indem aber kam einer, dem Menexenos zu sagen, der Meister der Palästra riefe nach ihm; es schien mir, als habe er die Opferschau. Dieser also ging weg; ich aber fragte den Lysis weiter, und sagte: Gewiß, o Lysis, lieben dich dein Vater und deine Mutter sehr? — Allerdings, sagte er. — Also wollen sie auch wohl dich so glüklich machen als möglich? — Wie sollten sie nicht? — Scheint dir aber der glüklich zu sein, welcher Andern dient, und | welcher nichts thun darf, wozu er Lust hat? — Beim Zeus, mir nicht, sagte er. — Also wenn die Eltern dich lieben, und danach streben daß du glüklich werdest, so sorgen sie doch gewiß auf alle Weise dafür, daß du auch wirklich glüklich seist? — Wie sollten sie nicht? sagte er. — Sie lassen dich also thun, was du willst, und schelten dich um nichts, oder verbieten dir etwas zu thun, wozu du Lust hast? — Ja wohl, beim Zeus, verbieten sie mir, o Sokrates, und das gar Vieles. — Wie
von eurer Freundschaft. — Das gaben sie zu. — Und hierauf war ich eben im Begriff zu fragen, welcher wohl der gerechtere und weisere wäre von ihnen. Indem aber kam einer dem Menexenos zu sagen, der Meister der Palaistra riefe nach ihm; es schien mir, als habe er die Opferschau. Dieser also ging weg; ich aber fragte den Lysis weiter, und sagte: Gewiß, o Lysis, lieben dich dein Vater und deine Mutter sehr? — Allerdings, sagte er. — Also wollten sie auch wohl, daß du so glüklich wärest als möglich? — Wie sollten sie nicht? — Scheint dir aber der glüklich zu sein, welcher dient, und nichts thun darf, wozu er Lust hat? — Beim | Zeus, mir nicht, sagte er. — Also wenn die Eltern dich lieben, und wünschen daß du glüklich seist: so sorgen sie doch gewiß auf alle Weise dafür, daß du ganz zufrieden bist? — Wie sollten sie nicht? sagte er. — Sie lassen dich also thun, was du willst, und schelten dich um nichts, oder verwehren dir etwas zu thun, wozu du Lust hast? — Ja wohl, beim Zeus, wehren sie mir, o Sokrates, und das gar Vieles. — Wie
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βουλόμενοί σε μακάριον εἶναι διακωλύουσι τοῦτο ποιεῖν ὃ ἂν βούλῃ; Ὧδε δέ μοι λέγε· ἢν ἐπιθυμήσῃς ἐπί τινος τῶν τοῦ πατρὸς ἁρμάτων ὀχεῖσθαι λαβὼν τὰς ἡνίας, ὅταν ἁμιλλᾶται, οὐκ ἂν ἐῷέν σε, ἀλλὰ διακωλύοιεν; — Μὰ Δί᾽ οὐ μέντοι ἄν, ἔφη, ἐῷεν. — Ἀλλὰ τίνα μήν; — Ἔστι τις ἡνίοχος παρὰ τοῦ πατρὸς μισθὸν φέρων. — Πῶς λέγεις; μισθωτῷ μᾶλλον ἐπιτρέπουσιν ἢ σοὶ ποιεῖν ὅτι ἂν βούληται περὶ τοὺς ἵππους, καὶ προσέτι αὐτοῦ τούτου ἀργύριον τελοῦσιν; — Ἀλλὰ τί μήν; ἔφη. — Ἀλλὰ τοῦ ὀρικοῦ ζεύγους, οἶμαι, ἐπιτρέπουσί σοι ἄρχειν, κᾂν εἰ βούλοιο λαβὼν τὴν μάστιγα τύπτειν, ἐῷεν ἄν. — Πόθεν, ἦ δ᾽ ὅς, ἐῷεν; — Τί δέ; ἦν δ᾽ ἐγώ, οὐδενὶ ἔξεστιν αὐτοὺς τύπτειν; — Καὶ μάλα, ἔφη, τῷ ὀρεοκόμῳ. — Δούλῳ ὄντι ἢ ἐλευθέρῳ; — Δούλῳ, ἔφη. — Καὶ δοῦλον, ὡς ἔοικεν, ἡγοῦνται περὶ πλείονος ἢ σὲ τὸν υἱόν, καὶ ἐπιτρέπουσι τὰ ἑαυτῶν μᾶλλον ἢ σοί, καὶ ἐῶσι ποιεῖν ὅτι βούλεται, σὲ δὲ διακωλύουσι. Καί μοι ἔτι τόδε εἰπέ, σὲ αὐτὸν ἐῶσιν ἄρχειν σεαυτοῦ, ἢ οὐδὲ τοῦτο ἐπιτρέπουσί σοι; — Πῶς γάρ, ἔφη, ἐπιτρέπουσιν; — Ἀλλ᾽ ἄρχει τίς σου; — Ὅδε παιδαγωγός, ἔφη. — Μῶν δοῦλος ὤν;
Erster Entwurf (handschriftlich)
sprach ich? Sie wollen daß du zufrieden seist und wehren dir doch zu thun was du willst? Sage mir doch dieses. Wenn du Lust hättest auf einem von des Vaters Wagen fahren und wolltest die Zügel nehmen wenn der Wettlauf zu halten ist, würden sie dich nicht lassen sondern es dir wehren? — Gewiß, keinesweges würden sie mich lassen. — Aber wen denn? — Da ist der Wagenführer der bekommt seinen Lohn vom Vater? — Wie sagst du? und einem Mietling verstatten sie lieber als dir zu thun was er will mit den Pferden und geben ihm eben dafür auch noch Geld? — Aber wie sollte es anders sein, sprach er. — Aber das Mauleselgespann glaube ich doch werden sie dir verstatten zu regieren, und wenn du auch die Peitsche nehmen und sie schlagen wolltest würden sie es zugeben? — Woher, sagte er, würden sie es zugeben? — Wie denn sprach ich, ist es Niemandem erlaubt sie zu schlagen? Ja freilich, sagte er, dem Mauleseltreiber. — Und ist der ein Knecht oder ein Freier? — Ein Knecht. — Einen Knecht also wie es scheint achten sie höher als dich den Sohn, und übergeben ihm das ihrige lieber als dir, und lassen ihn thun was er will, dir aber wehren sie es? So sage mir doch noch | dieses, lassen sie dich denn dich selbst regieren oder verstatten sie dir auch dieses nicht? — Wie würden sie das doch verstatten, sagte er. — Sondern es regiert dich einer? — Hier der Knabenführer sprach er. — Ist
T 5 der] über er im 6 zu halten] über der Zeile mit Einfügungszeichen 11 verstatten sie] korr. aus verstattet er 13 ihm] danach noch dazu 13f auch noch] über der Zeile mit Einfügungszeichen 19 es zugeben] über dich lassen 20 es zugeben] über mich lassen
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sagst du? sprach ich, sie wollen, daß es dir wohl gehe, und verwehren dir doch zu thun was du willst? Sage mir doch dieses. Wenn du Lust hättest, auf einem von des Vaters Wagen zu fahren, und die Zügel selbst zu führen, wenn der Wettlauf gehalten wird, würden sie dich nicht lassen, sondern es dir verbieten? — Gewiß keinesweges würden sie mich lassen. — Aber wen denn? — Da ist ein Wagenführer, der bekommt seinen Lohn vom Vater. — Wie sagst du? und einem Miethling erlauben sie eher als dir zu thun was er will mit den Pferden, und geben ihm eben dafür auch noch Geld? — Aber wie sollte es anders sein? sprach er. — Doch das Mauleselgespann glaube ich immer werden sie dir erlauben zu regieren, und auch wenn du die Peitsche nehmen und sie schlagen wolltest, würden sie es zugeben. — Woher, sagte er, würden sie es zugeben? — Wie denn, sprach ich, ist es Niemanden erlaubt, sie zu schlagen? — Ja freilich, sagte er, dem Mauleseltreiber. — Und ist der ein Knecht oder ein Freier? — Ein Knecht. — Einen Knecht also, wie es scheint, achten sie höher als dich ihren Sohn, und übergeben ihm das ihrige lieber als dir, und lassen ihn thun was er will, dir aber verwehren sie es? So sage mir | denn dieses, lassen sie dich wohl dich selbst regieren, oder erlauben sie dir auch dieses nicht? — Wie sollten sie das doch erlauben! sagte er. — Sondern es regiert dich einer? — Hier der Knabenführer, sprach er. — Ist der
sagst du? sprach ich, Sie wollen, daß es dir wohl gehe, und verwehren dir doch zu thun was du willst? Sage mir doch dieses. Wenn du Lust hättest, auf einem von des Vaters Wagen zu fahren, und die Zügel selbst zu führen, wenn Wettlauf gehalten wird, würden sie dich nicht lassen, sondern es dir verwehren? — Beim Zeus, sagte er, sie würden mich doch nicht lassen. — Aber wen denn? — Da ist ein Wagenführer, der bekommt seinen Lohn vom Vater. — Wie sagst du? und einem Miethling erlauben sie eher als dir zu thun was er will mit den Pferden, und geben dem dafür auch noch Geld? — Aber wie anders? sprach er. — Doch das Maulthiergespann glaube ich immer werden sie dir erlauben zu regieren, und auch wenn du die Peitsche nehmen und sie schlagen wolltest, würden sie es zugeben. — Woher, sagte er, würden sie es zugeben? — Wie denn, sprach ich, darf Niemand sie schlagen? — Ja freilich, sagte er, der Maulthiertreiber. — Und ist der ein Knecht oder ein Freier? — Ein Knecht. — Einen Knecht also, wie es scheint, achten sie höher als dich ihren Sohn, und übergeben ihm das ihrige lieber als dir, und lassen ihn thun was er will, dir aber verwehren sie es? So sage mir doch noch dieses, lassen sie dich wohl dich selbst regieren, oder erlauben sie dir | auch dieses nicht? — Wie sollten sie das doch erlauben! sagte er. — Sondern es regiert dich einer? — Hier der Knabenführer, sprach er. — Ist der
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— Ἀλλὰ τί μήν; ἡμέτερός γε, ἔφη. — Ἦ δεινόν, ἦν δ᾽ ἐγώ, ἐλεύθερον ὄντα ὑπὸ δούλου ἄρχεσθαι. Τί δὲ ποιῶν αὖ οὗτος ὁ παιδαγωγός σου ἄρχει; — Ἄγων δήπου, ἔφη, εἰς διδασκάλου. — Μῶν μὴ καὶ οὗτοί σου ἄρχουσιν οἱ διδάσκαλοι; — Πάντως δήπου. — Παμπόλλους ἄρα σοι δεσπότας καὶ ἄρχοντας ἑκὼν ὁ πατὴρ ἐφίστησιν. Ἀλλ᾽ ἆρα, ἐπειδὰν οἴκαδε ἔλθῃς παρὰ τὴν μητέρα, ἐκείνη σε ἐᾷ ποιεῖν ὅτι ἂν βούλῃ, ἵν᾽ αὐτῇ μακάριος ᾖς, ἢ περὶ τὰ ἔρια, ἢ περὶ τὸν ἱστόν, ὅταν ὑφαίνῃ. Οὔτι
Erster Entwurf (handschriftlich)
der auch ein Sklave? — Was doch sonst? unserer nemlich.13 — Ist das nicht schreklich, sagte ich, daß du ein Freier dir mußt von dem Sklaven gebieten lassen? Was thut aber eigentlich dieser Knabenführer wenn er dir gebietet? — Er führt mich eben zum Lehrer. — Und gebieten dir diese nicht auch, die Lehrer? — Allerdings ja. — Gar viele Herrn und Aufseher also bestellt dir dein Vater mit Willen. Aber doch wenn du zu Hause komst zur Mutter läßt diese dich thun was du willst (damit du dort wenigstens zufrieden seist) es sei nun an der Wolle oder am Weberstuhl wenn sie webt. Denn gewiß sie wei13
E (SN 155/1) Wieder zweifelhaft ob es heißt: und zwar ist er unser Sklave, welches fast kindisch scheint. Oder ob es heißt: Unser Knabenführer wenigstens ist ein Sklave. Dann aber würde wol stehn ὅγε ἡμέτερον. | A (SN 155/2) ημετερος γε. Zweifelhaft ob es heißt: und zwar unser Sklave welches fast kindisch scheint. Oder: unser Knabenführer wenigstens ist ein Sklave. Dann müßte aber eigentlich stehn ὅγε ἡμέτερον.
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu 12 Übers.A (verl.): d o r t w e n i g s t e n s . ἵν᾽ αὐτῇ enthält nichts von w e n i g s t e n s und nichts vom Ort. Vielleicht: „um dich glüklich zu sehen.“ Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu: Anm. 13 A: Ich glaube Sie haben ἡμέτ. γε ganz recht gegeben.
18 ὑφαίνῃ. Οὔτι] ὑφαίνῃ; οὔ τι Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W2
T 1f unserer nemlich] über er gehört uns | über der Zeile Markierung für Anm. 13 E und am Rand: ἡμετερος γε 4–6 Was thut aber eigentlich ... wenn er dir gebietet] korr. aus Was aber hat dir ... eigentlich zu gebieten 6 zum Lehrer] über in die Schule 7 gebieten] über befehlen 11 dich] hochgestellt (–) 12f damit du dort wenigstens zufrieden seist] um dich glüklich zu sehen Spld., vgl. W1 W2 T Anm. 13 E 17 Knabenführer] -füher SN 155/1
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auch ein Knecht? — Was sonst? unserer nämlich. — Gewiß, sagte ich, das ist arg, daß dir einem Freien von einem Knechte befohlen wird! Was thut aber eigentlich dieser Knabenführer? worin hat er dir zu gebieten? — Er führt mich eben zum Lehrer. — Und gebieten dir diese etwa nicht auch, die Lehrer? — Allerdings, ja. — Gar viele Herren und Gebieter sezt dir also dein Vater recht mit gutem Willen. Aber doch wenn du nach Hause kommst zur Mutter, läßt diese dich, damit du ihr recht vergnügt seist, alles thun was du willst, es sei nun an der Wolle oder am Weberstuhl, wenn sie webt. Denn gewiß, sie verbietet dir weder
auch ein Knecht? — Was sonst? unserer wenigstens. — Gewiß, sagte ich, das ist arg, daß du ein Freier von einem Knechte regiert wirst! Was thut aber eigentlich dieser Knabenführer, daß er dich regiert? — Er führt mich eben zum Lehrer. — Und gebieten dir die etwa auch, die Lehrer? — Allerdings ja. — Gar viele Herren und Gebieter sezt dir also dein Vater recht mit Bedacht. Aber doch wenn du nach Hause kommst zur Mutter, läßt diese dich, damit du ihr recht vergnügt seist, alles thun was du willst, es sei nun an der Wolle oder am Weberstuhl, wenn sie webt? Denn gewiß, sie verbietet
S 17 webt? Denn] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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γάρ που διακωλύει σε ἢ τῆς σπάθης ἢ τῆς κερκίδος ἢ ἄλλου του τῶν περὶ ταλασιουργίαν ὀργάνων ἅπτεσθαι. — Καὶ ὃς γελάσας, μὰ Δία, ἔφη, ὦ Σώκρατες, οὐ μόνον γε διακωλύει, ἀλλὰ καὶ τυπτοίμην ἂν εἰ ἁπτοίμην. — Ἡράκλεις, ἦν δ᾽ ἐγώ. Μῶν μή τι ἠδίκηκας τὸν πατέρα ἢ τὴν μητέρα; — Μὰ Δί᾽ οὐκ ἔγωγε, ἔφη. — Ἀλλ᾽ ἀντὶ τίνος μὴν οὕτω σε δεινῶς διακωλύουσιν εὐδαίμονα εἶναι καὶ ποιεῖν ὅτι ἂν βούλοιο, καὶ δι᾽ ἡμέρας ὅλης τρέφουσί σε ἀεί τῳ
Erster Entwurf (handschriftlich)
gert dir weder die Weberlade14 noch das Schiff noch irgend ein anderes von den Werkzeugen ihrer Arbeit zu berühren. — Da lachte er und sagte beim Zeus o Sokrates, nicht nur weigert sie mirs sondern ich würde gewiß geschlagen wenn ich etwas anrührte. — Herkules, sagte ich hast du auch nicht etwa den Vater beleidigt oder die Mutter? — Beim Zeus ich nicht sagte er. Aber weshalb hindern sie dich wol so gewaltsam glüklich zu sein und zu thun was du willst? Und lassen dich den ganzen Tag über immer 14
E (SN 155/1) Hier bin ich wieder mit der σπαθη in einer garstigen Verlegenheit. Nach Schneider nemlich ist σπαθη dasselbe am alten senkrechten Weberstuhl was κερκις am wagerechten. Wie kann aber Plato beides zugleich nennen? Er citirt den index rei rust. den ich leider nicht habe. | A (SN 155/2) τ η ς σ π α θ η ς η τ η ς κ ε ρ κ ι δ ο ς . Neue Verlegenheit. Nach Schneider ist σπαθη dasselbe am senkrechten Weberstuhl was κερκις am wagerechten. Hat die Frau einen antiken Weberstuhl und einen modernen? oder wie kann Plato beides zugleich nennen? In der Noth habe ich ad interim etwas anders substituirt.
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu: Anm. 14 A: Wer wird Ihnen was beßeres anweisen können als Ihr a d i n t e r i m ? T 1 Weberlade] über der Zeile Markierung und am Rand Notiz für die später ausgeführte Anm. (Anm. 14 E): Note 12 lassen] über halten 12–472,1 immer unter] über in S Anm. 14 EA Schneider: Griechisch-Deutsches Handwörterbuch, Bd. 2, Jena und Leipzig 1798, S. 539 s. v. σπάθη; dort zitiert: Scriptorum rei rusticae veterum Latinorum Tomi quarti pars posterior seu tertia tenens … Indices scriptorum, nominum proprium, rerum et vocabulorum Gesnerianos. Collegit, auxit et emendavit Io. Gottlob Schneider, Leipzig 1796, S. 371. Vgl. auch Schneider: Griechisch-Deutsches Handwörterbuch, Bd. 1, Jena und Leipzig 1797, S. 772 s. v. κερκίς. – Beim senkrechten Webstuhl handelt es sich um den Gewichtswebstuhl, der aufrecht an einer Wand lehnend verwendet wurde, beim waagerechten um den Flachwebstuhl mit horizontaler Kette.
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die Weberlade3 anzurühren noch den Baum, noch irgend ein anderes von den Werkzeugen ihrer Arbeit. — Da lachte er und sagte, beim Zeus, o Sokrates, nicht nur verbietet sie mirs, sondern ich würde gewiß geschlagen, wenn ich etwas anrührte. — Herakles! sagte ich, hast du auch nicht etwa den Vater beleidigt oder die Mutter? — Beim Zeus, sagte er, ich nicht. — Aber weshalb verwehren sie dir so mit Gewalt glüklich zu sein und zu thun was du willst, und lassen dich den ganzen Tag über immer unter Jemandes
dir weder die Weberlade2 anzurühren noch das Schiff, noch was sonst irgend zu ihrer Weberei gehört? — Da lachte er und sagte, beim Zeus, o Sokrates, nicht nur verbietet sie mirs, sondern ich bekäme gewiß Schläge, wenn ich etwas anrührte. — Herakles! sagte ich, hast du auch etwa dem Vater etwas zuleide gethan oder der Mutter? — Beim Zeus, sagte er, ich nicht. — Aber weshalb verwehren sie dir so mit Gewalt glüklich zu sein und zu thun was du willst, und halten dich den ganzen Tag über immer unter Je-
3 weder d i e W e b e r l a d e . Nach Schneider ist σπάθη dasselbe an dem alten senkrechten Weberstuhl was κερκὶς an dem wagerechten neuen. Erhielten sich beide Arten zugleich bei den Athenischen Frauen? In der Uebersezung mußte etwas anderes die Stelle vertreten; das Schiff wäre indeß schiklicher gewesen als der Baum.
2 weder d i e W e b e r l a d e . Nach Schneider ist σπάθη dasselbe an dem alten senkrech|ten Weberstuhl was κερκὶς an dem wagerechten neuen. Erhielten sich beide Arten zugleich bei den Athenischen Frauen? Und hat Platon mehr gelehrt als anmuthig statt eines neuen Gegenstandes denselben aber in etwas anderer Form zum zweiten mal vorgebracht? In der Uebersezung mußte wie dem auch sei etwas anderes die Stelle vertreten.
S Anm. 3 Vgl. Spalte 2 App. S.
S Anm. 2 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 3.
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δουλεύοντα, καί, ἑνὶ λόγῳ, ὀλίγου ὧν ἐπιθυμεῖς οὐδὲν ποιοῦντα; ὥστε σοι, ὡς ἔοικεν, οὔτε τῶν χρημάτων τοσούτων ὄντων οὐδὲν ὄφελος, ἀλλὰ πάντες αὐτῶν μᾶλλον ἄρχουσιν ἢ σύ, οὔτε τοῦ σώματος, οὕτω γενναίου ὄντος, ἀλλὰ καὶ τοῦτο ἄλλος ποιμαίνει καὶ θεραπεύει· σὺ δὲ ἄρχεις οὐδενός, ὦ Λύσι, οὐδὲ ποιεῖς οὐδὲν ὧν ἐπιθυμεῖς. — Οὐ γάρ που, ἔφη, ἡλικίαν ἔχω, ὦ Σώκρατες. — Μὴ οὐ τοῦτό σε, ὦ παῖ Δημοκράτους, κωλύῃ. Ἐπεὶ τόγε τοσόνδε, ὡς ἐγᾦμαι, καὶ ὁ πατὴρ καὶ ἡ μήτηρ σοι ἐπιτρέπουσι καὶ οὐκ ἀναμένουσιν ἕως ἂν ἡλικίαν ἔχῃς· ὅταν γὰρ βούλωνται αὑτοῖς τινὰ ἀναγνωσθῆναι ἢ γραφῆναι, σέ, ὡς ἐγᾦμαι, πρῶτον τῶν ἐν τῇ οἰκίᾳ ἐπὶ τοῦτο τάττουσιν. Ἦ γάρ; — Πάνυ γ᾽, ἔφη. — Οὐκοῦν ἔξεστί σοι ἐνταῦθ᾽ ὅτι ἂν βούλῃ πρῶτον τῶν γραμμάτων γράφειν, καὶ ὅτι ἂν δεύτερον, καὶ ἀναγιγνώσκειν ὡσαύτως ἔξεστι, καὶ ἐπειδάν, ὡς ἐγᾦμαι, τὴν λύραν λάβῃς, οὐ διακωλύουσί σε οὔτε ὁ πα-
10f καὶ θεραπεύει· σὺ δὲ ἄρχεις] καὶ θεραπεύει, σὺ δὲ ἄρχεις Heindorf, Appendix S. 357, nicht berücksichtigt W1 W2, ohne Interpunktion SN 155/1 14 που] πω konj. Heindorf z. St. (S. 17 mit Ficinus und Cornarius) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 44 [119,7], übersetzt SN 155/1 W1 W2 22 τινὰ] τι konj. Heindorf z. St. (S. 17) übersetzt SN 155/1 W1 W2
Erster Entwurf (handschriftlich)
unter Jemandes Befehlen, und mit einem Wort fast nichts thun von dem was du möchtest? So daß wie es scheint weder all dieser Reichthum dir etwas nuzt (denn Alle haben mehr darüber zu gebieten als du) noch auch diese so vorzügliche Gestalt denn auch deinen Körper hütet und pflegt ein Anderer du aber o Lysis gebietest über nichts und thust nichts was du begehrst. — Ich habe eben sagte er noch nicht das Alter dazu o Sokrates. — Dieses nun, sagte ich müßte dich nicht hindern o Sohn des Demokrates. Denn solcherlei wie ich glaube erlauben dir auch der Vater und die Mutter und warten nicht bis du das Alter habest; wenn sie zum Beispiel etwas wollen vorgelesen oder geschrieben haben so glaube ich werden sie vor Allen Andern im Hause dich dazu bestellen. Nicht wahr? — Zuverläßig sagte er. — Und hier steht es dir wohl frei welchen Buchstaben du willst zuerst zu schreiben und zum zweiten? und eben so steht es dir frei beim Lesen? und wenn du die Lyra nimmst glaube ich hindern dich weder Vater
T 1 Befehlen] über Knechtschaft 2 fast] davor so daß du | thun] über thust 15 das Alter] über die Jahre
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Befehlen, und mit einem Wort, fast gar nichts thun von dem, was du möchtest? So daß, wie es scheint, dir weder aller dieser Reichthum etwas nuzt, denn jeder Andere hat ja mehr darüber zu gebieten als du, noch auch diese so vorzügliche Gestalt, denn auch deinen Körper hütet und pflegt ja ein Anderer: du aber, o Lysis, hast über nichts zu | gebieten, und kannst nicht thun was du möchtest. — Ich habe eben, sprach er, noch nicht die Jahre dazu, o Sokrates. — Das mag es wohl nicht sein, o Sohn des Demokrates, sagte ich, was dich hindert! Denn dergleichen, glaube ich, erlauben dir doch der Vater sowohl als die Mutter, und warten nicht erst bis du die Jahre habest, zum Beispiel wenn sie etwas wollen vorgelesen haben oder geschrieben, werden sie es, denke ich, dir eher auftragen als irgend Einem im Hause. Nicht so? — Zuverlässig, sagte er. — Und nicht wahr, hier steht es dir frei, welchen Buchstaben du willst, zuerst zu schreiben und zum zweiten; und eben so beim Lesen; und wenn du deine Lyra nimmst, glaube ich, wehren dir weder Vater noch Mut-
mandes Befehlen, mit einem Wort, daß du fast gar nichts thun kannst, was du möchtest? So daß, wie es scheint, dir weder aller dieser Reichthum etwas nuzt, denn jeder Andere hat ja mehr darüber zu gebieten als du, noch auch diese so vorzügliche Gestalt, denn auch deinen Körper hütet und pflegt ja ein Anderer: du aber, o Lysis, hast über nichts zu gebieten, und kannst nichts thun was du möchtest. — Ich habe eben, | sprach er, noch nicht die Jahre dazu, o Sokrates. — Das mag es wohl nicht sein, o Sohn des Demokrates, sagte ich, was dich hindert! Denn dergleichen, glaube ich, überlassen dir doch der Vater sowohl als die Mutter, und warten nicht erst bis du die Jahre habest, zum Beispiel wenn sie etwas wollen vorgelesen haben oder geschrieben, werden sie es, denke ich, dir eher auftragen als irgend Einem im Hause. Nicht so? — Zuverlässig, sagte er. — Und nicht wahr, hier steht dir frei, welchen Buchstaben du willst zuerst zu schreiben und zum zweiten; und eben so beim Lesen; und wenn du deine Lyra nimmst, glaube ich, wehrt dir weder Vater noch Mutter,
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τὴρ οὔτε ἡ μήτηρ ἐπιτεῖναί τε καὶ ἀνεῖναι ἣν ἂν βούλῃ τῶν χορδῶν, καὶ ψῆλαι καὶ κρούειν τῷ πλήκτρῳ· ἢ διακωλύουσιν; — Οὐ δῆτα. — Τί ποτ᾽ ἂν οὖν εἴη, ὦ Λύσι, τὸ αἴτιον, ὅτι ἐνταῦθα μὲν οὐ διακωλύουσιν, ἐν οἷς δὲ ἄρτι ἐλέγομεν, διακωλύουσιν; — Ὅτι, οἶμαι, ἔφη, ταῦτα μὲν ἐπίσταμαι, ἐκεῖνα δ᾽ οὔ. — Εἶεν, ἦν δ᾽ ἐγώ, ὦ ἄριστε. Οὐκ ἄρα τὴν ἡλικίαν σου περιμένει ὁ πατὴρ ἐπιτρέπειν πάντα, ἀλλ᾽ ᾗ ἂν ἡμέρᾳ ἡγήσηταί σε βέλτιον αὑτοῦ φρονεῖν, ταύτῃ ἐπιτρέψει σοι καὶ αὑτὸν καὶ τὰ αὑτοῦ. — Οἶμαι ἔγωγε, ἔφη. — Εἶεν, ἦν δ᾽ ἐγώ. Τί δέ; τῷ γείτονι ἆρ᾽ οὐχ ὁ αὐτὸς ὅρος, ὥσπερ τῷ πατρί, περὶ σοῦ; πότερον οἴει αὐτὸν ἐπιτρέψειν σοι τὴν αὑτοῦ οἰκίαν οἰκονομεῖν, ὅταν σε ἡγήσηται βέλτιον περὶ οἰκονομίας ἑαυτοῦ φρονεῖν, ἢ α ὐτὸ ν ἐπιστα τήσ ειν; — Ἐμοὶ ἐπιτρέψειν, οἶμαι. — Τί δ᾽; Ἀθηναίους οἴει σοι οὐκ ἐπιτρέψειν τὰ αὑτῶν, ὅταν αἰσθάνωνται ὅτι ἱκανῶς φρονεῖς; — Ἔγωγε. — Πρὸς Διός, ἦν δ᾽ ἐγώ, τί ἄρα ὁ μέγας βασιλεύς; πότερον τῷ πρεσβυτάτῳ υἱεῖ, οὗ ἡ τῆς Ἀσίας ἀρχὴ γίγνε-
Erster Entwurf (handschriftlich)
noch Mutter welche Saite du willst höher zu spannen und loszulassen und zu kneipen oder mit dem Plektron zu schlagen. Oder hindern sie dich? — Ganz und gar nicht. — Was mag also wohl die Ursach sein o Lysis daß sie dir hier nicht wehren, in dem aber was wir vorher sagten, wohl? | Ich glaube sprach er weil ich dieses verstehe Jenes aber nicht. — Wohl sprach ich o Bester nicht also deine Jahre erwartet dein Vater um dir Alles zu vergönnen sondern an welchem Tage er glauben wird daß du verständiger seist als er, an dem wird er dir sich und alles seinige überlassen. — Das glaube ich selbst sagte er. — Wol sprach ich. Und wie? Sezt sich nicht auch dein Nachbar dieselbigen Grenzen mit dir wie dein Vater? Glaubst du daß er dir sein ganzes Haus zu verwalten überlassen wird sobald er dich für klüger in der Haushaltungskunst hält als sich, oder daß er ihm selbst noch vorstehen wird? — Daß er es mir überlassen wird glaube ich. — Und wie die Athener? glaubst du wohl daß sie dir ihre Angelegenheiten überlassen werden wenn sie merken daß du Klugheit genug besizest. — Ich glaube es. — Und um Zeus willen, sprach ich, wie doch der große König? Ob er wol seinem ältesten Sohn der die Herrschaft über Asien
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu 9 Übers.A (verl.): O b e s t e r mein bester. T 1f höher zu spannen] über anzuschlagen 2 kneipen] über singen 3 oder mit dem Plektron] über und die Lyra 14 seinige] se SN 155/1, vielleicht auch aufzulösen seine, vgl. jedoch W1 W2 16 Sezt sich] über Nimmt 17 Grenzen mit dir] über Bestimmungen über dich an 18 du] danach nicht 29 der] über dem
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ter, welche Saite du willst, höher zu spannen und loszulassen, und mit dem Finger zu kneipen oder mit dem Plektron zu schlagen. Oder hindern sie dich? — Ganz und gar nicht. — Was mag also nur, o Lysis, die Ursach sein, daß sie dir hier nicht wehren, wohl aber in dem, was wir vorher sagten? — Ich glaube, sprach er, weil ich dieses verstehe, jenes aber nicht. — Sehr gut, antwortete ich, Bester! Nicht also deine Jahre erwartet dein Vater, um dir alles zu überlassen, sondern an welchem Tage er dafür halten wird, du habest bessere Einsichten als er, an dem wird er dir sich selbst und alles das Seinige überlassen. — Das glaube ich selbst, sagte er. — Und wie dein Nachbar? sezt er sich nicht dieselben Grenzen in Ansehung deiner wie dein Vater? Glaubst du, er werde dir sein ganzes Hauswesen zu verwalten überlassen, sobald er dafür hält, du verstehest die Haushaltungskunst besser als er, oder er werde ihm dann noch selbst vorstehen wollen? — Er werde es mir überlassen, glaube | ich. — Und wie die Athener? glaubst du, sie werden dir nicht ihre Angelegenheiten übergeben, wenn sie merken, daß du Klugheit genug besizest? — Ich glaube es. — Und beim Zeus, fuhr ich fort, wie wohl der große König? ob er wohl seinem ältesten Sohn, auf den die Regierung von Asien
welche Saite du willst, höher zu stimmen oder tiefer, und mit dem Finger zu kneipen oder mit dem Plektron zu schlagen. Oder verwehren sie dirs? — Ganz und gar nicht. — Was mag also nur, o Lysis, die Ursach sein, daß sie dir hier nicht wehren, wohl aber in dem, was wir vorher sagten? — Ich glaube, sprach er, weil ich dieses verstehe, jenes aber nicht. — Wohl, antwortete ich, Bester! Nicht also deine Jahre erwartet dein Vater, um dir alles zu überlassen, sondern welchen Tag er glauben wird, du seist klüger als er, an dem wird er dir sich selbst und alles das Seinige überlassen. — Das glaube ich selbst, sagte er. — Wohl, sprach ich; wie aber der Nachbar? hat der nicht dieselbe Regel deinetwegen, wie dein Vater? Meinst du, er wird dir sein Hauswesen zu verwalten überlassen, sobald er glaubt, du verstehest dich besser auf die Haushaltungskunst als er, oder er wird ihm dann noch selbst vorstehen wollen? — Er wird es mir überlassen, meine ich. — Und wie die Athener? glaubst du, sie werden dir nicht ihre | Angelegenheiten übergeben, wenn sie merken, daß du Klugheit genug besizest? — Ich glaube es. — Und beim Zeus, fuhr ich fort, wie wohl der große König? ob er wohl seinem ältesten Sohn, auf den die Regierung von Asien kommt,
T 35 wie wohl] wiewohl W1 S. 191, korr. im Druckfehler-Verzeichnis W1 S. 413
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ται, μᾶλλον ἂν ἐπιτρέψειεν ἐνεψομένων κρεῶν ἐμβάλλειν ὅτι ἂν βούληται ἐμβαλεῖν εἰς τὸν ζωμόν, ἢ ἡμῖν, εἰ ἀφικόμενοι παρ᾽ ἐκεῖνον ἐνδειξαίμεθα αὐτῷ, ὅτι ἡμεῖς κάλλιον φρονοῦμεν ἢ ὁ υἱὸς αὐτοῦ περὶ ὄψου σκευασίας; — Ἡμῖν δηλονότι, ἔφη. — Καὶ τὸν μέν γε οὐδ᾽ ἂν σμικρὸν ἐάσειεν ἐμβαλεῖν, ἡμᾶς δὲ κἂν εἰ βουλοίμεθα
Erster Entwurf (handschriftlich)
bekommt wenn Fleisch gekocht wird15 lieber erlauben wird alles in die Brühe zu werfen was er nur hineinwerfen will als uns, wenn wir nemlich zu ihm gekommen wären und ihm bewiesen hätten, daß wir uns besser als sein Sohn verständen auf die Zubereitung der Speisen. — Uns offenbar, sagte er. — Und jenen zwar würde er auch nicht das mindeste hineinwerfen lassen, uns aber,
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E (SN 155/1) Ist wirklich das ενεψ. eine besondere Operation etwa das Fleisch so einkochen daß man nur die Brühe ißt? Aus ζωμον könnte man es schließen; eigentlich aber glaube ich doch es ist nur ἐψομενων. | A (SN 155/2) ε ν ε ψ ο μ ε ν ω ν κ ρ ε ω ν . Ob wohl ενεψ. sonst vorkommt; denn hier ist das εν sehr verdächtig wegen der vorangegangenen Sylbe? Und ob wohl die Alten Fleisch so einkochten daß die Brühe die Hauptsache wird? Denn das müßte doch sein wenn ενεψομενων einen eignen Sinn haben soll.
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu: Anm. 15 A: ἐνεψομένων finde ich auch nirgend, und also wird es mir gleichfalls wahrscheinlich, daß es heißen solte ἑψ. Casaub. zum Athenaeus p. 258 des Kommentars sagt dis: „ἑψήματα appellabant cocta olera aut legumina vel alia absque carne. ζωμὸν jusculum in quo carnes coxerant.“ Zum Beweis führt er an Clemens Alex. Paedag. lib. 2. nach Nennung mehrerer Vegetabilien ἑψήματά τε παντοδαπὰ ζωμῶν ἄνευ. κἂν δέῃ κρέως κ. τ. λ. woraus der von ihm bezeichnete Unterschied erhelle. T 1 bekommt] korr. aus zu kommt | gekocht wird] über der Zeile und am Rand Markierung für Anm. 15 E 7 der] korr. aus des | Speisen] über Fleisches
2 ἐνεψομένων] ἑψομένων konj. Schleiermacher (Anm. 15 EA [jedoch ἐ- E]) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 45 [120,13], übersetzt SN 155/1 W1 W2
S Spld. u. a. Isaaci Casauboni Animadversionum in Athenaei Dipnosophistas libri quindecim ... Editio postrema authoris cura ..., Lyon 1664, Sp. 258; wieder abgedruckt: Gottfried Heinrich Schäfer: Isaaci Casauboni Animadversionum in Athenaei Deipnosophistas Libri quindecim, Bd. 1, Leipzig 1796, S. 324. Dort zitiert: Clemens Alexandrinus, Paedagogus 2,1,15,1 (Clemens Alexandrinus. Bd. 1: Protrepticus und Paedagogus, hrsg. von Otto Stählin [Die Griechischen Christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte], 2. Aufl., Leipzig 1936, S. 164,24).
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kommt, wenn Fleisch gekocht wird eher erlauben wird alles in die Brühe zu werfen, was er nur hineinwerfen will, als uns, wenn wir nämlich zu ihm kämen, und ihm zeigten, daß wir uns besser verständen als sein Sohn auf die Zubereitung der Speisen? — Uns offenbar, sagte er. — Und jenen zwar würde er auch nicht das mindeste hineinwerfen lassen, uns aber, wollten wir auch gan-
wenn Fleisch gekocht wird eher erlauben wird alles in die Brühe zu werfen, was er nur hineinwerfen will, als uns, wenn wir nämlich zu ihm kämen, und ihm zeigten, daß wir uns besser verständen als sein Sohn auf die Zubereitung der Speisen? — Uns offenbar, sagte er. — Und jenen zwar würde er auch nicht das mindeste hineinwerfen lassen, uns aber, wollten wir auch gan-
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δραξάμενοι τῶν ἁλῶν, ἐῴη ἂν ἐμβαλεῖν. — Πῶς γὰρ οὔ; — Τί δ᾽; εἰ τοὺς ὀφθαλμοὺς ὁ υἱὸς αὐτοῦ ἀσθενοῖ, ἆρα ἐῴη ἂν αὐτὸν ἅπτεσθαι τῶν ἑαυτοῦ ὀφθαλμῶν, μὴ ἰατρὸν ἡγούμενος, ἢ κωλύοι ἄν; — Κωλύοι ἄν. — Ἡμᾶς δέ γε εἰ ὑπολαμβάνοι ἰατρικοὺς εἶναι, κᾂν εἰ βουλοίμεθα διανοίγοντες τοὺς ὀφθαλμοὺς ἐμπάσαι τῆς τέφρας, οἶμαι, οὐκ ἂν κωλύσειεν, ἡγούμενος ὀρθῶς φρονεῖν. — Ἀληθῆ λέγεις. — Ἆρ᾽ οὖν καὶ τἄλλα πάντα ἡμῖν ἐπιτρέποι ἂν μᾶλλον ἢ ἑαυτῷ καὶ τῷ υἱεῖ, περὶ ὅσων ἂν δόξωμεν αὐτῷ σοφώτεροι ἐκείνων εἶναι; — Ἀνάγκη, ἔφη, ὦ Σώκρατες. — Οὕτως ἄρα ἔχει, ἦν δ᾽ ἐγώ, ὦ φίλε Λύσι· εἰς μὲν ταῦτα ἃ ἂν φρόνιμοι γενώμεθα, ἅπαντες ἡμῖν ἐπιτρέψουσιν, Ἕλληνές τε καὶ βάρβαροι καὶ ἄνδρες καὶ γυναῖκες, ποιήσομέν τε ἐν τούτοις ὅτι ἂν βουλώμεθα καὶ οὐδεὶς ἡμᾶς ἑκὼν εἶναι ἐμποδιεῖ, ἀλλ᾽ αὐτοί τε ἐλεύθεροι ἐσόμεθα ἐν αὐτοῖς καὶ ἄλλων ἄρχοντες, ἡμέτερά τε ταῦτα ἔσται· ὀνησόμεθα γὰρ ἀπ᾽ αὐτῶν· εἰς ἃ δ᾽ ἂν νοῦν μὴ κτησώμεθα, οὔτε τις ἡμῖν ἐπιτρέψει περὶ αὐτὰ ποιεῖν τὰ ἡμῖν δοκοῦντα, ἀλλ᾽ ἐμποδιοῦσι πάντες καθ᾽ ὅτι ἂν δύνωνται, οὐ μόνον οἱ ἀλλότριοι, ἀλλὰ καὶ ὁ πατὴρ καὶ ἡ μήτηρ, καὶ εἴτι τούτων οἰκειότερόν ἐστιν, αὐτοί τε ἐν αὐτοῖς ἐσόμεθα ἄλλων ὑπήκοοι, καὶ ἡμῖν ἔσται ἀλλότρια· οὐδὲν γὰρ ἀπ᾽ αὐτῶν ὀνησόμεθα.
Erster Entwurf (handschriftlich)
wollten wir auch mit allen Händen in das Salz greifen ließe er doch hineinwerfen. — Wie sollte er nicht? — Wie aber wenn sein Sohn an den Augen krank wäre, ließe er ihn wol seine eigenen Augen befassen, da er ihn für keinen Arzt hält, oder verböte er es ihm? — Er verböte es gewiß. — Was aber wenn er uns für Arzneikundige hielte, wenn wir ihm auch die Augen aufreißen und mit Asche einstreuen wollten, glaube ich wehrte er doch nicht, wenn er dafür hält daß wir es gründlich verstehen. — Sehr richtig und auch wohl alles Andre würde er eher uns erlauben als sich selbst und seinem Sohne worin nemlich wir ihm weiser zu sein schienen als sie beide? — Nothwendig o Sokrates. — So demnach verhält es sich, sagte ich, lieber Lysis. Darüber wovon wir uns richtige Einsicht erworben werden alle uns schalten lassen Hellenen und Barbaren und Männer wie Frauen; wir werden thun in diesen Dingen was wir nur wollen und Niemand wird uns ein Hinderniß in den Weg legen sondern wir für uns werden frei sein in diesen Stuben und gebietend über Andere; und dieses wird das Unsrige sein denn wir werden es genießen. Wovon wir aber keinen Verstand erlangt haben, darin wird uns Niemand verstatten zu thun was uns gut dünkt sondern Alle werden uns hinderlich sein soviel sie können nicht die fremden allein sondern Vater und Mutter und was uns noch näher angehörig wäre als diese. Und wir selbst werden in diesen Dingen andern unterworfen und sie uns fremd sein. Denn wir werden keinen Nuzen von ihnen genießen. Giebst
T 15 ihm] über der Zeile ohne Einfügungszeichen 18 Darüber wovon] über Wenn wir 32f angehörig] über verwandt
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ze Hände voll Salz nehmen, ließe er doch hineinwerfen. — Wie sollte er nicht? — Wie aber wenn sein Sohn an den Augen litte, ließ er ihn wohl an seinen eignen Augen etwas thun, wenn er ihn für keinen Arzt hält, oder verböte er es ihm? — Er verböte es gewiß. — Uns aber, wenn er uns für Arzeneikundige hielte, wollten wir ihm auch die Augen aufreißen und mit Asche einstreuen, würde er doch, glaube ich, nicht wehren, wenn er meinte, daß wir es gründlich verständen. — Du hast Recht. — Würde er nicht auch alles andere eher uns überlassen als sich und seinem Sohne, worin nämlich wir ihm weiser zu sein schienen als sie beide? — Nothwendig, o Sokrates. — So verhält es sich also, lieber Lysis, sagte ich. Darüber, wovon wir uns richtige Einsichten erworben, wird Jedermann uns schalten lassen, Hellenen und Ausländer, Männer wie Frauen; wir werden damit thun was wir nur wollen, und Niemand wird uns gern hindern, sondern wir für uns werden ganz frei sein hierin, und | auch gebietend über Andere, und dieses wird in der That das unsrige sein, denn wir werden Genuß davon haben. Wovon wir aber keinen Verstand erlangt haben, damit wird uns Niemand verstatten zu thun was uns gut dünkt; sondern Alle werden uns hinderlich sein soviel sie können, nicht die Fremden allein, sondern Vater und Mutter, und wenn uns Jemand noch näher verwandt sein könnte als sie. Vielmehr werden wir selbst was diese Dinge betrifft Andern folgsam sein, und sie werden uns also fremd sein, denn wir werden keinen Genuß von ihnen haben. Räumst du ein, daß es
ze Hände voll Salz nehmen, ließe er doch hineinwerfen. — Wie sollte er nicht? — Wie aber wenn sein Sohn an den Augen litte, ließ er ihn wohl an seinen eignen Augen etwas thun, wenn er ihn für keinen Arzt hält, oder verböte er es ihm? — Er verböte es gewiß. — Uns aber, wenn er uns für Arzneikundige hielte, wollten wir ihm auch die Augen aufreißen und mit Asche einstreuen, würde er doch, meine ich, nicht wehren, wenn er glaubte, daß wir es gründlich verständen. — Du hast Recht. — Würde er nicht auch alles andere eher uns überlassen als sich und seinem Sohne, worin nämlich wir ihm weiser zu sein schienen als sie beide? — Nothwendig, o Sokrates. — So verhält es sich also, lieber Lysis, sagte ich. Darüber, wovon wir uns richtige Einsichten erworben, wird Jedermann uns schalten lassen, Hellenen und Ausländer, Männer wie Frauen; wir werden darin thun was wir nur wollen, und Niemand wird uns gern hindern, sondern wir werden hierin ganz frei sein, und auch gebietend über Andere, und dieses wird das unsrige sein, denn wir werden Genuß davon ha|ben. Wovon wir aber keinen Verstand erlangt haben, damit wird uns Niemand verstatten zu thun was uns gut dünkt; sondern Alle werden uns hinderlich sein, soviel sie können, nicht die Fremden allein, sondern Vater und Mutter, und wenn uns Jemand noch näher verwandt sein könnte als sie. Vielmehr werden wir selbst was diese Dinge betrifft Andern folgsam sein, und sie werden uns also fremd sein, denn wir werden keinen Genuß von ihnen haben. Räumst du ein, daß es
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Συγχωρεῖς οὕτως ἔχειν; — Συγχωρῶ. — Ἆρ᾽ οὖν τῳ φίλοι ἐσόμεθα καί τις ἡμᾶς φιλήσει ἐν τούτοις, ἐν οἷς ἂν ὦμεν ἀνωφελεῖς; — Οὐ δῆτα, ἔφη. — Νῦν ἄρα οὐδὲ σὲ ὁ πατήρ, οὐδὲ ἄλλος ἄλλον οὐδένα φιλεῖ, καθ᾽ ὅσον ἂν ᾖ ἄχρηστος. — Οὐκ ἔοικεν, ἔφη. — Ἐὰν μὲν ἄρα σοφὸς γένῃ, ὦ παῖ, πάντες σοι φίλοι καὶ πάντες σοι οἰκεῖοι ἔσονται· χρήσιμος γὰρ καὶ ἀγαθὸς ἔσῃ· εἰ δὲ μή, σοὶ οὔτε ἄλλος οὐδεὶς οὔτε ὁ πατὴρ φίλος ἔσται, οὔτε ἡ μήτηρ, οὔτε οἱ οἰκεῖοι. Οἷόν τε οὖν ἐπὶ τούτοις, ὦ Λύσι, μέγα φρονεῖν, ἐν οἷς τις μήπω φρονεῖ; — Καὶ πῶς ἄν; ἔφη. — Εἰ δ᾽ ἄρα σὺ διδασκάλου δέῃ, οὔπω φρονεῖς. — Ἀληθῆ. — Οὐδ᾽ ἄρα μεγαλόφρων εἶ, εἴπερ ἄφρων ἔτι. — Μὰ Δία, ἔφη, ὦ Σώκρατες, οὔ μοι δοκεῖ. Καὶ ἐγὼ ἀκούσας αὐτοῦ ἀπέβλεψα πρὸς τὸν Ἱπποθάλη, καὶ ὀλίγου ἐξήμαρτον. Ἐπῆλθε γάρ μοι εἰπεῖν ὅτι οὕτω χρή, ὦ Ἱππόθαλες, τοῖς παιδικοῖς διαλέγεσθαι, ταπεινοῦντα καὶ συστέλλοντα, ἀλλὰ μή, ὥσπερ σύ, χαυνοῦντα καὶ διαθρύπτοντα. Κατιδὼν οὖν αὐτὸν ἀγωνιῶντα καὶ τεθορυβημένον ὑπὸ τῶν λεγομένων, ἀνεμνήσθην, ὅτι καὶ προσεστὼς λανθάνειν τὸν Λύσιν
Erster Entwurf (handschriftlich)
du zu daß es sich so verhalte? Ich gestehe es ein. Werden wir also Jemanden lieb sein und wird uns Jemand lieben in Beziehung auf das16 worin wir unnüz sind? Sicher nicht. | Jetzt also kann weder dich dein Vater noch sonst Jemand Jemanden lieben insofern er unbrauchbar ist. — Es scheint nicht, sagte er. — Wenn du aber verständig wirst, o Sohn, so werden Alle dir freund und Alle dir angehörig sein, denn du wirst brauchbar und gut sein; wenn aber nicht so wird weder irgend ein Anderer dir freund sein noch dein Vater noch deine Mutter noch deine Verwandten. Ist es nun wol möglich o Lysis sich damit viel zu wissen, wovon einer noch nichts weiß? — Wie sollte es wol sagte er? — Du aber wie du noch des Lehrers bedarfst weißt noch nichts? — Sicher. — Du weißt dich also noch nicht viel, so du noch unwissend bist? — Beim Zeus, sagte er o Sokrates ich glaube auch nicht. Wie ich dies von ihm hörte sah ich mich um nach dem Hippothales, und beinah hätte ich ein Versehen gemacht. Denn ich war schon im Begriff ihm zu sagen So o Hippothales muß man mit dem Liebling reden, ihn demüthigend und zur Ordnung bringend, nicht aber wie du ihn aufblähend und verwöhnend. Da ich ihm aber ansah wie er in Quaal und Verwirrung war wegen des Gesprochenen, erinnerte ich mich daß schon wie er sich hinstellte er sich dem Lysis ver16
A (SN 155/2) και τις ημας φιλησει εν τουτοις scheint mir sehr hart zu sein und kaum durch Reminiscenz an die vorige Construction zu entschuldigen
T 3f auf das worin] am Rand – offenbar als Markierung einer Anmerkung (vgl. Anm. 16 A) – NB ἐν 4 Sicher] über der Zeile mit Einfügungszeichen | nicht] Nicht irgends SN 155/1 10 angehörig] über verwandt 12 irgend ein] über dein Vat 14 nun] über also 20f o Sokrates] über der Zeile mit Einfügungszeichen 32 sich hinstellte] zunächst stellte nach sellte , dann offenbar nachträglich sich hin über der Zeile hinzugefügt
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sich so verhalte? — Ich räume es ein. — Werden wir also Jemanden lieb sein, und wird uns Jemand lieben in Hinsicht auf dasjenige, wozu wir unnüz sind? — Nicht füglich, sagte er. — Jezt also liebt weder dich dein Vater noch sonst Jemand Jemanden in sofern er unbrauchbar ist. — Es ist nicht zu glauben, sagte er. — Wenn du aber verständig wirst, o Sohn, dann werden Alle dir freund und Alle dir angehörig sein: denn du wirst brauchbar sein und gut. Wenn aber nicht: so wird weder irgend ein Anderer dir freund sein, noch selbst dein Vater, oder deine Mutter, oder deine Verwandten. Ist es also wohl möglich, o Lysis, sich damit viel zu wissen, worin man noch nichts weiß? — Und wie könnte man, sagte er. — Wenn also du noch des Lehrers bedarfst, weißt du noch nicht? — Richtig. — Also weißt du dich auch nicht viel sofern du noch unwissend bist. — Wahrlich, o Sokrates, sagte er, ich glaube auch nicht. Als ich dies von ihm hörte, sah ich mich um nach dem Hippothales, und beinahe hätte ich mich verredet. Denn ich war schon im Be|griff ihm zu sagen: So, o Hippothales, muß man mit dem Liebling reden, ihn demüthigend und zur Ordnung bringend, nicht aber ihn aufblähend und verwöhnend. Da ich ihm aber ansah, wie er ganz in Angst und Verwirrung war über das Gesagte, erinnerte ich mich, daß er schon wie er sich hinstellte dem Lysis wollte
sich so verhalte? — Ich räume es ein. — Werden wir also Jemanden lieb sein, und wird uns Jemand lieben in Hinsicht auf dasjenige, wozu wir unnüz sind? — Nicht füglich, sagte er. — Jezt also liebt weder dich dein Vater noch sonst Jemand Jemanden in sofern er unbrauchbar ist. — Es ist nicht zu glauben, sagte er. — Wenn du aber verständig wirst, o Sohn, dann werden Alle dir freund und alle dir zugethan sein: denn du wirst brauchbar sein und gut. Wenn aber nicht: so wird weder irgend ein Anderer dir freund sein, noch selbst dein Vater, oder deine Mutter, oder deine Verwandten. Ist es also wohl möglich, o Lysis, sich damit viel zu wissen, worin man noch nichts weiß? — Und wie könnte man, sagte er. — Wenn also du noch des Lehrers bedarfst, weißt du noch nicht? — Richtig. — Also weißt du dich auch nicht viel wenn du doch noch unwissend bist. — Wahrlich, o Sokrates, sagte er, ich glaube auch nicht. Als ich dies von ihm hörte, sah ich mich um nach dem Hippothales, und beinahe hätte ich mich verredet. Denn ich war schon im Begriff ihm zu sagen: So, o Hippothales, muß man mit dem Liebling reden, ihn demüthigend und zur Ordnung bringend, nicht aber ihn auf|blähend und verwöhnend. Da ich ihm aber ansah, wie er ganz in Angst und Verwirrung war über das Gesagte, erinnerte ich mich, daß er wollte, Lysis solle nicht einmal merken, daß
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ἐβούλετο. Ἀνέλαβον οὖν ἐμαυτὸν καὶ ἐπέσχον τοῦ λόγου, καὶ ἐν τούτῳ ὁ Μενέξενος πάλιν ἧκε, καὶ ἐκαθέζετο παρὰ τὸν Λύσιν, ὅθεν καὶ ἐξανέστη. Ὁ οὖν Λύσις μάλα παιδικῶς καὶ φιλικῶς λάθρα τοῦ Μενεξένου σμικρὸν πρὸς ἐμὲ λέγων, ἔφη, ὦ Σώκρατες, ἅπερ καὶ ἐμοὶ λέγεις, εἰπὲ καὶ Μενεξένῳ. — Καὶ ἐγὼ εἶπον, ταῦτα μὲν σὺ αὐτῷ ἐρεῖς, ὦ Λύσι, πάντως γὰρ προσεῖχες τὸν νοῦν. — Πάνυ μὲν οὖν, ἔφη. — Πειρῶ τοίνυν, ἦν δ᾽ ἐγώ, ἀπομνημονεῦσαι αὐτὰ ὅτι μάλιστα, ἵνα τούτῳ σαφῶς πάντα εἴπῃς· ἐὰν δέ τι αὐτῶν ἐπιλάθῃ, αὖθίς με ἀνέρεσθαι ὅταν ἐντύχῃς πρῶτον. — Ἀλλὰ ποιήσω ταῦτα, ἔφη, ὦ Σώκρατες, πάνυ σφόδρα, εὖ ἴσθι, ἀλλά τι αὐτῷ ἄλλο λέγε, ἵνα καὶ ἐγὼ ἀκούω, ἕως ἂν οἴκαδε ὥρα ᾖ ἀπιέναι. — Ἀλλὰ χρὴ ποιεῖν ταῦτα, ἦν δ᾽ ἐγώ, ἐπειδή γε καὶ σὺ κελεύεις· ἀλλὰ ὅρα ὅπως ἐπικουρήσεις μοι, ἐάν με ἐλέγχειν ἐπιχειρῇ ὁ Μενέξενος. Ἢ οὐκ οἶσθα, ὅτι ἐριστικός ἐστι; — Ναὶ μὰ Δία, ἔφη, σφόδρα γε· διὰ ταῦτά τοι καὶ βούλομαί σε αὐτῷ διαλέγεσθαι. — Ἵνα, ἦν δ᾽ ἐγώ, καταγέλαστος γένω-
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bergen wollte. Also begriff ich mich wieder und hielt die Rede zurük. Darüber kam auch Menexenos wieder und sezte sich neben den Lysis von welchem Plaz er aufgestanden war. Da sagte mir Lysis sehr kindlich und freundlich insgeheim vor dem Menexenos ganz leise redend: O Sokrates, was du mir sagst sage doch auch dem Menexenos. Und ich antwortete dieses wirst du ihm sagen, o Lysis, denn du hast sehr genau Acht gegeben. — Das freilich sagte er. — Versuche also sprach ich es aufs Beste im Gedächtniß zu bewahren, damit du diesem Alles genau sagen kannst. Hast du aber etwas vergessen so frage mich wieder sobald du mich antriffst. — Wohl, das werde ich thun o Sokrates sprach er aufs allergenauste, verlasse dich darauf. Aber sage ihm etwas andres damit ich auch noch hören kann ehe es Zeit ist nach Hause zu gehn. — Das muß ich wohl thun sprach ich zumal auch du es wünschest. Aber sieh zu wie du mir helfen willst wenn Menexenos versucht mich zu widerlegen. Oder weißt du nicht daß er sehr streitbar ist. — Ja beim Zeus gewaltig. Deshalb eben wünsche ich daß du dich mit ihm unterreden mögest? So sprach ich, damit ich
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu 1 Übers.A (verl.): b e g r i ff i c h m i c h w i e d e r . Freilich hat selbst Adelung diese Redensart, aber wenige werden sie verstehen. Vielleicht: „Nahm ich mich zusammen.“ T 3 auch] über der Zeile mit Einfügungszeichen
9f πρὸς ἐμὲ λέγων, ἔφη, ὦ Σώκρατες, ἅπερ ...] πρός με ἔφη λέγων ῏Ω Σώκρατες, ἅ περ ... Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 45 [123,2], übersetzt W2 17f ὅτι μάλιστα] verdruckt ὁτιμάλιστα Heindorf 30 ἐπικουρήσεις μοι] ἐπικουρησεις μοὶ Heindorf, korr. Appendix S. 357
S Spld. u. a. Johann Christoph Adelung: Versuch eines vollständigen grammatisch-kritischen Wörterbuches der Hochdeutschen Mundart, Bd. 1, Leipzig 1774 [SB 8], Sp. 719 s. v. Begreifen I.2.(b): „... Im Hochdeutschen bedeutet […] sich begreifen, figürlich, sich seiner bewußt werden, besonders in einer heftigen Leidenschaft zu sich selbst kommen, vernünftigen Vorstellungen Raum geben. […]“; s. auch Grammatisch-kritisches Wörterbuch der hochdeutschen Mundart, Bd. 1, Leipzig 1793, S. 806 s. v. Begreifen I.2.(b).
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verborgen bleiben. Also begriff ich mich wieder, und hielt mit der Rede an mich, und darüber kam auch Menexenos zurük, und sezte sich neben den Lysis, von welchem Plaz er aufgestanden war. Lysis nun, sehr kindlich und freundlich, sagte mir ganz leise redend heimlich von dem Menexenos. Was du mir gesagt hast, o Sokrates, das sage doch auch dem Menexenos. — Ich antwortete: Dieses kannst du ihm sagen, o Lysis, denn du hast sehr genau Achtung gegeben. — Das freilich, sagte er. — Versuche also, sprach ich, es dir so viel möglich aus dem Gedächtnisse herzustellen, damit du ihm Alles genau sagen kannst: solltest du aber etwas davon vergessen haben, so frage mich wieder, sobald du mich nur antriffst. — Wohl, sagte er, so will ich es machen, o Sokrates, aufs allergenauste, verlasse dich darauf. Aber sage ihm etwas anderes, damit ich auch zuhören kann, bis es Zeit ist nach Hause zu gehen. — Ja, das muß ich wohl thun, sprach ich, da du zumal es wünschest. Aber sieh auch zu, wie du mir helfen willst, wenn Menexenos darauf ausgeht mich zu widerlegen. Oder weißt du nicht, daß er sehr streitbar ist? — Ja, beim Zeus, sagte er, gewaltig. Deshalb eben will ich daß du dich mit ihm unterredest. — So, sprach ich, damit ich mich lächerlich ma-
er dabei stehe. Also begriff ich mich wieder, und hielt mit der Rede an mich, und darüber kam auch Menexenos zurükk, und sezte sich neben den Lysis, von welchem Plaz er aufgestanden war. Lysis nun gar kindlich und freundlich, sagte mir ganz leise damit es Menexenos nicht höre, Was du mir gesagt hast, o Sokrates, das sage doch auch dem Menexenos. — Ich antwortete, Dieses kannst du ihm ja sagen, o Lysis, denn du hast sehr genau Acht gegeben. — Das freilich, sagte er. — Versuche also, sprach ich, es möglichst im Gedächtnisse zu behalten, damit du ihm Alles genau sagen kannst. Solltest du aber etwas davon vergessen haben, so frage mich wieder, sobald du mich nur antriffst. — Wohl, sagte er, so will ich es machen, o Sokrates, aufs allergenauste, verlasse dich darauf. Aber sage ihm etwas anderes, damit ich auch zuhöre, bis es Zeit ist nach Hause zu gehen. — Ja, das muß ich wohl thun, sprach ich, zumal du es wünschest. Aber sieh auch zu, wie du mir helfen willst, wenn Menexenos drauf ausgeht mich zu widerlegen. Oder weißt du nicht, daß er sehr streitbar ist? — Ja, beim Zeus, sagte er, gewaltig. Deshalb eben will ich, daß du dich mit ihm unterredest. — So, sprach ich, damit ich mich lächerlich ma-
T 18 kannst. Solltest] kannst. solltest W2 S 7–9 sagte mir ganz leise damit es Menexenos nicht höre, Was] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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μαι. — Οὐ μὰ Δία, ἔφη, ἀλλ᾽ ἵνα αὐτὸν κολάσῃς. — Πόθεν; ἦν δ᾽ ἐγώ, οὐ ῥᾴδιον, δεινὸς γὰρ ὁ ἄνθρωπος, Κτησίππου μαθητής. Πάρεστι δέ τοι αὐτός, οὐχ ὁρᾷς; Κτήσιππος. — Μηδενός σοι, ἔφη, μελέτω, ὦ Σώκρατες, ἀλλ᾽ ἴθι διαλέγου αὐτῷ. — Διαλεκτέον, ἦν δ᾽ ἐγώ. — Ταῦτα οὖν ἡμῶν λεγόντων πρὸς ἡμᾶς αὐτούς, τί ὑμεῖς, ἔφη ὁ Κτήσιππος, αὐτὼ μόνω ἑστιᾶσθον, ἡμῖν δὲ οὐ μεταδίδοτον τῶν λόγων; — Ἀλλὰ μήν, ἦν δ᾽ ἐγώ, μεταδοτέον. Ὅδε γάρ τι ὧν λέγω οὐ μανθάνει, ἀλλὰ φησὶν οἴεσθαι Μενέξενον εἰδέναι, καὶ κελεύει τοῦτον ἐρωτᾷν. — Τί οὖν, ἦ δ᾽ ὅς, οὐκ ἐρωτᾷς; — Ἀλλ᾽ ἐρήσομαι, ἦν δ᾽ ἐγώ, καί μοι εἰπέ, ὦ Μενέξενε, ὃ ἄν σε ἔρωμαι. Τυγχάνω γὰρ ἐκ παιδὸς ἐπιθυμῶν κτήματός του, ὥσπερ ἄλλος ἄλλου· ὁ μὲν γάρ τις ἵππους ἐπιθυμεῖ κτᾶσθαι, ὁ δὲ κύνας, ὁ δὲ χρυσίον, ὁ δὲ τιμάς· ἐγὼ δὲ πρὸς μὲν ταῦτα πρᾴως ἔχω, πρὸς δὲ τὴν τῶν φίλων κτῆσιν πάνυ ἐρωτικῶς, καὶ βουλοίμην ἄν μοι φίλον ἀγαθὸν γενέσθαι μᾶλλον, ἢ τὸν ἄριστον ἐν ἀνθρώποις ὄρτυγα ἢ ἀλεκτρυόνα· καὶ ναὶ μὰ Δία ἔγωγε μᾶλλον ἢ ἵππον τε καὶ κύνα· οἶμαι δέ, νὴ τὸν κύνα, μᾶλλον ἢ τὸ
36 ἐν ἀνθρώποις] vgl. Heindorf z. St. (S. 23): „est fere nostrum in der Welt“, übersetzt SN 155/1, vgl. W1 W2
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zum Gelächter werde. — Nein beim Zeus, sondern damit du ihn züchtigest. — Woher sprach ich, das ist nicht leicht. Denn er ist ein gewaltiger Mensch ein Schüler des Ktesippos, und da ist auch noch er selbst, siehst du nicht? Ktesippos ihm zur Seite. — Kümmere du dich um nichts o Sokrates, sagte er, sondern geh sprich mit ihm. — Gut, ich werde anfangen sagte ich. — Indem wir dieses unter einander redeten fing Ktesippos an: Ihr da, was habt ihr Gutes allein, zu reden, wovon ihr uns nichts mittheilen wollt? — Allerdings sagte ich wollen wir mittheilen. Dieser nemlich kann etwas nicht verstehen was ich mit ihm rede, sagt aber er glaube Mene|xenos wisse es und treibt mich an diesen zu fragen. — Warum also, sagte er, fragst du nicht? — Sogleich, sagte ich will ich anfangen. Sage mir also o Menexenos was ich dich fragen werde. Von Kindheit an nemlich trage ich nach einer Sache groß Verlangen, wie jeder so die seinige hat. Denn einer hat Verlangen Pferde zu haben, einer Hunde, einer Geld, einer Ehre. Ich aber lasse mich alle diese Dinge wenig nahen auf den Besiz von Freunden bin ich aber ganz leidenschaftlich; und einen guten Freund zu haben wäre mir lieber als die beste Wachtel oder der trefflichste Hahn in der Welt; ja beim Zeus lieber als ein Pferd oder ein Hund; ja beim Hunde ich glaube ich möchte allem
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu 11 Übers.A (verl.): W a s h a b t — a l l e i n . An forte: Was thut ihr euch da gütlich, allein. T 11 was habt ihr Gutes allein] was thut ihr euch da gütlich, allein Spld., vgl. W1 W2 11f zu reden, wovon ihr uns nichts mittheilen wollt] korr. aus gebet ihr uns nichts ab von den Reden 13f wollen wir mittheilen] über sollt Ihr sogleich theilnehmen 15 ich mit ihm rede] mit ihm rede über ich sage , wobei ich offenbar versehentlich gestrichen wurde 24f lasse mich] über bin gegen 25 wenig nahen] über sehr gleichgültig 26 bin ich] über der Zeile mit Einfügungszeichen 26f leidenschaftlich] unterstrichen und am Rand ein senkrechter Strich
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che? — Nein, beim Zeus, son|dern damit du ihn etwas demüthigest. — Woher? sprach ich, das ist nicht leicht. Denn er ist ein gewaltiger Mensch, ein Schüler des Ktesippos; und da ist auch er selbst der Ktesippos, siehst du ihn nicht? ihm zur Seite. — Kümmere du dich um nichts, o Sokrates, sagte er, sondern hurtig rede mit ihm. — So will ich denn anfangen, sprach ich. — Indem wir dieses noch unter einander redeten, fing Ktesippos an: Ihr da, was thut ihr euch da gütlich allein, wovon ihr uns nichts mittheilen wollt? — Allerdings, sagte ich, wollen wir mittheilen. Dieser nämlich versteht etwas nicht, was ich sage, meint aber Menexenos werde es wissen, und treibt mich an, diesen zu fragen. — Warum also fragst du ihn nicht? sagte Ktesippos. — Eben will ich es thun, sprach ich. Sage mir also, o Menexenos, was ich dich fragen werde. Ich trage nämlich von Kindheit an groß Verlangen nach einer Sache, wie denn Jeder die seinige hat. Denn einer hat große Lust daran Pferde zu haben, einer Hunde, einer Geld, einer Ehre. Ich aber bin gegen alle diese Dinge ziemlich gleichgültig, dagegen aber auf den Besiz von Freunden ganz leidenschaftlich, und einen guten Freund zu haben wäre mir lieber als die beste Wachtel oder der beste Hahn von der Welt; ja, beim Zeus, lieber als ein Pferd oder ein Hund; und ich glaube beim Hunde, ich
che? — Nein, beim Zeus, sondern damit du ihn etwas züchtigest. — Woher? sprach ich, das ist nicht leicht. Denn er ist ein gewaltiger Mensch, ein Schüler des Ktesippos; und da ist auch er selbst, siehst du | ihn nicht? der Ktesippos! — Kümmere du dich um niemand, o Sokrates, sagte er, sondern geh rede mit ihm. — So muß ich wohl anfangen, sprach ich. — Indem wir dieses noch unter uns redeten, fragte Ktesippos: Ihr da, was thut ihr euch da gütlich allein, wovon ihr uns nichts mittheilen wollt? — Allerdings, sagte ich, wollen wir mittheilen. Dieser nämlich versteht etwas nicht, was ich sage, meint aber Menexenos werde es wissen, und heißt mich, diesen fragen. — Warum also fragst du ihn nicht? sagte Ktesippos. — Eben will ich es thun, sprach ich. Sage mir also, o Menexenos, was ich dich fragen werde. Ich trage nämlich von Kindheit an groß Verlangen nach einer Sache, wie denn Jeder so die seinige hat. Denn einer hat große Lust Pferde zu haben, einer Hunde, einer Geld, einer Ehre. Ich aber bin gegen alle diese Dinge ziemlich gleichgültig, dagegen aber auf den Besiz von Freunden ganz leidenschaftlich, und einen guten Freund zu haben wäre mir lieber als die beste Wachtel oder der beste Hahn von der Welt; ja, beim Zeus, lieber als ein Pferd oder ein Hund; und ich glaube beim Hunde, ich
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Δαρείου χρυσίον κτήσασθαι δεξαίμην πολὺ πρότερον ἑταῖρον μᾶλλον ἢ αὐτὸν Δαρεῖον. Οὕτως ἐγὼ φιλέταιρός τις εἰμί. Ὑμᾶς οὖν ὁρῶν, σέ τε καὶ Λύσιν, ἐκπέπληγμαι καὶ εὐδαιμονίζω, ὅτι οὕτω νέοι ὄντες οἷοί τ᾽
Erster Entwurf (handschriftlich)
Golde des Dareios bei weitem den Besiz seines Freundes vorziehn, und das weit mehr als Dareios selbst17; so sehr bin ich von Freunden ein Liebhaber. Indem ich nun Euch sehe, dich und den Lysis bin ich außer mir und preise Euch glüklich daß Ihr so jung 17
E (SN 155/1) Diese Stelle ist mir jezt nicht mehr so schwierig. Ich beziehe sie auf den berühmten Freund des Darius, den Zopyrus: ich würde den Freund des Darius seinem Golde vorziehen noch mehr als Darius selbst es that. Dann muß man freilich entweder lesen αυτος Δαρειος oder denken Plato habe ge|glaubt er hätte οιμαι mit dem Acc. c. Inf. construirt. Es desiderirt sich dabei freilich noch etwas aber doch ist so ein vernünftiger Sinn darin. | A (SN 155/2) μαλλον η αυτον Δαρειον. Ueber den Sinn dieser Stelle habe ich jezt die Vermuthung daß sie sich auf den berühmten Freund des Darius den Zopyrus bezieht, der ihm auf Kosten seiner Augen Babylon erobert. Es ist auch so in der Structur nichts schwieriges als daß es besser wäre zu lesen προτερον τον εταιρον sc. αυτου und daß man den Accusativ αυτον Δαρειον so erklärt Plato habe geglaubt er hätte geschrieben οιμαι δε, μαλλον η … κτησαιμην, δεξασθαι. Der lezte Zusaz geht nun auf das bekannte Dictum des Darius er wollte lieber 20 Babylons missen als den Zopyrus so verstümmelt sehen. Gäbe es etwas Klügeres als dieses so wäre ich sehr froh.
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu: Anm. 17 A: Der Gedanke vom Zopyrus gefällt mir sehr wohl, aber das μᾶλλον ἢ αὐτὸν Δαρεῖον zum Subjekt umgestempelt misfällt mir dagegen, als schlechter Stil, der einem fast unvermeidlichen Irthum nicht zuvorkommt. Beße|res habe ich nichts. T 3 selbst] über der Zeile und am Rand Markierung für Anm. 17 E 3f αὐτὸν Δαρεῖον] αὐτὸς Δαρεῖος konj. Schleiermacher, vgl. Anm. 17 EA W1 Anm. 4 W2 Anm. 3, übersetzt SN 155/1 W1 W2
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T Anm. 17 A 22 Accusativ] Accus. SN 155/2 S Anm. 17 EA Zu Zopyros und dem Dictum des Dareios s. Herodot, Historien 3,160.
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würde allem Golde des Dareios bei weitem den Besiz seines Freundes vorziehn, weit mehr noch als Dareios selbst4; so sehr bin ich ein Liebhaber von Freunden. Indem ich nun euch sehe, dich und den Lysis, bin ich erstaunt und preise euch glüklich, daß euch so jung schon gelun-
würde allem Golde des Dareios bei weitem den Besiz eines Freundes vorziehn, weit mehr noch als Dareios selbst3; so sehr bin ich ein Freundelieb. Indem ich nun euch sehe, dich und den Lysis, bin ich erstaunt und preise euch glüklich, daß euch so jung schon gelungen ist
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weit mehr noch als Dareios s e l b s t . Wenn man sich fragt, wie wohl eigentlich Dareios hieher kommt: so wird vielleicht Jedem sein bekannter Heerführer und Freund Zopyros ins Gedächtniß kommen, in Beziehung auf welchen er soll gesagt haben, er wolle zwanzig Babylons darum geben, wenn er seine Verstümmelung könnte ungeschehen machen. Dieses vorausgesezt fragt sich nun, ob man sich will gefallen lassen mit mir anzunehmen, Platon habe geglaubt geschrieben zu haben οἶμαι δὲ μᾶλλον ἐμὲ δέξασθαι und daraus sei hernach das ἢ αὐτὸν Δαρεῖον entstanden anstatt ἢ αὐτὸς Δαρεῖος. Die Schwierigkeit wenigstens ist so gelöst, doch vielleicht hilft auch dieser Wink einem Andern noch etwas Besseres finden.
S Anm. 4 Vgl. Spalte 1 App. und Spalte 2 App. S.
weit mehr noch als Dareios s e l b s t . Wenn man sich fragt, wie wohl eigentlich Dareios hieher kommt: so wird vielleicht Jedem sein bekannter Heerführer und Freund Zopyros ins Gedächtniß kommen, in Beziehung auf welchen er soll gesagt haben, er wolle zwanzig Babylons darum geben, wenn er seine Verstümmelung könnte ungeschehen machen. Dieses vorausgesezt fragt sich nun, ob man sich will gefallen lassen mit mir anzunehmen, Platon habe geglaubt geschrieben zu haben οἶμαι δὲ μᾶλλον ἐμὲ δέξασθαι und daraus sei hernach das ἢ αὐτὸν Δαρεῖον entstanden anstatt ἢ αὐτὸς Δαρεῖος, oder ob man sich lieber will das frostige gefallen lassen, und den Text buchstäblich nehmen, von dem auch die Bekkerschen Handschriften keine Abweichung darbieten.
S Anm. 3 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 4. Siehe außerdem Ed.Berlin 1816 (Bekker) ohne einschlägige Varianten in Comm. 1 1823, S. 45 (124,15 f.).
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ἐστὸν τοῦτο τὸ κτῆμα ταχὺ καὶ ῥᾳδίως κτᾶσθαι, καὶ σὺ δὲ τοῦτον οὕτω φίλον ἐκτήσω ταχύ τε καὶ σφόδρα, καὶ αὖ οὗτος σέ· ἐγὼ δὲ οὕτω πόρρω εἰμὶ τοῦ κτήματος, ὥστε οὐδ᾽, ὅντινα τρόπον γίγνεται φίλος ἕτερος ἑτέρου, οἶδα, ἀλλὰ ταῦτα δὴ αὐτά σε βούλομαι ἔρεσθαι, ἅτε ἔμπειρον. Καί μοι εἰπέ, ἐπειδάν τις τινὰ φιλῇ, πότερος ποτέρου γίγνεται· ὁ φιλῶν τοῦ φιλουμένου, ἢ ὁ φιλούμενος τοῦ φιλοῦντος· ἢ οὐδὲν διαφέρει. — Οὐδέν, ἔφη, ἔμοιγε δοκεῖ διαφέρειν.
Erster Entwurf (handschriftlich)
schon im Stande wart dieses Besizthum leicht und schnell zu erwerben, und du dir diesen sehr zeitig schon18 so sehr zum Freunde gemacht hast, und dieser wiederum dich; ich aber bin so weit von dem Besiz, daß ich nicht einmal weiß auf welche Art einer des andern freund wird sondern eben dieses von dir erfragen will als einem der Sache erfahrenen. Sage mir also wenn einer einen liebt, welcher wird des andern freund19, der liebende des Geliebten oder der Geliebte des Liebenden oder ist hierin kein Unterschied? — Hierin, sagte er, scheint mir kein 18
A (SN 155/2) εκτησω ταχυ τε και σφοδρα. Was heißt κτησασθαι σφοδρα? Denn auf φιλον kann es nicht gehn welches schon sein οὕτω hat. 19 E (SN 155/1) Ich habe zwar übersezt wie im Text steht, glaube aber doch daß φιλος ausgefallen ist entweder nach γιγνεται oder nach φιλων. Siehe nur das gleich folgende φιλοι γιγνονται. | A (SN 155/2) π ο τ ε ρ ο ς π ο τ ε ρ ο υ γ ι γ ν ε τ α ι . Denn daß einer dem andern angehört ist hier gar nicht die Rede, dieser Gedanke wird nirgends aufgenommen; und φιλος zu subintelligiren ist sehr hart. Ich glaube also es ist ausgefallen – (Man sieht es auch aus dem folgenden φιλοι γιγνονται) es sei nun nach γιγνεται oder nach φιλων oder nach φιλουμενου.
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu: Anm. 18 A: σφόδρα wird wol nichts sein als eine Verzierung von ταχὺ, über die man nicht grübeln darf. Anm. 19 A: So glaube ich’s auch, und daß φίλος ausgefallen nach γίγνεται. 2f καὶ σὺ δὲ τοῦτον] καὶ σύ τε τοῦτον konj. Heindorf z. St. (S. 24), übernommen Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 45 [124,20], übersetzt SN 155/1 W1 W2 5 οὗτος σέ] οὗτός σε Heindorf, korr. Appendix S. 358 13 γίγνεται] γίγνεται φίλος o. ä. konj. Schleiermacher (Anm. 19 EA [vgl. auch Spld.] W1 Anm. 5) | φίλος γίγνεται Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 45 [125,4], vgl. W2 Anm. 4, übersetzt SN 155/1 W1 W2
T 2 schnell zu] zunächst gestr., dann durch Punkte unter dem Wort Streichung rückgängig gemacht 2–4 und ... hast] hergestellt aus denn du hast diesen so sehr zum Freunde schnell und sicher erworben 4 und] zunächst gestr., dann durch Punkte unter dem Wort Streichung rückgängig gemacht | dieser] danach über der Zeile mit Einfügungszeichen aber 6 ich] über der Zeile ohne Einfügungszeichen 8f dieses von dir erfragen will als einem der Sache erfahrenen] korr. aus hierüber dich befragen will als das Erfahrung von der Sache ist 10 andern] über der Zeile und am Rand Markierung für Anm. 19 E | freund] frd oder fnd nachträglich am ZE eingefügt hinter dem Komma
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gen ist dieses Besizthum schnell | und leicht zu erwerben, und du dir diesen so sehr zum Freunde erworben hast bald und gewiß, und dieser wiederum dich. Ich aber bin so weit entfernt von solchem Besiz, daß ich nicht einmal dieses weiß, auf welche Art einer des andern Freund wird, sondern eben dieses von dir erfragen will, als einem der Sache erfahrnen. Sage mir also, wenn einer einen liebt, welcher wird des andern Freund5, der Liebende des Geliebten, oder der Geliebte des Liebenden? oder macht das keinen Unterschied? — Mir wenigstens, sagt
dieses Besizthum schnell und leicht zu erwerben, und du dir diesen so schnell und sehr zum Freunde erworben hast, und dieser wiederum dich. Ich aber bin so weit von der Sache, daß ich nicht einmal dieses weiß, auf | welche Art einer des andern Freund wird, sondern eben dieses von dir erfragen will, als einem Kundigen. Sage mir also, wenn einer einen liebt, welcher wird des andern Freund4, der Liebende des Geliebten, oder der Geliebte des Liebenden? oder macht das keinen Unterschied? — Mir wenigstens, sagte
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welcher wird des Anderen F r e u n d . Ueberzeugt bin ich, daß hier φίλος ausgefallen ist; es ist ganz deutlich aus den folgenden Worten Ἀμφότεροι ἄρα ἀλλήλων φίλοι γίγνονται, und es bloß hinzudenken zu müssen wäre hart. Nur die Stelle möchte ich nicht genau entscheiden; hinter γίγνεται wäre die natürlichste, leichter aber könnte es ausgefallen sein wenn es durch eine Versezung hinter φιλῶν oder φιλοῦντος gestanden hätte.
4 welcher wird des Andern F r e u n d . Bekker hat jezt aus Handschriften das φίλος in den Text genommen, welches ich auch ohne das nicht umhin konnte der Uebersezung einzuverleiben, und auch für das griechische zu hart fand es bloß hinzudenken zu müssen.
S Anm. 4 Vgl. Spalte 1 App.
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— Πῶς λέγεις; ἦν δ᾽ ἐγώ. Ἀμφότεροι ἄρα ἀλλήλων φίλοι γίγνονται, ἐὰν μόνον ὁ ἕτερος τὸν ἕτερον φιλῇ; — Ἔμοιγε, ἔφη, δοκεῖ. — Τί δέ; οὐκ ἔστι φιλοῦντα μὴ ἀντιφιλεῖσθαι ὑπὸ τούτου ὃν ἂν φιλῇ; — Ἔστι. — Τί δέ; ἆρά ἐστι καὶ μισεῖσθαι φιλοῦντα; οἷόν που ἐνίοτε δοκοῦσι καὶ οἱ ἐρασταὶ πάσχειν πρὸς τὰ παιδικά. Φιλοῦντες γὰρ ὡς οἷόν τε μάλιστα, οἱ μὲν οἴονται οὐκ ἀντιφιλεῖσθαι, οἱ δέ, καὶ μισεῖσθαι· ἢ οὐκ ἀληθὲς δοκεῖ σοι τοῦτο; — Σφόδρα γε, ἔφη, ἀληθές. — Οὐκοῦν ἐν τῷ τοιούτῳ, ἦν δ᾽ ἐγώ, ὁ μὲν φιλεῖ, ὁ δὲ φιλεῖται; — Ναί. — Ὁπότερος οὖν αὐτῶν ποτέρου φίλος ἐστίν; ὁ φιλῶν τοῦ φιλουμένου, ἐάν τε καὶ ἀντιφιλῆται, ἐάν τε καὶ μισῆται· ἢ ὁ φιλούμενος τοῦ φιλοῦντος· ἢ οὐδέτερος αὖ ἐν τῷ τοιούτῳ οὐδετέρου φίλος ἐστίν, ἂν μὴ ἀμφότεροι ἀλλήλους φιλῶσιν; — Ἔοικε γοῦν οὕτως ἔχειν. — Ἀλλοίως ἄρα νῦν ἡμῖν δοκεῖ ἢ πρότερον ἔδοξε· τότε μὲν γάρ, εἰ ὁ ἕτερος φιλεῖ, φίλω εἶναι ἄμφω· νῦν
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Unterschied zu sein. — Wie meinst du, sprach ich? Beide werden also einander freund wenn nur einer den andern liebt. — Mir wenigstens, sagte er, scheint es. — Wie doch? ist es nicht möglich daß der liebende nicht wiedergeliebt werde von dem, welchen er liebt? — Sehr möglich. — Wie aber? Kann auch gehaßt werden der liebende? welches bisweilen den Verliebten zu begegnen scheint von ihren Lieblingen. Denn obschon sie selbst lieben so sehr es sich nur denken läßt glauben doch einige nicht wieder geliebt andere sogar gehaßt zu werden. Oder hältst du dieses nicht für wahr? — Gar sehr, sagte er, ist es wahr. — Also in solchem Falle, sprach ich, liebt der eine, der andre aber wird geliebt? — Ja. — Welcher also von ihnen ist des Anderen freund? der liebende des Geliebten, mag er nun wieder geliebt werden oder auch gehaßt oder der Geliebte des Liebenden? Oder ist im Gegentheil in solchem Falle keiner des Andern freund, wenn nicht beide einander lieben? — Es erhellt nun daß es sich so verhält. — Anders also scheint es uns jezt als es uns vorher schien. Damals nemlich hielten wir, wenn auch nur einer liebt beide für freunde: jezt,
T 9 den] darüber die offenbar als Anfang einer nicht vervollständigten Alternativversion (... zu erleiden scheinen)
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er, scheint es keinen Unterschied zu machen. — Wie sagst du? sprach ich! beide also werden einander Freund, wenn auch nur der eine den andern liebt? — Mir wenigstens, sagt er, dünkt es so. — Wie doch? geschieht es nicht, daß der Liebende nicht wieder geliebt wird von dem den er liebt? — Es geschieht. — Und wie? geschieht es auch, daß der Liebende gehaßt wird? welches bisweilen die Liebhaber glauben von ihren Lieblingen zu erleiden. Denn auch von denen, welche ihrerseits lieben so sehr es nur irgend möglich ist, meinen doch Einige, daß sie nicht wieder geliebt, Andere gar, daß sie gehaßt werden. Oder dünkt dich dieses nicht wahr zu sein? — Sehr wahr, sagte er. — In solchem Falle also, sprach ich, liebt der Eine, der Andere wird geliebt? — Ja. — Welcher also von ihnen ist des Andern Freund? der Liebende des Geliebten, mag er nun wieder geliebt werden oder gehaßt? oder der Geliebte des Liebenden? Oder ist im Gegentheil keiner von beiden in diesem Falle des Andern Freund, wenn nicht beide einander lieben? — Es hat wohl das Ansehen, als verhielte es | sich auf die lezte Art. — Anders also scheint es uns jezt als es vorher schien. Damals nämlich, daß wenn auch nur der Eine liebt, beide Freunde wären; jezt aber, daß wenn
er, scheint es keinen Unterschied zu machen. — Wie sagst du? sprach ich! beide also werden einander freund, wenn auch nur der eine den andern liebt? — Mich wenigstens, sagt er, dünkt es so. — Wie doch? geschieht es nicht, daß der Liebende nicht wieder geliebt wird von dem den er liebt? — Es geschieht. — Und wie? geschieht es auch, daß der Liebende gehaßt wird? wie doch manchmal die Liebhaber mit den Lieblingen dran zu sein glauben. Denn wiewohl liebend so sehr es nur irgend möglich ist, meinen doch Einige, daß sie nicht wieder geliebt, Andere gar, daß sie gehaßt werden. Oder dünkt dich dieses nicht wahr zu sein? — Sehr wahr, sagte er. — Und in einem solchen Falle, sprach ich, liebt doch der Eine, der Andere wird geliebt? — Ja. — Welcher also von ihnen ist des Andern Freund? der Liebende des Geliebten, mag er nun wieder geliebt werden oder auch gehaßt? oder der Geliebte des Liebenden? Oder ist im Gegentheil keiner von beiden in diesem Falle des Andern Freund, wenn nicht beide einander lieben? — Es hat wohl das Ansehen, als verhielte es sich auf die lezte Art. — Anders also scheint es uns jezt als es vorher schien. Damals nämlich, daß wenn auch nur der Eine liebt, beide Freunde wären: jezt aber, daß wenn
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δέ, ἂν μὴ ἀμφότεροι ἀλλήλους φιλῶσιν, οὐδέτερος φίλος. — Κινδυνεύει, ἔφη. — Οὐκ ἄρα ἐστὶ φίλον τῷ φιλοῦντι οὐδὲν, μὴ οὐκ ἀν-
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wenn nicht beide einander lieben keinen für einen Freund. — So kommt es heraus sagte er. — Also ist auch das Liebende nur dem freund20 von dem es wieder geliebt wird? 20
E (SN 155/1) Ich habe mir von hier an einige Abweichungen erlauben müssen aber nur scheinbar denn sie betreffen nur den Ausdruk. Denn wenn man nachrechnet an dem Exempel von den Kindern, welches das dominierende ist so haben die deutschen Formeln eben den Inhalt wie die Griechischen. Die eigentliche Absicht der Stelle ist meiner Idee nach auf den Unterschied zwischen der Zuneigung und der Freundschaft hinzuweisen indem er beide verwechselt und dadurch in Widerspruch führt. Zu dieser Verwechslung nun giebt sich unsere Sprache nicht auf dieselbe Art her wie die Griechische. Dabei hatte ich auch für den Gegensaz von φιλον und εχθρον zu sorgen. – Zu dieser Anmerkung am Rand ohne Einfügungszeichen: Im griechischen drükt er sich durch φιλος τινος und φιλος τινι aus. Die Einseitigkeit wird ausgedrükt durch ο φιλος ουκ εστι μοι φιλος: der Liebende ist mir nicht lieb. Damit hatte ich aber nicht ausge⌈richt⌋ und wußte also den anderen Ausdruk. | A (SN 155/2) ο υ κ α ρ α ε σ τ ι φ ι λ ο ν τ ω φ ι λ ο υ ν τ ι ο υ δ ε ν p. Von hier an habe ich mir durchaus überall wo dieselbe Re-
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu: Anm. 20 A: Ich weis keinen anderen Ausweg und billige diesen sehr, da die Etymologie hier sehr wichtig ist, und man also das Wort f r e u n d nicht darf fahren laßen.
1f ἀλλήλους] Heindorf, übersetzt SN 155/1 W1 | fehlt Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1823, S. 46 (126,2), fehlt in der Übersetzung W2, vgl. W2 Anm. 5
T 3–494,1 Also ist auch das Liebende nur dem freund von dem es wieder geliebt wird? — Es scheint so. — ] am Ende der Seite mit Einfügungszeichen statt im fortlaufenden Text: Das Geliebte also hat nichts zum Freunde als das, was von ihm wieder geliebt wird; über Nichts also ist dem Liebenden Freund, welches nicht wiederliebt.; danach — Es scheint nicht. — ; dazu am Rand Notiz für die später ausgeführte Anm. (Anm. 20 E): NB Dies scheint vor das αλλοιως zu gehören; darunter: Note über das abweichende der Uebersezung und die Korrespondenz. Die Platonische Absicht S Anm. 20 A Vgl. Aristoteles, Ethica Nicomachea, Buch 8, 1155b.1156a.1157b.1158b.
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nicht beide einander lieben, keiner des Anderen Freund ist. — So kommt es heraus, sagte er. — Also ist auch das Liebende nur dem Freund,6 von dem es wieder geliebt
nicht beide lieben5, keiner Freund ist. — So kommt es heraus, | sagte er. — Das Liebende ist also auch keinem freund,6 was nicht wieder5
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Also ist auch das Liebende n u r d e m f r e u n d . Eigentlich sollte dieses heißen: also ist auch dem Liebenden nur das lieb etc. Ich habe mir aber nicht nur hier, sondern überall im folgenden diese Abweichung erlaubt, theils um das gleiche Wort freund nicht fahren zu lassen, um welches sich Alles dreht, theils um einen reinen Gegensaz zwischen φίλον | und ἐχθρὸν zu erhalten. Daß es übrigens nur eine Abweichung des Ausdruks ist und jede einzelne Formel an sich und im Verhältniß zu den andern ganz dasselbe sagt wie in der Ursprache, kann Jeder sehen der nur das herrschende Beispiel von Eltern und Kindern oder sonst eines vergleichen will. Auch ist wohl Jemanden freund sein eben so deutsch als Jemanden feind sein.
b e i d e l i e b e n . Dem ἀλλήλους zu Liebe hatte ich οὐδέτερος φίλος übersezt, keiner des Anderen Freund; einschaltend freilich, aber was auch in der Urschrift sehr vermißt wird hinter dem ἀλλήλους. Darum habe ich gern ergriffen, daß viele Handschriften das ἀλλήλους auslassen. Das ἂν μὴ ἀμ|φότεροι φιλῶσι paßt auch genau an das εἰ ὁ ἕτερος φιλεῖ. 6 Das Liebende ist also auch k e i n e m f r e u n d . Eigentlich sollte dieses heißen: also ist auch dem Liebenden nur das lieb etc. Ich habe mir aber nicht nur hier, sondern überall im folgenden diese Abweichung erlaubt, theils um das gleiche Wort freund nicht fahren zu lassen, um welches sich Alles dreht, theils um einen reinen Gegensaz zwischen φίλον und ἐχθρὸν zu erhalten. Daß es übrigens nur eine Abweichung des Ausdruks ist und jede einzelne Formel an sich und im Verhältniß zu den andern ganz dasselbe sagt wie in der Ursprache, kann Jeder sehen der nur das herrschende Beispiel von Eltern und Kindern oder sonst eines vergleichen will. Auch ist wohl Jemanden freund sein eben so deutsch als Jemanden feind sein. – Daß ich aber den Freund der Leibesübungen jezt hier ausgelassen wird wohl niemand tadeln.
T Anm. 5 12 εἰ] verdruckt ἐκ W2 S 1 beide lieben] nach Bekker wie Spalte 1 App.; vgl. Anm. 5
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τιφιλοῦν. — Οὐκ ἔοικεν. — Οὐδ᾽ ἄρα φίλιπποι εἰσὶν οὓς ἂν οἱ ἵπποι μὴ ἀντιφιλῶσιν, οὐδὲ φιλόρτυγες, οὐδ᾽ αὖ φιλόκυνές γε καὶ φίλοινοι καὶ φιλογυμνασταὶ καὶ φιλόσοφοι, ἂν μὴ ἡ σοφία αὐτοὺς ἀντιφιλῇ· ἢ φιλοῦσι μὲν ταῦτα ἕκαστοι, οὐ μέντοι φίλα ὄντα, ἀλλὰ ψεύδεθ᾽ ὁ ποιητής, ὃς ἔφη
Erster Entwurf (handschriftlich)
— Es scheint so. — Also sind auch die nicht Pferdefreunde, welche von den Pferden nicht wieder geliebt werden; noch auch Wachtelfreunde, noch Hundefreunde | noch Weinfreunde noch Freunde der Leibesübung noch Freunde der Weisheit welche von der Weisheit nicht wieder geliebt werden? Oder kann man sagen, daß jeder von diesen seine Sache zwar liebe aber ohne daß er ihr freund sei? Und hat also der Dichter Unrecht welcher sagt densart vorkommt eine Abweichung erlaubt, die jedoch nur in der Wendung liegt. Es wird nämlich hier die Freundschaft und die einseitige Zuneigung, welche Aristoteles φιλησις nennt künstlich und absichtlich verwechselt. Dies ging im griechischen sehr leicht durch φιλος (subst.) τινος und φιλος (adject.) τινι. Das leztere können wir zwar im Deutschen eben so ausdrüken daß das Object der Zuneigung Subject des Satzes wird, ganz wörtlich das Pferd ist mir lieb. Ich habe aber den andern Ausdruk vorgezogen, wo das Subject der Zuneigung auch Subject des Sazes ist: ich bin dem Pferde freund (adject. wie freund) theils weil es sonst zu sehr aus der Freundschaft herausfällt, theils weil es an einem leichten grammatischen Uebergang aus dem φιλον in das εχθρον fehlt. Hält man die einzelnen Säze dieser Stelle an das dominierende Exempel von den Eltern und Kindern so entsprechen sie dem Griechischen ganz genau. Indeß bitte ich doch sehr zu prüfen ob es keine näher anschließende Auskunft giebt.
T 2 von den] über ihre | Pferden] Pferde SN 155/1 (ohne Angleichung an die vorangegangene Veränderung) 3 geliebt werden] über lieben 8 seine] korr. aus seiner 9 zwar liebe] über freund sei | er ihr freund sei] unter der Zeile statt zunächst er sie liebe , dann sie ihm lieb ist T Anm. 20 A 16 griechischen] griech. SN 155/2
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wird, und keinem Andern? — Es scheint keinem. — Also sind auch die nicht Pferdefreunde, welche von den Pferden nicht wieder geliebt werden, noch auch Wachtelfreunde, noch Hundefreunde, noch Weinfreunde, noch Freunde der Leibesübungen, noch Freunde der Weisheit die, welche die Weisheit nicht wiederliebt? Oder liebt zwar Jeder von diesen seinen Gegenstand, ist ihm aber doch nicht freund, sondern der Dichter hat unrichtig ge-
liebt? — Es scheint nicht. — Also ist auch der kein Pferdefreund, den seine Pferde nicht wieder lieben, noch auch Wachtelfreund, noch Hundefreund, noch Weinfreund, noch Weisheitsfreund, welchen die Weisheit nicht wiederliebt? Oder liebt zwar Jeder von diesen seinen Gegenstand, ist ihm aber doch nicht freund, sondern der Dichter hat unrichtig gesprochen, welcher sagt:
S 5 Zur Auslassung von Freund der Leibesübungen s. oben Anm. 6 Ende.
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Ὄλβιος, ᾧ παῖδές τε φίλοι, καὶ μώνυχες ἵπποι, Καὶ κύνες ἀγρευταί, καὶ ξένος ἀλλοδαπός; — Οὐκ ἔμοιγε δοκεῖ, ἦ δ᾽ ὅς. — Ἀλλ᾽ ἀληθῆ δοκεῖ λέγειν σοι; — Ναί. — Τὸ φιλούμενον ἄρα τῷ φιλοῦντι φίλον ἐστίν, ὡς ἔοικεν, ὦ Μενέξενε, ἐάν τε φιλῇ ἐάν τε καὶ μισῇ· οἷον καὶ τὰ νεωστὶ γεγονό-
Erster Entwurf (handschriftlich)
Glücklich21 wer, denen er freund ist Kinder und hufige Pferde Hunde zur Jagd Gastfreund auch in der ferne besizt. — Mir scheint es nicht, sagte er. — Also Recht scheint er dir zu haben? — Ja. — Der Liebende ist also allerdings dem Geliebten freund, wie es scheint, o Menexenos, dieses mag ihn nun lieben oder hassen. So wie
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E (SN 155/1) Die Umdeutung ist wol nicht so arg als du sie vorgestellt hast daß er nemlich supplire φιλοι εισι. Er hat es bloß mit dem φιλοι zu thun denn er hatte ja die Frage aufgeworfen ob es möglich wäre etwas zu lieben ohne daß es φίλον wäre. | A (SN 155/2) α λ λ α ψ ε υ δ ε θ ᾽ ο π ο ι η τ η ς Die Umdeutung ist wol nicht so | arg als du sie vorgestellt hast. Dergleichen wollen wir den Versen des 2.n Alc. p. überlassen. Es geht bloß darauf ob es recht wäre von dem was man liebt sich des Wortes φιλος zu bedienen, und höchstens hat er das φιλοι auf alle andern genannten Dinge auch gezogen.
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu 1 Übers.A (verl.): w e r , d e n e n e r F r e u n d i s t . Wenigstens mit einem Paar derben Komma mus diesem vorausgenommenen Relatif aufgeholfen werden. Nur weis ich freilich keinen Rath zu anderer Übersezung. Aber vielleicht solte eine Note daran gewendet werden für den deutschen Leser. T 1–4 Glücklich…besizt] nachträglich am Rand als Verse (Distichon) abgesetzt, im Text zuvor ebenfalls als Verse (zwei Hexameter) abgesetzt und eingerückt Glücklich welchen auch Kinder so lieben und hufige Pferde / Hunde zur Jagd vorhanden (über munteren Jagd ) und auswärts (über im Ausland) ferne der Gastfreund. (zu lieben über der Zeile und am Rand Markierung für Anm. 21 E) 6f Der Liebende ist] über den unterstrichenen Wörtern Das Geliebte hat 7f dem Geliebten freund] über den unterstrichenen Wörtern den Liebenden zum freunde 8 dieses] über es S Anm. 21 EA Die zitierten Verse stammen von Solon: fr. 23 West2. Schon Heindorf z. St. (S. 26) hatte sie nachgewiesen. Zur generellen Schwierigkeit der Interpretation von rätselhaften Dichterversen verweist Schleiermacher – nach Heindorf – auf Platon, Alkibiades II, 147c-d.
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sprochen, welcher sagt: Reich,7 wer, denen er freund ist, Kinder und muthige Pferde, Hunde zur Jagd, Gastfreund’ auch in der Ferne besizt? — Nicht so scheint es mir. — Sondern richtig dünkt er dich zu reden? — Ja. — Der Liebende ist also allerdings dem Geliebten freund, wie es scheint, o Menexenos, dieses mag ihn nun lieben oder hassen. So wie
Glücklich,7 wer, denen er freund ist, Kinder und muthige Pferde, Hunde zur Jagd, Gastfreund’ auch in der Ferne besizt? — Nicht so scheint es mir wenigstens. — Sondern richtig dünkt er dich zu reden? — Ja. — Der Liebende ist also allerdings dem Geliebten freund, wie es scheint, o Menexenos, dieser mag ihn nun lieben oder hassen. So wie
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R e i c h , w e r, d e n e n e r f r e u n d i s t etc. Die Anführung dieser Solonischen Verse hat keinen andern Zwek als zu fragen, ob man sich von dem was man einseitig liebt, des Ausdruks ihm freund sein bedienen darf. Daher mußte obige Veränderung des Ausdruks auch in diese Uebersezung hineingebracht werden. Die schwerfällige Struktur wird hoffentlich doch im Zusammenhange zu verstehen sein.
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S Anm. 7 Vgl. Spalte 2 App. S.
S Anm. 7 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 7.
Glücklich, w e r, denen er f r e u n d i s t etc. Die Anführung dieser Solonischen von Platon wunderlich gedrehten Verse hat keinen andern Zwek als zu fragen, ob man sich von dem was man einseitig liebt, des Ausdruks ihm freund sein bedienen darf. Daher mußte obige Veränderung des Ausdruks auch in diese Uebersezung hineingebracht werden, die nun ganz untreu werden mußte, und nicht mehr das ursprünglich Solonische ausdrücken konnte: glücklich wer liebe Kinder hat. Die schwerfällige Struktur wird hoffentlich doch im Zusammenhange zu verstehen sein.
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τα παιδία, τὰ μὲν οὐδέπω φιλοῦντα, τὰ δὲ καὶ μισοῦντα, ὅταν κολάζηται ὑπὸ τῆς μητρὸς ἢ ὑπὸ τοῦ πατρός, ὅμως, καὶ μισοῦντα ἐν ἐκείνῳ τῷ χρόνῳ, πάντων μάλιστα ἐστὶ τοῖς γονεῦσι φίλτατα. — ῎Εμοιγε δοκεῖ, ἔφη, οὕτως ἔχειν. — Οὐκ ἄρα ὁ φιλῶν φίλος ἐκ τούτου τοῦ λόγου, ἀλλ᾽ ὁ φιλούμενος. — Ἔοικε. — Καὶ ὁ μισούμενος ἐχθρὸς ἄρα, ἀλλ᾽ οὐχ ὁ μισῶν. — Φαίνεται. — Πολλοὶ ἄρα ὑπὸ τῶν ἐχθρῶν φιλοῦνται, ὑπὸ δὲ τῶν φίλων μισοῦνται, καὶ τοῖς μὲν ἐχθροῖς φίλοι εἰσί, τοῖς δὲ φίλοις ἐχθροί, εἰ τὸ φιλούμε-
Erster Entwurf (handschriftlich)
auch den Kindern, theils den ganz jungen, welche noch nicht lieben, theils auch denen, welche hassen wenn sie eben von der Mutter oder dem Vater gezüchtiget worden dennoch selbst in diesem Augenblik wo sie hassen die Eltern über Alles in der Welt freund sind? — Mir wenigstens sagte er scheint es so sich zu verhalten. — Nicht also der Geliebte ist freund nach dieser Rede, sondern der Liebende. — Das ist deutlich. — Also auch der Hassende ist feind, nicht der Gehaßte. — So scheint es. — Viele also lieben die welche ihnen feind sind, und hassen dagegen die welche ihnen freund sind, und sind also den Feinden freund und dagegen den Freunden feind, wenn nemlich der Lie-
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu 1–7 Übers.A (verl.): d e n Kindern — F r e u n d s i n d . Der Datif ist unendlich weit von dem f r e u n d das ihn regiert. Aber schwer ist Rath zu schaffen.
8 ῎Εμοιγε] verdruckt Εμοιγε Heindorf
T 1–7 den Kindern, theils den ... , theils auch denen ... gezüchtiget worden dennoch ... die Eltern über Alles in der Welt freund sind] korr. aus die Kinder, theils die ..., theils auch die ... gezüchtiget worden haben dennoch ... die Eltern über Alles in der Welt zu freunden (die zu korrigierenden Wörter bzw. Endungen z. T. durchgestrichen, z. T. unterstrichen) 8–10 der Geliebte ist freund ..., sondern der Liebende] korr. aus de n Geliebten hat er zum freund e ..., sondern de n Liebende n 11f der Hassende ist feind, nicht der Gehaßte] korr. aus de n Hassende n zum feind e , nicht de n Gehaßten 12–500,1 Viele also ... nicht der Geliebte.] nachträglich am Rand statt einer mehrfach korrigierten Version im Text: Viele also lieben ihre Feinde (korr. zu die welche sie zu Feinden haben ) und hassen dagegen ihre Freunde (korr. zu welche sie zu Freunden haben) (es folgt zunächst eingeklammert und durchkringelt:) und haben ihre Feinde zu Freunden (korr. zu und sind ihren Feinden Freunde), ihre Freunde aber (mit Punkten unter dem Wort) zu Feinden (korr. zu und ihren Freunden Feinde), wenn man nemlich den Liebenden zum Freund hat und nicht den Geliebten (dann folgt als zweite Version und ebenfalls durchkringelt:) und haben den zum Freunde, der sie zum Feinde hat (korr. zu dem sie Feinde sind), den dagegen zum Feinde, der sie zu Freunden hat, wenn man nemlich den Liebenden zum Freunde hat und nicht den Geliebten.
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auch den Kindern, theils den ganz jungen, welche noch nicht lieben, theils auch denen, welche hassen, wenn sie eben von der Mutter oder dem Vater gezüchtiget worden, dennoch selbst in dieser Zeit, wenn sie hassen, die Eltern über Alles in der Welt freund sind. — Mir, sagte er, scheint es so zu sein. — Nicht also der Geliebte ist Freund nach dieser Rede, sondern der Liebende. — Das ist deutlich. — Also ist auch der Hassende feind, nicht der Gehaßte? — So scheint es. — Viele also lieben die, welche ihnen feind sind, und hassen | dagegen die, welche ihnen freund sind, und sind also den Feinden freund und dagegen den Freunden feind, wenn nämlich der Lie-
auch den Kindern, theils den ganz jungen, welche noch nicht lieben, theils auch denen, welche hassen, wenn sie eben von der Mutter oder dem Vater gezüchtiget worden, dennoch selbst in dieser Zeit, wenn sie hassen, die Eltern über Alles in der Welt freund sind. — Mir, sagte er, scheint es so zu sein. — Nicht also der Geliebte ist Freund nach dieser Rede, sondern der Liebende. — Das ist deutlich. — Also ist auch der Hassende feind, nicht der Gehaßte? — So scheint es. — Viele also lieben die, welche ihnen feind sind, und hassen dagegen die, welche ihnen freund sind, und sind also den Feinden freund und dagegen den Freunden feind, wenn nämlich der Lie-
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νον φίλον ἐστίν, ἀλλὰ μὴ τὸ φιλοῦν. Καίτοι πολλὴ ἀλογία, ὦ φίλε ἑταῖρε, μᾶλλον δέ, οἶμαι, καὶ ἀδύνατον, τῷ τε φίλῳ ἐχθρὸν καὶ τῷ ἐχθρῷ φίλον εἶναι. — Ἀληθῆ, ἔφη, ἔοικας λέγειν, ὦ Σώκρατες. — Οὐκοῦν, εἰ τοῦτ᾽ ἀδύνατον, τὸ φιλοῦν ἂν εἴη φίλον τοῦ φιλουμένου. Φαίνεται. — Τὸ μισοῦν ἄρα πάλιν ἐχθρὸν τοῦ μισουμένου. — Ἀνάγκη. — Οὐκοῦν ταὐτὰ ἡμῖν συμβήσεται ἀναγκαῖον εἶναι ὁμολογεῖν, ἅπερ ἐπὶ τῶν πρότερον, πολλάκις φίλον εἶναι μὴ φίλου, πολλάκις δὲ καὶ ἐχθροῦ, ὅταν ἢ μὴ φιλοῦν τις φιλῇ, ἢ καὶ μισοῦν φιλῇ· πολλάκις δ᾽ ἐχθρὸν εἶναι μὴ ἐχθροῦ, ἢ καὶ φίλου, ὅταν ἢ μὴ μισοῦν τις μισῇ, ἢ καὶ φιλοῦν μισῇ. — Κινδυνεύει, ἔφη. — Τί οὖν δὴ χρησόμεθα, ἦν δ᾽ ἐγώ, εἰ μήτε οἱ φιλοῦντες φίλοι ἔσονται, μήτε οἱ φιλούμενοι, μήτε οἱ φιλοῦντές τε καὶ φι-
Erster Entwurf (handschriftlich)
bende freund ist und nicht der Geliebte. Dieses aber ist große Unvernunft lieber Freund oder vielmehr ich glaube es ist unmöglich dem Feinde freund sein und dem Freunde feind. — Sehr Recht hast du wie man glauben muß o Sokrates sagte er. — Also wenn dieses unmöglich ist so wäre wol der Geliebte dem Liebenden freund? — So zeigt es sich. — Also auch der Gehaßte dem Hassenden feind? — Nothwendig. — So wird also folgen daß wir nothwendig dasselbe zugestehen müssen wie vorher daß oft einer freund ist dem der ihm nicht freund ist sondern sogar feind, wenn Jemand liebt was ihn nicht liebt oder was er wol gar haßt. Daß auch oft einer feind ist dem der ihm nicht feind ist sondern wol gar freund, wenn Jemand haßt was ihn nicht haßt, oder wol gar haßt was ihn liebt. — So scheint es zu werden, sagte er. — Was also sollen wir machen sprach ich wenn weder die Liebenden Freunde sein sollen noch auch die Geliebten, noch auch nur die zugleich Lieben-
T 4f dem Feinde freund sein und dem Freunde feind] über den Freund zum Feinde zu haben und den Feind zum Freunde 5f man glauben muß] über es einleuchtet 7f so wäre wol der Geliebte dem Liebenden freund] am Rand (dort korr. aus ...der Liebende dem Geliebten ...) statt im Text zunächst so wäre wol der Geliebte freund dem Liebenden , dann korr. zu so hätte wol der Liebende den Geliebten (Bearb. statt der Geliebte SN 155/1) zum freund 9f Also auch der Gehaßte dem Hassenden feind?] am Rand statt im Text zunächst Also auch der Gehaßte feind dem Hassenden ?, dann korr. zu Also der Hassende auch den Gehaßten (Bearb. statt der Gehaßte SN 155/1) zum feind? 12f einer freund ist dem] korr. zu und wieder verworfen einer den zum freund hat 13 ihm nicht freund ist] korr. zu und wieder verworfen ihn nicht zum freund hat 14 feind] korr. zu und wieder verworfen zum feind 14f was ihn] zunächst gestr., dann durch Punkte unter dem Wort Streichung rückgängig gemacht, über der Zeile mit Einfügungszeichen ⌈wie er den wieder⌋ 15 er wol] über ihn 17 sondern wol gar freund] korr. aus oder gar feind dem, der ihm freund ist 18 haßt1] darüber und 23 nur] über ( ausschließend ) (in Klammern) | zugleich] über der Zeile mit Einfügungszeichen
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bende Freund ist, und nicht der Geliebte? Dieses aber ist doch große Unvernunft, lieber Freund, oder vielmehr, glaube ich, gar unmöglich, dem Feinde freund sein und dem Freunde feind? — Sehr recht, sagte er, hast du offenbar, o Sokrates. — Also wenn dieses unmöglich ist, so wäre wohl der Geliebte dem Liebenden freund? Das leuchtet ein. — Also auch der Gehaßte dem Hassenden feind? — Nothwendig. — Wird aber nicht so herauskommen, daß wir nothwendig dasselbe zugeben müssen, wie bei dem Vorigen, daß oft einer freund ist dem der ihm nicht freund ist, oft auch dem, der ihm feind ist, wenn Jemand liebt was ihn nicht liebt, oder ihn wohl gar haßt; daß auch oft einer feind ist dem der ihm nicht feind ist, sondern wohl gar freund, wenn Jemand haßt, was ihn nicht haßt, oder wohl gar haßt was ihn liebt? — So scheint es zu werden, sagte er. — Was also sollen wir machen, sprach ich, wenn weder die Liebenden Freunde sein sollen, noch auch die Geliebten, noch auch nur die zugleich Liebenden und Gelieb-
bende Freund ist, und nicht der Geliebte? Dieses aber ist doch große Unvernunft, lieber Freund, oder vielmehr, glaube ich, gar unmöglich, dem | Feinde freund sein und dem Freunde feind? — Sehr recht, sagte er, hast du offenbar, o Sokrates. — Also wenn dieses unmöglich ist, so wäre wohl der Geliebte dem Liebenden freund? Das leuchtet ein. — Also auch der Gehaßte dem Hassenden feind? — Nothwendig. — Wird aber nicht so herauskommen, daß wir nothwendig dasselbe zugeben müssen, wie bei dem Vorigen, daß oft einer freund ist dem der ihm nicht freund ist, oft auch dem, der ihm feind ist, wenn Jemand geliebt wird nicht wieder liebend, oder wohl gar hassend; daß auch oft einer feind ist dem der ihm nicht feind ist, sondern wohl gar freund, wenn Jemand gehaßt wird nicht wieder hassend, oder wohl gar liebend? — So scheint es zu werden, sagte er. — Was also sollen wir machen, sprach ich, wenn weder die Liebenden Freunde sein sollen, noch auch die Geliebten, noch auch nur die zugleich Liebenden und Gelieb-
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λούμενοι; ἀλλὰ καὶ παρὰ ταῦτα ἄλλους τινὰς ἔτι φήσομεν εἶναι φίλους ἀλλήλοις γιγνομένους; — Οὐ μὰ τὸν Δία, ἔφη, ὦ Σώκρατες, οὐ πάνυ εὐπορῶ ἔγωγε. — Ἆρα μή, ἦν δ᾽ ἐγώ, ὦ Μενέξενε, τὸ παράπαν οὐκ ὀρθῶς ἐζητοῦμεν; — Ἔμοιγε δοκεῖ, ἔφη, ὦ Σώκρατες, ὁ Λύσις, καὶ ἅμα εἰπὼν ἠρυθρίασεν. Ἐδόκει γάρ μοι ἄκοντ᾽ αὐτὸν ἐκφεύγειν τὸ λεχθέν, διὰ τὸ σφόδρα προσέχειν τὸν νοῦν τοῖς λεγομένοις· δῆλος δ᾽ ἦν καὶ ὅτε ἠκροᾶτο οὐχ οὕτως ἔχων. Ἐγὼ οὖν βουλόμενος τόν τε Μενέξενον ἀναπαῦσαι, καὶ ἐκείνου ἡσθεὶς τῇ φιλοσοφίᾳ, οὕτω μεταβαλὼν πρὸς τὸν Λύσιν ἐποιούμην τοὺς λόγους, καὶ εἶπον, ὦ Λύσι, ἀληθῆ μοι δοκεῖς λέγειν, ὅτι, εἰ ὀρθῶς ἡμεῖς ἐσκοποῦμεν, οὐκ ἄν ποτε οὕτως ἐπλανώμεθα. Ἀλλὰ ταύτῃ μὲν μηκέτι ἴωμεν· καὶ γὰρ χαλεπή τίς μοι φαίνεται, ὥσπερ ὁδός, ἡ σκέψις· ᾗ δὲ ἐτράπημεν, δο-
8 τὸ παράπαν] verdruckt τοπαράπαν Heindorf 17 οὐχ] fehlt Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 46 [128,5], nicht übersetzt SN 155/1 W1 W2, vgl. W2 Anm. 8
Erster Entwurf (handschriftlich)
den und Geliebten? Sondern wir außer diesen noch von andern behaupten sollen daß sie einander werden freunde sein? — Beim Zeus, sagte er, o Sokrates, ich weiß gar keinen Rath. — Haben wir auch etwa sprach ich, o Menexenos von Anfang an nicht richtig untersucht? — Mir scheint es wol so, o Sokrates, sagte Lysis, und noch indem er es sagte erröthete er. So daß mir schien es sei ihm wider Willen entschlüpft indem er mit ganzer Seele bei dem Gesprochenen war. | Denn diese bemerkte man deutlich an ihm als er zuhörte. Ich also theils um den Menexenos auszuruhen, theils erfreut über Jenes Wißbegierde, wechselte um die Rede an den Lysis richtend, und sagte: O Lysis du scheinst mir wahr zu sprechen denn wenn wir nur richtig untersucht hätten würden wir wol nicht in diese Verwirrung gerathen sein. Hier also wollen wir nicht weiter gehn denn man sieht sie ist wie ein schlechter Weg diese Untersuchung sondern wo wir abgelenkt haben da glaube ich sollten wir
T 1 wir] danach eben 1f diesen] dies. SN 155/1 2 von] und danach vielleicht and über der Zeile mit Einfügungszeichen 4f keinen] über nicht 7 wol] über der Zeile mit Einfügungszeichen 8 noch] über der Zeile mit Einfügungszeichen 9 erröthete] davor schon | es] über der Zeile mit Einfügungszeichen statt das Gesagte 10f indem er mit ganzer Seele bei dem Gesprochenen war] über aus allzugroßer Aufmerksamkeit auf | [7r] das Gesprochene 12 diese] anscheinend bezogen auf das zuvor verworfene Aufmerksamkeit, vgl. W1 17 denn] über daß 23 abgelenkt] korr. aus um-[ZE]gelenkt | glaube ich sollten] über wollen mit Einfügungszeichen
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ten, sondern wir von Andern außer diesen behaupten sollen, daß sie einander werden Freunde sein? — Beim Zeus, sagte er, o Sokrates, ich weiß gar keinen Rath. — Haben wir auch etwa, sprach ich, o Menexenos, unsere Untersuchung überall unrichtig angelegt? — So dünkt es mich wohl, o Sokrates, sagte Lysis, und kaum daß er es ausgesprochen, so erröthete er. Daher schien es ihm wider Willen entschlüpft zu sein, indem er mit ganzer Seele dem Gesprochenen nachdachte. Denn große | Aufmerksamkeit war ihm anzusehn, wie er zuhörte.
ten, sondern wir von Andern außer diesen behaupten sollen, daß sie einander freund werden? — Beim Zeus, sagte er, o Sokrates, ich weiß gar keinen Rath. — Haben wir auch etwa, sprach ich, o Menexenos, unsere Untersuchung überall unrichtig angelegt? — So dünkt es mich wohl, o Sokrates, sagte Lysis, und wie er es gesagt, so erröthete er. So daß das Wort ihm schien wider Willen entschlüpft zu sein, weil er mit ganzer Seele darauf achtete, was gesprochen ward. Und so8 hatte er offenbar auch, als er zuhörte, immer gethan.
Ich also, theils weil ich den Menexenos ausruhen wollte, theils auch in der Freude über Jenes Nachdenklichkeit, wechselte um, und die Rede an den Lysis richtend sagte ich: O Lysis, du scheinst mir richtig zu sprechen, denn wenn wir unsere Untersuchung recht angelegt hätten, so würden wir schwerlich so in die Irre gerathen sein. Hier also laß uns nicht weiter gehen, denn man sieht, sie ist wie ein schlimmer Weg diese Untersuchung; sondern wo wir abgelenkt haben, da, glaube ich, müs-
Ich also, theils weil ich den Menexenos ausruhen wollte, theils auch in der Freude über Jenes Nachdenklichkeit, wechselte um, und die Rede an den Lysis richtend sagte ich: O Ly|sis, du scheinst mir richtig zu sprechen, denn wenn wir unsere Untersuchung recht angelegt hätten, so würden wir schwerlich so in die Irre gerathen sein. Hier also laß uns nicht weiter gehen, denn sie ist offenbar gar ein schlimmer Weg diese Untersuchung; sondern wo wir abgelenkt haben, da, glaube ich, müs8
U n d s o . Ich halte es gern mit den Handschriften bei Bekker, welche das unbequeme οὐχ auslassen.
S Anm. 8 Vgl. Spalte 1 App.
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κεῖ μοι χρῆναι ἰέναι, σκοποῦντα τὰ κατὰ τοὺς ποιητάς. Οὗτοι γὰρ ἡμῖν ὥσπερ πατέρες τῆς σοφίας εἰσὶ καὶ ἡγεμόνες. Λέγουσι δὲ δήπου – οὐ φαύλως ἀποφαι-
1–3 σκοποῦντα τὰ κατὰ τοὺς ποιητάς] σκοποῦντα κατὰ τοὺς ποιητάς konj. Heindorf, Appendix S. 358, Ed.Berlin 1816 (Bekker) (τὰ im Text, jedoch durch eckige Klammern athetiert), vgl. Anm. 22 EA W1 Anm. 8 W2 Anm. 9, τὰ nicht übersetzt SN 155/1 W1 W2
Erster Entwurf (handschriftlich)
weiter gehn und nach den Dichtern untersuchen22. Denn diese sind uns doch gleichsam die Väter und Führer der Weisheit. Sie reden aber so daß sie sich warlich nicht schlecht 22
E (SN 155/1) Ich glaube σκοπουντα κατα τους ποιητας. σκοπουντα nemlich die Sache; aber auch der Singular ist eigentlich wunderlich. | A (SN 155/2) σκοπουντα τα κατα τους ποιητας. Hier ist mir das τα sehr verdächtig. Es komt fast heraus als wollten sie die φιλια ganz verlassen. Weit richtiger ist glaube ich gesprochen wenn man das τα herauswirft. Auch der Singular σκοπουντα ist wunderlich es steht auf dem δοκει μοι wol nicht fest genug.
T 1 nach] über der Zeile mit Einfügungszeichen | Dichtern] danach folgen 1f untersuchen] über der Zeile und am Rand Markierung für Anm. 22 E T Anm. 22 E 7 Singular] Singul SN 155/1 S Anm. 22 EA Vgl. Spalte 1 App.
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sen wir weiter gehn, und nach den Dichtern untersuchen8. Denn diese sind doch gleichsam unsere Väter und Führer in der Weisheit. Sie reden aber so, daß sie sich wahrlich
sen wir weiter gehn, und nach den Dichtern untersuchen9. Denn diese sind doch gleichsam unsere Väter und Führer in der Weisheit. Sie reden aber so, daß sie sich wahrlich
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und nach den Dichtern unt e r s u c h e n . In den Worten σκοποῦντα τὰ κατὰ τοὺς ποιητὰς habe ich das mir ziemlich verdächtige τὰ wenigstens nicht mit übersezt; denn es macht sich, als solle auch der Gegenstand der Untersuchung sich ändern. Ist aber einmal Verdacht vorhanden, so darf auch wohl das σκοποῦντα statt σκοποῦντας als wunderlich bezeichnet werden.
und nach den Dichtern unt e r s u c h e n . In den Worten σκοποῦντα τὰ κατὰ τοὺς ποιητὰς habe ich das mir ziemlich verdächtige τὰ wenigstens nicht mit übersezt; denn es macht sich, als solle auch der Gegenstand der Untersuchung sich ändern. Ist aber einmal Verdacht vorhanden, so darf auch wohl das σκοποῦντα statt σκοποῦντας als wunderlich bezeichnet werden.
S Anm. 8 Vgl. Spalte 1 App.
S Anm. 9 Vgl. Spalte 1 App.
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νόμενοι περὶ τῶν φίλων, οἳ τυγχάνουσιν ὄντες, ἀλλὰ τὸν θεὸν αὐτὸν φασὶ ποιεῖν φίλους αὐτούς, ἄγοντα παρ᾽ ἀλλήλους – λέγουσι δέ πως ταῦτα, ὡς ἐγᾦμαι, ὡδί·
Erster Entwurf (handschriftlich)
erklären über Freunde wie sie auch sein mögen23, sondern sagen der Gott selbst führe sie einander zu und mache sie zu Freunden. Sie sprechen über dieses wo ich nicht irre so 23
E (SN 155/1) Dieses οι τυγχανουσιν οντες scheint mir darauf zu gehn daß Melantheus die angezogenen Verse sagt, indem er den Odysseus und Eumaios für Taugenichte erklärt Νυν μεν δη μαλα παγχυ κακος κακον ἡγηλαζει A (SN 155/2) οἳ τυγχανουσιν ὄντες. Gewiß οἷοι oder wenigstens für οἱοι den Sinn muß man in der Stelle des Homer finden, wo der welcher die Worte sagt Melantheus den Odysseus und Eumaios für ein paar schlechte Kerls hält. Νυν μεν δη μαλα παγχυ κακος κακον ηγηλαζει Daher: von freunden überhaupt, wie sie auch sein mögen drüken sie sich so aus als ob ein Gott sie zusammenführe.
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu 1f Übers.A (verl.) (mit Anm. 23 A): w i e s i e a u c h s e i n m ö g e n . müste griechisch heißen οἵ τινες οὖν ἂν τυγχάνωσιν ὄντες. Nun aber ist es eine unübersezbare (glaube ich) Redundanz für περὶ τῶν φίλων οἳ φίλοι εἰσίν. Solte sie ausgedrükt werden, so wäre es wol so: über Leute, die Freunde untereinander sind. T 1f über Freunde wie sie auch sein mögen] über Leute, die Freunde untereinander sind Spld. (155/3), vgl. W1 W2 1f mögen] über der Zeile Markierung und am Rand Notiz für die später ausgeführte Anm. (Anm. 23 E): Note. Vielleicht οἷοι; wahrscheinlich in Beziehung auf den Zusammenhang im Homer vom Taugenichts T Anm. 23 E 6 zu gehn] korr. aus zuzugehn | E 9 als Hexameter abgesetzt und eingerückt SN 155/1 | A 15 am Ende der Anmerkung als Hexameter abgesetzt und eingerückt und mit Einfügungszeichen hier eingefügt SN 155/2 S Anm. 23 EA Homer, Odyssee XVII, 217. Vgl. Heindorf z. St. (S. 29).
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nicht schlecht erklären über Freunde, wer sie sind, indem sie sagen, der Gott selbst führe sie einander zu, und mache sie zu Freunden. Es lautet aber dieses bei ihnen wo ich
nicht schlecht erklären über Freunde, wer sie sind, sondern der Gott selbst, sagen sie, führe sie einander zu, und mache sie zu Freunden. Es lautet aber dieses bei ihnen wo ich
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Αἰεί τοι τὸν ὁμοῖον ἄγει θεὸς ὡς τὸν ὁμοῖον καὶ ποιεῖ γνώριμον· ἢ οὐκ ἐντετύχηκας τούτοις τοῖς ἔπεσιν; — Ἔγωγε, ἔφη. — Οὐκοῦν καὶ τοῖς τῶν σοφωτάτων συγγράμμασιν ἐντετύχη-
Erster Entwurf (handschriftlich)
Wie doch stets den gleichen ein Gott gesellet zum Gleichen und macht sie einander bekannt. Oder sind dir diese Worte niemals vorgekommen? — O Ja sagte er. — Auch wol Schriften der weisesten Männer24 hast du getroffen wel24
E (SN 155/1) Da Sokrates συγγραμματα gesagt hat kann er nicht den Empedokles gemeint haben der keine Prosa gemacht hat. Vielleicht geht es auf das Buch des Gorgias von der Natur oder auf den Anaxagoras. Denn es wäre lächerlich wenn er den Heraklit gemeint hätte bei dem die Freundschaft eigentlich Princip der Zerstörung war oder auch wenn er hätte voraussezen wollen Lysis habe den Heraklit gelesen. | A (SN 155/2) τ ο ι ς τ ω ν σ ο φ ω τ α τ ω ν σ υ γ γ ρ α μ μ α σ ι ν . Unmittelbar kann hier nicht Empedokles gemeint sein der kein συγγραφευς war sondern ein ποιητης. Vielleicht seines namentlichen Schülers Gorgias Bücher περι φυσεως. Doch dies wäre, wegen der gewöhnlichen Berichte von diesem Buch eine schwierige Hypothese. Auch Heraclit könnte gemeint sein denn wenn ihm gleich Freundschaft Princip der Zerstörung war, so war sie doch Anziehungskraft des homogenen. Aber es wäre lächerlich von Plato gewesen vorauszusezen daß ein Knabe den Heraklit sollte gelesen haben. Am wahrscheinlichsten ist mir, daß es auf den Anaxagoras einen gleichsam attischen Schriftsteller geht dessen Homoiomerien dieselbe Theorie zum Grunde liegt.
T 1f Wie doch stets den gleichen ein Gott gesellet zum Gleichen] als Hexameter abgesetzt und eingerückt, das Folgende und macht sie einander bekannt ist nachträglich am Ende hinzugefügt T Anm. 24 E 7 Sokrates] Sokr. SN 155/1 A 26 wahrscheinlichsten] wahrscheinlst SN 155/1
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S 1f Homer, Odyssee XVII, 218 nach der Übersetzung von Johann Heinrich Voß (Homers Odyssee, 1793). S Anm. 24 EA Schleiermacher scheidet zunächst rein formal aus, dass Platon hier auf Empedokles (vorsokrat. Philosoph, 5. Jh. v. Chr.), der mit seiner Theo-
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nicht irre so: Wie doch stets den Gleichen ein Gott gesellet zum Gleichen, und sie bekannt macht. Oder ist dir dieser Vers niemals vorgekommen? — Mir wohl, sagte er. — Auch wohl Schriften sehr weiser Männer9 sind dir vorgekommen,
nicht irre so: Wie doch stets den Gleichen ein Gott gesellet zum Gleichen, und ihn bekannt macht. Oder sind dir diese Verse niemals vorgekommen? — Mir wohl, sagte er. — Auch wohl Schriften sehr weiser Männer10 sind dir vorgekommen,
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Auch wohl Schriften sehr w e i s e r M ä n n e r . Empedokles kann wohl hier nicht unmittelbar gemeint sein, der kein συγγραφεὺς war, sondern ein ποιητής. Wer, möchte schwer zu entscheiden sein. Denn den Herakleitos, dem Freundschaft zwar Princip der Zerstörung war, aber doch auch Anziehungskraft des Gleichartigen, diesen gelesen zu haben konnte Sokrates dem Lysis nicht zumuthen; und dies dürfte wohl von den meisten gelten, an die man denken könnte. – Der vorhergehende Vers findet sich Odyss. XVII, 218.
S Anm. 9 Vgl. Spalte 2 App. S. – Rez.Boeckh (1808), S. 118 f = (1872), S. 35-37 lehnt einen Bezug auf die alten Vorsokratiker Heraklit, Empedokles und Anaxagoras ab und tritt für einen Bezug auf zeitgenössische Sophisten ein, die mit vorsokratischen Gedankenmodellen spielen, z. B. Gorgias, Hippias und Polos. Vgl. den Zusatz von Gorgias in W2 Anm. 10. – Zu dem zitierten Homer-Vers s. Spalte 2 App. S den vorhergehenden Eintrag.
Auch wohl Schriften sehr w e i s e r M ä n n e r . Empedokles kann wohl hier nicht unmittelbar gemeint sein, der kein συγγραφεὺς war, sondern ein ποιητής. Wer, möchte schwer zu entscheiden sein. Denn den Herakleitos, dem Freundschaft zwar Princip der Zerstörung war, aber doch auch Anziehungskraft des Gleichartigen, diesen gelesen zu haben konnte Sokrates dem Lysis nicht zumuthen; und dies dürfte wohl von den meisten gelten, an die man denken könnte; auch von Gorgias, den man in allgemeiner Beziehung wohl gar nicht des Empedokles Schüler nennen kann, und in dessen sehr wunderlich περὶ φύσεως überschriebenem Buch, wie es uns Sextus analysirt, nicht leicht Raum für unsern Gegenstand zu finden ist. – Der vorhergehende Vers findet sich Odyss. XVII, 218.
S Anm. 10 Vgl. Spalte 2 App. S und Spalte 3 zu Anm. 9. – W2 Anm. 10 ist ergänzt ggb. W1 nach Rez.Boeckh (1808) (wie zu W1); vgl. auch schon Spalte 2 Anm. 24 EA.
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κας, ταῦτα ταὐτὰ λέγουσιν, ὅτι τὸ ὅμοιον τῷ ὁμοίῳ ἀνάγκη ἀεὶ φίλον εἶναι; Εἰσὶ δέ που οὗτοι οἱ περὶ φύσεώς τε καὶ τοῦ ὅλου διαλεγόμενοι καὶ γράφοντες. — Ἀληθῆ, ἔφη, λέγεις. — Ἆρ᾽ οὖν, ἦν δ᾽ ἐγώ, εὖ λέγουσιν; — Ἴσως, ἔφη. — Ἴσως, ἦν δ᾽ ἐγώ, τὸ ἥμισυ αὐτοῦ, ἴσως δὲ καὶ πᾶν, ἀλλ᾽ ἡμεῖς οὐ συνίεμεν. Δοκεῖ γὰρ ἡμῖν ὅ γε πονηρὸς τῷ πονηρῷ, ὅσῳ ἂν ἐγγυτέρω προσίῃ καὶ μᾶλλον ὁμιλῇ, τοσούτῳ ἐχθίων γίγνεσθαι· ἀδικεῖ γάρ· ἀδικοῦντας δὲ καὶ ἀδικουμένους ἀδύνατόν που φίλους εἶναι. Οὐχ οὕτω; — Ναί, ἦ δ᾽ ὅς. — Ταύτῃ μὲν ἂν τοίνυν τοῦ λεγομένου τὸ ἥμισυ οὐκ ἀληθὲς εἴη, εἴπερ οἱ πονηροὶ ἀλλήλοις ὅμοιοι. — Ἀληθῆ λέγεις. — Ἀλλά μοι δοκοῦσι λέγειν τοὺς ἀγαθοὺς ὁμοίους εἶναι ἀλ-
Erster Entwurf (handschriftlich)
che dasselbe sagen, daß das Aehnliche nothwendig dem Ähnlichen immer freund sei. Und das sind eben die, welche über die Natur und das Ganze reden und schreiben. — Richtig, sagte er. — Sprechen sie also wahr? — Vielleicht sagte er. — Vielleicht, sprach ich, zur Hälfte, vielleicht auch ganz, und wir verstehen es nur nicht. Denn uns scheint ein Böser dem andern, je näher er ihm kommt und je genauer er mit ihm umgeht desto mehr feind werden zu müssen. Denn er beleidigt. Die Beleidigenden aber und Beleidigten können unmöglich Freunde sein. Nicht so? — Gewiß sagte er. — Auf diese Art also wäre von dem Gesagten die Hälfte nicht wahr wenn doch die Bösen einander auch ähnlich sind. — Du hast recht. — Aber mir scheinen sie sagen zu wollen,
T 3 Und das sind eben die] korr. aus Es sind dieses aber die 4 schreiben] über der Zeile Markierung und am Rand Notiz für die später ausgeführte Anm. (Anm. 24 E): Ists Heraclit so ists eine Härte 6 wahr] über richtig 7 zur Hälfte] über halb 8 und] über aber | nur] über der Zeile mit Einfügungszeichen 18 Aber] über Sondern | sagen zu wollen] über zu meinen S Forts. Anm. 24 rie von Liebe und Streit nahe liegen würde, anspielt (s. auch W1 Anm. 9 und W2 Anm. 10), womit er sich implizit gegen Heindorf z. St. (S. 30) richtet. Stattdessen erwägt er Gorgias aus Leontinoi (Redner und Sophist, ca. 480-380 v. Chr.), dem eine (nicht erhaltene) Schrift „Περὶ φύσεως ἢ περὶ τοῦ μὴ ὄντος“ (Über die Natur oder über das Nichtseiende) zugeschrieben wird (B 1-5: Bd. 2, S. 279-284 DielsKranz, vor allem vgl. Sextus Empiricus, Adversus mathematicos 7, 65-87). Ferner Heraklit (vorsokrat. Philosoph, um 500 v. Chr.), in dessen Philosophie die Spannung zwischen Gegensätzen ein zentrales Thema darstellt (Diels-Kranz Nr. 22, Bd. 1, S. 139-190, bes. B 51: S. 162; vgl. Schleiermachers Abhandlung über Heraklit, 1808: KGA I/6, S. 101-241). Anaxagoras (vorsokrat. Philosoph, 5. Jh. v. Chr.; vgl. Diels-Kranz Nr. 59, Bd. 2, S. 5-44) sah laut Aristoteles, Metaphysik A 3, 984a u. a. die Welt als Mischung ‚gleicher Teile‘ (Homoiomerien), die jeweils das Ganze und damit auch die Gegensätze vollständig in sich tragen und nur durch unterschiedliche Mischungen die Vielfalt der Erscheinungen erzeugen.
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welche dasselbe sagen, daß das Aehnliche dem Aehnlichen nothwendig immer freund sei. Und dies sind die, welche von der Natur und dem All reden und schreiben. — Richtig, sagte er. — Sprechen sie also wahr? — Vielleicht, sagte er. — Vielleicht, sprach ich, zur Hälfte, vielleicht auch ganz, und wir verstehen es nur nicht. Denn uns scheint der Böse dem Bösen, je näher er ihm kommt, und je genauer er mit ihm umgeht, um desto mehr feind werden zu müssen. Denn er beleidigt; die Beleidigenden | aber und Beleidigten können unmöglich Freunde sein. Nicht so? — Gewiß, sagte er. — Auf diese Art also wäre von dem Gesagten die Hälfte nicht wahr, wenn doch die Bösen einander auch ähnlich sind. — Du hast Recht. — Aber mich dünkt, sie wollen nur von den Guten sagen,
welche eben dasselbe sagen, daß das Aehnliche dem Aehnlichen nothwendig immer freund sei. Und dies sind die, welche von der Natur und dem All reden und schreiben. — Richtig, sagte er. — Sprechen sie also wahr? — Vielleicht, sagte er. — Vielleicht, sprach ich, zur Hälfte, vielleicht aber auch ganz, und wir verstehen es nur nicht. Denn uns scheint der Böse dem Bösen, je näher er ihm kommt, und je genauer er mit ihm umgeht, um desto mehr feind werden zu müssen. Denn er beleidigt; die Beleidigenden aber und Beleidigten können unmöglich Freunde sein. Nicht so? — Gewiß, sagte er. — Auf diese Art also wäre von dem Gesagten die Hälfte nicht wahr, wenn doch die Bösen einander auch ähnlich sind. — Du hast Recht. | — Aber mich dünkt, sie wollen nur von den Guten sagen,
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λήλοις καὶ φίλους, τοὺς δὲ κακούς, ὅπερ καὶ λέγεται περὶ αὐτῶν, μηδέποτε ὁμοίους μηδ᾽ αὐτοὺς αὑτοῖς εἶναι, ἀλλ᾽ ἐμπλήκτους τε καὶ ἀσταθμήτους. Ὃ δὲ αὐτὸ αὑτῷ ἀνόμοιον εἴη καὶ διάφορον, σχολῇ γέ τῳ ἄλλῳ ὅμοιον ἢ φίλον γένοιτο· ἢ οὐ καὶ σοὶ δοκεῖ οὕτως; — Ἔμοιγε, ἔφη. — Τοῦτο τοίνυν αἰνίττονται, ὡς ἐμοὶ δοκοῦσιν, ὦ ἑταῖρε, οἱ τὸ ὅμοιον τῷ ὁμοίῳ φίλον λέγοντες, ὡς ἀγαθὸς τῷ ἀγαθῷ μόνος μόνῳ φίλος, ὁ δὲ κακὸς οὔτε ἀγαθῷ οὔτε κακῷ οὐδέποτε εἰς ἀληθῆ φιλίαν ἔρχεται. Συνδοκεῖ σοι; — Κατένευσεν. — Ἔχομεν ἄρα ἤδη, τίνες εἰσὶν οἱ φίλοι. Ὁ γὰρ λόγος ἡμῖν σημαίνει, ὅτι οἳ ἂν ὦσιν ἀγαθοί. — Πάνυ γε, ἔφη, δοκεῖ. — Καὶ ἐμοί, ἦν δ᾽ ἐγώ, καίτοι δυσχεραίνω τί γε ἐν αὐτῷ. Φέρε οὖν, ὦ πρὸς Διός, ἴδωμεν τί καὶ ὑποπ-
Erster Entwurf (handschriftlich)
daß die Guten einander ähnlich sind und freund: die Bösen aber, was ja auch von ihnen gesagt wird, niemals nicht einmal sich selbst ähnlich sind, sondern veränderlich und unstätt. Was aber mit sich selbst entzweit ist und sich unähnlich, gute Wege hat es, daß das jemals sollte einem andern ähnlich und freund werden. Oder meinst du nicht auch so? — Ich allerdings sagte er. — Dieses also, o Freund, wollen jene, wie mir scheint, andeuten, welche sagen das Aehnliche sei für den Aehnlichen freund daß nemlich nur der Gute allein dem Guten allein freund ist, der Böse aber weder mit dem Guten noch mit dem Bösen jemals zu einer wahren Freundschaft gelangt. Stimmst du mit ein? — Er bejahete. — Das also hätten wir nun, welches Freunde sind. Denn der Verlauf der Rede zeigt deutlich an, die welche gut sind. — So sagte er scheint es allerdings. — Auch mir sprach ich. Wiewol etwas thut mir leid daran. Komm und beim Zeus laß uns betrachten, was ich zu sehen
T 4 veränderlich] über in Veränderung 6 sich] über der Zeile mit Einfügungszeichen 7 es] über das | das] über es 14 weder mit] über niemals 17 also hätten] über haben 18 wir] danach also 19f Verlauf der Rede zeigt deutlich an, die welche gut sind.] korr. aus Zusammenhang deutet uns an, daß es die sind welche gut sind. 22 thut mir leid] umgestellt aus mir leid thut
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daß sie einander ähnlich sind und freund; die Bösen aber, was ja auch von ihnen gesagt wird, wären niemals nicht einmal sich selbst ähnlich, sondern veränderlich und unstätt. Was aber sich selbst unähnlich ist, und mit sich selbst in Zwiespalt, damit hat es gute Wege, daß es jemals sollte einem andern ähnlich werden und freund. Oder meinst du nicht auch so? — Ich allerdings, sagte er. — Dieses also, o Freund, wollen jene, wie mich dünkt, andeuten, welche sagen das Aehnliche sei dem Aehnlichen freund, daß nämlich nur der Gute und nur dem Guten freund ist, der Böse aber niemals weder mit dem Guten noch mit dem Bösen zu einer wahren Freundschaft gelangt. Stimmst du mit ein? — Er bejahete es. — Das also hätten wir nun, welche Menschenfreunde sind; denn der Verlauf der Rede zeigt ganz deutlich an, es sind die welche gut sind. — So, sagte er, scheint es allerdings. — Auch mir, sprach ich; wiewohl eines verdrießt mich daran. Komm also, und um Zeus willen, laß uns betrachten was ich zu sehen
daß sie einander ähnlich sind und freund; die Bösen aber, was ja auch von ihnen gesagt wird, wären niemals nicht einmal sich selbst ähnlich, sondern veränderlich und nicht zu berechnen. Was aber sich selbst unähnlich ist, und mit sich selbst in Zwiespalt, damit hat es gute Wege, daß es jemals sollte einem andern ähnlich werden und freund. Oder meinst du nicht auch so? — Ich allerdings, sagte er. — Dieses also, o Freund, wollen jene, wie mich dünkt, andeuten, welche sagen das Aehnliche sei dem Aehnlichen freund, daß nämlich nur der Gute und nur dem Guten freund ist, der Böse aber niemals weder mit dem Guten noch mit dem Bösen zu einer wahren Freundschaft gelangt. Stimmst du mit ein? — Er bejahete es. — Das also hätten wir nun, welche Menschen Freunde sind; denn die Rede zeigt ganz deutlich an, es sind die welche gut sind. — So, sagte er, scheint es allerdings. — Auch mir, sprach ich; wiewohl eines verdrießt mich daran. Komm also, und um Zeus willen, laß uns betrachten was ich zu sehen
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τεύω. Ὁ ὅμοιος τῷ ὁμοίῳ, καθόσον ὅμοιος, φίλος, καὶ ἔστι χρήσιμος ὁ τοιοῦτος τῷ τοιούτῳ· μᾶλλον δὲ
Erster Entwurf (handschriftlich)
glaube. Der Ähnliche ist dem Aehnlichen sofern er ähnlich ist freund, und wozu ist doch wohl ein solcher einem solchen nüzlich?25 25
E (SN 155/1) Der Saz και εστι χρησιμος kann nicht eben so vorausgesezt werden als das ὁ ὁμοιος p. Denn es war noch nicht die Rede davon daß überhaupt das nüzliche zur Freundschaft nothwendig wäre (außer in dem ersten Gespräch deshalb nicht aber gewiß allezeit). Auch sieht man aus der Verbindung der folgenden Frage mit diesem durch das μαλλον δε ωδε daß schon eine Frage muß vorangegangen sein. Ich lese also ὁ ομοιος — φιλος και εις τι χρησιμος — (In dem gleich folgenden ist mir die Phrase ωφελειαν εχειν τινι ganz fremd.) | A (SN 155/2) κ α ι ε σ τ ι χ ρ η σ ι μ ο ς ο τ ο ι ο υ τ ο ς p. Der Saz der ähnliche ist dem ähnlichen nüzlich kann nicht auf eben die Art vorausgesezt werden wie der der aehnliche ist dem ähnlichen freund, denn von jenem war noch gar nicht die Rede. Auch zeigt die Verbindung des folgenden durch das μαλλον δε daß schon etwas als Frage aufgestellt war. Eine Frage muß also auf jeden Fall da sein. Kann aber der jezige Text fragen ohne irgend ein Wort auf welches der Frage Accent mußte? Oder willst du lesen και εἰς τί χρήσιμος p. Ich warte auf Antwort auf meine nur provisorisch das lezte verstehende Uebersezung.
T 2 wozu] am Rand εἰς τί 3 nüzlich] über der Zeile und am Rand Markierung für Anm. 25 E T Anm. 25 A 15 τοιουτος] τοιουτο SN 155/2
3 ἔστι] übersetzt W1 W2 | εἰς τί konj. Schleiermacher (Anm. 25 EA [mit App. S] W1 Anm. 10 W2 Anm. 11), übersetzt SN 155/1 W1 Anm. 10
S Anm. 25 E Die Anmerkung bezieht sich auf die oben edierte Übersetzung des Entwurfs (SN 155/1). Darin ist die erste Satzhälfte (Der ähnliche ist dem Aehnlichen ... freund) als Aussagesatz, die zweite Satzhälfte (und wozu ... nüzlich?) mit Schleiermachers Konjektur καὶ εἰς τί (statt Heindorfs καὶ ἔστιν) als Frage gefaßt. – Der Verweis in dem ersten Gespräch bezieht sich auf Platon, Lysis 210 b-c. | A Anscheinend liegt auch dieser Anmerkung in der verlorenen Abschrift der Übersetzung (Übers.A) eine dem Entwurf entsprechende Übersetzungsfassung zugrunde. Erst in einem Brief vom 10.2.1804 (KGA V/7, Nr. 1654, 5-12) beantwortet Spalding die offenbar noch einmal am 1.2.1804 (KGA V/7, Nr. *1647) von Schleiermacher formulierte Frage nach dieser Stelle:
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glaube. Ist der Aehnliche dem Aehnlichen, sofern er ähnlich ist, freund; und ist wohl ein solcher einem solchen nüzlich?10 Oder viel-
glaube. Der Aehnliche ist dem Aehnlichen, sofern er ähnlich ist, freund; und ist ein solcher einem solchen auch nüzlich.11 Oder viel-
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I s t d e r A e h n l i c h e etc. Man lese so: „D e r Aehnliche ist dem Aehnlichen, sofern er ähnlich ist, freund; und zu was ist | wohl ein solcher einem solc h e n n ü z l i c h ? “ Nämlich mich dünkt wegen des μᾶλλον δὲ ὧδε, auf welches eine offenbare Frage folgt, muß auch schon eine vorhergehn, und es ist weit minder hart, in dem ersten Saz Ὁ ὅμοιος ... τῷ τοιούτῳ den Uebergang von einer überlegenden Wiederholung zu einer Frage zu suchen, als diese mit jener durch das μᾶλλον δὲ ὧδε zu verbinden. Nur freilich der ganze erste Saz kann nicht Frage sein, sondern diese füglich nur bei dem καὶ, freilich etwas ungewöhnlich, angehn. Dann aber theils um etwas fragendes in der Frage zu haben, theils wegen des in dem erweiterten Saz folgenden τίνα ὠφέλειαν möchte ich statt ἐστι lesen εἰς τί.
S Anm. 10 Diese für den Druck des Dialogs zu späte Korrektur ist anscheinend eine Reaktion auf die briefliche Diskussion der Stelle mit Spalding (s. Spalte 2 App. S).
D e r A e h n l i c h e i s t etc. Nämlich mich dünkt wegen des μᾶλλον δὲ ὧδε, auf welches eine offenbare Frage folgt, muß auch schon eine vorhergehn, und es ist weit minder hart, in dem ersten Saz Ὁ ὅμοιος … τῷ τοιούτῳ den Uebergang von einer überlegenden Wiederholung zu einer Frage zu suchen, als diese mit jener durch das μᾶλλον δὲ ὧδε zu verbinden. Nur der ganze erste Saz kann nicht Frage sein, sondern diese füglich nur bei dem καὶ, freilich etwas ungewöhnlich, angehn. Dann aber theils um etwas fragendes in der Frage zu | haben, theils wegen des in dem erweiterten Saz folgenden τίνα ὠφέλειαν wäre es bequem statt ἐστι zu lesen εἰς τί.
S Anm. 11 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 10. – Die in W1 Anm. 10 vorgeschlagene Übersetzung ist in W2 nur im ersten Teil übernommen; der zweite Teil sowie die Konjektur εἰς τί ssind offenbar unter dem Eindruck von Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 46 [ohne Varianten zu 130,6] in der Übersetzung verworfen, jedoch in W2 Anm. 11 noch erwogen.
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ὧδε· ὁτιοῦν ὅμοιον ὁτῳοῦν ὁμοίῳ τίνα ὠφέλειαν ἔχει ἢ τίνα βλάβην ἂν ποιῆσαι δύναιτο, ὃ μὴ καὶ αὐτὸ αὑτῷ, ἢ τί ἂν παθεῖν, ὃ μὴ καὶ ὑφ᾽ αὑτοῦ πάθοι; Τὰ δὴ τοιαῦτα πῶς ἂν ὑπ᾽ ἀλλήλων ἀγαπηθείη, μηδεμίαν ἐπικουρίαν ἀλλήλοις ἔχοντα; Ἔστιν ὅπως; — Οὐκ ἔστιν. — Ὃ δὲ μὴ ἀγαπῷτο, πῶς
Erster Entwurf (handschriftlich)
Oder vielmehr so: Jedes ähnliche welchen Nuzen kann es jedem ähnlichen wol bringen? Oder welchen Schaden | könnte es ihm zufügen den nicht auch jedes sich selbst thun könnte; oder überhaupt was ihm anthun, was nicht auch Jeder sich selbst anthäte. Solche Dinge nun wie können sie Anhänglichkeit aneinander haben da sie gar keine Hilfe von einander haben? Kann es irgendwie sein?26 — Es kann nicht. — Aber ohne Anhangen kann etwas freund sein? 26
A (SN 155/2) Εστιν ὅπως; hatte ich große Lust zu uebersezen: „giebt es ein Wie?“ Aber es giebt wol keins für diese Redensart.
T 1–3 Jedes ähnliche welchen Nuzen kann es jedem ähnlichen wol bringen?] umgestellt aus Jedes ähnliche jedem ähnlichen welchen Nuzen kann es wol bringen? 7f Solche Dinge nun wie können sie Anhänglichkeit aneinander haben da sie] über Was aber so beschaffen ist wie kann das eins am andern hängen da sie 9f Kann es irgendwie sein] über Giebt es ein Wie 10 kann nicht] über giebt keins T Anm. 26 A 13 „giebt es ein Wie?“] die Anführungszeichen vor giebt fehlen in SN 155/2 S Forts. Anm. 25 „Die Stelle im Lysis P. 214. e. habe ich gestern mit Buttmann dahin abgefertigt, daß das ὁ ὅμοιος bis zum χρήσιμος und dem Ende des Sazes keine Frage sind, sondern eine Überlegung, wie wenn jemand, den Finger an die Nase legend, einen Saz repitirt, um ihm anzuhören, ob er denn auch wol richtig sei? Darauf kann nachher in einem Athem eine Frage folgen, die im Grunde daßelbe ist. So schön auch εἰς τί wird aus ἐστὶ, so kann man doch das vorige ὁ ὅμοιος schlechterdings nicht zur Frage bringen.“Das konjizierte εἰς τί (vgl. Spalte 1 App.) ist nur in dem hsl. Entwurf (wozu SN 155/1) und in W1 Anm. 10 (zu was) übersetzt. Dazu noch einmal am 24.2.1804 (KGA V/7, Nr. 1664, 8-14): „Ich bin vollkommen Ihrer Meinung, daß die Frage anfangen darf bei καὶ εἰς τί. Man solte dann ein Kolon sezen, vielleicht ein Punkt nach φίλος, um so der ruhigen Überlegung völligen Raum zu schaffen. Dann beginnt die heftigere Frage mit dem etwas impertinenten καὶ, welches doch wol nicht gar ein Germanismus sein wird: ‚U n d wozu u. s. w.‘ Nein ich glaube, man kann ähnliche Anfänge mit καὶ nachweisen; indeßen mag ich sie jetzt nicht aufsuchen.“
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mehr so: jedes Aehnliche, welchen Nuzen kann es dem Aehnlichen wohl bringen? oder welchen Schaden könnte es ihm zufügen, den es nicht auch sich selbst thäte? oder überhaupt, was ihm anthun, was nicht auch jedes sich selbst | anthun könnte? Solche Dinge also, wie können sie Anhänglichkeit an einander haben, da sie einander gar keine Hülfe gewähren? Kann es irgendwie sein? — Es kann gar nicht sein. — Aber ohne Anhänglichkeit, wie
mehr so: jedes Aehnliche, welchen Nuzen kann es jedem Aehnlichen wohl bringen, oder welchen Schaden ihm zufügen, den es nicht auch sich selbst thäte? oder überhaupt, was ihm anthun, was nicht auch jedes sich selbst anthun könnte? Solche Dinge also, wie können sie Anhänglichkeit an einander haben, da sie einander gar keine Hülfe gewähren? Kann es irgendwie sein? — Es kann gar nicht sein. | — Und ohne Anhänglichkeit, wie kann
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φίλον; — Οὐδαμῶς. — Ἀλλὰ δὴ ὁ μὲν ὅμοιος τῷ ὁμοίῳ οὐ φίλος· ὁ δὲ ἀγαθὸς τῷ ἀγαθῷ, καθόσον ἀγαθός, οὐ καθόσον ὅμοιος, φίλος ἂν εἴη; — Ἴσως. — Τί δέ; οὐχ ὁ ἀγαθός, καθόσον ἀγαθός, κατὰ τοσοῦτον ἱκανὸς ἂν εἴη αὑτῷ; — Ναί. — Ὁ δέ γε ἱκανὸς οὐδενὸς δεόμενος κατὰ τὴν ἱκανότητα; — Πῶς γὰρ οὔ; — Ὁ δὲ μή του δεόμενος οὐδέ τι ἀγαπῴη ἄν; — Οὐ γὰρ οὖν. — Ὃ δὲ μὴ ἀγαπῴη, οὐδ᾽ ἂν φιλοῖ; — Οὐ δῆτα. — Ὁ δὲ μὴ φιλῶν γε οὐ φίλος; — Οὐ φαίνεται. — Πῶς οὖν οἱ ἀγαθοὶ τοῖς ἀγαθοῖς ἡμῖν φίλοι ἔσονται τὴν ἀρχήν, οἳ μήτε ἀπόντες ποθεινοὶ ἀλλήλοις, ἱκανοὶ γὰρ ἑαυτοῖς καὶ χωρὶς ὄντες, μήτε παρόντες χρείαν αὑτῶν ἔχουσι; τοὺς δὴ τοιούτους τίς μηχανὴ περὶ πολλοῦ ποιεῖσθαι ἀλλήλους; — Οὐδεμία, ἔφη. — Φίλοι δέ γε οὐκ ἂν εἶεν, μὴ περὶ πολλοῦ ποιούμενοι ἑαυτούς. — Ἀληθῆ. — Ἄθρει δή, ὦ Λύσι, πῆ παρακρουόμεθα. Ἆρά γε ὅλῳ τινὶ ἐξαπατώμεθα; — Πῶς δή; ἔφη. — Ἤδη ποτέ του ἤκουσα λέγοντος καὶ ἄρτι ἀναμιμνήσκομαι, ὅτι τὸ μὲν ὅμοιον τῷ ὁμοίῳ καὶ οἱ ἀγαθοὶ τοῖς ἀγαθοῖς πολε-
14f Ὃ ... ἀγαπῴη] (῾Ο ...) ἀγαπῶν konj. Schleiermacher (bei Heindorf z. St., S. 32), übersetzt SN 155/1 W1 W2 17f Οὐ φαίνεται] Οὐ, φαίνεται Heindorf, korr. Appendix S. 358
Erster Entwurf (handschriftlich)
— Keinesweges. — Also wohl ist der Aehnliche dem Aehnlichen nicht freund, wohl aber könnte der Gute dem Guten so fern er gut, nicht so fern er ähnlich ist freund sein? — Vielleicht. — Wie aber? Wird nicht der Gute wie fern er gut ist in so fern auch sich selbst genügend sein? — Ja wohl. — Der aber an sich Genüge hat bedarf keines Andern vermöge dieses Genügens? — Wie sollte er? — Der aber keines bedarf wird auch keinem anhangen? — Freilich nicht. — Der aber keinem anhängt wird auch keinen lieben? — Nicht leicht. — Und der nicht liebt ist doch wohl kein Freund? — Der gewiß nicht. — Wie also können uns nur überall Gute mit Guten freund werden, welche doch weder abwesend sich um einander sehnen, denn sie genügen Jeder sich selbst auch einzeln, noch auch vereinigt irgend Nuzen von einander haben? Wie ist zu bewerkstelligen, daß solche einander sehr werth sein sollen? — Auf keine Weise sagte er. — Freunde aber können sie doch nicht sein wenn sie einander nicht sehr werth sind. — Sicher. — Sieh also zu, o Lysis, wie wir angeführt werden! Werden wir auch nicht vielleicht mit dem ganzen Saz betrogen? — Wie so, sprach er. — Ich habe schon irgendwann einen sagen gehört und erinnere mich daß eben ist daß das Aehnliche dem Aehnlichen, also auch der Gute dem Guten am feindseligsten wäre.
T 16 doch] über der Zeile mit Einfügungszeichen 18f einzeln] über abgesondert 19 Nuzen] über Gebrauch 25 werden!] korr. aus werden? 26 auch nicht] nachträglich eingefügt zunächst auch, dann nicht 26f mit dem ganzen Saz] statt zunächst um ein ganz Ansehnliches , dann darüber in einem Stük ganz und gar 26 dem] d SN 155/1 28 Ich habe] über der Zeile mit Einfügungszeichen | schon] S- SN 155/1 | irgendwann] über habe ich
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kann etwas freund sein? — Auf keine Weise. — Sonach ist der Aehnliche zwar dem Aehnlichen nicht freund, wohl aber könnte der Gute dem Guten, sofern er gut, nicht sofern er ähnlich ist, freund sein? — Vielleicht. — Wie aber? wird nicht der Gute, in wiefern er gut ist, in sofern auch sich selbst genügen? — Ja. — Der aber sich selbst genügt bedarf keines Andern, soweit dieses Genügen geht? — Wie sollte er? — Der aber keines bedarf, wird auch keinem anhängen? — Freilich nicht. — Der aber keinem anhängt, wird auch keinen lieben? — Nicht füglich. — Und der nicht liebt, ist doch wohl kein Freund? — Nein, offenbar. — Wie also können uns nur überall Gute mit Guten freund werden, welche weder in der Abwesenheit sich nach einander sehnen, denn sie genügen Jeder sich selbst auch einzeln, noch auch vereinigt irgend Nuzen von einander haben? Wie ist zu bewerkstelligen, daß solche einander sehr werth seien? — Auf keine Art, sagte er. — Freunde aber können sie doch nicht sein, wenn sie einander nicht sehr werth sind. — Das ist richtig. — Sieh also zu, o Lysis, wie wir geschnellt werden! Werden wir auch nicht vielleicht um ein Ganzes dabei betrogen? — Wie so, sprach er. — Ich habe schon irgendwann einen sagen gehört, und erinnere mich dessen izo, daß das Aehnliche dem Aehnlichen, also auch der Gute dem Guten
etwas freund sein? — Auf keine Weise. — Allein so ist zwar der Aehnliche dem Aehnlichen nicht freund, wohl aber könnte der Gute dem Guten, sofern er gut, nicht sofern er ähnlich ist, freund sein? — Vielleicht. — Wie aber? wird nicht der Gute, in wiefern er gut ist, in sofern auch sich selbst genügen? — Ja. — Der aber sich selbst genügt bedarf keines Andern, soweit dieses Genügen geht? — Wie sollte er? — Der aber keines bedarf, wird auch keinem anhängen? — Freilich nicht. — Der aber keinem anhängt, wird auch keinen lieben? —Nicht füglich. — Und der nicht liebt, ist doch wohl nicht freund? — Nein, offenbar. — Wie also können uns nur überall Gute mit Guten freund werden, welche weder in der Abwesenheit sich nach einander sehnen, denn sie genügen Jeder sich selbst auch einzeln, noch auch vereinigt irgend Nuzen von einander haben? Wie ist zu bewerkstelligen, daß solche einander sehr werth seien? — Auf keine Art, sagte er. — Freunde aber können sie doch nicht sein, wenn sie einander nicht sehr werth sind. — Das ist richtig. — Sieh also zu, o Lysis, wie wir übel ankommen! Werden wir auch etwa um ein Ganzes dabei betrogen? — Wie so, sprach er. — Ich habe schon irgendwann einen sagen gehört, und erinnere mich dessen izo, daß das Aenliche dem Aehnlichen, also auch der Gute dem Guten am meisten
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μιώτατοι εἶεν. Καὶ δὴ καὶ τὸν Ἡσίοδον ἐπήγετο μάρτυρα, λέγων, ὡς ἄρα καὶ κεραμεὺς κεραμεῖ κοτέει καὶ ἀοιδὸς ἀοιδῷ, καὶ πτωχὸς πτωχῷ, καὶ τἄλλα δὴ πάντα οὕτως ἐφάνη ἀναγκαῖον εἶναι μάλιστα τὰ ὁμοιότατα ἄλληλα φθόνου τε καὶ φιλονεικίας καὶ ἔχθρας ἐμπίπλασθαι, τὰ δ᾽ ἀνομοιότατα φιλίας· τὸν γὰρ πένητα τῷ πλουσίῳ ἀναγκάζεσθαι φίλον εἶναι, καὶ τὸν ἀσθενῆ τῷ ἰσχυρῷ, τῆς ἐπικουρίας ἕνεκα, καὶ τὸν κάμνοντα τῷ ἰατρῷ, καὶ πάντα δὴ τὸν μὴ εἰδότα ἀγαπᾷν τὸν εἰδότα καὶ φιλεῖν. Καὶ δὴ καὶ ἔτι ἐπ-
Erster Entwurf (handschriftlich)
Ja auch den Hesiodos führte er zum Zeugen an sagend Auch ist dem Töpfer der Töpfer27 verhaßt und dem Sänger der Sänger. So Bettlern Bettler und von allem Andern zeigte er auf gleiche Art daß nothwendig am meisten das Aehnlichste gegen einander des Neides und Streites und der Feindschaft voll sein müsse, das Unähnlichste aber der Freundschaft. Denn dem Reichen sei der Arme genöthiget freund zu sein und dem Starken der Schwache des Beistandes wegen und dem Arzt der Kranke und in allen Dingen müsse der unkundige sich anhängen an den Kundigen und ihn lieben. Ja noch weiter führte er den Saz aus 27 A (SN 155/2) κ α ι κ ε ρ α μ ε υ ς . Ich bitte um einen bessern Hexameter als der im Text oder dieser. Auch ein Töpfer ist feind dem andern, Sänger den Sängern.
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu 5 Übers.A (verl.): U n d B e t t l e r n B e t t l e r . Man soll doch nicht skandiren unˉd bēttlērn bēttlēr? T 1 Hesiodos] am Rand W. u. T. 25. Vgl. W1 Anm. 11 mit App. S. 3–5 Auch…Bettler] als Hexameter abgesetzt und eingerückt SN 155/1 5 So Bettlern Bettler] Und Bettlern Bettler Übers.A (verl.) aus Spld. 12f und dem Starken der Schwache des Beistandes wegen und dem Arzt der Kranke] umgestellt aus und dem Arzt der Kranke und dem Starken der Schwache des Beistandes wegen 14 unkundige] über nichtwissende
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am meisten feind wäre. Ja auch den Hesiodos | führte er zum Zeugen an, sagend, daß ja auch ein Töpfer11 ist feind dem Andern, Sängern die Sänger, Bettlern der Bettler sogar, und von allem andern zeigte er auf gleiche Weise, daß nothwendig das Aehnlichste am meisten mit Neide, Streit und Feindschaft gegen einander erfüllt sein müsse, das Unähnlichste aber mit Freundschaft. Denn dem Reichen sei der Arme genöthiget Freund zu sein, und dem Starken der Schwache des Beistandes wegen, und dem Arzt der Kranke, und in allen Dingen müsse der Unkundige sich anhängen an den Kundigen und ihn lieben. Ja auch noch
feind wäre. Ja auch den Hesiodos führte er zum Zeugen an, sagend, daß ja auch ein Töpfer12 ist feind dem Anderen, Sängern die Sänger, Bettlern der Bettler sogar, und von allem andern zeigte er auf gleiche Weise, daß | nothwendig das Aehnlichste am meisten mit Neide, Streit und Feindschaft gegen einander erfüllt sein müsse, das Unähnlichste aber mit Freundschaft. Denn dem Reichen sei der Arme genöthiget Freund zu sein, und dem Starken der Schwache des Beistandes wegen, und dem Arzt der Kranke, und jeder Unkundige müsse sich anhängen an den Kundigen und ihn lieben. Ja auch noch weiter führte er
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A u c h e i n Tö p f e r Werke und Tage, v. 25.
etc. Hesiodos
a u c h e i n Tö p f e r Werke und Tage, v. 25.
etc. Hesiodos
T 3 Töpfer] verdruckt Tapferer W1, jedoch richtig in Anm. 11 W1 S Anm. 11 Hesiod, Erga kai Hemerai (Werke und Tage), V. 25 f: καὶ κεραμεὺς κεραμεῖ κοτέει καὶ τέκτονι τέκτων, | καὶ πτωχὸς πτωχῷ φθονέει καὶ ἀοιδὸς ἀοιδῷ. – Vgl. Spalte 2 App. T.
S Anm. 12 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 11.
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εξῄει τῷ λόγῳ μεγαλοπρεπέστερον, λέγων, ὡς ἄρα παντὸς δέοι τὸ ὅμοιον τῷ ὁμοίῳ φίλον εἶναι, ἀλλ᾽ αὐτὸ τὸ ἐναντίον εἴη τούτου· τὸ γὰρ ἐναντιώτατον τῷ ἐναντιωτάτῳ εἶναι μάλιστα φίλον· ἐπιθυμεῖν γὰρ τοῦ τοιούτου ἕκαστον, ἀλλ᾽ οὐ τοῦ ὁμοίου· τὸ μὲν γὰρ ξηρὸν ὑγροῦ, τὸ δὲ ψυχρὸν θερμοῦ, τὸ δὲ πικρὸν γλυκέος, τὸ δὲ ὀξὺ ἀμβλέος, τὸ δὲ κενὸν πληρώσεως, καὶ τὸ πλῆρες δὲ κενώσεως, καὶ τἄλλα οὕτω κατὰ τὸν αὐτὸν λόγον· τροφὴν γὰρ εἶναι τὸ ἐναντίον τῷ ἐναντίῳ· τὸ γὰρ ὅμοιον τοῦ ὁμοίου οὐδὲν ἂν ἀπολαῦσαι. Καὶ μέντοι, ὦ ἑταῖρε, καὶ κομψὸς ἐδόκει εἶναι ταῦτα λέγων. Εὖ γὰρ ἔλεγεν. Ὑμῖν δέ, ἦν δ᾽ ἐγώ, πῶς δοκεῖ λέγειν; — Εὖ γε, ἔφη ὁ Μενέξενος, ὥσγε οὑτωσὶ ἀκοῦσαι. — Φῶμεν ἄρα τὸ ἐναντίον
Erster Entwurf (handschriftlich)
in höherem Sinne28 sagend, daß weit gefehlt das Aehnliche solle dem Aehnlichen freund sein vielmehr das Gegentheil hievon sich finde, und das Entgegengesetzte dem Entgegengesetzten besonders freund sei. Denn dessen begehre ein Jedes nicht aber des Aehnlichen, das trokne nemlich des Feuchten, das Kalte des Warmen, das Bittre des Süßen, das Scharfe des Stumpfen, das Leere der Erfüllung und das Volle der Ausleerung, und so alles Andere auf dieselbige Weise. Denn das Gegentheil sei Nahrung für sein Gegentheil, das Aehnliche aber habe von dem Aehnlichen gar keinen Genuß. Und warlich freund, ein stattlicher Mann | dünkte mir zu sein der dieses sagte, und sprach sehr gut. Euch aber sprach ich wie gefällt seine Rede? — Sehr gut, sagte Menexenos, läßt sie sich so anhören. — Wollen wir also annehmen daß 28 E (SN 155/1) Das μεγαλοπρεπεστερον nehme ich hier nicht subjectiv sondern objectiv von der folgenden allgemeinen physischen Anwendung. | A (SN 155/2) μ ε γ α λ ο π ρ ε π ε σ τ ε ρ ο ν mochte ich hier nicht subjectiv nehmen, sondern objektiv von der folgenden physikalischen Anwendung, die in frühen Schriften Platon gar oft in Vergleich mit dem ethischen so zu bezeugen pflegte.
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu: Anm. 28 A: μεγαλοπρ[επ]έστερον. Die Heindorfschen Parallelstellen verdienen doch Erwägung, als entscheidend | für den subjektiven Sinn. T 1 in höherem Sinne] über der Zeile und am Rand Markierung für Anm. 28 E | sagend] korr. aus darüber redend (wobei das dann wieder gestr. darüber nachträglich über der Zeile eingefügt ist) 11f das Gegentheil] korr. aus der Gegen saz 15 dünkte mir] über schien 19 annehmen] über feststellen S Anm. 28 A mit Spld. u. a. Unklar ist, an welche Stellen aus frühen Dialogen Schleiermacher denkt, wenn er μεγαλοπρεπέστερον objektiv versteht. Vgl. dagegen Heindorf z. St. (S. 33) mit Belegstellen für den subjektiven Sinn.
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weiter führte er den Saz aus in einem höheren Sinne behauptend, daß weit gefehlt das Aehnliche sei dem Aehnlichen freund, vielmehr das Gegentheil hievon sich zeige, und das Entgegengesezte dem Entgegengesezten am meisten freund sei. Denn dessen begehre ein Jedes, nicht aber des Aehnlichen, das Trokne nämlich des Feuchten, das Kalte des Warmen, das Bittre des Süßen, das Scharfe des Stumpfen, das Leere der Erfüllung und das Volle der Ausleerung, und so alles Andere auf dieselbige Weise. Denn jedes Gegentheil sei Nahrung für sein Gegentheil, von dem Aehnlichen aber habe das Aehnliche gar keinen Genuß. Und zwar, o Freund, dünkte mich ein stattlicher Mann zu sein, der dieses sagte; er sprach auch sehr gut. Euch aber, sprach ich, wie gefällt seine Rede? — Sehr gut, sagte Menexenos, soviel man so hören kann. — Wollen wir also anneh-
den Saz aus in einem höheren Sinne behauptend, daß weit gefehlt das Aehnliche sei dem Aehnlichen freund, vielmehr das Gegentheil hievon sich zeige, und das Entgegengesezte dem Entgegengesezten am meisten freund sei. Denn dessen begehre ein Jedes, nicht aber des Aehnlichen, das Trokne nämlich des Feuchten, das Kalte des Warmen, das Bittre des Süßen, das Scharfe des Stumpfen, das Leere der Erfüllung und das Volle der Ausleerung, und so alles Andere auf dieselbige Weise. Denn jedes Gegentheil sei Nahrung für sein Gegentheil, von dem Aehnlichen aber habe das Aehnliche gar keinen Genuß. Und zwar, o Freund, dünkte er sich recht wichtig, da er dieses sagte; denn er sprach sehr gut. Euch aber, sprach ich, wie gefällt seine Rede? — Sehr gut, sagte Menexenos, soviel man so hören kann. — Wollen wir also annehmen, daß
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Erster Entwurf (handschriftlich)
Jedes seinem Gegentheil am meisten freund ist? — Nun ja. — So? sprach ich, ist es nicht ungereimt, Menexenos? und werden uns nicht hoch erfreut gleich die hochweisen streitkundigen Männer anfallen und fragen ob nicht am allermeisten die Freundschaft der Feindschaft entgegengesezt wäre? Was nun sollen wir diesen antworten? Oder ist nicht nothwendig zuzugeben es sei wahr was sie sagen? — Nothwendig. — Ist also, werden sie sagen, Feindschaft der Freundschaft freund oder Freundschaft der Feindschaft? — Keines von beidem sprach er. — Aber doch das Recht dem Unrecht, das Sittsame dem Ausgelassenen, oder das Gute dem Bösen? — Mir scheint es nicht so zu sein. — Dennoch aber sprach ich, wenn durch Gegensaz eins dem andern freund wird müssen auch diese freund sein. — Nothwendig. — Weder also ist das Aehnliche dem Aehnlichen, noch das entgegengesezte dem entgegengesezten freund. — Nein wie sich zeigt. — Laß uns aber auch dieses noch sehn daß sich uns die Freundschaft nicht noch länger verberge wenn sie
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu 25 Übers.A (verl.): μὴ — λανθάνῃ v e r b e r g e — w e n n . Die Redensart λανθ. ὄν heißt nichts weiter als: es ist so und wir wißens nicht. Also schadet hier die Wörtlichkeit und das w e n n . Auch kann ἔτι μᾶλλον nicht auf die Zeit gezogen werden. T 1 Jedes seinem Gegentheil] über das Entgegengesezte dem Entgegengesezten 6f die Freundschaft der Feindschaft] umgestellt aus der Feindschaft die Freundschaft 8 Oder] über der Zeile mit Einfügungszeichen 24–526,1 sich uns die Freundschaft nicht noch länger verberge wenn sie etwa] korr. aus wir uns nicht noch länger hintäuschen über die Freundschaft daß weil sie nemlich 25 noch länger] kritisiert von Spld., vgl. W1 W2
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men, daß jedem sein Entgegengeseztes auch am meisten freund ist? — Das wollen wir. — Wohl sprach ich, ist es auch nicht ungereimt, Menexenos? und werden nicht voller Freuden sogleich die hoch|weisen streitkundigen Männer auf uns losgesprungen kommen, und uns fragen, ob nicht der stärkste Gegensaz zur Feindschaft die Freundschaft wäre? Was ist diesen zu antworten? Oder müssen wir nicht nothwendig zugeben, es sei wahr was sie sagen? — Nothwendig. — Ist also, werden sie sagen, Feindschaft der Freundschaft freund, oder Freundschaft der Feindschaft? — Keines von beiden, sprach er. — Aber doch das Recht dem Unrecht, oder das Besonnene dem Unbändigen, oder das Gute dem Bösen? — Mir scheint es nicht sich so zu verhalten. — Dennoch aber, sagte ich, wenn der Entgegensezung wegen eins dem andern freund wird, müssen auch diese freund sein. — Nothwendig. — Weder also ist das Aehnliche dem Aehnlichen freund noch das Entgegengesezte dem Entgegengesezten. — Es läßt sich nicht so an. — Laß uns aber auch dieses noch sehen, damit wir uns nicht noch mehr irren über die Freundschaft, indem sie etwa auf nichts von dem
jedem sein Entgegengeseztes auch am meisten freund ist? — Das wollen wir. — Wohl, sprach ich, ist es auch nicht ungereimt, Menexenos? und werden nicht voller Freuden sogleich die hochweisen streitkundigen Männer auf uns losgesprungen kommen, und uns fragen, ob nicht der stärkste Gegensaz zur Feindschaft die Freundschaft wäre? Was nun sollen wir die|sen antworten? Oder müssen wir nicht nothwendig zugeben, es sei wahr was sie sagen? — Nothwendig. — Ist also, werden sie sagen, Feindschaft der Freundschaft freund, oder Freundschaft der Feindschaft? — Keines von beiden, sprach er. — Aber doch das Recht dem Unrecht, oder das Besonnene dem Unbändigen, oder das Gute dem Bösen? — Mir scheint es nicht sich so zu verhalten. — Dennoch aber, sagte ich, wenn der Entgegensezung wegen eins dem andern freund wird, müssen auch diese freund sein. — Nothwendig. — Weder also ist das Aehnliche dem Aehnlichen freund noch das Entgegengesezte dem Entgegengesezten. — Es läßt sich nicht so an. — Laß uns aber auch dieses noch sehen: verbirgt sich uns auch nicht die Freundschaft noch mehr, und ist
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θῶς οὐδὲν τούτων ὄν, ἀλλὰ τὸ μήτε ἀγαθὸν μήτε κακὸν φίλον οὕτω ποτὲ γιγνόμενον τοῦ ἀγαθοῦ. — Πῶς, ἦ δ᾽ ὅς, λέγεις; — Ἀλλὰ μὰ Δία, ἦν δ᾽ ἐγώ, οὐκ οἶδα, ἀλλὰ τῷ ὄντι αὐτὸς ἰλιγγιῶ ὑπὸ τῆς τοῦ λόγου ἀπορίας, καὶ κινδυνεύει κατὰ τὴν ἀρχαίαν παροιμίαν τὸ καλὸν φίλον εἶναι. Ἔοικε γοῦν μαλακῷ τινι καὶ λείῳ καὶ λιπαρῷ. Διὸ καὶ ἴσως ῥᾳδίως διολισθαίνει καὶ διαδύεται ἡμᾶς, ἅτε τοιοῦτον ὄν. Λέ-
Erster Entwurf (handschriftlich)
etwa auf nichts von alle diesem beruhte sondern nur das weder Gute noch Böse eben bisweilen29 dem Guten freund wird. — Wie, sagte er, meinst du dies? — Ja beim Zeus, sagte ich, ich weiß selbst nicht, sondern ich bin in der That ganz schwindlig wegen der Verwirrung der Sache; und am Ende wird es wol nach dem alten Sprichwort herauskommen daß man dem Schönen freund ist.30 Wenigstens muß es etwas gar weiches glattes schlüpfriges sein. Darum vielleicht auch entschlüpft es uns so leicht und entkommt uns weil es so geartet ist. Ich meine nemlich 29 A (SN 155/2) ο ὕ τ ω π ο τ ε . Ich bin zweifelhaft, ob nicht das οὑτω auf die unten folgende nähere Beschreibung geht, wie öfters. 30 E (SN 155/1) Gern möchte ich wissen was über dieses Spruchwort im Muretus steht. | A (SN 155/2) τ ο κ α λ ο ν φ ι λ ο ν Wären doch Muret. Var. Lectt. für mich auf der Welt!
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu: Anm. 30 A: Muret. 4,4. – originem ad Musas et ad Gratias referunt: – Hoc de sapientissimo poeta Theognide cognovimus: cujus haec sunt: Μοῦσαι καὶ Χάριτες, κοῦραι Διός, αἵ ποτε Κάδμου ᾿Ες γάμον ἐλθοῦσαι καλὸν ἀείσατ᾽ ἔπος. Ὅττι καλὸν φίλον ἐστὶ, τὸ δ᾽ οὐ καλὸν οὐ φίλον ἐστί. Τοῦτ᾽ ἔπος ἀθανάτων ἦλθε διὰ στομάτων. T 2f eben bisweilen] am Rand NB ουτω ποτε in Beziehung auf das προς α δε λεγων [s. App. S] wie oft das δεικνυειν 5 selbst] über der Zeile mit Einfügungszeichen 9 Schönen] über Hübschen | ist] über der Zeile und am Rand Markierung für Anm. 30 E 10 muß] über scheint S Anm. 29 A Vgl. den Verweis in der Randbemerkung zum Entwurf (App. T), der auf 216d (S. 528) vorausweist. | Anm. 30 EA mit Spld. u. a. Muretus, Variae Lectiones, Lib. 4, Caput 4 (vgl. Heindorf z. St., S. 35); von Spalding offenbar zitiert aus der Ausgabe: M. Antonii Mureti Variarum Lectionum Libri XVIIII. ... Editio Nova, ... Vol. I, Halle 1791, S. 100 (später auch in Schleiermachers Bibliothek SB 1336). Zu Theognis s. Spalte 3 W1 Anm. 12 mit App. S.
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allen beruht, sondern etwa nur das weder gut noch böse bisweilen so den Guten freund wird. — Wie, sagte er, meinst du dies? — Ja, beim Zeus, sprach ich, ich weiß es selbst nicht, sondern ich bin in der That ganz schwindlich von der Verwirrung der Sache; und so wird wohl am Ende nach dem alten Sprichwort das Schöne das Liebe12 sein. Wenigstens läßt dieses sich an wie etwas gar weiches, glattes, schlüpfriges. Darum auch vielleicht entschlüpft es uns so leicht und entkommt uns, weil es so geartet ist. Ich meine
nichts von dem allen, sondern es wird nur so etwa das weder gut noch böse dem Guten freund. — Wie, sagte er, meinst du? — Ja, beim Zeus, sprach ich, ich weiß es nicht, sondern ich bin in der That selbst schwindlich von der Verwirrung der Sache; und so wird wohl am Ende nach dem alten Sprichwort das Schöne das Liebe13 sein. Wenigstens läßt dieses sich an wie etwas gar weiches, glattes, schlüpfriges. Darum auch vielleicht entschlüpft es uns so leicht und entkommt uns, weil es so geartet ist. Ich meine
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... geht das Sprüchwort: d a s S c h ö n e , d a s L i e b e auf einen Vers des Theognis, den er den Chariten in den Mund legt: Ὅττι καλὸν φίλον ἐστὶ, τὸ δ᾽ οὐ καλὸν οὐ φίλον ἐστί.
T Anm. 12 Die Anmerkung ist in W1 an die vorangehende angeschlossen mit dem oben ausgelassenen Hinweis: Auf der folgenden Seite. S Anm. 12 Theognis, V. 17 West2. Vgl. Spalte 2 App. S.
... geht das Sprüchwort: d a s S c h ö n e , d a s L i e b e auf einen Vers des Theognis, den er den Chariten in den Mund legt: Ὅττι καλὸν φίλον ἐστὶ, τὸ δ᾽ οὐ καλὸν οὐ φίλον ἐστί.
T Anm. 13 Die Anmerkung ist in W2 an die vorangehende angeschlossen mit dem oben ausgelassenen Hinweis: Auf Seite 202. S Anm. 13 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 12.
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γω γὰρ τἀγαθὸν καλὸν εἶναι· σὺ δ᾽ οὐκ οἴει; — Ἔγωγε. — Λέγω τοίνυν ἀπομαντευόμενος, τοῦ καλοῦ τε καὶ ἀγαθοῦ φίλον εἶναι τὸ μήτε ἀγαθὸν μήτε κακόν· πρὸς ἃ δὲ λέγων μαντεύομαι, ἄκουσον. Δοκεῖ μοι ὡσπερεὶ τρία ἄττα εἶναι γένη, τὸ μὲν ἀγαθόν, τὸ δὲ κακόν, τὸ δ᾽ οὔτ᾽ ἀγαθὸν οὔτε κακόν. Τί δὲ σοί; — Καὶ ἐμοί, ἔφη. — Καὶ οὔτε τἀγαθὸν τἀγαθῷ οὔτε τὸ κακὸν τῷ κακῷ οὔτε τἀγαθὸν τῷ κακῷ φίλον εἶναι, ὥσπερ οὐδ᾽ ὁ ἔμπροσθεν λόγος ἐᾷ. Λείπεται δή, εἴπέρ τῳ τὶ ἐστὶ φίλον, τὸ μήτε ἀγαθὸν μήτε κακὸν φίλον εἶναι ἢ τοῦ ἀγαθοῦ, ἢ τοῦ τοιούτου οἷον αὐτό ἐστιν. Οὐ γὰρ ἄν που τῷ κακῷ φίλον ἄν τι γένοιτο. — Ἀληθῆ. — Οὐδὲ μὴν τὸ ὅμοιον τῷ ὁμοίῳ ἔφαμεν ἄρτι. Ἦ γάρ; — Ναί. — Οὐκ ἄρα ἔσται τῷ μήτε ἀγαθῷ μήτε κακῷ τὸ τοιοῦτον φίλον οἷον αὐτό. — Οὐ φαίνεται. — Τῷ ἀγαθῷ ἄρα τὸ μήτε ἀγαθὸν μήτε κακὸν μόνον μόνῳ συμβαίνει γίγνεσθαι φίλον. — Ἀνάγκη, ὡς ἔοικεν. — Ἆρ᾽ οὖν καὶ καλῶς, ἦν δ᾽ ἐγώ, ὦ παῖδες, ὑφηγεῖται ἡμῖν τὸ νῦν λεγόμενον; Εἰ γοῦν θέλοιμεν ἐννοῆσαι τὸ ὑγιαῖνον σῶμα, οὐδὲν ἰατρικῆς δεῖται οὐδὲ ὠφελείας· ἱκανῶς γὰρ ἔχει· ὥστε ὑγιαίνων οὐδεὶς ἰα-
29f Οὐ φαίνεται] Οὐ, φαίνεται Heindorf, korr. Appendix S. 358
Erster Entwurf (handschriftlich)
das Gute sei dieses Schöne, meinst du nicht auch? — Ich ebenfalls. — Ich sage also nur rathend gleichsam daß dem Schönen und Guten freund sei das weder Gute noch Böse. In Beziehung worauf aber ich dieses vermuthe, das höre. Ich denke mir nemlich daß dieses drei verschiedene Gattungen sind, erst das Gute, dann das Böse, dann das weder gute noch böse. Wie dir? — Auch mir, sagte er. — Und daß weder das Gute dem Guten noch das Böse dem Bösen noch auch das Gute dem Bösen freund ist, wie auch die bisherige Rede es nicht zuläßt. Also bleibt nur übrig, wenn nemlich Eins Einem freund sein soll, daß das weder Gute noch Böse freund sein kann entweder dem Guten oder dem ihm selbst gleichen. Denn dem Bösen kann doch nichts freund sein. — Richtig. — Aber auch nicht das Aehnliche dem Aehnlichen sagten wir vorhin. Nicht wahr? — Ja. — Also kann auch nicht dem Guten noch Bösen dasjenige freund sein was eben so ist. — Es scheint nicht. — Es folgt also daß nur das weder Gute noch Böse und nur dem Guten kann freund werden. — Nothwendig wie man sieht. — Wird uns aber auch o Kinder dieses jezt gesagte richtig führen? Wenn wir zum Beispiel betrachten wollen den gesunden Leib der bedarf weder der Arzneikunst noch sonst einer Hilfe. Denn er befindet sich wohl und bei Kräften; so daß kein Gesunder
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu 1 Übers.A (verl.): D i e s e s S c h ö n e (?) 25f Übers.A (verl.): w i e m a n s i e h t . heißen ὡς φαίνεται.
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T 6 Ich denke] über Es scheinen | daß] über der Zeile ohne Einfügungszeichen 7 sind] korr. aus zu sein 9 dir] zu korr. in du (bei der Umstellung des vorangegangenen Satzanfanges von Es scheinen mir auf Ich denke mir stehen geblieben) | mir] zu korr. in ich (wie oben) 10 daß] über der Zeile mit Einfügungszeichen 12 ist] statt zu sein 13 es] über der Zeile mit Einfügungszeichen 23 nur] über allein 24 und nur] über allein 25f wie man sieht] wie es das Ansehn hat W1 W2, vgl. Spld.
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nämlich das Gute sei schön. Meinst du nicht auch? — Ich ebenfalls. — Ich meine also nur gleichsam wahrsagend, daß dem Schönen und Guten das | weder gut noch böse freund ist. Weshalb aber ich dieses wahrsage, das höre. — Ich denke mir nämlich dieses als drei verschiedene Gattungen, erst das Gute, dann das Böse, dann das weder gut noch böse. Wie du? — Auch ich, sagte er. — Und daß weder das Gute dem Guten, noch auch das Böse dem Bösen, noch auch das Gute dem Bösen freund ist, wie auch das bisher Gesagte nicht zuläßt. Also bleibt nur eines übrig, wenn nämlich etwas einem freund sein soll, daß das weder gut noch böse freund sein kann entweder dem Guten oder dem ihm selbst gleichen. Denn dem Bösen kann doch nichts freund sein. — Richtig. — Aber auch nicht das Aehnliche dem Aehnlichen, sagten wir vorhin. Nicht wahr? — Ja. — Also kann auch nicht dem weder gut noch bösen dasjenige freund sein, was eben so ist? — Nein wie man sieht. — Es folgt also, daß nur das weder gut noch böse nur dem Guten kann freund werden. — Nothwendig, wie es das Ansehn hat. — Wird uns aber auch, sagte ich, ihr Kinder, das jezt gesagte richtig führen? Wenn wir zum Beispiel betrachten wollen den gesunden Leib, der bedarf weder der Arzneikunst noch sonst einer Hülfsleistung; denn er ist sich selbst genug, so daß kein Gesunder einem Arzte
nämlich das Gute sei schön. Meinst du nicht auch? — Ich ebenfalls. — Ich meine also nur gleichsam ahndend, daß dem Schönen und Guten das weder gut noch böse freund ist. In welcher Beziehung aber ich dieses ahnde, das höre. Ich denke mir nämlich dieses als drei verschiedene Gattungen, erst das Gute, dann das Böse, | dann das weder gut noch böse. Wie du? — Auch ich, sagte er. — Und daß weder das Gute dem Guten, noch auch das Böse dem Bösen, noch auch das Gute dem Bösen freund ist, wie auch die bisherige Rede nicht zuläßt. Also bleibt, wenn nämlich etwas einem freund sein soll, nur übrig, daß das weder gut noch böse freund sein kann entweder dem Guten oder solchem wie es selbst ist. Denn dem Bösen kann doch nichts freund sein. — Richtig. — Aber auch nicht das Aehnliche dem Aehnlichen, sagten wir vorhin. Nicht wahr? — Ja. — Also kann auch nicht dem weder gut noch bösen dasjenige freund sein, was eben so ist? — Nein wie man sieht. — Es folgt also, daß allein das weder gut noch böse dem Guten allein kann freund werden. — Nothwendig, wie es das Ansehn hat. — Wird uns aber auch, sagte ich, ihr Kinder, das jezt gesagte richtig führen? Wenn wir zum Beispiel betrachten wollen den gesunden Leib, der bedarf weder der Arzneikunst noch Hülfe; denn er ist sich selbst genug, so daß kein Gesunder
T 7 Ich] davor offenbar irrtümlicher Sprecherwechsel innerhalb der Sokrates-Rede, vgl. SN 155/1 (Spalte 2) und W2.
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τρῷ φίλος διὰ τὴν ὑγίειαν. Ἦ γάρ; — Οὐδείς. — Ἀλλ᾽ ὁ κάμνων, οἶμαι, διὰ τὴν νόσον. — Πῶς γὰρ οὔ; — Νόσος μὲν δὴ κακόν, ἰατρικὴ δὲ ὠφέλιμον καὶ ἀγαθόν; — Ναί. — Σῶμα δέ γέ που, κατὰ τὸ σῶμα εἶναι, οὔτε ἀγαθὸν οὔτε κακόν; — Οὕτως. — Ἀναγκάζεται δέ γε σῶμα διὰ νόσον ἰατρικὴν ἀσπάζεσθαι καὶ φιλεῖν; — Δοκεῖ μοι. — Τὸ μήτε κακὸν ἄρα μήτε ἀγαθὸν φίλον γίγνεται τοῦ ἀγαθοῦ, διὰ κακοῦ παρουσίαν; — Ἔοικε. — Δῆλον δέ γε ὅτι πρὶν γενέσθαι αὐτὸ κακὸν ὑπὸ τοῦ κακοῦ οὗ ἔχει; οὐ γὰρ δή γε κακὸν γεγονὸς ἂν ἔτι τοῦ ἀγαθοῦ ἐπιθυμοῖ καὶ φίλον εἴη· ἀδύνατον γὰρ ἔφαμεν κακὸν ἀγαθῷ φίλον εἶναι. — Ἀδύνατον γάρ. — Σκέψασθε δὴ ὃ λέγω. Λέγω γάρ, ὅτι ἔνια μέν, οἷον ἂν ᾖ τὸ παρόν, τοιαῦτά ἐστιν καὶ αὐτά· ἔνια δὲ οὔ. Ὥσπερ εἰ ἐθέλοι τις χρώματί τῳ ὁτιοῦν ἀλεῖψαι, πάρεστί που τῷ ἀλειφθέντι τὸ ἐπαλειφθέν. — Πάνυ γε. — Ἆρ᾽ οὖν καὶ ἐστὶ τότε τοι-
20 κακὸν γεγονὸς ἂν ἔτι] κακὸν γεγονὸς ἔτι ἂν Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 47 [135,1], übersetzt W2 | κακὸν γεγονός ἐστιν ἀντὶ Ed.Basel 1534 (Oporinus) Ed.Genf 1578 (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1784 (Bipontina), zitiert bei Heindorf z. St. (S. 37 f.), nur teilweise (κακὸν γεγονός ἐστιν) übersetzt SN 155/1 W1, vgl. Anm. 31 E
Erster Entwurf (handschriftlich)
einem Arzte Freund wird der Gesundheit wegen. Nicht wahr? — Keiner. — Aber der Kranke, glaube ich, der Krankheit wegen. — Wie sollte er nicht? — Die Krankheit aber ist ein Uebel, und die Arzneikunde etwas Hilfreiches und Gutes? — Ja. — Der Leib aber ist doch sofern er Leib ist weder gut noch böse. — So ist es. — Genöthiget aber wird der Leib durch die Krankheit der Arzneikunde anzuhängen und sie zu | lieben. — So scheint es mir. — Das weder Böse noch Gute also wird freund des Guten weil es behaftet ist mit einem Bösen? — So folgt es. — Offenbar aber doch ehe es noch durch das ihm anhaftende Böse selbst böse geworden ist. Denn es kann noch nicht böse geworden sein31, wenn es noch des Guten begehrt und ihm freund ist, denn unmöglich, so behaupteten wir kann das Böse dem Guten freund sein. — Es ist auch unmöglich. — So erwäget denn, was ich sage. Ich sage nemlich daß zwar einige Dinge so wie das ist was an ihnen haftet so auch selbst sind, andre aber nicht. Wie wenn Jemand mit irgend einer Farbe etwas bestreicht, so haftet doch auf dem bestrichenen das aufgestrichene? — Allerdings. — Ist aber dann auch das 31
E (SN 155/1) κακον γεγονος αν ετι p. Warum hast du aber das εστιν heraus geworfen? γεγονος εστιν geht ja sehr gut an.
T 14 noch] über der Zeile mit Einfügungszeichen 15 ihm anhaftende] über der Zeile mit Einfügungszeichen | Böse] danach welches es hat 17 sein] über der Zeile Markierung für Anm. 31 E 22 zwar] über der Zeile mit Einfügungszeichen | Dinge] danach zwar S 5 Uebel] Hier ist κακόν erstmals im Dialog mit Uebel übersetzt, zuvor stets mit das Böse. Dazu vgl. Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 372, Notat 114. S Anm. 31 E Vgl. Spalte 1 App.
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freund wird der Gesundheit wegen. Nicht wahr? — Keiner. — Aber der Kranke, glaube ich, der Krankheit wegen? — Wie sollte er nicht? — Und die Krankheit ist doch ein Uebel, die Arzneikunst aber etwas Hülfreiches und Gutes? — Ja. — Der Leib aber ist doch sofern er Leib ist weder gut noch böse? — So ist es. — Genöthiget aber wird der Leib durch die Krankheit der Arzneikunde anzuhängen und | sie zu lieben? — So scheint es mir. — Das weder bös noch gute also wird freund des Guten weil es behaftet ist mit einem Bösen? — So folgt es. — Offenbar aber doch ehe es noch durch das ihm anhaftende Böse selbst böse geworden ist. Denn es kann noch nicht böse geworden sein, wenn es noch des Guten begehrt und ihm freund ist; denn unmöglich, so behaupten wir, kann das Böse dem Guten freund sein. — Es ist auch unmöglich. — So erwäget denn, was ich sage. Ich sage nämlich daß einige Dinge zwar selbst auch so sind wie das was ihnen anhaftet, andere aber nicht. Wie wenn Jemand mit irgend einer Farbe etwas bestreicht, so haftet doch auf dem Bestrichenen das Aufgestrichene. — Allerdings. — Ist aber dann auch das Bestrichene der Far-
einem Arzte freund wird der Gesundheit wegen. Nicht wahr? — Keiner. — Aber der Kranke, glaube ich, der Krankheit wegen? — Wie sollte er nicht? — Und die Krankheit ist doch ein Uebel, die Arzneikunst aber etwas Hülfreiches und Gutes? — Ja. — Der Leib aber ist doch sofern er Leib ist weder gut noch böse? — So ist es. — Genöthiget aber wird der Leib der Krankheit wegen der Arzneikunde anzuhängen und sie zu lieben? — So scheint es mir. — Das weder bös noch gute also wird freund dem Guten wegen einer bösen Anhaftung? — So folgt es. — Offenbar aber doch ehe es noch | durch das ihm anhaftende Böse selbst böse geworden ist. Denn, böse geworden, könnte es doch nicht mehr des Guten begehren und ihm freund sein; denn unmöglich, behaupteten wir, kann das Böse dem Guten freund sein. — Es ist auch unmöglich. — So erwäget denn, was ich sage. Ich sage nämlich, daß Einiges zwar wie das was ihm anhaftet selbst auch so ist, anderes aber nicht. Wie wenn Jemand mit irgend einer Farbe etwas bestreicht, so haftet doch auf dem Bestrichenen das Aufgestrichene. — Allerdings. — Ist aber dann auch das Bestrichene der Far-
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οῦτον τὴν χρόαν τὸ ἐπαλειφθέν, οἷον τὸ ἔτι ὄν; — Οὐ μανθάνω, ἦ δ᾽ ὅς. — Ἀλλ᾽ ὧδε, ἦν δ᾽ ἐγώ· εἴ τις σοῦ ξανθὰς οὔσας τὰς τρίχας ψιμμυθίῳ ἀλείψειε, πότερόν τοτε λευκαὶ εἶεν, ἢ φαίνοιντ᾽ ἄν; — Φαίνοιντ᾽ ἄν, ἦ δ᾽ ὅς. — Καὶ μὴν παρείη γ᾽ ἂν αὐταῖς λευκότης. — Ναί. — Ἀλλ᾽ ὅμως οὐδέν τι μᾶλλον ἂν εἶεν λευκαί πω, ἀλλὰ παρούσης λευκότητος οὔτε τι λευκαὶ οὔτε μέλαιναι εἰσίν. — Ἀληθῆ. — Ἀλλ᾽ ὅταν δή, ὦ φίλε, τὸ γῆρας αὐταῖς ταὐτὸν τοῦτο τὸ χρῶμα ἐπαγάγῃ, τότε ἐγένοντο οἷόνπερ τὸ παρόν, λευκοῦ παρουσίᾳ λευκαί. — Πῶς γὰρ οὔ; — Τοῦτο τοίνυν ἐρωτῶ νῦν δή, εἰ, ᾧ ἄν τι παρῇ, τοιοῦτον ἔσται τὸ ἔχον οἷον τὸ παρόν· ἢ ἐὰν μὲν κατά τινα τρόπον
1f ἐπαλειφθέν] ἀλειφθέν konj. Heindorf z. St. (S. 38), übernommen Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 47 [135,8], übersetzt SN 155/1 W1 W2 2 τὸ ἔτι ὄν] τὸ ἐπόν (oder ἐπιόν) konj. Heindorf z. St. (S. 38), übernommen Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 47 [135,8], übersetzt SN 155/1 W1 W2 22 ἐρωτῶ] ἠρώτων erwogen von Schleiermacher (Anm. 32 A) | νῦν] fehlt Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 47 [135,18], fehlt in der Übersetzung W2 24–534,1 οἷον τὸ παρόν· ἢ ἐὰν μὲν κατά τινα τρόπον παρῇ, ἔσται, ἐὰν δὲ μή, οὔ.] οἷον το παρὸν, ἢ ἐὰν μὲν κατά τινα τρόπον παρῇ, ἔσται· ἐὰν δὲ μὴ, οὔ. Heindorf, korr. Appendix S. 358
Erster Entwurf (handschriftlich)
Bestrichene der Farbe nach so wie das drauf haftende? — Ich verstehe nicht, sagte er. — Aber so doch, sprach ich. Wenn Jemand deine goldgelben Haare mit Bleiweiß bestriche wären sie dann wol weiß, oder schienen sie nur so? — Sie schienen nur. — Doch aber haftete an ihnen die Weiße. — Ja. — Nichts desto weniger aber wären sie doch nicht weiß sondern ohnerachtet der anhaftenden Weiße wären sie weder weiß noch schwarz. — Richtig. — Wenn aber o freund das Alter ihnen eben diese Farbe mitgetheilt hat dann sind sie geworden wie das auf ihnen haftende, weiß durch das Anhaften der Weiße. — Wie anders. — Dieses also fragte ich32 dich eben izt ob das worauf etwas haftet immer so ist wie das darauf haftende oder ob nur wenn es auf eine gewisse 32
E (SN 155/1) Nicht τουτο τοινυν ἠρώτων νυν δη Vide P. 38. | A (SN 155/2) τ ο υ τ ο τ ο ι ν υ ν ε ρ ω τ ω ν υ ν δ η . Mochte ich auch lesen ηρωτων. Es geht auf die Frage zurük die er mit ου μανθανω beantwortet hatte.
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu: Anm. 32 A: νῦν δή Heißt (sagt Buttm.) beim Plato eben jezt und macht das praesens ἐρωτῶ zur Vergangenheit. ἠρώτων müste geändert werden. Zu viel, und (nach dem obigen) unnöthig. Vgl. p. 218.e νῦν δὴ φάμεν nicht ἔφαμεν. T 4f bestriche] korr. aus be streicht 8 wären] korr. aus würden 12f mitgetheilt hat] korr. aus mittheilt 16 fragte ich] über der Zeile Markierung und am Rand Notiz für die später ausgeführte Anm. (Anm. 32 E): ερωτων (-ν unterstrichen) 18 ob] über der Zeile mit Einfügungszeichen T Anm. 32 E 20 Vide] V. SN 155/1 S Anm. 32 EA mit Spld. u. a. Schleiermacher bezieht mit Heindorf S. 38 Τοῦτο τοίνυν ἐρωτῶ νῦν δή auf die Frage Ἆρ᾽ οὖν καὶ ἐστὶ τότε τοιοῦτον τὴν χρόαν τὸ ἐπαλειφθέν, οἷον τὸ ἔτι ὄν; (217c). Der Wechsel in die Vergangenheitsform ἠρώτων auch im Griechischen scheint allerdings nicht nötig, s. Spld. u. a.
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be nach so wie das darauf befindliche? — Ich verstehe nicht, sagte er. — Aber doch so, sprach ich. Wenn Jemand deine goldfarbigen Haare mit Bleiweiß bestriche, wären sie dann wohl weiß, oder schienen sie nur so? — Sie schienen nur. — Doch aber haftete an ihnen die Weiße. — Ja. — Nichts desto weniger aber wären sie doch nicht weiß, sondern ohnerachtet der anhaftenden Weiße weder weiß noch schwarz. — Richtig. — Wenn aber, o Freund, das Alter ihnen diese Farbe mitgetheilt hat, dann sind sie geworden wie das ihnen anhaftende, weiß nämlich wegen des Anhaftens der Weiße. — Wie könnte es anders sein? — Hiernach also fragte ich dich eben izt, ob das, worauf etwas haftet, immer so ist wie das daran haftende? oder ob nur wenn es auf eine gewisse Weise daran haftet
be nach so wie das darauf befindliche? — Ich verstehe nicht, sagte er. — Aber doch so, sprach ich. Wenn Jemand deine goldfarbigen Haare mit Bleiweiß bestriche, wären sie dann wohl weiß, oder schienen sie nur so? — Sie schienen nur. — Doch aber haftete an ihnen die Weiße. — Ja. — Nichts desto weniger aber wären sie doch nicht weiß, sondern ohnerachtet der anhaftenden Weiße sind sie weder weiß noch schwarz. — Richtig. — Wenn aber, o Freund, das Alter ihnen diese nemliche Farbe mitgetheilt hat, dann sind sie geworden wie das ihnen anhaftende, weiß nämlich wegen des Anhaftens der Weiße. — Wie könnte es anders sein? — Hiernach also frage ich eben, ob das, worauf etwas haftet, immer so ist wie das daran haftende? oder ob nur wenn es auf eine gewisse Weise
S 20 App.
eben, ob] nach Bekker wie Spalte 1
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παρῇ, ἔσται, ἐὰν δὲ μή, οὔ. — Οὕτω μᾶλλον, ἔφη. — Καὶ τὸ μήτε κακὸν ἄρα μήτε ἀγαθὸν ἐνίοτε, κακοῦ παρόντος, οὔπω κακόν ἐστιν· ἔστι δ᾽ ὅτε ἤδη τὸ τοιοῦτον γέγονε. — Πάνυ γε. — Οὐκοῦν ὅταν μήπω κακὸν ᾖ κακοῦ παρόντος, αὕτη μὲν ἡ παρουσία ἀγαθοῦ αὐτὸ ποιεῖ ἐπιθυμεῖν, ἡ δὲ κακὸν ποιοῦσα ἀποστερεῖ αὐτὸ τῆς τε ἐπιθυμίας ἅμα καὶ τῆς φιλίας τἀγαθοῦ. Οὐ γὰρ ἔτι ἐστὶν οὔτε κακὸν οὔτε ἀγαθόν, ἀλλὰ κακόν· φίλον δὲ ἀγαθὸν κακῷ οὐκ ἦν. — Οὐ γὰρ οὖν. — Διὰ ταῦτα δὴ φαῖμεν ἂν καὶ τοὺς ἤδη σοφοὺς μηκέτι φιλοσοφεῖν, εἴτε θεοὶ εἴτε ἄνθρωποι εἰσὶν οὗτοι· οὐδ᾽ αὖ ἐκείνους φιλοσοφεῖν, τοὺς οὕτως ἀγνοίας ἔχοντας, ὥστε κακοὺς εἶναι· κακὸν γὰρ καὶ ἀμαθῆ οὐδένα φιλοσοφεῖν. Λείπονται δὴ οἱ ἔχοντες μὲν τὸ κακὸν τοῦτο,
4 κακοῦ] verdruckt κακοῢ Heindorf 17 ἀγαθὸν κακῷ] ἀγαθῷ κακὸν konj. Heindorf z. St. (S. 39), übernommen Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 48 [136,7], übersetzt W1 W2 24 ἀγνοίας] konj. Heindorf (s. Spalte 2 App. S) | ἄγνοιαν Edd. vulg., z. B. Ed.Zweibrücken 1784 (Bipontina), Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 48 [136,9], übersetzt SN 155/1 W1 W2, vgl. Anm. 33 EA W1 Anm. 13 W2 Anm. 14
Erster Entwurf (handschriftlich)
Weise drauf haftet wird jenes so sein, wenn aber anders, dann nicht. — Das lezte lieber sagte er. — Also auch das weder gut noch böse ist bisweilen bei dran haftendem Bösen noch nicht böse, bisweilen aber ist es schon so geworden. — Allerdings. — Also wenn es noch nicht böse ist bei dran haftendem Bösen so erregt eben dieses Anhaften ihm ein Verlangen nach dem Guten; das böse machende aber beraubt es vielmehr jenes Verlangens sowol als auch der Freundschaft des Guten. Denn nun ist es kein weder gut noch Böses mehr, sondern ein Böses. Und dem Bösen war das Gute nicht freund. — Freilich nicht. — Eben deshalb können wir auch sagen, daß die schon weisen, seien es Götter oder Menschen, nicht mehr die Weisheit suchen, noch auch jene sie suchen, welche die Unwissenheit so an sich haben33, daß sie böse sind. Denn kein Böser und ungelehriger sucht die Weisheit. Uebrig also bleiben die, welche jenes Uebel zwar haben, die Unwis33
E (SN 155/1) Ich bin für die alte Leseart αγνοιαν. ουτως εχειν τινος geht auf einen Grad, auf eine Quantität: so weit darin gekommen sein. Hier aber ist die Rede von einer verschiedenen Art das παρον zu haben. | A (SN 155/2) τ ο υ ς ο υ τ ω ς α γ ν ο ι α ς ε χ ο ν τ α ς Ich bin für die alte Leseart αγνοιαν. | Die Phrasen οὑτω τινος ἐχειν, πορρω τινος ἡκειν p. gehn auf einen Grad der Beschaffenheit. Hier aber ist nicht gesagt, daß der Unterschied im Grade liege, welches auch unrichtig wäre sondern in einer Art und Weise das Böse an sich zu haben, und dies erfordert den Accusativ.
T 1 jenes so sein] über also sein 8 dieses Anhaften] korr. aus dieser Umstand 19 haben] über der Zeile und am Rand Markierung für Anm. 33 E S Anm. 33 EA Vgl. Heindorf z. St. (S. 40): „In verbis autem τοὺς οὕτως ἀγνοίας ἔχοντας vulgatum ἄγνοιαν fidenter emendavi.“
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jenes eben so sein wird, wenn aber anders dann nicht? — Das lezte also, sagte er. — Auch | das weder gut noch böse ist also bisweilen bei daran haftendem Bösen noch nicht böse, in andern Fällen aber ist es schon zu einem solchen geworden. — Allerdings. — Also wenn es noch nicht böse ist ohnerachtet des daran haftenden Bösen, so erregt eben dieses Anhaften ihm ein Verlangen nach dem Guten; ein bösemachendes Anhaften aber beraubt es vielmehr dieses Verlangens sowohl als auch der Freundschaft zum Guten. Denn nun ist es kein weder gut noch böses mehr, sondern ein Böses, und das Böse war dem Guten nicht freund. — Freilich nicht. — Dem gemäß könnten wir daher auch sagen, daß die schon Weisen nicht mehr der Weisheit freund sind, seien dies nun Götter oder Menschen, noch auch diejenigen ihr freund sind, welche den Unverstand so an sich haben13 daß sie böse sind; denn kein Böser und Unbelehrbarer ist der Weisheit freund. Uebrig also bleiben diejenigen, welche jenes
daran haftet jenes eben so sein wird, wenn aber anders dann nicht? — Das lezte also, sagte er. — Auch das weder gut noch böse ist also bisweilen bei daran haftendem Bösen noch nicht böse, in andern Fällen aber ist es schon ein solches geworden. — Allerdings. — Also wenn es | noch nicht böse ist ohnerachtet des daran haftenden Bösen, so erregt eben dieses Anhaften ihm ein Verlangen nach dem Guten; ein bösemachendes Anhaften aber beraubt es dieses Verlangens sowohl als auch der Freundschaft zum Guten. Denn nun ist es kein weder gut noch böses mehr, sondern ein Böses, und das Böse war dem Guten nicht freund. — Freilich nicht. — Dem gemäß könnten wir daher auch sagen, daß die schon Weisen nicht mehr Weisheitsfreunde sind, seien dies nun Götter oder Menschen, noch auch diejenigen ihr freund sind, welche den Unverstand so an sich haben14 daß sie böse sind; denn kein Böser und Ungelehriger liebt die Weisheit. Uebrig also bleiben diejenigen, welche jenes Uebel zwar
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welche den Unverstand so a n s i c h h a b e n . Ich lese mit den Ausgaben τοὺς οὕτως ἄγνοιαν ἔχοντας. Die Redensarten οὕτω τινὸς ἔχειν, πόρρω τινὸς ἥκειν und ähnliche gehen auf den hohen Grad einer gewissen Beschaffenheit; hier aber wird ausdrüklich gesagt, der Unterschied beruhe auf einer gewissen Weise des Ansichhabens κατά τινα τρόπον 217, e. Dieses nun kann οὕτως in jener Redensart beim Genitiv nicht bedeuten.
S Anm. 13 Vgl. Spalte 1 App. und Spalte 2 App. S.
welche den Unverstand so a n s i c h h a b e n . Ich lese mit den Ausgaben τοὺς οὕτως ἄγνοιαν ἔχοντας. Die Redensarten οὕτω τινὸς ἔχειν, πόρρω τινὸς ἥκειν und ähnliche gehen auf den hohen Grad einer gewissen Beschaffenheit; hier aber wird ausdrüklich gesagt, der Unterschied beruhe auf einer gewissen Weise des Ansichhabens κατά τινα τρόπον 217, e. Dieses nun kann οὕτως in jener Redensart beim Genitiv nicht bedeuten.
S Anm. 14 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 13.
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τὴν ἄγνοιαν, μήπω δὲ ὑπ᾽ αὐτοῦ ὄντες ἀγνώμονες μηδὲ ἀμαθεῖς, ἀλλ᾽ ἔτι ἡγούμενοι μὴ εἰδέναι ἃ μὴ ἴσασι. Διὸ δὴ καὶ φιλοσοφοῦσιν οἱ οὔτε ἀγαθοὶ οὔτε κακοί πω ὄντες. Ὅσοι δὲ κακοί, οὐ φιλοσοφοῦσιν, οὐδὲ οἱ ἀγαθοί. Οὔτε γὰρ τὸ ἐναντίον τοῦ ἐναντίου, οὔτε τὸ ὅμοιον τοῦ ὁμοίου φίλον ἡμῖν ἐφάνη ἐν τοῖς ἔμπροσθεν λόγοις. Ἢ οὐ μέμνησθε; — Πάνυ γε, ἐφάτην. — Ἆρα, ἦν δ᾽ ἐγώ, ὦ Λύσι τε καὶ Μενέξενε, παντὸς μᾶλλον ἐξευρήκαμεν ὅ ἐστι τὸ φίλον καὶ οὔ; Φαμὲν γὰρ αὐτό, καὶ κατὰ τὴν ψυχὴν καὶ κατὰ τὸ σῶμα καὶ πανταχοῦ, τὸ μήτε κακὸν μήτε ἀγαθόν, διὰ κακοῦ παρουσίαν, τοῦ ἀγαθοῦ φίλον εἶναι. — Παντάπασιν ἐφάτην τε καὶ συνεχωρείτην οὕτω τοῦτ᾽ ἔχειν. — Καὶ δὴ καὶ αὐτὸς ἐγὼ πάνυ ἔχαιρον, ὥσπερ θηρευτής τις ἔχων ἀγαπητῶς ὃ ἐθηρευόμην. Κᾄπειτ᾽ οὐκ οἶδ᾽ ὁπόθεν μοι ἀτοπωτάτη τις ὑποψία εἰσῆλθεν, ὡς οὐκ ἀληθῆ εἴη τὰ ὡμολογημένα ἡμῖν. Καὶ εὐθὺς ἀχθεσθεὶς εἶπον, βαβαί, ὦ Λύσι τε καὶ Με νέξενε, κινδ υνε ύο μεν ὄναρ πεπλουτηκέναι. — Τί μάλιστα; ἔφη ὁ Μενέξενος. — Φοβοῦμαι, ἦν δ᾽ ἐγώ, μὴ ὥσπερ ἀνθρώποις ἀλαζόσι
Erster Entwurf (handschriftlich)
senheit, nicht aber so daß sie dadurch unverständig und ungelehrig geworden sind, sondern so daß sie noch einsehn sie wissen das nicht was sie nicht verstehen. Darum nun philosophiren die nicht gut nicht böse sind, die Bösen aber philosophiren nicht noch auch die Guten. Denn weder das Entgegengesezte war dem entgegengesezten noch das aehnliche dem Aehnlichen freund wie sich gezeigt hatte in unsern vorigen Reden. Oder erinnert Ihr Euch nicht? — Sehr gut sagten sie. — Haben wir also nun o Lysis und Menexenos sagte ich ganz sicher ausgefunden was freund ist und was nicht. Wir behaupten nemlich in Betreff der Seele und des Leibes und überall sei nur das weder gute noch böse wegen Anhaftung eines Bösen freund dem Guten. — | Auf alle Weise behaupteten sie und gestanden zu daß es sich so verhielte. Und auch ich selbst freute mich sehr wie ein Jäger der froh ist endlich bekommen zu haben was er auf der Spur hatte. Hernach aber kam mir ich weiß nicht woher ein gar seltsamer Verdacht als sei alles nicht wahr worüber wir übereingekommen. Und sehr verdrießlich sagte ich O Weh Lysis und Menexenos, wir werden wol nur im Traume den Schaz gefunden haben. — Was ist wieder sagte Menexenos? — Ich fürchte sprach ich, wie es prahlerische Menschen
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu 1 Übers.A (verl.): μήπω noch nicht. Dieses ist ausgelaßen. 3f Übers.A (verl.): εἰδέναι — ἴσασι. Buttm. erinnert, daß nach griech. Sprachgebrauch diese beiden Formen zu einem Wort gehören, und also statt v e r s t e h e n hinten auch w i s s e n stehn mus, denn οἴδασιν ist nicht attisch. T 1 nicht] noch nicht Spld., vgl. W1 W2 3f sie wissen ... verstehen] sie wissen ... wissen Spld. u. a., vgl. W1 W2 3 das] über der Zeile ohne Einfügungszeichen 10 Reden.] korr. aus Reden! 28f Was ist wieder] über Wie so 30 prahlerische] über maulige
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Uebel zwar haben, den Unverstand, noch nicht aber dadurch unverständig und unbelehrbar geworden, sondern noch der Meinung sind, sie wüßten das nicht, was sie wirklich nicht wissen. Daher auch nur diejenigen philosophiren, welche noch weder gut noch böse sind, alle Bösen aber philosophiren nicht, noch auch die Guten. Denn weder das Entgegengesezte war dem Entgegengesezten freund noch das Aehnliche dem Aehnlichen, wie sich gezeigt hatte in unsern vorigen Reden. Oder erinnert ihr euch nicht? — Sehr gut, sagten sie. — Haben wir also nun, sprach ich, o Lysis und Menexenos, ganz sicher ausgefunden was freund ist und was nicht? Wir behaupten nämlich sowohl in Betreff der Seele als des Leibes | und überall sei nur das weder gut noch böse wegen Anhaftung eines Bösen freund dem Guten. — Auf alle Weise wollten sie behaupten und einräumen daß es sich so verhalte. — Und auch ich selbst freute mich sehr, wie ein Jäger froh ist, wenn er endlich bekommen hat, was er auf der Spur hatte. Hernach aber kam mir, ich weiß nicht woher, der seltsamste Verdacht, daß wohl Alles nicht wahr wäre, was wir zusammen ausgefunden hatten. Und sehr verdrießlich sagte ich: O weh, Lysis und Menexenos, wir werden wohl nur im Traume den Schaz gehoben haben. — Was ist wieder, fragte Menexenos? — Ich fürchte, sprach ich, wie es prahlerische Men-
haben, den Unverstand, noch nicht aber dadurch unverständig und [un]gelehrig geworden, sondern noch der Meinung sind, sie wüßten das nicht, was sie wirklich nicht wissen. Daher auch nur diejenigen philosophiren, welche noch weder gut noch böse sind, alle Bösen aber philosophiren nicht, noch auch die Guten. Denn weder das Entgegengesezte war dem Entgegengesezten freund noch das Aehnliche dem Aehnlichen, wie sich gezeigt hatte in unsern vorigen Reden. Oder erinnert ihr euch nicht? — Sehr gut, sagten sie. — Jezt also haben wir, sprach ich, o Lysis und Menexenos, ganz sicher ausgefunden was freund ist und was nicht? Wir behaupten nämlich sowohl in Betreff der Seele als des Leibes und überall sei nur das weder gut noch böse wegen Anhaftung eines Bösen freund dem Guten. — Auf alle Weise wollten sie behaupten und einräumen daß es sich so verhalte. — | Und auch ich selbst freute mich sehr, als hätte ich wie ein Jäger nun zur Genüge was ich gejagt hatte. Hernach aber kam mir, ich weiß nicht woher, der seltsamste Verdacht, daß wohl Alles nicht wahr wäre, was wir zusammen ausgefunden hatten. Und sehr verdrießlich sagte ich: O weh, Lysis und Menexenos, wir werden wohl nur im Traume den Schaz gehoben haben. — Was ist wieder, fragte Menexenos? — Ich fürchte, sprach ich, wie auf prahlerische Menschen, so
T 3 [un]gelehrig] verdruckt gelehrig W2
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λόγοις τισὶ τοιούτοις ψευδέσιν ἐντετυχήκαμεν περὶ τοῦ φίλου. — Πῶς δή; ἔφη. — Ὧδε, ἦν δ᾽ ἐγώ, σκοπῶμεν· φίλος ὃς ἂν εἴη, πότερον ἐστί τῳ φίλος ἢ οὔ; — Ἀνάγκη, ἔφη. — Πότερον οὖν οὐδενὸς ἕνεκα καὶ δι᾽ οὐδέν, ἢ ἕνεκά του καὶ διά τι; — Ἕνεκά του καὶ διά τι. — Πότερον φίλου ὄντος ἐκείνου τοῦ πράγματος, οὗ ἕνεκα φίλος ὁ φίλος τῷ φίλῳ, ἢ οὔτε φίλου οὔτε ἐχθροῦ; — Οὐ πάνυ, ἔφη, ἕπομαι. — Εἰκότως γε, ἦν δ᾽ ἐγώ, ἀλλὰ ὧδε ἴσως ἀκολουθήσεις, οἶμαι δὲ καὶ ἐγὼ μᾶλλον εἴσομαι ὅτι λέγω· ὁ κάμνων, νῦν δὴ φαμὲν, τοῦ ἰατροῦ φίλος. Οὐχ οὕτω; — Ναί. — Οὐκοῦν διὰ νόσον, ἕνεκα ὑγιείας, τοῦ ἰατροῦ φίλος; — Ναί. — Ἡ δέ γε νόσος κακόν; — Πῶς δ᾽ οὔ; — Τί δέ; ὑγίεια, ἦν δ᾽ ἐγώ, ἀγαθὸν ἢ κακὸν ἢ οὐδέτερα; — Ἀγαθόν, ἔφη. — Ἐλέγομεν δ᾽ ἄρα, ὡς ἔοικεν, ὅτι τὸ σῶμα, οὔτε ἀγαθὸν οὔτε κακόν, διὰ τὴν νόσον, τοῦτο δέ ἐστι διὰ τὸ
1f ψευδέσιν] Heindorf Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 48 [137,12], übersetzt W2, vgl. W2 Anm. 15 | als in den Text eingedrungene Glosse verdächtigt von Heindorf z. St. (S. 41), nicht übersetzt SN 155/1 W1 19f ὁ κάμνων, νῦν δὴ φαμὲν, τοῦ] ὁ κάμνων νῦν δὴ φαμὲν τοῦ Heindorf, korr. Appendix S. 358 20 φαμὲν] ἔφαμεν konj. Heindorf z. St. (S. 41), übernommen Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 48 [137,21], übersetzt SN 155/1 W1 W2
Erster Entwurf (handschriftlich)
giebt, so haben wir auf Gedanken dieser Art getroffen über die Freundschaft. — Woher sagte er? — Solch gestalt sprach ich wollen wir erwägen. Wer freund ist, ist der Jemand freund oder nicht? — Nothwendig sagte er. — Und aus keiner Absicht, keiner Ursach wegen, oder um etwas, und wegen etwas? — Um etwas und wegen etwas. — Ist er nun dieser Sache freund um deretwillen er der andern freund ist, oder ist er ihr weder freund noch feind? — Ich folge dir nicht recht sagte er. — Kein Wunder, sprach ich. Aber so wirst vielleicht du besser folgen und auch ich besser wissen was ich meine. Der Kranke sagten wir eben ist dem Arzt freund. Nicht wahr? — Ja. — Nicht wahr wegen der Krankheit und um der Gesundheit willen ist er dem Arzt freund? — Ja. — Die Krankheit aber ist ein Uebel. — Wie sollte sie nicht? — Die Gesundheit aber ist die gut oder böse? oder keins von beiden? — Gut sprach er. — Wir sagten also, wie es scheint daß der Leib, weder gut noch böse, wegen der Krankheit das ist was Bösem der Arznei-
T 1f haben wir auf Gedanken dieser Art getroffen] teilweise über der Zeile statt sind wir auch nur auf solche Gedanken gestoßen 3 Solch gestalt] korr. aus So 8 nun] danach aber 9f er der andern] über der freund dem freunde 22 es scheint] über sich zeigt
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schen giebt, so mögen auch von eben der Art die Gedanken über die Freundschaft sein, auf welche wir gekommen sind. — Woher? fragte er. — Laß es uns so betrachten, sprach ich. Wer freund ist, ist der Jemanden freund oder nicht? — Nothwendig, sagte er. — Und um keines Endzweks willen, auch keiner Ursach wegen? oder wegen etwas und um etwas willen? — Um etwas und wegen etwas. — Ist er nun auch dieser Sache freund, um derentwillen er der andern freund ist, oder ist er ihr weder freund noch feind? — Ich folge dir nicht recht, sagte er. — Kein Wunder, sprach ich. Aber so wirst vielleicht du besser folgen, und ich besser wissen was ich meine. Der Kranke, sagten wir eben, ist dem Arzt freund. Nicht wahr? — Ja. — Und zwar der Krankheit wegen um der Gesundheit willen ist er dem Arzte freund? — Ja. — Die Krankheit aber ist etwas böses? — Wie sollte sie nicht? — Die Gesundheit aber, ist die gut oder böse? oder keines von beiden? | — Gut, sprach er. — Wir sagten also, wie es scheint, der Leib, weder gut noch böse, wäre wegen der Krankheit, das heißt etwas bösem,
sind wir wohl auf eben solche falsche Gedanken15 über die Freundschaft gekommen. — Woher? fragte er. — Laß es uns so betrachten, sprach ich. Wer freund ist, ist der Jemanden freund oder nicht? — Nothwendig, sagte er. — Und um keines Endzweks willen, auch keiner Ursach wegen? oder wegen etwas und um etwas willen? — Um etwas und wegen etwas. — Ist er nun auch dieser Sache freund, um derentwillen er der andern freund ist, oder ist er ihr weder freund noch feind? — Ich folge dir nicht recht, sagte er. — Kein Wunder, sprach ich. Aber so wirst vielleicht du besser folgen, und, denke ich, auch ich besser wissen was ich meine. Der Kranke, sagten wir eben, ist dem Arzt freund. Nicht wahr? — Ja. — Und zwar der Krankheit wegen um der Gesundheit willen ist er dem Arzte freund? — Ja. — Die Krankheit aber ist etwas böses? — Wie sollte sie nicht? — Die Gesundheit aber, ist die gut oder böse oder keines von beiden? — Gut, sprach er. — Wir sagten also, wie es scheint, der Leib, weder gut noch böse, wäre wegen der Krankheit, das heißt etwas bösen, 15
f a l s c h e G e d a n k e n . Die Kühnheit das ψευδέσι als Glossem herauszuwerfen ist mir vergangen.
S Anm. 15 Vgl. Spalte 1 App.
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κακόν, τῆς ἰατρικῆς φίλον ἐστίν· ἀγαθὸν δὲ ἰατρική· ἕνεκα δὲ τῆς ὑγιείας τὴν φιλίαν ἡ ἰατρικὴ ἐπανῄρηται· ἡ δὲ ὑγίεια ἀγαθόν. Ἦ γάρ; — Ναί. — Φίλον δὲ ἢ οὐ φίλον ἡ ὑγίεια; — Φίλον. — Ἡ δὲ νόσος ἐχθρόν; — Πάνυ γε. — Τὸ οὔτε κακὸν οὔτε ἀγαθὸν ἄρα, διὰ τὸ κακὸν καὶ τὸ ἐχθρόν, τοῦ ἀγαθοῦ φίλον ἐστίν, ἕνεκα τοῦ ἀγαθοῦ καὶ φίλου. — Φαίνεται. — Ἕνεκα ἄρα τοῦ φίλου τὸ φίλον φίλον, διὰ τὸ ἐχθρόν. — Ἔοικεν. — Εἶεν, ἦν δ᾽ ἐγώ. Ἐπειδὴ ἐνταῦθα ἥκομεν, ὦ παῖδες, προσσχῶμεν τὸν νοῦν μὴ ἐξαπατηθῶμεν. ῞Οτι μὲν γὰρ φίλον τοῦ φίλου τὸ φίλον γέγονεν, ἐῶ χαίρειν, καὶ τοῦ ὁμοίου γε τὸ ὅμοιον φίλον γίγνεται, ὃ ἔφαμεν ἀδύνατον εἶναι. Ἀλλ᾽ ὅμως τόδε σκεψώμεθα, μὴ ἡμᾶς ἐξαπατήσῃ τὸ νῦν λεγόμενον· ἡ ἰατρική, φαμέν, ἕνεκα τῆς ὑγιείας φίλον; — Ναί. — Οὐκοῦν καὶ ὑγίεια φίλον; — Πάνυ γε.
Erster Entwurf (handschriftlich)
kunst freund ist. Die Arzneikunst aber ist etwas Gutes. Und um der Gesundheit willen empfängt die Arzneikunst die Freundschaft; die Gesundheit aber ist gut; nicht so? — Ja. — Ist er aber der Gesundheit freund oder nicht freund? — Freund. — Der Krankheit aber feind? — Allerdings. — Der weder böse noch gute also ist wegen des bösen und feindlichen des guten freund um eines Guten willen dem es freund ist. — So scheint es. — Freund ist man also, dem man freund ist um etwas willen dem man freund ist wegen etwas dem man feind ist? — So scheint es. — Wohl sprach ich. Weil wir aber hier ankommen, Kinder, laßt uns wohl Acht geben daß wir nicht betrogen werden. Denn daß nun freund des freundes freund geworden ist lasse ich gehn obgleich so das Aehnliche des Aehnlichen freund wird, welches wir für unmöglich erklärten damit nicht das jezt angenommene uns wieder betrüge. Dieses aber laßt uns wenigstens betrachten. Der Arzneikunst sagten wir ist man freund um der Gesundheit willen? — Ja. — Also ist man auch der Gesundheit freund? — Allerdings.
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu 13 Übers.A (verl.): S o s c h e i n t e s . Offenbar.
17 Ἐπειδὴ ἐνταῦθα] Ἐπειδὴ δὲ ἐνταῦθα konj. Heindorf z. St. (S. 42), übersetzt SN 155/1, vgl. W1 W2 18 προσσχῶμεν] πρόσχωμεν Heindorf, korr. Appendix S. 358
T 12 etwas willen dem man freund ist] über eines Freundes willen 13 etwas dem man feind ist] über eines Feindes | So scheint es.] Das wiederholte So scheint es. (s. o. Z. 10) für zwei verschiedene griechische Ausdrücke möchte Spalding anscheinend variieren; vgl. W1 W2. 16f Denn daß nun freund des freundes ...] am Rand Anm. Dieses muß er wol gehn lassen und man sieht hier wie Plato es mit einer eigentlichen Sophisterei macht. Auch diese kann man jedoch retten wenn man es nicht darauf bezieht daß der Arzt doch auch der Gesundheit eben so freund ist wie der Kranke. 20–22 erklärten damit nicht das jezt angenommene uns wieder betrüge. Dieses aber laßt uns wenigstens betrachten.] umgestellt aus erklärten. Dieses aber laßt uns wenigstens betrachten damit nicht das jezt angenommene uns wieder betrüge.
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der Arzneikunst freund. Die Arzneikunst aber ist etwas gutes; und um der Gesundheit willen empfängt die Arzneikunst die Freundschaft; die Gesundheit aber ist gut. Nicht so. — Ja. — Ist er aber der Gesundheit freund oder nicht freund? — Freund. — Der Krankheit aber feind? — Allerdings. — Das weder bös und gute also ist wegen des Bösen und Verhaßten dem Guten freund, um eines Guten willen, dem es freund ist? — So zeigt es sich. — Freund ist man also dem man freund ist um etwas willen, dem man freund ist wegen etwas dem man feind ist. — So sieht es aus. — Gut, sprach ich. Da wir nun hier angekommen sind, Kinder, so laßt uns wohl Acht geben, daß wir nicht betrogen werden. Denn daß nun Freund dem Freunde14 freund geworden ist, lasse ich gehn, obgleich so das Aehnliche dem Aehnlichen freund wird, welches wir für unmöglich erklärt haben. Dieses aber laßt uns wenigstens erwägen, damit nicht das jezt angenommene uns betrüge. Der Arzneikunst, sagten wir, ist man freund um der Gesundheit willen? — Ja. — Also ist man auch der Gesundheit freund? — Aller-
der Arzneikunst freund. Die Arzneikunst aber ist | etwas gutes; und um der Gesundheit willen empfängt die Arzneikunst die Freundschaft; die Gesundheit aber ist gut. Nicht so. — Ja. — Ist er nun der Gesundheit freund oder nicht freund? — Freund. — Der Krankheit aber feind? — Allerdings. — Das weder bös und gute also ist wegen des Bösen und Verhaßten dem Guten freund, um eines Guten willen, dem es freund ist? — So zeigt es sich. — Freund ist man also dem man freund ist um etwas willen, dem man freund ist wegen etwas dem man feind ist. — So sieht es aus. — Gut, sprach ich. Da wir nun hier angekommen sind, Kinder, so laßt uns wohl Acht geben, daß wir nicht betrogen werden. Denn daß nun Freund dem Freunde16 freund geworden ist, lasse ich gehn, obgleich so das Aehnliche dem Aehnlichen freund wird, welches wir für unmöglich erklärt haben. Dieses aber laßt uns wenigstens erwägen, damit nicht das jezt angenommene uns betrüge. Der Arzneikunst, sagten wir, ist man freund um der Gesundheit willen? — Ja. — Also ist man auch der Gesundheit freund? — Aller-
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Denn daß nun Freund dem F r e u n d e etc. Nicht etwa, wie es auf den ersten Anblik scheint, als großmüthiges Nachlassen einer sich von selbst darbietenden Sophisterei ist dieses anzusehen; sondern als noch eine absichtliche Andeutung darauf, daß unmöglich der Saz, das Aehnliche sei dem Aehnlichen freund, ganz im Allgemeinen falsch sein könne.
S Anm. 14 Vgl. SN 155/1 am Rand (Spalte 2 App. T).
Denn daß nun Freund dem F r e u n d e etc. Nicht etwa, wie es auf den ersten Anblik scheint, als großmüthiges Nachlassen einer sich von selbst darbietenden Sophisterei ist dieses anzusehen; sondern als noch eine absichtliche Andeutung darauf, daß unmöglich der Saz, das Aehnliche sei dem Aehnlichen freund, ganz im Allgemeinen falsch sein könne.
S Anm. 16 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 14.
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— Εἰ ἄρα φίλον, ἕνεκά του. — Ναί. — Φίλον γέ τινος δή, εἴπερ ἀκολουθήσει τῇ πρόσθεν ὁμολογίᾳ. — Πάνυ γε. — Οὐκοῦν καὶ ἐκεῖνο φίλον αὖ ἔσται ἕνεκα φίλου; — Ναί. — Ἆρ᾽ οὖν οὐκ ἀνάγκη ἀπειπεῖν ἡμᾶς οὕτως ἰόντας καὶ ἀφικέσθαι ἐπί τινα ἀρχήν, ἣ οὐκ ἔτ᾽ ἐπανοίσει ἐπ᾽ ἄλλο φίλον, ἀλλ᾽ ἥξει ἐπ᾽ ἐκεῖνο, ὅ ἐστι
Erster Entwurf (handschriftlich)
— Wenn aber so ist man es um etwas willen. — Ja. — Und zwar um etwas willen dem man freund ist, wenn dem vorhin zugestandenen soll gefolgt werden. — Allerdings. — Also auch jenem wird man freund sein um eines Andern willen dem man freund ist? — Ja. — Müssen wir aber nicht nothwendig müde werden so herumzugehn um zu einem ursprünglichen zu kommen das nicht wieder auf eine andere Freundschaft zurükgeht sondern lieber gleich zu jenem gehn34 dem wir 34
E (SN 155/1) Freilich ist die αρχη selbst das πρωτον φιλον und also kann unmöglich von ihr gesagt werden ηξει επ εκεινο. Darum halte ich für das einzige Rettungsmittel daß man den lezten Saz αλλ ηξει nicht nur auf den unmittelbar vorhergehenden η ουκ ετ bezieht (welcher ja sehr gut | für sich bestehen kann) sondern auf das Ganze απειπειν und daß man also ἧξαι schreibe. Das αλλα steht nun freilich so wie wir es im Deutschen nicht recht füglich brauchen können: aber ungriechisch und unplatonisch ist diese Structur schwerlich. Ich habe freilich ηξαι nie gesehn: allein der aor. I komt doch vor also muß man auch seinen Infinitiv statuiren. Noch lieber wäre es mir wenn das και vor αφικεσθαι nicht stünde damit es hieße wir müssen aufgeben durch ein solches Herumgehn zur αρχη zu kommen. | A (SN 155/2) αλλ ηξει επ εκεινο. Freilich ist die αρχη das πρωτον φιλον darum kann unmöglich von ihr gesagt werden ἥξει oder etwas ähnliches επι εκεινο was sie selbst ist. Für das einzige Rettungsmittel halte
2 Φίλον] Φίλου Heindorf z. St. (S. 43 nach der Übers. des Cornarius) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 48 [138,21], übersetzt SN 155/1 W1 W2 9 καὶ] nicht übersetzt SN 155/1, vgl. Anm. 34 EA | γε konj. Schleiermacher (Anm. 34 A) (vgl. Spld.) 12 ἥξει] ἧξαι konj. Schleiermacher (Anm. 34 EA), übersetzt SN 155/1
T 7–9 Müssen wir aber nicht nothwendig müde werden so herumzugehn um zu einem ursprünglichen zu kommen] Wir müssen müde werden ... und wir müssen ankommen Spld. (155/3), vgl. W1 W2 8 müde werden so herumzugehn um zu] darüber als nicht zu Ende geführte Alternative aufgeben durch solches Umhergehn doch zur (zur gedachten Fortsetzung vgl. Anm. 34 E Ende) 10 zurükgeht] zurükweist Spld., vgl. W1 W2 11 gehn] über der Zeile Markierung und am Rand zum ganzen Satz Notiz für Anm. 34 E: ιοντας αφικεσθαι αλλ ἥξαι (korr. aus ἥξειν, s. u. App. T zu Anm. 34 E) T Anm. 34 E 15 den] über nicht | E 19 ἧξαι] korr. aus ἧξ ειν
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dings. — Wenn aber, so ist man es um etwas willen? — Ja. — Und zwar um etwas willen dem man freund ist, wenn auch dies dem vorhin angenommenen folgen soll. — Allerdings. — Also auch jenem wird man freund sein um eines Andern willen, dem man freund ist? — Ja. — Müssen wir also nicht müde werden, so umher zu gehen, und bei einem Anfange ankommen, der nicht wieder auf eine andere Freundschaft zurükführt, son|dern auf jenes selbst geht, dem wir zuerst
dings. — Wenn aber, so ist man es um etwas willen? — Ja. — Und zwar um etwas willen dem man freund ist, wenn auch dies dem vorhin angenommenen folgen soll. — Allerdings. — Also auch jenem wird man freund sein um eines Andern willen, dem man freund ist? — Ja. — Müssen wir also nicht müde werden, so umher zu gehen, und bei einem Anfange ankommen, der nicht wieder auf eine andere Freundschaft zurükführt, sondern auf jenes selbst geht, dem wir zuerst
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πρῶτον φίλον, οὗ ἕνεκα καὶ
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ursprünglich freund sind, und um des willen ich daß man das lezte αλλ gar nicht auf das unmittelbar vorhergehende η ουκ ετ επανοισει beziehe, was schon wegen der Bedeutung von αρχη unmöglich ist, sondern auf das Ganze αρ ουν ουκ αναγκη απειπειν ... αλλ (welches doch in dieser Verbindung sehr oft vorkomt) und nun lese ἧξαι (inf. aor. I.) conf. die Uebersezung. Noch klarer und concinner wäre freilich alles ohne das böse και vor ἀφικεσθαι welches ich auch in der Uebersezung weislich ausgelassen habe. Sollte es wol sehr schreien wenn man es in ein γε verwandelte? Die einzige Operation die man mit einem και zur Noth vornehmen kann.
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu: Anm. 34 A: Gegen ἧξαι habe ich große grammatische Skrupel. Ich glaube nicht, daß der aor. I vorkomt. Im Axiochus des Aesch. und der Ifig. des Eur. stehen zwar | δίηξε, doch könnte man dis von διᾴττω, διαΐσσω herleiten. [nachträglich über der Zeile hinzugefügt: So thuts auch Fischer beim Aeschines.] Ich glaube, daß alles so bleiben mus (das γε etwa ausgenommen, nach ἰόντας welches mir nicht zu kühn scheint und doch viel erleichtert[)]. Daß hier die ἀρχὴ selber ἥκει ἐπὶ — πρῶτον erkläre ich, wie Hdf. aus einer Vergeßenheit des vorigen Ausdruks, wogegen der Tadel eigentlich nur Schikane ist, da man sich leicht versteht. Die Konzinnität ist mir gar zu gros zwischen ἐπανοίσει und ἥξει, den beiden futuris. Wenn auch (salva grammatica) eine solche gemacht werden könte zwischen ἀφικέσθαι und ἧξαι, so widerstrebt dort doch S Spld. u. a.: Zu δίηξε an den zitierten Stellen vgl. folgende Ausgaben: 1. Aeschines Socraticus, Axiochus 1: Axiochus Graece recensuit notis illustravit indicemq. verborum locupletis cum Hier. Volfii versione Latina notisq. uberioribus adiecit Ioh. Frider. Fischer, Leipzig 1758, S. 5 mit App. z. St. und mit Wolfs Note S. 52 (dort jeweils die Variante διῇξε von διαΐσσω); später hat Fischer sogar im Text δίηξε ersetzt durch διῇξε: z. B. Aeschinis Socratici Dialogi Tres Graece. Tertium edidit [...] Joh. Frider. Fischerus, Leipzig 31786, Axiochus (Dial. III), S. 108 mit App. z. St. S. 108 f. 2. Euripides, Iphigenie in Aulis 426: Euripidis Tragoediae Fragmenta Epistolae ex editione Iosuae Barnesii nunc recusa et aucta ..., Tom. I, Leipzig 1778, S. 502 mit Annot. z. St., wo J. Barnes die Form von διήκω der Form von διᾴττω, διαΐσσω vorzieht. Im Folgenden verweist Spalding überwiegend zustimmend auf Heindorf z. St. (S. 43).
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freund sind, allem andern aber nur
freund sind, allem andern aber nur
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τὰ ἄλλα φαμὲν πάντα φίλα εἶναι; — Ἀνάγκη. — Τοῦτο δή ἐστιν ὃ λέγω, μὴ ἡμᾶς τἄλλα πάντα, ἃ εἴπομεν ἐκείνου ἕνεκα φίλα εἶναι, ὥσπερ εἴδωλα ἄττα ὄντα αὐτοῦ ἐξαπατᾷ, ᾖ δ᾽ ἐκεῖνο τὸ πρῶτον, ὃ ὡς ἀληθῶς ἐστὶ φίλον. Ἐννοήσωμεν γὰρ οὑτωσί· ὃ ἄν τις περὶ
10 ὃ ἄν τις] ἐάν τίς τι Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 48 [139,11], übersetzt W2
Erster Entwurf (handschriftlich)
wir behaupten noch dem Andern Allen freund zu sein? — Noth|wendig. — Dies ist es nun eben was ich sage, ob nicht alles das jenige mit dem wir um jenes willen in Freundschaft zu stehn sagen nur Schattenbilder von Freundschaft sind und uns betrügen, und eigentlich nur jenes erste das ist, mit dem wahre Freundschaft stattfindet. Laßt es uns so betrachten. Woraus man sich
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) Forts. der Note zu Anm. 34 A zu sehr der Sinn, der gar kein ἀλλ᾽ zuläßt. Soll aber korrespondiren ἀ π ε ι π ε ῖ ν ἀλλ᾽ ἧ ξ α ι , so paßen die Bedeutungen der Wörter wieder schlecht, besonders wegen des in die Mitte fallenden ἀφικέσθαι. ἐπανοίσει haben Sie übersezt, als wenn da stünde ἐπάνεισιν von ἐπανειμι, und dis fiel mir ein zu korrigiren, aber gewis mit Unrecht. In Ihrer Übersezung indeßen ist z u r ü k g e h t wol zu dulden, doch schlage ich vor z u r ü k w e i s t , wodurch auch Hdfs supplirtes ἑαυτὸ unnüz wird, und der Begrif wirklich transitif bleibt. Ich supplire τὸ πρᾶγμα. Auch halte ich nicht nöthig τὸ zuzusezen mit H d f . , es braucht nicht zu heißen: „d a s erste Liebe“ sondern „e i n erstes Liebes“. Nach weiterem Rathpflegen mit Buttmann sehe ich ein mit ihm, daß ἀπειπεῖν gar nicht mus verbunden werden mit ἀφικέσθαι, als von welcher Konstrukzion wir kein Beispiel gefunden haben. Nun also bleibt καὶ ungestört, und Hdfs Konstrukzion gilt: ἀνάγκη ἀπειπεῖν – καὶ (ἀνάγκη) ἀφικέσθαι | Wir m ü ß e n müde werden, und wir m ü ß e n (d. i. wir haben das Bedürfnis) ankommen. Zur Entschuldigung von ἥξει wird angeführt, von B. und mir, daß ἀρχὴ u. πρῶτον φίλον zwar in der Materie eins sind, nicht aber in der Form. ἀ. ist das Abstraktum, der Anfang der Untersuchung, πρ. φ. hingegen das E r s t e was man endlich findet in derselben. Freilich ist hundertmal (vor allem bei Aristoteles) ἀρχὴ ein wahres Konkretum, ein Erstes. Aber hier half auch nur eine kleine logische Verschiedenheit der beiden Begriffe, zu dem (uns zwar befremdlichen) konzinnen Ausdruk ἣ οὐκ ἐπανοίσει ἀλλ᾽ ἥξει. Und ἥκω ist eigentlich nie ein G e h e n sondern ein Gekommensein, also ἥξει ἐπ᾽ ἐκεῖνο für φανήσεται οὖσα ἐπ᾽ ἐκείνῳ. Im Deutschen darf freilich dis Sonderbare unausgedrükt bleiben.
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um seinetwillen freund zu sein gestehen? — Nothwendig. — Dies ist es nun eben, was ich sage, ob nicht alles dasjenige, dem wir um jenes willen freund zu sein bekennen, uns betrügt, indem dies nur gleichsam Schattenbilder von Freundschaft sind, eigentlich aber nur jenes erste das ist, mit dem wahre Freundschaft stattfindet. Wir wollen es so überlegen: Woraus jemand sehr viel
um seinetwillen freund zu sein gestehen? — Nothwendig. — Dies ist | es nun eben, was ich meine, daß nur nicht alles, welchem wir um jenes willen freund zu sein bekennen, als bloßes Schattenbild davon uns betrügt, eigentlich aber nur jenes erste es ist, dem wir wahrhaft freund sind. Wir wollen es nemlich so überlegen: Wenn jemand aus etwas sehr
T 8 erste] erste, (mit falschem Komma) W1
S 10 Wenn jemand aus etwas] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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πολλοῦ ποιῆται, οἷόνπερ ἐνίοτε πατὴρ υἱόν, ἀντὶ πάντων τῶν ἄλλων χρημάτων προτιμᾷ. Ὁ δὴ τοιοῦτος ἕνεκα τοῦ τὸν υἱὸν περὶ παντὸς ἡγεῖσθαι ἆρα καὶ ἄλλό τι ἂν περὶ πολλοῦ ποιοῖτο; οἷον εἰ αἰσθάνοιτο αὐτὸν κώνειον πεπωκότα, ἆρα περὶ πολλοῦ ποιοῖτ᾽ ἂν οἶνον, εἴπερ τοῦτο ἡγοῖτο τὸν υἱὸν σώσειν; — Τί μήν; ἔφη. — Οὐκοῦν καὶ τὸ ἀγγεῖον, ἐν ᾧ ὁ οἶνος ἐνείη; — Πάνυ γε. — Ἆρ᾽ οὖν τότε οὐδὲν περὶ πλείονος ποιεῖται, κύλικα κεραμίαν ἢ τὸν υἱὸν τὸν αὑτοῦ, οὐδὲ τρεῖς κοτύλας οἴνου ἢ τὸν υἱόν; ἢ ὧδέ πως ἔχει· πᾶσα ἡ τοιαύτη σπουδὴ οὐκ ἐπὶ τούτοις ἐστὶν ἐσπουδασμένη, ἐπὶ τοῖς ἕνεκά του παρα-
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sehr viel macht, wie bisweilen35 der Vater aus dem Sohne das zieht er allen andern Dingen vor. Kann nun nicht ein solcher, eben um deswillen weil der Sohn ihm über Alles geht sich auch aus etwas Anderm sehr viel machen? Wie wenn er merkte jener habe Schierling getrunken, würde er dann nicht viel aus Wein machen indem er glaubte dieser könnte den Sohn retten? — Was wird er nicht, fragte er? — Ja auch aus dem Gefäß in welchem der Wein wäre? — Auch wol. — Achtet er aber deshalb keines höher den thönernen Becher oder seinen Sohn? die drei Maaß Wein oder seinen Sohn? Oder verhält es sich nicht vielmehr so. Alle diese Sorgfalt geht eigentlich nicht auf dasjenige was um eines andern willen herbeigeschafft 35
E (SN 155/1) Ich gestehe daß mir dieses ενιοτε entsezlich vorkomt; als ob das nur ein seltener Fall wäre daß der Vater den Sohn περι πολλου ποιειται (denn der Schierling der freilich ein seltener Fall ist gehört doch nicht hierher). Sollte vielleicht gestanden haben οιονπερ ειωθε πατηρ υιον? | A (SN 155/2) ο ἱ ο ν π ε ρ ε ν ι ο τ ε . Dieses ενιοτε gestehe ich ist mir ein wahrer Skandal, gleichsam als ob dies nur ein seltener Fall wäre. Ich vermuthe stark es möchte εἰωθε heißen.
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu: Anm. 35 A: ἐνίοτε Vortreflich ist das εἴωθε. T 1 bisweilen] über der Zeile und am Rand Markierung für Anm. 35 E T Anm. 35 E 22 SN 155/1
2 ἐνίοτε] εἴωθε konj. Schleiermacher (Anm. 35 EA W1 Anm. 15 W2 Anm. 17), übersetzt W1 W2; vgl. die Zustimmung Spaldings (Spld. [Spalte 2]) und Heindorfs (s. Spalte 2 App. S)
hierher)] die Klammer fehlt in
S Anm. 35 EA mit Spld. u. a. Zu Schleiermachers Konjektur vgl. Heindorfs zustimmende Reaktion am 11.2.1804 (KGA V/7, Nr. 1656, 48-53): „Von Deinem Plato habe ich noch nichts gesehen, Spalding erinnert sich immer mit Schrecken daran, wenn er mit mir davon spricht, daß Du mich in den Noten angeredet hast, ich sie also durchaus lesen muß, und doch hat er noch immer nicht Zeit gehabt, die Revision zu beendigen. Das ειωθε statt ενιοτε halte ich für richtig; ενιοτε ist unerträglich, [...]“.
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macht, wie der Vater aus dem Sohne pflegt,15 das zieht er allen andern Dingen vor. Kann nun nicht ein solcher, eben deshalb, weil ihm der Sohn über Alles geht, sich auch aus etwas Anderem sehr viel machen? Etwa wenn er gewahr würde, Jener habe Schierling getrunken, würde er sich dann nicht sehr viel aus Wein machen, indem er glaubte, dieser könne den Sohn retten? — Was wird er nicht? sagte er. — Ja auch aus dem Gefäß, worin der Wein wäre? — Auch wohl. — Achtet er aber deshalb keines von beiden höher, den thönernen Becher oder seinen Sohn? die drei Maaß Wein oder seinen Sohn? Oder verhält es sich nicht vielmehr so. Alle solche Sorgfalt geht eigentlich gar nicht auf dasjenige, was um eines Andern wil-
viel macht, wie der Vater den Sohn pflegt17 allen andern Dingen vorzuziehen; kann nicht ein solcher, eben deshalb, weil ihm der Sohn über Alles geht, sich auch aus etwas Anderem sehr viel machen? Etwa wenn er gewahr würde, Jener habe Schierling getrunken, würde er sich dann nicht sehr viel aus Wein machen, indem er glaubte, dieser könne den Sohn retten? — Was wird er nicht? sagte er. — Ja auch aus dem Gefäß, worin der Wein wäre? — Auch wohl. — Achtet er aber deshalb keines von beiden höher, den thönernen Becher oder seinen Sohn? die drei Maaß Wein oder seinen Sohn? Oder verhält es sich nicht vielmehr so. Alle solche Sorgfalt geht eigentlich gar nicht auf dasjenige, was um eines Andern wil-
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w i e d e r Va t e r a u s d e m S o h n e p fl e g t . Unser Text lautet οἷόνπερ ἐνίοτε πατὴρ υἱόν. Also b i s w e i l e n macht der Vater viel aus dem Sohne? Dieses bisweilen ist mir nicht zu ertragen; ich lese εἴωθε.
wie der Va t e r den Sohn p fl e g t . So scheint mir rathsam wenigstens für uns in der Uebersezung das ἐνίοτε zu mildern.
T 12 er.] verdruckt er, W2 T Anm. 15 23f ἐνίοτε] verdruckt ἐνιότε W1 S Anm. 15 Vgl. Spalte 1 App. und Spalte 2 App. S.
T Anm. 17 24 ἐνίοτε] verdruckt ἐνιότε W2 S Anm. 17 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 15.
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σκευαζομένοις, ἀλλ᾽ ἐπ᾽ ἐκείνῳ, οὗ ἕνεκα πάντα τὰ τοιαῦτα παρασκευάζεται· οὐχ ὅτι πολλάκις λέγομεν, ὡς περὶ πολλοῦ ποιούμεθα χρυσίον καὶ ἀργύριον· ἀλλὰ μὴ οὐδέν τι μᾶλλον οὕτω τόγε ἀληθὲς ἔχῃ· ἀλλ᾽ ἐκεῖνό ἐστιν ὃ περὶ παντὸς ποιούμεθα, ὃ ἂν φανῇ ὄν, ὅτου ἕνεκα καὶ χρυσίον καὶ πάντα τὰ παρασκευαζόμενα παρασκευάζεται; Ἆρ᾽ οὕτω φήσομεν; — Πάνυ γε. — Οὐκοῦν καὶ περὶ τοῦ φίλου ὁ αὐτὸς λόγος; ὅσα γὰρ φαμὲν φίλα εἶναι ἡμῖν ἕνεκα φίλου τινός, ἑτέρῳ ῥήματι φαινόμεθα λέγοντες αὐτό· φίλον δὲ τῷ ὄντι κινδυνεύει ἐκεῖνο αὐτὸ εἶναι, εἰς ὃ πᾶσαι αὗται αἱ λεγόμεναι φιλίαι τελευτῶσι. — Κινδυνεύει οὕτως, ἔφη, ἔχειν. — Οὐκοῦν τό γε τῷ ὄντι φίλον οὐ φίλου τινὸς ἕνεκα φίλον ἐστίν; — Ἀληθῆ. — Τοῦτο μὲν δὴ ἀπήλλακται, μὴ φίλου τινὸς ἕνεκα τὸ φίλον φίλον εἶναι. Ἀλλ᾽ ἆρα τὸ ἀγαθὸν ἐστὶ φίλον; — Ἔμοιγε δοκεῖ. — Ἆρ᾽ οὖν διὰ τὸ κακὸν τὸ ἀγαθὸν φιλεῖται, καὶ ἔχει ὧδε· εἰ τριῶν ὄντων ὧν νῦν δὴ ἐλέγομεν, ἀγαθοῦ καὶ κακοῦ καὶ μήτε ἀγαθοῦ μήτε κακοῦ, τὰ δύο ληφθείη, τὸ δὲ κακὸν ἐκποδὼν ἀπέλθοι καὶ μηδενὸς
1f ἐκείνῳ] verdruckt ἐκείνω Heindorf 38 ληφθείη] λειφθείη konj. Heindorf z. St. (S. 46), übernommen Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 48 [140,18], übersetzt SN 155/1
Erster Entwurf (handschriftlich)
wird, sondern auf dieses, um dessentwillen jenes alles herbeigeschafft wird. Wenn gleich wir öfters sagen wir machten uns viel aus Gold und Silber so ist das deshalb doch in der Wahrheit nicht so, sondern woraus wir uns viel machen das ist jenes, was es nun eben sei, um deswillen wir das Gold und alles andere erworbene erwerben. Wollen wir dies behaupten? — Allerdings. — Also auch von dem Freunde gilt dasselbe? Wovon wir also sagen, daß wir ihm freund sind um eines Anderen willen das alles benennen wir eigentlich mit einem fremden Namen; der Wahrheit nach aber mögen wir wol nur jenem freund sein, in welchem alle diese sogenannten Freundschaften endigen. — So wird es sich wohl verhalten sagte er. — Dem also welchem wir in Wahrheit freund sind, sind wir es nicht um eines Andern willen dem wir auch freund wären? — Richtig. — Dieses also ist abgemacht: Nicht wegen eines Andern dem wir freund wären sind wir dem freund dem wir eigentlich freund sind. Aber sind wir wol dem Guten freund? — Ich denke ja. — Also wird wol des Bösen wegen das Gute geliebt, und es verhält sich eigentlich so: Wenn von jenen dreien die wir vorher angenommen haben dem Guten dem Bösen und dem weder gut noch bösen die zwei blieben das Böse aber aus dem Wege gethan
T 10 Wovon] davor irrtümlich Strich zur Markierung eines Sprecherwechsels 21 abgemacht:] vielleicht korr. aus abgemacht; oder abgemacht, 21–23 Nicht wegen eines Andern dem wir freund wären sind wir dem freund dem wir eigentlich freund sind] über was uns lieb ist, ist uns nicht um eines Andern willen lieb 24 sind wir wol dem Guten freund?] korr. aus ist uns wol das Gute lieb? 24f Ich denke ja] über Mir scheint es.
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len herbeigeschafft wird, sondern auf jenes, um deswillen das Andere alles herbeigeschafft wird. Wenn gleich wir öfters sagen, wir machen uns viel aus Gold und Silber, so ist das demohnerachtet in der That nicht so; sondern woraus wir uns viel machen, das ist jenes, was es nun eben sei, um dessentwillen wir das Gold und alles andere Erworbene erwerben. Wollen wir dies behaupten? — Allerdings. — Also auch von dem Freunde gilt dasselbe? Denn wovon wir sagen, daß wir ihm | um eines Andern willen freund sind, das scheinen wir nur mit einem fremden Namen zu bezeichnen; in der That aber mögen wir wohl nur jenem freund sein, in welchem alle diese sogenannte Freundschaften endigen. — So wird es sich wohl verhalten, sagte er. — Dem also, welchem wir in Wahrheit freund sind, sind wir es nicht um eines Andern willen, dem wir auch freund wären? — Richtig. — Dieses also ist abgemacht, wem wir freund sind, sind wir es nicht um eines Andern willen, dem wir es auch sind. Aber sind wir wohl dem Guten freund? — Mich dünkt es. — Wird also wegen des Bösen das Gute geliebt, und es verhält sich so: wenn von jenen drei eben erwähnten Gattungen, dem Guten, dem Bösen und dem weder gut noch bösen, die beiden andern gesezt werden, das Böse aber aus dem Wege geschafft wird, und
len herbeigeschafft wird, sondern auf jenes, um deswillen das Andere alles herbeigeschafft wird. Wenn gleich wir öfters sagen, wir machen uns viel aus Gold und Silber, mag das doch demohnerachtet nicht das wahre sein; sondern woraus wir uns viel machen, das ist jenes, was sich als das zeigt, um dessentwillen wir das Gold und alles andere Erworbene erwerben. Wollen wir dies behaupten? — Allerdings. — Also auch von dem Freunde gilt dasselbe? Denn wovon wir sagen, daß wir ihm um eines Andern willen freund sind, das benennen wir offenbar nur mit einem fremden Wort freund, aber mögen wir in | der That wohl nur jenem sein, in welchem alle diese sogenannte Freundschaften endigen. — So wird es sich wohl verhalten, sagte er. — Dem also, welchem wir in Wahrheit freund sind, sind wir es nicht um eines Andern willen, dem wir auch freund wären? — Richtig. — Dieses also ist abgemacht, wem wir freund sind, sind wir es nicht um eines Andern willen, dem wir es auch sind. Aber sind wir wohl dem Guten freund? — Mich dünkt es. — Wird also wegen des Bösen das Gute geliebt, und es verhält sich so: wenn von jenen drei eben erwähnten Gattungen, dem Guten, dem Bösen und dem weder gut noch bösen, die beiden andern gesezt werden, das Böse aber aus dem Wege geschafft wird, und
T 1 wird,] verdruckt wird. W1
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ἐφάπτοιτο, μήτε σώματος μήτε ψυχῆς μήτε τῶν ἄλλων, ἃ δὴ φαμὲν αὐτὰ καθ᾽ αὑτὰ οὔτε κακὰ εἶναι οὔτε ἀγαθά, ἆρα τότε οὐδὲν ἂν ἡμῖν χρήσιμον εἴη τὸ ἀγαθόν, ἀλλ᾽ ἄχρηστον ἂν γεγονὸς εἴη; Εἰ γὰρ μηδὲν ἡμᾶς ἔτι βλάπτοι, οὐδὲν ἂν οὐδεμιᾶς ὠφελείας δεοίμεθα. Καὶ οὕτω δὴ ἂν τότε γένοιτο κατάδηλον, ὅτι διὰ τὸ κακὸν τἀγαθὸν ἠγαπῶμεν καὶ ἐφιλοῦμεν, ὡς φάρμακον ὂν τοῦ κακοῦ τὸ ἀγαθόν, τὸ δὲ κακὸν νόσημα· νοσήματος δὲ μὴ ὄντος, οὐδὲν δεῖ φαρμάκου· ἆρ᾽ οὕτω πέφυκέ τε καὶ φιλεῖται τἀγαθὸν, διὰ τὸ κακὸν, ὑφ᾽ ἡμῶν, τῶν μεταξὺ ὄντων τοῦ κακοῦ τε καὶ τἀγαθοῦ, αὐτὸ δὲ αὑτοῦ ἕνεκα οὐδεμίαν χρείαν ἔχει; — Ἔοικεν, ἦ δ᾽ ὅς, οὕτως ἔχειν. — Τὸ ἄρα φίλον ἡμῖν ἐκεῖνο, εἰς ὃ ἐτελεύτα πάντα τὰ ἄλλα, ἃ ἕνεκα ἑτέρου φίλου φίλα ἔφαμεν εἶναι, οὐδὲν δὴ τούτοις ἔοικεν. Ταῦτα μὲν γὰρ φίλου ἕνεκα φίλα κέκληται, τὸ δὲ τῷ ὄντι φίλον πᾶν τοὐναντίον τούτου φαίνεται πεφυκός. Φίλον γὰρ ἡμῖν ἀνεφάνη ὂν ἐχθροῦ ἕνεκα. Εἰ δὲ τὸ ἐχθρὸν ἀπέλθοι, οὐκέτι, ὡς
Erster Entwurf (handschriftlich)
wird und nichts berühren kann weder Leib noch Seele noch irgend etwas von allem was wir an und für sich für weder gut noch böse halten: dann wäre wol das Gute uns gar nichts mehr nuz sondern wäre unnüz geworden? Denn wenn uns nichts mehr schaden kann so bedürfen wir auch gar keiner Hülfe nirgends? Und so würde dann offenbar daß nur des Bösen wegen wir dem Guten anhingen und es liebten, weil nemlich das Gute die Arznei ist wider | das Böse, das Böse aber die Krankheit. Giebt es nun keine Krankheit mehr, so bedarf es auch keiner Arznei. Ist es wol so beschaffen mit dem Guten, und wird es so des Bösen wegen geliebt von uns die wir mitten inne sind zwischen dem Bösen und Guten, hat aber selbst an und für sich gar keinen Nuzen? — Es hat das Ansehn, sprach er, als verhielte es sich so. — Jenes erste also in welchem sich alle übrigen Dinge endigten, denen wir (wie wir sagten) um eines andern willen freund waren hat mit allen diesen gar keine Aehnlichkeit. Denn allen diesen nannten wir uns freund um eines Anderen willen dem wir freund waren; jenes eigentliche aber scheint diesen ganz entgegengesezt geartet zu sein. Denn es zeigte sich daß wir ihm freund sind, wegen etwas dem wir feind sind. Ginge aber dieses feindliche weg, so würden wir ihm wie es schien nicht mehr freund sein.
T 20 Jenes] darüber Dasjenige | erste] über der Zeile mit Einfügungszeichen 20f alle übrigen Dinge endigten, denen wir] korr. aus alle s Andere endigt, das uns 21f wie wir sagten] offenbar nachträglich in Klammern gesetzt 22 andern] danach lieben 22f freund waren] statt lieb war 23 allen diesen] korr. aus allem diesem; darüber jenem 24–26 allen diesen nannten wir uns freund um eines Anderen willen dem wir freund waren; jenes eigentliche aber] über der Zeile und am Rand statt dieses alles wird lieb genannt um eines lieben willen, das wahrhaft Liebe aber 27 diesen] über der Zeile mit Einfügungszeichen | entgegengesezt] danach von diesem 30 würden] nach der folgenden Einfügung zu korr. aus würde | wir ihm] über es uns 31 freund] über lieb
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nichts mehr berühren kann, weder Leib noch Seele, noch etwas von dem, was wir an und für sich für weder gut noch böse halten, wäre denn wohl das Gute uns gar nichts mehr nuz, sondern wäre unnüz geworden? Denn wenn uns nichts mehr schaden kann, so bedürften wir auch nirgends keiner Hülfe. Und so würde alsdann offenbar, daß wir nur des Bösen wegen dem Guten anhingen und es liebten, weil nämlich das Gute die Arznei ist wider das Böse, das Böse aber die Krankheit. Giebt es nun keine Krankheit mehr, so bedarf man auch keiner Arznei. Ist es wohl so beschaffen mit dem Guten, und wird es wohl so des Bösen wegen geliebt von uns, die wir mitten inne sind zwischen dem Bösen und Guten, hat aber selbst an und für sich gar keinen Werth? — Es hat das Ansehn, sprach er, als verhielte es sich so. | — Jenes erste also, in welchem sich alle übrigen Dinge endigten, denen wir um eines Andern willen freund waren, hat mit allen diesen gar keine Aehnlichkeit. Denn allen diesen nannten wir uns freund um eines Andern willen, dem wir freund waren; jenes eigentliche aber scheint diesen ganz entgegengesezt geartet zu sein, indem sich zeigte, daß wir ihm freund sind wegen etwas dem wir feind sind. Würde aber dieses leztere fortgeschafft, so würden wir ihm wie es scheint nicht mehr
nichts mehr berühren kann, weder Leib noch Seele, noch etwas anderes von dem, was wie wir sagten an und für sich weder gut noch böse ist, wäre dann wohl das Gute uns gar nichts mehr nuz, sondern wäre unnüz geworden? Denn wenn uns nichts mehr schadete, so bedürften wir auch nirgends keiner Hülfe. Und so würde alsdann offenbar, daß wir nur des Bösen wegen dem Guten anhingen und es liebten, weil nämlich das Gute die Arznei ist wider das Böse, das Böse aber die Krankheit. Giebt es nun keine Krankheit mehr, so bedarf man auch keiner Arznei. Ist es wohl so beschaffen mit dem Guten, und wird es wohl so des Bösen wegen geliebt von uns, die wir mitten inne sind zwischen dem Bösen und Guten, hat aber selbst an und für sich gar keinen Nuzen? — Es hat das Ansehn, sprach er, sich so zu verhalten. — Jenes erste also, in welchem sich alle übrigen Dinge endigten, denen wir um eines Andern willen freund waren, | hat mit allen diesen gar keine Aehnlichkeit. Denn allen diesen nannten wir uns freund um eines Andern willen, dem wir freund waren; jenes eigentliche aber scheint diesen ganz entgegengesezt geartet zu sein, indem sich zeigte, daß wir ihm freund sind wegen etwas dem wir feind sind. Würde aber dieses leztere fortgeschafft, so würden wir ihm wie es scheint nicht mehr
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ἔοικ᾽, ἔσθ᾽ ἡμῖν φίλον. — Οὔ μοι δοκεῖ, ἔφη, ὥσγε νῦν λέγεται. — Πότερον, ἦν δ᾽ ἐγώ, πρὸς Διός, ἐὰν τὸ κακὸν ἀπόληται, οὐδὲ πεινῇν ἔτι ἔσται οὐδὲ διψῇν οὐδὲ ἄλλο οὐδὲν τῶν τοιούτων; ἢ πείνη μὲν ἔσται, ἐάνπερ ἄνθρωποί τε καὶ τἄλλα ζῶα ᾖ, οὐ μέντοι βλαβερά γε, καὶ δίψα δὴ καὶ αἱ ἄλλαι ἐπιθυμίαι, ἀλλ᾽ οὐ κακαί, ἅτε τοῦ κακοῦ ἀπολωλότος; Ἢ γελοῖον τὸ ἐρώτημα, ὅτι ποτ᾽ ἔσται τότε ἢ μὴ ἔσται; Τίς γὰρ οἶδεν; Ἀλλ᾽ οὖν τόδε γε ἴσμεν, ὅτι καὶ νῦν ἐστι πεινῶντα βλάπτεσθαι, ἔστι δὲ καὶ ὠφελεῖσθαι. Ἦ γάρ; — Πάνυ γε. — Οὐκοῦν καὶ διψῶντα καὶ τῶν ἄλλων τῶν τοιούτων πάντων ἐπιθυμοῦντα ἔστιν ἐνίοτε μὲν ὠφελίμως ἐπιθυμεῖν, ἐνίοτε δὲ βλαβερῶς, ἐνίοτε δὲ μηδέτερα; — Σφόδρα γε. — Οὐκοῦν, ἐὰν ἀπολλύηται τὰ κακά, ἅ γε μὴ τυγχάνει ὄντα κακά, τί προσήκει τοῖς κακοῖς σ υνα πόλλυσ θα ι; — Οὐδέν. — Ἔσονται ἄρα αἱ μήτε ἀγαθαὶ μήτε κακαὶ ἐπιθυμίαι, καὶ ἐὰν ἀπόληται τὰ κακά. — Φαίνεται. — Οἷόν τε οὖν ἐστιν, ἐπιθυμοῦντα καὶ ἐρῶντα, τούτου οὗ ἐπιθυμεῖ καὶ ἐρᾷ, μὴ φιλεῖν; — Οὐκ ἔμοιγε δοκεῖ. — Ἔσται ἄρα καὶ τῶν κα-
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— Nun, sprach er, scheint es mir wieder nicht so nach dem eben gesagten. — Sage aber, sprach ich um Zeus willen, wenn das Böse auch untergeht, wird man dann auch nicht hungern und nicht dursten und nichts anderes der Art? Oder wird zwar Hunger sein wenn doch Menschen und andere Thiere sein sollen, aber er wird nicht verderblich sein, und so auch Durst und die anderen Begierden; aber böse werden sie nicht sein, da ja das Böse untergegangen ist. Oder ist das eine lächerliche Frage was alsdann wol sein wird oder nicht sein? Denn wer weiß es? Aber dieses wissen wir doch, daß auch jezt der hungert kann Schaden davon haben, kann auch Nuzen davon haben. Nicht wahr? — Allerdings. — Nicht auch der durstet oder irgend etwas anderes dergleichen begehrt kann bisweilen mit Nuzen begehren, bisweilen zum Schaden, bisweilen ohne eines von beiden? — Gewiß. — Also wenn auch das Böse untergeht, wie kommt das was nicht böse ist dazu mit dem Bösen unterzugehn? — Gar nicht. — Die weder gut noch bösen Begierden werden also bleiben auch wenn das Böse untergeht. — So scheint es. — Ist es aber wol möglich wenn man etwas begehrt und danach strebt das nicht zu lieben, was man begehrt und wonach man strebt? — Mir scheint es nicht. — Also auch
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu 1f Übers.A (verl.): J e z t s p r a c h e r — e b e n g e s a g t w i r d . οὔ μοι δοκεῖ (näml. φίλον εἶναι) ὥσγε νῦν λέγεται d. i. dem zufolge, was jezt gesagt wird. Also auch nachher wol nicht so nachdruksvoll, a b e r , für das verbindende δ᾽. T 1f Nun, sprach er ... nach dem eben gesagten] Jezt sprach er ... eben gesagt wird Übers.A (verl.) aus Spld., vgl. W1 W2 4f wird man dann auch nicht hungern und nicht dursten] korr. aus wird dann auch kein Hungern und kein Dursten mehr sein 13 es] danach nur 20 Schaden] danach ist 23 was] über der Zeile mit Einfügungszeichen 27f wenn man etwas begehrt und danach strebt] über verlangend u. sehnend 29f was man begehrt und wonach man strebt] über wonach man verlangt und sich sehnt
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freund sein. — Mich dünkt nicht, sprach er, nach dem wenigstens, was eben gesagt wird. — Ob man wohl, sprach ich, um Zeus willen, wenn auch alles Böse untergegangen ist, dann nicht hungern wird und nicht dursten, und nichts anderes der Art? Oder wird zwar Hunger sein, wenn doch Menschen und andere Thiere sein sollen, aber er wird nicht verderblich sein; und so auch der Durst und die andern Begierden, nur nicht böse werden sie sein, da ja das Böse untergegangen ist. Oder ist es eine lächerliche Frage, was alsdann sein wird und nicht sein? Denn wer weiß es? Dieses aber wissen wir doch, daß auch jezt schon wer hungert Schaden davon haben kann, auch Nuzen davon haben kann, nicht wahr? — Allerdings. — Nicht auch wer durstet oder etwas anderes dergleichen begehrt, begehrt es bisweilen sich zum Nuzen, bisweilen zum Schaden, bisweilen ohne eins von beiden? — Gewiß. — Also wenn auch das Böse unterginge, wie käme das was nicht böse ist dazu mit dem Bösen zugleich unterzugehn? — Auf keine Weise. — Die weder gut noch bösen Begierden werden also bleiben wenn auch das Böse untergeht? — Das | leuchtet ein. — Ist es aber wohl möglich etwas zu begehren und wonach zu streben, ohne das zu lieben was man begehrt und wonach man strebt? — Mich dünkt es nicht. — Also auch wenn das Böse
freund sein. — Mich dünkt nicht, sprach er, nach dem wenigstens, was eben gesagt wird. — Ob man wohl, sprach ich, um Zeus willen, wenn auch alles Böse untergegangen ist, dann nicht hungern wird und nicht dursten, und nichts anderes der Art? Oder wird zwar Hunger sein, wenn doch Menschen und andere Thiere sein sollen, aber er wird nicht verderblich sein; und so auch der Durst und die andern Begierden, nur nicht böse werden sie sein, da ja das Böse untergegangen ist. Oder ist es eine lächerliche Frage, was alsdann sein wird und nicht sein? Denn wer weiß es? Dieses aber wissen wir doch, daß auch jezt schon wer hungert Schaden davon haben kann, auch Nuzen davon haben kann, nicht wahr? — Allerdings. — Nicht auch wer durstet oder etwas anderes dergleichen begehrt, begehrt es bisweilen sich zum Nuzen, bisweilen zum Schaden, bisweilen ohne eins von beiden? — Gewiß. — Also wenn auch das Böse unterginge, wie käme das was nicht böse ist dazu mit dem Bösen zugleich unterzugehn? — Auf keine Weise. — Die weder gut noch bösen Begierden werden also bleiben, wenn auch das Böse untergeht? — Das leuchtet ein. — Ist es aber wohl möglich etwas zu begehren und zu lieben, ohne dem freund zu sein was man begehrt und | liebt? — Mich dünkt es nicht. — Also
S 14–17 Frei zitiert in einem Brief an C. G. Brinkmann, 26.11.1803: KGA V/7, Nr. 1605, 83 f.
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κῶν ἀπολομένων, ὡς ἔοικε, φίλ᾽ ἄττα. — Ναί. — Οὐκ ἄν, εἴγε τὸ κακὸν αἴτιον ἦν τοῦ φίλον τι εἶναι· οὐκ ἂν ἦν, τούτου ἀπολομένου, φίλον ἕτερον ἑτέρῳ· αἰτίας γὰρ ἀπολομένης, ἀδύνατόν που ἦν ἔτ᾽ ἐκεῖνο εἶναι, οὗ ἦν αὕτη ἡ αἰτία. — Ὀρθῶς λέγεις. — Οὐκοῦν ὡμολόγηται ἡμῖν τὸ φίλον φιλεῖν τι, καὶ διά τι, καὶ ᾠήθημεν τότε γε διὰ τὸ κακὸν τὸ μήτε ἀγαθὸν μήτε κακὸν τὸ ἀγαθὸν φιλεῖν; — Ἀληθῆ. — Νῦν δέ γε, ὡς ἔοικε, φαίνεται ἄλλη τις αἰτία τοῦ φιλεῖν τε καὶ φιλεῖσθαι. — Ἔοικεν. — Ἆρ᾽ οὖν τῷ ὄντι, ὥσπερ ἄρα ἐλέγομεν, ἡ ἐπιθυμία τῆς φιλίας αἰτία, καὶ τὸ ἐπιθυμοῦν φίλον ἐστὶ τούτου οὗ ἐπιθυμεῖ, καὶ τότε ὅταν ἐπιθυμῇ· ὃ δὲ τὸ πρότερον ἐλέγομεν
4 εἶναι· οὐκ] εἶναι, οὐκ Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W2 24 τὸ πρότερον] τοπρότερον Heindorf
Erster Entwurf (handschriftlich)
wenn das Böse untergegangen ist, wie es scheint, werden wir Einigem freund sein. — Ja. — Nicht doch wenn das Böse Ursach der Freundschaft war dann könnte nach Untergang des Bösen nicht mehr Eines dem Andern freund sein denn wenn die Ursach weggenommen ist, kann unmöglich das noch stattfinden, wovon jenes die Ursach war. — Du hast Recht. — Darüber aber waren wir einig, daß wer einem freund ist es auch liebe, und wegen etwas und glaubten damals wenigstens, das weder gut noch böse liebe so des Bösen wegen das Gute? — Richtig. — Jezt aber wie es scheint zeigt sich wieder eine andere Ursach des Liebens und Geliebtwerdens. — So scheint es. — Ist nun in der That, wie wir ja sagten das Begehren die Ursach der Freundschaft, und das Begehrende dem freund was es | begehrt, dann wann es begehrt? Was wir eben zuvor sagten vom
T 2 werden wir] über wird uns | Einigem] korr. aus Einiges | freund sein] über lieb sein 4 der Freundschaft war] über war daß uns etwas lieb ist 6 freund] über unterstrichenem lieb 8 wovon jenes] über was 9 Recht] korr. aus recht
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untergegangen ist, wie es scheint, werden wir einigen freund sein? — Ja. — Nicht aber wenn das Böse die Ursach der Freundschaft war. Dann könnte nach Untergang des Bösen nichts mehr einem Andern freund sein; denn wenn die Ursach weggenommen ist, kann unmöglich das noch statt finden, wovon jenes die Ursach war. — Du hast Recht. — Darüber aber waren wir einig, daß wer einem freund ist es auch liebe, und zwar wegen etwas, und wir glaubten damals wenigstens, das weder gut noch böse liebe so des Bösen wegen das Gute? — Richtig. — Jezt aber, wie es scheint, zeigt sich wieder eine andere Ursach des Liebens und Geliebtwerdens? — So scheint es. — Ist nun in der That, wie wir jezt sagten, das Begehren die Ursach der Freundschaft, und das Begehrende dem freund was es begehrt, dann wann es begehrt? alles aber was wir zuvor sagten vom
auch wenn das Böse untergegangen ist, wie es scheint, werden wir einigem freund sein? — Ja. — Nicht doch, wenn das Böse die Ursach der Freundschaft war, könnte wohl nach Untergang des Bösen nichts mehr einem Andern freund sein; denn ist eine Ursach weggenommen, so kann unmöglich das noch statt finden, wovon dieses die Ursach war. — Du hast Recht. — Darüber aber waren wir einig, daß wer einem freund ist es auch liebe, und zwar wegen etwas, und wir glaubten damals wenigstens, das weder gut noch böse liebe so des Bösen wegen das Gute? — Richtig. — Jezt aber, wie es scheint, zeigt sich wieder eine andere Ursach des Liebens und Geliebtwerdens? — So scheint es. — Ist nun in der That, wie wir jezt sagten, das Begehren die Ursach der Freundschaft, und das Begehrende dem freund was es begehrt, dann wann es begehrt? alles aber was wir zuvor sagten vom
S 5 war, könnte] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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φίλον εἶναι, ὕθλος τις ἦν, ὥσ περ ποίη μα μακρὸν συγκείμενον; — Κινδυνεύει, ἔφη. — Ἀλλὰ μέντοι, ἦν δ᾽ ἐγώ, τό γε ἐπιθυμοῦν, οὗ ἂν ἐνδεὲς ᾖ, τούτου ἐπιθυμεῖ. Ἦ γάρ; — Ναί. — Τὸ δ᾽ ἐνδεὲς ἄρα φίλον ἐκείνου, οὗ ἂν ἐνδεὲς ᾖ; — Δοκεῖ μοι. — Ἐνδεὲς δὲ γίγνεται, οὗ ἄν τις ἀφῄρηται; — Πῶς δ᾽ οὔ; — Τοῦ οἰκείου δή, ὡς ἔοικεν, ὅτε ἔρως καὶ ἡ φιλία καὶ ἡ ἐπιθυμία τυγχάνει οὖσα, ὡς φαίνεται, ὦ Μενέξενέ τε καὶ Λύσι . — Συνεφ άτην. — Ὑμεῖς ἄρα εἰ φίλοι ἐστὸν ἀλλήλοις, φύσει πη οἰκεῖοι ἔσθ᾽ ὑμῖν αὐτοῖς. — Κομιδῇ, ἐφάτην. — Καὶ εἰ ἄρα τις ἕτερος ἑτέρου ἐπιθυμεῖ, ἦν δ᾽ ἐγώ, ὦ παῖδες, ἢ ἐρᾷ, οὐκ ἄν ποτε ἐπεθύμει οὐδὲ ἤρα οὐδὲ ἐφίλει, εἰ μὴ οἰκεῖός πη
Erster Entwurf (handschriftlich)
freund sein war nur Geschwäz wie ein langes Gedicht zusammengeflikt36. — So mag es wol sein, sagte er. — Aber sprach ich das Begehrende begehrt doch deß des ihm mangelt. Nicht wahr? — Ja. — Was Mangel hat ist also demjenigen freund woran es Mangel hat. — So scheint es mir. — Mangel aber hat jeder an dem was ihm ist entzogen worden? — Wie anders. — Auf das Angehörige also wie man glauben muß geht Liebe und Freundschaft und Verlangen o Menexenos und Lysis. — Sie stimmten ein. — Ihr Beide also wenn Ihr einander Freund seid müßt irgendwie von Natur einander angehören. — Offenbar sagten sie. — Und wenn auch sonst Jemand Ihr Kinder, sagte ich einen andern begehrt und liebt so würde er ihn weder begehren noch lieben noch ihm freund sein, wenn ihm nicht der Geliebte an36 E (SN 155/1) Hier ist mir das tertium comparationis ganz dunkel, wenn nicht συγκείμενον auf ποιημα bezogen eine mir unbekannte Bedeutung hat. | A (SN 155/2) ωσπερ ποιημα μακρον συγκειμενον. Hier habe ich gar keinen Begriff von dem tertio comparationis wenn man auch συγκειμενος liest. Ist nicht die Vergleichung ganz müßig und leer.
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu: Anm. 36 A: μακρὸν συγκείμενον Stefanus führt eine Stelle aus Plutarch an, wo συγκείμενον für c o n s c r i p t u m steht. Einmal ist συγκεῖσθαι so viel als συντεθῆναι. Also ein weitläuftiges zusammengearbeitetes Gedicht, und in dem ποίημα noch der Sinn: Erdichtung. Also das lange mühsam zusammenräsonnirte Gespräch, zerfällt in eine lange Fabel. T 1f ein langes Gedicht zusammengeflikt] ein weitläuftiges zusammengearbeitetes Gedicht Spld., vgl. W1 W2 2 zusammengeflikt] über der Zeile Markierung für Anm. 36 E 10 man glauben muß] über es scheint T Anm. 36 E 20f comparationis] comparat. SN 155/1 | A 24f comparationis] comparat. SN 155/2 3 συγκείμενον] συγκείμενος konj. Schleiermacher (Anm. 36 A), übersetzt SN 155/1
S Spld. u. a. Stephanus verweist in seinem Thesaurus Graecae linguae, Bd. 2, [Genf] [1572], Sp. 170 f. s.v. ΚΕΩ, C. ΣΥΓκειμαι, auf Plutarch: Numa 1,2 (60a).
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freund sein war nur Geschwäz wie ein langes ausgesonnenes Gedicht? — So wird es wohl sein, sagte er. — Aber, sprach ich, das Begehrende begehrt doch das, was ihm fehlt. Nicht wahr? — Ja. — Wem also etwas fehlt, das ist dem freund, was ihm fehlt? — Mich dünkt. — Jedem aber fehlt das, was ihm ist entzogen worden? — Wie anders? — Auf das Angehörige also, wie es scheint, geht Liebe und Freundschaft und Verlangen. Leuchtet euch dies ein, o Menexenos und Lysis? — Sie stimmten ein. — Ihr beide also, wenn ihr gegenseitig Freunde seid, müßt irgendwie von | Natur einander angehören. — Offenbar, sagten sie. — Und auch sonst ihr Kinder, sprach ich, wo einer des andern begehrt und liebt, er würde ihn weder begehren noch lieben, noch ihm freund sein, wenn ihm nicht der Ge-
freund sein war nur Geschwäz wie ein langes zurechtgelegtes Machwerk. — So wird es wohl sein, sagte er. — Aber, sprach ich, das Begehrende begehrt doch das, was ihm fehlt. Nicht wahr? — Ja. — Wem also etwas fehlt, das ist dem freund, was ihm fehlt? — Mich dünkt. — Jedem aber fehlt das, was ihm entzogen ist? — Wie anders? — Auf das Angehörige also, wie es scheint, geht Liebe und Freundschaft und Verlangen, wie sich zeigt, o Menexenos und Lysis? — Sie stimmten ein. — Ihr beide also, wenn ihr gegenseitig Freunde seid, müßt irgendwie von Natur einander angehören. — Offenbar, sagten sie. — Und auch sonst ihr Kinder, sprach ich, wo einer des andern begehrt und liebt, er würde | ihn weder begehren noch lieben, noch ihm freund sein, wenn ihm nicht der Ge-
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τῷ ἐρωμένῳ ἐτύγχανεν ὤν, ἢ κατὰ τὴν ψυχὴν ἢ κατά τι τῆς ψυχῆς ἦθος ἢ τρόπους ἢ εἶδος. — Πάνυ γε, ἔφη ὁ Μενέξενος, ὁ δὲ Λύσις ἐσίγησεν. — Εἶεν, ἦν δ᾽ ἐγώ. Τὸ μὲν δὴ φύσει οἰκεῖον ἀναγκαῖον ἡμῖν πέφανται φιλεῖν. — Ἔοικεν, ἔφη. — Ἀναγκαῖον ἄρα τῷ γνησίῳ ἐραστῇ καὶ μὴ προσποιήτῳ φιλεῖσθαι ὑπὸ τῶν παιδικῶν. — Ὁ μὲν οὖν Λύσις καὶ ὁ Μενέξενος μόγις πως ἐπενευσάτην· ὁ δὲ Ἱπποθάλης ὑπὸ τῆς ἡδονῆς παντοδαπὰ ἠφίει χρώματα. — Καὶ ἐγὼ εἶπον, βουλόμενος τὸν λόγον ἐπισκέψασθαι, εἰ μέντοι τὸ οἰκεῖον τοῦ ὁμοίου διαφέρει, λέγοιμεν ἄν τι, ὡς ἐμοὶ δοκεῖ, ὦ Λύσι τε καὶ Μενέξενε, περὶ φίλου, ὅ ἐστιν· εἰ δὲ ταυτὸν τυγχάνει ὂν ὅμοιόν τε καὶ οἰκεῖον, οὐ ῥᾴδιον ἀποβαλεῖν τὸν πρόσθεν λόγον, ὡς οὐ τὸ ὅμοιον τῷ ὁμοίῳ κατὰ τὴν ὁμοιότητα ἄχρηστον· τὸ δὲ ἄχρηστον φίλον ὁμολογεῖν, πλημμελές. Βούλεσθ᾽ οὖν, ἦν δ᾽ ἐγώ, ἐπειδὴ ὥσπερ μεθύομεν ὑπὸ τοῦ λόγου, συγ-
Erster Entwurf (handschriftlich)
gehörig wäre der Seele nach wegen ihrer Gesinnung Art und Gestalt.37 — Gewiß sagte Menexenos, Lysis aber schwieg. — Wohl sprach ich. Das von Natur angehörige also müßen wir wie sich zeigt nothwendig lieben. — So folgt es, sprach er. — Nothwendig also muß auch der ächte nicht nur verstellte Liebhaber geliebt werden von seinem Liebling. — Diesem nun wollten Lysis und Menexenos kaum zuniken; Hippothales aber wechselte alle Farben vor Lust. — Da sprach ich, um den Saz noch näher zu betrachten: ja wenn das Angehörige von dem Aehnlichen verschieden wäre dann wäre hiemit etwas gesagt o Lysis und Menexenos über die Freundschaft was sie ist. Wenn aber das Aehnliche und das Angehörige dasselbe ist so ist doch nicht so leicht unser voriger Saz wegzuwerfen, daß das Aehnliche dem Aehnlichen was seine Aehnlichkeit betrifft unnüz ist. Auszusagen aber daß man das unnüze liebe ist doch verkehrt. Wollt Ihr also sprach ich da wir schon gleichsam trunken sind von der Rede daß wir zugeben und 37
E (SN 155/1) Dieses scheint mir keine Platonische Distinction zu sein η κατα ψυχην η κατα τι της ψυχης denn dies ist ja auch κατα ψυχην und welches andere κατα ψυχην bleibt übrig außer diesen? Ich möchte lesen κατα την φυσιν wie oben schon φυσει οικειοι. | A (SN 155/2) η κατα την ψυχην η κατα τι της p. Dies will mich gar keine rechte Distinction zu sein dünken. Sind nicht alle folgende Seele auch κατα ψυχην? Und welches andere κατα ψυχην bleibt noch übrig wenn man ηθος τροπος η ειδος wegnimmt?
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu: Anm. 37 A: κατὰ — ψυχὴν — εἶδος. Hier wird wol kein Unterschied sein, als daß erst das Ganze genant wird, und dann deßen Theile: wäre also nicht die völlige Übereinstimmung, so wäre sie doch vielleicht in Theilen. 1f ὤν, ἢ] ὢν ἢ Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W2 19f εἰ μέντοι] Εἰ μέν τι Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W2
T 1 der Seele nach] über der Zeile Markierung für Anm. 37 E 17 dasselbe] über verschieden 21 Auszusagen] zunächst offenbar Wortanfang E
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liebte angehörig wäre, überhaupt der Seele nach oder wegen irgend einer Gesinnung, Art und Eigenschaft. — Gewiß, sagte Menexenos; Lysis aber schwieg. — Wohl, sprach ich. Das von Natur angehörige also müssen wir, wie sich zeigt, nothwendig lieben? — So folgt es, sagte er. — Nothwendig also muß auch der ächte Liebhaber, der sich nicht nur so anstellt, wieder geliebt werden von seinem Liebling? — Diesem nun wollten Lysis und Menexenos kaum Bejahung zuwinken. Hippothales aber wechselte alle Farben vor Freude. — Da sagte ich in der Absicht den Saz noch näher zu betrachten: Ja wenn das Angehörige von dem Aehnlichen verschieden wäre, o Menexenos und Lysis, dann wäre hiemit etwas gesagt über die Freundschaft, was sie ist. Wenn aber das Aehnliche und das Angehörige dasselbe ist, so ist es doch nicht so leicht unsern vorigen Saz wegzuwerfen, daß nämlich das Aehnliche dem Aehnlichen, so weit seine Aehnlichkeit geht, unnüz ist. Zu sagen aber, daß man dem Unnüzen freund sei, ist Frevel. Wollt ihr also, da wir doch schon gleichsam berauscht sind von der Sache, daß wir nachge-
liebte angehörig wäre überhaupt der Seele nach oder wegen irgend einer Gesinnung, Art und Eigenschaft. — Gewiß, sagte Menexenos; Lysis aber schwieg. — Wohl, sprach ich. Das von Natur angehörige also müssen wir, wie sich zeigt, nothwendig lieben? — So folgt es, sagte er. — Nothwendig also muß auch der ächte Liebhaber, und der sich nicht nur so anstellt, wieder geliebt werden von seinem Liebling? — Diesem nun wollten Lysis und Menexenos kaum Bejahung zuwinken. Hippothales aber wechselte alle Farben vor Freude. — Da sagte ich in der Absicht den Saz noch näher zu betrachten: Ja wenn das Angehörige von dem Aehnlichen irgend verschieden wäre, o Menexenos und Lysis, dann wäre hiemit etwas gesagt über die Freundschaft, was sie ist. Wenn aber das Aehnliche und das Angehörige dasselbe ist, so ist es doch nicht so leicht unsern vorigen Saz wegzuwerfen, daß nämlich das Aehnliche dem Aehnlichen, so weit seine Aehnlichkeit geht, unnüz ist. Zu dem unnüzen aber als freund sich zu bekennen, ist Frevel. Wollt ihr also, da wir gleichsam berauscht sind von der Rede, daß wir nachge-
S 1 wäre überhaupt] nach Bekker wie Spalte 1 App. 18f Ja wenn ... irgend] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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χωρήσωμεν καὶ φῶμεν ἕτερόν τι εἶναι τὸ οἰκεῖον τοῦ ὁμοίου; — Πάνυ γε. — Πότερον οὖν καὶ τἀγαθὸν οἰκεῖον θήσομεν παντί, τὸ δὲ κακὸν ἀλλότριον εἶναι, ἢ τὸ μὲν κακὸν τῷ κακῷ οἰκεῖον, τῷ δὲ ἀγαθῷ τὸ ἀγαθόν, τῷ δὲ μήτε ἀγαθῷ μήτε κακῷ τὸ μήτε ἀγαθὸν μήτε κακόν; — Οὕτως ἐφάτην δοκεῖν σφίσιν, ἕκαστον ἑκάστῳ οἰκεῖον εἶναι. — Πάλιν ἄρα, ἦν δ᾽ ἐγώ, ὦ παῖδες, οὓς τὸ πρῶτον λόγους ἀπεβαλόμεθα περὶ φιλίας, εἰς τούτους πεπτώκαμεν. Ὁ γὰρ ἄδικος τῷ ἀδίκῳ καὶ ὁ κακὸς τῷ κακῷ οὐδὲν ἧττον φίλος ἔσται, ἢ ὁ ἀγαθὸς τῷ ἀγαθῷ. — Ἔοικεν, ἔφη. — Τί δέ; τὸ ἀγαθὸν καὶ τὸ οἰκεῖον ἂν ταυτὸν φῶμεν εἶναι, ἄλλό τι ἢ ὁ ἀγαθὸς τῷ ἀγαθῷ μόνον φίλος; — Πάνυ γε. — Ἀλλὰ μὴν καὶ τοῦτό γε ᾠόμεθα ἐξελέγξαι ἡμᾶς αὐτούς. Ἢ οὐ μέμνησθε; — Μεμνήμεθα. — Τί οὖν ἂν ἔτι χρησαίμεθα τῷ λόγῳ; ἢ δῆλον ὅτι οὐδέν; Δέομαι οὖν, ὥσπερ οἱ σοφοὶ ἐν τοῖς δικαστηρίοις, τὰ εἰρημένα ἅπαντα ἀναπεμπάσασθαι. Εἰ γὰρ μήτε οἱ φιλούμενοι μήτε οἱ φιλοῦντες μήτε οἱ ὅμοιοι μήτε οἱ ἀνόμοιοι μήτε οἱ ἀγαθοὶ μήτε οἱ οἰκεῖοι μήτε τὰ ἄλλα, ὅσα διεληλύθαμεν, οὐ γὰρ ἔγωγε ἔτι μέμνημαι ὑπὸ τοῦ πλήθους, ἀλλ᾽ εἰ μηδὲν τούτων
15 τὸ πρῶτον] τοπρῶτον Heindorf
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behaupten das Angehörige sei etwas anderes als das Aehnliche? — Wohl wollen wir es. — Wollen wir nun weiter sagen das Gute sei jedem angehörig das Böse aber fremd oder das Böse sei dem Bösen angehörig und dem Guten das Gute, und dem weder gut noch bösen das weder gut noch böse? — Auf die lezte Art sagten sie schiene ihnen jedem jedes angehörig zu sein. — Da sind wir also sprach ich, ihr Kinder wiederum in dieselben vorher verworfenen Reden von der Freundschaft hineingerathen. Denn so wird der Ungerechte dem Ungerechten und der Böse dem Bösen nicht weniger freund sein als der Gute dem Guten. — So scheint es, sagte er. — Wie aber wenn wir sagten das Gute und das Angehörige sei dasselbe, wird dann nicht der Gute dem Guten allein freund sein? — Gewiß. — Aber auch dieses glaubten wir uns selbst ausgeredet zu haben. Oder erinnert ihr Euch nicht? — Sehr gut erinnern wir uns. — Was haben wir also nun noch an dem Saz? Offenbar wol nichts. Ich bitte Euch daher wie die Redner vor Gericht das Gesagte alles noch einmal zurükzurufen. Wenn nemlich weder die Geliebten noch die Liebenden weder die Aehnlichen noch die Unähnlichen noch die Guten noch die Angehörigen und Verwandten und was wir sonst noch durchgenommen haben denn ich erinnere es mich | nicht mehr alles vor der großen Menge wenn also keines von allem diesem der Gegenstand der Freundschaft ist
Noten Spaldings u. a. (SN 155/3) zu 24 Übers.A (verl.): d i e R e d n e r . οἱ σοφοὶ die rechten Redner, die rechte Virtuosen im Reden sind. T 2 Aehnliche] über Verwandte 21 Sehr] davor fehlt der Strich zur Markierung des Sprecherwechsels in SN 155/1 23 Ich] davor fälschlich der Strich zur Markierung des Sprecherwechsels in SN 155/1
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ben und behaupten, das Angehörige sei etwas anderes als das Aehnliche? — Allerdings. — Wollen wir nun auch weiter sagen, das Gute sei Jedem angehörig, das Böse aber Jedem fremdartig? oder das Böse sei dem Bösen angehörig, und dem Guten das Gute, und dem weder gut noch bösen das | weder gut noch böse? — Sie meinten auf die lezte Art schiene ihnen jedes Jedem angehörig zu sein. — Da sind wir also, sprach ich, ihr Kinder, wieder in die vorher verworfenen Gedanken von der Freundschaft hinein gerathen. Denn so wird der Ungerechte dem Ungerechten und der Böse dem Bösen nicht weniger freund sein als der Gute dem Guten. — So scheint es, sagte er. — Wie aber, wenn wir sagten, das Gute und das Angehörige sei einerlei, wird dann nicht der Gute dem Guten allein freund sein? — Gewiß. — Aber auch dieses glaubten wir uns selbst widerlegt zu haben. Oder erinnert ihr euch nicht? — Sehr gut erinnern wir uns. — Was haben wir also nun noch an den Saz? Offenbar wohl nichts. Ich bitte euch daher, wie vor Gericht die Redner pflegen, das Gesagte alles noch einmal zurückzurufen. Wenn nämlich weder die Geliebten noch die Liebenden, noch die Aehnlichen noch die Unähnlichen, noch die Guten noch die Angehörigen, noch was wir sonst durchgenommen haben, denn ich erinnere es mich nicht mehr alles vor der großen Menge; wenn also nichts von allem diesem der Gegenstand der Freundschaft
ben und behaupten, das Angehörige sei etwas anderes als das Aehnliche? — Allerdings. — Wollen wir nun auch weiter sagen, das Gute sei Jedem angehörig, das Böse aber Jedem fremdartig? oder das Böse sei dem Bösen angehörig, und dem Guten das Gute, und dem weder gut noch bösen das weder gut noch böse? — Sie meinten auf die lezte Art schiene ihnen jedes Jedem angehörig zu sein. — Da sind wir also, sprach ich, ihr Kinder, wie|der in die vorher verworfenen Gedanken von der Freundschaft hinein gerathen. Denn so wird der Ungerechte dem Ungerechten und der Böse dem Bösen nicht weniger freund sein als der Gute dem Guten. — So scheint es, sagte er. — Wie aber, wenn wir sagten, das Gute und das Angehörige sei einerlei, wird dann nicht der Gute dem Guten allein freund sein? — Gewiß. — Aber auch dieses glaubten wir uns selbst widerlegt zu haben. Oder erinnert ihr euch nicht? — Sehr gut erinnern wir uns. — Was haben wir also nun noch an dem Saz? Offenbar wohl nichts. Ich bitte euch daher, wie vor Gericht die Redner pflegen, das Gesagte alles noch einmal zurückzurufen. Wenn nämlich weder die Geliebten noch die Liebenden, noch die Aehnlichen noch die Unähnlichen, noch die Guten noch die Angehörigen, noch was wir sonst durchgenommen haben, denn ich erinnere es mich nicht mehr alles vor der großen Menge; wenn also nichts von allem diesem der Gegenstand der Freundschaft
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φίλον ἐστίν, ἐγὼ μὲν οὐκέτι ἔχω τί λέγω. Ταῦτα δ᾽ εἰπὼν ἐν νῷ εἶχον ἄλλον ἤδη τινὰ τῶν πρεσβυτέρων κινεῖν. Κᾆτα ὥσπερ δαίμονές τινες προσελθόντες οἱ παιδαγωγοί, ὅτε τοῦ Μενεξένου καὶ ὁ τοῦ Λύσιδος, ἔχοντες αὐτῶν τοὺς ἀδελφούς, παρεκάλουν καὶ ἐκέλευον αὐτοὺς οἴκαδ᾽ ἀπιέναι. Ἤδη γὰρ ἦν ὀψέ. Τὸ μὲν οὖν πρῶτον καὶ ἡμεῖς καὶ οἱ περιεστῶτες αὐτοὺς ἀπηλαύνομεν· ἐπειδὴ δὲ οὐδὲν ἐφρόντιζον ἡμῶν, ἀλλ᾽ ὑποβαρβαρίζοντες ἠγανάκτουν τε καὶ οὐδὲν ἧττον ἐκάλουν, ἀλλ᾽ ἐδόκουν ἡμῖν, ὑποπεπωκότες ἐν τοῖς Ἑρμαίοις, ἄποροι εἶναι προσφέρεσθαι· ἡττηθέντες οὖν αὐτῶν διελύσαμεν τὴν συνουσίαν. Ὅμως ἔγωγε, ἤδη ἀπιόντων αὐτῶν, νῦν δέ, ἦν δ᾽ ἐγώ, ὦ Λύσι τε καὶ Μενέξενε, καταγέλαστοι γεγόναμεν, ἐγώ τε, γέρων ἀνήρ, καὶ ὑμεῖς. Ἐροῦσι γὰρ οἵδε ἀπιόντες, ὡς οἰόμεθα ἡμεῖς ἀλλήλων φίλοι εἶναι, καὶ ἐμὲ γὰρ ἐν ὑμῖν τίθημι, οὔπω δέ, ὅτι ἐστὶν ὁ φίλος, οἷοί τε ἐγενόμεθα ἐξευρεῖν.
19 ἀλλ᾽] καὶ konj. Heindorf z. St. (S. 52), übersetzt SN 155/1 W1 W2
Erster Entwurf (handschriftlich)
so habe ich nicht mehr was ich sagen soll. Dieses gesprochen war ich im Begriff eben einen andern von den Aelteren in Bewegung zu sezen. Da kamen uns aber wie schlimme Geister die Knabenführer herbei der des Menexenos und der des Lysis mit deren Brüdern an der Hand und riefen sie ab und befahlen ihnen nach Hause zu gehn. Denn es war schon spät. Zuerst wollten wir sowol als die Umstehenden sie forttreiben, da sie sich aber nichts um uns kümmerten sondern in sehr schlechtem Hellenisch brummten und schalten und doch immer riefen glaubten wir zumal sie an den Hermäen ein wenig mochten getrunken haben daß nichts mit ihnen würde auszurichten sein; also gaben wir ihnen nach und die Gesellschaft löste sich auf. Doch als sie schon im Weggehn waren sagte ich noch, diesmal o Lysis und Menexenos haben wir uns lächerlich gemacht, ich so alt ich bin und ihr. Denn diese wenn sie von uns gehn werden sagen, wir bildeten uns ein einander freund zu sein ich rechne nemlich auch mich mit zu Euch; was aber ein freund wäre hatten wir noch nicht vermocht auszufinden.
T 2 war ich im Begriff] über hatte ich im Sinn 16 auszurichten] über zu machen 20f haben wir uns lächerlich gemacht] teilweise über der Zeile statt sind wir lächerlich geworden 24 rechne] danach mich | auch mich] über der Zeile mit Einfügungszeichen
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ist, so weiß ich meines Theils nicht mehr was ich sagen soll. Dieses gesprochen, war ich im Begriff, einen anderen von den Aelteren in Bewegung zu sezen. Da kamen aber eben wie schlimme Geister die Knabenführer herbei, der des Menexenos sowohl als der des Lysis mit deren Brüdern an der Hand, und riefen sie ab, sie sollten nach Hause gehn, denn es war schon spät. Zuerst zwar wollten wir und die Umstehenden sie forttreiben; da sie sich aber nichts um uns | kümmerten, sondern in sehr schlechtem Hellenisch brummten und schalten, und doch immer wieder riefen: so glaubten wir, zumal sie an den Hermeien ein wenig mochten getrunken haben, daß nichts mit ihnen würde auszurichten sein; und lösten, gezwungen von ihnen, die Gesellschaft auf. Als sie aber schon weggingen sagte ich noch: Diesmal, o Lysis und Menexenos, haben wir uns lächerlich gemacht, ich der alte Mann und ihr. Denn diese die jezt von uns gehen werden sagen, wir bildeten uns ein Freunde zu sein, nämlich ich rechne auch mich mit zu euch; was aber ein Freund wäre, hätten wir noch nicht vermocht auszufinden.
ist, so weiß ich meines Theils nicht mehr was ich sagen soll. Dieses gesprochen, war ich im Begriff, einen anderen von den Aelteren in Bewegung zu sezen. Da kamen aber eben wie schlimme Geister die Knabenführer herbei, der des Menexenos sowohl als der des Lysis mit deren Brüdern an der Hand, und riefen sie ab, sie sollten nach Hause gehn, denn es war schon spät. Zuerst zwar wollten wir und die Umstehenden sie forttreiben; da sie sich aber nichts um uns kümmerten, sondern in sehr schlechtem Hellenisch brummten und schalten, und doch immer wieder riefen: so glaubten wir, zumal | sie an den Hermaien ein wenig mochten getrunken haben, daß nichts mit ihnen würde auszurichten sein; und lösten, gezwungen von ihnen, die Gesellschaft auf. Doch sagte ich noch als sie schon gingen: Diesmal, o Lysis und Menexenos, haben wir uns lächerlich gemacht, ich der alte Mann und ihr. Denn diese wenn sie nun gehen, werden sagen, wir bildeten uns ein Freunde zu sein, nämlich ich rechne auch mich mit zu euch; was aber ein Freund sei, hätten wir noch nicht vermocht auszufinden.
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Zwischentitel Protagoras
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P R O TA G O R A S .
Text nach: W2 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 21817, S. 215 unpaginiert); identisch: W1 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 11804, S. 215 unpaginiert); jeweils Rückseite leer.
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Zu den berühmtesten unter denen, welche zu jener Zeit als Lehrer der hellenischen Jugend aufgetreten waren, dem Protagoras zuerst, welcher unter allen Streit- und Redekünstlern, wegen des Grundes den er seiner Kunst gelegt hatte, wohl am meisten verdiente, daß ein Philosoph sich mit ihm beschäftigte, wie er denn auch selbst als Philosoph im Alterthum genannt und geehrt wurde; ferner dem gelehrten, Geschichts- und Alterthumskundigen, kunst- und gedächtnißreichen Hippias und dem am meisten seiner Sprachbemühungen wegen angeführten Prodikos, der wiewohl minder bedeutend auch hier die Wirkung des Ganzen unterstüzt; ferner zu den Freunden und Verehrern dieser weisen Männer, den edelsten Jünglingen Athens, berühmt theils durch ihre Väter, theils in der Folge durch eigene Thaten als Feldherrn, Volksführer und Dichter, zu den Söhnen des Perikles nämlich, zu dessen Mündel Alkibiades, dem Kritias, dem Agathon und andern, welche, wenn auch nur als stumme Zeugen, die Pracht und Herrlichkeit des Ganzen erhöhen; zu diesen führt uns nebst dem Sokrates und einem Jünglinge, den er dem Protagoras als Schüler empfehlen sollte, das reich geschmükte Gespräch. Und zwar in das glänzendste und üppigste | Haus | von Athen, in das Haus des Kallias, welcher der 218 W1 reichste Bürger war, befreundet dem Perikles als zweitem Gatten | 218 W2
Text nach: W2 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 21817, S. 217-234 und S. 403 f.). Varianten aus: W1 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 11804, S. 217-234 und S. 392 f.). Noten Spaldings aus: BBAW, SN 157, f. 1r. 3 waren, dem] waren: dem W1 9 am…wegen] seiner Sprachbemühungen wegen am meisten W1 10 der] welcher W1 14 zu] fehlt W1 15 zu] fehlt W1 17 erhöhen; zu] erhöhen: zu W1 19 Gespräch. Und] Gespräch, und W1 S 3 Protagoras] von Abdera, einer der ersten Sophisten, ca. 485-415 v. Chr. 6f als Philosoph im Alterthum genannt] z. B. Diogenes Laertius, Vitae Philosophorum IX, 50-56 9 Hippias] von Elis, Sophist, 2. Hälfte des 5. Jhs. v. Chr. 10 Prodikos] von Keos, Sophist, 2. Hälfte des 5. Jhs. v. Chr. 14 Söhnen] Paralos und Xanthippos, gestorben 430/29 v. Chr. an der Pest | Perikles] athenischer Politiker, nach seinen Söhnen gestorben 429 v. Chr. an der Pest 15 Alkibiades] athenischer Politiker und Feldherr, ca. 450-404 v. Chr. | Kritias] athenischer Politiker und Autor von hexametrischen und elegischen Gedichten, Tragödien sowie Prosawerken zur Verfassungsgeschichte verschiedener Poleis, gestorben 404/3 v. Chr. | Agathon] athenischer Tragödiendichter, ca. 448- nach 405 v. Chr. 20 Kallias] reicher Athener, ca. 450nach 371 v. Chr.
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seiner Mutter nach Trennung ihrer Ehe von dem Hipponikos, verschwägert dem Alkibiades, der seine Schwester Hipparete zur Gattin nahm, bekannt und von den Komikern durchgezogen als eifrigster und freigebigster Beschüzer der Sophisten, bis seine grenzenlose Verschwendung dem alten fast von Solons Zeiten herrührenden Glanze seines Hauses ein Ende machte. Dies sind die edlen und die weisen Theilhaber des Gespräches, welches Sokrates hier ganz auf frischer That einem Freunde erzählt; und ein mehreres ist von ihnen im voraus historisch zu wissen nicht nöthig, da sie sich sämmtlich und die lezteren besonders in dem Werke selbst so hell und bestimmt abspiegeln, daß es unter die bedeutenden ersten Quellen zur Kenntniß ihrer Eigenthümlichkeiten gehört. Nur die Frage, wie diese Gesellschaft zusammengebracht worden, kann nicht übergangen werden, da dem Gespräch schon vor Alters der Vorwurf gemacht ist, sein Urheber habe ihm diesen Reichthum bedeutender Personen nur auf dem unerlaubtesten Wege, vermittelst grober Versündigungen gegen die Ordnung und das Recht der Zeiten zuzuwenden gewußt. Es kommen nämlich mehrere Angaben vor, welche zu beweisen scheinen, daß Platon sich das Gespräch nicht eher als in der neunzigsten Olympiade gehalten gedacht habe. So wird Hipponikos der Vater des Kallias nirgends erwähnt, sondern gradezu wohnt Protagoras bei dem lezteren, und dieser erscheint ganz als Herr und Besizer; Hipponikos aber ist erst in der Delischen Schlacht Anfangs
T 6 edlen und] edeln sowohl als W1 13 worden] worden ist W1 15 gemacht ist] ist gemacht worden W1 S 1 Mutter] nach Plutarch, Perikles 24, 8 in erster Ehe Frau des Hipponikos und in zweiter Ehe Frau des Perikles, Name nicht überliefert | Hipponikos] reicher Athener, Vater des Kallias, gestorben kurz vor 422 v. Chr. 3 Vgl. z. B. Eupolis, Kolakes: PCG V, fr. 174 K.-A.; Aristophanes, Nubes 360, Ranae 428 f., Ekklesiazusae 810; dazu vgl. Manuwald: Platon. Protagoras, S. 107.130. 5 von Solons Zeiten] athenischer Gesetzgeber, geboren um 640 v. Chr. 14f schon vor Alters der Vorwurf] Ausgangspunkt aller Debatten über die Anachronismen im Protagoras (s. o. die Gesamteinleitung S. 39) ist Athenaeus, Deipnosophistae V, 218b-e, 219e-f und XI 505f-506a. Dazu vgl. Isaac Casaubonus: Animadversionum in Athenaei Deipnosophistas, Libri XV ..., Lyon 1600, S. 242, 51-244, 8; rezipiert dann in der Edition von Johannes Schweighäuser (s. u. S. 571 zur Note Spaldings); Schleiermachers ausführliches Exzerpt ist erhalten in BBAW, SN 185, f. 9-14; ebenso Notizen zu Hipponikos: SN 185, f. 3 (s. S. LXXV f.) 20 in der neunzigsten Olympiade] 420/419-417/416 v. Chr. 21f wohnt Protagoras bei dem lezteren] Platon, Protagoras 311a 23 in der Delischen Schlacht] Schlacht bei Delion (Ostböotien) 424 v. Chr.
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der neun | und | achtzigsten Olympiade umgekommen.1 Ja noch be- 219 W1 stimmter, es wird eine Komödie des Pherekrates, die Wilden, als im | 219 W2 vorigen Jahre aufgeführt erzählt, welche im lezten Jahre der neun und achtzigsten die Lenäen geziert hat. Dieses nun nimmt Athenaios als den festen Punkt an, und beschuldiget daraus den Platon zweier Feh1
u m g e k o m m e n . Dies hat mich eine von Heindorf über dieses Geschlecht eigens 392 W1 angestellte Untersuchung aus der vierten Rede des Andokides gelehrt. Athenaios führt | 403 W2 diese Autorität Deipnos. V. P. 218. nicht an, sondern schließt nur aus der Ol. 89, 3. aufgeführten Komödie des Eupolis, die Schmeichler, worin des Kallias Verschwendung 10 durchgezogen wird, daß Hipponikos nicht gar lange vor dieser Zeit müsse gestorben sein.
Noten Spaldings (SN 157) zu 4 Einl. (verl.): Ich finde bei Schweigheus. zum Atenäos Ann. 3, 239 angeführt 1r Vincentius Cantarenus Varr. Lectt. (ed. Traj. ad Rhen. 1754 p. 74 seq) Plato in Protagora ab Athenaei calumnia vindicatus. Das Buch werden wir beide wol nicht zu sehen kriegen noch brauchen. Doch, es ist auf hiesiger kngl Bibliothek. T 4 Athenaios] Athenäos W1 T Anm. 1 7 Athenaios] Athenäos W1 S 2 Pherekrates, die Wilden] Pherekrates, Agrioi: PCG VII, S. 106-115, aufgeführt bei den Lenäen 420 v. Chr.. 4 Athenaios] Athenaeus, Deipnosophistae V, 218d-e. | Spld. Animadversiones in Athenaei Deipnosophistas post Isaacum Casaubonum conscripsit Iohannes Schweighaeuser ... Tomus tertius. Animadvers. in Lib. V. et VI., Straßburg 1802 [SB 102. vgl. SB 1797]. Schleiermacher erhielt von Reimer sukzessive die Bände der Ausgabe und der Animadversiones, vgl. seine Briefe vom 9.11.1803: KGA V/7, Nr. 1589, 12-15; vom 24.12.1803: KGA V/7, Nr. 1623, 70 f.; vom 2.5.1804: KGA V/7, Nr. 1730, 2-4; vgl. auch den Brief von L. F. Heindorf vom Nov. 1802: KGA V/6, Nr. 1394, 160-168], S. 237-241, bes. 239 (zu Athen. Deipnos. V, p. 218) mit dem fehlerhaften Zitat: „Vincentii Cantareni Variar. Lection. cap. 15 (ed. Traiect. ad Rhen. 1754. pag. 74 sq.)“. Gemeint ist: Vincentii Contareni Variarum Lectionum Liber in quo multi veterum cum Graecorum, tum Latinorum scriptorum loci illustrantur, atque emendantur, Utrecht 1754, cap. XIII, p. 72-76. Das Buch ist in der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz (ehemals Königliche Bibliothek) in Berlin unter Sign.: Bibl. Diez. oct. 3196 vorhanden. S Anm. 1 Zu Heindorfs Untersuchung vgl. Heindorf 1810, S. 465-467, bes. 466 mit Verweis auf Andocides, In Alcibiadem 13 und 15 sowie Athenaeus, Deipnosophistae V, 218b; Eupolis, Kolakes, PCG V, fr. 156 K.-A., aufgeführt 421 v. Chr. (vgl. Andocides 1, 131).
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ler, daß nämlich der Peloponneser Hippias seit Anfang des Krieges zu keiner anderen Zeit sich habe in Athen aufhalten können, als während des Stillstandes unter dem Isarchos im ersten der neun und achtzigsten, wogegen Dacier in seiner Einleitung zur Uebersezung des Protagoras den Platon zu rechtfertigen sucht;2 ferner, daß Platon im ersten der neunzigsten vom Protagoras nicht habe sagen können, er sei erst vor drei Tagen nach Athen gekommen, indem er bereits in dem Lustspiele des Eupolis, die Schmeichler, im dritten der neun und achtzigsten als anwesend aufgeführt werde. Allein wenn auch Jemand was den ersten Punkt betrifft dem Dacier beipflichten, und in Ansehung des zweiten das Zeugniß eines Komikers verwerfen wollte, der sich ja eben so gut als Platon eine Fiction kann erlaubt haben, so ist damit die Sache nicht abgethan, denn es finden sich mehrere unbezweifelte gegen jenes Jahr als Zeitbestimmung des Dialogs auf alle Weise streitende und ihn höher hinauf zwingende Angaben, von welchen zu verwundern ist, daß sie in jener feindseligen Stelle des Athenaios gar nicht erwähnt werden, wiewohl er sie anderwärts beibringt. Zuerst nämlich wird Sokrates vom Protagoras als ein noch junger Mann behandelt, nennt auch sich selbst so, welches er nur zwanzig
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392 W1 2 r e c h t f e r t i g e n s u c h t . Man sehe Bibl. des anc. Phil. V, 122. Alles übrige, 20 | 401 W2 was er über die Chronologie des Gespräches sagt, ist sehr schlecht, und verräth wenig Studium des Protagoras, und einige Unwissenheit in der Geschichte.
T 16f Athenaios] Athenäos W1 17 wiewohl…beibringt] fehlt W1 S 2f während des Stillstandes unter dem Isarchos] Waffenstillstand während des Peloponnesischen Krieges durch Laches unter dem athenischen Archon Isarchos im Februar/März 423 v. Chr. 4 Dacier] Bibliotheque des Anciens Philosophes, contenant Les Œuvres de Platon, traduites an François, par M. Dacier ..., Bd. 5, Paris 1771, S. 120-126. Zuvor bereits M. Dacier: Les Œuvres de Platon, traduites an François, avec des Remarques, Tom. 2, Paris 1699, S. 430-435; deutsche Übersetzung: ΤΟΥ ΘΕΙΟΥ ΠΛΑΤΩΝΟΣ ΔΙΑΛΟΓΟΙ ῾ΕΧ. Sechs auserlesene Gespräche Platons, Griechisch und Deutsch nebst des Herrn Dacier Vorrede und Anmerkungen, hg. durch J. S. Müller, Hamburg 1736, S. 226-229. 5 vgl. Athenaeus, Deipnosophistae V, 218b-c 5f im ersten der neunzigsten] 420/419 v. Chr. 6f Protagoras ... erst vor drei Tagen nach Athen gekommen] Platon, Protagoras 309d 8 Eupolis, die Schmeichler] Eupolis, Kolakes: PCG V, fr. 157 und 158 K.-A., vgl. Athenaeus, Deipnosophistae V, 218b-c; aufgeführt 421 v. Chr. 8f im dritten der neun und achtzigsten] 422/421 v. Chr., und zwar in der zweiten Hälfte des Jahres, also 421 v. Chr. 18f Sokrates vom Protagoras als ein noch junger Mann behandelt] so Platon, Protagoras 361d-e; vgl. 317c, 318a-c 19 nennt auch sich selbst so] Platon, Protagoras 314b
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Jahre vor seinem Tode unmöglich thun konnte. Ferner Alkibiades, der nur ein Jahr | nach jenem vom Athenaios ange|nommenen zum Feld- 220 W2 herrn ernannt wurde, wird ein Milchbärtiger, und Agathon, den noch | 220 W1 dieselbe Olympiade als tragischen Dichter krönte, ein Knabe genannt. Ja was das allerbestimmteste ist, es wird vom Perikles als einem noch lebenden gesprochen, und seine noch vor ihm an der Pest gestorbenen Söhne sind mit in der Versammlung, wodurch dies Gespräch offenbar vor das dritte der sieben und achtzigsten hinaufgerükt wird. Da nun mit dieser lezteren Zeitbestimmung so viele Kleinigkeiten übereinstimmen, die gar nicht zum Wesentlichen des Gespräches gehören, wie Agathon und die Söhne des Perikles, so ist sie offenbar diejenige, welche dem Platon am deutlichsten vorgeschwebt hat, und welche er eigentlich durchführen wollte. Was aber jene späteren Angaben betrifft, so ließe sich fragen, ob nicht die Komödie des Pherekrates schon vor jener im Athenaios erwähnten Aufführung, es sei nun eben so oder in einer unvollkommneren Gestalt, einmal aufgeführt worden, zumal hier von einer Aufführung an den Lenäen die Rede ist; denn als eine Uebereilung, indem sich Platon hier in die Zeit wo er wirklich schrieb versezt hatte, läßt sich die Sache auch nicht denken. Eben so, ob es auch nothwendig ist, den Hipponikos als todt zu denken, und
T 2 Athenaios] Athenäos W1 6 gesprochen, und] gesprochen und W1 15 Athenaios] Athenäos W1 17 zumal…ist] fehlt W1 19 läßt] laßt verdruckt W2 S 1 Tode] Sokrates, gestorben 399 v. Chr., im Alter von 70 Jahren 1–3 Alkibiades…ernannt] Alkibiades wurde im Jahr 420/19 v. Chr. zum Strategen gewählt. 3 Milchbärtiger] Platon, Protagoras 309a ff. | Agathon] Platon, Protagoras 315d-e; Sieg im Tragödienagon bei den Lenäen 416 v. Chr. 5 Perikles] Tod des Perikles 429 v. Chr. 7 Söhne] Paralos und Xanthippos, gestorben 430/29 v. Chr. an der Pest 8 vor das dritte der sieben und achtzigsten] d. h. vor 430/429 v. Chr. 14 Komödie des Pherekrates] Pherecrates, Agrioi, aufgeführt an den Lenäen 420 v. Chr., Athenaeus, Deipnosophistae V, 218d 20 Hipponikos als todt zu denken] so Athenaeus, Deipnosophistae V, 218b (Hipponikos gestorben 422 v. Chr.)
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ob er sich nicht kann auswärts befunden haben,3 vielleicht in dem Heere vor Potidaia, wenn man nicht an das zweite Jahr der sieben und achtzigsten Olympiade denken will, in welchem Hipponikos ein Heer gegen die Tanagraier führte. Auf jede Weise aber läßt sich weit eher denken, daß Platon habe diesen Einen für seinen Plan nicht unwichtigen Umstand, als daß er jene kleinen und unbedeutenden in eine fal|sche Zeit absichtlich verlegt habe, in welchem Falle denn auch die Wilden des Pherekrates hier stehen könn|ten, um jene Erdichtung nicht ganz vereinzelt zu lassen, und was nicht klar gehalten sein konnte noch um desto zweischeiniger zu stellen. Denn einen besseren Ort konnte Platon nicht wählen für dieses Schauspiel als das Haus des Kallias, und vielleicht waren die Schmeichler des Eupolis die Veranlassung zu diesem Gedanken und die Verführung zu solcher Freiheit gewesen. Eben so nothwendig aber war ihm die frühere Zeit, in welcher jene Weisen wirklich in der Blüthe ihres Ruhmes standen und so zu Athen versammelt werden konnten, und auch dieses Geschlecht wißbegieriger Jünglinge noch nicht den Geschäften des Staates und des Krieges hingegeben war. Auch mochte es wohl dem Schiklich-
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392 W1 3 a u s w ä r t s b e f u n d e n h a b e n . Daß gesagt wird, Protagoras wohne beim | 403 W2 Kallias, streitet nicht sehr gegen diese Voraussezung, da Kallias in dem Alter war das 20 väterliche Haus zu verwalten. Schwieriger ist vielleicht die spätere Stelle, Hipponikos habe sich des Gemachs ehedem als einer Vorrathskammer bedient, die allerdings soll zu verstehen geben, Kallias habe eine noch freigebigere Sitte eingeführt als sein Vater. Doch wäre auch das vielleicht zu erklären durch eine längere Abwesenheit, die auch in jener Zeit, wo immer athenische Heere im Felde standen, nicht undenkbar ist. 25
T 2 Potidaia] Potidaea W1 4 Tanagraier] Tanagräer W1 5 daß] fehlt W1 6 daß er] fehlt W1 7 habe] fehlt W1 13 zu diesem Gedanken] dieses Gedankens W1 16f dieses…Jünglinge] die Jünglinge W1 18 war] waren W1 T Anm. 3 20f Alter war das väterliche] Alter war, das väterliche W1 | 22-24 die allerdings ... Abwesenheit] bei welcher man wenigstens eine längere Abwesenheit annehmen müßte W1 | 24 die auch] die aber auch W1 S 2 Potidaia] Kapitulation Poteidaias Frühjahr 429 v. Chr.; vgl. Thukydides II, 70 2f das zweite Jahr der sieben und achtzigsten Olympiade] 426/427 v. Chr. 3f Hipponikos ein Heer gegen die Tanagraier] vgl. Thukydides III, 91 8 die Wilden des Pherekrates] 420 v. Chr. 12 die Schmeichler des Eupolis] 421 v. Chr. S Anm. 3 Vgl. Platon, Protagoras 311a und 315d.
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keitsgefühl des Platon widersprechen, den Sokrates in Zeiten des herannahenden Alters in einem solchen Wettstreite mit den Sophisten darzustellen, und selbst den Protagoras, gegen den er sich doch einer gewissen Achtung nicht erwehren kann, in seinem wirklich hohen Alter zum Ziel einer solchen Sokratischen Ironie zu machen. Was aber Protagoras auch hier schon vergrößernd von seinem Alter rühmt, und wie Sokrates verkleinernd seiner eigenen Jugend gedenkt, dies mag nicht ohne Absicht geschrieben sein, um den Maaßstab derer lächerlich zu machen, die dem Platon selbst vielleicht die Jugend vorrükten. Denn Protagoras ward Anfangs der zwei und neunzigsten Olympiade während der von Antiphon dem Rhamnusier bewirkten Staatsveränderung aus Athen vertrieben,4 und starb, wie es scheint, auf seiner Flucht nach einigen siebzig nach andern neunzig Jahr alt. | Sucht man 222 W2 die Wahrheit sogar in der Mitte, wiewohl Platon im Menon sich offenbar für die erste Meinung erklärt, so konnte er fünf Olympiaden | früher nur mit einiger Großsprecherei gegen den fast vierzigjährigen 222 W1
4 a u s A t h e n v e r t r i e b e n . Dies erhellt aus Diog. Laert. IX, 54., wo sein Ankläger | Pythodoros einer der Vierhundert genannt wird, welche nicht gekannt zu 393 W1 haben Menagius übereilt versichert. Indeß bleibt die Möglichkeit, daß diese Anklage | 404 W2 20 später geschehen, und Pythodoros nur durch seinen Antheil an dieser ehemaligen Staatsveränderung bezeichnet wird, die sich aber schwerlich durch irgend etwas unterstüzen ließe.
T 13 Flucht nach] Flucht, nach W1 | siebzig nach] siebzig, nach W1 T Anm. 4 18 Pythodoros einer der Vierhundert genannt] Pythodoros, einer der Vierhundert, genannt W1 S 6 Protagoras…Alter] Platon, Protagoras 317c 7 Sokrates…Jugend] Platon, Protagoras 314b 10–12 Anfangs der zwei und neunzigsten Olympiade während der von Antiphon dem Rhamnusier bewirkten Staatsveränderung] Der Redner Antiphon (um 480-411 v. Chr.) war einer der Protagonisten der sog. Herrschaft der Vierhundert im Jahr 411 v. Chr.; vgl. Thukydides VIII, 63-72 13 nach einigen siebzig nach andern neunzig Jahr alt] Diogenes Laertius, Vitae Philosophorum IX, 55 f. 14 Menon] Platon, Menon 91e 15f fünf Olympiaden früher] Ende der 430er Jahre v. Chr., da Sokrates um 470 v. Chr. geboren ist S Anm. 4 Diogenes Laertius, Vitae Philosophorum IX, 54 (Protagoras); dazu s. Gilles Ménage: In Diogenem Laertium [...] observationes et emendationes [...], Amsterdam 1692, Bd. 1, S. 421.
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223 W2
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Sokrates so von seinem Alter rühmen. Darum würde ich immer, wenn man glaubt die Widersprüche der Zeit nicht lösen zu können, doch darauf beharren, die frühere Zeit sei die, welche dem Wesen des Gesprächs angehört, und in welche Platon den Leser eigentlich versezen wolle, und aus der späteren sei nur einiges als Verzierung vielleicht bewußtlos eingemischt. Denn zu ungründlich bleibt es doch, sich einfach dabei zu beruhigen, daß verschiedene Zeiten unter einander gemischt seien, und daß dies nicht aus der Weise und dem Gewissen der Alten hinausgehe. Doch es ist Zeit die minder wichtige Untersuchung der äußeren Bedingungen zu vertauschen mit der Betrachtung des Inneren dieses ziemlich verwikkelten und vielleicht nicht eben so gründlich verstandenen als vielfachgepriesenen Gesprächs. Sehr leicht ist es freilich die verschiedenen Abschnitte zu sondern und den Inhalt jedes einzelen der Ordnung nach auszuziehen; wer aber damit den Sinn des Ganzen gefunden zu haben glaubt, Entwurf und Anordnung als leicht und einfach rühmend, der kann schwerlich etwas anderes voraussezen als sehr mit Unrecht das schlechteste, daß nämlich gar keine anordnende Idee dem Ganzen zum Grunde liege, sondern ohne Einheit wie ohne Kunst und Absicht jedes wie es sich trifft sich aus dem früheren herausspinne. Vielmehr wer den Zwekk und die Idee des Ganzen nicht verfehlen will, in welchem gar vieles mannigfaltig durcheinander geht, der muß dem Zusammenhange | alles Einzelen genauer nachspüren, in welchen der Leser jezt vorläufig soll eingeführt werden. 1) Zuförderst sucht Sokrates den Jüngling, welcher dem Protagoras will zugeführt sein, über sein Vorhaben zur Besinnung zu bringen durch eine skeptische Untersuchung über das Wesen und die eigentliche Kunst der Sophisten. Diese wird von dem Protagoras selbst eben so indirekt
T 1–9 Darum…hinausgehe] fehlt W1 12 verwikkelten] verwikelten W1 19 Einheit wie] Einheit, wie W1 20 Absicht jedes] Absicht, jedes W1 21 Vielmehr] Denn W1 | Zwekk] auch in den Formen Hauptzwekk, Endzwekken, Abzwekkung grundsätzlich statt Zwek, -zwek, -zweken, -zwekung W1, vgl. dazu den Edit. Bericht, S. LXXXVII f. S 3 die frühere Zeit] Ende der 430er Jahre v. Chr.: Sokrates und die späteren Größen Athens wie Alkibiades, Agathon u. a. sind jung, Protagoras ist arriviert und älter, die Söhne des Perikles leben noch. 5 aus der späteren] um 420 v. Chr: Die beiden genannten Komödien des Pherekrates und des Eupolis setzen den Aufenthalt des Protagoras in Athen voraus, Kallias ist als Hausherr großzügiger Gastgeber, sein Vater Hipponikos ist offenbar schon tot, Hippias von Elis kann als Gegner Athens im Archidamischen Krieg kaum vor dem einjährigen Frieden 423 v. Chr. in Athen sein. 24f Zuförderst sucht Sokrates...] Platon, Protagoras 310a-314c
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wiewohl von einem andern Punkte aus gleichsam fortgesezt in einer nach vorgetragenem Gesuch gehaltenen kurzen Rede über den Umfang und das Alter der Sophistik, worin er theils die Kühnheit seines offenen Bekenntnisses zu diesem Gewerbe zur Schau trägt, theils die | Sache selbst als etwas altes, nicht etwa von den ältesten 223 W1 Weisen, sondern von Dichtern und Künstlern ableitet. Etwas unumwundenes und bestimmtes aber über diese Kunst kommt doch nicht eher ans Licht bis Sokrates ihm in einem kurzen dialogischen Abschnitt soviel abfragt, daß die bürgerliche Tugend eigentlich dasjenige ist, was den Gegenstand seines Unterrichtes ausmacht. 2) Hierauf stellt Sokrates in fortlaufender Rede, nur hingeworfen, durch Beispiele und Aeußerungen der herrschenden Denkungsart unterstüzt, den Saz auf, daß hierüber sich kein Unterricht ertheilen lasse; wozu Protagoras theils in einem Mythos vom Ursprung der Menschen und des geselligen Lebens den Gegenbeweis führt, theils auch indem er in einigen weiteren Erörterungen dieselbe gewöhnliche Handlungsweise, welche Sokrates für sich angeführt hatte, zu Gunsten seiner Behauptung umzudeuten sucht. 3) Auf Veranlassung des von dem Protagoras vorgetragenen knüpft nun Sokrates, nach einigen vorerinnernden Winken über den Unterschied zwischen einer epideikti|schen 224 W2 Rede und einem Gespräch, ein solches an über die Frage von der Einheit oder Mehrheit der Tugenden, worin er zuerst den die Mehrheit behauptenden Gegner nöthigt Gerechtigkeit und Frömmigkeit einander entgegenzusezen, dann als dieser sich sehr schlecht herauswikkelt, höflich abbrechend, ihm in einem zweiten Gange das Geständniß abdringt, auch Besonnenheit und Einsicht müßten einerlei sein, und zulezt im Begriff ist dasselbe von der Gerechtigkeit zu erweisen, als Protagoras absichtlich um den Faden abzureißen
T 6 ableitet] ableitete W1 6f unumwundenes und bestimmtes] direktes W1 als W1 25 herauswikkelt] herauswikelt W1
8 bis]
S 2f Rede über den Umfang und das Alter der Sophistik] Platon, Protagoras 316a-317c 8f in einem kurzen dialogischen Abschnitt] Platon, Protagoras 317e-319a 11 Sokrates in fortlaufender Rede] Platon, Protagoras 319a-320c 14f Mythos vom Ursprung der Menschen und des geselligen Lebens] Platon, Protagoras 320c-322a 15f in einigen weiteren Erörterungen] Platon, Protagoras 322a-328d 19f nach einigen vorerinnernden Winken] Platon, Protagoras 328d-329b 21f Frage von der Einheit oder Mehrheit der Tugenden] Platon, Protagoras 329b-333d 23 Gerechtigkeit und Frömmigkeit] Platon, Protagoras 331a-332a 26 Besonnenheit und Einsicht] Platon, Protagoras 332a-333d
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gewaltsam abspringend eine lange jedoch ganz empirische Erörterung über die Natur des Guten vorträgt. 4) Hieraus entstehen natür|lich neue Erklärungen über das Wesen des Gespräches, und indem ein neuer Kampfvertrag soll abgeschlossen werden, da sich je länger je mehr zur großen Freude der edlen Jünglinge die Sache zu einem förmlichen philosophischen Wettstreit gestaltet hat, finden auch Prodikos und Hippias Gelegenheit mit kleinen Reden nach ihrer Weise aufzutreten. Wie denn auch Sokrates über den Vorschlag einen Kampfrichter zu wählen seine Stimme abgiebt in einem Vortrage, der bei aller Kürze sich doch vor allen andern durch ein streng dialektisches Verfahren auszeichnet. 5) Den von ihm vorgeschlagenen Bedingungen gemäß ist nun Protagoras der Fragende geworden, und sezt nach Anleitung eines Simonideischen Gedichtes das Gespräch über die Tugend fort, ohne daß jedoch ein bestimmtes Ziel sichtbar wäre, zu welchem er auf diese Art hinführen wollte, sondern nur das Bestreben den Sokrates in Widersprüche zu verwikkeln, welcher jedoch zuerst als Antwortender nicht nur den Protagoras zurükschlägt, sondern auch noch einen lustigen | Nebenkrieg mit dem Prodikos führt, hernach aber selbst dieses Gedicht in einem fortlaufenden Vortrage erläutert, wobei der Saz, daß alles Böse nur aus Irrthum gewollt werde, als eine allgemeine Behauptung aller Weisen vorausgesezt, auch eine Ableitung der Philosophie aus der Lebensweisheit der Lakedaimonier und Kreter eingeschaltet, zulezt aber ernsthaft genommen nur mit der Folgerung geschlossen wird, daß durch solche Argumentationen aus Dichtern für die Feststellung der Begriffe nichts könne gewonnen werden. 6) Hierauf endlich wird der Dialog wieder aufgenommen, in welchem Sokrates nun seinerseits Fragender ist, und als sol|cher fortfährt
T 13 Simonideischen Gedichtes] Gedichts des Simonides W1 14 wäre, zu] wäre zu W1 16 verwikkeln] verwikeln W1 | jedoch] aber W1 18f hernach aber] und hernach W1 22 Lakedaimonier] Lakedaemonier W1 S 1f Erörterung über die Natur des Guten] Platon, Protagoras 333d-334c 3 Erklärungen über das Wesen des Gespräches] Platon, Protagoras 334c-338b 6f Prodikos und Hippias] Platon, Protagoras 337a-338b 8 Sokrates] Platon, Protagoras 338b-e 13 Anleitung eines Simonideischen Gedichtes] Platon, Protagoras 338e-340d 18 Nebenkrieg mit dem Prodikos] Platon, Protagoras 340d-342a 19f selbst dieses Gedicht in einem fortlaufenden Vortrage erläutert] Platon, Protagoras 342a-347a 22f Lebensweisheit der Lakedaimonier und Kreter] Platon, Protagoras 342a-343c 26 Dialog wieder aufgenommen] Platon, Protagoras 347a
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zu zeigen, daß die Tugend nur Eine sei, Erkenntniß, Wissenschaft, dessen nämlich was zu thun ist. Zuerst zeigt er dieses von der Tapferkeit, und nachdem er einen nur scheinbar treffenden Verweis des Protagoras hingenommen, läßt er ihn halb gutwillig eingestehen, daß es kein Gutes gebe als die Lust und außer der Unlust kein Uebel, woraus denn sehr leicht gefolgert wird, daß alle Tugend nichts sei als Wissenschaft des Berechnens und vergleichenden Messens. Und so wird vom Sokrates selbst der Widerspruch ans Licht gezogen, daß auf der einen Seite Protagoras, welcher doch die Tugend lehren zu können behauptet, sich geweigert habe zuzugeben, sie sei Wissenschaft, auf der andern Seite hingegen er selbst sich bemüht habe dieses zu beweisen, da doch seine Absicht dahin gegangen, jede Möglichkeit, als ob die Tugend könne gelehrt werden, zu bestreiten. Schon aus dieser kurzen Rechenschaft über das Einzele muß zur Genüge erhellen, daß auch hier die gewöhnlichen Ansichten, indem sie das Ganze nicht zu umfassen vermochten, sondern | sich mit einem 226 W2 Theile begnügen wollten, so gut als alles verfehlt haben. Einige nämlich haben, das Unzertrennliche von einander reißend, wie sie es auch in den bildenden Künsten zu thun pflegen, auf dasjenige ausschließlich ihr Augenmerk gerichtet, was doch nur als die Farbengebung des Ganzen kann betrachtet werden, auf die ununterbrochen fortgehende Ironie, welche allerdings noch jeder Leser dieses Gesprächs bewundert hat. Unverkennbar ist freilich, daß Platon dieses ihm eigene Talent hier in einem weiten Umfange und großer selbstbewußter Virtuosität spielen läßt, woher denn diejenigen, | die auf sein Studium der Mimen 226 W1 und seine Annäherung an das Komische einen großen Werth legen, leichtlich auf den Gedanken kommen konnten diese ironische Behandlung oder nenne man es Vernichtung der Sophisten für den Hauptzwekk des Protagoras zu nehmen. Es ist zwar hier der Ort nicht zu entscheiden, ob eben jene erworbene Vollkommenheiten, denn so
T 1 zeigen, daß] zeigen daß W1 | Erkenntniß] nämlich Erkenntniß W1 10 zuzugeben, sie] zuzugeben sie W1 12 Möglichkeit, als] Möglichkeit als W1 13 werden, zu] 1 werden zu W 16 vermochten, sondern] vermochten und W1 24 selbstbewußter] selbstbewuster W1 S 1 Tugend nur Eine] Platon, Protagoras 348c ff. 2 Tapferkeit] Platon, Protagoras 349d-360e 5 Gutes…Lust] Platon, Protagoras 351b-353b | Unlust…Uebel] Platon, Protagoras 353c-355b 25f diejenigen ... legen] Nach Diogenes Laertius, Vitae Philosophorum III, 18, besonders Friedrich Ast: De Platonis Phaedro, Jena 1801, S. 7 ff.; vgl. die Rez. von Schleiermacher 1802: KGA I/3, S. 467-481, wo allerdings kein Bezug zum Protagoras hergestellt wird.
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wenigstens werden sie dargestellt, dem Platon selbst soviel und in gleichem Sinne werth gewesen sind als einigen seiner Bewunderer; zweierlei aber ist gewiß und um für den gegenwärtigen Fall die Ansicht zu berichtigen hinreichend. Eines Theils nämlich ist dasjenige, was jedes auch unbewaffnete Auge hier überall wahrnimmt, bei weitem nicht die höchste Gattung von Ironie, weder des Platon überhaupt, noch auch dieses Werkes besonders, sondern nur jene untergeordnete mimische, die selbst bei den Neueren, sonst so wenig ironischen, unter einem neueren Namen nicht selten vorkommt. Andern Theils, daß jede Nachahmung der Eigenthümlichkeiten und Sitten bestimmter Personen doch nur aus dem Bestreben nach | Richtigkeit in Darstellung der Redenden hervorgeht, und also schon voraussezt, daß und was geredet werden soll, daß daher auch jene ironische Mimik überall zwar im Platon vorkommen kann und gewiß auch wirklich vorkommt, wo mit diesen Gegnern sokratischer Weisheit und Gesinnung etwas verhandelt wird nicht nur als leere Verzierung sondern als ein zur Sache selbst gehöriges Mittel, um die Wahrheit des Ganzen anschaulich zu machen und durch behutsame Entfernung von allem unnatürlichen und überladenen zu beurkunden, daß sie aber eben deshalb nirgend als erster oder eigentlicher Zwekk | darf gedacht werden, weil eben dann theils die Ueberladung unvermeidlich wäre, theils die philosophische Absicht, ohne welche gewiß nie ein größeres Platonisches Werk gebildet ist, entweder müßte untergeordnet gewesen sein oder gänzlich gefehlt haben. Andere hingegen, allzusehr auf die reale Ausbeute begierig, und nicht eben glükliche Finder, weil sie ohne Kenntniß der Gegend suchen, haben sich nur an eine aufgeworfene Frage gehalten, als sollte diese hier entschieden werden, sei es nun die von der Lehrbarkeit der Tugend oder die von ihrer Einheit und Vielheit, denn wer so nur etwas einzeles auffaßt, muß nothwendig schwanken. Wie unzureichend auch dieses ist, erhellt daraus, daß aus einem solchen Gesichtspunkte manche Theile des Gespräches sich gar nicht er-
T 7 nur] auch W1 9 Theils, daß] Theils daß W1 12 voraussezt, daß] voraussezt das W1 16 wird nicht] wird, nicht W1 | Verzierung sondern] Verzierung, sondern W1 18 machen und] machen, und W1 19 daß sie aber eben deshalb] eben deshalb aber W1 23 gebildet] gewesen W1 26 eine] die W1 27 die] fehlt W1 28 die] fehlt W1 S 6 Ironie] Anspielung im Folgenden auf die sog. romantische Ironie; vgl. z. B. F. Schlegel: Lyceums-Fragmente 1797, Nr. 108, KA Bd. II, S. 160 24 Andere] Gemeint ist wohl M. Dacier: Les Œuvres de Platon, Tom. 2, S. 409-435, bes. S. 410-430; dt.: Sechs auserlesene Gespräche Platons, S. 218-229, bes. S. 220-225.
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klären lassen, wie gleich die erwähnten beiden Herleitungen der Sophistik und der Philosophie und die ganze Verhandlung über das Simonideische Gedicht, ferner, daß selbst dasjenige, was sich näher auf jene Fragen bezieht, nicht fortschreitet, sondern auf eine wunderliche Art immer wieder von vorn und fast von fern anhebt: | ja um es mit 228 W2 einem Worte zu sagen, wie könnte eine Untersuchung der Hauptzwekk des Ganzen sein, von welcher am Ende desselben, ironisch zwar auf der einen Seite, aber auch sehr wahr auf der andern, gesagt wird, sie sei, nämlich um sie zur Entscheidung zu bringen, schlecht und verkehrt genug geführt worden? Wer aber nicht nur auf dieses und jenes in diesem Gespräch achtet, sondern auf alles, auf die häufig eingestreuten beiläufigen Winke, die man im Platon am wenigsten vernachlässigen darf, auf den Wechsel der Formen in den verschiedenen Abschnitten, auf dasjenige was in | und zwischen denselben ohnerachtet aller Mannigfaltigkeit der Ge- 228 W1 genstände immer wiederkehrt, der wird eben in diesem Streit über die Form und Methode die Hauptabsicht des Ganzen erkennen, den Vorsaz nämlich im Gegensaz gegen alle sophistische Formen, die daher auch alle vorkommen selbst das Commentiren über Stellen der Dichter nicht ausgeschlossen, die sokratische Gesprächsform als die eigenthümliche Form jeder ächt philosophischen Mittheilung lobpreisend und verherrlichend zu verkündigen. Stellen wir uns in diesen wahren Mittelpunkt des Werkes: so sehen wir zuerst auf das bestimmteste, wie es sich durch vielfache Verschlingungen an den Phaidros aufs genaueste anschließt. Nämlich so wie dort das Innere des philosophirenden Verfahrens war aufgestellt worden, so wird hier das Aeußere gefunden, und was sich dafür ausgiebt beurtheilt. Ferner so wie dort in die Untersuchung über die Methode auch die Darstellung des mittheilenden Triebes war verwebt worden, und zwar nicht jenes gemeinen, der ein fälschlich sogenanntes eigentlich aber leeres Wissen aus Eitelkeit wei|ter verbreiten, sondern eines solchen der vermittelst der Ideen 229 W2 die Seele bilden will, so daß auf das ethische als die Wurzel aller
T 2f Simonideische] Simonidische W1 3 ferner] wie auch W1 5 fern] ferne W1 13 vernachlässigen darf] vernachläßigen muß W1 17 erkennen, den] erkennen: den W1 19 vorkommen selbst] vorkommen, selbst W1 23 Werkes: so] Werkes, so W1 24 Phaidros] hier und im Folgenden Phädros W1, vgl. dazu den Editorischen Bericht, S. LXXXVIII 30 sogenanntes eigentlich] sogenanntes, eigentlich W1 31 solchen der] solchen, der W1 32 ethische als] ethische, als W1 S 1 die erwähnten beiden Herleitungen] Platon, Protagoras 316a-317e. 320c-323a 2f Verhandlung über das Simonideische Gedicht] Platon, Protagoras 338e-347a
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sokratischen Philosophie alles andere sich gründet: eben so ist auch hier die Frage über die Möglichkeit jenen Trieb zu befriedigen der Gegenstand, an welchem die verschiedenen Formen sich zeigen und der Vergleichung hergeben müssen, und zwar so, daß auch hier ausschließend von der Mittheilung des ethischen die Rede ist, welches eben den Sinn ausmacht von der Frage über die Lehrbarkeit der Tugend. Ja auch was die äußere Bildung des Ganzen betrifft | zeigt sich zwischen beiden ein auffallender Zusammenhang, indem auch hier dem damaligen Zustande der Dinge gemäß die Form eines Wettstreites entsteht; nur noch lebendiger, wie denn die Sophisten den Philosophen näher verwandt waren als die Redner, so daß auch die polemische Richtung des Phaidros hier fortgesezt und gesteigert erscheint. Ferner zeigt sich auch von hier aus die Anordnung des Ganzen und jedes Einzele an seiner Stelle verständlich, und die fast aus jedem andern Gesichtspunkt nur kreisförmig scheinende Bewegung vielmehr als eine schön und gleichmäßig fortschreitende. Indem nämlich durch die Vergleichung der Formen die Dürftigkeit der sophistischen Methode je länger je mehr sichtbar wird, und sich in Beispielen deutlicher zeigt; wie leicht das epideiktische Reden sich dazu hergiebt vom Innern der Sache abzuführen, und wie vieles auch dem Anscheine nach schönes auf diese Art Mehrere nebeneinander hin reden können ohne sich jemals zu verständigen, und wie dagegen die dialogische Form sehr bald die wahre Meinung eines Jeden ans Licht bringt, den Siz der Verschie|denheit aufspürt, und wo nur nicht bei einem Theile gänzlicher Mangel an Sinn entgegensteht, auch den ursprünglichen Irrthum entdekt; in eben dem Maaß entwikkeln sich auch durch die immer erneuerten Erörterungen des Gegenstandes von allen Seiten immer deutlicher die Gründe, weshalb die Sophisten zu einer besseren Methode nicht gelangen konnten, die schlechtere aber mit Wohlgefallen ausbildeten, nämlich die Abwesenheit des ächten philosophischen Triebes, und die niedrigen Bestrebungen und Absichten, um derentwillen sie vornehmlich ihre Kunst betrieben. Und diese Harmonie, welche | ihre Wirkung thun muß, wie alles Kunstschöne, wenn sie auch nach ihren Gründen nicht erkannt wird, ist gewiß größtentheils die Quelle des hohen Wohlgefallens aller
T 1 Philosophie alles] Philosophie, alles W1 | gründet: eben] gründet; eben W1 2 Frage über] Frage, über W1 | befriedigen der] befriedigen, der W1 9 hier dem] hier, dem W1 | gemäß die] gemäß, die W1 15 aus jedem andern Gesichtspunkt] jedem 19 zeigt; wie] zeigt, wie W1 22 können ohne] können, ohne W1 Andern W1 1 26 entwikkeln] entwikeln W 29 die schlechtere aber] und die schlechtere W1
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Lesenden an diesem vollendeten Werke. So enthüllt gleich die erste Rede des Protagoras seinen Eigendünkel und seine Gewinnsucht, so zeigt sich schon in dem ersten Gespräch, indem er sich gefallen läßt, das Gegentheil der Besonnenheit auch dem Wissen entgegenzusezen, daß es ihm da wo die Tugend getheilt werden soll, und also der Unterschied zwischen dem theoretischen und praktischen vornehmlich statt findet, dennoch an Sinn für denselben gänzlich fehlt. Wenn jedoch dieses eine vom Platon diesem Manne willkührlich angedichtete Stumpfsinnigkeit wäre: so wäre es dennoch kunstlos genug. Aber es bezieht sich gewiß auf etwas was dem Platon und seinen Zeitgenossen vor Augen lag, gleichviel ob vom Protagoras oder von einem andern. Denn jener ist hier weniger er selbst als das Gesezbild seiner Sippschaft. Eben so nun entdeckt weiter die Folge, daß es dem Protagoras nicht besser ergeht in Absicht auf den Unterschied zwischen | dem Angenehmen und Guten. Und wenn wir am Ende, wo Sokrates 231 W2 ihm seinen großen Widerspruch aufdekt, erfahren, daß er über die ersten Bedingungen der Bildung Anderer und über den Begriff der Tugend, die er ihnen anbilden will, auch nicht im mindesten nachgedacht hat: so sind wir unterdeß auch inne geworden, wie weit er entfernt bleiben mußte von derjenigen Methode, die es nur darauf anlegt den Zögling der Philosophie zum Selbstbewußtsein zu bringen und zum Selbstdenken zu nöthigen. Als eine solche nun hat sich unterdessen die dialogische bewährt; sie ist es, welche dies alles zur Anschauung bringt und diejenigen entscheidenden Punkte herbeiführt, und zum Anerkennen oder Abläugnen vorlegt, durch deren Uebersehen sich Protagoras als ein solcher entdekt, der die sittliche Wahrheit niemals erkannt und also auch sittlichen Endzwekken niemals nachgestrebt hat. Dieses Vorlegen eben und Versuchen ob das Rechte wohl möchte gefunden werden, | ist die Absicht der vielfachen künstlichen 231 W1 dialektischen Wendungen des Sokrates, welche nur ein der Platonischen Weise ganz Unkundiger ihm als Künsteleien und Sophismen fälschlich anrechnen durfte. Vielmehr sind eben sie, wenn man sie mit der Ausführung des Phaidros vergleicht, schon ein deutlicher Beweis
T 7–13 Wenn…Sippschaft] fehlt W1 13 Eben so nun entdeckt weiter] Weiter entdekt W1 13f dem Protagoras] ihm W1 15 Guten. Und] Guten, und W1 | Ende, wo] Ende wo W1 16 aufdekt, erfahren] aufdekt erfahren W1 19 hat: so] hat, so W1 22f unterdessen] indeß W1 24 diejenigen] die W1 S 1f die erste Rede des Protagoras] Platon, Protagoras 316a-317e 3 in dem ersten Gespräch] Platon, Protagoras 328d-334c 15 Angenehmen…Guten] Platon, Protagoras 348c-360c | am Ende] Platon, Protagoras 360e-362a
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von Platons Fortschritten auch als philosophischen Künstlers. Denn im Phaidros finden wir zwar jenes indirecte Verfahren, welches gleichsam den wesentlichen Charakter aller besonders nicht unmittelbar darstellenden Gespräche des Platon ausmacht, im Ganzen der Komposition schon ziemlich herrschend im Einzelen aber nur sehr sparsam angewendet; hier aber im Einzelen nicht minder als im Ganzen überall be|folgt, so daß der Protagoras schon ein vollkommener Versuch ist die lebendige und beseelte Rede des Wissenden auch schriftlich nachzuahmen. Wie denn auch die im Phaidros vorgetragenen dialektischen Vorschriften der Täuschung und Enttäuschung mit jenem mühsamen Fleiß in Ausübung gebracht sind, mit dem tüchtige schon weit fortgeschrittene Lehrlinge einer Kunst oder angehende Meister derselben in ihren Uebungsstükken alle Gelegenheiten aufsuchen um, wo es nur angeht, etwas von den erkundeten Geheimnissen für das Auge des Kenners niederzulegen. Es ist aber nicht nur die ausübende Dialektik und die lobpreisende Anerkennung der ächten philosophischen Kunstform, welche hier weiter fortgebildet erscheint als im Phaidros, sondern auch der wissenschaftliche Gehalt desselben ist vorgerükt. Die Behauptung zwar, die Tugend sei die Erkenntniß dessen was zu thun oder zu wählen ist, und also das Böse je|desmal nur Irrthum: diese zwar, so sehr es auch dem Platon Ernst damit gewesen ist, wird hier nicht nach seinem Sinne bestimmt und als gradehin seine Meinung vorgetragen, sondern gehört vielmehr, unbestimmt wie sie gelassen ist, zu dem Gewebe, worin er diejenigen verstrikt, die sich des wahren Begriffs vom Guten noch nicht bemächtigt haben, welches theils aus der sichtbar ironischen Behandlung des ganzen Sazes hervorgeht, theils aus der Verbindung, in welche er so leicht gesezt wird mit jener ganz unsokratischen und
Noten Spaldings (SN 157) zu 1r 16–19 Einl. (verl.): Es ist aber — philosophischen Kunstform — sondern auch der wissenschaftliche Gehalt d e s s e l b e n — Ich verstehe dieses Maskulinum nicht, und doch kann ich auch nicht glauben, daß d e r s e l b e n zu schreiben sei, als bezogen auf K u n s t f o r m . T 3 aller besonders] aller, besonders W1 5 herrschend im] herrschend, im W1 12 Kunst oder] Kunst, oder W1 13 Uebungsstükken] Uebungsstüken W1 | aufsuchen um, wo] aufsuchen, um wo W1 14 angeht, etwas] angeht etwas W1 22f Sinne] Sinn W1 28 wird mit] wird, mit W1 S 20 Tugend…Erkenntniß] Platon, Protagoras 359a-360e Protagoras 358a-359a
21 das Böse] Platon,
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unplatonischen Ansicht, daß das Gute nichts anderes ist als das Angenehme, theils auch aus der nur hieraus folgenden Zurükführung dessen, was an der Tugend Erkenntniß und Wissenschaft sein konnte, auf | Meß- und Rechenkunst. Wenigstens aber finden wir hier einige 233 W2 indirecte Andeutungen, um, was allerdings vorhergehen muß, den Begriff der Erkenntniß selbst erst genauer zu bestimmen. So ist offenbar der scheinbare Widerspruch, den Sokrates selbst von sich aufdekt, daß er nämlich die Lehrbarkeit der Tugend bestreite, und doch daß sie Erkenntniß sei behaupte, eine Anreizung, um nach Erwägung dessen, was schon im Phaidros von den Ideen gesagt war, über das Verhältniß des Wissens zum Lehren nachzudenken. Eine ähnliche Abzwekkung hat auch die wiewohl zugleich für den Protagoras ironisch auf die Heraklitische Schule sich beziehende Entgegensezung des Werdens und Seins. Wie denn auch die untergeordnete Frage von der Einheit und Vielheit der Tugend nur ein einzeler Fall ist unter die allgemeinere Untersuchung vom Einen und Vielen gehörig, oder von der Art, wie die Ideen sich dem Besonderen mittheilen. So daß die | Ideenlehre hier 233 W1 schon anfängt von dem mythischen Gebiet in das wissenschaftliche überzugehen, und durch eben die angeführten Säze der Protagoras über seine unmittelbare Bestimmung hinaus auch noch die Keime zu mehreren folgenden Platonischen Werken enthält, und zwar so, daß auch hieraus schon erhellt, er sei von früher her als alle anderen Gespräche, in denen über diese Fragen ausführlicher gehandelt wird. Den Mythos aber, welchen Protagoras vorträgt, darf man keinesweges, wie Einige gutmüthig rühmend gethan haben, den Platonischen beizählen; vielmehr ist er, wenn nicht vielleicht im Wesentlichen dem Protagoras selbst angehörig, wie zwar keine Zeugnisse
T 2f dessen, was] dessen was W1 3f konnte, auf] konnte auf W1 12 die wiewohl] die, wiewohl W1 19 Säze der] Säze, der W1 22 von früher her] früher W1 S 1f Gute…Angenehme] Platon, Protagoras 351b-353b 4 Meß- und Rechenkunst] Platon, Protagoras 356c-357c 7 Widerspruch, den Sokrates selbst von sich aufdekt] Platon, Protagoras 319a-320c vs. 359a-360e 12f Heraklitische Schule] Heraklit von Ephesos, vorsokratischer Philosoph, um 500 v. Chr. 14f Frage von der Einheit und Vielheit der Tugend] Platon, Protagoras 328d ff. und 348c ff. 18 von dem mythischen Gebiet in das wissenschaftliche] Vgl. Johann August Eberhard: Von dem Zweck der Philosophie des Sokrates und den Platonischen Mythen, in: Neue Vermischte Schriften, Halle 1788, S. 354-402, mit Bezug auf Platons Protagoras S. 383-387; vgl. auch die Gesamteinleitung S. 54. 24 Mythos] Platon, Protagoras 320c-322d 25 Einige] Nicht nachgewiesen; in der von Schleiermacher sonst zum Protagoras durchgängig verglichenen Literatur nicht aufgefunden.
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bestätigen, | aber die Art, wie ihn Platon gebraucht, wahrscheinlich macht, gewiß wenigstens ganz in dessen Geiste gedichtet. Denn grade wie es einer grobmaterialistischen Denkungsart, die über die unmittelbare sinnliche Erfahrung nicht hinaus philosophirt, nothwendig ist, wird die vernünftige Anlage im Menschen nur als Ersaz für die mangelhafte körperliche Ausstattung, und Recht und Scham nur als Hülfsmittel für das sinnliche Leben, und als etwas erst später in die Menschen hineingebrachtes angesehen. Daher ist auch die Beweiskraft dieses Mythos, weil Platon einer solchen Ansicht keine andere zu geben wußte, sehr rednerisch gehalten, indem er Erörterungen aus Gründen nicht sowohl erspart als nur den Mangel derselben fühlbar macht, da selbst das, was er eigentlich erklären soll, mit dem Verlauf der Erzählung nicht zusammenhängt, sondern nur als ein Machtspruch des Zeus angeführt wird. Fremdartig scheint er deshalb auch mit Absicht in der Schreibart, und wahrscheinlich dem Protagoras nachgebildet.5 | Und was des Sokrates Deutung von dem Gedichte des
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393 W1 5 d e m P r o t a g o r a s n a c h g e b i l d e t . Dieses hat verständig genug schon | 404 W2 Philostratos bemerkt oder nachgeschrieben, welcher im Protagoras Vit. Soph. I, 494. sagt: γνοὺς δὲ τὸν Πρωταγόραν ὁ Πλάτων σεμνῶς μὲν ἑρμηνεύοντα, ὑπτιάζοντα δὲ τῇ σεμνότητι καί που καὶ μακρολογώτερον τοῦ συμμέτρου τὴν ἰδέαν αὐτοῦ μύθῷ μακρῷ 20 ἐχαρακτήρισεν. Platon, wohl wissend, wie Protagoras zwar mit Würde sich ausdrükte, bei der Würde aber dennoch nachlässig war, und wohl auch weitläuftiger als schön, hat seine Schreibart in einer langen Erzählung nachgebildet. Nur wie Olearius darauf gekommen, dieses auf den Theaitetos zu beziehen, da es offenbar auf den Mythos unseres Gespräches geht, ist nicht zu begreifen. 25
T 1 Art, wie] Art wie W1 | gebraucht, wahrscheinlich] gebraucht wahrscheinlich W1 2 gewiß] fehlt W1 9 andere] fehlt W1 T Anm. 5 19 ὑπτιάζοντα] ὑππτιάζοντα verdruckt W1 W2 | 22 nachlässig] nachläßig W1 | 24 Theaitetos] Theätetos W1 | 25 begreifen.] fälschlich begreifen, W1 S 16 Sokrates Deutung] Platon, Protagoras 342a-347a S Anm. 5 Philostratus, Vitae Sophistarum I, 494, in: Philostratorum quae supersunt omnia ... rec. G. Olearius, Leipzig 1709 [SB 1468], S. 494 f. „γνοὺς ... ἐχαρακτήρισεν. nescio an respiciat locum in Theaeteto, ubi μῦθος dicuntur, quaedam a Protagora prolata: ceterum in Phaedro p. 353. ὀρθοέπεια γέτις καὶ ἄλλα πολλὰ καὶ καλὰ in eo esse agnoscuntur.“ Schleiermacher hat diese und die folgenden Passagen ausführlich exzerpiert, erhalten in BBAW, SN 185, f. 4-8 (s. S. LXXV). – Vgl. den Brief an F. Schlegel vom 14.3.1801, KGA V/5, Nr. 1030, 65 f.
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Simonides betrifft, von dem uns nichts erhalten ist als eben diese Bruchstükke, daß es nämlich eine Rüge sein soll gegen den Spruch des Pittakos, so ist sie gar nicht lediglich als Scherz zu nehmen. Wenigstens besizen wir noch ein allgemein dem Simonides zugeschriebenes, und diesem hier in Sprache und Manier unverkennbar ähnliches Gedicht,6 welches sich eben so polemisch auf das im Phaidros angeführte Epigramm des Kleobulos bezieht, der ja selbst auch zu den Sieben gehörte. 6
ä h n l i c h e s G e d i c h t . S. Brunckii Anal. I, 122, X.
T 2 Bruchstükke] Bruchstüke W1 4 zugeschriebenes] zugeschrienes W1 S 2f Spruch des Pittakos] Platon, Protagoras 339d u. ö. – Pittakos von Mytilene (Lesbos), Staatsmann und einer der Sieben Weisen, im behandelten Gedicht des Simonides erwähnt, ca. 651/50-578/77 oder 570/69 v. Chr. 7 Epigramm] Platon, Phaidros 264d | Kleobulos] Tyrann von Lindos (Rhodos), 7.-6. Jh. v. Chr., einer der Sieben Weisen S Anm. 6 Analecta veterum poetarum Graecorum, ed. Richard Friedrich Philipp Brunck, Tom. I. Straßburg 1729, S. 122: Simonides X. (= PMG 581 Page, überliefert bei Diogenes Laertius, Vitae Philosophorum I, 90): Τίς κεν αἰνήσειε νῷ πίσυνος Λίνδου ναέταν Κλεόβουλον, ἀεννάοις ποταμοῖς, ἄνθεσί τ᾽ εἰαρινοῖς ἀελίου τε φλογὶ, χρυσᾶς τε σελάνας, καὶ θαλασσαίαισι δίναις ἀντιθέντα μένος στάλας; ἅπαντα γάρ ἐστι θεῶν ἥσσω· λίθον δὲ καὶ βρότειοι παλάμαι θραύοντι. μωροῦ φωτὸς ἅδε βουλά.
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Vorarbeiten (handschriftlich)
ΤΑ ΤΟΥ ΔΙΑΛΟΓΟΥ ΠΡΟΣΩΠΑ ΕΤΑΙΡΟΣ, ΣΩΚΡΑΤΗΣ, ΙΠΠΟΚΡΑΤΗΣ, ΠΡΩΤΑΓΟΡΑΣ, ΑΛΚΙΒΙΑΔΗΣ, ΚΑΛΛΙΑΣ, ΚΡΙΤΙΑΣ, ΠΡΟΔΙΚΟΣ, ΙΠΠΙΑΣ. Πόθεν, ὦ Σώκρατες, φαίνῃ; ἢ δηλαδὴ ὅτι ἀπὸ κυνηγεσίου τοῦ περὶ τὴν Ἀλκιβιάδου ὥραν; καὶ μήν μοι καὶ πρώην ἰδόντι καλὸς μὲν ἐφαίνετο ἀνὴρ ἔτι· ἀνὴρ μέντοι, ὦ Σώκρατες (ὥς γ᾽ ἐν αὐτοῖς ἡμῖν εἰρῆσθαι) καὶ πώγωνος ἤδη ὑποπιμπλάμενος. ΣΩ. Εἶτα τί τοῦτο; οὐ σὺ μέντοι Ὁμήρου ἐπαινέτης εἶ, ὃς ἔφη χαριεστάτην ἥβην εἶναι τοῦ ὑπηνήτου; ἣν νῦν Ἀλκιβιάδης ἔχει; ΕΤ. Τί οὖν τανῦν ἢ παρ᾽ ἐκείνου φαίνῃ; καὶ πῶς πρός σε ὁ νεανίας διάκειται;
Text aus: Πλάτων. Platonis philosophi quae exstant graece, ad editionem Henrici Stephani accurate expressa, cum Marsilii Ficini interpretatione accedit varietas lectionis studiis Societatis Bipontinae, Bd. 3, Zweibrücken 1782 [SB 1490], S. 83-193 mit S. 355-361 (Variae lectiones). Varianten u. a. aus: Heindorf 1810 (Platonis Dialogi Tres ... Protagoras, ed. L. F. Heindorf, Berlin 1810); Ed.Berlin 1816 (Platonis Dialogi graece et latine ex recensione Immanuelis Bekkeri, Bd. 1.1, Berlin 1816); Comm. 1 1823 (I. Bekkeri in Platonem a se editum commentaria critica. Accedunt scholia, Bd. 1, Berlin 1823). 7 δηλαδὴ] δῆλα δὴ Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina), Variae lectiones, S. 355 Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 457 f.) Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W1 W2 15–17 ὃς ... ὑπηνήτου; ἣν ... ἔχει;] ὃς ... ὑπηνήτου, ἣν ... ἔχει; Heindorf 1810 Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. W2 18f Τί οὖν τανῦν ἢ παρ᾽ ἐκείνου φαίνῃ;] Τί οὖν τανῦν; ἦ παρ᾽ ἐκείνου φαίνῃ; Heindorf 1810 | Τί οὖν τὰ νῦν; ἦ παρ᾽ ἐκείνου φαίνει; Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. W2
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 309b (Z. 18 f.): Τι ουν τανυν η παρ᾽ εκεινου φαινη; Cornarius: Quid igitur nunc? num ab illo nobis ades?
Text des Exzerptes aus Cornarius aus: BBAW, SN 156/1; Üs.: Protagoras. Ex Cornarii versione et Eclogis (d. h. aus: Platonis [...] opera [...] Latina lingua conscripta. Eiusdem Iani Cornarii Eclogae decem, breviter et sententiarum, et genuinae verborum lectionis, locos selectos complectentes. [...], Basel 1561; vgl. auch Eclogae in dialogos Platonis [...] Leipzig 1771). Text der Homer-Stellen und Simonides-Zitate aus: BBAW, SN 156/2; Üs. auf f. 1r: Citationen des Simonideischen Gedichts. Noten Spaldings aus: BBAW, SN 157. Lesarten einer verlorenen Hs. des Textes (Übers.) aus: Spld. (SN 157). S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 432.
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Protagoras 2. Auflage
PROTAGORAS.
PROTAGORAS.
EIN FREUND. SOKRATES.
EIN FREUND. SOKRATES.
FR. Woher erscheinst du uns, Sokrates? oder versteht es sich von der Jagd auf des Alkibiades Schönheit? Wahrlich auch ich fand ihn erst neulich, als ich ihn sah, noch einen schönen Mann; aber doch einen Mann, Sokrates, unter uns gesagt, und dem der Bart schon überall hervorwächst. SOK. Nun und was ist das mehr? Lobst du nicht den Homeros1, welcher das die holdesten Reize der Jugend nennt, wenn der Bart nun entkeimt, welcher eben Alkibiades sich izt erfreut! FR. Aber wie ist es? Kommst du jezt eben von ihm? und wie zeigt sich der Jüngling gegen dich?
FR. Woher erscheinst du uns, Sokrates? oder versteht es sich von der Jagd auf des Alkibiades Schönheit? Wahrlich auch ich fand den Mann erst neulich, als ich ihn sah, noch recht schön; aber ein Mann ist er doch, Sokrates, unter uns gesagt, und dem der Bart schon überall hervorwächst. SOK. Nun und was ist das mehr? Lobst du nicht den Homeros1, welcher das die holdesten Reize der Jugend nennt, wenn nun der Bart aufkeimt? und dieser eben erfreut sich jezt Alkibiades. FR. Aber was nun? Kommst du von ihm? und wie zeigt sich der Jüngling gegen dich?
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d e n H o m e r o s . Bei diesem wird vom Hermes gesagt, Il. XXIV., 347. Odyss. X., 279. νεηνίῃ ἀνδρὶ ἐοικὼς πρῶτον ὑπηνήτῃ τοῦπερ χαριεστάτη ἥβη. Vossens Uebersezung: Ein blühender Jüngling von Ansehn Dem die Wange sich bräunt im holdesten Reize der Jugend, war vom Gebrauch dieser Stelle zu abweichend.
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Text nach: W1 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 11804, S. 235-318 und S. 392-408 mit Druckfehler-Verzeichnis S. 413).
Text nach: W2 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 21817, S. 235-318 und S. 403-420).
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S Anm. 1 Homer, Odyssee 10, 278 f. in der Übersetzung von Johann Heinrich Voß: Homers Odyssee 1793. Die zuerst genannte Stelle Homer, Ilias 24, 347 f., hat bis auf den Anfang identischen Wortlaut.
d e n H o m e r o s . Bei diesem wird vom Hermes gesagt, Il. XXIV., 347. Odyss. X., 279. νεηνίῃ ἀνδρὶ ἐοικὼς πρῶτον ὑπηνήτῃ τοῦπερ χαριεστάτη ἥβη. Vossens Uebersezung: Ein blühender Jüngling von Ansehn Dem die Wange sich bräunt im holdesten Reize der Jugend, war vom Gebrauch dieser Stelle zu abweichend.
S 13–17 welcher…Alkibiades] nach Heindorf und Bekker wie Spalte 1 App. 18f Aber…ihm] nach Bekker wie Spalte 1 App. S Anm. 1 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 1.
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ΣΩ. Εὖ ἔμοιγε ἔδοξεν· οὐχ ἥκιστα δὲ καὶ τῇ νῦν ἡμέρᾳ. καὶ γὰρ πολλὰ ὑπὲρ ἐμοῦ εἶπε, βοηθῶν ἐμοί· καὶ οὖν ἄρτι ἀπ᾽ ἐκείνου ἔρχομαι. ἄτοπον μέντοι τί σοι ἐθέλω εἰπεῖν. παρόντος γὰρ ἐκείνου, οὔτε προσεῖχον τὸν νοῦν, ἐπελανθανόμην τε αὐτοῦ θαμά. ΕΤ. Καὶ τί ἂν γεγονὸς εἴη περί σε κᾀκεῖνον τοσοῦτον πρᾶγμα; οὐ γὰρ δή που τινὶ καλλίονι ἐνέτυχες ἄλλῳ ἔν γε τῇδε τῇ πόλει. ΣΩ. Καὶ πολύ γε. ΕΤ. Τί φῄς; ἀστῷ, ἢ ξένῳ;
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ΣΩ. Ξένῳ. ΕΤ. Ποδαπῷ; ΣΩ. Ἀβδηρίτῃ. ΕΤ. Καὶ οὕτως καλός τις ὁ ξένος ἔδοξέ σοι εἶναι, ὥστε τοῦ Κλεινίου υἱέος καλλίων σοι φανῆναι; ΣΩ. Πῶς δ᾽ οὐ μέλλει, ὦ μακάριε, τὸ σοφώτατον κάλλιον φαίνεσθαι; ΕΤ. Ἀλλ᾽ ἦ σοφῷ τινι ἡμῖν, ὦ Σώκρατες, ἐντυχὼν πάρει;
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ΣΩ. Καὶ σοφωτάτῳ μὲν οὖν δήπου τῶν γε νῦν· εἴ σοι δοκεῖ σοφώτατος εἶναι Πρωταγόρας. ΕΤ. Ὢ τί λέγεις· Πρωταγόρας ἐπιδεδήμηκε; ΣΩ. Τρίτην γε ἤδη ἡμέραν. ΕΤ. Καὶ ἄρτι ἄρα ἐκείνῳ συγγεγονὼς ἥκεις;
4 ἄρτι] καὶ ἄρτι Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 51 [149,13], übersetzt W2 22 σοφώτατον] σοφώτερον Heindorf 1810 z. St. (S. 459, nach Ficinus: sapientius) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 51 [150,11], übersetzt W2
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SOK. Sehr gut, dünkt es mich, und zumal heute. Denn gar vieles hat er zu meiner Vertheidigung geredet; auch komme ich unmittelbar von ihm. Etwas wunderbares aber muß ich dir sagen, nämlich obgleich er zugegen war, habe ich doch wenig auf ihn geachtet, ja ihn nicht selten ganz vergessen. FR. Was kann doch von der Art zwischen dir und ihm sich ereignet haben? Denn einen | andern schöneren hast du doch hier in der Stadt wohl nicht angetroffen. SOK. Und zwar einen weit schöneren. FR. Was sagst du? einen Einheimischen oder Fremden? SOK. Einen Fremden. FR. Und von wannen? SOK. Von Abdera. FR. Und so schön dünkte dich der Fremde, daß du ihn schöner findest, als den Sohn des Kleinias? SOK. Wie sollte man denn nicht, du kluger Freund, das weiseste als das schönere finden? FR. So bist du wohl eben mit einem Weisen zusammen gewesen und kommst uns von daher? SOK. Und zwar mit dem Weisesten unter denen wenigstens die jezt leben; wenn du den Protagoras für den Weisesten hältst. FR. O was du sagst! Protagoras ist bei uns eingewandert? SOK. Seit drei Tagen schon. FR. Und eben aus seiner Gesellschaft kommst du?
SOK. Sehr gut, dünkt es mich, und zumal heute. Denn gar vieles hat er zu meiner Vertheidigung geredet; auch komme ich grade von ihm. Etwas wunderbares aber muß ich dir sagen, nämlich obgleich er zugegen war, habe ich doch wenig auf ihn geachtet, ja ihn nicht selten ganz vergessen. FR. Was kann doch so großes zwischen dir und ihm gewesen sein? Denn einen andern | schöneren hast du doch hier in der Stadt wohl nicht angetroffen. SOK. Und zwar einen weit schöneren. FR. Was sagst du? einen Einheimischen oder Fremden? SOK. Einen Fremden. FR. Und von wannen? SOK. Von Abdera. FR. Und so schön dünkte dich der Fremde, daß er dir schöner erschien als der Sohn des Kleinias? SOK. Wie sollte denn nicht, du kluger Freund, das weisere immer als das schönere erscheinen? FR. So bist du wohl eben mit einem Weisen zusammen gewesen, und kommst uns von daher? SOK. Und zwar mit dem Weisesten unter denen wenigstens die jezt leben; wenn du den Protagoras für den Weisesten hältst. FR. O was du sagst! Protagoras ist bei uns eingewandert? SOK. Seit drei Tagen schon. FR. Und eben aus seiner Gesellschaft kommst du?
T 15 SOK] verdruckt SOH W1 verdruckt FK W1
S 4 grade] nach Bekker wie Spalte 1 App. 26 das weisere] nach Heindorf und Bekker wie Spalte 1 App.
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Vorarbeiten (handschriftlich)
ΣΩ. Πάνυγε πολλὰ καὶ εἰπὼν καὶ ἀκούσας. ΕΤ. Τί οὖν οὐ διηγήσω ἡμῖν τὴν ξυνουσίαν; εἰ μή σε τὶ κωλύει, καθιζόμενος ἐνταυθοῖ, ἐξαναστήσας τὸν παῖδα τουτονί. ΣΩ. Πάνυ μὲν οὖν· καὶ χάριν γε εἴσομαι, ἐὰν ἀκούητε. ΕΤ. Καὶ μὴν καὶ ἡμεῖς σοι, ἐὰν λέγῃς.
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ΣΩ. Διπλῆ ἂν εἴη ἡ χάρις. ἀλλ᾽ οὖν ἀκούετε. Τῆς παρελθούσης νυκτὸς ταυτησί, ἔτι βαθέος ὄρθρου, Ἱπποκράτης ὁ Ἀπολλοδώρου υἱός, Φάσωνος δὲ ἀδελφός, τὴν θύραν τῇ
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 310a (Z. 3-6): Τι ουν ου διηγησω ημιν την ξυνουσιαν; ει μη p. Quid igitur non expones nobis congressum, nisi pp.
3–6 Τί οὖν οὐ διηγήσω ἡμῖν τὴν ξυνουσίαν; εἰ μή ... τὸν παῖδα τουτονί.] Τί οὖν; οὐ διηγήσαιο ἡμῖν τὴν ξυνουσίαν (εἰ μή σε τὶ κωλύει) καθιζόμενος ... παῖδα τουτονί; Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina), Variae lectiones, S. 355 f., vgl. W1 | Τί οὖν οὐ διηγήσω ἡμῖν τὴν ξυνουσίαν, εἰ μή σέ τι κωλύει, καθιζόμενος ἐνταυθοῖ, ἐξαναστήσας τὸν παῖδα τουτονί; Heindorf 1810 Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W1 W2
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 310a (Z. 6): Ich halte es auch mit dem Knechte, weil mir der Sohn des breiteren Erwähnens werth schiene. Doch bin ich froh, daß man mit dem K n a b e n wegkommt im Deutschen. Ob die Sklaven sich hinsezen durften, neben den Herren, das mag (leider) wol mancher wissen außer mir. T Exz.Corn. 2 ει] korr. aus εμ SN 156/1 S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 433.
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SOK. Nachdem ich gar vieles mit ihm gesprochen und von ihm gehört. FR. Warum also läßt du nicht den Knaben dort aufstehn, und sezest dich hieher, um uns eure Verhandlungen zu erzählen, wenn dich nichts hindert? SOK. Sehr gern sogleich, und werde euch noch Dank wissen, wenn ihr zuhört. FR. Wahrlich auch wir dir, wenn du erzählst. SOK. Beiden geschieht also erwünschtes. So höret denn. | Diese vergangene Nacht war es, noch am ersten grauen Morgen, als Hippokrates2, der Sohn des Apollodoros, des Phason Bruder gewaltig
SOK. Nachdem ich gar vieles mit ihm gesprochen und von ihm gehört. FR. Warum also läßt du nicht den Knaben dort aufstehn, und sezest dich hieher, um uns eure Verhandlungen zu erzählen, wenn dich nichts hindert? SOK. Sehr gern sogleich, und werde euch noch Dank wissen, wenn ihr zuhört. FR. Wahrlich auch wir dir, wenn du erzählst. SOK. Beiden geschieht also erwünschtes. So höret denn. | Diese vergangene Nacht, noch am ersten grauen Morgen, pochte Hippokrates2, der Sohn des Apollodoros, des Phason Bruder gewaltig
2 Hippokrates. Von diesem Hippokrates weiß ich nichts zu sagen, als daß er unmöglich der Sohn desjenigen Apollodoros sein kann, welchen wir | unter den Schülern des Sokrates kennen, und welcher am Eingange des Gastmahls sagt, er sei zur Zeit, als Agathon seinen dichterischen Sieg erfocht, noch ein Knabe gewesen. P. Grou spricht von dieser Verwandtschaft als von einer entschiedenen Sache.
2 Hippokrates. Von diesem Hippokrates weiß ich nichts zu sagen, als daß er unmög|lich der Sohn desjenigen Apollodoros sein kann, welchen wir unter den Schülern des Sokrates kennen, und welcher am Eingange des Gastmahls sagt, er sei zur Zeit, als Agathon seinen dichterischen Sieg erfocht, noch ein Knabe gewesen. P. Grou spricht von dieser Verwandtschaft als von einer entschiedenen Sache.
S Anm. 2 Der aus Platon, Symposion 172a. 173d-e sowie aus dem Phaidon 59b bekannte Apollodoros ist durch die Angabe im Symposion 173a näher bestimmt: Er war zur Zeit des ersten Tragödiensieges des Agathon (geboren ca. 448/446; Sieg bei den Lenäen 416 v. Chr. oder ein früherer Sieg) noch ein Kind (vgl. Ebert: Platon. Phaidon, S. 100 Anm. 13). Mit diesem ist der im Protagoras erwähnte Vater des Hippokrates aus Altersgründen nicht identisch (s. ebd.). Schleiermacher bestreitet also zu Recht die Identität, die von dem Abt Jean-Nicolas Grou in seiner französischen Übersetzung behauptet wird: Dialogues de Platon. Par le Traducteur de la République. Tome premier. ... Amsterdam 1770, S. 189 Anm. 4.
S Anm. 2 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 2.
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βακτηρίᾳ πάνυ σφόδρα ἔκρουε· καὶ ἐπειδὴ αὐτῷ ἀνέῳξέ τις, εὐθὺς εἴσω ᾔει ἐπειγόμενος, καὶ τῇ φωνῇ μέγα λέγων, Ὦ Σώκρατες, ἔφη, ἐγρήγορας, ἢ καθεύδεις; Καὶ ἐγὼ τὴν φωνὴν γνοὺς αὐτοῦ, Ἱπποκράτης, ἔφην, οὗτος. μή τι νεώτερον ἀγγέλλεις; — Οὐδέν γ᾽, ἦ δ᾽ ὅς, εἰ μὴ ἀγαθά γε. — Εὖ ἂν λέγοις, ἦν δ᾽ ἐγώ, ἔστι δὲ τί; καὶ τοῦ ἕνεκα τηνικάδε ἀφίκου; — Πρωταγόρας, ἔφη, ἥκει στὰς παρ᾽ ἐμοί. — Πρώην, ἔφην ἐγώ· σὺ δὲ ἄρτι πέπυσαι; — Νὴ τοὺς θεούς, ἔφη, ἑσπέρας γε. καὶ ἅμα ἐπιψηλαφήσας τοῦ σκίμποδος, ἐκαθέζετο παρὰ τοὺς πόδας μου· καὶ εἶπεν, Ἑσπέρας δῆτα, μάλα γε ὀψὲ ἀφικόμενος ἐξ Οἰνόης. ὁ γάρτοι παῖς με ὁ Σάτυρος ἀπέδρα· καὶ δῆτα μέλλων σοι φράζειν ὅτι διωξοίμην αὐτόν, ὑπό τινος ἄλλου ἐπελαθόμην. ἐπειδὴ δὲ ἦλθον, καὶ δεδειπνηκότες ἦμεν, καὶ ἐμέλλομεν ἀναπαύεσθαι, τότε μοι ἀδελφὸς λέγει ὅτι ἥκει Πρωταγόρας. καὶ ἔτι μὲν ἐνεχείρησα εὐθὺς παρά σε ἰέναι, ἔπειτά μοι λίαν πόρρω ἔδοξε τῶν νυκτῶν εἶναι. ἐπειδὴ δὲ τάχιστά με ἐκ τοῦ κόπου ὁ ὕπνος ἀνῆκεν, εὐθὺς ἀναστὰς, οὕτω δεῦρο ἐπορευόμην.
Vorarbeiten (handschriftlich)
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 310b (Z. 11 f.): Πρωταγορας εφη ηκει στας παρ ἐμοι. Protagoras inquit venit, et in propinquo apud me divertit. Das ist zwar besser als Ficin; ich bleibe aber doch bei meiner Uebersezung.
Noten Spaldings (SN 157) zu 310b (Bezug unklar): Ich glaube, Sie haben ganz recht gethan. Anm. (verl.) zu 310b (Z. 11 f.): Ich bin dafür nichts von des Fizin und Kornar Irthum, den auch ich beim ersten Anblik beging, zu sagen. Übers. (verl.) von 310b (Z. 12): Ungefragt, frage ich woher Sie denn wissen, daß πρώην hier vorgestern heißt? Oder vielmehr woher weis Sokr., aus dem Schlaf auffahrend, daß P r o t . so lange da sein könne? πρώην heißt doch nicht b l o s vorgestern. Doch das klärt sich mir vielleicht noch im Folgenden auf. S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 433. – Ficinus in Ed.Zweibrücken: Protagoras inquit venit, et prope me divertit. Vgl. dagegen schon Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina), Variae lectiones, S. 356: ... adstans mihi dixit; ebenso Heindorf 1810 z. St., S. 461.
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mit dem Stok bei mir an die Thüre pochte, und als ihm einer geöfnet hatte, sogleich hereinstürmte, und mir mit lauter Stimme rief: Sokrates wachst oder schläfst du? Ich ihn an der Stimme erkennend entgegnete: Ei sieh da, Hippokrates, du bringst doch nichts Neues? — Nichts wenigstens, sagte er, als Gutes. — Das möge wahr sein, sprach ich, was giebt es aber? und weshalb bist du so frühe schon hier? — Protagoras ist hier, sagte er, indem er zu mir herantrat. — Seit vorgestern, sprach ich, und du hast es izt erst erfahren? — Bei den Göttern, sagte er, gestern Abend. Zugleich tappte er nach dem Bette, sezte sich mir zu Füßen, und fuhr fort. Gestern Abend also ganz spät, als ich aus Oenoë zurükkam. Satyros der Knecht war mir entlaufen; ich wollte dir auch sagen, daß ich ihm nachsezen würde, über etwas anderem aber entfiel es mir wieder. Als ich nun zurük war, nach der Mahlzeit erst, da wir uns eben zur Ruhe legen wollten, sagte mir der Bruder, daß Protagoras angekommen wäre. Zuerst wollte ich sogleich zu dir gehen, hernach aber dünkte es mich doch schon zu spät in der Nacht zu sein. Nun aber bin ich, sobald nur nach der Ermüdung der Schlaf mich verlassen wollte, aufgestanden und hieher
mit dem Stok bei mir an die Thüre, und als ihm einer geöffnet hatte, stürmte er sogleich herein, und rief mir mit lauter Stimme: Sokrates wachst oder schläfst du? Ich ihn an der Stimme erkennend entgegnete: Das ist ja Hippokrates! Du bringst doch nichts Neues? — Nichts wenigstens, sagte er, als Gutes. — Das möge wahr sein, sprach ich, was giebt es aber? und weshalb bist du so frühe schon hier? — Protagoras ist hier, sagte er, indem er zu mir herantrat. — Seit vorgestern, sprach ich, und du hast es jezt erst erfahren? — Bei den Göttern, sagte er, gestern Abend. Zugleich tappte er nach dem Bette, sezte sich mir zu Füßen, und fuhr fort. Gestern Abend also ganz spät, als ich aus Oinoë zurükkam. Satyros der Bursche war mir entlaufen; ich wollte dir auch sagen, daß ich ihm nachsezen würde, über etwas anderem aber entfiel es mir wieder. Als ich nun zurük war, nach der Mahlzeit erst, da wir uns eben zur Ruhe legen wollten, sagte mir der Bruder, Protagoras ist da. Zuerst wollte ich sogleich zu dir gehen, hernach aber dünkte es mich doch schon zu spät in der Nacht zu sein. Nun aber bin ich, sobald nur nach solcher Ermüdung der Schlaf mich verlassen wollte, aufgestanden und hieher
S 21 Knecht] kritisiert von Rez.Ast (1808), S. 131 (dort mit falscher Seitenzahl „S. 273“ zitiert); verändert in W2
S 21f Bursche] verändert ggb. W1 nach Rez.Ast (1808) (wie zu W1)
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— Καὶ ἐγὼ γιγνώσκων αὐτοῦ τὴν ἀνδρείαν καὶ τὴν πτοίησιν, Τί οὖν σοι, ἦν δ᾽ ἐγώ, τοῦτο; μῶν τι σὲ ἀδικεῖ Πρωταγόρας; — Καὶ ὃς γελάσας, Νὴ τοὺς θεούς, ἔφη, ὦ Σώκρατες, ὅτι γε μόνος ἐστὶ σοφός, ἐμὲ δὲ οὐ ποιεῖ. — Ἀλλὰ ναὶ μὰ Δία, ἔφην ἐγώ, ἂν αὐτῷ δίδως ἀργύριον, καὶ πείθῃς ἐκεῖνον, ποιήσει καί σε σοφόν. — Εἰ γάρ, ἦ δ᾽ ὅς, ὦ Ζεῦ καὶ θεοί, ἐν τούτῳ εἴη· ὡς οὔτ᾽ ἂν τῶν ἐμῶν ἐπιλίποιμι οὐδέν, οὔτε τῶν φίλων. ἀλλ᾽ αὐτὰ ταῦτα καὶ νῦν ἥκω παρά σε, ἵνα ὑπὲρ ἐμοῦ διαλεχθῇς αὐτῷ. ἐγὼ γὰρ ἅμα μὲν καὶ νεώτερός εἰμι, ἅμα δέ, οὐδὲ ἑώρακα Πρωταγόραν πώποτε, οὐδ᾽ ἀκήκοα οὐδέν. ἔτι γὰρ παῖς ἦ ὅτε τοπρῶτον ἐπεδήμησεν. ἀλλὰ γάρ, ὦ Σώκρατες, πάντες τὸν ἄνδρα ἐπαινοῦσι, καί φασι σοφώτατον εἶναι λέγειν. ἀλλὰ τί οὐ βαδίζομεν παρ᾽ αὐτόν, ἵνα ἔνδον καταλάβωμεν; καταλύει δ᾽, ὡς ἐγὼ ἤκουσα, παρὰ Καλλίᾳ τῷ Ἱππονίκου. ἀλλ᾽ ἴωμεν. — Καὶ ἐγὼ εἶπον, Μήπω, ἀγαθέ, ἐκεῖσε ἴωμεν. πρωῒ γάρ ἐστιν· ἀλλὰ δεῦρο ἐξαναστῶμεν εἰς τὴν αὐλήν,
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 310d (Z. 8-10): ἀν αὐτῳ διδως ἀργυριον και πειθῃς ἐκεινον ποιησει και σε σοφον. – Si dederis ipsi argentum, ipsique persuaseris p. zu 310e (Z. 13): αλλ αυτα ταυτα και νυν p. verum ea de causa nunc ad te venio
3 τι σὲ] τί σε Heindorf 1810 Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. W2 9 ἐκεῖνον] ἐκείνῳ konj. Schleiermacher W1 Anm. 3, übersetzt W1
S Exz.Corn. zu 310d (Z. 8-10): Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 433. | Exz.Corn. zu 310e (Z. 13): Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 433.
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gegangen. — Ich nun, der ich sein muthiges und eifriges Wesen kenne, fragte: Was hast du denn aber? hat dich etwa Protagoras wie beleidigt? — Da sagte er lachend: Ja bei den Göttern, Sokrates, daß er allein weise ist, und mich nicht dazu macht. — Nun, beim Zeus, sprach ich, wenn du ihm nur Geld giebst und ihn dadurch überredest3, wird | er dich auch wohl weise machen. — Wollte doch Zeus und alle Götter, rief er aus, es beruhte nur hierauf, so ließ ich es weder an dem meinigen ermangeln, noch an der Freunde Beistand. Aber eben deshalb komme ich jezt zu dir, damit du meinetwegen mit ihm redest. Denn ich selbst bin nicht nur zu jung, sondern habe auch den Protagoras noch niemals weder gesehen noch gesprochen, indem ich noch ein Kind war, als er das erstemal hieher kam. Aber Alle, o Sokrates, loben ja den Mann, und sagen, er wäre der kunstreichste im Reden. Warum gehen wir nicht gleich zu ihm, damit wir ihn noch drinnen treffen? Er wohnt, wie ich gehört habe, bei dem Kallias, dem Sohne des Hipponikos. Laß uns doch gehen. — Da sagte ich: Jezt gleich, mein Guter, laß uns noch nicht dorthin gehen, denn es ist noch zu früh; sondern laß uns hier aufstehn, und
gegangen. — Ich nun, der ich sein muthiges und eifriges Wesen kenne, fragte: Was hast du denn aber? that dir Protagoras etwas zu Leide? — Da sagte er lachend: Ja bei den Göttern, Sokrates, daß er allein weise ist, und mich nicht dazu macht. — Nun, beim Zeus, sprach ich, wenn du ihm nur Geld giebst und ihn überredest, wird er dich auch wohl | weise machen. — Wollte doch Zeus und alle Götter, rief er aus, es beruhte nur hierauf, so ließ ich es weder an dem meinigen ermangeln, noch an der Freunde Beistand. Aber eben deshalb komme ich jezt zu dir, damit du meinetwegen mit ihm redest. Denn ich selbst bin nicht nur zu jung, sondern habe auch den Protagoras noch niemals weder gesehen noch gesprochen, denn ich war noch ein Kind, als er das erstemal hieher kam. Aber Alle, o Sokrates, loben ja den Mann, und sagen, er wäre der kunstreichste im Reden. Warum aber gehen wir nicht gleich zu ihm, damit wir ihn noch zu Hause treffen? Er wohnt, wie ich gehört habe, bei dem Kallias, dem Sohne des Hipponikos. Laß uns doch gehen. — Da sagte ich: Jezt gleich, mein Guter, laß uns noch nicht dorthin gehen, denn es ist noch zu früh; sondern laß uns aufstehn, und
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d a d u r c h ü b e r r e d e s t . Ich bin nicht zu überreden, daß dies ἐκεῖνον richtig ist, sondern gewiß ἐκείνῳ, nämlich τῷ ἀργυρίῳ. Man vergleiche P. 311. d. καὶ τούτοις πείθωμεν αὐτόν.
S 10 dadurch überredest] mit W1 Anm. 3 kritisiert von Rez.Ast (1808), S. 137 (vorgeschlagen ἐκεῖνο); verändert in W2
S 10 ihn überredest] verändert ggb. W1, vgl. Rez.Ast (1808) (wie zu W1)
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καὶ περιϊόντες αὐτοῦ διατρίψωμεν, ἕως ἂν φῶς γένηται. εἶτα ἴωμεν. καὶ γὰρ ταπολλὰ Πρωταγόρας ἔνδον διατρίβει. ὥστε θάρρει, καταληψόμεθα αὐτόν, ὡς τὸ εἰκός, ἔνδον. Μετὰ ταῦτα ἀναστάντες εἰς τὴν αὐλὴν περιῄειμεν· καὶ ἐγὼ ἀποπειρώμενος τοῦ Ἱπποκράτους τῆς ῥώμης, διεσκόπουν αὐτόν, καὶ ἠρώτων, Εἰπέ μοι, ἔφην, ὦ Ἱππόκρατες, παρὰ Πρωταγόραν νῦν ἐπιχειρεῖς ἰέναι, ἀργύριον τελῶν ἐκείνῳ μισθὸν ὑπὲρ σεαυτοῦ· ὡς παρὰ τίνα ἀφιξόμενος; καὶ τίς γενησόμενος; ὥσπερ ἂν εἰ ἐπενόεις παρὰ τὸν σαυτοῦ ὁμώνυμον ἐλθὼν Ἱπποκράτη τὸν Κῶον, τὸν τῶν Ἀσκληπιαδῶν, ἀργύριον τελεῖν ὑπὲρ σαυτοῦ μισθὸν ἐκείνῳ, εἴτις σὲ ἤρετο, Εἰπέ μοι, μέλλεις τελεῖν, ὦ Ἱππόκρατες, Ἱπποκράτει μισθόν· ὡς τίνι ὄντι; τί ἂν ἀπεκρίνω; — Εἶπον ἄν, ἔφη, ὅτι ὡς ἰατρῷ. — Ὡς τίς γενησόμενος; — Ὡς ἰατρός, ἔφη. — Εἰ δὲ παρὰ Πολύκλειτον τὸν Ἀργεῖον ἢ Φειδίαν τὸν Ἀθηναῖον ἐπενόεις ἀφικόμενος μισθὸν ὑπὲρ σαυτοῦ τελεῖν ἐκείνοις, εἴτις σὲ ἤρετο, τελεῖν τοῦτο τὸ ἀργύριον ὡς τίνι ὄντι ἐν νῷ ἔχεις Πολυκλείτῳ τε καὶ Φειδίᾳ; τί ἂν ἀπεκρίνω; — Εἶπον ἂν ὡς ἀγαλματοποιοῖς. — Ὡς τίς δὲ γενησόμενος αὐτός; — Δηλονότι ἀγαλματοποιός. — Εἶεν, ἦν δ᾽ ἐγώ. παρὰ δὲ δὴ Πρωταγόραν νῦν ἀφικόμενοι ἐγώ τε καὶ σύ, ἀργύριον ἐκείνῳ μισθὸν
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komm in den Hof hinaus, da wollen wir auf und abgehend verweilen bis es Tag wird, und dann gehen. Ohnedies hält sich Protagoras viel zu Hause, darum sei gutes Muthes, wir wollen ihn wohl finden. Somit standen wir auf, und gingen im Hofe umher. Ich nun wollte gern des Hippokrates Stärke versuchen, betrachtete mir ihn daher recht, und fragte ihn: Sage mir, Hippokrates, zum Protagoras willst du jezt, um ihm Geld für dich zu entrichten, hingehn; aber als zu wem willst du doch hingehn? und um was doch zu werden? Wie wenn du zu deinem Namensverwandten, dem Hippokrates von Kos, dem Asklepiaden, gehen wolltest, dem Lehrgeld für dich zu bezahlen, und es fragte dich Jemand: Sage mir, Hippokrates, dem Hippokrates willst du Lehrgeld entrichten: als wem doch? Was würdest du antworten? — Ich würde sagen, | sprach er, als einem Arzte. — Und um was doch zu werden? — Ein Arzt, sagte er. — Oder wenn du zum Polykleitos von Argos oder zum Pheidias hier aus Athen zu gehn im Sinne hättest, um ihnen Lehrgeld für dich zu entrichten, und es fragte dich Jemand: Als wem gedenkst du denn dem Polykleitos oder dem Pheidias dieses Geld zu entrichten? Was würdest du antworten? — Ich würde sagen als Bildhauern. — Und um was doch selbst zu werden? — Offenbar ein Bildhauer. — Gut, sprach ich. Nun aber gehen wir zum Protagoras, ich und du, und sind bereit ihm Lehrgeld für dich zu bezahlen, wenn das
komm in den Hof hinaus, da wollen wir auf und abgehend verweilen bis es Tag wird, und dann gehen. Ohnedies hält sich Protagoras viel zu Hause, darum sei gutes Muthes, wir wollen ihn wohl finden. Somit standen wir auf, und gingen im Hofe umher. Ich nun wollte gern des Hippokrates Stärke versuchen, betrachtete mir ihn daher recht, und fragte ihn: Sage mir, Hippokrates, zum Protagoras willst du jezt, um ihm Geld für dich zu entrichten, hingehn; aber als zu wem willst du doch hingehn? und um was doch zu werden? Wie wenn du zu deinem Namensverwandten, dem Hippokrates von Kos, dem Asklepiaden, gehen wolltest, dem Lehrgeld für dich zu bezahlen, und es fragte dich Jemand: Sage mir, Hippokrates, dem Hippokrates willst du Lehrgeld entrichten: als wem doch? Was würdest du antworten? — Ich würde sagen, | sprach er, als einem Arzte. — Und um was doch zu werden? — Ein Arzt, sagte er. — Oder wenn du zum Polykleitos von Argos oder zum Pheidias hier aus Athen zu gehn im Sinne hättest, um ihnen Lehrgeld für dich zu entrichten, und es fragte dich Jemand: Als wem gedenkst du denn dem Polykleitos oder dem Pheidias dieses Geld zu entrichten? Was würdest du antworten? — Ich würde sagen als Bildhauern. — Und um was doch selbst zu werden? — Offenbar ein Bildhauer. — Gut, sprach ich. Nun aber gehen wir zum Protagoras, ich und du, und sind bereit ihm Lehrgeld für dich zu bezahlen, wenn das
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Vorarbeiten (handschriftlich)
ἕτοιμοι ἐσόμεθα τελεῖν ὑπὲρ σοῦ· ἂν μὲν ἐξικνῆται τὰ ἡμέτερα χρήματα, καὶ τούτοις πείθωμεν αὐτόν· εἰ δὲ μή, καὶ τὰ τῶν φίλων προσαναλίσκοντες. εἰ οὖν τις ἡμᾶς περὶ ταῦτα οὕτω σφόδρα σπουδάζοντας ἔροιτο, Εἰπέ μοι, ὦ Σώκρατές τε καὶ Ἱππόκρατες, ὡς τίνι ὄντι τῷ Πρωταγόρᾳ ἐν νῷ ἔχετε χρήματα τελεῖν; τί ἂν αὐτῷ ἀποκριναίμεθα; τί ὄνομα ἄλλό γε λεγόμενον περὶ Πρωταγόρου ἀκούομεν, ὥσπερ περὶ Φειδίου, ἀγαλματοποιόν, καὶ περὶ Ὁμήρου, ποιητήν; τί τοιοῦτον περὶ Πρωταγόρου ἀκούομεν; — Σοφιστὴν δή τοι ὀνομάζουσί γε, ὦ Σώκρατες, τὸν ἄνδρα εἶναι, ἔφη. — Ὡς σοφιστῇ ἆρα ἐρχόμεθα τελοῦντες τὰ χρήματα; — Μάλιστα. — Εἰ οὖν καὶ τοῦτο τίς σε προσέροιτο, Αὐτὸς δὲ δὴ ὡς τί γενησόμενος ἔρχῃ παρὰ τὸν Πρωταγόραν; — Καὶ ὃς εἶπεν ἐρυθριάσας (ἤδη γὰρ ὑπέφαινέ τι ἡμέρας, ὥστε καταφανῆ αὐτὸν γενέσθαι) Εἰ μέν τι τοῖς ἔμπροσθεν ἔοικεν, δῆλον ὅτι σοφιστὴς γενησόμενος. — Σὺ δέ, ἦν δ᾽ ἐγώ, πρὸς θεῶν, οὐκ ἂν αἰσχύνοιο εἰς τοὺς Ἕλληνας αὑτὸν σοφιστὴν παρέχων; — Νὴ τὸν Δία, ὦ Σώκρατες· εἴπέρ γε ἃ διανοοῦμαι χρὴ
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 311e (Z. 21 f.): αυτος δε δη ως τι γενησομενος – Ipse vero velut q u i s evasurus
S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 434.
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unsrige dazu hinreicht, und wir ihn um diesen Preis überreden können, wo nicht, auch noch das unserer Freunde daran zu wenden. Wenn uns nun jemand in solchem Eifer über diese Sache sehend fragte: Sagt mir doch, Sokrates und Hippokrates, als wem gedenkt ihr dem Protagoras dieses Geld zu geben? Was würden wir antworten? mit was für einem andern Namen hören wir den Protagoras noch genannt, wie den Pheidias einen Bildhauer und den Homeros einen Dichter? was hören wir ähnliches vom Protagoras? — Einen Sophisten, o Sokrates, sagte er, nennen sie den Mann. — Also als einem Sophisten wollen wir ihm das Geld entrichten gehn? — Freilich. — Wenn dich nun Jemand auch das noch fragte: Und um was doch selbst zu werden gehst du zum Protagoras? — Da sagte er erröthend, denn der Tag schimmerte schon etwas, so daß ich es deutlich sehen konnte: Wenn es sich damit wie mit dem vorigen verhält, so ist es offenbar um ein Sophist zu werden. — Und du, sprach ich, um der Götter willen, würdest du dich nicht schämen, den Hellenen dich als einen Sophisten darzustellen? — Beim Zeus, | Sokrates, sagte er, wenn ich reden soll wie ich denke,
unsrige dazu hinreicht, und wir ihn um diesen Preis überreden können, wo nicht, auch noch das unserer Freunde daran zu wenden. Wenn uns nun Jemand in solchem Eifer über diese Sache sehend fragte: Sagt mir doch, Sokrates und Hippokrates, als wem gedenkt ihr dem Protagoras dieses Geld zu geben? Was würden wir antworten? mit was für einem andern Namen hören wir den Protagoras noch genannt, wie den Pheidias einen Bildhauer und den Homeros einen Dichter? was hören wir ähnliches vom Protagoras? — Einen Sophisten, o Sokrates, sagte er, nennen sie den Mann. — Also als einem Sophisten wollen wir ihm das Geld entrichten gehn? — Freilich. — Wenn dich nun Jemand auch das noch fragte: Und um was doch selbst zu werden gehst du zum Protagoras? — Da sagte er erröthend, denn der Tag schimmerte schon etwas, so daß ich es deutlich sehen konnte: Wenn es sich damit wie mit dem vorigen verhält, so ist es offenbar um ein Sophist zu werden. — Und du, sprach ich, um der Götter willen, würdest du dich nicht schämen, den Hellenen dich als einen Sophisten darzustellen? — Beim Zeus, | Sokrates, sagte er, wenn ich reden soll wie ich denke,
T 11 einem] verdruckt einen W2
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λέγειν. — Ἀλλ᾽ ἄρα, ὦ Ἱππόκρατες, μὴ οὐ τοιαύτην ὑπολαμβάνεις σοῦ τὴν παρὰ Πρωταγόρου μάθησιν ἔσεσθαι, ἀλλ᾽ οἵα περ ἡ παρὰ τοῦ γραμματιστοῦ ἐγένετο, καὶ κιθαριστοῦ, καὶ παιδοτρίβου. τούτων γὰρ σὺ ἑκάστην οὐκ ἐπὶ τέχνῃ ἔμαθες, ὡς δημιουργὸς ἐσόμενος, ἀλλ᾽ ἐπὶ παιδείᾳ, ὡς τὸν ἰδιώτην καὶ τὸν ἐλεύθερον πρέπει. — Πάνυ μεν οὖν μοι δοκεῖ, ἔφη, τοιαύτη μᾶλλον εἶναι ἡ παρὰ Πρωταγόρου μάθησις. — Οἶσθα οὖν ὃ μέλλεις νῦν πράττειν; ἤ σε λανθάνει; ἦν δ᾽ ἐγώ. — Τοῦ πέρι; — Ὅτι μέλλεις τὴν ψυχὴν τὴν σαυτοῦ παρασχεῖν θεραπεῦσαι ἀνδρί, ὡς φῄς, σοφιστῇ· ὅ,τι δέ ποτε ὁ σοφιστής ἐστι, θαυμάζοιμ᾽ ἂν εἰ οἶσθα. καίτοι εἰ τοῦτ᾽ ἀγνοεῖς, οὐδὲ ὅτῳ παραδίδως τὴν ψυχὴν οἶσθα· οὔτ᾽ εἰ ἀγαθῷ, οὔτ᾽ εἰ κακῷ
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 312a (Z. 1 f.): ἀλλ᾽ ἀρα μη οὐ τοιαυτην ὑπολαμβανεις. – At fortassis non eiusmodi. (Ficin scheint ὁρα gelesen zu haben)
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 312b (Z. 9): Ich weis nichts besseres für den ἰδιώτης als was Sie im Text haben, den L a i e , das eigentl. Wort ist zu modern. T Exz.Corn. 2 At] fälschlich Ad SN 156/1 | 3 haben)] Klammer fehlt SN 156/1 S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 434. – Ficinus in Ed.Zweibrücken: Sed enim vide, o Hippocrates, ne forte alio tendat [...]
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ja. — Vielleicht aber, Hippokrates, ist gar nicht deine Meinung, daß dein Unterricht bei dem Protagoras ein solcher sein solle, sondern so wie der war bei deinem Sprachlehrer, deinem Musiklehrer und deinem Lehrer in den Leibesübungen. Denn in dem Allen nahmst du Unterricht nicht als Kunst, um ein Gewerbe daraus zu machen, sondern als Uebung, wie es einem von freier Herkunft, der sich selbst leben soll, geziemt. — Allerdings, sagte er, dünkt mich der Unterricht beim Protagoras mehr von dieser Art zu sein. — Weißt du also wohl, was du izt zu thun im Begriff bist, oder merkst du es nicht? sagte ich. — Was meinst du denn? — Daß du im Begriff stehst deine Seele einem Sophisten, wie du sagst, zur Bearbeitung zu übergeben, was aber ein Sophist eigentlich ist, sollte mich wundern wenn du es wüßtest. Und doch wenn dir dieses unbekannt ist, weißt du auch nicht, wem du deine Seele übergiebst, ob einem guten
ja. — Vielleicht aber, Hippokrates, ist gar nicht deine Meinung, daß dein Unterricht bei dem Protagoras ein solcher sein solle, sondern so wie der war bei deinem Sprachlehrer, deinem Musiklehrer und deinem Lehrer in den Leibesübungen. Denn in dem Allen nahmst du Unterricht nicht als Kunst, um ein Gewerbe daraus zu machen, sondern als Uebung, wie es einem von freier Herkunft, der sich selbst leben will, geziemt. — Allerdings, sagte er, dünkt mich der Unterricht beim Protagoras mehr von dieser Art zu sein. — Weißt du also wohl, was du jezt zu thun im Begriff bist, oder merkst du es nicht? sagte ich. — Was meinst du denn? — Daß du im Begriff stehst deine Seele einem Sophisten, wie du sagst, zur Bearbeitung zu übergeben, was aber ein Sophist eigentlich ist, sollte mich wundern wenn du es wüßtest. Und doch wenn dir dieses unbekannt ist, weißt du auch nicht, wem du deine Seele übergiebst, ob einem guten
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πράγματι. — Οἶμαί γ᾽, ἔφη, εἰδέναι. — Λέγε δή, τί ἡγῇ εἶναι τὸν σοφιστήν. — Ἐγὼ μέν, ἦ δ᾽ ὅς, ὥσπερ τοὔνομα λέγει, τοῦτον εἶναι τὸν τῶν σοφῶν ἐπιστήμονα. — Οὐκοῦν, ἦν δ᾽ ἐγώ, τοῦτο μὲν ἔξεστι λέγειν καὶ περὶ ζωγράφων καὶ περὶ τεκτόνων, ὅτι οὗτοί εἰσιν οἱ τῶν σοφῶν ἐπιστήμονες· ἀλλ᾽ εἴτις ἔροιτο ἡμᾶς τῶν τί σοφῶν εἰσὶν οἱ ζωγράφοι ἐπιστήμονες, εἴποιμεν ἄν που αὐτῷ, ὅτι τῶν πρὸς τὴν ἀπεργασίαν τὴν τῶν εἰκόνων, καὶ τἄλλα οὕτως. εἰ δέ τις ἐκεῖνο ἔροιτο, ὁ δὲ σοφιστὴς τῶν τί σοφῶν ἐστι; τί ἂν ἀποκρινοίμεθα αὐτῷ; ποίας ἐργασίας ἐπιστάτης; τί ἂν εἴποιμεν αὐτὸν εἶναι; — Ὦ
Noten Spaldings (SN 157) zu 312d (Z. 16 f.) ?: Ich trete ganz bei der Konjektur ἐστί die ungezwungen ⌈sich fügt⌋ in ης τί und ohne die ⌈eine⌋ [korr. aus es] rauhe Konstrukzion ist. Übers. (verl.) von 312d (Z. 13-17): Die Frage jenes supponirten Andern wird wiederholt mit ποίας — ἐπιστ. Also ist es recht gut und symmetrisch, daß jede diser Fragen ihre besondere Antwort bekommt. In Ihrer Lesart müste es ὁποίας heißen, aber so möchte man leicht lesen können. Dann wäre τί ἂν — ἐπ. ganz einerlei mit τί ἂν — εἶναι. S Spld. zu 312d (Z. 16 f.): Die Konjektur setzt offenbar eine Quasi-Haplographie voraus: ἐπιστάτ η ς ἐ σ τ ί τ ί
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oder einem schlechten Dinge. — Ich glaube wenigstens, sagte er, es zu wissen. — So sage denn, was glaubst du ist ein Sophist? — Ich meines Theils, sagte er, wie auch schon der Name besagt4, der sich auf kluge Sachen versteht. — Aber, sprach ich, dieses kann man auch von Mahlern und Zimmerleuten sagen, daß sie die sind, welche sich auf kluge Sachen verstehen. Wenn uns aber Jemand weiter fragte, auf was für kluge Sachen verstehen sich denn die Mahler, so würden wir ihm sagen, auf die zur Verfertigung von Gemählden gehörigen und so auch im übrigen. Wenn uns aber Jemand fragte: Und der Sophist, auf was für kluge Sachen denn der? Was würden wir ihm antworten, was zu verfertigen er verstehe? was würden wir sagen | daß er wäre. — Er ver-
oder einem schlechten Dinge. — Ich glaube wenigstens, sagte er, es zu wissen. — So sage denn, was glaubst du ist ein Sophist? — Ich meines Theils, sagte er, wie auch schon der Name besagt3, der welcher sich auf Kluges versteht. — Aber, sprach ich, dieses kann man auch von Mahlern und Zimmerleuten sagen, daß sie die sind, welche sich auf Kluges verstehen. Wenn uns aber Jemand weiter fragte, auf was für Kluges verstehen sich denn die Mahler, so würden wir ihm sagen, auf das zur Verfertigung von Bildern gehörige und so auch im übrigen. Wenn uns aber Jemand fragte: Und der Sophist, auf was für Kluges denn der? Was würden wir ihm antworten, was zu verfertigen er verstehe? was würden wir sagen daß | er sei? — O Sokrates, er ver-
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d e r N a m e b e s a g t . Die Bedeutung von Sophist muß der Leser nie aus den Augen verlieren. Es gehört aber dazu, daß die Bedeutung von σοφὸς und σοφία hier immer vom theoretischen, vom Wissen ausgeht. Man sehe nur, wie auch hier P. 330. b. statt σοφία geradezu ἐπιστήμη Erkenntniß gesezt wird. Auch daß σοφιστὴς damals in einem guten Sinne gebraucht wurde, wie denn auch die Sieben häufig so genannt wurden. In einem eben so unbestimmten Sinne will sich hier Hippokrates durch sein τὰ σοφὰ helfen.
d e r N a m e b e s a g t . Die Bedeutung von Sophist muß der Leser nie aus den Augen verlieren. Es gehört aber dazu, daß die Bedeutung von σοφὸς und σοφία hier immer vom theoretischen, vom Wissen ausgeht. Man sehe nur, wie auch hier P. 330. b. statt σοφία geradezu ἐπιστήμη Erkenntniß gesezt wird. Auch daß σοφιστὴς damals in einem guten Sinne gebraucht wurde, wie denn auch die Sieben häufig so genannt wurden. In einem eben so unbestimmten Sinne will sich hier Hippokrates durch sein τὰ σοφὰ helfen.
S 6f der sich auf kluge Sachen versteht] kritisiert von Rez.Ast (1808), S. 131; verändert in W2 S Anm. 4 Die Sieben Weisen (in der Regel: Thales, Solon, Chilon, Pittakos, Bias, Kleobulos, Periander) waren berühmt für ihre Lebensweisheiten in Sinnsprüchen. Herodot (Historien 1,29,1) zählt z. B. Solon unter die Sophisten.
S 6f der welcher sich auf Kluges versteht] verändert ggb. W1 nach Rez.Ast (1808) (wie zu W1) S Anm. 3 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 4.
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Σώκρατες, ἐπιστάτην τοῦ ποιῆσαι δεινὸν λέγειν. — Ἴσως ἄν, ἦν δ᾽ ἐγώ, ἀληθῆ λέγοιμεν, οὐ μέντοι ἱκανῶς γε. ἐρωτήσεως γὰρ ἔτι ἡ ἀπόκρισις ἡμῖν δεῖται, περὶ ὅτου ὁ σοφιστὴς δεινὸν ποιεῖ λέγειν· ὥσπερ ὁ κιθαριστὴς δεινὸν δή που ποιεῖ λέγειν περὶ οὗπερ καὶ ἐπιστήμονα, περὶ κιθαρίσεως. ἦ γάρ; — Ναί. — Εἶεν. ὁ δὲ δὴ σοφιστὴς περὶ τίνος δεινὸν ποιεῖ λέγειν; δηλονότι περὶ οὗπερ καὶ ἐπίσταται. — Εἰκός γε. — Τί δή ἐστι τοῦτο περὶ οὗ αὐτός τε ἐπιστήμων ἐστὶν ὁ σοφιστὴς καὶ τὸν μαθητὴν ποιεῖ; — Μὰ Δί᾽, ἔφη, οὐκέτι ἔχω σοι λέγειν. — Καὶ ἐγὼ εἶπον μετὰ τοῦτο, Τί οὖν οἶσθα εἰς οἷόν τινα κίνδυνον ἔρχῃ ὑποθήσων τὴν ψυχήν; ἤ, εἰ μὲν τὸ σῶμα ἐπιτρέπειν σὲ ἔδει τῳ, διακινδυνεύοντα ἢ χρηστὸν αὐτὸ γενέσθαι ἢ πονηρόν, πολλὰ ἂν περιεσκέψω εἴτ᾽ ἐπιτρεπτέον, εἴτε οὔ· καὶ εἰς συμβουλὴν τούς τε φίλους ἂν παρεκάλεις καὶ τοὺς οἰκείους, σκοπούμενος ἡμέρας
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 312d (Z. 2): α [NB erst später zu beantworten.] Nein, ich glaube mit Ihnen, daß hier δεινὸν etwas umständlicher gemacht werden muß als nachher. Übers. (verl.) von 313a (Z. 21): Ich habe nichts besseres vorzuschlagen, als etwa: gedeien würde oder verderben und g e d e i e t o d e r v e r d i r b t . S Spld. zu Übers. (verl.) von 312d (Z. 2): Zur Übersetzung von δεινόν vgl. unten z. B. 317b.
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stehe gewaltig zu machen im Reden. — Vielleicht, sprach ich, sagten wir dann etwas richtiges, aber hinreichend doch nicht. Denn die Antwort bedarf uns noch einer Frage, nämlich im Reden worüber denn der Sophist gewaltig macht? So wie der Musikmeister doch auch wohl seinen Schüler gewaltig macht im Reden, darüber nämlich, worin er ihn auch sachverständig macht, über die Musik. Nicht wahr? — Ja. — Gut, also der Sophist, im Reden worüber macht denn der gewaltig? Offenbar über das, worauf er sich auch versteht? — So sollte man denken. — Was ist also dasjenige, worin er selbst, der Sophist, sachverständig ist, und auch seinen Schüler dazu macht? — Beim Zeus, sagte er, weiter weiß ich es dir nicht zu sagen. — Darauf sprach ich: Wie nun? weißt du also welcher Gefahr du gehst deine Seele preiszugeben? Oder wenn du deinen Körper einem anvertrauen müßtest auf die Gefahr, ob er gestärkt werden würde oder verdorben, dann wohl würdest du erst vielfach überlegen, ob du ihn ihm anvertrauen solltest oder nicht, und zur Berathung deine Freunde herbeirufen und deine Verwandte, mehrere Tage lang der Sache nach-
stehe gewaltig zu machen im Reden. — Vielleicht, sprach ich, sagten wir dann etwas richtiges, aber hinreichend doch nicht. Denn die Antwort bedarf uns noch einer Frage, nämlich im Reden worüber denn der Sophist gewaltig macht? So wie der Musikmeister doch auch wohl seinen Schüler gewaltig macht im Reden, darüber nämlich, worin er ihn auch sachverständig macht, über die Musik. Nicht wahr? — Ja. — Gut, also der Sophist, im Reden worüber macht denn der gewaltig? Offenbar über das, worauf er sich auch versteht? — So sollte man denken. — Was ist also dasjenige, worin er selbst, der Sophist, sachverständig ist, und auch seinen Schüler dazu macht? — Beim Zeus, sagte er, weiter weiß ich dir nun nichts zu sagen. — Darauf sprach ich: Wie nun? weißt du also welcher Gefahr du gehst deine Seele preiszugeben? Oder würdest du wenn du deinen Körper einem anvertrauen solltest auf die Gefahr, ob er gestärkt werden würde oder verdorben, dann wohl erst vielfach überlegen, ob du ihn ihm anvertrauen wollest oder nicht, und zur Berathung deine Freunde herbeirufen und deine Verwandte, mehrere Tage lang der Sache nachdenkend: was
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συχνάς· ὃ δὲ περὶ πλείονος τοῦ σώματος ἡγῇ τὴν ψυχήν, καὶ ἐν ᾧ πάντ᾽ ἐστὶ τὰ σὰ ἢ εὖ ἢ κακῶς πράττειν, χρηστοῦ ἢ πονηροῦ αὐτοῦ γενομένου· περὶ δὲ τούτου, οὔτε τῷ πατρί, οὔτε τῷ ἀδελφῷ ἐπεκοινώσω, οὔτε ἡμῶν τῶν ἑταίρων οὐδενί, εἴτ᾽ ἐπιτρεπτέον, εἴτε καὶ οὔ, τῷ ἀφικομένῳ τούτῳ ξένῳ τὴν σὴν ψυχήν; ἀλλ᾽ ἑσπέρας ἀκούσας, ὡς φῄς, ὄρθριος ἥκων, περὶ μὲν τούτου οὐδένα λόγον οὐδὲ συμβουλὴν ποιῇ, εἴτε χρὴ ἐπιτρέπειν σαυτὸν αὐτῷ, εἴτε μή, ἕτοιμος δ᾽ εἶ ἀναλίσκειν τά τε σαυτοῦ καὶ τὰ τῶν φίλων χρήματα, ὡς ἤδη διεγνωκὼς ὅτι πάντως συνεστέον Πρωταγόρᾳ· ὃν οὔτε γιγνώσκεις, ὡς φῄς, οὔτε διείλεξαι οὐδεπώποτε. σοφιστὴν δ᾽ ὀνομάζεις, τὸν δὲ σοφιστήν, ὅ,τι ποτέ ἐστι, φαίνῃ ἀγνοῶν, ᾧ μέλλεις σαυτὸν ἐπιτρέπειν; — Καὶ ὃς ἀκούσας, Ἔοικεν, ἔφη, ὦ Σώκρατες, ἐξ ὧν σὺ λέγεις.
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 313a (Z. 1 f.): ὃ δε περι πλειονος του σωματος ἡγῃ την ψυχην – Q u i vero animam pluris quam corpus facis
2 τὴν ψυχήν] als Glosse athetiert Heindorf und Schleiermacher W1 Anm. 5 (dagegen Heindorf 1810 z. St., S. 474), nicht übersetzt W1
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denkend: was du aber weit höher als deinen Körper achtest5, und dem gemäß alle deine Angelegenheiten gut oder schlecht gehen müssen, je nachdem es gestärkt wird oder verdorben, hierüber hast du dich weder deinem Vater noch deinem Bruder mitgetheilt, noch irgend einem von uns, deinen Freunden, ob du es diesem eben angekommenen Fremdling anvertrauen sollst oder nicht, nämlich deine Seele; sondern nachdem du gestern Abend von ihm gehört, wie du sagst, kommst du heute mit dem frühesten Morgen, nicht etwa um noch darüber | irgend Gespräch und Berathung zu pflegen, ob du dich selbst ihm hingeben sollst oder nicht, sondern ganz bereit schon, dein und deiner Freunde Vermögen daran zu wenden, also als wäre dieses schon fest beschlossen, daß du auf alle Weise dich zum Protagoras begeben mußt, welchen du doch gar nicht kennst, wie du sagst, noch auch jemals gesprochen hast, sondern du nennst ihn nur einen Sophisten; was aber ein solcher Sophist eigentlich ist, dem du dich selbst übergeben willst, darin zeigst du dich ganz unwissend. — Als er dieses angehört, sagte er: So hat es freilich das Ansehn, o Sokrates, nach dem was du sagst. — Ist etwa,
du aber weit höher als deinen Körper achtest, und dem gemäß alle deine Angelegenheiten gut oder schlecht gehen müssen, je nachdem es gestärkt wird oder verdorben, die Seele4, hierüber hast du dich weder deinem Vater noch deinem Bruder mitgetheilt, noch irgend einem von uns, deinen Freunden, ob du diesem eben angekommenen Fremdling anvertrauen sollst oder nicht deine Seele; sondern nachdem du gestern Abend von ihm gehört, wie du sagst, kommst du heute mit dem frü|hesten Morgen, nicht etwa um noch darüber irgend Gespräch und Berathung zu pflegen, ob du dich selbst ihm hingeben sollst oder nicht, sondern ganz bereit schon, dein und deiner Freunde Vermögen daran zu wenden, also als wäre dieses schon fest beschlossen, daß du auf alle Weise dich mit dem Protagoras einlassen mußt, welchen du doch weder kennst, wie du sagst, noch auch jemals gesprochen hast; sondern du nennst ihn nur einen Sophisten, was aber ein solcher Sophist eigentlich ist, dem du dich selbst übergeben willst, darin zeigst du dich ganz unwissend. — Als er dieses angehört, sagte er: So hat es freilich das Ansehn, o Sokrates, nach dem was du sagst. — Ist etwa,
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4 die S e e l e . Das voreilige Auslassen dieser Worte nehme ich gern zurück, aber einen kleinen Ruck mehr nach unten zu glaubte ich ihnen geben zu müssen im Deutschen um nicht etwas weit härteres zu machen als ich vorher nicht leiden wollte im Griechischen.
K ö r p e r a c h t e s t . Mit Heindorf halte ich die Worte τὴν ψυχὴν an dieser Stelle für eine Glosse, wie auch aus der Struktur des folgenden hoffentlich einem Jeden einleuchten wird.
S Anm. 5 Vgl. Spalte 1 App.
S Anm. 4 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 5.
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— Ἆρ᾽ οὖν, ὦ Ἱππόκρατες, ὁ σοφιστὴς τυγχάνει ὢν ἔμπορός τις ἢ κάπηλος τῶν ἀγωγίμων, ἀφ᾽ ὧν ψυχὴ τρέφεται; Φαίνεται γὰρ ἔμοιγε τοιοῦτός τις· τρέφεται δὲ ψυχή, ὦ Σώκρατες, τίνι; — Μαθήμασι δή που, ἦν δ᾽ ἐγώ. καὶ ὅπως γε μή, ὦ ἑταῖρε, ὁ σοφιστὴς ἐπαινῶν ἃ πωλεῖ, ἐξαπατήσῃ ἡμᾶς, ὥσπερ οἱ περὶ τὴν τοῦ σώματος τροφήν, ὁ ἔμπορός τε καὶ κάπηλος. καὶ γὰρ οὗτοί που ὧν ἄγουσιν ἀγωγίμων οὔτε αὐτοὶ ἴσασιν ὅ,τι χρηστὸν ἢ πονηρὸν περὶ τὸ σῶμα, ἐπαινοῦσι δὲ πάντα πωλοῦντες· οὔτε οἱ ὠνούμενοι παρ᾽ αὐτῶν, ἐὰν μή τις τύχῃ γυμναστικὸς ἢ ἰατρὸς ὤν. οὕτω δὴ καὶ οἱ τὰ μαθήματα περιάγοντες κατὰ τὰς πόλεις, καὶ πωλοῦντες καὶ καπηλεύοντες τῷ ἀεὶ ἐπιθυμοῦντι, ἐπαινοῦσι μὲν πάντα ἃ πωλοῦσι, τάχα δ᾽ ἄν τινες, ὦ ἄριστε, καὶ τούτων ἀγνοοῖεν ὧν πωλοῦσιν ὅ,τι
4f Φαίνεται γὰρ ἔμοιγε τοιοῦτός τις·] dem Hippokrates als Sprecher zugewiesen Ed.Genf 1578 (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina) mit Ficinus, als Worte des Sokrates übersetzt W1 W2, vgl. W1 Anm. 6 W2 Anm. 5, dem Sokrates als Sprecher zugewiesen Heindorf 1810 z. St. (S. 476) Ed.Berlin 1816 (Bekker)
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 313c (Z. 11) mit Anm. (verl.) ? (vgl. W1 Anm. 6): [Ü]ber ἐμπ. und καπ. stimme ich Ihnen bei.
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Protagoras 1. Auflage
Protagoras 2. Auflage
Hippokrates, der Sophist ein Kaufmann oder Kleinkrämer in solchen Waaren, von welchen die Seele sich nährt? Mir wenigstens6 scheint er ein solcher. Aber wovon nährt sich die Seele, Sokrates? — Von Kenntnissen doch wohl, sprach ich. Daß also nur nicht der Sophist uns betrüge, Freund, was er verkauft uns anpreisend, wie Kaufleute und Krämer mit den Nahrungsmitteln für den Körper thun. Denn auch diese verstehen selbst nicht, was wohl von den Waaren, welche sie führen, dem Körper heilsam oder schädlich ist, loben aber alles, wenn sie es feil haben; noch auch verstehen es die, welche von ihnen kaufen, wenn nicht einer davon ein Arzt ist, oder einer der die Leibesübungen anordnet. Eben so auch die, welche mit Kenntnissen in den Städten umherziehen, und Jedem der Lust hat davon verkaufen und verhökern, loben freilich alles was sie feil haben; vielleicht aber, mein Bester, mag auch unter ihnen so Mancher nicht wissen, was wohl von seinen Waaren heilsam oder
Hippokrates, der Sophist ein Kaufmann oder Kleinkrämer in solchen Waaren, von welchen die Seele sich nährt? Mir wenigstens5 scheint er ein solcher. Aber wovon nährt sich die Seele, Sokrates? — Von Kenntnissen doch wohl, sprach ich. Daß also nur nicht der Sophist uns betrüge, Freund, was er verkauft uns anpreisend, wie Kaufleute und Krämer mit den Nahrungsmitteln für den Körper thun. Denn auch diese verstehen selbst nicht, was wohl von den Waaren, welche sie führen, dem Körper heilsam oder schädlich ist, loben aber alles, wenn sie es feil haben; noch auch verstehen es die, welche von ihnen kaufen, wenn nicht einer etwa ein Arzt ist, oder ein Vorsteher der Leibesübungen. Eben so auch die, welche mit Kenntnissen in den Städten umherziehen, und Jedem der Lust hat davon verkaufen und verhökern, loben freilich alles was sie feil haben; vielleicht aber, mein Bester, mag auch unter ihnen so Mancher nicht wissen, was wohl von seinen Waaren heilsam oder |
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M i r w e n i g s t e n s . In der Urschrift werden diese Worte φαίνεται γὰρ ἔμοιγε τοιοῦτός τις dem Hippokrates beigelegt. Ich habe sie noch zu der Rede des Sokrates gezogen, weil es kaum zu ertragen ist, daß Hippokrates auf eine solche Weise das Gleichniß annimmt, und dann erst nach dem Vergleichungspunkte fragt. Auch konnte er schwerlich sagen φαίνεται γὰρ ἔμοιγε sondern φαίνεται καὶ ἐμοί. Man vergleiche nur z. B. P. 330. c. ἐμοὶ μὲν γὰρ δοκεῖ ... καὶ ἐμοί. Daß seine Frage nun etwas abgerissen anfängt erträgt sich weit leichter.
M i r w e n i g s t e n s . In den griechischen Ausgaben werden diese Worte φαίνεται γὰρ ἔμοιγε τοιοῦτός τις dem Hippokrates beigelegt. Ich habe sie noch zu der Rede des Sokrates gezogen, weil es kaum zu ertragen ist, daß Hippokrates auf eine solche Weise das Gleichniß annimmt, und dann erst nach dem Vergleichungspunkte fragt. Auch konnte er schwerlich sagen φαίνεται γὰρ ἔμοιγε sondern φαίνεται καὶ ἐμοί. Man vergleiche nur z. B. P. 330. c. ἐμοὶ μὲν γὰρ δοκεῖ ... καὶ ἐμοί. Daß seine Frage nun etwas abgerissen anfängt erträgt sich weit leichter.
S Anm. 6 Vgl. Spalte 1 App.
S Anm. 5 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 6.
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Vorarbeiten (handschriftlich)
χρηστὸν ἢ πονηρὸν πρὸς τὴν ψυχήν· ὡς δ᾽ αὕτως καὶ οἱ ὠνούμενοι παρ᾽ αὐτῶν, ἐὰν μή τις τύχῃ περὶ τὴν ψυχὴν αὖ ἰατρικὸς ὤν. εἰ μὲν οὖν σὺ τυγχάνεις ἐπιστήμων τούτων τί χρηστὸν καὶ πονηρόν, ἀσφαλές σοι ὠνεῖσθαι μαθήματα καὶ παρὰ Πρωταγόρου, καὶ παρ᾽ ἄλλου ὁτουοῦν· εἰ δὲ μή, ὅρα, ὦ μακάριε, μὴ περὶ τοῖς φιλτάτοις κυβεύῃς τε καὶ κινδυνεύῃς. καὶ γὰρ δὴ καὶ πολὺ μείζων κίνδυνος ἐν τῇ τῶν μαθημάτων ὠνῇ ἢ ἐν τῇ τῶν σιτίων. σιτία μὲν γὰρ καὶ ποτὰ πριάμενον παρά του καπήλου καὶ ἐμπόρου, ἔξεστιν ἐν ἄλλοις ἀγγείοις ἀποφέρειν· καὶ πρὶν δέξασθαι αὐτὰ εἰς τὸ σῶμα, πιόντα ἢ φαγόντα, καταθέμενον οἴκαδε, ἔξεστι συμβουλεύσασθαι, παρακαλέσαντα τὸν ἐπαΐοντα, ὅ,τι τε ἐδεστέον καὶ ποτέον, καὶ ὅ,τι μή· καὶ ὁπόσα, καὶ ὁπότε. ὥστε ἐν τῇ ὠνῇ οὐ μέγας ὁ κίνδυνος. μαθήματα δὲ οὐκ ἔστιν ἐν ἄλλῳ ἀγγείῳ ἀπενεγκεῖν, ἀλλ᾽ ἀνάγκη, καταθέντα τὴν τιμήν, τὸ μάθημα ἐν αὐτῇ τῇ ψυχῇ λαβόντα καὶ μαθόντα, ἀπιέναι ἢ βεβλαμμένον ἢ ὠφελημένον. ταῦτα οὖν σκοπώμεθα καὶ μετὰ τῶν πρεσβυτέρων ἡμῶν· ἡμεῖς γὰρ ἔτι νέοι, ὥστε τοσοῦτον πρᾶγμα διελέσθαι. νῦν μέντοι ὥσπερ ὡρμήσαμεν ἴωμεν, καὶ ἀκούσωμεν τοῦ ἀνδρός· ἔπειτα ἀκούσαντες, καὶ ἄλλοις ἀνακοινωσώμεθα. καὶ γὰρ οὐ μόνος Πρωταγόρας αὐτόθι ἐστίν, ἀλλὰ καὶ Ἱππίας ὁ Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 314a (Z. 16): εν αλλοις αγγειοις – aliis vasis
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schädlich ist für die Seele, und eben so wenig wissen es die, welche von ihnen kaufen, wenn | nicht etwa einer darunter in Beziehung auf die Seele ein Heilkundiger ist. Verstehst du dich nun darauf was hievon heilsam oder schädlich ist, so kannst du unbedenklich Kenntnisse kaufen vom Protagoras sowohl als von jedem Anderen; wo aber nicht, so siehe wohl zu, du Guter, daß du nicht um dein theuerstes würfelst und ein gefährliches Spiel wagst. Denn überdies noch ist weit größere Gefahr beim Einkauf der Kenntnisse als bei dem der Speisen. Denn Speisen und Getränke, die du vom Kaufmann oder Krämer eingehandelt hast, kannst du in irgend einem besonderen Gefäß davon tragen, und ehe du sie essend oder trinkend in deinen Leib aufnimmst, sie zu Hause hinstellen, und auch dann noch einen Sachverständigen herbeirufend berathschlagen, was davon du essen und trinken sollst und was nicht, und wieviel und wann; so daß es bei dem Einkauf nicht viel bedeutet mit der Gefahr. Kenntnisse aber kannst du nicht in einem andern Gefäß davon tragen, sondern mußt sie nach bezahltem Preise lernend unmittelbar gleich in deine Seele aufnehmen, und wenn du davon gehst ist Schaden oder Vortheil dir schon beigebracht. Dies also laß uns wohl überlegen, und zwar mit Aelteren als wir sind: Denn wir sind noch zu jung um eine so wichtige Angelegenheit zu entscheiden. Jezt indeß, wie wir einmal unsern Sinn darauf gesezt haben, laß uns immer hingehn und den Mann hören; haben wir ihn aber gehört, dann auch mit Anderen uns besprechen. Protagoras ist ja ohnedies nicht der Einzige dort, sondern auch Hippias aus
schädlich ist für die Seele, und eben so wenig wissen es die, welche von ihnen kaufen, wenn nicht etwa einer darunter in Beziehung auf die Seele ein Heilkundiger ist. Verstehst du dich nun darauf was hievon heilsam oder schädlich ist, so kannst du unbedenklich Kenntnisse kaufen vom Protagoras sowohl als von jedem Anderen; wo aber nicht, so siehe wohl zu, du Guter, daß du nicht um dein theuerstes würfelnd ein gefährliches Spiel wagst. Denn überdies noch ist weit größere Gefahr beim Einkauf der Kenntnisse als bei dem der Speisen. Denn Speisen und Getränke, die du vom Kaufmann oder Krämer eingehandelt hast, kannst du in andern Gefäßen davon tragen, und ehe du sie essend oder trinkend in deinen Leib aufnimmst, sie zu Hause hinstellen, und auch dann noch einen Sachverständigen herbeirufend berathschlagen, was davon du essen und trinken sollst und was nicht, und wieviel und wann; so daß es bei dem Einkauf nicht viel bedeutet mit der Gefahr. Kenntnisse aber kannst du nicht in einem andern Gefäß davon tragen, sondern hast du den Preis bezahlt, so mußt du sie in deine Seele selbst aufnehmend lernen, und hast deinen Schaden oder Vortheil schon weg, wenn du gehst. Dies also laß uns wohl überlegen, und zwar mit Aelteren als wir sind: Denn wir sind noch zu jung um eine so wichtige Angelegenheit zu entscheiden. Jezt indeß, wie wir einmal unsern Sinn darauf gesezt haben, laß uns immer hingehn und den Mann hören; haben wir ihn aber gehört, dann auch mit Anderen uns besprechen. Denn Protagoras ist auch nicht allein dort, sondern auch Hippias von
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Vorarbeiten (handschriftlich)
Ἠλεῖος· (οἶμαι δὲ καὶ Πρόδικον τὸν Κεῖον) καὶ ἄλλοι πολλοὶ καὶ σοφοί. Δόξαν ἡμῖν ταῦτα, ἐπορευόμεθα· ἐπειδὴ δὲ ἐν τῷ προθύρῳ ἐγενόμεθα, ἐπιστάντες περί τινος λόγου διελεγόμεθα, ὃς ἡμῖν κατὰ τὴν ὁδὸν ἐνέπεσεν. ἵν᾽ οὖν μὴ ἀτελὴς γένοιτο, ἀλλὰ διαπερανάμενοι, οὕτως εἰσίοιμεν, στάντες ἐν τῷ προθύρῳ διελεγόμεθα, ἕως συνωμολογήσαμεν ἀλλήλοις. δοκεῖ οὖν μοι, ὁ θυρωρός, εὐνοῦχός τις, κατήκουεν ἡμῶν· κινδυνεύει δέ, διὰ τὸ πλῆθος τῶν σοφιστῶν, ἄχθεσθαι τοῖς φοιτῶσιν εἰς τὴν οἰκίαν. ἐπειδὴ γοῦν ἐκρούσαμεν τὴν θύραν, ἀνοίξας καὶ ἰδὼν ἡμᾶς, Ἔα, ἔφη, σοφισταί τινες. οὐ σχολὴ αὐτῷ. Καὶ ἅμα ἀμφοῖν ταῖν χεροῖν τὴν θύραν πάνυ προθύμως ὡς οἷόντ᾽ ἦν ἐπήραξε, καὶ ἡμεῖς πάλιν ἐκρούομεν. καὶ ὃς ἐγκεκλεισμένης τῆς θύρας ἀποκρινόμενος εἶπεν, Ὦ ἄνθρωποι, ἔφη, οὐκ ἀκηκόατε ὅτι οὐ σχολὴ αὐτῷ; — Ἀλλ᾽ ὦ ᾽γαθέ,
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 314c (Z. 4-6): επειδη δε εν τῳ προθυρῳ ἐγενομεθα, ἐπισταντες περι τ. λ. p. Postquam autem prae foribus essemus, consistentes de re quadam colloquebamur
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 314c (Z. 7): ἐνέπεσεν [d]arf wol nicht so wörtl. gegeben werden: „Worauf das Gespr. gekommen war“ Sermo incidit. Übers. (verl.) von 314c (Z. 11 f.): „Dies mochte — haben“. Besser „Da mochte nun — etwa uns zugehört — “ S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 435.
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Elis, und ich glaube auch Prodikos von Keos und viele andere gar weise Männer. Dies beschlossen gingen wir. Und als wir in den Vorhof7 kamen, standen wir | still, und sprachen noch über eine Sache, die uns unterweges eingefallen war. Um nun diese nicht abzubrechen, sondern zu Ende zu bringen ehe wir hineingingen, blieben wir im Vorhofe stehen und sprachen bis wir einig waren unter einander. Dies dünkt mich mochte der Thürsteher, ein Verschnittener, etwa gehört haben, und er scheint wohl wegen der Menge der Sophisten Allen die das Haus besuchen sehr unhold zu sein. Als wir daher anpochten, und er aufmachte und uns ansichtig ward, rief er aus: Ja, ja Sophisten! er hat nicht Muße; und somit schlug er die Thüre ohne Umstände mit beiden Händen recht tüchtig wieder zu, und wir pochten eben aufs neue. Darauf gab er uns durch die verschlossene Thüre zur Antwort: Leute, habt ihr denn nicht gehört, daß er nicht Muße hat? — Aber guter
Elis, und ich glaube auch Prodikos von Keos und viele andere gar weise Männer. Dies be|schlossen gingen wir. Und als wir in den Vorhof6 kamen, standen wir still, und sprachen noch über eine Sache, die uns unterweges eingefallen war. Um nun diese nicht abzubrechen, sondern zu Ende zu bringen ehe wir hineingingen, blieben wir im Vorhofe stehen und sprachen bis wir einig waren unter einander. Dies dünkt mich mochte der Thürsteher, ein Verschnittener, etwa gehört haben, und er scheint wohl wegen der Menge der Sophisten Allen die das Haus besuchen sehr unhold zu sein. Als wir daher anpochten, und er aufmachte und uns ansichtig ward, rief er aus: Ha, schon wieder Sophisten! er hat nicht Muße; und somit schlug er die Thüre ohne Umstände mit beiden Händen recht tüchtig wieder zu, und wir pochten eben aufs neue. Darauf gab er uns durch die verschlossene Thüre zur Antwort: Leute, habt ihr denn nicht gehört, daß er nicht Muße hat? — Aber guter
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i n d e n V o r h o f . Eine hinreichende Kenntniß des athenischen Hauses, um diese | und ein paar folgende Stellen zu verstehen, kann sich der unkundige Leser aus den Reisen des Anacharsis Kap. 25. und der dazu gehörigen Zeichnung verschaffen.
S Anm. 7 Jean Jacques Barthélemy: Reise des jüngern Anacharsis durch Griechenland viertelhalbhundert Jahr vor der gewöhnlichen Zeitrechnung. [...] Nach der zweiten Ausgabe des Originals [übers. v. Herrn Bibliothekar Biester], Bd. 2, Berlin und Libau 1790, S. 372-398, Kap. 25 („Von den Wohnungen und Gastmählern der Athener“) mit einer Tafel „Grundriß eines griechischen Hauses nach dem Vitruv“ (zu S. 374).
i n d e n V o r h o f . Eine hinreichende Kenntniß des athenischen Hauses, um diese und ein paar folgende Stellen zu verstehen, kann sich der unkundige Leser aus den Reisen des Anacharsis Kap. 25. und der dazu gehörigen Zeichnung verschaffen.
S Anm. 6 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 7.
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ἔφην ἐγώ, οὔτε παρὰ Καλλίαν ἥκομεν, οὔτε σοφισταί ἐσμεν· ἀλλὰ θάρρει· Πρωταγόραν γάρ τοι δεόμενοι ἰδεῖν ἤλθομεν. εἰσάγγειλον οὖν. μόγις οὖν ποτε ἡμῖν ἅνθρωπος ἀνέῳξε τὴν θύραν. ἐπειδὴ δὲ εἰσήλθομεν, κατελάβομεν Πρωταγόραν ἐν τῷ προστόῳ περιπατοῦντα. ἑξῆς δ᾽ αὐτῷ συμπεριεπάτουν, ἐκ μὲν τοῦ ἐπὶ θάτερα, Καλλίας ὁ Ἱππονίκου, καὶ ὁ ἀδελφὸς αὐτοῦ ὁ ὁμομήτριος, Πάραλος ὁ Περικλέους, καὶ Χαρμίδης ὁ Γλαύκωνος· ἐκ δὲ τοῦ ἐπὶ θάτερα, ὁ ἕτερος τοῦ Περικλέους Ξάνθιππος, καὶ Φιλιππίδης ὁ Φιλομήλου, καὶ Ἀντίμοιρος ὁ Μενδαῖος, ὅσπερ εὐδοκίμει μάλιστα τῶν Πρωταγόρου μαθητῶν, καὶ ἐπὶ τέχνῃ ἐμάνθανεν, ὡς σοφιστὴς ἐσόμενος. τούτων δὲ οἳ ὄπισθεν ἠκολούθουν ἐπακούοντες τῶν λεγομένων, τὸ μὲν πολὺ ξένοι ἐφαίνοντο, οὓς ἄγει ἐξ ἑκάστων πόλεων ὁ Πρωταγόρας, δι᾽ ὧν διεξέρχεται, κηλῶν τῇ φωνῇ, ὥσπερ Ὀρφεύς· οἱ δέ, κατὰ τὴν φωνὴν ἕπονται κεκηλημένοι. ἦσαν δέ τινες καὶ τῶν ἐπιχωρίων ἐν τῷ χορῷ. τοῦτον τὸν χορὸν μάλιστα ἔγωγε ἰδὼν ἥσθην, ὡς καλῶς εὐλαβοῦντο μηδέποτε ἐμποδὼν ἐν τῷ ἔμπροσθεν εἶναι Πρωταγόρου· ἀλλ᾽ ἐπειδὴ αὐτὸς ἀναστρέφοι, καὶ οἱ μετ᾽ ἐκείνου, εὖ πως καὶ ἐν κόσμῳ περιεσχίζοντο οὗτοι οἱ ἐπήκοοι ἔνθεν καὶ ἔνθεν· καὶ
13 Γλαύκωνος·] Γλαύκωνος, Heindorf 1810 Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W2 εὐδοκίμει…ἐμάνθανεν] Ed.Genf 17–19 1578 (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina) | εὐδοκίμει ... μανθάνει Ed.Basel 1556 | εὐδοκιμεῖ ... μανθάνει Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 482) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 53 [153,14], übersetzt W1 W2
Noten Spaldings (SN 157) zu 315b (Bezug unklar): Bene!
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Mann, sprach ich, weder kommen wir zum Kallias noch sind wir Sophisten. Gieb dich also zufrieden, wir sind nur gekommen um den Protagoras zu besuchen, und so melde uns hinein. Darauf öfnete uns der Mensch endlich mit genauer Noth die Thüre. Als wir nun hineintraten, fanden wir den Protagoras im bedekten Gange herumwandelnd. Mit ihm wandelten hintereinander auf der einen Seite Kallias der Sohn des Hipponikos, sein Halbbruder von mütterlicher Seite Paralos der Sohn des Perikles, und Charmides der Sohn des Glaukon; auf der andern Seite aber der andere Sohn des Perikles Xanthippos, und Philippides der Sohn des Philomelos, und Antimoiros der Mendäer, der gepriesenste unter allen Schülern des Protagoras, der auch ordentlich auf die Kunst bei ihm lernt, um selbst ein Sophist zu werden. Die übrigen hinter diesen folgenden, Zuhörer nur des Gesprochenen, wa|ren größtentheils Fremde, deren Protagoras aus allen Städten, die er durchzieht, mitbringt, kirrend sie mittelst der Töne Gewalt, wie Orpheus, und sie folgen ihm auf den Ton, die Gekirrten; indeß befanden sich doch auch einige Einheimische unter dem Chor. Diesen Chor nun betrachtend ergözte ich mich besonders daran, wie artig sie sich in Acht nahmen, niemals dem Protagoras vorn im Wege zu sein, sondern wenn er mit seinen Begleitern umwendet, wie ordentlich und geschikt diese Hörer zu beiden Seiten sich theilten, und sich dann
Mann, sprach ich, weder kommen wir zum Kallias noch sind wir Sophisten. Gieb dich also zufrieden, wir sind nur gekommen um den Protagoras zu besuchen, und so melde uns hinein. Darauf öfnete uns der Mensch endlich mit genauer Noth die Thüre. Als wir nun hineintraten, fanden wir den Protagoras im bedekten Gange herumwandelnd. Mit ihm wandelten hintereinander auf der einen Seite Kallias der Sohn des Hipponikos, und sein Halbbruder von mütterlicher Seite Paralos der Sohn des Perikles, und Charmides der Sohn des Glaukon: auf der andern Seite aber der andere Sohn des Perikles Xanthippos, und Philippides der Sohn des Philomelos, und Antimoiros von Menda, der gepriesenste unter allen Schülern des Protagoras, der auch ordentlich auf die Kunst bei ihm lernt, um selbst ein So|phist zu werden. Die übrigen hinter diesen folgenden, Zuhörer nur des Gesprochenen, waren größtentheils Fremde, deren Protagoras aus allen Städten, die er durchzieht, mitbringt, kirrend sie mittelst der Töne Gewalt, wie Orpheus, und sie folgen ihm auf den Ton, die Gekirrten; indeß befanden sich doch auch einige Einheimische unter dem Chor. Diesen Chor nun betrachtend ergözte ich mich besonders daran, wie artig sie sich in Acht nahmen, niemals dem Protagoras vorn im Wege zu sein, sondern wenn er mit seinen Begleitern umwendete, wie ordentlich und geschikt diese Hörer zu beiden Seiten sich theilten, und sich dann
S 17 Glaukon:] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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ἐν κύκλῳ περιϊόντες, ἀεὶ εἰς τὸ ὄπισθεν καθίσταντο κάλλιστα. τὸν δὲ μετεισενόησα, ἔφη Ὅμηρος, Ἱππίαν τὸν Ἠλεῖον, καθήμενον ἐν τῷ καταντικρὺ προστόῳ ἐν θρόνῳ. περὶ αὐτὸν δ᾽ ἐκάθηντο ἐπὶ βάθρων Ἐρυξίμαχός τε ὁ Ἀκουμένου καὶ Φαῖδρος ὁ Μυρρινούσιος, καὶ Ἄνδρων ὁ Ἀνδροτίωνος· καὶ τῶν ξένων, πολῖταί τε αὐτοῦ, καὶ ἄλλοι τινές. ἐφαίνοντο δὲ περὶ φύσεώς τε καὶ μετεώρων ἀστρονομικὰ ἄττα
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 315b (Z. 3): Uebersezt er das inquit Homerus mit. Homer-Stellen (SN 156/2) zu 315b (Z. 2 f.): Od. xi. 571 Τον δε μετ᾽ ᾿Ωριωνα πελωριον εἰσενοησα 581 Και μην Τανταλον εἰσειδον χαλεπ᾽ αλγε εχοντα 600 Τον δε μετ᾽ εισεινοησα βιην Ηρακληειην Od. XI, 572. Jenem zunächst erblikt ich den ungeheuren Orion 582. Auch den Tantalos schaut ich, den hart bedrängten von Jammer 601 Jenem zunächst erblikt ich die hohe Kraft Herakles.
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 315b (Z. 3) mit Anm. (verl.) (vgl. W1 Anm. 8): ἔφη Ὅμ. halten wir hier nicht für eingeschoben sondern für angenehm spashaft, und ich würde einschalten „Jenem zunächst erblikt’ ich, sagt Homeros, den Hipp.“
3 ἔφη Ὅμηρος] athetiert Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina), Variae lectiones, S. 356 Schleiermacher W1 Anm. 8, nicht übersetzt W1
S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 435. | Homer Zu den griechischen Versen vgl. Wolfs Edition: Homeri Odyssea [...], Halle 1784; 21794 (mit der von Schleiermacher zitierten Verszählung); die deutsche Übersetzung aus Johann Heinrich Voß: Homers Odyssee, 1793 (vgl. W1 Anm. 8 W2 Anm. 7).
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im Kreise herumschwenkten, um fein artig immer hinten zu sein. Jenem zunächst8 erblikte ich den Hippias von Elis in dem bedekten Gange gegenüber auf einem Sessel sizend. Um ihn herum saßen auf Bänken: Eryximachos der Sohn des Akumenos, und Phädros der Myrrhinusier, und Andron der Sohn des Androtion, und einige Fremde, theils Landesleute von ihm, theils andere. Sie schienen über die Natur und die Himmelserscheinungen allerlei Fragen aus der Sternkunde
im Kreise herumschwenkten, um fein artig immer hinten zu sein. Jenem zunächst7 erblikte ich, spricht Homeros, den Hippias von Elis in dem bedekten Gange gegenüber auf einem Sessel sizend. Um ihn herum saßen auf Bänken: Eryximachos der Sohn des Akumenos, und Phaidros der Myrrhinusier, und Andron der Sohn des Androtion, und einige Fremde, theils Landesleute von ihm, theils andere. Sie schienen über die Natur und die Himmelserscheinungen allerlei Fragen aus der Sternkunde
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J e n e m z u n ä c h s t . Aus Odyss. XI, 600 und das folgende. J a i c h e r s a h ebendaselbst 582, beides nach Voß. Der unterrichtete Athener dachte sich das übrige hinzu, und ihm entging auch der Stachel der Anspielung nicht, daß sie aus der Reise in die Unterwelt genommen ist. Die Worte ἔφη Ὅμηρος habe ich mich nicht überreden können, mit zu übersezen; so sehr halte ich sie für eingeschoben.
S Anm. 8 Vgl. Spalte 2. Ja ich ersah (Homer, Odyssee 11,581 bzw. 582 Voß) bei Voß im Wortlaut anders (vgl. Spalte 2; dagegen bei Voß: Odüßee 1781: Auch den Tantalos sah ich), vielleicht Schleiermachers erste Übersetzung in der verlorenen Hs., bevor er die Stellen aus Voß exzerpiert hatte. Diese Anmerkung wäre dann der veränderten Übersetzung in W1 (s. u. S. 621,4f) nicht mehr angepaßt worden. – Die Auslassung von ἔφη Ὅμηρος (vgl. Spalte 1 App.) kritisiert von Rez.Boeckh (1808), S. 108 = (1872), S. 26; ergänzt in W2.
7 J e n e m z u n ä c h s t . Aus Odyss. XI, 600 und das folgende. J a i c h e r s a h ebendaselbst 582, beides nach Voß. Der unterrichtete Athener dachte sich das übrige hinzu, und ihm entging auch der Stachel der Anspielung nicht, daß sie aus der Reise in die Unterwelt genommen ist.
S 4 spricht Homeros] ergänzt ggb. W1 nach Rez.Boeckh (1808) (wie zu W1); vgl. auch Spaldings Note (Spalte 2) sowie Heindorf 1810 z. St. (S. 483). S Anm. 7 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 8.
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διερωτᾷν τὸν Ἱππίαν, ὁ δ᾽ ἐν θρόνῳ καθήμενος, ἑκάστοις αὐτῶν διέκρινε καὶ διεξῄει τὰ ἐρωτώμενα. καὶ μὲν δὴ καὶ Τάνταλόν γε εἰσεῖδον. ἐπεδήμει γὰρ ἄρα καὶ Πρόδικος ὁ Κεῖος, ἦν δὲ ἐν οἰκήματι τινι, ᾧ προτοῦ μὲν ὡς ταμιείῳ ἐχρῆτο Ἱππόνικος, νῦν δὲ ὑπὸ τοῦ πλήθους τῶν καταλυόντων ὁ Καλλίας καὶ τοῦτο ἐκκενώσας, ξένοις κατάλυσιν πεποίηκεν. ὁ μὲν οὖν Πρόδικος ἔτι κατέκειτο, ἐγκεκαλυμμένος ἐν κωδίοις τισὶ καὶ στρώμασι, καὶ μάλα πολλοῖς, ὡς ἐφαίνετο. παρεκάθηντο δὲ αὐτῷ ἐπὶ ταῖς πλησίον κλίναις Παυσανίας τε ὁ ἐκ Κεραμέων, καὶ μετὰ Παυσανίου νέον ἔτι μειράκιον, ὡς μὲν ἐγᾦμαι, καλόν τε κᾀγαθὸν τὴν φύσιν· τὴν δ᾽ οὖν ἰδέαν πάνυ καλός. ἔδοξα ἀκοῦσαι ὄνομα αὐτῷ
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 315c (Z. 1): „Throne“. Vorher hatten Sie Sessel. Dürfen Sie hier den derben Drukker brauchen: T h r o n ? „Von seinem Siz herab“.
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dem Hippias vorzulegen, und er auf seinem Throne sizend ging mit jedem seine Frage durch, und gab seine Entscheidung. Auch den Tantalos schaut’ ich; Prodikos nämlich der Keier war auch angekommen, und befand sich in einem Gemach, welches Hipponikos sonst als Vorrathskammer gebraucht hatte, jezt aber hatte Kallias wegen Menge der Einkehrenden auch dieses ausgeleert und zum Gastzimmer gemacht. Prodikos nun lag noch dort eingehüllt in Dekken und Felle, und zwar in sehr viele wie man sah. Auf den nächsten Polstern um ihn her saßen Pausanias der Kerameer, und neben ihm ein noch kaum halb erwachsener Jüngling schöner und edler Natur, wie ich | glaube, von Gestalt aber gewiß sehr schön; mich dünkt gehört zu haben, daß man
dem Hippias vorzulegen, und er auf seinem Throne sizend ging mit jedem seine Frage durch, und gab seine Entscheidung. Auch den Tantalos schaut’ ich; Prodikos nämlich der Keier war auch angekommen, und befand sich in einem Gemach, welches Hipponikos ehedem als Vorrathskammer gebraucht hatte, jezt aber hatte Kallias wegen Menge der Einkehrenden auch dieses ausgeleert und zum Gastzimmer gemacht. Prodikos nun lag noch dort eingehüllt in Dekken und Felle, und zwar in sehr viele wie man sah. Auf den nächsten Polstern um ihn her saßen | Pausanias der Kerameer, und neben ihm ein noch kaum halb erwachsener Jüngling schöner und edler Natur, wie ich glaube, von Gestalt aber gewiß sehr schön; mich dünkt gehört zu haben, daß man
S 4f Auch den Tantalos schaut’ ich] S. o. W1 Anm. 8 mit App. S.
S 4f Auch den Tantalos schaut’ ich] Vgl. Spalte 3 App. S.
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εἶναι Ἀγάθωνα· καὶ οὐκ ἂν θαυμάζοιμι εἰ παιδικὰ Παυσανίου τυγχάνει ὤν. τοῦτό τ᾽ ἦν τὸ μειράκιον, καὶ τὼ Ἀδειμάντω ἀμφοτέρω, ὅ, τε Κήπιδος καὶ ὁ Λευκολοφίδου, καὶ ἄλλοι τινὲς ἐφαίνοντο. περὶ δὲ ὧν διελέγοντο οὐκ ἐδυνάμην ἔγωγε μαθεῖν ἔξωθεν, καίπερ λιπαρῶς ἔχων ἀκούειν τοῦ Προδίκου· πάνσοφος γάρ μοι δοκεῖ ἁνὴρ εἶναι καὶ θεῖος. ἀλλὰ διὰ τὴν βαρύτητα τῆς φωνῆς βόμβός τις ἐν τῷ οἰκήματι γιγνόμενος, ἀσαφῆ ἐποίει τὰ λεγόμενα. καὶ ἡμεῖς μὲν ἄρτι εἰσεληλύθειμεν· κατόπιν δὲ ἡμῶν ἐπεισῆλθον Ἀλκιβιάδης τε ὁ καλός (ὡς φῂς σύ, καὶ ἐγὼ πείθομαι) καὶ Κριτίας ὁ Καλλαίσχρου. Ἡμεῖς οὖν ὡς εἰσήλθομεν, ἔτι μικρὰ ἄττα διατρίψαντες, καὶ ταῦτα διαθεασάμενοι, προσῇμεν πρὸς τὸν Πρωταγόραν· καὶ ἐγὼ
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 315e (Z. 3 f.): τοῦτο τ᾽ ην το μειρακιον, και τὼ Αδειμάντω p. atque hic quidem erat adolescentulus ille. Aderant et ambo Adimanti p.
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 315e (Z. 1) mit Anm. (verl.)?: Ich weis freilich nichts vom Vaterland des Agathon, sah auch hier nicht die Nothw., ihn für einen Athener zu nehmen. Etwa weil er so jung jetzt hier ist? 1–3 καὶ οὐκ ἂν θαυμάζοιμι εἰ παιδικὰ Παυσανίου τυγχάνει ὤν. τοῦτό τ᾽ ἦν τὸ μειράκιον, καὶ] ... τυγχάνει ὂν τουτὶ τὸ μειράκιον. Καὶ konj. Schleiermacher W1 Anm. 9, übersetzt W1 | καὶ ... τοῦτό τ᾽ οὖν τό μειράκιον ... konj. Heindorf (laut W1 Anm. 9) Heindorf 1810 z. St. (S. 485), so in einer Hs. bei Bekker, Comm. 1 1823, S. 53 [162,4], übersetzt W2, vgl. W2 Anm. 8
T Exz.Corn. 2 τὼ] τῲ SN 156/1 | Αδειμάντω] korr. aus Αδειμαντὼ SN 156/1 S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 435. – Ficinus in Ed.Zweibrücken: neque mirum apud me erat, quod hic Pausaniae amatus esset. erat ibidem et Adimantus uterque, tum Cepidis ...
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ihn Agathon nannte, und es sollte mich nicht wundern, wenn dieser Knabe9 der Liebling des Pausanias wäre. Außerdem zeigten sich noch die beiden Adeimante, der Sohn des Kepis, und der des Leukolophides, nebst einigen andern. Wovon sie aber sprachen, konnte ich von draußen nicht vernehmen, wiewohl sehr begierig den Prodikos zu hören, denn gar weise und göttlich dünkt mich der Mann zu sein. Allein die Tiefe seiner Stimme verursachte in dem Gemach ein dumpfes Getöse, das alles Gesprochene unvernehmlich machte. Und wir waren nur eben eingetreten, als hinter uns noch herein kamen: Alkibiades, der Schöne wie du sagst und auch ich glaube, und Kritias der Sohn des Kallaischros. Wir nun verweilten nach unserm Eintritt ein wenig, um dies alles zu beschauen; dann gingen wir zum Protagoras heran, und ich sag-
ihn Agathon nannte, und es sollte mich nicht wundern, wenn er der Liebling8 des Pausanias wäre. Dieser Jüngling also und die beiden Adeimante, der Sohn des Kepis, und der des Leukolophides, nebst einigen andern zeigten sich da. Wovon sie aber sprachen, konnte ich von draußen nicht vernehmen, wiewohl sehr begierig den Prodikos zu hören, denn gar weise und göttlich dünkt mich der Mann zu sein. Allein die Tiefe seiner Stimme verursachte in dem Gemach ein dumpfes Getöse, das alles Gesprochene unvernehmlich machte. Und wir waren nur eben eingetreten, als hinter uns noch herein kamen: Alkibiades, der Schöne wie du sagst und auch ich glaube, und Kritias der Sohn des Kallaischros. Wir nun verweilten nach unserm Eintritt ein wenig, um dies alles zu beschauen; dann gingen wir zum Protagoras heran, und ich sag-
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W e n n d i e s e r K n a b e . Daß die Worte τοῦτο τ᾽ ἦν τὸ μειράκιον einen Fehler enthalten, ist klar. Cornars Uebersezung atque hic quidem erat adolescentulus ille macht noch klarer, daß sie keinen Saz für sich ausmachen können. Ficin läßt sie aus: so grausam will ich nicht sein. Ich denke, das τοῦτο τ᾽ ἦν ist sehr leicht entstanden aus der doppelten Schreibart τοῦτο und τουτὶ und dem so oft vorkommenden Nicht-Auslöschen des falschen, sondern nur Hinten-Anschreiben des rechten, und lese daher καὶ οὐκ ἂν θαυμάζοιμι εἰ παιδικὰ Παυσανίου τυγχάνει ὂν τουτὶ τὸ μειράκιον. Καὶ etc. Heindorf ändert τοῦτό τ᾽ οὖν τό μ.
S Anm. 9 Vgl. Spalte 1 App. und Spalte 2 Cornarius mit App. S (dort Ficinus). – Rez.Ast (1808), S. 137: zu lesen [...]: τοιοῦτό γ᾽ ἦν τὸ μειράκιον: so schön freilich (oder nehmlich) war der Knabe.
W e n n e r d e r L i e b l i n g . Daß die Worte τοῦτο τ᾽ ἦν τὸ μειράκιον einen Fehler enthalten, ist klar. Cornars Uebersezung atque hic quidem erat adolescentulus ille macht noch klarer, daß sie keinen Saz für sich ausmachen können. Ficin läßt sie aus. Gegen meinen Vorschlag τουτὶ τὸ μειράκιον lesend die Worte zum vorigen zu ziehen, sind gegründete Einwendungen gemacht worden. Heindorfs τοῦτό τ᾽ οὖν wird von einer Handschrift wenigstens bestätigt, und besseres ist noch nicht gefunden.
S Anm. 8 Vgl. Spalte 1 App. und Spalte 3 zu Anm. 9.
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εἶπον, Ὦ Πρωταγόρα, πρός σέ τοι ἤλθομεν ἐγώ τε καὶ Ἱπποκράτης οὗτος. — Πότερον, ἔφη, μόνῳ βουλόμενοι διαλεχθῆναι, ἢ καὶ μετὰ τῶν ἄλλων; — Ἡμῖν μέν, ἦν δ᾽ ἐγώ, οὐδὲν διαφέρει· ἀκούσας δὲ οὗ ἕνεκα ἤλθομεν, αὐτὸς σκέψαι. — Τί οὖν δή ἐστιν, ἔφη, οὗ ἕνεκα ἥκετε; — Ἱπποκράτης ὅδε, ἔστι μὲν τῶν ἐπιχωρίων, Ἀπολλοδώρου υἱός, οἰκίας μεγάλης τε καὶ εὐδαίμονος· αὐτὸς δὲ τὴν φύσιν δοκεῖ ἐνάμιλλος εἶναι τοῖς ἡλικιώταις. ἐπιθυμεῖν δέ μοι δοκεῖ ἐλλόγιμος γενέσθαι ἐν τῇ πόλει. τοῦτο δὲ οἴεταί οἱ μάλιστα γενέσθαι εἴ σοι συγγένοιτο. ταῦτ᾽ οὖν ἤδη σὺ σκόπει, πότερον περὶ αὐτῶν μόνος οἴει δεῖν διαλέγεσθαι πρὸς μόνους, ἢ μετ᾽ ἄλλων. — Ὀρθῶς, ἔφη, προμηθῇ, ὦ Σώκρατες, ὑπὲρ ἐμοῦ. ξένον γὰρ ἄνδρα καὶ κατιόντα εἰς πόλεις μεγάλας, καὶ ἐν ταύταις πείθοντα τῶν νέων τοὺς βελτίστους, ἀπολείποντας τὰς τῶν ἄλλων συνουσίας, καὶ οἰκείων καὶ ὀθνείων, καὶ πρεσβυτέρων καὶ νεωτέρων, ἑαυτῷ συνεῖναι, ὡς βελτίους ἐσομένους διὰ τὴν ἑαυτοῦ συνουσίαν, χρὴ εὐλαβεῖσθαι τὸν ταῦτα πράττοντα. οὐ γὰρ σμικροὶ περὶ αὐτὰ φθόνοι τε γίγνονται, καὶ ἄλλαι δυσμένειαί τε καὶ ἐπιβουλαί. ἐγὼ δὲ τὴν σοφιστικὴν τέχνην φημὶ μὲν εἶναι παλαιάν, τοὺς δὲ μεταχειριζομένους αὐτὴν
1 τοι] τι Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 54 [162,17], übersetzt W2
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te: Protagoras, wir kommen ganz eigentlich zu dir, ich und hier Hippokrates. — Wollt ihr etwa, fragte er, allein mit mir sprechen, oder hier mit den übrigen? — Uns, sprach ich, macht es keinen Unterschied, höre aber weshalb wir kommen und überlege es dir dann selbst. — Was ist es denn also, fragte er, weshalb ihr hergekommen seid? — Dieser Hippokrates, sagte ich, ist hier einheimisch, der Sohn des Apollodoros von einem großen und glänzenden Geschlecht, und auch er selbst dünkt mich, was seine natürlichen Anlagen betrifft, seinen Altersgenossen wohl gewachsen zu sein, wie auch bestrebt ein ausgezeichneter Mann in unserer Stadt zu werden; und eben dieses glaubt er am besten zu erreichen, wenn er sich zu dir halten könnte. Ob du nun meinst hierüber mit | uns allein sprechen zu müssen oder vor Andern, das überlege dir selbst. — Sehr mit Recht, Sokrates, sprach er, bist du besorglich um mich. Denn ein Fremdling der die großen Städte durchreiset, und dort die vorzüglichsten Jünglinge überredet, dem Umgang mit andern Verwandten und Mitbürgern, Alten und Jungen entsagend, sich zu ihm zu halten, weil sie durch den Umgang mit ihm besser werden würden, ein solcher hat freilich alle Ursach auf seiner Hut zu sein. Denn nicht wenig Mißgunst entsteht hieraus und Uebelwollen und Nachstellungen aller Art. Daher auch behaupte ich, daß die sophistische Kunst zwar schon sehr alt ist, daß aber diejenigen
te: Protagoras, zu dir kommen wir um etwas, ich und hier Hippokrates. — Wollt ihr etwa, fragte er, allein mit mir sprechen, oder hier mit den übrigen? — Uns, sprach ich, macht es keinen Unterschied, höre aber weshalb wir kommen und überlege es dann selbst. — Was ist es denn also, fragte er, weshalb ihr hergekommen seid? — Dieser Hippokrates, sagte ich, ist hier einheimisch, der Sohn des Apollodoros von einem großen und glänzenden Geschlecht, und auch er selbst dünkt mich, was seine natürlichen Anlagen betrifft, es mit seinen Altersgenossen wohl aufnehmen zu können, und Lust zu haben ein ausgezeichneter | Mann in unserer Stadt zu werden; und eben dieses glaubt er am besten zu erreichen, wenn er mit dir sein könnte. Ob du nun meinst hierüber mit uns allein sprechen zu müssen oder vor Andern, das überlege dir selbst. — Sehr mit Recht, Sokrates, sprach er, bist du besorglich um mich. Denn ein Fremdling der die großen Städte durchreiset, und dort die vorzüglichsten Jünglinge überredet, dem Umgang mit andern Verwandten und Mitbürgern, Alten und Jungen entsagend, sich zu ihm zu halten, weil sie durch den Umgang mit ihm besser werden würden, ein solcher muß freilich auf seiner Hut sein. Denn nicht wenig Mißgunst entsteht hieraus und Uebelwollen und Nachstellungen aller Art. Daher auch behaupte ich, daß die sophistische Kunst zwar schon sehr alt ist, daß aber diejenigen
S 2 um etwas] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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τῶν παλαιῶν ἀνδρῶν, φοβουμένους τὸ ἐπαχθὲς αὐτῆς, πρόσχημα ποιεῖσθαι καὶ προκαλύπτεσθαι τοὺς μέν, ποίησιν (οἷον Ὅμηρόν τε καὶ Ἡσίοδον καὶ Σιμωνίδην) τοὺς δὲ αὖ, τελετάς τε καὶ χρησμῳδίας· τοὺς ἀμφί τε Ὀρφέα καὶ Μουσαῖον. ἐνίους δέ τινας ᾔσθημαι καὶ γυμναστικήν· οἷον Ἴκκος τε ὁ Ταραντῖνος, καὶ ὁ νῦν ἔτι ὢν οὐδενὸς ἥττων σοφιστὴς Ἡρόδικος ὁ Σηλυμβριανός, τὸ δὲ ἀρχαῖον Μεγαρεύς. μουσικὴν δὲ Ἀγαθοκλῆς τε ὁ ὑμέτερος πρόσχημα ἐποιήσατο, μέγας ὢν σοφιστής, καὶ Πυθοκλείδης ὁ Κεῖος, καὶ ἄλλοι πολλοί. οὗτοι πάντες, ὥσπερ λέγω, φοβηθέντες τὸν φθόνον, ταῖς τέχναις ταύταις παρα-
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 316e (Z. 11 f.): „Selymbrianer“ „Selymbrier“. Übers. (verl.) von 316e (Z. 17 f.): τὸν φθόνον. „Den Neid“. Ich glaube dis muß man nehmen, wie das römische „invidia“ und H a ß übersezen.
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unter den Alten, welche sie ausübten, aus Furcht vor dem Gehäßigen derselben einen Vorwand genommen und sie verstekt haben. Einige hinter der Poesie, wie Homeros, Hesiodos und Simonides, Andere hinter Mysterien und Orakelsprüchen, wie Orpheus und Musäos, ja einige habe ich bemerkt bedienten sich dazu sogar der Kunst der Leibesübungen, wie Ikkos der Tarentiner, und auch jezt noch einer, der ein Sophist ist so gut als irgend einer, Herodikos der Selymbrianer, der aber von Alters her aus Megara abstammt. Die Musik aber hat Agathokles euer Landsmann zum Vorwande genommen, der ein großer Sophist ist, so auch Pythokleides von Keos und viele andere. Alle diese, wie gesagt, haben den Neid gefürchtet, und sich daher jener Kün-
unter den Alten, welche sie ausübten, aus Furcht vor dem Gehässigen derselben einen Vorwand genommen und sie verstekt haben, einige hinter der Poesie, wie Homeros, Hesiodos und Simonides, andere hinter Mysterien und Orakelsprüchen, wie Orpheus und Musaios, ja einige habe ich bemerkt bedienten sich dazu sogar der Kunst der Leibesübungen, wie Ikkos der Tarentiner9, und auch jezt noch einer, der ein Sophist ist so gut als irgend einer, Herodikos der Selymbrianer, ursprünglich aber aus Megara. Die Musik hat Agathokles euer Landsmann zum Vorwande genommen, der ein großer Sophist ist, so auch Pythokleides von Keos und viele andere. Alle diese, wie gesagt, haben aus Furcht des Neides sich jener 9
I k k o s d e r T a r e n t i n e r . Im achten Buch der Geseze wird von ihm gerühmt, daß er aus Liebe zu seiner Kunst, der athletischen, sich während seiner ganzen Uebungszeit der Weiber und Knaben gänzlich enthalten. Bei Eustath zum Dionys. Perieg. heißt er ein Arzt, und seine Mäßigkeit ist sprichwörtlich. Beides ist bei Heindorf zu finden. Den Agathokles werden wir im Laches erwähnt finden, und seinen Lehrer Pythokleides im Alkibiades.
S Anm. 9 Vgl. Heindorf 1810 z. St. (S. 489 f.), wo zu Ikkos zitiert ist Platon, Nomoi 8, 839e, sowie Eustathios, Comm. zu Dionysios Periegetes V. 376; zu Agathokles: Platon, Laches 180d, und zu Pythokleides: Platon, Alkibiades 1, 118c.
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πετάσμασιν ἐχρήσαντο· ἐγὼ δὲ τούτοις ἅπασι κατὰ τοῦτο εἶναι οὐ ξυμφέρομαι. ἡγοῦμαι γὰρ αὐτοὺς οὔ τι διαπράξασθαι ὃ ἐβουλήθησαν. οὐ γὰρ λαθεῖν τῶν ἀνθρώπων τοὺς δυναμένους ἐν ταῖς πόλεσι πράττειν ὧνπερ ἕνεκα ταῦτ᾽ ἐστὶ τὰ προσχήματα. ἐπεὶ οἵ γε πολλοί, ὡς ἔπος εἰπεῖν, οὐδὲν αἰσθάνονται· ἀλλ᾽ ἅττ᾽ ἂν οὗτοι διαγγέλλωσι, ταῦτα ὑμνοῦσι. τὸ οὖν ἀποδιδράσκοντα μὴ δύνασθαι ἀποδρᾶναι, ἀλλὰ καταφανῆ εἶναι, πολλὴ μωρία καὶ τοῦ ἐπιχειρήματος, καὶ πολὺ δυσμενεστέρους παρέχεσθαι ἀνάγκη τοὺς ἀνθρώπους. ἡγοῦνται γὰρ τὸν τοιοῦτον πρὸς τοῖς ἄλλοις καὶ πανοῦργον εἶναι. ἐγὼ οὖν τούτων τὴν ἐναντίαν ἅπασαν ὁδὸν ἐλήλυθα· καὶ ὁμολογῶ τε σοφιστὴς εἶναι, καὶ παιδεύειν ἀνθρώπους· καὶ εὐλάβειαν ταύτην οἶμαι βελτίω ἐκείνης εἶναι, τὸ ὁμολογεῖν μᾶλλον ἢ ἔξαρνον εἶναι· καὶ ἄλλας πρὸς ταύτῃ ἔσκεμμαι. ὥστε, σὺν θεῷ εἰπεῖν,
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Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 317a (Z. 1-3): ἐγω δε τουτοις ἁπασι κατα τουτο εἰναι οὐ ξυμφερομαι. Ego vero his omnibus in hoc non consentio. Heindorf το ειναι amittere πλεοναζει, so auch Spalding. zu 317a (Z. 13 f.): πολλη μωρια και του ἐπιχειρηματος. – Fugientem igitur aufugere non posse sed manifestum fieri magna conatus stultitia est.
Noten Spaldings (SN 157) zu 317a (Z. 1-3): „ἐγὼ δὲ — ε ἶ ν α ι — ξυμφέρομαι“. Über dieses εἶναι spricht flüchtig Hemsterhuys ad Lucian. Tim. extr. S Exz.Corn. zu 317a (Z. 1-3): Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 436. – Zu Heindorfs und Spaldings Meinung vgl. Heindorf 1810 z. St. (S. 490), wo verschiedene Parallelen angeführt sind, u. a. Luciani Samosatensis opera graece et latine ad editionem Tiberii Hemsterhusii et Ioannis Frederici Reitzii accurate expressa cum varietate lectionis et annotationibus, Bd. 1, Zweibrücken 1789, S. 321; diese Stelle zitiert auch Spalding (Spld. [157], allerdings fälschlich ad Lucian Tim. extr. statt (wie bei Heindorf) ad Lucian. Iudicium Vocalium extr.). | Exz.Corn. zu 317a (Z. 13 f.): Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 436.
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ste zum Dekmantel bedient. Ich aber bin hierin mit ihnen allen nicht einig, glaube auch, daß sie das nicht ausgerichtet haben was ihre Absicht war. Denn grade diejenigen täuschen sie doch nicht, welche in einem Staate das auszuführen vermögen, um deswillen ein solcher | Vorwand gesucht wird, und der große Haufe, daß ich es kurz heraus sage, merkt überall nichts, und singt nach, was Jene ihm vorsagen. Wenn nun Jemand heimlich davonlaufen will und nicht kann, sondern entdekt wird, so ist schon das Unternehmen sehr thöricht, und muß überdies die Menschen nothwendig noch mehr aufbringen; denn neben allem andern halten sie dann einen solchen auch noch für einen Ränkemacher. Daher habe ich den ganz entgegengesezten Weg eingeschlagen, und sage grade heraus, daß ich ein Sophist bin, und die Menschen erziehen will, und halte es für die bessere Vorsichtsmaaßregel sich lieber dazu zu bekennen, als es zu leugnen. Auch beobachte ich noch einige andere, so daß mir, es sei mit
Künste zum Dekmantel bedient. Ich aber will mich hierin ihnen allen nicht gleich stellen, glaube auch daß sie das nicht ausgerichtet haben was sie wollten, diejenigen nem|lich nicht getäuscht, welche in einem Staate mächtig sind, um derentwillen eben solche Vorwände gesucht werden; denn der große Haufe, daß ich es kurz heraus sage, merkt überall nichts, und singt nach, was Jene ihm vorsagen. Wenn nun Jemand heimlich davonlaufen will und nicht kann, sondern entdekt wird; so ist schon das Unternehmen sehr thöricht, und muß die Menschen nothwendig noch mehr aufbringen; denn neben allem andern halten sie dann einen solchen auch noch für einen Ränkemacher. Daher habe ich den ganz entgegengesezten Weg eingeschlagen, und sage grade heraus, daß ich ein Sophist bin, und die Menschen erziehen will, und halte diese Vorsicht für besser als jene, sich lieber dazu zu bekennen, als es zu leugnen. Und noch einige andere beobachte ich, so daß mir, es sei mit
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μηδὲν δεινὸν πάσχειν διὰ τὸ ὁμολογεῖν σοφιστὴς εἶναι. καίτοι πολλά γε ἔτη ἤδη εἰμὶ ἐν τῇ τέχνῃ. καὶ γὰρ καὶ τὰ ξύμπαντα πολλά μοι ἐστίν· οὐδενὸς ὅτου οὐ πάντων ἂν ὑμῶν καθ᾽ ἡλικίαν πατὴρ εἴην. ὥστε πολύ μοι ἥδιστόν ἐστιν, εἴτι βούλεσθε, περὶ τούτων ἁπάντων ἐναντίον τῶν ἔνδον ὄντων τὸν λόγον ποιεῖσθαι. — Καὶ ἐγώ (ὑπώπτευσα γὰρ βούλεσθαι αὐτὸν τῷ τε Προδίκῳ καὶ τῷ Ἱππίᾳ ἐνδείξασθαι, καὶ καλλωπίσασθαι, ὅτι ἐρασταὶ αὐτοῦ ἀφιγμένοι εἴημεν) Τί οὖν, ἐφὴν ἐγώ, οὐ καὶ Πρόδικον καὶ Ἱππίαν ἐκαλέσαμεν, καὶ τοὺς μετ᾽ αὐτῶν, ἵνα ἐπακούσωσιν ἡμῶν; — Πάνυ μὲν οὖν, ἔφη ὁ Πρωταγόρας. — Βούλεσθε οὖν, ὁ Καλλίας ἔφη, συνέδριον κατασκευάσωμεν, ἵνα καθεζόμενοι
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 317c (Z. 3 f.): και γαρ και τα ξυμπαντα p. et hi in universum etiam mihi multi sunt neque est ex omnibus vobis quisquam pp.
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 317b (Z. 1): „noch nichts — widerfahren ist“. Warum das Perfekt, da πάσχειν dasteht? Ich verbinde ἔσκεμμαι ὥστε πάσχειν: „habe ersonnen, um zu vermeiden“. Das σὺν θεῷ εἰπεῖν (obgleich etwas sonderbar in des Ateisten Munde) soll auch den W u n s c h mildern, der übermenschlich scheinen könnte. Oder es heißt so viel als: εἴ γε θεῷ φίλον. S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 436.
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Gott gesprochen, noch nichts übles um deswillen widerfahren ist, daß ich mich für einen Sophisten ausgebe, obgleich ich diese Kunst schon viele Jahre lang treibe; wie ich denn überhaupt schon hoch in den Jahren bin, denn es giebt keinen unter euch, dessen Vater ich nicht dem Alter nach sein könnte. So daß es mir weit lieber ist, wenn ihr etwas wünscht, daß ihr vor Allen die hier zugegen sind eure Sache anbringt. — Darauf sprach ich, denn ich merkte wohl, er wollte den Prodikos und Hippias sehen lassen, und damit groß gegen sie thun, daß wir als seine Verehrer hingekommen wären: Warum rufen wir also nicht auch den Prodikos und Hippias und die bei ihnen sind, damit sie uns auch hören? — O ja, sagte Protagoras. — Wollt ihr also, sprach Kallias, so wollen wir eine Sizung veranstalten, damit ihr euch niederlassen und mit
Gott gesprochen, noch nicht übles um deswillen widerfahren ist, daß ich mich für einen Sophisten ausgebe, obgleich ich diese Kunst schon viele Jahre lang treibe; wie ich denn überhaupt schon hoch in Jahren bin, und es keinen unter euch giebt, dessen Vater ich nicht dem Alter nach sein könnte. So daß es mir weit lieber ist, wenn ihr etwas wünscht, daß ihr vor Allen die hier zugegen sind eure Sache anbringt. — Darauf sprach ich, denn ich merkte wohl, er wollte den Prodikos und Hippias sehen lassen, und damit groß gegen sie thun, daß wir als seine Verehrer hingekommen wären: Warum rufen wir also nicht gleich auch den Prodikos und Hippias und die bei ihnen sind, damit sie uns auch hören? — O ja, sagte Protagoras. — Wollt ihr also, sprach Kallias, so wollen wir eine Sizung veranstalten, damit ihr euch niederlassen und mit einander verhandeln |
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διαλέγησθε; — Ἐδόκει χρῆναι. ἄσμενοι δὲ πάντες ἡμεῖς, ὡς ἀκουσόμενοι ἀνδρῶν σοφῶν, καὶ αὐτοί τε ἀντιλαβόμενοι τῶν βάθρων καὶ τῶν κλινῶν κατεσκευάζομεν παρὰ τὸν Ἱππίαν. ἐκεῖ γὰρ προϋπῆρχε τὰ βάθρα. ἐν δὲ τούτῳ Καλλίας τε καὶ Ἀλκιβιάδης ἡκέτην, ἄγοντε τὸν Πρόδικον, ἀναστήσαντες ἐκ τῆς κλίνης καὶ τοὺς μετὰ τοῦ Προδίκου. ἐπειδὴ δὲ πάντες συνεκαθεζόμεθα, Πρωταγόρας, Νῦν δὴ ἄν, ἔφη, λέγοις, ὦ Σώκρατες, ἐπειδὴ καὶ οἵδε πάρεισι, περὶ ὧν ὀλίγῳ πρότερον μνείαν ἐποιοῦ πρὸς ἐμὲ ὑπὲρ τοῦ νεανίσκου. — Καὶ ἐγὼ εἶπον ὅτι, Ἡ αὐτή μοι ἐστὶν ἀρχή, ὦ Πρωταγόρα, ἥπερ ἄρτι περὶ ὧν ἀφικόμην. Ἱπποκράτης γὰρ ὅδε τυγχάνει ὢν ἐν ἐπιθυμίᾳ τῆς σῆς συνουσίας. ὅ,τι οὖν αὐτῷ ἀποβήσεται, ἐάν σοι συνῇ, ἡδέως ἄν φησι πυθέσθαι. τοσοῦτος ὅγε ἡμέτερος λόγος. — Ὑπολαβὼν οὖν ὁ Πρωταγόρας εἶπεν, Ὦ νεανίσκε, ἔσται τοίνυν σοι, ἐὰν ἐμοὶ συνῇς, ᾗ ἂν ἡμέρᾳ ἐμοὶ συγγένῃ, ἀπιέναι οἴκαδε βελτίονι γεγονότι, καὶ ἐν τῇ ὑστεραίᾳ ταυτὰ ταῦτα· καὶ ἑκάστης ἡμέρας ἀεὶ ἐπὶ
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 317d (Z. 2): ασμενοι δε παντες pp. – Et nos omnes velut sapientes viros libenter audituri et scabella apprehendentes et sellas parabamus.
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einander verhandeln könnt. — Das waren wir sehr zufrieden; und hoch erfreut daß wir die weisen Männer sollten reden | hören, legten wir selbst Hand an, und machten Bänke und Polster da zurecht, wo Hippias saß, denn da standen schon die Bänke. Darüber kamen auch Kallias und Alkibiades, den Prodikos, den sie aus seinem Lager aufgestört hatten, und seine Gesellschaft herbeiführend. Als wir uns nun alle gesezt hatten, hub Protagoras an. Nun also, Sokrates, da auch diese Männer alle hier sind, so trage jezt vor, wessen du vorhin erwähntest wegen dieses Jünglinges. — Ich sagte also: Mein Anfang, o Protagoras, ist derselbe wie vorher, wegen dessen warum ich gekommen bin. Hier dieser Hippokrates nämlich trägt großes Verlangen nach deinem näheren Umgange; was ihm aber eigentlich daraus herkommen wird, wenn er sich zu dir hält, dies möchte er, wie er sagt, gern vorher vernehmen. — Darauf nahm Protagoras das Wort, und sprach: Junger Mann, es wird dir also geschehen, wenn du dich zu mir hältst, daß du schon an dem ersten Tage, den du bei mir zubringst, besser geworden nach Hause gehen wirst, und an dem folgenden ebenfalls, und so wirst du alle Tage zum besseren fortschrei-
könnt. — Das waren wir sehr zufrieden; und hoch erfreut daß wir die weisen Männer sollten reden hören, legten wir selbst Hand an, und machten Bänke und Polster da zurecht, wo Hippias saß, denn da standen schon die Bänke. Darüber kamen auch Kallias und Alkibiades, den Prodikos, den sie aus seinem Lager aufgestört hatten, und seine Gesellschaft herbeiführend. Als wir uns nun alle gesezt hatten, hub Protagoras an. Nun also, Sokrates, da auch diese Männer alle hier sind, so trage jezt vor, wessen du vorhin erwähntest gegen mich wegen dieses Jünglinges. — Ich sagte also: Mein Anfang, o Protagoras, ist derselbe wie vorher, wegen dessen warum ich gekommen bin. Hier dieser Hippokrates nämlich trägt großes Verlangen nach deinem näheren Umgange; was ihm aber eigentlich daraus herkommen wird, wenn er sich zu dir hält, dies möchte er, wie er sagt, gern vorher vernehmen. Das ist unsere Rede. — Darauf nahm Protagoras das Wort, und sprach: Junger Mann, es wird dir also geschehen, wenn du dich zu mir hältst, daß du schon an dem ersten Tage, den du bei mir zubringst, besser geworden nach Hause gehen wirst, und an dem folgenden ebenfalls, und so alle Tage
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τὸ βέλτιον ἐπιδιδόναι. — Καὶ ἐγὼ ἀκούσας εἶπον, Ὦ Πρωταγόρα, τοῦτο μὲν οὐδὲν θαυμαστὸν λέγεις, ἀλλὰ εἰκός· ἐπεὶ κᾂν σύ, καίπερ τηλικοῦτος ὢν καὶ οὕτω σοφός, εἴτις σε διδάξειεν ἃ μὴ τυγχάνεις ἐπιστάμενος, βελτίων ἂν γένοιο. ἀλλὰ μὴ οὕτως· ἀλλ᾽ ὥσπερ ἂν εἰ αὐτίκα μεταβαλὼν τὴν ἐπιθυμίαν Ἱπποκράτης ὅδε ἐπιθυμήσειε τῆς συνουσίας τούτου τοῦ νεανίσκου τοῦ νῦν ἐπιδημοῦντος νεωστί, Ζευξίππου τοῦ Ἡρακλεώτου, καὶ ἀφικόμενος παρ᾽ αὐτόν, ὥσπερ παρά σε νῦν, ἀκούσειεν αὐτοῦ ταυτὰ ταῦτα ἅπερ σοῦ· ὅτι ἑκάστης ἡμέρας ξυνὼν αὐτῷ, βελτίων ἔσται, καὶ ἐπιδώσει· εἰ αὐτὸν ἐπανέροιτο, Τί δὴ φῂς βελτίω ἔσεσθαι, καὶ εἰς τί ἐπιδώσειν; εἴποι ἂν αὐτῷ Ζεύξιππος, ὅτι πρὸς γραφικήν· κᾂν εἰ Ὀρθαγόρᾳ τῷ Θηβαίῳ συγγενόμενος, ἀκούσας ἐκείνου ταυτὰ ταῦτα ἅπερ σοῦ, ἐπανέροιτο αὐτὸν εἰς ὅ,τι βελτίων καθ᾽ ἡμέραν ἔσται συγγιγνόμενος ἐκείνῳ, εἴποι ἂν ὅτι εἰς αὔλησιν· οὕτω δὴ καὶ σὺ εἰπὲ τῷ νεανίσκῳ, καὶ ἐμοὶ ὑπὲρ τούτου ἐρωτῶντι, Ἱπποκράτης ὅδε Πρωταγόρᾳ συγγενόμενος, ᾗ ἂν ἡμέρᾳ συγγένηται, βελτίων ἄπεισι γενόμενος, καὶ τῶν ἄλλων ἡμερῶν ἑκάστης οὕτως ἐπιδώσει· εἰς τί, ὦ Πρωταγόρα, καὶ περὶ τοῦ; — Καὶ ὁ Πρωταγόρας ἐμοῦ ταῦτα ἀκούσας, Σύ τε καλῶς, ἔφη, ἐρωτᾷς, ὦ Σώκρατες, καὶ ἐγὼ τοῖς καλῶς ἐρωτῶσι χαίρω ἀποκρινόμενος. Ἱππο-
6 τυγχάνεις] τυγχάνοις Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 54 [166,14], übersetzt W2
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 318b (Z. 8): „so wie wenn“ „wie wenn“.
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ten. — Als ich das gehört hatte, sprach ich: Dieses ist nichts wunderbares gesagt, Protagoras, sondern ganz natürlich. Denn auch du, wiewohl so alt und so weise, wenn dich jemand lehrte, was du noch nicht weißt, würdest besser werden. Aber nicht also; sondern so wie wenn Hippokrates, sein Verlangen plözlich ändernd, nun verlangte sich zu dem kürzlich hier angekommenen jungen Manne zu begeben, zu dem Zeuxippos von Herakleia, und er nun zu diesem käme, und von ihm dasselbe hörte, was du jezt sagst, daß er an jedem bei ihm zugebrachten Tage besser werden und | Fortschritte machen würde, wenn er ihn weiter fragte: In wiefern, sagst du, daß ich besser werden und worin Fortschritte machen werde? ihm Zeuxippos gewiß antworten würde in der Mahlerei; oder wie wenn er zum Orthagoras von Thebä sich begebend, von diesem dasselbe hörte wie von dir, und er ihn dann weiter fragte, worin er denn besser werden würde durch seinen Umgang, dieser ihm gewiß sagen würde im Flötenspielen: Eben so sage doch auch du dem jungen Manne und mir, der ich an seiner Stelle frage, Hippokrates soll, wenn er sich zum Protagoras hält, schon an dem ersten Tage, den er bei ihm zubringt, besser nach Hause gehen, und so täglich Fortschritte machen, in wiefern, Protagoras, und worin? — Und nachdem Protagoras mich ausgehört hatte, sagte er: Du fragst sehr gut, Sokrates, und mir macht es Freude, denen die so gut fragen zu antworten. Wenn also Hippokrates
zum besseren fortschreitest. — Als ich das gehört hatte, sprach ich: Dieses ist nichts wunderbares gesagt, Protagoras, sondern ganz natürlich. Denn auch du, wiewohl so alt und so weise, wenn dich jemand lehrte, was du noch nicht wüßtest, würdest besser werden. Aber nicht also; sondern so wie wenn Hippokrates, sein Verlangen plözlich ändernd, nun verlangte sich zu dem kürzlich hier angekommenen jungen Manne zu begeben, zu dem | Zeuxippos von Herakleia, und er nun zu diesem käme, und von ihm dasselbe hörte, was du jezt sagst, daß er an jedem bei ihm zugebrachten Tage besser werden und Fortschritte machen würde, und ihn weiter fragte, in wiefern, sagst du, daß ich besser werden und worin Fortschritte machen werde? ihm Zeuxippos gewiß antworten würde in der Mahlerei; oder wie wenn er zum Orthagoras von Thebä sich begebend, von diesem dasselbe hörte wie von dir, und er ihn dann weiter fragte, worin er denn besser werden würde durch seinen Umgang, dieser ihm gewiß sagen würde im Flötenspielen: Eben so sage doch auch du dem jungen Manne und mir, der ich an seiner Stelle frage, Hippokrates soll, wenn er sich zum Protagoras hält, schon an dem ersten Tage, den er bei ihm zubringt, besser nach Hause gehen, und so täglich Fortschritte machen, in wiefern, Protagoras, und worin? — Und nachdem Protagoras mich ausgehört hatte, sagte er: Du fragst sehr gut, Sokrates, und mir macht es Freude, denen die gut fragen zu antworten. Wenn also Hippokrates
S 7 wüßtest] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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κράτης γὰρ παρ᾽ ἐμὲ ἀφικόμενος, οὐ πείσεται ἅπερ ἂν ἔπαθεν ἄλλῳ τῳ συγγενόμενος τῶν σοφιστῶν. οἱ μὲν γὰρ ἄλλοι λωβῶνται τοὺς νέους. τὰς γὰρ τέχνας αὐτοὺς πεφευγότας ἄκοντας πάλιν ἄγοντες ἐμβάλλουσιν εἰς τὰς τέχνας, λογισμούς τε καὶ ἀστρονομίαν, καὶ γεωμετρίαν, καὶ μουσικὴν διδάσκοντες· (καὶ ἅμα εἰς τὸν Ἱππίαν ἀπέβλεψε) παρὰ δ᾽ ἐμὲ ἀφικόμενος, μαθήσεται οὐ περὶ ἄλλου του ἢ περὶ οὗ ἥκει. τὸ δὲ μάθημα, ἐστὶν εὐβουλία περί τε τῶν οἰκείων, ὅπως ἂν ἄριστα τὴν αὑτοῦ οἰκίαν διοικοῖ· καὶ περὶ τῶν τῆς πόλεως, ὅπως τὰ τῆς πόλεως δυνατώτατος ἂν εἴη καὶ πράττειν καὶ λέγειν. — ῎Αρ᾽, ἔφην ἐγώ, ἕπομαί σου τῷ λόγῳ. δοκεῖς γάρ μοι λέγειν τὴν πολιτικὴν τέχνην, καὶ ὑπισχνεῖσθαι ποιεῖν ἄνδρας ἀγαθοὺς πολί-
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 319a (Z. 18): Ἄρ εφην εγω ἑπομαι p. – N u m assequor, inquam ego
6 πάλιν] πάλιν αὖ Ed.Basel 1556 Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 496) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 55 [167,15], übersetzt W2 18 ῎Αρ᾽] ῏Αρ᾽ Ed.Basel 1556 Spld. (SN 157) Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 496) Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. Cornarius (Spalte 2), übersetzt W1 W2
Noten Spaldings (SN 157) zu 318e (Z. 16 f.): Weiß H n d f . sicher zu sagen ob es recht ist zu schreiben ὅπως ἂν ε ἴ η , oder ob es heißen muß ᾖ, weil nicht das Präteritum vorhergeht, sondern das Praesens. Wenigstens διοικοῖ kann auch der Konjunktif sein. Indessen ich glaube ἂν erfodert hier den Optatif, weil sonst dis Wort gar nicht da zu stehen brauchte. Man sagt ὅπως γένηται, und nicht ὅπως ἂν γένηται. Doch nein! Gleich nachher (319a. extr.) steht ὅπως ἂ ν ἀπιστῶ nicht ἀπιστοίην. Übers. (verl.) von 319a (Z. 18): Also Ἆρ᾽ statt Ἄρ᾽. S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 437.
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zu mir kommt, wird ihm das nicht begegnen, was ihm bei einem andern Sophisten begegnen würde. Die andern nämlich mißhandeln die Jünglinge offenbar. Denn nachdem diese den Schulkünsten eben glüklich entkommen sind, führen jene sie wider ihren Willen zu denselben Künsten zurük, und lehren sie Rechnen, und Sternkunde, und Meßkunde, und Musik, wobei er den Hippias ansah, bei mir aber soll er nichts lernen, als das weshalb er eigentlich kommt. Diese Kenntniß aber ist die Klugheit in seinen eignen Angelegenheiten, wie er sein Hauswesen am besten verwalten, und dann auch in den Angelegenheiten des Staats, wie er am geschiktesten sein wird, diese sowohl zu führen als auch darüber zu reden. — Folge ich wohl, sagte ich darauf, deiner Rede? Du | scheinst mir nämlich die Staatskunst zu bezeichnen, und zu verheißen, du wollest zu tüchtigen Männern für den Staat die Männer bilden?
zu mir kommt, wird ihm das nicht begegnen, was ihm bei einem andern Sophisten begegnen würde. Die andern nämlich mißhandeln die Jünglinge offenbar. Denn nachdem diese den Schulkünsten eben glüklich entkommen sind, führen jene sie wider ihren Willen wiederum zu Künsten, und lehren sie Rechnen, und Sternkunde, und Meßkunde, und Musik, wobei er den Hippias ansah, bei mir aber soll er nichts lernen, als das weshalb er eigentlich kommt. Diese Kenntniß aber ist die Kl ughei t i n sei nen ei gnen A ngelegenhei ten, w ie er sei n Hauswesen am besten verwalten, und dann auch in den Angelegenheiten des Staats, wie er am geschik|testen sein wird, diese sowohl zu führen als auch darüber zu reden. — Folge ich wohl, sagte ich darauf, deiner Rede? Du scheinst mir nämlich die Staatskunst zu bezeichnen, und zu verheißen, du wollest zu tüchtigen Männern für den Staat die Männer bilden?
S 8 wiederum] nach Heindorf und Bekker wie Spalte 1 App.
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τας. — Αὐτὸ μὲν οὖν τοῦτό ἐστιν, ἔφη, ὦ Σώκρατες, τὸ ἐπάγγελμα ὃ ἐπαγγέλλομαι. — Ἦ καλόν, ἦν δ᾽ ἐγώ, τέχνημα ἄρα κέκτησαι, εἴπερ κέκτησαι. οὐ γὰρ ἄλλό τι πρός σε εἰρήσεται ἢ ἅπερ νοῶ. ἐγὼ γὰρ τοῦτο, ὦ Πρωταγόρα, οὐκ ᾤμην διδακτὸν εἶναι, σοὶ δὲ λέγοντι οὐκ ἔχω ὅπως ἂν ἀπιστῶ. ὅθεν δὲ ἡγοῦμαι αὐτὸ οὐ διδακτὸν εἶναι, μηδ᾽ ὑπ᾽ ἀνθρώπων παρασκευαστὸν ἀνθρώποις, δίκαιός εἰμι εἰπεῖν. ἐγὼ γὰρ Ἀθηναίους, ὥσπερ καὶ οἱ ἄλλοι Ἕλληνες, φημὶ σοφοὺς εἶναι· ὁρῶ οὖν, ὅταν συλλεγῶμεν εἰς τὴν ἐκκλησίαν, ἐπειδὰν μὲν περὶ οἰκοδομίας τὶ δέῃ πρᾶξαι τὴν πόλιν, τοὺς οἰκοδόμους μεταπεμπομένους συμβούλους περὶ τῶν οἰκοδομημάτων· ὅταν δὲ περὶ ναυπηγίας, τοὺς ναυπηγούς· καὶ τἄλλα πάντα οὕτως ὅσα ἡγοῦνται μαθητά τε καὶ διδακτὰ εἶναι. ἐὰν δέ τις ἄλλος ἐπιχειρῇ αὐτοῖς συμβουλεύειν ὃν ἐκεῖνοι μὴ οἴωνται δημιουργὸν εἶναι, κᾂν πάνυ καλὸς ᾖ καὶ πλούσιος, καὶ τῶν γενναίων, οὐδέν τι μᾶλλον ἀποδέχονται, ἀλλὰ καταγελῶσι καὶ θορυβοῦσιν, ἕως ἂν ἢ αὐτὸς ἀποστῇ ὁ ἐπιχειρῶν λέγειν, καταθορυβηθείς, ἢ οἱ τοξόται αὐτὸν ἀφελκύσωσιν, ἢ ἐξαίρωνται, κελευόντων τῶν πρυτάνεων. περὶ μὲν οὖν ὧν οἴονται ἐν τέχνῃ εἶναι, οὕτω
25 οἴωνται] οἴονται Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 498) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 55 [168,19], vgl. Spld. (SN 157) 32 ἐξαίρωνται] ἐξάρωνται Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 55 [169,2]
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 319a (Z. 8 f.): „weiß ich nicht wie ich nicht glauben solte“ „weiß ich nicht den Glauben zu verweigern“. 319c (Z. 24 f.): Muß es nicht heißen ὃν ἂ ν ἐκεῖνοι μὴ οἴωνται? Woher sonst der Konjunktif? Übers. (verl.) von 319c (Z. 32): „heraustragen“ „heraustreiben“.
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— Eben dieses, sagte er, ist das Anerbieten, wozu ich mich erbiete. — Gewiß eine schöne Kunst, sprach ich, besizest du, wenn du sie besizest, denn nichts anderes soll zu dir geredet werden als ich denke. Ich nämlich, Protagoras, meinte dieses wäre nicht lehrbar; dir aber, da du es sagst, weiß ich nicht wie ich nicht glauben sollte. Weshalb ich aber denke, dies sei nicht lehrbar, noch von Menschen zu erlangen, das muß ich billig sagen. Ich halte nämlich, wie auch wohl alle Hellenen thun, die Athener für weise, und nun sehe ich, wenn wir in der Gemeinde versammelt sind, und es soll im Bauwesen der Stadt etwas geschehen, so holen sie die Baumeister zur Berathung über die Gebäude; wenn im Schiffswesen, dann die Schiffbauer, und in allen andern Dingen eben so, welche sie für lehrbar und lernbar halten. Will sich aber ein Anderer unterfangen ihnen Rath zu geben, von dem sie glauben, daß er kein Kunstverwandter in dieser Sache ist, sei er auch noch so schön und reich und vornehm: so nehmen sie ihn doch nicht an, sondern lachen ihn aus und betreiben Lärm bis er entweder heruntergelärmt von selbst wieder abtritt, oder die Gerichtsdiener ihn herunterziehen oder heraustragen auf Geheiß der Prytanen. Und in allem, wovon sie glauben, daß es auf Kunst beruhe, werden sie so verfah-
— Eben dieses, sagte er, ist das Anerbieten, wozu ich mich erbiete. — Gewiß eine schöne Kunst, sprach ich, besizest du, wenn du sie besizest, denn zu dir soll nichts anderes geredet werden als ich denke. Ich nämlich, Protagoras, meinte, dieses wäre nicht lehrbar; dir aber, da du es sagst, weiß ich nicht wie ich nicht glauben sollte. Weshalb ich aber denke, dies sei nicht lehrbar, noch könne ein Mensch es dem andern verschaffen, das muß ich billig sagen. Ich halte nämlich, wie auch wohl alle Hellenen thun, die Athener für weise, und nun sehe ich, wenn wir in der Gemeinde versammelt sind, und es soll im Bauwesen der Stadt etwas geschehen, so holen sie die Baumeister zur Berathung über die Gebäude; wenn im Schiffswesen, dann die Schiffbauer, und in allen andern Dingen eben so, welche sie für lehrbar und lernbar halten. Will sich aber ein Anderer unterfangen ihnen Rath zu geben, von dem sie glauben, daß er kein Kunstverwandter in dieser Sache ist, sei er auch noch so schön und reich und vornehm: so nehmen sie ihn doch nicht an, sondern lachen ihn aus und betreiben Lärm bis er entweder heruntergelärmt von selbst wieder abtritt, oder die Gerichtsdiener ihn herunterziehen oder herausschaffen auf Geheiß der Prytanen. Und in allem, wovon sie glauben, daß es auf Kunst beruhe, verfahren sie so.
S 35 herausschaffen] verändert ggb. W1, vgl. Spaldings Note (Spalte 2)
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διαπράττονται. ἐπειδὰν δέ τι περὶ τῆς πόλεως διοικήσεως δέῃ βουλεύσασθαι, συμβουλεύει αὐτοῖς ἀνιστάμενος περὶ τούτων ὁμοίως μὲν τέκτων, ὁμοίως δὲ χαλκεύς, σκυτοτόμος, ἔμπορος, ναύκληρος· πλούσιος, πένης· γενναῖος, ἀγεννής. καὶ τούτοις οὐδεὶς τοῦτο ἐπιπλήττει, ὥσπερ τοῖς πρότερον, ὅτι οὐδαμόθεν μαθών, οὐδὲ ὄντος διδασκάλου οὐδενὸς αὐτῷ, ἔπειτα συμβουλεύειν ἐπιχειρεῖ. δῆλον γὰρ ὅτι οὐχ ἡγοῦνται διδακτὸν εἶναι. μὴ τοίνυν ὅτι τὸ κοινὸν τῆς πόλεως οὕτως ἔχει, ἀλλὰ ἰδίᾳ ἡμῖν οἱ σοφώτατοι καὶ ἄριστοι τῶν πολιτῶν ταύτην τὴν ἀρετὴν ἣν ἔχουσιν οὐχ οἷοί τε ἄλλοις παραδιδόναι. ἐπεὶ Περικλῆς, ὁ τουτωνὶ τῶν νεανίσκων πατήρ, τούτους ἃ μὲν διδασκάλων εἴχετο, καλῶς καὶ εὖ ἐπαίδευεν· ἃ δὲ αὐτὸς σοφός ἐστιν, οὔτε αὐτὸς παιδεύειν, οὔτε τῳ ἄλλῳ παραδίδωσιν· ἀλλ᾽ αὐτοὶ περιϊόντες νέμονται, ὥσπερ ἄφετοι, ἐάν που αὐτόματοι περιτύχωσι τῇ ἀρετῇ. εἰ δὲ βούλει,
22 παιδεύειν] παιδεύει konj. Spld. (SN 157) Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 501) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 55 [169,17], übersetzt W1 W2
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 319d (Z. 1): „aber über“ „hingegen über“. 320a (Z. 22): παιδεύειν l. παιδεύει. Übers. (verl.) von 320a (Z. 25 f.): περιτύχωσι τῇ ἀρετῇ „e t w a s v o n d i e s e r Tugend“?
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ren. Wenn aber über Anordnungen im Staate zu rathschlagen ist, so steht Jeder auf und ertheilt ihnen s einen Rath: Zi mmermann, Schmidt, Schuster, Krämer, Schiffsherr, Reiche, Arme, Vornehme, Geringe, einer wie der andere, und Niemand | macht ihnen Vorwürfe darüber, wie denen im vorigen Falle, daß sie ohne dies irgendwo gelernt zu haben, oder ihren Meister darin aufzeigen zu können, sich nun doch unterfangen wollen Rath zu geben. Offenbar also glauben sie, dies sei nicht lehrbar. Und nicht nur das versammelte Volk denkt so, sondern auch zu Hause für sich sind unsere verständigsten und vortreflichsten Mitbürger nicht im Stande, diese Tugend welche sie besizen Andern mitzutheilen. Perikles zum Beispiel, der Vater dieser beiden jungen Männer, hat sie in Allem, was durch Lehrer zu erlangen ist, vortreflich unterrichten lassen; aber in dieser Sache, worin er selbst weise ist, unterrichtet er sie weder selbst, noch hat er sie einem Andern übergeben, sondern sie laufen ganz frei herum und weiden ohne Hüter, ob sie irgendwo von selbst etwas von dieser Tugend antreffen möchten. Wenn du noch mehr willst, derselbe Peri-
Wenn aber über Verwaltung der Stadt etwas zu rathschlagen ist, so steht Jeder auf und er|theilt ihnen sei nen Rath: Z immer mann, Schmidt, Schuster, Krämer, Schiffsherr, Reiche, Arme, Vornehme, Geringe, einer wie der andere, und Niemand macht einem Vorwürfe darüber, wie im vorigen Falle, daß er ohne dies irgendwo gelernt zu haben, oder seinen Meister darin aufzeigen zu können, sich nun doch unterfangen wolle Rath zu geben. Offenbar also glauben sie, dies sei nicht lehrbar. Und nicht nur das versammelte Volk denkt so, sondern auch zu Hause für sich sind unsere verständigsten und vortreflichsten Mitbürger nicht im Stande, diese Tugend welche sie besizen Andern mitzutheilen. Perikles zum Beispiel, der Vater dieser beiden jungen Männer, hat sie in Allem, was von Lehrern abhing, vortreflich unterrichten lassen; aber in dieser Sache, worin er selbst weise ist, unterrichtet er sie weder selbst, noch hat er sie einem Andern übergeben, sondern sie laufen ganz frei herum und weiden allein, ob sie irgendwo von selbst etwas von dieser Tugend antreffen möchten. Wenn du noch mehr willst, derselbe Perikles ist
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Κλεινίαν τὸν Ἀλκιβιάδου τουτονὶ νεώτερον ἀδελφὸν ἐπιτροπεύων ὁ αὐτὸς οὗτος ἀνὴρ Περικλῆς, δεδιὼς περὶ αὐτοῦ μὴ διαφθαρῇ δὴ ὑπὸ Ἀλκιβιάδου, ἀποσπάσας ἀπὸ τούτου, καταθέμενος ἐν Ἀρίφρονος ἐπαίδευε· καὶ πρὶν ἓξ μῆνας γεγονέναι, ἀπέδωκε τούτῳ, οὐκ ἔχων ὅ,τι χρήσαιτο αὐτῷ. καὶ ἄλλους σοι παμπόλλους ἔχω λέγειν, οἳ αὐτοὶ ἀγαθοὶ ὄντες, οὐδένα πώποτε βελτίω ἐποίησαν, οὔτε τῶν οἰκείων, οὔτε τῶν ἀλλοτρίων. ἐγὼ οὖν, ὦ Πρωταγόρα, εἰς ταῦτα ἀποβλέπων, οὐχ ἡγοῦμαι διδακτὸν εἶναι τὴν ἀρετήν· ἐπειδὴ δέ σου ἀκούω ταῦτα λέγοντος, κάμπτομαι, καὶ οἶμαι τί σε λέγειν, διὰ τὸ ἡγεῖσθαί σε πολλῶν μὲν ἔμπειρον γεγονέναι, πολλὰ δὲ μεμαθηκέναι, τὰ δὲ αὐτὸν ἐξευρηκέναι. εἰ οὖν ἔχεις ἐναργέστερον ἡμῖν ἐπιδεῖξαι ὡς διδακτόν ἐστιν ἡ ἀρετή, μὴ φθονήσῃς, ἀλλ᾽
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 320a (Z. 1): τον Αλκιβιαδου τουτονι – Uebersezt das τουτονι gar nicht mit. zu 320a (Z. 8): απεδωκε τουτῳ p. Hunc idem hic vir Pericles, quum ipsi timeret ne forte ab Alcibiade corrumperetur, ab ipso abstractum apud Ariphronem erudiit, et ante sex mensium tempus ab illo redditum accepit, quum non haberet ille quod cum ipso ageret.
1 τουτονὶ] τουτουὶ konj. Grou (s. W1 Anm. 10) Schleiermacher W1 Anm. 10 W2 Anm. 10 Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 501) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 55 [169,21], übersetzt W1 W2
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 320a (Z. 4): „verdorben“. Nicht „verderbt“? Übers. (verl.) von 320c (Z. 21 f.): „bündiger beweisen“ „augenscheinlicher zeigen“. S Exz.Corn. zu 320a (Z. 1): Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 437. | Exz.Corn. zu 320a (Z. 8): Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 437.
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kles ist Vormund von Kleinias, dem jüngern Bruder dieses Alkibiades hier10, und aus Besorgniß, daß er von dem Alkibiades möchte verdorben werden, trennte er ihn von diesem, und gab ihn in das Haus des Ariphron, um ihn dort erziehen zu lassen, der aber gab ihn ihm zurük ehe sechs Monate um waren, weil er nicht wußte, was er mit ihm anstellen sollte. Und so kann ich dir sehr viele Andere nennen, welche selbst trefliche Männer, dennoch niemals irgend einen besser gemacht haben, weder von ihren Angehörigen noch sonst. Ich meines Theils also, Protagoras, halte hierauf Rüksicht nehmend nicht dafür, die Tugend sei lehrbar. Nun aber ich dich dieses behaupten höre, lenke ich um, und denke du werdest wohl Recht haben, weil ich von dir halte, du habest vieles in der Welt er|fahren, vieles gelernt, und manches auch selbst erfunden. Kannst du mir also bündiger beweisen, daß die Tugend lehrbar ist, so wolle es mir nicht vorenthalten, sondern zeige es mir.
Vormund von Kleinias, dem jüngern Bruder dieses Alkibiades hier10, und aus Besorgniß, daß er von dem Alkibiades möchte verdorben werden, trennte er ihn von diesem, und gab ihn in das Haus des Ariphron, um ihn dort erziehen zu lassen, der aber gab ihn ihm zurük ehe sechs Monate um waren, weil er nicht wußte, was er mit ihm anstellen sollte. Und so kann ich dir sehr viele Andere nennen, welche selbst trefliche Männer, dennoch niemals irgend einen besser gemacht haben, weder von ihren Angehörigen noch sonst. Ich meines Theils also, Protagoras, halte hierauf Rüksicht nehmend nicht dafür, die Tugend sei lehrbar. Nun aber ich dich | dieses behaupten höre, lenke ich um und denke, du werdest wohl Recht haben, weil ich von dir halte, du habest vieles in der Welt erfahren, vieles gelernt, und manches auch selbst erfunden. Kannst du uns also deutlicher zeigen, daß die Tugend lehrbar ist, so wolle es nicht vorenthalten, sondern zeige es.
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D i e s e s A l k i b i a d e s h i e r . Statt τουτονὶ, da Kleinias gar nicht zugegen war, τουτουῒ zu lesen, hat schon Grou vorgeschlagen. Ariphron, Perikles Bruder, war dem Plutarchos zufolge Mitvormund über die Söhne des Kleinias.
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S Anm. 10 Jean-Nicolas Grou: Dialogues de Platon, Bd. 1, Amsterdam 1770, S. 215 Anm. 18. Plutarch, Alkibiades 1,2; vgl. Platon, Alkibiades I, 104b, 124b.
S 26 deutlicher zeigen] verändert ggb. W1, vgl. Spaldings Note (Spalte 2)
d i e s e s A l k i b i a d e s h i e r . Statt τουτονὶ, da Kleinias gar nicht zugegen war, τουτουῒ zu lesen, hat schon Grou vorgeschlagen. Ariphron, Perikles Bruder, war dem Plutarchos zufolge Mitvormund über die Söhne des Kleinias.
S Anm. 10 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 10.
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ἐπίδειξον. — Ἀλλ᾽, ὦ Σώκρατες, ἔφη, οὐ φθονήσω. ἀλλὰ πότερον ὑμῖν, ὡς πρεσβύτερος νεωτέροις, μῦθον λέγων ἐπιδείξω, ἢ λόγῳ διεξελθών; — Πολλοὶ οὖν αὐτῷ ὑπέλαβον τῶν παρακαθημένων ὁποτέρως βούλοιτο διεξιέναι. — Δοκεῖ τοίνυν μοι, ἔφη, χαριέστερον εἶναι, μῦθον ὑμῖν λέγειν. Ἦν γάρ ποτε χρόνος ὅτε θεοὶ μὲν ἦσαν, θνητὰ δὲ γένη οὐκ ἦν· ἐπειδὴ δὲ καὶ τούτοις χρόνος ἦλθεν εἱμαρμένος γενέσεως, τυποῦσιν αὐτὰ θεοὶ γῆς ἔνδον, ἐκ γῆς καὶ πυρὸς μίξαντες, καὶ τῶν ὅσα πυρὶ καὶ γῇ κεράννυται. ἐπειδὴ δ᾽ ἄγειν αὐτὰ πρὸς φῶς ἔμελλον, προσέταξαν Προμηθεῖ καὶ Ἐπιμηθεῖ κοσμῆσαί τε καὶ νεῖμαι δυνάμεις ἑκάστοις ὡς πρέπει. Προμηθέα δὲ παραιτεῖται Ἐπιμηθεὺς αὐτὸς νεῖμαι· Νείμαντος δέ μου, ἔφη, ἐπίσκεψαι. καὶ οὕτω πείσας, νέμει. νέμων δέ, τοῖς μὲν ἰσχὺν ἄνευ τάχους προσῆπτε, τοὺς
13–15 γῆς ἔνδον, ἐκ γῆς καὶ πυρὸς μίξαντες, καὶ τῶν ὅσα πυρὶ καὶ γῇ κεράννυται] ... ἔνδον ἐκ ... μίξαντες καὶ ... [ohne Interpunktion] Heindorf 1810 Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W2
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 320c (Z. 4): λόγῳ διεξελθών; „ a u s d e n e r s t e n G r ü n d e n mit euch durchgehn“. Dis scheint viel zu modern metafisisch das λόγῳ zu nehmen. cf. 324.d. 320d (Z. 21 f.): οὕτω πείσας νέμει. Ich möchte umsezen: πείσας οὕτω νέμει. Es ist so sehr attisch, hinter das Partizip des Aoristes οὕτω zu sezen: „Nachdem er ihn beredet, da vertheilt er denn“. Ähnlich ist 321.d. κλέπτει — καὶ οὕτω δὴ δωρεῖται, denn das ist soviel als κλέψας οὕτω δὴ δωρεῖται. 325.a. S Spld. zu 320d (Z. 21 f.): Die Zuordnung der Stellenangabe 325.a. ist unklar.
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— Gut, Sokrates, sagte er, ich will es dir auch nicht vorenthalten. Aber soll ich es euch, wie Aeltere wohl mit Jüngeren zu thun pflegen, durch Vortrag einer Erzählung zeigen, oder es aus den ersten Gründen mit euch durchgehn? — Viele nun der um ihn her Sizenden sagten, er möchte es ausführen, auf welche Weise er selbst am liebsten wollte. — So dünkt es mich denn anmuthiger, sagte er, wenn ich euch eine Erzählung vortrage. Es war einst eine Zeit, wo es Götter zwar gab, sterbliche Geschlechter aber gab es noch nicht; und als nun auch für diese die vorherbestimmte Zeit ihrer Erzeugung gekommen war, bildeten die Götter sie innerhalb der Erde, aus Erde und Feuer sie mischend, und aus dem, was schon aus Erde und Feuer gemengt war. Und als sie sie nun ans Licht bringen sollten, trugen sie dem Prometheus und Epimetheus auf, sie auszustatten, und die Kräfte unter sie, wie es jedem zukomme, zu vertheilen. Vom Prometheus aber erbat sich Epimetheus, er solle ihm die Vertheilung überlassen, und, sagte er, wenn ich ausgetheilt, so komme du es zu besichtigen. Und so nachdem er ihn beredet vertheilte er. Bei der Vertheilung nun verlieh er Ei-
— Gut, Sokrates, sagte er, ich will es auch nicht vorenthalten. Aber wie soll ich es euch zeigen, indem ich ein Mährchen erzähle wie Aeltere wohl Jüngeren zu thun pflegen, oder indem ich eine Abhandlung vortrage? — Viele nun der umher sizenden sagten, er möchte es vortragen, auf welche Weise er selbst am liebsten wollte. — So dünkt es mich denn anmuthiger, sagte er, euch ein Mährchen zu erzählen. Es war einst eine Zeit, wo es Götter zwar gab, sterbliche Geschlechter aber gab es noch nicht; nachdem aber auch für diese die vorherbestimmte Zeit ihrer Erzeugung gekommen war, bildeten die Götter sie innerhalb der Erde aus Erde und Feuer11 auch das hinzumengend, was von Erde und Feuer gemengt ist. Und als sie sie nun ans Licht bringen sollten, übertrugen sie dem Prometheus und Epimetheus, sie auszustatten, und die Kräfte unter sie, wie es jedem zukomme, zu vertheilen. Vom Prometheus aber erbat sich Epimetheus, er wolle vertheilen, und, sagte er, wenn ich ausgetheilt, so komme du es zu besichtigen. Und so nachdem er ihn beredet, vertheilte er. Bei der Vertheilung nun verlieh 11
E r d e u n d F e u e r . Der oberste elementarische Gegensaz den Parmenides annahm im Gebiet der Erscheinung.
S 21–23 und aus dem, was schon aus Erde und Feuer gemengt war] kritisiert von Rez.Ast (1808), S. 131 (dort vorgeschlagen: aus den (gewöhnlichen) Stoffen, die mit Erde und Feuer gemischt werden); verändert in W2
S 6f indem ich eine Abhandlung vortrage] verändert ggb. W1, vgl. Spaldings Note 19–22 innerhalb…ist] nach (Spalte 2) Heindorf und Bekker wie Spalte 1 App., vgl. auch Rez.Ast (1808) (wie zu W1) S Anm. 11 Zu Parmenides vgl. Diogenes Laertius, Vitae Philosophorum IX, 21 fin.
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δ᾽ ἀσθενεστέρους τάχει ἐκόσμει· τοὺς δὲ ὥπλιζε, τοῖς δ᾽ ἄοπλον διδοὺς φύσιν, ἄλλην τιν᾽ αὐτοῖς ἐμηχανᾶτο δύναμιν εἰς σωτηρίαν. ἃ μὲν γὰρ αὐτῶν σμικρότητι ἤμπισχε, πτηνὸν φυγὴν ἢ κατάγειον οἴκησιν ἔνεμεν· ἃ δὲ ηὖξε μεγέθει, τῷ δὲ αὐτῷ αὐτὰ ἔσωζε· καὶ τἄλλα οὕτως ἐπανισῶν ἔνεμε. ταῦτα δὲ ἐμηχανᾶτο εὐλάβειαν ἔχων μή τι γένος ἀϊστωθείη. ἐπειδὴ δὲ αὐτοῖς ἀλληλοφθοριῶν διαφυγὰς ἐπήρκεσε, πρὸς τὰς ἐκ Διὸς ὥρας εὐμαρίαν ἐμηχανᾶτο, ἀμφιεννὺς αὐτὰ πυκναῖς τε θριξὶ καὶ στερεοῖς δέρμασιν, ἱκανοῖς μὲν ἀμῦναι χειμῶνα, δυνατοῖς δὲ καὶ καύματα· καὶ εἰς εὐνὰς ἰοῦσιν ὅπως ὑπάρχῃ τὰ αὐτὰ ταῦτα στρωμνὴ οἰκεία τε καὶ αὐτοφυὴς ἑκάστῳ. καὶ ὑπὸ ποδῶν τὰ μέν, ὁπλαῖς, τὰ δέ, θριξὶ καὶ δέρμασι στερεοῖς καὶ ἀναίμοις. τοὐντεῦθεν τροφὰς ἄλλοις ἄλλας ἐξεπόριζε· τοῖς μέν, ἐκ γῆς βοτάνην, ἄλλοις δέ, δένδρων καρπούς, τοῖς δέ, ῥίζας· ἔστι δ᾽ οἷς ἔδωκεν εἶναι τροφήν, ζώων ἄλλων βοράν. καὶ τοῖς μὲν ὀλιγογονίαν προσῆψε, τοῖς δ᾽ ἀναλισκομένοις ὑπὸ τούτων, πολυγονίαν, σωτηρίαν τῷ γένει πορίζων. ἅτε δὴ οὖν οὐ πάνυ τοι σοφὸς ὢν ὁ Ἐπιμηθεύς,
31 πάνυ τοι] πάνυ τι konj. Spld. (SN 157) Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 507) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 55 [172,6], übersetzt W1 W2
Noten Spaldings (SN 157) zu 321b (Z. 32): πάνυ τοι, muß es heißen πάνυ τι? wie σχεδόν τι
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nigen Stärke ohne Schnelligkeit, die Schwächeren aber begabte er mit Schnelligkeit; Einige bewafnete er, Anderen, denen er eine wehrlose Natur gegeben, ersann er eine andere Kraft zur Rettung. Welche er nämlich in Kleinheit gehüllt hatte, denen verlieh er geflügelte Flucht oder unterirdische Behausung, welche aber zu bedeutender | Größe ausgedehnt, die rettete er eben dadurch, und so auch vertheilte er alles übrige ausgleichend. Dies aber ersann er so aus Vorsorge, daß nicht eine Gattung gänzlich verschwände. Als er ihnen nun des Wechselverderbens Entfliehungen zu Stande gebracht, begann er ihnen auch gegen die Zeiten vom Zeus leichte Gewöhnung zu ersinnen durch Bekleidung mit dichten Haaren und starken Fellen, hinreichend um die Kälte, aber auch vermögend die Hize abzuhalten, und außerdem zugleich jedem, wenn es zur Ruhe ging, zur eigenthümlichen und angewachsenen Lagerbedekkung dienend. Und unter den Füßen versah er einige mit Hufen und Klauen, andere mit Haaren und starken blutlosen Häuten. Hiernächst wies er dem einen diese, dem anderen jene Nahrung an, dem einen aus der Erde die Kräuter, dem anderen von den Bäumen die Früchte, einigen auch verordnete er zur Nahrung anderer Thiere Fraß. Und diesen lezteren verlieh er dürftige Zeugung, dagegen den von ihnen verzehrten eine vielerzeugende Kraft dem Geschlecht zur Erhaltung. Wie aber Epimetheus doch nicht ganz weise war, hatte er unvermerkt
er Einigen Stärke ohne Schnelligkeit, die Schwächeren aber begabte er mit Schnelligkeit; Einige bewafnete er, Anderen, denen er eine wehrlose Natur gegeben, ersann er eine andere Kraft zur Rettung. Welche er nämlich in Kleinheit gehüllt hatte, denen | verlieh er geflügelte Flucht oder unterirdische Behausung, welche aber zu bedeutender Größe ausgedehnt, die rettete er eben dadurch, und so auch vertheilte er alles übrige ausgleichend. Dies aber ersann er so aus Vorsorge, daß nicht eine Gattung gänzlich verschwände. Als er ihnen nun des Wechselverderbens Entfliehungen zu Stande gebracht, begann er ihnen auch gegen die Zeiten vom Zeus leichte Gewöhnung zu ersinnen durch Bekleidung mit dichten Haaren und starken Fellen, hinreichend um die Kälte, aber auch vermögend die Hize abzuhalten, und außerdem zugleich jedem, wenn es zur Ruhe ging, zur eigenthümlichen und angewachsenen Lagerbedekkung dienend. Und unter den Füßen versah er einige mit Hufen und Klauen, andere mit Haaren und starken blutlosen Häuten. Hiernächst wies er dem einen diese, dem anderen jene Nahrung an, dem einen aus der Erde die Kräuter, dem anderen von den Bäumen die Früchte, einigen auch verordnete er zur Nahrung anderer Thiere Fraß. Und diesen lezteren verlieh er dürftige Zeugung, dagegen den von ihnen verzehrten eine vielerzeugende Kraft dem Geschlecht zur Erhaltung. Wie aber Epimetheus doch nicht ganz weise war, hatte er unvermerkt
T 9 unterirdische] verdruckt unterirsche W1 13 übrige] verdruckt ührige W1
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ἔλαθεν αὑτὸν καταναλώσας τὰς δυνάμεις εἰς τὰ ἄλογα. λοιπὸν δὴ ἔτι ἀκόσμητον αὐτῷ ἦν τὸ τῶν ἀνθρώπων γένος, καὶ ἠπόρει ὅ,τι χρήσαιτο. ἀποροῦντι δὲ αὐτῷ ἔρχεται Προμηθεὺς ἐπισκεψόμενος τὴν νομήν· καὶ ὁρᾷ τὰ μὲν ἄλλα ζῶα ἐμμελῶς πάντων ἔχοντα, τὸν δὲ ἄνθρωπον, γυμνόν τε καὶ ἀνυπόδητον, καὶ ἄστρωτον καὶ ἄοπλον. ἤδη δὲ καὶ ἡ εἱμαρμένη ἡμέρα παρῆν, ἐν ᾗ ἔδει καὶ ἄνθρωπον ἐξιέναι ἐκ γῆς εἰς φῶς. ἀπορίᾳ οὖν ἐχόμενος ὁ Προμηθεύς, ἥντινα σωτηρίαν τῷ ἀνθρώπῳ εὕροι, κλέπτει Ἡφαίστου καὶ Ἀθηνᾶς τὴν ἔντεχνον σοφίαν σὺν πυρί (ἀμήχανον γὰρ ἦν ἄνευ πυρὸς αὐτὴν κτητήν τῳ ἢ χρησίμην γενέσθαι) καὶ οὕτω δὴ δωρεῖται ἀνθρώπῳ. τὴν μὲν οὖν περὶ τὸν βίον σοφίαν ἄνθρωπος ταύτῃ ἔσχε· τὴν δὲ πολιτικὴν οὐκ εἶχεν. ἦν γὰρ παρὰ τῷ Διί. τῷ δὲ Προμηθεῖ εἰς μὲν τὴν ἀκρόπολιν τὴν τοῦ Διὸς οἴκησιν οὐκέτι ἐνεχώρει εἰσελθεῖν
2 εἰς τὰ ἄλογα] durch Klammern athetiert Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 55 [172,8], ebenfalls mit Klammern W2
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schon alle Kräfte aufgewendet für die unvernünftigen Thiere; übrig also war ihm noch unbegabt das Geschlecht der Menschen, und er war wieder rathlos was er diesem thun sollte. In dieser Rathlosigkeit nun kommt ihm Prometheus, um die Vertheilung zu beschauen, und sieht die übrigen Thiere zwar in allen Stükken weislich bedacht, den Menschen aber nakt, unbeschuhet, unbedekt, unbewafnet, und schon war der bestimmte Tag vorhanden, an welchem auch der Mensch hervorgehn sollte aus der Erde an das Licht. Gleichermaßen also der Verlegenheit unterliegend, wel|cherlei Rettung er dem Menschen noch ausfände, stiehlt Prometheus die kunstreiche Weisheit des Hephästos und der Athene, nebst dem Feuer, denn unmöglich war, daß sie einem ohne Feuer hätte können angehörig sein oder nüzlich, und so schenkt er sie dem Menschen. Die zum Leben nöthige Wissenschaft also erhielt der Mensch auf diese Weise, die bürgerliche aber erhielt er nicht. Denn diese war beim Zeus, und dem Prometheus stand in die Feste, die Behausung des Zeus, einzugehen
schon alle Kräfte aufgewendet [für die unvernünftigen Thiere;] übrig also war ihm noch unbegabt das Geschlecht der Menschen, und er war wieder rathlos was er diesem thun sollte. In dieser Rathlosigkeit nun kommt ihm Prometheus die Vertheilung zu beschauen, und sieht die übrigen Thiere zwar in allen Stükken weislich bedacht, den Menschen aber nakt, unbeschuhet, unbedekt, unbewafnet, und schon war der bestimmte Tag vorhanden, an welchem auch der Mensch hervorgehn sollte aus | der Erde an das Licht. Gleichermaßen also der Verlegenheit unterliegend, welcherlei Rettung er dem Menschen noch ausfände, stiehlt Prometheus die kunstreiche Weisheit des Hephaistos und der Athene, nebst dem Feuer, denn unmöglich war, daß sie einem ohne Feuer hätte können angehörig sein oder nüzlich, und so schenkt er sie dem Menschen. Die zum Leben nöthige Wissenschaft also erhielt der Mensch auf diese Weise, die bürgerliche aber hatte er nicht. Denn diese war beim Zeus, und dem Prometheus stand in die Feste, die Behausung des Zeus, einzugehen
S 30 Feste] kritisiert von Rez.Boeckh (1808), S. 105 = (1872), S. 24; nicht berücksichtigt in W2
S 1f für die unvernünftigen Thiere;] in Klammern nach Bekker wie Spalte 1 App.
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(πρὸς δέ, καὶ αἱ Διὸς φυλακαὶ φοβεραὶ ἦσαν) εἰς δὲ τὸ τῆς Ἀθηνᾶς καὶ Ἡφαίστου οἴκημα τὸ κοινόν, ἐν ᾧ ἐφιλοτεχνείτην, λαθὼν εἰσέρχεται· καὶ κλέψας τήν τε ἔμπυρον τέχνην τὴν τοῦ Ἡφαίστου, καὶ τὴν ἄλλην τὴν τῆς Ἀθηνᾶς, δίδωσιν ἀνθρώπῳ· καὶ ἐκ τούτου, εὐπορία μὲν ἀνθρώπῳ τοῦ βίου γίγνεται·
Vorarbeiten (handschriftlich)
Noten Spaldings (SN 157) zu Anm. (verl.) zu 321d (Z. 1) (vgl. W1 Anm. 11): Ich bin derselben Meinung, daß es genug jene Stellen aus Hesiod. und Kallim. nur nachzuweisen. Was aber Ihr flüchtiges Zitat betrift, so finde ich Apollod. 1, 2, 4 nichts als die Namen von B i a und Kratos als Kindern des Pallas. In Ernesti’s Kallim. ist bei jener Stelle zitirt: „Apollodorus apud Athenaeum lib. 1“ in einer Note des Vulcanius. Dort aber kommt’s einzig und allein an auf die Bedeutung von δίφρος, daß es nicht W a g e n heiße, sondern S e s s e l . Die Stelle selbst kann ich im Atenäus nicht | finden, indessen sie ist in Vulcanius Note ga[nz] abgeschrieben und enthält nichts zur Erleuterung der Fabel von Kratos und Bia. Noch eine Afferei findet statt. Denn Heyne im Index zum Apollod. zitirt c f . bei B i a f . 6 . Das soll doch wol heißen Fragm. 6. In dem aber steht nichts von B. u. Kr. Also werden wir uns trösten und begnügen müssen. S Spld. Gemeint sind die in W1 Anm. 11 und W2 Anm. 12 zitierten Stellen: Hesiod, Theogonie 385; Kallimachos, Hymn. 1 (in Iovem), 67. Zur letzteren hat Spalding verglichen: Callimachi Hymni, Epigrammata et Fragmenta, cum notis integris H. Stephani, B. Vulcanii, Annae Fabri, Th. Graevii, R. Bentleji [...] recensuit [...] Jo. Augustus Ernesti, Bd. 1, Leiden 1761, S. 27 f., bes. S. 28 mit der Note des Vulcanius, in der die von Spalding nicht identifizierte und für Bia und Kratos unergiebige Stelle Athenaios, Deipnosophistai I, 3c-d mit dem Zitat des Komikers Apollodorus: PCG II, fr. 15 K.-A. zitiert ist. – Die zuvor von Spalding zitierte Stelle bezieht sich auf den Mythographen Apollodorus: Bibliothecae 1,2,4 (= 1,9 ed. Wagner). Im Index zu Christian Gottlob Heyne: Ad Apollodori Atheniensis Bibliothecam Notae [...] et cum Apollodori Fragmentis, Bd. 1-3, Göttingen 1783, Bd. 3, S. 1209 s. v. Bia hat Spalding folgenden Eintrag gefunden und mißverstanden: „Bia, Pallantis f. 6“. Bia, Pallantis filius ist bei Apollodor an der o. g. Stelle erwähnt, die auf S. 6 in Heynes Ausgabe (Apollodori Atheniensis Bibliothecae libri tres [...], Göttingen 1782) steht.
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nicht mehr frei, auch waren furchtbar die Wachen des Zeus11. Aber in das dem Hephästos und der Athene gemeinschaftliche Gemach ihrer Kunstübungen geht er heimlich hinein, und nachdem er so die feurige Kunst des Hephästos und die andere der Athene gestohlen, giebt er sie dem Menschen. Und von da an genießt nun der Mensch Behag-
nicht mehr frei, auch waren furchtbar die Wachen des Zeus12. Aber in das dem Hephaistos und der Athene gemeinschaftliche Gemach wo sie ihre Kunst übten geht er heimlich hinein, und nachdem er so die feurige Kunst des Hephaistos und die andere der Athene gestohlen, giebt er sie dem Menschen. Und von da an genießt nun der Mensch Behag-
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D i e W a c h e n d e s Z e u s . Diese sind Βία καὶ Κράτος Gewalt und Stärke. S. Hes. Theog. 385. Callim. Hymn. in Jov. 67.
d i e W a c h e n d e s Z e u s . Diese sind Βία καὶ Κράτος Gewalt und Stärke. S. Hes. Theog. 385. Callim. Hymn. in Jov. 67.
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Προμηθέα δὲ δι᾽ Ἐπιμηθέα ὕστερον, ᾗπερ λέγεται, κλοπῆς δίκη μετῆλθεν. ἐπειδὴ δὲ ὁ ἄνθρωπος θείας μετέσχε μοίρας, πρῶτον μέν, διὰ τὴν τοῦ θεοῦ συγγένειαν, ζώων μόνον θεοὺς ἐνόμισε· καὶ ἐπεχείρει βωμούς τε ἱδρύεσθαι καὶ ἀγάλματα θεῶν. ἔπειτα φωνὴν καὶ ὀνόματα ταχὺ διηρθρώσατο τῇ τέχνῃ· καὶ οἰκήσεις, καὶ ἐσθῆτας, καὶ ὑποδέσεις, καὶ στρωμνάς, καὶ τὰς ἐκ γῆς τροφὰς εὕρετο. οὕτω δὴ παρεσκευασμένοι κατ᾽ ἀρχὰς ἄνθρωποι, ᾤκουν σποράδην, πόλεις δὲ οὐκ ἦσαν. ἀπώλλυντο οὖν ὑπὸ τῶν θηρίων, διὰ τὸ πανταχῆ αὐτῶν ἀσθενέστεροι εἶναι. καὶ ἡ δημιουργικὴ τέχνη αὐτοῖς πρὸς μὲν τροφὴν ἱκανὴ βοηθὸς ἦν, πρὸς δὲ τὸν τῶν θηρίων πόλεμον ἐνδεής. πολιτικὴν γὰρ τέχνην οὔπω εἶχον, ἧς μέρος πολεμική. ἐζήτουν δὲ ἁθροίζεσθαι καὶ σώζεσθαι, κτίζοντες πόλεις. ὅτ᾽ οὖν ἁθροισθεῖεν, ἠδίκουν ἀλλήλους, ἅτε οὐκ ἔχοντες τὴν πολιτικὴν τέχνην· ὥστε πάλιν σκεδαννύμενοι διεφθείροντο. Ζεὺς οὖν δείσας περὶ τῷ γένει ἡμῶν, μὴ ἀπόλοιτο πᾶν, Ἑρμῆν πέμπει ἄγοντα εἰς ἀνθρώπους αἰδῶ τε καὶ δίκην, ἵν᾽
16f εἶναι. καὶ] εἶναι, καὶ Heindorf 1810 Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W2 21 δὲ] δὴ Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 56 [174,1], übersetzt W2
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 322a (Z. 2 f.): μετῆλθεν. „ergriffen“ „verfolgt“.
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lichkeit des Lebens; den Prometheus aber hat hernach, wie erzählt wird, die Strafe für diesen Diebstahl um des Epimetheus willen ergriffen. Da nun aber der Mensch göttlicher Vorzüge theilhaftig ward, hat er auch zuerst, das einzige unter allen Thieren, Götter geglaubt, auch Altäre und Bildnisse der Götter aufzurichten versucht, dann bald darauf Töne und Worte mit Kunst zusammengeordnet, dann Wohnungen und Kleider und Beschuhungen und Lagerdekken und die der Erde entwachsenden Nahrungsmittel erfunden. So ausgerüstet wohnten die Menschen anfänglich zerstreut, und Städte gab es nicht. Daher wurden sie von den wilden Thieren ausgerottet, weil sie in jeder Art schwächer waren, als diese. Denn die verarbeitende Kunst war ihnen zwar zur Ernährung hinreichende Hülfe, aber zum Kriege gegen die Thiere unwirksam, weil sie die bürgerliche | Kunst noch nicht hatten, von welcher die kriegerische ein Theil ist. Sie versuchten zwar sich zu sammeln, und sich zu erretten durch Erbauung der Städte; wenn sie sich aber gesammelt hatten, so beleidigten sie einander, weil sie eben die bürgerliche Kunst nicht hatten, so daß sie wiederum sich zerstreuend auch bald wieder aufgerieben wurden. Zeus also für unser Geschlecht, daß es nicht etwa gar untergehn möchte, besorgt, schickt den Hermes ab, um den Menschen Scham und Recht zu bringen, damit diese
lichkeit des Lebens; den Prometheus aber hat hernach, so wie erzählt wird, die Strafe für diesen Diebstahl um des Epimetheus willen ergriffen. Da nun aber der Mensch göttlicher Vorzüge theilhaftig geworden, hat er auch zuerst, wegen seiner Verwandtschaft mit Gott das einzige unter allen Thieren, Götter geglaubt, auch Altäre und Bildnisse der Götter aufzurichten versucht, dann bald darauf Töne und Worte mit Kunst zusammengeordnet, dann Wohnungen und Kleider und Beschuhungen und Lagerdekken und die Nahrungsmittel aus der Erde erfunden. So ausgerüstet wohnten die Menschen anfänglich zerstreut, Städte aber gab es nicht. Daher wurden sie von den wilden Thieren ausgerottet, weil sie in jeder Art schwächer waren, als diese, und die verarbeitende Kunst | war ihnen zwar zur Ernährung hinreichende Hülfe, aber zum Kriege gegen die Thiere unwirksam; denn die bürgerliche Kunst hatten sie noch nicht, von welcher die kriegerische ein Theil ist. Sie versuchten also sich zu sammeln, und sich zu erretten durch Erbauung der Städte; wenn sie sich aber gesammelt hatten, so beleidigten sie einander, weil sie eben die bürgerliche Kunst nicht hatten, so daß sie wiederum sich zerstreuend auch bald wieder aufgerieben wurden. Zeus also für unser Geschlecht, daß es nicht etwa gar untergehn möchte, besorgt, schikkt den Hermes ab, um den Menschen Schaam und Recht zu bringen, damit diese
T 3 Diebstahl] verdruckt Diesbstahl W1
S 22 diese, und] nach Heindorf und Bekker wie Spalte 1 App. 29 also] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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εἶεν πόλεων κόσμοι τε καὶ δεσμοὶ φιλίας συναγωγοί. ἐρωτᾷ οὖν Ἑρμῆς, διὰ τίνα οὖν τρόπον δοίη δίκην καὶ αἰδῶ ἀνθρώποις. Πότερον ὡς αἱ τέχναι νενέμηνται, οὕτω καὶ ταύτας νείμω; νενέμηνται δὲ ὧδε· εἷς ἔχων ἰατρικήν, πολλοῖς ἱκανὸς ἰδιώταις, καὶ οἱ ἄλλοι δημιουργοί. καὶ δίκην δὴ καὶ αἰδῶ οὕτω θῶ ἐν τοῖς ἀνθρώποις; ἢ ἐπὶ πάντας νείμω; Ἐπὶ πάντας, ἔφη ὁ Ζεύς· καὶ πάντες μετεχόντων. οὐ γὰρ ἂν γένοιντο πόλεις, εἰ ὀλίγοι αὐτῶν μετέχοιεν, ὥσπερ ἄλλων τεχνῶν. καὶ νόμον γε θὲς παρ᾽ ἐμοῦ, τὸν μὴ δυνάμενον
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 322c (Z. 3): δια τινα τροπον – per quem modum
Noten Spaldings (SN 157) zu 322c (Z. 3) (vgl. W1 Anm. 12): [komplette Note nachträglich hinzugefügt:] Hndfs Emendazion Δία ist auch gemacht von einem van Heusde Lugd. Batav. 1803. Anm. (verl.) zu 322c (Z. 3) (vgl. W1 Anm. 12): „hineingeflikt“ ist zu vertraulich mit dem Publikum gesprochen. T In der hsl. Anm. (verl.) zu 322c stand offenbar hineingeflikt Spld., vgl. hinein gemeistert W1 Anm. 12 W2 Anm. 13. 1f δεσμοὶ φιλίας συναγωγοί] δεσμοί, φιλίας συναγωγοί Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 56 [174,7], übersetzt W2 2f Ἑρμῆς, διὰ τίνα] Ἑρμῆς Διὰ, τίνα konj. Heindorf (laut W1 Anm. 12) van Heusde (vgl. Spalte 2 mit App. S sowie W1 Anm. 12 W2 Anm. 13) Heindorf 1810 (z. St., S. 510) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 56 [174,7], vgl. W2 Anm. 13, übersetzt W1 W2
S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 438. | Spld. Heindorfs Emendation vermutlich mündlich, vgl. W1 Anm. 12, dann Heindorf 1810 z. St. (S. 510); ebenso Philipp Willem van Heusde: Specimen criticum in Platonem. Accedit D. Wyttenbachii Epistola ad auctorem item collationes codicum Mss. Platonis [...}, Leiden 1803, S. 68, vgl. W1 Anm. 12
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die Anordner ihrer Städte würden und die zusammenhaltenden Bande der Zuneigung. Hermes nun fragt den Zeus12, auf welche Art er doch den Menschen das Recht und die Scham geben solle. Soll ich, so wie die Künste vertheilt sind, auch diese vertheilen? Jene nämlich sind so vertheilt: Einer, welcher die Heilkunst inne hat, ist genug für viele Unkundige, und so auch die andern Künstler. Soll ich nun auch Recht und Scham eben so unter den Menschen aufstellen, oder soll ich sie unter Alle vertheilen? Unter Alle, sagte Zeus, und Alle sollen Theil daran haben; denn es könnten keine Staaten bestehen, wenn auch hieran nur Wenige Antheil haben, wie bei anderen Künsten. Und gieb auch ein Gesez von meinetwegen, daß man den, der Scham und Recht sich an-
der Städte Ordnungen und Bande würden der Zuneigung Vermittler. Hermes nun fragt den Zeus13, auf welche Art er doch den Menschen das Recht und die Schaam geben solle. Soll ich, so wie die Künste vertheilt sind, auch diese vertheilen? Jene nämlich sind so vertheilt: Einer, welcher die Heilkunst inne hat, ist genug für viele Unkundige, und so auch die andern Künstler. Soll ich nun auch Recht und Schaam eben so unter den Menschen aufstellen, oder soll ich sie unter Alle vertheilen? Unter Alle, sagte Zeus, und Alle sollen Theil daran haben; denn es könnten keine Staaten bestehen, wenn auch hieran nur Wenige Antheil hätten, wie an anderen Künsten. Und gieb auch ein Gesez von meinetwegen, daß man den, der Schaam und Recht sich anzu-
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f r a g t d e n Z e u s . Ich folge hier einer Verbesserung von Heindorf, welcher statt des gewöhnlichen nicht einmal sprachrichtigen ἐρωτᾷ οὖν Ἑρμῆς, διὰ τίνα οὖν τρόπον zu lesen heißt ἐρωτᾳ οὖν Ἑρμῆς Δία, τίνα οὖν etc. P. Grou übersezt zwar auch Mercure demande à Jupiter, aber ohne zu erwähnen, daß | er etwas geändert, weshalb ich glaube, er hat den Jupiter nur hinein gemeistert, ohne ihn in dem διὰ gesehen zu haben. Ganz die Heindorfische Verbesserung hat auch van Heusde, dessen Versuch über Platon Wyttenbach herausgegeben 1803.
S Anm. 12 Vgl. Spalte 1 App. und Spalte 2 App. S. Dazu Jean-Nicolas Grou in seiner französischen Übersetzung: Dialogues de Platon. Par le Traducteur de la République. Tome premier. ... Amsterdam 1770, S. 221: „Mercure demande à Jupiter de quelle maniere il devoit faire la distribution de la Justice et de la Pudeur.“
f r a g t d e n Z e u s . Ich folge hier einer Verbesserung von Heindorf, welcher statt des gewöhnlichen nicht einmal sprachrichtigen ἐρωτᾷ οὖν Ἑρμῆς, διὰ τίνα οὖν τρόπον zu lesen heißt ἐρωτᾳ οὖν Ἑρμῆς Δία, τίνα οὖν etc. P. Grou übersezt zwar auch Mercure demande à Jupiter, aber ohne zu erwähnen, daß er etwas geändert, weshalb ich glaube, er hat den Jupiter nur hinein gemeistert, ohne ihn in dem διὰ gesehen zu haben. Ganz die Heindorfische Verbesserung hat auch van Heusde, dessen Versuch über Platon Wyttenbach herausgegeben 1803. Bekker aber kann sie jezt aus Handschriften aufnehmen.
S 1f Bande würden der Zuneigung Vermittler] nach Bekker wie Spalte 1 App. S Anm. 13 Vgl. Spalte 1 App. und Spalte 3 zu Anm. 12.
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αἰδοῦς καὶ δίκης μετέχειν, κτείνειν ὡς νόσον πόλεως. οὕτω δή, ὦ Σώκρατες, καὶ διὰ ταῦτα οἵ τε ἄλλοι καὶ Ἀθηναῖοι ὅταν μὲν περὶ ἀρετῆς τεκτονικῆς ᾖ λόγος, ἢ ἄλλης τινὸς δημιουργικῆς, ὀλίγοις οἴονται μετεῖναι συμβουλῆς· καὶ ἐάν τις ἐκτὸς ὢν τῶν ὀλίγων συμβουλεύῃ, οὐκ ἀνέχονται, ὡς σὺ φῄς· (εἰκότως, ὡς ἐγώ φημι) ὅταν δὲ εἰς συμβουλὴν πολιτικῆς ἀρετῆς ἴωσιν, ἣν δεῖ διὰ δικαιοσύνης πᾶσαν ἰέναι καὶ σωφροσύνης, εἰκότως ἅπαντος ἀνδρὸς ἀνέχονται· ὡς παντὶ προσῆκον ταύτης γε μετέχειν τῆς ἀρετῆς, ἢ μὴ εἶναι πόλεις. αὕτη, ὦ Σώκρατες, τούτου αἰτία. ἴνα δὲ μὴ οἴῃ ἀπατᾶσθαι ὡς τῷ ὄντι ἡγοῦνται πάντες ἄνθρωποι πάντα ἄνδρα μετέχειν δικαιοσύνης τε καὶ τῆς ἄλλης πολιτικῆς ἀρετῆς, τόδε αὖ λάβε τεκμήριον. ἐν γὰρ ταῖς ἄλλαις ἀρεταῖς, ὥσπερ σὺ λέγεις, ἐάν τις φῇ ἀγαθὸς αὐλητὴς εἶναι, ἢ ἄλλην ἡντινοῦν τέχνην ἣν μή ἐστιν, ἢ καταγελῶσιν, ἢ χαλεπαίνουσι, καὶ οἱ οἰκεῖοι προσιόντες νουθετοῦσιν
Vorarbeiten (handschriftlich)
Noten Spaldings (SN 157) zu Anm. (verl.) oder Notiz zu 323a (Bezug unklar, inhaltlich wohl vorausweisend auf 323d-e): Ich finde Ihre Maasregel ganz richtig. Den Unterschied der neuen Schule zwischen b ö s e und ü b e l kenne ich nicht. Daß b ö s e moralisch und ü b e l fisisch sei, war sonst Rechtens. S Spld. Die Unterscheidung zwischen metaphysischem, moralischem und physischem malum (frz. mal) bei Gottfried Wilhelm Leibniz: Essais de Théodicée. Sur la bonté de Dieu, la liberté de l’homme et l’origine du mal (1710), I, 21; dt.: Theodicee, das ist, Versuch von der Güte Gottes, Freyheit des Menschen, und vom Ursprunge des Bösen, 4. Auflage verbessert von J. Chr. Gottsched, Hannover und Leipzig 1744, S. 172 f. [SB 1128]. Die sprachliche Unterscheidung „der neuen Schule“ zwischen „böse“ und „übel“ meint wohl Immanuel Kant: Critik der practischen Vernunft, Riga 11788 (A), S. 103-110 (dort auf S. 103 auch der Begriff der „Schule“), wo das Böse dem Willen, d. h. der (praktischen) Vernunft, das Übel aber der Sinnlichkeit zugeordnet wird. – Vgl. Platon, Lysis 217b, S. 530, Spalte 2 mit App. S.
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zueignen unfähig ist, tödte wie einen bösen Schaden des Staates. Auf diese Art also, Sokrates, und aus dieser Ursach glauben alle anderen und auch die Athener, daß wenn von der Tugend eines Baumeisters die Rede ist oder eines andern Künstlers, alsdann nur Wenigen Antheil zustehe an der Berathung, und wenn Jemand außer diesen Wenigen dennoch Rath geben will, so dulden sie es nicht, wie du sagst, und zwar | ganz mit Recht, wie ich sage. Wenn sie aber zur Berathung über die bürgerliche Tugend gehen, wobei Alles auf Gerechtigkeit und Besonnenheit ankommt, so dulden sie mit Recht einen Jeden, weil es Jedem gebührt, an dieser Tugend Antheil zu haben, oder es könnte keine Staaten geben. Dieses, Sokrates, ist hievon die Ursach. Nimm aber auch noch diesen Beweis hinzu, damit du nicht etwa glaubest nur damit überlistet zu werden, daß wirklich alle Menschen annehmen, ein Jeder habe Antheil an der Gerechtigkeit und der übrigen bürgerlichen Tugend. In andern Dingen nämlich, wie du selbst sagst, wenn Jemand behauptet, im Flötenspiel vortreflich zu sein, oder in irgend einer anderen Kunst, worin er es nicht ist, verlachen ihn die Leute entweder oder werden unwillig, und seine Angehörigen gehen hin und stellen ihn zur Rede als einen Ver-
eignen unfähig ist, tödte wie einen bösen Schaden des Staates. Auf diese Art also, Sokrates, und aus dieser Ursach glauben alle anderen und auch die Athener, daß wenn von der Tugend eines Baumeisters die Rede ist oder eines andern Künstlers, alsdann nur Wenigen Antheil zustehe | an der Berathung; und wenn Jemand außer diesen Wenigen dennoch Rath geben will, so dulden sie es nicht, wie du sagst, und zwar ganz mit Recht, wie ich sage. Wenn sie aber zur Berathung über die bürgerliche Tugend gehen, wohin Alles auf Gerechtigkeit und Besonnenheit ankommt, so dulden sie mit Recht einen Jeden, weil es Jedem gebührt, an dieser Tugend doch Antheil zu haben, oder es könnte keine Staaten geben. Dieses, Sokrates, ist hievon die Ursach. Nimm aber auch noch diesen Beweis hinzu, damit du nicht etwa glaubest nur damit überlistet zu werden, daß wirklich alle Menschen annehmen, ein Jeder habe Antheil an der Gerechtigkeit und der übrigen bürgerlichen Tugend. In andern Dingen nämlich, wie du selbst sagst, wenn Jemand behauptet, im Flötenspiel vortreflich zu sein, oder in irgend einer anderen Kunst, worin er es nicht ist, verlachen ihn die Leute entweder oder werden unwillig, und seine Angehörigen gehen hin und stellen ihn zur Rede als einen Ver-
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ὡς μαινόμενον· ἐν δὲ δικαιοσύνῃ καὶ ἐν τῇ ἄλλῃ πολιτικῇ ἀρετῇ, ἐάν τινα καὶ εἰδῶσιν ὅτι ἄδικός ἐστιν, ἐὰν οὗτος αὐτὸς καθ᾽ αὑτοῦ τἀληθῆ λέγῃ ἐναντίον πολλῶν, ὃ ἐκεῖ σωφροσύνην ἡγοῦντο εἶναι, τἀληθῆ λέγειν, ἐνταῦθα μανίαν· καί φασι πάντας δεῖν φάναι εἶναι δικαίους, ἐάν τε ὦσιν, ἐάν τε μή· ἢ μαίνεσθαι τὸν μὴ προσποιούμενον δικαιοσύνην· ὡς ἀναγκαῖον οὐδένα ὅντιν᾽ οὐχὶ ἀμωσγέπως μετέχειν αὐτῆς, ἢ μὴ εἶναι ἐν ἀνθρώποις. ὅτι μὲν οὖν πάντ᾽ ἄνδρα εἰκότως ἀποδέχονται περὶ ταύτης τῆς ἀρετῆς σύμβουλον, διὰ τὸ ἡγεῖσθαι παντὶ μετεῖναι αὐτῆς, ταῦτα λέγω. Ὅτι δὲ αὐτὴν οὐ φύσει ἡγοῦνται εἶναι, οὐδ᾽ ἀπὸ τοῦ αὐτομάτου, ἀλλὰ διδακτόν τε καὶ ἐξ ἐπιμελείας παραγίγνεσθαι ᾧ ἂν παραγίγνηται, τοῦτό σοι μετὰ τοῦτο πειράσομαι ἀποδεῖξαι. ὅσα γὰρ ἡγοῦνται ἀλλήλους κακὰ ἔχειν ἄνθρωποι φύσει ἢ τύχῃ, οὐδεὶς θυμοῦται, οὐδὲ νουθετεῖ, οὐδὲ διδάσκει, οὐδὲ κολάζει τοὺς ταῦτα ἔχοντας, ἵνα μὴ τοιοῦτοι ὦσιν· ἀλλ᾽ ἐλεοῦσιν. οἷον, τοὺς αἰσχρούς, ἢ σμικρούς, ἢ ἀσθενεῖς, τίς οὕτως ἀνόητος ὥστε τι τούτων ἐπιχειρεῖν ποιεῖν; ταῦτα μὲν γὰρ ἴσασιν, οἶμαι, ὅτι φύσει τε καὶ τύχῃ τοῖς ἀνθρώποις γίγνεται, τὰ καλὰ καὶ τὰ ἐναντία τούτοις. ὅσα δὲ ἐξ ἐπι-
Vorarbeiten (handschriftlich)
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 323b (Z. 3-6): ὁτι αδικος εστι, εαν ουτος αυτος καθ αὑτου τἀληθη λεγῃ εναντιον πολλων, ὃ εκει σωφροσυνην pp. übersezt er si quem etiam videant iniustum et impium esse, si is contra seipsum vera dicat coram multis, q u o d f r u s t r a in ipso temperantiam esse putarint, vera dicere hic insaniam p., und aus der Ecloge geht hervor er will gelesen haben statt ὃ ἐκει – ὁτι εἰκη οἱ Eine ganz unnöthige und an sich falsche Aenderung, denn sonst wären sie ja nicht ειδοτες gewesen
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 323c (Z. 12 f.): „gar nicht unter Menschen leben“ „ganz aus der Menschen Geschlecht vertilgt sein“. T Exz.Corn. 6 ipso] über eo S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 439 und Ecl. S. 512.
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wirrten. In Sachen der Gerechtigkeit aber und der übrigen bürgerlichen Tugend, wenn sie auch sehr wohl wissen, daß einer ungerecht ist, er selbst aber wollte dieses gegen sich selbst vor vielen Menschen bekennen: so würden sie eben dieses, was sie in jenem Falle für vernünftig hielten, nämlich die Wahrheit zu sagen, in diesem für eine Verrüktheit erklären, und behaupten, ei n Jeder müss e weni gstens behaupten er sei gerecht, möge er es nun sein oder nicht, oder er wäre verrükt, wenn er sich die Gerechtigkeit nicht zuschriebe; als ob nothwendig ein jeder Mensch auf irgend eine Art Antheil an ihr haben müsse, oder gar nicht unter Menschen leben. Daß sie also mit Recht einen Jeden als Rathgeber in Sachen dieser Tugend annehmen, weil sie nämlich glauben, daß ein Jeder Antheil an ihr habe, das habe ich hiedurch gezeigt. Daß sie aber dennoch nicht glauben | man habe sie von Natur, oder sie komme ganz von selbst, sondern sie sei allerdings lehrbar, und durch Fleiß habe sie Jeder erlangt, der sie erlangt habe, das will ich dir nun zu beweisen suchen. Nämlich über ein Uebel, wovon Jeder glaubt, wer es hat habe es von Natur oder durch ein Unglük, erzürnt sich Niemand, oder schilt oder belehrt oder bestraft die mit dergleichen behaftet sind, damit sie etwa aufhören möchten so zu sein, sondern man bemitleidet sie; wie die Häßl ichen, di e Kl ei nen, di e Schwächlichen, wer wäre wohl so unverständig gegen diese etwas dergleichen zu thun? weil man nämlich weiß, glaube ich, daß in diesen Dingen sowohl das Gute als das Entgegengesezte den Menschen von Natur oder durch Zufall kommt.
wirrten. In Sachen der Gerechtigkeit aber und der übrigen bürgerlichen Tugend, wenn sie auch sehr wohl wissen, daß einer ungerecht ist, er selbst aber wollte hierüber gegen sich selbst die Wahrheit reden vor vielen Menschen: so würden sie eben dieses, was sie in jenem Falle für vernünftig hielten, nämlich die Wahrheit zu sagen, in diesem für eine Verrüktheit erklären, und behaupten, ein Jeder müsse wenigstens behaupten er sei gerecht, möge er es nun sein oder nicht, oder er wäre verrükt, wenn er sich die Gerechtigkeit nicht zuschriebe; als ob nothwendig ein jeder Mensch auf irgend eine Art Antheil an ihr haben müsse, oder gar nicht unter Menschen leben. Daß sie also mit Recht | einen Jeden als Rathgeber in Sachen dieser Tugend annehmen, weil sie nämlich glauben, daß ein Jeder Antheil an ihr habe, das habe ich hiedurch gezeigt. Daß sie aber dennoch nicht glauben man habe sie von Natur, oder sie komme ganz von selbst, sondern sie sei allerdings lehrbar, und durch Fleiß habe sie Jeder erlangt, der sie erlangt habe, das will ich dir demnächst zu beweisen suchen. Nämlich über ein Uebel, wovon Jeder glaubt, wer es hat habe es von Natur oder durch ein Unglük, erzürnt sich Niemand, oder schilt oder belehrt oder bestraft die mit dergleichen behaftet sind, damit sie etwa aufhören möchten so zu sein, sondern man bemitleidet sie; wie die Häßli chen, die Kl einen, di e Schwächlichen, wer wäre wohl so unverständig gegen solche etwas dergleichen zu thun? weil man nämlich weiß, glaube ich, daß in diesen Dingen das Gute und das Entgegengesezte den Menschen von Natur oder durch Zufall kommt.
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μελείας καὶ ἀσκήσεως καὶ διδαχῆς οἴονται γίγνεσθαι ἀγαθὰ ἀνθρώποις, ἐάν τις ταῦτα μὴ ἔχῃ, ἀλλὰ τἀναντία τούτων κακά, ἐπὶ τούτοις που οἵ τε θυμοὶ γίγνονται, καὶ αἱ κολάσεις καὶ αἱ νουθετήσεις. ὧν ἐστιν ἓν καὶ ἡ ἀδικία, καὶ ἡ ἀσέβεια, καὶ συλλήβδην πᾶν τὸ ἐναντίον τῆς πολιτικῆς ἀρετῆς. ἔνθεν δὴ πᾶς παντὶ θυμοῦται, καὶ νουθετεῖ δηλονότι, ὡς ἐξ ἐπιμελείας καὶ μαθήσεως κτητῆς οὔσης. εἰ γὰρ ἐθέλεις ἐννοῆσαι τὸ κολάζειν, ὦ Σώκρατες, τοὺς ἀδικοῦντας, τί ποτε δύναται, αὐτό σε διδάξει ὅτι οἵ γε ἄνθρωποι ἡγοῦνται παρασκευαστὸν εἶναι ἀρετήν. οὐδεὶς γὰρ κολάζει τοὺς ἀδικοῦντας, πρὸς τούτῳ τὸν νοῦν ἔχων, καὶ τούτου ἕνεκα ὅτι ἠδίκησεν, ὅστις μὴ ὥσπερ θηρίον ἀλογίστως τιμωρεῖται. ὁ δὲ μετὰ λόγου ἐπιχειρῶν κολάζειν, οὐ τοῦ παρεληλυθότος ἕνεκα ἀδικήματος τιμωρεῖται (οὐ γὰρ ἂν τόγε πραχθὲν ἀγένητον θείη) ἀλλὰ τοῦ μέλλοντος χάριν, ἵνα μὴ αὖθις ἀδικήσῃ μήτε αὐτὸς οὗτος, μήτε ἄλλος ὁ τοῦτον ἰδὼν κολασθέντα. καὶ τοιαύτην διάνοιαν ἔχων, διανοεῖται παιδευτὴν εἶναι ἀρετήν. ἀποτροπῆς γοῦν ἕνεκα κολάζει. ταύτην οὖν τὴν δόξαν πάντες ἔχουσιν ὅσοιπερ τιμωροῦν-
9 ἔνθεν δὴ] ἔνθα δὴ Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 56 [176,21], übersetzt W2
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 324a (Z. 14): „was damit — i s t “ „was — s e i “.
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Von was für Gutem sie aber glauben, daß es der Mensch durch Fleiß, Uebung und Unterricht erlange, wenn Jemand das nicht hat, sondern das entgegengesezte Böse, darüber entstehen dann die Erzürnungen und die Bestrafungen und die Ermahnungen. Wovon eins nun auch die Ungerechtigkeit ist und die Gottlosigkeit, und überhaupt alles der bürgerlichen Tugend entgegengesezte. Aus dem Grunde also schilt und zürnt offenbar einer auf den andern, weil diese allerdings durch Achtsamkeit und Unterricht kann erworben werden. Denn wenn du bedenken willst das Bestrafen der Unrechtthuenden, was damit wol gemeint ist, so wird schon dieses dich lehren, daß alle Menschen glauben die Tugend sei zu erwerben. Denn Niemand, der einen bestraft, welcher Unrecht gethan hat, sieht bloß darauf und thut es deshalb, weil jener eben Unrecht gethan hat, es müßte sich denn einer ganz vernunftlos wie ein Thier eigentlich nur rächen. Wer aber mit Vernunft sich vornimmt | einen zu strafen, der bestraft nicht um des begangenen Unrechts willen, denn er kann ja doch das Geschehene nicht ungeschehen machen, sondern des zukünftigen wegen, damit nicht auf ein andermal wieder, weder derselbe noch einer der diesen bestraft gesehen hat, dasselbe Unrecht begehe. Und indem er dieses beabsichtiget, denkt er doch wohl, daß die Tugend kann angebildet werden; denn der Abrathung wegen straft er ja. Dieser Meinung sind also Alle zugethan, welche Strafen verhängen von Volks
Von was für Gutem sie aber glauben, daß es der Mensch durch Fleiß, Uebung und Unterricht erlange, wenn Jemand das nicht hat, sondern das entgegengesezte Böse, darüber entstehen dann die Erzürnungen und die Bestrafungen und die Ermahnungen. Wovon eins nun auch die Ungerechtigkeit ist und die Gottlosigkeit, und überhaupt alles der bürgerlichen Tugend entgegengesezte. Hier also schilt und zürnt einer auf den andern offenbar als werde diese allerdings durch Achtsamkeit und Unterricht erworben. Denn wenn du bedenken willst das Bestrafen der Unrechtthuenden, was damit wohl gemeint ist, so wird schon dieses dich lehren, daß alle Menschen glauben die Tugend sei zu erwerben. Denn Niemand bestraft die welche Unrecht gethan haben darauf seinen Sinn | richtend und deshalb, weil einer eben Unrecht gethan hat, außer wer sich ganz vernunftlos wie ein Thier eigentlich nur rächen will. Wer aber mit Vernunft sich vornimmt einen zu strafen, der bestraft nicht um des begangenen Unrechts willen, denn er kann ja doch das Geschehene nicht ungeschehen machen, sondern des zukünftigen wegen, damit nicht auf ein andermal wieder, weder derselbe noch einer der diesen bestraft gesehen hat, dasselbe Unrecht begehe. Und indem er dieses beabsichtiget, denkt er doch wohl, daß die Tugend kann angebildet werden; denn der Ablenkung wegen straft er ja. Dieser Meinung sind also Alle zugethan, welche Strafen verhängen
S 12 Hier also] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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ται καὶ ἰδίᾳ καὶ δημοσίᾳ. τιμωροῦνται δὲ καὶ κολάζονται οἵ τε ἄλλοι ἄνθρωποι οὓς ἂν οἴωνται ἀδικεῖν, καὶ οὐχ ἥκιστα Ἀθηναῖοι, οἱ σοὶ πολῖται· ὥστε κατὰ τοῦτον τὸν λόγον καὶ Ἀθηναῖοί εἰσι τῶν ἡγουμένων παρασκευαστὸν εἶναι καὶ διδακτὸν ἀρετήν. ὡς μὲν οὖν εἰκότως ἀποδέχονται οἱ σοὶ πολῖται καὶ χαλκέως καὶ σκυτοτόμου συμβουλεύοντος τὰ πολιτικά, καὶ ὅτι διδακτὸν καὶ παρασκευαστὸν ἡγοῦνται ἀρετήν, ἀποδέδεικταί σοι, ὦ Σώκρατες, ἱκανῶς, ὥσγέ μοι φαίνεται. Ἔτι δὴ λοιπὴ ἀπορία ἐστίν, ἣν ἀπορεῖς, περὶ τῶν ἀνδρῶν τῶν ἀγαθῶν· τί δή ποτε οἱ ἄνδρες οἱ ἀγαθοὶ τὰ μὲν ἄλλα τοὺς αὑτῶν υἱεῖς διδάσκουσιν ἃ διδασκάλων ἔχεται, καὶ σοφοὺς ποιοῦσιν· ἣν δὲ αὐτοὶ ἀρετὴν ἀγαθοί, οὐδενὸς βελτίους ποιοῦσι. τούτου δὴ πέρι, ὦ Σώκρατες, οὐκέτι μῦθόν σοι ἐρῶ, ἀλλὰ λόγον. ὧδε γὰρ ἐννόησον· πότερον ἐστί τι ἓν ἢ οὐκ ἔστιν, οὗ ἀναγκαῖον πάντας τοὺς πολίτας
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 324c (Z. 11): „dennoch“ soll es doch wol nicht heißen, wie ich es lese, sondern „demnach“. 324c-d (Z. 14 f.): ὥσγέ μοι φαίνεται. So ist wol recht; nicht aber, wie ich anfangs dachte ὥσγ᾽ ἐμοὶ φ. Denn in diesem Sinne, glaube ich, müste es heißen: ὡς ἔμοιγε φ. cf. 348.c.
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wegen und zu Hause. Es strafen und züchtigen ja aber sowohl die übrigen Menschen den, von welchem sie glauben er habe unrecht gethan, als auch nicht minder die Athener, deine Mitbürger; so daß hieraus zu schließen auch die Athener zu denen gehören, welche annehmen, die Tugend könne gelehrt werden und durch allerlei Anstalten hervorgebracht. Daß also ganz mit Recht deine Mitbürger es annehmen, wenn auch ein Schmidt und Schuster ihnen Rath ertheilen in bürgerlichen Dingen, und daß sie dennoch glauben, die Tugend könne gelehrt und erworben werden, dieses, Sokrates, ist dir nun hinlänglich erwiesen, wie es mir scheint. Jezt ist noch der Zweifel übrig, den du vorher hegtest von wegen der vortreflichen Männer, warum nämlich wohl diese ihre Söhne in Allem, was durch Lehrer zu erlangen ist, unterrichten und weise machen, in der Tugend aber, worin sie selbst sich auszeichnen, sie nicht besser machen als Andere. Hierüber nun, Sokrates, will ich dir nicht mehr eine Erzählung vorlegen, sondern die Gründe. Erwäge die Sache so. Giebt es oder giebt es nicht etwas gewisses, was nothwendig alle Bürger an
von Volks wegen und zu Hause. Es strafen und züchtigen ja aber sowohl die übrigen Menschen den, von welchem sie glauben er habe unrecht gethan, als auch nicht minder die Athener, deine Mitbürger; so daß hieraus zu schließen auch die Athener zu denen gehören, welche annehmen, die Tugend könne gelehrt werden und durch allerlei Anstalten hervorgebracht. Daß also ganz mit Recht deine Mitbürger es annehmen, wenn auch ein Schmidt und Schuster ihnen Rath ertheilen in bürgerlichen Dingen, und daß sie dennoch glauben, die Tugend könne gelehrt und erworben werden, dieses, Sokrates, ist dir nun hinlänglich erwiesen, wie es mir scheint. Jezt ist noch der Zweifel übrig, den du vorher hegtest von wegen der vortreflichen Männer, warum nämlich wohl diese ihre Söhne in Allem, was von Lehrern abhängt, unterrichten und weise machen, in der Tugend aber, worin sie selbst sich auszeichnen, sie nicht besser machen als Andere. Hierüber nun, Sokrates, will ich dir nicht mehr eine Erzählung vorlegen, | sondern die Gründe. Erwäge die Sache so. Giebt es oder giebt es nicht etwas gewisses, was nothwendig alle Bürger an
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μετέχειν, εἴπερ μέλλει πόλις εἶναι. ἐν τούτῳ γὰρ αὕτη λύεται ἡ ἀπορία ἣν σὺ ἀπορεῖς, ἢ ἄλλοθι οὐδαμοῦ. εἰ μὲν γάρ ἐστι, καὶ τοῦτό ἐστι τὸ ἕν, οὐ τεκτονική, οὐδὲ χαλκεία, οὐδὲ κεραμεία, ἀλλὰ δικαιοσύνη καὶ σωφροσύνη, καὶ τὸ ὅσιον εἶναι, καὶ συλλήβδην ἓν αὐτὸ προσαγορεύω εἶναι ἀνδρὸς ἀρετήν· εἰ τοῦτ᾽ ἐστὶν οὗ δεῖ πάντας μετέχειν, καὶ μετὰ τούτου πάντ᾽ ἄνδρα, ἐάν τι καὶ ἄλλο βούληται μανθάνειν, ἢ πράττειν, οὕτω πράττειν· ἄνευ δὲ τούτου μή. ἢ τὸν μὴ μετέχοντα καὶ διδάσκειν καὶ κολάζειν, καὶ παῖδα καὶ ἄνδρα, καὶ γυναῖκα, ἕωσπερ ἂν κολαζόμενος, βελτίων γένηται. ὃς δ᾽ ἂν μὴ ὑπακούῃ κολαζόμενος καὶ διδασκόμενος, ὡς ἀνίατον ὄντα τοῦτον ἐκβάλλειν ἐκ τῶν πόλεων, ἢ ἀποκτείνειν. εἰ οὕτω μὲν ἔχει, οὕτω δ᾽ αὐτοῦ πεφυκότος, οἱ ἀγαθοὶ ἄνδρες εἰ τὰ μὲν ἄλλα διδάσκονται
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 324e (Z. 1): ειπερ μελλει πολις ειναι – scheint nach der Ecl. Cornar erst gemacht zu haben; er fand εἰ μελει πολιτης ειναι.
S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), Ecl. S. 512. Die von Cornarius zitierte Lesung (εἴπερ [sic] μέλει πολίτης εἶναι) findet sich in Ed.Venedig 1513 (Aldina) und Ed.Basel 1534 (Oporinus); die von Schleiermacher Cornarius zugeschriebene Lesung (εἴπερ μέλλει πόλις εἶναι) findet sich bereits in Ed.Basel 1556 (μέλλη) und dann in Ed.Genf 1578 (Stephanus); vgl. Heindorf 1810 z. St. (S. 517 f.).
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sich haben müssen, wenn es einen Staat geben soll? Denn hie|durch wird dieser Zweifel gelöset, den du hegst, oder durch nichts. Denn wenn es so etwas giebt, und wenn dieses Etwas nicht die Zimmerkunst ist noch die Schmiedekunst noch die Töpferkunst, sondern die Gerechtigkeit und die Besonnenheit und das Frommsein, und was ich Alles in Eins zusammengefaßt die Tugend eines Mannes nennen möchte, wenn diese das ist, was Alle an sich haben müssen, und mit dieser ein Jeder, der sonst etwas lernen und verrichten will, Alles verrichten muß, ohne sie aber nichts; oder wer sie nicht an sich hat, sei es Mann oder Kind oder Weib, wird belehrt und gezüchtiget, bis er durch die Züchtigung besser geworden ist, wer aber auf die Züchtigung und Belehrung nicht merkt, als ein Unheilbarer aus dem Staate herausgetrieben oder getödtet; wenn es sich so verhält, und wenn bei so bewandten Sachen deine vortreflichen Männer ihre Söhne in allem Andern unterrichten lassen, hierin aber
sich haben müssen, wenn es einen Staat geben soll? Denn hiedurch wird dieser Zweifel gelöset, den du hegst, oder sonst durch nichts. Denn wenn es so etwas giebt, und wenn dieses Etwas nicht die Zimmerkunst ist noch die Schmiedekunst noch die Töpferkunst, sondern die Gerechtigkeit und die Besonnenheit und das Frommsein, und was ich Alles in Eins zusammengefaßt die Tugend eines Mannes nennen möchte, wenn diese das ist, was Alle an sich haben müssen, und mit dieser ein Jeder, der sonst etwas lernen und verrichten will, Alles verrichten muß, ohne sie aber nichts; oder wer sie nicht an sich hat, sei es Mann oder Kind oder Weib, wird belehrt und gezüchtiget, bis er durch die Züchtigung besser geworden ist, wer aber auf die Züchtigung und Belehrung nicht merkt, als ein Unheilbarer aus dem Staate herausgetrieben oder getödtet; wenn es sich so verhält, und wenn bei so bewandten Sachen deine vortreflichen Männer ihre Söhne in allem Andern unterrichten lassen, hierin aber
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τοὺς υἱεῖς, τοῦτο δὲ μή, σκέψαι ὡς θαυμασίως γίγνονται οἱ ἀγαθοί. ὅτι μὲν γὰρ διδακτὸν αὐτὸ ἡγοῦνται καὶ ἰδίᾳ καὶ δημοσίᾳ, ἀπεδείξαμεν. διδακτοῦ δὲ ὄντος καὶ θεραπευτοῦ, τὰ μὲν ἄλλα ἄρα τοὺς υἱεῖς διδάσκονται, ἐφ᾽ οἷς οὐκ ἔστι θάνατος ἡ ζημία ἐὰν μὴ ἐπίστωνται; ἐφ᾽ ὧν δὲ ἥ τε ζημία θάνατος αὐτῶν τοῖς παισί, καὶ φυγαί, μὴ μαθοῦσι μηδὲ θεραπευθεῖσιν εἰς ἀρετήν, καὶ πρὸς τῷ θανάτῳ χρημάτων τε δημεύσεις, καί, ὡς ἔπος εἰπεῖν, ξυλλήβδην τῶν οἴκων ἀνατροπαί, ταῦτα δ᾽ ἄρα οὐ διδάσκονται, οὐδ᾽ ἐπιμελοῦνται πᾶσαν ἐπιμέλειαν; οἴεσθαί γε χρή, Σώκρατες, ἐκ παίδων σμικρῶν ἀρξάμενοι, μέχριsς οὗπερ ἂν ζῶσι, καὶ διδάσκουσι καὶ νου-
2 θαυμασίως] θαυμάσιοί σοι Schleiermacher W1 Anm. 13 W2 Anm. 14, übersetzt W1 W2 9 ἐφ᾽ ὧν] ἐφ᾽ ᾧ Heindorf 1810
Noten Spaldings (SN 157) zu Anm. (verl.) zu 325b (Z. 2) (vgl. W1 Anm. 13): Ihre Bemerkung über den Sinn scheint mir einzig wahr, und Ihre Konjektur schmeichelt.
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nicht: so sieh doch zu, wie wunderlich diese treflichen Männer seyn müssen13. Denn daß sie, sowohl Jeder für sich als gemeinschaftlich im Staate, allerdings glauben dieses könne gelehrt werden, das haben wir gezeigt. Und obgleich es gelehrt und angebildet werden kann, sollten sie ihren Söhnen wohl alles Andere lehren lassen, worauf nicht der Tod oder eine andere Strafe gesezt ist, wenn sie es nicht wissen; weshalb aber ihren Söhnen der Tod als Strafe bevorsteht oder die Verweisung, wenn sie es nicht gelernt haben, noch zur Tugend darin gebildet worden sind, und außer dem Tode auch noch die Einziehung der Güter, und daß ich es kurz sage, das Verderben des ganzen Geschlechtes, dieses sollten sie ihnen nicht lehren lassen und nicht alle Sorgfalt daran wenden? Man muß ja viel|mehr glauben, Sokrates, daß sie es thun. Schon von der zartesten Kindheit anfangend, so lange sie leben, belehren und ermahnen sie ein Kind,
nicht: so sieh doch zu, wie wunderlich diese treflichen Männer seyn müssen14. Denn daß sie es für lehrbar halten zu Hause und öffentlich im Staate, das haben wir gezeigt. Und obgleich es gelehrt und angebildet werden kann, sollten sie ihren Söhnen wohl alles Andere lehren lassen, worauf nicht der Tod oder eine andere Strafe gesezt ist, wenn sie es nicht wissen; weshalb aber ihren Söhnen der Tod als Strafe bevorsteht oder die Verweisung, wenn sie es nicht gelernt haben, noch zur Tugend gebildet worden sind, und außer dem Tode die Einziehung der Güter, und daß ich es kurz | sage, das Verderben des ganzen Hauses, dieses sollten sie ihnen nicht lehren lassen und nicht alle Sorgfalt daran wenden? Man muß ja wenigstens glauben, Sokrates, daß sie es thun. Schon von der zartesten Kindheit anfangend, so lange sie leben, belehren und ermahnen
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wie wunderlich diese treflic h e n M ä n n e r s e i n m ü s s e n . Der Sinn kann wohl kein anderer sein, als der in der Uebersezung ausgedrükte. Es ist nicht von der Art die Rede, wie die Guten gut werden, sondern von der Art, wie sie erscheinen, im Falle sie nicht für Belehrung der ihrigen sorgen. Sie werden dann dem Betrachtenden in seinem Urtheil wunderlich. Nur freilich ist das Adverbium schwer zu dulden. Vielleicht kann man lesen ὡς θαυμάσιοί σοι γίγνονται.
S Anm. 13 kritisiert von Rez.Ast (1808), S. 138, der das Adverb verteidigt und übersetzt: wie sonderbar es mit den Guten steht.; auch kritisiert von Heindorf 1810 z. St. (S. 519); vgl. jedoch W2 Anm. 14
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wie wunderlich diese treflic h e n M ä n n e r s e i n m ü s s e n . Der Sinn kann wie das folgende sonnenklar zeigt nicht der sein, auf wie wunderliche Art die treflichen Männer entstehen, sondern gewiß wohl kein anderer, als der in der Uebersezung ausgedrükte, wie wunderlich nemlich die für treflich geltenden sich betragen wenn sie nicht für Belehrung der ihrigen sorgen. Sie erscheinen wunderlich, das heißt sie w e r d e n dann dem Betrachtenden in seinem Urtheil wunderlich. Nur freilich ist das Adverbium schwer zu dulden. Vielleicht kann man lesen ὡς θαυμάσιοί σοι γίγνονται, eben wie Gorgias 512. d. καταγέλαστός σοι ὁ ψόγος γίγνεται, ein völlig ähnlicher Fall; und mehrere ließen sich anführen.
S Anm. 14 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 13.
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θετοῦσιν, ἐπειδὰν θᾶττον συνίῃ τις τὰ λεγόμενα· καὶ τροφὸς καὶ μήτηρ, καὶ παιδαγωγὸς καὶ αὐτὸς ὁ πατὴρ περὶ τούτου διαμάχονται, ὅπως ὡς βέλτιστος ἔσται ὁ παῖς· παρ᾽ ἕκαστον καὶ ἔργον καὶ λόγον διδάσκοντες καὶ ἐνδεικνύμενοι ὅτι τὸ μέν, δίκαιον· τὸ δέ, ἄδικον· καὶ τόδε μέν, καλόν, τόδε δὲ, αἰσχρόν· καὶ τόδε μέν, ὅσιον· τόδε δέ, ἀνόσιον. καί, τάδε μὲν ποίει, τάδε δὲ μὴ ποίει. καὶ ἐὰν μὲν ἑκὼν πείθηται· εἰ δὲ μή, ὥσπερ ξύλον διαστρεφόμενον καὶ καμπτόμενον, εὐθύνουσιν ἀπειλαῖς καὶ πληγαῖς. μετὰ δὲ ταῦτα εἰς διδασκάλων πέμποντες, πολὺ μᾶλλον ἐντέλλονται ἐπιμελεῖσθαι εὐκοσμίας τῶν παίδων ἢ γραμμάτων τε καὶ κιθαρίσεως. οἱ δὲ διδάσκαλοι τούτων τε ἐπιμελοῦνται, καὶ ἐπειδὰν αὖ γράμματα μάθωσι, καὶ μέλλωσι συνήσειν τὰ γεγραμμένα, ὥσπερ τότε τὴν φωνήν, παρατιθέασιν αὐτοῖς ἐπὶ τῶν βάθρων ἀναγινώσκειν ποιητῶν ἀγαθῶν ποιήματα, καὶ ἐκμανθάνειν ἀναγκάζουσιν· ἐν οἷς πολλαὶ μὲν νουθετήσεις ἔνεισι, πολλαὶ δὲ διέξοδοι καὶ ἔπαινοι, καὶ ἐγκώμια παλαιῶν ἀνδρῶν ἀγαθῶν· ἵνα ὁ παῖς ζηλῶν μιμῆται, καὶ ὀρέγηται τοιοῦτος γενέσθαι. οἵ τ᾽ αὖ κιθαρισταί, ἕτερα τοιαῦτα, σωφροσύνης τε ἐπιμελοῦνται, καὶ ὅπως ἂν οἱ νέοι μηδὲν κακουργῶσι. πρὸς δὲ τούτοις, ἐπειδὰν κιθαρίζειν μάθωσιν, ἄλλων αὖ ποιητῶν ἀγαθῶν ποιήματα διδάσκουσι μελοποιῶν,
2 λεγόμενα· καὶ] λεγόμενα, καὶ Heindorf 1810 Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W2
Noten Spaldings (SN 157) zu 325e (Bezug unklar): Assentior.
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sobald es nur versteht was zu ihm geredet wird. Die Wärterin, die Mutter, der Knabenführer, der Vater selbst beeifern sich darauf, daß der Knabe aufs beste gedeihe, indem sie ihn bei jeder Handlung und Rede belehren und ihm zeigen, dies ist recht, jenes ist unrecht, dies gut, jenes schlecht, dies fromm, jenes gottlos, dies thue, jenes thue nicht; und wenn er gutwillig gehorcht, gut; wo nicht, so suchen sie ihn wie ein Holz, das sich geworfen und verbogen hat, wieder grade zu machen durch Drohungen und Schläge. Hernach wenn sie ihn in die Schule schiken, schärfen sie dem Lehrer weit dringender ein, für die Sittsamkeit der Kinder zu sorgen als für ihr Lesen und ihr Spiel auf der Lyra. Die Lehrer haben also hierauf nicht nur Acht, sondern auch wenn die Kinder nun Lesen gelernt haben, und nun auch das Geschriebene verstehen wie vorher nur den Ton, so geben sie ihnen auf den Bänkchen die Gedichte der treflichsten Dichter zu lesen, und lassen sie sie einlernen, in denen viele Ermahnungen enthalten sind, so auch rühmliche Thaten und Lobpreisungen alter treflicher Männer, damit der Knabe sie bewundernd nachahme, und sich bestrebe auch ein solcher zu werden. Eben so sieht der Musikmeister nicht minder auf ihre Sittsamkeit, und daß die Knaben nicht Unfug treiben. Ueberdies wenn sie nun die Lyra spielen gelernt haben, lehrt dieser ihnen wiederum anderer vortreflichen Dichter, nämli ch der l iederdi chtenden
sie ein Kind, sobald es nur versteht was zu ihm geredet wird, sowohl die Wärterin als die Mutter, der Knabenführer und der Vater selbst beeifern sich darauf, daß der Knabe aufs beste gedeihe, indem sie ihn bei jeder Handlung und Rede belehren und ihm zeigen, dies ist recht, jenes ist unrecht, dies gut, jenes schlecht, dies fromm, jenes gottlos, dies thue, jenes thue nicht; und wenn er gutwillig gehorcht, gut; wo nicht, so suchen sie ihn wie ein Holz, das sich geworfen und verbogen hat, wieder grade zu machen durch Drohungen und Schläge. Hernach wenn sie ihn in die Schule schikken, schärfen sie dem Lehrer weit dringender ein, für die Sittsamkeit der Kinder zu sorgen als für ihr Lesen und ihr Spiel auf der Lyra. Die Lehrer also haben hierauf Acht, und auch wenn die Kinder nun Lesen gelernt haben, und auch das Geschriebene schon verstehen wie vorher nur den Ton: so geben sie ihnen auf den Bänkchen die Gedichte der treflichsten Dichter zu lesen, und lassen sie sie einlernen, in denen viele Zurechtweisungen enthalten sind und Erläuterungen, auch Lob und Verherrlichung alter treflicher Männer, damit der Knabe sie bewundernd nachahme, und sich bestrebe auch ein solcher zu werden. Die Musikmeister eben so sehen auf Sittsamkeit, und daß die Knaben nicht Unfug treiben. Ueberdies wenn sie nun die Lyra spielen gelernt haben, lehren diese ihnen wiederum anderer vortreflichen Dichter, nämli ch der l ieder dichte nden |
S 2 geredet wird, sowohl] nach Heindorf und Bekker wie Spalte 1 App.
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εἰς τὰ κιθαρίσματα ἐντείνοντες· καὶ τοὺς ῥυθμούς τε καὶ τὰς ἁρμονίας ἀναγκάζουσιν οἰκειοῦσθαι ταῖς ψυχαῖς τῶν παίδων, ἵνα ἡμερώτεροί τε ὦσι, καὶ εὐρυθμότεροι καὶ εὐαρμοστότεροι γιγνόμενοι, χρήσιμοι ὦσιν εἰς τὸ λέγειν τε καὶ πράττειν. πᾶς γὰρ ὁ βίος τοῦ ἀνθρώπου εὐρυθμίας τε καὶ εὐαρμοστίας δεῖται. ἔτι τοίνυν πρὸς τούτοις εἰς παιδοτρίβου πέμπουσιν, ἵνα τὰ σώματα βελτίω ἔχοντες ὑπηρετῶσι τῇ διανοίᾳ χρηστῇ οὔσῃ, καὶ μὴ ἀναγκάζωνται ἀποδειλιᾷν διὰ τὴν πονηρίαν τῶν σωμάτων, καὶ ἐν τοῖς πολέμοις καὶ ἐν ταῖς ἄλλαις πράξεσι. καὶ ταῦτα ποιοῦσιν οἱ μάλιστα δυνάμενοι· μάλιστα δὲ δύνανται οἱ πλουσιώτατοι. καὶ οἱ τούτων υἱεῖς, πρωϊαίτατα εἰς διδασκαλίαν τῆς ἡλικίας ἀρξάμενοι φοιτᾷν, ὀψιαίτατα ἀπαλλάττονται. ἐπειδὰν δὲ ἐκ διδασκάλων ἀπαλλαγῶσιν, ἡ πόλις αὖ τούς τε νόμους ἀναγκάζει μανθάνειν καὶ κατὰ τούτους ζῆν κατὰ παράδειγμα, ἵνα μὴ αὐτοὶ ἐφ᾽ αὑτῶν εἰκῇ πράττωσιν· ἀλλ᾽ ἀτεχνῶς, ὥσπερ οἱ γραμματισταὶ τοῖς μήπω δεινοῖς γράφειν τῶν παίδων, ὑπογράψαντες γραμμὰς τῇ γραφίδι,
17 ποιοῦσιν οἱ μάλιστα] ποιοῦσιν μάλιστα οἱ μάλιστα konj. Heindorf 1810 z. St. (S. 523, nach Ficinus: observant maxime ii, qui maxime possunt), übersetzt W1 W2 20 διδασκαλίαν] Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 57 [181,8], übersetzt W2 | διδασκάλων Ed.Venedig 1513 (Aldina) Ed.Basel 1534 (Oporinus) Ed.Basel 1556 Ed.Genf 1578 (Stephanus) Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 523), übersetzt W1 25f κατὰ παράδειγμα] καθάπερ παράδειγμα konj. Heindorf 1810 z. St. (S. 523), so übersetzt W1 W2
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 326b (Z. 12 f.): Ich bin ganz zufrieden und weiß nichts Besseres. [nachträglich über der Zeile hinzugefügt:] Mit der διανοίᾳ ist’s ja ganz eben so 337.c.
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Gedichte, welche er den Gesangweisen unterlegt, und arbeitet dahin Zeitmaaß und Wohlklang den Seelen der Kinder geläufig zu | machen, damit sie milder werden, und indem sie Maaß und Ton halten, auch geschikter zum Reden und Handeln. Denn überall bedarf das Leben der Menschen Richtigkeit im Zeitmaaß und im Zusammenklang. Ueber das alles schikken sie sie noch zum Meister der Leibesübungen, damit sie dem Körper nach besser ausgebildet, auch der richtig gesinnten Seele gehorchen können, und nicht nöthig haben sich feigherzig zurükzuziehn wegen des Körpers Untüchtigkeit, es sei nun im Kriege oder bei andern Verhandlungen. Und dieses nun führt am besten aus, wer es am besten vermag; am besten aber vermögen es die Reichsten, deren Kinder auch am frühesten in ihrer Jugend anfangen die Lehranstalten zu besuchen, und sie am spätesten wieder verlassen. Wenn sie dann aber ihre Lehrer verlassen, so nöthiget wiederum der Staat sie, die Geseze zu lernen und nach diesen zu leben, wie nach einer Vorschrift, damit sie nicht eignem Gutdünken folgend etwas Ungeschiktes beginnen; sondern recht eigentlich wie der Sprachlehrer den Kindern, die noch nicht schreiben können, die Buchstaben mit dem Griffel vorschreibt,
Gedichte, welche sie den Gesangweisen unterlegen, und arbeiten dahin Zeitmaaß und Wohlklang den Seelen der Kinder geläufig zu machen, damit sie milder werden, und indem sie Maaß und Ton halten, auch geschikter zum Reden und Handeln. Denn überall bedarf das Leben der Menschen richtiges Zeitmaaß und Zusammenstimmung. Ueber das alles schikken sie sie noch zum Meister der Leibesübungen, damit sie dem Körper nach besser ausgebildet auch der richtigen Gesinnung dienen können, und nicht nöthig haben sich feigherzig zurükzuziehn wegen des Körpers Untüchtigkeit, es sei nun im Kriege oder bei andern Geschäften. Und dieses nun führt am besten aus, wer es am besten vermag; am besten aber vermögen es die Reichsten, deren Kinder auch am frühesten in ihrer Jugend anfangen die Lehre zu suchen, und am spätesten damit aufhören. Wenn sie dann aber ihre Lehrer verlassen, so nöthiget wiederum die Stadt sie, die Geseze zu lernen und nach diesen zu leben, wie nach einer Vorschrift, damit sie nicht eignem Gutdünken folgend etwas Ungeschiktes beginnen; sondern recht eigentlich wie der Sprachlehrer den Kindern, die noch nicht schreiben können, die Buchstaben mit dem Griffel vorschreibt,
S 24 Lehranstalten] nach einer alten Lesart und Heindorf wie Spalte 1 App.
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οὕτω τὸ γραμμάτιον διδόασι, καὶ ἀναγκάζουσι γράφειν κατὰ τὴν ὑφήγησιν τῶν γραμμῶν· ὡς δὲ καὶ ἡ πόλις νόμους ὑπογράψασα, ἀγαθῶν καὶ παλαιῶν νομοθετῶν εὑρήματα, κατὰ τούτους ἀναγκάζει καὶ ἄρχειν καὶ ἄρχεσθαι· ὃς δ᾽ ἂν ἐκτὸς βαίνῃ τούτων, κολάζει· καὶ
Vorarbeiten (handschriftlich)
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 326d (Z. 3 f.): ως δε και η πολις – sic et civitas, und will in der Ecloge gelesen haben οὑτω και
Noten Spaldings (SN 157) zu Anm. (verl.) zu 326d (Z. 1-3) (vgl. W1 Anm. 14): Sie haben ganz Recht, wie ich denke. Übrigens können Sie zitiren Spaldingium ad. Qu. 5,14,31 der hier im Plato korri|giret γραμματεῖον für γραμμάτιον. Schneider im Lexikon scheint nicht genau genug, und Stefanus weiset deutlich genug nach, daß wo eine Tafel verstanden werden soll, allemal γραμματεῖον stehen muß. Obbesagter Editor zeiget Ihnen noch eine Stelle des Quintilian 1,1,27 die Ihre Ansicht vom E i n schreiben, nicht B e i schreiben, ganz außer Zweifel sezt. 326d (Z. 3 f.): [Forts. der vorangehenden Note]: Nachher muß doch wol geschrieben werden ὣς (für οὕτω) δὲ καὶ ἡ πόλις. Das δὲ schadet dagegen nichts! Oder solls heißen δή?
1 γραμμάτιον] γραμματεῖον konj. Spld. (SN 157; vgl. Spalte 2) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 57 [181,15]; vgl. Heindorf 1810 z. St. (S. 524) 3 ὡς] ὣς Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina), Variae lectiones, S. 357 Spld. (SN 157) (Spalte 2) Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 524) Ed.Berlin 1816 (Bekker) (allerdings nach Komma) | οὕτω Cornarius (Spalte 2)
S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 440 und Ecl. S. 512. – Dazu vgl. Spld. und Spalte 1 App. | Spld. zu Anm. (verl.) zu 326d (Z. 1-3): Vgl. Georg Ludwig Spalding: M. Fabii Quintiliani de Institutione Oratoria Libri Duodecim [...] recensuit et annotatione explanavit [...], Bd. 2 (continens libros IV-VI), Leipzig 1803, S. 414 zu Quintilian 5,14,3, wo Spalding in seiner Anmerkung diese Stelle aus Platon, Protagoras aus Ed.Zweibrücken (Bipontina) zitiert mit der Emendation: γραμμάτιον (l. γραμματεῖον). Schneider: Griechisch-Deutsches Handwörterbuch, Bd. 1, Jena und Leipzig 1797, S. 300 f. s. v. γραμματεῖον und γραμμάτιον (beides u. a. für Tafel, Täfelchen). Stephanus: Thesaurus Graecae linguae, Bd. 1, [Genf] [1572], Sp. 863 s.v. Γραμματεῖον und Γραμμάτιον.
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und ihnen dann die Tafel hingiebt und ihnen befiehlt, diese Züge, wie er sie ihnen vorgeschrieben hat, nachzuziehen14, eben so schreibt der Staat die Geseze vor von treflichen alten Gesezgebern ausgedacht, und befiehlt ihnen nach diesen zu regieren und sich regieren zu lassen. Wer aber hievon abweicht, den züchtiget
und ihnen dann die Tafel hingiebt und ihnen befiehlt, diese Züge, wie er sie ihnen vorgeschrieben hat, nachzuziehen15, eben so schreibt die Stadt die Geseze vor von treflichen alten Gesezgebern ausgedacht, und befiehlt ihnen nach diesen zu regieren und sich regieren zu lassen. Wer aber hievon abweicht, den züchtiget
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diese Züge — nachzuziehen. Daß hier von keinem Nachahmen die Rede sei, sondern von einem Hinführen des Griffels in den vom Lehrer gezogenen Spuren auf dem Wachse, beweisen ähnliche Stellen des Quintilian I. O. 1, 1, 27. 5, 14, 31.
diese Züge — nachzuziehen. Daß hier von keinem Nachahmen die Rede sei, son|dern von einem Hinführen des Griffels in den vom Lehrer gezogenen Spuren auf dem Wachse, beweisen ähnliche Stellen des Quintilian I. O. 1, 1, 27, 5, 14, 31.
S Anm. 14 Vgl. Spalte 2 mit App. S.
S Anm. 15 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 14.
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ὄνομα τῇ κολάσει ταύτῃ καὶ παρ᾽ ὑμῖν καὶ ἄλλοθι πολλαχοῦ, ὡς εὐθυνούσης τῆς δίκης, εὐθύναι. τοσαύτης οὖν τῆς ἐπιμελείας οὔσης περὶ ἀρετῆς ἰδίᾳ καὶ δημοσίᾳ, θαυμάζεις, ὦ Σώκρατες, καὶ ἀπορεῖς εἰ διδακτόν ἐστιν ἀρετή; ἀλλ᾽ οὐ χρὴ θαυμάζειν, ἀλλὰ πολὺ μᾶλλον εἰ μὴ διδακτόν. διὰ τί οὖν τῶν ἀγαθῶν πατέρων πολλοὶ υἱεῖς φαῦλοι γίγνονται; τοῦτο αὖ μάθε. οὐδὲν γὰρ θαυμαστόν· εἴπερ ἀληθῆ ἐγὼ ἐν τοῖς ἔμπροσθεν ἔλεγον, ὅτι τούτου τοῦ πράγματος, τῆς ἀρετῆς, εἰ μέλλει πόλις εἶναι, οὐδένα δεῖ ἰδιωτεύειν. εἰ γὰρ δὴ ὃ λέγω οὕτως ἔχει (ἔχει δὲ μάλιστα πάντων οὕτως) ἐνθυμήθητι, ἄλλο τῶν ἐπιτηδευμάτων ὁτιοῦν καὶ μαθημάτων προελόμενος. εἰ μὴ οἷόντ᾽ ἦν πόλιν εἶναι εἰ μὴ πάντες αὐληταὶ ἦμεν, ὁποῖός τις ἐδύνατο ἕκαστος, καὶ τοῦτο ἰδίᾳ καὶ δημοσίᾳ πᾶς πάντα καὶ ἐδίδασκε, καὶ ἐπέπληττε τὸν μὴ καλῶς αὐλοῦντα, καὶ μὴ ἐφθόνει τούτου· ὥσπερ νῦν τῶν δικαίων καὶ τῶν νομίμων οὐδεὶς φθονεῖ, οὐδ᾽ ἀποκρύπτεται, ὥσπερ τῶν ἄλλων Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 326d (Z. 3): εὐθυναι – nomen est correctio und will Ecl. gelesen haben ευθυνη. Er hatte nemlich ευθῦναι Infinit. Indessen scheint mir doch der ⌈Sing⌋ besser zu sein wegen τῃ κολασει.
3 εὐθύναι] εὐθῦναι Ed.Venedig 1513 (Aldina) Ed.Basel 1534 (Oporinus) Ed.Basel 1556 Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 524 f.) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 57 [181,21] | εὐθύνη Cornarius (vgl. Spalte 2), übersetzt W1 W2
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 326e (Z. 7 f.): „Darüber — wundern“ „Darüber nicht ist sich zu wundern“. Übers. (verl.) von 327a (Z. 15): ἰδιωτεύειν „unwissend“ „unkundig“ – unkünstlerisch“? S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 440 und Ecl., S. 512.
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er, und diese Züchtigung heißt bei euch und an vielen andern Orten, gleichsam weil die Strafe den Menschen wieder weise macht, eine Weisung. Da nun sowohl zu Hause als von Staats wegen so viele Sorgfalt auf die Tugend gewendet wird, wie kannst du dich noch | wundern, Sokrates, und Zweifel hegen, ob sie lehrbar sei? Darüber ist sich nicht zu wundern, sondern vielmehr wenn sie nicht lehrbar wäre. Weshalb aber mißrathen viele Söhne vortreflicher Männer? Das erfahre nun auch. Dies nämlich ist nichts wunderbares, wenn ich anders im vorigen richtig gesagt habe, daß in dieser Sache, nämlich der Tugend, wenn es Staaten geben soll, niemand unwissend sein darf. Wenn dieses sich so wie ich sage verhält, es verhält sich aber allerdings und auf alle Weise so, so erwäge einmal die Sache an irgend einer andern Kunst und Geschiklichkeit, an welcher du am liebsten willst. Wenn es keinen Staat geben könnte, wofern wir nicht alle Flötenspieler wären, wie gut eben jeder könnte, und wenn hierin Jeder den andern unterrichtete zu Hause und im öffentlichen Leben, und den schlechtspielenden tadelte, und ihm dies nicht neidisch vorenthielte, so wie jezt keiner dem Andern das Gerechte und Gesezmäßige vorenthält oder verbirgt, wie es wohl in andern
sie, und diese Züchtigung heißt bei euch und an vielen andern Orten, gleichsam weil die Strafe den Menschen wieder weise macht, eine Weisung. Da nun sowohl | zu Hause als von Staats wegen so viele Sorgfalt auf die Tugend gewendet wird, wie kannst du dich noch wundern, Sokrates, und Zweifel hegen, ob sie lehrbar sei? Darüber ist sich nicht zu wundern, sondern vielmehr wenn sie nicht lehrbar wäre. Weshalb aber mißrathen viele Söhne vortreflicher Männer? Das erfahre nun auch. Dies nämlich ist nichts wunderbares, wenn ich anders im vorigen richtig gesagt habe, daß in dieser Sache, nämlich der Tugend, wenn es Staaten geben soll, niemand unwissend sein darf. Wenn dieses sich so wie ich sage verhält, es verhält sich aber allerdings und auf alle Weise so: so erwäge einmal die Sache an irgend einer andern Kunst und Geschiklichkeit, an welcher du am liebsten willst. Wenn es keinen Staat geben könnte, wofern wir nicht alle Flötenspieler wären, wie gut eben jeder könnte, und wenn hierin Jeder den andern unterrichtete zu Hause und im öffentlichen Leben, und den schlechtspielenden tadelte, und ihm dies nicht neidisch vorenthielte, so wie jezt keiner dem Andern das Gerechte und Gesezmäßige vorenthält oder verbirgt, wie es wohl in andern
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τεχνημάτων. λυσιτελεῖ γάρ, οἶμαι, ἡμῖν ἡ ἀλλήλων δικαιοσύνη καὶ ἀρετή. διὰ ταῦτα πᾶς παντὶ προθύμως λέγει καὶ διδάσκει καὶ τὰ δίκαια καὶ τὰ νόμιμα. εἰ οὖν οὕτω καὶ ἐν αὐλήσει πᾶσαν προθυμίαν καὶ ἀφθονίαν εἴχομεν ἀλλήλους διδάσκειν, οἴει ἄν τι, ἔφη, μᾶλλον, ὦ Σώκρατες, τῶν ἀγαθῶν αὐλητῶν ἀγαθοὺς αὐλητὰς τοὺς υἱεῖς γενέσθαι, ἢ τῶν φαύλων; οἶμαι μὲν οὔ· ἀλλὰ ὅτου ἔτυχεν ὁ υἱὸς εὐφυέστατος γενόμενος εἰς αὔλησιν, οὗτος ἂν ἐλλόγιμος ηὐξήθη· ὅτου δὲ ἀφυής, ἀκλεής. καὶ πολλάκις μὲν ἀγαθοῦ αὐλητοῦ, φαῦλος ἂν ἀπέβη· πολλάκις δ᾽ ἂν φαύλου, ἀγαθός. ἀλλ᾽ οὖν αὐληταὶ γοῦν πάντες ἦσαν ἱκανοί, ὡς πρὸς τοὺς ἰδιώτας καὶ μηδὲν αὐλήσεως ἐπαΐοντας. οὕτως οἴου καὶ νῦν, ὅστις σοι ἀδικώτατος φαίνεται ἄνθρωπος τῶν ἐν νόμοις καὶ ἀνθρώποις τεθραμμένων, δίκαιον αὐτὸν εἶναι, καὶ δημιουργὸν τούτου τοῦ πράγματος, εἰ δέοι αὐτὸν κρίνεσθαι πρὸς ἀνθρώπους, οἷς μήτε παιδεία ἐστί, μήτε δικαστήρια, μήτε νόμοι, μηδὲ ἀνάγκη μηδεμία, διαπαντὸς ἀναγκάζουσα ἀρετῆς ἐπιμελεῖσθαι· ἀλλ᾽ εἶεν ἄγριοί τινες, οἷοί περ οὓς πέρυσι Φερεκράτης ὁ ποιητὴς ἐδίδαξεν ἐπὶ Ληναίῳ· ἦ
1 τεχνημάτων.] τεχνημάτων· – Heindorf 1810 | τεχνημάτων – Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. W2
Noten Spaldings (SN 157) zu 327d (Z. 28): muß denn hier μηδὲ ἀνάγκη μηδεμία bleiben und nicht geschrieben werden μήτε ἀ. μ.? Und warum? Übers. (verl.) von 327d (Z. 30): Hier, glaube ich, haben Sie die Konstrukzion verfehlt oder, ohne Noth, verlassen. ἀλλ᾽ εἶεν kann ich nicht hinziehen zu οἷς — ἐστὶ, weil es sonst heißen müste ἀλλ᾽ εἰσίν. Zu εἰ δέοι kann der Optatif εἶεν noch weniger gehören. Also denke ich, muß man lesen: ἀλλ᾽ εἶεν ἂ ν ἄγριοι. [nachträglich hinzugefügt:] – Ich nehme das vorige wieder zurük. Freilich müssen diese ἄγριοι wol dieselben sein οἷς μὴ — ἐστί. Ob ἂν hier zum | Optatif nöthig ist, weiß ich nun nicht.
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Künsten geschieht: denn Jedem von uns glaube ich nüzt die Gerechtigkeit und Tugend der Andern, deshalb lehrt Jeder so gern den Andern das Gerechte und Gesezmäßige; wenn nun eben so im Flötenspielen Jeder dem Andern alle Bereitwilligkeit und Dienstfertigkeit erzeigte ihn zu unterrichten: glaubst du, Sokrates, sagte er, daß auch alsdann grade die Söhne guter Flötenspieler eher gute Flötenspieler werden würden als die Söhne der schlechten? Ich glaube es nicht, sondern wer die besten Anlagen zum Flötenspieler hätte, wessen Sohn er auch wäre, der würde zu einem ausgezeichneten gedeihen, wem es aber daran fehlte, würde unberühmt bleiben, und oft würde der Sohn eines guten Flötenspielers ein | schlechter werden, und der eines schlechten ein guter; aber Alle würden doch ordentliche Flötenspieler sein in Vergleich mit den Ununterrichteten, die gar nichts vom Flötenspielen verstehen. So glaube nun auch jezt, daß selbst derjenige, welcher sich dir als der ungerechteste zeigt, von Allen die unter Gesezen und mit Menschen auferzogen sind, dennoch gerecht ist, und wirklich ein ausübender Künstler in dieser Sache, wenn du ihn mit solchen Menschen vergleichen solltest, die gar keine Erziehung haben, keine Gerichtshöfe, keine Geseze, und überall keinen Zwang, der sie zwingt sich in allen Stüken der Tugend zu befleißigen, sondern die solche Wilde wären, wie sie uns im vorigen Jahre der Dichter Pherekrates am Bakchosfest aufgestellt hat.
Künsten geschieht; denn Jedem von uns glaube ich nüzt die Gerechtigkeit und Tugend der Andern, deshalb lehrt Jeder so gern den Andern das Gerechte und Gesezmäßige; wenn nun eben so im Flötenspielen Jeder dem Andern alle Bereitwilligkeit und Dienstfertigkeit erzeigte ihn zu unterrichten: glaubst du, Sokrates, sagte er, daß dann mehr die Söhne guter Flötenspieler gute Flötenspieler werden würden als die Söhne der schlechten? Ich glaube es nicht, sondern wessen Sohn die besten Anlagen zum Flötenspieler hätte, der würde zu einem ausgezeichneten gedeihen, wessen es aber daran fehlte, | der würde unberühmt bleiben, und oft würde der Sohn eines guten Flötenspielers ein schlechter werden, und der eines schlechten ein guter; aber Alle würden doch ordentliche Flötenspieler sein in Vergleich mit den Ununterrichteten, die gar nichts vom Flötenspiel verstehen. So glaube nun auch jezt, daß selbst derjenige, welcher sich dir als der ungerechteste zeigt von Allen, die unter Gesezen und mit Menschen auferzogen sind, dennoch gerecht ist, und wirklich ein ausübender Künstler in dieser Sache, wenn du ihn mit solchen Menschen vergleichen solltest, die gar keine Erziehung haben, keine Gerichtshöfe, keine Geseze, und überall keinen Zwang, der sie zwingt sich in allen Stükken der Tugend zu befleißigen, sondern die solche Wilde wären, wie sie uns im vorigen Jahre der Dichter Pherekrates am Bakchosfest aufgestellt hat.
T 22 schlechten] verdruckt schlehten W1
S 1 geschieht;] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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σφόδρα ἐν τοῖς τοιούτοις ἀνθρώποις γενόμενος, ὥσπερ οἱ ἐν ἐκείνῳ τῷ χορῷ μισάνθρωποι, ἀγαπήσαις ἂν εἰ ἐντύχοις Εὐρυβάτῳ καὶ Φρυνώνδᾳ, καὶ ἀνολοφύραι᾽ ἂν ποθῶν τὴν τῶν ἐνθάδε ἀνθρώπων πονη-
Vorarbeiten (handschriftlich)
Noten Spaldings (SN 157) zu Anm. (verl.) zu 327d (Z. 4 f.) (vgl. W1 Anm. 15): Vor allen Dingen finde ich nöthig, daß das ῳ berichtigt, oder bestätigt, werde in dem Εὐρυβάτῳ. Wer heißt E u r y b a t u s ? Und doch dürfen wir frischweg so korrigiren Εὐρυβάτῃ? Mit Büchern kann man etwas ausrichten. Nachdem ich die meinigen durchkrochen, und dabei mich über meinen kleinen Vorrath gefreut habe, kann ich Ihnen sagen: Sie müssen schreiben: E u r y b a t o s , Εὐρύβατος. Ferner: diese beide Leute: E u r . und F r ü n o n d a s sind sprichwörtlich-lasterhafte. Von dem F r ü n . scheinen die alten selbst wenig zu wissen. Nur beim Aristofanes in Frgm. Amfiar. ist er, außer Plato, zuerst [nachträglich über der Zeile hinzugefügt: und Thesmophoriaz. 861.]. Bei Aeschines in Ctesiph. p. 73 §. 12. hat Taylor das meiste über die Kerle. Wesseling zum Diodor. Bip. Vol. 4 p. 308 ist nur kahl. Kein einziger aber von allen führt Plato’s Stelle an. Ich schreibe Ihnen bei das Fragment des Diodor. aus l. ⌈c.⌋ Ὅτι Κροῖσος ὁ τῶν Λυδῶν βασιλεὺς προσποιησάμενος εἰς Δελφοὺς πέμπειν, ἔ|πεμπεν εἰς Πελοπόννησον Εὐρύβατον τὸν Ἐφέσιον, δοὺς αὐτῷ χρυσίον, ὅπως ὡς πλείστους ξενολογήσῃ (l. ξενολογήσοι) τῶν Ἑλλήνων. ὁ δὲ πεμφθεὶς πρὸς Κῦρον τὸν Πέρσην ἀποχωρήσας τὰ κατὰ μέρος ἐδήλωσε. διὸ καὶ παρὰ τοῖς Ἕλλησιν ἐπισήμου γενομένης τῆς περὶ τὸν Εὐρύβατον πονηρίας, μέχρι τοῦ νῦν ὅταν τις ὀνειδίσαι τινὶ βούληται μοχθηρίαν, Εὐρύβατον ἀποκαλεῖ. „Fortasse ex Ephoro sumtum est, e quo Eurybati hanc S Spld. Folgende Stellen und Literaturzitate hat Spalding angeführt (vgl. W1 Anm. 15): Aristophanes, Amphiaraos: PCG III/2, fr. 26 K.-A; Thesmophoriazusen 861. Oratorum Graecorum volumen tertium Aeschinis omnia complectens. Editionem curavit Io. Iacobus Reiske, Leipzig 1771, Note von Taylor S. 527-530 zu Aeschines, In Ctesiphonem 73, 12. Diodori Siculi Bibliothecae historicae libri qui supersunt e recensione Petri Wesselingii [...] Nova editio [...], Bd. 4, Straßburg 1799 [SB 539], S. 48 f. (Fragment) (Diodor IX, 32) mit der Anmerkung S. 308.
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Wahrlich, wenn du dich unter solchen Menschen befändest, wie die Menschenfeinde in jenem Chore, würdest du sehr zufrieden sein, wenn du auch nur einen Eurybatos oder Phrynondas15 anträfest, und würdest jammern aus Sehnsucht nach der Schlechtigkeit der hiesigen
Wahrlich, wenn du dich unter solchen Menschen befändest, wie die Menschenfeinde in jenem Chore, würdest du sehr zufrieden sein, wenn du auch nur einen Eurybatos oder Phrynondas16 anträfest, und würdest jammern aus Sehnsucht nach der Schlechtigkeit der hiesigen
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Eurybatos oder Phrynondas. Menschen, deren boshafte Unrechtlichkeit zum Sprüchwort geworden. Ueber sie selbst und ihre Thaten sind die Nachrichten nicht einstimmig. Man sehe Taylor zum Aeschin. in Ctesiph. Ed. Reisk. p. 529. Wesseling zum Diodor, Ed. Bip., Vol. IV. S. 308; und Suidas bei diesen beiden Worten.
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S Anm. 15 Vgl. Spalte 2 mit App. S.
S Anm. 16 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 15.
Eurybatos oder Phrynondas. Menschen, deren boshafte Unrechtlichkeit zum Sprüchwort geworden. Ueber sie selbst und ihre Thaten sind die Nachrichten nicht einstimmig. Man sehe Taylor zum Aeschin. in Ctesiph. Ed. Reisk. p. 529. Wesseling zum Diodor, Ed. Bip., Vol. IV. S. 308; und Suidas bei diesen beiden Worten.
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ρίαν· νῦν δὲ τρυφᾷς, ὦ Σώκρατες, διότι πάντες διδάσκαλοί εἰσιν ἀρετῆς, καθόσον δύνανται ἕκαστος· καὶ οὐδείς σοι φαίνεται. εἶθ᾽ ὥσπερ ἂν εἰ ζητοῖς τίς διδάσκαλος τοῦ ἑλληνίζειν, οὐδ᾽ ἂν εἷς φανείη· οὐδέ γ᾽ ἄν, οἶμαι, εἰ ζητοῖς τίς ἂν ἡμῖν διδάξειε τοὺς τῶν χειροτεχνῶν υἱεῖς αὐτὴν ταύτην τὴν τέχνην ἣν δὴ παρὰ τοῦ πατρὸς μεμαθήκασι, καθόσον οἷόστ᾽ ἦν ὁ πατήρ, καὶ οἱ τοῦ πατρὸς φίλοι ὄντες ὁμότεχνοι· τούτους ἔτι τίς ἂν διδάξειεν· οὐ ῥᾴδιον οἶμαι εἶναι, ὦ Σώκρατες, τούτων διδάσκαλον φανῆναι· τῶν δὲ ἀπείρων παντάπασι, ῥᾴδιον· οὕτω δὲ ἀρετῆς καὶ τῶν ἄλλων πάντων. ἀλλὰ κᾂν εἰ ὀλίγον ἐστί τις ὅστις διαφέρει ἡμῶν προβιβάσαι εἰς ἀρετήν, ἀγαπητόν. ὧν δὴ ἐγὼ οἶμαι εἷς εἶναι, καὶ διαφερόντως ἂν τῶν ἄλλων ἀνθρώπων νοῆσαι τινὰ πρὸς τὸ καλὸν καὶ ἀγαθὸν γενέσθαι, καὶ ἀξίως τοῦ μισθοῦ ὃν πράττομαι, καὶ ἔτι πλείονος, ὥστε καὶ αὐτῷ δοκεῖν τῷ μαθόντι. διὰ ταῦτα καὶ τὸν τρόπον τῆς πράξεως τοῦ μισθοῦ τοιοῦτον πεποίη-
Vorarbeiten (handschriftlich)
Noten Spaldings (SN 157) (Forts.) fraudem repetunt Harpocration in voc. Ulp. in Demosth. de. Cor. p. 137. etsi nunc prave Εὔφορος in Parisina, qua utor, editione, et Eustath. ad Hom. pag. 1864“ Wessel. Ein Diotimus in Ἡρακλέους ἄθλοις beim Suidas (v. Εὐρ.) macht den Euryb. zu einem Euböer aus Öchalia. Κέρκωπές τοι πολλὰ κατὰ τριόδους πατέοντες Βοιωτῶν σίνοντο. γένος δ᾽ ἔσαν Οἰχαλιῆες, Ὦλός τ᾽ Εὐρύβατός τε, δύω βαρυδαίμονες ἄνδρες. Vom Frünondas steht dis bei Suidas: Φρυνώνδας τῶν ἐπὶ πονηρίᾳ διαβεβοημένων. ὃς ξένος ὢν κατὰ τὰ Πέλοποννησιακὰ διέτριβεν Ἀ|θήνῃσιν — ἐκ τούτου τοὺς πονηροὺς Φρυνώνδας καλοῦσι. Κακοήθης ὁ Φρυνώνδας οὗτος, καὶ πανοῦργος, μισθοῦ τινας μηχανὰς πραγμάτων ἐπὶ κακοῖς ῥαδίως συντιθεὶς, ὥς φησιν Εὔδημος, καὶ αὖθις, ἀλλ᾽ οἶμαι und hier kommen die Worte des Aeschines in Ctesiphont. Harpokr. über den Frünond. zitirt nur den Aeschines und sezt hinzu ἦν δὲ Ἀθηναίοις περιβόητος ἐπὶ πονηρίᾳ, οὐδὲν ἧττον Εὐρυβάτου. Etwas, dünkt mich, müssen Sie über die Schurken sprechen; so kurz freilich, wie möglich. zu 327e (Bezug unklar): Recht so! S Zu Eurybatos: Suidae Lexicon, ed. L. Kuster, 1705, Bd. 1, S. 908 = Suda ε 3718 Adler. Zu Phrynondas: Suidae Lexicon, ed. L. Kuster, 1705, Bd. 3, S. 638 = Suda φ 770 Adler. Harpocrationis Dictionarium in Decem Rhetores. Phil. Iacobus Maussacus [...] emendavit. [...] Paris 1664, S. 295 (= Harpocration: Lexeis of the ten Orators ed. by John J. Keaney, Amsterdam 1991, S. 263).
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Menschen. Nun aber bist du verwöhnt, Sokrates, weil eben Alle Lehrer der Tugend sind, Jeder so gut er kann, und findest deshalb gar keinen. Eben als wenn du nachfragtest, wo es wohl einen Lehrer im hellenisch sprechen gäbe, würdest du auch keinen einzigen finden. Ja ich glaube nicht einmal, wenn du nachfragtest, wer wohl die Söhne unserer Handarbeiter in der Kunst unterrichtete, die sie bereits von ihrem Vater, so weit er es im Stande war, und von seinen kunstverwandten Freunden gelernt haben. Wer unterrichtet diese wohl noch besonders? Ich glaube, es würde nicht leicht sein, Sokrates, einen Lehrer für sie zu finden, dagegen für die noch ganz un|kundigen sehr leicht. So ist es in der Tugend und in allen andern Dingen. Also wenn einer auch nur um ein Weniges besser versteht sie in der Tugend weiter zu bringen, muß man es gern annehmen. Von welchen nun auch ich glaube einer zu sein, und besser als andere Menschen mancherlei zu verstehen, wodurch einer gut und treflich wird, wohl werth der Belohnung die ich dafür fordere, und noch einer größeren, nach dessen Meinung selbst der sie gelernt hat. Daher ich auch diese Art meine Belohnung zu bestimmen eingerichtet
Menschen. Nun aber bist du verwöhnt, Sokrates, weil eben Alle Lehrer der Tugend sind, Jeder so gut er kann, und siehst deshalb nirgends einen. Eben als wenn du nachfragtest, wo es wohl einen Lehrer im hellenisch sprechen gäbe, würdest du auch keinen einzigen finden. Ja ich glaube nicht einmal, wenn du nachfragtest, wer wohl die Söhne unserer Handwerker in der Kunst unterrichtete, die sie bereits von ihrem Vater, so weit er es im Stande war, und von seinen kunstverwandten Freunden gelernt haben. Wer unterrichtet diese wohl noch besonders? Ich glaube, es würde | nicht leicht sein, Sokrates, ihren Lehrer aufzuzeigen, dagegen der noch ganz unkundigen sehr leicht. So ist es in der Tugend und in allen andern Dingen. Also wenn einer auch nur um ein Weniges besser als wir versteht sie in der Tugend weiter zu bringen, muß man es gern annehmen. Von welchen nun auch ich glaube einer zu sein, und besser als andere Menschen mancherlei zu verstehen, wodurch einer gut und treflich wird, wohl werth der Belohnung die ich dafür fordere, und noch größerer, nach dessen Meinung selbst der gelernt hat. Daher ich auch diese Art meine Belohnung zu bestimmen eingerichtet
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Vorarbeiten (handschriftlich)
μαι· ἐπειδὰν γάρ τις παρ᾽ ἐμοῦ μάθῃ, ἐὰν μὲν βούληται, ἀποδέδωκεν ὃ ἐγὼ πράττομαι ἀργύριον· ἐὰν δὲ μή, ἐλθὼν εἰς ἱερόν, ὀμόσας, ὅσου ἄν φησι ἄξια εἶναι τὰ μαθήματα, τοσοῦτον κατέθηκε. Τοιοῦτόν σοι, ἔφη, ὦ Σώκρατες, ἐγὼ καὶ μῦθον καὶ λόγον εἴρηκα, ὡς διδακτὸν ἀρετή, καὶ Ἀθηναῖοι οὕτως ἡγοῦνται· καὶ ὅτι οὐδὲν θαυμαστὸν τῶν ἀγαθῶν πατέρων φαύλους υἱεῖς γενέσθαι, καὶ τῶν φαύλων, ἀγαθούς. ἐπεὶ καὶ οἱ Πολυκλείτου υἱεῖς, Παράλου καὶ Ξανθίππου τοῦδε ἡλικιῶται, οὐδὲν πρὸς τὸν πατέρα εἰσί· καὶ ἄλλοι ἄλλων δημιουργῶν. τῶνδε δὲ οὔπω ἄξιον τοῦτο κατηγορεῖν. ἔτι γὰρ ἐν αὐτοῖς εἰσὶν ἐλπίδες. νέοι γάρ. Πρωταγόρας μὲν τοσαῦτα καὶ τοιαῦτα ἐπιδειξάμενος, ἀπεπαύσατο τοῦ λόγου· καὶ ἐγὼ ἐπὶ μὲν πολὺν χρόνον κεκηλημένος, ἔτι πρὸς αὐτὸν ἔβλεπον, ὡς ἐροῦντά τι ἐπιθυμῶν ἀκούειν· ἐπειδὴ δὲ ᾐσθόμην ὅτι τῷ ὄντι πεπαυμένος εἴη, μόγις πως ἐμαυτὸν ὡσπερεὶ συναγείρας, εἶπον, βλέψας πρὸς τὸν Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 328d (Z. 22): κεκηλημενος hat Corn. corrigirt; er hatte gelesen κεκλημενος.
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 328c (Z. 6): κατέθηκε. Hndf. oder auch Sie werden wol wissen, ob dis so bloß heißt: „ g i b t er mir denn“ und nicht etwa, „legt er dort im Tempel nieder“ welches freilich nicht recht passen würde. Übers. (verl.) von 328c (Z. 16-18): „darf man ihnen — hoffen“ „Ihnen darf man dieses bisher noch nicht vorwerfen. Noch sind ja Hofnungen an ihnen“. 328d (Bezug unklar): Recht so! 24 ἐπειδὴ δὲ] ἐπεὶ δὲ δὴ Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 58 [185,12], übersetzt W2
S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), Ecl. S. 512.
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habe. Wenn nämlich Jemand bei mir gelernt hat, und er will, so giebt er mir den Preis den ich fordre, wo nicht, so geht er in den Tempel, und schwört dort wieviel er die erworbenen Kenntnisse werth halte, und so viel giebt er mir dann. Somit, Sokrates, sagte er, habe ich dir durch Geschichte und Gründe erwiesen, daß die Tugend allerdings lehrbar ist, und daß auch die Athener sie dafür halten, und daß es dennoch nicht zu verwundern ist, wenn die Söhne guter Väter schlecht und schlechter gut werden. Denn auch die Söhne des Polykleitos von gleichem Alter mit dem Paralos und Xanthippos hier sind nichts in Vergleich mit ihrem Vater; daraus aber darf man ihnen noch keinen Vorwurf machen, sondern man muß Gutes von ihnen hoffen, denn sie sind jung.
habe. Wenn nämlich Jemand bei mir gelernt hat, und er will, so giebt er mir den Preis den ich fordre, wo nicht, so geht er in den Tempel, und schwört dort wie hoch er die erworbenen Kenntnisse schäze, und so viel giebt er dann. Somit, Sokrates, sagte er, habe ich dir durch Geschichte und Gründe erwiesen, daß die Tugend allerdings lehrbar ist, und daß auch die Athener sie dafür halten, und daß es dennoch nicht zu verwundern ist, wenn die Söhne guter Väter schlecht und schlechter gut werden. Denn auch die Söhne des Polykleitos von gleichem Alter mit dem Paralos und Xanthippos hier sind nichts in Vergleich mit ihrem Vater und so auch andere anderer Künstler. Diesen aber darf man hieraus noch keinen Vorwurf machen, sondern man muß Gutes von ihnen hoffen, denn sie sind jung. Protagoras nun, nachdem er sich so und so ausführlich vor uns gezeigt hatte, hörte auf zu reden; ich aber, auf lange Zeit bezaubert, sah noch immer auf ihn, als würde er weiter reden, lüstern zu hören. Da ich aber merkte, daß er wirklich aufgehört hatte, sammelte ich mich | so zu sagen endlich mit Mühe, wendete mich zu dem Hippokrates, und
Protagoras nun, nachdem er sich so und so ausführlich vor uns gezeigt hatte, hörte auf zu reden; ich aber, auf lange Zeit bezaubert, sah noch immer auf ihn, als würde er weiter reden, lüstern zu hören. Da ich nun merkte, daß er wirklich aufgehört hatte, sammelte ich mich so zu sagen endlich mit Mühe, wendete mich zu dem Hippokrates, und
S 30 Da ich aber] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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Protagoras Ed. Bipontina
Vorarbeiten (handschriftlich)
Ἱπποκράτη, Ὦ παῖ Ἀπολλοδώρου, ὡς χάριν σοι ἔχω ὅτι προὔτρεψάς με ὧδε ἀφικέσθαι. πολλοῦ γὰρ ποιοῦμαι ἀκηκοέναι ἃ ἀκήκοα Πρωταγόρου. ἐγὼ γὰρ ἐν μὲν τῷ ἔμπροσθεν χρόνῳ ἡγούμην οὐκ εἶναι ἀνθρωπίνην ἐπιμέλειαν, ᾗ ἀγαθοὶ οἱ ἀγαθοὶ γίγνονται· νῦν δὲ πέπεισμαι. πλὴν σμικρόν τι μοὶ ἐμποδών, ὃ δηλονότι Πρωταγόρας ῥᾳδίως ἐπεκδιδάξει, ἐπειδὴ καὶ τὰ πολλὰ ταῦτα ἐξεδίδαξε. καὶ γὰρ εἰ μέν τις περὶ αὐτῶν τούτων συγγένοιτο ὁτῳοῦν τῶν δημηγόρων, τάχ᾽ ἂν καὶ τοιούτους λόγους ἀκούσειεν, ἢ Περικλέους, ἢ ἄλλου τινὸς τῶν ἱκανῶν εἰπεῖν. εἰ δὲ ἐπανέροιτο τινά τι, ὥσπερ βιβλία, οὐδὲν ἔχουσιν οὔτε ἀποκρίνασθαι οὔτε αὐτοὶ ἔρεσθαι· ἀλλ᾽ ἐάν τις καὶ σμικρὸν ἐπερωτήσῃ τὶ τῶν ῥηθέντων, ὥσπερ τὰ χαλκεῖα πληγέντα, μακρὸν ἠχεῖ καὶ ἀποτείνει, ἐὰν μὴ ἐπιλάβηταί τις. καὶ οἱ ῥήτορες οὕτω, σμικρὰ ἐρωτηθέντες δολιχὸν κατατείνουσι τοῦ λόγου. Πρωταγόρας δὲ ὅδε, ἱκανὸς μὲν μακροὺς λόγους καὶ καλοὺς εἰπεῖν, ὡς αὐτὰ δηλοῖ· ἱκανὸς δὲ καὶ ἐρωτηθεὶς ἀποκρίνεσθαι κατὰ βραχύ, καὶ ἐρόμενος περιμεῖναί τε καὶ ἀποδέξασθαι τὴν ἀπόκρισιν· ἃ ὀλίγοις ἐστὶ παρ-
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 329a (Z. 23 f.): Uebersezt er auch vor και οἱ ρητορες ein Punktum.
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 328e (Z. 10 f.): „auch noch belehren“ „auch noch vollends belehren“. 23 τις. καὶ] τις, καὶ Heindorf 1810 Ed.Berlin 1816 (Bekker)
S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 441.
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Protagoras 1. Auflage
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sagte: Wie danke ich | dir, Sohn des Apollodoros, daß du mich aufgefordert hast hieher zu gehn! denn gar viel ist es mir werth das gehört zu haben, was ich vom Protagoras gehört habe. Bis jezt nämlich glaubte ich nicht, daß es menschliche Bemühungen wären, wodurch die Guten gut würden; nun aber bin ich davon überzeugt. Ausgenommen eine Kleinigkeit ist mir im Wege, über welche mich ja Protagoras leicht auch noch belehren wird, nachdem er mich alles dieses gelehrt. Denn wenn sich Jemand über eben denselben Gegenstand mit einem von unsern Volksrednern einließe, könnte er solche Reden vom Perikles oder einem andern guten Redner auch hören; aber wenn er darüber hinaus noch etwas weiter fragt, so wissen sie wie ein Buch nichts weiter weder zu antworten noch selbst zu fragen; aber wenn Jemand nur ein Weniges von dem schon gesagten fragt, dann, wie Metall worauf einer geschlagen lange immer fort tönt, bis es einer anrührt; eben so auch diese Redner, wenn gleich nur kurz gefragt, dehnen sie eine meilenlange Rede. Unser Protagoras aber versteht zwar auch lange und schöne Reden zu halten, wie eben die That gezeigt, er versteht aber auch sowohl gefragt im kurzen zu antworten, als auch selbst fragend die Antwort abzuwarten, und aufzunehmen, und hierauf sind nur Wenige ausgerüstet.
sagte: Wie danke ich dir, Sohn des Apollodoros, daß du mich aufgefordert hast hieher zu gehn! denn gar viel ist es mir werth das gehört zu haben vom Protagoras, was ich gehört habe. Bis jezt nämlich glaubte ich, es wären nicht menschliche Bemühungen, wodurch die Guten gut werden; nun aber bin ich davon überzeugt. Ausgenommen eine Kleinigkeit ist mir im Wege, was offenbar Protagoras leicht noch dazu lehren wird, da er ja dieses viele gelehrt hat. Denn wenn sich Jemand über eben dieses mit einem von unsern Volksrednern bespräche, könnte er solche Reden vom Perikles oder einem von den andern Meistern im Reden auch wohl hören; aber wenn einer etwas weiter fragt, so wissen sie wie die Bücher nichts weiter weder zu antworten noch selbst zu fragen; aber wenn einer auch nur ein Weniges von dem gesagten fragt, dann, wie Metall worauf einer geschlagen lange fort tönt, wenn es nicht einer anrührt; eben so auch diese Redner, um weniges gefragt, dehnen eine meilenlange Rede. Unser Protagoras aber versteht zwar ebenfalls lange und schöne Reden zu halten, wie eben die That gezeigt, er versteht aber auch sowohl gefragt im kurzen zu antworten, als auch selbst fragend die Antwort abzuwarten, und aufzunehmen, und hierauf sind nur Wenige ausgerüstet.
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Protagoras Ed. Bipontina
Vorarbeiten (handschriftlich)
εσκευασμένα. νῦν οὖν, ὦ Πρωταγόρα, σμικροῦ τινος ἐνδεής εἰμι πάντ᾽ ἔχειν, εἴ μοι ἀποκρίναιο τόδε· τὴν ἀρετὴν φῂς διδακτὸν εἶναι· καὶ ἐγώ, εἴπερ ἄλλῳ τῳ ἀνθρώπων πειθοίμην ἄν, καί σοι πείθομαι. ὃ δ᾽ ἐθαύμασά σου λέγοντος, τοῦτό μοι ἐν τῇ ψυχῇ ἀποπλήρωσον. ἔλεγες γὰρ ὅτι ὁ Ζεὺς τὴν δικαιοσύνην καὶ τὴν αἰδῶ πέμψειε τοῖς ἀνθρώποις· καὶ αὖ πολλαχοῦ ἐν τοῖς λόγοις ἐλέγετο ὑπὸ σοῦ ἡ δικαιοσύνη, καὶ σωφροσύνη, καὶ ὁσιότης· καὶ πάντα ταῦτα ὡς ἕν τι εἴη συλλήβδην ἀρετή. ταῦτ᾽ οὖν αὐτὰ δίελθέ μοι ἀκριβῶς τῷ λόγῳ, πότερον ἓν μέν τι ἐστὶν ἡ ἀρετή, μόρια δὲ αὐτῆς ἐστιν ἡ δικαιοσύνη, καὶ σωφροσύνη, καὶ ὁσιότης· ἢ ταῦτ᾽ ἐστὶν ἃ νῦν δὴ ἐγὼ ἔλεγον πάντα, ὀνόματα τοῦ αὐτοῦ ἑνὸς ὄντος. τοῦτ᾽ ἔστιν ὃ ἔτι ἐπιποθῶ. — Ἀλλὰ ῥᾴδιον τοῦτό γ᾽, ἔφη, ὦ Σώκρατες, ἀποκρίνασθαι, ὅτι ἑνὸς ὄντος τῆς ἀρετῆς μόρια ἐστὶν ἃ ἐρωτᾷς. Πότερον, ἔφην, ὥσπερ προσώπου τὰ μόρια, μόριά ἐστι, στόμα τε καὶ ῥίς, καὶ ὀφθαλμοί, καὶ ὦτα; ἢ ὥσπερ τὰ τοῦ χρυσοῦ μόρια οὐδὲν διαφέρει τὰ ἕτερα τῶν ἑτέρων, ἀλλήλων καὶ τοῦ ὅλου, ἀλλ᾽ ἢ μεγέθει καὶ σμικρότητι; — Ἐκείνως μοι φαίνεται, ὦ Σώκρατες, ὥσπερ τὰ τοῦ προσώπου μόρια ἔχει πρὸς τὸ ὅλον πρόσωπον.
Noten Spaldings (SN 157) zu 329d (Z. 26 f.): μόριά ἐστι geht auf προσώπου, nicht ἀρετῆς. Sonst wäre ja στόμα τε καὶ ῥὶς gar zu verwirrend hingestellt, und ich glaube also, Sie haben recht weggestrichen.
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Jezt also, Protagoras, fehlt mir noch ein Weniges um Alles zu haben, wenn du mir dieses beantworten möchtest. Du sagst die Tugend sei lehrbar, und ich, wenn ich irgend einem Menschen glaube, glaube ich gewiß dir. Was mir aber aufgefallen ist, als du sprachst, das ergänze mir noch in meiner Seele. Du sagtest nämlich, Zeus habe den Menschen die Gerechtigkeit geschikt und die Scham, und | wiederum erwähntest du vielfältig in deiner Rede der Gerechtigkeit und Besonnenheit und Frömmigkeit, und dieses alles, als ob es zusammengenommen Eins wäre, die Tugend. Eben dieses also erkläre mir doch genau, ob die Tugend Eins zwar ist, Theile von ihr aber sind die Gerechtigkeit und die Besonnenheit und die Frömmigkeit, oder ob alles, was ich izt genannt habe, nur verschiedene Namen sind für eine und dieselbe Sache. Das ist es was ich noch vermisse. — Sehr leicht, sagte er, ist dies ja zu beantworten, Sokrates, daß von der Einen Tugend dieses Theile sind, wonach du fragst. Ob wohl auf die Art, sprach ich, wie die Theile des Gesichtes Theile sind, Mund und Nase und Augen und Ohren? oder wie die Theile des Geldes gar nicht unterschieden eins vom andern und vom Ganzen als durch Größe und Kleinheit? — Auf jene Art scheint es mir, Sokrates, wie die Theile des Gesichtes sich zum ganzen Gesicht ver-
Jezt also, Protagoras, fehlt mir noch ein Weniges um Alles zu haben, wenn du mir dieses beantworten möchtest. Du sagst die Tugend sei lehrbar, und ich, wenn ich irgend einem Menschen glaube, glaube ich gewiß dir. Was mir aber aufgefallen ist, als du sprachst, das ergänze mir noch in meiner Seele. Du sagtest näm|lich, Zeus habe den Menschen die Gerechtigkeit geschikt und die Schaam, und wiederum erwähntest du vielfältig in deiner Rede der Gerechtigkeit und Besonnenheit und Frömmigkeit, und dieses alles, als ob es zusammengenommen Eins wäre, die Tugend. Eben dieses also seze mir doch genauer auseinander, ob die Tugend Eins zwar ist, doch aber Theile von ihr sind die Gerechtigkeit und die Besonnenheit und die Frömmigkeit, oder ob alles, was ich jezt genannt habe, nur verschiedene Namen sind für eine und dieselbe Sache. Das ist es was ich noch vermisse. — Sehr leicht, sagte er, ist dies ja zu beantworten, Sokrates, daß von der Tugend die Eins ist, dieses Theile sind, wonach du fragst. Ob wohl auf die Art, sprach ich, wie die Theile des Gesichtes Theile sind, Mund und Nase und Augen und Ohren? oder so wie die Theile des Goldes gar nicht unterschieden sind eins vom andern und vom Ganzen als durch Größe und Kleinheit? — Auf jene Art scheint es mir, Sokrates, wie die Theile des Gesichtes sich zum ganzen Gesicht ver-
S 25 vermisse] Zitiert zu Phaidros 234c; vgl. KGA V/7, Nr. 1656, zu Z. 55-58.
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— Πότερον οὖν, ἦν δ᾽ ἐγώ, καὶ μεταλαμβάνουσιν οἱ ἄνθρωποι τούτων τῶν τῆς ἀρετῆς μορίων, οἱ μέν, ἄλλο, οἱ δέ, ἄλλο; ἢ ἀνάγκη, ἐάν πέρ τις ἓν λάβῃ, ἅπαντα ἔχειν; — Οὐδαμῶς, ἔφη. ἐπεὶ πολλοὶ ἀνδρεῖοί εἰσιν, ἄδικοι δέ· καὶ δίκαιοι αὖ, σοφοὶ δὲ οὔ. — Ἔστι γὰρ καὶ ταῦτα μόρια τῆς ἀρετῆς, ἔφην ἐγώ, σοφία τε καὶ ἀνδρεία; — Πάντων μάλιστα δήπου, ἔφη· καὶ μέγιστόν γε ἡ σοφία τῶν μορίων. — Ἕκαστον δὲ αὐτῶν ἐστιν, ἦν δ᾽ ἐγώ, ἄλλο, τὸ δέ, ἄλλο; — Ναί. — Ἦ καὶ δύναμιν αὐτῶν ἕκαστον ἰδίαν ἔχει, ὥσπερ τὰ τοῦ προσώπου; οὐκ ἔστιν ὀφθαλμὸς οἷον τὰ ὦτα, οὐδ᾽ ἡ δύναμις αὐτοῦ ἡ αὐτή· οὐδὲ τῶν ἄλλων οὐδέν ἐστιν οἷον τὸ ἕτερον, οὔτε κατὰ τὴν δύναμιν, οὔτε κατὰ τὰ ἄλλα. ἆρ᾽ οὖν οὕτω καὶ τὰ τῆς ἀρετῆς μόρια, οὐκ ἔστι τὸ ἕτερον οἷον τὸ ἕτερον, οὔτε αὐτό, οὔτε ἡ δύναμις αὐτοῦ; ἢ δηλαδὴ ὅτι οὕτως ἔχει, εἴπερ τῷ παραδείγματί γε ἔοικεν; — Ἀλλ᾽ οὕτως, ἔφη, ἔχει, ὦ Σώκρατες. — Καὶ ἐγὼ εἶπον, Οὐδὲν ἄρα ἐστὶ τῶν τῆς ἀρετῆς μορίων ἄλλο οἷον ἐπιστήμη, οὐδ᾽ οἷον δικαιοσύνη, οὐδ᾽ οἷον ἀνδρεία, οὐδ᾽ οἷον σωφροσύνη, οὐδ᾽ οἷον ὁσιότης. — Οὐκ ἔφη. — Φέρε δή, ἔφην ἐγώ, κοινῇ σκεψώμεθα
8 γὰρ] γὰρ οὖν Ed.Basel 1556 Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina), Variae lectiones, S. 357 Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 58 [187,19], vgl. W2 24 δηλαδὴ] δῆλα δὴ Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina), Variae lectiones, S. 357 Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 538) Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W1 W2
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 330a (Z. 14 ff.): Ich habe V e r r i c h t u n g hineingeändert. 330a (Bezug unklar): Ich will aufpassen. T In Übers. (verl.) von 330a (Z. 14 ff.) war δύναμις vermutlich mit Vermögen übersetzt (wie 349c und 359a) | Verrichtung Spld., übernommen W1 W2
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halten. — Besizen denn auch die Menschen, fragte ich, von diesen Theilen der Tugend der eine den, der andere jenen, oder muß nothwendig wer einen hat auch alle haben? — Keinesweges, sprach er, denn Viele sind ja tapfer, aber ungerecht, und gerecht, weise aber nicht. — Sind also dies auch Theile der Tugend, fragte ich, Weisheit und Tapferkeit? — Freilich vor allen Dingen, sprach er, und der größte sogar ist die Weisheit unter diesen Theilen. — Und jeder von ihnen, sagte ich, ist etwas anderes als der andere? — Ja. — Hat auch jeder seine eigene Verrichtung, wie im Gesicht das Auge nicht ist wie die Ohren noch seine Verrichtung dieselbe, und überhaupt kein Theil wie der andere ist, weder der Verrichtung nach noch sonst, ist nun eben so auch von den | Theilen der Tugend keiner wie der andere, weder an sich selbst noch auch seine Verrichtung? Oder muß nicht offenbar die Sache sich so verhalten, wenn sie doch unserm Beispiel ähnlich sein soll? — Sie verhält sich auch so, Sokrates, sagte er. — Darauf sprach ich: Also ist kein anderer Theil der Tugend wie die Erkenntniß, oder wie die Gerechtigkeit, oder wie die Besonnenheit, oder wie die Frömmigkeit? — Nein, sagte er. — Wohlan also, sprach ich, laß uns zusammen
halten. — Besizen denn auch die Menschen, fragte ich, von diesen Theilen der Tugend der eine den, der andere jenen, oder muß nothwendig wer einen hat auch alle haben? — Keinesweges, sprach er, denn Viele sind ja tapfer, aber ungerecht, und gerecht, weise aber nicht. — Also dies sind auch Theile der Tugend, fragte ich, Weisheit und Tapferkeit? — Freilich vor allen Dingen, sprach er, und der größte sogar ist die Weisheit unter diesen Theilen. — Und jeder von ihnen, sagte ich, ist etwas anderes als der andere? — Ja. — Hat auch jeder seine eigene Verrichtung, wie im Gesicht das Auge nicht ist wie die Ohren noch seine Verrichtung die|selbe, und überhaupt kein Theil wie der andere ist, weder der Verrichtung nach noch sonst, ist nun eben so auch von den Theilen der Tugend keiner wie der andere, weder an sich selbst noch auch seine Verrichtung? Oder muß nicht offenbar die Sache sich so verhalten, wenn sie doch unserm Beispiel ähnlich sein soll? — Sie verhält sich auch so, Sokrates, sagte er. — Darauf sprach ich: Also ist keiner von den anderen Theilen der Tugend wie die Erkenntniß, oder wie die Gerechtigkeit, oder wie die Besonnenheit, oder wie die Frömmigkeit? — Nein, sagte er. — Wohlan also, sprach ich,
S 17 Verrichtung] hier und im Folgenden hergestellt durch Spalding (vgl. Spalte 2 Spld. [SN 157])
S 9 Also] nach Bekker wie Spalte 1 App. 17 Verrichtung] Vgl. Spalte 3 App. S.
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ποῖόν τι αὐτῶν ἐστιν ἕκαστον. πρῶτον μὲν τὸ τοιόνδε· ἡ δικαιοσύνη πρᾶγμά τι ἐστίν, ἢ οὐδὲν πρᾶγμα; ἐμοὶ μὲν γὰρ δοκεῖ· τί δὲ σοί; — Καὶ ἐμοί, ἔφη. — Τί οὖν; εἴ τις ἔροιτο ἐμέ τε καί σε, Ὦ Πρωταγόρα τε καὶ Σώκρατες, εἴπετον δή μοι, τοῦτο τὸ πρᾶγμα ὃ ὠνομάσατε ἄρτι ἡ δικαιοσύνη, αὐτὸ τοῦτο δίκαιόν ἐστιν ἢ ἄδικον; ἐγὼ μὲν ἂν αὐτῷ ἀποκριναίμην ὅτι δίκαιον· σὺ δὲ τίν᾽ ἂν ψῆφον θεῖο; τὴν αὐτὴν ἐμοί, ἢ ἄλλην; — Τὴν αὐτήν, ἔφη. — Ἔστιν ἄρα ἡ δικαιοσύνη τοιοῦτον οἷον δίκαιον εἶναι, φαίην ἂν ἔγωγε, ἀποκρινόμενος τῷ ἐρωτῶντι· οὐκοῦν καὶ σύ; — Ναί, ἔφη. — Εἰ οὖν μετὰ τοῦτο ἡμᾶς ἔροιτο, Οὐκοῦν καὶ ὁσιότητά τινα φατὲ εἶναι; φαῖμεν ἄν, ὡς ἐγᾦμαι. — Ναί, ἦ δ᾽ ὅς. — Οὐκοῦν φατὲ καὶ τοῦτο, πρᾶγμά τι εἶναι; φαῖμεν ἄν, ἢ οὔ; — Καὶ
14f ἡ δικαιοσύνη τοιοῦτον οἷον δίκαιον εἶναι] τοιοῦτον ἡ δικαιοσύνη οἷον δίκαιον εἶναι Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 59 [188,22], vgl. W2, vgl. Spld. (Spalte 2)
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 330c (Z. 3 ff.): Freilich klingt es im Deutschen lange nicht so schlicht, wie im Griechischen. „Eine Sache“ würde uns bei bestimten logischen Kunstwörtern aufgezogene Menschen wol grausam ärgern und in arge Verlegenheiten verwikkeln. Anm. (verl.) ? zu 330c (Z. 14 f.): δίκαιον εἶναι: Ich gebe Ihrer genaueren Kentniß gerne Recht. Denn selbst gehe ich hier einher mit schwankenden Füßen. Aber abundirt denn bei einem solchen Adjektif das εἶναι? (wie etwa 317a.) Der ganze Unterschied besteht doch darin: ob δίκαιον hier das Mask. ist oder das Neutrum? Im lezteren Falle abundirt das εἶναι, im ersteren nicht. Ob im Fall des Mask. so schlechterdings τὸ voran stehen müste, möchte ich nicht leicht entscheiden.
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sehen, wie doch jedes von ihnen ist. Zuerst so. Ist die Gerechtigkeit etwas bestimmtes, oder ist sie nicht etwas bestimmtes? Mir scheint sie so etwas zu sein, wie denn dir? — Auch mir, sagte er. — Wie nun? wenn einer mich und dich fragte: Sagt mir doch, Protagoras und Sokrates, dieses was ihr jezt eben genannt habt, die Gerechtigkeit, ist dieses gerecht oder ungerecht? würde ich ihm freilich antworten, gerecht; du aber was für eine Stimme würdest du geben, dieselbe mit mir oder eine andere? — Dieselbe, sagte er. — Die Gerechtigkeit ist doch wohl eben das wie gerecht, würde ich sagen dem Fragenden zur Antwort. Du auch? — Ja, sagte er. — Wenn er uns nun nach diesem fragte: Sagt ihr nicht auch, daß es eine Frömmigkeit giebt? würden wir es doch bejahen, glaube ich? — Freilich, sagte er. — Sagt ihr auch, daß diese etwas bestimmtes ist? sollen wir es zugeben oder nicht? — Auch dies bejahte er.
laß uns zusammen sehen, welcherlei doch jedes von ihnen ist. Zuerst so. Ist die Gerechtigkeit etwas bestimmtes, oder ist sie nicht etwas bestimmtes? Mir scheint sie so etwas zu sein, wie denn dir? — Auch mir, sagte er. — Wie nun? wenn einer mich und dich fragte: Sagt mir doch, Protagoras und Sokrates, dieses was ihr jezt eben genannt habt, die Gerechtigkeit, ist sie eben dieses gerecht oder ungerecht? würde ich ihm freilich antworten, gerecht; du aber was für eine Stimme würdest du geben, dieselbe mit mir oder eine andere? — Dieselbe, sagte er. — Die Gerechtigkeit also ist eben das wie gerecht sein, würde ich sagen dem Fragenden zur Antwort. Du auch? — Ja, sagte er. — Wenn er uns nun nach diesem fragte: Sagt ihr nicht auch, daß es eine Frömmigkeit giebt? würden wir es doch bejahen, glaube ich? — Freilich, sagte er. — Sagt ihr auch, daß diese etwas bestimmtes ist? sollen wir es zugeben oder nicht? — Auch dies bejah-
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τοῦτο συνέφη. — Πότερον δὲ τοῦτο αὐτὸ τὸ πρᾶγμα φατὲ τοιοῦτον πεφυκέναι οἷον ἀνόσιον εἶναι, ἢ οἷον ὅσιον; Ἀγανακτήσαιμ᾽ ἂν ἔγωγ᾽, ἔφη, τῷ ἐρωτήματι· καὶ εἴποιμ᾽ ἄν, Εὐφήμει, ὦ ἄνθρωπε. σχολῇ μέντ᾽ ἄν τι ἄλλο ὅσιον εἴη, εἰ μὴ αὐτή γε ἡ ὁσιότης ὅσιον ἔσται. τί δὲ σύ; οὐχ οὕτως ἂν ἀποκρίναιο; — Πάνυ μὲν οὖν, ἔφη. — Εἰ οὖν μετὰ τοῦτ᾽ εἴποι ἐρωτῶν ἡμᾶς, Πῶς οὖν ὀλίγῳ πρότερον ἐλέγετε; ἆρ᾽ οὐκ ὀρθῶς ὑμῶν κατήκουσα; ἐδόξατέ μοι φάναι τῆς ἀρετῆς μόρια εἶναι οὕτως ἔχοντα πρὸς ἄλληλα, ὡς οὐκ εἶναι τὸ ἕτερον αὐτῶν οἷον τὸ ἕτερον. Εἴποιμ᾽ ἂν ἔγωγε ὅτι, Τὰ μὲν ἄλλα ὀρθῶς ἤκουσας, ὅτι δὲ καὶ ἐμὲ οἴει εἰπεῖν τοῦτο, παρήκουσας. Πρωταγόρας γὰρ ὅδε ταῦτα ἀπεκρίνατο, ἐγὼ δὲ ἠρώτων. Εἰ οὖν εἴποι, ἀληθῆ ὅδε λέγει, ὦ Πρωταγόρα; σὺ φῂς οὐκ εἶναι τὸ ἕτερον μόριον οἷον τὸ ἕτερον τῶν τῆς ἀρετῆς; σὸς οὗτος ὁ λόγος ἐστί; τί ἂν αὐτῷ ἀποκρίναιο; — Ἀνάγκη, ἔφη, ὦ Σώκρατες, ὁμολογεῖν. — Τί οὖν, ὦ Πρωταγόρα, ἀποκρινούμεθα αὐτῷ, ταῦτα ὁμολογήσαντες, ἐὰν ἡμᾶς ἐπανέρηται;
5 ἔφη] Ed.Venedig 1513 (Aldina) Ed.Basel 1534 (Oporinus) Ed.Genf 1578 (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina) | ἔφην Ed.Basel 1556 Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 539) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 59 [189,7], übersetzt W1 W2, vgl. Spld. (Spalte 2)
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 330d (Z. 5): Sie lesen also ἔφην, statt ἔφη. So wolte ich auch schon von selbst. Aber belehren Sie darüber nicht den Leser? Auch muß das Komma vor ἔγωγ᾽ gesezt werden. Oder doch wol nicht, weil 330e. extr. εἴποιμ᾽ — ἔγωγε steht. item 333.c.
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— Sagt ihr nun, daß sie von Natur so geartet ist gottlos zu sein, oder fromm? Ich, sprach ich, würde unwillig werden über die Frage, und sagen: Rede nicht dergleichen, lieber Mensch! wie wollte denn irgend etwas anderes fromm sein, wenn die Frömmigkeit selbst nicht fromm | wäre! Und wie du? würdest du nicht so antworten? — Allerdings, sagte er. — Wenn er nun hierauf spräche fragend: Wie habt ihr doch vor kurzem gesagt? habe ich euch etwa nicht recht vernommen? Mich dünkt ihr sagtet die Theile der Tugend verhielten sich so gegen einander, daß keiner von ihnen wäre wie der andere? so würde ich ihm sagen: Uebrigens hast du wohl recht gehört, daß du aber glaubst ich hätte dieses auch gesagt, das hast du verhört. Denn, Protagoras hier hat dies geantwortet, ich habe nur gefragt. Wenn er nun fragte: Spricht dieser wahr, Protagoras? Du also sagst, kein Theil der Tugend sei wie der andere? Deine Rede ist dies? Was würdest du ihm antworten? — Natürlich, sagte er, mich dazu bekennen. — Was werden wir ihm nun, dieses eingestanden, antworten, Protagoras, wenn er uns weiter
te er. — Sagt ihr nun, daß diese von Natur eben das ist wie gottlos sein, oder fromm? Ich, sprach ich, würde unwillig werden über die Frage, und | sagen: Rede nicht dergleichen, lieber Mensch! wie wollte denn irgend etwas anderes fromm sein, wenn die Frömmigkeit selbst nicht fromm wäre! Und wie du? würdest du nicht so antworten? — Allerdings, sagte er. — Wenn er nun hierauf spräche fragend: Wie habt ihr doch vor kurzem gesagt? habe ich euch etwa nicht recht vernommen? Mich dünkt, ihr sagtet, die Theile der Tugend verhielten sich so gegen einander, daß keiner von ihnen wäre wie der andere? so würde ich ihm sagen: Uebrigens hast du wohl recht gehört, daß du aber glaubst ich hätte dieses auch gesagt, das hast du verhört. Denn, Protagoras hier hat dies geantwortet, ich habe nur gefragt. Wenn er nun fragte: Spricht dieser wahr, Protagoras? Du also sagst, kein Theil der Tugend sei wie der andere? Deine Rede ist dies? Was würdest du ihm antworten? — Natürlich, sagte er, mich dazu bekennen. — Was also, Protagoras, werden wir, dieses eingestanden, ihm antworten, wenn er uns weiter
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Οὐκ ἄρα ἐστὶν ὁσιότης οἷον δίκαιον εἶναι πρᾶγμα, οὐδὲ δικαιοσύνη, οἷον ὅσιον, ἀλλ᾽ οἷον μὴ ὅσιον· ἡ δ᾽ ὁσιότης, οἷον μὴ δίκαιον. δίκαιον ἄρα τόδε, ἀνόσιον. τί αὐτῷ ἀποκρινούμεθα; ἐγὼ μὲν γὰρ αὐτὸς καὶ ὑπέρ γε ἐμαυτοῦ, φαίην ἂν καὶ τὴν δικαιοσύνην, ὅσιον εἶναι, καὶ τὴν ὁσιότητα, δίκαιον· καὶ ὑπὲρ σοῦ δέ, εἴ με ἐῴης, ταυτὰ ἂν ταῦτα ἀποκρινοίμην, ὅτι ἤτοι ταυτόν ἐστι δικαιότης ὁσιότητι, ἢ ὅτι ὁμοιότατον· καὶ μάλιστα πάντων ἥ τε δικαιοσύνη, οἷον ὁσιότης, καὶ ἡ ὁσιότης, οἷον δικαιοσύνη. ἀλλ᾽ ὅρα εἰ διακωλύεις ἀποκρίνασθαι, ἢ καί σοι συνδοκεῖ οὕτως. — Οὐ πάνυ μοι
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 331a-b (Z. 1-5): ουκ αρα εστιν οσιοτης p. Non ergo est sanctitas talis res qualis iustum esse, neque iustitia qualis sanctum esse, sed qualis non sanctum esse, et sanctitas qualis non iustum esse. I u s t u m e r g o est impium.
4f δίκαιον. δίκαιον ἄρα τόδε, ἀνόσιον.] ... ἄδικον ἄρα τὸ μὲν, τὸ δὲ ἀνόσιον konj. Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) (nach Ficinus, vgl. Spalte 2 App. S) Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina), Variae lectiones, S. 358 | ... ἄδικον ἄρα τόδε, τόδε δὲ ἀνόσιον konj. Heindorf (laut W1 Anm. 16 W2 Anm. 17), übersetzt W1 (vgl. Ficinus) | δίκαιον, ἀλλὰ δίκαιον ἄρα τόδε ἀνόσιον; Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 540, dort konj. ... ἀλλ᾽ ἄδικον ἄρα, τὸ δὲ ἀνόσιον) | δίκαιον, ἀλλ᾽ ἄδικον ἄρα, τὸ δὲ ἀνόσιον; Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 59 [190,5] | ἀλλ᾽ ἄδικον, τόδε αὖ ἀνόσιον konj. aus Hss. Schleiermacher W2 Anm. 17, übersetzt W2 6 αὐτὸς καὶ] αὐτὸς Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 59 [190,6], übersetzt W2
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 331b (Z. 17): „eben so gut dünkt“ „eben so dünkt.“ Übers. (verl.) von 331b (Z. 17): Wie steht es mit dem οὐ πάνυ? Hier geben Sie’s K e i n e s w e g s . Hernach 331e. extr. doch nicht. Etymologischer ist die leztere Übersezung, und die paßt ja auch hier. Anders ist wol πάνυ οὐκ wie 338.e. S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 442. Vgl. – wie in W1 Anm. 16 zitiert – Ficinus in Ed.Zweibrücken: Non ergo talis est sanctitas, ut res iusta sit: neque iustitia talis, ut sancta: sed illa talis, ut non iusta, haec, ut non sancta. iniusta itaque illa, haec profana.
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fragt: Also ist die Frömmigkeit nicht wie etwas gerechtes, und die Gerechtigkeit nicht etwas frommes, sondern etwas unfrommes und die Frömmigkeit etwas ungerechtes? also wäre diese ungerecht und jene gottlos16? Was werden wir ihm antworten? Ich meines Theils und für mich wenigstens würde sagen, daß die Gerechtigkeit allerdings fromm wäre und die Frömmigkeit gerecht, und auch für dich, wenn du es mir zuließest, würde ich das nämliche antworten, daß die Gerechtigkeit entweder dasselbe ist mit der Frömmigkeit oder ihr doch so ähnlich, als nur irgend möglich, und also auf alle Weise die Gerechtigkeit wie die Frömmigkeit, und die Frömmigkeit wie die Gerechtigkeit. Sieh also zu, ob du mir verbietest so zu antworten oder ob es dich eben so gut dünkt? — Keinesweges, sprach er,
fragt: Also ist die Frömmigkeit nicht wie gerecht sein, und die Gerechtigkeit nicht wie fromm, sondern wie nicht fromm und die Frömmigkeit wie nicht gerecht, also ungerecht und jene gottlos17? Was werden wir ihm antworten? Ich meines Theils für mich wenigstens würde sagen, daß die Gerechtigkeit allerdings fromm sei und die Frömmigkeit gerecht; und auch für dich, wenn du es mir zuließest, würde ich das nämliche antworten, daß die Gerechtigkeit entweder dasselbe ist mit der Frömmigkeit oder ihr doch so ähnlich, als nur irgend möglich, und also auf alle Weise die Gerechtigkeit wie die Frömmigkeit, und die Frömmigkeit wie die Gerechtigkeit. Sieh also zu, ob du mir verbietest so zu antworten oder | ob es dich eben so dünkt? — Keinesweges, sprach 17
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u n d j e n e g o t t l o s . Die Worte δίκαιον ἄρα τόδε ἀνόσιον sind unstreitig mangelhaft, und das richtige aus dem Ficin zu nehmen, wenn er es auch selbst nur aus der Analogie genommen hat. Nur muß man nicht mit Stephanus emendiren ἄδικον ἄρα τὸ μέν, τὸ δε ἀνόσιον; sondern mit Heindorf ἄδικον ἄρα τόδε, τόδε δὲ ἀνόσιον.
u n d j e n e g o t t l o s . Die Worte δίκαιον ἄρα τόδε ἀνόσιον sind unstreitig mangelhaft. Vorher hielt sich die Uebersezung an Heindorfs Verbesserung, ἄδικον ἄρα τόδε, τόδε δὲ ἀνόσιον. Jezt liegt ihr folgender aus verschiedenen Handschriften bei Bekker zusammengesezter Text zum Grunde, ἀλλ᾽ ἄδικον, τόδε αὖ ἀνόσιον.
T Anm. 17 30 τόδε αὖ] τόδὲ αὖ W2 S 8 meines Theils] nach Bekker wie Spalte 1 App. 21f eben so dünkt] verändert ggb. W1, vgl. Spaldings Note (Spalte 2) S Anm. 16 Vgl. Spalte 1 App. und Spalte 2 mit App. S (dort Ficinus).
S Anm. 17 Vgl. Spalte 1 App. und Spalte 3 zu Anm. 16.
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δοκεῖ, ἔφη, ὦ Σώκρατες, οὕτως ἁπλοῦν εἶναι, ὥστε συγχωρῆσαι τήν τε δικαιοσύνην, ὅσιον εἶναι, καὶ τὴν ὁσιότητα, δίκαιον· ἀλλά τι μοὶ δοκεῖ ἐν αὐτῷ διάφορον εἶναι. ἀλλὰ τί τοῦτο διαφέρει; ἔφη. εἰ γὰρ βούλει, ἔστω ἡμῖν καὶ δικαιοσύνη, ὅσιον, καὶ ὁσιότης δίκαιον. — Μή μοι, ἦν δ᾽ ἐγώ. οὐδὲν γὰρ δέομαι τό, εἰ βούλει, τοῦτο, καὶ εἴ σοι δοκεῖ, ἐλέγχεσθαι· ἀλλ᾽ ἐμέ τε καί σε. τὸ δ᾽ ἐμέ τε καί σε, τοῦτο λέγω, οἰόμενος οὕτως τὸν λόγον βέλτιστ᾽ ἂν ἐλέγχεσθαι, εἴτις τὸ εἰ ἀφέλοι αὐτοῦ. — Ἀλλὰ μέντοι, ἦ δ᾽ ὅς, προσέοικέ τι
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 331c-d (Z. 9-14): ουδεν γαρ δεομαι p. – N e q u e enim cupio istud si ita vis et si tibi ita videtur redargui sed et me et te. Me vero et te hoc dico, putans ita sermonem optime dici, si istud, ita vis, ab ipso auferatur. – Ecl: Graece legendum τὸ δ᾽ ἐμε τε και σε τουτο λεγω, οιομενος οὕτως τον λογον βελτιστ᾽ ἀν λεγεσθαι, ειτις ει το βουλει (ist offenbar Drukfehler statt το ει βουλει) αφελοι αυτου. In vulgatis primo ελεγχεσθαι falso habetur pro λεγεσθαι ex praecedente linea repetitum. Deinde το ει mance pro το ει βουλει. Nam hoc ita integre praecessit.
Noten Spaldings (SN 157) zu Anm. (verl.) zu 331c-d (Z. 9-14) (vgl. W1 Anm. 17): „Änderungen gemacht“ „ h a t m a n Ä. g.“ 14 εἴτις τὸ εἰ ἀφέλοι αὐτοῦ] εἴ τις τὸ εἰ βούλει ἀφέλοι αὐτοῦ Cornarius (Spalte 2), übersetzt W1, vgl. W1 Anm. 17
S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 442 und Ecl. S. 512.
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dünkt mich dieses unbedingt so zu sein, daß man zu|geben müsse die Frömmigkeit sei gerecht und die Gerechtigkeit fromm, sondern mich dünkt wohl noch etwas verschiedenes darin zu sein. Doch was liegt daran, sprach er? Wenn du willst soll uns die Gerechtigkeit fromm und die Frömmigkeit gerecht sein. — O ja nicht! sagte ich. Ich begehre gar nicht17, daß ein solches Wenn du willst und Wie du meinst untersucht werde, sondern Ich und Du. Das Ich und Du sage ich aber auch nur in der Meinung, der Saz selbst werde am besten geprüft werden, wenn man dieses Wenn du willst ganz herausläßt. — Nun wohl, sprach er, die Gerechtigkeit ist ja
er, dünkt mich dieses unbedingt so zu sein, daß man zugeben müsse die Gerechtigkeit sei frommes und die Frömmigkeit gerechtes, sondern mich dünkt wohl noch etwas verschiedenes darin zu sein. Doch was liegt daran, sprach er? Wenn du willst soll uns auch die Gerechtigkeit fromm und auch die Frömmigkeit gerecht sein. — Das ja nicht! sagte ich. Ich begehre gar nicht, daß ein solches Wenn du willst und Wie du meinst untersucht werde, sondern Ich und Du. Das Ich und Du sage ich aber in der Meinung, der Saz selbst werde am besten geprüft werden, wenn man dieses Wenn18 ganz herausläßt. — Aber doch, sprach er, ist ja die Gerech-
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I c h b e g e h r e g a r n i c h t . Aus Mißverstand dieser Stelle, welche ganz deutlich wird, wenn man P. 333. c. Ἀλλ᾽ οὐδέν μοι διαφέρει vergleicht, | hat Cornar Aenderungen gemacht, von denen die einzige annehmliche die ist, statt εἴ τις τὸ εἰ ἀφέλοι zu schreiben εἴ τις τὸ εἰ βούλει ἀφέλοι. Denn von der gänzlichen Ausschließung alles bedingten kann nicht die Rede sein; daher ich diese wenigstens in die Uebersezung aufgenommen.
S Anm. 17 Vgl. Spalte 2 und Spalte 1 App.
[...] d i e s e s W e n n . Es ist freilich wohl zu hoffen, daß von selbst kein Leser dies allgemeiner nehmen wird als es gemeint ist, so daß man des früher in die Uebersezung aufgenommenen von Cornar eingeschobenen Wortes leicht entbehren kann. Das etwas schwierigere „ I c h u n d D u “ erklärt sich wie es gemeint ist am besten aus der bald folgenden Stelle S. 273. D e n n i c h w i l l e i g e n t l i c h u . s . w.
S Anm. 18 Vgl. Spalte 1 App. und Spalte 3 zu Anm. 17.
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δικαιοσύνη ὁσιότητι. καὶ γὰρ ὁτιοῦν ὁτῳοῦν ἀμηγέπη προσέοικε. τὸ γὰρ λευκὸν τῷ μέλανι ἔστιν ὃ μὴ προσέοικε, καὶ τὸ σκληρὸν τῷ μαλακῷ· καὶ τἄλλα ἃ δοκεῖ ἐναντιώτατα εἶναι ἀλλήλοις, καὶ ἃ τότε ἔφαμεν ἄλλην δύναμιν ἔχειν, καὶ οὐκ εἶναι τὸ ἕτερον οἷον τὸ ἕτερον, τὰ τοῦ προσώπου μόρια, ἀμηγέπη προσέοικε, καὶ ἔστι τὸ ἕτερον οἷον τὸ ἕτερον. ὥστε τούτῳ γε τῷ τρόπῳ κᾂν ταῦτα ἐλέγχοις, εἰ βούλοιο, ὡς ἅπαντά ἐστιν ὅμοια ἀλλήλοις. ἀλλ᾽ οὐχὶ τὰ ὅμοιόν τι ἔχοντα, ὅμοια δίκαιον καλεῖν· οὐδὲ
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 331d (Z. 3 f.): ὃ μη προσεοικε – Nam quodcunque cuilibet quodam modo simile est (Etenim album est quod nigro simile non est, et durum molli, et alia quae maxime inter se contraria esse videntur)
3 ὃ μὴ] ὅπη (ὅπῃ) konj. Schleiermacher W1 Anm. 18 W2 Anm. 19 Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 541 f.) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 59 [191,4], übersetzt W1 W2
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 331d (Z. 3 f.) mit Anm. (verl.) (?) (vgl. W1 Anm. 18): Schön! S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 442.
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allerdings der Frömmigkeit ähnlich; denn ist doch jedes Ding jedem Dinge gewissermaaßen ähnlich. Sogar ist auf eine Art18 das Weiße dem Schwarzen ähnlich und das Harte dem Weichen, und was sonst einander am meisten entgegengesezt zu sein scheint, und auch das, wovon wir vorher sagten, jedes habe eine eigene Verrichtung und eines sei nicht wie das andere, die Theile des Gesichtes sind einander doch auch gewissermaaßen ähnlich und eins ist wie das andere, so daß du auf diese Art auch das beweisen könntest, wenn du wolltest, daß alles einander ähnlich ist. Aber es ist nicht recht, Dinge die etwas Aehnliches haben gleich ähnlich zu nennen, und die etwas Unähnliches
tigkeit der Frömmigkeit ähnlich; denn auch jedes Ding ist jedem Dinge gewissermaaßen ähnlich. Sogar ist auf eine Art19 das Weiße dem Schwarzen ähnlich und das Harte dem Weichen, und was sonst einander am meisten entgegengesezt zu sein scheint, und auch das, wovon wir vorher sagten, jedes habe eine eigene Verrichtung und eines sei nicht wie das andere, die Theile des Gesichtes sind einander doch auch gewissermaaßen ähnlich und eins ist wie das andere, so daß du auf diese Art auch das beweisen könntest, wenn du wolltest, daß alles einander ähnlich ist. Aber es ist nicht recht, Dinge die etwas Aehnliches haben gleich ähnlich zu nennen, und die etwas Unähnliches
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a u f e i n e A r t . Es ist eben so leicht als unentbehrlich, das ὃ μὴ welches dem Sinne ganz entgegenstrebt in ὅπη zu verwandeln.
S Anm. 18 Vgl. Spalte 1 App. und Spalte 2.
a u f e i n e A r t . Es ist eben so leicht als unentbehrlich, das ὃ μὴ welches dem Sinne ganz entgegenstrebt in ὅπη zu verwandeln, wie auch zwei Handschriften bei Bekker lesen wenn gleich nur in einer Correctur.
S Anm. 19 Vgl. Spalte 1 App. und Spalte 3 zu Anm. 18.
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τὰ ἀνόμοιόν τι ἔχοντα, ἀνόμοια, κᾂν πάνυ σμικρὸν ἔχῃ τὸ ὅμοιον. — Καὶ ἐγὼ θαυμάσας, εἶπον πρὸς αὐτόν, ῍Η γὰρ οὕτω σοι τὸ δίκαιον καὶ τὸ ὅσιον πρὸς ἄλληλα ἔχει ὥστε
2 τὸ ὅμοιον] Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina) Ed.Berlin 1816 (Bekker) | τὸ ἀνόμοιον καὶ τὸ ὅμοιον konj. Schleiermacher W1 Anm. 19, übersetzt W1 W2 (vgl. jedoch W2 Anm. 20) | τὸ ἀνόμοιον ἢ τὸ ὄμοιον Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 542)
Noten Spaldings (SN 157) zu Anm. zu 331e (Z. 2) (vgl. W1 Anm. 19): Auch lesen muß man so. Sonst verstehe ich hier nichts.
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haben unähnlich, auch wenn das Aehnliche und Unähnliche19 nur sehr wenig ist. — Darüber verwundert, sagte ich zu ihm: Verhält sich denn bei dir das Gerechte und das Fromme so gegen einander, daß es
haben unähnlich, auch wenn sie gar wenig Aehnliches und Unähnliches20 haben. — Darüber verwundert, sagte ich zu ihm: Verhält sich denn bei dir das Gerechte und das Fromme so gegen einander, daß es
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Bald darauf glaube ich am Ende des Sazes anstatt τὸ ὅμοιον lesen zu müssen τὸ ἀνόμοιον καὶ τὸ ὅμοιον. Schwerlich hat sich Platon eine solche Auslassung erlaubt.
T Anm. 19 unmittelbar an Anm. 18 angeschlossen W1 S Anm. 19 Vgl. Spalte 1 App.
Aehnliches und Unähnlic h e s . Der Text hat nur A e h n l i c h e s . Die Uebersezung kann diesen dem Sinne völlig angemessenen | Zusaz schwer entbehren. Doch möchte ich nicht so leicht verantworten ihn aus dem Ficin, der ja auch das Bedürfniß des Uebersezers hatte, in den Text zu nehmen. Denn ich habe häufig genug bemerkt, daß in ähnlich gebauten Säzen die zweite Hälfte nur als Zusaz behandelt, und also in dem entsprechenden Saz auch nur die erste Hälfte berüksichtiget wird.
S Anm. 20 Vgl. Spalte 1 App. – Diese Anm. nimmt implizit Bezug auf die griechischen Ausgaben von Heindorf 1810 und Bekker 1816, jeweils in ihrem Verhältnis zu der lateinischen Übersetzung des Ficinus: Bekker hat im griechischen Text nur τὸ ὅμοιον und druckt parallel die Schleiermachers ergänzter Übersetzung entsprechende lateinische Übersetzung des Ficinus (in Ed.Berlin [Bekker] = Marsilius Ficinus: Opera, Venedig 1491, f. 84a): si exiguum quiddam habent simile vel dissimile. Heindorf 1810 hat dagegen nach dieser (ursprünglichen) Ficinus-Fassung den griechischen Text emendiert (s. Spalte 1 App.), ähnlich wie Schleiermacher in W1 Anm., wo er in Ed.Zweibrücken (Bipontina) eine dem Griechischen angeglichene Ficinus-Fassung (wahrscheinlich nach Lyon 1590; vgl. Georg Burkard: Bibliographie der Editiones Bipontinae, Zweibrücken 1990, S. 142 Anm. 2) vor Augen hatte: etsi exiguum quiddam simile habent. Ficinus’ Fassung in Ed.Berlin (Bekker) bestätigt somit Schleiermachers Textverständnis und Übersetzung in W1; doch für den griechischen Text hält sich Schleiermacher an Bekker und rückt von Heindorfs Emendation und seiner eigenen Konjektur in W1 Anm. 19 ab.
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ὅμοιόν τι σμικρὸν ἔχειν ἀλλήλοις; — Οὐ πάνυ, ἔφη, οὕτως, οὐ μέντοι οὐδὲ αὖ ὡς σύ μοι δοκεῖς οἴεσθαι. — Ἀλλὰ μήν, ἔφην ἐγώ, ἐπειδὴ δυσχερῶς δοκεῖς μοι ἔχειν πρὸς τοῦτο, τοῦτο μὲν ἐάσωμεν· τόδε δέ, ἄλλο ὧν ἔλεγες, ἐπισκεψώμεθα. ἀφροσύνην τί καλεῖς, ἔφην, τούτῳ τῷ πράγματι οὐ πᾶν τοὐναντίον ἐστὶν ἡ σοφία; — Ἔμοιγε δοκεῖ, ἔφη. — Πότερον δὲ ὅταν πράττωσιν ἄνθρωποι ὀρθῶς τε καὶ ὠφελίμως, τότε σωφρονεῖν σοι δοκοῦσιν, οὕτω πράττοντες; ἢ εἰ τοὐναντίον ἔπραττον; — Σωφρονεῖν, ἔφη. — Οὐκοῦν σωφροσύνῃ σωφρο-
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 332a (Z. 8 f.): τουτῳ τῳ πραγματι οὐ p. – Insipientiam quid appellas inquam, num hanc rem, cuius in totum contrarium est sapientia? – Ecl. In Graecis legendum αφροσυνην τί καλεις; τουτο το πραγμα οὑ pp. in vulgatis τουτῳ τῳ πραγματι habetur.
6f τόδε δέ, ἄλλο ὧν ἔλεγες, ἐπισκεψώμεθα] τόδε δὲ ἄλλο ὧν ἔλεγες ἐπισκεψώμεθα Heindorf 1810 Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. W2 8f ἀφροσύνην τί καλεῖς, ἔφην, τούτῳ τῷ πράγματι οὐ] Ἀφροσύνην τι καλεῖς; ἔφην· τούτῳ τῷ πράγματι οὐ Heindorf 1810 (vgl. W1 Anm. 20), vgl. W1 | ἀφροσύνην τι καλεῖς; ῎Εφη. τούτῳ τῷ πράγματι οὐ Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 59 [191,19], übersetzt W2, vgl. W2 Anm. 21
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 332a (Z. 8 f.) mit Anm. (verl.) (?) (vgl. W1 Anm. 20): Schön! Übers. (verl.) von 332a (Z. 13 f.): „ w e n n sie so handeln“ „ i n d e m sie s. h.“ Übers. (verl.) von 332a (Z. 15) mit Anm. (verl.) (?) (vgl. W1 Anm. 21): [komplette Note nachträglich über der vorangehenden hinzugefügt:] τότε vor σωφρονεῖν gleichfalls schön! S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 443 und Ecl. S. 512.
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nur ein wenig Aehnliches mit einander hat? — Nicht ganz so, sprach er, aber doch auch nicht so wie du zu glauben scheinst. — Ach, sprach ich, weil dir dieses ungelegen zu sein scheint, wollen wir es lassen, und dieses | andere, von dem was du sagtest, in Betrachtung ziehen. Du nennst doch Etwas Unsinnigkeit; ist nicht davon20 ganz das Gegentheil die Weisheit? — Mich dünkt es so, sagte er. — Und wenn die Menschen richtig und wie es heilsam ist handeln, dünken sie sich dann besonnen zu sein, wenn sie so handeln, oder wenn entgegengesezt? — Alsdann sind sie besonnen21, sagte er. — Nicht wahr durch die Besonnenheit sind sie besonnen?
ein wenig Aehnliches mit einander hat? — Nicht ganz so, sprach er, aber doch auch nicht | so wie du zu glauben scheinst. — Ei nun, sprach ich, weil dir dieses ungelegen zu sein scheint, wollen wir dieses nur lassen, und dies andere von dem was du sagtest in Betrachtung ziehen. Du nennst doch Etwas Unsinnigkeit? — Er sagte Ja. — Ist nicht davon21 ganz das Gegentheil die Weisheit? — Mich dünkt es so, sagte er. — Und wenn die Menschen richtig und wie es heilsam ist handeln, scheinen sie dir dann besonnen zu sein, wenn sie so handeln, oder wenn entgegengesezt? — Alsdann sind sie besonnen22, sagte er. — Nicht wahr durch die Besonnenheit sind sie besonnen?
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Unsinnigkeit, ist nicht dav o n . Ich lese nämlich mit Heindorf Ἀφροσύνην τι καλεῖς, ἔφην· τούτῳ τῷ πράγματι οὐ πᾶν etc. Weit schwerer wollte Cornar helfen Ἀφροσύνην τί καλεῖς; τοῦτο τὸ πρᾶγμα οὗ etc., wo noch außer dem hier nicht zu ertragenden fragenden τί ein ἦ vor der zweiten Frage vermißt wird. 21 A l s d a n n s i n d s i e besonnen. Vor dem σωφρονεῖν, welches auf die disjunctive Frage unmöglich die ganze Antwort sein kann, habe ich das τότε supplirt, welches nach dem ἔπραττον sehr leicht kann ausgefallen sein.
S Anm. 20 Vgl. Spalte 1 App. und Spalte 2.
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Unsinnigkeit? — Er sagte Ja — i s t n i c h t d a v o n . Ich lese nämlich mit Bekker Ἀφροσύνην τι καλεῖς? ἔφη. τούτῳ τῷ πράγματι οὐ πᾶν etc. 22 A l s d a n n sind sie besonnen. Fehlerfrei ist hier der Text wohl nicht. Soll er aber auch nur wesentlich derselbe bleiben: so muß die Antwort das τότε der Frage wieder aufnehmen, und dies habe ich ausgedrückt.
S 7f und dies andere von dem was du sagtest in Betrachtung ziehen] nach Heindorf und Bekker wie Spalte 1 App. 9f Du nennst doch Etwas Unsinnigkeit? — Er sagte Ja.] nach Bekker wie Spalte 1 App., vgl. W2 Anm. 21
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νοῦσιν; — Ἀνάγκη. — Οὐκοῦν οἱ μὴ ὀρθῶς πράττοντες, ἀφρόνως πράττουσι, καὶ οὐ σωφρονοῦσιν, οὕτω πράττοντες; — Συνδοκεῖ μοι, ἔφη. — Τοὐναντίον ἄρα ἐστὶ τὸ ἀφρόνως πράττειν τῷ σωφρόνως; — Ἔφη. — Οὐκοῦν τὰ μὲν ἀφρόνως πραττόμενα, ἀφροσύνῃ πράττεται, τὰ δὲ σωφρόνως σωφροσύνῃ; — Ὡμολόγει. — Οὐκοῦν εἴτι ἰσχύϊ πράττεται, ἰσχυρῶς πράττεται· καὶ εἴτι ἀσθενείᾳ, ἀσθενῶς; — Ἐδόκει. — Καὶ εἴτι μετὰ τάχους, ταχέως· καὶ εἴτι μετὰ βραδυτῆτος, βραδέως; — Ἔφη. — Καὶ εἴτι δὴ ὡσαύτως πράττεται, ὑπὸ τοῦ αὐτοῦ πράττεται· καὶ εἴτι ἐναντίως, ὑπὸ τοῦ ἐναντίου; — Συνέφη. — Φέρε δή, ἦν δ᾽ ἐγώ, ἔστι τι καλόν; — Συνεχώρει. — Τούτῳ ἔστι τὶ ἐναντίον, πλὴν τὸ αἰσχρόν; — Οὐκ ἔστι. — Τί δέ; ἔστι τὶ ἀγαθόν; — Ἔστι. — Τούτῳ ἔστι τὶ ἐναντίον, πλὴν τὸ κακόν; — Οὐκ ἔστι. — Τί δέ; ἔστι τὶ ὀξὺ ἐν φωνῇ; — Ἔφη. — Τούτῳ μὴ ἔστι τὶ ἐναντίον ἄλλο πλὴν τὸ βαρύ; — Οὐκ, ἔφη. — Οὐκοῦν, ἦν δ᾽ ἐγώ, ἑνὶ ἑκάστῳ τῶν ἐναντίων ἓν μόνον ἐστὶν ἐναντίον, καὶ οὐ πολλά;
1–3 οἱ μὴ ὀρθῶς πράττοντες, ἀφρόνως πράττουσι] οἱ μὴ ὀρθῶς πράττοντες ἀφρόνως πράττουσι Heindorf 1810 Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. W2
Vorarbeiten (handschriftlich)
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 332b: Gar nicht stoße ich mich an der Abwechselung, vielmehr mögen Sie vielleicht zu weit gehen in der Einerleiheit, wo unser Sprachgebrauch etwas verschiedenes vom Griechischen verlangt. Oder müssen wir auf gut V o s s i s c h den Leser m o r e s lehren? S Spld. Dies ist offenbar bezogen auf die variierende Übersetzung gethan ... verrichtet desselben griechischen Wortes πράττειν in W1, s. Spalte 3, Z. 9 und Z. 11 (entsprechend geändert in W2, s. Spalte 4, Z. 9 und Z. 11). Die das Original bisweilen sklavisch abbildende Übersetzungsmethode von Johann Heinrich Voß wurde anfangs kritisch aufgenommen, so z. B. von A. W. Schlegel in seiner Rezension: Homers Ilias von J. H. Voß, Bd. 1-4, Altona 1793, in: Jenaische Allgemeine Literatur-Zeitung 1796, Nr. 262267, Sp. 473-519; danach in: A. W. Schlegel: Charakteristiken und Kritiken, Königsberg 1801, Bd. 2, S. 96-197; abermals in: A. W. Schlegel: Kritische Schriften, Berlin 1828, Bd. 1, S. 74-163 (jeweils mit nachträglichen „Anmerkungen“).
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— Natürlich. — Und nicht wahr, die nicht richtig handeln, handeln unsinnig und sind nicht besonnen, indem sie so handeln? — Das dünkt mich eben so, sagte er. — Das Gegentheil ist also das unsinnig handeln vom besonnenen? — Er gab es zu. — Nicht wahr, was unsinnig gethan wird, wird durch Unsinnigkeit, und was besonnen durch Besonnenheit verrichtet. — Das räumte er ein. — Nicht wahr, wenn etwas durch Stärke verrichtet wird, das wird stark gethan, und wenn durch Schwäche schwach? — So schien es ihm. — Und was mit Schnelligkeit schnell, was mit Langsamkeit langsam. — Er bejahete. — Und also wenn etwas eben so gethan wird, wird es auch von demselben verrichtet, wenn aber entgegengesezt, dann auch von dem entgegengesezten. — Er stimmte bei. — Wohlan, sagte ich, giebt es etwas Schönes? — Er räumte es ein. — Und ist diesem noch irgend etwas entgegengesezt außer dem Häßlichen? — Nichts weiter. — Und wie? giebt es etwas Gutes? — Es giebt. — Ist diesem etwas entgegengesezt außer das Böse? — Nichts weiter. — Und wie? giebt es etwas hohes in der Stimme? — Er bejahete es. — Ist diesem nichts anders entgegengesezt als nur das tiefe? — Nein, sagte er. — | Also, sprach ich, jedem Einzelen von diesen entgegengesezten ist auch nur eins entgegengesezt und
— Natürlich. — Und nicht wahr, die nicht richtig handelnden handeln unsinnig und sind nicht besonnen, indem sie so handeln? — Das dünkt mich eben so, sagte er. — Das Gegentheil ist also das unsinnig handeln vom besonnenen? — Er gab es zu. — Nicht wahr, was unsinnig gethan wird, wird durch Unsinnigkeit, und was besonnen durch Besonnenheit gethan. — Das räumte er ein. — Nicht wahr, wenn etwas mit Stärke gethan wird, das wird stark gethan, und wenn mit Schwäche schwach? — So schien es ihm. — Und was mit Schnelligkeit schnell, was mit Langsamkeit langsam. — Er bejahete. — Und also wenn etwas eben so gethan wird, wird es auch von demselben gethan, wenn aber entgegengesezt, dann auch von dem entgegengesezten. — Er stimmte bei. — Wohlan, sagte ich, giebt es etwas Schönes? — Er räumte es ein. — Und ist diesem noch irgend etwas entgegengesezt außer dem Häßlichen? — Nichts weiter. — Und wie? giebt es etwas Gutes? — Es giebt. — Ist diesem etwas entgegengesezt außer dem Bösen? — Nichts weiter. — Und wie? | giebt es etwas hohes in der Stimme? — Er bejahete es. — Ist diesem nichts anders entgegengesezt außer dem tiefen? — Nein, sagte er. — Also, sprach ich, jedem Einzelen von diesen entgegengesezten ist auch nur eins entgegengesezt und
S 24–31 Vgl. Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 373, Notat 117.
S 2f die nicht richtig handelnden handeln unsinnig] nach Heindorf und Bekker wie Spalte 1 App.
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— Συνωμολόγει. — Ἴθι δή, ἦν δ᾽ ἐγώ, ἀναλογισώμεθα τὰ ὡμολογημένα ἡμῖν. Ὡμολογήκαμεν ἓν ἑνὶ μόνον ἐναντίον εἶναι, πλείω δὲ μή. — Ὡμολογήκαμεν. — Τὸ δὲ ἐναντίως πραττόμενον, ὑπὸ ἐναντίων πράττεσθαι. — Ἔφη. — Ὡμολογήκαμεν δὲ ἐναντίως πράττεσθαι ὃ ἂν ἀφρόνως πράττηται, τῷ σωφρόνως πραττομένῳ. — Ἔφη. — Τὸ δὲ σωφρόνως πραττόμενον, ὑπὸ σωφροσύνης πράττεσθαι· τὸ δὲ ἀφρόνως, ὑπὸ ἀφροσύνης. — Συνεχώρει. — Οὐκοῦν, εἴπερ ἐναντίως πράττεται, ὑπὸ ἐναντίου πράττοιτ᾽ ἄν; — Ναί. — Πράττεται δὲ τὸ μὲν ὑπὸ σωφροσύνης, τὸ δέ, ὑπὸ ἀφροσύνης. — Ναί. — Ἐναντίως; — Πάνυγε. — Οὐκοῦν ὑπὸ ἐναντίων ὄντων; — Ναί. — Ἐναντίον ἆρά ἐστιν ἀφροσύνη σωφροσύνης; — Φαίνεται. — Μέμνησαι οὖν ὅτι ἐν τοῖς ἔμπροσθεν ὡμολόγηται ἡμῖν ἀφροσύνη σοφίᾳ ἐναντίον εἶναι; — Συνωμολόγει. — Ἓν δὲ ἑνὶ μόνον ἐναντίον εἶναι; — Φημί. — Πότερον οὖν, ὦ Πρωταγόρα, λύσωμεν τῶν λόγων; τὸ ἓν ἑνὶ μόνον ἐναντίον εἶναι, ἢ ἐκεῖνον ἐν ᾧ ἐλέγετο ἕτερον εἶναι σωφροσύνης σοφία; μόριον δὲ ἑκάτε-
Noten Spaldings (SN 157) zu 333a (Bezug unklar): Ist geschehen. S Spld. Vielleicht hatte Schleiermacher um Prüfung oder Korrektur einer bestimmten Formulierung gebeten.
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nicht viele? — Dazu bekannte er sich. — Komm denn, sprach ich, laß uns zusammenrechnen, was wir eingestanden. Haben wir eingestanden, daß einem nur eins entgegengesezt ist, mehreres aber nicht? — Das haben wir eingestanden. — Und daß was auf entgegengesezte Art gethan wird, auch durch entgegengeseztes verrichtet wird? — Er bejahete. — Haben wir eingestanden, daß was unsinnig gethan wird, auf entgegengesezte Art gethan wird, als was besonnen? — Er bejahete es. — Und das was besonnen gethan wird, durch Besonnenheit verrichtet wird, was aber unsinnig durch Unsinnigkeit? — Er räumte es ein. — Also da es auf entgegengesezte Art gethan wird, muß es auch durch entgegengeseztes verrichtet werden? — Ja. — Es wird aber das eine durch Besonnenheit und das andere durch Unsinnigkeit verrichtet? — Ja. — Auf entgegengesezte Art? — Freilich. — Also auch durch entgegengeseztes? — Ja. — Entgegengesezt also ist die Unsinnigkeit der Besonnenheit? — Das ist klar. — Erinnerst du dich wohl, daß im vorigen von uns eingestanden war, die Unsinnigkeit wäre der Weisheit entgegengesezt? — Das gestand er. — Und daß Einem nur Eins entgegengesezt wäre? — Das behaupte ich. — Welche von unsern beiden Behauptungen wollen wir also aufgeben, Protagoras? Die daß Einem nur Eins entgegengesezt ist, oder jene als wir sagten, die Besonnenheit wäre etwas anderes als die Weisheit? und beide wären Theile der Tugend?
nicht viele? — Dazu bekannte er sich. — Komm denn, sprach ich, laß uns zusammenrechnen, was wir eingestanden. Haben wir eingestanden, daß einem nur eins entgegengesezt ist, mehreres aber nicht? — Das haben wir eingestanden. — Und daß was auf entgegengesezte Art gethan wird, auch durch entgegengeseztes gethan wird? — Er bejahete. — Und haben wir eingestanden, daß was unsinnig gethan wird, auf entgegengesezte Art gethan wird, als was besonnen? — Er bejahete es. — Und das was besonnen gethan wird, durch Besonnenheit verrichtet wird, was aber unsinnig durch Unsinnigkeit? — Er räumte es ein. — Also da es auf entgegengesezte Art gethan wird, muß es auch durch entgegengeseztes verrichtet werden? — Ja. — Es wird aber das eine durch Besonnenheit und das andere durch Unsinnigkeit verrichtet? — Ja. — Auf entgegengesezte Art? — Freilich. — Also auch durch entgegengeseztes? — Ja. — Entgegengesezt also ist die Unsinnigkeit der Besonnenheit? — Das ist klar. — Erinnerst du dich wohl, daß im vorigen von uns eingestanden war, die Unsinnigkeit sei der Weisheit entgegengesezt? — Das gestand er. — Und daß Einem nur Eins entgegengesezt sei? — Das behaupte ich. — Welche von unsern beiden Behauptungen wollen wir nun aufgeben, Protagoras? Die daß Einem nur Eins entgegengesezt ist, oder jene als wir sagten, die Besonnenheit wäre etwas anderes als die Weisheit? und beide wären | Theile der Tugend?
T 16 Besonnenheit] verdruckt Bssonnenheit W1
T 15 das] verdruckt daß W2
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ρον, ἀρετῆς; καὶ πρὸς τῷ ἕτερον εἶναι, καὶ ἀνόμοια καὶ αὐτὰ καὶ αἱ δυνάμεις αὐτῶν, ὥσπερ τὰ τοῦ προσώπου μόρια; πότερον οὖν δὴ λύσωμεν; οὗτοι γὰρ οἱ λόγοι ἀμφότεροι οὐ πάνυ μουσικῶς λέγονται. οὐ γὰρ συνᾴδουσιν οὐδὲ συναρμόττουσιν ἀλλήλοις. πῶς γὰρ ἂν συνᾴδοιεν, εἴπέρ γε ἀνάγκη ἑνὶ μὲν ἓν μόνον ἐναντίον εἶναι, πλείοσιν δὲ μή; τῇ δὲ ἀφροσύνῃ ἑνὶ ὄντι σοφία ἐναντία καὶ σωφροσύνη αὖ φαίνεται. ἦ γάρ, ὦ Πρωταγόρα, ἔφην ἐγώ, ἢ ἄλλως πως; — Ὡμολόγησε, καὶ μάλ᾽ ἀκόντως. — Οὐκοῦν ἓν ἂν εἴη ἡ σωφροσύνη καὶ ἡ σοφία; τὸ δὲ πρότερον αὖ ἐφάνη ἡμῖν ἡ δικαιοσύνη καὶ ἡ ὁσιότης, σχεδόν τι ταυτὸν ὄν. ἴθι δή, ἦν δ᾽ ἐγώ, ὦ Πρωταγόρα, μὴ ἀποκάμωμεν, ἀλλὰ καὶ τὰ λοιπὰ διασκεψώμεθα. ἆρά τι σοὶ δοκεῖ ἀδικῶν ἄνθρωπος σωφρονεῖν ὅτι ἀδικεῖ; — Αἰσχυνοίμην ἂν ἔγωγ᾽, ἔφη, ὦ Σώκρατες, τοῦτο ὁμολογεῖν· ἐπεὶ πολλοί γε φασὶ τῶν ἀνθρώπων. — Πότερον οὖν πρὸς ἐκείνους τὸν λόγον ποιήσομαι, ἔφην, ἢ πρός σε; — Εἰ βούλει, ἔφη, πρὸς τοῦτον πρῶτον τὸν λόγον διαλέχθητι τῶν πολλῶν. — Ἀλλ᾽ οὐδέν μοι διαφέρει, ἐὰν μόνον σύ γε ἀποκρίνῃ, εἴτ᾽ οὖν δοκεῖ σοι ταῦτα, εἴτε μή (τὸν γὰρ λόγον ἔγωγε μάλιστα ἐξετάζω)
14f Ὡμολόγησε, καὶ μάλ᾽ ἀκόντως.] Ὡμολόγησε καὶ μάλ᾽ ἀκόντως. Heindorf 1810 Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. W2
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und außerdem daß jede etwas anderes wäre, wären sie auch einander unähnlich, sie selbst und ihre Verrichtungen, wie die Theile | des Gesichts? Welche von beiden wollen wir nun aufgeben? Denn zugleich können diese beiden Behauptungen nicht sehr musikalisch vorgetragen werden, denn sie klingen nicht zusammen, und stimmen nicht zusammen. Wie können sie auch zusammen klingen, wenn nothwendig Eins nur Einem entgegengesezt ist, mehreren aber nicht, und sich doch wieder der Unsinnigkeit, welche Eins ist, sowohl die Weisheit als die Besonnenheit entgegengesezt zeigt? Ist es so, Protagoras, fragte ich, oder anders wie? — Er mußte es zugeben, aber sehr ungern. — So wären diese also wohl Eins, die Besonnenheit und die Weisheit? Vorher aber zeigten sich uns die Gerechtigkeit und die Frömmigkeit fast als dasselbe? Komm also, sprach ich, Protagoras, laß uns nicht müde werden, sondern nun das Uebrige auch noch durchnehmen. Scheint dir ein Mensch, welcher Unrecht thut, wohl besonnen zu seyn indem er Unrecht thut? — Ich würde mich ja schämen, o Sokrates, sagte er, dieses zuzugeben, obgleich die meisten Menschen es wohl sagen. — Soll ich also an Jene meine Rede richten, oder an dich? — Wenn du willst, sagte er, so rede zuerst gegen jenen Saz der meisten. — Gut, sprach ich, mir verschlägt es nichts, wenn du nur antwortest, ob übrigens du selbst dieses annimmst oder nicht. Denn ich will eigentlich nur den Saz
und außerdem daß jede etwas anderes wäre, wären sie auch einander unähnlich, sie selbst und ihre Verrichtungen, wie die Theile des Gesichts? Welche von beiden wollen wir nun aufgeben? Denn zugleich können diese beiden Behauptungen nicht sehr musikalisch vorgetragen werden, denn sie stimmen nicht und klingen nicht zusammen. Wie können sie auch zusammen klingen, wenn nothwendig Eins nur Einem entgegengesezt ist, mehreren aber nicht, der Unsinnigkeit aber, welche Eins ist, sich sowohl die Weisheit als die Besonnenheit entgegengesezt zeigt? Ist es so, Protagoras, fragte ich, oder anders wie? — Er gestand es sehr ungern. — So wären diese also wohl Eins, die Besonnenheit und die Weisheit? Vorher aber zeigten sich uns die Gerechtigkeit und die Frömmigkeit fast als dasselbe? Komm also, sprach ich, Protagoras, laß uns nicht müde werden, sondern nun das Uebrige auch noch durchnehmen. Scheint dir ein Mensch, welcher Unrecht thut, wohl darin besonnen zu sein, daß er Unrecht thut? — Ich würde mich ja schämen, o Sokrates, sagte er, dieses zuzugeben, obgleich die meisten Menschen es wohl sagen. — Soll ich also an Jene meine Rede richten, oder an dich? — Wenn du willst, sagte er, so rede zuerst gegen jenen Saz der meisten. — Gut, sprach ich, mir verschlägt es nichts, wenn du nur antwortest, ob übrigens du selbst dieses annimmst oder nicht. Denn ich will eigentlich nur den Saz
T 5 Welche] davor fälschlich ein Strich zur Markierung eines Sprecherwechsels W1
S 18f Er gestand es sehr ungern.] nach Heindorf und Bekker wie Spalte 1 App.
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συμβαίνει μέντοι ἴσως καὶ ἐμὲ τὸν ἐρωτῶντα καὶ τὸν ἀποκρινόμενον ἐξετάζεσθαι. — Τὸ μὲν οὖν πρῶτον ἐκαλλωπίζετο ἡμῖν ὁ Πρωταγόρας (τὸν γὰρ λόγον ᾐτιᾶτο δυσχερῆ εἶναι) ἔπειτα μέντοι συνεχώρησεν ἀποκρίνεσθαι. — Ἴθι δή, ἔφην ἐγώ, ἐξ ἀρχῆς μοι ἀπόκριναι. Δοκοῦσι τινές σοι σωφρονεῖν ἀδικοῦντες; — Ἔστω, ἔφη. — Τὸ δὲ σωφρονεῖν, λέγεις εὖ φρονεῖν; — Ἔφη. — Τὸ δ᾽ εὖ φρονεῖν, εὖ βούλεσθαι ὅτι ἀδικοῦσιν; — Ἔστω, ἔφη. — Πότερον, ἦν δ᾽ ἐγώ, εἰ εὖ πράττουσιν ἀδικοῦντες, ἢ εἰ κακῶς; — Εἰ εὖ. — Λέγεις οὖν ἀγαθὰ ἄττα εἶναι; — Λέγω. — Ἆρ᾽ οὖν, ἦν δ᾽ ἐγώ, ταῦτ᾽ ἐστὶν ἀγαθὰ ἅ ἐστιν ὠφέλιμα τοῖς ἀνθρώποις; — Καὶ ναὶ μὰ Δί᾽, ἔφη, κᾂν μὴ τοῖς ἀνθρώποις ὠφέλιμα ᾖ, ἔγωγε καλῶ
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 333d (Z. 12 f.): ευ βουλεσθαι ὁτι ἀδικουσιν? – Bene sapere vero bene velle, eo quod iniuste faciunt.
12 βούλεσθαι] βουλεύεσθαι konj. Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina), Variae lectiones, S. 358 Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 547) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 60 [195,6], übersetzt W1 W2, vgl. schon Ficinus in Ed.Zweibrücken (Bipontina) und Spld. (SN 157)
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 333d (Z. 12): Hier wird wol von Ihnen gelesen βουλεύεσθαι für βούλεσθαι? Und das finde ich auch sehr recht. Ich sehe schon Stefanus thut’s. Übers. (verl.) von 333d (Z. 16): „Das sage ich“ „Das nehme ich“. S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 443. | Spld. Vgl. Spalte 1 App.
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prüfen, aber es ereignet sich dann wohl, daß dabei auch ich der Fragende und der Antwortende geprüft werden. — Zuerst nun zierte sich Protagoras und klagte, es wäre ein gar beschwerlicher Saz; endlich aber bequemte er sich doch zu antworten. — Komm also, sprach ich, antworte mir von Anfang an. Dünken dich einige Menschen, indem sie Unrecht thun, be|sonnen zu sein? — Es soll so sein, sagte er. — Unter dem Besonnensein aber meinst du, daß sie sich wohl besinnen? — Er bejahete es. — Und sich recht besinnen heißt, daß sie sich wohl berathen indem sie Unrecht thun? — Das soll gelten, sagte er. — Ob wohl, fragte ich, wenn sie sich wohl befinden beim Unrechtthun, oder wenn übel? — Wenn sie sich wohl befinden. — Nimmst du nun an, daß einiges gut ist? — Das sage ich. — Ist etwa, sprach ich, dasjenige gut, was den Menschen nüzlich ist? — Nein beim Zeus, sagte er, auch was den Menschen nicht nüzlich ist nenne ich darum doch gut.
prüfen, aber es ereignet sich dann wohl, daß dabei auch ich der Fragende und der Antwortende geprüft werden. — Zuerst nun zierte sich Protagoras und klagte, es wäre ein gar beschwerlicher Saz; endlich aber bequemte er | sich doch zu antworten. — Komm also, sprach ich, antworte mir von Anfang an. Dünken dich einige Menschen, indem sie Unrecht thun, besonnen zu sein? — Es soll so sein, sagte er. — Unter dem Besonnensein aber meinst du, daß sie sich wohl besinnen? — Er bejahete es. — Und sich recht besinnen heißt, daß sie sich wohl berathen in dem was sie Unrecht thun? — Das soll gelten, sagte er. — Ob wohl, fragte ich, wenn sie sich wohl befinden beim Unrechtthun, oder wenn übel? — Wenn sie sich wohl befinden. — Nimmst du nun an, daß einiges gut ist? — Das sage ich. — Ist etwa, sprach ich, dasjenige gut, was den Menschen nüzlich ist? — Ja auch beim Zeus, sagte er, manches was den Menschen nicht nüzlich ist nenne ich wenigstens
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Vorarbeiten (handschriftlich)
ἀγαθά. — Καί μοι ἐδόκει ὁ Πρωταγόρας ἤδη τετραχύνθαι τε καὶ ἀγωνιᾷν, καὶ παρατετάχθαι πρὸς τὸ ἀποκρίνεσθαι. ἐπειδὴ οὖν ἑώρων αὐτὸν οὕτως ἔχοντα, εὐλαβούμενος, ἠρέμα ἠρόμην, Πότερον, ἦν δ᾽ ἐγώ, λέγεις, ὦ Πρωταγόρα, ἃ μηδενὶ ἀνθρώπων ὠφέλιμά ἐστιν, ἢ ἃ μηδὲ τοπαράπαν ὠφέλιμα; καὶ τὰ τοιαῦτα σὺ ἀγαθὰ καλεῖς; Οὐδαμῶς, ἔφη· ἀλλ᾽ ἔγωγε πολλὰ οἶδ᾽ ἃ ἀνθρώποις μὲν ἀνωφελῆ ἐστι, καὶ σιτία καὶ ποτά, καὶ φάρμακα,
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 333e (Z. 3 f.): παρατεταχθαι προς το αποκρινεσθαι – ad respondendum perturbatus. Ecl: Graece legendum και παρατεταραχθαι. Vulgo falso habetur παρατεταχθαι. Sicut paulo ante (oben auf derselben Seite) deest vox σ ε ubi habetur και σε τον αποκρινομενον.
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 333e (Z. 2): „verdrießlich“ „erbittert“ „erhizt“. Übers. (verl.) von 333e (Z. 3): παρατετάχθαι leiten Sie vermuthlich her von der Schlachtordnung: daß er also sich auflehne gegen das Antworten. Der Sinn ist auch allerdings der passendste. Kann man denselben mit Parallelstellen beweisen? Sonst dachte ich: „ganz gerüstet zum Antworten“ d. h. so gestimmt, daß nun ein Hahnengefecht aus der Unterredung würde, wo kein gemeinschaftliches Untersuchen mehr statt fände, sondern aus Rechthaberei. S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 443 und Ecl. S. 512 f. – καὶ τὸν αποκρινόμενον: 333c-d, in Ed.Zweibrücken (Bipontina) „oben auf derselben Seite“. Beide Konjekturen von Cornarius sind erwähnt bei Heindorf 1810, jeweils z. St. (S. 547 f.).
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— Und mich dünkte Protagoras schon ganz verdrießlich zu sein, und sich zu ängstigen und zu sträuben gegen das Antworten; und da ich ihn in dieser Verfassung sah, nahm ich mich in Acht und fragte nur ganz bedächtig weiter. Meinst du nur, sprach ich, was keinem Menschen nüzlich ist, oder auch was ganz und gar nicht nüzlich ist, und nennst du auch solche Dinge gut? Keinesweges, sagte er, aber ich kenne sehr viele Dinge, welche zwar dem Menschen völlig unnüz sind, Spei sen, Get ränke, Arzenei en
doch gut. — Und mich dünkte Protagoras schon ganz verdrießlich zu sein, und sich zu ängstigen und zu sträuben gegen das Antworten; und da ich ihn in dieser Verfassung sah, nahm ich mich in Acht und fragte nur ganz bedächtig weiter. Meinst du nur, sprach ich, was keinem Menschen nüzlich ist, oder auch was ganz und gar nicht nüzlich ist, und nennst du auch solche Dinge gut? Keinesweges, sagte er, aber ich kenne sehr viele Dinge, welche zwar dem Menschen völlig unnüz sind, Spei sen, Getr änke, Arzenei en
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Vorarbeiten (handschriftlich)
καὶ ἄλλα μυρία· τὰ δέ γε, ὠφέλιμα. τὰ δέ, ἀνθρώποις μὲν οὐδέτερα, Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 334a (Z. 1 f.): τα δε γε ωφελιμα – Verum ego multa novi, quae hominibus quidem utilia non sunt, et cibos, et potus et pharmaca et innumera alia. Quaedam vero utilia, alia quidem hominibus, alia vero equis, alia bobus tantum, alia canibus, alia nulli horum pp. Ecl: In Graecis lectio corrupta sic emendanda est. τα δε γε ωφελιμα, τα μεν ανθρωποις τα δε ιπποις, τα δε βουσι μονον
Noten Spaldings (SN 157) zu 334a (Z. 1 f.) mit Anm. (verl.)? (vgl. W1 Anm. 22): Fragen Sie mich nicht so ernsthaft nach meiner reiflich überlegten Meinung über diese Stelle! Ich möchte keine haben. Wie Hndf zufrieden sein kann, begreife ich nicht. Aber οὐδέτερα ist eine harte Nuß. Auch Ihre Ausflucht mit den beiden Abtheilungen von σιτ. ποτ. φάρμ. und ἄλλ. μυρ. will mir gar nicht in den Kopf. Denn nun muß ich ja doch hinter ἵπποις δὲ etwas denken, was sich auf οὐδέτερα bezieht, weil ein förmliches μὲν vor dem οὐδ. steht. Ich rathe auf ein Anakoluthon und schneide ein wenig, wol auch mit stumpfem Messer und | grausam, aber der Sinn, denke ich, soll doch etwas gewinnen. Das Natürliche war doch πολλὰ οἶδ᾽ ἃ ἀνθρώποις μὲν ἀνωφελῆ ἐστι, ἵπποις δὲ ὠφέλιμα. Diese Natur nun ist durch heftige Rede, die besonders das unnüz den Menschen, und d o c h n ü z l i c h recht einschärfen will, verzerrt worden, und ich lese so: πολλὰ οἶδ᾽ ἃ ἀνθρώποις μὲν ἀνωφελῆ ἐστι καὶ σιτία καὶ ποτὰ καὶ φάρμακα, καὶ ἄλλα μυρία τά γε ὠφέλιμα ἀνθρώποις μὲν ο ὐ δ α μ ό θ ε ν ἵπποις δέ. Oder hat statt des infamen οὐδέτερα gestanden οὐδεσὶν. Dieses Wort, oder vielmehr dieser Plural ist gar nicht unerhört bei den Griechen, und 1f καὶ ἄλλα μυρία· τὰ δέ γε, ὠφέλιμα. τὰ δέ, ἀνθρώποις μὲν οὐδέτερα] καὶ ἄλλα μυρία· τάγε ὠφέλιμα ἀνθρώποις μὲν οὐδοτιοῦν konj. Schleiermacher W1 Anm. 22, übersetzt W1 | καὶ ἄλλα μυρία, τὰ δέ γε ὠφέλιμα· τὰ δὲ ἀνθρώποις μὲν οὐδέτερα Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 548-550) Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. W2
S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 444 und Ecl. S. 513. Vgl. – wie in W1 Anm 22. zitiert – Ficinus in Ed.Zweibrücken: Sed ego multa novi hominibus inutilia, cibos, et potiones, et pharmaca, aliaque permulta: alia vero utilia. quaedam autem, quae hominibus perinde sunt [...]
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und tausenderlei was nur sonst nüzlich ist22, aber einige von diesen Dingen sind zwar für die Menschen nichts von dem allen, wohl aber für
und sonst tausenderlei; andere sind ihm nüzlich23; wiederum andere sind dem Menschen zwar keines von beiden, wohl aber den Pferden,
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[...] Diese Stelle kann, so wie sie jezt in unserm Text steht, nicht richtig sein. Erstlich müßte denn das τὰ δέ γε ὠφέλιμα den Gegensaz bilden zu ἀνθρώποις μὲν ἀνωφελῆ und zwar vermöge der Stellung des μὲν mit unter dem πολλὰ ἃ begriffen. Dann müßte es aber offenbar heißen ἄλλοις δὲ oder ὅμως δὲ ὠφέλιμα, auch wäre das γὲ nicht zu ertragen. Wollte man aber sagen, das μὲν wäre, wie bisweilen, versezt und gehörte zu πολλὰ st. πολλὰ μὲν οἶδ᾽ ἃ so daß die τὰ δέ γε andere wären als die πολλά, so diente dies gar nicht in Protagoras Saz, welcher ja zeigen will, daß dasselbe kann ἀνθρώποις ἀνωφελὲς und doch ὠφέλιμον sein. Zweitens muß | das οὐδέτερα dann auf ἀνωφελὲς καὶ ὠφέλιμον gehn; ἀνωφελὲς aber heißt nicht schädlich, was ist also weder nüzlich noch unnüz? Ficin übersezt deshalb perinde, der Sprache offenbar zuwider; und hinter ἵπποις δὲ muß der Struktur gemäß verstanden werden θάτερον, dem Sinne nach aber ὠφέλιμον, welches sich
a n d e r e s i n d i h m n ü z l i c h . Ich habe hier die Uebersezung dem gegebenen Text wieder angepaßt, weil es allerdings bedenklich ist, zumal nun so viele Handschriften noch verglichen worden, an dem Text zu ändern gegen alle Handschriften, und zum Theil in Kleinigkeiten wo sonst auch wenige schon leicht Abweichungen darbieten. Indeß ist was wir haben nur verständlich unter der zwiefachen Voraussezung, einmal daß ἀνωφελές sso viel hieße als schädlich – eine bekannte Form freilich, aber nicht wo in strengen Gegensäzen gesprochen wird – und dann daß man bei ἵπποις δὲ troz des nahen οὐδέτερα doch ὠφέλιμα verstehen müsse. Beides habe ich nun dem Leser mit gleichem Recht überlassen auch im Deutschen selbst zu thun, immer noch ungläubig, daß Platon so sollte gesprochen oder den Protagoras, der es sonst hier überall genau genug nimmt mit der Rede, so sprechend sollte eingeführt haben.
T Anm. 22 in W1 mit dem Lemma a b e r i c h k e n n e s e h r v i e l e D i n g e . bereits geknüpft an S. 713,12f | 7 τὰ] τά W1 S Anm. 22 Schleiermacher ringt wie Cornarius und Spalding mit der logischen Inkonzinnität des überlieferten Textes (vgl. Spalte 2 mit App.; dort auch die Übers. des Ficinus). Die Konjektur wird kritisiert von Rez.Ast (1808), S. 138 f., und in W2 im Lichte der Überlieferung wieder verworfen; die Übersetzung wird angepaßt. Vgl. Manuwald: Platon. Protagoras, S. 376 f.: „Der Satz beginnt, als ob er fortgesetzt werden sollte ‚für andere (z. B. Tiere) aber nützlich‘; statt dessen werden aber den für Menschen schädlichen Dingen zunächst die für sie nützlichen bzw. neutralen entgegengesetzt und folgen erst dann als Gegensatz zu den Menschen Tiere usw.“
S 1–4 und sonst tausenderlei; andere sind ihm nüzlich; wiederum andere sind dem Menschen zwar keines von beiden] nach Heindorf und Bekker wie Spalte 1 App. S Anm. 23 Vgl. Spalte 1 App. und Spalte 3 zu Anm. 22.
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ἵπποις δέ. τὰ δέ, βουσὶ μόνον· τὰ δέ, κυσί. τὰ δέ γε, τούτων μὲν οὐδενί, δένδροις δέ. τὰ δέ, τοῦ δένδρου ταῖς μὲν ῥίζαις ἀγαθά, ταῖς δὲ βλάσταις πονηρά. οἷον καὶ ἡ κόπρος πάντων τῶν φυτῶν ταῖς μὲν ῥίζαις ἀγαθὸν παραβαλλομένη· εἰ δὲ θέλοις ἐπὶ τοὺς πτόρθους καὶ τοὺς νέους κλῶνας ἐπιβάλλειν, πάντα ἀπόλλυσιν. ἐπεὶ καὶ τὸ ἔλαιον τοῖς μὲν φυτοῖς ἅπασιν ἐστὶ πάγκακον, καὶ ταῖς θριξὶ πολεμιώτατον ταῖς τῶν ἄλλων ζώων, πλὴν ταῖς τοῦ ἀνθρώπου· ταῖς δὲ τοῦ ἀνθρώπου ἀρωγόν, καὶ τῷ ἄλλῳ σώματι. οὕτω δὲ ποικίλον τι ἐστὶ τὸ ἀγαθὸν καὶ παντοδαπόν,
Noten Spaldings (SN 157) (Forts.) doch ist er befremdlich genug, um hier Verwirrung anzurichten. Sie sehen, wie sehr ich in Ansehung des Sinnes mit Ihnen übereinstimme, und also wird mir Ihre jezige Übersezung immer recht sein. Nur in die Erklärung des οὐδέτερα kann ich nicht mit eingehn. [nachträglich hinzugefügt:] Ihre Auslassung des δὲ adoptire ich also, nur werfe ich auch noch τὰ δὲ weg, hinter ὠφ. Es wird ja nicht gar der Teufel sein Spiel haben, und es einen Sprachgebrauch geben, wonach οὐδέτερα u n n ü z heißt, wie im Englischen i n d i ff e r e n t .
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die Pferde, andere wieder nur für die Ochsen, andere für die Hunde, noch andere für keines von allen diesen, wohl aber für die Bäume; ja einiges ist wiederum für die Wurzeln der Bäume gut, für die Zweige aber schädlich, wie zum Beispiel der Mist um die Wurzeln gelegt allen Pflanzen heilsam ist, wolltest du ihn aber auf die Triebe oder auf die jungen Zweige legen, so würde alles verderben. So ist auch das Oel allen Pflanzen sehr schädlich, und auch den Haaren | der anderen Thiere sehr verderblich, nur denen des Menschen nicht, denn diesen ist es zum Wachsthum beförderlich und so auch seinem übrigen Körper. Und so schillert das Gute und verwandelt
andere wieder nur den Ochsen, andere den Hunden, noch andere keinem von allen diesen, wohl aber den Bäumen; ja einiges ist wiederum für die Wurzeln der Bäume gut, für die Zweige aber schädlich, wie zum Beispiel der Mist um die Wurzeln gelegt allen Pflanzen heilsam ist, wolltest du ihn aber | auf die Triebe oder auf die jungen Zweige legen, so würde alles verderben. So ist auch das Oel allen Pflanzen sehr schädlich, und auch den Haaren der anderen Thiere sehr verderblich, nur denen des Menschen nicht, denn diesen ist es zum Wachsthum beförderlich und so auch seinem übrigen Körper. Und so schillert das Gute und verwandelt sich immer wieder,
Ficin ebenfalls herausnimmt. Cornar interpungirt hinter καὶ ἄλλα μυρία, und fährt dann fort: τὰ δέ γε ὠφέλιμα τὰ μὲν ἀνθρώποις, τὰ δὲ ἵπποις τὰ δὲ βουσὶ μόνον. Eine Operation mit sehr stumpfem kritischen Messer und eine sehr grausame, mit der doch wenig geholfen ist, weil der unrichtige Gegensaz immer bleibt. Die hier gegebene Uebersezung beruht auf der kleinen Veränderung, das Kolon hinter μυρία zu löschen und das δὲ aus dem τὰ δέ γε, welches so leicht aus dem folgenden kann herauf genommen sein, so daß von καὶ σιτία – ὠφέλιμα alles Erklärung von πολλὰ wird; für das οὐδέτερα wenn es doch auf zwei nur gehn muß, sind mir die ausdrüklich genannten σιτία, ποτά, φάρμακα eines und ἄλλα μυρία τάγε ὠφέλιμα das andere. Diese Dichotomie wird freilich wenig Gnade finden, aber dann muß man nothwendig auf eine Aenderung des οὐδέτερα denken. Und vielleicht wäre diese so zu bewirken, daß man läse: καὶ ἄλλα μυρία τάγε ὠφέλιμα ἀνθρώποις μὲν ο ὐ δ ο τ ι ο ῦ ν (freilich ist dieses nicht ganz leicht emendirt für οὐδέτερα), ἵπποις δέ.
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ὥστε καὶ ἐνταῦθα, τοῖς μὲν ἔξωθεν τοῦ σώματος ἀγαθόν ἐστι τῷ ἀνθρώπῳ, τοῖς δ᾽ ἐντὸς ταυτὸ τοῦτο κάκιστον. καὶ διὰ τοῦτο οἱ ἰατροὶ πάντες ἀπαγορεύουσι τοῖς ἀσθενοῦσι μὴ χρῆσθαι ἐλαίῳ, ἀλλ᾽ ἢ ὅτι σμικροτάτῳ, ἐν τούτοις οἷς μέλλει ἔδεσθαι, ὅσον μόνον τὴν δυσχέρειαν κατασβέσαι τὴν ἐπὶ ταῖς αἰσθήσεσι ταῖς διὰ τῶν ῥινῶν γιγνομένην ἐν τοῖς σιτίοις τε καὶ ὄψοις. Εἰπόντος οὖν ταῦτα αὐτοῦ, οἱ παρόντες ἀνεθορύβησαν ὡς εὖ λέγοι. Καὶ ἐγὼ εἶπον, Ὦ Πρωταγόρα, ἐγὼ τυγχάνω ἐπιλήσμων τὶς ὢν ἄνθρωπος· καὶ ἐάν τίς μοι μακρὰ λέγῃ, ἐπιλανθάνομαι περὶ οὗ ἂν ᾖ ὁ λόγος. ὥσπερ οὖν εἰ ἐτύγχανον ὑπόκωφος ὤν, ᾤου ἂν χρῆναι, εἴπερ ἔμελλές μοι διαλέγεσθαι, μεῖζον φθέγγεσθαι ἢ πρὸς τοὺς ἄλλους· οὕτω καὶ νῦν, ἐπειδὴ ἐπιλήσμονι ἐνέτυχες, σύντεμνέ μοι τὰς ἀποκρίσεις, καὶ βραχυτέρας ποίει, εἰ μέλλω σοι ἕπεσθαι. — Πῶς οὖν κελεύεις με βραχέα ἀποκρίνεσθαι; ἢ βραχύτερα σοί, ἔφη, ἀποκρίνωμαι ἢ δεῖ; — Μηδαμῶς, ἦν δ᾽ ἐγώ. — Ἀλλ᾽ ὅσα δεῖ, ἔφη; — Ναί, ἦν δ᾽ ἐγώ. — Πότερα οὖν ὅσα ἐμοὶ δοκεῖ δεῖν ἀποκρίνεσθαι, τοσαῦτά σοι ἀποκρίνωμαι; ἢ ὅσα
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 334c (Z. 7 f.): „genießen“ „genießen sollen“ um recht das Futurum auszudrükken, welches nicht bloß in μέλλει liegt, sondern schon in ἔδεσθαι. Aber woher der Singular μέλλει? da doch ἀσθενοῦντες vorhergehen, und nicht ein ἀσθενῶν. Denn an ein Passif in ἔδεσθαι muß bei Leibe nicht gedacht werden, so daß etwa μέλλει auf’s Neutrum plurale ginge.
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sich immer wieder, daß auch dieses hier für die äußeren Theile des Körpers zwar sehr gut ist, dasselbige aber den inneren sehr übel. Daher verbieten auch alle Aerzte den Kranken das Oel, bis auf etwas weniges an dem was sie genießen, nur so viel eben hinreicht um das Widrige zu dämpfen, was verschiedene Speisen sonst für die Empfindungen, die wir durch die Geruchswerkzeuge bekommen, an sich haben würden. Als er dies gesagt, erhoben die Anwesenden ein Geräusch von Beifallsbezeugungen, wie schön er spräche. Ich aber sagte, o Protagoras, ich bin ein sehr vergeßlicher Mensch, und wenn Jemand so lange spricht, vergesse ich ganz wovon eigentlich die Rede ist. So wie nun, wenn ich etwas taub wäre, du für nöthig halten würdest, wenn du anders mit mir reden wolltest, lauter zu sprechen als mit anderen: so auch jezt, da du mit einem Vergeßlichen zu thun hast, beschneide mir die Antworten und mache sie etwas kürzer, wenn ich dir anders folgen soll. — Wie heißest du mich denn kurz antworten? etwa kürzer soll ich dir antworten, sagte er, als nöthig ist? — Keinesweges, sprach ich. — Also so viel als nöthig ist? — O ja, sagte ich. — Soll ich dir also so viel antworten als ich für nöthig halte, oder so viel
daß auch dieses hier für die äußeren Theile des Körpers zwar sehr gut ist, dasselbige aber den inneren sehr übel. Daher verbieten auch alle Aerzte den Kranken das Oel, bis auf etwas weniges an dem was sie genießen, nur so viel eben hinreicht um das Widrige zu dämpfen, was verschiedene Speisen sonst für die Empfindungen, die wir durch die Geruchswerkzeuge bekommen, an sich haben würden. Als er dies gesagt, erhoben die Anwesenden ein Geräusch von Beifallsbezeugungen, wie schön er spräche. Ich aber sagte, o Protagoras, ich bin ein sehr vergeßlicher Mensch, und wenn Jemand so lange spricht, vergesse ich ganz wovon eigentlich die Rede ist. So wie nun, wenn ich etwas taub wäre, du glauben würdest, wenn du anders mit mir reden wolltest, lauter sprechen zu müssen als mit anderen: so auch jezt, da du mit einem Vergeßlichen zu thun hast, beschneide mir die Antworten und mache sie etwas kürzer, wenn ich dir anders folgen soll. — Wie heißest du mich denn kurz antworten? etwa kürzer soll ich dir antworten, sagte er, als nöthig ist? — Keinesweges, sprach ich. — Also so viel als nöthig ist? — O ja, sagte ich. — Soll ich dir also so viel antworten als ich für nöthig halte, oder so viel
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σοι; — Ἀκήκοα γοῦν, ἦν δ᾽ ἐγώ, ὅτι σὺ οἷόστ᾽ εἶ καὶ αὐτὸς καὶ ἄλλον διδάξαι περὶ τῶν αὐτῶν, καὶ μακρὰ λέγειν, ἐὰν βούλῃ, οὕτως ὥστε τὸν λόγον μηδέποτε ἐπιλιπεῖν· καὶ αὖ βραχέα οὕτως, ὥστε μηδένα σου ἐν βραχυτέροις εἰπεῖν. εἰ οὖν μέλλεις ἐμοὶ διαλέγεσθαι, τῷ ἑτέρῳ τρόπῳ χρῶ πρός με, τῇ βραχυλογίᾳ. — Ὦ Σώκρατες, ἔφη, ἐγὼ πολλοῖς ἤδη εἰς ἀγῶνα λόγων ἀφικόμην ἀνθρώποις· καὶ εἰ τοῦτο ἐποίουν ὃ σὺ κελεύεις, ὡς ὁ ἀντιλέγων ἐκέλευέ με διαλέγεσθαι, οὕτω διελεγόμην, οὐδενὸς ἂν βελτίων ἐφαινόμην, οὐδ᾽ ἂν ἐγένετο Πρωταγόρου ὄνομα ἐν τοῖς Ἕλλησι. — Καὶ ἐγὼ (ἔγνων γὰρ ὅτι οὐκ ἤρεσεν αὐτὸς αὑτῷ ταῖς ἀποκρίσεσι ταῖς ἔμπροσθεν, καὶ ὅτι οὐκ ἐθελήσοι ἑκὼν εἶναι ἀποκρινόμενος διαλέγεσθαι) ἡγησάμενος οὐκέτι ἐμὸν ἔργον εἶναι παρεῖναι ἐν ταῖς συνουσίαις, Ἀλλά τοι, ἔφην, ὦ Πρωταγόρα, οὐδ᾽ ἐγὼ λιπαρῶς ἔχω παρὰ τὰ σοὶ δοκοῦντα τὴν συνουσίαν ἡμῖν γίγνεσθαι· ἀλλ᾽ ἐπειδὰν σὺ βούλῃ διαλέγεσθαι, ὡς ἐγὼ δύναμαι ἕπεσθαι, τότε σοι διαλέξομαι. σὺ μὲν γάρ, (ὡς λέγεται περὶ σοῦ, φῂς δὲ καὶ αὐτός) καὶ ἐν μακρολογίᾳ καὶ ἐν βραχυλογίᾳ οἷόστ᾽ εἶ συνουσίας ποιεῖσθαι. σοφὸς γὰρ εἶ. ἐγὼ δὲ τὰ μακρὰ ταῦτα ἀδύνατος. ἐπεὶ ἐβουλόμην ἂν
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als du? — Ich habe doch gehört, sprach ich, du besäßest die Geschiklichkeit und theiltest sie auch Andern mit, über dieselbe Sache sowohl lange zu reden, wenn du willst, so daß dir die Rede niemals abreißt, als auch wiederum so kurz, daß sich | niemand kürzer fassen kann als du. Willst du nun mit mir ein Gespräch führen, so bediene dich gegen mich der andern Art zu reden, der in kurzen Säzen. — O Sokrates, sagte er, schon mit vielen Menschen habe ich den Kampf des Redens bestanden, hätte ich aber das gethan, was du von mir verlangst, nämlich immer auf die Art das Gespräch geführt, wie mein Gegner es mich führen hieß, so würde ich gewiß keinen Einzigen überwunden haben, und Protagoras würde keinen Namen haben unter den Hellenen. — Ich aber, denn ich merkte wohl, daß er sich in seinen vorigen Antworten gar nicht gefallen hatte, und daß er gutwillig nicht wieder der Antwortende im Gespräch würde sein wollen, glaubte daß für mich in dieser Zusammenkunft nichts mehr zu thun wäre, und sagte: Aber Protagoras, auch ich bestehe ja keinesweges darauf, daß unsere Unterhaltung gegen dein Belieben fortgesezt werden soll; sondern nur, wenn du geneigt bist das Gespräch so zu führen, daß ich dir folgen kann, will ich weiter mit dir reden. Du verstehst beides, wie man von dir rühmt und du auch selbst sagst, sowohl in lang ausgesponnenen als in kurzen Säzen die Unterhaltung zu führen; denn du bist eben ein weiser Mann, ich aber weiß nun einmal mit langen Reden gar nicht umzugehn, wiewohl ich sehr wünschte auch das zu
als du? — Ich habe doch gehört, sprach ich, du besäßest die Geschiklichkeit und theiltest sie auch | Andern mit, über dieselbe Sache sowohl lange zu reden, wenn du willst, so daß dir die Rede niemals abreißt, als auch wiederum so kurz, daß sich niemand kürzer fassen kann als du. Willst du nun mit mir ein Gespräch führen, so bediene dich gegen mich der andern Art zu reden, der Kurzrednerei. — O Sokrates, sagte er, schon mit vielen Menschen habe ich den Kampf des Redens bestanden, hätte ich aber das gethan, was du von mir verlangst, nämlich immer auf die Art das Gespräch geführt, wie mein Gegner es mich führen hieß, so würde ich gewiß keinen Einzigen überwunden haben, und Protagoras würde keinen Namen haben unter den Hellenen. — Ich aber, denn ich merkte wohl, daß er sich in seinen vorigen Antworten gar nicht gefallen hatte, und daß er gutwillig nicht würde der Antwortende sein wollen im Gespräch, glaubte daß für mich in dieser Zusammenkunft nichts mehr zu thun wäre, und sagte: Aber Protagoras, auch ich bin ja nicht erpicht darauf, daß unsere Unterhaltung anders als es dir recht ist geführt werde; sondern wenn es dir gelegen sein wird so Gespräch zu führen, wie ich dir folgen kann, dann will ich mit dir reden. Denn du, wie man von dir rühmt und du auch selbst sagst, verstehst beides sowohl in langen Reden als in kurzen die Unterhaltung zu führen; denn du bist eben ein weiser Mann, ich aber weiß nun einmal mit diesen langen Reden gar nicht umzugehn, wiewohl ich sehr wünschte auch das
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οἷόστ᾽ εἶναι. ἀλλά σε ἐχρῆν ἡμῖν συγχωρεῖν τὸν ἀμφότερα δυνάμενον, ἵνα συνουσία ἐγίγνετο· νῦν δέ, ἐπειδὴ οὐκ ἐθέλεις, καὶ ἐμοί τις ἀσχολία ἐστί, καὶ οὐκ ἂν οἷόστ᾽ εἴην σοι παραμεῖναι ἀποτείνοντι μακροὺς λόγους (ἐλθεῖν γάρ ποι με δεῖ) εἶμι. ἐπεὶ καὶ ταῦτ᾽ ἂν ἴσως οὐκ ἀηδῶς σου ἤκουον. Καὶ ἅμα ταῦτα εἰπών, ἀνιστάμην ὡς ἀπιών· καί μου ἀνισταμένου ἐπιλαμβάνεται ὁ Καλλίας τῆς χειρὸς τῇ δεξιᾷ. τῇ δ᾽ ἀριστερᾷ ἀντελάβετο τρίβωνος τουτουῒ καὶ εἶπεν, Οὐκ ἀφήσομέν σε, ὦ Σώκρατες. ἐὰν γὰρ σὺ ἐξέλθῃς, οὐχ ὁμοίως ἡμῖν ἔσονται οἱ διάλογοι. δέομαι οὖν σου παραμεῖναι ἡμῖν. ὡς ἐγὼ οὐδ᾽ ἂν ἑνὸς ἥδιον ἀκούσαιμι ἢ σοῦ τε καὶ ΠρωταγόExzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 335c (Z. 1-3): αλλα σε εχρην ἡμιν συγχωρειν τον αμφοτερα δυναμενον. – At te oportebat nobis concedere qui in utraque praestans existis. Eclog. In graecis legendum αλλα σε εχρην συγχωρειν ημιν τον αμφοτερον δυναμενον (Weder hieraus noch aus den Varr lectt der Bipont. kann man eigentlich sehn wie die alte Ausgabe gelesen hat. Die Bas. 1 hat: αλλα σε εχρην ημιν συγχωρει τον αμφοτερον δυναμενα. Cornar scheint doch wesentlich Verdienst um die Stelle zu haben.)
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 335c (Z. 6 f.): „so in die Länge zögest“ „so anspönnest“ S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 444 und Ecl. S. 513. Zitiert ist die Lesart von Bas. 1 = Ed.Basel 1534 (Oporinus); vgl. Heindorf 1810 z. St. (S. 553). Ed.Genf 1578 (Stephanus) hat den nach Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina) oben edierten Text, jedoch am Rand eine auch in den Variae Lectiones (Bipontina), S. 358 mitgeteilte Lesart: ἀλλά σε ἐχρῆν τὸ δὴ κατά σε ἡμῖν συγχωρεῖν ...
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verstehen. Also solltest du, der du beides kannst, uns nachgeben, damit eine Unterhaltung zu Stande käme. Nun aber da du nicht willst, und auch ich nicht länger Zeit habe, und es nicht abwarten könnte, wenn du deine Reden so in die Länge zögest, denn ich muß anders wohin: so gehe ich; wiewohl auch dieses hörte ich gewiß gern von dir. Und mit diesen Worten stand ich auf, um fort-| zugehen; aber so wie ich aufstand ergriff mich Kallias mit einer Hand bei der Hand, und mit der andern hielt er mich hier beim Mantel und sagte: Wir werden dich nicht loslassen, Sokrates, denn wenn du uns fortgehst wird es mit unserer Unterhaltung gar nicht mehr dasselbe sein. Ich bitte dich also bei uns zu bleiben; denn ich weiß Keinen, den ich lieber hören möchte als dich und den Protagoras mit einander reden.
zu verstehen. Also solltest du, der du beides kannst, uns nachgeben, damit eine Unterhaltung zu Stande käme. Nun aber du nicht willst, und auch ich nicht länger Zeit habe, und es nicht abwarten könnte, wenn du deine Reden so in die Länge zögest, | denn ich muß anders wohin: so gehe ich; wiewohl auch dieses hörte ich gewiß gern von dir. Und mit diesen Worten stand ich auf, um fortzugehen; aber so wie ich aufstand ergriff mich Kallias mit einer Hand bei der Rechten, und mit der andern hielt er mich hier beim Mantel und sagte: Wir werden dich nicht loslassen, Sokrates, denn wenn du uns fortgehst wird es mit unseren Gesprächen gar nicht mehr dasselbe sein. Ich bitte dich also bei uns zu bleiben; denn ich weiß Keinen, den ich lieber hören möchte als dich und den Protagoras mit einander reden.
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ρου διαλεγομένων. ἀλλὰ χάρισαι ἡμῖν πᾶσι. — Καὶ ἐγὼ εἶπον (ἤδη δὲ ἀνεστήκειν ὡς ἐξιών) Ὦ παῖ Ἱππονίκου, ἀεὶ μὲν ἔγωγε σοῦ τὴν φιλοσοφίαν ἄγαμαι, ἀτὰρ καὶ νῦν ἐπαινῶ καὶ φιλῶ· ὥστε βουλοίμην ἂν χαρίζεσθαί σοι, εἴ μου δυνατὰ δέοιο· νῦν δ᾽ ἔστιν ὥσπερ ἂν εἰ δέοιό μου, Κρίσωνι τῷ Ἱμεραίῳ δρομεῖ ἀκμάζοντι ἕπεσθαι, ἢ τῶν δολιχοδρόμων τῳ, ἢ τῶν ἡμεροδρόμων διαθεῖν τε καὶ ἕπεσθαι· εἴποιμι ἄν σοι ὅτι πολὺ σοῦ μᾶλλον ἐγὼ ἐμαυτοῦ δέομαι θέουσι τούτοις ἀκολουθεῖν· ἀλλ᾽ οὐ γὰρ δύναμαι. ἀλλ᾽ εἴτι δέῃ θεάσασθαι ἐν τῷ αὐτῷ ἐμέ τε καὶ Κρίσωνα θέοντας, τούτου δέου συγκαθεῖναι. ἐγὼ μὲν γὰρ οὐ δύναμαι ταχὺ θεῖν, οὗτος δὲ δύναται βραδέως. εἰ οὖν ἐπιθυμεῖς ἐμοῦ καὶ Πρωταγόρου ἀκούειν, τούτου δέου, ὥσπερ τοπρῶτον μοι ἀπεκρίνατο διὰ βραχέων καὶ αὐτὰ τὰ ἐρωτώμενα, οὕτω καὶ νῦν ἀποκρίνεσθαι. εἰ δὲ μή, τίς ὁ τρόπος ἔσται τῶν διαλόγων; χωρὶς γὰρ ἔγωγ᾽ ᾤμην εἶναι τὸ συνεῖναί τε
Vorarbeiten (handschriftlich)
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 335e (Z. 11): Ich weiß auch keinen Rath über die ἡμεροδρόμοι. Morgen indessen will ich noch in Stef. und was ich sonst von Büchern habe nachsehen. [nachträglich hinzugefügt:] E i l b o t e n ist das wahre. Hemsterhuys im zweiten Band des Bip. Lucian hat etwas über sie, und Duker ad Liv. 31,24,4. Des Lipsius eigne Epistola d e C u r s o r i b u s kan ich nicht nachsehn; [über der Zeile mit Einfügungszeichen: doch; ich habe sie nun gelesen.] des G r o u Rede scheint aus der elfenbeinenen Pforte. Beim Nepos Milt. sprechen die Leute viel davon. S Spld. Folgende Titel führt Spalding an: Stephanus: Thesaurus Graecae linguae, Bd. 1, [Genf] [1572], Sp. 1460 s.v. ῾Ημεροδρόμος. Hemsterhuys: Luciani Samosatensis opera graece et latine ad editionem Tiberii Hemsterhusii et Ioannis Frederici Reitzii accurate expressa cum varietate lectionis et annotationibus, Bd. 1, Zweibrücken 1789, S. 325 zu S. 82, Z. 10 (Dialogi Deorum 24,1). Duker zu Livius 31,24,4: T. Livii Patavini Historiarum ab urbe condita libri, qui supersunt, omnes, cum notis integris ..., excerptis ...; nec non ineditis ..., Car. And. Dukeri, et aliorum: Curante Arn. Drakenborch, ..., Bd. 4, Amsterdam/Leiden 1741, S. 546 (vgl. Heindorf 1810 z. St., S. 555). Lipsius’ Epistola de Cursoribus: Justus Lipsius: Epistolarum Selectarum Centuria Singularis Ad Italos et Hispanos, quive in iis locis, Antwerpen 1601 (auch 1604), S. 50-58, Epistola 59 (an Nicolaus Micaultius). Dagegen nicht überzeugend (aus der elfenbeinenen Pforte: Anspielung auf Homer, Odyssee 19,564 f., wo die elfenbeinene Pforte das Tor der trügerischen Träume ist) sei Jean-Nicolas Grou: Dialogues de Platon, Bd. 1, Amsterdam 1770, S. 255 Anm. 28. Cornelii Nepotis Vitae excellentium imperatorum, Cum integris notis Jani Gebhardi, Henr. Ernstii, et Jo. Andreae Bosii. ... Curante Augustino van Staveren. ... Leiden 1734, S. 38-40 (Johann Andreas Bose u. a. zu Nepos, Miltiades 4,3f.).
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Sei also uns Allen gefällig. — Ich erwiederte, ich war aber schon aufgestanden um zu gehen: Immer, Kallias, habe ich an deiner Liebe zur Wissenschaft meine Freude gehabt, und so lobe und liebe ich sie auch jezt. So daß ich dir gern willfahren würde, wenn du etwas mögliches bätest; nun aber ist es, wie wenn du mich bätest mit dem Krison aus Himera, unserm stärksten Wettläufer, oder mit irgend einem andern Wettläufer oder Eilboten zu laufen und gleichen Schritt mit ihnen zu halten, ich dir dann sagen würde, mir wäre es noch weit lieber als dir, wenn ich diesen nachkommen könnte im Laufen; aber ich kann doch nicht. Wünschest du also mich und den Krison zusammen laufen zu sehen, so bitte diesen sich zu mir herabzulassen; denn ich kann nicht geschwind laufen, er aber kann langsam. Willst du also mich und den Protagoras zusammen hören, so bitte diesen, wie er mir vorher geantwortet hat in kurzen Worten und auf das was ich fragte, so auch jezt noch mir zu antworten; wo aber nicht, auf welche Weise soll dann ein Gespräch daraus werden? Ich wenigstens habe immer geglaubt, dies wären zwei ganz verschiedene Dinge, ein Ge-
Sei also uns Allen gefällig. — Ich erwiederte, ich war aber schon aufgestanden um zu gehen: Immer, Kallias, habe ich an deiner Liebe zur Wissenschaft meine Freude gehabt, und so lobe und liebe ich sie auch jezt. So daß ich dir gern willfahren würde, wenn du etwas mögliches bätest; nun aber ist es, wie wenn du mich bätest mit dem Krison aus Himera, unserm stärksten Wettläufer, oder mit irgend einem andern Wettläufer oder Eilboten zu laufen und gleichen Schritt mit ihnen zu halten, ich dir dann sagen würde, mir wäre es noch weit lieber als dir, wenn ich diesen nachkomnen könnte im Laufen; aber ich kann doch nicht. Ist es dir also lieb mich und den Krison zusammen laufen zu sehen, so bitte diesen, daß er nachlasse; denn ich kann nicht geschwind laufen, er aber kann langsam. Wünschest du also mich und den Protagoras zusammen zu hören, so bitte diesen, wie er mir vorher geantwortet hat in kurzen Worten und auf das was ich fragte, so auch jezt noch mir zu antworten; wo aber nicht, welches soll denn die Weise der Gespräche sein? Denn ich wenigstens habe immer geglaubt, dies wären zwei ganz verschiedene | Dinge, Ge-
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ἀλλήλοις διαλεγομένους, καὶ τὸ δημηγορεῖν. — Ἀλλ᾽ ὁρᾷς, ἔφη, ὦ Σώκρατες· δίκαια δοκεῖ λέγειν Πρωταγόρας, ἀξιῶν αὐτῷ τε ἐξεῖναι διαλέγεσθαι ὅπως βούλεται, καί σοι ὅπως ἂν αὖ σὺ βούλῃ. — Ὑπολαβὼν οὖν ὁ Ἀλκιβιάδης, Οὐ καλῶς λέγεις, ἔφη, ὦ Καλλία. Σωκράτης μὲν γὰρ ὅδε ὁμολογεῖ μὴ μετεῖναί οἱ μακρολογίας, καὶ παραχωρεῖ Πρωταγόρᾳ· τοῦ δὲ διαλέγεσθαι οἷόστ᾽ εἶναι, καὶ ἐπίστασθαι λόγον τε δοῦναι καὶ δέξασθαι, θαυμάζοιμ᾽ ἂν εἴ τῳ ἀνθρώπων παραχωρεῖ. εἰ μὲν οὖν καὶ Πρωταγόρας ὁμολογεῖ φαυλότερος εἶναι Σωκράτους διαλεχθῆναι, ἐξαρκεῖ Σωκράτει· εἰ δὲ ἀντιποιεῖται, διαλεγέσθω, ἐρωτῶν τε καὶ ἀποκρινόμενος, μὴ ἐφ᾽ ἑκάστῃ ἐρωτήσει μακρὸν λόγον ἀποτείνων·
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 336b (Z. 2 f.): αλλ ὁρᾳς εφη ω Σωκρατες – At vides inquit Callias o Socrates. In Graecis deficiunt voces ὁ Καλλιας. (Ist wohl nicht nöthig)
T Exz.Corn. 4 SN 156/1
nöthig)] Klammer fehlt
S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 444 und Ecl. S. 513.
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spräch mit einander führen, und Reden halten. — Aber sieh nur, Sokrates, sagte er, Protagoras scheint doch Recht zu haben, | wenn er verlangt, ihm solle erlaubt sein zu sprechen, wie er will, und dir wie du willst. — Darauf nahm Alkibiades das Wort und sagte: Du hast Unrecht Kallias! denn Sokrates gesteht ja mit der Langrederei nicht Bescheid zu wissen, und räumt darin dem Protagoras den Vorzug ein: aber ein ordentliches Gespräch recht zu führen, dem Andern Rede zu stehen und ihn dann auch wieder auszufragen, darin sollte es mich sehr Wunder nehmen, wenn er irgend Jemand den Vorzug einräumte. Gesteht nun Protagoras seiner Seits, daß er schlechter ist im Gesprächführen als Sokrates, so ist Sokrates zufrieden, will er sich ihm aber gegenüber stellen, wohl, so mag er auch ordentlich in Frage und Antwort mit ihm sprechen, nicht aber nach jeder Frage eine lange Rede ausspinnen, der Frage ausweichen,
spräch mit einander führen, und Reden halten. — Aber sieh nur, Sokrates, sagte er, Protagoras scheint doch Recht zu haben, wenn er verlangt, ihm solle erlaubt sein zu sprechen, wie er will, und dir wie du willst. — Darauf nahm Alkibiades das Wort und sagte: Du hast Unrecht Kallias! denn Sokrates gesteht ja mit der Langrednerei nicht Bescheid zu wissen, und räumt darin dem Protagoras den Vorzug ein: aber ein ordentliches Gespräch recht zu führen, dem Andern Rede zu stehen und ihn dann auch wieder auszufragen, darin sollte es mich sehr Wunder nehmen, wenn er irgend Jemand den Vorzug einräumte. Gesteht nun Protagoras seiner Seits, daß er schlechter ist im Gesprächführen als Sokrates, so ist Sokrates zufrieden; will er sich ihm aber gegenüber stellen, wohl, so mag er auch ordentlich in Frage und Antwort mit ihm sprechen, nicht aber nach jeder Frage eine lange Rede ausspinnen, der Frage ausweichen,
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ἐκκρούων τοὺς λόγους, καὶ οὐκ ἐθέλων διδόναι λόγον, ἀλλ᾽ ἀπομηκύνων, ἕως ἂν ἐπιλάθωνται περὶ ὅτου τὸ ἐρώτημα ἦν οἱ πολλοὶ τῶν ἀκουόντων. ἐπεὶ Σωκράτει γε ἐγὼ ἐγγυῶμαι μὴ ἐπιλήσεσθαι, οὐχ ὅτι παίζει καί φησιν ἐπιλήσμων εἶναι. ἐμοὶ μὲν οὖν δοκεῖ ἐπιεικέστερα Σωκράτης λέγειν. χρὴ γὰρ ἕκαστον τὴν ἑαυτοῦ γνώμην ἀποφαίνεσθαι. — Μετὰ δὲ τὸν Ἀλκιβιάδην, ὡς ἐγᾦμαι, Κριτίας ἦν ὁ εἰπών, Ὦ Πρόδικε καὶ Ἱππία, Καλλίας μὲν δοκεῖ μοι μάλα πρὸς Πρωταγόρου εἶναι· Ἀλκιβιάδης δὲ ἀεὶ φιλόνεικός ἐστι πρὸς ὅ,τι ἂν ὁρμήσῃ. ἡμᾶς δὲ οὐδὲν δεῖ συμφιλονεικεῖν οὔτε Σωκράτει, οὔτε Πρωταγόρᾳ· ἀλλὰ κοινῇ ἀμφοτέρων δεῖσθαι μὴ μεταξὺ διαλῦσαι τὴν συνουσίαν.
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 336c (Z. 1 f.): οὐκ ἐθέλων διδόναι λόγον „den andern zum Worte zu lassen“ das lassen die Worte zu, und paßt auch in den Sinn. Aber sonst heißt ja λόγον διδόναι Rechenschaft geben, und auch das wäre hier nicht unangemessen. [nachträglich hinzugefügt:] δώσειν λόγον 338.e. ist auf meine Art genommen, it. 339a λόγον δοῦναι ist doch nicht verschieden von διδόναι? it. cf. 348.b. Übers. (verl.) von 336d (Z. 6): Sind Sie mit dem οὐχ ὅτι auf dem Reinen, woran Stefanus anstieß? Ich glaube, es ist dieselbe Konstrukzion, wie in μὴ ὅτι, wobei man supplirt οὐ λέγω ὅτι. Hier also: „ohne darauf Rüksicht zu nehmen, daß er scherzt und sagt etc.“
13–15 Καλλίας μὲν δοκεῖ μοι μάλα πρὸς Πρωταγόρου εἶναι· Ἀλκιβιάδης δὲ] Καλλίας μὲν δοκεῖ μοι μάλα πρὸς Πρωταγόρου εἶναι, Ἀλκιβιάδης δὲ Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. W2
S Spld. zu Übers. (verl.) von 336d (Z. 6): Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus), auch zitiert in Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina), Variae lectiones, S. 358: Aut aliquot verba deesse, aut haec οὐχ ὅτι pro aliis posita esse videntur. Nam etiamsi scribatur, ὅ, τι παίζει (id est, Quod ludit, seu Quod iocatur) non procedit orationis structura.
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und anstatt den Andern zum Worte zu lassen immer weiter reden, bis die mehresten unter den Zuhörern vergessen haben, was die Frage eigentlich betraf. Denn für den Sokrates verbürge ich mich, daß er es nicht vergessen wird, ob er gleich scherzt und sagt, er sei vergeßlich. Mich also dünkt, des Sokrates Forderung billiger; denn Jeder muß seine Meinung kund geben. — Nach dem Alkibiades war es glaube ich Kritias welcher sagte: O Prodikos und Hippias, Kallias dünkt mich sehr für den Protagoras zu sein, und Alkibiades ist auch immer rechthaberisch wenn er worauf seinen Sinn gesezt hat. Uns aber ziemt es auf keines von Beiden Seite zu treten, weder des Sokrates noch des Protagoras, sondern nur insgemein Beide zu bitten uns die Unterhaltung nicht in der Mitte abzubrechen.
und anstatt den Andern zum Worte zu lassen immer weiter reden, bis die mehresten unter den Zuhörern vergessen haben, was die Frage eigentlich betraf. Denn für den Sokrates verbürge ich mich, daß er es nicht vergessen wird, ob er gleich scherzt und sagt, er sei vergeßlich. Mir also scheint, was Sokrates sagt, billiger; denn Jeder muß seine Meinung kund geben. — Nach dem Alkibiades war es glaube ich Kritias welcher sagte: O Prodikos und Hippias, Kallias freilich dünkt mich sehr für den Protagoras zu sein, Alkibiades aber ist auch immer rechthaberisch wenn er worauf seinen Sinn gesezt hat. Uns aber ziemt es für keinen von Beiden Partei zu nehmen, weder den Sokrates noch den Protagoras, sondern nur insgemein Beide zu bitten uns die | Unterhaltung nicht in der Mitte abzubrechen.
S 14–16 Kallias freilich dünkt mich sehr für den Protagoras zu sein, Alkibiades aber] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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Vorarbeiten (handschriftlich)
— Εἰπόντος δὲ αὐτοῦ ταῦτα, ὁ Πρόδικος, Καλῶς μοι, ἔφη, δοκεῖς λέγειν, ὦ Κριτία. χρὴ γὰρ τοὺς ἐν τοιοῖσδε λόγοις παραγιγνομένους, κοινοὺς μὲν εἶναι ἀμφοῖν τοῖν διαλεγομένοιν ἀκροατάς, ἴσους δὲ μή. ἔστι γὰρ οὐ ταυτόν. κοινῇ μὲν γὰρ ἀκοῦσαι δεῖ ἀμφοτέρων, μὴ ἴσον δὲ νεῖμαι ἑκατέρῳ· ἀλλὰ τῷ μὲν σοφωτέρῳ πλέον, τῷ δὲ ἀμαθεστέρῳ ἔλαττον. ἐγὼ μὲν καὶ αὐτός, ὦ Πρωταγόρα τε καὶ Σώκρατες, ἀξιῶ ὑμᾶς συγχωρεῖν, καὶ ἀλλήλοις περὶ τῶν λόγων ἀμφισβητεῖν μέν, ἐρίζειν δὲ μή· (ἀμφισβητοῦσι μὲν γὰρ καὶ δι᾽ εὔνοιαν οἱ φίλοι τοῖς φίλοις, ἐρίζουσι δὲ οἱ διάφοροί τε καὶ ἐχθροὶ ἀλλήλοις) καὶ οὕτως ἂν καλλίστη ἡμῖν ἡ συνουσία γίγνοιτο. ὑμεῖς τε γὰρ οἱ λέγοντες, μάλιστ᾽ ἂν οὕτως ἐν ἡμῖν τοῖς ἀκούουσιν εὐδοκιμοῖτε, καὶ οὐκ ἐπαινοῖσθε· (εὐδοκιμεῖν μὲν γάρ ἐστι παρὰ ταῖς ψυχαῖς τῶν ἀκουόντων ἄνευ ἀπάτης, ἐπαινεῖσθαι δὲ ἐν λόγῳ πολλάκις παρὰ δόξαν ψευδομένων) ἡμεῖς τ᾽ αὖ οἱ ἀκούοντες, μάλιστ᾽ ἂν οὕτως εὐφραινοίμεθα, οὐχ ἡδοίμεθα. εὐφραίνεσθαι μὲν γάρ ἐστι, μανθάνοντά τι καὶ φρονήσεως μεταλαμβάνοντα, αὐτῇ τῇ διανοίᾳ, ἥδεσθαι δὲ, ἐσθίοντά τι, ἢ ἄλλο ἡδὺ πάσχοντα αὐτῷ τῷ σώματι. — Ταῦτα οὖν εἰπόντος τοῦ Προδίκου, πολλοὶ πάνυ τῶν παρόντων ἀπεδέξαντο. μετὰ δὲ τὸν Πρόδικον Ἱππίας ὁ σοφὸς εἶπεν, Ὦ ἄνδρες, ἔφη, οἱ παρόντες,
Noten Spaldings (SN 157) zu 337c (Z. 34-36): Wollen Sie Ihre Leser nicht durch eine Anmerkung aufmerksam machen auf den Silbenstecher Prodikos, und den Freigeist Hippias?
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Protagoras 1. Auflage
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— Als er dies gesagt, sprach Prodikos: Sehr richtig dünkst du mich zu sprechen, Kritias. Denn die bei | einer solchen Unterredung gegenwärtigen müssen zwar beide Unterredner insgemein anhören, nicht aber beide gleich, denn das ist nicht einerlei. Nämlich sie müssen zwar beide insgemein anhören, nicht aber beiden gleiches gewähren, sondern dem Weiseren mehr, dem Unweiseren weniger. Auch ich, o Protagoras und Sokrates, bitte euch beide etwas nachzugeben, und über eure Säze zu streiten, aber nicht zu zanken, denn streiten können auch Freunde mit Freunden in allem Wohlmeinen, aber zanken nur die, welche uneinig und auch feindselig gegen einander sind. Auf diese Art wird unsere Unterhaltung am schönsten fortgehen. Denn ihr, die Sprechenden, werdet so am meisten von uns, den Hörenden, geachtet werden, nicht gelobt; geachtet nämlich wird man in den Seelen der Hörenden ohne Betrug, gelobt aber mit Worten von Solchen die oft gegen ihre Ueberzeugung unwahres reden: wir aber, die Hörenden, werden so am meisten Vergnügen davon haben, nicht Genuß, denn Vergnügen hat auch wer etwas erlernt und Gedanken auffaßt mit der Seele selbst, Genuß aber nur wer etwas ißt oder sonst eine angenehme Empfindung durch den Körper selbst empfängt. — Mit dieser Rede fand Prodikos bei den mehresten Anwesenden großen Beifall. Nach dem Prodikos aber redete der weise Hippias. Ich halte euch, sagte er, ihr versammelten Männer, für
— Als er dies gesagt, sprach Prodikos: Sehr richtig dünkst du mich zu sprechen, Kritias. Denn die bei einer solchen Unterredung gegenwärtigen müssen zwar beide Unterredner insgemein anhören, nicht aber beide gleich, denn das ist nicht einerlei. Nämlich sie müssen zwar beide insgemein anhören, nicht aber beiden gleiches gewähren, sondern dem Weiseren mehr, dem Unweiseren weniger. Auch ich, o Protagoras und Sokrates, bitte euch beide nachzugeben, und über eure Säze zu streiten, aber nicht zu zanken, denn streiten können auch Freunde mit Freunden in allem Wohlmeinen, aber zanken nur die, welche uneinig und auch feindselig gegen einander sind. Und auf diese Art wird unsere Unterhaltung am schönsten fortgehen. Denn ihr, die Sprechenden, werdet so am meisten von uns, den Hörenden, geachtet werden, nicht gelobt; geachtet nämlich wird man in den Seelen der Hörenden ohne Betrug, gelobt aber mit Worten von Solchen die oft gegen ihre Ueberzeugung unwahres reden: wir aber, die Hörenden, werden so am meisten Vergnügen davon haben, nicht Genuß, denn Vergnügen hat auch wer etwas erlernt und Gedanken auffaßt mit der Seele selbst, Genuß aber nur wer etwas ißt oder sonst eine angenehme Empfindung durch den Körper selbst empfängt. — Mit dieser Rede fand Prodikos bei den mehrsten Anwesenden großen Beifall. Nach dem Prodikos aber sprach Hippias der weise. Ich denke, sagte er, ihr versammelten Männer, daß
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Vorarbeiten (handschriftlich)
ἡγοῦμαι ἐγὼ ὑμᾶς, συγγενεῖς τε καὶ οἰκείους καὶ πολίτας ἅπαντας εἶναι, φύσει, οὐ νόμῳ. τὸ γὰρ ὅμοιον τῷ ὁμοίῳ, φύσει συγγενές ἐστιν. ὁ δὲ νόμος, τύραννος ὢν τῶν ἀνθρώπων, πολλὰ παρὰ τὴν φύσιν βιάζεται. ἡμᾶς οὖν αἰσχρὸν τὴν μὲν φύσιν τῶν πραγμάτων εἰδέναι, σοφωτάτους δὲ ὄντας τῶν Ἑλλήνων, καὶ κατ᾽ αὐτὸ τοῦτο νῦν συνεληλυθότας τῆς τε Ἑλλάδος εἰς αὐτὸ τὸ πρυτανεῖον τῆς σοφίας, καὶ αὐτῆς τῆς πόλεως εἰς τὸν μέγιστον καὶ ὀλβιώτατον οἶκον τόνδε, μηδὲν τούτου τοῦ ἀξιώματος ἄξιον ἀποφῄνασθαι· ἀλλ᾽ ὥσπερ τοὺς φαυλοτάτους τῶν ἀνθρώπων διαφέρεσθαι ἀλλήλοις. ἐγὼ μὲν οὖν καὶ δέομαι καὶ συμβουλεύω, ὦ Πρωταγόρα τε καὶ Σώκρατες, συμβῆναι ὑμᾶς, ὥσπερ ὑπὸ διαιτητῶν ἡμῶν συμβιβαζόντων εἰς τὸ μέσον· καὶ μήτε σὲ τὸ ἀκριβὲς τοῦτο εἶδος τῶν διαλόγων ζητεῖν τὸ κατὰ βραχὺ λίαν, εἰ μὴ ἡδὺ Πρωταγόρᾳ· ἀλλ᾽ ἐφεῖναι καὶ χαλάσαι τὰς ἡνίας τοῖς λόγοις, ἵνα μεγαλοπρεπέστεροι καὶ εὐσχημονέστεροι ἡμῖν φαίνωνται, μήτ᾽ αὖ Πρωταγόραν πάντα κάλων ἐκτείναντα, οὐρίᾳ ἐφέντα, φεύγειν εἰς τὸ πέλαγος τῶν λόγων ἀποκρύψαντα γῆν· ἀλλὰ μέσον τοι ἀμφοτέρους τεμεῖν. ὡς οὖν ποιήσετε, καὶ πεί-
1 ὑμᾶς] ἡμᾶς Heindorf 1810 z. St. (S. 560) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 61 [202,5], übersetzt W2 20f ὑμᾶς, ὥσπερ] ὑμᾶς ὥσπερ Heindorf 1810 Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. W2 28 ἡμῖν] ὑμῖν Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 61 [203,1], übersetzt W2
Noten Spaldings (SN 157) zu 338a (Z. 33): Warum denn τεμεῖν da doch vorher nicht φεύξεσθαι war? Warum nicht τέμνειν?
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Verwandten und Befreundete und Mitbürger von Natur und nicht nur dem Geseze nach. Denn das Aehnliche ist dem Aehnlichen von Natur verwandt, das Gesez aber, welches ein Tyrann der Menschen ist, erzwingt vieles gegen die Natur. Schändlich also wäre es, wenn wir die Natur der Sache zwar kennen, uns aber den|noch, obgleich die weisesten unter den Hellenen, und eben deshalb in dieser Stadt als dem Hauptsiz Hellenischer Weisheit, und in diesem Hause als dem angesehensten und glänzendsten dieser Stadt versammelt, uns dieser Würde nicht würdig zeigten, sondern uns wie die gemeinsten Menschen untereinander veruneinigten. Ich bitte und rathe euch daher, o Protagoras und Sokrates, euch von uns, als euern Schiedsrichtern, in der Mitte zusammengeführt zu vereinigen, so daß weder du diese strengste Art des Gespräches forderst, die allzugedrungene Kürze, wenn sie dem Protagoras nicht angenehm ist, sondern den Reden ein wenig die Zügel nachlassest, damit sie sich muthiger und in schöneren Bewegungen vor uns zeigen können, noch auch Protagoras alle Segel beiseze, um mit vollem Winde das Land ganz aus dem Gesicht verlierend in die hohe See der Reden zu entfliehen, sondern das ihr euch beide in einem mittleren Durchschnitt haltet. Folget mir daher und macht es so, daß
wir Verwandte und Befreundete und Mitbürger von Natur sind nicht durch das Gesez. Denn das Aehnliche ist dem Aehnlichen von Natur verwandt, das Gesez aber, welches ein Tyrann | der Menschen ist, erzwingt vieles gegen die Natur. Für uns also wäre es schändlich die Natur der Sache zwar zu kennen, uns aber dennoch, obgleich die weisesten unter den Hellenen, und eben deshalb in dieser Stadt als dem Hauptsiz Hellenischer Weisheit, und in diesem Hause als dem angesehensten und glänzendsten dieser Stadt versammelt, dieser Würde nicht würdig zu zeigen, sondern wie die gemeinsten Menschen untereinander uns zu veruneinigen. Ich bitte und rathe euch daher, o Protagoras und Sokrates, von uns als euern Schiedsrichtern in der Mitte zusammengeführt euch zu vereinigen, so daß weder du diese strengste Art des Gespräches forderst, die allzugedrungene Kürze, wenn sie dem Protagoras nicht angenehm ist, sondern den Reden ein wenig die Zügel nachlassest, damit sie sich muthiger und in schöneren Bewegungen zeigen können, noch auch Protagoras alle Segel beiseze, um mit vollem Winde das Land ganz aus dem Gesicht verlierend in die hohe See der Reden zu entfliehen, sondern daß ihr euch beide in einem mittleren Durchschnitt haltet. Folget mir daher und macht es so, daß
S 1 wir] nach Heindorf (z. St.) und Bekker wie Spalte 1 App. 21–23 von uns als euern Schiedsrichtern in der Mitte zusammengeführt euch] nach Heindorf und Bekker wie Spalte 1 App. 31 zeigen können] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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Protagoras Ed. Bipontina
Vorarbeiten (handschriftlich)
θεσθέ μοι, ῥαβδοῦχον καὶ ἐπιστάτην καὶ πρύτανιν ἑλέσθαι, ὃς ὑμῖν φυλάξει τὸ μέτριον μῆκος τῶν λόγων ἑκατέρου. — Ταῦτα ἤρεσε τοῖς παροῦσι, καὶ πάντες ἐπῄνεσαν. καὶ ἐμέ τε ὁ Καλλίας οὐκ ἔφη ἀφήσειν, καὶ ἑλέσθαι ἐδέοντο ἐπιστάτην. Εἶπον οὖν ἐγὼ ὅτι αἰσχρὸν εἴη βραβευτὴν αἱρεῖσθαι τῷ λόγῳ. εἴτε γὰρ χείρων ἔσται ἡμῶν ὁ αἱρεθείς, οὐκ ὀρθῶς ἂν ἔχοι τὸν χείρω τῶν βελτιόνων ἐπιστατεῖν· εἴτε ὅμοιος, οὐδ᾽ οὕτως ὀρθῶς. ὁ γὰρ ὅμοιος ἡμῖν, ὅμοια καὶ ποιήσει. ὥστε ἐκ περιττοῦ αἱρεθήσεται. ἀλλὰ δὴ βελτίονα ἡμῶν αἱρήσεσθε. τῇ μὲν ἀληθείᾳ, ὡς ἐγᾦμαι, ἀδύνατον ὑμῖν ὥστε Πρωταγόρου τοῦδε σοφώτερόν τινα ἑλέσθαι· εἰ δὲ αἱρήσεσθε μὲν μηδὲν βελτίω, φήσετε δέ, αἰσχρὸν καὶ τοῦτο τῷδε γίγνεται, ὥσπερ φαύλῳ ἀνθρώπῳ ἐπιστάτην αἱρεῖσθαι. ἐπεὶ τόγ᾽ ἐμόν, οὐδέν μοι διαφέρει· ἀλλ᾽ οὑτωσὶ ἐθέλω ποιῆσαι, ἵν᾽ ὃ προθυμεῖσθε, συνουσία τε καὶ διάλογοι ἡμῖν γίγνωνται. εἰ μὴ βούλεται, Πρωταγόρας ἀποκρίνεσθαι, οὗτος μὲν ἐρωτάτω, ἐγὼ δὲ ἀποκρινοῦμαι· καὶ ἅμα πειράσομαι αὐτῷ δεῖξαι ὡς ἐγώ φημι χρῆναι τὸν ἀποκρινόμενον ἀποκρίνεσθαι. ἐπειδὰν δὲ ἐγὼ ἀποκρίνωμαι, ὅπως ἂν οὗτος βούληται ἐρωτᾷν, πάλιν οὗτος ἐμοὶ λόγον ὑποσχέτω ὁμοίως. ἐὰν οὖν μὴ Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 338a (Z. 1): So wird es wol sein mit dem ῥαβδοῦχος. Doch will ich nachsehen. [nachträglich hinzugefügt:] Suidas und die Leute bestätigen daß die κριταὶ im Athenischen Theater selbst ῥαβδοῦχοι waren und hießen. Sonst uebersezen so die Griechen (z. B. Polibius) die Liktoren.
33 ὅπως] ὁπόσ᾽ Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 61 [204,6], übersetzt W2
S Spld. Suidae Lexicon, ed. L. Kuster, 1705, Bd. 3, S. 248 = Suda ρ 3 Adler. Als Übersetzung von lat. Liktoren: Polybios, Historiae 5,26,10.
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ihr einen Kampfrichter und Aufseher und Vorsizer erwählet, welcher darauf halte, daß Jeder von euch das gehörige Maaß in seinen Reden beobachte. — Das gefiel den Anwesenden, und sie lobten ihn alle, und Kallias versicherte er würde mich nicht loslassen, und sie baten einen Aufseher zu erwählen. Ich sagte also, es würde schimpflich sein einen Kampfrichter für unser Gespräch zu bestellen; denn wenn der gewählte schlechter wäre als wir, so wäre es nicht richtig, daß der Schlechtere über Bessere die Aufsicht führe. Wenn er uns ähnlich wäre, wäre es auch so nicht richtig; denn der Aehnliche würde auch ähnliches wie wir thun, so daß er ganz zum Ueberfluß würde gewählt sein. Aber ihr wer|det freilich einen Besseren als wir sind erwählen. Einen in der That weiseren als unser Protagoras, ist euch, glaube ich, unmöglich zu wählen. Werdet ihr aber einen wählen, der nichts besser ist, von dem ihr es aber behauptet, so ist auch das für diesen hier schimpflich, daß ihr ihm wie einem gemeinen Menschen einen Aufseher bestellt, denn mir für mein Theil gilt es gleich. Dieses aber will ich thun, damit wie ihr es wünscht Unterhaltung und Gespräch zwischen uns zu Stande komme. Wenn Protagoras nicht antworten will, so mag er fragen und ich will antworten, und dabei versuchen ihm zu zeigen, wie ich meine, daß der Antwortende antworten müsse. Nachdem aber ich geantwortet habe wie nur er hat fragen gewollt, soll auch er wiederum gleichermaaßen mir Rede stehen; und
ihr einen Kampfrichter und Aufseher und Vorsizer erwählet, welcher darauf halte, daß Jeder von euch das gehörige Maaß in seinen Reden beobachte. — Das gefiel den Anwesenden, und sie lobten ihn alle, und Kallias versicherte er würde mich nicht loslassen, und sie baten einen Aufseher zu erwählen. Ich sagte also, es würde schimpflich sein einen Kampfrichter für unser Gespräch zu bestellen; denn wenn der gewählte schlechter wäre als wir, so wäre es nicht richtig, daß der Schlechtere über Bessere die Aufsicht führe. Wenn er uns ähnlich wäre, wäre es auch so | nicht richtig; denn der Aehnliche würde auch ähnliches wie wir thun, so daß er ganz zum Ueberfluß würde gewählt sein. Aber ihr werdet freilich einen Besseren als wir sind erwählen. Einen in der That weiseren als unser Protagoras, ist euch, glaube ich, unmöglich zu wählen. Werdet ihr aber einen wählen, der nichts besser ist, von dem ihr es aber behauptet, so ist auch das für diesen hier schimpflich, daß ihr ihm wie einem gemeinen Menschen einen Aufseher bestellt, denn mir für mein Theil gilt es gleich. Dies aber will ich thun, damit wie ihr es wünscht Unterhaltung und Gespräch zwischen uns zu Stande komme. Wenn Protagoras nicht antworten will: so mag er fragen und ich will antworten, und dabei versuchen ihm zu zeigen, wie ich meine, daß der Antwortende antworten müsse. Nachdem aber ich geantwortet habe wieviel nur er hat fragen gewollt, soll auch er wiederum gleichermaaßen mir Rede stehen; und
T 39 antworten] verdruckt anworten W1
S 41 wieviel] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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Protagoras Ed. Bipontina
Vorarbeiten (handschriftlich)
δοκῇ πρόθυμος εἶναι πρὸς αὐτὸ τὸ ἐρωτώμενον ἀποκρίνεσθαι, καὶ ἐγὼ καὶ ὑμεῖς κοινῇ δεησόμεθα αὐτοῦ ἅπερ ὑμεῖς ἐμοῦ, μὴ διαφθείρειν τὴν συνουσίαν. καὶ οὐδὲν δεῖ τούτου ἕνεκα ἕνα ἐπιστάτην γενέσθαι, ἀλλὰ πάντες κοινῇ ἐπιστατήσετε. Ἐδόκει πᾶσιν οὕτω ποιητέον εἶναι. καὶ ὁ Πρωταγόρας πάνυ μὲν οὐκ ἤθελεν, ὅμως δὲ ἠναγκάσθη ὁμολογῆσαι ἐρωτήσειν· καὶ ἐπειδὰν ἱκανῶς ἐρωτήσῃ, πάλιν δώσειν λόγον, κατὰ σμικρὸν ἀποκρινόμενος. Ἤρξατο οὖν ἐρωτᾷν οὑτωσί πως, Ἡγοῦμαι, ἔφη, ὦ Σώκρατες, ἐγὼ ἀνδρὶ παιδείας μέγιστον μέρος εἶναι, περὶ ἐπῶν δεινὸν εἶναι. ἔστι δὲ τοῦτο, τὰ ὑπὸ τῶν ποιητῶν λεγόμενα οἷόντ᾽ εἶναι ξυνιέναι ἅ τε ὀρθῶς πεποίηται, καὶ ἃ μή· καὶ ἐπίστασθαι διελεῖν τε καὶ ἐρωτώμενον λόγον δοῦναι. καὶ δὴ καὶ νῦν ἔσται τῳ ἐρώτημα περὶ τοῦ αὐτοῦ μὲν περὶ οὗπερ ἐγώ τε καὶ σὺ νῦν διαλεγόμεθα, περὶ ἀρετῆς. μετενηνεγμένον δὲ εἰς ποίησιν, τοσοῦτον μόνον διοίσει. λέγει γάρ που Σιμωνίδης πρὸς Σκόπαν τὸν Κρέοντος υἱὸν τοῦ Θετταλοῦ, ὅτι
22 τῳ] τὸ konj. Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina), Variae lectiones, S. 359 Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 567) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 62 [205,1], vgl. Cornarius (Spalte 2 zu 339b am Ende) und Spld. (Spalte 2), übersetzt W1 W2
Noten Spaldings (SN 157) zu 339a (Z. 22): τῳ ἐρώτημα ist wol ein bloßer Drukfehler für τὸ ἐρ.? [nachträglich hinzugefügt:] Ich sehe, schon Stefanus korrigirt. S Spld. Vgl. Spalte 1 App.
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zeigt er sich nicht geneigt auf das gefragte selbst zu antworten, dann wollen ich und ihr ihn insgemein bitten, wie ihr jezt mich, uns die Unterhaltung nicht zu zerstören. Und es braucht deshalb nicht ein eigener Aufseher bestellt zu werden, sondern ihr Alle könnt insgemein die Aufsicht führen. Alle waren der Meinung so müßte es gehalten werden. Und Protagoras wollte zwar gar nicht recht, ward aber doch genöthigt zu versprechen, daß er fragen, und wenn er genug gefragt hätte, auch wiederum Rede stehen und in der Kürze antworten wollte. Er fing also an zu fragen, ohngefähr so. Ich glaube, sprach er, o Sokrates, daß es ein wichtiges Stük der Bildung ist für einen Mann, in Gedichten stark zu sein. Dies besteht aber darin, daß er im Stande ist, das von den Dichtern gesagte zu verstehen was gut gedichtet ist und was nicht, auch es erklären und | wenn er gefragt wird, Rechenschaft geben zu können. So soll auch jezt zwischen uns die Frage noch ferner von derselben Sache sein, worüber wir izt sprechen ich und du, nämlich von der Tugend, nur zunächst in Beziehung auf ein Gedicht, dies soll der ganze Unterschied sein. Simonides sagt doch irgendwo zum Skopas dem Sohne des Thessalier Kreon:
zeigt er sich nicht geneigt auf das gefragte selbst zu antworten, dann wollen ich und ihr ihn insgemein bitten, wie ihr jezt mich, uns die Unterhaltung nicht zu zerstören. Und es braucht deshalb nicht Einer Aufseher zu sein, sondern ihr Alle könnt insgemein die Aufsicht führen. Alle waren der Meinung, so müßte es gehalten werden. Und Protagoras wollte zwar gar nicht recht, ward aber doch genöthigt zu versprechen, daß er fragen, und wenn er genug gefragt hätte, auch wiederum Rede stehen und in der Kürze antworten wollte. Er fing also an zu fragen, ohngefähr so. Ich glaube, sprach er, o Sokrates, daß es ein wichtiges Stük der Unterweisung ist für einen Mann, in Gedichten stark zu sein. Dies | besteht aber darin, daß er im Stande ist, das von den Dichtern gesagte zu verstehen was gut gedichtet ist und was nicht, auch es erklären und wenn er gefragt wird, Rechenschaft geben zu können. So soll auch jezt zwischen uns die Frage noch ferner von derselben Sache sein, worüber wir jezt sprechen ich und du, nämlich von der Tugend, nur zunächst in Beziehung auf ein Gedicht, dies soll der ganze Unterschied sein. Simonides sagt doch irgendwo zum Skopas dem Sohne des Thessalier Kreon:
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ἄνδρα ἀγαθὸν μὲν ἀλαθέως γενέσθαι, χαλεπόν, χερσί τε καὶ ποσὶ καὶ νόῳ τετράγωνον, ἄνευ ψόγου τετυγμένον. τοῦτο ἐπίστασαι τὸ ᾆσμα, ἢ πᾶν σοι διεξέλθω; — Καὶ ἐγὼ εἶπον ὅτι, Οὐδὲν δεῖ. ἐπίσταμαί τε γάρ, καὶ πάνυ μοι τυγχάνει μεμεληκὸς τοῦ ᾄσματος. — Εὖ, ἔφη, λέγεις. πότερον οὖν καλῶς σοι δοκεῖ πεποιῆσθαι καὶ ὀρθῶς; ἢ οὔ; — Πάνυ, ἔφην ἔγωγε, καὶ ὀρθῶς. — Δοκεῖ δέ σοι καλῶς πεποιῆσθαι, εἰ ἐναντία λέγει αὐτὸς αὑτῷ ὁ ποιητής; — Οὐ καλῶς, ἦν δ᾽ ἐγώ. — Ὅρα δή, ἔφη, βέλτιον. — Ἀλλ᾽, ὦ ᾽γαθέ, ἔσκεμμαι
Vorarbeiten (handschriftlich)
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 339b (Z. 7 f.): και πανυ μοι τυγχανει μεμεληκος του ασματος – consuetudo quaedam adeo mihi cum hoc carmine est. Ecl. Graece legendum τυγχανει μελετη τις του ασματος. Vulgo partim μεμεληκις partim μεμεληκος, utrunque falso habetur. Et paulo ante εσται το ερωτημα non εσται τῳ ἐρωτημα. Simonides-Zitate (SN 156/2) zu 339ab (Z. 1-4): Ανδρα αγαθον μεν ἀλαθεως γενεσθαι χαλεπον χερσι τε και ποσι και νοῳ τετραγωνον, ανευ ψογου τετυγμενον. – Anführung des Protagoras, aber eigene Worte des Simonides. Ueb: Ein wakrer Mann zu werden schon wahrhaftig ist schwer, kernfest von Hand und Fuß und Gesinnung und tadellos gebildet.
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 339b (Z. 1): [in der Hs. nach der folgenden Note:] Was soll im Deutschen das „ s c h o n “ ? Auch muß ja das ἀλαθέως nothwendig zu ἀγαθὸν gezogen werden, nicht zu χαλεπόν. [nachträglich hinzugefügt:] Freilich ist’s anders gemeint, wie ich sehe 343.e. Übers. (verl.) von 339b (Z. 3): [in der Hs. vor der vorangehenden Note:] „kernfester“ „gediegener“? Noch ist freilich der herliche τετράγωνος nicht ausgedrükt. Aber wie zu machen? [nachträglich hinzugefügt:] cf. 344.a. 10f Πάνυ, ἔφην ἔγωγε, καὶ ὀρθῶς.] Πάνυ, ἔφην ἐγώ, καλῶς τε καὶ ὀρθῶς Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 62 [205,11 f], übersetzt W2
T Exz.Corn. 4 μελετη τις] danach με o. ä. S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 446 und Ecl. S. 513.
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Ein treflicher Mann zu werden schon wahrhaftig ist schwer, ein kernfester von Hand und Fuß und Sinn und tadellos gebildeter. Kennst du das Lied, oder soll ich es dir ganz hersagen? — Ich sagte, es ist nicht nöthig, denn ich kenne es, und gar viel Mühe habe ich gehabt um das Lied. — Schön, sprach er. Glaubst du also, daß dies gut und richtig gedichtet ist oder nicht? — Sehr gut, sagte ich, und auch richtig. — Dünkt dich das gut gedichtet, wenn der Dichter sich selbst widerspricht? — Nicht gut, sagte ich. — Ueberlege es dir noch besser, sprach er. — Aber mein Guter, ich habe es hinlänglich bedacht.
Ein treflicher Mann zu werden schon wahrhaftig ist schwer, ein kernfester von Hand und Fuß und Sinn und tadellos gebildeter. Kennst du das Lied, oder soll ich es dir ganz hersagen? — Ich sagte, es ist nicht nöthig, denn ich kenne es, und gar viel habe ich mich gemüht um das Lied. — Schön, sprach er. Glaubst du also, daß dies gut und richtig gedichtet ist oder nicht? — Sehr, sagte ich, gut und auch richtig. — Dünkt dich das denn gut gedichtet, wenn der Dichter sich selbst widerspricht? — Nicht gut, sagte ich. — Ueberlege es dir noch besser, sprach er. — Aber mein Guter, ich habe es hinlänglich bedacht.
S 11f Sehr, sagte ich, gut und auch richtig.] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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ἱκανῶς. — Οἶσθα οὖν, ἔφη, ὅτι προϊόντος τοῦ ᾄσματος λέγει που, Οὐδέ μοι ἐμμελέως τὸ Πιττάκειον νέμεται, καίτοι σοφοῦ παρὰ φωτὸς εἰρημένον. χαλεπὸν φάτο ἐσθλὸν ἔμμεναι. ἐννοεῖς ὅτι ὁ αὐτὸς οὗτος καὶ τάδε λέγει, κᾀκεῖνα τὰ ἔμπροσθεν; — Οἶδα, ἦν δ᾽ ἐγώ. — Δοκεῖ οὖν σοι, ἔφη, ταῦτα ἐκείνοις ὁμολογεῖσθαι; — Φαίνεται ἔμοιγε. Καὶ ἅμα μέντοι ἐφοβούμην μή τι λέγῃ· Ἀτάρ, ἔφην ἐγώ, σοὶ οὐ φαίνεται; — Πῶς γὰρ ἂν φαίνοιτο ὁμολογεῖν αὐτὸς ἑαυτῷ ὁ ταῦτα ἀμφότερα λέγων· ὅς γε τὸ μὲν πρῶτον αὐτὸς ὑπέθετο χαλεπὸν εἶναι, ἄνδρα ἀγαθὸν γενέσθαι ἀλαθείᾳ· ὀλίγον δὲ τοῦ ποιήματος εἰς τὸ πρόσθεν προελθὼν ἐπελάθετο· καὶ Πιττακὸν τὸν ταυτὰ
Vorarbeiten (handschriftlich)
Simonides-Zitate (SN 156/2) zu 339c (Z. 2-6): Ουδε μοι ἐμμελεως το Πιττακειον νεμεται, καιτοι σοφου παρα φωτος εἰρημενον. χαλεπον φατο ἐσθλον εμμεναι. – Wiederum direkte Citation des Protagoras. Die lezten Worte hat Heyne auch mit ins Gedicht gezogen. Merkwürdig daß Sokrates die Verschiedenheit von αγαθον und ἐσθλον nicht indicirt. Ueb. Auch ist mir nicht abgemessen genug das Pittakeische Wort, obwol von einem weisen Mann gesprochen, da er sagt Schwer ist es treflich zu sein. zu 339d (Z. 14-17): ὃς ... αυτος υπεθετο χαλεπον ειναι ανδρα αγαθον γενεσθαι ἀλαθειᾳ – Indirekte Wiederholung des Prot. mit Verwechslung des ἀλαθεως und ἀλαθειᾳ. Ueb. Der zuerst selbst den Saz aufstellt es sei schwer in Wahrheit ein wakrer Mann zu werden.
Noten Spaldings (SN 157) zu 339c (Z. 11): ἐφοβούμην μή τι λέγῃ. Muß es nicht heißen — λέγοι.
17 ἀλαθείᾳ] ἀληθείᾳ Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 569) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 62 [206,3]
T Sim.Zit. 12 treflich] über gut | 18 in Wahrheit] über wahrhaft (vgl. Spalte 1 App.) S Sim.Zit. 5 Zu Heyne s. u. S. 768.
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— Weißt du wohl, sprach er, daß er weiterhin im Gedicht irgendwo sagt: Auch ist mir nicht abgemessen genug das Pittakeische Wort obwohl von einem weisen Manne gesprochen: schwer ist es, sagt er, tugendlich sein. Bedenkst du wohl, daß er derselbige Mann dieses sagt, und auch jenes vorige? — Ich weiß wohl, sagte ich. — Dünkt dich denn, sprach er, dieses mit jenem übereinzustimmen? — Mir scheint es, sagte ich. Zugleich aber ward mir bange, was er sagte möchte doch etwas sein, und ich fragte. Also dir erscheint es nicht so? — Wie sollte auch wohl derjenige mit sich selbst übereinstimmend erscheinen, der dieses beides sagt, zuerst selbst annimmt, es sei schwer in Wahrheit ein treflicher Mann zu | werden, nachdem er aber etwas weiter vorgerükt ist im Gedicht, dies wieder vergißt und den Pittakos, der ganz
— Weißt du also, sprach er, daß er weiterhin im Gedicht irgendwo sagt: Auch ist mir nicht abgemessen genug das Pittakeische Wort obwohl von einem weisen Manne gesprochen: schwer ist es, sagt er, tugendlich sein. Bedenkst du wohl, daß er derselbige Mann dieses sagt, und auch jenes vorige? — Ich weiß wohl, sagte ich. — Dünkt dich denn, sprach er, dieses mit jenem übereinzustimmen? — Mir scheint es, sagte ich. Zugleich aber ward mir bange, was er sagte, möchte doch etwas sein, und ich fragte: Also dir erscheint es nicht so? — Wie sollte auch wohl derjenige | mit sich selbst übereinstimmend erscheinen, der dieses beides sagt, zuerst selbst annimmt, es sei schwer in Wahrheit ein treflicher Mann zu werden, nachdem er aber etwas weiter vorgerükt ist im Gedicht, dies wieder vergißt und den Pittakos, der ganz
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λέγοντα ἑαυτῷ, ὅτι χαλεπὸν ἐσθλὸν ἔμμεναι, τοῦτον μέμφεταί τε, καὶ οὔ φησιν ἀποδέχεσθαι αὐτοῦ τὰ αὐτὰ ἑαυτῷ λέγοντος. καίτοι ὁπότε τὸν ταυτὰ λέγοντα αὑτῷ μέμφεται, δῆλον ὅτι καὶ ἑαυτὸν μέμφεται. ὥστε ἤτοι τὸ πρότερον ἢ ὕστερον οὐκ ὀρθῶς λέγει. Εἰπὼν οὖν ταῦτα, πολλοῖς θόρυβον παρέσχε καὶ ἔπαινον τῶν ἀκουόντων. καὶ ἐγώ, τὸ μὲν πρῶτον, ὡσπερεὶ ὑπὸ ἀγαθοῦ πύκτου πληγείς, ἐσκοτώθην τε καὶ ἰλιγγίασα, εἰπόντος αὐτοῦ ταῦτα, καὶ τῶν ἄλλων ἐπιθορυβησάντων· ἔπειτα (ὥς γε πρός σε εἰρῆσθαι τἀληθῆ) ἵνα μοι χρόνος ἐκγένηται τῇ σκέψει τί λέγει ὁ ποιητής τρέπομαι πρὸς τὸν Πρόδικον· καὶ καλέσας αὐτόν, Ὦ Πρόδικε, ἔφην ἐγώ, σὸς μέντοι Σιμωνίδης πολίτης· δίκαιος εἶ βοηθεῖν τῷ ἀνδρί. δοκῶ οὖν μοι ἐγὼ
15 πρός σε] πρὸς σὲ Heindorf 1810 Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. W2 16 ἐκγένηται] ἐγγένηται konj. Spld. (Spalte 2) Heindorf 1810 z. St. (S. 570), im Text Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 62 [206,15]
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 339d (Z. 1 f.): [nachträglich hinter der vorhergehenden Note hinzugefügt:] Ihr t u g e n d l i c h gefällt. [zu 341e (?):] Für γέρας weiß ich nichts besseres. Übers. (verl.) von 339d (Z. 9): das „wieder“ finde ich nicht im Text, bei dem Beifallslerm der Umstehenden nach Protagoras Rede. Indessen es ist gut, um auf das vorige hinzuweisen; Wenn Sie anders dergleichen Verschönerung sich erlauben. Oder lesen Sie ταῦτα αὖ πολλ. 339e (Z. 16): Soll nicht ἐγγένηται gelesen werden für ἐκγ?
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dasselbe sagt wie er, daß es schwer sei tugendlich sein, darüber tadelt, und ihm nicht beistimmen will, da er doch ganz das nämliche wie er selbst behauptet. Wenn er nun den tadelt, der dasselbe wie er sagt, so ist doch offenbar, daß er sich selbst auch tadelt. So daß entweder das erste oder das andere nicht richtig ist. Als er das gesagt, erregte er wieder Geräusch und Beifall von Vielen der Zuhörer. Mir aber wurde zuerst, als wäre ich von einem guten Faustkämpfer tüchtig getroffen, ganz dunkel vor den Augen und schwindlich als er das sagte und die Andern das Geräusch des Beifalls erhoben. Hernach aber wendete ich mich, damit ich dir doch die Wahrheit sage, um Zeit zu gewinnen zum Nachdenken, was der Dichter wohl meinte, zum Prodikos, rief ihn auf und sagte: Prodikos, dein Landsmann ist ja Simonides, du bist schuldig dem Manne beizustehen. Ich werde dich also dünkt mich zu
dasselbe sagt wie er, daß es schwer sei tugendlich sein, darüber tadelt, und ihm nicht beistimmen will, da er doch ganz das nämliche wie er selbst behauptet. Wenn er nun den tadelt, der dasselbe wie er sagt, so ist doch offenbar, daß er sich selbst auch tadelt. So daß entweder das erste oder das andere nicht richtig ist. Als er das gesagt, erregte er wieder Geräusch und Beifall von Vielen der Zuhörer. Mir aber wurde zuerst, wie von einem guten Faustkämpfer tüchtig getroffen, ganz dunkel vor den Augen und schwindlich, als er das sagte und die Andern das Geräusch des Beifalls erhoben. Hernach aber wendete ich mich, damit ich doch dir wenigstens die Wahrheit sage, um Zeit zu gewinnen zum Nachdenken, was der Dichter wohl meinte, zum Prodikos, rief ihn auf und sagte: Prodikos, dein Landsmann ist ja Simonides, du bist schuldig dem Manne beizustehen. Ich werde dich also dünkt mich zu
S 19 dir wenigstens] nach Heindorf und Bekker wie Spalte 1 App.
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παρακαλεῖν σε, ὥσπερ ἔφη Ὅμηρος, τὸν Σκάμανδρον πολιορκούμενον ὑπὸ τοῦ Ἀχιλλέως, τὸν Σιμόεντα παρακαλεῖν, εἰπόντα, Φίλε κασίγνητε, σθένος ἀνέρος ἀμφότεροί περ Σχῶμεν. Ἀτὰρ καὶ ἐγώ σε παρακαλῶ, μὴ ἡμῖν ὁ Πρωταγόρας τὸν Σιμωνίδην ἐκπέρσῃ. καὶ γὰρ οὖν καὶ δεῖται τὸ ὑπὲρ Σιμωνίδου ἐπανόρθωμα τῆς σῆς μουσικῆς, ᾗ τό τε βούλεσθαι καὶ ἐπιθυμεῖν διαιρεῖς, ὡς οὐ ταυτὸν ὄν. καὶ ἃ νῦν δὴ εἶπες, πολλά τε καὶ καλά· καὶ νῦν σκόπει εἴ σοι συνδοκεῖ ὅπερ ἐμοί. οὐ γὰρ φαίνεται ἐναντία λέγειν αὐτὸς αὑτῷ Σιμωνίδης. σὺ γάρ, ὦ Πρόδικε, προαπόφῃναι τὴν σὴν γνώμην. ταυτόν σοι δοκεῖ εἶναι τὸ γενέσθαι καὶ τὸ εἶναι; ἢ ἄλλο; — Ἄλλο, νὴ Δί᾽, ἔφη ὁ Πρόδικος. — Οὐκοῦν, ἔφην ἐγώ, ἐν μὲν τοῖς πρώτοις αὐτὸς ὁ Σιμωνίδης τὴν ἑαυτοῦ γνώμην ἀπεφῄνατο,
Homer-Stellen (SN 156/2) zu 340a (Z. 4-6): Il. xxi 308 Φιλε κασιγνητε, σθενος ἀνερος ἀμφοτεροί περ σχῶμεν.
S Homer Zu diesem Vers aus der Ilias findet sich in SN 156/2 nicht wie zu 315b ein hsl. Exzerpt aus der Übersetzung von Johann Heinrich Voß: Homers Ilias 1793. Voß’ Übersetzung ist jedoch in W1 wörtlich übernommen; sogar der groß geschriebene Versanfang (V. 309 Bändigen) ist dort unverändert geblieben.
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Hülfe rufen, wie Homeros erzählt,23 daß Skamandros vom Achilleus bedrängt den Simoëis zu Hülfe gerufen und gesagt habe: Bruder wohlan! die Gewalt des Mannes da müssen wir beid’ izt Bändigen. Dergestalt rufe auch ich dich herbei, damit Protagoras uns den Simonides nicht ganz werf’ in den Staub. Ueberdies auch bedarf des Simonides Vertheidigung deine Tonkunst, durch welche du das Wollen und Begehren unterscheidest, daß das nicht einerlei ist, und was du mir eben wieder in dieser Art Vieles und Schönes gesagt hast. Sieh doch also auch hier zu, ob du derselben Meinung bist wie ich. Mir nämlich scheint es nicht, als ob Simonides sich selbst widerspräche. Du aber, Prodikos, | eröfne zuerst deine Meinung. Dünkt dich das Werden und das Sein einerlei oder zweierlei? — Zweierlei beim Zeus, sagte Prodikos. — Hatte nun nicht, sprach ich, in der ersten Stelle Simonides seine eigne Meinung
Hülfe rufen, wie Homeros erzählt,24 daß Skamandros vom Achilleus bedrängt den Simoeis zu Hülfe gerufen und gesagt habe: Bruder wohlan! die Gewalt des Mannes da müssen wir beid’ jezt bändigen. Dergestalt rufe auch ich dich herbei, damit Protagoras uns den Simonides nicht ganz werf’ in den Staub. Ueberdies auch bedarf des Simonides Vertheidigung deine Kunst, durch welche du das Wollen und Begehren unterscheidest, daß das nicht einerlei ist, und was du nur eben wieder Vieles und Schönes gesagt hast. Sieh doch also auch hier zu, ob | du derselben Meinung bist wie ich. Mir nämlich scheint es nicht, als ob Simonides sich selbst widerspräche. Du aber, Prodikos, eröfne zuerst deine Meinung. Dünkt dich das Werden und das Sein einerlei oder zweierlei? — Zweierlei beim Zeus, sagte Prodikos. — Hatte nun nicht, sprach ich, in der ersten Stelle Simonides seine eigene Meinung
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wie Homeros XXI., 308.
erzählt.
S Anm. 23 Vgl. Spalte 2 mit App. S.
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wie Homeros XXI., 308.
erzählt.
S Anm. 24 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 23.
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ὅτι ἄνδρα ἀγαθὸν ἀληθείᾳ γενέσθαι, χαλεπὸν εἴη; — Ἀληθῆ λέγεις, ἔφη ὁ Πρόδικος. — Τὸν δέ γε Πιττακόν, ἦν δ᾽ ἐγώ, μέμφεται, οὐχ ὡς οἴεται Πρωταγόρας, τὸ αὐτὸ ἑαυτῷ λέγοντα, ἀλλ᾽ ἄλλο. οὐ γὰρ τοῦτο ὁ Πιττακὸς ἔλεγε, τὸ Χαλεπὸν γενέσθαι ἐσθλόν, ὥσπερ ὁ Σιμωνίδης, ἀλλὰ τὸ Ἔμμεναι. ἔστι δὲ οὐ ταὐτόν, ὦ Πρωταγόρα, ὥς φησι Πρόδικος ὅδε, τὸ εἶναι καὶ τὸ γενέσθαι. εἰ δὲ μὴ τὸ αὐτό ἐστι τὸ εἶναι τῷ γενέσθαι, οὐκ ἐναντία λέγει ὁ Σιμωνίδης αὐτὸς ἑαυτῷ. καὶ ἴσως ἂν φαίη Πρόδικος ὅδε, καὶ ἄλλοι
6–9 οὐ γὰρ τοῦτο ὁ Πιττακὸς ἔλεγε, τὸ Χαλεπὸν γενέσθαι ἐσθλόν, ὥσπερ ὁ Σιμωνίδης, ἀλλὰ τὸ Ἔμμεναι.] οὐ γὰρ ὁ Πιττακὸς ἔλεγε, τὸ χαλεπόν, γενέσθαι ἐσθλὸν, ὥς περ ὁ Σιμωνίδης, ἀλλὰ τοῦτ᾽, ἔμμεναι· Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W2 10 ταὐτόν] hier und im Folgenden ταυ- ohne Spiritus Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina)
Simonides-Zitate (SN 156/2) zu 340b (Z. 1 f.): ὁτι ἀνδρα ἀγαθον ἀληθειᾳ γενεσθαι χαλεπον εἰη Indirekte Wiederholung des Sokrates, auch mit Verwechslung. Ueb. es sei schwer ein wakrer Mann in Wahrheit zu werden.
S Sim.Zit. Vgl. zu 339d, wo auch Verwechslung des ἀλαθεως und ἀλαθειᾳ hervorgehoben ist.
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dahin geäußert, daß ein treflicher Mann in Wahrheit zu werden schwer wäre? — Du hast ganz recht, sagte Prodikos. — Und Pittakos, fuhr ich fort, den er tadelt, sagt gar nicht wie Protagoras glaubt dasselbe, sondern etwas Anderes. Denn Pittakos sagt gar nicht schwer ist es tugendlich werden, wie Simonides, sondern sein. Und wie unser Prodikos sagt, o Protagoras, so ist Werden und Sein gar nicht das nämliche, ist aber Werden und Sein nicht dasselbe, so hat auch Simonides nicht sich selbst widersprochen. Vielleicht würde auch Prodikos und mancher Andere sa-
dahin geäußert, daß ein treflicher Mann in Wahrheit zu werden schwer sei? — Du hast ganz recht, sagte Prodikos. — Und Pittakos, fuhr ich fort, den er tadelt, sagt gar nicht wie Protagoras glaubt dasselbe, sondern etwas Anderes. Denn Pittakos erklärt gar nicht das für das schwere tugendlich werden, wie Simonides, sondern das, Sein. Und wie unser Prodikos sagt, o Protagoras, so ist Werden und Sein25 gar nicht das nämliche, ist aber Werden und Sein nicht dasselbe, so hat auch Simonides nicht sich selbst widersprochen. Vielleicht würde auch Prodikos und mancher Andere sa25
W e r d e n u n d S e i n . Wer hier der Uebersezung Händel machen wollte weil γενέσθαι da stehe und nicht γίγνεσθαι, dem könnte ich nur entgegnen, daß die Hauptsache doch auch hier ist das der Veränderung unterworfene, und daß wir für diesen Gebrauch doch in der Folge unser Werden stempeln müssen, und dieses hier voran nehmen. Sich aber noch mehr mit Genauigkeit zieren und Gewordensein schreiben, das scheint diesem Ort zu wenig angemessen; Einmal mußte es weiter unten doch geschehen. Doch ist jeder gebeten hier überall in das Werden das unstäte veränderliche mit hineinzudenken. So wird weiter unten nicht widersinnig spizfindig erscheinen, daß wer schlecht werden soll erst muß gut gewesen sein.
S 7–10 Denn Pittakos erklärt gar nicht das für das schwere tugendlich werden, wie Simonides, sondern das, Sein.] nach Bekker wie Spalte 1 App. S Anm. 25 27 ff. Zu Gewordensein s. u. 345b (S. 775,4–6).
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πολλοὶ, καθ᾽ Ἡσίοδον, γενέσθαι μὲν ἀγαθόν, χαλεπὸν εἶναι. τῆς γὰρ ἀρετῆς ἔμπροσθεν τοὺς θεοὺς ἱδρῶτα θεῖναι· ὅταν δέ τις αὐτῆς εἰς ἄκρον ἵκηται, ῥηϊδίην δ᾽ ἔπειτα πέλειν, χαλεπήν περ ἐοῦσαν ἐκτῆσθαι. — Ὁ μὲν οὖν Πρόδικος ἀκούσας ταῦτα, ἐπῄνεσέ με. ὁ δὲ Πρωταγόρας, Τὸ ἐπανόρθωμα σοι, ἔφη, ὦ Σώκρατες, μεῖζον ἁμάρτημα ἔχει ἢ ὃ ἐπανορθοῖς. — Καὶ ἐγὼ εἶπον, Κακὸν ἄρα μοι εἴργασται, ὡς ἔοικεν, ὦ Πρωταγόρα· καὶ εἰμί τις γελοῖος ἰατρός· ἰώμενος μεῖζον τὸ νόσημα ποιῶ. — Ἀλλ᾽ οὕτως ἔχει, ἔφη. — Πῶς δή; ἦν δ᾽ ἐγώ. — Πολλὴ ἄν, ἔφη, ἀμαθία εἴη τοῦ ποιητοῦ, εἰ οὕτω φαῦλόν τι φησὶν εἶναι τὴν ἀρετὴν ἐκτῆσθαι, ὅ ἐστι πάντων χαλεπώτατον, ὡς ἅπασι δοκεῖ ἀνθρώποις. — Καὶ ἐγὼ εἶπον, Νὴ τὸν Δία, εἰς καιρόν γε παρατετύχηκεν ἡμῖν ἐν τοῖς λόγοις Πρόδικος ὅδε. κινδυνεύει γάρ τοι, ὦ Πρωταγόρα, ἡ Προδίκου σοφία, θεία τὶς εἶναι πάλαι· ἤτοι ἀπὸ Σιμωνίδου ἀρξαμένη, ἢ καὶ ἔτι παλαιοτέρα. σὺ δὲ ἄλλων πολλῶν ἔμπειρος ὤν, ταύτης ἄπειρος εἶναι φαίνῃ, οὐχ ὥσπερ ἐγώ, ἔμπειρος, διὰ τὸ μαθητὴς εἶναι Προδίκου τουτουΐ. καὶ νῦν μοι δοκεῖς οὐ μανθάνειν ὅτι καὶ τὸ χαλεπὸν τοῦτο ἴσως οὐχ οὕτω
Noten Spaldings (SN 157) zu 340e (Z. 14 f.): Soll es denn etwa heißen ποιῶν statt ποιῶ? Oder vielmehr wol: εἰ ἰώμενος μεῖζον τὸ νόσημα ποιῶ. Das εἰ ging verloren vor dem Iota in ἰώμ.
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gen, nach dem Hesiodos24 sei gut zu werden zwar schwer, denn vor die Tugend hätten die Götter den Schweiß gestellt, wäre aber einer erst zum Gipfel gelanget, alsdann werde sie leicht, wie schwer sie zuvor auch gewesen zu erlangen. — Als Prodikos dies hörte, lobte er mich. Protagoras aber sagte: Deine Vertheidigung, Sokrates, ist noch schlimmer als was du vertheidigst. — Dann, sprach ich, habe ich schlechte Arbeit gemacht, und bin wohl ein lächerlicher Arzt, wenn ich durch meine Behandlung die Krankheit verschlimmere. — Aber so verhält es sich, sagte er. — Und wie so? fragte ich. — Großer Unverstand, sprach er, wäre ja das von dem Dichter, wenn er es so für etwas geringes hielte die Tugend zu besizen, was unter allem das schwierigste ist, wie alle Menschen glauben. — Darauf sprach ich: Beim Zeus, recht zur gelegenen Zeit ist Prodikos uns zugegen bei der Verhandlung. Denn es mag | wohl, o Protagoras, des Prodikos Weisheit eine göttliche sein schon seit lange her, habe sie nun vom Simonides angefangen oder noch weit eher. Du aber wiewohl so vieles Anderen kundig bist dieser offenbar unkundig, nicht wie ich kundig als ein Schüler des Prodikos. Auch izt dünkst du mich nicht zu merken, daß Simonides auch dieses Schwer
gen, nach dem Hesiodos26 sei gut zu werden zwar schwer, denn vor die Tugend hätten die Götter den Schweiß gestellt, wäre aber einer erst zum Gipfel gelanget, alsdann werde sie leicht, wie schwer sie zuvor auch gewesen zu erlangen. — Als Prodikos dies hörte, lobte er mich. Protagoras aber sagte: Deine Vertheidigung, Sokrates, hat noch schlimmere Gebrechen als was du vertheidigst. — Dann, sprach ich, habe ich schlechte Arbeit gemacht, und bin wohl ein lächerlicher Arzt, wenn ich durch meine Behandlung die Krankheit verschlimmere. — Aber so verhält es sich, sagte er. — Und wie so? fragte ich. — Großer Unverstand, sprach er, wäre ja das von dem Dichter, wenn er es so für etwas geringes hielte die Tugend zu besizen, was unter allem das schwierigste ist, | wie alle Menschen glauben. — Darauf sprach ich: Beim Zeus, recht zur gelegenen Zeit ist Prodikos uns zugegen bei der Verhandlung. Denn es mag wohl, o Protagoras, des Prodikos Weisheit eine göttliche sein schon seit lange her, habe sie nun vom Simonides angefangen oder noch weit eher. Du aber wiewohl so vieles Anderen kundig bist dieser offenbar unkundig, nicht wie ich kundig weil ich ein Schüler des Prodikos bin. Auch jezt dünkst du mich nicht zu merken, daß auch dieses Schwer
24 n a c h 289.
26 n a c h 289.
dem
Hesiodos.
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S Anm. 24 Hesiod, Erga kai Hemerai (Werke und Tage) 289 f.: τῆς δ᾽ ἀρετῆς ἱδρῶτα θεοὶ προπάροιθεν ἔθηκαν / ἀθάνατοι ...
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S Anm. 26 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 24.
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Σιμωνίδης ὑπέλαβεν ὥσπερ σὺ ὑπολαμβάνεις· ἀλλ᾽ ὥσπερ περὶ τοῦ δεινοῦ Πρόδικός με οὑτοσὶ νουθετεῖ ἑκάστοτε, ὅταν ἐπαινῶν ἐγὼ ἤ σε ἢ ἄλλόν τινα, λέγω ὅτι Πρωταγόρας σοφὸς καὶ δεινός ἐστιν ἀνήρ, ἐρωτᾷ εἰ οὐκ αἰσχύνομαι τἀγαθὰ δεινὰ καλῶν. τὸ γὰρ δεινόν, φησί, κακόν ἐστιν. οὐδεὶς γοῦν λέγει ἑκάστοτε δεινοῦ πλούτου, οὐδὲ δεινῆς εἰρήνης, οὐδὲ δεινῆς ὑγιείας· ἀλλὰ δεινῆς νόσου, καὶ δεινοῦ πολέμου, καὶ δεινῆς πενίας· ὡς τοῦ δεινοῦ κακοῦ ὄντος. ἴσως οὖν καὶ τὸ χαλεπὸν αὖ οἱ Κεῖοι καὶ ὁ Σιμωνίδης ἢ κακὸν ὑπολαμβάνουσιν, ἢ ἄλλό τι ὃ σὺ οὐ μανθάνεις. ἐρώμεθα οὖν Πρόδικον. (δίκαιον γὰρ τὴν Σιμωνίδου φωνὴν τοῦτον ἐρωτᾷν) Τί ἔλεγεν, ὦ Πρόδικε, τὸ χαλεπὸν Σιμωνίδης; — Κακόν, ἔφη. — Διὰ ταῦτ᾽ ἄρα καὶ μέμφεται, ἦν δ᾽ ἐγώ, ὦ Πρόδικε, τὸν Πιττακὸν, λέγοντα, Χαλεπὸν ἐσθλὸν ἔμμεναι, ὥσπερ ἂν εἰ ἤκουεν αὐτοῦ λέγοντος ὅτι ἐστὶ κακὸν ἐσθλὸν ἔμμεναι. — Ἀλλὰ τί οἴει, ἔφη, λέγειν, ὦ Σώκρατες, Σιμωνίδην ἄλλο, ἢ τοῦτο, καὶ ὀνειδίζειν τῷ Πιττακῷ ὅτι τὰ ὀνόματα οὐκ ἠπίστατο ὀρθῶς διαιρεῖν, ἅτε Λέσβιος ὢν, καὶ ἐν φωνῇ βαρβάρῳ τεθραμμένος; — Ἀκούεις δή, ἔφην ἐγώ, ὦ Πρωταγόρα, Προδίκου τοῦδε· ἔχεις τὶ πρὸς ταῦτα λέγειν; — Καὶ ὁ Πρωταγόρας, Πολλοῦ γε δεῖ, ἔφη, οὕτως ἔχειν, ὦ Πρόδικε. ἀλλ᾽ ἐγὼ εὖ οἶδ᾽
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vielleicht gar nicht so gemeint hat, wie du es meinst, sondern wie Prodikos mich immer schilt wegen des Furchtbaren, wenn ich dich oder einen andern lobend sage, Protagoras ist doch gar ein weiser und furchtbarer Mann, und mich fragt, ob ich mich denn nicht schäme etwas Gutes furchtbar zu nennen. Denn das Furchtbare, sagt er, ist böse, kein Mensch redet ja jemals von furchtbarem Reichthum oder furchtbarem Frieden oder furchtbarer Gesundheit, sondern von furchtbarer Krankheit, furchtbarem Kriege, furchtbarer Armuth. Vielleicht nun verstehen eben so die Keer und mit ihnen Simonides unter Schwer entweder das Böse oder sonst etwas was du nicht weißt. Laß uns also den Prodikos fragen, denn es ist ja billig über des Simonides Sprache ihn zu befragen. Was doch, o Prodikos, hat Simonides mit dem Schwer gemeint? — Das Böse, sagte er. — Und deswegen, Prodikos, sprach ich, tadelt er auch wohl den Pittakos, welcher sagt Schwer ist es tugendlich sein, als ob er ihn hätte sagen gehört Böse ist es tugendlich sein. — Was sonst, sagte er, glaubst du denn habe Simonides sagen gewollt als eben dieses, und daß er dem Pittakos vorwerfen will er wisse die Worte nicht zu unterscheiden, wie denn dieser auch ein Lesbier war, ein in barbarischer Mundart auferzogener. — Du hörst doch, Protagoras, sprach ich, was Prodikos sagt; hast du etwas dagegen | zu sagen? — Darauf sagte Protagoras: Weit gefehlt, Prodikos, daß es sich so verhalten sollte. Sondern das
Simonides vielleicht gar nicht so gemeint hat, wie du es meinst, sondern wie Prodikos mich immer schilt wegen des Furchtbaren, wenn ich dich oder einen andern lobend sage, Protagoras ist doch gar ein weiser und furchtbarer Mann, fragt, ob ich mich denn nicht schäme etwas Gutes furchtbar zu nennen, denn das Furchtbare, sagt er, ist böse, kein Mensch redet ja jemals von furchtbarem Reichthum oder furchtbarem Frieden oder furchtbarer Gesundheit, sondern von furchtbarer Krankheit, furchtbarem Kriege, furchtbarer Armuth, so daß das Furchtbare böses ist. Vielleicht nun verstehen eben so die Keer und mit ihnen Simonides unter Schwer entweder das Böse oder sonst etwas was du nicht weißt. Laß uns also den Prodikos fragen, denn es ist ja billig über des Simonides Sprache ihn zu befragen, was doch, o Prodikos, hat Simonides mit dem Schwer gemeint? — Böses, sagte er. — Und deswegen, Prodikos, sprach ich, tadelt er auch wohl den Pittakos, welcher sagt Schwer ist es tugendlich sein, als ob er ihn hätte sagen gehört Böse ist es tugendlich sein. — Was sonst, sagte er, glaubst du denn habe Simonides sagen gewollt als eben dieses, und daß er dem Pittakos vorwerfen will, er wisse die Worte nicht zu | unterscheiden, wie denn dieser auch ein Lesbier war, ein in barbarischer Mundart auferzogener. — Du hörst doch, Protagoras, sprach ich, was Prodikos sagt; hast du etwas dagegen zu sagen? — Darauf sagte Protagoras: Weit gefehlt, Prodikos, daß es sich so verhalten sollte. Sondern das
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ὅτι καὶ Σιμωνίδης τὸ χαλεπὸν ἔλεγεν ὅπερ ἡμεῖς οἱ ἄλλοι· οὐ τὸ κακόν, ἀλλ᾽ ὃ ἂν μὴ ῥᾴδιον ᾖ, ἀλλὰ διὰ πολλῶν πραγμάτων γίγνηται. — Ἀλλὰ καὶ ἐγὼ οἶμαι, ἔφην, ὦ Πρωταγόρα, τοῦτο λέγειν Σιμωνίδην, καὶ Πρόδικόν γε τόνδε εἰδέναι· ἀλλὰ παίζειν, καὶ σοῦ δοκεῖν ἀποπειρᾶσθαι εἰ οἷόστ᾽ ἔσῃ τῷ σαυτοῦ λόγῳ βοηθεῖν. ἐπεὶ ὅτι γε Σιμωνίδης οὐ λέγει τὸ χαλεπὸν, κακόν, μέγα τεκμήριόν ἐστιν εὐθὺς τὸ μετὰ τοῦτο ῥῆμα. λέγει γὰρ ὅτι θεὸς ἂν μόνος ἔχοι τοῦτο γέρας· οὐ δή που τοῦτό γε λέγων, κακὸν ἐσθλὸν ἔμμεναι. εἶτα τὸν θεὸν φησὶ μόνον τοῦτο ἂν ἔχειν, καὶ τῷ θεῷ τοῦτο γέρας ἀπένειμε μόνῳ. ἀκόλαστον γὰρ ἄν τινα λέγοι Σιμωνίδην ὁ Πρόδικος, καὶ οὐδαμῶς Κεῖον. ἀλλ᾽ ἅ μοι δοκεῖ διανοεῖσθαι Σιμωνίδης ἐν τούτῳ τῷ ᾄσματι, ἐθέλω σοι εἰπεῖν,
Simonides-Zitate (SN 156/2) zu 341e (Z. 13 f.): οτι θεος αν μονος εχοι τουτο γερας. – Zwar indirekte Citation des Sokr. mit ὁτι, es scheinen aber doch ipsissima verba zu sein. Auch Heyne so. Ueb: wo er sagt: Gott allein mag dieses Kleinod besizen. Sollte nicht das ευθυς το μετα τουτο darauf deuten daß dies gleich folgt? Heyne hat einen Strich gemacht.
T Sim.Zit. 3 scheinen] korr. aus scheint
17f τοῦτο γέρας] τοῦτο τὸ γέρας Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 577)
S Sim.Zit. Zu Heyne s. u. S. 768. Zur Übersetzung von γέρας s. o. die Note Spaldings (SN 157) zu 339d.
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weiß ich ganz gewiß, daß Simonides unter Schwer eben das verstanden hat, was wir Andern darunter verstehn, nämlich nicht das Böse, sondern das was nicht leicht ist, sondern nur durch viele Mühe zu erlangen. — Auch ich glaube, sprach ich, daß Simonides dieses gemeint hat, und daß auch Prodikos es recht gut weiß, er scherzt aber und scheint dich versuchen zu wollen, ob du im Stande sein wirst deinem Saz beizustehen. Denn daß Simonides unter dem Schweren nicht das Böse versteht, davon ist gleich das folgende ein deutlicher Beweis wo er sagt: Gott allein mag diese Ehre besizen. Denn hätte er gesagt Böse ist es tugendhaft sein, so konnte er ja unmöglich hernach sagen dies komme Gott allein zu, und Gott allein diese Ehre beilegen. Oder Prodikos müßte einen ganz ruchlosen Simonides meinen und gar nicht einen Keïschen. Aber was mir Simonides zu beabsichtigen scheint in diesem Liede, das will ich
weiß ich ganz gewiß, daß Simonides unter Schwer eben das verstanden hat, was wir Andern darunter verstehn, nämlich nicht das Böse, sondern das was nicht leicht ist, sondern nur durch viele Mühe zu erlangen. — Auch ich glaube, sprach ich, daß Simonides dieses gemeint hat, und daß auch Prodikos es recht gut weiß, er scherzt aber und scheint dich versuchen zu wollen, ob du im Stande sein wirst deinem Saz beizustehen. Denn daß Simonides unter dem Schweren nicht das Böse versteht, davon ist gleich das folgende ein deutlicher Beweis wo er sagt: Gott allein mag diese Ehre besizen. Denn hätte er gesagt Böse ist es tugendlich sein; so konnte er ja unmöglich hernach sagen dies komme Gott allein zu, und Gott allein dies als Vorzug beilegen. Oder Prodikos müßte einen ganz ruchlosen Simonides meinen und gar nicht einen Keïschen. Aber was mir Simonides zu meinen scheint in diesem Liede, das will ich dir sagen,
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εἰ βούλει λαβεῖν μου πεῖραν ὅπως ἔχω ὃ σὺ λέγεις, τοῦτο περὶ ἐπῶν· ἐὰν δὲ βούλῃ, σοῦ ἀκούσομαι. — Ὁ μὲν οὖν Πρωταγόρας ἀκούσας μου ταῦτα λέγοντος, Εἰ σὺ βούλει, ἔφη, ὦ Σώκρατες. ὁ δὲ Πρόδικός τε καὶ ὁ Ἱππίας ἐκελευέτην πάνυ, καὶ οἱ ἄλλοι. — Ἐγὼ τοίνυν, ἦν δ᾽ ἐγώ, ἅ γε μοι δοκεῖ περὶ τοῦ ᾄσματος τούτου πειράσομαι ὑμῖν διεξελθεῖν. Φιλοσοφία γάρ ἐστι παλαιοτάτη τε καὶ πλείστη τῶν Ἑλλήνων ἐν Κρήτῃ τε καὶ ἐν Λακεδαίμονι· καὶ σοφισταὶ πλεῖστοι γῆς ἐκεῖ εἰσιν, ἀλλ᾽ ἐξαρνοῦνται, καὶ σχηματίζονται ἀμαθεῖς εἶναι, ἵνα μὴ κατάδηλοι ὦσιν ὅτι σοφίᾳ τῶν Ἑλλήνων περίεισιν· (ὥσπερ οὓς Πρωταγόρας ἔλεγε τοὺς σοφιστάς·) ἀλλὰ δοκῶσι τῷ μάχεσθαι καὶ ἀνδρείᾳ περιεῖναι· ἡγούμενοι, εἰ γνωσθεῖεν ὅπέρ εἰσι, πάντας τοῦτο ἀσκήσειν. νῦν δὲ ἀποκρυψάμενοι ἐκεῖνο, ἐξηπατήκασι τοὺς ἐν ταῖς πόλεσι λακωνίζον-
1f ὅπως ἔχω ὃ σὺ λέγεις, τοῦτο περὶ ἐπῶν·] ὅπως ἔχω περὶ ὃ σὺ λέγεις ... konj. Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina), Variae lectiones, S. 359 Spld. (SN 157) (Spalte 2), übersetzt W1 W2 | ὅπως ἔχω, ὃ σὺ λέγεις τοῦτο, περὶ ἐπῶν· Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 578) Ed.Berlin 1816 (Bekker) 8 τοίνυν] verdruckt τοίνην Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina) 21 ὅπέρ εἰσι] ᾧ περίεισι Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 63 [211,6], übersetzt W2
Noten Spaldings (SN 157) zu 342a (Z. 1 f.): Scheint Ihnen also Stefanus mit seinem περὶ, welches er einschiebt zwischen ἔχω und ὃ, den Ort völlig zu heilen? Ich glaube es auch fast. Er selbst glaubte es nicht. Aber sagen Sie nichts darüber? S Spld. Vgl. Spalte 1 App.
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dir sagen, wenn du doch einen Versuch von mir sehen willst, ob ich was du nennst in Gedichten stark bin; wenn du aber willst, will ich es von dir hören. — Protagoras nun, als er mich dies sagen hörte, sagte: Wenn du willst, Sokrates. Prodikos und Hippias aber drangen sehr darauf und die andern auch. — So will ich denn, sprach ich, was ich von diesem Liede denke, versuchen euch darzulegen. Am allerältesten nämlich und auch am ausgebreitetsten ist unter den Hellenen die Philosophie in Kreta und Lakedämon. Auch die meisten Sophisten sind dort zu Lande, aber sie verläugnen es und stellen sich unwissend, damit sie nicht bekannt dafür werden, daß sie die | übrigen Hellenen an Weisheit übertreffen, eben wie jene Sophisten von welchen Protagoras vorher sagte, sondern damit sie das Ansehen haben als überträfen sie sie nur im Fechten und in der Tapferkeit, weil sie glauben, wenn sie für das erkannt würden was sie sind, würden sich eben darauf Alle befleißigen. Nun aber indem sie das wahre verborgen gehalten, haben sie die in andern Staaten Lakonisirenden
wenn du doch einen Versuch von mir sehen willst, ob ich was du nennst in Gedichten stark bin; wenn du aber willst, will ich es von dir hören. — Protagoras nun, als er mich dies sagen hörte, sagte: Wenn du willst, Sokrates. Prodikos und Hippias aber drangen sehr darauf und die andern auch. — So will ich denn, sprach ich, was mich von diesem Liede dünkt, versuchen euch darzulegen. Nemlich die älteste und meiste Philosophie unter den Hellenen ist in Kreta und Lakedaimon. | Auch die meisten Sophisten sind dort zu Lande, aber sie verläugnen es und stellen sich unwissend, damit sie nicht bekannt dafür werden, daß sie die übrigen Hellenen an Weisheit übertreffen, eben wie jene Sophisten von welchen Protagoras vorher sagte, sondern damit sie das Ansehen haben als überträfen sie sie nur im Fechten und in der Tapferkeit, weil sie glauben, wenn bekannt würde worin ihre Stärke bestehe, würden sich eben darauf Alle befleißigen. Nun aber indem sie das wahre verborgen gehalten, haben sie die in andern Städten Lakonisirenden
S 26 worin ihre Stärke bestehe] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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τας. καὶ οἱ μὲν ὦτά τε κατάγνυνται, μιμούμενοι αὐτούς, καὶ ἱμάντας περιειλίττονται, καὶ φιλογυμναστοῦσι, καὶ βραχείας ἀναβολὰς φοροῦσιν· ὡς δὴ τούτοις κρατοῦντας τῶν Ἑλλήνων τοὺς Λακεδαιμονίους. οἱ δὲ Λακεδαιμόνιοι ἐπειδὰν βούλωνται ἀνέδην τοῖς παρ᾽ αὐτοῖς συγγενέσθαι σοφισταῖς, καὶ ἤδη ἄχθωνται λάθρα ξυγγιγνόμενοι, ξενηλασίας ποιούμενοι τῶν τε λακωνιζόντων τούτων, καὶ ἐάν τις ἄλλος ξένος ὢν ἐπιδημήσῃ, συγγίγνονται τοῖς σοφισταῖς λανθάνοντες τοὺς ξένους· καὶ αὐτοὶ οὐδένα ἐῶσι τῶν νέων εἰς τὰς ἄλλας πόλεις ἐξιέναι, ὥσπερ οὐδὲ Κρῆτες, ἵνα μὴ ἀπομανθάνωσιν ἃ αὐτοὶ διδάσκουσι. εἰσὶ δὲ ἐν ταύταις ταῖς πόλεσιν οὐ μόνον ἄνδρες ἐπὶ παιδεύσει μέγα φρονοῦντες, ἀλλὰ καὶ γυναῖκες. γνοίητε δ᾽ ἂν ὅτι ἐγὼ ταῦτα ἀληθῆ λέγω, καὶ Λακεδαιμόνιοι πρὸς φιλοσοφίαν καὶ λόγους ἄριστα πεπαίδευνται, ὧδε. εἰ γὰρ ἐθέλει τὶς Λακεδαιμονίων τῷ φαυλοτάτῳ συγγενέσθαι, τὰ μὲν πολλὰ ἐν τοῖς λόγοις εὑρήσει αὐτὸν φαῦλόν τινα φαινόμενον, ἔπειτα ὅπου ἂν τύχοι τῶν λεγομένων, ἐνέβαλε ῥῆμα ἄξιον λόγου βραχὺ καὶ συνεστραμμένον, ὥσπερ δεινὸς ἀκοντιστής· ὥστε φαίνεσθαι τὸν προσδιαλεγόμενον παιδὸς μηδὲν βελτίω. τοῦτο οὖν αὐτὸ καὶ τῶν νῦν εἰσὶν οἳ κατανενοήκασι καὶ τῶν
11f τῶν τε λακωνιζόντων τούτων, καὶ ἐάν τις ἄλλος] τῶν τε λακωνιζόντων τούτων καὶ ἐάν τις ἄλλος Heindorf 1810 Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. W2
Vorarbeiten (handschriftlich)
Noten Spaldings (SN 157) zu 342b (Z. 1): Müssen Sie nicht eine Anmerkung hinsezen, um die ὦτα κατεαγότα der Kämpfer ins Licht zu sezen, wovon Winkelmann spricht, und die Heyne | (wenn ich nur wüste: wo?) bespricht. [offenbar nach Recherche:] Doch. Die Stelle steht Heyne Antiqq. Aufss. Stük 2. p. 252.3. Ich seze sie nicht her, weil, wenn Sie auch sie anführen wolten, es immer genug ist, mit der Zitazion der Seite. Übers. (verl.) von 342c (Z. 5 f.): Ich möchte nicht sicher bauen auf ἐν τούτοις oder τούτοις. Indessen das b e h e r s c h e n wird ja wol auch so haarscharf nicht genommen werden. Solte nicht gelinder sein b e s i e g t e n ? Denn die ausdrükliche Anerkennung eines Herschers von den Lakedämoniern über die Hellenen scheint mir doch bedenklich. Vielleicht so: „die Lakedämonier den Hellenen überlegen wären.“ S Spld. Johann Joachim Winckelmann: Geschichte der Kunst des Alterthums, 2. Aufl., Wien 1776, S. 365 f.; Christian Gottlob Heyne: Sammlung antiquarischer Aufsätze, Zweites Stück, Leipzig 1779, S. 252 f. – Schleiermacher hat zu dieser Stelle keine Anmerkung in W1 und W2 gemacht. Zu Platon, Gorgias 515e verweist er in den Anmerkungen zu seiner Übersetzung in Bd. II/1 (W1 [1805], S. 486; W2 [1818], S. 494) auf den Protagoras, sc. diese Stelle. Vgl. auch Heindorf 1810 z. St. (S. 579).
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getäuscht, daß diese um ihnen nachzuahmen sich die Ohren einschlagen, nicht anders als mit Kampfriemen gehen, sich ganz den Leibesübungen ergeben und kurze Mäntel tragen, als ob hiedurch die Lakedämonier die Hellenen beherrschten. Die Lakedämonier aber, wenn sie einmal in Ruhe ihren Sophisten zuhören wollen, und es ihnen schon zuwider ist sich nur heimlich bei ihnen zu versammeln, veranstalten sie eine Austreibung dieser Lakonisirenden, und wer sonst noch von Fremden sich bei ihnen aufhält, und besuchen dann ihre Sophisten den Fremden unvermerkt. Sie aber lassen von ihren Jünglingen keinen in andere Staaten reisen, wie auch die Kreter nicht, damit sie nicht verlernen was sie ihnen lehren. Und in diesen beiden Staaten giebt es nicht nur Männer, welche sich ihrer Ausbildung rühmen, sondern auch Frauen. Daß ich aber dies Alles mit Wahrheit sage und die Lakedämonier auch zur Philosophie und zum Reden am besten unterrichtet sind, das könnt ihr hieraus abnehmen. Wenn sich Jemand auch mit dem schlechtesten Lakedämonier einläßt, er wird finden, daß dieser sich lange Zeit in seinen Reden ganz schlecht zeigt, hernach aber wo es sich trifft im Gespräch schießt er auf ihn ein tüchtiges ganz kurzes zusammengedrängtes Wort wie ein gewaltiger Bogenschüze, so daß | wer mit ihm spricht nicht besser als ein Kind gegen ihn erscheint. Eben dieses nun haben Einige von den Neueren wohl eingesehen und auch von den Alten,
getäuscht, daß diese um ihnen nachzuahmen sich die Ohren einschlagen, nicht anders als mit Kampfriemen gehen, sich ganz den Leibesübungen ergeben und kurze Mäntel tragen, als ob hierdurch die Lakedaimonier die Hellenen beherrschten. Die Lakedaimonier aber, wenn sie einmal in Ruhe ihren Sophisten zuhören wollen, und es schon satt haben sich nur heimlich bei ihnen zu versammeln, veranstalten sie eine Fremdenaustreibung jener Lakonisirenden sowohl als wer sonst noch von Fremden sich bei ihnen aufhält, und besuchen dann ihre Sophisten den Fremden unvermerkt. Sie aber lassen von ihren Jünglingen keinen in andere Städte reisen, wie auch die Kreter nicht, damit sie nicht verlernen was sie ihnen lehren. Und in diesen beiden Staaten giebt es nicht nur Männer, welche sich ihrer Kenntnisse rühmen, sondern auch Frauen. Daß ich aber dies Alles mit Wahrheit sage, und die Lakedaimonier auch zur Philosophie und zum Reden am besten unterrichtet sind, das könnt ihr hieraus abnehmen. Wenn sich Jemand auch mit dem schlechtesten Lakedaimonier einläßt, er wird finden, daß dieser sich lange Zeit in seinen Reden ganz | schlecht zeigt, hernach aber wo es sich trifft im Gespräch schießt er auf ihn ein tüchtiges ganz kurzes zusammengedrängtes Wort wie ein gewaltiger Bogenschüze, so daß wer mit ihm spricht nicht besser als ein Kind gegen ihn erscheint. Eben dieses nun haben sowohl von den Neueren einige eingesehen als auch von den
S 13f jener…noch] nach Heindorf und Bekker wie Spalte 1 App.
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πάλαι, ὅτι τὸ λακωνίζειν, πολὺ μᾶλλόν ἐστι φιλοσοφεῖν ἢ φιλογυμναστεῖν· εἰδότες ὅτι τοιαῦτα οἷόντ᾽ εἶναι ῥήματα φθέγγεσθαι, τελέως πεπαιδευμένου ἐστὶν ἀνθρώπου. τούτων ἦν καὶ Θαλῆς ὁ Μιλήσιος, καὶ Πιττακὸς ὁ Μιτυληναῖος, καὶ Βίας ὁ Πριηνεύς, καὶ Σόλων ὁ ἡμέτερος, καὶ Κλεόβουλος ὁ Λίνδιος, καὶ Μύσων ὁ Χηνεύς· καὶ ἕβδομος ἐν τούτοις ἐλέγετο Λακεδαιμόνιος Χίλων. οὗτοι πάντες, ζηλωταὶ καὶ ἐρασταὶ καὶ μαθηταὶ ἦσαν τῆς Λακεδαιμονίων παιδείας. καὶ καταμάθοι ἄν τις αὐτῶν τὴν σοφίαν τοιαύτην οὖσαν, ῥήματα βραχέα ἀξιομνημόνευτα ἑκάστῳ εἰρημένα. οὗτοι καὶ κοινῇ ξυνελθόντες ἀπαρχὴν τῆς σοφίας ἀνέθεσαν τῷ Ἀπόλλωνι εἰς τὸν νεὼν τὸν ἐν Δελφοῖς, γράψαντες ταῦτα ἃ δὴ πάντες ὑμνοῦσι, Γνῶθι σαυτόν· καὶ, Μηδὲν ἄγαν. τοῦ δὴ ἕνεκα ταῦτα λέγω; ὅτι οὗτος ὁ τρόπος ἦν τῶν παλαιῶν τῆς φιλοσοφίας, βραχυλογία τις Λακωνική· καὶ δὴ καὶ τοῦ Πιττακοῦ ἰδίᾳ περιεφέρετο τοῦτο τὸ ῥῆμα ἐγκωμιαζόμενον ὑπὸ τῶν σοφῶν, τό, Χαλεπὸν ἐσθλὸν ἔμμεναι. ὁ οὖν Σιμωνίδης, ἅτε φιλότιμος ὢν ἐπὶ σοφίᾳ, ἔγνω ὅτι εἰ καθέλοι τοῦτο τὸ ῥῆμα, ὥσπερ εὐδοκιμοῦντα ἀθλητήν, καὶ περιγένοιτο αὐτοῦ, αὐτὸς εὐδοκιμήσειε τοῖς τότε ἀνθρώποις. εἰς τοῦτο οὖν τὸ ῥῆμα καὶ τούτου ἕνεκα τούτῳ ἐπιβουλεύων, κολοῦσαι αὐτὸ ἅπαν τὸ ᾆσμα πεποίηκεν, ὥς μοι φαίνεται.
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 343a (Z. 10): „Chen“ Ich habe in Ihren Text hineinkorrigirt „Chenae“. So nennt Pausanias die Stadt, und Sie werden sich doch nicht auf die Autorität von A t h e n berufen! 7 Μιτυληναῖος] Μυτι- Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 63 [212,15], vgl. W2
S Spld. Pausanias, Graeciae Descriptio 10, 24,1.
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daß das Lakonisiren weit mehr in der Liebe zur Weisheit besteht als in der Liebe zu den Leibesübungen, wohl wissend, daß solche Sprüche reden zu können nur dem vollkommen Unterrichteten gegeben ist. Unter diesen nun waren auch Thales von Miletos, Pittakos von Mitylene, Bias von Priene, Solon von uns, Kleobulos von Lindos, Myson von Chenä, und der siebente der zu diesen gezählt wird Chilon ist selbst ein Lakedämonier. Alle diese waren Nacheiferer, Verehrer und Lehrlinge der Lakedämonischen Künste. Denn Jeder kann ihre Weisheit wissen, daß sie von dieser Art ist, kurze denkwürdige Sprüche die ein jeder geredet hat. So haben sie auch gemeinschaftlich Musterstüke ihrer Weisheit dem Apollon und seinem Delphischen Tempel gewidmet, das aufzeichnend was in aller Munde ist, das Kenne dich selbst und Nichts zu viel. Weshalb sage ich nun dieses? weil das die Weise der Alten war in der Philosophie, dergleichen lakonische kurze Säze. Und so ging auch dieser Spruch des Pittakos herum von den Weisen vielgepriesen: Schwer ist es tugendlich sein. Simonides nun, auch dem Ruhm der Weisheit nachtrachtend, gedachte wenn er diesen Spruch niederwerfen könnte wie einen berühmten Fechter und überwinden, müßte auch er berühmt werden unter seinen Zeitgenossen. Gegen diesen Spruch also, dem er dieser Ursach wegen nachstellte, um ihn zu unterdrücken hat er das ganze Lied gedichtet wie es
Alten, daß das Lakonisiren weit mehr in der Liebe zur Weisheit besteht als in der Liebe zu den Leibesübungen, wohl wissend, daß solche Sprüche reden zu können nur dem vollkommen Unterrichteten gegeben ist. Unter diesen nun waren auch Thales von Miletos, Pittakos von Mytilene, Bias von Priene, unser Solon, Kleobulos von Lindos, Myson von Chenä, und als der siebente wurde zu diesen gezählt der Lakedaimonier Chilon. Alle diese waren Nacheiferer, Verehrer und Lehrlinge der Lakedaimonischen Künste. Denn Jeder kann ihre Weisheit wissen, daß sie von dieser Art ist, kurze denkwürdige Sprüche die ein jeder geredet hat. Diese haben auch gemeinschaftlich Musterstükke ihrer Weisheit dem Apollon und seinem Delphischen Tempel gewidmet, darauf schreibend was in aller Munde ist, das Kenne dich selbst und Nichts zu viel. Weshalb sage ich nun dieses? weil das die Weise der Alten war in der Philosophie, solche lakonische Kurzrednerei. Und so ging auch dieser Spruch des Pittakos herum von den Weisen vielgepriesen: Schwer ist es tugendlich sein. Simonides nun, auch dem Ruhm der Weisheit nachtrachtend, gedachte, wenn er diesen Spruch niederwerfen könnte wie einen berühmten Fechter und überwinden, müßte auch er berühmt werden unter seinen Zeitgenossen. Gegen diesen Spruch also, und aus dieser Ursach, diesem nachstellend ihn zu un|terdrücken, hat er das ganze Lied gedichtet wie es mir
S 11 Chenä] aus Chen (in der verlorenen hsl. Druckvorlage) hergestellt durch Spalding (vgl. Spalte 2 Spld. [SN 157])
S 11 Chenä] Vgl. Spalte 3 App. S.
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ἐπισκεψώμεθα δὴ αὐτὸ κοινῇ πάντες, εἰ ἄρα ἐγὼ ἀληθῆ λέγω. εὐθὺς γὰρ τὸ πρῶτον τοῦ ᾄσματος μανικὸν ἂν φανείη, εἰ βουλόμενος λέγειν ὅτι ἄνδρα ἀγαθὸν γενέσθαι χαλεπόν, ἔπειτα ἐνέβαλε τὸ Μέν. τοῦτο γὰρ οὐδὲ πρὸς ἕνα λόγον φαίνεται ἐμβεβλῆσθαι. ἐὰν μή τις ὑπολάβῃ πρὸς τὸ τοῦ Πιττακοῦ ῥῆμα ὥσπερ ἐρίζοντα λέγειν τὸν Σιμωνίδην· λέγοντος τοῦ Πιττακοῦ ὅτι χαλεπὸν ἐσθλὸν ἔμμεναι, ἀμφισβητοῦντα εἰπεῖν ὅτι οὔκ· ἀλλὰ γενέσθαι μὲν χαλεπὸν ἄνδρα ἀγαθόν ἐστιν, ὦ Πιττακέ, καὶ ὡς ἀληθῶς οὐκ ἀληθείᾳ ἀγαθόν. οὐκ ἐπὶ τούτῳ λέγει τὴν ἀλήθειαν, ὡς ἄρα ὄντων τινῶν, τῶν μέν, ὡς ἀληθῶς ἀγαθῶν, τῶν δέ, ἀγαθῶν μέν, οὐ μέντοι ἀληθῶς· (εὔηθες γὰρ τοῦτό γε φαίην ἂν, καὶ οὐ Σιμωνίδου) ἀλλ᾽ ὑπερβατὸν δεῖ θεῖναι ἐν τῷ ᾄσματι τὸ Ἀληθέως, οὑτωσί πως ὑπειπόντα τό, τοῦ Πιττακοῦ, ὥσπερ ἂν εἰ θείημεν αὐτὸν λέγοντα τὸν Πιττα-
15f καὶ ὡς ἀληθῶς οὐκ ἀληθείᾳ ἀγαθόν.] καὶ ὡς ἀληθῶς· οὐκ ἀληθείᾳ ἀγαθόν, Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 586) | ὡς ἀληθῶς, – οὐκ ἀληθείᾳ ἀγαθόν, Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 63 [214,1 f.], vgl. W2 21 φαίην] φανείη Ed.Basel 1556 Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina), Variae lectiones, S. 359 Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 586) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 63 [214,4], übersetzt W2
Vorarbeiten (handschriftlich)
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 343d (Z. 6): επειτα ενεβαλε το Μεν pp. – postea iniiceret particulam quidem. Haec enim nulla ratione iniecta esse apparet, nisi quis accipiat adversus Pittaci dictum velut contendendo Simonidem dicere: et quum Pittacus dicat difficile est bonum esse disceptantem dicere, quod non ita sit, sed fieri quidem difficile est virum bonum o Pittace: et vere difficile, non vere bonum, non enim ob id vere dicit. Ecl. – in graecis legendum est .. εμβεβλησθαι, εαν μη τις ὑπολαβῃ πρ. τ. τ. Π. ρ. ω. ε. λ. τ. Σιμονιδην. και λεγ. τ. Π. ὁ. χ. ἐ. ε. α. ἐ.: ὁ. ὀ., α. γ. μ. χ. α. α. ε. ω. Π.: και χαλεπον ἀληθως ουκ αληθεια αγαθον. οὐ γαρ επι τουτῳ λεγει τὸ ἀληθως p. Haec est recta lectio, quam etiam latine expressimus. Vulgatam conferant docti cum hac et expendant. Simonides-Zitate (SN 156/2) zu 343d (Z. 13-16): γενεσθαι μεν χαλεπον ανδρα αγαθον εστιν, ω Πιττακε και ως αληθως ουκ αληθεια αγαθον – Zwar auch indirekte Citation des Sokrates, aber Vindicirung des αληθως. Uebs. Nein, sondern schon ein wakrer Mann zu | werden ist schwer o Pittakos, und ‚wahrhaftig‘ sezt er hinzu, nicht ein in Wahrheit guter.
S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 448 und Ecl. S. 513.
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mir scheint. Laßt es uns einmal betrachten, ob ich wohl recht habe. Denn gleich der Anfang des Liedes müßte als | unsinnig erscheinen, wenn er überhaupt nur hätte sagen wollen, daß es schwer wäre ein treflicher Mann zu werden und hätte doch dieses Schon hineingebracht. Denn dies muß ohne den mindesten Grund hineingeworfen zu sein scheinen, wenn man nicht annimmt Simonides sage es schon wie im Streit gegen den Spruch des Pittakos. Was nämlich Pittakos sagt, Schwer ist es tugendlich sein, dieses bestreitend sagt er: Nein sondern schon ein treflicher Mann zu werden ist schwer, o Pittakos, und wahrhaftig sezt er hinzu, nicht ein in Wahrheit treflicher. Denn dieses Wahrhaftig sagt er nicht in der Beziehung, als ob es Einige gäbe die wahrhaft treflich sind und wieder Andere, die zwar treflich sind, aber nicht in Wahrheit treflich, denn das wäre einfältig, würde ich wenigstens behaupten und nicht vom Simonides; sondern man muß annehmen dieses Wahrhaftig sei eine Wortversetzung in dem Liede, und so ohngefähr der Spruch des Pittakos hinzuzudenken, als wenn wir den Fall sezten, Pittakos selbst
scheint. Laßt es uns einmal betrachten, ob ich wohl recht habe. Denn gleich der Anfang des Liedes müßte als unsinnig erscheinen, wenn er überhaupt nur hätte sagen wollen, daß es schwer wäre ein treflicher Mann zu werden und hätte doch dieses Schon hineingebracht. Denn dies muß ohne den mindesten Grund hineingeworfen zu sein scheinen, wenn man nicht annimmt Simonides sage es wie im Streit gegen den Spruch des Pittakos. Was nämlich Pittakos sagt, Schwer ist es tugendlich sein, dieses bestreitend sagt er: Nein sondern schon ein treflicher Mann zu werden ist schwer, o Pittakos, wahrhaftig. Nicht etwa ein in Wahrheit treflicher; denn dieses Wahrhaftig sagt er nicht in der Beziehung, als ob es Einige gäbe die wahrhaft treflich sind und wieder Andere, die zwar treflich sind, aber nicht in Wahrheit treflich, denn das wäre ja offenbar einfältig und nicht vom Simonides; sondern man muß annehmen dieses Wahrhaftig sei eine Wortversetzung in dem Liede, und so ohngefähr der Spruch des Pittakos hinzuzudenken, als wenn wir den Fall sezten, Pittakos selbst
S 18f wahrhaftig. Nicht etwa ein in Wahrheit treflicher;] nach Bekker wie Spalte 1 App.; vgl. Heindorf 1810 25 offenbar] nach Heindorf und Bekker wie Spalte 1 App.
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κὸν, καὶ Σιμωνίδην ἀποκρινόμενον· εἰπόντα, Ὦ ἄνθρωποι, χαλεπὸν ἐσθλὸν ἔμμεναι· τὸν δέ, ἀποκρινόμενον ὅτι, Ὦ Πιττακὲ οὐκ ἀληθῆ λέγεις. οὐ γὰρ εἶναι ἀλλὰ γενέσθαι μέν ἐστιν ἄνδρα ἀγαθὸν χερσί τε καὶ ποσὶ καὶ νόῳ τετράγωνον, ἄνευ ψόγου τετυγμένον, χαλεπὸν ἀληθέως. οὕτω φαίνεται τὸ πρὸς λόγον, τὸ Μὲν ἐμβεβλημένον, καὶ τὸ Ἀλαθέως ὀρθῶς ἐπ᾽ ἐσχάτῳ κείμενον. καὶ τὰ ἐπιόντα πάντα τούτῳ μαρτυρεῖ ὅτι οὕτως εἴρηται. πολλὰ μὲν γάρ ἐστι καὶ περὶ ἑκάστου τῶν ἐν τῷ ᾄσματι εἰρημένων ἀποδεῖξαι ὡς
Vorarbeiten (handschriftlich)
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 343e (Z. 1 f.): και Σιμωνιδην αποκρινομενον, ειποντα p. – Ecl. et mox ubi habetur ειποντα ω ανθρωποι, legendum est τον μεν ειποντα Simonides-Zitate (SN 156/2) zu 344a (Z. 5-9): ου γαρ ειναι αλλα γενεσθαι μεν εστιν ανδρα αγαθον χερσι τε και ποσι και νοῳ τετραγωνον, ανευ ψογου τετυγμενον, χαλεπον ἀληθεως. – Ebenfalls indir. Citat. des Sokrates aber mit Erklärung des αληθεως. Ueb. denn nicht zu sein, sondern schon zu werden ein wakrer Mann, kernfest an Hand und Fuß und Sinn und tadellos gebildet ist schwer wahrhaftig.
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 344a (Z. 7): „ k e r n f e s t “ Siehe was ich oben bemerkt 339.b. [nachträglich hinzugefügt:] Und dann wäre auch in der Note bei dem Simonid. Fragment zu ändern. S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), Ecl. S. 513. | Spld. Zur Note bei dem Simonid. Fragment vgl. W1 Anm. 38 und W2 Anm. 39, wo es, wie von Spalding zu 339b vorgeschlagen (s. o. S. 738, Spalte 2), in der Übersetzung des Gedichtes heißt: ein gediegener von Hand und Fuß [...]
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redete und Simonides antwortete, und jener sagte: O ihr Leute, schwer ist es tugendlich sein; und dieser antwortete: O Pittakos, du redest nicht richtig; denn nicht zu sein, sondern schon zu werden ein treflicher Mann, kernfest an Hand und Fuß und Sinn und tadellos gebildet ist wahrhaftig schwer. Auf diese Art ist das Schon vernünftig hineingebracht und das schwer steht hinten wie es sich gebührt. Auch bestätiget alles folgende, daß es so gemeint ist. Denn vielfältig könnte man von jedem Einzelen in diesem Liede gesagten zeigen wie schön es
redete und Simonides antwortete, und jener sagte: O ihr Leute, schwer ist es tugendlich sein; und dieser antwortete: O Pittakos, du redest nicht richtig; denn nicht zu sein, sondern schon zu werden ein treflicher Mann, kernfest an Hand und Fuß und Sinn und tadellos gebildet ist wahrhaftig schwer. Auf diese Art ist das Schon vernünftig hineingebracht und das schwer steht hinten wie es sich gebührt; und auch alles folgende bestätiget, daß es so gemeint ist. Denn vielfältig könnte man von jedem Einzelen in diesem Liede gesagten zeigen, wie schön es
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εὖ πεποίηται. πάνυ γὰρ χαριέντως καὶ μεμελημένως ἔχει. ἀλλὰ μακρὸν ἂν εἴη αὐτὸ οὕτω διελθεῖν· ἀλλὰ τὸν τύπον αὐτοῦ τὸν ὅλον διεξέλθωμεν, καὶ τὴν βούλησιν, ὅτι παντὸς μᾶλλον ἔλεγχός ἐστι τοῦ Πιττακείου ῥήματος διὰ παντὸς τοῦ ᾄσματος. λέγει γὰρ μετὰ τοῦτο ὀλίγα διελθών, ὡσανεὶ λέγοι λόγον, ὅτι γενέσθαι μὲν ἄνδρα ἀγαθὸν χαλεπὸν ἀλαθέως· οἷόν τε μέντοι ἐπί γε χρόνον τινά. γενόμενον δέ, διαμένειν ἐν ταύτῃ τῇ ἕξει, καὶ εἶναι ἄνδρα ἀγαθόν, ὡς σὺ λέγεις, ὦ Πιττακέ, ἀδύνατον, καὶ οὐκ ἀνθρώπειον. ἀλλὰ θεὸς ἂν μόνος τοῦτο ἔχοι τὸ γέρας. ἄνδρα δὲ οὐκ ἔστι μὴ οὐ κακὸν ἔμμεναι, ὃν ἂν ἀμήχανος συμφορὰ καθέλῃ. τίνα οὖν ἀμήχανος συμφορὰ καθαιρεῖ ἐν πλοίου ἀρχῇ; δηλονότι οὐ τὸν ἰδιώτην. ὁ μὲν γὰρ ἰδιώτης ἀεὶ καθῄρηται. ὥσπερ οὖν οὐ τὸν κείμενον τὶς ἂν καταβάλοι, ἀλλὰ τὸν μὲν ἑστῶτά ποτε καταβάλοι ἄν τις, ὥστε κείμενον ποιῆσαι· τὸν δὲ κείμενον, οὔ· οὕτω καὶ τὸν εὐμήχανον ὄντα ποτὲ ἀμήχανος ἂν συμφορὰ καθέλοι, τὸν δὲ ἀεὶ ἀμήχανον ὄντα, οὔ. καὶ τὸν κυβερνήτην μέγας χειμὼν ἐπιπεσὼν ἀμήχανον ἂν ποιήσειε, καὶ γεωργὸν χαλεπὴ ὥρα ἐπελθοῦσα ἀμήχανον ἂν θείη· καὶ ἰατρὸν ταυτὰ ταῦτα. τῷ μὲν γὰρ ἐσθλῷ ἐγχωρεῖ κακῷ γενέσθαι·
Vorarbeiten (handschriftlich)
Simonides-Zitate (SN 156/2) zu 344c (Z. 15-19): αλλα θεος αν μονος τουτο εχοι το γερας. (Welches mögen nun die ipsissima verba sein. Diese hier mit dem Artikel oder die vorigen ohne Artikel? Wahrscheinlich das erstere, weil es das unregelmäßigste ist. Heyne auch so. Uebrigens sieht man aus dem ολιγα διελθων daß es nicht unmittelbar folgt:) Uebs. Sondern Gott allein mag dieses Kleinod besizen ανδρα δε ουκ εsστι μη ου κακον εμμεναι, ὁν αν αμηχανος συμφορα καθελη. (Das αμηχανος ist mir verdächtig weil es hernach auf den Menschen bezogen wird, ich möcht lesen νον oder νως) Scheinen ipsissima verba zu sein, so nimmt sie auch Heyne dessen Strich nach ανδρα δε mir aber ungegründet scheint. Ueb. Dem Menschen aber ist es nicht möglich nicht schlecht zu sein wenn haltlos ihn ein Unglük darniederwirft.
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 344b (Z. 1 f.): „anmuthig und bedeutsam“ Hier glaube ich wieder hat Ihnen der Attizismus mit dem χαριέντως nicht genug im | Sinne gelegen. Auch μεμελημένως ist mir nicht zu Dank gegeben durch „bedeutsam“. Ich würde sagen „gar zierlich und kunstgerecht“. T Sim.Zit. 2-8 Welches ... folgt:] nachträglich eingeklammert 6 Heyne auch so.] über der Zeile mit Einfügungszeichen S Sim.Zit. 1-10 αλλα θεος αν μονος τουτο εχοι το γερας ...] vgl. 341e (dort ohne Artikel) (s. S. 752, Spalte 2). Zu Heyne s. u. S. 768.
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gedichtet ist, denn es ist alles sehr anmuthig und bedeutsam; allein es wäre weitläuftig es so durchzugehen; aber den ganzen Umriß desselben laßt uns durchgehn | und die Absicht, daß sie auf alle Weise eine Widerlegung dieses Pittakeischen Spruches ist durch das ganze Lied. Denn er sagt hierauf, nachdem er noch einiges beigebracht wie wenn er den Saz ausführte, daß schon ein treflicher Mann zu werden wahrhaftig schwer ist, doch aber möglich auf einige Zeit wenigstens; wenn man es aber geworden ist auch in dieser Verfassung zu bleiben und ein treflicher Mann fortdauernd zu sein wie du sagst, Pittakos, das ist unmöglich und nicht dem Menschen angemessen, sondern Gott allein darf diese Ehre besizen. Dem Menschen aber ist nicht möglich nicht schlecht zu sein, wenn ihn ein rathloses Unglük danieder wirft. Wen wirft nun ein rathloses Unglük danieder bei der Regierung eines Schiffes? Offenbar doch nicht den Unkundigen, denn der ist schon immer niedergeworfen. So wie nun niemand den Liegenden niederreißen kann, sondern den Stehenden zwar kann man niederreißen, daß er ein Liegender wird, den Liegenden aber nicht: so kann auch nur den, der sich sonst wohl zu rathen weiß, ein rathloses Unglük danieder werfen, den immer rathlosen aber nicht. Und den Steuermann kann ein heftiger Sturm der ihn überfällt rathlos machen, den Landmann schlechte Witterung die sich ereignet, und ähnliches auch den Arzt. Denn dem Vortreflichen ist es möglich schlecht zu werden, wie auch ein anderer
gedichtet ist, | denn es ist alles sehr anmuthig und bedeutsam; allein es wäre weitläuftig es so durchzugehen; aber den ganzen Umriß desselben laßt uns durchgehn und die Absicht, daß sie auf alle Weise eine Widerlegung dieses Pittakeischen Spruches ist durch das ganze Lied. Denn er sagt hierauf, nachdem er noch einiges beigebracht, wie wenn er den Saz ausführte, daß schon ein treflicher Mann zu werden wahrhaftig schwer ist, doch aber möglich auf einige Zeit wenigstens; wenn man es aber geworden ist, auch in dieser Verfassung zu bleiben und ein treflicher Mann fortdauernd zu sein, wie du sagst, Pittakos, das ist unmöglich und nicht dem Menschen angemessen, sondern Gott allein darf diese Ehre besizen. Dem Menschen aber ist nicht möglich nicht schlecht sein, welchen ein rathloses Unglük niederwirft. Wen wirft nun ein rathloses Unglük nieder bei der Regierung eines Schiffes? Offenbar doch nicht den Unkundigen, denn der ist schon immer niedergeworfen. So wie nun niemand den Liegenden niederreißen kann, sondern den Stehenden zwar kann man niederreißen, daß er ein Liegender wird, den Liegenden aber nicht: so kann auch nur den, der sich sonst wohl zu rathen weiß, ein rathloses Unglük niederwerfen, den immer rathlosen aber nicht. Und den Steuermann kann ein heftiger Sturm der ihn überfällt rathlos machen, den Landmann schlechte Witterung die eintritt, und ähnliches auch den Arzt. Denn dem Vortreflichen kann es begegnen einmal schlecht geworden zu sein, wie auch ein anderer
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(ὥσπερ καὶ παρ᾽ ἄλλου ποιητοῦ μαρτυρεῖται, τοῦ εἰπόντος, Αὐτὰρ ἀνὴρ ἀγαθός, τοτὲ μὲν κακός, ἄλλοτε δ᾽ ἐσθλός·) τῷ δὲ κακῷ οὐκ ἐγχωρεῖ γενέσθαι, ἀλλ᾽ ἀεὶ εἶναι ἀνάγκη. ὥστε τὸν μὲν εὐμήχανον καὶ σοφὸν καὶ ἀγαθὸν ἐπειδὰν ἀμήχανος συμφορὰ καθέλῃ, οὐκ ἔστι μὴ οὐ κακὸν εἶναι· σὺ δὲ φῄς, ὦ Πιττακέ, χαλεπὸν ἐσθλὸν ἔμμεναι. τὸ δ᾽ ἔστι, γενέσθαι μὲν χαλεπόν, δυνατὸν δέ· ἐσθλόν δ᾽ ἔμμεναι ἀδύνατον.
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 344d (Z. 1-4): Sie werden nun wol hineinschreiben, was Sie aus dem Xenofon, und besonders Schneiders Ausgabe wissen. Buttmann schikte mir gestern diese Notiz, da ich sie durch Ihren Brief schon erhalten hatte. Übrigens habe ich n u n geschrieben statt j e z t in dem Verse. j e z t s c h l e c h t . Ei, Ei! Wer wird das seiner Mutter zu Leide thun?
11f δυνατὸν δέ· ἐσθλόν δ᾽ ἔμμεναι ἀδύνατον] δυνατὸν δέ ἐσθλόν, ἔμμεναι δ᾽ ἀδύνατον Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 63 [216,5], übersetzt W2
S Spld. Vgl. W1 Anm. 25 und W2 Anm. 27 mit App. S. – Auf eine Frage Schleiermachers nach diesem Vers (vermutlich in dem verlorenen Brief an G. L. Spalding, 1.2.1804: KGA V/7, Nr. *1647) antwortet G. L. Spalding an Schleiermacher, 10.2.1804: KGA V/7, Nr. 1654, 13-16: „Den Vers αὐτὰρ ἀνηρ – können wir auch in Theognis schlechterdings nicht finden. Aber eine Hofnung liegt noch darin, daß er Buttmann höchst geläufig ist, der doch nie den Protagoras gelesen. Dieser wird den Flüchtling also noch allenthalben aufsuchen und vielleicht aufspüren.“ Die in Spaldings Note (SN 157) erwähnte Notiz von Ph. K. Buttmann: nicht ermittelt. Schleiermacher hat G. L. Spalding vermutlich am 18.2.1804 die Xenophon-Stelle mitgeteilt (in dem verlorenen Brief KGA V/7, Nr. *1661; vgl. Nr. 1679, 16-26). Die Zischlaut-Kakophonie jezt schlecht ist in der deutschen (Mutter-)Sprache zu meiden.
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Dichter bezeugt25, welcher sagt: Auch wohl ein Treflicher ist nun schlecht, dann wieder zu rühmen; dem Schlechten aber ist nicht möglich es zu werden, sondern nothwendig es immer zu sein, so daß der wohlberathene, weise und trefliche, wenn ihn rathloses Unglük daniederwirft, nicht anders kann als schlecht sein; du aber, Pittakos, sagst: Schwer | ist es tugendlich sein. Es ist aber zu werden schon schwer, jedoch möglich; tugendlich sein aber unmöglich.
Dichter bezeugt27, welcher sagt: Auch wohl ein Treflicher ist nun schlecht, dann wieder zu rühmen; dem Schlechten aber begegnet nicht es einmal gewesen zu sein, sondern ihm ist noth|wendig es immer zu sein, so daß der wohlberathene, weise und trefliche, wenn ihn rathloses Unglük niederwirft, nicht anders kann als schlecht sein; du aber, Pittakos, sagst: Schwer ist es tugendlich sein. Es ist aber tugendlich werden schon schwer, jedoch möglich; sein aber unmöglich.
25 e i n anderer Dichter bez e u g t . Dieser Vers wird auch von Xen. Mem. I. 2, 20. angeführt, wo auch Niemand weiß, wem er zukommt. Denn daß er dem Theognis gerade n i c h t angehört, ist aus jener Stelle deutlich genug.
27 e i n anderer Dichter bez e u g t . Dieser Vers wird auch von Xen. Mem. I. 2, 20. angeführt, wo auch Niemand weiß, wem er zukommt. Denn daß er dem Theognis gerade n i c h t angehört, ist aus jener Stelle deutlich genug.
S 2 nun] aus jezt (in der verlorenen hsl. Druckvorlage) hergestellt durch Spalding (vgl. Spalte 2 Spld. [SN 157]) S Anm. 25 Vgl. Xenophontis Memorabilium Socratis dictorum libri IV recensuit [...] Io. Gottl. Schneider, Leipzig 1790, S. 19 mit Anm. Vgl. auch Spaldings Note (Spalte 2 mit App. S).
S 2 nun] Vgl. Spalte 3 App. S. 13f jedoch möglich; sein aber unmöglich] nach Bekker wie Spalte 1 App. S Anm. 27 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 25.
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πράξας μὲν γὰρ εὖ πᾶς ἀνὴρ, ἀγαθός· κακὸς δ᾽, εἰ κακῶς. τίς οὖν εἰς Simonides-Zitate (SN 156/2) zu 344e (Z. 1 f.): πραξας μεν γαρ ευ πας ανηρ αγαθος. – Ich halte dies für Worte des Gedichts der Konstruktion wegen und der Art wegen wie darüber commentirt wird. Heyne hat sie ausgelassen. Ueb. Denn jeglicher Mann der recht handelt ist waker. Exzerpt aus Heyne (SN 156/2) Heyne T. 1. p. 160 revocare id ad numeros suos et legibus melicis adstringere. operae pretium esse duximus Ανδρ᾽ αγαθον μεν αλαθεως γενεσθαι χαλεπον – – – χερσι τε και ποσι και νοῳ τετραγωνον – ανευ ψογου τετυγμενον – *** Ουδε μοι εμμελεως το Πιττακειον νεμεται, καιτοι σοφου παρα φωτος ειρημενον. χαλεπον φατ᾽ εσθλον εμμεναι. – – – θεος αν μονος εχοι τουτο γερας. Ανδρα δε – ουκ εστι μη ου κακον εμμεναι ὁν αν τις αμηχανος συμφορα καθελῃ. Τουνεκεν οὐποτ᾽ εγω, το μη γενεσθαι δυνατον διζημενος, κενεαν εις απρακτον τ᾽ ελπιδα μοιραν αιωνος βαλεω παναμωμων – ανθρωπων, ευρυεδους οσοι καρπον αινυμεθα χθονος. – – υμιν ευρων απαγγελεω. – – – παντας δε ἐπαινημι τε και φιλεω. – εκων οστις αν ερδη μηδεν αισχρον. –
T Sim.Zit. Die Stelle aus 344e folgt in SN 156/2 der Stelle aus 345c. Ihre Umstellung ist am Rand durch x) gekennzeichnet.
2 κακὸς δ᾽, εἰ κακῶς.] κακὸς δὲ κακῶς konj. Spalding (vgl. W1 Anm. 26, S. 771, Z. 18 f., mit Spld. [SN 157]), übersetzt W1, vgl. Exz.Corn. ([SN 156/1] zu 345a)
S Exz. Heyne Aus Christian Gottlob Heyne: Ad Simonidis versus, in quibus, virum bonum constanter esse, difficile esse asseritur, in: Opuscula Academica, Bd. 1, 1785, S. 154-165, hier S. 160.164 mit geringfügigen Abweichungen.
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Denn jeglicher Mann wer gut handelt ist gut, schlecht aber wer schlecht.26 Was ist nun im Bücher-
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D e n n j e g l i c h e r M a n n . Herr G. J. R. Heyne hat in einem Programm Opusc. I., | 160. seq. einen Versuch mitgetheilt, dieses Fragment des Simonides in sein ursprüngliches Sylbenmaaß zurükzufügen. Von welchem schwierigen Unternehmen sich der Uebersezer großen Nuzen versprach, indem, ehe dieses gewagt werden kann, aufs bestimmteste entschieden sein muß, sogar welches Bindungswort dem Dichter zugehöre, und welches zu dem Kitt des Schriftstellers zu rechnen sei; wäre nun dieses durch einen solchen Vorgänger berichtiget gewesen, so war er selbst um die Hälfte der Arbeit erleichtert. Diese Hofnung indeß wollte nicht lange Stich halten, da ein Verdacht aufstieg, als wären nicht etwa nur jene Einzelheiten vernachläßigt, sondern mehrere Stellen, die nicht minder als die übrigen dem Simonides anzugehören scheinen, in der Heynischen Anordnung übersehen. Ob dieser Verdacht gegründet ist, mögen die sachkundigen Leser entscheiden, denen ich schuldig bin, diese Stellen bemerklich zu machen, so wie auch die Abweichungen in der Interpretation, denn auch hier giebt es einiges Bedenkliche. Die erste Stelle nun, die ich gegen Herrn Heyne für Simonidisch halte, ist diese πράξας μὲν γὰρ εὖ πᾶς ἀνὴρ ἀγαθός· κακὸς δὲ κακῶς. Ich bekenne indeß, keine andern Gründe zu haben, als die Struktur, und dann auch die Art, wie Sokrates über diese Worte
T Anm. 26 14f Schriftellers W1
D e n n j e g l i c h e r M a n n . Heyne hat in einem Programm Opusc. I., 160. seq. einen Versuch mitgetheilt, dieses Fragment des Simonides in sein ursprüngliches Sylbenmaaß zurükzufügen. Da nun in dieser Heynischen Anordnung manches übergangen ist, und also von Heyne dem Platon muß zugeschrieben worden sein, was mir nicht minder als das übrige dem Simonides anzugehören scheint: so bin ich schuldig gegen eine solche Autorität meine Meinung zu vertheidigen und dem sachkundigen Leser diese Abweichungen nebst | meinen Gründen vorzulegen, wie auch wo ich in der Auslegung von Heyne abweiche bemerklich zu machen. Die erste Stelle nun, die ich gegen Heyne für Simonidisch halte, ist diese πράξας μὲν γὰρ εὖ πᾶς ἀνὴρ ἀγαθός· κακὸς δὲ κακῶς. Ich bekenne indeß, keine andern Gründe zu haben, als die Struktur, und dann auch die Art, wie Sokrates über diese Worte
Schriftstellers] verdruckt
S Anm. 26 5 Zu Heyne vgl. Schleiermachers Exzerpt (Spalte 2 mit App. S). 30 Zu πράξας ... κακῶς vgl. Schleiermachers Zitat (Spalte 2: Sim.Zit. [SN 156/2] zu 344e), sowie Spaldings Note [SN 157] (s. nächste Seite).
S 2f schlecht aber wenn schlecht] verändert ggb. W1, vgl. W1 Anm. 26 (S. 771, Z. 18 f.) mit App. S S Anm. 28 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 26.
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γράμματα ἀγαθὴ πρᾶξίς ἐστι; καὶ τίς ἄνδρα ἀγαθὸν ποιεῖ εἰς γράμματα; δῆλον ὅτι ἡ τούτων μάθησις. τίς δὲ εὐπραγία ἀγαθὸν ἰατρὸν ποιεῖ; δῆλον ὅτι ἡ τῶν καμνόντων τῆς θεραπείας μάθησις.
– – – ἀναγκῃ δ᾽ ουδε θεοι μαχονται. Quum in vulgatis editum sit παναμωμον ανθρωπον coniicere aliquis possit a poeta fuisse βαλεω παναμωμον μαιομενος ανθρωπον ευρυεδους οσοι καρπον αινυμεθα χθονος, επειτα υμιν ευρων τονδ ἀπαγγελεω. Censura Verba fragm. Sim. mihi ita constituisse videbar ut ad polyschematistum carmen seu ad choriam|bicum mixtum ea referrem, choriambo iambis admixtis hoc fere schemate ‒ |‒ ‒ | ‒| ‒|‒ ‒ ‒‒ | |‒ |‒ | ‒‒| | | | ‒‒‒| |‒‒|‒‒| Esto tamen de hoc iudicium cuique suum; in lubrico enim loco me versari bene memineram.
Noten Spaldings (SN 157) zu Anm. (verl.) zu 344e (S. 768, Z. 2) (vgl. W1 Anm. 26, S. 771, Z. 18 f.): Da komme ich ja zu unerwarteter Ehre. Ich erinnerte mich keineswegs dis ἰῶτα expungirt zu haben, und muß es also wol einmal auf Hndfs Stube gethan haben. Danke also, wenn dergl. anders mit Namens-Anführung bezeichnet zu werden verdient. 1 ἐστι;] ἐστι, Heindorf 1810 Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. W2
T Exz. Heyne 8 ἀπαγγελεω] darunter ein Abgrenzungsstrich
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wesen das gute Handeln? welches macht einen Mann gut hierin? Offenbar die Erlernung davon. Welches Guthandeln macht einen guten Arzt? Offenbar die Erlernung des Behandelns der Kranken.
sen das gute Handeln? und was macht einen Mann gut hierin? Offenbar die Erlernung davon. Und welches Guthandeln macht einen guten Arzt? Offenbar die Erlernung des Behandelns der Kranken.
commentirt, welches wie vom Himmel gefallen erscheint, wenn es nicht Worte des Simonides sind. So auch der Schluß dieses Commentars ὥστε καὶ τοῦτο τοῦ ᾄσματος (P. 345. b.) scheint die Sache außer Zweifel zu sezen. Denn zwischen diesem Schluß und den angeregten Worten kommt keine Stelle des Simonides vor, wie auch Herr Heyne keine hat, und weiter zurük ist nichts, worauf sich dieser Commentar beziehen könnte. In dem lezten dieser Simonideischen Worte ist die von Spalding vorgeschlagene Veränderung des δ᾽ εἰ in δὲ um so gewisser, da die Worte ein Paar Zeilen weiter unten, wo der zweite Theil des Commentars anhebt, eben so | vorkommen. Cornar hat diese abgebrochene Wiederholung nicht ertragen können, und den Saz θεραπεύει γὰρ ὁ ἀγαθὸς ἰατρὸς καλῶς gewiß nur deshalb eingeschoben. Sehr verwerflich und das Ganze zerstörend.
commentirt, welches wie vom Himmel gefallen erscheint, wenn es nicht Worte des Simonides sind. So auch der Schluß dieses Commentars ὥστε καὶ τοῦτο τοῦ ᾄσματος (P. 345. b.) scheint die Sache außer Zweifel zu sezen. Denn zwischen diesem Schluß und den angeregten Worten kommt keine Stelle des Simonides vor, wie auch Heyne keine hat, und weiter zurük ist nichts, worauf sich dieser Commentar beziehen könnte. Ueber die in dem lezten dieser Simonideischen Worte von Spalding vorgeschlagene Veränderung des δ᾽ εἰ in δὲ mögen die Kenner richten, ob das ungenaue εἰ dem Lyriker angemessener ist. Welche aber dies behaupten haben gewiß nicht nöthig auch an der zweiten Stelle das δὲ gegen alle Handschriften in δ᾽ εἰ zu verwandeln. Denn da wiederholt ja prosaisch Sokrates, und kann also leicht das prosaisch genaue gleichsam erklärend gebraucht haben. — Cornar hat diese abgebrochene Wiederholung nicht ertragen können, und den Saz θεραπεύει γὰρ ὁ ἀγαθὸς ἰατρὸς καλῶς gewiß nur deshalb eingeschoben. Sehr verwerflich und das Ganze zerstörend.
T Anm. 28 24 εἰ] verdruckt ει W2 T Forts. Anm. 26 25 eingeschoben] korr. aus angeschoben W1, vgl. W2 Anm. 28
S 1 und] nach Heindorf und Bekker wie Spalte 1 App.
S Forts. Anm. 26 18f von Spalding vorgeschlagene Veränderung des δ᾽ εἰ in δὲ] kritisiert von Rez.Ast (1808), S. 139; vgl. W2 Anm. 28 22-26 Zu Cornarius vgl. Schleiermachers Exzerpt (Spalte 2: Exz.Corn. [SN 156/1] zu 345a).
S Forts. Anm. 28 18-20 von Spalding vorgeschlagene Veränderung des δ᾽ εἰ in δὲ mögen die Kenner richten] verändert ggb. W1 nach Rez.Ast (1808) (wie zu W1 Anm. 26) und Heindorf 1810 z. St. (S. 589-591), vgl. auch Ed.Berlin 1816 (Bekker) (überlieferter Wortlaut)
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κακὸς δέ, κακῶς. τίς οὖν ἂν κακὸς ἰατρὸς γένοιτο; δῆλον ὅτι ᾧ πρῶτον μὲν ὑπάρχει ἰατρῷ εἶναι, ἔπειτα ἀγαθῷ ἰατρῷ. οὗτος γὰρ ἂν καὶ κακὸς γένοιτο. ἡμεῖς δὲ οἱ ἰατρικῆς ἰδιῶται, οὐκ ἄν ποτε γενοίμεθα, κακῶς πράξαντες, οὔτε ἰατροί, οὔτε τέκτονες, οὔτε ἄλλο οὐδὲν τῶν τοιούτων. ὅστις δὲ μὴ ἰατρὸς ἂν γένοιτο, κακῶς πράξας, δῆλον ὅτι οὐδὲ κακὸς ἰατρός. οὕτω καὶ ὁ μὲν ἀγαθὸς ἀνήρ, γένοιτ᾽ ἄν ποτε καὶ κακός, ἢ ὑπὸ χρόνου, ἢ ὑπὸ πόνου, ἢ ὑπὸ νόσου, ἢ ὑπὸ ἄλλου τινὸς περιπτώματος· (αὕτη γὰρ μόνη ἐστὶ κακὴ
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 345a (Z. 1): κακος δε, κακως Ecl. – Et infra: Bonus enim medicus bene curat, malus contra male. In graecis legendum θεραπευει γαρ ὁ αγαθος ιατρος καλως, κακος δε κακως. In vulgatis deficit prior periodus. (Cornarius hat sich das abgebrochene κακος δε κακως nicht zu erklären gewußt. Es ist aber nur die zum Behuf des Commentars genuzte Wiederholung der vorher schon aus dem Gedicht angeführten Worte, welche dort wahrscheinlich auch κακος δε κακως heißen müssen und nicht κακος δ᾽ ει κακως). zu 345b (Z. 14 f.): ἠ υπο αλλου τινος περιπτωματος. – Ecl. Et mox pro voce περιττωματος legendum περιπτωματος. Die Basil. 1. hat auch noch περιττωματος.
T Exz.Corn. 12 κακως)] Klammer fehlt SN 156/1 S Exz.Corn. zu 345a (Z. 1): Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), Ecl. S. 513. | Exz.Corn. zu 345b (Z. 14 f.): Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), Ecl. S. 513. Die Lesart περιττωματος in Ed.Basel 1534 (Oporinus) (= Basil. 1.).
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Schlecht aber wer schlecht. Wer kann denn ein schlechter Arzt werden? Offenbar der, von welchem zuerst gesagt werden kann, daß er ein Arzt ist, und dann daß er ein guter Arzt ist. Denn der kann auch ein schlechter werden. Wir aber, die der Arzeneikunst Unkundigen, wir können niemals durch schlecht handeln weder Aerzte werden, noch Zimmerleute, noch irgend etwas anderes, und wer kein Arzt werden kann indem er schlecht handelt, der auch offenbar kein schlechter. So auch kann der trefliche Mann wohl auch einmal schlecht werden, es geschehe durch Länge der Zeit und Ermüdung oder durch Krankheit oder irgend einen andern Zufall; denn dies ist ja das einzige Schlechthandeln,
Schlecht aber wer schlecht. Wer kann denn ein schlechter Arzt werden? Offenbar der, von welchem zuerst gesagt werden kann, daß er ein Arzt ist, und dann daß er ein guter Arzt ist. Denn der kann auch ein schlechter werden. Wir aber, die der Arzeneikunst Unkundigen, wir können niemals durch schlecht handeln weder Aerzte werden, noch Zimmerleute, noch irgend etwas anderes, und wer kein Arzt werden kann indem er schlecht handelt, der auch offenbar kein schlechter. So auch kann der trefliche Mann wohl auch einmal schlecht werden, es geschehe aus Schuld der Zeit, aus Ermüdung oder durch Krankheit oder irgend einen andern Zufall; denn dies ist ja das einzige Schlechthandeln,
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πρᾶξις, ἐπιστήμης στερηθῆναι) ὁ δὲ κακὸς ἀνήρ, οὐκ ἄν ποτε γένοιτο κακός· (ἔστι γὰρ ἀεί) ἀλλ᾽ εἰ μέλλει κακὸς γενέσθαι, δεῖ αὐτὸν πρότερον ἀγαθὸν γενέσθαι. ὥστε καὶ τοῦτο τοῦ ᾄσματος πρὸς τοῦτο τείνει, ὅτι εἶναι μὲν ἄνδρα ἀγαθὸν οὐχ οἷόν τε, διατελοῦντα ἀγαθόν· γενέσθαι δὲ ἀγαθὸν οἷόν τε, καὶ κακόν γε τὸν αὐτὸν τοῦτον. ἐπιπλεῖστον δὲ καὶ ἄριστοί εἰσιν οὓς ἂν οἱ θεοὶ φιλῶσι. ταῦτά τε οὖν πάντα πρὸς τὸν Πιττακὸν εἴρηται, καὶ τὰ ἐπιόντα γε τοῦ ᾄσματος ἔτι μᾶλλον δηλοῖ. φησὶ
Simonides-Zitate (SN 156/2) zu 345c (Z. 10 f.): επιπλειστον δε και αριστοι εισιν οὑς αν οι θεοι φιλωσι. Wenn gleich vielleicht verändert latitirn hier doch gewiß Worte des Gedichts. Heyne hat es gänzlich ausgelassen. Ueb. Am weitesten aber gedeihn und die treflichsten sind welche die Götter lieben.
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 345b (Z. 1): „das der Erkentniß beraubt werden“ „der Erkentniß beraubt zu werden“. Anm. (verl.) zu 345c (Z. 10 f.) (vgl. W1 Anm. 27): Was Heynens Irthum betrift, bin ich ganz Ihrer Meinung. S Sim.Zit. Zu Heyne s. o. S. 768 ff. (zu 344e).
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das der Erkenntniß beraubt werden: der schlechte Mann aber kann nie schlecht werden, denn er ist es immer, sondern wenn er schlecht werden soll, muß er erst wieder gut geworden sein. So daß auch diese Stelle des Liedes darauf abzwekt zu zeigen, ein treflicher Mann zu sein sei nicht möglich der es unausgesezt immer bleibe, treflich aber zu werden sei möglich, so wie auch eben derselbe schlecht werden könne; am weitesten aber gedeihen27 und die treflichsten sind, welche die Götter lieben. Dieses alles ist gegen den Pittakos gesagt, und auch das folgende in diesem Liede macht dies noch | immer deutlicher. Denn er sagt:
der Erkenntniß beraubt sein: der schlechte Mann aber kann nie schlecht werden, denn er ist es immer, sondern wenn er schlecht werden soll, muß er erst gut geworden sein. So daß auch diese Stelle des Liedes darauf abzwekt zu zeigen, ein treflicher Mann zu sein es unausgesezt immer bleibend sei nicht möglich, treflich aber werden könne einer und schlecht auch eben derselbe; am weitesten aber gedeihen29 und die treflich|sten sind, welche die Götter lieben. Dieses alles ist gegen den Pittakos gesagt, und auch das folgende im Liede macht dies noch deutlicher. Er sagt nemlich:
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Am weitesten aber gedeih e n . Ob Sokrates sich wohl so würde ausgedrükt haben ἐπιπλεῖστον δὲ καὶ ἄριστοί εἰσιν, οὓς ἂν οἱ θεοὶ φιλοῦσιν? und ob er wegen dieses in seinem Munde ziemlich müßigen Zusazes aus der indirekten Rede, deren er sich bedient hatte, würde herausgegangen sein? Dies entscheidet wohl gegen Heyne und Grou dafür, daß die Worte dem Dichter zu geben sind.
T Anm. 27 22 εἰσιν] verdruckt εισιν W1 | οὓς ἂν] verdruckt οὕς ἂν W1 | φιλοῦσιν] zu korr. in φιλῶσιν, vgl. W2 Anm. 29 S Anm. 27 Zu Heyne: vgl. Schleiermachers Zitat (Spalte 2: Sim.Zit. [SN 156/2]), sowie Spaldings Note (SN 157) mit App. S; Grou: Jean-Nicolas Grou: Dialogues de Platon, Bd. 1, Amsterdam 1770, S. 280.
29 A m weitesten aber gedeih e n . Ob Sokrates sich wohl so würde ausgedrükt haben ἐπιπλεῖστον δὲ καὶ ἄριστοί εἰσιν, οὓς ἂν οἱ θεοὶ φιλῶσιν? und ob er wegen dieses in seinem Munde ziemlich müßigen Zusazes aus der indirekten Rede, deren er sich bedient hatte, würde herausgegangen | sein? Dies entscheidet wohl gegen Heyne und Grou dafür, daß die Worte dem Dichter zu geben sind.
T Anm. 29 21 εἰσιν] verdruckt εισιν W2 | οὓς ἂν] verdruckt οὕς ἂν W2 | φιλῶσιν] verdruckt φιλοῶσιν W2 S 1 der Erkenntniß beraubt sein] verändert ggb. W1, vgl. Spaldings Note (Spalte 2) S Anm. 29 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 27.
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γάρ, Τοὔνεκεν οὔποτ᾽ ἐγὼ τὸ μὴ γενέσθαι δυνατὸν διζήμενος, κενεὰν εἰς ἄπρακτον ἐλπίδα μοῖραν αἰῶνος β αλέω πανάμω μον ἄ νθρωπο ν,
Vorarbeiten (handschriftlich)
Simonides-Zitate (SN 156/2) zu 345c (Z. 1 ff.): Τουνεκεν ουποτ εγω το μη γενεσθαι δυνατον διζημενος κενεαν εις απρακτον ελπιδα μοιραν αιωνος βαλεω, παναμωμον ανθρωπον ευρυεδους ὁσοι καρπον αινυμεθα χθονος. επειθ υμιν ευρων απαγγελεω. – Die Stellung dieser Worte ist ganz unbestimmt. Sie heißen bloß τα επιοντα του ασματος. Heine liest παναμωμων ἀνθρωπων und thut als ob es eine Lesart wäre, sagt aber nicht woher. Die lezten Worte trennt er, und sieht das επειθ als eine Allegationsformel an, wozu er gewißermaßen durch das lezte φησιν berechtigt ist. Indes glaube ich nicht daß Platon dann apostrophirt haben würde.
Noten Spaldings (SN 157) zu 345c (Z. 1 ff.): Hier werde ich von einer schön gezimmerten Theorie unglüklich hinuntergeworfen. Nach allen meinen Grundsäzen müßte es hier heißen οὐ γενέσθαι δυνατὸν weil die Negazion auf δυνατὸν geht, nicht auf γενέσθαι. Aber eben so ist’s auch ibid. e ὃς ἂν μ ὴ κακὰ ποιῇ ἑκών. Auch da geht die Negazion nicht auf κακὰ wie meine Theorie mit sich brachte. Ich hatte so schön gegen Reiske ad Demosth. in Midiam bewiesen, daß οἷ καὶ μὴ ἰέναι ἐξῆν αὐτῷ nicht hieße: „wohin er auch nicht durfte gehen“ sondern „von wo er auch wegbleiben durfte“. Aber da sind noch eigene d e l i c i a e des οὐ und μὴ die weder
S Sim.Zit. Zu Heyne s. o. S. 768 ff. (zu 344e). | Spld. Zu der von Spalding hier offenbar aus der Erinnerung zitierten Demosthenes-Stelle (im Wortlaut: οἷ μηδὲ βαδίζειν ἐξῆν αὐτῷ [§ 73]) vgl. Demosthenis Oratio in Midiam [...] ed. [...] G. L. Spalding, Berlin 1794, S. 40 mit Anm. **; Apparatus Critici ad Demosthenem Vol. 3, tenens Io. Iacobi Reiske reliquas ad Demosthenem annotationes ab eoque collectas varietates lectionis, Leipzig 1775, S. 931 zu 538,13.
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Darum will ich auch nie was nicht sein kann suchend, vergeblich unerfüllter Hofnung einen Theil der Zeiten hinwerfen, einen tadellosen Mann28 unter Allen die wir der
Darum will ich auch nie was nicht sein kann suchend, vergeblich unerfüllter Hofnung ein Theil der Zeit hinwerfen, einen tadellosen Mann30 unter Allen die wir der
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e i n e n t a d e l l o s e n M a n n . Ohnerachtet auch in der Wiederholung dieser Stelle P. 346. d. eben so wie hier πανάμωμον ἄνθρωπον zu lesen ist, schreibt Herr Heyne dennoch, ohne zu sagen, wo diese Variante ihren Siz hat, παναμώμων ἀνθρώπων, und zieht diese Worte zu μοῖραν αἰῶνος, so daß er, um zu erklären, was jenes μὴ γενέσθαι δυνατὸν ist, zu einer schwerfälligen Ellipse seine Zuflucht nehmen muß, und daß man doch immer noch nicht einsieht, wie das Beiwort πανάμωμος hieher kommt. Hernach giebt ihm freilich die gemeine Leseart Veranlassung zu vermuthen, es möchte gestanden haben πανάμωμον μαιόμενος ἄνθρωπον, wofür sich denn leicht eine andere Anordnung des dienstfertigen und geschmeidigen Sylbenmaaßes finden läßt. Wäre es doch noch so gefällig, sich mit dem Accusativ ohne μαιόμενος zu behelfen! ich wenigstens gefalle mir besser ohne dieses sonst schöne Wort. Oder sollte es nicht leichter und zugleich lyrischer sein, den Accusativ πανάμωμον ἄνθρωπον als Apposition zu jenem andern τὸ μὴ γενέσθαι δυνατὸν zu nehmen, so daß es keines andern Particips bedarf, als des διζήμενος? Eben so möchte ich das von Herrn Heyne eingeschobene τ᾽ hinter ἄπρακτον, wenn nicht eine metrische Nothwendigkeit | gebietender ist, lieber zurükgeben: denn das κενεὰν scheint nicht zu ἐλπίδα sondern zu μοῖραν zu gehören. —
e i n e n t a d e l l o s e n M a n n . Ohnerachtet auch in der Wiederholung dieser Stelle P. 346. d. eben so wie hier πανάμωμον ἄνθρωπον zu lesen ist, schreibt Heyne dennoch, ohne zu sagen, wo diese Variante ihren Siz hat, παναμώμων ἀνθρώπων, und zieht diese Worte zu μοῖραν αἰῶνος, so daß er, um zu erklären, was jenes μὴ γενέσθαι δυνατὸν ist, zu einer schwerfälligen Ellipse seine Zuflucht nehmen muß, und daß man doch immer noch nicht einsieht, wie das Beiwort πανάμωμος hieher kommt. Hernach giebt ihm freilich die gemeine Leseart Veranlassung zu vermuthen, es möchte gestanden haben πανάμωμον μαιόμενος ἄνθρωπον; aber sollte es nicht leichter und zugleich lyrischer sein, den Accusativ πανάμωμον ἄνθρωπον als Apposition zu jenem andern τὸ μὴ γενέσθαι δυνατὸν zu nehmen, so daß es keines andern Particips bedarf, als des διζήμενος? Eben so möchte ich das von Heyne eingeschobene τ᾽ hinter ἄπρακτον lieber zurükgeben: denn das κενεὰν scheint nicht zu ἐλπίδα sondern zu μοῖραν zu gehören. —
T Anm. 28 8 P. 346 d.] verdruckt P. 246 d. W1 S Anm. 28 Zu Heyne vgl. Schleiermachers Zitat (Spalte 2: Sim.Zit. [SN 156/2]) mit App. S.
T Anm. 30 8 P. 346 d.] verdruckt P. 246 d. W2 S Anm. 30 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 28.
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εὐρυέδους ὅσοι καρπὸν αἰνύμεθα χθονός. ἔπειθ᾽ ὑμῖν εὑρὼν ἀπαγγελέω, φησίν. Οὕτω σφόδρα καὶ δι᾽ ὅλου τοῦ ᾄσματος ἐπεξέρχεται
Noten Spaldings (SN 157) (Forts.) Hermann noch ich wissen. Buttmann ist den|selben vielleicht am meisten auf der Spur, der sich sehr allgemein ausläßt über den Unterschied, und etwas von u n a b h ä n g i g e n S ä z e n vorbringt und von u n t e r g e o r d n e t e n , welches hier mir Anwendung zu leiden scheint. S Forts. Spld. Vgl. Francisci Vigeri [...] De praecipuis Graecae dictionis idiotismis Liber [...], ed. et Adnotationes addidit G. Hermann, Leipzig 1802, S. 773-776, Nr. 267. Vgl. Ph. Buttmann: Griechische Grammatik, 6. Aufl., Berlin 1811, § 135.
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weitbewohnten Erde Früchte brechen. Find’ ich ihn dann verkünd’ ich es euch. So sehr und durch das ganze Lied fällt er aus gegen den
weitbewohnten Erde Früchte brechen. Find’ ich ihn, dann verkünd’ ich es euch. So heftig und durch das ganze Lied fällt er aus gegen den
In den lezten Worten dieser Stelle läßt Herr Heyne, ich weiß nicht, ob auch metrisch genöthigt, oder nur durch das wiederholte φησὶν bewogen, das ἔπειθ᾽ aus. Allein ich zweifle, ob Platon dies Wort, wenn es eine Allegationsformel wäre, apostrophirt, und noch mehr, ob er es bei wiederholter Anführung dieser Stelle gerade so wiedergebracht haben würde. Auch trennt Herr Heyne diese lezten Worte von den vorigen, welches freilich, wenn man es zugeben könnte, den bedeutenden Vortheil hätte, daß man diese Worte dann nicht zu verstehn brauchte. Grou übersezt sie wunderlich genug: ich will ihn nicht suchen, um ihn euch etwa zu zeigen, wenn ich ihn fände. Ich denke mir: suchen will ich ihn nicht, denn ich halte ihn für unmöglich; finde ich ihn aber ungesucht, so will ich es verkünden. So daß dies nur verstärkter Ausdruk des eigenen Unglaubens ist.
In den lezten Worten dieser Stelle läßt Heyne, ich weiß nicht, ob durch das wiederholte φησὶν bewogen, das ἔπειθ᾽ aus. Allein ich zweifle, ob Platon dies Wort, wenn es eine Allegationsformel wäre, apostrophirt, und noch mehr, ob er es bei wiederholter Anführung dieser Stelle gerade so wiedergebracht haben würde. Auch trennt Heyne diese lezten Worte von den vorigen, welches freilich, wenn man es zugeben könnte, den bedeutenden Vortheil hätte, daß man diese Worte dann nicht zu verstehn brauchte. Grou übersezt sie wunderlich genug: ich will ihn nicht suchen, um ihn euch etwa zu zeigen, wenn ich ihn fände. Ich denke | mir: suchen will ich ihn nicht, denn ich halte ihn für unmöglich; finde ich ihn aber ungesucht, so will ich es verkünden. So daß dies nur verstärkter Ausdruk des eigenen Unglaubens ist.
S Forts. Anm. 28 18 Jean-Nicolas Grou: Dialogues de Platon, Bd. 1, Amsterdam 1770, S. 280 mit Anm. 39. Grous Übersetzung der ganzen Stelle: C’est pourquoi je ne tenterai point la recherche [...] pour vous le montrer après l’avoir trouvé. In Grous Anm. ist Daciers Übersetzung zitiert: [...] Si j’étois assez heureux pour le trouver, je vous le dirois bien vîte (André Dacier: Les Oeuvres de Platon, traduites an François ..., [= Bibliotheque des anciens philosophes], Bd. 5, Paris 1771, S. 237).
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τῷ τοῦ Πιττακοῦ ῥήματι. πάντας δὲ ἐπαινοῖμι, καὶ φιλέω ἑκὼν, ὅστις ἕρδῃ μηδὲν αἰσχρόν· ἀνάγκῃ δὲ οὐδὲ θεοὶ μάχονται. καὶ τοῦτ᾽ ἔστι πρὸς τὸ αὐτὸ τοῦτο εἰρημένον. οὐ γὰρ οὕτως ἀπαίδευτος ἦν Σιμωνίδης, ὥστε τούτους φάναι ἐπαινεῖν, ὃς ἂν ἑκὼν μηδὲν κακὸν ποιῇ· ὡς ὄντων τινῶν οἳ ἑκόντες κακὰ
Vorarbeiten (handschriftlich)
Simonides-Zitate (SN 156/2) zu 345d (Z. 1-4): παντας δε επαινοιμι, και φιλεω ἑκων οστις ερδη μηδεν αισχρον αναγκῃ δε ουδε θεοι μαχονται. Heyne liest επαινημι welches zu billigen ist. Das εκων οστις aber zu trennen geht nicht an weil ja Sokrates erklärt worauf das εκων sich bezieht. Unter diesen Umständen würde er die dazwischen fallenden Worte gewiß mit angeführt haben. Auch sehe ich nicht ein warum er die Worte αναγκῃ absondert besonders da er das εκων auf den ερδοντα bezieht. Das επαινημι bestätigt sich p. 161 [346d] κεχρηται τῃ των Μιτυληναιων φωνῃ.
Noten Spaldings (SN 157) zu 345d (Z. 2): Sehr billigungswerth scheint mir des Stefanus ἐπαίνημι. [mit Einfügungszeichen: Doch, ich sehe, Sie haben’s auch schon so. Stekt denn also etwa in dem ἐπαίνημι ein Provinzialion aus Mitilenä? cf. auch 346.d. nachträglich: Ei, Ei post festum Herr Spalding!] Von dem gleichfalls richtigen εὐρυοδοῦς statt εὐρυέδους würde ich nichts sagen, wenn bei den Bipontinis nicht ein Quidam sich dagegen erklärte. Wer ist dieser? Oder ist er ein K e i n e r , wie Wolf gegen eine ihn anzapfende Zeile des Freimüthigen dis Epigramm gemacht hat: Homer ist freilich mehr als Einer Doch Merkel ist K e i n e r . οὐδείς. versteht sich, nur m ü n d l i c h . T Sim.Zit. 13 φωνῃ] φωνη SN 156/2
2 ἐπαινοῖμι] ἐπαίνημι konj. Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) (übernommen von Heyne und Schleiermacher, vgl. Spalte 2: Sim.Zit. [SN 156/2] mit App. S; vgl. W1 Anm. 29 W2 Anm. 31) Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina), Variae lectiones, S. 359 Spld. (SN 157) (Spalte 2) Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 592) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 64 [217,14], vgl. W2
S Sim.Zit. Zu Heyne s. o. S. 768 ff. (zu 344e). | Spld. Zu ἐπαίνημι hat Spalding offenbar erst nachträglich Schleiermachers Anm. (verl.) zu 346d (vgl. W1 Anm. 39 W2 Anm. 40) entdeckt. – Zur falschen Akzentuierung von εὐρυέδους 345c tadelt er den Anonymus der Ed.Zweibrücken (Bipontina), Variae lectiones, S. 359, deren Herausgeber Friedrich Christian Exter (1746-1817) und Johann Valentin Embser (1749-1783) sind, mit dem Zitat eines (mündlichen ?) Schmähgedichtes von Friedrich August Wolf
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Spruch des Pittakos. Alle daher werde ich,29 die nichts Schlechtes vollbringen, aus freier Wahl loben und lieben; der Nothwendigkeit jedoch sträuben sich auch Götter nicht. Auch dies ist wieder in Beziehung hierauf gesagt. Denn so ungebildet war Simonides nicht, daß er gesagt hätte, er lobe diejenigen die nichts böses aus freier Wahl thun, als gäbe es auch solche, die aus freier Wahl
Spruch des Pittakos. Alle daher lobe ich31 und liebe, wer nichts schlechtes vollbringt, aus freier Wahl; der Nothwendigkeit jedoch sträuben sich auch Götter nicht. Auch dies ist wieder gegen eben dasselbe gesagt. Denn so ununterrichtet war Simonides nicht, daß er gesagt hätte, er lobe diejenigen, die nichts böses aus freier Wahl thun, als gäbe es welche, die aus freier Wahl
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A l l e d a h e r w e r d e i c h . Herr Heyne trennt die Worte ἑκὼν ὅστις ἕρδῃ μηδὲν αἰσχρόν abermals durch einen Strich von den vorigen. Oder sind diese Striche bedeutungslos? Denn die Trennung scheint fast unmöglich, weil des Sokrates freilich erkünstelte Erklärung dann ganz widersinnig wäre, und die mit dem Gedicht genau bekannten Zuhörer ihm wegen der geforderten Interpunktion ins Angesicht würden gelacht haben. Oder hat Herr Heyne die Worte P. 346. e. ἐνταῦθα δεῖ ἐν τῷ Ἑκὼν διαλαβεῖν, und was sonst alles hieher gehört, übersehen? Auch die abermalige Trennung der folgenden Worte ἀνάγκῃ δὲ etc. kann ich nicht annehmen; sondern sie scheinen unmittelbar zu dem vorigen zu gehören, so daß eben das ἀνάγκῃ den Gegensaz bildet zu jenem ἑκὼν, es mag dieses nun auf ἕρδῃ zu beziehen sein, oder auf ἐπαίνημι.
T Anm. 29 14 αἰσχρόν] verdruckt αἰχρὸν W1 S Anm. 29 Zu Heyne vgl. Schleiermachers Zitat (Spalte 2: Sim.Zit. [SN 156/2] zu 345d) mit App. S.
A l l e d a h e r l o b e i c h . Heyne trennt die Worte ἑκὼν ὅστις ἕρδῃ μηδὲν αἰσχρόν abermals durch einen Strich von den vorigen. Diese Trennung aber scheint fast unmöglich, weil des Sokrates freilich erkünstelte Erklärung dann ganz widersinnig wäre, und die mit dem Gedicht genau bekannten Zuhörer ihm wegen der geforderten Interpunktion ins Angesicht würden gelacht haben. Oder hat Heyne die Worte P. 346. e. ἐνταῦθα δεῖ ἐν τῷ Ἑκὼν διαλαβεῖν, und was sonst alles hieher gehört, übersehen? Auch die abermalige Trennung der folgenden Worte ἀνάγκῃ δὲ etc. kann ich nicht annehmen; sondern sie scheinen unmittelbar zu dem vorigen zu gehören, so daß eben das ἀνάγκῃ den Gegensaz bildet zu jenem ἑκὼν, es mag dieses nun auf ἕρδῃ zu beziehen sein, oder auf ἐπαίνημι.
T Anm. 31 13 ἑκὼν] verdruckt ἑκὠν W2 | 14 αἰσχρόν] verdruckt αἰχρὸν W2 S 1f lobe ich] ggb. W1 verändert, vgl. Spalte 1 App. S Anm. 31 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 29.
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ποιοῦσιν. ἐγὼ γὰρ σχεδόν τι οἶμαι τοῦτο, ὅτι οὐδεὶς τῶν σοφῶν ἀνδρῶν ἡγεῖται οὐδένα ἀνθρώπων ἑκόντα ἐξαμαρτάνειν, οὐδὲ αἰσχρά τε καὶ κακὰ ἑκόντα ἐργάζεσθαι· ἀλλ᾽ εὖ ἴσασιν ὅτι πάντες οἱ τὰ αἰσχρὰ καὶ τὰ κακὰ ποιοῦντες, ἄκοντες ποιοῦσι. καὶ δὴ καὶ ὁ Σιμωνίδης, οὐχ ὃς ἂν μὴ κακὰ ποιῇ ἑκών, τούτου φησὶν ἐπαινέτης εἶναι, ἀλλὰ περὶ ἑαυτοῦ λέγει τοῦτο τὸ Ἑκών. ἡγεῖτο γὰρ ἄνδρα καλὸν κᾀγαθὸν πολλάκις αὑτὸν ἐπαναγκάζειν φίλον τινὶ γίγνεσθαι, καὶ ἐπαινέτην φιλεῖν καὶ ἐπαινεῖν· οἷον, ἀνδρὶ πολλάκις συμβῆναι μητέρα ἢ πατέρα ἀλλόκοτον, ἢ πατρίδα, ἢ ἄλλό τι τῶν τοιούτων. τοὺς μὲν οὖν πονηρούς, ὅτάν τι τοιοῦτον αὐτοῖς συμβῇ, ὥσπερ ἀσμένους ὁρᾷν, καὶ ψέγοντας ἐπιδεικνύναι καὶ κατηγορεῖν τὴν πονηρίαν τῶν γονέων, ἢ
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 345e-346a (Z. 13-15): φιλον τινι γιγνεσθαι και επαινετην φιλειν και επαινειν. – amicus ac laudator fiat, ametque ac laudet. Hat also die Glosse nicht gesehn.
T Exz.Corn. Das Notat zu 345e-346a folgt in SN 156/1 dem zweiten Notat zu 346c (s. u.).
15 φιλεῖν καὶ ἐπαινεῖν] als Glosse athetiert Grou (s. W1 Anm. 30) Schleiermacher W1 Anm. 30 W2 Anm. 32 (vgl. Exz.Corn. [SN 156/1]) Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 594) Ed.Berlin 1816 (Bekker) [im Text, jedoch durch eckige Klammern athetiert], nicht übersetzt W1 W2
S Forts. Spld. gegen Garlieb Merkel (17691850) im Anschluß an eine Zeile in: Der Freimüthige oder Berlinische Zeitung für gebildete, unbefangene Leser, hg. von A. v. Kotzebue, Jg. 1, Berlin 1803, oder: Der Freimüthige und Ernst und Scherz, hg. von A. v. Kotzebue und G. Merkel, Jg. 2, Berlin 1804 (Bezugszeile dort nicht nachgewiesen). Wolfs Gedicht spielt zudem auf Homer, Odyssee 9, 366 an. | Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 449. Vgl. Spalte 1 App.
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böses thun. Ich wenigstens glaube dieses, daß kein weiser Mann der Meinung ist, irgend ein Mensch fehle aus freier Wahl oder vollbringe irgend etwas Böses und Schlechtes aus freier Wahl, sondern sie wissen wohl, daß Alle welche Böses und Schlechtes thun, es unfreiwillig thun. Daher auch Simonides nicht sagt, er wolle dessen der nicht freiwillig Böses thue Lobredner sein, sondern dieses aus freier Wahl bezieht sich auf ihn selbst. Er glaubte nämlich ein guter und edler Mann müsse oft sich selbst zwingen Jemandes Freund und Lobredner zu werden30, wie ja Mancher unselige Eltern habe oder ein solches Vaterland oder sonst etwas dergleichen. Schlechte Menschen nun die so etwas beträfe, sähen es fast gern und verbreiteten tadelnd und anklagend die Schlechtigkeit der Eltern
böses thun. Ich wenigstens glaube dieses, daß kein weiser Mann der Meinung ist, irgend ein Mensch fehle aus freier Wahl, oder vollbringe irgend etwas Böses und Schlechtes aus freier Wahl, sondern sie wissen wohl, daß Alle welche Böses und Schlechtes thun, es unfreiwillig thun. Daher auch Simonides nicht dessen der nicht aus freier Wahl Böses thut Lobredner zu sein behauptet, sondern dieses aus freier Wahl bezieht sich auf ihn selbst. Er glaubte nämlich ein guter und edler Mann zwinge oft sich selbst Jemandes Freund und Lobredner zu werden32, wie ja Manchem begegne einen unliebenswürdigen Vater zu haben oder Mutter oder ein solches Vaterland oder sonst etwas dergleichen. Schlechte Menschen nun die so etwas beträfe, sähen es fast gern und verbreiteten tadelnd und anklagend die Schlechtigkeit der Eltern
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Freund und Lobredner zu w e r d e n . Die Worte φιλεῖν καὶ ἐπαινεῖν habe ich ausgelassen; schon Grou hat sie mit Recht als Glosse bezeichnet, wahrscheinlich aus der Anwendung unten herauf genommen.
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Freund und Lobredner zu w e r d e n . Die Worte φιλεῖν καὶ ἐπαινεῖν lasse ich mit Heindorf aus, ohnerachtet auch die Bekkerschen Handschriften sie alle haben; schon Grou hat sie mit Recht als Glosse bezeichnet, wahrscheinlich aus der Anwendung unten herauf genommen.
T Anm. 30 26 hat] verdruckt hat hat W1 S Anm. 30 Jean-Nicolas Grou: Dialogues de Platon, Bd. 1, Amsterdam 1770, S. 281 mit Anm. 40. Schleiermacher verweist, wie Heindorf 1810 z. St. (S. 594), auf 346b.
S Anm. 32 Vgl. Spalte 1 App. und Spalte 3 zu Anm. 30.
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Vorarbeiten (handschriftlich)
πατρίδος· ἵνα αὐτοῖς ἀμελοῦσιν αὐτῶν μὴ ἐγκαλῶσιν οἱ ἄνθρωποι, μηδ᾽ ὀνειδίζωσιν ὅτι ἀμελοῦσιν. ὥστε ἔτι μᾶλλον ψέγειν τε αὐτούς, καὶ ἔχθρας ἑκουσίους πρὸς ταῖς ἀνάγκαις προστίθεσθαι. τοὺς δ᾽ ἀγαθοὺς ἐπικρύπτεσθαί τε καὶ ἐπαινεῖν ἀναγκάζεσθαι· καὶ, ἄν τι ὀργισθῶσι τοῖς γονεῦσιν ἢ πατρίδι διαδικηθέντες, αὐτοὺς ἑαυτοὺς παραμυθεῖσθαι καὶ διαλλάττεσθαι· προσαναγκάζοντας ἑαυτοὺς φιλεῖν τοὺς ἑαυτῶν καὶ ἐπαινεῖν. πολλάκις δέ, οἶμαι, καὶ Σιμωνίδης ἡγήσατο καὶ αὐτὸς ἢ τύραννον ἢ ἄλλόν τινα τῶν τοιούτων ἐπαινέσαι καὶ ἐγκωμιάσαι, οὐχ ἑκών, ἀλλ᾽ ἀναγκαζόμενος. ταῦτα δὴ καὶ τῷ Πιττακῷ λέγει ὅτι, Ἐγώ, ὦ Πιττακέ, οὐ διὰ
4 αὐτούς,] αὐτούς Heindorf 1810 Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. W2 6 ἀνάγκαις] ἀναγκαίαις konj. Heindorf und Schleiermacher W1 Anm. 31 Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 595) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 64 [218,14], übersetzt W1 8 καὶ, ἄν] καὶ ἐάν Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 64 [218,16] 10 διαδικηθέντες] ἀδικηθέντες Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina), Variae lectiones, S. 359 Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 595) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 64 [218,17], übersetzt W1 W2
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 346a-b (Z. 5 f.): προς ταις αναγκαις προστιθεσθαι – ad necessitatem addunt. zu 346b (Z. 10): διαδικηθεντες iniuria affecti sunt – In der Ecloge nichts davon.
Noten Spaldings (SN 157) zu 346a (Z. 5 f.): Das ist nun die Frage: Soll es heißen ἀναγκαίαις oder ἀναγκαίοις? [nachträglich hinzugefügt:] cf. 349.b. [korr. aus 149.b.] ἴδιος οὐσία. aber auch ibid. c. ἰδίαν — δύναμιν. S Exz.Corn. Jeweils aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 449.
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oder des Vaterlandes, damit sie selbst von den Menschen nicht ihrer Vernachläßigung wegen möchten angeklagt, und ihnen dies zur Schande angerechnet werden, daß sie sie vernachläßigen. | Weshalb sie sie auch wohl über die Gebühr tadeln und zu den unvermeidlichen Mißhelligkeiten31 noch selbstgemachte hinzufügen. Gute Menschen aber suchten dergleichen zu verbergen und zwängen sich noch zum Lobe, und wenn sie wegen erlittenen Unrechtes gegen solches Vaterland oder Eltern in Zorn geriethen, ermahnten sie sich selbst und versöhnten sich, indem sie sich noch nöthigten die Ihrigen zu lieben und zu loben. Und oft auch meine ich hat Simonides selbst geglaubt einen Tyrannen oder einen Andern32 gelobt und gepriesen zu haben nicht aus freier Wahl, sondern gezwungen. Dieses sagt er daher auch dem Pittakos: Ich, o Pittakos, tadle dich nicht
oder des Vaterlandes, damit sie selbst | von den Menschen nicht ihrer Vernachlässigung wegen möchten angeklagt, und ihnen dies zur Schande angerechnet werden, daß sie sie vernachlässigen. Weshalb sie sie auch wohl über die Gebühr tadeln und noch selbstgemachte Mißhelligkeiten zu allem unvermeidlichen hinzufügen. Gute Menschen aber suchten dergleichen zu verbergen, und zwängen sich noch zum Lobe, und wenn sie erzürnt wären gegen Eltern oder Vaterland wegen erlittenen Unrechtes, ermahnten sie sich selbst und versöhnten sich, indem sie sich noch nöthigten die Ihrigen zu lieben und zu loben. Und oft auch meine ich hat Simonides selbst geglaubt einen Tyrannen oder einen Andern33 solchen zu loben und zu preisen nicht aus freier Wahl, sondern gezwungen. Dieses sagt er daher auch dem Pittakos: Ich, o Pittakos, tadle dich nicht
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unvermeidlichen Mißhelligk e i t e n . Eine sehr sichere Verbesserung des Textes ist die von Heindorf, der ich hier folge: ἀναγκαίαις statt ἀνάγκαις. 32 e i n e n Ty r a n n e n o d e r e i n e n A n d e r n . Gewiß dachte Platon hiebei an die Verhältnisse des Simonides mit dem Skopas und Hieron. Wie der Dichter den Thessalischen Fürsten angehangen davon sehe man Theocr. XVI. 36. seq., und von dem Uebermuthe des Skopas gegen ihn erzählt Cicero de Orat. II. 86. die wegen der Gedächtnißkunst bekannte Geschichte.
S Anm. 32 Simonides hatte u. a. Beziehungen zu Skopas II. (aus dem thessalischen Adelsgeschlecht der Skopaden, 6. Jh. v. Chr.) und zu Hieron I. (Tyrann von Syrakus, ca. 540/530-466/5 v. Chr.).
e i n e n Ty r a n n e n o d e r e i n e n A n d e r n . Gewiß dachte Platon hiebei an die Verhältnisse des Simonides mit dem Skopas und Hieron. Wie der Dichter den Thessalischen Fürsten angehangen davon sehe man Theocr. XVI. 36 seq. und von dem Uebermuthe des Skopas gegen ihn erzählt Cicero de Orat. II. 86. die wegen der Gedächtnißkunst bekannte Geschichte.
S 8 und noch] nach Heindorf und Bekker wie Spalte 1 App. 9f zu allem unvermeidlichen] gegen W1 (mit Anm. 31), Heindorf und Bekker wie Spalte 1 App. S Anm. 33 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 32.
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ταῦτα σὲ ψέγω ὅτι εἰμὶ φιλόψογος. ἐπεὶ ἔμοιγε ἐξαρκεῖ ὃς ἂν μὴ κακὸς ᾖ, μηδ᾽ ἄγαν ἀπάλαμνος, εἰδώς γε ὀνήσει πόλιν δίκαν ὑγιὴς ἀνήρ. οὐ μὴν ἐγὼ μωμήσομαι. οὐ γάρ εἰμι φιλόμωμος. τῶν γὰρ ἠλιθίων ἄπειρα γενέθλα· ὥστ᾽ εἴτις χαίρει ψέγων, Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 346c (Z. 3 f.): εἰδως γε ὀνησει p. – Sciens sane profuerit civitati iniustae sanus vir. In Graecis legendum .. πολιν αδικον ὑγιης ἀνηρ. Vulgo δικαν legitur pro ἀδικον: nisi αδικαν pro αδικον foemineo genere Simonides, cuius versus est dixerit. zu 346c (Z. 4 f.): ου μην εγω – non tamen ego vituperabo Simonides-Zitate (SN 156/2) zu 346c (Z. 2 ff.): επει εμοιγε εξαρκει ὁς αν μη κακος ᾖ μηδ᾽ αγαν απαλαμνος, ειδως γε ονησει πολιν δικαν ὑγιης ανηρ. ου μην εγω μωμησομαι (ου γαρ ειμι φιλομωμος?) των γαρ ηλιθιων απειρα γενεθλα. παντα τοι καλα τοισι τ᾽ αισχρα μη μεμικται. Das sind offenbar Worte des Gedichtes und die Wiederholung des παναμωμον zeigt daß sie vor jenen Worten stehn. Sollte nicht das μην in ου μην εγω μιν heißen? Der Anfang ist verschmolzen und nicht recht auszumitteln.
Noten Spaldings (SN 157) zu 346c (Z. 5): μιν statt μην schön.
3f εἰδώς γε ὀνήσει πόλιν] εἰδώς τ᾽ ὀνησίπολιν konj. G. Hermann (bei Heindorf z. St., S. 596+598) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 64 [219,4], übersetzt W2 4f οὐ μὴν] οὔ μιν konj. Schleiermacher Sim.Zit. [SN 156/2] (Spalte 2) W1 Anm. 35, übernommen Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 596) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 64 [219,4], übersetzt W1 W2
T Exz.Corn. Dieses und das folgende Notat zu 346c stehen in SN 156/1 vor dem Notat zu 345e (s. o.). S Exz.Corn. zu 346c (Z. 3 f.): Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 449 und Ecl. S. 513 (dort allerdings ... dixit. statt dixerit. in Z. 6). – Ficinus in Ed.Zweibrücken: Sciens quidem iuvabit civitatem iustam vir sanus. | Exz.Corn. zu 346c (Z. 4 f.): Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 449. | Spld. Vgl. Spalte 1 App.
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etwa deshalb, weil ich tadelsüchtig wäre. Denn mir genügt33 wer nicht schlecht ist noch gänzlich thatenlos. Wissend34 was sich gebührt, wird allezeit nüzen dem Staat ein gesunder Mann. Nicht will ich ihn tadeln, denn nicht bin ich ein Gerntadler; unzählig sind ja die Geschlechter der Thoren, daß wer tadeln will ge-
etwa deshalb, weil ich tadelsüchtig wäre. Denn mir genügt34 wer nicht schlecht ist noch gänzlich thatenlos, kundi g 3 5 des St aat f ör dernden Rechts ein gesunder Mann. Nicht will ich ihn tadeln, denn nicht bin ich ein Gerntadler; unzählig sind ja die Geschlechter der Thoren, so daß wenn einer liebt zu tadeln, er genug
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D e n n m i r g e n ü g t . Daß diese Stelle zu dem Gedichte des Simonides gehört, hat schon Cornar ausdrüklich gesagt, und auch Grou übersezt sie so. Doch die Sache spricht selbst für sich, und auch Herr Heyne kann das ἀπάλαμνος und einen Saz wie εἰδώς γε ὀνήσει πόλιν δίκαν ὑγιὴς ἀνήρ, und die ἠλιθίων ἄπειρα γενέθλα die überdies commentirt werden, nicht für Worte des erläuternden Sokrates halten, und sie fehlen gewiß nur durch ein Versehen in seiner Abhandlung. 34 In den Worten εἰδώς γε etc. habe ich δίκαν zu εἰδὼς gezogen. Ficin und Cornar, nicht genug bedenkend daß sie ein lyrisches Fragment vor sich haben, wollen es zu πόλιν ziehn, und darum möchte jener gern δικαίαν gelesen haben, und dieser fordert ἄδικον.
T Anm. 34 Fortsetzung der vorangehenden Anmerkung S Anm. 33 Vgl. Spalte 2 Cornarius; Jean-Nicolas Grou: Dialogues de Platon, Bd. 1, Amsterdam 1770, S. 283. Zu Heyne vgl. Schleiermachers Exzerpt (Spalte 2 zu 344e mit App. S). Anm. 34 Vgl. Spalte 2 Cornarius mit App. S (dort Ficinus).
D e n n m i r g e n ü g t . Daß diese Stelle zu dem Gedichte des Simonides gehört, hat schon Cornar ausdrüklich gesagt, und auch Grou übersezt sie so. Doch die Sache spricht selbst für sich, und niemand kann das ἀπάλαμνος und einen Saz wie εἰδώς γε ὀνήσει πόλιν δίκαν ὑγιὴς ἀνήρ, und die ἠλιθίων ἄπειρα γενέθλα, die überdies commentirt werden, für Worte des erläuternden Sokrates halten. 35 In den Worten εἰδώς γε war bei dem bisherigen Text nichts zu thun als δίκαν zu εἰδώς zu ziehen. Ficin und Cornar, nicht genug bedenkend daß sie ein lyrisches Fragment vor sich haben, wollten es zu πόλιν ziehn, und darum möchte jener gern δικαίαν gelesen haben, und dieser fordert ἄδικον. Seitdem aber auch Bekker die Hermannsche Verbesserung εἰδώς τ᾽ ὀνησί πόλιν in den Text genommen trage ich kein Bedenken ihr gleichfalls zu folgen.
T Anm. 35 Fortsetzung der vorangehenden Anmerkung S 4 kundig des Staat fördernden] nach Bekker wie Spalte 1 App.; vgl. Heindorf z. St. (S. 596) und W2 Anm. 35 (dazu Spalte 3 zu W1 Anm. 34) – Die Übersetzung des Gedichtes in W2 Anm. 39 ist an dieser Stelle jedoch nicht angepaßt. S Anm. 34 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 33.
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ἐμπλησθείη ἂν ἐκείνους μεμφόμενος. πάντα τοι καλά, τοῖσί τ᾽ αἰσχρὰ μὴ μέμικται. Οὐ τοῦτο λέγει, ὥσπερ ἂν εἰ ἔλεγε, πάντα τοι λευκά, οἷς μέλανα μὴ μέμικται (γελοῖον γὰρ ἂν εἴη πολλαχῆ) ἀλλ᾽ ὅτι αὐτὸς καὶ τὰ μέσα ἀποδέχεται· ὥστε μὴ ψέγειν. καὶ οὐ ζητῶ, ἔφη, πανάμωμον ἄνθρωπον, εὐρυέδους ὅσοι καρπὸν αἰνύ-
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nug haben kann, wenn er jene tadelt.35 Alles sei schön dem nichts schlechtes ist beigemischt. Dies meint er nicht so als ob er sagte: alles ist weiß dem nichts schwarzes ist beigemischt, denn das wäre ja lächerlich auf alle Weise, sondern er will sagen, daß er selbst sich auch an dem mittelmäßigen genügen läßt, so daß er es nicht tadle. Und36 ich suche nicht, sagt er, einen tadellosen Mann unter allen die wir der weitbewohnten Erde Früchte brechen.
haben kann, wenn er jene tadelt.36 Alles ist schön dem nichts schlechtes ist beigemischt. Dies meint er nicht so als ob er sagte: alles ist weiß dem nichts schwarzes ist beigemischt, denn das wäre ja lächerlich auf alle Weise, sondern er will sagen, daß er sel bst si ch auch an dem mittelmäßigen genügen läßt, so daß er es nicht tadle. Und37 ich suche nicht, sagt er, einen tadellosen Mann unter allen die wir der weitbewohnten Erde Früchte brechen.
35 Grou scheint schon die Worte Ἐγὼ οὐ ... φιλόψογος, Uebers. Ich, o Pittakos ... tadelsüchtig wäre, dem Gedicht beizulegen. Gewiß mit Unrecht, schon wegen des ὦ Πιττακέ. So sind auch die Worte ὥστ᾽ εἴτις ... μεμφόμενος, Uebers. daß wer tadeln ... jene tadelt, ohne Zweifel eingeschobener Zusaz des Sokrates, um das abgebrochene | τῶν γὰρ ἠλιθίων ἄπειρα γενέθλα zu erklären. 36 Die Wiederholung der folgenden, schon einmal da gewesenen Stelle läßt vermuthen, daß sie der Ordnung nach erst hieher gehört und oben nur anticipirt worden, gleichsam als wäre es ursprünglich nicht des Sokrates Absicht gewesen so ausführlich über das Gedicht zu reden.
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T Anm. 35 Fortsetzung der vorangehenden Anmerkung mit Gedankenstrich vor Grou Anm. 36 Fortsetzung der vorangehenden Anmerkung mit Gedankenstrich vor Die S Anm. 35 Jean-Nicolas Grou: Dialogues de Platon, Bd. 1, Amsterdam 1770, S. 282 f. Anm. 36 Zu dieser Stelle s. o. 345c-d.
Grou scheint schon die Worte Ἐγὼ οὐ ... φιλόψογος, Uebers. „Ich, o Pittakos ... tadelsüchtig wäre,“ dem Gedicht beizulegen. Gewiß mit Unrecht, schon wegen des ὦ Πιττακέ. So sind auch die Worte ὥστ᾽ εἴτις ... μεμφόμενος, Uebers. „daß wer tadeln ... jene tadelt,“ ohne Zweifel eingeschobener Zusaz des Sokrates, um das abgebrochene τῶν γὰρ ἠλιθίων ἄπειρα γενέθλα zu erklären. 37 Die Wiederholung der folgenden, schon einmal da gewesenen Stelle läßt vermuthen, daß sie der Ordnung nach erst hieher gehört und oben nur anticipirt worden, gleichsam als wäre es ursprünglich nicht des Sokrates Absicht gewesen so ausführlich über das Gedicht zu reden.
T Anm. 36 Fortsetzung der vorangehenden Anmerkung mit Gedankenstrich vor Grou Anm. 37 Fortsetzung der vorangehenden Anmerkung mit Gedankenstrich vor Die S Anm. 36 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 35. Anm. 37 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 36.
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μεθα χθονός. ἔπειθ᾽ ὑμῖν εὑρὼν ἀπαγγελέω. ὥστε τούτου γ᾽ ἕνεκα οὐ-
Schleiermachers Rekonstruktion des Simonideischen Gedichts (SN 156/2) Ανδρα αγαθον μεν αλαθεως γενεσθαι χαλεπον χερσι τε και ποσι και νοῳ τετραγωνον ανευ ψογου τετυγμενον - - - ουδε μοι εμμελεως το Πιττακειον νεμεται καιτοι σοφου παρα φωτος ειρημενον (χαλεπον φατο εσθλον εμμεναι) - - - αλλα θεος αν μονος τουτο εχοι το γερας. ανδρα δε ουκ εστι μη ου κακον εμμεναι ον αν αμηχανος συμφορα καθελῃ - - - πραξας μεν γαρ εὐ πας ανηρ αγαθος (?) - επιπλειστον δε και αριστοι εισιν οὑς αν οι θεοι φιλωσιν. [Τουνεκεν ουποτ εγω το μη γενεσθαι δυνατον διζημενος κενεαν εις ἀπρακτον ἐλπιδα μοιραν αιωνος βαλεω παναμωμον ανθρωπον ευρυεδους οσοι καρπον αινυμεθα χθονος. επειθ υμιν ευρων ἀπαγγελεω. παντας δε επαινοιμι και φιλεω εκων οστις ερδη μηδεν αἰσχρον αναγκῃ δε ουδε θεοι μαχονται][επει εμοιγε εξαρκει ὁς αν μη κακος η μηδ αγαν απαλαμνος ειδως γε ονησει πολιν δικαν υγιης ανηρ ου μην εγω μωμησομαι ου γαρ ειμι φιλομωμος των γαρ ηλιθιων απειρα γενεθλα (ωστ ειτις χαιρει ψεγων εμπλησθειη αν εκεινους μεμφομενος) παντα τοι καλα τοισι τ᾽ αισχρα μη μεμικται.]
S Rekonstr. des Sim. Gedichtes Diese hsl. Rekonstruktion ist offenbar vor Exz.Corn. (SN 156/1) und Sim.Zit. (156/2) entstanden, da die Korrekturen und Konjekturen aus diesen beiden Arbeitsschritten nicht berücksichtigt sind: z. B. zur Form επαινοιμι vgl. 345d Spalte 1 App. und Spalte 2. Allein die Umstellung der beiden letzten Abschnitte hat Schleiermacher in der Hs. durch eckige Klammern markiert (in der Edition unverändert wiedergegeben).
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Find’37 ich ihn dann verkünd’ ich es euch. Also38 nicht deshalb allein
Find’38 ich ihn dann verkünd’ ich es euch. So39 daß ich deshalb keinen
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Vorläufig möchte daher, was von dem Simonideïschen Gedicht hier beigebracht ist, so zu stehen kommen: Ἄνδρα ἀγαθὸν μὲν ἀλαθέως γενέσθαι χαλεπόν, χερσί τε καὶ ποσὶ καὶ νόῳ τετράγωνον ἄνευ ψόγου τετυγμένον. ... οὐδέ μοι ἐμμελέως τὸ Πιττάκειον νέμεται, καίτοι σοφοῦ παρὰ φωτὸς εἰρημένον· χαλεπὸν φάτο ἐσθλὸν ἔμμεναι. ... [ἀλλὰ] θεὸς ἂν μόνος τοῦτο ἔχοι [τὸ] γέρας. Ἄνδρα δὲ οὐκ ἔστι μὴ οὐ κακὸν ἔμμεναι, ὃν ἂν ἀμήχανος συμφορὰ καθέλῃ. ... πράξας μὲν γὰρ εὖ πᾶς ἀνὴρ ἀγαθός· κακὸς δὲ κακῶς (... ...?) ἐπιπλεῖστον [δὲ] καὶ ἄριστοί [εἰσιν] οὓς ἂν οἱ θεοὶ φιλῶσιν... Ἔμοιγ᾽ ἐξαρκεῖ ὃς ἂν μὴ κακὸς ᾖ μηδ᾽ ἄγαν ἀπάλαμνος, εἰδώς γε ὀνήσει πόλιν δίκαν ὑγιὴς ἀνήρ. Οὐ μὴν (μιν?) ἐγὼ μωμήσομαι, οὐ γάρ εἰμι φιλόμωμος· τῶν γὰρ ἠλιθίων ἄπειρα γενέθλα. ... πάντα τοι καλὰ τοῖσί τ᾽ αἰσχρὰ μὴ μέμικται. ... Τοὔνεκεν οὔποτ᾽ ἐγὼ τὸ μὴ γενέσθαι δυνατὸν διζήμενος κενεὰν εἰς ἄπρακτον ἐλπίδα μοῖραν αἰώνος βαλέω, πανάμωμον ἄνθρωπον εὐρυεδοῦς ὅσοι καρπὸν αἰνύμεθα χθονός· ἔπειθ᾽ ὑμῖν εὑρὼν ἀπαγγελέω. πάντας δὲ ἐπαίνημι καὶ φιλέω ἑκὼν ὅστις ἕρδῃ μηδὲν αἰσχρόν· ἀνάγκῃ δὲ οὐδὲ θεοὶ μάχονται. 38 In der Uebersezung: Ein treflicher Mann zu werden schon wahrhaftig ist schwer, ein gediegener von Hand und Fuß und Sinn und tadellos gebildeter. – Auch ist mir nicht abgemessen genug das
Vorläufig möchte daher, was von dem Simonideïschen Gedicht hier beigebracht ist, und griechisch von Hermann geordnet jeder bei Heindorf finden kann,
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in der Uebersezung so zu stehen kommen: | Ein treflicher Mann zu werden schon wahrhaftig ist schwer, ein gediegener von Hand und Fuß und Sinn und tadellos gebildeter. … Auch ist mir nicht abgemessen genug das
T Anm. 37 Fortsetzung der vorangehenden Anmerkung Anm. 38 Fortsetzung der vorangehenden Anmerkung
T Anm. 38 Fortsetzung der vorangehenden Anmerkung | 5 Hermann] fälschlich Herrmann W2 Anm. 39 Fortsetzung der vorangehenden Anmerkung
S Anm. 37 Anordnung kritisiert von Rez.Ast (1808), S. 139 f. Anm. 38 32f ein gediegener von Hand und Fuß ...] anscheinend nach Spalding (vgl. Spalte 2 Spld. [SN 157] zu 339b und 344a)
S Anm. 38 Heindorf 1810, S. 597-599; vgl. auch die Kritik in Rez.Ast (1810) (wie zu W1 Anm. 37) Anm. 39 32f ein gediegener von Hand und Fuß ...] vgl. Spalte 3 zu Anm. 38.
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δένα ἐπαινέσομαι· ἀλλά μοι ἐξαρκεῖ ἂν ᾖ μέσος, καὶ μηδὲν κακὸν ποιῇ. ὡς ἐγὼ πάντας φιλέω καὶ ἐπαινοῖμι. καὶ τῇ φωνῇ ἐνταῦθα κέχρηται τῇ
3 ἐπαινοῖμι] ἐπαίνημι Heindorf 1810 Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 64 [219,16]
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will ich loben, sondern es genügt mir wenn sich einer in der Mitte hält und nichts schlechtes thut. Daher werde ich Alle loben und lieben, und hier bedient er sich gar der
loben will, sondern es genügt mir wenn sich einer in der Mitte hält | und nichts schlechtes thut. Daher werde ich Alle loben und lieben, und hier bedient er sich gar der
Pittakeïsche Wort obwohl von einem weisen Manne gesprochen; schwer ist es, sagt er, tugendlich sein. Gott allein mag die Ehre | besizen. Dem Menschen aber ist nicht möglich nicht schlecht zu sein, wenn ihn ein rathloses Unglük daniederwirft … Denn jeglicher Mann, wer gut handelt, ist gut; schlecht aber, wer schlecht … Am weitesten aber gedeihn und die treflichsten sind, welche die Götter lieben. … Mir genügt, wer nicht schlecht ist, noch gänzlich thatenlos. Wissend, was sich gebührt, wird allezeit nuzen dem Staat ein gesunder Mann. Nicht will ich ihn tadeln; denn nicht bin ich ein Gerntadler, unzählig sind ja die Geschlechte der Thoren. … Alles sei schön, dem nichts schlechtes ist beigemischt. … Darum will ich auch nie, was nicht sein kann suchend, vergeblich unerfüllter Hoffnung mein Theil der Zeiten hinwerfen, einen tadellosen Mann unter allen, die wir der weiten Erde Früchte brechen. Find’ ich ihn, dann verkünd’ ich es euch. Alle daher werde ich, die nichts Schlechtes vollbringen aus freier Wahl loben und lieben; der Nothwendigkeit jedoch sträuben sich auch Götter nicht.
Pittakeïsche Wort obwohl von einem weisen Manne gesprochen; schwer ist es, sagt er, tugendlich sein. Gott allein mag die Ehre besizen. Dem Menschen aber ist nicht möglich nicht schlecht sein, welchen ein rathloses Unglük daniederwirft. Denn jeglicher Mann, wer gut handelt, ist gut; schlecht aber, wenn schlecht. Am weitesten aber gedeihen und die treflichsten sind, welche die Götter lieben. Mir genügt, wer nicht schlecht ist, noch gänzlich thatenlos. Wissend, was sich gebührt, wird allezeit nuzen dem Staat ein gesunder Mann. Nicht will ich ihn tadeln; denn nicht bin ich ein Gerntadler, unzählig sind ja die Geschlechte der Thoren. Alles ist schön, dem nichts schlechtes ist beigemischt. Darum will ich auch nie, was nicht sein kann suchend, vergeblich unerfüllter Hoffnung ein Theil der Zeiten hinwerfen, einen tadellosen Mann unter allen, die wir der weiten Erde Früchte brechen. Find’ ich ihn, dann verkünd’ ich es euch. Alle daher lobe ich und liebe, wer nichts Schlechtes vollbringt aus freier Wahl; der Nothwendigkeit jedoch sträuben sich auch Götter nicht. Nachdem Heindorfs Ausgabe erschienen, und die darin mitgetheilte Hermannische Bemühung dieser Sache die Krone aufgesezt hat, kann das meiste von dem in den obigen Anmerkungen gegen die frühere Heynesche Anordnung gesagte überflüssig scheinen. Ich habe jedoch diese Anmerkungen des geschichtlichen wegen stehen lassen, da sie die erste Anregung gegeben haben, dieses Bruchstük ganz aufs reine zu bringen.
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τῶν Μιτυληναίων, ὡς πρὸς Πιττακὸν λέγων τὸ Πάντας δὲ ἐπαινοῖμι καὶ φιλέω ἑκών. ἐνταῦθα δεῖ ἐν τῷ Ἑκών διαλαβεῖν, λέγοντα, ὅστις ἕρδῃ μηδὲν αἰσχρόν, ἄκων δ᾽ ἐστίν· οὓς ἐγὼ ἐπαινῶ καὶ φιλῶ. σὲ οὖν, καὶ εἰ μέσως ἔλεγες ἐπιεικῆ καὶ ἀληθῆ, ὦ Πιττακέ, οὐκ ἄν ποτε ἔψεγον· νῦν δέ, σφόδρα γὰρ καὶ περὶ τῶν μεγίστων ψευδόμενος, δοκεῖς ἀληθῆ λέγειν, διὰ ταῦτα σὲ ἐγὼ ψέγω. Ταῦτά μοι δοκεῖ, ὦ Πρόδικε καὶ Πρωταγόρα, ἦν δ᾽ ἐγώ, Σιμωνίδης διανοούμενος πεποιηκέναι τοῦτο τὸ ᾆσμα. — Καὶ ὁ Ἱππίας, Εὖ μέν μοι δοκεῖς, ἔφη, ὦ Σώκρατες, καὶ σὺ περὶ τοῦ ᾄσματος διεληλυθέναι· ἔστι μέντοι, ἔφη, καὶ ἐμοὶ λόγος περὶ αὐτοῦ εὖ ἔχων· ὃν ὑμῖν ἐπιδείξω, ἂν βούλησθε. — Καὶ ὁ Ἀλκιβιάδης, Ναί, ἔφη, ὦ Ἱππία, εἰσαῦθίς γε· νῦν δὲ δίκαιόν ἐστιν ἃ ὡμολογησάτην πρὸς ἀλλήλω Πρωταγόρας καὶ Σωκράτης· Πρωταγόρας μὲν εἰ ἔτι βούλεται ἐρωτᾷν, ἀποκρίνεσθαι Σωκράτη· εἰ δὲ δὴ βούλεται Σωκράτει ἀποκρίνεσθαι, ἐρωτᾷν τὸν ἕτερον. Καὶ ἐγὼ εἶπον, Ἐπιτρέπω
2 ἐπαινοῖμι] ἐπαίνημι konj. Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) Heindorf 1810 Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. W2 28 εἶπον,] εἶπον Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. W2
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Protagoras 1. Auflage
Protagoras 2. Auflage
Mundart der Mitylener39, als sagte | er ausdrüklich zum Pittakos dieses: Alle daher werde ich, die nichts Schlechtes vollbringen, und hier muß man inne halten bei dem vollbringen, aus freier Wahl loben und lieben, denn es giebt auch die ich wider Willen lobe und liebe. Auch dich, wenn du auch nur mittelmäßig wahr und verständig gesprochen hättest, o Pittakos, hätte ich nimmer getadelt, nun aber täuschest du dich zu sehr und über die wichtigsten Dinge und glaubst doch etwas Wahres gesagt zu haben, deshalb tadle ich dich. In dieser Meinung, o Prodikos und Protagoras, dünkt mich Simonides dieses Lied gedichtet zu haben. — Darauf sagte Hippias: Sehr gut, Sokrates, dünkt mich hast auch du dieses Lied erklärt; indeß habe ich auch darüber eine ganz schöne Rede, welche ich euch vortragen will, wenn ihr wollt. — O ja, sprach Alkibiades, hernach nämlich. Jezt aber muß erst noch, wie Protagoras und Sokrates übereingekommen sind, entweder wenn Protagoras noch etwas fragen will, Sokrates antworten, oder wenn jener dem Sokrates antworten will, dieser fragen. Ich sagte darauf: Für mein Theil
Mundart der Mytilener40, als sagte er ausdrüklich zum Pittakos dieses: Alle daher lobe ich und liebe, wer nichts Schlechtes vollbringt, und hier muß man inne halten bei dem vollbringt, aus freier Wahl, denn es giebt auch die ich wider Willen lobe und liebe. Dich nun, wenn du auch nur mittelmäßig wahr und verständig gesprochen hättest, o Pittakos, hätte ich nimmer getadelt, nun aber täuschest du dich zu sehr und über die wichtigsten Dinge und glaubst doch Wahres gesagt zu haben, deshalb tadle ich dich. In dieser Meinung, o Prodikos und Protagoras, sprach ich, dünkt mich Simonides dieses Lied gedichtet zu haben. — Darauf sagte Hippias: Sehr gut, Sokrates, dünkt mich hast auch du dieses Lied erklärt; indeß habe auch ich darüber eine ganz schöne Rede, welche ich euch vortragen will, wenn ihr wollt. — O ja, sprach Alkibiades, hernach nämlich. Jezt aber muß erst noch, wie Protagoras und Sokrates übereingekommen sind, entweder wenn Protagoras noch etwas fragen will, Sokrates antworten, oder wenn jener dem Sokrates antworten will, dieser fragen. Ich sagte darauf, Für mein Theil
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M u n d a r t d e r M i t y l e n e r . Dies bezieht sich nur auf die äolische Form ἐπαίνημι, die Stephanus aus ἐπαινοῖμι wiederhergestellt hat, ohne wie es scheint dieses gesehen zu haben.
S Anm. 39 die äolische Form ἐπαίνημι (sstatt der falschen Form ἐπαινοῖμι) steht neben der attischen Form φιλέω
M u n d a r t d e r M i t y l e n e r . Dies bezieht sich nur auf die äolische Form ἐπαίνημι, die Stephanus aus ἐπαινοῖμι wiederhergestellt hat, ohne wie es scheint dieses gesehen zu haben.
S 3 lobe ich] ggb. W1 verändert, vgl. Spalte 1 App.; dagegen ohne Veränderung oben Z. 793,4 32 sagte darauf,] nach Bekker wie Spalte 1 App. S Anm. 40 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 39.
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μὲν ἔγωγε Πρωταγόρᾳ ὁπότερον αὐτῷ ἥδιον· εἰ δὲ βούλεται, περὶ μὲν ᾀσμάτων τε καὶ ἐπῶν ἐάσωμεν· περὶ δὲ ὧν τὸ πρῶτον ἐγώ σε ἠρώτησα, ὦ Πρωταγόρα, ἡδέως ἂν ἐπὶ τέλος ἔλθοιμι μετὰ σοῦ σκοπούμενος. καὶ γὰρ δοκεῖ μοι τὸ περὶ ποιήσεως διαλέγεσθαι, ὁμοιότατον εἶναι τοῖς συμποσίοις τοῖς τῶν φαύλων καὶ ἀγοραίων ἀνθρώπων. καὶ γὰρ οὗτοι, διὰ τὸ μὴ δύνασθαι ἀλλήλοις δι᾽ ἑαυτῶν συνεῖναι ἐν τῷ πότῳ, μηδὲ διὰ τῆς ἑαυτῶν φωνῆς καὶ τῶν λόγων τῶν ἑαυτῶν, ὑπὸ ἀπαιδευσίας, τιμίας ποιοῦσι τὰς αὐλητρίδας, πολλοῦ μισθούμενοι ἀλλοτρίαν φωνὴν τὴν τῶν αὐλῶν, καὶ διὰ τῆς ἐκείνων φωνῆς ἀλλήλοις σύνεισιν. ὅπου δὲ καλοὶ κᾀγαθοὶ συμπόται καὶ πεπαιδευμένοι εἰσίν, οὐκ ἂν ἴδοις οὔτ᾽ αὐλητρίδας, οὔτε ὀρχηστρίδας, οὔτε ψαλτρίας, ἀλλὰ αὐτοὺς αὑτοῖς ἱκανοὺς ὄντας συνεῖναι, ἄνευ τῶν λήρων τε καὶ παιδιῶν τούτων, διὰ τῆς αὑτῶν φωνῆς λέγοντάς τε καὶ ἀκούοντας ἐν μέρει ἑαυτῶν κοσμίως, κᾂν πάνυ πολὺν οἶνον πίωσιν. οὕτω δὲ καὶ αἱ τοιαίδε συνουσίαι ἐὰν μὲν λάβωνται ἀνδρῶν οἷοίπερ ἡμῶν οἱ πολλοί φασὶν εἶναι, οὐδὲν δέονται ἀλλοτρίας φωνῆς, οὐδὲ ποιητῶν, οὓς οὔτε ἀνέρεσθαι οἷόντ᾽ ἐστὶ περὶ ὧν λέγουσιν· ἐπαγόμενοί τε αὐτοὺς οἱ πολλοὶ ἐν τοῖς λόγοις, οἱ μὲν ταῦτα
3 ἐάσωμεν·] ἐάσωμεν, Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. W2 32 φωνῆς,] φωνῆς Heindorf 1810 Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. W2
Vorarbeiten (handschriftlich)
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 347e (Z. 32 ff.): οὑς ουτε ανερεσθαι – neque poetis, quos neque interrogare datur, de quibus dicunt: et plerique qui ipsos adducunt in sermonibus partim haec poetam velle afferunt, partim alia de re ipsa afferentes, redarguere non possunt.
S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 450. – Ficinus in Ed.Zweibrücken: poetarumque verbis opus est, quos percontari de his, quae scribunt, non datur: et qui eorum testimonia in medium afferunt, alii hoc, alii aliud poetam dicunt sentire; neque tamen convincere rem possunt, de qua disserunt, aut expedire.
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überlasse ich dem Protagoras welches ihm lieber ist; will er indeß, so wollen wir Lieder und Gedichte bei Seite lassen; worüber ich dich aber zuerst fragte, Protagoras, das möchte ich gern mit dir untersuchend zu Ende bringen. Denn mich dünkt ein Gedicht zum Gegenstande des Gesprächs zu machen habe allzu viel Aehnlichkeit mit den Gastmahlen ungebildeter und gemeiner Menschen. Denn auch diese, weil sie sich nicht selbst mit einander unterhalten können beim Becher noch durch ihre eigne Stimme und Rede aus Geistesarmuth, vertheuern sie die Flötenspielerinnen und miethen für vieles Geld die fremde Stimme der Flöte | und unterhalten sich durch deren Stimme. Wo aber gute und edle und unterrichtete Zecher zusammen kommen, da findest du keine Flötenspielerin noch Tänzerin noch Lautenschlägerin, sondern du findest sie sich unter einander genug zur Unterhaltung ohne diese Possen und Tändeleien durch ihre eigene Stimme jeden an seinem Theile bald redend bald hörend in guter Ordnung, und sollten sie auch sehr vielen Wein getrunken haben. So bedürfen auch solche Unterhaltungen, wie die gegenwärtige, wenn Männer darin begriffen sind wie die meisten unter uns sich zu sein rühmen, keiner fremden Stimme, und keiner Dichter, welche man nicht einmal befragen kann über das was sie sagen, so daß auch die welche ihrer in ihren Reden erwähnen, theils sagen, dies habe der Dichter gemeint,
überlasse ich dem Protagoras welches ihm lieber ist; will er indeß, so wollen wir Lieder und Gedichte bei Seite lassen, worüber ich dich aber zuerst fragte, Protagoras, das möchte ich gern mit dir untersuchend zu Ende bringen. Denn mich dünkt über Gedichte sprechen habe allzu viel Aehnlichkeit mit den Gastmahlen ungebildeter und gemeiner Menschen. Denn auch diese, weil sie sich nicht selbst mit einander unterhalten können beim Becher noch durch | ihre eigne Stimme und Rede aus Unbildung, vertheuern sie die Flötenspielerinnen und miethen für vieles Geld die fremde Stimme der Flöte und unterhalten sich durch deren Stimme. Wo aber gute und edle und unterrichtete Zecher zusammen kommen, da findest du keine Flötenspielerin noch Tänzerin noch Lautenschlägerin, sondern du findest sie sich unter einander genug zur Unterhaltung ohne diese Possen und Tändeleien durch ihre eigene Stimme jeden an seinem Theile bald redend bald hörend ganz sittsam, und sollten sie auch sehr vielen Wein getrunken haben. So bedürfen auch solche Unterhaltungen, wie die gegenwärtige, wenn Männer darin begriffen sind, wie die meisten unter uns sich zu sein rühmen, keiner fremden Stimme und keiner Dichter, welche man nicht einmal befragen kann über das, was sie sagen, so daß auch die, welche ihrer in ihren Reden erwähnen, theils sagen, dies habe der Dichter gemeint, theils
S 4 lassen,] nach Bekker wie Spalte 1 App. 35 Stimme] nach Heindorf und Bekker wie Spalte 1 App.
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φασὶ τὸν ποιητὴν νοεῖν, οἱ δ᾽ ἕτερα περὶ πράγματος διαλεγόμενοι, ἀδυνατοῦσιν ἐξελέγξαι· ἀλλὰ τὰς μὲν τοιαύτας συνουσίας ἐῶσι χαίρειν, αὐτοὶ δ᾽ ἑαυτοῖς σύνεισι, δι᾽ ἑαυτῶν, ἐν τοῖς ἑαυτῶν λόγοις πεῖραν ἀλλήλων λαμβάνοντες καὶ διδόντες. τοὺς τοιούτους μοι δοκεῖ χρῆναι μᾶλλον μιμεῖσθαι ἐμέ τε καί σε, καταθεμένους τοὺς ποιητὰς, αὐτοὺς δι᾽ ἡμῶν αὐτῶν πρὸς ἀλλήλους τοὺς λόγους ποιεῖσθαι, τῆς ἀληθείας καὶ ἡμῶν αὐτῶν πεῖραν λαμβάνοντας. κᾂν μὲν βούλῃ ἔτι ἐρωτᾷν, ἕτοιμος εἰμί σοι παρέχειν ἀποκρινόμενος· ἐὰν δὲ βούλῃ, σὺ ἐμοὶ πάρασχε, περὶ ὧν μεταξὺ ἐπαυσάμεθα διεξιόντες, τούτοις τέλος ἐπιθεῖναι. — Λέγοντος οὖν ἐμοῦ ταῦτα καὶ τοιαῦτα ἄλλα, οὐδὲν ἀπεσάφει ὁ Πρωταγόρας ὁπότερα ποιήσοι. εἶπεν οὖν ὁ Ἀλκιβιάδης, πρὸς τὸν Καλλίαν βλέψας, Ὦ Καλλία, δοκεῖ σοι, ἔφη, καὶ νῦν καλῶς Πρωταγόρας ποιεῖν, οὐκ ἐθέλων εἴτε δώσει λόγον, εἴτε μή, διασαφεῖν; ἐμοὶ γὰρ οὐ δοκεῖ· ἀλλ᾽ ἤτοι
2f ἀδυνατοῦσιν] ὃ ἀδυνατοῦσιν konj. Heindorf (laut W1 Anm. 40, vgl. Heindorf zu Platon, Hippias Maior 289b: Ed.Berlin 1802, S. 144) Heindorf 1810 z. St. (S. 603), übersetzt W1 W2 | οὖ ἀδυνατοῦσιν Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 65 [221,18], vgl. W2 Anm. 41
Noten Spaldings (SN 157) zu Anm. (verl.) zu 347e (Z. 2 f.): Hndfs Konjektur ist schön. Übers. (verl.) von 348a (Z. 16): Muß man denn nicht schreiben παράσχες? Übers. (verl.) von 348b (Z. 25): δώσει λόγον cf. dicta ad. 336.c. S Spld. zu Übers. (verl.) von 348a (Z. 16): Die häufig überlieferte, aber morphologisch falsche Form πάρασχε richtig als παράσχες in Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 65 [222,5].
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theils wieder etwas anderes, indem sie von einer Sache reden,40 welche sie nicht auszumitteln vermögen; sondern solcher Unterhaltung entschlagen sie sich und unterhalten sich selbst durch sich selbst, indem sie sich in eignen Reden einander versuchen und versuchen lassen. Solche dünkt mich sollten ich und du lieber nachahmen und die Dichter bei Seite sezend aus uns selbst mit einander reden, um die Wahrheit und uns zu erforschen. Willst du mich also noch weiter fragen, so bin ich bereit mich dir als Antwortender zu stellen; willst du aber, so stelle du dich mir, um den Gegenstand dessen Erörterung wir abgebrochen haben zu Ende zu führen. — Hierauf und was ich weiter hinzufügte, erklärte sich Protagoras nicht, welches von beiden er thun wollte. Daher sagte Alkibiades zum Kallias sich wendend: Wie ist es, Kallias? Dünkt dich auch nun Protagoras recht zu thun, indem er nicht erklären will ob er dem Sokrates das | Wort geben wird oder nicht? Mich dünkt es nicht, sondern
wieder etwas anderes, indem sie von einer Sache reden,41 welche sie nicht auszumitteln vermögen; sondern solcher Unterhaltung entschlagen sie sich und unterhalten sich selbst durch sich selbst, indem sie sich in eignen Reden einander versuchen und versuchen lassen. Solche dünkt mich sollten ich und du lieber nachahmen, und die Dichter bei Seite sezend aus uns selbst mit einander reden, um die Wahrheit und uns zu erforschen. Willst du mich also noch weiter fragen, so bin ich bereit mich dir als Antwortender zu stellen; willst du aber, so stelle du dich mir, um den Gegenstand dessen Erörterung wir abgebrochen haben zu Ende zu führen. — Hierauf und was ich weiter hinzufügte, erklärte sich Protagoras nicht, welches von beiden er thun wollte. Daher sagte | Alkibiades zum Kallias sich wendend: Wie ist es, Kallias? Dünkt dich auch nun Protagoras recht zu thun, indem er nicht erklären will ob er Rede stehen will oder nicht? Mich dünkt nicht, sondern entweder seze er die
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indem sie von einer Sache r e d e n . Offenbar ist der Text an dieser Stelle fehlerhaft. Ficin folgt der natürlichen Erwartung, daß bei ἕτερα der Gegensaz zu Ende sei, muß aber nun zum folgenden erst die Verbindung suppliren. Cornar folgt der Struktur, und zieht ἕτερα zu διαλεγόμενοι, welches aber einen ganz schiefen Sinn giebt. Nichts leichter als Heindorfs Verbesserung ἕτερα περὶ πράγματος διαλεγόμενοι, ὃ ἀδυνατοῦσιν ἐξελέγξαι.
indem sie von einer Sache r e d e n . Offenbar ist der Text an dieser Stelle fehlerhaft. Ficin folgt der natürlichen Erwartung, daß bei ἕτερα der Gegensaz zu Ende sei, muß aber nun zum folgenden erst die Verbindung suppliren. Cornar folgt der Struktur, und zieht ἕτερα zu διαλεγόμενοι, welches aber einen ganz schiefen Sinn giebt. Nichts leichter als Heindorfs Verbesserung und Bekkers Text.
S 27f Rede stehen] verändert ggb. W1, vgl. Spaldings Note (Spalte 2) S Anm. 40 Vgl. Spalte 1 App. und S. 796, Spalte 2 Cornarius mit App. S (dort Ficinus).
S Anm. 41 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 40.
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διαλεγέσθω, ἢ εἰπέτω ὅτι οὐκ ἐθέλει διαλέγεσθαι· ἵνα τούτῳ μὲν ταῦτα συνειδῶμεν, Σωκράτης δὲ ἄλλῳ τῳ διαλέγηται, ἢ ἄλλος ὅστις ἂν βούληται ἄλλῳ. Καὶ ὁ Πρωταγόρας αἰσχυνθείς, ὥς γε μοι ἔδοξε, τοῦ τε Ἀλκιβιάδου ταῦτα λέγοντος, καὶ τοῦ Καλλίου δεομένου, καὶ τῶν ἄλλων σχεδόν τι τῶν παρόντων, μόγις προὐτρέπετο εἰς τὸ διαλέγεσθαι, καὶ ἐκέλευεν ἐρωτᾷν αὐτὸν ὡς ἀποκρινούμενος. Εἶπον δὴ ἐγώ, Ὦ Πρωταγόρα, μὴ οἴου διαλέγεσθαί με σοὶ ἄλλό τι βουλόμενον ἢ ἃ αὐτὸς ἀπορῶ ἑκάστοτε, ταῦτα διασκέψασθαι. ἡγοῦμαι γὰρ πάνυ λέγειν τὶ τὸν Ὅμηρον τὸ, Σύν τε δύ᾽ ἐρχομένω, καί τε πρὸ ὃ τοῦ ἐνόησεν. εὐπορώτεροι γάρ πως ἅπαντες ἐσμὲν οἱ ἄνθρωποι πρὸς ἅπαν ἔργον καὶ λόγον καὶ διανόημα· μοῦνος δ᾽ εἴπέρ τε νοήσῃ, αὐτίκα περιϊὼν ζητεῖ ὅτῳ ἐπιδείξηται, καὶ μεθ᾽ ὅτου βεβαιώσηται, ἕως ἂν ἐντύχοι. ὥσπερ καὶ ἐγὼ ἕνεκα τούτου σοὶ ἡδέως διαλέγομαι μᾶλλον ἢ ἄλλῳ τινί· ἡγούμενός σε βέλτιστ᾽ ἂν ἐπισκέψασθαι καὶ περὶ τῶν ἄλλων περὶ ὧν εἰκὸς
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entweder seze er die Unterredung fort, oder er sage daß er sie nicht fortsezen will, damit wir auch wissen, woran wir mit ihm sind, und Sokrates sich dann mit einem andern unterreden könne, oder welcher andere sonst Lust hat mit einem andern. Hierauf, beschämt wie es mir schien, da Alkibiades so sprach und Kallias ihn bat und fast alle Anwesende mit, bequemte sich Protagoras endlich wieder zum Gespräch, und hieß mich ihn fragen, indem er antworten wollte. Ich fing also an und sagte: Glaube nur nicht, Protagoras, daß ich aus irgend einer andern Absicht mich mit dir unterrede, als nur um das worüber ich eben Zweifel habe zu erforschen. Denn ich glaube, daß Homeros gar Recht hat,41 wenn er sagt: Wo Zween wandeln zugleich, da bemerket der Ein’ und der Andre; denn so sind alle Menschen besser gerüstet zu jeder Handlung und Rede und Untersuchung. Doch der Einzele, ob er bemerket, geht er dennoch sogleich umher, und suchet bis er einen findet, dem er es vorzeige, und mit dem er es sich recht begründe. So wie auch ich eben deshalb so gern mit dir rede, lieber als mit einem andern; weil ich glaube daß du am besten sowohl alles Andere, worüber ein ordentlicher Mann wohl nachdenken mag,
Unterredung fort, oder er sage daß er sie nicht fortsezen will, damit wir wissen, woran wir mit diesem sind, und Sokrates sich dann mit einem andern unterreden könne, oder welcher andere sonst Lust hat mit einem andern. Hierauf, beschämt wie es mir schien, da Alkibiades so sprach und Kallias ihn bat und fast alle Anwesende mit, bequemte sich Protagoras endlich wieder zum Gespräch, und hieß mich ihn fragen, indem er antworten wollte.
41 d a ß H o m e r o s g a r r e c h t h a t . Ilias X., 224. 225.
42 d a ß H o m e r o s g a r r e c h t h a t . Ilias X., 224. 225.
S Anm. 41 Homer, Ilias 10, 224 f. in der Übersetzung von Johann Heinrich Voß: Homers Ilias 1793: Wo zween wandeln zugleich, da bemerkt der ein’ und der andre / Schneller, was heilsam sei; doch der einzelne, ob er bemerket
S Anm. 42 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 41.
Ich fing also an und sagte: Glaube nur nicht, Protagoras, daß ich irgend etwas anderes wollend mich mit dir unterrede, als nur das worüber ich eben Zweifel habe erforschen. Denn ich glaube, daß Homeros gar Recht hat,42 wenn er sagt: Wo Zween wandeln zugleich, da bemerket der Ein’ und der Andre; denn so sind alle Menschen besser gerüstet zu jeder Handlung und Rede und Untersuchung. Doch der Einzele, ob er bemerket, geht er dennoch sogleich umher, und suchet bis er einen findet, dem er es vorzeige, und mit dem er es sich recht begründe. So wie auch ich eben deshalb so gern mit dir rede, lieber als mit einem andern; weil ich glaube daß du am besten sowohl alles Andere, worüber ein rechtlicher Mann wohl nachdenken mag,
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σκοπεῖσθαι τὸν ἐπιεικῆ, καὶ δὴ καὶ περὶ ἀρετῆς. τίνα γὰρ ἄλλον ἤ σε; ὅσγε οὐ μόνον αὐτὸς οἴει καλὸς κᾀγαθὸς εἶναι, ὥσπερ τινὲς ἄλλοι, αὐτοὶ μέν, ἐπιεικεῖς εἰσιν, ἄλλους δὲ οὐ δύνανται ποιεῖν· σὺ δὲ καὶ αὐτὸς ἀγαθὸς εἶ, καὶ ἄλλους οἷόστ᾽ εἶ ποιεῖν ἀγαθούς. καὶ οὕτω πεπίστευκας σαυτῷ, ὥστε καὶ ἄλλων ταύτην τὴν τέχνην ἀποκρυπτομένων, σύ γ᾽ ἀναφανδὸν σεαυτὸν ὑποκηρυξάμενος, εἰς πάντας τοὺς Ἕλληνας σοφιστὴν ἐπονομάσας, σεαυτὸν ἀπέφηνας παιδεύσεως καὶ ἀρετῆς διδάσκαλον, πρῶτος τούτου μισθὸν ἀξιώσας ἄρνυσθαι. πῶς οὖν οὔ σε χρὴ παρακαλεῖν ἐπὶ τὴν τούτων σκέψιν, καὶ ἐρωτᾷν, καὶ ἀνακοινοῦσθαι; οὐκ ἔσθ᾽ ὅπως οὐ καὶ νῦν δή. ἐγὼ ἐκεῖνα ἅπερ τοπρῶτον ἠρώτων περὶ τούτων, πάλιν ἐπιθυμῶ ἐξαρχῆς τὰ μὲν ἀναμνησθῆναι παρὰ σοῦ, τὰ δὲ συνδιασκέψασθαι. Ἦν δέ, ὡς ἐγᾦμαι, τὸ ἐρώτημα τόδε· σοφία καὶ σωφροσύνη καὶ ἀνδρεία καὶ δικαιοσύνη καὶ ὁσιότης, πότερον ταῦτα, πέντε ὄντα ὀνόματα, ἐπὶ ἑνὶ πράγματι ἐστίν, ἢ ἑκάστῳ τῶν ὀνομάτων τούτων ὑπόκειταί τις ἴδιος οὐσία, καὶ πρᾶγμα ἔχον ἑαυτοῦ δύναμιν ἕκαστον, οὐκ ὂν οἷον τὸ ἕτερον αὐτῶν τὸ ἕτερον. ἔφησθα οὖν σὺ οὐκ ὀνόματα
11f ὑποκηρυξάμενος,] ὑποκηρυξάμενος Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. W2 19f οὐ καὶ νῦν δή. ἐγὼ] οὔ. καὶ νῦν δὴ ἐγὼ Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 606) Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W1 W2, vgl. Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina), Variae lectiones, S. 360
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auseinandersezen kannst, als auch besonders das, was die Tugend betrifft. Denn wer auch anders als du, der du nicht nur selbst glaubst gut und edel zu sein, wie Andere die selbst zwar ganz ordentliche Männer sind, aber keinen Andern dazu machen können: sondern du bist sowohl selbst ein treflicher Mann als auch im Stande Andere zu treflichen Männern zu machen, und ver|trauest so sehr dir selbst, daß da Andere diese Kunst verbergen, du dich öffentlich dazu bekennst, und dich überall den Hellenen unter dem Namen eines Sophisten zum Lehrer in der Tugend und Vollkommenheit anbietest, als der erste, der dafür Bezahlung zu erhalten begehrt. Wie sollte man also nicht dich herbeirufen zu solcher Dinge Untersuchung und dich befragen und sich mit dir berathen? Gewiß man kann es nicht umhin. Und so wünsche ich auch jezt, daß du das, worüber ich dich zuerst befragte, theils mir von Anfang wieder in Erinnerung bringen, theils es weiter mit mir untersuchen wollest. Es war aber, wie ich glaube, die Frage diese, ob Weisheit und Besonnenheit und Tapferkeit und Gerechtigkeit und Frömmigkeit, ob dies nur fünf verschiedene Namen für Eine Sache sind, oder ob jedem dieser Namen auch ein eigener Begriff unterliegt und eine eigne Sache die jede ihr besonderes Vermögen haben, so daß die eine nicht ist wie die andere. Du nun hattest gesagt es wären nicht nur verschiedene Namen für
auseinandersezen kannst, als auch besonders das, was die Tugend betrifft. Denn wer auch anders als du, der du nicht nur selbst glaubst gut und edel zu sein, wie Andere die selbst zwar ganz rechtliche Männer sind, aber keinen Andern dazu | machen können: sondern du bist sowohl selbst ein treflicher Mann als auch im Stande Andere zu treflichen Männern zu machen, und vertrauest so sehr dir selbst, daß da auch Andere diese Kunst verbergen, du dich selbst öffentlich dazu ausrufend vor allen Hellenen unter dem Namen eines Sophisten dich zum Lehrer in der Tugend und Vollkommenheit anbietest, als der erste, der dafür Bezahlung zu erhalten begehrt. Wie sollte man also nicht dich herbeirufen zu solcher Dinge Untersuchung und dich befragen und sich mit dir berathen? Gewiß man kann auf keine Weise anders. Und so wünsche ich auch jezt, daß du das, worüber ich dich zuerst befragte, theils mir von Anfang wieder in Erinnerung bringen, theils es weiter mit mir untersuchen wollest. Es war aber, wie ich glaube, die Frage diese, ob Weisheit und Besonnenheit und Tapferkeit und Gerechtigkeit und Frömmigkeit, ob dies nur fünf verschiedene Namen für Eine Sache sind, oder ob jedem dieser Namen auch ein eigener Begriff unterliegt und eine eigne Sache die jede ihre besondere Verrichtung haben, so daß die eine nicht ist wie die andere. Du nun hattest gesagt es wären nicht nur verschiedene Namen für
S 15 ausrufend] nach Bekker wie Spalte 1 App. 38 Verrichtung] s. u. zu 349c (S. 805,10)
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ἐπὶ ἑνὶ εἶναι, ἀλλὰ ἕκαστον ἰδίῳ πράγματι τῶν ὀνομάτων τούτων ἐπικεῖσθαι. πάντα δὲ ταῦτα, μόρια εἶναι ἀρετῆς· οὐχ ὡς τὰ τοῦ χρυσοῦ μόρια ὅμοιά ἐστιν ἀλλήλοις, καὶ τῷ ὅλῳ οὗ μόριά ἐστιν, ἀλλ᾽ ὡς τὰ τοῦ προσώπου μόρια, καὶ τῷ ὅλῳ οὗ μόριά ἐστιν, καὶ ἀλλήλοις ἀνόμοια, ἰδίαν ἕκαστα δύναμιν ἔχοντα. ταῦτα εἰ μέν σοι ἔτι δοκεῖ ὥσπερ τότε, φάθι· εἰ δὲ ἄλλως πως, τοῦτο διόρισαι. ὡς ἔγωγε οὐδὲν σοι ὑπὸ λόγον τίθεμαι, ἐάν πη ἄλλῃ νῦν φήσῃς. οὐ γὰρ ἂν θαυμάζοιμι εἰ τότε ἀποπειρώμενός μου ταῦτα ἔλεγες. — Ἀλλ᾽ ἐγώ σοι, ἔφη, λέγω, ὦ Σώκρατες, ὅτι ταῦτα πάντα, μόρια μέν ἐστιν ἀρετῆς· καὶ τὰ μὲν τέτταρα αὐτῶν ἐπιεικῶς παραπλήσια ἀλλήλοις ἐστίν, ἡ δὲ ἀνδρεία, πάνυ πολὺ διαφέρον πάντων τούτων. ὧδε δὲ γνώσῃ ὅτι ἐγὼ ἀληθῆ λέγω. εὑρήσεις γὰρ πολλοὺς τῶν ἀνθρώπων ἀδικωτάτους μὲν ὄντας, καὶ ἀνοσιωτάτους, καὶ ἀκολαστοτάτους, καὶ ἀμαθεστάτους, ἀνδρειοτάτους δὲ διαφερόντως. — Ἔχε δή, ἔφην ἐγώ· ἄξιον γάρ τοι ἐπισκέψασθαι ὃ λέγεις· πότερον τοὺς ἀνδρείους θαρ-
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 349c (Z. 9): Auch hier habe ich V e r r i c h t u n g gesezt für Ve r m ö g e n . T In Übers. (verl.) von 349c (Z. 9) war δύναμιν mit Vermögen übersetzt | Verrichtung Spld., übernommen W1 W2 (dagegen ist Vermögen 349b stehen geblieben in W1, geändert in W2) – Vgl. zu 330a und 359a.
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dieselbe Sache, sondern jeder dieser Namen sei einer eignen Sache untergelegt, und diese alle wären Theile der Tugend, nicht wie die Theile des Goldes einander und dem Ganzen ähnlich sind, dessen Theile sie sind, sondern wie die Theile des Gesichtes dem Ganzen, dessen Theile sie sind, und auch sich untereinander unähnlich, und jeder seine besondere Verrichtung habend. Dünkt dich nun dieses noch eben so wie vorher, so sage es; wo aber anders, so bestimme nur dieses. Denn ich will dich nicht verantwortlich machen, wenn du jezt etwas anderes behauptest, indem es mich gar nicht wundern sollte, wenn du um mich zu versuchen damals jenes gesagt hättest. — So sage | ich dir denn, Sokrates, sprach er, dies alles sind freilich Theile der Tugend, und die vier anderen sind einander auch sehr nahe, die Tapferkeit aber ist von ihnen allen gar sehr unterschieden. Hieraus aber kannst du erkennen, daß ich richtig urtheile. Du wirst nämlich viele Menschen finden, welche sehr ungerecht sind und sehr ruchlos, sehr unbändig und sehr unverständig, tapfer aber ganz ausgezeichnet. — Halt also, sagte ich, denn was du da sagst ist wohl werth daß wir es betrachten. Sagst du daß die Tapfern dreist sind oder etwas
Eines, sondern jeder dieser Namen sei einer besonderen Sache untergelegt, und diese alle wären Theile der Tugend, nicht wie die Theile des Goldes einander und dem Ganzen ähnlich sind, dessen Theile sie sind, sondern wie die Theile des Gesichtes dem Ganzen, dessen Theile sie sind, und auch sich untereinander unähnlich, und jeder seine besondere Verrichtung habend. Dünkt dich nun dieses noch eben so wie vorher, so sage es; wo aber anders, so erkläre dieses. Denn ich will dich nicht verantwortlich machen, wenn du jezt et|was anderes behauptest, indem es mich gar nicht wundern sollte, wenn du damals um mich zu versuchen jenes gesagt hättest. — So sage ich dir denn, Sokrates, sprach er, dies alles sind freilich Theile der Tugend, und die vier anderen sind einander auch sehr nahe, die Tapferkeit aber ist von ihnen allen gar sehr unterschieden. Daß ich aber richtig rede kannst du hieraus erkennen. Du wirst nämlich viele Menschen finden, welche sehr ungerecht sind und sehr ruchlos, sehr unbändig und sehr unverständig, tapfer aber ganz ausgezeichnet. — Halt doch, sagte ich, denn was du da sagst ist wohl werth, daß wir es betrachten. Nennst du die Tapfern dreist oder
S 10f Verrichtung] hergestellt durch Spalding (vgl. Spalte 2 Spld. [SN 157])
S 10f Verrichtung] Vgl. Spalte 3 App. S.
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ραλέους λέγεις, ἢ ἄλλό τι; — Καὶ ἴτας γε, ἔφη, ἐφ᾽ ἃ οἱ πολλοὶ φοβοῦνται ἰέναι. — Φέρε δή, τὴν ἀρετὴν καλόν τι φῂς εἶναι; καὶ ὡς καλοῦ ὄντος αὐτοῦ σὺ διδάσκαλον σαυτὸν παρέχεις; — Κάλλιστον μὲν οὖν, ἔφη, εἰ μὴ μαίνομαί γε. — Πότερον οὖν, ἦν δ᾽ ἐγώ, τὸ μέν τι αὐτοῦ, αἰσχρόν, τὸ δέ τι, καλόν; ἢ ὅλον καλόν; — Ὅλον που καλὸν ὡς οἷόν τε μάλιστα. — Οἶσθα οὖν τίνες εἰς τὰ φρέατα κολυμβῶσι θαρραλέως; — Ἔγωγε, ὅτι οἱ κολυμβηταί. — Πότερον διότι ἐπίστανται, ἢ δι᾽ ἄλλό τι; — Ὅτι ἐπίστανται. — Τίνες δὲ ἀπὸ τῶν ἵππων πολεμεῖν θαρραλέοι εἰσί; πότερον οἱ ἱππικοί, ἢ οἱ ἄφιπποι; — Οἱ ἱππικοί. — Τίνες δὲ πέλτας ἔχοντες; οἱ πελταστικοὶ, ἢ οἱ μή; — Οἱ πελταστικοί. καὶ τὰ ἄλλά γε πάντα (εἰ τοῦτο ζητεῖς, ἔφη) οἱ ἐπιστήμονες τῶν μὴ ἐπισταμένων θαρραλεώτεροι εἰσί· καὶ αὐτοὶ ἑαυτῶν, ἐπειδὰν μάθωσιν, ἢ πρὶν μαθεῖν. — Ἤδη δέ τινας ἑώρακας, ἔφην, πάντων τούτων ἀνεπιστήμονας ὄντας, θαρροῦντας δὲ πρὸς ἕκαστα τούτων; — Ἔγωγε, ἦ δ᾽ ὅς, καὶ λίαν γε θαρροῦντας. — Οὐκοῦν οἱ θαρραλέοι οὗτοι, καὶ ἀνδρεῖοι εἰσίν; — Αἰσχρὸν μέντ᾽ ἄν, ἔφη, εἴη ἡ ἀνδρεία· ἐπεὶ οὗτοί γε μαινόμενοι εἰσί.
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 349e-350a (Z. 11-13): Ich lasse es bei Ihrem einmal Geschriebenen in Ansehung der φρέατα und κολυμβηταί. „Camarinam ne moveto“. S Spld. Sprichwort: z. B. Suidae Lexicon, ed. L. Kuster, 1705, Bd. 2, S. 550 = Suda μ 904 Adler (Μὴ κίνει Καμάριναν); Zenobius V, 18 = Corpus Paroemiographorum Graecorum, ediderunt E. L. a Leutsch, F. G. Schneidewin, Bd. 1, Göttingen 1839, S. 123.
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anders? — Und gehen auch rasch darauf los, wohin die Meisten sich fürchten zu gehen. — So komm denn! sagst du die Tugend sei etwas Schönes? und als in etwas Schönem erbietest du dich in ihr zum Lehrer? — Und zwar das Schönste allerdings, sagte er, wenn ich anders bei Sinne bin. — Ob etwa, sprach ich, einiges an ihr schlecht ist und anderes schön? oder alles schön? — Alles durchaus schön so sehr als immer möglich. — Weißt du auch wohl, welche dreist ins Wasser springen? — O ja die Schwimmer. — Weil sie es verstehen, oder aus einer andern Ursach? — Weil sie es verstehen. — Und wer ficht im Kriege dreist zu Pferde? die Reiter oder die Unberittenen? — Die Reiter. — Und wer mit kurzen Schilden? die Leichtbewafneten oder Andere? — Jene, sagte er, und überhaupt sind auch in allen andern Dingen, wenn du darauf hinaus willst, die Kundigen dreister als die Unkundigen, und nachdem sie es gelernt haben dreister als sie selbst waren ehe sie es gelernt hatten. — Hast du auch schon solche gesehen, fragte ich, die aller dieser Dinge unkundig waren, und doch zu jedem dreist? — O ja, sagte er, und sehr | dreist. — Sind wohl diese Dreisten auch tapfer? — Dann wäre ja, sagte er, die Tapferkeit etwas sehr schlechtes, denn diese sind toll.
etwas anderes? — Und auch kek zufahrend worauf die Meisten sich fürchten zu gehen. — So komm denn! sagst du die Tugend sei etwas Schönes? und als in etwas Schönem erbietest du dich in ihr zum Lehrer? — Und zwar das Schönste allerdings, sagte er, wenn ich anders nicht von Sinnen bin. — Ob etwa, sprach ich, einiges an ihr schlecht ist und anderes schön? oder alles schön? — Alles durchaus schön so sehr als immer möglich. — Weißt du auch wohl, welche dreist ins Wasser springen? — O ja die Schwimmer. — Weil sie es verstehen, oder aus einer andern Ursach? — Weil sie es verstehen. — Und wer ficht im Kriege dreist zu Pferde? die Reiter oder die Unberittenen? — Die Reiter. — Und wer mit kurzen Schilden? die Leichtbewafneten oder Andere? — Jene, sagte er, und überhaupt sind auch in allen andern Dingen, wenn du darauf hinaus willst, die Kundigen dreister als die Unkundigen, und nachdem sie es gelernt haben dreister als sie selbst waren ehe sie es gelernt hatten. — Hast du auch schon | solche gesehen, fragte ich, die aller dieser Dinge unkundig waren, und doch zu allem dreist? — O ja, sagte er, und sehr dreist. — Sind wohl diese Dreisten auch tapfer? — Dann wäre ja, sagte er, die Tapferkeit etwas sehr schlechtes, denn diese sind toll.
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— Πῶς οὖν, ἔφην ἐγώ, λέγεις τοὺς ἀνδρείους; οὐχὶ τοὺς θαρραλέους εἶναι; — Καὶ νῦν γ᾽, ἔφη. — Οὐκοῦν οὗτοι, ἦν δ᾽ ἐγώ, οἱ οὕτω θαρραλέοι ὄντες, οὐκ ἀνδρεῖοι ἀλλὰ μαινόμενοι φαίνονται; καὶ ἐκεῖ αὖ οἱ σοφώτατοι οὗτοι, καὶ θαρραλεώτατοι εἰσί; θαρραλεώτατοι δὲ ὄντες, ἀνδρειότατοι; καὶ κατὰ τοῦτον τὸν λόγον ἡ σοφία ἂν ἀνδρεία εἴη; — Οὐ καλῶς, ἔφη, μνημονεύεις, ὦ Σώκρατες, ἃ ἔλεγόν τε καὶ ἀπεκρινόμην σοι. ἔγωγε ἐρωτηθεὶς ὑπὸ σοῦ εἰ οἱ ἀνδρεῖοι θαρραλέοι εἰσίν, ὡμολόγησα, εἰ δὲ καὶ οἱ θαρραλέοι, ἀνδρεῖοι, οὐκ ἠρωτήθην. εἰ γάρ με τοῦτο ἤρου,
7 εἰσί;] εἰσί, Heindorf 1810 Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W2
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 350c (Z. 10 f.) mit Anm. (verl.) (vgl. W1 Anm. 42): „nicht richtig — t r ä g s t d u v o r . “ Bei der schönen filosofischen Note, die hier steht, mache ich nur noch die filologische ob μνημονεύειν darf übersezt werden: v o r t r a g e n ?
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— Was sagst du denn von den Tapfern? sprach ich, nicht daß sie die Dreisten sind? — Auch jezt noch, sagte er. — Aber diese, sprach ich, die auf solche Art dreist sind, scheinen nicht tapfer zu sein, sondern toll? Und vorher dort, daß diese Weisesten auch die Dreistesten sind? Und wenn die Dreistesten, auch die Tapfersten? Und so wäre ja nach dieser Rede die Weisheit die Tapferkeit? — Nicht richtig, sagte er,42 trägst du vor, o Sokrates, was ich gesagt und dir geantwortet habe. Gefragt von dir, ob die Tapfern dreist wären, habe ich dies bejaht, ob aber die Dreisten auch tapfer sind, das wurde ich gar nicht gefragt. Denn wenn du mich das
— Was sagst du denn von den Tapfern? sprach ich, nicht daß sie die Dreisten sind? — Auch jezt noch, sagte er. — Also diese, sprach ich, die auf solche Art dreist sind, scheinen nicht tapfer zu sein, sondern toll? Und vorher dort, waren welche die weisesten auch die Dreistesten, und wenn die Dreistesten, auch die Tapfersten? Und so wäre ja nach dieser Rede die Weisheit die Tapferkeit? — Nicht richtig, sagte er,43 trägst du vor, o Sokrates, was ich gesagt und dir geantwortet habe. Gefragt von dir, ob die Tapfern dreist wären, habe ich dies bejaht, ob aber die Dreisten auch tapfer sind, das wurde ich gar nicht gefragt. Denn wenn du mich das
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N i c h t r i c h t i g , s a g t e e r . Wie wenig das vom Protagoras vorgetragene Beispiel dem | Verfahren des Sokrates ähnlich ist, und wie wenig sich dieser eines unerlaubten Kunstgriffes bedient hatte, kann Jeder leicht sehen. Die Ursache aber, warum Platon den Sokrates hier unterbrechen läßt, scheint vielmehr diese zu sein. Auf dem angetretenen Wege würde er nur dazu gekommen sein, die Tapferkeit als eine Verbindung der richtigen Einsicht mit etwas Anderem, dem nämlich was der Dreistigkeit zum Grunde liegt, darzustellen, welches hier seiner Absicht entgegen gewesen wäre, es zu Ende zu führen, darauf hinzeigen aber wollte er doch. In der folgenden Untersuchung erscheint die Tapferkeit lediglich als Einsicht, und zwar ausdrüklich so, daß sie auch da wirksam ist, wo der Tapfere nicht Dreistigkeit beweiset, und daß es ein tapferes Fliehen giebt eben so wohl als eine feige Dreistigkeit.
N i c h t r i c h t i g , s a g t e e r . Wie wenig das vom Protagoras vorgetragene Beispiel dem Verfahren des Sokrates ähnlich ist, und wie wenig sich dieser eines unerlaubten Kunstgriffes bedient hatte, kann Jeder leicht sehen. Die Ursache aber, warum Platon den Sokrates hier unterbrechen läßt, scheint vielmehr diese zu sein. Auf dem angetretenen Wege würde er nur dazu gekommen sein, die Tapferkeit als eine Verbindung der richtigen Einsicht mit etwas Anderem, dem nämlich was der Dreistigkeit zum Grunde liegt, darzustellen, welches hier zu Ende zu führen seiner Absicht entgegen gewesen wäre, darauf hinzeigen aber wollte er doch. In der folgenden Untersuchung erscheint die Tapferkeit lediglich als Einsicht, und zwar ausdrüklich so, daß sie auch da wirksam ist, wo der Tapfere nicht Dreistigkeit beweiset, und daß es ein tapferes Fliehen giebt eben so wohl als eine feige Dreistigkeit.
S 8 Dreistesten,] nach Heindorf und Bekker wie Spalte 1 App.
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εἶπον ἂν ὅτι οὐ πάντες. τοὺς δὲ ἀνδρείους ὡς οὐ θαρραλέοι εἰσί, τὸ ἐμὸν ὁμολόγημα οὐδαμοῦ ἐπέδειξας ὡς οὐκ ὀρθῶς ὡμολόγησα. ἔπειτα τοὺς ἐπισταμένους, αὐτοὺς ἑαυτῶν θαρραλεωτέρους ὄντας ἀποφαίνεις, καὶ μὴ ἐπισταμένων ἄλλων· καὶ ἐν τούτῳ οἴει τὴν ἀνδρείαν καὶ τὴν σοφίαν ταὐτὸν εἶναι. τούτῳ δὲ τῷ τρόπῳ μετιών, καὶ τὴν ἰσχὺν οἰηθείης ἂν εἶναι σοφίαν. πρῶτον μὲν γὰρ εἰ οὕτω μετιὼν ἔροιό με εἰ οἱ ἰσχυροὶ δυνατοί εἰσι, φαίην ἄν· ἔπειτα, εἰ οἱ ἐπιστάμενοι παλαίειν δυνατώτεροι εἰσὶ τῶν μὴ ἐπισταμένων παλαίειν, καὶ αὐτοὶ αὑτῶν, ἐπειδὰν μάθωσιν, ἢ πρὶν μαθεῖν· φαίην ἄν. ταῦτα δὲ ἐμοῦ ὁμολογήσαντος, ἐξείη ἄν σοι χρωμένῳ τοῖς αὐτοῖς τεκμηρίοις τούτοις, λέγειν ὡς κατὰ τὴν ἐμὴν ὁμολογίαν ἡ σοφία ἐστὶν ἰσχύς. ἐγὼ δὲ οὐδαμοῦ οὐδ᾽ ἐνταῦθα ὁμολογῶ τοὺς δυνατοὺς, ἰσχυροὺς εἶναι· τοὺς μέντοι ἰσχυροὺς, δυνατούς. οὐ γὰρ ταὐτὸν εἶναι δύναμίν τε καὶ ἰσχύν. ἀλλὰ τὸ μὲν καὶ ἀπὸ ἐπιστήμης γίγνεσθαι τὴν δύναμιν, καὶ ἀπὸ μανίας γε καὶ ἀπὸ θυμοῦ· ἰσχὺν δὲ ἀπὸ φύσεως καὶ
9 ταὐτὸν] hier und im Folgenden ταυ- ohne Spiritus Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina)
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 350d (Z. 10-13): Ich denke, wir lassen es bewenden bei Ihrem k r a f t v o l l . Aber mit τρόπῳ μετιὼν und dem nachherigen οὕτω μετιὼν scheinen Sie mir einen zu starken Drukker zu verbinden durch das D r e h e n und W e n d u n g .
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gefragt hättest, würde ich gesagt haben, nicht Alle. Daß aber die Tapfern nicht dreist wären, und diese Behauptung von mir mit Unrecht wäre behauptet worden, das hast du nirgends erwiesen. Hiernach zeigst du von den einer Sache kundigen, daß sie dreister darin sind, als sie selbst vorher waren, und so auch dreister als andere Unkundige, und deshalb meinst du nun sei Weisheit und Tapferkeit dasselbe. Wenn du dich so drehen willst, kannst du auch glauben, Stärke sei Weisheit. Denn wenn du mich mit einer ähnlichen Wendung zuerst gefragt hättest, ob nicht die Starken kraftvoll sind, so würde ich Ja sagen, und dann ob nicht die des Fechtens kundigen kraftvoller sind als die unkundigen, und auch nachdem sie es gelernt kraftvoller als sie selbst waren ehe sie es lernten, so würde ich es ebenfalls bejahen. Nachdem ich nun dieses zugegeben, könntest du dann mit demselben Rechte sagen, daß nach meinem | Geständniß Weisheit Stärke wäre. Aber ich habe ja keinesweges weder in diesem Falle zugegeben, daß alle kraftvollen stark, sondern nur daß die Starken kraftvoll sind, nämlich nicht, daß Kraft und Stärke einerlei ist; denn jene, die Kraft, kann auch aus einer Kenntniß entstehen, ja auch aus Wahnsinn oder aus Gemüthsbewegung, die Stärke aber hängt ab von der guten Natur und der Wohl-
gefragt hättest, würde ich gesagt haben, nicht Alle. Daß aber die Tapfern nicht dreist wären, und ich diese meine Behauptung mit Unrecht behauptet hätte, hast du nirgends erwiesen. Hernach zeigst du von den einer Sache kundigen, daß sie dreister darin sind, als sie selbst vorher waren, und so auch dreister als andere Unkundige, und deshalb meinst du nun sei Weisheit und Tapferkeit dasselbe. Wenn du es so herumholen willst, kannst du auch glauben, Stärke sei Weisheit. Denn zuerst wenn du mich mit einer solchen Wendung fragtest, ob nicht die Starken kraftvoll sind, so würde ich Ja sagen, und dann ob nicht die des Fechtens kundigen kraftvoller sind als die unkundigen, und auch nachdem sie es gelernt kraftvoller als sie selbst waren ehe sie es lernten, so würde ich es ebenfalls bejahen. | Nachdem ich nun dieses zugegeben, könntest du dann eben diesen Beweis anwendend sagen, daß nach meinem Geständniß Weisheit Stärke wäre. Aber ich gebe ja keinesweges weder in diesem Falle zu, daß die Kraftvollen stark, jedoch daß die Starken kraftvoll sind, nämlich nicht, daß Kraft und Stärke einerlei ist; denn jene, die Kraft, entsteht auch aus Kenntniß, ja auch aus Wahnsinn oder aus Gemüthsbewegung, die Stärke aber aus der guten Natur und der Wohl-
T 31 daß] das W1
S 12f Wenn du es so herumholen willst] verändert ggb. W1, vgl. Spaldings Note (Spalte 2)
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εὐτροφίας τῶν σωμάτων. οὕτω δὲ κᾀκεῖ οὐ ταὐτὸν εἶναι θάρσος τε καὶ ἀνδρείαν· ὥστε συμβαίνειν τοὺς μὲν ἀνδρείους, θαρραλέους εἶναι· μὴ μέντοι τούς γε θαρραλέους, ἀνδρείους πάντας. θάρσος μὲν γὰρ καὶ ἀπὸ τέχνης γίνεται ἀνθρώποις, καὶ ἀπὸ θυμοῦ τε καὶ ἀπὸ μανίας, ὥσπερ ἡ δύναμις· ἀνδρεία δὲ ἀπὸ φύσεως καὶ εὐτροφίας τῶν ψυχῶν γίγνεται. — Λέγεις δέ τινας, ἔφην, ὦ Πρωταγόρα, τῶν ἀνθρώπων εὖ ζῇν, τοὺς δέ, κακῶς; — Ἔφη. — Ἆρ᾽ οὖν δοκεῖ σοι ἄνθρωπος ἂν εὖ ζῇν, εἰ ἀνιώμενός τε καὶ ὀδυνώμενος ζῴη; — Οὐκ ἔφη. — Τί δ᾽, εἰ ἡδέως βιοὺς τὸν βίον τελευτήσειεν, οὐκ εὖ ἄν σοι δοκῇ οὕτως βεβιωκέναι; — Ἔμοιγ᾽, ἔφη. — Τὸ μὲν ἄρα ἡδέως ζῇν, ἀγαθόν· τὸ δ᾽ ἀηδῶς, κακόν. — Εἴπερ τοῖς καλοῖς γ᾽, ἔφη, ζῴη ἡδόμενος. — Τί δή, ὦ Πρωταγόρα; μὴ καὶ σύ, ὥσπερ οἱ πολλοί, ἡδέα ἄττα καλεῖς κακά, καὶ ἀνιαρά, ἀγαθά; — Ἔγωγε. — Οἷον λέγεις; καθ᾽ ὃ ἡδέα ἐστίν, ἆρα κατὰ τοῦτο οὐκ
25 Ἔγωγε. Οἷον λέγεις;] ᾿Εγὼ γὰρ λέγω Ed.Basel 1556 Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina), Variae lectiones, S. 360 Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 66 [228,8], übersetzt W2
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genährtheit des Körpers. Noch auch habe ich in unserm Falle eingeräumt, daß Dreistigkeit und Tapferkeit einerlei wäre, so daß zwar folgt die Tapfern sind dreist, keinesweges aber daß die Dreisten auch alle tapfer sind. Denn die Dreistigkeit kann bei dem Menschen auch aus Kunst entstehen oder aus Tollheit oder aus Gemüthsbewegung, wie die Kraft; die Tapferkeit aber entsteht aus der Gutartigkeit und Wohlgenährtheit der Seele. — Sagst du denn, Protagoras, sprach ich, daß einige Menschen gut leben und Andere schlecht? — Er sagte ja. — Dünkt dich wohl ein Mensch gut zu leben, wenn er gequält und gepeinigt lebt? — Nein. — Wie aber wenn er nach einem vergnügten Leben seinen Lauf beschließt, dünkt er dich dann nicht gut gelebt zu haben? — Dann wohl, sagte er. — Also vergnügt leben ist gut, unangenehm leben aber böse? — Wenn man nämlich, sagte er, am Schönen Vergnügen findend lebt. — Wie doch, Protagoras? Nennst auch du, wie die meisten, einiges Angenehme böse und Peinliches gut? — Das sage ich. — Und wie meinst du es? ist nicht alles, in wiefern es angenehm ist, in sofern auch gut, wenn nur
genährtheit des Körpers. Noch auch in unserm Falle, daß Dreistigkeit und Tapferkeit einerlei ist, so daß zwar folgt die Tapfern sind dreist, jedoch nicht, daß die Dreisten auch alle tapfer sind. Denn Dreistigkeit entsteht dem Menschen auch aus Kunst oder aus Tollheit oder aus Gemüthsbewegung, wie die Kraft; die Tapferkeit aber entsteht aus der Gutartigkeit und Wohlgenährtheit der Seele. — Sagst du denn, Protagoras, sprach ich, daß einige Menschen gut leben und Andere schlecht? — Er sagte ja. — Dünkt dich nun wohl ein Mensch gut zu leben, wenn er gequält und gepeinigt lebt? — Nein. — Wie aber wenn er nach einem vergnügten Leben seinen Lauf beschließt, dünkt dich dieser nicht gut gelebt zu haben? — Dann wohl, sagte er. — Also vergnügt leben ist gut, unangenehm leben aber böse? — Wenn man nämlich, sagte er, am Schönen Vergnügen findend lebt. — Wie doch, Protagoras? Nennst auch du, wie die meisten, einiges Angenehme böse und Peinliches gut? Ich meine nemlich44 in wiefern es angenehm ist, ob es in sofern nicht gut ist;
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I c h m e i n e n e m l i c h . Die Uebereinstimmung der Handschriften bei Bekker nöthi|get hier die Leseart der Bas. 2. für die rechte anzuerkennen. Auch wird niemand die Zerstükkelung welche die Vulg. in den Saz bringt vermissen.
S 29f Ich meine nemlich] nach Bekker wie Spalte 1 App. – Vgl. dagegen noch Heindorf 1810 z. St. (S. 612 f.). S 31f ist nicht alles] kritisiert von Heindorf z. St., S. 613
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S Anm. 44 Vgl. Spalte 1 App.
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ἀγαθά, εἰ μή τι ἀπ᾽ αὐτῶν ἀποβήσεται ἄλλο; καὶ αὖθις αὖ τὰ ἀνιαρὰ ὡσαύτως; Οὕτως. Οὐ καθόσον ἀνιαρά, κακά; — Οὐκ οἶδα, ὦ Σώκρατες, ἔφη, ἁπλῶς οὕτως ὡς σὺ ἐρωτᾷς, εἰ ἐμοὶ ἀποκριτέον ἐστίν, ὡς τὰ ἡδέα τε ἀγαθά ἐστιν ἅπαντα, καὶ τὰ ἀνιαρά, κακά· ἀλλά μοι δοκεῖ οὐ μόνον πρὸς τὴν νῦν ἀπόκρισιν ἐμοὶ ἀσφαλέστερον εἶναι ἀποκρίνεσθαι, ἀλλὰ καὶ πρὸς πάντα τὸν
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 351c (Z. 2 f.): Και αυθις αυ τα ανιαρα pp. Uebersezt er nach der gewöhnlichen Leseart.
1 εἰ μή τι] μὴ εἴ τι Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 66 [228,9], übersetzt W2 2–4 καὶ αὖθις αὖ τὰ ἀνιαρὰ ὡσαύτως; Οὕτως. Οὐ καθόσον ἀνιαρά, κακά;] καὶ ... ὡσαύτως οὕτως οὐ ... Schleiermacher W1 Anm. 43 W2 Anm. 45 Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 66 [228,10], übersetzt W1 W2 | καὶ ... ὡσαύτως οὕτως οὐ, ... Heindorf 1810
S Exz.Corn. Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 451: et rursus tristia eodem modo? Ita maxime non, eo quod tristia sunt, mala. – Vgl. Ficinus in Ed.Zweibrücken: et rursus tristia eodem modo? Prot. Sic. So. Non ex eo quod tristia, sunt mala? Dagegen Ficinus in Ed.Berlin 1816 (Bekker): rursusque utrum similiter tristia non ex eo quod tristia mala? – Die bei Bekker gedruckte Version des Ficinus zitiert auch Heindorf 1810 z. St. (S. 613). Schleiermacher hatte jedoch bei seiner Übersetzung (W1 samt W1 Anm. 43) wohl nur die in der Bipontina gedruckte Ficinus-Version vor Augen.
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nichts anderes daraus entsteht? und auf der andern Seite wiederum43 das Peinliche in sofern es peinlich ist eben so auch böse? — Ich weiß nicht, Sokra|tes, sagte er, ob ich dies s o unbedingt w ie du fr agst beantw orten soll , daß al les Angenehme gut ist und das Peinliche böse. Vielmehr dünkt es mich nicht nur in der gegenwärtigen Beziehung als Antwort sicherer, sondern auch für mein ganzes übriges Leben, wenn ich antworte,
nicht wenn etwa anderes daraus entsteht? und auf der andern Seite wiederum45 das Peinliche ob es nicht in sofern peinlich auch böse ist? — Ich weiß nicht, Sokrates, sagte | er, so unbedingt wie du fragst ob ich antworten soll, daß alles A ngenehme gut ist und das Peinliche böse. Vielmehr dünkt es mich nicht nur in Beziehung auf die gegenwärtige Antwort sicherer, sondern auch für mein ganzes übriges Leben, wenn ich antworte,
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45 Die Worte καὶ αὖθις αὖ τὰ ἀνιαρὰ ὡσαύτως können von denen οὐ καθόσον ἀνιαρὰ κακὰ abgesondert keine Frage bilden, und wie man deutlich aus dem folgenden sieht, auch Protagoras nicht abgesondert darauf geantwortet haben. Ich lese daher dieses Ganze als Eine Frage καὶ αὖθις αὖ τὰ ἀνιαρὰ ὡσαύτως οὕτως οὐ καθόσον ἀνιαρὰ κακά. — Auch sieht man aus der mit οὐκ οἶδα anfangenden Antwort des Protagoras, daß das Ἐγὼ γὰρ λέγω nicht seine Antwort gewesen ist.
und auf der andern Seite w i e d e r u m . Die Worte καὶ αὖθις αὖ τὰ ἀνιαρὰ ὡσαύτως können von denen οὐ καθόσον ἀνιαρὰ κακὰ abgesondert keine Frage bilden, und wie man deutlich aus dem folgenden sieht, auch Protagoras nicht abgesondert darauf geantwortet haben. Ich lese daher dieses Ganze als eine Frage καὶ αὖθις αὖ τὰ ἀνιαρὰ ὡσαύτως οὕτως οὐ καθόσον ἀνιαρὰ κακά;
S 1–4 und auf der andern Seite wiederum das Peinliche in sofern es peinlich ist eben so auch böse?] kritisiert von Rez.Ast (1808), S. 140 f.; verändert in W2
T Anm. 45 mit Gedankenstrich an Anm. 44 angeschlossen W2 S 1 nicht wenn etwa] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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ἄλλον βίον τὸν ἐμόν, ὅτι ἔστι μὲν ἃ τῶν ἡδέων οὐκ ἔστιν ἀγαθά, ἔστι δ᾽ αὖ καὶ ἃ τῶν ἀνιαρῶν οὐκ ἔστι κακά· ἔστι δ᾽ ἅ ἐστι καὶ τρίτον, ἃ οὐδέτερα, οὔτε κακά, οὔτ᾽ ἀγαθά. — Ἡδέα δὲ καλεῖς, ἦν δ᾽ ἐγώ, οὐ τὰ ἡδονῆς μετέχοντα, ἢ ποιοῦντα ἡδονήν; — Πάνυ γ᾽, ἔφη. — Τοῦτο τοίνυν λέγω, καθόσον ἡδέα ἐστίν, εἰ οὐκ ἀ γαθά· τὴν ἡδο νὴν αὐτὴν ἐρωτῶν εἰ ο ὐκ ἀ γα θό ν ἐ στιν. — Ὥσπερ σὺ λέγεις, ἔφη, ἑκάστοτε, ὦ Σώκρατες, σκοπώμεθα αὐτό. καὶ ἐὰν μὲν πρὸς λόγον δοκῇ εἶναι τὸ σκέμμα, καὶ τὸ αὐτὸ φαίνηται ἡδύ τε καὶ ἀγαθόν, συγχωρησόμεθα· εἰ δὲ μή, τότε ἤδη ἀμφισβητήσομεν.
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 351d (Z. 1 f.): Ὁτι εστι μεν ἁ των ἡδεων pp. quod sunt quaedam iucunda quae non sunt mala (dieses mala ist wahrscheinlich nur drukfehler statt bona) et rursus sunt etiam tertia quaedam (wie kommt das tertia hierher?) tristia quae non sunt mala, et sunt etiam tertia quaedam quae neutra sunt, neque bona neque mala. In der Ecloge nichts; aus dieser Uebersezung ist nichts zu nehmen.
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 351e (Z. 14 f.): πρὸς λόγον δοκῇ εἶναι τὸ σκέμμα „die Untersuchung zur Sache zu gehören scheint“. Ich weiß nicht, ob ich diese Übersezung billigen soll. Der Sinn des Griechischen ist wol in σκέμμα anders, als wenn σκέψις stünde. Also etwa: „die Behauptung der Vernunft gemäß scheint“. 4 ἔστι δ᾽ ἅ ἐστι καὶ] ἔστι δ᾽ ἅ ἐστι, καὶ Schleiermacher W1 Anm. 44 W2 Anm. 46 Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W1 W2 | ἔστι δ᾽ ἅ ἐστι· καὶ Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 614)
S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 451 (und Ecl. S. 513). – Ficinus in Ed.Zweibrücken: esse iucunda quaedam non bona, et tristia quaedam non mala: et rursus et neutra, quae neque bona sint, neque mala.
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daß es einiges Angenehmes giebt was nicht gut, und Peinliche was nicht böse ist, anderes was so ist,44 und drittens noch anderes was keins von beiden ist, weder gut noch böse. — Angenehm aber, sprach ich, nennst du doch womit Lust verbunden ist, oder was Lust hervorbringt? — Allerdings, sagte er. — Wenn ich nun frage, ob nicht Alles in sofern es angenehm auch gut ist, so meine ich die Lust selbst, ob die nicht gut ist? — Darauf sagte er: Laß uns zusehn, Sokrates, wie du ja immer sagst, und wenn die Untersuchung zur Sache zu gehören scheint, und sich zeigt, daß das Gute und Angenehme einerlei ist, so wollen wir es einräumen, wo aber nicht, so wollen wir es dann schon bestreiten.
daß es einiges giebt unter dem Angenehmen was nicht gut, und wiederum unter dem Unangenehmen einiges was nicht böse ist, anderes was so ist46, und drittens noch anderes was keins von beiden ist, weder gut noch böse. — Angenehm aber, sprach ich, nennst du doch womit Lust verbunden ist, oder was Lust macht? — Allerdings, sagte er. — Dieses nun meine ich, ob es nicht in wiefern angenehm auch gut ist, nach der Lust selbst fragend, ob die nicht gut ist? — Darauf sagte er: Laß uns zusehn, Sokrates, wie du ja immer sagst, und wenn die Untersuchung zur Sache zu gehören scheint, und sich zeigt, daß das Gute und Angenehme einerlei ist, so wollen wir es einräumen, wo aber nicht, so wollen wir es dann schon bestreiten.
44 A n d e r e s , w a s s o i s t . In dieser Stelle haben Ficin, Cornar und Grou keinen Sinn gefunden, welches auch nicht möglich ist, wenn man nicht hinter die Worte ἔστι δ᾽ ἅ ἐστι ein Komma sezt, so daß diese Worte den zweiten Fall bilden, wo nämlich angenehm und gut, unangenehm und böse zusammentreffen, wodurch nun auch erst der dritte Fall καὶ τρίτον recht deutlich wird, wo nämlich das Angenehme und Unangenehme sich gegen Gut und Böse neutral verhält, und diese Begriffe auf jene keine Anwendung finden.
S Anm. 44 Vgl. Spalte 1 App. und Spalte 2 Cornarius mit App. S (dort Ficinus). Jean-Nicolas Grou: Dialogues de Platon, Bd. 1, Amsterdam 1770, S. 295 f.
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a n d e r e s , w a s s o i s t . In dieser Stelle haben Ficin, Cornar und Grou keinen Sinn gefunden, welches auch nicht möglich ist, wenn man nicht hinter die Worte ἔστι δ᾽ ἅ ἐστι ein Komma sezt, so daß diese Worte den zweiten Fall bilden, wo nämlich angenehm und gut, unangenehm und böse zusammentreffen, wodurch nun auch erst der dritte Fall καὶ τρίτον recht deutlich wird, wo nämlich das Angenehme und Unangenehme sich gegen Gut und Böse neutral verhält, und diese Begriffe mit jenen nicht zusammenfallen.
S Anm. 46 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 44.
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— Πότερον οὖν, ἦν δ᾽ ἐγώ, σὺ βούλει ἡγεμονεύειν τῆς σκέψεως; ἢ ἐγὼ ἡγῶμαι; — Δίκαιος, ἔφη, σὺ ἡγεῖσθαι. σὺ γὰρ καὶ κατάρχεις τοῦ λόγου. — Ἆρ᾽ οὖν, ἦν δ᾽ ἐγώ, τῇ δέ πη καταφανὲς ἂν ἡμῖν γένοιτο, ὥσπερ εἴτις ἄνθρωπον σκοπῶν ἐκ τοῦ εἴδους, ἢ πρὸς ὑγίειαν, ἢ πρὸς ἄλλό τι τῶν τοῦ σώματος ἔργων, ἰδὼν τὸ πρόσωπον καὶ τὰς χεῖρας ἄκρας, εἴποι, Ἴθι δή μοι ἀποκαλύψας καὶ τὰ στήθη καὶ τὸ μετάφρενον, ἐπίδειξον, ἵνα ἐπισκέψωμαι σαφέστερον· καὶ ἐγὼ τοιοῦτόν τι ποθῶ πρὸς τὴν σκέψιν, θεασάμενος ὅτι οὕτως ἔχεις πρὸς τὸ ἀγαθὸν καὶ τὸ ἡδὺ ὡς φῄς, δέομαι τοιοῦτό τι εἰπεῖν, Ἴθι δή μοι, ὦ Πρωταγόρα, καὶ τόδε τῆς διανοίας ἀποκάλυψον, πῶς ἔχεις πρὸς ἐπιστήμην. πότερον καὶ τοῦτό σοι δοκεῖ ὥσπερ τοῖς πολλοῖς ἀνθρώποις, ἢ ἄλλως; δοκεῖ δὲ τοῖς πολλοῖς περὶ ἐπιστήμης τοιοῦτόν τι· οὐκ ἰσχυρόν, οὐδ᾽ ἡγεμονικόν, οὐδ᾽ ἀρχικὸν εἶναι· οὐδὲ ὥσπερ τοιούτου αὐτοῦ ὄντος διανοοῦνται· ἀλλ᾽ ἐνούσης πολλάκις ἀνθρώπῳ ἐπιστήμης, οὐ τὴν ἐπι-
15 ποθῶ] ποθῶν Heindorf, vgl. Spld. (SN 157)
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 351e (Z. 4 f.): „leitest ja das Gespräch“. „Fängst ja an dis zu erforschen“. Übers. (verl.) von 352a (Z. 7 f.): Ich vermisse in Ihrer Übersezung ἐκ τοῦ εἴδους, weiß aber auch für mich nicht eben, was ich damit anfangen soll. Wenigstens ist εἶδος hier wol gewiß viel etwas Mehreres und Wichtigeres als πρόσωπον. 352a (Z. 15): [komplette Note nachträglich hinzugefügt:] Ich bin ganz Hndfs Meinung für ποθῶν statt ποθῶ.
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— Also, sprach ich, willst du die Untersuchung führen? oder soll ich sie führen? — Es ist billig, antwortete er, daß du sie führst, denn du leitest ja das Gespräch. — Vielleicht also, sagte ich, wird es uns auf diese Art offenbar werden. So wie nämlich Jemand der einen Menschen in Absicht45 auf seine Gesundheit oder sonst eine körperliche Verrichtung untersuchen wollte, und nichts von ihm sähe als das Gesicht und die Hände, gewiß zu ihm sagen würde, komm her, entblöße mir auch die Brust und den Rükken, und zeige sie mir, damit ich dich genauer betrachten kann, so ohngefähr vermisse auch ich etwas bei unserer Untersuchung, und möchte, nachdem ich gesehen, wie du über das Angenehme und Gute | denkst, dir eben so sagen: Komm her, Protagoras! zeige mir von deiner Seele auch noch dieses, was du von der Erkenntniß hältst, ob du auch hierüber so denkst wie die meisten Menschen oder anders? Die meisten nämlich denken von der Erkenntniß so ohngefähr, daß sie nichts starkes leitendes und beherrschendes ist, und achten sie auch gar nicht als ein solches, sondern daß gar oft, wenn auch Erkenntniß im Menschen ist,
— Willst nun, sprach ich, du die Untersuchung führen? oder soll ich sie führen? — Es ist billig, antwortete er, daß du sie führst, denn du leitest ja das Gespräch. — Vielleicht also, sagte ich, wird es uns auf diese Art offenbar werden. So wie nämlich Jemand der einen Menschen aus der Gestalt in Absicht auf seine Gesundheit oder sonst eine körperliche Beschaffenheit untersuchen sollte, wenn er nichts von ihm sähe als das Gesicht und die Hände, gewiß zu ihm sagen würde, komm her, entblöße mir auch die Brust und den Rükken, und zeige sie mir, damit ich dich genauer betrachten kann: so ohngefähr vermisse auch ich etwas bei unserer Untersuchung, und möchte, nachdem ich gesehen, | wie du über das Angenehme und Gute denkst, dir eben so sagen: Komm her, Protagoras! enthülle mir von deiner Gesinnung auch noch dieses, was du von der Erkenntniß hältst, ob du auch hierüber so denkst wie die meisten Menschen oder anders? Die meisten nämlich denken von der Erkenntniß so ohngefähr, daß sie nichts starkes leitendes und beherrschendes ist, und achten sie auch gar nicht als ein solches, sondern daß gar oft, wenn auch Erkenntniß im Menschen ist, sie ihn
45 M e n s c h e n i n A b s i c h t . Hier sind durch ein Versehen die Worte ausgelassen | (nach Menschen) „aus der Gestalt.“ Eben so werden im Charmides (S. 154. nach Steph.) G e s t a l t und G e s i c h t einander entgegengesezt.
S Anm. 45 Diese für den Druck des Dialogs zu späte Korrektur ist anscheinend eine Reaktion auf Spaldings Note (Spalte 2 Spld. [SN 157] zu 352a [Z. 7 f.]). – Vgl. Platon, Charmides 154d.
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στήμην αὐτοῦ ἄρχειν, ἀλλ᾽ ἄλλό τι· τοτὲ μὲν θυμόν, τοτὲ δὲ ἡδονήν, τοτὲ δὲ λύπην· ἐνίοτε δὲ ἔρωτα, πολλάκις δὲ φόβον. ἀτεχνῶς διανοούμενοι περὶ τῆς ἐπιστήμης, ὥσπερ περὶ ἀνδραπόδου, περιελκομένης ὑπὸ τῶν ἄλλων ἁπάντων. ἆρ᾽ οὖν καί σοι τοιοῦτόν τι περὶ αὐτῆς δοκεῖ; ἢ καλόν τε εἶναι ἡ ἐπιστήμη, καὶ οἷον ἄρχειν τοῦ ἀνθρώπου; καὶ ἐάν περ γιγνώσκῃ τὶς τἀγαθὰ καὶ τὰ κακά, μὴ ἂν κρατηθῆναι ὑπὸ μηδενός, ὥστε ἄλλ᾽ ἄττα πράττειν ἢ ἃ ἂν ἐπιστήμη κελεύοι, ἀλλ᾽ ἱκανὴν εἶναι τὴν φρόνησιν βοηθεῖν τῷ ἀνθρώπῳ; — Καὶ δοκεῖ, ἔφη, ὥσπερ σὺ λέγεις, ὦ Σώκρατες· καὶ ἅμα εἴπέρ τῳ ἄλλῳ, αἰσχρόν ἐστι καὶ ἐμοὶ σοφίαν καὶ ἐπιστήμην μὴ οὐχὶ πάντων κράτιστον φάναι εἶναι τῶν ἀνθρωπείων πραγμάτων. — Καλῶς γε, ἔφην ἐγώ, σὺ λέγων, καὶ ἀληθῆ. οἶσθα οὖν ὅτι οἱ πολλοὶ τῶν ἀνθρώπων ἐμοί τε καί σοι οὐ πείθονται. ἀλλὰ πολλούς φασι γιγνώσκοντας τὰ βέλτιστα, οὐκ ἐθέλειν πράττειν, ἐξὸν αὐτοῖς, ἀλλὰ ἄλλα πράττειν. καὶ ὅσους δὴ ἐγὼ ἠρόμην ὅ,τι ποτὲ αἴτιόν ἐστι τούτου, ὑπὸ ἡδονῆς φασὶν ἡττωμένους ἢ λύπης, ἢ ὧν νῦν δὴ ἐγὼ ἔλεγον ὑπό τινος τούτων κρατουμένους, ταῦτα
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 352d (Z. 22 f.): Sie erklären sich das Partizip λέγων doch auch in Verbindung mit dem folgenden οἶσθα?
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sie ihn doch nicht beherrscht, sondern irgend sonst etwas, bald der Zorn, bald die Lust, bald die Unlust, manchmal die Liebe, oft auch die Furcht, und so achten sie offenbar die Erkenntniß für einen Elenden der von Jedem nach Gefallen hierher und dorthin gezogen wird. Dünkt nun dich so etwas von ihr, oder vielmehr sie sei etwas Schönes, das wohl den Menschen regiere? und wenn einer Gutes und Böses erkannt habe, werde er von nichts anderem mehr können gezwungen werden, so daß er irgend etwas anderes thun müßte als seine Erkenntniß ihm befiehlt, sondern die richtige Einsicht sei stark genug dem Menschen durchzuhelfen? — So dünkt es mich, antwortete er, wie du jezt sagst, Sokrates, und zudem wäre es, wenn für irgend einen, gewiß für mich unziemlich zu behaupten, daß Weisheit und Erkenntniß nicht das mächtigste wäre unter allem menschlichen. — Wohl gesprochen, sagte ich, und sehr wahr. Du weißt aber doch, daß die meisten Menschen mir und dir nicht glauben, sondern sie sagen, daß Viele, welche das Bessere sehr gut erkennen, es doch nicht thun wollen, obgleich sie könnten, sondern etwas anderes thun. Und so Viele ich gefragt habe, was doch die Ursach wäre hiervon, haben mir Alle gesagt, von der | Lust überwunden oder der Unlust, oder von irgend einem unter den Dingen deren ich vorhin erwähnte bezwungen, handelten diejenigen
doch nicht beherrscht, sondern irgend sonst etwas, bald der Zorn, bald die Lust, bald die Unlust, manchmal die Liebe, oft auch die Furcht, so daß sie offenbar von der Erkenntniß denken wie von einem elenden Wicht, daß sie sich von allem andern herumzerren läßt. Dünkt nun dich so etwas von ihr, oder vielmehr sie sei etwas Schönes, das wohl den Menschen regiere? und wenn einer Gutes und Böses erkannt habe, werde er von nichts anderem mehr gezwungen werden, irgend etwas anderes zu thun als was seine Erkenntniß ihm befiehlt, sondern die richtige Einsicht sei stark genug dem Menschen durchzuhelfen? — So dünkt es mich, antwortete er, wie du jezt sagst, Sokrates, und zudem wäre es, wenn für irgend einen andern, gewiß auch für mich unziemlich zu behaupten, daß Weisheit und Erkenntniß nicht das mächtigste wäre unter allem menschlichen. — Wohl gesprochen von dir, sagte ich, und sehr wahr. Du weißt aber doch, daß die meisten Menschen mir und dir nicht glauben, sondern sie sagen, daß Viele, welche das Bessere sehr gut erkennen, es doch nicht thun wollen, obgleich sie könnten, sondern etwas anderes thun. Und so Viele ich gefragt habe, was doch die Ursach wäre hiervon, haben | mir Alle gesagt, von der Lust überwunden oder der Unlust, oder von irgend einem unter den Dingen deren ich vorhin erwähnte bezwungen,
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ποιεῖν τοὺς ποιοῦντας. — Πολλὰ γὰρ οἶμαι, ἔφη, ὦ Σώκρατες, καὶ ἄλλα οὐκ ὀρθῶς λέγουσιν οἱ ἄνθρωποι. — Ἴθι δὴ μετ᾽ ἐμοῦ ἐπιχείρησον πείθειν τοὺς ἀνθρώπους καὶ διδάσκειν ὅ ἐστιν αὐτοῖς τοῦτο τὸ πάθος, ὅ φασιν ὑπὸ τῶν ἡδονῶν ἡττᾶσθαι, καὶ οὐ πράττειν διὰ ταῦτα τὰ βέλτιστα· ἐπεὶ γινώσκειν γε αὐτά. ἴσως γὰρ ἂν λεγόντων ἡμῶν ὅτι, Οὐκ ὀρθῶς λέγετε, ὦ ἄνθρωποι, ἀλλὰ ψεύδεσθε· ἔροιντ᾽ ἂν ἡμᾶς, Ὦ Πρωταγόρα τε καὶ Σώκρατες, εἰ μὴ ἔστι τοῦτο τὸ πάθημα, ἡδονῆς ἡττᾶσθαι, ἀλλὰ τί ποτ᾽ ἐστί, καὶ τί ὑμεῖς αὐτὸ φατὲ εἶναι, εἴπατον ἡμῖν. — Τί δέ, ὦ Σώκρατες, δεῖ ἡμᾶς σκοπεῖσθαι τὴν τῶν πολλῶν δόξαν ἀνθρώπων, οἳ ὅ,τι ἂν τύχωσι, τοῦτο λέγουσιν; — Οἶμαι, ἦν δ᾽ ἐγώ, εἶναί τι ἡμῖν τοῦτο πρὸς τὸ ἐξευρεῖν περὶ ἀνδρείας πρὸς τἄλλα μόρια τὰ τῆς ἀρετῆς πῶς ποτ᾽ ἔχει. εἰ οὖν σοι δοκεῖ ἐμμένειν οἷς ἄρτι ἔδοξεν ἡμῖν ἐμὲ ἡγήσασθαι, ᾗ οἶμαι ἂν ἔγωγε κάλλιστα φανερὸν γενέσθαι, ἕπου· εἰ δὲ μὴ βούλει, εἴ σοι φίλον, ἐῶ χαίρειν. — Ἀλλ᾽, ἔφη, ὀρθῶς λέγεις· καὶ πέραινε ὥσπερ ἤρξω. — Πάλιν τοίνυν, ἔφην ἐγώ, εἰ ἔροιντο ἡμᾶς, Τί οὖν φατὲ τοῦτο εἶναι, ὃ ἡμεῖς ἥττω εἶναι
11–13 ὅτι, Οὐκ ὀρθῶς λέγετε, ὦ ἄνθρωποι, ἀλλὰ ψεύδεσθε· ἔροιντ᾽ ἂν ἡμᾶς, Ὦ Πρωταγόρα] ὅτι Οὐκ ... ψεύδεσθε, ἔροιντ᾽ ἂν ἡμᾶς, Ὦ ... Heindorf 1810 Ed.Berlin 1816 (Bekker) (ἡμᾶς Ὦ ohne Komma), übersetzt W2 15–17 τί ποτ᾽ ἐστί, καὶ τί ὑμεῖς αὐτὸ φατὲ εἶναι, εἴπατον ἡμῖν.] τί ποτ᾽ ... αὐτό φατε εἶναι; εἴπατον ἡμῖν. Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W2 17 εἶναι,] εἶναι; Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W2
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so, die es thäten. — Sagen doch wohl, sprach er, die Leute, o Sokrates, noch viel anderes unrichtiges. — So komm denn, und versuche mit mir die Leute zu überreden, und zu belehren, was für ein Zustand das ist, was sie nennen von der Lust überwunden werden, und um deswillen das Bessere nicht thun, obwohl man es kenne. Denn vielleicht, wenn wir ihnen nur sagen: Ihr habt Unrecht Leute und ihr irrt euch; möchten sie uns fragen: O Sokrates und Protagoras, wenn dieser Zustand nicht darin besteht von der Lust überwunden zu werden, so sagt uns doch, was er denn ist, und wie ihr ihn erklärt. — Was sollen wir aber, sagte Protagoras, die Meinung der Leute in Betrachtung ziehen, welche sagen was ihnen einfällt? — Ich glaube nur, sprach ich, daß uns dies etwas helfen wird, um zu entdekken, wie sich die Tapferkeit eigentlich zu den übrigen Theilen der Tugend verhalte. Bleibst du also noch bei dem eben beschlossenen, daß ich führen soll, so folge mir auch dahin, wo ich glaube, daß sich uns die Sache am deutlichsten darstellen wird. Willst du aber nicht, so will ich es gut sein lassen, wenn dir das lieber ist. — Nein, sagte er, du hast recht, bringe es nur zu Ende, wie du es angefangen hast. — Noch einmal also, sprach ich, wenn sie uns fragten: Wie erklärt ihr also das was wir
thäten die das, die es thun. — Sagen doch wohl, sprach er, die Leute, o Sokrates, noch viel anderes unrichtiges. — So komm denn, und versuche mit mir die Leute zu überreden, und zu belehren, was für ein Zustand das ist, was sie nennen von der Lust überwunden werden, und um deswillen das Bessere nicht thun, denn erkannt habe man es ja. Vielleicht nemlich, wenn wir ihnen nur sagten, Ihr habt Unrecht Leute und ihr irrt euch, möchten sie uns fragen, O Sokrates und Protagoras, wenn dieser Zustand nicht darin besteht von der Lust überwunden zu werden, was ist er denn, und wie erklärt ihr ihn? Sagt es uns doch! — Aber o Sokrates, sagte Protagoras, was sollen wir denn die Meinung der Leute in Betrachtung ziehen, welche sagen was ihnen einfällt? — Ich glaube nur, sprach ich, daß uns dies etwas helfen wird, um zu entdekken, wie sich die Tapferkeit eigentlich zu den übrigen Theilen der Tugend verhalte. Bleibst du also noch bei dem eben beschlossenen, daß ich führen soll, so folge mir auch dahin, wo ich glaube, daß sich uns die Sache am deutlichsten darstellen wird. Willst du aber nicht, so will ich es gut sein lassen, wenn dir das lieber ist. — Nein sagte er, du hast recht, bringe es nur zu Ende, wie du es angefangen hast. — Noch einmal also, sprach ich, wenn sie uns fragten: Wie erklärt ihr also das was wir nannten zu
T 23 daß] das W1
S 12–14 sagten, Ihr habt Unrecht Leute und ihr irrt euch, möchten sie uns fragen, O Sokrates und Protagoras] nach Heindorf und Bekker wie Spalte 1 App. 17f was ist er denn, und wie erklärt ihr ihn? Sagt es uns doch!] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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τῶν ἡδονῶν ἐλέγομεν; εἴποιμ᾽ ἂν ἔγωγε πρὸς αὐτοὺς ὡδί· Ἀκούετε δή· πειρασόμεθα γὰρ ὑμῖν ἐγώ τε καὶ Πρωταγόρας φράσαι. ἄλλοτι γάρ, ὦ ἄνθρωποι, φατὲ ὑμῖν τοῦτο γίγνεσθαι ἐν τοῖσδε; οἷον, πολλάκις ὑπὸ σίτων καὶ ποτῶν καὶ ἀφροδισίων κρατούμενοι, ἡδέων ὄντων, γινώσκοντες ὅτι πονηρά ἐστιν, ὅμως αὐτὰ πράττειν; — Φαῖεν ἄν. — οὐκοῦν ἐροίμεθ᾽ ἂν αὐτοὺς ἐγώ τε καὶ σὺ πάλιν, Πονηρὰ δὲ αὐτὰ πῆ φατὲ εἶναι; πότερον ὅτι τὴν ἡδονὴν ταύτην ἐν τῷ παραχρῆμα παρέχει, καὶ ἡδύ ἐστιν ἕκαστον αὐτῶν; ἢ ὅτι εἰς τὸν ὕστερον χρόνον νόσους τε ποιεῖ καὶ πενίας; καὶ ἄλλα τοιαῦτα
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nannten zu schwach sein gegen die Lust? so würde ich zu ihnen sagen: Hört denn! Protagoras und ich, wir wollen versuchen es euch zu erklären. Ihr meint doch darunter nichts anders als was euch in solchen Dingen begegnet, wie daß ihr oft von Speise | und Trank und Wollust als dem Angenehmen bezwungen, wiewohl ihr wißt, daß es schlecht ist, es dennoch thut? — Das werden sie bejahen. — Nicht wahr, dann werden wir sie wieder fragen, ich und du: Aber in wiefern sagt ihr, daß diese Dinge schlecht sind? etwa eben deshalb, weil sie diese Lust für den Augenblik gewähren, und also jedes für sich angenehm sind? oder weil sie in der folgenden Zeit Krankheit und Mangel herbeiführen, und viel anderes der Art bewir-
schw ach s ein gegen die Lust? so w ürde i ch zu i hnen sagen: Hört denn! Protagoras und ich, wir wollen versuchen es euch zu erklären. Ihr meint doch darunter nichts anderes, als was euch in solchen Dingen begegnet, wie daß | ihr oft von Speise und Trank und Wollust als dem Angenehmen bezwungen, wiewohl ihr wißt, daß es schlecht ist, es dennoch thut? — Das würden sie bejahen. — Nicht wahr, dann würden wir sie wieder fragen, ich und du: Aber in wiefern sagt ihr, daß diese Dinge schlecht sind? etwa eben deshalb, weil sie diese Lust für den Augenblikk gewähren, und also jedes für sich angenehm sind? oder weil sie in der folgenden Zeit Krankheit und Mangel herbeiführen, und viel anderes der Art bewir-
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πολλὰ παρασκευάζει; ἢ κᾂν εἴτι τούτων εἰς τὸ ὕστερον μηδὲν παρασκευάζῃ, χαίρειν δ᾽ ὅμως ποιεῖ; τὸ δ᾽ ἁμαρτόντα χαίρειν, τοῦ κακοῦ ποινὴ εἴη ἄν; ἆρ᾽ οἰόμεθα ἂν αὐτούς, ὦ Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 353d (Z. 1-5): ἠ κᾳν ειτι τουτων pp. – aut etiamsi nihil horum in posterum inducant sed solum ut gaudeamus faciant: tamen mala fuerint eo, quod solum ut gaudeamus faciunt etiam quomodocunque – Ecl. In graecis habetur χαιρειν δε μονον ποιῃ, ὁμως δ᾽ αν κακα ᾖ, ὁτι μαθοντα χαιρειν ποιει και ὁπη οὐν. Ego itaque pro voce μαθοντα legendum puto μονον, ut vox μονον praemissa repetatur. Suspicarer ματην pro μαθοντα legendum esse, velut etiam supra in Euthydemo μαθων pro ματην bis suppositum haberi ostendi: sed voces mox subiectae και ὁπη οὐν id est etiam quomodocunque, hanc suspicionem elevant. Die Bas. 1. liest so wie Cornar liest.
1–5 ἢ κᾂν εἴτι τούτων εἰς τὸ ὕστερον μηδὲν παρασκευάζῃ, χαίρειν δ᾽ ὅμως ποιεῖ; τὸ δ᾽ ἁμαρτόντα χαίρειν, τοῦ κακοῦ ποινὴ εἴη ἄν;] Ed.Genf 1578 (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina) | ... παρασκευάζῃ, χαίρειν δὲ μόνον ποιῇ, ὅμως δ᾽ ἂν κακὰ ἦ, ὅτι μαθόντα χαίρειν ποιεῖ καὶ ὅπη οὖν. Ed.Venedig 1513 (Aldina) Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina), Variae lectiones, S. 360 | ... παρασκευάζει, χαίρειν δὲ μόνον ποιεῖ; ὅμως δ᾽ ἂν κακὰ ἦ, ὅτι μαθόντα χαίρειν ποιεῖ καὶ ὅπη οὖν. Ed.Basel 1534 (Oporinus) Ed.Basel 1556 | παρασκευάζοι, χαίρειν δὲ μόνον ποιοῖ, ὅμως ἂν κακὰ εἴη, ὅτι ἁμαρτόντα χαίρειν ποιεῖ καὶ ὅπη οὖν. konj. Schleiermacher W1 Anm. 46 Heindorf 1810 (allerdings ὅμως δ᾽ ἂν; vgl. z. St., S. 619 f.), übersetzt W1 | παρασκευάζει, χαίρειν δὲ μόνον ποιεῖ, ὅμως δ᾽ ἂν κακὰ ἦν, ὅ τι μαθόντα χαίρειν ποιεῖ καὶ ὁπῃοῦν; Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 67 [232,11], übersetzt W2, vgl. W2 Anm. 47
Noten Spaldings (SN 157) zu Anm. (verl.) zu 353d (Z. 1-5) (vgl. W1 Anm. 46): Bei Ihrer schönen Note wolte ich auch anfänglich an den Optativen kritteln, aber die Vergleichung von Stefanus Thesaurus hat mich völlig für den Optatif gestimmt. Freilich sind wir ABC-Schüler in den m o d i s . T Exz.Corn. 16 Die ... liest.] anscheinend nachträglich hinzugefügt S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 452 und Ecl. S. 513. Cornarius zitiert die Lesart der Ed.Venedig 1513 (Aldina), die in Ed.Basel 1534 (Oporinus) (= Bas. 1) leicht variiert ist, s. Spalte 1 App. – Vgl. Ficinus in Ed.Zweibrücken: an etiam, quamquam nihil tale in posterum inferunt, tantum quia delectant, mala sunt, quod homo gaudere discat? 11f supra in Euthydemo] Cornarius: Plat.lat. (1561), Ecl. S. 511 f. | Spld. Vielleicht Stephanus: Thesaurus Graecae linguae, Bd. 1, [Genf] [1572], Sp. 411-415 s.v. ἄν.
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ken? Oder sollten sie auch, wenn sie nichts dergleichen in der Folge bewirken, sondern nur Vergnügen machen, dennoch etwas böses sein, weil sie etwa auch den, welcher gefehlt hat, auf welche Art es auch sei, vergnügt machen?46 Sollen wir glau-
ken? Oder sollten sie auch, wenn sie nichts dergleichen in der Folge bewirken, sondern nur Vergnügen machen, dennoch etwas böses sein, weil sie was einer auch treibe ihn vergnügt machen und auf welche Art es auch sei?47 Sollen wir glau-
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O d e r s o l l t e n s i e e t c . Durch Stephanus ist hier von dem Worte παρασκευάζῃ an eine Leseart der zweiten Baseler Ausgabe, der auch hier Ficin nicht folgt, in den Text gekommen, welche freilich, wenn man sich bei einem scheinbaren Sinne begnügt, nichts zu wünschen übrig läßt, bei der es aber doch an allem Zusammenhange gänzlich fehlt. Denn was hat die ποινὴ τοῦ κακοῦ hier zu schaffen? Die früheren Ausgaben lesen χαίρειν δὲ μόνον ποιῇ, ὅμως δ᾽ ἂν κακὰ ᾖ, ὅτι μαθόντα χαίρειν ποιεῖ καὶ ὅπη οὖν. Sie ist freilich offenbar verdorben, und das μαθόντα nicht zu ertragen: aber sie hat doch mehr Spuren an sich von dem Zusammenhange des Ganzen. Cornar hat sich vergeblich mit Verbesserung derselben bemüht, indem er dies beschwerliche μαθόντα in μόνον verwandelt, und übersezt aut etiamsi nihil horum in posterum inducant, sed solum,
O d e r s o l l t e n s i e e t c . Durch Stephanus ist hier von dem Worte παρασκευάζῃ an eine Leseart der zweiten Baseler Ausgabe, der auch hier Ficin nicht folgt, in den Text gekommen, welche freilich, wenn man sich bei einem scheinbaren Sinne begnügt, nichts zu wünschen übrig läßt, bei der es aber doch an allem Zusammenhange gänzlich fehlt. Denn was hat die ποινὴ τοῦ κακοῦ hier zu schaffen? Die früheren Ausgaben lesen χαίρειν δὲ μόνον ποιῇ, ὅμως δ᾽ ἂν κακὰ ᾖ, ὅτι μαθόντα χαίρειν ποιεῖ καὶ ὅπη οὖν. Cornar hat sich vergeblich mit Verbesserung dieses Textes bemüht, indem er dies | beschwerliche μαθόντα in μόνον verwandelt, und übersezt aut etiamsi nihil horum in posterum inducant, sed solum, ut
S 1–7 Vgl. KGA V/5, Nr. 1030, 47 f. S Anm. 46 Die Lesart von Ed.Genf 1578 (Stephanus), die Ed. Zweibrücken 1782 (Bipontina) übernommen hat, stammt laut Stephanus’ Notiz am Rand „ex vet. exempl.“, womit nicht Ed.Basel 1556 (= Bas. 2) gemeint ist (s. Spalte 1 App.), wie Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina), Variae lectiones, S. 360, falsch zuordnet. Schleiermacher zitiert in seiner Anm. diese falsche Zuordnung aus den Variae lectiones. Vermutlich ebenfalls aus den Variae lectiones zitiert er die Fassung der früheren Ausgaben, die dort pauschal der Ed.Venedig 1513 (Aldina) und der Ed.Basel 1534 (Oporinus) zugeordnet wird (vgl. Spalte 1 App.). Zu Cornarius vgl. Spalte 2 mit App. S (dort auch Ficinus).
S Anm. 47 Vgl. Spalte 1 App. und Spalte 3 zu Anm. 46; ferner vgl. Rez.Ast (1808) (wie zu W1 Anm. 46).
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Πρωταγόρα, ἄλλό τι ἀποκρίνασθαι,
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ben, Protagoras, daß sie uns etwas
ben, Protagoras, daß sie uns etwas
ut gaudeamus, faciant, tamen mala fuerint eo quod solum, ut gaudeamus, faciunt etiam quomodocunque. Hiedurch ist gar nichts angedeutet, was eigentlich diesen ἡδοναῖς und diesen besonders vorgeworfen würde. Wenn man beide Texte vergleicht, so sieht man wohl, wie aus dem älteren die Abkürzung am Anfang, und der Zusaz am Ende in dem Baseler hat entstehen können. Gründlich möchte der Stelle ohne Handschriften nicht zu helfen sein. Da indessen der Uebersezer in solchen Fällen einer einstweiligen Hülfe schlechterdings bedarf, so habe ich beide Texte so zusammengeschmolzen: ἢ κᾂν εἴτι τούτων εἰς τὸ ὕστερον μηδὲν παρασκευάζοι, χαίρειν δὲ μόνον ποιοῖ, ὅμως ἂν κακὰ εἴη, ὅτι ἁμαρτόντα χαίρειν ποιεῖ καὶ ὅπη οὖν. Der lezte Zusaz bezieht sich auf das παραχρῆμα und der Nachdruk des ganzen liegt auf dem ἁμαρτόντα, welches nothwendig mußte gerettet werden. Nämlich Sokrates will noch einmal versuchen, ob Pro|tagoras ein anderes Gutes kennt als das angenehme, und ob er also den Gedanken ergreifen werde, die Ursach der Mißbilligung nicht in einem künftigen Unangenehmen, sondern in einem anderen verfehlten zu suchen. Diese Andeutung hat hier gerade soviel Licht, als dergleichen im Platon zu haben pflegen. Nachdem nun Protagoras diesen nicht ergriffen, fährt Sokrates mit solcher Sicherheit fort: ich glaube, sie werden es nicht können u. dergl.
gaudeamus, faciant, tamen mala fuerint eo quod solum, ut gaudeamus, faciunt etiam quomodocunque. Hiedurch ist gar nichts angedeutet, was eigentlich diesen ἡδοναῖς und diesen besonders vorgeworfen würde. Mit dem μαθόντα allein gestehe ich immer noch hier nicht auslangen zu können, auch nach Hermanns treflicher Belehrung über diese Redensarten. Erlaubt man mir aber nur nach dem ἦν des Bekkerschen Textes das – leicht ausgefallene – εἰ noch einmal einzuschieben; so gebe ich gern die frühere freilich sehr willkührliche Zusammenschmelzung auf, und der Sinn bleibt derselbe, den ich fand, wenn ich annahm der Nachdruk des ganzen liege auf dem ἁμαρτόντα des Baseler Textes; denn der steckt in dem ὅτι μαθών. Nämlich Sokrates will noch einmal versuchen, ob Protagoras ein anderes Gutes kennt als das angenehme, und ob er also den Gedanken ergreifen werde, die Ursach der Mißbilligung nicht in einem künftigen Unangenehmen, sondern in einem anderen verfehlten zu suchen. Diese Andeutung hat hier gerade soviel Licht, als dergleichen im Platon zu haben pflegen. Nachdem nun Protagoras diesen nicht ergriffen, fährt Sokrates mit solcher Sicherheit fort.
S Forts. Anm. 46 Schleiermachers textkritische Entscheidung kritisiert von Rez.Ast (1808), S. 141, wo Ast der Fassung von Ed.Venedig 1513 (Aldina) und Ed.Basel 1534 (Oporinus) folgt; vgl. W2 Anm. 47
T Anm. 47 9 Hermanns] fälschlich Herrmanns W2 | 17 ἁμαρτόντα] verdruckt ἁμαρεσνια W2 S Forts. Anm. 47 9 „Hermanns Belehrung“ über τί μαθών o. ä.: z. B. in: François Viger: De praecipuis Graecae dictionis idiotismis liber, edd. H. Hoogeveen/ J. K. Zeune/ G. Hermann, 2. Aufl., Leipzig 1813 [SB 2077], S. 759 f.; zuvor schon in: Aristophanis Nubes cum scholiis recensuit et annotationes Io. Aug. Ernestii suasque addidit Godofredus Hermannus ..., Leipzig 1799 [SB 72], S. 259 f. (zu V. 1510), S. 73 (zu V. 401); vgl. auch Rez.Boeckh (1808), S. 106 = (1872), S. 25.
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ἢ ὅτι οὐ κατὰ τὴν αὐτῆς τῆς ἡδονῆς τῆς παραχρῆμα ἐργασίαν κακά ἐστιν, ἀλλὰ διὰ τὰ ὕστερον γιγνόμενα νόσους τε καὶ τἄλλα. — ἐγὼ μὲν οἶμαι, ἔφη ὁ Πρωταγόρας, τοὺς πολλοὺς ἂν ταῦτα ἀποκρίνασθαι. — Οὐκοῦν νόσους ποιοῦντα, ἀνίας ποιεῖ· καὶ πενίας ποιοῦντα, ἀνίας ποιεῖ. ῾Ομολογοῖεν ἄν, ὡς ἐγᾦμαι. — Συνέφη ὁ Πρωταγόρας. — Οὐκοῦν φαίνεται, ὦ ἄνθρωποι, ὑμῖν, ὡς φαμὲν ἐγώ τε καὶ Πρωταγόρας, δι᾽ οὐδὲν ἄλλο ταῦτα κακὰ ὄντα, ἢ διότι εἰς ἀνίας τε ἀποτελευτᾷ, καὶ ἄλλων ἡδονῶν ἀποστερεῖ. Ὁμολογοῖεν ἄν. Συνεδόκει ἡμῖν ἀμφοῖν. Οὐκοῦν πάλιν ἂν αὐτοὺς τὸ ἐναντίον εἰ ἐροίμεθα, Ὦ ἄνθρωποι, οἱ λέγοντες αὖ ἀγαθὰ ἀνιαρὰ εἶναι, ἆρα οὐ τὰ τοιάδε λέγετε, οἷον τά τε γυμνάσια, καὶ τὰς στρατείας, καὶ τὰς ὑπὸ τῶν ἰατρῶν θεραπείας, τὰς διὰ τῶν καύσεών τε καὶ τομῶν καὶ φαρμακειῶν καὶ λιμοκτονιῶν γιγνομένας; ὅτι ταῦτα ἀγαθὰ μέν ἐστιν, ἀνιαρὰ δέ; Φαῖεν ἄν. — Συνεδόκει. — Πότερον οὖν κατὰ τόδε ἀγαθὰ αὐτὰ καλεῖτε, ὅτι ἐν τῷ παραχρῆμα ὀδύνας τὰς ἐσχάτας παρέχει καὶ ἀλγηδόνας; ἢ ὅτι εἰς τὸν ὕστερον χρόνον ὑγεῖαί τε ἀπ᾽ αὐτῶν γίγνονται, καὶ εὐεξίαι τῶν σωμάτων, καὶ τῶν πόλεων σωτηρία, καὶ ἄλλων ἀρχαὶ καὶ πλοῦτοι; Φαῖεν ἄν, ὡς ἐγᾦμαι. — Συνεδόκει. — Ταῦτα δὲ ἀγαθά ἐστι δι᾽ ἄλλό τι, ἢ ὅτι εἰς
9 ῾Ομολογοῖεν] ῾Ωμο- Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina)
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anderes antworten werden, als diese Dinge wären nicht wegen der Lust, welche sie für diesen Augenblik gewähren, böse, sondern allerdings wegen der hernach entstehenden Krankheiten und des Uebrigen? — Ich glaube, sagte Protagoras, daß die Leute so antworten werden. — Und was Krankheit bringt, bringt Unlust, was Armuth bringt, bringt Unlust? Das würden sie zugeben denke ich? — Protagoras war auch der Meinung. — Also scheinen euch, ihr Leute, wie ich und Protagoras behaupten, diese Dinge aus keiner andern Ursach böse zu sein, als weil sie selbst in Pein endigen und euch anderer Lust berauben? Das würden sie doch zugeben? So schien es uns Beiden. Wenn wir sie nun auch nach dem entgegengesezten fragten: Ihr Leute, die ihr sagt daß manches Peinliche gut ist, meint ihr damit nicht dergleichen wie die anstrengenden Leibesübungen, die Feldzüge, die Behandlungen der Aerzte mit Bren|nen und Schneiden, Arzneinehmen und Fasten, daß dergleichen gut ist aber peinlich? so würden sie das bejahen? — So schien es ihm auch. — Ob ihr sie nun wohl deshalb gut nennt, weil sie für den Augenblik die heftigsten Qualen und Schmerzen verursachen? oder weil in der Folge Gesundheit daraus entsteht und Wohlbefinden des Körpers und Rettung der Staaten und Herrschaft über Andere und Reichthum? Sie würden das leztere bejahen wie ich glaube. — Er glaubte es ebenfalls. — Sind also diese Dinge aus einer andern Ursache gut,
anderes antworten werden, als diese Dinge wären nicht wegen der Lust, welche sie für den Augenblikk gewähren, böse, sondern allerdings wegen der hernach entstehenden Krankheiten und des Uebrigen? — Ich glaube, sagte Protagoras, daß die Leute so antworten werden. — Und was Krankheit bringt, bringt Unlust, was Armuth bringt, bringt Unlust? Das würden sie zugeben denke ich? — Protagoras war auch der Meinung. — Also scheinen euch, ihr Leute, wie ich und Protagoras behaupten, diese Dinge aus keiner andern Ursach böse zu sein, als weil sie selbst in Pein endigen und euch anderer Lust berauben? Das würden sie doch zugeben? So schien es uns Beiden. Wenn wir sie nun auch nach dem entgegengesezten fragten: Ihr Leute, die ihr wiederum sagt, daß manches Peinliche gut ist, meint ihr damit nicht dergleichen wie die anstrengenden Leibesübungen, die Feldzüge, die Behandlungen der Aerzte mit | Brennen und Schneiden, Arzneinehmen und Fasten, daß dergleichen gut ist aber peinlich? so würden sie das bejahen? — So schien es ihm auch. — Ob ihr sie nun wohl deshalb gut nennt, weil sie für den Augenblik die heftigsten Qualen und Schmerzen verursachen? oder weil in der Folge Gesundheit daraus entsteht und Wohlbefinden des Körpers und Rettung der Staaten und sonst Herrschaft und Reichthum? Sie würden das leztere bejahen wie ich glaube. — Er glaubte es ebenfalls. — Sind also diese Dinge aus einer andern Ursache gut,
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ἡδονὰς ἀποτελευτᾷ, καὶ λυπῶν ἀπαλλαγάς τε καὶ ἀποτροπάς; ἢ ἔχετέ τι ἄλλο τέλος λέγειν, εἰς ὃ ἀποβλέψαντες αὐτὰ ἀγαθὰ καλεῖτε, ἀλλ᾽ ἡδονάς τε καὶ λύπας; οὐκ ἂν φαῖεν, ὡς ἐγᾦμαι. — Οὐδ᾽ ἐμοὶ δοκεῖ, ἔφη ὁ Πρωταγόρας. — Οὐκοῦν τὴν μὲν ἡδονὴν διώκετε, ὡς ἀγαθὸν ὄν, τὴν δὲ λύπην φεύγετε ὡς κακόν; — Συνεδόκει. — Τοῦτ᾽ ἄρα ἡγεῖσθ᾽ εἶναι κακόν, τὴν λύπην, καὶ ἀγαθόν, τὴν ἡδονήν. ἐπεὶ καὶ αὐτὸ τὸ χαίρειν τότε λέγεται κακὸν εἶναι, ὅταν μειζόνων ἀποστερῇ ἢ ὅσας αὐτὸ ἔχει, ἢ λύπας μείζους παρασκευάζῃ τῶν ἐν αὐτῷ ἡδονῶν. ἐπεὶ εἰ κατ᾽ ἄλλό τι αὐτὸ τὸ χαίρειν κακὸν καλεῖτε, καὶ εἰς ἄλλό τι τέλος ἀποβλέψαντες, ἔχοιτε ἂν καὶ ἡμῖν
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 354c (Z. 9): την δε λυπην φευγετε pp. – moerorem autem velut malum fugitis? Faterentur. – Ecl. In Graecis deest φαιεν ἀν.
1 ἀποτελευτᾷ, καὶ] ἀποτελευτᾷ καὶ Heindorf 1810 Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W2 5 ἀλλ᾽] ἀλλ᾽ ἢ Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina), Variae lectiones, S. 360 Spld. (SN 157) (Spalte 2) Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 622) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 67 [233,17], vgl. W1 W2 9 κακόν;] danach φαῖεν ἂν konj. Cornarius (Spalte 2 Exz.Corn. zu 354c) Schleiermacher W1 Anm. 47 W2 Anm. 48, übersetzt W1 W2, vgl. Spalding (Spalte 2 Spld. [SN 157]) 13 λέγεται] λέγετε Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina), Variae lectiones, S. 360 Heindorf 1810 Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 67 [233,22], übersetzt W1 W2
Noten Spaldings (SN 157) zu 354c (Z. 5): Ich weiß nicht wie der Quidam sagen kann Stefanus Änderung ἀλλ᾽ ἢ statt ἀλλ᾽ geschehe „non male, neque tamen necessario.“ cf. 356.a Übers. (verl.) von 354c (Z. 9) mit Anm. (verl.) ? (vgl. W1 Anm. 47): φαῖεν ἄν muß freilich hinein, wäre es auch einzig und allein unter den Hörnern d e s C o r n a r entstanden. 354c (Z. 13): λέγετε für λέγεται hat schon Stefanus. S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 452 und Ecl. S. 513. | Spld. zu 354c (Z. 5): Quidam] Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina), Variae lectiones, S. 360, zur Konjektur ἀλλ᾽ ἢ in Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) (s. Spalte 1 App.).
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als weil sie in Lust endigen, und in der Unlust Abwendung und Vertreibung? oder habt ihr einen andern Erfolg anzugeben in Beziehung auf welchen ihr sie gut nennt als nur Lust oder Unlust? Ich glaube sie werden keinen andern angeben. — Auch ich glaube es nicht, sagte Protagoras. — Also jaget ihr doch der Lust nach als dem Guten, und die Unlust flieht ihr als das Böse? Das würden sie zugeben?47 — So dünkte es ihn auch. — Dies also haltet ihr eigentlich für böse, die Unlust, und die Lust für gut; wenn ihr doch behauptet das Lust empfinden selbst sei in dem Fall böse, wenn es größere raubt als es selbst enthält, oder größere Unlust herbeiführt als seine eigene Lust nicht war. Denn wenn ihr in einer andern Hinsicht das Lust empfinden für böse hieltet und in Beziehung auf einen andern Erfolg, so würdet ihr uns den auch wohl sagen können, aber ihr werdet es nicht können.
als weil sie in Lust endigen und in der Unlust Abwendung und Vertreibung? oder habt ihr ein anderes Ziel anzugeben in Beziehung auf welches ihr sie gut nennt als nur Lust oder Unlust? Ich glaube sie werden kein anderes angeben. — Auch ich glaube es nicht, sagte Protagoras. — Also jaget ihr doch der Lust nach als dem Guten, und die Unlust flieht ihr als das Böse? Das würden sie zugeben?48 — So dünkte es ihn auch. — Dies also haltet ihr eigentlich für böse, die Unlust, und die Lust für gut; wenn ihr doch behauptet das Wohlbefinden selbst sei in dem Fall böse, wenn es größere Lust raubt als es selbst enthält, oder größere Unlust herbeiführt als seine eigene Lust nicht war. Denn wenn ihr in einer andern Hinsicht das Wohlbefinden für böse hieltet und in Beziehung auf ein anderes Ziel: so würdet ihr uns den auch wohl sagen können, aber ihr werdet es nicht können.
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Das würden sie zugeben. Hier habe ich das φαῖεν ἂν des Cornar angenommen, wiewol man auch hier wieder nicht sieht, ob er aus Conjectur oder aus andern Hülfsmitteln verbessert. Doch auch im ersten Falle ist es aufzunehmen, indem die Art, wie dieses indirekte Gespräch geführt wird, es fordert.
T Anm. 47 in W1 versehentlich der ähnlichen Stelle S. 831,11f zugeordnet S Anm. 47 Vgl. Spalte 1 App.
Das würden sie zugeben? Hier habe ich das φαῖεν ἂν des Cornar angenommen, wiewohl ohne es zu verbürgen, da es sich in Handschriften meine ich noch nicht gefunden hat. Allein der deutsche Leser ergänzt es schwerer und vermißt es schmerzlicher als der hellenische.
S 1 endigen und] nach Heindorf und Bekker wie Spalte 1 App. S Anm. 48 Vgl. Spalte 1 App. und Spalte 3 zu Anm. 47.
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εἰπεῖν. ἀλλ᾽ οὐχ ἕξετε. — Οὐδέ μοι δοκοῦσιν, ἔφη ὁ Πρωταγόρας. — Ἄλλοτι οὖν πάλιν καὶ περὶ αὐτοῦ τοῦ λυπεῖσθαι ὁ αὐτὸς τρόπος; τότε καλεῖτε αὐτὸ τὸ λυπεῖσθαι ἀγαθόν, ὅταν ἢ μείζους λύπας τῶν ἐν αὐτῷ οὐσῶν ἀπαλλάττῃ, ἢ μείζους ἡδονὰς τῶν λυπῶν παρασκευάζῃ; ἐπεὶ εἰ πρὸς ἄλλό τι τέλος ἀποβλέπετε, ὅταν καλῆτε αὐτὸ τὸ λυπεῖσθαι ἀγαθόν, ἢ πρὸς ὃ ἐγὼ λέγω, ἔχετε ἡμῖν εἰπεῖν. ἀλλ᾽ οὐχ ἕξετε. — Ἀληθῆ, ἔφη, λέγεις, ὁ Πρωταγόρας. — Πάλιν τοίνυν, ἔφην ἐγώ, εἴ με ἀνέροισθε, ὦ ἄνθρωποι, Τίνος οὖν δή ποτε ἕνεκα πολλὰ περὶ τούτου λέγεις καὶ πολλαχῆ; Συγγιγνώσκετέ μοι, φαίην ἂν ἔγωγε. πρῶτον μὲν γὰρ οὐ ῥᾴδιον ἀποδεῖξαι τί ἐστί ποτε τοῦτο ὃ ὑμεῖς καλεῖτε τῶν ἡδονῶν ἥττω εἶναι· ἔπειτα ἐν τούτῳ εἰσὶ πᾶσαι αἱ ἀποδείξεις. ἀλλ᾽ ἔτι καὶ νῦν ἀναθέσθαι ἔξεστιν, εἴ πη ἔχετε ἄλλό τι φάναι εἶναι τὸ ἀγαθὸν ἢ τὴν ἡδονήν· ἢ τὸ κακόν, ἄλλό τι ἢ τὴν ἀνίαν. ἢ ἀρκεῖ ὑμῖν τὸ ἡδέως καταβιῶναι τὸν βίον ἄνευ λυπῶν; εἰ δὲ ἀρκεῖ, καὶ μὴ ἔχετε μηδὲν ἄλλο φάναι εἶναι ἀγαθόν, ἢ κακόν, ὃ μὴ εἰς ταῦτα τελευτᾷ, τὸ μετὰ τοῦτο ἀκούετε. φημὶ γὰρ ὑμῖν, τούτου οὕτως ἔχοντος, γελοῖον τὸν λόγον γίγνεσθαι, ὅταν λέγητε ὅτι πολλάκις γιγνώσκων τὰ κακὰ ἄνθρωπος ὅτι κακά ἐστιν, ὅμως πράττει αὐτά (ἐξὸν μὴ πράττειν) ὑπὸ τῶν ἡδονῶν ἀγόμενος καὶ ἐκπληττόμενος· καὶ αὖθις αὖ λέγετε ὅτι γιγνώσκων ὁ
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— Ich glaube auch nicht daß sie es können, sagte Protagoras. — Ist es nun nicht wiederum mit dem Unlust haben selbst die nämliche Sache? Alsdann nennt ihr selbst das Unlust haben gut, wenn es entweder noch größere Unlust als die es selbst in sich hat, entfernt, oder größere Lust als die Unlust war, | herbeiführt? Denn wenn ihr etwas anderes im Auge hättet, indem ihr das Unlust haben gut nennt, als was ich sage, so würdet ihr es uns wohl sagen können, aber ihr werdet es nicht können. — Ganz recht, sagte Protagoras. — Weiter also, sprach ich, wenn ihr mich fragtet ihr Leute: Warum sagst du hierüber so viel und von allen Seiten? so würde ich antworten: Habt schon Nachsicht mit mir; denn erstlich ist es überhaupt nicht leicht zu zeigen, was das eigentlich sei, was ihr nennt von der Lust überwunden werden, und dann beruht grade hierauf der ganze Beweis. Es steht euch aber auch jezt noch frei zu widerrufen, falls ihr etwa zu sagen wißt, das Gute sei noch etwas anders als die Lust, und das Böse noch etwas anderes als die Unlust. Oder ist euch das genug, euer Leben angenehm hinzubringen ohne Unlust? Wenn euch nun das genug ist, und ihr nichts anderes zu sagen wißt was gut oder böse wäre was sich nicht hierin endigte, so hört nun das weitere. Nämlich wenn sich dies so verhält, wird das nun eine lächerliche Rede, wenn ihr sagt, daß oftmals der Mensch, ob er gleich das Böse erkennt, daß es böse ist, es dennoch thut, ohnerachtet ihm frei stände es nicht zu thun, weil er von der Lust getrieben wird und betäubt; und ihr dann auch wieder sagt, daß der Mensch, wenn er auch das Gute erkennt, es
— Ich glaube auch nicht daß sie es können, sagte Protagoras. — Ist es nun nicht wiederum mit dem Uebelbefinden selbst die nämliche Sache? Alsdann nennt ihr selbst das Uebelbefinden gut, wenn es entweder noch größere Unlust als die es selbst in sich hat, entfernt, | oder größere Lust als die Unlust war, bereitet? Denn wenn ihr auf etwas anderes sähet, indem ihr das Uebelbefinden gut nennt, als was ich sage: so würdet ihr es uns wohl sagen können, aber ihr werdet es nicht können. — Ganz recht, sagte Protagoras. — Weiter also, sprach ich, wenn ihr mich fragtet ihr Leute: Warum sagst du hierüber so viel und von allen Seiten? so würde ich antworten: Habt schon Nachsicht mit mir; denn erstlich ist es überhaupt nicht leicht zu zeigen, was das eigentlich sei, was ihr nennt von der Lust überwunden werden, und dann beruht grade hierauf der ganze Beweis. Es steht euch aber auch jezt noch frei zu widerrufen, falls ihr etwa zu sagen wißt, das Gute sei noch etwas anders als die Lust, und das Böse noch etwas anders als die Unlust. Oder ist euch das genug, euer Leben angenehm hinzubringen ohne Unlust? Wenn euch nun das genug ist, und ihr nichts anderes zu sagen wißt, was gut oder böse wäre was sich nicht hierin endigte, so hört nun das weitere. Nämlich ich sage euch wenn sich dies so verhält, wird das nun eine lächerliche Rede, wenn ihr sagt, daß oftmals der Mensch, obgleich das Böse erkennend, daß es böse ist, es dennoch thut, ohnerachtet ihm frei stände es nicht zu thun, weil er von der Lust getrieben wird und betäubt; und ihr dann auch wieder sagt, daß der Mensch, das Gute erkennend, es
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ἄνθρωπος τἀγαθά, πράττειν οὐκ ἐθέλει, διὰ τὰς παραχρῆμα ἡδονάς, ὑπὸ τούτων ἡττώμενος. ὡς δὲ ταῦτα γελοῖά ἐστι, κατάδηλον ἔσται, ἐὰν μὴ πολλοῖς ὀνόμασι χρώμεθα ἄρα, ἡδεῖ τε καὶ ἀνιαρῷ, καὶ ἀγαθῷ καὶ κακῷ. ἀλλ᾽ ἐπειδὴ δύο ἐφάνη ταῦτα, δυοῖν καὶ ὀνόμασι προσαγορεύωμεν αὐτά· πρῶτον μὲν ἀγαθῷ καὶ κακῷ, ἔπειτα αὖθις ἡδεῖ τε καὶ ἀνιαρῷ. θέμενοι δὴ οὕτω, λέγωμεν ὅτι γιγνώσκων ὁ ἄνθρωπος τὰ κακὰ ὅτι κακά ἐστιν, ὅμως αὐτὰ ποιεῖ. ἐὰν οὖν τις ἡμᾶς ἔρηται διὰ τί, ἡττώμενος, φήσομεν. Ὑπὸ τοῦ, ἐκεῖνος ἐρήσεται ἡμᾶς· ἡμῖν δέ, ὑπὸ μὲν ἡδονῆς, οὐκέτι ἔξεστιν εἰπεῖν. ἄλλο γὰρ ὄνομα μετείληφεν ἀντὶ τῆς ἡδονῆς τὸ ἀγαθόν. ἐκείνῳ δὴ ἀποκρινώμεθα καὶ λέγωμεν ὅτι ἡττώμενος. Ὑπὸ τίνος; φήσει. Τοῦ ἀγαθοῦ, φήσομεν νὴ Δία. ἂν οὖν τύχῃ ὁ ἐρόμενος ἡμᾶς ὑβριστὴς ὤν, γελάσεται, καὶ ἐρεῖ, Ἦ γελοῖον λέγετε πρᾶγμα, εἰ πράττει τις κακά, γιγνώσκων ὅτι κακά ἐστιν (οὐ δέον αὐτὰ πράττειν) ἡττώμενος ὑπὸ τῶν ἀγαθῶν. ἆρα, φήσει, οὐκ ἀξίων ὄντων νικᾷν ἐν ὑμῖν τῶν ἀγαθῶν τὰ κακά; ἢ ἀξίων; φήσομεν δηλονότι ἀποκρινόμενοι, ὅτι οὐκ
1f πράττειν οὐκ ἐθέλει,] πράττειν οὐκ ἐθέλει Heindorf 1810 Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W2
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dennoch nicht thut, einer augenbliklichen Lust wegen und von dieser überwunden. Daß dies lächerlich ist, wird euch ganz klar werden, sobald wir uns nur nicht mehr der vielerlei Namen bedienen wollen des Angenehmen und Peinlichen und des Guten und Bösen, sondern da sich gezeigt hat, daß dieses nur zweierlei ist, es auch nur mit zwei Worten bezeichnen wollen, und es zuerst überall gut und | böse nennen, und dann wieder überall angenehm und peinlich. Dieses also festgestellt wollen wir sagen, daß der Mensch das Böse erkennend, daß es böse ist, es dennoch thut. Wenn uns nun Jemand fragt: Warum denn? so werden wir sagen, weil er überwunden ist. Wovon denn? wird uns jener fragen; wir aber dürfen nicht mehr sagen: Von der Lust, denn die Sache hat nun einen andern Namen bekommen, und statt Lust heißt sie Gutes. Wir antworten also jenem und sagen: Weil er überwunden ist. Wovon denn? fragt er. Von dem Guten werden wir beim Zeus sagen müssen. Ist nun der welcher uns fragt ein leichtfertiger Mensch, so wird er lachen und sagen, das ist doch wahrhaftig eine lächerliche Sache, was ihr da sagt, daß ein Mensch das Böse, indem er erkennt daß es böse ist, und da er es nicht thun muß, dennoch thut, weil er vom Guten überwunden ist! Von einem Guten, wird er fragen, welches werth oder welches nicht werth war jenes Böse zu überwinden? Offenbar werden wir zur Antwort sagen müssen: Von einem welches
dennoch nicht zu thun pflegt der augenbliklichen Lust wegen und von dieser überwunden. Daß dies lächerlich ist, wird euch ganz klar werden, sobald wir uns nur nicht mehr der vielerlei Namen zugleich bedienen wollen des Angenehmen und Peinlichen und des Guten und Bösen, sondern da sich gezeigt hat, daß dieses nur zweierlei ist, es auch | nur mit zwei Worten bezeichnen wollen, zuerst überall durch gut und böse, und dann wieder überall durch angenehm und peinlich. Dieses also festgestellt sagen wir, daß der Mensch das Böse erkennend, daß es böse ist, es dennoch thut. Wenn uns nun Jemand fragt, Warum denn? so werden wir sagen, weil er überwunden ist. Wovon denn? wird uns jener fragen; wir aber dürfen nicht mehr sagen, Von der Lust, denn die Sache hat nun einen andern Namen bekommen, und statt Lust heißt sie Gutes. Wir antworten also jenem und sagen: Weil er überwunden ist. Wovon denn? fragt er. Von dem Guten werden wir beim Zeus sagen müssen. Ist nun der welcher uns fragt ein Spötter, so wird er lachen und sagen, das ist doch wahrhaftig eine lächerliche Sache, was ihr da sagt, daß ein Mensch das Böse, indem er erkennt daß es böse ist, und da er es nicht thun muß, dennoch thut, weil er vom Guten überwunden ist! Von einem Guten, wird er fragen, welches werth oder welches nicht werth war jenes Böse zu überwinden? Offenbar werden wir zur Antwort sagen müssen: Von einem welches
S 1 zu thun pflegt] nach Heindorf und Bekker wie Spalte 1 App.
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ἀξίων ὄντων. οὐ γὰρ ἂν ἐξημάρτανεν ὃν φαμὲν ἥττω εἶναι τῶν ἡδονῶν. Κατὰ τί δέ, φήσει ἴσως, ἀνάξιά ἐστι τἀγαθὰ τῶν κακῶν; ἢ τὰ κακὰ τῶν ἀγαθῶν; ἢ κατ᾽ ἄλλό τι ἢ ὅταν τὰ μέν, μείζω, τὰ δέ, σμικρότερα ᾖ; ἢ πλείω, τὰ δέ, ἐλάττω; ἦ οὐχ ἕξομεν εἰπεῖν ἄλλο ἢ τοῦτο; Δῆλον ἄρα, φήσει, ὅτι τὸ ἡττᾶσθαι τοῦτο λέγεται, ἀντὶ ἐλαττόνων ἀγαθῶν μείζω κακὰ λαμβάνειν. ταῦτα μὲν οὖν οὕτω. Μεταλάβωμεν δὴ τὰ ὀνόματα πάλιν τὸ ἡδύ τε καὶ ἀνιαρὸν ἐπὶ τοῖς αὐτοῖς τούτοις· καὶ λέγωμεν ὅτι ἄνθρωπος πράττει, τότε μὲν ἐλέγομεν τὰ κακά, νῦν δὲ λέγωμεν τὰ ἀνιαρά· γιγνώσκων ὅτι ἀνιαρά ἐστιν, ἡττώμενος ὑπὸ τῶν ἡδέων, δηλονότι ἀναξίων
7 ἢ πλείω] ἢ τὰ μὲν πλείω Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina), Variae lectiones, S. 360, vgl. Spalding (Spalte 2 Spld. [SN 157]) und Heindorf 1810 z. St. (S. 626) 7–9 ἢ πλείω, τὰ δέ, ἐλάττω; ἦ οὐχ ... ἄλλο ἢ τοῦτο;] ἢ πλείω τὰ δὲ ἐλάττω ᾖ; οὐχ ... ἄλλο ἢ τοῦτο. Schleiermacher W1 Anm. 48 W2 Anm. 49 (vgl. Spalte 2 Spld. [SN 157]) Heindorf 1810 (allerdings Οὐχ ... τοῦτο; vgl. z. St., S. 626) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 67 [236,9], übersetzt W1 W2 10 λέγεται] λέγετε Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 67 [236,11], übersetzt W2
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 355e (Z. 7-9) mit Anm. (verl.) ? (vgl. W1 Anm. 48): Schön korrigirt. Aber nicht wahr, Sie löschen auch das Fragezeichen nach ἄλλο ἢ τοῦτο? [nachträglich hinzugefügt:] Aber Sie müssen, dächte ich, auch τὰ μὲν mit Stefanus vor πλείω sezen.
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dessen nicht werth war; denn sonst hätte ja der nicht gefehlt von dem wir sagen, daß er zu schwach war gegen die Lust. Und weshalb, wird er vielleicht sprechen, ist denn das Böse des Guten, oder das Gute des Bösen unwerth? etwa wegen etwas anderen als weil das eine größer und das andere kleiner ist? oder das eine mehr und das andere weniger ist48? wir werden nichts anderes angeben können. Offenbar also, wird er sagen, ist unter diesem überwunden werden gemeint, daß Jemand für wenig Gutes zugleich viel Böses mit erhält. So also kommt es auf diese Art heraus. Nun laßt uns für dieselben Dinge wieder jene Namen zurüknehmen, das | Angenehme und Peinliche, und laßt uns sagen: der Mensch thut, vorher sagten wir das Böse, nun aber wollen wir sagen das Peinliche, erkennend daß es peinlich ist, überwunden aber von dem Angenehmen; offenbar nämlich von einem solchen, welches nicht werth
dessen nicht werth war; denn sonst hätte der nicht gefehlt von dem wir sagen, daß er zu schwach war gegen die Lust. Und weshalb, wird er vielleicht sprechen, ist denn das Böse des Guten, oder das Gute des Bösen unwerth? etwa wegen etwas anderen als weil das eine größer und das andere kleiner ist? oder das eine mehr und das andere weniger ist49? wir werden nichts anderes angeben können. Offenbar also, wird er sagen, meint ihr unter diesem überwunden werden, daß Jemand für geringeres Gute mehr Böses erhält. So demnach auf diese Art. Nun laß uns für dieselben Dinge wieder jene Na|men zurükrufen, das Angenehme und Unangenehme, und laßt uns sagen, Der Mensch thut, vorher sagten wir das Böse, nun aber wollen wir sagen das Unangenehme, erkennend daß es unangenehm ist, überwunden aber von dem Angenehmen; offenbar nämlich von einem solchen, welches nicht
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d a s a n d e r e w e n i g e r i s t . Eine kleine Veränderung ist hier nothwendig. Nicht ἢ πλείω, τὰ δὲ ἐλάττω; ἦ οὐχ etc. Sondern ἢ πλείω τὰ δὲ ἐλάττω ᾖ; οὐχ etc.
d a s a n d e r e w e n i g e r i s t . Eine kleine Veränderung ist hier nothwendig. Nicht ἢ | πλείω, τὰ δὲ ἐλάττω; ἦ οὐχ etc. Sondern ἢ πλείω τὰ δὲ ἐλάττω ᾖ; οὐχ etc.
T 8 anderen] anderem W1 S. 307, korr. im Druckfehler-Verzeichnis W1 S. 413
S 13 meint ihr] nach Bekker wie Spalte 1 App.
S Anm. 48 Vgl. Spalte 1 App.
S Anm. 49 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 48.
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ὄντων νικᾷν. καὶ τίς ἄλλη ἀναξία ἡδονὴ πρὸς λύπην ἐστίν, ἀλλ᾽ ἢ ὑπερβολὴ ἀλλήλων καὶ ἔλλειψις; ταῦτα δ᾽ ἐστὶ μείζω τε καὶ σμικρότερα γιγνόμενα ἀλλήλων, καὶ πλείω καὶ ἐλάττω, καὶ μᾶλλον καὶ ἧττον. εἰ γάρ τις λέγοι ὅτι, Ἀλλὰ πολὺ διαφέρει, ὦ Σώκρατες, τὸ παραχρῆμα ἡδὺ τοῦ εἰς τὸν ὕστερον χρόνον καὶ ἡδέος καὶ λυπηροῦ, μῶν ἄλλῳ τῳ, φαίην ἂν ἔγωγε, ἢ ἡδονῇ καὶ λύπῃ; οὐ γὰρ ἔσθ᾽ ὅτῳ ἄλλῳ. ἀλλ᾽ ὥσπερ ἀγαθὸς ἱστάναι ἄνθρωπος, συνθεὶς τὰ ἡδέα, καὶ συνθεὶς τὰ λυπηρά, καὶ τὸ ἐγγὺς καὶ τὸ πόρρω στήσας ἐν τῷ ζυγῷ,
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 356a (Z. 1): και τις αλλη ἀναξια – Et quae alia indignitas est voluptatis ad moerorem quam excessus inter haec et defectus. zu 356a-b (Z. 13 ff.): αλλ᾽ ωσπερ – ειπε ποτερα πλειω εστιν. – Sed quemadmodum si homo ponderandi gnarus componeret in libra, et utra plura essent diceret.
1f ἀναξία ἡδονὴ] ἀπαξία ἡδονῇ konj. Heindorf (laut W1 Anm. 49) (vgl. Heindorf 1810 z. St., S. 626 f.), gebilligt von Rez.Ast (1808), S. 141 | ἀξία ἡδονῇ konj. (alternativ zu Heindorf) Schleiermacher W1 Anm. 49 W2 Anm. 50, übernommen Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 68 [236,18]
Noten Spaldings (SN 157) zu Anm. (verl.) zu 356a (Z. 1) (vgl. W1 Anm. 49): „Non nostrum est tantas componere lites“ Dis sage ich gewiß nicht mit einem u n e e r . „Et vitula tu dignus et hic“. Auch des Jemands Gedanke gefällt mir. S Exz.Corn. Jeweils aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 453. | Spld. zu Anm. (verl.) zu 356a (Z. 1): Zitat der Verse: vgl. Vergil, Ecloga 3,108+109.
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war zu siegen. Und welche andere Schäzung49 giebt es denn für Lust gegen Unlust als das Uebermaß oder den Abgang der einen gegen die andere, das heißt, je nachdem eine größer ist oder kleiner als die andere, mehr oder weniger, stärker oder schwächer? Denn wenn Jemand sagen wollte: Aber, Sokrates, ein großer Unterschied ist doch auch zwischen dem augenbliklichen und dem erst zukünftigen Angenehmen und Peinlichen, so werde ich ihn fragen: Liegt er in etwas anderem als in Lust und Unlust? es giebt ja sonst gar nichts anderes. Sondern wie ein des Abwägens kundiger lege das Angenehme zusammen und das Peinliche zusammen und vergleiche es auf der Wage, das Entfernte sowohl als das Nahe,
werth war zu siegen. Und welche andere Schäzung50 giebt es denn für Lust gegen Unlust als den Ueberschuß oder das Untermaaß der einen gegen die andere, das heißt, je nachdem eine größer ist oder kleiner als die andere, mehr oder weniger, stärker oder schwächer? Denn wenn Jemand sagen wollte: Aber, Sokrates, ein großer Unterschied ist doch auch zwischen dem augenbliklich Angenehmen und dem erst für die künftige Zeit Angenehmen und Unangenehmen, so werde ich ihn fragen, Liegt er in etwas anderem als in Lust und Unlust? auf keine Weise ja in etwas anderem. Sondern wie ein des Abwägens kundiger lege das Angenehme zusammen und das Unangenehme zusammen und auf der Wage, das Entfernte und das Nahe
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Und welche andere Schäz u n g . καὶ τίς ἄλλη ἀναξία ἡδονὴ ist gewiß falsch, und nothwendig mit Heindorf zu lesen ἡδονῇ, dann ist aber auch ἀναξία falsch, welches als Substantivum nicht vorkommt. Wer wird also nicht gern mit demselben ἀπαξία lesen? Es müßte denn Jemand dieses Wort erst für eine stoïsche Zusammensezung halten, und aus dieser Ursach, auch wegen der Art, wie das folgende ausgedrükt ist, das unbestimmte Wort ἀξία vorziehn.
Und welche andere Schäz u n g . καὶ τίς ἄλλη ἀναξία ἡδονὴ ist gewiß falsch, und nothwendig mit Heindorf zu lesen ἡδονῇ, dann ist aber auch ἀναξία schwer zu dulden, welches als Substantivum wohl sonst nicht vorkommt. Das früher vorgeschlagene ἀπαξία hat hernach Heindorf selbst nicht aufgenommen; wohl mit Recht da dieses Wort erst eine stoïsche Zusammensezung zu sein scheint; daher und wegen der Art, wie das folgende ausgedrükt ist, möchte ich das unbestimmte Wort ἀξία vorziehn.
S Anm. 49 Vgl. Spalte 1 App.
S Anm. 50 Vgl. Spalte 1 App.
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εἶπε πότερα πλείω ἐστίν. ἐὰν μὲν γὰρ ἡδέα πρὸς ἡδέα ἵστης, τὰ μείζω ἀεὶ καὶ πλείω ληπτέα· ἐὰν δὲ λυπηρὰ πρὸς λυπηρά, τὰ ἐλάττω καὶ σμικρότερα. ἐὰν δὲ ἡδέα πρὸς λυπηρά, ἐὰν μὲν τὰ ἀνιαρὰ ὑπερβάλληται ὑπὸ τῶν ἡδέων, ἐάν τε τὰ ἐγγὺς ὑπὸ τῶν πόρρω, ἐάν τε τὰ πόρρω ὑπὸ τῶν ἐγγύς, ταύτην τὴν πρᾶξιν πρακτέον ἐν ᾗ ἂν ταῦτ᾽ ἐνῇ· ἐὰν δὲ τὰ ἡδέα ὑπὸ τῶν ἀνιαρῶν, οὐ πρακτέα. μή πῃ ἄλλῃ ἔχει, φαίην, ταῦτα, ὦ ἄνθρωποι; οἶδ᾽ ὅτι οὐκ ἂν ἔχοιεν ἄλλως λέγειν. — Συνεδόκει καὶ ἐκείνῳ. — Ὅτε δὴ τοῦτο οὕτως ἔχει, τόδε μοι ἀποκρίνασθε, φήσω, φαίνεται ὑμῖν τῇ ὄψει τὰ αὐτὰ μεγέθη, ἐγγύθεν μέν, μείζω, πόρρωθεν δέ, ἐλάττω; ἢ οὔ; — Φήσουσι. — Καὶ τὰ παχέα, καὶ τὰ πολλὰ ὡσαύτως; καὶ αἱ φωναὶ ἴσαι, ἐγγύθεν μὲν μείζους, πόρρωθεν δὲ σμικρότεραι; — Φαῖεν ἄν. — Εἰ οὖν
1 εἶπε] εἰπὲ konj. Schleiermacher W1 Anm. 50 W2 Anm. 51, gebilligt von Rez.Ast (1808), S. 141, dann Heindorf 1810 Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 68 [237,5: εἰπὲ in einer Hs., ebenso εἴποι], übersetzt W1 W2 21 ἴσαι] αἱ ἴσαι konj. Heindorf 1810 z. St. (S. 628), übernommen Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 68 [237,19]
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und sage dann50 welches das größere ist. Denn wenn du Angenehmes gegen Angenehmes wägst, mußt du immer das mehrere und größere nehmen, wenn Peinliches gegen Peinliches das kleinere und geringere; wenn du aber Angenehmes gegen Peinliches abwägst, so mußt du wenn das Peinliche vom Angenehmen übertroffen wird, es sei nun näheres von entfernterem oder entfernteres von näherem, die Handlung verrichten darin sich dieses Verhältniß findet; wird aber in einer das Angenehme vom Peinlichen übertroffen, die mußt du nicht verrichten. Verhält es sich etwa anders damit ihr Leute? würde ich sagen; ich weiß, sie würden nichts anderes zu sagen wissen. — So dünkte es ihn auch. — Wenn sich nun dies so verhält, so beantwortet | mir doch folgendes. Erscheint eurem Gesicht dieselbe Größe von nahem größer, von weitem aber kleiner, oder nicht? — Das werden sie bejahen. — Und die Dikke und die Menge eben so? Und dieselben Töne klingen euch von nahem stärker, von weitem aber schwächer? — Sie werden ja sagen.
abschäzend sage dann51 welches das größere ist. Denn wenn du Angenehmes gegen Angenehmes wägst, mußt du immer das mehrere und größere nehmen, wenn Unangenehmes gegen Unangenehmes das kleinere und geringere; wenn aber Angenehmes gegen Unangenehmes mußt du, wenn das Unangenehme vom Angenehmen übertroffen wird, es sei nun das nähere von entfernterem oder das entferntere von näherem, die Handlung verrichten, darin sich dieses Verhältniß findet; wird aber in einer das Angenehme vom Unangenehmen übertroffen, die mußt du nicht verrichten. Verhält es sich etwa anders hiermit ihr Leute? würde ich sagen; ich weiß, sie würden nichts anderes zu sagen wis|sen. — So dünkte es ihn auch. — Wenn sich nun dies so verhält, so beantwortet mir doch folgendes, werde ich sagen. Erscheint eurem Gesicht dieselbe Größe von nahem größer, von weitem aber kleiner, oder nicht? — Das werden sie bejahen. — Und die Dikke und die Menge eben so? Und derselbe Ton von nahem stärker, von weitem aber schwächer? — Sie werden ja sagen.
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U n d s a g e d a n n . Es ist umsonst, eine richtige Struktur in diesen Saz zu bringen, wenn man nicht statt εἶπε, welches ganz verkehrt auf den ἀγαθὸς ἱστάναι als einen andern bezogen werden müßte, εἰπὲ lesen will.
u n d — s a g e d a n n . Es ist umsonst, eine richtige Struktur in diesen Saz zu bringen, wenn man nicht statt εἶπε, welches ganz verkehrt auf den ἀγαθὸς ἱστάναι als einen andern bezogen werden müßte, εἰπὲ lesen will, auch das εἴποι welches Handschriften darbieten will nicht genügen. εἰπὲ liest bei Bekker Ein Codex.
T Anm. 51 35 ἀγαθὸς] verdruckt ἀγαθὀς W2 S Anm. 50 Vgl. Spalte 1 App.
S Anm. 51 Vgl. Spalte 1 App.
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ἐν τούτῳ ἡμῖν ἦν τὸ εὖ πράττειν, ἐν τῷ τὰ μὲν μεγάλα μήκη καὶ πράττειν καὶ λαμβάνειν, τὰ δὲ σμικρὰ καὶ φεύγειν καὶ μὴ πράττειν, τίς ἂν ἡμῖν σωτηρία ἐφάνη τοῦ βίου; ἆρα ἡ μετρητικὴ τέχνη, ἢ ἡ τοῦ φαινομένου δύναμις; ἢ αὕτη μὲν ἡμᾶς ἐπλάνα, καὶ ἐποίει ἄνω τε καὶ κάτω πολλάκις μεταλαμβάνειν ταὐτὰ καὶ μεταμέλειν, καὶ ἐν ταῖς πράξεσι καὶ ἐν ταῖς αἱρέσεσι τῶν μεγάλων τε καὶ σμικρῶν; ἡ δὲ μετρητικὴ ἄκυρον μὲν ἂν ἐποίησε τοῦτο τὸ φάντασμα; δηλώσασα δὲ τὸ ἀληθὲς, ἡσυχίαν ἂν ἐποίησεν ἔχειν τὴν ψυχήν, μένουσαν ἐπὶ τῷ ἀληθεῖ, καὶ ἔσωσεν ἂν τὸν βίον; ἆρ᾽ ἂν ὁμολογοῖεν ἄνθρωποι πρὸς ταῦτα, ἡμᾶς τὴν μετρητικὴν σώζειν ἂν τέχνην, ἢ ἄλλην; — Τὴν μετρητικὴν ὡμολόγει. — Τί δ᾽, εἰ ἐν τῇ τοῦ περιττοῦ καὶ ἀρτίου αἱρέσει ἡμῖν ἦν ἡ σωτηρία τοῦ βίου, ὁπότε τὸ πλέον ὀρθῶς ἔδει ἑλέσθαι καὶ ὁπότε τὸ ἔλαττον, ἢ αὐτὸ πρὸς ἑαυτό, ἢ τὸ ἕτερον πρὸς τὸ ἕτερον, εἴτ᾽ ἐγγύς, εἴτε πόρρω εἴη· τί ἂν ἔσωζεν ἡμῖν τὸν βίον; ἆρ᾽ ἂν οὐκ ἐπιστήμη; καὶ ἆρ᾽ ἂν οὐ μετρητική τις; ἐπειδήπερ ὑπερβολῆς τε καὶ ἐνδείας ἐστὶν ἡ τέχνη; ἐπειδὴ δὲ περιττοῦ τε καὶ ἀρτίου, ἆρα ἄλλη τὶς ἢ ἀριθμητική; ὁμολογοῖεν ἂν ἡμῖν οἱ ἄνθρωποι; ἢ οὔ; — Ἐδόκουν ἂν καὶ τῷ Πρωταγόρᾳ ὁμολογεῖν. — Εἶεν, ὦ ἄνθρωποι· ἐπειδὴ δὲ ἡδονῆς τε καὶ λύπης ἐν ὀρθῇ τῇ αἱρέσει ἐφάνη ἡμῖν
9f ταὐτὰ] ταυ- ohne Spiritus Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina) 20f Τὴν μετρητικὴν ὡμολόγει.] Τὴν μετρητικὴν, ὡμολόγει. Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina), Variae lectiones, S. 360 Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 629), übersetzt W1 W2
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— Wenn nun unser Wohlbefinden darauf beruhte, daß wir große Linien zögen und zu erlangen suchten, kleine aber vermieden und nicht zögen: was würde sich dann zeigen als das Heil unseres Lebens? die Kunst zu messen oder die Gewalt des Scheines? Oder würde nicht die lezte uns gewiß irre führen und machen, daß wir oft das unterste wieder zu oberst kehren müßten in derselben Sache, und wieder andere Entschließungen fassen in unserer Hervorbringung und Auswahl des Großen und Kleinen? die Meßkunst hingegen diesen trügerischen Schein unwirksam machen, und durch deutliche Bezeichnung des Wahren der Seele Ruhe verschaffen, welche denn bei der Wahrheit bliebe, und auf diese Art unserm Leben Heil bringen? Würden die Leute bekennen, daß in diesem Falle die Meßkunst uns Heil bringen müßte, oder würden sie eine andere nennen? — Die Meßkunst, gestand er. — Wie aber wenn das Heil unseres Lebens auf der Wahl grader und ungrader Zahlen beruhte, von beiden wenn es recht wäre das größere zu wählen, und wenn das kleinere im Vergleich jeder Art mit sich selbst sowohl als mit der andern, sie möchten nun nahe sein oder fern, was würde dann das Heil unseres Lebens sein? Nicht auch eine Erkenntniß? Und wäre nicht die Kunst, da sie ja auf Uebermaaß und Abgang geht, eine messende? und da auf Grades oder Ungrades, kann sie wohl eine andere sein als die Rechen|kunst? Würden uns das die Leute eingestehen oder nicht? — Auch Protagoras glaubte, sie würden es eingestehen. — Gut, ihr Leute. Da sich nun aber gezeigt hat, daß das Heil unseres Lebens auf der
— Wenn nun unser Wohlbefinden darauf beruhte, daß wir große Linien zögen und zu erlangen suchten, kleine aber vermieden und nicht zögen: was würde sich dann zeigen als das Heil unseres Lebens? die Kunst zu messen oder die Gewalt des Scheins? Oder würde nicht die lezte uns gewiß irre führen und machen, daß wir oft das unterste wieder zu oberst kehren müßten in derselben Sache, und wieder andere Entschließungen fassen in unserer Hervorbringung und Auswahl des Großen und Kleinen? die Meßkunst hingegen dieses Trugbild unwirksam machen, und durch deutliche Bezeichnung des Wahren der Seele, welche dann bei der Wahrheit bliebe, Ruhe verschaffen und auf diese Art unserm Leben Heil bringen? Würden die Leute bekennen, daß in diesem Falle die Meßkunst uns Heil bringen müßte, oder würden sie eine andere nennen? — Die Meßkunst, gestand er. — Wie aber wenn das Heil unseres Lebens auf der Wahl grader und ungrader Zahlen beruhte, von beiden wann es recht wäre das größere zu wählen, und wann das kleinere im Vergleich jeder Art mit sich selbst sowohl als mit der andern, sie möchten nun nahe sein oder fern, was würde dann das Heil unseres Lebens sein? Nicht auch eine Erkenntniß? Und wäre sie nicht, da sie ja auf Ueberschuß und Untermaaß geht, eine | messende Kunst? und da auf Grades oder Ungrades, kann sie wohl eine andere sein als die Rechenkunst? Würden uns das die Leute eingestehen oder nicht? — Auch Protagoras glaubte, sie würden es eingestehen. — Gut, ihr Leute. Da sich nun aber gezeigt hat, daß das Heil unseres Lebens auf der
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ἡ σωτηρία τοῦ βίου οὖσα, τοῦτε πλέονος καὶ ἐλάττονος, καὶ μείζονος καὶ σμικροτέρου, καὶ πορρωτέρω καὶ ἐγγυτέρω, ἆρα πρῶτον μὲν οὐ μετρητικὴ φαίνεται ὑπερβολῆς τε καὶ ἐνδείας οὖσα καὶ ἰσότητος πρὸς ἀλλήλας σκέψις; — Ἀλλ᾽ ἀνάγκη. — Ἐπεὶ δὲ μετρητική, ἀνάγκῃ δή που τέχνη καὶ ἐπιστήμη. — Συμφήσουσιν. — Ἥτις μὲν τοίνυν τέχνη καὶ ἐπιστήμη ἐστὶν αὐτὴ, εἰσαῦθις σκεψόμεθα· ὅτι δὲ ἐπιστήμη ἐστί, τοσοῦτον ἐξαρκεῖ πρὸς τὴν ἀπόδειξιν, ἣν ἐμὲ δεῖ καὶ Πρωταγόραν ἀποδεῖξαι, περὶ ὧν ἤρεσθ᾽ ἡμᾶς. ἤρεσθε δέ, εἰ μέμνησθε, ἡνίκα ἡμεῖς ἀλλήλοις ὡμολογοῦμεν ἐπιστήμης μηδὲν εἶναι κρεῖττον, ἀλλὰ τοῦτο ἀεὶ κρατεῖν ὅπου ἂν ἐνῇ, καὶ ἡδονῆς καὶ τῶν ἄλλων ἁπάντων· ὑμεῖς δὲ δὴ ἔφατε τὴν ἡδονὴν πολλάκις κρατεῖν καὶ τοῦ εἰδότος ἀνθρώπου· ἐπειδὴ δὲ ὑμῖν οὐχ ὡμολογοῦμεν, μετὰ τοῦτο ἤρεσθε ἡμᾶς, Ὦ Πρωταγόρα τε καὶ Σώκρατες, εἰ μὴ ἔστι τοῦτο τὸ πάθημα ἡδονῆς ἡττᾶσθαι, ἀλλὰ τί ποτ᾽ ἐστί, καὶ τί ὑμεῖς αὐτὸ φατὲ εἶναι, εἴπετε ἡμῖν. Εἰ μὲν οὖν τότε εὐθὺς ὑμῖν εἴπομεν ὅτι ἀμαθία, κατεγελᾶτε ἂν ἡμῶν· νῦν δὲ ἂν ἡμῶν καταγελᾶτε, καὶ ὑμῶν αὐτῶν καταγελάσεσθε. καὶ γὰρ ὑμεῖς ὡμολογήκατε ἐπιστήμης ἐνδείᾳ ἐξαμαρ-
24f ἡμᾶς, ῏Ω Πρωταγόρα] ἡμᾶς ῏Ω Πρωταγόρα Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. W2
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richtigen Auswahl des Angenehmen und Peinlichen beruht, des mehreren oder wenigeren, größeren oder kleineren sowohl nahen als fernen: zeigt sich zuerst nicht auch dieses als ein Messen, da sie auf Uebermaaß, Abgang und Gleichheit untereinander geht, die Untersuchung? — Nothwendig. — Und wenn sie ein Messen ist, so ist sie nothwendig eine Kunst und Erkenntniß? — Dem werden sie beistimmen. — Was für eine Kunst und Erkenntniß dieses nun sein wird, wollen wir hernach sehn, für jezt ist schon dieses, daß es eine Erkenntniß ist, hinreichend zu dem Beweise, den ich und Protagoras zu führen haben über das wonach ihr uns gefragt habt. Ihr fragtet uns nämlich, wenn ihr euch dessen erinnert damals als wir Beide mit einander einverstanden waren, es gebe nichts stärkeres als die Erkenntniß, und wo sie nur wäre herrschte sie auch überall über die Lust und alles andere, ihr aber behaupten wolltet die Lust herrsche oftmals auch über den mit Erkenntniß begabten Menschen, wir aber euch dies nicht zugeben wollten, damals fragtet ihr uns: O Protagoras und Sokrates, wenn dieser Zustand das nicht ist, daß man von der Lust überwunden wird, so sagt uns doch, was er denn ist, und wie ihr ihn erklärt? Wenn wir euch nun damals gleich gesagt hätten, er wäre eben Unverstand, so würdet ihr uns ausgelacht haben; jezt aber wenn ihr uns auslachen wollt, müßt ihr euch selbst mit auslachen, denn ihr habt selbst eingestanden, wer bei der
richtigen Auswahl von Lust und Unlust beruht, der mehreren oder wenigeren, größeren oder kleineren sowohl nahen als fernen: zeigt sich zuerst nicht auch diese als ein Messen, da sie Ueberschuß, Untermaaß und Gleichheit gegenseitig zu untersuchen hat? — Nothwendig ja. — Und wenn sie ein Messen ist, so ist sie nothwendig eine Kunst und Erkenntniß? — Dem werden sie beistimmen. — Was für eine Kunst und Erkenntniß sie nun sein wird, wollen wir hernach sehn, daß es aber eine Erkenntniß ist, soviel ist jezt hinreichend zu dem Beweise, den ich und Protagoras zu führen haben über das, wonach ihr uns gefragt habt. Ihr fragtet uns nämlich, wenn ihr euch dessen erinnert damals als wir Beide mit einander einverstanden waren, es gebe nichts stärkeres als die Erkenntniß, und wo sie nur wäre, herrschte sie auch überall über die Lust und alles andere, ihr aber behaupten wolltet die Lust herrsche oftmals auch über den erkennenden Menschen, wir aber euch dies nicht zugeben wollten, damals fragtet ihr uns, O Protagoras und Sokrates, wenn dieser Zustand das nicht ist, daß man von der Lust überwunden wird, so sagt uns doch, was er denn ist, und wie ihr ihn erklärt? Wenn wir euch nun damals gleich gesagt hätten, er wäre eben Unverstand, so würdet ihr uns ausgelacht haben; jezt aber wenn ihr uns auslachen wollt, müßt ihr euch selbst mit auslachen, denn ihr | habt selbst eingestanden, wer bei der
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τάνειν περὶ τὴν τῶν ἡδονῶν αἵρεσιν καὶ λυπῶν τοὺς ἐξαμαρτάνοντας (ταῦτα δέ ἐστιν ἀγαθά τε καὶ κακά) καὶ οὐ μόνον ἐπιστήμης, ἀλλὰ καὶ εἰς τὸ πρόσθεν ἔτι ὡμολογήκατε ὅτι μετρητικῆς. ἡ δὲ ἐξαμαρτανομένη πρᾶξις ἄνευ ἐπιστήμης, ἴστε που καὶ αὐτοὶ ὅτι ἀμαθίᾳ πράττεται. ὥστε τοῦτ᾽ ἐστὶ τὸ ἡδονῆς ἥττω εἶναι, ἀμαθία ἡ μεγίστη· ἧς Πρωταγόρας ὅδε φησὶν ἰατρὸς εἶναι, καὶ Πρόδικος καὶ Ἱππίας. ὑμεῖς δὲ διὰ τὸ οἴεσθαι ἄλλό τι ἢ ἀμαθίαν εἶναι, οὔτε αὐτοί, οὔτε τοὺς ὑμετέρους παῖδας παρὰ τοὺς τούτων διδασκάλους τούσδε τοὺς σοφιστὰς πέμπετε, ὡς οὐ διδακτοῦ ὄντος· ἀλλὰ κηδόμενοι τοῦ ἀργυρίου, καὶ οὐ διδόντες τούτοις, κακῶς πράττετε καὶ ἰδίᾳ καὶ δημοσίᾳ. Ταῦτα μὲν τοῖς πολλοῖς ἀποκεκριμένοι ἂν ἦμεν. ὑμᾶς δὲ δὴ μετὰ Πρωταγόρου ἐρωτῶ Ἱππία τε καὶ Πρόδικε (κοινὸς γὰρ δὴ ἔστω ὑμῖν ὁ λόγος) πότερον δοκῶ ὑμῖν ἀληθῆ λέγειν, ἢ ψεύδεσθαι. — Ὑπερφυῶς ἐδόκει ἅπασιν ἀληθῆ εἶναι τὰ εἰρημένα. — Ὁμολογεῖτε ἄρα, ἦν δ᾽ ἐγώ, τὸ μὲν ἡδύ, ἀγαθὸν εἶναι· τὸ δὲ ἀνιαρόν, κακόν. τὴν δὲ Προδίκου τοῦδε διαίρεσιν τῶν ὀνομάτων παραιτοῦμαι. εἴτε γὰρ ἡδύ, εἴτε τερπνὸν λέγεις, εἴτε χαρτόν, εἴτε ὁπόθεν καὶ ὅπως χαίρεις τὰ τοιαῦτα ὀνομάζων, ὦ βέλ-
17 ὄντος· ἀλλὰ] ὄντος, ἀλλὰ Heindorf 1810 Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W2 32 τερπνὸν] fälschlich θερπνὸν Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina)
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Wahl des Angenehmen und Peinlichen, das heißt des | Guten und Bösen fehle, der fehle aus Mangel an Erkenntniß, und nicht nur an Erkenntniß, sondern ihr habt noch weiter zugegeben an einer messenden. Daß nun eine ohne Erkenntniß verfehlte Handlung aus Unverstand so verrichtet wird, wißt ihr wohl selbst, so daß also dieses zu schwach sein gegen die Lust der größte Unverstand ist; für welchen eben dieser Protagoras ein Arzt zu sein behauptet, so auch Prodikos und Hippias. Weil ihr aber meint, es sei etwas anderes als Unverstand, so geht ihr weder selbst zu diesen Lehrern hierin, den Sophisten, noch schikt ihr eure Söhne zu ihnen, als ob es nicht lehrbar wäre. Daß ihr aber euer Geld so heget, und es diesen nicht gebt, daran handelt ihr schlecht als Hausväter und als Staatsbürger. Dieses würden wir den Leuten geantwortet haben. Nun aber frage ich nächst dem Protagoras auch euch beide, Hippias und Prodikos, denn gemeinschaftlich soll eure Rede sein, ob ihr glaubt, daß ich wahr rede oder unwahr? — Alle hielten das Gesagte für über die Maaßen richtig. — Ihr gebt also zu, sprach ich, daß das Angenehme gut ist und das Peinliche böse. Aber des Prodikos Unterscheidung der Worte verbitte ich mir. Du magst nun das was ich meine angenehm nennen oder erfreulich oder vergnügend oder wie und woher du sonst dieses zu benennen vorziehst, bester Prodikos,
Wahl der Lust und Unlust, das heißt des Guten und Bösen fehle, der fehle aus Mangel an Erkenntniß, und nicht nur an Erkenntniß, sondern noch weiter habt ihr ja zugegeben, daß es eine messende sei. Eine ohne Erkenntniß verfehlte Handlung aber, wißt ihr wohl selbst, wird aus Unverstand so verrichtet, so daß also dieses zu schwach sein gegen die Lust der größte Unverstand ist; für welchen eben dieser Protagoras ein Arzt zu sein behauptet, so auch Prodikos und Hippias. Weil ihr aber meint, es sei etwas anderes als Unverstand, so geht ihr weder selbst zu diesen Lehrern hierin, den Sophisten, noch schikt ihr eure Söhne zu ihnen, als ob es nicht lehrbar wäre; sondern euer Geld so hegend, und es diesen nicht gebend, handelt ihr schlecht als Hausväter und als Staatsbürger. Dieses also würden wir den Leuten geantwortet haben.
T 34 Angenehme] verdruckt Angehme W1 35f Prodikos Unterscheidung] verdruckt Prodikos, Unterscheidung W1
Nun aber frage ich nächst dem Protagoras auch euch beide, Hippias und Prodikos, denn gemeinschaftlich soll eure Rede sein, ob ihr glaubt, daß ich wahr rede oder unwahr? — Alle hielten das Gesagte für über die Maaßen richtig. — Ihr gebt also zu, sprach ich, daß das Angenehme gut ist und das Peinliche böse. Aber hier des Prodikos Unterscheidung der Worte verbitte ich. Du magst nun das, was ich meine, angenehm nennen oder erfreulich oder vergnügend oder wie und woher du sonst dieses zu benennen vorziehst, bester Prodikos,
S 20 wäre; sondern] nach Heindorf und Bekker wie Spalte 1 App.
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τιστε Πρόδικε, τοῦτό μοι πρὸς ὃ βούλομαι ἀπόκριναι. — Γελάσας οὖν ὁ Πρόδικος συνωμολόγησε, καὶ οἱ ἄλλοι. — Τί δὲ δή, ὦ ἄνδρες, ἔφην ἐγώ, τὸ τοιόνδε, αἱ ἐπὶ τούτου πράξεις ἅπασαι, ἐπὶ τοῦ ἀλύπως ζῇν καὶ ἡδέως, ἆρ᾽ οὐ καλαὶ καὶ ὠφέλιμοι; καὶ τὸ καλὸν ἔργον, ἀγαθόν τε καὶ ὠφέλιμον; — Συνεδόκει. — Εἰ ἄρα, ἔφην ἐγώ, τὸ ἡδὺ ἀγαθόν ἐστιν, οὐδεὶς οὔτε εἰδώς, οὔτε οἰό-
7f καὶ ὠφέλιμοι] athetiert Schleiermacher W1 Anm. 51 W2 Anm. 52 Heindorf 1810 z. St. (S. 633) Ed.Berlin 1816 (Bekker) [im Text, jedoch durch eckige Klammern athetiert; ohne Eintrag in Comm. 1 1823, S. 68], nicht übersetzt W1 W2
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beantworte mir nur dieses in Beziehung auf das was ich will. — Lachend gab es nun Prodikos zu und die andern auch. — Wie aber, ihr Männer, sprach ich, ist es hiemit, die hierauf sich beziehenden Handlungen auf das schmerzlos und angenehm leben, sind die nicht alle auch schön?51 und ist nicht jede schöne That gut und | nüzlich? — Das schien ihnen eben so. — Wenn nun, sprach ich, das Angenehme gut ist, so wird ja niemand, er wisse nun oder glaube nur,
beantworte mir nur dieses in Beziehung auf das was ich will. — Lachend gab es nun Prodikos zu und die andern auch. — Wie aber, ihr Männer, sprach ich, ist es hiemit, die hierauf sich beziehenden Handlungen auf das schmerzlos und angenehm leben, sind die nicht alle auch | schön?52 und ist nicht jede schöne That gut und nüzlich? — Das schien ihnen eben so. — Wenn nun, sprach ich, das Angenehme gut ist, so wird ja niemand, er wisse nun oder glaube nur,
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52 s i n d die nicht alle auch s c h ö n ? Das καὶ ὠφέλιμοι des Textes ist wohl unrichtig, und aus dem folgenden heraufgenommen, wiewohl auch alle von Bekker verglichene Handschriften sich mit diesen Worten gefallen. Denn da unmittelbar darauf das ὠφέλιμον als Bestandtheil des καλὸν gesezt wird, so wäre dieses eine dialektische Verwirrung, wie sie Sokrates im Platon nicht zu machen pflegt. Auch würde man Unrecht thun, hier eine Erschleichung zu vermuthen, indem theils, wer das Angenehme für das einzige Gute hält, auch unmöglich ein anderes Schönes glauben kann, als was sich darauf bezieht, theils auch der Sprachgebrauch von καλὸν und ἀγαθὸν in sittlicher Bedeutung nichts weniger als bestimmt war, womit vielmehr die sokratische Schule den ersten Anfang machte. Nur in der gemeinen Rede wurde das καλὸν genannt, was mehr aus dem Standpunkt der Andern als des Thäters selbst nüzlich schien, und davon geht Sokrates hier aus.
sind die nicht auch alle s c h ö n ? Das καὶ ὠφέλιμοι des Textes ist wohl un|richtig, und aus dem folgenden heraufgenommen. Denn da unmittelbar darauf das ὠφέλιμον als Bestandtheil des καλὸν gesezt wird, so wäre dieses eine dialektische Verwirrung, wie sie Sokrates im Platon nicht zu machen pflegt. Auch würde man Unrecht thun, hier eine Erschleichung zu vermuthen, indem theils, wer das Angenehme für das einzige Gute hält, auch unmöglich ein anderes Schönes glauben kann, als was sich darauf bezieht, theils auch der Sprachgebrauch von καλὸν und ἀγαθὸν in sittlicher Bedeutung nichts weniger als bestimmt war, womit vielmehr die sokratische Schule den ersten Anfang machte. Nur in der gemeinen Rede wurde das καλὸν genannt, was mehr aus dem Standpunkt der Andern als des Thäters selbst nüzlich schien, und davon geht Sokrates hier aus.
S Anm. 51 Vgl. Spalte 1 App. Schleiermachers Athetese kritisiert von Rez.Ast (1808), S. 141.
S Anm. 52 Vgl. Spalte 1 App. und Spalte 3 zu Anm. 51.
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μενος ἄλλα βελτίω εἶναι ἢ ἃ ἐποίει καὶ δύναται, ἔπειτα ποιεῖ ταῦτα, ἐξὸν τὰ βελτίω. οὐδὲ τὸ ἥττω εἶναι αὐτοῦ, ἄλλό τι τοῦτ᾽ ἐστὶν ἢ ἀμαθία· οὐδὲ κρείττω ἑαυτοῦ, ἄλλό τι ἢ σοφία. — Συνεδόκει πᾶσι. — Τί δὲ δή; ἀμαθίαν ἆρα τὸ τοιόνδε λέγετε, τὸ ψευδῆ ἔχειν δόξαν καὶ ἐψεῦσθαι περὶ τῶν πραγμάτων τοῦ πολλοῦ ἀξίων; — Καὶ τοῦτο πᾶσι συνεδόκει. — Ἄλλοτι οὖν, ἔφην ἐγώ, ἐπί γε τὰ κακὰ οὐδεὶς ἑκὼν ἔρχεται; οὐδὲ ἐπὶ ἃ οἴεται κακὰ εἶναι; οὐδ᾽ ἔστι τοῦτο, ὡς ἔοικεν, ἐν ἀνθρώπου φύσει, ἐπὶ ἃ οἴεται κακὰ εἶναι, ἐθέλειν ἰέναι, ἀντὶ τῶν ἀγαθῶν· ὅτάν τε ἀναγκασθῆ δυοῖν κακοῖν τὸ ἕτερον αἱρεῖσθαι, οὐδεὶς τὸ μεῖζον αἱρήσετα ι, ἐξὸ ν τὸ ἔλα ττο ν.
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 358b-c (Z. 1 f.): ἀλλα βελτιω ειναι p. – alia esse meliora quam ea quae fecit aut facere potest. zu 358c (Z. 3 f.): ἡττω ειναι αὐτου – inferiorem s e i p s o esse 1f ἐποίει καὶ δύναται] Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina) Ed.Berlin 1816 (Bekker) | ἐποίει καὶ δυνατὰ konj. Schleiermacher W1 Anm. 52, übersetzt W1 | ποιεῖ καὶ δυνατὰ Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 633) Schleiermacher (vgl. W2 Anm. 53), übersetzt W2 4 αὐτοῦ] αὑτοῦ oder ἑαυτοῦ Cornarius (se ipso, s. Spalte 2) Schleiermacher W1 Anm. 53 W2 Anm. 54
Noten Spaldings (SN 157) zu Anm. (verl.) zu 358b-c (Z. 1 f.) (vgl. W1 Anm. 52): δύναται in δυνατὰ, schön! S Exz.Corn. Jeweils aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 454.
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daß es etwas besseres als er that, und auch ihm mögliches52 giebt, noch jenes thun, da das Bessere in seiner Macht steht; und dieses zu schwach sein gegen sich selbst53, ist also nichts anders als Unverstand, und das sich selbst beherrschen nichts anderes als Weisheit. — Dem gaben Alle Beifall. — Wie nun? nennt ihr das Unverstand falsche Meinungen zu haben und sich zu täuschen über wichtige Dinge? — Auch dem stimmten Alle bei. — Ist es nicht auch so, daß Niemand aus freier Wahl dem Bösen nachgeht, oder dem was er für böse hält? und daß das, wie es scheint, gar nicht in der Natur des Menschen liegt, dem nachgehn zu wollen was er für böse hält anstatt des Guten, wenn er aber gezwungen wird von zwei Uebeln eins zu wählen, niemand das größere nehmen wird, wenn er das kleinere nehmen darf?
daß es etwas besseres als er thut, und auch ihm mögliches53 giebt, noch jenes thun, da das Bessere in seiner Macht steht; und dieses zu schwach sein gegen sich selbst54 ist also nichts anders als Unverstand, und das sich selbst beherrschen nichts anderes als Weisheit. — Dem gaben Alle Beifall. — Wie nun? nennt ihr das Unverstand falsche Meinungen zu haben und sich zu täuschen über wichtige Dinge? — Auch dem stimmten Alle bei. — Ist es nicht auch so, daß Niemand aus freier Wahl dem Bösen nachgeht, oder dem was er für böse hält? und daß das, wie es scheint, gar nicht in der Natur des Menschen liegt, dem nachgehn zu wollen was er für böse hält anstatt des Guten, wenn er aber gezwungen wird von zwei Uebeln eins zu wählen, niemand das größere nehmen wird, wenn er das kleinere nehmen darf?
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und auch ihm mögliches. Unsere Ausgaben lesen ἃ ἐποίει καὶ δύναται, ohne Verstand; denn wissen oder glauben, es gäbe etwas besseres als man kann, wird kein Bewegungsgrund werden, etwas anderes zu thun. Auch widerspricht dem offenbar das ἐξὸν τὰ βελτίω. Man lese δυνατά.
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s i c h s e l b s t . αὑτοῦ oder ἑαυτοῦ statt αὐτοῦ hat schon Cornar corrigirt.
T Anm. 53 ohne das hier vom Bearb. hinzugefügte Lemma unmittelbar an Anm. 52 angeschlossen W1
und auch ihm mögliches. Unsere Ausgaben und alle Handschriften bei Bekker lesen ἃ ἐποίει καὶ δύναται, ohne Verstand; denn wissen oder glauben, es gäbe etwas besseres als man kann, wird kein Bewegungsgrund werden, etwas anderes zu thun. Auch widerspricht dem offenbar das ἐξὸν | τὰ βελτίω. Ich bleibe daher noch bei dem von Heindorf angenommenen δυνατά. 54 s i c h s e l b s t . αὑτοῦ oder ἑαυτοῦ statt αὐτοῦ hat schon Cornar corrigirt.
T Anm. 54 ohne das hier vom Bearb. hinzugefügte Lemma unmittelbar an Anm. 53 angeschlossen W2 S 1 thut] nach Heindorf wie Spalte 1 App.
S Anm. 52 Vgl. Spalte 1 App. Schleiermachers Konjektur kritisiert von Rez.Ast (1808), S. 141. Anm. 53 Vgl. Spalte 1 App. und Spalte 2 Exz.Corn.
S Anm. 53 Vgl. Spalte 1 App. und Spalte 3 zu Anm. 52. Anm. 54 Vgl. Spalte 1 App. und Spalte 3 zu Anm. 53.
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— Ἅπαντα ταῦτα συνδοκεῖ ἅπασιν ἡμῖν. — Τί οὖν, ἔφην ἐγώ, καλεῖτε δέος καὶ φόβον; καὶ ἆρα ὅπερ ἐγώ πρός σε λέγω, ὦ Πρόδικε, προσδοκίαν τινὰ λέγω κακοῦ τοῦτο, εἴτε φόβον, εἴτε δέος καλεῖτε; — Ἐδόκει Πρωταγόρᾳ μὲν καὶ Ἱππίᾳ δέος τε καὶ φόβος εἶναι τοῦτο· Προδίκῳ δέ, δέος, φόβος δ᾽ οὔ. — Ἀλλ᾽ οὐδέν, ἔφην ἐγώ, Πρόδικε, διαφέρει· ἀλλὰ τόδε, εἰ ἀληθῆ τὰ ἔμπροσθέν ἐστιν. ἆρά τις ἀνθρώπων ἐθελήσει ἐπὶ ταῦτα ἰέναι ἃ δέδοικεν, ἐξὸν ἐπὶ ἃ μή· ἢ ἀδύνατον ἐκ τῶν ὡμολογημένων. ἃ γὰρ δέδοικεν, ὡμολόγηται ἡγεῖσθαι κακὰ εἶναι· ἃ δὲ ἡγεῖται κακά, οὐδένα οὔτε ἰέναι ἐπὶ ταῦτα, οὔτε λαμβάνειν ἑκόντα. — Ἐδόκει καὶ ταῦτα πᾶσιν. — Οὕτω δὴ τούτων ὑποκειμένων, ἦν δ᾽ ἐγώ, Πρόδικέ τε καὶ Ἱππία, ἀπολογείσθω ἡμῖν Πρωταγόρας ὅδε ἃ τοπρῶτον ἀπεκρίνατο, πῶς ὀρθῶς ἔχει, μὴ ἃ τοπρῶτον παντάπασι. τότε μὲν γὰρ δὴ πέντε ὄντων μορίων τῆς ἀρετῆς, οὐδὲν ἔφη εἶναι τὸ ἕτερον οἷον τὸ ἕτερον, ἰδίαν δὲ αὐτοῦ ἕκαστον ἔχειν δύναμιν. ἀλλ᾽
1 συνδοκεῖ] Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 68 [242,2], übersetzt W2 | συνεδόκει Ed.Basel 1556 Heindorf 1810, übersetzt W1; vgl. visa sunt Ficinus in Ed.Zweibrücken und Cornarius (Übers., S. 455) 2 Τί οὖν, ἔφην ἐγώ, καλεῖτε] Τί οὖν; ἔφην ἐγώ· καλεῖτε τι konj. Heindorf 1810 z. St. (S. 634), vgl. schon Spalding (Spalte 2), übernommen Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 68 f. [242,2], übersetzt W1 W2 3–5 ὅπερ ἐγώ πρός σε λέγω, ὦ Πρόδικε, προσδοκίαν τινὰ λέγω] ὅπερ ἐγώ; πρός σε λέγω, ὦ Πρόδικε. προσδοκίαν τινὰ λέγω Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W2 28 αὐτοῦ] αὑτοῦ Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 635) Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W1 W2
Noten Spaldings (SN 157) zu 358d (Z. 2): Ich bin ganz Ihrer Meinung über τί οὖν; Aber τὶ nach καλεῖτε möchte ich einschieben. Übers. (verl.) von 359a (Z. 28): Ich habe Ve r r i c h t u n g gesezt statt Ve rmögen. T In Übers. (verl.) von 359a (Z. 28) war δύναμιν mit Vermögen übersetzt | Verrichtung Spld., übernommen W1 W2 (dagegen ist Vermögen 349b stehen geblieben in W1, geändert in W2) – Vgl. zu 330a und 349c.
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— Dieses alles schien uns Allen eben so. — Wie nun? sprach ich, nennt ihr etwas Angst und Furcht? und zwar, welches ich zu dir sage, Prodikos, meine ich, ob die Erwartung eines Uebels, ihr mögt das nun Angst nennen oder Furcht. — Protagoras und Hippias sagten, das wäre Angst und Furcht; Prodikos hingegen es wäre Angst, Furcht aber nicht. — Es ist daran nichts gelegen, Prodikos, sprach ich; sondern nur daran, ob das vorhergesagte seine Richtigkeit hat, ob nämlich irgend ein Mensch dem wird nachgehn wollen, wovor er sich ängstigt, wenn er auch nach etwas Anderem kann, oder ob dies dem eingestandenen zu Folge unmöglich ist. Denn wovor sich Jemand ängstiget, das hält er für böse, und was er für böse hält, dem will Nie|mand weder nachgehn noch es auch mit seinem guten Willen hinnehmen. — Auch das bejaheten Alle. — Nachdem nun dieses vorausgesezt ist, sagte ich, o Prodikos und Hippias, so mag sich doch hier unser Protagoras vertheidigen über das was er zuerst behauptet hat, wie es wohl richtig sein kann. Nicht was er ganz zuerst sagte, denn damals behauptete er, von fünf Theilen der Tugend, die es gäbe, wäre keiner wie der andere, sondern jeder hätte seine eigene Verrichtung;
— Dieses alles kommt uns Allen einem vor wie dem andern. — Wie nun? sprach ich, nennt ihr etwas Angst und Furcht? und zwar dasselbe was ich? Deinetwegen sage ich das Prodikos, ich verstehe nemlich darunter die Erwartung eines Uebels, ihr mögt das nun Angst nennen oder Furcht. — Protagoras und Hippias sagten, das wäre Angst und Furcht; Prodikos hingegen, Angst wäre es, Furcht aber nicht. — Es ist daran nichts gelegen, Prodikos, sprach ich; sondern nur hieran, wenn das vorhergesagte seine Richtigkeit hat, ob dann irgend ein Mensch dem wird nachgehn wollen, wovor er sich ängstigt, wenn er auch nach etwas Anderem kann; oder ob dies dem eingestandenen zu Folge unmöglich ist. Denn | wovor sich Jemand ängstiget, das ist eingestanden halte er für böse, und was er für böse hält, dem will Niemand weder nachgehn noch es auch mit seinem guten Willen hinnehmen. — Auch das bejaheten Alle. — Ist nun dieses so festgestellt, sagte ich, o Prodikos und Hippias, so mag sich doch hier unser Protagoras vertheidigen über das was er zuerst geantwortet hat, wie es wohl richtig sein kann. Nicht was er ganz zuerst sagte, denn damals behauptete er, von fünf Theilen der Tugend, die es gäbe, sei keiner wie der andere, und jeder habe seine eigene Verrichtung;
S 1 schien] Vgl. Spalte 1 App. 36 Verrichtung] hergestellt durch Spalding (vgl. Spalte 2 Spld. [SN 157])
S 4–6 und zwar dasselbe was ich? Deinetwegen sage ich das Prodikos, ich verstehe nemlich] nach Bekker wie Spalte 1 App. 37 Verrichtung] Vgl. Spalte 3 App. S.
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οὐ ταῦτα λέγω, ἀλλ᾽ ὃ τὸ ὕστερον εἶπε. τὸ γὰρ ὕστερον ἔφη τὰ μὲν τέτταρα ἐπιεικῶς παραπλήσια ἀλλήλοις εἶναι, τὸ δὲ ἓν πάνυ διαφέρειν τῶν ἄλλων, τὴν ἀνδρείαν. γνώσεσθαι δέ μ᾽ ἔφη τεκμηρίῳ τῷδε. εὑρήσεις γάρ, ὦ Σώκρατες, ἀνθρώπους ἀνοσιωτάτους μὲν ὄντας καὶ ἀδικωτάτους καὶ ἀκολαστοτάτους καὶ ἀμαθεστάτους, ἀνδρειοτάτους δέ. ᾧ γνώσῃ ὅτι πολὺ διαφέρει ἡ ἀνδρεία τῶν ἄλλων μορίων τῆς ἀρετῆς. καὶ ἐγὼ εὐθὺς τότε πάνυ ἐθαύμασα τὴν ἀπόκρισιν· καὶ ἔτι μᾶλλον, ἐπειδὴ ταῦτα μεθ᾽ ὑμῶν διεξῆλθον. ἠρόμην δ᾽ οὖν τοῦτον εἰ τοὺς ἀνδρείους λέγει θαρραλέους. ὁ δέ, Καὶ ἴτας γ᾽, ἔφη. Μέμνησαι, ἦν δ᾽ ἐγώ, ὦ Πρωταγόρα, ταῦτα ἀποκρινόμενος; Ὡμολόγει. Ἴθι δή, ἔφην ἐγώ, εἰπὲ ἡμῖν, ἐπὶ τί λέγεις ἴτας εἶναι τοὺς ἀνδρείους. ἢ ἐφ᾽ ἅπερ οἱ δειλοί; — Οὐκ ἔφη. — Οὐκοῦν ἐφ᾽ ἕτερα. — Ναί, ἦ δ᾽ ὅς. — Πότερον οἱ μὲν δειλοὶ ἐπὶ τὰ θαρραλέα ἔρχονται, οἱ δὲ ἀνδρεῖοι ἐπὶ τὰ δεινά; — Λέγεται δή, ὦ Σώκρατες, οὕτως ὑπὸ τῶν ἀνθρώπων. — Ἀληθῆ, ἔφην ἐγώ, λέγεις. ἀλλ᾽ οὐ τοῦτο ἐρωτῶ· ἀλλὰ σὺ ἐπὶ τί φῂς ἴτας εἶναι τοὺς ἀνδρείους. ἆρ᾽ ἐπὶ τὰ δεινά, ἡγουμένους δεινὰ εἶναι· ἢ ἐπὶ τὰ μή; — Ἀλλὰ τοῦτό γ᾽, ἔφη, ἐν οἷς
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dies meine ich nicht, sondern was er hernach behauptet hat. Denn hernach sagte er wieder, die viere wären einander zwar sehr nahe, der eine aber, nämlich die Tapferkeit, unterschiede sich gar sehr von den übrigen. Erkennen, sprach er, könnte ich dies hieraus. Du wirst nämlich Menschen finden, Sokrates, die sehr ruchlos sind und sehr ungerecht, und sehr unbändig und unverständig, tapfer aber ganz ausgezeichnet, woraus du denn schließen kannst, daß die Tapferkeit von den übrigen Theilen der Tugend sehr weit unterschieden ist. Und ich verwunderte mich gleich damals nicht wenig über diese Antwort, noch mehr aber hernach, seitdem ich dieses mit euch abgehandelt habe. Ich fragte ihn, ob er sagte, die Tapfern wären dreist, und er sagte: Und gehen auch rasch darauf los. Erinnerst du dich, sprach ich, Protagoras, daß du dies geantwortet hast? Er gestand es ein. So komm denn, sprach ich, und sage uns, worauf meinst du denn, daß die Tapfern so rasch los gehn? etwa auf das nämliche worauf auch die Feigen? — Nein, sagte er. — Also auf etwas anderes? — Ja, sagte er. — Gehen etwa die Feigen auf das Unbedenkliche los, die Tapferen aber auf das Furchtbare? — So sagen die Leute, Sokrates, | antwortete er. — Schon recht, sprach ich, aber darnach frage ich nicht, sondern du, worauf du sagst, daß die Tapfern rasch los gehn, ob sie auf das Furchtbare los gehn, indem sie es selbst für furchtbar halten, oder auf das nicht furchtbare? — Aber dies, sagte er,
dies meine ich nicht, sondern was er hernach behauptet hat. Denn hernach sagte er wieder, die viere wären einander zwar sehr nahe, der eine aber, nämlich die Tapferkeit, unterschiede sich gar sehr von den übrigen. Und erkennen, sprach er, könnte ich dies hieraus. Du wirst nämlich Menschen finden, Sokrates, die sehr ruchlos sind und sehr ungerecht, und sehr unbändig und unverständig, tapfer aber ganz ausgezeichnet, woraus du denn schließen kannst, daß die Tapferkeit von den übrigen Theilen der Tugend sehr weit unterschieden ist. Und ich verwunderte mich gleich damals höchlich über diese Antwort, noch mehr aber hernach, seitdem ich dieses mit euch abgehandelt habe. Ich fragte ihn also, ob er sagte, die Tapfern wären dreist, und er sagte: Und auch kekk zufahrend. Erinnerst du dich, sprach ich, Protagoras, daß du dies geantwortet hast? Er gestand es ein. So komm denn, sprach ich, und sage uns, worauf meinst du denn, daß die Tapfern so kekk zufahren? etwa auf das nämliche worauf auch die Feigen? — Nein, sagte er. — Also auf etwas anderes? — Ja, sagte er. — Gehen etwa die Feigen auf das | Unbedenkliche los, die Tapferen aber auf das Furchtbare? — So sagen die Leute, Sokrates, antwortete er. — Schon recht, sprach ich, aber darnach frage ich nicht, sondern du, worauf du sagst, daß die Tapfern kekk zufahren, ob sie auf das Furchtbare zufahren, indem sie es selbst für furchtbar halten, oder auf das nicht furchtbare? — Aber dies, sagte er,
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σὺ ἔλεγες τοῖς λόγοις, ἀπεδείχθη ἄρτι ὅτι ἀδύνατον. — Καὶ τοῦτο, ἔφην ἐγώ, ἀληθὲς λέγεις. ὥστ᾽ εἰ τοῦτο ὀρθῶς ἀπεδείχθη, ἐπὶ μὲν ἃ δεινὰ ἡγεῖται εἶναι, οὐδεὶς ἔρχεται· ἐπειδὴ τὸ ἥττω εἶναι ἑαυτοῦ εὑρέθη ἀμαθία οὖσα. — Ὡμολόγει. — Ἀλλὰ μὴν ἐπὶ ἅ γε θαρροῦσι πάντες αὖ ἔρχονται, καὶ δειλοὶ καὶ ἀνδρεῖοι· καὶ ταύτῃ γε ἐπὶ τὰ αὐτὰ ἔρχονται οἱ δειλοί τε καὶ ἄνανδροι. — Ἀλλὰ μέντοι, ἔφη, ὦ Σώκρατες, πᾶν γε τοὐναντίον ἐστὶν ἐπὶ ἃ οἵ τε δειλοὶ ἔρχονται καὶ οἱ ἀνδρεῖοι. αὐτίκα εἰς τὸν πόλεμον οἱ μὲν ἐθέλουσιν ἰέναι, οἱ δὲ οὐκ ἐθέλουσι. — Πότερον, ἔφην ἐγώ, καλὸν ὂν ἰέναι, ἢ αἰσχρόν; — Καλόν, ἔφη. — Οὐκοῦν εἴπερ καλόν, καὶ ἀγαθὸν ὡμολογήσαμεν ἐν τοῖς ἔμπροσθεν. τὰς γὰρ καλὰς πράξεις ἁπάσας, ἀγαθὰς ὡμολογήσαμεν, — Ἀληθῆ λέγεις· καὶ ἀεὶ ἔμοιγε δοκεῖ οὕτως. — Ὀρθῶς γε, ἔφην
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 359d (Z. 10 f.): και ταυτῃ γε ἐπι τα αὐτα ἐρχονται οἱ δειλοι τε και ανανδροι – atque hac ratione eadem aggrediuntur et timidi et fortes. – Ecl. In graecis legendum οι δειλοι τε και οἱ ανδρειοι.
11 ἄνανδροι] οἱ ἀνδρεῖοι konj. Cornarius (Spalte 2) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 69 [244,5], übersetzt W1 W2, vgl. W1 Anm. 54 W2 Anm. 55
S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 455 und Ecl. S. 513.
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ist ja in dem was du gesprochen so eben als unmöglich erwiesen worden. — Auch darin hast du ganz recht, sagte ich; so daß, wenn dieses richtig erwiesen ist, Niemand dem nachgeht was er für furchtbar hält, da ja das sich selbst nicht beherrschen können als ein Unverstand erfunden wurde. — Das gab er zu. — Aber auf das, wozu man guten Muth hat gehe wieder ein Jeder los, die Feigen wie die Tapferen54, und auf diese Art gingen also beide auf dasselbe los, die Feigen und die Tapferen. — Aber es sind doch, sagte er, ganz entgegengesezte Dinge, Sokrates, worauf die Feigen und worauf die Tapferen los gehen. So zum Beispiel in den Krieg wollen die Einen sehr leicht gehn, die Anderen wollen nicht. — Wie denn, sagte ich, soll es schön sein hinzugehen oder schlecht? — Schön, sagte er. — Wenn also schön, sprach ich, dann auch gut, haben wir schon vorher eingestanden; denn wir gestanden, daß alle schönen Handlungen auch gut wären. — Das ist richtig, und immer habe auch ich so gedacht. — Sehr wohl, sprach ich.
ist ja in dem, was du gesprochen, so eben als unmöglich erwiesen worden. — Auch darin hast du ganz recht, sagte ich; so daß, wenn dieses richtig erwiesen ist, Niemand dem nachgeht was er für furchtbar hält, da ja das sich selbst nicht beherrschen können als ein Unverstand erfunden wurde. — Das gab er zu. — Aber auf das, wozu man guten Muth hat, geht wieder ein Jeder los, die Feigen wie die Tapferen55, und auf diese Art gehen also beide auf dasselbe los, die Feigen und die Tapferen. — Aber dennoch, sagte er, sind das ganz entgegengesezte Dinge, Sokrates, worauf die Feigen und worauf die Tapferen los gehen. Gleich zum Beispiel in den Krieg wollen die Einen sehr leicht gehn, die Anderen wollen nicht. — Indem es, sagte ich, schön ist hinzugehen oder schlecht? — Schön, sagte er. — Wenn also schön, sprach ich, dann auch gut, haben wir schon vorher eingestanden; denn wir gestanden, daß alle schönen Handlungen auch gut wären. — Das ist richtig, und immer habe auch ich so gedacht. — Sehr wohl, sprach ich.
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d i e F e i g e n u n d d i e Ta p f e r e n . οἱ δειλοί τε καὶ ἄνανδροι lesen die Ausgaben fehlerhaft. Cornar bessert δειλοί τε καὶ ἀνδρεῖοι. Dem Sinne nach richtig; ist es aber nicht glaublich, Platon habe geschrieben οἱ ἀνδρεῖοί τε καὶ ἄνανδροι und δειλοὶ sei auf diese Art vom Rande in den Text gekommen?
die Feigen wie die Ta p f e r e n . οἱ δειλοί τε καὶ ἄνανδροι lesen die Ausgaben fehlerhaft. Handschriften geben wie auch Cornar schon gebessert hat δειλοί τε καὶ ἀνδρεῖοι.
T Anm. 54 32 οἱ] verdruckt ὁι W1 S Anm. 54 Vgl. Spalte 1 App. und Spalte 2 Exz.Corn. – Zu Schleiermachers Konjektur s. Heindorf 1810 z. St. (S. 637).
T Anm. 55 32 οἱ] verdruckt ὁι W2
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ἐγώ. ἀλλὰ ποτέρους φῂς εἰς τὸν πόλεμον οὐκ ἐθέλειν ἰέναι, καλὸν ὂν καὶ ἀγαθόν; — Τοὺς δειλούς, ἦ δ᾽ ὅς. — Οὐκοῦν, ἦν δ᾽ ἐγώ, εἴπερ καλὸν καὶ ἀγαθόν, καὶ ἡδύ; — Ὡμολόγηται γοῦν, ἔφη. — Ἆρ᾽ οὖν γινώσκοντες οἱ δειλοὶ οὐκ ἐθέλουσιν ἰέναι ἐπὶ τὸ κάλλιόν τε καὶ ἄμεινον καὶ ἥδιον; — Ἀλλὰ καὶ τοῦτο ἐὰν ὁμολογῶμεν, ἔφη, διαφθεροῦμεν τὰς ἔμπροσθεν ὁμολογίας. — Τί δ᾽, ὁ ἀνδρεῖος; οὐκ ἐπὶ τὸ κάλλιόν τε καὶ ἄμεινον καὶ ἥδιον ἔρχεται; — Ἀνάγκη, ἔφη, ὁμολογεῖν. — Οὔκουν ὅλως οἱ ἀνδρεῖοι οὐκ αἰσχροὺς φόβους φοβοῦνται, ὅταν φοβῶνται, οὐδὲ αἰσχρὰ θάρρη θαρροῦσιν. — Ἀληθῆ, ἔφη. — Εἰ δὲ μὴ αἰσχρά, ἆρ᾽ οὐ καλά; — Ὡμολόγει. — Εἰ δὲ καλά, καὶ ἀγαθά; — Ναί. — Οὐκοῦν καὶ οἱ δειλοὶ καὶ οἱ θρασεῖς, καὶ οἱ μαινόμενοι, τοὐναντίον αἰσχρούς γε φόβους φοβοῦνται, καὶ αἰσχρὰ θάρρη θαρροῦσιν. — Ὡμολόγει. — Θαρροῦσι δὲ τὰ αἰσχρὰ καὶ κακά, δι᾽ ἄλλό τι ἢ δι᾽ ἄγνοιαν καὶ ἀμαθίαν; — Οὕτως ἔχει, ἔφη. — Τί οὖν; τοῦτο δι᾽ ὃ δειλοί εἰσιν οἱ δειλοί, δειλίαν ἢ ἀνδρείαν καλεῖς; — Δειλίαν ἔγωγ᾽, ἔφη. — Δειλοὶ δὲ οὐ διὰ τὴν τῶν δεινῶν
14 Οὔκουν] Οὐκοῦν Ed.Berlin 1816 (Bekker)
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Aber welche von beiden wollen nicht zu Felde gehen, wenn es schön und gut ist? — Die Feigherzigen. — Und, sprach ich, wenn es schön und gut ist, wird es auch angenehm sein? — Das ist wenigstens eingeräumt worden, sagte er. — Wissentlich also wollen die Feigherzigen doch nicht hingehen nach dem Schöneren, Besseren und Angenehmeren? — Aber auch hiedurch, wenn wir | es eingeständen, sagte er, zerstörten wir unsere vorigen Eingeständnisse. — Und wie der Tapfere, fragte ich, geht der nicht nach dem Schöneren, Besseren und Angenehmeren? — Nothwendig, sagte er, muß man dies annehmen. — Also überhaupt, wenn die Tapfern sich fürchten, ist es keine schlechte Furcht, und wenn sie dreist sind, ist das keine schlechte Dreistigkeit? — Ganz recht, sagte er. — Und wenn nicht schlecht, ist dann beides nicht schön? — Das gab er zu. — Und wenn schön auch gut? — Ja. — Werden also nicht im Gegentheil die Feigherzigen und Verwegenen und Tollkühnen sich mit einer schlechten Furcht fürchten, und mit einer schlechten Dreistigkeit dreist sein? — Das gab er zu. — Und können sie wohl zu dem schlechten und bösen aus einer andern Ursach dreist sein als aus Unkenntniß und Unverstand? — So muß es sich verhalten, sagte er. — Und wie? dasjenige, wodurch die Feigherzigen feig sind, nennst du das Feigheit oder Tapferkeit? — Feigheit, versteht sich, sagte er. — Und haben wir nicht gesehen, daß sie eben durch die Unkenntniß dessen, was furcht-
Aber welche von beiden behauptest du wollen nicht zu Felde gehen, wenn es schön und gut ist? — Die Feigen, sagte er. — Und, sprach ich, wenn es schön und gut ist, wird es auch angenehm sein? — Das ist wenigstens eingeräumt worden, sagte er. — Wissentlich also wollen die Feigen doch | nicht hingehen nach dem Schöneren, Besseren und Angenehmeren? — Aber auch hiedurch, wenn wir es eingeständen, sagte er, zerstörten wir unsere vorigen Eingeständnisse. — Und wie der Tapfere, fragte ich, geht der nicht nach dem Schöneren, Besseren und Angenehmeren? — Nothwendig, sagte er, ist dies anzunehmen. — Also überhaupt, wenn die Tapfern sich fürchten, ist das keine schlechte Furcht, und wenn sie dreist sind, ist das keine schlechte Dreistigkeit? — Ganz recht, sagte er. — Und wenn nicht schlecht, ist dann beides nicht schön? — Das gab er zu. — Und wenn schön auch gut? — Ja. — Werden also nicht im Gegentheil die Feigen und Verwegenen und Tollkühnen sich mit einer schlechten Furcht fürchten, und mit einer schlechten Dreistigkeit dreist sein? — Das gab er zu. — Und können sie wohl zu dem schlechten und bösen aus einer andern Ursach dreist sein als aus Unkenntniß und Unverstand? — So muß es sich verhalten, sagte er. — Und wie? dasjenige, wodurch die Feigen feig sind, nennst du das Feigheit oder Tapferkeit? — Feigheit, versteht sich, sagte er. — Und haben wir nicht gesehen, daß sie eben durch die Unkenntniß dessen, was furcht-
T 19 Tapfern] verdruckt Tafern W1
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ἀμαθίαν ἐφάνησαν ὄντες; — Καὶ πάνυγ᾽, ἔφη. — Διὰ ταύτην ἄρα τὴν ἀμαθίαν δειλοί εἰσιν. — Ὡμολόγει. — Δι᾽ ὃ δὲ δειλοί εἰσι, δειλία ὡμολογεῖτο παρὰ σοῦ; — Συνέφη. — Οὐκοῦν ἡ τῶν δεινῶν καὶ μὴ δεινῶν ἀμαθία, δειλία ἂν εἴη; — Ἐπένευσεν. — Ἀλλὰ μήν, ἦν δ᾽ ἐγώ, ἐναντίον ἀνδρεία δειλίᾳ. — Ἔφη. — Οὐκοῦν ἡ τῶν δεινῶν καὶ μὴ δεινῶν σοφία, ἐναντία τῇ τούτων ἀμαθίᾳ ἐστί; — Καὶ ἐνταῦθα ἔτι ἐπένευσεν. — Ἡ δὲ τούτων ἀμαθία, δειλία; — Πάνυ μόγις ἐνταῦθα ἐπένευσεν. — Ἡ σοφία ἄρα τῶν δεινῶν καὶ μὴ δεινῶν, ἀνδρεία ἐστίν, ἐναντία οὖσα τῇ τούτων ἀμαθίᾳ. — Οὐκέτι ἐνταῦθα οὔτ᾽ ἐπινεῦσαι ἠθέλησεν· ἐσίγα τε. — Καὶ ἐγὼ εἶπον, Τί δή, ὦ Πρωταγόρα, οὔτε σὺ φῂς ἃ ἐρωτῶ, οὔτε ἀπόφης; — Αὐτός, ἔφη, πέρανον. — Ἕν γ᾽, ἔφην ἐγώ, μόνον ἐρόμενος ἔτι σέ, εἴ σοι ὥσπερ τοπρῶτον ἔτι δοκοῦσιν εἶναι τινὲς ἄνθρωποι ἀμαθέστατοι μέν, ἀνδρειότατοι δέ. — Φιλονεικεῖν μοι ἔτι δοκεῖς, ὦ Σώκρατες, τὸ ἐμὲ εἶναι τὸν ἀποκρινόμενον. χαριοῦμαι οὖν σοι, καὶ λέγω ὅτι ἐκ τῶν ὡμολογημένων ἀδύνατόν μοι δοκεῖ
4f ὡμολογεῖτο] ὁμολογείται Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 69 [245,13], übersetzt W2
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 360d (Z. 18): Sie haben übersezt als wenn stünde: οὐδ᾽ ἐπινεῦσαι, nicht οὔτ᾽. Ich glaube es ist die Konstrukzion im Griech. οὔτε — τὲ wie lateinisch: n e q u e — e t . Unterschied im Sinne macht es nicht viel, aber ich möchte doch das e i n m a l fast streichen.
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bar ist, feigherzig sind? — Allerdings, sprach er. — Also durch diese Unkenntniß sind sie feige? — Er gab es zu. — Und wodurch sie feige sind, das ist, wie du eingeräumt hast, die Feigheit? — Er sagte ja. — Also wäre ja wohl die Unkenntniß dessen was furchtbar ist, und was nicht, die Feigheit? — Er winkte zu. — Aber der Feigheit, sagte ich, ist doch die Tapferkeit entgegengesezt? — Er bejahete es. — Ist nun nicht die Weisheit in dem was furchtbar ist und was nicht der Unkenntniß darin entgegengesezt? — Auch hier winkte er noch zu. — Und die Unkenntniß davon war die Feigheit? | — Hier winkte er kaum noch zu. — So ist demnach die Weisheit in dem was furchtbar ist und nicht die Tapferkeit, weil sie der Unkenntniß davon entgegengesezt ist. — Darauf wollte er mir nun nicht einmal mehr zuwinken, und schwieg ganz still. — So Protagoras? sprach ich. Du bejahst weder noch verneinest was ich dich frage? — Bringe es nur allein zu Ende, sagte er. — Nur Eins, sprach ich, will ich dich noch fragen, ob dich auch jezt noch, wie vorher, einige Menschen sehr unverständig dünken, zugleich aber ausgezeichnet tapfer? — Du scheinst, sagte er, etwas besonderes darein zu sezen, Sokrates, daß ich dir antworten soll. So will ich dir denn gefällig sein, und sagen, daß nach dem, was wir mit einander festgestellt haben dieses unmöglich zu sein scheint.
bar ist, feige sind? — Allerdings, sprach er. — Also durch diese Unkenntniß sind sie feige? — Er gab es zu. — Und wodurch sie feige sind, das räumst du ein ist die Feigheit? — Er sagte ja. — Also wäre ja wohl die Unkenntniß dessen was furchtbar ist, und was nicht, die Feigheit? — Er winkte zu. — Aber der Feigheit, sagte ich, ist doch die Tapferkeit entgegengesezt? — Er bejahete es. — Ist nun nicht die Kenntniß von dem was furchtbar ist und was nicht der Unkenntniß darin entgegengesezt? — Auch hier | winkte er noch zu. — Und die Unkenntniß davon war die Feigheit? — Hier winkte er nur mit großer Mühe noch zu. — So ist demnach die Weisheit in dem was furchtbar ist und was nicht die Tapferkeit, weil sie der Unkenntniß davon entgegengesezt ist. — Darauf wollte er mir nun nicht einmal mehr zuwinken, und schwieg ganz still. — So Protagoras? sprach ich. Du bejahst weder noch verneinest was ich dich frage? — Bringe es nur allein zu Ende, sagte er. — Nur Eins, sprach ich, will ich dich noch fragen, ob dich auch jezt noch, wie vorher, einige Menschen sehr unverständig dünken, zugleich aber ausgezeichnet tapfer? — Du scheinst, sagte er, etwas besonderes darein zu sezen, Sokrates, daß ich dir antworten soll. So will ich dir denn gefällig sein, und sagen, daß nach dem, was wir mit einander festgestellt haben, dieses unmöglich zu sein scheint.
S 5 räumst du ein] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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εἶναι. — Οὔτοι, ἦν δ᾽ ἐγώ, ἄλλου ἕνεκα ἐρωτῶ πάντα ταῦτα, ἢ σκέψασθαι βουλόμενος πῶς ποτ᾽ ἔχει τὰ περὶ τῆς ἀρετῆς, καὶ τί ποτ᾽ ἐστὶν αὐτὸ ἡ ἀρετή. οἶδα γὰρ ὅτι τούτου φανεροῦ γενομένου, μάλιστα ἂν κατάδηλον γένοιτο ἐκεῖνο περὶ οὗ ἐγώ τε καὶ σὺ μακρὸν λόγον ἑκάτερος ἀπετείναμεν· ἐγὼ μὲν, λέγων ὡς οὐ διδακτὸν ἀρετή· σὺ δ᾽, ὡς διδακτόν. καί μοι δοκεῖ ἡμῶν ἡ ἄρτι ἔξοδος τῶν λόγων, ὥσπερ ἄνθρωπος, κατηγορεῖν τε καὶ καταγελᾷν. καί, εἰ φωνὴν λάβοι, εἰπεῖν ἂν ὅτι, Ἄτοποί γ᾽ ἐστέ, ὦ Σώκρατές τε καὶ Πρωταγόρα· σὺ μέν, λέγων ὅτι οὐ διδακτόν ἐστιν ἡ ἀρετή, ἐν τοῖς ἔμπροσθεν, νῦν σεαυτῷ τἀναντία σπεύδεις, ἐπιχειρῶν ἀποδεῖξαι ὡς πάντα χρήματα ἐστὶν ἐπιστήμη, καὶ ἡ δικαιοσύνη, καὶ ἡ σωφροσύνη, καὶ ἡ ἀνδρεία. ᾧ τρόπῳ μάλιστ᾽ ἂν διδακτὸν φανείη ἡ ἀρετή. εἰ μὲν γὰρ ἄλλό τι ἦν ἡ ἐπιστήμη ἢ ἀρετή, (ὥσπερ Πρωταγόρας ἐπεχείρει λέγειν) σαφῶς οὐκ ἂν ἦν διδακτόν· νῦν δὲ εἰ φανήσεται ἐπιστήμη ὄν, ὡς σὺ σπεύδεις, ὦ Σώκρατες, θαυμάσιον ἔσται μὴ διδακτὸν ὄν. Πρωταγόρας δ᾽ αὖ διδακτὸν τότε ὑποθέμενος, νῦν τοὐναντίον ἔοικε σπεύδοντι, ὀλίγου πάντα μᾶλλον φανῆναι αὐτὸ ἢ ἐπιστήμη· καὶ οὕτως ἂν ἥκιστα εἴη διδακτόν. Ἐγὼ οὖν, ὦ Πρωταγόρα, πάντα ταῦτα καθορῶν ἄνω κάτω ταραττόμενα δεινῶς, πᾶσαν προθυμίαν ἔχω καταφανῆ αὐτὰ γενέσθαι· καὶ
25 ἡ ἐπιστήμη ἢ ἀρετή] ἢ ἐπιστήμη ἡ ἀρετή Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1782 (Bipontina), Variae lectiones, S. 361 Heindorf 1810 (vgl. z. St., S. 640) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 69 [247,3], übersetzt W1 W2
Vorarbeiten (handschriftlich)
Exzerpt aus Cornarius (SN 156/1) zu 361b (Z. 24 f.): ει μεν γαρ αλλο τι ην η επιστημη η αρετη – Si enim aliud quid esset scientia quam virtus.
S Exz.Corn. Aus Cornarius: Plat.lat. (1561), S. 456.
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— Keinesweges, sprach ich, frage ich dich aus irgend einer andern Absicht, als um zu ergründen, wie es sich wohl eigentlich verhält mit der Tugend, und was sie wohl selbst ist die Tugend. Denn soviel weiß ich, wäre dies nur erst ausgemacht, so würde auch jenes bald entschieden sein, worüber, ich und du, Jeder eine lange Rede gehalten haben, ich behauptend die Tugend sei nicht lehrbar, du sie sei lehrbar. Und der jezige Ausgang unseres Gesprächs scheint mir ordentlich wie ein Mensch uns anzuklagen und auszulachen, und wenn er reden könnte sagen zu wollen: Ihr seid wunderliche Leute, Sokrates und Protagoras! du, der du im Vorigen behauptest die Tugend sei nicht lehrbar, dringst jezt auf das was dir zuwider ist, indem du zu zeigen suchst, daß alles Erkenntniß ist, die Gerechtigkeit, die Besonnenheit und die Tapferkeit, auf welche Weise denn die Tugend am sichersten als lehrbar erscheinen würde. Denn wenn die | Tugend etwas anderes wäre als die Erkenntniß, wie Protagoras zu behaupten unternahm, so wäre sie sicherlich nicht lehrbar. Jezt aber, wenn sie sich als Erkenntniß offenbaren wird, worauf du dringst, Sokrates, wäre es ganz wunderbar, wenn sie nicht sollte lehrbar sein. Protagoras wiederum, der damals annahm sie sei lehrbar, scheint jezt das Gegentheil zu betreiben, daß sie eher fast alles andere sein soll nur nicht Erkenntniß, und so wäre sie doch am wenigsten lehrbar. Ich nun, Protagoras, indem ich zusehe, wie schreklich uns dieses alles durcheinander geschüttelt wird, das unterste zu oberst, bin voll Eifers die Sache zur Klarheit zu
— Keinesweges, sprach ich, frage ich alles dieses aus irgend einer andern Absicht, als um zu ergründen, wie es sich wohl eigentlich verhält mit der Tugend, und was sie wohl selbst ist die Tugend. Denn soviel weiß ich, wäre dies nur erst ausgemacht, so würde auch jenes bald entschieden sein, worüber ich und du Jeder eine lange Rede gehalten haben, ich behauptend die Tugend sei nicht lehrbar, du sie sei lehrbar. Und der jezige Ausgang unseres Gesprächs scheint mir ordentlich wie ein Mensch uns anzuklagen und auszulachen, und wenn er reden könnte sagen zu wollen: Ihr seid wunderliche Leute, Sokrates und Protagoras! du, der du im Vorigen behauptest die Tugend sei nicht lehrbar, dringst jezt auf das was dir zuwider ist, indem du zu zeigen suchst, daß alles Erkenntniß ist, die Gerechtigkeit, die Besonnenheit und die Tapfer|keit, auf welche Weise denn die Tugend am sichersten als lehrbar erscheinen würde. Denn wenn die Tugend etwas anderes wäre als die Erkenntniß, wie Protagoras zu behaupten unternahm, so wäre sie sicherlich nicht lehrbar. Jezt aber, wenn sie sich als Erkenntniß offenbaren wird, worauf du dringst, Sokrates, wäre es ganz wunderbar, wenn sie nicht sollte lehrbar sein. Protagoras wiederum, der damals annahm sie sei lehrbar, scheint jezt das Gegentheil zu betreiben, daß sie eher fast alles andere sein soll nur nicht Erkenntniß, und so wäre sie doch am wenigsten lehrbar. Ich nun, Protagoras, indem ich zusehe, wie schreklich uns dieses alles durcheinander geschüttelt wird, das unterste zu oberst, bin voll Eifers die Sache zur Klarheit zu
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βουλοίμην ἂν ταῦτα διεξελθόντας ἡμᾶς, ἐξελθεῖν καὶ ἐπὶ τὴν ἀρετὴν ὅ,τι ἐστί· καὶ πάλιν ἐπισκέψασθαι περὶ αὐτοῦ, εἴτε διδακτόν, εἴτε μὴ διδακτόν· μὴ πολλάκις ἡμᾶς ὁ Ἐπιμηθεὺς ἐκεῖνος καὶ ἐν τῇ σκέψει σφήλῃ ἐξαπατήσας, ὥσπερ καὶ ἐν τῇ διανομῇ ἠμέλησεν ἡμῶν, ὡς φῂς σύ. ἤρεσεν οὖν μοι καὶ ἐν τῷ μύθῳ ὁ Προμηθεὺς μᾶλλον τοῦ Ἐπιμηθέως· ᾧ χρώμενος ἐγώ, καὶ προμηθούμενος ὑπὲρ τοῦ βίου τοῦ ἐμαυτοῦ παντός, πάντα ταῦτα πραγματεύομαι· καὶ, εἰ σὺ ἐθέλοις, ὅπερ καὶ κατ᾽ ἀρχὰς ἔλεγον, μετὰ σοῦ ἂν ἥδιστα ταῦτα συνδιασκοποίην. — Καὶ ὁ Πρωταγόρας, Ἐγὼ μέν, ἔφη, ὦ Σώκρατες, ἐπαινῶ σου τὴν προθυμίαν καὶ τὴν διέξοδον τῶν λόγων. καὶ γὰρ οὔτε τἄλλα οἶμαι κακὸς εἶναι ἄνθρωπος, φθονερός τε ἥκιστ᾽ ἂν ἀνθρώπων. ἐπεὶ καὶ περὶ σοῦ πρὸς πολλοὺς δὴ εἴρηκα, ὅτι ὧν ἐντυγχάνω, πολὺ μάλιστα ἄγαμαί σε, τῶν μὴν τηλικούτων καὶ πάνυ. καὶ λέγω γε ὅτι οὐκ ἂν θαυμάζοιμι εἰ τῶν ἐλλογίμων γένοιο ἀνδρῶν ἐπὶ σοφίᾳ. καὶ περὶ τούτων δὲ εἰσαῦθις, ὅταν βούλῃ, διέξιμεν· νῦν δ᾽
Noten Spaldings (SN 157) zu Übers. (verl.) von 361c (Z. 2): ἐξελθεῖν „zurükgehen“? Übers. (verl.) von 361e (Z. 25): τῶν μὴν τηλικούτων καὶ πάνυ. Dis scheint mir ganz ausgelassen von Ihnen. So: „besonders von Leuten deines Alters“. Sagen Sie mir schnell, wenn es noch weg soll. T In Übers. (verl.) von 361e (Z. 25) fehlte die Übers. von τῶν μὴν τηλικούτων καὶ πάνυ und ist von Spalding (Spld. [SN 157]) ergänzt worden, vgl. W1
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bringen, und ich wünschte, nachdem wir dies durchgegangen, daß wir weiter zurükgehen möchten auf die Tugend selbst, was sie wohl ist, und dann erst diese Untersuchung aufs neue anfangen ob sie lehrbar ist oder nicht, damit nicht etwa jener Epimetheus, der Hintennachdenker, uns auch in unsern Untersuchungen hinterlistig betrüge, wie er uns schon in der Vertheilung schlecht behandelt hat, wie du sagst. Auch in jener Geschichte hat mir Prometheus, der Vorausdenker besser gefallen, und eben weil ich es mit ihm halte, und auf mein ganzes Leben im Voraus Bedacht nehmen möchte, beschäftige ich mich mit diesen Dingen, und wenn du nur wolltest, möchte ich sie, wie ich auch gleich Anfangs sagte, am liebsten mit dir gemeinschaftlich untersuchen. — Darauf sagte Protagoras: Ich meines Theils, Sokrates, lobe gar sehr deinen Eifer sowohl als deine Art das Gespräch durchzuführen; denn auch im übrigen denke ich kein übler Mensch zu sein, neidisch aber zumal am wenigsten unter allen Menschen. Wie ich denn auch von | dir schon zu Mehreren gesagt, daß unter allen mit denen ich zusammentreffe, ich dich ganz vorzüglich schäze, besonders von Leuten deines Alters, und ich füge hinzu es wird mich gar nicht wundern, wenn du einst unter die gehörst, welche berühmt sind wegen ihrer Weisheit. Was nun diese Sache betrifft, so wollen wir, wenn du willst, ein andermal weiter darüber spre-
bringen, und ich wünschte, nachdem wir dies durchgegangen, könnten wir auch weiter zurükgehen auf die Tugend selbst, was sie wohl ist, und dann wieder diese Untersuchung aufs neue anfangen ob sie lehrbar ist oder nicht, damit nicht etwa jener Epimetheus, der Hintennachdenker, uns auch in unsern Untersuchungen hinterlistig betrüge, wie er uns schon in der Vertheilung schlecht behandelt hat, wie du sagst. Auch in jener Geschichte hat mir Prometheus, der Vorausdenker besser gefallen, und eben weil ich es mit ihm halte, und auf mein ganzes Leben im Voraus Bedacht nehmen möchte, beschäftige ich mich mit diesen Dingen, und wenn du nur wolltest, möchte ich sie, wie ich auch gleich Anfangs sagte, am liebsten mit dir gemeinschaftlich untersuchen. — Darauf sagte Protagoras: Ich meines Theils, Sokrates, lobe gar sehr deinen Eifer sowohl als deine Art das Gespräch durchzuführen; denn auch im übrigen denke ich kein übler Mensch | zu sein, neidisch aber zumal am wenigsten unter allen Menschen. Wie ich denn auch von dir schon zu Mehreren gesagt, daß unter allen mit denen ich zusammentreffe, ich dich ganz vorzüglich schäze, von allen deines Alters zumal, und ich füge hinzu es wird mich gar nicht wundern, wenn du einst unter die berühmten wegen ihrer Weisheit gehören wirst. Hierüber nun wollen wir, wenn du willst, ein andermal weiter spre-
S 34f besonders von Leuten deines Alters] ergänzt durch Spalding (vgl. Spalte 2 Spld. [SN 157]), offenbar kurz vor Ende des Druckes; geändert in W2
S 34f von allen deines Alters zumal] verändert ggb. der durch Spalding ergänzten Passage in W1
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Protagoras Ed. Bipontina
ὥρα ἤδη καὶ ἐπ᾽ ἄλλό τι τρέπεσθαι. — Ἀλλ᾽, ἦν δ᾽ ἐγώ, οὕτω χρὴ ποιεῖν, εἴ σοι δοκεῖ. καὶ γὰρ ἐμοὶ οἷπερ ἔφην ἰέναι πάλαι ὥρα· ἀλλὰ Καλλίᾳ τῷ καλῷ χαριζόμενος παρέμεινα. Ταῦτ᾽ εἰπόντες καὶ ἀκούσαντες, ἀπῆμεν.
Vorarbeiten (handschriftlich)
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Protagoras 1. Auflage
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chen; jezt ist es Zeit auch zu etwas Anderem zu schreiten. — Gut, sagte ich, so wollen wir es halten, wenn es dir gefällt. Denn auch für mich ist es schon lange Zeit dorthin zu gehn, wovon ich schon sagte, und nur um Kallias dem Schönen gefällig zu sein habe ich bis jezt hier verweilt. Diese Reden wurden gewechselt, und so gingen wir.
chen; jezt ist es Zeit auch zu etwas Anderem zu schreiten. — Gut, sagte ich, so wollen wir es halten, wenn du meinst. Denn auch für mich ist es schon lange Zeit dorthin zu gehn, wovon ich schon sagte, und nur um Kallias dem Schönen gefällig zu sein, habe ich bis jezt hier verweilt. Diese Reden wurden gewechselt, und so gingen wir.
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Zwischentitel Laches
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LACHES.
Text nach: W2 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 21817, S. 319 unpaginiert); identisch: W1 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 11804, S. 319 unpaginiert); jeweils Rückseite leer.
319 W1+2
Abb. 7: Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (ABBAW): Laches: SN 158/1, f. 1r
Abb. 8: Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (ABBAW): Laches: SN 158/1, f. 2r
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Laches Einleitung Erster Entwurf (handschriftlich)
Dieses Gespräch sei das erste unter denen die unmittelbar vom Protagoras abhängen, weil es demselben so nahe ist daß es nur als ein Anhang zu dem lezten Theile desselben kann angesehen werden. Der nächste Inhalt desselben nemlich ist die Tapferkeit von welcher auch in jenem Gespräch die Rede war in Beziehung auf die Frage von der Einheit aller Tugenden oder ihrer Verschiedenheit. Durch mehre Beispiele in die Enge getrieben in Behauptung der lezteren hatte dennoch Protagoras von günstigem Schein bewogen die Tapferkeit ausgenommen von jener Gleichheit als ausgezeichnet ihrer Natur nach vor allen anderen und auch in der Erfahrung oft getrennt von allen anzutreffen. Sokrates aber hatte gezeigt daß wenn man sieht wie sie sich in der Erscheinung darstellt als Dreistigkeit diese doch immer nur Tapferkeit genannt wird wenn Sachkentniß damit verbunden ist so daß diese eigentlich die Tapferkeit ausmache und sie also auch auf Verstand und Klugheit hinauslaufe. Diese Untersuchung nun hatte Protagoras auf eine eigentlich nichtige Weise angewandt die sich aber doch Sokrates gefallen lassen offenbar weil die weitere Erörterung hier zu weit vom eigentlichen Ziel abgeführt hätte. Diese Untersuchung aber war einer andern gefolgt welche erwies daß unter der Voraussezung das Angenehme sei überall das Gute man auch dem Unangenehmen als Mittel zum Angenehmen nachgehen dürfe und die Tapferkeit also nichts anderes sein könne als das richtige Abmessen des
Text aus: BBAW, SN 158/1, f. 11v-12v (ohne Üs., nur durch einen Strich vom Ende der Übers. getrennt). – Der Text ist mit sehr vielen Abkürzungen und Kürzeln geschrieben, die teils stillschweigend nach der Liste im Editorischen Bericht teils mit Nachweis im App. T aufgelöst sind. 7 lezteren] leztn SN 158/1 8 Protagoras] Protag SN 158/1 10 anderen] ande SN 158/1 16 eigentlich] eigtl SN 158/1 17 Sokrates] Sokr. SN 158/1 S 1f Vgl. Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 347 f., Notat 18. 5 Zur Tapferkeit vor allem Platon, Protagoras 348c-351b und 359a-360c. 8f Platon, Protagoras 349d-350c 11–15 Platon, Protagoras 350c-351b 15–18 Platon, Protagoras 360e-362a 16 Vgl. App. S zu W1+2 (rechte Seite) 18 Diese Untersuchung] Platon, Protagoras 359a-360c 19–876,2 Platon, Protagoras 351b-360e 19 einer andern sc. Untersuchung] Platon, Protagoras 348c-351b 22–876,2 Platon, Protagoras 356c-357c 22–876,1 Abmessen des entfernten Angenehmen] Platon, Protagoras 351b-353b
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EINLEITUNG.
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321 W1+2
Dieses Gespräch sei unter den kleineren, welche unmittelbar vom Protagoras abhängen, das erste, weil es demselben so nahe ist, daß es nur als ein Anhang oder eine Erweiterung seines lezten Theiles kann angesehen werden. Von der Tapferkeit nämlich, deren richtigen Begriff aufzufinden die nächste Aufgabe des Laches ist, war auch im Protagoras die Rede gewesen in Beziehung auf die Streitfrage von der Einheit aller Tugenden oder ihrer Verschiedenheit. Protagoras, in Behauptung der lezteren schon durch mehrere Beispiele in die Enge getrieben, hatte sich dennoch durch einen freilich günstigen Schein bewogen die Tapferkeit vorbehalten als eine Ausnahme von jener Gleichheit, weil sie ihrer Natur nach sich von allen unterschiede, und auch in der Erfahrung sehr oft von den andern getrennt anzutreffen sei. Wogegen Sokrates gezeigt hatte, daß wenn darauf gesehen wird, wie die Tapferkeit sich in der Erscheinung darstellt als Muth und Kühnheit, diese doch den Namen jener Tugend nur erhielten, sofern Sachkenntniß und Beurtheilung damit verbunden wären, so daß diese eigentlich das Unterscheidende der Tapferkeit von der Verwegenheit und Tollkühnheit ausmachten, und also auch jene Tu|gend auf | be- 322 W2 rechnende Klugheit hinauslaufe. Gegen diesen Erweis hatte sich Prot- | 322 W1 agoras auf eine, wie schon dort bemerkt worden, eigentlich nichtige und ungehörige Art verwahrt, welche sich Sokrates offenbar nur deshalb gefallen lassen, weil die weitere Erörterung auf diesem Wege ihn von dem Ziele, welches er eben vor Augen hatte, allzuweit würde abgeführt haben. Dafür eröffnete er dort die Untersuchung von einer andern Seite, indem er erwies, daß unter der Voraussezung, das Angenehme sei überall das Gute, man auch dem Unangenehmen nur als Mittel zum Angenehmen muthig entgegen gehen dürfe, und also auch die Tapferkeit nichts anderes sein könne als das richtige Abmessen des
Text nach: W2 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 21817, S. 321-327 und S. 420). Varianten aus: W1 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 11804, S. 321-327 und S. 409). 10 dennoch durch] dennoch, durch W1 10f bewogen die] bewogen, die W1 11 vorbehalten als] vorbehalten, als W1 12 weil sie] als W1 | unterschiede] unterscheidend W1 14 sei] fehlt W1 14f wird, wie] wird wie W1 16 erhielten, sofern] erhielten sofern W1 25 eröffnete] eröfnete W1 26 Voraussezung, das] Voraussezung das W1 28 muthig] fehlt W1 S 2f Vgl. App. S zur Hs. (linke Seite). 6f Vgl. App. S zur Hs. (linke Seite). 21 Siehe Platon, Protagoras 350c mit W1+2 Anm. 25 Vgl. App. S zur Hs. (linke Seite).
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Laches Einleitung Erster Entwurf (handschriftlich)
entfernten Angenehmen gegen das nahe Unangenehme, also Meßkunst, also Verstand und Klugheit. Hiemit endete in Anwendung auf seinen unmittelbaren Inhalt der Protagoras; offenbar aber war die Frage von der Tapferkeit so nicht erschöpft sondern vielmehr so disharmonisch unaufgelöst liegen geblieben daß Platon sie so nicht lassen konnte. Denn die erste Betrachtung hatte er fahren lassen von der 2. aber war die Voraussezung gar nicht die seinige. Daher dieses jener Frage eigen gewidmetes Gespräch, in dem sich was von der Tapferkeit gesagt wird auf jene beiden Untersuchungen bezieht, um sie mehr aus Platons eigenem Gesichtspunkt zu fassen. Daher zuerst daß die Erscheinung der Dreistigkeit den Begriff der Tapferkeit nicht erschöpft indem ihr Gebiet über das des Furchtbaren hinausgeht indem auch der Widerstand gegen Lust und Unlust zur Tapferkeit gehört; daß also die Beharrlichkeit als Erscheinung ihr eher angemessen wäre. In Absicht auf diese also wird die erste Untersuchung des Protagoras wiederholt und zu Ende geführt daß nemlich nicht jede Beharrlichkeit Tapferkeit sei daß aber auch nicht die zu irgend einem Endzwek ⌈mit⌋ Verstand behauptete es sein könne weil das sittliche Urtheil daß etwas tapfer sei weder mit der Beharrlichkeit noch mit dem Grad der Klugheit in der Berechnung des Verstandes Maaß halte. Daher überhaupt daß die Tapferkeit nicht als die sinnliche Stärke zu denken ist mit der Protagoras sie ⌈anscheint⌋ weil sonst auch den 12r Thieren müßte Tapferkeit zugeschrieben | werden welches Nikias ohnstreitig in Einklang mit Plato läugnet. Die zweite Frage aber wird nicht eher wieder aufgenommen bis um jede Täuschung unmöglich zu machen jene Voraussezung daß nur das Angenehme das Gute sei aufgehoben und der Unterschied zwischen beiden festgesezt ist. Hiezu war kein Vergleichungspunkt besser als der mit der Wahrsagekunst. Denn offenbar wenn Alles nur Messkunst des entfernten Angenehmen
T 3 unmittelbaren] unmittlb SN 158/1 | Protagoras] Protag. SN 158/1 9 bezieht, um] korr. aus bezieht. I 10 Platons] Plat SN 158/1 | eigenem Gesichtspunkt] eig Gesichtspkt SN 158/1 11 Dreistigkeit] Drstigkt SN 158/1 15 Absicht] Abs. SN 158/1 16 Protagoras] Prot. SN 158/1 | wiederholt] wiedholt SN 158/1 17 Beharrlichkeit] Behlichkt SN 158/1 | irgend einem] irgd e (o. ä.) SN 158/1 18 mit] Kürzel -t (o. ä.) SN 158/1 22 Protagoras] Prot. SN 158/1 | anscheint] oder anschaut oder erscheint o. ä. 29 Messkunst] Mess. SN 158/1 | Angenehmen] Angenhn SN 158/1 S 6 Platon, Protagoras 348c-351b 7 Platon, Protagoras 351b-360c 10 Platon, Laches 192a-193d 23 Platon, Laches 194c-195b 28 Platon, Laches 195e. 196d. 198c-199c 29 Messkunst des entfernten Angenehmen] Platon, Protagoras 351b-353b
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entfernten Angenehmen gegen das nahe Unangenehme, also Meßkunst, also Verstand und Klugheit. Dieses auf die Hauptfrage des Protagoras über die Lehrbarkeit der Tugend angewendet war der Schluß des Gespräches; die Frage aber von der Tapferkeit war offenbar hiemit nicht erschöpft, sondern vielmehr so disharmonisch unaufgelöst liegen geblieben, daß Platon es schwerlich dabei konnte bewenden lassen. Denn die erste Betrachtung hatte er unbeendigt aufgegeben, und von der zweiten war die Voraussezung gar nicht die seinige, in welcher Hinsicht noch überdies auch damalige Leser sich leichtlich eben so täuschen konnten, wie es späteren begegnet ist. Dies also ist die Meinung dieses kleineren erläuternden Gespräches, in welchem auch, was von der Tapferkeit gehandelt wird, sich unmittelbar an jene Untersuchungen anschließt, um sie genauer und mehr aus Platons eignem Gesichtspunkt zu fassen. Daher zuerst, daß Kühnheit in der Erscheinung den Begriff der Tapferkeit nicht erschöpft, indem das Gebiet dessel|ben über das eigentlich | sogenannte furchtbare weit hin- 323 W2 ausgeht, und nicht minder auch der Widerstand gegen jede Art der | 323 W1 Unlust, ja auch gegen die Lust zur Tapferkeit gehört, daß also Beharrlichkeit eher das Unterscheidende derselben ausdrükken würde. Auf diese Weise berichtiget wird nun die erste Untersuchung des Protagoras wiederholt und zu Ende geführt, daß nämlich theils nicht jede Beharrlichkeit Tapferkeit sei, auf der andern Seite aber auch nicht etwa nur die für einen gewissen Zwekk oder Ausgang verständig berechnete, indem das sittliche Urtheil, daß etwas tapfer sei, weder mit dem Grade der Beharrlichkeit, da es auch eine zu große tadelnswürdige gebe, noch auch mit dem Grade der Klugheit in der Berechnung Maaß halte. Daher überhaupt die Tapferkeit nicht als eine sinnliche Stärke zu denken sei, weil sonst auch den Thieren müßte Tapferkeit zugeschrieben werden, welches Nikias, unstreitig die Meinung des Platon verkündigend, läugnet. Die zweite Frage aber aus dem Protagoras wird nicht eher wieder aufgenommen, bis, um jede Täuschung unmöglich zu machen, jene Voraussezung, daß das Angenehme dem Guten gleichgeltend sei, aufgehoben und ein Unterschied zwischen beiden gesezt ist. Hiezu war nicht leicht ein Vergleichungspunkt besser und faßlicher als die Wahrsagekunst. Denn offenbar wenn alles
T 10 eben] fehlt W1 10f Dies...Gespräches] Daher nun dieses kleinere erläuternde Gespräch W1 12 auch, was] auch was W1 | Tapferkeit] verdruckt -heit W1 14 zuerst, daß] zuerst daß W1 19 ausdrükken] ausdrüken W1 23 Zwekk] Zwek W1 24 Urtheil, daß] Urtheil daß W1 32 Voraussezung, daß] Voraussezung daß W1 S 7 Vgl. App. S zur Hs. (linke Seite). 8 Vgl. App. S zur Hs. (linke Seite).
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ist müßte das Wissen welches die Tugend ausmachen soll nichts anderes sein als das Vorhersehen des Ausganges und seines wahren Lustwerthes. Hievon nun wird die Erkentniß des Guten gänzlich unterschieden und dann erst dargethan daß sofern auch die Tapferkeit eine solche Erkentniß sein soll sie keine von den andern Tugenden unterschiedene besondere sein kann weil der einzige Eintheilungsgrund nach dem dieses möglich wäre der nemlich von der Zeit hergenommene bei sittlichen Dingen in keine Betrachtung kommt. Auch hier wird daher das Resultat bestätigt daß die Tugend ein Untheilbares ist und dieselbige Kraft welche die eine hervorbringt auch jede andere hervorbringen muß. Indem also über den einzelnen Begriff der Tapferkeit die Untersuchung fortgesezt wird werden zugleich die höhern Ideen welche im Protagoras angelegt waren weiter gezeichnet und nicht nur negativ sondern wie es bei dieser Gattung platonischer Dialoge gewöhnlich ist auch positiv aber nur unvermerkt. Denn was in seiner Unschuld Laches über das Wesen der sittlichen Weisheit sagt als Uebereinstimmung des Wissens und des Lebens dies ist der Schlüssel zu den ächt platonischen Ideen über die Tugend und wie er es meinen kann daß sie eine Erkentniß ist oder ein Wissen. Welches beiläufig bemerkt hier nicht das einzige merkwürdige Datum ist zur Beantwortung der Frage in wiefern Plato seine Meinung nur durch den Sokrates oder wenigstens durch eine andere allen als die weiseste bezeichnete Person kund thut, so nemlich daß man nicht darauf allein sehn muß was diese sagt (wie denn so im Protagoras weder von Sokrates gesagt wird was nicht seine oder Platons Meinung ist) sondern auch darauf was diese animirt.
T 3 Lustwerthes] davor Werthes 5 Erkentniß] Erktniß SN 158/1 | andern] and mit Endungskürzel SN 158/1 6 besondere] bes SN 158/1 6f Eintheilungsgrund] Enthlgsgr SN 158/1 9 daher] über also 9f Untheilbares] Unthlbares SN 158/1 12 Untersuchung] Untsuchung SN 158/1 13 Protagoras] Prot. SN 158/1 14 platonischer] plat. SN 158/1 20 merkwürdige] davor bris , vielleicht Ansatz zu bris [ante] 24 muß] durchstrichenes langes s SN 158/1 25 Sokrates] Sokr SN 158/1 S 4–6 Tapferkeit ... keine von den andern Tugenden unterschiedene] Platon, Laches 199c-200a 9f Tugend ein Untheilbares] Platon, Protagoras 348c-362a 15f was ... Laches ... sagt ...] Platon, Laches 188c-189b
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Sittliche nur Meßkunst des Angenehmen ist: so kann das Wissen, welches die Tugend ausmachen soll, nichts anderes sein als das Vorhersehen des Ausganges und seines wirklichen Lustwerthes. Hievon nun wird die Erkenntniß des Guten hier gänzlich unterschieden, und dann erst dargethan, daß sofern auch die Tapferkeit eine solche Erkenntniß sein soll, sie | keine von den andern Tugenden unterschiedene | besondere Tugend sein kann, weil der einzige Eintheilungsgrund, nach dem dieses, wenn man auf den gewöhnlichen Gehalt des Begriffs sieht, geschehen könnte, nämlich der von der Zeit hergenommene, bei sittlichen Dingen nicht in Betracht kommt. Auch hier wird daher das Ergebniß bestätiget, daß die Tugend ein Untheilbares ist, und daß dieselbige Kraft, welche die eine hervorbringt, auch alle anderen erzeugen muß. Indem also über den Begriff der Tapferkeit die Untersuchung fortgesezt wird, werden zugleich die höheren ethischen Ideen, welche im Protagoras angelegt waren, nicht nur durch deutlichere Widerlegung des entgegengesezten bestätiget, sondern auch wirklich weiter ausgezeichnet, wenn gleich, wie es in dieser Klasse der Platonischen Gespräche gewöhnlich und den Grundsäzen derselben angemessen ist, nur gleichsam unvermerkt und mit unzusammenhängenden Strichen, damit derjenige allein sie finde, der schon auf den Weg gebracht war sie allenfalls selbst zu erfinden. Denn was in seiner Unschuld Laches über das Wesen der sittlichen Weisheit sagt als Harmonie der Seele und Uebereinstimmung des Wissens und Lebens, dies ist der rechte Schlüssel zu der Platonischen Theorie der Tugend, und wie er es meinen könne, daß sie eine Erkenntniß sei oder ein Wissen. Welches beiläufig bemerkt nicht der einzige merkwürdige Fall ist, der die gewöhnliche Behauptung sehr beschränkt, daß Platon seine Meinung immer durch den Sokrates kund thue, oder sonst durch die als die weiseste sich auszeichnende und den Dialog leitende Person. Denn weder ist alles, was diese sagt, auch durchaus Platons Meinung, welcher vielmehr auch die | Leitenden vieles sagen läßt von der Ansicht der Anderen aus um ihre verborgenen Widersprüche | aufzudekken, noch auch ist nur das allein das rechte, was der Leitende sagt, sondern auch Manches was er von Andern gesagt ohne Widerlegung hingehn läßt, und was der aufmerksame Leser leicht durch den eignen Ton, in welchem es gesagt wird, unterscheidet.
T 12 daß] fehlt W1 | Kraft, welche] Kraft welche W1 15 Ideen, welche] Ideen welche W1 29–32 Person...aus] Person, so nämlich, daß weder Alles was diese sagt, Platons Meinung ist, da sie auch vieles in die Seele von Andern reden kann W1 32f aufzudekken] aufzudeken W1 33 ist...sagt] nur was sie selbst sagt W1 34 er... gesagt] sie Andern W1
324 W2 324 W1
325 W2 325 W1
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Auch zur Erklärung und Verherrlichung der dialogischen Methode welche der eine Theil des Endzweks im Protagoras war kommt hier noch Manches vor, unter andern eine ziemlich deutliche als Rechtfertigung vielleicht gegen Mißverständnisse des Lysis und Protagoras vorgebrachte Erklärung darüber daß niemals die Absicht nur die sein könne Jemandem seine Unwissenheit zu zeigen, indem Nikias dieses als etwas verächtliches dem Laches tadelt. So wie auch was darüber gesagt wird daß es gleich gelten müsse ob der Belehrende jünger sei oder unberühmt ohn Zweifel Vertheidigung des Plato selbst ist wegen des Verfahrens gegen den Lysias sowol als den Protagoras. Auf welche Einzelheiten den Leser des Platon aufmerksam zu machen jezt nicht undienlich ist, damit er zeitig lerne seine Absichtlichkeit gehörig zu würdigen.
Dieses durchgängige Anschließen sichert dem Laches unstreitig seinen Plaz in der Reihe der Platonischen Gespräche, ohnerachtet Aristoteles desselben wo er in seinen ethischen Werken von der
T 2 Protagoras] Protag. SN 158/1 4 Protagoras] Protag. SN 158/1 6 Jemandem] Jemand SN 158/1 | Unwissenheit] Unwissht SN 158/1 | indem] korr. aus vielleicht denn 9 Vertheidigung] Vthdigg SN 158/1 11 Platon] Pl. SN 158/1 | aufmerksam] fmerks SN 158/1 15 Platonischen] Plat. SN 158/1 16 Aristoteles] Arist. SN 158/1 S 1 Platon, Protagoras 328e-329b.334c-338e.347a-348c 6f Platon, Laches 200a-b 7–9 Platon, Laches 201b 8 Vgl. App. S zu W1+2 (rechte Seite) 10 Im Dialog Phaidros werden der athenische Redner Lysias ebenso wie im Dialog Protagoras der Sophist Protagoras trotz ihrer Berühmtheit als inkompetent erwiesen. 15 Zur Frage nach der Echtheit des Laches (und Lysis) vgl. die Einleitung zum Lysis, S. 416 mit App. S. Schleiermacher bleibt also bei seiner Auffassung von der Echtheit des Laches, die ursprünglich F. Schlegel mit ihm geteilt hatte; vgl. dessen Brief an Schleiermacher vom 8.12.1800, KGA V/4, Nr. 993, 180. F. Schlegel verurteilte jedoch später den Dialog als unecht: vgl. seine Briefe vom 25.2.1802, KGA V/5, Nr. 1170, 46-48 und vom 4.12.1802, KGA V/6, Nr. 1400, 11-13; ebenso Rez.Ast (1808), S. 132 f.; Platon’s Leben und Schriften (1816), S. 451-457, bes. 454 gegen Schleiermacher. 16 Siehe W1+2 Anm. mit App. S (rechte Seite)
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Soviel von dem Hauptinhalte des Gespräches, der freilich dort der äußeren Einkleidung wegen etwas anders geordnet ist, jedoch nicht so abweichend, daß irgend jemand die hier angedeuteten Beziehungen auf den Protagoras verkennen wird. Auch zur Erläuterung und Verherrlichung der dialogischen Methode, man erinnere sich wie sehr diese im Protagoras eine Hauptsache war, kommt hier noch Manches vor, unter andern eine sehr deutliche, als Rechtfertigung vielleicht gegen Mißverständnisse des Lysis und Protagoras vorgebrachte Erklärung darüber, daß niemals die Absicht eines solchen Gespräches die sein könne nur dem Andern seine Unwissenheit zu zeigen, indem man doch selbst nichts wisse; denn dies ist unstreitig die Bedeutung der Stelle, worin Nikias eben dieses als etwas Verächtliches an dem Laches tadelt. So wie auch die Aeußerung, daß es gleichgelten müsse, ob der Belehrende jünger sei und unberühmter, gewiß eine Vertheidigung des Platon selbst ist, wegen seiner Behandlung des Lysias sowohl als des Protagoras; und die andere gegen die, welche meinen das Alter solle den Verstand von selbst mitbringen, hat eine gleiche Richtung. Auf solche Einzelheiten den Leser des Platon aufmerksam zu machen kann nicht überflüssig sein, theils weil sie den Zusammenhang dieser Gespräche noch mehr ins Licht sezen, | theils damit er zeitig lerne die 326 W2 Absichtlichkeit des Schriftstellers gehörig zu würdigen. Dieses durchgängige Anschließen an den Protagoras nun sichert dem Laches unstreitig seinen Plaz in der Reihe der Platonischen Gespräche, ohnerachtet Aristoteles, wo er in seinen | ethischen Werken 326 W1
T 7 Rechtfertigung] verdruckt Rechtfertiguug W1 14 und] oder W1 16f und...Richtung] fehlt W1 23 Platonischen] verdruckt Pa- W1
9 eines...Gespräches] fehlt W1 19 überflüssig] überflüßig W1
S 5 Vgl. App. S zur Hs. (linke Seite). 12 Platon, Laches 200a-b 13 Platon, Laches 201b. 15f Lysias…Protagoras] Vgl. App. S zur Hs. (linke Seite). 16 Platon, Laches 188b. 23f Vgl. App. S zur Hs. (linke Seite).
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Tapferkeit redet nirgends erwähnt. Welches auch nicht zu verwundern ist und keinen Verdacht erregen kann. Denn da er einmal im allgemeinen die Platonische Ansicht | von dem Guten und also auch von der Sittlichkeit verwirft so wäre es überflüssig und unangemessen gewesen bei seinen Einwürfen gegen die hergebrachten einzelen Begriffe besonders zu verweilen. Indeß ist hier auch alles Aeußere theils an sich so platonisch theils besonders so sehr aus dem nachgewiesenen Zusammenhang mit dem Protagoras zu sagen daß wol gar kein Zweifel übrig bleiben kann. So stimmen was die Wahl der Personen betrifft Lysimachos und Melesias sehr genau zusammen zu der im Protagoras ohnstreitig zuerst hingeworfenen Behauptung daß die größten Staatsmänner dennoch des Bildens zu ihrer Kunst unfähig gewesen. Theils auch zu jener Vertheidigung der Jugend die sich durch eine fast komische Aufstellung des zwar gutmeinenden aber doch geistlosen Alters um so besser hebt. Laches aber und Nikias aber
T 2f allgemeinen] allgem SN 158/1 7f nachgewiesenen] nachgewies. SN 158/1 8 Zusammenhang] Zsmnhg SN 158/1 | Protagoras] Protag SN 158/1 9 stimmen] korr. aus stimm | Personen] Pers SN 158/1 10–12 Lysimachos…Staatsmänner] am Rand der Sohn des Arist. und der Sohn desjenigen Thucyd. der lange Zeit allein mit vielem Verstand dem Perikles das Gegengewicht hielt 10 Lysimachos] Lysim SN 158/1 | Melesias] Meles SN 158/1 | zusammen] zsmn SN 158/1 11 Protagoras] Prot SN 158/1 | hingeworfenen] hingeworf SN 158/1 13 Vertheidigung] Vthdgung SN 158/1 15 Nikias] am Rand Nikias von welchem Plutarchos sagt er sei von Natur der Verwegenheit [Vweght SN 158/1] und den übermüth. Hoffnungen [Hoffgn SN 158/1] abgeneigt gewesen habe aber durch gute Erfolge im Krieg die [Plutarch: Alkibiades 18,1-3 (200a-b); Plutarch: Nikias 15 (533a-c); vgl. unten Platon, Laches 197c mit W1 Anm. 18 und W2 Anm. 12] S 2–4 Aristoteles, Ethica Nicomachea I, 4, 1095a-b 9 Vgl. Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 372, Notat 113; S. 373, Notat 116 10 Lysimachos] vornehmer Athener, geb. um 480 v. Chr., (bedeutungsloser) Sohn des Aristeides, des Helden der Perserkriege | Melesias] vornehmer Athener, 5. Jh. v. Chr., (bedeutungsloser) Sohn des einflußreichen Perikles-Gegners Thukydides 11 Platon, Protagoras 319b 15 Laches] reicher Athener, 427 v. Chr. Stratege, große militärische Erfolge im Peloponnesischen Krieg, Anhänger des Nikias, gefallen 418 v. Chr. in der Schlacht bei Mantineia | Nikias] bedeutender athenischer Politiker und Feldherr im Peloponnesischen Krieg, 469-413 v. Chr.
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von der Tapferkeit redet, desselben nirgends deutlich erwähnt.1 Welches auch nicht zu verwundern ist, und keinen Verdacht erregen kann; denn für ihn, der im Allgemeinen die Platonische Ansicht des Guten sowohl als der Tugend bestreitet, wäre es überflüssig gewesen, bei Platons Behandlung der einzelnen populären Tugendbegriffe und seinen Einwendungen dagegen besonders zu verweilen. Ueberdies aber ist alles Aeußere hier so ganz platonisch, ja zum Theil ebenfalls aus dem Zusammenhange mit dem Protagoras zu erklären, daß wohl Keinem von keiner Seite irgend ein Zweifel übrig bleiben kann. Der Reichthum des Beiwerkes, der Wechsel der Redenden, die Anwesenheit stummer Personen ist ganz wie Fortsezung des Protagoras. Und was die Wahl der Personen betrifft, so stimmen Lysimachos der Sohn des Aristeides und Melesias, der Sohn jenes Thukydides, der lange Zeit mit vielem Verstande dem Perikles das Gegengewicht hielt, sehr genau zu der im Protagoras zuerst aufgestellten Bemerkung, daß die größten Staatsmänner dennoch des Bildens zu ihrer Kunst unfähig gewesen. Offenbar sind sie auch zugleich da zur Vertheidigung der Jugend durch eine fast komisch gehaltene Darstellung des zwar gutmeinenden aber unfähigen und geistlosen Alters, und um zu zeigen wie ganz nichtig solche Vorwürfe sind, da das ganz hohe Alter, am meisten wenn es auf nichts anderes stolz zu sein hat, auch Männer von den | reifsten 327 W2 Jahren, wie Lysimachos es hier dem Sokrates macht, herablassend als Jünglinge zu behandeln pflegt. Bei der Wahl der übrigen Personen n i r g e n d s d e u t l i c h e r w ä h n t . Die Stellen Eudem. II. cap. 1. und Nicom. 409 W1 II. cap. 7. beziehen sich höchst wahrscheinlich nur auf den Protagoras. Dagegen | 420 W2 Nicom. III. cap. 9 und 11., auch Magn. Moral. I. cap. 24. könnte man vielleicht einiger besonderen Beziehungen wegen auf den Laches deuten.
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T 3 für ihn, der] da er W1 4 bestreitet, wäre] bestreitet, so wäre W1 | überflüssig] überflüßig W1 5 Tugendbegriffe] Begriffe W1 13 Thukydides, der] Thukydides der W1 S 12 Vgl. App. S zur Hs. (linke Seite). 15 Vgl. App. S zur Hs. (linke Seite). S Anm. 1 Die Stellen sind z. T. falsch zitiert. Gemeint sind folgende Passagen, die vermutlich wie die Aristoteles-Stellen zur Lysis-Einleitung (s. o. S. 424/425) aus der Ausgabe Operum Aristotelis ... nova editio ... von Isaak Casaubonus, Bd. 2, Lyon 1590 zitiert sind: Ethica Eudemia (nicht II 1) III 1, p. 129-131 (= 1228 a-1230 a Bekker); Ethica Nicomachea II 7, p. 13-14 (= 1107 a-b Bekker); III 9, p. 19-20 (= 1115 a-b Bekker); III 11, p. 20-21 (= 1116 a-1117 a Bekker); Magna Moralia (nicht I 24) I 21, p. 93-94 (= I 20, 1190 b-1191 a Bekker).
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Laches Einleitung Erster Entwurf (handschriftlich)
mögen theils im allgemeinen gewählt sein um den Vorwurf abzuwälzen daß sich der Platonische Sokrates nur gegen Knaben und Sophisten brüste indem er es hier mit Edlen der ersten Ordnung zu thun hat und mit ihnen grade von dem redet was sie billig verstehen sollten die Knaben aber zwar da sind aber ganz stumm. Theils auch ist die Behauptung eines Jeden seinem Charakter genau angemessen. Denn dem Nikias der dem Alkibiades wie Plutarchos erzählt entsezet war um seinen raschen Geist zu dämpfen steht es doch an die Rede der Tapferkeit vorzuziehen vermöge welcher sie Abwägung ist und Berathung der Verständigen; dem Laches aber mag vor andern Strategen der historische Umstand zu Statten gekommen sein, daß er der Kriegsgefährte des Sokrates gewesen. Völlig unverständlich aber ist die für das Gespräch an sich betrachtet viel zu große Ausführlichkeit des Nebenwerkes, das Eingehn in die erste Frage über das Waffenkunststük und die Geschichte von dem Sichelspieß des ganz unbekannten Stesilaos, worüber schwerlich irgend ein Aufschluß möchte zu geben sein, und die wol nur ein Uebermaaß ist von dem Scherz der wie im Phaidros gesagt wurde jeder Schrift nothwendig sein muß.
T 1 allgemeinen] allgem SN 158/1 2 Platonische] Plat SN 158/1 | Sokrates] Sokr SN 158/1 7 Alkibiades] Alkib. SN 158/1 | Plutarchos] Plut SN 158/1 11 historische] hist. SN 158/1 S 7 Alkibiades] bedeutender athenischer Politiker und Feldherr, ca. 450-404 v. Chr. Plutarch, Alkibiades 18,1 (200a) 12 Vgl. Platon, Laches 181a-b. 16 Stesilaos] Platon, Laches 183c-184a; vgl. Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 371 f., Notat 111 18 Platon, Phaidros 276d
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scheint eine allgemeine Absicht gewesen zu sein, den Vorwurf abzuwälzen, als ob sich der Platonische Sokrates nur gegen Knaben | und 327 W1 Sophisten zu brüsten verstehe. Darum sind die Knaben zwar hier, aber stumm, und die eigentlichen Unterredner Edle von den ersten ihres Gleichen, mit denen Sokrates von demjenigen redet, was sie billig verstehen sollten, von der Tapferkeit nemlich mit Heerführern. Von welchen Laches vor anderen mag gewählt worden sein zur Verherrlichung des Sokrates als dessen Kriegsgefährte und Augenzeuge seiner Tapferkeit. Dem Nikias aber, von welchem Plutarchos sagt, er sei von Natur der Verwegenheit und den übermüthigen Hofnungen abgeneigt gewesen, und habe nur durch glükliche Erfolge im Kriege die angebohrene Furchtsamkeit bedekt, diesem ziemte es besonders die ungewöhnliche Meinung von der Tapferkeit zu vertheidigen, welche sie mehr zu einer Sache der Einsicht und des Verstandes macht. Nur die zu ausführliche Behandlung der ersten Frage über das Waffenkunststük, und die ganz artige aber doch wenig hergehörige Erzählung von dem Sichelspeere des völlig unbekannten Stesilaos ist nicht recht zu verstehen; und es möchte sich schwerlich eine andere Auskunft darüber geben lassen, als das sie ein üppiges Uebermaaß ist von jenem Scherz, welcher wie im Phaidros gesagt wird, jeder Schrift nothwendig muß beigemischt sein.
T 6 Tapferkeit nemlich] Tapferkeit, nämlich W1 Phädros W1
19 das] daß W1
20 Phaidros]
S 8 Vgl. App. S zur Hs. (linke Seite). 9 Vgl. App. T und App. S zur Hs. (linke Seite). 20 Vgl. App. S zur Hs. (linke Seite).
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Erster Entwurf (handschriftlich)
Laches Ed. Bipontina
ΤΑ ΤΟΥ ΔΙΑΛΟΓΟΥ ΛΑΧΗΤΟΣ ΠΡΟΣΩΠΑ ΛΥΣΙΜΑΧΟΣ, ΜΕΛΗΣΙΑΣ, ΝΙΚΙΑΣ, ΛΑΧΗΣ, Παῖδες ΝΙΚΙΟΥ καὶ ΛΑΧΗΤΟΣ, ΣΩΚΡΑΤΗΣ. Τεθέασθε μὲν τὸν ἄνδρα μαχόμενον ἐν ὅπλοις, ὦ Νικία τε καὶ Λάχης· οὗ δ᾽ ἕνεκα
Laches erster Entwurf
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Laches.
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Lysimachos, Melesias, Nikias, Laches (die Söhne?) Sokrates.
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Den Mann habt ihr nun gesehen in voller Bewafnung fechtend1 o Nikias und Laches; 1
A (SN 158/2) μαχομενον εν οπλοις. Ueber dieses γυμνασιον möchte ich gern die Leser etwas näher unterrichten, wenn ich es nur selbst wäre. Heindorf citirt den Casaub. ad Theophr. Das hilft mir aber nichts.
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu Anm. 1 A am Rand: Wenn nur die Entbehrung des Kasaub. Ihnen geschadet, so stehen seine Worte sämtlich hier: Ὁπλομάχοι sunt, qui sub campidoctore veris armis certare discunt, aut ipsi qui docent. puto enim utrumque hac voce significari. vide Platonem in Lachete. At vulgo juventus non veris armis se exercebat: sed rudibus, aut pilis praepilatis, quae dicuntur Graecis
Text aus: Πλάτων. Platonis philosophi quae exstant graece, ad editionem Henrici Stephani accurate expressa, cum Marsilii Ficini interpretatione accedit varietas lectionis studiis Societatis Bipontinae, Bd. 5, Zweibrücken 1784 [SB 1490], S. 157-208 mit S. 352 f. (Variae lectiones). Varianten u. a. aus: Ed.Berlin 1816 (Platonis Dialogi graece et latine ex recensione Immanuelis Bekkeri, Bd. 1.1, Berlin 1816); Comm. 1 1823 (Immanuelis Bekkeri in Platonem a se editum commentaria critica. Accedunt scholia, Bd. 1, Berlin 1823).
Text und Anmerkungen Entwurf aus: BBAW, SN 158/1 (mit Datum auf f. 1r: angef. d. 28t. Novemb 3.); Anmerkungen einer Abschrift aus: BBAW, SN 158/2 (Üs.: Zum Laches); Noten Spaldings aus: BBAW, SN 158/3 (Üs.: Zum Laches.) und BBAW, SN 158/2 zu den Anmerkungen der Abschrift; Varianten der verlorenen Abschrift des Textes (Übers.A) aus: Anm. A (SN 158/2) und Spld. (SN 158/3). S 4 Lysimachos…Laches] Zu den Personen vgl. Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 372, Notat 113; S. 373, Notat 116. 6 Den Mann] Vgl. Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 371, Notat 110. S Anm. 1 A mit Spld. Isaac Casaubon: Ad Theophrasti Characteres ethicos Liber commentarius, Lyon 1592, S. 95 f. in: Theophrasti Characteres ethici sive descriptiones morum Graece. Isaacus Casaubonus recensuit, in Latinum sermonem vertit et libro commentario illustrauit. ... Lyon 1592.
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LYSIMACHOS. MELESIAS. NIKIAS. LACHES. DIE SÖHNE DES LYSIMACHOS UND MELESIAS. SOKRATES.
LYSIMACHOS. MELESIAS. NIKIAS. LACHES. DIE SÖHNE DES LYSIMACHOS UND MELESIAS. SOKRATES.
LYSIM. Gesehen habt ihr nun, o Nikias und Laches, den Mann in voller Bewaffnung fechten; weshalb
LYSIM. Gesehen habt ihr nun, o Nikias und Laches, den Mann in ganzer Rüstung fechten; weshalb aber
Text nach: W1 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 11804, S. 328-368 und S. 409-412).
Text nach: W2 (Platons Werke, von F. Schleiermacher, Ersten Theiles erster Band, Berlin 21817, S. 328-368 und S. 420-422).
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ὑμᾶς ἐκελεύσαμεν συντεθεᾶσθαι ἐγώ τε καὶ Μελησίας ὅδε, τότε μὲν οὐκ εἴπομεν, νῦν δ᾽ ἐροῦμεν. ἡγούμεθα γὰρ χρῆναι πρός γε ὑμᾶς παρρησιάζεσθαι. εἰσὶ γάρ τινες οἳ τῶν τοιούτων καταγελῶσι· καὶ ἐάν τις αὐτοῖς συμβουλεύσηται, οὐκ ἂν εἴποιεν ἃ νοοῦσιν· ἀλλὰ στοχαζόμενοι τοῦ συμβουλευομένου, ἄλλα λέγουσι παρὰ τὴν ἑαυτῶν δόξαν. ὑμᾶς δὲ ἡμεῖς ἡγησάμενοι καὶ ἱκανοὺς γνῶναι, καὶ γνόντας, ἁπλῶς ἂν εἰπεῖν ἃ δοκεῖ ὑμῖν, οὕτω παρελάβομεν ἐπὶ τὴν συμβουλὴν περὶ ὧν ἐμέλλομεν ἀνακοινοῦσθαι. ἔστιν οὖν τοῦτο περὶ οὗ πάλαι τοσαῦτα προοιμιάζομαι, τόδε· ἡμῖν εἰσὶν υἱεῖς
Erster Entwurf (handschriftlich)
weshalb aber wir ich und Melesias Euch ersuchten mit uns ihm zuzuschauen. Dies sagten wir Euch gleich damals nicht, wollen es Euch aber jezt sagen. Denn wir glauben mit Euch freimüthig reden zu können. Manche freilich verspotten nur dergleichen, und wenn jemand sie zu Rathe zieht so sagen sie nicht was sie denken sondern den Fragenden errathend2 sagen sie etwas anderes gegen ihre Meinung; von Euch aber halten wir daß ihr nicht nur tüchtig seid zur Beurtheilung sondern auch aufrichtig sagen werdet was ihr denkt und deshalb haben wir Euch mit zu unserer Berathung genommen über das was wir Euch eröffnen wollen. Das nun worüber ich so vieles im Voraus rede ist dieses. Wir haben hier diese unsere Söhne; der 2 A (SN 158/2) στοχαζομενοι του συμβουλευομενου. Ich hoffe Ficin hat dieses ganz falsch und unzuläßig für das Neutrum genommen.
Noten Spaldings (SN 158/2+3) (Forts.) ἐσφαιρωμένα ἀκόντια. Xenophon libro secundo Ἀναβάσεως, de Phalino quodam ita scribens, προσεποιεῖτο ἐπιστήμων εἶναι τῶν περὶ τὰς τάξεις καὶ ὁπλομαχίαν, videtur innuere hoplomachos ea aetate fuisse appellatos, etiam eos qui tactici Graecis proprie dicuntur. Vide Vegetium. zu Anm. 2 A am Zeilenende: Ich auch. T 1 wir ich und Melesias] über der Zeile mit Einfügungszeichen; zunächst weshalb aber wir Euch, dann anscheinend korr. in weshalb wir aber ich und Meles. Euch, zuletzt weshalb aber wir ich und Meles. Euch 6 dergleichen] über solche Menschen 8f den Fragenden errathend] korr. aus bemüht den Fragenden zu errathen 13 haben] über ziehen | mit] über der Zeile ohne Einfügungszeichen 14 genommen] nachträglich am Zeilenende eingefügt 15 eröffnen] über mittheilen 17 Wir haben hier diese] über Die hier sind S Anm. 2 A Ficinus in Ed.Zweibrücken: illud quo de consultatur, simul et consultantis mentem tenere se putantes
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aber wir, ich und Melesias, euch ersucht haben mit uns ihm zuzusehen, dies sagten wir euch gleich damals nicht, wollen es euch aber jezt sagen. Denn mit euch glauben wir freimüthig reden zu dürfen. Manche freilich verlachen nur dergleichen; und wenn Jemand sie zu Rathe zieht, so sagen sie nicht was sie denken, sondern den Fragenden errathend reden sie etwas anderes gegen ihre Meinung. Euch aber glauben wir nicht nur tüchtig zu der Sache Beurtheilung, sondern auch, daß nachdem ihr sie beurtheilt, ihr aufrichtig sagen werdet, was ihr denkt, und so haben wir euch mit zu unserer Berathung genommen, über das was wir euch eröfnen wollen. Worüber ich aber schon so lange so vieles vorrede, das ist folgendes. Diese hier sind unsere Söhne, der da ist
wir, ich und Melesias, euch genöthiget haben mit uns ihm zuzusehen, dies sagten wir gleich damals nicht, wollen es aber jezt sagen. Denn wir glauben zu euch ja freimüthig reden zu dürfen. Denn es giebt freilich welche, die einen hiermit nur auslachen; und wenn Jemand sie zu Rathe zieht, so sagen sie nicht was sie denken, sondern den Fragenden errathend reden sie etwas anderes gegen ihre Meinung. Euch aber hielten wir nicht nur tüchtig zu der Sache Beurtheilung, sondern auch, daß nachdem ihr sie beurtheilt, ihr aufrichtig sagen werdet, was ihr denkt, und so haben wir euch mit zu unserer Berathung genommen, über das was wir euch eröfnen wollen. Worüber ich aber schon so lange so vieles vorrede, das ist folgendes. Diese hier sind unsere Söhne, der da ist
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οὑτοιΐ· ὅδε μὲν τοῦδε, πάππου ἔχων ὄνομα, Θουκυδίδης· ἐμὸς δὲ αὖ ὅδε παππὼ ὄντε· καὶ οὗτος ὄνομ᾽ ἔχειν τοὐμοῦ πατρός. Ἀριστείδην γὰρ αὐτὸν καλοῦμεν. ἡμῖν οὖν τούτων δέδοκται ἐπιμεληθῆναι ὡς οἷόν τε μάλιστα, καὶ μὴ ποιῆσαι ὅπερ οἱ πολλοί, ἐπειδὴ μειράκια γέγονεν, ἀνεῖναι αὐτοὺς ὅ, τι βούλονται ποιεῖν· ἀλλὰ νῦν δὴ καὶ ἄρχεσθαι αὐτῶν ἐπιμελεῖσθαι καθόσον οἷοί
da ist dessen nach seinem Großvater Thukydides genannt, der meinige aber hier führt ebenfalls den großväterlichen Namen3 des Vaters denn er heißt Aristides. Für diese nun haben wir beschlossen soviel als möglich zu sorgen und nicht wie es die meisten machen nun sie halb erwachsen sind sie gehn und thun zu lassen was sie wollen, sondern vielmehr nun erst recht anzufangen die möglichste Sorgfalt auf sie zu wenden. 3
E (SN 158/1) παπωον τε — ἐχει. Falsche Correctur von Cornarius. | A (SN 158/2) π α π π ὼ ὄ ν τ ε . Ganz unstreitig ist παππῳον τε. Ob aber das εχειν in εχων muß verwandelt werden, oder ob εχει auch tolerabel ist laße ich dahin gestellt sein. In der Uebersezung habe ich das leztere vorgezogen, froh ein Partizipium zu umgehen.
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu Anm. 3 A am Zeilenende: Vortreflich. Ich bin für das ἔχει wegen des τε και. T 1f Thukydides] am Rand Thukydides Melesiae filius Alopecensis affinis Cimonis Plut. in Pericl. 158b. 2 der meinige aber hier] korr. aus meiner aber ist dieser 5 haben] über sd (Abk. für sind) | beschlossen] über gesonnen 6 machen] danach i.. 7 sie gehn und] über frei zu geben daß sie 8 zu lassen] über der Zeile mit Einfügungszeichen | sondern] sn 9f die möglichste Sorgfalt auf sie zu wenden] über soweit wir nur können Sorge für sie zu tragen T Anm. 3 E 11 ἐχει] korr. aus ἐχ ων | A 15f Uebersezung] Uebers.
3f παππὼ ὄντε] παππῷόν τε konj. Schleiermacher (Anm. 3 A) W1 Anm. 1 Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 71 [251,15], übersetzt SN 158/1 W1 W2 4 ἔχειν] ἔχει (oder ἔχων) konj. Schleiermacher (Anm. 3 A) W1 Anm. 1 Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 71 [251,15], übersetzt SN 158/1 W1 W2; vgl. Spld. (SN 158/2)
S Anm. 3 E Platonis [...] Latina lingua conscripta. Eiusdem Iani Cornarii Eclogae decem, breviter et sententiarum, et genuinae verborum lectionis, locos selectos complectentes. [...], Basel 1561, Ecloga Quinta, S. 410: [...] meus autem ille, et ipse patris mei nomen habens. [...]: in Graecis legendum. [...] ἐμὸς δὲ αὖ ὅδε, καὶ αὐτὸς ὄνομ᾽ ἔχων τοὐμοῦ πατρός. [...] Quod autem Lysimachus patrem habuerit Aristiden, et filium eiusdem nominis. Melesias autem patrem Thucydiden, et filium itidem Thucydiden appellatum [...] Quare lectio vulgata corrupta emendanda est velut proposuimus. [...]
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dessen, nach seinem Großvater Thukydi|des genannt; der meinige aber hier führt ebenfalls den großväterlichen Namen1 meines Vaters, denn der heißt Aristeides. Für diese nun haben wir beschlossen so gut als möglich zu sorgen, und nicht, wie die Meisten es machen, nun sie halb erwachsen sind, sie gehn und thun zu lassen was sie wollen, sondern vielmehr nun erst recht anzufangen die möglichste Sorgfalt auf sie zu
dessen, nach seinem Großvater Thukydi|des genannt; der meinige aber hier führt ebenfalls den großväterlichen Namen meines Vaters, denn er heißt Aristeides. Für diese nun haben wir beschlossen so gut als möglich zu sorgen, und nicht, wie die Meisten es machen, nun sie halb erwachsen sind, sie gehn und thun zu lassen was sie wollen, sondern vielmehr nun erst recht anzufangen die möglichste Sorgfalt auf sie zu
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den großväterlichen Namen. Daß das unstatthafte παππὼ ὄντε des Textes in παππῷόν τε muß verwandelt werden, ist wohl unstreitig, wegen des ἔχειν aber könnte man schwanken zwischen ἔχει und ἔχων.
S Anm. 1 Vgl. Spalte 1 App. und Spalte 2.
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τ᾽ ἐσμέν. εἰδότες οὖν καὶ ὑμῖν υἱεῖς ὄντας ἡγησάμεθα μεμεληκέναι περὶ αὐτῶν, εἴ πέρ τισιν ἄλλοις, πῶς ἂν θεραπευθέντες γένοιντο ἄριστοι. εἰ δ᾽ ἄρα πολλάκις μὴ προσεσχήκατε τὸν νοῦν τῷ τοιούτῳ, ὑπομνήσοντες ὅτι οὐ χρὴ αὐτοῦ ἀμελεῖν, καὶ παρακαλοῦντες ὑμᾶς ἐπὶ τὸ ἐπιμέλειαν τινὰ ποιήσασθαι τῶν υἱέων κοινῇ μεθ᾽ ἡμῶν. ὅθεν δὲ ἡμῖν ταῦτ᾽ ἔδοξεν, ὦ Νικία τε καὶ Λάχης, χρὴ ἀκοῦσαι, κᾂν ᾖ ὀλίγῳ μακρότερα. συσσιτοῦμεν γὰρ δὴ ἐγώ τε καὶ Μελησίας ὅδε, καὶ ἡμῖν τὰ μειράκια παρασιτεῖ. ὅπερ οὖν καὶ ἀρχόμενος εἶπον τοῦ λόγου, παρρησιασόμεθα πρὸς ὑμᾶς. ἡμῶν γὰρ ἑκάτερος περὶ τοῦ ἑαυτοῦ πατρὸς πολλὰ καὶ καλὰ ἔργα ἔχει λέγειν πρὸς τοὺς νεανίσκους, καὶ ὅσα ἐν πολέμῳ εἰργάσαντο, καὶ ὅσα ἐν εἰρήνῃ, διοικοῦντες τά τε τῶν συμμάχων καὶ τὰ τῆς πόλεως· ἡμέτερα δ᾽ αὐτῶν ἔργα οὐδέτερος ἔχει λέγειν. ταῦτα δὴ ὑπαισχυνόμεθά τε τούσδε, καὶ αἰτιώμεθα τοὺς πατέρας ἡμῶν,
Erster Entwurf (handschriftlich)
Da wir nun wissen daß auch Ihr Söhne habt so glauben wir wenn irgend jemand werdet Ihr darauf gesonnen haben auf welche Art behandelt sie am besten gedeihen könnten. Solltet Ihr aber vielleicht nicht sehr darauf gemerkt haben so wollen wir Euch ermahnen dies nicht zu vernachläßigen und Euch auffordern gemeinschaftlich mit uns Sorge zu tragen für die Söhne. Weshalb wir nun dieses beschlossen o Laches und Nikias müßt ihr hören, sollte es auch etwas ausführlicher sein. Nemlich wir essen zusammen, ich und Melesias und unsere Knaben mit uns. Was ich nun gleich anfänglich gesagt, wir wollen freimüthig zu Euch reden. Jeder von uns nemlich hat von seinem Vater viele und schöne Thaten den Jünglingen zu erzählen sowol was sie im Kriege gethan haben als was im Frieden, der Bundesgenossen so wie der Stadt Angelegenheiten verwaltend; eigene Thaten | aber von sich selbst hat keiner von uns zu erzählen. Deswegen also schämen wir uns theils vor diesen, theils klagen wir unsere Väter an, daß sie uns nachdem wir etwas herangewachsen
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 6–8 Übers.A (verl.) in SN 158/3: Die beiden Partizipe ὑπομνήσοντες und παρακαλοῦντες stehen für mich unkonstruirt da. Soll man sie, nach so langer Unterbrechung von v e r b i s f i n i t i s , etwa gar auf das uranfängliche ἐκελεύσαμεν beziehen? T 1 Da wir nun wissen] umgestellt aus Da nun wir wir wissen | daß] über der Zeile mit Einfügungszeichen 2 irgend] irgd 3 gesonnen haben] über bedacht gewesen sein 5 vielleicht] über eb für eben (?) 7 vernachläßigen] danach sondern 7f und Euch auffordern] über der Zeile mit Einfügungszeichen 8f Sorge zu tragen für] über Sorgfalt zu wenden auf 10 dieses beschlossen] über so gesonnen sind 13 ich und Melesias und] nach Knaben in Klammern ohne Umstellungszeichen, zuvor Knaben und ich ... 16 seinem] danach eignen 25 uns] über der Zeile ohne Einfügungszeichen
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wenden. Da wir nun wissen, daß auch ihr Söhne habt: so glauben wir, wenn irgend Jemand, werdet gewiß ihr darauf gesonnen haben, auf welche Art behandelt sie am besten gedeihen werden. Solltet ihr aber etwa nicht sehr auf diese Sache gedacht haben: so wollen wir euch ermahnen, sie nicht zu vernachläßigen, und euch auffordern gemeinschaftlich mit uns Sorge zu tragen für die Söhne. Weshalb wir nun dieses beschlossen, o Laches und Nikias, müßt ihr hören, wenn es auch etwas ausführlicher sein sollte. Wir nämlich speisen zusammen, ich und Melesias, und unsere Knaben mit uns. Wie ich nun gleich Anfangs gesagt, wir wollen freimüthig zu euch reden. Jeder von uns nämlich hat von seinem Vater zwar viele schöne Thaten zu erzählen, theils welche sie im Kriege gethan haben, theils welche im Frieden, sowohl der Bundesgenossen Angelegenheiten verwaltend als auch der Stadt; eigne Thaten aber von sich selbst hat keiner von uns den Jünglingen zu erzählen. Deswegen also schämen wir uns vor diesen, und klagen auch unsere Väter an, daß sie uns nachdem wir her-
wenden. Da wir nun wissen, daß auch ihr Söhne habt: so glauben wir, wenn irgend Jemand, werdet gewiß ihr darauf gesonnen haben, auf welche Art behandelt sie am besten gedeihen werden. Solltet ihr aber etwa nicht sehr auf diese Sache gedacht haben: so wollen wir euch ermahnen, sie nicht zu vernachläßigen, und euch auffordern gemeinschaftlich mit uns Sorge zu tragen für die Söhne. Weshalb wir nun dieses beschlossen, o Laches und Nikias, müßt ihr hören, wenn es auch etwas ausführlicher sein sollte. Wir nämlich speisen zusammen, ich und Melesias, und unsere Knaben mit uns. Wie ich nun gleich Anfangs gesagt, wir wollen freimüthig zu euch reden. Jeder von uns nämlich hat von seinem Vater zwar viele schöne Thaten zu erzählen, theils welche sie im Kriege gethan haben, theils welche im Frieden, sowohl der Bundesgenossen Angelegenheiten verwaltend als auch der Stadt; eigne Thaten aber von sich selbst hat keiner von uns den Jünglingen zu erzählen. Deswegen also schämen wir uns vor diesen, und klagen auch unsere Väter an, daß sie uns nachdem wir her-
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ὅτι ἡμᾶς μὲν εἴων τρυφᾷν, ἐπειδὴ μειράκια ἐγενόμεθα, τὰ δὲ τῶν ἄλλων πράγματα ἔπραττον. καὶ τοῖσδε τοῖς νεανίσκοις αὐτὰ ταῦτα ἐκδεικνύμεθα, λέγοντες ὅτι εἰ μὲν ἀμελήσουσιν ἑαυτῶν, καὶ μὴ πείσονται ἡμῖν, ἀκλεεῖς γενήσονται· εἰ δ᾽ ἐπιμελήσονται, τάχ᾽ ἂν τῶν ὀνομάτων ἄξιοι γένοιντο ἃ ἔχουσι. οὗτοι μὲν οὖν φασὶ πείσεσθαι. ἡμεῖς δὲ τοῦτο σκοποῦμεν τί ἂν οὗτοι μαθόντες, ἢ ἐπιτηδεύσαντες, ὅτι ἄριστοι γένοιντο. εἰσηγήσατο οὖν τὶς ἡμῖν καὶ τοῦτο τὸ μάθημα, ὅτι καλὸν εἴη τῷ νέῳ μαθεῖν ἐν ὅπλοις μάχεσθαι· καὶ ἐπῄνει τοῦτον ὃν νῦν ὑμεῖς ἐθεάσασθε ἐπιδεικνύμενον· κᾆτ᾽ ἐκέλευε θεάσασθαι. ἔδοξε δὴ χρῆναι
Erster Entwurf (handschriftlich)
unserm eignen Belieben überließen4 und selbst nur fremde Angelegenheiten verwalteten. Diesen Jünglingen aber halten wir das Beispiel vor und sagen ihnen daß wenn sie sich vernachläßigen und uns nicht gehorchen sie auch unberühmt bleiben werden, würden sie aber Fleiß darauf anwenden: so könnten sie vielleicht der Namen werth werden welche sie führen. Sie nun sagen daß sie folgen wollen wir aber denken darauf was diese wol lernen und üben müssen um recht tüchtige Männer zu werden. Da hat uns nun einer auch auf diese Kunst5 gewiesen daß es für einen Jüngling wol anständig wäre fechten zu lernen in der vollen Bewafnung und uns diesen gelobt welchen ihr zuerst gesehen habt seine Kunst zeigen. Er rieth uns also diesem zuzuschauen wir 4 A (SN 158/2) η μ α ς μ ε ν ε ι ω ν τ ρ υ φ ᾳ ν habe ich etwas frei übersezt. Ich zweifle aber daß Aristeides Sohn hat sehr loker oder vornehm leben können. Dem Sinn nach vergleiche ich es mit Protag. 320a αλλ αυτοι περιιοντες νεμονται ωσπερ αφετοι. 5 A (SN 158/2) και τουτο το μαθημα. Habe ich hier durchweg K u n s t übersezt, in dem Sinn, was durch einen methodischen Unterricht kann erlernt werden, die Hauptstelle für die Uebersezung ist P. 182.e. ει δ᾽ εστι μεν μη μαθημα p.
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu Anm. 4 A am Zeilenende: Assentior. T 1 unserm eignen Belieben überließen] über uns ⌈vornehm⌋ ließen 7f Fleiß darauf anwenden: so] über für sich ⌈befleißigt,⌋ 10 wollen] über w erden 11 üben] über worauf sie sich leg 12 tüchtige Männer] über treflich 14 Jüngling] Jüngl 16f welchen ihr zuerst gesehen habt seine Kunst zeigen] über dessen Zuschauer ihr jezt gewesen seid bei Ausstellung seiner Fertigkeit S Anm. 4 A Aristeides und sein Sohn (der hier sprechende Lysimachos), aus Athen, 5. Jh. v. Chr., aus einer offenbar nicht besonders begüterten, aber vornehmen Familie
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angewachsen nach Gutdünken leben ließen, selbst aber nur fremde Angelegenheiten verwalteten. Diesen Jünglingen aber halten wir das Beispiel vor, und sagen ihnen, daß wenn sie sich vernachläßigen und uns nicht gehorchen, sie auch | werden unberühmt bleiben, würden sie aber Fleiß anwenden, so könnten sie vielleicht der Namen sich werth machen, welche sie führen. Sie nun versprachen zu gehorchen, und wir denken darauf, was diese wohl lernen und üben müssen, um recht tüchtige Männer zu werden. Da hat uns also einer auch auf diese Kunst gewiesen, daß es wohl einem Jünglinge anständig wäre fechten zu lernen in voller Bewafnung, und hat uns dazu diesen gerühmt, welchen ihr eben gesehen habt, sich in seiner Kunst zeigen und uns geheißen, ihm zuzuschauen. Wir aber glaubten,
angewachsen nach Gutdünken leben ließen, selbst aber nur fremde Angelegenheiten verwalteten. Diesen Jünglingen aber halten wir das Beispiel vor, und sagen ihnen, daß wenn sie sich vernachlässigen und uns nicht gehorchen, sie auch | werden unberühmt bleiben, würden sie aber Fleiß anwenden, so könnten sie vielleicht der Namen sich werth machen, welche sie führen. Sie nun versprechen zu gehorchen, und wir denken darauf, was diese wohl lernen und üben müssen, um recht tüchtige Männer zu werden. Da hat uns also einer auch auf diese Kunst gewiesen, daß sie es wohl einem Jünglinge anständig wäre in ganzer Rüstung fechten, und hat uns dazu diesen gerühmt, welchen ihr eben gesehen habt sich in seiner Kunst zeigen, und uns geheißen ihm zuzuschauen. Wir aber glaubten, wir
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αὐτούς τε ἐλθεῖν ἐπὶ θέαν τἀνδρός, καὶ ὑμᾶς συμπαραλαβεῖν, ἅμα μὲν συνθεατάς, ἅμα δὲ συμβούλους τε καὶ κοινωνούς, ἐὰν βούλησθε, περὶ τῆς τῶν υἱέων ἐπιμελείας. ταῦτ᾽ ἐστὶν ἃ ἐβουλόμεθα ὑμῖν ἀνακοινώσασθαι. ἤδη οὖν ὑμέτερον μέρος, συμβουλεύειν καὶ περὶ τούτου τοῦ μαθήματος, εἴτε δοκεῖ χρῆναι μανθάνειν, εἴτε μή. καὶ περὶ τῶν ἄλλων, εἴτι ἔχετε ἐπαινέσαι μάθημα νέῳ ἀνδρί, ἢ ἐπιτήδευμα, καὶ περὶ τῆς κοινωνίας λέγειν ὁποῖόν τι ποιήσετε. ΝΙ. Ἐγὼ μέν, ὦ Λυσίμαχε, καὶ Μελησία, ἐπαινῶ τε ὑμῶν τὴν διάνοιαν, καὶ κοινωνεῖν ἕτοιμος· οἶμαι δὲ καὶ Λάχητα τόνδε.
aber meinten wir müßten sowol selbst kommen ihn zu sehn als auch Euch mitnehmen zu Mitzuschauern zuerst dann aber auch zu Mitberathern und Theilnehmern wenn Ihr wolltet an dieser Sorge für unsere Söhne. Dieses nun ist es was wir Euch wollten anvertrauen. Jezt also ist eure Sache Rath zu ertheilen sowol dieser Kunst wegen ihr mögt nun meinen daß sie erlernt werden müsse oder nicht als auch übrigens wenn Ihr uns eine Kunst anzuloben habt für einen jungen Mann oder eine Wissenschaft, auch wegen eurer Theilnahme zu sagen was ihr zu thun gedenkt.
ΛΑ. Ἀληθῆ γὰρ οἴει, ὦ Νικία. ὡς ὅ γε ἔλεγεν ὁ Λυσίμαχος ἄρτι περὶ τοῦ πατρὸς αὑτοῦ τε καὶ τοῦ Μελησίου, πάνυ μοι δοκεῖ εὖ εἰρῆσθαι καὶ εἰς ἐκείνους, καὶ εἰς ἡμᾶς, καὶ εἰς ἅπαντας ὅσοι τὰ τῶν πόλεων πράττουσιν· ὅτι αὐτοῖς σχεδόν τι ταυτὰ συμβαίνει ἃ οὗτος λέγει καὶ περὶ παῖδας καὶ
L a c h . Und ganz richtig glaubst du o Nikias. Denn was Lysimachos eben gesagt hat von seinem eigenen und des Melesias Vater scheint mir sehr richtig gesprochen zu sein über jene sowol als auch uns und alle, welche die öffentlichen Geschäfte verwalten weil allen begegnet fast dasselbe was dieser sagt in Beziehung auf die Kinder und
26 αὑτοῦ] τοῦ αὑτοῦ Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 72 [254,4] 32 ταυτὰ] ταῦτα Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 72 [254,7], übersetzt W2
N i k . Ich meines Theils o Lysimachos und Melesias lobe eure Gesinnung und bin bereit mit Euch Gemeinschaft zu machen; ich glaube aber auch dasselbe von Laches.
T 1 sowol] über nicht nur 2 als auch] über sondern auch 5 dieser] korr. aus unserer 8 Kunst] über Sache 16 eure Gesinnung] zuvor anscheinend nicht nur eure 17 mit] über mich | Gemeinschaft zu machen] über mitzutheilen 24 Geschäfte] über Angelegenheiten 25 weil allen begegnet] zunächst denn ihnen allen begegnet, dann darüber weil uns selbst fast ⌈ihnen so⌋ , dann daraus z. T. durch Punkte zur Tilgung der Streichung weil allen fast begegnet | fast] nachträglich am ZA hinzugefügt 26 in Beziehung auf die] über mit ihren
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wir müßten nicht nur selbst kommen ihn zu sehen, sondern auch euch mitnehmen als Mitzuschauer zunächst, dann aber auch als Mitberather und Theilnehmer, wenn ihr wollt, an der Sorge für die Söhne. Dieses ist, was wir euch anvertrauen wollten. Jezt also ist eure Sache Rath zu ertheilen, sowohl wegen dieser Kunst, ihr mögt nun meinen daß sie erlernt werden müsse oder nicht, als auch übrigens wenn ihr uns für einen jungen Mann eine Kunst anzurühmen habt oder eine Wissenschaft, so auch wegen eurer Gemeinschaft mit uns, zu sagen was ihr thun wollt. NIK. Ich meines Theils, o Lysimachos und Melesias, lobe nicht nur eure Gesinnung, sondern bin auch bereit mit euch Gemeinschaft zu machen; ich glaube aber dasselbe auch von Laches. LACHES. Und ganz richtig glaubst du, o Nikias. Denn was Lysimachos eben sagte von seinem und des Melesias Vater, das scheint mir sehr richtig bemerkt zu sein, nicht nur über jene, sondern auch über uns, und Alle, welche die öffentlichen Geschäfte verwalten, indem Allen fast dasselbe begegnet, was er sagt, sowohl | was ihre Kinder betrifft als
müßten nicht nur selbst kommen ihn zu sehen, sondern auch euch mitnehmen als Mitzuschauer zunächst, dann aber auch als Mitberather und Theilnehmer, wenn ihr wollt, an der Sorge für die Söhne. Dieses ist, weshalb wir uns mit euch zusammenthun wollten. Jezt also ist eure Sache Rath zu ertheilen, sowohl wegen dieser Kunst, ihr mögt nun meinen daß sie erlernt werden müsse oder nicht, als auch übrigens wenn ihr uns für einen jungen Mann eine Kunst anzurühmen habt oder eine Wissenschaft, so auch wegen eurer Gemeinschaft mit uns, zu sagen was ihr thun wollt. NIK. Ich meines Theils, o Lysimachos und Melesias, lobe nicht nur eure Gesinnung, sondern bin auch bereit mit euch gemeine Sache zu machen; ich glaube aber dasselbe auch von Laches. LACHES. Und ganz richtig glaubst du, o Nikias. Denn was Lysimachos eben sagte von seinem und des Melesias Vater, das scheint mir sehr richtig bemerkt zu sein, nicht nur über jene, sondern auch über uns, und Alle, welche die öffentlichen Geschäfte verwalten, indem Allen fast dieses begegnet, was er sagt, sowohl | was ihre Kinder betrifft als
S 32 dieses] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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περὶ τἄλλα ἴδια, ὀλιγωρεῖσθαί τε καὶ ἀμελῶς διατίθεσθαι. ταῦτα μὲν οὖν καλῶς λέγεις, ὦ Λυσίμαχε. ὅτι δ᾽ ἡμᾶς μὲν συμβούλους παρακαλεῖς ἐπὶ τὴν τῶν νεανίσκων παιδείαν, Σωκράτη δὲ τόνδε οὐ παρακαλεῖς, θαυμάζω· πρῶτον μέν, ὄντα δημότην· ἔπειτα, ἐνταῦθα ἀεὶ τὰς διατριβὰς ποιούμενον, ὅπου τὶ ἐστὶ τῶν τοιούτων ὧν σὺ ζητεῖς περὶ τοὺς νέους ἢ μάθημα ἢ ἐπιτήδευμα καλόν. ΛΥ. Πῶς λέγεις, ὦ Λάχης; Σωκράτης γὰρ ὅδε τινὸς τῶν τοιούτων ἐπιμέλειαν πεποίηται;
alle eignen Angelegenheiten daß sie nemlich gering geachtet und nachläßig besorgt werden. Dieses also war sehr richtig gesprochen o Lysimachos daß du aber uns zu Mitberathern berufst wegen der Erziehung dieser Jünglinge den Sokrates hier aber nicht berufest darüber wundere ich mich da er zuerst zu deinem Demos6 gehört dann aber auch sich immer da aufhält wo es etwas von dem giebt was du suchst irgend eine den Jünglingen anständige Wissenschaft oder Kunst.
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L y s i m . Wie sagst du o Laches? Läßt sich Sokrates dergleichen irgend angelegen sein? 6
A (SN 158/2) ο ν τ α δ η μ ο τ η ν . Soll man nicht wagen δημος mit Zunft zu übersezen? Es giebt viele Gegenden (auch im eigentlich deutschen) wo Zunft gar nicht das Gewerbe bezeichnet, sondern auch eine rein politische Abtheilung.
T 1 alle eignen Angelegenheiten] über allem dem ihrigen 1–3 daß sie nemlich gering geachtet und nachläßig besorgt werden] korr. aus daß sie es nemlich gering achten und es nachläßig besorg en 7 da er] über der Zeile mit Einfügungszeichen 8 zu deinem] davor weil er 8f dann aber auch] über besonders aber auch weil er 13 Läßt] über Hat 14 dergleichen] über der Zeile ohne Einfügungszeichen | angelegen sein?] davor zunächst um diese Dinge bekümmert? , dann z. T. über der Zeile korr. in mit diesen Dingen beschäftiget? S Anm. 6 A Vgl. W1 Anm. 2 und W2 Anm. 1 mit App. S.
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alle andere eignen Angelegenheiten, daß diese nämlich hintangesezt und nachläßig betrieben werden. Dieses also war sehr gut gesagt, o Lysimachos; daß du aber uns zu Mitberathern wegen der Erziehung dieser Jünglinge berufest, den Sokrates hier aber nicht berufest, darüber wundere ich mich, da er zuförderst zu deiner Zunft gehört2, und dann auch sich immer da aufhält, wo etwas von dem zu finden ist was du suchst, irgend eine den Jünglingen anständige Wissenschaft oder Kunst. LYSIM. Wie sagst du, o Laches? Läßt Sokrates sich dergleichen irgend angelegen sein?
alle andere eignen Angelegenheiten, daß diese nämlich hintangesezt und nachlässig betrieben werden. Dieses also war sehr gut gesagt, o Lysimachos; daß du aber uns zu Mitberathern wegen der Erziehung dieser Jünglinge berufest, den Sokrates hier aber nicht berufest, darüber wundere ich mich, da er zuförderst dein Zunftgenosse1 ist, demnächst aber sich immer da aufhält, wo etwas von dem zu finden ist was du suchst für die Jünglinge, irgend eine anständige Wissenschaft oder Kunst. LYSIM. Wie sagst du, o Laches? Läßt Sokrates sich dergleichen irgend angelegen sein?
2 z u d e i n e r Z u n f t g e h ö r t . Aristeides sowohl als auch Thukydides der Sohn des Melesias waren aus der Alopekischen Zunft. Von dem lezteren s. Plutarch. Pericl. 158. B. In der Uebertragung von Δῆμος durch Zunft habe ich Voß in seiner übersezten Vertheidigung des Sokrates zum Vorgänger, bei welchem jedoch, was nicht zu loben, das deutsche Wort bald dem Δῆμος, bald der φυλὴ entspricht.
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S Anm. 2 Vgl. zu Thukydides: Plutarch: Perikles 11,1 (158a-b) (s. o. Spalte 2 App. T zu S. 890, 1 f.); zu Aristeides: Plutarch: Aristeides 1,1 (318c). – Zu Demos/Zunft: Johann Heinrich Voß: Platons Vertheidigung Sokrates, mit kritischen Anmerkungen, in: Deutsches Museum Bd. 2, Julius bis Dezember 1776, Leipzig 1776, 10. Stück. Oktober 1776, S. 859-889, und 11. Stück. November 1776, S. 1009-1025, z. B. S. 884: „Nun traf sichs eben, daß unsre Zunft, die Antiochische, [...]“ (Übers. von Platon, Apologie 32b: καὶ ἔτυχεν ἡμῶν ἡ φυλὴ Ἀντιοχὶς [...]); S. 886: „Zuerst steht Kriton hier, der mit mir gleiches Alters und gleicher Zunft ist, [...].“ (Übers. von Platon, Apologie 33e: πρῶτον μὲν Κρίτων οὑτοσί, ἐμὸς ἡλικιώτης καὶ δημότης, [...]).
d e i n Z u n f t g e n o s s e . Aristeides sowohl als auch Thukydides der Sohn des Melesias waren aus der Alopekischen Zunft. Von dem lezteren s. Plutarch. Pericl. 158. B. In der Uebertragung von δῆμος durch Zunft habe ich Voß in seiner übersezten Vertheidigung des Sokrates zum Vorgänger, bei welchem jedoch, was nicht zu loben, das deutsche Wort bald dem δῆμος, bald der φυλὴ entspricht.
S Anm. 1 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 2.
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ΛΑ. Πάνυ μὲν οὖν, ὦ Λυσίμαχε. ΝΙ. Τοῦτο μέντοι κᾂν ἐγὼ ἔχοιμι εἰπεῖν οὐ χεῖρον Λάχητος. καὶ γὰρ αὐτῷ μοι ἔναγχος ἄνδρα προὐξένησε τῷ υἱεῖ διδάσκαλον μουσικῆς, Ἀγαθοκλέους μαθητὴν Δάμωνα, ἀνδρῶν χαριέστατον οὐ μόνον τὴν
L a c h . Gar sehr allerdings o Lysimachos. N i k . Dieses kann auch ich bezeugen nicht minder als Laches. Denn | er hat mir selbst nur neulich einen Mann zugeführt als Lehrer für meinen Sohn in der Musik, den Agathokles einen Schüler des Damon den angenehmsten Mann7 und nicht nur was die 7
E (SN 158/1) ανδρων χαριεστατον, denn χαριεστ. kann nicht zu μουσικη gehören. | A (SN 158/2) α ν δ ρ ω ν χ α ρ ι ε σ τ α τ ο ν ο υ μ ο ν ο ν p. ich seze ein Komma hinter χαριεστατον. Denn da es nicht auf das αλλα και ταλλα bezogen wird kann es auch nicht auf das ου μονον gehn, da es nicht dahinter steht.
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 6f Übers.A (verl.) in SN 158/3: ἀνδρῶν χαριέστατον. Ich kann hier keineswegs beistimmen. χαρίεις ist bei den Attikern nicht so allgemein ein „homme des plus aimables“ sondern es geht auf die bestimte Kunst worin er exzellirt, hier also Musik. Das lehrt schon Schneider im Lexikon, und wenn ich nur meinen M ö r i s hier hätte, so fände ich vielleicht noch etwas besondeT 4 zugeführt] zunächst bekannt gemacht , dann darüber verschafft S 5f Damon, 5. Jh. v. Chr., athenischer Musiker, war Schüler des Sophisten Prodikos und des Musikers Agathokles (vgl. richtig W1 W2) und Lehrer und Freund des Perikles. 9f ἀνδρῶν χαριέστατον οὐ μόνον] ἀνδρῶν χαριέστατον, οὐ μόνον Schleiermacher (Anm. 7 A, vgl. Anm. 7 E), Spld. (SN 158/3); übersetzt SN 158/1 Übers.A (verl.) aus Spld. (SN 158/3)
S Spld. Vgl. Schneider: Griechisch-Deutsches Handwörterbuch, Bd. 2, Jena und Leipzig 1798, S. 831 f. s. v. χαρίεις. Zu Möris vgl. z. B. Moiris: Lexicon Atticum, cum J. Hudsoni, S. Bergleri, C. Sallierii aliorumque notis, ed. J. Pierson, Leiden 1759.
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LACH. Allerdings, o Lysimachos.
LACH. Allerdings, o Lysimachos.
NIK. Dieses kann auch ich bezeugen nicht minder als Laches. Denn auch mir selbst hat er nur neulich einen Mann zugeführt, als Lehrer für meinen Sohn in der Tonkunst, des Agathokles Schüler, den Damon, einen gar vortreflichen Mann in der
NIK. Dieses kann auch ich bezeugen nicht minder als Laches. Denn auch mir selbst hat er nur neulich einen Mann zugeführt, als Lehrer für meinen Sohn in der Tonkunst, des Agathokles Schüler, den Damon, einen gar vortreflichen Mann in der
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μουσικήν, ἀλλὰ καὶ τἄλλα ὁπόσα βούλει ἄξιον συνδιατρίβειν τηλικούτοις νεανίσκοις. ΛΥ. Οὔτοι τι, ὦ Σώκρατές τε καὶ Νικία καὶ Λάχης, οἱ ἥλικες καὶ ἐγὼ ἔτι γιγνώσκομεν τοὺς νεωτέρους, ἅτε τὰ πολλὰ κατ᾽ οἰκίαν διατρίβοντες, ὑπὸ τῆς ἡλικίας· ἀλλ᾽ εἴτι καὶ σύ, ὦ παῖ Σωφρονίσκου, ἔχεις τῷδε τῷ σαυτοῦ δημότῃ ἀγαθὸν συμβουλεῦσαι, χρὴ συμβουλεύειν. δίκαιος δ᾽ εἶ. καὶ γὰρ πατρικὸς ἡμῖν φίλος τυγχάνεις ὤν. ἀεὶ γὰρ ἐγὼ καὶ ὁ σὸς πατὴρ ἑταίρω τε καὶ φίλω ἦμεν· καὶ πρότερον ἐκεῖνος ἐτελεύτησε πρίν τι ἐμοὶ διενεχθῆναι. περιφέρει δέ τις με καὶ μνήμη ἄρτι τῶνδε λεγόντων. τὰ γὰρ μειράκια τάδε πρὸς ἀλλήλους οἴκοι διαλεγόμενα, θαμὰ ἐπιμέμνηνται Σωκράτους, καὶ σφόδρα ἐπαινοῦσιν· οὐ μέντοι πώποτε αὐτοὺς ἀνηρώτησα εἰ τὸν Σωφρονίσκου λέγοιεν. ἀλλ᾽, ὦ παῖδες, λέγετέ μοι, ὅδ᾽ ἐστὶ Σωκράτης, περὶ οὗ ἑκάστοτε ἐμέμνησθε;
Erster Entwurf (handschriftlich)
Musik betrift sondern auch was du sonst willst ganz gemacht mit solchen Jünglingen umzugehn. L y s i m . Meine Altersgenossen und ich o Sokrates Nikias und Laches wir kennen nicht mehr die jüngern da wir uns gar viel zu Hause aufhalten des Alters wegen. Wenn also auch du o Sohn des Sophroniskos ihm deinem Genossen des Demos etwas gutes zu rathen hast so rathe. Auch geziemt es dir so da du schon von deinem Vater her mir befreundet bist. Denn immer waren ich und dein Vater Freunde und Vertraute, und er ist eher gestorben als er eine Uneinigkeit mit mir gehabt hätte. Auch kommt mir jezt eine Erinnerung von dem was diese gesagt haben. Denn wenn die Knaben zu Hause mit einander reden erwähnen sie oft des Sokrates und rühmen ihn sehr, aber noch nie habe ich sie gefragt ob sie den Sohn des Sophroniskos meinten. Sagt also ihr Knaben ist dieses da Sokrates, dessen ihr immer erwähnt?
Noten Spaldings (SN 158/2+3) (Forts.) res darüber. Auch würde ich nicht wagen zu konstruiren τὴν μουσικὴν ἄξιος συνδιατρίβειν τοῖς νεανίσκοις; wol aber mit dem allgemeinen schwimmenden neutrum τἄλλα ὁπόσα βούλει. Auch das z u b e l e h r e n weicht mir zu harsch ab, von der Zutraulichkeit des συνδιατρίβειν: „ganz gemacht zum nüzlichen Umgang mit Jünglingen des Alters“. T 2f ganz gemacht mit solchen Jünglingen umzugehn] korr. aus ganz gemacht zum Umgang mit solchen jungen Leuten SN 158/1 | ... zu belehren ... Übers.A (verl.) aus Spld. | ganz gemacht zum nüzlichen Umgang mit Jünglingen des Alters Spld., vgl. W1 W2 11f da du schon von deinem Vater her mir befreundet bist. Denn immer waren] z. T. über der Zeile korr. aus denn von des Vaters wegen mußt du uns zugethan sein indem 13 Vater] danach immer | Vertraute] danach waren ; Einfügung des Kommas offenbar nachträglich 14 eher] über der Zeile mit Einfügungszeichen | als er] davor ehe er über ohne je 15 hätte] über zu haben 21 Sagt] danach mir | Knaben] über Kinder 22 erwähnt] über gedenkt
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Tonkunst nicht nur, sondern auch worin du sonst willst, ganz gemacht zum lehrreichen Umgang für solche Jünglinge. LYSIM. Meine Altersgenossen und ich, o Sokrates, Nikias und Laches, wir sind wenig mehr bekannt mit den Jüngeren, da wir uns gar viel zu Hause aufhalten unseres Alters wegen. Wenn also auch du, o Sohn des Sophroni skos, diesem dei nem Zunftgenossen etwas gutes zu rathen hast, so rathe. Auch geziemt es dir so, da du schon vom Vater her mir befreundet bist; denn immer waren ich und dein Vater Freunde und Vertraute, und er ist eher gestorben als er einen Zwist mit mir gehabt hätte. Ueberdies kommt mir jezt eine Erinnerung von dem was diese sagen. Denn wenn die | Knaben zu Hause unter einander reden, erwähnen sie oft des Sokrates und rühmen ihn sehr, noch nie indeß habe ich sie befragt, ob sie wohl den Sohn des Sophroniskos meinen. Sagt also, ihr Kinder, ist dieses der Sokrates dessen ihr immer erwähnt?
Tonkunst nicht nur, sondern auch sonst wie brauchbar du willst zum lehrreichen Umgang für solche Jünglinge. LYSIM. Gar wenig, o Sokrates, Nikias und Laches, sind wir, die wir so alt sind, mehr bekannt mit den Jüngeren, da wir gar viel zu Hause bleiben unseres Alters wegen. Wenn also auch du, o Sohn des Sophr oni skos, di esem dei nem Zunftgenossen etwas gutes zu rathen hast, so rathe. Auch geziemt es dir so, da du schon vom Vater her mir befreundet bist; denn immer waren ich und dein Vater Freunde und Vertraute, und er ist eher gestorben als er einen Zwist mit mir gehabt hätte. Ueberdies kommt mir jezt eine Erinnerung von dem was diese sagen. Denn wenn die Knaben zu Hause unter einander reden, erwähnen sie oft des Sokrates | und rühmen ihn sehr, noch nie indeß habe ich sie befragt, ob sie wohl den Sohn des Sophroniskos meinen. Sagt also, ihr Kinder, ist dieses der Sokrates dessen ihr immer erwähnt?
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ΠΑΙ. Πάνυ μὲν οὖν, ὦ πάτερ, οὗτος. ΛΥ. Εὖγε, νὴ τὴν Ἥραν, ὦ Σώκρατες, ὅτι ὀρθοῖς τὸν πατέρα, ἄριστον ἀνδρῶν ὄντα καὶ ἄλλως· καὶ δὴ καὶ ὅτι οἰκεῖα τά γε σὰ ἡμῖν ὑπάρξει, καὶ σοὶ τὰ ἡμέτερα. ΛΑ. Καὶ μήν, ὦ Λυσίμαχε, μὴ ἀφίεσό γε τοῦ ἀνδρός. ὡς ἐγὼ ἄλλοθί γε αὐτὸν ἐθεασάμην οὐ μόνον τὸν πατέρα ἀλλὰ καὶ τὴν πατρίδα ὀρθοῦντα. ἐν γὰρ τῇ ἀπὸ Δηλίου φυγῇ, μετ᾽ ἐμοῦ συνανεχώρει. κᾀγώ σοι λέγω, ὅτι εἰ ἄλλοι ἤθελον τοιοῦτοι εἶναι, ὀρθὴ ἂν ἡμῶν ἡ πόλις ἦν, καὶ οὐκ ἂν ἔπεσε τότε τοιοῦτον πτῶμα.
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ΛΥ. Ὦ Σώκρατες, οὗτος μέντοι ὁ ἔπαινος ἔστι καλός, ὃν σὺ νῦν ἐπαινῇ, ὑπ᾽ ἀνδρῶν ἀξίων πιστεύεσθαι, καὶ εἰς ταῦτα εἰς ἃ οὗτοι ἐπ-
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K n . Allerdings o Vater ist es dieser. L y s i m . Sehr löblich bei der Here o Sokrates daß du so deinem Vater dem trefflichen Manne Ehre bringst, schon an sich aber auch8 weil das deinige uns füglich angehören wird, so wie das unsrige dir. L a c h . Darum also o Lysimachos lasse ja den Mann nicht los. Denn ich habe ihn schon sonst gesehn nicht nur seinem Vater Ehre bringen sondern auch seinem Vaterlande. Denn bei der Flucht vor Delion ging er mit mir zurük, und ich versichere dich wenn Alle sich hätten so beweisen wollen so blieb damals unsere Stadt bei Ehren und erlitte nicht einen solchen Verlust.
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L y s i m . Dieses o Sokrates ist ein schönes Lob das dir jezt ertheilt wird von glaubwürdigen Männern zumal in dem weshalb sie 8
E (SN 158/1) οντα, και αλλως και δη. Denn και αλλως muß auf ευγε οτι ορθοις gehn. | A (SN 158/2) αριστον ανδρων οντα και αλλως. Offenbar geht das και αλλως και δη auf das ευγε οτι ορθοις. Heindorf hat auch schon so interpungirt.
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 14f Übers.A (verl.) in SN 158/3: „einen so schmälichen Sturz erlitten“.
6 ὄντα καὶ ἄλλως· καὶ δὴ] ὄντα, καὶ ἄλλως καὶ δὴ Heindorf und Schleiermacher (Anm. 8 EA), vgl. SN 158/1 W1 W2 | ἄλλως· καὶ] ἄλλως καὶ Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. W2 24f πιστεύεσθαι, καὶ] πιστεύεσθαι καὶ Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. W2
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T 2 Sehr löblich] über Trefflich 3f deinem Vater dem trefflichen Manne Ehre bringst] umgestellt aus deinem Vater Ehre bringst dem [über einem ] trefflichen Manne 4 schon an sich] am Rand και αλλως geht auf ευγε nicht auf αριστον ανδρων 5 deinige] deine | uns] davor auch | füglich] über der Zeile mit Einfügungszeichen 7 also] korr. aus ⌈nun⌋ 13 sich] über der Zeile ohne Einfügungszeichen | beweisen] über sein 14f erlitte nicht einen solchen Verlust] korr. aus hätte nicht einen solchen Verlust erlitten SN 158/1 | [...] einen so schmälichen Sturz erlitten Spld. (SN 158/3), vgl. W1 W2
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KN. Allerdings, o Vater, ist es dieser.
KN. Allerdings, o Vater, ist es dieser.
LYSIM. Sehr gut, bei der Here, o Sokrates, daß du so deinem Vater, dem treflichen Manne, Ehre bringst, schon an sich besonders, aber auch weil nun das deinige auch uns eignen wird, so wie das unsrige dir. LACH. Wahrlich, o Lysimachos, lasse ja den Mann nicht los. Ich meines Theils habe ihn auch anderswo schon gesehen nicht nur seinem Vater Ehre bringen, sondern auch seinem Vaterlande. Denn bei der Flucht vor Delion ging er mit mir zurük, und ich versichere dich, wenn die Uebrigen sich hätten so beweisen wollen, unsere Stadt wäre damals bei Ehren geblieben, und hätte nicht einen so schmählichen Sturz erlitten. LYSIM. O Sokrates, dieses ist ein schönes Lob, welches dir jezt ertheilt wird von glaubwürdigen Männern, zumal in dem, weshalb sie
LYSIM. Sehr gut, bei der Here, o Sokrates, daß du so deinem Vater, dem treflichen Manne, Ehre bringst, schon an sich besonders aber auch weil nun das deinige auch uns eignen wird, so wie das unsrige dir. LACH. Wahrlich, o Lysimachos, lasse ja den Mann nicht los. Ich meines Theils habe ihn auch anderswo schon gesehen nicht nur seinem Vater Ehre bringen, sondern auch seinem Vaterlande. Denn bei der Flucht vor Delion ging er mit mir zurük, und ich versichere dich, wenn die Uebrigen sich hätten so beweisen wollen, unsere Stadt wäre damals bei Ehren geblieben, und hätte nicht einen so schmählichen Sturz erlitten. LYSIM. O Sokrates, dieses ist ein schönes Lob, welches dir jezt ertheilt wird von glaubwürdigen Männern zumal in dem, weshalb sie
S 5 besonders aber] nach Bekker wie Spalte 1 App. 24 Männern zumal] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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αινοῦσιν. εὖ οὖν ἴσθι ὅτι ἐγὼ ταῦτα ἀκούων, χαίρω ὅτι εὐδοκιμεῖς. κᾀμὲ δὲ ἡγοῦμαι ἐν τοῖς εὐνουστάτοις σοὶ εἶναι. χρῆν μὲν οὖν καὶ πρότερόν γε φοιτᾷν αὐτὸν παρ᾽ ἡμᾶς, καὶ οἰκείους ἡγεῖσθαι, ὥσπερ τὸ δίκαιον· νῦν δ᾽ οὖν ἀπὸ τῆσδε τῆς ἡμέρας, ἐπειδὴ ἀνεγνωρίσαμεν ἀλλήλους, μὴ ἄλλως ποίει· ἀλλὰ σύνισθί τε καὶ γνώριζε καὶ ἡμᾶς καὶ τούσδε τοὺς νεωτέρους, ὅπως ἂν διασώζητε καὶ ὑμεῖς τὴν ἡμετέραν φιλίαν. ταῦτα μὲν οὖν καὶ σὺ ποιήσεις, καὶ ἡμεῖς σε καὶ αὖθις ὑπομνήσομεν. περὶ δὲ ὧν ἠρξάμεθα, τί φατέ; τί δοκεῖ; τὸ μάθημα τοῖς μειρακίοις ἐπιτήδειον εἶναι, ἢ οὔ, τὸ μαθεῖν ἐν ὅπλοις μάχεσθαι; ΣΩ. Ἀλλὰ καὶ τούτων πέρι, ὦ Λυσίμαχε, ἔγωγε πειράσομαι συμβουλεύειν ἄν τι δύνωμαι, καὶ αὖ ἃ προκαλῆ πάντα ποιεῖν. δικαιότατον μέν τοι μοὶ δοκεῖ εἶναι, ἐμὲ νεώτερον ὄντα τοῦτων καὶ ἀπειρότερον, τῶνδε ἀκού-
3f κᾀμὲ δὲ ἡγοῦμαι] καὶ σὺ δὲ ἡγοῦ με Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 72 [256,13 f.], übersetzt W2, vgl. Anm. 9 A 6 πρότερόν γε] προθυμότερον konj. Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1784 (Bipontina), Variae lectiones, S. 352, vgl. SN 158/1 mit App. T W1 W2 | γε] σε Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 72 [256,15], übersetzt SN 158/1 W1 W2
dich loben. Sei also versichert daß ich dieses hörend mich erfreue über diesen guten Ruf und daß ich mich zu denen zähle9, die dir am meisten wohlwollen. Schon eher zwar hättest du von selbst zu uns kommen sollen und uns für die deinigen halten wie billig; nun aber von heute an da wir einander bekannt geworden thue ja nicht anders sondern halte dich zu uns und lerne auch du uns kennen und diese jüngeren damit auch Ihr unsere Freundschaft aufrecht erhaltet. Dieses also thue du und auch wir werden dich öfter daran erinnern. Von dem aber wovon wir anfingen was sagt ihr? was dünkt Euch? ist die Kunst für die Knaben nüzlich in der Bewafnung fechten zu lernen oder nicht?
S o k r a t . Sowol hierin o Lysimachos will ich versuchen dir zu rathen wenn ich kann als auch alles andere wozu du mich einladest ich thun will. Billiger aber dünkt mich zu sein daß ich als der jüngste und unerfahrenste von diesen zuerst sie höre was sie 9
A (SN 158/2) κ α μ ε δ ε η γ ο υ μ α ι . Vielleicht καμε δε ηγου αμα p. Doch habe ich in der Uebersezung nichts geändert.
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu Anm. 9 A am Zeilenende: Hübsch! Wenn anders ἅμα auf die Art kauscher ist. T 2 erfreue] über freue 5 von selbst] über fleißig 7 nun] korr. aus jezt 9 lerne] über erkenne 10 kennen] über ein bis zwei gestr. Buchstaben 11 unsere] über Eure | aufrecht] über mit einander 16 nüzlich] über tauglich 18 Sowol] über Auch 20 als] über wie | auch] darüber as o. ä. T Anm. 9 A 25 Uebersezung] Uebersez.
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dich loben. Sei also versichert, daß es mich freut dieses zu hören, deines guten Rufes wegen, und daß ich mich zu denen zähle, welche dir am meisten wohlwollen. Und schon eher zwar hättest du von selbst fleißig zu uns kommen sollen und uns zu den deinigen rechnen: nun aber von heute an, da wir einander bekannt geworden, thue ja nicht anders, sondern halte dich zu uns, und lerne auch du uns kennen und diese Jüngeren, damit auch Ihr unsere Freundschaft fortsezet. Dies thue also von selbst, und auch wir wollen dich dessen öfter wieder erin|nern. Darüber aber, wovon wir anfingen, was sagt ihr? was dünkt euch? ist die Kunst den Jünglingen ersprießlich in der schweren Bewafnung fechten zu lernen oder nicht?
dich loben. Sei also versichert, daß es mich freut dieses zu hören, deines guten Rufes wegen, und zähle mich zu denen welche dir am meisten wohlwollen. Und schon eher zwar hättest du von selbst fleißig zu uns kommen sollen und uns zu den deinigen rechnen: nun aber von heute an, da wir einander bekannt geworden, thue ja nicht anders, sondern halte dich zu uns, und lerne auch du uns kennen und diese Jüngeren, damit auch Ihr unsere Freundschaft fortsezet. Dies thue also von selbst, und auch wir wollen dich dessen öfter wieder erinnern. Darüber aber, wovon wir anfingen, was sagt ihr? was dünkt euch? ist die Kunst den | Jünglingen ersprießlich in der ganzen Rüstung fechten zu lernen oder nicht?
SOK. Sowohl hierin, o Lysimachos, will ich versuchen dir zu rathen, wenn ich nur kann, als auch alles Andere, wozu du mich einladest, will ich thun. Das schiklichste aber dünkt mich zu sein, daß ich als der Jüngste und Unerfahrenste von diesen zuerst sie höre, was sie
SOK. Sowohl hierin, o Lysimachos, will ich versuchen dir zu rathen, wenn ich nur kann, als auch alles Andere, wozu du mich einladest, will ich thun. Das schiklichste aber dünkt mich zu sein, daß ich als der Jüngste von diesen und der Unerfahrenste zuerst sie höre, was sie
S 3 und zähle mich] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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ειν πρότερον τί λέγουσι, καὶ μανθάνειν παρ᾽ αὐτῶν. ἐὰν δ᾽ ἔχω τὶ ἄλλο παρὰ τὰ ὑπὸ τούτων λεγόμενα, τότ᾽ ἤδη διδάσκειν, καὶ πείθειν καί σε καὶ τούτους. ἀλλ᾽, ὦ Νικία, τί οὐ λέγεις πρότερος ἡμῶν; ΝΙ. Ἀλλ᾽ οὐδὲν κωλύει, ὦ Σώκρατες. δοκεῖ γὰρ ἐμοὶ καὶ τοῦτο τὸ μάθημα τοῖς νέοις ὠφέλιμον εἶναι ἐπίστασθαι πολλαχῇ. καὶ γὰρ τὸ μὴ ἄλλοθι διατρίβειν, ἐν οἷς δὴ φιλοῦσιν οἱ νέοι τὰς διατριβὰς ποιεῖσθαι, ὅταν σχολὴν ἄγωσιν, ἀλλ᾽ ἐν τούτῳ, εὖ ἔχει, ὅθεν καὶ τὸ
Erster Entwurf (handschriftlich)
meinen und von ihnen lerne; habe ich aber etwas anderes als das von ihnen gesagte, daß ich es dann erst vortrage und dich und sie überzeuge. Also o Nikias warum redest du nicht zuerst unter uns? N i k i a s . Nichts hindert mich o Sokrates. Mich nemlich dünkt es könne jungen Leuten in vielen Fällen nüzlich sein auch diese Kunst zu verstehn. Schon dieses ist nicht übel daß sie sich unterdeß nicht mit andern | Dingen beschäftigen womit die Jünglinge sich gern beschäftigen mögen wenn sie Muße haben, sondern hiemit wodurch doch ihr Körper nothwendig an Stärke gewinnen
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 11 Übers.A (verl.) in SN 158/3: ἑν οἷς δὴ geht nicht so unmittelbar auf ἄλλοθι, als es in der Übersezung ausgedrükt worden. Daraus würde folgen, Nikias sage den Jünglingen nach, sie liebten mit schlechten Dingen ihre Muße zu füllen. Die Konstrukzion ist diese μὴ ἄλλοθι ἐκείνον ἐν οἷς δὴ, und nun löse man das ἄλλοθι auf in ἐν ἄλλοις. Die Übersezung also, die ich vorschlage, wäre: „Schon dieses ist nicht übel“ (solte der Ausdruk nicht ohne Noth abgeschwächt sein, gegen εὖ ἔχει?) „daß sie von den gewöhnlichen Lieblingsbeschäftigungen junger Leute in der Muße, keine andere treiben, sondern diese, wodurch“ u.s.w. T 9f dieses ist nicht übel] über der Zeile mit Einfügungszeichen 11 Dingen] darüber werken aufhalten | womit] darüber [wo]hin oder [wo]für 13 haben] danach ist gut
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meinen, und von ihnen lerne, wenn ich aber etwas anderes habe außer dem von ihnen gesagten, dann erst es ihnen vortrage, und sie und dich überzeuge. Also, o Nikias, warum redest du nicht zuerst unter uns?
meinen, und von ihnen lerne, wenn ich aber etwas anderes habe außer dem von ihnen gesagten, dann erst es ihnen vortrage, und sie und dich überzeuge. Also, o Nikias, warum redest du nicht zuerst unter uns?
NIK. Nichts hindert mich, o Sokrates. Mich nämlich dünkt auch diese Kunst zu verstehen könne jungen Männern in vieler Art nüzlich sein. Denn schon dieses ist nicht übel, daß sie unterdeß nicht eine andere Beschäftigung treiben, von denen, welche junge Leute zu lieben pflegen in der Muße, sondern diese, wodurch doch ihr Körper nothwendig
NIK. Nichts hindert mich, o Sokrates. Mich nämlich dünkt auch diese Kunst zu verstehen könne jungen Männern in vieler Art nüzlich sein. Denn schon deshalb, daß sie unterdeß nicht eine andere Beschäftigung treiben, von denen welche junge Leute zu lieben pflegen in der Muße, sondern diese wodurch doch ihr Körper nothwendig
T 9 verstehen] verdruckt versteken W1
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σῶμα βέλτιον ἴσχειν ἀνάγκη. οὐδενὸς γὰρ τῶν γυμνασίων φαυλότερον, οὐδ᾽ ἐλάττω πόνον ἔχει· καὶ ἅμα προσήκει μάλιστ᾽ ἐλευθέρῳ τοῦτό γε τὸ γυμνάσιον, καὶ ἡ ἱππική. οὗ γὰρ ἀγῶνος ἀθληταὶ ἐσμέν, καὶ ἐν οἷς ἡμῖν ὁ ἀγὼν πρόκειται, μόνοι οὗτοι γυμνάζονται οἱ ἐν τούτοις τοῖς περὶ τὸν πόλεμον ὀργάνοις γυμναζόμενοι. ἔπειτα ὀνήσει μὲν τοῦτο τὸ μάθημα καὶ ἐν τῇ μάχῃ αὐτῇ, ὅταν ἐν τάξει δέῃ μάχεσθαι μετὰ πολλῶν ἄλλων. μέγιστον μέντοι αὐτοῦ ὄφελος ὅταν λυθῶσιν αἱ τάξεις,
1f ἀνάγκη. οὐδενὸς] ἀνάγκη – οὐδενὸς Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. W2 4 ἔχει· καὶ ἅμα] ἔχει –, καὶ ἅμα Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. W2
muß. Denn diese Leibesübung ist nicht schlechter10 als irgend eine andere noch geringere Anstrengung erfordernd, und zugleich gehört sich für einen freien Mann vor allen Andern diese und das Reiten. Denn auf den Kampf worin wir Künstler sein sollen und den wir eigentlich zu bestehen haben üben sich doch nur die sich mit diesen im Kriege zu handhabenden Werkzeugen üben. Ferner kann diese Kunst ihnen auch vortheilen in der Schlacht selbst wenn sie in geschlossener Ordnung fechten sollen mit vielen andern. Der größte Nuzen derselben aber zeigt sich dann wenn die Glieder
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Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 4 Übers.A (verl.) in SN 158/3: „anständigen Mann“ Warum nicht „freien —“?
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Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu Anm. 10 A am Zeilenende: Ich halte es mit ihren U n w i l l k ü h r l i c h und mit Fizin.
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A (SN 158/2) ο υ δ ε ν ο ς γ α ρ τ ω ν γ υ μ ν α σ ι ω ν φ α υ λ ο τ ε ρ ο ν . Unwillkührlich bin ich hier dem Fizin gefolgt; eigentlich aber glaube ich daß φαυλοτερον zu πονον gehört.
T 4 gehört] über schikt | freien Mann] anständigen Mann Übers.A (verl.) aus Spld. (SN 158/3), vgl. W1 W2 | freien Mann Spld. (SN 158/3) 6f sollen] über der Zeile mit Einfügungszeichen 8 doch] über ja 10 Kunst] über Fertigkeit 11 vortheilen] über nuzen S Anm. 10 A mit Spld. Ficinus in Ed.Zweibrücken: nulla enim alia exercitatione inferior haec est, aut minus laboriosa.
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an Stärke gewinnen muß. Denn diese Leibesübung ist nicht schlechter als irgend eine andere, noch geringer e A nstr engungen er fordernd, und zugleich gehört sich für einen anständigen Mann vor allen andern diese und das Reiten. Denn auf den Kampf, worin wir ja Künstler sein sollen, und den wir wirklich zu bestehen haben, üben sich doch nur die, welche sich mit diesen im Kriege zu handhabenden Werkzeugen üben. Ferner kann diese Kunst ihnen auch vortheilen in der Schlacht selbst, wenn sie in geschlossener Ordnung fechten sollen mit vielen andern. Ihr größter Nuzen aber zeigt sich erst dann, wenn die Glieder sich trennen und
an Stärke gewinnen muß, ist sie gut, denn diese Leibesübung ist nicht schlechter als irgend eine andere, noch geringere Anstrengungen erfordernd; zugleich aber gehört sich für einen anständigen Mann vor allen andern diese und das Reiten. Denn auf den Kampf, worin wir ja Künstler sein sollen, und den wir wirklich zu bestehen haben, üben sich doch nur die, welche sich mit diesen im Kriege zu handhabenden Werkzeugen üben. Ferner kann diese Kunst ihnen auch vortheilen in der Schlacht selbst, wenn sie in geschlossener Ordnung fechten sollen mit vielen andern. Ihr größter Nuzen jedoch zeigt sich erst dann, wenn die Glieder sich trennen und
S 1f muß, ist sie gut, denn] nach Bekker wie Spalte 1 App. 4f erfordernd; zugleich aber] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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καὶ ἤδη τὶ δέῃ μόνον πρὸς μόνον, ἢ διώκοντα ἀμυνομένῳ τινὶ ἐπιθέσθαι, ἢ καὶ ἐν φυγῇ ἐπιτιθεμένου ἄλλου, ἀμύνασθαι αὐτόν. οὔτ᾽ ἂν ὑπό γε ἑνὸς εἷς ὁ τοῦτ᾽ ἐπιστάμενος οὐδὲν ἂν πάθοι, ἴσως δ᾽ οὐδὲ ὑπὸ πλειόνων, ἀλλὰ πανταχῆ ἂν ταύτῃ πλεονεκτοῖ. ἔτι δὲ καὶ εἰς ἄλλου καλοῦ μαθήματος ἐπιθυμίαν παρακαλεῖ τὸ τοιοῦτον. πᾶς γὰρ ἂν μαθὼν ἐν ὅπλοις μάχεσθαι, ἐπιθυμήσειε καὶ τοῦ ἑξῆς μαθήματος τοῦ περὶ τὰς τάξεις· καὶ ταῦτα λαβών, καὶ φιλοτιμηθεὶς ἐν αὐτοῖς, ἐπὶ πᾶν ἂν τὸ περὶ τὰς στρατηγίας ὁρμήσειε. καὶ ἤδη δῆλον ὅτι τὰ τούτων ἐχόμενα καὶ μαθήματα καὶ ἐπιτηδεύματα, καὶ καλά, καὶ πολλοῦ
Erster Entwurf (handschriftlich)
sich trennen und schon der Einzelne gegen den Einzelnen entweder verfolgend den sich vertheidigenden angreifen oder auch fliehend gegen den der ihn angreift sich selbst vertheidigen soll. Dann kann wol nicht leicht einer der dieses versteht von Einem bezwungen werden vielleicht auch nicht einmal von Vielen, sondern dürfte überall die Oberhand haben. Ferner fordert auch dieses auf und erregt auch Streben nach einer andern edlen Kunst. Denn Jeder welcher dieses versteht in voller Bewafnung zu fechten wird auch Verlangen tragen nach der verwandten Wissenschaft von der Schlachtordnung, und wer diese erlangt und Ehre darin sucht, der wird dann gewiß zu allem was noch sonst zur Kunst des Heerführers gehört fortgehn. So ist also offenbar wie anständig und einem Manne sehr nüzlich zu lernen und zu üben die hieran hän-
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 2 Übers.A (verl.) in SN 158/3: „Einzelnen“. Ich fange schon an kleinlaut zu werden über mein Wegstoßen des N. Nur wo viele Konsonanten zusammenlaufen, möchte ich E i n z e l e n ferner schreiben. Ich korrigire daher auch nichts weiter in Ihrer Handschrift. 19f Übers.A (verl.) in SN 158/3: „ s e h r nüzl.“ „ h ö c h s t n.“ T 2 Einzelnen] Einzeln mit Endungskürzel SN 158/1 | Einzelen Spld. (SN 158/3), vgl. W1 W2 | verfolgend den] über im Verfolgen einen der 3 vertheidigenden] korr. aus vertheidigen will 3f fliehend] über auf der Flucht 9f fordert auch dieses auf und erregt auch Streben nach] statt zunächst erregt auch dieses Lust zu , dann erregt auch diese Kunst Verlangen nach , dann fordert auch dieses auf zum Streben nach, zuletzt anscheinend fordert auch dieses auf und erregt auch Streben nach 11 edlen Kunst] über schönen Fertigkeit 15 erlangt] über thut 16 Ehre darin sucht] korr. aus darin Ehre gefunden 17 sonst] über der Zeile mit Einfügungszeichen 17f Heerführers] über Feldherrn 19f sehr nüzlich] höchst n[üzlich Spld. (SN 158/3), vgl. W1 W2 S 1f Einzelne…Einzelnen] mit Spld. zu Übers.A (verl.) (Z. 2): Vgl. dazu die Note Spaldings zur Lysis-Einleitung, S. 426.
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schon der | Einzele gegen den Einzelen entweder verfolgend den sich vertheidigenden zusezen, oder auch fliehend gegen den, der ihn angreift, sich selbst vertheidigen soll. Alsdann kann wohl nicht leicht, wer dieses versteht, von Einem bezwungen werden, vielleicht auch nicht von Mehreren, sondern dürfte überall die Oberhand haben. Ferner fodert dies auch auf zum Streben nach einer andern edlen Kunst. Denn Jeder, welcher gelernt hat in voller Bewafnung zu fechten, wird auch Verlangen tragen nach der verwandten Kunst der Schlachtordnung, und wer diese erlangt hat und Ehre darin sucht, der wird dann gewiß zu allem, was noch sonst dem Heerführer nöthig ist, fortschreiten. Und so ist schon offenbar, wie anständig und einem Manne höchst nüzlich zu lernen und zu üben die hieran hän-
schon der Einzele gegen den Einzelen entweder verfolgend den sich vertheidigenden zusezen, oder | auch fliehend gegen den, der ihn angreift, sich selbst vertheidigen soll. Alsdann kann wohl nicht leicht, wer dieses versteht, von Einem bezwungen werden, vielleicht auch nicht von Mehreren, sondern dürfte überall die Oberhand haben. Ferner fodert dies auch auf zum Streben nach einer andern edlen Kunst. Denn Jeder, welcher gelernt hat in voller Bewafnung zu fechten, wird auch Verlangen tragen nach der verwandten Kunst der Schlachtordnung, und wer diese erlangt hat und sich darin hervorgethan, der wird dann gewiß zu allem, was noch sonst dem Heerführer nöthig ist, fortschreiten. Und so ist schon offenbar, wie anständig und einem Manne höchst nüzlich zu lernen und zu üben die hieran hän-
S 1f Einzele…Einzelen] Vgl. Spalding [SN 158/3] (Spalte 2 mit App. S).
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ἄξια ἀνδρὶ μαθεῖν τε καὶ ἐπιτηδεῦσαι, ὧν καθηγήσαιτ᾽ ἂν τοῦτο τὸ μάθημα. προσθήσομεν δ᾽ αὐτῷ οὐ σμικρὰν προσθήκην, ὅτι πάντα ἄνδρα ἐν πολέμῳ καὶ θαρραλεώτερον καὶ ἀνδρειότερον ἂν ποιήσειεν αὐτὸν αὑτοῦ οὐκ ὀλίγῳ αὕτη ἡ ἐπιστήμη. μὴ ἀτιμάσωμεν δὲ εἰπεῖν (εἰ καί τῳ σμικρότερον δοκεῖ εἶναι) ὅτι καὶ εὐσχημονέστερον ἐνταῦθα οὗ χρὴ τὸν ἄνδρα εὐσχημονέστερον φαίνεσθαι· οὗ ἅμα καὶ δεινότερος τοῖς ἐχθροῖς φανεῖται, διὰ τὴν εὐσχημοσύνην. ἐμοὶ μὲν οὖν, ὦ Λυσίμαχε, ὥσπερ λέγω, δοκεῖ τε χρῆναι διδάσκειν τοὺς νεανίσκους ταῦτα, καὶ δι᾽ ἃ δοκεῖ εἴρηκα. Λάχητος δ᾽ εἴτι παρὰ ταῦτα λέγει, κᾂν αὐτὸς ἡδέως ἀκούσαιμι. ΛΑ. Ἀλλ᾽ ἔστι μέν, ὦ Νικία, χαλεπὸν λέγειν περὶ ὁτουοῦν μαθήματος, ὡς οὐ χρὴ
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genden Künste und Kenntnisse sind von welche[n] diese der Anfang sein kann. Noch ein nicht geringes aber wollen wir hinzufügen daß nemlich diese Wissenschaft einen Jeden im Krieg herzhafter und tapferer als er sonst wäre machen wird. Auch das wollen wir nicht verschmähen zu sagen obgleich es Jemanden geringfügiger dünken möchte daß dadurch auch ein Mann wohlgestalteter erscheint grade da wo er durch seine Wohlgestaltheit auch den Feinden furchtbarer erscheint. Mich also o Lysimachos dünkt, wie ich schon sagte daß die Jünglinge dieses erlernen müssen und auch weshalb es mich dünkt habe ich nun erklärt. Ob aber Laches etwas anderes hierüber sagt das wünsche ich selbst auch zu hören.
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L a c h . Schwierig zwar ist es, o Nikias, von irgend einer Kunst zu sagen, daß man sie
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 10–12 Übers.A (verl.) in SN 158/3: [komplette Note nachträglich hinzugefügt:] οὗ ἅμα καὶ δειν. Ist hier wol in Ordnung? Das nochmalige οὗ scheint mir ungriechisch: [nachträglich mit Einfügungszeichen: Geläufiger mir wäre ἅμα γὰρ καὶ κ. τ. λ.] Stefanus hat dummes Zeug. T 1 Künste und] über der Zeile mit Einfügungszeichen | Kenntnisse] danach und Fertigkeiten 2 sein kann] über ist 6 als er sonst wäre machen wird] umgestellt aus machen wird als er sonst wäre 15 nun erklärt] über gesagt 16 Ob] über Was | Laches etwas] umgestellt aus etwas Laches 17 das] über der Zeile mit Einfügungszeichen 19 Kunst] über Kentniß S Spld. Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus), auch zitiert in Ed.Zweibrücken 1784 (Bipontina), Variae lectiones, S. 352: Fortasse scripserat Plato: οὗ ἅμα καὶ δεινότερον, δεινότερος τ. ἐχθ., ut post δεινότερον subaudiatur ex praeced. χρὴ φαίνεσθαι.
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genden Künste und Kenntnisse sind, zu denen diese der Anfang sein kann. Noch ein nicht Geringes aber wollen wir hinzufügen, daß nämlich diese Kenntniß einen Jeden im Kriege muthiger und tapferer als er sonst wäre machen wird. Auch das wollen wir nicht verschmähen zu sagen, obgleich es Menschen geringfügiger dünken möchte, daß durch sie auch ein Mann in besserem Anstande sich zeigt, grade da, wo er durch seinen Anstand den Feinden noch furchtbarer erscheint. Mich also, o Lysimachos, dünkt, wie ich sage, daß die Jünglinge dieses erlernen müssen, und auch weshalb es mich dünkt habe ich hiemit ausgesprochen. Was aber Laches etwa anderes hierüber meint, wünsche ich nun selbst auch zu hören.
genden Künste und Kenntnisse sind, zu denen diese der Anfang sein kann. Noch ein nicht Geringes aber wollen wir hinzufügen, daß nämlich diese Kenntniß einen Jeden im Kriege um nicht weniges dreister und tapferer als er sonst wäre machen wird. Auch das wollen wir nicht verschmähen zu sagen, obgleich es Menschen geringfügiger dünken möchte, daß durch sie auch ein Mann in besserem Anstande sich zeigt, grade da, wo er durch seinen Anstand den Feinden noch furchtbarer erscheint. Mich also, o Lysimachos, dünkt, wie ich sage, daß die Jünglinge dieses erlernen müssen, und auch weshalb es mich dünkt habe ich hiemit ausgesprochen. Was aber Laches etwa anderes hierüber meint, wünsche ich nun selbst auch zu hören.
LACH. Zwar ist es bedenklich, o Nikias, von welcher Kunst es auch sei, zu sagen, daß man sie nicht ler-
LACH. Zwar ist es bedenklich, o Nikias, von welcher Kunst es auch sei, zu sagen, daß man sie nicht ler-
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μανθάνειν. πάντα γὰρ ἐπίστασθαι, ἀγαθὸν δοκεῖ εἶναι· καὶ δὴ καὶ τὸ ὁπλιτικὸν τοῦτο, εἰ μέν ἐστι μάθημα (ὅπερ φασὶν οἱ διδάσκοντες, καὶ οἷον Νικίας λέγει) χρὴ αὐτὸ μανθάνειν· εἰ δ᾽ ἔστι μὲν μὴ μάθημα, ἀλλ᾽ ἐξαπατῶσιν οἱ ὑπισχνούμενοι· ἢ μάθημα μὲν τυγχάνει ὄν, μὴ μέντοι πάνυ σπουδαῖον, τί καὶ δέοι ἂν αὐτὸ μανθάνειν; λέγω δὲ ταῦτα περὶ αὐτοῦ, εἰς τάδε ἀποβλέψας, ὅτι οἶμαι ἐγώ, τοῦτο εἴτι ἦν, οὐκ ἂν λεληθέναι Λακεδαιμονίους· οἷς οὐδὲν ἄλλο μέλει ἐν τῷ βίῳ, ἢ τοῦτο ζητεῖν καὶ ἐπιτηδεύειν ὅ, τι ἂν μαθόντες καὶ ἐπιτηδεύσαντες, πλεονεκτοῖεν τῶν ἄλλων περὶ τὸν πόλεμον. εἰ δ᾽ ἐκείνους ἐλελήθει, ἀλλ᾽ οὐ τούτους γε τοὺς διδασκάλους αὐτοῦ λέληθεν αὐτὸ τοῦτο, ὅτι ἐκεῖνοι μάλιστα τῶν Ἑλλήνων σπουδάζουσιν ἐπὶ τοῖς τοιούτοις, καὶ ὅτι παρ᾽ ἐκείνοις ἄν τις τιμηθεὶς εἰς ταῦτα, καὶ παρὰ τῶν ἄλλων πλεῖστ᾽ ἂν ἐργάζοιτο χρήματα· ὥσπέρ γε καὶ τραγῳδίας ποιητὴς παρ᾽ ἡμῖν τιμηθείς. τοιγάρτοι ὃς ἂν οἴηται τραγῳδίαν καλῶς ποιεῖν, οὐκ ἔξωθεν κύκλῳ περὶ τὴν Ἀττικὴν κατὰ τὰς ἄλλας πόλεις ἐπιδεικνύμενος περιέρχεται, ἀλλ᾽ εὐθὺς δεῦρο φέρεται, καὶ τοῖσδ᾽ ἐπιδείκνυσιν εἰκότως. τοὺς δὲ ἐν ὅπλοις μαχομένους ἐγὼ τούτους ὁρῶ τὴν μὲν Λακεδαίμονα ἡγου-
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nicht lernen solle. Denn auch alles zu wissen scheint gut zu sein: und auch dieses Fechterstük also wenn es eine Kunst ist, wie die welche es lehren behaupten und auch Nikias sagt muß man lernen: Ist es aber keine Kunst, sondern betrügen nur die es zu lehren verheißen oder ist es zwar eine Kunst aber von gar keinem ernsthaften Werth, wozu sollte man sie lernen. Ich spreche aber so darüber indem ich darauf Rüksicht nehme daß ich glaube, wenn dieses etwas wäre würde es den Lakedaimoniern nicht verborgen geblieben sein denen ja nichts | anderes fast anliegt im Leben als dasjenige zu lernen und zu üben was gelernt und geübt ihnen Uebermacht über Andere verschaffen kann im Kriege. Wäre es ihnen aber auch verborgen geblieben, so wäre doch jenen Lehrern dieser Kunst das nicht verborgen geblieben daß Jene am meisten unter allen Hellenen sich dieser Dinge befleißigen und daß wer unter ihnen deshalb geachtet wäre auch bei den andern desto mehr Geld gewinnen müßte, eben wie ein bei uns geachteter Tragödiendichter. Denn gewiß wer eine Tragödie schön zu dichten glaubt wird nicht rund um Attika in den andern Städten sie zur Schau gebend herumziehen, sondern geradezu kommt er hieher und stellt sie den Unsrigen zur Schau wie billig. Diese Fechtkünstler aber sehe ich daß sie Lakedaimon für ein unzugängliches Heiligthum halten und es
T 2f Fechterstük] über Waffenkunststük 3 wenn es eine Kunst ist] am Rand NB ει μεν εστι μαθημα was sich durch method. Unterricht erlernen läßt – Vgl. Anm. 5 A zu S. 894,13. | Kunst] über Kentniß 5f Ist es aber keine Kunst] davor ist es aber keine Kentniß 6 Kunst] über Kentniß 7 Kunst] korr. aus K entniß 9 spreche] korr. aus s age 9f so darüber] über dieses davon 11 ich glaube] davor wie 12 würde] über der Zeile mit Einfügungszeichen | Lakedaimoniern] am Rand NB Das von den Lakedaim. ist auch Beziehung auf den Protagoras. (vgl. Platon, Protagoras 342b-c) | nicht] danach würde 13 nichts] danach anscheinend im 13f anderes fast] über der Zeile mit Einfügungszeichen
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nen solle. Denn auch alles zu | wissen scheint gut zu sein, und so auch dieses Fechterstük, wenn es eine Kunst ist, wie diejenigen die es lehren behaupten, und auch Nikias sagt, muß man es lernen. Ist es aber keine Kunst, sondern betrügen uns nur, die es zu lehren verheißen, oder ist es zwar eine Kunst aber von gar keinem ernsthaften Werth, wozu sollte man sie denn wohl lernen? Ich spreche aber hierüber so in der Hinsicht, weil ich glaube dieses würde, wenn es etwas wäre, den Lakedämoniern nicht entgangen sein, denen ja nichts anderes fast anliegt im Leben, als dasjenige zu lernen und zu üben, was gelernt und geübt ihnen Uebermacht verschaffen kann über Andere im Kriege. Wäre es ihnen aber auch entgangen, so würde doch den Lehrern dieser Kunst eben das nicht entgangen sein, daß Jene am meisten unter allen Hellenen sich dieser Dinge befleißigen, und daß wer von ihnen deshalb geachtet wäre, auch bei den andern desto mehr Geld gewinnen müßte, eben wie ein Tragödiendichter der bei uns geachtet ist. Denn gewiß wer eine Tragödie schön gedichtet zu haben glaubt, der wird nicht rund um Attika in andern Städten herumziehend sie zur Schau geben, sondern er kommt geradezu hieher und stellt sie bei uns zur Schau, wie billig. Diese Fechtkünstler aber sehe ich, daß sie Lakedämon für ein unzugängliches Heiligthum halten und es
nen solle. Denn auch alles zu wissen scheint gut zu sein, und so auch dieses Fechterstük, wenn es eine Kunst ist, wie dieje|nigen die es lehren behaupten, und eine solche wie Nikias sagt muß man lernen. Ist es aber keine Kunst, sondern betrügen uns nur, die es zu lehren verheißen, oder ist es zwar eine Kunst, jedoch zu gar keinem ernsthaften Gebrauch, wozu sollte man sie denn wohl lernen? Ich spreche aber hierüber so in der Hinsicht, weil ich glaube dieses würde, wenn es etwas wäre, den Lakedaimoniern nicht entgangen sein, denen ja nichts anderes fast anliegt im Leben, als dasjenige zu lernen und zu üben, was gelernt und geübt ihnen Uebermacht verschaffen kann über Andere im Kriege. Wäre es ihnen aber auch entgangen, so würde doch den Lehrern dieser Kunst eben das nicht entgangen sein, daß Jene am meisten unter allen Hellenen sich dieser Dinge befleißigen, und daß wer von ihnen deshalb geachtet wäre, auch bei den andern desto mehr Geld gewinnen müßte, eben wie ein Tragödiendichter der bei uns geachtet ist. Denn gewiß wer eine Tragödie schön gedichtet zu haben glaubt, der wird nicht rund um Attika in andern Städten herumziehend sie zur Schau geben, sondern er kommt geradezu hieher und stellt sie bei uns zur Schau, wie billig. Diese Fechtkünstler aber sehe ich, daß sie Lakedaimon für ein unzugängliches Heiligthum halten und es
T 10 keinem] verdruckt keinen W1
T 26 daß] verdruckt das W2
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μένους εἶναι ἄβατον ἱερόν, καὶ οὐδὲ ἄκρῳ ποδὶ ἐπιβαίνοντας, κύκλῳ δὲ περιϊόντας αὐτήν, καὶ πᾶσι μᾶλλον ἐπιδεικνυμένους, καὶ μάλιστα τούτοις οἳ κᾂν αὐτοὶ ὁμολογήσειαν πολλοὺς σφῶν προτέρους εἶναι πρὸς τὰ τοῦ πολέμου. ἔπειτα, ὦ Λυσίμαχε, οὐ πάνυ ὀλίγοις ἐγὼ τούτων παραγέγονα ἐν αὐτῷ τῷ ἔργῳ, καὶ ὁρῶ οἷοί εἰσιν. ἔξεστι δὲ καὶ αὐτόθεν ἡμῖν σκέψασθαι. ὥσπερ γὰρ ἐπίτηδες οὐδεὶς πώποτ᾽ εὐδόκιμος γέγονεν ἐν τῷ πολέμῳ ἀνὴρ τῶν τὰ ὁπλιτικὰ ἐπιτηδευσάντων. καίτοι εἴς γε τἄλλα πάντα ἐκ τούτων οἱ ὀνομαστοὶ γίγνονται, ἐκ τῶν ἐπιτηδευσάντων ἕκαστα· οὗτοι δ᾽ ὡς ἔοικε, παρὰ τοὺς ἄλλους οὕτω σφόδρα εἰς τοῦτο δεδυστυχήκασιν. ἐπεὶ καὶ τοῦτον τὸν Στησίλεων, ὃν ὑμεῖς μετ᾽ ἐμοῦ ἐν τοσούτῳ ὄχλῳ ἐθεάσασθε ἐπιδεικνύμενον, καὶ τὰ μεγάλα περὶ αὑτοῦ λέγοντα ἃ ἔλεγεν, ἑτέρωθι ἐγὼ κάλλιον
Erster Entwurf (handschriftlich)
auch nicht mit der Fußspize betreten sondern sich eher Allen Andern zeigen am liebsten aber denen, welche selbst gestehen daß Jene ihnen weit überlegen sind was den Krieg betrifft. Dann aber o Lysimachos bin ich auch schon mit nicht gar wenigen von diesen hier gewesen bei der That selbst und habe gesehen was sie werth sind. Auch daraus aber können wir es beurtheilen daß wie absichtlich niemals irgend einer von diesen Fechtkünstlern ein berühmter Mann geworden ist im Kriege da doch sonst überall die Berühmten aus denen herkommen welche sich jeder Sache besonders befleißigen diese aber wie es scheint sind hierin vor allen andern sehr unglüklich gewesen. Ja auch diesen Stesilaos den Ihr mit mir unter einer so großen Volksmenge sich zeigen gesehn habt und so großes von sich rühmen als er gerühmt hat diesen habe ich anderwärts besser
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 3f Übers.A (verl.) in SN 158/3: „Daß J e n e ihnen w e i t überl. –“ Warum nicht: „daß v i e l e “ ohne das „ w e i t “ . Es steht ja im Gr. πολλοὺς, nicht ἐκείνους πολλῷ. An die Lakedämonier denkt er hier nicht. Oder lesen Sie anders? Aber warum? 13f Übers.A (verl.) in SN 158/3: ἐκ τούτων — ἐκ τῶν. Glauben Sie nicht, daß das zweite ἐκ vom Übel ist? Doch darüber wird Hndf wol Parallelstellen haben. T 3f daß Jene ihnen weit überlegen] dass viele ihnen überlegen Spld. (SN 158/3), vgl. W1 W2 5 bin] über habe 6 mit nicht gar wenigen] über viele 7 hier gewesen bei] über gesehen in | That] über Sache 8 habe gesehen] über weiß 9 beurtheilen] über auch sehen 15 wie es] über der Zeile ohne Einfügungszeichen | scheint] korr. aus scheinen | sind] über der Zeile ohne Einfügungszeichen 16 gewesen] danach zu sein 20 anderwärts besser] über ein andermal schöner
3f κύκλῳ δὲ περιϊόντας αὐτήν] nicht übersetzt SN 158/1 W1 W2
S 17 Zur Anekdote von Stesilaos vgl. Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 371, Notat 111.
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auch nicht mit der Fußspize betreten, sondern sich lieber bei allen andern zeigen, am liebsten aber bei denen, welche selbst gestehen, daß Viele ihnen überlegen sind, was den Krieg betrifft. Ferner, o Lysimachos, bin ich schon mit nicht gar Wenigen von diesen zusammen gewesen bei der That selbst, und habe gesehen was sie werth sind. Aber auch daraus können wir dieses beurtheilen, daß, recht als | müßte es so sein, niemals irgend einer von diesen Fechtkünstlern ein berühmter Mann geworden ist im Kriege, da doch sonst überall die berühmten aus denen herkommen, welche sich jeder Sache besonders befleißigen, diese aber wie es scheint sind hierin vor allen andern sehr unglüklich gewesen. Ja auch diesen Stesilaos, den ihr mit mir vor einer so großen Volksmenge sich zeigen gesehn habt und so vieles von sich rühmen als er gerühmt hat, den habe ich anderwärts schon
auch nicht mit der Fußspize betreten, sondern sich lieber bei allen andern zeigen, am liebsten aber bei denen, welche selbst gestehen, daß Viele ihnen überlegen sind, was den Krieg betrifft. Ferner, o Lysimachos, bin ich schon mit nicht gar Wenigen von diesen zusammen gewesen bei der That selbst, und habe gesehen was sie werth sind. Aber auch daraus können wir dieses beurtheilen, daß, recht als müßte es so sein, niemals irgend einer von die|sen Fechtkünstlern ein berühmter Mann geworden ist im Kriege, da doch sonst überall die berühmten aus denen herkommen, welche sich jeder Sache besonders befleißigen, diese aber wie es scheint sind hierin vor allen andern sehr unglüklich gewesen. Ja auch diesen Stesilaos, den ihr mit mir vor einer so großen Volksmenge sich zeigen gesehn habt und so vieles von sich rühmen als er gerühmt hat, den habe ich anderwärts schon
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ἐθεασάμην ἐν τῇ ἀληθείᾳ ὡς ἀληθῶς ἐπιδεικνύμενον, οὐχ ἑκόντα. προσβαλούσης γὰρ τῆς νεὼς ἐφ᾽ ἧς ἐπεβάτευε, πρὸς ὁλκάδα τινά, ἐμάχετο ἔχων δορυδρέπανον, διαφέρον δὴ ὅπλον, ἅτε καὶ αὐτὸς τῶν ἄλλων διαφέρων. τὰ μὲν οὖν ἄλλα οὐκ ἄξια λέγειν περὶ τἀνδρός· τὸ δὲ
Erster Entwurf (handschriftlich)
gesehen ganz der Wahrheit nach wo er sich wirklich zeigte, aber nicht gern. Als nemlich das Schiff auf welchem er sich befand mit einem Frachtschiff zusammenstieß so focht er mit einem Sichelspieß einem sonderlichen Gewehr wie auch er sonderlich war vor den Uebrigen. Anderes nun verdient wol nichts von dem Manne erzählt zu werden doch
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 1f Übers.A (verl.) in SN 158/3: „ganz der Wahrheit nach, wo er sich wirklich zeigte“ „ganz im Ernste, wo er sich ernstlich zeigte.“ T 1 ganz] über in | nach] über der Zeile ohne Einfügungszeichen 1f wo er sich wirklich] über der Zeile korr. aus sich , darüber ⌈wenn⌋ er sich wirklich 2 zeigte] korr. aus zeigen, davor es über z⌈......⌋ sich | gern] danach schien es 6 den] über der Zeile mit Einfügungszeichen 7 Uebrigen] über Andern
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besser gesehen ganz der Wahrheit nach, wo er sich wahrhaft zeigte, aber eben nicht gern. Als nämlich das Schiff, auf welchem er sich befand, mit einem Frachtschiff zusammenstieß, so focht er mit einem Sichelspeer, einem sonderlichen Gewehr, wie auch er sonderlich war vor den Uebrigen. Sonst nun verdient wohl nichts von dem Manne erzählt zu werden, doch aber dieses
besser gesehen ganz der Wahrheit nach, wo er sich wahrhaft zeigte, aber eben nicht gern. Als nämlich das Schiff, auf welchem er sich befand, mit einem Frachtschiff zusammenstieß, so focht er mit einem Sichelspeer, einem sonderlichen Gewehr, wie auch er sonderlich war vor den Uebrigen. Sonst nun verdient wohl nichts von dem Manne erzählt zu werden, doch aber diese
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σόφισμα τὸ τοῦ δρεπάνου πρὸς τῇ λόγχῃ οἷον ἀπέβη. μαχομένου γὰρ αὐτοῦ ἐνέχετό που ἐν τοῖς τῆς νεὼς σκεύεσι, καὶ ἀντελάβετο. εἷλκεν οὖν ὁ Στησίλεως, βουλόμενος ἀπολῦσαι, καὶ οὐχ οἷός τ᾽ ἦν· ἡ δὲ ναῦς τὴν ναῦν παρῄει. τέως μὲν οὖν παρέθει ἐν τῇ νηῒ ἀντεχόμενος τοῦ δόρατος· ἐπειδὴ δὲ παρημείβετο ἡ ναῦς τὴν ναῦν, καὶ ἐπέσπα αὐτὸν τοῦ δόρατος ἐχόμενον, ἐφίει τὸ δόρυ διὰ τῆς χειρός, ἕως ἄκρου τοῦ στύρακος ἀντελάβετο. ἦν δὲ γέλως καὶ
aber dieses Kunststük mit dem Sichelspieß wie es ablief. Indem er nemlich herumfocht faßte er irgendwo in dem Tauwerk des Schiffes11 und blieb hängen. Nun zog Stesilaos um ihn loszumachen und konnte nicht. Die Schiffe aber gingen einander vorbei. Anfangs nun lief er nur im Schiff seinen Spieß festhaltend ihm nach; als aber jenes Schiff schon vorbei war vor dem andern und ihn mitzog wie er seinen Spieß hielt so ließ er den Spieß immer weiter nach durch die Hand bis er nur noch die äußerste Spize des Griffes hatte. Da war nun groß Gelächter 11
E (SN 158/1) εν τοις σκευεσι. Ob eine ολκας Tauwerk hat, wenn sie wirklich und zwar unten gezogen wird. | A (SN 158/2) ε ν τ ο ι ς τ η ς ν ε ω ς σ κ ε υ ε σ ι . Ist das wirklich das Tauwerk? Aus dem αιωρουμενον (184a) scheint es doch.
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 3 Übers.A (verl.) in SN 158/3: „faste e r “ „— s i e “ denn es geht im Deutschen zunächst auf S i c h e l . 5 Übers.A (verl.) in SN 158/3: „um i h n los zu machen“ „um s i e — “ 12f Übers.A (verl.) in SN 158/3: „des G r i ff e s “ „des E n d e s “ denn G r i ff kann man am Spieße das Unterste nicht nennen, das man gelegentlich in die Erde stößt. Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu Anm. 11 A am Zeilenende und am Rand: Es ist mir etwas mislich. Die Segelstangen sind doch auch wol mit in dem σκεῦος. So sagt Stefanus im Artikel σκευὴ wohin er verweiset unter σκεῦος. αἰωρεῖσθαι konte der Sichelspeer, wo er auch fest hing, sobald ihn Stesileos nun nicht mehr am andern Ende hielt. T 1–5 mit dem Sichelspieß ... faßte er ... um ihn] vermutlich mit der Sichel an dem Speer ... faßte er ... um ihn Übers.A (verl.) aus Spld. (SN 158/3), vgl. W1 W2 | ... faste sie ... um sie Spld. (SN 158/3) 3 er] korr. aus es 7 im] davor ⌈entl⌋ 8 ihm nach] über der Zeile ohne Einfügungszeichen | jenes] über das 11 immer weiter nach] über durch 12f des Griffes] des Endes Spld. (SN 158/3), vgl. W1 W2 S Spld. (SN 158/2) Stephanus: Thesaurus Graecae linguae, Bd. 3, [Genf] [1572], Sp. 833-850 s. v. σκεῦος, darin Sp. 838 f. s. v. σκευή.
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Kunststück mit der Sichel an dem Speer wie es ablief. Indem er nämlich damit herumfocht faßte er irgendwo an dem Takelzeug des Schiffes, und blieb hängen. Nun zog Stesilaos daran um ihn loszumachen und konnte nicht. Die Schiffe aber gingen einander vorbei. Anfangs nun lief er längs dem Schiffe seinen Speer festhaltend ihm nach, als aber jenes Schiff schon vorüber war vor dem seinigen und ihn nun mitzog, weil er seinen Speer halten wollte, so ließ er den Speer allmählich nach durch die Hand, bis er nur noch die äußerste Spize am untern Ende hielt.
Erfindung mit der Sichel an dem Speer wie sie ablief. Indem er nämlich damit herumfocht faßte er irgendwo an dem Takelzeug des Schiffes, und blieb hängen. Nun zog Stesilaos daran um ihn loszumachen und konnte nicht. Die Schiffe aber gingen einander vorbei. Anfangs nun lief er längs dem Schiffe seinen Speer festhaltend ihm nach, als aber jenes Schiff schon vorüber war vor dem seinigen und ihn nun mitzog, weil er seinen Speer halten wollte, so ließ er den Speer allmählig nach durch die Hand, bis er nur noch die äußerste Spize am untern Ende hielt.
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κρότος ὑπὸ τῶν ἐκ τῆς ὁλκάδος, ἐπί τε τῷ σχήματι αὐτοῦ, καὶ ἐπειδὴ βαλόντος τινὸς λίθῳ παρὰ τοὺς πόδας αὐτοῦ ἐπὶ τὸ κατάστρωμα, ἀφίεται τοῦ δόρατος. τότ᾽ ἤδη καὶ οἱ ἐκ τῆς τριήρους οὐκέτι οἷοί τ᾽ ἦσαν τὸν γέλωτα κατέχειν, ὁρῶντες αἰωρούμενον ἐκ τῆς ὁλκάδος τὸ δορυδρέπανον ἐκεῖνο. ἴσως μὲν οὖν εἴη ἄν τι ταῦτα, ὥσπερ Νικίας λέγει· οἷς δ᾽ οὖν ἐγὼ ἐντετύχηκα, τοιαῦτα ἄττα εἰσίν. ὃ οὖν καὶ ἐξ ἀρχῆς εἶπον, ὅτι εἴτε οὕτω σμικρὰς ὠφελείας ἔχει, μάθημα ὄν, εἴτε μὴ ὂν φασὶ καὶ προσποιοῦνται αὐτὸ εἶναι μάθημα, οὐκ ἄξιον ἐπιχειρεῖν μανθάνειν. καὶ γὰρ οὖν μοι δοκεῖ, εἰ μὲν δειλός τις ὢν οἴοιτο δεῖν αὐτὸ ἐπίστασθαι, θρασύτερος ἂν δι᾽ αὐτὸ γενόμενος,
Erster Entwurf (handschriftlich)
und Geklatsch unter denen auf dem Frachtschiff schon über seine Stellung noch mehr aber als ihm einer einen Stein zu den Füßen aufs Verdek warf und er den Spieß losließ. Denn nun konnten auch die auf dem Kriegsschiff das Lachen nicht mehr halten als sie am Frachtschiff hängen sahen jenen Sichelspieß. Vielleicht nun kann dennoch etwas an dieser Sache sein wie auch Nikias sagt was ich aber daran bemerkt habe ist nur diese Art die wie ich anfangs gesagt wenn es eine Kunst zwar ist aber so wenig Nuzen hat oder gar keine ist und sie es nur dafür ausgeben so ist es wol nicht der Mühe werth sie zu lernen. Daher dünkt mich wenn ein Feigherziger glaubte dieses wissen zu müssen und sich dadurch dreist machen ließe
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 4f Übers.A (verl.) in SN 158/3: δόρατος. τότ᾽ ἤδη Ich halte das Punkt für unrecht. Sie haben geholfen im Deutschen durch d e n n . Die Konstrukzion mache ich so: ἦν γέλως — ἐπί τ ε τῷ σχήματι — κ α ὶ ἐπείδη [sic] — ἀφίεται — τότ᾽ ἤδη. 10f Übers.A (verl.) in SN 158/3: [komplette Note nachträglich hinzugefügt:] Was sagt Hndf zu τοιαῦτα ἄττα ε ἰ σ ί ν statt ἐστί? Hat er Parallelstellen? 15 εἰσίν] ἐστίν Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 73 [261,21], vgl. Spld. (SN 158/3)
T 10 ist nur] über war eben Geschiklichkeit 15 sie] über es
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Da war nun groß Gelächter und Geklatsch unter denen auf dem Frachtschiff schon über diese Stellung, hernach aber als ihm einer einen Stein vor die Füße auf das Verdek warf, und er den Speer losließ, dann konnten auch die auf dem Kriegsschiffe das Lachen nicht mehr halten, als | sie an dem Frachtschiffe hängen sahen jenen Sichelspeer. Vielleicht also kann zwar dennoch etwas an der Sache sein, wie auch Nikias sagt, was ich aber daran gefunden habe war nicht besser als dieses. Wie ich also schon anfangs sagte, hat es so wenigen Nuzen wenn es eine Kunst ist, oder ist es gar keine, und sie geben es nur dafür aus: so ist es wohl nicht der Mühe werth es zu lernen. Daher nun dünkt mich, wenn einer der nicht viel Muth hätte glaubte dieses verstehen zu müssen und sich dadurch dreist machen ließe, so
Da war nun groß Gelächter und Geklatsch unter denen auf dem Frachtschiff schon über diese Stellung, hernach aber als ihm einer einen Stein vor die Füße auf das Verdek warf, und er den Speer losließ, dann konnten auch die auf dem Kriegsschiffe das Lachen nicht mehr halten, als sie an dem Frachtschiffe hängen sahen jenen Si|chelspeer. Vielleicht also kann zwar dennoch etwas an der Sache sein, wie auch Nikias sagt, was ich aber daran gefunden habe war nicht besser als dieses. Wie ich also schon anfangs sagte, hat er so wenigen Nuzen wenn es eine Kunst ist, oder ist es gar keine, und sie geben es nur dafür aus: so ist es wohl nicht der Mühe werth es zu lernen. Daher nun dünkt mich, wenn ein Feiger glaubte dieses verstehen zu müssen und sich dadurch dreist machen ließe, so
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ἐπιφανέστερος γένοιτο ἢ οἷος ἦν· εἰ δὲ ἀνδρεῖος,
würde er dadurch nur offenbarer werden als er vorher war12, ein tapferer aber würde, 12
E (SN 158/1) επιφανεστ. p. Ficin hat gewiß falsch übersezt denn Laches will sagen sie tauge für niemand. Daher ist θρασυς hier wie das Gegentheil von schüchtern und επιφανης heißt nur offenbar. Das η οιος ην ist freilich sonderbar ⌈oder⌋ dies gibt hier keine Bedeutung. | A (SN 158/2) επιφανεστερος γενοιτο η οιος ην. Da Laches das μαθημα ganz verwirft so heißt επιφανης hier gewiß nicht berühmt, sondern nur bekannt, offenbar sc. als ein (gewesener) δειλος. Darum möchte ich auch das ἢ vor οἷος löschen.
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 2 Übers.A (verl.) in SN 158/3: [in der Hs. nach der Note zu S. 930,9, von dort mit Zeichen umgestellt:] Eben macht mich Buttmann aufmerksam auf die Unordnung in der Konstrukzion: δοκεῖ εἰ μὲν — οἴοιτο — θρασ. ἂν — γ έ ν ο ι τ ο (wo das ἂν wol gewis zu γένοιτο gehört, nicht etwa zu dem Partizip γενόμενος) und nachher — μεγάλας ἂν διαβολὰς ἴ σ χ ε ι ν . Der Infinitif hängt ab von δοκεῖ, und vorher war doch so wenig Rüksicht auf die Worte genommen worden, daß eine ganz neue Konstrukzion anging, die für sich bestehen kann. Er kam auf den Gedanken, durch ein τὲ nach θρασύτερος Verbindung zu stiften, und bis γένοιτο noch den Vordersaz dauren zu lassen, da denn ἴσχειν | im Nachsaze auf beide, den δειλὸς und ἀνδρεῖος, ginge. Doch gefiel ihm dis selbst nicht, und Hndf und Sie wissen ja wol Rath zu Parallelen eines solchen Anakoluth, obgleich Buttm. den Namen Anakoluth noch zu ehrlich findet für diese Verwirrung. Ein Anakoluth sei das Vernachlässigen der vorigen Konstrukzion im Verfolge, hier aber erscheine ein widerwärtiges Zurükkehren zu einer Regelmäßigkeit (δοκεῖ — ἴσχειν) die früher durch die unabhängige Wendung (ἂν — ἐπιφανέστερος γένοιτο) vernachlässigt war. Doch billigt auch Buttmann gar sehr Ihr Anstreichen des ἢ vor οἷος. Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu Anm. 12 A: Halte die Emendazion für sehr gut.
1 ἢ] athetiert Schleiermacher Anm. 12 A W1 Anm. 3 W2 Anm. 2 Ed.Berlin 1816 (Bekker) (ἢ im Text, jedoch durch eckige Klammern athetiert), nicht übersetzt W1 W2, vgl. Spld. (SN 158/2)
T 1 dadurch] über der Zeile mit Einfügungszeichen | nur] danach desto 2 als er vorher war] über wie er eigentlich ist S Anm. 12 EA Ficinus in Ed.Zweibrücken: Ita sane arbitror, si quis timidus facultatem hanc sequatur, audaciorem ob hanc effectum, clariorem fore quam fuerit.
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würde nun um so offenbarer werden wie er war3, ein Tapferer aber
würde nur um so offenbarer werden was für einer er war2; wenn aber ein
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w i e e r w a r . Da Laches das Kunststük ganz verwirft: so kann ἐπιφανὴς hier nichts anders heißen als bekannt, offenbar, nämlich als ein gewesener Feigherziger. Offenbar muß dem zufolge das ἢ vor οἷος gelöscht werden. Nach Ficins Uebersezung, abgesehen von dem eben gesagten, wäre wiederum das οἷος schwer zu vertheidigen. Eine böse Abweichung ist überdies in der Struktur, welche aber, da sie auf die Uebersezung keinen Einfluß hat, Andere heilen mögen.
S Anm. 3 Vgl. Spalte 2 mit App. S (dort Ficinus); zur Struktur s. Spaldings Note (Spld. [SN 158/3]).
w a s f ü r e i n e r e r w a r . Da Laches das Kunststük ganz verwirft: so kann ἐπιφανὴς hier nichts anders heißen als bekannt, offenbar, nämlich als ein gewesener Feigherziger. Offenbar muß dem zufolge das ἢ vor οἷος gelöscht werden.
S Anm. 2 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 3.
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φυλαττόμενος ἂν ὑπὸ τῶν ἀνθρώπων, εἰ καὶ σμικρὸν ἐξαμάρτοι, μεγάλας ἂν διαβολὰς ἴσχειν. ἐπίφθονος γὰρ ἡ προσποίησις τῆς τοιαύτης ἐπιστήμης. ὥστ᾽ εἰ μή τι θαυμαστὸν ὅσον διαφέρει τῇ ἀρετῇ τῶν ἄλλων, οὐκ ἔσθ᾽ ὅπως ἄν τις φύγοι τὸ καταγέλαστος γενέσθαι, φάσκων ἔχειν ταύτην τὴν ἐπιστήμην. τοιαύτη τις ἔμοιγε δοκεῖ, ὦ Λυσίμαχε, ἡ περὶ τὸ μάθημα εἶναι σπουδή. χρὴ δ᾽ ὅπερ σοι ἐξ ἀρχῆς ἔλεγον, καὶ Σωκράτη τόνδε μὴ ἀφιέναι, ἀλλὰ δεῖσθαι συμβουλεύειν ὅπη δοκεῖ αὐτῷ περὶ τοῦ προκειμένου. ΛΥ. Ἀλλὰ δέομαι ἔγωγε, ὦ Σώκρατες. καὶ γὰρ ὥσπερ ἐπὶ τοῦ διακρινοῦντος δοκεῖ μοι δεῖν ἡμῖν ἡ βουλή. εἰ μὲν γὰρ συνεφερέσθην τώ-
von allen Menschen beobachtet auch wenn er nur um ein Weniges fehlte, großen Tadel davon tragen denn neiderwekend ist es sich einer solchen Wissenschaft zu rühmen. Daher jeder der nicht ganz ich weiß nicht wie sehr sich auszeichnet vor andern in der Tapferkeit unmöglich vermeiden kann lächerlich zu werden wenn er sich dafür ausgiebt diese Wissenschaft zu besizen. Solche Bewandniß, | scheint es mir zu haben o Lysimachos mit dem Bestreben um diese Kunst. Du mußt aber wie ich dir schon anfangs sagte auch den Sokrates hier nicht loslassen sondern ihn bitten Rath mitzutheilen was ihn wol dünkt von der vorliegenden Sache.
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L y s . Darum bitte ich dich allerdings o Sokrates. Zumal unsere Sache mir schon gleichsam für den Schiedsrichter13 zu gehören scheint. Denn stimmten diese beiden 13
E (SN 158/1) επι του διακρινουντος δειν ist ganz unmöglich. Entweder επι löschen oder aus μοι δειν ημιν machen μοι ηδη ειναι ημιν. Ich ziehe das leztere vor ohnerachtet des του τοιουτου εδει. | A (SN 158/2) ωσπερ επι του p. Heindorf liest ωσπερ ἔτι welches mir auch eingefallen war; aber ich hatte ein Gefühl dagegen und wollte lieber lesen ωσπερ επι του διακρινουντος δοκει μοι ηδη ειναι p. Aber was ist ein Gefühl? ich werde mich nun doch zu ihm bekehren.
22 ἐπὶ] ἔτι konj. Heindorf (laut W1 Anm. 4, vgl. Heindorf zu Platon, Charmides 155d: Ed.Berlin 1802, S. 62) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 74 [262,18], übersetzt W1 W2, vgl. Anm. 13 A W1 Anm. 4 W2 Anm. 3 23 μοι δεῖν ἡμῖν] μοι ηδη ειναι ημιν konj. Schleiermacher (Anm. 13 E), übersetzt SN 158/1
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Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu Anm. 13 A am Rand: Ich glaube Ihr Gefühl ist unrichtig, weil es nach Ihnen wol heißen müste ἐπὶ τῷ διακρινοῦντι. T 1 Menschen] Mn 2 großen] darüber ein Zeichen, vielleicht x)’, möglicherweise zur Kennzeichnung der syntaktischen Fortsetzung des Hauptsatzes 15 wol] über eben 17–19 Zumal…scheint] am Rand ηδη ειναι S Anm. 13 A Vgl. Spalte 1 App.
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würde, von allen Menschen beobachtet, auch wenn er nur um ein Weniges fehlte großen Tadel davon tragen; denn neiderwekend ist es sich einer solchen Wissenschaft zu rühmen. So daß Jeder der nicht, ich weiß nicht wie sehr sich auszeichnet vor Andern in der Tapferkeit, unmöglich vermeiden kann lächerlich zu werden, wenn er sich dafür ausgiebt diese Wissenschaft zu besizen. Solche Bewandniß dünkt es mich zu haben, o Lysimachos, mit dem Bestreben um diese Kunst. Du mußt aber, wie ich dir gleich sagte, auch den Sokrates hier nicht loslassen, sondern ihn bitten Rath mitzutheilen, was ihn dünkt von der vorliegenden Sache. LYSIM. Darum bitte ich dich allerdings, o Sokrates; zumal unsere Sache mir gleichsam noch eines Schiedsrichters4 zu bedürfen scheint. Denn wenn diese beiden überein-
Tapferer der würde, von allen Menschen beobachtet, auch wenn er nur um ein Weniges fehlte, großen Tadel davon tragen; denn neiderwekkend ist es sich einer solchen Wissenschaft zu rühmen. So daß wer nicht, ich weiß nicht wie sehr, sich auszeichnet vor Andern in der Tapferkeit, unmöglich vermeiden kann lächerlich zu werden, wenn er sich dafür ausgiebt diese Wissenschaft zu besizen. Solche Bewandniß dünkt es mich zu haben, o Lysimachos, mit dem Bestreben um diese Kunst. Du mußt aber, wie ich dir gleich sagte, auch den Sokrates hier nicht loslassen, sondern ihn bitten Rath mitzutheilen, was ihn dünkt von der vorliegenden Sache. LYSIM. Darum bitte ich dich allerdings, o Sokrates; zumal unsere Berathung mir gleichsam noch eines Schiedsrichters3 zu bedürfen scheint. Denn wenn diese beiden überein-
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noch eines Schiedsrichters. Statt des unzuläßigen ἐπὶ lese ich mit Heindorf ἔτι.
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S Anm. 4 Vgl. Spalte 1 App.
S Anm. 3 Vgl. Spalte 1 App.
noch eines Schiedsrichters. Statt des unzulässigen ἐπὶ lese ich mit Heindorf ἔτι was nun auch Bekker hat.
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δε, ἧττον ἂν τοῦ τοιούτου ἔδει· νῦν δὲ (τὴν ἐναντίαν γάρ, ὡς ὁρᾷς, Λάχης Νικίᾳ ἔθετο) εὖ δὴ ἔχει καὶ σοῦ ἀκοῦσαι, ποτέρῳ τοῖν ἀνδροῖν σύμψηφος εἶ.
überein so würde es dessen weniger bedürfen: nun aber wie du siehst Laches für die entgegengesezte Seite gestimmt hat wie Nikias ist es sehr gut auch dich noch zu hören welchem von den Männern du beistimmst.
ΣΩ. Τί δέ, ὦ Λυσίμαχε; ὁπότε ἂν οἱ πλείους ἐπαινῶσιν ἡμῶν, τούτοις μέλλεις χρῆσθαι; ΛΥ. Τί γὰρ ἄν τις καὶ ποιοῖ, ὦ Σώκρατες;
S o k r. Wie also o Lysimachos? Für welches von beiden14 die meisten unter uns sich erklären, das willst du annehmen?
ΣΩ. Ἦ καὶ σύ, ὦ Μελησία,
S o k r. Würdest auch du o Melesias es so
L y s i m . Wie sollte es einer denn sonst wol machen o Sokrates?
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E (SN 158/1) οποτε αν πλειους ist zu nachläßig um nicht zu corrig. οποτερα αν. | A (SN 158/2) ὁπότε ἄν ist es zu dulden? Oder soll man aus dem vorigen restituirn οποτερα αν? übersezen wenigstens mußte ich so.
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 9 Übers.A (verl.) in SN 158/3: „einer wol anders“ „einer d e n n a u c h wol anders“ um das hübsche καὶ auszudrükken des Verlegenen. Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu Anm. 14 A am Zeilenende und am Rand: Ich glaube Sie haben ganz Recht, und ärgere mich im Lesen nicht angestoßen zu sein. Wenn ruhig dastünde: ὁπόταν, müste man vielleicht (doch unwillig) stillschweigen. [Ab hier wegen einer abgerissenen Blattecke Lücken:] So [...] scheint das nicht apostrofirte E[psilon] Fehler zu verrathen. Man schreibe ὁπότερ᾽ [ἄν]. 8 ὁπότε ἂν] ὁπότερ᾽ ἂν konj. Schleiermacher (Anm. 14 EA, allerdings ὁπότερα) W1 Anm. 5, vgl. Spld. (SN 158/3), Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 74 [263,1], übersetzt SN 158/1 W1 W2
T 6f welches von beiden] am Rand οποτερα 9 einer denn sonst wol] einer wol anders Übers.A (verl.) aus Spld. (SN 158/3) | einer denn auch wol anders Spld. (SN 158/3), vgl. W1 W2 10 o] korr. aus einem Fragezeichen 11 o] über der Zeile ohne Einfügungszeichen S Anm. 14 EA mit Spld. Vgl. Spalte 1 App.
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stimmten, so würde es dessen weniger bedürfen; nun aber, wie du siehst, Laches für die entgegengesezte Seite gestimmt hat als Nikias, so ist es sehr dienlich auch dich noch zu hören, welchem von den Männern du beistimmst. SOK. Wie also, o Lysimachos? welches | von beiden5 die Meisten unter uns billigen, das willst du annehmen? LYSIM. Wie sollte es einer denn auch wohl anders machen, o Sokrates? SOK. Würdest auch du, o Melesias,
stimmten, so würde es dessen weniger bedürfen; nun aber, wie du siehst, Laches für die entgegengesezte Seite gestimmt hat als Nikias, so ist es sehr dienlich auch dich noch zu hören, welchem von den Männern du beistimmst. SOK. Wie also, o Lysimachos? welches | von beiden die Meisten unter uns billigen, das willst du annehmen? LYSIM. Wie sollte es einer denn auch wohl anders machen, o Sokrates? SOK. Würdest auch du, o Melesias,
5 w e l c h e s v o n b e i d e n . Das ὁπότε ἂν in unserm Text ist wohl nicht zu dulden. Ich glaube aus dem vorigen ganz richtig ὁπότερ᾽ ἂν herstellen zu müssen.
S Anm. 5 Vgl. Spalte 1 App.
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οὕτως ἂν ποιοῖς; κἂν εἴτις περὶ ἀγωνίας τοῦ υἱέος σοὶ βουλὴ εἴη τί χρὴ ἀσκεῖν, ἆρα τοῖς πλείοσιν ἂν ἡμῶν πείθοιο, ἢ ᾽κείνῳ ὅστις τυγχάνει ὑπὸ παιδοτρίβῃ ἀγαθῷ πεπαιδευμένος, ἢ καὶ ἠσκηκώς; ΜΕ. Ἐκείνῳ εἰκός γε, ὦ Σώκρατες. ΣΩ. Αὐτῷ ἄρ᾽ ἂν μᾶλλον πείθοιο, ἢ τέτταρσιν οὖσιν ἡμῖν. ΜΕ. Ἴσως. ΣΩ. Ἐπιστήμῃ γὰρ, οἶμαι, δεῖ κρίνεσθαι ἀλλ᾽ οὐ πλήθει, τὸ μέλλον καλῶς κρίνεσθαι. ΜΕ. Πῶς γὰρ οὔ; ΣΩ. Οὐκοῦν καὶ νῦν χρὴ πρῶτον αὐτὸ τοῦτο σκέψασθαι, εἰ ἔστι τὶς ἡμῶν τεχνικὸς περὶ οὗ βουλευόμεθα, ἢ οὔ. καὶ εἰ μέν ἐστιν, ἐκείνῳ πείθεσθαι, ἑνὶ ὄντι, τοὺς δ᾽ ἄλλους ἐᾷν· εἰ δὲ μή, ἄλλον τινὰ ζητεῖν. ἢ περὶ σμικροῦ οἴεσθε νυνὶ κινδυνεύειν καὶ σὺ καὶ Λυσίμαχος, ἀλλ᾽ οὐ περὶ τούτου τοῦ κτήματος ὃ τῶν ἡμετέρων μέγιστον ὂν τυγχάνει; υἱέων γάρ που ἢ χρηστῶν ἢ τἀναντία γενομένων, καὶ
7 ἢ καὶ] καὶ Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 74 [263,8], übersetzt W2 31f τῶν ἡμετέρων] τῶν ὑμετέρων Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 74 [263,21], übersetzt W2
machen? Und wenn von Kampfspielen15 in Beziehung auf deinen Sohn die Frage wäre auf welches er sich üben solte, würdest du den Mehresten von uns glauben oder demjenigen welcher von einem guten Leibeserzieher unterrichtet wäre und sie auch selbst geübt hätte?
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M e l e s . Diesem wol natürlich o Sokrates. S o k r. Dem also würdest du mehr glauben als uns Allen vieren?
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M e l e s . Vielleicht wohl. S o k r. Denn nach der Wissenschaft meine ich muß man entscheiden nicht nach der Menge was gut soll entschieden werden. M e l e s . Wie auch anders? S o k r. Also auch jezt müssen wir zuerst eben dieses erwägen ob einer von uns kunstverständig ist in dem worüber wir Rath pflegen oder nicht und ist es einer alsdann diesem folgen wenn es gleich nur einer ist die andern aber lassen, ist es aber keiner dann einen andern suchen. Oder glaubt ihr du und Lysimachos daß es jezt auf eine Kleinigkeit ankommt, und ⌈nicht dagegen⌋ auf das größte unter allem Unsrigen? Denn je nachdem die Söhne gerathen tüchtig oder 15
E (SN 158/1) περὶ ἀγωνίας. Hier kommt es offenbar gerade auf den Unterschied zwischen einer αγωνια und einem gemeinen γυμνασιον an sonst könnte der Fall nicht als ein fremder gesagt werden.
T 1 Kampfspielen] über Leibesübn 1f in Beziehung auf] am Zeilenanfang hinzugefügt 2 deinen Sohn] korr. aus d s Sohn es 3 auf] über der Zeile ohne Einfügungszeichen | welches] korr. aus welche | sich] über der Zeile mit Einfügungszeichen 12 Wissenschaft] Wisssch 16 müssen] durchstrichenes langes s mit Endung 23 Lysimachos] Lysim | es] über der Zeile ohne Einfügungszeichen 24 ⌈nicht dagegen⌋] nicht[.]dag 25 Unsrigen?] korr. aus Unsrigen, | Denn] über ⌈wiederum⌋ 26 je nachdem] korr. aus indem
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es so machen? Und wenn von Kampfspielen in Beziehung auf deinen Sohn die Frage wäre, auf welches er sich üben sollte, würdest du den Mehresten von uns glauben, oder dem der von einem guten Lehrer in Leibesübungen unterrichtet wäre, oder sie auch selbst geübt hätte. MELES. Diesem wohl natürlich, o Sokrates. SOK. Dem würdest du wohl mehr glauben als uns allen Vieren?
es so machen? Und wenn von Kampfspielen in Beziehung auf deinen Sohn die Frage wäre, auf welches er sich üben sollte, würdest du den Mehresten von uns glauben, oder dem der von einem guten Lehrer in Leibesübungen unterrichtet wäre, und sie eingeübt hätte. MELES. Diesem wohl natürlich, o Sokrates. SOK. Dem würdest du wohl mehr glauben als uns allen Vieren?
MELES. Vielleicht wohl. SOK. Denn nach der Kenntniß der Sache meine ich muß man entscheiden, nicht nach der Zahl, was gut soll entschieden werden. MELES. Wie sollte man nicht? SOK. Also auch jezt müssen wir zuerst dieses untersuchen, ob einer von uns kunstverständig ist in dem worüber wir Rath pflegen, oder nicht, und ist es einer, alsdann diesem folgen, wäre es auch nur Einer, die Andern aber lassen; ist es aber keiner, dann einen andern suchen. Oder glaubt ihr, du und Lysimachos, jezt nur eine Kleinigkeit zu wagen und nicht vielmehr dasjenige was das größte ist unter allem Unsrigen? Denn je nachdem die Söhne tüchtig gerathen oder im Gegen-
MELES. Vielleicht wohl. SOK. Denn nach der Kenntniß der Sache meine ich muß entschieden werden, nicht nach der Zahl, was gut soll entschieden werden. MELES. Wie sollte man nicht? SOK. Also auch jezt müssen wir zuerst dieses untersuchen, ob einer von uns kunstverständig ist in dem worüber wir Rath pflegen, oder nicht, und ist es einer, alsdann diesem folgen, wäre es auch nur Einer, die Andern aber lassen; ist es aber keiner, dann einen andern suchen. Oder glaubt ihr, du und Lysimachos, jezt nur eine Kleinigkeit zu wagen und nicht vielmehr dasjenige was das größte ist unter allem eurigen? Denn je nachdem die Söhne tüchtig gerathen oder im Gegen-
S 8 und] nach Bekker wie Spalte 1 App. 30f eurigen] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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πᾶς ὁ οἶκος ὁ τοῦ πατρὸς οὕτως οἰκήσεται ὁποῖοι ἄν τινες οἱ παῖδες γένωνται. ΜΕ. Ἀληθῆ λέγεις. ΣΩ. Πολλὴν ἄρα δεῖ προμηθίαν αὐτοῦ ἔχειν. ΜΕ. Πάνυ γε. ΣΩ. Πῶς οὖν ὃ ἐγὼ ἄρτι ἔλεγον ἐσκοποῦμεν ἄν, εἰ ἐβουλόμεθα σκέψασθαι τίς ἡμῶν περὶ ἀγωνίαν τεχνικώτατος; ἆρ᾽ οὐχ ὁ μαθὼν, καὶ ἐπιτηδεύσας; ᾧ καὶ διδάσκαλοι ἀγαθοὶ γεγονότες ἦσαν αὐτοῦ τούτου; ΜΕ. Ἔμοιγε δοκεῖ.
das Gegentheil so wird auch das ganze Hauswesen des Vaters so verwaltet werden wie die Söhne geworden sind. M e l e s . Sehr richtig gesprochen. S o . Viel Vorsicht muß man also dabei gebrauchen. M e l e s . Allerdings. S o . Wie also würden wir was ich eben sagte untersuchen, wenn wir finden wollten wer unter uns in Absicht eines Kampfspiels der kunstverständigste wäre? Nicht wahr der es gelernt und geübt hat, der auch gute Lehrer gehabt hat eben darin?
ΣΩ. Οὐκοῦν ἔτι πρότερον, τίνος ὄντος τούτου οὗ ζητοῦμεν τοὺς διδασκάλους; ΜΕ. Πῶς λέγεις; ΣΩ. Ὧδε ἴσως μᾶλλον κατάδηλον ἔσται. οὔ μοι δοκεῖ ἐξ ἀρχῆς ἡμῖν ὡμολογῆσθαι τί ποτ᾽ ἐστὶ περὶ οὗ βουλευόμεθα καὶ σκεπτόμεθα, ὅστις ἡμῶν τεχνικός, καὶ τούτου ἕνεκα διδασκάλους ἐκτήσατο, καὶ ὅστις μή. ΝΙ. Οὐ γάρ, ὦ Σώκρατες, περὶ τοῦ ἐν ὅπλοις μάχεσθαι σκοποῦμεν, εἴτε χρὴ αὐτὸ τοὺς νεανίσκους μανθάνειν, εἴτε μή; ΣΩ. Πάνυ μὲν οὖν, ὦ Νικία· ἀλλ᾽ ὅταν περὶ φαρμάκου τὶς τοῦ πρὸς ὀφθαλμοὺς σκοπῆται, εἴτε χρὴ αὐτὸ ὑπαλείφεσθαι, εἴτε μή, πό-
S o k r. Noch eher aber nicht wahr was denn das eigentlich ist worin wir nach seinen Lehrern fragen? M e l e s . Wie meinst du dies? S o k r. So wird es vielleicht deutlicher werden. Es dünkt mich nicht daß wir uns anfänglich darüber verständigt haben was es eigentlich ist worüber wir berathschlagen und untersuchen wer von uns darin kunstverständig ist und zu dem Ende gute Lehrer gehabt hat und wer nicht.
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M e l e s . So dünkt es mich. 15
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N i k . Ist denn o Sokrates die Frage nicht von dem Fechten in voller Bewaffnung ob die jungen Männer es lernen sollen oder nicht? S o k r. Allerdings freilich o Nikias. Aber wenn einer wegen eines Mittels für die Augen überlegt ob er es aufstreichen soll oder
T 1 so wird] am Zeilenanfang hinzugefügt 2 Hauswesen] korr. aus Haus | verwaltet] davor 1-2 Buchstaben gestrichen 5 Viel] korr. aus Sehr viel 10 Kampfspiels] am Rand αγωνια 14 mich] Punkt danach korr. aus Fragezeichen 21 es] über der Zeile mit Einfügungszeichen 22 ist] davor das
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theil, wird auch das ganze Hauswesen des Vaters so verwaltet werden, wie die Söhne gerathen sind. MELES. Sehr richtig gesprochen. SOK. Viele Vorsicht muß also hiebei gebraucht werden. MELES. Allerdings. SOK. Wie also würden wir was ich eben | sagte untersuchen, wenn wir beurtheilen wollten, wer von uns in einem Kampfspiele der kunstverständigste wäre? Nicht wer es gelernt und geübt hat? und wer auch tüchtige Lehrer gehabt hat in eben dieser Kunst? MELES. So scheint es mir wenigstens. SOK. Nicht auch noch eher, was denn das eigentlich ist, worin wir nach Lehrern fragen? MELES. Wie meinst du dieses? SOK. So wird es vielleicht deutlicher werden. Es dünkt mich nicht, daß wir uns anfänglich darüber verständiget haben, was es eigentlich ist, worüber wir berathschlagen und untersuchen, wer von uns darin kunstverständig ist und dazu gute Lehrer gehabt hat, und wer nicht. NIK. Ist denn nicht, o Sokrates, die Frage von dem Fechten in voller Bewafnung, ob die jungen Männer es lernen sollen oder nicht?
theil, wird auch das ganze Hauswesen des Vaters so verwaltet werden, wie die Söhne gerathen sind. MELES. Sehr richtig gesprochen. SOK. Viele Vorsicht muß also hiebei gebraucht werden. MELES. Allerdings. SOK. Wie also würden wir was ich eben | sagte untersuchen, wenn wir beurtheilen wollten, wer von uns im Wettkampfe der kunstverständigste wäre? Nicht wer es gelernt und geübt hat? und wer auch tüchtige Lehrer gehabt hat in eben dieser Kunst?
SOK. Allerdings freilich, o Nikias; aber wenn einer wegen eines Mittels für die Augen überlegt, ob er es aufstreichen soll oder nicht, glaubst du
SOK. Allerdings freilich, o Nikias; aber wenn einer wegen eines Mittels für die Augen überlegt, ob er es aufstreichen soll oder nicht, glaubst du
MELES. So scheint es mir wenigstens. SOK. Nicht auch noch eher, was denn das eigentlich ist, worin wir nach Lehrern fragen? MELES. Wie meinst du dieses? SOK. So wird es vielleicht deutlicher werden. Es dünkt mich nicht, daß wir uns anfänglich darüber verständiget haben, was es eigentlich ist, worüber wir berathschlagen und untersuchen, wer von uns darin kunstverständig ist und dazu gute Lehrer gehabt hat, und wer nicht. NIK. Ist denn nicht, o Sokrates, die Frage von dem Fechten in ganzer Rüstung, ob die jungen Männer es lernen sollen oder nicht?
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τερον οἴει τότε εἶναι τὴν βουλὴν περὶ τοῦ φαρμάκου, ἢ περὶ τῶν ὀφθαλμῶν; ΝΙ. Περὶ τῶν ὀφθαλμῶν. ΣΩ. Οὐκοῦν καὶ ὅταν ἵππῳ χαλινὸν σκοπῆταί τις εἰ προσοιστέον, ἢ μή, καὶ ὁπότε, τότε που περὶ τοῦ ἵππου βουλεύεται, ἀλλ᾽ οὐ περὶ τοῦ χαλινοῦ; ΝΙ. Ἀληθῆ. ΣΩ. Οὐκοῦν, ἑνὶ λόγῳ, ὅταν τὶς τὶ ἕνεκά του σκοπῇ, περὶ ἐκείνου ἡ βουλὴ τυγχάνει οὖσα οὗ ἕνεκα ἐσκόπει, ἀλλ᾽ οὐ περὶ τοῦ οὗ ἕνεκα ἄλλο ἐζήτει. ΝΙ. Ἀνάγκη. ΣΩ. Δεῖ ἄρα καὶ τὸν σύμβουλον σκοπεῖν ἆρα τεχνικός ἐστιν εἰς ἐκείνου θεραπείαν οὗ ἕνεκα σκοπούμενοι σκοποῦμεν. ΝΙ. Πάνυ γε. ΣΩ. Οὐκοῦν νῦν φαμὲν περὶ μαθήματος σκοπεῖν τῆς ψυχῆς ἕνεκα τῆς τῶν νεανίσκων. ΝΙ. Ναί.
nicht glaubst du seine Berathschlagung betreffe dann das Mittel oder die Augen? N i k . Die Augen. S o k r. Also auch wenn Jemand überlegt ob er dem Pferd den Zaum anlegen soll oder nicht und wann dann berathschlagt er wol über das Pferd und nicht über den Zaum? N i k . Gewiß. S o k r. Also mit einem Worte wenn Jemand etwas eines Andern wegen überlegt so geht seine Berathung auf dasjenige um deswillen er überlegt, nicht auf das was er um eines andern willen16 sucht. | S o k r. Also müssen wir auch was den Berather betrifft untersuchen ob er kunstverständig ist in der Behandlung dessen um des willen wir unsere Untersuchung anstellten. M e l e s . Allerdings (Nik.) S o k r. Also jezt sagen wir doch daß wir Untersuchung anstellen über eine Fertigkeit wegen der Seele der Jünglinge.
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N i k . Ja. 16
E (SN 158/1) περι του ου ενεκα bin ich der offenbaren Emendation des Cornar gefolgt. | A (SN 158/2) αλλ ου περι του οὑ ενεκα αλλο. Hier hat schon Cornar richtig corrigirt ὃ ενεκα αλλου.
16 οὗ ἕνεκα ἄλλο] ὃ ἕνεκα ἄλλου konj. Cornarius (Platonis [...] Latina lingua conscripta. Eiusdem Iani Cornarii Eclogae decem [...], Basel 1561, S. 410 mit der Übers. S. 391) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 74 [265,11], übersetzt SN 158/1 W1 W2, vgl. Anm. 16 EA W1 Anm. 6 W2 Anm. 4
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T 1f betreffe] korr. aus be zieht sich 2 das] davor auf | die] davor auf 3 Die] hergestellt aus Auf die 12f was er um eines andern willen sucht] am Rand Corn. (vgl. Spalte 1 App.) 12 um] durch Tintenklecks überdeckt 13 sucht] davor überlegt 14 Die Antwort des Nikias ist anscheinend aufgrund des Seitenwechsels vergessen worden. 17 Behandlung] korr. aus Be sorgung 20 Also jezt sagen wir doch] über der Zeile korr. aus Sagen wir nun nicht , wobei Sagen (s-) versehentlich ganz gestrichen zu sein scheint S Anm. 16 EA Vgl. Spalte 1 App.
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seine Berathschlagung betreffe die Arznei oder die Augen?
seine Berathschlagung betreffe dann die Arznei oder die Augen?
NIK. Die Augen. SOK. Also auch wenn Jemand überlegt, ob er dem Pferde den Zaum anlegen soll oder nicht, und wann, dann berathschlagt er wohl über das Pferd und nicht über den Zaum?
NIK. Die Augen. SOK. Also auch wenn Jemand überlegt, ob er dem Pferde den Zaum anlegen soll oder nicht, und wann, dann berathschlagt er wohl über das Pferd und nicht über den Zaum?
NIK. Gewiß. SOK. Also mit einem Worte, wenn Jemand etwas eines Anderen wegen überlegt, so betrifft seine Berathung dasjenige, um deswillen er überlegt, nicht das, was er um eines andern willen suchte6. NIK. Nothwendig. SOK. Also müssen wir auch in Absicht des | Rathgebers untersuchen, ob er kunstverständig ist in der Behandlung dessen, um deswillen wir unsere Untersuchung anstellten. NIK. Freilich wohl. SOK. Und nicht wahr, jezt sagen wir, daß wir, ob eine Kunst soll gelernt werden, überlegen, um der Seele der Jünglinge willen. NIK. Ja.
NIK. Gewiß. SOK. Also mit einem Worte, wenn Jemand etwas eines Anderen wegen überlegt, so betrifft seine Berathung dasjenige, um deswillen er es überlegte, nicht das, was er um des andern willen suchte4. NIK. Nothwendig. SOK. Also müssen wir auch in Absicht des | Rathgebers untersuchen, ob er kunstverständig ist in der Behandlung dessen, um deswillen wir unsere Untersuchung anstellten. NIK. Freilich wohl. SOK. Und nicht wahr, jezt sagen wir, daß wir, ob eine Kunst soll gelernt werden, überlegen, um der Seele der Jünglinge willen. NIK. Ja.
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was er um eines andern will e n s u c h t e . Unbedenklich bin ich hier der Verbesserung des Cornar gefolgt, welcher in dem lezten Komma liest ὃ ἕνεκα ἄλλου ἐζήτει.
T 18 W1
was er um des andern willen s u c h t e . Unbedenklich bin ich hier der Verbesserung des Cornar gefolgt, welcher in dem lezten Komma liest ὃ ἕνεκα ἄλλου ἐζήτει. So auch Bekker.
untersuchen] verdruckt unsersuchen
S Anm. 6 Vgl. Spalte 1 App.
S Anm. 4 Vgl. Spalte 1 App.
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ΣΩ. Εἴτις ἄρα ἡμῶν τεχνικὸς περὶ ψυχῆς θεραπείαν, καὶ οἷός τε καλῶς τοῦτο θεραπεῦσαι, καὶ ὅτῳ διδάσκαλοι ἀγαθοὶ γεγόνασι, τοῦτον σκεπτέον. ΛΑ. Τί δέ, ὦ Σώκρατες, οὔπω ἑώρακας ἄνευ διδασκάλων τεχνικωτέρους γεγονότας εἰς ἔνια, ἢ μετὰ διδασκάλων; ΣΩ. Ἔγωγε, ὦ Λάχης· οἷς γε σὺ οὐκ ἂν ἐθέλοις πιστεῦσαι, εἰ φαῖεν ἀγαθοὶ εἶναι δημιουργοί· εἰ μή τι σοὶ τῆς αὑτῶν τέχνης ἔργον ἔχοιεν ἐπιδεῖξαι εὖ εἰργασμένον, καὶ ἓν καὶ πλείω. ΝΙ. Τοῦτο μὲν ἀληθῆ λέγεις. ΣΩ. Καὶ ἡμᾶς ἄρα δεῖ, ὦ Λάχης τε καὶ Νικία, ἐπειδὴ Λυσίμαχος καὶ Μελησίας εἰς συμβουλὴν παρεκαλεσάτην ἡμᾶς περὶ τοῖν υἱέοιν, προθυμούμενοι αὐτοῖν ὅτι ἀρίστας γενέσθαι τὰς ψυχάς, εἰ μέν φαμὲν ἔχειν, ἐπιδεῖξαι αὐτοῖς καὶ διδασκάλους οἵτινες ἡμῶν γεγόνασιν, αὐτοὶ πρῶτοι ἀγαθοὶ ὄντες, καὶ πολλῶν νέων τεθερα-
6 τοῦτον] τοῦτο Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 74 [265,22], übersetzt W2, vgl. SN 158/1 am Rand (Spalte 2 App. T+S) 19 ΝΙ. Τοῦτο μὲν ἀληθῆ λέγεις.] dem Laches als Sprecher zugewiesen Ed.Berlin 1816 (Bekker), nicht übernommen W2 29f αὐτοὶ] οἳ αὐτοὶ Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 75 [266,13], übersetzt W2 30 πρῶτοι] πρῶτον konj. Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1784 (Bipontina), Variae lectiones, S. 352, vgl. SN 158/1 W1 W2
Erster Entwurf (handschriftlich)
S o k r. Wenn also Jemand von uns kunstverständig ist in Behandlung der Seele und im Stande sie gut zu behandeln und er darin gute Lehrer gehabt, den müssen wir suchen. L a c h . Wie doch o Sokrates. Hast du nicht solche gesehen welche ohne Lehrer kunstverständiger geworden sind in einigen Dingen als mit Lehrern? S o k r. Wohl habe ich o Laches, denen du aber gewiß nicht würdest glauben wollen wenn sie behaupten gute Künstler zu sein wofern sie dir nicht ein Werk ihrer Kunst zu zeigen hätten das wol gearbeitet wäre, und mehr als eins. N i k . Darin hast du sehr Recht. S o k r. Auch wir also müssen o Laches und Nikias, da Lysimachos und Melesias uns zur Berathung gerufen haben ihrer Söhne wegen, darauf bestrebt daß ihre Seelen so treflich werden als möglich ihnen zeigen, wenn wir wagen es zu kennen sowol die Lehrer die wir gehabt haben daß sie erst selbst vorzüglich waren und treflich vieler jungen
T 2 Behandlung] über Stärkung | und] danach diese 3 behandeln] über machen 4 den müssen wir suchen] am Rand τουτο σκεπτεον Ficin. 8 mit] über nicht 9 o Laches] über der Zeile mit Einfügungszeichen 13 und] danach zwar 14 als] über denn 21 wagen es zu kennen sowol] über es zu sagen wissen | Lehrer] danach zeigen 23 und] danach dann auch S 4 den müssen wir suchen] zur Randbemerkung vgl. Ficinus in Ed.Zweibrücken: Ergo, num quis nostrum curandorum animorum arte polleat, valeatque eos sufficienter excolere, et praeceptores eruditos habuerit, inquirendum est?
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SOK. Wenn also Jemand von uns kunstverständig ist in Behandlung der Seele, und geschikt diese gut zu behandeln, und darin gute Lehrer gehabt hat, den müssen wir suchen.
SOK. Ob also Jemand von uns kunstverständig ist in Behandlung der Seele, und geschikt diese gut zu behandeln, und darin gute Lehrer gehabt hat, das müssen wir untersuchen. LACH. Wie doch, o Sokrates? Hast du noch nie solche gesehen, welche ohne Lehrer kunstreicher geworden sind in manchen Dingen, als mit Lehrern? SOK. Wohl habe ich, o Laches, denen du aber gewiß nicht würdest trauen wollen, wenn sie behaupten gute Künstler zu sein, wofern sie dir nicht ein Werk ihrer Kunst zu zeigen haben, das gut gearbeitet ist, und wohl mehr als eins. NIK. Darin hast du sehr Recht. SOK. Auch wir also, o Laches und Nikias, müssen da Lysimachos und Melesias uns zur Berathung ihrer Söhne wegen gerufen haben, deren Seelen sie so treflich als möglich zu bilden bestrebt sind, ihnen die Lehrer zeigen, welche wir gehabt, welche selbst zuerst tüchtige Männer gewesen und vieler jungen Männer
LACH. Wie doch, o Sokrates? Hast du noch nie solche gesehen, welche ohne Lehrer kunstreicher geworden sind in manchen Dingen, als mit Lehrern? SOK. Wohl habe ich, o Laches, denen du aber gewiß nicht würdest trauen wollen, wenn sie behaupten gute Künstler zu sein, wofern sie dir nicht ein Werk ihrer Kunst zu zeigen haben, das gut gearbeitet ist, und wohl mehr als eins. NIK. Darin hast du sehr Recht. SOK. Auch wir also, o Laches und Nikias, müssen da Lysimachos und Melesias uns zur Berathung ihrer Söhne wegen gerufen haben, deren Seelen sie so treflich als möglich zu bilden bestrebt sind, ihnen zeigen, wenn wir Lehrer gehabt zu haben behaupten, wer sie sind, daß sie selbst zuerst tüchtige Männer gewesen und vieler jungen Männer
S 5 das] nach Bekker wie Spalte 1 App. 26f welche selbst] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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Erster Entwurf (handschriftlich)
Laches Ed. Bipontina
πευκότες ψυχάς· ἔπειτα καὶ ἡμᾶς διδάξαντες φαίνονται. ἤ, εἴτις ἡμῶν αὐτῶν ἑαυτῷ διδάσκαλον μὲν οὔ φησι γεγονέναι, ἀλλ᾽ οὖν ἔργα αὐτὸς αὑτοῦ ἔχειν εἰπεῖν, καὶ ἐπιδεῖξαι τίνες Ἀθηναίων ἢ τῶν ξένων, ἢ δοῦλοι ἢ ἐλεύθεροι, δι᾽ ἐκεῖνων ὁμολογουμένως ἀγαθοὶ γεγόνασιν. εἰ δὲ μηδὲν τούτων ἡμῖν ὑπάρχει, ἄλλους κελεύειν ζητεῖν, καὶ μὴ ἐν ἑτέρων ἀνδρῶν υἱέσι κινδυνεύειν διαφθείροντας, τὴν μεγίστην αἰτίαν ἔχειν ὑπὸ τῶν οἰκειοτάτων. ἐγὼ μὲν οὖν, ὦ Λυσίμαχε καὶ Μελησία, πρῶτος περὶ ἐμαυτοῦ λέγω ὅτι διδάσκαλος μοὶ οὐ γέγονε τούτου πέρι· καί τοι ἐπιθυμῶ γε τοῦ πράγματος, ἐκ νέου ἀρξάμενος. ἀλλὰ τοῖς μὲν σοφισταῖς οὐκ ἔχω τελεῖν μισθούς· οἵπερ μόνοι ἐπηγγέλλοντό με οἷοί τ᾽ εἶναι ποιῆσαι καλόν τε κᾀγαθόν· αὐτὸς δ᾽ αὖ εὑρεῖν τὴν τέχνην ἀδυνατῶ ἔτι νυνί. εἰ δὲ Νικίας ἢ Λάχης εὕρηκεν, ἢ μεμάθηκεν, οὐκ ἂν θαυμάσαιμι. καὶ γὰρ χρήμασιν ἐμοῦ δυνατώτεροι, ὥστε μαθεῖν παρ᾽ ἄλλων· καὶ ἅμα πρεσβύτεροι, ὥστε ἤδη εὑρηκέναι. δοκοῦσι δή μοι δυνατοὶ εἶναι παιδεῦσαι
9 ἐκεῖνων] ἐκεῖνον Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 75 [266,18], übersetzt schon SN 158/1 W1 W2 13 ἑτέρων] ἑταίρων konj. Schleiermacher (Anm. 17 EA) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 75 [266,20], übersetzt SN 158/1 W1 W2
Männer Seelen gebildet haben, dann aber auch wie sie uns gelehrt haben. Oder wenn einer von uns zwar einen Lehrer nicht gehabt zu haben sagt so muß er seine Werke anführen können und zeigen welche Athener oder Fremde, Knechte oder Freie durch ihn eingeständlich treflich geworden sind. Findet sich aber nichts bei uns von dem allen, so müssen wir diese bitten andere zu suchen, nicht aber an befreundeter Männer17 Söhnen die Gefahr wagen sie zu verderben und so die größte Verschuldung auf uns laden gegen die welche uns so nahe sind. Ich nun o Lysimachos und Melesias sage zuerst was mich betrifft daß ich keinen Lehrer gehabt habe hierin, obgleich ich der Sache wol nachtrachte von Jugend an, aber ich habe nicht den Sophisten ihren Lohn zu bezahlen welche doch allein mir verhießen im Stande zu sein mich gut und edel zu machen, selbst aber die Kunst zu erfinden bin ich bis jezt noch unvermögend. Wenn aber Nikias oder Laches sie erfunden haben oder gelernt will ich mich nicht wundern denn nicht nur an Geld sind sie vermögender als ich um sie von andern zu erlernen sondern auch älter um sie bereits gefunden zu haben. Sie dünken mich aber wol tüchtig zu sein einen 17
E (SN 158/1) εν ετερων ανδρων muß offenbar εταιρων heißen was auch Ficin hat. | A (SN 158/2) εν ἑτερων ανδρων Ist vielleicht nur Drukfehler, Ficin hat schon richtig in amicorum.
T 14 Lysimachos und Melesias] Lysim. u. Meles. 16 obgleich] über und daß | wol] über zwar 17f aber ich habe nicht den Sophisten] umgestellt aus den Sophisten aber habe ich nicht 23 Laches] Lach. T Anm. 17 A 30 εν] über δε S Anm. 17 EA Ficinus in Ed.Zweibrücken: in amicorum filiis.
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Seelen gut gebildet haben, hernach auch, daß sie uns so gelehrt haben; oder wenn einer von uns sagte, einen Lehrer habe er zwar nicht gehabt, so müßte doch auch dieser seine Werke anführen können, und zeigen, welche Athener oder Fremde, Knechte oder Freie durch ihn eingeständlich sind gut geworden. Wenn aber nichts hiervon sich bei | uns findet: so müssen wir diese heißen Andere zu suchen, nicht aber an befreundeter Männer Söhnen die Gefahr wagen sie zu verderben und so den härtesten Vorwurf uns zuziehen von denen die uns so nahe sind. Ich nun, o Lysimachos und Melesias, erkläre zuerst was mich betrifft, daß ich keinen Lehrer hierin gehabt habe, wiewohl ich der Sache nachtrachte schon seit meiner Jugend. Allein ich hatte nicht den Sophisten ihren Lohn zu bezahlen, welche doch allein verhießen im Stande zu sein mich zu einem treflichen und edlen Manne zu machen; selbst aber die Kunst zu erfinden bin ich noch unvermögend für izo. Wenn aber Nikias oder Laches sie erfunden haben oder gelernt will ich mich nicht wundern, denn sowohl an Gelde sind sie vermögender als ich, so daß sie sie von Andern können erlernt haben, als auch zugleich älter um sie schon erfunden zu haben. Deshalb dünken sie mich wohl tüchtig zu
Seelen gut gebildet, hernach auch uns so gelehrt haben; oder wenn einer von uns sagte, einen Lehrer habe er zwar nicht gehabt, so müßte doch auch dieser seine Werke anführen können, und zeigen, welche Athener oder Fremde, Knechte oder Freie durch ihn eingeständlich sind gut geworden. Wenn aber nichts hiervon sich bei uns findet: so müssen wir diese heißen Andere | zu suchen, nicht aber an befreundeter Männer Söhnen die Gefahr wagen sie zu verderben und so den härtesten Vorwurf uns zuziehen von denen die uns so nahe sind. Ich nun, o Lysimachos und Melesias, erkläre zuerst was mich betrifft, daß ich keinen Lehrer hierin gehabt habe, wiewohl ich der Sache nachtrachte schon seit meiner Jugend. Allein ich habe nicht den Sophisten ihren Lohn zu bezahlen, welche doch allein verhießen im Stande zu sein mich zu einem treflichen und edlen Manne zu machen; selbst aber die Kunst zu erfinden bin ich noch unvermögend für jezo. Wenn aber Nikias oder Laches sie erfunden haben oder gelernt, will ich mich nicht wundern, denn sowohl an Gelde sind sie vermögender als ich, so daß sie sie von Andern können erlernt haben, als auch zugleich älter um sie schon erfunden zu haben. Deshalb dünken sie mich wohl tüchtig zu
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ἄνθρωπον. οὐ γὰρ ἄν ποτε ἀδεῶς ἀπεφαίνοντο περὶ ἐπιτηδευμάτων νέῳ χρηστῶν τε καὶ πονηρῶν, εἰ μὴ αὑτοῖς ἐπίστευον ἱκανῶς εἰδέναι. τὰ μὲν οὖν ἄλλα ἔγωγε τούτοις πιστεύω· ὅτι δὲ διαφέρεσθον ἀλλήλοιν, ἐθαύμασα. τοῦτο οὖν σου ἐγὼ ἀντιδέομαι, ὦ Λυσίμαχε, καθάπερ ἄρτι Λάχης μὴ ἀφίεσθαί σε ἐμοῦ διεκελεύετο, ἀλλὰ ἐρωτᾷν· καὶ ἐγὼ νῦν παρακελεύομαί σοι μὴ ἀφίεσθαι Λάχητος, μηδὲ Νικίου, ἀλλ᾽ ἐρωτᾷν· λέγοντα ὅτι ὁ μὲν Σωκράτης οὔ φησιν ἐπαΐειν περὶ τοῦ πράγματος, οὐδ᾽ ἱκανὸς εἶναι διακρῖναι ὁπότερος ὑμῶν ἀληθῆ λέγει. οὔτε γὰρ εὑρετής, οὔτε μαθητὴς οὐδενὸς περὶ τῶν τοιούτων γεγονέναι. σὺ δ᾽, ὦ Λάχης, καὶ Νικία, εἴπατον ἡμῖν ἑκάτερος, τίνι δὴ δεινοτάτῳ συγγεγόνατον περὶ τῆς τῶν νέων τροφῆς· καὶ πότερα μαθόντε παρά του ἐπίστασθον, ἢ αὐτὼ ἐξευρόντε· καὶ εἰ μὲν μαθόντε, τίς ὁ διδάσκαλος ἑκατέρῳ· καὶ τίνες ἄλλοι ὁμότεχνοι αὐτοῖς· ἵν᾽ ἂν μὴ ὑμῖν σχολὴ εἴη ὑπὸ τῶν τῆς πόλεως πραγμάτων, ἐπ᾽ ἐκείνους ἴωμεν, καὶ πείθωμεν ἢ δώροις, ἢ χάρισιν, ἢ ἀμφότερα, ἐπιμεληθῆναι καὶ τῶν ἡμετέρων καὶ τῶν ὑμετέρων παίδων· ὅπως μὴ καταισχύνωσι τοὺς αὑτῶν προγόνους φαῦλοι γενόμενοι. εἰ δ᾽ αὐτοὶ εὑρεταὶ γεγόνατε τούτου, δότε παραδείγματα τίνων ἤδη ἄλλων ἐπιμεληθέντες, ἐκ φαύλων κα-
Erster Entwurf (handschriftlich)
Menschen zu bilden, sonst würden sie nicht so furchtlos ihre Meinung gesagt haben über die Uebungen welche einem Jüngling nüzlich sind oder nicht wenn sie nicht sich selbst vertrauten daß sie es genugsam verstünden. Im übrigen also glaube ich ihnen gern nur daß sie abweichender Meinung sind wundert mich. Daher bitte ich nun dich o Lysimachos gleicherweise wie eben Laches dir zuredete mich nicht loszulassen sondern zu fragen so ermahne ich dich nun ja den Laches nicht loszulassen, noch auch den Nikias sondern frage sie und sage ihnen Sokrates behauptet daß er nichts von der Sache versteht und nicht tüchtig ist zu entscheiden welcher von Euch das richtige sage. Denn er selbst sei weder Erfinder noch ausgelernter in irgend etwas hieher gehörigem. Ihr aber o Laches und Nikias sagt uns doch jeder wer ist der größte Meister in der Erziehung der Jünglinge mit dem Ihr umgegangen seid und ob ihr was ihr wißt erlernt habt oder selbst gefunden, und wenn erlernt wer Jedes von Euch Lehrer gewesen ist und welche sonst noch Künstler derselben Art sind damit wenn Ihr nicht Muße habt vor den Angelegenheiten der Stadt wir zu Jenen gehen können und sie überreden durch Geschenke oder Bitten oder beides daß sie | Sorge tragen für unsere und für eure Söhne, damit sie nicht schlecht gerathend ihre Voreltern beschämen. Wenn Ihr aber selbst Erfinder hierin seid so zeigt uns Beispiele welche Andere Ihr schon durch Eure Sorgfalt aus schlechten
T 3 Uebungen] über Bemühungen (mit Unterstreichung) | einem Jüngling] über jungen Männern 6 Im übrigen also] über Alles dieses nun 13 frage] hergestellt aus sie zu fragen 13f Sokrates behauptet] am Rand NB so weicht ächter Plato 19–21 wer ist der größte Meister in der Erziehung der Jünglinge mit dem Ihr umgegangen seid] über welcher an Euren Söhnen der größte Meister gewesen in Erziehung der Jünglinge 25 noch] über der Zeile mit Einfügungszeichen | derselben Art] am Rand NB hebt αυτοις auf 29 daß] über damit
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sein einen Menschen zu bilden, sonst würden sie auch nicht so dreist etwas behauptet haben von den Uebungen, welche einem Jünglinge nüzlich sind oder nicht, wenn sie nicht sich selbst vertrauten, daß sie es genugsam verständen. Im Uebrigen also glaube ich ihnen, nur daß sie verschiedener Meinung sind wundert mich. Dieses bitte ich dich daher meinerseits, o Lysimachos, so wie eben Laches dir zuredete mich nicht loszulassen sondern zu fragen, so ermahne ich nun dich, doch ja den Laches nicht loszulassen noch auch den Nikias, sondern frage sie und sprich zu ihnen: Sokrates behauptet daß er nichts von der Sache versteht, und nicht tüchtig ist zu entscheiden welcher von euch das Richtige sage, denn er selbst sei weder Erfinder noch Ausgelernter in irgend etwas hieher gehörigem. Ihr | aber, o Laches und Nikias, sagt uns doch Jeder wer der größte Meister ist in der Erziehung der Jünglinge mit dem ihr umgegangen seid, und ob ihr was ihr wißt erlernt habt oder selbst erfunden, und wenn erlernt, wer eines Jeden Lehrer gewesen ist und welche sonst noch Künstler derselben Art sind, damit wenn ihr nicht Muße habt vor den Angelegenheiten der Stadt wir zu Jenen gehen können, und sie durch Geschenke oder Bitten oder beides überreden sich unserer und eurer Söhne anzunehmen, damit diese nicht schlecht gerathend ihren Voreltern Schande bringen. Wenn ihr aber selbst Erfinder hierin seid, so zeigt uns Beweise, welche Andere ihr schon durch eure Sorg-
sein einen Menschen zu bilden, sonst würden sie auch nicht so dreist etwas behauptet haben von den Uebungen, welche einem Jünglinge nüzlich sind oder schädlich, wenn sie nicht sich selbst vertrauten, daß sie es genugsam verständen. Im Uebrigen also glaube ich ihnen, nur daß sie verschiedener Meinung sind, wundert mich. Dieses bitte ich dich daher meinerseits, o Lysimachos, so wie eben Laches dir zuredete mich nicht loszulassen sondern zu fragen, so ermahne ich nun dich, doch ja den Laches nicht loszulassen noch auch den Nikias, sondern frage sie und sprich zu ihnen: Sokrates behauptet daß er nichts von der Sache versteht, und nicht tüchtig ist zu entscheiden welcher von euch das Richtige sage, denn er selbst sei weder Erfinder noch Ausgelernter in irgend etwas hieher gehörigem. Ihr aber, o Laches und Nikias, sagt | uns doch Jeder, wer der größte Meister ist in der Erziehung der Jünglinge, mit dem ihr umgegangen seid, und ob ihr, was ihr wißt, erlernt habt oder selbst erfunden, und wenn erlernt, wer eines Jeden Lehrer gewesen ist und welche sonst noch Künstler derselben Art sind, damit wenn ihr nicht Muße habt vor den Angelegenheiten der Stadt wir zu Jenen gehen können, und sie durch Geschenke oder Bitten oder beides überreden sich unserer und eurer Söhne anzunehmen, damit diese nicht schlecht gerathend ihren Voreltern Schande bringen. Wenn ihr aber selbst Erfinder hierin seid, so zeigt uns Beweise, welche Andere ihr schon durch eure Sorg-
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λούς τε καὶ ἀγαθοὺς ἐποιήσατε. εἰ γὰρ νῦν ἄρξεσθε πρῶτον παιδεύειν, σκοπεῖν χρὴ μὴ οὐ ἐν τῷ Καρὶ ὑμῖν ὁ κίνδυνος κινδυνεύεται, ἀλλ᾽ ἐν τοῖς υἱέσι τε καὶ ἐν τοῖς τῶν φίλων παισί· καὶ ἀτεχνῶς τὸ λεγόμενον κατὰ τὴν παροιμίαν ὑμῖν συμβαίνῃ, ἐν πίθῳ ἡ κεραμία γιγνομένη. λέγετε οὖν τί τούτων ἢ φατὲ ὑμῖν ὑπάρχειν τε καὶ προσήκειν, ἢ οὐ φατέ. ταῦτ᾽, ὦ Λυσίμαχε, παρ᾽ αὐτῶν πυνθάνου τε, καὶ μὴ μεθίει τοὺς ἄνδρας. ΛΥ. Καλῶς μὲν ἔμοιγε δοκεῖ, ὦ ἄνδρες, Σωκράτης λέγειν. εἰ δὲ βουλομένοις ὑμῖν ἐστὶ περὶ τῶν τοιούτων ἐρωτᾶσθαί τε καὶ διδόναι λόγον, αὐτοὺς δὴ χρὴ γινώσκειν, ὦ Νικία τε καὶ Λάχης. ἐμοὶ μὲν γὰρ καὶ Μελησίᾳ τῷδε δῆλον ὅτι ἡδομένοις ἂν εἴη εἰ
habt zu edlen und guten gemacht. Denn wollt Ihr jezt erst anfangen zu erziehen so mögt Ihr wol überlegen daß Ihr nicht am Karier den Versuch macht, sondern an Euren Söhnen und denen eurer Freunde und daß es Euch nicht ordentlich nach jenem Sprichwort ergehe vom Töpfer der beim Fasse18 anfängt. So saget nun was hievon bei Euch zutrifft und zu finden ist, und was nicht. Dieses o Lysimachos erforsche von ihnen und laß die Männer nicht los.
L y s . Sehr wohl Ihr Männer dünkt mich Sokrates zu sprechen. Ob Ihr aber Willens seid hierüber Euch fragen zu lassen und Rede zu stehen, das müßt Ihr selbst beurtheilen o Nikias und Laches. Denn mir und dem Melesias würde es ja offenbar erfreulich sein 18
E (SN 158/1) εν πιθῳ ἡ κεραμια Anfrage wegen Sinn und Uebersezung. | A (SN 158/2) εν πιθῳ η κεραμια wie macht man es um soetwas zu übersezen? bloß in den Anmerkungen das Scholion übersezen?
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 3f Übers.A (verl.) in SN 158/3: μὴ οὐ — κινδυνεύεται. Man muß doch wol erwähnen daß es heißen müste μὴ οὐκ — κινδυνεύηται. Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu Anm. 18 A am Rand: Dieses ist hinlänglich übersezt von Ihnen. T 16 Denn] danach daß es 17 würde es ja offenbar] über der Zeile mit Einfügungszeichen | sein] danach würde ist offenbar 4f μὴ οὐ ἐν ... κινδυνεύεται] μὴ οὐ ἐν ... κινδυνεύηται Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 75 [268,14 f.], vgl. Spld. (SN 158/3) 11 οὖν τί] οὖν, τί Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. W2
S Anm. 18 EA Scholion z. St. S. 94 Ruhnken (= S. 117 Greene; S. 177 f. Cufalo). Vgl. auch Zenobius III, 65 = Corpus Paroemiographorum Graecorum, ediderunt E. L. a Leutsch, F. G. Schneidewin, Bd. 1, Göttingen 1839, S. 73; vgl. auch Bd. 2, Göttingen 1851, S. 28 f. – Vgl. auch Platon, Gorgias 514a-e.
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falt habt zu Edlen und Guten gemacht. Denn wollt ihr etwa jezt erst anfangen zu erziehen, so möget ihr wohl erwägen, daß ihr nicht am Karier7 den Versuch macht, sondern an euren und eurer Freunde Söhnen, damit es euch nicht nach jenem Sprüchwort ergehe vom Töpfer, der beim Fasse anfängt. Saget also was hievon bei euch zutrifft und zu finden ist, und was nicht. Dieses, o Lysimachos, erforsche von ihnen und laß die Männer nicht los.
falt habt zu Edlen und Guten gemacht. Denn wollt ihr etwa jezt erst anfangen zu erziehen, so möget ihr wohl erwägen, daß ihr nicht am Karier5 den Versuch macht, sondern an den Söhnen und an eurer Freunde Kindern, damit es euch nicht nach jenem Sprüchwort ergehe vom Töpfer, der beim Fasse anfängt. Saget also, was hievon bei euch zutrifft und zu finden ist, und was nicht. Dieses, o Lysimachos, erforsche von ihnen und laß die Männer nicht los.
LYSIM. Sehr wahr, ihr Männer, dünkt mich Sokrates gesprochen zu haben. Ob aber ihr Willens seid euch hierüber fragen zu lassen und Rede zu stehen, das müßt ihr selbst beurtheilen, o Nikias und Laches. Denn mir und dem Melesias würde es offenbar erfreulich sein, wenn ihr
LYSIM. Sehr wahr, ihr Männer, dünkt mich Sokrates gesprochen zu haben. Ob aber ihr Willens seid euch hierüber fragen zu lassen und Rede zu stehen, das müßt ihr selbst beurtheilen, o Nikias und Laches. Denn mir und dem Melesias würde es offenbar erfreulich sein, wenn ihr
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nicht am K a r i e r. Bekanntes Sprüchwort von der schlechten Achtung hergenommen, in der die Karischen Söldner standen, die man im Kriege am meisten aussezte und leichtsinnig dran wagte. Bei dem unmittelbar folgenden ist für die Unkundigen zu bemerken, daß die Weingefäße der Alten von Thon waren, und nicht das leichteste Werk des gemeinen Töpfers.
S Anm. 7 Zu nicht am Karier vgl. Scholion z. St. S. 93 f. Ruhnken (= S. 117 Greene; S. 176 f. Cufalo). Vgl. auch Zenobius III, 59 = Corpus Paroemiographorum Graecorum, ediderunt E. L. a Leutsch, F. G. Schneidewin, Bd. 1, Göttingen 1839, S. 70 f. Zu dem folgenden Sprichwort vom Töpfer(n) vgl. Spalte 2 mit App. S.
nicht am K a r i e r. Bekanntes Sprüchwort von der schlechten Achtung hergenommen, in der die Karischen Söldner standen, die man | im Kriege am meisten aussezte und leichtsinnig dran wagte. Bei dem unmittelbar folgenden ist für die Unkundigen zu bemerken, daß die Weingefäße der Alten von Thon waren, und nicht das leichteste Werk des gemeinen Töpfers.
S 9f also, was] nach Bekker wie Spalte 1 App. S Anm. 5 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 7.
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πάντα ἃ Σωκράτης ἐρωτᾷ ἐθέλοιτε λόγῳ διεξιέναι. καὶ γὰρ ἐξ ἀρχῆς ἠρχόμην ἐντεῦθεν λέγων, ὅτι εἰς συμβουλὴν διὰ ταῦτα ὑμᾶς παρακαλέσαιμεν, ὅτι μεμεληκέναι ὑμῖν ἡγούμεθα, ὡς εἰκός, περὶ τῶν τοιούτων, καὶ ἄλλως, καὶ ἐπειδὴ οἱ παῖδες ὑμῖν ὀλίγου, ὥσπερ οἱ ἡμέτεροι, ἡλικίαν ἔχουσι παιδεύεσθαι. εἰ οὖν ὑμῖν μή τι διαφέρει, εἴπατε, καὶ κοινῇ μετὰ Σωκράτους σκέψασθε, διδόντες τε καὶ δεχόμενοι λόγον παρ᾽ ἀλλήλων. εὖ γὰρ καὶ τοῦτο λέγει ὅδε, ὅτι περὶ τοῦ μεγίστου νῦν βουλευόμεθα τῶν ἡμετέρων. ἀλλ᾽ ὁρᾶτε εἰ δοκεῖ χρῆναι οὕτω ποιεῖν. ΝΙ. Ὦ Λυσίμαχε, δοκεῖς μοι ὡς ἀληθῶς Σωκράτη πατρόθεν γινώσκειν μόνον, αὐτῷ δ᾽ οὐ συγγεγονέναι, ἀλλ᾽ ἢ παιδὶ ὄντι, εἴ που ἐν τοῖς δημόταις μετὰ τοῦ πατρὸς ἀκολουθῶν ἐπλησίασέ σοι, ἢ ἐν ἱερῷ, ἢ ἐν ἄλλῳ τῳ συλλόγῳ τῶν δημοτῶν· ἐπειδὴ δὲ πρεσβύτερος γέγονεν, οὐκ ἐντετυχηκὼς τῷ ἀνδρὶ δῆλος ἔτι εἶ.
Erster Entwurf (handschriftlich)
wenn Ihr alles was Sokrates fragt wolltet durchgehn. Fing doch von Anfang an meine Rede damit an, daß wir deshalb Euch zur Berathung beriefen weil wir glaubten Ihr würdet Euch um diese Dinge gehörig umgethan haben auch an sich schon besonders aber weil Eure Söhne beinahe dasselbe Alter haben wie die unsrigen zur Erziehung. Wofern Ihr also nicht etwas dagegen habt so sprecht und überlegt mit dem Sokrates gemeinschaftlich einander gegenseitig anhörend und antwortend. Denn auch darin hat er recht gesprochen daß wir jezt über das größte berathschlagen unter allem Unsrigen. Seht also zu ob Ihr glaubt so thun zu müssen.
N i k . O Lysimachos du scheinst mir in der That den Sokrates nur von seinem Vater her zu kennen mit ihm selbst aber nicht umgegangen zu sein außer als er noch ein Knabe war wenn er da etwa unter den andern Demosgenossen seinen Vater begleitend dir in die Nähe gekommen oder im Tempel oder bei einer andern Versammlung des Demos, seitdem er aber älter geworden hast du den Mann noch gar nicht angetroffen, das ist offenbar.
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 21f Übers.A (verl.) in SN 158/3: „Mitgliedern der Zunft“ Warum nicht „Zünftlern“? T 2 Fing doch] über Denn | an] danach fing sie 7f dasselbe Alter haben] über der Zeile mit Einfügungszeichen 8 unsrigen] danach in dem Alter sind ihre | zur] am Zeilenanfang nachträglich hinzugefügt | Erziehung] danach zu vollenden 13f das größte] über die wichtigste 14 allem Unsrigen] über unsern Angelegenheiten 17 Lysimachos] Lysim 18 Sokrates] Sok 20f als er noch ein Knabe war wenn er da etwa] über wenn er etwa noch als Knabe 21f Demosgenossen] Mitgliedern der Zunft Übers.A (verl.) aus Spld. (SN 158/3) | Zünftlern Spld. (SN 158/3), vgl. W1 W2
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Alles was Sokrates fragt ordentlich durchgehen wolltet. Fing doch von Anfang meine Rede damit an, daß wir deshalb euch zur Rathschlagung berufen hätten, weil wir glaubten ihr würdet euch dieses haben angelegen sein lassen, wie zu vermuthen war nicht nur an sich schon, | sondern noch mehr, weil eure Söhne beinahe dasselbe Alter haben wie die unsrigen zur Erziehung. Wofern ihr also nicht etwas dagegen habt, so sprecht und überlegt gemeinschaftlich mit dem Sokrates gegenseitig euch anhörend und antwortend. Denn auch darin hat er recht gesprochen, daß wir jezt über das größte berathschlagen unter allem Unsrigen. Seht also zu, ob ihr glaubt so thun zu müssen. NIK. O Lysimachos, ich sehe wohl daß du in der That den Sokrates nur von seinem Vater her kennst, mit ihm selbst aber nicht umgegangen bist, außer als er noch ein Knabe war, wenn er da etwa unter den Zunftgenossen seinen Vater begleitend dir in die Nähe gekommen oder im Tempel oder bei einer andern Versammlung der Zunft; seitdem er aber älter geworden hast du den Mann noch gar nicht angetroffen, das ist offenbar.
Alles, was Sokrates fragt, ordentlich durchgehen wolltet. Fing doch von Anfang meine Rede damit an, daß wir deshalb euch zur Rathschlagung berufen hätten, weil wir glaubten ihr würdet euch dieses haben angelegen sein lassen, wie zu vermuthen war nicht nur an sich schon, sondern noch mehr, weil eure Söhne beinahe | dasselbe Alter haben wie die unsrigen zur Erziehung. Wofern ihr also nicht etwas dagegen habt, so sprecht und überlegt gemeinschaftlich mit dem Sokrates gegenseitig euch anhörend und antwortend. Denn auch darin hat er recht gesprochen, daß wir jezt über das größte berathschlagen unter allem Unsrigen. Seht also zu, ob ihr glaubt so thun zu müssen. NIK. O Lysimachos, ich sehe wohl daß du in der That den Sokrates nur von seinem Vater her kennst, mit ihm selbst aber nicht umgegangen bist, außer als er noch ein Knabe war, wenn er da etwa unter den Zunftgenossen seinen Vater begleitend dir in die Nähe gekommen, sei es im Tempel oder bei einer andern Versammlung der Zunft; seitdem er aber älter geworden hast du den Mann noch gar nicht angetroffen, das ist offenbar.
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ΛΥ. Τί μάλιστα, ὦ Νικία; ΝΙ. Οὔ μοι δοκεῖς εἰδέναι ὅτι ὃς ἂν ἐγγυτάτω Σωκράτους ᾖ λόγῳ, ὥσπερ γένει, καὶ πλησιάζῃ διαλεγόμενος, ἀνάγκη αὐτῷ, ἐὰν ἄρα καὶ περὶ ἄλλου του πρότερον ἄρξηται διαλέγεσθαι, μὴ παύσασθαι ὑπὸ τούτου περιαγόμενον τῷ λόγῳ, πρὶν ἐμπέσῃ εἰς τὸ διδόναι περὶ αὑτοῦ λόγον, ὅντινα
L y s . Wie so doch, o Nikias? N i k . Du scheinst mir nicht zu wissen daß wer der Rede des Sokrates nahe genug kommt19 und sich mit ihm verwikelt ins Gespräch unvermeidlich wenn er auch von etwas ganz anderm zuerst angefangen hat zu reden, von diesem so lange ohne Ruhe herumgeführt wird bis er ihn da hat daß er Rede steht über sich selbst auf welche Weise er
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E (SN 158/1) ωσπερ γενει ist so frostig daß ich nicht anders kann als es für eine unverständige Glosse zu dem εγγυτατω λογω halten welches einem wunderlich vorkäme. | A (SN 158/2) ὡ σ π ε ρ γ ε ν ε ι . Dies ist so durchaus frostig daß ich mich nicht überreden kann Platon habe es geschrieben: es sieht aber ganz aus wie eine ziemlich unverständige Glosse zu dem ἐγγυτατω λογῳ. Wer es nicht glaubt soll mich doch nicht zwingen es zu übersezen.
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu Anm. 19 A am Rand (mit Einfügungszeichen nach λογῳ): So glaube ich auch.
4 ὥσπερ γένει] als in den Text eingedrungene Glosse verdächtigt von Schleiermacher (Anm. 19 EA) Spld. (SN 158/3), nicht übersetzt SN 158/1 W1 W2
T 1 Nikias] davor Lysias? 3 nahe genug] am Rand NB ὡσπερ γενει 8 ihn da hat daß er] über dahin kommt 9 steht] korr. aus zu stehen S Anm. 19 EA mit Spld. Vgl. Spalte 1 App. sowie W1 Anm. 8 und W2 Anm. 6.
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LYSIM. Wie so doch, o Nikias? NIK. Du scheinst gar nicht zu wissen, daß wer der Rede des Sokrates nahe genug kommt8, und sich mit ihm einläßt ins Gespräch, unvermeidlich, wenn er auch von etwas ganz anderem zuerst angefangen hat zu reden, von diesem so lange ohne Ruhe herumgeführt wird, bis er ihn da hat, daß er Rede stehen muß über sich selbst, auf welche Weise er
LYSIM. Wie so doch, o Nikias? NIK. Du scheinst gar nicht zu wissen, daß wer der Rede des Sokrates nahe genug kommt6, und sich mit ihm einläßt ins Gespräch, unvermeidlich, wenn er auch von etwas ganz anderem zuerst angefangen hat zu reden, von diesem so lange ohne Ruhe herumgeführt wird, bis er ihn da hat, daß er Rede stehen muß über sich selbst, auf welche Weise er
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n a h e g e n u g k o m m t . Das in unserm Texte sich findende ὥσπερ γένει ist so frostig und ohne allen Sinn, daß ich es dem Platon nicht zutrauen kann. Wahrscheinlich ist es eine ziemlich unverständige Glosse von einem, der die fremde Redensart ἐγγυτάτω λόγῳ durch eine bekanntere erläutern wollte, daher ich die Worte in der Uebersezung unbedenklich ausgelassen.
n a h e g e n u g k o m m t . Das in unserm Texte sich findende ὥσπερ γένει ist so frostig und ohne allen Sinn, daß ich es dem Platon nicht zutrauen kann ohnerachtet der Uebereinstimmung aller auch von Bekker verglichenen Handschriften. Denn auch was Heindorf Vol. IV. S. 441. sagt befriedigt mich gar nicht, und ich kann nur hinzufügen mich wundert auch nicht, daß der ganz neuen Redensart ἐγγύτατα λόγῳ einer die bekannte ἐγγύτατα γένει erläuternd gegenübergestellt, nur nicht Platon. Für diesen wäre das richtige gewesen ἐγγύτατα γένει τῶν λόγων, wenn überhaupt die Rede davon sein könnte, daß um vom Sokrates so herumgeführt zu werden eine besondere geistige Verwandtschaft erfordert werde; wovon eben ich mich nicht überzeugen kann. Denn dies ist ja, was er allen und jeden that, und es gehört dazu nur das Stillhalten.
T Anm. 6 24 τῶν] verdruckt τών W2
S Anm. 8 Vgl. Spalte 1 App.; gelobt von Rez.Boeckh (1808), S. 108 = (1872), S. 26.
S Anm. 6 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 8. – Heindorf, Platonis Dialogi Selecti, Vol. IV, Berlin 1810, S. 441 (zu Sophistes 264e/265a ἐγγυτάτω γένει): „[...] Lach. 187. E. [...] (quem locum nollem nuper a praeclaris viris sollicitatum. Sensus est: q u i s e r m o n e s . disputandi ratione quasi genere cognatus est Socrati ad eiusque c o l l o q u i a a c c e d i t . Novo loquendi generi ἐγγυτάτω τινὶ εἶναι λόγῳ quid miremur addita haec ὥσπερ γένει?). [...]“ Dort auch Parallelstellen für die Redensart.
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τρόπον νῦν τε ζῇ, καὶ ὅντινα τὸν παρεληλυθότα βίον βεβίωκεν· ἐπειδὰν δ᾽ ἐμπέσῃ, ὅτι οὐ πρότερον αὐτὸν ἀφήσει Σωκράτης πρὶν ἂν βασανίσῃ ταῦτα εὖ τε καὶ καλῶς ἅπαντα. ἐγὼ δὲ συνήθης τέ εἰμι τῷδε, καὶ οἶδ᾽ ὅτι ἀνάγκη ὑπὸ τούτου πάσχειν ταῦτα· καὶ ἔτι γε αὐτὸς ὅτι πείσομαι ταῦτα εὖ οἶδα. χαίρω γάρ, ὦ Λυσίμαχε, τῷ ἀνδρὶ πλησιάζων· καὶ οὐδὲν οἶμαι κακὸν εἶναι τὸ ὑπομιμνήσκεσθαι ὅτι μὴ καλῶς ἢ πεποιήκαμεν, ἢ ποιοῦμεν· ἀλλ᾽ εἰς τὸν ἔπειτα βίον προμηθέστερον ἀνάγκη εἶναι τὸν ταῦτα μὴ φεύγοντα, ἀλλ᾽ ἐθέλοντα κατὰ τοὺς Σόλωνος καὶ ἀξιοῦντα μανθάνειν ἕωσπερ ἂν ζῇ, καὶ μὴ οἰόμενον αὐτῷ τὸ γῆρας νοῦν ἔχον προσιέναι. ἐμοὶ μὲν οὖν οὐδὲν ἄηθες, οὐδ᾽ αὖ ἀηδές, ὑπὸ Σωκράτους βασανίζεσθαι· ἀλλὰ καὶ πάλαι σχεδόν τι ἠπιστάμην ὅτι οὐ περὶ τῶν μειρακίων ἡμῖν ὁ λόγος ἔσοιτο, Σωκράτους παρόντος, ἀλλὰ
jezt lebt und auf welche er das vorige Leben gelebt hat: hat ihn aber Sokrates da daß er ihn dann gewiß nicht eher losläßt bis er dieses Alles gut und gründlich geprüft hat. Ich nun bin schon mit ihm bekannt und weiß daß man dieses nun einmal von ihm leiden muß, ja auch daß ich es selbst leiden werde weiß ich sehr wohl. Sehr gern aber o Lysimachos bin ich dem Mann in der Nähe und halte es nicht für etwas übles erinnert zu werden daß wir nicht schön gehandelt haben oder noch handeln sondern vielmehr für nothwendig daß derjenige weiser werden muß für sein nachheriges Leben der dieses nicht flieht sondern es wünscht nach dem Solon20 und gern lernen will so lange er lebt, nicht aber glaubt daß das Alter ihm schon den Verstand mitbringen werde. Mir also ist es weder ungewohnt noch ungenehm vom Sokrates geprüft zu werden vielmehr wußte ich es fast schon lange vorher daß von den Knaben nicht die Rede sein würde wenn So20
E (SN 158/1) κατα τους Σολωνος Cornar perperam, recte Steph. κατα το του Σολ. | A (SN 158/2) κ α τ α τ ο υ ς Σ ο λ ω ν ο ς . Schon Steph. hat κατα το του Σολ. Cornar hat hier etwas sehr schlechtes gemacht.
T 2 hat ihn aber Sokrates da] über ist er aber hiehin gebracht | er] über der Zeile mit Einfügungszeichen 3 dann] erst gestrichen, dann unterpungiert; danach Sokrates 12 für] über sehr 13 daß] über der Zeile mit Einfügungszeichen 15f nach…Solon] am Rand κατα του [sic] Σολ. Corn. 17 schon] über selbst 18 werde] über der Zeile mit Einfügungszeichen 20 Sokrates] Sokr. 13f ἀνδρὶ πλησιάζων· καὶ] ἀνδρὶ πλησιάζων, καὶ Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. W2 21 κατὰ τοὺς Σόλωνος] κατὰ τὸ Σόλωνος oder κατὰ τὸ τοῦ Σόλωνος konj. Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1784 (Bipontina), Variae lectiones, S. 352 f. | κατὰ τὸ τοῦ Σόλωνος Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 76 [270,17]
S Anm. 20 EA Schleiermacher kritisiert Cornarius’ Fehldeutung des Solon-Fragmentes (vgl. W1 Anm. 9 und W2 Anm. 7 mit App. S) als eines Zeugnisses für Altersweisheit und seine Deutung des überlieferten κατὰ τοὺς Σόλωνος (sc. νόμους); vgl. Platonis [...] Latina lingua conscripta. Eiusdem Iani Cornarii Eclogae decem, breviter et sententiarum, et genuinae verborum lectionis, locos selectos complectentes. [...], Basel 1561, Ecloga Quinta, S. 410. – Zu Stephanus vgl. Spalte 1 App.
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jezt lebt, und auf welche er das vorige Leben gelebt hat; wenn ihn aber Sokrates da hat, daß er ihn dann gewiß nicht eher herausläßt, bis er dies Alles gut und gründlich untersucht hat. Ich nun bin schon mit ihm bekannt, und weiß daß man dieses nothwendig von ihm leiden muß; ja auch daß es mir selbst begegnen wird weiß ich sehr wohl. Gern aber, o Lysimachos, lasse ich mich ein mit dem Manne. Denn ich halte es nicht für etwas | übles darauf zurükgeführt zu werden, wo wir etwa nicht schön gehandelt haben oder noch handeln; sondern ich glaube vielmehr, daß nothwendig derjenige weiser werden muß für sein nachheriges Leben, der dieses nicht scheut, sondern es wünscht nach dem Solon9, und gern lernen will so lange er lebt, nicht aber meint daß das Alter ihm schon von selbst den Verstand mitbringen werde. Mir also ist es weder ungewohnt noch unangenehm vom Sokrates geprüft zu werden, vielmehr wußte ich es fast schon lange voraus, daß von den Knaben nicht die Rede sein würde, wenn Sokrates zugegen
jezt lebt, und auf welche er das vorige Leben gelebt hat; wenn ihn aber Sokrates da hat, daß er ihn dann gewiß nicht eher herausläßt, bis er dies Alles gut und gründlich untersucht hat. Ich nun bin schon mit ihm bekannt, und weiß daß man dieses nothwendig von ihm leiden muß; ja auch daß es mir selbst begegnen wird weiß ich sehr wohl. Denn gern, o Lysimachos, lasse ich mich ein mit dem Manne, und halte es nicht für etwas übles daran erinnert zu werden, wo wir etwa nicht schön | gehandelt haben oder noch handeln; sondern für nothwendig, daß derjenige vorsichtiger werden muß für sein nachheriges Leben, der dieses nicht scheut, sondern es wünscht nach des Solons Wort7, und gern lernen will so lange er lebt, nicht aber meint, daß das Alter ihm schon von selbst den Verstand mitbringen werde. Mir also ist es weder ungewohnt noch ungewünscht vom Sokrates geprüft zu werden, vielmehr schon lange wußte ich es beinahe, daß von den Knaben nicht die Rede sein würde, wenn Sokrates zugegen
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n a c h d e m S o l o n . Aus dem Plutarchos Solon 96. e. Brunck Anal. I. 65. V. Γηράσκω δ᾽ αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος. Ich von Tage zu Tag’ altere weiter belehrt.
n a c h d e s S o l o n s W o r t . Aus dem Plutarchos Solon 96. e. Brunck Anal. I. 65. V. Γηράσκω δ᾽ αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος. Ich von Tage zu Tag’ altere weiter belehrt.
S Anm. 9 Solon, fr. 18 West2 überliefert u. a. bei Plutarch: Solon 31,7 (96e); hier zitiert nach: Analecta veterum poetarum Graecorum, ed. R. F. P. Brunck, Bd. 1, Straßburg 1772, S. 65 Nr. V. Schon Cornarius (vgl. Spalte 2 mit App. S) hat das Fragment zitiert.
S 12 Manne, und] nach Bekker wie Spalte 1 App. S Anm. 7 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 9.
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περὶ ἡμῶν αὐτῶν. ὅπερ οὖν λέγω, τὸ μὲν ἐμὸν οὐδὲν κωλύει Σωκράτει συνδιατρίβειν ὅπως οὗτος βούλεται· Λάχητα δὲ τόνδε ὅρα πῶς ἔχει περὶ τοῦ τοιούτου. ΛΑ. Ἁπλοῦν τό γ᾽ ἐμόν, ὦ Νικία, περὶ λόγων ἐστίν· εἰ δὲ βούλει, οὐχ ἁπλοῦν, ἀλλὰ διπλοῦν. καὶ γὰρ ἂν δόξαιμί τῳ φιλόλογος εἶναι, καὶ αὖ μισόλογος. ὅταν μὲν γὰρ ἀκούω ἀνδρὸς περὶ ἀρετῆς διαλεγομένου, ἢ περί τινος σοφίας, ὡς ἀληθῶς ὄντος ἀνδρός, καὶ ἀξίου τῶν λόγων ὧν λέγει, χαίρω ὑπερφυῶς, θεώμενος ἅμα τόν τε λέγοντα, καὶ τὰ λεγόμενα ὅτι πρέποντα ἀλλήλοις καὶ ἁρμόττοντά ἐστι· καὶ κομιδῇ μοι δοκεῖ μουσικὸς ὁ τοιοῦτος εἶναι, ἁρμονίαν καλλίστην ἡρμοσμένος· οὐ λύραν, οὐδὲ παιδιᾶς ὄργανα· ἀλλὰ τῷ ὄντι ζῇν ἡρμοσμένος· οὗ αὐτὸς αὑτοῦ
krates zugegen wäre sondern von uns selbst. Was ich also sage: an meinem Theil hindert nichts daß wir uns mit dem Sokrates einlassen wie er es selbst will, sieh aber zu wie Laches hierüber denkt. L a c h . Sehr einfach ist o Nikias was ich über solche Rede denke, oder wenn du willst nicht einfach sondern zwiefach denn ich könnte einen dünken ein Freund | davon zu sein aber auch wiederum ein Feind. Denn wenn ich einen Mann höre über die Tugend reden oder über irgend eine Wissenschaft der wirklich ein Mann ist und der Reden werth die er spricht so freue ich mich über die Maaßen indem ich den Redenden betrachte und seine Reden wie beide zu einander sich schiken und stimmen. Und ein solcher scheint mir eigentlich ein musikalischer Mann zu sein nach der schönsten Harmonia gestimmt nicht zur Leier oder irgend einem Werkzeug des Spiels sondern wahrhaft in sich selbst21 gestimmt zu einem reinen Tone 21
A (SN 158/2) οὑ αυτος αυτου kommt mir freilich nicht ganz richtig vor. Allein Cornars Verbesserung ist sehr schlecht. Am meisten wünschte ich aber das musikalische an dieser Stelle erklären zu können.
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 22 Übers.A (verl.) in SN 158/3: οὗ αὐτὸς αὑτοῦ Soll denn dis also so viel sein, als αὐτὸς ἑαυτοῦ. T 3 daß wir uns] über die Sache 3f einlassen] über durchzusprechen 5 hierüber] über über die Sache 13 ist] über der Zeile mit Einfügungszeichen 21f wahrhaft in sich selbst gestimmt] umgestellt und korr. aus wahrhaft zu leben gestimmt in sich selbst 22–954,1 zu einem reinen Tone des Lebens] am Rand ohne Einfügungszeichen
27 οὗ αὐτὸς αὑτοῦ] οὗ im Text, jedoch durch eckige Klammern athetiert Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. Spld. (SN 158/3)
S Anm. 21 A Platonis [...] Latina lingua conscripta. Eiusdem Iani Cornarii Eclogae decem, breviter et sententiarum, et genuinae verborum lectionis, locos selectos complectentes. [...], Basel 1561, Ecloga Quinta, S. 410: [...] ἀλλὰ τῷ ὄντι ξυνηρμοσμένος αὐτὸς αὐτοῦ τὸν βίον [...].
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wäre, sondern von uns selbst. Wie gesagt also, an meinem Theil hindert nichts daß wir uns mit dem Sokrates unterreden, wie er es selbst will; den Laches aber befrage wie er hierüber gesonnen ist. LACH. Sehr einfach, o Nikias, ist meine Weise in Absicht solcher Reden, oder wenn du willst nicht einfach sondern zwiefach; denn ich könnte einem scheinen ein Freund davon zu sein, und auch wiederum ein Feind. Wenn ich nämlich über die Tugend oder über irgend eine Art der Weisheit einen Mann reden höre, der wirklich ein Mann ist und der Reden werth welche er spricht, dann freue ich mich über die Maaßen zugleich den Redenden und seine Reden betrachtend, wie beide zusammen gehören und stimmen; und ein solcher scheint mir eigentlich ein musikalischer Mann zu sein nach der schönsten Harmonie gestimmt, nicht zur Leier oder sonst einem Werkzeuge des Spiels, sondern fürs Leben wahrhaft in sich selbst gestimmt um in einem reinen Tone zu
wäre, sondern von uns selbst. Wie gesagt also, an meinem Theil hindert nichts, daß wir uns mit dem Sokrates unterreden, wie er es selbst will; den Laches aber befrage wie er hierüber gesonnen ist. LACH. Sehr einfach, o Nikias, ist meine Weise in Absicht solcher Reden, oder wenn du willst nicht einfach sondern zwiefach; denn ich könnte einem scheinen ein Freund davon zu sein, und auch wiederum ein Feind. Wenn ich nämlich über die Tugend oder über irgend eine Art der Weisheit einen Mann reden höre, der wirklich ein Mann ist und der Reden werth welche er spricht, dann freue ich mich über die Maaßen zugleich den Redenden und seine Reden betrachtend, wie beide zusammen gehören und stimmen; und ein solcher scheint mir eigentlich ein musikalischer Mann zu sein der den schönsten Einklang gestimmt, nicht die Leier oder sonst ein Werkzeug des Spiels, sondern wahrhaft zu leben sich gestimmt sein eignes Leben
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τὸν βίον σύμφωνον τοῖς λόγοις πρὸς τὰ ἔργα, ἀτεχνῶς δωριστί, ἀλλ᾽ οὐκ ἰαστί· οἴομαι δὲ οὐδὲ φρυγιστί, οὐδὲ λυδιστί, ἀλλ᾽ ἥπερ μόνη Ἑλληνική ἐστιν ἁρμονία. ὁ μὲν οὖν τοιοῦτος χαίρειν με ποιεῖ φθεγγόμενος, καὶ δοκεῖν ὁτῳοῦν φιλολόγον εἶναι· οὕτω σφόδρα ἀποδέχομαι παρ᾽ αὐτοῦ τὰ λεγόμενα. ὁ δὲ τἀναντία τούτου πράττων, λυπεῖ με ὅσῳ ἂν δοκῇ ἄμεινον λέγειν, τοσούτῳ μᾶλλον καὶ ποιεῖ αὖ δοκεῖν εἶναι μισολόγον. Σωκράτους δ᾽ ἐγὼ τῶν μὲν λόγων οὐκ ἔμπειρος εἰμι· ἀλλὰ πρότερον, ὡς ἔοικε, τῶν ἔργων ἐπειράσθην· καὶ ἐκεῖ αὐτὸν εὗρον ἄξιον ὄντα λόγων καλῶν, καὶ πάσης παρρησίας. εἰ οὖν καὶ τοῦτο ἔχει, συμβούλομαι τἀνδρί· καὶ ἥδιστ᾽ ἂν ἐξεταζοίμην ὑπὸ τοῦ τοιούτου, καὶ οὐκ ἂν ἀχθοίμην μανθάνων. ἀλλὰ καὶ ἐγὼ τῷ Σόλωνι, ἓν μόνον προσλαβών, ξυγχωρῶ· γηράσκων γὰρ πολλὰ διδάσκεσθαι ἐθέλω ὑπὸ χρηστῶν μόνον. τοῦτο γάρ μοι συγχωρείτω, ἀγαθὸν καὶ αὐτὸν εἶναι τὸν διδάσ-
des Lebens ein Leben im Einklang der Worte mit den Werken recht dorisch, nicht jonisch auch glaube ich nicht phrygisch oder lydisch, sondern nach jener welche die einzige hellenische Harmonia ist. Ein solcher also macht mich erfreut wenn er nur den Mund öfnet, und daß ich Jedem als ein Freund der Reden erscheine. Wer aber das Gegentheil hievon beweiset, der ist mir zuwider je besser er mir zu reden dünkt um so mehr, und macht daß ich als ein Redefeind erscheine. Von des Sokrates Reden nun habe ich noch keine Erfahrung sondern zuerst habe ich wie es scheint seine Thaten erprobt und ihn in diesen wol würdig befunden auch Schönes zu reden mit aller Freimüthigkeit. Ward ihm nun auch dieses zu Theil so freue ich mich mit dem Manne22 und möchte gern von einem solchen geprüft werden und michs nicht verdrießen lassen zu lernen. Sondern auch ich stimme dem Solon bei nur noch mit einem Zusaz ich wünsche nemlich alt zu werden vieles lernend jedoch nur von Guten. Dieses mag er mir einräumen daß auch 22
E (SN 158/1) συμβουλομαι τανδρι hat Ficin mißverstanden. Es kann wol nichts andres heißen als gratulor, Gegentheil zu φθονειν. | A (SN 158/2) σ υ μ β ο υ λ ο μ α ι τ ἀ ν δ ρ ι hat Ficin ganz falsch verstanden. Es kann wol kaum etwas andres heißen als ich übersezt denn τἀνδρι kann unmöglich auf den Nikias gehn.
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 18 Übers.A (verl.) in SN 158/3: συμβούλομαι τἀνδρί. Heißt denn das: βούλομαι τῷ ἀνδρὶ συνεῖναι, oder σύμφημι τῷ ἀνδρί? Wie stehts mit den Parallelstellen? T 1f der Worte mit den Werken] über zu den Worten auch in den Thaten 6f wenn er nur den Mund öfnet] über indem er spricht ; am Rand NB φθεγγεσθαι 9 ist mir zuwider] über betrübt mich 15 wol würdig] über 2-3 Buchstaben 17f freue ich mich mit] am Rand NB συμβουλομαι 10–12 οὕτω…λεγόμενα] nicht übersetzt SN 158/1
S Anm. 22 EA Ficinus in Ed.Zweibrücken: cum eo plane consentio.
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leben im Einklang der Worte mit den Werken, ächt dorisch, nicht jonisch, auch glaube ich nicht phry-| gisch oder lydisch, sondern nach jener als der einzigen ächt hellenischen Tonart. Ein solcher also macht mich erfreut wenn er nur den Mund öfnet, und daß ich Jedem als ein Freund der Reden erscheine, so gern nehme ich Alles an was er redet. Wer aber hiervon das Gegentheil an sich zeiget, der ist mir nur um so mehr zuwider, je besser er mir zu reden scheint, und macht daß ich als ein Redefeind erscheine. Von des Sokrates Reden nun habe ich noch keine Erfahrung, sondern zuerst habe ich wie es scheint seine Thaten erproben gesollt; und in denen habe ich ihn wohl würdig befunden auch Schönes zu reden mit aller Freimüthigkeit. Ward ihm nun auch dieses, so freue ich mich mit ihm und möchte gern von einem solchen geprüft werden und es mich nicht verdrießen lassen zu lernen. Sondern auch ich stimme dem Solon bei, nur noch mit einem Zusaz, ich wünsche nämlich alt zu werden vieles noch lernend, jedoch nur von Guten. Denn dieses mag er mir nachgeben daß auch der Lehrer
zusammenklingend mit den Worten die Werke, ächt dorisch, nicht jonisch, auch glaube ich nicht phrygisch oder lydisch, sondern nach jener einzigen ächt hellenischen Tonart. Ein solcher also macht mich erfreut, wenn er nur | den Mund öfnet, so daß ich Jedem als ein Freund der Reden erscheine, so gern nehme ich von ihm an was er redet. Wer aber hiervon das Gegentheil thut, der ist mir nur um so mehr zuwider, je besser er mir zu reden scheint, und macht daß ich als ein Redefeind erscheine. Von des Sokrates Reden nun habe ich noch keine Erfahrung, sondern zuerst habe ich wie es scheint seine Thaten erproben gesollt; und in denen habe ich ihn wohl würdig befunden auch Schönes zu reden mit aller Freimüthigkeit. Ward ihm nun auch dieses, so freue ich mich mit ihm und möchte gern von einem solchen geprüft werden und es mich nicht verdrießen lassen zu lernen. Sondern auch ich stimme dem Solon bei, nur noch mit einem Zusaz, ich wünsche nämlich alt zu werden vieles noch lernend, jedoch nur von Guten. Denn dieses mag er mir nachgeben, daß auch der Lehrer
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καλον· ἵνα μὴ δυσμαθὴς φαίνωμαι, ἀηδῶς μανθάνων. εἰ δὲ νεώτερος ὁ διδάσκων ἔσται, ἢ μή πω ἐν δόξῃ ὤν, ἤ τι ἄλλο τῶν τοιούτων ἔχων, οὐδέν μοι μελήσει. σοὶ οὖν ἐγὼ, ὦ Σώκρατες, ἐπαγγέλλομαι καὶ ἐλέγχειν καὶ διδάσκειν ἐμὲ ὅ, τι ἂν βούλῃ· καὶ μανθάνειν γε ὅ, τι αὖ ἐγὼ οἶδα. οὕτω σὺ παρ᾽ ἐμοὶ διάκεισαι ἀπ᾽ ἐκείνης τῆς ἡμέρας, ᾗ μετ᾽ ἐμοῦ συνδιεκινδύνευσας, καὶ ἔδωκας σαυτοῦ πεῖραν τῆς ἀρετῆς, ἣν χρὴ διδόναι τὸν μέλλοντα δικαίως δώσειν. λέγ᾽ οὖν ὅ, τι σοὶ φίλον, μηδὲν τὴν ἡμετέραν ἡλικίαν ὑπὸ λόγον ποιούμενος. ΣΩ. Οὐ τὰ ὑμέτερα, ὡς ἔοικεν, αἰτιασόμεθα μὴ οὐχ ἕτοιμα εἶναι καὶ συμβουλεύειν καὶ συσκοπεῖν.
der Lehrer ein guter sei damit ich nicht ungelehrig erscheine indem ich ungern lerne. Ob aber der lehrende jünger ist oder noch keinen Ruf hat oder was er von dieser Art an sich habe, das soll mich nichts kümmern. Dir also o Sokrates erbiete ich mich daß du mich bestreiten und belehren mögest worin du willst und auch lernen was ich wiederum weiß. So stehst du bei mir seit jenem Tage an welchem du mit mir die Gefahr bestanden und einen Beweis deiner Tugend gegeben hast, wie ihn der geben muß der ihn recht geben will. Rede also was dir gefällt, so daß du unser Alter dabei für nichts rechnest.
ΛΥ. Ἀλλ᾽ ἡμέτερον δὴ ἔργον, ὦ Σώκρατες. ἕνα γάρ σε ἔγωγε ἡμῶν τίθημι. σκόπει οὖν ἀντ᾽ ἐμοῦ ὑπὲρ τῶν νεανίσκων ὅ, τι δεόμεθα παρὰ τῶνδε πυνθάνεσθαι· καὶ συμβούλευε διαλεγόμενος τούτοις. ἐγὼ μὲν γὰρ καὶ ἐπιλανθάνομαι ἤδη τὰ
L y s . Unsere Sache also ist es o Sokrates, denn ich rechne dich als einen von uns. So untersuche nun an meiner Statt zum Besten der Jünglinge was wir von diesen zu erforschen haben und pflege Rath mit ihnen im Gespräch. Denn ich vergesse schon gar Vieles des Alters wegen was ich im Sinn gehabt
8f καὶ ἐλέγχειν καὶ διδάσκειν] καὶ διδάσκειν καὶ ἐλέγχειν Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 76 [272,14], übersetzt W2 ὑπὸ λόγον] ὑπόλογον 19f Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 76 [272,20]
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S o k r. Euch wie es scheint werden wir nicht beschuldigen können daß Ihr Eurerseits nicht bereit gewesen wäret mit zu berathen und mit zu untersuchen.
T 3–5 Ob ... kümmern.] am Rand NB das ist auch wol Apologie für den Protagoras (vgl. Platon, Protagoras 314b) 3 ist] über sei 4 keinen Ruf hat] über nicht berühmt 6 erbiete ich mich] über sage ich an 18 mit] über der Zeile ohne Einfügungszeichen
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ein guter sei, damit ich nicht ungelehrig erscheine ungern lernend. Ob aber der Lehrende jünger ist, oder noch keinen Ruf hat, oder was er von dieser Art sonst an sich hat, das soll mich nicht kümmern. Dir also, o Sokrates, erbiete ich mich, daß du mich prüfen und belehren mögest worin du willst, und auch wiederum lernen was ich weiß. So stehest du bei mir seit jenem Tage, an welchem du mit mir die Gefahr bestanden, und einen Beweis deiner Tugend gegeben hast, wie ihn derjenige geben muß der ihn recht geben will. Sage also was du Lust hast und rechne unser Alter dabei für nichts.
selbst ein guter sei, damit ich nicht ungelehrig erscheine ungern lernend. Ob aber der Lehrende jünger ist, oder noch keinen Ruf hat, oder was er von dieser Art sonst an sich hat, das soll mich nicht kümmern. Dir also, o Sokrates, erbiete ich mich, daß du mich sowohl belehrest als prüfest worin du willst, und auch wiederum lernen was ich weiß. So stehest du bei mir seit jenem Tage, an welchem du mit mir die Gefahr bestanden, und einen Beweis deiner Tugend gegeben hast, wie ihn derjenige geben muß der ihn recht geben will. Sage also was du Lust hast und rechne unser Alter dabei für nichts.
SOK. Euch, scheint es, werden wir nicht beschuldigen können, daß ihr eures Theils nicht | bereit gewesen wäret mit zu berathschlagen und mit zu untersuchen. LYSIM. Nun also beruht die Sache auf uns, o Sokrates, denn dich rechne ich für einen der unsrigen. So untersuche nun an meiner Statt zum Besten der Jünglinge, was wir von diesen Männern zu erforschen haben, und pflege Rath mit ihnen im Gespräch. Denn ich vergesse schon Alters wegen gar vieles, was ich im
SOK. Euch, scheint es, werden wir nicht beschuldigen können, daß ihr eures Theils nicht bereit gewesen wäret mit zu berathschlagen und mit zu untersuchen. LYSIM. Nun also beruht die Sache auf uns, | o Sokrates, denn dich rechne ich für einen der unsrigen. So untersuche nun an meiner Statt zum Besten der Jünglinge, was wir von diesen Männern zu erforschen haben, und pflege Rath mit ihnen im Gespräch. Denn ich vergesse schon Alters wegen gar vieles, was ich im
S 8f sowohl belehrest als prüfest] Bekker wie Spalte 1 App.
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πολλά, διὰ τὴν ἡλικίαν, ὧν ἂν διανοηθῶ ἔρεσθαι, καὶ αὖ ἃ ἂν ἀκούσω· ἐὰν δὲ μεταξὺ ἄλλοι λόγοι γένωνται, οὐ πάνυ μέμνημαι. ὑμεῖς οὖν λέγετε καὶ διέξιτε πρὸς ὑμᾶς αὐτοὺς περὶ ὧν προὐθέμεθα. ἐγὼ δ᾽ ἀκούσομαι, καὶ ἀκούσας αὖ μετὰ Μελησίου τοῦδε ποιήσω τοῦτο ὅ, τι ἂν ὑμῖν δοκῇ.
habe zu fragen und so auch was ich höre23, kommen aber gar andere Reden zwischen ein so erinnere ich mich fast nichts mehr. Ihr also redet und nehmt unter Euch allein dasjenige durch was wir Euch vorgelegt haben ich aber will zuhören und nachdem ich gehört mit dem Melesias dasjenige thun was Euch gut dünkt. 23
E (SN 158/1) ερεσθαι, και p. Ficin muß gelesen haben ερεσθαι· και αυ ἁ αν ακουσω εαν δε μεταξυ falsch. | A (SN 158/2) ε ρ ε σ θ α ι κ α ι α ὖ . Hier muß Ficin so gelesen haben ερεσθαι· και αυ ἁ αν ακουσω εαν μεταξυ p. falsch.
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 1 höre] Übers.A (verl.) in SN 158/3: καὶ αὖ ἃ ἂν ἀκούσω. „Und wiederum auch, was ich etwa gehört habe“. Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu Anm. 23 A am Zeilenende und auf Spaldings Zusatzblatt: Warum so falsch? Schon daß | ἅ bei ἀκούσω steht, nicht ὧν, deutet mir darauf, daß dis Glied nicht mehr gehört zu πολλὰ ἐπιλανθάνομαι. Wäre nun also δὲ weg, so ginge dis, nach Fizin, recht gut über zu οὐ πάνυ μέμνημαι, wo wol auch der Genitif so strenge nicht nöthig ist. Ich möchte also γε lesen für δέ. Natürlicher ist es dem Alten, zu vergessen, was er vorher, zu fragen, sich vorgenommen hatte; aber, bei vielem Zwischenreden, vergisst er auch das Eben gehörte, was er sonst noch leichter behalten hätte. T 1f zu fragen ... aber gar andere] am Rand NB Ficin: ερεσθαι· και αὐ α αν ακουσω εαν αλλοι μεταξυ p. 3 fast nichts mehr] am Rand mit Einfügungszeichen T Anm. 23 E 10 δε] korr. aus δη 2–4 ἔρεσθαι, καὶ αὖ ἃ ἂν ἀκούσω· ἐὰν δὲ μεταξὺ] ἐρέσθαι καὶ αὖ ἃ ἂν ἀκούσω· ἐὰν δὲ μεταξὺ Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 76 [273,6], übersetzt SN 158/1 W1 W2
S Anm. 23 EA mit Spld. Ficinus in Ed.Zweibrücken: nam mihi quidem multa memoria propter senium exciderunt ex his, quae perquirere statueram: nec eorum sane quae audiam, si qui alii sermones intervenerint, meminero satis.
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Sinn gehabt hatte zu fragen, und so auch was ich gehört habe; kommen aber gar andere Reden zwischen ein, so behalte ich fast nichts mehr. Ihr also redet und handelt allein dasjenige ab unter euch, was wir euch vorgelegt haben; ich aber will zuhören, und nachdem ich gehört mit dem Melesias dasjenige thun, was euch gut dünkt.
Sinn gehabt hatte zu fragen, und so auch was ich gehört habe; kommen aber gar andere Reden zwischen ein, so behalte ich fast nichts mehr. Ihr also redet und handelt allein dasjenige ab unter euch, was wir euch vorgelegt haben; ich aber will zuhören, und nachdem ich gehört mit dem Melesias dasjenige thun, was euch gut dünkt.
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ΣΩ. Πειστέον, ὦ Νικία τε καὶ Λάχης, Λυσιμάχῳ καὶ Μελησίᾳ. Ἃ μὲν οὖν νῦν δὴ ἐπεχειρήσαμεν σκοπεῖν, τίνες οἱ διδάσκαλοι ἡμῖν τῆς τοιαύτης παιδείας γεγόνασιν, ἢ τίνας ἄλλους βελτίους πεποιήκαμεν, ἴσως μὲν οὐ κακῶς ἔχει ἐξετάζειν καὶ τὰ τοιαῦτα ἡμᾶς αὐτούς· ἀλλ᾽ οἶμαι, καὶ ἡ τοιάδε σκέψις εἰς ταυτὸν φέρει· σχεδὸν δέ τι καὶ μᾶλλον ἐξ ἀρχῆς εἴη ἄν. εἰ γὰρ ἐτυγχάνομεν ἐπιστάμενοι ὁτουοῦν πέρι, ὅ, τι παραγενόμενόν τῳ, βέλτιον ποιεῖ ἐκεῖνο ᾧ παρεγένετο, καὶ προσέτι οἷοί τε ἐσμὲν αὐτὸ ποιεῖν παραγίνεσθαι ἐκείνῳ, δῆλον ὅτι αὐτό γε ἴσμεν τοῦτο οὗ πέρι σύμβουλοι ἂν γενοίμεθα, ὡς ἄν τις αὐτὸ ῥᾷστα καὶ ἄριστ᾽ ἂν κτήσαιτο. ἴσως οὖν οὐ μανθάνετέ μου ὅ, τι λέγω, ἀλλ᾽ ὧδε ῥᾷον μαθήσεσθε. εἰ τυγχάνομεν ἐπιστάμενοι ὅτι ὄψις παραγενομένη ὀφθαλμοῖς, βελτίους ποιεῖ ἐκείνους οἷς παρεγένετο, καὶ προσέτι
14 ἐτυγχάνομεν] τυγχάνομεν konj. Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1784 (Bipontina), Variae lectiones, S. 353, Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 76 [273,17], übersetzt SN 158/1 (vgl. die Randbemerkung in Spalte 2 App. T sowie Anm. 24 EA) W1 (vgl. W1 Anm. 10) W2
S o k r. Wir werden o Nikias und Laches dem Lysimachos und Melesias gehorchen müssen. Was wir nun eben izt zu untersuchen uns vorsezten wer nemlich unsere Lehrer gewesen sind in dieser Erziehungskunst oder welche Andern wir besser gemacht haben, hierüber uns selbst zu prüfen ist gewiß auch nicht übel aber ich glaube die folgende Untersuchung führt eben dahin, und fängt vielleicht noch höher hinauf an. Wenn wir nemlich von irgend etwas wissen24 | daß es, wenn es zu einem andern hinzukommt das ganze besser macht zu dem es hinzu kommt, und zugleich im Stande sind zu bewirken daß es zu jenem hinzukomme so ist doch offenbar daß wir das wenigstens kennen müssen worüber wir Rath geben sollen wie Jemand es am leichtesten und besten erwerben könnte. Vielleicht aber versteht Ihr noch nicht was ich meine so aber werdet Ihr es besser verstehen. Wenn wir wissen daß das Sehen wenn es zu den Augen hinzukommt jene besser macht zu denen es hinzugekommen ist und überdies im Stande sind zu be24
E (SN 158/1) ετυγχανομεν επισταμενοι wahrscheinlich τυγχαν. wegen des folgenden εσμεν. | A (SN 158/2) ε ι γ α ρ ε τ υ γ χ α ν ο μ ε ν lies τυγχανομεν; so wird es doch unten wiederholt, auch das εσμεν beweiset es schon.
T 1–3 Wir werden o Nikias und Laches dem Lysimachos und Melesias gehorchen müssen.] umgestellt aus Wir werden gehorchen müssen o Nikias und Laches dem Lysimachos und Melesias. 3f zu untersuchen uns vorsezten] über versuchten zu erforschen 7f hierüber uns selbst zu prüfen ist gewiß auch nicht übel] umgestellt aus gewiß ist es nicht übel auch hierüber uns selbst zu prüfen 11 wissen] über wußten ; am Rand NB τυγχανομεν 21f Wenn wir wissen daß das Sehen wenn es zu den Augen hinzukommt] am Rand NB dies ist ein ziemlich schlechtes Beispiel (vgl. W1 Anm. 11 W2 Anm. 8) T Anm. 24 A 27 lies] l. S Anm. 24 EA Vgl. Spalte 1 App.
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SOK. Wir werden wohl, o Nikias und Laches, dem Lysimachos und Melesias gehorchen müssen. Was wir nun so eben uns vorsezten zu untersuchen, wer nämlich unsere Lehrer gewesen sind in dieser Kunst, oder welche Andere wir schon besser gemacht haben, hierüber uns selbst zu prüfen wäre gewiß auch nicht übel; aber ich glaube die folgende Untersuchung wird uns zu demselbigen Ziele führen, und fängt eher fast noch etwas höher hinauf an. Wenn wir nämlich von irgend etwas wissen10, daß es einem andern einwohnend dieses besser macht dem es einwohnt, und zugleich im Stande sind zu bewirken daß es jenem einwohne: so ist doch offenbar daß wir wenigstens dasjenige kennen müssen, worüber wir Rath geben sollen, wie jemand es am leichtesten und besten erwerben könne. Vielleicht indeß versteht ihr noch nicht was ich meine, so aber werdet ihr es besser verstehen. Wenn wir wissen, das Sehen, den Augen | einwohnend11, mache diejenigen besser denen es einwohnt, und zugleich im
SOK. Wir werden wohl, o Nikias und Laches, dem Lysimachos und Melesias gehorchen müssen. Was wir nun so eben uns vorsezten zu untersuchen, wer nämlich unsere Lehrer gewesen sind in dieser Kunst, oder welche Andere wir schon besser gemacht haben, auch darüber uns selbst zu prüfen wäre gewiß nicht übel; aber ich glaube die folgende Untersuchung wird uns zu demselbigen Ziele führen, und fängt eher fast noch etwas höher hinauf an. Wenn wir nämlich von irgend etwas wissen, daß es einem andern einwohnend dieses besser macht dem es einwohnt, und zugleich im Stande sind zu bewirken, daß es jenem einwohne: so kennen wir doch offenbar eben dieses, worüber wir Rath geben sollen, wie Jemand es am leichtesten und besten erwerben könne. Vielleicht indeß versteht ihr noch nicht was ich meine, so aber werdet ihr es besser verstehen. Wenn wir wissen, das Sehen, den Augen einwohnend8, mache die besser denen es einwohnt, und zugleich 8
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v o n i r g e n d e t w a s w i s s e n . Statt εἰ γὰρ ἐτυγχάνομεν muß man εἰ γὰρ τυγχάνομεν lesen, wie sowohl das ἐσμὲν beweist, als auch das folgende τυγχάνομεν. 11 D a s Sehen den Augen einw o h n e n d . Dies Beispiel wird gewiß Jedem ziem|lich schlecht erscheinen, und das Verhältniß des Sehens zu den Augen ganz anders wie das der Tugend zu der Seele. Genau betrachtet wird es sich aber anders zeigen.
T Anm. 10 32 ἐσμὲν] verdruckt ἑ-
W1
S Anm. 10 Vgl. Spalte 1 App. und Spalte 2.
Das Sehen den Augen einw o h n e n d . Dies Beispiel wird gewiß Jedem ziemlich schlecht erscheinen, und das Verhältniß des Sehens zu den Augen ganz anders wie das der Tugend zu der Seele. Genau betrachtet wird es sich aber anders zeigen. Herr Ast scheint bei der oberflächlichen Betrachtung der Sache stehen geblieben zu sein.
S Anm. 8 Ast: Platon’s Leben und Schriften, Leipzig 1816, S. 455 (Verweis auf das schlechte Beispiel als Argument für die Unechtheit des Laches). Vgl. Rez.Ast (1819), S. 70.
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οἷοί τε ἐσμὲν ποιεῖν αὐτὴν παραγίνεσθαι ὄμμασι, δῆλον ὅτι ὄψιν γε ἴσμεν αὐτὴν ὅ, τι ποτ᾽ ἐστίν, ἧς πέρι σύμβουλοι ἂν γενοίμεθα, ὡς ἄν τις αὐτὴν ῥᾷστα καὶ ἄριστα κτήσαιτο. εἰ γὰρ μηδ᾽ αὐτὸ τοῦτο εἰδείημεν ὅ, τι ποτ᾽ ἐστὶν ὄψις, ἢ ὅ, τι ἐστὶν ἀκοή, σχολῇ ἄν γε σύμβουλοι ἄξιοι λόγου γενοίμεθα, καὶ ἱατροὶ ἢ περὶ ὀφθαλμῶν, ἢ περὶ ὤτων, ὅντινα τρόπον ἢ ἀκοὴν ἢ ὄψιν κάλλιστ᾽ ἂν κτήσαιτό τις. ΛΥ. Ἀληθῆ λέγεις, ὦ Σώκρατες. ΣΩ. Οὐκοῦν, ὦ Λάχης, καὶ νῦν ἡμᾶς τώδε παρακαλεῖτον εἰς συμβουλήν, τίν᾽ ἂν τρόπον τοῖς υἱέσιν αὐτῶν ἀρετὴ παραγενομένη ταῖς ψυχαῖς ἀμείνους ποιήσειε; ΛΑ. Πάνυ γε.
wirken, daß es zu den Augen hinzukomme, so ist offenbar daß wir doch das Sehen selbst kennen müssen was es wol ist worüber wir aber Rath geben sollen wie es Jemand am leichtesten und besten erwerben könne. Denn wenn wir auch dieses nicht einmal wüßten, was das Sehen ist, oder das Hören so hat es gute Wege daß wir taugliche Rathgeber und Aerzte sein könnten für die Augen oder die Ohren, auf welche Weise Jemand das Gehör oder das Gesicht am besten erwerben könnte.
L y s i m . Richtig ist, was du sagst o Sokrates.25 S o k r. Haben nun nicht o Laches auch jezt diese beiden uns zur Berathung gerufen auf welche Weise die Tugend zu den Seelen ihrer Söhne hinzukommend sie besser machen könne?26 L a . Allerdings. 25
E (SN 158/1) ΛΥ. Αληθη Dies muß offenbar Laches sagen. | A (SN 158/2) Αληθη λεγ. Dieses muß Laches sagen, nicht Lysim. 26 E (SN 158/1) τιν᾽ αν τροπον p. Die Construction ist wunderlich wenn man nicht lesen muß τους υἱεις.
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu Anm. 25 A am Zeilenende: Freilich.
16f Ἀληθῆ λέγεις, ὦ Σώκρατες.] als Worte des Lysimachos Ed.Genf 1578 (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1784 (Bipontina), übersetzt SN 158/1 | dem Laches als Sprecher zugewiesen von Schleiermacher (Anm. 25 EA), vgl. Spld. (SN 158/2), W1 Anm. 12 W2 Anm. 9 Ed.Berlin 1816 (Bekker), als Worte des Laches übersetzt W1 W2
T 4 aber] über der Zeile mit Einfügungszeichen 11f besten] über leich 13 Lysim.] am Rand NB Laches. 15 Haben] über Also 16–19 auf welche Weise ... könne] am Rand NB Construction T Anm. 25 A nachträglich am Rand hinzugefügt | Anm. 26 E 25 τους υἱεις] versehentlich statt τους υἱας S Anm. 25 EA mit Spld. Vgl. Spalte 1 App. | Anm. 26 E Die Konstruktion mit doppeltem Dativ ist möglich und beruht auf dem σχῆμα καθ᾽ ὅλον καὶ μέρος.
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Stande sind zu bemerken, daß es den Augen beigebracht werde: so kennen wir doch offenbar das Sehen selbst, was es ist, über welches wir Rath geben sollen wie Jemand es am leichtesten und besten erwerben möge. Denn wenn wir auch dieses nicht einmal wüßten, was das Sehen ist oder das Hören, so hat es gute Wege, daß wir taugliche Rathgeber und Aerzte sein könnten für Augen und Ohren, auf welche Weise Jemand Gehör und Gesicht am besten erlangen könnte.
vermögen zu bewirken, daß es den Augen einwohne: so kennen wir doch offenbar das Sehen selbst, | was es ist, über welches wir Rath geben sollen, wie Jemand es am leichtesten und besten erwerben möge. Denn wenn wir auch dieses nicht einmal wüßten, was das Sehen ist oder das Hören, so hat es gute Wege, daß wir taugliche Rathgeber und Aerzte sein könnten für Augen und Ohren, auf welche Weise Jemand Gehör und Gesicht am besten erlangen könnte.
LACH. Richtig ist12, was du sagst, o Sokrates. SOK. Haben nun nicht, o Laches, auch jezt diese beiden uns zur Berathung gerufen, auf welche Weise wohl die Tugend den Seelen ihrer Söhne beigebracht werden und sie besser machen möge? LACH. Freilich.
LACH. Richtig ist9, was du sagst, o Sokrates. SOK. Haben nun nicht, o Laches, auch jezt diese beiden uns zur Berathung gerufen, auf welche Weise wohl den Seelen ihrer Söhne Tugend beigebracht werden und sie besser machen möge? LACH. Freilich.
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R i c h t i g i s t etc. Diese Worte habe ich dreist dem Laches wiedergegeben, da die Ausgaben gewiß unrichtig den Namen Lysimachos davor sezen.
R i c h t i g i s t etc. Diese Worte habe ich dreist dem Laches wiedergegeben, da die Ausgaben gewiß unrichtig den Namen Lysimachos davor sezen.
T 1 bemerken] zu korr. in bewirken (vgl. SN 158/1 W2), das offenbar in der Hs. falsch gelesen wurde S Anm. 12 Vgl. Spalte 1 App. und Spalte 2.
S Anm. 9 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 12.
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ΣΩ. Ἆρ᾽ οὖν τοῦτό γ᾽ ὑπάρχειν δεῖ, τὸ εἰδέναι ὅ, τι ποτ᾽ ἐστὶν ἀρετή; εἰ γάρ που μηδ᾽ ἀρετὴν εἰδείημεν τοπαράπαν ὅ, τι τυγχάνει ὄν, τίνα τρόπον τούτου σύμβουλοι γενοίμεθα ὁτῳοῦν, ὅπως ἂν αὐτὸ κάλλιστα κτήσαιτο; ΛΑ. Οὐδένα, ἔμοιγε δοκεῖ, ὦ Σώκρατες.
S o . Muß also nicht dieses wenigstens sich bei uns finden, daß wir wissen was die Tugend ist? Denn wenn wir etwa ganz und gar nicht wüßten von der Tugend, was sie eigentlich ist auf welche Weise könnten wir wol irgend Jemanden Rath ertheilen, wie er sie am besten erwerben könne?
ΣΩ. Φαμὲν ἄρα, ὦ Λάχης, εἰδέναι αὐτὸ ὅ, τι ἐστί. ΛΑ. Φαμὲν μέντοι. ΣΩ. Οὐκοῦν ὅ, γε ἴσμεν, κᾂν εἴποιμεν δή που τί ἐστι;
S o . Wollen wir also behaupten, o Laches daß wir wissen, was sie ist? L a . Freilich wollen wir es behaupten. S o k r. Nicht wahr, was wir wissen ⌈davon⌋ müssen wir doch auch sagen können was es ist? L a . Wie sollten wir nicht. S o k r. Laß uns aber nicht o Bester nach der ganzen Tugend sogleich fragen, denn vielleicht wäre dieses ein zu großes Geschäft, sondern zuerst laß uns von irgendeinem Theile derselben sehen ob wir wirklich bis zum Wissen darin gekommen sind, so wird uns wahrscheinlich die Untersuchung leichter sein.
10
L a . Wohl o Sokrates, laß es uns so machen wie du willst. S o k r. Welchen also sollen wir wählen von den Theilen der Tugend? Oder nicht wahr den gewiß auf welchen diese Kunst in den Waffen abzuzweken scheint? und das scheint sie doch den Meisten auf die Tapferkeit. Nicht wahr?
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ΛΑ. Πῶς γὰρ οὔ; ΣΩ. Μὴ τοίνυν, ὦ ἄριστε, περὶ ὅλης ἀρετῆς σκοπῶμεν εὐθέως (πλέον γὰρ ἴσως ἔργον) ἀλλὰ μέρους τινὸς πέρι πρῶτον ἴδωμεν, εἰ ἱκανῶς ἔχομεν πρὸς τὸ εἰδέναι· καὶ ἡμῖν, ὡς τὸ εἰκός, ῥᾴων ἡ σκέψις ἔσται. ΛΑ. Ἀλλ᾽ οὕτω ποιῶμεν, ὦ Σώκρατες, ὡς σὺ βούλει. ΣΩ. Τί οὖν ἂν προελοίμεθα τῶν τῆς ἀρετῆς μερῶν; ἢ δῆλον δὴ ὅτι τοῦτο εἰς ὃ τείνειν δοκεῖ ἡ ἐν τοῖς ὅπλοις μάθησις; δοκεῖ δέ που τοῖς πολλοῖς εἰς ἀνδρίαν. ἦ γάρ; ΛΑ. Καὶ μάλα δὴ οὕτω δοκεῖ. ΣΩ. Τοῦτο τοίνυν πρῶτον ἐπιχειρήσωμεν, ὦ Λάχης, εἰ-
34 ἦ γάρ] nicht übersetzt W1 W2
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L a . Auf keine Art, wie mich wenigstens dünkt, o Sokrates.
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L a c h . Allerdings so scheint es Ihnen. S o k r. Dieses also wollen wir zuerst versuchen o Laches zu sagen, was die Tapferkeit
T 1f sich bei uns finden] über uns eigen sein 6 Rath ertheilen] davor darüber 10 behaupten] über sagen 12 behaupten] davor sagen 13 davon] korr. aus d as 27 wählen] davor vor den andern
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SOK. Muß also nicht dieses wenigstens sich bei uns finden, daß wir wissen was die Tugend ist? Denn wenn wir etwa ganz und gar nicht wüßten von der Tugend, was sie eigentlich ist, wie könnten wir wohl Jemanden Rath darüber ertheilen, auf welche Weise er sie am besten erwerben möge? LACH. Wir könnten es ganz und gar nicht, wie mich wenigstens dünkt, o Sokrates. SOK. Wollen wir also behaupten, o Laches, daß wir wissen, was sie ist? LACH. Freilich wollen wir das. SOK. Wovon wir aber wissen, davon müssen wir doch auch sagen können was es ist? LACH. Wie sollten wir nicht. SOK. Laß uns aber nicht, o Bester, nach der ganzen Tugend sogleich fragen, denn viel|leicht wäre dies Geschäft zu groß, sondern zuerst laß uns von irgend einem Theile derselben sehen, ob wir bis zum Wissen darin gekommen sind, so wird uns wahrscheinlich die Untersuchung leichter sein. LACH. Wohl, o Sokrates, laß es uns so machen, wie du willst. SOK. Welchen also sollen wir wählen von den Theilen der Tugend? Oder nicht wahr, den gewiß auf welchen diese Kunst des Fechtens abzuzweken scheint? und das scheint sie doch den Leuten auf die Tapferkeit? LACH. Allerdings so scheint es ihnen. SOK. Dieses also wollen wir zuerst versuchen zu erklären was die Tap-
SOK. Muß also nicht dieses wenigstens sich bei uns finden, daß wir wissen was die Tugend ist? Denn wenn wir etwa ganz und gar nicht wüßten von der Tugend, was sie eigentlich ist, wie könnten wir wohl Jemanden Rath darüber ertheilen, auf welche Weise er sie am besten erwerben möge? LACH. Wir könnten es ganz und gar nicht, wie mich wenigstens dünkt, o Sokrates. SOK. Behaupten wir also, o Laches, daß wir wissen, was sie ist? LACH. Freilich wollen wir das. SOK. Wovon wir aber wissen, davon müssen wir doch auch sagen können was es ist? LACH. Wie sollten wir nicht. SOK. Laß uns aber nicht, o Bester, nach der ganzen Tugend sogleich fragen, denn vielleicht wäre dies Geschäft zu groß, sondern von einem Theile derselben zuerst sehen, ob wir tüchtig sind ihn zu verstehen, so wird uns wahrscheinlich die Untersuchung leichter sein. |
T 24f derselben] verdruckt -selbsn W1
LACH. Wohl, o Sokrates, laß es uns so machen, wie du willst. SOK. Welchen also sollen wir wählen von den Theilen der Tugend? Oder nicht wahr den gewiß, auf welchen diese Kunst des Fechtens abzuzwekken scheint? und das scheint sie doch den Leuten auf die Tapferkeit? LACH. Allerdings so scheint es ihnen. SOK. Dieses also wollen wir zuerst versuchen zu erklären was die Tap-
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πεῖν, ἀνδρία τί ποτ᾽ ἐστίν· ἔπειτα μετὰ τοῦτο σκεψώμεθα καὶ ὅτῳ ἂν τρόπῳ τοῖς νεανίσκοις παραγένοιτο, καθόσον οἷόν τε ἐξ ἐπιτηδευμάτων τε καὶ μαθημάτων παραγενέσθαι. ἀλλὰ πειρῶ εἰπεῖν ὃ λέγω, τί ἐστιν ἀνδρία. ΛΑ. Οὐ μὰ τὸν Δία, ὦ Σώκρατες, οὐ χαλεπὸν εἰπεῖν. εἰ γάρ τις ἐθέλοι ἐν τῇ τάξει μένων ἀμύνεσθαι τοὺς πολεμίους, καὶ μὴ φεύγοι, εὖ ἴσθ’ ὅτι ἀνδρεῖος ἂν εἴη. ΣΩ. Εὖ μὲν λέγεις, ὦ Λάχης· ἀλλ᾽ ἴσως ἐγὼ αἴτιος, οὐ σαφῶς εἰπών, τὸ σὲ ἀποκρίνεσθαι μὴ τοῦτο ὃ διανοούμενος ἠρόμην, ἀλλ᾽ ἕτερον. ΛΑ. Πῶς τοῦτο λέγεις, ὦ Σώκρατες; ΣΩ. Ἐγὼ φράσω, ἐὰν οἷός τε γένωμαι. ἀνδρεῖός που οὗτος ὃν καὶ σὺ λέγεις, ὃς ἐν τῇ τάξει μένων μάχεται τοῖς πολεμίοις. ΛΑ. Ἔγωγ᾽ οὖν φημί. ΣΩ. Καὶ γὰρ ἐγώ. ἀλλὰ τί αὖ ὅδε, ὃς ἂν φεύγων μάχηται τοῖς πολεμίοις, ἀλλὰ μὴ μένων;
Erster Entwurf (handschriftlich)
ist, dann aber wollen wir nach diesem auch überlegen auf welche Weise die Jünglinge sie erlangen können so weit es möglich ist sie durch Uebung und Unterricht zu erlangen. Also versuche doch wie ich sage zu erklären was die Tapferkeit ist.
L a c h . Dieses beim Zeus o Sokrates ist ja nicht schwer zu sagen: Denn wenn Jemand pflegt in seiner Ordnung Stand haltend die Feinde abzuwehren und nicht zu fliehen, so wisse daß er alsdann tapfer ist. | S o k r. Sehr wohl zwar gesprochen, o Laches; vielleicht aber bin ich indem ich mich nicht deutlich erklärt schuld daran, daß du nicht dasjenige geantwortet hast27 was ich im Sinn hatte bei meiner Frage sondern etwas anderes.
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L a c h . Wie meinst du dieses o Sokrates? S o k r. Ich will es dir erklären wenn ich es im Stande bin. Tapfer freilich ist der welchen auch du beschreibst der im Gliede Stand haltend gegen die Feinde ficht. L a c h . So wenigstens behaupte ich. S o k r. Ich gewiß auch. Aber was ist doch der, welcher fliehend ficht gegen die Feinde und nicht bleibend? 27 E (SN 158/1) το σε αποκρ. Muß doch wol heißen του σε. | A (SN 158/2) τ ο σ ε α π ο κ ρ ι ν . lies του σε. Hat auch Heindorf schon corrigirt.
T 4 und Unterricht] über in Fertigkeiten und Kenntnisse 9 Stand haltend] über bleibend 21 im] nach der folgenden Streichung zu korr. aus in 21f Gliede Stand haltend] über der Ordnung bleibend 18 τὸ] τοῦ konj. Schleiermacher (und Heindorf) (Anm. 27 EA), übersetzt SN 158/1 W1 W2
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T Anm. 27 A 28 lies] l. S Anm. 27 EA Vgl. Spalte 1 App.
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ferkeit ist; dann aber nach diesem auch überlegen, auf welche Art die Jünglinge sie erlangen können, so weit es nämlich möglich ist sie durch Uebung und Unterricht zu erlangen. Also versuche nun, wie ich sage, zu beschreiben was die Tapferkeit ist.
ferkeit ist; dann aber nach diesem auch überlegen, auf welche Art sie den Jünglingen beizubringen wäre, so weit es nämlich möglich ist sie durch Uebung und Unterricht beizubringen. Also versuche nun, wie ich sage, zu beschreiben was die Tapferkeit ist.
LACH. Dieses, o Sokrates, ist beim Zeus nicht schwer zu sagen. Denn wenn Jemand vermag, in Reihe und Glied Stand haltend, die Feinde abzuwehren und nicht zu fliehen, so wisse daß ein solcher tapfer ist. SOK. Sehr wohl zwar gesprochen, o Laches; vielleicht aber bin ich, weil ich mich nicht deutlich erklärt, Schuld daran, daß du nicht dasjenige geantwortet hast, was ich im Sinne hatte bei meiner Frage, sondern etwas anderes. LACH. Wie meinst du dieses, o Sokrates? SOK. Ich will es dir erklären wenn ich es nur werde im Stande sein. Tapfer freilich ist auch der, den du beschreibst, der im Gliede Stand haltend gegen die Feinde ficht. LACH. So wenigstens behaupte ich. | SOK. Ich gewiß auch. Aber was ist doch der, welcher fliehend gegen die Feinde ficht, und nicht Stand haltend?
LACH. Dieses, o Sokrates, ist beim Zeus nicht schwer zu sagen. Denn wenn Jemand pflegt in Reihe und Glied Stand haltend die Feinde abzuwehren und nicht zu fliehen, so wisse daß ein solcher tapfer ist. SOK. Sehr wohl zwar gesprochen, o Laches; vielleicht aber bin ich, weil ich mich nicht deutlich erklärt, Schuld daran, daß du nicht dasjenige geantwortet hast, was ich im Sinne hatte bei meiner Frage, sondern etwas anderes. LACH. Wie meinst du dieses, o Sokrates? SOK. Ich will es dir erklären, wenn ich es nur werde im Stande sein. Tapfer freilich ist auch der, den du beschreibst, der im Gliede Stand haltend gegen die Feinde ficht. LACH. So wenigstens behaupte ich. SOK. Ich gewiß auch. Aber was ist doch der, welcher fliehend gegen die Feinde ficht, und nicht Stand haltend?
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ΛΑ. Πῶς, φεύγων; ΣΩ. Ὥσπέρ που καὶ Σκύθαι λέγονται οὐχ ἧττον φεύγοντες ἢ διώκοντες μάχεσθαι. καὶ Ὅμηρός που ἐπαινῶν τοὺς τοῦ Αἰνείου ἵππους, — Κραιπνὰ μάλ᾽ ἔνθα καὶ ἔνθα — ἔφη αὐτοὺς ἐπίστασθαι — διώκειν ἠδὲ φέβεσθαι. καὶ αὐτὸν τὸν Αἰνείαν κατὰ τοῦτ᾽ ἐνεκωμίασε, κατὰ τὴν τοῦ φόβου
L a c h . Wie doch fliehend.28 S o k r. Wie doch von den Skythen gesagt wird daß sie nicht minder fliehend als verfolgend fechten. Und auch Homeros irgend wo indem er die Pferde des Aineias lobt. Dort zu sprengen und dort, sagt er verständen sie, in Verfolgungen und in Entfliehung29. Ja auch den Aineias selbst lobt er in dieser Hinsicht wegen der Wissenschaft der
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A (SN 158/2) Π ω ς φ ε υ γ ω ν ; ist eigentlich ohne Frage zu lesen. Das πως ist eben so verwundernde Verwendung wie das ποιος öfters. 29 E (SN 158/1) διωκειν ηδε φεβεσθαι Il. V. 223 διωκεμεν ηδε φεβ. Da Plato so wörtlich citirt daß er das ganz unattische φεβεσθαι behält so ist wahrscheinlich daß er auch διωκεμεν gesagt hat wenn er so las.
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Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu Anm. 28 A am Zeilenende: Sie haben es aber ganz recht als Frage gegeben.
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T 1 fliehend] danach offenbar Punkt korr. aus Fragezeichen 2 doch] korr. aus auch 4 irgend] über sagt 7 Verfolgungen] am Rand NB διωκεμεν Il. V. 223. S Anm. 29 E Homer, Ilias 5,223; 8,107: κραιπνὰ μάλ᾽ ἔνθα καὶ ἔνθα διωκέμεν ἠδὲ φέβεσθαι. Im Gegensatz zum in der attischen Prosa gebräuchlichen διώκειν ist διωκέμεν epischer Infinitv.
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LACH. Wie doch fliehend? SOK. Wie ja von den Skythen gesagt wird, daß sie nicht minder fliehend als verfolgend den Feind bekriegen. Und auch Homeros, indem er irgendwo die Pferde des Aeneias lobt, sagt: Dort zu sprengen13 und dort, verständen sie, in Verfolgungen und in Entfliehung. Ja auch den Aeneias selbst lobt er in dieser Hinsicht daß er sich auf die Furcht
LACH. Wie doch fliehend? | SOK. Wie ja von den Skythen gesagt wird, daß sie nicht minder fliehend als verfolgend den Feind bekriegen. Und auch Homeros, indem er irgendwo die Pferde des Aeneias lobt, sagt: Dort zu sprengen10 und dort, verständen sie, in Verfolgungen und in Entfliehung. Ja auch den Aeneias selbst lobt er in dieser Hinsicht daß er sich auf die Furcht
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D o r t z u s p r e n g e n etc. Ilias VIII. 107. Die Vossische Uebersezung „Schrekkengebieter“ widerstrebt der Auslegung des Platon, die wohl mit der Meinung des Homeros schwerlich übereinstimmt. Wegen der streitigen Lesart in dem Dichter mögen sich die Leser an seine Kunstrichter wenden.
D o r t z u s p r e n g e n etc. Ilias VIII. 107. – Die Vossische Uebersezung „Schrekkengebieter“ widerstrebt der Auslegung des Platon, die freilich wohl mit der Meinung des Homeros schwerlich übereinstimmt. Wegen der streitigen Lesart in dem Dichter mögen sich die Leser an seine Kunstrichter wenden.
T 1 fliehend] verdruckt flieheud W1 S Anm. 13 Homer, Ilias 8, 107 f. in der Übersetzung von Johann Heinrich Voß: Homers Ilias 1793: Dort zu sprengen und dort, in verfolgungen und in entfliehung: / Die ich jüngst von Äneias errang, dem schreckengebieter. Vgl. auch S. 970, Spalte 2 Anm. 30 EA mit Spld. und App. S.
S Anm. 10 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 13.
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ἐπιστήμην· καὶ εἶπεν αὐτὸν εἶναι μήστωρα φόβοιο.
Furcht und nennt ihn den μηστωρα φοβοιο30. 30
E (SN 158/1) Wo steht aber μήστωρα φόβοιο. | A (SN 158/2) μ η σ τ ω ρ α φ ο β ο ι ο ich habe nicht finden können wo dieses steht und muß es doch nothwendig wissen. Das Vorige heißt im Homer διωκεμεν ηδε φεβεσθαι. Da Platon so wörtlich citirt daß er φεβεσθαι beibehält so hat er gewiß auch διωκεμεν gesagt w e n n e r s o l a s .
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu Anm. 30 A mit Verweiszeichen nach [...] nothwendig wissen (Z. 5 f.) auf Spaldings Zusatzblatt: Es steht ja dicht neben dem διωκέμεν ἠδὲ φέβεσθαι im 8. Buch der Iliade V. 108. Nur Wolf hat dort μήστωρε φόβοιο, auf die Pferde bezogen. Aber Voß übersezt noch, wie alte Edd. haben μήστωρα φόβοιο, vom Aeneas. Heyne führt den Laches an, als den Gewährsmann des μήστωρα, aber tadelt dennoch die Lesart, wie auch Eustathius thut, und mit Recht, denke ich. Aber Il. 5,272 meint er sei auch, vor alters, μήστωρα gelesen. Das halte ich für unmöglich, und ist auch jene Stelle ein entscheidender Beweis für das hiesige μήστωρε. Also Plato, wie so mancher Alter, kein sicherer Kritikus. Aber nein, ich sehe 5,272 will man μήστωρι für —ε. T 1 Furcht] undeutlich korr. und wieder unterpungiert T Anm. 30 A 6-9 Das Vorige heißt im Homer ...] nachträglich in der Zeile und am Rand hinzugefügt S Anm. 30 EA mit Spld. Homer, Ilias 8,108: οὕς ποτ᾽ ἀπ᾽ Αἰνείαν ἑλόμην μήστωρα bzw. μήστωρε φόβοιο. μήστωρε φόβοιο in der Ausgabe von Friedrich August Wolf (ed.): Homeri et Homeridarum Opera et reliquiae, Bd. 1, Halle 1794, S. 158; μήστωρα φόβοιο dagegen in Friedrich August Wolf (ed.): Homeri Ilias, Bd. 1, Halle 1785, S. 188, sowie z. B. in der Ausgabe von Josua Barnes (ed.): Homeri Ilias et Odyssea [...], Cambridge 1711, Bd. 1, S. 291; vgl. die Übersetzung von Johann Heinrich Voß: Homers Ilias 1793 (s. oben S. 969, Spalte 3 zu W1 Anm. 13). Die Lesarten der alten Edd. auch bei Christian Gottlob Heyne: Homeri carmina [...]: accedunt variae lectiones et observationes, Leipzig 1802, Bd. 1, S. 415 (μήστωρε φόβοιο); Bd. 5, S. 435 f. (dort Lesarten der Edd., Verweis auf Laches-Stelle sowie Zitat von Eustathios zu Homer, Ilias 8,108); zu der Parallelstelle Homer, Ilias 5,272 s. ebd., Bd. 5, S. 50 f.
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verstände, und nennt ihn Meister des Schrekens.
verstände, und nennt ihn Meister des Schrekkens.
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ΛΑ. Καὶ καλῶς γε, ὦ Σώκρατες· περὶ ἁρμάτων γὰρ ἔλεγε. καὶ σὺ τὸ τῶν Σκυθῶν, ἱππέων πέρι λέγεις. τὸ μὲν γὰρ ἱππικὸν τὸ ἐκείνων οὕτω μάχεται· τὸ δὲ ὁπλιτικὸν τόγε τῶν Ἑλλήνων, ὡς ἐγὼ λέγω. ΣΩ. Πλήν γ᾽ ἴσως, ὦ Λάχης, τὸ Λακεδαιμονίων. Λακεδαιμονίους γάρ φασιν ἐν Πλαταιαῖς, ἐπειδὴ πρὸς τοῖς γερροφόροις ἐγένοντο, οὐκ ἐθέλειν μένοντας πρὸς αὐτοὺς μάχεσθαι, ἀλλὰ φεύγειν· ἐπειδὴ δ᾽ ἐλύθησαν αἱ τάξεις τῶν Περσῶν, ἀναστρεφομένους ὥσπερ ἱππέας μάχεσθαι, καὶ οὕτω νικῆσαι τὴν ἐκεῖ μάχην. ΛΑ. Ἀληθῆ λέγεις. ΣΩ. Τοῦτο τοίνυν αἴτιον ἔλεγον ὅτι ἐγὼ αἴτιος μὴ καλῶς σε ἀποκρίνασθαι, ὅτι οὐ καλῶς ἠρόμην. βουλόμενος γὰρ πυθέσθαι μὴ μόνον τοὺς ἐν τῷ ὁπλιτικῷ ἀνδρείους, ἀλλὰ καὶ τοὺς ἐν τῷ ἱππικῷ, καὶ ἐν ξύμπαντι τῷ πολεμικῷ εἴδει, καὶ μὴ μόνον τοὺς ἐν τῷ πολέμῳ, ἀλλὰ καὶ τοὺς ἐν τοῖς πρὸς τὴν θάλατταν κινδύνοις ἀνδρείους ὄντας, καὶ ὅσοι γε πρὸς νόσους, καὶ ὅσοι πρὸς πενίας, ἢ καὶ πρὸς τὰ πολιτικά, ἀνδρεῖοι εἰσί· καὶ ἔτι αὖ μὴ μόνον ὅσοι πρὸς
Erster Entwurf (handschriftlich)
L a . Und dies sehr gut o Sokrates denn er spricht von Wagen. Und so auch du meinst das von den Skythen in Beziehung auf die Reuter; denn die Reuterei bei ihnen ficht so, das Fußvolk der Hellenen aber so wie ich sage. S o k r. Außer doch wohl o Laches das der Lakedaimonier. Denn von diesem erzählt man sich daß es bei Plataiai als es auf die Schildträger stieß nicht habe stehend gegen sie fechten wollen, sondern sei geflohen nachdem aber die Reihen der Perser sich getrennt habe es sich umkehrend wie Reuter gefochten und so in jener Schlacht gesiegt.
L a c h . Dies ist richtig. S o k r. Das ist es nun was ich eben meinte daß ich Schuld daran wäre daß du nicht recht geantwortet hast, weil ich nicht recht gefragt habe, denn ich wollte nicht nur die Tapfern im Fußvolk von dir beschrieben haben sondern auch die in der Reuterei und in allem was zum Kriege gehört, und nicht nur die im Kriege sondern auch die Tapfern in den Gefahren zur See und auch die welche in Krankheiten und in Armuth und in den bürgerlichen Verhältnissen tapfer sind, ja noch mehr wiederum nicht nur die gegen
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 16f Übers.A (verl.) in SN 158/3: Wie ist mir denn? Übersezen Sie nicht als ob dastünde: Τοῦτο τοίνυν ἔλεγον ὅτι ἐγὼ αἴτιος, nicht aber Τ. τ. αἴτιον ἐ. ὁ. ἐ. αἴτιος? Und freilich ist das eingeschobene αἴτιον abgeschmakt. Aber man mus es doch irgendwo sagen. T 1 Sokrates] Sokr. 13 sich umkehrend wie Reuter] umgestellt und korr. aus wie Reuter sich um ge kehr t 14 gefochten] darüber gestrichenes Umstellungszeichen für wie Reuter S Spld. Vgl. W1 Anm. 14 und W2 Anm. 11.
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LACH. Und das sehr richtig, o Sokrates, denn er spricht von Wagen, und so auch du meinst das von den Skythen in Beziehung auf die Reuter; denn die Reuter bei ihnen fechten so, das Fußvolk der Hellenen aber so wie ich sage.
LACH. Und das sehr richtig, o Sokrates, denn er spricht von Wagen, und so auch du meinst das von den Skythen in Beziehung auf die Reuter; denn die Reuter bei ihnen fechten so, das Fußvolk der Hellenen aber so wie ich sage.
SOK. Ausgenommen doch wohl, o Laches, das der Lakedämonier; denn von diesem wird erzählt, als es bei Platää auf die Schildträger gestoßen, habe es nicht Stand haltend fechten gewollt, sondern sei geflohen, nachdem aber die Reihen der Perser sich getrennt habe es umkehrend wie Reuter gefochten, und dadurch in jener Schlacht gesiegt.
SOK. Ausgenommen doch wohl, o Laches, das der Lakedaimonier; denn von diesem wird erzählt, als es bei Plataiai auf die Schildträger gestoßen, habe es nicht Stand haltend fechten gewollt, sondern sei geflohen, nachdem aber die Reihen der Perser sich getrennt, habe es umkehrend wie Reuter gefochten, und dadurch in jener Schlacht gesiegt.
LACH. Richtig. SOK. Das ist nun eben14 was ich meinte, ich wäre Schuld daran, daß du nicht recht geantwortet hast, weil ich dich nicht recht gefragt habe; denn ich wollte nicht nur erfahren, welches die Tapfern im Fußvolke wären, sondern auch in der Reuterei, und in Allem was zum Kriege gehört; und nicht nur die im Kriege, sondern auch die Tapfern in den Gefahren zur See, ferner auch die, welche in Krankheiten | und in Armuth und in den bürgerlichen Verhältnissen tapfer sind, ja noch mehr nicht nur die gegen den
LACH. Richtig. SOK. Das ist nun eben11 was ich meinte, ich wäre Schuld daran, daß du nicht recht geantwortet hast, weil ich dich nicht recht gefragt habe; denn ich wollte nicht nur erfahren, welches die Tapfern im Fußvolke wären, sondern auch in der Reuterei, und in Allem was zum Kriege gehört; und nicht nur die im Kriege, sondern auch die Tapfern in den Gefahren zur See, ferner auch die, welche in Krankheiten und in Armuth und in der Staatsverwaltung tapfer sind, ja noch mehr nicht nur die gegen den
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D a s i s t n u n e b e n . Ueber das ausgelassene αἴτιον möge sich niemand wundern. Uebersezbar war es nicht füglich; aber auch ob es gesund ist, möchte ich bezweifeln.
S Anm. 14 Vgl. Spaldings Note (SN 158/3) (Spalte 2).
D a s i s t n u n e b e n . Ueber das ausgelassene αἴτιον möge sich niemand wundern. Ue|bersezbar war es nicht füglich; aber auch ob es gesund ist, möchte ich bezweifeln.
S Anm. 11 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 14.
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λύπας ἀνδρεῖοι εἰσὶν, ἢ φόβους, ἀλλὰ καὶ πρὸς ἐπιθυμίας ἢ ἡδονὰς δεινοὶ μάχεσθαι, καὶ μένοντες ἢ ἀναστρέφοντες. εἰσὶ γάρ που τινές, ὦ Λάχης, καὶ ἐν τοῖς τοιούτοις ἀνδρεῖοι. ΛΑ. Καὶ σφόδρα, ὦ Σώκρατες. ΣΩ. Οὐκοῦν ἀνδρεῖοι μὲν πάντες οὗτοι εἰσίν· ἀλλ᾽ οἱ μέν, ἐν ἡδοναῖς, οἱ δ᾽, ἐν λύπαις, οἱ δ᾽, ἐν ἐπιθυμίαις, οἱ δ᾽ ἐν φόβοις, τὴν ἀνδρίαν κέκτηνται· οἱ δέ γ᾽ οἶμαι, δειλίαν ἐν τοῖς αὐτοῖς τούτοις. ΛΑ. Πάνυ γε. ΣΩ. Τί ποτε ὂν ἑκάτερον τούτων, τοῦτο ἐπυνθανόμην. πάλιν οὖν πειρῶ εἰπεῖν, ἀνδρίαν πρῶτον, τί ὄν, ἐν πᾶσι τούτοις ταυτόν ἐστιν. ἢ οὔπω καταμανθάνεις ὃ λέγω; ΛΑ. Οὐ πάνυ τοι. ΣΩ. Ἀλλ᾽ ὧδε λέγω, ὥσπερ ἂν εἰ τάχος ἠρώτων τί ποτ᾽ ἐστίν, ὃ καὶ ἐν τῷ τρέχειν τυγχάνει ὂν ἡμῖν, καὶ ἐν τῷ κιθαρίζειν, καὶ ἐν τῷ λέγειν, καὶ ἐν τῷ μανθάνειν, καὶ ἐν
19f Τί ... τούτων, τοῦτο] Τί ... τούτων; τοῦτο Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W2 22f τί ὄν, ἐν] τί ὂν ἐν Ed.Berlin 1816 (Bekker), übersetzt W2 26 τοι] τι konj. Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1784 (Bipontina), Variae lectiones, S. 353, Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 77 [278,13]
Erster Entwurf (handschriftlich)
Schmerzen tapfer sind oder gegen Furcht sondern auch welche gegen Begierden und Lust stark sind zu fechten es sei nun stand haltend oder umwendend. Denn es sind doch Einige o Laches auch in diesen Dingen tapfer.
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L a c h . Gar sehr, o Sokrates. S o k r. Tapfer also sind alle diese. Aber Einige besizen in der Lust, Andere in der Unlust, Einige in der Begierde Andere in der Furcht ihre Tapferkeit; Andere aber dagegen, glaube ich Feigheit in allen diesen Dingen? L a c h . Allerdings. S o k r. Und was eigentlich jede von diesen beiden ist, danach fragte ich. Noch einmal also versuche zu erklären zuerst die Tapferkeit, was sie wol ist was in allen diesen Fällen dasselbige ist. Oder verstehst du noch nicht was ich sage? L a c h . Noch nicht recht. S o k r. Ich meine es so als wenn ich fragte was wol die Geschwindigkeit ist, was sie nemlich sowol im Laufen ist als in der Musik und im Reden im Lernen und vielen an-
T 3f stand haltend] am Zeilenende korr. aus ste[ZE] hend 7 Sokrates] Sokr. 18 ist was] am Zeilenende ergänzt statt seiend am Zeilenanfang | in] zunächst gestrichen, dann unterpungiert
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Schmerz tapfer sind und gegen die Furcht, sondern auch die gegen Begierden und Lust stark sind zu fechten, es sei nun Stand haltend oder umwendend. Denn es sind doch Einige, o Laches, auch in diesen Dingen tapfer? LACH. Gar sehr, o Sokrates.
Schmerz tapfer sind und gegen die Furcht, sondern auch die gegen Begierden und Lust | stark sind zu fechten, und sowohl Stand haltend als umwendend. Denn es sind doch Einige, o Laches, auch in diesen Dingen tapfer? LACH. Gar sehr, o Sokrates.
SOK. Tapfer also sind alle diese, aber Einige beweisen in der Lust, Einige in der Unlust, Einige in der Begierde, Einige in der Furcht ihre Tapferkeit: Andere aber dagegen, meine ich, Feigheit in dem allen?
SOK. Tapfer also sind alle diese, aber Einige beweisen in der Lust, Einige in der Unlust, Einige in der Begierde, Einige in der Furcht ihre Tapferkeit: Andere aber dagegen, meine ich, Feigheit eben hierin?
LACH. Allerdings. SOK. Und was eigentlich jede von diesen beiden ist, darnach fragte ich. Noch einmal also versuche zuerst die Tapferkeit zu erklären, was sie denn ist, was in allen diesen Fällen dasselbige ist. Oder verstehst du noch nicht, was ich meine? LACH. Noch nicht recht. SOK. Ich meine es so, als wenn ich fragte, was wohl die Geschwindigkeit ist, was sie nämlich sowohl im Laufen ist, als in der Musik, im Reden, im Lernen und in vielen andern
LACH. Allerdings. SOK. Was ist wohl jede von diesen? darnach fragte ich. Noch einmal also versuche zuerst die Tapferkeit zu erklären, was doch seiend sie in allem diesem dasselbige ist. Oder verstehst du noch nicht, was ich meine? LACH. Noch nicht recht. SOK. Ich meine es so, als wenn ich fragte, was wohl die Geschwindigkeit ist, was sie nämlich sowohl im Laufen ist, als in der Musik, im Reden, im Lernen und in vielen andern
S 16f Was ist wohl jede von diesen? darnach] nach Bekker wie Spalte 1 App. 19 was doch seiend sie in] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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Laches Ed. Bipontina
ἄλλοις πολλοῖς. καὶ σχεδόν τι αὐτὸ κεκτήμεθα, οὗ καὶ πέρι ἄξιον λέγειν, ἢ ἐν ταῖς τῶν χειρῶν πράξεσιν, ἢ σκελῶν, ἢ στόματός τε καὶ φωνῆς, ἢ διανοίας. ἢ οὐχ οὕτω καὶ σὺ λέγεις; ΛΑ. Πάνυ γε. ΣΩ. Εἰ τοίνυν τις μὲ ἔροιτο, ὦ Σώκρατες, τί λέγεις τοῦτο ὃ ἐν πᾶσιν ὀνομάζεις ταχυτῆτα εἶναι, εἴποιμ᾽ ἂν αὐτῷ ὅτι τὴν ἐν ὀλίγῳ χρόνῳ πολλὰ διαπραττομένην δύναμιν, ταχυτῆτα ἔγωγε καλῶ καὶ περὶ φωνήν, καὶ περὶ δρόμον, καὶ περὶ τἄλλα πάντα. ΛΑ. Ὀρθῶς γε σὺ λέγων. ΣΩ. Πειρῶ δὴ καὶ σύ, ὦ Λάχης, τὴν ἀνδρίαν οὕτως εἰ-
dern Dingen; und überhaupt als was wir sie denn besizen31 in allem wo man sie eben findet es sei nun in den Verrichtungen der Hände oder der Beine oder des Mundes und der Stimme oder auch des Verstandes. Oder meinst du nicht auch so? L a c h . Allerdings. S o k r. Wenn also Jemand mich fragte wie erklärst du dieses o Sokrates, was du in allen Dingen Geschwindigkeit nennst, so würde ich | sagen, daß ich die in kurzer Zeit Vieles vollbringende Kraft Geschwindigkeit nenne sowol in der Stimme als im Lauf und in allen andern Dingen.
L a c h . Sehr gut wäre dieses erklärt. S o k r. Versuche also auch du o Laches so die Tapferkeit zu erklären welche eine und 31
A (SN 158/2) κ α ι σ χ ε δ ο ν τ ι α υ τ ο κ ε κ τ η μ ε θ α . Ich lese και σχεδον τί αὐτο κεκτημεθα.
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu Anm. 31 A am Zeilenende und am Rand: Ich kenne wol σχεδόν τι, wobei gedacht wird σχεδὸν κατά τι. Denn σχεδὸν kann nicht als Präp. behandelt werden. Aber σχεδὸν τί „I am to learn.“ Es soll also σχεδὸν hier gelten für ü b e r h a u p t , und dis ist nur ein Einschiebsel; die wahre Frage stekt in τί αὐτὸ κεκτ. Aber sind dafür Parallelstellen?
1f πολλοῖς. καὶ σχεδόν τι] πολλοῖς καὶ σχεδὸν τί konj. Schleiermacher (Anm. 31 A) W1 Anm. 15 (vgl. die Randbemerkung in Spalte 2 App. T), übersetzt SN 158/1 W1
T 1–3 und überhaupt als was wir sie denn besizen in allem wo man sie eben findet] am Rand mit Einfügungszeichen als Alternative zu der ursprünglichen Fassung in der Zeile: und wir sie als das nemliche [darüber selbige] beweisen fast in allem was es größtes giebt [über es größtes giebt: wir zu nehmen finden], wozu am Rand NB es scheint ein Fehler zu steken Ob σχεδον τί αυτο möglich ist? Darunter dann am Rand mit Einfügungszeichen die oben edierte Fassung 2 besizen] danach was zu ⌈nehmen wir [ein unentziffertes Wort] finden⌋ | in] über ⌈über⌋ 3 es sei nun] über eben wie 6 nicht] davor dieses 17 welche] davor als S Anm. 31 A mit Spld. Vgl. Spalte 1 App.
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Dingen, und überhaupt15 als was wir sie denn haben, wovon etwas zu sagen wäre sowohl in den Verrichtungen der Hände als der Füße, des Mundes und der Stimme oder auch des Verstandes? Oder meinst du nicht auch so? LACH. Allerdings. SOK. Wenn nun Jemand mich fragte, wie erklärst du dieses, o Sokrates, was du in allen Dingen Geschwindigkeit nennst, so würde ich sagen, daß ich die in kurzer Zeit vieles vollbringende Kraft Geschwindigkeit nenne, so|wohl in der Stimme als im Lauf und in allen andern Dingen.
Dingen, und fast haben wir sie ja in allem wovon nur der Mühe lohnt zu reden sowohl in den Verrichtungen der Hände als der Füße, des Mundes und der Stimme oder auch des Verstandes. Oder meinst du nicht auch so? LACH. Allerdings. SOK. Wenn nun Jemand mich fragte, wie erklärst du dieses, o Sokrates, was du in allen Dingen Geschwindigkeit nennst, so würde ich sagen, daß ich die in kurzer Zeit vieles vollbringende Kraft Geschwindigkeit nenne, sowohl in der Stimme als im Lauf und in allen andern Dingen.
LACH. Sehr gut wäre dieses erklärt. SOK. Versuche also auch du, o Laches, so die Tapferkeit zu erklären,
LACH. Sehr gut wäre dieses erklärt. SOK. Versuche also auch du, o Laches, so die Tapferkeit zu erklären,
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u n d ü b e r h a u p t etc. Der Punkt vor καὶ σχεδὸν ist gewiß falsch, und die Frage muß weiter gehn; daher auch kein anderer Rath ist als das fragende τί zu lesen.
T Anm. 15 23 W1
auch] verdruckt auch auch
S Anm. 15 Vgl. Spalte 1 App.
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dieselbe Kraft in der Lust und Unlust und allen andern Dingen worin wir sagten daß sie statthabe sie dann ist als welche sie Tapferkeit genannt wird.
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πεῖν, τίς οὖσα δύναμις, ἡ αὐτὴ ἐν ἡδονῇ καὶ ἐν λύπῃ, καὶ ἐν ἅπασιν οἷς δὴ νῦν ἐλέγομεν αὐτὴν εἶναι, ἔπειτα ἀνδρία κέκληται.
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ΛΑ. Δοκεῖ τοίνυν μοι καρτερία τὶς εἶναι τῆς ψυχῆς, εἰ τό γε διὰ πάντων περὶ ἀνδρίας πεφυκὸς δεῖ εἰπεῖν.
L a c h . So dünkt sie mich denn eine Beharrlichkeit der Seele zu sein, wenn ich das durch alles hindurchgehende von der Tapferkeit sagen soll.
ΣΩ. Ἀλλὰ μὴν δεῖ, εἴγε τὸ ἐρωτώμενον ἀποκρινούμεθα ἡμῖν αὐτοῖς. τοῦτο τοίνυν ἔμοιγε φαίνεται ὅτι οὐ πᾶσά γε, ὡς ἐγᾦμαι, καρτερία, ἀνδρία σοὶ φαίνεται. τεκμαίρομαι δὲ ἐνθένδε. σχεδὸν γάρ τι οἶδα, ὦ Λάχης, ὅτι τῶν πάνυ καλῶν πραγμάτων ἡγῇ σὺ ἀνδρίαν εἶναι. ΛΑ. Εὖ μὲν οὖν ἴσθι ὅτι τῶν καλλίστων. ΣΩ. Οὐκοῦν ἡ μὲν μετὰ φρονήσεως καρτερία, καλὴ κᾀγαθή.
S o k r. Das mußt du allerdings wenn wir uns das gefragte wirklich beantworten wollen. Dieses ist mir indeß deutlich daß doch nicht jede Beharrlichkeit glaube ich dir Tapferkeit zu sein scheint. Ich schließe es aber hieraus dieses nemlich weiß ich fast daß du die Tapferkeit unter die sehr treflichen Dinge rechnest.
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L a c h . Das halte dich überzeugt, unter die treflichsten. S o k r. Ist nun nicht die verständige Beharrlichkeit gut und vortreflich?
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 9 Übers.A (verl.) in SN 158/3: „Das must du allerdings sagen“. Warum sparen wir nicht das „sagen“? 12f Übers.A (verl.) in SN 158/3: „dir Tapf. zu sein scheint“. Nicht etwa: „dir als Tapf. erscheint“? T 3 sie dann ist als welche sie] über sich zeigend sie dann | dann] oder denn 7 durch alles hindurchgehende] am Rand NB το δια παντων πεφυκος eigenthümlich Platonisch 9 Das mußt du allerdings] Das mußt du allerdings sagen Übers.A (verl.) aus Spld. (SN 158/3) | Das mußt du allerdings Spld. (SN 158/3), vgl. W1 W2 12f dir Tapferkeit zu sein scheint] dir als Tapferkeit erscheint Spld. (SN 158/3), vgl. W1 W2 19 Ist nun nicht] über Also die , wobei die dann wieder unterpungiert | verständige] korr. aus ver nünftige ; am Rand NB Φρονιμος muß gleichförmig sein mit Protagoras. (vgl. Platon, Protagoras 332a-333b mit 349d-351b) 20 gut und vortreflich] über diese ist schön und gut | gut] korr. aus schön
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welche eine und dieselbe Kraft in der Lust und Unlust und allen andern Dingen, worin wir sagten, daß sie statt habe, sie wohl ist, als welche sie aber Tapferkeit genannt wird. LACH. So dünkt sie mich denn eine gewisse Beharrlichkeit der Seele zu sein, wenn ich doch das Allem wesentliche von der Tapferkeit sagen soll. SOK. Das mußt du allerdings, wenn wir uns die Frage wirklich beantworten wollen. Dieses ist mir indeß deutlich, daß doch nicht jede Beharrlichkeit, glaube ich, dir als Tapferkeit erscheint. Ich schließe es aber hieraus, das nämlich weiß ich doch, daß du die Tapferkeit unter die vortreflichen Dinge rechnest.
welche Kraft wohl seiend dieselbe in der Lust und Unlust und allen | andern Dingen, worin wir sagten, daß sie statt habe, sie Tapferkeit genannt wird.
LACH. Davon halte dich überzeugt, unter die allervortreflichsten. SOK. Also ist die Beharrlichkeit mit Verstand wohl gut und vortreflich?
LACH. Davon halte dich überzeugt, unter die allervortreflichsten. SOK. Also ist die Beharrlichkeit mit Verstand wohl gut und vortreflich?
LACH. So dünkt sie mich denn eine gewisse Beharrlichkeit der Seele zu sein, wenn ich doch das in allem sich findende von der Tapferkeit sagen soll. SOK. Das mußt du allerdings, wenn wir uns die Frage wirklich beantworten wollen. Dieses ist mir indeß deutlich, daß doch nicht jede Beharrlichkeit, glaube ich, dir als Tapferkeit erscheint. Ich schließe es aber hieraus, das nämlich weiß ich doch, daß du die Tapferkeit unter die vortreflichen Dinge rechnest.
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ΛΑ. Πάνυ γε. ΣΩ. Τί δ᾽ ἡ μετ᾽ ἀφροσύνης; οὐ τοὐναντίον ταύτῃ βλαβερὰ καὶ κακοῦργος; ΛΑ. Ναί. ΣΩ. Καλὸν οὖν τι φήσεις σὺ εἶναι τὸ τοιοῦτον ὂν κακοῦργόν τε καὶ βλαβερόν; ΛΑ. Οὔκουν δίκαιόν γε, ὦ Σώκρατες. ΣΩ. Οὐκ ἄρα τήν γε τοιαύτην καρτερίαν, ἀνδρίαν ὁμολογήσεις εἶναι, ἐπειδήπερ οὐ καλή ἐστιν· ἡ δὲ ἀνδρία καλόν ἐστιν. ΛΑ. Ἀληθῆ λέγεις. ΣΩ. Ἡ φρόνιμος ἄρα καρτερία, κατὰ τὸν σὸν λόγον, ἀνδρία ἂν εἴη. ΛΑ. Ἔοικεν.
Erster Entwurf (handschriftlich)
L a c h . Allerdings. S o k r. Wie aber die unverständige? ist sie nicht im Gegensaz von jener schädlich und verderblich? L a c h . Ja. S o k r. Vortreflich also wolltest du behaupten wäre so etwas schädliches und verderbliches? L a c h . Das wäre nicht recht o Sokrates. S o k r. Also wirst du auch nicht behaupten daß eine solche Beharrlichkeit Tapferkeit sei da sie ja nicht vortreflich ist, die Tapferkeit aber etwas vortrefliches. L a c h . Richtig. S o k r. Die verständige Beharrlichkeit also wäre nach der Rede Tapferkeit? L a c h . So sieht es aus.
T2 unverständige] korr. aus unver nünftige 3 schädlich] korr. aus sch lecht 6–8 Vortreflich… verderbliches] über Willst du also sagen etwas so schlechtes und verderbliches war [über wäre ] etwas trefliches? 7 so] über der Zeile ohne Einfügungszeichen 10 behaupten] über anerkennen 12 vortreflich] korr. aus treflich 13 vortrefliches] korr. aus trefliches 15 verständige] korr. aus ver nünftige
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LACH. Allerdings. SOK Wie aber die mit Unsinn? ist diese nicht im Gegensaz von jener schädlich und verderblich? LACH. Ja. SOK. Vortreflich also, wolltest du behaupten, wäre was so schädlich ist und verderblich? LACH. Keinesweges wäre das recht, o Sokrates. SOK. Also wirst du auch nicht zugeben, daß eine solche Beharrlichkeit Tapferkeit ist, da sie ja nicht vortreflich ist, die Tapferkeit aber etwas vortrefliches. | LACH. Richtig. SOK. Die verständige Beharrlichkeit also wäre nach deiner Rede Tapferkeit? LACH. So sieht es aus.
LACH. Allerdings. SOK Wie aber die mit Unverstand? ist diese nicht im Gegensaz von jener schädlich und verderblich? LACH. Ja. SOK. Vortreflich also, wolltest du behaupten, wäre was so schädlich ist und verderblich? LACH. Keinesweges wäre das recht, o Sokrates. SOK. Also wirst du auch nicht zugeben, daß eine solche Beharrlichkeit Tapferkeit ist, da sie ja nicht vortreflich ist, die Tapferkeit aber etwas vortrefliches. LACH. Richtig. SOK. Die verständige Beharrlichkeit also wäre nach deiner Rede Tapferkeit? LACH. So sieht es aus.
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ΣΩ. Ἴδωμεν δή, ἡ εἰς τί φρόνιμος· ἢ ἡ εἰς ἅπαντα καὶ τὰ μεγάλα καὶ τὰ σμικρά· οἷον, εἴτις καρτεροῖ ἀναλίσκων ἀργύριον φρονίμως, εἰδὼς ὅτι ἀναλώσας πλεονεκτήσεται, τοῦτον ἀνδρεῖον καλοῖς ἄν; ΛΑ. Μὰ Δί᾽ οὐκ ἔγωγε. ΣΩ. Ἀλλ᾽ οἷον, εἴτις ἰατρὸς ὤν, περιπνευμονίᾳ τοῦ υἱέος ἐχομένου, ἢ ἄλλου τινός, καὶ δεομένου πιεῖν ἢ φαγεῖν δοῦναι, μὴ κάμπτοιτο, ἀλλὰ καρτεροῖ;
S o k r. Laß uns aber sehen ob nur die in etwas gewissem oder überhaupt die verständige32 in allem und es sei groß oder klein. Wie wenn Jemand im Geldausgeben verständig beharrte, wissend daß er durch das Ausgeben noch mehr erhalten wird, möchtest du diesen tapfer nennen?
ΛΑ. Οὐδ᾽ ὁπωστιοῦν οὐδ᾽ αὕτη. ΣΩ. Ἀλλ᾽ ἐν πολέμῳ καρτεροῦντα ἄνδρα, καὶ ἐθέλοντα μάχεσθαι, φρονίμως λογιζόμενον· εἰδότα μὲν ὅτι βοηθήσουσιν ἄλλοι αὐτῷ, πρὸς ἐλάττους δὲ καὶ φαυλοτέρους μαχεῖται ἢ μεθ᾽ ὧν αὐ-
L a c h . Nein, auch diese Beharrlichkeit auf keine Weise. S o k r. Aber einem im Kriege beharrlichen und zum Fechten Lust behaltenden Mann, welcher verständig berechnete und wüßte daß nicht nur Andere ihn unterstüzen werden sondern auch daß er gegen wenigere und schlechtere zu fechten hat als zu denen
L a c h . Beim Zeus, ich nicht. S o k r. Aber wenn ein Arzt, den sein Sohn oder sonst einer der die Lungenentzündung hätte, bäte er solle ihm zu essen oder zu trinken geben, sich nicht erweichen ließe sondern auf dem Verbot beharrte?
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E (SN 158/1) ἡ εις τί φρονιμος· ἢ η ich lese ἡ εἴς τι φρονιμος ἢ ἡ p. Denn nach dem bestimmten war nicht gefragt, sondern nur ob es eine bestimmte ist oder unbestimmt jede. | A (SN 158/2) Ἴδωμεν δὴ ἡ εἰς τί φρονιμος ἢ ἡ εἰς ἅπαντα. Dies kann unmöglich das fragende τι sein, sondern nur überhaupt ἡ εἰς τὶ φρονιμος η es wäre ein Sprung der noch dazu nicht einmal gemacht würde. Die Sache spricht selbst.
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu Anm. 32 A am Zeilenende: Ja.
1f ἡ εἰς τί φρόνιμος·] ἡ εἰς τί φρόνιμος; Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. W2 1 τί] τὶ konj. Schleiermacher Anm. 32 A W1 Anm. 16, vgl. Anm. 32 E, übersetzt SN 158/1 W1, vgl. W2
T 1 aber] über also | nur] über der Zeile mit Einfügungszeichen | in] über zu 2 gewissem] danach verständige | überhaupt] über der Zeile mit Einfügungszeichen | die] danach zu 2f verständige in] über der Zeile mit Einfügungszeichen 3 und] über der Zeile mit Einfügungszeichen 6 möchtest] über woll test 7 tapfer] über nicht 14 Beharrlichkeit] über der Zeile mit Einfügungszeichen S Anm. 32 EA mit Spld. Vgl. Spalte 1 App.
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SOK. Laß uns also sehen, ob eine in etwas gewissem16, oder überhaupt jede verständige in allen Dingen, sie seien groß oder klein. Wie wenn Jemand im Geldausgeben verständig beharrte, wohl wissend, daß er durch das Ausgeben gewinnen wird, möchtest du diesen tapfer nennen? LACH. Beim Zeus, ich nicht. SOK. Wie aber wenn ein Arzt, den sein Sohn oder sonst ein mit der Lungenentzündung behafteter bäte, er solle ihm zu essen oder zu trinken geben, sich doch nicht erweichen ließe, sondern auf der Weigerung beharrte? LACH. Keinesweges, auch nicht diese Beharrlichkeit. SOK. Aber einen im Kriege beharrlichen und zum Streite Muth behaltenden, welcher es verständig berechnete, weil er wußte, daß nicht nur Andere ihm zu Hülfe kommen werden, sondern auch, daß er gegen Wenigere und Schlechtere zu fechten hat, als die zu denen er selbst ge-
SOK. Laß uns also sehen, ist es die in etwas gewissem, oder die in allen Dingen verständige, sie seien groß oder klein. Wie wenn | Jemand im Geldausgeben verständig beharrte, wohl wissend, daß er durch das Ausgeben gewinnen wird, möchtest du diesen tapfer nennen? LACH. Beim Zeus, ich nicht. SOK. Wie aber wenn ein Arzt, den sein Sohn oder sonst ein mit der Lungenentzündung behafteter bäte, er solle ihm zu essen oder zu trinken geben, sich doch nicht erweichen ließe, sondern auf der Weigerung beharrte? LACH. Keinesweges, auch nicht diese. SOK. Aber einen im Kriege beharrlichen und zum Streite Muth behaltenden, welcher es verständig berechnete, weil er wüßte, daß nicht nur Andere ihm zu Hülfe kommen werden; sondern auch, daß er gegen Wenigere und Schlechtere zu fechten hat, als die zu denen er selbst ge-
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ob eine in etwas gewissem. Hier ist offenbar das fragende τί falsch, wie aus dem Gegensaz hinlänglich erhellt. Man schreibe also ἡ εἰς τὶ φρόνιμος, ἢ ἡ εἰς ἅπαντα.
S Anm. 16 Vgl. Spalte 1 App.
S 1f ist es die in etwas gewissem] vgl. Bekker wie Spalte 1 App.
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τός ἐστιν, ἔτι δὲ χωρία ἔχει κρείττω· τοῦτον τὸν μετὰ τῆς τοιαύτης φρονήσεως καὶ παρασκευῆς καρτεροῦντα, ἀνδρειότερον ἂν φαίης ἢ τὸν ἐν τῷ ἐναντίῳ στρατοπέδῳ ἐθέλοντα ὑπομένειν τε καὶ καρτερεῖν; ΛΑ. Τὸν ἐν τῷ ἐναντίῳ ἔμοιγε δοκεῖ, ὦ Σώκρατες. ΣΩ. Ἀλλὰ μὴν ἀφρονεστέρα γε ἡ τούτου ἢ τοῦ ἑτέρου καρτερία. ΛΑ. Ἀληθῆ λέγεις. ΣΩ. Καὶ τὸν μετ᾽ ἐπιστήμης ἄρ᾽ ἱππικῆς καρτεροῦντα ἐν ἱππομαχίᾳ, ἧττον φήσεις ἀνδρεῖον εἶναι, ἢ τὸν ἄνευ ἐπιστήμης; ΛΑ. Ἔμοιγε δοκεῖ.
er selbst gehört, und sich auch einer günstigeren Lage erfreut, würdest du diesen mit solchem Verstande und Hülfsmitteln beharrenden für den tapferern erklären oder den der unter dem entgegenstehenden Heere noch Lust hätte Stand zu halten und zu beharren? L a c h . Mich dünkt den im entgegenstehenden Lager o Sokrates. S o k r. Aber doch ist dessen Beharrlichkeit unverständiger als die des Anderen33? L a c h . Das ist wahr. S o k r. Und wirst du denn den mit der Kunst des Reitens in einem Gefecht zu Pferde ausharrenden weniger für tapfer erklären als den ohne diese Kunst?
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L a c h . Mich dünkt es doch. | 33
E (SN 158/1) ἡ τουτου ἢ του lies ἢ ἡ του | A (SN 158/2) ἡ τ ο υ τ ο υ ἢ τ ο υ ε τ ε ρ ο υ . lies ἡ τουτου ἢ ἡ τοῦ ἑτέρου
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 4 Übers.A (verl.) in SN 158/3: ἀνδρειότερον ἢ τὸν — Sie haben das ἢ übersezt o d e r , ich hätte Lust a l s , ungeachtet der Antwort des Laches, welcher nur, durch die Neze der künstlichen Fragen kühn hindurchgreifend gleich antwortet statt zu sagen: „Nein, sondern —“. Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu Anm. 33 A am Zeilenende: Freilich.
12 ἡ τούτου ἢ τοῦ ἑτέρου] ἡ τούτου ἢ ἡ τοῦ ἑτέρου konj. Schleiermacher (Anm. 33 EA) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 78 [281,9], übersetzt SN 158/1 W1 W2
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T 1 einer] korr. aus eines 2 Lage] über Ortes 2–4 mit…beharrenden] am Rand mit Einfügungszeichen, dort korr. aus der mit solchem ... beharrt 6 zu2] korr. aus aus zu d , vielleicht Ansatz zu auszudauern 13 Und wirst] U. nachträglich eingefügt vor Wirst 15 weniger für] umgestellt aus für weniger S Anm. 33 EA mit Spld. Vgl. Spalte 1 App.
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hört, und überdies noch mehr durch seinen Standort begünstiget ist, würdest du diesen mit solcher Kenntniß und solchen Hülfsmitteln beharrenden für tapferer erklären, oder den der in dem entgegenstehenden Heere noch Lust hätte Stand zu halten und auszudauern? LACH. Mich dünkt den im entgegenstehenden Lager, o Sokrates. SOK. Aber dessen Beharrlichkeit ist ja doch unsinnig gegen die des Andern. LACH. Das ist wahr. | SOK. Und wirst du wohl den mit der Reitkunst in einem Gefecht zu Pferde aushaltenden weniger für tapfer erklären als den ohne diese Kunst? LACH. Mich wenigstens dünkt es so.
hört, und überdies noch mehr durch seinen Standort begünstiget ist, würdest du diesen mit solcher Kenntniß und solchen Hülfsmitteln beharrenden für tapferer erklären, oder den der in dem entgegenstehenden Heere noch Lust hätte Stand zu halten und auszudauern? LACH. Mich dünkt den im entgegenstehenden Lager, o Sokrates. SOK. Aber dessen Beharrlichkeit ist ja doch unverständiger als die des Andern. LACH. Das ist wahr. SOK. Und wirst du wohl den mit der Reitkunst in einem Reutergefecht aushaltenden weniger für tapfer erklären als den ohne diese Kunst? LACH. Mich wenigstens dünkt es so.
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ΣΩ. Καὶ τὸν μὲν μετὰ σφενδονητικῆς, ἢ τοξικῆς, ἢ ἄλλης τινὸς τέχνης καρτεροῦντα; ΛΑ. Πάνυ γε. ΣΩ. Καὶ ὅσοι ἐὰν ἐθέλωσιν εἰς φρέαρ καταβαίνοντες καὶ κολυμβῶντες καρτερεῖν, ἐν τούτῳ τῷ ἔργῳ μὴ ὄντες δεινοί, ἢ ἔν τινι ἄλλῳ τοιούτῳ, ἀνδρειοτέρους φήσεις τῶν ταῦτα δεινῶν; ΛΑ. Τί γὰρ ἄν τις ἄλλο φαίη, ὦ Σώκρατες; ΣΩ. Οὐδέν, εἴπερ οἴοιτό γε οὕτως. ΛΑ. Ἀλλὰ μὴν οἶμαί γε.
S o k r. Also auch den der mit der Fertigkeit des Schleuderns, des Bogenschießens oder irgendeiner andern aushält.
L a c h . Was sollte denn einer anderes sagen o Sokrates? S o k r. Nichts anderes, wenn er es wirklich so meint. L a c h . Aber ich meine es wirklich so.
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ΣΩ. Καὶ μήν που ἀφρονεστέρως γε, ὦ Λάχης, οἱ τοιοῦτοι κινδυνεύουσί τε καὶ καρτεροῦσιν, ἢ οἱ μετὰ τέχνης αὐτὸ πράττοντες. ΛΑ. Φαίνονται. ΣΩ. Οὐκοῦν αἰσχρὰ ἡ ἄφρων τόλμα τε καὶ καρτέρησις ἐν τῷ πρόσθεν ἐφάνη ἡμῖν οὖσα καὶ βλαβερά; ΛΑ. Πάνυ γε. ΣΩ. Ἡ δέ γε ἀνδρία ὡμολόγητο καλόν τι εἶναι.
S o k r. Doch aber o Laches wagen und beharren diese auf eine unverständigere Art als die welche dasselbe mit der Kunst thun?
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L a c h . Allerdings. S o k r. Und welche ins Wasser springen und im Schwimmen aushalten wollen oder sonst etwas dergleichen wiewol sie in dieser Sache nicht stark sind die wirst du für tapferer halten, als die welche stark darin sind?
L a c h . Das scheinen sie freilich. S o k r. Und erschien uns nicht in dem vorigen die unverständige Kühnheit und Beharrung schlecht und verderblich.
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L a c h . Freilich wohl. S o k r. Die Tapferkeit aber, waren wir übereingekommen, wäre etwas gutes?
ΛΑ. Ὡμολόγητο γάρ.
L a c h . Darüber waren wir einig.
ΣΩ. Νῦν δ᾽ αὖ πάλιν φαμέν, ἐκεῖνο τὸ αἰσχρόν, τὴν ἄφρονα καρτέρησιν, ἀνδρίαν εἶναι. ΛΑ. Ἐοίκαμεν.
S o k r. Nun aber sagen wir wieder jenes schlechte, die unverständige Beharrung wäre die Tapferkeit? L a c h . Das sagen wir offenbar.
T 6–8 oder…sind] umgestellt aus wiewol sie in dieser Sache nicht stark sind oder sonst etwas dergleichen S 5f ins Wasser springen und im Schwimmen] Vgl. Platon, Protagoras 349e-350a mit Spaldings Note; s. auch W2.
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SOK. Also auch den der mit der Fertigkeit des Schleuderns oder des Bogenschießens oder irgend einer andern beharrt? LACH. Freilich. SOK. Und welche ins Wasser springen und im Schwimmen auszuharren denken, oder in sonst etwas dergleichen, wiewohl sie in der Sache nicht stark sind, die, behauptest du, wären tapferer als die, welche stark darin sind? LACH. Was sollte Einer denn anders behaupten, o Sokrates? SOK. Nichts, wenn er es wirklich so meint. LACH. Aber ich meine es freilich so. SOK. Doch aber, o Laches, beharren diese auf eine unsinnigere Art als die dasselbe mit der Kunst thun.
SOK. Also auch den der mit der Fertigkeit des Schleuderns oder des Bogenschießens oder irgend einer andern beharrt? LACH. Freilich. SOK. Und welche in den Brunnen sprin|gen und im Untertauchen auszuharren denken, oder in sonst etwas dergleichen, wiewohl sie in der Sache nicht stark sind, die, behauptest du, wären tapferer als die, welche stark darin sind? LACH. Was sollte Einer denn anders behaupten, o Sokrates? SOK. Nichts, wenn er es wirklich so meint. LACH. Aber ich meine es freilich so. SOK. Doch aber, o Laches, gefährden sich diese und beharren unverständiger als die dasselbe mit der Kunst thun.
LACH. So scheinen sie. SOK. Und hatte sich nicht die unsinnige Kühnheit und Beharrung in dem vorigen als etwas schlechtes und verderbliches gezeigt? LACH. Freilich wohl. SOK. Die Tapferkeit aber waren wir übereingekommen wäre etwas vortrefliches? LACH. Darin waren wir übereingekommen. SOK. Nun aber behaupten wir wieder, jenes schlechte, die unsinnige Beharrung, wäre Tapferkeit?
LACH. So scheinen sie. SOK. Und hatte sich nicht die unverständige Kühnheit und Beharrung in dem vorigen als schlecht und verderblich gezeigt? LACH. Freilich wohl. SOK. Die Tapferkeit aber waren wir übereingekommen sei etwas vortrefliches? LACH. Darin waren wir übereingekommen. SOK. Nun aber behaupten wir wieder, jenes schlechte, die unverständige Beharrung, sei Tapferkeit?
LACH. Das behaupteten wir offenbar.
LACH. Das behaupteten wir offenbar.
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ΣΩ. Καλῶς οὖν σοι δοκοῦμεν λέγειν; ΛΑ. Μὰ τὸν Δί᾽, ὦ Σώκρατες, ἐμοὶ μὲν οὔ. ΣΩ. Οὐκ ἄρα που, κατὰ τὸν σὸν λόγον, δωριστὶ ἡρμόσμεθα ἐγώ τε καὶ σύ, ὦ Λάχης· τὰ γὰρ ἔργα οὐ ξυμφωνεῖ ἡμῖν τοῖς λόγοις. ἔργῳ μὲν γάρ, ὡς ἔοικε, φαίη ἄν τις ἡμᾶς ἀνδρίας μετέχειν· λόγῳ δ᾽ ὡς ἐγᾦμαι, οὐκ ἄν, εἰ νῦν ἡμῶν ἀκούσει διαλεγομένων. ΛΑ. Ἀληθέστατα λέγεις. ΣΩ. Τί οὖν; δοκεῖ καλὸν εἶναι, οὕτως ἡμᾶς διακεῖσθαι; ΛΑ. Οὐδ᾽ ὁπωστιοῦν. ΣΩ. Βούλει οὖν ᾧ λέγομεν πειθώμεθα, τό γε τοσοῦτον; ΛΑ. Τὸ ποῖον δὴ τοῦτο; καὶ τίνι τούτῳ; ΣΩ. Τῷ λόγῳ ὃς καρτερεῖν κελεύει. εἰ οὖν βούλει, καὶ ἡμεῖς ἐπὶ τῇ ζητήσει ἐπιμείνωμέν τε καὶ καρτερήσωμεν· ἵνα μὴ καὶ αὐτῶν ἡμῶν αὐτὴ ἡ ἀνδρία καταγελάσῃ, ὅτι οὐκ ἀνδρείως αὐτὴν ζητοῦμεν· εἰ ἄρα πολλάκις αὐτὴ ἡ καρτέρησις ἐστὶν ἀνδρία.
Erster Entwurf (handschriftlich)
S o k r. Scheinen wir dir also recht zu sagen? L a c h . Mir nicht, beim Zeus. S o k r. Wir beide also du und ich sind wol nicht, deiner Rede zufolge dorisch gestimmt o Laches. Denn die That stimmt uns nicht überein mit den Reden. Denn der That nach wie es scheint möchte einer wol sagen daß wir Tapferkeit hätten, den Reden nach aber glaube ich, wol nicht wenn er uns jezt mit einander reden hörte. L a c h . Sehr wahr ist dieses. S o k r. Dünkt es dich (Wie nun?) gut sein daß es so um uns steht? L a c h . Nein ganz und gar nicht. S o k r. Willst du also daß wir dem was wir sezen wenigstens so weit gehorchen?
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L a c h . Wie weit doch, und welchem? S o k r. Dem Saz, welcher uns befiehlt zu beharren? Wenn du nemlich willst, so wollen auch wir bei der Untersuchung Stand halten und beharren, damit nicht die Tapferkeit selbst (auch uns selbst) auslache daß wir sie nicht tapfer suchen wenn doch vielleicht eben das Beharren die Tapferkeit ist.
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 10f Übers.A (verl.) in SN 158/3: Bloß für die griechische Grammatik bemerke ich, daß εἰ νῦν ἡμῶν ἀκούσει διαλ. wol heißen muß: ε. ν. ἡ. ἀ κ ο ύ σ ε ι ε δ. Das futurum indicativi ist nicht gebräuchlich außer dem Medium, und müste also heißen ἀκούσεται; auch paßt der Optatif nach εἰ hier besser, da das unbestimtmachende ἂν den vorigen Saz ins Schweben gebracht hat. T 1 Scheinen wir dir] über Dünkt dich | recht] davor daß wir | zu] über der Zeile mit Einfügungszeichen 10 glaube ich, wol] am Rand mit Einfügungszeichen 17 sezen] über sagen 24f vielleicht] über oft ; vgl. Phaidros 238d mit W1 Anm. 13 und App. S
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SOK. Dünkt dich also, daß wir etwas richtiges sagen? LACH. Mich nicht, beim Zeus. |
SOK. Dünkt dich also, daß wir etwas richtiges sagen? LACH. Beim Zeus, o Sokrates, mich nicht. SOK. Wir beide sind also wohl nicht, deiner Rede zufolge, dorisch gestimmt, ich und du, o Laches; die Thaten nemlich sind uns nicht im Einklang mit den Reden. Denn in den Thaten möchte Einer wohl sagen, wie es scheint, daß wir die Tapferkeit besäßen, in den Reden aber glaube ich wohl nicht, wenn er jezt unser Gespräch hörte. LACH. Sehr wahr ist dieses. | SOK. Wie also? dünkt es dich gut zu sein, daß es so um uns steht? LACH. Auch nicht im geringsten. SOK. Willst du also, daß wir dem, was wir behaupten, wenigstens so weit gehorchen? LACH. Wie weit doch, und welchem? SOK. Der Behauptung, welche zu beharren befiehlt. Wenn du nämlich willst, so wollen auch wir der Untersuchung Stand halten und beharren, damit doch grade die Tapferkeit uns nicht auslache, daß wir sie nicht tapfer suchen, wenn doch vielleicht eben die Beharrung Tapferkeit ist.
SOK. Wir beide sind also wohl nicht, deiner Rede zufolge, dorisch gestimmt, ich und du, o Laches. Denn die That ist uns nicht im Einklang mit den Reden. Denn in den Thaten möchte Einer wohl sagen, wie es scheint, daß wir die Tapferkeit besäßen, in den Reden aber glaube ich wohl nicht, wenn er uns jezt zusammen reden hörte. LACH. Sehr wahr ist dieses. SOK. Wie also? dünkt es dich gut zu sein, daß es so um uns steht? LACH. Auch nicht im geringsten. SOK. Willst du also, daß wir dem, was wir behaupten, wenigstens so weit gehorchen? LACH. Wie weit doch und welchem? SOK. Der Behauptung, welche zu beharren befiehlt. Wenn du nämlich willst, so wollen auch wir der Untersuchung Stand halten und beharren, damit nicht die Tapferkeit selbst uns auslache, daß wir sie gar nicht tapfer suchen, wenn doch vielleicht eben die Beharrung Tapferkeit ist.
T 20 behaupten] verdruckt -tem W2
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ΛΑ. Ἐγὼ μὲν ἕτοιμος, ὦ Σώκρατες, μὴ προαφίστασθαι· καίτοι ἀήθης γ᾽ εἰμὶ τῶν τοιούτων λόγων· ἀλλά τις με καὶ φιλονεικία εἴληφε πρὸς τὰ εἰρημένα, καὶ ὡς ἀληθῶς ἀγανακτῶ εἰ οὑτωσὶ ἃ νοῶ μὴ οἷόστ᾽ εἰμὶ εἰπεῖν. νοεῖν μὲν γὰρ ἔμοιγε δοκῶ περὶ ἀνδρίας ὅ, τι ἐστίν· οὐκ οἶδα δ᾽ ὅπη με ἄρτι διέφυγεν, ὥστε μὴ ξυλλαβεῖν τῷ λόγῳ αὐτήν, καὶ εἰπεῖν ὅ, τι ἐστίν. ΣΩ. Οὐκοῦν, ὦ φίλε, τὸν ἀγαθὸν κυνηγέτην μεταθεῖν χρή, καὶ μὴ ἀνιέναι. ΛΑ. Παντάπασι μὲν οὖν. ΣΩ. Βούλει οὖν καὶ Νικίαν τόνδε παρακαλῶμεν ἐπὶ τὸ κυνηγέσιον, εἴτι ἡμῶν εὐπορώτερος ἐστί; ΛΑ. Βούλομαι. πῶς γὰρ οὔ; ΣΩ. Ἴθι δή, ὦ Νικία, ἀνδράσι φίλοις χειμαζομένοις ἐν λόγῳ καὶ ἀποροῦσι βοήθησον, εἴτινα ἔχεις δύναμιν. τὰ
Erster Entwurf (handschriftlich)
L a c h . Ich wenigstens o Sokrates bin bereit nicht zwar abzustehen, wiewol ich ungewohnt bin solcher Reden. Aber es hat mich ordentlich ein Eifer ergriffen für diese Untersuchung und ich bin ganz unwillig wie ich was ich in Gedanken habe so gar nicht im Stande bin zu sagen. Denn in Gedanken glaube ich es doch zu haben, was die Tapferkeit ist aber ich weiß nicht wie sie mir jezt entgeht daß ich sie nicht ergreifen kann mit der Rede und aussprechen was sie ist.
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S o k r. Wol, o Lieber, der gute Jäger muß nachsezen und nicht ablassen. L a c h . Allerdings freilich. S o k r. Willst du also daß wir noch den Nikias hier herbeirufen zur Jagd ob er etwa mehr ausrichten kann als wir. L a c h . Ich will es wol; warum sollte ich nicht? S o k r. Komm also o Nikias guten Freunden die eine stürmische Fahrt haben in der Untersuchung und keinen Rath wissen zu Hülfe wenn du etwas vermagst. Denn unser
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 20 Übers.A (verl.) in SN 158/3: „ H e r also“ Das H e r ist mir, ich weis nicht wie, zu unedel, ich zöge vor „ H i e h e r “ . 20–23 Übers.A (verl.) in SN 158/3: „Komm — zu Hülfe“. Dis beides ist mir zu weit getrennt. Ich würde k o m m hinten sezen zu z u H ü l f e . T 5 wie] über daß 6 was] davor sie | so gar] nachträglich am Zeilenende hinzugefügt 17 ausrichten] am Rand εὐπορωτερος 20 Komm also] Her also [... komm ...] Übers.A (verl.) aus Spld. (SN 158/3) | Hieher ... Spld. (SN 158/3), vgl. W1 W2 20–23 Komm...zu Hülfe] ... komm zu Hülfe Spld. (SN 158/3), vgl. W1 W2 S 7–11 Vgl. Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 372, Notat 113 mit App.
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LACH. Ich wenigstens bin bereit, o Sokrates, nicht eher abzulassen, ob schon ich ungewohnt bin solcher Reden. Aber es hat mich ordentlich ein Eifer ergriffen für diese Untersuchung, und ich bin ganz unwillig, wie ich, was ich in Gedanken habe, so gar nicht im Stande bin zu sagen. Denn in Gedanken glaube ich es doch zu haben, was die Tapferkeit ist; ich weiß aber nicht, wie sie mir jezt entgangen ist, daß ich sie nicht ergreifen konnte in der Rede, und heraussagen, was sie ist. SOK. Nicht so, Lieber, der gute Jäger muß nachsezen und nicht ablassen? LACH. Auf alle Weise freilich. | SOK. Willst du also, daß wir auch den Nikias hier herbeirufen zur Jagd, ob er etwa mehr ausrichten kann als wir? LACH. Ich will es wohl; warum sollte ich nicht? SOK. Hieher also, Nikias! Guten Freunden, die eine stürmische Fahrt haben in der Untersuchung und nicht vorwärts können, komm zu Hülfe, wenn du etwas vermagst.
LACH. Ich wenigstens bin bereit, o Sokrates, nicht eher abzulassen, ob schon ich ungewohnt bin solcher Reden. Aber es hat mich ordentlich ein Eifer ergriffen über das gesagte, und ich bin ganz unwillig, wie ich, was ich in Gedanken habe, so gar nicht im Stande bin zu sagen. Denn in Gedanken glaube ich es doch zu haben, was die Tapferkeit ist; ich weiß aber nicht, wie sie mir jezt entgangen ist, daß ich sie nicht ergreifen konnte in der Rede, und heraussagen, was sie ist. SOK. Nicht so, Lieber, der gute Jäger muß nachsezen und nicht ablassen? LACH. Auf alle Weise freilich. SOK. Willst du also, daß wir auch den Nikias hier herbeirufen zur Jagd, ob er etwa mehr ausrichten kann als wir? LACH. Ich will es wohl; warum sollte ich nicht? SOK. Hieher also, Nikias! Guten Freunden, die eine stürmische Fahrt haben in der Untersuchung und nicht vorwärts können, komm zu Hülfe, wenn du etwas vermagst.
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μὲν γὰρ δὴ ἡμέτερα ὁρᾷς ὡς ἄπορα· σὺ δ᾽ εἰπὼν ὅ, τι ἡγῇ ἀνδρίαν εἶναι, ἡμᾶς τε τῆς ἀπορίας ἔκλυσαι, καὶ αὐτὸς ἃ νοεῖς τῷ λόγῳ βεβαίωσαι.
Thun siehst du wie es nichts ausrichtet. Sage Du also was dir die Tapferkeit zu sein dünkt um so theils uns aus unserer Rathlosigkeit zu erlösen, theils dir selbst | was du denkst durch die Rede noch mehr zu begründen.
ΝΙ. Δοκεῖτε τοίνυν μοι πάλαι οὐ καλῶς, ὦ Σώκρατες, ὁρίζεσθαι τὴν ἀνδρίαν. ὃ γὰρ ἐγὼ σοῦ ἤδη καλῶς λέγοντος ἀκήκοα, τούτῳ οὐ χρῆσθε. ΣΩ. Ποίῳ δή, ὦ Νικία; ΝΙ. Πολλάκις ἀκήκοα σοῦ λέγοντος, ὅτι ταῦτα ἀγαθὸς ἕκαστος ἡμῶν, ἅπερ σοφός· ἃ δὲ ἀμαθής, ταῦτα δὲ κακός. ΣΩ. Ἀληθῆ μέντοι νὴ Δία λέγεις, ὦ Νικία. ΝΙ. Οὐκοῦν εἴπερ ὁ ἀνδρεῖος ἀγαθός, δηλονότι σοφός ἐστιν; ΣΩ. Ἤκουσας, ὦ Λάχης; ΛΑ. Ἔγωγε· καὶ οὐ σφόδρα γε μανθάνω ὃ λέγει. ΣΩ. Ἀλλ᾽ ἐγὼ δοκῶ μανθάνειν· καί μοι δοκεῖ ὁ ἀνὴρ σοφίαν τινὰ τὴν ἀνδρίαν λέγειν.
N i k . Ihr dünkt mich aber von Anfang an o Sokrates die Tapferkeit nicht richtig erklärt zu haben. Denn was ich dich sonst schon sehr richtig habe sagen gehört das wendet Ihr nicht an.
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S o k r. Was doch, o Nikias? N i k . Oft habe ich dich sagen gehört daß darin Jeder von uns gut ist, worin er klug (σοφος) ist, worin aber dumm, darin auch schlecht34.
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S o k r. Wahr ist das beim Zeus o Nikias. N i k . Wenn also der Tapfere gut ist, so ist offenbar daß er klug ist (σοφος). S o k r. Hörst du, o Laches? L a c h . Ich höre wol; und ich verstehe eben nicht sonderlich was er meint. S o k r. Ich aber glaube es zu verstehen, und mich dünkt der Mann zu meinen die Tapferkeit sei irgend eine (σοφια) Klugheit. 34
E (SN 158/1) ταυτα δε κακος Muß man nicht lesen ταυτα δη? | A (SN 158/2) τ α υ τ α δ ε κ α κ ο ς Muß es nicht heißen ταυτα δη κακος?
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu Anm. 34 A in SN 158/3: Das ist sehr die Frage ob δὴ sein muss statt δέ. Wäre vorher ταῦτα μὲν, so gehörte hieher δὲ, indes mag wol dasselbe | sein, obgleich μὲν vorher verschwiegen ist. Ich will Buttmann fragen. [nachträglich hinzugefügt:] Er meint’s auch so. T 5 begründen] davor befestigen 13 klug] über wissend 18 klug] über wissend über weise 24 (σοφια) Klugheit] davor wissen über Einsicht
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Denn unser Thun siehst du wie es nichts fördert. Sage du also, was du von der Tapferkeit glaubst, um sowohl uns aus unserer Verlegenheit zu erlösen, als auch dir selbst, was du im Sinne hast durch die Rede noch fester zu begründen. NIK. Ihr dünkt mich also schon lange, o Sokrates, die Tapferkeit nicht recht bestimmt zu haben. Denn was ich dich sonst schon sehr richtig habe sagen gehört, das wendet ihr nicht an. SOK. Was doch, o Nikias? NIK. Oft habe ich dich sagen gehört, darin wäre Jeder von uns gut, worin er klug ist, worin aber dumm, darin auch schlecht.
Denn unser Thun siehst du wie es nichts fördert. Sage | du also, was du glaubst daß die Tapferkeit sei, um dadurch sowohl uns aus der Verlegenheit zu erlösen, als auch dir selbst, was du im Sinne hast durch die Rede noch fester zu begründen. NIK. Ihr dünkt mich also schon lange, o Sokrates, die Tapferkeit nicht recht bestimmt zu haben. Denn was ich dich sonst schon sehr richtig habe sagen gehört, das wendet ihr nicht an. SOK. Was doch, o Nikias? NIK. Oft habe ich dich sagen gehört, darin wäre Jeder von uns gut, worin er klug ist, worin aber dumm, darin auch schlecht.
SOK. Wahr ist, beim Zeus, was du sagst, o Nikias. NIK. Also wenn der Tapfere gut ist, ist er offenbar auch klug?
SOK. Wahr ist, beim Zeus, was du sagst, o Nikias. NIK. Also wenn der Tapfere gut ist, ist er offenbar auch klug?
SOK. Hast du gehört, o Laches? LACH. Ich habe wohl, nur verstehe ich eben nicht sehr was er meint. SOK. Ich aber glaube es zu verstehen, nämlich mich dünkt der Mann zu meinen, die Tapferkeit sei irgend eine Klugheit.
SOK. Hast du gehört, o Laches? LACH. Ich habe wohl, nur verstehe ich eben nicht sehr was er meint. SOK. Ich aber glaube es zu verstehen, nämlich mich dünkt der Mann zu meinen, die Tapferkeit sei irgend eine Klugheit.
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ΛΑ. Ποίαν, ὦ Σώκρατες, σοφίαν; ΣΩ. Οὐκοῦν τόνδε τοῦτο ἐρωτᾷς; ΛΑ. Ἔγωγε. ΣΩ. Ἴθι δή, αὐτῷ εἰπέ, ὦ Νικία, ποία σοφία ἀνδρία ἂν εἴη, κατὰ τὸν σὸν λόγον. οὐ γάρ που ἥ γε αὐλητική.
L a c h . Was doch für eine Klugheit o Sokrates!35 S o k r. Willst du das nicht diesen hier fragen? L a c h . O ja. S o k r. So komm denn Nikias und sage ihm was für eine Erkentniß die Tapferkeit denn sein soll nach deiner Rede? Denn gewiß doch nicht die des Flötenbläsers.
ΝΙ. Οὐδαμῶς. ΣΩ. Οὐδὲ μὴν ἡ κιθαριστική. ΝΙ. Οὐ δῆτα. ΣΩ. Ἀλλὰ τίς δὴ αὕτη, ἢ τίνος ἐπιστήμη; ΛΑ. Πάνυ μὲν οὖν ὀρθῶς αὐτὸν ἐρωτᾷς, ὦ Σώκρατες· καὶ εἰπέτω γε τίνα φησὶν αὐτὴν εἶναι.
N i k i a s . Keinesweges. S o k r. Noch auch dessen der seine Lyra ⌈spielt⌋. N i k i a s . Eben so wenig. S o k r. Also was denn für eine Erkentniß und wovon? L a c h . Ganz recht fragst du ihn o Sokrates, und er sage also was für eine er behauptet daß sie sei. 35 E (SN 158/1) ποιαν δ ω Σ σοφιαν Dies ist nicht Frage sondern das Citat κατα φρον. ⌈πως ποιος⌋. | A (SN 158/2) π ο ι α ν ω Σ ω κ ρ . σ ο φ ι α ν ohne Frage. So hat auch das folgende des Sokrates mehr Sinn.
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu Anm. 35 A in SN 158/3: Ihre Note zu ποίαν ὦ Σωκρ. σοφ. verstehe ich nicht. Sie haben ja auch nicht danach übersezt. Und wie solte Laches sagen können. „Irgend eine Weisheit, Sokrates.“ Nein, er mus fragen: „Welche Weisheit denn“. Sonst ποιὰ komt genug vor bei Aristoteles. Doch ich merke, Sie meinen nur den Ton, der mehr wegwerfend sein soll als fragend; daher Sie denn auch das Ausrufungszeichen sezen. So lasse ich mirs gefallen.
1 Ποίαν, ὦ Σώκρατες] Ποίαν δ᾽ ὦ Σώκρατες Schleiermacher Anm. 35 E 14 αὕτη, ἢ] αὕτη ἢ Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. W2
T 1 Klugheit] über Wissen 3 Willst] über Fragst 3f diesen ... fragen?] korr. aus diesen? 3 hier] über der Zeile ohne Einfügungszeichen 7 eine] korr. aus ein | Erkentniß] über Wissen 9 die] nach der vorherigen Streichung zu korr. aus das 11f dessen der seine Lyra ⌈spielt⌋] über das [s. o. zu Z. 9] des Kitharisten 12 spielt] korr. aus schlägt oder zupft oder umgekehrt T Anm. 35 E 20 sondern] sn
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LACH. Was doch für eine Klugheit, o Sokrates! SOK. Willst du das nicht von diesem lieber erfragen? | LACH. Das thue ich. SOK. So komm denn, o Nikias, und sage ihm, was doch für eine Erkenntniß17 die Tapferkeit sein soll, nach deiner Rede. Denn gewiß doch nicht die des Flötenbläsers? NIK. Keinesweges. SOK. Auch nicht dessen, der die Lyra spielt? NIK. Eben so wenig. SOK. Also was denn für eine Erkenntniß, und wovon? LACH. Ganz recht fragst du ihn das, o Sokrates, und er sage also was für eine er behauptet, daß sie sei.
LACH. Was doch für eine Klugheit, o Sokrates! SOK. Willst du das nicht von diesem lieber erfragen? LACH. Das thue ich. SOK. So komm denn, o Nikias, und sage ihm, was doch für eine Klugheit die Tapferkeit sein soll, nach deiner Rede. Denn die des Flötenbläsers ist sie doch nicht? NIK. Keinesweges. SOK. Auch nicht dessen, der die Lyra spielt? NIK. Eben so wenig. | SOK. Also was für eine Erkenntniß ist sie denn und wovon? LACH. Ganz recht fragst du ihn das, o Sokrates, und er sage also was für eine er behauptet, daß sie sei.
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was doch für eine Erkenntn i ß etc. Nur etwas früher als Platon habe ich unserm Sprachgebrauch zu Liebe die Verwandlung σοφία in ἐπιστήμη vorgenommen.
S Anm. 17 Vgl. unten Z. 15f mit dem griechischen Text.
S 16 sie denn und wovon] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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ΝΙ. Ταύτην ἔγωγε, ὦ Λάχης, τὴν τῶν δεινῶν καὶ θαρραλέων ἐπιστήμην, καὶ ἐν πολέμῳ, καὶ ἐν τοῖς ἄλλοις ἅπασιν. ΛΑ. Ὡς ἄτοπα λέγει, ὦ Σώκρατες. ΣΩ. Πρὸς τί τοῦτ᾽ εἶπες βλέψας, ὦ Λάχης; ΛΑ. Πρὸς τί; χωρὶς δή που σοφία ἐστὶν ἀνδρίας.
N i k . Diese meine ich o Laches die Erkenntniß des Furchtbaren und des unbedenklichen im Kriege sowol als in allen andern Dingen.
ΣΩ. Οὔκουν φησί γε Νικίας. ΛΑ. Οὐ μέντοι μὰ Δία· ταῦτά τοι καὶ ληρεῖ. ΣΩ. Οὐκοῦν διδάσκωμεν αὐτὸν, ἀλλὰ μὴ λοιδορῶμεν. ΝΙ. Οὔκ· ἀλλά μοι δοκεῖ, ὦ Σώκρατες, Λάχης ἐπιθυμεῖν κᾀμὲ φανῆναι μηδὲν λέγοντα, ὅτι καὶ αὐτὸς ἄρτι τοιοῦτός τις ἐφάνη. ΛΑ. Πάνυ μὲν οὖν, ὦ Νικία· καὶ πειράσομαί γε ἀποφῆναι. οὐδὲν γὰρ λέγεις. ἐπεὶ αὐτίκα ἐν ταῖς νόσοις οὐχὶ οἱ ἰατροὶ τὰ δεινὰ ἐπίστανται; ἢ οἱ ἀνδρεῖοι δοκοῦσί σοι ἐπίστασθαι; ἢ τοὺς ἰατροὺς σὺ ἀνδρείους καλεῖς;
S o k r. Nein, meint eben Nikias. L a c h . Freilich meint er nein, und eben das redet er verwirrt. S o k r. So laß uns ihn belehren aber nicht schmähen. N i k . Freilich nicht. Aber mich dünkt o Sokrates Laches wünscht ich möge mich auch zeigen als einer der nichts sagt weil er sich eben als ein solcher gezeigt hat.
L a c h . Wie wunderliche Dinge redet er o Sokrates! S o k r. Worauf geht das was du da sagst o Laches? L a c h . Worauf? Klugheit ist doch wol ganz etwas anderes als Tapferkeit!
L a c h . Allerdings o Nikias, und ich will auch versuchen es zu beweisen du sagst auch nichts. Denn gleich in Krankheiten, erkennen da nicht die Aerzte das Furchtbare? Oder scheinen dir die Tapfern es zu erkennen? oder nennst du die Aerzte Tapfere?
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 5 Übers.A (verl.) in SN 158/3: a b g e s c h m a k t e . Etwas seuberlicher doch wäre wol u n g e r e i m t e ? Oder w i d e r s i n n i g e ? 12 Übers.A (verl.) in SN 158/3: „eben d a h e r “ „eben d a r i n “ . 18 Übers.A (verl.) in SN 158/3: „als einen der nichts sagt“ „als einen Nichts sagenden“. T 2 Furchtbaren] über Gefährlichen 5 wunderliche] abgeschmakte Übers.A (verl.) aus Spld. (SN 158/3) | ungereimte Spld. (SN 158/3), vgl. W1 W2 9 Klugheit] 10 ganz etwas anderes] am Rand über Erkentniß NB zum Sprachgebrauch v. χωρις 12 eben das] eben daher Übers.A (verl.) aus Spld. (SN 158/3) 13 redet er verwirrt] (teilweise) über faselt er 16f Sokrates] Sokr. 18 als einer der nichts sagt] als einen der nichts sagt Übers.A (verl.) aus Spld. (SN 158/3), vgl. W1 W2 23 Furchtbare] über Gefährliche
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NIK. Diese, o Laches, die Erkenntniß des Furchtbaren und des Unbedenklichen im Kriege sowohl als in allen andern Dingen.
NIK. Diese, o Laches, die Erkenntniß des gefährlichen und des unbedenklichen im Kriege sowohl als in allen andern Dingen.
LACH. Was für ungereimte Dinge er redet, o Sokrates! SOK. Worauf geht das was du da sagst, o Laches? LACH. Worauf? Klugheit ist doch wohl etwas ganz anderes als Tapferkeit! SOK. Nein, meint eben Nikias. LACH. Freilich meint er nein, und eben das ist verwirrt geredet. SOK. So laß uns ihn belehren aber nicht schmähen. NIK. Freilich nicht. Aber Laches dünkt mich nur zu wünschen, daß ich mich auch als einen zeigen möchte der Nichts sagt, weil er sich eben als einen solchen gezeigt hat. LACH. Allerdings, o Nikias, und ich will wenigstens versuchen, es zu beweisen; denn du sagst auch Nichts. Nämlich gleich in Krankheiten, erkennen da nicht die Aerzte das Furcht|bare? oder scheinen dir die Tapfern es zu erkennen? oder meinst du die Aerzte tapfer?
LACH. Was für ungereimte Dinge er redet, o Sokrates! SOK. Weshalb meinst du denn das, o Laches? LACH. Weshalb? Klugheit ist doch wohl etwas ganz anderes als Tapferkeit! SOK. Nein, meint eben Nikias. LACH. Freilich meint er nein, und eben das ist verwirrt geredet. SOK. So laß uns ihn belehren aber nicht schmähen. NIK. Freilich nicht. Aber Laches dünkt mich nur zu wünschen, daß ich mich auch als einen zeigen möchte der Nichts sagt, weil er sich eben als einen solchen gezeigt hat. LACH. Allerdings, o Nikias, und ich will wenigstens versuchen, es zu beweisen; denn du sagst auch Nichts. Nämlich gleich in Krankheiten, erkennen da nicht die Aerzte das gefährliche? oder scheinen dir die Tapfern es zu erkennen? oder nennst du die Aerzte tapfer?
T9 Klugheit] verdruckt Klugkeit W1 29 meinst] zu korr. in nennst (vgl. SN 158/1 W2), das offenbar in der Hs. falsch gelesen wurde
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ΝΙ. Οὐδ᾽ ὁπωστιοῦν. ΛΑ. Οὐδέ γε τοὺς γεωργοὺς οἶμαι. καίτοι τά γε ἐν τῇ γεωργίᾳ δεινὰ οὗτοι δή που ἐπίστανται, καὶ οἱ ἄλλοι δημιουργοὶ ἅπαντες τὰ ἐν ταῖς αὑτῶν τέχναις δεινά τε καὶ θαρραλέα ἴσασιν· ἀλλ᾽ οὐδέν τι μᾶλλον οὗτοι ἀνδρεῖοι εἰσίν. ΣΩ. Τί δοκεῖ Λάχης λέγειν, ὦ Νικία; ἔοικε μέντοι λέγειν τι. ΝΙ. Καὶ γὰρ λέγει γέ τι, οὐ μέντοι ἀληθές γε. ΣΩ. Πῶς δή; ΝΙ. Ὅτι οἴεται τοὺς ἰατροὺς πλέον τι εἰδέναι περὶ τοὺς κάμνοντας, ἢ τὸ ὑγιεινὸν εἰπεῖν οἷόν τε καὶ νοσῶδες· οἱ δὲ δή τοι τοσοῦτον μόνον ἴσασιν. εἰ δὲ δεινόν τῳ τοῦτό ἐστι τὸ ὑγιαίνειν, μᾶλλον ἢ τὸ κάμνειν, ἡγῇ σὺ τουτί, ὦ Λάχης, τοὺς ἰατροὺς ἐπίστασθαι; ἢ οὐ πολλοῖς οἴει ἐκ τῆς νόσου ἄμεινον εἶναι μὴ ἀναστῆναι, ἢ ἀναστῆναι; τοῦτο γὰρ εἰπέ· σὺ πᾶσι φῂς ἄμεινον εἶναι ζῇν; καὶ οὐ πολλοῖς κρεῖττόν γε τεθνάναι; ΛΑ. Ἔγωγε τοῦτό γε. ΝΙ. Οἷς οὖν τεθνάναι λυσιτε-
20 οἷόν τε] οἷόν τι konj. Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1784 (Bipontina), Variae lectiones, S. 353, übersetzt SN 158/1 W1 W2, vgl. Anm. 36 EA
Erster Entwurf (handschriftlich)
N i k . Keinesweges. L a c h . Auch wol nicht die Akerbauer glaube ich. Wiewol das im Akerbau Furchtbare grade diese erkennen und so auch alle Gewerbe treibenden erkennen jeder in seiner Kunst das Furchtbare und das Unbedenkliche. Aber keinesweges sind sie deshalb tapfer. S o k r. Was dünkt dich Laches zu sagen, o Nikias? Es sieht doch aus, als sage er etwas. N i k . Er sagt auch wol etwas, aber nur nichts Richtiges. S o k r. Wie so? N i k . Weil er voraussezt die Aerzte wüßten noch etwas mehr über die Kranken als daß sie sagen können was36 ihnen gesund ist und ungesund. In der That aber wissen sie nur dieses. Ob aber einem das Gesundsein furchtbar ist, mehr als das Kranksein, glaubst du daß dieses, o Laches die Aerzte wissen? Oder glaubst du nicht daß es Vielen besser ist aus der Krankheit nicht aufzukommen als aufzukommen. Sage doch dieses, glaubst du daß es für Alle besser ist zu leben? und nicht für Viele heilsamer zu sterben? |
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L a c h . Ich dieses leztere. N i k . Welchen also der Tod dienlich ist,
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36 E (SN 158/1) ειπειν οιον τε ich lese mit Steph οἷόν τι | A (SN 158/2) ο ι ο ν τ ε κ α ι ν ο σ ω δ ε ς hat schon Steph οιον τι corrigirt.
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T 3 Furchtbare] über Gefährliche 5 erkennen] über wissen 6 Furchtbare] über gefährliche 16 sagen] davor Wortanfang am ZE gestrichen 19 furchtbar] über gefährlich S Anm. 36 EA Vgl. Spalte 1 App.
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NIK. Keinesweges. LACH. Auch wohl nicht die Akerbauer glaube ich; wiewohl das im Akerbau furchtbare grade diese erkennen, und so auch alle Gewerbtreibende erkennen jeder in seiner Kunst das Furchtbare und das Unbedenkliche; aber keinesweges sind sie deshalb tapfer.
NIK. Keinesweges. LACH. Auch wohl nicht die Landwirthe glaube ich; wiewohl das im Akkerbau furchtbare grade diese erkennen, und so auch alle Gewerbtreibende erkennen jeder in seiner Kunst das gefährliche und das unbedenkliche; aber keinesweges sind sie deshalb tapfer. |
SOK. Was dünkt dich Laches zu sagen, o Nikias? Es sieht doch aus als sagte er etwas. NIK. Er sagt auch wohl etwas, aber nur nichts Richtiges. SOK. Wie so? NIK. Weil er meint die Aerzte wüßten noch etwas mehr von den Kranken, als daß sie sagen können, was ihnen gesund ist und ungesund; in der That aber wissen sie nur dieses. Ob aber Einem eben dieses furchtbar ist, das Gesundsein mehr als das Kranksein, glaubst du, o Laches, daß dies die Aerzte wissen? Oder meinst du nicht, daß es Vielen besser ist von der Krankheit nicht aufzukommen als aufzukommen? Hierüber erkläre dich, behauptest du, daß es für Alle besser ist zu leben, und nicht für Viele besser zu sterben? LACH. Ich dieses leztere. NIK. Welchen also das Sterben dienlich ist, glaubst du daß denen
SOK. Was dünkt dich Laches zu sagen, o Nikias? Es sieht doch aus als sagte er etwas. NIK. Er sagt auch wohl etwas, aber nur nichts Richtiges. SOK. Wie so? NIK. Weil er meint die Aerzte wüßten noch etwas mehr von den Kranken, als daß sie sagen können, was ihnen gesund ist und ungesund; in der That aber wissen sie nur dieses. Ob aber Einem eben dieses gefährlich ist, das Gesundsein mehr als das Kranksein, glaubst du, o Laches, daß dies die Aerzte wissen? Oder meinst du nicht, daß es Vielen besser ist von der Krankheit nicht aufzukommen als aufzukommen? Hierüber erkläre dich, behauptest du, daß es für Alle besser ist zu leben, und nicht für Viele besser zu sterben? LACH. Ich dieses leztere. NIK. Welchen also das Sterben dienlich ist, glaubst du daß denen
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λεῖ, ταυτὰ οἴει δεινὰ εἶναι καὶ οἷς ζῆν; ΛΑ. Οὐκ ἔγωγε. ΝΙ. Ἀλλὰ τοῦτο δὴ σὺ δίδως τοῖς ἰατροῖς γιγνώσκειν, ἢ ἄλλῳ τινὶ δημιουργῷ, πλὴν τῷ τῶν δεινῶν ἐπιστήμονι; οἷον ἐγὼ ἀνδρεῖον καλῶ.
glaubst du daß denen dasselbe furchtbar ist, als welchen das Leben? L a c h . Nicht ich. N i k . Und dieses schreibst du den Aerzten zu zu erkennen, oder irgend einem der ein anderes Geschäft treibt, und nicht allein dem welcher sich auf das Furchtbare versteht und welchen eben ich den Tapferen nenne.
ΣΩ. Κατανοεῖς, ὦ Λάχης, ὅ, τι λέγει. ΛΑ. Ἔγωγε, ὅτι γε τοὺς μάντεις καλεῖ τοὺς ἀνδρείους. τίς γὰρ δὴ ἄλλος εἴσεται ὅτῳ ἄμεινον ζῇν ἢ τεθνάναι; καίτοι σύ, ὦ Νικία, πότερον ὁμολογεῖς μάντις εἶναι, ἢ οὔτε μάντις, οὔτε ἀνδρεῖος; ΝΙ. Τί δέ; μάντει αὖ οἴει προσήκειν, τὰ δεινὰ γινώσκειν καὶ τὰ θαρραλέα;
S o k r. Merkst du nun (Verstehst) o Laches was er meint? L a c h . O Ja, daß er nemlich die Wahrsager tapfer nennt. Denn welcher Andere soll wissen wem besser ist zu leben oder zu sterben? Also du, o Nikias, behauptest du ein Wahrsager zu sein, oder weder ein Wahrsager noch tapfer?
ΛΑ. Ἔγωγε. τίνι γὰρ ἄλλῳ; ΝΙ. Ὧι ἐγὼ λέγω, πολὺ μᾶλλον, ὦ βέλτιστε. ἐπεὶ μάντιν γε τὰ σημεῖα μόνον δεῖ γιγνώσκειν τῶν ἐσομένων, εἴτέ τῳ θάνατος, εἴτε νόσος, εἴτε ἀποβολὴ χρημάτων ἔσται, εἴτε νίκη εἴτε
N i k . Wie denn? Meinst du nun wieder daß dem Wahrsager dieses zukomme das Furchtbare und das Unbedenkliche zu erkennen? L a c h . Das meine ich; wem sonst? N i k . Dem, welchen ich meine weit mehr, o Bester. Denn der Wahrsager muß nur die Zeichen desjenigen erkennen, was zukünftig ist, ob Jemandem Tod oder Krankheit oder Verlust des Vermögens bevorsteht, ob Siegen
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 27–1002,1 Übers.A (verl.) in SN 158/3: „ob Siegen oder Besiegtwerden“ „ob Sieg oder Niederlage“. Freilich paßt lezteres nicht so ganz auf j e d e n a n d e r n K a m p f , aber ich ziehe so sehr vor die schon vorhandenen Wörter den neu gemachten.
7f τῶν δεινῶν] τῶν δεινῶν καὶ μὴ δεινῶν Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 79 [287,5], übersetzt W2
T 1 furchtbar] über gefährlich 4 schreibst] über schreibst 5 der ein] nachträglich am ZE hinzugefügt 6 anderes] korr. aus andere | Geschäft] korr. aus Ge werbe | treibt] korr. aus treib enden 7 Furchtbare] über Gefährliche 8 und] korr. aus einem Fragezeichen 20 Furchtbare] über Gefährliche 26 Jemandem] Jemand mit Endungskürzel S 12–17 Vgl. Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 347 f., Notat 18.
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dasselbe furchtbar ist, als welchen das Leben? LACH. Nicht ich. NIK. Und dieses zu erkennen schreibst du den Aerzten zu? oder irgend einem der ein anderes Geschäft treibt, und nicht vielmehr Jenem allein, der sich auf das Furchtbare versteht, und welchen eben ich tapfer nenne? | SOK. Merkst du nun, o Laches, was er meint? LACH. O ja, daß er nämlich die Wahrsager tapfer nennt. Denn welcher Andere kann wissen wem besser ist zu leben oder zu sterben? Du selbst aber, o Nikias, giebst du zu, daß du ein Wahrsager bist? oder wenn kein Wahrsager dann auch nicht tapfer? NIK. Wie denn? meinst du nun wieder es komme dem Wahrsager zu das Furchtbare zu erkennen und das Unbedenkliche? LACH. Das meine ich. Wem sonst? NIK. Dem weit mehr, welchen ich meine, o Bester. Denn der Wahrsager soll nur die Zeichen dessen erkennen, was geschehen wird, ob Einem Tod oder Krankheit oder Verlust des Vermögens bevorsteht, ob
dasselbe gefährlich ist, als welchen das Leben? LACH. Nicht ich. NIK. Und dieses zu erkennen schreibst du den Aerzten zu? oder irgend einem der ein anderes Geschäft treibt, außer dem, der sich auf das gefährliche und unbedenkliche versteht, und welchen eben ich tapfer nenne? SOK. Merkst du nun, o Laches, was er meint? LACH. O ja, daß er nämlich die Wahrsager tapfer nennt. Denn welcher Andere kann wissen wem besser ist zu leben oder zu sterben? Du selbst aber, o Nikias, welches behauptest du, daß du ein Wahrsager bist? oder weder ein Wahrsager noch auch tapfer? NIK. Wie denn? meinst du nun wieder dem Wahrsager komme zu das gefährliche zu erkennen und das unbedenkliche? | LACH. Das meine ich. Wem sonst? NIK. Dem weit mehr, welchen ich meine, o Bester. Denn der Wahrsager soll nur die Zeichen dessen erkennen, was geschehen wird, ob einem Tod oder Krankheit oder Verlust des Vermögens bevorsteht, ob
S 8f auf das gefährliche und unbedenkliche] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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ἧττα ἢ πολέμου, ἢ ἄλλης τινὸς ἀγωνίας. ὅ, τι δέ τῳ ἄμεινον τούτων ἢ παθεῖν ἢ μὴ παθεῖν, τί μᾶλλον μάντει προσήκει κρῖναι, ἢ ἄλλῳ ὁτῳοῦν;
oder Besiegtwerden im Kriege oder in jedem andern Kämpfen. Was aber Jemand besser ist von diesen Dingen zu erfahren oder nicht zu erfahren, wie sollte dieses mehr dem Wahrsager zu beurtheilen geziemen als Jedem Andern sonst?
ΛΑ. Ἀλλ᾽ ἐγὼ τοῦτο οὐ μανθάνω, ὦ Σώκρατες, ὅ, τι βούλεται λέγειν. οὔτε γὰρ μάντιν, οὔτε ἰατρὸν, οὔτε ἄλλον οὐδένα δηλοῖ ὅντινα λέγει τὸν ἀνδρεῖον, εἰ μὴ εἰ θεόν τινα λέγει αὐτὸν εἶναι. ἐμοὶ μὲν οὖν φαίνεται Νικίας οὐκ ἐθέλειν γενναίως ὁμολογεῖν ὅτι οὐδὲν λέγει, ἀλλὰ στρέφεται ἄνω καὶ κάτω, ἐπικρυπτόμενος τὴν αὑτοῦ ἀπορίαν. καίτοι κᾂν ἡμεῖς οἷοί τε ἦμεν ἄρτι ἐγώ τε καὶ σὺ τοιαῦτα στρέφεσθαι, εἰ ἐβουλόμεθα μὴ δοκεῖν ἐναντία ἡμῖν αὐτοῖς λέγειν. εἰ μὲν οὖν ἐν δικαστηρίῳ ἡμῖν οἱ λόγοι ἦσαν, εἶχεν ἄν τινα
L a c h e s . Nein dieses kann ich nicht verstehn o Sokrates was er sagen will. Denn er zeigt keinen auf weder den Wahrsager noch den Arzt noch sonst einen daß dieser der Tapfere sei, er müßte denn gleich irgend ein Gott sei es. Mir nun scheint nur Nikias nicht ehrlich gestehn zu wollen daß er nichts sagt, sondern sich zu winden bald oben bald unten seine eigene Rathlosigkeit zu verbergen. Das aber hätten wir vorher auch thun können, ich und du uns so zu winden wenn wir gewollt hätten nicht sehen lassen (μη δοκειν) daß wir uns selbst widersprächen. Wenn nun unsere Reden vor Gericht wären so hätte er vielleicht einigen Grund es so zu
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 14f Übers.A (verl.) in SN 158/3: „wendet sich bald so bald so“ „— hin und her“ oder „dreht sich hinauf und hinab“. 18 Übers.A (verl.) in SN 158/3: „gewollt hätten nicht das Ansehn haben“, „gestrebt haben nicht das Ansehn zu haben.“ Überhaupt sind Sie mir gar kühn mit Ihren „gesollt, gewollt, gekont“. | Wollen Sie denn ganz jene Partizipe verdrängen, die den Infinitiven gleichen, und bei denen doch ein eigenes, und psichologisch-interessantes Gesez obzuwalten scheint? T2 Kämpfen] Kampf Übers.A (verl.) aus Spld. (SN 158/3) 11f er müßte denn gleich irgend ein Gott sei es] er müßte denn gleich [danach vielleicht zu ergänzen: sagen,] irgend [vielleicht korr. aus s-] ... 14f sich zu winden bald oben bald unten] wendet sich bald so bald so Übers.A (verl.) aus Spld. (SN 158/3) | ... hin und her Spld. (SN 158/3), vgl. W1 W2 18 gewollt hätten nicht sehen lassen] gewollt hätten nicht das Ansehn haben Übers.A (verl.) aus Spld. (SN 158/3) | gestrebt haben nicht das Ansehn zu haben Spld. (SN 158/3), vgl. W1 W2 19 uns selbst] über ⌈einander⌋
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Siegen oder Besiegtwerden im Kriege oder in jedem andern Kampf. Was aber einem besser ist von diesen Dingen zu erfahren oder nicht zu erfahren, wie sollte das mehr dem Wahrsager zu beurtheilen zukommen als Jedem Andern sonst? LACH. Nein dieses kann ich nicht verstehen, o Sokrates, was er sagen will. Denn weder ist es der Wahrsager noch der Arzt, noch stellt er sonst einen auf, den er für tapfer erklärt, wo er nicht etwa nur irgend einen Gott dafür erklärt. Mir nun scheint nur Nikias nicht ehrlich gestehen zu wollen, daß er Nichts gesagt hat, sondern er windet sich hin und her, um seine eigene Verlegenheit zu verbergen. Das aber hätten wir auch vorher thun können, ich und du, uns so zu winden, wenn wir gestrebt hätten nicht das Ansehn zu haben, daß wir uns selbst widersprächen. Wenn nun unsere Reden vor Gericht wären, so hätte er vielleicht nicht ganz unrecht es so zu
Siegen oder Besiegtwerden im Kriege oder in jedem andern Kampf. Was aber einem besser ist von diesen Dingen zu erfahren oder nicht zu erfahren, wie sollte das mehr dem Wahrsager zu beurtheilen zukommen als Jedem Andern sonst? LACH. Nein diesen kann ich nicht begreifen, o Sokrates, was er sagen will. Denn weder ist es der Wahrsager noch der Arzt, noch stellt er sonst einen auf, den er für tapfer erklärt, wo er nicht etwa nur irgend einen Gott dafür erklärt. Mir nun scheint nur Nikias nicht ehrlich gestehen zu wollen, daß er Nichts gesagt hat, sondern er windet sich hin und her, um seine Verlegenheit zu verbergen. Das aber hätten wir auch vorher gekonnt, ich und du, uns so winden, wenn wir gestrebt hätten nicht das Ansehn zu haben, daß wir uns selbst widersprächen. Wenn nun unsere Reden vor Gericht wären, so hätte er vielleicht nicht ganz unrecht
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λόγον ταῦτα ποιεῖν· νῦν δὲ τί ἄν τις ἐν ξυνουσίᾳ τοιᾷδε μάτην κενοῖς λόγοις αὐτὸς ἂν αὑτὸν κοσμοῖ; ΣΩ. Οὐδὲν οὐδ᾽ ἐμοὶ δοκεῖ, ὦ Λάχης· ἀλλ᾽ ὁρῶμεν μὴ Νικίας οἴεται τὶ λέγειν, καὶ οὐ λόγου ἕνεκα ταῦτα λέγει. αὐτοῦ οὖν σαφέστερον πυθώμεθα τί ποτε νοεῖ· καὶ ἐάν τι φαίνηται λέγων, ξυγχωρησόμεθα· εἰ δὲ μή, διδάξομεν.
machen. Jezt aber wer wollte doch in einer solchen Unterredung sich selbst vergeblicherweise mit leeren Worten ausschmüken!
ΛΑ. Σὺ τοίνυν, ὦ Σώκρατες, εἰ βούλει πυνθάνεσθαι, πυνθάνου· ἐγὼ δ᾽ ἴσως ἱκανῶς πέπυσμαι. ΣΩ. Ἀλλ᾽ οὐδέν με κωλύει. κοινὴ γὰρ ἔσται ἡ πύστις ὑπὲρ ἐμοῦ τε καὶ σοῦ. ΛΑ. Πάνυ μὲν οὖν.
L a c h . Forsche du also weiter o Sokrates wenn du willst; denn ich habe dessen wol genug gethan.
S o k r. Das dünkt auch mich zu nichts o Laches. Aber laß uns sehn ob nicht Nikias wirklich glaubt etwas zu sagen und nicht bloß Streites wegen dieses sagt. Daher laß uns ihn noch genauer befragen was er meint; und wenn sich zeigt daß er etwas sagt so wollen wir es ihm zugeben, wo aber nicht, wollen wir ihn belehren.
S o k r. Nichts hindert ja denn die Nachforschung soll gemeinschaftlich sein für mich und dich. L a c h . So sei es allerdings.
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 1–3 Übers.A (verl.) in SN 158/3: „wer w o l l t e doch — wollen“ „wer m ö c h t e — wollen“. 13f Übers.A (verl.) in SN 158/3: „ich habe schon genug von ihm erforscht.“ „ich habe, denk’ ich (ἴσως), schon genug erforscht“ ohne „von ihm“. T 1–3 wer wollte doch ... ausschmüken] wer wollte doch ... wollen Übers.A (verl.) aus Spld. (SN 158/3) | wer möchte ... wollen Spld. (SN 158/3), vgl. W1 13f ich habe dessen wol genug gethan] ich habe schon genug von ihm erforscht Übers.A (verl.) aus Spld. (SN 158/3) | ich habe, denk’ ich, schon genug erforscht Spld. (SN 158/3), vgl. W1 W2
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machen; nun aber, wer | möchte doch in einer solchen Zusammenkunft sich vergeblich mit leeren Worten schmüken wollen! SOK. Das dünkt auch mich zu nichts zu führen, o Laches. Aber laß uns sehen ob nicht Nikias wirklich glaubt etwas zu sagen, und dieses nicht bloß um zu streiten vorträgt? Laß uns daher ihn noch genauer ausforschen, was er wohl meint, und wenn sich zeigt, daß etwas Richtiges darin liegt, so wollen wir es ihm zugestehen, wo aber nicht, so wollen wir ihn belehren. LACH. Forsche du also weiter, Sokrates, wenn du willst, denn ich habe, denk ich, schon genug ausgeforscht. SOK. Nichts hindert mich, denn die Nachforschung wird gemeinschaftlich sein für mich sowohl als dich. LACH. Allerdings.
es so zu machen; nun aber, weshalb sollte wohl einer in solchem Zusammensein sich unnüzerweise mit leeren Worten schmükken! SOK. Das dünkt auch mich zu nichts zu führen, o Laches. Aber laß uns sehen, ob nicht Nikias wirklich glaubt etwas zu sagen, und nicht bloß um zu streiten dieses vorträgt? Laß uns daher ihn noch genauer ausforschen, was er wohl meint; und wenn sich zeigt, daß etwas Richtiges darin liegt, so wollen wir es ihm zugestehen, wo aber nicht, so wollen wir ihn belehren. | LACH. Forsche du also weiter, Sokrates, wenn du willst; denn ich habe, denk ich, schon genug ausgeforscht. SOK. Nichts hindert mich, denn die Nachforschung wird gemeinschaftlich sein für mich sowohl als dich. LACH. Allerdings.
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ΣΩ. Λέγε δή μοι, ὦ Νικία, μᾶλλον δ᾽ ἡμῖν (κοινούμεθα γὰρ ἐγώ τε καὶ Λάχης τὸν λόγον) τὴν ἀνδρίαν, ἐπιστήμην φῂς δεινῶν τε καὶ θαρραλέων εἶναι; ΝΙ. Ἔγωγε. ΣΩ. Τοῦτο δὲ οὐ παντὸς δὴ εἶναι ἀνδρὸς γνῶναι, ὁπότε γε μήτε ἰατρὸς μήτε μάντις αὐτὸ γνώσεται· μηδὲ ἀνδρεῖος ἔσται, ἐὰν μὴ αὐτὴν ταύτην τὴν ἐπιστήμην προσλάβῃ. οὐχ οὕτως ἔλεγες; ΝΙ. Οὕτω μὲν οὖν. ΣΩ. Κατὰ τὴν παροιμίαν ἄρα τῷ ὄντι οὐκ ἂν πᾶσα ὗς γνοίη, οὐδ᾽ ἂν ἀνδρεία γένοιτο. ΝΙ. Οὔ μοι δοκεῖ. ΣΩ. Δῆλον δέ, ὦ Νικία, ὅτι οὐδὲ τὴν Κρομμυωνίαν ὗν πιστεύεις σύ γε ἀνδρείαν γεγονέναι. τοῦτο δὲ λέγω, οὐ παίζων· ἀλλ᾽ ἀναγκαῖον οἶμαι τῷ ταῦτα λέγοντι,
S o k r. Sage mir also o Nikias, oder vielmehr uns37 denn wir haben gemeinschaftliche Sache, ich und Laches, die Tapferkeit sagst du sei die Erkenntniß des Furchtbaren und Unbedenklichen? N i k . Das sage ich. S o k r. Und dieses sei nicht Jedermanns Sache zu wissen, da weder der Wahrsager noch der Arzt es wissen soll, noch auch tapfer sein wenn er nicht jene Erkenntniß besonders bekommt. Meintest du nicht so? N i k . So allerdings. S o k r. Recht nach dem Sprichwort wird also buchstäblich nicht jedes Schwein dies wissen noch auch tapfer sein. N i k . Nicht wie mich dünkt. S o k r. Offenbar also ist o Nikias daß du auch von der Krommyonischen Sau | nicht glaubst sie sei tapfer gewesen. Und dieses sage ich nicht scherzend, sondern ich meine es ist nothwendig für den der dieses behauptet 37
E (SN 158/1) μαλλον δ᾽ ημιν scheint Cornar gefehlt zu haben. V. Ecl. | A (SN 158/2) μ α λ λ ο ν δ ᾽ ἡ μ ι ν scheint Cornar erst in den Text gebracht zu haben V. Ecl.
T 2 uns] unterstrichen in SN 158/1, vgl. Anm. 37 EA 4 Furchtbaren] über Gefährlichen 10 Erkenntniß] anscheinend zunächst Wis 11 Meintest] über Sagtest 15 noch auch] über ⌈und nicht⌋ 20 meine] über halte 21 ist] über der Zeile ohne Einfügungszeichen S Anm. 37 EA Platonis [...] Latina lingua conscripta. Eiusdem Iani Cornarii Eclogae decem, breviter et sententiarum, et genuinae verborum lectionis, locos selectos complectentes. [...], Basel 1561, Ecloga Quinta, S. 410. Z. B. in Ed.Basel 1534 (Oporinus) fehlt δ᾽ ἡμῖν.
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SOK. Sage mir also, o Nikias, oder vielmehr uns, denn ich und Laches haben gemeinschaftliche Sache, die Tapferkeit, sagst du, wäre die Erkenntniß des Furchtbaren und des Unbedenklichen. NIK. Das sage ich. SOK. Und dieses wäre nicht Jedermanns Sache zu erkennen, da ja weder der Arzt noch der Wahrsager es wissen, also auch nicht tapfer sein soll, wenn er nicht jene Erkenntniß besonders erlangt. Meintest du es nicht so? NIK. So allerdings. SOK. Nach dem Sprüchwort also wird in der That nicht jedes Schwein dieses wissen, noch auch tapfer sein. NIK. Nein wie ich denke. SOK. Offenbar also, o Nikias, wirst du auch von dem krommyonischen Schwein nicht | glauben es sei tapfer gewesen. Und das sage ich nicht scherzend, sondern ich meine, es ist nothwendig für den, der dieses be-
SOK. Sage mir also, o Nikias, oder vielmehr uns, denn ich und Laches haben gemeinschaftliche Sache, die Tapferkeit, sagst du, wäre die Erkenntniß des gefährlichen und des unbedenklichen. NIK. Das sage ich. SOK. Und dieses wäre nicht Jedermanns Sache zu erkennen, da ja weder der Arzt noch der Wahrsager es wissen soll, also auch nicht tapfer sein, wenn er nicht jene Erkenntniß besonders erlangt hat. Meintest du es nicht so? NIK. So allerdings. SOK. Nach dem Sprüchwort also wird in der That nicht jedes Schwein dieses wissen, noch auch tapfer sein. NIK. Nein wie ich denke. SOK. Offenbar also, o Nikias, wirst du auch von dem krommyonischen Schwein nicht glauben es sei tapfer gewesen. Und das sage ich nicht scherzend, sondern ich meine, es ist nothwendig für den, der dieses be-
T 13 besonders] verdruckt bssonders W1
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μηδενὸς θηρίου ἀποδέχεσθαι ἀνδρίαν· ἢ ξυγχωρεῖν, θηρίον τὶ οὕτω σοφὸν εἶναι, ὥστε ἃ ὀλίγοι ἀνθρώπων ἴσασι, διὰ τὸ χαλεπὰ εἶναι γνῶναι, ταῦτα λέοντα, ἢ πάρδαλιν, ἤ τινα κάπρον φάναι εἰδέναι. ἀλλ᾽ ἀνάγκη ὁμοίως λέοντα καὶ ἔλαφον καὶ ταῦρον καὶ πίθηκον πρὸς ἀνδρίαν φάναι πεφυκέναι, τὸν τιθέμενον ἀνδρίαν τοῦθ᾽ ὅπερ σὺ τίθεσαι. ΝΙ. Νὴ τοὺς θεοὺς καὶ εὖ λέγεις, ὦ Σώκρατες. ΛΑ. Καὶ ἡμῖν ὡς ἀληθῶς τοῦτο ἀπόκριναι, ὦ Νικία, πότερον σοφώτερα φῂς ἡμῶν ταῦτα εἶναι τὰ θηρία, ἃ πάντες ὁμολογοῦμεν ἀνδρεῖα εἶναι, ἢ πᾶσιν ἐναντιούμενος, τολμᾷς μηδὲ ἀνδρεῖα αὐτὰ καλεῖν. ΝΙ. Οὐ γάρ τι, ὦ Λάχης, ἔγωγε ἀνδρεῖα καλῶ, οὔτε θηρία, οὔτε ἄλλο οὐδὲν τὸ τὰ δεινὰ ὑπὸ ἀνοίας μὴ φοβούμενον, ἀλλ᾽ ἄφοβον καὶ μωρόν. ἢ καὶ τὰ παιδία πάντα οἴει με ἀνδρεῖα καλεῖν, ἃ δι᾽ ἄνοιαν οὐδὲν δέδοικεν; ἀλλ᾽ οἶμαι, τὸ ἄφοβον καὶ τὸ ἀνδρεῖον οὐ ταυτόν ἐστιν. ἐγὼ δὲ ἀνδρίας μὲν καὶ προμηθείας πάνυ τισὶν ὀλίγοις οἶμαι μετεῖναι·
2 ἀνδρίαν· ἢ] ἀνδρίαν, ἢ Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. W2 14f Νὴ… Σώκρατες] schon dem Laches als Sprecher zugewiesen Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 79 [289,23], schon als Worte des Laches übersetzt W2
Erster Entwurf (handschriftlich)
keinem Thiere Tapferkeit zuzugestehen, oder er müßte zugeben irgend ein Thier sei so weise daß, was wenige unter den Menschen wissen weil es schwer zu erkennen ist dennoch ein Löwe oder Tiger oder Eber wissen könne. Sondern vielmehr daß Löwe und Hirsch Stier und Affe was die Tapferkeit betrifft gleiche Natur haben muß derjenige behaupten der die Tapferkeit so erklärt wie du sie erklärst.
N i k . Bei den Göttern und sehr richtig ist was du sagst o Sokrates. L a c h . Beantworte uns aber dieses ordentlich o Nikias ob du behauptest weiser als wir wären diese Thiere denen wir alle zugestehen daß sie tapfer sind oder ob du allen dich entgegenstellend wagst sie auch nicht für tapfer anzuerkennen. N i k . Niemals o Laches werde ich weder ein Thier noch sonst etwas tapfer nennen welches nur aus Unwissenheit das Gefährliche nicht fürchtet sondern nur furchtlos und thöricht nenne ich es. Oder meinst du ich werde auch alle Kinder tapfer nennen, welche aus Unwissenheit nichts fürchten? Sondern ich meine furchtlos und tapfer ist nicht dasselbe. Denn ich glaube daß Tapferkeit und Vorsicht nur Einigen sehr Wenigen
T 3 daß,] korr. aus daß es | unter den] über der Zeile ohne Einfügungszeichen 5 dennoch] über durchaus 6 Löwe] über ⌈wolf⌋ 11 und] über der Zeile mit Einfügungszeichen | sehr richtig] über ganz recht 12 was du] über uns das 18 für] über der Zeile ohne Einfügungszeichen | anzuerkennen] korr. aus zu nennen 20 noch] verschrieben soch 22 sondern] über und so 23 nenne ich es] über ist 24 alle] über die S 1 Thiere] Vgl. Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 347 f., Notat 18.
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hauptet, keinem Thiere Tapferkeit zuzugestehen; oder er müßte zugeben, irgend ein Thier sei so weise, daß was wenige Menschen wissen, weil es schwer einzusehen ist, dieses dennoch ein Löwe oder Tieger oder Eber wissen könne; sondern vielmehr, daß Löwe und Hirsch, Stier und Affe, was die Tapferkeit betrifft, gleicher Natur sind, muß derjenige behaupten, der die Tapferkeit so erklärt, wie du sie erklärst.
hauptet, keinem Thiere Tapferkeit zuzugestehen oder zuzugeben, irgend ein Thier sei so weise, daß was wenige Menschen wissen, weil es schwer einzusehen ist, dieses dennoch ein Löwe oder Tiger oder Eber wissen könne; sondern vielmehr, daß Löwe und Hirsch, Stier und Affe, was Tapferkeit betrifft, gleicher Natur sind, muß derjenige behaupten, der die Tapferkeit so erklärt, wie du sie erklärst. |
NIK. Bei den Göttern, und sehr richtig ist, was du sagst. LACH. Beantworte uns doch dieses nach der Wahrheit, o Nikias, ob du behauptest weiser als wir wären diese Thiere, denen wir alle zugestehen, daß sie tapfer sind, oder ob du allen widersprechend wagest, ihnen die Tapferkeit abzusprechen?
LACH. Bei den Göttern, und sehr richtig ist, was du sagst, und beantworte uns doch dieses nach der Wahrheit, o Nikias, ob du behauptest weiser als wir wären diese Thiere, denen wir alle zugestehen, daß sie tapfer sind, oder ob du allen widersprechend wagest, sie auch nicht tapfer zu nennen?
NIK. Niemals, o Laches, werde ich weder ein Thier noch sonst ein Wesen tapfer nennen, was nur aus Unwissenheit das Furchtbare nicht fürchtet, sondern furchtlos und thöricht nenne ich es. Oder meinst du ich werde auch alle Kinder tapfer nennen, welche sich aus Unwissenheit vor nichts fürchten. Sondern ich meine, furchtlos und tapfer sein ist nicht dasselbe. Denn Tapferkeit und Vorsicht ist nur sehr Wenigen,
NIK. Niemals, o Laches, werde ich weder ein Thier noch sonst ein Wesen tapfer nennen, was nur aus Unwissenheit das gefährliche nicht fürchtet, sondern furchtlos und thöricht nenne ich es. Oder meinst du, ich nenne auch alle Kinder tapfer, welche sich aus Unwissenheit vor nichts fürchten. Sondern ich meine, furchtlos und tapfer ist nicht dasselbe. Denn Tapferkeit und Vorsicht findet sich nur bei sehr Wenigen,
S 2 zuzugestehen oder] nach Bekker wie Spalte 1 App. 13f Dem Laches als Sprecher zugewiesen nach Bekker wie Spalte 1 App.
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θρασύτητος δὲ καὶ τόλμης καὶ τοῦ ἀφόβου μετὰ ἀπρομηθείας, πάνυ πολλοῖς καὶ ἀνδρῶν καὶ γυναικῶν καὶ παίδων καὶ θηρίων. ταῦτα οὖν ἃ σὺ καλεῖς ἀνδρεῖα καὶ οἱ πολλοί, ἐγὼ θρασέα καλῶ· ἀνδρεῖα δέ, τὰ φρόνιμα, περὶ ὧν λέγω. ΛΑ. Θέασαι, ὦ Σώκρατες, ὡς εὖ ὅδε ἑαυτὸν δή, ὡς οἴεται, κοσμεῖ τῷ λόγῳ· οὓς δὲ πάντες ὁμολογοῦσιν ἀνδρείους εἶναι, τούτους ἀποστερεῖν ἐπιχειρεῖ ταύτης τῆς τιμῆς. ΝΙ. Οὔκουν ἔγωγε, ὦ Λάχης· ἀλλὰ θάρρει. φημὶ γάρ σε εἶναι σοφόν, καὶ Λάμαχόν γε, εἴπέρ ἐστε ἀνδρεῖοι· καὶ ἄλλους γε συχνοὺς Ἀθηναίων. ΛΑ. Οὐδὲν ἐρῶ πρὸς ταῦτα, ἔχων εἰπεῖν, ἵνα μή με φῇς
18 ἀλλὰ θάρρει] nicht übersetzt SN 158/1
Erster Entwurf (handschriftlich)
eigen ist, Verwegenheit aber und Kühnheit und furchtloses Wesen mit Unvorsichtigkeit gar Vielen Männern sowol als Weibern und Kindern und Thieren. Das also was du und die Meisten tapfer nennen nenne ich nur kühn, tapfer aber was verständig ist in dem was ich sagte. L a c h . Sieh nur o Sokrates, wie schön dieser sich, wie er meint mit seiner Rede schmükt, denen aber Alle zugestehen daß sie tapfer sind, die untersteht er sich dieser Ehre zu berauben. N i k . Nicht ich o Laches. Denn ich behaupte allerdings daß du klug bist und Lamachos wol auch, wenn Ihr tapfer seid, und noch verschiedene Athener. L a c h . Ich will nichts hierauf sagen obschon ich etwas hätte damit du nicht von
T 6 was] über das | verständig ist] korr. aus verständig e 6f in dem was ich] über wie ich meine 13–16 am Rand Lamachos war mit Nik. und Alkib. zugleich στρατηγος und ein θρασυς. Die Erkl. des Nikias von der Tapferkeit ist auch sehr persönlich. Vielleicht geht darauf auch des Laches Antwort. V. Plut. in Alcib. [s. Spalte 3 zu W1 Anm. 18] 14 klug] über weise 15 seid] sd
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denke ich, eigen, Verwegenheit aber und Kühnheit und furchtloses Wesen mit Unvorsichtigkeit gar vielen Männern sowohl als Frauen und Kindern und Thieren. Das also, was du mit den Meisten tapfer nennst, nenne ich nur kühn, tapfer aber nur, was verständig ist in der Art wie ich sagte. | LACH. Nun sieh nur, o Sokrates, wie schön er sich selbst, seiner Meinung nach, durch seine Rede schmükt, denen aber Alle zugestehen daß sie tapfer sind, die untersteht er sich dieser Ehre zu berauben. NIK. Ganz und gar nicht, o Laches! sei gutes Muthes; denn ich behaupte eben, daß du klug bist, und Lamachos wohl auch18, weil ihr ja tapfer seid und noch verschiedene andere Athener. LACH. Ich werde nichts hierauf sagen, obschon ich könnte, damit du nicht etwa sagen mögest, ich wäre
denke ich; Verwegenheit aber und Kühnheit und furchtloses Wesen mit Unvorsichtigkeit bei gar vielen Männern sowohl als Frauen und Kindern und Thieren. Das also, was du mit den Meisten tapfer nennst, nenne ich nur kühn, tapfer aber nur, was verständig ist in der Art wie ich sagte. LACH. Nun sieh nur, o Sokrates, wie schön dieser sich selbst, seiner Meinung nach, durch seine Erklärung schmükt, denen aber Alle zugestehen daß sie tapfer sind, die untersteht er sich dieser Ehre zu berauben. NIK. Ganz und gar nicht, o Laches! sei gutes Muthes; denn ich behaupte eben, daß du klug bist, und Lamachos wohl auch12, weil ihr ja tapfer seid und noch verschiedene andere Athener. LACH. Ich werde nichts hierauf sagen, obschon ich könnte, damit du nicht etwa sagen mögest, ich wäre
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und Lamachos wohl auch. Lamachos ward unter andern mit Nikias und Alkibiades zugleich zum Heerführer im Syrakusischen Kriege gewählt, bei welcher Gelegenheit Plutarchos von ihm sagt, er sei ohnerachtet des weit höheren Alters nicht minder hizig und gefahrliebend gewesen als Alkibiades, nur habe es ihm vorzüglich seiner Dürftigkeit wegen an dem gehörigen Ansehn gefehlt.
T Anm. 18 33 züglich W1
und Lamachos wohl auch. Lamachos ward unter andern mit Nikias und Alkibiades zugleich zum Heerführer im Syrakusischen Kriege gewählt, bei welcher Gelegenheit Plutarchos von ihm sagt, er sei ohnerachtet des weit höheren Alters nicht minder hizig und gefahrliebend gewesen als Alkibiades, nur habe es ihm vorzüglich seiner Dürftigkeit wegen an dem gehörigen Ansehn gefehlt.
vorzüglich] verdruckt ver-
S Anm. 18 Plutarch: Alkibiades 18,2 (200b) und 21,9 (202c); vgl. auch Plutarch: Nikias 12,5 (531d) und 15,1 (533a-b).
T Anm. 12 27 unter] verdruckt untern W2 S Anm. 12 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 18.
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ὡς ἀληθῶς Αἰξωνέα εἶναι. ΣΩ. Μηδέ γε εἴπῃς, ὦ Λάχης. καὶ γάρ μοι δοκεῖς οὐδὲ μὴ ᾐσθῆσθαι ὅτι ὅδε ταύτην τὴν σοφίαν παρὰ Δάμωνος τοῦ ἡμετέρου ἑταίρου παρείληφεν· ὁ δὲ Δάμων τῷ Προδίκῳ πολλὰ πλησιάζει, ὃς δὴ δοκεῖ τῶν σοφιστῶν κάλλιστα τὰ τοιαῦτα ὀνόματα διαιρεῖν. ΛΑ. Καὶ γὰρ πρέπει, ὦ Σώκρατες, σοφιστῇ τὰ τοιαῦτα μᾶλλον κομψεύεσθαι, ἢ ἀνδρὶ ὃν ἡ πόλις ἀξιοῖ αὑτῆς προϊστάναι. ΣΩ. Πρέπει μέντοι, ὦ μακάριε, τῶν μεγίστων προστατοῦντι, μεγίστης φρονήσεως μετέχειν. δοκεῖ δέ μοι
Erster Entwurf (handschriftlich)
mir sagst ich sei ein rechter Aixoneer. S o k r. Sage auch nur ja nichts o Laches. Denn mich dünkt du merkst noch gar nicht daß Nikias alle diese Weisheit von unserm Freunde Damon überkommen hat; Damon aber hat vielen Umgang mit dem Prodikos welcher dafür gilt unter allen Sophisten am besten solche Worte in ihren Bedeutungen zu bestimmen. (unterscheiden) L a c h . Ja wohl, o Sokrates, ziemt es auch mehr einem Sophisten sich mit solchen Dingen zu rühmen als einem Mann den die Stadt werth achtet daß er ihr vorstehe. S o k r. Doch ziemt es sich wol o Laches daß der dem das größte anvertraut wird auch die größte Weisheit besize. Und mich dünkt es verdient wol näher betrachtet zu
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 1 Übers.A (verl.) in SN 158/3: Αἰξωνέα. „Ein g a n z e r Aix.“ ist sehr glüklich übersezt. Was aber mag doch Ruhnkenius wollen im Timäus, voce αἰξωνεύεσθαι „jocus vulgo non animadversus“? Kornar hat ja alles ganz ehrlich angezeigt. Oder hat Ruhnkenius noch etwas i n p e t t o ? 5 Übers.A (verl.) in SN 158/3: Δάμωνος Ist das derselbe von 180. d.? T1 ein rechter Aixoneer] ein ganzer Aixoneer Übers.A (verl.) aus Spld. (SN 158/3), vgl. W1 8 in ihren Bedeutungen] in ihren Bedeutungen zu über der Zeile mit Einfügungszeichen, dadurch versehentlich zweimal zu 17 es] über Nikias S Spld. zu Übers.A (verl.) (Z. 1): Timaei Sophistae Lexicon Vocum Platonicarum [...] edidit, atque animadversionibus illustravit David Ruhnkenius, 2. Aufl., Leiden 1789, S. 15; Platonis [...] Latina lingua conscripta. Eiusdem Iani Cornarii Eclogae decem, breviter et sententiarum, et genuinae verborum lectionis, locos selectos complectentes. [...], Basel 1561, Ecloga Quinta, S. 410: [...] Significat autem vox αἰξωνεύς et Aexonensem et maledicum. Nam Aexonenses ut maledici a comicis poetis exagitantur. | Spld. zu Übers.A (verl.) (Z. 5): Siehe oben zu S. 900,5f. Vgl. Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 348, Notat 18.
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ein ganzer Aixoneer19. SOK. Sage auch nur ja nichts, o Laches. Denn mich dünkt, du merkst noch gar nicht, daß Nikias diese Weisheit von unserem Freunde Damon überkommen hat; Damon aber ist sehr genau bekannt mit dem Prodikos, welcher dafür gilt am besten unter allen Sophisten die Bedeutung solcher Worte zu bestimmen. LACH. Ja wohl, o Sokrates, ziemt es auch besser einem Sophisten sich mit solchen Dingen zu rühmen, als einem Manne, den die Stadt werth achtet ihr vorzustehen. SOK. Das aber ziemt sich doch auch, du Stolzer, daß der, dem das größte anvertraut wird, auch die größte Weisheit besize. Mich dünkt daher, es verdient wohl näher erwo-
ein rechter Aixoneer13. SOK. Sage auch nur ja nichts, o Laches. | Denn mich dünkt, du merkst noch gar nicht, daß Nikias diese Weisheit von unserem Freunde Damon überkommen hat; Damon aber ist sehr genau bekannt mit dem Prodikos, welcher dafür gilt am besten unter allen Sophisten solche Wörter zu unterscheiden.
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S Anm. 19 Vgl. Scholion z. St. S. 94 f. Ruhnken (= S. 118 Greene; S. 179 f. Cufalo).
S Anm. 13 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 19.
e i n g a n z e r A i x o n e e r . Diese Zunft stand in dem Rufe spiziger und spöttischer Reden.
LACH. Ja wohl, o Sokrates, ziemt es auch besser einem Sophisten sich mit solchen Dingen zu rühmen, als einem Manne, den die Stadt werth achtet ihr vorzustehen. SOK. Das aber ziemt sich doch auch, du Stolzer, daß der, dem das größte anvertraut wird, auch die größte Weisheit besize. Mich dünkt daher, es verdient wohl näher erwoe i n r e c h t e r A i x o n e e r . Diese Zunft stand in dem Rufe spiziger und spöttischer Reden.
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Νικίας ἄξιος εἶναι ἐπισκέψεως, ὅποι ποτὲ βλέπων τοὔνομα τοῦτο τίθησι τὴν ἀνδρίαν. ΛΑ. Αὐτὸς τοίνυν σκόπει, ὦ Σώκρατες. ΣΩ. Τοῦτο μέλλω ποιεῖν, ὦ ἄριστε. μὴ μέντοι με οἴου ἀφήσειν σε τῆς κοινωνίας τοῦ λόγου, ἀλλὰ πρόσεχε τὸν νοῦν, καὶ συ σκόπει τὰ λεγόμενα. ΛΑ. Ταῦτα δὲ ἔστω, εἰ δοκεῖ χρῆναι. ΣΩ. Ἀλλὰ δοκεῖ. σὺ δέ, Νικία, λέγε ἡμῖν πάλιν ἐξ ἀρχῆς, οἶσθ᾽ ὅτι τὴν ἀνδρίαν κατ᾽ ἀρχὰς τοῦ λόγου ἐσκοποῦμεν, ὡς μέρος ἀρετῆς σκοποῦντες. ΝΙ. Πάνυ γε. ΣΩ. Οὐκοῦν καὶ σὺ τοῦτο ἀπεκρίνω ὡς μόριον, ὄντων δὴ καὶ ἄλλων μερῶν, ἃ ξύμπαντα ἀρετὴ κέκληται;
werden worauf Nikias eigentlich sieht, wenn er dieses Wort, die Tapferkeit so bestimmt.
ΝΙ. Πῶς γὰρ οὔ; ΣΩ. Ἆρ᾽ οὖν ἅπερ ἐγώ, καὶ σὺ ταῦτα λέγεις; ἐγὼ δὲ καλῶ πρὸς ἀνδρίᾳ σωφροσύνην, καὶ δικαιοσύνην, καὶ ἄλλ᾽ ἄττα τοιαῦτα. οὐ καὶ σύ; ΝΙ. Πάνυ μὲν οὖν. ΣΩ. Ἔχε δή. ταῦτα μὲν γὰρ
N i k . Wie anders? S o k r. Meinst du auch wol dieselbigen die ich meine? Ich meine nemlich außer der Tapferkeit noch die Besonnenheit und die Gerechtigkeit und einiges anderes dergleichen. Du nicht auch?
L a c h . Untersuche du es also allein o Sokrates. S o k r. Das will ich thun o Bester. Glaube jedoch nicht daß ich dich losgeben werde aus der Gemeinschaft, sondern merke wol auf und betrachte auch du was gesagt wird. L a c h . Das soll geschehen wenn es dich nöthig zu sein dünkt. S o k r. So dünkt es. Du aber o Nikias sage uns noch einmal von | Anfang. Du weißt doch daß wir vom Anfang unser Rede an nach der Tapferkeit fragten als nach einem Theile der Tugend. N i k . Allerdings freilich wohl. S o k r. Hast du nun auch in diesem Sinne geantwortet als wäre sie ein Theil so daß es noch andere Theile giebt, welche sämtlich Tugend genannt werden?
N i k . Allerdings. S o k r. Komm also. Hierüber wären wir ei-
T 1 werden] über der Zeile mit Einfügungszeichen | Nikias] über vermutlich er mit Einfügungszeichen 7 losgeben] korr. aus los lassen 15 nach1] über die 20 sämtlich] über zusammen die 25 Besonnenheit] über Mäßigung 29 Komm] über Gut | wären] über sind S 1 Nikias] Vgl. Schleiermachers Notizen „Zum Platon“ (Vermutlich 1801-1803): KGA I/3, S. 347 f., Notat 18.
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gen zu werden, worauf doch Nikias eigentlich geht bei seiner Erklärung dieses Wortes der Tapferkeit.
gen zu werden, worauf doch Nikias eigentlich geht bei seiner Erklärung dieses Wortes der Tapferkeit.
LACH. So untersuche du es denn selbst, o Sokrates. SOK. Das will ich so eben thun, o Bester. Glaube jedoch nicht, daß ich dich losgeben werde aus der Gemeinschaft der Rede, sondern | merke wohl auf und bedenke auch du was gesagt wird. LACH. Das soll geschehen sofern du es nöthig findest. SOK. So finde ich es allerdings. Du aber, Nikias, sage uns noch einmal von Anfang an. Du weißt doch, daß wir im Anfang unsers Gesprächs nach der Tapferkeit fragten, als nach einem Theile der Tugend? NIK. Sehr gut. SOK. Also auch du hast in diesem Sinne geantwortet, als wäre sie ein Theil, so daß es noch andere Theile giebt, welche sämmtlich Tugend genannt werden. NIK. Wie sonst? SOK. Meinst auch du wohl dieselben die ich meine? Ich nenne nämlich außer der Tapferkeit auch noch die Besonnenheit, und die Gerechtigkeit und einige Andere dergleichen. Nicht auch du? NIK. Allerdings. SOK. Halt also; hierüber wären wir
LACH. So untersuche du es denn selbst, o Sokrates. SOK. Das will ich so eben thun, o Bester. Glaube jedoch nicht, daß ich dich losgeben werde aus der Gemeinschaft der Rede, sondern merke wohl auf und erwäge mit was gesagt wird. LACH. Das soll geschehen sofern du es nöthig findest. SOK. So finde ich es allerdings. Du aber, Nikias, sage uns noch einmal von Anfang an. Du weißt doch, daß wir im Anfang unsers Gesprächs nach der Tapferkeit fragten, als nach einem Theile der Tugend? NIK. Sehr gut. SOK. Also auch du hast dieses so beantwortet als einen Theil, so daß es noch andere Theile giebt, welche insgesammt Tugend genannt werden. NIK. Wie sonst? | SOK. Meinst auch du wohl dieselben die ich meine? Ich nenne nämlich außer der Tapferkeit auch noch die Besonnenheit, und die Gerechtigkeit und einige Andere dergleichen. Nicht auch du? NIK. Allerdings. SOK. Halt also; denn hierüber wären
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ὁμολογοῦμεν. περὶ δὲ τῶν δεινῶν καὶ θαρραλέων σκεψώμεθα, ὅπως μὴ σὺ μὲν ἄλλ᾽ ἄττα ἡγῇ, ἡμεῖς δὲ ἄλλα. ἃ μὲν οὖν ἡμεῖς ἡγούμεθα, φράσομέν σοι· σὺ δὲ ἂν μὴ ὁμολογῇς, διδάξεις. ἡγούμεθα δ᾽ ἡμεῖς δεινὰ μὲν εἶναι ἃ καὶ δέος παρέχει· θαρραλέα δέ, ἃ μὴ δέος παρέχει. δέος δὲ παρέχει οὐ τὰ γεγονότα οὐδὲ τὰ παρόντα τῶν κακῶν, ἀλλὰ τὰ προσδοκώμενα. δέος γὰρ εἶναι προσδοκίαν μέλλοντος κακοῦ. ἢ οὐχ οὕτω δοκεῖ καί σοι, ὦ Λάχης;
nig, Aber das Furchtbare und Unbedenkliche laß uns betrachten ob du auch nicht etwas anderes darunter verstehst, und wir wieder etwas anderes. Was nun wir darunter verstehen wollen wir dir anzeigen, wenn aber du nicht einig damit bist wirst du uns belehren. Wir nemlich halten das für furchtbar, was Furcht macht, für unbedenklich aber das, was keine Furcht macht. Furcht aber machen weder die vergangenen noch die gegenwärtigen Uebel sondern die bevorstehenden. Denn Furcht ist die Erwartung eines künftigen Uebels. Oder dünkt es so nicht auch dir o Laches?
ΛΑ. Πάνυ γε σφόδρα, ὦ Σώκρατες. ΣΩ. Τὰ μὲν ἡμέτερα τοίνυν, ὦ Νικία, ἀκούεις, ὅτι δεινὰ μὲν τὰ μέλλοντα κακὰ φαμὲν εἶναι· θαρραλέα δέ, τὰ μὴ κακὰ ἢ ἀγαθὰ μέλλοντα. σὺ δὲ ταύτῃ ἢ ἄλλῃ περὶ τούτων λέγεις; ΝΙ. Ταύτῃ ἔγωγε. ΣΩ. Τούτων δέ γε τὴν ἐπιστήμην, ἀνδρίαν προσαγορεύεις; ΝΙ. Κομιδῇ γε. ΣΩ. Ἔτι δὴ τὸ τρίτον σκεψώμεθα εἰ ξυνδοκεῖ σοί τε καὶ ἡμῖν. ΝΙ. Τὸ ποῖον δὴ τοῦτο; ΣΩ. Ἐγὼ δὴ φράσω. δοκεῖ γὰρ δὴ ἐμοί τε καὶ τῷδε, περὶ ὅσων ἐστὶν ἐπιστήμη,
L a c h . Gar sehr o Sokrates.
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S o k r. Das unsrige also o Nikias hörst du, daß wir sagen künftige Uebel wären furchtbar unbedenklich aber das künftige was nicht übel ist oder gut. Du aber erklärst du dich eben so oder anders hierüber?
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N i k . Eben so ich. S o k r. Und hievon nennst du die Erkentniß Tapferkeit? N i k . Ganz recht. S o k r. Nun laß uns auch noch das dritte sehn ob du darin gleicher Meinung bist mit uns. N i k . Was doch ist dieses? S o k r. Ich will es dir sagen. Ich nemlich und dieser wir sind der Meinung daß wovon
T 1 Furchtbare] über Gefährliche 7f furchtbar] korr. aus fürch terlich 11f bevorstehenden] über erwarteten 17f sagen künftige Uebel wären furchtbar unbedenklich] korr. und umgestellt aus für furchtbar [korr. aus fürcht erlich ] halten das künftige [korr. aus die künftigen] Uebel für unbedenklich 24 Ganz recht] davor Offenbar
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einig. Aber wegen des Furchtbaren und des Unbedenklichen, laß uns betrachten, ob du auch nicht darunter etwas Anderes verstehst als wir. Was nun wir darunter verstehen, wollen wir dir anzeigen, wenn aber du nicht einig damit bist, wirst du uns davon belehren. Wir nämlich halten das für furchtbar was Furcht macht, für unbedenklich aber das, was keine Furcht macht, Furcht aber machen weder die vergangenen Uebel noch die gegenwärtigen, sondern die, welche erwartet werden; denn Furcht ist die Erwartung eines bevorstehenden Uebels. Oder dünkt es eben so nicht auch dich, o Laches? LACH. Gar sehr eben so, o Sokrates. | SOK. Das unsrige also, o Nikias, hörst du daß wir sagen: künftige Uebel wären das Furchtbare, das Unbedenkliche aber wäre dasjenige Zukünftige was entweder nicht übel ist, oder gut. Du aber, erklärst du dich eben so oder anders hierüber? NIK. Eben so ich. SOK. Und die Erkenntniß hievon nennst du Tapferkeit?
wir einig, aber wegen des furchtbaren und des unbedenklichen, laß uns zusehen, damit nicht etwa du darunter etwas Anderes verstehst und wir wieder etwas anderes. Was nun wir darunter verstehen, wollen wir dir anzeigen, wenn aber du nicht einig damit bist, wirst du uns davon belehren. Wir nämlich halten das für gefährlich was Furcht macht, für unbedenklich aber das, was keine Furcht macht, Furcht aber machen weder die vergangenen Uebel noch die gegenwärtigen, sondern die, welche erwartet werden; denn Furcht ist die Erwartung eines bevorstehenden Uebels. Oder dünkt es eben so nicht auch dich, o Laches? LACH. Gar sehr eben so, o Sokrates. SOK. Das unsrige also, o Nikias, hörst du, daß wir sagen: künftige Uebel wären das gefährliche, das unbedenkliche aber wäre dasjenige Zukünftige was entweder nicht übel ist, oder gut. Du aber, erklärst du dich eben so oder anders hierüber? NIK. Eben so ich. SOK. Und die Erkenntniß hievon nennst du Tapferkeit?
NIK. Ganz recht. SOK. Nun laß uns auch noch das dritte sehn, ob du auch darin gleicher Meinung bist mit uns. NIK. Was doch ist dieses? SOK. Ich will es dir sagen. Es dünkte nämlich mich und diesen, daß wovon immer es eine Erkenntniß
NIK. Ganz recht. SOK. Nun laß uns auch noch das dritte sehn, ob du darin gleicher Meinung bist mit uns. NIK. Was doch ist dieses? SOK. Ich will es dir sagen. Es dünkte | nämlich mich und diesen, daß wovon immer es eine Erkenntniß
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οὐκ ἄλλη μὲν εἶναι περὶ γεγονότος, εἰδέναι ὅπη γέγονεν· ἄλλη δὲ περὶ γιγνομένων, ὅπη γίγνεται· ἄλλη δέ, ὅπη ἂν κάλλιστα γένοιτο καὶ γενήσεται τὸ μήπω γεγονός· ἀλλ᾽ ἡ αὐτή. οἷον περὶ τὸ ὑγιεινὸν εἰς ἅπαντας τοὺς χρόνους, οὐκ ἄλλη τὶς ἢ ἰατρική, μία οὖσα, ἐφορᾷ καὶ γιγνόμενα καὶ γεγονότα, καὶ γενησόμενα, ὅπη γενήσεται. καὶ περὶ τὰ ἐκ τῆς γῆς αὖ φυόμενα ἡ γεωργία ὡσαύτως ἔχει. καὶ δή που τὰ περὶ τὸν πόλεμον αὐτοὶ ἂν μαρτυρήσαιτε ὅτι ἡ στρατηγία κάλλιστα προμηθεῖται, τά τε ἄλλα καὶ περὶ τὸ μέλλον ἔσεσθαι. οὐδὲ τῇ μαντικῇ οἴεται δεῖν ὑπηρετεῖν, ἀλλὰ ἄρχειν, ὡς εἰδυῖα κάλλιον τὰ περὶ τὸν πόλεμον καὶ γιγνόμενα καὶ γενησόμενα· καὶ ὁ νόμος οὕτω τάττει, μὴ τὸν μάντιν τοῦ στρατηγοῦ ἄρχειν, ἀλλὰ τὸν στρατηγὸν τοῦ μάντεως. φήσομεν ταῦτα, ὦ Λάχης;
es immer eine Erkentniß giebt, davon giebt es nicht eine eigne von dem was geschehen ist zu wissen wie es geschehen ist und wieder eine eigne von dem was geschieht, wie es geschieht und noch eine andere wie das am besten geschehen könnte was noch nicht geschehen ist, sondern nur eine und dieselbe. Zum Beispiel was die Gesundheit betrift da bestimmt für alle Zeiten keine andere als die Arzneikunst die nur eine ist, das geschehende sowohl als das geschehene und das was geschehen wird, wie es geschehen wird. Und gegen das was aus der Erde wächst verhält sich die Kunst des Ackerbaues eben so. Ja was den Krieg betrifft da könnt ihr selbst bezeugen daß die Kriegskunst am besten bedenkt nicht nur das andere sondern auch das was geschehen wird. So daß sie auch der Wahrsagerkunst nicht glaubt dienen sondern befehlen zu müssen als besser verstehend was in Beziehung auf den Krieg geschieht und geschehen wird. Auch das Gesez verordnet es so daß nicht der Wahrsager dem Heerführer gebiete, sonder der Heerführer dem Wahrsager. Wollen wir das behaupten o Laches?
ΛΑ. Φήσομεν. ΣΩ. Τί δέ; σὺ ἡμῖν, ὦ Νικία, ξυμφῄς; περὶ τῶν αὐτῶν τὴν αὐτὴν ἐπιστήμην καὶ ἐσομένων καὶ γιγνομένων καὶ γεγονότων ἐπαΐειν;
L a c h . Wir behaupten es. S o k r. Wie aber du o Nikias? stimmst du uns bei, daß in Beziehung auf | dieselben Dinge auch dieselbe Erkentniß das was sein wird und auch das werdende und gewordene verstehe?
20f ἔσεσθαι. οὐδὲ] ἔσεσθαι, οὐδὲ Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. W2
T 1 davon] korr. aus des 2 nicht eine] über keine 6 geschehen] über werden 7 sondern] danach es ist 21 was] über der Zeile ohne Einfügungszeichen 21f Beziehung] über Absicht 22 geschieht] davor was 24 Heerführer] über Feldherrn 25 Heerführer] über Feldherr
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giebt, davon gebe es nicht eine eigne für das was geschehen ist zu wissen wie es geschah, und wieder eine eigne für das was geschieht, wie es geschieht, und noch eine andere wie das am besten wirklich werden und geschehen könnte was noch nicht geworden ist, sondern es gebe nur eine und dieselbe. Zum Beispiel was die Gesundheit anbetrifft übersieht für alle Zeiten keine andere als die Arzneikunst, die doch nur Eine Erkenntniß ist, das geschehende sowohl als das geschehene, und das was geschehen wird wie es geschehen wird. Und gegen das was aus der Erde wächst, verhält sich die Kunst des Landbaues eben so. Und gar was den Krieg betrifft könnt ihr selbst bezeugen, daß die Kriegskunst am besten nicht nur das übrige bedenkt, sondern auch das was geschehen wird. So daß sie auch der Kunst des Wahrsagers nicht glaubt dienen sondern befehlen zu müssen, weil sie nämlich besser versteht was in Beziehung auf den Krieg geschieht und gesche|hen wird. Eben so verordnet auch das Gesez, daß nicht der Wahrsager dem Heerführer befehle, sondern der Heerführer dem Wahrsager. Wollen wir dies behaupten, o Laches? LACH. Wir wollen. SOK. Wie aber du, o Nikias? stimmst du uns bei, daß in Beziehung auf dieselben Dinge auch dieselbe Erkenntniß sowohl das was sein wird als auch das werdende und gewordene verstehe?
giebt, davon gebe es nicht eine eigne für das was geschehen ist zu wissen wie es geschah, und wieder eine eigne für das was geschieht, wie es geschieht, und noch eine andere wie das am besten wirklich werden und geschehen könnte was noch nicht geworden ist, sondern eine und dieselbe. Zum Beispiel was die Gesundheit anbetrifft übersieht für alle Zeiten keine andere als die Arzneikunst, die Eine ist, das geschehende sowohl als das geschehene, und das was geschehen wird wie es geschehen wird. Und gegen das was aus der Erde wächst, verhält sich die Kunst der Landwirthschaft eben so. Und gar was den Krieg betrifft könnt ihr selbst bezeugen, daß die Kriegskunst am besten nicht nur das übrige bedenkt, sondern auch das was geschehen wird, und daß sie auch der Kunst des Wahrsagers nicht glaubt dienen sondern befehlen zu müssen, weil sie nämlich besser versteht was in Beziehung auf den Krieg geschieht und geschehen wird. Eben so verordnet auch das Gesez, daß nicht der Wahrsager dem Heerführer befehle, sondern der Heerführer dem Wahrsager. Wollen wir dies behaupten, o Laches? LACH. Wir wollen. SOK. Wie aber du, o Nikias? stimmst du uns bei, daß in Beziehung auf dieselben Dinge auch dieselbe Erkenntniß sowohl das was sein wird als auch das werdende und gewordene verstehe?
S 22 wird, und] nach Bekker wie Spalte 1 App.
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ΝΙ. Ἔγωγε. δοκεῖ γάρ μοι οὕτως, ὦ Σώκρατες. ΣΩ. Οὐκοῦν, ὦ ἄριστε, καὶ ἡ ἀνδρία, τῶν δεινῶν ἐπιστήμη ἐστὶ καὶ θαρραλέων, ὡς φῄς; ἦ γάρ; ΝΙ. Ναί. ΣΩ. Τὰ δὲ δεινὰ ὡμολόγηται, καὶ τὰ θαρραλέα, τὰ μέν, μέλλοντα ἀγαθά, τὰ δέ, μέλλοντα κακὰ εἶναι. ΝΙ. Πάνυ γε. ΣΩ. Ἡ δέ γ᾽ αὕτη ἐπιστήμη τῶν αὐτῶν καὶ μελλόντων καὶ πάντως ἐχόντων εἶναι.
N i k . Ich stimme ein denn so dünkt es mich ebenfalls o Sokrates. S o k r. Also o Bester auch hier: Die Tapferkeit ist die Erkentniß des Fürchterlichen und des Unbedenklichen, wie du sagst. Nicht wahr? N i k . Ja. S o k r. Das Furchtbare aber und das Unbedenkliche waren wir übereingekommen sei dieses das künftige Gute, jenes das künftige Uebel. N i k . Freilich so. S o k r. Denn auch daß es nur eine Erkentniß derselben Dinge gebe sie mögen künftig sein oder sich anders wie verhalten.
ΝΙ. Ἔστι ταῦτα. ΣΩ. Οὐ μόνον ἄρα τῶν δεινῶν καὶ θαρραλέων ἡ ἀνδρία ἐπιστήμη ἐστίν. οὐ γὰρ μελλόντων μόνον περὶ τῶν ἀγαθῶν τε καὶ κακῶν ἐπαΐει, ἀλλὰ καὶ γιγνομένων καὶ γεγονότων, καὶ πάντως ἐχόντων, ὥσπερ αἱ ἄλλαι ἐπιστῆμαι. ΝΙ. Ἔοικε. ΣΩ. Μέρος ἄρα ἀνδρίας ἡμῖν, ὦ Νικία, ἀπεκρίνω σχεδόν τι τρίτον· καίτοι ἡμεῖς ἠρωτῶμεν ὅλην ἀνδρίαν ὅ, τι εἴη. καὶ νῦν δέ, ὡς ἔοικε, κατὰ τὸν σὸν λόγον, οὐ μόνον δεινῶν τε καὶ θαρραλέων ἐπιστήμη ἡ ἀνδρία ἐστίν, ἀλλὰ σχεδόν τι ἡ περὶ
N i k . So ist es. S o k r. Nicht also allein des Furchtbaren und Unbedenklichen Erkentniß ist die Tapferkeit. Denn nicht auf die künftigen Güter und Uebel versteht sie sich, sondern auch auf die welche da sind und gewesen sind und wie sie sich immer verhalten mögen, eben wie die übrigen Erkenntnisse. N i k . So sieht es aus. S o k r. Also ohngefähr den dritten Theil der Tapferkeit hast du uns in deiner Antwort angegeben o Nikias obgleich wir nach der ganzen Tapferkeit fragten was sie wäre. Und auch jezt wie es scheint ist nach deiner Rede die Tapferkeit nicht nur die Erkentniß des Furchtbaren und des Unbedenklichen;
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 13f Übers.A (verl.) in SN 158/3: Sie lesen wol αὐτὴ ἐπιστήμη statt αὕτη ἐπ? So scheint’s mir auch.
13 αὕτη] αὐτὴ konj. Ph. Guil. van Heusde (Specimen Criticum in Platonem, 1803, S. 125 f.) Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 80 [294,15], übersetzt SN 158/1 W1 W2, vgl. Spld. (SN 158/3)
T 3 hier:] über der Zeile ohne Einfügungszeichen 10 dieses] korr. aus jenes 13 es nur eine] es anscheinend nachträglich über der Zeile ohne Einfügungszeichen hinzugefügt, dann nur eine über dieselbe 23 übrigen] über andern S Spld. Vgl. Spalte 1 App.
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NIK. Ich stimme ein, denn es dünkt mich so, o Sokrates. SOK. Also auch hier, o Bester. Die Tapferkeit ist die Erkenntniß des Furchtbaren und des Unbedenklichen, wie du behauptest. Nicht wahr? NIK. Ja. SOK. Das Furchtbare aber und das Unbedenkliche war uns auch einstimmig dieses das künftige Gute, jenes das künftige Uebel. NIK. Ganz recht. SOK. Und daß es nur eine und dieselbe Erkenntniß gebe für einerlei Dinge, sie mögen nun künftig sein oder sich sonst wie verhalten? NIK. So ist es. SOK. Nicht also allein des Furchtbaren und des Unbedenklichen Erkenntniß ist die Tapferkeit. Denn nicht nur auf die künftigen Güter und Uebel versteht sie sich, sondern auch auf die, welche da sind und gewesen sind, und wie sie sich immer verhalten mögen, eben wie die übrigen Erkenntnisse. NIK. So sieht es aus. SOK. Also etwa den dritten Theil der Tapferkeit, o Nikias, hast du uns angegeben in deiner Antwort, da wir doch nach der ganzen Tapferkeit fragten was sie wäre. Und auch jezt wie | es scheint ist nach deiner Rede die Tapferkeit nicht nur die Erkenntniß des Furchtbaren und Unbedenklichen, sondern überhaupt
NIK. Ich stimme ein, denn es dünkt mich so, o Sokrates. SOK. Also, o Bester, auch die Tapferkeit ist die Erkenntniß des gefährlichen und des unbedenklichen, wie du behauptest. Nicht wahr? NIK. Ja. | SOK. Das gefährliche aber und das unbedenkliche war uns auch einstimmig dieses das künftige Gute, jenes das künftige Uebel. NIK. Ganz recht. SOK. Und daß es nur eine und dieselbe Erkenntniß gebe für einerlei Dinge, sie mögen nun künftig sein oder sich sonst wie verhalten? NIK. So ist es. SOK. Nicht also allein des gefährlichen und des unbedenklichen Erkenntniß ist die Tapferkeit. Denn nicht nur auf die künftigen Güter und Uebel versteht sie sich, sondern auch auf die, welche da sind und gewesen sind, und wie sie sich immer verhalten mögen, eben wie die übrigen Erkenntnisse. NIK. So sieht es aus. SOK. Also etwa ein Drittheil der Tapferkeit, o Nikias, hast du uns angegeben in deiner Antwort, da wir doch nach der ganzen Tapferkeit fragten was sie sei. Und auch jezt wie es scheint ist nach deiner Rede die Erkenntniß nicht nur des gefährlichen und unbedenklichen, sondern überhaupt die Erkenntniß
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πάντων ἀγαθῶν τε καὶ κακῶν, καὶ πάντως ἐχόντων (ὡς νῦν αὖ ὁ σὸς λόγος) ἀνδρία ἂν εἴη. οὕτως αὖ μετατίθεσαι; ἢ πῶς λέγεις, ὦ Νικία; ΝΙ. Ἔμοιγε δοκεῖ, ὦ Σώκρατες. ΣΩ. Δοκεῖ οὖν σοι, ὦ δαιμόνιε, ἀπολείπειν ἄν τι ὁ τοιοῦτος ἀρετῆς, εἴπερ εἰδείη τά τε ἀγαθὰ πάντα καὶ παντάπασιν ὡς γίγνεται, καὶ γενήσεται, καὶ γέγονε, καὶ τὰ κακὰ ὡσαύτως; καὶ τοῦτον οἴει σὺ ἐνδεᾶ εἶναι σωφροσύνης, ἢ δικαιοσύνης τε καὶ ὁσιότητος, ᾧ γε μόνῳ προσήκει καὶ περὶ θεοὺς καὶ περὶ ἀνθρώπους ἐξευλαβεῖσθαί τε τὰ δεινὰ καὶ τὰ μή, καὶ τἀγαθὰ πορίζεσθαι, ἐπισταμένῳ ὀρθῶς προσομιλεῖν; ΝΙ. Λέγειν τὶ, ὦ Σώκρατες, μοὶ δοκεῖς. ΣΩ. Οὐκ ἄρα, ὦ Νικία, μόριον ἀρετῆς ἂν εἴη τὸ νῦν σοὶ λεγόμενον, ἀλλὰ σύμπασα ἀρετή. ΝΙ. Ἔοικε. ΣΩ. Καὶ μὴν ἔφαμέν γε τὴν ἀνδρίαν μόριον εἶναι ἓν τῶν τῆς ἀρετῆς. ΝΙ. Ἔφαμεν γάρ.
Erster Entwurf (handschriftlich)
sondern fast alles Guten und Uebeln wie sich auch jedes verhalte, Erkentniß wäre wie deine jezige Rede lautet Tapferkeit. Sezest du so deine Meinung um? oder was meinst du o Nikias.
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N i . Mich dünkt es so o Sokrates. S o k r. Dünkt dir denn aber o wunderlicher dem noch irgendetwas an der Tugend zu fehlen welcher Erkentniß hätte von allen Gütern überall wie sie entstehen und entstehen können und entstanden sind und eben so auch von den Uebeln? Und glaubst du daß derjenige noch irgend der Besonnenheit oder der Gerechtigkeit oder der Frömmigkeit bedürfe welchem doch allein zu kommt in Beziehung auf Götter sowol als auf Menschen das furchtbare zu vermeiden, das aber was es nicht oder was gut ist darzureichen indem er weiß richtig mit ihnen umzugehn?
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N i k . Dies scheint mir etwas gesagt zu sein o Sokrates. S o k r. Nicht also o Nikias ein Theil der Tugend wäre das jezt von dir beschriebene, sondern die gesammte Tugend.
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N i k . So sieht es aus. S o k r. Wir aber behaupteten doch die Tapferkeit wäre nur einer von den Theilen der Tugend. N i k . Das behaupteten wir freilich.
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Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 14f Übers.A (verl.) in SN 158/3: ὁσιότητος „Frömmigkeit“ „Heiligkeit“. F r ö m m . muß wol bleiben für εὐσέβεια. ὅσιον ist, was man thun darf. Wer also nichts anders als Erlaubtes jemal thut, der besizt Heiligkeit. T 1 Uebeln] danach u. 13 Besonnenheit] über Mäßigung 27 einer] eher als eine (vgl. W1)
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aller Güter und Uebel, wie sich auch jedes verhalte, Erkenntniß würde, wie jezt wieder deine Rede lautet, Tapferkeit sein. Deutest du so wieder deine Meinung um, o Nikias, oder wie meinst du? NIK. Ich denke so, o Sokrates.
aller Güter und Uebel, wie sich auch jedes verhalte, würde, wie jezt wieder deine Rede lautet, Tapferkeit sein. So wieder umzuändern, o Nikias, oder wie meinst du?
SOK. Dünkt dich denn aber, du Wunderbarer, dem noch irgend etwas von der Tugend zu fehlen, welcher Erkenntniß hätte von allen Gütern in jeder Art, wie sie entstehen und entstehen werden und entstanden sind, und eben so auch von den Uebeln? Und derjenige glaubst du bedürfe noch irgend der Besonnenheit oder der Gerechtigkeit oder der Frömmigkeit, welchem allein schon eigen ist gegen Götter sowohl als Menschen das Furchtbare zu vermeiden, das aber was nicht furchtbar oder was gut ist ins Werk zu richten, und also zu wissen wie man sich recht gegen sie verhalten solle? NIK. Dies scheint mir etwas gesagt zu sein, o Sokrates. SOK. Nicht also ein Theil der Tugend wäre das jezt von dir beschriebene, sondern die gesammte Tugend? NIK. So sieht es aus. SOK. Wir aber behaupteten doch die Tapferkeit wäre nur eine von den Theilen der Tugend. NIK. Das behaupteten wir freilich.
SOK. Dünkt dich denn aber, du Wunderbarer, dem noch irgend etwas von der Tugend zu fehlen, welcher Erkenntniß hätte von allen Gütern in jeder Art, wie sie entstehen und entstehen werden und entstanden sind, und eben so auch von den Uebeln? Und derjenige glaubst du bedürfe noch irgend Besonnenheit oder Gerechtigkeit oder Frömmigkeit, welchem allein | schon eigen ist gegen Götter sowohl als Menschen das gefährliche zu vermeiden und das nicht solche und das gute ins Werk zu richten, und der also weiß sich recht gegen sie zu verhalten?
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NIK. Ich denke so, o Sokrates.
NIK. Dies scheint mir etwas gesagt zu sein, o Sokrates. SOK. Nicht also ein Theil der Tugend wäre das jezt von dir beschriebene, sondern die gesammte Tugend? NIK. So sieht es aus. SOK. Wir aber behaupteten doch die Tapferkeit wäre nur einer von den Theilen der Tugend. NIK. Das behaupteten wir freilich.
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ΣΩ. Τὸ δέ γε νῦν λεγόμενον οὐ φαίνεται. ΝΙ. Οὐκ ἔοικεν. ΛΑ. Οὐκ ἄρα εὑρήκαμεν, ὦ Νικία, ἀνδρία ὅ, τι ἐστίν.
S o k r. Das jezt gesagte aber ist dieses offenbar nicht. N i k . Es sieht nicht so aus. L a c h . Wir haben also nicht gefunden o Nikias was die Tapferkeit ist.38
ΝΙ. Οὐ φαινόμεθα. ΛΑ. Καὶ μὴν ἔγωγε, ὦ φίλε Νικία, ᾤμην σε εὑρήσειν, ἐπειδὴ ἐμοῦ κατεφρόνησας, Σωκράτει ἀποκριναμένου. πάνυ δὴ μεγάλην ἐλπίδα εἶχον ὡς τῇ παρὰ τοῦ Δάμωνος σοφίᾳ αὐτὴν ἀνευρήσεις. ΝΙ. Εὖ γε, ὦ Λάχης, ὅτι οὐδὲν οἴει σὺ ἔτι πρᾶγμα εἶναι, ὅτι αὐτὸς ἄρτι ἐφάνης ἀνδρίας πέρι οὐδὲν εἰδώς· ἀλλ᾽ εἰ καὶ ἐγὼ ἕτερος τοιοῦτος ἀναφανήσομαι, πρὸς τοῦτο βλέπεις. καὶ οὐδὲν ἔτι διοί-
N i k . Wir scheinen nicht. L a c h . Ich aber o lieber Nikias glaubte gewiß du werdest sie finden da du mich so weit übersahest als ich dem Sokrates antwortete und gar große Hofnung hatte ich daß vermittelst der Weisheit vom Damon her du sie finden würdest. | N i k . Wie schön o Laches daß du das für gar nichts achtest daß du selbst dich eben gezeigt hast als einer der nichts weiß von der Tapferkeit sondern nur ob auch ich ebenfalls als ein solcher erscheinen werde darauf siehst du. Und dann wie es scheint wird es 38
A (SN 158/2) Ουκ αρα ευρηκαμεν p. Ich zweifle daß dieses schon Laches sagt, und möchte es lieber dem Sokrates geben.
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 1f Übers.A (verl.) in SN 158/3: „scheint das nicht zu sein“. „Erscheint nicht so“. 12 Übers.A (verl.) in SN 158/3: εἶχον — ἀνευρήσεις l. — ἀνευρήσοις. 4f Οὐκ ἄρα εὑρήκαμεν ... ἐστίν.] dem Sokrates als Sprecher zugewiesen von Schleiermacher Anm. 38 A (vgl. Spld.) W1 Anm. 20 W2 Anm. 14 Ed.Berlin 1816 (Bekker), als Worte des Sokrates übersetzt W1 W2, vgl. auch schon Ficinus in Ed.Zweibrücken (= Ed.Berlin 1816 Bekker) 11 πάνυ δὴ] καὶ πάνυ δὴ konj. Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1784 (Bipontina), Variae lectiones, S. 353, übersetzt SN 158/1 21 βλέπεις. καὶ] βλέπεις, καὶ Ed.Berlin 1816 (Bekker), vgl. W2
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu Anm. 38 A am Zeilenende: Der Meinung bin ich auch. T 1f ist dieses offenbar nicht] scheint das nicht zu sein Übers.A (verl.) aus Spld. (SN 158/3) | erscheint nicht so Spld. (SN 158/3), vgl. W1 W2 13 Wie] über Das ist wol | Laches] über Nikias 14 achtest] über hältst | daß] zunächst gestrichen und darüber ob, dann wieder unterpungiert | selbst] über der Zeile mit Einfügungszeichen T Anm. 38 A nachträglich am Rand hinzugefügt S Anm. 38 A mit Spld. Vgl. Spalte 1 App.
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SOK. Das jezt beschriebene aber erscheint nicht so. NIK. Es sieht nicht so aus. SOK. Wir haben also nicht gefunden20, o Nikias, was die Tapferkeit ist? NIK. Wir scheinen nicht. | LACH. Ich aber, o lieber Nikias, glaubte gewiß du werdest sie finden, da du mich so weit übersahest als ich dem Sokrates antwortete. Gar große Hofnung hatte ich gewiß, daß vermittelst der Weisheit vom Damon her du sie finden würdest.
SOK. Das jezt beschriebene aber erscheint nicht so. NIK. Es sieht nicht so aus. SOK. Wir haben also nicht gefunden14, o Nikias, was die Tapferkeit ist? NIK. Wir scheinen nicht. LACH. Ich aber, o lieber Nikias, glaubte gewiß du werdest sie finden, da du mich so weit übersahest als ich dem Sokrates antwortete. Gar große Hofnung hatte ich gewiß, daß vermittelst der Weisheit vom Damon her du sie finden würdest.
NIK. Wahrlich schön, o Laches, daß du das für gar nichts rechnest, daß du selbst dich eben gezeigt hast als einen der nichts weiß von der Tapferkeit, sondern nur darauf siehst, ob auch ich ebenfalls als ein solcher erscheinen werde. Und nun wird es dir gleichgültig sein wie es scheint,
NIK. Wahrlich schön, o Laches, daß du das für gar nichts mehr rechnest, daß du selbst dich eben gezeigt hast als ein von der Tapferkeit nichts wissender, sondern nur, ob auch ich ebenfalls als ein solcher erscheinen werde, darauf siehst du, und machst dir nun nichts mehr daraus wie es
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Wir haben also nicht gefund e n . Diese dem Laches zugeschriebenen Worte habe ich, hoffentlich ohne von Jemand Widerspruch zu erfahren, dem Sokrates wiedergegeben.
Wir haben also nicht gefund e n . Diese dem Laches zugeschriebenen Worte habe ich, hoffentlich ohne von Jemand Widerspruch zu erfahren, dem Sokrates wiedergegeben.
S 21 siehst du, und] nach Bekker wie Spalte 1 App. S Anm. 20 Vgl. Spalte 1 App.
S Anm. 14 Vgl. Spalte 1 App.
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σει, ὡς ἔοικε, σοὶ μετ᾽ ἐμοῦ μηδὲν εἰδέναι ὧν προσήκει ἐπιστήμην ἔχειν ἀνδρὶ οἰομένῳ τὶ εἶναι. σὺ μὲν οὖν μοι δοκεῖς ὡς ἀληθῶς ἀνθρώπειον πρᾶγμα ἐργάζεσθαι, οὐδὲν πρὸς αὑτὸν βλέπειν, ἀλλὰ πρὸς τοὺς ἄλλους. ἐγὼ δ᾽ οἶμαι ἐμοὶ περὶ ὧν ἐλέγομεν νῦν τε ἐπιεικῶς εἰρῆσθαι, καὶ εἴτι αὐτῶν μὴ ἱκανῶς εἴρηται, ὕστερον ἐπανορθώσεσθαι, καὶ μετὰ Δάμωνος (οὗ σύ που οἴει καταγελᾷν· καὶ ταῦτα, οὐδὲ ἰδὼν πώποτε τὸν Δάμωνα) καὶ μετ᾽ ἄλλων· καὶ ἐπειδὰν βεβαιώσωμαι αὐτά, διδάξω καί σε, καὶ οὐ φθονήσω. δοκεῖς γάρ μοι καὶ μάλα σφόδρα δεῖσθαι μαθεῖν.
dir gleichgültig sein, daß wir beide nichts wissen von dem, wovon doch einem Manne der sich etwas zu sein dünkt Erkentniß zu haben geziemt. Du nun scheinst mir recht so wie die Leute pflegen zu handeln, nicht auf dich selbst sehend, sondern nur auf die andern. Ich aber glaube über das wovon die Rede war unter uns schon jezt mich leidlich erklärt zu haben, und sollte etwas davon noch nicht hinlänglich erklärt sein, so soll es in der Folge berichtigt werden mit dem Damon sowol, den du auslachen zu dürfen glaubst ohne ihn doch jemals gesehn zu haben, als auch mit Anderen. Und wenn es dann recht begründet ist will ich es auch dich lehren und es dir nicht vorenthalten. Denn du dünkst mich noch gar sehr des Lernens zu bedürfen.
ΛΑ. Σοφὸς γάρ τοι σύ, ὦ Νικία· ἀλλ᾽ ὅμως ἐγὼ Λυσιμάχῳ τῷδε καὶ Μελησίᾳ συμβουλεύω, σὲ μὲν καὶ ἐμὲ περὶ τῆς παιδείας τῶν νεανίσκων χαίρειν ἐᾷν, Σωκράτη δὲ τουτονί, ὅπερ ἐξ ἀρχῆς ἔλεγον, μὴ ἀφιέναι. εἰ γὰρ καὶ ἐμοὶ ἐν ἡλικίᾳ ἦσαν οἱ παῖδες, ταυτὰ ἂν ταῦτα ἐποίουν.
L a c h . Du freilich bist ja klug o Nikias. Doch aber gebe ich dem Lysimachos hier und dem Melesias den Rath nach dir und mir was die Erziehung der Jünglinge betrifft nicht weiter zu fragen, den Sokrates hier aber, wie ich auch gleich anfangs sagte ja nicht loszulassen. Denn wenn auch meine Knaben in diesem Alter wären würde ich dasselbige auch thun.
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 6 Übers.A (verl.) in SN 158/3: „sehend“ also βλέπων für βλέπειν? Recht so.
8 βλέπειν] βλέπων konj. Heindorf W1 Anm. 21, übersetzt SN 158/1 W1, vgl. Spld.
T 1 daß wir beide] über wenn du nur mit mir zugleich | wir beide] am Rand NB Dies ist authentische Erklärung, wie die Unentschiedenheit gemeint ist 2 wissen] korr. aus w eißt | doch] über der Zeile ohne Einfügungszeichen 13 ohne] davor und zwar | doch] über der Zeile mit Einfügungszeichen 19 klug] über weise 21 nach] über der Zeile ohne Einfügungszeichen | dir] korr. aus dich 22 mir] korr. aus mich 23 nicht weiter zu fragen] davor gehn zu lassen
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daß auch du mit mir nichts weißt von dem, wovon doch einem Manne der sich etwas zu sein dünkt Erkenntniß zu haben geziemt. Du also scheinst mir recht nach menschlicher Weise zu handeln, nicht auf dich selbst sehend21, sondern nur auf die Andern. Ich aber glaube über dasjenige wovon die Rede war schon jezt mich ganz erträglich erklärt zu haben, und sollte etwas darin noch nicht hinlänglich erklärt sein, es noch in der Folge zu berichtigen mit dem Damon sowohl, den du auslachen zu dürfen glaubst ohne ihn doch jemals gesehen zu haben, als auch mit Anderen. Und wenn ich es recht werde begründet haben will ich es auch dich lehren und es dir nicht vorenthalten, denn du dünkst mich noch gar sehr des Lernens zu bedürfen. LACH. Du freilich bist sehr klug, Nikias. Dennoch aber gebe ich dem Lysimachos hier und dem Melesias den Rath nach dir und mir, was die Erziehung der Jünglinge betrifft, nicht weiter zu fragen, sondern nur den Sokrates hier, wie ich auch gleich anfangs sagte, ja nicht loszulassen. Denn wenn meine Söhne schon | das Alter dazu hätten, würde ich dasselbige auch thun.
scheint, wenn nur mit mir, nichts zu wissen von dem, wovon doch einem Manne der sich etwas zu sein dünkt Erkennt|niß zu haben geziemt. Du also scheinst mir recht das menschliche zu thun, nicht auf dich selbst zu sehn, sondern nur auf die Andern. Ich aber glaube über dasjenige wovon die Rede war schon jezt mich ganz erträglich erklärt zu haben, und sollte etwas darin noch nicht hinlänglich erklärt sein, es noch in der Folge zu berichtigen mit dem Damon sowohl, den du auslachen zu dürfen glaubst ohne ihn doch jemals gesehen zu haben, als auch mit Anderen. Und wenn ich es recht werde begründet haben will ich es auch dich lehren und es dir nicht vorenthalten, denn du dünkst mich noch gar sehr des Lernens zu bedürfen. LACH. Du freilich bist sehr klug, Nikias. Dennoch aber gebe ich dem Lysimachos hier und dem Melesias den Rath nach dir und mir, was die Erziehung der Jünglinge betrifft, nicht weiter zu fragen, sondern nur den Sokrates hier, wie ich auch gleich anfangs sagte, ja nicht loszulassen. Denn wenn meine Söhne schon das Alter dazu hätten, würde ich dasselbige auch thun.
21 n i c h t auf dich selbst seh e n d . Ich lese mit Heindorf βλέπων für βλέπειν.
S Anm. 21 Vgl. Spalte 1 App.
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ΝΙ. Ταῦτα μὲν κᾀγὼ ξυγχωρῶ, ἐάνπερ ἐθέλῃ Σωκράτης τῶν μειρακίων ἐπιμελεῖσθαι, μηδένα ἄλλον ζητεῖν. ἐπεὶ κᾂν ἐγὼ τὸν Νικήρατον τούτῳ ἥδιστα ἐπιτρέποιμι, εἰ ἐθέλοι οὗτος· ἀλλὰ γὰρ ἄλλους μοὶ ἑκάστοτε ξυνίστησιν, ὅτάν τι αὐτῷ περὶ τούτου μνησθῶ· αὐτὸς δὲ οὐκ ἐθέλει. ἀλλ᾽ ὅρα, ὦ Λυσίμαχε, εἴτι σου ἂν μᾶλλον ὑπακούοι Σωκράτης. ΛΥ. Δίκαιον γέ τοι, ὦ Νικία· ἐπεὶ καὶ ἐγὼ τούτῳ πολλὰ ἂν ἐθελήσαιμι ποιεῖν, ἃ οὐκ ἂν ἄλλοις πάνυ πολλοῖς ἐθέλοιμι. πῶς οὖν φῄς, ὦ Σώκρατες; ὑπακούσῃ τὶ, καὶ
Erster Entwurf (handschriftlich)
N i k . Das räume auch ich ein, wenn nemlich Sokrates sich der Knaben annehmen will keinen andern zu suchen. Denn auch ich möchte den Nikeratos am liebsten ihm übergeben wenn er nur wollte; allein er verweiset mich jedesmal auf Andere wenn ich ihm etwas davon erwähne. Sieh du also zu Lysimachos ob Sokrates dir mehr gehorchen wird.
L y s . Das wäre wol billig o Nikias. Denn auch ich wäre gesonnen ihm Vieles zu thun, was ich nicht eben vielen Andern thun würde. Was sagst du also o Sokrates? Wirst du
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 3 Übers.A (verl.) in SN 158/3: „daß sie — Andern suchen“. „— ja keinen Andern zu suchen“. 5f Übers.A (verl.) in SN 158/3: „verweiset mich“ „empfiehlt mir“
10f αὐτὸς δὲ οὐκ ἐθέλει] nicht übersetzt SN 158/1
T 1 Das räume auch ich ein] z. T. über der Zeile korr. aus Dazu rathe auch ich 3 keinen andern zu suchen] dass sie ... Andern suchen Übers.A (verl.) aus Spld. (SN 158/3), vgl. W1 W2 | ja keinen Andern zu suchen Spld. (SN 158/3) 5f verweiset mich] empfiehlt mir Spld. (SN 158/3), vgl. W1 W2
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NIK. Dagegen wende auch ich nichts ein, wenn nämlich Sokrates sich der jungen Leute annehmen will, daß sie ja keinen Andern suchen sollen. Wie auch ich den Nikeratos am liebsten ihm übergeben möchte wenn er nur wollte22; allein er empfiehlt mir jedesmal Andere, wenn ich ihm davon erwähne, selbst aber will er nicht. Sieh du also zu, o Lysimachos, ob Sokrates dir besser gehorchen wird.
NIK. Dagegen wende auch ich nichts ein, wenn nämlich Sokrates sich der jungen Leute annehmen will, daß sie ja keinen Andern suchen sollen. Wie auch ich den Nikeratos am liebsten ihm übergeben möchte wenn er nur wollte15; allein er empfiehlt mir jedesmal Andere, wenn ich ihm davon erwähne, selbst aber will er nicht. Sieh du also zu, o Lysimachos, ob dir Sokrates besser gehorchen wird.
LYSIM. Das sollte er wohl billig, o Nikias. Denn auch ich möchte ihm gern vieles thun, was ich nicht eben vielen Andern thun würde. Was sagst du also, o Sokrates? Wirst du
LYSIM. Das sollte er wohl billig, o Nikias. Denn auch ich möchte ihm gern vieles thun, was ich nicht eben vielen Andern thun würde. Was sagst du also, o Sokrates? Wirst du
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22 w e n n e r n u r w o l l t e . Dieser Nikeratos ward ich weiß nicht weshalb von den Dreißigen umgebracht, unschuldig wie es scheint, da ihn Plutarchos mit dem Theramenes und Polemarchos zugleich nennt. Dennoch könnte man glauben, Platon wolle versichern, er sei nicht als ein Zögling des Sokrates anzusehen.
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S Anm. 22 Nikeratos, Sohn des Nikias, athenischer Kriegsschiffkommandant, wurde 404/403 v. Chr. unter der Tyrannei der Dreißig ermordet. Vgl. Plutarch: De esu carnium orationes II, 998b.
w e n n e r n u r w o l l t e . Dieser Nikeratos ward ich weiß nicht weshalb von den Dreißigen umgebracht, unschuldig wie es scheint, da ihn Plutarchos mit dem Theramenes und Polemarchos zugleich nennt. Dennoch könnte man glauben, Platon wolle versichern, er sei nicht als ein Zögling des Sokrates anzusehen.
S Anm. 15 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 22.
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ξυμπροθυμήσῃ ὡς βελτίστοις γενέσθαι τοῖς μειρακίοις; ΣΩ. Καὶ γὰρ ἂν δεινὸν εἴη, ὦ Λυσίμαχε, τοῦτό γε, μὴ ἐθέλειν τῷ ξυμπροθυμεῖσθαι ὡς βελτίστῳ γενέσθαι. εἰ μὲν οὖν ἐν τοῖς διαλόγοις τοῖς ἄρτι ἐγὼ μὲν ἐφάνην εἰδώς, τώδε δὲ μὴ εἰδότε, δίκαιον ἂν ἦν ἐμὲ μάλιστα ἐπὶ τοῦτο τὸ ἔργον παρακαλεῖν· νῦν δ᾽ ὁμοίως γὰρ πάντες ἐν ἀπορίᾳ ἐγενόμεθα. τί οὖν ἄν τις ἡμῶν τινα προαιροῖτο; ἐμοὶ μὲν οὖν δὴ αὐτῷ δοκεῖ οὐδένα. ἀλλ᾽ ἐπειδὴ ταῦτα οὕτως ἔχει, σκέψασθε ἄν τι δόξω συμβουλεύειν ὑμῖν. ἐγὼ γὰρ φημὶ χρῆ-
folgen, und mit darauf bedacht sein39 daß die Knaben so gut als möglich werden? S o k r. Das wäre ja auch arg o Lysimachos wem Andern nicht helfen zu wollen daß er besser werde so viel als möglich. Wenn also in den jezigen Gesprächen ich erschienen wäre als wissend diese beiden aber als nicht wissend so wäre es billig mich vorzüglich zu diesem Geschäft zu berufen, nun wir aber alle auf gleiche Weise in Verlegenheit gewesen sind, wie könnte wol Jemand einen von uns besonders vorziehn? Mir selbst dünkt dies keinem zu gebühren. Sondern da dieses sich so verhält so erwäget ob ich Euch etwas Gutes rathe. Ich nemlich sage Ihr Männer, 39
A (SN 158/2) ξυμπροθυμησῃ p. Cornar muß hier ξυμπρομηθησῃ gelesen haben. Denn weiter unten wo er so corrigiren will beruft er sich auf diese Stelle.
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu Anm. 39 A unmittelbar anschließend: Er hat aber Unrecht denn ξυμπροθυμεῖσθαι ist in jedes Menschen Gewalt, nicht so ξυμπρομηθεῖσθαι. Also paßt δεινὸν nicht so gut zu diesem, als zum anderen. T 1 mit darauf bedacht sein] am Rand NB Cornar muß gelesen haben ξυμπρομηθησῃ [s. App. S zu Anm. 39 A] 4 er] davor es 5 also] über daher 13 Sondern] über der Zeile mit Einfügungszeichen | da] danach nun aber T Anm. 39 A nachträglich am Rand hinzugefügt
6 τῷ] τῳ konj. Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1784 (Bipontina), Variae lectiones, S. 353, Ed.Berlin 1816 (Bekker) mit Comm. 1 1823, S. 81 [298,2], übersetzt SN 158/1 W1 W2
S Anm. 39 A mit Spld. Platonis [...] Latina lingua conscripta. Eiusdem Iani Cornarii Eclogae decem, breviter et sententiarum, et genuinae verborum lectionis, locos selectos complectentes. [...], Basel 1561, Ecloga Quinta, S. 410. Cornar möchte im Folgenden (s. Spalte 1, Z. 6 f.) statt ξυμπροθυμεῖσθαι lesen ξυμπρομηθεῖσθαι und verweist dafür auf die Form συμπρομηθήσῃ an dieser Stelle. Vermutlich zitiert er damit die – verdruckte – Lesung συμπρομυθήσῃ der Ed.Basel 1534 (Oporinus). Vgl. Schleiermachers Übers. in SN 158/1, wo die beiden Stellen variiert sind.
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gehorchen, und mit zu dem Besserwerden der Jünglinge helfen?
ge|horchen, und mit zu dem Besserwerden der Jünglinge helfen?
SOK. Das wäre ja wohl arg, o Lysimachos, irgend Jemanden nicht helfen zu wollen zu seinem Besserwerden. Wenn also in unsern jezigen Gesprächen ich mich gezeigt hätte als einen Kundigen, diese beiden aber sich als Unkundige, dann möchte es billig sein mich vorzüglich zu diesem Geschäfte zu berufen; nun wir aber Alle auf gleiche Weise in Verlegenheit gewesen sind, wie könnte wohl Jemand Einen von uns besonders vorziehn? Mir meines Theils dünkt das Keinem zu gebühren. Sondern da die Sache sich so verhält, so erwäget ob dies euch ein guter Rath dünkt, den ich geben will. Ich nämlich sage: Ihr Männer,
SOK. Das wäre ja wohl arg, o Lysimachos, irgend Jemanden nicht helfen zu wollen zu seinem Besserwerden. Wenn also in unsern jezigen Gesprächen ich mich gezeigt hätte als einen Kundigen, diese beiden aber sich als Unkundige, dann möchte es billig sein mich vorzüglich zu diesem Geschäfte zu berufen; nun wir aber Alle auf gleiche Weise in Verlegenheit gewesen sind, wie könnte wohl Jemand Einen von uns besonders vorziehn? Mir meines Theils dünkt das Keinem zu gebühren. Sondern da die Sache sich so verhält, so erwäget ob dies euch ein guter Rath dünkt, den ich geben will. Ich nämlich sage: Ihr Männer,
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ναι, ὦ ἄνδρες (οὐδεὶς γὰρ ἔκφορος λόγος) κοινῇ πάντας ἡμᾶς ζητεῖν, μάλιστα μὲν ἡμῖν αὐτοῖς διδάσκαλον ὡς ἄριστον, δεόμεθα γάρ, ἔπειτα καὶ τοῖς μειρακίοις· μήτε χρημάτων φειδομένους, μήτε ἄλλου μηδενός· ἐᾷν δὲ ἡμᾶς αὐτοὺς ἔχειν ὡς νῦν ἔχομεν, οὐ ξυμβουλεύω. εἰ δέ τις ἡμῶν καταγελάσεται, ὅτι τηλικοίδε ὄντες εἰς διδασκάλων ἀξιοῦμεν φοι-
und dies ist keine auszubringende Rede,40 wir müssen gemeinschaftlich alle zuerst für uns selbst den besten Lehrer suchen denn wir bedürfen seiner, dann auch für die jungen Männer, weder Geld dabei sparend noch sonst etwas; es aber dabei bewenden zu lassen wie es jezt mit uns bewandt ist, das rathe ich nicht. Sollte uns aber | Jemand auslachen daß wir schon so alt noch Lehrer besuchen wollen so dünkt mich müssen wir 40
E (SN 158/1) ουδεις γαρ εκφορος λογος fürchte ich mit dem Ficin nicht verstanden zu haben. Es passt gar nicht einmal recht zum folgenden wo vorausgesezt wird daß die Leute es erfahren. | A (SN 158/2) ουδεις γαρ εκφορος λογος Sollte das nicht noch eine andere Bedeutung haben können? Denn dies schikt sich nur schlecht zum Ganzen. Schon seiner Natur nach ist dies keine Heimlichkeit und hernach sezt er deutlich voraus daß die Leute es sehn. Wahrscheinlich so viel als ἄφορος. Keine Rede soll doch ganz ohne Nuzen sein.
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu Anm. 40 A am Zeilenende: Dis gefällt mir, aber ich weiß nichts. 2 ἔκφορος] ἄφορος konj. Schleiermacher W1 Anm. 23, vgl. Anm. 40 A und W2 Anm. 16, 6 ἔπειτα καὶ] übersetzt W1 ἔπειτα δὲ καὶ konj. Ed.Genf 1578 marg. (Stephanus) Ed.Zweibrücken 1784 (Bipontina), Variae lectiones, S. 353, übersetzt W1 W2
T 2f alle zuerst für uns selbst den besten Lehrer suchen] umgestellt aus alle uns suchen zuerst für uns selbst den besten Lehrer 6 es aber dabei bewenden] über uns aber so bestehen 7 mit] über um | bewandt ist] über steht S Anm. 40 E Ficinus in Ed.Zweibrücken: Oportere, o viri, existimo, (nam nihil horum efferri volo) [...]
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denn keine Rede23 soll doch ganz unfruchtbar sein, wir müssen alle gemeinschaftlich zuerst für uns selbst den besten Lehrer suchen den wir bekommen können, denn wir bedürfen seiner, dann aber auch für die jungen Männer, und weder Geld dabei schonen noch sonst etwas. Es aber dabei be|wenden zu lassen, wie es jezt mit uns bewandt ist, das rathe ich nicht. Sollte uns aber Jemand auslachen wollen, daß wir so alt schon noch Lehrer besuchen wollen: so dünkt mich müssen wir
denn keine auszubringende Rede ist es16, wir müssen alle gemeinschaftlich zuerst für uns selbst den besten Lehrer suchen den wir bekommen können, denn wir bedürfen seiner, dann aber auch für die jungen Männer, und weder Geld dabei schonen noch sonst etwas. Es aber dabei bewenden zu lassen, wie es jezt mit uns bewandt ist, das rathe ich nicht. Sollte uns aber Jemand auslachen wollen, daß wir so alt schon noch Lehrer besuchen wollen: so dünkt 16
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d e n n k e i n e R e d e etc. Will man nicht zugeben, daß ἔκφορος in der Bedeutung von ἄφορος stehen könne, so muß man lieber ἄφορος lesen; die Stelle bleibt sonst sinnlos.
S Anm. 23 Vgl. Spalte 2 mit App. S.
denn keine auszubringende R e d e i s t e s . Ich weiß freilich weder wie der allgemein verneinende Saz so beschränkt verstanden werden kann, noch auch was dieser recht soll, da die Rede von etwas ist was die Leute doch merken müssen, wenn man es auch nicht ausbringt. Allein da ich eben so wenig eine andere Bedeutung von ἔκφορος in Verbindung mit λόγος zu belegen weiß: so bin ich lieber dem Ficin gefolgt, und verweise nur hieher die Frage, ob man nicht ἄφορος lesen soll, um den auf jeden Fall sehr passenden Sinn zu gewinnen, daß eben weil keine Rede ganz unfruchtbar sein soll, und für die Frage selbst nichts herausgekommen ist bei dieser, wenigstens dieser Rath angenommen werde.
S Anm. 16 Vgl. Spalte 2 mit App. S; vgl. auch Ficinus in Ed.Berlin 1816 (Bekker): Oportere, o viri, existimo, (haec enim non efferentur) [...]
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τᾷν, τὸν Ὅμηρον δοκεῖ μοι χρῆναι προβάλλεσθαι· ὃς ἔφη, οὐκ ἀγαθὴν εἶναι αἰδῶ κεχρημένῳ ἀνδρὶ παρεῖναι· καὶ ἡμεῖς οὖν ἐάσαντες χαίρειν εἴτις τὶ ἐρεῖ, κοινῇ ἡμῶν αὐτῶν καὶ τῶν μειρακίων ἐπιμέλειαν ποιησόμεθα. ΛΥ. Ἐμοὶ μὲν ἀρέσκει, ὦ Σώκρατες, ἃ λέγεις· καὶ ἐθέλω, ὅσῳπερ γεραίτατος εἰμί, τοσούτῳ προθυμότατα μανθάνειν μετὰ τῶν νεανίσκων. ἀλλά μοι οὑτωσὶ ποίησον· αὔριον ἕωθεν ἀφίκου οἴκαδε, καὶ μὴ ἄλλως ποιήσῃς· ἵνα βουλευσώμεθα περὶ αὐτῶν τούτων. τὸ δὲ νῦν εἶναι τὴν συνουσίαν διαλύσομεν.
Erster Entwurf (handschriftlich)
uns mit dem Homer schüzen welcher gesagt hat nicht gut ist Schaam41 dem darbenden Manne. Auch wir also wollen Jeden gehen lassen der etwas sagen möchte und gemeinschaftlich für uns selbst und die Jünglinge Sorge tragen. L y . Mir wenigstens gefällt o Sokrates was du sagst, und ich will soviel ich der älteste bin auch soviel bereitwilliger lernen mit den jungen Leuten zugleich. Das aber thue mir;42 morgen früh komme zu Hause zu mir und verfehle es ja nicht damit wir weiter Rath pflegen über eben dieses; für jezt aber müssen wir auseinander gehn. 41 E (SN 158/1) οὐκ αγαθην αιδω Das „der bettelt“ habe ich ausgelassen, da es im Original nicht steht und noch weniger hieher gehört. 42 A (SN 158/2) αλλα μοι ουτωσι ποιησον. Ficin muß οὑτοσι gelesen haben. Falsch.
Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu 4 Übers.A (verl.) in SN 158/3: εἴτις τὶ ἐρεῖ „der etwas sagen möchte“ „der etwas d a r ü b e r sagen möchte“. Noten Spaldings (SN 158/2+3) zu Anm. 42 A im Anschluß am unteren Rand: Mag wol nicht; ἀλλὰ drükt er aus durch h e u s t u , denn er hat ja auch s i c . T 3 Manne] danach hochgestellt *), am Rand *) Od. XVIII, 347 (versehentlich statt Od. XVII, 347, vgl. W1 Anm. 24 und W2 Anm. 17) 4 der etwas sagen möchte] der etwas darüber sagen möchte Spld. (SN 158/3), vgl. W1 10f Das aber thue mir] am Rand ουτωσι Ficin ουτοσι perperam S Anm. 41 E Vgl. die Übersetzung von Johann Heinrich Voß (Homers Odyssee, 1793), Odyssee 17,347: „Denn nicht gut ist scham dem darbenden manne, der bettelt.“ (αἰδὼς δ᾽ οὐκ ἀγαθὴ κεχρημένῳ ἀνδρὶ παρεῖναι). – „der bettelt“ steht dagegen explizit im griechischen Text nur in Vers 352 (αἰδῶ δ᾽ οὐκ ἀγαθήν φησ᾽ ἔμμεναι ἀνδρὶ προίκτῃ). | Anm. 42 A mit Spld. Ficinus in Ed.Zweibrücken: Sed heus tu, sic prorsus facito, [...]
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uns mit dem Homeros schüzen, welcher gesagt hat: Nicht gut sei Scham24 dem darbenden Manne. Auch wir also wollen jeden gehen lassen, der etwas darüber sagen möchte, und gemeinschaftlich für uns und für die Jünglinge Sorge tragen.
mich müssen wir uns mit dem Homeros schüzen, welcher gesagt hat: Nicht gut sei Scham17 dem darbenden Manne. Auch wir also wollen es gut sein lassen wenn einer etwas sagt, und gemeinschaftlich für uns und für die Jünglinge Sorge tragen.
LYSIM. Mir meines Theils gefällt, o Sokrates, was du sagst; und ich will so viel ich der älteste bin, so viel auch der bereitwilligste sein mit den jungen Leuten zugleich zu lernen. Das aber thue mir, komme morgen früh zu mir zu Hause und verfehle es ja nicht, damit wir weiter Rath pflegen können über eben diese Sache. Für jezt aber müssen wir auseinander gehn.
LYSIM. Mir meines Theils gefällt, o Sokrates, was du sagst; und ich will so viel ich der älteste bin, so viel auch der bereitwilligste sein mit den jungen Leuten zugleich zu lernen. | Das aber thue mir, komme morgen früh zu mir zu Hause und verfehle es ja nicht, damit wir weiter Rath pflegen können über eben diese Sache. Für jezt aber müssen wir auseinander gehn.
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n i c h t g u t s e i S c h a a m . Odyss. XVII. 347.
17 n i c h t gut Odyss. XVII. 347.
S Anm. 24 Nach der Übersetzung von Johann Heinrich Voß (wie Spalte 2 App. S zu Anm. 41).
S Anm. 17 Vgl. Spalte 3 zu Anm. 24.
sei
Schaam
etc.
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ΣΩ. Ἀλλὰ ποιήσω, ὦ Λυσίμαχε, ταῦτα· καὶ ἥξω παρά σε αὔριον, ἐὰν θεὸς ἐθέλῃ.
Erster Entwurf (handschriftlich)
S o k r. Ja das will ich thun o Lysimachos und morgen zu dir kommen wenn Gott will.
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SOK. Ja das werde ich tun, o Lysimachos, und morgen früh zu dir kommen, so Gott will.
SOK. Ja das werde ich thun, o Lysimachos, und morgen früh zu dir kommen, so Gott will.
Verzeichnisse
Zeichen und Abkürzungen Das Abkürzungsverzeichnis bietet die Auflösung der Editionszeichen und Abkürzungen, die in diesem Band vorkommen, soweit die Auflösung nicht in den Apparaten oder im Literaturverzeichnis erfolgt. Nicht verzeichnet werden die Abkürzungen, die für Vornamen stehen. Ferner sind nicht berücksichtigt Abkürzungen, die sich von den aufgeführten nur durch das Fehlen oder Vorhandensein eines Abkürzungspunktes, durch Klein- bzw. Großschreibungen oder die Flexionsform unterscheiden.
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A abgek. Abt. ALZ Anm.A Anm.E Anm. (verl.) App. Art. Aufl.
Abschrift abgekürzt Abteilung Allgemeine Literatur-Zeitung Anmerkung(en) Abschrift Anmerkung(en) Entwurf Anmerkung(en) verloren Apparat Artikel Auflage
BBAW Bd., Bde. Bearb. bes. bzw.
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften Band, Bände Bearbeiter besonders beziehungsweise
d. h. d. i. dt.
das heißt das ist deutsch
| / // [] ]
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Zeichen und Abkürzungen
E ebd. ed., edd. Edd. vulg. Exz.Corn.
Entwurf ebenda edidit, ediderunt Editionum vulgus Exzerpt aus Platonis Atheniensis [...] opera, quae ad nos extant omnia, per Ianum Cornarium [...] Latina lingua conscripta. Eiusdem Iani Cornarii Eclogae decem, Basel 1561
FGrHist f., ff. frz.
Die Fragmente der Griechischen Historiker von Felix Jacoby, Bd. 1 ff., 1923 ff. folgende französisch
gr.
griechisch
Hndf, Hndfs hrsg. Hrsg. Hs., Hss. hsl.
Heindorf(s) herausgegeben Herausgeber Handschrift(en) handschriftlich
JALZ
Jenaische Allgemeine Literatur-Zeitung
KFSA KGA konj. korr.
Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe Schleiermacher, Kritische Gesamtausgabe konjiziert korrigiert
l. lat.
lies lateinisch
NB Ndr. Nr.
Nota bene Nachdruck Nummer
o. ä. o. D. o. g. o. J.
oder ähnlich ohne Datum oben genannter o. ä. ohne Jahr
p. p., p pp., pp PCG
pagina perge perge perge Poetae Comici Graeci
r
recto
Zeichen und Abkürzungen s. o., s. u. S S. SB sc. SN
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sog. Sp. Spld.
siehe oben, siehe unten Sachapparat Seite Meckenstock, Schleiermachers Bibliothek scilicet Schleiermacher-Nachlass im Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in Berlin / Nachlass F. D. E. Schleiermacher sogenannte(r) Spalte Spalding
T
Tomus; Textkritischer Apparat
u. a. u. ö. übers. Übers. Übers.A Übers. (verl.) Üs. ungez. unpag. usw.
und andere und öfter übersetzt Übersetzer, Übersetzung Übersetzung Abschrift Übersetzung verloren Überschrift ungezählt unpaginiert und so weiter
v v. V. v. Chr. verl. vgl. vs.
verso vide Vers, Vide vor Christus verloren vergleiche versus
W1, W2 West2
Platons Werke von F. Schleiermacher, 1. und 2. Aufl. Iambi et Elegi Graeci ante Alexandrum cantati, ed. M. L. West, Bd. 1-2, 2. Aufl., Oxford 1989-1992
Z. ZA ZE z. B.
Zeile Zeilenanfang Zeilenende zum Beispiel
Literaturverzeichnis Das Literaturverzeichnis bietet die im vorliegenden Band zitierte Literatur. Die Editionen werden nach dem im Band verwendeten Kürzel verzeichnet. Die Namen erscheinen in der im Deutschen gängigen Form, ggf. ist das lateinische Äquivalent in Klammern angefügt. Die Titel sind in einer leicht verknappten Form wiedergegeben, die ihre bibliographische Auffindbarkeit erleichtert. Förmliche Titelaufnahmen sind nicht intendiert. Bei denjenigen Werken, die für Schleiermachers Bibliothek nachgewiesen sind, wird nach den bibliographischen Angaben in eckigen Klammern die Angabe „SB“ (siehe KGA I/15, S. 637-912) mit der Listennummer hinzugefügt.
Platon-Ausgaben (chronologisch) Ed.Venedig 1513 (Aldina): ἍΠΑΝΤΑ ΤΑ ΤΟΥ ΠΛΑΤΩΝΟΣ. Omnia Platonis opera, Venedig 1513 Ed.Basel 1534 (Oporinus): ἍΠΑΝΤΑ ΠΛΑΤΩΝΟΣ [...]. Platonis omnia opera cum commentariis Procli in Timaeum et Politica, thesauro veteris philosophiae maximo. [...], Basel 1534 [SB 1489] Ed.Basel 1556: ΑΠΑΝΤΑ ΠΛΑΤΩΝΟΣ [...]. Platonis omnia opera, ex vetustissimorum exemplarium collatione multo nunc quam antea emendatiora. [...] [ed. Marcus Hopper], Basel [1556] Platonis Atheniensis, philosophi summi ac penitus divini opera, quae ad nos extant omnia, per Ianum Cornarium [...] Latina lingua conscripta. Eiusdem Iani Cornarii Eclogae decem, breviter et sententiarum, et genuinae verborum lectionis, locos selectos complectentes. Additis Marsilii Ficini Argumentis et Commentariis in singulos dialogos: cum Indice rerum memorabilium elaboratissimo, Basel 1561 Ed.Genf 1578 (Stephanus): ΠΛΑΤΩΝΟΣ ΑΠΑΝΤΑ ΤΑ ΣΩΖΟΜΕΝΑ. Platonis opera quae extant omnia. Ex nova Ioannis Serrani interpretatione, perpetuis eiusdem notis illustrata: quibus et methodus et doctrinae summa breviter et perspicue indicatur. Eiusdem Annotationes in quosdam suae illius interpretationis locos. Henr. Stephani de quorundam locorum interpretatione iudicium, et multorum contextus Graeci emendatio. Excudebat Henr. Stephanus [...], Bd. 1–3, [Genf] 1578 Ed.Zweibrücken 1781–1787 (Bipontina): ΠΛΑΤΩΝ. Platonis philosophi quae exstant graece ad editionem Henrici Stephani accurate expressa. Cum Marsilii Ficini interpretatione. [...] Accedit varietas lectionis. Studiis Societatis Bipontinae, Bd. 1–11, Zweibrücken 1781–1787 (Phaid-
Literaturverzeichnis
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ros: Bd. 10, 1787; Lysis und Laches: Bd. 5, 1784; Protagoras: Bd. 3, 1782) [Die Herausgeber sind Friedrich Christian Exter und Johann Valentin Embser.] [SB 1490] : Dialogorum Platonis Argumenta exposita et illustrata a Diet. Tiedemann [...], [Bd. 12], Zweibrücken 1786 [SB 1490] Ed.Berlin 1802–1810 / Heindorf: Platonis Dialogi Selecti cura Lud. Frid. Heindorfii, Bd. 1–4, Berlin 1802–1810 [SB 1491] [Bd. 1 Nebentitel: Platonis Dialogi quatuor. Lysis, Charmides, Hippias Maior, Phaedrus. Annotatione perpetua illustravit Lud. Frid. Heindorf [...], Berlin 1802; Bd. 2 Nebentitel: Platonis Dialogi duo. Gorgias et Theaetetus. Emendavit et annotatione instruxit Lud. Frid. Heindorfius. Accedit auctarium animadversionum Philippi Buttmanni, Berlin 1805; Bd. 3 Nebentitel: Platonis Dialogi tres. Cratylus, Parmenides, Euthydemus. Emendavit et annotatione instruxit Lud. Frid. Heindorfius, Berlin 1806; Bd. 4 Nebentitel: Platonis dialogi tres. Phaedo, Sophistes, Protagoras. Emendavit et annotatione instruxit Lud. Frid. Heindorfius, Berlin 1810] Platonis Libri quatuor. Gorgias, Apologia Socratis, Charmides, Hippias Maior. Scholarum in usum edidit L. F. Heindorfius [...], Berlin 1805 [SB 1492] Ed.Berlin 1816–1818 (Bekker): Platonis Dialogi graece et latine. Ex recensione Immanuelis Bekkeri, Teil 1–3 in 8 Bänden, Berlin 1816–1818 [SB 1493] : Immanuelis Bekkeri in Platonem a se editum commentaria critica. Accedunt scholia, Bd. 1–2, Berlin 1823 [SB 1493] Platonis Dialogos selectos recensuit et commentariis instruxit Godofredus Stallbaum, Vol. IV. sect. 1. continens Phaedrum, Gotha und Erfurt 1832
Platon-Übersetzungen Lateinisch Ficinus, Marsilius: erstmals im Druck erschienen Florenz 1484, revidiert Venedig 1491; abgedruckt in der Ed.Zweibrücken 1781–1787 (Bipontina) (vermutlich aus: Lyon 1590: vgl. Ed.Zweibrücken Bd. 1, S. XCI; G. Burkard: Bibliographie der Editiones Bipontinae, Zweibrücken 1990, S. 142 mit Anm. 2) und in der Ed.Berlin 1816–1818 (Bekker) (teils aus Florenz 1484, teils aus Venedig 1491) Deutsch Müller, Johann Samuel: ΤΟΥ ΘΕΙΟΥ ΠΛΑΤΩΝΟΣ ΔΙΑΛΟΓΟΙ ἙΞ. Sechs auserlesene Gespräche Platons, Griechisch und Deutsch, nebst des Herrn Dacier Vorrede und Anmerkungen [...], Hamburg 1736 [Kleuker, Johann Friedrich]: Werke des Plato, Bd. 1–6, Lemgo 1778–1797 Stolberg, Friedrich Leopold Graf zu: Auserlesene Gespräche des Platon [...], Bd. 1–3, Königsberg 1796–97
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Scholien (chronologisch) Siebenkees, Johann Philipp: Anecdota Graeca [...]. Edidit et praefatus est Ioann. Adam. Goez, Nürnberg 1798 [SB 1838] Ruhnken, David: ΣΧΟΛΙΑ ΕΙΣ ΠΛΑΤΩΝΑ. Scholia in Platonem. [...], Leiden 1800 [SB 2202] Greene, Wilhelm Chase: Scholia Platonica contulerunt atque investigaverunt Fredericus de Forest Allen, Ioannes Burnet, Carolus Pomeroy Parker. Omnia recognita praefatione indicibusque instructa edidit [...], Haverford 1938 (Nachdruck Hildesheim / Zürich / New York 1988) Cufalo, Domenico: Scholia Graeca in Platonem. I Scholia ad Dialogos Tetralogiarum I–VII Continens, Roma 2007 Lucarini, Carlo M. / Moreschini, Claudio: Hermias Alexandrinus in Platonis Phaedrum scholia, Berlin / Boston 2012
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Literaturverzeichnis
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Rezensionen von Schleiermachers Platon-Übersetzung (chronologisch) Rez.Ludewig (1804): [Ludewig, Friedrich August]: [Rezension zu] 1) Platons Werke v. Friedr. Schleiermacher. Berlin [...] 1804. Ersten Theiles Erster Band. [...] 2) Platons Phaidon, oder über die Unsterblichkeit der Seele, übersetzt von A. F. Lindau. Berlin [...] 1804, in: Neue allgemeine deutsche Bibliothek Bd. 93, Stück 2, Heft 8, Berlin / Stettin 1804, S. 482–484 Rez.Anon. (1806): [Anon.]: [Rezension zu] Platons Werke, von Friedrich Schleiermacher [...], ersten Theils erster Band, 1804. [...] Zweyter Band, 1805. [...] Zweyten Theils erster Band, 1805. [...] Berlin [...], in: Neue Leipziger Literaturzeitung Stück 90, Leipzig 1806, Sp. 1425–1439 Rez.Ast (1808): Ast, Friedrich: [Rezension zu] Platons Werke von Fr. Schleiermacher. Berlin, 1804. I. Th. I. B. u. d. f., in: Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst herausgegeben von Friedrich Ast [...], Bd. 1, Heft 1–4, Landshut 1808, S. 102–141 Rez.Boeckh (1808): Boeckh, August: Platons Werke von F. Schleiermacher. Ersten Theiles erster Band. Berlin 1804. [...] Ersten Theiles zweyter Band, 1805. [...], in: Heidelbergische Jahrbücher der Literatur für Philologie, Historie, Literatur und Kunst, Jg. 1., Heft 1 (1808), S. 81–121; auch in: Gesammelte kleine Schriften, Bd. 7 (Kritiken. Nebst einem Anhange), herausgegeben von Ferdinand Ascherson und Paul Eichholtz, Leipzig 1872 (Nachdruck Hildesheim 2005), S. 1–38 [Hand, Ferdinand Gotthelf]: [Sammelrezension zu vier Platon-Publikationen, darunter] [...] 3) [...] Platons Werke, von F. Schleiermacher. Ersten Theiles erster Band. 1804. [...] Ersten Theiles zweyter Band. 1805. [...] Zweyten Theiles erster Band. 1805. [...] Zweyten Theiles zweyter Band. [...] Zweyten Theiles dritter Band. 1809. [...], in: Jenaische Allgemeine Literatur-Zeitung, Jg. 10, Bd. 1, Jena 1813, Sp. 137–158 Rez.Ast (1819): Ast, Friedrich: [Rezension zu] Platon’s Werke von F. Schleiermacher. Ersten Theiles, erster und zweyter Band, und zweyten Theiles erster Band. Zweyte verbesserte Auflage. Berlin, 1817, 1818. [...], in: Jahrbücher der Literatur, Bd. 7, herausgegeben von Matthäus v. Collin, Wien 1819, S. 55–80
Literatur Adelung, Johann Christoph: Versuch eines vollständigen grammatisch-kritischen Wörterbuches der Hochdeutschen Mundart, mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der oberdeutschen, Bd. 1–4 (A–V), Leipzig 1774–1780 [SB 8] : Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der Oberdeutschen, Bd. 1–4, Zweyte vermehrte und verbesserte Ausgabe, Leipzig 1793–1801
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Literaturverzeichnis
Aischines (Aeschines): s. Fisher, Nick; Oratorum Graecorum ... Allgemeine Literatur-Zeitung, Halle / Leipzig 1785-1849 Analecta veterum poetarum Graecorum, ed. R. F. P. Brunck, Bd. 1–3, Straßburg 1772–1776 [SB 42] Apollodorus Atheniensis: Apollodori Atheniensis Bibliothecae libri tres, rec. Chr. G. Heyne, Göttingen 1782; 2. Aufl., Göttingen 1803 [SB 59] : Apollodori Bibliotheca. Pediasimi libellus de duodecim Herculis laboribus. Ed. Richardus Wagner, Leipzig 1894 : Apollodorus. The library. With an English translation by Sir James George Frazer, Bd. 1–2, London 1921 Aristophanes: Aristophanis Nubes cum scholiis, recensuit et adnotationes Io. Aug. Ernestii suasque addidit Godofredus Hermannus, Leipzig 1799 [SB 72] Aristoteles: ΑΡΙΣΤΟΤΕΛΟΥΣ ΤΟΥ ΣΤΑΓΕΙΡΙΤΟΥ ΤΑ ΣΩΖΟΜΕΝΑ. Operum Aristotelis Stagiritae [...] nova editio, Graece et Latine. Graecus contextus [...] est editus [...] ex bibliotheca Isaaci Casauboni [...], Bd. 1–2, Lyon 1590 [SB 74] : ΑΡΙΣΤΟΤΕΛΗΣ. Aristotelis Opera omnia graece [...] recensuit, annotationem criticam, librorum argumenta, et novam versionem latinam adiecit Io. Theophilus Buhle, Bd. 1–4, Zweibrücken 1791–1793; Bd. 5, Straßburg 1800 [SB 75] Arndt, Andreas / Virmond, Wolfgang: Schleiermachers Briefwechsel (Verzeichnis) nebst einer Liste seiner Vorlesungen (Schleiermacher Archiv Bd. 11), Berlin / New York 1992 Asmuth, Christoph: Interpretation – Transformation. Das Platonbild bei Fichte, Schelling, Hegel, Schleiermacher und Schopenhauer und das Legitimationsproblem der Philosophiegeschichte, Göttingen 2006 Ast, Friedrich: De Platonis Phaedro. Accessit epistola Henr. Caroli Abr. Eichstadii, Jena 1801 [SB 95] : Rezension zu De Platonis Phaedro s. Lenz, Karl Gotthold : Platonis Phaedrus, recensuit Hermiae scholiis e cod. Monac. XI. suisque commentariis illustravit D. Fridericus Astius, Leipzig 1810 : Platon’s Leben und Schriften. Ein Versuch, im Leben wie in den Schriften des Platon das Wahre und Aechte vom Erdichteten und Untergeschobenen zu scheiden, und die Zeitfolge der ächten Gespräche zu bestimmen. Als Einleitung in das Studium des Platon, Leipzig 1816 [SB 99] : Platon’s Phädros und Gastmahl, übersetzt, erläutert und verbessert, Jena 1817 Athenaios (Athenaeus): ΔΕΙΠΝΟΣΟΦΙΣΤΑΙ. Deipnosophistarum libri quindecim ex optimis codicibus nunc primum collatis emendavit ac supplevit nova latina versione et animadversionibus cum Is. Casauboni aliorumque tum suis illustravit commodisque indicibus instruxit Iohannes Schweighaeuser, Bd. 1–5, Straßburg 1801–1807 [SB 102] : s. auch Casaubon, Isaac; Schweighäuser, Johannes Axiochus: Axiochus. Graece recensuit notis illustravit indicemque verborum locupletis cum Hier. Volfii versione Latina notisque uberioribus adiecit Ioh. Frider. Fischerus, Leipzig 1758
Literaturverzeichnis
1049
Barnes, Josua: ss. Euripides; Homer Barthélemy, Jean Jacques: Reise des jüngern Anacharsis durch Griechenland viertelhalbhundert Jahr vor der gewöhnlichen Zeitrechnung. Nach der zweiten Ausgabe des Originals [übers. v. Herrn Bibliothekar Biester (ab Bd. 3 angegeben)], Bd. 1–3, Berlin und Libau 1790, Bd. 4–7, Berlin 1791–1793 [SB 122] Bekker, Immanuel: s. Schleiermacher, Friedrich: Briefwechsel : s. oben unter den Platon-Ausgaben: Ed.Berlin 1816–1818 Boeckh, August: In Platonis qui vulgo fertur Minoem eiusdemque libros priores de legibus ad virum illustrem Frid. Aug. Wolfium commentabatur Aug. Böckh, Halle 1806 [SB 300] : Commentatio academica altera, de Platonico systemate coelestium globorum et de vera indole astronomiae Philolaicae, Heidelberg 1810 : Philolaos des Pythagoreers Lehren nebst den Bruchstücken seines Werkes, Berlin 1819 [SB 301] : s. Schleiermacher, Friedrich: Briefwechsel : s. oben unter Rezensionen: Rez.Boeckh (1808) Bonitz, Hermann: Index Aristotelicus, Berlin 1870 (Nachdruck Darmstadt 1955) Brucker, [Johann] Jacob: Historia critica philosophiae a mundi incunabulis ad nostram usque aetatem deducta, Bd. 1–4.2 [= 5], Leipzig 1742– 1744; 2. Aufl., Bd. 1–6, Leipzig 1766–1767 [SB 361] Brunck, Richard Franz Philipp: s. Analecta Buhle, Johann Gottlieb: Lehrbuch der Geschichte der Philosophie und einer kritischen Literatur derselben, Bd. 1–8 [in 9], Göttingen 1796–1804 [SB 375] Bulling, Karl: Die Rezensenten der Jenaischen Allgemeinen Literaturzeitung, Bd. 1–3 (Claves Jenenses 11–13), Weimar 1962–1965 Buttmann, Philipp Karl: Griechische Grammatik, 2. Aufl., Berlin 1799 [SB 388] : Griechische Grammatik, sechste, vermehrte und verbesserte Ausgabe, Berlin 1811 : Denkschrift auf Georg Ludwig Spalding, in: Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften in Berlin. Aus den Jahren 1814–1815, Berlin 1818, S. 24–41 Callimachus: s. Kallimachos Casaubon, Isaac: Animadversionum in Athenaei Dipnosophistas libri XV, Lyon 1600 : s. Athenaios; Schweighäuser, Johannes; Theophrastos Clemens von Alexandreia (Clemens Alexandrinus): Bd. 1: Protrepticus und Paedagogus, hrsg. von Otto Stählin [Die Griechischen Christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte], 2. Aufl., Leipzig 1936 Contarenus, Vincentius: Variarum lectionum liber. In quo multi veterum cum Graecorum, tum Latinorum scriptorum loci illustrantur, atque emendantur. Addita est in calce verborum Graecorum interpretatio, et copiosissimus rerum omnium Index, Utrecht 1754
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Cornarius, Janus: Platonis Atheniensis, philosophi summi ac penitus divini opera, quae ad nos extant omnia, [...] Latina lingua conscripta. Eiusdem Iani Cornarii Eclogae decem, breviter et sententiarum, et genuinae verborum lectionis, locos selectos complectentes. Additis Marsilii Ficini Argumentis et Commentariis in singulos dialogos: cum Indice rerum memorabilium elaboratissimo, Basel 1561 : Eclogae in dialogos Platonis omnes nunc primum separatim editae cura Joh. Frider. Fischeri. Accesserunt praefationes Aldi Manutii, Simonis Grynaei Marcique Hopperi Editioni Dialogorum Platonis Venetae et Basileensi utrique praemissae, Leipzig 1771 [SB 468] Corpus Paroemiographorum Graecorum. Ediderunt E. L. a Leutsch et F. G. Schneidewin, Bd. 1–2, Göttingen 1839–1851 (Nachdruck Hildesheim 1965) Degen, Johann Friedrich: Litteratur der deutschen Uebersetzungen der Griechen, Bd. 1–2, Altenburg 1797–1798 (Nachdruck Hildesheim / Zürich / New York 1999) : Nachtrag zu der Litteratur der deutschen Uebersetzungen der Griechen, Erlangen 1801 (Nachdruck Hildesheim / Zürich / New York 1999) Demosthenes: Oratio in Midiam. In usum praelectionum edidit notis criticis et exegeticis instruxit Ge. Lud. Spalding, Berlin 1794 : ΔΗΜΟΣΘΕΝΟΥΣ ΚΑΙ ΑΙΣΧΙΝΟΥ ΕΝΙΟΙ ΛΟΓΟΙ ΕΚΛΕΚΤΟΙ. Graece et Latine. In duobus tomis. Tomus Primus. Edidit Ioannes Taylor, Cambridge 1774 : s. Oratorum Graecorum ... Denkschriften der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu München für das Jahr 1813, München 1814; Denkschriften der Königlichen Academie der Wissenschaften zu München für die Jahre 1814 und 1815, Bd. 5, München 1817 Diels, Hermann / Kranz, Walther: Die Fragmente der Vorsokratiker. Griechisch und Deutsch von Hermann Diels. Herausgegeben von Walther Kranz, Bd. 1–3, Berlin, 61951–1952 (und Nachdrucke) Dilthey, Wilhelm: Leben Schleiermachers, Bd. 1, Berlin 1870 : Leben Schleiermachers, Bd. 1, 2. Aufl., hrsg. von Hermann Mulert, Berlin / Leipzig 1922 : Leben Schleiermachers, Bd. 1, 3. Aufl., hrsg. von Martin Redeker, Berlin 1970; auch in: Gesammelte Schriften, 13. Band, 1.–2. Halbband, Göttingen 1970 : Leben Schleiermachers, Bd. 2, hrsg. von Martin Redeker, Berlin 1966; auch in: Gesammelte Schriften, 14. Band, 1.–2. Halbband, Göttingen 1966 Diodoros (Diodorus Siculus): ΔΙΟΔΩΡΟΣ. Diodori Siculi Bibliothecae historicae libri qui supersunt e recensione Petri Wesselingii cum interpretatione Latina Laur. Rhodomani atque annotationibus variorum integris indicibusque locupletissimis nova editio cum commentationibus III Chr. Gottl. Heynii et cum argumentis disputationibusque Ier. Nic. Eyringii, Bd. 1–2, Zweibrücken 1793, Bd. 3–11, Straßburg (ex typographia Societatis Bipontinae) 1798–1807 [SB 539]
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Diogenes Laertios (Diogenes Laertius): Diogenis Laertii de vitis, dogmatibus et apophthegmatibus clarorum philosophorum libri X. Graece et Latine. Cum subiunctis integris annotationibus Is. Casauboni, Th. Aldobrandini et Mer. Casauboni. Latinam Ambrosii versionem complevit et emendavit Marcus Meibomius [...], Bd. 1–2 Amsterdam 1692 [SB 540; 1263] : zu Bd. 2: In Diogenem Laertium s. Ménage, Gilles : Diogenis Laertii Vitae Philosophorum, ed. Miroslav Marcovich, Bd. 1–2, Stuttgart / Leipzig 1999; Bd. 3 (Indices confecit Hans Gärtner), München / Leipzig 2002 Dionysios von Halikarnaß: ΔΙΟΝΥΣΙΟΥ ΑΛΙΚΑΡΝΑΣΕΩΣ ΤΑ ΕΥΡΙΣΚΟΜΕΝΑ, ΙΣΤΟΡΙΚΑ ΤΕ ΚΑΙ ΡΗΤΟΡΙΚΑ, ΣΥΓΓΡΑΜΑΤΑ. Dionysii Halicarnassei Scripta quae extant, omnia, et historica, et rhetorica. E veterum librorum auctoritate, doctorumque hominum animadversionibus, quamplurimis in locis emendata et interpolata, cum Latina versione ad Graeci exemplaris fidem denuo sic collata et conformata, ut plerisque in locis sit plane nova. Addita fragmenta quaedam, cum Glareani Chronologia, et duplici appendice. Additae etiam Notae, quibus de utriusque textus vel emendatione vel explanatione agitur. Adiecti praeterea duo locupletissimi rerum et verborum Indices; alter Graecus; alter Latinus. Opera et studio Friderici Sylburgii Veterensis, Leipzig 1691 [SB 546] Eberhard, Johann August: Vermuthungen über den Ursprung der heutigen Magie. Ein historischer Versuch. An Herrn Bibliothekar Biester, in: Berlinische Monatsschrift Juli 1787 : Neue vermischte Schriften, Halle 1788 : Allgemeine Geschichte der Philosophie zum Gebrauch academischer Vorlesungen, Halle, 1. Aufl. 1788, 2. verb. Aufl. 1796 [SB 574] : Rezension zu [Christoph Meiners:] Revision der Philosophie, Erster Theil, Göttingen, 1772, in: Anhang zu dem 13.–24. Bande der Allgemeinen Deutschen Bibliothek. Zweite Abtheilung, 1777, S. 1233–1240 Ebert, Theodor: Platon. Phaidon. Übersetzung und Kommentar, Göttingen 2004 (= Platon, Werke I 4) Eichstädt, Heinrich Karl Abraham: s. Ast, Friedrich: De Platonis Phaedro Epigrammata Graeca edidit Denys L. Page, Oxford 1975 Erasmus von Rotterdam: Opera omnia emendatiora et auctiora, ad optimas editiones, praecipue quas ipse Erasmus postremo curavit summa fide exacta, doctorumque virorum notis illustrata. [ed. Johannes Clericus (Le Clerc)], Bd. 1–11, Leiden 1703–1706 (Nachdruck Hildesheim 1961 f.) Erler, Michael: Platon, Basel 2007 (= Die Philosophie der Antike, hrsg. von Hellmut Flashar, Bd. 2/2, in: Grundriss der Geschichte der Philosophie, begründet von Friedrich Ueberweg, völlig neu bearb. Ausgabe, hrsg. von Helmut Holzhey) Ernesti, Johann August: s. Kallimachos Ernesti, Johann Christian Gottlieb: Lexicon technologiae Graecorum rhetoricae. Congessit et animadversionibus illustravit Io. Christ. Theoph. Ernesti, Leipzig 1795 (Nachdruck Hildesheim 1962)
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: Friedrich Schleiermacher und das Platonbild des 19. und 20. Jahrhunderts, in: Jan Rohls (Hrsg.), Protestantismus und deutsche Literatur, Göttingen 2004, S. 125–144 Taylor, John (Johannes): s. Demosthenes; Oratorum Graecorum ... Taylor, Thomas: s. oben Übersetzungen, Englisch Tennemann, Wilhelm Gottlieb: System der Platonischen Philosophie, Bd. 1–4, Leipzig 1792–1795 [SB 2715] : Geschichte der Philosophie, Bd. 1–11, Leipzig 1798–1819 [SB 1968] Theophrastos: Theophrasti Characteres ethici, sive descriptiones morum Graece. Isaacus Casaubonus recensuit, in Latinum sermonem vertit et libro commentario illustravit, [...] Lyon 1592 Tiedemann, Dieterich: Dialogorum Platonis argumenta exposita et illustrata, Zweibrücken 1786 (= Ed.Zweibrücken 12 [Bipontina]) : Geist der spekulativen Philosophie, Bd. 1–6, Marburg 1791–1797 [SB 1998] Timaios von Tauromenion (Timaeus Tauromenitanus): ΤΙΜΑΙΟΥ ΣΟΦΙΣΤΟΥ ΛΕΞΙΚΟΝ ΠΕΡΙ ΤΩΝ ΠΑΡΑ ΠΛΑΤΩΝΙ ΛΕΞΕΩΝ. Timaei Sophistae Lexicon vocum Platonicarum [...] edidit, atque animadversionibus illustravit David Ruhnkenius, 2. Aufl., Leiden 1789 [SB 2002] Valckenaer, Lodewijk Kasper: Diatribe in Euripidis perditorum dramatum reliquias, Leiden 1767 Vieillard-Baron, Jean-Louis: Platonisme et interprétation de Platon a l’époque moderne, Paris 1988 Viger, François: De praecipuis Graecae dictionis idiotismis liber cum animadversionibus Henrici Hoogeveni quibus adiunxit et suas Ioannes Carolus Zeunius, Editio altera auctior et emendatior, Leipzig 1789 [SB 2076] : De praecipuis Graecae dictionis idiotismis liber cum animadversionibus Henrici Hoogeveeni et Ioannis Caroli Zeunii. Edidit et adnotationes addidit Godofredus Hermannus, Leipzig 1802 : De praecipuis Graecae dictionis idiotismis liber. Cum animadversionibus Henrici Hoogeveeni, Ioannis Caroli Zeunii et Godofredi Hermanni, 2. Aufl., Leipzig 1813 [SB 2077] Voß, Johann Heinrich: Platons Vertheidigung Sokrates, mit kritischen Anmerkungen, in: Deutsches Museum Bd. 2, Stück 10–11, Leipzig 1776, S. 859–889, 1009–1025 : Musen Almanach für 1782. Herausgegeben von [Johann Heinrich] Voß und [Leopold Friedrich Günther von] Goeking, Hamburg [1782] : Vermischte Gedichte und prosaische Aufsäze, Frankfurt / Leipzig 1784 : Gedichte, Bd. 1, Hamburg 1785, Bd. 2, Königsberg 1795 : Homers Odüßee, Hamburg 1781 : Homers Werke, Bd. 1–4, Altona 1793 (Bd. 1–2: Homers Ilias; Bd. 3–4: Homers Odyssee) : Homers Werke, Bd. 1–4, 2. Aufl., Königsberg 1802 : Theokritos. Bion und Moschos, Tübingen 1808
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Literaturverzeichnis
: Rezension zu: Homers Werke, 1793 s. Schlegel, August Wilhelm Wachsmuth-Hense: s. Stobaios Warburton, William: The Divine Legation of Moses. Demonstrated on the Principles of a Religious Deist, From the Omission of the Doctrine of a Future State of Reward and Punishment in the Jewish Dispensation. In Six Books. Bd. 1–2, London 1738–1741 (4., erweiterte Aufl., Bd. 1–5, London 1765) : Willhelm Warburtons [...] Göttliche Sendung Mosis, Aus den Grundsätzen der Deisten bewiesen [...] In die Sprache der Deutschen übersetzt, und mit verschiedenen Anmerkungen versehen, von Johann Christian Schmidt [...], Frankfurt und Leipzig 1751 West, Martin L.: s. Iambi et Elegi Graeci Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Nach dem Tode des Verfassers herausgegeben [...] von der kaiserlichen königlichen Akademie der bildenden Künste, 2. Aufl., Wien 1776 : Geschichte der Kunst des Alterthums. Text: Erste Auflage Dresden 1764, Zweite Auflage Wien 1776, hrsg. von Adolf H. Borbein, Thomas W. Gaethgens, Johannes Irmscher und Max Kunze (= Johann Joachim Winckelmann: Schriften und Nachlaß, Bd. 4,1), Mainz 2002 Wolf, Friedrich August: s. Homer Xenophon: Xenophontis Memorabilium Socratis Dictorum Libri IV recensuit, Ernesti, Zeunii et suas annotationes adiecit Io. Gottl. Schneider, Leipzig 1790 [SB 2170] Yunis, Harvey: Plato Phaedrus, Cambridge 2011 Zumpt, Karl Gottlob: s. Quintilian
Personen (mit Werken) und Orte Das Verzeichnis umfaßt sowohl historische als auch mythische Personen- und Ortsnamen. Sofern auf Werke verwiesen ist, erscheinen sie unter dem Namen ihres Autors (anonyme Werke erscheinen unter ‚Anonymus‘). Danach wird die Seitenzahl der Seite angegeben, auf der das Werk genannt und besprochen ist, in Klammern dahinter steht – sofern bestimmbar – die genaue Stelle im Werk, um die es geht. Es sind diejenigen Personen und Orte aufgenommen, die Schleiermacher selbst nennt und bespricht, also in den Einleitungen und Anmerkungen; die Ziffern der Verweise auf diese Seiten sind recte gesetzt. Daneben erscheinen Personen, Werke und Orte, die von Zeitgenossen Schleiermachers (Heindorf, Spalding, Buttmann u. a.) genannt und besprochen werden sowie solche, die im Sachapparat erscheinen; die Ziffern der Verweise auf diese Seiten sind kursiv gesetzt. Personen und Orte, die nur in den Platonischen Dialogen erscheinen und entsprechend von Schleiermacher übersetzt sind, sind nicht verzeichnet. Adelung, Johann Christoph 482 Adonis 403 Adrasteia 217 Adrastos 353 Agathokles 627. — 900 Agathon 569, 573, 593, 622 Aischines (Aeschines) 454 Axiochus 544 (1) In Ctesiphonem 678 (73, 12) Timarchus 455. — 456 (12, 1, 12) Aischylos (Aeschylus) (Tragödiendichter) Agamemnon 377 (V. 160) Aixoneer 1013 Akademiker 42 Akumenos 91 Albinus Eisagoge 34 (Kap. 3–4), 35 (Kap. 3–4)
Alkibiades 569f., 573, 642f., 884, 1011. — 884 Anacharsis 615 (Kap. 25) Anaxagoras 78, 195, 197, 359, 508. — 195, 509, 510 Andokides 571. — 571 (1, 131) In Alcibiadem 571 (13. 15) Anonymus 10 Epigramm 135 (Analecta, ed. Brunck, 1776, Bd. 3, S. 189). — 137 (ebd. = Joh. Geffcken: Griech. Epigramme, Heidelberg 1916, Nr. 36, S. 12f.) Prolegomena in Platonis philosophiam 80 (3, 3f.) Prolegomena zu den griechischen Rhetoren: Rhetores Graeci 377 (Vol. XIV ed Rabe)
1062
Personen (mit Werken) und Orte
Rez.Anon. 93, 101, 103, 137, 145, 159, 187, 233, 261, 275, 311, 317, 363, 385 Anthologia Palatina 319 (7, 153) Antiphon v. Rhamnus 575. — 353 Apellas der Pontiker 137 (FGrHist 266 F 5 Jacoby) Apollodoros (Komödiendichter) Fragmente 650 (PCG II fr. 15 K.-A.) Apollodoros d. Mythograph 593 Bibliothek 650 (1, 2, 4). — 650 (1, 2, 4 = 1, 9 Ed. Wagner) Apollon 133 Ariphron 642f. Aristeides 899. — 894, 899 Aristophanes von Athen (Komödiendichter) 34, 41. — 41 Acharner 91 (V. 887) Amphiaraos 678. — 678 (PCG III/2 fr. 26 K.-A.) Ekklesiazusen 570 (V. 810) Frieden 91 (V. 1008) Frösche 570 (V. 428f.) Thesmophoriazusen 678 (V. 861). — 678 (V. 861) Wespen 91 (V. 506; V. 1142) Wolken 570 (V. 360) Aristophanes von Byzanz (Grammatiker) 34, 41. — 41 Aristoteles 27, 43, 44, 87, 197, 422, 423, 494, 880f. — 546, 994 De anima 195 (I, 2–3). — 197 (I 2–3, 403b–407b; I 3, 407b) Eudemische Ethik 424 (VII 162 B u. C, 165 B), 883 (II 1). — 25 (I 8, 1217b22; II 1, 1218b34), 163 (VII 10, 1152a30), 424 (VII, 1236a33–1236b10; 1239b13ff.), 883 (III 1, 1228a–1230a) Magna Moralia 424 (P. 111 E, 112 C), 873 (I 24). — 424 (II 11, 1209a38f.; 1210a16–19), 883 (I 20, 1190b–1191a) Metaphysik 25 (XIII 1, 1076a28), 27 (I 6, 987a–988a;
I 9, 989a–993a; XIII; XIV), 163 (IV 5, 1015a28) Nikomachische Ethik 424 (P. 59 A u. D; P. 63 B), 883 (II 7; III 9, 11). — 25 (I 13, 1102a26; VI 4, 1140a3), 424 (VIII 1, 1155a27–31; VIII 2, 1155b21ff.; VIII 10, 1159b6–16), 492 (VIII 2, 1155b; VIII 2–3, 1156a; VIII 6, 1157b; VIII 8, 1158b), 882 (I 4, 1095a–b), 883 (II 7, 1107a–b; III 9, 1115a–b; III 11, 1116a–1117a) Physik 195 (VIII, 5. fg). — 25 (IV 10, 217b30), 197 (VIII 5–6, 256a–260a) Politik 25 (III 6, 1278b31; VII 1, 1323a22), 50 (II 5–6, 1264b26–1265a10) Rhetorik 333 (III 13), 339 (III 13). — 87 (I 1, 1354a; II, 1377b ff.), 339 (III 13, 1414b) Ast, Friedrich 11, 12, 78, 86, 215, 247, 961. — XXI, XXXVII– XXXIX, XLII, 10, 11, 15, 21, 25, 63, 65, 78, 83, 84, 86, 93, 95, 113, 117, 159, 165, 187, 195, 197, 199, 203, 205, 215, 217, 225, 245, 247, 257, 277, 279, 319, 321, 323, 325, 337, 353, 361, 363, 379, 387, 395, 428, 579, 597, 645, 667, 771, 791, 815, 829, 851, 853, 880, 961 Athen 39, 77 Athenaios (Athenaeus) 75, 76, 277, 572f., 650 — XXIV, LXXVf. Deipnosophistai 571 (V. P. 218). — 39 (XI, 505f–506a), 75 (XI, 505f–506a), 279 (XII, 516b), 570 (V, 218b–e, 219e–f; XI, 505f–506a), 571 (V, 218b.d–e), 572 (V, 218b–c), 573 (V, 218b.d), 650 (I, 3c–d) Athener 133
Personen (mit Werken) und Orte Babylon 486, 487 Barthélemy, Jean-Jacques 615 Bekker, Immanuel 10, 91, 113, 123, 127, 137, 151, 229, 241, 281, 295, 309, 337, 391, 395, 397, 407, 487, 489, 503, 655, 699, 703, 783, 787, 799, 813, 829, 843, 853, 937, 949. — XL–XLII, 8, 10, 88, 89, 99, 105, 111, 113, 117, 121, 123, 127, 129, 131, 135, 145, 151, 157, 177, 179, 181, 191, 203, 209, 213, 241, 255, 257, 263, 275, 297, 299, 307, 309, 337, 349, 353, 357, 371, 373, 375, 379, 385, 387, 391, 397, 399, 401, 451, 487, 515, 533, 561, 635, 637, 645, 649, 653, 655, 661, 669, 683, 689, 695, 701, 703, 705, 709, 715, 729, 733, 735, 739, 743, 747, 755, 757, 761, 771, 785, 787, 797, 803, 809, 813–815, 823, 833, 837, 839, 847, 849, 853, 907, 911, 933, 939, 945, 951, 957, 975, 1001, 1025, 1033 Boeckh, August 84, 197, 215. — XXXVII, XLII, 10, 15, 16, 50, 63, 84, 91, 93, 95, 137, 143, 153, 159, 187, 191, 195, 197, 211, 213, 215, 265, 275, 319, 321, 345, 353, 363, 407, 509, 619, 649, 829 Böttiger, Karl August 456, 458 Brinkmann, Carl Gustav von 555 Brucker, Jacob 18, 23 Brunck, Richard Franz 951 Buhle, Johann Gottlieb 18, 21, 22, 23, 25, 26, 34, 44, 67, 339, 428 Buttmann, Philipp Karl 766, 778. — XXXIII, LXV, 235, 237, 778, 926, 992 Callimachus s. Kallimachos Casaubonus, Isaac 886. — 476, 886 Chalkedonier 345 Chariten 527
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Cicero De finibus 25 (V, 12), 235/7 (II, 16, 52) De inventione 87 (I, 1) De oratore 785 (II, 86). — 87 (III, 74ff.) De re publica 199 (VI). — 199 (VI, 27f.) Tusculanae disputationes 199 (I, 23). — 199 (I, 23, 53f.) Clemens Alexandrinus Paedagogus 476 (2, 1, 15, 1) Stromata 25 (5, 9) Cornar(ius), Janus 8, 623, 697, 703, 717, 771, 787, 799, 817, 827, 832f., 853, 859, 890, 936f., 950, 952, 1006, 1030. — XXIV, LXVIIIf., 8, 227, 950, 952, 1006, 1012, 1030 Cornelius Nepos Miltiades 724 (4, 3f.) Dacier, André 572. — 572, 580, 779 Damon 900 Dareios (Darius) 486, 487 Delphi 133 Diodor 678 (Bip. Vol. 4 p. 308 = IX 32). — 678 (IX 32) Diogenes Laertios (Laertius) 15, 33, 34, 41, 80, 416f. Vitae Philosophorum Buch I 319 (89) Buch III 15, 33 (35. 38. 56–61), 34 (49–52. 58–62), 35 (49–62), 50 (50f.), 53 (60), 55 (38), 63 (58), 72 (38), 73 (5. 38), 80 (38), 416 (35. 38), 579 (18) Buch IV 42 (1–27) Buch V 42 (86–94), 44 (21–27. 34) Buch VIII 42 (86–91) Buch IX 575 (54). — 43 (37), 569 (50–56), 575 (54. 55f.), 645 (21 fin.) Dionysios von Halikarnassos 76, 80, 81, 82, 86, 151
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Personen (mit Werken) und Orte
Demosthenes 80 (7), 81 (7), 86 (7), 151 (7) Epistula ad Gnaeum Pompeium 80 (2) Lysias 76 (1) Dionysios II. von Syrakus 79 Duker, Karl Andreas 724. — 724 (zu Livius 31, 24, 4) Eberhard, Johann August 36, 37. — 18, 20, 23, 36, 37, 55, 585 Ed.Zweibrücken (Bipontina) (direkt erwähnt) 8, 9, 63 Eichstädt, Heinrich Karl Abraham XXXVI Embser, Johann Valentin 9, 780 Empedokles 508f. Erasmus von Rotterdam Adagia 277 (2, 1, 38) Erato 287 Ernesti, Johann Christian Gottlieb 339 (Lex. Techn. P. 88), 343 (Lex. Techn. P. 234). — 341, 343 Eros 179, 245, 247, 287 Estienne, Henri s. Stephanus Euenus 163 Eumaios 506 Eupolis (Komödiendichter) Die Schmeichler 571f., 574. — 570 (PCG V fr. 174 K.-A.), 571 (PCG V fr. 156 K.-A.), 572 (PCG V fr. 157. 158) Euripides (Tragödiendichter) 181 Helena 181 (1–36) Iphigenie in Aulis 544 (426) Phoenissen 239 (21–22) Eurybatos 678 Eustathios Kommentar zu Dionysios Periegetes 627. — 627 (376) Exter, Friedrich Christian 9, 780 Ficinus, Marsilius 8, 337, 594, 602, 623, 701, 717, 787, 799, 817, 827, 888, 910, 926f., 938, 940, 954, 958, 1032, 1034. —
XLI, 8, 227, 814, 910, 926, 938, 940, 954, 958, 1032–1034 Fischer, Johann Friedrich 544 Frommann, Karl Friedrich Ernst XV–XXVII, XLV Fülleborn, Georg Gustav 197 Galen 25 (5, 313) De placitis Hippocratis et Platonis 368 (9, 5, 20) Ganymedes 265 Geddes, Jakob 36. — 23, 24, 36 Gorgias v. Leontinoi 69, 301, 337, 353, 357, 509. — 78, 87, 509 Peri physeos (Von der Natur) 508. — 510 (B 1–5: Bd. 2, S. 279–284 ed. Diels-Kranz) Grou, Jean-Nicolas 593, 643, 655, 724, 775, 779, 783, 787, 789, 817. — 7, 643, 655, 724, 775, 779, 783, 787, 789, 817 Hand, Ferdinand Gotthelf 10 Harpokration 680. — 680 (263 ed. Keaney) Heindorf, Ludwig Friedrich 9, 89, 119, 127, 143, 151, 191, 201, 227, 237, 241, 245, 277, 297, 313, 571, 609, 623, 627, 636, 654f., 682, 695, 703, 714, 770, 783, 785, 791, 793, 798f., 818, 841, 853, 886, 904, 928f., 949, 966, 1027. — XVII, XIX, XXIX–XXXVI, XXXVII, XL, LVIII, LXV, 8, 9, 15, 19, 81, 88, 91, 111, 113, 115, 119, 127, 133, 135, 143, 163, 169, 181, 187, 191, 205, 215, 227, 235, 239, 245, 247, 251, 257, 261, 263, 267, 277, 279, 293, 295, 297, 299, 301, 315, 319, 321, 325, 329, 337, 345, 347, 353, 363, 377, 387, 393, 395, 407, 411, 436, 456, 496, 506, 510, 522, 532, 534, 544, 546, 548, 571, 637, 645, 653f., 664, 667, 669, 671, 701, 703, 705, 709, 712,
Personen (mit Werken) und Orte 715, 724, 733, 743, 756f., 761, 771, 783, 785, 787, 791, 797, 809, 813f., 823, 833, 837, 849, 853, 859, 918, 924, 926 Helena (Helene) 181 Hellenen 187, 189 Hemsterhuys, Frans 628, 724. — 297, 724 Heraklit 508, 509. — 510 (fr. 22, Bd. 1, S. 139–190, bes. B 51: S. 162 Diels-Kranz) Herkules 444 Hermann, Gottfried 778, 787, 791, 793, 829. — XXXVIII, 78, 829 Hermeias (Hermias) 201 In Platonis Phaedrum 63, 65, 201, 221, 339 Hermes 589 Herodikos 95 Herodot Historien 486 (3, 160), 605 (1, 291) Hesiod Theogonie 650f. (V. 385). — 650 (V. 385) Werke und Tage 520 (V. 25), 521 (V. 25), 749 (V. 289). — 521 (V. 25), 749 (V. 289f.) Heusde, Philipp Willem van 654f. — 654 Heyne, Christian Gottlob 83, 650, 740, 752, 756, 764, 768f., 771, 774f., 777, 779, 781, 787. — XXIV, LXIX, 215, 650, 752, 756, 764, 768f., 775, 777, 780f., 787, 970 Hieron I. 785. — 785 Hipparete 570 Hippias 509, 569, 572, 578, 730 Hippokrates 78, 593, 605, 611 Hippolytos Refutatio omnium Heresium 25 (1, 2, 4) Hipponikos 570f., 573f. — LXXV Hippothales 427, 450, 454, 455. — 432, 438, 451
1065
Homer 181, 506, 509, 970. — 509 Hymnen 84 (2, 278–280), 265 (5, 202–217) Ilias Buch III 293 (V. 65) Buch V 968 (V. 223), 970 (V. 272) Buch VIII 317 (V. 281), 969 (V. 107). — 968f. (V. 107), 970 (V. 108) Buch X 801 (V. 224f.). — 801 (V. 224f.) Buch XXI 744f. (V. 308) Buch XXIV 589 (V. 347) Odyssee Buch V 329 (V. 193). — 329 (V. 193) Buch VII 329 (V. 38). — 329 (V. 38) Buch IX 782 (V. 366) Buch X 589 (V. 279) Buch XI 618 (V. 571f.; V. 581f.; V. 600f.), 619 (V. 582; V. 600). — 619 (V. 581) Buch XVII 509 (V. 218), 1035 (V. 347). — 506 (V. 217), 508 (V. 218), 1034 (V. 347; V. 352) Buch XIX 724 (V. 564f.) Homeride 247 Horaz De arte poetica 64 (V. 1ff.) Iamblich De communi mathematica scientia 25 (18 = S. 63, 3 Festa) Ikkos von Tarent 627 Isarchos 572 Isokrates 76, 77 Jupiter
s. Zeus
Kallias 569–571, 574 Kallimachos (Callimachus) Hymnus I (in Iovem) 650f. (67). — 650 (67)
1066
Personen (mit Werken) und Orte
Kalliope 287 Kant, Immanuel 656 Kekrops 446 Kleinias 643 Kleobulos 587 Epigramm 321 Kleuker, Johann Friedrich 7, 147, 227, 279 Korax 377 Korinth 135 Kritias 569 Ktesippos 444, 454, 455 Kypselos 135 Laches 880–883. — 572, 882 Lamachos 1011 Leibniz, Gottfried Wilhelm 656 Ligurien, Ligyer 143. — 143 Likymnios (Lykimnios) 339 Lipsius, Justus 724. — 724 Ludewig, Friedrich August XXXVI, XXXVIII, 10, 191 Lukian Anacharsis 235/7 (37, 24) Hermotimos 287 (70, 31) Vitarum auctio 25 (Kap. 26) Lysias 64, 69, 74, 75, 76, 77, 78, 81, 82, 91, 123, 357, 880f. Reden (allg.) 426, 427 Gegen Eratosthenes 76 (Nr. XII) Lysimachos 882f., 894. — 882, 894 Manutius, Aldus (Aldina) 8, 63 Meiners, Christoph 18, 26, 30, 38 Melantheus 506 Melesias 882f. — 882 Ménage, Gilles 575 Menexenos 457 Merkel, Garlieb 780. — 782 Midas 319 Mikkos 430, 434 Mitylene 780 Mitylener 795 Moiris (Moeris) 900 Morychia 91 Morychos 91
Muretus, Marcus Antonius 526 Musen 81, 82, 143, 287. — 143 Nestor 301, 351 Neuplatoniker 26 Nikeratos 1029 Nikias 876f., 880–885, 1011. — 882, 908 Nymphen 155 Odysseus 353, 506 Olearius 586 Olympia 135. — 251 Olympiodoros 80 Vita Platonica 80 (§ 3) Olympion / Olympeion 91 Oporinus, Johannes 8, 63 Ops 287 Palamedes, eleatisch 301 Panops 430 Paralos 569, 573 Parmenides 83, 84, 195, 215, 645. — 215 Peri physeos 83 (V. 1 ff.) Pausanias Graeciae Descriptio 758. — 143 (1, 30, 3), 758 (10, 24, 1) Peiraieus (Piräus) 91 Perikles 78, 353, 359, 569, 573, 642. — 900 Phaidros (Phädros) 75, 76, 175 Pherekrates (Komödiendichter) Die Wilden 571, 573f. — 571 (PCG VII, S. 106–115) Phidias 251 Philolaos 84, 215. — 217 (Testimonium A 16 ed. Diels-Kranz) Philostratos Vit. Soph. 586 (I, 494). — XXIV, LXXV, 586 (I, 494) Photios Lexicon 137 (ε 1280 Theodorides) Phrynondas 678 Pindar 86 Fragmente 138 (Fr. 105, 1 Snell-Maehler) Paian IX 86 (1–10. 13–21)
Personen (mit Werken) und Orte Pittakos 587 Platon (Querverweise) Alkibiades I 627. — 59, 627 (118c), 643 (104b; 124b) Alkibiades II 496. — 59, 496 (147c–d) Apologie d. Sokrates 59, 899 (32b; 33e) Athenaios 75, 277 Briefe s. Platon, Siebter Brief Charmides 58, 78, 89, 819 (154d). — XXXIV, 57, 78 (155e; 156d–157c), 89, 205 (155d), 819 (154d) Demodokos 41 Epigramme 41 Erastai 43. — 43, 59 Eryxias 41 Euthydemos 58. — 57 Euthyphron 57 Gorgias 58, 667 (512d). — 57, 111 (p. 155 ed. Bip.; 518e), 233 (493a), 407 (425e), 407 (452e), 944 (514a–e) Halkyon 41 Hipparchos 43. — 43, 59 Hippias maior 59, 297 (295a), 450 (283b; 290e) Hippias minor 59 Horoi 41 Ion 253. — 59, 67, 253 (534a) Kleitophon 34, 41. — 41, 53, 59 Kratylos 359. — 57, 359 (401b), 377 (400e) Kritias 35, 45, 53, 54. — 57 Kriton 59 Laches 58, 155 (179b, 194a), 627 (180d). — LXXVIII– LXXXI, 627 (180d), 876 (192a–193d; 194c–195b; 195e; 196d; 198c–199c), 878 (188c–189b; 199c–200a), 880 (200a–b; 201b), 881 (188b; 200a–b; 201b), 884 (181a–b; 183c–184a) Lysis 33, 89, 880f. — LXIII– LXVIII, 48, 57, 422 (213d–
1067
214e; 217c–218a; 220b–222b), 426 (204e–206c; 219b–223b), 450 (222e), 656 (217b) Menexenos 59 Menon 58, 575. — 57, 575 (91e) Minos 43, 59 Nomoi 39, 53, 58, 195, 627 (8, 839e). — 29 (10, 891a), 45, 57, 181 (3, 700b; 7, 801d), 197 (10, 887c–899d), 450 (7,820a), 627 (8, 839e) Parmenides 45, 55, 58, 301. — XXV, 39, 57 Peri aretes 41 Peri dikaiou 41 Phaidon 45, 58, 175. — XXV, 29 (88e), 39, 57, 593 (59b) Phaidros (Phädros) 29, 33, 45, 55, 58, 87 (245d; 246b; 247c; 249b; 270d; 271a; 274b–278e; 276d–e) 195, 416–423, 426f., 581–585, 587, 884f. — XLIII–LXIII, 29 (273d–279b), 30 (274b–279c, bes. 275de; 276d; 277d–278b), 39, 49 (274b–279c), 57, 63 (227a–257b), 64 (227a–279c), 65 (262c–d), 66 (265c–273d), 67 (266d–273d), 68 (237b–241d; 243d–257b; 270a–272d), 69 (230e–234c), 71 (275a; 279b), 74 (237b–241d; 243e–257b; 262c–264e; 265c; 266d–268a; 275c–277a), 76 (257b; 278e–279a), 77 (257b; 278e–279b), 78 (270a–c; 274b ff.; 274c–275b), 81 (237c–241b), 82 (237a; 238e–241e), 83 (243e–257b), 84 (246a; 247c; 248a; 249c; 250b–250d; 251a), 85 (247b–c; 248d–e; 252c–253c), 86 (248d–e), 87 (261a; 265c–266d), 171 (238d), 422 (252c–253c), 426 (230e–234c), 687 (234c), 884 (276d)
1068
Personen (mit Werken) und Orte
Philebos 58 Politeia 34, 45, 53, 54, 55, 127 (571a), 137 (544b). — 57, 67 (2–3, 376e–398b; 10, 595a– 608b), 127 (9, 571a), 181 (3, bes. 386a–395b; 10, 595a– 608b), 205 (4, 438d–441c), 450 (8, 565d) Politikos 35, 45, 53, 58. — 57, 387 (257b) Protagoras 45, 55, 58, 75, 95, 127 (329d), 434, 874–883. — LXVIII–LXXVIII, 29 (341d), 39, 57, 75 (315c), 95 (316e), 343 (320c–322d), 450 (344c; 345a), 570 (311a), 572 (309d; 314b; 317c; 318a–c; 361d–e), 573 (309a ff.; 315d–e), 574 (311a; 315d), 575 (317c; 314b), 576 (310a–314c), 577 (316a–317c; 317e–333d), 578 (333d–347a), 579 (348c ff.; 349d–360e), 581 (316a–317e; 320c–323a; 338e–347a), 583 (316a–317e; 328d–334c; 348c–360c; 360e–362a), 584 (358a–360e), 585 (319a–322d; 328d ff.; 348c ff.; 351b–353b; 356c–357c; 359a–360e), 874 (348c–353b; 356c–357c; 359a–360c; 360e–362a), 875 (350c), 876 (348c–360c), 878 (348c–362a), 880 (328e–329b; 334c–338e; 347a–348c), 882 (319b), 986 (349e–350a) Siebter Brief 79. — 29 (341a–344d), 78 (342a–344d) Sisyphos 41 Sophistes 35, 45, 53, 54, 58. — 57, 949 (264e/265a) Symposion 174, 418–420, 424. — 39, 57, 75 (178a–180b), 593 (172a; 173a; 173d–e) Timaios 35, 45, 53, 54, 194. — 57, 127 (19a), 197 (34b ff.) Theages 59 Theaitetos 45, 58, 586. — 39, 57
Plutarch 76, 211, 643, 884f., 1011. — 297 Alkibiades 643 (1, 2), 884 (18, 1), 1011 (18, 2; 21, 9) Amatorius 147 (II 746d), 149 (II 746d) Aristeides 899 (1, 1) De esu carnium 1029 (II 998b). — 76 (II 998b) Nikias 1011 (12, 5; 15, 1) Numa 558 (1, 2) Perikles 890 (158b), 899 (158b). — 570 (24, 8), 899 (11, 1) Platonicae quaestiones 210 (V 1004c) Quaestiones convivaliae 147 (IX 746d), 267 (I 618d) Solon 951 (96e). — 951 (31, 7, 96e) Vitae decem oratorum 76 (III 835c–e) Polemarchos 76, 77, 1029 Polos 337, 339. — 509 Polybios Historiae 734 (5, 26, 10) Porphyrius Vita Pyth. 25 (§§ 13, 20, 37, 42, 57) Poteidaia 574 Potter, John 454f. — 458 Prodikos 569, 578, 730. — 900 Proklos 215 Theologia Platonica 215 (Buch 4 passim, bes. Kap. 5–18) Protagoras 343, 569, 572, 574f., 880f. Pteros 247 Pythagoras 84, 195, 197. — 195, 197 Pythagoreer 25, 84, 197, 205, 381 Pythagorische Fabeln 197 Pythodoros 575 Pythokleides 627 Quintilian 343 Institutiones Oratoriae 672f. (1, 1, 27; 5, 14, 31). — 87 (1, 9ff.), 321 (4, 2, 128)
Personen (mit Werken) und Orte Rambach, Johann Jacob 454f. — 458 Reimer, Georg Andreas XXV, XXVII, 10, 15, 141, 571 Reiske, Johann Jakob 776. — 456, 776 Ruhnken, David XXIV, 1012; s. auch Scholiast (Ruhnkenius) Schaefer, Gottfried Heinrich 356 Schelling, Caroline XX Schlegel, August Wilhelm 153, 303. — XXXI, XXXIV, 153, 704 Schlegel, Friedrich XV–XXVII, XXIX, XLIV, 15, 21, 23, 32, 55, 57, 78, 88, 89, 96, 102, 104, 128, 129, 131, 148, 174, 176, 177, 186, 187, 205, 226, 230, 231, 244, 247, 302, 316, 317, 374, 375, 382, 383, 394, 395, 428, 580, 586, 880 Kritik des Plato (Dissertatio critica de Platone) XX-XXIII, XXVI Schmidt, Erich XX Schneider, Johann Gottlob 333, 470, 471, 672, 766. — 333, 470, 900 Scholiast (Ruhnkenius) 137, 143, 169, 337, 339. — XXIV, LIX, LXXV, 135, 137, 143, 169, 301, 337, 339, 341 Scholiast (Siebenkees, Siebenkäs) 221, 339, 343. — XXIV, LVIIIf., LXXV, 221, 339, 343, 345 Scholion in Platonis Phaedrum 80 (zu 227a) Schweighaeuser, Johannes Animadversiones in Athenaei Deipnosophistas post Isaacum Casaubonum 571 (3, 239) Serranus 35, 41. — 227 Sextus Empiricus 509 Adversus Mathematicos 510 (Bd. 7, 65–87) Sieben Weisen, die 587
1069
Siebenkees, Johann Philipp s. auch Scholiast (Siebenkees, Siebenkäs) Simmias 175 Simonides 587, 738ff., 769, 771, 785, 787, 790, 791. — LXIX, 587 (PMG 581 Page), 785 Sizilien 78 Skopas II. 785. — 785 Sokrates 33, 39, 44, 70, 72, 73, 74, 75, 77, 416f. Sokratische Schule 81, 353 Solon 497, 570 Fragmente 951 (fr. 18 West) Sophisten 69, 74, 884f. Sophokles (Tragödiendichter) Oedipus Coloneus 356 (V. 1350) Spalding, Georg Ludwig 9, 761, 770. — XXVIII–XXXVI, XL, LVII, LXIV, LXV, LXXIVf., 9, 15, 37, 79, 97, 101, 111, 115, 155, 163, 187, 191, 235, 237, 239, 245, 251, 257, 295, 297, 299, 321, 347, 363, 387, 395, 407, 411, 416, 420, 422, 424, 426 Quintilian, Inst. Orat. 673 (ad 1, 1, 27; 5, 14, 31). — 672 Spalding, Karl August Wilhelm 438 Stephanus (Henri Estienne) 8, 9, 297, 430, 672, 695, 710, 724, 728, 736, 754, 780, 827, 832, 838, 950, 998. — 8, 63, 558, 664, 724, 914 Thesaurus Graecae Linguae 826. — 922 (Bd. 3, Sp. 833–850) Stesichoros Palinodie 181. — 181 (PMGF fr. 192 Davies) Stesilaos 884f. — 884, 918, 922 Stobaios (Stobaeus) Eclogae 217 (22, 1d Wachsmuth-Hense), 248 (9, 11 Wachsmuth-Hense)
1070
Personen (mit Werken) und Orte
Stolberg, Friedrich Leopold Graf zu 209, 337. — 7, 147, 209, 227, 277, 329 Suda (Suida, Suidas) 169, 277, 359, 430, 679, 734. — 133 (χ 560 Adler), 169 (ο 719 Adler), 277 (γ 316 Adler), 359 (ε 1155 Adler; ρ 287 Adler; τ 262 Adler), 430 (π 208 Adler), 680 (ε 3718; φ 770 Adler), 734 (ρ 3 Adler), 806 (μ 904 Adler) Süvern, Johann Wilhelm 10 Taylor, John (Taylor, Johannes) 458 zum Aeschines in Ctesiph. Ed. Reiske 678, 679 (p. 529). — 81, 678 (p. 527–530) Taylor, Thomas 81 Tennemann, Wilhelm Gottlieb 78, 79, 227, 399. — 18, 19, 20, 23, 27, 28, 30, 33, 38, 40, 41, 67, 79, 84, 175, 195, 227, 399 System der platonischen Philosophie 16, 38, 87 — XXIV, LVIII Teukros 317 Theodoros 333, 353 Theognis 527, 767. — 527 (V. 17 West) Theokrit 143, 785 (XVI 36f.) Adoniazousai 393 (V. 113) Idyllion 143 (22, 221) Theramenes 1029 Thrasyllos 33, 41. — 41, 53 Thrasymachos 345, 371 Thukydides 890, 899. — 574 (II, 70; III, 91), 575 (VIII, 63–72), 899 Thurier 76 Tiedemann, Dieterich 85. — 18, 20, 23, 25, 26, 27, 38, 85
Tisias 357, 377 Troja 181 Tyrtaios 353 (fr. 12, 8 West) Ulrich, Johann August XXIII, XLIII Urania 287 Uranos 287
XIX–
Valkenaer, Lodewijk Kasper 197. — 195, 239 Vigerus, Franziskus 778 Voß, Johann Heinrich 293, 329, 393, 704, 899, 969. — XXXII, 293, 317, 328, 329, 393, 508, 618f., 704, 744, 801, 899, 969, 1034f. Vulcanius 650 Warburton, William 24 Wesseling, Peter zum Diodor 678f. Winckelmann, Johann Joachim 756 Wolf, Friedrich August 780. — XLI, 618, 780, 970 Wyttenbach, Daniel 655. — 297, 654 Xanthippos 569, 573 Xenophon 766 Memorabilien 767 (I, 2, 20) Zenobius 277 (II, 92), 806 (V, 18) Zenon v. Elea 301 Zeus / Jupiter 135, 265, 650, 655. — 251 Zopyrus 486, 487 Zweibrücken s. Ed.Zweibrücken
Sachen Der folgende Sachindex verzeichnet Gegenstände und Begriffe, die einerseits von Schleiermacher selbst in seinen Einleitungen und Anmerkungen genannt und besprochen werden; auf diese wird mit recte gesetzten Seitenzahlen verwiesen. Andererseits werden Gegenstände und Begriffe verzeichnet, die in Stellungnahmen von Zeitgenossen (Heindorf, Spalding, Buttmann u. a.) oder im Sachapparat besprochen werden; auf diese wird mit kursiv gesetzten Seitenzahlen verwiesen. Wörter und Begriffe in Schleiermachers Übersetzungen der PlatonDialoge sind nicht verzeichnet. Abmessen des Angenehmen 874f. des Unangenehmen 876f. Adonisgärtchen 393 Ägyptische Erzählung 78 Ahndung erste 56 des Ganzen 79 Ähnlichkeit 422f. Alexandrinische Sprachforscher 34 Allegorie 85 Alter 882f. Anachronismen / Anachronismus 39, 75 Anekdoten 16 Anfang 201 Ankündigung des Platon durch F. Schlegel XVI f. Anordnung der platonischen Werke 33–34, 45, 51, 52, 54f., 58, 80. — XVII f., XLII Anordnung philosophischer Werke 34 Anschauung 583 Anspielung 175, 241, 265 Anzeige des Platon durch F. Schleiermacher XXVIII–XXX Anziehungskraft des Homogenen / Gleichartigen 508f. Äolische Form 780, 795
Archonten 133 Athenaeum XVI Athenische Feste 33 Athenische Gesetze 27 Attizismus 764 Augenschmerz 267 Äußere Begebenheiten 40 Äußeres (des plat. Werkes) 38, 49, 71 Außerhimmlischer Ort 85 s. auch: Ort Aussprüche 16 Bakchantinnen 253 Begehrungsvermögen 147, 149 Begierde 147 Begreifen (vgl. Wortspiel) 227 Beharrlichkeit 876f. Beiwörter 82 Besonnenheit 577 Bia 650 Bia und Kratos 651 Böse, das / Übel 422f., 584, 656. — 530 Buchstabenspiel 187 Chen / Chenä 758. — 759 Delische Schlacht 570. — 570 Demos 446
1072
Sachen
Dialektik 30, 56, 66–68, 71, 73, 77, 420f., 584 Dialektische Einteilungen 34 Dialektische Erläuterung 422f. Dialektischer Verkehr 50 Dialektische Wendungen 583 Dialoge darstellend 34f., 54f., 56 konstruktiv 56 skeptisch 34 sokratisch 31 unterrichtend 34–35 untersuchend 34–35 Dialogische Behandlung 21 Dialogische Form 23, 30 Dialogische Formeln 47 Dichtkunst 69, 71 episch 181 lyrisch 181 Dichtung 86 Direkte, das 58 Dithyramben 81–82 Dramatische, das 428f. Dramatische Form 33, 49 Dreistigkeit 874–877 Echtheit der platonischen Schriften 40ff., 45, 49–52, 58 der Lysiasrede im Phaidros 81 des Laches 880 Eingang 50 Eingeistung 71. — 191 Einsicht 577 Einteilung der Philosophie in Disziplinen 21 Elementaruntersuchungen 54 Empirie 66, 73 Endzweck 18–19, 37 sittlicher 583 s. auch: Zweck Entwicklung der Philosophie 38 Epideiktisch / Epideixis 73f., 82 Epigrammatische Antworten 16 Erde und Feuer 645 Erinnerung an die schon geläufigen Gedanken 30 Erkenntnis 585
des Guten 878f. Eros / erotisch 74, 80, 245, 247 Erotische Reden 427 Esoterisches und Exoterisches 24–27, 32, 87 Exoterisch 37, 197 Ethik 53, 56 Etymologische Erklärung 241 Ewige, das 69, 85 Exzerpte XXIV, LVIII f., LXVIII f., LXXV f. Fantasie 86 Feind 493 Fleisch einkochen 476 Flügel 209, 245 Form 48 platonische 48 sophistische 581 Form und Inhalt 28, 51 Freund 493f., 497 Freundschaft 422–425, 492, 494, 508f. Frömmigkeit 577, 1022 Ganze, das 28f., 48, 50, 52f. Gefieder 209, 211 Geist 195 Gelegenheitsschriften 48, 52 Gerechtigkeit 577 Geschichte der Philosophie 18 Geschichtliche Beziehungen 418f. Gesetz der Adrasteia 221 Gesetzgebung 277 Gesinnung 147 Gespräch 29 Gesprochene Rede 30 Glosse 948f. — 609, 782f. Glosseme 44 Gold 411 Gott 251 Götter 381 Gottheit 195 Gute, das 422f., 584f., 882f. Habiltation F. Schlegels Handeln 58
XIX–XXIII
Sachen Haplographie 604 Hauptwerk 58 Heiligkeit 1022 Heimchen (/ Zikaden) 285 Heraklitische Schule 585 Hermaien (Hermäen) 454f. — 456, 458 Hermaion 458 Herrschaft der 400 575 Himmel 215 Historische Andeutungen 40, 75 Historische Spuren 39, 55 Homoiomerien 508. — 510 Hörer des Inneren 32 Hymne 377 Idee 53, 56, 69, 71, 581 des Guten 53, 58 Erzeugung 50, 55 Ideenlehre 585 Individualisierung 49 Inneres (des plat. Werkes) 71 Innere Betrachtung der platonischen Werke 40 Innere Entwicklung 38 Ironie 33, 287, 359, 580 Jugend 882f. des Platon 78 Jugendlichkeit 73 Jüngling 80 Karier 945 Klasse / Rangordnung erste 45, 47, 55, 57 zweite 51, 57 Klugheit 874–877 Knabenfest 454f. Kommentieren, das 581 Komposition 47–48, 50f., 66, 68, 73 Konstruktion 56 Konstruktive Darstellung der Idee des Guten 58 Konstruktiver Teil der platonischen Werke 56 kosmographische Vorstellungen 83 Kratos 650
1073
Kunst 32, 50, 66–68, 86, 894 Kunstwörter 339, 343 Künstler 48, 67, 86 philosophischer 71, 584 Künstlichkeit 57 langhalsiges Geschlecht 143 Leben 17 Lebensbeschreibung 15, 16 Lebensklugheit 68 Lebensweisheit der Lakedaimonier und Kreter 578 Leib 201 Lenäen 571 Liebe 63, 70f., 83, 179, 235, 255, 420f. Liebesreden 64 Liebe und Streit 510 Lust 579, 876–879 Machwerk 16 malum (frz. mal) s. Böse / Übel Mauer 432 Meinung 147 Melodie 82 Mensch Beruf 85 Charakter 85 Messen, das 579 Messkunst 876f., 879 Mess- und Rechenkunst 585 Methode 31, 38–40, 49, 65, 72f. dialektische 58, 578 dialogische 880f. sokratische 30 sophistische 30, 582 undialektische 68 Milch und Honig 253 Mimische, das 428f. Mimische Beschaffenheit 49 Mitteilung philosophische 49 fragmentarische 21 systematische 20 des Ethischen 582 Münchner Akademie 11
1074
Sachen
Mündliche Belehrungen 27, 29, 30, 49 Musik 900 Mysterien 84, 197 Mythen des Platon 36, 55 Mythos 83, 84, 87, 287, 343, 420f., 585f. mythisch 422f. Naturgesetz 221 Natürliche Folge 49 Natürlicher Zusammenhang 29 Naturwissenschaftliche Kenntnisse 26 Nebenbeglaubigung 333 Nebenwerke 58 Nichtschreiben 79 Nichtverstehen der platonischen Werke 22, 28 Nichtwissen 31 Nützliche, das 426f. Objektive wissenschaftliche Darstellung 53 Olympische Kampfgänge 269 Optativ 826 Ort außerhimmlischer 85 überhimmlischer 215. — 83 Palaistra 454f. — 456 Palinodie 181 Paradigmatische, das 65 Peloponnesischer Krieg 572 Periode 82 Perlenschnur 37 Pferde 83 Phantasie 69 Philosophischer Künstler 19, 29 Philosophischer Trieb 72 Physik 56, 58 Platane 101 Polemik epideiktische 33 Politik 53 Polytheismus 26 Potidaia 564 Praxis 56
Preisaufgabe 11. — (der Denkschriften der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu München) 11 Prinzipien 54–56 Promotion F. Schlegels XXII Prosa 82 Pythagoreische Bücher 197 Pythagorisches Philosophem 84 Rangordnung s. Klasse Rede 68, 383 Prunkrede 69 Redekunst 64, 66f., 69, 87. — 129 Redensart s. Sprichwort Reihe von platonischen Gesprächen 32–33. — 39 chronologische 38 natürliche 32–33, 38 pädagogische 37 polemische 37 Reisen 17 Rezensionen XXXVI–XL, 10, 15 Rhythmus 82 Richtigsprechen 343 Sammlung von Worten 337 Satyrikon 33 Scherbe (Kinderspiel) 169 Scherz 65 scherzhaft 377 Schmutztitel 3 Schöne, das 63, 69–71 Schreiben 29, 74, 78f. Schrift 49, 383, 884f. Schriftliche Belehrung 30 Schriftliche Mitteilung der Gedanken 29 Schriftliche Nachahmung 31 Schriftstellerei 277 Schwäne 143 Seegeschmack 183 Seele 31, 63, 68, 69, 84, 195, 197, 201, 205, 207, 211, 215, 581 des Hörenden 30 des Lesers 29, 50 Seelenwanderungslehre 197
Sachen Segelstange 922 Selbstdenken, das 583 Selbsttätigkeit 30 selbsttätig nachgebildet 29 Sichelspieß / Sichelspeer 884f. — 922 Sieben Weise 605 Silbenmaß 245 Sinn für den inneren Zusammenhang 31 Sinnlichkeit 69 Sittlichkeit 882f. Sophisten 570, 575, 605 sophistisch 66, 69, 577 Spiel 71 Sprache 46–51 Stil 48 Sprichwort 137, 169, 277, 526f., 679, 945, 949 Staatskunst 71 Staatsmänner 277 Statue 251 Subjekt 49 Süßer Ellebogen 279 System der platonischen Philosophie 38, 45 Syzygien 35 Tanagraier 574 Tapferkeit 579, 809, 874–879, 882f. Täuschung 66 Tauwerk 922 Tetralogien 33 Theorie 56, 68 Theosophisch 26 Thrakisches Blatt 78 Titel XVI f., XXIV, 5 Titelblatt 3 Tonkunst im Krieg 143 Töpfer 520f. Tragische Dichter 33 Transzendentalphilosophie 197 Trieb 87, 147, 149 Trilogien 34 Tugend 53, 578–580, 582f., 585, 878f. des Bürgers 37, 577
1075 Einheit der 878f. Lehrbarkeit von 53
Übel s. Böse Überarbeitung 39 Überhimmlisch(er Aufenthalt der Seele) 197 s. auch: Ort Überschriften platonischer Dialoge 44, 63 Übersetzung Grundsätze 7 in neue Sprachen 7 Unendliches 69 Unlust 579, 876f. Unmitteilbarkeit der Philosophie 79 Unsterblichkeit 199 Urteil 149 über den Platon 22 Vater der Reden 299 Verstehen des Platon 28 Verzeichnis 41 Wahrheit 66 Wahrsagekunst 876f. Wahrsagekunst / Wahnsagekunst (vgl. Wortspiel) 187 Weberlade 471 Weberstuhl 470f. Wechselwirkung mit dem Lernenden 29 Weißsagen / Wißsagen 189 Werden und Sein 747 Wettstreit 448 Wiedererinnerung 84 Wiederholung (rhet.) 339 Wissen 56, 58, 878f. Wissenschaft 55, 68, 585 Wohlklang 339 Wollen 147 Wortspiel 233, 287 Begreifen / Zusammenfassen 227 Leibe – Liebe 153 Wahn- / Wahrsagekunst 187
1076 Würde und Zuversichtlichkeit des Erfolgs 359 Zeit des Gesprächs 39 Zensur XXII, XXXI Zerstörung 508f. Zeus-Statue 251 Zuneigung 492, 494 Zunft 898f. — 946 Zusammenfassen (vgl. Wortspiel) 227
Sachen Zusammenhang 40, 49, 52 indirekter 57 Zusammensetzung seiner Schriften 20 Zweck seiner Philosophie 36, 51f., 55 s. auch: Endzweck Zweckbegriff 68 Zwischentitel 3
Griechische Wörter Verzeichnet sind diejenigen Wörter, die als solche besprochen werden. Bei Wörtern, die in Schleiermachers eigenem Text, d. h. seinen Einleitungen oder seinen Anmerkungen vorkommen, sind die Seitenzahlen recte gesetzt. Bei Wörtern, die in Bemerkungen von Zeitgenossen (Heindorf, Spalding, Buttmann u. a.) oder im Sachapparat besprochen werden, sind die Seitenzahlen kursiv gesetzt. ἄγαλμα 251 ἄγνοια 534f. ἀγωνία 932 ἀδολέσχαι 359 ἁλμυρός 183 ἀρχή 87, 201, 542 ἀρχηγέτης τοῦ δήμου 446 ἀστράγαλος 460 ἄφορος 1032f. γέρας 742, 752 γλυκὺς ἀγκών 277 γραμματεῖον 672 γυμνάσιον 886, 932 δεινός 235, 237, 606 δῆμος 898f. διακοσμεῖν 197 διαφέρειν 462 δίηξε 544 διπλασιολογία 339 δίφρος 650 δόξα 147 δοξαστόν 197 δουλεύειν 245 δρόμος 91 δύναμις 688, 804, 854 ἐγγύτατος λόγος 948f. εἰδέναι 536 εἴωθε 548f. ἔκφορος 1032f. ἔμμετρον 245 ἐνεψομένων κρεῶν 476
ἐνίοτε 548f. ἐπαρθῆναι 113 ἔπη ἀπόθετα 247 ἐπιστήμη 605 ἐπιφανής 926f. Ἑρμαῖα 454f. ἔρως 153, 247 ἔστιν ὅπως 516 εὐέπεια 339, 343 εὑρίσκω 257 εὐσέβεια 1022 ἔφηβος 454f. ἐχθρός 492–494 ἑψόμενον 476 ζῷον
201
θρασύς 926 θρέμματα γενναῖα 299 ἰδέα 147 ἰέναι, μέρος, ῥεῖν ἵμερος 241
241
καλόν 851 κεραμεύς 520 κερκίς 470f. κοσμεῖν 197 κρονικώτερα 444 κυριολεξία 343 λίγεια
143
μανική
187
1078
Griechische Wörter
μαντική 187 μέγα λέγειν 297 μεγαλοπρεπέστερον 522 μετεωρολόγοι 359 μνημονεύειν 808 μουσεῖα λόγων 337 μουσικός 143, 181 νενικηκώς 448 νέος 454f. νοητόν 197 νυμφόληπτος 155 ξυμβουλή 297 ξυναιρεῖσθαι 227 ξυνιέναι 87, 227 οἴησις, νοῦς, ἱστορία 187, 189 οἰωνιστική 187, 189 ὁλκάς 922 ὅμοιος 514f. ὀρθοέπεια 343 ὁσιότης 1022 οὐ — καὶ statt οὐ — οὐδὲ 235 παιδοσπορεῖν 239 παιδοτριβή 464 παῖς 454f. Πάνοπος κρήνη 430 παράψογος 333 περίβολον 432 ποιητής 509 πολλάκις 155 πολυειδές 87 πρῶτον φίλον 542 πτερόφοιτος 247
πτεροφύτωρ 247 πτέρως 247 πῶς 968 ῥαβδοῦχος 734 ῥητορικός 295 ῥώμη 153 σκέμμα 816 σκεῦος 922 σκέψις 816 σοφία 605 σοφιστής 605 σοφός 605 σπάθη 470f. συγγράμματα 508 συγγραφεύς 508f. συγκείμενος 558 σύλλογος 407 σώφρων 411 τελεσιουργικόν 359 τῇ für τινί 205 τῷ für τινί 205 ὑβριστικόν 245 ὑψηλόνουν 359 φιλία 263 φίλος 492–494, 496. — 542 φύλη 899 χρήσιμος
514
ψευδής 539 ψυχή 195, 207, 211
Schleiermachers eigene Konjekturen zum griechischen Platon-Text Das Verzeichnis bietet ausschließlich originäre, d. h. eigene Konjekturen Schleiermachers zum griechischen Platon-Text. Dazu gehören neben Vorschlägen zu elementaren Änderungen im Wortlaut auch Athetesen oder signifikante Veränderungen der Zeichensetzung. Spezielle Lesungen Schleiermachers unter Rückgriff auf die Vorschläge anderer Gelehrter sind nicht aufgenommen. Diese sind (neben den originären Konjekturen) nur im Apparat zur griechischen Textvorlage an den jeweiligen Stellen genannt (Spalte 1). Phaidros 232a 232d 238c 246d 249c 260e 261b 265c 267c 268b 276c 277b 277d 277e 278c
112 116 150 210 228 298 300 324 336 348 394 398 402 402 406
Lysis 209d 211e 212b 214e 215b 217e
476 486 488 514 518 532
219c 219c 219d 221d
542 542 548 558
358b 358b 358c
Protagoras 310d 596 313a 608 315b 618 315e 622 320a 642 325b 666 331b 694 331d 698 331e 700 334a 714 346a 784 346b 786 351d 816 353d 826 354c 832 355d 838 356a 840 356b 842
Laches 179a 179a 180d 181a 184b 184c 184d 186b 187e 190b 190e 192a 192e 193b 194d 199e 201a
850 852 852 890 890 900 904 926 928 930 940 948 962 966 976 982 984 994 1024 1032
Abbildungen Abb. 1:
Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (ABBAW): NL F. Schleiermacher, Nr. 154/1, Bl. 5r (Phaidros: SN 154/1, f. 5r) S. LXXXII Abb. 2: Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (ABBAW): NL F. Schleiermacher, Nr. 154/1, Bl. 5v (Phaidros: SN 154/1, f. 5v) S. LXXXIII Abb. 3: Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (ABBAW): NL F. Schleiermacher, Nr. 155/1, Bl. 6v (Lysis: SN 155/1, f. 6v) S. LXXXIV Abb. 4a–c: Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (ABBAW): NL F. Schleiermacher, Nr. 156/2, Bl. 1r.1v.2r (Notizen zum Simonides im Protagoras: SN 156/2, f. 1r .1v.2r) S. LXXXV Abb. 5a–b: Platons Werke von F. Schleiermacher, Schmutztitel der 1. Auflage (Ex. UB Kiel, Theologische Institute Sign. Lc 7.1804.1): Fehldruck und Neudruck S. 2 Abb. 6a–b: Platons Werke von F. Schleiermacher, Titelblätter der 1. Auflage (Ex. UB Kiel, Theologische Institute Sign. Lc 7.1804.1) und der 2. Auflage (Privatexemplar) S. 4 Abb. 7/8: Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (ABBAW): NL F. Schleiermacher, Nr. 158/1, Bl. 1r.2r (Laches: SN 158/1, f. 1r.2r) S. 872/873